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Full text of "Albrecht Dürer"

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ALBRECHT  DÜRER 


ALBRECHT  DÜRER 


VON 


ANTON  SPRINGER 


MIT  TAFELN  UND  ILLUSTRATIONEN  IM  TEX  T 


BERLIN 

G.  GROTE'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 

1892 


Druck  von  Fischer  &  Wittig  in  Leipzig. 


SEINER  MAJESTÄT 

DEM 

KÖNIG  ALBERT 

VON 

SACHSEN 


IN  TIEFSTER  EHRFURCHT  ZUGEEIGNET 


I. 

Was  macht  einen  Künstler  gross  ?  Ist  es  allein  eine  stattliche 
Reihe  vollendeter  Werke,  welche  durch  ihre  Formenschönheit  auch 
dann  noch  das  Auge  erfreuen  und  die  Phantasie  gefangen  nehmen, 
nachdem  ihr  Inhalt  gleichgültig  geworden  ist  oder  doch  nicht  mehr 
unmittelbar  frisch  zum  Herzen  dringt  ?  Die  Vollkommenheit  der 
Darstellung  durchbricht  die  Schranken ,  welche  die  Zeit  sonst  der 
vollen  Wirkung  einer  künstlerischen  That  entgegenzustellen  pflegt. 
Ihr  danken  die  berühmten  Schöpfungen  der  hellenischen  Kunst  und 
dann  wieder  zahlreiche  Werke  italienischer  Meister  aus  dem  sech- 
zehnten Jahrhundert  ihre  dauernde  Mustergeltung. 

Mit  solchem  Massstabe  gemessen  wird  Albrecht  Dürer,  den  wir 
als  unsern  grössten  Künstler  preisen,  gar  manchen  Ruhmestitel  ein- 
büssen.  Selbst  feurige  Verehrer  schütteln  zuweilen  bedenklich  den 
Kopf  über  Dürers  Gestalten,  welche  ,, Menschen  und  Grillen  zugleich 
unser  gesundes  Gehirn  zerrütten."  Sie  klagen ,  dass  Dürer  ,,sich 
nie  zur  Idee  des  Ebenmasses  der  Schönheit  erheben  konnte,"  und 
bekennen,  dass  seinem  ,, unvergleichlichen  Talente  eine  trübe  Form 
und  bodenlose  Phantasie  geschadet  hat." 

I 


2 

Kein  Geringerer  als  Goethe  sprach  so  harten  Tadel  aus.  Aber 

Goethe ,  dessen  Gedanken  in  der  Jugend  wie  im  Alter  gern  bei 

,    Dürer  weilten,  fand  auch  goldene  Worte  des  Lobes.  Er  beugt  sich 

vor  der  Gewissenhaftigkeit  des  alten  Meisters.    Die  Welt ,  welche 

Albrecht  Dürer  sah,  erscheint  ihm  bedeutend  durch 

Ihr  festes  Leben  und  Männlichkeit, 
Ihre  innere  Kraft  und  Ständigkeit. 

Der  ,, treffliche  Mann,"  daraufläuft  das  Urteil  hinaus,  kann  durch- 
gängig nur  aus  sich  selbst  erklärt  werden.  So  lenkt  uns  Goethe 
auf  den  richtigen  Pfad  zurück  und  giebt  uns  den  wahren  Massstab 
in  die  Hand,  Dürers  Natur  und  künstlerische  Stellung  zu  begreifen. 

Gross  ist  der  Künstler  zu  nennen ,  welcher  die  überlieferten 
Gedankenkreise  eines  Volkes ,  die  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
vererbten  Empfindungen  in  vollendete  Formen  kleidet ,  durch  den 
reinen  Hauch  der  Schönheit  verklärt.  Aber  nicht  minder  gross  ist 
auch  der  andere  Künstler,  welcher  mit  dem  Einsätze  seiner  ganzen 
Persönlichkeit  vorwärts  strebt  und,  wenn  die  Volksseele  von  einer 
neuen  Strömung  erfasst  wird,  dieser  aufmerksam  folgt,  sie  in  seine 
Phantasie  aufnimmt  und  ihr  einen  künstlerischen  Ausdruck  verleiht. 
Der  eine  steht  am  Ende,  der  andere  am  Anfange  einer  Entwickelungs- 
reihe.  Zu  welcher  Gruppe  Dürer  gehört,  darüber  kann  kein  Zweifel 
herrschen.  Er  selbst  hat  wiederholt  stetiges  Arbeiten ,  ununter- 
brochenes Streben  als  seine  Lebensaufgabe  bekannt  und  in  seinen 
Werken  die  feste  Absicht ,  den  klaren  Willen ,  die  Kunst  in  neue 
Bahnen  zu  lenken,  bekundet. 

Bei  keinem  Künstler  unseres  Stammes,  bei  wenigen  Künstlern 
jenseits  der  Alpen  tritt  die  Persönlichkeit  so  stark  in  den  Vorder- 
grund, wie  bei  Dürer.  Was  denkt  er.^^  Was  will  er.?  Das  ist  die 
Frage ,  welche  bei  der  Betrachtung  seiner  Werke  am  häufigsten 
über  die  Lippen  kommt.  Gewiss  besitzen  Dürers  Zeichnungen, 
Stiche  ,  Schnitte  und  Gemälde  mannigfache  selbständige  Reize  und 
sprechen  für  sich.  Dürer  wäre  ja  kein  echter  Künstler  gewesen, 
wenn  ihm  die  formale  Schönheit  gleichgültig  geblieben  wäre.  Ihre 
grösste  Anziehungskraft  gewinnen  seine  Werke  aber  doch  dadurch, 
dass  regelmässig  hinter  ihnen  die  Gestalt  des  Mannes ,  welcher  sie 
geschaffen  hat,  hell  emportaucht  und  unsern  Blick  gefangen  nimmt. 
Wir  lesen  in  ihnen  wie  in  einem  Spiegel,  was  in  Dürers  Seele  vor- 
geht, und  empfangen  von  ihnen  vorwiegend  persönliche  Eindrücke. 
Dürers  Leben  war  ein  fortwährendes  Ringen  und  Kämpfen ,  ein 
ununterbrochenes  Vorwärtsschreiten.  Als  Denkmale  des  Kampfes,  als 


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+ 

sprechende  Zeugnisse  der  Entwickelung  treten  uns  seine  Schöpfungen 
in  erster  Linie  entgegen.  AUtäghch  machen  wir  die  Erfahrung,  dass 
die  Bekanntschaft  mit  Dürer  anfangs  Enttäuschungen  bereitet.  Vor 
allem,  wer  von  der  italienischen  Kunst  herkommt,  findet  in  Dürers 
Werken  fremdartige,  seltsame  Züge,  welche  er  nicht  gleich  versteht, 
noch  weniger  in  ihrer  Notwendigkeit  begreift.  Erst  wenn  an  die 
Stelle  der  Betrachtung  vereinzelter  Bilder  der  zusammenfassende 
Überblick  seiner  ganzen  Thätigkeit  tritt,  wird  die  eigentümliche 
Natur  Dürers ,  ihr  Reichtum  und  ihre  Grösse  kund.  Dann  erst 
entdeckt  man  die  schier  unerschöpfliche  Erfindungskraft,  die  wunder- 
bare Gabe,  dem  einzelnen  Gedanken  oder  Vorgang  bei  seiner  Wieder- 
holung immer  neue  Seiten  abzugewinnen,  die  eindringliche  Charak- 
teristik, die  gesteigerte  Lebendigkeit  der  Gestalten.  Alle  vorzüglichen 
Eigenschaften  der  Werke  strahlen  auf  den  Künstler  zurück. 

Bleibt  auch  der  Kern  der  künstlerischen  Thätigkeit  sich  überall 
gleich,  so  erscheint  doch  die  Neigung  des  Künstlers  bald  mehr  der 
vollkommenen  Durchbildung  der  Form  zugewandt,  bald  stärker  auf 
die  scharfe  Ausprägung  der  Gedanken  gerichtet.  Hier  wird  das 
Reich  des  Wissens  gestreift ,  dort  die  Macht  des  Könnens  erprobt. 
In  dem  einen  Fall  ergreift  den  Betrachter  die  Tiefe  der  Empfindung, 
die  Kraft  des  Ausdrucks,  und  liegt  die  Wirkung  besonders  in  der 
Erfindung  und  Zeichnung;  im  andern  Fall  fesselt  die  reine  Schönheit, 
die  edle  Erhabenheit  der  Komposition  und  wird  der  Eindruck  des 
Ganzen  durch  die  freie  Herrschaft  über  die  technischen  Mittel  be- 
dingt. Ob  die  eine  oder  die  andere  Neigung  in  der  Thätigkeit  des 
Künstlers  vorwiegt,  hängt  zunächst  und  zumeist  von  seiner  Natur, 
seiner  Anlage  und  Geistesrichtung  ab.  Doch  übt  auch  der  Boden, 
auf  welchem  er  steht,  die  Umgebung,  in  welcher  er  sich  bewegt, 
gewichtigen  Einfluss.  Selbst  der  eigenwilligste  Künstler  lehnt  sich 
am  Beginn  seiner  Laufbahn  an  die  Überlieferung  an,  liegt  im  Bann 
der  herrschenden  Sitte  und  der  empfangenen  Lehren.  Ohne  Kenntnis 
der  Voraussetzungen,  unter  welchen  er  arbeitet,  bleibt  sein  Wirken 
unverständlich.  Und  so  muss  auch  der  Erzählung  von  Dürers  Leben 
und  Schaffen  die  Schilderung,  wie  es  unmittelbar  vor  seinem  Auf- 
treten mit  der  deutschen  Kunst  bestellt  war,  vorangehen. 

Nach  alter  Gewohnheit  fassen  wir  eine  jede  grössere  Periode 
unserer  Geschichte  zu  einer  geschlossenen  Einheit  zusammen,  heben 
in  jeder  ein  Jahrhundert  heraus,  in  welchem  die  Ideale  des  ganzen 
Weltalters  erreicht ,  in  vollkommener  Weise  verkörpert  werden. 
Dieses  Jahrhundert  giebt  uns  den  Massstab  zur  Abschätzung  der 

I  * 


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anderen  Abschnitte  des  Weltalters  in  die  Hand.  Wir  denken  an 
eine  Blüte,  welche  langsam  ansetzt  und  dann  wieder  allmählich  ver- 
welkt. So  umspannen  wir  die  erste  Hälfte  unseres  Jahrtausends 
mit  dem  gemeinsamen  Namen  des  Mittelalters.  Das  dreizehnte 
Jahrhundert  gilt  als  die  Zeit  der  Blüte ,  während  insbesondere  das 
fünfzehnte  Jahrhundert  den  Verfall  der  mittelalterlichen  Bildung 
offenbart. 

Auch  im  Kreise  der  künstlerischen  Entwickelung.  Und  in  der 
That ,  wer  wird  nicht  willig  den  grossen  Domen  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  den  Preis  vor  allen  Bauten  der  nächstfolgenden  Jahr- 
hunderte zugestehen,  wer  nicht  offen  bekennen,  dass  auch  die  Werke 
der  älteren  Plastik,  namentlich  in  der  Wiedergabe  der  feinen  Gestalten 
einen  gewissen  Schönheitssinn  bekunden,  welchen  die  Schöpfungen 
des  jüngeren  Künstlergeschlechtes  nur  zu  häufig  vermissen  lassen  ? 
Demnach  wäre  es  nicht  nur  ungerecht,  sondern  auch  falsch,  wollte 
man  unbedingt  von  einem  Verfalle  der  Kunst  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert sprechen  und  die  Meinung,  die  spätere  Zeit  habe  einfach 
alte ,  schöne  Muster  verschlechtert  und  verdorben ,  zur  Grundlage 
eines  sachlichen  Urteils  nehmen.  Ein  lebenskräftiges  Volk  verzichtet 
niemals  auf  selbständiges  Schaffen  und  lässt  sich  ausschliesslich  an 
dem  von  den  Vätern  empfangenen  Erbe  genügen.  Es  strebt  viel- 
mehr auf  eigenen  Erwerb  an,  mag  immerhin  dadurch  zunächst  der 
überlieferte  Besitz  gestört  werden.  Sieht  das  Auge  schärfer  zu,  so 
erblickt  es  neben  Spuren  des  Absterbens  auch  die  Keime  neuer 
Bildungen.  Das  fünfzehnte  Jahrhundert  bestätigt  diese  Wahrnehmung. 
Vom  Anfang  bis  zum  Schlüsse  wird  es  von  einer  Doppelströmung 
durchzogen. 

Das  Verständnis  für  die  geheimnisvolle  Erhabenheit  der  gotischen 
Dome  ist  im  Schwinden  begriffen,  der  Eifer  für  ihre  Weiterführung 
und  Vollendung  erlahmt.  Noch  stehen  zu  ihren  Füssen  die  alten 
Bauhütten  aufrecht ;  aber  gerade  diese  sprengen  die  organische  Ver- 
bindung zwischen  den  Schmuckteilen  und  den  konstruktiven  Gliedern 
am  schroffsten  und  verwandeln  jene  in  ein  blosses  Spiel.  Eine 
rege  Bauthätigkeit  hört  deshalb  nicht  auf.  Sie  wird  nur  in  andere 
Landschaften  verpflanzt ,  sie  steigert  sich  sogar  gegen  früher  in 
Städten  und  Dörfern.  Die  Mehrzahl  unserer  alten  Dorfkirchen  dankt 
dem  fünfzehnten  Jahrhundert  das  Dasein.  Die  Baubewegung,  sonst 
von  Fürsten ,  Bischöfen ,  vornehmen  Klöstern  besonders  angeregt, 
dringt  in  die  mittleren  und  unteren  Kreise  vor,  bekundet  dadurch 
einen  Zug  nach  dem  Volkstümlichen.    Der  gleiche  Zug  prägt  sich 


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auch  in  der  vermehrten  Freude  an  reicher  innerer  Ausstattung  der 
Kirchen  aus.  Über  dem  Altar  steigt  ein  stattUcher,  vieheiHger  Schrein 
in  die  Höhe,  geziert  mit  Schilderungen  aus  dem  Leben  Christi  und 
Maria,  im  Inhalt  und  in  der  Auffassung  den  Szenen  verwandt,  welche 
die  öffentlichen  Schauspiele  den  Bürgern  vorführten.  Zierliche  Taber- 
nakelhäuschen ,  reich  geschnitztes  Gestühl  beleben  den  Chor ;  den 
Wänden  treten  zahlreiche  Grabdenkmäler,  lebenswahre  Abbilder 
der  Verstorbenen,  vor;  an  einem  Pfeiler  des  Mittelschiffes  lehnt  die 
Kanzel ,  gegen  die  frühere  Zeit  mächtig  an  Grösse  und  Prunk  ge- 
wachsen. Sie  ordnet  sich  schlecht  der  symmetrischen  Kirchenanlage 
an ,  gewinnt  immer  mehr  ein  selbständiges ,  künstlerisches  Dasein. 
Neben  dem  Altar  fällt  die  Kanzel  am  stärksten  in  die  Augen ,  die 
gesteigerte  Bedeutung  der  Predigt  im  Gottesdienste  versinnlichend. 
Mit  der  Freude  an  reicherer  Einrichtung  des  Kircheninnern  geht 
die  Vorliebe  für  Anfügung  kleinerer  Nebenteile  Hand  in  Hand.  Der 
feste  Zusammenhalt  der  bürgerlichen  Gesellschaft  durch  den  Zunft- 
und  Familienverband  spiegelt  sich  in  der  Stiftung  zahlreicher  Zunft- 
und  Familienkapellen  wieder.  So  schloss  sich  das  kirchliche  Ge- 
bäude dem  bürgerlichen  Leben  enger  an  und  gewann  für  weite 
Volkskreise  einen  traulichen,  anheimelnden  Charakter. 

Bemerkenswert  sind  die  Änderungen  im  Grundrisse  und  kon- 
struktiven Aufbau.  Die  scharfe  Trennung  und  starke  Betonung  des 
Chores  verringern  sich,  durch  den  Wegfall  des  Kreuzschiffes  treten 
Chor  und  Langhaus  einander  näher.  Die  gleich  hohen  Schiffe  (Hallen- 
form), die  schlanken,  weit  abstehenden,  unmittelbar  in  das  Gewölbe 
übergehenden  Pfeiler  verleihen  den  Kirchen  einen  weiträumigen 
Charakter,  führen  dem  Innern  ein  glcichmässiges ,  helles  Licht  zu. 
Die  spätgotischen  Kirchen  machen  vielfach  einen  nüchtern  verstän- 
digen Eindruck,  erscheinen  mehr  von  einem  bedächtig  erwägenden 
Verstand  als  von  einer  hochfliegenden  Phantasie  angeregt.  Die  har- 
\  monische  Durchbildung  des  Ganzen  wird  an  ihnen  oft  schmerzlich 
vermisst.  Während  in  der  Konstruktion  einzelner  Teile,  z.  B.  der 
Pfeiler,  eine  sparsame  Einfachheit  waltet,  andere  Teile,  wie  z.  B. 
die  Türme ,  plump  und  schwerfällig  geformt  sind ,  wird  wieder  an 
anderen ,  wie  an  Portalen ,  Giebeln ,  der  Schmuck  geradezu  ver- 
schwendet. Das  alte  gotische  System  ist  offenbar  aus  den  Fugen 
geraten ,  aber  zwischen  den  Fugen  beginnen  bereits  Keime  einer 
neuen  Kunst  zu  spriessen.  Ein  fremdes  Element  dringt  in  den 
architektonischen  Zierrat  ein.  Mannigfaches  Baum-  und  Astwerk 
steigt  an  den  Mauern  empor,  zu  dem  überlieferten  geometrischen 


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Ornament  gesellen  sich  Blumen ,  Blätter  und  Ranken ,  im  Ranken- 
geflechte treiben  Kinder  ihr  munteres  Spiel.  Naturfreude  und  Natur- 
sinn halten  in  das  Reich  der  dekorativen  Kunst  ihren  Einzug.  Da- 
durch wird  die  Verbindung  mit  den  anderen  Künsten  eingeleitet. 
Denn  auch  in  :der  Malerei  und  Plastik  treten  die  Erscheinungen  des 
Lebens  näher  an  das  Auge  des  Künstlers  heran  und  wird  die  Lust 
an  sinnlich  wahrer,  anschaulicher  Schilderung  der  Dinge  rege.  Liegt 
auch  der  Mehrzahl  der2:Bilder  noch  immer  eine  lehrhafte  Absicht 
zu  Grunde ,  so  überwiegt  doch  die  Erzählungskunst.  Die  heiUgen 
Ereignisse  der  Vorzeit  werden  an  die  Gegenwart  dicht  herangerückt, 
mit  lebenswahren  Zügen  ausgestattet.  Eingeflochtene  Nebenumstände 
erlauben  eine  breitere  Ausmalung  der  Handlung  und  machen  sie 
wahrscheinlicher;  der  stärkere  Ausdruck  der  Empfindung  und  Leiden- 
schaft führt  den  handelnden  Personen  Fleisch  und  Blut  zu. 

Mächtige  Wandlungen  haben  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
in  den  Kreisen  der  Phantasie  vollzogen.  Die  Kraft ,  auch  ganz 
abstrakte  Sprüche  der  Psalmen,  der  Prophetenbücher  und  Apostel- 
briefe sinnlich  greifbar  zu  gestalten ,  war  geschwächt,  die  Kunst, 
das  Alte  und  Neue  Testament  nach  ihren  tieferen  Wechselbeziehungen 
symbolisch  zu  deuten,  beinahe  verschollen.  Für  solche  Darstellungen, 
reich  an  Lehrweisheit  und  wunderbarer  Gedankenverkettung,  wie 
sie  uns  in  Wandgemälden  des  zwölften  Jahrhunderts  entgegentreten, 
fehlte  jetzt  das  unmittelbare  Verständnis  im  Volke.  Auf  die  histo- 
rische Auffassung  erschien  vornehmlich  der  Geist  gerichtet ,  der 
dramatische  Ton  wurde  am  Uebsten  angeschlagen.  Die  gleichlaufende 
Entwicklung  unserer  Poesie  beweist ,  dass  die  Veränderungen  im 
Vorstellungskreise  nicht  zufällig  und  vorübergehend  waren,  sondern 
im  Volksgrunde  wurzeln  und  einem  festen  Gesetze  folgen. 

Rüstig  schritten  die  Künste  an  das  Werk,  die  neuen  Aufgaben 
zu  lösen ;  allen  voran  die  Malerei.  Am'  Anfange  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  stand  sie  gegen  die  Plastik  zurück,  am  Schlüsse  des- 
selben hat  sie  nicht  allein  die  Herzen  des  Volkes  erobert,  sondern 
auch  ihre  besondere  Fähigkeit  im  Dienste  der  herrschenden  Phan- 
tasierichtung dargethan.  Die  steigende  Gunst ,  welche  die  Tafel- 
bilder gewinnen,  deutet  bereits  auf  eine  heimlichere  Bestimmung  der 
Gemälde  hin.  Sie  sollen  in  der  Ruhe  genossen  werden ,  müssen 
dann  aber  auch  eine  sorgfältigere ,  in  allen  Einzelheiten  genauere 
Ausführung  erfahren.  Das  setzt  eine  schärfere  Auffassung  der  Natur 
voraus  und  lässt  das  Ziel  vollkommener  Treue  und  Wahrheit  er- 
kennen.   Als  Bindemittel  der  Farben  wird  immer  ausschliesslicher 


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das  Öl  benutzt,  dessen  Eigenschaften  das  Streben  nach  lebendigem 
Scheine  namhaft  fördern.  Die  längst  bekannte ,  aber  wenig  aus- 
genutzte Ölmalerei  hätte  nicht  im  fünfzehnten  Jahrhundert  so  rasch 
allgemeinste  Verbreitung  gefunden,  wenn  nicht  der  Zug  nach  natur- 
frischer Darstellung  in  der  Phantasie  so  mächtig  geworden  wäre. 
Den  Tafelbildern  stellen  sich  alsbald  noch  andere  technische  Weisen 
mitbewerbend  zur  Seite ,  welche  der  volkstümlichen  Fühlung  der 
Kunst  zum  Durchbruche  verhelfen :  die  Erfindung  des  Holzschnittes 
und  Kupferstiches  wendet  das  Schicksal  der  deutschen  Kunst,  ähn- 
lich ,  wie  die  Erfindung  des  Buchdrucks  auf  den  Gang  der  litte- 
rarischen Bildung  entscheidenden  Einfluss  gew^onnen  hat.  Wenn 
an  einem  Tage  mehr  gedruckt  wurde  ,  als  ehedem  in  einem  Jahre 
geschrieben  werden  konnte,  so  lernte  durch  Holzschnitte  und  Kupfer- 
stiche der  kleine  Mann  auf  dem  Markte  ,  auf  einer  Heiltumsfahrt 
mehr  Bilder  kennen,  als  er  sonst  in  seinem  ganzen  Leben  geschaut 
hatte.  Leselust  und  Bilderfreude  gingen  Hand  in  Hand.  Jetzt  erst 
dringen  bildliche  Darstellungen  in  die  weitesten  Kreise ,  so  dass 
das  Bild  (Brief)  an  der  Wand  zu  dem  gewöhnlichen  Hausrate  ge- 
rechnet wird. 

Die  rasche  und  wohlfeile  Herstellung  der  Blätter  führte  natur- 
gemäss  zu  einer  Vermehrung  der  Bilderkreise.  Alles ,  was  durch 
Linien  und  Striche  versinnlicht  werden  kann,  alles,  was  sich  in  die 
Zeichnung  übertragen  lässt ,  die  ganze  religiöse  und  profane  Welt, 
was  die  Neugierde  lockt  und  die  Seele  erhebt ,  das  Ernsttragische 
und  Derbkomische,  das  Reich  wilder  Leidenschaften  und  stiller  Em- 
pfindungen, wird  nun  dem  Auge  zugeführt.  Der  Wetteifer,  neues 
zu  bringen,  sowie  die  Schranken,  welche  die  Technik  des  Kupfer- 
stiches und  Holzschnittes  der  Wiedergabe  täuschenden  Lebens- 
scheines setzt,  brachten  es  mit  sich,  dass  die  Künstler  den  grössten 
Nachdruck  auf  die  Erfindung  legten.  Auf  doppelte  Art  äusserte 
sich  die  Kraft  und  Lust  zu  erfinden.  Vorstellungen  und  Hand- 
lungen ,  deren  bildliche  Darstellung  bisher  nicht  versucht  worden 
war ,  werden  im  Stiche  und  Schnitte  zum  erstenmale  verkörpert, 
oder  wenn  sie  bereits  bekannt  waren ,  durch  die  veränderte  Kom- 
position in  ein  neues  Gewand  gekleidet.  Weiter  aber  nutzt  der 
Künstler  die  schmiegsame  Natur  des  Zeichenstiftes  und  Stichels 
nach  Kräften  aus  und  setzt  sich  die  grösste  Schärfe  des  Ausdruckes, 
die  feinste  Zusp)itzung  des  Charakters  der  einzelnen  Gestalten  zum 
Ziele.  So  kommt  der  Formensinn,  wenn  auch  in  anderer  Art,  als 
in  der  Ölmalerei,  gleichfalls  zur  vollen  Geltung. 


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So  reich  und  so  kühn  gegen  neue  Ziele  vordringend  sich  die 
deutsche  Kunst  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  dem  Auge  auch  dar- 
stellt ,  so  bietet  sie  doch  kein  Bild  der  Reife  oder  wohl  gar  der 
Vollendung.  Sie  bleibt  vielfach  noch  in  den  Anfängen  stecken  und 
kann  innere  Widersprüche  nicht  völlig  überwinden.  Die  überlieferten 
Anschauungen  und  Formen  sind  in  diesem  Zeitalter  der  Gärung 
und  des  Kampfes  erschüttert  worden  und  in  Schwanken  geraten, 
die  neue  Kunstweise  entbehrt  noch  des  festen  Grundes.  Was  noch 
zugelernt  und  viel  weiter  entwickelt  werden  musste ,  das  w^ar  in 
erster  Linie  das  Masshalten ,  die  Harmonie.  Sie  fehlt  den  Bau- 
werken ,  an  welchen  die  Glieder  und  Teile  nicht  in  rechtem  Ein- 
klänge stehen,  Üppigkeit  und  nüchterne  Strenge  sich  mischen.  Sie 
wird  noch  stärker  in  den  Bildwerken  vermisst.  Die  Freude  an 
wahrheitsgemässer  Schilderung  verleitet  zur  breiten  Ausmalung  roher 
Leidenschaften ,  zur  Übertreibung  des  Ausdruckes  und  der  Em- 
pfindungen. Die  wüsten  Gesellen  der  Fastnachtsspiele,  die  Teufels- 
fratzen der  Mysterien  leben  auch  im  Kreise  der  bildenden  Künste. 
Der  Natursinn  ferner  beherrscht  noch  nicht  die  ganze  Phantasie. 
Während  für  die  einen  Gestalten  die  überUeferten  Typen  gelten, 
fusst  die  Wiedergabe  anderer  schon  auf  scharfer  Naturbeobachtung. 
Frauenbilder,  wie  z.  B.  die  .Madonna,  dann  das  Christkind  gehen 
noch  selten  auf  ein  eindringliches  Naturstudium  zurück.  Das  letztere 
selbst  wird  auf  die  genauere  Kenntnis  der  Geberdensprache  be- 
schränkt ,  den  richtigen  Verhältnissen ,  den  schönen  Formen  der 
Körper  geringere  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Wie  die  Anordnung 
und  Gruppierung  der  Figuren  zwar  meistens  klar  und  deutlich,  aber 
selten  fein  und  frei  ist,  so  erscheinen  die  einzelnen  Gestalten  wohl 
lebendig  im  Ausdrucke ,  aber  gar  häufig  schlecht  proportioniert. 
Selbst  bei  tüchtigen  Meistern,  wie  Adam  Kraft  und  Michael  Wohl- 
gemuth,  stösst  man  auf  kurze  Beine  und  lange  Oberleiber,  bald  zu 
grosse,  bald  zu  kleine  Köpfe,  starke  Hände  und  Füsse,  aber  magere, 
schwächliche  Arme  und  Beine.  Dass  die  Gewänder  bei  der  Haltung 
und  Bewegung  der  handelnden  Personen  mitsprechen  sollen,  bleibt 
gleichfalls  vielen  Künstlern  unverständlich. 

Um  die  Kunst  weiter  zu  führen,  that  ein  Mann  not,  welcher  bei 
klarer  Einsicht  in  die  vorhandenen  Schwächen  die  Abhilfe  als  seine 
persönliche  Sache  erfasst ,  den  Widerstreit  der  Richtungen  in  sich 
selbst  tapfer  bekämpft  und  seine  ganze  Kraft  für  den  Sieg  der 
neuen  Kunstweise  einsetzt.  Ein  Mann  that  not ,  dessen  immer 
reger  Natursinn  auch  das  Kleinste  und  Feinste  in  der  äusseren  Welt 


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achtet ,  dessen  Wahrheitsliebe  das  künstlerische  Gewissen  schärft, 
der  aber  über  der  Fülle  der  Erscheinungen  nicht  die  festen  Regeln 
der  harmonisch  schaffenden  Natur  vergisst,  in  ihrer  Erkenntnis  und 
Ergründung  sein  Lebensziel  findet.  Ein  Mann  that  endlich  not, 
dessen  Phantasie  so  reich  mit  künstlerischen  Gedanken  gesättigt 
ist,  dass  die  zeichnenden  Künste,  insbesondere  der  Holzschnitt  und 
der  Kupferstich ,  welche  die  erfinderische  Kraft  geradezu  heraus- 
fordern, jetzt  erst  zu  ihrem  vollen  Rechte  gelangen. 

Dieser  Mann  war  Albrecht  Dürer.  Die  Erzählung  von 
seinem  Leben  deckt  sich  mit  der  Geschichte  unserer  Kunst  in 
einer  schicksalschweren  Zeit. 


II. 

Die  Nachrichten  über  Dürer  fliessen 
reich  genug,  jedenfalls  viel  reichlicher 
als  über  die  anderen  deutschen  Künst- 
ler seiner  Zeit.  Dürer  selbst  hat  am 
Abend  seines  Lebens  (1524)  nach  Auf- 
zeichnungen des  Vaters  eine  kurze 
Familienchronik  zusammengestellt  und 
in  einem  leider  nur  in  wenigen  Bruch- 
stücken erhaltenen  Buche"  wichtigere 
Ereignisse  aus  seinem  Leben  verzeich- 
net. Es  liegen  ferner  Briefe  und  ein 
Reisetagebuch  von  ihm  vor.  Ausser- 
dem wissen  die  Landsleute  mancherlei 
von  ihm  zu  erzählen.  Er  war  allmäh- 
lich ein  berühmter  Mann  geworden, 
lebte  im  Munde  der  Menschen  und 
wurde  von  den  besten  und  hervor- 
ragendsten Zeitgenossen  oft  und  laut 
gepriesen.  Freilich  belehren  uns  diese  Quellen  zumeist  nur  über 
Dürers  äussere  Verhältnisse.  Diese  aber  waren  einfacher  Art. 
Abgesehen  von  seiner  Wanderschaft,  welche  ihn  vier  Jahre  (1490 
bis  1494)  von  der  Heimat  fern  hielt,  hat  er  nur  zwei  grössere 
Reisen  unternommen.  Die  eine,  vom  Winter  1505  bis  zum  Früh- 
linge 1507,  führte  ihn  nach  Venedig,  die  andere  (Juli  1520  bis 
Juli  1521)  nach  den  Niederlanden.  Die  übrige  Zeit  verbrachte  er 
still  und  ruhig  bei  der  Arbeit.  Zum  Glücke  besitzen  wir  ausser 
den  Nachrichten  über  den  äusseren  Lebenslauf  auch  eine  genauere 


1 1 

Kunde  über  seine  Grundsätze ,  Anschauungen  und  künstlerischen 
Ziele,  doppelt  wertvoll  bei  einem  Manne,  dessen  Seelenleben  sich 
so  reich  und  tief  gestaltet  hatte. 

Solange  Dürer  lebte ,  arbeitete  er  unablässig  an  seiner  Aus- 
bildung. Konnte  er  die  Vollkommenheit  nicht  erreichen,  so  wollte 
er  ihr  doch  näher  kommen.  Von  jedem  Werke  legte  er  sich  strenge 
Rechenschaft  ab ;  er  bereitete  es  nicht  allein  sorgfältig  vor,  sondern 
unterwarf  es  auch  nach  seiner  Vollendung  einer  genauen  Prüfung. 
Er  verglich  es  mit  älteren  Schöpfungen ,  schritt ,  wenn  ihm  die 
Lösung  der  Aufgabe  nicht  zusagte  oder  neue  Seiten  sich  darboten, 
zu  ihrer  Wiederholung.  Die  gewonnene  Einsicht  fasste  er  gern  in 
allgemeinen  Sätzen  und  Regeln  zusammen  und  legte  sie  schriftlich 
nieder ,  auch  zu  Nutz  und  Frommen  des  jüngeren  Geschlechts. 
Denn  Dürer  fühlte  in  sich  den  Beruf  eines  Reformators.  Was  er 
mühsam,  durch  Selbsterfahrung,  erlernt  und  gewonnen  hatte,  sollten 
die  Kunstgenossen  als  sicheren  Leitfaden  besitzen.  Viele  Jahre 
lang  beschäftigte  sich  Dürer  mit  der  Erforschung  der  Regeln,  welche 
der  Künstler  seiner  Formensprache  zu  Grunde  legen  soll.  Als  er 
starb,  hatte  er  erst  zwei  Schriften :  die  ,, Unterweisung  der  Messung 
mit  dem  Zirkel  und  Richtscheit  in  Linien ,  Ebenen  und  ganzen 
Körpern"  und  den  ,, Unterricht  zur  Befestigung  der  Städte,  Schlösser 
und  Flecken"  in  Druck  herausgegeben  und  eine  dritte ,  seine  be- 
deutendste Schrift:  ,,Die  vier  Bücher  menschlicher  Proportion"  für 
den  Druck  erst  vorbereitet.  Ein  noch  umfassenderes  Werk:  ,, Speise 
für  Malerknaben"  blieb  in  den  Anfängen  stecken.  Nur  einzelne 
Gedanken  und  flüchtig  hingeworfene  Ansätze  haben  sich  handschrift- 
lich erhalten.  Alle  diese  Schriften  gehen  von  selbsterworbener  Er- 
fahrung und  Uberzeugung  aus  und  schlagen  häufig  einen  persön- 
lichen Ton  an.  Sie  sind  daher  eine  unschätzbare  Quelle ,  um 
Dürers  Natur  und  inneres  Wesen  vollkommen  zu  begreifen  und 
werden  mit  Recht  als  Selbstbekenntnisse  aufgefasst. 

Dürers  Geschlecht  wurzelt  in  Ungarn.  Hier,  in  einem  bei  Gross- 
wardein  gelegenen  Dörfchen,  Lytas,  nährten  sich  seine  Altvordern 
von  der  Viehzucht.  Der  Grossvater,  Anton  Dürer,  übersiedelte  nach 
dem  benachbarten  Marktflecken  Gyüla ,  wo  er  das  Goldschmied- 
handwerk trieb  und  ihm  1427  ein  Sohn,  Albrecht,  der  Vater  unseres 
Dürer,  geboren  wurde.  Ob  in  den  Adern  des  Dürergeschlechtes 
magyarisches  Blut  floss ,  wie  zuweilen  behauptet  wird ,  lässt  sich 
nicht  sicherstellen.  Dass  Albrecht  der  Ältere ,  welcher  gleichfalls 
Goldschmied  war ,  als  junger  Geselle  nach  Deutschland  und  den 


12 


Niederlanden  wanderte ,  um  hier  sein  Glück  zu  versuchen ,  macht 
die  deutsche  Abstammung  wahrscheinlich,  setzt  jedenfalls  die  Kennt- 
nis deutscher  Sitte  und  Sprache  voraus.  Die  Wanderlust  und  der 
Handwerkstrieb  waren  ohnehin  unter  den  Deutschen  heimischer  als 
unter  den  Magyaren.  Am  3.  Juli  1455,  gerade  Philipp  Pirk- 
heimer  auf  der  Burg  Hochzeit  hielt  und  unter  der  grossen  Linde 
ein  grosser  Tanz  war ,  durchschritt  Albrecht  Türer ,  wie  er  sich 
schrieb,  das  Thor  in  Nürnberg.  In  der  Werkstätte  des  Goldschmieds 
Hieronymus  Holper  fand  er  Beschäftigung,  in  dessen  Hause  später 
die  Braut.  Nachdem  er  zwölf  Jahre  als  Geselle  gedient  hatte, 
heiratete  er  1467  des  Meisters  fünfzehnjähriges  Töchterlein  Barbara 
und  trat  in  die  Goldschmiedzunft  ein.  Kindersegen  und  Kinder- 
sterblichkeit kehrten ,  wie  es  damals  gewöhnlich  war ,  in  gleichem 
Masse  in  Dürers  Haus  ein.  Von  achtzehn  Kindern,  welche  ihm  die 
Hausfrau  in  fünfunddreissigjähriger  Ehe  schenkte ,  erreichten  nur 
drei  ein  hohes  Alter. 

Proben  seiner  Kunstfertigkeit  als  Goldschmied  besitzen  wir 
nicht  mehr;  ein  einziger  Brief,  von  Linz,  24.  August  1492  an  seine 
,, liebe  Barbara"  gerichtet,  bleibt,  von  der  Schilderung,  welche  der 
Sohn  vom  Vater  entwarf,  abgesehen,  die  einzige  uns  erhaltene 
Urkunde.  Handelsgeschäfte  scheinen  die  Reise  veranlasst  zu  haben. 
Er  schreibt ,  dass  ,,sein  gnädiger  Herr"  nach  ihm  in  die  Herberge 
geschickt  habe,  und  er  ihm  ,,die  Bilder"  (doch  wohl  nicht  gemalte 
Tafeln ,  sondern  getriebene  oder  gravierte  Goldschmiedarbeiten) 
habe  aufbinden  müssen ,  welche  Seiner  Gnaden  gar  sehr  gefielen. 
Der  Schluss  des  Briefes  lautet:  ,,Ich  hoffe,  ich  will  gar  bald  bei 
Dir  sein.  Gott  helfe  mir  mit  Liebe  wieder  heim.  Jetzt  nichts  mehr. 
Grüsse  mir  das  Hausgesinde  alle  gar  sehr  und  sprich  zu  den  Ge- 
sellen ,  dass  sie  fleissig  thun ,  ich  will  wieder  in  sie  verdienen  und 
lass  Dir  meine  Kinder  mit  Fleiss  empfohlen  sein  und  sprich ,  dass 
sie  fein  sein." 

Diesem  einfach  biedern  Manne,  dessen  ,,tägHche  Rede",  wie 
der  Sohn  versichert,  ,,zu  den  Kindern  war,  dass  sie  Gott  lieb  haben 
sollten  und  treulich  gegen  ihren  Nächsten  handeln",  wurde  am 
21.  Mai  1471  unser  Albrecht  Dürer  geboren.  Pate  stand  der  be- 
rühmte Buchdrucker  Anton  Koburger. 

Die  Schicksale  in  seiner  frühesten  Jugend  mag  Dürer  selbst 
mit  eigenen  Worten  erzählen.  ,,SonderUch  hatte  mein  Vater  an 
mir  ein  Gefallen ,  denn  er  sah ,  dass  ich  fleissig  in  der  Übung  zu 
lernen  war.    Darum  liess  mich  mein  Vater  in  die  Schule  gehen. 


13 


Und  da  ich  schreiben  und  lesen  gelernt  hatte ,  nahm  er  mich 
wieder  aus  der  Schule  und  lehrte  mich  das  Goldschmiedwerk. 
Und  als  ich  nun  säuberlich  arbeiten  konnte,  trug  mich  meine  Lust 
mehr  zu  der  Malerei  denn  zu  dem  Goldschmiedwerk.  Das  hielt 
ich  meinem  Vater  vor ,  aber  er  war  nicht  wohl  zufrieden ,  denn 
ihn  reuete  die  verlorene  Zeit,  die  ich  mit  Goldschmiedslehre  hatte 
zugebracht.  Doch  Hess  er  es  mir  nach  und  da  man  zählte  nach 
Christi  Geburt  i486  am  S.  Andreastage  (30.  Nov.),  versprach  mich 
mein  Vater  in  die  Lehrjahre  zu  Michael  Wohlgemuth ,  drei  Jahre 
lang  ihm  zu  dienen.  In  der  Zeit  verlieh  mir  Gott  Fleiss,  dass  ich 
wohl  lernte ,  aber  viel  von  seinen  Knechten  leiden  musste.  Und 
da  ich  ausgedient  hatte,  schickte  mich  mein  Vater  hinweg  und  ich 
blieb  vier  Jahre  aussen,  bis  dass  mich  mein  Vater  wieder  forderte. 
Und  als  ich  in  1490  Jahre  hinwegzog  nach  Ostern,  darnach  kam 
ich  wieder,  als  man  zählte  1494  nach  Pfingsten." 

Zwei  Meister,  der  Vater  und  dann  Wohlgemuth,  lenkten  also 
die  ersten  Schritte  Dürers  auf  den  Kunstpfad.  Müssig  erscheint 
die  Frage,  was  Dürer  bei  dem  Vater  gelernt  hat ,  da  wir  von  der 
künstlerischen  Thätigkeit  des  letzteren  nichts  wissen.  Unfruchtbar 
ist  auch  die  Erörterung,  was  Dürer  der  persönlichen  Unterweisung 
durch  Wohlgemuth  oder  dessen  Gesellen  verdanke.  Dass  er  die 
letzteren  mit  den  kurzen ,  harten  Worten  abspeist :  er  hätte  viel 
von  den  Knechten  leiden  müssen ,  spricht  nicht  für  ein  besonders 
inniges  Verhältnis  zu  ihnen  oder  für  eine  dankbare  Anerkennung 
ihrer  Verdienste  um  seine  künstlerische  Erziehung.  Dagegen  be- 
wahrte er  stets  dem  alten  Wohlgemuth  ein  freundliches  Andenken 
und  zeichnete  des  Lehrers  Kopf  noch  einige  Jahre  vor  dessen  Tode 
mit  sichtlicher  Liebe  und  Sorgfalt.  Handwerksmässige  Erziehung, 
wie  sie  in  jener  Zeit  üblich  war,  drängte  die  feineren  persönlichen 
Einflüsse  zurück.  Wohlgemuth  war  auch  nach  den  uns  vorliegen- 
den alten  Zeugnissen  nicht  ein  Mann ,  welcher  sich  über  die 
Kunst  besondere  Gedanken  machte  und  die  Seele  des  Lehrlings  in 
gärende  Unruhe  versetzte.  Das  Beste  ist ,  wir  halten  uns  an  die 
erhaltenen  Kunstproben  aus  Dürers  frühester  Jugend.  Er  war  drei- 
zehn Jahre  alt,  als  er  sich  selbst  vor  einem  Spiegel  mit  dem  Silber- 
stifte konterfeite.  Das  Papierblatt,  in  der  Sammlung  des  Erzherzogs 
Albrecht  in  Wien  (Albertina)  bewahrt ,  zeigt  eine  noch  unsichere 
Hand  und  eine  gewisse ,  durch  die  Schwierigkeit  der  Aufgabe  ge- 
steigerte Befangenheit.  Hand  und  Nase  sind  zu  lang  ausgefallen, 
die  Augen  blicken  starr  und  stumm.   Immerhin  offenbart  sich  schon 


14 

in  diesem  Erstlingsversuche  die  Gabe  scharfer  Beobachtung.  Das 
Charakteristische  des  Dürerkopfes  tritt  deutlich  zu  Tage,  die  feineren 
Porträtzüge,  Mund,  Wangenlinien  werden  schon  genau  festgehalten. 
Ebensowenig  vergisst  er  an  dem  losen ,  weitärmeligen  Rocke  die 
einzelnen  Falten  sorgfältig  und  treu  wiederzugeben.  Ein  Selbst- 
porträt ist  seine  früheste  bekannte  Zeichnung.  Einige  Jahre  später 
hat  er  sich  noch  einmal  mit  der  Feder  auf  einem  vom  Münchener 
Kabinett  jüngst  erworbenen  Blatte  verewigt.  Fröhlich  traben  zwei 
junge  Gesellen  auf  plumpen  Rossen  über  das  Feld.  Der  eine,  ein 
Krauskopf,  erhebt  den  mit  einer  kurzen  Peitsche  bewaffneten  Arm, 
als  wollte  er  das  nahe  Reiseziel  begrüssen.  Der  andere  im  kurzen 
Lendner  hat  mit  seinem  Pferde ,  welches  den  Kopf  zwischen  die 

Beine  stecken  will,  zu  thun.  Langes  Haar  fällt 
zu  beiden  Seiten  des  Kopfes' herab,  eine  weiche 
Mütze  deckt  den  letzteren.  So  flüchtig  die 
Zeichnung  auch  ist,  so  klingen  doch  die  Züge 
unseres  Dürers  deutUch  an.  Man  erinnert  sich 
der  ,, alten  Kappe,"  welche  er  nach  den  Imhof- 
schen  Inventarien  1492  trug  und  meint,  eine 
auf  der  Wanderschaft  rasch  hingeworfene  Skizze 
in  den  Händen  zu  halten.  Nicht  genug  davon. 
Er  hat  sein  Selbstbildnis  auch  in  dem  ältesten 
bisher  nachgewiesenen  Kupferstich ,  in  ein 
Studienblatt  mit  der  Doppeldarstellung  Adams 
und  Evas ,  gleichsam  eingeschmuggelt ,  Adam 
die  eignen  Züge  geliehen.  Mit  dem  Stifte,  der  Feder,  dem  Stichel 
und  dem  Pinsel  hat  er  sich  in  seiner  Jugend  verewigt. 

Als  er  noch  auf  der  Wanderschaft  sich  befand  (1493),  malte 
er  auf  einem  Pergamentblatte  mit  dünner,  fast  schattenloser  Farbe 
sein  Brustbild.  (Bis  jetzt  in  der  Sammlung  Felix  in  Leipzig.)  Er 
ist  nach  der  neuesten  Mode  gekleidet.  Ein  rotes  Mützchen  sitzt 
keck  auf  dem  Kopfe ;  das  Haar,  nicht  von  Natur  gelockt,  hängt  in 
langen  Strähnen  bis  zur  Schulter  herab.  Das  fein  gefältete ,  ver- 
schnürte ,  weitausgeschnittene  Hemd  lässt  Hals  und  einen  Teil  der 
Brust  frei ,  das  Wams  besteht  eigentlich  nur  aus  Schulterstücken 
und  geschlitzten  Ärmeln.  In  der  Rechten  hält  er  eine  Blume ,  die 
sogenannte  Männertreue.  Die  malerische  Ausführung  ist  wohl  sorg- 
sam, die  Zeichnung,  namentlich  der  Hände,  ungleich  sichrer  und 
gewisser.  Fünf  Jahre  später  konterfeite  er  sich  noch  einmal  nach 
dem  Spiegel  (Madrider  Museum).    Die  Haltung  und  die  Tracht  sind 


i 


15 


beinahe  die  gleichen ,  wie  auf  dem  früheren  Bilde ;  nur  ist  Dürer 
männlicher,  der  Bart  stärker,  das  Haar  geringelter  geworden.  Das 


Dürers  Selbstbildnis.     Gemälde  im  Museum  zu  Madrid. 


Porträt  erscheint  nicht  vom  Augenblick  eingegeben ,  sondern  in 
Zeichnung  und  Farbe  bereits  sorgfältiger  vorbereitet.  Auch  in  der 
Behandlung  des  Hintergrundes  —  die  Gestalt  hebt  sich  von  der 
dunkeln  Wand  ab ,  durch  das  Fenster  gewinnt  man  einen  Blick  in 


i6 

das  Freie  —  offenbarte  sich  die  bewusste  Anlehnung  an  gleich- 
zeitige Bildnisse.  Zuerst  befremdet  diese  Vorliebe  für  die  Wieder- 
gabe der  eigenen  Züge.  Aber  so  wenig  wie  bei  Rembrandt ,  mit 
welchem  er  diese  Neigung  teilt ,  liegt  die  Wurzel  in  kleinlicher 
Eitelkeit.  Wohl  durfte  er  stolz  sein  auf  sein  edel  geschnittenes 
regelmässiges  Antlitz ;  wohl  mochte  er  sich  an  seinem  schmucken 
Aussehen  freuen.  Noch  lachte  ihm  die  Zukunft  entgegen ,  noch 
hatte  er  keine  herben  Erfahrungen  gesammelt.  In  Wahrheit  trieb 
ihn  zu  diesen  Selbstporträten  künstlerischer  Eifer.  Wie  Rembrandt 
an  dem  eigenen  Kopfe  malerische  Aufgaben  löste,  den  Zauber  des 
Helldunkels  erlernte ,  ebenso  schärfte  Dürer  in  den  Spiegelbildern 
das  Auge  und  den  Formensinn  und  bemühte  sich  Kopf,  Hände 
und  Gestalt  auf  einem  festen  Grunde  aufzubauen. 

Was  sonst  an  Jugendarbeiten  vorliegt,  zeigt  bald  den  beschei- 
denen Anschluss  an  ältere  Vorbilder ,  bald  den  mutigen  Versuch, 
die  Gestalten  und  Gruppen  dem  unmittelbaren  Leben  zu  entlehnen. 
Die  Federzeichnung  z.  B.  vom  Jahre  1485  im  Berliner  Kupferstich- 
kabinett ,  welche  die  Madonna  mit  dem  Christkind  unter  einem 
Thronhimmel  sitzend  darstellt ,  und  zwei  psaltierenden  Engeln  zur 
Seite,  geht  auf  die  Zeichnung  (oder  den  Stich?)  eines  älteren  Meisters 
zurück.  Die  drei  Landsknechte  dagegen ,  in  eifrigem  Gespräche, 
auf  ihre  langen  Spiesse  sich  stützend ,  begriffen  (Berlin)  oder  der 
Reiterzug ,  welcher  aus  einem  Hohlweg  herauskommt  und  lebhaft 
das  Ziel  der  Reise ,  eine  Stadt  im  Hintergrunde ,  begrüsst  (Bremer 
Kunsthalle) ,  müssen  wir  als  den  Widerschein  wirklicher  Vorgänge 
auffassen.  In  den  unruhigen  Zeitläuften  lenkte  sich  die  Aufmerk- 
samkeit der  Menge  stärker  als  jemals  auf  die  äusseren  Ereignisse 
und  stieg  die  Neugierde ,  zu  erfahren ,  was  in  weiten  Ländern,  bei 
fernen  Völkern  vorgehe.  Türken  und  Landsknechte  wurden  inter- 
essante PersönUchkeiten.  Dank  dem  Holzschnitte  und  Kupferstiche 
gebot  jetzt  die  Kunst  über  reiche  Mittel,  diese  und  ähnliche  volks- 
tümliche Vorstellungen  zu  verkörpern.  Auch  Dürer  huldigte  in 
den  beiden  aus  dem  Jahre  1489  stammenden  Federzeichnungen  dem 
gleichen  Hange.  Sie  wetteifern  nicht  nur  gegenständlich  mit  gleich- 
zeitigen Stichen,  sondern  lehnen  sich  auch  in  der  fremden  Behand- 
lung an  sie  an.  Die  Umrisse  werden  fest  und  scharf  gezogen,  feine, 
parallel  laufende  Striche  ihnen  entlang  geführt,  die  Schatten  durch 
Kreuzstriche  verstärkt.  Demnach  lässt  sich  Dürers  Können  bei 
dem  Austritte  aus  Wohlgemuths  Werkstätte  also  umgrenzen.  Im 
Anschluss  an  den  Lehrer  und  an  die  allgemein  beliebte  Kupfer- 


17 


stichweise  entwickelt  Dürer  seine  Zeichenkunst.  Auch  wenn  er 
zum  Pinsel  greift ,  taucht  er  ihn  gern  in  Wasserfarben ,  liefert  auf 
Papier ,  Pergament  oder  Leinwand  kolorierte  Zeichnungen.  Von 
einer  besonderen  malerischen  Begabung  merkt  man  nichts  und  auch 
seine  eigentümliche  Natur  tritt  noch  nicht  klar  und  scharf  zu  Tage. 
Die  entscheidende  Wendung  in  seinem  Schicksal  führte  erst  die 
Wanderschaft  herbei. 

Zwei  Ziele  derselben  sind  durch  Überlieferung  beglaubigt ;  der 
Elsass  und  Venedig.  Nach  dem  Elsass  zog  ihn  der  Ruf  des  Kol- 
marer  Meisters:  Martin  Schongauer,  welcher  durch  seine  zahlreichen, 
weitverbreiteten  Kupferstiche  auf  das  jüngere  Geschlecht  grossen 
Einfluss  übte.  Er  traf  Martin  nicht  mehr  am  Leben.  Er  hielt  sich 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  letzte  Zeit  in  Breisach  auf  und 
starb  hier  1491.  Doch  wurde  er  „von  dessen  Brüdern  gütig  auf- 
genommen und  freundlich  gehalten".  Da  diese  Goldschmiede  waren, 
so  konnten  sie  Dürer  nicht  wesentlich  fördern.  Jedenfalls  wurde 
Dürers  Phantasie  von  der  Kunstweise  Martins  nicht  tief  berührt, 
mochte  er  auch  den  älteren  Meister  zeitlebens  in  hohen  Ehren 
halten  und  Einzelnheiten  der  Linienführung  ihm  abgelernt  haben. 
Ganz  anders  mächtig  wirkt  Venedig  auf  ihn.  Was  bewog  ihn,  den 
damals  einem  deutschen  Maler  noch  ungewohnten  Weg  über  die 
Alpen  einzuschlagen  Niederländische  Maler  und  niederländische 
Werke  hatten  diesen  Weg  seit  1450  öfter  gefunden.  Das  begreift 
sich.  Sie  boten  den  Augen  der  Italiener  schon  durch  die  neue 
Technik ,  den  trefflichen  Gebrauch  der  Ölfarben ,  den  Glanz  und 
die  Leuchtkraft  des  Kolorits,  die  wunderbare  Wahrheit,  mit  welcher 
auch  das  kleinste  Gerät  wiedergegeben  wurde  ,  einen  grossen  Ge- 
nuss.  Die  Freskomalerei  hatte  bis  dahin  die  besten  Kräfte  der 
Italiener  in  Anspruch  genommen,  die  Tafelmalerei  war  erst  in  lang- 
samer Entwickelung  bei  ihnen  begriffen.  Hier  nun  erblickten  sie 
wahre  Juwelen  der  Klein-  und  Feinmalerei  und  lernten  die  Reize 
malerischer  Behandlung  zuerst  kennen.  Der  junge  Geselle  aus 
Nürnberg  war  nicht  in  der  Lage,  durch  die  Malerei  in  Italien  Brot 
und  Ehre  zu  gewinnen.  Mit  der  Kenntnis  der  Ölfarben  war  es 
bei  ihm  noch  nicht  glänzend  bestellt.  Nach  mehrere  Jahre  lang 
zog  er  Wasser-  und  Leimfarben  jenen  vor. 

Was  lockte  ihn  gerade  nach  Venedig  Gleich  Augsburg  und 
anderen  deutschen  Städten  unterhielt  auch  Nürnberg  einen  lebhaften 
Handel  mit  Venedig,  wo  das  deutsche  Kaufhaus  den  Mittelpunkt 
des  Verkehres  bildete.    Keinem  Nürnberger  Kinde  klang  Venedigs 

2 


i8 


Name  fremd  in  den  Ohren  und  das  Venetianer  Sprichwort:  Alle 
Deutschen  sind  blind,  nur  die  Nürnberger  einäugig,  verlor  für  den 
Bürger  der  Pregnitzstadt  viel  von  seinem  süsssauern  Geschmacke. 
Lag  doch  darin  eine  Anerkennung  des  berühmten  ,, Nürnberger 
Witzes."  Ausser  den  Kaufleuten  brachten  auch  die  Patriziersöhne 
und  Gelehrten ,  welche  die  Universität  Padua  besuchten ,  mannig- 
fache Kunde  von  der  mächtigsten  und  reichsten  Stadt  Italiens. 
Noch  ein  anderer  Stand  knüpfte  ein  festes  Band  zwischen  Venedig 
und  Nürnberg.  Keine  italienische  Stadt  hatte  sich  des  Buchdruckes 
so  eifrig  angenommen,  wie  Venedig,  der  internationale  Buchhandel 
hier  seinen  Hauptsitz  aufgeschlagen.  Die  deutsche  Stadt ,  welche 
in  dieser  Hinsicht  die  regsten  Beziehungen  mit  Venedig  unterhielt, 
war  nächst  Augsburg  aber  Nürnberg.  Mit  der  Buchhändler-  und 
Buchdruckerwelt  kam  Dürer  durch  seinen  Paten  Anton  Koburger, 
den  berühmten  Nürnberger  Drucker,  in  nähere  Berührung.  Auch 
sonst  hatte  er  mannigfache  Gelegenheit  zu  erfahren,  dass  Drucker, 
sowie  die  ihnen  nahe  verwandten  Formschneider  und  Zeichner  für 
den  Holzschnitt  in  Italien  auf  reiche  Beschäftigung  hoffen  durften. 
Diese  Hoffnung  lenkte  Dürers  Schritte  nach  Venedig.  Mit  un- 
bedingter Sicherheit  lässt  sich  das  zwar  nicht  beweisen ,  da  uns 
alle  Urkunden  fehlen.  Eine  Thatsache  spricht  aber  namentlich  zu 
gunsten  dieser  Vermutung.  Dürer  schloss  sich  in  Venedig  am 
engsten  an  Jacopo  de'  Barbari  an.  Als  Maler  hat  Jacopo  einen 
so  geringen  Ruhm  erworben ,  dass  er  bei  seinen  Landsleuten  bei- 
nahe ganz  in  Vergessenheit  geriet.  Um  so  grösser  war  dagegen 
sein  Ansehen  bei  den  Kunstfreunden  diesseits  der  Alpen ,  nicht 
allein  bei  dem  Nürnberger  Kaufherrn  Anton  Kolb,  der  ihn  für  den 
besten  Maler  der  Welt  hielt ,  sondern  auch  bei  Kaiser  Max ,  in 
dessen  Diensten  er  1500  bis  1504  als  ,,contrafeter  und  illuminist" 
stand.  Jacopo  übersiedelte  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  nach 
Nürnberg  und  verlebte  seine  letzten  Lebensjahre  als  Hofmaler  der 
Erzherzogin  Margarete  in  den  Niederlanden,  wo  er  nach  15 12  starb. 

Es  überrascht  vielleicht ,  dass  Dürer  sich  an  keinen  besseren 
Maler  anschloss.  Aber  gerade  Jacopo  de'  Barbari  besass  mehrere 
Eigenschaften ,  welche  den  engeren  Verkehr  mit  dem  deutschen 
Malergesellen  erleichterten.  Fragen  wir  die  von  Jacopo  erhaltenen, 
freilich  erst  aus  seiner  späteren  Zeit  stammenden  Gemälde  (Weimar, 
Augsburg,  Dresden),  so  entdecken  wir  in  dem  ,,Illuministen"  einen 
Feinmaler ,  welcher  in  der  Behandlung  des  Haares ,  in  der  Auf- 
lösung der  Masse  in  einzelne  zarte  Ringellinien ,  in  dem  flüssigen 


19 


Auftrage  der  Farben,  in  der  Strichelung  der  Halbschatten  an  Dürers 
ältere  Weise  erinnert.  Auch  in  der  Vorliebe  für  die  bis  in  das 
Kleinste  genaue  Wiedergabe  der  Tierkörper ,  besonders  der  fein 
befiederten  und  behaarten ,  stimmen  beide  miteinander  überein. 
In  welchem  Masse  der  eine  der  Spendende ,  der  andere  der  Em- 
pfangende war ,  wie  viel  der  ersten  Begegnung ,  wie  viel  dem 
späteren  (1500 — 1504)  Zusammenleben  in  Nürnberg  gutgeschrieben 
werden  muss,  kann  natürlich  nicht  mehr  entschieden  werden.  Immer- 
hin bleibt  ein  gewisser  verwandter  Zug  bestehen ,  welcher  Dürers 
nähere  Beziehungen  erklärt ,  zumal  Jacopo  de'  Barbari  eine  Werk- 
stätte für  den  Holzschnitt  und  Kupferstich  unterhielt ,  in  welcher 
Dürer  leicht  Beschäftigung  finden  konnte.  Dieser  Jacopo  de'  Bar- 
bari oder  Jakob  Walch  (d.  h.  der  Wälsche) ,  wie  ihn  später  die 
Nürnberger  nach  seiner  Herkunft  tauften,  ist  offenbar  derselbe  Mann 
gewesen,  welchem  Dürer  den  ersten  Einblick  in  die  Lehre  von  den 
rechten  Massen  und  Verhältnissen  verdankt.  „Ein  Mann,  Jakobus 
genannt,  von  Venedig  geboren,"  so  schrieb  er  später,  ,,wies  mir 
Mann  und  Weib,  die  er  aus  dem  Masse  gemacht  hatte  und  ich  in 
dieser  Zeit  lieber  sehen  wollte,  was  seine  Meinung  wäre,  denn  ein 
neues  Königreich.  Aber  ich  war  in  derselben  Zeit  noch  jung  und 
hatte  nie  von  solchen  Dingen  gehört."  So  früh  kam  in  Dürer  der 
Wissenstrieb  zum  Durchbruche  und  regte  sich  die  Lust,  den  mannig- 
fachen Naturformen  auf  den  Grund  zu  kommen. 

Ausser  Jacopo  de'  Barbari  übte  noch  ein  anderer  italienischer 
Meister  tiefen  Einfluss  auf  seine  Phantasie.  Auch  dieser  gehörte 
nicht  der  strengen  venetianischen  Künstlergemeinde  an  und  stand 
abseits  der  Strömung,  welche  in  Venedig  allmählich  den  Sieg  ge- 
wann. Das  war  Andrea  Mantegna,  dessen  Werke  wir  in  Padua 
und  Mantua  bewundern.  Ein  persönlicher  Verkehr  fand  nicht  statt ; 
auch  die  Fresken  und  Bilder  in  Mantua  blieben  Dürer  fremd.  Da- 
gegen entdeckte  er  in  Mantegnas  Kupferstichen  eine  reiche  Quelle 
künstlerischer  Belehrung.  Wir  empfangen  von  Mantegnas  Stichen 
einen  herb  süssen  Eindruck.  Schmeicheln  hat  Mantegna  nicht  ge- 
lernt, auf  den  Wohllaut  der  Formen  es  nicht  abgesehen.  Unerbitt- 
lich wahr  bis  zum  Schroffen  schildert  er  die  Empfindungen,  mächtig 
steigert  er  den  Ausdruck  der  Leidenschaften.  Dieser  Wahrheits- 
drang in  dem  Ausmalen  der  Seelenzustände  ist  der  Widerschein 
seines  Strebens ,  stets  die  einzelnen  Räume ,  in  welchen  die  Hand- 
lung sich  vollzieht,  in  den  Abmessungen  in  der  Tiefe  und  in  den 
Verhältnissen  zu  den  handelnden  Personen  der  Wirklichkeit  gemäss 

2  * 


20 


ZU  gestalten.  Die  perspektivische  Richtigkeit  der  Darstellung  geht 
mit  der  psychologischen  Wahrheit  Hand  in  Hand.  Mantegna  reizten 
ausserdem  kühne,  ungewohnte  Bewegungen,  schwierige  Verkürzungen 
und  Untersichten,  z.  B.  zurückgebeugte  Köpfe  und  nach  der  Tiefe 
hin  ausgestreckte  Leiber,  so  dass  man  die  Nasenlöcher,  die  Fersen 
sieht.  Diese  Wahrheit  und  Kühnheit  nun  packte  gar  mächtig  Dürers 
Phantasie ,  so  dass  er  nicht  bloss  einzelne  Stiche  Mantegnas  (den 
Tritonenkampf  und  das  Bacchanale)  nachzeichnete ,  sondern  auch 
in  den  nächsten  Jahren  gern  die  verkürzten  Köpfe  nachahmte,  über- 
haupt in  der  Wiedergabe  kräftiger  Leiber ,  heftiger  Bewegungen, 
erregten  Minnespieles  sich  gefiel.  Man  darf  wohl  in  Mantegna  den 
ersten  Lehrer  Dürers  von  durchgreifendem  Einflüsse  begrüssen, 
dessen  Naturauffassung  in  einer  Ecke  der  Dürerschen  Phantasie 
einen  bleibenden  Platz  behielt.  Das  wäre  aber  ohne  die  Voraus- 
setzung einer  gewissen  persönlichen  Wahlverwandtschaft  nicht  mög- 
lich gewesen. 

Eine  erstaunliche  Selbständigkeit,  ein  merkwürdiger  klarer  Blick 
kündigt  sich  schon  in  dem  jungen  Dürer  an.  Das  gewöhnliche 
Handwerk  genügte  ihm  nicht.  Was  auf  der  breitgetretenen  Strasse 
offen  liegt,  daran  geht  er  ruhigen  Schrittes  vorbei.  Er  ist  sich  der 
Mängel  der  heimischen  Kunstweise  bewusst;  daher  packt  ihn  helle 
Begeisterung  für  die  reinen  Masse,  von  welchen  ihm  Meister  Jakob 
erzählte.  In  seiner  Phantasie  dämmert  bereits  eine  Welt  von  mächtig 
bewegten ,  kräftig  empfindenden  Gestalten ;  deshalb  fühlte  er  sich 
zu  Mantegna  so  sehr  hingezogen,  in  dessen  Stichen  gleichfalls  schart 
geschnittene  Charaktere ,  ein  unverhülltes ,  in  die  Tiefe  gehendes 
Seelenleben  vorherrschen.  Dürer  ist  der  erste  Italienfahrer  unter 
den  deutschen  Malern.  Man  sollte  glauben ,  dass  er  vom  Zauber 
der  antiken  Kunstformen  und  der  italienischen  Renaissance  voll- 
kommen gefesselt  wurde.  So  ist  es  ja  fast  allen  Kunstpilgern  nicht 
immer  zu  ihrem  Heile  ergangen.  Bei  Dürer  verfing  der  Zauber 
nicht.  In  einem  oder  dem  anderen  Falle  regte  ein  altes  Marmor- 
werk sein  Auge  an.  So  zeichnete  er  z.  B.  einen  bogenspannenden 
Apollo  (Albertina)  nach  einem  Marmorbilde  des  bogenspannenden 
Eros.  Im  ganzen  blieben  es  doch  fremde  Tropfen ,  welche  sich 
nicht  mit  seinem  Blute  mengten.  Als  echtes  Kind  seiner  Zeit  blickt 
er  mit  scheuer  Ehrfurcht  zu  den  ,, Alten"  empor;  durch  die  Ver- 
mittelung  seiner  gelehrten ,  poetisch  gesinnten  Freunde  lernte  er 
zahlreiche  antike  Mythen  kennen  und  wurde  mit  dem  Gestaltenkreise 
der  Alten  vertraut.    Diese  Anregungen  waren  aber  überwiegend 


Das  Feh 

Deckfarbenmalerei  in  de 


ischloss 

vunstlialle  zu  Bremen. 


21 


litterarischer  Natur.  Weder  Auge  noch  Hand  gewannen  von  der 
antiken  Kunst  eine  strengere  Schuhmg.  Gerade  so  borgte  er  von 
der  italienischen  Umgebung  einzelne  Bauteile ,  Trachten  und  hielt 
verschiedene  auffällige  Gestalten,  Türken,  Löwen,  auf  dem  Papiere 
fest ;  einen  härteren  Zwang  legte  er  jedoch  seiner  Natur  nicht  auf, 
und  von  dem ,  was  seiner  persönlichen  Entwickelung  frommte, 
seinem  Wesen  zusagte,  Hess  er  sich  nicht  ablenken.  Die  Wander- 
schaft in  ferne  Gegenden,  die  Berührung  mit  einer  fremden  Kultur- 
welt zeitigten  vielmehr  tief  in  seiner  Seele  wurzelnde  Keime  und 
förderten  die  Selbsterkenntnis.  Er  lernte  die  Landschaft  mit 
künstlerischem  Auge  erfassen,  er  entdeckte  gleichsam  seinen  Beruf 
als  Landschaftsmaler. 

Über  der  gewaltigen  Männerwelt  in  Dürers  frühen  Werken 
übersehen  wir  leicht  die  zahlreichen  Landschaftsbilder,  mit  welchen 
er  seine  Darstellungen  zu  schmücken  liebte.  Und  doch  verdienen 
sie  besondere  Beachtung.  Denn  hier  erscheint  er  nicht  als  Schüler 
oder  Nachahmer.  Zwar  hatte  die  nordische  Malerei  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  bereits  die  Landschaft  zur  Belebung  der  Bilder  heran- 
gezogen. Eine  wahre  Augenfreude  bieten  in  den  Gemälden  der 
Eyckschen  Schule  die  Ausblicke  auf  Strassenfluchten,  vollends  die 
alten  Holländer  verstehen  es  schon  vortrefflich,  durch  Wiesengründe 
sich  schlängelnde  Bäche ,  durch  Felsenklüfte  stürzende  Flüsse  zu 
malen.  Fasst  man  aber  die  landschaftlichen  Hintergründe  der  älteren 
Kunst  zusammen,  so  bemerkt  man  entweder  ein  Überwiegen  phan- 
tastischer Bauwerke ,  ein  starkes  Betonen  auffälliger  Naturformen 
oder  ein  Beharren  bei  allgemeinen,  nur  flüchtig  angedeuteten  Ein- 
drücken, während  das  Einzelne,  insbesondere  das  Baum-  und  Strauch- 
werk, mehr  gewohnheitsmässig  als  nach  dem  unmittelbaren  Leben 
gezeichnet  erscheint.  Nach  dieser  Seite  eröffnet  Dürer  neue  Bahnen. 
Der  gleiche  Wahrheitstrieb ,  welcher  die  Sehnsucht  nach  der  Er- 
kenntnis eines  gesetzmässigen  Körperbaues  in  ihm  weckte,  Hess  ihn 
auch  in  der  landschaftlichen  Natur  das  Einzelne  und  Kleine  mit  der 
genauesten  Sorgfalt  betrachten  und  mit  der  grössten  Treue  wieder- 
geben. Die  Wahrheit  der  Schilderung  begnügt  sich  nicht  mit  dem 
allgemeinen  Schein ,  sondern  macht  sich  auch  in  dem  Besonderen, 
in  jedem  Teile  des  grösseren  Ganzen  geltend.  Dadurch  bricht  er 
mit  der  künstlerischen  Überlieferung.  Wer  wollte  dem  Mittelalter 
Natursinn  und  Naturfreude  bestreiten }  Wie  schwer  wird  es  aber 
den  Minnesängern,  von  der  allgemeinen  Betrachtung  des  Frühlings 
und  Winters  zur  Naturbeobachtung  im  einzelnen  herab  zu  steigen. 


22 


Am  liebsten  verweilen  sie  bei  den  Beziehungen  der  Natur  zum 
Menschen.  Die  wonnige  Schönheit  des  Mai  erinnert  sie  an  die 
holde  Frau,  Nachtigall  und  blumige  Wiese  werden  als  Zeugen  stillen 
Liebesglückes  gepriesen.  Die  selbständige  Schönheit  der  Natur  ent- 
zog noch  ein  feiner  Schleier  dem  Auge ,  für  die  Reize  ihres  un- 
abhängigen Waltens  fehlte  noch  das  volle  Verständnis.  In  Dürer 
begrüssen  wir  den  Propheten  der  neuen  Zeit.  Liebevoll  versenkte 
er  sich  in  das  Einzelne ;  das  Geheimnis  des  Lebens  suchte  er  auch 
der  Landschaft  abzulauschen,  in  ihre  Stimmungen  bemühte  er  sich 
einzudringen.  In  der  älteren  Kunst  spricht  die  Natur  die  Sprache 
der  Menschen,  Dürer  dagegen  sucht  die  Sprache  der  Natur  zu  ver- 
stehen. Ab  und  zu  komponiert  er  noch  Landschaften ,  d.  h.  er 
setzt  ihre  Teile  nach  eigenem  Belieben  zusammen,  kühn  aufgebaute, 
mitten  in  das  Land  versetzte  Felsen  tauchen  auch  bei  ihm  zu- 
weilen auf.  Doch  bedarf  es ,  um  -^eine  Phantasie  zu  fesseln, 
keineswegs  immer  einer  äusserlichen  Formenfülle.  Eine  Linde,  mit 
stattlicher  Krone  und  reichem  Laube  an  den  Rand  des  Gemäuers 
gepflanzt ,  eine  einfache  Baumgruppe  wurde  von  ihm  mit  dem 
grössten  Fleisse  und  sichtHcher  Liebe  nach  der  Natur  gemalt.  Ein 
Grasstück ,  eine  flache  Landschaft ,  die  sich  allmählich  in  weiter 
Ferne  verliert,  locken  ihn  unwiderstehlich  zu  treuester  Wiedergabe. 
Was  ist  viel  z.  B.  von  der  ,, Drahtziehmühle"  (Lippmann,  Zeich- 
nungen von  Albrecht  Dürer  Nr.  4  u.  5)  zu  sagen ,  einem  grossen 
im  Berliner  Kabinett  bewahrten  Blatte ,  welches  in  Deckfarben  ein 
Stück  aus  seiner  fränkischen  Heimat  uns  vor  die  Augen  führt.  Im 
Vordergrunde  ein  grösseres  Gehöft,  hinter  welchem  ein  Fluss  träge 
schleicht.  Jenseits  des  Wassers  Einzelhäuser  und  Dorfschaften,  ein- 
gezäunte Baumhage ,  Wiesen ,  im  Hintergrunde  blaue  Berge.  Ein 
alltäglicher  AnbUck.  Dürer  weiss  ihm  aber  durch  die  Mannigfaltig- 
keit der  Färbung ,  die  feine  Perspektive  einen  nicht  gewöhnlichen 
Reiz  abzugewinnen.  Während  der  Wanderschaft  hatte  Dürer  seine 
Landschaftsstudien  begonnen  und  mehrere  Ansichten  der  Städte, 
welche  er  auf  dem  Wege  berührte  (Innsbruck ,  Trient)  gezeichnet ; 
er  setzte  jene  auch  in  den  folgenden  Jahren  noch  eifrig  fort  und 
gewann  auch  der  heimatlichen  Gegend  ein  tieferes  malerisches  Inter- 
esse ab.  Noch  war  die  Zeit  nicht  gekommen,  in  welcher  die  Land- 
schaftsmalerei als  selbständiger  Kunstzweig  glänzt ;  den  mächtigsten 
Vorschub  dahin  hat  sie  unstreitig  Dürer  zu  danken. 

Mit  grösserer  Klarheit  über  seine  persönUchen  Ziele,  bereichert 
durch  Selbsterfahrung ,  kehrte  Dürer  von  der  Wanderschaft  nach 


23 


Bildnis  von  Dürers  Frau.     Federzeichnung  in  der  Albertina  zu  Wien. 


Nürnberg  zurück.  ,,Und  als  ich  heimgekommen  war,  unterhandelte 
Hans  Frey  mit  meinem  Vater  und  gab  mir  seine  Tochter,  Jungfrau 
Agnes  und  gab  mir  mit  ihr  200  Gulden  und  wir  hielten  die  Hoch- 


24 


zeit,  die  war  am  Montag  vor  St.  Margarethen  im  Jahre  1494." 
Mit  dieser  Nachricht  schliesst  die  FamiUenchronik  für  viele  Jahre 
ab  und  lässt  darauf  unmittelbar  die  Erzählung  vom  Tode  des  Vaters 
im  Jahre  1 502  folgen. 

Die  gute  Frau  Agnes  hat  bei  der  Nachwelt  die  längste  Zeit 
einen  gar  schlechten  Ruf  genossen.  Im  Gegensatze  zu  ihrem  un- 
ruhigen Vater ,  welcher  allerhand  Beschäftigungen  nachging  und 
mancherlei  Künste  verstand ,  am  besten  unter  dem  Begriffe  eines 
geistvollen  gefälligen  Dilettanten  gefasst  werden  kann,  scheint  Agnes 
die  Tugenden  einer  stillen ,  stets  emsigen  Hausfrau  ausgebildet  zu 
haben.  Die  Nachwelt  hat  aber  diese  gut  bürgerlichen  Eigenschaften 
in  ein  arges  Zerrbild  verwandelt.  Sie  ist  im  Sprichworte  der  alten 
Xantippe  an  die  Seite  getreten  und  soll  durch  ihren  Geiz,  ihr  stetes 
Keifen  Dürers  Tod  beschleunigt  haben.  Die  Anklage  gründet  sich 
auf  eine  Stelle  in  einem  Briefe ,  welchen  Pirkheimer ,  der  beste 
Freund  Dürers ,  allerdings  erst  nach  dem  Tode  des  letzteren ,  an 
den  kaiserlichen  Bademeister  Tschert  in  Wien  gerichtet  hatte.  Jetzt, 
nach  dreihundert  Jahren ,  können  Zeugen  und  Gegenzeugen  nicht 
einander  gegenüber  gestellt  w^erden.  Was  wir  über  Dürers  Ver- 
hältnis zu  seiner  Frau  wissen ,  ist  folgendes :  Er  macht  in  seinen 
Briefen  nicht  viel  Worte  über  sie.  Er  erkennt  ihre  geschäftliche 
Tüchtigkeit  an ,  überlässt  ihr  vertrauensvoll  die  Leitung  der  Wirt- 
schaft und  der  Werkstätte.  Sie  besorgt  in  seiner  Abwesenheit  den 
Verkauf  der  Kunstware  und  wenn  die  Einnahmen  knapp  geworden 
sind ,  so  springt  sie  willig  helfend  ein  und  lässt  sich  von  ihrem 
künftigen  Erbteil  beträchtliche  Summen  voraus  zahlen.  Öfter  be- 
gegnen wir  der  Dürerin  in  Zeichenwerken  des  Gatten.  In  die 
früheste  Zeit,  vielleicht  noch  in  die  Monate  vor  der  Hochzeit,  fällt 
die  kleine  Federzeichnung  in  der  Albertina,  welcher  Dürer  die  In- 
schrift: ,,Mein  Angnes"  beifügte. 

In  schlichter  Haustracht  sitzt  ein  schlankes ,  junges  Mädchen 
an  einem  Tische.  Sie  hat  die  gekreuzten  Arme  auf  die  Tisch- 
platte gelegt  und  stützt  Kinn  und  Mund  auf  den  Rücken  der  rechten 
Hand.  Mit  besonderer  Anmut  hat  sie  die  Natur  nicht  bedacht. 
Die  schweren  Augendeckel  fallen  selbst  auf  dieser  flüchtigen  Skizze 
auf.  Auch  dem  einfach  gescheitelten  Haar  —  nur  ein  kleines 
Zöpfchen  ist  hinten  aufgegangen  —  kann  man  üppigen  Wuchs 
nicht  nachrühmen.  Dennoch ,  wie  sie  hier  still  sinnend ,  ruhig 
lauschend  sitzt ,  fesselt  sie  unwillkürlich  das  Auge  und  macht  den 
Eindruck  einer  ehrlichen,  ernsten  Seele.    Im  Jahre  1504  zeichnete 


Bildnis  von  Dürers  Frau. 
Silberstiftzeichnung  in  der  Sammlung  Blasius  zu  Braunschw 


26 


Dürer  abermals  seine  Frau  sorgfältig  mit  dem  Silberstifte  (Samm- 
lung Blasius  in  Braunschweig).  Unter  der  grossen  Haube  ist  ein 
Teil  der  Stirn  versteckt,  ehrbar  verhüllt  ein  Tuch  unter  dem  Wamse 
die  Büste.  Die  Formen  sind  voller,  runder  gev^orden.  Spricht  aus 
den  hochgeschwungenen  Augenbrauen,  der  starken  Nase  Kraft  und 
fester  Wille ,  so  mildern  doch  wieder  die  weichen  Lippen ,  das 
Wangengrübchen  und  der  leise  Ansatz  zur  Fülle  den  Eindruck. 
Erst  nach  langen  Jahren  griff  Dürer  wieder  zum  Silberstifte ,  um 
die  Züge  seiner  Frau  festzuhalten.  Auf  dem  Rheinschiffe  bei 
Boppard  zeichnet  er  sie  in  einer  müssigen  Stunde  im  Reisekleide, 
welches  allerdings  Frau  Dürer  von  jedem  Hang  zur  Eitelkeit  frei- 
spricht: Wie  eine  Mumie  sitzt  sie  da  in  dicke  Kopftücher  eingehüllt. 
In  Bergen  hatte  Dürer  seiner  Frau  ein  niederländisches  dünneres 
Kopftuch  gekauft.  Es  stand  ihr  offenbar  gut  zu  Gesicht,  denn  sie 
musste  sich  in  demselben  in  grösserem  Massstabe  abkonterfeien 
lassen.  Dürer  aber  schrieb  unter  das  Blatt  (BerUn)  eigenhändig: 
Das  hat  Albrecht  Dürer  nach  seiner  Hausfrau  konterfeit  zu  Anttorff 
in  der  niederländischen  Kleidung  im  Jahr  1523,  da  sie  einander 
zu  der  Eh'  gehabt  27  Jahre."  Aus  diesen  schlichten,  warmen  Worten 
spricht  doch  wahrlich  nicht  ein  trübes  Familienleben  und  ebenso 
hätte  die  Natur  arg  gelogen,  wenn  wir  aus  diesen  offenen,  ehrlichen 
Zügen  den  Geiz  und  die  Zanksucht  herauslesen  sollen.  Dürers 
Schilderung  vom  Jahre  1524  in  einer  Bittschrift  an  den  Rat:  er 
und  sein  Weib  wollen  alle  Tage  älter,  schwächer  und  unbehelf- 
licher  werden,  passt  nicht  ganz  auf  die  landläufige  Schilderung  der 
Frau.  So  wenig  wie  das  letzte  Bild ,  welches  Dürer  von  ihr  ge- 
zeichnet hat.  Sie  ist  derber ,  wohlbeleibter ,  man  möchte  glauben 
kugelförmiger  geworden,  aber  ihre  Augen  besitzen  noch  den  alten 
Glanz  unter  den  schweren  Lidern,  der  Kopf  zeigt  auch  jetzt  klaren 
Verstand,  festen  Willen  mit  einem  leisen  Anfluge  zur  Gutmütigkeit. 
Es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  Dürers  Schaffen  nicht  immer  eine 
verständnisvolle  Teilnahme  entgegentrug,  über  manche  Liebhaberei, 
z.  B.  die  Sammellust,  still  den  Kopf  schüttelte.  Aber  man  muss 
auch  zugeben,  dass  Dürers  zeitlebens  träumerische  Natur  den  froh- 
mütigen  häuslichen  Verkehr  nicht  förderte  und  nur  eine  tapfere 
Frau  den  unpraktischen  Mann  vor  schwerem  Schaden  bewahren 
konnte. 


Nachdem  Dürer  sein  Haus  gegrün- 
det und  seine  Werkstätte  eingerichtet 
hatte,  begann  er  alsbald  eine  mannig- 
fache Thätigkeit.  Er  zeichnete  für 
den  Holzschnitt,  führte  den  Grabstichel 
und  den  Pinsel.  Die  Kundschaft  fand 
o«-  r«,  er,  wie  alle  seine  Genossen,  vorwie- 
gend  auf  den  Märkten  und  den  Heil- 
tumfahrten.  Dadurch  wurden  die 
Gegenstände  der  Darstellung  grossen- 
teils  bestimmt.  Er  musste  bei  ihrer 
Wahl  auf  die  Neigungen  weiterer 
Volkskreise  Rücksicht  nehmen.  So 
sehen  wir  denn  Dürer  bald  mit  der 
Zeichnung  von  Andachtsbildern  be- 
schäftigt, bald  beflissen,  Volksschwänke 
und  Moralitäten  mit  dem  Grabstichel 
zu    verkörpern.      Er    schildert  die 


f. 


28 


Madonna  im  Strahlenkranze,  mit  dem  Christkinde  im  Arme,  über 
der  Mondsichel  schwebend,  ähnlich  wie  die  Nürnberger  sie  an  den 
Ecken  der  Häuser  als  Steinbild  schauten  (B.  30)  oder  stellt  Christus 
dar :  am  Fusse  des  Kreuzesstammes  mit  ausgebreiteten  Armen 
stehend ,  ein  Bild  des  grössten  Schmerzes  und  der  tiefsten  Er- 
niedrigung (B.  20).  Auch  der  tapfere  h.  Georg  (B.  53)  und  der 
h.  Sebastian  (B.  56),  beide  in  Volkskreisen  wohl  bekannt  und  ge- 
schätzt ,  reizen  seine  Phantasie  und  werden  von  ihm  in  kleinen 
Stichen  wiedergegeben.  Im  Schnitte  und  im  Stiche  führt  er  sodann 
den  Scharen  der  Gläubigen  gern  die  heilige  Familie  vor  die  Augen. 
Die  Madonna ,  in  weitfliessendem  Mantel ,  das  Haar  bald  aufgelöst 
und  frei  herabfallend,  bald  unter  dem  Kopfschleier  halb  verborgen, 
hält  das  Christuskind  in  den  Armen ,  während  der  h.  Joseph  (auf 
dem  Stiche)  sich  seitwärts  gelagert  hat  und  behaglich  schlummert 
(B.  44) ,  oder  (auf  dem  Holzschnitte)  ehrerbietig  mit  abgezogenem 
Hute  auf  Mutter  und  Kind  herabblickt  (B.  102). 

Ausser  Andachtsbildern  zeichnete  und  stach  Dürer  auch  zahl- 
reiche Blätter ,  welche  der  Neugierde  und  der  Lust  des  Volkes, 
und  ergötzlichen  und  lehrhaften  Vergnügungen  huldigten.  Fünf 
wilde  Landsknechte,  welchen  sich  ein  bärtiger  Türke  hoch  zu  Rosse 
zugesellt  hat ,  haben  sich  auf  einem  Plane  versammelt ,  um  irgend 
einen  Anschlag  zu  beraten  (B.  88) ;  ein  schmucker  Fähnrich  schickt 
sich  an,  mit  dem  kurzen  Fahnenstocke  beliebte  kunstvolle  Schwenk- 
ungen zu  machen  (B.  87) ;  fahrende  Leute  aus  dem  weiten  Osten, 
der  Mann  mit  dem  Bogen  in  der  Hand ,  das  kurzgeschürzte  Weib 
mit  dem  Säugling  auf  dem  Arme ,  sind  auf  der  Wanderung  be- 
griffen (B.  85).  An  diese  volkstümlichen  Typen  schliessen  sich  die 
drei  Marktbauern  an ,  welche  vielleicht  den  Gewinn ,  den  sie  auf 
dem  Markte  erzielen  werden ,  überlegen ,  vielleicht  aber  auch  das 
Neueste  vom  Bundschuh  sich  zuraunen  (B.  89).  Karsthans  und  die 
typische  Grete ,  jener  aufbegehrend ,  diese  mürrisch  steif,  brachten 
bekannte  Figuren  aus  den  Fastnachtsliedern  in  Erinnerung  (B.  83). 
Die  zierliche  Dame  zu  Pferde,  welche  sich  von  einem  jungen  Kriegs- 
manne  begleiten  lässt,  mutet  uns  wie  der  Anfang  eines  Liebeshedes 
an  (B.  82).  Vollends  in  die  Welt  der  Schwänke  versetzt  uns  das 
schlecht  passende  Liebespaar,  der  alte  Mann,  welcher  in  den  Beutel 
greift,  um  die  neben  ihm  am  Feldrain  sitzende  Dirne  zur  Liebe  zu 
bewegen  (B.  93).  Ebenso  klingt  in  dem  Galan ,  welcher  mit  der 
modisch  gekleideten  Geliebten  spazieren  geht,  während  hinter  einem 
Baume  der  grausige  Tod  lauert,  der  damals  allen  Menschen  geläu- 


29 


fige  Totentanzgedanke  an  (B.  94).  Selbst  ungewöhnliche  Natur- 
ereignisse, welche  im  Munde  der  kleinen  Leute  umliefen,  verewigte 
er  mit  dem  Stichel,  auch  darin  mit  Kunstgenossen  wetteifernd,  z.  B. 
mit  dem  Meister  W.,  welcher  gleichzeitig  den  sogenannten  Papstesel, 
d.  h.  ein  der  Tiber  entstiegenes  Ungeheuer,  in  Kupferstich  heraus- 
gab. So  stach  er  die  Missgeburt  eines  Schweines,  welches  1496 
im  Dorfe  Landsee  zur  Welt  kam  und  zwei  Leiber ,  sechs  Füsse, 
aber  nur  einen  Kopf  besass  (B.  95). 

Es  ist  nicht  glaubhaft,  dass  Dürers  Phantasie  von  den  Gegen- 
ständen solcher  Darstellungen  besonders  angezogen  wurde,  vielmehr 
wahrscheinlich ,  dass  er  oft  der  Not  gehorchte  und  auf  die  leichte 
Verkäuflichkeit  der  Blätter  Rücksicht  nahm.  Er  verstand  es  aber, 
selbst  bei  dieser  Marktware  sein  persönliches  Interesse  zu  wahren. 
Bei  den  meisten  und  namentlich  bei  den  frühesten  Stichen  und 
Holzschnitten  verlegte  er  die  Szene  in  die  offene  Landschaft  und 
wählte  mit  sichtlicher  Vorliebe  die  letztere  aus.  Eine  stattliche 
Burg  krönt  in  der  einen  Ecke  des  Blattes  einen  stolzen  Felshügel, 
während  im  tieferen  Hintergrunde  ein  weiter  See  sich  öffnet  oder 
ein  buchtenreicher,  von  Schiffen  belebter  Strom  durch  mannigfaches 
Gelände  sich  windet.  Die  Freude  an  landschaftlicher  Ausstattung 
ist  für  die  ältesten  Blätter  Dürers  charakteristisch,  nicht  minder  das 
namentlich  bei  den  früheren  Holzschnitten  sichtliche  Streben,  durch 
einen  grösseren  Massstab  den  Gestalten  Kraft  und  Ausdruck,  der 
landschaftlichen  Umgebung  Fülle  zu  verleihen ,  auch  das  Einzelne 
sorgfältig  durchzubilden.  In  Venedig,  wo  grössere  Holzschnitte  der 
deutlicheren  Formensprache  wegen  beliebt  waren ,  hatte  er  solche 
geschaut  und  bemühte  sich ,  sie  nun  auch  in  der  Heimat  einzu- 
bürgern. Das  war  nicht  der  einzige  Nachhall  seines  italienischen 
Aufenthalts.  Wenn  Dürer  in  den  ältesten  Holzschnitten  gern  Szenen 
voll  Leidenschaft  schildert,  den  Ausdruck  bis  zum  Herben  steigert, 
den  Bewegungen  besondere  Kraft  und  Kühnheit  verleiht,  gleichsam 
ein  Urgeschlecht  von  ungetrübter  Gewaltigkeit  und  elementarer 
Wucht  uns  vor  die  Augen  bringt ,  so  hat  gewiss  die  Betrachtung 
mantegnesker  Stiche  in  ihm  die  Lust  an  solchen  Darstellungen 
geweckt.  Denn  auch  Mantegnas  Welt  bewegt  sich  gern  im  Kreise 
des  Herben,  Kühnen  und  Gewaltigen.  Noch  mehr.  Von  der  Schönheit 
der  antiken  Kunst  ist  allerdings  seine  Phantasie  in  Italien  nur  wenig 
berührt  worden.  Der  Kultus  der  Antike ,  welcher  damals  in  der 
Luft  schwebte ,  hat  dort  aber  dennoch  reiche  Nahrung  empfangen, 
das  Reich  der  alten  GcUter-  und  Heldensage  auch  sein  Herz  ge- 


30 


Wonnen.  Nach  Nürnberg  heimgekehrt ,  traf  er  hier  mit  mehreren 
Männern  zusammen,  welche  den  gleichen  Anschauungen  huldigten, 
bei  den  Griechen  und  Römern  die  Ideale  geistiger  Lebenskraft  ver- 
körpert sahen  und  das  poetische  Rüstzeug  ihnen  gern  entlehnten. 
Wilibald  Pirkheimer,  welcher  in  den  gleichen  Jahren  wie  Dürer  in 
Italien  sich  aufgehalten  hatte,  Konrad  Celtes,  der  gekrönte  Dichter, 
der  altertumskundige  Hartmann  Schedel ,  um  nur  die  besten  zu 
nennen,  wurden  seine  Freunde.  Als  um  die  Wende  des  Jahrhunderts 
Jacopo  de'  Barbari  nach  Nürnberg  übersiedelte ,  gewannen  diese 
Neigungen  auch  von  künstlerischer  Seite  einen  stärkeren  Antrieb. 
So  sehen  wir  denn  Dürer  in  dem  ersten  Jahrzehnt  seines  selb- 
ständigen Wirkens  häufig  im  Dienste  des  Humanismus.  Da  er 
die  Gestalten  der  antiken  Sage  nicht  in  die  Formen  der  antiken 
Kunst  hüllt,  so  erscheinen  sie  uns  häufig  unverständlich.  Märchen- 
schein umweht  sie,  einer  unbestimmten,  halb  gegenwärtigen,  halb 
ersonnenen  Welt  gehören  sie  an.  Trachtentreue  kümmert  den 
Künstler  nicht,  aber  auch  die  ihm  auf  weiten  Umwegen  zugetragenen 
Gegenstände  der  Darstellung  erinnern  mehr  an  die  Erzählungen  der 
Chronisten  und  an  Schwankbücher,  als  an  die  Dichtungen  des  klas- 
sischen Altertums.  Kein  Wunder,  dass  wir  in  der  Deutung  dieser 
Stiche  irren  und  dem  mythischen  Ereignisse  lieber  einen  moralischen 
Sinn  unterlegen.  So  wurde  z.  B.  eines  der  grössten  und  schönsten 
Blätter  aus  Dürers  Frühzeit  (B.  73)  als  Hahnrei  oder  die  Eifersucht 
getauft.  Unter  einer  Baumgruppe  hat  sich  ein  Satyr  mit  einer 
Nymphe  zu  süssem  Liebesgetändel  niedergelassen.  Sie  werden  aber 
von  einer  Frau  überrascht,  welche  einen  Knüttel  schwingt,  um  das 
ehebrecherische  Paar  zu  züchtigen.  Zum  Glück ,  dass  ein  nackter, 
mit  seltsamem  Kopfschmuck  ausgerüsteter  Mann  ihr  einen  Baum- 
stamm vorhält  und  so  ihren  Zorn  dämpft.  Ein  kleiner  Amorknabe, 
welchem  bei  dieser  Szene  unheimlich  wurde,  sucht  eiligst  das  Weite. 
Ganz  gewiss  dachte  Dürer  nicht  daran,  ein  moralisches  Beispiel  zu 
zeichnen.  Er  hatte  ohne  Zweifel  ein  bestimmtes  mythologisches 
Ereignis  im  Sinne,  nur  nicht  Herkules  und  Deianira,  da  er  unmöglich 
den  beleidigten  Gatten  zum  Beschützer  des  ehebrecherischen  Paares 
stempeln  konnte.  Wären  wir  fähig,  mit  den  Augen  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  die  alte  Götter-  und  Heldengeschichte  zu  lesen  und 
den  Kern  der  Erzählung  von  dem  naiven  Aufputze ,  welchen  das 
spätere  Mittelalter  hinzufügt,  zu  befreien,  so  würden  wir,  wie  jüngst 
in  ansprechender  Weise  vermutet  wurde ,  hier  irgend  eine  Götter- 
liebschaft erblicken  und  den  von  Dürer  unzweifelhaft  gestochenen 


31 

Herkules  in  dem  Blatte  entdecken,  welches  jetzt  auf  den  Namen : 
Raub  der  Amynione  (B.  71)  geht.  In  dem  wohlbeleibten  alten  Türken, 
welcher  hilflos  am  Ufer  des  breiten  Stromes  hin  und  her  läuft, 
während  am  jenseitigen  Ufer  Deianira  gemütUch  in  den  Armen  eines 
Flussgottes  ruht,  Herkules  zu  erkennen,  kostet  freilich  grosse  Mühe. 
SchliessUch  ist  die  Verballhornung  der  Szene  nicht  grösser,  als  auf 
vielen  Bildern  des  sechzehnten  Jahrhunderts ,  welche  Paris'  Urteil 
schildern. 

An  künstlerischem  Werte  büssen  die  Blätter  übrigens  durch 
das  Geheimnisvolle  des  Gegenstandes  nur  wenig  ein.  Der  nackte 
Leib  der  sogenannten  Amymone,  welche  von  einem  bärtigen  Meeres- 
gott an  das  Ufer  getragen  wird ,  zeigt  ebenso  wie  die  Frauen  auf 
dem  Herkulesstiche  in  der  Behandlung  des  Fleisches,  in  der  Wahl 
der  Formen  grosse  Fortschritte,  nicht  minder  erfreulich  wirken  die 
landschaftlichen  Hintergründe,  dort  das  auf  steilem  Felsen  sich  auf- 
bauende Schloss  ,  hier  die  dichte  Baumgruppe ,  in  deren  Schatten 
das  von  dem  eifersüchtigen  Weibe  angegriffene  Liebespaar  sich 
gelagert  hatte.  Es  weht  in  der  landschaftlichen  Schilderung  ein 
malerischer  Hauch ,  während  die  Figuren  mehr  flach ,  in  gleich- 
mässigem  Lichte  gezeichnet  erscheinen. 

Weder  die  blosse  Marktware ,  noch  die  einem  engeren  Kreise 
von  Eingeweihten  allein  verständlichen  mythologisch-allegorischen 
Blätter  verbrauchten  Dürers  Kraft  und  genügten  ihm  auf  die  Dauer. 
Er  besass  von  Natur  einen  so  erfinderischen  Kopf,  dass  ihn  die 
Wiedergabe  gleichgültiger,  unbedeutender  Gegenstände  und  Vor- 
gänge nicht  völlig  befriedigen  konnte,  und  andererseits  empfand  er 
zu  innig  und  natürlich,  als  dass  ihm  die  mythologisch-allegorischen 
Szenen  vollkommene  Befriedigung  verschafft  hätten,  zumal  wenn  sie 
auf  äussere  Anregungen  hin  durch  den  Verkehr  mit  Humanisten 
entstanden  waren.  Sie  erfreuten  ihn  vorwiegend,  weil  sie  seiner 
Liebe  zu  landschaftlichen  Schilderungen  und  seinem  Streben ,  die 
menschlichen  Körper  gesetzmässig  zu  formen,  bequemen  Ausdruck 
gönnten.  Wenn  die  gelehrten  Freunde  ihm  die  Verkörperung 
mythisch-allegorischer  Szenen,  historischer  Sinnbilder  empfahlen  und 
zum  kühnen  Beschreiten  des  neuen  Weges  aufmunterten,  war  Dürer 
gewiss  willig ,  ihrem  Rate  zu  folgen.  Steckte  doch  in  ihm  selbst 
von  früh  an  ein  Hang  zur  Gelehrsamkeit ,  und  musste  es  seinen 
erfinderischen  Sinn  reizen,  sich  an  neuen,  gedankenreichen  Schil- 
derungen zu  versuchen.  Wir  meinen  aber,  wir  könnten  ihn  bei 
der  Arbeit  belauschen,  wie  er  allmählich  seinen  Standpunkt  zu  den 


32 


Gegenständen  der  Darstellung  ändert:  ,,Ihr  sollt  euch  an  den  wunder- 
samen Vorgängen,  den  feinsinnigen  Anspielungen  ergötzen.  Gehe 
ich  doch  auch  gern  solchen  Dingen  nach.  Aber  ich  will  doch  auch 
mein  besonderes  Interesse  dabei  wahren.  Hier  bietet  sich  mir  die 
Gelegenheit,  namentlich  den  Frauenkörper  nach  den  verschiedensten 
Seiten  und  in  den  mannigfachsten  Lagen  zu  zeichnen.  Diese  will 
ich  benützen."  Und  in  der  That  erscheinen  die  mythisch- alle- 
gorischen Bilder  als  reine  Formstudien,  und  machen  sich  die  letz- 
teren z.  B.  in  den  vier  Hexen  (B.  75)  sogar  mit  einer  gewissen 
Aufdringlichkeit  geltend. 

Ihn  musste  ein  Gedankenkreis  locken ,  welcher  volkstümlich, 
leicht  und  allgemein  verständlich  war,  zugleich  aber  die  erfinderische 
Phantasie  des  Künstlers  anspornte.  Einen  solchen  fand  er  in  der 
Bibel.  Seit  einem  Jahrtausend  und  länger  geschaut ,  geliebt  und 
verehrt,  waren  die  biblischen  Bilder  ein  Gemeingut  der  Menschheit 
geworden.  Ihr  Inhalt  ist  so  unerschöpflich ,  sie  schmiegen  sich  so 
innig  den  mannigfachsten  Stimmungen  an,  können  von  so  verschie- 
denen Seiten  erfasst  werden,  wecken  eine  so  unendlich  reiche  Welt 
von  Empfindungen ,  dass  jede  Zeit  nach  ihrer  besondern  Art  sich 
in  sie  hineinzudenken  vermag,  der  individuellen  Freiheit  des  einzelnen 
Künstlers  der  weiteste  Spielraum  gewährt  wird.  Wie  sollten  solche 
Vorzüge  nicht  Dürers  Phantasie  gefangen  nehmen ,  welcher  schon 
durch  die  Vorliebe  für  den  Holzschnitt  und  Kupferstich  auf  volks- 
tümliche Wege  gewiesen  war,  dabei  aber  doch  gern  seine  persön- 
liche Selbständigkeit  hütete  und  eigenen  Gedanken  nachging.?  Bereits 
in  jungen  Jahren  wurde  Dürer  der  Maler  der  Bibel  und  blieb  es,  so- 
lange er  lebte.  Kein  Gestaltenkreis  hat  ihn  so  nachhaltig  beschäftigt 
und  so  tief  ergriffen,  wie  der  biblische ;  keinem  deutschen  Künstler 
dankt  aber  auch  die  Bibel  mehr,  dass  sie  in  der  Phantasie  des  Volkes 
feste  Wurzel  fasste,  als  Dürer. 

Bald  nach  seiner  Heimkehr  entwarf  Dürer  den  Plan  zu  einer 
Bilderfolge  aus  der  Apokalypse.  Im  Jahre  1498  war  die  ,,heim- 
lich  Offenbarung  Johannis,"  fünfzehn  stattliche  Holzschnitte, 
im  Drucke  vollendet.  Aus  welchem  Grunde  griff  er  gerade  diesen 
an  sich  dunkeln,  für  die  bildliche  Wiedergabe  besonders  schwierigen 
Teil  der  Bibel  zuerst  heraus }  Ein  Blick  auf  das  bei  Blätterfolgen 
und  Bilderbüchern  ungewöhnlich  grosse  Format  lässt  bereits  ver- 
muten, dass  Dürer  noch  in  italienischen  Erinnerungen  lebte.  Hier 
waren  die  grossen  Holzschnitte  beliebt,  hier  hatte  sie  Dürer  kennen 
gelernt  und  ihren  Wert  für  eine  markige  Formengebung  begriffen. 


33 


Er  sucht  die  Sitte  auch  in  seiner  Heimat  einzubürgern  und  huldigt 
ihr  in  den  ersten  Jahren  mit  sichtlichem  Stolze ,  bis  ihn  die  Er- 
fahrung belehrte,  dass  der  Erfolg  die  angewandte  Mühe  nicht  lohne. 
In  der  Wahl  des  grossen  Massstabes  liegt  aber  nicht  der  einzige 
Wiederhall  Italiens.  Wir  erinnern  uns ,  dass  die  in  ihm  ruhende 
Freude  an  mächtigen,  kraftvoll  bewegten  Formen  durch  die  Kenntnis 
Mantegnas  gezeitigt  wurde.  Dieses  Vorbild  wirkt  noch  länger  nach. 
Bei  dem  Sohne  des  Nordens  knüpfte  sich  aber  unwillkürlich  daran 
ein  phantastischer  Zug.  Der  nordischen  Volksseele  hängt  leicht  die 
Neigung  an,  das  rechte  Mass  zu  überschreiten.  Wir  steigern  gern 
das  Grosse  zum  Riesigen ,  wandeln  das  Mächtige  in  das  Unheim- 
liche und  lassen  die  kräftige  Empfindung  an  die  Grenze  finsteren 
Ernstes  fortschreiten.  Solcher  Neigung  bot  die  Apokalypse  reich- 
liche Nahrung.  Insofern  darf  man  annehmen ,  dass  persönlicher 
Kunsttrieb  Dürers  Wahl  bestimmte.  Es  waren  aber  gewiss  auch 
äussere  Umstände  mitthätig.  Seit  mehreren  Menschenaltern  hatten 
Pestilenz  und  Türkennot  die  Gemüter  aufgeregt  und  mit  finsteren 
Ahnungen  erfüllt.  Der  Tod  offenbarte  sich  als  unerbittlicher  Herr 
und  Gebieter,  dem  Frommen  und  Gläubigen  schien  das  Reich  des 
Antichrist  drohend  zu  nahen.  In  diesen  Zeiten  kamen  die  Toten- 
tanzbilder auf,  es  gewannen  für  die  arg  geängstigte  Menschheit  die 
Visionen  der  Apokalypse  neues  Leben.  In  den  Blockbüchern,  den 
Tafeldrucken,  in  welchen  Bild  und  ein  kurzer  Text  aus  einem  Holz- 
blocke zusammen  geschnitten  wurden ,  stossen  wir  wiederholt  auf 
ausführliche  Darstellungen  aus  der  Offenbarung.  In  Nürnberg  wurde 
eine  solche  Bilderfolge  noch  um  das  Jahr  1460  hergestellt.  Nicht 
minder  beliebt  waren  die  apokalyptischen  Bilder  in  den  illustrierten 
Bibeln.  So  sparsam  die  Kölnische  Bibel  1480  und  die  Nürnberger 
bei  Koburger  gedruckte  Bibel  1483  die  Bücher  des  Neuen  Testa- 
mentes mit  Holzschnitten  schmücken,  so  eifrig  sind  sie  darauf  be- 
dacht ,  die  Visionen  der  heimlichen  Offenbarung  durch  Bilder  an- 
schaulich zu  machen.  Dürer  durfte  demnach  für  sein  Werk  auf  die 
Teilnahme  weiterer  Kreise  hoffen. 

Bei  der  Auswahl  der  Szenen  hielt  er  sich  im  ganzen  an  die 
Nürnberger  Bibel.  Doch  war  er  weit  entfernt ,  etwa  ihre  Bilder 
nur  in  grösserem  Massstab  zu  wiederholen ,  auf  eine  selbständige 
Durcharbeitung  der  einzelnen  Szenen  zu  verzichten.  Er  ging  viel- 
mehr vom  genauesten  Studium  des  Textes  selbst  aus ,  suchte  die 
Worte  desselben  in  greifbare  Formen  zu  fassen  und  verlieh  ausser- 
dem jeder  Darstellung  das  Gepräge  seines  persönlichen  Geistes. 

3 


34 

Ganz  frei  und  offen  konnte  sich  dieser  allerdings  nicht  äussern. 
Das  hinderte  die  eigentümliche  Natur  des  Textes.  Die  Bilder  und 
Beschreibungen  hatten  sich  in  der  Volksphantasie  längst  eingebürgert. 
Sie  besitzen  eine  sinnUche  Form  und  dringen  deshalb  tief  in  die 
Seele.  Zu  allen  Zeiten,  bei  allen  Völkern  sind  sie  in  der  gleichen 
Weise  wiedergegeben  worden.  Der  byzantinische  Maler  hielt  sich 
ebenso  genau  an  den  Wortlaut,  wie  der  niederländische  oder  deutsche 
Zeichner  der  Blockbücher.  Auch  Dürer  musste  sich,  um  verstanden 
zu  werden,  den  Vorschriften  des  Textes  fügen.  Er  durfte  an  des 
Menschen  Sohn ,  der  in  seiner  rechten  Hand  sieben  Sterne  hatte, 
aus  dessen  Mund  ein  zweischneidiges  Schwert  ausging,  dessen  Augen 
wie  eine  Feuerflamme  waren ,  nichts  ändern ,  ebensowenig  an  dem 
starken  Engel  mit  dem  Antlitz  wie  die  Sonne  und  den  Füssen  wie 
Säulen.  In  diesen  und  noch  vielen  anderen  Fällen  erscheint  der 
Künstler  nicht  allein  stofflich  gebunden,  sondern  auch  in  der  Formen- 
wahl beschränkt.  Aber  auch  dann  verstand  noch  Dürer,  seine  per- 
sönliche Art  und  besondere  Empfindungsweise  zur  Geltung  zu 
bringen.  Er  gab  den  Linien  eine  Kraft,  der  Zeichnung  eine  Lebens- 
fülle ,  dass  der  abstrakte  Gegenstand  der  Darstellung  gegen  den 
malerischen  Eindruck  völlig  zurücktrat. 

Wenn  in  den  älteren  Holzschnitten  regelmässig  erst  die  Farbe 
nachträglich  hinzukommen  musste,  um  in  die  Zeichnung  Leben  und 
einigen  Schein  der  Wahrheit  zu  bringen ,  so  genügt  bei  Dürer  die 
verschiedene  Art  der  Strichführung ,  dem  Holzschnitte  Ton  und 
malerische  Kraft  zu  verleihen.  Licht  und  Schatten  in  den  reichsten 
Abstufungen,  vom  hellen  Weiss  bis  zum  tiefen  Schwarz,  kurze  und 
langgezogene ,  gekrümmte  und  gekreuzte  Striche ,  sind  mit  weiser 
Berechnung  verwendet ,  um  die  gewünschte  Wirkung  zu  erzielen. 
Die  Grenzen  der  Holzschnitttechnik  hat  Dürer  niemals  überschritten, 
aber  allerdings  alle  Mittel ,  welche  diese  zu  Gebote  stellt ,  auf  das 
glänzendste  ausgebeutet.  So  empfing  der  Holzschnitt  durch  ihn 
eine  bis  dahin  ungeahnte  Lebendigkeit  und  zugleich  die  wahre 
künstlerische  Weihe.  Die  treffliche ,  technische  Durchführung  ist 
allen  Blättern  der  Apokalypse  gemeinsam ;  dort,  wo  der  Gegenstand 
dem  Künstler  eine  freiere  Bewegung  gestattete,  treten  noch  andere 
Vorzüge  hinzu.  Ohne  die  Treue  der  Wiedergabe  zu  schädigen, 
lieh  er  in  Bezug  auf  Anordnung  der  Szene,  auf  Stimmung  und  Aus- 
druck nur  seiner  Phantasie  Gehör.  Selbst  wenn  verschiedene  Vor- 
gänge auf  einem  Blatt  vereinigt  werden ,  bewahrt  dieses  dennoch 
einen  geschlossenen,  bildartigen  Charakter.  Je  nachdem  der  Schau- 


36 


platz  in  den  Himmel  allein  oder  auch  auf  die  Erde  verlegt  ist, 
empfängt  die  Komposition  eine  andere  Gliederung.  Die  Stimmung 
endlich,  und  darauf  beruht  vorzugsweise  die  künstlerische  Wirkung 
des  Werkes ,  spricht  sich  nicht  allein  in  den  handelnden  Personen 
aus ,  sondern  pflanzt  sich  zu  den  landschaftlichen  Hintergründen 
fort  und  findet  hier  einen  starken  Widerhall. 

Das  erste  Blatt ,  welches  dem  Herkommen  gemäss ,  gleichsam 
zur  Orientierung  über  den  Seher  die  Marter  des  Evangelisten  Johannes 
schildert ,  hält  sich  an  die  in  den  früheren  grossen  Holzschnitten 
übliche  Auffassung  der  Natur  und  besitzt  nur  insofern  einen  be- 
sondern Wert ,  als  es  in  einzelnen  Bauteilen  des  Hintergrunds ,  in 
den  Trachten  an  venetianische  Erinnerungen  anklingen  lässt.  Aber 
schon  das  dritte  Blatt  (B.  63)  führt  uns  in  die  heimHche  Werkstätte 
der  Dürerschen  Phantasie.  Oben  thront ,  von  Regenbogen  ein- 
geschlossen ,  Gott  mit  dem  versiegelten  Buche  auf  dem  Schosse. 
Das  siebenhörnige  Lamm  schmiegt  sich  ihm  eng  an  der  linken 
Seite  an,  während  die  ,,vier  Tiere  voll  Augen  vorn  und  hinten", 
den  Regenbogen  zu  beiden  Seiten  umschweben.  Doch  sind  diese 
phantastischen  Gestalten  mit  sichtlicher  Zurückhaltung  gezeichnet, 
so  dass  sie  eigentlich  nur  einen  dekorativen  Charakter  an  sich 
tragen.  Den  grössten  Nachdruck  legt  Dürer  auf  die  vierundzwanzig 
Ältesten,  welche  teils  ihre  Kronen  demütig  dem  Herrn  darbieten, 
teils  seinen  Preis  zu  Harfen  singen.  Einer  hat  sich  von  der  dichten 
Schar  getrennt  und  spricht  tröstend  und  ermunternd  zu  dem  unter 
dem  Throne  Gottes  knieenden  Johannes.  So  bildet  die  Komposition 
der  oberen  Hälfte ,  durch  Wolken  von  der  Erde  geschieden ,  eine 
fest  geschlossene  Kreislinie.  Unten  aber  breitet  sich,  die  stillfeier- 
liche Stimmung  der  himmlischen  Scharen  ergänzend,  eine  prächtige 
Landschaft  aus.  Rechts  begrenzt  sie  ein  Baumhag,  links  steigt  auf 
einem  Hügel  ein  stattlicher  Burgflecken  in  die  Höhe,  die  Mitte  wird 
vorn  von  einer  Wasserburg,  hinten  von  einem  weiten,  ruhig  fliessen- 
den See  eingenommen.  In  ähnlicher  Weise  spiegelt  in  dem  Blatt, 
welches  die  Verteilung  der  Posaunen  an  die  sieben  Engel  und  die 
furchtbaren  Folgen  des  Posaunenschalles  schildert  (B.  68),  die  Land- 
schaft den  Vorgang  wieder.  Mächtiger  Sturm  peitscht  die  Wolken, 
das  Meer  ist  aus  den  Ufern  getreten,  die  Felsen  brechen,  die  Erde 
droht  in  Flammen  aufzugehen.  Oder  wenn  oben  in  den  Lüften 
der  Erzengel  Michael  mit  dem  Drachen  kämpft,  so  zeichnet  Dürer 
unten  eine  vom  Wind  bewegte ,  unruhige  Landschaft  mit  kahlen 
Bergen  und  unfruchtbarem  Boden.  Die  unheimUche  Natur  verstärkt 


38 


den  Eindruck  des  grausigen  Schauspiels  in  den  Lüften.  So  grossen 
Wert  aber  auch  Dürer  auf  die  Mitwirkung  der  Landschaft  legt,  in 
einzelnen  Fällen  verzichtete  er  doch  auf  sie  und  bewies  dadurch 
seine  bereits  gereifte  künstlerische  Kraft.  Das  berühmteste  und 
bekannteste  Blatt  der  ganzen  Folge  stellt  die  vier  Reiter  dar,  welchen 
die  Macht  gegeben  ward ,  den  vierten  Teil  auf  der  Erde  zu  töten. 


Gruppe  aus  dem  sechsten  Blatt  der  Apokalypse. 


Nur  ganz  vorn  am  Rande  ist  der  feste  Erdboden  angedeutet ,  die 
Reiter  selbst  stürmen  aus  einem  eintönigen ,  dunklen  Grunde  her- 
vor, welcher  den  Schein  des  Endlosen  weckt  und  erst  ihr  über- 
irdisches Wesen  für  das  Auge  glaubwürdig  macht.  In  der  gleichen 
Absicht  lässt  er  in  dem  Bilde  der  vier  Engel  vom  Euphrates  die 
Landschaft  nur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle  spielen.  Den  Vorder- 
grund füllen  die  schwertschwingenden ,  mächtigen  Engel  und  ihre 
Opfer  vollständig,  so  dass  trotz  der  geringen  Zahl  der  letzteren 


39 


der  Schein  einer  grossen  Menge  geweckt  wird.  Durch  solche  künst- 
lerische Mittel  brachte  Dürer  in  die  leicht  eintönige  Gedankenwelt 
Abwechslung.  Hinsichtlich  der  Zeichnung  und  des  Ausdruckes  der 
einzelnen  Gestalten  setzt  ihm  der  Text  allerdings  ziemlich  enge 
Schranken.  Sie  zerfallen  in  drei  Gruppen.  Den  begeistert  an- 
betenden oder  in  stille  Andacht  versunkenen  Heiligen  und  Gläubigen 
stehen  die  Vollstrecker  des  göttlichen  Willens  und  die  von  Schrecken 
und  Furcht  gepackten ,  vom  Strafgericht  ereilten  Menschen  gegen- 
über. Die  erste  und  dritte  Gruppe  bringt  wesentlich  immer  nur 
eine  Empfindung  zum  Ausdruck  und  kann  nur  durch  das  Alter, 
den  Stand  oder  den  Grad  der  Empfindung  unterschieden  werden. 
Zu  schärferer  Charakteristik  giebt  nur  die  Gruppe  der  Vollstrecker 
des  Urteils  reiche  Gelegenheit.  Wie  trefflich  sie  benutzt  wurde, 
zeigen  die  apokalyptischen  Reiter,  insbesondere  die  Gestalt  des 
Todes,  der  trotz  dem  schlotternden  Gange  des  Knochengaules,  auf 
welchem  er  reitet ,  die  Beute  rasch  und  sicher  ereilt.  Aber  auch 
sonst  mühte  sich  Dürer  eifrig,  mannigfachere  Töne  in  der  Schil- 
derung anklingen  zu  lassen.  Als  das  sechste  Siegel  sich  aufthat, 
da  fielen  die  Sterne  vom  Himmel  und  verbargen  sich  die  Obersten 
und  Reichen  (B.  65).  Diese  Textworte  gab  Dürer  im  Holzschnitt 
getreu  wieder;  er  fügte  aber  noch  einen  neuen  Zug  hinzu.  Er 
zeichnete  in  der  Ecke  links  eine  Mutter,  die  in  natürlicher  Empörung, 
dass  auch  ihr  unschuldiges  Kind  von  der  Vernichtung  getroffen 
werden  soll ,  laut  ihre  Stimme  gegen  den  Himmel  erhebt.  Es  ist 
die  in  die  rauhere  Sprache  des  Nordens  übertragene  Niobe.  Die  Züge 
des  babylonischen  Weibes  wusste  er  wirksam  zu  steigern ,  indem 
er  es  in  die  üppige  Tracht  einer  modischen  Nürnberger  Frau  (die 
kolorierte  Zeichnung  in  der  Albertina  hatte  er  bereits  1495  ent- 
worfen) kleidete.  Und  im  letzten  Blatte,  welches  oben  das  Gesicht 
des  himmlischen  Jerusalem ,  unten  die  Einsperrung  des  gefesselten 
Satan  in  die  Hölle  zur  Darstellung  bringt ,  leiht  er  dem  letztern 
groteske  Züge  und  schildert  den  ganzen  Vorgang  mit  einem  leisen 
Anfluge  von  Humor. 

Mit  einem  doppelten  Eindrucke  scheidet  der  Betrachter  von 
Dürers  Apokalypse.  Er  bewundert  die  Kunst,  mit  welcher  der 
spröde  Stoff  bemeistert  ist;  er  staunt  aber  auch,  dass  sich  in  der 
Seele  des  jungen  Dürer  —  er  zählte  bei  dem  Abschlüsse  des  Buches 
erst  27  Jahre  —  bereits  eine  so  herb  ernste  Gedankenwelt  ein- 
bürgern konnte. 


IV. 


Mit  welchen  Empfindungen  mag  wohl  Dürer  den  letzten  Strich 
in  der  Apokalypse  geführt  haben  ?  Die  Antwort  geben  die  beiden 
grossen  Holzschnittfolgen ,  welche  er  unmittelbar  darauf  in  Angriff 
nahm :  die  Passion  und  das  Marienleben. 

Wohl  sprachen  viele  Züge  in  der  heimlichen  Offenbarung  seine 
Natur  an.  Er  war  einer  phantastischen  Anschauung  zugeneigt  und 
liebte ,  wie  wir  aus  seinem  eigenen  Munde  erfahren  w^erden ,  zu 
träumen.  Ihn  fesselten  die  mächtigen  Gestalten  und  kühnen  Be- 
wegungen. Das  phantastische  Element  wurde  ihm  aber  hier  von 
aussen  zugetragen,  war  nicht  der  eigenen,  persönlichen  Stimmung 
frei  entsprungen.  Die  in  leidenschaftlicher  Handlung  begriffenen 
Ges-talten  weiter  lassen  das  eigentliche  dramatische  Pathos  häufig 
vermissen,  da  sie  nur  fremde  Befehle  vollziehen,  nicht  aus  innerstem 
Antriebe  die  wilden  Thaten  ausführen.  Man  wäre  versucht ,  die 
gewerbsmässige  Weise ,  mit  welcher  z.  B.  die  Engel  vom  Euphrat 
ihres  Amtes  walten ,  auf  diesen  Umstand  zurückzuführen.  Endlich 
kommt  in  der  Apokalypse  nur  ein  eng  begrenzter  Kreis  von  Empfin- 
dungen zur  vollen  Geltung.  Wir  begreifen,  dass  Dürer  nach  Voll- 
endung der  Apokalypse  zunächst  und  mit  Eifer  nach  Gegenständen 


41 


griff,  in  welchen  seine  Phantasie  sich  freier  und  selbständiger  be- 
wegen konnte.  Er  beharrte  in  der  bibHschen  Welt ,  verlegte  aber 
den  Schauplatz  aus  den  Lüften  und  jenseitigen  Regionen  auf  die 
wirkliche  Erde,  rückte  die  Schilderung  der  rein  menschlichen  Empfin- 
dung näher.  Wahres,  dramatisches  Pathos  konnte  er  in  der  Leidens- 
geschichte Christi  entfalten,  im  Marienleben  ein  idyllisches  Bild  des 
stillen  Friedens,  eines  trauten  Familienlebens  zeichnen.  Die  Holz- 
schnittfolge der  Passion  (die  sogenannte  grosse  Passion)  ist  nur  das 
erste  Glied  in  einer  längeren  Reihe  von  zusammenfassenden  Dar- 
stellungen der  Leidensgeschichte.  Solange  Dürer  künstlerisch  thätig 
war,  bis  in  seine  letzten  Lebensjahre,  kehrte  er  immer  wieder  zur 
Passion  zurück  und  suchte  ihr  neue  Züge  abzugewinnen ,  die  ver- 
schiedenen ,  seine  Seele  erfüllenden  Stimmungen  in  den  Passions- 
bildern zum  Ausdruck  zu  bringen.  Dagegen  gelang  ihm  die  Ver- 
herrlichung der  Maria  auf  den  ersten  Wurf  so  vortrefflich,  dass  er 
später  kaum  noch  eine  neue  Seite  seinem  Madonnenideale  ablauschen 
konnte.  Sein  Ideal  war  aber  die  demütige,  Ernstes  sinnende  Magd, 
die  still  thätige,  liebevolle  Hausmutter.  Um  diese  Natur  und  dieses 
Wesen  in  voller  Wahrhaftigkeit  zu  schildern ,  reicht  die  einzelne, 
geschlossene  Gestalt  der  Madonna  nicht  aus  ;  sie  muss  uns  vielmehr 
in  einer  Reihe  von  Szenen  handelnd  und  wirkend  vorgeführt  werden. 
Daher  ist  Dürers  Marienleben  in  der  Ausgabe  von  151 1,  nachdem 
er  zu  den  1501  — 1504  getretenen  Holzschnitten  noch  drei  neue 
hinzugefügt  hatte,  zwanzig  Blätter  umfassend ,  für  das  Verständnis 
seines  und,  wir  dürfen  wohl  sagen,  des  deutschen  Volkes  Madonnen- 
ideals wichtiger  als  die  einzelnen,  in  verschiedenen  Jahren  geschaf- 
fenen Madonnenbilder. 

Dürers  Marienleben  lehnt  sich  an  die  Berichte  der  apokryphen 
Evangelien  an.  Schon  in  den  alten  christlichen  Zeiten  genügten 
dem  naiven  Volksglauben  die  Erzählungen  der  kanonischen  Schriften 
über  das  Leben  und  die  Schicksale  Christi  nicht  vollständig.  Er 
wünschte  mehr  Einzelheiten  zu  erfahren.  Ausführlicheres,  insbesondere 
über  die  Jugend  Christi,  zu  hören.  So  malte  die  geschäftige  Phan- 
tasie eine  Reihe  lebendiger  Bilder  aus ,  welche  in  der  Erinnerung 
der  Menschen  ein  Jahrtausend  lang  hafteten  und  insbesondere  Dich- 
tern und  Künstlern  das  ganze  Mittelalter  hindurch  mannigfache 
Anregungen  boten.  Freier  als  bei  der  Apokalypse  war  diesmal 
seine  Stellung.  Er  war  an  den  Stoff,  aber  nicht  an  feststehende 
Formen  gebunden;  selbst  die  Wahl  der  Szenen  blieb  seiner  künst- 
lerischen Einsicht  überlassen,  da  ja  die  apokryphen,  durch  die  Dich- 


42 


tung  vielfach  abgeschlossenen  Erzählungen  seinen  Gedanken  nur 
eine  allgemeine  Richtschnur  boten.  Er  hat  die  Freiheit  trefflich 
benutzt.  Kein  schriller  Wechsel  der  Tonart,  keine  Sprünge  in  der 
Empfindungsweise  werden  in  der  Blätterfolge  bemerkt.  Die  Passions- 
szenen ,  welche  seine  Vorgänger  gewöhnlich  dem  Marienleben  ein- 
geflochten haben,  vermeidet  er  sorgfältig  und  deutet  nur  durch  die 
Abschiedsszene  Christi  von  seiner  Mutter  (B.  92),  ehe  er  die  letzte 
Reise  nach  Jerusalem  antritt ,  die  dunkle  Seite  ihres  Lebens  an. 
Und  selbst  hier  erscheint  sie  trotz  der  Hoheit ,  welche  Dürer  der 
Gestalt  Christi  verliehen  hatte,  als  die  wahre  Heldin  der  Handlung 
und  hält  ihre  Mutterwürde  und  liebevolle  Hingebung  an  den  Sohn 
aufrecht.  Welche  Tonart  im  Marienleben  vorherrscht ,  das  sagen 
dem  Auge  die  drei  Hauptblätter  der  Folge :  die  Geburt  Mariä 
(B.  80),  die  Flucht  nach  Ägypten  (B.  89)  und  die  dauernde  Rast 
daselbst  (B.  90). 

Dürer  war  kein  fröhlicher  Mann.  Er  mag  nur  selten  in  seinem 
Leben  laut  gelacht  haben,  und  in  seinen  Zeichnungen,  in  welchen 
er  doch  seine  ganze  Natur  enthüllt,  stossen  wir  kaum  ein  bis  zwei- 
mal auf  ungebunden  lustige  Gestalten.  Dafür  besass  er  ein  feines 
Verständnis  für  ein  stillgemütliches  Dasein  und  gebot  seine  Phan- 
tasie über  die  fesselndsten  Züge  sinnigen  Humors.  Welch  ein  an- 
heimelndes Gemälde  von  einem  kleinbürgerlichen,  behaglichen  Leben 
schuf  er  nicht  in  der  Geburt  Mariä !  Das  Ereignis  hat  die  befreun- 
deten Nachbarn  aus  dem  Alltagsleben  aufgerüttelt.  Die  Gevatterinnen 
eilen  teilnehmend  und  hilfreich  herbei,  um  die  Wöchnerin  zu  pflegen 
und  die  Familiensorgen  ihr  abzunehmen.  Diese  ruht  ermattet  in 
einem  Himmelbett  im  Hintergrunde  und  wird  durch  Speise  und 
Trank  von  zwei  Wärterinnen  gekräftigt ,  während  die  Wehmutter 
sich  von  den  Anstrengungen  des  Berufes  durch  einen  tiefen  Schlaf 
am  Rande  des  Bettes  erholt.  Den  Vordergrund  nehmen  geschäftige 
Frauen  ein.  Sie  haben  (rechts)  dem  Neugeborenen  ein  Bad  bereitet 
und  bemühen  sich  (links),  ein  älteres  Kind  durch  Spiel  und  Zuspruch 
ruhig  zu  erhalten.  So  viel  Eifer  und  Arbeit  macht  die  Kehle  durstig. 
Es  gilt  auch  das  Familienfest  würdig  zu  feiern.  So  sehen  wir  denn 
auch  eine  wackere  Alte  aus  dem  Weinkruge  sich  laben  und  in 
der  andern  Gruppe  rechts  eine  Frau  der  Nachbarin  den  Becher 
reichen.  In  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Gruppen  wandelt  ein 
junges  Mädchen ,  die  Wiege  unter  einem  Arm ,  einen  Krug  in  der 
andern  Hand,  die  anmutigste,  formenreinste  Gestalt,  welche  Dürer 
jemals  geschaffen  hat.    In  einem  ganz  frischen  Drucke  muss  man 


43 


diese ,  schon  durch  den  Kopfputz  auffälHge  Gestalt  sehen ,  um  das 
zierHche  Wesen,  den  Wohllaut  der  Züge,  die  Feinheit  der  Umrisse 
richtig  abzuschätzen.  Dieses  farbige  Bild  eines  trauten  Familien- 
festes reifte  nur  allmählich  in  der  Phantasie  Dürers.  Der  erste 
Entwurf  (im  Berliner  Kabinett),  flüchtig  mit  der  Feder  gezeichnet, 
begnügt  sich  mit  wenigen  Figuren;  erst  während  der  Arbeit  er- 
weitert sich  der  Vorgang  zu  der  reichen  Szene ,  welche  uns  der 
Holzschnitt  vor  die  Augen  bringt. 

Frischer  Waldduft  weht  uns  in  der  Flucht  nach  Ägypten  ent- 
gegen. Sorgsam  leitet  Joseph  das  Reittier  Mariens,  neben  welchem 
noch  eine  Milch  spendende  Kuh  einherschreitet.  Der  Weg  führt 
über  einen  Steg  durch  den  tiefen,  dichtbewachsenen  Wald.  Auch 
hier  lernt  man  erst  durch  Vergleichung  mit  dem  gleichnamigen 
Kupferstiche  Martin  Schongauers,  dem  eigentlichen  Muster  Dürers, 
die  künstlerischen  Verdienste  des  letzteren  richtig  würdigen.  Die 
Einzelheiten  kehren  wohl  alle  wieder ;  aber  dem  älteren  Meister 
fehlt  der  poetische  Hauch  und  die  beseeltere  Stimmung,  welche 
erst  Dürer  dem  Bilde  gab.  Und  nun  das  Lieblingsblatt  der  ganzen 
Folge:  die  Rast  in  Ägypten!  Joseph  hat  sein  Handwerk  wieder 
aufgenommen  und  ist  emsig  mit  der  Herstellung  eines  Troges  aus 
einem  Baumstamm  beschäftigt.  Kleine ,  geflügelte  Knaben  helfen, 
die  Späne  zu  kehren  und  in  einem  Korbe  zu  sammeln,  treiben  aber 
ausserdem  nach  Knabenart  allerlei  Kurzweil.  In  der  linken  Ecke 
spinnt  Maria,  während  sie  mit  dem  Fusse  die  Wiege  ihres  Kindes 
mechanisch  bewegt.  Grössere  Engel,  welche  die  ganze  Gruppe  in 
Halbschatten  hüllt,  umringen  sie,  bewundern  die  Kunst  der  Madonna, 
die  Fäden  so  fein  zu  spinnen,  und  erfreuen  sie  durch  eine  Blumen- 
spende. In  dem  längst  unbewohnten  Herrenhause  hat  die  h.  Familie 
ihre  neue  Heimat  gefunden.  Aber  der  sorgsame  Fleiss  des  Haus- 
vaters hat  die  Trümmer  ausgebessert,  wohnlich  gestaltet.  Das  Gehöft, 
in  welchem  die  Szene  vor  sich  geht ,  mit  dem  Lauf  brunnen ,  dem 
Fasse,  den  Hühnern  macht  den  Eindruck  eines  behäbigen  Daseins, 
und  dass  Seele  und  Auge  nicht  zu  sehr  im  Engen  weilen,  gestattet 
das  offene  Hofthor  den  Ausblick  auf  Wald  und  Hügel.  Seine  ganze 
Kraft  und  Liebe  hat  Dürer  in  die  Schilderung  hineingetragen  und 
die  Seligkeit,  welche  dem  innigen  Familienbunde  entspriesst,  unüber- 
trefflich verkörpert.  Wir  haben  vielfachen  Grund,  die  Italiener  um 
ihre  Kunst  zu  beneiden :  eine  so  poesievolle  Schilderung  des  gemüt- 
lichen Kleinlebens ,  wie  sie  Dürer  im  Marienleben  geschaffen  hat, 
suchen  wir  in  ihren  Kunstschätzen  vergeblich.  Hier  tritt  der  Gegen- 


44 


satz  zwischen  romanischer  und  germanischer  Kunstanschauung  am 
deuthchsten  uns  entgegen,  hier  stossen  wir  auch  auf  die  Ursache, 


Joseph  aus  der  Ruhe  auf  der  Flucht  nach  Ägypten.  Marienleben. 


warum  die  deutschen  Künstler  sich  schUessUch  doch  spröde  gegen 
die  itaUenische  Renaissancekunst  verhiehen,  sie  niemals  vollkommen 
in  ihre  Phantasie  aufnehmen  konnten. 


45 


Neben  den  geschilderten  Hauptblättern  treten  die  anderen  Holz- 
schnitte des  Marienlebens  etwas  zurück.  Doch  enthüllen  auch  sie 
gar  manchen  fein  psychologischen  Zug  des  Künstlers.  So  stellt  er 
in  der  Tempelszene  dem  Joachim,  dessen  Opfer  vom  Priester  zurück- 
gewiesen wird ,  einen  derben  Tölpel  mit  einem  kräftigen  Sohne 
gegenüber,  um  die  Schmach  Joachims  noch  empfindlicher  zu  machen. 
Die  fröhliche  Begegnung  Joachims  und  Annas  unter  der  goldenen 
Pforte  dünkt  einem  Bettler  eine  günstige  Gelegenheit,  Almosen  zu 
heischen.  Der  Tempelgang  Mariens,  die  Beschneidung  Christi  führt 
uns  treffliche  Charaktertypen  vor  die  Augen ;  auch  hier  endlich  giebt 
sich  Dürers  Behagen  am  reichen  landschaftlichen  Hintergrunde  kund. 
Das  Marienleben  ist  das  erste  Meisterwerk  Dürers,  welches  er  auch 
in  späteren  Jahren  noch  gern  mit  stolzem  Bewusstsein  verschenkte. 
Hat  es  doch  zuerst  seinen  Namen  weit  über  die  Grenzen  seiner 
Heimat  bekannt  und  berühmt  gemacht.  Die  Thätigkeit  im  Fache 
des  Kupferstiches  und  Holzschnittes  nahm  während  aller  dieser 
Jahre  nicht  bloss  seine  Zeit,  sondern  auch  seine  künstlerische  Kunst 
vorwiegend  in  Anspruch.  Was  er  als  Maler  leistete,  steht  an  Zahl, 
insbesondere  an  Bedeutung  gegen  die  Holzschnitte  und  Kupferstiche 
weit  zurück.  Über  Dürers  Erziehung  zum  Maler  sind  wir  nicht 
genau  unterrichtet.  Sicher  ist  nur,  dass  ihm  die  eigentümliche 
Wirkung  der  Ölfarbentechnik,  Schmelz,  Weichheit,  feine  Abtönung 
der  Farben  lange  unerreichbar  erschien,  und  dass  er  insbesondere 
in  jungen  Jahren  mit  Vorliebe  Leim-  oder  Wasserfarben ,  flüssig 
auf  Pergament  oder  Leinwand  aufgetragen ,  gebrauchte.  Er  lässt 
die  genaue  Vorzeichnung  überall  durchblicken,  die  scharf  gezogenen 
dunkeln  Umrisse  nicht  unter  der  Farbe  verschwinden,  giebt  häufig 
nur  durch  Färbung  in  der  Lebendigkeit  und  sinnlichen  Wirkung 
gesteigerte  Zeichnungen.  In  Leimfarben  auf  Leinwand  gemalt  tritt 
uns  das  Selbstporträt  aus  dem  Jahre  1493  und  das  mehrere  Jahre 
später  gemalte  Bildnis  des  Kurfürsten  Friedrich  des  Weisen  (Ber- 
liner Museum)  entgegen,  ferner  der  gleichfalls  noch  in  den  neunziger 
Jahren  geschaffene  Dresdener  Altar,  das  hervorragendste  Werk 
kirchlicher  Natur,  welches  wir  aus  Dürers  Jugendzeit  besitzen.  Nach 
üblicher  Sitte  zerfällt  der  etwas  über  i  m  hohe,  ursprünglich  in  der 
Wittenberger  Schlosskirche  aufgestellte  Altar  in  eine  Mitteltafel 
und  zwei  Flügel.  Das  Mittelbild  zeigt  uns  innerhalb  eines  Stein- 
rahmens auf  der  Brüstung  das  schlafende  Christuskind.  Ein  winzig 
kleiner  Engel,  ein  wahrer  Zwerg,  steht  auf  der  Brüstung  und  wehrt 
mit  einem  Wedel  die  Fliegen  ab,  hinter  der  Brüstung  erblickt  man 


46 


in  Halbfigur  die  Madonna,  welche  mit  gefalteten  Händen  das  Kind 
anbetet.  Im  Mittelgrund  sind  zwei  Engelchen  beschäftigt,  mit  Giess- 
kanne  und  Besen  den  Fussboden  der  Stube  zu  reinigen.  Der  Hinter- 
grund zerfällt  in  drei  Abteilungen.    Während  in  der  Mitte  Engel 
in  der  Luft  schweben,  eine  Krone  über  der  Madonna  haltend  oder 
Rauchfässer  schwingend,  blickt  man  links  durch  eine  geöffnete  Thür 
in  Josephs  Werkstätte  und  sehen  ihn  emsig  bei  der  Arbeit,  rechts 
bietet  ein  grosses  Fenster  die  Aussicht  auf  einen  Wirtschaftshof. 
Auf  dem  linken  Flügel  ist  der  h.  Antonius ,  auf  dem  rechten  der 
nackte  h.  Sebastian,  beide  in  Halbfigur  dargestellt.  Man  sieht  dem 
Bilde  deutlich  an,  wie  es  noch  in  Dürers  Phantasie  wogt,  altes  mit 
neuem  sich  mischt.  Dem  Ausblicke  in  das  Freie  durch  das  geöffnete 
Fenster  begegnen  wir  auch  auf  Bildern  aus  Wohlgemuths  Werk- 
stätte ,  das  liegende  Christuskind ,  sowie  die  kleinen ,  in  anderem 
Masse    gehaltenen   Engel   entstammen    italienischen  Erinnerungen 
(Lorenzo  di  Credi  und  Carlo  Crivelli) ,  die  Fein-  und  Kleinmalerei 
das  Glas  Wasser  mit  einer  Feldblume ,  der  halbe  Apfel  auf  der 
Brüstung  vor  dem  h.  Sebastian  mahnt  an  Jacopo  de'  Barbari.  Nur 
die  in  den  Lüften  sich  tummelnden  Engel  auf  beiden  Flügeln  sind 
Dürers  Eigentum  und  stehen  mit  den  Engeln  im  Marienleben  in 
naher  Verwandtschaft,  wie  auch  der  idyllische  Ton  des  letzteren 
bereits  hier  anklingt.    Der  Dresdener  Altar  ist  eine  eigenhändige 
Arbeit  Dürers,  was  man  bekanntlich  von  den  anderen  Altarwerken 
aus  seiner  früheren  Zeit  nicht  behaupten  kann.  So  hat  Dürer  z.  B. 
an  der  Malerei  des  dreiteiligen  Altars ,  welcher  in  der  Sommer- 
residenz der  Wiener  Erzbischöfe,  in  St.  Veit  aufgestellt  ist,  durch- 
aus keinen  Anteil  genommen.  Das  Mittelbild  stellt  die  Kreuzigung, 
die  Flügel  innen  die  Kreuztragung  und  Christus  als  Gärtner,  aussen 
die  Heiligen  Rochus  und  Sebastian  dar.    Die  Gesellenarbeit  kann 
nicht  bestritten  werden.    Lassen  sich  aber  nicht  wenigstens  die 
Skizzen  zu  den  Bildern,  teils  in  Basel,  teils  im  Städelschen  Museum 
in  Frankfurt  bewahrt ,    für  Dürer  retten }    Aber  auch  gegen  die 
Eigenhändigkeit  dieser  Vorlagen,  namentlich  der  Frankfurter,  regen 
sich  manche  Bedenken.    Jedenfalls  dürfen  sie  nicht  so  früh,  in  den 
Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  angesetzt  werden.  Denn  damals 
hatte  Dürer  noch  nicht  die  Technik,  welche  in  diesen  Blättern  herrscht, 
angenommen  und  mit  Pinsel  und  Tusche  die  Skizzen  zu  entwerfen 
geliebt.    Er  folgte  darin  nur  der  Sitte  seiner  Zeit  und  fand,  wie 
die  Besteller,  es  ganz  in  der  Ordnung,  dass  er  mit  seinem  Namen 
Bildwerke  deckte,  welche  nur  unter  seiner  Aufsicht  und  nach  flüch- 


47 


tigen  Angaben  und  Zeichnungen  von  Gesellen  ausgeführt  wurden. 
Aus  diesem  Grunde  können  die  Altarbilder  Dürers  nicht  als  sichere 
Zeugnisse  seines  Entwickelungsganges  angerufen  werden.  Besser 
ist  es  mit  den  Porträts  bestellt.  Hier  gilt  die  Voraussetzung  eigen- 
händiger Arbeit.  An  ihnen  Hesse  sich  daher  der  Weg,  welchen 
Dürer  in  der  Malerei  verfolgte,  mit  Sicherheit  studieren,  wenn  nicht 
leider  bald  Fälschungen  des  Datums ,  bald  Übermalung  so  oft  das 
Urteil  erschwerten.  Das  Bildnis  in  Florenz,  welches  angeblich  Dürers 
Vater  darstellen  soll,  wird  der  offenbar  gefälschten  Inschrift  zu  liebe 
dem  Jahre  1490  zugeschrieben,  Dürers  berühmtes  Selbstbildnis  in 
München  auf  das  Jahr  1 500  zurückgeführt ,  in  beiden  Fällen  der 
Ursprung  um  mehrere  Jahre  zu  früh  angesetzt.  Immerhin  bleiben 
noch  mehrere  Porträts  übrig,  welche  uns  über  Dürers  Auffassung 
der  Natur  und  die  künstlerischen  Gewohnheiten  in  seinen  jungen 
Jahren  aufklären.  Man  möchte  glauben,  dass  die  Übung  im  Selbst- 
porträtieren dieselben  mitbestimmte.  Die  Augen,  etwas  starr,  folgen 
nicht  der  Richtung  des  Kopfes ,  sondern  blicken  aus  dem  Bilde 
heraus.  Die  Haltung  des  Körpers  ist  nicht  dem  Augenblicke  ab- 
gelauscht ,  sondern  absichtlich  gewählt ,  in  den  Grenzen  des  all- 
gemeinen Typus  gehalten,  die  Hände  werden  in  allen  Einzelheiten 
überaus  sorgfältig  gezeichnet,  sprechen  aber  nicht  mit,  zeigen  keine 
Individualität,  kein  besonderes  Gepräge.  Sie  bleiben  einfach  dürerisch. 
Am  besten  gelingt  ihm  die  Wiedergabe  des  Haares,  des  Bartes,  der 
Pelzhaare.  Die  mit  Eifer  gepflegte  Feinmalerei  trägt  gute  Früchte. 
An  und  für  sich  ist  sie  nichts  Seltenes ,  in  Oberitalien ,  auch  in 
Venedig ,  wurde  sie  mit  Vorliebe  geübt.  Was  aber  Dürers  Fein- 
malerei auszeichnet  und  noch  später  die  Bewunderung  der  vene- 
tianischen  Maler  erregte,  ist  das  weise  Zurückdrängen  des  Einzelnen, 
so  dass  dieses  bei  aller  Feinheit  der  Ausführung,  z.  B.  der  Ringel- 
locken, doch  auch  als  Masse  wirkt.  Hier  begrüssen  wir  einen  wirklich 
malerischen  Zug.  Wir  entdecken  ihn  in  dem  Bildnisse  des  Oswald 
Krell  (Münchner  Pinakothek)  vom  Jahre  1499.  Die  unregelmässigen, 
groben  Züge  des  unbekannten  Mannes  sind  wahrlich  nicht  darnach 
angethan,  unsere  Aufmerksamkeit  zu  fesseln.  Aber  die  geschickte 
Anordnung,  die  Teilung  des  Hintergrundes,  dessen  linke  Hälfte  den 
Ausblick  in  ein  von  einem  Bach  durchströmtes  Birkenwäldchen 
öffnet ,  während  die  andere  Hälfte  einen  roten  Vorhang  zeigt ,  die 
doch  schon  natürlichere  Bewegung  —  er  fasst  mit  der  Linken  die 
Pelzschaube,  die  Rechte  ruht  auf  einer  Brüstung  —  die  feine  Malerei 
der  gelockten  Haare  und  des  Pelzes,  der  bunte,  flüssige  Pinselstrich, 


48 


weckt  die  Überzeugung,  dass  Dürer  bereits  um  die  Wende  des 
Jahrhunderts  alle  Genossen  als  Porträtmaler  überragte.  Wir  möchten 
klagen,  dass  er  diesen  Zweig  der  Malerei  in  der  folgenden  Periode 
weniger  pflegte  und  besonders  seit  1504  sich  anderen  Aufgaben 
zuwandte.  Doch  es  ziemt  sich  nicht ,  durch  solche  nachträgliche 
Erwägungen  die  Erzählung  seiner  jedenfalls  folgerichtigen  Ent- 
wicklung zu  unterbrechen. 


V. 


Die  Laufbahn  auch  der  grössten  Künstler  bewegt  sich  in  einer 
Wellenhnie.  Bald  wogt  und  stürmt  es  mächtiger  in  seiner  Phantasie, 
die  Gedanken  schiessen  blitzesschnell  zu,  das  Auge  blickt  schärfer, 
die  Hand  folgt  wunderbar  leicht  seinen  Absichten.  Kraft  und  Frucht- 
barkeit des  Künstlers  haben  einen  Höhepunkt  erklommen ;  er  atmet 
frei  und  geniesst  eine  weite  Aussicht.  Bald  fliessen  die  Gedanken 
langsamer,  es  scheint,  als  ob  ihm  eine  Zeitlang  die  Arbeit  schwerer, 
der  Blick  minder  klar  würde.  Einen  solchen  Höhepunkt  des  Schaf- 
fens bedeutet  für  Dürer  das  Jahr  1504. 

Zehn  Jahre  sass  er  bereits  in  seiner  Vaterstadt.  Da  glaubte 
er  die  Zeit  gekommen ,  sich  Rechenschaft  von  seinem  Thun  und 
Treiben  bisher  zu  geben,  gleichsam  eine  künstlerische  Beichte  ab- 
zulegen, was  er  geleistet,  und  welchen  Weg  dem  fernen  Ziel  ent- 
gegen er  bereits  zurückgelegt  hat.  Aber  auch  die  weitere  Weg- 
strecke ,  welche  noch  durchschritten  werden  muss ,  liegt  klarer  als 
früher  vor  seinen  Augen.  So  gestaltet  sich  der  Höhepunkt  der 
Entwickelung  zu  einem  Knotenpunkte.  Vergangenheit  und  Zukunft 
reichen  sich  die  Hände,  Abschluss  einer  älteren  Richtung  und  An- 
bahnung einer  neuen,  wenigstens  die  kräftigere  Ausbildung  der  schon 
vorhandenen  Keime  der  letzteren  liegen  nahe  beieinander. 

4 


so 

Die  landschaftliche  Schönheit ,  welche  ihn  in  seiner  Jugend  so 
mächtig  angezogen  hatte ,  hallt  noch  einmal  in  seiner  Phantasie 
nach  und  feiert  noch  einmal  einen  grossen  Triumph.  Der  h.  Eu- 
stachius (B.  57),  das  grösste  Blatt,  welches  Dürer  überhaupt  ge- 
stochen hat ,  trägt  gar  keine  Jahreszahl.  Doch  kann  es  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  er  um  das  Jahr  1504  herum  geschaffen 
wurde.  Er  zeigt  noch  einzelne  Spuren  jugendlicher  Befangenheit, 
so  namentlich  in  der  Art ,  wie  die  Figuren  in  den  schon  fertigen 
Hintergrund  gleichsam  nachträglich  eingezeichnet  sind.  Viele  Jahre 
später  (15 19)  hat  Dürer  eine  ähnliche  Schilderung  mit  dem  Grab- 
stichel geschaffen.  Der  h.  Antonius,  der  Einsiedler,  hat  am  Fusse 
eines  reich  bebauten  Burghügels  sich  zu  stillem  Gebete  nieder- 
gelassen (B.  58).  In  Einzelheiten  gleichen  sich  die  beiden  Blätter 
in  überraschender  Weise.  Hier  und  dort  steigt  im  Hintergrunde 
eine  Burg  mit  mannigfachen  Vorwerken  steil  in  die  Höhe.  Hier 
und  dort  schliesst  das  Bild  rechts  mit  einem  still  in  tiefem  Baum- 
schatten fliessenden  Strome  ab,  über  welchen  eine  Brücke  führt. 
Auf  beiden  Blättern  stehen  die  Figuren  zu  dem  landschaftlichen 
Hintergrunde  nur  in  losem  Zusammenhange.  Wie  gut  hat  aber 
Dürer  auf  dem  jüngeren  Blatte  den  lesenden  h.  Antonius  der  Um- 
gebung eingeordnet ,  wie  harmonisch  und  malerisch  wirksam  das 
Ganze  gestaltet.  Dagegen  fallen  im  h.  Eustachius  Landschaft  und 
Figuren  noch  auseinander.  Doch  dürfen  über  diesem  Mangel  die 
Vorzüge  des  Stiches  nicht  übersehen  werden.  Der  römische  Feld- 
herr, in  der  Jagdtracht  des  sechzehnten  Jahrhunderts,  hat  den  aus 
dem  Walde  heraustretenden  Hirsch  mit  dem  Kruzifix  zwischen  dem 
Geweih  erblickt.  Er  ist  sofort  vom  Pferde  gestiegen  und  in  staunen- 
der Verehrung  auf  die  Kniee  gesunken.  Um  ihn  lagern  sich  fünf* 
Rüden,  treffliche  Zeugnisse  des  Dürerschen  Tierstudiums.  Mehr  noch 
als  die  wahrhaftige ,  treue  Wiedergabe  der  Hunde  bewundern  wir 
den  geweckten  landschaftlichen  Sinn  des  Künstlers,  welcher  in  dem 
kleinen  Flussabschnitte  im  tiefen  Thalgrunde  einen  reizenden  Erd- 
winkel voll  stillen  Friedens  und  anheimelnder  Ruhe  geschaffen  hat. 

Hallt  im  Eustachius  (ähnlich  wie  in  dem  Holzschnitte  (B.  107), 
welcher  die  beiden  Einsiedler  Anton  und  Paulus  in  der  Wald- 
einsamkeit beieinander  sitzend  darstellt)  die  künstlerische  Freude 
an  der  landschaftUchen  Natur  nach,  so  klingt  in  dem  Stiche :  Wei- 
nachten (B.  2)  die  idyllische  Stimmung  des  Marienlebens  an.  In 
einem  verfallenen  Hause  hatte  Maria  in  Bethlehem  Zuflucht  gesucht, 
in  einem  an  die  Ruinen  angeklebten  Fachwerkbau ,  dessen  Unter- 


51 


stock  nach  dem  Hofe  offen  ist ,  die  Familie  sich  niedergelassen. 
In  diesem  offenen  Schuppen  kniet  Maria  vor  dem  neugeborenen 
Christkinde,  während  der  emsige  Joseph  im  Hofe  aus  einem  Zieh- 
brunnen Wasser  schöpft.  Aus  der  Thüre  des  an  den  Schuppen 
anstossenden  Stalles  tritt  mit  andachtsvoller  Geberde  ein  Hirt  her- 
vor, hinter  ihm  werden  die  Köpfe  des  Ochsen  und  Esels  sichtbar. 
In  Dunkel  ist  dieser  Teil  des  Bildes  gehüllt ,  dagegen  gewährt  ein 
Thorbogen  im  Hofe  den  erquickenden  Ausblick  in  die  helle  Land- 
schaft. So  ist  dem  engen  Schauplatze  das  Drückende  und  Be- 
ängstigende genommen,  der  Eindruck  des  gemütlichen  Kleinlebens 
in  entsprechend  kleinem  Räume  ungetrübt  geblieben.  Dürer  ver- 
stand es,  die  Figuren,  ungeachtet  des  winzigen  Massstabes,  frei  und 
klar  zu  zeichnen,  in  ihre  Köpfe  einen  scharfen  Ausdruck  zu  legen 
Namentlich  der  eifrig  schaffende  Hausvater  ist  eine  prächtige 
Charakterfigur,  eine  Gestalt  voll  Leben  und  Wahrheit.  Wenn  der 
Eustachius  und  die  Weihnachten  ältere  Stimmungen  des  Künstlers 
in  vollendetem  Ausdrucke  wiedergeben,  so  weist  der  gleichfalls  aus 
dem  Jahre  1504  stammende  Stich:  Adam  und  Eva  (B.  i)  auf  die 
neuen  Wege  hin,  welche  Dürer  zu  betreten  sich  anschickte.  Zum 
erstenmale  zieht  er  aus  seinen  Studien  die  richtigen  Masse  und 
Verhältnisse,  die  künstlerischen  Folgerungen  in  scharfer  Weise  und 
schafft  in  dem  ersten  Menschenpaare  Mustermenschen.  In  den  vor- 
bereitenden Entwürfen  zu  dem  Stiche ,  deren  sich  viele  erhalten 
haben ,  ein  Beweis ,  wie  sorgsam  er  arbeitete  und  wie  sehr  ihm 
gerade  dieses  Blatt  am  Herzen  lag,  befinden  sich  auch  zwei  Skizzen 
(Albertina) ,  in  welchen  er  (auf  der  Rückseite)  die  rechten  Masse 
mit  Ziffern  angegeben  und  die  geometrischen  Hilfsfiguren  (Kreise, 
Quadrate)  gezeichnet  hat.  Er  konstruierte  ,,nach  der  Masse,"  wie 
Jakob  Barbari  es  gethan  hatte,  die  Gestalten.  Dieser  Ursprung  aus 
dem  berechnenden  Verstände  und  nicht  aus  der  unmittelbar  quillen- 
den Phantasie  hat  namentlich  in  den  Köpfen  Spuren  zurückgelassen. 
Sie  sind  weniger  ausdrucksvoll  und  naturwahr.  Erst  der  Zutritt 
der  tief  empfundenen ,  reichen  Waldlandschaft ,  aus  deren  Dunkel 
Adam  und  Eva  herausgetreten  sind,  und  die  vortreffliche ,  bereits 
vollständig  ausgereifte  Stichweise  sichern  dem  Blatte  die  künst- 
lerische Wirkung.  Als  Abschnitt  in  Dürers  persönlicher  Entwicke- 
lung  behält  es  jedenfalls  grossen  Wert. 

Der  rastlose  Drang  nach  vorwärts ,  die  Unruhe ,  welche  jedes 
Selbstgenügen  ausschliesst,  spricht  noch  aus  einem  andern  in  dieser 
Zeit  (1504)  geschaffenen  Werke.    Bald  nach  der  Vollendung  der 

4* 


52 


Apokalypse,  vielleicht  noch  vor  dem  Marienleben,  hatte  Dürer  eine 
neue  grosse  Holzschnittfolge,  die  Passion  Christi,  begonnen.  Zahl- 
reiche Künstler  waren  ihm  in  der  Behandlung  der  Leidensszene 
vorangegangen.  Ihm  persönlich  waren  gewiss  die  ,, Fälle  Christi," 
welche  Adam  Kraft  gemeisselt  hatte  und  die  Stiche  Martin  Schon- 
gauers  nicht  unbekannt  geblieben.  Für  die  Hauptsache  der  Wieder- 
gabe war  ausserdem  eine  ehrwürdige  Überlieferung  massgebend. 
So  stellten  sich  dem  erfinderischen  Geiste  Dürers  hier  grössere 
Hemmnisse  entgegen  als  im  Marienleben.  Kein  Wunder,  dass  er 
sie  nicht  gleich  auf  den  ersten  Anlauf  vollkommen  überwand. 
Darin  übertraf  er  alle  seine  Vorgänger,  dass  er  folgerichtig  den 
dramatischen  Ton  anschlug  und  den  einzelnen  Gestalten  eine 
schärfere  Individualität,  einen  lebendigeren  Charakter  als  seine  Vor- 
gänger verlieh.  Die  Schilderung  ist  stimmungsvoller ,  wozu  der 
stets  sinnig  ausgewählte  landschaftliche  Hintergrund  wesentlich  bei- 
trägt. So  bildet  in  Christi  Gebet  auf  dem  Olberge  ein  wild  schauer- 
liches Felsengeklüfte  den  Schauplatz  und  wird  die  Grablegung  in 
den  Eingang  zu  einer  dunklen  Thalschlucht  verlegt.  Er  sieht  aber 
die  Leiden  Christi  doch  noch  mehr  mit  den  Augen  des  Volkes, 
welches  sich  an  den  Passionsspielen  ergötzt  und  an  derben  Zügen 
der  Schilderung  Gefallen  fand ,  als  mit  den  eigenen  Augen.  Es 
fehlt  den  Gestalten  die  feinere  Durchbildung,  den  ausgedrückten 
Empfindungen  das  rechte  Mass.  Nachdem  er  sieben  Blätter  der 
,, grossen  Passion"  dem  Drucke  übergeben  hatte  (B.  6,  8 — 13), 
brach  er  die  Arbeit  ab ,  vielleicht  dazu  auch  durch  die  geringe 
Geschicklichkeit  des  Holzschneiders  bewogen ,  welcher  die  Zeich- 
nungen nur  ganz  grob  auf  dem  Holzstocke  wiedergab.  Der  un- 
vollständig gelungene  Versuch  lähmte  nicht  seinen  schöpferischen 
Drang  und  hess  in  seiner  Phantasie  keineswegs  den  Gedankenkreis 
der  Passion  verblassen.  Im  Gegenteil.  Schon  im  Jahre  1 504  arbeitete 
er  wieder  an  der  Passionsgeschichte  und  vollendete  in  kurzer  Zeit 
eine  neue  Folge  von  zwölf  grossen  Blättern.  Dieses  Mal  verzichtete 
er  auf  die  Mitwirkung  des  Holzschneiders,  liess  es  bei  der  blossen 
Zeichnung  bewenden.  Die  Zeichnungen  sind  nicht  vorbereitende 
Skizzen,  bestimmt,  später  vollkommener  ausgeführt  zu  werden, 
sondern  zeigen  uns  schon  die  endgültige  Gestalt  des  Werkes.  Er 
ging  dabei  mit  der  gleichen  Sorgfalt  vor,  als  ob  es  sich  um  einen 
Schnitt  oder  Stich  handelte,  riss  zuerst  stets  mit  der  Feder  die 
ganze  Komposition,  übertrug  sie  sodann  gleichfalls  mit  der  Feder 
auf  ein  grünlich  getöntes  Papier  und  fügte  die  Lichter  in  weisser 


f 


53 

Farbe  mit  dem  Pinsel  hinzu.  Von  dem  grünlichen  Hintergrunde 
empfing  die  in  der  Albertina  bewahrte  Folge  den  Namen  der 
grünen  Passion.  In  drei  Farben  hergestellt ,  besitzt  die  grüne 
Passion  einen  mehr  malerischen  Charakter ,  im  ganzen  im  Tone 
dunkel  gehalten ,  versetzt  sie  uns  sofort  in  die  rechte  Stimmung 
und  lässt  uns  die  tragischen  Ereignisse,  das  schwere  Leiden  Christi, 
liefer  empfinden.  Darin  liegt  überhaupt  der  grosse  Fortschritt  gegen 
die  grosse  Holzschnittpassion,  dass  Dürer  in  die  Schilderung  seine 
persönliche  Empfindung  voll  hineinlegt,  das  seelische  Leben  in 
allen  Gestalten  kräftiger  ausprägt,  ohne  die  dramatische  Wucht  der 
Ereignisse  abzuschwächen.  Der  Vorgang  wird  stets  gesammelter 
wiedergegeben,  keine  Person  erscheint  überflüssig,  jede  nimmt  viel- 
mehr lebendigen  Anteil  an  der  Handlung.  Vergleichen  wir  z.  B. 
die  Geisselung  Christi  in  den  beiden  Folgen.  In  der  Holzschnitt- 
passion herrscht  ein  grösseres  Gedränge,  der  Vorgang  ist  materieller 
erfasst,  auf  die  schier  tierische  Wut  der  Peiniger  der  Nachdruck 
gelegt.  In  der  grünen  Passion  behielt  Dürer  alle  wesentlichen 
Personen  bei :  den  kalt  zusehenden ,  in  ein  türkisches  Gew^and  ge- 
kleideten Anführer  der  Rotte ,  die  zwei  Peitschenden ,  den  dritten 
Schergen ,  welcher  knieend  Ruten  bindet  und  endlich  den  Mann, 
welcher  Christum  bei  den  Haaren  zerrte.  Den  Anspeienden,  den  in 
das  Horn  tutenden  Knaben,  den  Mann,  welcher  vorn  auf  dem  Boden 
sitzt  und  mit  grösster  Anstrengung  die  Stricke  noch  fester  schnürt, 
ebenso  wie  die  mehr  gleichgültigen  Gestalten  im  Hintergrunde  Hess 
er  weg.  Dadurch  gew^ann  die  Komposition  eine  geschlossenere, 
feiner  abgewogene  Form ,  treten  die  Gegensätze  klarer  vor  das 
Auge.  Die  grösste  und  glücklichste  Wandlung,  wenn  auch  nur 
mit  wenigen  Strichen ,  vollzog  Dürer  am  Kopfe  Christi.  Im  Holz- 
schnitte erscheint  er  wegen  der  Zerrung  der  Haare  gewaltsam  nach 
rückwärts  gezogen ,  hier  dagegen  senkt  er  sich  herab  und  drückt 
so  die  Tiefe  des  Schmerzes,  die  duldende  Ergebung  viel  deutlicher 
aus.  Verhältnismässig  geringe  Änderungen  erfuhr  die  Kreuztragung. 
In  dem  berühmten,  auch  von  Raffael  geschätzten  Holzschnitte  hatte 
Dürer  bereits  mit  dem  ersten  Wurfe  das  Schwarze  getroffen ,  das 
Gedränge  aus  dem  engen  Stadtthore ,  die  treue  Nachfolge  der 
Freunde ,  die  liebevolle  Teilnahme  Christi  für  sie ,  welche  er  auch 
noch  unter  der  Last  des  Kreuzes  zusammengebrochen  äussert,  das 
rauhe  Zustossen  der  Kriegsknechte ,  um  Christum  vorwärts  zu 
bringen ,  mit  unübertreffUcher  Wahrheit  wiedergegeben.  Das  alles 
kehrt  auch  in  der  grünen  Passion  wieder ,  nur  der  Landsknecht, 


54 


der  im  Holzschnitte  breitspurig  in  der  Ecke  steht,  wird  näher  zur 
Handlung  herangezogen. 

Selbständig,  neuen  Gedanken  Raum  gebend,  verfuhr  Dürer 
gegen  das  Ende  des  Werkes.  In  der  Holzschnittpassion  folgten 
auf  die  Kreuzigung  die  Beweinung  und  Grablegung  Christi.  Beide 
Blätter  bringen  vorwiegend  die  gleiche  Empfindung,  die  Trauer 
und  Klage ,  zum  Ausdruck  und  schwächen  dadurch  die  Wirkung 
des  einzelnen  Schnittes  ab.  Die  Handlung  bewegt  sich  nicht  rüstig 
genug  vorwärts.  Da  schob  Dürer  zwischen  Kreuzigung  und  Grab- 
legung noch  die  Kreuzabnahme  und  brachte  nicht  allein  Abwechs- 
lung in  die  Szenenfolge,  sondern  schuf  überhaupt  ein  Meisterwerk, 
welches  zu  dem  besten,  was  wir  von  ihm  besitzen,  zählt.  Nikodem 
ist  auf  einer  Leiter  auf  den  Kreuzesarm  geklettert  und  lässt,  von 
drei  Männern  unterstützt,  den  Leichnam  Christi  sachte  zu  Boden 
gleiten.  Die  körperliche  Anstrengung  gestattet  der  inneren  Teil- 
nahme keinen  offenen  Ausdruck.  Desto  kräftiger  kommt  diese  in 
der  unteren  Gruppe  zur  Geltung.  Johannes  bemeistert  einen  Augen- 
blick den  Gram  und  sucht,  unwillkürlich  die  Beine  Christi  berührend,  - 
diesen  vor  jähem  Falle  zu  bewahren.  Mit  ausgebreiteten  Armen 
sitzt  Magdalena  am  Fusse  des  Kreuzes,  bereit,  dem  teueren  Leich- 
nam in  ihrem  Schosse  eine  Ruhestätte  zu  gewähren ,  während  die 
Mutter,  vom  Schmerze  übermannt,  in  den  Armen  der  Maria  Salome 
zusammenbricht.  Es  würde  schwer  fallen,  eine  Komposition  Dürers 
zu  nennen ,  so  wohl  abgewogen  in  der  Anordnung ,  so  klar  und 
wirksam  und  so  tief  empfunden ,  wie  die  Kreuzabnahme  in  der 
grünen  Passion.  Ob  wohl  Rubens  das  Blatt  kannte ,  als  er  sein 
berühmtes  Gemälde  für  den  Antwerpener  Dom  schuf.?^  Die  Über- 
einstimmung in  der  Anlage  und  Gruppierung  wirkt  überraschend. 

Die  grüne  Passion  besitzt  nicht  allein  als  die  ausgereifte  Frucht 
der  älteren  Holzschnittpassion  einen  hervorragenden  Wert,  sondern 
spielt  auch  sonst  in  Dürers  künstlerischer  Entwickelung  eine  be- 
deutende Rolle.  Hier  zum  erstenmale  fand  er  zuerst  die  einfachen 
Mittel  der  Zeichnung,  allerdings  der  dreifarbigen,  aber  doch  schliess- 
lich nur  durch  Licht  und  Schatten  wirksam ,  genügend ,  um  seine 
künstlerischen  Gedanken  in  endgültiger  Form  zu  verkörpern.  Die 
Zeichnung  erschien  ihm  ebenbürtig  neben  den  anderen  ausführenden 
technischen  Weisen.  Er  gewöhnte  sich  seitdem ,  auch  wenn  er 
Tafelbilder  schuf,  die  vorbereitenden  Entwürfe  in  dieser  sorgfältigen, 
farbigen  Weise  zu  zeichnen ,  so  dass  sie  eigentlich  schon  für  sich 
genügen  und  die  Künstlerkraft  bereits  in  ihnen  nahezu  aufgebraucht 


Die  Geisselung  Christi.    Grosse  Passion. 


56 

wird.  Galt  es  dann ,  die  mit  dem  grössten  Fleisse  ausgeführten, 
eigentlich  schon  vollendeten  Studien  in  bunte  Farben  zu  kleiden, 
so  fehlte  der  frische  Sinn ,  der  Reiz  des  unmittelbaren  Schaffens. 
Man  muss  Rembrandts  scheinbar  so  flüchtig  hingeworfene ,  wie 
gekleckste  Skizzen  mit  den  Dürerschen  Studien  vergleichen ,  um 
zu  erkennen ,  wie  ein  Künstler  vorgeht ,  der  nur  in  Farben  denkt. 
Das  hat  Dürer  niemals  gethan.  Bei  ihm  macht  die  Farbe  gewöhn- 
lich den  Eindruck  einer  nachträglichen  Zuthat.  Dürer  empfand 
ganz  richtig  diese  schwache  Seite  seiner  Künstlernatur  und  gestand 
später  selbst  die  Unzulänglichkeit  seiner  Malweise  in  den  jüngeren 
Jahren  freimütig  ein. 

Zunächst  freilich  suchte  er  seinen  Ehrgeiz  darin,  auch  als  Maler 
zu  glänzen.  In  dasselbe  Jahr  1504,  welchem  die  Weihnachten, 
Adam  und  Eva,  die  grüne  Passion  entstammen,  fällt  noch  das  beste 
Tafelbild,  welches  er  in  dieser  ganzen  Zeit  geschaffen  hat;  die  An- 
betung der  Könige,  jetzt  in  der  Tribuna  zu  Florenz.  Während  die 
älteren  Altäre  und  Tafeln  gewöhnlich  mit  Hilfe  der  Gesellen  aus- 
geführt wurden  —  auch  der  sogenannte  Paumgärtnersche  Altar  in 
München,  mit  der  Geburt  Christi  als  Mittelbild  und  je  einem  Reissigen 
neben  seinem  Rosse  auf  den  Flügeln ,  zeigt  solche  Spuren  — ,  ist 
die  Anbetung  der  Könige  eine  eigenhändige  Arbeit.  Die  heilige 
Familie  hat  sich  auch  hier  in  den  Ruinen  eines  älteren  hoch- 
gelegenen Baues  niedergelassen.  Links  sitzt  die  blonde  Maria 
mit  dem  Christuskinde  auf  dem  Schosse ,  welches  die  Gabe  des 
ältesten  vor  ihm  knieenden  Königs  freundlich  entgegennimmt.  Der 
zweite  König,  in  der  Kopftracht  sichtlich  an  das  (schlecht  erhaltene) 
Selbstbildnis  Dürers  in  München  erinnernd  und  dadurch  die  Zeit 
des  letzteren  bestimmend,  und  der  Mohr  stehen  mit  Goldgefässen 
daneben ;  ein  Mohrenknabe ,  gleichfalls  mit  Geschenken  beladen, 
steigt  die  obersten  Stufen  einer  Treppe  empor.  Weiter  zurück, 
wo  ein  Thorbogen  das  Gehöft  abschliesst ,  tummelt  das  Gefolge 
der  Könige  die  Rosse ,  im  Hintergrunde  endlich  erhebt  sich  auf 
steilem  Felsen  eine  Burg.  Wie  die  Komposition  einzelne  ältere 
Motive  anklingen  lässt ,  so  ist  auch  die  Malweise  noch  die  feine, 
dünnflüssige ,  in  hellen  kräftigen  Farben  sich  bewegende ,  welche 
Dürer  in  seiner  Jugend  liebte.  Immerhin  beweist  auch  dieses  Ge- 
mälde, dass  Dürer  im  Jahre  1504  einen  Höhepunkt  der  Entwicke- 
lung  erreicht  hatte  und  bildet  einen  würdigen  Abschluss  der  ersten 
Periode  seines  künstlerischen  Wirkens. 


VI. 

Ein  volles  Jahrzehnt  und  darüber  weilt 
Dürer  seit  seiner  Wanderschaft  in  der  Vater- 
stadt. Er  war  allmählich  zu  einem  an- 
gesehenen Manne  und  berühmten  Künstler 
emporgestiegen.  Der  Verkehr  mit  Patri- 
ziern und  Humanisten ,  wie  Pirkheimer, 
Celtes ,  Schedel  hatte  an  Innigkeit  ebenso 
zugenommen,  wie  der  Begehr  nach  seinen 
Werken  gestiegen  war.  Da  erwachte  wieder 
in  ihm  die  Wanderlust  und  die  Sehnsucht 
nach  Italien,  die  letztere  gewiss  durch  die 
Gegenwart  Jacopos  de'  Barbari  in  Nürnberg 
noch  gesteigert.  Wir  bemerken,  dass 
ihn  jetzt  wieder,  wie  nach  der  Heim- 
kehr von  der  ersten  Wanderschaft, 
mythologische  Stoffe  in  höherem 
Masse  fesseln.  Er  sticht  einen  ,, Wald- 
teufel," d.  h.  einen  Satyr,  welcher 
mit  Flötenspiel  seine  im  Waldesdunkel  auf  einem  Tierfelle  gelagerte 
Familie  ergötzt,  er  führt  uns  gleichfalls  im  Stiche  Apollo  und  Diana 
und  Merkur  mit  dem  Pegasus  (gewöhnlich  das  kleine  Pferd  genannt) 
vor  die  Augen.  Ein  Sammelband  antiquarischen  Inhalts ,  welchen 
Hermann  Schedel  in  Italien  zusammengeschrieben  und  mit  einzelnen 
flüchtigen  Zeichnungen  versehen  hatte,  reizte  ihn  zu  besserer  Wieder- 
gabe des  letzteren.  Er  zeichnete  sorgfältig  Hermes  oder  den  gal- 
lischen Herkules,  welcher  durch  seine  Beredsamkeit  die  Menschen 


\ 


58 


an  sich  fesselt  und  Arion,  welcher  von  Delphinen  durch  die  Fluten 
getragen  wird.  Zu  gleicher  Zeit  werden  auch  die  Erinnerung  an 
die  Formen  der  antikisierenden  Baukunst ,  wie  sie  in  Italien  auf- 
gekommen waren,  in  ihm  lebendig.  Die  architektonischen  Hinter- 
gründe in  der  grünen  Passion"  zeigen  nicht  mehr  die  gotischen 
Formen,  welche  noch  zuweilen  im  Leben  Maria  und  in  der  grossen 
Passion  wiederkehren.  Der  reinen  Renaissancekunst  entsprossen 
kann  man  zwar  die  Säulen  und  Bogen  in  der  grünen  Passion  nicht 
nennen;  immerhin  bekunden  sie  eine  veränderte  Richtung  der  archi- 
tektonischen Phantasie  und  eine  Annäherung  an  die  massvolle  Ein- 
fachheit der  Renaissancekunst.  Wir  begreifen ,  dass  der  Drang, 
den  engen  Stadtmauern  Nürnbergs  zu  entfliehen ,  wieder  in  der 
schönen  Welt  Italiens  Mut  und  Kraft  zu  sammeln,  immer  mächtiger 
in  ihm  anschwoll  und  zuletzt  unwiderstehlich  wurde ,  so  dass  er 
trotz  seiner  Dürftigkeit  —  er  musste  von  seinem  Freunde  Pirk- 
heimer  Geld  für  die  Reise  leihen  —  den  nächsten  Anlass  ergriff, 
um  nach  Venedig  zu  reisen.  Als  solchen  giebt  Vasari  den  Rechts- 
streit an ,  welchen  Dürer  gegen  den  berühmten  Kupferstecher 
Marcanton  wegen  unbefugten  Nachstechens  einzelner  Blätter  aus 
dem  Marienleben  anstrengen  wollte.  Vasari  ist  zwar  in  diesem 
Punkte  kein  sicherer  Gewährsmann ,  auch  erfahren  wir  aus  Dürers 
Briefen  nichts  von  seinem  Prozesse  gegen  Marcanton.  So  viel  aber 
darf  man  die  Nachricht  Vasaris  vielleicht  gelten  lassen ,  dass  die 
Nachbildung  seiner  Werke  in  Venedig  auf  seine  Reise  mitbestimmend 
wirkte.  Wenn  seine  Schöpfungen  so  grossen  Beifall  in  Venedig 
fanden,  dass  sogar  Fälschungen  Gewinn  brachten,  warum  sollte  er 
nicht  seiner  Person  den  Vorteil  zuwenden 

Mit  zahlreichen  Aufträgen  der  Nürnberger  Freunde  zum  An- 
kaufe von  Perlen,  Edelsteinen,  Ringen,  Büchern  belastet,  sonst  aber 
mit  leichtem  Gepäcke  und  schweren  Sorgen  beladen ,  machte  sich 
Dürer  im  Herbste  1505  auf  den  Weg.  Er  hatte  sechs  ,,Thafelln," 
kleine  Bildtafeln,  mitgenommen.  Wird  er  sie  verkaufen,  werden 
ihm  neue  Bestellungen  gemacht  werden.^  Nicht  wenig  drückte  ihn 
auch  die  Geldschuld  an  Pirkheimer ,  mit  welchem  er  während  .der 
Reisezeit  einen  regen  Briefwechsel  unterhielt.  Zehn  Briefe ,  teils 
in  den  ersten  Monaten,  teils  im  Herbste  1506  geschrieben,  haben 
sich  erhalten.  In  den  ersten  Briefen  herrscht  ein  gedämpfter  Ton. 
Ihn  kümmert  das  Schicksal  der  zurückgelassenen  Mutter  und  Gattin, 
er  denkt  an  den  arbeitslosen  Bruder  Hans  und  klagt  über  die 
Maler,  welche  ihm  nicht  wohlwollen  und  seine  Kunst  tadeln,  denn 


59 

sie  sei  nicht  „antikischer  Art."  AllmähUch  bessert  sich  die  Stim- 
mung, steigt  der  Mut  und  das  Selbstvertrauen.  Er  wechselt  mit 
dem  Freunde  Scherzworte ,  mitunter  recht  derber  Art ,  meldet  das 
Lob  des  alten  Giovanni  Bellini,  welcher,  wie  wir  aus  einer  andern 
Quelle  (Camerarius)  erfahren ,  Dürers  Feinmalerei  wie  ein  Zauber- 
werk anstaunte,  und  erzählt  von  dem  Gedränge  in  der  Werkstätte, 
vor  welchem  er  sich  zuweilen  verbergen  müsse.  Er  bekennt  aber 
auch  freimütig  den  Wechsel  in  seinen  künstlerischen  Anschauungen 
und  wie  er  jetzt  den  früher  hochgeschätzten  Jacopo  de  Barbari 
minder  hoch  stelle.  Die  Aussichten  auf  Erwerb  haben  sich  gleich- 
falls gebessert.  Fünf  Täfelchen  hat  er  verkauft ,  von  der  Rosen- 
kranzbrüderschaft, welche  sich  unter  der  deutschen  Kaufmannschaft 
gebildet  hatte ,  ein  grösseres  Altargemälde  bestellt  erhalten.  Und 
als  er  es  nach  einer  Arbeit  von  sieben  Monaten  vollendet  hatte, 
jubelt  er  auf.  Der  Doge  und  der  Patriarch  von  Venedig  besuchen 
die  Werkstätte ,  der  Rat  will  ihn  durch  ein  Jahresgehalt  von  zwei- 
hundert Dukaten  an  Venedig  fesseln,  und  auch  die  Maler  sind  zum 
Schweigen  gebracht.  Sie  sagten  bisher,  ,,im  Stechen  wäre  er  gut, 
aber  im  Malen  wüsste  er  nicht  mit  Farben  umzugehen.  Jetzt  spricht 
jedermann ,  so  schöne  Farben  hätten  sie  nie  gesehen."  Wir.  sind 
leider  nicht  mehr  im  stände,  dieses  grosse  Lob  auf  seine  volle  Wahr- 
heit prüfen  zu  können.  Das  Bild ,  ein  Weihgeschenk  der  Brüder- 
schaft, stellt  die  Madonna  auf  dem  Throne  in  einer  reichen,  hinten 
rechts  von  Felsbergen  abgeschlossenen  Landschaft  dar.  Sie  und  das 
Christkind  überreichen  dem  Kaiser ,  dessen  Profilkopf  Dürer  nach 
der  Zeichnung  des  Ambrogio  da  Predis,  eines  angesehenen  Mailänder 
Malers ,  wiedergab ,  und  dem  Papste  Rosenkränze ,  während  der 
neben  der  Madonna  stehende  h.  Dominikus  und  mehrere  Engel 
das  gleiche  Geschäft  an  der  übrigen  Gemeinde,  fast  lauter  Porträt- 
gestalten ,  vollziehen.  Das  Gemälde ,  zuerst  in  der  Bartholomäus- 
kirche in  Venedig  aufgestellt ,  kam  später  in  den  Besitz  Kaiser 
Rudolfs  II.  und  nach  Auflösung  der  Prager  Galerie  in  ein  Prager 
Kloster.  In  älterer  und  neuerer  Zeit  arg  misshandelt,  zuletzt  noch 
vollständig  übermalt ,  ist  es  gegenwärtig  nur  ein  trüber  Schatten 
des  ursprünglichen  Werkes.  Wer  das  grosse  Tafelbild  vor  seiner 
letzten  Restauration  genau  prüft,  erkennt  nicht  allein  in  dem  psal- 
tierenden  Engel  auf  der  Stufe  des  Thrones  einen  Anklang  an  die 
bellinischen  Engel ,  sondern  entdeckt  auch  die  offenbare  Absicht 
des  Künstlers,  die  Farben  gegen  sein  sonstiges  Verfahren  auf  einen 
kräftigen  Akkord  zu  stimmen.    Das  blaue  Kleid  der  Madonna,  der 


6o 


goldbrokatene  Mantel  des  Papstes  und  das  scharlachrote  Gewand 
des  Kaisers  gaben  die  Grundtöne  an.  Zwischen  dem  Gold  und 
dem  Rot  vermittelt  das  gelbrötliche  Kleid  des  psaltierenden  Engels, 
nach  beiden  Seiten  hin  werden  die  Hauptfarben  ergänzt  und  zu 
ruhigerer  Wirkung  gebracht.  Hinter  dem  Papste  kommt  ein  rotes, 
violettes,  hinter  dem  Kaiser  (nach  dem  Hintergrunde  zu)  ein  blaues 
Gewand  zur  Geltung.  Nur  in  dem  (früheren)  Kopfe  der  Madonna 
und  den  scharf  gezeichneten  Köpfen  der  Brüderschaftsgenossen  be- 
grüssen  wir  den  alten  deutschen  Dürer. 

Das  Rosenkranzbild  ist  die  hervorragendste ,  aber  nicht  die 
einzige  Leistung  Dürers  während  seines  Aufenthaltes  in  Venedig. 
Zeigt  jenes  den  Einfluss  der  venetianischen  Malerei ,  so  offenbart 
das  kleine  Gemälde  in  der  Galerie  Barberini  in  Rom :  Christus 
unter  den  Schriftgelehrten"  die  Einwirkung  Leonardos ,  welcher 
überhaupt  eine  grosse  Rolle  in  Dürers  Entwickelung  spielt,  wie  er 
auch  unserem  Meister  nach  der  erfinderischen,  grübelnden,  wissen- 
schaftlich denkenden  Seite  der  Natur  durchaus  wahlverwandt  er- 
scheint. Leonardos  Einfluss  w4rd  in  der  scharfen  Zuspitzung  der 
Charaktere ,  in  den  fast  schroffen  Gegensätzen  der  Köpfe ,  in  der 
starken  Mitwirkung  der  Hände  an  der  Geberdensprache  kund.  In 
fünf  Tagen  hat  Dürer  das  Gemälde  vollendet ,  nachdem  er  aller- 
dings Köpfe  (besonders  den  mild  anmutigen  Christuskopf  in  der 
Albertina)  und  Hände  vorher  sorgfältig  gezeichnet  hatte.  Doch 
macht  nicht  die  Schnellmalerei  das  Werk  fein  und  bedeutsam,  noch 
weniger  seine  malerischen  Eigenschaften.  Der  Gesamteindruck  ist 
keineswegs  erfreulicher  Art ,  da  ganz  abgesehen  von  der  schlechten 
Erhaltung  der  Tafel  die  Komposition  sich  nicht  im  Räume  vertieft, 
die  Halbfiguren  sich  drängen,  die  vielen  dicht  vor  den  Augen  des 
Beschauers  sich  bewegenden  Hände  und  kreuzenden  Finger  den 
leichten  Überblick  des  Ganzen  erschweren.  Einen  viel  grösseren 
malerischen  Wert  besitzt  der  kleine  Christus  am  Kreuze  (Dresden), 
welcher  gleichfalls  in  Venedig  gemalt  wurde.  Es  ist  das  erste, 
rein  malerische  Stimmungsbild  des  Meisters.  Aus  tiefem  Dunkel 
leuchtet  der  Christuskörper  hervor.  Nur  am  fernen  Horizonte  wirft 
ein  gelbrötlicher  Streifen  Licht  auf  ein  schmales  Stück  öden ,  ein- 
tönigen Seegestades.  Das  einsame  Leiden  des  Heilandes,  in  welchem 
nur  das  Antlitz  den  furchtbaren  Schmerz  ausdrückt,  der  Leib  männ- 
liche Kraft  sich  bewahrt  hat ,  kann  nicht  ergreifender  geschildert 
werden.  Niemals  hat  sich  Dürer  der  italienischen  Kunst  so  sehr 
genähert ,    niemals    die    mittelalterHchen  Überheferungen   so  voll- 


6i 


ständig  abgestreift,  wie  in  diesem  kleinen  Bilde.  Mit  ihm  lässt  sich' 
der  zwölfjährige  Christus,  was  malerische  Wirkung  betrifft,  nicht  ver- 
gleichen.  Die  Bedeutung  des  letzteren  liegt  darin,  dass  Dürers  persön-  ' 
liehe  Entwickelung  in  ihm  einen  mächtigen  Schritt  vorwärts  macht. 
Bisher  hatte  er  doch  wesentlich  nur  den  äusseren  Proportionen,  den 
mathematischen  Verhältnissen  die  Aufmerksamkeit  zugewandt.  Jetzt, 
durch  Leonardos  Muster  angefeuert,  zieht  er  auch  die  Physiognomik  ! 
und  die  Erfindung  von  Charaktertypen  in  den  Kreis  seiner  Studien. 

Leonardo  ist  der  dritte  italienische  Meister ,  in  dessen  Fuss- 
stapfen Dürer  tritt.  An  Jacopo  de'  Barbari  schliessen  sich  Mantegna 
und  Lionardo  an.  Eine  merkwürdige  Wahl  und  Folge  der  Künstler- 
ideale ,  ebenso  bezeichnend  für  Dürers  Stellung  zur  italienischen 
Kunst,  wie  aufklärend  über  seine  eigene  Natur.  Die  berühmtesten 
und  bedeutendsten  venetianischen  Maler ,  in  deren  naher  Nachbar- 
schaft er  verkehrte ,  Hessen  ihn  kalt.  Man  spricht  wohl  vom  Ein- 
flüsse Giovanni  Bellinis.  Doch  ist  dessen  besondere  Malweise  in 
Dürers  Bildern  nicht  nachweisbar  und  was  Dürer  von  den  Vene- 
tianern  angenommen  hatte,  beschränkt  sich  vorwiegend  auf  einzelne 
Kompositionsregeln.  Dürers  Madonnen  auf  dem  Throne  seit  1506 
bekunden  sein  Verständnis  der  feinsinnigen  Anordnung ,  die  vor- 
nehme Auffassung,  welche  in  der  venetianischen  Schule  sich  ein- 
gebürgert hatte.  Auch  der  wohlthuende,  dem  Auge  gefällige  Gegen- 
satz des  anmutigen ,  fröhlichen  Engels  zu  Füssen  des  Thrones  im 
Gegensatz  zu  der  strenger  abgemessenen ,  ernsten  Hauptgruppe 
blieb  ihm  nicht  verborgen.  Wir  entdecken  solche  psalticrende 
Engel  an  den  Stufen  des  Thrones  in  den  späteren  Schöpfungen 
Dürers  recht  häufig.  Von  einer  durchgreifenden  Einwirkung  der 
Venetianer  auf  seine  Phantasie,  so  dass  sie  eine  Stilwandlung  hervor- 
rief, können  wir  keine  Spur  nachweisen.  Das  zeigt  am  besten  das 
Porträt  eines  jüngeren,  etwa  dreissigjährigen  Mannes  aus  dem  Jahre 
1507  in  der  Wiener  kaiserlichen  Galerie.  Der  Farbenauftrag  er- 
scheint in  dem  (verputzten)  Bilde  etwas  weicher,  verschmolzener. 
Aber  in  allem  Übrigen,  in  der  Haltung  des  Kopfes,  in  der  Zeichnung 
des  rotblonden  Haares ,  in  der  Richtung  des  Blickes  und  der  Be- 
handlung des  Pelzwerkes,  in  der  scharfen  Abhebung  des  Brustbildes 
von  dem  dunklen  Hintergrunde,  begrüssen  wir  den  alten  deutschen 
Dürer.  Es  waren  auch,  wenn  wir  von  dem  Feinmaler  Barbari  ab- 
sehen, auch  nicht  in  erster  Linie  die  anatomischen  Vorzüge,  welche 
ihn  an  die  Helden  der  oberitalienischen  Malerei  fesselten.  Mantegnas 
kühne  Zeichnung ,  dessen  Verkürzungskunst  und  Kraft ,  wuchtige 


/ 


62 


und  doch  nicht  plumpe  Körper  zu  gestalten,  elementare,  das  Mass 
des  Gewöhnlichen  weit  überschreitende  Empfindungen  in  voller 
Reinheit  und  Macht  auszudrücken,  hatten  es  ihm  angethan.  Wenn 
er  jetzt  sein  Ideal  wechselt,  zu  Leonardo  bewundernd  aufblickt,  so 
bleibt  auch  jetzt  die  eigentliche  Kunst  der  Malerei  aus  dem  Spiel. 
Er  begeistert  sich  nicht  für  den  wunderbaren  Farbenschmelz  in  den 
Gemälden  Leonardos  und  dessen  technisches  Können.  Leonardos 
Zeichenweise  ist  ihm  fremd.  Dagegen  suchte  er  mit  Feuereifer  in 
Leonardos  Kunstlehre  und  theoretische  Grundsätze  einzudringen. 
Auf  welchem  Wege  Dürer  zu  ihrer  Kenntnis  gelangte,  ist  uns  nicht 
überliefert  worden.  Am  wahrscheinlichsten  klingt  die  Vermutung, 
dass  einer  oder  der  andere  von  Leonardos  Schülern  und  Akademie- 
genossen, welche  nach  den^  Sturze  Sforzas  ein  Wanderleben  in  Ober- 
italien führten,  ihm  die  Kunde  in  Venedig  oder  Bologna  vermittelte. 
Man  denkt  gewöhnlich  an  den  gelehrten  Mathematiker  Luca  Pa- 
cioli,  welcher  einerseits  zu  Leonardo  in  nahen  Beziehungen  stand, 
anderseits  durch  seine  Schriften  und  Entdeckungen  auf  Dürer 
nachhaltigen  Einfluss  übte.  Der  Kristallkörper  mit  lauter  fünf- 
winkeligen Flächen  (Isocaeder)  in  dem  Stiche  der  Melancholie  geht 
auf  Paciolis  Lehre  von  den  regelmässigen  Körpern  zurück.  In  Dürers 
Schriften  begegnen  einem  gar  manche  Sätze  in  der  von  Pacioli 
in  der  ,,divina  proportione"  niedergelegten  Meinung. 

Mit  Jacopo  de'  Barbari  und  selbst  mit  Mantegna  verbanden 
ihn  nur  einzelne  wahlverwandte  Züge ,  an  Leonardo  hat  er  seine 
ganze  Künstlerschaft  hingegeben.  Und  wenn  von  einer  italienischen 
Schule  Dürers  gesprochen  werden  könnte,  so  läge  sie  in  Leonardos 
Lehren  und  kunstwissenschaftlichen  Versuchen.  Schon  die  Spuren, 
welche  in  Dürers  Werken  auf  Leonardo  zurückgehen,  zeigen,  dass 
ihm  die  ganze  Persönlichkeit  des  Mannes  vor  Augen  schwebte.  Die 
physiognomische  Bedeutung  der  Hände  hatte  er  ihm  abgelauscht,  das 
phantastische  Element  willig  in  sich  aufgenommen.  Als  er  auf  einem 
Blatte  im  Berliner  Kabinett  (L.  9)  einen  Drachen  zeichnet,  leiht 
er  ihm  die  Züge,  welche  Leonardo  für  die  Darstellung  eines  solchen 
Ungetüms  empfiehlt.  Er  hört  von  Leonardos  Erfindungen  auf  dem 
Gebiete  des  Wasserbaues.  Sofort  macht  er  sich,  in  zwei  Zeich- 
nungen im  Britischen  Museum,  daran,  Schwimmgürtel  und  Schwimm- 
blasen zu  entwerfen,  mit  deren  Hilfe  man  weite  Ströme  durch- 
schwimmen kann.  Die  sogenannte  Akademie  Leonardo  Vincis,  ein 
mailändischer  Kupferstich,  welcher  kunstreich  verschlungenes  Ranken- 
werk wiedergiebt,  vielleicht  ein  Erkennungszeichen  der  Mitglieder 


63 


der  Akademie  Leonardos ,  jedenfalls  wie  die  Inschrift  im  mitt- 
leren Kreise :  Academia  Leonardi  Vinci  zeigt ,  mit  ihr  zusammen- 
hängend ,  reizte  seine  Nachahmungslust.  Er  zeichnete  noch  in 
Venedig  auf  zwei  Blättern  (Britisches  Museum)  mit  leichten  Ab- 
weichungen solche  künstüchen  KnotenverschUngungen  und  nahm 
nach  seiner  Heimkehr  Anlass  ,  sie  in  sechs  Holzschnitten ,  den  so- 
genannten Knoten  (B.  140 — 145),  weiter  auszuführen.| 

Natürlich  zog  ihn  zu  Leonardo  am  stärksten  das  Studium  der 
Masse  und  Verhältnisse ,  der  Gesetze ,  welche  den  menschlichen 
Bildungen  zu  Grunde  liegen.  Dürer  hatte  sie  in  Venedig  mit  neuem 
Eifer  aufgenommen.  Das  Blatt  mit  den  zwei  nackten  Frauen  im 
BerHner  Kabinett  (L.  37  u.  38),  mehrere  Zeichnungen  von  Pferden  in 
den  Uffizi  und  in  der  Ambrosiana,  mit  beigeschriebenem  Masse, 
legen  dafür  Zeugnis  ab.  Aber  weit  war  er  auf  dem  bisher  ein- 
geschlagenen Wege  nicht  gekommen.  Das  Körpergerüst  des  Menschen 
richtig  anzulegen,  hatte  er  wohl  gelernt,  ein  gutes  Verständnis  der 
Masse  der  Einzelglieder  sich  erworben.  Bei  der  künstlerischen  Ver- 
wertung dieser  Kenntnisse  erhoben  sich  grosse  Schwierigkeiten, 
namentlich  die  konstruierten  Köpfe  entbehrten  des  Lebens  und  des 
kräftigeren  Ausdruckes.  Zum  Glück  half  in  vielen  Fällen  die  Natur 
aus ;  wer  sich  einfach  an  sie  hielt ,  sündigte  vielleicht  gegen  die 
Regel,  gab  aber  doch  ein  gutes  Bild  der  Wirklichkeit.  Dürer  hatte 
sich  aber  ein  höheres  Ziel  gesteckt.  Er  wollte  den  Spuren  des 
Schöpfers  nachgehen ,  die  festen  Gesetze ,  welche  der  Bildung  der 
Geschöpfe,  besonders  der  Menschen,  zu  Grunde  liegen,  klar  schauen, 
auch  bei  der  Wiedergabe  des  seelischen  Lebens  das  Zufällige,  Un- 
bewusste  zurückschieben.  Nun  erblickt  er  einen  Mann ,  allerdings 
nur  im  Widerscheine  seiner  Zeichnungen ,  welcher  diesen  Weg 
bereits  erfolgreich  beschritten  hatte.  Durch  unermüdliches  Be- 
obachten und  Erforschen  der  Natur  war  in  Leonardos  Phantasie 
ein  schöpferischer  Zug  gekommen,  eine  Kraft  der  Erfindung,  welche 
ihn  beinahe  mit  der  Wirklichkeit  wetteifern  lässt.  Er  ersinnt  Cha- 
rakterköpfe von  vollkommener  Lebensfähigkeit  und  packendem 
Wahrheitsscheine.  Die  Leidenschaften,  seelischen  Bewegungen  und 
Empfindungen  sind  in  ihnen  auf  das  deutlichste  ausgedrückt.  Dem 
scharfen  Forscher  entging  nicht,  dass  die  charakteristische  Stimmung 
an  Linienzüge  geknüpft  werden  könne,  der  Wechsel  in  der  Profil- 
linie eine  entsprechende  Änderung  des  Ausdrucks  hervorrufe. 

In  zahlreichen  Proben  legte  Leonardo  diese  Überzeugungen 
dar.    Er  Hess  aus  einem  einfach  regelmässigen  Kopfe  die  mannig- 


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fachsten  Charakterköpfe  sich  entwickeln ,  entdeckte  selbst  in  der 
grössten  Unregelmässigkeit  Spuren   gesetzmässiger   Bildung.  Auf 
den  Namen  „Karikaturen"  getauft,  werden  sie  in  sehr  vielen  Samm- 
lungen mit  Vergnügen  betrachtet.  Doch  lag  dem  Zeichner  zunächst 
das  Zerrbild  und  eine  kalte  Verhöhnung  menschlicher  Bildungen 
durchaus  fern.  Wie  wenig  gehört  dazu,  eine  tiefgreifende  Wirkung 
des  Ausdrucks  zu  erzielen.    Und  wenn  die  Stirn  zurückgeschoben, 
die  Nase  aufgestülpt  wird,  müssen  nicht  Mund  und  Kinn  eine  ent- 
sprechende Änderung  empfangen  .^^  Auf  Beispiele,  welche  diese  Folge- 
richtigkeit kundgeben,  war  sein  Absehen  gerichtet,  als  Ziel  setzte 
er  sich  die  Annäherung  des  Formensinns  und  der  Schöpfung  psycho- 
logischer Charaktere.    Dadurch   brach   er  in  Italien  einer  neuen) 
Kunstweise  die  Bahn  und  öffnete  gleichzeitig  Dürer  die  Augen, ^ 
welcher  bis  dahin  den  Bann  der  rein  formalen  Proportionslehre  nichts 
ganz  zu  durchbrechen  vermochte. 

Für  den  erfinderischen  Mann ,  dessen  Phantasie  voll  von  Ge- 
danken ,  Gestalten  und  Bildern  steckte ,  war  es  eine  bittere  Ent- 
täuschung, dass  er  gerade  bei  der  Bildung  des  Kopfes,  in  welchem 
die  Seele  lauter  widerscheint ,  Halt  machen  sollte.  Leonardos 
Beispiel  lehrte  ihn,  dass  hier  die  Phantastik  in  ihr  Recht  trat  und 
hier  der  schöpferische  Trieb  keineswegs  in  Regellosigkeit  ausarten 
müsse.  Eifrig  folgte  er  diesen  Spuren.  Noch  in  Venedig  versuchte 
er  sich  in  ,, verrückten  Angesichten".  Er  zeichnete  (Pester  Museum 
L.  185)  eine  Reihe  von  Profilköpfen  nebeneinander,  welche  durch 
Änderungen  der  Gesichtslinien  einen  verschiedenen  Ausdruck  ge- 
winnen ,  ganz  in  derselben  Weise  wie  auf  einem  Berliner  Blatte 
L.  34) ,  wo  er  zunächst  einen  gewöhnlichen  Idealkopf  entwarf  und 
diesen  dann  durch  Zuspitzung  oder  Abstumpfung  des  Profiles  mannig- 
fach änderte. 

Dass  Leonardos  Einfluss  in  den  Werken  Dürers  nicht  so  stark 
sich  geltend  macht ,  wie  jener  Mantegnas ,  erklärt  sich  aus  guten 
Gründen.  Mantegna  wurde  sein  Vorbild  für  besondere  Bewegungen, 
für  einzelne  Gestalten  und  Gruppen,  welche  leicht  in  ihrem  Ursprünge 
erkannt  werden.  Leonardos  Lehren  durchdrangen  dagegen  Dürers 
künstlerisches  Wesen ,  verschmolzen  so  innig  mit  dem  letzteren, 
dass  sie  nicht  mehr  losgeschieden  werden  können.  Man  darf  Leo- 
nardos Einfluss  nicht  in  Dürers  malerischen  Werken  suchen.  Hier 
trennten  sich  ihre  Wege ,  blieb  Dürer  selbständig.  Wenn  er  aber 
fortan  in  der  Schöpfung  von  Charaktergestalten  und  Charakter- 
köpfen mit  das  lockendste  Ziel  des  Künstlers  erkannte ,  seine  er- 


\ 


65 


finderische  Phantasie  einen  wuchtigen  Schwung  nahm,  sein  LiebUngs- 
streben ,  die  Masse  und  Gesetze  der  menschUchen  Erscheinung  zu 
erforschen ,  an  Tiefe  gewann ,  so  dankt  er  in  allen  diesen  Dingen 
Leonardo  die  grösste  Förderung. 

Die  mannigfachen  Eindrücke ,  welche  er  in  Venedig  empfing, 
brachten  Dürer  doch  Unruhe  in  seine  Seele  und  störten  das  Gleich- 
gewicht seiner  Stimmung.  Man  merkt  dem  Tone  der  an  Pirkheimer 
gerichteten  Briefe  den  steten  Wechsel  zwischen  Hoffnung  und  Sorge 
an  und  kommt  auf  die  Vermutung,  dass  die  wenig  geistvollen,  sich 
stets  wiederholenden  Scherze,  frostig  und  gekünstelt,  wie  sie  sind, 
einen  Mantel  bilden,  um  darunter  die  eigene,  wahre  Stimmung  zu 
verbergen.  Fröhlicher,  ungesuchter  Humor  spricht  jedenfalls  nicht 
aus  ihnen.  Neu  und  offen  tritt  er  uns  entgegen ,  wenn  er  seine 
stattliche,  durch  neue  Kleider  gehobene,  äussere  Erscheinung  schil- 
dert. Er  legte  auf  diese  stets  ein  grosses  Gewicht.  Ehrlich  und 
offen  ist  auch  seine  Freude  über  den  wachsenden  Ruhm.  Dass 
er  an  Selbstvertrauen  und  Selbstachtung  gewonnen ,  seine  Kraft 
gemessen  und  stark  gefunden  hat,  die  erhöhte  Freude  am  Wirken 
und  Schaffen ,  darin  entdecken  wir  die  unmittelbare  Frucht  der 
venetianischen  Reise. 


5 


VII. 


,,0  wie  wird  mich  nach  der  Sonne  frieren ;  hier  bin  ich  ein 
Herr,  daheim  ein  Schmarotzer !"  Solauten  die  Schlussworte  Dürers 
in  dem  letzten  Briefe  an  Pirkheimer.  Als  er  im  Frühling  1507 
heimgekehrt  war,  durfte  er  indess  glauben,  dass  er  sich  in  seinen 
Landsleuten  doch  getäuscht  habe,  und  hoffen,  jetzt  in  der  Heimat 
Anerkennung  auch  als  Maler  zu  finden.  Bestellungen  auf  Gemälde 
strömten  ihm  in  so  reichem  Masse  zu,  dass  in  den  nächsten  Jahren 
die  Malerei  ihn  fast  ausschliesslich  in  Anspruch  nimmt,  der  Kupfer- 
stich und  Holzschnitt  stark  zurücktreten.  Vorher  begann  er,  wie 
es  scheint  aus  eigenem  Antriebe,  eine  Doppeltafel  zu  malen,  welche 
ihm  und  den  Freunden  den  in  Venedig  gemachten  Fortschritt  an- 
schaulich vor  die  Augen  führen  sollte.  Er  griff  auf  den  alten  Ge- 
danken eines  Normalmenschen  zurück,  gab  wieder,  wie  in  dem 
Kupferstiche  vom  Jahre  1 504 ,  Adam  und  Eva  Leben  und  Gestalt. 
Offenbar  hatte  er  sich  mit  dem  Bilde  schon  in  Venedig  beschäftigt, 
denn  einzelne  Vorstudien,  zahlreich  wie  immer,  tragen  das  Datum 
1506.  Überaus  lehrreich  ist  der  Vergleich  des  Gemäldes  (Pitti- 
galerie  in  Florenz),  welches  noch  zu  Dürers  Lebzeiten  kopiert  wurde 
(Madrid  und  Mainz)  mit  dem  älteren  Kupferstiche.  Hier  erscheinen 


67 


beide  Köpfe  in  ein  scharfes  Profil  gestellt ,  namentlich  jener  Evas 
ausdrucklos ,  die  ganzen  Gestalten  gleichsam  als  Beispiel  richtiger 
Proportionen  hingestellt.  Wie  viel  tiefer  in  der  Empfindung,  innerlich 
belebter  treten  uns  auf  den  beiden  Tafeln  Adam  und  Eva  entgegen. 
Verführerisch  blickt  Evas  Auge,  lockend  und  doch  leise  verschämt 
nähert  sie  sich  Adam ,  dessen  geöffneter  Mund  und  grosse  Augen 
die  Begehrlichkeit  verraten.  Zu  dieser  gesteigerten  inneren  Belebung 
gesellt  sich  eine  gute  Modellierung  der  Körper,  eine  freie  Verteilung 
der  Farben.  Dürer  durfte  sich  in  der  That  rühmen ,  in  Venedig 
viel  gelernt  zu  haben.  Der  alte  Dürer,  aber  von  seiner  besten 
Seite,  zeigt  sich  in  dem  zahlreichen  Getier,  den  bunten  Papageien, 
den  Rebhühnern ,  dem  Eber,  Hirsch ,  welche  das  Waldesdunkel 
beleben. 

Auf  diesem  Wege  fortzuschreiten  und  auf  die  formale  und 
seelenhafte  Durchbildung  der  Einzelgestalt,  auch  der  bekleideten,^ 
die  ganze  Kraft  einzusetzen ,  war  Dürer  nicht  beschieden.  Schon 
der  erste  grössere  Auftrag  warf  ihn  wieder  in  die  Bahn  zurück, 
auf  welcher  wohl  seine  erfinderische  Kraft ,  aber  nicht  sein  male- 
rischer Sinn  sich  frei  bewegen  konnte.  Der  Kurfürst  Friedrich  der 
Weise  von  Sachsen  bestellte  bei  ihm  eine  Darstellung  der  Marter 
der  zehntausend  Christen  unter  König  Sapor.  Der  Gegenstand  war 
Dürer  nicht  fremd.  Er  hatte  bereits  früher  im  Holzschnitt  (B.  117) 
und  dann ,  schon  mit  Rücksicht  auf  die  Bestellung  des  Bildes ,  in 
einer  Federzeichnung  in  der  Albertina  diese  dem  derben  Volkssinn 
zusagende  Legende  verkörpert.  Ihn  fesselte  offenbar  der  Anlass, 
die  mannigfachsten  Stellungen  und  Bewegungen  der  Gemarterten 
zeichnen,  seine  theoretischen  Studien  praktisch  verwerten  zu  können. 
Redlich  hat  er  auch  die  ihm  gebotene  Gelegenheit  benutzt,  namentlich 
an  kühnen  Verkürzungen  es  nicht  fehlen  lassen.  Die  malerische 
Wirkung  blieb  aus,  und  auch  die  Geschlossenheit  der  Komposition 
wurde  nicht  erreicht.  Das  Ganze  löst  sich  in  viele  vereinzelte 
Gruppen  auf,  welche  das  Auge  nach  und  nach  mühselig  zusammen- 
suchen muss.  Im  Vordergrunde  werden  auf  Geheiss  des  syrischen 
Königs  die  Massenhinrichtungen  vollzogen ,  Christen  gekreuzigt, 
geköpft,  mit  dem  Holzbeile  erschlagen.  Durch  eine  schmale  Schlucht 
windet  sich  ein  langer  Zug  von  Gefangenen  auf  den  Gipfel  des 
Felsens ,  von  welchem  wieder  viele  in  die  Tiefe  herabgeschleudert 
werden.  Gerade  die  Häufung  ähnlicher  Vorgänge  mindert  den 
dramatischen  Eindruck.  Dürer  war  übrigens  mit  seiner  Schöpfung 
zufrieden.   ,,Ich  wollte,  dass  Ihr  die  Tafel  sähet;  ich  bin  der  Meinung, 

5* 


68 


sie  würde  Euch  wohl  gefallen."  So  schrieb  er  an  Jakob  Heller, 
den  reichen  und  frommen  Frankfurter  Tuchhändler,  welcher  bei 
ihm  im  Sommer  1507  einen  stattlichen  Flügelaltar  bestellt  hatte. 

Mit  dem  grössten  Eifer,  mit  ebenso  grossem  Selbstvertrauen 
schritt  Dürer  an  das  neue  Werk.  Wir  können  den  Fortgang  des 
letzteren  genau  verfolgen,  da  sich  die  an  Heller  gerichteten  Briefe 
(neun  an  der  Zahl)  erhalten  haben.  Offenbar  wollte  er  sein  Meister- 
werk schaffen.  Er  wählte  die  schönsten  und  besten  Farben ,  liess 
sich  die  Mühe  nicht  verdriessen,  die  Haupttafel  vier-  bis  fünfmal  zu 
untermalen,  und  übermalte  sie,  als  sie  schon  fertig  war,  noch  zwei- 
fach ,  auf  dass  sie  lange  Zeit  dauere.  Bei  allem  Fleisse  währte  es 
doch  beinahe  zwei  Jahre,  ehe  er  das  Werk  zu  Ende  führte.  Dann 
freilich,  als  er  es  in  seiner  Werkstätte  vollendet  schaute,  hob  sich 
sein  Künstlerstolz.  Fünfhundert  Jahre  und  darüber  wird  die  Tafel 
frisch  und  sauber  bleiben.  Des  Lobes  der  Sachverständigen  ist 
er  sicher,  und  dass  auch  der  Besteller  Freude  daran  haben  werde, 
fest  überzeugt.  Nur  weil  er  das  Wort  gegeben  hat ,  überlässt  er 
die  Tafel  Heller  um  eine  geringere  Summe,  als  sie  wert  ist.  Kunst- 
freunde hatten  ihm  einen  viel  höheren  Preis  geboten,  w^ollten  ,, so- 
zusagen mit  Gewalt  die  Tafel  von  ihm  haben".  Seinen  Fleiss 
rühmt  Dürer  an  erster  Stelle.  Und  in  der  That  ist  vielleicht  niemals 
ein  Gemälde  so  sorgfältig  gearbeitet  worden ,  wie  die  Hellersche 
Tafel.  Ihm  genügten  nicht  allgemeine  Entwürfe  und  flüchtige 
Skizzen.  Jeden  Kopf,  Gewandstücke,  Arme,  Hände  und  Füsse  hat 
er  auf  das  sauberste  auf  grünblau  grundiertes  Papier  mit  dem 
Pinsel  in  Schwarz  gezeichnet  und  die  Lichter  sorgsam  mit  weisser 
Farbe  aufgetragen.  Wir  besitzen  noch  achtzehn  solcher  Studien. 
Sie  gehören  nach  der  Seite  der  formalen  Durchbildung  zu  dem 
Besten,  was  der  Meister  geschaffen  hat,  legen  uns  aber  gleichzeitig 
die  Frage  auf  die  Lippen ,  ob  nicht  seine  Phantasie  darüber  er- 
müden musste  und  ob ,  nachdem  die  Vorarbeiten  bereits  so  weit 
vollendet,  bis  in  das  Kleinste  und  Feinste  ausgeführt  erscheinen, 
bei  der  Übertragung  der  Gestalten  auf  die  Tafel  die  Farbe  zu  ihrem 
Rechte  gelangen  konnte  ?  Eine  ganz  befriedigende  Antwort  auf 
diese  Frage  zu  geben,  hat  das  Schicksal  des  Bildes  versagt.  Dürers 
Hoffnung  einer  langen  Dauer  seiner  Schöpfung  ging  leider  nicht 
in  Erfüllung.  Ein  Jahrhundert  blieb  der  Flügelaltar  in  der  Familien- 
kapelle ,  welche  Heller  in  der  Dominikanerkirche  zu  Frankfurt  ge- 
stiftet hatte,  von  Einheimischen  und  Fremden  viel  bewundert.  Im 
Jahre  161 8  kam  die 'Mitteltafel,  welche  Dürer  eigenhändig  mit  Aus- 


Die  Fusssohlen  eine 

Studie  zu  den  Fusssohlen  des  knieend 
Weissgehöhte  Tuschzeichnung  frül 


inieenden  Mannes 

\poslels  auf  dem  Heller'sclien  Altar 
n  der  Sammlung  Franck  zu  Graz 


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schluss  der  Gesellen  ausgeführt  hatte ,  in  den  Besitz  des  Herzogs 
Maximilian  von  Bayern,  ging  aber  in  München  bei  dem  Residenz- 
brande 1678  zu  Grunde.  Der  Dominikanerkirche  verblieb  eine  Kopie 
und  von  Dürer  die  Flügelbilder ,  welche  die  Gesellenarbeit  nicht 
verleugnen ,  nur  in  der  allgemeinen  Anordnung  —  die  Porträts 
Jakob  Hellers  und  seiner  Frau  ausgenommen  —  auf  Dürer  zurück- 
gehen. Auf  die  Treue  des  Kopisten  Jobst  Harrich  aus  Nürnberg 
ist  kein  Verlass.  Jedenfalls  war  die  Technik  des  Kopisten  eine 
andere ,  als  sie  Dürer  in  Briefen  an  Heller  beschreibt.  Während 
dieser  die  Tafel  wiederholt  mit  reinen  (Tempera.?')  Farben  unter- 
malte und  dann  erst  mit  Ölfarben,, strich",  führte  Harrich  die  Kopie 
hundert  Jahre  später  nur  in  dünnflüssigen  Ölfarben  aus.  Dadurch 
verminderte  sich  der  Farbenkörper  und  gewiss  auch  die  Leucht- 
kraft des  Bildes.  Mit  Sicherheit  können  wir  nur  die  Komposition 
und  dank  der  erhaltenen  Studien  die  Zeichnung  als  Dürers  Eigen- 
tum würdigen. 

Wer  von  der  Marter  der  Zehntausend  zur  Betrachtung  der 
Hellerschen  Tafel  schreitet,  wird  überrascht  durch  die  übersichtliche 
Klarheit  und  einfache  Grösse  der  Komposition.  Hoch  oben  in  den 
Lüften,  von  jubilierenden  Engelsköpfchen  umschwärmt,  kniet  demütig 
mit  gefalteten  Händen  Maria  ,  welcher  Gott  Vater  und  Christus 
gemeinschafthch  die  Krone  auf  das  Haupt  setzen.  Auf  der  Erde, 
in  anmutiger  Landschaft ,  haben  sich  die  Apostel  um  das  leere 
Grab  versammelt.  Während  der  eine  sich  tief  über  den  Steinsarg 
beugt  und  das  Grablinnen  auseinander  reisst ,  als  wollte  er  sich 
durch  den  Augenschein  von  der  Wahrheit  des  Ereignisses  über- 
zeugen, wenden  andere  den  Blick  staunend  nach  oben  oder  unter- 
reden sich  über  den  wunderbaren  Vorgang.  Es  sind  lauter  markige 
Gestalten ,  scharf  im  Ausdrucke,  lebendig  in  der  Bewegung ,  dabei 
gut  und  klar  angeordnet.  Wie  die  Komposition  an  italienische 
Gemälde  erinnert,  so  merkt  man  auch  der  unteren,  bei  weitem  voll- 
endeteren Gruppe  an,  dass  die  venetianischen  Erinnerungen  in  ihm 
noch  nachklingen.  An  die  Stelle  der  Häufung  vieler  Gestalten, 
von  welchen  jede  die  Wirkung  der  andern  schwächt,  alle  zusammen 
einen  verwirrenden  Eindruck  hervorbringen ,  treten  weniger  grosse 
Figuren,  jede  voll  inneren  Anteiles  an  der  Handlung,  jede  an  ihrem 
Platze  notwendig  und  dabei  doch  frei  und  selbständig  in  Bewegung 
und  Gebärde.  Ein  Hauch  der  edelsten  Renaissancephantasie  um- 
webt das  Gemälde.  Noch  während  Dürer  an  dem  Hellerschen  Altare 
arbeitete,  nahm  er  bereits  eine  andere,  im  gleichen  Geiste  geschaffene 


70 


Tafel  in  Angriff,  Im  Anfang  des  Jahrhunderts  hatte  der  biedere 
Rotgiesser  Matthäus  Landauer  ein  Altmännerhaus  gestiftet,  in  welchem 
bedürftige  Nürnberger  Bürger  ruhig  ihren  Lebensabend  zubringen 
sollten.  Zum  Landauer  Brüderhause  gehört  eine  Kapelle ,  deren 
Vollendung  wir  in  die  Zeit  nach  Dürers  Heimkehr  ansetzen  dürfen. 
Zur  künstlerischen  Ausschmückung  wurde  Dürer  berufen.  Es  scheint, 
dass  Landauer  zu  ihm  ein  besonderes  Vertrauen  gefasst  und  die 
Ausschmückung  der  auch  in  der  gotischen  Gewölbeform  vom  Nürn- 
berger Herkommen  abweichenden  Kapelle  seinen  Händen  übertragen 
hatte.  Denn  von  Dürer  stammt  nicht  allein  die  Altartafel,  ihm 
gehören  auch  die  Entwürfe  zu  den  Glasgemälden  an  den  Fenstern 
des  Chores,  welche,  im  Anfang  unseres  Jahrhunderts  ausgebrochen 
und  in  Scherben  zerschlagen,  erst  jüngst  durch  geschickte  Zusammen- 
setzung und  Ergänzung  ihre  ursprüngliche  Gestalt  empfingen.  Über 
die  Herkunft  der  1508  datierten  Glastafeln  aus  Dürers  Werkstätte 
herrscht  kein  Zweifel.  Die  Zeichnung  der  einzelnen  Gestalten, 
besonders  der  zahlreichen  Engelsköpfe,  weist  unmittelbar  auf  Dürer 
und  nur  auf  ihn  zurück.  Der  geringe  Umfang,  die  grosse  Schmal- 
heit der  Fenster  verhindert  jede  freie  Gruppenbildung.  Bei  der 
Darstellung  der  Dreieinigkeit  griff  deshalb  Dürer  zu  der  im  Mittel- 
alter gebräuchlichen  abgekürzten  Form ,  dem  Kopfe  mit  drei  Ge- 
sichtern ;  trotzdem  fehlt  es  der  Schilderung  nicht  an  Klarheit  und 
an  inhaltlichem ,  sofort  verständlichem  Zusammenhange.  Dürers 
Gedanken  bewegten  sich  im  Kreise  des  Jüngsten  Gerichts.  Dieses 
Ereignis  selbst  darzustellen ,  fehlte  es  an  Raum.  Er  musste  sich 
begnügen ,  was  voranging ,  und  was  folgte ,  uns  vor  die  Augen  zu 
führen.  In  einem  dreiteiligen  Fenster  stellt  er  die  Trinität,  von 
Engeln  verehrt,  dar,  in  den  anderen,  zweiteiligen,  zeichnet  er  die 
klugen  und  thörichten  Jungfrauen ,  Apostel  und  Evangelisten ,  so- 
dann den  Engel ,  welcher  die  Frommen ,  unter  ihnen  den  alten 
Landauer,  in  das  Paradies  geleitet ,  und  vier  mit  Schwertern  und 
Spiessen  bewaffnete  Engel,  welche  die  Teufel  in  die  Hölle  zurück- 
treiben. Dazwischen  erscheint  die  Krönung  Mariä  und  Abrahams 
Opfer  eingeschoben.  Der  in  den  Glasfenstern  gleichsam  nur  an- 
gedeutete Gedankenkreis  wird  nun  in  dem  Altarbilde  fortgesetzt 
und  ergänzt.  Schon  im  Jahre  1508  entwarf  er  mit  der  Feder  die 
Zeichnung  zu  dem  Bilde  mitsamt  den  Rahmen ,  welche  letztere  er 
sich  nicht  allein  als  Schmuck  der  Tafel,  sondern  als  Ergänzung 
derselben  dachte.  Er  behielt  daher  auch  den  Rahmen,  nur  in 
reicheren  Formen  in  Holz  ausgeführt,  für  das  vollendete  Gemälde 


71 

bei.  Zwei  korinthische  Säulen  tragen  einen  Fries,  über  welchem  sich 
ein  statthches  Halbrund  erhebt.  Das  halbrunde  Feld  nimmt  Christus 
als  Weltrichter  zwischen  Maria  und  dem  Täufer  ein ;  im  Friese  ist 
in  knappen  Zügen  das  Weltgericht  und  der  Eingang  der  Seligen 
in  das  Paradies,  die  Verweisung  der  Verdammten  in  die  Hölle  dar- 
gestellt.   So  gewinnt  das  Hauptbild  erst  seine  volle  Bedeutung. 


Dürers  Selbstbildnis  aus  dem  Allerheiligenbild  in  der  Belvederegalerie  zu  "Wien. 


Hier  haben  sich  in  den  Lüften  alle  durch  Christus  Geheiligten 
versammelt ,  alle  durch  den  Kreuzestod  von  der  Sünde  Erlösten 
zur  Anbetung  vereinigt.  Den  Mittelpunkt  des  Gemäldes  bildet  Gott 
Vater,  die  Krone  auf  dem  Haupte,  in  einem  reichen  Brokatmantel. 
Er  hält  das  Kreuz  mit  Christus  mit  beiden  Armen  fest,  wobei  das 
blaue,  weit  ausgebreitete  Untergewand  des  Vaters  den  Hintergrund 
bildet ,  von  welchem  sich  die  Christusgestalt  kräftig  abhebt.  Zu 
beiden  Seiten  knieen  und  stehen  dichtgedrängt  links  die  weiblichen 


72 


Heiligen  mit  Palmen  in  den  Händen,  rechts  die  Männer  des  Alten 
Bundes,  unter  welchen  Johannes,  Moses  und  David  besonders  hervor- 
ragen. Es  fällt  auf,  dass  weder  die  Madonna  sich  von  den  übrigen 
heiligen  Frauen  merklich  scheidet,  noch  die  Apostel  in  den  Vorder- 
grund treten.  Tiefer  unten  schliessen  sich  die  Vertreter  der  ver- 
schiedenen Stände,  vom  Kaiser  und  Papst  bis  zum  kleinen  Bäuerlein, 
vorn  die  Männer,  hinten  die  halbverschleierten  Frauen  zu  einem 
Halbkreise  zusammen.  Alle  werden  von  der  gleichen  andächtigen 
Stimmung  getragen,  alle  drücken  die  gleiche  Empfindung  aus.  Da- 
durch gewinnt  die  ganze  Handlung  einen  gehobenen ,  feierlichen 
Charakter,  welchen  die  glänzende  helle  Färbung  des  Bildes  noch 
steigert.  Der  Künstler  verlegt  den  Vorgang  in  die  Zeit  des  Sonnen- 
aufgangs. Der  Horizont  der  weiten  Seelandschaft,  welche  das  Bild 
unten  abschliesst,  ist  wie  die  Häuser  am  Ufer  rötlich  gefärbt,  die 
Wolkensäume  rosig  angehaucht.  In  den  Gründen  herrschen  un- 
gebrochen rotblaue  Töne  vor,  nur  mässig  gedämpft  durch  die  grünen 
und  braunen  Kleider  der  Figuren  im  Hintergrunde.  Vielleicht 
hat  auf  diese  Malweise  die  Rücksicht  auf  die  Glasgemälde  bestimmend 
eingewirkt. 

Die  Komposition  des  Allerheiligenbildes  zeigt  im  Vergleiche 
zu  dem  Hellerschen  Altar  eine  geringere  Übersichtlichkeit.  Die 
Figuren  drängen  sich  in  dem  kleinen  Räume.  Offenbar  hat  die 
Lust  und  Freude  an  reicher  Charakteristik  den  Sieg  über  die  Er- 
wägung ,  welchen  künstlerischen  Gewinn  eine  klare ,  einfache  An- 
ordnung ,  eine  Beschränkung  auf  einige ,  aber  vollkommen  durch- 
gebildete Gestalten  bringe ,  davongetragen.  Welche  Fülle  überaus 
lebensvoller ,  wahrer  Charakter  tritt  uns  in  der  unteren  Gruppe 
entgegen :  der  einfältig  biedere  Bauersmann ,  der  stramme  Ritter, 
die  betrübte  Witwe,  der  behäbige  Patrizier. 

Die  Nachwirkungen  des  venetianischen  Aufenthaltes  treten  lang- 
sam zurück,  die  ursprüngliche  Natur  ist  in  dem  Künstler  wieder 
mächtig  geworden  und  hat  ihn  zur  Einkehr  eingeladen.  Diese  per- 
sönliche Natur  ist  aber  reicher  und  gereifter  geworden.  Der  er- 
finderische Sinn  beschränkt  sich  nicht  bloss  auf  die  Zeichnung 
mannigfacher,  tief  empfundener  Charaktere ,  sondern  äussert  sich 
auch  in  Gedankenschöpfungen.  Woher  hat  Dürer  den  Inhalt  des 
Allerheiligenbildes  geholt  .^^  Kein  einzelner  Schrifttext,  keine  biblische 
Erzählung,  keine  Legende  liegt  zu  Grunde.  Aus  der  Tiefe  des 
religiösen  Geistes  schwingt  er  sich  zu  einer  künstlerischen  Vision 
empor.    Er  schaut  die  Heiligung  des  ganzen  Menschengeschlechts 


73 

durch  den  Versöhnungstod  Christi,  er  nimmt  dem  Jüngsten  Gerichte, 
das  im  Rahmenbilde  und  in  den  Glasgemälden  neu  erklingt,  seine 
Schrecken  und  lässt  durch  die  Liebe  Christi  einen  neuen  Bund 
zwischen  Gottheit  und  Menschheit  erstehen.  Man  geht  wohl  nicht 
irre ,  wenn  man  Dürer  das  volle  Verdienst  für  diese  Gedanken- 
schöpfung zuweist.  Dann  bedeutet  aber  das  Allerheiligenbild  einen 
Markstein  in  seiner  religiösen  und  künstlerischen  Entwickelung. 

Dürer  stand  wieder  an  einem  Wendepunkte  seines  Wirkens.  | 
Schon  an  einem  äusseren  Umstände  merkt  man  seine  Entfremdung  ^ 
von  der  mittelalterlichen  Sitte.  Die  alten  Kirchenbilder  besassen 
in  der  Regel  die  Form  von  Flügelaltären,  An  diese  hielt  sich  auch 
Dürer  in  seinen  früheren  Altarwerken.  Seitdem  er  aber  in  Venedig 
der  Renaissancekunst  näher  getreten  war,  hatte  er  die  Vorzüge  des 
einheitlichen  Tafelbildes  erkannt.  Dort  kommt  das  Interesse  an  den 
Gegenständen  der  Darstellung  zu  seinem  Rechte.  Die  andächtige 
Seele  des  Betrachters  wird  mit  würdigen  Gedanken  erfüllt.  Dass 
auch  sein  Formensinn  volle  Befriedigung  empfange,  verhindert  ge- 
wöhnlich das  Gedränge  der  vielen  Gestalten,  die  grössere  Zahl  der 
oft  nicht  einmal  in  den  Massen  übereinstimmenden  Einzeltafeln. 
Das  als  geschlossene  Einheit  geschaffene  Altargemälde  dagegen 
lockt  den  Künstler  von  selbst  auch  in  der  Komposition  diese  Ein- 
heit zu  wahren ,  die  Handlung  enger  zusammenzufassen ,  auf  die 
formale  Durchbildung  der  Gruppen  und  Einzelgestalten  das  Haupt- 
augenmerk zu  richten.  Das  Auge  wandert  nicht  von  Tafel  zu  Tafel 
wie  bei  den  Flügelaltären  und  Altarschreinen ,  sondern  überblickt 
sofort  das  Ganze.  Dadurch  werden  aber  dem  Künstler  neue  Auf- 
gaben gestellt.  Am  Rosenkranzbilde  und  Allerheiligenbilde  sehen 
wir  deutlich  Dürers  eifriges  Bemühen ,  den  neuen  Anforderungen 
gerecht  zu  werden.  Aber  freilich,  er  musste  gegen  eine  spröde 
Sitte  ankämpfen ,  mit  tief  eingewurzelten  Gewohnheiten  brechen ; 
er  fand  nicht  den  Raum  zu  freier  Bewegung.  Das  verleidete  ihm 
die  ganze  Malerei. 

Als  Dürer  den  Hellerschen  Altar,  den  letzten  grossen  Flügel- 
altar, den  wir  von  ihm  besitzen,  vollendet  hatte ,  schrieb  er  dem 
Besitzer:  ,,Mich  soll  auch  niemandt  vermögen  ain  Taffei  mit  so 
viel  Arbeit  mehr  zu  machen.  Denn  gemaine  gemäll  will  ich  ain 
Jahr  ain  Hauffen  machen,  das  niemandt  glaubte,  das  möglich  wäre, 
das  nie  man  thun  möchte,  aber  das  fleissig  kleiblen  gehet  nit  von 
statten ,  darumb  wil  ich  meines  Stechens  auss  warten."  Er  hielt 
sein  Versprechen.    Das  Brustbild  einer  lebensgrossen  Madonna  in 


74 


der  Wiener  kaiserlichen  Galerie  mit  dem  halb  liegenden  Christkind  auf 
den  Armen ,  welches  eine  durchgeschnittene  Birne  in  der  Linken 
hält,  15 12  datiert,  ist  das  einzige  nennenswerte  Gemälde  in  einer 
längeren  Reihe  von  Jahren.  Aber  auch  hier  kann  man  sagen,  dass 
nicht  die  Abrundung  der  Töne,  die  malerische  Modellierung,  sondern 
die  Feinmalerei  namentlich  der  Haare  und  des  Schleiers  der  Ma- 
donna die  Bewunderung  des  Beschauers  wachruft.  Solche  Fein- 
malerei verstand  aber  Dürer  mit  viel  einfacheren  Mitteln  bis  zur 
höchsten  Vollendung  zu  treiben.  Davon  legen  zwei  ursprünglich 
zusammengehörige  und  als  Täfelchen  eingerahmte  kleine  Papier- 
zeichnungen vom  Jahre  15 10  Zeugnis  ab.  Sie  stellen  über  schmalen, 
mehr  dekorativ  gehaltenen  Friesen  in  den  Hauptbildern  Samsons 
Sieg  über  die  Philister  (Berliner  Kabinet)  und  Christi  Auferstehung 
(Albertina)  dar.  Grau  in  grau  mit  der  Feder  gezeichnet  und  mit 
dem  Pinsel  vollendet  lassen  die  beiden  Blätter  trotz  des  kleinen 
Formates  und  der  dürftigen  Farbmittel  die  Lebendigkeit  der  Hand- 
lung, die  Kraft  des  Ausdruckes,  selbst  die  Reize  blendender  Licht- 
wirkung (Auferstehung)  nicht  vermissen.  Die  Kunst  der  Fein- 
und  Kleinmalerei  ist  ihm  ein  freies  Spiel  geworden.  Man  möchte 
sagen ,  er  zeichnet  wie  gestochen.  Auf  dem  Samsonblatte ,  wo  im 
Vordergrunde  der  jüdische  Herkules  gar  grimmig  auf  die  Feinde 
losschlägt ,  bringt  er  im  Hintergrunde  noch  andere  Episoden  aus 
dem  Leben  Samsons  an ,  im  winzigsten  Massstabe ,  aber  doch  so 
scharf  und  klar  gezeichnet  und  durch  die  richtige  Perspektive  so 
wenig  störend ,  dass  man  seine  helle  Freude  an  der  Redseligkeit 
des  Meisters  hat,  mag  sie  auch  wie  ein  Nachhall  aus  älteren  Zeiten 
klingen. 


VIII. 

Des  Stechens  wollte  Dürer 
fleissig  warten.  In  der  That 
entwickelt  er  in  der  Zeit  von 
1 509  bis  1 5 1 5  eine  staunens- 
volle Fruchtbarkeit  im  Fache 
des  Kupferstiches  und  Holz- 
schnittes. Und  mehr  noch 
als  dieses.  Jetzt  erst  ge- 
winnt er  die  vollkommene 
Herrschaft  über  das  Werk- 
zeug des  Stechers  und  schafft 
jene  Blätter ,  welche  mit 
Recht  auch  durch  die  technische  Durchführung  als  seine  Meister- 
werke ,  zugleich  als  die  schönsten  Leistungen  der  alten  deutschen 
Kunst  gelten.  Gegen  die  eigentliche  malerische  Technik  verhält 
sich  sein  Sinn  spröde ,  hier  rastlos  fortgeschritten ,  fehlte  aber  die 
längste  Zeit  der  rechte  Antrieb.  Dagegen  erwies  er  sich  auf  dem 
Felde  des  Kupferstiches  gerade  darin  erfinderisch.  Er  versuchte, 
die  Kupferplatte  durch  Eisenplatten,  den  altgewohnten  Grabstichel 
durch  die  Nadel  zu  ersetzen  und  die  durch  die  Nadel  bewirkten 
Ritze  mit  Hilfe  des  Ätzwassers  zu  vertiefen  und  zu  verstärken. 
Bei  der  Bearbeitung  der  Kupferplatte  mit  dem  Grabstichel ,  bei 
dem  Drucke  wandte  er  ferner  allerhand  geheime  Künste  an ,  um 
den  Ton  zu  vertiefen ,  die  malerische  Wirkung  zu  steigern.  Es 
scheint,  dass  er  die  Kupferplatte  ähnlich  behandelte,  wie  der  Maler 


76 


seine  Tafel.  Die  Untermalung  ersetzte  er  durch  eine  feine  Zeichnung 
mit  der  Nadel  und  Ätzung,  die  Übermalung  vertrat  die  Berbeitung 
der  so  gewonnenen  Grundzeichnung  mit  dem  kräftigeren  Grab- 
stichel. Auf  diese  Weise  brachte  Dürer  wahrscheinlich  den  eigen- 
tümlichen zarten  Schimmer,  den  malerischen  Ton  zu  stände,  w^elcher 
einzelne  seiner  Stücke  aus  dieser  Zeit  (15 14)  auszeichnet.  Erst 
viele ,  zum  Teil  noch  nachweisbare  Versuche  führten  zum  Ziele. 
Doch  ist  es  weniger  das  Ziel  als  der  Weg  zum  Ziele,  das  Forschen 
gewesen ,  was  Dürer  zu  diesen  technischen  Wagnissen  und  Neue- 
rungen reizte.  Waren  die  Schwierigkeiten  besiegt ,  der  Ausgang 
des  Weges  gefunden,  so  liess  sein  Interesse  nach.  Die  Radierung 
kam  erst  im  folgenden  Jahrhundert  zu  Ehren,  humerhin  bleibt 
Dürer  der  beherrschende  Meister,  welchem  die  neuere  Kupferstich- 
kunst die  grössten  Anregungen  verdankt. 

Der  ihm  innewohnende  freie  wissenschaftliche  Trieb ,  dieses 
ihn  von  den  Männern  des  Mittelalters  am  meisten  unterscheidende 
Merkmal ,  macht  sich  also  auch  hier  geltend.  Nachdem  er  die 
grossen  Gemälde  vollendet ,  der  malerischen  Thätigkeit  beinahe 
vollständig  entsagt  hatte,  kommt  der  Trieb  zum  Durchbruch.  Und 
da  ist  bemerkenswert,  dass  gleichzeitig  in  ihm  der  Plan,  sein  Wissen 
von  der  Kunst  den  Genossen  und  der  Nachwelt  mitzuteilen ,  der 
Vorsatz  litterarischer  Thätigkeit  feste  Formen  gewinnt.  Mit  Recht 
würde  daher  in  diese  Jahre  ein  neuer  Wendepunkt  seines  Wirkens 
verlegt.  Zunächst  freilich  musste  er  mit  der  Vergangenheit  ab- 
rechnen und  auch  für  den  Haushalt  Sorge  tragen.  Leicht  verkäuf- 
liche Marktware  kam  auch  jetzt  aus  seiner  Werkstätte.  Dazu 
rechnen  wir  kleinere  Stiche  und  Schnitte  religiösen  Inhaltes ,  wie 
Marienbilder,  h.  Familien ,  den  sterbenden  Christus ,  die  heiligen 
Gregor,  Hieronymus ,  Koloman  u.  a.  Auch  fliegende  Blätter,  von 
Dürerschen  Versen  begleitet,  gehören  zu  dieser  Gattung,  wie  z.  B. 
der  Schulmeister,  welcher,  die  Rute  in  der  Hand ,  fünf  Knaben  in 
einem  Hofe  unterrichtet ,  und  der  Tod ,  als  Gerippe  gezeichnet, 
welcher  einem  Landsknechte  ankündigt,  dass  seine  Zeit  abgelaufen  sei. 

Die  grossen  Holzschnitte  folgen :  Das  Marienleben  und  die 
Passion  waren  gleichfalls  für  weitere  Kreise  bestimmt.  Aber  noch 
fehlten  einzelne  Blätter,  und  die  Folgen  waren  noch  nicht  in  die 
gebräuchliche  Buchform  gebracht.  Dürer  schloss  sie  jetzt  ab,  zeich- 
nete zu  jeder  Folge  (auch  der  neugedruckten  Apokalypse)  ein 
Titelblatt  und  begleitete  auch  das  Marienleben  und  die  Passion, 
wie  er  es  gleich  ursprünglich  in  der  Apokalypse  gethan ,  auf  der 


77 


Rückseite  des  Blattes  mit  einem  kurzen,  erläuternden  Text,  dies- 
mal mit  lateinischen  Versen,  welche  ihm  der  befreundete  Benediktiner- 
mönch Chelidonius  geliefert  hatte.  In  dieser  Form  wurden  sie  151 1 
gedruckt  und  ausgegeben.  Es  könnte  leicht  zu  falschen  Schlüssen 
führen ,  wenn  man  scharfe  stilistische  Unterschiede  zwischen  den 
älteren  und  jüngeren  Blättern  aufspüren  wollte.  Wahrscheinlich,  dass 
die  Kompositionen  auch  der  letzteren  aus  früherer  Zeit  stammen, 
möglich ,  dass  der  offenbar  oft  tüchtiger  geschulte  Holzschneider 
die  Absichten  des  Künstlers  reiner  als  früher  wiedergab ,  diesem 
also  die  entschieden  bessere  Ausführung  als  Verdienst  zufällt.  Deut- 
lich erscheint  nur  in  der  Himmelfahrt  Mariä  (B.  94)  ein  Anklang 
an  die  Komposition  des  Hellerschen  Altares  und  ebenso  giebt  sich 
das  letzte  Blatt,  die  Verehrung  Marias  (B.  95),  als  eine  der  reifsten 
und  liebenswürdigsten  Schöpfungen  Dürers  kund.  In  ihrem  Schlaf- 
gemache, für  dessen  reiche  architektonische  Gliederung  der  Künstler 
nur  seine  Phantasie,  nicht  die  wirkliche  Bauwelt  zu  Rate  zog,  sitzt  die 
Madonna  mit  dem  stehenden  Christuskinde  im  Arme  und  empfängt 
links  die  Huldigungen  der  Heiligen,  während  rechts  ein  Engel  zur 
Harfe  ein  Lied  anstimmt.  Im  Vordergrunde ,  auf  einem  niedrigen 
Sockel,  treiben  kleine,  geflügelte  Knaben  ihr  loses  Spiel  mit  einem 
Hasen  oder  erlustigen  sich  mit  allerhand  Spielzeug.  Die  nur  ganz 
locker  verbundenen  Gestalten  unten  im  Gegensatze  zu  der  fest- 
geschlossenen Hauptgruppe ,  der  leicht  humanistische  Zug  in  den 
Kinderfiguren  gegenüber  dem  würdigen  Ernste  der  grossen  Gestalten 
verleihen  dem  Blatte  einen  eigentümlichen  Reiz  und  gestatten  zu- 
gleich einen  guten  Einblick  in  Dürers  persönliche  Natur. 

Während  Dürer  die  alte ,  grosse  Holzschnittpassion  zum  Ab- 
schlüsse bringt,  packt  ihn  unwiderstehlich  die  Lust,  seine  Künstler- 
kraft abermals  an  dem  so  fruchtbaren  Stoffe  zu  versuchen ,  die 
Passion  neu  zu  komponieren.  Er  thut  es  nicht  einmal ,  sondern 
gleich  zweimal.  Im  Jahre  1 5 1 1  erscheint  die  kleine  Holzschnitt- 
passion in  37,  das  Jahr  darauf  die  Kupferstichpassion  in  15  Blättern, 
Als  Volksbuch  denkt  sich  Dürer  die  neue  Holzschnittpassion.  Er 
will  in  einfach  schlichtem  Tone  die  Schicksale  Christi  erzählen ; 
er  holt  weit  aus  und  führt  die  Geschichte  bis  an  das  letzte  Ende 
fort,  giebt  aber  stets  nur  den  Kern  der  Handlung  wieder.  Den 
Beginn  macht  der  Sündenfall  und  die  Vertreibung  aus  dem  Para- 
diese, es  folgt  sodann  die  Erscheinung  Christi  auf  Erden,  die  Ver- 
kündigung und  die  Geburt.  Erst  mit  dem  Abschiede  Christi  von 
seiner  Mutter  und  dem  Einzüge  nach  Jerusalem  nähert  er  sich  dem 


78 


eigentlichen  Gegenstande  der  Darstellung.  Die  Vertreibung  der 
Verkäufer  aus  dem  Tempel  erklärt  in  volkstümlicher  Weise  den 
Hass  der  Juden.  Mit  dem  Abendmahl  und  der  Fusswaschung 
schhesst  die  Vorgeschichte  der  Passion.  Die  letzten  Blätter  haben 
die  Himmelfahrt ,  das  Pfingstfest  und  das  Weltgericht  zum  Gegen- 
stande. Mustergültig  als  Volksbuch,  daher  auch  rasch  in  weiten 
Kreisen  verbreitet  und  oft  kopiert,  war  die  kleine  Holzschnittpassion 
doch  von  einem  zu  engen  Rahmen  umschlossen,  um  alle  Gedanken 
des  Künstlers,  welche  sich  an  das  Leiden  Christi  knüpften,  zu  um- 
fassen. Die  Holzschnitttechnik  verbot  schon  die  Wiedergabe  der 
tieferen  Empfindungen ,  des  feineren  Ausdruckes.  Dieser  Seite 
künstlerischer  Betrachtung  gerecht  zu  werden,  war  die  Kupferstich- 
passion bestimmt.  Keine  fremde  Hand  schob  sich  hier  zwischen 
Entwurf  und  Ausführung.  An  die  Stelle  des  Zeichenstiftes  tritt 
gar  der  Grabstichel ,  beide  Werkzeuge  werden  aber  von  derselben 
Hand  gehalten.  Wie  die  Persönlichkeit  des  Künstlers  im  Stiche  zu 
unmittelbarer  Geltung  kommt ,  so  verleiht  er  auch  den  von  ihm 
gezeichneten  Gestalten  einen  persönlichen  Charakter,  indem  er  auch 
die  feineren  Züge  im  Antlitze  verkörpert ,  die  innere  Bewegung 
kräftig  und  lebendig  bis  an  die  Oberfläche  vordringen  lässt,  durch 
das  Spiel  von  Licht  und  Schatten  Stimmung  in  die  Handlung  bringt. 

Wunderbar  zog  das  Leiden  Christi  die  Phantasie  Dürers  an. 
Viermal  hat  er  die  ganze  Passion  künstlerisch  verkörpert.  Und 
selbst  dann  hat  er  mit  dem  Gegenstande  nicht  für  immer  ab- 
geschlossen. Noch  in  späteren  Jahren  kommt  er,  wie  wir  sehen 
werden ,  auf  den  Plan  einer  grösseren  Folge  von  Passionsszenen 
zurück.  Im  Leiden  und  Sterben  erscheint  ihm  die  ganze  Natur 
Christi  eingeschlossen.  Den  Zug  der  schwersten  Leiden  verleiht 
er  ihm,  wenn  er  gewissermassen  wie  in  den  Schweisstüchern  oder 
Veronikabildern  dessen  Bildnis  zeichnet.  Wie  die  Passionsszenen, 
so  haben  auch  die  Christusköpfe  seine  Phantasie  dauernd  beschäftigt. 
In  Zeichnungen ,  Schnitten  und  Stichen  verkörperte  er  ihn ,  und 
wenn  er  einen  Fortschritt  in  der  Stichtechnik  (1510  — 15 16)  gemacht 
hatte,  so  verfehlte  er  nicht,  sie  an  diesem  Gegenstande  zu  erproben. 
Den  ersten  Versuchen  mit  der  kalten  Nadel  darf  man  das  kleine 
Blättchen  vom  Jahre  15 10  anreihen:  die  h.  Veronika,  welche  in 
den  ausgebreiteten  Armen  das  Schweisstuch  mit  dem  Christuskopfe 
hielt  (B.  64).  In  Eisen  geätzt  erscheint  der  Engel  mit  dem  Schweiss- 
tuche  vom  Jahre  15 16  (B.  26).  Nur  in  dem  Schweisstuche,  welches 
von  zwei  Engeln  getragen  wird,  aus  dem  Jahre  15 13  (B.  25)  blieb 


79 


Dürer  dem  Grabstichel  getreu.  Der  Ausdruck  des  herbsten  Schmerzes 
gelingt  Dürer  nicht  auf  den  ersten  Wurf.  Im  Veronikablättchen 
zeigt  Christus  noch  kräftige ,  edel  männliche  Züge ,  erscheint  die 
Dornenkrone  nur  als  Schmuck.    Der  Stich  vom  Jahre  15 13  bringt 


Christus  auf  dem  ülberg.    Kleine  Passion. 


in  dem  Blicke  der  Augen,  in  dem  festgeschlossenen  Mund,  in  den 
schärferen  Umrissen  bereits  das  Leiden  in  Erinnerung.  Am  ergreifend- 
sten wirkt  der  grosse  Holzschnitt  mit  dem  Haupte  Christi.  Er  ist 
freilich  nicht  zu  Dürers  Lebzeiten  ausgeführt  worden.  Auch  die  Vor- 
zeichnung auf  dem  Holzstock  stammt  nicht  von  Dürer.    Aber  die 


8o 


Erfindung  des  Kopfes  geht  unzweifelhaft  auf  ihn  zurück.  Nur  Dürer 
war  im  stände ,  in  dem  Kopfe  den  Ausdruck  grässUcher  Leiden, 
herbsten  Schmerzes  und  zugleich  den  Zug  der  Überwindung 
(aller  Qualen ,  des  Sieges  über  alle  Martern  zusammenzupressen. 

Der  Mund  ist  halb 
geöffnet ,  das  lange 
Haar  fällt  wie  feucht 
zu  beiden  Seiten 
des  Antlitzes  herab, 
schwere  Thränen  ent- 
rollen den  grossen, 
klagend  auf  den  Be- 
schauer gerichteten 
Augen.  Dennoch 
bleibt  das  hohe  We- 
sen Christi  unberührt, 
ist  der  letzte  Eindruck 
ein  erhebender.  Nur 
wessen  Seele  und 
Phantasie  ganz  von 
der  Passion  Christi 
erfüllt  war ,  konnte 
einen  solchen  Kopf 
schaffen.  Dieses  voll- 
ständige Einleben  er- 
klärt auch,  dass  Dürer 
niemals  gleichartige 
Szenen  mechanisch 
wiederholt.  Er  schrei- 
tet vielmehr  jedesmal 
mit  staunenswerter 
Frische  an  das  Werk 
und  weiss  immer  wie- 
der neue  Züge  dem  Gegenstande  zu  entlocken.  Daraufhin  diel 
einzelnen  Passionsszenen  zu  betrachten,  die  Darstellungen  zu  ver-i 
gleichen,  gewährt  hohen  Genuss.  Christus  auf  dem  Ölberg? 
z.  B.  tritt  uns  in  vier  verschiedenen  Stellungen  entgegen.  Er 
kniet  ergeben ,  in  tiefes  Gebet  versunken ,  die  gefalteten  Hände 
vor  die  Stirn  legend ,  in  der  kleinen  Holzschnittpassion.  In 
der  grossen  Passion  wehrt  er  dagegen  wie  erschrocken  über  das 


Christus  auf  dem  Ölberg.  Kupferstichpassion. 


8i 


Übermass  des  ihm  zugemuteten  Leidens  den  Kelch  ab ,  welchen 
ihm  der  Engel  darreicht.  Von  furchtbarer  Seelenangst  gepackt, 
streckt  er  beim  Anblick  des  ihm  von  einem  Engel  vorgehaltenen 
Kreuzes  in  der  Kupferstichpassion  die  Arme  in  die  Höhe,  als  wollte 
er  die  Hilfe  des  Vaters 
anrufen.  Dürer  fühlt 
aber,  dass  der  leiden- 
schaftliche Schmerz 
sich  nicht  immer 
in  lautem  Aufschrei 
äussern  muss ,  dass 
er  auch  den  Lei- 
denden übermannen, 
den  Körper  erstarren 
machen  könne.  In 
einem  Holzschnitte 
(B.  i66)  und  in  zwei 
Zeichnungen  (Berlin 
und  Frankfurt,  L.  26 
und  199)  hat  sich 
Christus  auf  die  Erde 
geworfen ,  das  Ge- 
sicht in  den  Boden 
drückend  und  mit  aus- 
gestreckten Armen. 
Gerade,  dass  man  das 
Gesicht  nicht  sieht, 
lässt  der  Phantasie 
im  Ausdenken  des 
Leidens  freien  Lauf. 
Als  reiche  Volksszene 
komponiert  Dürer  die 
Geisselung     in  der 

grossen  Passion ;  auf  wenige  Figuren  schränkt  die  kleine  Passion 
den  Vorgang  ein ,  ebenso  wie  die  Kupferstichpassion ,  nur  dass 
hier  Christi  Gestalt  viel  durchgebildeter  und  vom  Schmerz  förm- 
lich durchschauert  erscheint.  Scharf  fasst  die  Kupferstichpassion 
das  Eccehomobild  zusammen.  Das  Licht  fällt  nur  auf  zwei  Ge- 
stalten, welche  einander  gegenüberstehen,  auf  den  trotz  seiner  Er- 
niedrigung ruhig  ergebenen  Christus  und  den  kalt  prüfenden,  unheim- 

6 


Ecce  homo,  Kupferstichpassion. 


82 


lieh  lauernden  Pharisäer,  einen  von  den  Italienern  viel  bewunderten 
Charakter,  während  die  anderen  Figuren  im  Halbdunkel  sich  verlieren. 
Stürmischer,  unter  lebendiger  Teilnahme  des  Volkes  geht  der  Vor- 
gang in  der  kleinen  Passion  vor  sich,  noch  reicher  statten  die  grosse 
und  die  grüne  Passion  die  Szene  aus.  Unterhalb  der  Stufen  des 
Richthauses ,  in  dessen  Eingang  Christus  ausgestellt  wird ,  drängt 
sich  lärmend  ein  Volkshaufe ,  alt  und  jung ,  Dicke  und  Magere, 
Fanatiker  und  Neugierige ,  und  sprechen  laut  ihre  Meinungen  und 
Forderungen  aus.  Ähnliche  tiefgreifende  Unterschiede  lehrt  uns 
der  Vergleich  gleichnamiger  Darstellungen  in  den  einzelnen  Folgen 
kennen.  Bei  der  Kreuztragung  liegt  bald  der  Nachdruck  auf  der 
Begegnung  der  Frauen ,  welchen  Christus  mit  unendlich  sanftem 
Blick  Trost  zuruft ,  bald  auf  den  Misshandlungen ,  unter  welchen 
Christus  zusammenbricht.  Die  Kreuzigung  betont  entweder  das 
Seelenleiden  Christi  und  den  Schmerz  der  unter  dem  Kreuze  ver- 
sammelten Freunde,  oder  sie  führt  uns  mit  symbolischem  Beiwerke 
geschmückt  die  Hinrichtungsszenen  vor  die  Augen. 

Mit  Recht  haben  die  Italiener  die  schier  unerschöpfliche  Frucht- 
barkeit der  Dürerschen  Phantasie  gepriesen  und  ihm  als  Erfinder 
die  Palme  gereicht.  Uns  aber  steht  noch  höher  als  die  Fruchtbar- 
keit das  unverbrüchliche  Festhalten  an  einem  einheitlichen  Grund- 
ton in  den  verschiedenen  Folgen.  Dem  Bildner  ging  der  Dichter 
zur  Seite.  Ehe  er  an  die  einzelnen  Darstellungen  schritt,  erwägte 
er  im  Geiste,  welchen  Eindruck  und  welche  Empfindung  das  ganze 
Werk  im  Betrachter  hervorrufen  soll.  Es  kann  der  Sinn  des  letz- 
teren in  ruhigem  Gleichmasse  durch  die  Erzählung  der  Ereignisse 
beengt  oder  seine  Phantasie  durch  Vorführung  leidenschaftlicher 
Szenen ,  mächtiger  innerer  und  äusserer  Kämpfe  gepackt  werden. 
Es  kann  weiter  als  Ziel  die  Erweckung  tiefer  Teilnahme  an  den 
Schicksalen  des  Helden  vorschweben.  In  der  Dichtkunst  wird  die 
natürliche  Scheidung  in  drei  Gattungen ,  die  epische ,  dramatische 
und  lyrische  Poesie  längst  anerkannt  und  geübt.  Auch  im  Kreise 
der  bildenden  Kunst  stossen  wir  bald  auf  wirksame  Dramatiker, 
ergreifende  Lyriker  und  fesselnde  Erzähler.  Was  an  Dürer  n^u  I 
ist,  unsere  Bewunderung  erregt  und  ihn  in  die  Reihe  der  grossen, 
die  Welt  umfassenden  Dichter  setzt,  das  ist  die  kühne  That,  einen 
und  denselben  Gegenstand  sowohl  episch  wie  dramatisch  und_ 
lyrisch  erfolgreich  zu  behandeln.  Man  braucht  nur ,  wie  richtig 
bemerkt  wurde,  die  Titelblätter  der  drei  Passionen  zu  betrachten, 
um  den  poetischen  Standpunkt  Dürers  in  jeder  der  drei  Folgen 


83 


klar  zu  erkennen.  Einsam  sitzend,  in  bitteren  Schmerz  versunken 
erblicken  wir  Christum  auf  dem  Titelbilde  zur  kleinen  Holzschnitt- 
passion. Es  nennt  und  schildert  den  Helden,  dessen  Schicksale  er 
erzählen  will.  In  der  grossen  Holzschnittpassion  wird  dem  dornen- 
gekrönten Christus  der  Peiniger,  der  ihn  verhöhnt  und  verspottet, 
gegenüber  gestellt  und  dadurch  schon  der  wogende  Kampf,  seine 
Zuspitzung  zu  einer  Katastrophe  angedeutet.  Am  Anfange  der 
Kupferstichpassion  endlich  gewahren  wir  Christus  an  einer  Säule 
auf  erhöhtem  Boden  stehend,  zu  welchem  Maria  und  Johannes  voll 
der  tiefsten  Teilnahme  und  des  innigsten  Mitgefühls  emporblicken. 
Die  äusseren  Vorgänge  spiegeln  sich  in  den  inneren  Empfindungen 
wieder,  die  Schilderung  der  letzteren  wird  zur  Hauptsache. 

Was  die  Titelblätter  versprechen,  halten  die  Bilderfolgen.  In 
den  Blättern  einer  jeden  Folge  klingt  der  gemeinsame  poetische 
Grundton  hell  an,  erscheint  Komposition,  Stimmung  und  Ausdruck 
dem  einmal  gewählten  Standpunkte  gut  angepasst.  Der  Preis  voll- 
kommenen Gelingens  gebührt  der  Kupferstichpassion.  Das  lyrisch- 
elegische Element  hat  sich  hier  am  reinsten  entfaltet.  Die  grössten 
Schwierigkeiten  stellten  sich  der  dramatischen  Gestaltung  der 
Passionsszenen  entgegen.  Die  künstlerische  Uberlieferung  bot  ge- 
ringe Hilfe.  Das  Mittelalter  kannte  wohl  Schauspiele ,  welche  ja 
auch  Dürer  auf  sich  einwirken  Hess ,  aber  keine  künstlerisch  auf- 
gebaute Dramen.  Dürer  fühlte  das  Ungenügende  der  eigenen 
Darstellungen,  kehrte  wiederholt  zum  Passionsdr  am  a  zurück  und 
versuchte  noch  in  späteren  Jahren ,  den  dramatischen  Elementen 
in  der  Passionsszene  gerecht  zu  werden. 

Die  Schilderung  des  Leidens  Christi  fasste  Dürer  geradezu  als 
Lebensaufgabe  auf :  die  anderen  Gedankenkreise  gewannen  zeit- 
weise eine  Herrschaft  über  seine  Phantasie,  die  Passionsdarstellungen 
kehren  dagegen  auf  allen  Stufen  seiner  Entwicklung  wieder.  Darf 
man  annehmen ,  dass  die  künstlerische  Fruchtbarkeit  des  Gegen- 
standes allein  Dürers  Sinn  gepackt  hat Bei  viel  andern  Künstlern, 
namentlich  Italienern,  möchte  man  die  Frage  sofort  bejahen.  Bei 
Dürer  regen  sich  dagegen  berechtigte  Zweifel.  Der  mächtige  sub- 
jektive Zug  in  seinen  Schöpfungen,  das  überall  sichtbare  Streben, 
in  den  Gedanken  einzudringen,  aus  der  Tiefe  heraus  alle  Gestalten 
auszuarbeiten,  wecken  vielmehr  den  Glauben,  dass  seine  ganze 
Persönlichkeit  von  der  Bedeutung  der  Passion  erfüllt  war,  seine 
religiöse  Stimmung  ihn  immer  und  immer  wieder  zum  Leiden 
Christi,  als  dem  Kern  der  ganzen  Heilslehre,  zog.    Wir  beobachten 

6* 


84 


gerade  in  den  Jahren,  in  welchen  Dürer  die  Passionsgeschichte  von 
neuem  vornahm,  früher  begonnene  Folgen  vollendete,  neue  Folgen 
schuf,  sein  gesteigertes  Interesse  an  religiösen  Dingen,  welches  ihn 
sogar  die  poetischen  Schwingen  rühren  lässt.  Er  begleitet  1510 
den  Holzschnitt  mit  Christus  am  Kreuze  zwischen  Maria  und 
Johannes  auf  der  Rückseite  mit  Versen,  welche  sich  auf  die  ,, sieben 
Tageszeiten in  denen  ,, Christus  trug  sein  Leiden"  beziehen.  In 
ihnen  giebt  sich  nicht  allein  Dürers  frommer  Sinn ,  sondern  auch 
seine  persönliche  Empfindung,  dass  ,, Christi  Tod  uns  ewiges  Leben 
erwarb dass  sein  Tod  ,,das  Heilmittel  für  die  grösste  Not"  sei, 
und  ,,wir  durch  Christus  das  ewige  Leben  haben,"  kund.  Nicht 
die  Empfindung  an  sich,  wohl  aber  ihr  kräftiger  Ausdruck,  erscheint 
für  Dürers  Natur  bedeutsam.  In  einem  anderen  Flugblatte  aus 
demselben  Jahre  streift  er  sogar  kirchliche  Missbräuche  tadelnd  an. 
Der  Holzschnitt  zeigt  uns  ein  Totengerippe,  welches  grinsend  dem 
tapferen  Landsknechte  die  abgelaufene  Sanduhr  vorhält  und  ihn 
als  gute  Beute  am  Arme  fasst,  also  eine  Variante  der  bekannten 
Totentanzbilder.  Auf  der  Rückseite  lesen  wir  wieder  Dürersche 
Verse,  welche  den  Menschen  mahnen 

nach  Christo  zu  leben, 
Der  kann  dir  ewiges  Leben  geben, 

ihn  auffordern 

um  Gnad  zu  erwerben, 
Als  sollt'  er  jede  Stunde  sterben, 

und  warnen,  dass  er  sich  nicht 

aufs  Messelesen  verlässt 
Und  dadurch  will  begleichen  den  Rest, 
Den  zahlt  man  mit  der  Glocke  Ton, 
Damit  läuft  sein  Andenken  davon. 

Es  liegt  in  allen  diesen  Herzensergüssen  kein  schroffer  Widerspruch 
gegen  die  Weltanschauung  des  Mittelalters  —  Dürer  lässt  noch 
die  guten  Werke  gelten  —  aber  abgesehen  von  dem  tiefen  Ernste 
und  gewaltigen  sittlichen  Eifer  erscheint  in  ihnen ,  wie  in  seinen 
künstlerischen  Schöpfungen ,  ein  stärkerer  persönlicher  Zug  aus- 
geprägt, als  er  im  Mittelalter  heimisch  war.  An  die  religiöse  Vor- 
stellung knüpft  sich  eine  feste  persönliche  Überzeugung,  welche 
den  Bildern  den  warmen ,  innigen  Ton  verleiht  und  sie  individuell 
gestaltet.  Damit  hängt  zusammen ,  dass  ihn  bestimmte  religiöse 
Gedankenkreise   beherrschen ,   gegen  andere  seine  Phantasie  sich 


85 


stumpf  verhält.  Je  nachdem  sich  sein  persönliches  Wesen  von 
ihnen  stärker  oder  schwächer  angezogen  fühlt ,  wird  auch  der 
künstlerische  Sinn  von  ihnen  verschieden  gepackt.  Dieses  sein 
persönliches  Wesen  hängt  aber  mit  der  allgemeinen  Stimmung 
seiner  Zeit  und  seines  Volkes  eng  zusammen. 

Es  fällt  auf,  dass  die  Bücher  des  Alten  Testaments ,  für  die 
späteren  deutschen  Künstler  so  fruchtbar  an  Anregungen,  für  Dürer 
stumm  blieben.  Die  Bibel  war  noch  nicht  Haus-  und  Unterhaltungs- 
buch geworden.  Ebenso  fremd  blieben  ihm  die  mittelalterlichen 
Heiligenlegenden.  Wenn  er  Heilige  darzustellen  hat ,  so  begnügt 
er  sich  in  der  Regel  mit  der  Wiedergabe  ihrer  Figur.  Christi 
Leben  und  Leiden  besitzen  für  ihn  die  grösste  Anziehungskraft, 
ausser  Christus  noch  Maria ,  zu  deren  Schilderung  ihm  aber  nicht 
so  sehr  die  Überlieferung,  als  die  persönliche  Empfindung  die 
Farben  mischt.  Sechsmal  hat,  soviel  wir  wissen,  Dürer  die  Madonna 
mit  dem  Christkinde  auf  dem  Arm,  stets  nur  im  Brustbild,  gemalt. 
Keine  einzige  Darstellung  ist  volkstümlich  geworden.  Die  Schuld 
mag  die  unvollkommene  malerische  Technik  mit  tragen.  Die  vor- 
nehmste Ursache  der  geringeren  Wirkung  dieser  Marienbilder  liegt 
aber  doch  in  dem  Mangel  individueller  Auffassung.  Dürer  hat  sich, 
während  er  an  ihnen  malte,  nicht  zu  klarer  Selbstbesinnung  empor- 
gearbeitet ,  den  Faden ,  welcher  sich  sonst  vom  Gegenstande  der 
Darstellung  zu  seiner  persönlichen  Natur  spann ,  nicht  gefunden. 
Er  erscheint  weniger  selbständig  in  der  Auffassung,  abhängiger 
in  der  Formensprache  von  fremden  Meistern.  In  den  älteren  Ge- 
mälden, wie  in  der  Madonna  vom  Jahre  1503  (k.  Galerie  in  Wien), 
wird  man  an  bestimmte  Vorbilder,  hier  z.  B.  an  Jacopo  de'  Barbari; 
erinnert ,  in  den  späteren  Schöpfungen  klingen  italienische  Motive, 
das  Spiel  des  Kindes  mit  einer  Frucht  oder  Blume  wenigstens  im 
allgemeinen  nach  oder  es  wird  wie  bei  der  Augsburger  Madonna 
15 16  der  Anlass  willkommen  geheissen,  das  Studium  der  richtigen 
Masse  und  Verhältnisse  fruchtbar  zu  verwenden.  Soll  er  einen 
andächtigen  Ton  anschlagen  oder  einfach  Mutterglück  und  Mutter- 
zärtlichkeit schildern  ?  Aus  diesem  Kampfe  findet  Dürer  in  den 
Mariengemälden  keinen  Ausweg.  Den  gleichen  Kampf  muss  er 
noch  in  den  Zeichnungen ,  Stichen  und  Schnitten  durchfechten. 
Hier  aber  folgt  dem  Kampfe  der  Sieg,  bricht  sich  eine  selbständige 
persönliche  Auffassung  schliesslich  die  Bahn. 


« 


IX. 


Die  Madonnenschilderungen  zerfallen  in  zwei  Gruppen.  In  der 
einen  Gruppe  wird  uns  Maria  allein  mit  dem  Christkinde  auf  den 
Armen  vorgeführt,  in  der  anderen  stehen  wir  der  heiligen  Familie 
oder  Sippe  gegenüber.  Dem  Zwecke ,  eine  andächtige  Stimmung 
zu  wecken  und  die  Madonna  als  Himmelskönigin  zu  verherrlichen, 
dienen  vorzugsweise  die  Blätter ,  welche  die  Madonna  auf  dem 
Halbmond  stehend,  inmitten  eines  Strahlenkranzes  darstellen.  Hier 
nehmen  unsere  Aufmerksamkeit  die  technischen  Fortschritte  und 
die  Entwicklung  des  Formensinnes  in  Anspruch.  Welchen  weiten 
Weg  hat  Dürer  in  dieser  Hinsicht ,  seit  er ,  noch  in  den  neunziger 
Jahren ,  zum  erstenmale  die  Madonna  auf  der  Mondsichel  stach 
(B.  30),  bis  15 16,  in  welchem  Jahre  er  zum  letztenmale  den  Gegen- 
stand behandelte  (B.  32),  zurückgelegt!  Die  Madonna  hat  an  Fülle, 
das  Christkind  an  Natürlichkeit ,  die  Gewandung  an  Freiheit ,  vor 
allem  aber  die  Stichweise  an  Kraft  und  Tiefe  wunderbar  gewonnen. 

Doch  erst  in  der  auf  die  Erde  verpflanzten  Madonna ,  welche 
dem  Kinde  die  Brust  giebt  oder  ihm  eine  Frucht  reicht ,  es  an 
sich  presst,  kommt  Dürers  Natur  zu  ihrem  Rechte.  Und  selbst 
hier,  wenn  man  Stich  und  Zeichnung  vergleicht,  merkt  man,  dass 
er  in  den  verkäuflichen  Blättern  zuweilen  dem  Herkommen  und 


87 


Die  Madonna  mit  der  Birne,  Kupferstich. 


der  im  Volke  herrschenden  Anschauung  nachgiebt  und  die  rein 
persönliche  Empfindung,  wie  sie  die  Zeichnungen  wiedergeben, 
zurückdrängt.    Zu  den  schönsten  Madonnenstichen  wird  mit  Recht 


88 


■i 


Madonna  mit  dem  Kinde.     Federzeichnung  im  Kupferstichkabinet  zu  Berlin. 


jener  aus  dem  Jahre  151 1,  die  Madonna  mit  der  Birne,  gezählt 
(B.  41).  Und  doch  wird  er  noch  von  der  im  BerUner  Kabinet 
bewahrten  Skizze  (L.  29)  in  poetischer  Erfindung  und  Tiefe  des 
Ausdruckes   überragt.     Halb   unbewusst   häh  sie  das  mit  einem 


89 


Apfel  spielende  Kind  mit  beiden  Händen  fest,  während  sie  gerade- 
aus blickt,  als  ob  schwere  Gedanken  sie  bewegten,  das  Glück  der 


Die  Madonna  an  der  Mauer.  Kupferstich. 


Gegenwart  vergessen  Hessen.  Im  Stiche  neigt  sie  den  Kopf  zu  dem 
segenspendenden  Kinde  herab  und  hält  ihm  eine  Birne  vor.  Ihr 


Gesicht  erscheint  hier  freundlicher,  in  den  Linien  rundlicher,  während 
auf  der  Zeichnung  in  dem  länger  gezogenen  Antlitze  ein  herber, 
fast  schmerzlicher  Zug  spielt.  Als  ob  die  Madonna  im  Geiste  das 
furchtbare  Schicksal  des  Kindes  schaut ,  als  ob  ihre  Seele  nicht 
bei  der  Wiege ,  sondern  bereits  bei  dem  Kreuze  weilte ,  so  tritt 
uns  die  Madonna  nicht  allein  in  der  Berliner  Zeichnung ,  sondern 
auch  sonst  in  den  besten  Madonnenstichen  Dürers  entgegen.  Am 
stärksten  kommt  der  ernste ,  fast  trübe  Ausdruck  in  der  Madonna 
an  der  Mauer,  15 14  (B.  40),  zur  Geltung.  Sie  sitzt,  das  Haupt 
mit  einem  Tuche  soweit  verhüllt ,  dass  nur  das  Gesicht  von  der 
Stirn  an  frei  bleibt,  am  Fusse  einer  Stadtmauer  und  hält  mit  beiden 
Händen  das  Kind  auf  ihrem  Schosse ;  der  Apfel  in  seiner  Linken 
lockt  es  nicht.  Ein  weinerlicher  Zug  spielt  um  seinen  Mund.  Wird 
es  die  Mutter  aus  dem  traurigen  Sinnen,  in  welches  sie  versunken 
ist,  reissen }  Sie  neigt  wohl  den  Kopf  zum  Kinde  herab,  ihr  Auge 
schweift  aber  in  die  Ferne.  Selbst  in  dem  Madonnenstiche  vom 
Jahre  15 13,  welcher  die  Maria  am  Fusse  eines  Baumes  sitzend  dar- 
stellt ,  wie  sie  die  Wange  an  den  Kopf  des  Kindes  zärtlich  presst 
(B.  35),  erscheint  die  Empfindung  fröhlichen  Mutterglückes  ge- 
dämpft. Die  Madonna  hält  das  Auge  zu  Boden  gesenkt ,  hat  die 
Lippen  fest  geschlossen  und  die  Mundwinkel  leicht  hinaufgezogen. 
In  Dürers  Phantasie  hat  offenbar  das  Leiden  Christi  einen  Schatten 
auf  Mariens  Gestalt  vorausgeworfen  und  ihr  den  so  oft  wieder- 
kehrenden schwermütigen,  tief  ernsten  Charakter  aufgeprägt.  Wir 
besitzen  darin  ein  neues  Zeugnis ,  in  welchem  Masse  die  Passion 
die  religiöse  Empfindungsweise  Dürers  beherrscht. 

Der  schwermütige  Zug  in  der  Madonna  weicht  erst ,  wenn  sie 
nicht  mehr  einsam  sitzt,  sondern  im  Kreise  ihrer  Freunde  und  Ver- 
ehrer sich  bewegt.  Das  innig  freundliche  Familienleben  bannt  alle 
trüben  Ahnungen  und  giebt  der  Madonna  den  Frohsinn  zurück. 
Hier  lebt  sie  in  der  Gegenwart  und  ist  mit  ganzer  Seele  bei  dem 
Spiele  des  Kindes.  Wie  die  fesselndsten  Madonnenstiche,  so  fallen 
auch  die  anmutigsten  heiligen  Familien  in  die  Jahre  151 1  — 15 14. 
Äussere  Fruchtbarkeit  entspricht  der  inneren  Reife.  Aus  dem  Jahre 
151 1  stammen  die  beiden,  leider  vom  Holzschneider  schlecht  aus- 
geführten Sippebilder,  In  dem  einen  Holzschnitte  sitzen  unter  einer 
Baumgruppe  Maria  und  Anna,  die  Mutter  und  Grossmutter,  ihnen 
haben  sich  die  Gatten ,  Joseph  und  Joachim  beigesellt.  Der  Held 
der  Handlung  ist  aber  das  mit  einem  kurzen  Hemdchen  bekleidete 
Christuskind ,  welches  vom  Schosse  Marias  zu  Anna  hinüberhüpft, 


91 


sorgsam  von  beiden  unterstützt  (B.  96).  Eine  flüchtige  Feder- 
zeichnung in  der  Albertina  giebt  die  Szene  noch  lebendiger  und 
ausdrucksvoller  wieder.  Der  andere  Holzschnitt  zeigt  uns  die 
Glieder  der  heiligen  Sippe  in  noch  grösserer  Zahl  versammelt 
(B.  97).  Maria  und  Anna  sitzen  nebeneinander  unter  einer  Gruppe 
knorriger  Bäume.  Während  jene  dem  Kinde  die  Brust  giebt ,  hat 
sich  Anna  in  ein  Buch  vertieft,  in  welches  über  ihre  Schultern  ein 
junges  Mädchen  mit  hineinblickt.  Im  Kreise  stehen  fünf  alte  Männer, 
beinahe  so  knorrig  wie  die  Bäume ,  aber  doch  aus  dem  Leben 
frisch  herausgegriffen.  Dass  zu  den  Füssen  der  Madonna  zwei 
geflügelte  Knaben  mit  Laute  und  Dudelsack  musizieren,  stört  durch- 
aus nicht  den  anheimelnden  Eindruck  der  Szene.  Sie  sind  dem- 
selben Naturboden  entwachsen ,  wie  die  anderen  Gestalten.  Ein 
drittes  Mal  verkörpert  Dürer  die  Sippe  in  einem  mit  der  Nadel 
geritzten  und  vielleicht  teilweise  geätzten  Blatte ,  dessen  Druck 
freilich  misslang,  welches  aber  durch  einen  neuen  Madonnentypus 
bemerkenswert  erscheint  (B.  43). 

Dürer  verfuhr  bei  der  Zeichnung  der  Madonnenköpfe  durch- 
aus nicht  nach  einer  feststehenden  Gewohnheit.  Jugendliche  Formen 
wechseln  mit  ausgereiften ,  lang  gezogene  Köpfe  mit  rundlichen. 
Wenn  er  auch  der  Natur  nachstrebt,  so  beschränkt  er  sich  doch 
nicht  auf  die  Wiederholung  eines  einzigen  in  der  Wirklichkeit  ge- 
schauten Typus.  Die  viel  verbreitete  Ansicht,  als  ob  Dürer  eigent- 
lich nie  Nürnberger  Frauen  und  Mädchen  abkonterfeit  hätte ,  ist 
unstatthaft.  Eine  subjektive  Absicht  liegt  den  meisten  Gesichts- 
bildungen zu  Grunde.  Richtig  ist  nur  für  die  ältere  Zeit  eine  ge- 
wisse Vorliebe  für  das  Zierliche  und  Schmächtige  oder  für  die 
rüstige ,  aber  anmutslose  Züchtigkeit.  Jetzt ,  seit  1 5 1 1  ,  geht  eine 
Wandlung  in  seinen  Anschauungen  vor  sich.  Die  Köpfe  der  Frauen 
werden  mächtiger,  die  Schultern  breiter,  eine  grössere  Formenfülle 
stellt  sich  ein.  Die  Madonnen  tragen  das  Haar  aufgelöst,  nur 
durch  ein  schmales  Perlenband  über  der  Stirn  befestigt.  Der  Mund 
wird  kleiner,  die  Lippen  geschwellter,  der  Ausdruck  fröhlicher  und 
freier.  So  tritt  uns  die  Madonna  in  dem  geritzten  Blatte  entgegen, 
von  welcher  wir  dann  einen  Abglanz  in  zwei  Madonnenzeichnungen, 
eine  in  Windsor  aus  dem  Jahre  15 15  und  eine  ungefähr  gleich- 
zeitige in  der  Albertina,  erblicken.  Nur  in  Zeichnungen,  den 
intimsten  Schöpfungen  seiner  Phantasie,  kehrt  dieser  Typus  wieder, 
in  den  Stichen  und  Schnitten  der  späteren  Jahre  hat  er  bereits 
eine  Abschwächung  erfahren.    Die  lange  verkannte  Wahrheit  von 


92 


dem  höchsten  Werte  der  Dürerschen  Zeichnungen  findet  auch 
für  den  Kreis  der  heiligen  FamiUe  volle  Bestätigung.  Mit  der 
kolorierten  Zeichnung  der  heiligen  Familie  in  Basel,  1509,  mit 
der  Anna  Selbdritt ,  im  Germanischen  Museum  in  Nürnberg, 
15 14,  halten  die  gleichnamigen  Stiche  und  Schnitte  Vergleiche 
nicht  aus.  In  einer  von  Säulen  getragenen ,  gewölbten  Halle  hat 
sich  auf  der  Baseler  Zeichnung  die  Madonna  mit  dem  Kinde  auf 
dem  Schosse  niedergelassen.  Die  Architektur  zeigt  zum  ersten- 
mal die  reinen  Renaissanceformen,  wenn  auch  mit  allerhand  phan- 
tastischem Aufputz ,  von  Dürer  angewandt.  Während  das  Kind 
sich  mit  einem  gefangenen  Vogel  und  einem  Apfel  vergnügt,  blickt 
die  Madonna  zu  den  kleinen  Engelsknaben  herab,  welche  zu  ihren 
Füssen  eine  fröhliche  Musik  angestimmt  haben.  Im  Mittelgrunde 
giebt  sich  Joseph  nach  gethaner  Arbeit ,  den  hohen  Bierkrug  zur 
Seite,  den  Kopf  auf  die  Tischplatte  gesenkt,  erquicklichem  Schlafe 
hin.  Die  andere  Zeichnung ,  Anna  Selbdritt  benannt ,  überrascht 
zunächst  durch  den  streng  einheitlichen  Aufbau  der  Gruppe.  Die 
Umrisse  werden  von  den  Linien  einer  Pyramide  fest  umschlossen. 
Die  Spitze  der  Pyramide  bildet  Anna  in  rötlichem  Mantel  und 
weissem  Kopftuche.  Sie  hatte  in  einem  Buche  gelesen,  lässt  aber 
jetzt  dasselbe  sinken ,  an  dem  Spiele  der  quer  vor  ihr  gelagerten 
Maria  mit  dem  Kinde  sich  ergötzend.  Das  Christkind  hat  sich  von 
den  Knieen  der  Madonna  erhoben  und  strebt  unbehilflich  zu  ihr 
empor,  von  der  Mutter  durch  liebevollen  Blick  und  heiteres  Lächeln 
des  leicht  geneigten  Kopfes  aufgemuntert.  Gerade  diese  Technik, 
Federzeichnungen  mit  Wasserfarben  flüchtig  zu  überziehen ,  sagte 
Dürer  ungemein  zu.  Er  hat  sie  stets  geübt,  niemals  mit  so  grossem 
Erfolge  als  wieder  in  diesen  Jahren  vollkommener  Reife.  Mehrere 
der  in  der  Ambraser  Sammlung  in  Wien  bewahrten  mythologischen 
Aquarellzeichnungen,  wie  der  von  der  Biene  verfolgte  Amor,  welcher 
zur  Venus  flüchtet  und  die  Brunnennymphe  fallen  in  diese  Zeit. 
Ihr  Studium  bannt  das  Vorurteil ,  als  ob  Dürer  der  Schilderung 
weiblicher  Anmut  völlig  fremd  gewesen  und  geblieben  wäre.  Die 
Welt ,  in  welcher  sich  seine  Phantasie  am  liebsten  bewegte ,  war 
allerdings  männlicher  Natur ,  aber  in  einzelnen  glücklichen  Augen- 
blicken fand  auch  der  Reiz  weiblicher  Schönheit  Eingang  in 
seine  Seele. 


* 


X. 


In  dem  Widmungsbriefe  an  Ulrich  Varnbülcr ,  welchen  der 
vertraute  Freund  Dürers ,  Willibald  Pirkheimer ,  der  Ausgabe  eines 
Lucianschen  Dialoges :  Das  Schiff  oder  die  Wünsche  vorausschickt, 
erzählt  er  auch  einiges  von  der  Sinnesweise  unseres  Künstlers. 
Er  vergleicht  Dürer  mit  dem  Helden  des  Dialoges :  Wie  bei  Lucian 
Adimantes  sich  von  seinen  Freunden  trennt ,  mit  welchen  er  ge- 
meinsam nach  dem  Firäus  gewandert  war,  um  ein  eben  eingetroffenes 
grosses ,  reich  beladenes  Schiff  zu  betrachten  und  wie  er  unbe- 
kümmert um  das  wirkliche  Schauspiel  Träumen  künftigen  Reich- 
tums und  kommender  Glückseligkeit  nachgeht ,  ebenso  pflege  es 
auch  Dürer  zu  treiben.  Als  einmal  in  Pirkheimers  Hause  sich  die 
Freunde  versammelten,  um  einen  Söldnerhaufen  vorbeimarschieren 
zu  sehen  und  sich  an  dem  Waffengetöse  und  der  Kriegsmusik  er- 
götzten ,  wäre  Dürer  in  eine  andere  Welt  entrückt  worden  und 
hätte  ihnen  dann  mitgeteilt ,  dass  er  im  Geiste  so  schöne  Dinge 
geschaut  habe ,  welche  ihn  zum  glücklichsten  Menschen  machen 
würden,  wenn  sie  sich  verwirklichen  Hessen.    Das  stimmt  mit  dem 


94 


Selbstbekenntnisse  Dürers :  „Ach  wie  oft  sehe  ich  grosse  Kunst 
und  gute  Dinge  im  Schlafe ,  dergleichen  mir  wachend  nicht  vor- 
kommen." Als  Träumer  giebt  er  sich  zu  erkennen ,  als  Träumer 
gilt  er  den  Freunden.  Wie  passt  es  aber  zu  dem  wissenschaft- 
lichen Zuge  in  seiner  Natur  und  zu  seinem  Rufe  als  echtem  Sohne 
Nürnbergs ,  der  Stadt  der  Mathematiker,  welcher  an  der  Umwand- 
lung eines  Viereckes  in  ein  Dreieck  von  gleichem  Flächeninhalt 
und  ähnlichen  Problemen  angeblich  das  grösste  Interesse  nahm  ? 
Der  Widerspruch  wäre  schwer  zu  lösen,  müssten  wir  glauben,  dass 
in  Dürers  Träumen  alle  klaren  Gedanken  sich  verflüchtigten ,  alle 
festen  Gestalten  ineinander  flössen,  und  in  nebelhaften  Formen  sich 
auflösten.  Dürer  sagt  aber,  dass  er  in  seinen  Träumen  ,, grosse 
Kunst"  schaute.  Das  war  nur  möglich,  wenn  die  Gefühle  gegen- 
ständlich blieben ,  greifbare  Umrisse  zeigten ,  sich  auch  sinnlich 
fassen  Hessen.  Ein  Traumgesicht,  aus  dem  Jahre  1525,  hat  Dürer 
selbst  ausführlich  geschildert.  ,,Ich  habe  im  Schlafe  diese  Er- 
scheinung gesehen ,  wie  viele  grosse  Wasser  vom  Himmel  fielen ; 
und  das  erste  traf  das  Erdreich  ungefähr  vier  Meilen  von  mir  mit 
einer  solchen  Furchtbarkeit  und  übergrossen  Geräusch  und  Zer- 
spritzen  und  ertränkte  das  ganze  Land.  Dann  fielen  die  anderen 
Wasser ;  die  waren  fast  gross  und  sie  fielen  einige  weiter ,  einige 
näher  und  sie  kamen  so  hoch  herab,  dass  sie  scheinbar  gleich  lang- 
sam fielen.  Aber  da  das  erste  Wasser,  das  das  Erdreich  traf,  schier 
herbeikam ,  fiel  es  mit  solcher  Geschwindigkeit ,  mit  Wind  und 
Brausen,  dass  ich  so  erschrak,  als  ich  erwachte,  dass  mir  all  mein 
Leichnam  zitterte  und  ich  lange  nicht  recht  zu  mir  kommen  konnte." 
Dieses  Traumbild  illustriert  Dürer.  Die  Ambraser  Sammlung  in 
Wien  besitzt  eine  flüchtig  kolorierte  Zeichnung,  in  welcher  die  ge- 
waltigen vom  Himmel  stürzenden  Wassermassen,  insbesondere  das 
bergähnliche  ,, erste  Wasser"  und  das  weithin  überschwemmte  Land 
flüchtig  aber  doch  wirkungsvoll  wiedergegeben  sind.  Der  Gegen- 
stand des  Traumes  ist  absonderlicher  Art,  durch  Steigerung  natür- 
licher Eindrücke  in  der  Seele  des  Schlummernden  lebendig  ge- 
worden. Er  darf  als  Eigentum  des  letzteren  gelten,  bewahrt  aber 
doch  den  Schein  des  WirkHchen  oder  in  der  wirklichen  Welt 
wenigstens  Möglichen;  die  künstlerische  Phantasie  vermag  ihn, 
wie  das  angeführte  Beispiel  zeigt ,  in  anschauliche  Formen  zu 
kleiden. 

Wenn  Dürer  im  Schlafe  ,, grosse  Kunst"  schaute  und  selbst 
die  Traumgebilde  seine  Beschäftigung  mit  der  Kunst  verraten,  so 


95 


gestattet  er  andererseits  auch  wachend  !dem  träumerischen  Zuge 
Einfluss  auf  seine  künstlerischen  Schöpfungen.  Durch  die  Pforte 
der  Phantastik  trat  er  in  die  künstlerische  Traumwelt  ein.  Schon 
in  seinem  Jugendwerke,  der  Apokalypse,  überrascht  die  Sicherheit 
in  der  Erfindung  wundersamer  Geschöpfe,  wie  geschauter  Gestalten. 
Allerdings  wies  ihm  hier  die  Überlieferung  den  Weg;  die  lebendige 
Art  der  Wiedergabe  beweist  aber ,  dass  er  sich  in  dieser  phan- 
tastischen Welt  heimisch  fühlte.  In  ähnlicher  Weise  lässt  er  den 
erfinderischen  Geist  in  den  früheren  mythologischen  Schilderungen 
walten.  Irgend  eine  alte  Fabel  giebt  den  Anstoss  zum  Bilde ; 
während  er  über  der  Zeichnung  sitzt ,  gewinnt  aber  die  Fabel  für 
ihn  noch  eine  weitere  allegorische  Bedeutung.  Er  hält  sich  nicht 
genau  an  den  Wortlaut  der  überlieferten  Erzählung ,  sondern  fügt 
dieser  noch  einzelne  von  ihm  erdachte  Züge  hinzu ,  welche  uns 
jetzt  den  Vorgang  dunkel  machen ,  auch  schon  zu  Dürers  Zeiten 
das  Verständnis  in  weiteren  Kreisen  erschwerten.  Noch  mehr.  Als 
rechter  Künstler  nimmt  Dürer  von  den  sinnlichen  Formen  den 
Ausgangspunkt.  Was  in  seiner  Phantasie  zuerst  lebte ,  das  sind 
wegen  ihrer  formalen  Schönheit,  oder  wenigstens  wegen  ihres  for- 
malen Wertes  fesselnde  Gestalten ,  wie  nackte  Körper ,  durch  die 
Gesetzmässigkeit  der  Masse  und  Verhältnisse  ausgezeichnet  oder 
kühn  verkürzte  Leiber.  Mit  diesem  rein  formalen  Ziele  verknüpft 
sich ,  natürlich  nicht  als  mechanische  Zuthat ,  sondern  wie  wenn 
Strahlen  plötzlich  zu  einem  Bündel  zusammenschiessen,  irgend  eine 
in  der  Erinnerung  auftauchende  Szene ,  eine  durch  humanistische 
Gelehrsamkeit  vermittelte  Handlung,  so  dass  das  Bild  einen  doppel- 
ten Inhalt,  einen  für  den  Verstand  fassbaren  historischen  und  einen 
nur  vom  Kunstfreund  empfundenen  formalen  besitzt.  Die  Neigung, 
auf  dem  Grunde  rein  formaler  Studien  Handlungen  aufzubauen, 
und  jene  poetischen  Gedanken  emporspriessen  zu  lassen ,  steigert 
sich,  je  weiter  Dürer  in  das  Verständnis  der  Naturgesetze,  welche 
der  menschlichen  Erscheinung  vorstehen ,  vordrang.  Das  mathe- 
matische Element  und  der  träumerische  Zug  bekämpfen  sich  nicht 
in  ihm ,  sondern  wachsen  ineinander.  Das  mathematisch  abstrakte 
Denken  ist  ja  eine  Art  Phantastik  des  Verstandes,  die  Vereinigung 
beider  Eigenschaften  in  einer  Person  nicht  wunderbar.  Gerade  in 
der  Zeit  nach  1510,  in  welcher  Dürer  die  theoretischen  Forschungen, 
die  Messungen  und  Berechnungen  mit  erhöhtem  Eifer  wieder  auf- 
nimmt, gewinnt  auch  das  Träumerische  eine  grosse  Herrschaft  über 
seine  Phantasie. 


96 


Leonardo  da  Vinci  erzählt  in  seinem  Malerbuche ,  dass  er 
gern  den  Flug  der  Wolken  verfolge  und  in  ihren  Formen 
Menschen ,  Tiere ,  Teufel ,  Schlachten  u.  s,  w.  entdecke ,  dass  ihm 
in  ähnlicher  Weise  Mauerflecken  wie  durch  Zauber  in  bunte  Bilder 
sich  verwandeln.  Ebenso  liest  Dürer  aus  scheinbar  trockenen 
Normalfiguren,  an  welchen  er  die  Masse,  die  Verhältnisse  der  ein- 
zelnen Teile  zu  einander  genau  bezeichnet  und  beziffert  hat ,  von 
seiner  poetischen  Phantasie  ihm  eingegebene ,  gleichsam  heimlich 
zugeflüsterte  Zustände  und  Handlungen  heraus.  Die  ursprünglich 
seelenlosen  Figuren  empfangen  Stimmung.  Diese  Stellung ,  jene 
Bewegung  würden  Personen  einnehmen  und  dieses  Licht ,  jener 
Schatten  Szenen  beleuchten ,  in  welchen  diese  oder  jene  Empfin- 
dungen oder  Charakterzüge  verkörpert  werden.  Sind  einmal  die 
Gestalten,  die  Räumlichkeiten  gestimmt  worden,  so  liegt  der  weitere 
Weg  offen  da.  Die  Stimmung  muss  erklärt,  verständlich  gemacht 
werden.  Die  Szene  wird  durch  mannigfaches  Beiwerk  reicher  aus- 
gemalt ,  aus  dem  Traumhaften  auf  diese  Art  in  die  historische, 
lebendige  Wirklichkeit  übertragen. 

Schon  in  früher  Jugend  hatte  Dürer  Pferde  fleissig  gezeichnet. 
Die  Albertina  besitzt  aus  dem  Jahre  1498  eine  grosse  kolorierte 
Zeichnung,  einen  stattlichen  Reisigen  in  voller  Wehr  und  Rüstung, 
wie  sein  Ross  in  ein  scharfes  Profil  gestellt.  Er  verband  mit 
dem  Blatte  keinen  anderen  Zweck,  als  das  Festhalten  des  äusseren 
Eindruckes.  ,,Das  ist  die  Rüstung  zu  der  Zeit  in  Deutschland  ge- 
wesen hat  Dürer  selbst  später  auf  das  Blatt  geschrieben.  Die 
sichtlichen  Mängel  in  der  Zeichnung  des  Pferdes  führten  ihn  zum 
Studium  der  Anatomie.  In  Venedig  scheint  er,  wie  der  Lehre  von 
den  menschlichen  Proportionen  und  der  Physiognomik ,  so  auch 
der  Pferdeanatomie  mit  neuem  Eifer  sich  zugewandt  zu  haben. 
Die  hier  gewonnenen  Anschauungen  und  Erfahrungen  kamen  der 
Reiterzeichnung  zu  gute.  Als  er  den  Gegenstand  wieder  zur  Hand 
nahm  —  nicht  in  Venedig,  sondern  mehrere  Jahre  später  —  ver- 
besserte er  die  Zeichnung  des  Pferdes,  Hess  es  schreiten  und  nicht 
mehr  still  stehen,  gab  auch  dem  Kopfe  mehr  Kraft  und  Leben. 
Ausserdem  zog  er  über  den  Pferdekörper  Quadrate  und  bezifferte 
die  Masse  der  einzelnen  Glieder.  So  tritt  uns  der  Reiter  auf  Feder- 
zeichnungen in  Florenz  und  Mailand  entgegen.  Noch  immer  haben 
wir  es  mit  einem  Hilfsblatte  zum  Zwecke  wissenschaftlicher  Unter- 
suchungen zu  thun.  Der  Hund  zwischen  den  Beinen  des  Pferdes 
ist  eine  spätere  Zuthat,  doch  zeigt  jedenfalls  die  lebhaftere  Be- 


97 


wegimg  des  Pferdes  einen  Fortschritt  im  künstlerischen  Sinne ,  an 
welchen  nun  Dürers  Phantasie  anknüpfte.  Er  sah  in  dem  einfachen 
Reiter  einen  strammen,  der  Gefahr  trotzenden  Ritter.  Schon  1508 
hatte  er  ihn,  in  engem  Anschlüsse  an  die  Zeichnung  vom  Jahre 
1498,  auf  einem  kleinen  Kupferstiche  in  den  heiligen  Georg  ver- 
wandelt (B.  54).  In  den  folgenden  Jahren,  in  welchen  das  poetische 
Träumen  eine  grosse  Macht  über  ihn  errungen ,  erweiterte  er, 
durch  die  Zeitstimmung  mit  angeregt ,  die  Schilderung  in  tief- 
sinniger Weise. 

Schwere,  ernste  Gedanken  bedrängten  seit  Menschenaltern  die 
Volksseele,  Unruhe  und  Unsicherheit  waren  in  die  Welt  gekommen 
und  hatten  mit  Sorgen  und  bangen  Ahnungen  die  Geister  erfüllt. 
Vergebens  sucht  man  die  naive  fröhliche  Lebensauffassung,  welche 
das  dreizehnte  Jahrhundert  so  hell  und  bunt  färbte.  Man  stösst 
auf  schroffe  Gegensätze,  eine  leidenschaftliche  Hingabe  an  den  Ge- 
nuss  oder  eine  ängstliche  Furcht  und  Scheu  vor  den  kommenden 
Dingen ,  ein  hastiges  Ausspähen  nach  Rettung  aus  den  Irrungen 
und  Drangsalen  der  Gegenwart.  Den  kräftigsten  Ausdruck  fand 
die  Zeitstimmung  in  den  Todesbildern.  Der  Tod  ist  der  Herr  der 
Welt ,  ihm  kann  niemand  entrinnen.  Bald  lauert  er  heimtückisch 
der  Kreatur  auf,  bald  bekundet  er  gewaltthätig  seine  Macht.  Dürer 
waren  solche  Todesbilder  nicht  unbekannt.  Schon  in  seiner  frühen 
Jugend  hatte  er  ein  Blatt,  den  sogenannten  Spaziergang,  gestochen, 
auf  welchem  der  Tod  als  unerbittlicher  Mahner  ein  wandelndes 
Liebespaar  bedroht  (B.  94).  Auf  dem  1503  gestochenen,  technisch 
trefflich  durchgeführten  Wappen  des  Todes  (B.  loi)  umarmt  der 
letztere,  als  Gewaltmann  charakterisiert,  eine  blühende  Frau.  Zwei 
Jahre  später  zeichnet  er  mit  Kohle  den  König  Tod ,  wie  er 
auf  einem  Pferdegerippe ,  an  dessen  Halse  das  Totenglöcklein 
hängt,  durch  das  Land  reitet.  Die  Beischrift:  memento  mei 
giebt  über  die  Absicht  des  Künstlers  klaren  Aufschluss.  Aber 
nicht  seine  Phantasie  allein  beschäftigte  sich  mit  Todesgedanken ; 
auch  in  dem  wirklichen  Leben  treten  ihm  die  Schrecken  des 
Todes  entgegen. 

Seine  Mutter  zog  nach  dem  Tode  des  Vaters  (1502)  im  Jahre 
1504  zu  ihm  in  das  Haus  und  verfiel  hier  im  Jahre  15 13  in  eine 
Todeskrankheit,  Obschon  eine  frommgläubige  Frau ,  welcher  das 
Leben  wenig  Freuden  gebracht  hat  —  sie  hatte ,  wie  der  Sohn 
schreibt ,  die  Pestilenz  und  viele  andere  schwere  Krankheiten  er- 
duldet, auch  Verachtung,  Schrecken  und  grosse  Widerwärtigkeiten  — , 

7 


98 


fürchtete  sie  sich  doch  gewahig  vor  dem  Sterben.  Es  kann  daher 
nicht  wunder  nehmen ,  dass  Todesgedanken  in  seiner  Phantasie 
spielten,  als  er  träumend  seine  „Reiter"  betrachtete.  Soll  auch 
dieser  stramme  Mann  eine  Beute  des  Todes  werden  ?  Nein.  Dürer 
war  nicht  kleinmütiger  Natur.  Im  Gegensatze  zu  der  gangbaren 
Anschauung,  nach  welcher  der  Tod  stets  als  Sieger  auftritt,  denkt 
er  sich  den  Reiter,  der  so  fest  und  sicher  im  Sattel  sitzt,  als  einen 
tapferen  Mann ,  welcher  sich  selbst  vor  dem  Tode  nicht  fürchtet, 
allen  Widerwärtigkeiten  und  Gefahren  mutig  trotzt.  So  entstand 
15 13  der  berühmte  Kupferstich:  Ritter,  Tod  und  Teufel.  In  einer 
finsteren  Waldschlucht  reitet  in  voller  Rüstung  mit  geöffnetem  Visier 
in  ruhig  gemessener  Haltung  ein  Ritter  auf  einem  kräftig  gebauten, 
Mut  atmenden  Rosse.  Ihm  hat  sich  als  Begleiter  der  Tod  auf 
einem  dürren  Klepper  zugesellt.  Schlangen  winden  sich  um  sein 
Haupt  und  seinen  Hals.  Mit  der  Rechten  hebt  er  das  beinahe 
schon  abgelaufene  Stundenglas  empor.  Den  Ritter  kümmert  die 
Nähe  des  Todes  so  wenig,  wie  ihn  das  Ungeheuer  mit  dem  Schweins- 
kopfe und  den  Bocksbeinen  erschreckt ,  welches  ihm  nachtrottet. 
Auch  die  im  Sonnenlichte  glänzende  Burg  über  der  Schlucht,  ein 
Bild  der  Welt,  lockt  ihn  nicht.  Unverzagt,  im  Ausdrucke  unbewegt, 
setzt  er  den  Weg  fort,  die  Furcht  dem  langhaarigen  Köter  über- 
lassend ,  welcher  mit  gesenkten  Ohren  neben  dem  Rosse  läuft. 
Kennt  man  die  Entwickelung  des  Gedankens ,  welcher  dem  Stiche 
zu  Grunde  liegt ,  so  schwindet  das  Rätselhafte  seiner  Bedeutung. 
Ein  träumerisch  poetischer  Zug  umschwebt  denselben ,  unklar  und 
unverständlich  aber  ist  er  den  wenigsten  der  Zeitgenossen  gewesen. 
Dürer  selbst  nannte  das  Blatt  einfach  den  Reiter.  Später  empfing 
er  mannigfache  Taufen.  Es  galt  als  Verkörperung  eines  Sanguinikers, 
als  das  erste  Blatt  einer  Reihe  von  Stichen  mit  Darstellungen  der 
vier  Temperamente ,  als  Verherrlichung  Franz  von  Sickingens ,  als 
Illustration  des  Kirchenliedes :  Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott.  Alle 
diese  Bezeichnungen  treffen  nicht  das  Wahre.  Die  allein  richtige 
Bezeichnung  ist  die  ebenfalls  seit  langer  Zeit  (da  und  dort)  ge- 
bräuchliche :  Der  christliche  Ritter.  Sehr  ansprechend  ist  dann  die 
Vermutung  eines  neueren  Schriftstellers ,  dass  Dürers  grübelnder 
und  sinnender  Geist  in  dem  Handbüchlein  eines  christHchen  Ritters 
von  Erasmus  von  Rotterdam  einen  Wegweiser  fand.  Das  ,,enchiri- 
dion  militis  christiani"  fand  zwar  erst  seit  15 15  in  weiteren  Kreisen 
Verbreitung.  Immerhin  konnte  es  Dürer  durch  die  Vermittelung 
Erasmischer  Verehrer  schon  früher  gekannt  haben.    Jedenfalls  er- 


99 


scheinen  die  Regeln  (canones) ,  nach  welchen  der  christliche  Ritter 
leben  soll,  verwandt  mit  der  Schilderung  in  Dürers  Stiche.  Der 
christliche  Ritter  hat  auf  dem  rauhen  Pfade  der  Tugend  mit  den 
drei  schlimmsten  Feinden,  dem  Fleische,  dem  Teufel  und  der  Welt, 
zu  kämpfen.  Er  soll  aber  alle  diese  Spukgestalten  und  Gespenster 
verachten  wie  der  Virgilsche  Aeneas  (Can.  3).  Auch  das  soll  er 
bedenken ,  dass  der  hinterlistige  Tod  überall  lauert  und  plötzlich 
die  Ahnungslosen  überfällt  (Can.  23). 

Wahrscheinlich  hat  die  Beschäftigung  mit  den  Schriften  des 
von  Dürer  hochverehrten  Erasmus  in  dieser  Zeit  auch  sonst  seiner 
künstlerischen  Phantasie  einzelne  Anregungen  geboten.  Im  Jahre 
15 19  stach  Dürer  zwei  grosse  Blätter,  welche  wie  der  christliche 
Ritter  zu  den  berühmtesten  Schöpfungen  des  Meisters  gehören  und 
ebenfalls  Dürers  Traumwelt  entsprungen  sind,  den  Hieronymus  im 
Gehäus  und  die  Melancholie.  Der  Kirchenvater  sitzt  in  einem 
geräumigen,  von  den  Strahlen  der  durch  die  Butzenscheiben  schei- 
nenden Sonne  erwärmten  Gemache ,  in  welchem  allerhand  Haus- 
gerät wohlgeordnet  an  den  Wänden  prangt,  an  einem  Tische  und 
schreibt  emsig,  mit  dem  Ausdrucke  vollkommener  Glückseligkeit 
über  die  Arbeit.  Im  Vordergrunde  liegt ,  müde  mit  den  Augen 
blinzelnd  ein  Löwe ,  ihm  zur  Seite  schläft  ein  Spitzhund.  Alles, 
die  Hauptgestalt  wie  die  Nebendinge,  die  ganze  Szene  atmet  tiefsten 
Frieden ,  stille  Heiterkeit ,  behagliche  Ruhe.  Ganz  anders  ist  die 
Melancholie.  Eine  mächtige,  geflügelte  Frauengestalt,  das  Gesicht 
völlig  in  Schatten  gestellt,  sitzt  am  Fusse  eines  Pfeilers.  Sie  stützt 
die  Wange  auf  die  Linke,  hält  unbewusst  einen  Zirkel  in  der  andern 
Hand  und  starrt  mit  ihren  grossen  Augen  wie  verloren  in  die 
Ferne.  Ihr  zur  Seite  hat  ein  geflügelter  Knabe  einen  Mühlstein 
bestiegen  und  zeichnet  sitzend  etwas  auf  ein  Täfelchen.  Auch 
hier  ist  der  Raum  mit  allerhand  Gerät  angefüllt.  Aber  keine 
ordnende  Hand  hat  es  aufgestellt ,  wirr  durcheinander  liegt  es  auf 
dem  Boden.  Es  dient  nicht  dem  häuslichen  Behagen ,  lässt  uns 
in  kein  gemütliches  Heim  blicken,  weist  vielmehr  auf  die  Beschäf- 
tigung mit  allerhand  Künsten  und  Wissenschaften  hin.  Ein  Schmelz- 
tiegel ,  eine  Kohlenzange ,  eine  stereometrische  Figur ,  Hobel, 
Säge,  Lineal,  Spritze  fallen  zunächst  in  das  Auge.  Dass  hier  der 
grübelnde  Verstand  herrscht ,  deutet  das  Zahlbrett  mit  vier  Ziffer- 
reihen an ,  welche  nach  unten  oder  oben,  nach  rechts  oder  links 
oder  schräg  gelesen ,  immer  die  gleiche  Summe  ergeben.  Die 
beiden    Blätter    sind    Gegenstücke,    jedes    ergänzt    das  andere, 

7* 


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erst  zusammen  betrachtet  klären  sie  über  die  Absicht  des 
Künstlers  auf. 

Welches  war  aber  seine  Absicht?  Wir  können  sie  aus  den  beiden 
Stichen  erraten ,  wir  können  sie  auch  aus  verwandten  Gedanken- 
kreisen ,  welche  Dürer  gewiss  nicht  fremd  waren,  vermuten.  Dass 
Dürer  die  volkstümlichste  Schrift  des  Erasmus ,  das  Lob  der 
Narrheit ,  kennt ,  beweisen  zwei  mit  der  Feder  gezeichnete  Blätter 
in  dem  Pester  Nationalmuseum,  auf  welchen  offenbar  einzelne  Aus- 
sprüche der  Narrheit  illustriert  sind.  Im  Lobe  der  Narrheit  nun 
wird  vielfach  die  Thorheit  der  Weisheit ,  das  Glück  der  ersteren 
den  Kümmernissen ,  welche  die  Weisheit ,  das  ungewisse  Streben 
nach  Wissen ,  bereitet ,  gegenübergestellt.  Erasmus  spottet  der 
Philosophen ,  die  nur  in  Wolkenkuckucksheim  zu  Hause  sind ,  die 
Schranken  der  natürlichen  Erkenntnis  mit  Gewalt  durchbrechen, 
auf  ihre  Dreiecke ,  Vierecke ,  Kreise ,  und  was  es  sonst  an  geo- 
metrischen Figuren  giebt,  pochen,  mit  Hilfe  von  geheimen  Künsten 
und  Zaubermitteln  in  das  Innerste  der  Dinge  eindringen  wollen. 
Glücklich  war  das  goldene  Zeitalter,  wo  man  nicht  grübelte,  sondern 
einfach  den  Eingebungen  der  Natur  folgte,  unglücklich  sind  Menschen, 
welche  von  der  Leidenschaft ,  alles  wissen  zu  wollen ,  ergriffen 
werden.  Mit  dem  Wissen  steigen  die  Bedrängnisse,  Trauer  wohnt 
im  Herzen  des  Weisen ,  grosse  Weisheit  ist  von  grossem  Unmute 
begleitet.  Glückseligkeit  geniessen  jene  allein ,  deren  Geist  der 
Welt  entrückt  ist ,  welche  ganz  von  dem  wirklichen  Leben  sich 
abgezogen  haben.  Diese  Glückseligkeit  wird  allerdings  erst  nach 
dem  Tode,  jenseits  voll  genossen,  aber  einzelne  Auserwählte 
kosten  sie  bereits  auf  Erden  vor.  Und  merkwürdig.  In  den  Rand- 
zeichnungen, welche  Holbein  einem  Exemplare  des  Lobes  der  Narr- 
heit zufügt,  wählt  er  zum  Vertreter  der  Glückseligen  auf  Erden  den 
h.  Hieron3^mus.  Gleichviel  ob  Holbein  den  Stich  Dürers  kennt  oder 
nicht ,  jedenfalls  war  also  der  durch  Erasmus'  Bibelerklärungen  in 
den  Vordergrund  gerückte  Kirchenvater  in  jenen  Tagen  als  Typus 
eines  ruhigen ,  gottseligen  Lebens  eine  volkstümliche ,  leicht  ver- 
ständliche Gestalt.  Vielleicht  flogen  Dürer  noch  von  anderer  Seite 
ähnliche  Anregungen  zu.  Das  Ringen  nach  Erweiterung  der  Er- 
kenntnis ,  die  Leidenschaft  des  Forschens ,  dann  wieder  der  Klein- 
mut über  die  engen  Grenzen  des  Wissens,  der  Glaube  an  die  Thor- 
heit und  Eitelkeit  aller  Dinge,  endlich  die  Sehnsucht  nach  Frieden 
und  Klarheit ,  das  alles  schwirrte  in  der  Luft  und  beschäftigte  die 
Geister.   Die  Zeitstimmung  trug  Dürer  die  Gegenstände  der  Schil- 


r 


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derung  zu.  Trotzdem  bleiben  die  beiden  Stiche  sein  persönliches 
Eigentum.  Stoff  und  Anstoss  empfing  er  von  aussen ,  die  Form 
schuf  er  selbständig. 

Wir  besitzen  vom  Hieronymus  im  Gehäus  und  von  der  Melan- 
cholie leider  keine  vorbereitenden  Entwürfe,  wie  sie  für  den  christ- 
lichen Ritter  nachgewiesen  wurden.  Die  eingehende  Betrachtung 
der  beiden  Blätter  lehrt  uns  aber  die  Thatsache  kennen,  dass  hier 
gleichfalls  technische  Probleme ,  Formstudien  in  hervorragender 
Weise  die  Phantasie  bestimmten.  Wie  Dürer  im  christlichen  Ritter 
von  einer  Normalfigur  den  Ausgangspunkt  nahm,  so  bestimmt  und 
bedingt  in  Hieronymus  und  in  der  Melancholie  die  perspektivische 
Wissenschaft  und  die  Lichtberechnung  den  künstlerischen  Eindruck. 
Den  h.  Hieronymus  hat  Dürer  öfter  dargestellt,  nicht  bloss  büssend 
und  betend,  sondern  auch  schreibend.  Doch  nur  der  Hieronymus 
im  Gehäus  übt  dank  der  gewählten  Beleuchtung,  der  wohl  erwogenen 
Anordnung  der  Szene  eine  poetische  Wirkung.  In  dem  Sonnen- 
lichte ,  welches  den  ganzen  Raum  erfüllt ,  den  Kopf  des  Heiligen 
verklärt,  allen  Hausrat,  die  Wände  und  die  Decke  in  milden  Schimmer 
hüllt ,  spiegelt  sich  die  Seelenruhe  und  der  ungetrübte  Friede  des 
frommen  Schreibers  ab.  Erst  durch  diese  Mittel  kommt  Stimmung 
in  das  Bild ;  erst  durch  die  Stimmung  aber  wird  in  der  Seele  des 
Betrachters  die  richtige  Empfindung  geweckt.  Wie  sehr  Dürer  von 
der  Wichtigkeit  der  Beleuchtung  durchdrungen  war,  zeigt  die  von 
ihm  angewandte  Stichtechnik.  Ein  feiner,  silbergrauer  Ton  über- 
zieht das  ganze  Blatt,  schroffe  Gegensätze  von  Licht  und  Schatten 
werden  vermieden,  innerhalb  enger  Grenzen  aber  eine  Fülle  zarter 
Übergänge  ausgegossen.  Der  Stich  des  Hieronymus  besitzt  durch- 
aus ein  malerisches  Gepräge  und  macht  auch  aus  diesem  Grunde 
wie  in  Dürers  Entwickelung,  so  auch  in  der  Geschichte  des  Kupfer- 
stiches Epoche. 

Harmonische  sonnige  Beleuchtung  bildet  im  Hieronymus  die 
Brücke,  um  die  gesuchte  Seelenstimmung  zu  erreichen.  Damit  war 
auch  schon  der  Weg  zur  künstlerischen  Verkörperung  des  Gegen- 
bildes ,  der  Melancholie ,  gegeben.  Dürer  besass  nicht  die  leichte 
satirische  Ader  des  Erasmus.  Es  lag  ihm  daher  fern ,  das  auf- 
lodernde Feuer  des  Wissensdranges  zu  verspotten,  die  Leidenschaft 
des  Forschens  als  Eitelkeit  zu  verlachen.  Ihm  war  es  mit  der  Er- 
kenntnis der  Wahrheit ,  der  Erweiterung  der  Kenntnisse  heiliger 
Ernst.  Er  verwandelt  daher  den  Weisheitsnarren  in  einen  Genius, 
welcher    emporfliegen  möchte   bis  an  die  Grenzen  der  fassbaren 


I02 


Welt.  Er  zeichnet  eine  mächtige  Frauengestah ,  in  deren  ganzem 
Wesen  sich  das  kräftige  Streben  nach  dem  Grossen  und  Erhabenen 
kundgiebt.  Er  hat  aber  |doch  auch  die  Überzeugung,  dass  das 
geistige  Ringen  den  Frieden  der  Seele  versehrt,  die  Ruhe  des  Lebens 
gefährdet ,  tiefe  Schwermut  im  Gefolge  hat.  Die  Harmonie  des 
Denkens  und  Handelns  erscheint  gestört ,  in  ihren  Gegensatz  ver- 
wandelt. Die  Mittel,  diesem  inneren  Zwiespalt  einen  künstlerischen 
Ausdruck  zu  leihen,  bietet  ihm  ebenfalls  die  Beleuchtung,  das  Spiel 
von  Licht  und  Schatten.  Nicht  die  freundliche  Sonne ,  sondern 
ein  unheimlicher  Komet  erhellt  den  Raum,  mühsam  das  Dunkel 
teilend ,  trübsehgen  Schein  verbreitend.  So  wird  das  Dämonische 
des  Vorganges,  die  Schilderung  der  Nachtseiten  des  geistigen  Lebens 
wirksam  eingeleitet. 

Als  Künstlerträume ,  als  Schöpfungen  seiner  subjektiven  Phan- 
tasie entfalten  sich  die  grossen  Stiche  aus  den  Jahren  15 13  und 
15 14,  mögen  sie  auch  zunächst  von  der  Zeitströmung  ihm  nahe 
gebracht  worden  sein.  Noch  in  einem  anderen  grösseren  Werke 
bricht  sich  der  träumerische  Zug  Bahn.  Nicht  als  ob  er  die  schweren 
Empfindungen ,  die  tiefernsten  Gedanken,  welche  die  Stiche  offen- 
baren, in  der  neuen  Schöpfung  weitergeführt  hätte.  Er  lockt  uns 
vielmehr  in  eine  helle ,  fröhliche  Welt ,  lässt  einen  leichten  Humor 
walten.  Darin  herrscht  aber  doch  eine  vollkommene  Übereinstim- 
mung, dass  auch  hier  nicht  allein  die  Formengebung,  sondern  auch 
vielfach  die  Erfindung  der  Bilder  auf  seine  individuelle  Phantasie 
zurückgeht.  Gemeint  sind  die  Randzeichnungen  zum  Gebetbuche 
Kaiser  Maximilians. 

Seit  15 12,  als  sich  der  Kaiser  in  Nürnberg  aufhielt,  trat  Dürer 
zu  ihm  in  nähere  Beziehungen  und  wurde  zur  Ausführung  der 
mannigfachen  kaiserlichen  Kunstpläne  mit  herangezogen.  Der  Kaiser 
Max  stand  zwar  als  Kunstgönner  auf  dem  Boden  der  Renaissance. 
In  der  Weise  der  italienischen  Fürsten  konnte  er  aber  die  Kunst 
nicht  pflegen.  Das  verhinderte  ausser  äusseren  Umständen  seine 
deutsche  Natur.  Mit  richtigem  Sinne  erkannte  er  das  nationale 
Element  im  Holzschnitt  und  liess  seine  Renaissancegedanken  in 
dieser  Kunstgattung  ausführen ,  wobei  er  denn  freilich  den  intimen 
Charakter  des  Holzschnittes,  seine  geringe  Brauchbarkeit  für  pomp- 
hafte höfische  Zwecke  übersah.  Ein  solcher  Renaissancegedanke, 
von  der  Ruhmessehnsucht  eingegeben ,  war  die  Darstellung  eines 
Triumphes,  in  welchem  seine  Person,  sein  Geschlecht  und  das  ideale 
Fürstentum    gleichmässig   verherrlicht   werden    sollte.     Mit  Hilfe 


I03 

poetisch  gesinnter  Gelehrten  entwarf  Kaiser  Max  einen  weitschich- 
tigen Plan  zum  Triumphe.  In  langem  Zuge  schreitet,  von  Banner- 
trägern angeführt,  der  Hoftross  einher,  ihm  schliessen  sich  die  hul- 
digenden Vertreter  aller  Stände,  Träger  von  Trophäen  und  Bildtafeln, 
kunstreiche  Wagengerüste  u.  s.  w.  an ,  bis  endlich  der  prunkreiche 
Wagen  naht ,  auf  welchem  der  Kaiser  mit  seiner  FamiHe  thront. 
Zug  und  Wagen  nehmen  (in  der  Idee)  den  Weg  zur  Triumphpforte, 
welche  über  den  schmalen  Eingängen,  den  Pforten  des  Lobes,  der 
Ehre  und  des  Adels,  einen  hohen,  von  Rundtürmen  eingeschlossenen, 
in  zahlreiche  Felder  geteilten  und  mit  Kuppeln  gekrönten  Aufbau 
den  Augen  des  Betrachters  vorführen  soll.  Für  diesen  Triumph, 
das  monumentalste  Werk  im  Fache  des  Holzschnittes,  wurde  nun 
ausser  anderen  (Augsburger)  Künstlern  jauch  Dürers  Mitwirkung 
gewonnen.  Welchen  Wert  der  Kaiser  auf  sie  legte,  beweisen  dessen 
Gnadenbezeugungen  und  der  bis  zum  Tode  des  Kaisers  fortgesetzte 
Briefwechsel  zwischen  dessen  litterarischen  Gehilfen  und  Dürer. 
Der  Kaiser  wollte  ihn  (15 12)  von  allen  städtischen  Steuern  frei 
machen,  und  da  der  Rat  von  Nürnberg  nicht  darauf  einging,  gleich- 
sam an  des  Kaisers  Stelle  den  Künstler  zu  besolden,  so  verlieh  er 
ihm  (151s)  ^ir^  Leibgeding  von  100  Gulden  rheinisch,  aus  der  Stadt- 
steuer zahlbar.  Dieses  Gehalt  erhob  Dürer  in  der  That  bis  zum 
Tode  des  Kaisers.  Die  ganze  Zeit  hindurch  stand  er  weiter  mit 
Johannes  Stabius,  mit  Pirkheimer  und  Peutinger  in  engem  Verkehre, 
um  mit  ihnen  die  Einzelheiten  des  Triumphes  zu  beraten.  Dass 
er  es  an  Fleiss  und  Eifer  im  Dienste  des  Kaisers  nicht  fehlen 
Hess ,  sagen  uns  der  Freunde  und  seine  eigenen  Briefe.  Dennoch 
ist  der  persönliche  Anteil  Dürers  an  dem  Triumphe  nicht  so  umfang- 
reich, wie  man  erwarten  sollte,  und  dieser  Teil  der  Thätigkeit  für 
das  Verständnis  seiner  Natur  nach  nicht  sonderlich  ergiebig.  In 
dem  eigentlichen  Triumphzuge  werden  von  135  Blättern  24  auf 
Dürer  zurückgeführt.  Doch  gehören  unter  diesen  mehrere  nur 
seiner  Werkstätte  an.  Eine  äussere  Beglaubigung  des  Ursprunges 
in  Dürers  Nähe  bietet  ihre  Herstellung  in  Nürnberger  Werkstätten, 
z.  B.  in  jener  des  berühmten  Holzschneiders  Hieronymus  Andreä. 
Ob  er  mit  ganzer  Seele  bei  einer  Arbeit  war,  welche  ihn  von  den 
genauen  Vorschriften  des  Bestellers  abhängig  machte  .^^  Am  ehesten 
möchten  wir  es  von  den  durch  künstliche  Mittel  bewegten  Wagen- 
gerüsten, auf  welchen  sich  mannigfache  Kriegs-  und  höfische  Szenen 
abspielen,  vermuten.  Hier  kam  die  erfinderische  Kraft  des  Künst- 
lers zu  ihrem  Rechte ,  fand  der  Ruhm  Nürnbergs  in  mechanischen 


I04 

Dingen  Gelegenheit  zu  glänzen.  Die  Wagen  werden  bald  durch 
kleinere  Räder  geschoben ,  welche  in  die  Speichen  grösserer  ein- 
greifen, bald  mittelst  Kurbeln  bewegt  oder  durch  ein  Zahnradwerk 
vorwärts  getrieben.  Die  erste  bewegende  Kraft  bilden  Männer, 
welche  die  Kurbeln  drehen ,  die  Räder  mit  Stangen  u.  a.  stossen. 
Dadurch  und  durch  die  phantastische  Form  der  Wagengerüste  ver- 
mied Dürer  den  Eindruck  des  Mechanischen  und  Unbelebten.  Wenn 
ihm  hier  niemand  einsprach  oder  Vorschriften  erteilte ,  so  musste 
er  sich  dagegen  bei  der  Komposition  des  grossen  Triumphwagens 
fremden  Forderungen  fügen.  Auf  dem  ersten ,  mit  der  Feder  ge- 
zeichneten Entwürfe  (Albertina)  giebt  er  dem  Wagen  eine  ziemlich 
einfache  Form  und  bespannt  ihn  mit  lustig  galoppierenden ,  von 
lebensfri^chen  Burschen  gelenkten  Rossen.  Diese  Darstellung  er- 
schien offenbar  nicht  im  Einklang  mit  der  am  Hofe  des  Kaisers 
gepflegten  poetischen  Gelehrsamkeit.  Unter  Mitwirkung  Pirkheimers 
wurde  (151 8)  von  Dürer  ein  neuer  Wagen  entworfen,  welcher  durch 
einen  reichen,  allegorischen  Prunk  sich  auszeichnet.  Den  Wagen  um- 
geben Frauengestalten ,  mannigfache  Tugenden  vorstellend ;  eine 
Frau  (die  Vernunft)  lenkt  die  vielen  Pferde ,  welche  wohl  eine  an- 
sehnlichere ,  aber  lange  nicht  so  lebendige  Gestalt  wie  auf  dem 
ersten  Entwürfe  empfingen. 

Auch  bei  der  Triumphpforte  musste  sich  Dürer  die  Mitwirkung 
eines  Gelehrten,  des  Johannes  Stabius,  gefallen  lassen.  Sein  Eigen- 
tum bleibt  die  architektonische  Anordnung  des  Ganzen  und  die 
Zeichnung  der  einzelnen  Bauglieder.  Da  kein  wirkliches ,  sondern 
nur  ein  eingebildetes  Bauwerk,  ein  Schaustück,  geschaffen  werden 
sollte ,  so  legte  Dürer  seiner  Phantasie  keine  Zügel  an ;  hielt  sich 
nicht  an  eine  der  bestehenden  Bauweisen,  weder  an  den  gotischen, 
noch  an  den  Renaissance-Stil,  sondern  ersann  eine  Architektur  von 
märchenhafter  Pracht.  Mächtige  Rundtürme,  von  reichen  Kuppeln 
gekrönt ,  stützen  den  Scheinbau ,  Säulen  gliedern  die  inneren  Ab- 
teilungen. Nicht  schön,  aber  reich  soll  die  Architektur  erscheinen, 
daher  namenthch  Basen  und  Kapitäle  der  Säulen  überquellende 
Formen  zeigen ,  die  reinen  Kuppellinien  durchschnitten  werden- 
Die  Dekoration  drängt  sich  überall  in  den  Vordergrund.  Die 
Wirkung  dieses  seltsam  reichen  Triumphbogens  würde  wachsen, 
wenn  die  Zwischenfelder  nicht  ein  Übermass  von  bildlichen  Dar- 
stellungen ,  Wappen ,  Szenen  aus  dem  Leben  des  Kaisers ,  Büsten 
und  Statuen  der  Vorfahren  zeigten.  Der  Reichtum  der  Einzel- 
heiten zerstört  die  Schönheit  des  Ganzen.    Dadurch  ging  die  Über- 


I05 

sichtlichkeit  verloren.  Klebt  man  die  92  Blätter ,  aus  welchen  die 
Triumphpforte  besteht ,  zusammen ,  so  werden  die  oberen  Bilder 
undeutlich ,  betrachtet  man  die  Blätter  einzeln  nacheinander ,  so 
wird  der  Zusammenhang  zerreissen.  Mit  einem  Vorwurfe  Dürer 
deshalb  zu  belasten,  wäre  unbillig,  da  ein  fremder  Wille  hier  über- 
all eingriff.  Die  erfinderische  Kraft  des  Meisters  bahnt  sich  trotz 
alledem  den  Weg  und  weiss  selbst  über  spröde  Stoffe  Herr  zu 
werden. 

Wahre  Triumphe  feiert  sie,  wenn  sie  sich  frei  und  selbständig 
bewegen  kann.  Das  ist  der  Fall  in  den  Randzeichnungen  zum 
lateinischen  Gebetbuche  Kaiser  Maximilians.  Von  dem  berühmten 
Augsburger  Drucker  Hans  Schönsperger  hatte  der  Kaiser  15 14 
ein  Gebetbuch  in  mehreren  Exemplaren  auf  Pergament  herstellen 
lassen ,  von  welchen  das  eine  Künstlern  zur  Ausschmückung  der 
breiten  Randflächen  überwiesen  wurde.  Dieses  Exemplar  hat  sich 
fast  vollständig  erhalten ,  aber  nicht  mehr  in  einem  Bande  ver- 
einigt. Ein  Teil  zählt  zu  den  grössten  Schätzen  der  Münchener 
Bibliothek,  ein  anderer,  welcher  die  Lücken  des  Münchener  Frag- 
mentes ausfüllt ,  befindet  sich  in  der  Bibliothek  zu  Besangon.  An 
den  Randzeichnungen  hat  Dürer  und  sein  Bruder  Hans  (unter  dem 
Monogramm  H.  D.  verborgen)  den  Löwenanteil.  Von  ihrer  Hand 
sind  66  Blätter  illustriert,  während  auf  die  anderen  Künstler  (Lukas 
Cranach ,  Hans  Baidung  Grien ,  Burgkmair ,  Altdorfer  und  den 
unbekannten  Monogrammist  M.  A.)  44  Zeichnungen  fallen. 

Die  Randzeichnungen  bedeuten  keineswegs  eine  vorläufige 
Arbeit,  eine  Vorlage  etwa  für  Holzschneider.  So  bescheiden 
auch  ihre  Ausführung  mit  der  Feder  in  verschiedenen  (roten, 
grünen ,  violetten)  Tinten  erscheint ,  so  bleibt  sie  doch  die  end- 
gültige Form. 

Eine  gewisse  Heimlichkeit  umschwebt  die  Darstellungen,  richtig 
entsprechend  der  heimlichen  Bestimmung  des  Buches,  welches  allein 
zur  persönlichen  Erbauung  des  Kaisers  dienen  sollte.  Auf  die  Aus- 
wahl der  Bilder  hat  der  Kaiser  oder  dessen  Ratgeber  vielfach  Ein- 
fluss  geübt.  Der  gelehrte  Augsburger  Ratschreiber  Konrad  Peutinger 
scheint  vorwiegend  die  Verhandlungen  geleitet  zu  haben.  Im  ganzen 
und  grossen  durfte  der  Künstler  den  Eingebungen  seiner  Phantasie 
ungehindert  folgen.  Der  Text  enthält  ausser  den  eigentlichen 
Gebeten  auch  zahlreiche  Psalmen.  Werden  in  den  Gebeten  be- 
stimmte Heilige  angerufen ,  so  zeichnet  Dürer  ihre  Gestalt  an  den 
Rand.  In  vielen  Fällen  greift  er  aber  tiefer,  prüft  sinnig  die  Bilder- 


io6 

keime,  welche  in  den  Worten  der  Textzeilen  verborgen  sein  mögen, 
haucht  den  abstrakten  Vorstellungen  unmittelbares  Leben  ein,  ver- 
wandelt das  Wort  in  Bild.  Oder  es  weckt  das  gelesene  Wort 
in  seiner  Phantasie  Empfindungen  und  Stimmungen ,  welchen  er 
nachgeht  und  sie  an  die  Stelle  der  ursprünglichen  Vorstellung  stellt. 
In  der  geheimnisvollen  Verbindung  beider  liegt  ein  besonderer 
Reiz.  Jeder  Betrachter  des  Bildes  merkt  sie ,  aber  nur  der  er- 
finderische Geist  des  Künstlers  konnte  sie  schaffen. 

Die  Erkenntnis  menschlicher  Gebrechlichkeit ,  zu  welcher  das 
Gebet  auffordert ,  erscheint  ihm  sofort  im  Bilde  eines  den  Krank- 
heitsstoff prüfenden  Arztes,  einer  gefangenen  Drossel,  eines  Beeren 
naschenden  Häschens.  Ein  Sterbegebet  regt  ihn  zur  Schilderung 
des  Todes  an ,  welcher  dem  tapferen  Rittersmann  das  abgelaufene 
Stundenglas  vorweist.  Der  Vers :  ,, Mögest  du  einst  die  gläubigen 
Seelen  den  Tieren  ausliefern ,"  weckt  in  ihm  die  Erinnerung  an 
das  Jüngste  Gericht.  In  den  Psalmen  gegen  die  mächtigen  Unter- 
drücker schaut  seine  Phantasie  drei  Szenen :  Der  segnende  Christus 
mit  dem  Reichsapfel  ist  der  wahre  Herrscher ;  die  übermütigen 
Teufel  werden  von  Engeln  in  die  Hölle  zurückgetrieben ;  der  welt- 
liche Herrscher  ist  aber  in  Wahrheit'ein  gar  ohnmächtiges  Geschöpf. 
Ein  geflügelter  Knabe  mit  einem  Steckenpferde  zwischen  den  Beinen 
lenkt  den  Ziegenbock,  welcher  den  Thronwagen  zieht.  Der  Fuchs, 
welcher  mit  der  Schalmei  das  Hühnervolk  anlockt,  ist  das  Sinnbild 
der  Bitte :  Führe  uns  nicht  in  Versuchung ,  und  wie  ein  ruhig 
Schlafender  wird  die  Furchtlosigkeit  des  Gläubigen ,  auch  wenn 
die  Erde  in  Aufruhr  gerät ,  verkörpert.  Diese  Bilder  zeugen  von 
der  schier  unerschöpflichen  erfinderischen  Kraft  des  Künstlers,  sie 
gewinnen  aber  ihre  volle  Bedeutung,  wenn  man  sie  im  Zusammen- 
hange mit  den  sie  umgebenden  Ornamenten  betrachtet.  Auch  hier 
hat  Dürer  einen  neuen  Weg  eingeschlagen.  Seine  Zierraten  ge- 
hören nicht  mehr  dem  überlieferten ,  sogenannten  gotischen  Stile 
an,  sie  haben  aber  auch  mit  den  italienischen  Renaissanceornamenten 
wenig  gemein.  Sie  sind  nicht,  wie  diese,  architektonischen  Gesetzen 
unterworfen ,  haben  vielmehr  einen  freien  malerischen  Zug.  Sie 
wurzeln  nicht  im  Blattwerk ,  sondern  im  Rankenwerke  und  ziehen 
zu  Pflanzengebilden  noch  zahlreiche  Tiergestalten  zum  Schmucke 
heran.  Dem  Wesen  der  Federzeichnung  entsprechend  bewegt  sich 
das  Ornament  vorwiegend  in  feinen  Linien  ,  die  in  kalligraphische 
Schnörkel  ausgehen.  Wichtig  vor  allem  andern  ist  die  erfolgreiche 
unmittelbare  Überleitung  des  figürlichen  Teiles  in  den  dekorativen. 


I07 

Beide  sind  offenbar  mit  einem  Schlage ,  gleichzeitig ,  Dürers  Phan- 
tasie entsprungen,  fliessen  untrennbar  ineinander  über.  Sie  hängen 
nicht  nur  in  formaler  Beziehung,  sondern  auch  inhaltlich  innig  zu- 
sammen. Die  Stützen,  auf  welchen  die  Figuren  stehen,  die  Krö- 
nungen über  ihnen  verlieren  sich  regelmässig  in  das  Ornament,  die 
in  dem  Hauptbilde  ausgeprägte  Stimmung  hallt  in  dem  letzteren 
häufig  leise  nach.  Wenn  am  Fusse  des  Pergamentblattes  Musikanten 
dem  Herrn  Lob  und  Preis  mit  Trompeten  und  Pauken  entgegen- 
schmettern ,  so  horcht  seitwärts  zwischen  den  Ranken  ein  lang- 
schnäbeliger  Vogel  aufmerksam  zu.  Das  natürliche  Sinnbild  eines 
Wohlthäters  bietet  der  Pelikan.  Selbst  wenn  solche  Bindefäden 
nicht  nachweisbar  sind ,  erkennt  man  das  Streben  des  Künstlers, 
den  Vorgang  mit  einem  reichen  Naturleben  zu  verknüpfen.  So 
launig  und  fröhlich  ist  niemals  ein  Gebetbuch  illustriert  worden. 
Überall  tritt  uns  eine  schöpferische  Persönlichkeit ,  welche  selb- 
ständig waltet,  entgegen.  Das  war  aber  nur  dadurch  mögUch, 
dass  das  tiefsinnig  träumerische  Wesen  Dürers  überall  seine  Spuren 
zieht.  Damit  ist  die  Bedeutung  der  Randzeichnungen  nicht  er- 
schöpft. Kein  italienischer  Künstler  hätte  ein  ähnliches  Werk 
schaffen  können,  die  Phantasie  keines  fremden  Volkes  sich  in  diese 
Auffassung  eingelebt.  Will  man  ein  Werk  Dürers  anführen ,  in 
welchem  sich  deutsche  Art ,  der  uns  eigentümliche  Formensinn 
kundgiebt,  so  müssen  die  Randzeichnungen  in  erster  Linie  genannt 
werden.  Zur  selben  Zeit ,  als  Dürer  sie  entwarf,  blühte  in  Italien 
die  Groteske.  Kann  man  sich  einen  schrofferen  Gegensatz  denken } 
Die  Romantik  der  italienischen  Renaissance  geht  auf  die  Antike 
zurück;  die  Illustrationen  Dürers  wecken  die  Erinnerung  an  die 
alte  nordische  Kunstweise  am  Schlüsse  des  vorigen  Jahrtausends. 
In  Dürers  Zierraten  überwiegt  das  kalligraphische  Element ,  der 
Schnörkel.  Von  der  Schönschrift  nahm  aber  auch  unsere  älteste 
Miniaturmalerei  zum  Teil  den  Ausgangspunkt.  Wir  bewundern  in 
den  Randzeichnungen  vornehmlich  die  Kraft  der  Phantasie,  welche 
ihr  schon  im  toten  Worte  ein  lebendiges  Bild  scheinen  Hess.  Ge- 
rade diese  Gabe  war  unseren  alten  Illustratoren  und  nur  ihnen 
eigen.  Neben  der  aus  der  römisch- altchristlichen  Zeit  überlieferten, 
aus  dem  Süden  verpflanzten  Miniaturmalerei,  in  welcher  die  Farbe 
in  den  Vordergrund  tritt ,  bestand  noch  eine  schlichtere  Kunst- 
weise. Einfache  Umrisszeichnungen ,  mit  der  Feder  ausgeführt, 
genügten ,  um  die  biblischen  Vorgänge  anschaulich  zu  gestalten. 
Armlich  ist  die  Form ,  flüchtig ,  oft  wenig  künstlerisch  die  Zeich- 


io8 


nung.  Einen  besonderen  Reiz  gewinnen  aber  diese  Illustrationen 
durch  den  überall  zu  Tage  tretenden  tiefsinnigen  Zug  der  Phantasie, 
den  greifbaren  Bildkern  aus  dem  Texte  herauszuschälen.  Diese 
Richtung  ruht  dann,  bis  sie  durch  Dürer  zu  neuem  Leben  geweckt 
wird.  So  knüpfen  Dürers  Randzeichnungen  an  unsere  alte  volks- 
tümliche Kunstweise  wieder  an  und  empfangen  dadurch  ein  natio- 
nales Gepräge. 


XI. 


In  den  Jahren,  in  welchen  sich  Dürer  von  der  Malerei  auf  das 
ihm  zusagendere  Gebiet  des  Stiches,  der  Zeichnung  zurückzog,  ent- 
faltete seine  künstlerische  Phantasie  die  reichste  und  eigentüm- 
lichste Blüte.  Seine  erfinderische  Kraft,  seine  Lust  an  poetischen 
Träumen  glänzt  im  hellsten  Lichte.  In  der  gleichen  Zeit  reiften 
auch  seine  theoretischen  Studien,  seine  wissenschaftlichen  Anschau- 
ungen. Er  hatte  einen  festen  Standpunkt  gewonnen,  von  welchem 
aus  er  die  Kunst  und  auch  die  Welt  betrachtete.  Es  ist  bekannt, 
dass  seine  Bücher  erst  in  viel  späteren  Jahren  zu  einem  äusseren 
Abschluss  gelangt  in  den  Druck  gegeben  wurden,  aber  nicht  minder 
sicher  gestellt  ist  auch  die  langwierige  Vorbereitung ,  der  frühe 
Beginn  der  Arbeit.  Die  Anfänge  gehen  in  seine  Jugendjahre  zurück. 
Seitdem  hat  ihn  die  Aufgabe,  die  Kunstpflege  auch  auf  wissen- 
schaftlicher Grundlage  aufzubauen,  unablässig  beschäftigt.  Wie 
viele  Messungen  und  Berechnungen  musste  er  machen,  um  ein  festes 
Grundwerk  für  seine  Lehren  zu  gewinnen.  Verzögert  wurde  der 
Abschluss  der  Forschungen  durch  die  eigentümliche  Arbeitsweise 
Dürers.  Auch  darin  gleicht  er  dem  geistesverwandten  Leonardo 
da  Vinci,    dass    er   die  einzelnen  Beobachtungen  und  Gedanken 


I  lO 


scheinbar,  wie  sie  der  Zufall  brachte,  sofort  auf  dem  Papiere  fest- 
hielt, dass  er  ferner  an  der  Form  und  Fassung  der  Gedanken  fort- 
während feilte  und  änderte.  Beinahe  für  jeden  wichtigeren  Satz 
haben  sich  in  den  erhaltenen  Handschriften  mehrere  Entwürfe  ge- 
funden. Wenn  nun  ein  vorläufiger  Abschluss  seiner  theoretischen 
Arbeiten,  nicht  was  die  Form,  sondern  was  den  Inhalt  anbelangt, 
in  der  Zeit  vor  seiner  Niederländischen  Reise  (1520)  behauptet 
wird,  so  geben  dazu  mannigfache  Thatsachen  und  Erwägungen  das 
Recht.  Bald  nach  seiner  Heimkehr  aus  Antwerpen  denkt  er  bereits 
an  die  Drucklegung  seines  Hauptwerkes,  der  Proportionslehre  und 
bittet  (1523)  seinen  Freund  Pirkheimer  die  Widmung  anzunehmen. 
In  den  folgenden  Jahren  gab  er  die  beiden  Schriften :  die  Unter- 
weisung der  Messung  und  den  Unterricht  zur  Befestigung  der 
Städte,  Schlösser  und  Flecken  im  Druck  heraus,  wodurch  gleichfalls 
ein  früherer  Abschluss  seiner  Studien  bestätigt  wird.  Handhaben 
zu  genauerer  Zeitbestimmung  bietet  sodann  die  Thatsache,  dass 
wesentliche  Bruchstücke  seines  Werkes  das  Datum  15 12  und  15 13 
führen,  deren  Inhalt  bereits  eine  vollkommene  Herrschaft  über  den 
litterarischen  Stoff  voraussetzt.  Stark  in  die  Wagschale  fällt  end- 
lich der  offenbare  Zusammenhang,  welcher  zwischen  seinen  künst- 
lerischen Träumen  und  seinen  wissenschaftlichen  Anschauungen 
waltet.  Beide  entstammen  der  gleichen  Wurzel  und  haben  gewiss 
in  demselben  Zeitpunkt  Form  und  Gestalt  empfangen.  Aus  seinen 
theoretischen  Studien  über  die  richtigen  Proportionen,  über  die 
Perspektive  und  über  Licht  und  Schatten  holte  Dürer  die  Aus- 
drucksmittel für  seine  tiefsinnigen  Kupferstiche.  Man  sieht,  wie 
ihn  die  frisch  erkannten  Naturgesetze  völlig  gefangen  •  nehmen,  was 
der  Verstand  ergrübelt  hat,  sofort  von  der  künstlerischen  Phantasie 
verwertet  wird.  Ohne  das  Studium  der  Natur,  so  lautet  sein  Be- 
kenntnis, kann  der  Künstler  keine  Gestalt  erfinden.  Er  muss  diese 
in  sich  sammeln  und  in  der  Seele  keimen  und  wachsen  lassen, 
dann  gewinnt  er  einen  ,, himmlischen  Schatz  des  Herzens  und  schafft 
eine  Kreatur."  Lesen  wir  nicht  aus  diesen  Worten  deutlich  die 
Entstehung  seiner  eigentümUchsten  Bilder,  seiner  Träume  heraus .f* 
Liegt  nicht  darin  der  Beweis,  dass  gerade  in  der  Zeit  um  15 12 
und  den  folgenden  Jahren  Phantasie  und  wissenschaftlicher  Ver- 
stand sich  gegenseitig  am  kräftigsten  stützten  und  sich  in  die  Hände 
arbeiteten } 

Was  wir  von  Dürer  an  Druckschriften  besitzen,  sind  nur  ein- 
zelne Teile  eines  grösseren  Werkes,  welches  die  ganze  Kunstlehre 


1 1 1 

umfassen  sollte.  Aus  den  im  britischen  Museum  bewahrten  Notizen 
und  Entwürfen  sehen  wir,  welchen  Namen  Dürer  dem  Buch  geben 
und  welche  Gegenstände  er  in  ihm  behandeln  wollte.  ,,Die  Speise 
der  Malerkunst"  sollte  enthalten :  die  Lehre  von  den  richtigen  Pro- 
portionen eines  Kindes,  Mannes,  Weibes  und  eines  Pferdes,  eine 
kurzgefasste  Baukunde,  die  Beschreibung  eines  Projektionsapparats, 
mit  dessen  Hilfe  man  alle  Dinge  auf  eine  Tafel  übertragen,  im 
verkleinerten  Massstabe  durchzeichnen  kann ,  wie  er  solchen  am 
Schlüsse  seines  gedruckten  Werkes  über  die  Messung  vorführt, 
ferner  die  Lehre  von  Licht  und  Schatten,  eine  Farbenlehre,  um 
,,zu  malen  der  Natur  gleich,"  eine  Unterweisung  in  der  Anordnung 
oder  Komposition  der  Gemälde  und  endlich  ein  Kapitel  von  freien 
Gemälden,  welche  allein  ohne  alle  Hilfe  aus  der  Vernunft  gemacht 
werden."  Also  eine  förmliche  Kunstencyklopädie. 

Das  arge  Gewirr  von  pädagogischen  Mahnungen,  Handwerks- 
regeln, allgemeinen  Grundsätzen  in  Dürers  Handschrift,  der  un- 
geordnete Wechsel  von  kurzen  Vermerken  und  längeren  Erörter- 
ungen machen  das  Herausschälen  seiner  künstlerischen  Bekenntnisse 
mühsam.  Am  Ende  des  dritten  Buches  der  Proportionslehre  finden 
sich  zwar  seine  allgemeinen  Grundsätze  richtiger  Kunstpflege  zu- 
sammengestellt. Doch  rührt  diese  teilweis  lückenhafte  Einschaltung 
nicht  von  Dürer  selbst  her.  Er  hatte  bei  Lebzeiten  nur  das  erste 
Buch  ,, übersehen  und  corrigiret."  Gute  Freunde  haben  nach  seinem 
Tode  die  folgenden  Bücher  dem  Druck  übergeben,  in  der  Meinung, 
es  sei  besser,  sie  unkorrigiert  in  die  Welt  ausgehen  als  ungedruckt 
zu  lassen.  Ausserdem  fehlen  in  der  gedruckten  Zusammenstellung 
gar  manche  Gedanken,  welche  wir  in  den  Handschriften  lesen. 

Die  wichtigste  Frage,  welche  bei  der  Prüfung  der  künstlerischen 
Grundsätze  Dürers  auftaucht  und  zuerst  gelöst  werden  muss,  ist 
die  nach  der  Herkunft  seiner  Anschauungen.  Stehen  diese  noch 
auf  dem  Boden  mittelalterlicher  Bildung  oder  bewegen  sie  sich  be- 
reits in  der  Strömung,  von  welcher  die  Kultur  der  letzten  drei 
Jahrhunderte  ausgeht. 

Der  Mensch,  so  lauten  Dürers  Bekenntnisse,  strebt  nach  dem 
Allwissen.  Je  mehr  wir  können,  desto  mehr  gleichen  wir  dem 
Bilde  Gottes,  welcher  alle  Dinge  wohl  kann.  Es  ist  unserer  Natur 
eingegossen,  dass  wir  gern  alle  Dinge  wüssten,  um  dadurch  zu  er- 
kennen die  Wahrheit  aller  Dinge.  Aller  anderen  Dinge  kann  sich 
die  menschliche  Begier  übersättigen,  nur  mehr  zu  wissen,  wird  der 
Mensch  niemals  überdrüssig.    Glücklich  würden  wir  sein,  wenn  wir 


1 12 

dieses  reiche  und  grosse  Wissen  uns  ohne  Mühe  verschaffen  könnten. 
Unser  blödes  Gemüt  kann  aber  zu  solcher  Vollkommenheit  in 
Kunst,  Wahrheit  und  Weisheit  nicht  kommen.  Doch  sind  wir  des- 
halb nicht  ausgeschlossen  von  aller  Weisheit,  wenn  wir  nur  durch 
Lernen  unsere  Vernunft  schärfen  und  uns  stetig  im  Erkennen  üben 
wollten. 

In  einfachen  schlichten  Worten  drückt  hier  Dürer  aus,  was  Pico 
della  Mirandula  mit  dem  ganzen  Pompe  der  lateinischen  Sprache 
als  wahre  Würde  des  Menschen  verkündigt  hatte ;  die  Lehre  von  der 
Entwickelung,  dem  Wachstum  aus  freiem  Willen,  von  den  Keimen 
eines  allartigen  Lebens  in  der  menschlichen  Seele.  In  Dürers  Be- 
kenntnis entdecken  wir  nicht  allein  einen  Anklang  an  den  Ausspruch 
des  berühmten  italienischen  Humanisten,  sondern  auch  den  Wider- 
hall seiner  künstlerischen  Thätigkeit.  Der  Preis  mühelosen  Er- 
kennens ,  die  Klage  über  unser  blödes  Gemüt,  erinnern  sie  nicht 
an  den  Gegensatz,  welchen  die  beiden  Stiche,  Der  Hieronymus  im 
Gehaus  und  die  Melancholie  verkörperten }  So  durchdrungen  ist 
Dürer  von  der  Pflicht  stetigen  Fortschreitens  im  Wissen  und 
Können,  dass  er  sich  zornig  gegen  die  Verächter  desselben  wendet. 
Sage  doch  niemand,  dass  Wissen  hoffärtig  mache,  denn  dann  wäre 
Gott  das  hoffärtigste  Wesen.  Warne  auch  niemand  vor  dem 
Wissen,  weil  es  leicht  missbraucht  werden  könne.  Das  Wissen 
gleicht  dem  Schwert.  Es  kann  vom  Mörder  benutzt  werden,  es 
dient  aber  auch  dem  gerechten  Richter. 

Auch  in  solchen  allgemeinen  Erwägungen  fühlt  sich  Dürer  als 
Künstler.  Auf  das  engste  erscheinen  ihm  die  Kunstpflege ,  das 
künstlerische  Formideal  mit  seinen  religiösen  Anschauungen  ver- 
knüpft. Gott,  als  das  vollkommenste  Wesen,  konnte  sich  nur 
vollkommene  Menschen  schaffen.  Daher  besitzen  Adam  und  Eva 
und  die  Madonna  vollkommene  Schönheit  und  wer  sie  malt  oder 
zeichnet,  muss  sie  als  Mustermenschen  darstellen.  Die  Proportions- 
lehre wurzelt  bei  ihm  in  dem  religiösen  Glauben  an  die  ursprüng- 
liche Freiheit  der  menschlichen  Natur.  Mit  Hilfe  der  Proportions- 
lehre wird  diese  wenigstens  in  der  Kunst  wieder  hergestellt.  Dürer 
hält  an  den  mittelalterlichen  Überlieferungen  so  weit  fest,  dass  er 
ein  Sinken  der  menschlichen  Natur  seit  der  Verjagung  aus  dem 
Paradiese  annimmt.  Neu  und  für  die  Richtung  seiner  Gedanken 
bedeutsam  ist  die  Gleichstellung  menschlicher  Vollkommenheit  mit 
der  formalen  Schönheit.  Der  Bann,  in  welchen  frühere  Jahrhunderte 
das  sinnlich  schöne  Leben  gelegt  hatten,  ist  gebrochen,  der  gött- 


113 

liehe  Hauch  in  der  schönen  Erscheinungswelt  wird  offen  anerkannt. 
Ganz  folgerichtig  tritt  Dürer  dafür  ein,  dass  die  Kunst  der  Malerei 
für  das  Auge  bestimmt  sei  und  preist  das  Gesicht  „als  den  aller- 
edelsten  Sinn  des  Menschen."  Auch  in  dieser  Auffassung  begegnet 
er  sich  mit  italienischen  Humanisten  und  Renaissancekünstlern 
Italiens.  In  gleicher  Weise  preist  Leonardo  das  Auge  als  den 
höchsten  Sinn,  als  das  Fenster  der  Seele  und  weist  aus  diesem 
Grunde  der  Malerei  den  Vorrang  vor  der  Poesie  an ,  welche  nur 
an  das  Gehör  sich  wendet,  während  die  Malerei  dem  Auge  selbst 
die  Dinge  vorzaubert.  Beinahe  mit  den  gleichen  Worten  rühmt  Luca 
Pacioli,  der  berühmte  Mathematiker,  das  Gesicht  als  den  vornehmsten 
Sinn,  das  Auge  als  die  erste  Pforte,  durch  welche  die  Vernunft 
eintritt,  das  Sehen  als  den  Anfang  des  Wissens. 

Vor  die  Frage:  Was  ist  Schönheit gestellt,  ruft  er  als  rechter 
Künstler  die  Erfahrung  an.  Eine  Definition  des  Schönen  ver- 
schmäht er  zu  geben.  „Die  Schönheit,  was  das  ist,  das  weiss  ich 
nicht."  Denn  es  giebt  mannigfache  Ursachen  und  Arten  des  Schönen. 
Einzelne  Merkmale  des  Schönen  lassen  sich  wohl  angeben.  „Der 
Nutzen  ist  ein  Teil  der  Schönheit :  denn  was  am  Menschen  unnütz, 
was  überflüssig  ist,  das  ist  nicht  schön."  „Die  Übereinstimmung 
eines  Dinges  mit  dem  andern  ist  schön."  Dürer  ist  ein  Mangel 
an  Harmonie  zugleich  ein  Mangel  an  Schönheit.  Selbst  ungleiche 
Dinge  müssen  zu  einander  stimmen.  Das  Wesen  selbst  der  Schön- 
heit unmittelbar  zu  schauen  und  zu  erkennen,  bleibt  dem  Menschen 
verschlossen.  Kein  Mensch  lebt  auf  Erden ,  der  alles  Schöne  in 
sich  vereinigt,  auch  kein  Mensch  kann  also  endgültig  sagen,  wie  die 
allerschönste  Gestalt  sein  müsse.  Nicht  allein,  dass  ein  Ding  uns 
in  einem  Fall  schön  dünkt,  aber  unter  anderen  Verhältnissen  nicht 
schön  erscheint,  so  vermögen  wir  auch  die  Steigerung  des  Schönen 
nur  schwer  erkennen.  Dann  ist  wohl  möglich,  zwei  unterschiedliche 
Bilder  von  einem  Dinge  oder  einer  Gestalt  zu  machen,  keines  dem 
andern  gleich,  dicker  oder  dünner.  Wir  wollen  nur  urteilen, 
welches  Bild  das  schönere  sei.  Wir  sind  daher  gezwungen,  die 
Schönheitszüge  weit  zusammen  zu  tragen,  sonderlich  bei  der  mensch- 
lichen Gestalt  alle  Glieder  vorn  und  hinten  zu  prüfen.  ,,Man 
durchsucht  oft  zwei-  bis  dreihundert  Menschen  und  findet  keine 
ein  oder  zwei  schöne  Dinge  an  ihnen,  welche  brauchbar  wären. 
Willst  du  ein  gutes  Bild  machen,  so  thut  not,  dass  du  von  etlichen 
den  Kopf  nehmst,  von  andern  die  Brust,  Arme,  Beine,  Hände  und 
Füsse,  also  alle  Gliedmassen  von  allerlei  Art  untersuchest.  Denn 

8 


114 


von  vielen  schönen  Dingen  bekommt  man  schliesslich  etwas  Gutes 
zusammen,  wie  der  Honig  aus  vielen  Blumen  zusammengetragen  wird. 
Zwischen  dem  zu  viel  und  zu  wenig  ist  ein  rechtes  Mittel,  dieses 
bemühe  dich  zu  treffen.  Als  Prüfstein  möge  jenes,  das  auch  bei  dem 
Rechten  zur  Anwendung  kommt,  gewählt  werden.  Wir  nehmen  als 
Recht  an,  was  alle  Welt  als  solches  preist,  ähnlich  schätzen  wir  als 
schön,  was  alle  Welt  dafür  hält." 

Dieser  Gedankengang,  möglichst  mit  Dürers  eigenen  Worten 
wiedergegeben ,  aber  aus  mannigfachen  einzelnen  Vermerken  und 
Entwürfen  in  Ordnung  gebracht,  überrascht  gleichfalls  durch  seine 
Verwandtschaft  mit  den  in  der  italienischen  Renaissancezeit  herr- 
schenden Anschauungen.  Auch  Leo  Battista  Alberti  legt  auf  die 
Übereinstimmung,  den  Zusammenklang  der  einzelnen  Teile  das 
grösste  Gewicht.  Auch  Raffael  gestand  in  dem  bekannten  Briefe 
an  Castiglione,  dass  er,  um  eine  schöne  Figur  zu  malen,  deren 
mehrere  sehen  müsse,  um  aus  ihnen  eine  Auswahl  zu  treffen.  Als 
höfisch  gesinnter  Mann  wünscht  er  dabei  Castigliones  Rat,  während 
der  biderbe  Dürer  der  ,, ganzen  Welt"  ein  Urteil  über  die  Schön- 
heit zugesteht. 

Bei  solchem  Vorgehen,  das  sah  auch  Dürer  ein,  drohte  dem 
Künstler  die  Gefahr  ärgster  Zerfahrenheit  und  arger  Willkür.  Um 
ihr  vorzubeugen,  giebt  es  nach  Dürer  nur  einen  Weg :  das  Studium 
der  Natur.  Die  Natur  gilt  ihm  als  der  beste,  als  der  einzig  rechte 
Lehrmeister.  ,, Weiche  nicht  von  der  Natur  ab,  glaube  nicht,  dass 
du  etwas  erfinden  kannst,  was  besser  ist  als  sie.  Die  Kunst  wur- 
zelt fest  in  der  Natur  und  wer  diese  wiedergeben  kann,  der  besitzt 
auch  jene."  Nur  durch  das  Studium  der  Natur  kann  der  Künstler 
etwas  Schönes  schaffen,  eine  mit  Eindrücken  der  Natur  vollgefüllte 
Phantasie  ist  die  alleinige  Quelle  eines  würdigen  Werkes.  Die 
Natur  zeigt  die  Wahrheit  aller  Dinge."  Mit  wahrer  Inbrunst  pre- 
digt Dürer  die  Lehre  von  dem  allein  gültigen  Muster  der  Natur. 
Mit  Wehmut  blickt  er  in  seinen  letzten  Jahren  auf  die  Zeit  zurück, 
in  welcher  er  den  Wert  fleissigster  Naturbetrachtung  noch  nicht 
erkannt  und  geschätzt  habe.  Bittere  Klagen  hörte  von  ihm  Me- 
lanchthon,  welcher  dann  Dürers  Bekenntnisse  Freunden  bei  Gelegen- 
heit schriftlich  mitteilte,  dass  er  in  seiner  Jugend  buntfarbige,  ge- 
ölte Bilder  geliebt  hätte  und  an  ausserordentlichen  und  seltsamen 
Gestalten  Gefallen  gehabt.  Jetzt  im  Alter  sei  er  bemüht,  die  Natur 
so  treu  als  möghch  wieder  zu  geben  und  erkenne,  dass  die  Ein- 
fachheit   die    höchste   Zierde    der   Kunst    ausmache.     Mit  dieser 


IIS 

feurigen  Naturverehrung  steht  die  Behauptung,  der  Maler  sei  in- 
wendig voller  Figuren,  nicht  im  Widerspruch.  Das  emsige  Natur- 
studium bildet  dafür  die  notv^endige  Voraussetzung  und  Grundlage. 
Ebensowenig  widerstreitet  ihr  der  Kultus  der  Antike ,  welchen 
Dürer  in  lebhaftester  Weise  kundgiebt.  Wie  die  Italiener  der  Re- 
naissancezeit hegte  er  den  guten  Glauben,  dass  die  Alten  in  ihrer 
Kunst  der  Natur  näher  gekommen  sind,  als  die  späteren  Werk- 
meister. Auch  hatte  er  vernommen,  dass  vor  vielen  hundert  Jahren 
berühmte  Meister  wie  Phidias,  Praxiteles,  Apelles,  Parrhasius  ihre 
Kunst  beschrieben  und  wie  man  wohlgestaltete  Gliedmassen  der 
Menschen  machen  soll,  angezeigt  haben.  Solche  Vorgänger  des 
eigenen  Versuches  zu  besitzen,  musste  ihm  notwendig  schmeicheln, 
ebenso  wie  die  Erzählung  seinen  Künstlerstolz  hob,  dass  vor  vielen 
hundert  Jahren  die  Kunst  der  Malerei  bei  den  mächtigen  Königen 
in  grosser  Achtung  gestanden  hätten  und  von  diesen  die  vortreff- 
lichen Künstler  mit  Reichtümern  bedacht  worden  wären.  Wenn 
Dürer  auch  keine  näheren  Kenntnisse  von  antiken  Skulpturen  be- 
sass  und  die  Antike  keinen  Einfluss  auf  seine  Entwicklung  übte, 
so  wusste  er  doch  den  Schönheitssinn  der  Griechen  und  Römer  zu 
würdigen.  Dieser  Umstand  liess  ihn  von  den  ,, Heiden"  im  Gegen- 
satz zum  Mittelalter  mild  denken  und  weckt  seinen  Zorn  gegen  die 
Bilderstürmer  im  christlichen  Altertum.  Er  beklagt  den  Verlust 
der  ausgezeichneten  Schriften,  welche  die  Alten  über  die  Kunst 
verfasst  hatten.  In  ihnen  mochte  wohl  zu  lesen  sein,  welche  Pro- 
portionen Jupiter,  welche  Apollo,  Venus  oder  Herkules  besitzen 
müsse.  Dieses  erschien  den  ersten  Christen  als  Götzendienerei 
und  sie  vernichteten  daher  die  Schriften.  ,,Wäre  ich  damals  am 
Leben  gewesen,  so  hätte  ich  gesagt:  O  ihr  lieben  Herren  und 
Väter,  zerstöret  doch  nicht  jämmerlich  diese  edlen  Künste,  welche 
nur  mit  grosser  Mühe  und  Arbeit  erstanden  sind ,  weil  sie  miss- 
braucht wurden.  Wir  wollen  sie  gebrauchen  zur  Ehre  und  zum 
Ruhm  Gottes.  Wenn  die  Alten  die  schönste  Gestalt  zur  Darstellung 
des  falschen  Gottes  Apoll  gewählt  haben ,  so  wollen  wir  sie  für 
Christus  den  Herrn  verwenden,  welcher  der  Schönste  von  Allen  auf 
Erden  war ;  wie  sie  Venus  als  die  lieblichste  der  Frauen  malten, 
so  wollen  wir  in  gleicher  Weise  die  reine  Jungfrau  Maria  in  die 
schönste  Form  kleiden ;  und  aus  Herkules  wollen  wir  Samson 
machen  und  so  wollen  wir  thun  für  die  übrigen  Götter." 

Denkt  Dürer  über  das  Altertum  im  Sinne  der  Humanisten, 
dazu  getrieben  durch  seinen  Durst,  die  Gesetze  der  menschlichen 

8* 


ii6 

Körperbildung  zu  erkennen,  so  führt  ihn  Natursinn  und  Begeisterung 
für  Lebenswahrheit  dahin,  den  Aufgabenkreis  der  Kunst  zu  er- 
weitern. Er  ist  der  erste,  welcher  die  Porträtmalerei,  diesen  Grund 
und  Wurzel  der  reinen  Kunst ,  der  religiösen  Kunst  ebenbürtig 
setzt.  Die  Kunst  der  Malerei  steht  im  Dienste  der  Kirche.  Durch 
sie  werden  das  Leiden  Christi  und  andere  nützliche  Beispiele  ver- 
sinnlicht.  Sie  bewahrt  auch  die  Züge  der  Menschen  nach  ihrem  Tode. 

Lehrreich  ist  die  Stellung  Dürers  zu  den  einzelnen  Künsten. 
Man  darf  wohl  sagen,  dass  er  sich  durchaus  als  Maler  fühlt.  Die 
Skulptur  gewinnt  ihm  offenbar  kein  Interesse  ab,  die  Architektur 
erscheint  ihm  als  leichtes  Formenspiel,  als  eine  angenehme  Be- 
schäftigung der  Phantasie.  Ihre  monumentale  Bedeutung  tritt  ihm 
nicht  nahe ,  ihre  dekorative  Verwertung  reizt  ihn  am  meisten.  Er 
verbeugt  sich  allerdings  vor  Vitruv.  ,,Der  alte  Baumeister  sagt, 
dass  wer  bauen  will,  zuerst  die  Vollkommenheit  der  menschlichen 
Figur  erkannt  haben  muss,  denn  in  dieser  sind  die  tiefsten  Geheim- 
nisse der  Proportion  verborgen.  Künstlich  und  meisterlich  hat  der 
alte  Römer  von  der  Beständigkeit,  der  Nutzbarkeit  und  den  Zierden 
der  Gebäude  geschrieben,  deshalb  ihm  auch  zu  folgen  und  sich  seiner 
Lehre  zu  gebrauchen  ist".  Dürer  thut  noch  mehr.  Aus  mehreren 
Stellen  in  seinen  Handschriften  und  seiner  Unterweisung  der  Messung 
(drittes  Buch)  liest  man  die  Beschäftigung  mit  Vitruv  heraus.  Er 
prüft  die  Säulen  im  Aachener  Münster  auf  ihre  Obereinstimmung 
mit  Vitruvs  Vorschriften.  Demselben  dankt  er  die  Kenntnis  von 
den  fünferlei  Gebäuden  der  Alten,  den  engsäuligen,  weitsäuligen 
u.  s.  w.,  von  den  Säulenordnungen  und  Säulenmassen.  Er  wird 
nicht  müde ,  Säulen ,  Kapitäle,  Gesimse  zu  zeichnen  und  wie  bei 
ihrem  Entwürfe  zu  verfahren,  wie  es  mit  den  Massen  zu  halten  sei, 
zu  erklären.  Doch  bleibt  er  bei  dem  Einzelnen  stehen  und  sieht 
von  der  konstruktiven  Seite  der  Baukunst  ab.  Die  Formensprache 
der  Architektur  fesselt  allein  seine  Aufmerksamkeit.  An  diesem 
Urteile  ändert  die  Thatsache  nichts ,  dass  er  von  venetianischen 
Häusern  Grund-  und  Aufrisse  zeichnet  und  einmal  zur  Wiederher- 
stellung eines  Kirchendaches  Vorschläge  macht  und  in  den  Nieder- 
landen für  den  Arzt  der  Erzherzogin  Margarethe  den  Plan  zu  einem 
Hause  entwirft.  Baukenntnisse  sollen  dem  Meister  nicht  abge- 
sprochen, nur  der  Mangel  einer  strengen  architektonischen  Phantasie 
betont  werden.  Gerade  in  diesen  Tagen  vollzieht  sich  ein  denk- 
würdiger Umschwung  im  Kreise  der  Architektur,  die  Herrschaft 
des  gotischen  Stiles  bricht  zusammen,  die  Bauformen  der  Renaissance 


Ii; 

bahnen  sich  einen  breiten  Weg.  Dürer  macht  diesen  Umschwung 
mit.  Während  in  seinen  Jugendarbeiten  gotische  Gewölbe  und 
gotischer  Zierart  noch  volle  Geltung  besitzen,  nähert  er  sich  später, 
wenn  er  architektonische  Hintergründe  zeichnet ,  der  Renaissance- 
weise. Er  nähert  sich  aber  nur  derselben ,  er  dringt  nicht  voll- 
kommen und  mit  ganzer  Seele  in  die  Formen  der  italienischen 
Renaissance  ein.  Zwei  Eigenschaften  haften  an  seinem  baulichen 
Hintergrunde.  Man  kann  sich  die  Hallen  und  Gemächer  selten  in 
Stein  verwirklicht  denken,  sie  erscheinen  wesentlich  vom  malerischen 
Standpunkte  aufgefasst.  Die  einzelnen  Bauglieder ,  wie  Kapitäle, 
Gesimse  mangeln  jeglichen  Schmuckes  oder,  wenn  sie  solchen 
zeigen ,  erscheint  er  nicht  von  der  italienischen  Renaissance  ein- 
gegeben. Zuweilen  möchte  man  glauben ,  dass  er  romanische 
Muster  nachgeahmt  hat.  Damit  hängt  auch  seine  Duldsamkeit  in 
Stilfragen  zusammen.  Wie  er  mit  gleicher  Liebe  mittelst  Zirkel 
und  Richtscheit  die  Antiquabuchstaben  und  die  sogenannte  ,,alte 
Textur",  die  gotische  Schrift  konstruiert ,  so  giebt  er  in  der  Geo- 
metrie sowohl  für  gotische  Glieder  wie  für  antikisierende  Säulen 
die  Regeln  ihres  richtigen  Aufrisses  an.  Er  rechtfertigt  sein  Vor- 
nehmen, auch  ein  spätgotisches,  vielteiliges  Gewölbe  zu  zeichnen, 
mit  folgenden  Worten :  ,, Nachdem  viele  sind ,  die  grosse  Liebe 
haben  zu  seltsamen  Reihungen  in  den  Gewölbeschlüssen ,  des 
Wohlstandes  wegen,  so  will  ich  eine  aufreissen ;  ob  sie  jemand  ge- 
fällt, der  mag  sich  ihrer  gebrauchen".  Und  wenn  er  weiter  sagt: 
,,So  ich  aber  vornehme,  eine  Säule  oder  zwei  Lehren  zu  machen, 
für  die  jungen  Gesellen,  sich  darin  zu  üben,  so  bedenke  ich  der 
Deutschen  Gemüt ,  denn  gewöhnlich  alle ,  die  etwas  Neues  bauen 
wollen ,  wollen  auch  eine  neue  Fatzon  darzu  haben ,  die  vorher 
nie  gesehen  war",  so  schliesst  das  keineswegs  einen  Tadel  in  sich. 
Er  fügt  sich  dem  Wunsche.  Birgt  er  doch  selbst  diesen  Zug  des 
deutschen  Gemüts  in  seiner  Natur  und  schätzt  am  Künstler  die  er- 
finderische Kraft  nicht  minder  hoch  als  den  Sinn  Rir  reine  und 
richtige  Formen. 

Auf  die  dekorative  Wirkung  hat  er  es  ausserdem  bei  der 
Wiedergabe  architektonischer  Werke  wesentlich  abgesehen ,  vom 
malerischen  Interesse  sich  leiten  lassen.  Er  ist  Architekturzeichner, 
nicht  Baumeister,  gerade  so,  wie  er  im  Kreise  der  Plastik  sich 
damit  begnügt,  Zeichnungen  zu  liefern,  auf  eine  praktische  Thätig- 
keit  aber  verzichtet.  Die  unserem  Meister  zugeschriebenen  Sta- 
tuetten und  Rehefs  in  Kehlheimer  Stein,  Elfenbein  oder  Holz  in 


ii8 

zahlreichen  Sammlungen  sind  durchgängig  keine  Originale.  Zwei 
grössere  Bildwerke  werden  auf  Dürers  Vorzeichnungen  zurückge- 
führt. Eine  Federzeichnung  in  den  Uffizien  giebt  ziemlich  frei  das 
Grabdenkmal  des  Grafen  und  der  Gräfin  von  Henneberg  wieder, 
welches  Peter  Vischer  für  die  Stiftskirche  in  Römhild  gegossen  hat. 
Die  Reliefs  in  der  Fuggerschen  Grabkapelle  zu  Sankt  Anna  in  Augs- 
burg hängen  auf  das  engste  mit  den  berühmten  Täfelchen  Dürers : 
Samsons  Philisterschlacht  und  Christi  Auferstehung  1510  zusammen. 
Doch  erscheint  es  nicht  wahrscheinlich ,  dass  Dürer  diese  Blätter 
mit  Rücksicht  auf  ihre  spätere  plastische  Ausführung  entwarf.  Die 
ganz  vollendete  Technik  in  dem  Diptychon  vom  Jahre  15 10  schliesst 
den  Gedanken  an  eine  Skizze  unbedingt  aus. 

Wir  besitzen  allerdings  mehrere  von  Dürers  eigener  Hand  ge- 
rissene Entwürfe  zu  Denkmälern  (im  dritten  Buche  der  Geometrie).  ,,Es 
begiebt  sich,"  schreibt  er,  ,,dass  man  in  Schlachten  ein  Feld  erobert, 
dass  man  dann  ein  Gedächtnis  oder  eine  Säule  an  der  Stätte ,  da 
man  die  Feinde  erlegt  hat,  aufrichtet.  Oder  es  will  jemand  eine 
Viktoria  aufrichten  darum ,  dass  er  die  aufrührerischen  Bauern 
überwunden  hat.  Oder  es  möchte  endlich  welcher  einem  Trunken- 
bold auf  sein  Begräbnis  ein  Gedächtnis  setzen".  Für  alle  diese  Fälle 
macht  Dürer  neue  Vorschläge  und  erläutert  sie  mit  flüchtigen  Umriss- 
zeichnungen. Zu  dem  Kriegerdenkmal  setzt  er  auf  einen  hohen 
Steinsockel  Mörser  und  Büchse,  lässt  dann  Bafesen  und  Harnische 
folgen  und  krönt  das  Ganze  mit  einem  reichen  Helmschmuck.  Den 
Sieg  über  die  Bauern  symbolisieren  allerhand  aufeinander  gestülpte 
landwirtschaftliche  Geräte,  Haberkasten,  Kessel,  Butterfass,  eine  aus 
Hauen ,  Dreschflegeln  und  Mistgabeln  zusammengesetzte  Trophäe 
und  zu  oberst  auf  einem  Schmelzhafen  ein  ,,trauretter "  Bauer,  von 
einem  Schwert  durchstochen.  In  ähnlicher  Weise  werden  Bier- 
fässer, Trinkgläser,  Speisekörbe  zur  Verewigung  des  Trunkenboldes 
herangezogen.  Selbst  wenn  man  zugiebt,  dass  solche  Vorschläge 
nicht  ernst  gemeint  sind,  —  Dürer  selbst  nennt  sie  abenteuerlich  — 
muss  der  Mangel  an  plastischer  Gestaltung  auffallen.  Sie  beweisen 
eine  reiche  erfinderische  Kraft ,  halten  sich  aber  innerhalb  der 
Grenzen  elementarer  Formen.  Die  Zeichnungen  sehen  sich  auf  dem 
Papier  ganz  gut  an ,  würden  aber  in  körperlicher  Ausführung  im 
grossen  nur  eine  recht  schwache  Wirkung  üben. 

Je  vertrauter  man  mit  Dürers  Kunstgedanken  wird,  desto  deut- 
licher gewinnt  man  den  Eindruck ,  dass  schliesslich  doch  nur  die 
Malerei  sein  ganzes  Herz  ausfüllt.  Wenn  er  von  der  Kunst  spricht, 


119 


meint  er  in  der  Regel  die  Malerei.  An  die  Maler  richtet  er  seine 
Mahnungen  und  Lehren,  ihnen,  so  hofft  er,  werden  seine  Schriften 
den  grössten  Nutzen  bringen.  Indem  er  aber  die  Malerei  in  den 
Mittelpunkt  der  ganzen  Kunstpflege  stellt,  wendet  er  sich  von  der 
überlieferten  Weise  ab  und  spricht  einer  neuen  Richtung  das  Wort. 
Die  Malerei  ist  seit  dem  sechzehnten  Jahrhundert  die  herrschende 
Kunst  geworden.  Unter  dem  Einflüsse  des  malerischen  Elementes 
verändert  die  Architektur  ihre  Gestalt ;  die  Skulptur  nimmt  einen 
malerischen  Charakter  an ;  sollen  die  Herzensmeinungen,  die  tiefsten 
Empfindungen,  die  leitenden  Stimmungen  ausgedrückt  werden,  so 
bietet  die  Malerei  allein  die  richtigen  Mittel  dazu.  Sie  feiert  so 
grosse  Thaten  und  lebt  so  ausschliesslich  im  Gedächtnis  der  Men- 
schen fort,  dass  die  Thätigkeit  der  letzten  Jahrhunderte  auf  anderen 
Kunstgebieten,  welche  denn  doch  nicht  so  ganz  unbedeutend  war, 
in  den  Hintergrund  gedrängt,  schier  vergessen  werden  konnte. 

Dürer  offenbart  nicht  allein  durch  die  scharfe  Betonung  der 
Malerei  als  der  lebenskräftigsten ,  wichtigsten  Kunstgattung  seinen 
prophetischen  Blick;  wie  sehr  er  von  den  neuen  Geistesströmungen 
ergriffen  ist,  zeigt  er  auch  durch  seine  der  Wissenschaft  gewidmete 
Huldigung.  Er  weist  dem  klaren  Wissen  als  Grundlage  des  künst- 
lerischen Könnens  einen  breiten  Raum  an  und  verdammt  die  blosse 
handwerksmässige  Übung  der  Kunst.  ,,Man  hat  bisher  in  unseren 
deutschen  Landen  viele  geschickte  Jungen  zu  der  Malerei  gethan, 
die  man  ohne  allen  Grund  und  allein  aus  einem  täglichen  Brauch 
gelehrt  hat,  sind  dieselben  also  im  Unverstände,  wie  ein  wilder 
unbeschnittener  Baum  aufgewachsen.  Wiewohl  etliche  aus  ihnen 
durch  stetige  Übung  eine  freie  Pland  erlangt ,  also  dass  sie  ihre 
Werke  gewaltiglich  aber  unbedächtlich  und  allein  nach  ihrem  Wohl- 
gefallen gemacht  haben.  So  aber  die  verständigen  Maler  und  rechte 
Künstner  solches  unbesonnenes  Werk  gesehen,  haben  sie  und  nicht 
unbillig  dieser  Leute  Blindheit  gelacht,  dieweil  einem  rechten  Ver- 
stände nichts  unangenehmer  zu  sehen  ist  denn  Falschheit  im  Gemälde, 
unangesehen  ob  auch  das  mit  allem  Fleiss  gemacht  wurde". 

Bitter  empfindet  Dürer  den  ,, Mangel  der  rechten  Kunst"  bei 
seinen  Landsleuten,  um  ihren  Besitz  beneidet  er  die  Italiener.  Er 
ist  weit  davon  entfernt,  sein  Volkstum  aufzugeben,  in  blinde  Nach- 
ahmung der  Italiener  zu  verfallen.  Wenn  er  gegen  Pirkheimer 
den  Wunsch  ausspricht,  dieser  möge  in  der  Vorrede  zum  Buche 
von  den  Proportionen  die  Italiener  ja  recht  loben,  so  begründet  er 
die  Bitte  damit,  dass  sie  in  ,, nackten  Figuren  und  insbesondere  in 


I20 


der  Perspektive"  ausgezeichnetes  leisten.  Ihr  reicheres  Wissen,  ihr 
Streben  nach  gesetzmässiger  Grundlage  der  Kunst  gewinnen  ihm 
Achtung  ab.  Stand  demnach  nicht  zu  fürchten,  dass  er  in  allem 
und  jedem,  mit  Verzicht  auf  die  eigene  Naturkraft  den  Leistungen 
der  Italiener  folgen  werde,  so  lag  dagegen  allerdings  die  Gefahr 
einer  einseitig  verständigen  Auffassung  der  Kunst,  eines  kalten 
Formalismus  nahe.  Das  Wissen  gilt  viel  in  der  Künstlerbildung, 
es  darf  aber  nicht  der  schöpferische  Drang,  der  lebensfrische  Natur- 
sinn darunter  leiden.  Zum  Glück  für  Dürer  halfen  die  Ereignisse, 
diese  Gefahr  zu  überwinden.  Er  schlug  schliesslich  in  seiner  Kunst 
eine  Richtung  ein,  welche  seine  vollkommene  Kenntnis  der  theo- 
retischen Gesetze,  sein  reiches  Wissen  verrät ,  ihn  von  der  neuen 
Strömung  im  künstlerischen  Leben  erfasst  zeigt ,  dabei  aber  seine 
individuelle  Natur,  sein  volkstümliches  Wesen  siegreich  durchdringen 
lässt.    Das  ist  die  Bedeutung  seiner  letzten  sieben  Lebensjahre. 


XII. 


Seit  der  venetianischen  Reise  lebte  Dürer  wieder  lange  Jahre 
still  und  ruhig  in  der  Heimat.  Bis  zum  Jahre  1 5 1 5  können  wir 
ziemlich  genau  seine  Thätigkeit  verfolgen.  Er  erweist  sich  in  dieser 
Zeit  nicht  allein  überaus  fruchtbar,  sondern  steht  namentlich  als 
Kupferstecher  auf  der  Höhe  seiner  Entwickelung.  Die  folgenden 
fünf  Jahre  bringen  uns  dagegen  nur  eine  spärliche  Kunde  von 
seinem  Thun  und  Treiben.  Kein  hervorragendes  Gemälde  stammt 
aus  dieser  Zeit.  Sieht  man  unbefangen  die  Lukretia  in  München, 
die  Madonna  in  Berlin ,  so  möchte  man  an  ein  Nachlassen  seiner 
künstlerischen  Kraft  glauben.  Auch  im  Kreise  des  Kupferstiches 
und  Holzschnittes  scheint  die  alte  Emsigkeit  zu  stocken.  Wohl 
fallen  einzelne  treffliche  Blätter  wie  der  h.  Antonius  und  die  Markt- 
bauern (B.  58,  89)  gerade  in  diese  Zeit  (15 19)  und  steht  der  15 18 
geschaffene  Holzschnitt:  Maria  wird  von  Engeln  verehrt  (B.  104) 
an  der  Spitze  gleichartiger  Schilderungen.  Er  hat  hier  wieder  einen 
glücklichen  Zug  in  das  Kinderleben  gethan,  der  Natur  das  schalk- 
hafte Gebaren  der  Kleinen  abgelauscht,  mit  tiefer  Empfindung  die 


122 


ehrliche  und  eifrige  Hingabe  der  Altern  zur  Anschauung  gebracht. 
Aber  dieser  Blätter  sind  nur  wenige  und  es  stehen  ihm  mehrere 
minder  gelungene  (Madonnenstiche)  gegenüber.  Es  verdient  noch 
Erwähnung,  dass  Dürer  gerade  jetzt  Zeit  fand,  für  seine  Freunde 
Wappenbilder  zu  zeichnen  und  Bücherzeichen  zu  entwerfen,  als  ob 
er  nach  angreifender,  die  Kräfte  verzehrender  Arbeit  nun  im  leichten 
Spiele  sich  erholen  wollte.  Wir  gehen  gewiss  nicht  in  der  Annahme 
irre ,  dass  ihn  die  theoretischen  Studien  zumeist  in  Anspruch 
nahmen  und  eine  grössere  künstlerische  Thätigkeit  zurückdrängten 
und  dass  die  vom  Kaiser  gestellten  Aufgaben  seine  freie  Müsse 
dauernd  einschränkten.  Mit  den  Arbeiten  im  Dienste  des  Kaisers 
hängt  auch  das  einzige  wichtige  Ereignis  in  seinem  äusseren  Leben 
in  dieser  Zeit  zusammen:  die  Reise  nach  Augsburg  1518.  Es  galt, 
mit  dem  Kaiser,  welcher  zum  Reichstage  in  Augsburg  weilte,  per- 
sönlich die  Kunstpläne  endgültig  festzustellen.  Gemeinschaftlich 
mit  den  Nürnberger  Abgesandten,  seinen  Freunden  Kaspar  Nützel 
und  Lazarus  Spengler,  begab  sich  Dürer  im  Sommer  15 18  auf  die 
Fahrt.  Fröhliche  Tage  verlebte  er  in  der  von  italienischen  Sitten 
stärker  als  Nürnberg  angehauchten  schwäbischen  Hauptstadt.  Er 
gewann  das  Vertrauen  des  Kaisers,  und  stand  mit  ihm,  wie  einzelne 
Anekdoten  andeuten,  in  freundlich  ungezwungenem  Verkehr.  An- 
derseits eroberte  sich  Kaiser  Max  das  Herz  des  Künstlers ,  der 
ihm  von  nun  an  die  höchste  Verehrung  weihte,  ihn  als  ,,den  teu- 
ersten Fürsten"  pries.  Auch  seine  künstlerische  Thätigkeit  ruhte 
nicht  vollständig.  ,,Hoch  oben  auf  der  Pfalz  in  seinem  kleinen 
Stübchen"  konterfeite  er  den  Kaiser  rasch  und  flüchtig,  aber  überaus 
lebenswahr  mit  der  Kohle.  Nach  dieser  in  der  Albertina  bewahrten 
Zeichnung  führte  er  das  gemalte  Porträt  des  Kaisers  (in  der  kaiser- 
Uchen  Galerie  in  Wien)  und  zwei  grosse  Holzschnitte  aus,  welche 
aber  an  Frische  und  Unmittelbarkeit  der  Auffassung  gegen  die 
Zeichnung  weit  zurückstehen.  Der  Kardinal  und  Kurfürst  Albrecht 
von  Brandenburg  sass  ihm  gleichfalls  zum  Bilde  (Albertina) ,  die 
sorgsam  gearbeitete  Federzeichnung  diente  dann  dem  berühmten 
Kupferstiche  (B.  102)  zur  Grundlage.  Nach  jeder  Richtung  durfte 
Dürer  auf  die  Augsburger  Reise  befriedigt  zurückblicken.  Denn 
auch  seine  äussere  Lage  schien  sich  besser  zu  gestalten.  Er  em- 
pfing vom  Kaiser  als  Lohn  für  seine  Arbeiten  200  Rheinische 
Gulden  für  das  nächste  Jahr  aus  der  Nürnberger  Stadtsteuer  zu- 
gesichert. Leider  starb  aber  Kaiser  Maximilian  schon  im  Januar 
des  nächsten  Jahres ,  ehe  ihm  die  Summe  ausbezahlt  wurde.  Er 


123 


verlor  diese  Summe  und  sah  durch  den  Regierungswechsel  sogar 
sein  Leibgedinge  bedroht.  In  seiner  Not  fasste  er  den  Entschluss, 
vom  neuen  Kaiser,  welcher  in  den  Niederlanden  weilte  und  zur 
Krönung  in  Aachen  sich  rüstete ,  persönlich  die  Fortdauer  des 
Jahresgehaltes  zu  erbitten.  So  kam  die  Niederländische  Reise  1520 
zu  Stande. 

Über  den  nächsten  Zweck  der  Reise  sind  wir  demnach  voll- 
kommen unterrichtet.  War  er  auch  der  einzige }  Dürer  führte 
während  seiner  Niederländischen  Reise  ein  uns  in  einer  Abschrift 
aus  dem  17.  Jahrhundert  erhaltenes  Tagebuch,  in  welches  er  die 
täglichen  Ausgaben  und  Vorfälle  in  knappster  Form,  einzelne  Er- 
eignisse und  Herzensergüsse  auch  ausführlicher  eintrug.  Aus  dem- 
selben ersehen  wir,  dass  er  ,, Kunstware",  eigene  und  fremde,  ins- 
besondere seine  Holzschnittfolgen  und  eine  Anzahl  auserlesener 
Kupferstiche  mit  sich  führte,  also,  wie  es  damals  Sitte  war,  den 
kaufmännischen  Vertrieb  seiner  Werke  selbst  besorgte.  Das  alles 
erklärt  aber  nicht  die  lange  Dauer  der  Reise ,  welche  über  Jahr 
und  Tag  währte  und  ihn  verschiedene  Landschaften  der  Nieder- 
lande aufsuchen  Hess.  Wir  dürfen  vermuten,  dass  ähnlich  wie  zur 
Venetianischen  Reise ,  auch  jetzt  zu  den  äusseren  Gründen  noch 
ein  innerer  Antrieb  hinzutrat.  Wie  er  damals  eine  Selbstprüfung 
vornehmen ,  den  zurückgelegten  Weg  abmessen  und  neue  An- 
regungen sich  holen  wollte ,  so  lagen  ihm  gewiss  auch  bei  der 
Niederländischen  Reise  künstlerische  Interessen  mit  am  Herzen. 
Allmählich  hatte  seine  Kunstrichtung  sich  zu  wandeln  begonnen. 
Gerade  seine  theoretischen  Studien  führten  ihn  zu  einer  vertieften 
Naturbeobachtung,  gaben  seiner  alten  Vorhebe  für  das  Charakter- 
und  Ausdrucksvolle  neue  Nahrung :  Der  phantastische  Zug  in  seiner 
Künstlerseele  trat  zurück,  die  reine  einfache  Naturwahrheit  gewann 
in  seiner  Phantasie  grosse  Rechte.  Das  alles  liest  man  aus  seinen 
Selbstbekenntnissen  ungezwungen  heraus  und  begreift,  dass  es  ihn 
mächtig  zog ,  nachdem  er  die  volle  Reife  und  Klarheit  des  künst-  * 
lerischen  Verstandes  erreicht  hatte ,  um  auch  durch  die  künst- 
lerischen Thaten  die  Richtigkeit  seiner  Überzeugungen  zu  erproben. 
Nach  längerer  Ruhe  regte  sich  wieder  in  ihm  der  Drang  zu  künst- 
lerischem Schaffen,  aber  nicht  in  der  altüberlieferten  Weise,  son- 
dern auf  neuer  Grundlage.  In  seiner  Heimat  fand  er  nicht  die 
gewünschten  Anregungen.  Gerade  wer  der  lebendigen  Naturwahr- 
heit einen  grösseren  Platz  einräumt ,  muss  sich  in  einer  reichen, 
mannigfaltigen  Welt  umsehen.     Dazu  boten  ihm  die  Niederlande 


124 


eine  treffliche  Gelegenheit.  Seit  dem  Anfange  des  Jahrhunderts 
stand  Antwerpen  an  der  Spitze  des  niederländischen  Handels  und 
der  niederländischen  Kunst.  Dort  strömten  die  Schätze  der  Welt 
zusammen ,  dort  sammelte  sich  der  europäische  Verkehr  und 
drängten  auf  den  Strassen  die  Vertreter  der  verschiedensten  Völker: 
dorthin  war  auch  die  früher  besonders  in  Brügge,  Gent  und  Löwen 
blühende  Kunst  eingewandert.  In  die  Antwerpener  Malerschule  war 
aber  gleichzeitig  ein  neuer  Geist  eingezogen.  Porträt-  und  Cha- 
rakterfiguren wurden  von  den  Künstlern  mit  Vorliebe  geschaffen 
und  mit  überraschender  Lebenswahrheit  ausgestattet.  Die  Lösung 
der  einen  Aufgabe  erleichtert  der  hier  hochentwickelte  Farbensinn, 
an  dessen  Erziehung  Dürer  erst  jetzt ,  da  ihm  ähnliche  Ziele  vor- 
schwebten ,  gehen  konnte.  Nicht  Italien  lockte  ihn  wie  in  seiner 
Jugend ;  die  Niederlande  zogen  ihn  jetzt  unwiderstehlich  an.  Es  giebt 
keine  Thatsache,  welche  den  Umschwung  in  Dürers  künstlerischem 
Streben  so  klar  an  das  Licht  brächte,  als  dieser  Wechsel  in  der 
Wertschätzung  italienischer  und  nordischer  Kunst.  Dass  Dürer 
durch  die  Wahl  der  Niederlande  auch  seine  nationale  Natur  un- 
versehrt bewahrte,  während  diese  in  Italien  wahrscheinlich  eine  starke 
Einbusse  erlitten  hätte ,  bedarf  keiner  besonderen  Versicherung. 
Die  persönliche  Entwickelung  und  die  nationale  Richtung  wurden 
durch  die  Niederländische  Reise  gleichmässig  gefördert. 

Am  12.  Juli  1520  brach  Dürer  mit  Weib  und  Kind  und  einer 
stattlichen  Ladung  ,,  Kunstwaren "  von  Nürnberg  auf.  Auf  dem 
langen  Wege  durch  vieler  deutscher  Herren  Lande  erfreute  er  sich 
reicher  Gastfreundschaft  und  mannigfacher  Förderung.  Der  Bischof 
von  Bamberg  (Georg  III.  Schenk  von  Limburg)  gab  ihm  für  sein 
Gebiet  einen  Zollfreibrief  und  löste  ihn  aus  der  Herberge,  sein  alter 
Gönner  Jakob  Haller  in  Frankfurt  schickte  ihm  Wein  in  die  Her- 
berge und  als  er  in  Mainz  das  Rheinschiff  bestieg,  brachte  ihm 
noch  Leonhard  der  Goldschmied  zur  Verbesserung  seines  Mund- 
vorrats Wein  und  Vögel ,  um  bis  Köln  zu  kochen.  Die  wander- 
lustigen Humanisten  hatten  ihm  vorgearbeitet.  Allerorten  sassen 
ihre  Freunde  und  Anhänger.  Wer  in  ihrem  Kreise  bekannt  war, 
und  das  war  Dürer ,  durfte  einer  wohlwollenden  Aufnahme  sicher 
sein.  Er  traf  fast  überall  Bewunderer  und  Gönner.  Und  so  ge- 
schah es  auch  unserem  Dürer,  dass  ihn  in  Boppard  der  Zöllner 
Eschenfelder  völlig  zollfrei  ziehen  Hess,  obschon  sein  Bamberger 
Freibrief  hier  nicht  mehr  galt.  Dieser  Eschenfelder  hatte  zwischen 
seinen  Zollregistern  noch  Schriften  des  Erasmus  liegen  und  Eras- 


125 

mus  wie  später  Hutten  die  grösste  Gastfreundschaft  bewiesen. 
Kein  Wunder,  dass  er  auch  Dürer  hilfreich  war. 

In  Antwerpen  (2.  August)  nahm  Dürer  Herberge  bei  Jobst 
Planckfeldt  oder  Blanckvelt ,  wurde  aber  schon  am  Tage  seiner 
Ankunft  von  dem  Faktor  Fuggers  zu  einem  köstUchen  Mahle  ge- 
laden. Vorläufig  ging  ihm  die  Sache  der  Leibrente  zu  sehr  im 
Kopfe  herum ,  als  dass  es  ihn  lange  in  Antwerpen  geduldet  hätte. 
Er  eilte  nach  Brüssel  (26.  August)  und  Hess  sich  hier  im  Hause 
des  befreundeten  Geheimschreibers  Kaiser  Maximilians  Jakob  de 
Banisis  eine  Bittschrift  an  den  Kaiser  aufsetzen  und  fuhr  mit  der- 
selben nach  Aachen  (4.  Oktober) ,  um  sie  persönlich  dem  Kaiser 
zu  überreichen.  Am  4.  November  empfing  er  vom  Kaiser  Karl  V. 
,,mit  vieler  Mühe  und  Arbeit"  die  Bestätigung  der  ferneren  Aus- 
zahlung von  jährlich  100  Gulden  Rheinisch.  Leichteren  Herzens 
begab  er  sich  über  Köln  und  den  Niederhein  nach  Antwerpen  zu- 
rück, wo  er  am  22.  November  ankam.  Aber  schon  nach  einigen 
Tagen  rüstete  er  sich  zu  einer  neuen  Reise  nach  Seeland ,  welche 
er  in  schlimmster  Winterszeit  unter  mancherlei  Gefahren  und  Aben- 
teuern (2. — 13.  Dezember)  zurücklegte.  Es  scheint,  dass  nur  der 
Wunsch ,  einen  bei  Zieriksee  gestrandeten  Walfisch  zu  sehen ,  ihn 
zu  diesem  Ausfluge  bewog.  Jetzt  endlich  wird  er  für  längere  Zeit 
in  Antwerpen  sesshaft,  verlässt  es  erst  im  Frühling  1521,  um 
Brügge  und  Gent ,  und  etwas  später  Mecheln  und  Brüssel  zu 
besuchen.  Am  12.  Juli  tritt  er  über  Aachen,  Jülich  und  Köln 
die  Heimreise  an. 

Dürftig  war  der  Geldgewinn,  welchen  er  nach  Nürnberg  mit- 
brachte. Er  klagte  in  seinem  Tagebuch:  ,,Ich  habe  in  allem 
meinem  Machen ,  Zehrungen ,  Verkäufen  und  anderer  Handlung 
Nachteil  gehabt  im  Niederland ,  in  allen  meinen  Sachen ,  gegen 
grosse  und  niedere  Stände  und  sonderlich  hat  mir  Frau  Margareth 
(Statthalterin)  für  das ,  was  ich  ihr  geschenkt  und  gemacht 
habe ,  nichts  gegeben".  Dafür  hat  er  reiche  Erfahrungen  ge- 
sammelt und  auch  seine  künstlerische  Entwickelung  wirksam  ge- 
fördert. Er  hat  für  alles  was  ihn  umgiebt ,  einen  offenen  Sinn 
und  ein  scharfes  Auge.  Als  echter  Sohn  der  Zeit  staunt  er  alle 
Naturmerkwürdigkeiten  und  vor  allem  die  aus  den  neuentdeckten 
Ländern  stammenden  Schätze  an.  Niemals  vergisst  er  in  seinem 
Tagebuche  zu  vermerken ,  dass  ihm  dieser  oder  jener  Gönner 
ein  Horn,  einen  Bisamknopf,  kalekutische  Tücher,  einen  Ast  vom 
Cederbaum  verehrt  hat ,  er  selbst  giebt  für  Raritäten  mehr  Geld 


126 


aus ,  als  seinem  Beutel  frommte.  Und  als  er  in  Brüssel  die 
Dinge  sieht,  die  man  ,,dem  Könige  aus  dem  neuen  Goldlande  ge- 
bracht hatte,  eine  goldene  Riesensonne,  Rüstungen,  Gewänder  und 
allerlei  wunderbarlich  Ding  zum  menschlichen  Gebrauche,"  gerät 
er  vor  Entzücken  schier  ausser  sich.  ,, Diese  Dinge  sind  viel  schöner 
zu  sehen  denn  Wunderdinge.  Ich  habe  all  mein  Lebtag  nichts 
gesehen,  das  mein  Herz  also  erfreut  hat  als  diese  Ding.  Ich  habe 
mich  verwundert  der  subtilen  Ingenia  der  Menschen  im  fremden 
Lande.  Was  ich  dabei  gedacht  habe ,  kann  ich  gar  nicht  aus- 
sprechen". Über  die  Natur  vergisst  er  die  Kunst  und  das  Volks- 
leben nicht.  Er  pilgert  zu  allen  berühmten  Gemälden ,  lässt  sich 
in  Köln  das  Gemälde  (Dombild)  des  Meister  Stephan  aufschliessen, 
bewundert  ehrlich  die  Schildereien  des  Jan  von  Eyck,  Roger  van 
der  Weyden  und  Hugo  van  der  Goes.  Mit  den  lebenden  Künst- 
lern ,  wie  Quentin  Massys,  Lukas  van  Leyden,  Bernard  van  Orley 
und  anderen  unterhält  er  freundliche  Beziehungen  und  wird  auch  von 
ihnen  in  hohen  Ehren  gehalten.  Die  Beschreibung  der  Feste,  mit 
welchen  die  Künstler  seine  Anwesenheit  feierten ,  füllen  einen 
stattlichen  Raum  in  seinem  Tagebuche.  In  der  Regel  begnügt  er 
sich  mit  knappen  und  trockenen  Vermerken  seiner  Einnahmen, 
Auslagen  und  täglichen  Beschäftigungen.  Oft  liest  man  mehrere 
Seiten  lang :  Ich  habe  einen  Gulden  zur  Zehrung  gewechselt,  ich 
habe  drei  Stüber  verzehrt.  Item  ich  habe  diesen  oder  jenen  mit 
der  Kohle  konterfeit.  Item  ich  habe  diesen  oder  jenen  die  Apo- 
kalypse, die  Melancholie  und  den  Hieronymus  im  Gehäus  geschenkt 
oder  an  ihn  verkauft.  Ab  und  zu  gerät  aber  die  Feder  in  Fluss 
und  ergeht  sich  in  behaglich  breiten  Schilderungen.  Das  ist  stets 
der  Fall ,  wenn  es  sich  um  persönliche  Huldigungen  oder  Volks- 
feste handelt.  Er  war  erst  einige  Tage  in  Antwerpen,  als  ihm 
bereits  eine  grosse  Ehre  zu  Teil  wurde.  ,,Am  Sonntag  nach  Sankt 
Oswaldstag  (5.  August)  luden  mich  die  Maler  auf  ihre  Stube  mit 
meinem  Weib  und  Magd  und  wir  hatten  alles  auf  Silbergeschirr 
und  anderem  köstlichen  Zierart  und  überköstliches  Essen.  Es 
waren  auch  ihre  Weiber  alle  da  und  da  ich  zu  Tisch  geführt  ward, 
da  stand  das  Volk  auf  beiden  Seiten,  als  führet  man  einen  grossen 
Herrn.  Und  als  ich  alsobei  verehrt  sass,  da  kam  der  Herren  von 
Antwerpen  Ratsbote  mit  zwei  Knechten  und  schenket  mir  von  der 
Herren  von  Antwerpen  wegen  vier  Kannen  Wein  und  Hessen  mir 
sagen ,  ich  soll  hiermit  von  ihnen  verehret  sein  und  ihren  guten 
Willen  haben.  Dess  sagte  ich  ihnen  unterthänigen  Dank  und  erbot 


12/ 

meine  unterthänigen  Dienste.  Danach  kam  Meister  Peter,  der  Stadt 
Zimmermann,  und  schenkte  mir  zwei  Kannen  Wein  mit  Erbietung 
seiner  willigen  Dienste.  Also  da  wir  lange  fröhlich  beieinander 
waren,  bis  spät  in  die  Nacht,  da  geleiteten  sie  uns  mit  Wind- 
lichtern gar  ehrlich  heim  und  baten  mich ,  ich  sollte  ihren  guten 
Willen  haben  und  annehmen  und  soll  machen ,  was  ich  wollte, 
dazu  wollten  sie  mir  behilflich  sein.  Also  dankte  ich  ihnen  und 
legte  mich  schlafen".  In  ähnlicher  Weise  bewirtete  ihn  und  sein 
Weib  am  Faschingssonntag  die  Goldschmiedezunft  gar  köstlich  und 
thaten  ihm  ,, übermässig  grosse  Ehre".  Und  mit  den  Körperschaften 
wetteiferten  Privatpersonen,  Künstler  sowohl  wie  Kaufleute. 

Liess  ihn  hier  die  begreifliche  Freude  über  den  ehrenvollen 
Empfang  länger  bei  der  Schilderung  verweilen ,  so  lenkte  wieder 
der  künstlerische  Blick  die  Aufmerksamkeit  auf  die  berühmten 
vlämischen  Volksfeste.  Eingehend  und  ausführlich  beschreibt  er 
die  grosse  Prozession ,  welche  am  Sonntage  nach  Mariä  Himmel- 
fahrt durch  die  Strassen  von  Antwerpen  pilgerte ,  mit  den  Auf- 
zügen der  verschiedenen  Zünfte  und  Körperschaften  und  der  vielen 
auf  Wagen  und  Schiffen  geführten  lebenden  Bilder.  Ebenso  ver- 
folgte er  mit  dem  grössten  Interesse  die  Festlichkeiten  bei  der 
Einholung  Kaiser  Karls  V.  und  ergötzte  noch  mehrere  Jahre 
später  die  Freunde  mit  anschaulicher  Erzählung  einzelner  Vorgänge. 
Das  Tagebuch  bietet  uns  nicht  allein  über  Dürers  äusseres  Leben 
genügende  Kunde,  sondern  unterrichtet  uns  auch  über  seine  künst- 
lerische Thätigkeit,  erwähnt  regelmässig  seine  Arbeiten.  Über  ihre 
Art  und  Richtung  belehrt  uns  sein  Skizzenbuch,  welches  er  stets 
bei  sich  führte  und  wir ,  wenn  auch  längst  in  Einzelblätter  aufge- 
löst und  verstümmelt,  noch  gegenwärtig  besitzen.  Viele  Blätter 
mögen  durch  das  Zerreissen  des  Bandes  im  Laufe  der  Zeiten  ver- 
loren gegangen  sein ,  immerhin  hat  sich  noch  eine  erkleckliche 
Zahl  in  den  verschiedenen  Kabinetten  und  im  Privatbesitze  erhalten. 
Ab  und  zu  hat  er  mit  dem  Metallstift  auch  Tier-  und  Architek- 
turteile dem  Skizzenbuche  einverleibt ,  ganz  vorwiegend  aber 
Porträte ,  Kopf-  und  Brustbilder  in  ihm  gesammelt.  Eine  grosse 
Zahl  seiner  Bekannten  musste  ihm  zu  diesen  Zeichnungen  sitzen ;  er 
versäumt  denn  auch  nicht,  ihre  Namen  beizuschreiben.  Häufig 
traten  uns  aber  auch  unbenannte,  unbekannte  Personen  entgegen, 
wir  möchten  glauben ,  Volksfiguren ,  welche  wegen  dieses  oder 
jenes  Charakterzuges  seine  Phantasie  erregten.  Was  für  einen 
prächtigen  derben  Burschen ,  der  nicht  viele  Worte  macht ,  aber 


128 


gleich  zugreift,  hat  er  nicht,  z.  B.  auf  einem  im  Berhner  Kabinet 
bewahrten  Blatt  gezeichnet!  (L  57)  Würde  man  alle  diese  sorgsam 
auf  gelblichem  getöntem  Papier  ausgeführten  Köpfe  zusammenstellen, 
ihnen  noch  die  mit  der  Feder  rasch  entworfenen  anreihen,  so  käme 
der  scharfe  Blick  des  Künstlers  für  das  Natürliche  und  Charakte- 
ristische zu  besonderer  Geltung,  ausserdem  aber  noch  das  stetig 
wachsende  Streben ,  nicht  bei  den  Einzelheiten  zu  verweilen, 
sondern  den  Kopf  stets  als  Ganzes  aufzufassen ,  ihm  eine  tiefere 
physiognomische  Wahrheit  aufprägen.  Gleiche  Ziele  verfolgte  er 
in  den  grösseren  mit  der  Kohle  gezeichneten  Bildnissen,  in  welchen 
der  feinere  Strich,  die  weichere  Modellierung,  die  belebteren  Augen 
eine  Änderung  der  Kunstweise  gegen  früher,  einen  grossen  Fort- 
schritt bekunden.  Mehr  als  sonst  strebt  er  malerische  Wirkungen 
an.  Offenbar  hat  die  Kenntnis  niederländischer  Bilder  Spuren  in 
seiner  Phantasie  zurückgelassen.  Doch  bleibt  er  weit  davon  ent- 
fernt ,  seine  Natur  zu  verleugnen.  Mitten  unter  den  rasch  hinge- 
worfenen Kohlenzeichnungen  tauchen  einzelne  mit  dem  Pinsel  sorg- 
fältigst ausgeführte  Köpfe  und  Halbfiguren  auf,  welche  uns  seine 
alte  Kunst  der  Feinmalerei  vor  die  Augen  bringen.  Das  berühm- 
teste Beispiel  dieser  Art  ist  das  Bildnis  des  93  jährigen  Greises 
,,noch  gesund  und  fermüglich"  in  Antwerpen,  welches  in  der  Alber- 
tina bewahrt  wird  und  mit  leichten  Änderungen  in  einem  zweiten 
Blatte  im  Berliner  Kabinet  wiederkehrt. 

Die  Fülle  von  Landschaftskizzen ,  Kostümfiguren ,  Porträten, 
von  welchen  das  Tagebuch  berichtet  und  selbst  heute  noch  zahl- 
reiche Proben  sich  erhalten  haben ,  beweist ,  wie  trefflich  Dürer 
seine  Zeit  auch  als  Künstler  ausgenutzt  hat.  Nur  zur  Übung  der 
Ölmalerei  kam  er  selten.  Teils  scheute  er  die  immerhin  langwierige 
Arbeit,  teils  mochte  er  zagen,  gerade  auf  diesem  Gebiet  mit  den 
Niederländern  in  Wettstreit  zu  treten.  Zwei  auf  Eichenholz  gemalte 
Bildnisse  aus  dem  Jahre  1521  lehren  uns  ihn  als  Farbenkünstler 
kennen.  Das  eine  stellt  den  Maler  Bernhard  van  Orley  aus  Brüssel 
vor  (Dresden).  Das  andere  giebt  die  Züge  eines  unbekannten,  ohne 
ausreichenden  Grund  Hans  Imhof  getauften  Mannes  in  mittleren 
Jahren  (Madrid)  wieder.  Wir  hätten  Dürer  ein  besseres  Modell  ge- 
wünscht, als  den  Brüsseler  Maler.  Jugendliche  Köpfe  standen  ihm 
überhaupt  ferner,  als  ausgereifte,  vom  Schicksal  gestählte  Männer. 
Orley  besass  überdies  keine  reine  jugendliche  Anmut ,  sondern 
recht  eckige  Züge,  welche  zu  den  blauen  Augen  und  blonden  Haaren 
nicht  recht  stimmen  wollten.    Doch  hat  Dürer  das  Beste  gethan. 


129 


Bildnis  des  Hans  Imhof  (?).     Gemälde  im  Museum  zu  Madrid. 

um  den  Kopf  aus  dem  roten  Hintergrunde  herauszuarbeiten  und 
zu  runden.  Trotz  der  vordringlichen  grauen  Schatten  (vielleicht 
hat  Dürer  nicht  die  letzte  Hand  an  die  Tafel  gelegt)  zählt  das  Bild 

9 


I30 

doch  zu  den  besten  Porträten  des  Meisters.  Geradezu  vollendet 
muss  man  dagegen  das  Madrider  Bildnis  nennen.  Es  ist  die  Krone 
aller  Dürerschen  Porträte.  Die  Anordnung  erscheint  jener  in  der 
Dresdener  Tafel  nahe  verwandt.  Beide  Männer  tragen  den  breit- 
krempigen Schlapphut,  die  schwarze  Pelzschaube,  unter  welcher 
das  weisse  gefaltete  Hemd  hervorscheint ,  ein  Papier  in  der 
Linken,  während  die  Rechte  auf  einer  (unsichtbaren)  Brüstung  auf- 
ruht und  wenden  sich  in  Dreiviertelansicht  nach  links.  Die  Aus- 
führung der  gelockten  Haare,  des  Pelzes  ist  überaus  fein,  ordnet 
sich  aber  doch  ungezwungen  dem  Ganzen  unter.  Die  Augen  durch- 
dringen förmlich  den  Beschauer,  aus  der  festgeschlossenen  Lippe 
spricht  der  unbeugsame,  auf  seinem  Rechte  bestehende  Wille,  die 
kurze  Nase  steigert  den  Ausdruck  des  kurzweg  Entschiedenen. 
Der  Mann  mag  gütige  Milde  nicht  zu  seinen  Haupteigenschaften 
gezählt  haben,  im  Streite  recht  widerhaarig  gewesen  sein.  Aber 
von  seiner  Kraft  und  Klugheit  erzählen  dafür  um  so  deutlicher  die 
Züge.  Jedenfalls  hat  die  nordische  Kunst  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts wenige  Charakterköpfe  geschaffen,  welche  sich  in  leben- 
diger Wahrheit  und  vollkommener  malerischer  Behandlung  mit 
dem  Madrider  Bilde  messen  können. 

Welche  Richtung  Dürer  in  den  Niederlanden  verfolgte,  darüber 
kann  kein  Zweifel  herrschen.  Er  wäre  aber  nicht  der  echte,  alte 
Dürer  gewesen,  wenn  seine  Phantasie  sich  auf  die  Dauer  mit  einem 
einzigen  Gedanken  und  Formenkreise  beschäftigt  hätte.  Sie  hat 
stets  Platz  für  mannigfache  Interessen,  und  die  ihm  eigentümliche 
Lust  und  Freude  am  Erfinden  kann  wohl  zeitweilig  weniger  deutlich 
an  die  Oberfläche  treten,  sie  lässt  sich  aber  niemals  völlig  zurück- 
drängen. Während  der  Reise  fasste  Dürer  den  Plan,  die  Passion 
Christi  noch  einmal,  zum  fünften  Male,  zu  verkörpern.  Urkundliche 
Belege  lassen  sich  zwar  dafür  nicht  vorführen ,  doch  liegt  vom 
Jahre  1520  angefangen  eine  Reihe  von  Zeichnungen  vor,  welche 
diese  Absicht  unwiderleglich  darthun.  Die  Ausführung  dachte  er 
sich  im  Holzschnitt.  Es  sollte  demnach  die  neue  Folge  von  Blättern 
gleichsam  die  grosse  Passion  ersetzen.  Er  beschäftigte  sich  mit 
dem  Plane  auch  nach  der  Heimkehr  bis  1524,  Hess  ihn  aber  doch 
schliesslich  aus  unbekannten  Gründen  fallen.  Nur  für  fünf  Szenen 
haben  sich  die  Skizzen  erhalten,  für  die  Anbetung  der  h.  drei  Könige, 
das  Abendmahl,  den  Ölberg,  die  Kreuztragung  und  die  Grablegung. 
Alle  Blätter  haben  annähernd  das  gleiche  Format,  sind  als  Breit- 
bilder komponiert,  alle  erscheinen  von  dem  gleichen  Geist  durch- 


132 

weht.  Merkwürdig,  dass  sich  Dürer  bei  keiner  Szene  mit  einer 
einzigen  Skizze  begnügt ,  fast  jede  Handhmg  zwei-  bis  dreimal 
komponiert. 

Die  Anbetung  der  h.  drei  Könige  (1524,  Albertina)  überrascht 
durch  die  Einfachheit  der  Schilderung.  Alles  Nebensächliche,  Bunte, 
ist  weggelassen,  alles  Episodische  unerbittlich  beseitigt.  Nur  die 
Hauptpersonen  treten  auf  den  Plan.  Vor  dem  Gehöft  sitzt  die  tief 
wie  eine  Matrone  verhüllte  Maria  mit  dem  gleichfalls  in  Tüchern 
eng  gewickelten  Christkinde  auf  dem  Schosse.  Ihr  zur  Seite  steht, 
demütig  dankbar  für  die  erwiesene  Huldigung,  mit  dem  Hute  in 
der  Hand  Joseph.  Von  den  drei  Königen  hat  der  eine  die  Kniee 
gebeugt,  der  andere,  hinter  ihm  stehend,  muntert  den  etwas  zag- 
haften Mohrenfürsten  auf,  sich  zu  nähern.  Die  Beschränkung  auf 
wenige  Personen  gestattet  eine  tiefere  Durchbildung  der  einzelnen 
Gestalten. 

In  der  Federzeichnung  des  Abendmahls  (1523,  Albertina)  wich 
Dürer  von  der  gewöhnlichen  Anordnung  ab.  Er  setzt  Christus  an 
die  Schmalseite  des  Tisches,  gruppiert  an  die  anderen  Seiten  die 
Apostel  und  lässt  an  der  Ecke  der  Vorderseite,  von  Christus  am 
weitesten  entfernt ,  den  Verräter ,  der  krampfhaft  den  Geldbeutel 
in  der  Hand  hält,  Platz  nehmen.  Diese  Komposition  erschien  ihm 
nicht  volkstümlich  genug  und  er  änderte  sie  der  Überlieferung  ent- 
sprechend um.  Nach  dem  letzten  Entwürfe  wurde  der  gleichzeitige 
Holzschnitt  ausgeführt.  (B.  53).  Beide  Kompositionen  zeichnen 
sich  durch  die  freie  Gruppierung  der  Apostel  aus.  Man  möchte 
glauben,  dass  Dürer  von  der  Schöpfung  Leonardos  einige  Kunde 
besass,  da  er  gleichfalls  die  Apostel  zu  dreien  oder  vieren  einander 
näher  rücken  lässt  und  die  Wirkung  der  Worte  Christi  verschieden 
je  nach  der  Entfernung  abstuft.  In  Einzelheiten  besitzt  jede  Kom- 
position besondere  Vorzüge.  Auf  der  Zeichnung  steigert  der  eine 
Apostel,  welcher  sich  erhebt,  um  Christum  anzureden,  die  Lebendig- 
keit der  Handlung;  in  dem  Holzschnitte  ist  die  Figur  des  Judas,  der  in 
seiner  Verlegenheit  mit  dem  Messer  in  die  Tischplatte  sticht,  vor- 
trefflich erfunden.  Bezeichnend  ist  die  Einfachheit  der  Tisch- 
ausrüstung. Auf  der  Zeichnung  stehen  ein  Kelch,  Becher  und  Brot 
auf  dem  Tische,  im  Holzschnitte  vollends  ist  der  Kelch  allein  aui 
den  Tisch  gestellt. 

In  der  Szene  Christi  auf  dem  Ölberge  schwankt  er  auch  jetzt, 
wie  er  schon  vor  Jahren  unentschieden  gewesen  war.  Das  eine 
Mal  hat  sich  Christus ,  vom  Schmerze  überwältigt ,  platt  auf  den 


00 

Boden  geworfen,  das  andre  Mal  kniet  er  mit  zum  Himmel  erhobenen 
Händen.  Von  den  beiden  in  Frankfurt  bewahrten  Federzeichnungen 


(L.  199  u.  200)  ist  die  erste  vom  Jahre  1521  datiert,  die  andere  vom 
Jahre  1524.  Stimmungsvoller,  auch  in  dem  landschaftlichen  Hinter- 
grunde und  mächtiger  ergreifend  ist  die  erste  Komposition  (1521). 


134 


Das  volkstümliche  Element  waltet  naturgemäss  in  den  beiden^ 
Skizzen  der  Kreuztragung  (1520,  Florenz)  vor.  Bei  allem  Reichtum 
der  Schilderung  wahrt  aber  Dürer  gegen  früher  das  feinere  Mass 
der  Empfindung,  legt  den  Nachdruck  auf  die  Teilnahme  der  her- 
andrängenden Frauen ,  der  schmerzerfüllten  Verwandten ,  so  dass 
die  Roheit  der  Schergen ,  die  dummblöde  Neugierde  des  Pöbels 
zurücktritt.  Man  merkt  es  dem  Meister  an,  dass  er  nicht  mehr 
von  den  Gestalten  der  Bühne  abhängig  war,  sondern  ein  reiches 
Volksleben  vor  Augen  hatte. 

Von  der  Gewissenhaftigkeit  Dürers,  zugleich  von  dem  raschen 
Zuströmen  immer  neuer  Gedanken  giebt  es  kein  besseres  Zeugnis, 
als  dass  er  1521  die  Grablegung  dreimal  mit  der  Feder  entwarf.  Im 
wesentlichen  gleichen  sich  die  drei  Blätter  (Nürnberg,  Germanisches 
Museum  L.  86,  Frankfurt  L.  198  und  Florenz).  Die  Träger  mit  dem 
Leichnam  Christi  stehen  bereits  am  Eingange  der  Grabhöhle, 
Männer  und  Frauen  mit  Salbbüchsen,  die  klagenden  Freunde  gehen 
ihnen  entweder  zuvor  oder  folgen  ihnen.  Nur  in  Einzelheiten,  in 
der  Charakteristik  der  Träger,  in  der  mehr  oder  weniger  starken 
Betonung  des  Schmerzes,  in  dem  grösseren  oder  kleineren  Mass- 
stabe der  Figuren  unterscheiden  sich  die  Blätter  voneinander. 
Schade ,  dass  Dürer  die  neue  Passionsfolge  nicht  zum  Abschluss 
brachte.  Schade,  dass  noch  ein  anderer  Plan  über  die  Anfänge 
nicht  hinauskam,  denn  offenbar  trug  er  sich,  wie  mehrere  erhaltene 
Studien  darthun ,  mit  dem  Gedanken ,  einen  Christus  am  Kreuze 
in  grossem  Massstabe  zu  malen.  So  kamen  nicht  alle  Früchte 
der  Niederländischen  Reise  zur  Reife.  Aber  bleibenden  Gewinn 
trug  er  doch  in  die  Heimat  zurück :  die  Anschauung  eines  reichen 
Volkslebens  kräftigte  seinen  Formensinn,  die  Neigung,  in  gross  und 
einfach  gefassten  Charaktergestalten,  in  Bildnissen  seine  Kunst  zu 
bewähren,  wurde  befestigt. 


XIII. 


Ernster  und  religiöser  Sinn  und  Naturliebe  begleiteten  Dürer 
durch  sein  ganzes  Leben.  Beide  erfuhren  im  Laufe  des  letzteren 
eine  reiche  Entwickelung.  Im  Anfange  stand  er  noch  vielfach,  wie 
seine  Zeitgenossen,  im  Banne  phantastischer  Vorstellungen.  Miss- 
geburten, wie  das  im  Dorfe  Landsee  1496  geborene  Schwein  mit 
zwei  Leibern  und  acht  Füssen,  würdigte  er  der  Wiedergabe  durch 
den  Kupferstich.  Allmählich  läuterten  sich  seine  Naturanschauungen. 
Wohl  erregte  das  Seltene  in  der  Natur  noch  immer  die  Aufmerk- 
samkeit des  wissbegierigen  Mannes.  Er  entwirft  (15 15)  nach  einer 
ihm  mitgeteilten  Beschreibung  und  Zeichnung  das  Bild  eines  Nas- 
horns für  den  Holzschnitt,  (B.  136)  und  ist  in  den  Niederlanden 
eifrig  bemüht,  Raritäten  aus  fernen  Ländern  zu  erwerben  und  zu 
sammeln.  Treue  und  Wahrheit  strebte  er  in  allen  seinen  Natur- 
schilderungen an,  er  vertieft  sich  liebevoll  in  die  eigentümlichen 
Formen  der  Pflanzen-  und  Tierwelt,  und  scheut  nicht  Fleiss  und 
Kunst ,  um  der  Natur  so  nahe  als  möglich  zu  kommen.  Dieser 
verständnisvollen  Naturfreude  danken  wir  die  zahlreichen  mit 
Wasserfarben  auf  Pergament  ausgeführten  Bilder  von  Gräsern  und 
Blumen ,  von  Rindsmäulern ,  Vogelflügeln ,  von  Hirschschrötern, 
Mandelkrähen  und  Reihern. 


136 


Auch  in  dem  religiösen  Kreise  begann  er  mit  der  Verkörperung 
der  heimlichen  Offenbarung,  um  allmählich  zu  den  farbenhelleren, 
die  menschliche  Empfindung  unmittelbar  packenden  Schilderungen 
aus  dem  Leben  Christi  und  Maria  überzugehen  und  zuletzt  in  der 
Passionsgeschichte  den  Kernpunkt  für  sein  künstlerisches  Schaffen 
zu  finden.  Bei  Dürer  dart  man  aber  Werk  und  Persönlichkeit 
nicht  trennen.  In  jenem  spiegelt  sich  stets  hell  und  klar  die 
Stimmung,  das  innere  Leben  des  Künstlers  wieder.  Wie  seine 
Phantasie  nicht  müde  wird,  immer  und  immer  wieder  das  Leiden 
Christi  anschaulich  zu  gestalten ,  so  erscheint  auch  sein  sittlich 
religiöser  Sinn  von  der  Bedeutung  des  Kreuzestodes  tief  ergriffen, 
und  er  findet  in  ihm  den  Grund-  und  Eckstein  des  wahren 
Glaubens. 

Diese  Überzeugungen  machten  ihn  für  die  religiösen  Gedanken, 
Zweifel  und  Kämpfe,  welche  seit  dem  Anfang  des  Jahrhunderts  in 
den  Seelen  mächtig  hin  und  her  wogten,  empfänglich.  Er  wurde 
gleichfalls  von  der  geistigen  Bewegung  tief  ergriffen,  die  wir  kurz 
und  gut  als  Reformationsstimmung  bezeichnen.  Seine  ganze  Um- 
gebung brachte  ihn  ohnehin  derselben  nahe.  Er  verkehrte  am 
liebsten  und  innigsten  unter  den  Männern  der  neuen  Zeit,  welche 
in  keiner  andern  deutschen  Stadt  so  einflussreich  und  massgebend 
waren  wie  in  Nürnberg.  Uberblickt  man  die  Namen  seiner  Freunde 
und  Gönner  von  Celtes ,  Schedel,  Scheurl,  Pirkheimer  bis  zu 
Spalatin,  Nützel,  Spengler,  Holzschuher,  Melanchthon,  so  begrüsst 
man  lauter  Männer ,  welche  in  der  litterarischen  Welt  oder  im 
öffentlichen  Leben  eine  grössere  Rolle  spielten,  an  den  geistigen 
Kämpfen  regen  Anteil  nahmen.  Sie  führten  ihn  in  das  Reich  der 
Humanisten  ein,  und  als  sie  aus  diesem  vornehm  sich  absperrenden, 
dem  wirklichen  Leben  eigentlich  abgewandten  Kreise  heraustraten 
und  der  volkstümlichen  Bewegung  sich  anschlössen,  fanden  sie  in 
Dürer  einen  treuen  Genossen.  Dürer  war  über  den  Kampf  Reuchlins 
mit  den  Dunkelmännern  wohl  unterrichtet,  die  Schriften  des  Erasmus 
waren  ihm  eine  Quelle  der  Ergötzung  und  künstlerischen  Anregung. 
Erasmische  Gedanken  hallen  in  den  berühmten  Kupferstichen  aus 
den  Jahren  15 13  und  15 14  nach.  Tiefe  Verehrung  zollte  er  dem 
Manne,  einem ,, tapferen  Ritter  Christi",  welchem  er  den  fröhlichen  Willen 
zutraut,  für  die  Wahrheit  den  Märtyrertod  zu  erleiden.  Als  Luther 
seine  Stimme  erhob,  gab  es  wenige  Männer,  welche  so  eifrig  auf 
ihn  hörten  und  so  treu  ihm  anhingen,  wie  Dürer.  Bereits  im  An- 
fange des  Jahres  15 18,  also  nur  wenige  Monate,  nachdem  Luther 


137 


seine  Thesen  angeschlagen  hatte  ,  huldigt  ihm  Dürer  durch  Über- 
sendung mehrerer  Stiche  und  Schnitte.  Die  kleine  Gemeinde,  welche 
sich  in  Nürnberg  um  den  Prediger  Wenzel  Link  sammelte  und 
Luther  wiederholt  grüssen  liess,  zählte  auch  Dürer  zu  ihren  Mit- 
gliedern. Zu  dem  feurigsten  Danke  bewegt  ihn,  dass  der  Kurfürst 
von  Sachsen  ihm  durch  Spalatin  1520  etliche  Büchlein  Luthers 
schenkt.  An  den  Dank  knüpft  er  die  Bitte:  ,,der  Kurfürst  möge 
sich  den  löblichen  Doktor  Martin  Luther  befohlen  sein  lassen,  der 
christlichen  Wahrheit  wegen,  woran  uns  mehr  liegt,  denn  an  allem 
Reichtum  und  Gewalt  dieser  Welt.  Diese  vergehen  mit  der  Zeit, 
allein  die  Wahrheit  bleibt  ewig.  Hilft  mir  Gott ,  dass  ich  zu 
Martinus  Luther  komme,  so  will  ich  ihn  mit  Fleiss  konterfeien 
und  in  Kupfer  stechen,  zu  einem  langen  Gedächtnis  des  christlichen 
Mannes ,  der  uns  aus  grossen  Ängsten  geholfen  hat  und  ich  bitte, 
wo  Doktor  Martinus  Luther  etwas  Neues  macht,  das  deutsch  ist, 
wollet  mir  es  um  mein  Geld  senden."  In  der  That  sammelte  er 
eifrig  die  Schriften  Luthers  und  zeigt  sich  erbötig,  das  ,, Schutz- 
büchlein Martini",  welches  Lazarus  Spengler  verfasst  hatte,  trotz 
Bannfluch  und  Kirchenstrafe  an  Spalatin  zu  schicken.  Unter  den 
Manuskripten  Dürers  im  Britischen  Museum  befinden  sich,  von 
Dürers  eigener  Hand  geschrieben,  die  Titel  von  sechzehn  frühen 
lutherischen  Schriften ,  Predigten ,  Beschlussreden ,  Auslegungen, 
welche  Dürer  entweder  besass  oder  zu  lesen  wünschte.  An  dem- 
selben Ort  befindet  sich  und  aus  der  gleichen  Zeit  (ungefähr  1520) 
stammt  auch  der  Ausschnitt  aus  einer  Predigt  Luthers,  welche  er 
gleichsam  als  sein  persönliches  Bekenntnis  niedergeschrieben  hat. 
,,Als  wir  durch  den  Ungehorsam  der  Sünden  in  ewigen  Tod  ver- 
fallen sind,  hat  uns  durch  keinen  Weg  geholfen  mögen  werden,  denn 
dass  der  Sohn  Gottes  Mensch  wurde,  auf  dass  er  durch  sein  un- 
schuldig Leiden  dem  Vater  alle  unsere  Schuld  überflüssig  bezahlet, 
damit  dass  die  Gerechtigkeit  Gottes  erfüllt  würde.  Denn  er  hat 
aller  unserer  Welten  Sünden  bereut,  gebüsst,  und  bei  dem  Vater 
das  ewige  Leben  erlangt.  Zu  wem  Christus  kommt,  der  ist  lebendig. 
Nichts  Gutes  ist  in  uns,  es  werde  denn  in  Christus  gut.  Darum, 
welcher  sich  ganz  gerecht  will  machen,  der  ist  ungerecht.  Wir 
können  kein  Gutes  wollen,  Christus  will  es  denn  in  uns."  Die  längere 
Abwesenheit  von  der  Heimat  schwächte  sein  Interesse  für  die 
feformatorische  Bewegung  nicht  ab.  Der  Verkehr  mit  Erasmus  zu 
Rotterdam,  mit  Peter  Ägidius,  dem  Schöffenschreiber,  dem  Stadt- 
sekretär Cornelius  Grapheus,  dem  Astronom  Nikolaus  Kratzer,  mit 


138 

den  reformfreimdlichen  Augustinermönchen  in  Antwerpen  liess  ihn 
in  dem  Interessenkreise  heimisch  bleiben,  welchem  er  in  der  Vater- 
stadt im  Vereine  mit  Pirkheimer,  Spengler  gehuldigt  hatte. 

Von  seinem  Lutherkultus  legt  der  Klageruf  das  beste  Zeugnis 
ab,  welchen  er  ausstiess,  als  sich  in  Antwerpen  zu  Pfingsten  1521 
die  (falsche)  Nachricht  verbreitete,  Luther  sei  von  seinen  Feinden 
bei  der  Rückkehr  von  Worms  verräterisch  überfallen  worden  und 
werde  in  geheimer  Gefangenschaft  gehalten.  ,,Lebt  er  noch  oder 
haben  sie  ihn  gemordet,  das  ich  nicht  weiss,  so  hat  er  das  ge- 
litten um  der  christlichen  Wahrheit  willen  und  um  dass  er  gestraft 
hat  das  unchristliche  Papsttum,  das  da  strebt  wider  Christus  Frei- 
lassung mit  seiner  grossen  Beschwörung  der  menschlichen  Gesetze 
und  auch  darum,  dass  wir  unseres  Blutes  und  Schweisses  also  be- 
raubt und  ausgezogen  werden  und  dasselbe  so  schändlich  von 
müssiggehendem  Volke  lästerlich  verzehret  wird  und  die  dürstigen 
kranken  Menschen  darum  Hungers  sterben.  Und  sonderlich  ist  mir 
noch  das  Schwerste ,  dass  uns  Gott  vielleicht  noch  unter  ihrer 
blinden  falschen  Lehre  will  lassen  bleiben,  die  doch  die  Menschen, 
welche  sich  Väter  nennen,  erdichtet  und  aufgesetzt  haben,  dadurch 
uns  das  köstlich  Wort  an  vielen  Enden  fälschlich  ausgelegt  wird 
oder  für  gar  nichts  gehalten  wird."  Er  fleht  Gott  und  Christi 
Barmherzigkeit  an,  das  arme  Volk  zu  erlösen.  ,,Nie  ist  ein  Volk 
mit  Menschengesetzen  also  geistlich  beschweret  worden  unter  dem 
römischen  Stuhl,  die  wir  täglich  durch  dein  Blut  erlöst  freie  Christen 
sollen  sein."  Er  hofft,  dass  ,,Gott  den  Nachfolger  Christi,  Martin 
Luther,  den  der  Papst  mit  seinem  Gelde  verräterisch  wider  Gott 
um  sein  Leben  bringt,  erquicken  und  er  das  alte  Jerusalem  so  auch 
die  angenommene  Gewalt  des  römischen  Stuhls  zerstören  wird." 
,, Darum  sehe  ein  jeglicher,  der  da  Martin  Luthers  Bücher  liest, 
wie  seine  Lehre  so  klar  durchsichtig  ist,  so  er  das  heilige  Evangelium 
führt,  darum  sind  die  in  grossen  Ehren  zu  halten  und  nicht  zu 
verbrennen,  es  wäre  denn,  dass  man  sein  Widerpart  ins  Feuer 
würfe ,  mit  allen  ihren  Opinionen,  die  da  aus  Menschen  Götter 
machen."  Er  fordert  Erasmus  auf,  für  Luther  einzutreten,  dessen 
Werk  fortzusetzen  und  schliesst  den  langen,  im  Tagebuch  nieder- 
gelegten Herzenserguss  mit  einem  Spruche  aus  der  Apokalypse : 
,,Das  sind  die  Erschlagenen,  unter  dem  Altar  Gottes  liegend  und 
schreien  um  Rache,  darauf  die  Stimme  Gottes  antwortet :  Erwartet 
die  vollkommene  Zahl  der  unschuldig  Erschlagenen,  dann  will  ich 
richten." 


139 


Voll  der  besten  Wünsche  für  Luthers  Werk  war  Dürer  im 
Sommer  1521  in  die  Heimat  zurückgekehrt.  Er  wurde  hier  Zeuge 
des  weiteren  Verlaufes  der  Reformationsbewegung.  Mit  der  glück- 
seligen Stille,  der  ,,beata  tranquillitas"  war  es  vorbei.  Ungestört 
im  behaglichen  Lebensgenüsse  mit  mutigem  Verstand  und  scharfem 
Witze  die  Irrtümer  mittelalterlicher  Bildung  und  die  kirchlichen 
Missbräuche  zu  bekämpfen,  genügte  nicht  mehr,  seitdem  die  geistige 
Strömung  weite  Volkskreise  erfasst  hatte,  viele  bis  dahin  in  hu- 
manistischer Luft  flatternde  Gedanken  in  praktische  Forderungen 
sich  verwandelten ,  der  Schauplatz  aus  der  Gelehrtenstube  in  die 
offene  Landschaft  übertragen  wurde.  Jedes  grosse  geschichtliche 
Ereignis ,  sobald  es  nicht  mehr  bloss  in  der  Brust  eines  Mannes 
keimt,  sondern  auf  die  Weltbühne  heraustritt,  zieht  Furchen,  welche 
keine  Persönlichkeit  mehr  zuschütten  kann.  Die  weitere  Entwickelung 
vollzieht  sich  unabhängig  vom  Einzelwillen.  So  geschah  es  auch 
jetzt.  Der  Kampf,  ursprünglich  durch  ein  hartbedrängtes  Gewissen 
hervorgerufen,  musste  auch  auf  kirchenpolitischem  Gebiete  ausge- 
fochten  werden.  Dadurch  werden  gar  mannigfache  Interessen  in  das 
Mitleiden  gezogen,  Hoffnungen  und  Befürchtungen  angeregt.  Freunde 
und  Feinde  geschaffen.  Selbst  unter  den  Anhängern  der  Luther- 
schen  Lehre  bildeten  sich  bald ,  je  nach  dem  Temperament ,  der 
grösseren  oder  geringeren  Leidenschaft,  oder  durch  den  Hinzutritt 
äusserer  Einflüsse  verschiedene  Meinungen  und  Gegensätze  heraus. 
Auch  Dürers  Freundeskreis  blieb  von  solchem  Zwiespalt  nicht  un- 
berührt. Während  einzelne  Freunde,  wie  Lazarus  Spengler,  rüstig 
auf  der  eingeschlagenen  Bahn  weiterschritten ,  erschraken  andere 
wieder  vor  allerhand  Erscheinungen ,  welche  am  Horizonte  auf- 
tauchten ,  eine  Entfesselung  böser  Geister  fürchten  Hessen.  Sie 
hätten  am  liebsten  der  Bewegung  Stillstand  geboten.  Zu  ihnen 
gehörte  vor  allen  Dürers  bester  Freund  Willibald  Pirkheimer. 

Vom  Podagra  weidlich  geplagt ,  in  seinen  Familieninteressen 
verletzt,  über  seinen  verringerten  Einfluss  im  Rate  ärgerlich,  verlor 
Pirkheimer  den  Lebensmut  und  sah  alle  Dinge  im  trübsten  Lichte. 
Kurz  vor  seinem  Tode  verfasste  er  an  den  kaiserlichen  Bau- 
meister in  Wien,  Tscherte,  einen  reformfreundlich  gesinnten  Mann, 
einen  Brief,  in  welchem  er  der  Reformation  halb  aufsagte.  Er  sei, 
heisst  es  darin,  anfänglich  gut  lutherisch  gewesen,  weil  er  gehofft, 
,,die  römische  Büberei,  desgleichen  der  Mönche  und  Pfaffen  Schalk- 
heit  sollte  gebessert  werden :  So  man  aber  jetzt  zusieht,  hat  sich 
die  Sache  so  verärgert,  dass  die  evangelischen  Buben  jene  Buben 


140 


fromm  machen.  Die  vorigen  Buben  haben  uns  mit  Gleissnerei  und 
List  betrogen,  derweilen  die  jetzigen  öffentHch  ein  schändUch  und 
sträfHch  Leben  führen  und  dabei  die  Leute  mit  sehenden  Augen 
bUnd  werden  und  sagen ,  man  soll  sie  nicht  nach  ihren  Werken 
(sondern  nach  ihrem  Glauben)  beurteilen.  Ihre  Werke  geben  aber 
zu  erkennen,  dass  da  weder  Glauben  noch  Treue  ist,  keine  Gottes- 
furcht, keine  Liebe  des  Nächsten,  Hinwerfung  aller  Ehrbarkeit  und 
guter  Sitten,  Kunst  und  Lernung.  Der  gemeine  Mann  wird  durch 
ein  solches  Evangelium  unterrichtet,  dass  er  nicht  anderes  gedenket, 
denn  wie  eine  gemeine  Teilung  geschehen  möchte  und  wahrlich, 
wo  die  grosse  Vorsicht  und  Strafe  nicht  wäre,  es  würde  sich  gar 
bald  eine  allgemeine  Beute  (Plünderung)  erheben,  wie  an  vielen 
Orten  schon  geschehen  ist.  Dieses  alles  aber  schreibe  ich  nicht 
darum ,  dass  ich  des  Papstes ,  seiner  Pfaffen  und  Mönche  Wesen 
loben  könnte  oder  wollte,  denn  ich  weiss,  dass  es  in  vielen  Wegen 
sträflich  ist  und  wohl  einer  Besserung  bedarf.  Es  ist  aber  leider 
vor  Augen ,  dass  das  andere  Wesen  auch  in  keinem  Wege  (zu 
loben)  sei ,  wie  das  Luther  selbst  sagt  und  bekennt ,  auch  viele 
fromme  gelehrte  Leute ,  so  dem  wahren  Evangelium  anhängen, 
mit  Schmerzen  ihres  Herzens  vor  Augen  sehen  und  bekennen, 
dass  dieses  Wesen  keinen  Bestand  haben  könne.  Die  Papisten 
sind  doch  zum  mindesten  unter  ihnen  selbst  eins ;  dagegen  sind 
die,  so  sich  evangelisch  nennen,  mit  dem  Höchsten  untereinander 
uneins  und  in  Sekten  geteilt.  Die  müssen  ihren  Lauf  haben,  wie 
die  schwärmenden  Bauern ,  bis  sie  zuletzt  gar  verruten".  Die  in 
diesen  Sätzen  ausgesprochene  Sinnesweise  wird  häufig  auch  auf 
Dürer  übertragen,  da  Pirkheimer  gleichsam  auch  in  dessen  Namen 
spricht,  am  Anfange  seiner  Seufzer  und  Klagen  Dürer  ausdrücklich 
als  Genossen  anführte.  ,,Ich  bekenne,  dass  ich  anfänglich  auch 
gut  lutherisch  gewesen  bin,  wie  auch  unser  Albrecht  seliger." 

Wie  Pirkheimer  schreibt ,  so  dachte  er  damals  auch  gewiss. 
War  er  aber  in  der  Stimmung ,  die  Dinge  ruhig  und  unbefangen 
zu  betrachten  ?  Derselbe  Brief,  welchem  die  so  harten  Urteile  über 
den  weiteren  Fortgang  des  Reformationswerkes  entlehnt  sind,  ent- 
hält auch  die  berüchtigte  Schilderung  der  Frau  Agnes  als  leib- 
haftiger Xantippe,  als  ein  habsüchtiges,  gewöhnliches  Weib,  welche 
durch  ihr  stetes  Keifen  und  Zanken  Dürer  vorzeitig  in  das  Grab  ge- 
bracht hätte.  Dass  Pirkheimer  sich  hier  der  gröbsten  Übertreibung, 
sogar  einer  schnöden  Verleumdung  schuldig  gemacht ,  darüber 
herrscht  nur  eine  Meinung,  ebenso  wird  allgemein  anerkannt,  dass  nur 


141 


die  schwarzgallige  Stimmung,  in  welcher  er  sich  befand,  ihn  entschul- 
digen kann.  Dieses  verdriessliche,  gallige  Wesen  kommt  nicht  an 
dieser  einen  Stelle  allein  zum  Durchbruche ,  es  durchweht  den 
ganzen  langen  Brief  an  Tscherte.  Pirkheimer  hat  selbst  gefühlt, 
dass  er  in  seinen  persönlichen  Anschuldigungen  und  seinen  trüb- 
sinnigen Weissagungen  zu  weit  gehe  und  nimmt  die  einer  ärger- 
lichen ,  subjektiven  Stimmung  entsprungenen  Vorwürfe  teilweise 
zurück.  Wie  er  zugiebt,  dass  Dürers  Gattin  keine  Bübin,  sondern 
eine  fromme,  ganz  gottesfürchtige  Frau  gewesen  sei ,  so  verwahrt 
er  sich  auch  eifrig  dagegen,  als  ob  er  dem  alten  Glauben  und  dem 
Papsttum  angehöre  und  ruft  Luther  selbst  für  die  Richtigkeit  seiner 
Beobachtungen  als  Schutzzeugen  an.  Und  richtig  waren  auch  diese 
Beobachtungen ,  doch  nur  in  einem  beschränkten  Kreise  gültig. 
Die  Schwarmgeister ,  die  radikalen ,  auf  einen  gewaltsamen  und 
vollständigen  Bruch  mit  den  alten  Satzungen  arbeitenden  Männer, 
wie  Carlstadt  und  Münzer,  die  aufständischen  Bauern  hatten  seinen 
Zorn  und  seine  Angst  geweckt.  Er  sah  nur  die  kirchenpolitischc 
Seite  der  Reformation,  fürchtete  den  Sturz  eines  geordneten  Gemein- 
wesens und  verzagte  an  der  Möglichkeit ,  diese  leidenschaftlichen, 
vielfach  in  der  That  volkstümlichen  Parteien  zu  bändigen.  In 
einem  ruhigen  Augenblick  schied  er  zwischen  dem  richtigen  Ge- 
brauche und  dem  Missbrauche  der  neuen  Lehre  genauer  und  un- 
befangener. 

Am  I.  September  1527,  also  nur  acht  Monate  vor  Dürers 
Tode,  sandte  er  diesem  die  lateinische  Übersetzung  der  Theophrasti- 
schen Charaktere  mit  einer  herzlichen  Widmung,  in  welcher  er  die 
sittliche  Bedeutung  der  Schrift  hervorhebt  und  weiter  hinzufügt : 
,,die  menschUchen  Begierden  und  Leidenschaften  pflegen  bisweilen 
durch  Sitte  und  Gesetz  gezügelt ,  längere  Zeit  sich  zu  verbergen, 
und  nur  bei  passender  Gelegenheit  aus  den  geheimsten  Tiefen  des 
Herzens  hervorzubrechen.  Dass  sich  das  in  Wahrheit  so  verhalte, 
beweisen  gerade  unsere  Zeiten,  in  denen  allzugrosse  Freiheit  auch 
allzugrossen  Übermut  erzeugt,  so  dass,  wenn  gleich  da  und  dort 
die  Wahrheit  gepredigt  wird ,  doch  nichts  weniger  geschieht,  als 
was  sie  verlangt;  nicht  anders,  als  ob  das  Reich  Gottes  mehr  in 
blossen  Worten,  als  in  der  Bethätigung  durch  Thaten  bestände". 
Dieser  Ausspruch  klingt  doch  anders  als  die  polternde  Anklage 
im  Briefe  an  Tscherte  und  zeigt  deutlich ,  dass  Pirkheimer  sich 
wesentlich  nur  durch  die  hässlichen  Auswüchse  der  Reformations- 
lehre beschämt  fühlt. 


142 

Besass  aber  weiter  Pirkheimer  ein  Recht ,  Dürer  sich  unbe- 
dingt in  allen  Anschauungen  gleichzustellen?  Melanchthon,  welcher 
1524  und  1526  viel  mit  Dürer  und  Pirkheimer  verkehrte,  erzählt, 
dass  die  beiden  Männer  sich  öfter  über  religiöse  Dinge  gestritten 
und  Dürer  dem  Freunde  heftig  widersprochen  hätte.  Dabei  hätte 
Dürer  einen  solchen  Scharfsinn  und  Freiheit  des  Verstandes  ent- 
wickelt, dass  Pirkheimer  recht  in  die  Enge  getrieben  wurde.  Auf 
die  hochmütige  Zurechtweisung  des  Nürnberger  Gelehrten :  Was 
du  da  sagst ,  kann  nicht  gemalt  werden,  durfte  Dürer  mit  über- 
legener Ruhe  antworten :  Und  was  du  da  vorbringst,  kann  nicht  in 
Worte  gekleidet,  nicht  einmal  von  der  Seele  gefasst  werden.  Die 
einfache  Klarheit  und  Überzeugungskraft,  bei  dem  leicht  polternden 
Pirkheimer  vermisst,  fand  dagegen  Dürer,  ebenfalls  nach  dem  Zeug- 
nisse Melanchthons,  in  Luthers  Schriften  und  machte  ihn  zu  ihrem 
eifrigen  Leser.  „Die  Klarheit  und  die  wohlgeordnete  Gliederung 
der  Gedanken  zeichnen  sie  aus.  Hat  man  nur  einige  wenige  Sätze 
auf  der  ersten  Seite  der  Lutherschen  Schriften  gelesen,  so  erkennt 
man  sofort,  welche  Aufgabe  Luther  sich  gestellt  habe  und  wie  er 
sie  im  ganzen  behandeln  wird".  So  viel  steht  fest,  dass  Pirk- 
heimers  und  Dürers  Ansichten  sich  keineswegs  unbedingt  deckten, 
der  eine  nicht  für  den  andern  als  Sprecher  auftreten  kann.  Es 
ist  sogar  gestattet ,  weiter  zu  gehen.  Pirkheimers  trübselige  An- 
schauungen sind  uns  mit  seinen  eigenen  Aussprüchen  bekannt. 
Wenn  nun  Dürer  gerade  in  religiösen  Dingen  mit  ihm  häufig  in 
Widerstreit  geriet,  so  müssen  wir  glauben,  dass  er  hoffnungsvoller 
von  der  Zukunft  dachte ,  eine  freundlichere  Stellung  zum  Refor- 
mationswerke einnahm.  Gegen  die  Schwarmgeister ,  gegen  die 
radikalen  Stürmer  eifert  er  gleichfalls.  Obschon  er  anfangs  mit 
Carlstadt  in  nahem  Verkehr  stand,  so  dass  dieser  ihm  eine  gegen 
Rom  gerichtete  Flugschrift :  Von  Anbetung  und  Ehrerbietung  der 
Zeichen  des  Neuen  Testamentes,  widmete,  so  wollte  er  doch  von 
dem  gewaltsamen  Bruche  mit  dem  alten  Kultus  nichts  wissen.  Wie 
er  die  ersten  Christen  wegen  ihres  Bilderhasses  getadelt  hatte,  so 
wandte  er  sich  jetzt  gegen  die  neuen  Bilderstürmer.  In  der  Vor- 
rede zur  Unterweisung  der  Messung  1525  verteidigte  er  mit  warmen 
Worten  den  hohen  Wert  der  Bilder :  ,, Unangesehen,  dass  jetzt  bei 
uns  und  in  unseren  Zeiten  die  Kunst  der  Malerei  durch  etliche 
sehr  verachtet  und  gesagt  will  werden,  sie  diene  zur  Abgötterei, 
so  wird  doch  jeglicher  Christenmensch  durch  Gemälde  oder  Bild- 
nisse so  wenig  zu  einem  Afterglauben  gezogen ,  als  ein  frommer 


143 


Mann  zu  einem  Morde  darum,  dass  er  ein  Waffen  an  seiner  Seite 
trägt.  Müsste  wahrlich  ein  unverständiger  Mensch  sein ,  der  Ge- 
mälde, Holz  oder  Stein  anbeten  wollte.  Darum  ein  Gemälde  mehr 
Besserung  denn  Ärgernis  bringt ,  so  es  ehrbarlich ,  künstlich  und 
wohl  gemacht  ist". 

Wie  er  über  die  Bauernkriege,  auch  hier  in  Ubereinstimmung 
mit  Luther,  dachte,  darüber  belehrt  uns  die  an  gleichem  Ort  ent- 
worfene ,, Viktoria  über  die  aufrührerischen  Bauern".  Die  scherz- 
hafte Aussenseite  birgt  einen  bitteren  Kern.  Der  betörte  Karsthans 
lässt  die  guten  Sachen ,  die  Früchte  des  Feldes ,  sein  Vieh  und 
seinen  Käse  hinter  sich  liegen  und  wird  für  seinen  Ubermut  mit 
schmählichem  Tode  bestraft.  In  seiner  unmittelbaren  Nähe,  in  dem 
Nürnberger  Künstlerkreise  hatte  das  Treiben  der  Sektierer  um  sich 
gegriffen.  Hieronymus  Andrae,  der  berühmte,  auch  von  Dürer  viel- 
beschäftigte Formschneider,  hatte  sich  mit  den  aufständischen  Bauern 
ins  Einvernehmen  gesetzt  und  gegen  den  Rat  Hass  und  Wider- 
stand geschürt.  Er  wurde  dafür  1525  in  das  Gefängnis  geworfen. 
Drei  Maler,  die  ,, gottlosen  Maler",  Sebald  und  Barthel  Beham  und 
Georg  Pencz ,  von  denen  namentlich  der  letztere  mit  dem  Dürer- 
schen  Hause  nähere  Beziehungen  unterhielt,  zählten  zu  den  eifrigsten 
Anhängern  Müntzers.  Sie  wurden  als  Sakramentsleugner,  Schrift- 
verächter vor  das  Gericht  gestellt  und  mit  Verbannung  bestraft. 
Wie  sich  Dürer  zu  diesen  Vorgängen  verhielt ,  darüber  hat  sich 
keine  Kunde  erhalten.  Mit  Bestimmtheit  kann  man  nur  behaupten, 
dass  er  nach  wie  vor  dem  Reformationswerke  treu  anhing,  von 
dessen  Stützen  und  Freunden  als  Genosse  angesehen  wurde,  wie 
er  auch  seinerseits  mit  ihnen  herzlich  verkehrte.  Der  Astronom 
des  Königs  von  England,  Nicolaus  Kratzer  schrieb  ihm  (24.  Ok- 
tober 1524)  von  London:  ,,Nun  da  Ihr  Alle  in  Nürnberg  evan- 
gelisch geworden  seid,  muss  ich  Euch  schreiben.  Gott  möge  Euch 
die  Gnade  verleihen  auszuharren.  Die  Widersacher  sind  stark, 
aber  Gott  ist  noch  stärker  und  gewohnt  dem  Schwachen  zu  helfen, 
die  ihn  anrufen  und  erkennen".  Dürer  ging  in  seiner  Antwort 
(5.  Dezember)  auf  Kratzers  gute  Wünsche  ein.  ,,Item  des  christ- 
lichen Glaubens  halber  müssen  wir  in  Schmach  und  Gefahr  stehen; 
denn  man  schmäht  uns,  heisst  uns  Ketzer.  Aber  Gott  verleihe  uns 
seine  Gnade  und  stärke  uns  in  seinem  Worte ,  denn  wir  müssen 
Gott  mehr  gehorsam  sein ,  denn  den  Menschen.  So  ist  es  besser 
Leib  und  Gut  verloren,  denn  dass  von  Gott  unser  Leib  und  Seele 
in  das  höllische  Feuer  versengt  werde.    Darum  mache  uns  Gott 


144 


beständig  im  Guten  und  erleuchte  unsere  Widersacher,  die  armen 
bUnden  Leute,  auf  dass  sie  nicht  in  ihren  Zweifeln  verderben.  Von 
neuen  Mären  ist  zur  Zeit  nicht  gut  zu  schreiben.  Aber  es  sind 
viel  böse  Anschläge  vorhanden.  Es  wird  allein  der  Wille  Gottes 
geschehen". 

Ein  anderer  Freund  der  Reformation ,  der  Stadtschreiber 
Cornelius  Grapheus ,  sah  in  Dürer  eine  feste  Stütze  der  Evan- 
geUschen  und  empfahl  ihn  (23.  Februar  1524)  mehreren  Männern 
(Brüdern),  welche  ihres  Glaubens  wegen  die  Niederlande  verlassen 
mussten.  Im  Namen  der  Freunde,  welche  sich  Dürer  in  den  Nieder- 
landen erworben  hatte,  bittet  er  diesen  um  Nachricht,  wie  er  sich 
befinde ,  und  was  in  Nürnberg  vorgehe.  ,,Denn  es  ist  ja  kein 
Zweifel,  dass  grosse  Dinge  geschehen.  Über  mein  Befinden  schreibe 
ich  nichts.  Darüber  können  Euch  die  Überbringer  dieses  Briefes, 
vortreffliche  Männer  und  durch  und  durch  gute  Christen,  unter- 
richten. Ich  empfehle  sie  Euch  und  unserem  Pirkheimer  wie  mich 
selber.  Denn  sie  sind  würdig,  den  besten  Männern,  da  sie  selbst 
solche  sind,  empfohlen  zu  werden.  Bei  uns  erhebt  sich  eine  grosse 
und  täglich  sich  steigernde  Verfolgung  wegen  des  Evangeliums,  wie 
Euch  unsere  Brüder,  die  Briefträger,  alles  deutlicher  erzählen  werden". 

Die  in  der  Fremde  lebenden,  über  die  Nürnberger  Vorgänge 
vielleicht  schlecht  unterrichteten  Freunde  der  Reformation  waren 
es  nicht  allein,  welche  Dürer  als  Bundesgenossen  ehrten ;  auch  die 
Helden  derselben  bauten  auf  ihn  und  standen  mit  ihm  bis  an  sein 
Lebensende  im  vertrauten  Verkehre.  An  Ulrich  Zwingli  sandte  er 
durch  Felix  Frey  Grüsse  und  schenkte  ihm  Proben  seiner  Kunst. 
Mit  den  Lehrern  des  neu  errichteten  Nürnberger  Gymnasiums 
pflegt  er  freundlichen  Umgang ,  namentlich  mit  Eoban  Hesse 
und  Joachim  Camerarius.  Das  Gymnasium  aber  war  zum  Träger 
der  neuen  von  der  Reformation  empfohlenen  Bildung  bestimmt. 
Eoban  Hesses  Leichengedicht ,  noch  mehr  die  Äusserungen  in 
seinen  Briefen  legen  von  der  Verehrung,  welche  Dürer  genoss,  und 
von  der  tiefen  Trauer,  welche  sein  vorzeitiger  Tod  hier  in  weiten 
Kreisen  weckte,  ein  lebendiges  Zeugnis  ab.  Auch  Luther  beklagt 
seinen  Tod ,  pries  ihn  aber  glücklich ,  dass  Christus  ihn  so  er- 
leuchtet und  zu  guter  Stunde  aus  diesen  stürmischen  Zeiten  fort- 
genommen hat.  Mit  Joachim  Camerarius  beriet  er  seine  littera- 
rischen Pläne.  Er  forderte  den  Gelehrten  auf,  sein  Werk  über  die 
Proportionen  in  das  Lateinische  zu  übertragen  und  war  willig,  die 
Arbeit  durchzusehen.    Der  Tod  kam  dazwischen.    Erst  mehrere 


145 


Jahre  später  gab  Camerarius  die  lateinische  Übersetzung  heraus 
und  begleitete  sie  mit  einer  ausführlichen  Vorrede ,  in  welcher  er 
nicht  allein  Dürer  eine  glänzende  Lobrede  hielt,  sondern  auch 
mannigfache  Beiträge  zur  Biographie  des  Künstlers,  zu  seinem  äusseren 
Aussehen,  seinem  Aufenthalte  in  Italien  bietet.  Am  nächsten  stand 
ihm  Melanchthon.  Zweimal,  1524  und  1526,  nahm  dieser  als  Rat- 
geber bei  der  Gründung  des  Gymnasiums  einen  längeren  Aufent- 
halt in  Nürnberg  und  knüpfte  mit  Dürer  eine  enge  Freundschaft. 
Das  meiste  und  beste,  was  wir  über  Dürer,  seine  Denkweise,  seine 
Entwickelung  in  späteren  Jahren  wissen ,  danken  wir  den  Mittei- 
lungen Melanchthons.  Sie  setzen  einen  überaus  regen  Verkehr 
der  beiden  Männer  voraus  und  bekunden,  dass  Dürer  sein  ganzes 
Herz  Melanchthon  ausgeschüttet  hat.  Ausser  Pirkheimer  besass  in 
der  letzten  Zeit  seines  Lebens  Dürer  keinen  besseren  Freund  als 
den  ,,praeceptor  Germaniae".  Als  Melanchthon  über  Frankfurt  die 
Nachricht  von  Dürers  Tod  empfing,  wollte  er  anfangs  die  Trauer- 
botschaft nicht  glauben.  ,,Was  beklage  ich  Deutschland,  dass  es 
einen  solchen  Mann,  einen  solchen  Künstler  verloren  hat."  Dürer 
gehörte  nicht  zu  den  leidenschaftlichen  Stürmern.  Er  hielt  gewiss 
an  einzelnen  Sitten  und  Einrichtungen  der  alten  Kirche  fest.  Er 
hat  kein  protestantisches  Bekenntnis  abgelegt,  aber  frühzeitig  refor- 
matorische Gedanken  gehegt  und  immer  kräftiger  entwickelt.  Nicht 
allein  als  private  Person,  sondern  auch  als  Künstler. 


XIV. 


Camerarius  betont  in  der  Vorrede  zur  lateinischen  Ausgabe 
der  Proportionen  den  engen  Zusammenhang  zwischen  Dürers 
Werken  und  seiner  persönHchen  Natur.  Als  die  Frucht  der  letz- 
teren haben  wir  die  Stiche,  Schnitte,  Zeichnungen  und  Bilder  auf- 
zufassen. Er  hebt  als  Beispiel  hervor ,  dass  sich  seine  Wünsche 
und  seine  Empfindungsweise  in  allen  Schöpfungen  widerspiegele. 
,,Wir  bewundern  ihn  mit  Recht  am  meisten  als  den  Hüter  der 
Frömmigkeit  und  Bescheidenheit,  zugleich  als  den  Mann,  der,  wie 
die  kühne  Grösse  seiner  Bilder  zeigt ,  der  eigenen  Kraft  voll  be- 
wusst  war.  Nicht  eine  einzige  Linie  ist  falsch  oder  nachlässig  ge- 
zogen, nicht  ein  einziger  Pinselstrich  überflüssig".  Aus  der  Rich- 
tung ,  welche  er  in  seinen  Werken  einschlug ,  dürfen  wir  mit 
Sicherheit  auf  seinen  Charakter  und  dessen  Entwickelung  schliessen. 
Fragen  wir  aber  nicht  etwa  nach  kirchlichen  Tendenzen  in  seinen 
späteren  Arbeiten.  Auf  diese  Frage  giebt  er  keine  Antwort.  Die 
kirchliche  Kunst  war  ihm  überhaupt  seit  langer  Zeit  ganz  fremd 
geworden.  Dürer  hielt  die  Kunst  zu  hoch ,  als  dass  er  sie  zu 
anderen  als  künstlerischen  Zwecken  verwendet  hätte.  Sie  ist  und 
bleibt  für  ihn  ein  selbständiges  Reich.  Das  schliesst  aber  nicht 
aus ,  dass  Gedankenkreise ,  welche  sich  seiner  ganzen  Seele  be- 
mächtigt hatten,  für  deren  Wahrheit  er  persönlich  einstand ,  nicht 


147 


auch  in  seiner  Phantasie  herrschten  und  einen  künstlerischen  Aus- 
druck fanden. 

Das  rückschauende  Auge  des  Historikers  verweilt  nicht  bei 
den  einzelnen  Ereignissen ,  sondern  sucht  nach  ihrem  Zusammen- 
hange und  fasst  sie  als  grosse  Einheit  zusammen.  So  folgenreich, 
für  uns  Deutsche  epochemachend ,  die  Trennung  von  der  alten 
Kirche,  die  Feststellung  eines  neuen  Bekenntnisses  auch  ist,  so  füllt 
doch  dieses  Ereignis  den  Rahmen  nicht  vollständig  aus,  welcher 
das  Reformationszeitalter  im  historischen  Sinne  in  sich  schliesst. 
In  dem  Gedankenkreise  und  dem  Formensinn,  namentlich  der  ger- 
manischen Menschheit,  waren  grosse  Veränderungen  vor  sich  ge- 
gangen ,  welche  alle  mehr  oder  weniger  miteinander  zusammen- 
hingen. Die  Pforte ,  durch  welche  die  Kunst  des  siebzehnten 
Jahrhunderts  glänzend  und  siegreich  eintritt ,  wird  leise  geöffnet. 
Wie  auf  religiösem  und  sittlichem  Gebiete  das  Streben  dahin  geht, 
das  Verhältnis  zu  den  Idealen  innerlich  zu  vertiefen  und  persönlich 
zu  gestalten,  so  nimmt  der  wissenschaftliche  Sinn  und  die  Phantasie 
die  Beobachtung  zum  Ausgangspunkte  und  sucht  in  das  Innere  der 
Natur,  der  menschlichen  Erscheinung  einzudringen.  Der  Gewissen- 
haftigkeit dort  entspricht  hier  der  ernste  Trieb  nach  reichstem 
Wissen.  Mit  der  Fülle  und  der  Schärfe  der  Beobachtungen  mehrt 
sich  das  Verständnis  und  steigert  sich  das  Interesse.  Wie  die 
Wissenschaft  das  Gesetzmässige  in  der  Bildung  und  Entwickelung 
der  Dinge  erkennt ,  so  fasste  die  Phantasie  eine  immer  wärmere 
Liebe  zu  ihnen.  Sie  sucht  die  Schönheit  nicht  ausserhalb,  gleich- 
sam über  der  Natur.  So  wie  sie  ist,  erscheint  die  Welt  voll  der 
mannigfachsten  Reize  ,  wert  von  der  Kunst  verkörpert  zu  werden. 
Die  liebevolle  Wahrheit  wird  ihr  Ziel.  Dieses  galt  von  der 
landschaftlichen  Natur  wie  von  der  menschlichen  Erscheinung. 
Das  Porträt  tritt  in  den  Vordergrund  der  Kunstpflege.  Nicht  das 
Einzelbildnis  und  die  Bildnisgruppe  allein  sind  dabei  gemeint. 
Auch  reichere  Schilderungen,  umfassendere  Kompositionen  ein- 
zelner Naturstudien ,  besitzen  eine  porträtmässige  Grundlage.  Das 
Bildnis  selbst  spiegelt,  dem  Zuge  der  Zeit  entsprechend,  das 
Innere  des  Dargestellten ,  sein  Temperament ,  seine  Sinnesweise 
lebendig  wieder,  es  wird  zur  Charakterfigur.  Selbstverständlich 
mussten  mehrere  Menschenalter  vorübergehen,  ehe  die  neue  Kunst- 
richtung reife  Früchte  trug.  Erst  im  siebzehnten  Jahrhundert, 
vornehmlich  bei  den  Holländern,  gewann  sie  volle  Kraft.  Vor- 
bereitet und  begonnen  wurde   sie  aber  bereits  im  Zeitalter  der 

lO* 


148 

Reformation,  in  deren  Grund  und  Boden  sie  wurzelte.  Der  Mann 
aber,  welcher  ihr  vor  allen  anderen  zum  Durchbruche  verhalf,  war 
Albrecht  Dürer. 

Seine  Natur,  seine  künstlerischen  Neigungen,  seine  theo- 
retischen Studien  hatten  ihn  für  diese  Rolle  wirksam  vorbereitet. 
Von  früher  Jugend  hatte  er  sich  Porträtdarstellungen  zugewandt 
und  an  ihnen  sein  Auge  stetig  geübt.  Im  Jahre  15 14  stach  er 
in  kleinem  Massstabe  die  Apostel  Paulus  und  Thomas  (B.  50,  48) ; 
die  ersten  Gestalten,  welche  ein  eingehendes  Gewandstudium,  und 
zugleich  das  Streben  nach  einem  gesammelten  Ausdrucke  in  den 
Köpfen  verraten.  Der  Aufenthalt  in  den  Niederlanden,  wo  auch 
sein  Formensinn  mannigfache  Anregungen  fand  und  die  Strömung 
in  der  Heimat  nach  seiner  Rückkehr  förderten  die  in  ihm  schon 
lange  keimenden  Neigungen.  In  die  letzten  Lebensjahre  fallen 
(mit  Ausnahme  des  kleinen  Kardinals)  sämtliche  gestochenen  Por- 
träts ,  die  schönsten  Porträtzeichnungen  und  die  berühmtesten  ge- 
malten Bildnisse. 

Eine  alte  Schuld  hatte  er  an  Erasmus  von  Rotterdam  abzutragen. 
Er  hatte  ihn  in  Brüssel  1520  mit  der  Kohle  zu  zeichnen  begonnen. 
Nach  dieser  Zeichnung  stach  Dürer  1526  das  Bildnis  (B.  107), 
welches  den  Gelehrten  in  weitärmeliger  Schaube,  bedeckten  Hauptes 
am  Pulte  emsig  schreibend ,  darstellt.  Die  Anordnung  zeugt  von 
grosser  Sorgfalt.  Auf  dem  Tische ,  welcher  dem  Schreibpulte 
als  Unterlage  dient,  steht  eine  Vase  mit  Blumen,  die  Bank  davor 
ist  mit  Folianten,  offenen  und  geschlossenen,  belegt.  Der  Künstler 
giebt  dem  Stiche  den  Charakter  eines  Gemäldes,  bemüht  sich  auch 
seine  technische  Geschicklichkeit  in  hellem  Lichte  zu  zeigen.  Den 
Eindruck  frischen  Lebens ,  packender  Wahrheit  weckt  das  Blatt 
nicht ;  es  brachte  Dürer  von  Erasmus  nur  kühles  Lob  ein  ,,dass  es 
nicht  ganz  ähnlich  sei,  könne  nicht  wunder  nehmen,  da  er  sich  in 
den  letzten  fünf  Jahren  sehr  verändert  habe."  Mit  sichtlicher  Liebe 
sind  dagegen  die  Züge  Pirkheimers  und  des  Kurfürsten  Friedrich  des 
Weisen  von  Sachsen  (1524)  wiedergegeben  (B.  106,  104).  Anziehend 
von  Natur  sind  gewiss  weder  die  eine  noch  die  andere  Persönlichkeit 
gewesen.  Alter  und  Fett  hat  die  Gesichter  aufgedunsen ,  schwer 
und  stumpf  gemacht.  Wie  vortrefflich  macht  sich  die  kleine  Ver- 
drussfalte bei  Pirkheimer  geltend,  wie  klar  spricht  aus  dem  matt- 
gewordenen Auge,  dem  Doppelkinne  der  Rückgang  geistiger 
Schärfe,  die  Neigung  zum  Genussleben.  Milde  und  Gutmütigkeit 
prägt  sich  in  dem  Kopfe  des  Kurfürsten  aus,  aber  zugleich  eine 


149 


gewisse  zähe  Beharrlichkeit.  Dazu  tritt  die  meisterhafte  Führung 
des  Grabstichels  in  beiden  Blättern  hinzu,  ohne  dass  durch  die 
Feinheit  der  Haar-  und  Bartbehandlung  der  stolze,  selische  Aus- 
druck als  das  Wesentliche,  das  Charakteristische  abgeschwächt  würde. 
Technisch  minder  gelungen ,  in  den  Schatten  zu  schwarz  geraten, 
erscheint  Melanchthons  Porträt  (1526,  B.  105),  mit  welchem  Dürer 
wahrscheinlich  seine  Thätigkeit  als  Stecher  abschloss,  wie  mit  dem 
Bildnisse  des  Eoban  Hesse  seine  Wirksamkeit  für  den  künstlerischen 
Holzschnitt.  Trotzdem  kommt  auch  in  Melanchthon  die  psycho- 
logische Wahrheit,  der  eigentümliche  Charakter  des  mehr  durch 
Gedankenfülle  als  Thatkraft  ausgezeichneten  Mannes  lebendig  zur 
Geltung.  Dasselbe  Jahr  1526,  welches  uns  die  gestochenen  Eras- 
mus und  Melanchthon  schenkt,  ist  auch  das  Geburtsjahr  der  beiden 
berühmten  Porträtgemälde ,  des  Jakob  Muffel  und  Hieronymus 
Holzschuher.  Sie  wurden  in  den  letzten  Jahren  den  Schätzen  des 
Berliner  Museums  einverleibt.  Namentlich  das  Brustbild  des  letz- 
teren geniesst  mit  Recht  volkstümlichen  Ruhm.  Ein  jugendlicher 
Greis  wird  vor  unsere  Augen  gestellt ,  welchem  das  Alter  wohl 
Haar  und  Bart  weiss  färben ,  aber  Kraft  und  Lebensfülle  nicht 
rauben  konnte.  Eine  gesunde  Röte  überzieht  gleichmässig  das 
Antlitz ,  die  blauen,  Augen  blitzen ,  die  starken  Lippen  bekunden 
Genussfreude.  Dürer  verschmäht  seine  alten  Künste  nicht.  Bart 
und  Haare  sind  Wunderwerke  sorgfältiger  und  doch  leichter  Aus- 
führung, in  den  Pupillen  spiegeln  sich  die  Fensterkreuze  wieder. 
Mit  der  packenden  Lebendigkeit  Holzschuhers  kann  das  Bildnis 
Jakob  Muffels  nicht  wetteifern.  Die  Farben  erscheinen  gedämpft,  die 
Zeichnung  ist  bis  in  das  Kleinste  scharf  und  bestimmt  durchgeführt. 
Es  fehlt  das  glückliche  Erfassen  eines  Augenblickes,  wodurch  die 
erstaunliche  Lebendigkeit  Holzschuhers  erzielt  wurde.  Gönnt  man 
sich  aber  die  rechte  Müsse,  so  erkennt  man  auch  in  dem  Bildnisse 
des  bart-  und  zahnlosen  kahlen  Muffel  in  seiner  einfachen  schwarzen 
Pelzschaube  und  der  goldurchwirkten  Kopfhaube  die  künstlerischen 
Vorzüge  Dürers ,  die  Wahrheit  des  Ausdruckes ,  die  gesammelte 
Kraft  der  Charakteristik  wieder ,  welche  uns  das  Recht  geben  ihn 
als  Vorläufer  der  niederländischen  Porträtmaler ,  dieser  unerbitt- 
lichen und  gerade  durch  die  vollkommene  Ehrlichkeit  so  anziehenden 
Schilderer  der  reinen  Natur  zu  begrüssen.  Nach  der  nieder- 
ländischen Reise  nahm  Dürer  mit  neuem  Eifer  auch  die  Apostel- 
bilder wieder  auf,  mit  welchen  er  in  dem  Jahre  15 14  begonnen 
hatte.  In  das  Jahr  1523  fallen  die  Stiche  des  h.  Bartholomäus  mit 


ISO 

dem  Messer  und  des  Simon  mit  der  Säge  (B.  47,  49),  dem  Jahre 
1526  entstammt  der  h.  Philippus  mit  dem  Schwerte  (B.  46).  Was 
hat  nicht  Dürer  im  Laufe  eines  Jahrzehntes  zugelernt.  Die  älteren 
Apostelfiguren  (und  die  in  Wasserfarben  gemalten  Köpfe  der  Apostel 
Philippus  und  Jakobus  in  den  Uffizien  in  Florenz  15 16)  verraten  in 
den  Köpfen  noch  den  Kampf  zwischen  dem  erfinderischen  Ver- 
stände und  der  von  Natureindrücken  gesättigten  Phantasie.  Kein 
Zug  ist  gegen  die  Natur,  aber  es  mangelt  die  unmittelbare  Glaub- 
würdigkeit solcher  Kopfbildungen.  Die  Gewänder  zeigen  noch 
schwere  Formen,  scharf  gebrochene  Falten.  In  den  späteren  Blättern 
dagegen  besitzen  die  Köpfe ,  ohne  an  Charakter  zu  verlieren ,  ein 
porträtartiges  Gepräge.  Sie  geben  keine  Alltagsnaturen,  trotz  des 
besonderen  Aussehens  der  durchaus  greifbaren  Persönlichkeiten 
wieder.  Die  Mäntel  sind  aus  einem  weicheren  Stoffe  gewebt, 
brechen  nicht  in  scharfen  Falten,  sondern  fallen  in  langem  Wurfe  im 
ruhigen  Flusse  herab.  Bezeichnend  für  seine  spätere  Stichtechnik 
sind  die  feinen  hellen  Linien,  welche  die  Gewänder  umsäumen. 

Alle  diese  kleinen  gestochenen  Apostel  treten  aber  weit  zurück 
gegen  die  vier  grossen  Apostel,  welche  er  1526  auf  zwei  Tafeln 
gemalt  hatte.  Sie  sind  sein  letztes,  zugleich  sein  grösstes  Werk, 
in  welchem  er  den  Gipfel  seiner  Künstlerkraft  erreichte.  Im 
Jahre  1526  richtet  Dürer  an  den  Rat  von  Nürnberg  folgende 
Zuschrift:  ,,Dieweil  ich  vorlängst  geneigt  gewesen  wäre.  Eure 
Weisheit  mit  einem  kleinwürdigen  Gemälde  zu  einem  Gedächtnis 
zu  verehren ,  habe  ich  doch  solches  aus  Mangelhaftigkeit  meiner 
geringschätzigen  Werke  unterlassen  müssen.  Nachdem  ich  aber 
diese  vergangene  Zeit  eine  Tafel  gemalt  und  darauf  mehr  Fleiss 
denn  auf  andere  Gemälde  gelegt  habe ,  achte  ich  Niemand  wür- 
diger dieses  zu  einer  Gedächtnis  zu  behalten  als  Eure  Weisheit, 
deshalb  ich  auch  dieselbe  hiermit  Eurer  Weisheit  verehre ,  unter- 
thäniger  Weise  bittend ,  dieselben  wollen  dieses  kleine  Geschenk 
gefällig  und  günstig  annehmen  und  meine  günstigen  gnädigen  Herrn, 
wie  ich  bisher  allbei  gefunden  habe,  sein  und  verbleiben".  Wie 
das  Gesuch  Dürers ,  so  hat  sich  auch  die  Antwort  des  Rates 
(6.  Oktober)  erhalten.  Der  Rath,  heisst  es  in  derselben,  sei  er- 
bötig das  Werk,  ,,  eine  Tafel  mit  vier  Figuren"  zum  Andenken 
zu  behalten,  nicht  minder  aber  auch  erbötig,  ihm  dafür  zu  bezahlen, 
was  er  daran  verdient  habe.  Was  er  also  auch  fordere,  oder  ob 
er  gleich  nichts  fordern  wollte,  so  soll  es  von  den  Elteren  Herrn 
angezeigt   und  ein  ehrbarer  Ausgleich   verhandelt  werden.  Der 


151 

Rat  beschloss :  112  Gulden  Rheinisch  Albrecht  Dürer  für  ,,zwei 
Tafel ,  die  eine  S.  Peter  und  S.  Johannes ,  die  andere  S.  Paulus 
und  S.  Marcus,  kunstvoll  gemalt,  die  er  einem  Rathe  geschenkt 
hat"  auszuzahlen,  ihm  100  Gulden  und  seinem  Weibe  12  Gulden. 
Auch  dem  Diener  wurden  2  Gulden  Rheinisch  als  Geschenk  ver- 
ehrt. Dürer  begnügt  sich  nicht  damit ,  die  Apostelbilder  dem 
Rate  seiner  Vaterstadt  zu  widmen ,  sondern  fügte  noch  in  Form 
von  Unterschriften  unter  jeder  Tafel  einen  Mahn-  und  Weckruf 
an  ihn  an.  ,,Alle  weltliche  Regenten  in  diesen  gefahrvollen  Zeiten 
sollen  billig  acht  haben ,  dass  sie  nicht  für  das  geistliche  Wort 
menschliche  Verführung  machen,  denn  Gott  will  nichts  zu  seinem 
Worte  gethan ,  noch  davon  genommen  haben.  Darum  hört  diese 
trefflichen  vier  Männer  Petrum,  Johannem,  Paulum  und  Marcum". 
Er  führt  sodann  aus  ihren  Schriften  die  Belegstelle  an,  aus  der 
zweiten  Epistel  Petri  (2.  2)  die  Warnung  vor  den  falschen  Pro- 
pheten und  falschen  Lehren,  die  verderbliche  Sekten  einführen  und 
den  Herrn  verleugnen  und  ebenso  aus  der  ersten  Epistel  Johannes 
(2.  4)  die  Mahnung,  nicht  jeglichem  Geiste  zu  glauben,  sondern 
die  Geister  zu  prüfen,  ob  sie  von  Gott  sind.  Paulus'  zweiter  Brief 
an  Timotheus  (K.  3)  lehrt ,  dass  in  den  letzten  Tagen  greuliche 
Zeiten  eintreten  werden ,  Schänder ,  Frevler  und  Verräter  werden 
auftreten ,  welche  die  Geberde  eines  gottseligen  Wandels  haben, 
aber  seine  Kraft  verleugnen.  Von  solchen  muss  man  sich  ab- 
wenden. Markus  endlich  (K.  12)  macht  auf  die  Schriftgelehrten  auf- 
merksam ,  die  gern  in  langen  Kleidern  gehen  und  gern  obenar 
sitzen  in  den  Schulen  und  über  Tisch,  aber  der  Witwen  Häuser 
fressen.  Dieselben  werden  desto  mehr  Verdammnis  cmpfahen. 
Für  die  richtige  Würdigung  eines  Künstlers  und  seiner  Thätigkeit 
bieten  auch  äusserliche  Thatsachen  manche  Hilfe.  Dass  Dürer 
sein  Werk  dem  Rate  von  Nürnberg,  in  welchem  Männer  der  neuen 
Zeit,  Freunde  der  reformatorischen  Richtung  vorherrschten,  dass  er 
den  Text  der  Unterschriften  nicht  der  alten  Koberger  Bibel,  son- 
dern der  Septemberbibel  Luthers  entlehnt,  wirft  denn  doch  auf  die 
Stellung  Dürers  zu  den  Zeitläuften  und  zu  Luther  ein  helles  Licht. 
Die  Bedeutung  der  Unterschriften  wächst ,  wenn  man  das  weitere 
Schicksal  der  Apostelbilder  verfolgt.  Kurfürst  Maximilian  von  Baiern, 
der  grosse  Verehrer  Dürerscher  Kunst,  wünschte  sehnlich  in  ihren 
Besitz  zu  kommen,  stiess  aber  auf  längeren  Widerstand  des  Rates 
Man  hoffte ,  er  werde  sich  mit  Kopien  begnügen ,  da  ,,den  Tafeln 
Sprüche  vom  Widerchrist,  von  Menschensatzungen  und  Hoffahrt 


152 

beigegeben  sind".  Die  Jesuiten  zu  München  würden  ohne  Zweifel 
die  Zurücksendung  derselben  anraten.  Der  kluge ,  kunstliebende 
Fürst  resolvierte  (1627)  kurzweg,  die  Inschriften  seien  abzusägen 


Johannes  und  Petrus.     Gemälde  in  der  Pinakothek  zu  München. 

und  nach  Nürnberg  zurückzuschicken.  Seitdem  prangen  die  Origi- 
nale ohne  Unterschriften  in  der  Münchener  Pinakothek ,  in  Nürn- 
berg aber  wurden  die  echten  Inschriften  an  die  Gärtnersche  Kopie 
der  Tafeln  befestigt. 


153 


Der  Briefwechsel  zwischen  Dürer  und  dem  Rate  hilft  auch  die 
Frage  entscheiden ,  ob  die  beiden  Tafeln  ein  einheitliches  Ganze 


Paulus  und  Markus.     Gemälde  in  der  Pinakothek  zu  München. 

bilden  oder  als  Flügel  eines  grossen  Werkes  aufzufassen  sind. 
Wenn  Dürer  an  ein  Mittelbild  gedacht  hätte ,  so  könnte  es  nur 
die  Kreuzigung  gewesen  sein ,  zu  welcher  sich  aus  den  zwanziger 


154 


Jahren  einzelne  Skizzen  und  Studien  erhalten  haben.  Es  liegt  aber 
durchaus  kein  Grund  vor,  an  einen  Flügelaltar  zu  denken.  Dürer 
spricht  nur  von  einer  Tafel ,  der  Rat  abwechselnd  von  einer  und 
von  zwei  Tafeln.  Die  letztere  Angabe  entspricht  der  Thatsache ; 
aber  auch  die  andere  Bezeichnung  ist  nicht  unrichtig,  da  beide 
Tafeln  offenbar  zu  einander  gehören ,  erst  zusammen ,  als  Einheit 
erfasst  und  geschaut  vollkommen  verstanden  werden.  Den  Anlass 
zu  dem  Werke,  dessen  besondere  Bestimmung  erklären  hinreichend 
seine  von  dem  Herkommen  abweichende  Gestalten. 

Dürer  gab  in  denselben  einer  durch  die  Ereignisse  der  letzten 
Jahre  geweckten,  namentlich  in  den  Reichsstädten  weitverbreiteten 
Stimmung  Ausdruck.  Arger  Zwiespalt  hatte  die  Reihen  der  An- 
hänger der  neuen  Lehre  durchbrochen ,  Masslosigkeit  der  For- 
derungen ,  phantastisches  Gebaren ,  auch  wohl  persönliche  Selbst- 
sucht den  Sieg  des  Refofmwerkes  in  Frage  gestellt.  Schwierig 
war  besonders  die  Stellung  der  Reichstädte,  welche  der  Zeit- 
strömung huldigten ,  aber  doch  den  radikalen  Umwälzungen ,  ins- 
besondere auf  kirchenpolitischem  Gebiete,  widerstrebten.  Solchen 
sorglichen  Gedanken  hatte  bereits  Bruder  Heinrich  von  Kettenbach 
1525  in  seiner  ,,Praktica,  practiciert  auss  der  heyligen  Bibel  uff  vil 
zukünfftig  jar"  das  Wort  geliehen.  Heinrich  von  Kettenbach  mahnt 
in  seiner  Flugschrift  die  Reichstadt,  Gottes  Wort  und  Schrift  vor 
Augen  zu  behalten,  erinnert  sie  an  den  Spruch  Pauli :  Ihr  sollt  alle 
Ding  bewaren  und  behalten,  was  gut  ist  und  an  das  Wort  des 
Johannes :  Ihr  sollt  die  Geist  bewaren,  ob  sie  aus  Gott  sind.  Es 
ist  bemerkenswert,  dass  Kettenbach  dieselben  Apostel  als  Zeugen 
anruft ,  welche  Dürer  in  den  Vordergrund  seines  Bildes  stellt 
und  ihnen  die  gleichen  Warnungen  auf  die  Lippen  legt,  welche 
wir  auf  den  Unterschriften  auf  Dürers  Tafeln  lesen.  Es  erscheint 
nicht  allzugewagt ,  wenn  man  bei  Dürer  die  Kenntnis  der  Flug- 
schrift des  Kettenbach  voraussetzt  und  vermutet,  dass  er  derselben 
die  erste  stoffliche  Anregung  zu  seinem  Werke  verdankt.  Ten- 
denzbilder sind  aber  trotzdem  die  „vier  Apostel"  nicht  geworden. 
In  einem  Gedankenkreise  und  einer  Stimmung ,  welche  er  mit 
vielen  Zeitgenossen  teilte ,  wurzeln  die  vier  Apostel :  Den  künst- 
lerisch noch  toten  Stoff  verwandelt  er  in  seine  persönliche  Phan- 
tasie um ,  verleiht  ihr  eine  neue  Form  und  giebt  ihm  ein  selb- 
ständig wirksames,  malerisches  Gepräge.  Die  Worte  der  Apostel 
sind  der  unmittelbare  Widerschein  ihres  Charakters.  Zur  Prüfung 
der  Geister  mahnt  Johannes,  und  so  tritt  er  uns  als  eine  ernste 


155 


Denker-  und  Forschergestalt  entgegen.  Mit  dem  Eifer  der  Jugend 
begeistert  er  sich  für  die  Wahrheit,  die  in  dem  aufgeschlagenen 
Buche  verborgen  ist.  Der  sinnende  Blick,  die  hohe  Stirn  bürgen 
dafür ,  dass  er  nicht  blind  glaubt ,  sondern  sorgfältig  alles  erwägt 
und  genau  überlegt.  Paulus  schreibt  von  den  greulichen  Zeiten, 
welche  eintreten  werden,  von  den  Scheinheiligen,  den  Frevlern  und 
Verrätern ,  von  welchen  der  Gläubige  sich  abwenden  muss.  Als 
ob  der  Kampf  schon  nahte ,  erscheint  der  Apostel  auf  dem  Bilde 
zur  Abwehr  gerüstet.  Fest  hält  er  den  Schwertgriff  in  der  Hand, 
scharf  blickt  er  nach  dem  Feinde  aus,  zorniger  Mut,  kühne  Ent- 
schlossenheit sprechen  aus  seinem  Antlitz.  Die  beiden  anderen 
Apostel,  Petrus  auf  der  Johannestafel,  Marcus  auf  der  Paulustafel 
verstärken  und  ergänzen  den  Eindruck  der  Hauptfiguren.  So  hat 
Dürers  Phantasie  abstrakte  Schriftstellen  in  markig  lebendige  Cha- 
raktere umgeschaffen.  Zum  Markuskopfe  besitzt  das  Berliner 
Kabinet  die  lebensgrosse  Vorzeichnung ,  den  Pauluskopf  in  Kreide 
gezeichnet  besass  die  Sammlung  Mitchell  in  London  (jetzt  eben- 
falls im  Berliner  Kabinet).  Auch  zum  Petrus  hat  er  die  wesent- 
lichen Züge  der  Natur  abgelauscht,  nur  im  (übermalten)  Johannes- 
kopfe wird  eine  geringere  Lebendigkeit  bemerkbar.  Jetzt  begreift 
man  die  frühzeitige  Umtaufe  der  Apostelbilder  in  die  Vertreter  der 
vier  Temperamente.  Dürer  hat  gewiss  nicht  ursprünglich  an  die 
Darstellung  der  letzteren  gedacht.  Seine  Gestalten  atmen  aber, 
abgesehen  von  ihrer  biblischen  Bedeutung,  ein  so  mächtiges  Leben, 
tragen  so  sehr  das  Gepräge  einer  von  innen  nach  aussen  ge- 
wachsenen Persönlichkeit ,  dass  wir  unwillkürlich  ihre  historischen 
Namen  in  psychologische  umsetzen  und  in  ihnen  die  Verkörperung 
der  Hauptrichtungen  menschlicher  Empfindungsweise  und  Willens- 
art erkennen. 

Nicht  genug  daran,  dass  Dürer  in  den  vier  Aposteln  vollendete 
Charakterfiguren  schuf,  er  legte  auch  in  sie  alles,  was  er  an  Kunst 
erworben  und  erobert  hat.  Es  ist,  als  ob  in  seiner  Phantasie,  während 
er  die  Bilder  schuf,  seine  ganze  Vergangenheit  vorüberwandelte, 
seine  Ziele,  seine  Bestrebungen  neu  zum  Leben  erwachten  und  hier 
endlich  Erfüllung  fanden.  In  grossem  Wurfe  zeichnet  er  die 
Gewänder  in  fetten,  kräftigen  und  doch  ruhig  wirkenden  Farben, 
plastisch  modelliert,  führt  er  sie  aus.  Der  rote  Mantel  Johannes, 
der  weisse,  noch  von  Thorwaldsen  als  ein  Wunderwerk  angestaunte 
weisse  Mantel  des  Paulus  geben  den  Grundton  an  und  finden  in 
dem  gedämpften  Kolorit  der  hinteren  Apostel  eine  leise  Milderung. 


156 


Auch  die  Wirkungen  der  Kontraste  weiss  Dürer  trefflich  anzu- 
bringen. Jede  Tafel  ist  der  anderen  in  der  Haltung  der  Figuren  und 
im  Ausdrucke  entgegengesetzt.  Dem  milden  sinnenden  Johannes 
steht  der  kampfbereite  Paulus,  dem  ruhigen  Petruskopfe  der  leiden- 
schaftliche Markus  gegenüber.  Selbst  in  dem  Wurfe  und  den  Falten 
der  Gewänder  sind  Kontraste,  wodurch  die  Wirkung  des  einzelnen 
gehoben  wird,  sichtbar. 

Wir  denken,  im  Angesicht  dieser  Tafeln  machte  Dürer  seinem 
Freunde  Melanchton  das  Geständnis,  dass  er  erst  spät  am  Abende 
seines  Lebens  die  Einfachheit  der  Natur  zu  würdigen  gelernt  habe. 
Er  hat  ihre  einfache  Grösse  nicht  nur  gewürdigt,  sondern  auch 
vollends  verkörpert.  Die  Apostelbilder  sind  das  letzte  grössere 
Kunstwerk,  von  welchem  wir  Kunde  haben.  Soweit  ihn  nicht 
Krankheit  plagt,  besorgt  er  den  Druck  seiner  theoretischen  Schriften. 


XV. 


Seit  längerer  Zeit  war  Dürer  von  mannigfachen  Körperleiden 
heimgesucht.  Das  stramme ,  stattliche  Aussehen  in  den  Selbst- 
bildnissen täuscht.  Die  behagliche  Fülle  der  Glieder,  die  angenehme 
Rundung  des  Körpers ,  den  Widerschein  des  ruhiger  fliessenden 
Lebens,  welcher  an  Männern,  ehe  sie  in  das  Greisenalter  treten, 
erfreuen,  hat  Dürer  niemals  gewonnen.  Eine  so  rastlos  arbeitende 
Phantasie ,  die  zuweilen  an  das  Traum-  und  Fieberhafte  mahnt, 
musste  allmählich  seine  körperliche  Gesundheit  gefährden.  Der 
leidenschaftliche  Thätigkeitstricb  hinterliess  immer  tiefere  Spuren 
in  seiner  physischen  Natur.  Die  Seele  blieb  unerschöpflich  in  Ent- 
würfen, aber  der  Leib  zehrte  sich  durch  den  übermässigen  Kräfte- 
verbrauch schliesslich  aus.  In  der  That  macht  sich  die  Abmagerung 
in  den  späteren  Porträten  bemerkbar.  Am  meisten  schädigte  die 
niederländische  Reise  seiner  Gesundheit.  Aus  Erasmus' Briefen  haben 
wir  die  Kunde  von  Krankheitsanfällen,  welche  sein  künstlerisches 
Schaffen  zeitweise  hemmten.  Er  selbst  schreibt  in  seinem  Tage- 
buche :  „da  ich  vormals  in  Zeeland  (in  stürmischem  Winterwetter) 
war,  da  üherkam  mich  eine  wunderliche  Krankheit,  von  der  ich  nie 
von  keinem  Manne  gehört  und  diese  Krankheit  habe  ich  noch." 


158 

Offenbar  grübelte  Dürer  viel  über  die  unerhörte  Krankheit. 
Nach  der  Heimkehr  zeichnete  er  sich  nach  dem  Spiegel.  (Bremer 
Kunsthalle.)  Er  steht  bis  an  die  Hüfte  nackt  da  und  zeigt  mit  der 
Rechten  nach  einem  runden  gelblichen  Fleck  in  der  Nierengegend. 
Von  seiner  eigenen  Hand  steht  beigeschrieben:  ,,Da,  wo  der  gelbe 
Fleck  ist  und  mit  dem  Finger  darauff  dewt,  da  ist  mir  weh."  Mit 
Wehmut  nimmt  man  die  kleine,  leicht  kolorierte  Zeichnung  (L.  130) 
in  die  Hand.  Die  Züge  sind  wohl  noch  kenntUch  geblieben,  aber 
die  Ähnlichkeit  dient  nur  dazu,  die  Verheerung  des  schönen  Kopfes 
durch  Krankheit  noch  deutlicher  zu  machen.  Das  einst  so  reiche 
Lockenhaar  hängt  in  einzelnen  Strähnchen  herab,  der  Bart  ist  buschig 
geworden,  die  Wangen  eingefallen.  Nur  die  Augen  bewahren  noch 
den  alten  Glanz.  Und  noch  war  er  nicht  an  der  Grenze  seines 
Leidens  angekommen.  Wenn  wir  einem  Holzschnitt,  der  bald  nach 
Dürers  Tode  herauskam,  trauen  dürfen,  so  war  er  in  der  That 
zuletzt  ganz  ausgedörrt  ,,wie  eine  Schaube"  ein  wahres  Bild  des 
Erbarmens.  Sein  Tod  am  6.  April  1528  in  beinahe  vollendetem 
siebenundfünfzigsten  Jahre  konnte  daher  die  Freunde  nicht  un- 
erwartet treffen,  wenn  sie  auch  der  plötzliche  Eintritt,  wie  es  scheint, 
ohne  vorangegangener  heftige  Krankheit,  überraschte. 

Ein  längeres  Leben  hätte  den  von  Dürer  hinterlassenen  künst- 
lerischen Schatz  schwerlich  vermehrt.  Der  Tausch  des  Malerkittels 
gegen  den  Gelehrtenrock  war  endgültig  vollzogen.  Wir  dürfen  uns 
daher  rühmen,  Dürers  Werk  vollendet  zu  besitzen  nicht  bloss  in 
dem  Sinne,  dass  wir  seine  Thätigkeit  Jahr  für  Jahr  bis  zum  Tode 
verfolgen  können,  sondern  auch  in  dem  tieferen  Sinne,  dass  wir 
in  der  Summe  seiner  Werke  die  stetige  Entwickelung  der  künst- 
lerischen Natur  bis  zur  Meisterschaft  erblicken.  Die  zeitlich  ge- 
ordnete Aufzählung  der  Stiche,  Schnitte  und  Zeichnungen  bildet 
eine  förmliche  Geschichte  seiner  Phantasie.  Welch  wunderbare, 
scheinbar  oft  wirr  laufende  Entwickelung  hat  er  nicht  seit  seiner 
Jugend  durchgemacht !  Als  wahrer  Künstler  hielt  er  die  Augen 
offen,  lässt  Natur  und  fremde  Arbeiten  auf  sich  einwirken.  Aber 
niemals  wird  er  auf  die  Dauer  von  den  letzteren  abhängig,  be- 
harrt er  eigenwillig  bei  der  einmal  angetretenen  Richtung. 

In  seiner  Jugend  blickt  er  verwundert  zu  Jakob  de'  Barbari 
und  zu  Mantegna  empor.  Dennoch  ist  er  weder  der  Schüler  des 
einen  noch  des  andern  geworden.  Die  Freude  an  der  Feinmalerei, 
welche  man  auf  Jakobs  Beispiel  zurückführen  könnte,  bildet  keinen 
wesentlichen  Zug  in  seinen  gereiften  Werken.     Mantegna  lauscht 


159 


er  einzelne  Gestalten,  Ausdrucksweisen  ab,  aber  nur  so  wie  der 
Künstler  die  Natur  studiert,  weil  sie  ihm  die  gerade  für  sein  Werk 
passendsten  Formen  vor  die  Augen  bringt.  Die  Mantegnesken  Ge- 
stalten scheiden  sich  nicht  mechanisch  von  den  Selbstschöpfungen 
Dürers  ab.  Den  grössten  Einfluss  übte  sodann  Leonardo  auf  ihn 
aus,  einen  viel  grösseren  als  die  Venetianer,  welchen  er  eigentlich 
nur  die  Anordnung  der  heiligen  Familienbilder  das  eine  und  andere 
Mal  entlehnt.  Nach  Leonardos  Kompositionsregel  versucht  Dürer 
in  einem  Gemälde  vorzugehen,  ihm  dankt  er  die  Umwandelung  der 
bloss  richtigen  Proportionalgestalten ,  die  er  bisher  zumeist  ent- 
worfen ,  in  lebendig  erfasste ,  beseelte  Charakterfiguren.  Selbst 
in  der  schärferen  Betonung  des  Knochengerüstes  und  der  sicheren 
anatomischen  Grundlage  bei  der  Zeichnung  grösserer  Köpfe 
möchten  wir  Leonardos  Vorbild  vermuten.  Aber  schon  nach 
wenigen  Jahren  schwindet  Leonardos  Einfluss  als  besonderes  Element 
aus  Dürers  Werken.  Gerade  so  wie  der  Aufenthalt  in  den  Nieder- 
landen seinen  Gesichtskreis  erweiterte ,  den  dramatischen  Sinn 
neu  kräftigte,  aber  keinen  scharfen  Einschnitt  in  seinem  Künstler- 
leben hinterliess. 

Es  mögen  vielleicht  besondere  Eigenschaften  die  Wahl  der 
Vorbilder  gelenkt  haben.  Darüber  darf  man  aber  die  merkwürdige 
Thatsache  nicht  vergessen,  dass  ihre  Reihenfolge  der  allgemeinen 
Kunstentwickelung  genau  sich  anschliesst.  Jacob  de'  Barbari  und 
Mantegna  vertreten  die  Frührenaissance.  Die  höchste  Blüte  der 
Renaissance  in  ihrer  Vollendung  spiegelt  sich  in  Lionardos  Per- 
sönlichkeit wieder.  Der  Beginn  des  Aufschwunges  in  der  Übung 
und  Stellung  der  Kunst,  wie  die  Künstler  aus  der  Fülle  der  land- 
schaftlichen Natur,  aus  dem  Reichtum  des  menschlichen  Lebens 
schöpfen,  lassen  die  Werke  Quintin  Massys,  Pateniers  ahnen.  So 
nahm  Dürer  die  Strömungen  eines  ganzen  Jahrhunderts  in  sich 
auf.  Und  fragen  wir  nach  den  führenden  Geistern,  welche  seine 
Gedanken  bestimmten,  seinen  persönlichen  Anschauungen  Richtung 
gaben,  die  Welt  kennen  lehrten,  so  entdecken  wir,  dass  es  zunächst 
die  deutschen  Humanisten  waren,  in  deren  Geleise  er  gern  einher 
schritt.  Dann  folgte  er  mit  Begeisterung  den  Spuren  des  Erasmus, 
endlich  trat  er  dem  Kreis  von  Männern  nahe,  welche  sich  an  Luther 
und  Melanchthon  angeschlossen  hatten.  Drei  Perioden  durchläuft 
Dürers  Bildungsgang.  Wir  unterscheiden  eine  humanistische,  eine 
erasmische  und  eine  melanchthonische  Periode  und  können  jede 
durch  bezeichnende  Werke  seiner  Hand  darlegen.    Denn  Künstler 


i6o 


und  Mensch  decken  sich  bei  ihm  vollkommen.  Auch  sein  mensch- 
liches Wesen  wird  von  den  mächtigen  Stimmungen  der  Zeit  erfasst, 
seine  Persönlichkeit  von  dem  allgemeinen  Wechsel  und  Wandel 
in  der  Weltanschauung  berührt.  Unsere  Teilnahme  für  den  Säkular-  ^ 
menschen  hält  gleichen  Schritt  mit  der  Bewunderung  seiner  Selb- 
ständigkeit. Der  gereifte  Künstler  steht  nicht  im  schroffen  Gegen- 
satze zu  dem  Stürmer  in  jüngeren  Jahren.  Jeder  grössere  Wechsel 
in  seinem  Phantasieleben  erscheint  nur  als  ein  Schritt  vorwärts 
in  seiner  Entwickelung.  Das  verdankt  er  dem  festen  Beharren  auf 
dem  Volksboden.  Den  grossen  Strömungen  der  Zeit  flössen  die 
vielen  kleineren,  scheinbar  noch  klareren  und  reineren  zur  Seite. 
Dürer  verliert  sich  nicht  in  die  Nebenströme,  hütete  sich  dem  sub- 
jektiven Meinen  und  Belieben  einen  allzu  weiten  Raum  zu  gönnen, 
die  formalen  Regeln  ausschliesslich  anzuwenden.  Er  fügt  zu  den 
langsam  angesammelten  Kunstschätzen  nur  hinzu,  was  in  der  Volks- 
seele Wurzeln  gefasst  hat,  eine  dauernde  Stimmung  weckt. 
Vollendete  Volkskunst  schwebt  ihm  als  Ziel  vor.  Zwar  kannte 
auch  schon  das  Mittelalter  eine  volkstümliche  Kunst.  Aber  hier 
kam  das  künstlerische  Element  doch  nicht  immer  zu  seinem  Recht. 
In  der  italienischen  Renaissance  tritt  der  volkstümliche  Zug  gegen 
das  Kunstreiche  in  den  Hintergrund  zurück.  Die  grossen  Schöpfungen 
der  italienischen  Meister  waren  weder  für  das  Volk  bestimmt  — - 
sie  waren  ihm  auch  selten  zugänglich  —  noch  auf  das  volle,  freie 
Verständnis  desselben  berechnet.  Erst  Dürer  wagte  mit  kühnem 
Geiste  den  Versuch,  das  volkstümliche  Wesen  der  Kunst  mit  den 
Forderungen  eines  geläuterten  Formensinnes  zu  verbinden.  Darauf 
beruht  seine  geschichtliche  Bedeutung. 


Kritische  Anhänge 


Der  historische  und  Utterarische  Sinn  sträuben  sich  gleichmässig 
gegen  den  reichen  Überguss  einer  einfachen  Erzähkmg  mit  mannig- 
fachen Einzelheiten,  gegen  den  häufigen  Einschub  besonderer  Unter- 
suchungen in  die  Schilderung,  wie  sich  ein  Held  entwickelt  hat,  oder 
welche  Strömungen  ein  Zeitalter  beherrschen.  Leicht  wird  der  lebendige 
Fluss  der  Erzählung  unterbrochen,  die  Aufmerksamkeit  von  dem 
Wesentlichen  abgelenkt.  Und  doch  sind  solche  Forschungen  und 
Betrachtungen ,  die  sich  auf  Einzelwerke  beziehen ,  unentbehrlich. 
Auf  ihnen  baut  sich  das  Gesamturteil  auf,  und  wer  den  Künstler 
nicht  bei  der  Einzelarbeit  beobachtet,  gewinnt  keinen  rechten  Ein- 
druck von  seiner  künstlerischen  Natur.  Für  den  Forscher  Dürers, 
den  Lehrer  sind  solche  Studien  die  notwendige  Voraussetzung; 
mit  ihnen  beginnt  er  die  wissenschaftliche  Beschäftigung  mit  dem 
Meister.  Aber  auch  der  einfache  Dürerfreund,  der  gebildete  Deutsche, 
welcher  den  Grund  der  Lobpreisungen  Dürers  erfahren  will,  muss 
einen  klaren  Einblick  in  die  Arbeitsweise  Dürers ,  eine  genaue 
Kenntnis  des  Kleinen  und  Einzelnen  in  seiner  künstlerischen  Thätig- 
keit  wünschen.  Sie  rundet  das  Bild  des  Meisters  ab  und  macht  es 
farbiger. 

Kunstwerke  werden  nicht  improvisiert,  sondern  sind  regelmässig 
die  Frucht  reifer  Erwägung  und  fleissiger  Vorbereitungen.  Auch 
bei  Dürer ,  der  besonders  dadurch  mit  der  handwerksmässigen 
Übung  bricht.  Wie  schuf  er  seine  Stiche,  Schnitte  und  Gemälde } 
Diese  Frage  fordert  zuerst  Lösung.  Besitzen  wir  Skizzen ,  Ent- 
würfe, Naturstudien ,  welche  uns  den  von  Dürer  eingeschlagenen 
Weg  zeigen ,  ehe  er  an  die  endgültige  Ausführung  schritt }  Ist 
auch  die  Masse  solcher  Handzeichnungen  nicht  so  gross  wie  bei 
den  itaUenischen  Malern,  so  reicht  doch  die  erhaltene  Zahl  hin,  um 
uns  einen  anschaulichen  Begriff  von  seiner  Thätigkeit  zu  verschaffen 
und  insbesondere  den  Wechsel  in  seinem  Vorgehen  beim  Kom- 
ponieren im  Laufe  der  Jahre  zu  erklären. 

II 


102 


In  den  ersten  Jahrzehnten  seiner  Thätigkeit  hat  er  offenbar 
mit  Skizzen  und  Entwürfen  zu  grösseren  Kompositionen  sich  wenig 
beschäftigt.  Noch  fehlte  ihm  der  Mut  zu  selbständigem  Vorgehen. 
Er  zeichnete  Reiterzüge,  Landsknechte ,  gab  auch  mehrere  Holz- 
schnitte heraus.  Immer  bemerkt  man ,  dass  ihn  die  ÜberUeferung 
drückte  und  er  sich  zu  grösserer  Sicherheit  an  ältere  Vorbilder 
hielt.  Wohl  bekam  er  schon  frühzeitig  Altartafeln  bestellt.  Doch 
auch  hier  gilt,  dass  er  sich  nicht  ganz  frei  bewegte,  seine  Natur 
nur  in  einzelnen  Zügen ,  aber  nicht  als  geschlossenes  Ganze  sich 
offenbaren  konnte.  Wozu  hätten  Entwürfe  dienen  sollen,  wenn  er 
sie  doch  nicht  frei  nach  seiner  persönUchen  Einsicht  entwickeln 
durfte.  Erst  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  gewinnen  die  Skizzen 
und  Entwürfe  eine  grosse  Wichtigkeit. 

Als  die  älteste  Vorzeichnung  wird  das  leicht  kolorirte  Trachten- 
bild in  der  Albertina  vom  Jahre  1495  angesehen,  welches  in  der 
Apokalypse  als  babylonische  Venus  Verwendung  fand.  Dass  Dürer, 
als  er  daranging,  die  schöne  Teufelin  zu  verkörpern,  sich  an  die 
Modedamen  seiner  Zeit  mit  ihrem  übertriebenen  Putze,  ihrem  ver- 
führerischen Gebahren  erinnerte,  auch  sein  Trachtenbild  ihm  wieder 
gegenwärtig  wurde ,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Dieses  aber 
mit  der  Venusfigur  in  unmittelbaren  Zusammenhang  zu  bringen, 
gleichsam  als  erste  Skizze  aufzufassen,  dazu  liegt  kein  Grund  vor. 
Bewegung ,  Haltung ,  selbst  Einzelheiten  der  Tracht  und  des  Aus- 
drucks scheiden  sie  von  einander. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Skizze  zum  verlorenen  Sohn 
im  Britischen  Museum.  Hier  ist  der  engste  Zusammenhang  mit 
dem  Kupferstiche  (B.  28)  unverkennbar.  Darf  man  übrigens  von 
einem  Entwürfe  reden }  Dürer  gab  allerdings  dem  Hintergrunde 
eine  flüchtige  Form.  Im  Vordergrund  erscheint  aber  alles  so  ge- 
nau und  sorgfältig  ausgeführt,  dass  die  Zeichnung  unmittelbar  auf 
die  Platte  übertragen  werden  konnte.  Es  lohnt  wohl  der  Mühe, 
das  Blatt  näher  zu  betrachten  und  daraus  Schlüsse,  wie  sich  Dürer 
beim  Komponieren  verhielt,  zu  ziehen.  Auf  dem  Blatte  im  Britischen 
Museum ,  im  Gegensinn  (d.  h.  so  dass  rechts  erscheint ,  was  wir 
im  Stiche  links  schauen)  mit  der  Feder  gezeichnet,  decken  sich  die 
Umrisse  der  Gebäude  im  Hintergrund  mit  jenen  auf  dem  Stiche 
vollständig.  Auch  die  Hauptgestalt  hat  bereits  die  endgültige  Form 
empfangen.  Nur  die  Zahl  der  am  Troge  fressenden  Schweine  ver- 
mehrte Dürer  im  Stich  und  auch  mehrere  Ferkel  hat  er  angebracht, 
um  die  Szene  zu  beleben.    Eine  reichere  Ausmalung  des  Vorganges 


i63 


unterscheidet  die  Zeichnung  vom  Stich.  Wenn  darin  sich  das 
richtige  Verhältnis  zwischen  Entwurf  und  Ausführung  kundgiebt, 
so  verliert  dagegen  die  Zeichnung  durch  die  überaus  sorgfältige 
Strichführung  den  skizzenhaften  Charakter.  Dürer  hat  noch  nicht 
den  Mut,  einen  flüchtigen  Entwurf  als  Vorlage  für  den  Stich  fest- 
zuhalten, die  eigentliche  technische  und  künstlerische  Arbeit  erst 
auf  der  Kupferplatte  zu  beginnen.  Schon  in  der  Zeichnung  geht 
er  auf  das  Einzelne  und  Besondere  genau  ein,  bereitet  den  Kupfer- 
stich sorgfältig  vor.  Bei  grösserer  Sicherheit  in  dem  technischen 
Verfahren  in  späteren  Jahren  bedarf  er  natürlich  nicht  mehr  dieser 
peinlichen  Vorbereitungen. 

Diese  Scheu ,  nicht  zu  viel  zu  wagen,  nicht  auf  den  letzten 
Wurf  alles  zu  lasten,  macht  sich  auch  sonst  in  der  Komposition 
der  frühern  Stiche  und  Schnitte  geltend.  Dürer  hatte  in  der 
Heimat  wie  auf  der  Wanderschaft  eine  grosse  Zahl  sorgsam  aus- 
geführter Naturstudien ,  Bäume ,  Felsen ,  Landschaften ,  Berg- 
schlösser ,  Wasserburgen ,  Seen  gezeichnet  und  gemalt.  Diese 
prächtigen  Studien ,  die  keiner  weiteren  Ausführung  mehr  be- 
dürfen ,  benützt  er  mit  Vorliebe  als  Hintergrund  auf  seinen 
Stichen  und  Schnitten.  Er  schneidet  gleichsam  die  Blätter  in 
Hälften,  vorn  komponiert  er  selbständig  den  Vorgang,  schildert 
Madonnen,  mythische  und  volkstümliche  Gestalten.  Eine  Brüstungs- 
mauer, ein  Geflecht  scheidet  den  Vordergrund  ziemlich  scharf  vom 
Hintergrund  ab,  in  welchem  er  seine  Studien  verwertet.  So 
machen  die  Blätter  häufig  den  Eindruck  der  Zusammensetzung. 
Nun  begreifen  wir  auch  die  grössere  Anziehungskraft  des  Hinter- 
grundes auf  den  früheren  Blättern,  welche  sich  als  die  Frucht  mit 
Liebe  durchgeführter  Studien  offenbaren ,  während  die  Figuren 
des  Vordergrundes  oft  eine  gewisse  Gewaltsamkeit  im  Übcrmass 
der  Bewegung  oder  des  Ausdrucks  kundgeben,  auch  die  Richtig- 
keit der  Zeichnung  zuweilen  vermissen  lassen. 

Erst  am  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts,  als  Dürer  an 
die  Schöpfung  der  grossen  Holzschnittfolgen  ging,  treten  die  Skizzen 
und  Entwürfe  in  ihr  volles  Recht.  Hier  ist  die  Komposition  Dürers 
Eigentum.  Die  Masse  der  Blätter,  die  Anordnung  der  Szenen,  die 
Stellung  der  Figuren,  ihr  Verhältniss  zu  einander,  erlangten  plan- 
mässige  Überlegung.  Die  Entwürfe  lehren  ihn  Fehler  kennen,  zeigen, 
worauf  es  vorzugsweise  ankommt  und  lassen  die  Komposition  all- 
mählich reifen.  Ohne  das  geringste  Schwanken  lebte  sich  Dürer  in 
die  Natur  und  den  Zweck  der  Kompositionsentwürfe,  welche  während 

1 1  * 


104 

der  Arbeit  in  der  Phantasie  des  Künstlers  auftauchen,  ein.  Er  be- 
schränkte sie  auf  die  Wiedergabe  des  Notwendigen  und  Unerläss- 
Uchen,  er  wusste,  dass  sie  nicht  für  fremde  Augen  bestimmt  sind, 
sondern  den  Künstler  anleiten  und  weiterführen  sollen.  Ihr  Reiz 
für  den  Beschauer  beruht  darin ,  dass  wir  die  neuen  Gedanken 
und  Empfindungen,  die  Änderungen,  die  Dürer  daraufhin  mit  der 
Komposition  vornimmt,  an  ihrer  Hand  verfolgen  können.  So  er- 
weitert sich  z.  B.  vor  unseren  Augen  die  Darstellung  der  Geburt 
Marias  wirksam  nach  der  malerischen  Seite.  Nach  dieser  Richtung 
hat  Dürer  natürlich  sich  stetig  entwickelt,  an  Klarheit  zugenommen. 

Eine  neue  Aufgabe  wird  seiner  Zeichenweise  von  1504  an 
gestellt,  als  die  richtigen  Masse  und  Verhältnisse,  die  Proportionen 
seine  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nehmen ,  der  nackte  Körper 
der  Hauptgegenstand  seiner  Beobachtungen  wird.  Der  zweite  Auf- 
enthalt in  Venedig  bewirkte  keine  wesentUche  Änderung  in  der 
Technik.  Als  er  dagegen  nach  seiner  Rückkehr  1 507  an  die 
Schöpfung  der  grossen  Gemälde  ging,  erkennen  wir  gegen  früher 
ein  geändertes  Vorgehen.  Auf  die  ganz  flüchtigen,  meist  verloren 
gegangenen  Skizzen  lässt  er  sofort  die  genauen ,  in  mehreren 
Tönen  ausgeführten  Naturstudien  folgen,  so  dass  die  Mittelstufe 
der  Entwürfe  verschwindet.  Dadurch  bereitet  er  in  feiner  Malerei 
eine  vollständige  Umwälzung  vor.  Man  darf  wohl  sagen ,  dass  er 
durch  diese  Zeichenweise  den  bisherigen  Kunstsitten  ein  beinahe 
schroffes  Ende  bereitete.  Jedenfalls  ist  seine  innere  Entwickelung 
zum  Schlüsse  gekommen  


NACHWORT. 

Als  Anton  Springer  am  31.  Mai  1891  starb,  hinterliess  er  das 
Manuskript  des  „Albrecht  Dürer"  vollständig  druckfertig,  hatte 
auch  die  Art  der  Drucklegung  mit  der  Verlagsbuchhandlung  ver- 
einbart, sowie  die  Werke  Dürers  bestimmt,  welche  als  Illustrationen 
in  sein  Buch  aufgenommen  werden  sollten ,  und  hatte  auch  die 
ersten  Korrekturabzüge  noch  gesehen.  Von  den  ,, Kritischen  An- 
hängen," die  nach  seiner  Absicht  der  Erzählung  folgen  sollten,  ist 
nur  die  am  Tage  vor  seinem  Tode  niedergeschriebene  kurze  Ein- 
leitung von  ihm.  Die  weitere  Untersuchung  sollte  an  der  Hand 
der  Entwürfe  die  Entstehung  des  einzelnen  Werkes  zeigen.  Leider 
haben  sich  im  Nachlasse  zu  diesem  Teil  nur  wenige  Fingerzeige 
und  Andeutungen,  wie  die  Untersuchung  zu  führen  sei,  gefunden. 
Es  war  deshalb  nur  die  einfache  Zusammenstellung  der  Entwürfe 
und  Studien  möglich,  welche  Anton  Springers  letztem  Werke  von 
dem  Sohne  hinzugefügt  worden  ist. 


Jaro  Springrer. 


VERZEICHNIS 

der 

Studien  und  Entwürfe  Dürers  zu  ausgeführten  Werken.  *) 


I.  Zu  Kupferstichen. 

Geordnet  nach  der  Reihenfolge  bei  Bartsch,  Peintre  -  Graveur,  Band  VII. 

B.  I.    Adam  und  Eva.  1504. 

1.  Adam.    Federzeichnung.    Wien,  Albertina. 

2.  Eva.    Federzeichnung.  Albertina. 

3.  Eva.    Federzeichnung.    Oxford,  Bodleiana. 

4.  Arm-  und  Handstudien  zum  Adam  und  ein  Stück  Land- 
schaft.   Federzeichnung.    London,  British  Museum. 

5.  Adam  und  Eva.     1504.    Federzeichnung.    Prag,  Ritter 
von  Lanna.    L.  173. 

6.  Apollo  und  Diana.    Federzeichnung.    British  Museum. 
Vgl.  unten  B.  68. 

B.  19.    Christus  auf  dem  Ölberg.     15 15. 

1.  Federzeichnung.    Paris,  Louvre. 

2.  Federzeichnung.     15 15.  Albertina. 

3.  Studie  zum  Christus.     1515-  Albertina. 
B.  20.    Der  Schmerzensmann  stehend. 

Federzeichnung.  Louvre. 
B.  28.    Der  verlorene  Sohn. 

Federzeichnung.    British  Museum. 
B.  36.    Die  grosse  säugende  Madonna.  1519- 

1.  Kohlenzeichnung    (mit    gefälschter    Jahreszahl     15 12). 
Albertina. 

2.  Federzeichnung.  Albertina. 


)  Vgl.  T hausing,  Dürer,  —  Ephrussi,  A.  Dürer  et  ses  dessins.  — 
m  a  n  n  ,  Zeichnungen  von  Albrecht  Dürer  in  Nachbildungen. 


Lipp- 


i68 

B.    37.    Die  Madonna  von  einem  Engel  gekrönt.  1520. 

Federzeichnung ,  früher  in  der  Sammhmg  KHnkosch  in 
Wien. 

B.    39.    Die  Madonna  von  zwei  Engeln  gekrönt.     15 1.8. 

1.  Federzeichnung.    London,  Sammlung  Malcolm.    L.  94. 

2.  Studie  zur  Drapierung.    Pinselzeichnung  auf  grün  grun- 
diertem Papier.     1508.  Albertina. 

3.  Studie  zu  den  Engeln  mit  der  Krone.  Federzeichnung. 
British  Museum. 

B.    41.    Die  Madonna  mit  der  Birne.     151 1. 

Federzeichnung.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  29. 
B.    42.    Die  Madonna  mit  der  Meerkatze. 

Der  landschaftliche  Hintergrund   (,,das  Weiherhaus"). 

Zeichnung  in  Wasserfarben.    British  Museum. 
B.    50.    Der  Apostel  Paulus. 

Federzeichnung.    Prag,  Ritter  von  Lanna.    L.  177. 
B.    68.    Apollo  und  Diana. 

Federzeichnung.    British  Museum.    (S.  oben  B.  i.) 
B.    70.    Fünf  Figurenstudien. 

Studie  zur  halben  Figur  eines  Mannes  auf  der  linken 

Seite.     15 14.    Federzeichnung.  Albertina. 
B.    77.    Die  Nemesis  oder  die  grosse  Fortuna. 

Federzeichnung.    British  Museum. 
B.    79.    Die  Gerechtigkeit. 

Federzeichnung.    Dresden,  Kupferstichkabinet.  L.  203. 
B.    91.    Der  Dudelsackpfeifer.     15 14. 

Federzeichnung.     15 14.    Berlin,  Kupferstichkabinet. 
B.    98.    Ritter,  Tod  und  Teufel.     15 13. 

1.  Federzeichnung.    Mailand,  Ambrosiana. 

2.  getuschte  Federzeichnung,  ebenda. 

3.  Federzeichnung.    Florenz,  Uffizien. 

B.  102.    Bildnis   des  Kardinals  Albrecht  von  Brandenburg,  ,,der 
kleine  Kardinal".     15 19. 

1.  Kohlenzeichnung.  Albertina. 

2.  Federzeichnung.     15 19.    Bremen,  Kunsthalle. 
B.  103.    Bildnis  desselben,  ,,der  grosse  Kardinal".  1523. 

Silberstiftzeichnung  auf  weiss  grundiertem  Papier.  Louvre. 
B.  104.    Bildnis  Friedrichs  des  Weisen. 

Silberstiftzeichnung  auf  weiss  grundiertem  Papier.  Paris, 
A.  Armand. 


B.  107. 

[P.  109. 

B.  17. 

B.  53. 

B.  54. 

B.  59. 

B.  73- 

B.  80. 

B.  84. 

B.  89. 

B.  93- 

B.  94- 

B.  96. 

B.  107. 


169 

Bildnis  des  Erasmus  von  Rotterdam.  1526. 

(Kohlenzeichnung.     1520.    Paris,  L.  Bonnat.) 
Die  Kreuzigung  im  Umriss,  nicht  von  Dürer. 
Vgl.  J.  Springer,  Jahrbuch  d.  pr.  Kunsts.  1887,  S.  56.] 


II.  Zu  Holzschnitten. 

Der  Sündenfall  (aus  der  kleinen  Passion). 

Federzeichnung.     15 10.  Albertina. 
Das  Abendmahl.  1523. 

Federzeichnung.     1523.  Albertina. 
Christus  auf  dem  Ölberge. 

Federzeichnung.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  26. 
Die  Kreuzigung. 

(i.  Federzeichnung.    Frankfurt,  Städelsches  Institut. 
2.  Christus  am  Kreuz.    Kolorierte  Federzeichnung.  1505. 
Albertina. 

3  und  4.  Der  gute  und  der  böse  Schacher.  Kolorierte 

Federzeichnungen.  Albertina.) 
Das  babylonische  Weib  (aus  der  Apokalypse). 

Aquarellierte  Federzeichnung.     1495.  Albertina. 
Die  Geburt  der  Maria  (aus  dem  Marienleben). 

Federzeichnung.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  7. 
Die  Heimsuchung  (aus  dem  Marienleben). 

Federzeichnung.  Albertina. 
Die  Flucht  nach  Ägypten  (aus  dem  Marienleben). 

Weiss  gehöhte  Pinselzeichnung  auf  grün  grundiertem 

Papier.  Venedig. 
Der  Tod  der  Maria  (aus  dem  Marienleben). 

Federzeichnung.  Albertina. 
Die  Himmelfahrt  und  die  Krönung  der  Maria  (aus  dem 
Marienleben). 

1.  Federzeichnung.     1502.    British  Museum. 

2.  Federzeichnung.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  27. 
Die  heilige  Familie.     151 1. 

Federzeichnung.  Albertina. 
Die  heiligen  Antonius  und  Paulus. 

Federzeichnung.    Braunschweig,  Blasius.    L.  141. 


170 

B.  114.    Der  heilige  Hieronymus  in  der  Zelle.     151 1. 

Federzeichnung.     151 1.    Mailand,  Ambrosiana. 
B.  119.    Der  Geissler.     15 10, 

Federzeichnung.     15 10.    British  Museum. 
B.  129.    Die  grosse  Säule. 

Aquarellierte  Federzeichnung.    British  Museum. 
B.  133.    Der  Schulmeister.     15 10. 

Federzeichnung.     15 10.    Florenz,  Uffizien. 
B.  136.    Das  Rhinoceros.     15 15. 

(i.  Federzeichnung.    British  Museum). 
B.  139.    Der  Triumphwagen  des  Kaisers  Maximilian. 

1.  Federzeichnung.  Albertina. 

2.  Kolorierte  Federzeichnung.     15 18.  Albertina. 

3.  Federzeichnung.    Dresden,  Bibliothek. 
(Der  Triumphzug  des  Kaisers  Maximilian.) 

I — 6.  Reiter   mit   Trophäen.     15 18.  Federzeichnungen. 
Albertina. 

7.  Reiter  mit  Trophäe.  Federzeichnung.  London,  Holford. 
(8.  Reiter  mit  Trophäe.    Ausgestellt  London,  Grosvenor 
Gallery  1877—78,  nach  Ephrussi). 
B.  147,    Der  Zeichner  der  Laute. 

Federzeichnung.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  71. 
B.  148.    Der  Zeichner  der  Kanne. 

I  und  2.  Zwei  Federzeichnungen.     Dresden,  Bibliothek. 
B.  153  und  154.  Bildnis  des  Kaisers  Maximilian.     15 19. 

Kohlenzeichnung.     15 18.  Albertina. 
B.  155.    Bildnis  des  Ulrich  Varenbüler.  1522. 

Kohlenzeichnung.  Albertina. 
Passavant  Peintre-Graveur  III.    Nr.  218.    Bildnis  des  Eoban  Hesse. 

Silberstiftzeichnung  auf  grau  grundiertem  Papier.  British 
Museum. 


III.  Zu  Büchern. 

Unterweisung  der  Messung.  1525. 

1.  Entwurf  zu  einem  Siegesmonument.  Federzeichnung. 
Bamberg,  Bibhothek.    L.  186. 

2.  Eine  Kuh  und  zwei  Schafe  am  Fuss  eines  Denkmals. 
Feder.    British  Museum. 


171 


3 — 5-  Siehe  die  Holzschnitte  B.  147  und  148. 
Vier  Bücher  von  menschlicher  Proportion.  1528. 

Federzeichnungen  in  Berlin,  Kupferstichkabinet  L.  1 1 ; 
Bremen,  Kunsthalle  L.  119  und  120;  Albertina;  Louvre; 
British  Museum. 


IV.  Zu  Gemälden 

in  chronologischer  Folge. 

Bildnis  von  Dürers  Vater  Florenz,  Ufnzien. 

Kohlezeichnung.    British  Museum. 
Der  Paumgartnersche  Altar.    Dresden,  Gemäldegalerie. 

Kolorierte    Federzeichnung    zum   Mittelbild.  British 

Museum. 

Hercules  im  Kampfe  mit  den  stymphalischen  Vögeln.    1500.  Nürn- 
berg, Germanisches  Museum. 

Federzeichnung.    Darmstadt,  Grossherzogliche  Samm- 
lung.   L.  207. 
[St.  Veiter  Altar.     1502.    St.  Veit  bei  Wien. 

Das  Gemälde  und  die  Entwürfe  dazu  in  Basel  und  Frank- 
furt sind  nicht  von  Dürer.] 
Das  Rosenkranzfest.     1 506.    Prag,  Rudolphinum. 

1.  Die  Hände  des  Kaisers. 

2.  Der  heilige  Dominikus. 

3.  Der  betende  Stifter  links  hinter  dem  Papst. 

4.  Der  Kopf  des  musizierenden  Engels. 

I — 4.    Weissgehöhte    Tuschzeichnungen    auf  blauem 
Papier.     1506.  Albertina. 

5.  Der  Mantel  des  Papstes.  Zeichnung  in  Wasserfarben. 
(Falsches  Datum  15 14.)  Albertina. 

.   6.  Studie  zum  Christkind.    Paris,  Cabinet  des  Estampes. 

7.  Drei  Engelsköpfchen.  Ebenda. 

8.  Die  Meister  Hieronymus  von  Augsburg.  Berlin,  Kupfer- 
stichkabinet.   L.  10. 

6 — 8  in  derselben  Technik  wie  i — 4. 

9.  Engelskopf,  vielleicht  der  Engel  oben  links  neben  dem 
Thron.  Weissgehöhte  Kohlezeichnung  auf  blauem 
Papier.    Bremen,  Kunsthalle.    L,  114. 

[10.  Der  knieende  Donator  hinter  dem  Kaiser.  London, 
Holford.    Nach  Ephrussi.] 


[ii.  Profilkopf  des  Kaisers.  Kreidezeichnung.  Berlin, 
Kupferstichkabinet.  L.  17.  Zeichnung  von  Ambrogio 
da  Predis,  die  Dürer  als  Vorlage  diente  und  von  Dürer 
mit  der  Aufschrift  in  Tinte:  1507  Maximilian  und 
seinem  Monogramm  versehen  wurde.] 
Christus  unter  den  Schriftgelehrten.    Rom,  Galerie  Barberini. 

1.  Der  Kopf  Christi.  Albertina. 

2.  Die  Hände  Christi.    Braunschweig,  Blasius.    L.  137. 

3.  Die  Hände  eines  Schriftgelehrten,  ein  Buch  haltend. 
Ebenda.    L.  136. 

4.  Die  Hand  eines  Schriftgelehrten  mit  einem  Buch. 
Albertina. 

I — 4.  Weissgehöhte  Pinselzeichnungen  auf  blauem  Papier. 
1506. 

Adam  und  Eva.     1507.    Florenz,  Pitti. 

1.  Drei  Figuren  der  Eva.  Federzeichnung,  1506  und 
1507.    British  Museum. 

2.  Eva.    Federzeichnung.  Ebenda. 

3.  Arm  der  Eva  mit  dem  Apfel.  Pinselzeichnung  auf 
blauem  Papier.  1507.  Früher  in  der  Sammlung  Franck 
in  Graz,    L.  164. 

Die  Marter  der  Zehntausend.     1508.    Wien,  Belvederegalerie. 

Federzeichnung.     1507.  Albertina. 
Der  Hellersche  Altar.     1509.    (Vgl.  Ephrussi,  le  triptyque  d'Albert 
Dürer,  dit  le  tableau  d'autel  de  Heller.) 

1.  Figur  des  stehenden  und  aufwärtsblickenden  Apostels 
Eph.  Nr.  I.    Berlin,  K.  Kupferstichkabinet.    L.  ig. 

2.  Kopf  desselben  Apostels.    Ebenda.    L.  20. 

3.  Kopf  des  Apostels  Eph,  2.    Ebenda.    L.  22. 

4.  Kopf  des  Apostels  Eph.  3.  Albertina. 

5.  Kopf  des  Apostels  Eph.  4.  Berlin,  Kupferstichkabinet. 
L.  21. 

6.  Hand  und  Ärmel  des  Apostels  Eph.  7.  Albertina. 

7.  Füsse  desselben  Apostels.  Früher  in  der  Sammlung 
Franck  in  Graz.    L.  165. 

8.  Kopf  des  Apostels  Eph.  8.  Albertina. 

9.  Hände  desselben  Apostels.  Ebenda. 

10.  Ärmel  und  Mantel  desselben  Apostels.  Ebenda. 

11.  Kopf  des  Apostels  Eph.  10.  Ebenda. 

12.  Hand  desselben  Apostels.  Ebenda. 


173 


13-  Selbstbildnis  Dürers  in  ganzer  Figur.    Berlin,  Kupfer- 

stichkabinet.    L.  23. 
14.  Hände  Gott  Vaters.    Bremen,  Kunsthalle.    L.  116. 
15  und  16.  Mantel  Gottvaters.  Albertina. 

17.  Oberkörper  Christi.    Bremen,  Kunsthalle.    L.  115. 

18.  Mantel  und  Beine  Christi.  Louvre. 

19.  Einer  der  Engelsköpfe  rechts  von  Christus.  British 
Museum. 

Weissgehöhte  Pinselzeichnungen  auf  grün  grundiertem 
Papier.  1508. 

Das  Allerheiligenbild  (der  Landauersche  Altar).    1 5 1 1 .    Wien,  Bel- 
vederegalerie. 

1.  Lavierte  und  aquarellierte  Federzeichnung.  1508.  Paris, 
Herzog  von  Aumale. 

2.  Bildnis  Landauers.  Kreidezeichnung.  151 1.  Früher 
in  der  Sammlung  Mitchell  in  London,    L.  75. 

Kaiser  Karl  der  Grosse.    Nürnberg,  Rathaus. 

Aquarellierte  Federzeichnung  in  blau.   15 10.  Albertina. 

(Studien  zu  Krone,  Schwert  und  Reichsapfel.  Früher 

in  der  Sammlung  Franck  in  Graz.    L.  166 — 168.) 
Bildnis  Michel  Wohlgemuths.     15 16.    München,  Pinakothek. 

Kreidezeichnung.  Albertina. 
Lucretia.     15 18.    München,  Pinakothek. 

1.  Figur  der  Lucretia.  Weiss  gehöhte  Pinselzeichnung 
auf  grün  grundiertem  Papier.     1308.  Albertina. 

2.  Arm  der  Lucretia.    Dieselbe  Technik.  Ebenda. 

3.  Kopf  der  Lucretia.  Weiss  gehöhte  Federzeichnung  auf 
gelbem  Grund.    British  Museum. 

Bildnis  des  Jacob  Muffel.     1526.    Berlin,  Gemäldegalerie. 

Kreidezeichnung.     15 17.    Paris,  Dumesnil. 
Die  Apostelbilder  (die  vier  Temperamente).    1526.  München,  Pina- 
kothek. 

[i.  Figur  des  heiligen  Johannes.  Weiss  gehöhte  Kreide- 
zeichnungen auf  grün  grundiertem  Papier.  1525.  London, 
W.  Russell  nach  Ephrussi.] 

2.  Kopf  des  Paulus.  Kreidezeichnung  auf  braun  grundier- 
tem Papier.    1526.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  87. 

3.  Kopf  des  Markus.  Dieselbe  Technik.  1526.  Ebenda. 
L.  72. 


174 


V.  Zu  Zeichnungen 

in  chronologischer  Folge. 

1.  Maria  in  der  Landschaft  mit  vielen  Thieren.  Aquarellierte  Feder- 

zeichnung. Albertina. 

Federzeichnung.    Braunschweig,  Blasius.    L.  134. 

2.  Grüne  Passion.    Zwölf  weiss  gehöhte  Federzeichnungen  auf  grün 

grundiertem  Papier.     1504.  Albertina. 

a)  Die  Gefangennahme  Christi. 

1.  Federzeichnung.    Mailand,  Ambrosiana. 

2.  Federzeichnung.    Turin,  Bibhothek. 

b)  Christus  vor  Pilatus. 

1.  Federzeichnung.  Albertina. 

2.  Federzeichnung.    Paris,  Dumesnil. 

c)  Geisselung  Christi. 

Federzeichnung.  Ambrosiana. 

d)  Dornenkrönung. 

Federzeichnung.    Albertina.  ^ 

e)  Kreuzabnahme. 

Federzeichnung.    Florenz,  Uffizien. 

3.  Kreuzigung  Christi.    Grisaille.     1505.    Florenz,  Uffizien. 

Federzeichnung.    Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  15. 

4.  Der  Kampf  Samsons  gegen  die  Philister.  Weiss  gehöhte  Pinsel- 

und  Federzeichnung  auf  graugrün  grundiertem  Papier.   15 10. 
Berlin,  Kupferstichkabinet.    L.  24. 
Federzeichnung.  Ambrosiana. 

5.  Die  Auferstehung  Christi.    Dieselbe  Technik  wie  Nr.  4.     15 10. 

Albertina. 

Federzeichnung.    Braunschweig,  Blasius.    L.  140. 


VERZEICHNIS 

der 

im  Text  besprochenen  Werke  Dürers. 


I.  Kupferstiche 

nach  der  Reihenfolge  bei  Bartsch,  Peintre  -  Graveur  VII. 

Seite 

B.     I.  Adam  und  Eva.     1504   51 

B.    2.  Die  Geburt  Christi.     1504   50 

B.    3 — 18.  Die  Passion.     1508 — 1512  81 — 83 

B.  20.  Der  Schmerzensmann  stehend   28 

B.  25.  DasSchweisstuchChristi  von  zwei En<(eln  gehahen.  1513  78 
B.  26.  Das  Schweisstuch  Christi  von  einem  Engel  gehalten. 

1516   78 

B.  30.  Die  Madonna  auf  dem  Halbmond  28.  86 

B.  32.  Die  Madonna  mit  Sternenkrone  und  Zepter.    15 16    .  86 

B.  35.  Die  Madonna  am  Baume  sitzend.     15 13   90 

B.  40.  Die  Madonna  an  der  Mauer.     15 14      ......  90 

B.  41.  Die  Madonna  mit  der  Birne.     1511    88 

B.  43.  Die  heilige  Familie  an  der  Mauer   91 

B.  44.  Die  heilige  Famile  mit  der  Heuschrecke   28 

B.  46.  Der  heilige  Philippus.     1526   150 

B.  47.  Der  heilige  Bartholomäus.     1523    149 

B.  49.  Der  heilige  Simon    150 

B.  53.  Der  heilige  Georg  zu  Fuss   28 

B.  54.  Der  heilige  Georg  zu  Pferde.     1508   97 

B.  56.  Der  heilige  Sebastian   28 

B.  57.  Der  heilige  Eustachius   50 

B.  58.  Der  heilige  Antonius.     15 19  50.  121 

B.  60.  Der  heilige  Hieronymus  im  Gehäuse.     15 14      .    .    .  99 

B.  64.  Die  heilige  Veronika.     15 10   78 


176 


Seite 

B.  68.  Apollo  und  Diana   57 

B.  69.  Die  Satyrfamilie.     1505      .....    ^    ...    .  57 

B.  71.  Der  Raub  der  Amymone  (das  Meerwunder)     ...  31 

B.  73.  Die  Eifersucht  (der  grosse  Herkules)   30 

B.  74.  Die  Melancholie.     15 14   99 

B.  75.  Die  vier  Hexen.     1497   32 

B.  82.  Die  kleine  Reiterin  '.    .  28 

B.  83.  Das  Bauernpaar   28 

B.  85.  Die  Türkenfamilie   28 

B.  87.  Der  Fahnenträger   28 

B.  88.  Die  Landsknechte   28 

B.  89.  Die  Marktbauern.     15 19  28.  121 

B.  93.  Der  Liebesantrag   28 

B.  94.  Der  Spaziergang  29.  97 

B.  95.  Die  Missgeburt  eines  Schweines   29 

B.  96.  Das  kleine  Pferd.     1505                                           .  57 

B.  98.  Der  christliche  Ritter  (Ritter,  Tod  und  Teufel).   15 13  98 

B.  loi.  Das  Wappen  des  Todes.     1503    97 

B.  102.  Bildnis  des  Kardinals  Albrecht  von  Mainz  (der  kleine 

Kardinal).     15 19   122 

B.  104.  Bildnis   des   Kurfürsten  Friedrich   des  Weisen  von 

Sachsen.    1524   148 

B.  105.  Bildnis  Melanchthons.    1526   149 

B.  106.  Bildnis  Pirkheimers.     1523   148 

B.  107.  Bildnis  des  Erasmus  von  Rotterdam.     1526     .    .    .  148 


Studien  zu  Adam  und  Eva.    Frühester  Kupferstich  Dürers. 

(Paris,  Nationalbibliothek.    Internationale  Chalkogra- 
phische  Gesellschaft  1886,  10)   14 


II.  Holzschnitte 

nach  der  Reihenfolge  bei  Bartsch,  Peintre  -  Graveur  VII, 

B.    4 — 15.  Die  grosse  Passion  (zum  Teil  15 10  und  1511) 

41.  52.  76.  83 

B.  16 — 52.  Die  kleine  Passion  (zum  Teil  1509  und   15 10) 

77.  81.  83 


177 

Seite 

B.    53.  Das  Abendmahl.     1523   131 

B.    54.  Christus*  auf  dem  Ölberg   81 

B.     55.  Christus  am  Kreuz.     15 10   84 

B.    60 — 75.  Die  Apokalypse  32 — 39.  76 

B.    76 — 95.  Das  Marienleben  41-76 

B.    94.  Die  Himmelfahrt  Maria   77 

B.    95.  Die  Verehrung  Maria   77 

B.    96.  Die  heilige  Familie.     151 1   90 

B.    97.  Die  heilige  Familie  mit  den  musizierenden  Engeln. 

1511   91 

B.  loi.  Maria  von  vielen  Engeln  verehrt.     15 18      .    .    .    .  121 

B.  102.  Die  heilige  Familie  mit  den  drei  Hasen   28 

B.  107.  Die  heiligen  Antonius  und  Paulus   50 

B.  117.  Die  Marter  der  Zehntausend   67 

B.  132.  Der  Tod  und  der  Landsknecht   76 

B.  133,  Der  Schulmeister.     15 10   76 

B.  136.  Das  Nashorn   135 

B.  138.  Die  Triumphpforte  Kaiser  Maximilians    .    .    .     103.  104 

B.  139.  Der  Triumphwagen  Kaiser  Maximilians   103 

B.  140 — 145.  Die  sechs  Knoten   63 

B.  153.  Bildnis  des  Kaisers  Maximilian.     1519   122 

B.  154.  Bildnis  des  Kaisers  Maximilian   122 

B.  156.  Selbstbildnis   158 

Bartsch,  Appendix  Nr.  26.    Der  grosse  Christuskopf    ...  79 


Der  Triumphzug  Kaiser  Maximilians  103 


III.  Bücher. 

1.  Unterweysung  der  Messung  mit  dem  Zirkel  und  Richtscheit. 

Nürnberg  1525    .    .  *  Ii.  HO.  142.  143 

2.  Unterricht  zur  Befestigung  der  Städte,  Schlösser  und  Flecken. 

Nürnberg  1527  Ii.  HO 


3.  Vier  Bücher  von  menschlicher  Proportion.  Nürnberg  1528 

II.  HO.  120 


12 


178 


IV.  Zeichnungen. 

« 

Basel,  Museum. 

Seite 


Familie,  die  heilige.     1509   92 

[St.  Veiter  Altar,  Studie  zum]   46 

Berlin,  Knp ferstichkabinet. 

Christus  auf  dem  Olberg,  Lippmann,  Zeichnungen  von  Albrecht 

Dürer.    Nr.  26   81 

Drachen,  der.    L.  9   62 

Drahtziehmühle,  die.    L.  4  und  5    .   22 

Dürer,  Frau  Agnes.     1523.    L.  64   26 

Frauen,  Studien  nackter.    L.  37  und  38   63 

Greis,  Kopf  eines.    L.  61   128 

Hellerscher  Altar,  Studien  zum.    L.  19 — 23     •   68 

Landsknechte,  die.     1489.    L.  2   16 

Madonna,  die  thronende.     1485.    L.  i   16 

Madonna  mit  der  Birne,  Studie  zur.    L.  29     .....    .  88 

Markus,  Studie  zum.  (Münchener  Apostelbilder.)  1526.  L.  72  155 
[MaximiUan,  Bildnis  des  Kaisers.     1507.    Von  Ambrogio  da 

Predis.    L.  17]   59 

Paulus,  Studie  zum.    (Münchener  Apostelbilder.)   1526.  L.  89  155 

Profilköpfe,  die,  in  der  Art  des  Leonardo  da  Vinci.    L.  34  .  64 

Samson.    15 10.    L.  24  74.  118 

Skizzenbuch  der  niederländischen  Reise.    L.  55 — 60     .    .    .  128 

Braunschweig,  Sammlung  Blasius  (früher  Hausmann). 

Dürer,  Frau  Agnes.    1504.    L.  133    .    .    .   26 

Skizzenbuch  der  niederländischen  Reise.    L.  147  und  148    .  127 

Bremen,  Kunsthalle. 

Dürer,  Albrecht,  nackt  stehend.    L.  130     .   158 

Skizzenbuch  der  niederländischen  Reise.    L.  122  und  123    .  127 

Florenz,  Uffizien. 

Grabdenkmal   des  Grafen   und   der  Gräfin   von  Henneberg, 

Studie  zum     .   118 


1/9 

Seite 

Grablegung  Christi,  die.     1521   134 

Kreuztragung  Christi,  die.     1510   134 

Reiter,  ein   63 

Reiter ,    ein ,    Studie    zum    Kupferstich    Ritter ,    Tod  und 

Teufel   96 

Frankfwt,  Städelsches  Institut. 

Christus  auf  dem  Ölberg.     1521.    L.  199    .    .    .        .    .  81.  133 

Christus  auf  dem  Ölberg.     1524.    L.  200   133 

Grablegung  Christi.     1521.    L.  198   134 

[St.  Veiter  Altar,  Studien  zum.  .  L.  188 — 191]   46 

( Graz,  frühere  Sammlung  von  Franck.J 

Lindenbaum,  der.    L.  162   22 

Hellerscher  Altar,  Studie  zum    L.  165   68 

London,  British  Museum. 

Schwimmgürtel   62 

Verlorene  Sohn,  der,  Studie  zum  Kupferstich.    B.  28  .    .    .  162 

London,  Sammlung  Malcolm. 

Tod,  der,  als  reitendes  Gerippe.     1505.    L.  91   97 

Trient,  Ansicht  von.    L.  90   22 


Mailand,  Ambrosiana. 

Reiter,  ein,  Studie  zum  Kupferstich  Ritter,  Tod  und  Teufel 

63.  96 


München,  Bibliothek. 
Randzeichnungen  zum  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians  .    .    .  104 

Müncheity  Kicpferstichkabinet. 
Reiter,  zwei   14 

Nürnberg,  Germanisches  Museum. 

Anna  selbdritt,  die  heilige.     1514.    L.  78  92 

Grablegung  Christi.     1521.    L.  86   134 

1 2  * 


i8o 

Seite 

Pesty  Museinn. 

Profilköpfe,  die,  in  der  Art  des  Leonardo  da  Vinci.    L.  185  64 

Wien,  Albertina, 

Abendmahl,  das.     1523   ^.  131 

Albrecht,  Kardinal,  Kurfürst  von  Mainz   122 

Anbetung  der  heiligen  drei  Könige.     1524   131 

Apollo   20 

Auferstehung  Christi.     15 10  74.  118 

Dürer,  Albrecht,  Selbstbildnis.     1484   13 

Dürer,  Frau  Agnes   24 

Familie,  die  heilige,  Studie  zum  Holzschnitt  B.  96    .    .    .    .  91 

Greis,  Kopf  eines   128 

Innsbruck,  Ansicht  von   22 

Madonna   91 

Maximilian,  Bildnis  des  Kaisers   122 

Passion,  die  grüne.     1504   52 — 54.  58 

Reiter,  ein  geharnischter.     1498   96 

Trachtenbild.     1495   162 

Triumphwagen,  Studie  zum   104 

Triumphwagen,  der.     1518   104 

Wien,  Ambraser  Sammlung. 

Amor  von  einer  Biene  gestochen   92 

Arion   57 

Brunnennymphe   92 

Hermes   57 

Traum  Dürers,  der   94 

Windsor  Castle. 

Madonna.    15 15  '   91 


V.  Gemälde. 

Augsburg,  Gemäldegalerie. 
Madonna  mit  der  Nelke.     15 16  85 


i8i 

Seite 

Be7din,  Gemäldegalerie. 

Friedrich  der  Weise   45 

Holzschuher,  Hieronymus.     1526   149 

Muffel,  Jakob.    1526   149 

Dresden,  Gemäldegalerie. 

Altar,  der  Dresdener  '   45 

Orley,  Bernhard  van   128 

Florenz,  Uffizien. 

Adam  und  Eva.     1507   66 

Dürer,  Albrecht,  der  Vater   47 

Jakobus,  Apostel.     15 16   150 

Philippus,  Apostel.     15 16   150 

Frankfurt,  Saalhof. 

Hellerscher  Altar,  der   68 

Leipzig,  Sammlung  Felix. 
Dürer,  Albrecht,  Selbstbildnis.     1493  14-45 

Madrid,  Museum. 

Dürer,  Albrecht,  Selbstbildnis.     1498   14 

Imhof,  Hans.     1521   128 

München,  Pinakothek. 

Apostel,  die  (die  vier  Temperamente)  150—156 

Dürer,  Albrecht,  Selbstbildnis   47 

Krell,  Oswald   47 

Prag,  Rudolpliinum. 

Rosenkranzfest,  das   59 

Wien,  Gemäldegalerie. 

Allerheiligenbild,  das   70 

Madonna.     1503   85 


l82 


Seite 


Madonna  mit  der  aufgeschnittenen  Birne   74 

Männliches  Bildnis.     1507   61 

Marter  der  Zehntausend   67 

Maximilian,  Bildnis  des  Kaisers   122 

SL  Veit  bei  Wien. 

[St.  Veiter  Altar,  der]   46 


Die  Glasfenster  der  Landauerkapelle   70 

[Plastische  Arbeiten]      .    .   117 


VERZEICHNIS  DER  ILLUSTRATIONEN. 


(B.  =  Bartsch.)  Seite 
Ein  Engelskopf,    Weissgehöhte  Kreidezeichnung  in  der  Kunsthalle  zu  Bremen. 

Nach  dem  Titel 

Musikanten.    Federzeichnung.    Aus  dem  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians  ....  i 

Engelgruppe  aus  der  Geburt  Christi,  Marienleben.    Holzschnitt  B.  85     .    .    •    •  9 

Madonna.    Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians   10 

Adam  (halbe  Figur).    Aus  einem  Dürer  zugeschriebenen  Kupferstich  der  Pariser 

Nationalbibliothek.    (Internat.  Chalcograph.  Gesellschaft  1886,  lo)    ...  14 

Dürers  Selbstbildnis.    Gemälde  im  Museum  zu  Madrid   15 

Das  Felsenschloss.    Deckfarbenmalerei  in  der  Kunsthalle  zu  Bremen   20 

Bildnis  von  Dürers  Frau.  Federzeichnung  in  der  Albertina  zu  Wien  ....  23 
Bildnis   von   Dürers   Frau.      Silberstiftzeichnung    in    der    Sammlung    Blasius  zu 

Braunschweig   25 

Umrahmung  mit  dem  Schweisstuch  Christi.    Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch 

Kaiser  Maximilians   27 

Landschaft  aus  dem  vierten  Blatt  der  Apokalypse.    Holzschnitt  B.  63    .    .    .    .  35 

Landschaft  aus  dem  neunten  Blatt  der  Apokalypse.    Holzschnitt  B.  68  .    .    .    .  37 

Gruppe  aus  dem  sechsten  Blatt  der  Apokalypse.    Holzschnitt  B.  65   38 

Kämpfende  Landsknechte.    Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians  40 

Die  Geburt  der  Maria.    Aus  dem  Marienleben.    Holzschnitt  B.  80   42 

Joseph.  Aus  der  Ruhe  auf  der  Flucht  nach  Ägypten.  Marienleben.  Holzschnitt  B.  90  44 

Madonna.    Titelblatt  des  Marienlebens.    Holzschnitt  B.  76   48 

Das  Christkind   auf   einem  Esel   reitend.     Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch 

Kaiser  Maximilians   49 

Die  Geisselung  Christi.    Aus  der  grünen  Passion.    Weiss  gehöhte  Federzeichnung 

in  der  Albertina  zu  Wien   50 

Die  Kreuzabnahme.    Aus  der  grünen  Passion.    Weiss  gehöhte  Federzeichnung  in 

der  Albertina  zu  Wien   52 

Die  Geisselung  Christi.    Grosse  Passion.    Holzschnitt  B.  8   55 

Ein  Heiliger.    Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians  ....  57 

Zwei  Hasen.  Aus  der  heiligen  Familie  mit  den  drei  Hasen.  Holzschnitt  B.  102  65 
Zwei  Engel  mit   einer  Krone.     Aus   der  Madonna  von   zwei  Engeln  gekrönt. 

Kupferstich  B.  39   66 

Die  Fusssohlen  eines  knieenden  Mannes.    Studie  zu  den  Fusssohlen  des  knieenden 

Apostels  auf  dem  Hellerschen  Altar.   Weiss  gehöhte  Tuschzeichnung,  früher 

in  der  Sammlung  Franck  in  Graz   68 

Dürers  Selbstbildnis.    Aus  dem  Allerheiligenbild  in  der  Belvederegalerie  zu  Wien  71 

Christus  am  Kreuz,  genannt  ,,der  Degenknopf".    Kupferstich  B.  23   74 

Maria  auf  dem  Halbmonde.    Kupferstich  B.  30   75 


i84 

Seite 


Maria  von  Heiligen  verehrt.    Aus  dem  Marienleben.    Holzschnitt  B.  95      .    .    .  76 

Christus  auf  dem  Ölberg.    Kleine  Passion.    Holzschnitt  B.  26   79 

Christus  auf  dem  Ölberg.    Kupferstichpassion  B.  4   80 

Ecce  homo.    Kupferstichpassion  B.  10   81 

Unterer  Teil  der  Titeleinfassung  zu  Pirkheimers  Büchern.    Passavant  205    ...  86 

Die  Madonna  mit  der  Birne.    Kupferstich  B.41   87 

Madonna  mit  dem  Kinde.    Federzeichnung  im  Kupferstichkabinet  zu  Berlin    .    .  88 

Die  Madonna  an  der  Mauer.    Kupferstich  B.  40   89 

Die  heilige  Familie.    Zeichnung  im  Museum  zu  Basel   90 

Die  heilige  Anna  Selbdritt.    Aquarellierte  Federzeichnung  im  Germanischen  Museum 

zu  Nürnberg   92 

Das  Schweisstuch  Christi.    Kupferstich  B.  25   93 

Der  heilige  Hieronymus  im  Gehäuse.    Kupferstich  B.  60   98 

Die  Melancholie.    Kupferstich  B.  74   100 

Weiherhaus.    Ausschnitt  aus  der  Madonna  mit  der  Meerkatze.    Kupferstich  B.  42  108 

Gottvater  und  die  Taube  mit  Seraphim.    Holzschnitt   109 

Ein  Hase.    Aquarellmalerei  in  der  Albertina  zu  Wien   1 20 

Der  heilige  Antonius,    Kupferstich  B.  58   121 

Angebliches  Bildnis  des  Hans  Imhof.    Gemälde  im  Museum  zu  Madrid      .    .    .  129 

Das  Abendmahl.    Holzschnitt  B.  53   131 

Die  Grablegung  Christi.    Federzeichnung  im  Germanischen  Museum  zu  Nürnberg  133 

Schnörkel.    Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians   134 

Ein  Hahn.    Von  dem  Löwenwappen  mit  dem  Hahn.    Kupferstich  B.  100  .    .    .  135 

Ein  Löwe.    Aquarellmalerei  in  der  Albertina  zu  Wien   145 

Landsknecht  und  Reiter.    Federzeichnung  aus  dem  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians  146 

Johannes  und  Petrus  (oberer  Teil).    Gemälde  in  der  Pinakothek  zu  München     .  152 

Paulus  und  Markus  (oberer  Teil).  Gemälde  in  der  Pinakothek  zu  München  .  .  153 
Weinender  Engel.    Weissgehöhte  Kreidezeichnung  in  der  Sammlung  Blasius  zu 

Braunschweig   156 

Landschaft  aus  dem  h.  Eustachius.    Kupferstich  B.  57   157 

Offenes  Buch  auf  einem  Pult  liegend.     Weiss  gehöhte  Pinselzeichnung  in  der 

Albertina  zu  Wien   160 


Vornehme   Geschenkwerke  für  Kunstfreunde  und  Sammler. 


In  demselben  Verlage  sind  ferner  erschienen: 

ZEICHNUNGEN 

VON 

ALBRECHT  DÜRER 

IN  NACHBILDUNGEN. 

ERSTER  UND  ZWEITER  BAND. 
HERAUSGEGEBEN  VON 

DR-  FRIEDRICH  LIPPMANN 

Direktor  des  K.  Kupfersticlikabinets  zu  Berlin. 

I.  Band :    T.  bis  IV.  Abtheilung,  zusammen  99  Zeichnungen  in  einem  Bande. 
II.  Band:    V.  bis  XXII.  Abtheilung,  zusammen  108  Zeichnungen  in  einem  Bande. 
Folio-Format.    In  solidem  Einband,  Deckelpressung  nach  dem  Dürer'schen  Holzschnitt: 
die  Tapete  mit  dem  flötenspielenden  Satyr.    Subscriptionspreis  für  jeden  Band  250  Mark. 

Von  diesem  Werke  sind  nur  dreihundert  in  der  Presse  numerirte  Exemplare  hergestellt,  auch 
wird  eine  zweite  Auflage  nicht  veranstaltet.  Die  Verlagsbuchhandlung  behält  sich  vor,  den 
Subscriptionspreis  von  250  Mark  später  zu  erhöhen. 

Der  dritte  Band  ist  in  der  Herstellung  begriffen  und  wird  im  Laufe  des  nächsten  Jahres 
erscheinen. 


STICHE  UND  RADIRUNGEN 

VON 

SCHONGAUER  DÜRER  REMBRANDT 

IN  HELIOGRAPHISCHER  NACHBILDUNG 

NACH  ORIGINALEN 

DES  KÖNIGLICHEN  KUPFERSTICHKABINETS  ZU  BERLIN 

MIT  BEGLEITENDEM  TEXT 
VON 

J.  JANITSCH  UND  A.  LICHWARK. 

Zwei  Theile  in  Mappe  100  Mark.  —  In  Halb- Juchten -Einband  120  Mark. 


Die  herrlichen  Kupferstichwerke  unserer  alten  Meister  der  bildenden  Künste  sind  noch  immer 
weiteren  Kreisen,  selbst  der  Gebildeten,  so  gut  wie  unbekannt.  Und  doch  schlummert  in  ihnen 
ein  Schatz,  reich  an  Phantastik,  Pracht,  Schönheit  und  Gemüthswärme,  der  es  wohl  werth  erscheinen 
lässt,  dass  die  alte  deutsche  Kunst  zu  neuem  Leben  erwache  und  jedes  Auge  sich  an  ihren 
Schöpfungen  erfreue. 

Schongauer,  Dürer,  Rembrandt  —  das  sind  die  Namen  unserer  grossen  germanischen  Künstler. 
Weniger  in  ihren  Gemälden,  als  vielmehr  in  ihren  eigenhändigen  Kupferstichen  und  Radirungen 
liegt  der  Schwerpunkt  ihres  künstlerischen  Schaffens.  Und  diese  bringt  die  obige  Publikation  in 
getreuen,  heliographischen  Reproduktionen  allen  Kunstfreunden  zur  Erbauung  und  Vertiefung, 
denen  die  in  Sammlungen  nur  selten  und  schwer  zu  benutzenden  Originale  nicht  zugänglich  sind. 


Seit  Januar  1888  erscheint: 

DIE  GEMÄLDEGALERIE 

DER  KÖNIGLICHEN  MUSEEN  ZU  BERLIN. 

Mit  erläuterndem  Text  von  JULIUS  MEYER  und  WILHELM  BODE. 

Herausgegeben  von  der  Generalverwaltung. 

Gross  -  Folio  -  Format. 

Diese   hervorragende  Publikation   wird  in  Kupferstichen  und  Radirungen  von  der  Hand  der 
berufensten  Künstler  die  Hauptwerke  der  Königlichen  Gemälde-Galerie  zu  Berlin  umfassen. 

Jährlich  werden  2 — 3  Lieferungen  ausgegeben.  Die  ersten  sechs  Lieferungen,  je  6  Einzelblätter  und 
durchschnittlich  4  Doppelbogen  Text  enthaltend,  liegen  fertig  vor;  die  siebente  wird  im  December  d.  J. 
erscheinen.    Alle  folgenden  werden  ebenfalls  je  6  Einzelblätter  und  4  Doppelbogen  Text  bringen. 

=  Preis  jeder  Lieferung  30  Mark.  — 

Ausserdem  werden  abgezogen  in  grösstem  Folio  -  Format : 
25  numerirte  Exemplare  der  Künstler-Ausgabe:  Remarque-Drucke  mit  breitem  Plattenrande  auf 

Japan -Papier  mit  eigenhändiger  Unterschrift  der  Künstler.    Preis  der  Lieferung  100  Mark. 
80  numerirte  Exemplare  der  Vorzugs-Ausgabe:  auf  chinesischem  Papier  mit  breitem  Plattenrande. 

Preis  der  Lieferung  60  Mark. 

 o  INHALT,  c  


ERSTER  THEIL. 
Die  italienische,  spanische  und  französische  Schule. 

Erster  Band. 

I.  Die  Italienischen  Schulen  des  XIV.  Jahrb.; 

etwa  6  Blatt. 
II.  Die  Florentinische  Schule  des  XV.  Jahrh. ; 

etwa  12  bis  15  Blatt. 

III.  Die  Umbrische  Schule. 

Die  Schulen  von  Ferrara  und  Bologna  des 
XV.  Jahrh. ;  zusammen  etwa  6  Blatt. 

IV.  Die  Ober-Italienischen  Schulen  des  XV.  Jahrh. 
(insbesondere  Venezianer  und  Lombarden); 
etwa  12  bis  15  Blatt. 

Zweiter  Band. 

V.  Die  Italienischen  Schulen  und  die  Meister 

des  XVI.  Jahrb.;  etwa  15  bis  18  Blatt. 
VI.  Die  Italienischen   Schulen   des  XVII.  und 

XVm.  Jahrb.:  etwa  9  Blatt. 
VII.  Die  Spanische  Schule,  vornehmlich  des  XVII. 
Jahrb.;  etwa  6  Blatt. 


VIII.  Die   Französische   Schule   des  XVII.  und 
XVIII.  Jahrhunderts. 

Die  Deutsche  Schule  des  XVIII.  Jahrh.;  zu- 
sammen etwa  9  Blatt. 

ZWEITER  THEIL. 
Die  deutsche  und  die  niederländische  Schule. 

Dritter  Band. 
IX.  Die  Deutsche  Schule.  XIII.  bis  XVI.  Jahrb.; 

etwa  9  Blatt. 
X.  Die  Altniederländische  Schule.    XV.  und 

XVI.  Jahrb.;  etwa  12  Blatt. 
XL  Die  Vlämische  Schule  des  XVII.  Jahrb.; 

etwa  12  bis  15  Blatt. 

Vierter  Band. 
Dz'e  Holländische  Schule.    XVU.  Jahrhundert. 

XII.  Franz  Hals  und  seine  Schule.   Die  Bildniss' 
maier;  etwa  12  Blatt. 

XIII.  Rembrandt  und  seine  Schule ;  etwa  6  Blatt. 

XIV.  Die  Kleinmeister.    Das  Sittenbild  und  das 
Stillleben;  etwa  12  Blatt. 

XV.  Die  Landschaft.    Das  Architekturbild  und 
die  Marine;  etwa  12  Blatt. 


4  Bände  in  25  bis  27  Lieferungen. 


ZEICHNUNGEN 


VON 


SANDRO  BOTTICELLI 

zu 

DANTE'S  GOETTLICHER  KOMOEDIE 

NACH  DEN  ORIGINALEN  IM  K.  KUPFERSTICHKABINET  ZU  BERLIN 
HERAUSGEGEBEN  IM  AUFTRAGE  DER  GENERAL  -  VERWALTUNG  DER  K.  MUSEEN 

VON  Dr.  FRIEDRICH  LIPPMANN. 

84  Facsimile- Lichtdrucke  mit  erklärender  Beschreibung  und  Heliographien  der  20  Kupferstiche  der 
Florentiner  Dante- Ausgabe  von  1481.    Preis  270  Mark. 

Dazu  als  Supplement:  DIE  ACHT  HANDZEICHNUNGEN  DES  SANDRO 
BOTTICELLI  ZU  DANTE'S  GOETTLICHER  KOMOEDIE  IM  VATIKAN.  Heraus- 
gegeben von  Dr.  JosEF  Strzygowski.    Preis  30  Mark. 

Botticelli's  Zeichnungen  sind  unzweifelhaft  die  grossartigste  Illustration  der  göttlichen  Komödie 
und  eines  der  bedeutendsten  Kunstwerke  des  15.  Jahrhunderts.  Sie  kamen  mit  den  aus  der  Samm- 
lung des  Herzogs  von  Hamilton  angekauften  alten  Handschriften  in  den  Besitz  der  Königlichen 
Museen  zu  Berlin  und  wurden,  bisher  fast  verborgen,  nunmehr  erst  weiteren  Kreisen  bekannt. 


Don 

Kob.  Do|>me,  lüil^).  :ßoöe^  Mb.  3amt}(!l^ct ,  (£.  Don  £ü^on)  unb  Jat  üon  ^Salte. 

fgit  826  ^ffurtiaftonctt  im  Sc^f  unb  237  ^afcfn  ttn6  g>arBgttt>ru(ficn. 

Format:  (Sröfetes  £cf.  =  ®ftaD.    preis:  90  iTlarf.    (Sebunben  in  fialbfransbanö  U»?  JTlarf. 


I.  ©«rdn«'!**  J***^  J»<tttrdjen  ^ttithunft.  öon 

Dr.  Hob.  Dotjmc,  Ulitglieb  ber  K.  2lfabemic  | 
bes  Bautcefens.    ITlit  3.52  2!ertiUuftrationen  unb  1 
5+  tEafeln  u.  ^arbenbrucfen.  VIII.  u.  4<^'5  Seiten. 
^887.    20  trjarf.    (geb.  i.  ^Ibfrs.  24  iriarf. 

II.  ©efdjti^te        ti«utrdr«n  IHafttk.  öon  Dr 
W.  Bobe,  üireftor  an  ben  Königl.  ITlufeen  3U  i 
Berlin,    mit  82  Ceftiüufirationen  u.  29  Cnfeln 
unb  ,^arbcnbrucfen.    IV  unb  258  Seiten.  H887. 
12  iriarf.    (Seb.  i.  ßlbfrs.  )15  lllarf. 

III.  (ßg!fdnAjU  Jirer  i»eutrd|«n  Ptc»Ur«t.  Oon  Dr. 
£f.  3«nitf<i?ef/  prof.  an  ber  Unioerfität  Stra§= 
bürg,  mit  n4'  Certiüuürationen  unb  82  Cafeln 
unb  ,^arbenbruden.  VIII  u.  664  Seiten.  1,890. 
30  miarf.    (Seb.  i.  f7lbfr3.  3+  marf. 


IV.  ^tfdndjU  be*  beutfdtett  ^itpferftidje«!  uttb 
fioUJdinitie^,  Von  Dr.  darl  non  Cü^otu, 
Prof.  an  ber  K.  K.  tect>nif(ijen  ^ocbfd^ule  su 
IDien.  mit  13\  (Tertiüuilrationcn  unb  40  (Eafeln 
unb  ^T^ßn^'rucf'en.  VI  unb  316  Seiten.  X8S)l . 
J6  marf.    (Seb.  i.  ßlbfr^.  19  marf. 

V.  @erd;id)te  be«  hctttfdjeit  $un|t0«ttt«trb«0. 
Don  3afob  oon  ,5alfc,  Direftor  bes  K.  K. 
ODfierreicbifdien  mufeums  für  Kunft  u.  3nbu)irie 
3u  ITien.  lliit  107  Certilluftrationen  u.  32  Cafcin 
unb  ,^arbenbrucfen.  VI  unb  219  Seiten.  \888. 
12  marf.    ©eb.  i.  ^Ibfr3.  ^5  marf. 


(Seber  ^til  ift  etnjeln  hütifliii).) 


Diefes  bebeutenbe,  ja  bal^nbredjenbe  tPerf,  getragen  oon  ber  ®unft  bes  publifums  unb  ber  etnfiimmig 
günftigen  Kritif  ber  Preffe,  liegt  nun  oollenbet  uor.  Die  mittbcilungen  bes  K.  K.  ©ftcrreidjifdien  mufeums 
für  Kunft  fagen  barüber :  Das  gro^e  IDerf  ift  nunmeljr  3um  2lbfd-)Iu§  gebradjt  tüorbcn  unb  liegt  bem  bcutfdjen 
Dolfe  in  fünf  ftattlidjen  öänben,  bie  (Sefdjidjte  feiner  nationalen  Kunjt,  ooUenbet  oor.  llid^t  allein  in 
anffenfd^aftlidier ,  aud7  in  fünftlerifdjer  Beiiequnq  geftaltet  fid)  bas  (San3e  3U  einem  prad^ttrerfe  er^lcn 
Hanges,  benn  bie  grünblidic  unb  ausfüt]r[id]e  Darftellung  bes  «Entroid'clungsganges  ber  beutfd^cn  Kunft  aus 
ben  ^ebern  berufener  ,^adimänner  begleitet  ein  reidier,  forgfani  ausgeiyäblter  unb  forgfoltig  ausgefütjrter 
öilberfdjmucf  (über  1000  3^I"ft'^'itioncn  im  ?Eert  unb  auf  3um  großen  Cbeile  farbigen  ^Tafeln!),  lueld^er  bie 
fdjönften  unb  intereffanteften  Denfmäler  bcutfdjer  öaufunft,  öilbnerei  unb  malerci,  bes  Kufiferjiidies,  ^ol3= 
fd^nittes  unb  bes  Kunftgetuerbes  3ur  2lnfdiauung  bringt,  mit  bered?tigter  (Senugtt]uung  bürfen  bie  ^crau5= 
geber  unb  ber  Derleger  auf  bas  nun  abgefd^Ioffenc  IVerf  blirfen,  töeldies  bie  tDobloerbientc  dbeilnabme  unb 
bas  tt)ärmfte  2ntere'\)e  bes  funftliebenben  beutfdicn  Cefepublifums  fdion  Don  allem  2Infange  an  begleitet  l)at. 


KUPFERSTICHE  UND  HOLZSCHNITTE  ALTER  MEISTER 

IN  NACHBILDUNGEN. 

Herausgegeben  von  der  Direction  der  Kaiserl.  Rcichsdruckerei 

unter  Mitwirkung  von  Dr.  F.  Lippmann,  Director  des  K.  Kupferstichkabinets  in  Berlin. 

In  jährlichen  Lieferungen  (INIappen)  zu  loo  Mark. 
Lieferung  I  und  II  sind  erschienen. 


Eine  unbegrenzte  Fülle  der  edelsten  und  nachhaltigsten  künstlerischen  Anregung  ist  in  den 
Kupferstichen  und  Holzschnitten  der  alten  Meister  enthalten,  und  diese  Anregung  weiteren  Kreisen 
zu  vermitteln,  ist  eines  der  vornehmlichsten  Ziele,  welche  sich  das  hier  angezeigte  Unternehmen 
setzt.  Durch  eine  Zahl  sorgfältigster  Reproduktionen  in  überaus  getreuer  Weise  wiedergegeben  und 
in  der  Regel  in  der  Grösse  der  Originale  gehalten,  wird  eine  Art  kunstgeschichtlicher  Atlas  her- 
gestellt werden  ,  welcher  die  Entwickelung  des  Kupferstiches  und  Holzschnittes  aller  Schulen  und 
Perioden  veranschaulicht.  Das  Werk  wird  dann  gewissermassen  den  Auszug  einer  grossen  Kupfer- 
stichsammlung darstellen,  das  Beste  und  Merkwürdigste,  was  vier  Jahrhunderte  geschaffen  haben, 
enthaltend.  Die  Nachbildungen  werden  auf  Büttenpapier  gedruckt,  auf  Cartons  befestigt  und  den 
alten  Blättern  in  der  äusseren  Erscheinung  durchaus  ähnlich  sein. 

Für  die  Nachbildung  werden  zu  einem  grossen  Theil  Originale  aus  dem  Kgl.  Kupferstich- 
kabinet  in  Berlin  dienen  und  ausserdem  solche  aus  namhaften  in-  und  ausländischen  öffentlichen 
und  privaten  Sammlungen. 


Die  antiken  Sarkophag-Reliefs 


im  Auftrage 

des  Kaiserlich  deutschen  Archäologischen  Instituts 

mit  Benutzung  der  Vorarbeiten  von  Friedrich  Matz 

herausgegeben  und  bearbeitet 
von 

Karl  Robert. 

Folio  -  Format.    Preis  des  zuerst  erschienenen  II.  Bandes  fest  cartonirt  225  Mark. 


Die  Herausgabe  der  antiken  Sarkophag -Reliefs  bildet  ein  Glied  in  der  Reihe  der  Unter- 
nehmungen des  Kaiserl.  Archäologischen  Instituts,  durch  welche  dieses  nach  Massgabe  der  zur 
Verfügung  stehenden  Mittel  und  Kräfte  dazu  beitragen  will,  dass  der  sonst  unübersehbare  archäo- 
logische Stofif  nach  Gruppen  des  unter  einem  entscheidenden  Gesichtspunkt  Zusammengehörigen 
nutzbar  vorgelegt  werde. 

Karl  Robert  hat  seine  ganze  Kraft  dafür  eingesetzt,  und  seiner  Bemühung  ist  es  zu  danken, 
dass  das  Ganze  in  Plan  und  Ausführung  aufs  Neue  gefördert  ist,  und  dass  jetzt  ein  Band,  der 
Reihenfolge  im  Werke  nach  der  zweite,  ausgegeben  werden  konnte. 

Das  ganze  Werk  ist  auf  6  Bände  in  folgender  Anordnung  berechnet:  Band  I.  Menschenleben. 
Band  II.  Mythologische  Cyklen.  Band  III.  Einzelmythen.  Band  IV.  Bacchischer  Kreis.  Band  V. 
Musen,  Nereiden,  Eroten.  Band  VI.  Decoratives.  Einleitung  und  Register  werden  hinzutreten.  Es 
sollen  womöglich  sämmtliche  bekannte  Sarkophage,  mit  Einschluss  der  Bruchstücke  zusammen  etwa 
3000,  auf  etwa  1000  Tafeln  in  Abbildungen  gegeben  und  kritisch  und  exegetisch  behandelt  werden. 


JAHRBUCH 

DER 

KÖNIGLICH  PREUSSISCHEN  KÜNSTSAMMLÜNGEN, 

Jährlich  ein  Band  (4  Hefte).     1891.    XII.  Band. 

Preis  30  Mark. 

Ausgestattet  mit  vielen  Beilagen  und  Illustrationen. 


Das  „Jahrbuch"  bringt  neben  den  amtlichen  Berichten  aus  den  Kunstsammlungen  Studien 
und  Forschungen  auf  allen  Kunstgebieten  von  den  namhaftesten  Gelehrten  und  zeichnet  sich  aus 
durch  den  Werth  seiner  Kunstbeilagen. 


Von  Band  I  —  X  sind  einzelne  zurückgesetzte,  aber  gut  erhaltene  Exemplare  vor- 
räthig,  die  zusammen  genommen  statt  des  Ladenpreises  von  296  Mark  zum  er- 
mässigten  Preise  von  148  Mark  zu  kaufen  sind. 


Zu  Band  I  — X  ist  ein  General -Kegister  erschienen,  das  6  Mark  kostet. 


gnt  g(ei(^en  SSerlage  ftnb  ferner  erfd^ienen: 

(ßcf  d^id^tstpcrf  c 

mit 

aiitgentifcFien  tnilturgiftonfcgen  Slluftrationen,  ^arträt^^, 
Cafein,  'i^cüagcn  unb  tjiftonfrficn  Clartciu 


(6efc¥|iri&tE  ÖE]^  alten  #g|lpten^.   Von  profeffor  Dr.  (£  b  u  a  r  b  m  c  y  c  r. 
—  ITTtt  einer  (Einleitung :  (Seograpt^ie  bes  alten  ^jigYP*^"^'  5d?rift  unb  5prad)c 
feiner  Berool^ner.  Don  profeffor  Dr.  3oI|annesDümid^en.  IHit  8  Karten, 
Cafein  unb  Beilagen,  3  Kärtdjen  unb  W  ^Ibbilbungen  im  Cejt.  XII, 
322  unb  ^20  (=  Tk2)  Seiten.    ^887.   Ji  22.50.    (Seb.  i.  :^Ibfr3.  25.50. 

O^efcgidöte  ^aüplonten^  unü  ^Uffprien^.  Oon  profeffor  Dr.  ^ri^ 

f^ommel.  IHit  \  Karte,  Cafe  In,  \\  Kärtdjen  unb  \06  21bbilbungen  im 
Cejt.    VI  unb  802  Seiten.    \885.    .M  \7.50.    (Seb.  i.  ^Ibfr3.  20.50. 

<^tiä}id\tt  Öe^  alten  Stntlien^-  r>on  profeffor  Dr.  S.  £efmann. 
mit  \  Karte,  29  Cafein  unb  Beilagen,  \  Kärtdjen  unb  21bbilbungen 
im  Cejt.  VI  unb  8^5  Seiten.    \890.        2\.— .    (Seb.  i.  £^lbfr3.  Ji  2\  — 

(6efrf)icFfte  Öe^  alten  ^erfl'en^.  Don  profeffor  Dr.  ^erbinanb  3ufti. 
JTtit  2  Karten,  \2  Cafein  unb  Beilagen,  unb  w  2lbbilbungen  im  Cejt. 
X  unb  252  Seiten.    \879.    JL  7.50.    (Seb.  i.  fjlbfr3.  Ji  \0.— 

(J^efdjirflte  ber  ^f|äni.Ver»  Don  Dr.  Hid^arb  pietf d?mann.  lUit 
8  Cafein,  7  Kärtd^en  unb  95  llbbilbungen  im  Cert.  IV  unb  3^5  Seiten. 
H889.    Ji  8.—.    (5eb.  i.  f|Ibfr3.  Ji  ^o.50. 

O^efCÖiCÖte  bon  i|ella^  unb  ßoni»  Don  profeffor  Dr.  (g.  ^.  ^er^. 
berg.  gmei  Bänbe.  I.  Banb:  ITTit  3  Karten,  13  Cafein,  9  Kärtd^en  unb 
73  2ibbilbungen  im  Cejt.  groeite  21uflage.  IV  unb  638  Seiten.  \883.  Ji  U.so. 
(Seb.  i.  £^Ibfr3.  Ji  \7.25.  —  II.  '^axCii'.  mit  \  Karte,  \\  Cafein,  6  Kärtd^en 
unb  88  21bbilbungen  im  Cejt.  groeite  2iuflage.  IV  unb  679  Seiten.  ^88^^. 
Ji  \5.— .    (Seb.  t.  ^Ibfr3.  .M.  yi.ih. 

a3efcßicßte  be^  l^alftei^  3frael,  ^u^ei  Bänbe.  I.  Banb  pon  profeffor 
Dr.  Bernljarb  Stabe,  mit  2  Karten,  \  \  Cafein  unb  Beilagen,  Kärtd^en 
unb  ^3  21bbilbungen  im  Cejt.  ^roeite  21uflage.  VIII  unb  7\\  Seiten.  ^889. 
Ji  \6.— .  (Seb.  i.  :^Ibfr3.  \8.75.  —  II.  '^(xn^.  I.  a5efiijirijte  üe^  bot* 
cöritWcöen  gfubcntum^  tii^  jur  grierijifcDEn  %t\t.  Don  profeffor  Dr.  Bern« 
t^arb  Stabe.  II.  *I^fl^  €nbe  öc^  jübifcßcn  .^taat^tuefcng  unb  bie  OEnt- 
ftefjung  be^  Cfjrittentum^.  Don  Lic.  theol.  Dr.  0s !ar  f^ol^m ann.  mit 
2  Karten,  \5  Cafein  unb  Beilagen,  unb  7  Zlbbilbungen  im  Cejt.  IV  unb 
679  Seiten.    1888.  Ji  \6.— .    (Seb.  i.  f?Ibfr3.  Ji  ^8.75. 

(j^efcgid^te  be>^  roniifcficn  Jliaiferreidje!^»  Don  profeffor  Dr.  (S.  f. 

^er^berg.  mit  \ 9  Cafein  unb  Beilagen,  3  Kärtd^en  unb  \28  2tbbilbungen 
im  Cejt.    IV  unb  892  Seiten.    ^880.    Ji  \^—.    (Seb.  i.  £^Ibfr3.  22.— 


Urgefcgicgte  öer  gcrmanifcgen  unö  romanifcgen  l^ölftEt« 

Don  profeffor  Dr.  ^eltj  Dal^n  Dter  Bänbc.  I.  23anb:  XHit  3  'Karten, 
\3  Cafcin  unb  Betlagen,  unb  U8  2tbbtlbungen  im  (Eeyt.  VI  unb  60^^  Seiten. 
\88\.  Ji\(\-—.  (Seb.  t.f?Ibfr3.  Ji\Q.i^.—  ll.  Banb:  ITItt  5 Karten,  \2 Cafein, 
/s^Kärtdjen  unb  74;  2lbbtlbungen  im  Ceyt.  VIII  unb  5\5  Seiten.  \88\.  ^  ^2. — 
(Seb.  i.  £^Ibfr3.  \^.7  5.  —  III.  Banb:  IHit  4:  Karten,  \i  Cafein  unb  3ei= 
lagen,  2  Kärtdjen  unb  30  2^bbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  u 86  Seiten.  \883. 
Ji  25.—.  (Seb.  i.  ^Ibfr3.  Ji  28. —  IV.  Banb:  lUit  \2  Cafein  u.  Beilagen, 
u.  76  21bbilbungen  im  Cejt.    IV  u.  368  Seiten.    ^889.  Ji  (Seb.  i. 

f^Ibfr3.  Ji  \2.50. 

Don  profeffor  Dr.  (Ebuarb  IDinfelmann.  Iltit  6  Cafein  unb  Beilagen, 
\  Kärtdjen  unb  8  2lbbilbungen  im  Cejt.  VIII  unb  \86  Seiten.  1883.  Ji  6.— 
(Seb.  i.  f^Ibfrs.  Ji.  8.50. 

^er  2l^tam  im  j^l^orgen^  unö  SCöEiitilanö,  Don  profeffor  Dr.  21. 

ITtüIIer.    gtpei  Bänbe.    I.  Banb:  IHit  \  Karte,  \\  Cafein  unb  Beilagen, 

unb  27  ilbbilbungen  im  Cejt.    VIII  unb  6^^6  Seiten.    \885.    Ji  u.50. 

(Seb.  i.  :^Ibfr3.  ^  IL  Banb:  tltit  ^  Karten,  H3  Cafein  unb  Bei= 

lagen,  unb  ^^8  21bbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  686  Seiten.  ;887.  Ji  \5.— 
(Seb.  i.  .^Ibfr3.  Ji  \7.7  5. 

O^EfcglCgtE  ÖEt  teEU53ÜgE.  Don  profeffor  Dr.  Bernljarb  Kugler. 
mit  2  V.axizn,  \o  Cafein  unb  Beilagen,  \5  Kärtd^en  unb  \ob  'iXhhxl- 
bungen  im  Cejt.  groeite  2luflage.  VIII  unb        Seiten.  Ji  \\  — 

(Seb.  i.  ^Ibfr3.  Ji  ^3.50. 

^taatEngEfcgicgtE  öe^  ^UftEntlanbE^  im  ÄittElaltEt  bon 
ütad     a5r*  bi)^  auf  jSa):imilian.  Don  profeffor  Dr.  f^ans  pru^. 

gmei  Bänbe.  I.  'Sant>:  mit  ](  Karte,  27  Cafein  unb  Beilagen,  unb  \82  2Ib» 
bilbungen  im  Cejt.  VIII  unb  726  Seiten.  \885.  Ji  \8.—  (Seb.  i.  i?Ibfr3. 
Ji  2\.—  II.  Banb:  mit  2  Karten,  4:6  Cafein  unb  Beilagen,  unb  2'^5  2Ib= 
bilbungen  im  Cejt.  IV  unb  855  Seiten.  ^887.  Ji.  20.—  (Seb.  i.  ^Ibfr3.  Ji  23.— 

O^EfcgicßtE  öEt  ^psantincr  unb  bE-ß  a^^manifcgEU  ÖEidjE^ 
bi^  gEgEH  €nbE  bE>gf  (EcgSE^ntEn  aiagr^unbErt^,  Don  pro» 

feffor  Dr.  (S.  ^.  f^er^berg.  mit  1(9  Cafein  unb  Beilagen,  <k  Kärtd^en  unb 
52  2ibbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  692  Seiten.  \883.  Ji  \6.50.  (Seb.  i. 
f^Ibfr3.  Ji  \9.25. 

ßEnaiffancE  unb  Jlumani^mu^  in  StaliEu  unb  ^Eutfcglanb. 

Don  Profeffor  Dr.  £ubn)ig  (Seiger,  mit  27  Cafein  unb  Beilagen,  unb 
58  2tbbilbungen  im  Cejt.    IV  unb  587  Seiten.    \882.    Ji  (Seb.  i. 

i^Ibfr3.  Ji  1(7.75. 

a^EfcgiCÖtE  bE^  ^EitaltEt^  bEr  CntbECßungEU.  Don  profeffor 
Dr.  Sopljus  Kuge.  mit  9  Karten,  \o  Cafein  unb  Beilagen,  \o  Kärtd^en 
unb  4:7  2tbbilbungen  im  Cejt.    IV  unb  5^2  Seiten.  Ji  (Seb. 

i.  i^Ibfr3.  Ji  \7.75. 


ßufslanti,  ^olen  und  HCililanti  fti^  in^  17«  3al}rgiinbert» 

Don  Dr.  Cl^cobor  Sdjiemann,  gtret  Sänbe.  I.  Banb:  IHit  2  Karten, 
\9  Cafein  unb  Betlagen,  3  Kärtd?en  unb  2tbbilbungen  tm  Cejt.  IV  unb 
668  Seiten.  ^886.  Ji  \6.—  <3eh.  t.  f^Ibfr3.  \8.75.  II.  Banb:  ItTtt 
\2  Cafein  unb  Beilagen,  unb  7^  2lbbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  ^^o  Seiten. 
\887.    J&  \\. —    (geb.  i.  :^Ibfr3.  Ji  ^3.50. 

a^efcgicgte  ter  tlElItfcl^En  ßEfarmatian.  Don  profeffor  Dr.  ^rieb» 
rtd?  Don  Be3oIb.  ITTit  33  Cafein  unb  Beilagen,  unb  96  21bbilbungen  im 
Cejt.    VI  unb  88^^  Seiten.    \890.    M  22.50.  (Seb.  i.  ^Ibfr3.  J6  25.50. 

JBefl:Europa  im  ^EitaltEt  ban  5^8iüpp  n.,  ClifaftEtft  imö 

l|Einriclj  IV.  Don  profeffor  Dr.  niartin  pl^ilippfon.  mit  ^  Karten, 
^2  Cafein  unb  Beilagen,  unb  72  2lbbilbungcn  im  Cejt.  VI  unb  H8^  Seiten 
(Einleitung  (bie  fatl^ol.  (Segenreformation  um  bie  IHitte  bes  \6.  3'il?rl^.)  unb 
509  (=  693)  Seiten.    \882.   J&  \8.—  (Seb.  i.  £^Ibfr3.       2\  — 

Wa^  ^EitaltEt  ÖE^  brEifsigjägrigEn  ftriEgE^.  a5efcfi<c8te  unb  i^or^ 

5efcf)irf)tE.  Don  Prof.  Dr.  (S.  Dro  yfen.  («rfdjicncn  5.  ^—'^48;  roitb  DoOpanbig  ^892.) 

O^EfcglCgtE  ÖEt  ßEbolUtian  in  Cnglanb.  Don  profefforDr.  2llfreb 
Stern.  JTtit  \  Karte,  8  Cafein  unb  Beilagen,  \  Kärtd^en  unb  36  llbbil» 
bungen  im  Cejt.  VIII  unb  329  Seiten.  \88\,  J&8.50.  (Seb.  i.  f^Ibfr3.  ^  U-— 

Wü§  ZtlMttt  löCutltaig^  XIV.  Don  profeffor  Dr.  niartin  pl^i« 
lippfon.  JTtit  57  Cafein  unb  Beilagen,  unb  29  21bbilbungen  im  Cejt. 
gtpeite  21uflage.  VIII  unb  5'^3  Seiten.  ^889.       \6.—  (Seb.  i.  f^Ibfr3.  ^  ^9.— 

^EtEt  ÖEr  OBroftE.  Don  profeffor  Dr.  ^Ilcyanber  Brücfner.  ITTit 
U  Cafein.  gleite  2luflage.  VIII  unb  578  Seiten.  1^888.  \3.50.  (Seb. 
t.  £^Ibfr3.  JS.  \6.25. 

l^EutfcfiE  O^EfcßfcgtE  bom  llOEftfälifcgEn  JFriEbEn  öi^  511m 
ÖEgiErung^antdtt  JFriEbdcfj^  öE^oBrafSEii,  1648— 1740.  Don 

prof.  Dr.  Bernl|.  (Erbmannsbörffer.  («tfdjienenS. 62-^;  roirb  oonpanbig  1892.) 

^a^  ^EitaltEr  jfnEÖricgj^  ÖE^  O^raßEn.  Don  prof effor  Dr.  i  I . 
I^elm  ©ncfen.  groei  Bänbe.  I.  :Sanh:  ITTit  \7  Cafein  unb  Beilagen, 
7  Kärtd^cn  unb  21bbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  58 \  Seiten.  \88\,  Ji  \3.50. 
(Seb.  i.  ^^Ibfr3.  \6.25.  II.  Banb:  mit  26  Cafeln  unb  Beilagen,  yi  Kärtd?en 
unb  55  21bbilbungen  im  Ccyt.  VIII  unb  868  Seiten.  \882.  Ji  ;8.50. 
(Seb.  i.  f^Ibfr3.  Jk  2^.50. 

(i&ftErrEicg  iiutEt  jiBaria  ^gEtEfia.  %xx\t\  II.  miti  ICEo^ialb  II. 

1740 — 1792*  Don  profeffor  Dr.  ^Ibam  IDoIf  unb  Dr.  J|ans  oon 
gmiebinecf.Sübenl^orft.  mit  \6  Cafein  unb  Beilagen,  unb  3^  2IbbiI. 
bungen  im  Cejt.  VI  unb  ^37  Seiten.  \88^.  A  \  2.—  (Seb.  i.  f?Ibfr3.  Ji  \^.75. 

iltatgarina  II.  Don  profeffor  Dr.  21 1  c  f  a  n  b  e  r  B  r  ü  c!  n  e  r.  mit  20  Cafeln 
unb  Beilagen,  unb  56  21bbilbungen  im  Ceyt.  VI  unb  6^2  Seiten.  \883.  M  \5.— 
(Seb.  i.  f?Ibfr3.  Ji  \7.7  5. 


W^i  Zeitalter  öer  ßcboliitian,  tie;^  ^aiferrcicgc^  unö  öer 

^efrElung^ßriege*  Pon  profcffor  Dr.  rt)tll^clm  ©nrfen.  §iDct 
Bänbe.  I.  Sanb:  ITTit  2  Karten,  32  (Eafeln  unb  Beilagen,  3  Kärtdjen 
unb  85  21bbtlbungen  im  Cejt.  IV  unb  863  Seiten.  ^88^^.  Ji 
(5eb.  t.  f^Ibfr3.  j/i  22—  IL  3anb:  ITTit  38  Q:afeln  unb  Beilagen,  2\  Kärtd^en 
unb  21bbilbungen  im  Ceji  XI  unb  95^};  Seiten.  \886.  Ji  2\—  (Seb. 
i.  ^Ibfr3.  J4.  2\  — 

ö^a^  ^Eitafter  öer  iSeftauration  unb  jSßbölution,  1815— 1851. 

Pon  profeffor  Dr.  Cl^eobor  ^latt^e.  XlTit  3  Karten,  <k\  Cafein  unb  Bei» 
lagen,  2  Kärtdjen  unb  72  Zlbbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  733  Seiten. 
\883.    Ji  \8.50.    (Seb.  i.  f^Ibfr3.  Ji  2\.50. 

a3efcf|tdätc  ijc^  slucitcn  föaiferreicöe^  unö  te^  Jfiomgrdclöe^ 

Stallen.  Don  profeffor  Dr.  (£onft.  Bulle,  mit  \^  Cafein  unb  Beilagen, 
5  Kärtdjen  unb  93  2tbbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  653  Seiten.  ^890.  Ji  \b  — 
(Seb.  i.  £jlbfr3.  Ji  17.7  5. 

^uniJE^ftaat  unb  ^unbe^ßrieg  in  ^BarbamErißa,  Mit 
Einem  ^Cöriß  ber  i[folonialgEfri5tcöte  al^  Cinleitung,  Don 

Dr.  (Ernfl  ®tto  ^opp.  ITTit  \  Karten,  \3  Cafein  unb  Beilagen, 
7  Kärtdjen  unb  ^9  2lbbilbungen  im  Cejt.  IV  unb  776  Seiten.  \886. 
Ji.  \7.50.    (Seb.  i.  fjlbfr3.  Ji  20.50. 

6efcgidEitE  bEr  oriEntalifcßEn  ^ngElEgenö^it  im  ^EitraumE 
öE^  ^arifEr  unb  bE^  "ii^erlmer  jFncben^»  r>on  Dr.^eiij  Bam« 

berg.  ITTit  5  Karten,  \o  Cafein  unb  Beilagen,  \2  Kärtdjen  unb  65  2lb= 
bilbungen  im  Ceyt.    VIII  unb  590  Seiten.  1^89 ^^i'fi^S-  Ößb.  Ji  H6.50. 

l^^i  Zeitalter  be^  i^aifer^  aj^ü^eJm.   t)on  profeffor  Dr.  voxu 

I^elm  (Dncfen.  ^mei  Bänbe.  1.  "^anh:  ITTit  2  Karten,  ^5  Cafein  unb 
Beilagen,  unb  68  2lbbilbungen  im  Cejt.  VI  unb  82^?;  Seiten.  ^890.  Ji  \7.bo. 
(Seb.  in  ^Ibfr3.  Ji  20.50.  —  II.  "Banb:  ITTit  3  Karten,  25  Cafein  unb 
Beilagen  unb  \20  ^bbilbungen  im  Ceyt.  IV  unb  992  Seiten.  3" 
f^Ibfr3.  geb.  Ji.  25.—. 


6.  a^rote'fcfie  Berlag^öucööanblung» 


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