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ALBRECHT DÜRER
ALBRECHT DÜRER
VON
ANTON SPRINGER
MIT TAFELN UND ILLUSTRATIONEN IM TEX T
BERLIN
G. GROTE'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
1892
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.
SEINER MAJESTÄT
DEM
KÖNIG ALBERT
VON
SACHSEN
IN TIEFSTER EHRFURCHT ZUGEEIGNET
I.
Was macht einen Künstler gross ? Ist es allein eine stattliche
Reihe vollendeter Werke, welche durch ihre Formenschönheit auch
dann noch das Auge erfreuen und die Phantasie gefangen nehmen,
nachdem ihr Inhalt gleichgültig geworden ist oder doch nicht mehr
unmittelbar frisch zum Herzen dringt ? Die Vollkommenheit der
Darstellung durchbricht die Schranken , welche die Zeit sonst der
vollen Wirkung einer künstlerischen That entgegenzustellen pflegt.
Ihr danken die berühmten Schöpfungen der hellenischen Kunst und
dann wieder zahlreiche Werke italienischer Meister aus dem sech-
zehnten Jahrhundert ihre dauernde Mustergeltung.
Mit solchem Massstabe gemessen wird Albrecht Dürer, den wir
als unsern grössten Künstler preisen, gar manchen Ruhmestitel ein-
büssen. Selbst feurige Verehrer schütteln zuweilen bedenklich den
Kopf über Dürers Gestalten, welche ,, Menschen und Grillen zugleich
unser gesundes Gehirn zerrütten." Sie klagen , dass Dürer ,,sich
nie zur Idee des Ebenmasses der Schönheit erheben konnte," und
bekennen, dass seinem ,, unvergleichlichen Talente eine trübe Form
und bodenlose Phantasie geschadet hat."
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Kein Geringerer als Goethe sprach so harten Tadel aus. Aber
Goethe , dessen Gedanken in der Jugend wie im Alter gern bei
, Dürer weilten, fand auch goldene Worte des Lobes. Er beugt sich
vor der Gewissenhaftigkeit des alten Meisters. Die Welt , welche
Albrecht Dürer sah, erscheint ihm bedeutend durch
Ihr festes Leben und Männlichkeit,
Ihre innere Kraft und Ständigkeit.
Der ,, treffliche Mann," daraufläuft das Urteil hinaus, kann durch-
gängig nur aus sich selbst erklärt werden. So lenkt uns Goethe
auf den richtigen Pfad zurück und giebt uns den wahren Massstab
in die Hand, Dürers Natur und künstlerische Stellung zu begreifen.
Gross ist der Künstler zu nennen , welcher die überlieferten
Gedankenkreise eines Volkes , die von Geschlecht zu Geschlecht
vererbten Empfindungen in vollendete Formen kleidet , durch den
reinen Hauch der Schönheit verklärt. Aber nicht minder gross ist
auch der andere Künstler, welcher mit dem Einsätze seiner ganzen
Persönlichkeit vorwärts strebt und, wenn die Volksseele von einer
neuen Strömung erfasst wird, dieser aufmerksam folgt, sie in seine
Phantasie aufnimmt und ihr einen künstlerischen Ausdruck verleiht.
Der eine steht am Ende, der andere am Anfange einer Entwickelungs-
reihe. Zu welcher Gruppe Dürer gehört, darüber kann kein Zweifel
herrschen. Er selbst hat wiederholt stetiges Arbeiten , ununter-
brochenes Streben als seine Lebensaufgabe bekannt und in seinen
Werken die feste Absicht , den klaren Willen , die Kunst in neue
Bahnen zu lenken, bekundet.
Bei keinem Künstler unseres Stammes, bei wenigen Künstlern
jenseits der Alpen tritt die Persönlichkeit so stark in den Vorder-
grund, wie bei Dürer. Was denkt er.^^ Was will er.? Das ist die
Frage , welche bei der Betrachtung seiner Werke am häufigsten
über die Lippen kommt. Gewiss besitzen Dürers Zeichnungen,
Stiche , Schnitte und Gemälde mannigfache selbständige Reize und
sprechen für sich. Dürer wäre ja kein echter Künstler gewesen,
wenn ihm die formale Schönheit gleichgültig geblieben wäre. Ihre
grösste Anziehungskraft gewinnen seine Werke aber doch dadurch,
dass regelmässig hinter ihnen die Gestalt des Mannes , welcher sie
geschaffen hat, hell emportaucht und unsern Blick gefangen nimmt.
Wir lesen in ihnen wie in einem Spiegel, was in Dürers Seele vor-
geht, und empfangen von ihnen vorwiegend persönliche Eindrücke.
Dürers Leben war ein fortwährendes Ringen und Kämpfen , ein
ununterbrochenes Vorwärtsschreiten. Als Denkmale des Kampfes, als
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sprechende Zeugnisse der Entwickelung treten uns seine Schöpfungen
in erster Linie entgegen. AUtäghch machen wir die Erfahrung, dass
die Bekanntschaft mit Dürer anfangs Enttäuschungen bereitet. Vor
allem, wer von der italienischen Kunst herkommt, findet in Dürers
Werken fremdartige, seltsame Züge, welche er nicht gleich versteht,
noch weniger in ihrer Notwendigkeit begreift. Erst wenn an die
Stelle der Betrachtung vereinzelter Bilder der zusammenfassende
Überblick seiner ganzen Thätigkeit tritt, wird die eigentümliche
Natur Dürers , ihr Reichtum und ihre Grösse kund. Dann erst
entdeckt man die schier unerschöpfliche Erfindungskraft, die wunder-
bare Gabe, dem einzelnen Gedanken oder Vorgang bei seiner Wieder-
holung immer neue Seiten abzugewinnen, die eindringliche Charak-
teristik, die gesteigerte Lebendigkeit der Gestalten. Alle vorzüglichen
Eigenschaften der Werke strahlen auf den Künstler zurück.
Bleibt auch der Kern der künstlerischen Thätigkeit sich überall
gleich, so erscheint doch die Neigung des Künstlers bald mehr der
vollkommenen Durchbildung der Form zugewandt, bald stärker auf
die scharfe Ausprägung der Gedanken gerichtet. Hier wird das
Reich des Wissens gestreift , dort die Macht des Könnens erprobt.
In dem einen Fall ergreift den Betrachter die Tiefe der Empfindung,
die Kraft des Ausdrucks, und liegt die Wirkung besonders in der
Erfindung und Zeichnung; im andern Fall fesselt die reine Schönheit,
die edle Erhabenheit der Komposition und wird der Eindruck des
Ganzen durch die freie Herrschaft über die technischen Mittel be-
dingt. Ob die eine oder die andere Neigung in der Thätigkeit des
Künstlers vorwiegt, hängt zunächst und zumeist von seiner Natur,
seiner Anlage und Geistesrichtung ab. Doch übt auch der Boden,
auf welchem er steht, die Umgebung, in welcher er sich bewegt,
gewichtigen Einfluss. Selbst der eigenwilligste Künstler lehnt sich
am Beginn seiner Laufbahn an die Überlieferung an, liegt im Bann
der herrschenden Sitte und der empfangenen Lehren. Ohne Kenntnis
der Voraussetzungen, unter welchen er arbeitet, bleibt sein Wirken
unverständlich. Und so muss auch der Erzählung von Dürers Leben
und Schaffen die Schilderung, wie es unmittelbar vor seinem Auf-
treten mit der deutschen Kunst bestellt war, vorangehen.
Nach alter Gewohnheit fassen wir eine jede grössere Periode
unserer Geschichte zu einer geschlossenen Einheit zusammen, heben
in jeder ein Jahrhundert heraus, in welchem die Ideale des ganzen
Weltalters erreicht , in vollkommener Weise verkörpert werden.
Dieses Jahrhundert giebt uns den Massstab zur Abschätzung der
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anderen Abschnitte des Weltalters in die Hand. Wir denken an
eine Blüte, welche langsam ansetzt und dann wieder allmählich ver-
welkt. So umspannen wir die erste Hälfte unseres Jahrtausends
mit dem gemeinsamen Namen des Mittelalters. Das dreizehnte
Jahrhundert gilt als die Zeit der Blüte , während insbesondere das
fünfzehnte Jahrhundert den Verfall der mittelalterlichen Bildung
offenbart.
Auch im Kreise der künstlerischen Entwickelung. Und in der
That , wer wird nicht willig den grossen Domen des dreizehnten
Jahrhunderts den Preis vor allen Bauten der nächstfolgenden Jahr-
hunderte zugestehen, wer nicht offen bekennen, dass auch die Werke
der älteren Plastik, namentlich in der Wiedergabe der feinen Gestalten
einen gewissen Schönheitssinn bekunden, welchen die Schöpfungen
des jüngeren Künstlergeschlechtes nur zu häufig vermissen lassen ?
Demnach wäre es nicht nur ungerecht, sondern auch falsch, wollte
man unbedingt von einem Verfalle der Kunst im fünfzehnten Jahr-
hundert sprechen und die Meinung, die spätere Zeit habe einfach
alte , schöne Muster verschlechtert und verdorben , zur Grundlage
eines sachlichen Urteils nehmen. Ein lebenskräftiges Volk verzichtet
niemals auf selbständiges Schaffen und lässt sich ausschliesslich an
dem von den Vätern empfangenen Erbe genügen. Es strebt viel-
mehr auf eigenen Erwerb an, mag immerhin dadurch zunächst der
überlieferte Besitz gestört werden. Sieht das Auge schärfer zu, so
erblickt es neben Spuren des Absterbens auch die Keime neuer
Bildungen. Das fünfzehnte Jahrhundert bestätigt diese Wahrnehmung.
Vom Anfang bis zum Schlüsse wird es von einer Doppelströmung
durchzogen.
Das Verständnis für die geheimnisvolle Erhabenheit der gotischen
Dome ist im Schwinden begriffen, der Eifer für ihre Weiterführung
und Vollendung erlahmt. Noch stehen zu ihren Füssen die alten
Bauhütten aufrecht ; aber gerade diese sprengen die organische Ver-
bindung zwischen den Schmuckteilen und den konstruktiven Gliedern
am schroffsten und verwandeln jene in ein blosses Spiel. Eine
rege Bauthätigkeit hört deshalb nicht auf. Sie wird nur in andere
Landschaften verpflanzt , sie steigert sich sogar gegen früher in
Städten und Dörfern. Die Mehrzahl unserer alten Dorfkirchen dankt
dem fünfzehnten Jahrhundert das Dasein. Die Baubewegung, sonst
von Fürsten , Bischöfen , vornehmen Klöstern besonders angeregt,
dringt in die mittleren und unteren Kreise vor, bekundet dadurch
einen Zug nach dem Volkstümlichen. Der gleiche Zug prägt sich
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auch in der vermehrten Freude an reicher innerer Ausstattung der
Kirchen aus. Über dem Altar steigt ein stattUcher, vieheiHger Schrein
in die Höhe, geziert mit Schilderungen aus dem Leben Christi und
Maria, im Inhalt und in der Auffassung den Szenen verwandt, welche
die öffentlichen Schauspiele den Bürgern vorführten. Zierliche Taber-
nakelhäuschen , reich geschnitztes Gestühl beleben den Chor ; den
Wänden treten zahlreiche Grabdenkmäler, lebenswahre Abbilder
der Verstorbenen, vor; an einem Pfeiler des Mittelschiffes lehnt die
Kanzel , gegen die frühere Zeit mächtig an Grösse und Prunk ge-
wachsen. Sie ordnet sich schlecht der symmetrischen Kirchenanlage
an , gewinnt immer mehr ein selbständiges , künstlerisches Dasein.
Neben dem Altar fällt die Kanzel am stärksten in die Augen , die
gesteigerte Bedeutung der Predigt im Gottesdienste versinnlichend.
Mit der Freude an reicherer Einrichtung des Kircheninnern geht
die Vorliebe für Anfügung kleinerer Nebenteile Hand in Hand. Der
feste Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft durch den Zunft-
und Familienverband spiegelt sich in der Stiftung zahlreicher Zunft-
und Familienkapellen wieder. So schloss sich das kirchliche Ge-
bäude dem bürgerlichen Leben enger an und gewann für weite
Volkskreise einen traulichen, anheimelnden Charakter.
Bemerkenswert sind die Änderungen im Grundrisse und kon-
struktiven Aufbau. Die scharfe Trennung und starke Betonung des
Chores verringern sich, durch den Wegfall des Kreuzschiffes treten
Chor und Langhaus einander näher. Die gleich hohen Schiffe (Hallen-
form), die schlanken, weit abstehenden, unmittelbar in das Gewölbe
übergehenden Pfeiler verleihen den Kirchen einen weiträumigen
Charakter, führen dem Innern ein glcichmässiges , helles Licht zu.
Die spätgotischen Kirchen machen vielfach einen nüchtern verstän-
digen Eindruck, erscheinen mehr von einem bedächtig erwägenden
Verstand als von einer hochfliegenden Phantasie angeregt. Die har-
\ monische Durchbildung des Ganzen wird an ihnen oft schmerzlich
vermisst. Während in der Konstruktion einzelner Teile, z. B. der
Pfeiler, eine sparsame Einfachheit waltet, andere Teile, wie z. B.
die Türme , plump und schwerfällig geformt sind , wird wieder an
anderen , wie an Portalen , Giebeln , der Schmuck geradezu ver-
schwendet. Das alte gotische System ist offenbar aus den Fugen
geraten , aber zwischen den Fugen beginnen bereits Keime einer
neuen Kunst zu spriessen. Ein fremdes Element dringt in den
architektonischen Zierrat ein. Mannigfaches Baum- und Astwerk
steigt an den Mauern empor, zu dem überlieferten geometrischen
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Ornament gesellen sich Blumen , Blätter und Ranken , im Ranken-
geflechte treiben Kinder ihr munteres Spiel. Naturfreude und Natur-
sinn halten in das Reich der dekorativen Kunst ihren Einzug. Da-
durch wird die Verbindung mit den anderen Künsten eingeleitet.
Denn auch in :der Malerei und Plastik treten die Erscheinungen des
Lebens näher an das Auge des Künstlers heran und wird die Lust
an sinnlich wahrer, anschaulicher Schilderung der Dinge rege. Liegt
auch der Mehrzahl der2:Bilder noch immer eine lehrhafte Absicht
zu Grunde , so überwiegt doch die Erzählungskunst. Die heiUgen
Ereignisse der Vorzeit werden an die Gegenwart dicht herangerückt,
mit lebenswahren Zügen ausgestattet. Eingeflochtene Nebenumstände
erlauben eine breitere Ausmalung der Handlung und machen sie
wahrscheinlicher; der stärkere Ausdruck der Empfindung und Leiden-
schaft führt den handelnden Personen Fleisch und Blut zu.
Mächtige Wandlungen haben sich im Laufe der Jahrhunderte
in den Kreisen der Phantasie vollzogen. Die Kraft , auch ganz
abstrakte Sprüche der Psalmen, der Prophetenbücher und Apostel-
briefe sinnlich greifbar zu gestalten , war geschwächt, die Kunst,
das Alte und Neue Testament nach ihren tieferen Wechselbeziehungen
symbolisch zu deuten, beinahe verschollen. Für solche Darstellungen,
reich an Lehrweisheit und wunderbarer Gedankenverkettung, wie
sie uns in Wandgemälden des zwölften Jahrhunderts entgegentreten,
fehlte jetzt das unmittelbare Verständnis im Volke. Auf die histo-
rische Auffassung erschien vornehmlich der Geist gerichtet , der
dramatische Ton wurde am Uebsten angeschlagen. Die gleichlaufende
Entwicklung unserer Poesie beweist , dass die Veränderungen im
Vorstellungskreise nicht zufällig und vorübergehend waren, sondern
im Volksgrunde wurzeln und einem festen Gesetze folgen.
Rüstig schritten die Künste an das Werk, die neuen Aufgaben
zu lösen ; allen voran die Malerei. Am' Anfange des fünfzehnten
Jahrhunderts stand sie gegen die Plastik zurück, am Schlüsse des-
selben hat sie nicht allein die Herzen des Volkes erobert, sondern
auch ihre besondere Fähigkeit im Dienste der herrschenden Phan-
tasierichtung dargethan. Die steigende Gunst , welche die Tafel-
bilder gewinnen, deutet bereits auf eine heimlichere Bestimmung der
Gemälde hin. Sie sollen in der Ruhe genossen werden , müssen
dann aber auch eine sorgfältigere , in allen Einzelheiten genauere
Ausführung erfahren. Das setzt eine schärfere Auffassung der Natur
voraus und lässt das Ziel vollkommener Treue und Wahrheit er-
kennen. Als Bindemittel der Farben wird immer ausschliesslicher
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das Öl benutzt, dessen Eigenschaften das Streben nach lebendigem
Scheine namhaft fördern. Die längst bekannte , aber wenig aus-
genutzte Ölmalerei hätte nicht im fünfzehnten Jahrhundert so rasch
allgemeinste Verbreitung gefunden, wenn nicht der Zug nach natur-
frischer Darstellung in der Phantasie so mächtig geworden wäre.
Den Tafelbildern stellen sich alsbald noch andere technische Weisen
mitbewerbend zur Seite , welche der volkstümlichen Fühlung der
Kunst zum Durchbruche verhelfen : die Erfindung des Holzschnittes
und Kupferstiches wendet das Schicksal der deutschen Kunst, ähn-
lich , wie die Erfindung des Buchdrucks auf den Gang der litte-
rarischen Bildung entscheidenden Einfluss gew^onnen hat. Wenn
an einem Tage mehr gedruckt wurde , als ehedem in einem Jahre
geschrieben werden konnte, so lernte durch Holzschnitte und Kupfer-
stiche der kleine Mann auf dem Markte , auf einer Heiltumsfahrt
mehr Bilder kennen, als er sonst in seinem ganzen Leben geschaut
hatte. Leselust und Bilderfreude gingen Hand in Hand. Jetzt erst
dringen bildliche Darstellungen in die weitesten Kreise , so dass
das Bild (Brief) an der Wand zu dem gewöhnlichen Hausrate ge-
rechnet wird.
Die rasche und wohlfeile Herstellung der Blätter führte natur-
gemäss zu einer Vermehrung der Bilderkreise. Alles , was durch
Linien und Striche versinnlicht werden kann, alles, was sich in die
Zeichnung übertragen lässt , die ganze religiöse und profane Welt,
was die Neugierde lockt und die Seele erhebt , das Ernsttragische
und Derbkomische, das Reich wilder Leidenschaften und stiller Em-
pfindungen, wird nun dem Auge zugeführt. Der Wetteifer, neues
zu bringen, sowie die Schranken, welche die Technik des Kupfer-
stiches und Holzschnittes der Wiedergabe täuschenden Lebens-
scheines setzt, brachten es mit sich, dass die Künstler den grössten
Nachdruck auf die Erfindung legten. Auf doppelte Art äusserte
sich die Kraft und Lust zu erfinden. Vorstellungen und Hand-
lungen , deren bildliche Darstellung bisher nicht versucht worden
war , werden im Stiche und Schnitte zum erstenmale verkörpert,
oder wenn sie bereits bekannt waren , durch die veränderte Kom-
position in ein neues Gewand gekleidet. Weiter aber nutzt der
Künstler die schmiegsame Natur des Zeichenstiftes und Stichels
nach Kräften aus und setzt sich die grösste Schärfe des Ausdruckes,
die feinste Zusp)itzung des Charakters der einzelnen Gestalten zum
Ziele. So kommt der Formensinn, wenn auch in anderer Art, als
in der Ölmalerei, gleichfalls zur vollen Geltung.
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So reich und so kühn gegen neue Ziele vordringend sich die
deutsche Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts dem Auge auch dar-
stellt , so bietet sie doch kein Bild der Reife oder wohl gar der
Vollendung. Sie bleibt vielfach noch in den Anfängen stecken und
kann innere Widersprüche nicht völlig überwinden. Die überlieferten
Anschauungen und Formen sind in diesem Zeitalter der Gärung
und des Kampfes erschüttert worden und in Schwanken geraten,
die neue Kunstweise entbehrt noch des festen Grundes. Was noch
zugelernt und viel weiter entwickelt werden musste , das w^ar in
erster Linie das Masshalten , die Harmonie. Sie fehlt den Bau-
werken , an welchen die Glieder und Teile nicht in rechtem Ein-
klänge stehen, Üppigkeit und nüchterne Strenge sich mischen. Sie
wird noch stärker in den Bildwerken vermisst. Die Freude an
wahrheitsgemässer Schilderung verleitet zur breiten Ausmalung roher
Leidenschaften , zur Übertreibung des Ausdruckes und der Em-
pfindungen. Die wüsten Gesellen der Fastnachtsspiele, die Teufels-
fratzen der Mysterien leben auch im Kreise der bildenden Künste.
Der Natursinn ferner beherrscht noch nicht die ganze Phantasie.
Während für die einen Gestalten die überUeferten Typen gelten,
fusst die Wiedergabe anderer schon auf scharfer Naturbeobachtung.
Frauenbilder, wie z. B. die .Madonna, dann das Christkind gehen
noch selten auf ein eindringliches Naturstudium zurück. Das letztere
selbst wird auf die genauere Kenntnis der Geberdensprache be-
schränkt , den richtigen Verhältnissen , den schönen Formen der
Körper geringere Aufmerksamkeit geschenkt. Wie die Anordnung
und Gruppierung der Figuren zwar meistens klar und deutlich, aber
selten fein und frei ist, so erscheinen die einzelnen Gestalten wohl
lebendig im Ausdrucke , aber gar häufig schlecht proportioniert.
Selbst bei tüchtigen Meistern, wie Adam Kraft und Michael Wohl-
gemuth, stösst man auf kurze Beine und lange Oberleiber, bald zu
grosse, bald zu kleine Köpfe, starke Hände und Füsse, aber magere,
schwächliche Arme und Beine. Dass die Gewänder bei der Haltung
und Bewegung der handelnden Personen mitsprechen sollen, bleibt
gleichfalls vielen Künstlern unverständlich.
Um die Kunst weiter zu führen, that ein Mann not, welcher bei
klarer Einsicht in die vorhandenen Schwächen die Abhilfe als seine
persönliche Sache erfasst , den Widerstreit der Richtungen in sich
selbst tapfer bekämpft und seine ganze Kraft für den Sieg der
neuen Kunstweise einsetzt. Ein Mann that not , dessen immer
reger Natursinn auch das Kleinste und Feinste in der äusseren Welt
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achtet , dessen Wahrheitsliebe das künstlerische Gewissen schärft,
der aber über der Fülle der Erscheinungen nicht die festen Regeln
der harmonisch schaffenden Natur vergisst, in ihrer Erkenntnis und
Ergründung sein Lebensziel findet. Ein Mann that endlich not,
dessen Phantasie so reich mit künstlerischen Gedanken gesättigt
ist, dass die zeichnenden Künste, insbesondere der Holzschnitt und
der Kupferstich , welche die erfinderische Kraft geradezu heraus-
fordern, jetzt erst zu ihrem vollen Rechte gelangen.
Dieser Mann war Albrecht Dürer. Die Erzählung von
seinem Leben deckt sich mit der Geschichte unserer Kunst in
einer schicksalschweren Zeit.
II.
Die Nachrichten über Dürer fliessen
reich genug, jedenfalls viel reichlicher
als über die anderen deutschen Künst-
ler seiner Zeit. Dürer selbst hat am
Abend seines Lebens (1524) nach Auf-
zeichnungen des Vaters eine kurze
Familienchronik zusammengestellt und
in einem leider nur in wenigen Bruch-
stücken erhaltenen Buche" wichtigere
Ereignisse aus seinem Leben verzeich-
net. Es liegen ferner Briefe und ein
Reisetagebuch von ihm vor. Ausser-
dem wissen die Landsleute mancherlei
von ihm zu erzählen. Er war allmäh-
lich ein berühmter Mann geworden,
lebte im Munde der Menschen und
wurde von den besten und hervor-
ragendsten Zeitgenossen oft und laut
gepriesen. Freilich belehren uns diese Quellen zumeist nur über
Dürers äussere Verhältnisse. Diese aber waren einfacher Art.
Abgesehen von seiner Wanderschaft, welche ihn vier Jahre (1490
bis 1494) von der Heimat fern hielt, hat er nur zwei grössere
Reisen unternommen. Die eine, vom Winter 1505 bis zum Früh-
linge 1507, führte ihn nach Venedig, die andere (Juli 1520 bis
Juli 1521) nach den Niederlanden. Die übrige Zeit verbrachte er
still und ruhig bei der Arbeit. Zum Glücke besitzen wir ausser
den Nachrichten über den äusseren Lebenslauf auch eine genauere
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Kunde über seine Grundsätze , Anschauungen und künstlerischen
Ziele, doppelt wertvoll bei einem Manne, dessen Seelenleben sich
so reich und tief gestaltet hatte.
Solange Dürer lebte , arbeitete er unablässig an seiner Aus-
bildung. Konnte er die Vollkommenheit nicht erreichen, so wollte
er ihr doch näher kommen. Von jedem Werke legte er sich strenge
Rechenschaft ab ; er bereitete es nicht allein sorgfältig vor, sondern
unterwarf es auch nach seiner Vollendung einer genauen Prüfung.
Er verglich es mit älteren Schöpfungen , schritt , wenn ihm die
Lösung der Aufgabe nicht zusagte oder neue Seiten sich darboten,
zu ihrer Wiederholung. Die gewonnene Einsicht fasste er gern in
allgemeinen Sätzen und Regeln zusammen und legte sie schriftlich
nieder , auch zu Nutz und Frommen des jüngeren Geschlechts.
Denn Dürer fühlte in sich den Beruf eines Reformators. Was er
mühsam, durch Selbsterfahrung, erlernt und gewonnen hatte, sollten
die Kunstgenossen als sicheren Leitfaden besitzen. Viele Jahre
lang beschäftigte sich Dürer mit der Erforschung der Regeln, welche
der Künstler seiner Formensprache zu Grunde legen soll. Als er
starb, hatte er erst zwei Schriften : die ,, Unterweisung der Messung
mit dem Zirkel und Richtscheit in Linien , Ebenen und ganzen
Körpern" und den ,, Unterricht zur Befestigung der Städte, Schlösser
und Flecken" in Druck herausgegeben und eine dritte , seine be-
deutendste Schrift: ,,Die vier Bücher menschlicher Proportion" für
den Druck erst vorbereitet. Ein noch umfassenderes Werk: ,, Speise
für Malerknaben" blieb in den Anfängen stecken. Nur einzelne
Gedanken und flüchtig hingeworfene Ansätze haben sich handschrift-
lich erhalten. Alle diese Schriften gehen von selbsterworbener Er-
fahrung und Uberzeugung aus und schlagen häufig einen persön-
lichen Ton an. Sie sind daher eine unschätzbare Quelle , um
Dürers Natur und inneres Wesen vollkommen zu begreifen und
werden mit Recht als Selbstbekenntnisse aufgefasst.
Dürers Geschlecht wurzelt in Ungarn. Hier, in einem bei Gross-
wardein gelegenen Dörfchen, Lytas, nährten sich seine Altvordern
von der Viehzucht. Der Grossvater, Anton Dürer, übersiedelte nach
dem benachbarten Marktflecken Gyüla , wo er das Goldschmied-
handwerk trieb und ihm 1427 ein Sohn, Albrecht, der Vater unseres
Dürer, geboren wurde. Ob in den Adern des Dürergeschlechtes
magyarisches Blut floss , wie zuweilen behauptet wird , lässt sich
nicht sicherstellen. Dass Albrecht der Ältere , welcher gleichfalls
Goldschmied war , als junger Geselle nach Deutschland und den
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Niederlanden wanderte , um hier sein Glück zu versuchen , macht
die deutsche Abstammung wahrscheinlich, setzt jedenfalls die Kennt-
nis deutscher Sitte und Sprache voraus. Die Wanderlust und der
Handwerkstrieb waren ohnehin unter den Deutschen heimischer als
unter den Magyaren. Am 3. Juli 1455, gerade Philipp Pirk-
heimer auf der Burg Hochzeit hielt und unter der grossen Linde
ein grosser Tanz war , durchschritt Albrecht Türer , wie er sich
schrieb, das Thor in Nürnberg. In der Werkstätte des Goldschmieds
Hieronymus Holper fand er Beschäftigung, in dessen Hause später
die Braut. Nachdem er zwölf Jahre als Geselle gedient hatte,
heiratete er 1467 des Meisters fünfzehnjähriges Töchterlein Barbara
und trat in die Goldschmiedzunft ein. Kindersegen und Kinder-
sterblichkeit kehrten , wie es damals gewöhnlich war , in gleichem
Masse in Dürers Haus ein. Von achtzehn Kindern, welche ihm die
Hausfrau in fünfunddreissigjähriger Ehe schenkte , erreichten nur
drei ein hohes Alter.
Proben seiner Kunstfertigkeit als Goldschmied besitzen wir
nicht mehr; ein einziger Brief, von Linz, 24. August 1492 an seine
,, liebe Barbara" gerichtet, bleibt, von der Schilderung, welche der
Sohn vom Vater entwarf, abgesehen, die einzige uns erhaltene
Urkunde. Handelsgeschäfte scheinen die Reise veranlasst zu haben.
Er schreibt , dass ,,sein gnädiger Herr" nach ihm in die Herberge
geschickt habe, und er ihm ,,die Bilder" (doch wohl nicht gemalte
Tafeln , sondern getriebene oder gravierte Goldschmiedarbeiten)
habe aufbinden müssen , welche Seiner Gnaden gar sehr gefielen.
Der Schluss des Briefes lautet: ,,Ich hoffe, ich will gar bald bei
Dir sein. Gott helfe mir mit Liebe wieder heim. Jetzt nichts mehr.
Grüsse mir das Hausgesinde alle gar sehr und sprich zu den Ge-
sellen , dass sie fleissig thun , ich will wieder in sie verdienen und
lass Dir meine Kinder mit Fleiss empfohlen sein und sprich , dass
sie fein sein."
Diesem einfach biedern Manne, dessen ,,tägHche Rede", wie
der Sohn versichert, ,,zu den Kindern war, dass sie Gott lieb haben
sollten und treulich gegen ihren Nächsten handeln", wurde am
21. Mai 1471 unser Albrecht Dürer geboren. Pate stand der be-
rühmte Buchdrucker Anton Koburger.
Die Schicksale in seiner frühesten Jugend mag Dürer selbst
mit eigenen Worten erzählen. ,,SonderUch hatte mein Vater an
mir ein Gefallen , denn er sah , dass ich fleissig in der Übung zu
lernen war. Darum liess mich mein Vater in die Schule gehen.
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Und da ich schreiben und lesen gelernt hatte , nahm er mich
wieder aus der Schule und lehrte mich das Goldschmiedwerk.
Und als ich nun säuberlich arbeiten konnte, trug mich meine Lust
mehr zu der Malerei denn zu dem Goldschmiedwerk. Das hielt
ich meinem Vater vor , aber er war nicht wohl zufrieden , denn
ihn reuete die verlorene Zeit, die ich mit Goldschmiedslehre hatte
zugebracht. Doch Hess er es mir nach und da man zählte nach
Christi Geburt i486 am S. Andreastage (30. Nov.), versprach mich
mein Vater in die Lehrjahre zu Michael Wohlgemuth , drei Jahre
lang ihm zu dienen. In der Zeit verlieh mir Gott Fleiss, dass ich
wohl lernte , aber viel von seinen Knechten leiden musste. Und
da ich ausgedient hatte, schickte mich mein Vater hinweg und ich
blieb vier Jahre aussen, bis dass mich mein Vater wieder forderte.
Und als ich in 1490 Jahre hinwegzog nach Ostern, darnach kam
ich wieder, als man zählte 1494 nach Pfingsten."
Zwei Meister, der Vater und dann Wohlgemuth, lenkten also
die ersten Schritte Dürers auf den Kunstpfad. Müssig erscheint
die Frage, was Dürer bei dem Vater gelernt hat , da wir von der
künstlerischen Thätigkeit des letzteren nichts wissen. Unfruchtbar
ist auch die Erörterung, was Dürer der persönlichen Unterweisung
durch Wohlgemuth oder dessen Gesellen verdanke. Dass er die
letzteren mit den kurzen , harten Worten abspeist : er hätte viel
von den Knechten leiden müssen , spricht nicht für ein besonders
inniges Verhältnis zu ihnen oder für eine dankbare Anerkennung
ihrer Verdienste um seine künstlerische Erziehung. Dagegen be-
wahrte er stets dem alten Wohlgemuth ein freundliches Andenken
und zeichnete des Lehrers Kopf noch einige Jahre vor dessen Tode
mit sichtlicher Liebe und Sorgfalt. Handwerksmässige Erziehung,
wie sie in jener Zeit üblich war, drängte die feineren persönlichen
Einflüsse zurück. Wohlgemuth war auch nach den uns vorliegen-
den alten Zeugnissen nicht ein Mann , welcher sich über die
Kunst besondere Gedanken machte und die Seele des Lehrlings in
gärende Unruhe versetzte. Das Beste ist , wir halten uns an die
erhaltenen Kunstproben aus Dürers frühester Jugend. Er war drei-
zehn Jahre alt, als er sich selbst vor einem Spiegel mit dem Silber-
stifte konterfeite. Das Papierblatt, in der Sammlung des Erzherzogs
Albrecht in Wien (Albertina) bewahrt , zeigt eine noch unsichere
Hand und eine gewisse , durch die Schwierigkeit der Aufgabe ge-
steigerte Befangenheit. Hand und Nase sind zu lang ausgefallen,
die Augen blicken starr und stumm. Immerhin offenbart sich schon
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in diesem Erstlingsversuche die Gabe scharfer Beobachtung. Das
Charakteristische des Dürerkopfes tritt deutlich zu Tage, die feineren
Porträtzüge, Mund, Wangenlinien werden schon genau festgehalten.
Ebensowenig vergisst er an dem losen , weitärmeligen Rocke die
einzelnen Falten sorgfältig und treu wiederzugeben. Ein Selbst-
porträt ist seine früheste bekannte Zeichnung. Einige Jahre später
hat er sich noch einmal mit der Feder auf einem vom Münchener
Kabinett jüngst erworbenen Blatte verewigt. Fröhlich traben zwei
junge Gesellen auf plumpen Rossen über das Feld. Der eine, ein
Krauskopf, erhebt den mit einer kurzen Peitsche bewaffneten Arm,
als wollte er das nahe Reiseziel begrüssen. Der andere im kurzen
Lendner hat mit seinem Pferde , welches den Kopf zwischen die
Beine stecken will, zu thun. Langes Haar fällt
zu beiden Seiten des Kopfes' herab, eine weiche
Mütze deckt den letzteren. So flüchtig die
Zeichnung auch ist, so klingen doch die Züge
unseres Dürers deutUch an. Man erinnert sich
der ,, alten Kappe," welche er nach den Imhof-
schen Inventarien 1492 trug und meint, eine
auf der Wanderschaft rasch hingeworfene Skizze
in den Händen zu halten. Nicht genug davon.
Er hat sein Selbstbildnis auch in dem ältesten
bisher nachgewiesenen Kupferstich , in ein
Studienblatt mit der Doppeldarstellung Adams
und Evas , gleichsam eingeschmuggelt , Adam
die eignen Züge geliehen. Mit dem Stifte, der Feder, dem Stichel
und dem Pinsel hat er sich in seiner Jugend verewigt.
Als er noch auf der Wanderschaft sich befand (1493), malte
er auf einem Pergamentblatte mit dünner, fast schattenloser Farbe
sein Brustbild. (Bis jetzt in der Sammlung Felix in Leipzig.) Er
ist nach der neuesten Mode gekleidet. Ein rotes Mützchen sitzt
keck auf dem Kopfe ; das Haar, nicht von Natur gelockt, hängt in
langen Strähnen bis zur Schulter herab. Das fein gefältete , ver-
schnürte , weitausgeschnittene Hemd lässt Hals und einen Teil der
Brust frei , das Wams besteht eigentlich nur aus Schulterstücken
und geschlitzten Ärmeln. In der Rechten hält er eine Blume , die
sogenannte Männertreue. Die malerische Ausführung ist wohl sorg-
sam, die Zeichnung, namentlich der Hände, ungleich sichrer und
gewisser. Fünf Jahre später konterfeite er sich noch einmal nach
dem Spiegel (Madrider Museum). Die Haltung und die Tracht sind
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beinahe die gleichen , wie auf dem früheren Bilde ; nur ist Dürer
männlicher, der Bart stärker, das Haar geringelter geworden. Das
Dürers Selbstbildnis. Gemälde im Museum zu Madrid.
Porträt erscheint nicht vom Augenblick eingegeben , sondern in
Zeichnung und Farbe bereits sorgfältiger vorbereitet. Auch in der
Behandlung des Hintergrundes — die Gestalt hebt sich von der
dunkeln Wand ab , durch das Fenster gewinnt man einen Blick in
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das Freie — offenbarte sich die bewusste Anlehnung an gleich-
zeitige Bildnisse. Zuerst befremdet diese Vorliebe für die Wieder-
gabe der eigenen Züge. Aber so wenig wie bei Rembrandt , mit
welchem er diese Neigung teilt , liegt die Wurzel in kleinlicher
Eitelkeit. Wohl durfte er stolz sein auf sein edel geschnittenes
regelmässiges Antlitz ; wohl mochte er sich an seinem schmucken
Aussehen freuen. Noch lachte ihm die Zukunft entgegen , noch
hatte er keine herben Erfahrungen gesammelt. In Wahrheit trieb
ihn zu diesen Selbstporträten künstlerischer Eifer. Wie Rembrandt
an dem eigenen Kopfe malerische Aufgaben löste, den Zauber des
Helldunkels erlernte , ebenso schärfte Dürer in den Spiegelbildern
das Auge und den Formensinn und bemühte sich Kopf, Hände
und Gestalt auf einem festen Grunde aufzubauen.
Was sonst an Jugendarbeiten vorliegt, zeigt bald den beschei-
denen Anschluss an ältere Vorbilder , bald den mutigen Versuch,
die Gestalten und Gruppen dem unmittelbaren Leben zu entlehnen.
Die Federzeichnung z. B. vom Jahre 1485 im Berliner Kupferstich-
kabinett , welche die Madonna mit dem Christkind unter einem
Thronhimmel sitzend darstellt , und zwei psaltierenden Engeln zur
Seite, geht auf die Zeichnung (oder den Stich?) eines älteren Meisters
zurück. Die drei Landsknechte dagegen , in eifrigem Gespräche,
auf ihre langen Spiesse sich stützend , begriffen (Berlin) oder der
Reiterzug , welcher aus einem Hohlweg herauskommt und lebhaft
das Ziel der Reise , eine Stadt im Hintergrunde , begrüsst (Bremer
Kunsthalle) , müssen wir als den Widerschein wirklicher Vorgänge
auffassen. In den unruhigen Zeitläuften lenkte sich die Aufmerk-
samkeit der Menge stärker als jemals auf die äusseren Ereignisse
und stieg die Neugierde , zu erfahren , was in weiten Ländern, bei
fernen Völkern vorgehe. Türken und Landsknechte wurden inter-
essante PersönUchkeiten. Dank dem Holzschnitte und Kupferstiche
gebot jetzt die Kunst über reiche Mittel, diese und ähnliche volks-
tümliche Vorstellungen zu verkörpern. Auch Dürer huldigte in
den beiden aus dem Jahre 1489 stammenden Federzeichnungen dem
gleichen Hange. Sie wetteifern nicht nur gegenständlich mit gleich-
zeitigen Stichen, sondern lehnen sich auch in der fremden Behand-
lung an sie an. Die Umrisse werden fest und scharf gezogen, feine,
parallel laufende Striche ihnen entlang geführt, die Schatten durch
Kreuzstriche verstärkt. Demnach lässt sich Dürers Können bei
dem Austritte aus Wohlgemuths Werkstätte also umgrenzen. Im
Anschluss an den Lehrer und an die allgemein beliebte Kupfer-
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stichweise entwickelt Dürer seine Zeichenkunst. Auch wenn er
zum Pinsel greift , taucht er ihn gern in Wasserfarben , liefert auf
Papier , Pergament oder Leinwand kolorierte Zeichnungen. Von
einer besonderen malerischen Begabung merkt man nichts und auch
seine eigentümliche Natur tritt noch nicht klar und scharf zu Tage.
Die entscheidende Wendung in seinem Schicksal führte erst die
Wanderschaft herbei.
Zwei Ziele derselben sind durch Überlieferung beglaubigt ; der
Elsass und Venedig. Nach dem Elsass zog ihn der Ruf des Kol-
marer Meisters: Martin Schongauer, welcher durch seine zahlreichen,
weitverbreiteten Kupferstiche auf das jüngere Geschlecht grossen
Einfluss übte. Er traf Martin nicht mehr am Leben. Er hielt sich
aller Wahrscheinlichkeit nach die letzte Zeit in Breisach auf und
starb hier 1491. Doch wurde er „von dessen Brüdern gütig auf-
genommen und freundlich gehalten". Da diese Goldschmiede waren,
so konnten sie Dürer nicht wesentlich fördern. Jedenfalls wurde
Dürers Phantasie von der Kunstweise Martins nicht tief berührt,
mochte er auch den älteren Meister zeitlebens in hohen Ehren
halten und Einzelnheiten der Linienführung ihm abgelernt haben.
Ganz anders mächtig wirkt Venedig auf ihn. Was bewog ihn, den
damals einem deutschen Maler noch ungewohnten Weg über die
Alpen einzuschlagen Niederländische Maler und niederländische
Werke hatten diesen Weg seit 1450 öfter gefunden. Das begreift
sich. Sie boten den Augen der Italiener schon durch die neue
Technik , den trefflichen Gebrauch der Ölfarben , den Glanz und
die Leuchtkraft des Kolorits, die wunderbare Wahrheit, mit welcher
auch das kleinste Gerät wiedergegeben wurde , einen grossen Ge-
nuss. Die Freskomalerei hatte bis dahin die besten Kräfte der
Italiener in Anspruch genommen, die Tafelmalerei war erst in lang-
samer Entwickelung bei ihnen begriffen. Hier nun erblickten sie
wahre Juwelen der Klein- und Feinmalerei und lernten die Reize
malerischer Behandlung zuerst kennen. Der junge Geselle aus
Nürnberg war nicht in der Lage, durch die Malerei in Italien Brot
und Ehre zu gewinnen. Mit der Kenntnis der Ölfarben war es
bei ihm noch nicht glänzend bestellt. Nach mehrere Jahre lang
zog er Wasser- und Leimfarben jenen vor.
Was lockte ihn gerade nach Venedig Gleich Augsburg und
anderen deutschen Städten unterhielt auch Nürnberg einen lebhaften
Handel mit Venedig, wo das deutsche Kaufhaus den Mittelpunkt
des Verkehres bildete. Keinem Nürnberger Kinde klang Venedigs
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Name fremd in den Ohren und das Venetianer Sprichwort: Alle
Deutschen sind blind, nur die Nürnberger einäugig, verlor für den
Bürger der Pregnitzstadt viel von seinem süsssauern Geschmacke.
Lag doch darin eine Anerkennung des berühmten ,, Nürnberger
Witzes." Ausser den Kaufleuten brachten auch die Patriziersöhne
und Gelehrten , welche die Universität Padua besuchten , mannig-
fache Kunde von der mächtigsten und reichsten Stadt Italiens.
Noch ein anderer Stand knüpfte ein festes Band zwischen Venedig
und Nürnberg. Keine italienische Stadt hatte sich des Buchdruckes
so eifrig angenommen, wie Venedig, der internationale Buchhandel
hier seinen Hauptsitz aufgeschlagen. Die deutsche Stadt , welche
in dieser Hinsicht die regsten Beziehungen mit Venedig unterhielt,
war nächst Augsburg aber Nürnberg. Mit der Buchhändler- und
Buchdruckerwelt kam Dürer durch seinen Paten Anton Koburger,
den berühmten Nürnberger Drucker, in nähere Berührung. Auch
sonst hatte er mannigfache Gelegenheit zu erfahren, dass Drucker,
sowie die ihnen nahe verwandten Formschneider und Zeichner für
den Holzschnitt in Italien auf reiche Beschäftigung hoffen durften.
Diese Hoffnung lenkte Dürers Schritte nach Venedig. Mit un-
bedingter Sicherheit lässt sich das zwar nicht beweisen , da uns
alle Urkunden fehlen. Eine Thatsache spricht aber namentlich zu
gunsten dieser Vermutung. Dürer schloss sich in Venedig am
engsten an Jacopo de' Barbari an. Als Maler hat Jacopo einen
so geringen Ruhm erworben , dass er bei seinen Landsleuten bei-
nahe ganz in Vergessenheit geriet. Um so grösser war dagegen
sein Ansehen bei den Kunstfreunden diesseits der Alpen , nicht
allein bei dem Nürnberger Kaufherrn Anton Kolb, der ihn für den
besten Maler der Welt hielt , sondern auch bei Kaiser Max , in
dessen Diensten er 1500 bis 1504 als ,,contrafeter und illuminist"
stand. Jacopo übersiedelte um die Wende des Jahrhunderts nach
Nürnberg und verlebte seine letzten Lebensjahre als Hofmaler der
Erzherzogin Margarete in den Niederlanden, wo er nach 15 12 starb.
Es überrascht vielleicht , dass Dürer sich an keinen besseren
Maler anschloss. Aber gerade Jacopo de' Barbari besass mehrere
Eigenschaften , welche den engeren Verkehr mit dem deutschen
Malergesellen erleichterten. Fragen wir die von Jacopo erhaltenen,
freilich erst aus seiner späteren Zeit stammenden Gemälde (Weimar,
Augsburg, Dresden), so entdecken wir in dem ,,Illuministen" einen
Feinmaler , welcher in der Behandlung des Haares , in der Auf-
lösung der Masse in einzelne zarte Ringellinien , in dem flüssigen
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Auftrage der Farben, in der Strichelung der Halbschatten an Dürers
ältere Weise erinnert. Auch in der Vorliebe für die bis in das
Kleinste genaue Wiedergabe der Tierkörper , besonders der fein
befiederten und behaarten , stimmen beide miteinander überein.
In welchem Masse der eine der Spendende , der andere der Em-
pfangende war , wie viel der ersten Begegnung , wie viel dem
späteren (1500 — 1504) Zusammenleben in Nürnberg gutgeschrieben
werden muss, kann natürlich nicht mehr entschieden werden. Immer-
hin bleibt ein gewisser verwandter Zug bestehen , welcher Dürers
nähere Beziehungen erklärt , zumal Jacopo de' Barbari eine Werk-
stätte für den Holzschnitt und Kupferstich unterhielt , in welcher
Dürer leicht Beschäftigung finden konnte. Dieser Jacopo de' Bar-
bari oder Jakob Walch (d. h. der Wälsche) , wie ihn später die
Nürnberger nach seiner Herkunft tauften, ist offenbar derselbe Mann
gewesen, welchem Dürer den ersten Einblick in die Lehre von den
rechten Massen und Verhältnissen verdankt. „Ein Mann, Jakobus
genannt, von Venedig geboren," so schrieb er später, ,,wies mir
Mann und Weib, die er aus dem Masse gemacht hatte und ich in
dieser Zeit lieber sehen wollte, was seine Meinung wäre, denn ein
neues Königreich. Aber ich war in derselben Zeit noch jung und
hatte nie von solchen Dingen gehört." So früh kam in Dürer der
Wissenstrieb zum Durchbruche und regte sich die Lust, den mannig-
fachen Naturformen auf den Grund zu kommen.
Ausser Jacopo de' Barbari übte noch ein anderer italienischer
Meister tiefen Einfluss auf seine Phantasie. Auch dieser gehörte
nicht der strengen venetianischen Künstlergemeinde an und stand
abseits der Strömung, welche in Venedig allmählich den Sieg ge-
wann. Das war Andrea Mantegna, dessen Werke wir in Padua
und Mantua bewundern. Ein persönlicher Verkehr fand nicht statt ;
auch die Fresken und Bilder in Mantua blieben Dürer fremd. Da-
gegen entdeckte er in Mantegnas Kupferstichen eine reiche Quelle
künstlerischer Belehrung. Wir empfangen von Mantegnas Stichen
einen herb süssen Eindruck. Schmeicheln hat Mantegna nicht ge-
lernt, auf den Wohllaut der Formen es nicht abgesehen. Unerbitt-
lich wahr bis zum Schroffen schildert er die Empfindungen, mächtig
steigert er den Ausdruck der Leidenschaften. Dieser Wahrheits-
drang in dem Ausmalen der Seelenzustände ist der Widerschein
seines Strebens , stets die einzelnen Räume , in welchen die Hand-
lung sich vollzieht, in den Abmessungen in der Tiefe und in den
Verhältnissen zu den handelnden Personen der Wirklichkeit gemäss
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ZU gestalten. Die perspektivische Richtigkeit der Darstellung geht
mit der psychologischen Wahrheit Hand in Hand. Mantegna reizten
ausserdem kühne, ungewohnte Bewegungen, schwierige Verkürzungen
und Untersichten, z. B. zurückgebeugte Köpfe und nach der Tiefe
hin ausgestreckte Leiber, so dass man die Nasenlöcher, die Fersen
sieht. Diese Wahrheit und Kühnheit nun packte gar mächtig Dürers
Phantasie , so dass er nicht bloss einzelne Stiche Mantegnas (den
Tritonenkampf und das Bacchanale) nachzeichnete , sondern auch
in den nächsten Jahren gern die verkürzten Köpfe nachahmte, über-
haupt in der Wiedergabe kräftiger Leiber , heftiger Bewegungen,
erregten Minnespieles sich gefiel. Man darf wohl in Mantegna den
ersten Lehrer Dürers von durchgreifendem Einflüsse begrüssen,
dessen Naturauffassung in einer Ecke der Dürerschen Phantasie
einen bleibenden Platz behielt. Das wäre aber ohne die Voraus-
setzung einer gewissen persönlichen Wahlverwandtschaft nicht mög-
lich gewesen.
Eine erstaunliche Selbständigkeit, ein merkwürdiger klarer Blick
kündigt sich schon in dem jungen Dürer an. Das gewöhnliche
Handwerk genügte ihm nicht. Was auf der breitgetretenen Strasse
offen liegt, daran geht er ruhigen Schrittes vorbei. Er ist sich der
Mängel der heimischen Kunstweise bewusst; daher packt ihn helle
Begeisterung für die reinen Masse, von welchen ihm Meister Jakob
erzählte. In seiner Phantasie dämmert bereits eine Welt von mächtig
bewegten , kräftig empfindenden Gestalten ; deshalb fühlte er sich
zu Mantegna so sehr hingezogen, in dessen Stichen gleichfalls schart
geschnittene Charaktere , ein unverhülltes , in die Tiefe gehendes
Seelenleben vorherrschen. Dürer ist der erste Italienfahrer unter
den deutschen Malern. Man sollte glauben , dass er vom Zauber
der antiken Kunstformen und der italienischen Renaissance voll-
kommen gefesselt wurde. So ist es ja fast allen Kunstpilgern nicht
immer zu ihrem Heile ergangen. Bei Dürer verfing der Zauber
nicht. In einem oder dem anderen Falle regte ein altes Marmor-
werk sein Auge an. So zeichnete er z. B. einen bogenspannenden
Apollo (Albertina) nach einem Marmorbilde des bogenspannenden
Eros. Im ganzen blieben es doch fremde Tropfen , welche sich
nicht mit seinem Blute mengten. Als echtes Kind seiner Zeit blickt
er mit scheuer Ehrfurcht zu den ,, Alten" empor; durch die Ver-
mittelung seiner gelehrten , poetisch gesinnten Freunde lernte er
zahlreiche antike Mythen kennen und wurde mit dem Gestaltenkreise
der Alten vertraut. Diese Anregungen waren aber überwiegend
Das Feh
Deckfarbenmalerei in de
ischloss
vunstlialle zu Bremen.
21
litterarischer Natur. Weder Auge noch Hand gewannen von der
antiken Kunst eine strengere Schuhmg. Gerade so borgte er von
der italienischen Umgebung einzelne Bauteile , Trachten und hielt
verschiedene auffällige Gestalten, Türken, Löwen, auf dem Papiere
fest ; einen härteren Zwang legte er jedoch seiner Natur nicht auf,
und von dem , was seiner persönlichen Entwickelung frommte,
seinem Wesen zusagte, Hess er sich nicht ablenken. Die Wander-
schaft in ferne Gegenden, die Berührung mit einer fremden Kultur-
welt zeitigten vielmehr tief in seiner Seele wurzelnde Keime und
förderten die Selbsterkenntnis. Er lernte die Landschaft mit
künstlerischem Auge erfassen, er entdeckte gleichsam seinen Beruf
als Landschaftsmaler.
Über der gewaltigen Männerwelt in Dürers frühen Werken
übersehen wir leicht die zahlreichen Landschaftsbilder, mit welchen
er seine Darstellungen zu schmücken liebte. Und doch verdienen
sie besondere Beachtung. Denn hier erscheint er nicht als Schüler
oder Nachahmer. Zwar hatte die nordische Malerei des fünfzehnten
Jahrhunderts bereits die Landschaft zur Belebung der Bilder heran-
gezogen. Eine wahre Augenfreude bieten in den Gemälden der
Eyckschen Schule die Ausblicke auf Strassenfluchten, vollends die
alten Holländer verstehen es schon vortrefflich, durch Wiesengründe
sich schlängelnde Bäche , durch Felsenklüfte stürzende Flüsse zu
malen. Fasst man aber die landschaftlichen Hintergründe der älteren
Kunst zusammen, so bemerkt man entweder ein Überwiegen phan-
tastischer Bauwerke , ein starkes Betonen auffälliger Naturformen
oder ein Beharren bei allgemeinen, nur flüchtig angedeuteten Ein-
drücken, während das Einzelne, insbesondere das Baum- und Strauch-
werk, mehr gewohnheitsmässig als nach dem unmittelbaren Leben
gezeichnet erscheint. Nach dieser Seite eröffnet Dürer neue Bahnen.
Der gleiche Wahrheitstrieb , welcher die Sehnsucht nach der Er-
kenntnis eines gesetzmässigen Körperbaues in ihm weckte, Hess ihn
auch in der landschaftlichen Natur das Einzelne und Kleine mit der
genauesten Sorgfalt betrachten und mit der grössten Treue wieder-
geben. Die Wahrheit der Schilderung begnügt sich nicht mit dem
allgemeinen Schein , sondern macht sich auch in dem Besonderen,
in jedem Teile des grösseren Ganzen geltend. Dadurch bricht er
mit der künstlerischen Überlieferung. Wer wollte dem Mittelalter
Natursinn und Naturfreude bestreiten } Wie schwer wird es aber
den Minnesängern, von der allgemeinen Betrachtung des Frühlings
und Winters zur Naturbeobachtung im einzelnen herab zu steigen.
22
Am liebsten verweilen sie bei den Beziehungen der Natur zum
Menschen. Die wonnige Schönheit des Mai erinnert sie an die
holde Frau, Nachtigall und blumige Wiese werden als Zeugen stillen
Liebesglückes gepriesen. Die selbständige Schönheit der Natur ent-
zog noch ein feiner Schleier dem Auge , für die Reize ihres un-
abhängigen Waltens fehlte noch das volle Verständnis. In Dürer
begrüssen wir den Propheten der neuen Zeit. Liebevoll versenkte
er sich in das Einzelne ; das Geheimnis des Lebens suchte er auch
der Landschaft abzulauschen, in ihre Stimmungen bemühte er sich
einzudringen. In der älteren Kunst spricht die Natur die Sprache
der Menschen, Dürer dagegen sucht die Sprache der Natur zu ver-
stehen. Ab und zu komponiert er noch Landschaften , d. h. er
setzt ihre Teile nach eigenem Belieben zusammen, kühn aufgebaute,
mitten in das Land versetzte Felsen tauchen auch bei ihm zu-
weilen auf. Doch bedarf es , um -^eine Phantasie zu fesseln,
keineswegs immer einer äusserlichen Formenfülle. Eine Linde, mit
stattlicher Krone und reichem Laube an den Rand des Gemäuers
gepflanzt , eine einfache Baumgruppe wurde von ihm mit dem
grössten Fleisse und sichtHcher Liebe nach der Natur gemalt. Ein
Grasstück , eine flache Landschaft , die sich allmählich in weiter
Ferne verliert, locken ihn unwiderstehlich zu treuester Wiedergabe.
Was ist viel z. B. von der ,, Drahtziehmühle" (Lippmann, Zeich-
nungen von Albrecht Dürer Nr. 4 u. 5) zu sagen , einem grossen
im Berliner Kabinett bewahrten Blatte , welches in Deckfarben ein
Stück aus seiner fränkischen Heimat uns vor die Augen führt. Im
Vordergrunde ein grösseres Gehöft, hinter welchem ein Fluss träge
schleicht. Jenseits des Wassers Einzelhäuser und Dorfschaften, ein-
gezäunte Baumhage , Wiesen , im Hintergrunde blaue Berge. Ein
alltäglicher AnbUck. Dürer weiss ihm aber durch die Mannigfaltig-
keit der Färbung , die feine Perspektive einen nicht gewöhnlichen
Reiz abzugewinnen. Während der Wanderschaft hatte Dürer seine
Landschaftsstudien begonnen und mehrere Ansichten der Städte,
welche er auf dem Wege berührte (Innsbruck , Trient) gezeichnet ;
er setzte jene auch in den folgenden Jahren noch eifrig fort und
gewann auch der heimatlichen Gegend ein tieferes malerisches Inter-
esse ab. Noch war die Zeit nicht gekommen, in welcher die Land-
schaftsmalerei als selbständiger Kunstzweig glänzt ; den mächtigsten
Vorschub dahin hat sie unstreitig Dürer zu danken.
Mit grösserer Klarheit über seine persönUchen Ziele, bereichert
durch Selbsterfahrung , kehrte Dürer von der Wanderschaft nach
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Bildnis von Dürers Frau. Federzeichnung in der Albertina zu Wien.
Nürnberg zurück. ,,Und als ich heimgekommen war, unterhandelte
Hans Frey mit meinem Vater und gab mir seine Tochter, Jungfrau
Agnes und gab mir mit ihr 200 Gulden und wir hielten die Hoch-
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zeit, die war am Montag vor St. Margarethen im Jahre 1494."
Mit dieser Nachricht schliesst die FamiUenchronik für viele Jahre
ab und lässt darauf unmittelbar die Erzählung vom Tode des Vaters
im Jahre 1 502 folgen.
Die gute Frau Agnes hat bei der Nachwelt die längste Zeit
einen gar schlechten Ruf genossen. Im Gegensatze zu ihrem un-
ruhigen Vater , welcher allerhand Beschäftigungen nachging und
mancherlei Künste verstand , am besten unter dem Begriffe eines
geistvollen gefälligen Dilettanten gefasst werden kann, scheint Agnes
die Tugenden einer stillen , stets emsigen Hausfrau ausgebildet zu
haben. Die Nachwelt hat aber diese gut bürgerlichen Eigenschaften
in ein arges Zerrbild verwandelt. Sie ist im Sprichworte der alten
Xantippe an die Seite getreten und soll durch ihren Geiz, ihr stetes
Keifen Dürers Tod beschleunigt haben. Die Anklage gründet sich
auf eine Stelle in einem Briefe , welchen Pirkheimer , der beste
Freund Dürers , allerdings erst nach dem Tode des letzteren , an
den kaiserlichen Bademeister Tschert in Wien gerichtet hatte. Jetzt,
nach dreihundert Jahren , können Zeugen und Gegenzeugen nicht
einander gegenüber gestellt w^erden. Was wir über Dürers Ver-
hältnis zu seiner Frau wissen , ist folgendes : Er macht in seinen
Briefen nicht viel Worte über sie. Er erkennt ihre geschäftliche
Tüchtigkeit an , überlässt ihr vertrauensvoll die Leitung der Wirt-
schaft und der Werkstätte. Sie besorgt in seiner Abwesenheit den
Verkauf der Kunstware und wenn die Einnahmen knapp geworden
sind , so springt sie willig helfend ein und lässt sich von ihrem
künftigen Erbteil beträchtliche Summen voraus zahlen. Öfter be-
gegnen wir der Dürerin in Zeichenwerken des Gatten. In die
früheste Zeit, vielleicht noch in die Monate vor der Hochzeit, fällt
die kleine Federzeichnung in der Albertina, welcher Dürer die In-
schrift: ,,Mein Angnes" beifügte.
In schlichter Haustracht sitzt ein schlankes , junges Mädchen
an einem Tische. Sie hat die gekreuzten Arme auf die Tisch-
platte gelegt und stützt Kinn und Mund auf den Rücken der rechten
Hand. Mit besonderer Anmut hat sie die Natur nicht bedacht.
Die schweren Augendeckel fallen selbst auf dieser flüchtigen Skizze
auf. Auch dem einfach gescheitelten Haar — nur ein kleines
Zöpfchen ist hinten aufgegangen — kann man üppigen Wuchs
nicht nachrühmen. Dennoch , wie sie hier still sinnend , ruhig
lauschend sitzt , fesselt sie unwillkürlich das Auge und macht den
Eindruck einer ehrlichen, ernsten Seele. Im Jahre 1504 zeichnete
Bildnis von Dürers Frau.
Silberstiftzeichnung in der Sammlung Blasius zu Braunschw
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Dürer abermals seine Frau sorgfältig mit dem Silberstifte (Samm-
lung Blasius in Braunschweig). Unter der grossen Haube ist ein
Teil der Stirn versteckt, ehrbar verhüllt ein Tuch unter dem Wamse
die Büste. Die Formen sind voller, runder gev^orden. Spricht aus
den hochgeschwungenen Augenbrauen, der starken Nase Kraft und
fester Wille , so mildern doch wieder die weichen Lippen , das
Wangengrübchen und der leise Ansatz zur Fülle den Eindruck.
Erst nach langen Jahren griff Dürer wieder zum Silberstifte , um
die Züge seiner Frau festzuhalten. Auf dem Rheinschiffe bei
Boppard zeichnet er sie in einer müssigen Stunde im Reisekleide,
welches allerdings Frau Dürer von jedem Hang zur Eitelkeit frei-
spricht: Wie eine Mumie sitzt sie da in dicke Kopftücher eingehüllt.
In Bergen hatte Dürer seiner Frau ein niederländisches dünneres
Kopftuch gekauft. Es stand ihr offenbar gut zu Gesicht, denn sie
musste sich in demselben in grösserem Massstabe abkonterfeien
lassen. Dürer aber schrieb unter das Blatt (BerUn) eigenhändig:
Das hat Albrecht Dürer nach seiner Hausfrau konterfeit zu Anttorff
in der niederländischen Kleidung im Jahr 1523, da sie einander
zu der Eh' gehabt 27 Jahre." Aus diesen schlichten, warmen Worten
spricht doch wahrlich nicht ein trübes Familienleben und ebenso
hätte die Natur arg gelogen, wenn wir aus diesen offenen, ehrlichen
Zügen den Geiz und die Zanksucht herauslesen sollen. Dürers
Schilderung vom Jahre 1524 in einer Bittschrift an den Rat: er
und sein Weib wollen alle Tage älter, schwächer und unbehelf-
licher werden, passt nicht ganz auf die landläufige Schilderung der
Frau. So wenig wie das letzte Bild , welches Dürer von ihr ge-
zeichnet hat. Sie ist derber , wohlbeleibter , man möchte glauben
kugelförmiger geworden, aber ihre Augen besitzen noch den alten
Glanz unter den schweren Lidern, der Kopf zeigt auch jetzt klaren
Verstand, festen Willen mit einem leisen Anfluge zur Gutmütigkeit.
Es ist wahrscheinlich, dass sie Dürers Schaffen nicht immer eine
verständnisvolle Teilnahme entgegentrug, über manche Liebhaberei,
z. B. die Sammellust, still den Kopf schüttelte. Aber man muss
auch zugeben, dass Dürers zeitlebens träumerische Natur den froh-
mütigen häuslichen Verkehr nicht förderte und nur eine tapfere
Frau den unpraktischen Mann vor schwerem Schaden bewahren
konnte.
Nachdem Dürer sein Haus gegrün-
det und seine Werkstätte eingerichtet
hatte, begann er alsbald eine mannig-
fache Thätigkeit. Er zeichnete für
den Holzschnitt, führte den Grabstichel
und den Pinsel. Die Kundschaft fand
o«- r«, er, wie alle seine Genossen, vorwie-
gend auf den Märkten und den Heil-
tumfahrten. Dadurch wurden die
Gegenstände der Darstellung grossen-
teils bestimmt. Er musste bei ihrer
Wahl auf die Neigungen weiterer
Volkskreise Rücksicht nehmen. So
sehen wir denn Dürer bald mit der
Zeichnung von Andachtsbildern be-
schäftigt, bald beflissen, Volksschwänke
und Moralitäten mit dem Grabstichel
zu verkörpern. Er schildert die
f.
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Madonna im Strahlenkranze, mit dem Christkinde im Arme, über
der Mondsichel schwebend, ähnlich wie die Nürnberger sie an den
Ecken der Häuser als Steinbild schauten (B. 30) oder stellt Christus
dar : am Fusse des Kreuzesstammes mit ausgebreiteten Armen
stehend , ein Bild des grössten Schmerzes und der tiefsten Er-
niedrigung (B. 20). Auch der tapfere h. Georg (B. 53) und der
h. Sebastian (B. 56), beide in Volkskreisen wohl bekannt und ge-
schätzt , reizen seine Phantasie und werden von ihm in kleinen
Stichen wiedergegeben. Im Schnitte und im Stiche führt er sodann
den Scharen der Gläubigen gern die heilige Familie vor die Augen.
Die Madonna , in weitfliessendem Mantel , das Haar bald aufgelöst
und frei herabfallend, bald unter dem Kopfschleier halb verborgen,
hält das Christuskind in den Armen , während der h. Joseph (auf
dem Stiche) sich seitwärts gelagert hat und behaglich schlummert
(B. 44) , oder (auf dem Holzschnitte) ehrerbietig mit abgezogenem
Hute auf Mutter und Kind herabblickt (B. 102).
Ausser Andachtsbildern zeichnete und stach Dürer auch zahl-
reiche Blätter , welche der Neugierde und der Lust des Volkes,
und ergötzlichen und lehrhaften Vergnügungen huldigten. Fünf
wilde Landsknechte, welchen sich ein bärtiger Türke hoch zu Rosse
zugesellt hat , haben sich auf einem Plane versammelt , um irgend
einen Anschlag zu beraten (B. 88) ; ein schmucker Fähnrich schickt
sich an, mit dem kurzen Fahnenstocke beliebte kunstvolle Schwenk-
ungen zu machen (B. 87) ; fahrende Leute aus dem weiten Osten,
der Mann mit dem Bogen in der Hand , das kurzgeschürzte Weib
mit dem Säugling auf dem Arme , sind auf der Wanderung be-
griffen (B. 85). An diese volkstümlichen Typen schliessen sich die
drei Marktbauern an , welche vielleicht den Gewinn , den sie auf
dem Markte erzielen werden , überlegen , vielleicht aber auch das
Neueste vom Bundschuh sich zuraunen (B. 89). Karsthans und die
typische Grete , jener aufbegehrend , diese mürrisch steif, brachten
bekannte Figuren aus den Fastnachtsliedern in Erinnerung (B. 83).
Die zierliche Dame zu Pferde, welche sich von einem jungen Kriegs-
manne begleiten lässt, mutet uns wie der Anfang eines Liebeshedes
an (B. 82). Vollends in die Welt der Schwänke versetzt uns das
schlecht passende Liebespaar, der alte Mann, welcher in den Beutel
greift, um die neben ihm am Feldrain sitzende Dirne zur Liebe zu
bewegen (B. 93). Ebenso klingt in dem Galan , welcher mit der
modisch gekleideten Geliebten spazieren geht, während hinter einem
Baume der grausige Tod lauert, der damals allen Menschen geläu-
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fige Totentanzgedanke an (B. 94). Selbst ungewöhnliche Natur-
ereignisse, welche im Munde der kleinen Leute umliefen, verewigte
er mit dem Stichel, auch darin mit Kunstgenossen wetteifernd, z. B.
mit dem Meister W., welcher gleichzeitig den sogenannten Papstesel,
d. h. ein der Tiber entstiegenes Ungeheuer, in Kupferstich heraus-
gab. So stach er die Missgeburt eines Schweines, welches 1496
im Dorfe Landsee zur Welt kam und zwei Leiber , sechs Füsse,
aber nur einen Kopf besass (B. 95).
Es ist nicht glaubhaft, dass Dürers Phantasie von den Gegen-
ständen solcher Darstellungen besonders angezogen wurde, vielmehr
wahrscheinlich , dass er oft der Not gehorchte und auf die leichte
Verkäuflichkeit der Blätter Rücksicht nahm. Er verstand es aber,
selbst bei dieser Marktware sein persönliches Interesse zu wahren.
Bei den meisten und namentlich bei den frühesten Stichen und
Holzschnitten verlegte er die Szene in die offene Landschaft und
wählte mit sichtlicher Vorliebe die letztere aus. Eine stattliche
Burg krönt in der einen Ecke des Blattes einen stolzen Felshügel,
während im tieferen Hintergrunde ein weiter See sich öffnet oder
ein buchtenreicher, von Schiffen belebter Strom durch mannigfaches
Gelände sich windet. Die Freude an landschaftlicher Ausstattung
ist für die ältesten Blätter Dürers charakteristisch, nicht minder das
namentlich bei den früheren Holzschnitten sichtliche Streben, durch
einen grösseren Massstab den Gestalten Kraft und Ausdruck, der
landschaftlichen Umgebung Fülle zu verleihen , auch das Einzelne
sorgfältig durchzubilden. In Venedig, wo grössere Holzschnitte der
deutlicheren Formensprache wegen beliebt waren , hatte er solche
geschaut und bemühte sich , sie nun auch in der Heimat einzu-
bürgern. Das war nicht der einzige Nachhall seines italienischen
Aufenthalts. Wenn Dürer in den ältesten Holzschnitten gern Szenen
voll Leidenschaft schildert, den Ausdruck bis zum Herben steigert,
den Bewegungen besondere Kraft und Kühnheit verleiht, gleichsam
ein Urgeschlecht von ungetrübter Gewaltigkeit und elementarer
Wucht uns vor die Augen bringt , so hat gewiss die Betrachtung
mantegnesker Stiche in ihm die Lust an solchen Darstellungen
geweckt. Denn auch Mantegnas Welt bewegt sich gern im Kreise
des Herben, Kühnen und Gewaltigen. Noch mehr. Von der Schönheit
der antiken Kunst ist allerdings seine Phantasie in Italien nur wenig
berührt worden. Der Kultus der Antike , welcher damals in der
Luft schwebte , hat dort aber dennoch reiche Nahrung empfangen,
das Reich der alten GcUter- und Heldensage auch sein Herz ge-
30
Wonnen. Nach Nürnberg heimgekehrt , traf er hier mit mehreren
Männern zusammen, welche den gleichen Anschauungen huldigten,
bei den Griechen und Römern die Ideale geistiger Lebenskraft ver-
körpert sahen und das poetische Rüstzeug ihnen gern entlehnten.
Wilibald Pirkheimer, welcher in den gleichen Jahren wie Dürer in
Italien sich aufgehalten hatte, Konrad Celtes, der gekrönte Dichter,
der altertumskundige Hartmann Schedel , um nur die besten zu
nennen, wurden seine Freunde. Als um die Wende des Jahrhunderts
Jacopo de' Barbari nach Nürnberg übersiedelte , gewannen diese
Neigungen auch von künstlerischer Seite einen stärkeren Antrieb.
So sehen wir denn Dürer in dem ersten Jahrzehnt seines selb-
ständigen Wirkens häufig im Dienste des Humanismus. Da er
die Gestalten der antiken Sage nicht in die Formen der antiken
Kunst hüllt, so erscheinen sie uns häufig unverständlich. Märchen-
schein umweht sie, einer unbestimmten, halb gegenwärtigen, halb
ersonnenen Welt gehören sie an. Trachtentreue kümmert den
Künstler nicht, aber auch die ihm auf weiten Umwegen zugetragenen
Gegenstände der Darstellung erinnern mehr an die Erzählungen der
Chronisten und an Schwankbücher, als an die Dichtungen des klas-
sischen Altertums. Kein Wunder, dass wir in der Deutung dieser
Stiche irren und dem mythischen Ereignisse lieber einen moralischen
Sinn unterlegen. So wurde z. B. eines der grössten und schönsten
Blätter aus Dürers Frühzeit (B. 73) als Hahnrei oder die Eifersucht
getauft. Unter einer Baumgruppe hat sich ein Satyr mit einer
Nymphe zu süssem Liebesgetändel niedergelassen. Sie werden aber
von einer Frau überrascht, welche einen Knüttel schwingt, um das
ehebrecherische Paar zu züchtigen. Zum Glück , dass ein nackter,
mit seltsamem Kopfschmuck ausgerüsteter Mann ihr einen Baum-
stamm vorhält und so ihren Zorn dämpft. Ein kleiner Amorknabe,
welchem bei dieser Szene unheimlich wurde, sucht eiligst das Weite.
Ganz gewiss dachte Dürer nicht daran, ein moralisches Beispiel zu
zeichnen. Er hatte ohne Zweifel ein bestimmtes mythologisches
Ereignis im Sinne, nur nicht Herkules und Deianira, da er unmöglich
den beleidigten Gatten zum Beschützer des ehebrecherischen Paares
stempeln konnte. Wären wir fähig, mit den Augen des sechzehnten
Jahrhunderts die alte Götter- und Heldengeschichte zu lesen und
den Kern der Erzählung von dem naiven Aufputze , welchen das
spätere Mittelalter hinzufügt, zu befreien, so würden wir, wie jüngst
in ansprechender Weise vermutet wurde , hier irgend eine Götter-
liebschaft erblicken und den von Dürer unzweifelhaft gestochenen
31
Herkules in dem Blatte entdecken, welches jetzt auf den Namen :
Raub der Amynione (B. 71) geht. In dem wohlbeleibten alten Türken,
welcher hilflos am Ufer des breiten Stromes hin und her läuft,
während am jenseitigen Ufer Deianira gemütUch in den Armen eines
Flussgottes ruht, Herkules zu erkennen, kostet freilich grosse Mühe.
SchliessUch ist die Verballhornung der Szene nicht grösser, als auf
vielen Bildern des sechzehnten Jahrhunderts , welche Paris' Urteil
schildern.
An künstlerischem Werte büssen die Blätter übrigens durch
das Geheimnisvolle des Gegenstandes nur wenig ein. Der nackte
Leib der sogenannten Amymone, welche von einem bärtigen Meeres-
gott an das Ufer getragen wird , zeigt ebenso wie die Frauen auf
dem Herkulesstiche in der Behandlung des Fleisches, in der Wahl
der Formen grosse Fortschritte, nicht minder erfreulich wirken die
landschaftlichen Hintergründe, dort das auf steilem Felsen sich auf-
bauende Schloss , hier die dichte Baumgruppe , in deren Schatten
das von dem eifersüchtigen Weibe angegriffene Liebespaar sich
gelagert hatte. Es weht in der landschaftlichen Schilderung ein
malerischer Hauch , während die Figuren mehr flach , in gleich-
mässigem Lichte gezeichnet erscheinen.
Weder die blosse Marktware , noch die einem engeren Kreise
von Eingeweihten allein verständlichen mythologisch-allegorischen
Blätter verbrauchten Dürers Kraft und genügten ihm auf die Dauer.
Er besass von Natur einen so erfinderischen Kopf, dass ihn die
Wiedergabe gleichgültiger, unbedeutender Gegenstände und Vor-
gänge nicht völlig befriedigen konnte, und andererseits empfand er
zu innig und natürlich, als dass ihm die mythologisch-allegorischen
Szenen vollkommene Befriedigung verschafft hätten, zumal wenn sie
auf äussere Anregungen hin durch den Verkehr mit Humanisten
entstanden waren. Sie erfreuten ihn vorwiegend, weil sie seiner
Liebe zu landschaftlichen Schilderungen und seinem Streben , die
menschlichen Körper gesetzmässig zu formen, bequemen Ausdruck
gönnten. Wenn die gelehrten Freunde ihm die Verkörperung
mythisch-allegorischer Szenen, historischer Sinnbilder empfahlen und
zum kühnen Beschreiten des neuen Weges aufmunterten, war Dürer
gewiss willig , ihrem Rate zu folgen. Steckte doch in ihm selbst
von früh an ein Hang zur Gelehrsamkeit , und musste es seinen
erfinderischen Sinn reizen, sich an neuen, gedankenreichen Schil-
derungen zu versuchen. Wir meinen aber, wir könnten ihn bei
der Arbeit belauschen, wie er allmählich seinen Standpunkt zu den
32
Gegenständen der Darstellung ändert: ,,Ihr sollt euch an den wunder-
samen Vorgängen, den feinsinnigen Anspielungen ergötzen. Gehe
ich doch auch gern solchen Dingen nach. Aber ich will doch auch
mein besonderes Interesse dabei wahren. Hier bietet sich mir die
Gelegenheit, namentlich den Frauenkörper nach den verschiedensten
Seiten und in den mannigfachsten Lagen zu zeichnen. Diese will
ich benützen." Und in der That erscheinen die mythisch- alle-
gorischen Bilder als reine Formstudien, und machen sich die letz-
teren z. B. in den vier Hexen (B. 75) sogar mit einer gewissen
Aufdringlichkeit geltend.
Ihn musste ein Gedankenkreis locken , welcher volkstümlich,
leicht und allgemein verständlich war, zugleich aber die erfinderische
Phantasie des Künstlers anspornte. Einen solchen fand er in der
Bibel. Seit einem Jahrtausend und länger geschaut , geliebt und
verehrt, waren die biblischen Bilder ein Gemeingut der Menschheit
geworden. Ihr Inhalt ist so unerschöpflich , sie schmiegen sich so
innig den mannigfachsten Stimmungen an, können von so verschie-
denen Seiten erfasst werden, wecken eine so unendlich reiche Welt
von Empfindungen , dass jede Zeit nach ihrer besondern Art sich
in sie hineinzudenken vermag, der individuellen Freiheit des einzelnen
Künstlers der weiteste Spielraum gewährt wird. Wie sollten solche
Vorzüge nicht Dürers Phantasie gefangen nehmen , welcher schon
durch die Vorliebe für den Holzschnitt und Kupferstich auf volks-
tümliche Wege gewiesen war, dabei aber doch gern seine persön-
liche Selbständigkeit hütete und eigenen Gedanken nachging.? Bereits
in jungen Jahren wurde Dürer der Maler der Bibel und blieb es, so-
lange er lebte. Kein Gestaltenkreis hat ihn so nachhaltig beschäftigt
und so tief ergriffen, wie der biblische ; keinem deutschen Künstler
dankt aber auch die Bibel mehr, dass sie in der Phantasie des Volkes
feste Wurzel fasste, als Dürer.
Bald nach seiner Heimkehr entwarf Dürer den Plan zu einer
Bilderfolge aus der Apokalypse. Im Jahre 1498 war die ,,heim-
lich Offenbarung Johannis," fünfzehn stattliche Holzschnitte,
im Drucke vollendet. Aus welchem Grunde griff er gerade diesen
an sich dunkeln, für die bildliche Wiedergabe besonders schwierigen
Teil der Bibel zuerst heraus } Ein Blick auf das bei Blätterfolgen
und Bilderbüchern ungewöhnlich grosse Format lässt bereits ver-
muten, dass Dürer noch in italienischen Erinnerungen lebte. Hier
waren die grossen Holzschnitte beliebt, hier hatte sie Dürer kennen
gelernt und ihren Wert für eine markige Formengebung begriffen.
33
Er sucht die Sitte auch in seiner Heimat einzubürgern und huldigt
ihr in den ersten Jahren mit sichtlichem Stolze , bis ihn die Er-
fahrung belehrte, dass der Erfolg die angewandte Mühe nicht lohne.
In der Wahl des grossen Massstabes liegt aber nicht der einzige
Wiederhall Italiens. Wir erinnern uns , dass die in ihm ruhende
Freude an mächtigen, kraftvoll bewegten Formen durch die Kenntnis
Mantegnas gezeitigt wurde. Dieses Vorbild wirkt noch länger nach.
Bei dem Sohne des Nordens knüpfte sich aber unwillkürlich daran
ein phantastischer Zug. Der nordischen Volksseele hängt leicht die
Neigung an, das rechte Mass zu überschreiten. Wir steigern gern
das Grosse zum Riesigen , wandeln das Mächtige in das Unheim-
liche und lassen die kräftige Empfindung an die Grenze finsteren
Ernstes fortschreiten. Solcher Neigung bot die Apokalypse reich-
liche Nahrung. Insofern darf man annehmen , dass persönlicher
Kunsttrieb Dürers Wahl bestimmte. Es waren aber gewiss auch
äussere Umstände mitthätig. Seit mehreren Menschenaltern hatten
Pestilenz und Türkennot die Gemüter aufgeregt und mit finsteren
Ahnungen erfüllt. Der Tod offenbarte sich als unerbittlicher Herr
und Gebieter, dem Frommen und Gläubigen schien das Reich des
Antichrist drohend zu nahen. In diesen Zeiten kamen die Toten-
tanzbilder auf, es gewannen für die arg geängstigte Menschheit die
Visionen der Apokalypse neues Leben. In den Blockbüchern, den
Tafeldrucken, in welchen Bild und ein kurzer Text aus einem Holz-
blocke zusammen geschnitten wurden , stossen wir wiederholt auf
ausführliche Darstellungen aus der Offenbarung. In Nürnberg wurde
eine solche Bilderfolge noch um das Jahr 1460 hergestellt. Nicht
minder beliebt waren die apokalyptischen Bilder in den illustrierten
Bibeln. So sparsam die Kölnische Bibel 1480 und die Nürnberger
bei Koburger gedruckte Bibel 1483 die Bücher des Neuen Testa-
mentes mit Holzschnitten schmücken, so eifrig sind sie darauf be-
dacht , die Visionen der heimlichen Offenbarung durch Bilder an-
schaulich zu machen. Dürer durfte demnach für sein Werk auf die
Teilnahme weiterer Kreise hoffen.
Bei der Auswahl der Szenen hielt er sich im ganzen an die
Nürnberger Bibel. Doch war er weit entfernt , etwa ihre Bilder
nur in grösserem Massstab zu wiederholen , auf eine selbständige
Durcharbeitung der einzelnen Szenen zu verzichten. Er ging viel-
mehr vom genauesten Studium des Textes selbst aus , suchte die
Worte desselben in greifbare Formen zu fassen und verlieh ausser-
dem jeder Darstellung das Gepräge seines persönlichen Geistes.
3
34
Ganz frei und offen konnte sich dieser allerdings nicht äussern.
Das hinderte die eigentümliche Natur des Textes. Die Bilder und
Beschreibungen hatten sich in der Volksphantasie längst eingebürgert.
Sie besitzen eine sinnUche Form und dringen deshalb tief in die
Seele. Zu allen Zeiten, bei allen Völkern sind sie in der gleichen
Weise wiedergegeben worden. Der byzantinische Maler hielt sich
ebenso genau an den Wortlaut, wie der niederländische oder deutsche
Zeichner der Blockbücher. Auch Dürer musste sich, um verstanden
zu werden, den Vorschriften des Textes fügen. Er durfte an des
Menschen Sohn , der in seiner rechten Hand sieben Sterne hatte,
aus dessen Mund ein zweischneidiges Schwert ausging, dessen Augen
wie eine Feuerflamme waren , nichts ändern , ebensowenig an dem
starken Engel mit dem Antlitz wie die Sonne und den Füssen wie
Säulen. In diesen und noch vielen anderen Fällen erscheint der
Künstler nicht allein stofflich gebunden, sondern auch in der Formen-
wahl beschränkt. Aber auch dann verstand noch Dürer, seine per-
sönliche Art und besondere Empfindungsweise zur Geltung zu
bringen. Er gab den Linien eine Kraft, der Zeichnung eine Lebens-
fülle , dass der abstrakte Gegenstand der Darstellung gegen den
malerischen Eindruck völlig zurücktrat.
Wenn in den älteren Holzschnitten regelmässig erst die Farbe
nachträglich hinzukommen musste, um in die Zeichnung Leben und
einigen Schein der Wahrheit zu bringen , so genügt bei Dürer die
verschiedene Art der Strichführung , dem Holzschnitte Ton und
malerische Kraft zu verleihen. Licht und Schatten in den reichsten
Abstufungen, vom hellen Weiss bis zum tiefen Schwarz, kurze und
langgezogene , gekrümmte und gekreuzte Striche , sind mit weiser
Berechnung verwendet , um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Die Grenzen der Holzschnitttechnik hat Dürer niemals überschritten,
aber allerdings alle Mittel , welche diese zu Gebote stellt , auf das
glänzendste ausgebeutet. So empfing der Holzschnitt durch ihn
eine bis dahin ungeahnte Lebendigkeit und zugleich die wahre
künstlerische Weihe. Die treffliche , technische Durchführung ist
allen Blättern der Apokalypse gemeinsam ; dort, wo der Gegenstand
dem Künstler eine freiere Bewegung gestattete, treten noch andere
Vorzüge hinzu. Ohne die Treue der Wiedergabe zu schädigen,
lieh er in Bezug auf Anordnung der Szene, auf Stimmung und Aus-
druck nur seiner Phantasie Gehör. Selbst wenn verschiedene Vor-
gänge auf einem Blatt vereinigt werden , bewahrt dieses dennoch
einen geschlossenen, bildartigen Charakter. Je nachdem der Schau-
36
platz in den Himmel allein oder auch auf die Erde verlegt ist,
empfängt die Komposition eine andere Gliederung. Die Stimmung
endlich, und darauf beruht vorzugsweise die künstlerische Wirkung
des Werkes , spricht sich nicht allein in den handelnden Personen
aus , sondern pflanzt sich zu den landschaftlichen Hintergründen
fort und findet hier einen starken Widerhall.
Das erste Blatt , welches dem Herkommen gemäss , gleichsam
zur Orientierung über den Seher die Marter des Evangelisten Johannes
schildert , hält sich an die in den früheren grossen Holzschnitten
übliche Auffassung der Natur und besitzt nur insofern einen be-
sondern Wert , als es in einzelnen Bauteilen des Hintergrunds , in
den Trachten an venetianische Erinnerungen anklingen lässt. Aber
schon das dritte Blatt (B. 63) führt uns in die heimHche Werkstätte
der Dürerschen Phantasie. Oben thront , von Regenbogen ein-
geschlossen , Gott mit dem versiegelten Buche auf dem Schosse.
Das siebenhörnige Lamm schmiegt sich ihm eng an der linken
Seite an, während die ,,vier Tiere voll Augen vorn und hinten",
den Regenbogen zu beiden Seiten umschweben. Doch sind diese
phantastischen Gestalten mit sichtlicher Zurückhaltung gezeichnet,
so dass sie eigentlich nur einen dekorativen Charakter an sich
tragen. Den grössten Nachdruck legt Dürer auf die vierundzwanzig
Ältesten, welche teils ihre Kronen demütig dem Herrn darbieten,
teils seinen Preis zu Harfen singen. Einer hat sich von der dichten
Schar getrennt und spricht tröstend und ermunternd zu dem unter
dem Throne Gottes knieenden Johannes. So bildet die Komposition
der oberen Hälfte , durch Wolken von der Erde geschieden , eine
fest geschlossene Kreislinie. Unten aber breitet sich, die stillfeier-
liche Stimmung der himmlischen Scharen ergänzend, eine prächtige
Landschaft aus. Rechts begrenzt sie ein Baumhag, links steigt auf
einem Hügel ein stattlicher Burgflecken in die Höhe, die Mitte wird
vorn von einer Wasserburg, hinten von einem weiten, ruhig fliessen-
den See eingenommen. In ähnlicher Weise spiegelt in dem Blatt,
welches die Verteilung der Posaunen an die sieben Engel und die
furchtbaren Folgen des Posaunenschalles schildert (B. 68), die Land-
schaft den Vorgang wieder. Mächtiger Sturm peitscht die Wolken,
das Meer ist aus den Ufern getreten, die Felsen brechen, die Erde
droht in Flammen aufzugehen. Oder wenn oben in den Lüften
der Erzengel Michael mit dem Drachen kämpft, so zeichnet Dürer
unten eine vom Wind bewegte , unruhige Landschaft mit kahlen
Bergen und unfruchtbarem Boden. Die unheimUche Natur verstärkt
38
den Eindruck des grausigen Schauspiels in den Lüften. So grossen
Wert aber auch Dürer auf die Mitwirkung der Landschaft legt, in
einzelnen Fällen verzichtete er doch auf sie und bewies dadurch
seine bereits gereifte künstlerische Kraft. Das berühmteste und
bekannteste Blatt der ganzen Folge stellt die vier Reiter dar, welchen
die Macht gegeben ward , den vierten Teil auf der Erde zu töten.
Gruppe aus dem sechsten Blatt der Apokalypse.
Nur ganz vorn am Rande ist der feste Erdboden angedeutet , die
Reiter selbst stürmen aus einem eintönigen , dunklen Grunde her-
vor, welcher den Schein des Endlosen weckt und erst ihr über-
irdisches Wesen für das Auge glaubwürdig macht. In der gleichen
Absicht lässt er in dem Bilde der vier Engel vom Euphrates die
Landschaft nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Den Vorder-
grund füllen die schwertschwingenden , mächtigen Engel und ihre
Opfer vollständig, so dass trotz der geringen Zahl der letzteren
39
der Schein einer grossen Menge geweckt wird. Durch solche künst-
lerische Mittel brachte Dürer in die leicht eintönige Gedankenwelt
Abwechslung. Hinsichtlich der Zeichnung und des Ausdruckes der
einzelnen Gestalten setzt ihm der Text allerdings ziemlich enge
Schranken. Sie zerfallen in drei Gruppen. Den begeistert an-
betenden oder in stille Andacht versunkenen Heiligen und Gläubigen
stehen die Vollstrecker des göttlichen Willens und die von Schrecken
und Furcht gepackten , vom Strafgericht ereilten Menschen gegen-
über. Die erste und dritte Gruppe bringt wesentlich immer nur
eine Empfindung zum Ausdruck und kann nur durch das Alter,
den Stand oder den Grad der Empfindung unterschieden werden.
Zu schärferer Charakteristik giebt nur die Gruppe der Vollstrecker
des Urteils reiche Gelegenheit. Wie trefflich sie benutzt wurde,
zeigen die apokalyptischen Reiter, insbesondere die Gestalt des
Todes, der trotz dem schlotternden Gange des Knochengaules, auf
welchem er reitet , die Beute rasch und sicher ereilt. Aber auch
sonst mühte sich Dürer eifrig, mannigfachere Töne in der Schil-
derung anklingen zu lassen. Als das sechste Siegel sich aufthat,
da fielen die Sterne vom Himmel und verbargen sich die Obersten
und Reichen (B. 65). Diese Textworte gab Dürer im Holzschnitt
getreu wieder; er fügte aber noch einen neuen Zug hinzu. Er
zeichnete in der Ecke links eine Mutter, die in natürlicher Empörung,
dass auch ihr unschuldiges Kind von der Vernichtung getroffen
werden soll , laut ihre Stimme gegen den Himmel erhebt. Es ist
die in die rauhere Sprache des Nordens übertragene Niobe. Die Züge
des babylonischen Weibes wusste er wirksam zu steigern , indem
er es in die üppige Tracht einer modischen Nürnberger Frau (die
kolorierte Zeichnung in der Albertina hatte er bereits 1495 ent-
worfen) kleidete. Und im letzten Blatte, welches oben das Gesicht
des himmlischen Jerusalem , unten die Einsperrung des gefesselten
Satan in die Hölle zur Darstellung bringt , leiht er dem letztern
groteske Züge und schildert den ganzen Vorgang mit einem leisen
Anfluge von Humor.
Mit einem doppelten Eindrucke scheidet der Betrachter von
Dürers Apokalypse. Er bewundert die Kunst, mit welcher der
spröde Stoff bemeistert ist; er staunt aber auch, dass sich in der
Seele des jungen Dürer — er zählte bei dem Abschlüsse des Buches
erst 27 Jahre — bereits eine so herb ernste Gedankenwelt ein-
bürgern konnte.
IV.
Mit welchen Empfindungen mag wohl Dürer den letzten Strich
in der Apokalypse geführt haben ? Die Antwort geben die beiden
grossen Holzschnittfolgen , welche er unmittelbar darauf in Angriff
nahm : die Passion und das Marienleben.
Wohl sprachen viele Züge in der heimlichen Offenbarung seine
Natur an. Er war einer phantastischen Anschauung zugeneigt und
liebte , wie wir aus seinem eigenen Munde erfahren w^erden , zu
träumen. Ihn fesselten die mächtigen Gestalten und kühnen Be-
wegungen. Das phantastische Element wurde ihm aber hier von
aussen zugetragen, war nicht der eigenen, persönlichen Stimmung
frei entsprungen. Die in leidenschaftlicher Handlung begriffenen
Ges-talten weiter lassen das eigentliche dramatische Pathos häufig
vermissen, da sie nur fremde Befehle vollziehen, nicht aus innerstem
Antriebe die wilden Thaten ausführen. Man wäre versucht , die
gewerbsmässige Weise , mit welcher z. B. die Engel vom Euphrat
ihres Amtes walten , auf diesen Umstand zurückzuführen. Endlich
kommt in der Apokalypse nur ein eng begrenzter Kreis von Empfin-
dungen zur vollen Geltung. Wir begreifen, dass Dürer nach Voll-
endung der Apokalypse zunächst und mit Eifer nach Gegenständen
41
griff, in welchen seine Phantasie sich freier und selbständiger be-
wegen konnte. Er beharrte in der bibHschen Welt , verlegte aber
den Schauplatz aus den Lüften und jenseitigen Regionen auf die
wirkliche Erde, rückte die Schilderung der rein menschlichen Empfin-
dung näher. Wahres, dramatisches Pathos konnte er in der Leidens-
geschichte Christi entfalten, im Marienleben ein idyllisches Bild des
stillen Friedens, eines trauten Familienlebens zeichnen. Die Holz-
schnittfolge der Passion (die sogenannte grosse Passion) ist nur das
erste Glied in einer längeren Reihe von zusammenfassenden Dar-
stellungen der Leidensgeschichte. Solange Dürer künstlerisch thätig
war, bis in seine letzten Lebensjahre, kehrte er immer wieder zur
Passion zurück und suchte ihr neue Züge abzugewinnen , die ver-
schiedenen , seine Seele erfüllenden Stimmungen in den Passions-
bildern zum Ausdruck zu bringen. Dagegen gelang ihm die Ver-
herrlichung der Maria auf den ersten Wurf so vortrefflich, dass er
später kaum noch eine neue Seite seinem Madonnenideale ablauschen
konnte. Sein Ideal war aber die demütige, Ernstes sinnende Magd,
die still thätige, liebevolle Hausmutter. Um diese Natur und dieses
Wesen in voller Wahrhaftigkeit zu schildern , reicht die einzelne,
geschlossene Gestalt der Madonna nicht aus ; sie muss uns vielmehr
in einer Reihe von Szenen handelnd und wirkend vorgeführt werden.
Daher ist Dürers Marienleben in der Ausgabe von 151 1, nachdem
er zu den 1501 — 1504 getretenen Holzschnitten noch drei neue
hinzugefügt hatte, zwanzig Blätter umfassend , für das Verständnis
seines und, wir dürfen wohl sagen, des deutschen Volkes Madonnen-
ideals wichtiger als die einzelnen, in verschiedenen Jahren geschaf-
fenen Madonnenbilder.
Dürers Marienleben lehnt sich an die Berichte der apokryphen
Evangelien an. Schon in den alten christlichen Zeiten genügten
dem naiven Volksglauben die Erzählungen der kanonischen Schriften
über das Leben und die Schicksale Christi nicht vollständig. Er
wünschte mehr Einzelheiten zu erfahren. Ausführlicheres, insbesondere
über die Jugend Christi, zu hören. So malte die geschäftige Phan-
tasie eine Reihe lebendiger Bilder aus , welche in der Erinnerung
der Menschen ein Jahrtausend lang hafteten und insbesondere Dich-
tern und Künstlern das ganze Mittelalter hindurch mannigfache
Anregungen boten. Freier als bei der Apokalypse war diesmal
seine Stellung. Er war an den Stoff, aber nicht an feststehende
Formen gebunden; selbst die Wahl der Szenen blieb seiner künst-
lerischen Einsicht überlassen, da ja die apokryphen, durch die Dich-
42
tung vielfach abgeschlossenen Erzählungen seinen Gedanken nur
eine allgemeine Richtschnur boten. Er hat die Freiheit trefflich
benutzt. Kein schriller Wechsel der Tonart, keine Sprünge in der
Empfindungsweise werden in der Blätterfolge bemerkt. Die Passions-
szenen , welche seine Vorgänger gewöhnlich dem Marienleben ein-
geflochten haben, vermeidet er sorgfältig und deutet nur durch die
Abschiedsszene Christi von seiner Mutter (B. 92), ehe er die letzte
Reise nach Jerusalem antritt , die dunkle Seite ihres Lebens an.
Und selbst hier erscheint sie trotz der Hoheit , welche Dürer der
Gestalt Christi verliehen hatte, als die wahre Heldin der Handlung
und hält ihre Mutterwürde und liebevolle Hingebung an den Sohn
aufrecht. Welche Tonart im Marienleben vorherrscht , das sagen
dem Auge die drei Hauptblätter der Folge : die Geburt Mariä
(B. 80), die Flucht nach Ägypten (B. 89) und die dauernde Rast
daselbst (B. 90).
Dürer war kein fröhlicher Mann. Er mag nur selten in seinem
Leben laut gelacht haben, und in seinen Zeichnungen, in welchen
er doch seine ganze Natur enthüllt, stossen wir kaum ein bis zwei-
mal auf ungebunden lustige Gestalten. Dafür besass er ein feines
Verständnis für ein stillgemütliches Dasein und gebot seine Phan-
tasie über die fesselndsten Züge sinnigen Humors. Welch ein an-
heimelndes Gemälde von einem kleinbürgerlichen, behaglichen Leben
schuf er nicht in der Geburt Mariä ! Das Ereignis hat die befreun-
deten Nachbarn aus dem Alltagsleben aufgerüttelt. Die Gevatterinnen
eilen teilnehmend und hilfreich herbei, um die Wöchnerin zu pflegen
und die Familiensorgen ihr abzunehmen. Diese ruht ermattet in
einem Himmelbett im Hintergrunde und wird durch Speise und
Trank von zwei Wärterinnen gekräftigt , während die Wehmutter
sich von den Anstrengungen des Berufes durch einen tiefen Schlaf
am Rande des Bettes erholt. Den Vordergrund nehmen geschäftige
Frauen ein. Sie haben (rechts) dem Neugeborenen ein Bad bereitet
und bemühen sich (links), ein älteres Kind durch Spiel und Zuspruch
ruhig zu erhalten. So viel Eifer und Arbeit macht die Kehle durstig.
Es gilt auch das Familienfest würdig zu feiern. So sehen wir denn
auch eine wackere Alte aus dem Weinkruge sich laben und in
der andern Gruppe rechts eine Frau der Nachbarin den Becher
reichen. In der Mitte zwischen den beiden Gruppen wandelt ein
junges Mädchen , die Wiege unter einem Arm , einen Krug in der
andern Hand, die anmutigste, formenreinste Gestalt, welche Dürer
jemals geschaffen hat. In einem ganz frischen Drucke muss man
43
diese , schon durch den Kopfputz auffälHge Gestalt sehen , um das
zierHche Wesen, den Wohllaut der Züge, die Feinheit der Umrisse
richtig abzuschätzen. Dieses farbige Bild eines trauten Familien-
festes reifte nur allmählich in der Phantasie Dürers. Der erste
Entwurf (im Berliner Kabinett), flüchtig mit der Feder gezeichnet,
begnügt sich mit wenigen Figuren; erst während der Arbeit er-
weitert sich der Vorgang zu der reichen Szene , welche uns der
Holzschnitt vor die Augen bringt.
Frischer Waldduft weht uns in der Flucht nach Ägypten ent-
gegen. Sorgsam leitet Joseph das Reittier Mariens, neben welchem
noch eine Milch spendende Kuh einherschreitet. Der Weg führt
über einen Steg durch den tiefen, dichtbewachsenen Wald. Auch
hier lernt man erst durch Vergleichung mit dem gleichnamigen
Kupferstiche Martin Schongauers, dem eigentlichen Muster Dürers,
die künstlerischen Verdienste des letzteren richtig würdigen. Die
Einzelheiten kehren wohl alle wieder ; aber dem älteren Meister
fehlt der poetische Hauch und die beseeltere Stimmung, welche
erst Dürer dem Bilde gab. Und nun das Lieblingsblatt der ganzen
Folge: die Rast in Ägypten! Joseph hat sein Handwerk wieder
aufgenommen und ist emsig mit der Herstellung eines Troges aus
einem Baumstamm beschäftigt. Kleine , geflügelte Knaben helfen,
die Späne zu kehren und in einem Korbe zu sammeln, treiben aber
ausserdem nach Knabenart allerlei Kurzweil. In der linken Ecke
spinnt Maria, während sie mit dem Fusse die Wiege ihres Kindes
mechanisch bewegt. Grössere Engel, welche die ganze Gruppe in
Halbschatten hüllt, umringen sie, bewundern die Kunst der Madonna,
die Fäden so fein zu spinnen, und erfreuen sie durch eine Blumen-
spende. In dem längst unbewohnten Herrenhause hat die h. Familie
ihre neue Heimat gefunden. Aber der sorgsame Fleiss des Haus-
vaters hat die Trümmer ausgebessert, wohnlich gestaltet. Das Gehöft,
in welchem die Szene vor sich geht , mit dem Lauf brunnen , dem
Fasse, den Hühnern macht den Eindruck eines behäbigen Daseins,
und dass Seele und Auge nicht zu sehr im Engen weilen, gestattet
das offene Hofthor den Ausblick auf Wald und Hügel. Seine ganze
Kraft und Liebe hat Dürer in die Schilderung hineingetragen und
die Seligkeit, welche dem innigen Familienbunde entspriesst, unüber-
trefflich verkörpert. Wir haben vielfachen Grund, die Italiener um
ihre Kunst zu beneiden : eine so poesievolle Schilderung des gemüt-
lichen Kleinlebens , wie sie Dürer im Marienleben geschaffen hat,
suchen wir in ihren Kunstschätzen vergeblich. Hier tritt der Gegen-
44
satz zwischen romanischer und germanischer Kunstanschauung am
deuthchsten uns entgegen, hier stossen wir auch auf die Ursache,
Joseph aus der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. Marienleben.
warum die deutschen Künstler sich schUessUch doch spröde gegen
die itaUenische Renaissancekunst verhiehen, sie niemals vollkommen
in ihre Phantasie aufnehmen konnten.
45
Neben den geschilderten Hauptblättern treten die anderen Holz-
schnitte des Marienlebens etwas zurück. Doch enthüllen auch sie
gar manchen fein psychologischen Zug des Künstlers. So stellt er
in der Tempelszene dem Joachim, dessen Opfer vom Priester zurück-
gewiesen wird , einen derben Tölpel mit einem kräftigen Sohne
gegenüber, um die Schmach Joachims noch empfindlicher zu machen.
Die fröhliche Begegnung Joachims und Annas unter der goldenen
Pforte dünkt einem Bettler eine günstige Gelegenheit, Almosen zu
heischen. Der Tempelgang Mariens, die Beschneidung Christi führt
uns treffliche Charaktertypen vor die Augen ; auch hier endlich giebt
sich Dürers Behagen am reichen landschaftlichen Hintergrunde kund.
Das Marienleben ist das erste Meisterwerk Dürers, welches er auch
in späteren Jahren noch gern mit stolzem Bewusstsein verschenkte.
Hat es doch zuerst seinen Namen weit über die Grenzen seiner
Heimat bekannt und berühmt gemacht. Die Thätigkeit im Fache
des Kupferstiches und Holzschnittes nahm während aller dieser
Jahre nicht bloss seine Zeit, sondern auch seine künstlerische Kunst
vorwiegend in Anspruch. Was er als Maler leistete, steht an Zahl,
insbesondere an Bedeutung gegen die Holzschnitte und Kupferstiche
weit zurück. Über Dürers Erziehung zum Maler sind wir nicht
genau unterrichtet. Sicher ist nur, dass ihm die eigentümliche
Wirkung der Ölfarbentechnik, Schmelz, Weichheit, feine Abtönung
der Farben lange unerreichbar erschien, und dass er insbesondere
in jungen Jahren mit Vorliebe Leim- oder Wasserfarben , flüssig
auf Pergament oder Leinwand aufgetragen , gebrauchte. Er lässt
die genaue Vorzeichnung überall durchblicken, die scharf gezogenen
dunkeln Umrisse nicht unter der Farbe verschwinden, giebt häufig
nur durch Färbung in der Lebendigkeit und sinnlichen Wirkung
gesteigerte Zeichnungen. In Leimfarben auf Leinwand gemalt tritt
uns das Selbstporträt aus dem Jahre 1493 und das mehrere Jahre
später gemalte Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen (Ber-
liner Museum) entgegen, ferner der gleichfalls noch in den neunziger
Jahren geschaffene Dresdener Altar, das hervorragendste Werk
kirchlicher Natur, welches wir aus Dürers Jugendzeit besitzen. Nach
üblicher Sitte zerfällt der etwas über i m hohe, ursprünglich in der
Wittenberger Schlosskirche aufgestellte Altar in eine Mitteltafel
und zwei Flügel. Das Mittelbild zeigt uns innerhalb eines Stein-
rahmens auf der Brüstung das schlafende Christuskind. Ein winzig
kleiner Engel, ein wahrer Zwerg, steht auf der Brüstung und wehrt
mit einem Wedel die Fliegen ab, hinter der Brüstung erblickt man
46
in Halbfigur die Madonna, welche mit gefalteten Händen das Kind
anbetet. Im Mittelgrund sind zwei Engelchen beschäftigt, mit Giess-
kanne und Besen den Fussboden der Stube zu reinigen. Der Hinter-
grund zerfällt in drei Abteilungen. Während in der Mitte Engel
in der Luft schweben, eine Krone über der Madonna haltend oder
Rauchfässer schwingend, blickt man links durch eine geöffnete Thür
in Josephs Werkstätte und sehen ihn emsig bei der Arbeit, rechts
bietet ein grosses Fenster die Aussicht auf einen Wirtschaftshof.
Auf dem linken Flügel ist der h. Antonius , auf dem rechten der
nackte h. Sebastian, beide in Halbfigur dargestellt. Man sieht dem
Bilde deutlich an, wie es noch in Dürers Phantasie wogt, altes mit
neuem sich mischt. Dem Ausblicke in das Freie durch das geöffnete
Fenster begegnen wir auch auf Bildern aus Wohlgemuths Werk-
stätte , das liegende Christuskind , sowie die kleinen , in anderem
Masse gehaltenen Engel entstammen italienischen Erinnerungen
(Lorenzo di Credi und Carlo Crivelli) , die Fein- und Kleinmalerei
das Glas Wasser mit einer Feldblume , der halbe Apfel auf der
Brüstung vor dem h. Sebastian mahnt an Jacopo de' Barbari. Nur
die in den Lüften sich tummelnden Engel auf beiden Flügeln sind
Dürers Eigentum und stehen mit den Engeln im Marienleben in
naher Verwandtschaft, wie auch der idyllische Ton des letzteren
bereits hier anklingt. Der Dresdener Altar ist eine eigenhändige
Arbeit Dürers, was man bekanntlich von den anderen Altarwerken
aus seiner früheren Zeit nicht behaupten kann. So hat Dürer z. B.
an der Malerei des dreiteiligen Altars , welcher in der Sommer-
residenz der Wiener Erzbischöfe, in St. Veit aufgestellt ist, durch-
aus keinen Anteil genommen. Das Mittelbild stellt die Kreuzigung,
die Flügel innen die Kreuztragung und Christus als Gärtner, aussen
die Heiligen Rochus und Sebastian dar. Die Gesellenarbeit kann
nicht bestritten werden. Lassen sich aber nicht wenigstens die
Skizzen zu den Bildern, teils in Basel, teils im Städelschen Museum
in Frankfurt bewahrt , für Dürer retten } Aber auch gegen die
Eigenhändigkeit dieser Vorlagen, namentlich der Frankfurter, regen
sich manche Bedenken. Jedenfalls dürfen sie nicht so früh, in den
Anfang des sechzehnten Jahrhunderts angesetzt werden. Denn damals
hatte Dürer noch nicht die Technik, welche in diesen Blättern herrscht,
angenommen und mit Pinsel und Tusche die Skizzen zu entwerfen
geliebt. Er folgte darin nur der Sitte seiner Zeit und fand, wie
die Besteller, es ganz in der Ordnung, dass er mit seinem Namen
Bildwerke deckte, welche nur unter seiner Aufsicht und nach flüch-
47
tigen Angaben und Zeichnungen von Gesellen ausgeführt wurden.
Aus diesem Grunde können die Altarbilder Dürers nicht als sichere
Zeugnisse seines Entwickelungsganges angerufen werden. Besser
ist es mit den Porträts bestellt. Hier gilt die Voraussetzung eigen-
händiger Arbeit. An ihnen Hesse sich daher der Weg, welchen
Dürer in der Malerei verfolgte, mit Sicherheit studieren, wenn nicht
leider bald Fälschungen des Datums , bald Übermalung so oft das
Urteil erschwerten. Das Bildnis in Florenz, welches angeblich Dürers
Vater darstellen soll, wird der offenbar gefälschten Inschrift zu liebe
dem Jahre 1490 zugeschrieben, Dürers berühmtes Selbstbildnis in
München auf das Jahr 1 500 zurückgeführt , in beiden Fällen der
Ursprung um mehrere Jahre zu früh angesetzt. Immerhin bleiben
noch mehrere Porträts übrig, welche uns über Dürers Auffassung
der Natur und die künstlerischen Gewohnheiten in seinen jungen
Jahren aufklären. Man möchte glauben, dass die Übung im Selbst-
porträtieren dieselben mitbestimmte. Die Augen, etwas starr, folgen
nicht der Richtung des Kopfes , sondern blicken aus dem Bilde
heraus. Die Haltung des Körpers ist nicht dem Augenblicke ab-
gelauscht , sondern absichtlich gewählt , in den Grenzen des all-
gemeinen Typus gehalten, die Hände werden in allen Einzelheiten
überaus sorgfältig gezeichnet, sprechen aber nicht mit, zeigen keine
Individualität, kein besonderes Gepräge. Sie bleiben einfach dürerisch.
Am besten gelingt ihm die Wiedergabe des Haares, des Bartes, der
Pelzhaare. Die mit Eifer gepflegte Feinmalerei trägt gute Früchte.
An und für sich ist sie nichts Seltenes , in Oberitalien , auch in
Venedig , wurde sie mit Vorliebe geübt. Was aber Dürers Fein-
malerei auszeichnet und noch später die Bewunderung der vene-
tianischen Maler erregte, ist das weise Zurückdrängen des Einzelnen,
so dass dieses bei aller Feinheit der Ausführung, z. B. der Ringel-
locken, doch auch als Masse wirkt. Hier begrüssen wir einen wirklich
malerischen Zug. Wir entdecken ihn in dem Bildnisse des Oswald
Krell (Münchner Pinakothek) vom Jahre 1499. Die unregelmässigen,
groben Züge des unbekannten Mannes sind wahrlich nicht darnach
angethan, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Aber die geschickte
Anordnung, die Teilung des Hintergrundes, dessen linke Hälfte den
Ausblick in ein von einem Bach durchströmtes Birkenwäldchen
öffnet , während die andere Hälfte einen roten Vorhang zeigt , die
doch schon natürlichere Bewegung — er fasst mit der Linken die
Pelzschaube, die Rechte ruht auf einer Brüstung — die feine Malerei
der gelockten Haare und des Pelzes, der bunte, flüssige Pinselstrich,
48
weckt die Überzeugung, dass Dürer bereits um die Wende des
Jahrhunderts alle Genossen als Porträtmaler überragte. Wir möchten
klagen, dass er diesen Zweig der Malerei in der folgenden Periode
weniger pflegte und besonders seit 1504 sich anderen Aufgaben
zuwandte. Doch es ziemt sich nicht , durch solche nachträgliche
Erwägungen die Erzählung seiner jedenfalls folgerichtigen Ent-
wicklung zu unterbrechen.
V.
Die Laufbahn auch der grössten Künstler bewegt sich in einer
Wellenhnie. Bald wogt und stürmt es mächtiger in seiner Phantasie,
die Gedanken schiessen blitzesschnell zu, das Auge blickt schärfer,
die Hand folgt wunderbar leicht seinen Absichten. Kraft und Frucht-
barkeit des Künstlers haben einen Höhepunkt erklommen ; er atmet
frei und geniesst eine weite Aussicht. Bald fliessen die Gedanken
langsamer, es scheint, als ob ihm eine Zeitlang die Arbeit schwerer,
der Blick minder klar würde. Einen solchen Höhepunkt des Schaf-
fens bedeutet für Dürer das Jahr 1504.
Zehn Jahre sass er bereits in seiner Vaterstadt. Da glaubte
er die Zeit gekommen , sich Rechenschaft von seinem Thun und
Treiben bisher zu geben, gleichsam eine künstlerische Beichte ab-
zulegen, was er geleistet, und welchen Weg dem fernen Ziel ent-
gegen er bereits zurückgelegt hat. Aber auch die weitere Weg-
strecke , welche noch durchschritten werden muss , liegt klarer als
früher vor seinen Augen. So gestaltet sich der Höhepunkt der
Entwickelung zu einem Knotenpunkte. Vergangenheit und Zukunft
reichen sich die Hände, Abschluss einer älteren Richtung und An-
bahnung einer neuen, wenigstens die kräftigere Ausbildung der schon
vorhandenen Keime der letzteren liegen nahe beieinander.
4
so
Die landschaftliche Schönheit , welche ihn in seiner Jugend so
mächtig angezogen hatte , hallt noch einmal in seiner Phantasie
nach und feiert noch einmal einen grossen Triumph. Der h. Eu-
stachius (B. 57), das grösste Blatt, welches Dürer überhaupt ge-
stochen hat , trägt gar keine Jahreszahl. Doch kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass er um das Jahr 1504 herum geschaffen
wurde. Er zeigt noch einzelne Spuren jugendlicher Befangenheit,
so namentlich in der Art , wie die Figuren in den schon fertigen
Hintergrund gleichsam nachträglich eingezeichnet sind. Viele Jahre
später (15 19) hat Dürer eine ähnliche Schilderung mit dem Grab-
stichel geschaffen. Der h. Antonius, der Einsiedler, hat am Fusse
eines reich bebauten Burghügels sich zu stillem Gebete nieder-
gelassen (B. 58). In Einzelheiten gleichen sich die beiden Blätter
in überraschender Weise. Hier und dort steigt im Hintergrunde
eine Burg mit mannigfachen Vorwerken steil in die Höhe. Hier
und dort schliesst das Bild rechts mit einem still in tiefem Baum-
schatten fliessenden Strome ab, über welchen eine Brücke führt.
Auf beiden Blättern stehen die Figuren zu dem landschaftlichen
Hintergrunde nur in losem Zusammenhange. Wie gut hat aber
Dürer auf dem jüngeren Blatte den lesenden h. Antonius der Um-
gebung eingeordnet , wie harmonisch und malerisch wirksam das
Ganze gestaltet. Dagegen fallen im h. Eustachius Landschaft und
Figuren noch auseinander. Doch dürfen über diesem Mangel die
Vorzüge des Stiches nicht übersehen werden. Der römische Feld-
herr, in der Jagdtracht des sechzehnten Jahrhunderts, hat den aus
dem Walde heraustretenden Hirsch mit dem Kruzifix zwischen dem
Geweih erblickt. Er ist sofort vom Pferde gestiegen und in staunen-
der Verehrung auf die Kniee gesunken. Um ihn lagern sich fünf*
Rüden, treffliche Zeugnisse des Dürerschen Tierstudiums. Mehr noch
als die wahrhaftige , treue Wiedergabe der Hunde bewundern wir
den geweckten landschaftlichen Sinn des Künstlers, welcher in dem
kleinen Flussabschnitte im tiefen Thalgrunde einen reizenden Erd-
winkel voll stillen Friedens und anheimelnder Ruhe geschaffen hat.
Hallt im Eustachius (ähnlich wie in dem Holzschnitte (B. 107),
welcher die beiden Einsiedler Anton und Paulus in der Wald-
einsamkeit beieinander sitzend darstellt) die künstlerische Freude
an der landschaftUchen Natur nach, so klingt in dem Stiche : Wei-
nachten (B. 2) die idyllische Stimmung des Marienlebens an. In
einem verfallenen Hause hatte Maria in Bethlehem Zuflucht gesucht,
in einem an die Ruinen angeklebten Fachwerkbau , dessen Unter-
51
stock nach dem Hofe offen ist , die Familie sich niedergelassen.
In diesem offenen Schuppen kniet Maria vor dem neugeborenen
Christkinde, während der emsige Joseph im Hofe aus einem Zieh-
brunnen Wasser schöpft. Aus der Thüre des an den Schuppen
anstossenden Stalles tritt mit andachtsvoller Geberde ein Hirt her-
vor, hinter ihm werden die Köpfe des Ochsen und Esels sichtbar.
In Dunkel ist dieser Teil des Bildes gehüllt , dagegen gewährt ein
Thorbogen im Hofe den erquickenden Ausblick in die helle Land-
schaft. So ist dem engen Schauplatze das Drückende und Be-
ängstigende genommen, der Eindruck des gemütlichen Kleinlebens
in entsprechend kleinem Räume ungetrübt geblieben. Dürer ver-
stand es, die Figuren, ungeachtet des winzigen Massstabes, frei und
klar zu zeichnen, in ihre Köpfe einen scharfen Ausdruck zu legen
Namentlich der eifrig schaffende Hausvater ist eine prächtige
Charakterfigur, eine Gestalt voll Leben und Wahrheit. Wenn der
Eustachius und die Weihnachten ältere Stimmungen des Künstlers
in vollendetem Ausdrucke wiedergeben, so weist der gleichfalls aus
dem Jahre 1504 stammende Stich: Adam und Eva (B. i) auf die
neuen Wege hin, welche Dürer zu betreten sich anschickte. Zum
erstenmale zieht er aus seinen Studien die richtigen Masse und
Verhältnisse, die künstlerischen Folgerungen in scharfer Weise und
schafft in dem ersten Menschenpaare Mustermenschen. In den vor-
bereitenden Entwürfen zu dem Stiche , deren sich viele erhalten
haben , ein Beweis , wie sorgsam er arbeitete und wie sehr ihm
gerade dieses Blatt am Herzen lag, befinden sich auch zwei Skizzen
(Albertina) , in welchen er (auf der Rückseite) die rechten Masse
mit Ziffern angegeben und die geometrischen Hilfsfiguren (Kreise,
Quadrate) gezeichnet hat. Er konstruierte ,,nach der Masse," wie
Jakob Barbari es gethan hatte, die Gestalten. Dieser Ursprung aus
dem berechnenden Verstände und nicht aus der unmittelbar quillen-
den Phantasie hat namentlich in den Köpfen Spuren zurückgelassen.
Sie sind weniger ausdrucksvoll und naturwahr. Erst der Zutritt
der tief empfundenen , reichen Waldlandschaft , aus deren Dunkel
Adam und Eva herausgetreten sind, und die vortreffliche , bereits
vollständig ausgereifte Stichweise sichern dem Blatte die künst-
lerische Wirkung. Als Abschnitt in Dürers persönlicher Entwicke-
lung behält es jedenfalls grossen Wert.
Der rastlose Drang nach vorwärts , die Unruhe , welche jedes
Selbstgenügen ausschliesst, spricht noch aus einem andern in dieser
Zeit (1504) geschaffenen Werke. Bald nach der Vollendung der
4*
52
Apokalypse, vielleicht noch vor dem Marienleben, hatte Dürer eine
neue grosse Holzschnittfolge, die Passion Christi, begonnen. Zahl-
reiche Künstler waren ihm in der Behandlung der Leidensszene
vorangegangen. Ihm persönlich waren gewiss die ,, Fälle Christi,"
welche Adam Kraft gemeisselt hatte und die Stiche Martin Schon-
gauers nicht unbekannt geblieben. Für die Hauptsache der Wieder-
gabe war ausserdem eine ehrwürdige Überlieferung massgebend.
So stellten sich dem erfinderischen Geiste Dürers hier grössere
Hemmnisse entgegen als im Marienleben. Kein Wunder, dass er
sie nicht gleich auf den ersten Anlauf vollkommen überwand.
Darin übertraf er alle seine Vorgänger, dass er folgerichtig den
dramatischen Ton anschlug und den einzelnen Gestalten eine
schärfere Individualität, einen lebendigeren Charakter als seine Vor-
gänger verlieh. Die Schilderung ist stimmungsvoller , wozu der
stets sinnig ausgewählte landschaftliche Hintergrund wesentlich bei-
trägt. So bildet in Christi Gebet auf dem Olberge ein wild schauer-
liches Felsengeklüfte den Schauplatz und wird die Grablegung in
den Eingang zu einer dunklen Thalschlucht verlegt. Er sieht aber
die Leiden Christi doch noch mehr mit den Augen des Volkes,
welches sich an den Passionsspielen ergötzt und an derben Zügen
der Schilderung Gefallen fand , als mit den eigenen Augen. Es
fehlt den Gestalten die feinere Durchbildung, den ausgedrückten
Empfindungen das rechte Mass. Nachdem er sieben Blätter der
,, grossen Passion" dem Drucke übergeben hatte (B. 6, 8 — 13),
brach er die Arbeit ab , vielleicht dazu auch durch die geringe
Geschicklichkeit des Holzschneiders bewogen , welcher die Zeich-
nungen nur ganz grob auf dem Holzstocke wiedergab. Der un-
vollständig gelungene Versuch lähmte nicht seinen schöpferischen
Drang und hess in seiner Phantasie keineswegs den Gedankenkreis
der Passion verblassen. Im Gegenteil. Schon im Jahre 1 504 arbeitete
er wieder an der Passionsgeschichte und vollendete in kurzer Zeit
eine neue Folge von zwölf grossen Blättern. Dieses Mal verzichtete
er auf die Mitwirkung des Holzschneiders, liess es bei der blossen
Zeichnung bewenden. Die Zeichnungen sind nicht vorbereitende
Skizzen, bestimmt, später vollkommener ausgeführt zu werden,
sondern zeigen uns schon die endgültige Gestalt des Werkes. Er
ging dabei mit der gleichen Sorgfalt vor, als ob es sich um einen
Schnitt oder Stich handelte, riss zuerst stets mit der Feder die
ganze Komposition, übertrug sie sodann gleichfalls mit der Feder
auf ein grünlich getöntes Papier und fügte die Lichter in weisser
f
53
Farbe mit dem Pinsel hinzu. Von dem grünlichen Hintergrunde
empfing die in der Albertina bewahrte Folge den Namen der
grünen Passion. In drei Farben hergestellt , besitzt die grüne
Passion einen mehr malerischen Charakter , im ganzen im Tone
dunkel gehalten , versetzt sie uns sofort in die rechte Stimmung
und lässt uns die tragischen Ereignisse, das schwere Leiden Christi,
liefer empfinden. Darin liegt überhaupt der grosse Fortschritt gegen
die grosse Holzschnittpassion, dass Dürer in die Schilderung seine
persönliche Empfindung voll hineinlegt, das seelische Leben in
allen Gestalten kräftiger ausprägt, ohne die dramatische Wucht der
Ereignisse abzuschwächen. Der Vorgang wird stets gesammelter
wiedergegeben, keine Person erscheint überflüssig, jede nimmt viel-
mehr lebendigen Anteil an der Handlung. Vergleichen wir z. B.
die Geisselung Christi in den beiden Folgen. In der Holzschnitt-
passion herrscht ein grösseres Gedränge, der Vorgang ist materieller
erfasst, auf die schier tierische Wut der Peiniger der Nachdruck
gelegt. In der grünen Passion behielt Dürer alle wesentlichen
Personen bei : den kalt zusehenden , in ein türkisches Gew^and ge-
kleideten Anführer der Rotte , die zwei Peitschenden , den dritten
Schergen , welcher knieend Ruten bindet und endlich den Mann,
welcher Christum bei den Haaren zerrte. Den Anspeienden, den in
das Horn tutenden Knaben, den Mann, welcher vorn auf dem Boden
sitzt und mit grösster Anstrengung die Stricke noch fester schnürt,
ebenso wie die mehr gleichgültigen Gestalten im Hintergrunde Hess
er weg. Dadurch gew^ann die Komposition eine geschlossenere,
feiner abgewogene Form , treten die Gegensätze klarer vor das
Auge. Die grösste und glücklichste Wandlung, wenn auch nur
mit wenigen Strichen , vollzog Dürer am Kopfe Christi. Im Holz-
schnitte erscheint er wegen der Zerrung der Haare gewaltsam nach
rückwärts gezogen , hier dagegen senkt er sich herab und drückt
so die Tiefe des Schmerzes, die duldende Ergebung viel deutlicher
aus. Verhältnismässig geringe Änderungen erfuhr die Kreuztragung.
In dem berühmten, auch von Raffael geschätzten Holzschnitte hatte
Dürer bereits mit dem ersten Wurfe das Schwarze getroffen , das
Gedränge aus dem engen Stadtthore , die treue Nachfolge der
Freunde , die liebevolle Teilnahme Christi für sie , welche er auch
noch unter der Last des Kreuzes zusammengebrochen äussert, das
rauhe Zustossen der Kriegsknechte , um Christum vorwärts zu
bringen , mit unübertreffUcher Wahrheit wiedergegeben. Das alles
kehrt auch in der grünen Passion wieder , nur der Landsknecht,
54
der im Holzschnitte breitspurig in der Ecke steht, wird näher zur
Handlung herangezogen.
Selbständig, neuen Gedanken Raum gebend, verfuhr Dürer
gegen das Ende des Werkes. In der Holzschnittpassion folgten
auf die Kreuzigung die Beweinung und Grablegung Christi. Beide
Blätter bringen vorwiegend die gleiche Empfindung, die Trauer
und Klage , zum Ausdruck und schwächen dadurch die Wirkung
des einzelnen Schnittes ab. Die Handlung bewegt sich nicht rüstig
genug vorwärts. Da schob Dürer zwischen Kreuzigung und Grab-
legung noch die Kreuzabnahme und brachte nicht allein Abwechs-
lung in die Szenenfolge, sondern schuf überhaupt ein Meisterwerk,
welches zu dem besten, was wir von ihm besitzen, zählt. Nikodem
ist auf einer Leiter auf den Kreuzesarm geklettert und lässt, von
drei Männern unterstützt, den Leichnam Christi sachte zu Boden
gleiten. Die körperliche Anstrengung gestattet der inneren Teil-
nahme keinen offenen Ausdruck. Desto kräftiger kommt diese in
der unteren Gruppe zur Geltung. Johannes bemeistert einen Augen-
blick den Gram und sucht, unwillkürlich die Beine Christi berührend, -
diesen vor jähem Falle zu bewahren. Mit ausgebreiteten Armen
sitzt Magdalena am Fusse des Kreuzes, bereit, dem teueren Leich-
nam in ihrem Schosse eine Ruhestätte zu gewähren , während die
Mutter, vom Schmerze übermannt, in den Armen der Maria Salome
zusammenbricht. Es würde schwer fallen, eine Komposition Dürers
zu nennen , so wohl abgewogen in der Anordnung , so klar und
wirksam und so tief empfunden , wie die Kreuzabnahme in der
grünen Passion. Ob wohl Rubens das Blatt kannte , als er sein
berühmtes Gemälde für den Antwerpener Dom schuf.?^ Die Über-
einstimmung in der Anlage und Gruppierung wirkt überraschend.
Die grüne Passion besitzt nicht allein als die ausgereifte Frucht
der älteren Holzschnittpassion einen hervorragenden Wert, sondern
spielt auch sonst in Dürers künstlerischer Entwickelung eine be-
deutende Rolle. Hier zum erstenmale fand er zuerst die einfachen
Mittel der Zeichnung, allerdings der dreifarbigen, aber doch schliess-
lich nur durch Licht und Schatten wirksam , genügend , um seine
künstlerischen Gedanken in endgültiger Form zu verkörpern. Die
Zeichnung erschien ihm ebenbürtig neben den anderen ausführenden
technischen Weisen. Er gewöhnte sich seitdem , auch wenn er
Tafelbilder schuf, die vorbereitenden Entwürfe in dieser sorgfältigen,
farbigen Weise zu zeichnen , so dass sie eigentlich schon für sich
genügen und die Künstlerkraft bereits in ihnen nahezu aufgebraucht
Die Geisselung Christi. Grosse Passion.
56
wird. Galt es dann , die mit dem grössten Fleisse ausgeführten,
eigentlich schon vollendeten Studien in bunte Farben zu kleiden,
so fehlte der frische Sinn , der Reiz des unmittelbaren Schaffens.
Man muss Rembrandts scheinbar so flüchtig hingeworfene , wie
gekleckste Skizzen mit den Dürerschen Studien vergleichen , um
zu erkennen , wie ein Künstler vorgeht , der nur in Farben denkt.
Das hat Dürer niemals gethan. Bei ihm macht die Farbe gewöhn-
lich den Eindruck einer nachträglichen Zuthat. Dürer empfand
ganz richtig diese schwache Seite seiner Künstlernatur und gestand
später selbst die Unzulänglichkeit seiner Malweise in den jüngeren
Jahren freimütig ein.
Zunächst freilich suchte er seinen Ehrgeiz darin, auch als Maler
zu glänzen. In dasselbe Jahr 1504, welchem die Weihnachten,
Adam und Eva, die grüne Passion entstammen, fällt noch das beste
Tafelbild, welches er in dieser ganzen Zeit geschaffen hat; die An-
betung der Könige, jetzt in der Tribuna zu Florenz. Während die
älteren Altäre und Tafeln gewöhnlich mit Hilfe der Gesellen aus-
geführt wurden — auch der sogenannte Paumgärtnersche Altar in
München, mit der Geburt Christi als Mittelbild und je einem Reissigen
neben seinem Rosse auf den Flügeln , zeigt solche Spuren — , ist
die Anbetung der Könige eine eigenhändige Arbeit. Die heilige
Familie hat sich auch hier in den Ruinen eines älteren hoch-
gelegenen Baues niedergelassen. Links sitzt die blonde Maria
mit dem Christuskinde auf dem Schosse , welches die Gabe des
ältesten vor ihm knieenden Königs freundlich entgegennimmt. Der
zweite König, in der Kopftracht sichtlich an das (schlecht erhaltene)
Selbstbildnis Dürers in München erinnernd und dadurch die Zeit
des letzteren bestimmend, und der Mohr stehen mit Goldgefässen
daneben ; ein Mohrenknabe , gleichfalls mit Geschenken beladen,
steigt die obersten Stufen einer Treppe empor. Weiter zurück,
wo ein Thorbogen das Gehöft abschliesst , tummelt das Gefolge
der Könige die Rosse , im Hintergrunde endlich erhebt sich auf
steilem Felsen eine Burg. Wie die Komposition einzelne ältere
Motive anklingen lässt , so ist auch die Malweise noch die feine,
dünnflüssige , in hellen kräftigen Farben sich bewegende , welche
Dürer in seiner Jugend liebte. Immerhin beweist auch dieses Ge-
mälde, dass Dürer im Jahre 1504 einen Höhepunkt der Entwicke-
lung erreicht hatte und bildet einen würdigen Abschluss der ersten
Periode seines künstlerischen Wirkens.
VI.
Ein volles Jahrzehnt und darüber weilt
Dürer seit seiner Wanderschaft in der Vater-
stadt. Er war allmählich zu einem an-
gesehenen Manne und berühmten Künstler
emporgestiegen. Der Verkehr mit Patri-
ziern und Humanisten , wie Pirkheimer,
Celtes , Schedel hatte an Innigkeit ebenso
zugenommen, wie der Begehr nach seinen
Werken gestiegen war. Da erwachte wieder
in ihm die Wanderlust und die Sehnsucht
nach Italien, die letztere gewiss durch die
Gegenwart Jacopos de' Barbari in Nürnberg
noch gesteigert. Wir bemerken, dass
ihn jetzt wieder, wie nach der Heim-
kehr von der ersten Wanderschaft,
mythologische Stoffe in höherem
Masse fesseln. Er sticht einen ,, Wald-
teufel," d. h. einen Satyr, welcher
mit Flötenspiel seine im Waldesdunkel auf einem Tierfelle gelagerte
Familie ergötzt, er führt uns gleichfalls im Stiche Apollo und Diana
und Merkur mit dem Pegasus (gewöhnlich das kleine Pferd genannt)
vor die Augen. Ein Sammelband antiquarischen Inhalts , welchen
Hermann Schedel in Italien zusammengeschrieben und mit einzelnen
flüchtigen Zeichnungen versehen hatte, reizte ihn zu besserer Wieder-
gabe des letzteren. Er zeichnete sorgfältig Hermes oder den gal-
lischen Herkules, welcher durch seine Beredsamkeit die Menschen
\
58
an sich fesselt und Arion, welcher von Delphinen durch die Fluten
getragen wird. Zu gleicher Zeit werden auch die Erinnerung an
die Formen der antikisierenden Baukunst , wie sie in Italien auf-
gekommen waren, in ihm lebendig. Die architektonischen Hinter-
gründe in der grünen Passion" zeigen nicht mehr die gotischen
Formen, welche noch zuweilen im Leben Maria und in der grossen
Passion wiederkehren. Der reinen Renaissancekunst entsprossen
kann man zwar die Säulen und Bogen in der grünen Passion nicht
nennen; immerhin bekunden sie eine veränderte Richtung der archi-
tektonischen Phantasie und eine Annäherung an die massvolle Ein-
fachheit der Renaissancekunst. Wir begreifen , dass der Drang,
den engen Stadtmauern Nürnbergs zu entfliehen , wieder in der
schönen Welt Italiens Mut und Kraft zu sammeln, immer mächtiger
in ihm anschwoll und zuletzt unwiderstehlich wurde , so dass er
trotz seiner Dürftigkeit — er musste von seinem Freunde Pirk-
heimer Geld für die Reise leihen — den nächsten Anlass ergriff,
um nach Venedig zu reisen. Als solchen giebt Vasari den Rechts-
streit an , welchen Dürer gegen den berühmten Kupferstecher
Marcanton wegen unbefugten Nachstechens einzelner Blätter aus
dem Marienleben anstrengen wollte. Vasari ist zwar in diesem
Punkte kein sicherer Gewährsmann , auch erfahren wir aus Dürers
Briefen nichts von seinem Prozesse gegen Marcanton. So viel aber
darf man die Nachricht Vasaris vielleicht gelten lassen , dass die
Nachbildung seiner Werke in Venedig auf seine Reise mitbestimmend
wirkte. Wenn seine Schöpfungen so grossen Beifall in Venedig
fanden, dass sogar Fälschungen Gewinn brachten, warum sollte er
nicht seiner Person den Vorteil zuwenden
Mit zahlreichen Aufträgen der Nürnberger Freunde zum An-
kaufe von Perlen, Edelsteinen, Ringen, Büchern belastet, sonst aber
mit leichtem Gepäcke und schweren Sorgen beladen , machte sich
Dürer im Herbste 1505 auf den Weg. Er hatte sechs ,,Thafelln,"
kleine Bildtafeln, mitgenommen. Wird er sie verkaufen, werden
ihm neue Bestellungen gemacht werden.^ Nicht wenig drückte ihn
auch die Geldschuld an Pirkheimer , mit welchem er während .der
Reisezeit einen regen Briefwechsel unterhielt. Zehn Briefe , teils
in den ersten Monaten, teils im Herbste 1506 geschrieben, haben
sich erhalten. In den ersten Briefen herrscht ein gedämpfter Ton.
Ihn kümmert das Schicksal der zurückgelassenen Mutter und Gattin,
er denkt an den arbeitslosen Bruder Hans und klagt über die
Maler, welche ihm nicht wohlwollen und seine Kunst tadeln, denn
59
sie sei nicht „antikischer Art." AllmähUch bessert sich die Stim-
mung, steigt der Mut und das Selbstvertrauen. Er wechselt mit
dem Freunde Scherzworte , mitunter recht derber Art , meldet das
Lob des alten Giovanni Bellini, welcher, wie wir aus einer andern
Quelle (Camerarius) erfahren , Dürers Feinmalerei wie ein Zauber-
werk anstaunte, und erzählt von dem Gedränge in der Werkstätte,
vor welchem er sich zuweilen verbergen müsse. Er bekennt aber
auch freimütig den Wechsel in seinen künstlerischen Anschauungen
und wie er jetzt den früher hochgeschätzten Jacopo de Barbari
minder hoch stelle. Die Aussichten auf Erwerb haben sich gleich-
falls gebessert. Fünf Täfelchen hat er verkauft , von der Rosen-
kranzbrüderschaft, welche sich unter der deutschen Kaufmannschaft
gebildet hatte , ein grösseres Altargemälde bestellt erhalten. Und
als er es nach einer Arbeit von sieben Monaten vollendet hatte,
jubelt er auf. Der Doge und der Patriarch von Venedig besuchen
die Werkstätte , der Rat will ihn durch ein Jahresgehalt von zwei-
hundert Dukaten an Venedig fesseln, und auch die Maler sind zum
Schweigen gebracht. Sie sagten bisher, ,,im Stechen wäre er gut,
aber im Malen wüsste er nicht mit Farben umzugehen. Jetzt spricht
jedermann , so schöne Farben hätten sie nie gesehen." Wir. sind
leider nicht mehr im stände, dieses grosse Lob auf seine volle Wahr-
heit prüfen zu können. Das Bild , ein Weihgeschenk der Brüder-
schaft, stellt die Madonna auf dem Throne in einer reichen, hinten
rechts von Felsbergen abgeschlossenen Landschaft dar. Sie und das
Christkind überreichen dem Kaiser , dessen Profilkopf Dürer nach
der Zeichnung des Ambrogio da Predis, eines angesehenen Mailänder
Malers , wiedergab , und dem Papste Rosenkränze , während der
neben der Madonna stehende h. Dominikus und mehrere Engel
das gleiche Geschäft an der übrigen Gemeinde, fast lauter Porträt-
gestalten , vollziehen. Das Gemälde , zuerst in der Bartholomäus-
kirche in Venedig aufgestellt , kam später in den Besitz Kaiser
Rudolfs II. und nach Auflösung der Prager Galerie in ein Prager
Kloster. In älterer und neuerer Zeit arg misshandelt, zuletzt noch
vollständig übermalt , ist es gegenwärtig nur ein trüber Schatten
des ursprünglichen Werkes. Wer das grosse Tafelbild vor seiner
letzten Restauration genau prüft, erkennt nicht allein in dem psal-
tierenden Engel auf der Stufe des Thrones einen Anklang an die
bellinischen Engel , sondern entdeckt auch die offenbare Absicht
des Künstlers, die Farben gegen sein sonstiges Verfahren auf einen
kräftigen Akkord zu stimmen. Das blaue Kleid der Madonna, der
6o
goldbrokatene Mantel des Papstes und das scharlachrote Gewand
des Kaisers gaben die Grundtöne an. Zwischen dem Gold und
dem Rot vermittelt das gelbrötliche Kleid des psaltierenden Engels,
nach beiden Seiten hin werden die Hauptfarben ergänzt und zu
ruhigerer Wirkung gebracht. Hinter dem Papste kommt ein rotes,
violettes, hinter dem Kaiser (nach dem Hintergrunde zu) ein blaues
Gewand zur Geltung. Nur in dem (früheren) Kopfe der Madonna
und den scharf gezeichneten Köpfen der Brüderschaftsgenossen be-
grüssen wir den alten deutschen Dürer.
Das Rosenkranzbild ist die hervorragendste , aber nicht die
einzige Leistung Dürers während seines Aufenthaltes in Venedig.
Zeigt jenes den Einfluss der venetianischen Malerei , so offenbart
das kleine Gemälde in der Galerie Barberini in Rom : Christus
unter den Schriftgelehrten" die Einwirkung Leonardos , welcher
überhaupt eine grosse Rolle in Dürers Entwickelung spielt, wie er
auch unserem Meister nach der erfinderischen, grübelnden, wissen-
schaftlich denkenden Seite der Natur durchaus wahlverwandt er-
scheint. Leonardos Einfluss w4rd in der scharfen Zuspitzung der
Charaktere , in den fast schroffen Gegensätzen der Köpfe , in der
starken Mitwirkung der Hände an der Geberdensprache kund. In
fünf Tagen hat Dürer das Gemälde vollendet , nachdem er aller-
dings Köpfe (besonders den mild anmutigen Christuskopf in der
Albertina) und Hände vorher sorgfältig gezeichnet hatte. Doch
macht nicht die Schnellmalerei das Werk fein und bedeutsam, noch
weniger seine malerischen Eigenschaften. Der Gesamteindruck ist
keineswegs erfreulicher Art , da ganz abgesehen von der schlechten
Erhaltung der Tafel die Komposition sich nicht im Räume vertieft,
die Halbfiguren sich drängen, die vielen dicht vor den Augen des
Beschauers sich bewegenden Hände und kreuzenden Finger den
leichten Überblick des Ganzen erschweren. Einen viel grösseren
malerischen Wert besitzt der kleine Christus am Kreuze (Dresden),
welcher gleichfalls in Venedig gemalt wurde. Es ist das erste,
rein malerische Stimmungsbild des Meisters. Aus tiefem Dunkel
leuchtet der Christuskörper hervor. Nur am fernen Horizonte wirft
ein gelbrötlicher Streifen Licht auf ein schmales Stück öden , ein-
tönigen Seegestades. Das einsame Leiden des Heilandes, in welchem
nur das Antlitz den furchtbaren Schmerz ausdrückt, der Leib männ-
liche Kraft sich bewahrt hat , kann nicht ergreifender geschildert
werden. Niemals hat sich Dürer der italienischen Kunst so sehr
genähert , niemals die mittelalterHchen Überheferungen so voll-
6i
ständig abgestreift, wie in diesem kleinen Bilde. Mit ihm lässt sich'
der zwölfjährige Christus, was malerische Wirkung betrifft, nicht ver-
gleichen. Die Bedeutung des letzteren liegt darin, dass Dürers persön- '
liehe Entwickelung in ihm einen mächtigen Schritt vorwärts macht.
Bisher hatte er doch wesentlich nur den äusseren Proportionen, den
mathematischen Verhältnissen die Aufmerksamkeit zugewandt. Jetzt,
durch Leonardos Muster angefeuert, zieht er auch die Physiognomik !
und die Erfindung von Charaktertypen in den Kreis seiner Studien.
Leonardo ist der dritte italienische Meister , in dessen Fuss-
stapfen Dürer tritt. An Jacopo de' Barbari schliessen sich Mantegna
und Lionardo an. Eine merkwürdige Wahl und Folge der Künstler-
ideale , ebenso bezeichnend für Dürers Stellung zur italienischen
Kunst, wie aufklärend über seine eigene Natur. Die berühmtesten
und bedeutendsten venetianischen Maler , in deren naher Nachbar-
schaft er verkehrte , Hessen ihn kalt. Man spricht wohl vom Ein-
flüsse Giovanni Bellinis. Doch ist dessen besondere Malweise in
Dürers Bildern nicht nachweisbar und was Dürer von den Vene-
tianern angenommen hatte, beschränkt sich vorwiegend auf einzelne
Kompositionsregeln. Dürers Madonnen auf dem Throne seit 1506
bekunden sein Verständnis der feinsinnigen Anordnung , die vor-
nehme Auffassung, welche in der venetianischen Schule sich ein-
gebürgert hatte. Auch der wohlthuende, dem Auge gefällige Gegen-
satz des anmutigen , fröhlichen Engels zu Füssen des Thrones im
Gegensatz zu der strenger abgemessenen , ernsten Hauptgruppe
blieb ihm nicht verborgen. Wir entdecken solche psalticrende
Engel an den Stufen des Thrones in den späteren Schöpfungen
Dürers recht häufig. Von einer durchgreifenden Einwirkung der
Venetianer auf seine Phantasie, so dass sie eine Stilwandlung hervor-
rief, können wir keine Spur nachweisen. Das zeigt am besten das
Porträt eines jüngeren, etwa dreissigjährigen Mannes aus dem Jahre
1507 in der Wiener kaiserlichen Galerie. Der Farbenauftrag er-
scheint in dem (verputzten) Bilde etwas weicher, verschmolzener.
Aber in allem Übrigen, in der Haltung des Kopfes, in der Zeichnung
des rotblonden Haares , in der Richtung des Blickes und der Be-
handlung des Pelzwerkes, in der scharfen Abhebung des Brustbildes
von dem dunklen Hintergrunde, begrüssen wir den alten deutschen
Dürer. Es waren auch, wenn wir von dem Feinmaler Barbari ab-
sehen, auch nicht in erster Linie die anatomischen Vorzüge, welche
ihn an die Helden der oberitalienischen Malerei fesselten. Mantegnas
kühne Zeichnung , dessen Verkürzungskunst und Kraft , wuchtige
/
62
und doch nicht plumpe Körper zu gestalten, elementare, das Mass
des Gewöhnlichen weit überschreitende Empfindungen in voller
Reinheit und Macht auszudrücken, hatten es ihm angethan. Wenn
er jetzt sein Ideal wechselt, zu Leonardo bewundernd aufblickt, so
bleibt auch jetzt die eigentliche Kunst der Malerei aus dem Spiel.
Er begeistert sich nicht für den wunderbaren Farbenschmelz in den
Gemälden Leonardos und dessen technisches Können. Leonardos
Zeichenweise ist ihm fremd. Dagegen suchte er mit Feuereifer in
Leonardos Kunstlehre und theoretische Grundsätze einzudringen.
Auf welchem Wege Dürer zu ihrer Kenntnis gelangte, ist uns nicht
überliefert worden. Am wahrscheinlichsten klingt die Vermutung,
dass einer oder der andere von Leonardos Schülern und Akademie-
genossen, welche nach den^ Sturze Sforzas ein Wanderleben in Ober-
italien führten, ihm die Kunde in Venedig oder Bologna vermittelte.
Man denkt gewöhnlich an den gelehrten Mathematiker Luca Pa-
cioli, welcher einerseits zu Leonardo in nahen Beziehungen stand,
anderseits durch seine Schriften und Entdeckungen auf Dürer
nachhaltigen Einfluss übte. Der Kristallkörper mit lauter fünf-
winkeligen Flächen (Isocaeder) in dem Stiche der Melancholie geht
auf Paciolis Lehre von den regelmässigen Körpern zurück. In Dürers
Schriften begegnen einem gar manche Sätze in der von Pacioli
in der ,,divina proportione" niedergelegten Meinung.
Mit Jacopo de' Barbari und selbst mit Mantegna verbanden
ihn nur einzelne wahlverwandte Züge , an Leonardo hat er seine
ganze Künstlerschaft hingegeben. Und wenn von einer italienischen
Schule Dürers gesprochen werden könnte, so läge sie in Leonardos
Lehren und kunstwissenschaftlichen Versuchen. Schon die Spuren,
welche in Dürers Werken auf Leonardo zurückgehen, zeigen, dass
ihm die ganze Persönlichkeit des Mannes vor Augen schwebte. Die
physiognomische Bedeutung der Hände hatte er ihm abgelauscht, das
phantastische Element willig in sich aufgenommen. Als er auf einem
Blatte im Berliner Kabinett (L. 9) einen Drachen zeichnet, leiht
er ihm die Züge, welche Leonardo für die Darstellung eines solchen
Ungetüms empfiehlt. Er hört von Leonardos Erfindungen auf dem
Gebiete des Wasserbaues. Sofort macht er sich, in zwei Zeich-
nungen im Britischen Museum, daran, Schwimmgürtel und Schwimm-
blasen zu entwerfen, mit deren Hilfe man weite Ströme durch-
schwimmen kann. Die sogenannte Akademie Leonardo Vincis, ein
mailändischer Kupferstich, welcher kunstreich verschlungenes Ranken-
werk wiedergiebt, vielleicht ein Erkennungszeichen der Mitglieder
63
der Akademie Leonardos , jedenfalls wie die Inschrift im mitt-
leren Kreise : Academia Leonardi Vinci zeigt , mit ihr zusammen-
hängend , reizte seine Nachahmungslust. Er zeichnete noch in
Venedig auf zwei Blättern (Britisches Museum) mit leichten Ab-
weichungen solche künstüchen KnotenverschUngungen und nahm
nach seiner Heimkehr Anlass , sie in sechs Holzschnitten , den so-
genannten Knoten (B. 140 — 145), weiter auszuführen.|
Natürlich zog ihn zu Leonardo am stärksten das Studium der
Masse und Verhältnisse , der Gesetze , welche den menschlichen
Bildungen zu Grunde liegen. Dürer hatte sie in Venedig mit neuem
Eifer aufgenommen. Das Blatt mit den zwei nackten Frauen im
BerHner Kabinett (L. 37 u. 38), mehrere Zeichnungen von Pferden in
den Uffizi und in der Ambrosiana, mit beigeschriebenem Masse,
legen dafür Zeugnis ab. Aber weit war er auf dem bisher ein-
geschlagenen Wege nicht gekommen. Das Körpergerüst des Menschen
richtig anzulegen, hatte er wohl gelernt, ein gutes Verständnis der
Masse der Einzelglieder sich erworben. Bei der künstlerischen Ver-
wertung dieser Kenntnisse erhoben sich grosse Schwierigkeiten,
namentlich die konstruierten Köpfe entbehrten des Lebens und des
kräftigeren Ausdruckes. Zum Glück half in vielen Fällen die Natur
aus ; wer sich einfach an sie hielt , sündigte vielleicht gegen die
Regel, gab aber doch ein gutes Bild der Wirklichkeit. Dürer hatte
sich aber ein höheres Ziel gesteckt. Er wollte den Spuren des
Schöpfers nachgehen , die festen Gesetze , welche der Bildung der
Geschöpfe, besonders der Menschen, zu Grunde liegen, klar schauen,
auch bei der Wiedergabe des seelischen Lebens das Zufällige, Un-
bewusste zurückschieben. Nun erblickt er einen Mann , allerdings
nur im Widerscheine seiner Zeichnungen , welcher diesen Weg
bereits erfolgreich beschritten hatte. Durch unermüdliches Be-
obachten und Erforschen der Natur war in Leonardos Phantasie
ein schöpferischer Zug gekommen, eine Kraft der Erfindung, welche
ihn beinahe mit der Wirklichkeit wetteifern lässt. Er ersinnt Cha-
rakterköpfe von vollkommener Lebensfähigkeit und packendem
Wahrheitsscheine. Die Leidenschaften, seelischen Bewegungen und
Empfindungen sind in ihnen auf das deutlichste ausgedrückt. Dem
scharfen Forscher entging nicht, dass die charakteristische Stimmung
an Linienzüge geknüpft werden könne, der Wechsel in der Profil-
linie eine entsprechende Änderung des Ausdrucks hervorrufe.
In zahlreichen Proben legte Leonardo diese Überzeugungen
dar. Er Hess aus einem einfach regelmässigen Kopfe die mannig-
64
fachsten Charakterköpfe sich entwickeln , entdeckte selbst in der
grössten Unregelmässigkeit Spuren gesetzmässiger Bildung. Auf
den Namen „Karikaturen" getauft, werden sie in sehr vielen Samm-
lungen mit Vergnügen betrachtet. Doch lag dem Zeichner zunächst
das Zerrbild und eine kalte Verhöhnung menschlicher Bildungen
durchaus fern. Wie wenig gehört dazu, eine tiefgreifende Wirkung
des Ausdrucks zu erzielen. Und wenn die Stirn zurückgeschoben,
die Nase aufgestülpt wird, müssen nicht Mund und Kinn eine ent-
sprechende Änderung empfangen .^^ Auf Beispiele, welche diese Folge-
richtigkeit kundgeben, war sein Absehen gerichtet, als Ziel setzte
er sich die Annäherung des Formensinns und der Schöpfung psycho-
logischer Charaktere. Dadurch brach er in Italien einer neuen)
Kunstweise die Bahn und öffnete gleichzeitig Dürer die Augen, ^
welcher bis dahin den Bann der rein formalen Proportionslehre nichts
ganz zu durchbrechen vermochte.
Für den erfinderischen Mann , dessen Phantasie voll von Ge-
danken , Gestalten und Bildern steckte , war es eine bittere Ent-
täuschung, dass er gerade bei der Bildung des Kopfes, in welchem
die Seele lauter widerscheint , Halt machen sollte. Leonardos
Beispiel lehrte ihn, dass hier die Phantastik in ihr Recht trat und
hier der schöpferische Trieb keineswegs in Regellosigkeit ausarten
müsse. Eifrig folgte er diesen Spuren. Noch in Venedig versuchte
er sich in ,, verrückten Angesichten". Er zeichnete (Pester Museum
L. 185) eine Reihe von Profilköpfen nebeneinander, welche durch
Änderungen der Gesichtslinien einen verschiedenen Ausdruck ge-
winnen , ganz in derselben Weise wie auf einem Berliner Blatte
L. 34) , wo er zunächst einen gewöhnlichen Idealkopf entwarf und
diesen dann durch Zuspitzung oder Abstumpfung des Profiles mannig-
fach änderte.
Dass Leonardos Einfluss in den Werken Dürers nicht so stark
sich geltend macht , wie jener Mantegnas , erklärt sich aus guten
Gründen. Mantegna wurde sein Vorbild für besondere Bewegungen,
für einzelne Gestalten und Gruppen, welche leicht in ihrem Ursprünge
erkannt werden. Leonardos Lehren durchdrangen dagegen Dürers
künstlerisches Wesen , verschmolzen so innig mit dem letzteren,
dass sie nicht mehr losgeschieden werden können. Man darf Leo-
nardos Einfluss nicht in Dürers malerischen Werken suchen. Hier
trennten sich ihre Wege , blieb Dürer selbständig. Wenn er aber
fortan in der Schöpfung von Charaktergestalten und Charakter-
köpfen mit das lockendste Ziel des Künstlers erkannte , seine er-
\
65
finderische Phantasie einen wuchtigen Schwung nahm, sein LiebUngs-
streben , die Masse und Gesetze der menschUchen Erscheinung zu
erforschen , an Tiefe gewann , so dankt er in allen diesen Dingen
Leonardo die grösste Förderung.
Die mannigfachen Eindrücke , welche er in Venedig empfing,
brachten Dürer doch Unruhe in seine Seele und störten das Gleich-
gewicht seiner Stimmung. Man merkt dem Tone der an Pirkheimer
gerichteten Briefe den steten Wechsel zwischen Hoffnung und Sorge
an und kommt auf die Vermutung, dass die wenig geistvollen, sich
stets wiederholenden Scherze, frostig und gekünstelt, wie sie sind,
einen Mantel bilden, um darunter die eigene, wahre Stimmung zu
verbergen. Fröhlicher, ungesuchter Humor spricht jedenfalls nicht
aus ihnen. Neu und offen tritt er uns entgegen , wenn er seine
stattliche, durch neue Kleider gehobene, äussere Erscheinung schil-
dert. Er legte auf diese stets ein grosses Gewicht. Ehrlich und
offen ist auch seine Freude über den wachsenden Ruhm. Dass
er an Selbstvertrauen und Selbstachtung gewonnen , seine Kraft
gemessen und stark gefunden hat, die erhöhte Freude am Wirken
und Schaffen , darin entdecken wir die unmittelbare Frucht der
venetianischen Reise.
5
VII.
,,0 wie wird mich nach der Sonne frieren ; hier bin ich ein
Herr, daheim ein Schmarotzer !" Solauten die Schlussworte Dürers
in dem letzten Briefe an Pirkheimer. Als er im Frühling 1507
heimgekehrt war, durfte er indess glauben, dass er sich in seinen
Landsleuten doch getäuscht habe, und hoffen, jetzt in der Heimat
Anerkennung auch als Maler zu finden. Bestellungen auf Gemälde
strömten ihm in so reichem Masse zu, dass in den nächsten Jahren
die Malerei ihn fast ausschliesslich in Anspruch nimmt, der Kupfer-
stich und Holzschnitt stark zurücktreten. Vorher begann er, wie
es scheint aus eigenem Antriebe, eine Doppeltafel zu malen, welche
ihm und den Freunden den in Venedig gemachten Fortschritt an-
schaulich vor die Augen führen sollte. Er griff auf den alten Ge-
danken eines Normalmenschen zurück, gab wieder, wie in dem
Kupferstiche vom Jahre 1 504 , Adam und Eva Leben und Gestalt.
Offenbar hatte er sich mit dem Bilde schon in Venedig beschäftigt,
denn einzelne Vorstudien, zahlreich wie immer, tragen das Datum
1506. Überaus lehrreich ist der Vergleich des Gemäldes (Pitti-
galerie in Florenz), welches noch zu Dürers Lebzeiten kopiert wurde
(Madrid und Mainz) mit dem älteren Kupferstiche. Hier erscheinen
67
beide Köpfe in ein scharfes Profil gestellt , namentlich jener Evas
ausdrucklos , die ganzen Gestalten gleichsam als Beispiel richtiger
Proportionen hingestellt. Wie viel tiefer in der Empfindung, innerlich
belebter treten uns auf den beiden Tafeln Adam und Eva entgegen.
Verführerisch blickt Evas Auge, lockend und doch leise verschämt
nähert sie sich Adam , dessen geöffneter Mund und grosse Augen
die Begehrlichkeit verraten. Zu dieser gesteigerten inneren Belebung
gesellt sich eine gute Modellierung der Körper, eine freie Verteilung
der Farben. Dürer durfte sich in der That rühmen , in Venedig
viel gelernt zu haben. Der alte Dürer, aber von seiner besten
Seite, zeigt sich in dem zahlreichen Getier, den bunten Papageien,
den Rebhühnern , dem Eber, Hirsch , welche das Waldesdunkel
beleben.
Auf diesem Wege fortzuschreiten und auf die formale und
seelenhafte Durchbildung der Einzelgestalt, auch der bekleideten,^
die ganze Kraft einzusetzen , war Dürer nicht beschieden. Schon
der erste grössere Auftrag warf ihn wieder in die Bahn zurück,
auf welcher wohl seine erfinderische Kraft , aber nicht sein male-
rischer Sinn sich frei bewegen konnte. Der Kurfürst Friedrich der
Weise von Sachsen bestellte bei ihm eine Darstellung der Marter
der zehntausend Christen unter König Sapor. Der Gegenstand war
Dürer nicht fremd. Er hatte bereits früher im Holzschnitt (B. 117)
und dann , schon mit Rücksicht auf die Bestellung des Bildes , in
einer Federzeichnung in der Albertina diese dem derben Volkssinn
zusagende Legende verkörpert. Ihn fesselte offenbar der Anlass,
die mannigfachsten Stellungen und Bewegungen der Gemarterten
zeichnen, seine theoretischen Studien praktisch verwerten zu können.
Redlich hat er auch die ihm gebotene Gelegenheit benutzt, namentlich
an kühnen Verkürzungen es nicht fehlen lassen. Die malerische
Wirkung blieb aus, und auch die Geschlossenheit der Komposition
wurde nicht erreicht. Das Ganze löst sich in viele vereinzelte
Gruppen auf, welche das Auge nach und nach mühselig zusammen-
suchen muss. Im Vordergrunde werden auf Geheiss des syrischen
Königs die Massenhinrichtungen vollzogen , Christen gekreuzigt,
geköpft, mit dem Holzbeile erschlagen. Durch eine schmale Schlucht
windet sich ein langer Zug von Gefangenen auf den Gipfel des
Felsens , von welchem wieder viele in die Tiefe herabgeschleudert
werden. Gerade die Häufung ähnlicher Vorgänge mindert den
dramatischen Eindruck. Dürer war übrigens mit seiner Schöpfung
zufrieden. ,,Ich wollte, dass Ihr die Tafel sähet; ich bin der Meinung,
5*
68
sie würde Euch wohl gefallen." So schrieb er an Jakob Heller,
den reichen und frommen Frankfurter Tuchhändler, welcher bei
ihm im Sommer 1507 einen stattlichen Flügelaltar bestellt hatte.
Mit dem grössten Eifer, mit ebenso grossem Selbstvertrauen
schritt Dürer an das neue Werk. Wir können den Fortgang des
letzteren genau verfolgen, da sich die an Heller gerichteten Briefe
(neun an der Zahl) erhalten haben. Offenbar wollte er sein Meister-
werk schaffen. Er wählte die schönsten und besten Farben , liess
sich die Mühe nicht verdriessen, die Haupttafel vier- bis fünfmal zu
untermalen, und übermalte sie, als sie schon fertig war, noch zwei-
fach , auf dass sie lange Zeit dauere. Bei allem Fleisse währte es
doch beinahe zwei Jahre, ehe er das Werk zu Ende führte. Dann
freilich, als er es in seiner Werkstätte vollendet schaute, hob sich
sein Künstlerstolz. Fünfhundert Jahre und darüber wird die Tafel
frisch und sauber bleiben. Des Lobes der Sachverständigen ist
er sicher, und dass auch der Besteller Freude daran haben werde,
fest überzeugt. Nur weil er das Wort gegeben hat , überlässt er
die Tafel Heller um eine geringere Summe, als sie wert ist. Kunst-
freunde hatten ihm einen viel höheren Preis geboten, w^ollten ,, so-
zusagen mit Gewalt die Tafel von ihm haben". Seinen Fleiss
rühmt Dürer an erster Stelle. Und in der That ist vielleicht niemals
ein Gemälde so sorgfältig gearbeitet worden , wie die Hellersche
Tafel. Ihm genügten nicht allgemeine Entwürfe und flüchtige
Skizzen. Jeden Kopf, Gewandstücke, Arme, Hände und Füsse hat
er auf das sauberste auf grünblau grundiertes Papier mit dem
Pinsel in Schwarz gezeichnet und die Lichter sorgsam mit weisser
Farbe aufgetragen. Wir besitzen noch achtzehn solcher Studien.
Sie gehören nach der Seite der formalen Durchbildung zu dem
Besten, was der Meister geschaffen hat, legen uns aber gleichzeitig
die Frage auf die Lippen , ob nicht seine Phantasie darüber er-
müden musste und ob , nachdem die Vorarbeiten bereits so weit
vollendet, bis in das Kleinste und Feinste ausgeführt erscheinen,
bei der Übertragung der Gestalten auf die Tafel die Farbe zu ihrem
Rechte gelangen konnte ? Eine ganz befriedigende Antwort auf
diese Frage zu geben, hat das Schicksal des Bildes versagt. Dürers
Hoffnung einer langen Dauer seiner Schöpfung ging leider nicht
in Erfüllung. Ein Jahrhundert blieb der Flügelaltar in der Familien-
kapelle , welche Heller in der Dominikanerkirche zu Frankfurt ge-
stiftet hatte, von Einheimischen und Fremden viel bewundert. Im
Jahre 161 8 kam die 'Mitteltafel, welche Dürer eigenhändig mit Aus-
Die Fusssohlen eine
Studie zu den Fusssohlen des knieend
Weissgehöhte Tuschzeichnung frül
inieenden Mannes
\poslels auf dem Heller'sclien Altar
n der Sammlung Franck zu Graz
69
schluss der Gesellen ausgeführt hatte , in den Besitz des Herzogs
Maximilian von Bayern, ging aber in München bei dem Residenz-
brande 1678 zu Grunde. Der Dominikanerkirche verblieb eine Kopie
und von Dürer die Flügelbilder , welche die Gesellenarbeit nicht
verleugnen , nur in der allgemeinen Anordnung — die Porträts
Jakob Hellers und seiner Frau ausgenommen — auf Dürer zurück-
gehen. Auf die Treue des Kopisten Jobst Harrich aus Nürnberg
ist kein Verlass. Jedenfalls war die Technik des Kopisten eine
andere , als sie Dürer in Briefen an Heller beschreibt. Während
dieser die Tafel wiederholt mit reinen (Tempera.?') Farben unter-
malte und dann erst mit Ölfarben,, strich", führte Harrich die Kopie
hundert Jahre später nur in dünnflüssigen Ölfarben aus. Dadurch
verminderte sich der Farbenkörper und gewiss auch die Leucht-
kraft des Bildes. Mit Sicherheit können wir nur die Komposition
und dank der erhaltenen Studien die Zeichnung als Dürers Eigen-
tum würdigen.
Wer von der Marter der Zehntausend zur Betrachtung der
Hellerschen Tafel schreitet, wird überrascht durch die übersichtliche
Klarheit und einfache Grösse der Komposition. Hoch oben in den
Lüften, von jubilierenden Engelsköpfchen umschwärmt, kniet demütig
mit gefalteten Händen Maria , welcher Gott Vater und Christus
gemeinschafthch die Krone auf das Haupt setzen. Auf der Erde,
in anmutiger Landschaft , haben sich die Apostel um das leere
Grab versammelt. Während der eine sich tief über den Steinsarg
beugt und das Grablinnen auseinander reisst , als wollte er sich
durch den Augenschein von der Wahrheit des Ereignisses über-
zeugen, wenden andere den Blick staunend nach oben oder unter-
reden sich über den wunderbaren Vorgang. Es sind lauter markige
Gestalten , scharf im Ausdrucke, lebendig in der Bewegung , dabei
gut und klar angeordnet. Wie die Komposition an italienische
Gemälde erinnert, so merkt man auch der unteren, bei weitem voll-
endeteren Gruppe an, dass die venetianischen Erinnerungen in ihm
noch nachklingen. An die Stelle der Häufung vieler Gestalten,
von welchen jede die Wirkung der andern schwächt, alle zusammen
einen verwirrenden Eindruck hervorbringen , treten weniger grosse
Figuren, jede voll inneren Anteiles an der Handlung, jede an ihrem
Platze notwendig und dabei doch frei und selbständig in Bewegung
und Gebärde. Ein Hauch der edelsten Renaissancephantasie um-
webt das Gemälde. Noch während Dürer an dem Hellerschen Altare
arbeitete, nahm er bereits eine andere, im gleichen Geiste geschaffene
70
Tafel in Angriff, Im Anfang des Jahrhunderts hatte der biedere
Rotgiesser Matthäus Landauer ein Altmännerhaus gestiftet, in welchem
bedürftige Nürnberger Bürger ruhig ihren Lebensabend zubringen
sollten. Zum Landauer Brüderhause gehört eine Kapelle , deren
Vollendung wir in die Zeit nach Dürers Heimkehr ansetzen dürfen.
Zur künstlerischen Ausschmückung wurde Dürer berufen. Es scheint,
dass Landauer zu ihm ein besonderes Vertrauen gefasst und die
Ausschmückung der auch in der gotischen Gewölbeform vom Nürn-
berger Herkommen abweichenden Kapelle seinen Händen übertragen
hatte. Denn von Dürer stammt nicht allein die Altartafel, ihm
gehören auch die Entwürfe zu den Glasgemälden an den Fenstern
des Chores, welche, im Anfang unseres Jahrhunderts ausgebrochen
und in Scherben zerschlagen, erst jüngst durch geschickte Zusammen-
setzung und Ergänzung ihre ursprüngliche Gestalt empfingen. Über
die Herkunft der 1508 datierten Glastafeln aus Dürers Werkstätte
herrscht kein Zweifel. Die Zeichnung der einzelnen Gestalten,
besonders der zahlreichen Engelsköpfe, weist unmittelbar auf Dürer
und nur auf ihn zurück. Der geringe Umfang, die grosse Schmal-
heit der Fenster verhindert jede freie Gruppenbildung. Bei der
Darstellung der Dreieinigkeit griff deshalb Dürer zu der im Mittel-
alter gebräuchlichen abgekürzten Form , dem Kopfe mit drei Ge-
sichtern ; trotzdem fehlt es der Schilderung nicht an Klarheit und
an inhaltlichem , sofort verständlichem Zusammenhange. Dürers
Gedanken bewegten sich im Kreise des Jüngsten Gerichts. Dieses
Ereignis selbst darzustellen , fehlte es an Raum. Er musste sich
begnügen , was voranging , und was folgte , uns vor die Augen zu
führen. In einem dreiteiligen Fenster stellt er die Trinität, von
Engeln verehrt, dar, in den anderen, zweiteiligen, zeichnet er die
klugen und thörichten Jungfrauen , Apostel und Evangelisten , so-
dann den Engel , welcher die Frommen , unter ihnen den alten
Landauer, in das Paradies geleitet , und vier mit Schwertern und
Spiessen bewaffnete Engel, welche die Teufel in die Hölle zurück-
treiben. Dazwischen erscheint die Krönung Mariä und Abrahams
Opfer eingeschoben. Der in den Glasfenstern gleichsam nur an-
gedeutete Gedankenkreis wird nun in dem Altarbilde fortgesetzt
und ergänzt. Schon im Jahre 1508 entwarf er mit der Feder die
Zeichnung zu dem Bilde mitsamt den Rahmen , welche letztere er
sich nicht allein als Schmuck der Tafel, sondern als Ergänzung
derselben dachte. Er behielt daher auch den Rahmen, nur in
reicheren Formen in Holz ausgeführt, für das vollendete Gemälde
71
bei. Zwei korinthische Säulen tragen einen Fries, über welchem sich
ein statthches Halbrund erhebt. Das halbrunde Feld nimmt Christus
als Weltrichter zwischen Maria und dem Täufer ein ; im Friese ist
in knappen Zügen das Weltgericht und der Eingang der Seligen
in das Paradies, die Verweisung der Verdammten in die Hölle dar-
gestellt. So gewinnt das Hauptbild erst seine volle Bedeutung.
Dürers Selbstbildnis aus dem Allerheiligenbild in der Belvederegalerie zu "Wien.
Hier haben sich in den Lüften alle durch Christus Geheiligten
versammelt , alle durch den Kreuzestod von der Sünde Erlösten
zur Anbetung vereinigt. Den Mittelpunkt des Gemäldes bildet Gott
Vater, die Krone auf dem Haupte, in einem reichen Brokatmantel.
Er hält das Kreuz mit Christus mit beiden Armen fest, wobei das
blaue, weit ausgebreitete Untergewand des Vaters den Hintergrund
bildet , von welchem sich die Christusgestalt kräftig abhebt. Zu
beiden Seiten knieen und stehen dichtgedrängt links die weiblichen
72
Heiligen mit Palmen in den Händen, rechts die Männer des Alten
Bundes, unter welchen Johannes, Moses und David besonders hervor-
ragen. Es fällt auf, dass weder die Madonna sich von den übrigen
heiligen Frauen merklich scheidet, noch die Apostel in den Vorder-
grund treten. Tiefer unten schliessen sich die Vertreter der ver-
schiedenen Stände, vom Kaiser und Papst bis zum kleinen Bäuerlein,
vorn die Männer, hinten die halbverschleierten Frauen zu einem
Halbkreise zusammen. Alle werden von der gleichen andächtigen
Stimmung getragen, alle drücken die gleiche Empfindung aus. Da-
durch gewinnt die ganze Handlung einen gehobenen , feierlichen
Charakter, welchen die glänzende helle Färbung des Bildes noch
steigert. Der Künstler verlegt den Vorgang in die Zeit des Sonnen-
aufgangs. Der Horizont der weiten Seelandschaft, welche das Bild
unten abschliesst, ist wie die Häuser am Ufer rötlich gefärbt, die
Wolkensäume rosig angehaucht. In den Gründen herrschen un-
gebrochen rotblaue Töne vor, nur mässig gedämpft durch die grünen
und braunen Kleider der Figuren im Hintergrunde. Vielleicht
hat auf diese Malweise die Rücksicht auf die Glasgemälde bestimmend
eingewirkt.
Die Komposition des Allerheiligenbildes zeigt im Vergleiche
zu dem Hellerschen Altar eine geringere Übersichtlichkeit. Die
Figuren drängen sich in dem kleinen Räume. Offenbar hat die
Lust und Freude an reicher Charakteristik den Sieg über die Er-
wägung , welchen künstlerischen Gewinn eine klare , einfache An-
ordnung , eine Beschränkung auf einige , aber vollkommen durch-
gebildete Gestalten bringe , davongetragen. Welche Fülle überaus
lebensvoller , wahrer Charakter tritt uns in der unteren Gruppe
entgegen : der einfältig biedere Bauersmann , der stramme Ritter,
die betrübte Witwe, der behäbige Patrizier.
Die Nachwirkungen des venetianischen Aufenthaltes treten lang-
sam zurück, die ursprüngliche Natur ist in dem Künstler wieder
mächtig geworden und hat ihn zur Einkehr eingeladen. Diese per-
sönliche Natur ist aber reicher und gereifter geworden. Der er-
finderische Sinn beschränkt sich nicht bloss auf die Zeichnung
mannigfacher, tief empfundener Charaktere , sondern äussert sich
auch in Gedankenschöpfungen. Woher hat Dürer den Inhalt des
Allerheiligenbildes geholt .^^ Kein einzelner Schrifttext, keine biblische
Erzählung, keine Legende liegt zu Grunde. Aus der Tiefe des
religiösen Geistes schwingt er sich zu einer künstlerischen Vision
empor. Er schaut die Heiligung des ganzen Menschengeschlechts
73
durch den Versöhnungstod Christi, er nimmt dem Jüngsten Gerichte,
das im Rahmenbilde und in den Glasgemälden neu erklingt, seine
Schrecken und lässt durch die Liebe Christi einen neuen Bund
zwischen Gottheit und Menschheit erstehen. Man geht wohl nicht
irre , wenn man Dürer das volle Verdienst für diese Gedanken-
schöpfung zuweist. Dann bedeutet aber das Allerheiligenbild einen
Markstein in seiner religiösen und künstlerischen Entwickelung.
Dürer stand wieder an einem Wendepunkte seines Wirkens. |
Schon an einem äusseren Umstände merkt man seine Entfremdung ^
von der mittelalterlichen Sitte. Die alten Kirchenbilder besassen
in der Regel die Form von Flügelaltären, An diese hielt sich auch
Dürer in seinen früheren Altarwerken. Seitdem er aber in Venedig
der Renaissancekunst näher getreten war, hatte er die Vorzüge des
einheitlichen Tafelbildes erkannt. Dort kommt das Interesse an den
Gegenständen der Darstellung zu seinem Rechte. Die andächtige
Seele des Betrachters wird mit würdigen Gedanken erfüllt. Dass
auch sein Formensinn volle Befriedigung empfange, verhindert ge-
wöhnlich das Gedränge der vielen Gestalten, die grössere Zahl der
oft nicht einmal in den Massen übereinstimmenden Einzeltafeln.
Das als geschlossene Einheit geschaffene Altargemälde dagegen
lockt den Künstler von selbst auch in der Komposition diese Ein-
heit zu wahren , die Handlung enger zusammenzufassen , auf die
formale Durchbildung der Gruppen und Einzelgestalten das Haupt-
augenmerk zu richten. Das Auge wandert nicht von Tafel zu Tafel
wie bei den Flügelaltären und Altarschreinen , sondern überblickt
sofort das Ganze. Dadurch werden aber dem Künstler neue Auf-
gaben gestellt. Am Rosenkranzbilde und Allerheiligenbilde sehen
wir deutlich Dürers eifriges Bemühen , den neuen Anforderungen
gerecht zu werden. Aber freilich, er musste gegen eine spröde
Sitte ankämpfen , mit tief eingewurzelten Gewohnheiten brechen ;
er fand nicht den Raum zu freier Bewegung. Das verleidete ihm
die ganze Malerei.
Als Dürer den Hellerschen Altar, den letzten grossen Flügel-
altar, den wir von ihm besitzen, vollendet hatte , schrieb er dem
Besitzer: ,,Mich soll auch niemandt vermögen ain Taffei mit so
viel Arbeit mehr zu machen. Denn gemaine gemäll will ich ain
Jahr ain Hauffen machen, das niemandt glaubte, das möglich wäre,
das nie man thun möchte, aber das fleissig kleiblen gehet nit von
statten , darumb wil ich meines Stechens auss warten." Er hielt
sein Versprechen. Das Brustbild einer lebensgrossen Madonna in
74
der Wiener kaiserlichen Galerie mit dem halb liegenden Christkind auf
den Armen , welches eine durchgeschnittene Birne in der Linken
hält, 15 12 datiert, ist das einzige nennenswerte Gemälde in einer
längeren Reihe von Jahren. Aber auch hier kann man sagen, dass
nicht die Abrundung der Töne, die malerische Modellierung, sondern
die Feinmalerei namentlich der Haare und des Schleiers der Ma-
donna die Bewunderung des Beschauers wachruft. Solche Fein-
malerei verstand aber Dürer mit viel einfacheren Mitteln bis zur
höchsten Vollendung zu treiben. Davon legen zwei ursprünglich
zusammengehörige und als Täfelchen eingerahmte kleine Papier-
zeichnungen vom Jahre 15 10 Zeugnis ab. Sie stellen über schmalen,
mehr dekorativ gehaltenen Friesen in den Hauptbildern Samsons
Sieg über die Philister (Berliner Kabinet) und Christi Auferstehung
(Albertina) dar. Grau in grau mit der Feder gezeichnet und mit
dem Pinsel vollendet lassen die beiden Blätter trotz des kleinen
Formates und der dürftigen Farbmittel die Lebendigkeit der Hand-
lung, die Kraft des Ausdruckes, selbst die Reize blendender Licht-
wirkung (Auferstehung) nicht vermissen. Die Kunst der Fein-
und Kleinmalerei ist ihm ein freies Spiel geworden. Man möchte
sagen , er zeichnet wie gestochen. Auf dem Samsonblatte , wo im
Vordergrunde der jüdische Herkules gar grimmig auf die Feinde
losschlägt , bringt er im Hintergrunde noch andere Episoden aus
dem Leben Samsons an , im winzigsten Massstabe , aber doch so
scharf und klar gezeichnet und durch die richtige Perspektive so
wenig störend , dass man seine helle Freude an der Redseligkeit
des Meisters hat, mag sie auch wie ein Nachhall aus älteren Zeiten
klingen.
VIII.
Des Stechens wollte Dürer
fleissig warten. In der That
entwickelt er in der Zeit von
1 509 bis 1 5 1 5 eine staunens-
volle Fruchtbarkeit im Fache
des Kupferstiches und Holz-
schnittes. Und mehr noch
als dieses. Jetzt erst ge-
winnt er die vollkommene
Herrschaft über das Werk-
zeug des Stechers und schafft
jene Blätter , welche mit
Recht auch durch die technische Durchführung als seine Meister-
werke , zugleich als die schönsten Leistungen der alten deutschen
Kunst gelten. Gegen die eigentliche malerische Technik verhält
sich sein Sinn spröde , hier rastlos fortgeschritten , fehlte aber die
längste Zeit der rechte Antrieb. Dagegen erwies er sich auf dem
Felde des Kupferstiches gerade darin erfinderisch. Er versuchte,
die Kupferplatte durch Eisenplatten, den altgewohnten Grabstichel
durch die Nadel zu ersetzen und die durch die Nadel bewirkten
Ritze mit Hilfe des Ätzwassers zu vertiefen und zu verstärken.
Bei der Bearbeitung der Kupferplatte mit dem Grabstichel , bei
dem Drucke wandte er ferner allerhand geheime Künste an , um
den Ton zu vertiefen , die malerische Wirkung zu steigern. Es
scheint, dass er die Kupferplatte ähnlich behandelte, wie der Maler
76
seine Tafel. Die Untermalung ersetzte er durch eine feine Zeichnung
mit der Nadel und Ätzung, die Übermalung vertrat die Berbeitung
der so gewonnenen Grundzeichnung mit dem kräftigeren Grab-
stichel. Auf diese Weise brachte Dürer wahrscheinlich den eigen-
tümlichen zarten Schimmer, den malerischen Ton zu stände, w^elcher
einzelne seiner Stücke aus dieser Zeit (15 14) auszeichnet. Erst
viele , zum Teil noch nachweisbare Versuche führten zum Ziele.
Doch ist es weniger das Ziel als der Weg zum Ziele, das Forschen
gewesen , was Dürer zu diesen technischen Wagnissen und Neue-
rungen reizte. Waren die Schwierigkeiten besiegt , der Ausgang
des Weges gefunden, so liess sein Interesse nach. Die Radierung
kam erst im folgenden Jahrhundert zu Ehren, humerhin bleibt
Dürer der beherrschende Meister, welchem die neuere Kupferstich-
kunst die grössten Anregungen verdankt.
Der ihm innewohnende freie wissenschaftliche Trieb , dieses
ihn von den Männern des Mittelalters am meisten unterscheidende
Merkmal , macht sich also auch hier geltend. Nachdem er die
grossen Gemälde vollendet , der malerischen Thätigkeit beinahe
vollständig entsagt hatte, kommt der Trieb zum Durchbruch. Und
da ist bemerkenswert, dass gleichzeitig in ihm der Plan, sein Wissen
von der Kunst den Genossen und der Nachwelt mitzuteilen , der
Vorsatz litterarischer Thätigkeit feste Formen gewinnt. Mit Recht
würde daher in diese Jahre ein neuer Wendepunkt seines Wirkens
verlegt. Zunächst freilich musste er mit der Vergangenheit ab-
rechnen und auch für den Haushalt Sorge tragen. Leicht verkäuf-
liche Marktware kam auch jetzt aus seiner Werkstätte. Dazu
rechnen wir kleinere Stiche und Schnitte religiösen Inhaltes , wie
Marienbilder, h. Familien , den sterbenden Christus , die heiligen
Gregor, Hieronymus , Koloman u. a. Auch fliegende Blätter, von
Dürerschen Versen begleitet, gehören zu dieser Gattung, wie z. B.
der Schulmeister, welcher, die Rute in der Hand , fünf Knaben in
einem Hofe unterrichtet , und der Tod , als Gerippe gezeichnet,
welcher einem Landsknechte ankündigt, dass seine Zeit abgelaufen sei.
Die grossen Holzschnitte folgen : Das Marienleben und die
Passion waren gleichfalls für weitere Kreise bestimmt. Aber noch
fehlten einzelne Blätter, und die Folgen waren noch nicht in die
gebräuchliche Buchform gebracht. Dürer schloss sie jetzt ab, zeich-
nete zu jeder Folge (auch der neugedruckten Apokalypse) ein
Titelblatt und begleitete auch das Marienleben und die Passion,
wie er es gleich ursprünglich in der Apokalypse gethan , auf der
77
Rückseite des Blattes mit einem kurzen, erläuternden Text, dies-
mal mit lateinischen Versen, welche ihm der befreundete Benediktiner-
mönch Chelidonius geliefert hatte. In dieser Form wurden sie 151 1
gedruckt und ausgegeben. Es könnte leicht zu falschen Schlüssen
führen , wenn man scharfe stilistische Unterschiede zwischen den
älteren und jüngeren Blättern aufspüren wollte. Wahrscheinlich, dass
die Kompositionen auch der letzteren aus früherer Zeit stammen,
möglich , dass der offenbar oft tüchtiger geschulte Holzschneider
die Absichten des Künstlers reiner als früher wiedergab , diesem
also die entschieden bessere Ausführung als Verdienst zufällt. Deut-
lich erscheint nur in der Himmelfahrt Mariä (B. 94) ein Anklang
an die Komposition des Hellerschen Altares und ebenso giebt sich
das letzte Blatt, die Verehrung Marias (B. 95), als eine der reifsten
und liebenswürdigsten Schöpfungen Dürers kund. In ihrem Schlaf-
gemache, für dessen reiche architektonische Gliederung der Künstler
nur seine Phantasie, nicht die wirkliche Bauwelt zu Rate zog, sitzt die
Madonna mit dem stehenden Christuskinde im Arme und empfängt
links die Huldigungen der Heiligen, während rechts ein Engel zur
Harfe ein Lied anstimmt. Im Vordergrunde , auf einem niedrigen
Sockel, treiben kleine, geflügelte Knaben ihr loses Spiel mit einem
Hasen oder erlustigen sich mit allerhand Spielzeug. Die nur ganz
locker verbundenen Gestalten unten im Gegensatze zu der fest-
geschlossenen Hauptgruppe , der leicht humanistische Zug in den
Kinderfiguren gegenüber dem würdigen Ernste der grossen Gestalten
verleihen dem Blatte einen eigentümlichen Reiz und gestatten zu-
gleich einen guten Einblick in Dürers persönliche Natur.
Während Dürer die alte , grosse Holzschnittpassion zum Ab-
schlüsse bringt, packt ihn unwiderstehlich die Lust, seine Künstler-
kraft abermals an dem so fruchtbaren Stoffe zu versuchen , die
Passion neu zu komponieren. Er thut es nicht einmal , sondern
gleich zweimal. Im Jahre 1 5 1 1 erscheint die kleine Holzschnitt-
passion in 37, das Jahr darauf die Kupferstichpassion in 15 Blättern,
Als Volksbuch denkt sich Dürer die neue Holzschnittpassion. Er
will in einfach schlichtem Tone die Schicksale Christi erzählen ;
er holt weit aus und führt die Geschichte bis an das letzte Ende
fort, giebt aber stets nur den Kern der Handlung wieder. Den
Beginn macht der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Para-
diese, es folgt sodann die Erscheinung Christi auf Erden, die Ver-
kündigung und die Geburt. Erst mit dem Abschiede Christi von
seiner Mutter und dem Einzüge nach Jerusalem nähert er sich dem
78
eigentlichen Gegenstande der Darstellung. Die Vertreibung der
Verkäufer aus dem Tempel erklärt in volkstümlicher Weise den
Hass der Juden. Mit dem Abendmahl und der Fusswaschung
schhesst die Vorgeschichte der Passion. Die letzten Blätter haben
die Himmelfahrt , das Pfingstfest und das Weltgericht zum Gegen-
stande. Mustergültig als Volksbuch, daher auch rasch in weiten
Kreisen verbreitet und oft kopiert, war die kleine Holzschnittpassion
doch von einem zu engen Rahmen umschlossen, um alle Gedanken
des Künstlers, welche sich an das Leiden Christi knüpften, zu um-
fassen. Die Holzschnitttechnik verbot schon die Wiedergabe der
tieferen Empfindungen , des feineren Ausdruckes. Dieser Seite
künstlerischer Betrachtung gerecht zu werden, war die Kupferstich-
passion bestimmt. Keine fremde Hand schob sich hier zwischen
Entwurf und Ausführung. An die Stelle des Zeichenstiftes tritt
gar der Grabstichel , beide Werkzeuge werden aber von derselben
Hand gehalten. Wie die Persönlichkeit des Künstlers im Stiche zu
unmittelbarer Geltung kommt , so verleiht er auch den von ihm
gezeichneten Gestalten einen persönlichen Charakter, indem er auch
die feineren Züge im Antlitze verkörpert , die innere Bewegung
kräftig und lebendig bis an die Oberfläche vordringen lässt, durch
das Spiel von Licht und Schatten Stimmung in die Handlung bringt.
Wunderbar zog das Leiden Christi die Phantasie Dürers an.
Viermal hat er die ganze Passion künstlerisch verkörpert. Und
selbst dann hat er mit dem Gegenstande nicht für immer ab-
geschlossen. Noch in späteren Jahren kommt er, wie wir sehen
werden , auf den Plan einer grösseren Folge von Passionsszenen
zurück. Im Leiden und Sterben erscheint ihm die ganze Natur
Christi eingeschlossen. Den Zug der schwersten Leiden verleiht
er ihm, wenn er gewissermassen wie in den Schweisstüchern oder
Veronikabildern dessen Bildnis zeichnet. Wie die Passionsszenen,
so haben auch die Christusköpfe seine Phantasie dauernd beschäftigt.
In Zeichnungen , Schnitten und Stichen verkörperte er ihn , und
wenn er einen Fortschritt in der Stichtechnik (1510 — 15 16) gemacht
hatte, so verfehlte er nicht, sie an diesem Gegenstande zu erproben.
Den ersten Versuchen mit der kalten Nadel darf man das kleine
Blättchen vom Jahre 15 10 anreihen: die h. Veronika, welche in
den ausgebreiteten Armen das Schweisstuch mit dem Christuskopfe
hielt (B. 64). In Eisen geätzt erscheint der Engel mit dem Schweiss-
tuche vom Jahre 15 16 (B. 26). Nur in dem Schweisstuche, welches
von zwei Engeln getragen wird, aus dem Jahre 15 13 (B. 25) blieb
79
Dürer dem Grabstichel getreu. Der Ausdruck des herbsten Schmerzes
gelingt Dürer nicht auf den ersten Wurf. Im Veronikablättchen
zeigt Christus noch kräftige , edel männliche Züge , erscheint die
Dornenkrone nur als Schmuck. Der Stich vom Jahre 15 13 bringt
Christus auf dem ülberg. Kleine Passion.
in dem Blicke der Augen, in dem festgeschlossenen Mund, in den
schärferen Umrissen bereits das Leiden in Erinnerung. Am ergreifend-
sten wirkt der grosse Holzschnitt mit dem Haupte Christi. Er ist
freilich nicht zu Dürers Lebzeiten ausgeführt worden. Auch die Vor-
zeichnung auf dem Holzstock stammt nicht von Dürer. Aber die
8o
Erfindung des Kopfes geht unzweifelhaft auf ihn zurück. Nur Dürer
war im stände , in dem Kopfe den Ausdruck grässUcher Leiden,
herbsten Schmerzes und zugleich den Zug der Überwindung
(aller Qualen , des Sieges über alle Martern zusammenzupressen.
Der Mund ist halb
geöffnet , das lange
Haar fällt wie feucht
zu beiden Seiten
des Antlitzes herab,
schwere Thränen ent-
rollen den grossen,
klagend auf den Be-
schauer gerichteten
Augen. Dennoch
bleibt das hohe We-
sen Christi unberührt,
ist der letzte Eindruck
ein erhebender. Nur
wessen Seele und
Phantasie ganz von
der Passion Christi
erfüllt war , konnte
einen solchen Kopf
schaffen. Dieses voll-
ständige Einleben er-
klärt auch, dass Dürer
niemals gleichartige
Szenen mechanisch
wiederholt. Er schrei-
tet vielmehr jedesmal
mit staunenswerter
Frische an das Werk
und weiss immer wie-
der neue Züge dem Gegenstande zu entlocken. Daraufhin diel
einzelnen Passionsszenen zu betrachten, die Darstellungen zu ver-i
gleichen, gewährt hohen Genuss. Christus auf dem Ölberg?
z. B. tritt uns in vier verschiedenen Stellungen entgegen. Er
kniet ergeben , in tiefes Gebet versunken , die gefalteten Hände
vor die Stirn legend , in der kleinen Holzschnittpassion. In
der grossen Passion wehrt er dagegen wie erschrocken über das
Christus auf dem Ölberg. Kupferstichpassion.
8i
Übermass des ihm zugemuteten Leidens den Kelch ab , welchen
ihm der Engel darreicht. Von furchtbarer Seelenangst gepackt,
streckt er beim Anblick des ihm von einem Engel vorgehaltenen
Kreuzes in der Kupferstichpassion die Arme in die Höhe, als wollte
er die Hilfe des Vaters
anrufen. Dürer fühlt
aber, dass der leiden-
schaftliche Schmerz
sich nicht immer
in lautem Aufschrei
äussern muss , dass
er auch den Lei-
denden übermannen,
den Körper erstarren
machen könne. In
einem Holzschnitte
(B. i66) und in zwei
Zeichnungen (Berlin
und Frankfurt, L. 26
und 199) hat sich
Christus auf die Erde
geworfen , das Ge-
sicht in den Boden
drückend und mit aus-
gestreckten Armen.
Gerade, dass man das
Gesicht nicht sieht,
lässt der Phantasie
im Ausdenken des
Leidens freien Lauf.
Als reiche Volksszene
komponiert Dürer die
Geisselung in der
grossen Passion ; auf wenige Figuren schränkt die kleine Passion
den Vorgang ein , ebenso wie die Kupferstichpassion , nur dass
hier Christi Gestalt viel durchgebildeter und vom Schmerz förm-
lich durchschauert erscheint. Scharf fasst die Kupferstichpassion
das Eccehomobild zusammen. Das Licht fällt nur auf zwei Ge-
stalten, welche einander gegenüberstehen, auf den trotz seiner Er-
niedrigung ruhig ergebenen Christus und den kalt prüfenden, unheim-
6
Ecce homo, Kupferstichpassion.
82
lieh lauernden Pharisäer, einen von den Italienern viel bewunderten
Charakter, während die anderen Figuren im Halbdunkel sich verlieren.
Stürmischer, unter lebendiger Teilnahme des Volkes geht der Vor-
gang in der kleinen Passion vor sich, noch reicher statten die grosse
und die grüne Passion die Szene aus. Unterhalb der Stufen des
Richthauses , in dessen Eingang Christus ausgestellt wird , drängt
sich lärmend ein Volkshaufe , alt und jung , Dicke und Magere,
Fanatiker und Neugierige , und sprechen laut ihre Meinungen und
Forderungen aus. Ähnliche tiefgreifende Unterschiede lehrt uns
der Vergleich gleichnamiger Darstellungen in den einzelnen Folgen
kennen. Bei der Kreuztragung liegt bald der Nachdruck auf der
Begegnung der Frauen , welchen Christus mit unendlich sanftem
Blick Trost zuruft , bald auf den Misshandlungen , unter welchen
Christus zusammenbricht. Die Kreuzigung betont entweder das
Seelenleiden Christi und den Schmerz der unter dem Kreuze ver-
sammelten Freunde, oder sie führt uns mit symbolischem Beiwerke
geschmückt die Hinrichtungsszenen vor die Augen.
Mit Recht haben die Italiener die schier unerschöpfliche Frucht-
barkeit der Dürerschen Phantasie gepriesen und ihm als Erfinder
die Palme gereicht. Uns aber steht noch höher als die Fruchtbar-
keit das unverbrüchliche Festhalten an einem einheitlichen Grund-
ton in den verschiedenen Folgen. Dem Bildner ging der Dichter
zur Seite. Ehe er an die einzelnen Darstellungen schritt, erwägte
er im Geiste, welchen Eindruck und welche Empfindung das ganze
Werk im Betrachter hervorrufen soll. Es kann der Sinn des letz-
teren in ruhigem Gleichmasse durch die Erzählung der Ereignisse
beengt oder seine Phantasie durch Vorführung leidenschaftlicher
Szenen , mächtiger innerer und äusserer Kämpfe gepackt werden.
Es kann weiter als Ziel die Erweckung tiefer Teilnahme an den
Schicksalen des Helden vorschweben. In der Dichtkunst wird die
natürliche Scheidung in drei Gattungen , die epische , dramatische
und lyrische Poesie längst anerkannt und geübt. Auch im Kreise
der bildenden Kunst stossen wir bald auf wirksame Dramatiker,
ergreifende Lyriker und fesselnde Erzähler. Was an Dürer n^u I
ist, unsere Bewunderung erregt und ihn in die Reihe der grossen,
die Welt umfassenden Dichter setzt, das ist die kühne That, einen
und denselben Gegenstand sowohl episch wie dramatisch und_
lyrisch erfolgreich zu behandeln. Man braucht nur , wie richtig
bemerkt wurde, die Titelblätter der drei Passionen zu betrachten,
um den poetischen Standpunkt Dürers in jeder der drei Folgen
83
klar zu erkennen. Einsam sitzend, in bitteren Schmerz versunken
erblicken wir Christum auf dem Titelbilde zur kleinen Holzschnitt-
passion. Es nennt und schildert den Helden, dessen Schicksale er
erzählen will. In der grossen Holzschnittpassion wird dem dornen-
gekrönten Christus der Peiniger, der ihn verhöhnt und verspottet,
gegenüber gestellt und dadurch schon der wogende Kampf, seine
Zuspitzung zu einer Katastrophe angedeutet. Am Anfange der
Kupferstichpassion endlich gewahren wir Christus an einer Säule
auf erhöhtem Boden stehend, zu welchem Maria und Johannes voll
der tiefsten Teilnahme und des innigsten Mitgefühls emporblicken.
Die äusseren Vorgänge spiegeln sich in den inneren Empfindungen
wieder, die Schilderung der letzteren wird zur Hauptsache.
Was die Titelblätter versprechen, halten die Bilderfolgen. In
den Blättern einer jeden Folge klingt der gemeinsame poetische
Grundton hell an, erscheint Komposition, Stimmung und Ausdruck
dem einmal gewählten Standpunkte gut angepasst. Der Preis voll-
kommenen Gelingens gebührt der Kupferstichpassion. Das lyrisch-
elegische Element hat sich hier am reinsten entfaltet. Die grössten
Schwierigkeiten stellten sich der dramatischen Gestaltung der
Passionsszenen entgegen. Die künstlerische Uberlieferung bot ge-
ringe Hilfe. Das Mittelalter kannte wohl Schauspiele , welche ja
auch Dürer auf sich einwirken Hess , aber keine künstlerisch auf-
gebaute Dramen. Dürer fühlte das Ungenügende der eigenen
Darstellungen, kehrte wiederholt zum Passionsdr am a zurück und
versuchte noch in späteren Jahren , den dramatischen Elementen
in der Passionsszene gerecht zu werden.
Die Schilderung des Leidens Christi fasste Dürer geradezu als
Lebensaufgabe auf : die anderen Gedankenkreise gewannen zeit-
weise eine Herrschaft über seine Phantasie, die Passionsdarstellungen
kehren dagegen auf allen Stufen seiner Entwicklung wieder. Darf
man annehmen , dass die künstlerische Fruchtbarkeit des Gegen-
standes allein Dürers Sinn gepackt hat Bei viel andern Künstlern,
namentlich Italienern, möchte man die Frage sofort bejahen. Bei
Dürer regen sich dagegen berechtigte Zweifel. Der mächtige sub-
jektive Zug in seinen Schöpfungen, das überall sichtbare Streben,
in den Gedanken einzudringen, aus der Tiefe heraus alle Gestalten
auszuarbeiten, wecken vielmehr den Glauben, dass seine ganze
Persönlichkeit von der Bedeutung der Passion erfüllt war, seine
religiöse Stimmung ihn immer und immer wieder zum Leiden
Christi, als dem Kern der ganzen Heilslehre, zog. Wir beobachten
6*
84
gerade in den Jahren, in welchen Dürer die Passionsgeschichte von
neuem vornahm, früher begonnene Folgen vollendete, neue Folgen
schuf, sein gesteigertes Interesse an religiösen Dingen, welches ihn
sogar die poetischen Schwingen rühren lässt. Er begleitet 1510
den Holzschnitt mit Christus am Kreuze zwischen Maria und
Johannes auf der Rückseite mit Versen, welche sich auf die ,, sieben
Tageszeiten in denen ,, Christus trug sein Leiden" beziehen. In
ihnen giebt sich nicht allein Dürers frommer Sinn , sondern auch
seine persönliche Empfindung, dass ,, Christi Tod uns ewiges Leben
erwarb dass sein Tod ,,das Heilmittel für die grösste Not" sei,
und ,,wir durch Christus das ewige Leben haben," kund. Nicht
die Empfindung an sich, wohl aber ihr kräftiger Ausdruck, erscheint
für Dürers Natur bedeutsam. In einem anderen Flugblatte aus
demselben Jahre streift er sogar kirchliche Missbräuche tadelnd an.
Der Holzschnitt zeigt uns ein Totengerippe, welches grinsend dem
tapferen Landsknechte die abgelaufene Sanduhr vorhält und ihn
als gute Beute am Arme fasst, also eine Variante der bekannten
Totentanzbilder. Auf der Rückseite lesen wir wieder Dürersche
Verse, welche den Menschen mahnen
nach Christo zu leben,
Der kann dir ewiges Leben geben,
ihn auffordern
um Gnad zu erwerben,
Als sollt' er jede Stunde sterben,
und warnen, dass er sich nicht
aufs Messelesen verlässt
Und dadurch will begleichen den Rest,
Den zahlt man mit der Glocke Ton,
Damit läuft sein Andenken davon.
Es liegt in allen diesen Herzensergüssen kein schroffer Widerspruch
gegen die Weltanschauung des Mittelalters — Dürer lässt noch
die guten Werke gelten — aber abgesehen von dem tiefen Ernste
und gewaltigen sittlichen Eifer erscheint in ihnen , wie in seinen
künstlerischen Schöpfungen , ein stärkerer persönlicher Zug aus-
geprägt, als er im Mittelalter heimisch war. An die religiöse Vor-
stellung knüpft sich eine feste persönliche Überzeugung, welche
den Bildern den warmen , innigen Ton verleiht und sie individuell
gestaltet. Damit hängt zusammen , dass ihn bestimmte religiöse
Gedankenkreise beherrschen , gegen andere seine Phantasie sich
85
stumpf verhält. Je nachdem sich sein persönliches Wesen von
ihnen stärker oder schwächer angezogen fühlt , wird auch der
künstlerische Sinn von ihnen verschieden gepackt. Dieses sein
persönliches Wesen hängt aber mit der allgemeinen Stimmung
seiner Zeit und seines Volkes eng zusammen.
Es fällt auf, dass die Bücher des Alten Testaments , für die
späteren deutschen Künstler so fruchtbar an Anregungen, für Dürer
stumm blieben. Die Bibel war noch nicht Haus- und Unterhaltungs-
buch geworden. Ebenso fremd blieben ihm die mittelalterlichen
Heiligenlegenden. Wenn er Heilige darzustellen hat , so begnügt
er sich in der Regel mit der Wiedergabe ihrer Figur. Christi
Leben und Leiden besitzen für ihn die grösste Anziehungskraft,
ausser Christus noch Maria , zu deren Schilderung ihm aber nicht
so sehr die Überlieferung, als die persönliche Empfindung die
Farben mischt. Sechsmal hat, soviel wir wissen, Dürer die Madonna
mit dem Christkinde auf dem Arm, stets nur im Brustbild, gemalt.
Keine einzige Darstellung ist volkstümlich geworden. Die Schuld
mag die unvollkommene malerische Technik mit tragen. Die vor-
nehmste Ursache der geringeren Wirkung dieser Marienbilder liegt
aber doch in dem Mangel individueller Auffassung. Dürer hat sich,
während er an ihnen malte, nicht zu klarer Selbstbesinnung empor-
gearbeitet , den Faden , welcher sich sonst vom Gegenstande der
Darstellung zu seiner persönlichen Natur spann , nicht gefunden.
Er erscheint weniger selbständig in der Auffassung, abhängiger
in der Formensprache von fremden Meistern. In den älteren Ge-
mälden, wie in der Madonna vom Jahre 1503 (k. Galerie in Wien),
wird man an bestimmte Vorbilder, hier z. B. an Jacopo de' Barbari;
erinnert , in den späteren Schöpfungen klingen italienische Motive,
das Spiel des Kindes mit einer Frucht oder Blume wenigstens im
allgemeinen nach oder es wird wie bei der Augsburger Madonna
15 16 der Anlass willkommen geheissen, das Studium der richtigen
Masse und Verhältnisse fruchtbar zu verwenden. Soll er einen
andächtigen Ton anschlagen oder einfach Mutterglück und Mutter-
zärtlichkeit schildern ? Aus diesem Kampfe findet Dürer in den
Mariengemälden keinen Ausweg. Den gleichen Kampf muss er
noch in den Zeichnungen , Stichen und Schnitten durchfechten.
Hier aber folgt dem Kampfe der Sieg, bricht sich eine selbständige
persönliche Auffassung schliesslich die Bahn.
«
IX.
Die Madonnenschilderungen zerfallen in zwei Gruppen. In der
einen Gruppe wird uns Maria allein mit dem Christkinde auf den
Armen vorgeführt, in der anderen stehen wir der heiligen Familie
oder Sippe gegenüber. Dem Zwecke , eine andächtige Stimmung
zu wecken und die Madonna als Himmelskönigin zu verherrlichen,
dienen vorzugsweise die Blätter , welche die Madonna auf dem
Halbmond stehend, inmitten eines Strahlenkranzes darstellen. Hier
nehmen unsere Aufmerksamkeit die technischen Fortschritte und
die Entwicklung des Formensinnes in Anspruch. Welchen weiten
Weg hat Dürer in dieser Hinsicht , seit er , noch in den neunziger
Jahren , zum erstenmale die Madonna auf der Mondsichel stach
(B. 30), bis 15 16, in welchem Jahre er zum letztenmale den Gegen-
stand behandelte (B. 32), zurückgelegt! Die Madonna hat an Fülle,
das Christkind an Natürlichkeit , die Gewandung an Freiheit , vor
allem aber die Stichweise an Kraft und Tiefe wunderbar gewonnen.
Doch erst in der auf die Erde verpflanzten Madonna , welche
dem Kinde die Brust giebt oder ihm eine Frucht reicht , es an
sich presst, kommt Dürers Natur zu ihrem Rechte. Und selbst
hier, wenn man Stich und Zeichnung vergleicht, merkt man, dass
er in den verkäuflichen Blättern zuweilen dem Herkommen und
87
Die Madonna mit der Birne, Kupferstich.
der im Volke herrschenden Anschauung nachgiebt und die rein
persönliche Empfindung, wie sie die Zeichnungen wiedergeben,
zurückdrängt. Zu den schönsten Madonnenstichen wird mit Recht
88
■i
Madonna mit dem Kinde. Federzeichnung im Kupferstichkabinet zu Berlin.
jener aus dem Jahre 151 1, die Madonna mit der Birne, gezählt
(B. 41). Und doch wird er noch von der im BerUner Kabinet
bewahrten Skizze (L. 29) in poetischer Erfindung und Tiefe des
Ausdruckes überragt. Halb unbewusst häh sie das mit einem
89
Apfel spielende Kind mit beiden Händen fest, während sie gerade-
aus blickt, als ob schwere Gedanken sie bewegten, das Glück der
Die Madonna an der Mauer. Kupferstich.
Gegenwart vergessen Hessen. Im Stiche neigt sie den Kopf zu dem
segenspendenden Kinde herab und hält ihm eine Birne vor. Ihr
Gesicht erscheint hier freundlicher, in den Linien rundlicher, während
auf der Zeichnung in dem länger gezogenen Antlitze ein herber,
fast schmerzlicher Zug spielt. Als ob die Madonna im Geiste das
furchtbare Schicksal des Kindes schaut , als ob ihre Seele nicht
bei der Wiege , sondern bereits bei dem Kreuze weilte , so tritt
uns die Madonna nicht allein in der Berliner Zeichnung , sondern
auch sonst in den besten Madonnenstichen Dürers entgegen. Am
stärksten kommt der ernste , fast trübe Ausdruck in der Madonna
an der Mauer, 15 14 (B. 40), zur Geltung. Sie sitzt, das Haupt
mit einem Tuche soweit verhüllt , dass nur das Gesicht von der
Stirn an frei bleibt, am Fusse einer Stadtmauer und hält mit beiden
Händen das Kind auf ihrem Schosse ; der Apfel in seiner Linken
lockt es nicht. Ein weinerlicher Zug spielt um seinen Mund. Wird
es die Mutter aus dem traurigen Sinnen, in welches sie versunken
ist, reissen } Sie neigt wohl den Kopf zum Kinde herab, ihr Auge
schweift aber in die Ferne. Selbst in dem Madonnenstiche vom
Jahre 15 13, welcher die Maria am Fusse eines Baumes sitzend dar-
stellt , wie sie die Wange an den Kopf des Kindes zärtlich presst
(B. 35), erscheint die Empfindung fröhlichen Mutterglückes ge-
dämpft. Die Madonna hält das Auge zu Boden gesenkt , hat die
Lippen fest geschlossen und die Mundwinkel leicht hinaufgezogen.
In Dürers Phantasie hat offenbar das Leiden Christi einen Schatten
auf Mariens Gestalt vorausgeworfen und ihr den so oft wieder-
kehrenden schwermütigen, tief ernsten Charakter aufgeprägt. Wir
besitzen darin ein neues Zeugnis , in welchem Masse die Passion
die religiöse Empfindungsweise Dürers beherrscht.
Der schwermütige Zug in der Madonna weicht erst , wenn sie
nicht mehr einsam sitzt, sondern im Kreise ihrer Freunde und Ver-
ehrer sich bewegt. Das innig freundliche Familienleben bannt alle
trüben Ahnungen und giebt der Madonna den Frohsinn zurück.
Hier lebt sie in der Gegenwart und ist mit ganzer Seele bei dem
Spiele des Kindes. Wie die fesselndsten Madonnenstiche, so fallen
auch die anmutigsten heiligen Familien in die Jahre 151 1 — 15 14.
Äussere Fruchtbarkeit entspricht der inneren Reife. Aus dem Jahre
151 1 stammen die beiden, leider vom Holzschneider schlecht aus-
geführten Sippebilder, In dem einen Holzschnitte sitzen unter einer
Baumgruppe Maria und Anna, die Mutter und Grossmutter, ihnen
haben sich die Gatten , Joseph und Joachim beigesellt. Der Held
der Handlung ist aber das mit einem kurzen Hemdchen bekleidete
Christuskind , welches vom Schosse Marias zu Anna hinüberhüpft,
91
sorgsam von beiden unterstützt (B. 96). Eine flüchtige Feder-
zeichnung in der Albertina giebt die Szene noch lebendiger und
ausdrucksvoller wieder. Der andere Holzschnitt zeigt uns die
Glieder der heiligen Sippe in noch grösserer Zahl versammelt
(B. 97). Maria und Anna sitzen nebeneinander unter einer Gruppe
knorriger Bäume. Während jene dem Kinde die Brust giebt , hat
sich Anna in ein Buch vertieft, in welches über ihre Schultern ein
junges Mädchen mit hineinblickt. Im Kreise stehen fünf alte Männer,
beinahe so knorrig wie die Bäume , aber doch aus dem Leben
frisch herausgegriffen. Dass zu den Füssen der Madonna zwei
geflügelte Knaben mit Laute und Dudelsack musizieren, stört durch-
aus nicht den anheimelnden Eindruck der Szene. Sie sind dem-
selben Naturboden entwachsen , wie die anderen Gestalten. Ein
drittes Mal verkörpert Dürer die Sippe in einem mit der Nadel
geritzten und vielleicht teilweise geätzten Blatte , dessen Druck
freilich misslang, welches aber durch einen neuen Madonnentypus
bemerkenswert erscheint (B. 43).
Dürer verfuhr bei der Zeichnung der Madonnenköpfe durch-
aus nicht nach einer feststehenden Gewohnheit. Jugendliche Formen
wechseln mit ausgereiften , lang gezogene Köpfe mit rundlichen.
Wenn er auch der Natur nachstrebt, so beschränkt er sich doch
nicht auf die Wiederholung eines einzigen in der Wirklichkeit ge-
schauten Typus. Die viel verbreitete Ansicht, als ob Dürer eigent-
lich nie Nürnberger Frauen und Mädchen abkonterfeit hätte , ist
unstatthaft. Eine subjektive Absicht liegt den meisten Gesichts-
bildungen zu Grunde. Richtig ist nur für die ältere Zeit eine ge-
wisse Vorliebe für das Zierliche und Schmächtige oder für die
rüstige , aber anmutslose Züchtigkeit. Jetzt , seit 1 5 1 1 , geht eine
Wandlung in seinen Anschauungen vor sich. Die Köpfe der Frauen
werden mächtiger, die Schultern breiter, eine grössere Formenfülle
stellt sich ein. Die Madonnen tragen das Haar aufgelöst, nur
durch ein schmales Perlenband über der Stirn befestigt. Der Mund
wird kleiner, die Lippen geschwellter, der Ausdruck fröhlicher und
freier. So tritt uns die Madonna in dem geritzten Blatte entgegen,
von welcher wir dann einen Abglanz in zwei Madonnenzeichnungen,
eine in Windsor aus dem Jahre 15 15 und eine ungefähr gleich-
zeitige in der Albertina, erblicken. Nur in Zeichnungen, den
intimsten Schöpfungen seiner Phantasie, kehrt dieser Typus wieder,
in den Stichen und Schnitten der späteren Jahre hat er bereits
eine Abschwächung erfahren. Die lange verkannte Wahrheit von
92
dem höchsten Werte der Dürerschen Zeichnungen findet auch
für den Kreis der heiligen FamiUe volle Bestätigung. Mit der
kolorierten Zeichnung der heiligen Familie in Basel, 1509, mit
der Anna Selbdritt , im Germanischen Museum in Nürnberg,
15 14, halten die gleichnamigen Stiche und Schnitte Vergleiche
nicht aus. In einer von Säulen getragenen , gewölbten Halle hat
sich auf der Baseler Zeichnung die Madonna mit dem Kinde auf
dem Schosse niedergelassen. Die Architektur zeigt zum ersten-
mal die reinen Renaissanceformen, wenn auch mit allerhand phan-
tastischem Aufputz , von Dürer angewandt. Während das Kind
sich mit einem gefangenen Vogel und einem Apfel vergnügt, blickt
die Madonna zu den kleinen Engelsknaben herab, welche zu ihren
Füssen eine fröhliche Musik angestimmt haben. Im Mittelgrunde
giebt sich Joseph nach gethaner Arbeit , den hohen Bierkrug zur
Seite, den Kopf auf die Tischplatte gesenkt, erquicklichem Schlafe
hin. Die andere Zeichnung , Anna Selbdritt benannt , überrascht
zunächst durch den streng einheitlichen Aufbau der Gruppe. Die
Umrisse werden von den Linien einer Pyramide fest umschlossen.
Die Spitze der Pyramide bildet Anna in rötlichem Mantel und
weissem Kopftuche. Sie hatte in einem Buche gelesen, lässt aber
jetzt dasselbe sinken , an dem Spiele der quer vor ihr gelagerten
Maria mit dem Kinde sich ergötzend. Das Christkind hat sich von
den Knieen der Madonna erhoben und strebt unbehilflich zu ihr
empor, von der Mutter durch liebevollen Blick und heiteres Lächeln
des leicht geneigten Kopfes aufgemuntert. Gerade diese Technik,
Federzeichnungen mit Wasserfarben flüchtig zu überziehen , sagte
Dürer ungemein zu. Er hat sie stets geübt, niemals mit so grossem
Erfolge als wieder in diesen Jahren vollkommener Reife. Mehrere
der in der Ambraser Sammlung in Wien bewahrten mythologischen
Aquarellzeichnungen, wie der von der Biene verfolgte Amor, welcher
zur Venus flüchtet und die Brunnennymphe fallen in diese Zeit.
Ihr Studium bannt das Vorurteil , als ob Dürer der Schilderung
weiblicher Anmut völlig fremd gewesen und geblieben wäre. Die
Welt , in welcher sich seine Phantasie am liebsten bewegte , war
allerdings männlicher Natur , aber in einzelnen glücklichen Augen-
blicken fand auch der Reiz weiblicher Schönheit Eingang in
seine Seele.
*
X.
In dem Widmungsbriefe an Ulrich Varnbülcr , welchen der
vertraute Freund Dürers , Willibald Pirkheimer , der Ausgabe eines
Lucianschen Dialoges : Das Schiff oder die Wünsche vorausschickt,
erzählt er auch einiges von der Sinnesweise unseres Künstlers.
Er vergleicht Dürer mit dem Helden des Dialoges : Wie bei Lucian
Adimantes sich von seinen Freunden trennt , mit welchen er ge-
meinsam nach dem Firäus gewandert war, um ein eben eingetroffenes
grosses , reich beladenes Schiff zu betrachten und wie er unbe-
kümmert um das wirkliche Schauspiel Träumen künftigen Reich-
tums und kommender Glückseligkeit nachgeht , ebenso pflege es
auch Dürer zu treiben. Als einmal in Pirkheimers Hause sich die
Freunde versammelten, um einen Söldnerhaufen vorbeimarschieren
zu sehen und sich an dem Waffengetöse und der Kriegsmusik er-
götzten , wäre Dürer in eine andere Welt entrückt worden und
hätte ihnen dann mitgeteilt , dass er im Geiste so schöne Dinge
geschaut habe , welche ihn zum glücklichsten Menschen machen
würden, wenn sie sich verwirklichen Hessen. Das stimmt mit dem
94
Selbstbekenntnisse Dürers : „Ach wie oft sehe ich grosse Kunst
und gute Dinge im Schlafe , dergleichen mir wachend nicht vor-
kommen." Als Träumer giebt er sich zu erkennen , als Träumer
gilt er den Freunden. Wie passt es aber zu dem wissenschaft-
lichen Zuge in seiner Natur und zu seinem Rufe als echtem Sohne
Nürnbergs , der Stadt der Mathematiker, welcher an der Umwand-
lung eines Viereckes in ein Dreieck von gleichem Flächeninhalt
und ähnlichen Problemen angeblich das grösste Interesse nahm ?
Der Widerspruch wäre schwer zu lösen, müssten wir glauben, dass
in Dürers Träumen alle klaren Gedanken sich verflüchtigten , alle
festen Gestalten ineinander flössen, und in nebelhaften Formen sich
auflösten. Dürer sagt aber, dass er in seinen Träumen ,, grosse
Kunst" schaute. Das war nur möglich, wenn die Gefühle gegen-
ständlich blieben , greifbare Umrisse zeigten , sich auch sinnlich
fassen Hessen. Ein Traumgesicht, aus dem Jahre 1525, hat Dürer
selbst ausführlich geschildert. ,,Ich habe im Schlafe diese Er-
scheinung gesehen , wie viele grosse Wasser vom Himmel fielen ;
und das erste traf das Erdreich ungefähr vier Meilen von mir mit
einer solchen Furchtbarkeit und übergrossen Geräusch und Zer-
spritzen und ertränkte das ganze Land. Dann fielen die anderen
Wasser ; die waren fast gross und sie fielen einige weiter , einige
näher und sie kamen so hoch herab, dass sie scheinbar gleich lang-
sam fielen. Aber da das erste Wasser, das das Erdreich traf, schier
herbeikam , fiel es mit solcher Geschwindigkeit , mit Wind und
Brausen, dass ich so erschrak, als ich erwachte, dass mir all mein
Leichnam zitterte und ich lange nicht recht zu mir kommen konnte."
Dieses Traumbild illustriert Dürer. Die Ambraser Sammlung in
Wien besitzt eine flüchtig kolorierte Zeichnung, in welcher die ge-
waltigen vom Himmel stürzenden Wassermassen, insbesondere das
bergähnliche ,, erste Wasser" und das weithin überschwemmte Land
flüchtig aber doch wirkungsvoll wiedergegeben sind. Der Gegen-
stand des Traumes ist absonderlicher Art, durch Steigerung natür-
licher Eindrücke in der Seele des Schlummernden lebendig ge-
worden. Er darf als Eigentum des letzteren gelten, bewahrt aber
doch den Schein des WirkHchen oder in der wirklichen Welt
wenigstens Möglichen; die künstlerische Phantasie vermag ihn,
wie das angeführte Beispiel zeigt , in anschauliche Formen zu
kleiden.
Wenn Dürer im Schlafe ,, grosse Kunst" schaute und selbst
die Traumgebilde seine Beschäftigung mit der Kunst verraten, so
95
gestattet er andererseits auch wachend !dem träumerischen Zuge
Einfluss auf seine künstlerischen Schöpfungen. Durch die Pforte
der Phantastik trat er in die künstlerische Traumwelt ein. Schon
in seinem Jugendwerke, der Apokalypse, überrascht die Sicherheit
in der Erfindung wundersamer Geschöpfe, wie geschauter Gestalten.
Allerdings wies ihm hier die Überlieferung den Weg; die lebendige
Art der Wiedergabe beweist aber , dass er sich in dieser phan-
tastischen Welt heimisch fühlte. In ähnlicher Weise lässt er den
erfinderischen Geist in den früheren mythologischen Schilderungen
walten. Irgend eine alte Fabel giebt den Anstoss zum Bilde ;
während er über der Zeichnung sitzt , gewinnt aber die Fabel für
ihn noch eine weitere allegorische Bedeutung. Er hält sich nicht
genau an den Wortlaut der überlieferten Erzählung , sondern fügt
dieser noch einzelne von ihm erdachte Züge hinzu , welche uns
jetzt den Vorgang dunkel machen , auch schon zu Dürers Zeiten
das Verständnis in weiteren Kreisen erschwerten. Noch mehr. Als
rechter Künstler nimmt Dürer von den sinnlichen Formen den
Ausgangspunkt. Was in seiner Phantasie zuerst lebte , das sind
wegen ihrer formalen Schönheit, oder wenigstens wegen ihres for-
malen Wertes fesselnde Gestalten , wie nackte Körper , durch die
Gesetzmässigkeit der Masse und Verhältnisse ausgezeichnet oder
kühn verkürzte Leiber. Mit diesem rein formalen Ziele verknüpft
sich , natürlich nicht als mechanische Zuthat , sondern wie wenn
Strahlen plötzlich zu einem Bündel zusammenschiessen, irgend eine
in der Erinnerung auftauchende Szene , eine durch humanistische
Gelehrsamkeit vermittelte Handlung, so dass das Bild einen doppel-
ten Inhalt, einen für den Verstand fassbaren historischen und einen
nur vom Kunstfreund empfundenen formalen besitzt. Die Neigung,
auf dem Grunde rein formaler Studien Handlungen aufzubauen,
und jene poetischen Gedanken emporspriessen zu lassen , steigert
sich, je weiter Dürer in das Verständnis der Naturgesetze, welche
der menschlichen Erscheinung vorstehen , vordrang. Das mathe-
matische Element und der träumerische Zug bekämpfen sich nicht
in ihm , sondern wachsen ineinander. Das mathematisch abstrakte
Denken ist ja eine Art Phantastik des Verstandes, die Vereinigung
beider Eigenschaften in einer Person nicht wunderbar. Gerade in
der Zeit nach 1510, in welcher Dürer die theoretischen Forschungen,
die Messungen und Berechnungen mit erhöhtem Eifer wieder auf-
nimmt, gewinnt auch das Träumerische eine grosse Herrschaft über
seine Phantasie.
96
Leonardo da Vinci erzählt in seinem Malerbuche , dass er
gern den Flug der Wolken verfolge und in ihren Formen
Menschen , Tiere , Teufel , Schlachten u. s, w. entdecke , dass ihm
in ähnlicher Weise Mauerflecken wie durch Zauber in bunte Bilder
sich verwandeln. Ebenso liest Dürer aus scheinbar trockenen
Normalfiguren, an welchen er die Masse, die Verhältnisse der ein-
zelnen Teile zu einander genau bezeichnet und beziffert hat , von
seiner poetischen Phantasie ihm eingegebene , gleichsam heimlich
zugeflüsterte Zustände und Handlungen heraus. Die ursprünglich
seelenlosen Figuren empfangen Stimmung. Diese Stellung , jene
Bewegung würden Personen einnehmen und dieses Licht , jener
Schatten Szenen beleuchten , in welchen diese oder jene Empfin-
dungen oder Charakterzüge verkörpert werden. Sind einmal die
Gestalten, die Räumlichkeiten gestimmt worden, so liegt der weitere
Weg offen da. Die Stimmung muss erklärt, verständlich gemacht
werden. Die Szene wird durch mannigfaches Beiwerk reicher aus-
gemalt , aus dem Traumhaften auf diese Art in die historische,
lebendige Wirklichkeit übertragen.
Schon in früher Jugend hatte Dürer Pferde fleissig gezeichnet.
Die Albertina besitzt aus dem Jahre 1498 eine grosse kolorierte
Zeichnung, einen stattlichen Reisigen in voller Wehr und Rüstung,
wie sein Ross in ein scharfes Profil gestellt. Er verband mit
dem Blatte keinen anderen Zweck, als das Festhalten des äusseren
Eindruckes. ,,Das ist die Rüstung zu der Zeit in Deutschland ge-
wesen hat Dürer selbst später auf das Blatt geschrieben. Die
sichtlichen Mängel in der Zeichnung des Pferdes führten ihn zum
Studium der Anatomie. In Venedig scheint er, wie der Lehre von
den menschlichen Proportionen und der Physiognomik , so auch
der Pferdeanatomie mit neuem Eifer sich zugewandt zu haben.
Die hier gewonnenen Anschauungen und Erfahrungen kamen der
Reiterzeichnung zu gute. Als er den Gegenstand wieder zur Hand
nahm — nicht in Venedig, sondern mehrere Jahre später — ver-
besserte er die Zeichnung des Pferdes, Hess es schreiten und nicht
mehr still stehen, gab auch dem Kopfe mehr Kraft und Leben.
Ausserdem zog er über den Pferdekörper Quadrate und bezifferte
die Masse der einzelnen Glieder. So tritt uns der Reiter auf Feder-
zeichnungen in Florenz und Mailand entgegen. Noch immer haben
wir es mit einem Hilfsblatte zum Zwecke wissenschaftlicher Unter-
suchungen zu thun. Der Hund zwischen den Beinen des Pferdes
ist eine spätere Zuthat, doch zeigt jedenfalls die lebhaftere Be-
97
wegimg des Pferdes einen Fortschritt im künstlerischen Sinne , an
welchen nun Dürers Phantasie anknüpfte. Er sah in dem einfachen
Reiter einen strammen, der Gefahr trotzenden Ritter. Schon 1508
hatte er ihn, in engem Anschlüsse an die Zeichnung vom Jahre
1498, auf einem kleinen Kupferstiche in den heiligen Georg ver-
wandelt (B. 54). In den folgenden Jahren, in welchen das poetische
Träumen eine grosse Macht über ihn errungen , erweiterte er,
durch die Zeitstimmung mit angeregt , die Schilderung in tief-
sinniger Weise.
Schwere, ernste Gedanken bedrängten seit Menschenaltern die
Volksseele, Unruhe und Unsicherheit waren in die Welt gekommen
und hatten mit Sorgen und bangen Ahnungen die Geister erfüllt.
Vergebens sucht man die naive fröhliche Lebensauffassung, welche
das dreizehnte Jahrhundert so hell und bunt färbte. Man stösst
auf schroffe Gegensätze, eine leidenschaftliche Hingabe an den Ge-
nuss oder eine ängstliche Furcht und Scheu vor den kommenden
Dingen , ein hastiges Ausspähen nach Rettung aus den Irrungen
und Drangsalen der Gegenwart. Den kräftigsten Ausdruck fand
die Zeitstimmung in den Todesbildern. Der Tod ist der Herr der
Welt , ihm kann niemand entrinnen. Bald lauert er heimtückisch
der Kreatur auf, bald bekundet er gewaltthätig seine Macht. Dürer
waren solche Todesbilder nicht unbekannt. Schon in seiner frühen
Jugend hatte er ein Blatt, den sogenannten Spaziergang, gestochen,
auf welchem der Tod als unerbittlicher Mahner ein wandelndes
Liebespaar bedroht (B. 94). Auf dem 1503 gestochenen, technisch
trefflich durchgeführten Wappen des Todes (B. loi) umarmt der
letztere, als Gewaltmann charakterisiert, eine blühende Frau. Zwei
Jahre später zeichnet er mit Kohle den König Tod , wie er
auf einem Pferdegerippe , an dessen Halse das Totenglöcklein
hängt, durch das Land reitet. Die Beischrift: memento mei
giebt über die Absicht des Künstlers klaren Aufschluss. Aber
nicht seine Phantasie allein beschäftigte sich mit Todesgedanken ;
auch in dem wirklichen Leben treten ihm die Schrecken des
Todes entgegen.
Seine Mutter zog nach dem Tode des Vaters (1502) im Jahre
1504 zu ihm in das Haus und verfiel hier im Jahre 15 13 in eine
Todeskrankheit, Obschon eine frommgläubige Frau , welcher das
Leben wenig Freuden gebracht hat — sie hatte , wie der Sohn
schreibt , die Pestilenz und viele andere schwere Krankheiten er-
duldet, auch Verachtung, Schrecken und grosse Widerwärtigkeiten — ,
7
98
fürchtete sie sich doch gewahig vor dem Sterben. Es kann daher
nicht wunder nehmen , dass Todesgedanken in seiner Phantasie
spielten, als er träumend seine „Reiter" betrachtete. Soll auch
dieser stramme Mann eine Beute des Todes werden ? Nein. Dürer
war nicht kleinmütiger Natur. Im Gegensatze zu der gangbaren
Anschauung, nach welcher der Tod stets als Sieger auftritt, denkt
er sich den Reiter, der so fest und sicher im Sattel sitzt, als einen
tapferen Mann , welcher sich selbst vor dem Tode nicht fürchtet,
allen Widerwärtigkeiten und Gefahren mutig trotzt. So entstand
15 13 der berühmte Kupferstich: Ritter, Tod und Teufel. In einer
finsteren Waldschlucht reitet in voller Rüstung mit geöffnetem Visier
in ruhig gemessener Haltung ein Ritter auf einem kräftig gebauten,
Mut atmenden Rosse. Ihm hat sich als Begleiter der Tod auf
einem dürren Klepper zugesellt. Schlangen winden sich um sein
Haupt und seinen Hals. Mit der Rechten hebt er das beinahe
schon abgelaufene Stundenglas empor. Den Ritter kümmert die
Nähe des Todes so wenig, wie ihn das Ungeheuer mit dem Schweins-
kopfe und den Bocksbeinen erschreckt , welches ihm nachtrottet.
Auch die im Sonnenlichte glänzende Burg über der Schlucht, ein
Bild der Welt, lockt ihn nicht. Unverzagt, im Ausdrucke unbewegt,
setzt er den Weg fort, die Furcht dem langhaarigen Köter über-
lassend , welcher mit gesenkten Ohren neben dem Rosse läuft.
Kennt man die Entwickelung des Gedankens , welcher dem Stiche
zu Grunde liegt , so schwindet das Rätselhafte seiner Bedeutung.
Ein träumerisch poetischer Zug umschwebt denselben , unklar und
unverständlich aber ist er den wenigsten der Zeitgenossen gewesen.
Dürer selbst nannte das Blatt einfach den Reiter. Später empfing
er mannigfache Taufen. Es galt als Verkörperung eines Sanguinikers,
als das erste Blatt einer Reihe von Stichen mit Darstellungen der
vier Temperamente , als Verherrlichung Franz von Sickingens , als
Illustration des Kirchenliedes : Ein' feste Burg ist unser Gott. Alle
diese Bezeichnungen treffen nicht das Wahre. Die allein richtige
Bezeichnung ist die ebenfalls seit langer Zeit (da und dort) ge-
bräuchliche : Der christliche Ritter. Sehr ansprechend ist dann die
Vermutung eines neueren Schriftstellers , dass Dürers grübelnder
und sinnender Geist in dem Handbüchlein eines christHchen Ritters
von Erasmus von Rotterdam einen Wegweiser fand. Das ,,enchiri-
dion militis christiani" fand zwar erst seit 15 15 in weiteren Kreisen
Verbreitung. Immerhin konnte es Dürer durch die Vermittelung
Erasmischer Verehrer schon früher gekannt haben. Jedenfalls er-
99
scheinen die Regeln (canones) , nach welchen der christliche Ritter
leben soll, verwandt mit der Schilderung in Dürers Stiche. Der
christliche Ritter hat auf dem rauhen Pfade der Tugend mit den
drei schlimmsten Feinden, dem Fleische, dem Teufel und der Welt,
zu kämpfen. Er soll aber alle diese Spukgestalten und Gespenster
verachten wie der Virgilsche Aeneas (Can. 3). Auch das soll er
bedenken , dass der hinterlistige Tod überall lauert und plötzlich
die Ahnungslosen überfällt (Can. 23).
Wahrscheinlich hat die Beschäftigung mit den Schriften des
von Dürer hochverehrten Erasmus in dieser Zeit auch sonst seiner
künstlerischen Phantasie einzelne Anregungen geboten. Im Jahre
15 19 stach Dürer zwei grosse Blätter, welche wie der christliche
Ritter zu den berühmtesten Schöpfungen des Meisters gehören und
ebenfalls Dürers Traumwelt entsprungen sind, den Hieronymus im
Gehäus und die Melancholie. Der Kirchenvater sitzt in einem
geräumigen, von den Strahlen der durch die Butzenscheiben schei-
nenden Sonne erwärmten Gemache , in welchem allerhand Haus-
gerät wohlgeordnet an den Wänden prangt, an einem Tische und
schreibt emsig, mit dem Ausdrucke vollkommener Glückseligkeit
über die Arbeit. Im Vordergrunde liegt , müde mit den Augen
blinzelnd ein Löwe , ihm zur Seite schläft ein Spitzhund. Alles,
die Hauptgestalt wie die Nebendinge, die ganze Szene atmet tiefsten
Frieden , stille Heiterkeit , behagliche Ruhe. Ganz anders ist die
Melancholie. Eine mächtige, geflügelte Frauengestalt, das Gesicht
völlig in Schatten gestellt, sitzt am Fusse eines Pfeilers. Sie stützt
die Wange auf die Linke, hält unbewusst einen Zirkel in der andern
Hand und starrt mit ihren grossen Augen wie verloren in die
Ferne. Ihr zur Seite hat ein geflügelter Knabe einen Mühlstein
bestiegen und zeichnet sitzend etwas auf ein Täfelchen. Auch
hier ist der Raum mit allerhand Gerät angefüllt. Aber keine
ordnende Hand hat es aufgestellt , wirr durcheinander liegt es auf
dem Boden. Es dient nicht dem häuslichen Behagen , lässt uns
in kein gemütliches Heim blicken, weist vielmehr auf die Beschäf-
tigung mit allerhand Künsten und Wissenschaften hin. Ein Schmelz-
tiegel , eine Kohlenzange , eine stereometrische Figur , Hobel,
Säge, Lineal, Spritze fallen zunächst in das Auge. Dass hier der
grübelnde Verstand herrscht , deutet das Zahlbrett mit vier Ziffer-
reihen an , welche nach unten oder oben, nach rechts oder links
oder schräg gelesen , immer die gleiche Summe ergeben. Die
beiden Blätter sind Gegenstücke, jedes ergänzt das andere,
7*
1
lOO
erst zusammen betrachtet klären sie über die Absicht des
Künstlers auf.
Welches war aber seine Absicht? Wir können sie aus den beiden
Stichen erraten , wir können sie auch aus verwandten Gedanken-
kreisen , welche Dürer gewiss nicht fremd waren, vermuten. Dass
Dürer die volkstümlichste Schrift des Erasmus , das Lob der
Narrheit , kennt , beweisen zwei mit der Feder gezeichnete Blätter
in dem Pester Nationalmuseum, auf welchen offenbar einzelne Aus-
sprüche der Narrheit illustriert sind. Im Lobe der Narrheit nun
wird vielfach die Thorheit der Weisheit , das Glück der ersteren
den Kümmernissen , welche die Weisheit , das ungewisse Streben
nach Wissen , bereitet , gegenübergestellt. Erasmus spottet der
Philosophen , die nur in Wolkenkuckucksheim zu Hause sind , die
Schranken der natürlichen Erkenntnis mit Gewalt durchbrechen,
auf ihre Dreiecke , Vierecke , Kreise , und was es sonst an geo-
metrischen Figuren giebt, pochen, mit Hilfe von geheimen Künsten
und Zaubermitteln in das Innerste der Dinge eindringen wollen.
Glücklich war das goldene Zeitalter, wo man nicht grübelte, sondern
einfach den Eingebungen der Natur folgte, unglücklich sind Menschen,
welche von der Leidenschaft , alles wissen zu wollen , ergriffen
werden. Mit dem Wissen steigen die Bedrängnisse, Trauer wohnt
im Herzen des Weisen , grosse Weisheit ist von grossem Unmute
begleitet. Glückseligkeit geniessen jene allein , deren Geist der
Welt entrückt ist , welche ganz von dem wirklichen Leben sich
abgezogen haben. Diese Glückseligkeit wird allerdings erst nach
dem Tode, jenseits voll genossen, aber einzelne Auserwählte
kosten sie bereits auf Erden vor. Und merkwürdig. In den Rand-
zeichnungen, welche Holbein einem Exemplare des Lobes der Narr-
heit zufügt, wählt er zum Vertreter der Glückseligen auf Erden den
h. Hieron3^mus. Gleichviel ob Holbein den Stich Dürers kennt oder
nicht , jedenfalls war also der durch Erasmus' Bibelerklärungen in
den Vordergrund gerückte Kirchenvater in jenen Tagen als Typus
eines ruhigen , gottseligen Lebens eine volkstümliche , leicht ver-
ständliche Gestalt. Vielleicht flogen Dürer noch von anderer Seite
ähnliche Anregungen zu. Das Ringen nach Erweiterung der Er-
kenntnis , die Leidenschaft des Forschens , dann wieder der Klein-
mut über die engen Grenzen des Wissens, der Glaube an die Thor-
heit und Eitelkeit aller Dinge, endlich die Sehnsucht nach Frieden
und Klarheit , das alles schwirrte in der Luft und beschäftigte die
Geister. Die Zeitstimmung trug Dürer die Gegenstände der Schil-
r
lOI
derung zu. Trotzdem bleiben die beiden Stiche sein persönliches
Eigentum. Stoff und Anstoss empfing er von aussen , die Form
schuf er selbständig.
Wir besitzen vom Hieronymus im Gehäus und von der Melan-
cholie leider keine vorbereitenden Entwürfe, wie sie für den christ-
lichen Ritter nachgewiesen wurden. Die eingehende Betrachtung
der beiden Blätter lehrt uns aber die Thatsache kennen, dass hier
gleichfalls technische Probleme , Formstudien in hervorragender
Weise die Phantasie bestimmten. Wie Dürer im christlichen Ritter
von einer Normalfigur den Ausgangspunkt nahm, so bestimmt und
bedingt in Hieronymus und in der Melancholie die perspektivische
Wissenschaft und die Lichtberechnung den künstlerischen Eindruck.
Den h. Hieronymus hat Dürer öfter dargestellt, nicht bloss büssend
und betend, sondern auch schreibend. Doch nur der Hieronymus
im Gehäus übt dank der gewählten Beleuchtung, der wohl erwogenen
Anordnung der Szene eine poetische Wirkung. In dem Sonnen-
lichte , welches den ganzen Raum erfüllt , den Kopf des Heiligen
verklärt, allen Hausrat, die Wände und die Decke in milden Schimmer
hüllt , spiegelt sich die Seelenruhe und der ungetrübte Friede des
frommen Schreibers ab. Erst durch diese Mittel kommt Stimmung
in das Bild ; erst durch die Stimmung aber wird in der Seele des
Betrachters die richtige Empfindung geweckt. Wie sehr Dürer von
der Wichtigkeit der Beleuchtung durchdrungen war, zeigt die von
ihm angewandte Stichtechnik. Ein feiner, silbergrauer Ton über-
zieht das ganze Blatt, schroffe Gegensätze von Licht und Schatten
werden vermieden, innerhalb enger Grenzen aber eine Fülle zarter
Übergänge ausgegossen. Der Stich des Hieronymus besitzt durch-
aus ein malerisches Gepräge und macht auch aus diesem Grunde
wie in Dürers Entwickelung, so auch in der Geschichte des Kupfer-
stiches Epoche.
Harmonische sonnige Beleuchtung bildet im Hieronymus die
Brücke, um die gesuchte Seelenstimmung zu erreichen. Damit war
auch schon der Weg zur künstlerischen Verkörperung des Gegen-
bildes , der Melancholie , gegeben. Dürer besass nicht die leichte
satirische Ader des Erasmus. Es lag ihm daher fern , das auf-
lodernde Feuer des Wissensdranges zu verspotten, die Leidenschaft
des Forschens als Eitelkeit zu verlachen. Ihm war es mit der Er-
kenntnis der Wahrheit , der Erweiterung der Kenntnisse heiliger
Ernst. Er verwandelt daher den Weisheitsnarren in einen Genius,
welcher emporfliegen möchte bis an die Grenzen der fassbaren
I02
Welt. Er zeichnet eine mächtige Frauengestah , in deren ganzem
Wesen sich das kräftige Streben nach dem Grossen und Erhabenen
kundgiebt. Er hat aber |doch auch die Überzeugung, dass das
geistige Ringen den Frieden der Seele versehrt, die Ruhe des Lebens
gefährdet , tiefe Schwermut im Gefolge hat. Die Harmonie des
Denkens und Handelns erscheint gestört , in ihren Gegensatz ver-
wandelt. Die Mittel, diesem inneren Zwiespalt einen künstlerischen
Ausdruck zu leihen, bietet ihm ebenfalls die Beleuchtung, das Spiel
von Licht und Schatten. Nicht die freundliche Sonne , sondern
ein unheimlicher Komet erhellt den Raum, mühsam das Dunkel
teilend , trübsehgen Schein verbreitend. So wird das Dämonische
des Vorganges, die Schilderung der Nachtseiten des geistigen Lebens
wirksam eingeleitet.
Als Künstlerträume , als Schöpfungen seiner subjektiven Phan-
tasie entfalten sich die grossen Stiche aus den Jahren 15 13 und
15 14, mögen sie auch zunächst von der Zeitströmung ihm nahe
gebracht worden sein. Noch in einem anderen grösseren Werke
bricht sich der träumerische Zug Bahn. Nicht als ob er die schweren
Empfindungen , die tiefernsten Gedanken, welche die Stiche offen-
baren, in der neuen Schöpfung weitergeführt hätte. Er lockt uns
vielmehr in eine helle , fröhliche Welt , lässt einen leichten Humor
walten. Darin herrscht aber doch eine vollkommene Übereinstim-
mung, dass auch hier nicht allein die Formengebung, sondern auch
vielfach die Erfindung der Bilder auf seine individuelle Phantasie
zurückgeht. Gemeint sind die Randzeichnungen zum Gebetbuche
Kaiser Maximilians.
Seit 15 12, als sich der Kaiser in Nürnberg aufhielt, trat Dürer
zu ihm in nähere Beziehungen und wurde zur Ausführung der
mannigfachen kaiserlichen Kunstpläne mit herangezogen. Der Kaiser
Max stand zwar als Kunstgönner auf dem Boden der Renaissance.
In der Weise der italienischen Fürsten konnte er aber die Kunst
nicht pflegen. Das verhinderte ausser äusseren Umständen seine
deutsche Natur. Mit richtigem Sinne erkannte er das nationale
Element im Holzschnitt und liess seine Renaissancegedanken in
dieser Kunstgattung ausführen , wobei er denn freilich den intimen
Charakter des Holzschnittes, seine geringe Brauchbarkeit für pomp-
hafte höfische Zwecke übersah. Ein solcher Renaissancegedanke,
von der Ruhmessehnsucht eingegeben , war die Darstellung eines
Triumphes, in welchem seine Person, sein Geschlecht und das ideale
Fürstentum gleichmässig verherrlicht werden sollte. Mit Hilfe
I03
poetisch gesinnter Gelehrten entwarf Kaiser Max einen weitschich-
tigen Plan zum Triumphe. In langem Zuge schreitet, von Banner-
trägern angeführt, der Hoftross einher, ihm schliessen sich die hul-
digenden Vertreter aller Stände, Träger von Trophäen und Bildtafeln,
kunstreiche Wagengerüste u. s. w. an , bis endlich der prunkreiche
Wagen naht , auf welchem der Kaiser mit seiner FamiHe thront.
Zug und Wagen nehmen (in der Idee) den Weg zur Triumphpforte,
welche über den schmalen Eingängen, den Pforten des Lobes, der
Ehre und des Adels, einen hohen, von Rundtürmen eingeschlossenen,
in zahlreiche Felder geteilten und mit Kuppeln gekrönten Aufbau
den Augen des Betrachters vorführen soll. Für diesen Triumph,
das monumentalste Werk im Fache des Holzschnittes, wurde nun
ausser anderen (Augsburger) Künstlern jauch Dürers Mitwirkung
gewonnen. Welchen Wert der Kaiser auf sie legte, beweisen dessen
Gnadenbezeugungen und der bis zum Tode des Kaisers fortgesetzte
Briefwechsel zwischen dessen litterarischen Gehilfen und Dürer.
Der Kaiser wollte ihn (15 12) von allen städtischen Steuern frei
machen, und da der Rat von Nürnberg nicht darauf einging, gleich-
sam an des Kaisers Stelle den Künstler zu besolden, so verlieh er
ihm (151s) ^ir^ Leibgeding von 100 Gulden rheinisch, aus der Stadt-
steuer zahlbar. Dieses Gehalt erhob Dürer in der That bis zum
Tode des Kaisers. Die ganze Zeit hindurch stand er weiter mit
Johannes Stabius, mit Pirkheimer und Peutinger in engem Verkehre,
um mit ihnen die Einzelheiten des Triumphes zu beraten. Dass
er es an Fleiss und Eifer im Dienste des Kaisers nicht fehlen
Hess , sagen uns der Freunde und seine eigenen Briefe. Dennoch
ist der persönliche Anteil Dürers an dem Triumphe nicht so umfang-
reich, wie man erwarten sollte, und dieser Teil der Thätigkeit für
das Verständnis seiner Natur nach nicht sonderlich ergiebig. In
dem eigentlichen Triumphzuge werden von 135 Blättern 24 auf
Dürer zurückgeführt. Doch gehören unter diesen mehrere nur
seiner Werkstätte an. Eine äussere Beglaubigung des Ursprunges
in Dürers Nähe bietet ihre Herstellung in Nürnberger Werkstätten,
z. B. in jener des berühmten Holzschneiders Hieronymus Andreä.
Ob er mit ganzer Seele bei einer Arbeit war, welche ihn von den
genauen Vorschriften des Bestellers abhängig machte .^^ Am ehesten
möchten wir es von den durch künstliche Mittel bewegten Wagen-
gerüsten, auf welchen sich mannigfache Kriegs- und höfische Szenen
abspielen, vermuten. Hier kam die erfinderische Kraft des Künst-
lers zu ihrem Rechte , fand der Ruhm Nürnbergs in mechanischen
I04
Dingen Gelegenheit zu glänzen. Die Wagen werden bald durch
kleinere Räder geschoben , welche in die Speichen grösserer ein-
greifen, bald mittelst Kurbeln bewegt oder durch ein Zahnradwerk
vorwärts getrieben. Die erste bewegende Kraft bilden Männer,
welche die Kurbeln drehen , die Räder mit Stangen u. a. stossen.
Dadurch und durch die phantastische Form der Wagengerüste ver-
mied Dürer den Eindruck des Mechanischen und Unbelebten. Wenn
ihm hier niemand einsprach oder Vorschriften erteilte , so musste
er sich dagegen bei der Komposition des grossen Triumphwagens
fremden Forderungen fügen. Auf dem ersten , mit der Feder ge-
zeichneten Entwürfe (Albertina) giebt er dem Wagen eine ziemlich
einfache Form und bespannt ihn mit lustig galoppierenden , von
lebensfri^chen Burschen gelenkten Rossen. Diese Darstellung er-
schien offenbar nicht im Einklang mit der am Hofe des Kaisers
gepflegten poetischen Gelehrsamkeit. Unter Mitwirkung Pirkheimers
wurde (151 8) von Dürer ein neuer Wagen entworfen, welcher durch
einen reichen, allegorischen Prunk sich auszeichnet. Den Wagen um-
geben Frauengestalten , mannigfache Tugenden vorstellend ; eine
Frau (die Vernunft) lenkt die vielen Pferde , welche wohl eine an-
sehnlichere , aber lange nicht so lebendige Gestalt wie auf dem
ersten Entwürfe empfingen.
Auch bei der Triumphpforte musste sich Dürer die Mitwirkung
eines Gelehrten, des Johannes Stabius, gefallen lassen. Sein Eigen-
tum bleibt die architektonische Anordnung des Ganzen und die
Zeichnung der einzelnen Bauglieder. Da kein wirkliches , sondern
nur ein eingebildetes Bauwerk, ein Schaustück, geschaffen werden
sollte , so legte Dürer seiner Phantasie keine Zügel an ; hielt sich
nicht an eine der bestehenden Bauweisen, weder an den gotischen,
noch an den Renaissance-Stil, sondern ersann eine Architektur von
märchenhafter Pracht. Mächtige Rundtürme, von reichen Kuppeln
gekrönt , stützen den Scheinbau , Säulen gliedern die inneren Ab-
teilungen. Nicht schön, aber reich soll die Architektur erscheinen,
daher namenthch Basen und Kapitäle der Säulen überquellende
Formen zeigen , die reinen Kuppellinien durchschnitten werden-
Die Dekoration drängt sich überall in den Vordergrund. Die
Wirkung dieses seltsam reichen Triumphbogens würde wachsen,
wenn die Zwischenfelder nicht ein Übermass von bildlichen Dar-
stellungen , Wappen , Szenen aus dem Leben des Kaisers , Büsten
und Statuen der Vorfahren zeigten. Der Reichtum der Einzel-
heiten zerstört die Schönheit des Ganzen. Dadurch ging die Über-
I05
sichtlichkeit verloren. Klebt man die 92 Blätter , aus welchen die
Triumphpforte besteht , zusammen , so werden die oberen Bilder
undeutlich , betrachtet man die Blätter einzeln nacheinander , so
wird der Zusammenhang zerreissen. Mit einem Vorwurfe Dürer
deshalb zu belasten, wäre unbillig, da ein fremder Wille hier über-
all eingriff. Die erfinderische Kraft des Meisters bahnt sich trotz
alledem den Weg und weiss selbst über spröde Stoffe Herr zu
werden.
Wahre Triumphe feiert sie, wenn sie sich frei und selbständig
bewegen kann. Das ist der Fall in den Randzeichnungen zum
lateinischen Gebetbuche Kaiser Maximilians. Von dem berühmten
Augsburger Drucker Hans Schönsperger hatte der Kaiser 15 14
ein Gebetbuch in mehreren Exemplaren auf Pergament herstellen
lassen , von welchen das eine Künstlern zur Ausschmückung der
breiten Randflächen überwiesen wurde. Dieses Exemplar hat sich
fast vollständig erhalten , aber nicht mehr in einem Bande ver-
einigt. Ein Teil zählt zu den grössten Schätzen der Münchener
Bibliothek, ein anderer, welcher die Lücken des Münchener Frag-
mentes ausfüllt , befindet sich in der Bibliothek zu Besangon. An
den Randzeichnungen hat Dürer und sein Bruder Hans (unter dem
Monogramm H. D. verborgen) den Löwenanteil. Von ihrer Hand
sind 66 Blätter illustriert, während auf die anderen Künstler (Lukas
Cranach , Hans Baidung Grien , Burgkmair , Altdorfer und den
unbekannten Monogrammist M. A.) 44 Zeichnungen fallen.
Die Randzeichnungen bedeuten keineswegs eine vorläufige
Arbeit, eine Vorlage etwa für Holzschneider. So bescheiden
auch ihre Ausführung mit der Feder in verschiedenen (roten,
grünen , violetten) Tinten erscheint , so bleibt sie doch die end-
gültige Form.
Eine gewisse Heimlichkeit umschwebt die Darstellungen, richtig
entsprechend der heimlichen Bestimmung des Buches, welches allein
zur persönlichen Erbauung des Kaisers dienen sollte. Auf die Aus-
wahl der Bilder hat der Kaiser oder dessen Ratgeber vielfach Ein-
fluss geübt. Der gelehrte Augsburger Ratschreiber Konrad Peutinger
scheint vorwiegend die Verhandlungen geleitet zu haben. Im ganzen
und grossen durfte der Künstler den Eingebungen seiner Phantasie
ungehindert folgen. Der Text enthält ausser den eigentlichen
Gebeten auch zahlreiche Psalmen. Werden in den Gebeten be-
stimmte Heilige angerufen , so zeichnet Dürer ihre Gestalt an den
Rand. In vielen Fällen greift er aber tiefer, prüft sinnig die Bilder-
io6
keime, welche in den Worten der Textzeilen verborgen sein mögen,
haucht den abstrakten Vorstellungen unmittelbares Leben ein, ver-
wandelt das Wort in Bild. Oder es weckt das gelesene Wort
in seiner Phantasie Empfindungen und Stimmungen , welchen er
nachgeht und sie an die Stelle der ursprünglichen Vorstellung stellt.
In der geheimnisvollen Verbindung beider liegt ein besonderer
Reiz. Jeder Betrachter des Bildes merkt sie , aber nur der er-
finderische Geist des Künstlers konnte sie schaffen.
Die Erkenntnis menschlicher Gebrechlichkeit , zu welcher das
Gebet auffordert , erscheint ihm sofort im Bilde eines den Krank-
heitsstoff prüfenden Arztes, einer gefangenen Drossel, eines Beeren
naschenden Häschens. Ein Sterbegebet regt ihn zur Schilderung
des Todes an , welcher dem tapferen Rittersmann das abgelaufene
Stundenglas vorweist. Der Vers : ,, Mögest du einst die gläubigen
Seelen den Tieren ausliefern ," weckt in ihm die Erinnerung an
das Jüngste Gericht. In den Psalmen gegen die mächtigen Unter-
drücker schaut seine Phantasie drei Szenen : Der segnende Christus
mit dem Reichsapfel ist der wahre Herrscher ; die übermütigen
Teufel werden von Engeln in die Hölle zurückgetrieben ; der welt-
liche Herrscher ist aber in Wahrheit'ein gar ohnmächtiges Geschöpf.
Ein geflügelter Knabe mit einem Steckenpferde zwischen den Beinen
lenkt den Ziegenbock, welcher den Thronwagen zieht. Der Fuchs,
welcher mit der Schalmei das Hühnervolk anlockt, ist das Sinnbild
der Bitte : Führe uns nicht in Versuchung , und wie ein ruhig
Schlafender wird die Furchtlosigkeit des Gläubigen , auch wenn
die Erde in Aufruhr gerät , verkörpert. Diese Bilder zeugen von
der schier unerschöpflichen erfinderischen Kraft des Künstlers, sie
gewinnen aber ihre volle Bedeutung, wenn man sie im Zusammen-
hange mit den sie umgebenden Ornamenten betrachtet. Auch hier
hat Dürer einen neuen Weg eingeschlagen. Seine Zierraten ge-
hören nicht mehr dem überlieferten , sogenannten gotischen Stile
an, sie haben aber auch mit den italienischen Renaissanceornamenten
wenig gemein. Sie sind nicht, wie diese, architektonischen Gesetzen
unterworfen , haben vielmehr einen freien malerischen Zug. Sie
wurzeln nicht im Blattwerk , sondern im Rankenwerke und ziehen
zu Pflanzengebilden noch zahlreiche Tiergestalten zum Schmucke
heran. Dem Wesen der Federzeichnung entsprechend bewegt sich
das Ornament vorwiegend in feinen Linien , die in kalligraphische
Schnörkel ausgehen. Wichtig vor allem andern ist die erfolgreiche
unmittelbare Überleitung des figürlichen Teiles in den dekorativen.
I07
Beide sind offenbar mit einem Schlage , gleichzeitig , Dürers Phan-
tasie entsprungen, fliessen untrennbar ineinander über. Sie hängen
nicht nur in formaler Beziehung, sondern auch inhaltlich innig zu-
sammen. Die Stützen, auf welchen die Figuren stehen, die Krö-
nungen über ihnen verlieren sich regelmässig in das Ornament, die
in dem Hauptbilde ausgeprägte Stimmung hallt in dem letzteren
häufig leise nach. Wenn am Fusse des Pergamentblattes Musikanten
dem Herrn Lob und Preis mit Trompeten und Pauken entgegen-
schmettern , so horcht seitwärts zwischen den Ranken ein lang-
schnäbeliger Vogel aufmerksam zu. Das natürliche Sinnbild eines
Wohlthäters bietet der Pelikan. Selbst wenn solche Bindefäden
nicht nachweisbar sind , erkennt man das Streben des Künstlers,
den Vorgang mit einem reichen Naturleben zu verknüpfen. So
launig und fröhlich ist niemals ein Gebetbuch illustriert worden.
Überall tritt uns eine schöpferische Persönlichkeit , welche selb-
ständig waltet, entgegen. Das war aber nur dadurch mögUch,
dass das tiefsinnig träumerische Wesen Dürers überall seine Spuren
zieht. Damit ist die Bedeutung der Randzeichnungen nicht er-
schöpft. Kein italienischer Künstler hätte ein ähnliches Werk
schaffen können, die Phantasie keines fremden Volkes sich in diese
Auffassung eingelebt. Will man ein Werk Dürers anführen , in
welchem sich deutsche Art , der uns eigentümliche Formensinn
kundgiebt, so müssen die Randzeichnungen in erster Linie genannt
werden. Zur selben Zeit , als Dürer sie entwarf, blühte in Italien
die Groteske. Kann man sich einen schrofferen Gegensatz denken }
Die Romantik der italienischen Renaissance geht auf die Antike
zurück; die Illustrationen Dürers wecken die Erinnerung an die
alte nordische Kunstweise am Schlüsse des vorigen Jahrtausends.
In Dürers Zierraten überwiegt das kalligraphische Element , der
Schnörkel. Von der Schönschrift nahm aber auch unsere älteste
Miniaturmalerei zum Teil den Ausgangspunkt. Wir bewundern in
den Randzeichnungen vornehmlich die Kraft der Phantasie, welche
ihr schon im toten Worte ein lebendiges Bild scheinen Hess. Ge-
rade diese Gabe war unseren alten Illustratoren und nur ihnen
eigen. Neben der aus der römisch- altchristlichen Zeit überlieferten,
aus dem Süden verpflanzten Miniaturmalerei, in welcher die Farbe
in den Vordergrund tritt , bestand noch eine schlichtere Kunst-
weise. Einfache Umrisszeichnungen , mit der Feder ausgeführt,
genügten , um die biblischen Vorgänge anschaulich zu gestalten.
Armlich ist die Form , flüchtig , oft wenig künstlerisch die Zeich-
io8
nung. Einen besonderen Reiz gewinnen aber diese Illustrationen
durch den überall zu Tage tretenden tiefsinnigen Zug der Phantasie,
den greifbaren Bildkern aus dem Texte herauszuschälen. Diese
Richtung ruht dann, bis sie durch Dürer zu neuem Leben geweckt
wird. So knüpfen Dürers Randzeichnungen an unsere alte volks-
tümliche Kunstweise wieder an und empfangen dadurch ein natio-
nales Gepräge.
XI.
In den Jahren, in welchen sich Dürer von der Malerei auf das
ihm zusagendere Gebiet des Stiches, der Zeichnung zurückzog, ent-
faltete seine künstlerische Phantasie die reichste und eigentüm-
lichste Blüte. Seine erfinderische Kraft, seine Lust an poetischen
Träumen glänzt im hellsten Lichte. In der gleichen Zeit reiften
auch seine theoretischen Studien, seine wissenschaftlichen Anschau-
ungen. Er hatte einen festen Standpunkt gewonnen, von welchem
aus er die Kunst und auch die Welt betrachtete. Es ist bekannt,
dass seine Bücher erst in viel späteren Jahren zu einem äusseren
Abschluss gelangt in den Druck gegeben wurden, aber nicht minder
sicher gestellt ist auch die langwierige Vorbereitung , der frühe
Beginn der Arbeit. Die Anfänge gehen in seine Jugendjahre zurück.
Seitdem hat ihn die Aufgabe, die Kunstpflege auch auf wissen-
schaftlicher Grundlage aufzubauen, unablässig beschäftigt. Wie
viele Messungen und Berechnungen musste er machen, um ein festes
Grundwerk für seine Lehren zu gewinnen. Verzögert wurde der
Abschluss der Forschungen durch die eigentümliche Arbeitsweise
Dürers. Auch darin gleicht er dem geistesverwandten Leonardo
da Vinci, dass er die einzelnen Beobachtungen und Gedanken
I lO
scheinbar, wie sie der Zufall brachte, sofort auf dem Papiere fest-
hielt, dass er ferner an der Form und Fassung der Gedanken fort-
während feilte und änderte. Beinahe für jeden wichtigeren Satz
haben sich in den erhaltenen Handschriften mehrere Entwürfe ge-
funden. Wenn nun ein vorläufiger Abschluss seiner theoretischen
Arbeiten, nicht was die Form, sondern was den Inhalt anbelangt,
in der Zeit vor seiner Niederländischen Reise (1520) behauptet
wird, so geben dazu mannigfache Thatsachen und Erwägungen das
Recht. Bald nach seiner Heimkehr aus Antwerpen denkt er bereits
an die Drucklegung seines Hauptwerkes, der Proportionslehre und
bittet (1523) seinen Freund Pirkheimer die Widmung anzunehmen.
In den folgenden Jahren gab er die beiden Schriften : die Unter-
weisung der Messung und den Unterricht zur Befestigung der
Städte, Schlösser und Flecken im Druck heraus, wodurch gleichfalls
ein früherer Abschluss seiner Studien bestätigt wird. Handhaben
zu genauerer Zeitbestimmung bietet sodann die Thatsache, dass
wesentliche Bruchstücke seines Werkes das Datum 15 12 und 15 13
führen, deren Inhalt bereits eine vollkommene Herrschaft über den
litterarischen Stoff voraussetzt. Stark in die Wagschale fällt end-
lich der offenbare Zusammenhang, welcher zwischen seinen künst-
lerischen Träumen und seinen wissenschaftlichen Anschauungen
waltet. Beide entstammen der gleichen Wurzel und haben gewiss
in demselben Zeitpunkt Form und Gestalt empfangen. Aus seinen
theoretischen Studien über die richtigen Proportionen, über die
Perspektive und über Licht und Schatten holte Dürer die Aus-
drucksmittel für seine tiefsinnigen Kupferstiche. Man sieht, wie
ihn die frisch erkannten Naturgesetze völlig gefangen • nehmen, was
der Verstand ergrübelt hat, sofort von der künstlerischen Phantasie
verwertet wird. Ohne das Studium der Natur, so lautet sein Be-
kenntnis, kann der Künstler keine Gestalt erfinden. Er muss diese
in sich sammeln und in der Seele keimen und wachsen lassen,
dann gewinnt er einen ,, himmlischen Schatz des Herzens und schafft
eine Kreatur." Lesen wir nicht aus diesen Worten deutlich die
Entstehung seiner eigentümUchsten Bilder, seiner Träume heraus .f*
Liegt nicht darin der Beweis, dass gerade in der Zeit um 15 12
und den folgenden Jahren Phantasie und wissenschaftlicher Ver-
stand sich gegenseitig am kräftigsten stützten und sich in die Hände
arbeiteten }
Was wir von Dürer an Druckschriften besitzen, sind nur ein-
zelne Teile eines grösseren Werkes, welches die ganze Kunstlehre
1 1 1
umfassen sollte. Aus den im britischen Museum bewahrten Notizen
und Entwürfen sehen wir, welchen Namen Dürer dem Buch geben
und welche Gegenstände er in ihm behandeln wollte. ,,Die Speise
der Malerkunst" sollte enthalten : die Lehre von den richtigen Pro-
portionen eines Kindes, Mannes, Weibes und eines Pferdes, eine
kurzgefasste Baukunde, die Beschreibung eines Projektionsapparats,
mit dessen Hilfe man alle Dinge auf eine Tafel übertragen, im
verkleinerten Massstabe durchzeichnen kann , wie er solchen am
Schlüsse seines gedruckten Werkes über die Messung vorführt,
ferner die Lehre von Licht und Schatten, eine Farbenlehre, um
,,zu malen der Natur gleich," eine Unterweisung in der Anordnung
oder Komposition der Gemälde und endlich ein Kapitel von freien
Gemälden, welche allein ohne alle Hilfe aus der Vernunft gemacht
werden." Also eine förmliche Kunstencyklopädie.
Das arge Gewirr von pädagogischen Mahnungen, Handwerks-
regeln, allgemeinen Grundsätzen in Dürers Handschrift, der un-
geordnete Wechsel von kurzen Vermerken und längeren Erörter-
ungen machen das Herausschälen seiner künstlerischen Bekenntnisse
mühsam. Am Ende des dritten Buches der Proportionslehre finden
sich zwar seine allgemeinen Grundsätze richtiger Kunstpflege zu-
sammengestellt. Doch rührt diese teilweis lückenhafte Einschaltung
nicht von Dürer selbst her. Er hatte bei Lebzeiten nur das erste
Buch ,, übersehen und corrigiret." Gute Freunde haben nach seinem
Tode die folgenden Bücher dem Druck übergeben, in der Meinung,
es sei besser, sie unkorrigiert in die Welt ausgehen als ungedruckt
zu lassen. Ausserdem fehlen in der gedruckten Zusammenstellung
gar manche Gedanken, welche wir in den Handschriften lesen.
Die wichtigste Frage, welche bei der Prüfung der künstlerischen
Grundsätze Dürers auftaucht und zuerst gelöst werden muss, ist
die nach der Herkunft seiner Anschauungen. Stehen diese noch
auf dem Boden mittelalterlicher Bildung oder bewegen sie sich be-
reits in der Strömung, von welcher die Kultur der letzten drei
Jahrhunderte ausgeht.
Der Mensch, so lauten Dürers Bekenntnisse, strebt nach dem
Allwissen. Je mehr wir können, desto mehr gleichen wir dem
Bilde Gottes, welcher alle Dinge wohl kann. Es ist unserer Natur
eingegossen, dass wir gern alle Dinge wüssten, um dadurch zu er-
kennen die Wahrheit aller Dinge. Aller anderen Dinge kann sich
die menschliche Begier übersättigen, nur mehr zu wissen, wird der
Mensch niemals überdrüssig. Glücklich würden wir sein, wenn wir
1 12
dieses reiche und grosse Wissen uns ohne Mühe verschaffen könnten.
Unser blödes Gemüt kann aber zu solcher Vollkommenheit in
Kunst, Wahrheit und Weisheit nicht kommen. Doch sind wir des-
halb nicht ausgeschlossen von aller Weisheit, wenn wir nur durch
Lernen unsere Vernunft schärfen und uns stetig im Erkennen üben
wollten.
In einfachen schlichten Worten drückt hier Dürer aus, was Pico
della Mirandula mit dem ganzen Pompe der lateinischen Sprache
als wahre Würde des Menschen verkündigt hatte ; die Lehre von der
Entwickelung, dem Wachstum aus freiem Willen, von den Keimen
eines allartigen Lebens in der menschlichen Seele. In Dürers Be-
kenntnis entdecken wir nicht allein einen Anklang an den Ausspruch
des berühmten italienischen Humanisten, sondern auch den Wider-
hall seiner künstlerischen Thätigkeit. Der Preis mühelosen Er-
kennens , die Klage über unser blödes Gemüt, erinnern sie nicht
an den Gegensatz, welchen die beiden Stiche, Der Hieronymus im
Gehaus und die Melancholie verkörperten } So durchdrungen ist
Dürer von der Pflicht stetigen Fortschreitens im Wissen und
Können, dass er sich zornig gegen die Verächter desselben wendet.
Sage doch niemand, dass Wissen hoffärtig mache, denn dann wäre
Gott das hoffärtigste Wesen. Warne auch niemand vor dem
Wissen, weil es leicht missbraucht werden könne. Das Wissen
gleicht dem Schwert. Es kann vom Mörder benutzt werden, es
dient aber auch dem gerechten Richter.
Auch in solchen allgemeinen Erwägungen fühlt sich Dürer als
Künstler. Auf das engste erscheinen ihm die Kunstpflege , das
künstlerische Formideal mit seinen religiösen Anschauungen ver-
knüpft. Gott, als das vollkommenste Wesen, konnte sich nur
vollkommene Menschen schaffen. Daher besitzen Adam und Eva
und die Madonna vollkommene Schönheit und wer sie malt oder
zeichnet, muss sie als Mustermenschen darstellen. Die Proportions-
lehre wurzelt bei ihm in dem religiösen Glauben an die ursprüng-
liche Freiheit der menschlichen Natur. Mit Hilfe der Proportions-
lehre wird diese wenigstens in der Kunst wieder hergestellt. Dürer
hält an den mittelalterlichen Überlieferungen so weit fest, dass er
ein Sinken der menschlichen Natur seit der Verjagung aus dem
Paradiese annimmt. Neu und für die Richtung seiner Gedanken
bedeutsam ist die Gleichstellung menschlicher Vollkommenheit mit
der formalen Schönheit. Der Bann, in welchen frühere Jahrhunderte
das sinnlich schöne Leben gelegt hatten, ist gebrochen, der gött-
113
liehe Hauch in der schönen Erscheinungswelt wird offen anerkannt.
Ganz folgerichtig tritt Dürer dafür ein, dass die Kunst der Malerei
für das Auge bestimmt sei und preist das Gesicht „als den aller-
edelsten Sinn des Menschen." Auch in dieser Auffassung begegnet
er sich mit italienischen Humanisten und Renaissancekünstlern
Italiens. In gleicher Weise preist Leonardo das Auge als den
höchsten Sinn, als das Fenster der Seele und weist aus diesem
Grunde der Malerei den Vorrang vor der Poesie an , welche nur
an das Gehör sich wendet, während die Malerei dem Auge selbst
die Dinge vorzaubert. Beinahe mit den gleichen Worten rühmt Luca
Pacioli, der berühmte Mathematiker, das Gesicht als den vornehmsten
Sinn, das Auge als die erste Pforte, durch welche die Vernunft
eintritt, das Sehen als den Anfang des Wissens.
Vor die Frage: Was ist Schönheit gestellt, ruft er als rechter
Künstler die Erfahrung an. Eine Definition des Schönen ver-
schmäht er zu geben. „Die Schönheit, was das ist, das weiss ich
nicht." Denn es giebt mannigfache Ursachen und Arten des Schönen.
Einzelne Merkmale des Schönen lassen sich wohl angeben. „Der
Nutzen ist ein Teil der Schönheit : denn was am Menschen unnütz,
was überflüssig ist, das ist nicht schön." „Die Übereinstimmung
eines Dinges mit dem andern ist schön." Dürer ist ein Mangel
an Harmonie zugleich ein Mangel an Schönheit. Selbst ungleiche
Dinge müssen zu einander stimmen. Das Wesen selbst der Schön-
heit unmittelbar zu schauen und zu erkennen, bleibt dem Menschen
verschlossen. Kein Mensch lebt auf Erden , der alles Schöne in
sich vereinigt, auch kein Mensch kann also endgültig sagen, wie die
allerschönste Gestalt sein müsse. Nicht allein, dass ein Ding uns
in einem Fall schön dünkt, aber unter anderen Verhältnissen nicht
schön erscheint, so vermögen wir auch die Steigerung des Schönen
nur schwer erkennen. Dann ist wohl möglich, zwei unterschiedliche
Bilder von einem Dinge oder einer Gestalt zu machen, keines dem
andern gleich, dicker oder dünner. Wir wollen nur urteilen,
welches Bild das schönere sei. Wir sind daher gezwungen, die
Schönheitszüge weit zusammen zu tragen, sonderlich bei der mensch-
lichen Gestalt alle Glieder vorn und hinten zu prüfen. ,,Man
durchsucht oft zwei- bis dreihundert Menschen und findet keine
ein oder zwei schöne Dinge an ihnen, welche brauchbar wären.
Willst du ein gutes Bild machen, so thut not, dass du von etlichen
den Kopf nehmst, von andern die Brust, Arme, Beine, Hände und
Füsse, also alle Gliedmassen von allerlei Art untersuchest. Denn
8
114
von vielen schönen Dingen bekommt man schliesslich etwas Gutes
zusammen, wie der Honig aus vielen Blumen zusammengetragen wird.
Zwischen dem zu viel und zu wenig ist ein rechtes Mittel, dieses
bemühe dich zu treffen. Als Prüfstein möge jenes, das auch bei dem
Rechten zur Anwendung kommt, gewählt werden. Wir nehmen als
Recht an, was alle Welt als solches preist, ähnlich schätzen wir als
schön, was alle Welt dafür hält."
Dieser Gedankengang, möglichst mit Dürers eigenen Worten
wiedergegeben , aber aus mannigfachen einzelnen Vermerken und
Entwürfen in Ordnung gebracht, überrascht gleichfalls durch seine
Verwandtschaft mit den in der italienischen Renaissancezeit herr-
schenden Anschauungen. Auch Leo Battista Alberti legt auf die
Übereinstimmung, den Zusammenklang der einzelnen Teile das
grösste Gewicht. Auch Raffael gestand in dem bekannten Briefe
an Castiglione, dass er, um eine schöne Figur zu malen, deren
mehrere sehen müsse, um aus ihnen eine Auswahl zu treffen. Als
höfisch gesinnter Mann wünscht er dabei Castigliones Rat, während
der biderbe Dürer der ,, ganzen Welt" ein Urteil über die Schön-
heit zugesteht.
Bei solchem Vorgehen, das sah auch Dürer ein, drohte dem
Künstler die Gefahr ärgster Zerfahrenheit und arger Willkür. Um
ihr vorzubeugen, giebt es nach Dürer nur einen Weg : das Studium
der Natur. Die Natur gilt ihm als der beste, als der einzig rechte
Lehrmeister. ,, Weiche nicht von der Natur ab, glaube nicht, dass
du etwas erfinden kannst, was besser ist als sie. Die Kunst wur-
zelt fest in der Natur und wer diese wiedergeben kann, der besitzt
auch jene." Nur durch das Studium der Natur kann der Künstler
etwas Schönes schaffen, eine mit Eindrücken der Natur vollgefüllte
Phantasie ist die alleinige Quelle eines würdigen Werkes. Die
Natur zeigt die Wahrheit aller Dinge." Mit wahrer Inbrunst pre-
digt Dürer die Lehre von dem allein gültigen Muster der Natur.
Mit Wehmut blickt er in seinen letzten Jahren auf die Zeit zurück,
in welcher er den Wert fleissigster Naturbetrachtung noch nicht
erkannt und geschätzt habe. Bittere Klagen hörte von ihm Me-
lanchthon, welcher dann Dürers Bekenntnisse Freunden bei Gelegen-
heit schriftlich mitteilte, dass er in seiner Jugend buntfarbige, ge-
ölte Bilder geliebt hätte und an ausserordentlichen und seltsamen
Gestalten Gefallen gehabt. Jetzt im Alter sei er bemüht, die Natur
so treu als möghch wieder zu geben und erkenne, dass die Ein-
fachheit die höchste Zierde der Kunst ausmache. Mit dieser
IIS
feurigen Naturverehrung steht die Behauptung, der Maler sei in-
wendig voller Figuren, nicht im Widerspruch. Das emsige Natur-
studium bildet dafür die notv^endige Voraussetzung und Grundlage.
Ebensowenig widerstreitet ihr der Kultus der Antike , welchen
Dürer in lebhaftester Weise kundgiebt. Wie die Italiener der Re-
naissancezeit hegte er den guten Glauben, dass die Alten in ihrer
Kunst der Natur näher gekommen sind, als die späteren Werk-
meister. Auch hatte er vernommen, dass vor vielen hundert Jahren
berühmte Meister wie Phidias, Praxiteles, Apelles, Parrhasius ihre
Kunst beschrieben und wie man wohlgestaltete Gliedmassen der
Menschen machen soll, angezeigt haben. Solche Vorgänger des
eigenen Versuches zu besitzen, musste ihm notwendig schmeicheln,
ebenso wie die Erzählung seinen Künstlerstolz hob, dass vor vielen
hundert Jahren die Kunst der Malerei bei den mächtigen Königen
in grosser Achtung gestanden hätten und von diesen die vortreff-
lichen Künstler mit Reichtümern bedacht worden wären. Wenn
Dürer auch keine näheren Kenntnisse von antiken Skulpturen be-
sass und die Antike keinen Einfluss auf seine Entwicklung übte,
so wusste er doch den Schönheitssinn der Griechen und Römer zu
würdigen. Dieser Umstand liess ihn von den ,, Heiden" im Gegen-
satz zum Mittelalter mild denken und weckt seinen Zorn gegen die
Bilderstürmer im christlichen Altertum. Er beklagt den Verlust
der ausgezeichneten Schriften, welche die Alten über die Kunst
verfasst hatten. In ihnen mochte wohl zu lesen sein, welche Pro-
portionen Jupiter, welche Apollo, Venus oder Herkules besitzen
müsse. Dieses erschien den ersten Christen als Götzendienerei
und sie vernichteten daher die Schriften. ,,Wäre ich damals am
Leben gewesen, so hätte ich gesagt: O ihr lieben Herren und
Väter, zerstöret doch nicht jämmerlich diese edlen Künste, welche
nur mit grosser Mühe und Arbeit erstanden sind , weil sie miss-
braucht wurden. Wir wollen sie gebrauchen zur Ehre und zum
Ruhm Gottes. Wenn die Alten die schönste Gestalt zur Darstellung
des falschen Gottes Apoll gewählt haben , so wollen wir sie für
Christus den Herrn verwenden, welcher der Schönste von Allen auf
Erden war ; wie sie Venus als die lieblichste der Frauen malten,
so wollen wir in gleicher Weise die reine Jungfrau Maria in die
schönste Form kleiden ; und aus Herkules wollen wir Samson
machen und so wollen wir thun für die übrigen Götter."
Denkt Dürer über das Altertum im Sinne der Humanisten,
dazu getrieben durch seinen Durst, die Gesetze der menschlichen
8*
ii6
Körperbildung zu erkennen, so führt ihn Natursinn und Begeisterung
für Lebenswahrheit dahin, den Aufgabenkreis der Kunst zu er-
weitern. Er ist der erste, welcher die Porträtmalerei, diesen Grund
und Wurzel der reinen Kunst , der religiösen Kunst ebenbürtig
setzt. Die Kunst der Malerei steht im Dienste der Kirche. Durch
sie werden das Leiden Christi und andere nützliche Beispiele ver-
sinnlicht. Sie bewahrt auch die Züge der Menschen nach ihrem Tode.
Lehrreich ist die Stellung Dürers zu den einzelnen Künsten.
Man darf wohl sagen, dass er sich durchaus als Maler fühlt. Die
Skulptur gewinnt ihm offenbar kein Interesse ab, die Architektur
erscheint ihm als leichtes Formenspiel, als eine angenehme Be-
schäftigung der Phantasie. Ihre monumentale Bedeutung tritt ihm
nicht nahe , ihre dekorative Verwertung reizt ihn am meisten. Er
verbeugt sich allerdings vor Vitruv. ,,Der alte Baumeister sagt,
dass wer bauen will, zuerst die Vollkommenheit der menschlichen
Figur erkannt haben muss, denn in dieser sind die tiefsten Geheim-
nisse der Proportion verborgen. Künstlich und meisterlich hat der
alte Römer von der Beständigkeit, der Nutzbarkeit und den Zierden
der Gebäude geschrieben, deshalb ihm auch zu folgen und sich seiner
Lehre zu gebrauchen ist". Dürer thut noch mehr. Aus mehreren
Stellen in seinen Handschriften und seiner Unterweisung der Messung
(drittes Buch) liest man die Beschäftigung mit Vitruv heraus. Er
prüft die Säulen im Aachener Münster auf ihre Obereinstimmung
mit Vitruvs Vorschriften. Demselben dankt er die Kenntnis von
den fünferlei Gebäuden der Alten, den engsäuligen, weitsäuligen
u. s. w., von den Säulenordnungen und Säulenmassen. Er wird
nicht müde , Säulen , Kapitäle, Gesimse zu zeichnen und wie bei
ihrem Entwürfe zu verfahren, wie es mit den Massen zu halten sei,
zu erklären. Doch bleibt er bei dem Einzelnen stehen und sieht
von der konstruktiven Seite der Baukunst ab. Die Formensprache
der Architektur fesselt allein seine Aufmerksamkeit. An diesem
Urteile ändert die Thatsache nichts , dass er von venetianischen
Häusern Grund- und Aufrisse zeichnet und einmal zur Wiederher-
stellung eines Kirchendaches Vorschläge macht und in den Nieder-
landen für den Arzt der Erzherzogin Margarethe den Plan zu einem
Hause entwirft. Baukenntnisse sollen dem Meister nicht abge-
sprochen, nur der Mangel einer strengen architektonischen Phantasie
betont werden. Gerade in diesen Tagen vollzieht sich ein denk-
würdiger Umschwung im Kreise der Architektur, die Herrschaft
des gotischen Stiles bricht zusammen, die Bauformen der Renaissance
Ii;
bahnen sich einen breiten Weg. Dürer macht diesen Umschwung
mit. Während in seinen Jugendarbeiten gotische Gewölbe und
gotischer Zierart noch volle Geltung besitzen, nähert er sich später,
wenn er architektonische Hintergründe zeichnet , der Renaissance-
weise. Er nähert sich aber nur derselben , er dringt nicht voll-
kommen und mit ganzer Seele in die Formen der italienischen
Renaissance ein. Zwei Eigenschaften haften an seinem baulichen
Hintergrunde. Man kann sich die Hallen und Gemächer selten in
Stein verwirklicht denken, sie erscheinen wesentlich vom malerischen
Standpunkte aufgefasst. Die einzelnen Bauglieder , wie Kapitäle,
Gesimse mangeln jeglichen Schmuckes oder, wenn sie solchen
zeigen , erscheint er nicht von der italienischen Renaissance ein-
gegeben. Zuweilen möchte man glauben , dass er romanische
Muster nachgeahmt hat. Damit hängt auch seine Duldsamkeit in
Stilfragen zusammen. Wie er mit gleicher Liebe mittelst Zirkel
und Richtscheit die Antiquabuchstaben und die sogenannte ,,alte
Textur", die gotische Schrift konstruiert , so giebt er in der Geo-
metrie sowohl für gotische Glieder wie für antikisierende Säulen
die Regeln ihres richtigen Aufrisses an. Er rechtfertigt sein Vor-
nehmen, auch ein spätgotisches, vielteiliges Gewölbe zu zeichnen,
mit folgenden Worten : ,, Nachdem viele sind , die grosse Liebe
haben zu seltsamen Reihungen in den Gewölbeschlüssen , des
Wohlstandes wegen, so will ich eine aufreissen ; ob sie jemand ge-
fällt, der mag sich ihrer gebrauchen". Und wenn er weiter sagt:
,,So ich aber vornehme, eine Säule oder zwei Lehren zu machen,
für die jungen Gesellen, sich darin zu üben, so bedenke ich der
Deutschen Gemüt , denn gewöhnlich alle , die etwas Neues bauen
wollen , wollen auch eine neue Fatzon darzu haben , die vorher
nie gesehen war", so schliesst das keineswegs einen Tadel in sich.
Er fügt sich dem Wunsche. Birgt er doch selbst diesen Zug des
deutschen Gemüts in seiner Natur und schätzt am Künstler die er-
finderische Kraft nicht minder hoch als den Sinn Rir reine und
richtige Formen.
Auf die dekorative Wirkung hat er es ausserdem bei der
Wiedergabe architektonischer Werke wesentlich abgesehen , vom
malerischen Interesse sich leiten lassen. Er ist Architekturzeichner,
nicht Baumeister, gerade so, wie er im Kreise der Plastik sich
damit begnügt, Zeichnungen zu liefern, auf eine praktische Thätig-
keit aber verzichtet. Die unserem Meister zugeschriebenen Sta-
tuetten und Rehefs in Kehlheimer Stein, Elfenbein oder Holz in
ii8
zahlreichen Sammlungen sind durchgängig keine Originale. Zwei
grössere Bildwerke werden auf Dürers Vorzeichnungen zurückge-
führt. Eine Federzeichnung in den Uffizien giebt ziemlich frei das
Grabdenkmal des Grafen und der Gräfin von Henneberg wieder,
welches Peter Vischer für die Stiftskirche in Römhild gegossen hat.
Die Reliefs in der Fuggerschen Grabkapelle zu Sankt Anna in Augs-
burg hängen auf das engste mit den berühmten Täfelchen Dürers :
Samsons Philisterschlacht und Christi Auferstehung 1510 zusammen.
Doch erscheint es nicht wahrscheinlich , dass Dürer diese Blätter
mit Rücksicht auf ihre spätere plastische Ausführung entwarf. Die
ganz vollendete Technik in dem Diptychon vom Jahre 15 10 schliesst
den Gedanken an eine Skizze unbedingt aus.
Wir besitzen allerdings mehrere von Dürers eigener Hand ge-
rissene Entwürfe zu Denkmälern (im dritten Buche der Geometrie). ,,Es
begiebt sich," schreibt er, ,,dass man in Schlachten ein Feld erobert,
dass man dann ein Gedächtnis oder eine Säule an der Stätte , da
man die Feinde erlegt hat, aufrichtet. Oder es will jemand eine
Viktoria aufrichten darum , dass er die aufrührerischen Bauern
überwunden hat. Oder es möchte endlich welcher einem Trunken-
bold auf sein Begräbnis ein Gedächtnis setzen". Für alle diese Fälle
macht Dürer neue Vorschläge und erläutert sie mit flüchtigen Umriss-
zeichnungen. Zu dem Kriegerdenkmal setzt er auf einen hohen
Steinsockel Mörser und Büchse, lässt dann Bafesen und Harnische
folgen und krönt das Ganze mit einem reichen Helmschmuck. Den
Sieg über die Bauern symbolisieren allerhand aufeinander gestülpte
landwirtschaftliche Geräte, Haberkasten, Kessel, Butterfass, eine aus
Hauen , Dreschflegeln und Mistgabeln zusammengesetzte Trophäe
und zu oberst auf einem Schmelzhafen ein ,,trauretter " Bauer, von
einem Schwert durchstochen. In ähnlicher Weise werden Bier-
fässer, Trinkgläser, Speisekörbe zur Verewigung des Trunkenboldes
herangezogen. Selbst wenn man zugiebt, dass solche Vorschläge
nicht ernst gemeint sind, — Dürer selbst nennt sie abenteuerlich —
muss der Mangel an plastischer Gestaltung auffallen. Sie beweisen
eine reiche erfinderische Kraft , halten sich aber innerhalb der
Grenzen elementarer Formen. Die Zeichnungen sehen sich auf dem
Papier ganz gut an , würden aber in körperlicher Ausführung im
grossen nur eine recht schwache Wirkung üben.
Je vertrauter man mit Dürers Kunstgedanken wird, desto deut-
licher gewinnt man den Eindruck , dass schliesslich doch nur die
Malerei sein ganzes Herz ausfüllt. Wenn er von der Kunst spricht,
119
meint er in der Regel die Malerei. An die Maler richtet er seine
Mahnungen und Lehren, ihnen, so hofft er, werden seine Schriften
den grössten Nutzen bringen. Indem er aber die Malerei in den
Mittelpunkt der ganzen Kunstpflege stellt, wendet er sich von der
überlieferten Weise ab und spricht einer neuen Richtung das Wort.
Die Malerei ist seit dem sechzehnten Jahrhundert die herrschende
Kunst geworden. Unter dem Einflüsse des malerischen Elementes
verändert die Architektur ihre Gestalt ; die Skulptur nimmt einen
malerischen Charakter an ; sollen die Herzensmeinungen, die tiefsten
Empfindungen, die leitenden Stimmungen ausgedrückt werden, so
bietet die Malerei allein die richtigen Mittel dazu. Sie feiert so
grosse Thaten und lebt so ausschliesslich im Gedächtnis der Men-
schen fort, dass die Thätigkeit der letzten Jahrhunderte auf anderen
Kunstgebieten, welche denn doch nicht so ganz unbedeutend war,
in den Hintergrund gedrängt, schier vergessen werden konnte.
Dürer offenbart nicht allein durch die scharfe Betonung der
Malerei als der lebenskräftigsten , wichtigsten Kunstgattung seinen
prophetischen Blick; wie sehr er von den neuen Geistesströmungen
ergriffen ist, zeigt er auch durch seine der Wissenschaft gewidmete
Huldigung. Er weist dem klaren Wissen als Grundlage des künst-
lerischen Könnens einen breiten Raum an und verdammt die blosse
handwerksmässige Übung der Kunst. ,,Man hat bisher in unseren
deutschen Landen viele geschickte Jungen zu der Malerei gethan,
die man ohne allen Grund und allein aus einem täglichen Brauch
gelehrt hat, sind dieselben also im Unverstände, wie ein wilder
unbeschnittener Baum aufgewachsen. Wiewohl etliche aus ihnen
durch stetige Übung eine freie Pland erlangt , also dass sie ihre
Werke gewaltiglich aber unbedächtlich und allein nach ihrem Wohl-
gefallen gemacht haben. So aber die verständigen Maler und rechte
Künstner solches unbesonnenes Werk gesehen, haben sie und nicht
unbillig dieser Leute Blindheit gelacht, dieweil einem rechten Ver-
stände nichts unangenehmer zu sehen ist denn Falschheit im Gemälde,
unangesehen ob auch das mit allem Fleiss gemacht wurde".
Bitter empfindet Dürer den ,, Mangel der rechten Kunst" bei
seinen Landsleuten, um ihren Besitz beneidet er die Italiener. Er
ist weit davon entfernt, sein Volkstum aufzugeben, in blinde Nach-
ahmung der Italiener zu verfallen. Wenn er gegen Pirkheimer
den Wunsch ausspricht, dieser möge in der Vorrede zum Buche
von den Proportionen die Italiener ja recht loben, so begründet er
die Bitte damit, dass sie in ,, nackten Figuren und insbesondere in
I20
der Perspektive" ausgezeichnetes leisten. Ihr reicheres Wissen, ihr
Streben nach gesetzmässiger Grundlage der Kunst gewinnen ihm
Achtung ab. Stand demnach nicht zu fürchten, dass er in allem
und jedem, mit Verzicht auf die eigene Naturkraft den Leistungen
der Italiener folgen werde, so lag dagegen allerdings die Gefahr
einer einseitig verständigen Auffassung der Kunst, eines kalten
Formalismus nahe. Das Wissen gilt viel in der Künstlerbildung,
es darf aber nicht der schöpferische Drang, der lebensfrische Natur-
sinn darunter leiden. Zum Glück für Dürer halfen die Ereignisse,
diese Gefahr zu überwinden. Er schlug schliesslich in seiner Kunst
eine Richtung ein, welche seine vollkommene Kenntnis der theo-
retischen Gesetze, sein reiches Wissen verrät , ihn von der neuen
Strömung im künstlerischen Leben erfasst zeigt , dabei aber seine
individuelle Natur, sein volkstümliches Wesen siegreich durchdringen
lässt. Das ist die Bedeutung seiner letzten sieben Lebensjahre.
XII.
Seit der venetianischen Reise lebte Dürer wieder lange Jahre
still und ruhig in der Heimat. Bis zum Jahre 1 5 1 5 können wir
ziemlich genau seine Thätigkeit verfolgen. Er erweist sich in dieser
Zeit nicht allein überaus fruchtbar, sondern steht namentlich als
Kupferstecher auf der Höhe seiner Entwickelung. Die folgenden
fünf Jahre bringen uns dagegen nur eine spärliche Kunde von
seinem Thun und Treiben. Kein hervorragendes Gemälde stammt
aus dieser Zeit. Sieht man unbefangen die Lukretia in München,
die Madonna in Berlin , so möchte man an ein Nachlassen seiner
künstlerischen Kraft glauben. Auch im Kreise des Kupferstiches
und Holzschnittes scheint die alte Emsigkeit zu stocken. Wohl
fallen einzelne treffliche Blätter wie der h. Antonius und die Markt-
bauern (B. 58, 89) gerade in diese Zeit (15 19) und steht der 15 18
geschaffene Holzschnitt: Maria wird von Engeln verehrt (B. 104)
an der Spitze gleichartiger Schilderungen. Er hat hier wieder einen
glücklichen Zug in das Kinderleben gethan, der Natur das schalk-
hafte Gebaren der Kleinen abgelauscht, mit tiefer Empfindung die
122
ehrliche und eifrige Hingabe der Altern zur Anschauung gebracht.
Aber dieser Blätter sind nur wenige und es stehen ihm mehrere
minder gelungene (Madonnenstiche) gegenüber. Es verdient noch
Erwähnung, dass Dürer gerade jetzt Zeit fand, für seine Freunde
Wappenbilder zu zeichnen und Bücherzeichen zu entwerfen, als ob
er nach angreifender, die Kräfte verzehrender Arbeit nun im leichten
Spiele sich erholen wollte. Wir gehen gewiss nicht in der Annahme
irre , dass ihn die theoretischen Studien zumeist in Anspruch
nahmen und eine grössere künstlerische Thätigkeit zurückdrängten
und dass die vom Kaiser gestellten Aufgaben seine freie Müsse
dauernd einschränkten. Mit den Arbeiten im Dienste des Kaisers
hängt auch das einzige wichtige Ereignis in seinem äusseren Leben
in dieser Zeit zusammen: die Reise nach Augsburg 1518. Es galt,
mit dem Kaiser, welcher zum Reichstage in Augsburg weilte, per-
sönlich die Kunstpläne endgültig festzustellen. Gemeinschaftlich
mit den Nürnberger Abgesandten, seinen Freunden Kaspar Nützel
und Lazarus Spengler, begab sich Dürer im Sommer 15 18 auf die
Fahrt. Fröhliche Tage verlebte er in der von italienischen Sitten
stärker als Nürnberg angehauchten schwäbischen Hauptstadt. Er
gewann das Vertrauen des Kaisers, und stand mit ihm, wie einzelne
Anekdoten andeuten, in freundlich ungezwungenem Verkehr. An-
derseits eroberte sich Kaiser Max das Herz des Künstlers , der
ihm von nun an die höchste Verehrung weihte, ihn als ,,den teu-
ersten Fürsten" pries. Auch seine künstlerische Thätigkeit ruhte
nicht vollständig. ,,Hoch oben auf der Pfalz in seinem kleinen
Stübchen" konterfeite er den Kaiser rasch und flüchtig, aber überaus
lebenswahr mit der Kohle. Nach dieser in der Albertina bewahrten
Zeichnung führte er das gemalte Porträt des Kaisers (in der kaiser-
Uchen Galerie in Wien) und zwei grosse Holzschnitte aus, welche
aber an Frische und Unmittelbarkeit der Auffassung gegen die
Zeichnung weit zurückstehen. Der Kardinal und Kurfürst Albrecht
von Brandenburg sass ihm gleichfalls zum Bilde (Albertina) , die
sorgsam gearbeitete Federzeichnung diente dann dem berühmten
Kupferstiche (B. 102) zur Grundlage. Nach jeder Richtung durfte
Dürer auf die Augsburger Reise befriedigt zurückblicken. Denn
auch seine äussere Lage schien sich besser zu gestalten. Er em-
pfing vom Kaiser als Lohn für seine Arbeiten 200 Rheinische
Gulden für das nächste Jahr aus der Nürnberger Stadtsteuer zu-
gesichert. Leider starb aber Kaiser Maximilian schon im Januar
des nächsten Jahres , ehe ihm die Summe ausbezahlt wurde. Er
123
verlor diese Summe und sah durch den Regierungswechsel sogar
sein Leibgedinge bedroht. In seiner Not fasste er den Entschluss,
vom neuen Kaiser, welcher in den Niederlanden weilte und zur
Krönung in Aachen sich rüstete , persönlich die Fortdauer des
Jahresgehaltes zu erbitten. So kam die Niederländische Reise 1520
zu Stande.
Über den nächsten Zweck der Reise sind wir demnach voll-
kommen unterrichtet. War er auch der einzige } Dürer führte
während seiner Niederländischen Reise ein uns in einer Abschrift
aus dem 17. Jahrhundert erhaltenes Tagebuch, in welches er die
täglichen Ausgaben und Vorfälle in knappster Form, einzelne Er-
eignisse und Herzensergüsse auch ausführlicher eintrug. Aus dem-
selben ersehen wir, dass er ,, Kunstware", eigene und fremde, ins-
besondere seine Holzschnittfolgen und eine Anzahl auserlesener
Kupferstiche mit sich führte, also, wie es damals Sitte war, den
kaufmännischen Vertrieb seiner Werke selbst besorgte. Das alles
erklärt aber nicht die lange Dauer der Reise , welche über Jahr
und Tag währte und ihn verschiedene Landschaften der Nieder-
lande aufsuchen Hess. Wir dürfen vermuten, dass ähnlich wie zur
Venetianischen Reise , auch jetzt zu den äusseren Gründen noch
ein innerer Antrieb hinzutrat. Wie er damals eine Selbstprüfung
vornehmen , den zurückgelegten Weg abmessen und neue An-
regungen sich holen wollte , so lagen ihm gewiss auch bei der
Niederländischen Reise künstlerische Interessen mit am Herzen.
Allmählich hatte seine Kunstrichtung sich zu wandeln begonnen.
Gerade seine theoretischen Studien führten ihn zu einer vertieften
Naturbeobachtung, gaben seiner alten Vorhebe für das Charakter-
und Ausdrucksvolle neue Nahrung : Der phantastische Zug in seiner
Künstlerseele trat zurück, die reine einfache Naturwahrheit gewann
in seiner Phantasie grosse Rechte. Das alles liest man aus seinen
Selbstbekenntnissen ungezwungen heraus und begreift, dass es ihn
mächtig zog , nachdem er die volle Reife und Klarheit des künst- *
lerischen Verstandes erreicht hatte , um auch durch die künst-
lerischen Thaten die Richtigkeit seiner Überzeugungen zu erproben.
Nach längerer Ruhe regte sich wieder in ihm der Drang zu künst-
lerischem Schaffen, aber nicht in der altüberlieferten Weise, son-
dern auf neuer Grundlage. In seiner Heimat fand er nicht die
gewünschten Anregungen. Gerade wer der lebendigen Naturwahr-
heit einen grösseren Platz einräumt , muss sich in einer reichen,
mannigfaltigen Welt umsehen. Dazu boten ihm die Niederlande
124
eine treffliche Gelegenheit. Seit dem Anfange des Jahrhunderts
stand Antwerpen an der Spitze des niederländischen Handels und
der niederländischen Kunst. Dort strömten die Schätze der Welt
zusammen , dort sammelte sich der europäische Verkehr und
drängten auf den Strassen die Vertreter der verschiedensten Völker:
dorthin war auch die früher besonders in Brügge, Gent und Löwen
blühende Kunst eingewandert. In die Antwerpener Malerschule war
aber gleichzeitig ein neuer Geist eingezogen. Porträt- und Cha-
rakterfiguren wurden von den Künstlern mit Vorliebe geschaffen
und mit überraschender Lebenswahrheit ausgestattet. Die Lösung
der einen Aufgabe erleichtert der hier hochentwickelte Farbensinn,
an dessen Erziehung Dürer erst jetzt , da ihm ähnliche Ziele vor-
schwebten , gehen konnte. Nicht Italien lockte ihn wie in seiner
Jugend ; die Niederlande zogen ihn jetzt unwiderstehlich an. Es giebt
keine Thatsache, welche den Umschwung in Dürers künstlerischem
Streben so klar an das Licht brächte, als dieser Wechsel in der
Wertschätzung italienischer und nordischer Kunst. Dass Dürer
durch die Wahl der Niederlande auch seine nationale Natur un-
versehrt bewahrte, während diese in Italien wahrscheinlich eine starke
Einbusse erlitten hätte , bedarf keiner besonderen Versicherung.
Die persönliche Entwickelung und die nationale Richtung wurden
durch die Niederländische Reise gleichmässig gefördert.
Am 12. Juli 1520 brach Dürer mit Weib und Kind und einer
stattlichen Ladung ,, Kunstwaren " von Nürnberg auf. Auf dem
langen Wege durch vieler deutscher Herren Lande erfreute er sich
reicher Gastfreundschaft und mannigfacher Förderung. Der Bischof
von Bamberg (Georg III. Schenk von Limburg) gab ihm für sein
Gebiet einen Zollfreibrief und löste ihn aus der Herberge, sein alter
Gönner Jakob Haller in Frankfurt schickte ihm Wein in die Her-
berge und als er in Mainz das Rheinschiff bestieg, brachte ihm
noch Leonhard der Goldschmied zur Verbesserung seines Mund-
vorrats Wein und Vögel , um bis Köln zu kochen. Die wander-
lustigen Humanisten hatten ihm vorgearbeitet. Allerorten sassen
ihre Freunde und Anhänger. Wer in ihrem Kreise bekannt war,
und das war Dürer , durfte einer wohlwollenden Aufnahme sicher
sein. Er traf fast überall Bewunderer und Gönner. Und so ge-
schah es auch unserem Dürer, dass ihn in Boppard der Zöllner
Eschenfelder völlig zollfrei ziehen Hess, obschon sein Bamberger
Freibrief hier nicht mehr galt. Dieser Eschenfelder hatte zwischen
seinen Zollregistern noch Schriften des Erasmus liegen und Eras-
125
mus wie später Hutten die grösste Gastfreundschaft bewiesen.
Kein Wunder, dass er auch Dürer hilfreich war.
In Antwerpen (2. August) nahm Dürer Herberge bei Jobst
Planckfeldt oder Blanckvelt , wurde aber schon am Tage seiner
Ankunft von dem Faktor Fuggers zu einem köstUchen Mahle ge-
laden. Vorläufig ging ihm die Sache der Leibrente zu sehr im
Kopfe herum , als dass es ihn lange in Antwerpen geduldet hätte.
Er eilte nach Brüssel (26. August) und Hess sich hier im Hause
des befreundeten Geheimschreibers Kaiser Maximilians Jakob de
Banisis eine Bittschrift an den Kaiser aufsetzen und fuhr mit der-
selben nach Aachen (4. Oktober) , um sie persönlich dem Kaiser
zu überreichen. Am 4. November empfing er vom Kaiser Karl V.
,,mit vieler Mühe und Arbeit" die Bestätigung der ferneren Aus-
zahlung von jährlich 100 Gulden Rheinisch. Leichteren Herzens
begab er sich über Köln und den Niederhein nach Antwerpen zu-
rück, wo er am 22. November ankam. Aber schon nach einigen
Tagen rüstete er sich zu einer neuen Reise nach Seeland , welche
er in schlimmster Winterszeit unter mancherlei Gefahren und Aben-
teuern (2. — 13. Dezember) zurücklegte. Es scheint, dass nur der
Wunsch , einen bei Zieriksee gestrandeten Walfisch zu sehen , ihn
zu diesem Ausfluge bewog. Jetzt endlich wird er für längere Zeit
in Antwerpen sesshaft, verlässt es erst im Frühling 1521, um
Brügge und Gent , und etwas später Mecheln und Brüssel zu
besuchen. Am 12. Juli tritt er über Aachen, Jülich und Köln
die Heimreise an.
Dürftig war der Geldgewinn, welchen er nach Nürnberg mit-
brachte. Er klagte in seinem Tagebuch: ,,Ich habe in allem
meinem Machen , Zehrungen , Verkäufen und anderer Handlung
Nachteil gehabt im Niederland , in allen meinen Sachen , gegen
grosse und niedere Stände und sonderlich hat mir Frau Margareth
(Statthalterin) für das , was ich ihr geschenkt und gemacht
habe , nichts gegeben". Dafür hat er reiche Erfahrungen ge-
sammelt und auch seine künstlerische Entwickelung wirksam ge-
fördert. Er hat für alles was ihn umgiebt , einen offenen Sinn
und ein scharfes Auge. Als echter Sohn der Zeit staunt er alle
Naturmerkwürdigkeiten und vor allem die aus den neuentdeckten
Ländern stammenden Schätze an. Niemals vergisst er in seinem
Tagebuche zu vermerken , dass ihm dieser oder jener Gönner
ein Horn, einen Bisamknopf, kalekutische Tücher, einen Ast vom
Cederbaum verehrt hat , er selbst giebt für Raritäten mehr Geld
126
aus , als seinem Beutel frommte. Und als er in Brüssel die
Dinge sieht, die man ,,dem Könige aus dem neuen Goldlande ge-
bracht hatte, eine goldene Riesensonne, Rüstungen, Gewänder und
allerlei wunderbarlich Ding zum menschlichen Gebrauche," gerät
er vor Entzücken schier ausser sich. ,, Diese Dinge sind viel schöner
zu sehen denn Wunderdinge. Ich habe all mein Lebtag nichts
gesehen, das mein Herz also erfreut hat als diese Ding. Ich habe
mich verwundert der subtilen Ingenia der Menschen im fremden
Lande. Was ich dabei gedacht habe , kann ich gar nicht aus-
sprechen". Über die Natur vergisst er die Kunst und das Volks-
leben nicht. Er pilgert zu allen berühmten Gemälden , lässt sich
in Köln das Gemälde (Dombild) des Meister Stephan aufschliessen,
bewundert ehrlich die Schildereien des Jan von Eyck, Roger van
der Weyden und Hugo van der Goes. Mit den lebenden Künst-
lern , wie Quentin Massys, Lukas van Leyden, Bernard van Orley
und anderen unterhält er freundliche Beziehungen und wird auch von
ihnen in hohen Ehren gehalten. Die Beschreibung der Feste, mit
welchen die Künstler seine Anwesenheit feierten , füllen einen
stattlichen Raum in seinem Tagebuche. In der Regel begnügt er
sich mit knappen und trockenen Vermerken seiner Einnahmen,
Auslagen und täglichen Beschäftigungen. Oft liest man mehrere
Seiten lang : Ich habe einen Gulden zur Zehrung gewechselt, ich
habe drei Stüber verzehrt. Item ich habe diesen oder jenen mit
der Kohle konterfeit. Item ich habe diesen oder jenen die Apo-
kalypse, die Melancholie und den Hieronymus im Gehäus geschenkt
oder an ihn verkauft. Ab und zu gerät aber die Feder in Fluss
und ergeht sich in behaglich breiten Schilderungen. Das ist stets
der Fall , wenn es sich um persönliche Huldigungen oder Volks-
feste handelt. Er war erst einige Tage in Antwerpen, als ihm
bereits eine grosse Ehre zu Teil wurde. ,,Am Sonntag nach Sankt
Oswaldstag (5. August) luden mich die Maler auf ihre Stube mit
meinem Weib und Magd und wir hatten alles auf Silbergeschirr
und anderem köstlichen Zierart und überköstliches Essen. Es
waren auch ihre Weiber alle da und da ich zu Tisch geführt ward,
da stand das Volk auf beiden Seiten, als führet man einen grossen
Herrn. Und als ich alsobei verehrt sass, da kam der Herren von
Antwerpen Ratsbote mit zwei Knechten und schenket mir von der
Herren von Antwerpen wegen vier Kannen Wein und Hessen mir
sagen , ich soll hiermit von ihnen verehret sein und ihren guten
Willen haben. Dess sagte ich ihnen unterthänigen Dank und erbot
12/
meine unterthänigen Dienste. Danach kam Meister Peter, der Stadt
Zimmermann, und schenkte mir zwei Kannen Wein mit Erbietung
seiner willigen Dienste. Also da wir lange fröhlich beieinander
waren, bis spät in die Nacht, da geleiteten sie uns mit Wind-
lichtern gar ehrlich heim und baten mich , ich sollte ihren guten
Willen haben und annehmen und soll machen , was ich wollte,
dazu wollten sie mir behilflich sein. Also dankte ich ihnen und
legte mich schlafen". In ähnlicher Weise bewirtete ihn und sein
Weib am Faschingssonntag die Goldschmiedezunft gar köstlich und
thaten ihm ,, übermässig grosse Ehre". Und mit den Körperschaften
wetteiferten Privatpersonen, Künstler sowohl wie Kaufleute.
Liess ihn hier die begreifliche Freude über den ehrenvollen
Empfang länger bei der Schilderung verweilen , so lenkte wieder
der künstlerische Blick die Aufmerksamkeit auf die berühmten
vlämischen Volksfeste. Eingehend und ausführlich beschreibt er
die grosse Prozession , welche am Sonntage nach Mariä Himmel-
fahrt durch die Strassen von Antwerpen pilgerte , mit den Auf-
zügen der verschiedenen Zünfte und Körperschaften und der vielen
auf Wagen und Schiffen geführten lebenden Bilder. Ebenso ver-
folgte er mit dem grössten Interesse die Festlichkeiten bei der
Einholung Kaiser Karls V. und ergötzte noch mehrere Jahre
später die Freunde mit anschaulicher Erzählung einzelner Vorgänge.
Das Tagebuch bietet uns nicht allein über Dürers äusseres Leben
genügende Kunde, sondern unterrichtet uns auch über seine künst-
lerische Thätigkeit, erwähnt regelmässig seine Arbeiten. Über ihre
Art und Richtung belehrt uns sein Skizzenbuch, welches er stets
bei sich führte und wir , wenn auch längst in Einzelblätter aufge-
löst und verstümmelt, noch gegenwärtig besitzen. Viele Blätter
mögen durch das Zerreissen des Bandes im Laufe der Zeiten ver-
loren gegangen sein , immerhin hat sich noch eine erkleckliche
Zahl in den verschiedenen Kabinetten und im Privatbesitze erhalten.
Ab und zu hat er mit dem Metallstift auch Tier- und Architek-
turteile dem Skizzenbuche einverleibt , ganz vorwiegend aber
Porträte , Kopf- und Brustbilder in ihm gesammelt. Eine grosse
Zahl seiner Bekannten musste ihm zu diesen Zeichnungen sitzen ; er
versäumt denn auch nicht, ihre Namen beizuschreiben. Häufig
traten uns aber auch unbenannte, unbekannte Personen entgegen,
wir möchten glauben , Volksfiguren , welche wegen dieses oder
jenes Charakterzuges seine Phantasie erregten. Was für einen
prächtigen derben Burschen , der nicht viele Worte macht , aber
128
gleich zugreift, hat er nicht, z. B. auf einem im Berhner Kabinet
bewahrten Blatt gezeichnet! (L 57) Würde man alle diese sorgsam
auf gelblichem getöntem Papier ausgeführten Köpfe zusammenstellen,
ihnen noch die mit der Feder rasch entworfenen anreihen, so käme
der scharfe Blick des Künstlers für das Natürliche und Charakte-
ristische zu besonderer Geltung, ausserdem aber noch das stetig
wachsende Streben , nicht bei den Einzelheiten zu verweilen,
sondern den Kopf stets als Ganzes aufzufassen , ihm eine tiefere
physiognomische Wahrheit aufprägen. Gleiche Ziele verfolgte er
in den grösseren mit der Kohle gezeichneten Bildnissen, in welchen
der feinere Strich, die weichere Modellierung, die belebteren Augen
eine Änderung der Kunstweise gegen früher, einen grossen Fort-
schritt bekunden. Mehr als sonst strebt er malerische Wirkungen
an. Offenbar hat die Kenntnis niederländischer Bilder Spuren in
seiner Phantasie zurückgelassen. Doch bleibt er weit davon ent-
fernt , seine Natur zu verleugnen. Mitten unter den rasch hinge-
worfenen Kohlenzeichnungen tauchen einzelne mit dem Pinsel sorg-
fältigst ausgeführte Köpfe und Halbfiguren auf, welche uns seine
alte Kunst der Feinmalerei vor die Augen bringen. Das berühm-
teste Beispiel dieser Art ist das Bildnis des 93 jährigen Greises
,,noch gesund und fermüglich" in Antwerpen, welches in der Alber-
tina bewahrt wird und mit leichten Änderungen in einem zweiten
Blatte im Berliner Kabinet wiederkehrt.
Die Fülle von Landschaftskizzen , Kostümfiguren , Porträten,
von welchen das Tagebuch berichtet und selbst heute noch zahl-
reiche Proben sich erhalten haben , beweist , wie trefflich Dürer
seine Zeit auch als Künstler ausgenutzt hat. Nur zur Übung der
Ölmalerei kam er selten. Teils scheute er die immerhin langwierige
Arbeit, teils mochte er zagen, gerade auf diesem Gebiet mit den
Niederländern in Wettstreit zu treten. Zwei auf Eichenholz gemalte
Bildnisse aus dem Jahre 1521 lehren uns ihn als Farbenkünstler
kennen. Das eine stellt den Maler Bernhard van Orley aus Brüssel
vor (Dresden). Das andere giebt die Züge eines unbekannten, ohne
ausreichenden Grund Hans Imhof getauften Mannes in mittleren
Jahren (Madrid) wieder. Wir hätten Dürer ein besseres Modell ge-
wünscht, als den Brüsseler Maler. Jugendliche Köpfe standen ihm
überhaupt ferner, als ausgereifte, vom Schicksal gestählte Männer.
Orley besass überdies keine reine jugendliche Anmut , sondern
recht eckige Züge, welche zu den blauen Augen und blonden Haaren
nicht recht stimmen wollten. Doch hat Dürer das Beste gethan.
129
Bildnis des Hans Imhof (?). Gemälde im Museum zu Madrid.
um den Kopf aus dem roten Hintergrunde herauszuarbeiten und
zu runden. Trotz der vordringlichen grauen Schatten (vielleicht
hat Dürer nicht die letzte Hand an die Tafel gelegt) zählt das Bild
9
I30
doch zu den besten Porträten des Meisters. Geradezu vollendet
muss man dagegen das Madrider Bildnis nennen. Es ist die Krone
aller Dürerschen Porträte. Die Anordnung erscheint jener in der
Dresdener Tafel nahe verwandt. Beide Männer tragen den breit-
krempigen Schlapphut, die schwarze Pelzschaube, unter welcher
das weisse gefaltete Hemd hervorscheint , ein Papier in der
Linken, während die Rechte auf einer (unsichtbaren) Brüstung auf-
ruht und wenden sich in Dreiviertelansicht nach links. Die Aus-
führung der gelockten Haare, des Pelzes ist überaus fein, ordnet
sich aber doch ungezwungen dem Ganzen unter. Die Augen durch-
dringen förmlich den Beschauer, aus der festgeschlossenen Lippe
spricht der unbeugsame, auf seinem Rechte bestehende Wille, die
kurze Nase steigert den Ausdruck des kurzweg Entschiedenen.
Der Mann mag gütige Milde nicht zu seinen Haupteigenschaften
gezählt haben, im Streite recht widerhaarig gewesen sein. Aber
von seiner Kraft und Klugheit erzählen dafür um so deutlicher die
Züge. Jedenfalls hat die nordische Kunst des sechzehnten Jahr-
hunderts wenige Charakterköpfe geschaffen, welche sich in leben-
diger Wahrheit und vollkommener malerischer Behandlung mit
dem Madrider Bilde messen können.
Welche Richtung Dürer in den Niederlanden verfolgte, darüber
kann kein Zweifel herrschen. Er wäre aber nicht der echte, alte
Dürer gewesen, wenn seine Phantasie sich auf die Dauer mit einem
einzigen Gedanken und Formenkreise beschäftigt hätte. Sie hat
stets Platz für mannigfache Interessen, und die ihm eigentümliche
Lust und Freude am Erfinden kann wohl zeitweilig weniger deutlich
an die Oberfläche treten, sie lässt sich aber niemals völlig zurück-
drängen. Während der Reise fasste Dürer den Plan, die Passion
Christi noch einmal, zum fünften Male, zu verkörpern. Urkundliche
Belege lassen sich zwar dafür nicht vorführen , doch liegt vom
Jahre 1520 angefangen eine Reihe von Zeichnungen vor, welche
diese Absicht unwiderleglich darthun. Die Ausführung dachte er
sich im Holzschnitt. Es sollte demnach die neue Folge von Blättern
gleichsam die grosse Passion ersetzen. Er beschäftigte sich mit
dem Plane auch nach der Heimkehr bis 1524, Hess ihn aber doch
schliesslich aus unbekannten Gründen fallen. Nur für fünf Szenen
haben sich die Skizzen erhalten, für die Anbetung der h. drei Könige,
das Abendmahl, den Ölberg, die Kreuztragung und die Grablegung.
Alle Blätter haben annähernd das gleiche Format, sind als Breit-
bilder komponiert, alle erscheinen von dem gleichen Geist durch-
132
weht. Merkwürdig, dass sich Dürer bei keiner Szene mit einer
einzigen Skizze begnügt , fast jede Handhmg zwei- bis dreimal
komponiert.
Die Anbetung der h. drei Könige (1524, Albertina) überrascht
durch die Einfachheit der Schilderung. Alles Nebensächliche, Bunte,
ist weggelassen, alles Episodische unerbittlich beseitigt. Nur die
Hauptpersonen treten auf den Plan. Vor dem Gehöft sitzt die tief
wie eine Matrone verhüllte Maria mit dem gleichfalls in Tüchern
eng gewickelten Christkinde auf dem Schosse. Ihr zur Seite steht,
demütig dankbar für die erwiesene Huldigung, mit dem Hute in
der Hand Joseph. Von den drei Königen hat der eine die Kniee
gebeugt, der andere, hinter ihm stehend, muntert den etwas zag-
haften Mohrenfürsten auf, sich zu nähern. Die Beschränkung auf
wenige Personen gestattet eine tiefere Durchbildung der einzelnen
Gestalten.
In der Federzeichnung des Abendmahls (1523, Albertina) wich
Dürer von der gewöhnlichen Anordnung ab. Er setzt Christus an
die Schmalseite des Tisches, gruppiert an die anderen Seiten die
Apostel und lässt an der Ecke der Vorderseite, von Christus am
weitesten entfernt , den Verräter , der krampfhaft den Geldbeutel
in der Hand hält, Platz nehmen. Diese Komposition erschien ihm
nicht volkstümlich genug und er änderte sie der Überlieferung ent-
sprechend um. Nach dem letzten Entwürfe wurde der gleichzeitige
Holzschnitt ausgeführt. (B. 53). Beide Kompositionen zeichnen
sich durch die freie Gruppierung der Apostel aus. Man möchte
glauben, dass Dürer von der Schöpfung Leonardos einige Kunde
besass, da er gleichfalls die Apostel zu dreien oder vieren einander
näher rücken lässt und die Wirkung der Worte Christi verschieden
je nach der Entfernung abstuft. In Einzelheiten besitzt jede Kom-
position besondere Vorzüge. Auf der Zeichnung steigert der eine
Apostel, welcher sich erhebt, um Christum anzureden, die Lebendig-
keit der Handlung; in dem Holzschnitte ist die Figur des Judas, der in
seiner Verlegenheit mit dem Messer in die Tischplatte sticht, vor-
trefflich erfunden. Bezeichnend ist die Einfachheit der Tisch-
ausrüstung. Auf der Zeichnung stehen ein Kelch, Becher und Brot
auf dem Tische, im Holzschnitte vollends ist der Kelch allein aui
den Tisch gestellt.
In der Szene Christi auf dem Ölberge schwankt er auch jetzt,
wie er schon vor Jahren unentschieden gewesen war. Das eine
Mal hat sich Christus , vom Schmerze überwältigt , platt auf den
00
Boden geworfen, das andre Mal kniet er mit zum Himmel erhobenen
Händen. Von den beiden in Frankfurt bewahrten Federzeichnungen
(L. 199 u. 200) ist die erste vom Jahre 1521 datiert, die andere vom
Jahre 1524. Stimmungsvoller, auch in dem landschaftlichen Hinter-
grunde und mächtiger ergreifend ist die erste Komposition (1521).
134
Das volkstümliche Element waltet naturgemäss in den beiden^
Skizzen der Kreuztragung (1520, Florenz) vor. Bei allem Reichtum
der Schilderung wahrt aber Dürer gegen früher das feinere Mass
der Empfindung, legt den Nachdruck auf die Teilnahme der her-
andrängenden Frauen , der schmerzerfüllten Verwandten , so dass
die Roheit der Schergen , die dummblöde Neugierde des Pöbels
zurücktritt. Man merkt es dem Meister an, dass er nicht mehr
von den Gestalten der Bühne abhängig war, sondern ein reiches
Volksleben vor Augen hatte.
Von der Gewissenhaftigkeit Dürers, zugleich von dem raschen
Zuströmen immer neuer Gedanken giebt es kein besseres Zeugnis,
als dass er 1521 die Grablegung dreimal mit der Feder entwarf. Im
wesentlichen gleichen sich die drei Blätter (Nürnberg, Germanisches
Museum L. 86, Frankfurt L. 198 und Florenz). Die Träger mit dem
Leichnam Christi stehen bereits am Eingange der Grabhöhle,
Männer und Frauen mit Salbbüchsen, die klagenden Freunde gehen
ihnen entweder zuvor oder folgen ihnen. Nur in Einzelheiten, in
der Charakteristik der Träger, in der mehr oder weniger starken
Betonung des Schmerzes, in dem grösseren oder kleineren Mass-
stabe der Figuren unterscheiden sich die Blätter voneinander.
Schade , dass Dürer die neue Passionsfolge nicht zum Abschluss
brachte. Schade, dass noch ein anderer Plan über die Anfänge
nicht hinauskam, denn offenbar trug er sich, wie mehrere erhaltene
Studien darthun , mit dem Gedanken , einen Christus am Kreuze
in grossem Massstabe zu malen. So kamen nicht alle Früchte
der Niederländischen Reise zur Reife. Aber bleibenden Gewinn
trug er doch in die Heimat zurück : die Anschauung eines reichen
Volkslebens kräftigte seinen Formensinn, die Neigung, in gross und
einfach gefassten Charaktergestalten, in Bildnissen seine Kunst zu
bewähren, wurde befestigt.
XIII.
Ernster und religiöser Sinn und Naturliebe begleiteten Dürer
durch sein ganzes Leben. Beide erfuhren im Laufe des letzteren
eine reiche Entwickelung. Im Anfange stand er noch vielfach, wie
seine Zeitgenossen, im Banne phantastischer Vorstellungen. Miss-
geburten, wie das im Dorfe Landsee 1496 geborene Schwein mit
zwei Leibern und acht Füssen, würdigte er der Wiedergabe durch
den Kupferstich. Allmählich läuterten sich seine Naturanschauungen.
Wohl erregte das Seltene in der Natur noch immer die Aufmerk-
samkeit des wissbegierigen Mannes. Er entwirft (15 15) nach einer
ihm mitgeteilten Beschreibung und Zeichnung das Bild eines Nas-
horns für den Holzschnitt, (B. 136) und ist in den Niederlanden
eifrig bemüht, Raritäten aus fernen Ländern zu erwerben und zu
sammeln. Treue und Wahrheit strebte er in allen seinen Natur-
schilderungen an, er vertieft sich liebevoll in die eigentümlichen
Formen der Pflanzen- und Tierwelt, und scheut nicht Fleiss und
Kunst , um der Natur so nahe als möglich zu kommen. Dieser
verständnisvollen Naturfreude danken wir die zahlreichen mit
Wasserfarben auf Pergament ausgeführten Bilder von Gräsern und
Blumen , von Rindsmäulern , Vogelflügeln , von Hirschschrötern,
Mandelkrähen und Reihern.
136
Auch in dem religiösen Kreise begann er mit der Verkörperung
der heimlichen Offenbarung, um allmählich zu den farbenhelleren,
die menschliche Empfindung unmittelbar packenden Schilderungen
aus dem Leben Christi und Maria überzugehen und zuletzt in der
Passionsgeschichte den Kernpunkt für sein künstlerisches Schaffen
zu finden. Bei Dürer dart man aber Werk und Persönlichkeit
nicht trennen. In jenem spiegelt sich stets hell und klar die
Stimmung, das innere Leben des Künstlers wieder. Wie seine
Phantasie nicht müde wird, immer und immer wieder das Leiden
Christi anschaulich zu gestalten , so erscheint auch sein sittlich
religiöser Sinn von der Bedeutung des Kreuzestodes tief ergriffen,
und er findet in ihm den Grund- und Eckstein des wahren
Glaubens.
Diese Überzeugungen machten ihn für die religiösen Gedanken,
Zweifel und Kämpfe, welche seit dem Anfang des Jahrhunderts in
den Seelen mächtig hin und her wogten, empfänglich. Er wurde
gleichfalls von der geistigen Bewegung tief ergriffen, die wir kurz
und gut als Reformationsstimmung bezeichnen. Seine ganze Um-
gebung brachte ihn ohnehin derselben nahe. Er verkehrte am
liebsten und innigsten unter den Männern der neuen Zeit, welche
in keiner andern deutschen Stadt so einflussreich und massgebend
waren wie in Nürnberg. Uberblickt man die Namen seiner Freunde
und Gönner von Celtes , Schedel, Scheurl, Pirkheimer bis zu
Spalatin, Nützel, Spengler, Holzschuher, Melanchthon, so begrüsst
man lauter Männer , welche in der litterarischen Welt oder im
öffentlichen Leben eine grössere Rolle spielten, an den geistigen
Kämpfen regen Anteil nahmen. Sie führten ihn in das Reich der
Humanisten ein, und als sie aus diesem vornehm sich absperrenden,
dem wirklichen Leben eigentlich abgewandten Kreise heraustraten
und der volkstümlichen Bewegung sich anschlössen, fanden sie in
Dürer einen treuen Genossen. Dürer war über den Kampf Reuchlins
mit den Dunkelmännern wohl unterrichtet, die Schriften des Erasmus
waren ihm eine Quelle der Ergötzung und künstlerischen Anregung.
Erasmische Gedanken hallen in den berühmten Kupferstichen aus
den Jahren 15 13 und 15 14 nach. Tiefe Verehrung zollte er dem
Manne, einem ,, tapferen Ritter Christi", welchem er den fröhlichen Willen
zutraut, für die Wahrheit den Märtyrertod zu erleiden. Als Luther
seine Stimme erhob, gab es wenige Männer, welche so eifrig auf
ihn hörten und so treu ihm anhingen, wie Dürer. Bereits im An-
fange des Jahres 15 18, also nur wenige Monate, nachdem Luther
137
seine Thesen angeschlagen hatte , huldigt ihm Dürer durch Über-
sendung mehrerer Stiche und Schnitte. Die kleine Gemeinde, welche
sich in Nürnberg um den Prediger Wenzel Link sammelte und
Luther wiederholt grüssen liess, zählte auch Dürer zu ihren Mit-
gliedern. Zu dem feurigsten Danke bewegt ihn, dass der Kurfürst
von Sachsen ihm durch Spalatin 1520 etliche Büchlein Luthers
schenkt. An den Dank knüpft er die Bitte: ,,der Kurfürst möge
sich den löblichen Doktor Martin Luther befohlen sein lassen, der
christlichen Wahrheit wegen, woran uns mehr liegt, denn an allem
Reichtum und Gewalt dieser Welt. Diese vergehen mit der Zeit,
allein die Wahrheit bleibt ewig. Hilft mir Gott , dass ich zu
Martinus Luther komme, so will ich ihn mit Fleiss konterfeien
und in Kupfer stechen, zu einem langen Gedächtnis des christlichen
Mannes , der uns aus grossen Ängsten geholfen hat und ich bitte,
wo Doktor Martinus Luther etwas Neues macht, das deutsch ist,
wollet mir es um mein Geld senden." In der That sammelte er
eifrig die Schriften Luthers und zeigt sich erbötig, das ,, Schutz-
büchlein Martini", welches Lazarus Spengler verfasst hatte, trotz
Bannfluch und Kirchenstrafe an Spalatin zu schicken. Unter den
Manuskripten Dürers im Britischen Museum befinden sich, von
Dürers eigener Hand geschrieben, die Titel von sechzehn frühen
lutherischen Schriften , Predigten , Beschlussreden , Auslegungen,
welche Dürer entweder besass oder zu lesen wünschte. An dem-
selben Ort befindet sich und aus der gleichen Zeit (ungefähr 1520)
stammt auch der Ausschnitt aus einer Predigt Luthers, welche er
gleichsam als sein persönliches Bekenntnis niedergeschrieben hat.
,,Als wir durch den Ungehorsam der Sünden in ewigen Tod ver-
fallen sind, hat uns durch keinen Weg geholfen mögen werden, denn
dass der Sohn Gottes Mensch wurde, auf dass er durch sein un-
schuldig Leiden dem Vater alle unsere Schuld überflüssig bezahlet,
damit dass die Gerechtigkeit Gottes erfüllt würde. Denn er hat
aller unserer Welten Sünden bereut, gebüsst, und bei dem Vater
das ewige Leben erlangt. Zu wem Christus kommt, der ist lebendig.
Nichts Gutes ist in uns, es werde denn in Christus gut. Darum,
welcher sich ganz gerecht will machen, der ist ungerecht. Wir
können kein Gutes wollen, Christus will es denn in uns." Die längere
Abwesenheit von der Heimat schwächte sein Interesse für die
feformatorische Bewegung nicht ab. Der Verkehr mit Erasmus zu
Rotterdam, mit Peter Ägidius, dem Schöffenschreiber, dem Stadt-
sekretär Cornelius Grapheus, dem Astronom Nikolaus Kratzer, mit
138
den reformfreimdlichen Augustinermönchen in Antwerpen liess ihn
in dem Interessenkreise heimisch bleiben, welchem er in der Vater-
stadt im Vereine mit Pirkheimer, Spengler gehuldigt hatte.
Von seinem Lutherkultus legt der Klageruf das beste Zeugnis
ab, welchen er ausstiess, als sich in Antwerpen zu Pfingsten 1521
die (falsche) Nachricht verbreitete, Luther sei von seinen Feinden
bei der Rückkehr von Worms verräterisch überfallen worden und
werde in geheimer Gefangenschaft gehalten. ,,Lebt er noch oder
haben sie ihn gemordet, das ich nicht weiss, so hat er das ge-
litten um der christlichen Wahrheit willen und um dass er gestraft
hat das unchristliche Papsttum, das da strebt wider Christus Frei-
lassung mit seiner grossen Beschwörung der menschlichen Gesetze
und auch darum, dass wir unseres Blutes und Schweisses also be-
raubt und ausgezogen werden und dasselbe so schändlich von
müssiggehendem Volke lästerlich verzehret wird und die dürstigen
kranken Menschen darum Hungers sterben. Und sonderlich ist mir
noch das Schwerste , dass uns Gott vielleicht noch unter ihrer
blinden falschen Lehre will lassen bleiben, die doch die Menschen,
welche sich Väter nennen, erdichtet und aufgesetzt haben, dadurch
uns das köstlich Wort an vielen Enden fälschlich ausgelegt wird
oder für gar nichts gehalten wird." Er fleht Gott und Christi
Barmherzigkeit an, das arme Volk zu erlösen. ,,Nie ist ein Volk
mit Menschengesetzen also geistlich beschweret worden unter dem
römischen Stuhl, die wir täglich durch dein Blut erlöst freie Christen
sollen sein." Er hofft, dass ,,Gott den Nachfolger Christi, Martin
Luther, den der Papst mit seinem Gelde verräterisch wider Gott
um sein Leben bringt, erquicken und er das alte Jerusalem so auch
die angenommene Gewalt des römischen Stuhls zerstören wird."
,, Darum sehe ein jeglicher, der da Martin Luthers Bücher liest,
wie seine Lehre so klar durchsichtig ist, so er das heilige Evangelium
führt, darum sind die in grossen Ehren zu halten und nicht zu
verbrennen, es wäre denn, dass man sein Widerpart ins Feuer
würfe , mit allen ihren Opinionen, die da aus Menschen Götter
machen." Er fordert Erasmus auf, für Luther einzutreten, dessen
Werk fortzusetzen und schliesst den langen, im Tagebuch nieder-
gelegten Herzenserguss mit einem Spruche aus der Apokalypse :
,,Das sind die Erschlagenen, unter dem Altar Gottes liegend und
schreien um Rache, darauf die Stimme Gottes antwortet : Erwartet
die vollkommene Zahl der unschuldig Erschlagenen, dann will ich
richten."
139
Voll der besten Wünsche für Luthers Werk war Dürer im
Sommer 1521 in die Heimat zurückgekehrt. Er wurde hier Zeuge
des weiteren Verlaufes der Reformationsbewegung. Mit der glück-
seligen Stille, der ,,beata tranquillitas" war es vorbei. Ungestört
im behaglichen Lebensgenüsse mit mutigem Verstand und scharfem
Witze die Irrtümer mittelalterlicher Bildung und die kirchlichen
Missbräuche zu bekämpfen, genügte nicht mehr, seitdem die geistige
Strömung weite Volkskreise erfasst hatte, viele bis dahin in hu-
manistischer Luft flatternde Gedanken in praktische Forderungen
sich verwandelten , der Schauplatz aus der Gelehrtenstube in die
offene Landschaft übertragen wurde. Jedes grosse geschichtliche
Ereignis , sobald es nicht mehr bloss in der Brust eines Mannes
keimt, sondern auf die Weltbühne heraustritt, zieht Furchen, welche
keine Persönlichkeit mehr zuschütten kann. Die weitere Entwickelung
vollzieht sich unabhängig vom Einzelwillen. So geschah es auch
jetzt. Der Kampf, ursprünglich durch ein hartbedrängtes Gewissen
hervorgerufen, musste auch auf kirchenpolitischem Gebiete ausge-
fochten werden. Dadurch werden gar mannigfache Interessen in das
Mitleiden gezogen, Hoffnungen und Befürchtungen angeregt. Freunde
und Feinde geschaffen. Selbst unter den Anhängern der Luther-
schen Lehre bildeten sich bald , je nach dem Temperament , der
grösseren oder geringeren Leidenschaft, oder durch den Hinzutritt
äusserer Einflüsse verschiedene Meinungen und Gegensätze heraus.
Auch Dürers Freundeskreis blieb von solchem Zwiespalt nicht un-
berührt. Während einzelne Freunde, wie Lazarus Spengler, rüstig
auf der eingeschlagenen Bahn weiterschritten , erschraken andere
wieder vor allerhand Erscheinungen , welche am Horizonte auf-
tauchten , eine Entfesselung böser Geister fürchten Hessen. Sie
hätten am liebsten der Bewegung Stillstand geboten. Zu ihnen
gehörte vor allen Dürers bester Freund Willibald Pirkheimer.
Vom Podagra weidlich geplagt , in seinen Familieninteressen
verletzt, über seinen verringerten Einfluss im Rate ärgerlich, verlor
Pirkheimer den Lebensmut und sah alle Dinge im trübsten Lichte.
Kurz vor seinem Tode verfasste er an den kaiserlichen Bau-
meister in Wien, Tscherte, einen reformfreundlich gesinnten Mann,
einen Brief, in welchem er der Reformation halb aufsagte. Er sei,
heisst es darin, anfänglich gut lutherisch gewesen, weil er gehofft,
,,die römische Büberei, desgleichen der Mönche und Pfaffen Schalk-
heit sollte gebessert werden : So man aber jetzt zusieht, hat sich
die Sache so verärgert, dass die evangelischen Buben jene Buben
140
fromm machen. Die vorigen Buben haben uns mit Gleissnerei und
List betrogen, derweilen die jetzigen öffentHch ein schändUch und
sträfHch Leben führen und dabei die Leute mit sehenden Augen
bUnd werden und sagen , man soll sie nicht nach ihren Werken
(sondern nach ihrem Glauben) beurteilen. Ihre Werke geben aber
zu erkennen, dass da weder Glauben noch Treue ist, keine Gottes-
furcht, keine Liebe des Nächsten, Hinwerfung aller Ehrbarkeit und
guter Sitten, Kunst und Lernung. Der gemeine Mann wird durch
ein solches Evangelium unterrichtet, dass er nicht anderes gedenket,
denn wie eine gemeine Teilung geschehen möchte und wahrlich,
wo die grosse Vorsicht und Strafe nicht wäre, es würde sich gar
bald eine allgemeine Beute (Plünderung) erheben, wie an vielen
Orten schon geschehen ist. Dieses alles aber schreibe ich nicht
darum , dass ich des Papstes , seiner Pfaffen und Mönche Wesen
loben könnte oder wollte, denn ich weiss, dass es in vielen Wegen
sträflich ist und wohl einer Besserung bedarf. Es ist aber leider
vor Augen , dass das andere Wesen auch in keinem Wege (zu
loben) sei , wie das Luther selbst sagt und bekennt , auch viele
fromme gelehrte Leute , so dem wahren Evangelium anhängen,
mit Schmerzen ihres Herzens vor Augen sehen und bekennen,
dass dieses Wesen keinen Bestand haben könne. Die Papisten
sind doch zum mindesten unter ihnen selbst eins ; dagegen sind
die, so sich evangelisch nennen, mit dem Höchsten untereinander
uneins und in Sekten geteilt. Die müssen ihren Lauf haben, wie
die schwärmenden Bauern , bis sie zuletzt gar verruten". Die in
diesen Sätzen ausgesprochene Sinnesweise wird häufig auch auf
Dürer übertragen, da Pirkheimer gleichsam auch in dessen Namen
spricht, am Anfange seiner Seufzer und Klagen Dürer ausdrücklich
als Genossen anführte. ,,Ich bekenne, dass ich anfänglich auch
gut lutherisch gewesen bin, wie auch unser Albrecht seliger."
Wie Pirkheimer schreibt , so dachte er damals auch gewiss.
War er aber in der Stimmung , die Dinge ruhig und unbefangen
zu betrachten ? Derselbe Brief, welchem die so harten Urteile über
den weiteren Fortgang des Reformationswerkes entlehnt sind, ent-
hält auch die berüchtigte Schilderung der Frau Agnes als leib-
haftiger Xantippe, als ein habsüchtiges, gewöhnliches Weib, welche
durch ihr stetes Keifen und Zanken Dürer vorzeitig in das Grab ge-
bracht hätte. Dass Pirkheimer sich hier der gröbsten Übertreibung,
sogar einer schnöden Verleumdung schuldig gemacht , darüber
herrscht nur eine Meinung, ebenso wird allgemein anerkannt, dass nur
141
die schwarzgallige Stimmung, in welcher er sich befand, ihn entschul-
digen kann. Dieses verdriessliche, gallige Wesen kommt nicht an
dieser einen Stelle allein zum Durchbruche , es durchweht den
ganzen langen Brief an Tscherte. Pirkheimer hat selbst gefühlt,
dass er in seinen persönlichen Anschuldigungen und seinen trüb-
sinnigen Weissagungen zu weit gehe und nimmt die einer ärger-
lichen , subjektiven Stimmung entsprungenen Vorwürfe teilweise
zurück. Wie er zugiebt, dass Dürers Gattin keine Bübin, sondern
eine fromme, ganz gottesfürchtige Frau gewesen sei , so verwahrt
er sich auch eifrig dagegen, als ob er dem alten Glauben und dem
Papsttum angehöre und ruft Luther selbst für die Richtigkeit seiner
Beobachtungen als Schutzzeugen an. Und richtig waren auch diese
Beobachtungen , doch nur in einem beschränkten Kreise gültig.
Die Schwarmgeister , die radikalen , auf einen gewaltsamen und
vollständigen Bruch mit den alten Satzungen arbeitenden Männer,
wie Carlstadt und Münzer, die aufständischen Bauern hatten seinen
Zorn und seine Angst geweckt. Er sah nur die kirchenpolitischc
Seite der Reformation, fürchtete den Sturz eines geordneten Gemein-
wesens und verzagte an der Möglichkeit , diese leidenschaftlichen,
vielfach in der That volkstümlichen Parteien zu bändigen. In
einem ruhigen Augenblick schied er zwischen dem richtigen Ge-
brauche und dem Missbrauche der neuen Lehre genauer und un-
befangener.
Am I. September 1527, also nur acht Monate vor Dürers
Tode, sandte er diesem die lateinische Übersetzung der Theophrasti-
schen Charaktere mit einer herzlichen Widmung, in welcher er die
sittliche Bedeutung der Schrift hervorhebt und weiter hinzufügt :
,,die menschUchen Begierden und Leidenschaften pflegen bisweilen
durch Sitte und Gesetz gezügelt , längere Zeit sich zu verbergen,
und nur bei passender Gelegenheit aus den geheimsten Tiefen des
Herzens hervorzubrechen. Dass sich das in Wahrheit so verhalte,
beweisen gerade unsere Zeiten, in denen allzugrosse Freiheit auch
allzugrossen Übermut erzeugt, so dass, wenn gleich da und dort
die Wahrheit gepredigt wird , doch nichts weniger geschieht, als
was sie verlangt; nicht anders, als ob das Reich Gottes mehr in
blossen Worten, als in der Bethätigung durch Thaten bestände".
Dieser Ausspruch klingt doch anders als die polternde Anklage
im Briefe an Tscherte und zeigt deutlich , dass Pirkheimer sich
wesentlich nur durch die hässlichen Auswüchse der Reformations-
lehre beschämt fühlt.
142
Besass aber weiter Pirkheimer ein Recht , Dürer sich unbe-
dingt in allen Anschauungen gleichzustellen? Melanchthon, welcher
1524 und 1526 viel mit Dürer und Pirkheimer verkehrte, erzählt,
dass die beiden Männer sich öfter über religiöse Dinge gestritten
und Dürer dem Freunde heftig widersprochen hätte. Dabei hätte
Dürer einen solchen Scharfsinn und Freiheit des Verstandes ent-
wickelt, dass Pirkheimer recht in die Enge getrieben wurde. Auf
die hochmütige Zurechtweisung des Nürnberger Gelehrten : Was
du da sagst , kann nicht gemalt werden, durfte Dürer mit über-
legener Ruhe antworten : Und was du da vorbringst, kann nicht in
Worte gekleidet, nicht einmal von der Seele gefasst werden. Die
einfache Klarheit und Überzeugungskraft, bei dem leicht polternden
Pirkheimer vermisst, fand dagegen Dürer, ebenfalls nach dem Zeug-
nisse Melanchthons, in Luthers Schriften und machte ihn zu ihrem
eifrigen Leser. „Die Klarheit und die wohlgeordnete Gliederung
der Gedanken zeichnen sie aus. Hat man nur einige wenige Sätze
auf der ersten Seite der Lutherschen Schriften gelesen, so erkennt
man sofort, welche Aufgabe Luther sich gestellt habe und wie er
sie im ganzen behandeln wird". So viel steht fest, dass Pirk-
heimers und Dürers Ansichten sich keineswegs unbedingt deckten,
der eine nicht für den andern als Sprecher auftreten kann. Es
ist sogar gestattet , weiter zu gehen. Pirkheimers trübselige An-
schauungen sind uns mit seinen eigenen Aussprüchen bekannt.
Wenn nun Dürer gerade in religiösen Dingen mit ihm häufig in
Widerstreit geriet, so müssen wir glauben, dass er hoffnungsvoller
von der Zukunft dachte , eine freundlichere Stellung zum Refor-
mationswerke einnahm. Gegen die Schwarmgeister , gegen die
radikalen Stürmer eifert er gleichfalls. Obschon er anfangs mit
Carlstadt in nahem Verkehr stand, so dass dieser ihm eine gegen
Rom gerichtete Flugschrift : Von Anbetung und Ehrerbietung der
Zeichen des Neuen Testamentes, widmete, so wollte er doch von
dem gewaltsamen Bruche mit dem alten Kultus nichts wissen. Wie
er die ersten Christen wegen ihres Bilderhasses getadelt hatte, so
wandte er sich jetzt gegen die neuen Bilderstürmer. In der Vor-
rede zur Unterweisung der Messung 1525 verteidigte er mit warmen
Worten den hohen Wert der Bilder : ,, Unangesehen, dass jetzt bei
uns und in unseren Zeiten die Kunst der Malerei durch etliche
sehr verachtet und gesagt will werden, sie diene zur Abgötterei,
so wird doch jeglicher Christenmensch durch Gemälde oder Bild-
nisse so wenig zu einem Afterglauben gezogen , als ein frommer
143
Mann zu einem Morde darum, dass er ein Waffen an seiner Seite
trägt. Müsste wahrlich ein unverständiger Mensch sein , der Ge-
mälde, Holz oder Stein anbeten wollte. Darum ein Gemälde mehr
Besserung denn Ärgernis bringt , so es ehrbarlich , künstlich und
wohl gemacht ist".
Wie er über die Bauernkriege, auch hier in Ubereinstimmung
mit Luther, dachte, darüber belehrt uns die an gleichem Ort ent-
worfene ,, Viktoria über die aufrührerischen Bauern". Die scherz-
hafte Aussenseite birgt einen bitteren Kern. Der betörte Karsthans
lässt die guten Sachen , die Früchte des Feldes , sein Vieh und
seinen Käse hinter sich liegen und wird für seinen Ubermut mit
schmählichem Tode bestraft. In seiner unmittelbaren Nähe, in dem
Nürnberger Künstlerkreise hatte das Treiben der Sektierer um sich
gegriffen. Hieronymus Andrae, der berühmte, auch von Dürer viel-
beschäftigte Formschneider, hatte sich mit den aufständischen Bauern
ins Einvernehmen gesetzt und gegen den Rat Hass und Wider-
stand geschürt. Er wurde dafür 1525 in das Gefängnis geworfen.
Drei Maler, die ,, gottlosen Maler", Sebald und Barthel Beham und
Georg Pencz , von denen namentlich der letztere mit dem Dürer-
schen Hause nähere Beziehungen unterhielt, zählten zu den eifrigsten
Anhängern Müntzers. Sie wurden als Sakramentsleugner, Schrift-
verächter vor das Gericht gestellt und mit Verbannung bestraft.
Wie sich Dürer zu diesen Vorgängen verhielt , darüber hat sich
keine Kunde erhalten. Mit Bestimmtheit kann man nur behaupten,
dass er nach wie vor dem Reformationswerke treu anhing, von
dessen Stützen und Freunden als Genosse angesehen wurde, wie
er auch seinerseits mit ihnen herzlich verkehrte. Der Astronom
des Königs von England, Nicolaus Kratzer schrieb ihm (24. Ok-
tober 1524) von London: ,,Nun da Ihr Alle in Nürnberg evan-
gelisch geworden seid, muss ich Euch schreiben. Gott möge Euch
die Gnade verleihen auszuharren. Die Widersacher sind stark,
aber Gott ist noch stärker und gewohnt dem Schwachen zu helfen,
die ihn anrufen und erkennen". Dürer ging in seiner Antwort
(5. Dezember) auf Kratzers gute Wünsche ein. ,,Item des christ-
lichen Glaubens halber müssen wir in Schmach und Gefahr stehen;
denn man schmäht uns, heisst uns Ketzer. Aber Gott verleihe uns
seine Gnade und stärke uns in seinem Worte , denn wir müssen
Gott mehr gehorsam sein , denn den Menschen. So ist es besser
Leib und Gut verloren, denn dass von Gott unser Leib und Seele
in das höllische Feuer versengt werde. Darum mache uns Gott
144
beständig im Guten und erleuchte unsere Widersacher, die armen
bUnden Leute, auf dass sie nicht in ihren Zweifeln verderben. Von
neuen Mären ist zur Zeit nicht gut zu schreiben. Aber es sind
viel böse Anschläge vorhanden. Es wird allein der Wille Gottes
geschehen".
Ein anderer Freund der Reformation , der Stadtschreiber
Cornelius Grapheus , sah in Dürer eine feste Stütze der Evan-
geUschen und empfahl ihn (23. Februar 1524) mehreren Männern
(Brüdern), welche ihres Glaubens wegen die Niederlande verlassen
mussten. Im Namen der Freunde, welche sich Dürer in den Nieder-
landen erworben hatte, bittet er diesen um Nachricht, wie er sich
befinde , und was in Nürnberg vorgehe. ,,Denn es ist ja kein
Zweifel, dass grosse Dinge geschehen. Über mein Befinden schreibe
ich nichts. Darüber können Euch die Überbringer dieses Briefes,
vortreffliche Männer und durch und durch gute Christen, unter-
richten. Ich empfehle sie Euch und unserem Pirkheimer wie mich
selber. Denn sie sind würdig, den besten Männern, da sie selbst
solche sind, empfohlen zu werden. Bei uns erhebt sich eine grosse
und täglich sich steigernde Verfolgung wegen des Evangeliums, wie
Euch unsere Brüder, die Briefträger, alles deutlicher erzählen werden".
Die in der Fremde lebenden, über die Nürnberger Vorgänge
vielleicht schlecht unterrichteten Freunde der Reformation waren
es nicht allein, welche Dürer als Bundesgenossen ehrten ; auch die
Helden derselben bauten auf ihn und standen mit ihm bis an sein
Lebensende im vertrauten Verkehre. An Ulrich Zwingli sandte er
durch Felix Frey Grüsse und schenkte ihm Proben seiner Kunst.
Mit den Lehrern des neu errichteten Nürnberger Gymnasiums
pflegt er freundlichen Umgang , namentlich mit Eoban Hesse
und Joachim Camerarius. Das Gymnasium aber war zum Träger
der neuen von der Reformation empfohlenen Bildung bestimmt.
Eoban Hesses Leichengedicht , noch mehr die Äusserungen in
seinen Briefen legen von der Verehrung, welche Dürer genoss, und
von der tiefen Trauer, welche sein vorzeitiger Tod hier in weiten
Kreisen weckte, ein lebendiges Zeugnis ab. Auch Luther beklagt
seinen Tod , pries ihn aber glücklich , dass Christus ihn so er-
leuchtet und zu guter Stunde aus diesen stürmischen Zeiten fort-
genommen hat. Mit Joachim Camerarius beriet er seine littera-
rischen Pläne. Er forderte den Gelehrten auf, sein Werk über die
Proportionen in das Lateinische zu übertragen und war willig, die
Arbeit durchzusehen. Der Tod kam dazwischen. Erst mehrere
145
Jahre später gab Camerarius die lateinische Übersetzung heraus
und begleitete sie mit einer ausführlichen Vorrede , in welcher er
nicht allein Dürer eine glänzende Lobrede hielt, sondern auch
mannigfache Beiträge zur Biographie des Künstlers, zu seinem äusseren
Aussehen, seinem Aufenthalte in Italien bietet. Am nächsten stand
ihm Melanchthon. Zweimal, 1524 und 1526, nahm dieser als Rat-
geber bei der Gründung des Gymnasiums einen längeren Aufent-
halt in Nürnberg und knüpfte mit Dürer eine enge Freundschaft.
Das meiste und beste, was wir über Dürer, seine Denkweise, seine
Entwickelung in späteren Jahren wissen , danken wir den Mittei-
lungen Melanchthons. Sie setzen einen überaus regen Verkehr
der beiden Männer voraus und bekunden, dass Dürer sein ganzes
Herz Melanchthon ausgeschüttet hat. Ausser Pirkheimer besass in
der letzten Zeit seines Lebens Dürer keinen besseren Freund als
den ,,praeceptor Germaniae". Als Melanchthon über Frankfurt die
Nachricht von Dürers Tod empfing, wollte er anfangs die Trauer-
botschaft nicht glauben. ,,Was beklage ich Deutschland, dass es
einen solchen Mann, einen solchen Künstler verloren hat." Dürer
gehörte nicht zu den leidenschaftlichen Stürmern. Er hielt gewiss
an einzelnen Sitten und Einrichtungen der alten Kirche fest. Er
hat kein protestantisches Bekenntnis abgelegt, aber frühzeitig refor-
matorische Gedanken gehegt und immer kräftiger entwickelt. Nicht
allein als private Person, sondern auch als Künstler.
XIV.
Camerarius betont in der Vorrede zur lateinischen Ausgabe
der Proportionen den engen Zusammenhang zwischen Dürers
Werken und seiner persönHchen Natur. Als die Frucht der letz-
teren haben wir die Stiche, Schnitte, Zeichnungen und Bilder auf-
zufassen. Er hebt als Beispiel hervor , dass sich seine Wünsche
und seine Empfindungsweise in allen Schöpfungen widerspiegele.
,,Wir bewundern ihn mit Recht am meisten als den Hüter der
Frömmigkeit und Bescheidenheit, zugleich als den Mann, der, wie
die kühne Grösse seiner Bilder zeigt , der eigenen Kraft voll be-
wusst war. Nicht eine einzige Linie ist falsch oder nachlässig ge-
zogen, nicht ein einziger Pinselstrich überflüssig". Aus der Rich-
tung , welche er in seinen Werken einschlug , dürfen wir mit
Sicherheit auf seinen Charakter und dessen Entwickelung schliessen.
Fragen wir aber nicht etwa nach kirchlichen Tendenzen in seinen
späteren Arbeiten. Auf diese Frage giebt er keine Antwort. Die
kirchliche Kunst war ihm überhaupt seit langer Zeit ganz fremd
geworden. Dürer hielt die Kunst zu hoch , als dass er sie zu
anderen als künstlerischen Zwecken verwendet hätte. Sie ist und
bleibt für ihn ein selbständiges Reich. Das schliesst aber nicht
aus , dass Gedankenkreise , welche sich seiner ganzen Seele be-
mächtigt hatten, für deren Wahrheit er persönlich einstand , nicht
147
auch in seiner Phantasie herrschten und einen künstlerischen Aus-
druck fanden.
Das rückschauende Auge des Historikers verweilt nicht bei
den einzelnen Ereignissen , sondern sucht nach ihrem Zusammen-
hange und fasst sie als grosse Einheit zusammen. So folgenreich,
für uns Deutsche epochemachend , die Trennung von der alten
Kirche, die Feststellung eines neuen Bekenntnisses auch ist, so füllt
doch dieses Ereignis den Rahmen nicht vollständig aus, welcher
das Reformationszeitalter im historischen Sinne in sich schliesst.
In dem Gedankenkreise und dem Formensinn, namentlich der ger-
manischen Menschheit, waren grosse Veränderungen vor sich ge-
gangen , welche alle mehr oder weniger miteinander zusammen-
hingen. Die Pforte , durch welche die Kunst des siebzehnten
Jahrhunderts glänzend und siegreich eintritt , wird leise geöffnet.
Wie auf religiösem und sittlichem Gebiete das Streben dahin geht,
das Verhältnis zu den Idealen innerlich zu vertiefen und persönlich
zu gestalten, so nimmt der wissenschaftliche Sinn und die Phantasie
die Beobachtung zum Ausgangspunkte und sucht in das Innere der
Natur, der menschlichen Erscheinung einzudringen. Der Gewissen-
haftigkeit dort entspricht hier der ernste Trieb nach reichstem
Wissen. Mit der Fülle und der Schärfe der Beobachtungen mehrt
sich das Verständnis und steigert sich das Interesse. Wie die
Wissenschaft das Gesetzmässige in der Bildung und Entwickelung
der Dinge erkennt , so fasste die Phantasie eine immer wärmere
Liebe zu ihnen. Sie sucht die Schönheit nicht ausserhalb, gleich-
sam über der Natur. So wie sie ist, erscheint die Welt voll der
mannigfachsten Reize , wert von der Kunst verkörpert zu werden.
Die liebevolle Wahrheit wird ihr Ziel. Dieses galt von der
landschaftlichen Natur wie von der menschlichen Erscheinung.
Das Porträt tritt in den Vordergrund der Kunstpflege. Nicht das
Einzelbildnis und die Bildnisgruppe allein sind dabei gemeint.
Auch reichere Schilderungen, umfassendere Kompositionen ein-
zelner Naturstudien , besitzen eine porträtmässige Grundlage. Das
Bildnis selbst spiegelt, dem Zuge der Zeit entsprechend, das
Innere des Dargestellten , sein Temperament , seine Sinnesweise
lebendig wieder, es wird zur Charakterfigur. Selbstverständlich
mussten mehrere Menschenalter vorübergehen, ehe die neue Kunst-
richtung reife Früchte trug. Erst im siebzehnten Jahrhundert,
vornehmlich bei den Holländern, gewann sie volle Kraft. Vor-
bereitet und begonnen wurde sie aber bereits im Zeitalter der
lO*
148
Reformation, in deren Grund und Boden sie wurzelte. Der Mann
aber, welcher ihr vor allen anderen zum Durchbruche verhalf, war
Albrecht Dürer.
Seine Natur, seine künstlerischen Neigungen, seine theo-
retischen Studien hatten ihn für diese Rolle wirksam vorbereitet.
Von früher Jugend hatte er sich Porträtdarstellungen zugewandt
und an ihnen sein Auge stetig geübt. Im Jahre 15 14 stach er
in kleinem Massstabe die Apostel Paulus und Thomas (B. 50, 48) ;
die ersten Gestalten, welche ein eingehendes Gewandstudium, und
zugleich das Streben nach einem gesammelten Ausdrucke in den
Köpfen verraten. Der Aufenthalt in den Niederlanden, wo auch
sein Formensinn mannigfache Anregungen fand und die Strömung
in der Heimat nach seiner Rückkehr förderten die in ihm schon
lange keimenden Neigungen. In die letzten Lebensjahre fallen
(mit Ausnahme des kleinen Kardinals) sämtliche gestochenen Por-
träts , die schönsten Porträtzeichnungen und die berühmtesten ge-
malten Bildnisse.
Eine alte Schuld hatte er an Erasmus von Rotterdam abzutragen.
Er hatte ihn in Brüssel 1520 mit der Kohle zu zeichnen begonnen.
Nach dieser Zeichnung stach Dürer 1526 das Bildnis (B. 107),
welches den Gelehrten in weitärmeliger Schaube, bedeckten Hauptes
am Pulte emsig schreibend , darstellt. Die Anordnung zeugt von
grosser Sorgfalt. Auf dem Tische , welcher dem Schreibpulte
als Unterlage dient, steht eine Vase mit Blumen, die Bank davor
ist mit Folianten, offenen und geschlossenen, belegt. Der Künstler
giebt dem Stiche den Charakter eines Gemäldes, bemüht sich auch
seine technische Geschicklichkeit in hellem Lichte zu zeigen. Den
Eindruck frischen Lebens , packender Wahrheit weckt das Blatt
nicht ; es brachte Dürer von Erasmus nur kühles Lob ein ,,dass es
nicht ganz ähnlich sei, könne nicht wunder nehmen, da er sich in
den letzten fünf Jahren sehr verändert habe." Mit sichtlicher Liebe
sind dagegen die Züge Pirkheimers und des Kurfürsten Friedrich des
Weisen von Sachsen (1524) wiedergegeben (B. 106, 104). Anziehend
von Natur sind gewiss weder die eine noch die andere Persönlichkeit
gewesen. Alter und Fett hat die Gesichter aufgedunsen , schwer
und stumpf gemacht. Wie vortrefflich macht sich die kleine Ver-
drussfalte bei Pirkheimer geltend, wie klar spricht aus dem matt-
gewordenen Auge, dem Doppelkinne der Rückgang geistiger
Schärfe, die Neigung zum Genussleben. Milde und Gutmütigkeit
prägt sich in dem Kopfe des Kurfürsten aus, aber zugleich eine
149
gewisse zähe Beharrlichkeit. Dazu tritt die meisterhafte Führung
des Grabstichels in beiden Blättern hinzu, ohne dass durch die
Feinheit der Haar- und Bartbehandlung der stolze, selische Aus-
druck als das Wesentliche, das Charakteristische abgeschwächt würde.
Technisch minder gelungen , in den Schatten zu schwarz geraten,
erscheint Melanchthons Porträt (1526, B. 105), mit welchem Dürer
wahrscheinlich seine Thätigkeit als Stecher abschloss, wie mit dem
Bildnisse des Eoban Hesse seine Wirksamkeit für den künstlerischen
Holzschnitt. Trotzdem kommt auch in Melanchthon die psycho-
logische Wahrheit, der eigentümliche Charakter des mehr durch
Gedankenfülle als Thatkraft ausgezeichneten Mannes lebendig zur
Geltung. Dasselbe Jahr 1526, welches uns die gestochenen Eras-
mus und Melanchthon schenkt, ist auch das Geburtsjahr der beiden
berühmten Porträtgemälde , des Jakob Muffel und Hieronymus
Holzschuher. Sie wurden in den letzten Jahren den Schätzen des
Berliner Museums einverleibt. Namentlich das Brustbild des letz-
teren geniesst mit Recht volkstümlichen Ruhm. Ein jugendlicher
Greis wird vor unsere Augen gestellt , welchem das Alter wohl
Haar und Bart weiss färben , aber Kraft und Lebensfülle nicht
rauben konnte. Eine gesunde Röte überzieht gleichmässig das
Antlitz , die blauen, Augen blitzen , die starken Lippen bekunden
Genussfreude. Dürer verschmäht seine alten Künste nicht. Bart
und Haare sind Wunderwerke sorgfältiger und doch leichter Aus-
führung, in den Pupillen spiegeln sich die Fensterkreuze wieder.
Mit der packenden Lebendigkeit Holzschuhers kann das Bildnis
Jakob Muffels nicht wetteifern. Die Farben erscheinen gedämpft, die
Zeichnung ist bis in das Kleinste scharf und bestimmt durchgeführt.
Es fehlt das glückliche Erfassen eines Augenblickes, wodurch die
erstaunliche Lebendigkeit Holzschuhers erzielt wurde. Gönnt man
sich aber die rechte Müsse, so erkennt man auch in dem Bildnisse
des bart- und zahnlosen kahlen Muffel in seiner einfachen schwarzen
Pelzschaube und der goldurchwirkten Kopfhaube die künstlerischen
Vorzüge Dürers , die Wahrheit des Ausdruckes , die gesammelte
Kraft der Charakteristik wieder , welche uns das Recht geben ihn
als Vorläufer der niederländischen Porträtmaler , dieser unerbitt-
lichen und gerade durch die vollkommene Ehrlichkeit so anziehenden
Schilderer der reinen Natur zu begrüssen. Nach der nieder-
ländischen Reise nahm Dürer mit neuem Eifer auch die Apostel-
bilder wieder auf, mit welchen er in dem Jahre 15 14 begonnen
hatte. In das Jahr 1523 fallen die Stiche des h. Bartholomäus mit
ISO
dem Messer und des Simon mit der Säge (B. 47, 49), dem Jahre
1526 entstammt der h. Philippus mit dem Schwerte (B. 46). Was
hat nicht Dürer im Laufe eines Jahrzehntes zugelernt. Die älteren
Apostelfiguren (und die in Wasserfarben gemalten Köpfe der Apostel
Philippus und Jakobus in den Uffizien in Florenz 15 16) verraten in
den Köpfen noch den Kampf zwischen dem erfinderischen Ver-
stände und der von Natureindrücken gesättigten Phantasie. Kein
Zug ist gegen die Natur, aber es mangelt die unmittelbare Glaub-
würdigkeit solcher Kopfbildungen. Die Gewänder zeigen noch
schwere Formen, scharf gebrochene Falten. In den späteren Blättern
dagegen besitzen die Köpfe , ohne an Charakter zu verlieren , ein
porträtartiges Gepräge. Sie geben keine Alltagsnaturen, trotz des
besonderen Aussehens der durchaus greifbaren Persönlichkeiten
wieder. Die Mäntel sind aus einem weicheren Stoffe gewebt,
brechen nicht in scharfen Falten, sondern fallen in langem Wurfe im
ruhigen Flusse herab. Bezeichnend für seine spätere Stichtechnik
sind die feinen hellen Linien, welche die Gewänder umsäumen.
Alle diese kleinen gestochenen Apostel treten aber weit zurück
gegen die vier grossen Apostel, welche er 1526 auf zwei Tafeln
gemalt hatte. Sie sind sein letztes, zugleich sein grösstes Werk,
in welchem er den Gipfel seiner Künstlerkraft erreichte. Im
Jahre 1526 richtet Dürer an den Rat von Nürnberg folgende
Zuschrift: ,,Dieweil ich vorlängst geneigt gewesen wäre. Eure
Weisheit mit einem kleinwürdigen Gemälde zu einem Gedächtnis
zu verehren , habe ich doch solches aus Mangelhaftigkeit meiner
geringschätzigen Werke unterlassen müssen. Nachdem ich aber
diese vergangene Zeit eine Tafel gemalt und darauf mehr Fleiss
denn auf andere Gemälde gelegt habe , achte ich Niemand wür-
diger dieses zu einer Gedächtnis zu behalten als Eure Weisheit,
deshalb ich auch dieselbe hiermit Eurer Weisheit verehre , unter-
thäniger Weise bittend , dieselben wollen dieses kleine Geschenk
gefällig und günstig annehmen und meine günstigen gnädigen Herrn,
wie ich bisher allbei gefunden habe, sein und verbleiben". Wie
das Gesuch Dürers , so hat sich auch die Antwort des Rates
(6. Oktober) erhalten. Der Rath, heisst es in derselben, sei er-
bötig das Werk, ,, eine Tafel mit vier Figuren" zum Andenken
zu behalten, nicht minder aber auch erbötig, ihm dafür zu bezahlen,
was er daran verdient habe. Was er also auch fordere, oder ob
er gleich nichts fordern wollte, so soll es von den Elteren Herrn
angezeigt und ein ehrbarer Ausgleich verhandelt werden. Der
151
Rat beschloss : 112 Gulden Rheinisch Albrecht Dürer für ,,zwei
Tafel , die eine S. Peter und S. Johannes , die andere S. Paulus
und S. Marcus, kunstvoll gemalt, die er einem Rathe geschenkt
hat" auszuzahlen, ihm 100 Gulden und seinem Weibe 12 Gulden.
Auch dem Diener wurden 2 Gulden Rheinisch als Geschenk ver-
ehrt. Dürer begnügt sich nicht damit , die Apostelbilder dem
Rate seiner Vaterstadt zu widmen , sondern fügte noch in Form
von Unterschriften unter jeder Tafel einen Mahn- und Weckruf
an ihn an. ,,Alle weltliche Regenten in diesen gefahrvollen Zeiten
sollen billig acht haben , dass sie nicht für das geistliche Wort
menschliche Verführung machen, denn Gott will nichts zu seinem
Worte gethan , noch davon genommen haben. Darum hört diese
trefflichen vier Männer Petrum, Johannem, Paulum und Marcum".
Er führt sodann aus ihren Schriften die Belegstelle an, aus der
zweiten Epistel Petri (2. 2) die Warnung vor den falschen Pro-
pheten und falschen Lehren, die verderbliche Sekten einführen und
den Herrn verleugnen und ebenso aus der ersten Epistel Johannes
(2. 4) die Mahnung, nicht jeglichem Geiste zu glauben, sondern
die Geister zu prüfen, ob sie von Gott sind. Paulus' zweiter Brief
an Timotheus (K. 3) lehrt , dass in den letzten Tagen greuliche
Zeiten eintreten werden , Schänder , Frevler und Verräter werden
auftreten , welche die Geberde eines gottseligen Wandels haben,
aber seine Kraft verleugnen. Von solchen muss man sich ab-
wenden. Markus endlich (K. 12) macht auf die Schriftgelehrten auf-
merksam , die gern in langen Kleidern gehen und gern obenar
sitzen in den Schulen und über Tisch, aber der Witwen Häuser
fressen. Dieselben werden desto mehr Verdammnis cmpfahen.
Für die richtige Würdigung eines Künstlers und seiner Thätigkeit
bieten auch äusserliche Thatsachen manche Hilfe. Dass Dürer
sein Werk dem Rate von Nürnberg, in welchem Männer der neuen
Zeit, Freunde der reformatorischen Richtung vorherrschten, dass er
den Text der Unterschriften nicht der alten Koberger Bibel, son-
dern der Septemberbibel Luthers entlehnt, wirft denn doch auf die
Stellung Dürers zu den Zeitläuften und zu Luther ein helles Licht.
Die Bedeutung der Unterschriften wächst , wenn man das weitere
Schicksal der Apostelbilder verfolgt. Kurfürst Maximilian von Baiern,
der grosse Verehrer Dürerscher Kunst, wünschte sehnlich in ihren
Besitz zu kommen, stiess aber auf längeren Widerstand des Rates
Man hoffte , er werde sich mit Kopien begnügen , da ,,den Tafeln
Sprüche vom Widerchrist, von Menschensatzungen und Hoffahrt
152
beigegeben sind". Die Jesuiten zu München würden ohne Zweifel
die Zurücksendung derselben anraten. Der kluge , kunstliebende
Fürst resolvierte (1627) kurzweg, die Inschriften seien abzusägen
Johannes und Petrus. Gemälde in der Pinakothek zu München.
und nach Nürnberg zurückzuschicken. Seitdem prangen die Origi-
nale ohne Unterschriften in der Münchener Pinakothek , in Nürn-
berg aber wurden die echten Inschriften an die Gärtnersche Kopie
der Tafeln befestigt.
153
Der Briefwechsel zwischen Dürer und dem Rate hilft auch die
Frage entscheiden , ob die beiden Tafeln ein einheitliches Ganze
Paulus und Markus. Gemälde in der Pinakothek zu München.
bilden oder als Flügel eines grossen Werkes aufzufassen sind.
Wenn Dürer an ein Mittelbild gedacht hätte , so könnte es nur
die Kreuzigung gewesen sein , zu welcher sich aus den zwanziger
154
Jahren einzelne Skizzen und Studien erhalten haben. Es liegt aber
durchaus kein Grund vor, an einen Flügelaltar zu denken. Dürer
spricht nur von einer Tafel , der Rat abwechselnd von einer und
von zwei Tafeln. Die letztere Angabe entspricht der Thatsache ;
aber auch die andere Bezeichnung ist nicht unrichtig, da beide
Tafeln offenbar zu einander gehören , erst zusammen , als Einheit
erfasst und geschaut vollkommen verstanden werden. Den Anlass
zu dem Werke, dessen besondere Bestimmung erklären hinreichend
seine von dem Herkommen abweichende Gestalten.
Dürer gab in denselben einer durch die Ereignisse der letzten
Jahre geweckten, namentlich in den Reichsstädten weitverbreiteten
Stimmung Ausdruck. Arger Zwiespalt hatte die Reihen der An-
hänger der neuen Lehre durchbrochen , Masslosigkeit der For-
derungen , phantastisches Gebaren , auch wohl persönliche Selbst-
sucht den Sieg des Refofmwerkes in Frage gestellt. Schwierig
war besonders die Stellung der Reichstädte, welche der Zeit-
strömung huldigten , aber doch den radikalen Umwälzungen , ins-
besondere auf kirchenpolitischem Gebiete, widerstrebten. Solchen
sorglichen Gedanken hatte bereits Bruder Heinrich von Kettenbach
1525 in seiner ,,Praktica, practiciert auss der heyligen Bibel uff vil
zukünfftig jar" das Wort geliehen. Heinrich von Kettenbach mahnt
in seiner Flugschrift die Reichstadt, Gottes Wort und Schrift vor
Augen zu behalten, erinnert sie an den Spruch Pauli : Ihr sollt alle
Ding bewaren und behalten, was gut ist und an das Wort des
Johannes : Ihr sollt die Geist bewaren, ob sie aus Gott sind. Es
ist bemerkenswert, dass Kettenbach dieselben Apostel als Zeugen
anruft , welche Dürer in den Vordergrund seines Bildes stellt
und ihnen die gleichen Warnungen auf die Lippen legt, welche
wir auf den Unterschriften auf Dürers Tafeln lesen. Es erscheint
nicht allzugewagt , wenn man bei Dürer die Kenntnis der Flug-
schrift des Kettenbach voraussetzt und vermutet, dass er derselben
die erste stoffliche Anregung zu seinem Werke verdankt. Ten-
denzbilder sind aber trotzdem die „vier Apostel" nicht geworden.
In einem Gedankenkreise und einer Stimmung , welche er mit
vielen Zeitgenossen teilte , wurzeln die vier Apostel : Den künst-
lerisch noch toten Stoff verwandelt er in seine persönliche Phan-
tasie um , verleiht ihr eine neue Form und giebt ihm ein selb-
ständig wirksames, malerisches Gepräge. Die Worte der Apostel
sind der unmittelbare Widerschein ihres Charakters. Zur Prüfung
der Geister mahnt Johannes, und so tritt er uns als eine ernste
155
Denker- und Forschergestalt entgegen. Mit dem Eifer der Jugend
begeistert er sich für die Wahrheit, die in dem aufgeschlagenen
Buche verborgen ist. Der sinnende Blick, die hohe Stirn bürgen
dafür , dass er nicht blind glaubt , sondern sorgfältig alles erwägt
und genau überlegt. Paulus schreibt von den greulichen Zeiten,
welche eintreten werden, von den Scheinheiligen, den Frevlern und
Verrätern , von welchen der Gläubige sich abwenden muss. Als
ob der Kampf schon nahte , erscheint der Apostel auf dem Bilde
zur Abwehr gerüstet. Fest hält er den Schwertgriff in der Hand,
scharf blickt er nach dem Feinde aus, zorniger Mut, kühne Ent-
schlossenheit sprechen aus seinem Antlitz. Die beiden anderen
Apostel, Petrus auf der Johannestafel, Marcus auf der Paulustafel
verstärken und ergänzen den Eindruck der Hauptfiguren. So hat
Dürers Phantasie abstrakte Schriftstellen in markig lebendige Cha-
raktere umgeschaffen. Zum Markuskopfe besitzt das Berliner
Kabinet die lebensgrosse Vorzeichnung , den Pauluskopf in Kreide
gezeichnet besass die Sammlung Mitchell in London (jetzt eben-
falls im Berliner Kabinet). Auch zum Petrus hat er die wesent-
lichen Züge der Natur abgelauscht, nur im (übermalten) Johannes-
kopfe wird eine geringere Lebendigkeit bemerkbar. Jetzt begreift
man die frühzeitige Umtaufe der Apostelbilder in die Vertreter der
vier Temperamente. Dürer hat gewiss nicht ursprünglich an die
Darstellung der letzteren gedacht. Seine Gestalten atmen aber,
abgesehen von ihrer biblischen Bedeutung, ein so mächtiges Leben,
tragen so sehr das Gepräge einer von innen nach aussen ge-
wachsenen Persönlichkeit , dass wir unwillkürlich ihre historischen
Namen in psychologische umsetzen und in ihnen die Verkörperung
der Hauptrichtungen menschlicher Empfindungsweise und Willens-
art erkennen.
Nicht genug daran, dass Dürer in den vier Aposteln vollendete
Charakterfiguren schuf, er legte auch in sie alles, was er an Kunst
erworben und erobert hat. Es ist, als ob in seiner Phantasie, während
er die Bilder schuf, seine ganze Vergangenheit vorüberwandelte,
seine Ziele, seine Bestrebungen neu zum Leben erwachten und hier
endlich Erfüllung fanden. In grossem Wurfe zeichnet er die
Gewänder in fetten, kräftigen und doch ruhig wirkenden Farben,
plastisch modelliert, führt er sie aus. Der rote Mantel Johannes,
der weisse, noch von Thorwaldsen als ein Wunderwerk angestaunte
weisse Mantel des Paulus geben den Grundton an und finden in
dem gedämpften Kolorit der hinteren Apostel eine leise Milderung.
156
Auch die Wirkungen der Kontraste weiss Dürer trefflich anzu-
bringen. Jede Tafel ist der anderen in der Haltung der Figuren und
im Ausdrucke entgegengesetzt. Dem milden sinnenden Johannes
steht der kampfbereite Paulus, dem ruhigen Petruskopfe der leiden-
schaftliche Markus gegenüber. Selbst in dem Wurfe und den Falten
der Gewänder sind Kontraste, wodurch die Wirkung des einzelnen
gehoben wird, sichtbar.
Wir denken, im Angesicht dieser Tafeln machte Dürer seinem
Freunde Melanchton das Geständnis, dass er erst spät am Abende
seines Lebens die Einfachheit der Natur zu würdigen gelernt habe.
Er hat ihre einfache Grösse nicht nur gewürdigt, sondern auch
vollends verkörpert. Die Apostelbilder sind das letzte grössere
Kunstwerk, von welchem wir Kunde haben. Soweit ihn nicht
Krankheit plagt, besorgt er den Druck seiner theoretischen Schriften.
XV.
Seit längerer Zeit war Dürer von mannigfachen Körperleiden
heimgesucht. Das stramme , stattliche Aussehen in den Selbst-
bildnissen täuscht. Die behagliche Fülle der Glieder, die angenehme
Rundung des Körpers , den Widerschein des ruhiger fliessenden
Lebens, welcher an Männern, ehe sie in das Greisenalter treten,
erfreuen, hat Dürer niemals gewonnen. Eine so rastlos arbeitende
Phantasie , die zuweilen an das Traum- und Fieberhafte mahnt,
musste allmählich seine körperliche Gesundheit gefährden. Der
leidenschaftliche Thätigkeitstricb hinterliess immer tiefere Spuren
in seiner physischen Natur. Die Seele blieb unerschöpflich in Ent-
würfen, aber der Leib zehrte sich durch den übermässigen Kräfte-
verbrauch schliesslich aus. In der That macht sich die Abmagerung
in den späteren Porträten bemerkbar. Am meisten schädigte die
niederländische Reise seiner Gesundheit. Aus Erasmus' Briefen haben
wir die Kunde von Krankheitsanfällen, welche sein künstlerisches
Schaffen zeitweise hemmten. Er selbst schreibt in seinem Tage-
buche : „da ich vormals in Zeeland (in stürmischem Winterwetter)
war, da üherkam mich eine wunderliche Krankheit, von der ich nie
von keinem Manne gehört und diese Krankheit habe ich noch."
158
Offenbar grübelte Dürer viel über die unerhörte Krankheit.
Nach der Heimkehr zeichnete er sich nach dem Spiegel. (Bremer
Kunsthalle.) Er steht bis an die Hüfte nackt da und zeigt mit der
Rechten nach einem runden gelblichen Fleck in der Nierengegend.
Von seiner eigenen Hand steht beigeschrieben: ,,Da, wo der gelbe
Fleck ist und mit dem Finger darauff dewt, da ist mir weh." Mit
Wehmut nimmt man die kleine, leicht kolorierte Zeichnung (L. 130)
in die Hand. Die Züge sind wohl noch kenntUch geblieben, aber
die Ähnlichkeit dient nur dazu, die Verheerung des schönen Kopfes
durch Krankheit noch deutlicher zu machen. Das einst so reiche
Lockenhaar hängt in einzelnen Strähnchen herab, der Bart ist buschig
geworden, die Wangen eingefallen. Nur die Augen bewahren noch
den alten Glanz. Und noch war er nicht an der Grenze seines
Leidens angekommen. Wenn wir einem Holzschnitt, der bald nach
Dürers Tode herauskam, trauen dürfen, so war er in der That
zuletzt ganz ausgedörrt ,,wie eine Schaube" ein wahres Bild des
Erbarmens. Sein Tod am 6. April 1528 in beinahe vollendetem
siebenundfünfzigsten Jahre konnte daher die Freunde nicht un-
erwartet treffen, wenn sie auch der plötzliche Eintritt, wie es scheint,
ohne vorangegangener heftige Krankheit, überraschte.
Ein längeres Leben hätte den von Dürer hinterlassenen künst-
lerischen Schatz schwerlich vermehrt. Der Tausch des Malerkittels
gegen den Gelehrtenrock war endgültig vollzogen. Wir dürfen uns
daher rühmen, Dürers Werk vollendet zu besitzen nicht bloss in
dem Sinne, dass wir seine Thätigkeit Jahr für Jahr bis zum Tode
verfolgen können, sondern auch in dem tieferen Sinne, dass wir
in der Summe seiner Werke die stetige Entwickelung der künst-
lerischen Natur bis zur Meisterschaft erblicken. Die zeitlich ge-
ordnete Aufzählung der Stiche, Schnitte und Zeichnungen bildet
eine förmliche Geschichte seiner Phantasie. Welch wunderbare,
scheinbar oft wirr laufende Entwickelung hat er nicht seit seiner
Jugend durchgemacht ! Als wahrer Künstler hielt er die Augen
offen, lässt Natur und fremde Arbeiten auf sich einwirken. Aber
niemals wird er auf die Dauer von den letzteren abhängig, be-
harrt er eigenwillig bei der einmal angetretenen Richtung.
In seiner Jugend blickt er verwundert zu Jakob de' Barbari
und zu Mantegna empor. Dennoch ist er weder der Schüler des
einen noch des andern geworden. Die Freude an der Feinmalerei,
welche man auf Jakobs Beispiel zurückführen könnte, bildet keinen
wesentlichen Zug in seinen gereiften Werken. Mantegna lauscht
159
er einzelne Gestalten, Ausdrucksweisen ab, aber nur so wie der
Künstler die Natur studiert, weil sie ihm die gerade für sein Werk
passendsten Formen vor die Augen bringt. Die Mantegnesken Ge-
stalten scheiden sich nicht mechanisch von den Selbstschöpfungen
Dürers ab. Den grössten Einfluss übte sodann Leonardo auf ihn
aus, einen viel grösseren als die Venetianer, welchen er eigentlich
nur die Anordnung der heiligen Familienbilder das eine und andere
Mal entlehnt. Nach Leonardos Kompositionsregel versucht Dürer
in einem Gemälde vorzugehen, ihm dankt er die Umwandelung der
bloss richtigen Proportionalgestalten , die er bisher zumeist ent-
worfen , in lebendig erfasste , beseelte Charakterfiguren. Selbst
in der schärferen Betonung des Knochengerüstes und der sicheren
anatomischen Grundlage bei der Zeichnung grösserer Köpfe
möchten wir Leonardos Vorbild vermuten. Aber schon nach
wenigen Jahren schwindet Leonardos Einfluss als besonderes Element
aus Dürers Werken. Gerade so wie der Aufenthalt in den Nieder-
landen seinen Gesichtskreis erweiterte , den dramatischen Sinn
neu kräftigte, aber keinen scharfen Einschnitt in seinem Künstler-
leben hinterliess.
Es mögen vielleicht besondere Eigenschaften die Wahl der
Vorbilder gelenkt haben. Darüber darf man aber die merkwürdige
Thatsache nicht vergessen, dass ihre Reihenfolge der allgemeinen
Kunstentwickelung genau sich anschliesst. Jacob de' Barbari und
Mantegna vertreten die Frührenaissance. Die höchste Blüte der
Renaissance in ihrer Vollendung spiegelt sich in Lionardos Per-
sönlichkeit wieder. Der Beginn des Aufschwunges in der Übung
und Stellung der Kunst, wie die Künstler aus der Fülle der land-
schaftlichen Natur, aus dem Reichtum des menschlichen Lebens
schöpfen, lassen die Werke Quintin Massys, Pateniers ahnen. So
nahm Dürer die Strömungen eines ganzen Jahrhunderts in sich
auf. Und fragen wir nach den führenden Geistern, welche seine
Gedanken bestimmten, seinen persönlichen Anschauungen Richtung
gaben, die Welt kennen lehrten, so entdecken wir, dass es zunächst
die deutschen Humanisten waren, in deren Geleise er gern einher
schritt. Dann folgte er mit Begeisterung den Spuren des Erasmus,
endlich trat er dem Kreis von Männern nahe, welche sich an Luther
und Melanchthon angeschlossen hatten. Drei Perioden durchläuft
Dürers Bildungsgang. Wir unterscheiden eine humanistische, eine
erasmische und eine melanchthonische Periode und können jede
durch bezeichnende Werke seiner Hand darlegen. Denn Künstler
i6o
und Mensch decken sich bei ihm vollkommen. Auch sein mensch-
liches Wesen wird von den mächtigen Stimmungen der Zeit erfasst,
seine Persönlichkeit von dem allgemeinen Wechsel und Wandel
in der Weltanschauung berührt. Unsere Teilnahme für den Säkular- ^
menschen hält gleichen Schritt mit der Bewunderung seiner Selb-
ständigkeit. Der gereifte Künstler steht nicht im schroffen Gegen-
satze zu dem Stürmer in jüngeren Jahren. Jeder grössere Wechsel
in seinem Phantasieleben erscheint nur als ein Schritt vorwärts
in seiner Entwickelung. Das verdankt er dem festen Beharren auf
dem Volksboden. Den grossen Strömungen der Zeit flössen die
vielen kleineren, scheinbar noch klareren und reineren zur Seite.
Dürer verliert sich nicht in die Nebenströme, hütete sich dem sub-
jektiven Meinen und Belieben einen allzu weiten Raum zu gönnen,
die formalen Regeln ausschliesslich anzuwenden. Er fügt zu den
langsam angesammelten Kunstschätzen nur hinzu, was in der Volks-
seele Wurzeln gefasst hat, eine dauernde Stimmung weckt.
Vollendete Volkskunst schwebt ihm als Ziel vor. Zwar kannte
auch schon das Mittelalter eine volkstümliche Kunst. Aber hier
kam das künstlerische Element doch nicht immer zu seinem Recht.
In der italienischen Renaissance tritt der volkstümliche Zug gegen
das Kunstreiche in den Hintergrund zurück. Die grossen Schöpfungen
der italienischen Meister waren weder für das Volk bestimmt — -
sie waren ihm auch selten zugänglich — noch auf das volle, freie
Verständnis desselben berechnet. Erst Dürer wagte mit kühnem
Geiste den Versuch, das volkstümliche Wesen der Kunst mit den
Forderungen eines geläuterten Formensinnes zu verbinden. Darauf
beruht seine geschichtliche Bedeutung.
Kritische Anhänge
Der historische und Utterarische Sinn sträuben sich gleichmässig
gegen den reichen Überguss einer einfachen Erzähkmg mit mannig-
fachen Einzelheiten, gegen den häufigen Einschub besonderer Unter-
suchungen in die Schilderung, wie sich ein Held entwickelt hat, oder
welche Strömungen ein Zeitalter beherrschen. Leicht wird der lebendige
Fluss der Erzählung unterbrochen, die Aufmerksamkeit von dem
Wesentlichen abgelenkt. Und doch sind solche Forschungen und
Betrachtungen , die sich auf Einzelwerke beziehen , unentbehrlich.
Auf ihnen baut sich das Gesamturteil auf, und wer den Künstler
nicht bei der Einzelarbeit beobachtet, gewinnt keinen rechten Ein-
druck von seiner künstlerischen Natur. Für den Forscher Dürers,
den Lehrer sind solche Studien die notwendige Voraussetzung;
mit ihnen beginnt er die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem
Meister. Aber auch der einfache Dürerfreund, der gebildete Deutsche,
welcher den Grund der Lobpreisungen Dürers erfahren will, muss
einen klaren Einblick in die Arbeitsweise Dürers , eine genaue
Kenntnis des Kleinen und Einzelnen in seiner künstlerischen Thätig-
keit wünschen. Sie rundet das Bild des Meisters ab und macht es
farbiger.
Kunstwerke werden nicht improvisiert, sondern sind regelmässig
die Frucht reifer Erwägung und fleissiger Vorbereitungen. Auch
bei Dürer , der besonders dadurch mit der handwerksmässigen
Übung bricht. Wie schuf er seine Stiche, Schnitte und Gemälde }
Diese Frage fordert zuerst Lösung. Besitzen wir Skizzen , Ent-
würfe, Naturstudien , welche uns den von Dürer eingeschlagenen
Weg zeigen , ehe er an die endgültige Ausführung schritt } Ist
auch die Masse solcher Handzeichnungen nicht so gross wie bei
den itaUenischen Malern, so reicht doch die erhaltene Zahl hin, um
uns einen anschaulichen Begriff von seiner Thätigkeit zu verschaffen
und insbesondere den Wechsel in seinem Vorgehen beim Kom-
ponieren im Laufe der Jahre zu erklären.
II
102
In den ersten Jahrzehnten seiner Thätigkeit hat er offenbar
mit Skizzen und Entwürfen zu grösseren Kompositionen sich wenig
beschäftigt. Noch fehlte ihm der Mut zu selbständigem Vorgehen.
Er zeichnete Reiterzüge, Landsknechte , gab auch mehrere Holz-
schnitte heraus. Immer bemerkt man , dass ihn die ÜberUeferung
drückte und er sich zu grösserer Sicherheit an ältere Vorbilder
hielt. Wohl bekam er schon frühzeitig Altartafeln bestellt. Doch
auch hier gilt, dass er sich nicht ganz frei bewegte, seine Natur
nur in einzelnen Zügen , aber nicht als geschlossenes Ganze sich
offenbaren konnte. Wozu hätten Entwürfe dienen sollen, wenn er
sie doch nicht frei nach seiner persönUchen Einsicht entwickeln
durfte. Erst um die Wende des Jahrhunderts gewinnen die Skizzen
und Entwürfe eine grosse Wichtigkeit.
Als die älteste Vorzeichnung wird das leicht kolorirte Trachten-
bild in der Albertina vom Jahre 1495 angesehen, welches in der
Apokalypse als babylonische Venus Verwendung fand. Dass Dürer,
als er daranging, die schöne Teufelin zu verkörpern, sich an die
Modedamen seiner Zeit mit ihrem übertriebenen Putze, ihrem ver-
führerischen Gebahren erinnerte, auch sein Trachtenbild ihm wieder
gegenwärtig wurde , kann nicht bezweifelt werden. Dieses aber
mit der Venusfigur in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen,
gleichsam als erste Skizze aufzufassen, dazu liegt kein Grund vor.
Bewegung , Haltung , selbst Einzelheiten der Tracht und des Aus-
drucks scheiden sie von einander.
Anders verhält es sich mit der Skizze zum verlorenen Sohn
im Britischen Museum. Hier ist der engste Zusammenhang mit
dem Kupferstiche (B. 28) unverkennbar. Darf man übrigens von
einem Entwürfe reden } Dürer gab allerdings dem Hintergrunde
eine flüchtige Form. Im Vordergrund erscheint aber alles so ge-
nau und sorgfältig ausgeführt, dass die Zeichnung unmittelbar auf
die Platte übertragen werden konnte. Es lohnt wohl der Mühe,
das Blatt näher zu betrachten und daraus Schlüsse, wie sich Dürer
beim Komponieren verhielt, zu ziehen. Auf dem Blatte im Britischen
Museum , im Gegensinn (d. h. so dass rechts erscheint , was wir
im Stiche links schauen) mit der Feder gezeichnet, decken sich die
Umrisse der Gebäude im Hintergrund mit jenen auf dem Stiche
vollständig. Auch die Hauptgestalt hat bereits die endgültige Form
empfangen. Nur die Zahl der am Troge fressenden Schweine ver-
mehrte Dürer im Stich und auch mehrere Ferkel hat er angebracht,
um die Szene zu beleben. Eine reichere Ausmalung des Vorganges
i63
unterscheidet die Zeichnung vom Stich. Wenn darin sich das
richtige Verhältnis zwischen Entwurf und Ausführung kundgiebt,
so verliert dagegen die Zeichnung durch die überaus sorgfältige
Strichführung den skizzenhaften Charakter. Dürer hat noch nicht
den Mut, einen flüchtigen Entwurf als Vorlage für den Stich fest-
zuhalten, die eigentliche technische und künstlerische Arbeit erst
auf der Kupferplatte zu beginnen. Schon in der Zeichnung geht
er auf das Einzelne und Besondere genau ein, bereitet den Kupfer-
stich sorgfältig vor. Bei grösserer Sicherheit in dem technischen
Verfahren in späteren Jahren bedarf er natürlich nicht mehr dieser
peinlichen Vorbereitungen.
Diese Scheu , nicht zu viel zu wagen, nicht auf den letzten
Wurf alles zu lasten, macht sich auch sonst in der Komposition
der frühern Stiche und Schnitte geltend. Dürer hatte in der
Heimat wie auf der Wanderschaft eine grosse Zahl sorgsam aus-
geführter Naturstudien , Bäume , Felsen , Landschaften , Berg-
schlösser , Wasserburgen , Seen gezeichnet und gemalt. Diese
prächtigen Studien , die keiner weiteren Ausführung mehr be-
dürfen , benützt er mit Vorliebe als Hintergrund auf seinen
Stichen und Schnitten. Er schneidet gleichsam die Blätter in
Hälften, vorn komponiert er selbständig den Vorgang, schildert
Madonnen, mythische und volkstümliche Gestalten. Eine Brüstungs-
mauer, ein Geflecht scheidet den Vordergrund ziemlich scharf vom
Hintergrund ab, in welchem er seine Studien verwertet. So
machen die Blätter häufig den Eindruck der Zusammensetzung.
Nun begreifen wir auch die grössere Anziehungskraft des Hinter-
grundes auf den früheren Blättern, welche sich als die Frucht mit
Liebe durchgeführter Studien offenbaren , während die Figuren
des Vordergrundes oft eine gewisse Gewaltsamkeit im Übcrmass
der Bewegung oder des Ausdrucks kundgeben, auch die Richtig-
keit der Zeichnung zuweilen vermissen lassen.
Erst am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, als Dürer an
die Schöpfung der grossen Holzschnittfolgen ging, treten die Skizzen
und Entwürfe in ihr volles Recht. Hier ist die Komposition Dürers
Eigentum. Die Masse der Blätter, die Anordnung der Szenen, die
Stellung der Figuren, ihr Verhältniss zu einander, erlangten plan-
mässige Überlegung. Die Entwürfe lehren ihn Fehler kennen, zeigen,
worauf es vorzugsweise ankommt und lassen die Komposition all-
mählich reifen. Ohne das geringste Schwanken lebte sich Dürer in
die Natur und den Zweck der Kompositionsentwürfe, welche während
1 1 *
104
der Arbeit in der Phantasie des Künstlers auftauchen, ein. Er be-
schränkte sie auf die Wiedergabe des Notwendigen und Unerläss-
Uchen, er wusste, dass sie nicht für fremde Augen bestimmt sind,
sondern den Künstler anleiten und weiterführen sollen. Ihr Reiz
für den Beschauer beruht darin , dass wir die neuen Gedanken
und Empfindungen, die Änderungen, die Dürer daraufhin mit der
Komposition vornimmt, an ihrer Hand verfolgen können. So er-
weitert sich z. B. vor unseren Augen die Darstellung der Geburt
Marias wirksam nach der malerischen Seite. Nach dieser Richtung
hat Dürer natürlich sich stetig entwickelt, an Klarheit zugenommen.
Eine neue Aufgabe wird seiner Zeichenweise von 1504 an
gestellt, als die richtigen Masse und Verhältnisse, die Proportionen
seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen , der nackte Körper
der Hauptgegenstand seiner Beobachtungen wird. Der zweite Auf-
enthalt in Venedig bewirkte keine wesentUche Änderung in der
Technik. Als er dagegen nach seiner Rückkehr 1 507 an die
Schöpfung der grossen Gemälde ging, erkennen wir gegen früher
ein geändertes Vorgehen. Auf die ganz flüchtigen, meist verloren
gegangenen Skizzen lässt er sofort die genauen , in mehreren
Tönen ausgeführten Naturstudien folgen, so dass die Mittelstufe
der Entwürfe verschwindet. Dadurch bereitet er in feiner Malerei
eine vollständige Umwälzung vor. Man darf wohl sagen , dass er
durch diese Zeichenweise den bisherigen Kunstsitten ein beinahe
schroffes Ende bereitete. Jedenfalls ist seine innere Entwickelung
zum Schlüsse gekommen
NACHWORT.
Als Anton Springer am 31. Mai 1891 starb, hinterliess er das
Manuskript des „Albrecht Dürer" vollständig druckfertig, hatte
auch die Art der Drucklegung mit der Verlagsbuchhandlung ver-
einbart, sowie die Werke Dürers bestimmt, welche als Illustrationen
in sein Buch aufgenommen werden sollten , und hatte auch die
ersten Korrekturabzüge noch gesehen. Von den ,, Kritischen An-
hängen," die nach seiner Absicht der Erzählung folgen sollten, ist
nur die am Tage vor seinem Tode niedergeschriebene kurze Ein-
leitung von ihm. Die weitere Untersuchung sollte an der Hand
der Entwürfe die Entstehung des einzelnen Werkes zeigen. Leider
haben sich im Nachlasse zu diesem Teil nur wenige Fingerzeige
und Andeutungen, wie die Untersuchung zu führen sei, gefunden.
Es war deshalb nur die einfache Zusammenstellung der Entwürfe
und Studien möglich, welche Anton Springers letztem Werke von
dem Sohne hinzugefügt worden ist.
Jaro Springrer.
VERZEICHNIS
der
Studien und Entwürfe Dürers zu ausgeführten Werken. *)
I. Zu Kupferstichen.
Geordnet nach der Reihenfolge bei Bartsch, Peintre - Graveur, Band VII.
B. I. Adam und Eva. 1504.
1. Adam. Federzeichnung. Wien, Albertina.
2. Eva. Federzeichnung. Albertina.
3. Eva. Federzeichnung. Oxford, Bodleiana.
4. Arm- und Handstudien zum Adam und ein Stück Land-
schaft. Federzeichnung. London, British Museum.
5. Adam und Eva. 1504. Federzeichnung. Prag, Ritter
von Lanna. L. 173.
6. Apollo und Diana. Federzeichnung. British Museum.
Vgl. unten B. 68.
B. 19. Christus auf dem Ölberg. 15 15.
1. Federzeichnung. Paris, Louvre.
2. Federzeichnung. 15 15. Albertina.
3. Studie zum Christus. 1515- Albertina.
B. 20. Der Schmerzensmann stehend.
Federzeichnung. Louvre.
B. 28. Der verlorene Sohn.
Federzeichnung. British Museum.
B. 36. Die grosse säugende Madonna. 1519-
1. Kohlenzeichnung (mit gefälschter Jahreszahl 15 12).
Albertina.
2. Federzeichnung. Albertina.
) Vgl. T hausing, Dürer, — Ephrussi, A. Dürer et ses dessins. —
m a n n , Zeichnungen von Albrecht Dürer in Nachbildungen.
Lipp-
i68
B. 37. Die Madonna von einem Engel gekrönt. 1520.
Federzeichnung , früher in der Sammhmg KHnkosch in
Wien.
B. 39. Die Madonna von zwei Engeln gekrönt. 15 1.8.
1. Federzeichnung. London, Sammlung Malcolm. L. 94.
2. Studie zur Drapierung. Pinselzeichnung auf grün grun-
diertem Papier. 1508. Albertina.
3. Studie zu den Engeln mit der Krone. Federzeichnung.
British Museum.
B. 41. Die Madonna mit der Birne. 151 1.
Federzeichnung. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 29.
B. 42. Die Madonna mit der Meerkatze.
Der landschaftliche Hintergrund (,,das Weiherhaus").
Zeichnung in Wasserfarben. British Museum.
B. 50. Der Apostel Paulus.
Federzeichnung. Prag, Ritter von Lanna. L. 177.
B. 68. Apollo und Diana.
Federzeichnung. British Museum. (S. oben B. i.)
B. 70. Fünf Figurenstudien.
Studie zur halben Figur eines Mannes auf der linken
Seite. 15 14. Federzeichnung. Albertina.
B. 77. Die Nemesis oder die grosse Fortuna.
Federzeichnung. British Museum.
B. 79. Die Gerechtigkeit.
Federzeichnung. Dresden, Kupferstichkabinet. L. 203.
B. 91. Der Dudelsackpfeifer. 15 14.
Federzeichnung. 15 14. Berlin, Kupferstichkabinet.
B. 98. Ritter, Tod und Teufel. 15 13.
1. Federzeichnung. Mailand, Ambrosiana.
2. getuschte Federzeichnung, ebenda.
3. Federzeichnung. Florenz, Uffizien.
B. 102. Bildnis des Kardinals Albrecht von Brandenburg, ,,der
kleine Kardinal". 15 19.
1. Kohlenzeichnung. Albertina.
2. Federzeichnung. 15 19. Bremen, Kunsthalle.
B. 103. Bildnis desselben, ,,der grosse Kardinal". 1523.
Silberstiftzeichnung auf weiss grundiertem Papier. Louvre.
B. 104. Bildnis Friedrichs des Weisen.
Silberstiftzeichnung auf weiss grundiertem Papier. Paris,
A. Armand.
B. 107.
[P. 109.
B. 17.
B. 53.
B. 54.
B. 59.
B. 73-
B. 80.
B. 84.
B. 89.
B. 93-
B. 94-
B. 96.
B. 107.
169
Bildnis des Erasmus von Rotterdam. 1526.
(Kohlenzeichnung. 1520. Paris, L. Bonnat.)
Die Kreuzigung im Umriss, nicht von Dürer.
Vgl. J. Springer, Jahrbuch d. pr. Kunsts. 1887, S. 56.]
II. Zu Holzschnitten.
Der Sündenfall (aus der kleinen Passion).
Federzeichnung. 15 10. Albertina.
Das Abendmahl. 1523.
Federzeichnung. 1523. Albertina.
Christus auf dem Ölberge.
Federzeichnung. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 26.
Die Kreuzigung.
(i. Federzeichnung. Frankfurt, Städelsches Institut.
2. Christus am Kreuz. Kolorierte Federzeichnung. 1505.
Albertina.
3 und 4. Der gute und der böse Schacher. Kolorierte
Federzeichnungen. Albertina.)
Das babylonische Weib (aus der Apokalypse).
Aquarellierte Federzeichnung. 1495. Albertina.
Die Geburt der Maria (aus dem Marienleben).
Federzeichnung. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 7.
Die Heimsuchung (aus dem Marienleben).
Federzeichnung. Albertina.
Die Flucht nach Ägypten (aus dem Marienleben).
Weiss gehöhte Pinselzeichnung auf grün grundiertem
Papier. Venedig.
Der Tod der Maria (aus dem Marienleben).
Federzeichnung. Albertina.
Die Himmelfahrt und die Krönung der Maria (aus dem
Marienleben).
1. Federzeichnung. 1502. British Museum.
2. Federzeichnung. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 27.
Die heilige Familie. 151 1.
Federzeichnung. Albertina.
Die heiligen Antonius und Paulus.
Federzeichnung. Braunschweig, Blasius. L. 141.
170
B. 114. Der heilige Hieronymus in der Zelle. 151 1.
Federzeichnung. 151 1. Mailand, Ambrosiana.
B. 119. Der Geissler. 15 10,
Federzeichnung. 15 10. British Museum.
B. 129. Die grosse Säule.
Aquarellierte Federzeichnung. British Museum.
B. 133. Der Schulmeister. 15 10.
Federzeichnung. 15 10. Florenz, Uffizien.
B. 136. Das Rhinoceros. 15 15.
(i. Federzeichnung. British Museum).
B. 139. Der Triumphwagen des Kaisers Maximilian.
1. Federzeichnung. Albertina.
2. Kolorierte Federzeichnung. 15 18. Albertina.
3. Federzeichnung. Dresden, Bibliothek.
(Der Triumphzug des Kaisers Maximilian.)
I — 6. Reiter mit Trophäen. 15 18. Federzeichnungen.
Albertina.
7. Reiter mit Trophäe. Federzeichnung. London, Holford.
(8. Reiter mit Trophäe. Ausgestellt London, Grosvenor
Gallery 1877—78, nach Ephrussi).
B. 147, Der Zeichner der Laute.
Federzeichnung. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 71.
B. 148. Der Zeichner der Kanne.
I und 2. Zwei Federzeichnungen. Dresden, Bibliothek.
B. 153 und 154. Bildnis des Kaisers Maximilian. 15 19.
Kohlenzeichnung. 15 18. Albertina.
B. 155. Bildnis des Ulrich Varenbüler. 1522.
Kohlenzeichnung. Albertina.
Passavant Peintre-Graveur III. Nr. 218. Bildnis des Eoban Hesse.
Silberstiftzeichnung auf grau grundiertem Papier. British
Museum.
III. Zu Büchern.
Unterweisung der Messung. 1525.
1. Entwurf zu einem Siegesmonument. Federzeichnung.
Bamberg, Bibhothek. L. 186.
2. Eine Kuh und zwei Schafe am Fuss eines Denkmals.
Feder. British Museum.
171
3 — 5- Siehe die Holzschnitte B. 147 und 148.
Vier Bücher von menschlicher Proportion. 1528.
Federzeichnungen in Berlin, Kupferstichkabinet L. 1 1 ;
Bremen, Kunsthalle L. 119 und 120; Albertina; Louvre;
British Museum.
IV. Zu Gemälden
in chronologischer Folge.
Bildnis von Dürers Vater Florenz, Ufnzien.
Kohlezeichnung. British Museum.
Der Paumgartnersche Altar. Dresden, Gemäldegalerie.
Kolorierte Federzeichnung zum Mittelbild. British
Museum.
Hercules im Kampfe mit den stymphalischen Vögeln. 1500. Nürn-
berg, Germanisches Museum.
Federzeichnung. Darmstadt, Grossherzogliche Samm-
lung. L. 207.
[St. Veiter Altar. 1502. St. Veit bei Wien.
Das Gemälde und die Entwürfe dazu in Basel und Frank-
furt sind nicht von Dürer.]
Das Rosenkranzfest. 1 506. Prag, Rudolphinum.
1. Die Hände des Kaisers.
2. Der heilige Dominikus.
3. Der betende Stifter links hinter dem Papst.
4. Der Kopf des musizierenden Engels.
I — 4. Weissgehöhte Tuschzeichnungen auf blauem
Papier. 1506. Albertina.
5. Der Mantel des Papstes. Zeichnung in Wasserfarben.
(Falsches Datum 15 14.) Albertina.
. 6. Studie zum Christkind. Paris, Cabinet des Estampes.
7. Drei Engelsköpfchen. Ebenda.
8. Die Meister Hieronymus von Augsburg. Berlin, Kupfer-
stichkabinet. L. 10.
6 — 8 in derselben Technik wie i — 4.
9. Engelskopf, vielleicht der Engel oben links neben dem
Thron. Weissgehöhte Kohlezeichnung auf blauem
Papier. Bremen, Kunsthalle. L, 114.
[10. Der knieende Donator hinter dem Kaiser. London,
Holford. Nach Ephrussi.]
[ii. Profilkopf des Kaisers. Kreidezeichnung. Berlin,
Kupferstichkabinet. L. 17. Zeichnung von Ambrogio
da Predis, die Dürer als Vorlage diente und von Dürer
mit der Aufschrift in Tinte: 1507 Maximilian und
seinem Monogramm versehen wurde.]
Christus unter den Schriftgelehrten. Rom, Galerie Barberini.
1. Der Kopf Christi. Albertina.
2. Die Hände Christi. Braunschweig, Blasius. L. 137.
3. Die Hände eines Schriftgelehrten, ein Buch haltend.
Ebenda. L. 136.
4. Die Hand eines Schriftgelehrten mit einem Buch.
Albertina.
I — 4. Weissgehöhte Pinselzeichnungen auf blauem Papier.
1506.
Adam und Eva. 1507. Florenz, Pitti.
1. Drei Figuren der Eva. Federzeichnung, 1506 und
1507. British Museum.
2. Eva. Federzeichnung. Ebenda.
3. Arm der Eva mit dem Apfel. Pinselzeichnung auf
blauem Papier. 1507. Früher in der Sammlung Franck
in Graz, L. 164.
Die Marter der Zehntausend. 1508. Wien, Belvederegalerie.
Federzeichnung. 1507. Albertina.
Der Hellersche Altar. 1509. (Vgl. Ephrussi, le triptyque d'Albert
Dürer, dit le tableau d'autel de Heller.)
1. Figur des stehenden und aufwärtsblickenden Apostels
Eph. Nr. I. Berlin, K. Kupferstichkabinet. L. ig.
2. Kopf desselben Apostels. Ebenda. L. 20.
3. Kopf des Apostels Eph, 2. Ebenda. L. 22.
4. Kopf des Apostels Eph. 3. Albertina.
5. Kopf des Apostels Eph. 4. Berlin, Kupferstichkabinet.
L. 21.
6. Hand und Ärmel des Apostels Eph. 7. Albertina.
7. Füsse desselben Apostels. Früher in der Sammlung
Franck in Graz. L. 165.
8. Kopf des Apostels Eph. 8. Albertina.
9. Hände desselben Apostels. Ebenda.
10. Ärmel und Mantel desselben Apostels. Ebenda.
11. Kopf des Apostels Eph. 10. Ebenda.
12. Hand desselben Apostels. Ebenda.
173
13- Selbstbildnis Dürers in ganzer Figur. Berlin, Kupfer-
stichkabinet. L. 23.
14. Hände Gott Vaters. Bremen, Kunsthalle. L. 116.
15 und 16. Mantel Gottvaters. Albertina.
17. Oberkörper Christi. Bremen, Kunsthalle. L. 115.
18. Mantel und Beine Christi. Louvre.
19. Einer der Engelsköpfe rechts von Christus. British
Museum.
Weissgehöhte Pinselzeichnungen auf grün grundiertem
Papier. 1508.
Das Allerheiligenbild (der Landauersche Altar). 1 5 1 1 . Wien, Bel-
vederegalerie.
1. Lavierte und aquarellierte Federzeichnung. 1508. Paris,
Herzog von Aumale.
2. Bildnis Landauers. Kreidezeichnung. 151 1. Früher
in der Sammlung Mitchell in London, L. 75.
Kaiser Karl der Grosse. Nürnberg, Rathaus.
Aquarellierte Federzeichnung in blau. 15 10. Albertina.
(Studien zu Krone, Schwert und Reichsapfel. Früher
in der Sammlung Franck in Graz. L. 166 — 168.)
Bildnis Michel Wohlgemuths. 15 16. München, Pinakothek.
Kreidezeichnung. Albertina.
Lucretia. 15 18. München, Pinakothek.
1. Figur der Lucretia. Weiss gehöhte Pinselzeichnung
auf grün grundiertem Papier. 1308. Albertina.
2. Arm der Lucretia. Dieselbe Technik. Ebenda.
3. Kopf der Lucretia. Weiss gehöhte Federzeichnung auf
gelbem Grund. British Museum.
Bildnis des Jacob Muffel. 1526. Berlin, Gemäldegalerie.
Kreidezeichnung. 15 17. Paris, Dumesnil.
Die Apostelbilder (die vier Temperamente). 1526. München, Pina-
kothek.
[i. Figur des heiligen Johannes. Weiss gehöhte Kreide-
zeichnungen auf grün grundiertem Papier. 1525. London,
W. Russell nach Ephrussi.]
2. Kopf des Paulus. Kreidezeichnung auf braun grundier-
tem Papier. 1526. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 87.
3. Kopf des Markus. Dieselbe Technik. 1526. Ebenda.
L. 72.
174
V. Zu Zeichnungen
in chronologischer Folge.
1. Maria in der Landschaft mit vielen Thieren. Aquarellierte Feder-
zeichnung. Albertina.
Federzeichnung. Braunschweig, Blasius. L. 134.
2. Grüne Passion. Zwölf weiss gehöhte Federzeichnungen auf grün
grundiertem Papier. 1504. Albertina.
a) Die Gefangennahme Christi.
1. Federzeichnung. Mailand, Ambrosiana.
2. Federzeichnung. Turin, Bibhothek.
b) Christus vor Pilatus.
1. Federzeichnung. Albertina.
2. Federzeichnung. Paris, Dumesnil.
c) Geisselung Christi.
Federzeichnung. Ambrosiana.
d) Dornenkrönung.
Federzeichnung. Albertina. ^
e) Kreuzabnahme.
Federzeichnung. Florenz, Uffizien.
3. Kreuzigung Christi. Grisaille. 1505. Florenz, Uffizien.
Federzeichnung. Berlin, Kupferstichkabinet. L. 15.
4. Der Kampf Samsons gegen die Philister. Weiss gehöhte Pinsel-
und Federzeichnung auf graugrün grundiertem Papier. 15 10.
Berlin, Kupferstichkabinet. L. 24.
Federzeichnung. Ambrosiana.
5. Die Auferstehung Christi. Dieselbe Technik wie Nr. 4. 15 10.
Albertina.
Federzeichnung. Braunschweig, Blasius. L. 140.
VERZEICHNIS
der
im Text besprochenen Werke Dürers.
I. Kupferstiche
nach der Reihenfolge bei Bartsch, Peintre - Graveur VII.
Seite
B. I. Adam und Eva. 1504 51
B. 2. Die Geburt Christi. 1504 50
B. 3 — 18. Die Passion. 1508 — 1512 81 — 83
B. 20. Der Schmerzensmann stehend 28
B. 25. DasSchweisstuchChristi von zwei En<(eln gehahen. 1513 78
B. 26. Das Schweisstuch Christi von einem Engel gehalten.
1516 78
B. 30. Die Madonna auf dem Halbmond 28. 86
B. 32. Die Madonna mit Sternenkrone und Zepter. 15 16 . 86
B. 35. Die Madonna am Baume sitzend. 15 13 90
B. 40. Die Madonna an der Mauer. 15 14 ...... 90
B. 41. Die Madonna mit der Birne. 1511 88
B. 43. Die heilige Familie an der Mauer 91
B. 44. Die heilige Famile mit der Heuschrecke 28
B. 46. Der heilige Philippus. 1526 150
B. 47. Der heilige Bartholomäus. 1523 149
B. 49. Der heilige Simon 150
B. 53. Der heilige Georg zu Fuss 28
B. 54. Der heilige Georg zu Pferde. 1508 97
B. 56. Der heilige Sebastian 28
B. 57. Der heilige Eustachius 50
B. 58. Der heilige Antonius. 15 19 50. 121
B. 60. Der heilige Hieronymus im Gehäuse. 15 14 . . . 99
B. 64. Die heilige Veronika. 15 10 78
176
Seite
B. 68. Apollo und Diana 57
B. 69. Die Satyrfamilie. 1505 ..... ^ ... . 57
B. 71. Der Raub der Amymone (das Meerwunder) ... 31
B. 73. Die Eifersucht (der grosse Herkules) 30
B. 74. Die Melancholie. 15 14 99
B. 75. Die vier Hexen. 1497 32
B. 82. Die kleine Reiterin '. . 28
B. 83. Das Bauernpaar 28
B. 85. Die Türkenfamilie 28
B. 87. Der Fahnenträger 28
B. 88. Die Landsknechte 28
B. 89. Die Marktbauern. 15 19 28. 121
B. 93. Der Liebesantrag 28
B. 94. Der Spaziergang 29. 97
B. 95. Die Missgeburt eines Schweines 29
B. 96. Das kleine Pferd. 1505 . 57
B. 98. Der christliche Ritter (Ritter, Tod und Teufel). 15 13 98
B. loi. Das Wappen des Todes. 1503 97
B. 102. Bildnis des Kardinals Albrecht von Mainz (der kleine
Kardinal). 15 19 122
B. 104. Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen von
Sachsen. 1524 148
B. 105. Bildnis Melanchthons. 1526 149
B. 106. Bildnis Pirkheimers. 1523 148
B. 107. Bildnis des Erasmus von Rotterdam. 1526 . . . 148
Studien zu Adam und Eva. Frühester Kupferstich Dürers.
(Paris, Nationalbibliothek. Internationale Chalkogra-
phische Gesellschaft 1886, 10) 14
II. Holzschnitte
nach der Reihenfolge bei Bartsch, Peintre - Graveur VII,
B. 4 — 15. Die grosse Passion (zum Teil 15 10 und 1511)
41. 52. 76. 83
B. 16 — 52. Die kleine Passion (zum Teil 1509 und 15 10)
77. 81. 83
177
Seite
B. 53. Das Abendmahl. 1523 131
B. 54. Christus* auf dem Ölberg 81
B. 55. Christus am Kreuz. 15 10 84
B. 60 — 75. Die Apokalypse 32 — 39. 76
B. 76 — 95. Das Marienleben 41-76
B. 94. Die Himmelfahrt Maria 77
B. 95. Die Verehrung Maria 77
B. 96. Die heilige Familie. 151 1 90
B. 97. Die heilige Familie mit den musizierenden Engeln.
1511 91
B. loi. Maria von vielen Engeln verehrt. 15 18 . . . . 121
B. 102. Die heilige Familie mit den drei Hasen 28
B. 107. Die heiligen Antonius und Paulus 50
B. 117. Die Marter der Zehntausend 67
B. 132. Der Tod und der Landsknecht 76
B. 133, Der Schulmeister. 15 10 76
B. 136. Das Nashorn 135
B. 138. Die Triumphpforte Kaiser Maximilians . . . 103. 104
B. 139. Der Triumphwagen Kaiser Maximilians 103
B. 140 — 145. Die sechs Knoten 63
B. 153. Bildnis des Kaisers Maximilian. 1519 122
B. 154. Bildnis des Kaisers Maximilian 122
B. 156. Selbstbildnis 158
Bartsch, Appendix Nr. 26. Der grosse Christuskopf ... 79
Der Triumphzug Kaiser Maximilians 103
III. Bücher.
1. Unterweysung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit.
Nürnberg 1525 . . * Ii. HO. 142. 143
2. Unterricht zur Befestigung der Städte, Schlösser und Flecken.
Nürnberg 1527 Ii. HO
3. Vier Bücher von menschlicher Proportion. Nürnberg 1528
II. HO. 120
12
178
IV. Zeichnungen.
«
Basel, Museum.
Seite
Familie, die heilige. 1509 92
[St. Veiter Altar, Studie zum] 46
Berlin, Knp ferstichkabinet.
Christus auf dem Olberg, Lippmann, Zeichnungen von Albrecht
Dürer. Nr. 26 81
Drachen, der. L. 9 62
Drahtziehmühle, die. L. 4 und 5 . 22
Dürer, Frau Agnes. 1523. L. 64 26
Frauen, Studien nackter. L. 37 und 38 63
Greis, Kopf eines. L. 61 128
Hellerscher Altar, Studien zum. L. 19 — 23 • 68
Landsknechte, die. 1489. L. 2 16
Madonna, die thronende. 1485. L. i 16
Madonna mit der Birne, Studie zur. L. 29 ..... . 88
Markus, Studie zum. (Münchener Apostelbilder.) 1526. L. 72 155
[MaximiUan, Bildnis des Kaisers. 1507. Von Ambrogio da
Predis. L. 17] 59
Paulus, Studie zum. (Münchener Apostelbilder.) 1526. L. 89 155
Profilköpfe, die, in der Art des Leonardo da Vinci. L. 34 . 64
Samson. 15 10. L. 24 74. 118
Skizzenbuch der niederländischen Reise. L. 55 — 60 . . . 128
Braunschweig, Sammlung Blasius (früher Hausmann).
Dürer, Frau Agnes. 1504. L. 133 . . . 26
Skizzenbuch der niederländischen Reise. L. 147 und 148 . 127
Bremen, Kunsthalle.
Dürer, Albrecht, nackt stehend. L. 130 . 158
Skizzenbuch der niederländischen Reise. L. 122 und 123 . 127
Florenz, Uffizien.
Grabdenkmal des Grafen und der Gräfin von Henneberg,
Studie zum . 118
1/9
Seite
Grablegung Christi, die. 1521 134
Kreuztragung Christi, die. 1510 134
Reiter, ein 63
Reiter , ein , Studie zum Kupferstich Ritter , Tod und
Teufel 96
Frankfwt, Städelsches Institut.
Christus auf dem Ölberg. 1521. L. 199 . . . . . 81. 133
Christus auf dem Ölberg. 1524. L. 200 133
Grablegung Christi. 1521. L. 198 134
[St. Veiter Altar, Studien zum. . L. 188 — 191] 46
( Graz, frühere Sammlung von Franck.J
Lindenbaum, der. L. 162 22
Hellerscher Altar, Studie zum L. 165 68
London, British Museum.
Schwimmgürtel 62
Verlorene Sohn, der, Studie zum Kupferstich. B. 28 . . . 162
London, Sammlung Malcolm.
Tod, der, als reitendes Gerippe. 1505. L. 91 97
Trient, Ansicht von. L. 90 22
Mailand, Ambrosiana.
Reiter, ein, Studie zum Kupferstich Ritter, Tod und Teufel
63. 96
München, Bibliothek.
Randzeichnungen zum Gebetbuch Kaiser Maximilians . . . 104
Müncheity Kicpferstichkabinet.
Reiter, zwei 14
Nürnberg, Germanisches Museum.
Anna selbdritt, die heilige. 1514. L. 78 92
Grablegung Christi. 1521. L. 86 134
1 2 *
i8o
Seite
Pesty Museinn.
Profilköpfe, die, in der Art des Leonardo da Vinci. L. 185 64
Wien, Albertina,
Abendmahl, das. 1523 ^. 131
Albrecht, Kardinal, Kurfürst von Mainz 122
Anbetung der heiligen drei Könige. 1524 131
Apollo 20
Auferstehung Christi. 15 10 74. 118
Dürer, Albrecht, Selbstbildnis. 1484 13
Dürer, Frau Agnes 24
Familie, die heilige, Studie zum Holzschnitt B. 96 . . . . 91
Greis, Kopf eines 128
Innsbruck, Ansicht von 22
Madonna 91
Maximilian, Bildnis des Kaisers 122
Passion, die grüne. 1504 52 — 54. 58
Reiter, ein geharnischter. 1498 96
Trachtenbild. 1495 162
Triumphwagen, Studie zum 104
Triumphwagen, der. 1518 104
Wien, Ambraser Sammlung.
Amor von einer Biene gestochen 92
Arion 57
Brunnennymphe 92
Hermes 57
Traum Dürers, der 94
Windsor Castle.
Madonna. 15 15 ' 91
V. Gemälde.
Augsburg, Gemäldegalerie.
Madonna mit der Nelke. 15 16 85
i8i
Seite
Be7din, Gemäldegalerie.
Friedrich der Weise 45
Holzschuher, Hieronymus. 1526 149
Muffel, Jakob. 1526 149
Dresden, Gemäldegalerie.
Altar, der Dresdener ' 45
Orley, Bernhard van 128
Florenz, Uffizien.
Adam und Eva. 1507 66
Dürer, Albrecht, der Vater 47
Jakobus, Apostel. 15 16 150
Philippus, Apostel. 15 16 150
Frankfurt, Saalhof.
Hellerscher Altar, der 68
Leipzig, Sammlung Felix.
Dürer, Albrecht, Selbstbildnis. 1493 14-45
Madrid, Museum.
Dürer, Albrecht, Selbstbildnis. 1498 14
Imhof, Hans. 1521 128
München, Pinakothek.
Apostel, die (die vier Temperamente) 150—156
Dürer, Albrecht, Selbstbildnis 47
Krell, Oswald 47
Prag, Rudolpliinum.
Rosenkranzfest, das 59
Wien, Gemäldegalerie.
Allerheiligenbild, das 70
Madonna. 1503 85
l82
Seite
Madonna mit der aufgeschnittenen Birne 74
Männliches Bildnis. 1507 61
Marter der Zehntausend 67
Maximilian, Bildnis des Kaisers 122
SL Veit bei Wien.
[St. Veiter Altar, der] 46
Die Glasfenster der Landauerkapelle 70
[Plastische Arbeiten] . . 117
VERZEICHNIS DER ILLUSTRATIONEN.
(B. = Bartsch.) Seite
Ein Engelskopf, Weissgehöhte Kreidezeichnung in der Kunsthalle zu Bremen.
Nach dem Titel
Musikanten. Federzeichnung. Aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians .... i
Engelgruppe aus der Geburt Christi, Marienleben. Holzschnitt B. 85 . . • • 9
Madonna. Federzeichnung aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians 10
Adam (halbe Figur). Aus einem Dürer zugeschriebenen Kupferstich der Pariser
Nationalbibliothek. (Internat. Chalcograph. Gesellschaft 1886, lo) ... 14
Dürers Selbstbildnis. Gemälde im Museum zu Madrid 15
Das Felsenschloss. Deckfarbenmalerei in der Kunsthalle zu Bremen 20
Bildnis von Dürers Frau. Federzeichnung in der Albertina zu Wien .... 23
Bildnis von Dürers Frau. Silberstiftzeichnung in der Sammlung Blasius zu
Braunschweig 25
Umrahmung mit dem Schweisstuch Christi. Federzeichnung aus dem Gebetbuch
Kaiser Maximilians 27
Landschaft aus dem vierten Blatt der Apokalypse. Holzschnitt B. 63 . . . . 35
Landschaft aus dem neunten Blatt der Apokalypse. Holzschnitt B. 68 . . . . 37
Gruppe aus dem sechsten Blatt der Apokalypse. Holzschnitt B. 65 38
Kämpfende Landsknechte. Federzeichnung aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians 40
Die Geburt der Maria. Aus dem Marienleben. Holzschnitt B. 80 42
Joseph. Aus der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. Marienleben. Holzschnitt B. 90 44
Madonna. Titelblatt des Marienlebens. Holzschnitt B. 76 48
Das Christkind auf einem Esel reitend. Federzeichnung aus dem Gebetbuch
Kaiser Maximilians 49
Die Geisselung Christi. Aus der grünen Passion. Weiss gehöhte Federzeichnung
in der Albertina zu Wien 50
Die Kreuzabnahme. Aus der grünen Passion. Weiss gehöhte Federzeichnung in
der Albertina zu Wien 52
Die Geisselung Christi. Grosse Passion. Holzschnitt B. 8 55
Ein Heiliger. Federzeichnung aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians .... 57
Zwei Hasen. Aus der heiligen Familie mit den drei Hasen. Holzschnitt B. 102 65
Zwei Engel mit einer Krone. Aus der Madonna von zwei Engeln gekrönt.
Kupferstich B. 39 66
Die Fusssohlen eines knieenden Mannes. Studie zu den Fusssohlen des knieenden
Apostels auf dem Hellerschen Altar. Weiss gehöhte Tuschzeichnung, früher
in der Sammlung Franck in Graz 68
Dürers Selbstbildnis. Aus dem Allerheiligenbild in der Belvederegalerie zu Wien 71
Christus am Kreuz, genannt ,,der Degenknopf". Kupferstich B. 23 74
Maria auf dem Halbmonde. Kupferstich B. 30 75
i84
Seite
Maria von Heiligen verehrt. Aus dem Marienleben. Holzschnitt B. 95 . . . 76
Christus auf dem Ölberg. Kleine Passion. Holzschnitt B. 26 79
Christus auf dem Ölberg. Kupferstichpassion B. 4 80
Ecce homo. Kupferstichpassion B. 10 81
Unterer Teil der Titeleinfassung zu Pirkheimers Büchern. Passavant 205 ... 86
Die Madonna mit der Birne. Kupferstich B.41 87
Madonna mit dem Kinde. Federzeichnung im Kupferstichkabinet zu Berlin . . 88
Die Madonna an der Mauer. Kupferstich B. 40 89
Die heilige Familie. Zeichnung im Museum zu Basel 90
Die heilige Anna Selbdritt. Aquarellierte Federzeichnung im Germanischen Museum
zu Nürnberg 92
Das Schweisstuch Christi. Kupferstich B. 25 93
Der heilige Hieronymus im Gehäuse. Kupferstich B. 60 98
Die Melancholie. Kupferstich B. 74 100
Weiherhaus. Ausschnitt aus der Madonna mit der Meerkatze. Kupferstich B. 42 108
Gottvater und die Taube mit Seraphim. Holzschnitt 109
Ein Hase. Aquarellmalerei in der Albertina zu Wien 1 20
Der heilige Antonius, Kupferstich B. 58 121
Angebliches Bildnis des Hans Imhof. Gemälde im Museum zu Madrid . . . 129
Das Abendmahl. Holzschnitt B. 53 131
Die Grablegung Christi. Federzeichnung im Germanischen Museum zu Nürnberg 133
Schnörkel. Federzeichnung aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians 134
Ein Hahn. Von dem Löwenwappen mit dem Hahn. Kupferstich B. 100 . . . 135
Ein Löwe. Aquarellmalerei in der Albertina zu Wien 145
Landsknecht und Reiter. Federzeichnung aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians 146
Johannes und Petrus (oberer Teil). Gemälde in der Pinakothek zu München . 152
Paulus und Markus (oberer Teil). Gemälde in der Pinakothek zu München . . 153
Weinender Engel. Weissgehöhte Kreidezeichnung in der Sammlung Blasius zu
Braunschweig 156
Landschaft aus dem h. Eustachius. Kupferstich B. 57 157
Offenes Buch auf einem Pult liegend. Weiss gehöhte Pinselzeichnung in der
Albertina zu Wien 160
Vornehme Geschenkwerke für Kunstfreunde und Sammler.
In demselben Verlage sind ferner erschienen:
ZEICHNUNGEN
VON
ALBRECHT DÜRER
IN NACHBILDUNGEN.
ERSTER UND ZWEITER BAND.
HERAUSGEGEBEN VON
DR- FRIEDRICH LIPPMANN
Direktor des K. Kupfersticlikabinets zu Berlin.
I. Band : T. bis IV. Abtheilung, zusammen 99 Zeichnungen in einem Bande.
II. Band: V. bis XXII. Abtheilung, zusammen 108 Zeichnungen in einem Bande.
Folio-Format. In solidem Einband, Deckelpressung nach dem Dürer'schen Holzschnitt:
die Tapete mit dem flötenspielenden Satyr. Subscriptionspreis für jeden Band 250 Mark.
Von diesem Werke sind nur dreihundert in der Presse numerirte Exemplare hergestellt, auch
wird eine zweite Auflage nicht veranstaltet. Die Verlagsbuchhandlung behält sich vor, den
Subscriptionspreis von 250 Mark später zu erhöhen.
Der dritte Band ist in der Herstellung begriffen und wird im Laufe des nächsten Jahres
erscheinen.
STICHE UND RADIRUNGEN
VON
SCHONGAUER DÜRER REMBRANDT
IN HELIOGRAPHISCHER NACHBILDUNG
NACH ORIGINALEN
DES KÖNIGLICHEN KUPFERSTICHKABINETS ZU BERLIN
MIT BEGLEITENDEM TEXT
VON
J. JANITSCH UND A. LICHWARK.
Zwei Theile in Mappe 100 Mark. — In Halb- Juchten -Einband 120 Mark.
Die herrlichen Kupferstichwerke unserer alten Meister der bildenden Künste sind noch immer
weiteren Kreisen, selbst der Gebildeten, so gut wie unbekannt. Und doch schlummert in ihnen
ein Schatz, reich an Phantastik, Pracht, Schönheit und Gemüthswärme, der es wohl werth erscheinen
lässt, dass die alte deutsche Kunst zu neuem Leben erwache und jedes Auge sich an ihren
Schöpfungen erfreue.
Schongauer, Dürer, Rembrandt — das sind die Namen unserer grossen germanischen Künstler.
Weniger in ihren Gemälden, als vielmehr in ihren eigenhändigen Kupferstichen und Radirungen
liegt der Schwerpunkt ihres künstlerischen Schaffens. Und diese bringt die obige Publikation in
getreuen, heliographischen Reproduktionen allen Kunstfreunden zur Erbauung und Vertiefung,
denen die in Sammlungen nur selten und schwer zu benutzenden Originale nicht zugänglich sind.
Seit Januar 1888 erscheint:
DIE GEMÄLDEGALERIE
DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN.
Mit erläuterndem Text von JULIUS MEYER und WILHELM BODE.
Herausgegeben von der Generalverwaltung.
Gross - Folio - Format.
Diese hervorragende Publikation wird in Kupferstichen und Radirungen von der Hand der
berufensten Künstler die Hauptwerke der Königlichen Gemälde-Galerie zu Berlin umfassen.
Jährlich werden 2 — 3 Lieferungen ausgegeben. Die ersten sechs Lieferungen, je 6 Einzelblätter und
durchschnittlich 4 Doppelbogen Text enthaltend, liegen fertig vor; die siebente wird im December d. J.
erscheinen. Alle folgenden werden ebenfalls je 6 Einzelblätter und 4 Doppelbogen Text bringen.
= Preis jeder Lieferung 30 Mark. —
Ausserdem werden abgezogen in grösstem Folio - Format :
25 numerirte Exemplare der Künstler-Ausgabe: Remarque-Drucke mit breitem Plattenrande auf
Japan -Papier mit eigenhändiger Unterschrift der Künstler. Preis der Lieferung 100 Mark.
80 numerirte Exemplare der Vorzugs-Ausgabe: auf chinesischem Papier mit breitem Plattenrande.
Preis der Lieferung 60 Mark.
o INHALT, c
ERSTER THEIL.
Die italienische, spanische und französische Schule.
Erster Band.
I. Die Italienischen Schulen des XIV. Jahrb.;
etwa 6 Blatt.
II. Die Florentinische Schule des XV. Jahrh. ;
etwa 12 bis 15 Blatt.
III. Die Umbrische Schule.
Die Schulen von Ferrara und Bologna des
XV. Jahrh. ; zusammen etwa 6 Blatt.
IV. Die Ober-Italienischen Schulen des XV. Jahrh.
(insbesondere Venezianer und Lombarden);
etwa 12 bis 15 Blatt.
Zweiter Band.
V. Die Italienischen Schulen und die Meister
des XVI. Jahrb.; etwa 15 bis 18 Blatt.
VI. Die Italienischen Schulen des XVII. und
XVm. Jahrb.: etwa 9 Blatt.
VII. Die Spanische Schule, vornehmlich des XVII.
Jahrb.; etwa 6 Blatt.
VIII. Die Französische Schule des XVII. und
XVIII. Jahrhunderts.
Die Deutsche Schule des XVIII. Jahrh.; zu-
sammen etwa 9 Blatt.
ZWEITER THEIL.
Die deutsche und die niederländische Schule.
Dritter Band.
IX. Die Deutsche Schule. XIII. bis XVI. Jahrb.;
etwa 9 Blatt.
X. Die Altniederländische Schule. XV. und
XVI. Jahrb.; etwa 12 Blatt.
XL Die Vlämische Schule des XVII. Jahrb.;
etwa 12 bis 15 Blatt.
Vierter Band.
Dz'e Holländische Schule. XVU. Jahrhundert.
XII. Franz Hals und seine Schule. Die Bildniss'
maier; etwa 12 Blatt.
XIII. Rembrandt und seine Schule ; etwa 6 Blatt.
XIV. Die Kleinmeister. Das Sittenbild und das
Stillleben; etwa 12 Blatt.
XV. Die Landschaft. Das Architekturbild und
die Marine; etwa 12 Blatt.
4 Bände in 25 bis 27 Lieferungen.
ZEICHNUNGEN
VON
SANDRO BOTTICELLI
zu
DANTE'S GOETTLICHER KOMOEDIE
NACH DEN ORIGINALEN IM K. KUPFERSTICHKABINET ZU BERLIN
HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DER GENERAL - VERWALTUNG DER K. MUSEEN
VON Dr. FRIEDRICH LIPPMANN.
84 Facsimile- Lichtdrucke mit erklärender Beschreibung und Heliographien der 20 Kupferstiche der
Florentiner Dante- Ausgabe von 1481. Preis 270 Mark.
Dazu als Supplement: DIE ACHT HANDZEICHNUNGEN DES SANDRO
BOTTICELLI ZU DANTE'S GOETTLICHER KOMOEDIE IM VATIKAN. Heraus-
gegeben von Dr. JosEF Strzygowski. Preis 30 Mark.
Botticelli's Zeichnungen sind unzweifelhaft die grossartigste Illustration der göttlichen Komödie
und eines der bedeutendsten Kunstwerke des 15. Jahrhunderts. Sie kamen mit den aus der Samm-
lung des Herzogs von Hamilton angekauften alten Handschriften in den Besitz der Königlichen
Museen zu Berlin und wurden, bisher fast verborgen, nunmehr erst weiteren Kreisen bekannt.
Don
Kob. Do|>me, lüil^). :ßoöe^ Mb. 3amt}(!l^ct , (£. Don £ü^on) unb Jat üon ^Salte.
fgit 826 ^ffurtiaftonctt im Sc^f unb 237 ^afcfn ttn6 g>arBgttt>ru(ficn.
Format: (Sröfetes £cf. = ®ftaD. preis: 90 iTlarf. (Sebunben in fialbfransbanö U»? JTlarf.
I. ©«rdn«'!** J***^ J»<tttrdjen ^ttithunft. öon
Dr. Hob. Dotjmc, Ulitglieb ber K. 2lfabemic |
bes Bautcefens. ITlit 3.52 2!ertiUuftrationen unb 1
5+ tEafeln u. ^arbenbrucfen. VIII. u. 4<^'5 Seiten.
^887. 20 trjarf. (geb. i. ^Ibfrs. 24 iriarf.
II. ©efdjti^te ti«utrdr«n IHafttk. öon Dr
W. Bobe, üireftor an ben Königl. ITlufeen 3U i
Berlin, mit 82 Ceftiüufirationen u. 29 Cnfeln
unb ,^arbcnbrucfen. IV unb 258 Seiten. H887.
12 iriarf. (Seb. i. ßlbfrs. )15 lllarf.
III. (ßg!fdnAjU Jirer i»eutrd|«n Ptc»Ur«t. Oon Dr.
£f. 3«nitf<i?ef/ prof. an ber Unioerfität Stra§=
bürg, mit n4' Certiüuürationen unb 82 Cafeln
unb ,^arbenbruden. VIII u. 664 Seiten. 1,890.
30 miarf. (Seb. i. f7lbfr3. 3+ marf.
IV. ^tfdndjU be* beutfdtett ^itpferftidje«! uttb
fioUJdinitie^, Von Dr. darl non Cü^otu,
Prof. an ber K. K. tect>nif(ijen ^ocbfd^ule su
IDien. mit 13\ (Tertiüuilrationcn unb 40 (Eafeln
unb ^T^ßn^'rucf'en. VI unb 316 Seiten. X8S)l .
J6 marf. (Seb. i. ßlbfr^. 19 marf.
V. @erd;id)te be« hctttfdjeit $un|t0«ttt«trb«0.
Don 3afob oon ,5alfc, Direftor bes K. K.
ODfierreicbifdien mufeums für Kunft u. 3nbu)irie
3u ITien. lliit 107 Certilluftrationen u. 32 Cafcin
unb ,^arbenbrucfen. VI unb 219 Seiten. \888.
12 marf. ©eb. i. ^Ibfr3. ^5 marf.
(Seber ^til ift etnjeln hütifliii).)
Diefes bebeutenbe, ja bal^nbredjenbe tPerf, getragen oon ber ®unft bes publifums unb ber etnfiimmig
günftigen Kritif ber Preffe, liegt nun oollenbet uor. Die mittbcilungen bes K. K. ©ftcrreidjifdien mufeums
für Kunft fagen barüber : Das gro^e IDerf ift nunmeljr 3um 2lbfd-)Iu§ gebradjt tüorbcn unb liegt bem bcutfdjen
Dolfe in fünf ftattlidjen öänben, bie (Sefdjidjte feiner nationalen Kunjt, ooUenbet oor. llid^t allein in
anffenfd^aftlidier , aud7 in fünftlerifdjer Beiiequnq geftaltet fid) bas (San3e 3U einem prad^ttrerfe er^lcn
Hanges, benn bie grünblidic unb ausfüt]r[id]e Darftellung bes «Entroid'clungsganges ber beutfd^cn Kunft aus
ben ^ebern berufener ,^adimänner begleitet ein reidier, forgfani ausgeiyäblter unb forgfoltig ausgefütjrter
öilberfdjmucf (über 1000 3^I"ft'^'itioncn im ?Eert unb auf 3um großen Cbeile farbigen ^Tafeln!), lueld^er bie
fdjönften unb intereffanteften Denfmäler bcutfdjer öaufunft, öilbnerei unb malerci, bes Kufiferjiidies, ^ol3=
fd^nittes unb bes Kunftgetuerbes 3ur 2lnfdiauung bringt, mit bered?tigter (Senugtt]uung bürfen bie ^crau5=
geber unb ber Derleger auf bas nun abgefd^Ioffenc IVerf blirfen, töeldies bie tDobloerbientc dbeilnabme unb
bas tt)ärmfte 2ntere'\)e bes funftliebenben beutfdicn Cefepublifums fdion Don allem 2Infange an begleitet l)at.
KUPFERSTICHE UND HOLZSCHNITTE ALTER MEISTER
IN NACHBILDUNGEN.
Herausgegeben von der Direction der Kaiserl. Rcichsdruckerei
unter Mitwirkung von Dr. F. Lippmann, Director des K. Kupferstichkabinets in Berlin.
In jährlichen Lieferungen (INIappen) zu loo Mark.
Lieferung I und II sind erschienen.
Eine unbegrenzte Fülle der edelsten und nachhaltigsten künstlerischen Anregung ist in den
Kupferstichen und Holzschnitten der alten Meister enthalten, und diese Anregung weiteren Kreisen
zu vermitteln, ist eines der vornehmlichsten Ziele, welche sich das hier angezeigte Unternehmen
setzt. Durch eine Zahl sorgfältigster Reproduktionen in überaus getreuer Weise wiedergegeben und
in der Regel in der Grösse der Originale gehalten, wird eine Art kunstgeschichtlicher Atlas her-
gestellt werden , welcher die Entwickelung des Kupferstiches und Holzschnittes aller Schulen und
Perioden veranschaulicht. Das Werk wird dann gewissermassen den Auszug einer grossen Kupfer-
stichsammlung darstellen, das Beste und Merkwürdigste, was vier Jahrhunderte geschaffen haben,
enthaltend. Die Nachbildungen werden auf Büttenpapier gedruckt, auf Cartons befestigt und den
alten Blättern in der äusseren Erscheinung durchaus ähnlich sein.
Für die Nachbildung werden zu einem grossen Theil Originale aus dem Kgl. Kupferstich-
kabinet in Berlin dienen und ausserdem solche aus namhaften in- und ausländischen öffentlichen
und privaten Sammlungen.
Die antiken Sarkophag-Reliefs
im Auftrage
des Kaiserlich deutschen Archäologischen Instituts
mit Benutzung der Vorarbeiten von Friedrich Matz
herausgegeben und bearbeitet
von
Karl Robert.
Folio - Format. Preis des zuerst erschienenen II. Bandes fest cartonirt 225 Mark.
Die Herausgabe der antiken Sarkophag -Reliefs bildet ein Glied in der Reihe der Unter-
nehmungen des Kaiserl. Archäologischen Instituts, durch welche dieses nach Massgabe der zur
Verfügung stehenden Mittel und Kräfte dazu beitragen will, dass der sonst unübersehbare archäo-
logische Stofif nach Gruppen des unter einem entscheidenden Gesichtspunkt Zusammengehörigen
nutzbar vorgelegt werde.
Karl Robert hat seine ganze Kraft dafür eingesetzt, und seiner Bemühung ist es zu danken,
dass das Ganze in Plan und Ausführung aufs Neue gefördert ist, und dass jetzt ein Band, der
Reihenfolge im Werke nach der zweite, ausgegeben werden konnte.
Das ganze Werk ist auf 6 Bände in folgender Anordnung berechnet: Band I. Menschenleben.
Band II. Mythologische Cyklen. Band III. Einzelmythen. Band IV. Bacchischer Kreis. Band V.
Musen, Nereiden, Eroten. Band VI. Decoratives. Einleitung und Register werden hinzutreten. Es
sollen womöglich sämmtliche bekannte Sarkophage, mit Einschluss der Bruchstücke zusammen etwa
3000, auf etwa 1000 Tafeln in Abbildungen gegeben und kritisch und exegetisch behandelt werden.
JAHRBUCH
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN KÜNSTSAMMLÜNGEN,
Jährlich ein Band (4 Hefte). 1891. XII. Band.
Preis 30 Mark.
Ausgestattet mit vielen Beilagen und Illustrationen.
Das „Jahrbuch" bringt neben den amtlichen Berichten aus den Kunstsammlungen Studien
und Forschungen auf allen Kunstgebieten von den namhaftesten Gelehrten und zeichnet sich aus
durch den Werth seiner Kunstbeilagen.
Von Band I — X sind einzelne zurückgesetzte, aber gut erhaltene Exemplare vor-
räthig, die zusammen genommen statt des Ladenpreises von 296 Mark zum er-
mässigten Preise von 148 Mark zu kaufen sind.
Zu Band I — X ist ein General -Kegister erschienen, das 6 Mark kostet.
gnt g(ei(^en SSerlage ftnb ferner erfd^ienen:
(ßcf d^id^tstpcrf c
mit
aiitgentifcFien tnilturgiftonfcgen Slluftrationen, ^arträt^^,
Cafein, 'i^cüagcn unb tjiftonfrficn Clartciu
(6efc¥|iri&tE ÖE]^ alten #g|lpten^. Von profeffor Dr. (£ b u a r b m c y c r.
— ITTtt einer (Einleitung : (Seograpt^ie bes alten ^jigYP*^"^' 5d?rift unb 5prad)c
feiner Berool^ner. Don profeffor Dr. 3oI|annesDümid^en. IHit 8 Karten,
Cafein unb Beilagen, 3 Kärtdjen unb W ^Ibbilbungen im Cejt. XII,
322 unb ^20 (= Tk2) Seiten. ^887. Ji 22.50. (Seb. i. :^Ibfr3. 25.50.
O^efcgidöte ^aüplonten^ unü ^Uffprien^. Oon profeffor Dr. ^ri^
f^ommel. IHit \ Karte, Cafe In, \\ Kärtdjen unb \06 21bbilbungen im
Cejt. VI unb 802 Seiten. \885. .M \7.50. (Seb. i. ^Ibfr3. 20.50.
<^tiä}id\tt Öe^ alten Stntlien^- r>on profeffor Dr. S. £efmann.
mit \ Karte, 29 Cafein unb Beilagen, \ Kärtdjen unb 21bbilbungen
im Cejt. VI unb 8^5 Seiten. \890. 2\.— . (Seb. i. £^lbfr3. Ji 2\ —
(6efrf)icFfte Öe^ alten ^erfl'en^. Don profeffor Dr. ^erbinanb 3ufti.
JTtit 2 Karten, \2 Cafein unb Beilagen, unb w 2lbbilbungen im Cejt.
X unb 252 Seiten. \879. JL 7.50. (Seb. i. fjlbfr3. Ji \0.—
(J^efdjirflte ber ^f|äni.Ver» Don Dr. Hid^arb pietf d?mann. lUit
8 Cafein, 7 Kärtd^en unb 95 llbbilbungen im Cert. IV unb 3^5 Seiten.
H889. Ji 8.—. (5eb. i. f|Ibfr3. Ji ^o.50.
O^efCÖiCÖte bon i|ella^ unb ßoni» Don profeffor Dr. (g. ^. ^er^.
berg. gmei Bänbe. I. Banb: ITTit 3 Karten, 13 Cafein, 9 Kärtd^en unb
73 2ibbilbungen im Cejt. groeite 21uflage. IV unb 638 Seiten. \883. Ji U.so.
(Seb. i. £^Ibfr3. Ji \7.25. — II. '^axCii'. mit \ Karte, \\ Cafein, 6 Kärtd^en
unb 88 21bbilbungen im Cejt. groeite 2iuflage. IV unb 679 Seiten. ^88^^.
Ji \5.— . (Seb. t. ^Ibfr3. .M. yi.ih.
a3efcßicßte be^ l^alftei^ 3frael, ^u^ei Bänbe. I. Banb pon profeffor
Dr. Bernljarb Stabe, mit 2 Karten, \ \ Cafein unb Beilagen, Kärtd^en
unb ^3 21bbilbungen im Cejt. ^roeite 21uflage. VIII unb 7\\ Seiten. ^889.
Ji \6.— . (Seb. i. :^Ibfr3. \8.75. — II. '^(xn^. I. a5efiijirijte üe^ bot*
cöritWcöen gfubcntum^ tii^ jur grierijifcDEn %t\t. Don profeffor Dr. Bern«
t^arb Stabe. II. *I^fl^ €nbe öc^ jübifcßcn .^taat^tuefcng unb bie OEnt-
ftefjung be^ Cfjrittentum^. Don Lic. theol. Dr. 0s !ar f^ol^m ann. mit
2 Karten, \5 Cafein unb Beilagen, unb 7 Zlbbilbungen im Cejt. IV unb
679 Seiten. 1888. Ji \6.— . (Seb. i. f?Ibfr3. Ji ^8.75.
(j^efcgid^te be>^ roniifcficn Jliaiferreidje!^» Don profeffor Dr. (S. f.
^er^berg. mit \ 9 Cafein unb Beilagen, 3 Kärtd^en unb \28 2tbbilbungen
im Cejt. IV unb 892 Seiten. ^880. Ji \^—. (Seb. i. £^Ibfr3. 22.—
Urgefcgicgte öer gcrmanifcgen unö romanifcgen l^ölftEt«
Don profeffor Dr. ^eltj Dal^n Dter Bänbc. I. 23anb: XHit 3 'Karten,
\3 Cafcin unb Betlagen, unb U8 2tbbtlbungen im (Eeyt. VI unb 60^^ Seiten.
\88\. Ji\(\-—. (Seb. t.f?Ibfr3. Ji\Q.i^.— ll. Banb: ITItt 5 Karten, \2 Cafein,
/s^Kärtdjen unb 74; 2lbbtlbungen im Ceyt. VIII unb 5\5 Seiten. \88\. ^ ^2. —
(Seb. i. £^Ibfr3. \^.7 5. — III. Banb: IHit 4: Karten, \i Cafein unb 3ei=
lagen, 2 Kärtdjen unb 30 2^bbilbungen im Cejt. IV unb u 86 Seiten. \883.
Ji 25.—. (Seb. i. ^Ibfr3. Ji 28. — IV. Banb: lUit \2 Cafein u. Beilagen,
u. 76 21bbilbungen im Cejt. IV u. 368 Seiten. ^889. Ji (Seb. i.
f^Ibfr3. Ji \2.50.
Don profeffor Dr. (Ebuarb IDinfelmann. Iltit 6 Cafein unb Beilagen,
\ Kärtdjen unb 8 2lbbilbungen im Cejt. VIII unb \86 Seiten. 1883. Ji 6.—
(Seb. i. f^Ibfrs. Ji. 8.50.
^er 2l^tam im j^l^orgen^ unö SCöEiitilanö, Don profeffor Dr. 21.
ITtüIIer. gtpei Bänbe. I. Banb: IHit \ Karte, \\ Cafein unb Beilagen,
unb 27 ilbbilbungen im Cejt. VIII unb 6^^6 Seiten. \885. Ji u.50.
(Seb. i. :^Ibfr3. ^ IL Banb: tltit ^ Karten, H3 Cafein unb Bei=
lagen, unb ^^8 21bbilbungen im Cejt. IV unb 686 Seiten. ;887. Ji \5.—
(Seb. i. .^Ibfr3. Ji \7.7 5.
O^EfcglCgtE ÖEt teEU53ÜgE. Don profeffor Dr. Bernljarb Kugler.
mit 2 V.axizn, \o Cafein unb Beilagen, \5 Kärtd^en unb \ob 'iXhhxl-
bungen im Cejt. groeite 2luflage. VIII unb Seiten. Ji \\ —
(Seb. i. ^Ibfr3. Ji ^3.50.
^taatEngEfcgicgtE öe^ ^UftEntlanbE^ im ÄittElaltEt bon
ütad a5r* bi)^ auf jSa):imilian. Don profeffor Dr. f^ans pru^.
gmei Bänbe. I. 'Sant>: mit ]( Karte, 27 Cafein unb Beilagen, unb \82 2Ib»
bilbungen im Cejt. VIII unb 726 Seiten. \885. Ji \8.— (Seb. i. i?Ibfr3.
Ji 2\.— II. Banb: mit 2 Karten, 4:6 Cafein unb Beilagen, unb 2'^5 2Ib=
bilbungen im Cejt. IV unb 855 Seiten. ^887. Ji. 20.— (Seb. i. ^Ibfr3. Ji 23.—
O^EfcgicßtE öEt ^psantincr unb bE-ß a^^manifcgEU ÖEidjE^
bi^ gEgEH €nbE bE>gf (EcgSE^ntEn aiagr^unbErt^, Don pro»
feffor Dr. (S. ^. f^er^berg. mit 1(9 Cafein unb Beilagen, <k Kärtd^en unb
52 2ibbilbungen im Cejt. IV unb 692 Seiten. \883. Ji \6.50. (Seb. i.
f^Ibfr3. Ji \9.25.
ßEnaiffancE unb Jlumani^mu^ in StaliEu unb ^Eutfcglanb.
Don Profeffor Dr. £ubn)ig (Seiger, mit 27 Cafein unb Beilagen, unb
58 2tbbilbungen im Cejt. IV unb 587 Seiten. \882. Ji (Seb. i.
i^Ibfr3. Ji 1(7.75.
a^EfcgiCÖtE bE^ ^EitaltEt^ bEr CntbECßungEU. Don profeffor
Dr. Sopljus Kuge. mit 9 Karten, \o Cafein unb Beilagen, \o Kärtd^en
unb 4:7 2tbbilbungen im Cejt. IV unb 5^2 Seiten. Ji (Seb.
i. i^Ibfr3. Ji \7.75.
ßufslanti, ^olen und HCililanti fti^ in^ 17« 3al}rgiinbert»
Don Dr. Cl^cobor Sdjiemann, gtret Sänbe. I. Banb: IHit 2 Karten,
\9 Cafein unb Betlagen, 3 Kärtd?en unb 2tbbilbungen tm Cejt. IV unb
668 Seiten. ^886. Ji \6.— <3eh. t. f^Ibfr3. \8.75. II. Banb: ItTtt
\2 Cafein unb Beilagen, unb 7^ 2lbbilbungen im Cejt. IV unb ^^o Seiten.
\887. J& \\. — (geb. i. :^Ibfr3. Ji ^3.50.
a^efcgicgte ter tlElItfcl^En ßEfarmatian. Don profeffor Dr. ^rieb»
rtd? Don Be3oIb. ITTit 33 Cafein unb Beilagen, unb 96 21bbilbungen im
Cejt. VI unb 88^^ Seiten. \890. M 22.50. (Seb. i. ^Ibfr3. J6 25.50.
JBefl:Europa im ^EitaltEt ban 5^8iüpp n., ClifaftEtft imö
l|Einriclj IV. Don profeffor Dr. niartin pl^ilippfon. mit ^ Karten,
^2 Cafein unb Beilagen, unb 72 2lbbilbungcn im Cejt. VI unb H8^ Seiten
(Einleitung (bie fatl^ol. (Segenreformation um bie IHitte bes \6. 3'il?rl^.) unb
509 (= 693) Seiten. \882. J& \8.— (Seb. i. £^Ibfr3. 2\ —
Wa^ ^EitaltEt ÖE^ brEifsigjägrigEn ftriEgE^. a5efcfi<c8te unb i^or^
5efcf)irf)tE. Don Prof. Dr. (S. Dro yfen. («rfdjicncn 5. ^—'^48; roitb DoOpanbig ^892.)
O^EfcglCgtE ÖEt ßEbolUtian in Cnglanb. Don profefforDr. 2llfreb
Stern. JTtit \ Karte, 8 Cafein unb Beilagen, \ Kärtd^en unb 36 llbbil»
bungen im Cejt. VIII unb 329 Seiten. \88\, J&8.50. (Seb. i. f^Ibfr3. ^ U-—
Wü§ ZtlMttt löCutltaig^ XIV. Don profeffor Dr. niartin pl^i«
lippfon. JTtit 57 Cafein unb Beilagen, unb 29 21bbilbungen im Cejt.
gtpeite 21uflage. VIII unb 5'^3 Seiten. ^889. \6.— (Seb. i. f^Ibfr3. ^ ^9.—
^EtEt ÖEr OBroftE. Don profeffor Dr. ^Ilcyanber Brücfner. ITTit
U Cafein. gleite 2luflage. VIII unb 578 Seiten. 1^888. \3.50. (Seb.
t. £^Ibfr3. JS. \6.25.
l^EutfcfiE O^EfcßfcgtE bom llOEftfälifcgEn JFriEbEn öi^ 511m
ÖEgiErung^antdtt JFriEbdcfj^ öE^oBrafSEii, 1648— 1740. Don
prof. Dr. Bernl|. (Erbmannsbörffer. («tfdjienenS. 62-^; roirb oonpanbig 1892.)
^a^ ^EitaltEr jfnEÖricgj^ ÖE^ O^raßEn. Don prof effor Dr. i I .
I^elm ©ncfen. groei Bänbe. I. :Sanh: ITTit \7 Cafein unb Beilagen,
7 Kärtd^cn unb 21bbilbungen im Cejt. IV unb 58 \ Seiten. \88\, Ji \3.50.
(Seb. i. ^^Ibfr3. \6.25. II. Banb: mit 26 Cafeln unb Beilagen, yi Kärtd?en
unb 55 21bbilbungen im Ccyt. VIII unb 868 Seiten. \882. Ji ;8.50.
(Seb. i. f^Ibfr3. Jk 2^.50.
(i&ftErrEicg iiutEt jiBaria ^gEtEfia. %xx\t\ II. miti ICEo^ialb II.
1740 — 1792* Don profeffor Dr. ^Ibam IDoIf unb Dr. J|ans oon
gmiebinecf.Sübenl^orft. mit \6 Cafein unb Beilagen, unb 3^ 2IbbiI.
bungen im Cejt. VI unb ^37 Seiten. \88^. A \ 2.— (Seb. i. f?Ibfr3. Ji \^.75.
iltatgarina II. Don profeffor Dr. 21 1 c f a n b e r B r ü c! n e r. mit 20 Cafeln
unb Beilagen, unb 56 21bbilbungen im Ceyt. VI unb 6^2 Seiten. \883. M \5.—
(Seb. i. f?Ibfr3. Ji \7.7 5.
W^i Zeitalter öer ßcboliitian, tie;^ ^aiferrcicgc^ unö öer
^efrElung^ßriege* Pon profcffor Dr. rt)tll^clm ©nrfen. §iDct
Bänbe. I. Sanb: ITTit 2 Karten, 32 (Eafeln unb Beilagen, 3 Kärtdjen
unb 85 21bbtlbungen im Cejt. IV unb 863 Seiten. ^88^^. Ji
(5eb. t. f^Ibfr3. j/i 22— IL 3anb: ITTit 38 Q:afeln unb Beilagen, 2\ Kärtd^en
unb 21bbilbungen im Ceji XI unb 95^}; Seiten. \886. Ji 2\— (Seb.
i. ^Ibfr3. J4. 2\ —
ö^a^ ^Eitafter öer iSeftauration unb jSßbölution, 1815— 1851.
Pon profeffor Dr. Cl^eobor ^latt^e. XlTit 3 Karten, <k\ Cafein unb Bei»
lagen, 2 Kärtdjen unb 72 Zlbbilbungen im Cejt. IV unb 733 Seiten.
\883. Ji \8.50. (Seb. i. f^Ibfr3. Ji 2\.50.
a3efcf|tdätc ijc^ slucitcn föaiferreicöe^ unö te^ Jfiomgrdclöe^
Stallen. Don profeffor Dr. (£onft. Bulle, mit \^ Cafein unb Beilagen,
5 Kärtdjen unb 93 2tbbilbungen im Cejt. IV unb 653 Seiten. ^890. Ji \b —
(Seb. i. £jlbfr3. Ji 17.7 5.
^uniJE^ftaat unb ^unbe^ßrieg in ^BarbamErißa, Mit
Einem ^Cöriß ber i[folonialgEfri5tcöte al^ Cinleitung, Don
Dr. (Ernfl ®tto ^opp. ITTit \ Karten, \3 Cafein unb Beilagen,
7 Kärtdjen unb ^9 2lbbilbungen im Cejt. IV unb 776 Seiten. \886.
Ji. \7.50. (Seb. i. fjlbfr3. Ji 20.50.
6efcgidEitE bEr oriEntalifcßEn ^ngElEgenö^it im ^EitraumE
öE^ ^arifEr unb bE^ "ii^erlmer jFncben^» r>on Dr.^eiij Bam«
berg. ITTit 5 Karten, \o Cafein unb Beilagen, \2 Kärtdjen unb 65 2lb=
bilbungen im Ceyt. VIII unb 590 Seiten. 1^89 ^^i'fi^S- Ößb. Ji H6.50.
l^^i Zeitalter be^ i^aifer^ aj^ü^eJm. t)on profeffor Dr. voxu
I^elm (Dncfen. ^mei Bänbe. 1. "^anh: ITTit 2 Karten, ^5 Cafein unb
Beilagen, unb 68 2lbbilbungen im Cejt. VI unb 82^?; Seiten. ^890. Ji \7.bo.
(Seb. in ^Ibfr3. Ji 20.50. — II. "Banb: ITTit 3 Karten, 25 Cafein unb
Beilagen unb \20 ^bbilbungen im Ceyt. IV unb 992 Seiten. 3"
f^Ibfr3. geb. Ji. 25.—.
6. a^rote'fcfie Berlag^öucööanblung»
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