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%
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER
LIBRARY
ALBRECHT VON GRJIFE'S
t
ARCHIV
FÜR
OPHTHALMOLOGIE,
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. TH. LEBER Prof. H. SATTLER
]N HEIDELBERG IN LEIPZIG
UND
PROF. H. SNELLEN
IN UTRECHT.
VIERZIGSTER BAND
ABTHEILUNG I.
MIT 3 FIGUREN m TEXT UND 2 TAFELN.
LEIPZIG
VEKI-AjjtYUiJi WI-LHIEr.M ENGKIMANN
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1894: ^
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Inhalts-Verzeichniss
zu
Band XL, 1. Abtheilung.
Ausgegeben am 13. Februar 1894.
Selto
Die literarische Ueberproduction und die Arbeit am Archiv.
Ein Vorwort von Th. Leber V— XII
I. Ueber die Bedeutung der Becherzellen der Con-
junctiva. Von Dr. Cb. Leedbam Green, F. R. G. S.
aus Birmingham. Hierzu Taf. I, Fig. 1 — 5 . . . 1—21
II. Primäre, secundäre und tertiäre Netzhautbilder nach
momentanen Lichteindrücken. Von Dr. H. P.
Bosseha in Utrecht 22—42
III. Untersuchungen über die bei der Syphilis des Cen-
tralnen'ensystems vorkommenden Augenstorungen.
Von Professor W. Uhtboff in Marburg. II. (klini-
scher) Theil. 2. Hälfte. 43-122
IV. Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen zwischen
»iderotischer und hämatogener Pigmenti rung. Von
Dr. £. T. Hippel, Privatdocenten und erstem Assi-
stenten an der Uni versitäts- Augenklinik zu Heidel-
berg 123—279
V. Das Sideroskop. Ein Apparat zum Nachweis der
Eisen- und Stahlsplitter im Innern des Auges. Von
Dr. Eduard Asmus, Assistenzarzt an der Universi-
täts- Augenklinik zu Breslau. Hierzu Tafel II, Fig.
1-4 und 2 Figuren im Text 280—325
1236
IV Inhalt.
Seite
VI. Ueber die Abnahme der Sehschärfe im Alter. Von
Prof. Hermann C'ohn in Breslau. Mit 1 Textfigur 32t>— 3;JG
VII. Bemerkung zu dem Aufsatze von Bosscha: „Primäre,
secundäre und tertiäre Nctzhautbilder nach momen-
tanen Lichteindrücken". Von Dr. Carl Hess in
Leipzig 337—338
Die literarische TJeberproduction und
die Arbeit am Archiy.
Ein Vorwort
von
Th. Leber.
Beim Erscheinen des vorliegenden Heftes sind 40 .Fahre
verflossen, seit unser Archiv durch Albrecht von Graefe
gegründet worden ist. In einem RückbUck auf die ei*sten
30 Jahre ') habe ich seiner Zeit die Hoffnung ausgesprochen,
dass unsere Zeitscluift auch weiterhin ihie ehrenvolle Stellung
als ein Organ der wissenschaftUcheu Ophtlialmologie be-
haupten werde. Der reiche Inhalt der letzten zehn Jahr-
gänge hat unseren Erwartungen in vollem Maasse ent-
sprochen. Die Bedaction darf mit Genugthuung auf den
Antheil zurückbUcken, den das Archiv auch in dieser Zeit
an der Entwickelung der Wissenschaft genommen hat.
Als einen Beweis für die ihm zu Theil gewordene
Anerkennung dürfen wir es betrachten, dass seine Ver-
breitung im Laufe der Zeit noch zugenommen hat, obwohl
die Ansprüche an die Leser durch die Vergrösserung des
Umfangs allmählich recht bedeutend gewachsen sind. In
den ersten Jahren konnten die uns anvertrauten Beiträge
gewöhnlich in zwei Heften von durchschnittlich 16—18
») Die Ophthalmologie seit 1870. v. Graefe's Archiv XXX. 1.
VI Th. Leber.
Bogen untergebracht werden; später stieg die Zahl der
Hefte eines Jahrganges bei gleicher Bogenzahl auf drei
und im Jahre 1876 auf vier; hierbei ist es, von vier Jahren
abgesehen, wo nur drei Hefte erschienen sind, bisher ver-
bUeben. In diesem Jahre sehen wir uns nun durch die
^Nfenge des uns zugegangenen Materials veranlasst, das
ei-ste Heft schon im Februar erscheinen zu lassen, und werden
vielleicht genötliigt sein, ausnahmsweise die Zahl der
Hefte des laufenden Jahrgangs auf fünf zu erhöhen.
So erfreulich nun auch die rege Thätigkeit in unsei-ein
Fache ist, welche sich hierdurch bekundet, und so selir
wir wünschen, möglichst zahlreiche Beiträge aus
den verschiedensten Gebieten und Richtungen zu
(»rhalten, so erweckt doch dies stetige Wachsthum aucli
gewisse Bedenken, denen wir uns nicht verschUessen dürfen,
wenn das Archiv auch weiterhin seiner Aufgabe vollauf
entsprechen soll. Es fragt sich, ob wir nicht scheu auf
einem Punkte angelangt sind, wo eine weitere Zunahme
nicht erfolgen kann, ohne dass dem Gewinn auf der einen
Seite ernste Nachtheile auf der anderen gegenüberstehen.
Schon vor 10 Jahren habe ich in dem erwähnten
llückblick auf den enorm gewachsenen Umfang unserer
FachUteratur hingewiesen und unsere Mitarbeiter, freilich
mit nur geringem Erfolg, um thunlichste Knappheit in der
Abfassung ihrer Arbeiten gebeten. Das in ersterer Hinsicht
(lesagte muss ich heute noch in erhöhtem Maasse betonen,
da die Zahl der einmaligen und periodischen Publicationen
inzwischen noch eine weitere Zunahme erfahren hat. Es
ist dies ja keine auf unser Fach beschränkte Erscheinung,
sondern macht sich auf allen Gebieten der geistigen
Thätigkeit mehr oder minder fühlbar, aber kaum irgendwo
stärker als in der Ophthalmologie. Die regelmässigen und
aussergewöhnlichen Erscheinungen der FachUteratur können
auch von dem Fleissigsten schon längst nicht mehr alle
gleich nach ihrem Eingang bewältigt werden. Vieles wird
Die literarische Ueberproduction und die Arbeit am Archiv. VII
für die Zeit grösserer Müsse zurückgelegt und findet oft
iimb später keine genügende Beachtung, weil dringende^
Ansprüche des Berufs oder sonstige Abhaltungen die Zeit
vorwegnehmen. Wer sich heute in allen Zweigen der
Ophthalmologie auch nur auf dem Laufenden erhalten und
zugleich den Fortschritten der übrigen Mediciu und der
Naturwissenschaften einigermaassen folgen ^ill, muss seine
Zeit auf das Sorgtältigste zu Rathe halten und auf anderen
Gebieten die grösste Selbstbeschränkung üben; wie viel
mehi* noch derjenige, welcher an den Fortschritten der
Wissenschaft tliätigen Antheil nehmen will! Die Masse
des Gebotenen hat naturgemäss zur Folge, dass nur eine
l)e8diränkte Zahl von Arbeiten, zumeist die für die Praxis
verwerthbaren, einen grösseren Leserkreis findet, während
von den anderen immer nur verhältnissmässig Wenige Notiz
nehmen. Wir treiben so einer zunehmenden Specialisinmg
in unserer Specialität entgegen, bei der es immer schwerer
^ird, einen Ueberblick über das Ganze zu behalten.
Der geschilderte Zustand ist zum Theil in der Ent-
>»ickelung unserer Wissenschaft begründet und muss inso-
weit als etwas Gegebenes hingenommen werden. Dies
♦'uthebt aber die Betheiligten nicht der Veri)flichtung, zu
prüfen, was etwa zur Abhülfe geschehen kann. Die wisseii-
schaftUche Production herabdrücken zu wollen, wäre ein eben
^) thörichtes wie aussichtsloses Beginnen; nur an einen ge-
wissen Einfluss auf die Art der Publicatiou kann gedacht
werden.
Betrachten ^ir nun die Verhältnisse bei unserem
Archiv, so ergiebt sich, dass weit weniger die Zahl, als der
durchschnittliche Umfang der Arbeiten mit der Zeit zu-
g<*ttommen hat. Dies ist auch dann noch richtig, wenn
man die besonders grossen Arbeiten, welche schon früher
und gerade in der letzten Zeit einige Male im Archiv er-
wüenen sind, ausnimmt. Die Kedaction glaubt bei deren
gediegenem Inhalt mit ihrer Aufnahme den Dank der Leser
VIII Th. Leber.
verdient zu haben, da bei dem geringen Absatz, welchen
gesondert erscheinende Scliriften zu finden pflegen, ihr Ver-
kaufspreis weit höher gewesen wäre, als bei der Aufoahnie
in unser Archiv. Solche Arbeiten, deren Bogenzahl ebenso
wohl ein gesondertes Erscheinen gestattet, werden ja immer
nur ausnahmsweise bei uns Platz finden, und die obige
Bemerkung bezieht sich ebensowohl auf die kleinen und
mittleren, deren Grössenzunahme ganz unverkennbar ist Es
fragt sich, ob es nicht möglich wäre, die in unserem Archiv
erscheinenden Aufsätze ohne Beeinträchtigung ihres Werthes
kürzer, zum Theil erheblich kürzer abzufassen, als es bisher
übHch war. Ich weiss mich mit vielen miheilsfähigen Fach-
genossen darin einig, dass diese Frage entschieden zu be-
jahen ist, und ich würde es als einen sehr werÜivoUen
Portschritt bezeichnen, wenn diese Ansicht von den Mit-
arbeitern beherzigt und zur Richtschnur genommen würde.
Ihre Annahme könnte auch auf andere Gebiete derMedicin
nur günstig zurückwirken und auch auf diesen zur Nach-
eiferung anregen.
Ich verkenne nicht, dass der Gegenstand der Arbeit
oft eine gewisse Ausführlichkeit nothwendiger Weise mit
sich bringt. Der Comphcirtheit der Verhältnisse, der
Mannigfaltigkeit der zu berücksichtigenden Beziehungen,
der Art und Zahl der verwendeten Untersuchungsmethoden
muss auch die Darstellung gerecht werden; schon durch
die Menge des gebotenen Stoffes kann eine sehr grosse
Ausdehnung unvermeidlich sein; auch die sorgfältige Berück-
sichtigung der Literatur nimmt Kaum in Anspruch. Die
Hast, mit welcher in jetziger Zeit die wissenschaftliche
Publication betrieben wird, wirkt in derselben Richtung.
Jeder beeilt sich, das Ergebniss einer Reihe von Unter-
suchungen, wenn es nur irgend sicher gestellt eracheint,
vor das allgemeine Forum zu bringen, mag der erzielte
Fortschritt auch noch so klein und beschränkt sein. Selten
zeigt sich mehr ein Forscher, der einen umfassenderen Ge-
Die literarische üeberproduction und die Arbeit am Archiv. IX
danken, zu dessen Nachweis Jahre lang fortgesetzte Unter-
suchungen erforderlich sind, erst dann veröffentlicht, wenn
ihm das gesammte Beweismaterial dafür zur Verfügung
steht Man muss da oft auf die kleine Genugthuung der so-
genannten Priorität verzichten, welche für Viele so ver-
lockend ist, und um welche oft so bitterer Streit geführt
wird, und das harmlose Vergnügen entbehren, welches der
häufiger wiederholte Abdnick des eigenen Namens gewährt.
Die rasche Publication jedes kleinen Ergebnisses hat den
Tortheil, dass mit der gleichen Aufgabe beschäftigte Forscher
das Neue sogleich verwerihen können, und dass ihnen
mancher vergebliche Versuch, mancher nicht zum Ziele
führende Weg erspart wird. Sie bringt aber ebenfalls
wieder eine grössere Ausführlichkeit der Darstellung mit
sich; je grundlegender eine Arbeit ist, mit um so wenigeren
Worten lässt sich meistens ihr wesentlicher Inhalt angeben ;
je breiter sie gehalten ist, um so mehr kann man vermuthen,
dass bis zum Abschluss der behandelten Frage noch manche
Etappe zu durchlaufen sein wird.
Fragen wir nun, was in der oben angegebenen Richtung
geschehen kann, so ist klar, dass Jeder bestrebt sein sollte,
seine Gedanken und Erfahrungen in die mögUchst knappe
Form zu bringen, jede überflüssige Breite zu vermeiden
und vor Allem das Beweismaterial von allen entbehrlichen
Zuthaten zu befreien. Den grössten Ba.um nimmt ja stets
nicht die Auseinandersetzung des Gegenstandes und der
Ergebnisse ein, sondern die Mittheilung der Beweisstücke.
Hier kann gewiss sehr viel geschehen, um Raum zu er-
sparen und dem Leser die Uebersicht über die Arbeit und
die Kentnissnahme ihres wesentlichen Inhaltes zu erleichtem.
Man beherzige doch, dass eine Krankengeschichte, ein
Sectionsbefiind, eine histologische Untersuchung, ein Versuchs-
protokoll meistens nicht an und fiir sich von Werth und
nicht in allen ihren Theilen von Bedeutung sind, sondern
nur sow^eit als sie dem Zweck der Arbeit dienen und
X Th. Leber.
etwaigen späteren Forechem von Wichtigkeit sein können.
Freilich niuss man verlangen, dass alle diese Vorarbeiten
so sorgfältig als möglich gemacht^ sind, dass nichts dabei
vergessen, keine Untersuchung versäumt ist, welche zur
Aufklärung der Verhältnisse dienen kann. Wird man aber
alle diese Dinge immer in extenso abdrucken müssen? Winl
dem Leser jede negative Untersuchung, jeder vergebliche
Versuch im Einzelnen vorzuftihren sein? Wird es nicht
oft genügen, un Allgemeinen zu bemerken, welche Punkte^
berücksichtigt worden sind, anzugeben, dass man sich mit
Auszügen aus den ausführlichen Aufzeichnungen begnüge
oder überhaupt nur das Ergebnis» derselben mittheile?
GeMiss soll es Niemand benommen sein, der Anschaulichkeit
der Darstellung halber einzelne Fälle vorzuführen, eine be-
stimmte Krankengeschichte mit treflfenden Zügen zu schildern,
einen Versuch dem Leser eingehend zu erzählen und seine
Aufinerksamkeit dadurch zu erwecken und rege zu erhalten.
Aber hierin auch nicht zu weit zu gehen, muss dem Tact
und der Discretion des Autors dringend empfohlen werden.
In besondere wichtigen Fällen mag es auch z. B. am Platze
sein, ein VereuchsprotokoU mit allen seinen Einzelnheiten
abzudnicken, gewissermaassen als Beweisstück dafiü*, dass
Irrthum und Unzuverlässigkeit ausgeschlossen sind. Doch
möge man bedenken, dass die Glaubwürdigkeit eine»s Autors
durch die Beigabe nebensächlicher Einzelnheiten nicht
wesenthch erhöht werden kann; etwaige Irrthümer werden
fast immer bei der Beobachtung vorkommen, und durch
noch so ausführliche Mittheilung der Aufeeichnungen nur
selten aufzudecken sein.
Man wende hier nicht ein, dass gewisse Theile der
Arbeit gar nicht zum Lesen bestimmt sind, sondern nur
als schätzbares Material für spätere Beai'beiter desselben
Gegenstandes dienen sollen. Es ist hieran insofern etwas
Wahres, als Niemand von allen Theilen einer grösseren
Arl)eit mit gleicher Aufmerksamkeit Kenntniss nehmen
Die litenurische Ueberproduction und die Arbeit am Archiv. XI
wird, und Vieles wirklich erst im Zusammenhalt mit eigenen
Beobachtungen und bei tieferem Eingehen auf den Gegen-
stand grösseres Interesse imd richtige Bedeutung gewinnt.
Bei seltenen Fällen dient das Archiv in der That mitunter
mehr zur Sammelstelle mit der Hof&iung auf spätere Ver-
werthung. Um so grösser ist aber hier auch für den Autor
die Gefahr, in die Breite zu gehen, wenn er sich nicht un-
mittelbar durch den Leser controhrt weiss; er vergisst hier
zu leicht, dass er in erster Linie an das Interesse des Lesers
denken muss, da die Erhaltung der Zeitschrift doch
wesentiich von der Erfüllung dieser Bedingung abhängt.
Auch in der Wiedergabe der Literatur begegnen wir
oft einer entbehrlichen Weitläufigkeit; die fremden Beobach-
tungen sollen verwerthet und verarbeitet, aber nicht, was
freilich das Bequemste ist, einfach wieder abgedruckt werden,
ausgenonunen wenn sie an besonders schwer zugängUchen
Stellen veröffenthcht sind. Die Wiedergabe beschränke
sich auf das ftir den jedesmaUgen Zweck Noth wendige;
spätere Arbeiter mögen, wenn das Gebotene ihnen nicht
genügt, in dem genau zu citirenden Original nachlesen.
Ich kann hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass
man es heut zu Tage nicht mehi* für ein so unverzeihhches
Unrecht halten sollte, wie es zuweilen vorkommt, wenn
einem gewissenhaften Arbeiter eine, noch dazu vielleicht da
oder dort versteckte Mittheilung entgeht. Wer nicht dafür
gesorgt hat, dass seine Arbeit leicht zu finden ist, darf sich
durch mangelnde Berücksichtigung derselben erst recht nicht
gekränkt fühlen.
Dass bei alledem die Arbeit des Autors vergrössert
wird, ist selbstverständhch. Es ist viel schwerer, kurz und
zugleich gut zu schreiben, als mit vielen Worten doch nicht
mehr zu sagen, als mit wenigen gesagt wäre. Niemand
sollte aber die Mühe scheuen, die fertiggestellte Arbeit einer
Revision in der genannten Richtung zu unterziehen, und
Jeder sollte von Anfang an überlegen, ol) der gewählte Plan
XII Th. Leber. Die literarische Ueberproduction etc.
der Darstellung nicht eine zu grosse Ausführlichkeit mit sich
bringt, die durch spätere Ueberarbeitung schwer zu beseitigen
ist. Wer für sein Werk Beachtung finden vaüj sei bemüht,
dem Leser die Hauptergebnisse so klar als möglich vorzu-
führen, sein Interesse für die Einzelnheiten zu erwecken
und durch eine gewisse Beschränkung im Nebensächlichen
den Umfang der Arbeit im richtigen Verhältniss zu der
Wichtigkeit des Gegenstandes zu erhalten. Die darauf
venvandte Mühe wird durch den Erfolg reichUch gelohnt
werden.
Wenn Jeder an seinem Theil die hier gegebenen Rath-
schläge beherzigt, dann wird es wohl geUngen, ein unbe-
quemes Anschwellen unserer Zeitschrift zu verhüten, und
wir werden nicht zu besorgen haben, dass die Wirkung
ihres gediegenen Inhaltes durch allzu grossen Umfang be-
einträchtigt werden könnte.
üeber die BedentoBg der BeebArzellm
der Conjnnctiva.
Von
Dr. Ch. Leedham Green, F. R. C. S.
aus Binningham.
Hierzu Taf. I, Fig. 1—5.
Ot^leiGh das Vorkommen von Becherzellen in der
Conjnnctiva schon lange als eine wohlbekannte und unbe-
s^tteoe Thatsache gegolten hat, ist doch ihre Natur tind
Bedeutung bisher noch nicht genügend erforscht worden.
Dies ist um so überraschender, wenn wir die Arbeit be-
rücksiditigen, welche auf die Untersuchung dieser merk-
würdigen Gebilde in andern Theilen des Kärpers verwendet
worden ist
Die Mehrzahl der Autoren begnügt sich damit, bei
Beschreibung der Bindehaut ihr Vorkommen einfach an-
zufiitiren, ohne auf eine Erörterung ihrer Natur einzugehen.
Diejenigen Autoren, welche die Bedeutung der Becherzellen
durch eigene Untersuchungen zu erforschen gesucht haben,
stimmen in ihren Ansichten keineswegs überein. Die mei-
sten halten sie für pathologisch veränderte Gebilde, für
£pithelzellen, die eine schleimige Metamorphose erfahren
haben; nur die Minderzahl vertritt die Anincht, dass es
sich tun einsseUige Drüsen handle, welche Ansicht für die
gleichen Gebilde der übrigen Schleimhäute und der äusseren
▼. GtBefe*! Archir Ar Ophthalmologie. XL. 1. 1
2 Ch. Leedham Green.
Haut der Fische, Amphibien etc. allgemein angenommen
ist. Da an der zuletzt erwähnten Auffassung für die als
normale Vorkommnisse anerkannten Becherzellen wohl nicht
zu zweifeln ist, so würden die BecherzeUen der Conjunc-
tiva, falls sie wirklich als pathologisch veränderte Epithel-
zellen zu betrachten wären, von den echten Becherzellen
wesenthch verschieden und ihnen nur äusserlich ähnlich sein.
Um zu einer befriedigenden Einsicht in die Bedeu-
tung dieser Zellen zu gelangen, habe ich auf den Vor-
schlag und mit der freundlichen Unterstützung von Pro-
fessor Leber, dem ich bei dieser Gelegenheit meinen herz-
lichen Dank ausdrücken möchte, eine Reihe von Unter-
suchungen an der Conjunctiva von Menschen und Thieren
angestellt.
Es wurden zu diesem Zweck sowohl frische als auch
Isolationspräparate und Schnitte hergestellt und genau unter-
sucht Die frischen Präparate wurden gemacht, indem man
ein kleines, dem lebenden oder eben getödteten Thier ent-
nommenes Stückchen Conjunctiva auf einem warmen Object-
träger sorgfältig ausbreitete. Das Präparat wurde, wenn
nöthig, mit Humor aqueus angefeuchtet. Um die Zellen
zu isohren, wui'de die Conjunctiva entweder 24 Stunden in
33^/0 Alkohol (nach Ranvier), oder noch besser, mehrere
Tage in Müller'sche Flüssigkeit (zur Hälfte verdünnt) ein-
gelegt Zur Anfertigung von Schnitten der Conjunctiva
wurden, wenn möglich, die Lider zusammen mit dem Auge
excidirt, indem man den Orbitalrand umschnitt Das ganze
Organ wurde dann, bevor man es halbierte, in 5 ^/^ wäss-
riger Sublimatlösung und nachher in Alkohol, oder in
Müller'scher oder Flemming'scher Lösung gehärtet. Nach
genügender Härtung wurden die Präparate entweder in
Paraffin oder Celloidin in der gewöhnhchen Weise eingebettet.
Beim menschlichen Auge musste ich mich begnügen,
kleine Stückchen der Conjunctiva zu härten, indem ich sie
behutsam auf einen flachen Kork ausbreitete.
lieber die Bedeutung der Becherzellen der Conjunctiva. 3
Grosse Schwierigkeiten fand ich bei dem Versuch die
Becherzellen so zu färben, dass man sie sofort von den
Xachbarzellen unterscheiden konnte. Die besten Resultate
wurden erzielt durch den Gebrauch von Thionin nach der
ifethode von Prof. Hoyer (Ärch. f. mikr. Anat, Bd. 36,
1890), welche er folgendermassen beschreibt:
„Die den frisch getödteten Thieren entnommenen Organ-
theile wurden je nach ihrer Dicke und Consistenz durch 2 — 8
Stunden der Einwirkung einer 5^/o (also nahezu kalt ge-
sattigten) wässerigen Sublimatlösung ausgesetzt und dann in
Alkohol von ungefähr 80% tibertragen. Die so zubereiteten
Stücke wurden durch mehrere Tage mit frischen Alkohol-
mengen möglichst von Sublimat befreit, in absolutem Alkohol
entwässert und nach Imbibition mit Xylol in Paraffin einge-
schmolzen. Die mit Hilfe eines Mikrotoms angefertigten
Serien dünner Schnitte wurden mittels stark verdünnten
(30 — 50^ Iq) Alkohols auf grössere reine Glimmerplatten auf-
geklebt. Das Paraffin wurde zunächst mittelst Xylol beseitigt
und demnäcbst wurden die Schnitte für eine bis mehrere Mi-
nnten in Chloroform übertragen, um den letzten Rest des
Paraffins und das Xylol zu extrahiren, dann in starken Alkohol
(etwa 90®/o), und endlich in die Farblösung. Aus letzterer
gelangten die Plättchen mit den Schnitten zurück in stärkeren
reinen Alkohol, absoluten Alkohol, ätherisches Oel und schliess-
lich in Balsam. Die Lösungen der Farbstoffe waren meisten-
theils stark verdünnt. Zu 5 ccm destillirten Wassers setzte
ich gewöhnlich 2 Tropfen einer gesättigten wässerigen Lösung
von Thionin und liess diese diluirte Lösung durch 5 — 15 Mi-
nuten auf den Schnitt einwirken, bis derselbe eine dunkle
Färbung angenommen hatte."
Diese Methode giebt vortreffliche Resultate. Das Mucin
der Becherzellen wird hell rothviolett geförbt, während die an-
deren Gewebe eine hellblaue Färbung annehmen. Doch ist e&
schwer, das Verschwinden der rothvioletten Farbe des Mucins
zu verhüten. Wenn man nicht sehr vorsichtig zu Werk geht,
wird man finden, dass nach der Behandlung der gefärbten
Schnitte mit Alkohol alle Zellen dieselbe blaue Färbung haben,
und jede Spur von rothviolett verschwunden ist. — Bessere
Resultate können erzielt werden durch den Gebrauch von
4 Ch. Leedham Green.
Anilinöl anstatt Alkohol, aber aach dann geht yiel Ton der
rotken Farbe yeiioren.
Auch Safranin erweist sich als oin werthyolles Färbemittel
fOr diese Zellen, besonders in Yerbindang nüt Hftunatoiylin ;
nachdem die Zellen in dieser Weise geftrbt sind, können sie
vor der Behandlang mit Alkohol der Einwirkung von Pikrin-
sänre aasgesetzt werden. (Nach Altmann 2,5 grm. Pikrin-
säare, 35 grm. Alkohol, 70 grm. Wasser). Anilinblan ist eben-
falls nützlich. Bei seiner Anwendung erscheint das Mncin der
Becherzellen stärker gefilrht, als die andere Theile. Ob-
gleich mit vielen andern Färbungen Experimente gemacht
wurden, erwiesen sich doch nur die oben erwähnten von wirk-
lichem Nutzen.
Es isl ein Yortheil, Glycerin anstatt Canada-Balsam als
Einschluss zu brauchen, weil das geringere Lichtbrechnngs-
vermögen des Glycerins die Becherzellen besser hervortreten
lässt. (Der Ganada-Balsam bewirkt durch seinen stärkeren
Brechungsindex, dass das starke Brechungsvermögen der Becher-
zellen, wodurch sie bemerkbar werden, nicht mehr so zur Gel-
tung kommt, wie in dem Glycerin )
Meine nachfolgenden Angaben sind gegründet auf die
sorgfältige Untersuchung der Conjunctiva von dreissig
menschUchen Augen, darunter die von zwei Foeten (vom
8. Monat), zwei Neugebornen und zehn Kindern verschiedenen
Alters, die übrigen von Erwachsenen. In jedem Falle war
die Conjunctiva gesund und vollkommen frei von Catarrli.
Nur in zwei von den dreissig Fällen war es möglich,
die Conjunctiva während des Lebens des Individuums zu
erlangen. In diesen beiden Fällen wurde das Auge bei
der Operation einer bösartigen Geschw^ulst des Oberkiefers
entfernt In allen anderen Fällen wiurde die Coiyuuc-
tiva so bald wie mögUch nach dem Tode des Individuunis
entnommen, in der Regel bevor der Körper kalt war. Es
mag hier erwähnt werden, dass, was die Becherzellen be-
triffi, die gleich nach dem Tod entnommene Conjunctiva
sich nicht im Geringsten von der im Leben entnommenen
unterscheidet
üeber die Bedeutung der Becherzellen der Conjunctiva. 5
Ausser in den oben erwähnten Fällen wurde die Con*
juüctiva bei einer Anzahl von jungen und alten Thieren
untersucht, so bei Kaninchen, Katzen, Hunden, Schafen,
Schweinen, Ratten, Meerschweinchen und Mäusen, Auch
hier war die Conjunctira völUg gesund. —
Als Resultat aller dieser Untersuchungen ergab sich,
dass bei den eben erwähnten höheren Tieren, sowohl bei
jungen wie bei alten, sich stets Becherzellen in der nor-
malen Conjunctiva finden, und wenn man aus den dreissig
zur Untersuchung gelangten menschlichen Augen einen
Sdiluss ziehen darf, dass sie auch in der normalen
menschlichen Conjunctiva stets zu finden sind. Nicht in
einem einzigen Falle fehlten sie, weder beim Poe-
tus, noch beim Kind, noch beim Erwachsenen.
Obgleich die Vertheilung und Anzahl der Zellen sich
bei den verschiedenen Thierarten variabel zeigt, so bieten
sie doch bei allen mit ganz kleinen Verschiedenheiten die-
selbe Grestalt und die gleichen charakteristischen Eigen-
schaften dar.
Die Becherzellen sind von regelmässiger, ovaler Ge-
stalt, ungefähr 0,025 mm lang und 0,016 mm breit An
Isolationspräparaten beobachtet, besitzt jede Zelle eine
scharf abgegrenzte Zellmembran oder Theca. Diese Theca
ist eine wirkliche Zellmembran und erscheint immer doppelt
contouiirt Die Membran hat eine feste, elastische Be-
schaffenheit und kann durch Druck, z. B. mit der Prä-
parimadel nicht leicht zerrissen werden. Die äussere Ober-
fläche der Theca ist ganz glatt
Einige, aber nicht alle Becherzellen der Coiyunctiva
besitzen einen Fuss oder Stiel, der gewöhnlich kurz und
koidsdi ist und schnell in eine Spitze ausläuft. Bisweilen
iit er länger und gegabelt, namentlich an den Zellen der
oberflächlichen Schicht Der Fuss ist aus granulirtem
Protoplasma gebildet und färbt sich leicht, aber nicht in-
6 Ch. Leedham Green.
tensiy. Die Theca im Gegentheil fäi'bt sich wenig oder
gar nicht.
Der Inhalt der Theca ist von schleimiger BeschaflFen-
heit und lärbt sich mit Thionin rothviolett Im frischen
Zustande untei'sucht, enthält der Schleim oder das Mucin
eine Anzahl kleiner, dunkler Körperchen. Am gehärteten
Präparat kann man diese Kömchen nicht so deutlich er-
kennen, zuweilen zeigt die Theca Andeutung eines zarten
Netzwerks. Wahrscheinlich jedoch ist dieses Netzwerk
hauptsächlich ein Kunstprodukt Am breiten Ende der
Zelle, innerhalb derselben, der Theca anliegend, befindet
sich der Kern, der immer von einer ge>vissen Menge von
Protoplasma umgeben ist Der Kern ist rund, mit Hae-
matoxylin leicht und intensiv färbbar. Gelegentiich kann
man in ihm ein oder melirere Kemkörperchen erkennen.
Bisweilen erscheint der Kern gegen die Zellwand abge-
plattet, mit welcher er immer fest verbunden und mecha-
nisch nur schwer von ihr zu trennen ist.
Der Seite der Zelle, wo der Kern liegt, gegenüber
kann man gewöhnhch eine klai*e und scharf abgegrenzte
Oefl&iung, das Stoma, bemerken. In der ersten Anlage
ist diese Oefl&iung sehr klein, allmählich wird sie grösser,
immer jedoch bewahrt sie ihre scharf abgegrenzte, iiinde
Form. Der Rand dieser Oefi&iung erscheint bei starker
Vergrösserung fein gestreift. Durch diese Oefi&iung ent-
leert sich der schleimige Inhalt der Zelle und oft kann
man einen Schleimpfropf aus dem Stoma herausragen
sehen. Die Becherzellen, welche in den tieferen Schichten
des Epithels liegen, haben kein Stoma. Erst wenn die
Zellen die jfreie Überfläche der Conjunctiva erreicht haben,
bildet sich die Oef&iung.
Wenn man ein Stück der Conjunctiva unmittelbar
nach dem Tode herausnimmt, vorsichtig auf einem er-
wärmten Objectträger ausbreitet, und sanft mit einem Deck-
gläschen bedeckt, so kann man die Becheraellen leicht er-
Ueber die Bedeutung der Becherzellen der Gonjunctiva. 7
keimen. Es sind helle runde oder ovale, durchsichtige
Körperchen, stark lichtbrechend, ähnhch wie Fettzellen.
Der Inhalt der frischen Zelle erscheint deutlicher granu-
lirt als am gehärteten Präparat. Bei sorgfältiger Ein-
stellung kann man bei einer oder mehreren Zellen die
Oeflhung als einen scharf begrenzten Kreis unterscheiden,
aus dem oft ein kleiner Schleimpfix)pf hervoiTagt. Die Be-
schaffenheit dieser Zellen kann noch deuthcher erkannt
werden durch Hinzufügung einiger Tropfen einer schwachen
Lösung von Silbemitrat.
Bei der Untersuchung von Schnitten des Sehorgans
zeigt sich, dass diese Zellen in der Conjunctiva bulbi und
in der Uebergangsfalte ganz besonders zahlreich sind, und
dass ilire Anzahl gegen den Band des Augenhdes all-
mählich abnimmt Im Epithel der Cornea finden sie sich
nie; dagegen trifft man sie sowohl in den tieferen, wie in
den oberflächUchen Schichten des Epithels der Conjunctiva.
Es scheint, dass sich die Zellen in den tiefsten Schichten
des Epithels entwickeln und allmähUg an die Oberfläche
eiuporsteigen. Im fniliesten Stadium der Entwicklung er-
scheint die Becherzelle als eine kleine, runde, deutUch
bläschenföi-mige Zelle, deren Kern die tiefste Stelle ein-
nimmt. In diesem Stadium ist der Zellinhalt wahrschein-
lich protoplasmatisch, denn mit Thionin behandelt, giebt er
nicht die Mucinreaction. Auf ihrem Wege nach der Ober-
fläche hin wird die Form der Zelle länger und mehr oval,
und ihr Inhalt mehr und mehr schleimig, wie die Mucin-
reaction mit Thionin zeigt. Hat die. Zelle die freie Ober-
fläche der Conjunctiva erreicht, so bekommt sie ein Stoma,
durch welches sie ihren Inhalt entleeren kann. —
Die obige Beschreibung findet in gleicher Weise An-
wendung auf die Becherzellen der menschlichen Conjunc-
tiva, wie auf die der Thiere. Nur in der Zahl und Ver-
keilung der Zellen macht sich ein deuthcher Unterschied
bemerkbar. Am zahlreichsten sind sie bei Katzen und
8 Ch. Leedham Green.
Eaninchen. In der Conjunctiva dieser Thiere stehen die
Becherzellen dicht aneinander und oft in zwei, drei, ja
vier Beihen untereinander. In der Gegend der Uebergangs-
falte sind sie besonders zahlreich, auch finden sie sich in
grosser Anzahl in allen Theilen der Conjunctiva, ausser
in der Nähe des Sandes.
Obgleich beim Auge des Menschen die Zellen nicht
in so grosser Zahl gefunden werden, wie im Auge des
Kaninchens und der Katze, so kann man sie doch in be-
trächtlicher Zahl über die ganze Conjunctiva verbreitet
sehen, oft 2 oder 3 Beihen tief und besonders zahlreich in
der Gegend der Uebergangsfalte und des Tarsus. Man
begegnet oft der Behauptung, die Zellen fänden sich beim
Menschen nur im hohen Alter zahlreich, wären dagegen
beim Kind selten. Dies steht im directen Widerspruch
zu meiner Erfahrung. Ich habe sie beim Kinde zum nun*
desten in ebenso grosser Zahl, wie beim Erwachsenen ge-
funden, und bei der Untersuchung einer Anzahl junger
und alter Kaninchen mit besonderer Berücksichtigang dieses
Punktes ergab sich auch hier, dass sie bei jungen und
alten Thieren in ganz gleicher Menge vorhanden sind.
Ehe ich dazu übergehe, die Bedeutung dieser Zellen
zu besprechen, empfiehlt es sich, kurz die Meinungen der
früheren Autoren über den Gegenstand ins Auge zu fassen.
Waldeyer (Handbuch von Graefe-Saemisch Bd. 1)
sagt in seiner Bescbreibung der Goiqnnctiva: „Eigenthümlich
ist die reichliche Metamorphose der äusseren EpithelzeUen zu
grossen Schleim führenden runden Körpern, welche nach Art
der Becfaerzellen Im Darm, hier zwischen den normalen Con-
jnnctfva]*Epithelzellen als grosse blasige KOrper vorspringen
und sich auf allen Theilen der Conjunctiva bulbi finden. Bie
gewähren den Fläehenprftparaten dieser Haut ein recht charakte-
ristisches Anssehen."" An anderer Stelle giebt er der Mei-
nung Ausdruck, dass die BecherzeUen normale Secretionsge-
bilde sind.
Stieda schreibt 1867 (Arch. l mikr. Anat III, 8. 863)
Folgendes: „Zum ßchloss erwähne ich noch eigenthttmlicbe
Üeber die Bedeutung der Beoherzellen der Gonjunctiya. 9
epitheliaie Bildnng^n, welche sich mitanter änssent zahlreich
zwischen den Epithelialzellen der Bindehant antreffen Hessen.
£8 sind dieses randliche Lttcken von 0,015 mm. im Dnrch«
messer, seltener Ifiagliche, 0,023 mm lang and 0,015 mm breit,
welche einer stark bauchigen Fhische mit engem Hals zu ver-
gteichen sind. Der enge, zur freien Oberfläche gekehrte Hals
mOndetmit einer nur 0,0019 bis höchstens 0,0038 mm messenden
Oeffianng zwischen den Epithelialzellen, wie namentlich Flächen-
sehnitte zeigen. Es sind diese Lücken von einem glänzenden,
das Li«ht stark brechenden Contour umgeben, der an einer
Stelle, gewöhnlich am Boden der Ampulle, verdickt ist. Fasst
man diese Begrenzung als Zellmembran auf, so kann diese
Verdickung ge?ds$ als Kern gelten. Gewöhnlich fand ich die
Ampullen leer, bisweilen mit einer granulirten Masse gefallt.
Es sind dies offenbar gleiche Bildungen, wie sie an der Schleim-
haut des Darmkanals vielfach beobachtet werden, aber in der
Epitheliakoskleidung der Augenlidbindehaut noch nicht ge-
sehen worden sind. — Man mag sie als Schleimzellen be-
zeichnen und als schleimsecernirende einzellige Drüsen auf-
Derselbe Autor spricht sich dagegen 1890 in anderem
Sinne aus, (Ueber die Camncula lacrymalis des Menschen,
Arch. £ mikr. Anat Bd. XXXYI): „Ich habe Becherzellen im
Epithel der Bindehant einzelner Augenlider beobachtet, aber
keineswegs bei allen Lidern. Ich fand keine sogenannten
Becherzellen in dem Epithel der Conjunctiva und der Gar-
uakel bei neugeborenen und bei sehr jugendlichen Individuen,
ich fand keine Becherzeüen bei einzelnen Erwachsenen. Bei
einigen Erwachsenen fand ich wenige Becherzellen, bei anderen
grosse Mengen, sowohl im Epithel der Bindehaut der Lider,
als im Epithel der Camncula lacrymalis. Die fraglichen
Gebilde kommen nämlich nicht bei allen Individuen vor.
Die Gebilde kommen im geschichteten Epithel der Ca-
roBcala und deren Umgebung einzeln oder in Gruppen vor.
Die einzelnen liegen unregelmässig oder in kleinen Gruppen
von zwei oder drei zerstreut, oft in der Tiefe, oft in der
Mitte, oft ganz oberflächlich. Dass dies keine Drüsen sind,
hegt auf der Hand; sie haben keine bindegewebige Wand,
keb Liwien, soadem sind allseitig eingeschlossen von den
maanjgDach gestalteten Epithelzellen.
Ich glanbe nun nicht, dass man diese hier in der Ca-
nincula lacrymalis (und in der Conjunctiva bulbi et palpebramm)
10 Ch. Ldedham Green.
vorkommenden Gebilde mit den sogenannten Becherzellen im
Epithel des Darmkanals, der Respirationsorgauo u. s. w. (mau
vergleiche darüber die bezüglichen Arbeiten E. Schultzens,
List's u. a.) identificiren darf, wie ich das (1867) gethan
habe. Bei den sogenannten Becherzellen des Darmepithels
handelt es sich um zellige Gebilde, deren Protoplasma flüssig
geworden ist, und deren Secret ausgestossen wird; die Becher-
zellen liegen so, dass an einer Stelle die Mündung des Bechers
direct dem Secret nach aussen zu treten gestattet. Man darf
annehmen, dass die Becherzellen nicht ein Mal, sondern meh-
rere Male hinter einander ihren Inhalt ausstossen und den-
selben dann wieder erneuern können. Es sind dieselben als
einzellige Drüsen, als normale Secretionsgebilde anzusehen. —
Die vereinzelt der Oborfl&che unmittelbar nahe gelegeneu Ge-
bilde im Epithel der Caruncula und Coujuuctiva machen nun
ganz entschieden auf den ersten Anblick auch den Eindruck
der Becherzellen, zumal da man oft eine leere Theca zu sehen
Gelegenheit hat. Allein die in der Tiefe des Epithels,
mitten im Zellenlager des geschichteten Stratum befindlichen
Gebilde scheinen mir nicht in die Kategorie der Becherzellen
hineinzupassen.
Ich vermuthe, dass es sich um einen pathologischen Vor-
gang, um eine Degeneration der Epithelzellen, um eine Me-
tamorphose des Zellprotoplasmas handelt, die dahin führt,
die Zelle zu vernichten. Ich möchte den Ausdruck „hyaline'^
Degeneration vorschlagen, um hierbei nur das Aussehen der
Zellen zu charakterisiren, ohne über die Beschaffenheit des
Inhalts ein Urtheil auszusprechen. — Es gehen die einzelnen
Zellen durch hyaline Metamorphose des Protoplasma zu Grunde ;
denn dass eine solche hyalin gewordene Zelle schliesslich nach
Berstung der Zellhülle (Theca) ihr Protoplasma entleert und
damit verschwindet, unterliegt keinem Zweifel. —
Vielleicht besteht zwischen den normalen Secretionsge-
bilden, die wir Becherzellen nennen, und diesen hier in der
Conjunctiva auftretenden hyalinen Metamorphosen ein Zu-
sammenhang?^^
Ciaccio (Osservazioni intorno alla struttura della con-
giuntiva umana, Bd. 24, Bologna 1874) hat diese Becherzellen
auch beobachtet, und zwar ebenfalls bei alten Individuen; auch
er hält dieselben für pathologische Bildungen, spricht aber
nicht von Oeffnnngen.
Ueber die Bedeutung der Becherzellen der Conjunctiva. H
Reich (Znr Histologie der Conjunctiva des Menschen, y.
Graefe's Archiv. Bd. XXI, 1. S. 9. 1875):
,,Diese Zellen sind grösstentheils mehr oder weniger ei-
förmig nnd haben einen verhältnissmässig sehr feinkörnigen
oder ziemlich klaren, sich fast absolut nicht färbenden Inhalt,
weshalb sie auch heller, durchsichtiger als die benachbarten
Zellen erscheinen. Den Kern, dessen Form oft verändert ist,
sieht man fast immer gegen das breitere Zellenende verdrängt,
welches der Conjunctiva zugewendet ist; neben dem Kern sind
nicht selten Reste normalen Protoplasmas zu finden. An dem
weniger stumpfen Zellende, welches gegen die freie Oberfläche
der Conjunctiva gerichtet ist, ist gar nicht selten sehr deut-
lich eine ziemlich breite (0,008 — 0,01 mm) Oeffnung zu sehen,
welche von einem scharfen Contour begrenzt wird. DerLängen-
durchmesser der Zellen beträgt ca. 0,022 mm bis 0,034 mm,
der Breitendurchmesser ca. 0,014 — 0,018 mm. — Bei näherer
Untersuchung erwies sich nun, dass sich die sogenannten
Becherzellen öfter, (aber durchaus nicht ausschliesslich) bei
verhältnissmässig alten Individuen und in solchen Augen vor-
finden, in denen ein mehr oder weniger leichter chronischer
Conjanctivalkatarrh stattgefunden hatte.
Die sogenannten Becherzellen sind sehr unregelmässig,
entweder einzeln oder heerdweise über die ganze Conjunctiva
zerstreut; wir begegnen den verschiedensten Uebergangsformen
von normalen (cylindrischen) Epithelzellen der Conjunctiva bis
zu vollkommen entwickelten Becherzellen; endlich finden wir
fast zerfallende Becherzellen. Nie haben die sogenannten
Becherzellen der Conjunctiva die regelmässige Gestalt, welche
denjenigen Gebilden zukommt, welche offenbar ganz normale
Bestandteile z. B. der Haut einiger Fische (F. E. Schnitze,
.\rch. f. mikr. Anatomie, Bd. 3) bilden. Auch haben sie
nie die regelmässige Vertheilung, welche für normale Gebilde
doch ziemlich charakteristisch ist.
Die angeführten Daten und die sehr richtige Abbildung
Fig. 3) überzeugen uns wohl zweifellos davon, dass die soge-
nannten Becherzollen weder einzellige Drüsen, noch normale
^ekretionsgebilde, sondern pathologische Bildungen sind, ent-
standen durch theilweise schleimige Metamorphose normaler
Epithelzellen bei mehr oder weniger katarrhalischen Zuständen
der Conjunctiva."
Sattler (Beitrag zur Kenntniss der normalen Bindehaut
des Menschen v. Graefe's Arch. XXIir,4. S. 10. 1877) stimmt mit
12 Ch. Ldedham Green.
Giaccio und Reich überein, indem er diese Zellen entschieden
für pathologisch h<. £r sagt: „Es sind mehr oder weniger
leichte katarrhalische Reizzastände der Bindehaut, Fälle von
Grannlationen, chronische Blennorrhoe nnd Trachom, wobei die in
Rede stehende Umwandlung cylindrischer Epithelzellen zur Be-
obachtung kommt — Auch habe ich dieselben yerh<nisa-
mässig häufig bei alten Individuen gesehen, die bekanntlich
recht oft an leichtem, chronischem Conjunctival-Eatarrh leiden,
dann aber auch einmal bei einem, wenige Wochen alten Kinde.
Ich vermisste sie yollständig bei acuter BindehautrBlennorrhoe
und bei den sogenannten acuten Granulationen/^
Poncet (Du Pterygium. Archiv. d'Ophtal. I, p. 11 — 44,
1881.) beobachtete das Vorkommen zahlreicher Becherzellen
bei Pterygium, wobei das Epithel eine drflsenähnliche Anord-
nung darbot Er hält die Becherzellen für Produkte einer
Art von Hypertrophie der Epithelzellen, wobei es zur Entstehung
einer drüsigen Bildung komme, welche dazu bestimmt sei, die
Oberfläche der irritirten Bindehaut zu befeuchten. —
Nuel (Des glandes tubuleuses pathologiqnes dans la con-
jonctive humaine. Ann. d'Oculistique. T. 88. 1882) beschreibt
ausführlich das Vorkommen der Becherzellen in einer entzünd-
lich hypertrophirten Conjunctiva. Sie fanden sich in den von
ihm als tubulöse Drüsen aufgefassten Einsenkungen des Epithels
in grosser Menge und in ziemlich regelmässigen Abständen ein-
gelagert. Bei der Uebereinstimmung ihres Verhaltens mit den
Becherzellen der normalen Schleimhäute häJt er sie, wie die
letzteren, für einzellige Drüsen. Die an der Oberfläche sitzen-
den Becherzellen, welche die Mehrzahl bilden, entleeren ihr
Secret durch das Stoma in das Lumen des blinddarmförmigen
Raumes; bei einzelnen, tiefbr gelegenen konnte Nuel kleine,
mit Secret erfüllte Gänge bis zur Oberfläche des Epithels ver-
folgen; bei noch anderen, in der Tiefe, gruppenweise beisammen
stehenden Zellen kam es durch Ansammlung des Secrets zur
Entstehung kleiner cystischer Räume im Epithel. Er schreibt
auch der normalen Bindehaut schleimsecemirende Becherzellen
zn, ohne eigene Beobachtungen darüber mitzutheilen.
Zwischen den Becherzellen und den übrigen EpithehBellen
fand Nael alle möglichen Uebeigänge; er glaubt daher, dass
die BecherzeUen aus einer Umwandlung der letzteren entstehen;
doch giebt er aoch, wenigstens für einen Theil dieser Ueber-
gaapfömen die Möglichkeit zu, dass es Becherzellen sind.
Ueber die Bedeutung der Becheraellen der Goi\janctiva. 13
welche ihren Inhalt entleert haben und im Begriff sind, ihn
nen zu bilden. Nirgends land er Bilder, wekbe fAr einen Zer-
fall der ganzen Zelle dnrcfa sebleamige Degeneration sprechen.
Raehlmann (Pathologisch -anatomische üntersncfanngen
tlber die foUicnlftre Entzflndnng der Bindehaut des Auges oder
das Trachom, t. Graefe's Arch. Bd. XXIX. 2, S. 118, 1883):
„Was aber die Becher- resp. die Scbleimzellen angeht, so
moss ich der Meinung beistimmen, welche dieselben als rein
pathologische Bildungen betrachtet Sie finden sich nicht, oder
nur ausnahmsweise, Tcreinzelt, in der gesunden Schleimhaut,
Bind dagegen bei allen Katarrhen in reichlicher Anzahl und
aach beim Trachom in grosser Menge vorhanden. Sie be-
schranken sich jedoch hier nicht auf die Wandung der Blind-
Gicke und Furchen, sondern finden sich auch auf der Höhe
der Conjunctiya. Ich halte diese BecherzeJlen für die Pro-
dncte schleimiger Entartung der Epithelien, und betrachte die
letztere als eine regressive Metamorphose in Folge beschränkter
Emfthmngsverhaltnisse bei der Entzündung des Gewebes. Die
Becherzellen gehen hervor aus einer Art schleimig-hyaliner
Umwandlung des Zellleibes, welche mit gleichzeitiger Quellung
verbunden ist^
Stöhr (Ueber den Ban der CoQJunctiva palpebrarum.
Wtknbnrg. Sitzg.-Berichte 1885) will Einwanderung von Lenko-
cyten in Becherzellen gesehen haben, sagt aber nichts über die
Bedeutung der letzteren.
Pröbsting (Inaug.-DisB. München 1886. Ein Beitrag zur
feineren Anatomie des Lides und der Conjunctiva) sagt: „Ich
glanbe nicht, dass sie als pathologische Gebilde anzusprechen
aiad, da man sie schon beim Foetus und beim Neugeborenen
findet''
Zalttskowski (Bemerkungen über den Bau der Binde-
haut Arch. f. mikr. Anat Bd. XXX. 1887) findet die Becher-
zellea constant in den sogenannten tubuKVsen Drtlsen der Gon-
jonctiva und auch im Epithel, haaptsftchlich auf dem Qrunde
der Furchen. Bei Kindern sah er ebenfiAlls einzelne Becher-
sellen im Epithel. Beim Kaninchen waren sie im Epithel
zahbeich, noch zahlreicher beim Schweine. —
Schirmer (Ueber Adenome der Karunkelgegend. v.
Graefe's Arch. Bd. XXXYII. 1, 1891) behandelt die Frage nach
der Ktttur der Becherzellen der Bindehaut etwas ausführlicher.
Die Ansicht von Waldeyer und Nuel,dass diese Gebilde ein-
14 Ch. Leedham Green.
zellige Schleimdrüsen darstellen, findet bei ihm keinen Beifall,
denn um seine eigenen Worte anzuführen:
„Wäre diese Anschauung richtig, so müssten wir entweder
annehmen, dass aus gewöhnlichen Epithelzellen durch andauern-
den Reiz Drüsenzellen zu entstehen vermögen, welche mehr-
mals ihren Inhalt zu entleeren und von neuem Schleim in sich
zu produciren vermögen, ehe sie schliesslich zu Grunde gehen
— eine Annahme, die mir sehr gewagt und durch kein Ana-
logen gestützt erscheint — oder die Becherzellen sind, wie
Waldeyer will, normale Secretionsgebilde. Dagegen spricht
aber, dass sie bei weitem nicht bei allen Individuen vorkommen,
dass sie nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in der
Mitte oder in der Tiefe der Epithelschicht vorkommen (^Nuel,
Raehlmann, Stieda), dass ihr Kern sich häufig gar nicht
mehr färbt, oder doch deutliche Zeichen beginnender Degene-
ration zeigt (Pröbsting); ferner finden sich alle üebergangs-
stadien von dem normalen Epithel zu den Becherzellen (Reich,
Nuel) und schliesslich haben sie nie die regelmässige Gestalt
und die regelmässige Vertheilung, wie man sie an normalen
Gebilden zu finden gewohnt ist. Ich glaube, dass es sich um
eine durch irgend welchen Reiz bewirkte Modification des nor-
malen Zelltodes handelt; das Protoplasma erleidet eine schleimige
Metamorphose und schliesslich platzt die Zellhülle, ihr Inhalt
ergiesst sich auf die freie Oberfläche und der Zellrest wird als
todt abgestossen."
Peters (lieber die Becherzellen der Conjunctiva. Be-
richt der ophth. Gesellschaft zu Heidelberg 1891) kam bei seinen
Untersuchungen zu der Ueberzeugung, dass es sich bei den
Becherzellen um pathologisch entartete Epithelien handeln
müsse. In Bezug auf ihr Vorkommen bestätigt er die Er-
fahrungen Sattlers, welcher sie bei verschiedenen chronischen
Conjunctival-Affectionen fand, bei acuten Granulationen und
Blennorrhoea neonatorum dagegen vermisste. Er vermisste sie
ferner bei acuter phlyctaeuulärer Entzündung mit eiterigem
Secret, wies sie dagegen nach bei chronischem Katarrh, FoUi-
cular-Katarrh, Conjunctivitis granulosa und Frühjahrs-Katarrh.
— Er untersuchte ferner eine Reihe anscheinend ganz nor-
maler Conjunctiven und konnte hier in der Regel keinerlei
Veränderungen an den Epithelien constatiren. Diese Fälle ge-
hörten aber, wie er bemerkt, nicht zu den häufigen, da ge-
ringe katarrhalische Veränderungen der Conjunctiva ungemein
häufig sind, und wo auch nur eine Spur davon zu finden
üeber die Bedeutung der Becherzellen der Coi\junctiva. 15
ist, kann man darauf rechnen, anf Epithelveränderangen za
stoasen. —
Aach bei einem Neugeborenen fand er die Becherzellen
in grosser Anzahl. —
Fuchs (Ueber das Pterygium, v. Graefe*s Arch. XXXVIII.
2, S. 51, 1892) sagt bei Besprechung der von ihm in Fällen
Ton Pterygium beobachteten Becherzellen: „Der Kern legt sich
an die basale Wand der Zelle an, schrumpft immer mehr zu-
sammen und verschwindet endlich ganz. Zuletzt ist auch die
Wandung der Zelle nicht mehr sichtbar, und zwar zuerst die
obere, später auch die seitlichen, so dass die benachbarten
Becherzellen mit einander verschmelzen.^^
Aus den obigen Mittheilungen kann man ersehen,
dass die bei weitem grössere Zahl von Autoren die Becher-
zellen der Conjunctiva übereinstimmend nur als gewöhn-
liches Epithel ansieht, welches in schleimiger Degeneration
begri£fen ist, also jedenfalls einen pathologischen Frocess
annimmt Waldeyer, Pröbsting und Nuel allein be-
trachten sie als in irgend einer Weise normale Gebilde.
Es dürfte sich daher empfehlen, die Beweisgründe, welche
zu Gunsten ihres pathologischen Characters angeführt worden
sind, einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.
Folgende sind die hauptsächlichsten Argumente.
1) Es wird behauptet, dass die Becherzellen in der
menschlichen Conjunctiva keineswegs immer vorhanden sind.
Dies wird so oft und von so vielen zuverlässigen Be-
obachtern wiederholt, dass i^h die Frage aufwerfen muss,
ob ich dem gegenüber berechtigt bin, meine entgegenge-
setzten Ergebnisse zu verallgemeinem. In den 30 FäUen,
tlie ich untersucht habe, habe ich diese Zellen stets in
grosser Menge gefunden. Mir scheint diese Zahl von 30
Fällen gross genug, um mich zu einem allgemeinen Aus-*
Spruch zu berechtigen, da doch ein positives Resultat mit
16 Ch. Leedham Green.
den von mir benatzten Methoden jedenfalls das Vorkommen
im gegebenen Falle sicher beweist, während aus dem Um-
stand, dass die Becherzellen vermisst wurden, doch noch
nicht mit Sicherheit folgt, dass sie gar nicht y(»handen
waren. Meine Meinung geht daher dahin, dass wenn man
die mensdüiche Conjunctiva auf das Yoikommen dieser
Zellen mit Hilfe von geeigneten Methoden, wie an Zupf-
präparaten und nach Färbung mit Thionin, untersucht,
man sie auch regelmässig finden wird. Dies begeht sich
jedoch nur auf die normale Cbnjunctiva. Es ist mir wohl
bekannt, dass bei einer acuten Entzündung der Membran
diese Zellen verschwinden. Wenn man aber auch noch
an dem stetigen Vorkommen dieser Zellen in der normalen
menschUchen Conjunctiva zweifeln wollte, wie soll man
denn ihr ständiges Vorkommen in der Öonjunctiva des
Kaninchens, der Katze, des Hundes, des Meerschweinchens
und anderer Thiere deuten? Müssen wir ihr Vorkommen
bei den Thieren normalen und physiologischen Ursachen
zuschreiben, können wir es dann beim Menschen auf ab-
norme und pathologische Vorgänge zurückfuhren? Dass sie
bei diesen Thieren nicht rein zulälHg vorkommen, ist aus
der Regelmässigkeit und Constanz ihrer Zahl und Ver-
theilung über jeden Zweifel hinaus sicher gestellt. —
2) Wird als Beweis angeführt, dass sie nicht nur an
der Oberfläche, sondern auch in den mittleren und tieferen
Schichten des Epithels vorkommen, und deshalb keine nor-
malen Gebilde sein können. —
Obgleich dieser Grund von mehreren Autoren zu
Gunsten des pathologischen Ursprungs der Zellen vorge-
bracht wird, kann man demselben doch keine Beweiskraft
zuerkennen. Weit entfernt, die Annahme ihres patholo-
gischen Ursprungs zu unterstützen, 8j«icht er viehnehr ge-
rade für das Q^gentheil; denn nur in den tieferen Schich-
ten von normal geschichtetem Epithel findet Zellenent-
wicklung statt Wenn daher die Becherzellen ihrer Natur
lieber die Bedeutung der Becherzellen der Gonjunctiva. 17
nach rein physiologische Gebilde sind, so müssen wir er-
warten, dass sie sich in den tieferen, und nicht in den
oberflächlichen Schichten entwickehi.
Und in der That zieht List (lieber Becherzellen im
Blasenepithel des Frosches, Bericht der Academie zu Wien
1884) eben diesen Beweis herbei, indem er sagt: „Ich muss
entschieden behaupten, dass die eigentUchen Becherzellen
im Blasenepithel des Frosches selbständige Gebilde sind,
welche nicht in den EntwicWungskreis gewöhnhcher Epithel-
zellen hinein gehören, indem sie bereit« in der mittleren
Epitfaelschicht deuthch differenzirt sind'^
3) Als weiteren Beweis zu Gimsten des pathologischen
Charakters der Becherzellen wird angeführt, dass sich ihr Kern
nicht färben und häufig Anzeichen der Entartung tragen soll.
Auch dies widerspricht direct meinen Erfahrungen.
In keinem einzigen Falle, weder bei den von Menschen
noch von Thieren entnommenen Präparaten, habe ich
irgend eine Schwierigkeit gefunden, diese Zellen zu färben,
und immer habe ich gefunden, dass sich der Kern auf-
fallend intensiv färbt
Dieser Unterschied findet vielleicht darin seine Er-
klärung, dass meine Beobachtungen alle an den Becher-
zellen, wie sie sich in der völUg normalen Gonjunctiva
finden, gemacht sind. Schirmer, Fuchs imd Andere da-
gegen haben offenbar Zellen beschrieben, die aus einer
Gonjunctiva stammen, die in pathologischem Zustande war,
in Folge der Wirkimg andauernder Reizung.
Schlüsse aber, welche aus den Erscheinungen dieser,
unter unnatürUchen Bedingungen stehenden Zellen gezogen
sind, können schwerhch als werthvoU zur Lösung dieser
besonderen Frage angesehen werden.
Ein abnormes Verhalten ihrer Structur unter krank-
haften Bedingungen spricht weit eher für ihren physiolo-
gischen Gharakter, wenn man findet, dass im normalen
Gewebe das krankhafte Aussehen der Zellen fehlt.
T. Oniefe'« ArehiT fQr Ophthalmologie. XL. 1. 2
18 Oh. Leedham Green.
4) Ferner wiid angeführt, dass aUe Uebergangsatadien
zwischen narnuden Epithelzellen und voll entwickelten
Becherzellen vorhanden sind.
Dieser Umstand kann nicht als Beweis von irgend
welcher Bedeutung gegen den physiologischen Qiajakter der
Becberzellen der Conjunctiva angeführt werden. Andere
Bechensellen, gegen deren physiologischen Charakter nicht
der geringste Zweifel erhoben werden kann (z. B. die des
Dünndarms), entwickeln sich a«s dem gewöhnlichen EpiÜiel
des Theiles, und alle Uebergaogsstadien t<« der Epithel-
zelle bis zu der voll entwickelten Becherzelle sind an ihnen
nadbweisbar. Dies ist aber nicht der Fall bei alkn Becher-
zellen, und ich bin der Ansicht, dass es bei denen der
Conjunctiva nicht zutrifft — Wie schon vorher bemerkt,
entwickeln sich die Becherzellen der Conjunctiva in den
tielbten Schichten des Epithels, gelaixgen an die Oberfläche,
bilden eine Oeflhung und entleeren ihren schleimigen In*
halt Höchst wahrscheinlich sind die Zellen, die verschie-
dene Autoren als üebergangsstadien zwisdien den gew(3m-
lichen Epithelzellen und den ausgebildeten Bech^^zellen
aufgefasst haben, dieselben Zellen, von denen Nuel ver-
muthet, dass sie in Wahrheit nur Becherzellen sind, die
ihren Inhalt entleert haben und nun im B^riff sind, ihre
Schleimproduction wieder au&unehmen.
Ich bin zu der Auffassung gekommen, dass die Zu-
saaunensetzung des Inhalts der Theca nicht immer von
gleicher Beschaffenheit ist Zu Zeiten ersdieint er, so zu
sagen, mehr schleimig als <zu dner andern Zeit loh komme
zu diesem Schluss durch fidgende Beobachtungen. Wenn
man einen Schnitt der Coigunctiva mit Haematoxylin be^
handelt und unter dem Mikroskop untersucht, so zeigen
alle Becherzellen dieselben charakteristischen Eigenschaften:
der Kern tief gefärbt und die staik lichtbrechende Theca
von der Farbe nicht beeinflusst Behandelt man aber einen
solchen (Schnitt entweder mit Thionin oder mit Metihylen-
Ueber die Bedeutung der Beehenellen der Coi\junctiTa. 19
bko, so bemerkt man (wesoigstens zuweilen) dass sich nicht
alle ZeUen in gleicher Weise färben. Deac Tbecainhalt
einer Zelle färbt sidi ti^, während derselbe bei einer
andern nur schwach tingirt erscheint oder idelleicht manch-
xoal ganz farblos ist Woher kommt dieser Unterschied?
Ist es nur Zufall oder kommt es daher, dass die Becher-
zelfen nadi Entleerung ihres schleimigen Inhalts nicht so-
gläcb. neues Mucin bilden , sond^n eher eine Zwischen-
Substanz, die im Laufe der 2iert sich in Mudn yerwandelt,
welches dann entleert wird?
5) Als ein weiterer Beweis wird angegeben^ dass die
Becberzellen der Ccn^unctiva nie die regelmässige Gestalt
und Yfflteilung darbieten, die man bei normalen Gebilden
zu finden erwartet
Ich habe indessen schon vorher bemerkt, dass die
Zellen keineswegs in ihrer Gestalt unregehnässig, soäodem
im Gegentheil aufiallig symmetrisdi und regelmässig ge-
badet smd. Besondere Beachtung verdient die scharf ab-
gegrenzte runde Oeffimng mit ihrer gestreiften Umgebung,
ferner die Lage des Elems, der immer gegen die Basal-
laeadma gerichtet iflt, und endlich die Schärfe, mit der
der schleimige Inhalt der Theca sich von dem Proto-
plasma des Stieles abgrenzt
Wenn diese Zellen in pathologischer Entartung be-
gEiftn wären, würde man da nicht erwarten, die gan^e
ZeBe einer allmählichen Umwandlung unterhegen zu scdben?
Warum sollte nur das Protoplasma des Zellkärpers und
Bicht das des Stieles sich verändern?
Ln Gegensatz zu der Annahme einer kianichafitan
Degsaaration haben wir oben schon erwiesen, dass die
Becherzellen natürliche Gebilde sind, die sich ganz uaab-
häi^gig w>n xEgend welcher Beizung stets in der nomalen
Goqinnctiva dm Menschen und der Thiere vorfinden.
2*
20 C^- Leedham Green.
Dies schliesst natürlich nicht aus, dass dieselben viel-
leicht in Folge dauernder Reizung zu erhöhtem Wachstum
veranlasst werden können, wie z. B. bei chronischem Katarrh.
Um festzustellen, welchen Einfluss eine Entzündung
der Conjunctiva auf die Becherzellen hat, stellte ich folgende
Versuche an. Ich applicirte eine Lösung von Jequirity auf
das Auge eines gesunden Kaninchens in gewöhnlicher Weise;
als es nach einigen Tagen zur Entstehung einer massig in-
tensiven Entzündung mit den charakteristischen Erschei-
nungen gekommen war, tödtete ich das Thier und untersuchte
die Conjunctiva< Das Epithel der Conjunctiva war in
grosser Ausdehnung abgestorben und abgestossen, wobei die
Becherzellen dasselbe Schicksal erfahren hatten. Das theil-
weise oder vollständige Verschwinden derselben hing dabei
lediglich von dem Grade der Entzündung ab. Zur Er-
zeugung einer andauernden leichteren Conjunctivitis erwies
sich das Jequirity als ungeeignet, da sich seine Wirkung
zu schwer beherrschen Hess. Ich benützte daher zu diesem
^weck, auf den Vorschlag von Professor Leber, ein Extract
von Anagallis arvensis, welches sich durch seine stark rei-
zende Eigenschaft für die Oberfläche des Auges auszeichnet.
Die Einträufelung einer Lösung dieses Extractes in den
Bindehautsack ruft eine Entzündung hervor, deren Heftig-
keit genau dem Grad der Verdünnung und der Häufigkeit
der Anwendung des Mittels entspricht. Mit Hilfe desselben
konnte ich leicht eine milde Form von chronischer Ent-
zündimg der Conjunctiva während mehrerer Wochen unter-
halten. Obgleich nun die Membran alle die gewöhnlichen
Erscheinungen von chronischer Entzündung zeigte, konnte
ich bei histologischer Untersuchung der Conjunctiva keinen
merklichen Unterschied im Aussehen und in der Anzahl
der Becherzellen und jedenfalls keine Zunahme derselben
constatiren.
F. E. Schnitze hat schon vor langer Zeit bewiesen,
dass die Becherzellen nicht mechanisch bersten und ihren
üeber die Bedeutung der Becherzellen der Conjunctiva. 21
Inhalt ausgiessen; denn wenn dies der Fall wäre, würden
wir an Stelle der scharf begrenzten runden Oeflhung einen
unregelmässigen zackigen Riss sehen, was niemals .wahrzu-
nehmen ist. Es ist ganz unmöglich anzimehmen, dass diese
wohl abgegrenzte Oeffiiung durch einen anderen als physio-
logischen Process ihre Entstehung findet.
Mit Rücksicht auf alle diese Thatsachen und auf die
Unhaltbarkeit der Beweise für die pathologische Xatur der
Eecherzellen der Conjunctiva und die vielen durch diese
Hypothese unerklärt gelassenen Thatsachen, kann man zu
keinem andern Schlüsse kommen, als dass sie als Gebilde
zu betrachten sind, welche in ihrer Struktur und vermuih-
lich auch in ihrer Function ähnlich sind den Becherzelleu,
wie man sie in anderen Gebieten des thierischen Körpers
findet^ wie z. B. in der Haut gewisser Fische, in der Schleim-
haut der Frpschblase, dem Dünndarm des Menschen etc.,
das heisst, wir müssen sie als Zellen betrachten,
welche die besondere Aufgabe haben, Schleim
durch einen natürlichen und physiologischen Vor-
gang zu produciren.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel I.
Fig. 1. Becherzellen von der menschlichen Conjunctiva. Isolations-
präparat aus Müller'scher Flüssigkeit.
Fig. 2. Becherzellen von der Conjunctiva der Katze. Isolationsprä-
parat aus MüUer'scher Flüssigkeit.
a Zellen der Oberfläche.
b „ „ Mittelschicht.
cd „ „ tiefsten Schicht.
Fig. 3 u. 4. Conjunctiva des Kaninchens von der Uebergangsfalte.
Müller'sche Flüssigkeit und Alkohol, gefärbt mit Hämat-
oxylin und aufbewahrt in Glycerin.
Fig. 5. Conjunctiva des Menschen, mit Safranin und Hämatoxylin
gefärbt; aufbewahrt in Glycerin.
Primäre, secundäre nnd tertiäre Netzhantbilder
nach momentanen Lichteindrflcken.
Von
Dr. H. P. Bosscha
in Utrecht
Die Erscheinungen, welche Gegenstand folgender Unter-
suchungen sind, gehören zu der Gruppe der Nachbilder.
Dieses Gebiet ist so ausgedehnt und so eng verbunden mit
vielen physiologischen Fragen, dass ich mich bei meinen
Untersuchungen auf eine kleine Abtheilung des Ganzen
zu beschränken hatte und auch in der Uebersicht über die
Arbeiten früherer Forscher mich an das halten muss, was
zu dieser Abtheilung in directer Beziehung steht
Zur besseren Uebersicht über die Geschichte unserer
Kenntnisse der Nachbilder scheint es mir zweckmässig, in
ihr drei Perioden zu unterscheiden: die Periode der allge-
meinen Beobachtungen, die der Messungen und die des
genaueren Studiums der Erscheinungen. Es ist klar, dass
letzteres den Messungen hätte vorangehen sollen, und es
wird sich genügend zeigen, dass die Arbeiten vieler For-
scher reichere Früchte hätten abwerfen können, wenn dies
der Fall gewesen wäre.
. Schon sehr früh beobachtete man, dass unter gewissen
Bedingungen (z. B. bei schneller Fortbewegung leuchtender
Gegenstände) eigenthümliche Gtesichtseindrücke entstehen,
welche auf Nachbildern beruhen (Ptolemaeus), und ver-
Primfire, secund&re und tertiäre Netzhautbilder etc. 23
sachte zu »^iaiiren, durch welche Bedingungen das Ent-
stehen dieser Nachbilder gefördert wird. Hierzu benutzte
man die im Kreise bewegte glühende Kohle, den Krei-
sel u. s. w. Für die Kenntniss der^ Details dieser
Periode verweise ich auf die Biesenarbeit Plateau 's*).
Nur will ich noch bemerken, dass man schon bald anfing,
die Dauer der Nachbilder zu schätzen. So sagt z. B.
Newton (Optics): „and do not the notions once excited
oontinue about a second of time before they cease?^'
Mit Segner, dem ersten, der einigermaassen genaue
Untersuchungen über die Dauer der Nachbilder anstellte,
fangt die zweite Periode an. Er erfand die Methode,
welche noch jetzt benutzt wird, bei der man einen leuchten*
den Gegenstand mit einer solchen Geschwindigkeit im
Kreise herumbewegt, dass man, einen Punkt dieses Kreises
fixirend, das Nachbild des leuchtenden Gregenstandes noch
sidit, wenn dieser wieder an dieselbe Stelle zurückkehrt
Die GSeschwindigkeit, bei welcher dies noch eben der Fall
ist, ergibt dann die gesuchte Dauer des Nachbildes. Seg-
ner fiuid hierfür Vs Secunde.
Genauer waren die Untersuchungen d'Arcy's^, der
ebenso wie Segn er ableuchtenden Gregenstand eine glühende
Kohle benutzte und dabei für die Dauer des Nachbildes
0.13 See fand. Er hatte die Absicht, zu untersuchen,
welchen Einfiuss Lichtstärke und Farbe auf die Dauer
des Nachbildes haben, und wollte ermitteln, ob diese die
gleiche ist bei verschiedenen Personen. Obgleich d'Arcy
selbst dies Yoihaben nicht ausführte, hatte er hierdurch
doch verschiedene noch zu lösende Fragen aufgeworfen,
während auch die zu befolgende Methode nicht weit zu
') Bibliographie analytique des principaux ph^nom^nes subjec-
tifg de la vision etc. M^moires de rAcad^mie t. 42, 43, 45.
*) Memoire snr la dnrde de la Sensation de la rae (Mtooires
de l'Aoadtoie des Scienoes de Paris 1765).
24 H. P. Bosscha.
suchen war. Ein halbes Jahrhundert verlief jedoch, bevor
etwas neues auf diesem Gebiete geleistet wurde.
Im Jahre 1829 schrieb J. A. F. Plateau zu Lüttich
seine Inaugural- Dissertation: „Dissertation sur quelques
propriet^s des impressions produites par la lumi^re sur Tor-
gane de la vue.'^ Sie enthält die Beschreibung einer
Reihe von Versuchen, die nach der Segner 'sehen Methode
mit den von d'Arcy angegebenen Modificationen ange-
stellt waren. Plateau betont jedoch nachdrücklich folgende,
dieser Methode anhaftenden Nachtheile:
1) „L'extr^mite posterieure de Timage allongee au lieu
d'etre nettement terminee, comme cela arriverait si Fim-
pression s'evanouissait biiisquement, se confond au con-
traire graduellement avec le fond sur lequel eile se pro-
jette. H suit de lä qu'on doit renoncer h Tespoir d'ob-
tenir des mesures pröcises."
2) „Chacun des points de Tanneau apparent präsente
une succession continuelle de teintes vives et faibles; de
Ik un papillotage qui fatigue Toeil, et rend ä peu pr^s
impossible la determination de la vitesse k donner ä Tobjet."
3) „L'objet en mouvement ne peut produire qu'une
Impression imparfaite et dans ce cas la duräe de cette
impression d^duite de celle d'une r^volution est probable-
ment moindre que la duree de Timpression compl^te du
meme objet"
Anstatt jedoch wegen dieser Nachtheile die Methode
zu verwerfen, (obgleich die sub 2 genannte Schwierigkeit
ihr Prinzip selbst l)etriffifc), versuchte Plateau jene zu neu-
tralisiren und zwar den ersten durch eine hinter dem Zeiger
angebrachte Sammetbekleidung, den zweiten durch eine
Durchschnittsberechnung zahlreicher Resultate, den dritten
durch eine grössere Breite des zu beobachtenden Gegen-
standes. Statt einer glühenden Kohle benutzte er bogen-
förmige verschieden gefärbte Papierstreifen. Er fand als
Dauer des Nachbildes für Weiss 0,35, Gelb 0,35, Roth
FrimAre, secundäre und terti&re Netzhautbilder etc. 25
0,34, Blau 0,32 See. Eine zweite Versuchsreihe stellte
er an zur Bestimmung der Zeit, während welcher die Nach-
bilder ohne merkliche Abschwächung fortbestehen, imd
zwar in der Weise, dass er eine in weisse (oder gefärbte)
und schwarze Sectoren getheilte Scheibe mit zunehmen-
der Geschwindigkeit bis zum Aufhören des Flackenis
drehte. Er fand auf diese Weise für die Dauer des unge-
schwäditen Nachbildes für Weiss 0,0079, Gelb 0,0083,
Roth 0,0096, Blau 0,0123 See. Zum Schlüsse fasst er
die Ergebnisse seiner Untersuchungen in folgenden Sätzen
zusammen:
1) „üne impression quelconque exige un temps appr^-
ciable pour sa formation compl^te, de meme que pour son
enti^re disparition."
2) „liorsqu'une impression s'eiFace, la marche de son
decroissement est d'autant moins rapide que l'impression
est plus pr^s de sa fin."
3) „La dnr^e totale des impressions depuis l'instaut
oü eUes ont acquis tonte leur force jusqu'ä celui oü elles
ne sont plus qu'ä peine sensibles, est h peu pr^s egale ä
0.34 (un tiers de seconde ä trfes peu prös)."
Diese erste Arbeit wurde von mehreren anderen auf
diesem Gebiete gefolgt. In seiner letzten, ausfiihrlicheren
Arbeit über die Nachbilder, der im Jahre 1878 erschienenen
Abhandlung: „Sur une loi de la persistance des impressions
dans Toeil", in welcher er seine während eines halben
Jahrhunderts gesammelten Erfahrungen ordnet und über-
sieht, bespricht er lunständlich seine früheren Untersuchungen,
mit spezieller Berücksichtigung einiger Detailfragen. So
zieht er aus Brücke's und Exner's Untersuchungen
den Schluss, dass die Dauer eines jeden Beizes bei seinen
Versuchen zur Erregung eines vollständigen Eindruckes
ausgereicht hatte. Er betont auch die Abhängigkeit der
Dauer des Nachbildes von den Verauchsbedingungen, in
dem Sinne, dass die oben angegebenen Werthe nur gelten
26 H. P. Bosscha.
für die Tagesbeleuchtung, für eine Einwirkungsdauer von
0,177 See. und für seine eigenen Augen. Weiter bespricht
er die Bestimmung der Zeit, während welcher die Nach-
bilder ungeschwächt fortbestehen, und zwar im Anschlags
an eine Versuchsreihe, welche unter seiner Leitung von
s^em Sohne Felix und seinem Schwager van Mens-
brugghe angestellt wurde. Diese Versuche zeigten, dass
die Beleuchtungsstärke auf diesen Zeitraum („temps de
constance apparente") nur unbedeutenden Einfluss hat,
welcher bei Ueberschreitung einer gewissen Intensität ganz
aufhört Aus anderen Beobachtungen seiner Mitarbeiter
zieht Plateau den Schluss, dass nur die unvollkommenen
Eindrücke eine messbare „temps de constance apparente'^
haben und dass diese Zeit um so länger ist, je unvoll-
kommener die Empfindung war. Bedeutungsvoll ist weiter
der nicht näher begründete Ausspruch, dass die Empfindung,
wenn sie ihr Maximum um vieles überschritten hat, in un-
messbar kurzer Zeit abklingt, worauf sie, entweder unmittel-
bar oder nach einem kurzen Intervall von Finstemiss, von
einem negativen complementören Nachbilde gefolgt wird.
Der letzte Bepräsentant der zweiten Periode ist Char-
pentier, welcher imter Benutzung sehr compUcirter Appa-
rate, (wobei ihm der electrische Strom grosse Dienste leistete),
zahlreiche Versuche anstellte zur Ermittelung des Ein-
flusses, welchen verschiedene Factoren auf die Dauer des
Nachbildes ausüben. Immer mehr kam man ja ziu* Ein-
sicht, dass der Vorgang ein zusammengesetzter ist, und
dass die Dauer der Nachbilder von verschiedenen Um-
ständen beinflusst wird. Charpentier bemühte sich nicht,
die G^samtdauer des Nachbildes zu ermitteln, er suchte
nur die Dauer des ungeschwächten Fortbestehens zu be-
stimmen ^).
>) Recherches Bur la persistance des impressions r^tiniennes et
BTir les excitations lumineuses de courte dur^e. Archives d*ophthal-
mologie X.
Prim&re, Becundftre und tertiftre Ketzhautbilder etc. 27
Er erforschte welchen Emfloss Beleuchtungsstärke;
Dauer der Emwirkung und Farbe des Lichtes auf diese
Zeit haben, wahrend er seine Yersuche so anstellte , dass
diese Factoren jeder an sich zu ändern waren. Er fend,
dass die Farbe keinen Einfluss ausübt, während die Zeit
des ungeschwächten Fortbestehens im umgekehrten Ver-
hahniss stdit zur Quadratwurzel der Lichtstärke und sich
ebenso verhält zur Einwirkungsdauer.
Zur Bestimmung des Einflusses der Lichtstörke waren
seine Yersuche weit zweckmässiger eingerichtet als die
Plateau'schen. Während bei diesen nämlich mit der
Drehungsgeschwindigkeit sich auch die Einwirkungsdauer
änderte, £and Charpentier im electrischen Strom ein HlI&-
mittel, wodurch es möglich wurde, immer die gleiche Ein-
wiikungsdauer zu erhalten, während die finsteren Intervalle
nach Belieben verlängert oder verkürzt werden konnten.
So üemd er, dass die Zeit der scheinbar ungeschwächten
Empfindung nicht abhängig ist von der absoluten Licht-
s^ke, sondern von der relativen, nämlich der Adaptation
der Netsdiaut Er üand diese Zeit imter verschiedenen Um-
standen sehr verschieden, gewöhnUch grösser als 0,01 und
kleiner als 0,3 See.
Fassen wir in kurzem die Beobachtungen der Unter-
sucher dieser zweiten Periode zusammen, so sehen wir,
dass sie aDe zur Messung der Nachbilddauer intermittirende
Beleuchtung benutzten, während die späteren Untersucher
nicht die totale Dauer des Nachbildes zum Glegenstand
ihrer Versuche machten, sondern sich die Messung jener
Zeit, während welcher das Nachbild noch die gleiche Stärke
hat wie das beobachtete Licht, zur Au%abe stellten. Hier-
aus eiiiellt schon, dass es für sie eine feststehende That-
8ache war, dass da kurzdauernder Lichtreiz eine Empfindung
hervorbringt, die nach dem Aufhören des Beizes noch
während einiger Zeit ungeschwächt fortbesteht, um dann
erst allmählich abzuklingen.
28 H. P. Bosßcha. :
Aubert war der erste, dem es einfiel, zu untersuchen,
ob diese Auffassung mit der Wirklichkeit übereinstimmt,
und aus diesem Grunde lasse ich mit ihm die dritte Periode
anfangen. Während alle fiüheren Untersucher ihre Beob-
achtungen mit intermittirendem Lichte anstellten, sah Aubert
ein, dass man zuerst den Effect eines einzelnen Eindruckes
kennen muss, bevor man aus den Erscheinungen bei auf-
einander folgenden Eindrücken Schlüsse ziehen darf. Aubert
hatte den glückhchen Gedanken, zur Hervorbringung dieses
Eindruckes den electrischen Funken zu benutzen und stu-
dirte nun die Nachbilder, welche entstehen beim Anschauen
des Funkens mit unbewaffnetem Auge und durch gefärbte
Gläser, und beim Betrachten von verschieden gefärbten
Papierstücken auf verschieden gefärbtem Grunde, welche
durch den electrischen Funken beleuchtet wurden. Die
Versuche mit gefärbten Gläsern gaben sehr auseinander-
gehende Resultate, „Merkwürdig ist", wie Aubert^) sagt,
„das Auftreten eines positiven complementären Nachbildes
bei dem rothen Glase. Die Variationen der vollständig-
sten Beobachtungen beziehen sich zunächst auf einen Zwi-
schenraum zwischen dem Erscheinen des Funkens und dem
Auftreten des Nachbildes, in welchem das ganze Gesichts-
feld dunkel ist. Mitunter erscheint das Nachbild indess
unmittelbar nach dem Funken und untrennbar von ihm".
In vieler Hinsicht sind seine Resultate wichtig, na-
mentiich indem bei diesen Versuchen beobachtet wurde,
dass ein rothes licht von einem grünem Nachbilde gefolgt
wird. Diese Beobachtung war jedoch nicht die erste dieser
Art. Eine gleiche Erscheinung war schon von verschiedenen
Untersuchen! gesehen worden, zuerst von Purkinje, nach
welchem sie auch genannt wurde, Dieser sah sie beim
Schwingen einer glühenden Kohle, wie auch Exner, der
*) „üeber die durch den electrischen Funken erzeugten Nach-
bilder" (Moleschott*8 Untersuchungen 1858).
Primäre, secundäre nnd tertiäre Netzhautbilder etc. 29
eine Reihenfolge von Roth, Grün und Grau wahrnahm,
letzteres „ähnlich der Färbe des Eigenlichtes der Netzhaut,"
während Brücke eine weniger primitive Methode zur Her-
Torbringung des Phänomens benutzte.
Bei der Beobachtung von Papierstücken, die durch
den electrischen Funken beleuchtet wurden, nahm Aubert
folgendes wahr:
,^e Nachbilder der durch den Funken beleuchteten
Objecte sind bald complementär, bald gleich&rbig. Dies
ist abhängig von dem Grunde, auf dem die farbige Fläche
liegt, von der Farbe an sich, und wie es scheint, auch von
der Grösse der farbigen Fläche."
„Auch bei der momentanen Beleuchtung durch den
electrischen Funken wird der Erregungs-Zustand der ganzen
übrigen Retina verändert und zwar theils sympathisch, theils
antagonistisch."
In diesen Beobachtungen waren so viele ganz neue
Ansichten niedergelegt, dass man sich wundem muss, dass
sich nicht sofort viele Untersucher fanden, welche die Ver-
suche Aubert's zu wiederholen, seine in so mancher Hin-
sicht von der bestehenden Meinung abweichenden Resultate
zu prüfen und auf demselben Weg andere Streitfragen zu
lösen bereit waren.
Die Sache ruhte jedoch bis zum Jahre 1892, in wel-
chem Hess sie wieder auf die Tagesordnung brachte.
Anleitung hierzu fand er in Untersuchungen Hering 's,
welche es wahrscheinlich machten, dass die geläufige Auf-
fassung des positiven Nachbildes als ein Abklingen des
Eindruckes nicht die richtige sei.
Er stellte seine Versuche zuerst mit von dem electri-
schen Funken beleuchteten Papierstücken an, setzte aber
bald an die Stelle des electrischen Funkens den Moment-
verschluss, den die Photographen benutzen. Bei dieser
letzteren Beleuchtungsmethode nahm er hauptsächlich die
gleichen Vorgärige wahr, wie bei der so viel kürzer wäh-
39 H. P. BoBsduL
renden Beleuditvng mit dem dectriBchen FwakesL Der
von ihm benutzte Momaitirerschluss hatte eine Oeffiiungs-
zeä, Ton '/,04> ^ ^/i«o S^* ^^ beschreibt das von ihm
Wahrgenommene folgendermassen:
,yWiid eine sonst weisse Scheibe auf lichtlosem Grrunde
mit farbigem Lichte momentan beleuchtet, so erscheint un-
mittelbar nach der Wahrnehmung der farbigen Scheibe
zujiäGhst ein dunkles^ deutlich oomplementar gefärbtes Nach-
häd von äusserst kurzer Dauer. An dieses schlieest sich
das positive Helligkeitsnachbild an, welches in d^ Begel
nur eine sehr schwadbe f^bung zeigt. Diese stimmt mit
der Farbe der Scheibe im Augenblicke der Belichtung
überein. War das Auge durch längeren Aufenthalt im
Einstem genügend ftir ferbloses Licht empfindlich gemacht,
so sieht man das positive Nachbild wohl auch ganz oder
nahezu ganz farblos.''
Zum Schluss seiner Arbeit üsBt Hess die Besultate
seiner Untersuchungen in einige Schlusssätze zusammen,
denen ich Folgendes entnehme:
„Wirkt auf das Sehorgan ein kurzdauernder Lichtreiz
ein, so wird durch denselben zunächst eine Lichtempfin-
dung hervorgerufen, welche nach dem Aufhören des Saizes
in fast unmessbar kurzer Zeit abklingt Nach diesem
primären Lichteindrucke wird bei günstigen Yersuchsbe-
dingungen ein negatives Nachbild wahrgenommen, dessen
Dauer durchschnittlich etwas weniger als Vs Secunde be-
trägt."
„Auf dieses negative Nachbild folgt dann rasch ein
positives Nachbild, dessen Dauer von der Stärke des pii*
mären Beizes und dem jeweiligen Zustande des Auges ab-
hängt und welches in der Begel durch mehrere Secunden
in allmählich abnehmender Stärke wahrgenommen werden
kann. Nicht selten nimmt man nach diesem positiven noch
ein zweites negatives Nachbild wahr."
Die Erwartungen, mit welchen Hess sdne untersuch-
PrimAre, secnndfire und tertiftre Netzhautbilder etc. 81
imgesD anfing, waren also ganz und gar bestätigt; die bis
jetzt aflg<ffneiii angenommene AnfEässung des Nachbildes
hatte aidi als nnriolitig gezeigt Hess giebt dem mit folgen-
den Worten Ansdrock:
„Was bisher in der Begel (von Helmholtz, Fick u.
Anderen) als das Abklingen der durch den Lichtreiz ge-
setzten Erregnng beschrieben worden ist^ entspricht imter
den beschriebenen Umständen nidit diesem, sondern dem
AhUmgen des positiyea Nachbildes. Dieses positive Nach-
bild darf nicht, wie es bisher meist geschah, einfach aus
der Foitdanar imd dem aUmählichen Abklingen der durch
den liditreiz im Sehorgane hervorgerufenen Erregung er-
küirt werden; denn dasselbe ist von dieser letzteren regel-
masBig durch eine negative Phase getrennt '<
Aus diesen Worten schdnt mir hervorzugehen, dass
Hess sein positives Nachbild und jenes der früheren ün-
tersndber sJs dieselbe Phase des Vorganges betrachtet
Jene würden dann die von Hess ^itdeckte negative Phase
obersehen und so das positive Nadibild als die Fortsetzung
des Eindmckes au%efSs»st haben.
In dieser Weise sucht Hess den ziemlich scharfen
Widersi»-ach zwischen seiner Ansicht und der bisher all-
gemein gültigen zu heben oder wenigstens zu erklären.
Das Unhaltbare dieser Erklärung tritt aber gleich zu Tage,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass die von den früheren
üntersnchem vernachlässigte Phase % See. dauert, also
^eichlang wie deren „positives Nachbild^^, welches also
schweriich identisch sdn kann mit dem 6 See. dauernden
Hess'schen „positiven Nachbilde.^ Viel wahrscheinlicher
ist die Annahme, dass die früheren Untersucher die Hess-
sohe negative Phase wohl gesehen, aber falsch gedeutet
haben, indem ihnen die oomplementäre Färbung nicht auf-
gefallen ist, während das Hessische „positive Nachbild^'
in Folge der Fehler der Metiiode (intermittirende Beleuch-
tung) ihrer Wahrnehmung entgangen ist
32 H. P. Bosscha.
Lassen wir aber vorläufig jeden Versuch ziu* Erklä-
rung der Unterschiede in der AufiTassung der Nachbilder
bei Hess und seinen Vorgängern ruhen, so bleibt doch
immerhin als prinzipieller Unterschied die gegenseitige Auf-
fassung der Dauer des Lichteindruckes selbst, welcher Yon
Hess als y,eine Lichtempfindung, welche nach dem Auf-
hören des Beizes in fast unmessbar kurzer Zeit abkUngt'S
beschrieben wird, während die fiiiheren Untersucher ein-
stimmig eine „persistance de rimpressidn,^^ ein Fortbestehen
während messbarer Zeit, annehmen.
Unsere alltägliche Erfahrung spricht sehr zu Gunsten
dieser Plateau'schen Auffassung; dem Segner'schen Ver-
such, der Grundidee der Pyrotechnik und zahlloser opti-
scher Apparate, begegnen wir unter vielfachen Variationen
bei fast jedem drehenden oder schnell fortbewegten Gegen-
stand als sprechende Beweise gegen die Hess'sche Auf-
fassung.
Ist es also auf der einen Seite wahrscheinUch, dass
an der von Hess gegebenen Darstellung ein Fehler haften
muss, so ist es auf der andern Seite klar, dass dieser
Fehler eher in der von ihm gegebenen Erklärung als in
der Wahrnehmung selber hegen muss. Wichtig bleibt
immerhin seine Entdeckung, dass die ursprüngUche Em-
pfindung gefolgt wird von einem complementären und dieses
von einem gleichnamigen Nachbilde. Jenes complemen-
täre Nachbild war zwar schon von früheren Untersuchem
(Purkinje, Aubert u. a.) beobachtet, Hess jedoch wai-
der erste, welcher es als einen constanten Vorgang nach
momentanen Lichteindrücken kennen gelehrt hat. Auch
in practischer Hinsicht hat diese Entdeckung grossen Werth,
denn das complementäre Nachbild muss wesentlich bei-
tragen zu den Fehlem der bisher allgemein benutzten Me-
thode zur Messung der Nachbilddauer.
Hierin lag auch der Grund, weshalb ich schon bald
die zuerst von mir gehegte Absicht, eine einfache Methode
Primäre y secundäre und tertiäre Ketzhautbilder etc. 33
2iir Messnng dieser Dauer zu sadien, aufjgab. Idi hatte
Bimlidi Yersucht zu bestimmen, ob in dieser Hinsicht
wesentlicfae individuelle Abweichungen bestehen, und bei
vorläufigen YeimiGhen mit einfachen Apparaten gefunden,
daas solche Differenzen wirklich vorkommen, (selbst zwischen
den beiden Augen derselben Person), dass aber der Vor-
gang zu verwickelt ist, um in dieser Weise praxstische Yer-
wertfaung zu finden.
Reduction des zu beobachtenden Vorgangs zur ein«-
üAsbsn Form ist die erste Bedingung einer fruchtbringen-
den Untersuchung. Dazu muss man an erster Stelle den
'ESßd einer einfSachen Empfindung studiren, das heisst,
eiiier Empfindung von mögUchst kurzer Dauer, damit die
dudi den Anfimg des Beizes angeregten subjectiven Vor-
gänge nicht mit der nachfolgenden Beizperiode coincidiren.
Diese Bedingung suchten Hess und Aubert beide zu er-
fällen. Die Einrichtung ihrer Versuche weicht jedoch in
vielen Hauptpunkten von einander ab, in welchem Um-
fltand die Abweichungen in ihren Besultaten zu suchen
sind. Um dieses beurtheilen zu können, ist es vor allem
uothwendig, den Einfluss der va:whi6denen in Betracht
kommenden Factoren zu bestimmen.
Meine Absicht war daher zu bestimmen:
1) den Einfluss der Beleuchtungsdauer,
2) den Einfluss der Umgebung,
8) den Einfluss objectiver Beleuchtung auf die con-
Mcutiven Netzhautbilder.
Veranohe über den Einfluss der Beleuchtungsdauer.
Aubert war der erste, weldier beim Studium der
Kachbild^ den electrischen Funken und von diesem be-
leuchtete Gegenstände benutzte. Hess, welcher seine Ver-
suche theils mit dem electrischen Funken, theils mit dem
Hbmentversdiluss anstellte, glaubt beiden Methoden gl^
dien Werth beimessen zu können. A priori jedoch sdieint
▼. OiMfe»! AndiiT fOr Ophthalmologie. XL. 1. 3
34 H. P. Bo88cha.
der ßlectrische Funken den Vorzug zu verdienen. Dieser
giebt ja eine wirklich momentane Lichtquelle, bei welcher
die Dauer der Beleuchtung jener der Nachwirkungen gegen-
über zu vernachlässigen ist, während der Momentverschluss
eine Beleuchtung giebt, deren weit längere Dauer bei den
in Betracht kommenden minimalen Zeitwerthen immerhin
«ine gewisse Grösse repräsentirt
Ausserdem hat dieser Mechanismus Fehler, welche
auch Hess erwähnt, nämhch Ungleichheit in Beleuchtungs-
dauer und Beleuchtungsintensität für die verschiedenen
Theile des beleuchteten Feldes. Grossen Werih hat der
Momentverschluss jedoch zur Herstellung längerer Beleuch-
tungszeiten, während er durch die Leichtigkeit, mit welcher
die Oefl&iungsdauer zu ändern ist, ein sehr brauchbares
Hilfsmittel ist zum Studium des Einflusses der Beleuch-
tungsdauer.
Bei meinen Versuchen zeigte sich bald, dass der elec-
trische Funken den Vorzug verdient zum Studium der ersten
und zweiten Phase des Vorgangs, während der Moment-
verschluss zur Prüfung der letzten Phase besondere Vor-
theile hat, was sich bei der Beschreibung der Versuche
zeigen wird. Wenige Beobachtungen genügen schon zum
Nachweis der Thatsache, dass die DeutUchkeit des Vor-
gangs abnimmt mit der Zunahme der Beleuchtungsdauer.
Genauere . Versuche zeigen, dass dieses beruht auf einer
Veränderung in der Dauer des complementären Nachbildes,
welches um so länger dauert, je kürzer der Beiz einwirkt.
Der kurzen Dauer der Beleuchtung kommt ausserdem
der Vortheil zu, dass man leichter beurtheilen kann, ob
die Empfindung noch fortbesteht nach dem Aufhören des
Reizes, oder ob sie, wie Hess glaubt, dann „in fast un-
messbar kurzer Zeit abklingt."
Die jfrüheren Untersucher (Plateau, Charpentier),
welche die Zeit dieses Fortbestehens zu messen versuchten,
fanden sie um so länger, je kürzer die Beleuchtung dauerte;
PrimSre, secundäre und tertiäre Netzhautbilder etc. 35
ein weiterer Grund, um eine möglichst kurze Beleuchtung
zu wählen.
Bei meinen jetzt zu beschreibenden Versuchen wird
in einem vollkommen finsteren Zimmer ein kleiner Schirm
durch den überspringenden electrischen Funken beleuchtet,
während der Funken selbst dem Auge des Beobachters
entzogen ist
Hat der Schirm eine gelbe Farbe, so sieht man ein
gelbes licht, welches auf einmal ohne finsteren Zwischen-
raum in ein fast ebenso intensives blaues licht mit eigen-
thümhch metallischem Schimmer übergeht. Dieses blaue
licht dauert etwas länger als das gelbe, hört plötzlich auf
und wird gefolgt von einem viel weniger intensiven lichte,
welches so zu sagen sich aus der Finstemiss hervorhebt,
während einiger Zeit stärker wird, um dann wieder all-
mählich abzuklingen.
Um in der Nomenclatur möglichst objectiv zu bleiben,
will ich nicht von positiven und negativen Nachbildern reden,
sondern ziehe es vor, die drei Phasen des beobachteten Vor-
gangs das primäre, das secundäre und das tertiäre Bild zu
nennen.
Die Gesammtdauer des primären und secundären Bildes
beträgt weniger als 1 Secunde, das tertiäre dauert einige
Secunden. Nimmt man die Lichtstärke des primären Bildes
als 100 an, dann würde ich die des secundären auf 80,
die des tertiären auf 10 schätzen. Das secundäre Bild hat
die Complementärfarbe des primären, das tertiäre hat immer
eine eigentümlich röthüche, schwer definirbare Farbe. Diese
Wahrnehmung stimmt nicht in allen Punkten mit dem,
was Hess mittelst des Momentverschlusses beobachtete.
Bei mir ist ja das secundäre Bild immer hell, während
Hess sein complementäres Nachbild dunkel nennt Weiter
sah ich das tertiäre Bild nie in der Farbe des primären,
wie es Hess nach seiner Angabe öfter vorgekommen ist
Der ganze Vorgang ist von hervorragender Schönheit und
3*
3« H. P. Bosscfaa.
80 attssttwdentlich klar, dass er auch von Leuten, die sich
nicht oft mit solchen Versuchen befassen, sofort in all'
seinen Einzelheiten wahrgenommen und beschrieben wird.
Nachdem ich also den betreffenden Vorgang näher
kennen gelemt hatte, erforschte ich mehr im Detail den
Einfiuss der Beleuchtungsdauer auf die drei Phasen.
a) Einfluss der Beleuchtungsdauer auf das
primäre Bild.
Schon fiiiher habe ich bemerkt, dass ein üntersdiied
in der Dauer der Beleuchtung und der Dauer des primären
Bildes, also das Fortbestehen der Empfindung, um so leich^
ter wahrnehmbar sein muss, je kürzer die Beleuchtungs^
dauer ist Auch in dieser Hinsicht ist der Unterschied
zwischen Momentverschluss und electrischem Funken oagen-
fällig. Bei jenem erhält man wohl den Eindrud^, als wäre
das primäre Bild noch momentan sichtbar, nachdem der
Verschluss schon hergestellt ist, sicher überzeugend ist
jedoch dieser Eindruck nicht. Beim electrischen Funken
im Gegentheil ist die Thatsache, dass das primäre Bild
während messbarer Zeit (also jedenfalls bedeutend länger
als der Funken selbst) dauert, so ersichtlich, dass jeder
Zweifel unmöglich ist
Nach einer groben Methode versuchte ich annäherungs-
weise die Dauer des primären Bildes zu bestimmen, näm-
lich aus der Differenz der Dauer des secundären Bildes
allein und jener des secundären und primären Bildes zu-
sammen, welche Zeiten ich durch Vergleichung mit einem
Metronom bestimmte. Die gesuchte Zeit ist zu kurz, um
sie auf dieselbe Weise direct zu finden. Ich fand bei
sehr zahh-eichen Versuchen mit verschiedenen Farben und
Beleuchtungsintensitäten (abhängig von der Entfernung
zwischen electrischem Funken und Object), dass die Dauer
des primären Bildes ungefähr 0.1 bis 0.2 See. beträgt
Zwar erkenne ich selbst diesen Ziffern nur einen sehr
Frimftre, Becundftre und terti&re Netzhautbilder etc. 37
relatLYen Werth zu, sie beweisen jedoch immerhin , dasa
die Dauer des primären Bildes grösser ist, als die des
electrischen Funkens.
Es findet also unbedingt ein Fortbestehen der Em^
pfindung im Sinne Plateau 's statt Was dieser aber als
solches gemessen hat, muss etwas anderes sein, und zwar
wahrscheinlich die Gesanmitdauer des primären und secun*
dären Bildes, während dem Fortbestehen der Empfindung
die Plateau 'sehe Zeit der scheinbaren Constanz entspricht
Ist dies wirkhch der Fall, und man hat allen Grund zu
dieser Annahme, so bestätigen meine Untersuchungen Pla-
teau's oben erwähnte Behauptung: „ce temps est d'autant
plus long que Timpression est plus loin d'etre compl^te."
b) Einfluss der Beleuchtungsdauer auf das
secundäre Bild.
Vergleicht man die B^sultate bei verschiedener Be-
leuchtungsdauer, so zeigt sich, dass die Dauer des secim*
dären Bildes um so grösser wird, je kürzer die Beleuchtung
währt
Bei Benutzung eines Momentverschlusses mit einer Er-
öffiiungszeit von 1 See. kann man nur unter sehr günstigen
Umständen etwas von der complementären Farbe sehen;
verkürzt man die Eröffiiungszeit, dann wird sie allmähUch
deutlicher; bei Benutzung des electrischen Funkens endüch
erreicht sie ihr Maximum.
In einer grossen Versuchsreihe fand ich die Dauer des
secundären Bildes 0.35 — 0.5 See, also um etwas länger
als Hess.
c) Einfluss der Beleuchtungsdauer auf das
tertiäre Bild.
Das tertiäre Bild ist sowohl bei Beleuchtung mit dem
electrischen Funken als bei Benutzung des Momentver*
38 H. P. Bosscha.
Schlusses sehr leicht zu sehen, wird jedoch um so intensiver
und dauert um so länger, je länger die Beleuchtungsdauer
ist Bei Benutzung des electrischen Funkens wechselt die
Dauer des tertiären Bildes zwischen 2.5 und 4 See, was
wahrscheinlich abhängt von Verschiedenheiten in Farbe und
Lichtstärke des Objectes (die vom electrischen Funken be-
leuchtete Papierscheibe).
Dass die Dauer des tertiären Bildes von diesen Fac-
toren beeinflusst wird, zeigt sich aus folgenden mittelst
eines Momentverschlusses bei zwei Lichtstärken gefundenen
Werthen :
Blau Roth Grün Violett Gelb
Lichtstärke 13 4 4 4 5
„ 16 4 5 5 5 6
Dass der Einfluss dieser Factoren jedoch bei weitem
übertroffen wird von dem der Beleuchtungsdauer erhellt aus
folgenden Ziffern:
Beleuchtungsdauer: 0.02 0.25 0.5 1 2 3 4 See.
Dauer des tert Bildes: 5 6 7 9 11 12 14 „
Im Vorhergehenden besprach ich die wichtigsten Folgen
der Differenzen der Beleuchtungsdauer, wenn diese inner-
halb der Grenzen einer momentanen Beleuchtimg bleibt
Verlängerung dieser Dauer macht den Vorgang compUcirter.
Ich würde ein ganz anderes Gebiet betreten, wollte
ich diese Vorgänge näher erörtern; nur sei hier erwähnt,
dass die wichtigste Erscheinung bei längerer Beleuchtungs-
dauer im Auftreten einer subjectiven Empfindung besteht,
welche ich zur Unterscheidung von den beschriebenen
Phasen das „zusammengesetzte Nachbild^^ nennen will.
Dieses stimmt überein mit dem, was Plateau „l'image
accidentelle ou negative" nennt (Seite 9).
Versnobe über den Binfluss der Umgebung.
Auch diese Versuche fanden nach der oben beschrie-
benen einfachen Methode statt, und zwar indem auf den
Frim&re, secundäre tmd terti&re Netzhautbilder etc. 39
liiefaibten Schirm eine anders gefärbte Fapierscheibe ge-
klebt wurde.
Sowohl auf die Farbe des primären wie auf die des
secondären Bildes hat die Farbe der Umgebung grossen
EinfluBS. Im allgemeinen besteht dieser Einfluss in einer
Verdeutlichung sowohl des primären als des secundären
Bildes auf einem complementär gefärbten Grunde. Jede
andere Farbe ändert die Nuance des primären und secun-
dären Bildes^ während einige Farben das secundäre Bild
migichtbar; einige andere geradezu schwarz machen. Letz-
teres ist aber nur der Fall, wenn die kleine Scheibe orange
oder roth ist
Diese Wahrnehmungen bestätigen also die von Aubert
gemachte Bemerkung: „Interessant ist die bedeutende Wir-
kung des Contrastes^^
Venuohe über den EinflusB objeotiven Liohtes auf die
oonBeoataven Netshautbilder.
Um zu ermitteln, welchen Einfluss die gleichzeitige
Wahrnehmung objectiven lichtes auf den Vorgang ausübt,
beleuchtete ich das Object (einen Schirm aus weissem durch-
sichtigem Papier) von rückwärts mittelst einer schwach
brennenden Milchglaslampe. Zwischen Schirm und electn-
sdiem Funken stellte ich eine gefärbte Glasplatte auf, wo-
durch der sonst farblose Schirm im Momente des Ueber-
springens des Funkens mit beUebig gefärbtem Lichte be-
leuchtet wurde.
Nach einigen Versuchen gelang es mir, dem constanten
lichte die richtige Stärke zu geben, um eine sehr merk-
würdige Erscheinung zu sehen. Man beobachtet dann nach
dem Ueberspringen des Funkens das primäre Bild wie sonst,
das secundäre Bild etwas weniger deutUch als ohne con-
atante Beleuchtung, und nachher eine Periode totaler Finster-
niss, welche einige Secunden anhält und nach Ablauf deren
das conatante licht wieder sichtbar wird.
40 H. P. Bosscha.
Diese Finstemiss-Periode stimmt offenbar überein mit
dem tertiären Bilde und es ereignet sich hierbei also die
merkwürdige Thatsache, dass licht durch licht in Finster-
niss umgewandelt wird.
Um den Vorgang genau zu beobachten, ist es noth-
wendig; den Schirm fortwährend zu fidren, denn schon eine
geringe Augenbewegung, bei welcher das Bild an eine
andere Netzhautstelle rückt, genügt zum Wiedererscheinen
des Constanten lichtes. Durch Uebung gelingt es aber
auch dann noch das constante licht unsichtbar zu machen,
indem man wieder genau die ursprüngliche Stelle fixirt
Diese eigenthümUche Erscheinung stimmt mit vielen
bekannten Vorgängen überein, welche bisher als auf einer
Abschwächung der PerceptibiKtät beruhend aufgefasst wur-
den. In Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Vor-
gange jedoch scheinen sie eine weitere Bedeutung zu gewinnen.
Auf demselben Princip beruht auch der folgende ein-
fache Versuch: Oefinet man bei einer Gaslampe mit Por-
zellankappe und Sicherheitshahn den gewöhnhchen Hahn
weit, während der Sicherheitshahn möglichst geschlossen
ist, so kann man dadurch, dass man letzteren rasch öffiiet
und wieder schliesst, ein kurzwährendes helles licht dar-
stellen, das wieder von der ursprünglichen gedämpften Be-
leuchtung gefolgt wird. Unter diesen Umständen nimmt
man etwas ähnUches wahr, wie bei dem oben beschriebenen
Vorgange: während einiger Augenbhcke nach der starken
Beleuchtung scheint das licht gänzlich ausgelöscht zu sein,
imd erst nach einigen Secunden wird das schwache con-
stante licht wieder sichtbar.
Dieser Vorgang wird gewöhnUch erklärt durch Ab-
schwächung der Perceptibilität Zweifellos hat diese einen
gewissen Einfluss; neben diesem passiven Factor jedoch
wirkt auch ein activer mit; es erhellt dies aus dem Schwin-
den der subjectiven Empfindung, wenn dieselbe mit der
Wirkung schwacher objectiver Beleuchtung comcidirt
Primftre, secundftre und tertiäre Netzhantbilder etc. 41
Prof. Sn eilen lenkte meine Aufinerksamkeit auf eine
analoge Erscheinung, welche ihm bei sehr schwacher Be-
leucttung aufgefallen war. Wenn man in einem vollkom-
men dunkeln Zimmer das Leuchten eines mit Lichtferbe
angestrichenen Gegenstandes beobachtet , so scheint dieser
in der finstem Umgebung hellleuchtend. Fixirt man ihn
weiter, so schwindet das Licht allmähhch, bleibt einige Zeit
fort und erscheint dann wieder in zuerst geringer, aber nach und
nach zunehmender Stärke, erreicht endhch die ursprüngliche
Helligkeit und behält diese einige Zeit, lun dann wiederum
abzuklingen und so abwechselnd hell und dunkel zu werden.
Dieser Vorgang ist so augenfälHg, dass anfangs die
Frage gestellt wurde, ob vielleicht dem phosphorescirenden
Lichte an und für sich diese Eigenschaft zukommt. Weitere
Versuche ergaben jedoch bald, dass jede sehr schwache und
gleichmässige Beleuchtung die gleiche Erscheinung hervor-
ruft. Diese Wahrnehmungen scheinen mir interessant zu
sein, als beredte Beispiele der selbstregenerirenden Wirkung
der Netzhaut (Hering), während sie ausserdem sich be-
sonders zur Bestimmung des Einflusses eignen, welchen
DiTick und Bewegung auf die Retinalvorgänge ausüben.
Weiter gehören zu diesem Gebiete die bekannten Nach-
bilder, welche auftreten, wenn man während einiger Secun-
den eine helle Fläche fixirt, um dann ein anders gefärbtes
Feld anzusehen. Man erhält so ein zusammengesetztes
Nachbild, bei welchem keine Phasen zu unterscheiden sind,
wobei aber unter gewissen Umständen derselbe Wechsel
zwischen den complementären Farben sowie zwischen Hell
und Dunkel zu beobachten ist, wie bei den erwälmten Ver-
suchen mit schwacher Beleuchtung.
Die Folgen der directen Einwirkung sehr intensiver
Beleuchtung (des Fixirens der Sonne z. B.) sind wohl als
pathologische Vorgänge zu betrachten, welche von den be-
sprochenenen physiologischen Erscheinungen scharf zu
trennen sind.
42 H. P. BoBScha. Primftre, secundare und tertiftre Netzhautbilder etc.
S6hlti888ät8e.
1) Die consecutiven Netzhautbilder treten am reinsten
und in einfachster Form auf bei möglichst kurzer Beleuch-
tung einer umschriebenen Netzhautstelle unter Ausschluss
jeder anderen Lichteinwirkung.
2) Auch bei Beleuchtung durch den electrischen Funken
findet in der Nachbarschaft des Netzhautbildes Contrast-
wirkung statt
3) Die Perceptionsvorgänge sind um so deutlicher, wenn
bei localem Netzhautreiz gleichzeitig in der Umgebung ein
Contrastreiz einwirkt
4) Das Perceptionsbild hat in seiner einfachsten Form
drei Phasen: das primäre Bild, welches länger dauert als
die Beleuchtung selbst; das secundäre Bild, welches die
Complementärfarbe des primären hat und um so deutiicher
ist, je kürzer die Beleuchtung dauert; das tertiäre Bild,
welches keine bestimmbare Farbe hat und dessen Dauer
mit der der Beleuchtung zunimmt
5) Die dritte Phase des Netzhautbildes kennzeichnet
sich durch Abschwächung der Sensibilität für schwaches
objectives Licht, durch welches sie ausserdem ausgelöscht
wird.
6) Das Nachbild einer langdauemden gleichmässigen
Beleuchtung ist ein complicirter Process, zusammengesetzt
aus der Accumulation einer Reihe auf einander folgender
momentaner Lichtempfindungen.
Untersnchim^eii über die
bei der Syphilis des Centralnervensystems
vorkommenden Angenstömngen.
Von
Professor W. Uhthoff in Marburg.
n. (klinischer) Theil.
2. Hälfte.
7) Motilitäts- und Sensibilitätsstörungen im
Bereiche der Augen bei 100 Fällen vonHirnsyphilis.
Dass die Bewegungsnerven und der sensible Nerv des
Auges bei der HimsyphiUs unverhältnissmässig oft, nament-
lich im Vergleich zu den hintern Himnerven, ergriffen
werden, ist eine allgemein anerkannte Thatsache, und brauche
ich nicht erst an die vielfachen diesbezügUchen Angaben
von Ricord, Fournier, Romberg, v. Graefe, Alexan-
der, Mauthner, Rumpf u. v. A. zu erinnern. Auch
unsere Zusanmienstellung aus der Literatur im I. Theil
hat dies zur Evidenz erwiesen (s. v. Graefe 's Archiv
XXXTX. 1. S. 180) und wir werden sehen, wie sich diese
Resultate mit den jetzt aufzuführenden bei unserer eignen
Beobachtungsreihe weitgehend decken, wo auf 100 Fälle
von HimsyphiUs 34 Oculomotorius-, 16 Abducens-, 5 Tro-
dilearis- und 14 Trigeminus-Affectionen gefunden wurden.
Ich glaube, es darf uns auch nicht verwundem, wenn sta-
44 W. ühthoff.
tistische Angaben über die Häufigkeit der einzelnen Angen-
nervenlähmimgen nach syphilitischer Infection, ohne be-
sondere Berücksichtigung etwaiger kompUcirender cerebraler
Erscheinungen^ ein ziemlich analoges Besultat liefern. Ich
führe hier z. B. die Angaben von Schubert (1. c.) über
47 syphihtische Augenmuskelnerven-Lahmungen an, der den
nervus Oculomotorius 27 mal, den Abducens ISmal, den
Trochlearis Imal erkrankt uad 6mal Combinationen ver-
schiedener Augenmuskel -Lähmungen fand.
Durchweg tritt uns beim Studium der Literatur des
bezüghchen Gegenstandes die Anschauung entgegen, dass
die Augenmuskel -Lähmungen nach syphiKtischer Lifection
erst den spätem Stadien angehören und meistens erst nach
1 — 2 Jahren in die Erscheinung treten (Poerster, Alexan-
der u. A.). Ln Ganzen und Grossen haben diese An-
schauungen ihre Berechtigung; dass aber unter Umständen
schon viel fiüher nach der syphiUtischen Lifection die
Erkrankung des Centralnervensystems und damit auch die
davon abhängigen Augenmuskel-Lähmungen erfolgen können,
darauf weisen auch verschiedene unserer Beobachtungen hin
und von einer Keihe von Autoren wird dieser Punkt in
der Literatur ganz besonders betont (Naunyn, Sängern. A).
Es soll jetzt die genauere Analyse unserer eignen
Beobachtungsreihe in Bezug auf die einzelnen Augen-
nerven-Lähmungen folgen unter Berücksichtigung nament-
lich des aus der Literatur gesammelten Sectionsmaterials.
Gleichzeitig sollen die sonstigen compHcirenden AflFectionen
von Seiten der andern vordem Himnerven in Betracht ge-
zogen werden, aus denen sich vielfach werthvolle diag-
nostische und difierentiell diagnostische Anhaltspunkte er-
geben. Es würde zu weit führen, in dieser Arbeit auch
die gleichzeitige Erkrankung der hintern Himnerven ein-
gehend zu berücksichtigen, die ja aber auch erfahrungs-
gemäss viel seltener in Mitieidenschaft gezogen sind bei
Himsyphilis als die vordem.
Untenuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 4g
Tabelle über die Affection der motorischen und
sensiblen Nerven des Auges bei 100 Fällen
von Hirnsyphilis.
A. Oculomotorius-Affectionen 34mal
1) Doppelseitig 15mal
2) Einseitig o&ne gekreuzte Kor-
perlfthmung 15 mal
3) Einseitig mit gekrerozter Körper-
ifthmimg 4mal
B. Abducens-Affectionen 16mBl
1) Doppelseitige 11 mal
2) Einseitige ohne gekreuzte Kör-
periahmung 4mal
3) Einseitig mit gekreuzter Körper-
l&hmung Imal
C. Trochlearis-Affectionen 5mal
1) Doppelseitige Imal
2) Einseitige 4mal
D. Trigeminus-Affectionen 14mal
(stets einseitig).
A. Daten über die Oculomotorius-Affectionen.
Zunächst zeigt uns auch diese tabellarische Zusammen-
stellung unserer eignen Seobachtungsreihe in Betreff der
Ocitlomotorius- Befunde bei Himsyphilis in vielen Bezieh-
ungen ganz analoge Yerhältnisse, ^e das im L Theil
(8. V. Graefe's Archiv XXXTX. 1. p. 128) aus der lite-
rator gesammelte Sectionsmaterial von 150 Fällen von Hirn-
Syphilis mit Augenstörungen. Auch hier ist in ungefähr ein
Drittel der Fälle der Oculomotorius mitbetheiUgt, und
ebenso ist das Yerhältniss der doppelseitigen zier ein-
seitigen Oculomotoriuslähmung ein ganz analoges, beide
irar^i gleidi häu£g, und ähnlich stellte sich auch die
Häufigkeit des Vorkommens der einseitigen Oculomotorius-
lähmung mit kontralateraler Körperlähmung. Die letztere
war bei den aus der Literatur zusammengestellten Fällen
etwas häufiger als in unserer Beobachtungsreihe, ein üm-
fllaady der sich, wie ich glaube, ungezwungen daraus erklärt,
46 W. ühtlioff.
dass derartigen Fällen, seitdem Nothnagel besonders
darauf hingewiesen hatte, eine speciellere Aufinerksamkeit
geschenkt wurde. Auf das Gesammt-Material also über-
tragen würde das gefundene Besultat lauten: Bei 259 Fallen
von Himsyphilis war 90 Mal der Oculomotorius afficirt,
hiervon war 16 Mal die Oculomotorius-Lähmung einseitig
mit gekreuzter Körperlähmung, in den übrigen 74 Fällen
war die doppelseitige und die einseitige Oculomotorius*
Affection gleich häufig vertreten (je 37 Mal).
1. Was nun in erster Linie die doppelseitige Ocu-
lomotorius-LäJitnung des Genaueren angeht, so ist die-
selbe auf dem Gebiete der HimsyphiUs so häufig, wie bei
keiner andern intracraniellen Erkrankung, sie findet sich
auf Grundlage unserer Beobachtungsreihe in ca. 15 ^/^ aller
Fälle. Sie war durchweg durch einen basalen syphiUtischen
Process bedingt, denn in 11 von diesen 15 Fällen wurde
die Diagnose auf einen solchen mit Sicherheit gestellt und
5 Mal konnte dieselbe auch durch die Autopsie erhärtet
werden. Durchweg ist der interpedunculäre Baum, gelegent-
hch auch ein Himschenkel als Ausgangspunkt für die
doppelseitige Oculomotorius-Afiection anzusehen, das zeigen
uns die 5 einschlägigen Sectionen unserer Beobachtungs-
reihe imd ebenso die 22 Sectionen der Art in der Literatur
(s. V. Graefe's Archiv XXXIX. 1. p. 125 u. 146). Auch
in den nicht zur Section gekommenen Fallen unserer Beob-
achtungsreihe sprechen eine Beihe von gewichtigen Factoren
für diese Thatsachen. So lag in 6 dieser 15 Fälle von
doppelseitiger Oculomotorius-Lähmung halbseitige und in 2
Fällen doppelseitige Körperparese vor, was auf eine Mit-
afiection der Himschenkel deutete und damit nicht nur auf
den basalen Ursprung, sondern gleichzeitig auf die Austritts-
stelle der Oculomotorii zwischen den Himschenkeln hinwies. —
Homonyme Hemianopsie, beruhend auf Tractus-Affection an
der Himbasis, compUcirte sich 2 mal mit der doppelseitigen
Oculomotorius-Lähmung, indem offenbar der syphihtische
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. 11. 47
Frocess in der Gegend der Austrittsstelle der Oculomotorii auf
den einen benachbarten Tractus übergegriffen hatte, das eine
Mal mit gleichzeitiger Affection eines Himschenkels, das
andere Mal ohne eine solche. Unser Fall XTTT zeigt jedoch,
dass die homonyme Hemianopsie auch durch weiter central
gelegene Processe (Erweichung einer Hemisphäre) bedingt
sein kann, während die Oculomotorius- Stämme an der
Basis des Gehirn isolirt pathologisch verändert sind. Es
fehlten hier allerdings Funktionsstörungen im Bereich der
Oculomotorii intra vitam, und ich möchte glauben, dass
eine solche gleichsam ganz unabhängige Affection beider
Oculomotorius-Stämme an der Basis, und das gleichzeitige
Auftreten einer ganz getrennt davon central bedingten
homonymen Hemianopsie als ein seltenes Yorkonmien an-
zusehen ist; in unserer Gesammtreihe von 250 Fällen konnte
das nur 1 mal mit Sicherheit nachgewiesen werden. Es hegt
also immer am nächsten bei doppelseitiger Oculomotorius-
Lahmung aus basaler Ursache bei Himsyphilis eine gleich-
zeitige homonjrme Hemianopsie ebenfalls auf eine weitere
Ausdehnung desselben basalen Frocesses zurück zu führen.
Auch die temporale Hemianopsie, ein sicheres Zeichen
einer basalen Chiasma-Erkrankung, fand sich 2 mal
complicirt mit doppelseitiger Oculomotorius-Lähmung. Der
Process war in beiden Fällen an der Himbasis ein recht
ausgedehnter und hatte offenbar an verschiedenen Stellen
die einzelnen basalen Himtheile in verschiedener Intensität
geschädigt Es ist nicht gut angängig, dass eine syphiU-
tische Neubildung im interpedunculären Baum durch ein-
faches Wachsthum nach vom direct eine doppelseitige tem-
porale Hemianopsie hervorruft, es müsste eher eine homo-
nyme Tractus- Hemianopsie zu Stande kommen. Diese
Combination von temporaler Hemianopsie mit doppelseitiger
Oculomotorius-Lähmung ist in den 150 Sectionsbefonden
aus der Literatur nicht aufzufinden, vielleicht aber auch
übersehen worden.
46 W. ühihoff.
Je 5 von den 15 Fällen doppelseitiger Ocolomotoriiis-
Lähmimg legte noch die Complication mit Tiähmnng aadeier
Augenmuskel-Nerven den basalen Sitz der Läsion nahe und
ebenso in 6 Fällen ein positiver pathologischer Augenspiegel-
befimd an den Papillen (5 mal atrophische Abblassung der
Papillen und Imal Neuritis optica). Die Optici resp.
Ohiasma und Tractus an der Basis cranii waren also im
Ganzen in fast der Hälfte der FäUe ^eichzeitig miter-
griffen, der Abdnoens 4 mal (darunter 3 mal doppelseitig),
der Trochlearis 8 mal (darunter Imal doppelseitig), der
Trigeminus Imal, der Facialis 3 mal, der Olfactorius Imal
(doppelseitig).
Es ist instructiv mit diesem Untersuchungsorgebniss
bei unsem 15 Fällen die einschlägigen Daten der aus der
Literatur zusammengestellten 22 Beobachtungen von d<^pel-
seitiger Oculomotorius-Lähmung bei Himsyphilis mitSections-
befimd zu vergleichen. Bei diesen 22 Kranken waren die
optischen Bahnen peripher und an der Basis des Ge-
hirns 3 mal betheiligt und zwar stets doppelseitig, der
Abducens 7 mal (davon 2 mal doppelseitig), der Troch-
learis 3 mal (davon Imal doppelseitig), der Trigeminus 3 mal,
der Olfactorius 2 mal (doppelseitig), der Facialis 6 mal
(davon 1 mal doppelseitig). Wir entnehmen somit aus diesem
Vergleich, dass bei HimsyphiUs die doppelseitige Oculomo-
torius- Affection sehr oft comphcirt ist mit Läsion der vordem
basalen Himnerven und zwar sind die basalen optischen
Leitungsbahnen resp. die Nervi optici am häufigsten be-
troffen (14 mal von 37 Fällen), gewöhnlich auch mit patho-
logischen - ophtalmoskopischen Veränderungen, in zweiter
Linie der Abducens (11 mal und hiervon 5 mal doppelseitig),
in dritter Linie der Trochlearis (6 mal, 2 mal hiervon dc^pel-
seitig), in vierter Linie der Trigeminus (4 mal, stets einseitig),
in fünfter Linie der Olfactorius (3 mal, stets doppelseitig).
Hieran schUesst sick sodann die Complication der Facialis-
Affection (9 mal, davon 1 mal doppelseitig), jedoch ist hier-
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 49
bei zu bemerken, dass Facialis -Parese in der Begel nur
die Mundzweige betraf und offenbar nicht basal bedingt
war. Die letzten 5 Himnerven waren bei der doppelseitigen
Ocolomotorius-Parese selten in Mitleidenschaft gezogen.
Es drängt sich nach Feststellung dieser Thatsachen
naturgemäss noch die Frage auf, wie verhielt es sich nun
genauer mit demjenigen Fällen, welche die doppelseitige
Oculomotorius- Lähmung ohne wesentliche CompUcationen
Ton Seiten anderer basaler Himtheile (also ohne sonstige
Affectionen basaler Himnerven, hemiplegischen Erscheinungen
IL s. w.) boten, und die als die Ausnahmen den andern
gegenüber zu bezeichnen sind. In unserer Beobachtungs-
reihe sind es 3 Falle; in dem einen konnte die Diagnose auf
basalen syphilitischen Process gestellt werden, in den beiden
andern war es nicht möglich den cerebralen Process genauer
zu locaUsiren. Zur Section kam keiner dieser Fälle.
Von den 22 Sectionsfällen von doppelseitiger Oculo-
motorins-Parese bei Himlues aus der Literatur sind eigent-
lich nur 3 zu verzeichnen, in denen die doppelseitige Ocu-
lomotorius-Affection die einzigste Himnerven-Erkrankung
an der Basis cranii war, es sind dies die Fälle von Biggs,
Ormerod und Thomsen. Li den beiden ersteren handelte
es sich anatomisch um directe partielle gummöse Degene-
ration der Oculomotorius-Stämme selbst, und in dem letzten
um eine Wucherung zwischen den beiden austretenden
Nerven im interpedunculären Baum. Der Fall von Schott
gehört hier insofern nicht her, als hier die doppelseitige
partielle Oculomotorius- Lähmung auf direkten gummösen
Mnskelaffectionen beruhte und in dem Fall von Greiff wai*
auch noch das Chiasma mitbetheiUgt, wenn auch keine
weitem directen Functionsstörungen angegeben werden.
Auch die sonstigen Mittheilungen aus der Literatur ohne
Sectionsbefund sprechen für die grosse Seltenheit der doppel-
seitigen Oculomotorius- Affection bei Himsyphilis ohne andere
basale Functionsstörungen im Bereich der Himnerven, wohl
T. GtMfe'B ArchlT fOr Ophthalmologie. XL. 1. 4
50 W. ühthoff.
aber mit sonstigen cerebralen Beschwerden. Ich erwähne
hier noch einmal, dass ich die Fälle von isolirten Nucleär*
Lähmungen der Augenmuskeln auf Grundlage von Syphilis
(Hutchinson) ohne anderweitige cerebrale Erscheinungen
hier nicht in Betracht ziehe. Aber ich möchte glauben,
dass eine doppelseitige totale Oculomotorius-Lähmung bei
Syphilis, auch wenn zur Zeit der Beobachtung anderweitige
Gehimerscheinungen fehlen, wohl selir selten als eine
nucleäre aufzufassen ist, sondern fast immer auf basalen
Processen (directe gummöse Degeneration der Oculomotorius-
Stämme, syphiUtische Wucherung zwischen den Nerven im
interpedunculären Raum u. s. w.) beruht.
Wenden wir uns nun zu der Frage von den durch
die doppelseitige Oculomotorius-Affection bei HimsyphiUs
gesetzten Functionsstörungen intra vitam, so dürften folgende
Punkte unser besonderes Interesse verdienen.
Zunächst ist in unserer Untersuchungsreihe Fall XIV
(Oppenheim) hervorzuheben, wo bei einer ausgesprochenen
anatomischen Laesion beider Opticus-Stämme die Functions-
störung nur in massiger doppelseitiger Ptosis und einsei-
tiger Erweiterung der Pupille bestand, während die übrigen
Zweige des Oculomotorius noch im Wesentlichen gut functio-
nirten. Ebenso sind in dem Kahler 'sehen Fall (s. v, Graefe's
Archiv XXXIX. 1. p. 133) nur beide Levatores papebr.
sup. (Andeutung doppelseitiger Ptosis) und Lähmung beider
Recti intemi botroflFen, trotzdem die Oculomotorii in ihrem
Ui-sprungstheil grau, verdickt und härtlich anzufühlen waren.
Auch Virchow berichtet in seinem Fall (s. v. Graefe's
Archiv XXXIX. 1, p. 128) nur über doppelseitige Ptosis
mit einseitiger Pupillenerweiterung, trotzdem die beiden
Oculomotorii in eine hellgraue, derbe, gallertartige Masse
eingebettet waren, und auch die beiden Nervenstämme
selbst sich hochgradig verändert zeigten.
In zweiter Linie führe ich unsem Fall I an, wo bei
ausgesprochener gummöser Wucherung zwischen beiden
Untersuchungen über die bei der Syphilis ete. II. 51
Oculomotorius-Stämmen im interpedunculären Raum an-
fangs m erster Linie die Auf- und Abwärtsbewegungen
der Augen betroffen waren, während die seitlichen Bewe-
gungen sich Tiel weniger geschädigt zeigten. — Sehr auf-
fallend zeigt eine solche isolirte Parese des Blickes nach
()l)en jener bemerkenswerthe und viel citirte Fall von
Thomsen (s. v. Graefe's Archiv XXXIX. 1. p. 133), wo
eine gummöse Wucherung zwischen den Himschenkeln
gerade an der Austrittsstelle der Oculomotorii mit partieller
Degeneration der Oculomotorius- Stämme selbst sich fand.
Und in mancher Beziehung analog ist die Beobachtung
von Ormerod (s. v. Graefe's Archiv XXXIX. 1. p. 132),
wo beiderseits die Augen nach unten abgelenkt waren bei
fast völligem Verlust der Beweglichkeit nach oben nebst
linksseitiger Ptosis, während die übrigen Aeste relativ frei
geblieben waren; und doch handelte es sich auch hier um
eine doppelseitige ausgesprochene gummöse Anschwellung
der Nervenstämme an der Basis bald nach ihrem Austritt
aus dem Gehirn. Derartige Fälle zeigen, dass auch bei
basaler doppelseitiger Oculomotorius-Läsion eigenthümliche,
ganz partielle symmetrische Lähmungen einzelner Aeste vor-
kommen können, welche auf den ersten Blick als assocürte
oder auch als nucleäre Lähmungen imponiren. Thomsen
sowohl als Ormerod weisen auf diesen Punkt schon in
ihren Mittheilungen hin und letzterer fuhrt ungefähr fol-
gendes im Anschluss an seinen Fall aus: „Besonders inter-
essant ist zunächst die doppelseitige Läsion des Oculomo-
torius mit Verlust der Aufwäi-tsbewegung in erster Linie.
Vielleicht dass die Fasern, welche zum Levator palpebrae
und Rectus superior gehen, peripher im Stamme liegen,
aber dies ist nur eine Voraussetzung und seltsam bleibt es,
dass in der grössten Verdickung nur relativ wenig Nerven-
fasern erhalten sind." Aber besser sei es vielleicht,
meint Ormerod, statt diese Fasern zum Levator palpebrae
und Rectus superior als peripher im Nervenstamme gele-
4*
52 W. ühthoff.
gene anzunehmen, auf die Analogieen bei Lahmungen
anderer Organe z. B. des Larynx zurückzukommen. Felix
Semon (Archives of Laryngology VoL 11 No. 3) führe
aus, dass, ob nun der Sitz der A£Fection central oder
peripher sei, die Abductor-Fasem des Nervus laryngeus
recurrens vorzugsweise afficirt würden. — Und Dr. Ferrier
(Brain VoL IV p. 311 „The localisation of atrophic para-
lyses.^^) nähme im Allgemeinen an, dass die Extensor- und
Abductor - Nerven und Muskel weniger vitale Resistenz
hätten und früher erschöpft würden als die Flexoren, und
dass eine allgemein schwächende Ursache zuerst bei den
Extensoren wirksam werde. Jedenfalls zeige der mitge-
theilte Fall, dass eine läsion des m. Nervenstammes so
vollständig, dass nur sehr wenig Nervenfasern sichtbar ge-
blieben sind, ihren Ausdruck finden könne in Form einer
Lähmung der Aufwärtsbewegung der Augen und einer in-
completen Ptosis. — Erwähnen will ich hier auch noch
einen Fall von v.Pfungen („Ueber topische Begründung der
Bewegungsstörungen in den Augenmuskeln bei Meningitis,"
Wien. med. Blatt 1883 Nr. 8 — 11), wo bei Meningitis
basilaris luetica, altemirende Parese der Intemi mit vorüber-
gehendem Nystagmus beobachtet vnffde, Erscheinungen,
welche v. Pfungen durch die Annahme wechselnder
Fluxionen und Anämieen, Stasen und Hydropsieen, bewirkt
durch die schwankende Blutfülle und Transsudation in ein
gangUöses Organ von Seiten der aus der entzündeten
Membran entspringenden Gefässe erklärt
Drittens möchte ich noch unserm Fall XIH anfuhren,
wo bei ausgesprochenen anatomischen Veränderungen der
Oculomotorius- Stämme intra vitam eine Functionsstörung
nicht nachgewiesen werden konnte, und hierher scheint
auch der Fall von Baumgarten (s. v. Graefe's Archiv
XXXIX. 1. p. 131) zu gehören, wo angebUch keine Func-
tionsstörung im Bereich der Oculomotorii bestand, trotzdem
beide Oculomotorii an der Himbasis mit traubig knotigen
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 53
gelblichen Geschwülstchen dicht besetzt waren bei gleich-
zeitiger ausgesprochener partieller Entartung der Nerven-
stamme selbst
In vierter Linie erscheint mir noch abweichend von
dem gewöhnlichen Verhalten bei zwei von unsem Fällen,
dass in dem einen die doppelseitige Oculomotorius-Bethei-
figmig unter dem Bilde der isolirten Ophthalmoplegia interna
hervortrat, und bei dem andern auf dem einen Auge nur
die äussern Augenmuskel betroffen waren, während auf
dem zweiten sowohl äussere als innere Augenmuskulatur
befallen war. In beiden Fällen bestanden sonstige ausge-
sprochene cerebrale Symptome, jedoch konnte der intra-
cranielle Process nicht mit Sicherheit seiner Ijocalisation
und Natur nach bestinunt werden.
2. Die einseitige Octdomotoritis-Äffection ohne gekreuzte
Körperlähmung.
Auch bei dieser Gruppe der einseitigen Oculomotorius-
Affectionen ohne gekreuzte Köiperlähmung in unserer ße-
obachtungsreihe von Bümsyphilis-Fällen muss unter Berück-
sichtigung aller einschlägigen Momente in fast '/^ der Fälle
die Diagnose auf einen basalen syphilitischen Process als
Üraache für die Lähmung gestellt werden, freilich bot sich
hier nur 1 mal Gelegenheit die Diagnose durch die Sektion
zu kontrolliren. In dem letzten Viertel der einschlägigen
VäHe war es nur angängig einen intracraniellen syphiliti-
schen Process festzustellen, ohne jedoch über Sitz imd
Natur desselben etwas Genaueres sicher aussagen zu
können. Ein Vergleich dieses Resultates mit den ge-
sammelten Sectionsf allen aus der Literatur (s. v. Graefe's
Archiv XXXIX. 1. p. 148) ergibt auch hier ziemlich ana-
loge Daten. Es überwiegt auch bei diesen 22 Fällen wesent-
lich die einseitige Oculomotorius-Lähmung aus basaler Ur-
sache, sei es, dass es sich um basale syphilitische Wuche-
rungen in der Umgebung des Nerven handelt, sei es, dass
54 W. ühthoff.
eine mehr selbstständige basale gummöse Degeneration des
Oculomotorius-Stammes selbst vorlag. Nur bei der Minder-
heit der Fälle kamen Thrombosen, Erweichungen und eigent-
liche Gummi-Geschwülste in den nicht basalen Himtheilen
in Betracht.
Des Weitem weisen die Complicationen der einsei-
tigen Oculomotorius-Lähmung sowohl bei unserer Beobach-
tungsreihe als auch bei den Sectionsf allen aus der Literatur
von vornherein schon intra vitam auf den vorwiegend ba-
salen Sitz der syphilitischen Erkrankung in der grossen
Mehrzahl der Fälle hin. So finden sich bei unseren 15
Fällen 8 mal der Opticus resp. die basalen optischen Lei-
tungsbahnen in Mitleidenschaft gezogen und zwar in einer
Form, welche ohne Weiteres auf einen basalen Sitz der
complicirenden Opticus -Erkrankung hinweist; Imal als
doppelseitige homonyme Hemianopsie in Folge von Tractus-
Affection mit Uebergreifen aufs Chiasma, Imal durch
partielle homonyme Hemianopsie in Folge von Tractus-Er-
krankung (Fall XXIT), Imal temporale Hemianopsie (Fall
XXIV), 2 mal retrobulbäre Neuritis und 3 mal deutliche
partielle atrophische Verfärbung der Papillen, welche eben-
falls auf einen basalen Sitz der Opticus-Läsion hinwies.
In zweiter Linie liegt hier noch ziemUch häufig gleich-
zeitig Abducensparese vor, 5 mal (also ^'3 der Fälle;
4 mal einseitig, Imal doppelseitig). Bei der doppelsei-
tigen Oculomotorius-Lähmung war die gleichzeitige Ab-
ducens-Affection ungefähr in demselben Procentsatz vor-
handen, jedoch häufiger ebenfalls doppelseitig.
Die Trochlearis-Parese wurde 2 r .il beobachtet, ein-
seitig, und nach dem ganzen Verlauf auch offenbar auf
basaler Ursache bemhend. Die Trigeminus-Affection war
in 2 Fällen einseitig vorhanden, ebenfalls basal bedingt.
Der Facialis war 2 mal, der Acusticus Imal und der
Olfactorius gar nicht betroffen.
Bei den 22 Sectionsfällen aus der Literatur (einseitige
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 55
Oculomotorius-Parese ohne gekreuzte Körperlähmung) ver-
hält es sich in Bezug auf Coznplicationen mit Anomalieen
der andern vordem Himnerven ähnlich und deutet auch
hier die ganze Gruppirung der Erscheinungen schon viel-
iach von vom herein auf basalen Sitz. 9 mal waren hier
die Optici resp. die basalen optischen Leitungsbahnen mit-
betroffen, der Abducens 3 mal, der Trigeminus 5 mal (da-
runter Imal doppelseitig), der Facialis 4 mal, der Olfac-
torius imd Acusticus je Imal. Im Ganzen zeigte sich
bei diesen 22 Fällen der Oculomotorius 8 mal isolirt be-
troffen, d. h. ohne sonstige Affection anderer basaler Him-
nerven. Somit ergiebt sich, dass Alles in Allem in 37
Fällen von einseitiger Oculomotorius-Lähmung bei Him-
STphilis ohne gekreuzte Körperlähmung, 25 mal die Com-
plication mit Lähmungserscheinungen im Bereich anderer
Himnerven vorliegt, also nur in ca. ^/^ der Fälle ist bei
HimsyphiUs die einseitige Oculomotorius-Affection die ein-
zige basale Bümnervenläsion, während sie in */3 mit andern
complicirt auflriti Wir haben gesehen, dass bei der
doppelseitigen Oculomotorius-Lähmung in Folge von Him-
syphiUs, die erstere noch erhebhch seltener die einzigste
basale Himnervenaffection war (6 mal von 37 Fällen), es
lag hier noch häufiger die CompUcaüon mit Functions-
störungen im Bereich anderer Himnerven vor.
Bei einer genauem Analyse der Functionsstörungeu
in diesen 15 Fällen einseitiger Oculomotorius-Affection sind
folgende Punkte hervoi*zuheben: In etwas über der Hälfte
der Fälle sind alle Aeste des Oculomotorius betroffen,
jedoch blieb bei einem Kranken nur der Sphincter pupillae
intakt, während die Accommodation noch mit afficirt war,
und bei einem andem Patienten blieb lediglich der Levator
palpebrae verschont Es war in beiden Fällen nicht mög-
lich eine bestimmte Diagnose in Bezug auf Sitz und Natur
des sicher vorhandenen intracraniellen syphilitischen Pro-
cesses zu stellen. Li den andem Fällen von Ocnlomotorius-
56 W. ühthoff.
Lahmung in allen Zweigen war der Process als ein basaler
anzunehmen. Aber auch bei den übrigen Eimiken mit nur
partieller einseitiger Oculomotorius- Parese musste noch
4 mal der intracranielle Process als ein basaler angenommen
werden, und man sieht somit auch hier, dass bei ausge-
sprochener basaler Himsyphilis in einer Anzahl der Fälle
der Oculomotorius doch nur ganz partiell befallen wird. So
führte auch hier, wie wir das schon bei der doppelseitigen
Oculomotorius -Lähmung sahen, in 1 Fall basale Himlues
zu ganz isolirter mittlerer Ptosis, in den andern Fällen
war allerdings immer noch der eine oder der andere Ast
mit ergriflfen (s. Tabelle.) In 2 Fällen bestand neben den
cerebralen Erscheinungen die Oculomotorius- Affection in
isolirter Ophthalraoplegia interna, 1 mal konnte das intra-
cranielle syphilitische Leiden nicht mit aller Bestimmtheit
locaUsirt werden. In dem zweiten Fall (Nr. XXIV) handelte
es sich um basale Chiasma-Erkrankimg mit temporaler He-
mianopsie, jedoch wardie Ophthalmoplegia interna dieser Affec-
tion schon voraufgegangen und zur Zeit der Sehstörung rück-
gängig geworden. Es dürfte demnach wohl nicht berech-
tigt erscheinen, dieselbe auf den basalen Process zu beziehen.
Bei einem Vergleich der Functionsstörung bei den ent-
sprechenden 22 Fällen aus der Literatur hiermit, muss es
zunächst auffallen, dass hier in fast ^/g der Fälle (7 mal)
von isohrter Ptosis die Rede ist Es scheint, als ob es
sich in 2 Fällen (Virchow, Duncan) auch hier um eine
isoUrte Ptosis bei basaler Beeinträchtigung des Oculomo-
torius-Stammes gehandelt hat Bei 13 von diesen Kranken
scheint es sich um eine Affection aller Oculomotorius- Aeste
gehandelt zu haben, so weit dies mit Sicherheit aus den
Angaben zu entnehmen und hierbei liess sich 5 mal eine
directe gummöse Degeneration des Oculomotorius , 2 mal
basale Einbettung, 2 mal (als Ursache [?]) Arterienerkran-
kung, Imal Erweichung und Atrophie des Nerven an der
Basis, und Imal Druck an der Basis durch entfernt von
Untersnchungen über die bei der Syphilis etc. IL 57
der Basis sitzenden Tumoren nachweisen. Der letztere
IUI von H. Power (1. c.) auf den schon Mauthner be-
sonders aufinerksam gemacht, zeigt, dass gelegentlich auch
einmal der Oculomotorius durch Druck an der Himbasis
bei entfernt sitzenden sjTphilitischen Neubildungen in den
Grosshimhemisphären und bei relativ normalem Verhalten
des Xervenstammes betroffen werden kann, ganz ähnlich
wie das sonst vereinzelt beim Hirntumor beobachtet wird.
In 2 Fällen war ein sicherer Gnind fiir die Oculomo-
torius-Affection nicht aus dem Secüonsprotocoll zu entnehmen.
In einem Fall von ausgesprochener blassgrauer Ver-
färbung des Oculomotorius -Stammes an der Basis wird
nichts von einer Functionsstörung angegeben.
Pupillenerweiterung und Ptosis ist Imal aufgeführt,
ohne dass die Section einen sichern EinbUck gewährte.
In diesen 22 Fällen war also eine ganz partielle Läsion
des Ocidomotorius selten, abgesehen von dem relativ häu-
figen Vorkommen isolirter Ptosis, jedoch kann man sich
in den letztem Fällen bei genauerer Prüfung der Ansicht
nicht verschüessen, dass hier wohl zum Theil die Functions-
prüfung intra vitam, zumal bei den altem Beobachtungen,
nicht immer genau genug vorgenommen worden ist, und
dass gelegentlich neben der Ptosis Störungen in andern
Aesten des Nerven übersehen worden sind.
Im Anschluss an diese Mittheilungen über einseitige
Oculomotorius-Lähmung ohne gekreuzte Körperlähmung sei
hier noch 1 Fall mitgetheilt, der wegen seiner Complication
der cerebralen Erscheinungen mit spinalen (tabischen?) be-
sonders hervorzuheben ist
Fall XXVin.
40jähriger Mann. Vor 3 Jahren specifische In-
feetion. Rechtsseitige Parese des Nervus oculomo-
torius in allen Zweigen, und Anästhesie im ganzen
Gebiet des rechten Nervus trigeminus, der Ge-
schmack auf der rechten Zungenhälfte herabge-
58 W. ühthoff.
setzt Keine weitem cerebralen Erscheinungen. Ab-
stumpfung der Sensibilität im Ulnaris-Ge biet beider-
seits; anästhetische Zone der linken Brusthälfte
und im Bereich derselben lanzinirende Schmer-
zen. Allgemeine Nervosität
H. Bies., 40 Jahr alt, stellt sich am 21./9. 88 zuerst in
in der Schoeierschen Klinik war. Vor 3 Jahren hat Pat
eine specifische Infektion erlitten, sonst will er bis dahin ge-
sund gewesen sein. Seit dem Herbst 1887 haben sich Kopf-
schmerzen über dem rechten Auge und „Kriebeln" in der
rechten Gesichtshälfte eingestellt Seit kurzer Zeit ist Doppel-
sehen aufgetreten, auch klagt Pat seit jüngster Zeit über
ruckweise durchschiessende Schmerzen in der linken Brusthälfte.
Die objektive Untersuchung ergibt bei der ersten Be-
sichtigung ophthalmoskopisch nichts Abnormes, ebenso sind
die Gesichtsfelder frei und die Sehschärfe normal. Dagegen
besteht auf dem rechten Auge eine Parese des Nervus oculo-
motorius in allen Zweigen, inklusive leichter Parese dessphincter
pupillae und der Accommodation. Die rechte Pupille etwas
weiter als die linke und ihre Reaction auf Licht etwas träge,
während dieselbe links ganz normal ist. — £s besteht ferner
eine hochgradige Herabsetzung der Sensibilität im Bereich des
ersten und zweiten Astes des rechten Nervus trigeminus, auch
die Fasern der Chorda tyropani (Geschmacksfasern) sind rechts
mitbetroffen, herabgesetzte Geschmacksempfindung auf der
rechten Zungenhälfte. Die Conjunctiva des rechten Bulbus
und die rechte Cornea sind noch gegen Berührung empfind-
lich, wenn auch weniger als normal, während das übrige Ge-
biet des rechten Nervus trigeminus fast ganz anästhetisch ist.
Die Untersuchung des übrigen Körpers von Dr. Oppen-
heim, ergibt sonst keine Anomalieen, nur lässt sich in beiden
Ulnaris- Gebieten eine deutliche Abstumpfung der Sensibilität
nachweisen, und ebenso findet sich an der linken Brusthälfte
eine gürtelförmige anästhetische Zone in der Gegend, wo Pat
subjektiv zeitweise durchfahrende, lanzinirende Schmerzen em-
pfindet Kniephänomen beiders. erhalten, keine Erscheinungen
im Bereich der untern Extremitäten, sowie von Blase und
Mastdarm. Ferner lassen sich Erscheinungen allgemeiner
Nervosität constatiren. — Während einer längeren Beobach-
tung und Behandlung mit Jodkalium und konstantem Strom
trat keine wesentliche Aenderung ein. —
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. IL 59
Diagnose: Syphilitische Erkrankung des rechten Ocalomo-
torias nnd Trigeminus (wohl an der Basis cranii), beschränkte
spinale Erscheinungen (tabisch?) Allgemeine Nervosität. —
(Dieser Pat. wurde s. Z. von mir in der Berl. Gesell, f. Psych,
und Nervenkrankheiten vorgestellt s. kürz. Protocoll Berl. klin.
Wocbenschr. 1889).
3. Die einseitige Oculomotorit$slähmung mit gekreuzter
Körperlähmung.
In 3 von diesen 4 einschlägigen Fällen ist die gemein-
same Ursache für die Oculomotorius-Parese der einen Seite
und die Körperparese der andern wohl sicher als eine basal
gelegene (Gegend des Oculomotorius- Austritts und der Him-
Bchenkel resp. des Föns) und einheitliche anzusehen, was ja
auch in Fall Vm durch die Section bestätigt werden konnte,
während die beiden andern Fälle nicht zur Autopsie kamen.
Von der Kegel abweichend verhält es sich jedoch bei dem
letzten Kranken, Fall IX; der Sectionsbefund desselben zeigt
uns, dass gelegentUch bei einseitiger Oculomotorius-Lähmung
mit gekreuzter Körper -Lähmung 2 verschieden locaüsirte
Krankheitsheerde in Betracht kommen können. Es war hier
offenbar eine basale gummöse Umlagerung des Nerven-
stammes die Ursache für die Oculomotoriusparese, während
der Grund für die gekreuzte Hemiplegie in der gummösen
Geschwulst -Entwicklung im vordem Drittel des Thalamus
opticus, welche fast bis in die innere Kapsel hineinreichte
u. 8. w. (s. V. Graefe's Archiv XXXIX. 1. p. 50), gefiin-
den werden musste. Ein solches Zusammentreffen scheint
im Ganzen ein sehr seltenes zu sein; denn in den 12 ein-
schlägigen Sectionsbefiinden aus der Literatur liess sich
etwas Analoges nicht feststellen, hier waren es fünf Mal
gummöse Neubildungen in der Gegend des Himschenkels,
vier Mal Erweichungsheerd in derselben Gegend und zwei
Mal ein solcher in der Gegend der Brücke (s. Tabelle p. 135
bis 138I.Theil v. Graefe's XXXIX, 1). Zwei Mal jedoch
handelte es sich um die Entwicklung eines syphilitischen
ÖO W. Uhthoff.
Tumors in einer Grosshimhemisphäre, die Gegend der Bo-
land'scheu Furche (direct hinter derselben) einnehmend, mit
Erweichung der Umgebung und in dem andern Falle mit
dem Sitz im obem Drittel beider Central Windungen. Die Hemi-
plegie der entgegengesetzten Körperhälfte erklärt sich wohl
zwanglos aus einer derartigen Localisation des Krankheits-
heerdes, aber auch für die gleichseitige Mitbetheiligung des
Oculomotorius konnte nach den Angaben im Sectionsbefund
eine andere Ursache nicht nachgewiesen werden. Uebrigens
war mir der eine dieser beiden Fälle nur im Referat zugängig.
An Comphcationen war in unsem 4 Fällen ausser der
gekreuzten Körperparese nur Imal (Fall IX) doppel-
seitige Mitbetheiligung des Opticus unter dem Bilde der
Stauungspapillen nebst Parese der Mundzweige des Unken
Faciahs vorhanden. Auch bei den 12 Sectionsbeftinden aus
der Literatur sind die Comphcationen mit Affectionen anderer
Himnerven scheinbar nicht so häufig, wie bei den andern
beiden vorliin aufgeführten Gnippen der Oculomotorius-
Paresen. Der Opticus ist 2 mal von diesen 12 Fällen
mitergriffen, der Abducens 3 mal, der Trochlearis Imal,
der Trigeminus 3 mal, der Olfactorius 2 mal, (darunter 1 mal
doppelseitig), der Acusticus 2 mal und der Facialis 2 mal;
vor Allen also sind die Nervi optici bei dieser Gruppe
weniger betheiUgt als bei den frühem, während andere,
z. B. der Trigeminus, sich etwas häufiger ergriffen zeigt —
kleine Unterschiede, welche sich wohl hinreichend aus dem
gewöhnlichen Sitz des Processes bei der einseitigen Oculo-
motoriuslähmung mit gekreuzter Körperlähmung erklären.
In Bezug auf die Funktionsstörungen in den 4 Fällen
unserer Beobachtungsreihe zeigen 2 Kranke eine Bethei-
ligung aller Aeste des betreffenden Oculomotorius, was
auch in der Hälfte der 12 Fälle mit Sectionsbefiind aus
der Literatur zu verzeichnen war und bei ausgesprochenem
basalen Sitz der Erkrankung zu erwarten steht Dagegen
ist in den beiden letzten von unsem Beobachtungen die
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. ßl
innere Augenmuskulatur intact geblieben zur Zeit der Unter-
snchong. Im Fall VJJl (Encephalomalacia flava pontis)
wird eine solche isolirte Parese lediglich der äosseren Augen-
muskel erklärlich, da es sich um eine fasciculäre Lähmung
(im Sinne Mauthner's) handelt Aber in Fall IX bleibt
es immerhin sehr hervorzuheben, wie bei einer ausgesprochenen
basalen Affektion des Oculomotorius-Stammes ebenfalls die
imiere Augenmuskulatur zur Zeit der Untersuchung intact
geblieben war. Es ist das gewiss ein sehr seltenes Factum,
aber der Fall beweist doch, dass es unter Umständen, auch
bei basaler Läsion des Oculomotorius möglich ist, dass die
äusseren Augenmuskeln einmal isolirt befallen werden,
wahrend die Aeste für die innere Muskulatur nicht mit
afficirt sind. Durchweg stehe jedoch auch ich auf dem
Standpunkt (Mauthner's), dass die isohrte Lähmung der
imiem oder äussern Augenmuskulatur in erster Linie auf
eine nudeare resp. &sciculäre Erkrankung des Nerven zurück
zu fuhren ist Es wird aber hierbei gut sein, sich solcher
Ausnahmen zu erinnern, die gelegenthch vorkommen können.
Unter den 12 Beobachtungen aus der Literatur finden
sich ebenfells Imal nur die äussern vom Oculomotorius
versorgten Augenmuskeln ergriffen, während die innem
intact geblieben sind (Hughlings Jackson), auch hier
handelt es sich um Erweichung des betreffenden Him-
schenkels (fasciculäre Lähmung). Eine isolirte einseitige
Ptosis ist 4 mal zu verzeichnen, in den Fällen von Duchek
u. Rosenthal bei syphiUtischer Neubildung im Pons, bei
Bristowe in Folge von Erweichung eines Grosshimschenkels
mit vöUiger Ophthalmoplegie der andern Seite, und in dem
Falle von Dowse handelt es sich bei rechtsseitiger isolirter
Ptosis um ein kleinwallnussgrosses Gumma rechts im obem
Drittel der beiden Centralwindungen. Ich möchte jedoch
glauben, dass in diesem Falle ebenso wie in dem von
Herxheimer, wo bei syphilitischem Tumor der Hirnrinde
rechts direct hinter der Roland'schen Furche u. s. w^.
62 W. Uhthoff.
(s. V. Graefe's Archiv XXXIX. 1. p. 137) lediglich der
R inf. und die oculopupillären Fasern links betroffen waren,
die Frage berechtigt ist, ob die Erscheinungen im Ocu-
lomotorius einmal der gleichen, das andere Mal der ent-
gegengesetzten Seite, nicht eventuell als durch Himdruck-
steigerung direct hervorgebracht anzusehen sind und nicht
etwa durch Zerstörung der betreffenden Himrindenparthieen,
welche die Ijähmung der entgegengesetzten Körperhälfte
sehr wohl zu erklären im Stande war.
Werfen wir am Schluss dieser Ausführungen einen
Blick auf das Gesammtresultat unserer Untersuchungen in
Betreff der Functionsstörungen im Bereich der Nervi oculo-
motorii bei Hirnsyphilis, so ergiebt sich in zusammenfassen-
der tabellarischer Uebersicht folgendes, soweit in den be-
treffenden Fällen Mittheilungen über diesen Punkt vorlagen
(s. Tabelle, S. 64 u. 65).
Ich will es unterlassen, dieser tabellarischen Ueber-
sicht noch eingehendere Erörterungen anzuschliessen, es
möge dem Leser überlassen bleiben, sich aus der Tabelle
selbst die Beantwortung der einzelnen Fragen in Bezug auf
Häufigkeit der verschiedenen Formen der Lähmung sowie
auf ihre Combinationen zu entnehmen. Bemerkt sei hier
nur noch, dass, da in einem grossen Theil der Fälle eine
Controlle durch die Section nicht möglich war, die Diagnose
des basalen Ursprungs der betreffenden Lähmung vielfach
lediglich auf die khnische Beobachtimg sich gründete. Es
ist ja aus den fiüheren Ausführungen zu ersehen, in welchem
Umfang eine Controlle durch die Section statt hatte. Femer
wurde die Affection jedes einzelnen Nervus oculomotorius
aufgeführt, so dass also die doppelseitigen Lähmungen als
je 2 gerechnet sind. Auffallen dürfte noch die grosse An-
zahl von Fällen mit isohrter Ptosis, dieselben kommen
hauptsächlich auf die aus der Literatur gesammelten Sections-
fälle, und ich möchte wohl glauben, dass hier zuweilen Mit-
affectioüen anderer Aeste des Oculomotorius übersehen wor-
Untenruchungen über die bei der Syphilis etc. II. 63
den sind. Und gerade auch hier ist es relativ oft nicht
möglich gewesen, trotz der einschlägigen Sectionsprotocolle,
mit Sicherheit die Ursache und deren Sitz für die Ptosis au&u-
finden. Das geht jedenfalls aus den Beftinden hervor, dass
eine isohrte Ptosis ohne deutliche Erscheinungen im Bereich
der übrigen Aeste in einzelnen Fällen lediglich durch ba-
sale Äffection des betreflfenden Nervenstammes bedingt sein
kann. Ob durch Läsion der Hirnrinde einer Hemisphäre
eine Ptosis als Heerderscheinung hervorgebracht werden kann,
möchte ich an der Hand des verwertheten Materials nicht
als absolut sicher nachgewiesen ansehen, obschon in 2 von
diesen Fällen im SectionsprotocoU (Günther u. Dowse)
lediglich von einem gummösen Tumor in der Hirnrinde
(Gegend der motorischen Region) einer Hemisphäre die Bede
ist, das eine Mal auf der gleichen, das andere Mal auf der
entgegengesetzten Seite, ohne dass sonst Veränderungen im
Bereich des betreflFenden Oculomotorius angegeben werden.
Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, dass die Ptosis
durch die Steigerung des Himdrucks bedingt, und nicht
als Ausfalls-Erscheinung von Seiten der Hirnrinde aufzu-
fassen war, etwa analog wie beim Hirntumor ja basale
Augenmuskel -Lähmungen durch Druck gelegentlich vor-
kommen können, ohne dass man deutliche Veränderungen der
Nerven an der Basis nachzuweisen im Stande ist Ich bin
auch der Ueberzeugung, dass Mauthner durchweg Recht
hat, wenn er die bei Himerkrankungen vorkommende isolirte
Ptosis ohne functionelle Störungen von Seiten der übrigen
Oculomotorius- Aeste, stets als nucleär oder fasciculär be-
dingt ansieht, aber gelegentiich kann hiervon eine Aus-
nahme vorkommen und eine rein basale Ursache ebenfalls
zu isolirter Ptosis führen. Das beweisen einzelne unserer
Fälle mit Sectionsbefimd, wo lediglich basale Oculomotorius-
Veränderungen constatirt werden konnten, und die Kem-
regionen gesund befunden wurden bei der mikroskopischen
Untersuchung, s. z. B. Fall XIV (Oppenheim u. A.).
64
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T. Graefe's Arcbir Ar Ophthalmologie. XL. 1.
66 W. ühthoff.
Dass eine isolirte Ptosis lediglich als Heerderecheinung bei
Erkrankung der Hirnrinde (namentlich des Gyrus angularis)
der entgegengesetzten Hemisphäre auftreten kann, ist ja
von manchen Autoren, so vor Allen von Landouzy („De
la blepharoptose cerebrale". Arch. gen. de med. Aoüt
1877), femer von Grasset (Paralysie limitee de la pau-
pi^re superieure gauche lesion h Textremite de la scissure
parallMe meningite" Recueil d'Ophthalmolog. s. 243, 1876)
und verschiedenen Anderen behauptet und auch durch Sections-
befunde belegt worden, jedoch sind im weitem Verlauf der
Discussion in der Literatur diese Anschauungen und die
Deutungen der Sectionsbefunde angezweifelt worden und
w^urde namentlich hervorgehoben, dass die Bindenläsion
durchweg zu ausgedehnt imd nicht circumscript genug ge-
wesen sei, um daraus beweisende Schlüsse zu ziehen. Hier
ist in erster Linie auf die ausführUche Arbeit von Coingt
(Contribution k Tetude des symptomes oculaires dans les
maladies du Systeme nen'eux central", Paris 1878) zu ver-
weisen, der auch schon ausführt, dass gelegentiich leichtere
Veränderungen des Oculomotorius-Stammes an der Basis iso-
lirte Ptosis hervorbringen können, femer auch auf die An-
gaben von Charcot und Pitres, Nothnagel, Wernicke,
Mauthner u. A. — Letzterer spricht sich am Schlüsse
seiner zusammenhängenden Ausfühmngen dahin aus, dass
die Entstehung der isolirten Ptosis aus corticaler Ursache
nicht sicher nachgewiesen sei bisher, und auch nach den
neusten Mittlieilimgen in der Literatur scheint mir das bis
jetzt noch nicht sicher constatirt zu sein. Wie schon erwähnt,
möchte ich auch unsem oben angeführten Fällen von iso-
lirter Ptosis bei sj'philitischen Neubildungen in der Hirn-
rinde in dieser Hinsicht keine absolute Beweiskraft zuer-
kennen, da in denselben auch indirect die intracranielle
Erkrankung zu einer einseitigen Ptosis Anlass gegeben
haben könnte. Auch sei hier noch erwähnt, dass der in-
zwischen erhobene erste Sectionsbefund bei isolirter con-
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 67
genitaler Ptosis von Siemerling („Anatomischer Befund
l)ei einseitiger congenitaler Ptosis". Arch. f. Psychiatr.
Bd, XXin, Heft 3) doppelseitige Veränderungen im Ocu-
lomotoriuskem, aber keine Anhaltspunkte fiii- Himrinden-
läsion als Ursache ergeben hat. Ebenso ergeben unsere ganze
Untersuchungsreihe und die zusammengestellten Sectionsfälle
aus der Literatiu* nicht einen einzigen beweisenden Fall für
corticale Oculomotorius-Lähmung überhaupt.
Eine isolirte Ophthahnoplegia interna (Lähmung des
Sphincter pupillae und der Accommodation) wurde in der
Tabelle (also bei 90 Fällen von Oculomotorius-AfFection
bei Himsyphilis) nur 5 mal notirt, also relativ selten.
Keiner dieser Fälle kam zur Autopsie, jedoch in dem
einen (Fall XXIV) lag sicher ein basaler Process in Form
einer syphilitischen Chiasma- Erkrankung mit temporaler
Hemianopsie vor, aber hier war die Lähmung des Sphincter
pupillae und der Accommodation längere Zeit der Seh-
störung in Form der temporalen Hemianopsie vorange-
gangen und auch bald wieder geschwunden. Es ist jeden-
falls nicht gerechtfertigt hier die Ophthalmoplegia interna
als basal bedingt anzusehen und auch in den übrigen vier
Fällen war eine genaue Bestimmung des syphiUtischen intra-
craniellen Processes nach Art und Ort nicht mögUch.
Nach den bisherigen Erfahrungen erscheint mir der Satz
Mauthner's durchaus gerechtfertigt, dass eine isolirte
Ophthalmoplegia interna als eine nucleäre oder gelegent-
lich eine fasciculäre aufzufassen ist, dagegen nicht bei ba-
salen syphilitischen Stammerkrankungen des Ocidomotorius
i)eobachtet wird. Im ganzen aber ist die isolirte Ophthal-
moplegia interna nach unsem Untersuchungsresultaten eine
relativ seltene CompUcation der eigenthchen Himsyphihs,
^ie tritt erheblich häufiger isolirt auf syphilitischer Basis
^)der mit tabischen, resp. paralytischen Erscheinungen zu-
f^ainmen oder als Vorläufer dei^selben in die Erscheinung.
Analog gestalten sich die Verhältnisse für die isolirte
5*
68 W. ühthoff.
Afifection der äussern vom Oculomotorius versorgten Muskeln
ohne Betheiligung des Sphincter pupillae und der Accommo-
dation; nur 3 mal ward diese Art der Functionsstönmg
bei den 90 Fällen beobachtet und zwar lediglich bei Fällen
von einseitiger Oculomotorius-Läsion mit gekreuzter Körper-
lähmung. Bei 2 von diesen Kranken war die A£fection als eine
fasciculäre (Pons-Erweichung), bei dem dritten Fall (No. IX)
jedoch scheint es sich thatsächlich um eine basale Affection
des betreffenden Oculomotoriusstammes als Ursache ge-
handelt zu haben. An der Basis fand sich die Pia in der
Gegend der rechten Fossa Sylvii stark verdickt und in eine
derbe Masse umgewandelt, die den rechten Oculomotorius
in sich einschUesst Von hier erhob sich eine ziemlich
derbe Geschwulst, die die innere Kapsel, sowie den linsen-
kem nach obenhin zusammenpresste, u. s. w. (s. v. Graefe^s
Archiv XXXIX. 1. p. 49 u. 50). Die Kemparthieen
des Oculomotorius standen allerdings nicht für die mikro-
skopische Untersuchung zur Verfugung, jedoch möchte ich
nach dem ganzen oben gegebenen Sectionsbefund glauben,
dass in diesem Falle, wenigstens mit grösster Wahrschein-
Uchkeit, eine basale Oculomotorius -Stamm -Affection das
Bild der isohrten Störung im Bereich der äussern von
Oculomotorius versorgten Muskeln hervorbrachte, bei guter
Function der innem Augenmuskidatur. Auch hier zeigt
sich also, wie zutreffend in diesem Punkte die Mauthner'-
schen Ausfuhrungen durchweg sind, jedoch ist gelegentlich
eine Ausnahme von der Kegel möglich, wenn das auch
nur höchst selten vorkommen dürfte.
Dass in einer ganzen Anzahl von Fällen basaler Ocu-
lomotorius-Läsion die Lähmung nur eine partielle, auf ein-
zelne Aeste beschränkte sein kann, zeigt unsere Tabelle
zur Genüge; ja auch das geht aus ihr hervor, dass ge-
legentiich BUcklähmungen z. B. nach oben (d. h. isolirte,
symmetrische doppelseitige Parese des Bectus superior
[Thomson, OrmerodJ) lediglich durch basale doppelsei-
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. IL 69
tige Ocdomotorius-Läsion bedingt sein können. Das letztere
mu68 aber ebenfalls als ein sehr seltenes Yorkommniss an-
gesehen wei"den.
Die typische periodisch recidivirende Oculomotorius-
Lähmung scheint nichts mit Syphilis resp. Gehimsyphihs
zu thun zu haben, wenigstens ist unter den bisher publi-
cirten über 20 Fällen der Art kein sicherer Beleg dafür; und
auch bei unsem im Ganzen 250 Beobachtimgen von Him-
syphilis ist kein hierher gehöriger Fall zu verzeichnen.
B. Daten über die Abducens-Affectionen.
Bei näherer Betrachtung unserer Untersuchungsergeb-
nisse in Betreff der Abducens-AflFection bei Himsyphihs
auf Grund unserer Beobachtungsreihe fällt in erster Linie
die grosse Häufigkeit der doppelseitigen Lähmung auf,
dieselbe tiberwiegt bei Weitem und verhält sich zu der
einseitigen ungefähr wie 2 : 1. Bei den aus der Literatur
gesammelten 150 Sectionsf allen von Himsyphihs mit Augen-
erscheinungen war das Verhältniss ein ganz anderes, hier
war die doppelseitige Abducens-Affection relativ seltener
und verhielt sich zur einseitigen ca. wie 1:4; ziehen wir
das Resultat aus dem Gesammt- Material, so verhält sich
die doppelseitige Abducens- Lähmung zur einseitigen mit
oder ohne gekreuzter Körperlähmung noch immer wie er. 1 : 1,5,
es bleibt somit die doppelseitige Abducens-Affection auf
dem Gebiete der Himsyphilis ein unverhältnissmässig häu-
figes Vorkommniss, wenn sie auch relativ etwas seltener
auftritt als die doppelseitige Oculomotorius-Parese. Durch-
weg d. h. 14 mal war die Lähmungsursache in den zu-
sammengenommen 16 Fällen doppelseitiger Abducens-
Affection als eine basale anzusehen, (7 mal Bestätigung
durch die Section) imd 2 mal war die LocaUsation der
lÄhmungs-Ursache nicht möghch. Es konnte in keinem
dieser 16 Fälle die Natur der Lähmung sicher als eine
nucleäre festgestellt werden. Auch die begleitenden Er-
70 W. Uhthoff.
scheinungen von Seiten der übrigen Himnerven, Compli-
cation mit Körperiähmung einer Seite u. s. w., weisen in
den 16 Fällen doppelseitiger Abducens-Affection bei Him-
syphilis in erater Linie immer wieder auf basalen Ursprung.
Die Optici resp. die optischen Leitungsbahnen an der
Basis sind in über der Hälfte dieser Fälle (9 mal) in Mit-
leidenschaft gezogen, die Oculomotorii 6 mal meistens
doppelseitig, die Trochleares 3 mal, die Trigemini 2 mal,
der Acusticus 1 mal, relativ häufiger noch der Facialis,
die hintern Himnenen sonst relativ selten. Halbseitige
Körperlähmung 3 mal. Hervorgehoben sei hier noch, dass
in diesen 16 Fällen eine Mitbetheiügung des Olfactorius
nicht nachgewiesen wurde, ein Umstand, der wohl erklär-
lich, da sich bei diesen Fällen die Krankheitsprodukte
mehr an dem hintern Theil der Gehimbasis finden und in
der Regel nicht bis auf den allervordersten Theil derselben
übergriffen.
Die einseitige Abducenslähmung ohne gekreuzte Kör-
perlähmung ist auf Grundlage unseres Gesammtbeobach-
tungs- Materials bei Hims^ijhihs ungefähi- ebenso häufig
wie die doppelseitige (4 + 11 = 15 mal). Auch hier kann
in der grösseren Hälfl;e der Fälle die Ursache als eine
basale sicher nachgewiesen werden, theils durch die Section,
theils mit Hülfe der begleitenden Erscheinungen. Der
Opticus resp. die optischen Leitungsbahnen an der
Basis sind im Ganzen wieder in etwas über der Hälfte der
Fälle (8 mal) mitbetroffen, theils mit theils ohne ophtlial-
moskopischen Befund und ausgesprochene Functionsstörung.
Der Oculomotorius 12 mal (hiervon 5 mal doppelseitig),
der Trochlearis 4 mal (davon 1 mal doppelseitig), der
Trigeminus 7 mal (stets einseitig;, der Acusticus 2 mal,
der Facialis 5 mal, die letzten Himnerven auch hier
sehr selten, der Olfactorius ist auch hier nicht als be-
troffen verzeichnet. — Eine gleichseitige Körperparese ist
8 mal angegeben.
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 71
In Betreff der einseitigen Abducens - Lähmung mit
contralateraler Körperlähmung ist zunächst eine grosse
Differenz in der Häufigkeit des Vorkommens zwischen
unseren und dem aus der Literatur gesammelten Sections-
Material zu constatiren. In unserer Untersuchungsreihe
von 100 Fällen ist nur 1 mal einseitige Abducens-Lähmung
mit gekreuzter Körperlähmung vorhanden, und ich glaube
demnach, dass diese Affection auf dem Gebiete der Him-
syphilis durchweg als eine recht seltene zu betrachten ist.
Die Terhältnissmässig grössere Anzahl derartiger in der
Literatur mitgetheilter Fälle, glaube ich, erklärt sich im
Wesentlichen wieder aus dem Umstände, dass diesen Fällen
ein ganz besonderes Interesse entgegengebracht und die-
selben deshalb relativ viel häufiger publicirt wurden.
Durchweg handelte es sich in diesen insgesammt 12
Fallen um eine Pons-Afiiection, deren Natur in der ent-
sprechenden Tabelle des I. Theiles p. 153 u. f. v. Graefe's
Archiv XXXIX. 1.) aufgeführt worden. Die Complicatio-
nen von Seiten der übrigen Gehimnerven gestalteten sich
folgendermassen. Die optischen Bahnen an der Basis resp.
die Nervi optici waren nur 1 mal betrofien (in Form einer
einseitigen Tractus-Betheiligung), derOculomotorius 3mal
(einseitig), der Trochlearis gar nicht, der Trigeminus
2 mal (1 mal mit Keratitis neuroparalytica), der Facialis
5 mal (davon 2 mal gleichseitig mit der Körperlähmung,
also der Abducensparese entgegengesetzt, 1 mal doppelseitig).
Die hinteren Gehimnerven sind nur vereinzelt mitbetrofFen.
Man ersieht leicht, wie sich die Form der Comphcationen
von Seiten anderer Gehimnerven geändert hat, im Vergleich
zu den ersten Gmppen, der Sehnerv ist fast gar nicht
mehr mitbetroffen, der Oculomotorius auch relativ selten,
der Trochlearis gar nicht, der Trigeminus selten, relativ
häufig aber der Facialis, jedoch zum Theil mit der Körper-
lähmung gleichseitig.
Eis ist im Ganzen als ein seltenes Ereigniss auf dem
72 W. Uhthoff.
Gebiete der Himsyphilis zu bezeichnen, dass der Abducens
allein ohne Mitbetheiligong von Seiten anderer Gehirn«
nerven befallen ist Dies erheUt so recht aus den 27 Fällen
von Abducens- Affection mit Sectionsbefiind nach den Mit-
theilungen in der Literatur, nur 4 mal ist hier eine Mit-
affection von Seiten anderer Gehimnerven nicht vermerkt,
imd zwar in dem Falle von Dowse (doppelseitige Abdu-
censlähmung) und den Fällen von Engelsted t, Lauten-
bach und Chvostek (einseitige Abducenslähmung mit
geki-euzter Körperlähmung). Bei den 16 Fällen unserer
Untersuchungsreihe ist 3 mal der Abducens als allein von
allen Himnerven erkrankt notirt und zwar bei 2 Fällen
doppelseitig und 1 mal mit gekreuzter Körperlähmung zu-
sammen.
Die nucleäre Abducenslähmung scheint bei der eigent-
lichen Himsyphihs in dem früher definirten Sinne sehr
selten vorzukommen, in unseren insgesammt 43 Fällen ist
sie eigentlich in Keinem sicher erwiesen. In den bei
Weitem meisten Fällen ist die Ursache keine basale, wie
oben ausführlich begründet, und in zweiter Linie eine intra-
cerebrale durch Ponsaffection hervorgebrachte. Von den
seltneren ätiologischen Momenten für Abducenslähmung,
wie sie gelegentüch in der Literatur geltend gemacht wor-
den sind (Compression im sinus cavernosus [Leber], Ein-
schnürung durch die anliegenden Himarterien [Türck u. s.w.])
ist bei unserm ganzen zusanmiengestellten Material Keines
sicher nachgewiesen.
Werfen wir zuletzt noch einen Bhck auf die sonstigen
Mittheilungen in der Literatur über Abducenslähmung bei
Himsyphilis, so will ich zunächst noch kurz erwähnen, dass
auch die jüngste Zeit noch verschiedene werthvolle Sections-
befunde von Abducens -Lähmung bei Himsyphihs gebracht
hat, die ich bei der Zusammenstellung im L Theil (v. Graefe's
Archiv XXXIX. 1.) noch nicht mit berücksichtigen konnte.
Ich nenne in dieser Hinsicht noch den Fall von Moeli und
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 73
Marinesco (Arch. f. Psychiatr. Bd. XXIV, Heft 3 „Er-
krankung in der Haube der Brücke mit Bemerkungen über
den Verlauf der Bahnen der Hautsensibilität"), von rechts-
seitiger Abducens- Lähmung mit Paraesthesieen der linken
Eörperfaälfte, einseitiger Beschränkung der Eaeferbewe-
gung u. s. w., Erscheinungen, welche ihre Ursache in einer
heerdweisen Degeneration in der rechten Seite des Bodens des
vierten Ventrikels hatten. Femer den interessanten aus Oppen-
heim's Poliklinik von Hoppe mitgetheilten Fall („Zur Kennt-
niss der syphilitischen Erkrankimgen des Rückenmarks
und der Brücke". Berl. klin. Wochenschr. 1893, No. 10).
von doppelseitiger Abducens- und Facialis-Lahraung, acuter
Bnlbärparalyse, Lähmung aller 4 Extremitäten u. s. w.
Anatomisch finden sich ausgesprochene gummöse Verände-
rangen der Basilaris mit secundären Veränderungen des
Pens als Grund für die klinischen Symptome. Von einer
geringfügigen Affection der Meningen abgesehen war die
Veränderung der Art. basilaris mit iliren Folgezuständen
die einzige luetische Veränderung am ganzen Gehirn.
Die Zahl der einschlägigen klinischen Beobachtungen
ohne Sectionsbefimd in der Literatur ist noch eine recht
eiliebliche, es ist mir jedoch nicht mögUch auf alle dieselben
vSher einzugehen. Nur ganz vereinzelte Fälle will ich hier
noch anführen, die besondere Gesichtspunkte bieten. Zu-
erst sei hier auf den höchst interessanten Fall von Wer-
nicke („Ueber einen Fall von Hirntumor*', Deutsch, med.
Wochenschr. 1880, No. 8 u. 9) hingewiesen, wo die cere-
brale Affection mit einer Parese des rechten Abducens
begonnen, welche bald total wurde und jetzt auch Lähmung
des linken £. internus nach sich zog. Gleichzeitig Stauungs-
papiUen. Hierauf Parese des linken Abducens und später
des rechten 'EL intern., so dass alle seitUchen Bewegungen
angehört haben und nur der Blick nach oben und unten
frei ist Unter JK.- Behandlung gehen die Heerderschei-
nnngen in umgekehrter Reihenfolge zurück. W. diagnos-
74 W. rhthoff.
ticirt einen wahrscheinlich gummösen Tumor im Pons in der
Nähe des rechten Abducenskemes (Saum zwischen diesem
und der Mittellinie in der hintern Brückenabtheilung). Der
Tumor ist von rechts nach links gewachsen und hat in dieser
Richtung die Mittellinie überschritten und sich später in
umgekehrter Weise zurückgebildet Gleichzeitig bestanden
hemiplegische Erscheinungen. Die Diagnose darf hier wohl
als richtig angesehen werden.
Sehr seltsam ist sodann noch 1 Fall von Hock (,,Die
syphihtischen Augenkrankheiten, Wien. Klin. II. Jahi^.,
Heft 3 u. 4, 1876), wo in einem Fall von Hims}'philis mit
hnksseitiger Parese und sonstigen cerebralen Erscheinungen
ein Krampf im Bereich des linken Rect extern, erwähnt
vnrd. Das Unke Auge hat bei monoculärer Fixation eine
freie Beweglichkeit, beim binoculären Fixiren jedoch führt
es, wenn das Object nach links gebracht wird, ruckweise
unter Schmerzempfindungen Drehungen nach aussen aiis und
bleibt in äusserster Abductionsstellung stehen. Der rechte
Rect. int war leicht paretisch, diese Erscheinung blieb constant
auch für die Dauer der Behandlung, während der Krampf
im Bereich des linken Rect extemus verschwand. Eine ana-
loge Beobachtung habe ich in der Literatur auf dem Grebiete
der Hims}-philis nicht auffinden können, ob die Deutung des
Autors die richtige ist, möchte ich nicht sicher entscheiden.
Einen Fall von einseitiger Abducens- Lähmung mit
centralateraler Körperlähmung und gleichzeitiger Betheili-
gung einiger Facialis-Aeste führt Alexander (1. c. p. 160)
noch auf unter der Diagnose einer s}'phihtisohen Pons-Er-
krankung, jedoch ohne Sectionsbefund.
Abducens-Lähmungen bei HimsyphiUs auf Grundlage
von Lues congenita werden von verschiedenen Autoren,
Nettleship (Transact of path. sec. of London XXXI,
1881), Mackenzie (New York. med. Joum. 31. May 1884),
Thiersch (Münch. med. Wochenschr. Nr. 24 u. 25, 1887)
u. A. veröffentlicht
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 75
C. Daten über die Trochlearis-Affection.
Also in 5 ®/o unserer Beobachtungsreihe von Himsyphilis
ist der Trochlearis mitbetroffen, es ist das im Verhältniss
zum Opticus, Oculomotorius und Abducens relativ selten,
aber immer noch etwas häufiger als an der Hand der aus
der Literatur gesammelten 150 Sectionsfälle, wo 6 mal der
Trochlearis als mitbeüallen angegeben wird.
In unsem Fällen sowohl als bei den 6 Beobachtungen
aus der Literatur ist der Trochlearis nie isolirt befallen von
den Himnerven, sondern eine Reihe der Uebrigen sind
durchweg noch in Mitleidenschaft gezogen. Am häufigsten
ist der Ocidomotorius gleichzeitig betroffen 11 mal d. h. in
allen Fällen und in über der Hälfte dieser Fälle doppel-
seitig, in zweiter Linie die optischen Leitungsbahnen resp.
die Optici 8 mal, in dritter Linie der Abducens 3 mal doppel-
seitig, 4) Acusticus und Facialis beide 5 mal, also bei fast
der Hälfte der Kranken, 5) der Trigeminus 4 mal (stets
einseitig), 6) der Olfactorius Imal. — Die Oculomotorius-
lähmung war also eine constante Begleiterscheinung, und
da auch der Abducens relativ oft mitbefallen war, so zeigte
sich in verschiedenen Fällen das ausgesprochene Bild der
Ophthalmoplegia externa und interna (totalis). — In allen
11 Fällen handelte es sich um eine basale Lähmungs-Ür-
sache und zwar 10 mal in der Weise, dass syphilitische ba-
sale Producte die Himnerven und mit ihnen den Troch-
learis schädigten, nur 1 mal scheint die Lähmung (H. Power)
durch Druckfemwirkung auf die Basis entstanden bei Sitz
syphilitischer Neubildungen in beiden Hemisphären, während
die betreffenden basalen Himnerven im Wesentlichen als
normal befunden wurden. Es erhellt hieraus, dass ein
intracerebraler Process in keinem dieser Fälle als Ursache
nachgewiesen werden konnte und eben so wenig ein Process
im Himschlitz (v. Pfungen) oder eine nucleare Affection
des Trochleariskeras.
76 W. ühthoff.
Bekanntlich hat von Pfungen („Ueber topische Be-
gründung der Bewegungsstörungen in den Augenmuskeln
bei Meningitis", Wien. med. Blatt, 1883, No. 8—11) ganz
besonders darauf hingewiesen, wie bei Meningitis durch Ex-
sudat-Ablagenmg im Gehimschlitz (der Querschlitz zwischen
Corpora quadrigemina und Splenium corporis callosi) sehr
leicht die Troohlearis-Stämrae bei ihrem Austritt und Ver-
lauf im vordem Marksegel betroffen werden könnten. Es
vnrd in dieser Hinsicht besonders auf die Meningitis tnber-
culosa verwiesen. Bei der Himsyphihs und speciell bei den
basalen sj'phiUtischen Processen scheint dieser Modus der
Trochlearis-Läsion doch sehr selten zu sein, unter dem von
uns verwerthetem Beobachtungs-Material findet sich kein
derartiger Fall, der eigentUche Sitz der Lahmungsursache
war stets als ein basaler zu bezeichnen. Auch der noch von
Alexander (1. c. p, 164) citirte Fall von einseitiger Troch-
learis- Parese mit doppelseitiger partieller Oculomotorius-
Lähmung (Beiders. Ptosis u. L.-Parese des E. inf. u. R. int)
und sonstigen cerebralen Erscheinungen möchte ich eher
geneigt sein als einen basalen anzusehen und nicht als
einen nucleären, wenn auch bis dahin die innere Augen-
muskulatur intact war. Wir haben Miher gesehen, dass
ganz partielle Oculomotorius-Affectionen auch bei basalem
Sitz der Ursache vorkommen können.
Dass die Trochlearis- Lähmung auf dem Gebiete der
Himsj'philis relativ selten ist, ist auch von andern Be-
obachtern ausdrückhch hervorgehoben (Rumpf, Wem icke
u. A.) und vollends erst eine ganz isoUrte Affection des
Trochlearis, was ja auch bei der ganzen topographischen
Lage des Nerven sehr wohl erklärlich erscheint, und ebenso
ergeben sich aus derselben die so sehr häufigen Compli-
cationen mit Affectionen anderer Gehimnerven, namentlich
des Oculomotorius, der optischen basalen Leitungsbahnen
und des Abducens.
Das doppelseitige Befallenwerden des n. trochlearis bei
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 77
Hirnsjphilis ist ebenfalls als sehr selten anzusehen, nur
2 mal konnte dasselbe in unsem 11 Fällen constatirt w^erden.
Ausser dem oben Ton uns erwähnten Ki*anken ist hier noch
von Graefe's Fall (1. c.) anzuführen, wo eine basale
sjphihtische Wucherung in der rechten mittleren Schädel-
grabe, später auf die linke Seite übergriff und so auch den
zweiten Trochlearis in Mitleidenschaft zog. Eine isolirte
doppelseitige Trochlearis -Lähmung ist eigentUch wohl nur
denkbar, wie Mauthner mit Becht hervorhebt, bei einer
Eemläsion und vor Allen bei einer Läsion im Yelum
medulläre anticum, in welchen die austretenden Trochlearis-
Stämme sich kreuzen.
Zum Schluss will ich hier noch eine interessante Be-
obachtung von Thomas („A case of cerebrospinal syphiUs
with her unusual lesion of the spinal cord'^ John Hopkin's
Hospit Eep. n No. 6, 1891) anfahren, in welcher links-
seitige Trochlearis- undOcidomotorius-Affection mit Schwäche
und Herabsetzung der SensibiUtät der rechten Körperhälfte
einherging bei gleichzeitigem Vorhandensein einer rechts-
seitigen Abducens-Parese.
Die Section ergab syphiUtische Endarteriitis der cere-
bralen Arterien. Gumma am Unken Oculomotorius und
Himschenkel, Gumata am linken Trochlearis, rechten Ab-
ducens, Hypoglossus u. s. w. Es handelt sich hier also um
eine partielle gummöse Degeneration des Trochlearis-Stam-
mes selbst, was gerade an diesem Nerven relativ selten
vorzukommen scheint. Während es bei andern Himnenen,
namentlich dem Oculomotorius relativ oft beobachtet werden
konnte, konnte es an unserm Material mit insgesammt
8 Sectionsbefunden von Trochlearis -Lähmung bei Him-
Sfphihs nicht nachgewiesen werden.
D. Daten über die Affection des Nervus trigeminus.
Im Ganzen ist der Nervus trigeminus in unsem
100 Fällen betroffen: 14 mal.
78 W. Uhthoff.
DieAffection war stets einseitig. Die klinische Dia*
gnose der Cerebral -Affection lautete durchweg auf einen
basalen syphilitischen Process und konnte als solche in
4 Fällen als richtig durch die Autopsie nachgewiesen wer-
den, nur bei 3 Kranken liess sich die Lokalisation und die
Art des intracaniellen Processes nicht mit Sicherheit fest^
stellen, jedoch war bei 2 von ihnen der basale Sitz auch
noch sehr wahrscheinlich.
Die gleichzeitige Betheiligung der übrigen vordem
Himnerven gestaltete sich folgendermassen: l)Der N.opticus
war mit betroffen 11 mal (9 mal doppelseitig, hiervon 4 mal
Stauungspapillen, 2 mal Neuritis optica resp. neuritische
Atrophie, 1 mal temporale Hemianopsie mit secundärer ab-
steigender Opticus -Atrophie, 2 mal retrobulbäre gummöse
Neuritis, 2 mal einseitig (Neuritis optica).
2) Der Nervus oculomotorius 6 mal (2 mal doppel-
seitig, 4 mal einseitig). Durchweg waren innere und äussere
Augenmuskulatur gleichzeitig betroffen, nur 1 mal die innere
allein (Ophthalmoplegia interna).
3) Der Nervus abducens war gleichfalls 6 mal mit-
betroffen (3 mal doppelseitig, 3 mal einseitig^.
4) Der Nervus trochlearis Imal.
5) Der Nervus acusticus 5 mal (hierunter Imal
doppelseitig).
6) Der N. olfactorius 2 mal (dop2)elseitig).
7) Der N. facialis 8 mal (4 mal alle Zweige, 4 mal
die untern Aeste allein). —
Complication mit halbseitiger Körperlähmung
3 mal, jedoch war jedes Mal die mit dem Trigeminus gleich-
seitige Köri)erhälfte befallen, so dass es nicht wohl möglich
war, die Trigeminus- Affection und die halbseitige Körper-
parese aus einem gemeinsamen Krankheitsheerde zu erklären.
In imserm Fidl III konnte die Verschiedenartigkeit der
Ursache für beide Erscheinungen auch durch die Section
erwiesen werden.
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 79
Eine Keratitis neuroparalytica fand sich nur in 1 Fall (lU).
Vergleichen wir mit diesen Untersuchungsergebnissen,
diejenigen, welche uns die aus der Literatur zusammen-
gestellten 22 Fälle von Trigeminus-Affection bei Himlues
mit Sectionsbefund liefern, so zeigt sich zunächst, dass die
doppelseitige Trigeminus-Affection bei Himsyphilis jeden-
üälls als eine ausserordentlich seltene Thatsache anzusehen ist,
denn auch unter diesen letzteren 22 Fällen ist nur Imal
die Affection doppelseitig (Leudet) und zwar, wie es scheint,
beiderseits mit Keratitis neuroparalytica compUcirt. Auch
in den sonstigen Mittheilungen in der Literatur ohne Sections-
befund habe ich keinen analogen Fall von doppelseitiger
Betheiligung des Trigeminus aufgefunden.
Die Complication mit Sehnerven- Affection resp. Affec-
tion des basalen optischen Leituiigsapparates war bei den
22 Eällen aus der Literatur nicht so häufig (9 mal) als bei
unsem 14 Fällen (11 mal). Ich möchte wohl annehmen,
dass in manchem Falle, namentlich der altem Literatur,
eine solche Mitbetheihgung des Sehnervenapparates über-
sehen worden, da sowohl die ophthalmoskopische als auch
die anatomische Untersuchung nicht immer mit wünschens-
werter Genauigkeit ausgeführt wurde. Jedenfalls ist die
Mitbetheiligung des basalen optischen Leitungsapparates
und der Sehnerven bei Trigeminus-Affection in Folge von
Himsyphilis als eine ausserordentUch häufige anzusehen.
Das beweisen auch noch eine Reihe sonstiger kUnischer
Mittheilungen aus der Literatur. Bei keiner der übrigen
Himnerven-Läsionen war in unserer Untersuchimgsreihe der
Opticus so oft mitbetheiligt als gerade bei der Trigeminus-
Affection.
Die Mitbetheihgung des Oculomotorius bei der Trige-
minus-Lähmung in Folge von Bümsyphilis ist an der Hand
des in der Literatur vorliegenden Materials reichUch so
häufig als bei unserer Untersuchungsreihe (15 mal auf 22
Fälle). Durchweg würde sich also ungefähr in der Hälfte
80 W. Uhthoff.
der Fälle der Nervus oculomotorius mit ergriffen zeigen und
zwar in ca. dem vierten Theile der Fälle doppelseitig. Diese
Combination von Trigeminus-Lähmung mit Oculomotorius-
Affection beruhte in allen Fallen unserer Untersuchungs-
reihe mit Sectionsbefiind sowohl als auch der Sectionsfalle
aus der Literatur stets auf einen basalen Process resp. auf
einen Krankheitsheerd in der Gkgend des Pons. Nur Imal
von diesen im Ganzen 17 durch die Autopsie aufgeklärten
FäUen scheint eine Drucklähmung der betreffenden Nerven
bedingt durch doppelseitige syphiUtische Tumoren der Gross-
himhemisphären vorgelegen zu haben (Power). Eine Pons-
erkrankung fand sich 4 mal als Ursache in diesen 17 Fällen,
die mittlere Schädelgrube war in umschriebener Weise 2 mal
Sitz der syphihtischen Neubildungen , 3 mal lag multiple
gummöse Degeneration der basalen Himnervenstämme selbst
vor und in den übrigen 8 Fällen handelte es sich um aus-
gedehntere syphihtißche Veränderungen an der Himbasis.
Auch in den restirenden Fällen unserer BeobachtungsreUie,
wo keine Autopsie ausgeführt wurde, musste von klinischen
Gesichtspunkten aus stets auf einen basalen syphihtischen
Process geschlossen werden.
Die IVIitbetheihgung des Abducens bei den Fällen von
Trigeminuslähmimg in Folge von Himsyphilis findet sich
bei den Sectionsfällen aus der literatiu* ungefähr ebenso
häufig als bei unserer Untersuchungsreihe (10 mal auf 22
Fälle, bei uns 6:14), also in noch nicht ganz der Hälfte
der Fälle. Auch hier ist bei den insgesammt 12 Fällen,
wo es ziu* Autopsie kam, die Ursache als syphilitische Pons-
erkrankung 3 mal, als auf die mittlere Schädelgrube be-
schränkt 2 mal, als directe syphiUtische basale Erkrankung
der Nervenstämme selbst 2 mal, und als ausgedehnter ba-
saler gmnmöser Process in den übrigen 5 Fällen nach-
gewiesen worden. In einem Fall handelt es sich um eine
Erweichung im hintern Schenkel der innem Kapsel bei
gleichzeitigen Arterien -Veränderungen und einmal wieder
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. IL 81
um den Fall von Drucklähmung bei doppelseitigen syphi-
litischen Geschwülsten in beiden Grosshimhemisphären.
Der Nervus trochlearis war mit dem Trigeminus der-
selben Seite gemeinsam im Ganzen also in 36 Fällen 5mal
befallen, stets noch gleichzeitig mit andern Himnerven.
Alle 5 Fälle kamen zur Autopsie, und immer wurde die
Ursache als eine basal gelegene gefunden; 3 mal ausgedehnte
basale Veränderungen, Imal auf die rechte mittlere Schä-
delgrube beschränkt, und Imal wieder basale Druckläh-
mimg bei doppelseitigem syphilitischem Grosshimtumor.
Der Nervus olfactorius betheiligte sich nur relativ selten
gleichzeitig bei Quintus-Affection in Folge von Himsyphilis,
im Ganzen 4 mal auf 36 Fälle. Die Ursache lag stets
basal, bis auf den einen Fall von Power, der schon wieder-
holt erwähnt wurde.
Etwas häufiger schon war gleichzeitig der Acusticus
mitbetroffen, im Ganzen 7 mal von 36 Fällen, stets ein-
seitig und mit der Trigeminus- Affection auf derselben Seite,
nur 1 mal doppelseitig. Der anatomische, zu Grunde
liegende Process war wiederum lediglich basal zu suchen.
Relativ oft, in fast der Hälfte der Fälle, war der
Facialis in Mitleidenschaft gezogen, 16 mal bei 36 Kranken,
und zwar stets einseitig und ziemlich oft in allen seinen
Zweigen. Waren die Mundzweige isolirt betrofifen, so konnte
auch in einem Theil dieser Fälle halbseitige Körperlähmung
nachgewiesen werden, sowohl auf derselben als auf der
entgegengesetzten Seite, im letzteren Falle war in der
Begel syphilitische Brückenerkrankung nachweisbar. In ver-
schiedenen Fällen jedoch kam auch die Parese der Mund-
zweige isolirt ohne Körperlähmung vor und zum Theil ofifenbar
auch auf Grund einer basal gelegenen Krankheitsursache.
Die letzten Gehimnerven waren erhebUch seltener
mitbetheiligt, jedoch will ich von einer genaueren Auf-
zahlang der CompUcationen von ihrer Seite auch hier absehen.
Wie schon das Resultat dieser ganzen Zusammen-
▼. OiMfe'i ArebiT tta Ophthalmologie. XL. 1. 6
82 W. Uhthoff.
Stellung in Betreff der complicirenden sonstigen Himnerven-
lähmungen bei Trigeminus-Affection in Folge von Hini-
syphilis zeigt, waren mit dem Trigeminus gleichzeitig in
der Regel noch mehrere andere von den vorderen Him-
nerven betroffen. Die Fälle müssen als selten bezeichnet
werden, wo bei Himsypliilis der N. trigeminus von den
Hinmerven der einzig erkrankte ist. In unserer Beobach-
tungsreihe ist unter den einschlägigen 15 Fällen kein ein-
ziger solcher zu verzeichnen, die Quintus - Affection war
stets noch mit Erkrankung im Bereich anderer Gehirn-
nerven komplicirt. Bei den 22 aus der Literatur zu-
sammengestellten Füllen mit Sectionsbefund scheint dies
jedoch 4 mal der Fall gewesen zu sein, aber auch hier
handelte es sich stets um basalen Sitz der anatomischen
Lähmungs-Ursache, welche dann ziemlich isolirt den Tri-
geminus einer Seite betraf: Chvostek: Syphilom des
Unken N. trigeminus und des GangUon Gassen, Genkin:
Syphilitische Neubildung des Keilbeins, welche auf den
Unken Trigeminus drückte, Huguenin (bohnengrosses
Gumma hinter der Sella turica auf dem GangUon Gassen),
Pick (gummöse Bildung am Austritt des rechten Trigemi-
nus mit totaler Degeneration der aufsteigenden Trigeminus-
Wurzel und Körperlähmung der entgegengesetzten Seite).
Auch Alexander hebt u. A. die Seltenheit der isoUerten
Trigeminus-Affection bei HimsyphiUs ganz besonders her-
vor mit den Worten: „Was mich betrifft, so habe ich den
Trigeminus im Verlaufe und in Verbindung mit syphiUti-
schen Erki-ankungen des N. opticus, facialis, abducens und
trochlearis häufig genug erkrankt gefunden, indessen nur
2 Fälle zu beobachten Gelegenheit gehabt, in denen Quin-
tusneuralgie als einziges Symptom des syphiUtischen Leidens
und zwar einer syphyUtischen Periostitis der Orbitalknochen
angetroffen wurde." — Unter aUen Fällen des Gesammt-
materials von Trigeminus-Affection bei HimsyphiUs ist
auch nicht einer, der mit Sicherheit auf eine primäre De-
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 83
generation der Kernparthieen zurückgeiührt werden könnte.
Auch in unserm Fall X (Siemerling) mit Atrophie der
an&teigenden Trigeminus- Wurzel ist die Ursache oflfenbar
als eine basale anzusehen.
Ich habe noch hervorzuheben, dass unter den 14 Fällen
von Trigeminus- Affection bei Himsyphilis unserer Unter-
suchungsreihe Keiner von einseitiger Trigeminus-Lähmung
mit gekreuzter Körperlähmung zu verzeichnen ist, während
bei dem aus der Literatur gesammelten Sectionsmaterial
unter 22 Fällen 8 solche vorhanden waren. Ich glaube,
dass diese Form des Krankheitsbildes immer eine recht
seltene ist, sie ist in den bisherigen Mittheilungen offenbar
ganz besonders beachtet worden und beruhte durchweg
auf syphiUtischer Ponserkrankung, gelegentiich fand sie eine
andere Erklärung (s. p. 179, I. Theil, v. Graefe's Archiv
XXXIX. 1.).
Die Keratitis neuroparalytica scheint bei der Him-
syphiHs trotz der ziemhch häufigen BetheiUgung des
Nervus trigeminus doch nur relativ selten vorzukommen.
Bei unserer Untersuchungsreihe von 100 Fällen, wo der
Trigeminus sich 14 mal betheiligt zeigte, konnte eine Kera-
titis neuroparalytica nur 1 mal constatirt werden (Fall III).
Die Autopsie ergab hier einen ausgedehnten basalen gum-
mösen Process namentUch in der Gegend des rechten in-
tracranieUen Opticus -Stammes und der rechten Chiasma-
Hälfle sich bis in die hintere Schädelgrube hinein erstreckend.
Der rechte N. trigeminus war stark verdünnt und atrophisch
dem hnken gegenüber. Eine anatomische Untersuchung
des Nerven konnte leider nicht ausgeführt werden.
Dem gegenüber ist die neuroparalytische Hornhaut-
entzündung bei den 22 Fällen von Trigeminus-Affection,
welche auf die 150 aus der Literatur zusammengestellten
Sectionsfälle von Himsyphilis kommen, im Ganzen 6 mal,
also etwas häufiger, verzeichnet, vielleicht aber ist von diesen
6 Fällen der eine oder der andere in seiner Deutung als
6*
84 W. ühthoff.
Keratitis neuroparalytica nicht ganz sicher. Es sind dies
die Fälle Ton Leudet, Westphal, H. Power, Genkin,
Wagner und Pick. Am bemerkenswerthesten ist hier
zunächst die Beobachtung von Leudet, wo es bei doppel-
seitiger Trigeminus-AiFection auch zu einer doppelseitigen
Keratitis neuroparalytica gekommen zu sein scheint Es
ist mir nicht möglich gewesen auf dem Gebiete der Him-
syphilis eine zweite derartige Beobachtung nachzuweisen.
Von den übrigen 5 Fällen ist noch der von Genkin ganz
besonders hervorzuheben, weil es hier scheinbar zu einer
Keratitis neuroparalytica einer Seite mit ziemlich schnellem
ulcerösen Zerfall der Cornea kam zu einer Zeit, wo noch
keine Anästhesie im Bereich des betreffenden Trigeminus
bestand, sondern eine Hyperästhesie daselbst vorhanden
war. Genkin fasst seinen Fall als eine reine trophoneu-
rotische Störung in der Hornhaut auf und stellt sie den
Charcot'schen Beobachtungen von Ophthalmia neuropara-
lytica an die Seite, wo ebenfalls keine Anästhesie, sondern
eine Hyperästhesie in den betreffenden Zweigen des Tri-
geminus vorhanden war. Der Grund für die Trigeminus-
Anomalie war in dem Genkin 'sehen Falle eine syphiliti-
sche Neubildung am Keilbein, welche auf den linken Nervus
trigeminus drückte. Diese Beobachtung beweist auch fiir das
Gebiet der Himsyphiüs, dass für das Zustandekommen der
Keratitis neuroparalytica nicht immer Empfindimgslosigkeit
der Cornea unbedingt erforderlich ist, jedoch muss jedenfalls
ein derartiges Vorkommen als ein sehr seltenes angesehen
werden. Auch in dem Pick 'sehen Falle (Beobachtung 2)
bestand keine völlige Unempfindlichkeit des Auges und der
Cornea zu der Zeit, als sich der neuroparalytische Hom-
hautprocess entwickelte. In den übrigen Fällen scheint
die Anästhesie der Cornea eine vollständige gewesen zu sein.
Der Westphal' sehe Fall ist insofern hervorzuheben,
als mit der Trigeminus-Lähmung gleichzeitig eine Oculo-
motorius-Iiähmung in allen Zweigen bestand, also auch
UntersuchaBgen über die bei der Syphilis etc. II. 85
eine Ptosis, trotzdem aber kam es zur Keratitis neuro-
paralytica, auch in den Fällen yon Leudet, Power,
Wagner bestand gleichzeitig Ocnlomotorius-Lähmung der
betreffenden Seite und ist es wahrscheinhch dass bei ihnen
z. Th. auch Ptosis bestanden hat, aber eine Keratitis neu-
roparalytica trat doch ein. Ich erinnere in dieser Hin-
sicht an die Ausführungen von v. Graefe's (1. c.) gelegent-
lich seines Falles völliger einseitiger Anästhesie im Bereich
des Trigeminus, welche Monate lang bestand, die aber
trotzdem nicht zur Keratitis neuroparalytica führte. Es be-
stand auch hier gleichzeitig Oculomotorius-Lähmung der-
selben Seite mit Ptosis, und v. Graefe ist nun geneigt in
der Anwesenheit der Ptosis den Grund für das Ausbleiben
der Keratitis neuroparalytica zu sehen, da die Ptosis ge-
eignet gewesen sei, die Austrocknung der Cornea zu ver-
hindern, auf welche für das Zustandekonmien der Keratitis
neuroparalytica so grosses Gewicht zu legen sei. Es unter-
liegt wohl keinem Zweifel, dass ein herabhängendes oberes
lid geeignet ist, der Ausbildung einer Keratitis neuroparaly-
tica bis zu einem gewissen Grade entgegenzuwirken, ich
glaube aber nicht, auf Grund der in der Literatur vor-
liegenden Mittheilungen, dass dadurch diese Homhautaffec-
tion dauernd und sicher verhindert werden kann.
Der Fall Power ist auch hier insofern noch als be-
sonders anzuführen, da hier syphiUtische Geschwülste der
Grosshimhemisphären durch Eaumbeengung in der Schädel-
höhle und basale Druckwirkung auf den Trigeminus sowie
die meisten übrigen Himnerven derselben Seite zur Lähmung
des Nerven und Keratitis neuroparalytica geführt hatte.
Auch die anatomische Untersuchung ergab hier keine
wesentliche Veränderung im basalen Trigeminus-Stamm.
Bei den übrigen insgesamrot 6 Sectionsfällen von Tri-
geminus-Affection mit Keratitis neuroparalytica bei Him-
syphilis handelte es sich stets um eine basale Läsion des
Trigeminus-Stammes, 4 mal durch Druck basaler gummöser
86 W. ühthoff.
Massen auf den betreffenden Trigeminus-Stamm mit secun-
därer Degeneration und 2 mal durch syphilitische Neubildun-
gen im Trigeminus-Stamm selbst, in dem einen dieser Fälle mit
totaler Degeneration der aufeteigenden Trigeminus- Wurzel.
Bei der Trigeminus-Affection in Folge von
Hirnsyphilis überhaupt, sowie noch besonders bei
der mit ihr verbundenen Keratitis neuroparalytica
ist demnach durchweg die Ursache als eine basal
gelegene anzunehmen.
Die Literatur enthält ausser den bisher berührten noch
eine ganze Anzahl von mehr oder minder bemerkenswerthen
Mittheilimgen über Trigeminus-Lähmung und Keratitis neu-
roparalytica, auf die ich jedoch nicht genauer eingehen
kann. Ich will in dieser Hinsicht nur noch kurz erwähnen
die Alittheilungen von Worms (citirt bei Leon Gros et
Lanceraux p. 387, Balfour (Edinb. med. Joum. 1875 Oct),
Alexander, Henry („Gase of the fifth cranial nerve".
Philad. med. Times, Juni 12, p. 577), Königstein („Läh-
mung aller äusseren Augenmuskeln des r. Auges und An-
ästhesie des rechten Trigeminus." Wien. med. Presse
1878, Nr. 18), Broadbent (Paralysis of the Ophthalmie
and superior maxillary divisions of the fiflh nerve etc."
Lancet, Bd. L, p. 380), Thiersch („Zur Casuistik der
Himsyi^hilis", Münch. med. Wochenschr. Nr. 24 und 25
(bei congenitaler Lues), Rumpf (1. c.) u. A.
E. Nystagmus und nystagmusartige Zuckungen
im Bereich der Augenmuskeln bei Hirnsyphilis.
Der eigenthche typische Nystagmus war bei unserer
Beobachtungsreihe von 100 Fällen Himsyphilis eine seltene
Erscheinung, nur 2 mal konnte er constatirt werden. In
dem einen Fall (XI) handelte es sich um hochgradige ba-
sale gummöse Veränderungen, Hydrocephalus internus, End-
arteriitis syphiUtica u. s. w. mit ausgedehnten sonstigen basalen
Himnerven Veränderungen. Es ist nicht möglich, bei den
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. IL 87
ausgedehnten und mannigfachen intracraniellen Veränderun-
gen gerade den Nystagmus auf eine bestimmte Heerdläsion
zarückzuftihren trotz der ausgeführten Autopsie. Und
ebenso konnte in dem zweiten Falle, der nicht zur Autopsie
kam, und wo auch intra-vitam die genauere Localisation
und Bestimmung des intracraniellen Processes nicht mit
Sidierheit möghch war, diese Frage ihre Beantwortung
nicht finden. — Noch relativ seltener finde ich in unsem
150 aus der Literatur zusammengestellten Sectionsfällen
Nystagmus bemerkt, nur 2 mal (Buss und Ormerod).
Vielleicht, dass in dem ersteren Falle von „acuter disse-
minirter MyeUtis bulbi nebst Encephalitis bei einer Syphi-
litischen" ein Heerd in der Haube des hintern Abschnittes
des Himschenkels und der vordem Hälfte der Brücke für
die Entstehung des Nystagmus anzuschuldigen war; in dem
zweiten Falle lag eine symmetrische gummöse Erkrankung
beider Oculomotorius - Stämme neben syphilitischen Ver-
änderungen der Himarterien und namentlich der Arter.
basilaris vor. Es würde das somit im Ganzen 4 Falle
von eigentlichem typischen Nystagmus auf 250 Fälle von
Himsyphüis sein und das muss als ein sehr geringer Pro-
centsatz (1,6%) bezeichnet werden, namentlich z. B. der
disseminirten Heerdsklerose gegenüber, wo ich bei einer
Untersuchungsreihe von 100 Fällen in 12 % Nystag-
mus nachweisen konnte*). Demnach dürfte bei der Him-
S)'phili8 der eigentliche Nystagmus nicht häufiger vor-
kommen als bei andern intracraniellen Erkrankungen (Hirn-
tumor, Meningitis u. s. w.) Für die relativ grosse Selten-
heit des Nystagmus bei Himsyphihs möchte ich auch an
dieser Stelle noch ein Resultat anfuhren, wie es sich auf
(rrondlage statistischer Erhebungen an einem Material von
20000 Augenkranken der Schoeler'schen Klinik ergeben
*) „Untersuchungen über die bei der multiplen Heerdsklerose
Torkommenden Augenstorungen". Berlin 1888. Arch. f. Psych, und
Nervenkrh. Bd. XXI, Heft 1 u. 2, p. 89.
88 W. Uhthoff.
hat (Niedergesäss „Klinischer Beitrag ziir Aetiologie des
Nystagmus und der nystagmusartigen Zuckungen." Inaug.-
Diss. Berlin 1890). Hier kamen auf die 20000 Augen-
kranken 130 Fälle von Nystagmus, davon waren 120 an-
geboren resp. im frühesten Kindesalter erworben, nur 10
Fälle betrafen Nystagmus, der im spätem Alter acquirirt
wurde und hienmter war HimsyphiUs Imal die Ursache.
Etwas häufiger konnten nystagmusartige Zuckungen
in den Endstellungen in unsem 100 Fällen von Himlues
nachgewiesen werden (6 mal). Es handelte sich hier durch-
weg um basale HimsyphiUs und meistens waren die Augen-
muskelnerven in ausgedehnterem Maasse in Mitleidenschaft
gezogen. 6^0 ist z, B. auch wieder der dissehiinirten
Sklerose mit 46% gegenüber sehr wenig, und da diese
Bewegungsanomalie auch sonst bei vielen Erkrankungen
des Nenensystems beobachtet wird. (s. meine Angaben
in den „Untersuchungen über die bei der multiplen Heerd-
sklerose vorkommenden Augenstörungen" Arch. f. Psychtr.
und Nerv., Bd. XXI Heft 2), so kommt ihr eine beson-
dere diagnostische Bedeutung auf dem Gebiete der Him-
syphiUs nicht zu. In den Mittheilungen aus der Literatur
habe ich fast gar keine Angaben über den besagten Punkt
gefunden, es ist derselbe offenbar wenig beachtet worden.
F. Die konjugirte Abweichung der Augen
(deviation conjugee Vulpian, Prevost) habe ich bei unsem
100 Beobachtungen nur Imal angetrofiFen. Die Abwei-
chung der Augen bestand nach rechts, gleichzeitig eine
rechtsseitige Körperlälimung mit Contractur und eine links-
seitige Hemianopsie. Der Pat. wurde ungeheilt entlassen,
eine genauere Bestimmung von Sitz und Natur des intra-
craniellen syphiUtischen Processes war diagnostisch nicht
möglich.
Auf die 150 gesammelten Sectionsfälle von Him-
syphiUs mit Augenverändemngen aus der Literatur kommen
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 89
im Ganzen 5 von conjugirter Abweichung der Augen vor,
welche ich im L Theil (v. Graefe's Archiv XXXIX. 1.
p. 168 und 169) tabellarisch zusammengestellt habe. In den
3 Fällen, wo eine Grosshimläsion die Ursache für die con-
jugirte Abweichung der Augen abgab, erfolgte dieselbe nach
der Seite der Himläsion hin (Tiling, Gilles le la Tou-
rette, Leclerc.) Der Himprocess war 2 mal ein ausge-
dehnter oberflächlicher Erweichungsprocess der einen Gross-
himhemisphäre, wobei auch die motorische Kegion in Mit-
leidenschaft gezogen war, und Imal eine Gummi-Geschwulst
in der linken dritten Stimwindung, den Paracentral-Lappen
leicht bedrängend. In allen 3 Fällen lag gleichzeitig eine
Lähmung der entgegengesetzten Körperhälfte vor, welche
sich in dem Falle Tiling nur auf die obere Extremität be-
schränkte. Hier waren die Bulbi meist nach hnks gewendet
und koimten willkürlich nicht nach rechts, nach oben und
unten bewegt werden. Unwillkürlich geschah es jedoch
bisweilen. Femer war bemerkenswerth, dass Pat. die
Augenlider nicht willkürUch schliessen konnte, aber reflec-
torisch blinzelte und die Augen im Schlafe geschlossen
hielt — Die beiden Fälle, wo eine Pons-Aflfection den
Grund für die Abweichung der Augen bildete, zeigten die-
selben nach der dem Pons-Heerde entgegengesetzten Seite
(Broadbent u. Bristowe). Wir sehen also, dass diese
5 Fälle, die namentlich von Vulpian, Prevost, Lan-
douzy, Grasset u. A. aufgestellten Sätze bestätigen,
dass die conjugirte Abweichung nach der Seite des Heerdes
erfolgt, wenn das Grosshim erkrankt und Sitz der Läh-
mungs-Ursache der entgegengesetzten Körperhälfte ist, und
dass die Abweichung nach entgegengesetzter Richtung statt
hat, wenn eine Erkrankung des Mittelhims, der Brücke,
Vierhügel u. s. w. die Körperlähmung der entgegenge-
setzten Seite hervorgerufen hat. Die letzten beiden Fälle
gmgen ebenfalls mit Lähmung der dem Ponsheerd entge-
gengesetzten Körperhälfte einher und in dem Falle von
90 W. ühthoff.
Broadbent vergesellschafteten sich diese Erscheinungen
noch mit Trigeminus-, Facialis- und Abducens- Lähmung.
Es ergiebt sich somit, dass die conjugirte Abweichung
der Augen auf dem Q-ebiete der Himsyphilis ein im
Ganzen seltenes Vorkommniss war (in etwas über 2% der
Fälle), und dass sowohl Erweichungsprocesse, als wirkliche
gummöse Geschwulstbildungen der Gehimsubstanz, als
meningitische Erscheinungen an der Conveidtät einer He-
misphäre für die Entstehung der conjugirten Abweichung
in Betracht kommen. Der letztere anatomische Factor
(meningitische Erscheinungen) dürfte wohl als der seltenere
anzusehen sein. Im Uebrigen haben unsere Untersuchun-
gen Nichts ergeben, was mit den Forschungsresidtaten
anderer Autoren über die conjugirte Abweichung und ihre
diagnostische Bedeutung in Widerspruch stände.
8) Pathologische Erscheinungen von Seiten der
Pupillen.
I. Typische reflectorische Pupillenstarre auf
Licht mit erhaltener Convergenz-Reaction lOmal.
a) Ohne sonstige functionelle oder anatomische
Veränderungen im Bereich der Nervi oculomotorii
4 mal.
(3 mal bestand PupillendifFerenz. — 2 mal lautete die
Diagnose auf basalen syphilitischen Process mit 1 Section
und 2 mal war eine genauere Localisation des intracra-
niellen Processes nicht möglich. — Das Symptom war stets
doppelseitig.)
b) Mit anderweitigen functionellen oder ana-
tomischen Störungen im Bereich der Nervi oculo-
motorii 6 mal.
(Die Diagnose lautete 4 mal auf basale syphilitische
Veränderungen, Imal Erweichungsprocess in einer Hemis-
phäre mit gleichzeitiger gummöser Geschwulst-Entwicklung
in derselben, und 2 mal konnte Sitz und Natur des intra-
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 91
craniellen syphilitischen Processes nicht mit aller Sicher-
heit festgestellt werden. — 5 mal war die Störung doppel-
seitig, Imal einseitig. — 4 mal bestand ausgesprochene
Differenz in der Pupillengrösse. — 3 mal waren die Punc-
tionsstörungen in andern Aesten des Oculomotorius doppel-
seitig und 3 mal einseitig. — Imal handelte es sich nur
um anatomische Veränderungen ohne sonstige Functions-
stonmgen im Oculomotorius.)
n. Fehlen der Pupillarreaction auf Licht und
Convergenz 4 mal.)
(Hiervon 2 mal ohne sonstige Betheiligung der Oculo-
motorius-Aeste in 2 mal mit Betheiligung solcher, dann in
einem Falle isolirte doppelseitige Parese der Accommoda-
tion (also Ophthalmoplegia interna.)
ni. Hemianopische Pupillarreaction 1 mal,
s. Fall XXI. Tractus-Affection mit Uebergreifen auf das
CThiasma (doppelseitige Hemianopsie). Die Pupillenreaction
war nicht im strengen Sinne hemianopisch, sondern nur
andeutungsweise, indem die Pupillen bei seitUcher Beleuch-
tung der ganz blinden B/Ctinalhälften deutlich weniger leb-
haft reagirten unter sonst gleichen Untersuchungsbedingun-
gen als bei Beleuchtung der noch etwas sehenden Hälften.
IV. HippusartigeContractionen des Sphincter
pupillae einer Seite Imal.
(Auf dem zweiten Auge bestand typische Lichtstarre
der Pupille. Auf dem so befallenen Auge war die Ldcht-
reaction wohl noch vorhanden, aber nur sehr miminal,
während diese spontanen wechselnden ruckweisen Contrac-
tionen des Sphincter pupillae sehr lebhaft waren. Es war
nicht möglich in dem Falle Sitz und Ausdehnung des in-
tracraniellen syphilitischen Processes mit Sicherheit diag-
nostisch zu bestimmen. Gleichzeitig fand sich eine rechts-
seitige Abducensparese.)
Ich will mich auf eine kurze Betrachtung dieses Ma-
terials beschränken, ohne demselben die Beobachtungen
92 W. ühthoff.
über Pupillarerscheinungen bei dem aus der Literatur ge-
sammelten Sectionsmaterial von 150 Fällen gegenüber zu
stellen. Die Angaben über diesen Punkt sind bei letzteren
durchweg unzureichend und ergeben eben keine brauchbare
Vergleichsstatistik.
Zunächst also wurde im Ganzen in ca. 14^/^ der Fälle
reflectorische Pupillenstarre auf licht beobachtet, meistens
mit erhaltener Convergenz-Keaction, in einem kleinem Theil
ohne dieselbe. Es steht ein solcher Procentsatz gegen das
Vorkommen der Pupillenstarre bei Tabes und progressiver
Paralyse (erstere ca. 60 — 90*^/^,, letztere ca. 50®/q) unend-
lich zurück, aber von den sonstigen intracraniellen Erkran-
kungen dürfte die Himsyphihs wohl diejenige sein, bei
welcher das Symptom noch am häufigsten vorkommt; aller-
dings fehlen mir über diesen Punkt bisher in mancher Be-
ziehung noch genauere statistische Daten, welche sich auf
ein grosses eignes Beobachtungsmaterial stützen; aber z. B.
bei einer eignen Beobachtungsreihe von 100 Himtumor-
fällen war jedenfalls die reflectorische Pupillenstarre weniger
häufig. Ebenso haben mir fiühere Untersuchungen ergeben,
dass bei andern Erkrankungen (multiple Sclerose, Alkoho-
lismus, traumatische Neiu'osen, Dementia senilis, Kopfv^er-
letzungen, Tabak-Missbrauch u. A.) die reflectorische Pu-
pillenstarre relativ selten vorkommt und jedenfalls durch-
weg viel seltener als bei Himsyi^hilis (s. „Zur diagnosti-
schen Bedeutung der reflectorischen Pupillenstarre" Berlin,
klin. Wochenschrift 1886 p. 55).
Bemerkenswerth ist femer bei unseren 10 Fällen von
Pupillenstarre mit erhaltener Convergenz-Keaction die häu-
fige Beteiligung einzelner Aste der Nervi oculomotorii, zum
Theil waren an den betreffenden Augen mit Pupillenstarre
früher ausgedehntere Lähmungserscheinungen im Bereich
des Oculomotorius vorhanden gewesen, waren aber zurück-
gegangen und nur die Pupillenstarre blieb bestehen, so dass
es scheint, als kann gelegenthch eine typische reflectorische
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. IL 93
PupiUenstarre auf licht mit erhaltener Convergeuz-Beactiou
Ton einer früheren Oculomotorius- Lähmung übrigbleiben.
Zmn Theil bestanden noch neben der Pupillenstarre auf
licht mit erhaltener CouTergenz-Reaction und Accommo-
dation, leichtere Paresen im Grebiet einzelner äusserer vom
Ocolomotorius versorgten Muskel. In 2 Fällen war die eben
geschilderte Pupillenstarre lediglich auf licht nur auf einem
Auge vorhanden, während auf dem zweiten Ophthalmoplegia
interna bestand. Bei 2 Autopsieen lag reflectorische Pupil-
lenstarre auf licht vor und die anatomische Untersuchung
ergab Veränderungen im Bereich bei der Oculomotorius-
stamme, jedoch ohne dass dieselben vor dem Tode andere
Erscheinungen gemacht hätten als Pupillenstarre (Fall XII
IL XTTT) auf licht mit erhaltener Convergenz-Reaction.
Es ist schwer verständHch, wie Oculomotorius- Aflfec-
tion, die auf einer Stammerkrankung beruht, schliesshch
als einzigste Störung nur Lichtstarre der Pupille zurück-
lassen soll, bei guter B.eaction auf Convergenz und guter
Accommodation und doch schien es in einigen Fällen so
zu sein. Ganz ausgeschlossen erscheint es allerdings
nicht, dass das Symptom auch in diesen^ Fällen auf
anderen gleichzeitig bestehenden Himveränderungen zu-
rückzuführen ist; aber vereinzelte Beobachtungen hat unsere
Untersuchungsreihe au£suweisen, wo es sich anfangs ledig-
lich um ein- oder doppelseitige Affection der Oculomotorii
in allen Asten handelte und wo im Verlauf der längeren
Beobachtung alle diese Lähmungserscheinungen schwanden
Hg auf die Starre der betrefiFenden Pupille auf Licht.
Es ist noch die Frage aufzuwerfen, ob nicht ein Theil
dieser Fälle von Pupillenstarre auf licht auf gleichzeitige
Anwesenheit tabischer Symptome zurückzuführen war. Bei
2 von den 14 Beobachtungen lagen offenbar gleichzeitig
tabische Erscheinungen vor, bei den übrigen aber waren
solche nicht mit Sicherheit nachweisbar und in diesen
Bellen muss lediglich der intracranielle sj'philitische Pro-
94 W. ühüioflf.
cess als Ursache angesehen werden. Ich verweise in dieser
Hinsicht noch besonders auf unsem einen Fall, der von
Oppenheim („Beiträge zur Pathologie der Himkrankheiten/<
Charite-Annalen 1885) s. Z. mitgetheilt worden ist Die Sec-
tion ergab eine ganz chronisch verlaufene Meningitis, die
sich wesentlich an der Basis lokaUsirte und ihre Krankheits-
producte auch in die rechte fossa Sylvii absetzte, gleich-
zeitige Gefässerkrankung. Beiderseits bestanden Stauungs-
papillen und enge, auf licht starre Pupillen. Oppenheim
bemerkt hierzu: „Von Interesse erscheint uns der Nach-
weis der Pupillenstarre ohne sonstige Lähmungserschei-
nungen im Bereich der Oculomotorü." Oppenheim sah
noch einen anderen Fall von „Arachnitis gummosa cerebro-
spinaUs'^ mit Pupillenstarre.
Eine isolirte Ophthalmoplegia interna (Lähmung des
sphincter pupillae und der Accommodation) ohne sonstige
Betheiligung der Oculomotoriuszweige fand sich bei diesen
14 Fällen nur 2 mal, also recht selten.
Was nun die hemianopische Pupillenreaction (Wer-
nicke) bei unserer Untersuchungsreihe anbetriffi, so kam
dieselbe nur 1 mal unter den 100 Fällen zur Beobachtung
und auch nur andeutungsweise, aber doch so, dass sie mit
Sicherheit als pathologisch angesprochen werden konnte
(s. Fall XXI). Es handelte sich um eine zweifellose Trac-
tus-Erkrankung. Die Beobachtungen über hemianopische
Pupillenreaction sind auch zur Zeit noch sparsam in der
Literatur und speciell bei Himsyphilis finde ich bei dem
von mir gesammelten Material keinen weiteren Fall. Es
handelt sic^h in der B/Cgel bei denirtigen Fällen nicht um
ein absolutes Fehlen der Lichtreaktion bei Beleuchtung der
blinden Netzhautliälfte, sondern nur um eine weniger leb-
hafte und ausgiebige Reaction als bei Belichtung der sehen-
den Hälfte. Es ist zu bedenken, dass der theoretischen
Forderung nur eine Netzhauthälfte ganz isolirt zu beleuchten
durch schräg einfallende Lichtstrahlen nicht so ohne
Untersuchungen über die bei der Syphilis eto. II. 95
weiteres Genüge geleistet werden kann, etwas Licht wird
doch in den verschiedenen brechenden Mediendiffus reflec-
tirt werden und so auch die sehende Xetzhauthälfte nicht
ganz ohne Beleuchtung bleiben, eine Beleuchtung, welche
unter gewöhnlichen Verhältnissen ausreichen dürfte auch
von hier aus noch eine lichtreaction der Pupille auszu-
lösen, wenn auch in geringerem Grade, selbst wenn die
die blinde Netzhauthälfte versorgenden Fasern an der Basis
des Gehirns völlig zerstört sind. Handelt es sich schon
vor Eintritt der halbseitigen Erblindung der Betina um
eine pathologisch verminderte, wenig lebhafte Pupillenreac-
tion, so dürfte der Nachweis einer hemianopischen Beaction
leichter sein, indem die Unterschiede in der Lichtreaction
sodann bei seitlicher Beleuchtung der sehenden und der
nicht sehenden Netzhauthälfte markanter ausfallen. Es
kann aber unter diesen Umständen nicht genug zur Vor-
sicht gemahnt werden bei Anstellung der Prüfting, damit
man nicht zu falschen Schlüssen kommt; die Beleuchtungs-
intensität, der Einfallswinkel u. s. w. müssen dieselben sein;
bei nicht sehr sorgfältiger Versuchsanordnung kann man
sich auch schon beim gutsehenden Auge überzeugen, wie
sich bei verschiedenem Einfallswinkel der Lichtstrahlen von
der einen und der anderen Seite wesentliche Unterschiede
in der Lebhaftigkeit der Lichtreaction ergeben und nament-
lich dann, wenn dieselbe schon vorher abgeschwächt war.
Schon Wilbrand (1. c. p. 89) weist auf die Schwierig-
keiten der Prüfung in dieser Beziehung hin.
Wenn auch nicht gerade auf dem Gebiete der Him-
sj'philis, so liegen neben den Mittheilungen über hemiano-
pische Pupillenreaction von Wer nicke (Portschr. d. Medic.
Bd. 1, Nr. 2, 1883), Martins („Ueber Hemianopsie mit
hemianopischer Pupillenreaktion". Charite-Annalen XIII,
1888) u. a. aus der neuesten Zeit doch jetzt auch einige
einschlägige Beobachtungen mit Sectionsbefund vor, von
Dercum („Tumor of the thalamus, more especially of the
96 W. Uhthoff.
pulvinar; presenting Wemicke's pupil reaction" (Journal
of nervous inent. diseases XV p. 506. 1890), Leyden
(„Beitrag zur topischen Diagnostik der Himkrankheiten."
Internat Beiträge z. wissensch. Medic, Berlin 1891), und
Oliver (Transact. of the Americ. ophth. soc. 27 meeting
p. 140, 1891). Es handelte sich in allen 3 Fällen um
homonyme Hemianopsie mit gleichseitiger Körperlähmung,
und wies die Section in den Fällen von Der cum und
Oliver Gliom des Thalamus opticus und des Corpus striatum
einer Seite als Ursache nach, wobei in dem letzteren Falle
der betreflfende Tractus opticus als abgeplattet und zusam-
mengedrückt bezeichnet wird, jedoch ohne nachweisbare
mikroskopische Veränderungen; in dem ersten Fall werden
die Corpora quadrigemina und die Tractus optici ausdrück-
lich als normal bezeichnet Bei der Leyden 'sehen Ejranken
lag ein Erweichungsheerd im rechten linsenkem, welcher
sich bis in den Himschenkel hinein erstreckte und den
tractus opticus mitergriflfen hatte, vor.
Alles in Allem genommen, ist die hemianopische Pu-
pillenreaction bisher auf dem Gebiete der Gehimsyphiüs
äusserst selten beobachtet worden und ich glaube eben,
dass in dieser Hinsicht die vorhin erörterten Prüfungs-
schwierigkeiten zur Erklärung dafür heranzuziehen sind.
Ich verweise hier noch einmal besonders auf unsere ver-
schiedenen Beobachtungen von temporaler Hemianopsie in-
folge von Tractus- und Chiasma- Erkrankung, wo das Phä-
nomen nicht mit Sicherheit constatirt werden konnte, trotz-
dem in einem Theil der FäUe nachzuweisen war, dass eine
Lichtempfindlichkeit der entsprechenden innem Netzhaut-
hälften nicht mehr existirte; besonders erwähnt sei in dieser
Hinsicht noch einmal unser Fall X (Siemerling), wo
der eine Tractus opticus durch eine hochgradige gummöse
Degeneration vollständig zerstört worden war.
Sehr selten sind bisher auf dem Gebiete der Him-
syphiUs auch hippus-artige Erscheinungen an den Pupillen
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. IL 97
beobachtet und beschrieben worden. In unserer Beobach-
timgsreihe befindet sich nur ein einziger Fall, wo die Er-
scheinung einer fortwährend wechselnden und unabhängig
Ton Beleuchtung , Accommodation und Augenbewegungen
einiaietenden Pupillencontraction so markant war, dass ich
sie als eine pathologische (Hippus) in Anspruch nehmen
mochte, zumal die betreffende Pupille ÜELst yöllig lichtstarr
war; auf dem zweiten Auge mit lichtstarrer Pupille bestand
diese Erscheinung nicht Ich habe diesen Fall in meiner
frühem Mittheilung „Zur diagnostischen Bedeutung der
reflectorischen Pupillenstarre" (1. c.) schon kurz mitgetheilt
Auch bei den Mittheilungen aus der Literatur finde ich
dieses Symptom auf dem Gebiete der Bümsyphilis nur
einmal erwähnt in dem Fall von Schmick (1. c), wo es
bei Meningitis basilaris chronica, Endarteriitis obliterans,
Hydrops rentriculorum u. s. w. beobachtet wurde. Schmick
erwähnt in dieser Mittheilung, dass Leichtenstern das
Symptom bei einer Meningitis -Epidemie wiederholt beob-
achtet habe. Wie vorsichtig man mit der Diagnose des
Hippus ab etwas Pathologisches bei der Prüfung der Pupil-
larreaction vorgehen muss, das ist schon von verschiedenen
Seiten (Schadow, v. Graefe's Arch. f. Ophthalmologie
XXVm, 6 u. A.) betont worden, imd darauf habe ich in
meiner früher citirten Mittheilung auch schon hingewiesen.
Es gilt das vor Allem bei Pupillen, die gute Lichtreaction
zeigen, und wo wir auch schon unter normalen Verhält-
nissen selbst bei constanter Beleuchtung fortwährende
Schwankungen im Durchmesser der Pupille wahrnehmen
können. Eine ausreichende Erklärung für dies Phänomen
ist bisher nicht gegeben; G. Ludwig (Centralbl. £ Augen-
heilL, Febr. 1889) ist geneigt einen Keizzustand in der
Hirnrinde oder in den Yierhügeln als Ursache anzuneh-
men. Die pathologische Bedeutung der Erscheinimg wächst,
wemi sie an sonst reflectoiisch lichtstarren Pupillen beob-
achtet wird.
T. Gnefe*« ArchiT Ar Ophthalmologie. XL. 1. 7
98 W. Uhthoff.
Von einer sog. paradoxen Pupillenreaction (d. h. Er-
weiterung der Pupille auf Lichteinfall) habe ich bisher
weder bei BBmsyphilis noch auf andern pathologischen
Gebieten je etwas gesehen. Ich wüsste auch nicht, wie
man sich eine solche Erscheinung erklären könnte. Auf
dem Q-ebiete der Himsyphilis existirt eine einzige Beobach-
tung von einer solchen angeblich paradoxen Pupillenreaction
auf Licht, bei einem Fall, wo die Diagnose auf Meningitis
diffusa basilaris s^^philitica gestellt wurde (keine Autopsie)
von Oestreicher (Berl. klin. Wochenschr. No. 6, 1890).
Autor citirt auch noch eine einschlägige Beobachtung von
G. Rezzonico bei einem Paralytiker (cit nach dem Neu-
rolog. Centralbl. No. 4, Jahr. 1888). Der von Burchardt
unter dem Titel von „paradoxer Pupillenreaction" veröflFent-
lichte Fall (Berl. kUn. Wochenschr. No. 2, 1890. Site. d.
Charit^-Gesellschaft vom 12. Dec. 1889), darf nicht hierher
gerechnet werden, sondern kann höchstens als „scheinbar
paradox" bezeichnet werden, da eine künstliche, in der Iris-
fläche angelegte Lücke sich nur erweiterte, rein aus mecha-
nischen Gründen, in dem aber der noch übrig gebliebene
Theil des eigentlichen Sphincter pupillae sich regelrecht
auf licht contraliirte. Ich habe mir s. Z. in der Discus-
sion erlaubt, auf diesen Punkt dem Autor gegenüber schon
hinzuweisen.
Eine Erklärung für eine sog. paradoxe Pupillenreaction
zu geben, ist bisher absolut nicht mögUch. Mancherlei
Fehlerquellen bei der Prüfung können natürlich auch hier
zu einer irrigen Deutung Veranlassung geben, wenn ge-
wisse Mitbewegungen der Iris z. B. beim Uebergang von
Convergenz zu Divergenz-Stellung der Augen, beim Nach-
lass der Accomjnodation u. s. w. fälschhcher Weise mit
dem Lichteinfall in Zusammenhang gebracht werden.
Was zum Schluss die Frage anlangt, ob syphilitische
Infection zu dem Symptom der typischen reflectorischen
Pupillenstarre auf Licht mit erhaltener Convergenz-Reaction
Untereuchangen über die bei der Syphilis etc. II. QQ
und erhaltener Accommodation führen kann, ohne dass
complicirende Erscheinungen spinaler oder cerebraler Natur
eintreten, so glaube ich, ist ein solches Vorkommen nicht
ganz ausgeschlossen, aber als ein sehr seltenes anzusehen.
Granz vereinzelte derartige Fälle habe ich im Laufe der
Zeit selbst beobachtet und auch zum Theil erwähnt (1. c).
Es sind solche Mittheilungen auch schon von anderer Seite
ganz selten gemacht worden: Erb (Universitäts-Programm-
Bede, Leipzig 1880), Stolzenburg („Ein Beitrag zur Lehre
von der reflectorischen Pupillenstarre und der spinalen
Myose mit besonderer Rücksicht auf Lues". Inaug.-Dissert.
München 1883) u. A., aber z. B. die 4 Fälle des letzteren
Autors sind nicht alle als einwandsfrei in dieser Hinsicht
zu betrachten; in dem einen fand sich die Complication
mit einseitiger Opticus- Atrophie, in einem andern mit Läh-
mung der innem Augenmuskulatur und 1 Fall wurde nur
Imal beobachtet, bei 2 andern erstreckte sich die weitere
Controle der Patienten auch auf nicht länger als 2 Jahre,
ein Zeitraum, der noch nicht als hinreichend lange be-
zeichnet werden darf, um nachfolgende weitere Erschei-
nungen spinaler oder cerebraler Natur mit Sicherheit aus-
zuschliessen.
9) Schlussbemerkungen.
Ln Verlaufe der bisherigen Auseinandersetzungen bin
ich nicht auf die Complicationen der Sehnerv- Affectionen
mit gleichzeitigen Erkrankungen anderer Himnen'^en bei
Himsyphilis eingegangen. Ich glaube aber, dass es auch
nach den bisher mitgetheilten Daten über die Complica-
tionen der motorischen und sensiblen Augennerven-
I^hmungen schon möglich ist, sich ein ungefähres Bild zu
machen, wie sich bei vorhandener Sehnervenbahnen -Er-
krankung in Folge von Himsyphilis die Combination mit
gleichzeitigen Lähmungen im Bereich der übrigen vordem
Himnerven stellte. Hervorheben will ich nur an dieser
100 W. Uhthofif.
Stelle noch; dass die optischen Leitungsbahnen relativ
häufiger allein von allen Himnerren befallen waren als
die motorischen und sensiblen Nerven der Augen.
Bei unserer Untersuchungsreihe von 100 Fallen war
der Opticus resp. die optischen Leitungsbahnen im Ganzen
20 mal allein von allen Himnerven beÜEÜlen und zwar 4 mal
unter dem Bilde der doppelseitigen typischen Stauungs-
papille, 8 mal unter dem Bilde der Neuritis optica resp.
der neuritischen Sehnerven -Atrophie (6 mal doppelseitig,
2 mal einseitig), 4 mal als homonyme Hemianopsie, 2 mal
als temporale Hemianopsie, 1 mal als einfache atrophische
Verfärbung der Papillen. Und was die Diagnose des cere-
bralen Processes in diesen 20 Fällen anbetrifft, so musste
dieselbe 11 mal auf basale Hirnlues, Imal auf Arach-
nitis gummosa der Convexität und 8 mal auf intracraniellen
syphilitischen Process mit nicht genau bestimmbaren Sitz
gestellt werden. Am häufigsten war also unter diesen
isolirten Opticus-Affectionen die doppelseitige Entzündung
der Papillen (Stauungspapillen und Neuritis optica) ver-
treten und in zweiter Linie die Hemianopsie. Es bleibt
jedenfalls besonders hervorzuheben, dass auch bei der ba-
salen Himlues in nicht ganz seltenen Fällen der Opticus
der einzigste afficirte Himnerv sein kann, was bei den
Affectionen der übrigen Augennerven viel seltener der Fall
war. Es erhellt hieraus noch einmal so recht die wich-
tige diagnostische Bedeutung der Opticus- Affection bei der
Himsyphilis. Bei den 150 aus der Literatur gesam-
melten Sectionsfällen gestalten sich in Bezug auf das
isolirte Ergriffensein der optischen Leitungsbahnen resp.
der Optici die Verhältnisse ähnUch und zwar folgender-
massen:
1) Stauungspapillen 7 mal
(6 mal doppelseitig, Imal einseitig).
Summa 7 mal
Untersuchangen über die bei der Syphilis etc. IL 101
Transport 7 mal
2) Neuritis optica resp. neuritische Opticus-
Atrophie 9 mal
(stets doppelseitig).
3) Atrophia nervi optici 5 mal
(stets d(^pel8eitig).
4) Gummöse Degeneration der Optici (primär
o<L durch Uebergreifen aus der Nachbarschaft) 6 mal
(der ophthalmoskopische Befund hier häufig
nicht angegeben).
5) Chiasma-Erkrankung 3 mal
6) Homonyme Hemianopsie Imal
7) Druck auf die Optici durch einen Abscess 1 mal
Summa 32 mal
Die Natur und der Sitz des cerebralen Processes waren
hierbei folgende:
1) Basale Hirnlues 12 mal
2) Gummöse Tumoren 9 mal
(nicht an der Basis, sondern in andern
Gehimtheilen).
3) Erweichung u. Gefässerkrankung . . . 3 mal
4) Abscess-Bildung Imal
Erkrankung der Schädel-Knochen . . . 4mal
(Periostitis, Hyperostosis, Caries).
5) Lues cerebrospinalis 3 mal
Summa 32 mal
Viel seltener war auch hier die Affection eines der
andern Himnerven eine isolirte.
Es schliesst sich hieran noch die Frage, wie häufig
kommen denn ungefähr die PäUe von Himsyphihs vor,
welche gar keine Augenstörungen zeigen. Zur Beantwortung
dieser Frage kann uns naturgemäss nur das in der Charit^
und den Krankenhäusern gesammelte Material unserer Be-
102 W. ühthoff.
obachtungsreihe dienen, da das in der Schoeler'schen
Augenklinik gesammelte naturgemäss fast regelmässig mit
Augenveränderungen complicirt war. Es zeigte sich unter
Berücksichtung dieser Momente, dass in ungefähr nur 15 ^/^
der Fälle von HimsyphiUs alle Augenstörungen fehlten,
eine Thatsache, die schon für sich allein die grosse dia-
gnostische Bedeutung der Augenstörungen bei Himsyphilis
demonstrirt.
Es dürfte femer noch eine kurze Erörterung darüber
geboten sein, wie oft denn ungefähr die hereditäre Syphilis
im Verhältniss zur acquirirten das ätiologische Moment für
die Erkrankung des Central-Nervensystems mit den davon
abhängigen Augenstörungen bot In unserer Beobachtungs-
reihe von 100 Fällen sind 2 auf Grundlage von hereditärer
Lues, bei den 150 aus der Literatur gesammelten finden
sich schon 6 (Engelstedt, Chiari, v. Graefe, Jürgens,
Judson Bury, Gajkiewicz), in allen 8 Fällen handelte
es sich um Kinder nicht über 12 Jahre alt. Die Form
der Erkrankungen des Central-Nervensystems unterschied
sich nicht von denen nach acquirirter Lues, etwas auffallend
erscheint bei der cerebrospinalen Syphilis nach Lues here-
ditaria, besonders auch unter Berücksichtigung der in der
Literatur vorhegenden ziemhch zahlreichen kUnischen Mit-
theilungen, das relativ häufigere Vorkommen von Verände-
rungen des Bidbus selbst (Litis, Iridochorioiditis, Chorioidi-
tis, Keratitis parenchymatosa u. s. w.). Im Ganzen gewinnt
man bei einem genauem Studium der Literatur dieses
Gegenstandes die Ueberzeugung, dass Lues congenita doch
häufiger die Gmndlage einer Affection des Central-Nerven-
systems und davon abhängiger Augenstömngen abgiebt, als
man bisher geneigt war anzunehmen. Wenn Chiari in
seiner Mittheilung 1881 (1. c.) noch hervorhob, dass die
einzigsten bisher beschriebenen Beobachtungen von luetischer
Erkrankung bei Lues hereditaria die von Dowse bei
einem 12 jährigen Mädchen, und ein nicht ganz zweifelloser
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 103
Fall Yon Hedenius bei einem 22jähr. Mädchen (Schmidt,
Jahrb. Bd. 169 p. 35) seien, so war das allerdings schon
zu jener Zeit nicht mehr ganz zutreffend, wie unsere Zu-
sammenstellungen gezeigt haben, aber es beweist immer
eine solche Aeusserung, wie wenig Gewicht noch zu jener
Zeit der Lues hereditaria als ätiologisches Moment für
syphilitische Erkrankungen des Central-Nervensystems bei-
gelegt wurde. Seit jener Zeit sind allerdings eine ganze
Beihe einschlägiger Mittheilungen gemacht worden mit und
ohne Sectionsbefund; die ersteren habe ich schon erwähnt,
die letzteren betrafen Beobachtungen von Nettleship
(Transact of path. Societ. of London, X^XII, 1881),
Mackenzie (New York. med. Joum., 31. May 1884),
Thiersch (Münch. med. Wochenschr. No. 24 u. 25, 1887),
Hirschberg (Centralbl. f. pract Augenhk., 1886, p. 100),
Lawford (Ophtalm. Rewiew., 1890, p. 97), Lepine (Mer-
credi medic. No. 17, p. 197, 1890), Strümpell (Neurolog.
Centralbl. No. 5, 1888), Hadden (Brit med. Joum., 1892,
26. No, p. 1164) u. A.
Besonders hervorzuheben aber ist in dieser Hinsicht
die Arbeit von Judson Bury (1. c), welche sich ausführ-
lich mit dem Einfluss der hereditären Syphilis auf das
Nervensystem, ihre Beziehungen zur Idiotie u. s. w. be-
schäftigt, es wird eine Reihe eigner Beobachtungen mitge-
theilt und femer auf die zahlreichen einschlägigen Beob-
tungen von Critchett, Hutchinson, Zambaco, Grie-
singer, Mendel, Hughlings Jackson, Rosen, Engel-
berg, Haase, Baerensprung, Virchow, de Meric
n. A. verwiesen. Es ist mir leider nicht möglich auf die
interessante Arbeit hier genauer einzugehen, aber gerade
auf das relativ häufige Vorkommen peripherer Bulbus- Ver-
änderungen (Keratitis, Iritis, Chorioiditis u. s. w.) ist hier
ganz besonders hingewiesen. Einige Autoren gehen viel-
leicht zu weit, wenn .sie Fälle im Lebensalter von 25 Jahren
und darüber noch der Lues congenita zuschreiben, aber es
104 W. ühthoff.
ist auch meine XJeberzeugung, dass Lues congenita doch
gelegentlich noch bis zum Anfang der 20 er Lebensjahre
zu Erkrankung des Central-Nervensystems mit secundären
Augenveränderungen Anlass geben kann.
Als relativ selten muss bei unsem 100 Fällen die
Combination von ausgesprochen tabischen Erscheinungen
mit den Veränderungen der eigentlichen Syphilis des Cen-
tralnervensystems bezeichnet werden 4 mal (Fall XVIII,
XXI, XXVIII und bei einem 8jährigen Kinde mit Lues
congenita). In dem ersten Fall folgten die tabischen Er-
scheinungen ausgesprochen cerebralen mit Stauungspapillen
später nach, in den andern waren sie gleichzeitig mit den
cerebralen vorhanden. Auch bei den 150 gesammelten
Sectionsfällen von Himsyphilis aus der Literatur ist die
Combination von eigentlich tabischen Bückenmarksver-
änderungen mit Hirn- und Rückenmarkssyphilis im gewöhn-
lichen Sinne vorhanden (Eisenlohr, Dejerine et Dar-
kiewitsch, Bosenthal), und eine ganze Beihe weiterer
einschlägiger Mittheilungen in der Literatur weisen gerade
in neuester Zeit auf diese Combination hin (Erb, Oppen-
heim, Hoffman, Pusinelli, Reumont, Marinesco,
Minor, Eisenlohr, Dinkler u. A.) Ganz vereinzelt ist
in imsem Fällen von eigentUcher HimsyphiUs auch das
Vorkommen von reiner Kematrophie einzelner Himnerven
constatirt worden, wie bei Tabes, ein Umstand auf den
schon Oppenheim u. A. hingewiesen haben. Es ist dem-
nach sehr wohl möghch, dass sich gelegentlich Himsyphilis
mit Veränderungen im Bereich der Augennerven compli-
cirt, wie sie bei Tabes vorkommen, oder dass umgekehrt
bei Tabes gelegentlich einmal Augennervenveränderungen
durch die CompUcation mit syphilitischen Himprocessen ent-
stehen. Es kann dies auch unter Umständen intra vitam
sehr schwer differentiell diagnostisch festzustellen sein, jeden-
falls aber sind wir bei dem jetzigen Stande der Frage noch
nicht berechtigt, die voiicommenden Sehnervenveränderungen
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 105
bei Tabes alle als tabische Sehnervenatrophie im eigentlichen
Sinne zu bezeichnen. Ich kann demnach auch Samelsohn
nicht bdpäichten^ wenn er („lieber Amblyopia peripherica"
Beiidit der Heidelberg. Ophthalmol. Gesellsch. 1892) 2 ver-
schiedene Formen der tabischen Sehnervenatrophie aufstellt.
Tabes oder tabische Erscheinungen können sich wohl ge-
legentlich compUciren mit einer Opticus- Atrophie aus retro-
bttlbämeuritischer oder neuritischer Ursache, welche eine
bessere Prognose imd andere ophthalmoskopische Zeichen
bietet, als die gewöhnUche progressive Sehnervenatrophie,
aber das ist dann als eine Complication der Tabes mit
Erscheinungen, wie sie der Himsyphibs zukommen, anzu-
sehen, und es dürften weitere Veränderungen der cerebro-
spinalen Lues wohl kaum jemals fehlen in solchen Fällen,
wie z. B. in unserm Fall XXI, wo die Form der Gesichts-
feldanomalie, das ophthalmoskopische Verhalten u. s. w.
direct auf einen basalen syphiUtischen Process des Tractus
imd des Chiasma hindeuten, also sicher keine eigentliche
tabische Sehnervenatrophie darstellen, trotzdem ophthalmo-
skopisch das Bild der einfachen Atrophie der Papillen vor-
handen war. Ich glaube wir haben alle Ursache an der
Auffassung der progressiven tabischen Sehnervenatrophie
als eines einheitlichen Begriflfes im Sinne Leber 's festzu-
halten. Intra vitam kann sicherlich die Differentialdiagnose
dieser beiden Formen der Opticus-Affection gelegentlich
grosse Schwierigkeiten machen. Uebrigens ist im Ganzen
das Vorkommen einer neuritischen Sehnervenatrophie even-
tuell mit anderen Erscheinungen cerebraler oder spinaler
Lues bei Tabes als sehr selten anzusehen.
Dass eine isolirte Bückenmarkslues gelegentlich ein-
mal zu Augenerscheinungen fuhrt, ohne dass sonstige weitere
intracranielle syphilitische Veränderungen nachweisbar zu
sein braudien, steht fest, ist jedoch als sehr selten zu be-
tiaditen. Bei unserer Untersuchungsreihe würde hier eigent-
lich nur Fall XVII in Betracht kommen und bei den
106 W. ühthoff.
150 Sectionsfällen aus der Literatur die Fälle von Knapp
(1. c.) und Fr. Schultze (Arch. £ Psych, u. Nervenkr.
Vm 1878, p. 222). Dagegen ist natürlich die Complication
der Himsyphilis mit spinalen Veränderungen und gleich-
zeitigen Augenerscheinungen nicht als selten anzusehen.
Aehnlich wie mit den tabischen Erscheinungen bei der
eigentlichen Syphilis des Centralnervensystems verhält es
sich auch mit der nucleären Augenmuskellähmung der
Ophthalmoplegia externa und interna, sei es, dass sie iso-
liert, sei es, dass sie complicirt mit den Symptomen der
Tabes, der progressiven Paralyse u. s. w. oder als deren
Vorläufer auftreten. Sowie bei der Tabes und zuletzt auch
bei der progressiven Paralyse sich allmähUch immer mehr
die Ueberzeugung Bahn gebrochen hat (Fournier, Erb,
Mendel u. A.), dass die Krankheitserscheinungen in vielen
Fällen auf degenerativen Veränderungen des Nen'ensystems
in Folge von Syphiüs beruhen, ähnhch wird in jüngster
Zeit auch für die nucleäre Augenmuskellähmung ein sol-
ches Verhalten mehr und mehr betont (Hutchinson,
Gowers u. A.) und thatsächhch combinirt sich ja rela-
tiv häufig die nucleäre Augenmuskellähmung mit Tabes
und Paralyse zu einem gemeinsamen Krankheitsbilde. Wenn
wir zur Zeit allerdings noch ledighch nach den Sta-
tistiken über nucleäre Augenmuskellähmungen gehen, so
ergeben diese bisher vielfach noch keine sehr significanten
Daten für einen sehr häufigen syphilitischen Ursprung
(Dufour c. 8 %j Siemerling c. 29 % u. A.). Wie dem
jedoch auch sei, so erscheint es mir doch sehr wohl mögUch,
dass sich im Verlaufe weiterer Untersuchungen beweisendere
Anhaltspunkte ergeben, jedenfalls aber sind auch diese Er-
scheinungen als einfach degenerative Veränderungen ,der
Nerven und Nervenkeme aufeufassen und als etwas Ande-
res anzusehen, als die eigentUchen syphiUtischen Ver-
änderungen des Centralnervensystems, die den Gegenstand
unserer Untersuchungen gebildet haben. Wir haben ge-
Untersuchungen über die bei der Syphilis etc. II. 107
sehen, wie relativ selten sich bei unserer üntersuchungs-
leihe die primären Kemdegenerationen der Augennerven
mit den peripheren secundären Veränderungen combinirten,
wie sie die Regel bei der eigentlichen Syphilis des Central-
nerrensystems sind. Die Enstehungsweise der einüachen
primär auftretenden degenerativen Veränderungen nach Syphi-
lis, wie sie bei Tabes, Paralyse, Nucleär-Lähmung der Augen-
muskeln u. 8. w. in die Erscheinung treten, ist noch nicht
als klargestellt anzusehen, so ansprechend auch die ver-
schiedenen Erklärungsversuche (Strümpell, Gowers,
Tnczek u. A.) sind, welche namentlich die degenerativen
Vorgänge mit andern nach Intoidcationen (Diphterie, In-
fluenza, Ergotismus, Pellagra u. s. w.) vorkommenden Ent-
artungen des Nervensystems in Pai*allele setzen.
Hiermit will ich meine Ausfuhrungen schliessen; manche
Fragen von speciell neuropathologischem Charakter fordern
wohl noch zu einer vergleichenden Besprechung mit den
im Bereich der Augensphäre constatirten Thatsachen auf,
aber es würde zu weit führen, zumal der für eine Arbeit
in diesem Archiv verfugbare Raum schon erheblich über-
schritten ist, wie ich mir selbst sagen muss, und wie mir
auch schon die Redaction des Archiv 's mit mahnenden
Worten angedeutet hat Es dürfte auch besser sein, com-
petenteren Beurtheilem neuropathologischer Fragen es zu
überlassen, die gegebenen Daten über Augenveränderungen
bei Himsyphilis mit den übrigen Erscheinungen dieses viel-
gestaltigen Krankheitsbildes zu vergleichen, sie mit Rück-
sicht auf die übrigen Symptome des Weitem zu verwerthen
und sie ihrer diagnostischen Bedeutung nach einzuordnen.
Vor Allem liegt unsere Aufgabe zunächst noch darin, die
Diagnostik auf diesem Krankheitsgebiete zu fordern. Es
ist mein Bestreben gewesen, in dieser Hinsicht einen,
wenn auch nur bescheidenen, Beitrag zu liefern, und möge
es der Leser dem Verfasser freundlichst nachsehen, wenn er in
dem aufrichtigen Bestreben, nach besten Kräften die Dia-
108 W. ühthoff.
gnostik auf dem Gebiete der Syphilis des Centraineryen-
Systems zu erweitem, über die im Verlaufe langer Jahre
beobachteten Thatsachen eingehend, ja zum Theil vielleicht
fiir den Leser etwas zu eingehend, für die Sache aber jeden-
falls kaum ausführlich genug, berichtet hat
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Ueber Siderosis Bnlbi
und die Beziehnngen zwischen siderotischer
nnd hamatogener Pigmentirnng.
Von
Dr. E. V. Hippel,
PriTatdocenten und erstem Assistenten an der Universitäts- Augenklinik
zu Heidelberg.
Auf dem internationalen medicinischen Congress zu
Berlin im Jahre 1890 hielt Bunge ^) einen Vortrag über
„Siderosis Bulbi", in welchem er auf Grund eigener klini-
scher Beobachtungen und der anatomischen Untersuchung
eines Bulbus, der durch Braunfärbung der Cornea und Iris
schon intra vitam aufgefallen war und einen intraocularen
Fremdkörper aus Eisen hatte annehmen lassen, seine An-
sichten über die Art der Verbreitung des Eisens im Auge
entwickelte. Im Wesentlichen schliesst er sich der Auf-
fassimg an, die Leber*) über die Verbreitung des Eisens
ausgesprochen hat: danach wird das Eisen durch die Kohlen-
säure der Gewebe gelöst, die Lösung difiFundirt als doppelt-
kohlensaures Eisenoxydul und wird durch den von den Ar-
terien zugeführten Sauerstoff in unlöslicher Form nieder-
geschlagen.
^) Bunge, lieber Siderosis Bulbi. Verhandl. d. intemat. med.
Congresses zu Berlin 1890, Bd. III.
*) Tb. Leber, Transactoftheintemat med. Congress. Lond.1881.
124 E- V- Hippel.
Bis dahin hatte besonders die Bostfärbung der linse
die Aufinerksamkeit der Ophthalmologen auf sich gelenkt,
aus der man mit Sicherheit das Vorhandensein eines Fremd-
körpers aus Eisen im Auge, meist in der linse selber,
diagnostizirte, dabei war auch die Braunfärbung der Iris
beim Verweilen eines Eisensplitters im Auge öfters erwähnt
worden. Für die linse war auch der mikrochemische Nach-
weis erbracht, dass die Färbung auf der Einlagerung von
Eisenoxydsalzen beruht, für die Iris fehlte derselbe noch.
Bunge theilte nun 3 Beobachtungen von Siderosis cor-
neae mit. Die erste betriffl; einen Patienten, in dessen
Hornhaut ein Eisensplitter längere Zeit in den tiefsten
Schichten verweilt und eine Braunfärbung der Membran
in ziemlich weiter Ausdehnung herbeigeführt hatte. Diese
„unmittelbare^^ Siderosis ist ein hoher Grad der Bostimpräg-
nation, wie man sie oft genug in der Umgebung sogenannter
Stahlfunken, die nicht bald entfernt werden, beobachten
kann.
Viel interessanter ist der zweite Fall, der eine „mittel-
bai-e" Siderosis darstellt Die Iris ist braun, ein Fremd-
körperkanal von der Hornhaut durch die linse nachweisbar.
Unter den Augen des Beobachters trat eine allmähliche
dunkelbraune Färbung der Hornhaut ein. Intraoculare
Blutungen hatten niemals stattgefunden, der Blutfarbstoff
konnte deshalb bei der Entstehung dieser Färbung keine
Rolle spielen. Eine Vascularisation der Cornea wird in
diesen beiden Fällen nicht erwähnt, eben so wenig in dem
folgenden, der anatomisch untersucht wurde. Der Fremd-
körper sass hier an der nasalen Ora serrata. In der Cor-
nea waren braune Kömchen üi den Homhautkörperchen
abgelagert, rostfarbene Massen fanden sich femer in der
Umgebung des Fremdkörpers, in dem Maschenwerk des
lig. pectinatum, an der Innenfläche des Ciliarmuskels und
in der Betina. Die vordersten Gewebsschichten der Iris
waren imprägnirt sowie eine subcapsuläre Schicht der kata-
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. X25
nktöfien Idnse. Ob sich die EisenabBcheidungen frei oder
an Zellen gebunden vorfanden, ist nicht erwähnt Die
Netzhaut, wdche nicht abgelöst war, zeigte totale Degene-
ration. Eine besondere Bolle für die Eisenausscheidung
sdbien das Gefäss-Sjstem der Eetina zu spielen, da Stücke
der Membran, welche in FerrocyankaUum-Lösung und Salz-
säure gebracht wurd^i, eine intensive Blaufärbung des
ganzen retinalen Gefäss- Systems ergaben. Der mikros-
kc^usche Befund an diesen Gefässen ist nicht mitgetheilt
Das mikroskopische Bild der Cornea dieses Auges und
eines anderen, an welchem die Orangefärbung der Cornea
hämatogenen Ursprungs war, zeigte keinerlei Verschieden-
heit Mikrochemisch war ein Unterschied nur insofern
nachweisbar, als öprocentige Salzsäure die braune Masse
aus dem siderotischen Auge vollkommen, aus dem häma-
togen pigmentirten fast gar nicht merkUch entfernte. Die
Per Is 'sehe Beaction (PerrocyankaHum- Salzsäure) fiel an
beiden Augen negativ, die Quincke'sche (Schwefelammo-
oium) i)08itiv aus. Der siderotische Bulbus hatte lange
Zeit in Müller 'scher Flüssigkeit gelegen.
Ich habe die Besultate der Bunge 'sehen Arbeit so
ausfuhrlich wiedergegeben, weil sie meines Wissens, abge-
sehen von den Arbeiten über die Verbreitung des Eisens
in der linse, die einzige ist, welche auf anatomisches Ma-
terial gestützt die Ausbreitung des Eisens im Auge über-
haupt zu erforschen sucht Auch den recht bezeichnenden
Ausdruck „Siderosis Bulbi'^ scheint Bunge zuerst gebraucht
zu haben.
In den Experimenten*) Leb er 's, der Fremdkörper aus
Eisen in die verschiedenen Teile des Kaninchenauges ein-
führte, handelte es sich wesentlich um die entzündunger-
regende Wirkung derselben, doch wurde auch der Ver-
breitung des Eisens Beachtung geschenkt
^) Leber, Entzündung.
126 E. ▼• Hippel.
Yarsache über die Ansbfeitaiig des in die Linse ein-
geführten Eisens mit nachheriger anatomischer üntersn-
chnng stellte Aasin ^) an. Auf seine Arbeit komme ich
spater noch genauer znrack.
Hirschberg *) föhrt folgende YeriLnderangen an, die
er ca. 2 Vi Jahre nach dem Eindringen eines Eisensplitters
in die Netzhaut klinisch beobachtete und als Yerrostung
aufEEisste: 1) Die durchsichtig erscheinende Hornhaut ist
an der Hinterfläche mit gelbUchen Punktchen besetzt.
2) Die Iris wird schmutzig braun. 3) Einzelne Yerwach-
sungen der Iris und Linsenkapsel sind ockergelb. 4) Ocker-
gelbe Flecke liegen auch bei unverletzter Kaspel in der Linse.
Die Bunge'schen Befunde der „mittelbaren^^ Siderosis
corneae stellen jedenfsüls eine sehr seltene Complication
Yon Eisensplitter- Yerletzungen dar; ich habe in der Literatur
yergebUch nach analogen Mittheilungen gesucht mit Aus-
nahme des später ausfuhrlich zu schildernden Falles
Albrecht, der von Leber *) in seinem Yortrage verwerthet,
von Landmann ^) schon beschrieben wurde. Die Pigmen-
tirung der Cornea wurde allerdings vom Blutfeu'bstoff her-
geleitet In Hirschberg 's Monographie^), sowie seiner
Arbeit über die Ergebnisse der Magnetoperation in v.
Graefe's Archiv, die doch eine grosse Anzahl sehr ge-
nauer Krankengeschichten enthalten, ist nirgends eine
Bräunung der Cornea erwähnt Auch sonst konnte ich in
den vielen casuistischen Mittheilungen über Eisensplitter-
Yerletzungen nichts derartiges finden. Es muss also ent-
schieden von bisher nicht näher gekannten selten voriian-
denen Bedingungen abhängen, dass diese Bostfarbung ein-
tritt Häufiger schon ist die Verfärbung einer bis dahin
*) Ausin, Das Eisen in der Linse. Inaug.-Diss., Dorpat 1891.
■) V. Graefe's Archiv, Bd. XXXVI., 3.
•) 1. c.
*) V. Graefe's Archiv, Bd. XXVUI, 2.
^) Der Electromagnet in der Augenheilkunde. Leipzig 1885.
Ueber Siderosis Bnlbi und die Beziehungen etc. 127
grauen oder blauen Iris; dieselbe kann alle Farben-
Nuancen vom grünlichen, grüngelblichen bis zum dunkel-
braunen annehmen. Dieselben Farbentöne wurden auch
an Linsen, die einen Eisensplitter bergen, beobachtet
Bei der Seltenheit der mittelbaren Siderosis corneae
ist jeder genauer, namentlich anatomisch untersuchter Fall
von Werth. Ein Auge, dass einen Fremdkörper aus Eisen
in den Falten der Zonula enthielt, dessen Cornea intra
vitam eine intensiv braune Färbung dargeboten hatte,
be&nd sich seit vielen Jahren im Besitz von Herrn Pro-
fessor Leber. Dasselbe ist in der Arbeit Landmann's
beschrieben (Fall Albrecht); die braimen Kömchen in der
Hornhaut wurden damals für Hämatoidin gehalten.
Mit Sücksicht auf die Bunge 'sehen Beftinde schien
eine nochmahge besonders nukrochemische Untersuchung
dieses Auges, das auch in seinen übrigen Theilen eine
enorme Ausbreitung von braunem Kgment zeigte, entschie-
den von Interesse.
Die Resultate, die ich dabei über die Verbreitung des
Eisens bekam, waren so auffallend, dass es geboten schien,
eine grössere Anzahl von Augen, die einen Fremdkörper
aus Eisen enthielten, anatomisch und besonders mikroche-
misch zu imtersuchen. Hierbei stellten sich wieder so eigen-
thümUche Beziehungen zwischen direct vom Fremdkörper
stammender und hämatogener Eisenpigmentirung heraus,
dass die Untersuchung einer Anzahl menscldicher Bulbi,
in welchen stumpfe oder penetrirende Verletzungen grössere
Blutongen erzeugt hatten, angeschlossen wurde.
Endlich schien es nothwendig, um genaue Aufschlüsse
über die Beziehung beider Arten der Pigmentirung unter
verhältnissmässig einfachen Bedingungen zu gewinnen, die
Frage experimentell in Angriff zu nehmen.
Es wurden folgende' Versuchsreihen angestellt: 1) Ein-
lührung eines Fremdkörpers aus Eisen in die vodere
Kammer. (14 Versuche.) 2) Blutinjection in die vordere
128 E. V. Hippel.
Kammer. (6 Versuche.) 3) Einführung eines Fremdkörpers
aus Eisen in die linse. (7 Versuche.) 4) Einfuhrung eines
Fremdköipers aus Eisen in den Glaskörper. (7 Versuche.)
5) Blutinjection in den Glaskörper (6 Versuche.)
Diese sämmtlichen Versuchsaugen, im Ganzen 40,
wurden ebenfalls genau anatomisch und mikrochemisch
studirt lieber die Ergebnisse dieser Untersuchungen soll
im Folgenden berichtet werden.
Die Technik sei noch mit einigen Worten berührt
Die Härtung wurde mit Ausnahme weniger Versuchsaugen
in Müller 'scher Flüssigkeit bewirkt, die Nachhärtung in
Alkohol. Eingebettet wurden die Augen ausschliessUch in
Celloidin. Als Färbeflüssigkeit wurde Hämatoxylin-Eosin
benutzt, zur mikrochemischen Untersuchung das Ferro-
cyankalium- Salzsäure -Gemisch, meist mit nachfolgender
Färbung in Alauncarmin. Die Perls'sche Reaction wird
von Vossius*) für Präparate, die in Müller'scher Flüssig-
keit gehärtet sind, als unzuverlässig bezeichnet, da die Blau-
färbung entweder sehr verzögert oder gar nicht zu Stande
komme, und nur die Quincke 'sehe Reaction mit Schwefel-
ammonium wird für beweisend gehalten. Quincke') sagt
nun von seiner Reaction, dass sie nach Härtung der Prä-
parate in chromsaurem Kali wenig oder gar nicht hervor-
trete. Daraus geht wohl hervor, dass die Müller 'sehe
Lösung das Eintreten beider Reactionen verzögert Mit
der Perls 'sehen Reaction habe ich im Gegensatz zu
Vossius immer nur sehr befriedigende Resultate erhalten.
Chemisch ist auch nicht recht einzusehen, warum das Eisen,
wenn es in einer Form enthalten ist, in der es auf Schwe-
felammonium reagirt, nicht auch mit FerrocyankaUum und
*) YoBsius, Mikrochemische Untersuchungen etc. v. Graefe^s
Archiv XXXI., 2. Ders., lieber die eigenthümlich grünliche Ver-
färbung etc. V. Graefe's Archiv XXXV, 2.
*) Quincke. Zur Pathologie des Blutes. Deutsches Archir f.
klin. Med., Bd. XXVU.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 129
Säure reagiren sollte und umgekehrt In meinen sämmt-
liehen Fällen, die 15 menschliche und 40 Yersuchsaugen
betreffen, die fast alle in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet
sind, zum Theil sehr lange, mehr als 10 Jahre darin ver-
weilt haben, ist die Reaction in schönster Weise zu Stande
gekonunen. Dass sie langsam eintritt, kann auch ich be-
stätigen. Ich habe von einer 10% FerrocyankaUum-Lö-
sung und chemisch reiner Salzsäure ungefähr gleiche
Mengen zusammengegossen, dann mit destillirtem Wasser
ziemlich stark verdünnt, und die Schnitte in dieser Mischung
meistens von einem Nachmittag oder Abend bis zum näch-
sten Morgen liegen lassen. Dann werden die Schnitte
sorgfältig ausgewässert (nicht in destillirtem Wasser, da
dieses das BerUnerblau langsam löst) und entweder ohne
Nachfärbung oder nach Behandlung mit Alauncarmin in
gewöhnlicher Weise in Canadabalsam eingeschlossen. Die
Reaction ist, wo sie positiv ausfällt, so scharf und exact,
dass irgend welche Zufälligkeiten bei ihrem Zustande-
kommen gar keine Rolle spielen können. Zur ControUe
habe ich noch in den Fällen Albrecht, Fritz, Blömer,
sowie in Versuch 13 imd 23 die Schwefelammonium-Re-
action angewandt und genau die gleichen Resultate erhalten
wie mit der Perls'schen Reaction, mich aber zugleich über-
zeugt, dass die letztere für meine Zwecke viel leistungs-
fähiger ist, da stellenweise die in Betracht kommenden
Pigmente schon grünlich-schwarz aussehen, so dass eine
schwache Reaction leicht übersehen werden konnte, während
das BerUner Blau sich auch bei matter Farbenintensität
stets sehr deutlich bemerkbar macht
Im Folgenden möchte ich nun zunächst berichten
über meine anatomischen Untersuchungen von menschlichen
Augen, die wegen Verletzimg durch einen Fremdkörper
aus Eisen zur Enucleation gekommen waren. Wo mir
Notizen zu Gebote stehen, lasse ich eine kurze Kranken-
geschichte vorangehen. Beginnen möchte ich mit dem
V. Gnefe's AicIüt Ar Ophthalmologie. XL. 1. 9
130 E.V.Hippel.
Falle Albrecht, der den Anstoss zu diesen ganzen Un-
terBQchungen gegeben hat und in vieler Hinsicht besonders
interessant ist. Wie schon erwähnt, ist derselbe in Land-
mann's Arbeit verwerthet worden.
I. Theil: PathologiBOh-anatomiBche und kliniBOhe
Xlntersuchnngen.
Fall I.
Karl Albrecbt, Maschinenwärter, (aus der Göttinger Kli-
nik) 38 J. wurde im Sommer 1867 durch einen abgesprungenen
Stahlsplitter am linken Auge verletzt und 3 Wochen lang an
den Folgen dieser Verletzung auf der chirurgischen Abtheilung
des Ernst-August-Spitals in Göttingen behandelt Die Entzündung
ging durch Atropin und Eis zurück. Das Auge war auch hinter-
her frei von Entzündung und konnte Finger zählen. Im Jahre
1869 war das Auge durch Katarakta traumatica vollkommen
erblindet; bemerkt ist: kleine horizontale Homhautnarbe nach
aussen vom Centrum mit vorderer Synechie, Linse kataraktös,
etwas bräunlich gefärbt, mit einzelnen braunen Flecken auf
der Oberfläche, Lichtschein gut, niedrigste Lampe sicher, Be-
wegungen der Hand werden gesehen. Am 31. Januar 1872
stellte sich Patient wegen eines leichten Epithelverlustes am
anderen Auge wieder vor. Die Cornea des linken Auges bot
jetzt ein sehr eigenthümliches Aussehen dar, wie wenn ihre
ganze Hinterfläche von braunen, punktförmigen Beschlägen be-
deckt wäre, die Iris zeigte eine rostbraune Farbe. Gegen
Anfang 1874 bekam Patient eine frische Entzündung am lin-
ken Auge (angeblich in Folge von hineingespritztem Cloaken-
wasser), welche er s^bst mit Eis und zuletzt mit warmen Um-
schlägen behandelte. Als er sich am 13. Juni 1874 vorstellte,
hatten die oben erwähnten Veränderungen noch zugenommen,
die ganze Hornhaut war stark diffus, feinfleckig getrübt, von
braunrother Farbe, von oben her vascularisirt, kleines Hyphäma.
Pupille kaum sichtbar, durch Atropin miltelweit, nach der
Hornhautnarbe verzogen; tiefd Ii^ection, viele Schmenen.
Totale Amaurose. Enucleatio Bulbi mit normalem Heilungs-
verlauf.
Die anatomische Untersuchung des schon früher im hori-
zontalen Meridian halbirten Auges am 28. Oct. 1880 ergab
Folgendes:
Ueber Siderosis Balbi und die Beziehungen etc. 131
Nahe dem itsseren unteren Hornhaatrand «iae mehrere
Millimeter lange winklige Homhautnarbe. Pupille w€4t, Iris
zarflckgezogen, atrophisch. Linse vollst&ndig resorbirt. Totale
Netzhaatablösong; Netzhaut zu einem dünnen Strang zusammen-
geÜEÜtet, der sich vorne etwas trichterf5rmig erweitert und hier
nur noch einen sehr kleinen Rest der Glaskörperhöhle ein^
sehliesst. Letztere ist leer, war also TOiiier mit einer Flüssig-
keit g^ÜÜlt und nicht mit Glaskörpergewebe. Naofa vorne
sehliesst sich daran eine dünne Membran, vielleicht die zu-
sammengelegte Linsenkapsel. An den beiden Bulbushälften ist
auf dem Durchschnitt vom Fremdkörper nichts zu sehen. Die
(%oroidea ist im vorderen Abschnitt bis hinter den Aequator
durch eine dünne, gallertig geronnene Flüssigkeitssdiicht, von
der Sklera abgehoben und liegt erst hinter dem Aequator wieder
an, ohne merkliche Dickenzunahme. Die abgelöste Retina mit
der verdickten Zonula lässt sich ohne Mühe vom Corp. ciliare
abtrennen. Im letzteren ist ein Fremdkörper nicht zu fühlen,
wohl aber fühlt man einen harten Widerstand in der abge-
lösten Zonula. Der Ciliarkörper erscheint auf dem Durch-
schnitt verdickt und zwar auf der lateralen Seite mehr als auf
der medialen. Die untere Bulbusbftlfte wird nochmals halbirt
Am vorderen Theil zeigt sich, dass die hauptsächlichst ver-
dickte Parthie des Ciliarkörpers sich nach aussen unten be-
findet, entsprechend dem Sitze der vorderen Synediie. An
dieser Stelle findet sich nach einigem Suchen der Fremdkörper,
ein schwarz aussehendes dünnes Eisenpl&ttchen von ca. 3 mm
Länge und \ mm grösster Breite, dicht unter der Zonula,
an dem gefalteten Theil derselben, wo sie die Abdrtcke der
Giliarfortsätze trigt. Von seiner Oberfläche lässt ^ch leicht
etwas schwarzer Eisenrost abschaben, der mit Salpetersäure
ufid Kaliumeisencyanftr die bekannte blaue Färbung giebt.
In der Umgebung finden sich zusammengebackene Blutkörper,
ääe als solche ntobt mehr kenntlich sind; kein Eiter. Die
Gegend des Circulus venorus ciliaris erscheint nach Ablösung
der Iris und des Corp. ciliare von der Fläche her als bimune
Linie, offenbar durch Extravasat, nicht scharf begrenzt wie
von Geftseen. In der vorderen Kammer ein sehr unbedeu-
toades Hyphäma. Die Hintersette der Cornea erscheint glatt
und «vf der Descemet'schen Membran nicht aufgelagert. Das
höchst wnnderbar rothbraune Aussehen der Hornhaut während
des Lebens war somt nkht, wie vermuthet wurde, durch
hämerrbagiacbe Beschläge Mirer hinteren Fläche verursacht.
9*
132 E. V. Hippel.
Bis hierher habe ich den Befund nach der Land-
mann'sehen Arbeit wiedergegeben; es folgt dort noch eine
mikroscopische Beschreibung des Verhaltens der Hornhaut;
das vorgefundene Pigment wurde dort als Hämatoidin an-
gesprochen.
Von diesem Bulbus stand mir die ganze obere Hälfte
zur Verfugung imd diese wurde in Schnittserien nach
Celloidin-Einbettung imtersucht.
Die CoDJanctiva durchsetzen zahlreiche stark mit Blut
gefällte Gefässe, um dieselben finden sich Rnndzellen zum
Theil in Haufen angeordnet.
Das Epithel der Cornea zeigt wenig Veränderungen, Pig-
ment ist in demselben nicht mit Sicherheit nachweisbar, hier
und da liegt ein wohl hinübergewischtes Körnchen in den
tieferen Schichten. Dagegen trifft man in aUen Schichten des
Epithels Zellen von verschiedener Gestalt mit sehr dunkel ge-
erbtem, ziemlich kleinen Kern an. An einzelnen Stellen, wo
die Bowman'sche Membran in der gleich zu schildernden Weise
unterbrochen wird, ist die Epithelschicht gegenüber der Um-
gebung verdünnt und besteht aus wenigen Lagen. Die Bow-
man'sche Membran ist vielfach unterbrochen durch ein ge-
^ssreiches Bindegewebe, um die Gefässe finden sich massen-
haft feine Pigmentkörnchen, anscheinend an Zellen gebunden.
Die ganze Cornea ist durchsetzt von zahlreichen Gefässen,
deren Wandung aus einer einfachen Lage platter Zellen be-
steht; dieselben sind mit rothen und weissen Blutkörperchen
erfüllt. Ob Blutkörperchen frei im Gewebe liegen, ist nicht
mit voller Sicherheit zu erweisen, jedenfalls sind es nur äusserst
wenige. Auch um diese Gefässe ist massenhaft feinkörniges
Pigment angehäuft. An Flachschnitten tritt die perivasculäre
Anhäufung des Pigmentes mit grosser Schärfe hervor. Hier
lässt sich auch feststellen, dass mit Sicherheit der allergrösste
Theil des Pigmentes in Zellen mit vielfachen Ausläufern ge-
legen ist. Wo dieses sich nicht mit aller Gewissheit erweisen
lässt, ist es dagegen keineswegs ausgemacht, dass die Pigment-
körnchen frei und nicht in Zellausläufem liegen. Die Membr.
Descemeti ist wohl erhalten, das Endothel deutlich nachweis-
bar, in der Peripherie ist sie von der Cornea abgelöst und
zwar durch Zug von der Iris aus, mit welcher sie hier flächen-
haft verwachsen ist; der Raum zwischen der abgelösten Membr.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 133
Descemeti and der Cornea ist theilweise von Flüssigkeit, in
der rothe Blutkörperchen snspendirt sind, eingenommen, theils
von einem von der Cornea ausgehenden buckelartig hervor-
ragenden faserigen Bindegewebe. Der Kammerwinkel ist ver-
wachsen, die vordere Kammer gleichwohl durch Retraction der
Iris vertieft In der Kammer findet sich eine massige Menge
rother Blutkörperchen, zum Theil der Vorderfläche der Iris
aufgelagert. Um den Circulus ciliaris venosus liegen massen-
hafte Zellen, welche mit feineren und gröberen braungelben
bis schwarzbraunen Körnern erfüllt sind.
Die Iris ist auf der Yorderfläche von einer ziemlich dicken
Schicht eines derben faserigen Bindegewebes bedeckt, in wel-
chem längliche Kerne und Pigmentkörper liegen. In dem Stroma
der Iris ist eine enorme Masse brauner in Zellen einge-
schlossener Kugeln und Körner von der allerverschiedensten
Grösse eingelagert Die Hinterfläche der Iris ist mit den
Firsten der Ciliarfortsätze verwachsen, wodurch die Iris unge-
fiLbr in der Mitte eine Knickung erfahren hat, die Pigment-
schicht ist hier etwas abgehoben.
Der Ciliarkörper ist abgelöst, die Fasern des Muse, ci-
liaris sind verschmälert, das Bindegewebe vermehrt, man trifft
keine erhebliche Rundzellenanhäufung, Pigment findet sich nur
im vordersten Theile des Muskels. Im Inneren der Ciliar-
fortsätze kommen dagegen ziemlich viele pigmenthaltige Zellen
vor, ebenso zwischen den Falten der Ciliarfortsätze. Das Pig-
mentepithel der Ciliarfortsätze ist hellbraun gefärbt.
Von der Linse sowie deren Kapsel ist in dieser Bulbus-
hälfte keine Spur wahrzunehmen. Die Ciliarfortsätze bedeckt
ein derbes faseriges Bindegewebe, das weiter nach hinten dem
Orbiculus ciliaris aufliegt und mit der trichterförmig abgelösten
Netzhaut im Zusammenhang steht. Auch in diesem finden sich
sehr zahlreiche pigmentirte Zellen. Auf seiner Innenfläche liegt
eine Schicht rother Blutkörperchen. Die Netzhaut zeigt in ihrem
vordersten Abschnitt eine starke Wulstbildung, hervorgerufen
durch Wucherung des Stützgewebes. Innerhalb derselben findet
sich eine grössere Blutung; die Blutkörperchen sind zum Theil
zerfallen, färben sich indessen mit Eosin noch orangeroth,
innerhalb der Blutung sowie in dem umgebenden Gewebe liegen
massenhaft dunkelbraun pigmentirte Zellen.
Von den Elementen der Netzhaut ist die äussere Körner-
schicht wohl erhalten, ebenso fast überall die Membr. limitans
externa, stellenweise sind noch Reste von Stäbchen nachza-
134 E. V. Hippel.
weisen, fiinigermaassen deotlich ist mehrfaeh noch die innere
Körnerschifiht, die innersten Lagen der Membran werden ge-
bildet von einem derben faserigen Gewebe, das aus der sehr
stark bypertrophirten Stützsubstanz henrorgegangen ist. Hier
trifft man die Gefässe zum Theil mit hyalin degenerirter
Wandung. Sehr zahlreiche stark pigmentirte Zellen, die im
Wesentlichen um die Gefässe angeordnet sind, linden sich in
der ganzen Ketzhaut. Der Anssenfläche liegen rothe Blut-
körperchen in dünner Schicht an, ebenso finden sich solche
innerhalb des Netzhaut-Trichters, femer kommen hier blasse
kernlose mit Eosin rosa gefärbte Gebilde vor von der doppelten
und mehrfochen Grösse eines rothen Blutkörperchens.
Das Pigmentepithel haftet in toto der Choroidea an und
besteht ans einer einfachen Lage von Zellen. Die Aderhant
ist Tome von der Sclera abgelöst und legt sich erst wieder
in der Gegend des Aequators an. Die Choriocapillaris ist sehr
schmal, die gröberen Gefässe sind prall mit Ruudzellen er-
füllt. Pigmentkörner fehlen in der Gefässhaut. In dem Su-
prachorioidealraum liegt viel freies Blut. Die Blutkörper sind
zum Theil wohlerhalten, zum Theil ent&rbt, ferner kommen
dieselben blassen Engeln vor, wie in dem Netzhauttrichter,
endlich finden sich spärliche Zellen, welche ent&rbte Blut-
körperchen, sowie reichlicher solche, die braune Kömchen ein-
schliessen.
Die Sklera zeigt keine Besonderheiten.
Die Papille ist nach innen gezogen, der Sehnerv schmal,
atrophisch, bindegewebig degenerirt, von Nervenfasem kaum
etwas nachweisbar.
Legt man Schnitte dieses Auges in das Ferrocyankalium-
Salzsäuregemisch, so beginnt die Reaction erst nach Vs — ^
Stunde sich bemerkbar zu machen. Nach 12 Stunden ist die
Blaufärbung äusserst intensiv geworden.
Die Schnitte nehmen für das blosse Auge in grosser Aus-
dehnung die blaue Färbung an; am intensivsten ist dieselbe in
der Netzhaut, welche gleichmässig himmelblau gefärbt ist, fast
ebenso stark in der Iris, leicht diffus blau erscheint die Cornea,
Sklera, der Ciliarkörper.
Bei mikroskopischer Untersuchung zeigt sich, dass in dt.:
Retina die Blaufärbung theils diffos im Stützgewebe verbreitet,
theils an die mit braunen Kömchen gefüllten Zell^ gebunden
18t; eine nachträgfiche DiAision ins Gewebe ist ausgeschloasWy
dtoA die Farbe ist ganz scharf auf die Fasern der Stütasab-
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 135
stanz beschränkt, deren Zwischenräome frei erscheinen. Man
sieht sowohl die hypertrophirten Radiärfasern als fiächenartig
Yerlanfende Zflge der Faserschicht als aoch die reticulAre
Stfitzsubstanz selbst blao gefärbt. Die zahlreichen zerstreut
und in Haufen liegenden pigmentirten Zellen nehmen Blau-
firbung an, und zwar ist die Färbung theils diffus im Proto-
plasma verbreitet, theils tritt sie an kleinen und grösseren
Tröpfchen auf, bis zur Grösse eines rothen Blutkörperchens.
Vielfach ist mit Sicherheit festzustellen, dass innerhalb der
diffus blau gefärbten Zellen ein Theil der Körnchen seine ur-
sprflngliche braune Farbe beibehält
Das gleiche Verhalten zeigt das Pigmentepithel der Re-
tina, das eine intensiv blaue Färbung annimmt. Dieselbe ist
eben&Us diffus im Protoplasma ausgebreitet, dann kommen
aber in den Zellen blaue Körnchen nebea deutlich schwarz-
braunen vor.
Von dem Epithel der Ciliarfortsätze wird der grösste
Theil, der sich durch seine hellbraune Färbung ausgezeichnet
hatte, dunkelblau, der kleinere Theil sowie das Pigment-
epithel der Iris bleibt schwarzbraun mit einem bläulichen
Schimmer.
Die pigmentirten Zellen in der Iris, im Kammerwinke],
in der Suprachoroidea und Cornea nehmen alle die Blau-
färbung an, und zwar ist ihr Verhalten ganz das gleiche wie
es fflr das Pigment der Betina geschildert wurde.
Innerhalb der Anhäufung rother Blutkörperchen, wie sie
in dem Netzhauttrichter beobachtet werden, nehmen die grossen
blauen Kugeln grossen Theils die Blaufärbung an; einzelne
Blutkörperchen von gewöhnlicher Grösse sind ebenfalls blau
gefärbt
Um das Verhalten des Pigmentes noch genauer festzu-
stellen, wurden noch folgende Reactionen ausgeführt:
Nach eintägiger Behandlung mit Salzsäure und Ferrocyan-
kalium wird ein Schnitt ausgewaschen, in salzsäurehaltigen Al-
kohol und dann in Chloroform gebracht, worin er einen Tag
verweilt Das braune Pigment in den Zellen wird in keiner
Weise dadurch verändert.
Lässt man verdünnte Salzsäure 36 Stunden einwirken, so
ist in der Retina der grösste Theil des Pigmentes verschwun-
den, doch bleiben noch braune Körnchen übrig. Das Pigment^
epithel ist stark entfilrbt, die Zellkerne sind mit Hämotoxylin
dentlieh firbbar, überall findet sich noch etwas braunes
136 E. V. Hippel.
körniges Pigment in den Zellen. An dem Epithel der
Ciliarfortsätze ist der Theil, welcher die Blaufärbung gab,
völlig ent&rbt, der andere ist erheblich heller geworden. An
den übrigen pigmentirten Theilen ist das Verhalten ein ent-
sprechendes.
Legt man Schnitte 24 Stunden in Aqua Ghlori, wässert
dann aus und lässt das Ferrocyankalium- Salzsäuregemisch
einwirken, so erhält das Pigmentcpithel der Retina eine blaue
Färbung, ausserdem liegen intensiv dunkelblaue Kömer und
Kugeln in den Zellen, streckenweise fehlen aber dieselben und
das braune körnige i?igment ist verschwunden. Am Epithel
der Ciliarfortsätze ist das braunschwarze Pigment verschwun-
den, an seine Stelle ist eine diffus blaugrttne Färbung ge-
treten; die Stellen, die schon bei der Anwendung der Eisen-
reaction ohne vorausgehende Chlorbehandlung dunkelblau wurden,
zeigen jetzt ganz dieselbe Färbung.
Bei der Chlorbehandlung haben sich die Stromazellen der
Choroidea, die keine Eisenreaction gaben, entfärbt, bei der
Salzsäure-Behandlung bleiben sie unverändert.
Die beiden Reagentien, Chlor und Salzsäure, sind also
in ihrer Wirkung auf das Pigment Antagonisten, alles
Pigment, das Eisenreaction gab, wird von Salzsäure gelöst,
von Clilor wenigstens in der angewendeten Concentration
und während der Dauer des Versuchs nicht merklich ver-
ändert; alles braune Pigment, das seiner Lage nach nor-
males Augenpigment sein kann, wird von Chlor ge-
bleicht, von Salzsäure nicht verändert. Endlich bleiben
aber noch geringe Mengen eines dritten feinkömigeu
braunen Pigmentes übrig, welches beiden Reagentien
widerstellt. Bemerkenswerth ist noch, dass in Schnitten,
die 48 Stunden in verdünnter Salzsäure gelegen haben,
das Pigment aus der Retina vollkommen verschwunden,
sowie das Epithel der Ciliarfortsätze noch mehr entfärbt
ist, als nach 36 Stunden. Das Pigment der Stromazellen
der Aderhaut ist gar nicht verändert.
Fall n.
Georg Fritz 30 J. (ans der Göttinger Klinik). Patient
wurde am 25. April 1888 in die Klinik aufgenommen. £a
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 137
bestand L. Phthisis Bulbi in Folge einer am 13. Januar 88
stattgefundenen Verletzung mit einem Stahlsplitter. Das Auge ist
injicirt, druckempfindlich, vollkommen erblindet. Am anderen
Auge finden sich die Erscheinungen sympathischer Reizung,
daher wird das phthisische Auge enucleirt.
Der im horizontalen Meridian durchschnittene Bulbus zeigt
eine bedeutende Abfiachung des vorderen Abschnittes, der
äquatoriale Durchmesser beträgt 23 mm, von vorne nach hinten
misst der Bulbus lOV« mm. Die Hornhaut zeigt nuregel-
roHssige Dicke sowie Krümmung, an der lateralen Seite ist sie
verdickt, etwas eingezogen, es besteht eine vordere Synechie,
die vordere Kammer ist dem zu Folge ebenfalls von ungleich-
massiger Tiefe, die Iris zeigt auf der Yorderfläche eine aus-
gesprochen rostbraune Färbung. Die Linse ist stark geschrumpft
und grössten Theils von gelbbrauner Farbe. Unmittelbar hinter
der Linse findet sich in einem Exsudat ein etwa 2 mm im
Durchmesser grosser dunkelbrauner rundlicher Heerd, in dessen
Mitte ein 1^/^ mm langes und ca. 1 mm breites etwas un-
regelmässiges schwärzliches, zum Theil mit Rost bedecktes
Eisenstückchen steckt, das sich leicht mit der Piucette extra-
hiren lässt. Das Corpus ciliare sowie der vorderste Abschnitt
der Aderhaut sind beiderseits abgelöst und nach innen gezogen.
Hinten liegt die Aderhaut überall der Sclera an. Die Netz-
haut ist flach abgelöst, zwischen ihr und der Choroidea be-
finden sich geronnene Eiweissmassen. Der Glaskörperraum ist von
eben solcher Masse ausgefüllt Die Sklera ist besonders hinten
verdickt, der Sehnerv zeigt keine erhebliche Yerschmälernng.
Mikroskopischer Befund: Das Hornhautepithel zeigt
normales Verhalten, ebenso die Bowman'sche Membran. Die
Grundsubstanz der Hornhaut ist stellenweise auffallend reich
an Kernen, hier und da trifft man in den verschiedenen
Schichten dünnwandige Gefösse, die mit den Randgcfässen im
Znsammenhang stehen. Die Descemet 'sehe Membran ist wohl-
erhalten, daair* Endothel ebenfalls. Besondere Schilderung be-
darf das Verhalten der Cornea an der lateralen Seite, wo der
Weg des Fremdkörpers genau zu verfolgen ist. Hier ist die
Cornea stark verdickt. Am Comeoskleralrande senkt sich das
Epithel tief ein und von dieser Stelle beginnend durchsetzt
eine ausserordentlich schräg verlaufende Narbe die ganze Dicke
der Cornea. In der vorderen Kammer endigt sie ziemlich
weit vom Kammerwinkel entfernt. Sie besteht aus derbem
Bindewebe, welches zahlreiche Geisse einschliesst, von denen
138 E. V. Hippel.
wieder Zweige nach beiden Seiten in die Substanz der Horn-
haut sich erstrecken. Vielfach liegen in der Umgebung der
Gefässe kleinere und grössere pigmentirte Zellen. Die Membr.
Descemeti ist in der Umgebung der Narbe stark geschlängelt
und entsprechend der Mitte derselben unterbrochen. Durch den
Riss setzt sich das Narbengewebe unmittelbar fort in ein derbes
Bindegewebe, das an dieser Stelle der Iris aufliegt Der
Kammerwiokel ist nicht verwachsen, in den Maschen des Lig.
pectinatum liegen sehr reichliche mit gelbbraunem Pigment ge-
fflUte Zellen.
Die Iris, die an der nasalen Seite von normaler Dicke
ist, zeigt auf der Seite der Verletzung eine betrachtliche, und
gegenüber der Cornealnarbe eine ganz enorme Verdickung;
man trifft in einem sehr kemreichen Gewebe massenhaft prall
gefällte Geftsse mit sehr dicken, grossen Theils hyalin dege-
nerirten Wandungen. Ucberall um dieselben findet sich kör-
niges braunes Pigment in ZeHen, welche der Adventitia anzu-
gehören scheinen. Die Vorderfläche der Iris ist dicht von
runden hellbraunen Pigmentkngeln bedeckt Zwischen denselben
liegen rothe Blutkörperchen sowie etwas grössere farblose £i-
weisskugeln. Die vorderste Schicht der Iris ist bräunlich ge-
färbt durch feine Pigmentkörnchen, welche in spindligen Zellen
liegen. Die Pigmentepithelschicht der Iris ist sehr unregel-
mässig, theils stark verdickt, theils unterbrochen, die Un-
regelmässigkeiten treten besonders da hervor, wo der Fremd-
körper die Iris durchschlagen hat. Entsprechend den Stellen,
wo die Pigmentschicht unterbrochen ist oder fehlt, findet sich
braunschwarzes Pigment in der Iris, das sich durch Form und
Farbe von dem vorher erwähnten bräunlichen unterscheidet
Die vordere Linsenkapsel ist stark gefaltet, gegenüber der
Cornealnarbe unterbrochen und an dieser Stelle mit der Iris
durch sehr zellenreiches Gewebe fest verwachsen. Die hintere
Kammer wird von geronnener eiweissreicher Flüssigkeit aus-
gefüllt, in welcher viele Pigmentkömer und Schollen, an Zellen
gebunden, liegen. Der Kapselsack ist stark zusammengezogen,
die vordere Kapsel schlägt sich nach hinten um, die hintere
Kapsel, kenntlich an ihrer viel geringeren Dicke, ist ganz zu-
sammen gerollt Das Epithel ist stellenweise flächenhaft ge-
wuchert^ zerfallene Oorticalmassen sind nur ziemlich spärlich
vorhanden. Innerhalb des Kapselsackes findet sich eine grössere
Blutung, die Blutkörperchen sind zum Theil gut erhalten, mit
Eosin und mit der Weigert 'sehen Methode der Nervenmark-
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 139
ftrbang zu färben, zun andren Theil sind sie zerfallen.
Zwischen ihnen Uogen ziemlich grosse mit braunem Pigment
erfüllte Zellen.
Der braune Heerd um den Fremdkörper besteht aus dicht
geh&uften Rundzellen, welche theils diffus braun gefärbt sind,
theils bräunliche Körner enthalten. Mit diesem Heerd steht im
Zusammenhang ein faseriges kern- und gefEteshaltiges Binde-
gewebe, das die Hinterfläche der Linse bedeckt, mit dem
Corpus ciliare und durch schmale ZOge mit dem vordersten
Theil der Netzhaut verbunden ist. In diesem Gewebe liegen
ebenfalls pigmentirte Zellen längs den Gefässen; es scheint
den verdichteten und geschrumpften Glaskörper darzustellen.
Die Bttndel des Muse, ciliaris sind auseinander gedrängt,
das Bindegewebe ist vermehrt, innerhalb des Muskels finden
sich sehr reichliche gelbbraune Pigmentkörner, die in Zellen
liegen. Hier und da kommen kleinere Anhäufungen von Rund-
zellen in dem Ciliarmuskel vor. An dem £pithel der Ciliar-
fortsätze fällt es auf, dass vielflach das schwarzbraune Pigment
vollkommen darin fehlt, die Zellen des Epithels sind enorm
in die Länge gezogen und zum Theil mit feinkörnigem Pig-
ment erfüllt. Innerhalb der Ciliarfortsätze und zwischen ihren
Falten liegen pigmentirte Zellen, ebenso zwischen den Blättern
der Suprachoroida.
Die Retina ist fast vollständig abgelöst. Die Abhebung
hat zunächst den vordersten Theil der Netzhaut betroffen, der
hinter dem Fremdkörper mächtige Falten bildet. Mit dem
Sehnerv steht die Retina noch im Zusammenhang. An einer
kleinen Stelle liegt sie sogar noch an und hier lässt sich be-
sonders schön die Zugwirkung von innen her erkennen; an
der Stelle, wo die Ablösung beginnt, ist nämlich die Membran
in zwei Blätter gespalten, an anderen Stellen ist streckenweise
ein Theil der äusseren Körnerschicht mit der Limitans ext.
sitzen geblieben, während die übrige Retina einwärts gezerrt
wurde. Die Netzhaut ist hochgradig degenerirt, die Stäbchen
und Zapfen sind zerfallen, die äussere Körnerschicht ist stellen-
weise noch gut nachweisbar, die inneren Netzhautschichten sind
in ein kernreiches Gewebe verwandelt, das aus einer Wucher-
ung der Sttttzsubstanz unter Zugrundegehen der nervösen Be-
rtandtheile entstanden ist. Auch die Parthie der Retina, welche
noch anliegt, ist hochgradig atrophisch. Innerhalb der Netzbaut
und kleinere Blutanstritte wahrzunehmen, hier und da findet
kömiges Pigment in kleineren und grösseren Haufen vor.
140 E. V. Hippel.
Das Pigmentepithel der Retina ist vielfach erheblich ge-
wuchert, die Zellen liegen in mehreren Schichten über ein-
ander und bilden öfter kleine halbkugelartige Hervorragungen.
Die Untersuchung auf Eisen mit Ferrocyankalium und
HCL hat folgendes Ergebniss:
Die Zellen, welche den braunen Heerd um den Fremd-
körper bilden, färben sich tief dunkelblau und zwar ist die
Färbung diffus in dem Protoplasma aufgetreten, andererseits
sind auch die braunen Körnchen blau geworden.
Ausser an dieser Stelle ist die Blaufärbung am ausge-
sprochensten in der Iris sowie im Kammerwinkel und Ciliar-
muskel, weniger stark in der Netzhaut.
Die braunen Kugeln, welche der Yorderfläche der Iris
aufliegen, werden in toto tief dunkelblau, die pigmenthaltigen
Zellen innerhalb der Iris verhalten sich verschieden; ein Theil
wird vollständig blau, in anderen bleibt ein Theil der Körn-
chen braun, wieder andere nehmen nur einen schwarzbläulichen
Schimmer an; dies sind besonders diejenigen Zellen, deren
Pigment schwärzlich aussieht. Die vordersten Schichten der
Iris bleiben auch bei Anwendung der Keaction unverändert
braun. Die Pigmcntepithelschicht der Iris hat vielfach einen
bläulichen Farbenton angenommen.
Die pigmentirten Zellen des Kammerwinkel werden blau
und zwar vollständig, ebenso die innerhalb der Ciliarfortsätze
gelegenen. Die Zellen des Pigmentepithels der Ciliarfortsätze
sind zum Theil diffus hellblau gefärbt; dies tritt besonders da
hervor, wo sie auffallend pigmentarm sind (cf. oben); ausserdem
kann man aber auch zwischen den normalen Pigmentmassen
blaue Körnchen nachweisen.
Einzelne blau gefärbte Zellen liegen in der Cornealnarbe.
Innerhalb des Kapselsackes der Linse reagirt ein Theil der
pigmentirten Zellen positiv, doch sind hier noch braune Köm-
chen ausser den blauen vorhanden, ein anderer Theil verhält
sich ablehnend gegen die Reaction. Einige Zellen des Linsen-
epithels sind diffus blau gefärbt
In der Retina werden die braunen Zellen, die grossen
Theils in ihrer Lage dem Ge&ssverlauf entsprechen, blau, eine
diffuse Färbung ist nicht nachweisbar. Das Pigmentepithel
hat keine Bläuung angenommen. Innerhalb der Choroidea fehlt
jede Spur von Eisenreaction.
Aus der Beschreibung geht hervor, dass das Pigment an
Zellen gebunden auftritt; vielfach liess sich dies durch den
Ueber Siderosis Bulbi nnd die Beziehungen etc. 141.
Nachweis einez Kernes beweisen, an anderen Stellen fflUte
das Pigment die Zelle so vollständig, dass ein Kern nicht
za sehen war. Genau l&sst sich der Nachweis fahren, wenn
man die Schnitte 24 — 48 Standen mit verdQnnter Salzsäure
behandelt; dann ist alles Pigment, das sich blau färbte, ge-
löst Die Yorderfläche der Iris beispielsweise ist bedeckt von
grossen blassen Zellen mit deutlich nachweisbarem Kern. In
der Iris sind viele Zellen, die theil weise Blaufärbung gaben,
noch pigmentirt, doch tritt der Kern viel schärfer hervor
und das Pigment entspricht den braunen Körnern, die sich bei
Anwendung der Eisenreaction braun erhielten. Der Heerd um
den Fremdkörper ist völlig pigmentfrei und besteht aus kleinen
einkernigen Rundzellen, die nirgends den Charakter der Eiter-
körperchen haben.
Das Pigmentepithel der Retina, der Iris und Ciliarfort^
Sätze sowie die pigmentirten Zellen der Choroidea sind in
keiner Weise verändert, ebenso sind die obersten Schichten
der Iris nach wie vor braun gefärbt.
Fall m.-
Julius Blömer, 34 Jahre. (Das Auge ist der Göttinger
Klinik von auswärts flbersandt mit folgenden Notizen):
Verletzung durch einen Stahlsplitter. Perforirende Cor-
nealwunde; traumatische Katarakt. Lichtschein gnt. Iridectomie
nach oben mit schmalem Messer. 7. lY. 76. Fortdauernder
Reizzustand. Verfall des Lichtscheines. Iridocyclitis. Höchst
wahrscheinlich Corpus alienum intra oculum. Enucleation 6. Y.76.
Das Auge war im Aequator durchschnitten, vorderer so-
wie hinterer Abschnitt nochmals zerlegt. In der hinteren
Bulbuswand ist eine unregelmässige Vertiefung, die ihrer Ge-
stalt nach einem in dem Glase befindlichen länglichen Eisen-
stQck mit scharfen Kauten von ca. 6 mm Länge und l^i mm
grösster Breite entspricht. Die beiden Hälften der vorderen
sowie der hinteren Abschnitte werden eingebettet und unter-
sucht.
Makroskopisch sieht man am vorderen Bulbusabschnitt,
dass die CornealkrOmmung unregelmässig ist, eine Einziehung
entspricht der Wunde, dieselbe liegt ungefähr auf der Mitte
zwischen Homhantcentrum und unterem Rande. Hier ist die
Cornea verdickt und mit dem Pupillenrand der Iris und
einem Bindegewebe, das der vorderen Linsenfläche aufge-
142 E- V. Hippel.
lagert ist, Terwachsen. Am oberen Gornealrande darchsetfist die
Homhant eine schmale Narbe, welche mit dem der Linse
anfgielagerten Gewebe verwachsen ist Die Iris fehlt hier
(Iridectomienarbe). Die Linse ist nnregelmftssig abgeflacht^
ein fremdes Gewebe geht von der Hornhantnarbe contisnirlidi
dnrch die Linse bis in den Glaskörper, wo es der Hintei^
fläche der Linse und dem Ciliarkörper aufliegt. Der Cüiaiv
körper ist abgelöst und einwärts gezogen, die Choroidea ist
bis in die Gegend des Aequators abgelöst, die Retina liegt
der Aderhaut an. Im vorderen Theile des Glaskörpers liegen
grössere Blutmasseo.
Mikroskopische UDtersnchung: Die Coi^unctival-
gefässe sind prall mit Blut gefallt, um den Gornealrand findet
sich starke kleinzellige Infiltration und Einlagerung schwärz-
lichen Pigmentes.
Das Gornealepithel ist normal, an der Stelle der Per-
foration sind die Zellen zapfenförmig in das Narbengewebe
eingesenkt, die Bowman'sche Membran ist hier unterbrochen.
An der Perforationsstelle ist das Hornhautgewebe durchsetzt
von einem zell- und gefössreichen Narbengewebe, einige Zellen
sind pigmentirt. Von der Narbe aus erstrecken sich ziemlich
viele Rundzellen nach beiden Seiten in die Substanz der
Hornhaut hinein. Die Descemet 'sehe Membran ist durch-
brochen und eine Strecke weit nach dem Gentmm der Horn-
haut zu abgelöst, an einzelnen Stellen ist sie mit dem der
Linse aufgelagerten Gewebe verwachsen. Mit letzterem stellt
auch in festem Zusammenhang die Iridectomienarbe, die als
schmaler Streifen im Hornhantgewebe kenntlich ist. An dieser
Stelle fehlt die Iris bis auf einen kleinen Stumpf. Der
Kammerwinkel ist auf dieser Stelle verwachsen dnrch ein Ge-
webe, in welches pigmentirte Zellen eingelagert sind. In der
vorderen Kammer finden sich spärlich rothe Blutkörperchen.
Der Yorderflftche der Iris sind rnnde Zellen mit braunem
Pigment aufgelagert Das Endothel der Vorderfläche ist brian-
lich geftrbt durc^ Einlagerung feiner Pigmentkömehen. Die
Gefässwandungen sind verdickt, hyalin degenerirt, der Kera-
reichthnm des Irisstroma ist grösser als in der Norm, mehr-
fach kommen Anhäufungen von RnndzeUen vor. Von dem
der Narbe adhärirendeu Pupillarrand bis znr Mitte der Ins ist
anf dieser Seite das Pigmentepithel äusserst unregdnfttsig,
zum Theil verdickt, anderen Hieils untearbrochen. In 4ieMr
Ausdehnung finden sich sowohl im Gewebe der Iris als hinter
Ueber Siderosis Bnibi und die Beziehungen etc. 143
derselben änssent zahlreiche grosse, im Allgemeinen runde Zellen
vor, die mit dnnkelbrannschwansem Pigment von Farbe und
Aussehen des Epithelpigmentes erfüllt sind.
Die Linsenkapsel ist an der Perforationsstelle in be-
trichtlicher Ansdehnnng unterbrochen, das Epithel ist in den
Randtheilen erhalten, in der centralen Parthie fehlt es. Die
vordere Kapsel ist in der Gegend des Aeqnators stark ge-
faltet, der Kembogen am Aeqnator ist noch zu erkennen.
Weiter nach der Linsenmitte sind die Fasern zerfallen, es
finden sich Bruchstttcke davon, sowie grosse und kleine Ei-
weisskngeln, von der Perforationsstelle ans ist die Linse infil-
trirt von massenhaften Rundzellen vom Charakter der mehr-
kemigen EiterzcUen, die zum Theil dichtgedrängt liegen, zum
Theil in langen Reihen zwischen die Linsenfasern eingelagert
sind. Aach rothe Blutkörperchen kommen in massiger Menge
innerhalb des Eapselsackes vor. Am dichtesten ist die Infil-
tration mit Eiterzellen unmittelbar um den Wundkanal, hier
liegt inmitten dieser Zellen vielfach geflaltet ein Stück der hin-
teren Kapsel. Hier kommen auch zahlreiche dunkelbraun pig-
mentirte Zellen vor.
Der Hinterfläche der Linse ist auf der Seite der Ver-
letzung zelliges Gewebe aufgelagert, das sich auf die Rück-
seite des Corpus ciliare fortsetzt; der Ciliarmuskel ist ein-
wärts gezogen, das Bindegewebe zwischen den Muskelbündeln
vermehrt Die Epithelzellen der Pars ciliaris retinae sind
starte in die Länge gezogen. An dem Epithel der Ciliarfort-
Bätze f&llt auf, dass das Pigment in den Zellen streckenweise
sehr spärlich ist, beziehungsweise fehlt. Zwischen den Falten
der Fortsätze liegen viele pigmentirte Zellen. Im Glaskörper-
raum finden sich grosse Haufen von TOthen Blutkörperchen,
dazwischen stellenweise zahlreiche zum Theil bräunlich gefärbte
Rnndzellen. In der Choroidea kommen stärkere Anhäufungen
von Rundzellen vor.
Die nicht abgelöste Retina ist in hohem Grade dega-
nerirt. Sie ist sehr stark verschmälert, vielfach ist nur eine
sehmale Kömerschicht nachweisbar, deren Zellen sich schlecht
fiBl>en, von Stäbchen und Zapfen ist nichts zu finden, die
inneren Schichten sind in ein reticuläres Gewebe mit zahl-
reichen Kernen verwandelt; in das Grewebe der Retina sind
zahlreiche braun pigmentirte Zellen eingelagert. Das Pigment-
epitbel ist zum Theil normal, stre<^enweise zeigt es sich aber
•ehr stark verändert und dies betrifft besonders eine Parthie
144 £• V. Hippel.
im vorderen Theile der Retina. Hier findet sich statt des
Pigmentepithels eine vielfach unterbrochene Reihe von mehr
runden dunkelschwarzbraunen, pigmentirten Zellen. Dieselben
liegen stellenweise in mehreren Schichten über einander und
erstrecken sich in die degenerirte Netzhaut hinein. An der
InneDfl&che der Retina liegen sie in grosser Anzahl über ein-
ander geschichtet, nur ist ihr Pigment hier von mehr hellbräun-
licher Farbe.
Dicht an der Papille lassen sich noch zwei Kömer-
schichten nachweisen, die Papille selbst zeigt sehr vermehrten
Kernreichthum. Auch im hinteren Theil der Netzhaut sind
viele pigmentirte Zellen in dieselbe eingelagert.
An dem Stück der hinteren Bulbuswand, das dem Fremd-
körper zam Sitz diente, fehlt die Netzhaut (entweder beim
Aufsuchen des Fremdkörpers entfernt oder es bestand an
dieser Stelle Ablösung). Der Eisensplitter hat die Choroidea
durchschlagen und war in die innersten Lagen der Sklera ein-
gelagert Schnitte durch die Stelle seines Sitzes zeigen fol-
gendes Verhalten: ungefähr 1 mm nach allen Seiten um den
Splitter sehen die Lamellen der Sklera mehr homogen, starr,
stärker lichtbrechend aus, an ungefärbten Schnitten hat diese
Parthie einen hellbräunlichen Ton, mit Eosin färbt sie sich
dunkler roth, als die Umgebang. Den Uebergang in die nor-
male Sklera bildet eine Parthie mit zahlreichen, im Allge-
meinen spindligen Kernen. Die Gefässhaut ist da, wo sie an
den Fremdkörper grenzt, wallartig verdickt, stark bindegewebig
degenerirt, und von vielen intensiv braun pigmentirten Zellen
durchsetzt. Die Veränderung erstreckt sich aber nur auf einen
kleinen Bezirk; dann beginnt wieder die normale Structur der
Choroidea; nur fallen auch hier ziemlich viele dunkelbraune
Pigmentkörner auf. Ein zartes Gewebe bedeckt vorne die
Lücke, aus welcher der Splitter entfernt ist. Es ist gefässhaltig
und schliesst viele meist spindelförmige dunkelbraun pigmen-
tirte Zellen ein.
Die Eisenreaction bewirkt folgende Veränderungen:
Die Sklera in der Umgebung des Fremdkörpers wird
genau in der Ausdehnung, in welcher die Membran das oben
beschriebene glänzende Aussehen zeigte, tief dunkelblau, diese
Färbung schneidet ziemlich scharf ab, in der Umgebung kommen
noch einige gebläute Zellen vor. In dem zarten Gewebe vor
dem Splitter und in der wallartig vordickten Parthie der
Aderhaut sind sämmtliche braun pigmentirten Zollen intensiv
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. . 145
dankelblan, etwas weiter entfernt kommen in der Aderhaut nur
ganz vereinzelte positiv reagirende Zellen vor.
In der Cornealnarbe, im Lig. pectinatum, im Ciliarmnskel,
auf der Oberfläche der Iris werden die oben erwähnten branu
pigmentirten Zellen blau; in vielen bleiben aber noch bei
dlffnser Blauf&rbang des Protoplasma brauno Körnchen nach-
weisbar. Von den mit dunkelschwarzbraunem Pigment erfüllten
Zellen, die in der Iris und hinter derselben an der Stelle liegen,
wo das Pigmentepitbel zerfallen ist, nimmt ein Theil gar keine
Blaufärbung an, ein anderer wird schwach, ein dritter endlich
intensiv blau. Pie braunschwarzen Körnchen bleiben in allen
unverändert. Das Epithel der Ciliarfortsätzo wird diffus blau,
besonders da, wo er auffallend pigmentarm war. Das Epithel
der Pars ciliaris retinae wird intensiv himmelblau gefärbte
Die Stützsubstanz der Netzhaut wird diffus mattblau. Die Pig-
9ientepithelzellen werden mattblau. Die grossen pigmentirten
Zellen, welche in den verschiedenen Schichten der Retina so^
wie auf ihrer Innenfläche liegen, die zum Theil, wie wir
oben sahen, zweifellos aus den Zellen des Pigmentepithels ent-
stehen, zeigen alle Uebergänge von völlig negativem bis zu
sehr intensivem Ausfall der Reaction, dabei sind die braunen
Körnchen grossen Theils ungefärbt.
Das Epithel der Linsenkapsel färbt sich diffas blau; ebenso
ein grosser Theil der innerhalb des Kapselsackes gelegenen
braunen Zellen. Die Körnchen in letzteren bleiben vielfach
braun. In der Bindegewebsschwarto hinter der Linse werden
die pigmentirten Zellen blau. Die Fibrin- Netze, welche die
Glaskörperblutung durchziehen, werden blau. Innerhalb jener
grossen Blutung finden sich neben unveränderten rothen Blut-
körperclien solche, welche sich durch Form und Grösse nicht
unterscheiden, aber Blaufärbung annehmen, ferner homogene
Kugeln von der doppelten und mehrfachen Grösse eines rothen
Blutkörperchens, welche diffus blaa werden.
Fall IV.
Wilhelm Benze (aus der Göttinger Klinik). R. A. enucl.
wegen Verletasong mit Eisenstück im Mai 1882; enucl. 6. XL 82.
In medialen' Theil der Sklera Narbe auf die Cornea über^
greifend. Traumatuohe Katarakt Pupillarmembran.
Das Auge wird oberhalb der Mitte im horizontaleii
Meridian aaf)seschnltten, die untere Hälfte eingebettet und in
T. GneTe'i Ardür f&r Ophthalmologie. XL. 1. 10
14§ E. V. Hippel.
genenschnitte zerlegt; dabei stösst das Messer auf einen Wider-
stand und an der medialen Seite kommt in den oberflächlich-
sten Lagen der Sklera die Spitze des Fremdkörpers zum Yor-
schein. Es wird mit der Pincette ein kleines Eisenstflckchen
hervorgezogen; bald stellt sich aber erneuter Widerstand ein,
es zeigt sich, dass nur die Spitze des Fremdkörpers abgebrochen
war; er wird nun mit vieler Mtthe in toto hervorgezogen und
erweist sich als ein weiter nach unten uud innen einge-
drungenes Eisenstück von 1 cm Länge, 4 mm Breite und 1 ^/^ mm
Dicke, von keilförmiger Gestalt mit scharfen Kanten.
Der Bulbus ist klein, phthisisch, seine Länge beträgt
18, seine Breite 17 mm. Die Sklera ist sehr dick, besonders
im hinteren Abschnitt, der Sehnerv ist schmal, die Papille
einwärts gezogen, die Netzhaut in toto flach abgelöst, das Corp.
ciliare ist durch eine hinter der Linse gelegene Schwarte ein-
wärts gezogen, die vordere Kammer ist ganz flach, die Iris
liegt fast der Hinterfläche der Cornea an.
Mikroskopische Untersuchung: Die Cornea ist in
ihren Randtheilen vascularisirt und zeigt vermehrten Kem-
gehalt; das Epithel sowie das Endothel der Descemet'-
schen Membran sind normal, die Hinterfläche der Horn-
haut hat einen welligen Verlauf. Der Kammerwinkel ist frei,
vereinzelte pigmentirte Zellen kommen darin vor. Die Iris ist
sehr schmal, atrophisch, stark von Zellen durchsetzt, die Gefilss-
wandnngen sehr verdickt und zum Theil hyalin degenerirt, der
Pupillenrand ist mit der Linsenkapsel verwachsen, vielflsch auch
die Hinterfläche der Iris. Das Pupillargebiet fallt eine mit
der Iris im Zusammenhang stehende Bindegewebsmasse. Die
hintere Kammer ist auf der temporalen Seite stark vertieft,
auf der nasalen fehlt sie in Folge flächenhafter Verwachsung
von Iris und Linsenkapsel. Im Bereich der hinteren Kammer
liegen auf der Vorderfläche der Linsenkapsel zahlreiche dunkel-
braun pigmentirte Zellen. In der ganzen Ausdehnung der
Pupille und noch darüber hinaus findet sich ein vorderer
Kapselstaar, in dessen Gewebe eigenthflmlich geformte homogene
Eiweissgerinnungen eingeschlossen sind. Die hintere Kapsel ist
grossen Theils von Epithel überzogen, an der temporalen Seite
ist der Kembogen noch angedeutet, im übrigen ist die Linse
kataraktös. Die Ciliarfortsätze bieten nichts Besonderes, im
Ciliarmuskel ist der Kemgehalt des Bindegewebes vermehrt, es
diith< viele pigmentirte Zellen. Die Choroidea ist bis hinter
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 147
den Aequator abgelOst and sehr schmal, w.eiter hinten zeigt
sie mehr normales Verhalten, ihre Gefösse sind aasgedehnt
and prall mit Eint gefüllt. Bas Pigmentepithel sitzt Qberall der
Gefösshaat anf, vielfach ist es halbkugelig vorgewölbt, besteht
aber auch hier aus einer einfachen Lage. Im vordersten Ab>
schnitt des Bulbas sieht man einige Drusen der Glaslamelle.
Zwischen Retina und Choroidea liegen rothe Blutkörperchen.
Die Retina zeigt ziemlich erhebliche Degeneration, die Stütz-
sabstanz ist stark gewuchert, um die Gefilsse kommen verein-^
zelte kleine Blutongen vor, ferner finden sich hier massig zahl-
reiche braun pigmentirte Zellen. Hinter der Linse liegt eine
derbe Bindegewebsschwarte mit spindligen Kernen, in welcher
GefiLsse verlaufen, längs denen braun und schwarz pigmentirte
ZeUen vorkommen. Das Bindegewebe hängt zusammen mit der
Pars cüiaris retinae und hat diese einwärts gezogen. Letztere
ist stark gewuchert und zeigt mächtige Faltenbildungen, viel-
fach trifft man in dem Bindegewebe unregelmässig gestaltete
Bäume, die wie Alveolen aussehen und mit hohem cylindrischen
Epithel bekleidet sind. Offenbar handelt es sich um Durchschnitte
von Faltenbildungen, die durch Wucherung der Pars ciliaris ent-
standen sind. Wo der Fremdkörper in der Sklera sitzt, sind ihre
Lamellen vielfach unterbrochen, homogen, stärker lichtbrecbend
und braun gefärbt, Züge von braunen Körnern erstrecken sich
in die Sklera hinein. Der Theil des Splitters, welcher ein-
wärts von der Sklera steckt, ist in das Corpus ciliare ein-
gedrungen, auf Schnitten durch diese Stelle sieht man, dass
der Ciliarmuskel vollkommen fehlt und ersetzt ist durch ein
Bindegewebe, dass den Fremdkörper völlig einkapselt; die Fasern
dieses Bindegewebes haben ebenfalls ein homogenes Aussehen,
in ihnen finden sich viele intensiv braun pigmentirte Zellen,
sowie grosse braune amorphe Schollen. Die Eisenreaktion er-
zeugt die intensivste Blaufärbung um den Fremdkörper, die
Sklera und das umgebende Bindegewebe sind diffus blau, so
weit sie das homogene Aussehen zeigten; sämmtliche braun
pigmentirte Zellen ebenfalls. Einzelne in der Sklera ver-
laufende Gef&sse sind von blauen Körnern umgeben. Das Epi-
thel der Ciliarfortsätze wird auf der Seite der Verletzung
diffus blau. In dem Bindegewebe hinter der Linse sowie im
vorderen Abschnitt der Retina finden sich blau gefärbte Zellen,
wesentlich dem Verlaufe der Gefässe entsprechend. Spär-
ttcher sind solche Zellen in der Iris, reichlicher in der Supra-
choroidea.
10*
148 E- V. Hippel.
Fall V.
Geoi^ Laier, 29 Jahr (aas der Heidelberger Klinik).
13. VI. 1891. Yerletrong des rechten Anges durch Ab-
springen eines Stückes Stahl oder Stein \mm Hämmern anf Stein.
Hornhantnarbe im oberen Qnadranten, gegenüber ist die
Iris durchschlagen. Traumatische Katarakt.
28. VI. Hinter der Linse pendelt ein heller Körper hin und her.
3. YII. Linearschnitt nach oben, Indeotomie. Das excidirte
Stück enthalt die Perforationsstelle, es kommt Grlaskörper, ^n.
Extractionsversuch mit dem Electromagneten ist vergeblich.
29. VIII. Die obere Narbe ist vascolarisirt
3. IX. Die Reizerscheinungen gehen znrück, ein Theil des
Ooloboms ist frei. An der Cornea einige Beschläge. Hinter
der Iris kommt ein weisslicher Exsudatstreif zum Vorschein.
Auge blass, Hintergrund undeutlich sichtbar.
16. IX. In der Gornealnarbe findet sich ein schwarzer
Punkt, der etwas metallisch glänzt. Beschläge der Cornea,
unten breite Synechie.
23. IX, Iridectomie nach unten.
2. XII. Papille sichtbar. Beim Blick nach unten aussen
glänzender Reflex von einer prominirenden hellen Parthie um-
geben. (Fremdkörper in den Augeuhäuten?)
6. XII. Flottirende Glaskörpertrübnngen. Fremdkörper
noch sichtbar.
4. 1. 92. Patient verlangt dringend einen Extractionsversuch.
Meridionalschnitt nach aussen, mehrfaches Eingehen mit
dem Magneten bleibt vergeblich. Nach der Operation ver-
fällt das Sehvermögen, das bis dahin immer befriedigend war,
es treten starke Schmerzen au^ daher wird das Auge am 25. I.
enncieirt
Der Bulbus wird fHsch von oben nach unten aufge-
schnitten, die Retina ist seicht abgelöst, blutig infiltrirt und
verdickt, der Grlaskörperraum ist voll Blat, der Fremdkörper
nicht zu sehen. Nun wird der Bulbus gehärtet, die äussere
Hälfte eingebettet und geschnitten. Nachdem das Auge ÜKt
bis anf die Sklera geschnitten, fand sich aussen im vorderen
Abschnitt des Bulbus circa 2 — 3 mm hinter dem Ende deS)
Corpus ciliare den Aagenh&uten anliegend ein kleiner an-
regelmässiger durch seine Blaufilrbnng mit Ferrocyankalium-Sate«
sänre als Eisen kenntlicher Fremdkörper, der sich mit der
Pincette leicht herausziehen lässt.
Ueber Siderosis Balbi und die Beziehungen etc. 149
Sdigittalabscbnitte dieser Balbnsb&lfte, welche die Papille
noch treffen, seigen folgenden mikroskopischen Befand:
Das Conjanctival*Epithel ist normal, die Oeftsse der Gon-
jnnetiTa und Episklera sind enorm ansgedehnt und mit rothen
Blatkörperchen prall gefüllt; nm dieselben findet sich stellen-
weise kleinzellige Infiltration und Einlagerung grösserer brann
{»gmentirter ZelloD.
Von dem Epithel fehlen zom Theil die obersten Schichten,
die Bowman'sche Membran ist normal bis anf eine kleine
Unterbrechung am unteren Rand der Hornhaut, von der aus
eine lineare Narbe die Cornea durchsetzt; an dieser Stelle ist
auch die Descemet'sche Membran unterbrochen (Iridectomie-
narbe). Im oberen Drittel ist die Cornea noch einmal Ton
einer feinen Narbe durchsetzt (Perforationsstelle des Fremd-
körpers) und endlich findet sich am oberen Rande noch eine
Narbe, in welche Irisgewebe eingelagert ist
Die Grundsubstanz der Cornea ist im Ganzen von nor^
maier Strnctur, die Descemet'sche Membran und das Endo-
thel ebenso, der Hinterfiäche der Cornea sind rothe Blutkör-
perchen sowie feine braune POnktchen angelagert, zum Theil
scheinen die letzten in den Endothelzellen zu liegen.
Die Iris zeigt im Ganzen normale Structnr, auffallend ist
ihre Farbe: an unge&rbten Schnitten sieht sie bei schwacher
Yergrösserung ausgesprochen braungelb aus. Bei starker Yer-
grösserung erkennt man, dass die Endothelzellen der Yorder-
flftche intensiv braungelb pigmentirt sind, ausserdem finden sich
massenhafte braun pigmentirte Zellen zum TheU mit langen
Ausl&ufern in allen Schichten der Iris, am reichlichsten in den
vordersten und nach dem Pupillarrande hin; zum TheU liegen
sie in der Adventitia der Gefässe. Die Pigmentepithelschicht
der Iris ist sehr unregelmässig, stellenweise stark verdickt.
In der Nähe des Pupillarrandes schieben sich von der Epithel-
Schicht aus gewucherte Epithelzellen bis weit in das Gewebe
der Iris hinein; sie sind kenntlich an ihrem kohlschwarzen
Pigment und an ihrem directen Znsammenhang mit der Epithel-
schicht. Soldie anscheinend von dem Epithel herstammende
Zellen kommen auch in der hinteren Kammer vor.
Im Ciliarmu^el ist der Eemgehalt des Zwischenbinde-
gewebes entschieden vermehrt, ausserdem finden sich auffollend
viele verästelte braun pigmentirte Zellen in demselben. An
den Ciliarfortsätzen fällt nur auf, dass das Pigment des Epi-
thel-Ueberzugs stellenweise unregelmässig ist und sogar fehlen
150 E. V. Hippel.
kann. In der Choroidea findet sich streckenweise ziemlich starke
kleinzellige Infiltration, die Aderhant ist bis in die Gegend des
Aeqnators abgelöst, die Oefässe sind im hinteren Abschnitt
prall gefüllt, die Lagen der Soprachoroidea sind stark ausein-
ander gezogen, zwischen ihnen liegen viele rote Blutkörperchen
sowie braun pigmentirte Zellen.
Die Linse ist stark verändert, ihre Masse ist auf einen
schmalen Strang redncirt, die vordere Kapsel zeigt starke
Faltenbildung, ebenso die hintere. An beiden Seiten ist ein
sehr schön ausgebildeter Krystallwulst vorhanden, die Mitte ist
von einem Eapselstaargewebe eingenommen, in welches braun pig-
mentirte spindlige Zellen eingelagert sind. Die Zellen des
Kapselepithels zeigen einen hellbräunlichen Farbenton. Zwischen
Aderhant und Netzhaut sowie im Glaskörper findet sich eine
enorme Blutung, am grössten ist die Menge des ergossenen
Blutes in der Nähe des Fremdkörpers. Hier liegen auch
massenhafte braun pigmentirte Zellen. Während die total ab-
gelöste Netzhaut in ihren hinteren Abschnitten bis auf klein-
zeUige perivasculäre Infiltration nahezu normales Verhalten zeigt,
sind ihre vorderen Abschnitte hochgradig verschmälert und
atrophirt. Die Atrophie betrifft alle Schichten, die Kömer-
schichten rücken einander näher, die inneren Schichten sind
bindegewebig degenerirt, von Ganglionzellen ist kaum noch
etwas zu finden. Am hochgradigsten ist die Veränderung der
Retina in der Nähe des Fremdkörpers, hier ist sie von vielen
Blutungen und zahlreichen grossen braun pigmentirten Zellen
durchsetzt und ist in ihrer Structur nur noch an den Körner-
schichten zu erkennen. Das Pigment-Epithel der Netzhaut
zeigt völlig normales Verhalten. An ungeförbten Schnitten sieht
die Retina braungelb aus.
Bei Anwendung der Eisenreaktion erkennt schon das
blosse Auge die enorme Ausbreitung der Blaufilrbung: die Iris,
die Innenfläche der Cornea^ die Linsenreste, die Retina sehen
intensiv dunkelblau aus.
Bei mikroskopischer Betrachtung ergiebt sich Folgendes:
Die braun pigmentirten Zellen in Conjunctiva und Epi-
sclera sind sämmtlich blau gefärbt^ vereinzelte braune Körnchen
bleiben ungefärbt; die braunen Körnchen an der Hinterfläche
der Cornea werden blau. In den tiefsten Lagen der Cornea
zeigt sich streifige Blaufärbung, anscheinend den Saftlflcken
entsprechend, vielleicht an die Hornhautkörperchen und ihre
Ausläufer gebunden; ähnliche streifige Blaufärbung ist im Ge«
Üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 15 t
webe der Sclera nachweisbar. Tm Kammerwinkel findet sich
diffuse und an Zellen gebundene Blännng.
In der Iris ist der eigentliche Sitz der Blaafärbnng sehr
schwer festzustellen; es macht den Eindruck, als ob die Zellen,
welche gelbbraune Körner enthielten, eine diffuse Blaufärbung
des Stroma darbieten, jedenfalls kann man flberall neben der
diffusen blauen Farbe noch die braune Masse wieder erkennen.
Das Kapselepithel, das Epithel der Giliarfortsätze, sowie
der Pars ciliaris retinae werden intensiv diffus dunkelblau.
Am Kapselepithel ist bei Gontrastfärbung mit Alauncarmin fest*
zustellen, dass die Kerne roth werden. Die Stfltzsubstanz der
Betina wird blau, die Körner sowie die spärlichen noch vor-
handenen Ganglienzellen nicht. Die braun pigmentirten Zellen
in der Netzhaut werden blau, doch bleibt ein Teil der Körn-
chen braun. In der Nähe des Fremdkörpers, wo stärkere Blut-
anhäufungen vorkommen, sieht man um die letzteren sowie
innerhalb derselben sehr zahlreiche diffus blau gefärbte runde
Zellen, die ausserdem blaue und braune Kömer enthalten.
Ueberall, wo die Blutungen sich finden, zeigen sich blaue Schei-
ben von der Grösse und Gestalt rother Blutkörperchen, sowie
grössere homogene blassblaue Kugeln; auch blutkörperchenhaltige
Zellen kommen vor, deren Protoplasma blau gefärbt ist, wäh-
rend die Blutkörperchen sich als blasse ungefärbte Scheiben
darstellen. Das Pigment-Epithel der Retina ist diffus bläulich
geftrbt, seiner Innenfläche liegen Blutkörperchen auf. In der
Ohoroidea und Suprachoroidea sind die braunen Zellen grössten
Theils braun geworden, während die pigmentirten mit Ans-
länfem versehenen Zellen im Giliarmuskel braun bleiben.
Fall VI.
Carl Gorcilius (aus der Göttinger Klinik). Aufnahme
6. IX. 89. R. vor 8 Tagen Verletzung durch einen Eisen-
splitter. Gomealwunde, Iris-Yerletzung, traumatische Katarakt.
Aus der Tiefe besonders nach innen grüngelber Reflex. Mas-
sige Injection. Auge druckempfindlich.
6. IX. Versuch einer Extraction. Die Homhautwunde
wird nach beiden Seiten mit der Scheere erweitert, der Magnet
eingef&hrt und nach allen Seiten herumgedreht. Negativer
Erfolg.
Der gelbliche Reflex aus der Tiefe ist danach eher stärker.
152 E- V- Hippel.
11. IX. Da das Auge nicht abblasst and Eiterung im
ifilaskörper wahrscheinlich ist, wird wegen Gefahr sympathischer
Entzündung die Enucleation gemacht.
Die Perforationsstelle im Gentrum der Cornea ist noch
zum Theil klaffend, zum Theil von frischem Narbengewebe aus-
gefüllt, ein langer Epithelzapfen senkt sich hinein. Das Gewebe
der Hprnhaut lässt einen erheblich vermehrten Kerngehalt er-
kennen. Auf der Innenfläche sind der Hornhaut zahlreiche
rothe Blutkörperchen aufgelagert. Das Endothel an der Ober-
fläche der Iris ist dunkelbraun pigmentirt, massenhafte braun
pigmentirte Zellen finden sich in ihrem Gewebe, sowie auch
im Ciliarmuskel und Eammerwinkel. Der Pupillarrand ist mit
der Linsenkapsel verwachsen, das Pigmentepithel ist an dieser
Stelle zerfallen, die Zellen liegen getrennt im Gewebe der
Synechie. Die Linsenkapsel ist im Gentrum durchbrochen, es
besteht ein centraler flacher Eapselstaar, die Linse selbst ist
kataraktös. Im Glaskörper finden sich erhebliche Blutmassen,
besonders im vorderen Bulbusabschnitt, die Blutkörperchen
sind grössten Theils unverändert, zwischen ihnen kommen zahl-
reiche einkernige Rundzellen, die mit braunen Körnchen ge-
füllt sind, vor.
Die Retina ist nicht abgelöst, zwischen ihr und der Ghoroidea
findet sich eine dünne Lage roter Blutkörperchen, beide Mem-
branen sind im Wesentlichen von annähernd normaler Be-
schaffenheit, nur in der Nähe des Gorp. allen., das sich vom
unten aussen in den inneren Lagen der Sklera steckend vor-
findet, ist die Netzhaut ziemlich stark degenerirt. In der Nähe
dieser Stelle ist das Pigment-Epithel stark gelockert, die Zellen
liegen zum Theil in den äussersten Schichten der Retina.
Das Ergebniss der Eisenreaktion ist ein überaus dürfti-
ges: an Schnitten durch die Mitte des Bulbus ist ausser einer
matten diffusen Blaufärbung des Epithels der Giliarfortsätze
nur eine geringfügige Bläuung einzelner pigmentirter Zell^i
innerhalb der Blutung wahrzunehmen. Nur an Schnitten, die
den Sitz des Fremdkörpers betreffen, sieht man intensive
Reaktion gerade auf dieser Stelle beschränkt: einmal liegt hier
eine diffuse dunkelblaue amorphe Masse, um dieselbe herum
finden sich massenhafte intensiv dunkelblaue Rundzellen. Ein-
zelne pigmentirte Zeilen innerhalb der Retina sowie innerhalb
der Blutung werden auch hier blau, doch ist dies nur eine
recht spärliche Anzahl.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 153
Fall Vn.
Conrad Mflller 45 J. (aus der Heidelberger Klinik). Am
12. IX. 90. fnhr dem Patienten beim Hämmern ein Eiseu-
spliiter in's reehte Auge. Patient kommt am selben Tage in die
Klinik.
Status : Auge massig injicirt. Yerticale ca. 2 — 3 mm
lange Hornhautnarbe nach aussen von der Mitte. Kammer
seicht, Wunde geschlossen. Der Wunde entsprechend ein Riss
in der Iris, durch Blutcoagulum grossen Theils geschlossen.
Cataracta traumatica. In der Linse scheint aussen in der ge^
trabten Substanz ein Fremdkörper von metallischem Glanz zu
stecken-, man bekommt einen intensiven Reflei: besonders bei
Tageslicht. Pupille ist eng, reagirt, nach aussen verzogen.
Etwas rothes Licht zu erhalten. Visus: Finger werden in
] — 2 m Entfernung gezählt. Lichtschein und Projection sind gut.
Sofort nach der Aufnahme wird ein Extractionsversuch
mit dem Electromagneten gemacht. Der Wundkanal führt durch
das Loch in der Iris in den Glaskörper. Trotz mehrfachen
tiefen Eingehens ist kein Fremdkörper herauszubekommen, ob-
wohl man einmal ein metallisches Klappen zu hören glaubte.
Der Sphincter wird an der Stelle der Iriswunde excidirt. Et-
was Linsensubstanz wird herausgelassen. Mit focaler Beleuch-
tung ist kein Fremdkörper zu sehen, mit dem Spiegel kein
Reflex zu^ erhalten. Ein wenig Blut hat sich in die vordere
Kammer ergossen.
Am Tage nach der Operation ist Chemosis eingetreten
und fibrinöse Exsudation in die vordere Kammer. Der Licht-
schein ist noch gut. In den nächsten Tagen wird die Chemosis
so stark, dass die Conjunctiva aus der Lidspalte vorquillt. Die
Iris ist verfärbt, trotz Atropin haben sich mehrere Synechieen
gebildet Vom 19. IX. an sinkt der Lichtschein, die Projec-
tion wird ungenau.
22. IX. 90. Erneuter Extractionsversuch. Mit dem Schmal-
measer wird ein grosser Comealschnitt nach unten gemacht,
darauf ein breites Irisstück exddirt, die Kapsel mit dem Cy-
»titom geöffnet, die Linse herausgelassen und der Electromag-
net tief in den Glaskörper eingeführt. Man hört kein Klappen,
es kommt kein Fremdkörper, daher wird sofort die Enucleation
angeschlossen. Nach der Durcfatrennung des R externus kommt
man anf ein verdicktes Orbitalgewebe.
154 E. V. Hippel.
Nach beendigter Enncleation zeigt es sich, dass in der
Horizontal-Ebene, etwas nach aussen vom hinteren Pol, verdicktes
Gewebe der Sclera aufsitzt, nach dessen Entfernung eine kleine
Scleralwunde zum Vorschein kommt mit darin steckender Spitze
eines in der Bnlbuswandung sitzenden Eisensplitters. Der Mag-
net wird mehrmals in den enucleirten Bulbus eingeführt, um
zu sehen, ob auf diese Weise eine Extraction möglich war.
Man hört das Anklappen, die hintere Bulbuswand wird etwas
nach innen eingezogen, der Fremdkörper folgt aber nicht
Der Bulbus wird in Mttller'scher Flflssigkeit und Alcohol
gehärtet; er hat danach eine ganz eckige Form angenommen.
Es wird etwas oberhalb der Horizontalebene aufgeschnitten,
der Fremdkörper entfernt und dann werden nach Celloidin-
Einbettung Schnitte durch die Stelle, wo das Corpus alienum
sass, angefertigt.
Die Cornea zeigt in den Schnitten, da die Narbe nicht
getroffen ist, bis auf einige vielleicht künstlich erzeugte Epi-
thelverluste normales Verhalten. Conjunctiva und Episklera
sind enorm hyperämisch und von Hundzellen infiltrirt. Die
Iris und das Corpus ciliare sind stark von Rundzellen und
rothen Blutkörperchen durchsetzt. An der Stelle der Linse sind
einige Reste der vorderen Kapsel sowie spärliche Eiweissmassen
nachweisbar. Ein Stück der vorderen Kapsel findet sich ziem-
lich weit hinten im Bulbus der Innenfläche der Retina an-
liegend. Die Choroidea ist im Ganzen stark hyperämisch,
massig von Rundzellen durchsetzt, in der Suprachoroidea finden
sich massenhafte Blutaustritte. Die Netzhaut ist flach abgelöst,
zwischen ihr und der Aderhaut liegen Blutkörperchen in mas-
siger Menge; die Structur der Retina ist ziemlich wohl er-
halten; die Papille weist einen hochgradig vermehrten Kern-
reichthum auf. Der Perforationsstelle entsprechend sind die
Bulbus-Membranen sämmtlich unterbrochen, die Lücke ist
grösstentheils von Blut ausgefüllt; im Zusammenhang damit
füllt eine enorme Blutung den hinteren Theil des Glaskörpers
aus. Der grösste Theil der Blutkörperchen ist vollkommen
unverändert, in dem ganzen Glaskörperraum kommen massen-
haft grosse blasige Zellen mit 1 — 2 Kernen vor, von denen
ein Theil deutlich rothe Blutkörperchen einschliesst, dieselben
sind aber sehr blass und färben sich nicht mehr mit Eosin,
andere Zellen enthalten grosse blasse tropfenartige Gebilde.
Ausser den Elementen des Blutes liegen reichliche Eiter-
körperchen im Glaskörperraum.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 155
Ad der Perforationsstelle ist die Choroidea ausser von
RandzeUen sehr reichlich von grossen dunkelbraun geftrbten
Zellen durchsetzt Solche liegen auch in grosser Menge in
dem Defect der Sklera um die Stelle des Fremdkörpersitzes.
Entsprechend der Fortsetzung des Pigmentepithels liegt
innerhalb der Blutung in der Perforationsstelle mehrfach ge-
schichtet eine Anzahl grosser runder hellbraun pigmentirter
Zellen, die nach dem Ansehen des Pigments zu schliessen vom
Pigmentepithel herstammen können, sei es, dass es sich um
losgetrennte Epithelien handelt oder dass das Pigment nach
Zerfall der Zellen von Leucocyten aufgenommen wurde.
Die Anwendung der Ferrocyankalium-Salzsäure^Reaktion
ergiebt Folgendes: Das ganze Präparat bekommt einen hell-
blaa-granlichen Farbenton. Die Sklera wird auf eine kurve
Strecke in directer Umgebung des Fremdkörpers dunkelblau,
die hier liegenden pigmentirten Rundzellen ebenso. Im hinter-
sten Theile der Choroidea nahe der Riss-Stelle nimmt der eine
Theil der pigmentirten Zellen die Reaktion an in der Weise,
dass die Zelle diffus blau wird, während von dem braunen Pig-
ment nur ein kleinerer Theil sich blau färbt, das gleiche Ver-
halten zeigen die braun pigmentirten Zellen, die oben mit dem
Pigmentepithel in Zusammenhang gebracht wurden. Die grossen
Zellen im Glaskörper mit den Blutkörperchen -Einschlüssen
bleiben sftmmtlich ungefärbt. Das Epithel der Giliarfortsätze
ftrbt sieb deutlich mattblau, ebenso das der Pars ciliaris re-
tinae. Im vorderen Bulbusabschnitt kommen innerhalb kleinerer
Blutungen einzelne blau gefärbte Zellen vor.
Die 7 hier beschriebenen Augen beherbergen also in
ihrem Inneren einen Fremdkörper aus Eisen, als längsten
Zeitraum 7 Jahre, als kürzesten 10 Tage. Der Eisen-
splitter sass in 5 Fällen in der Bulbus wandung (Blömer,
Benze, Laier, Corcilius, Müller) einmal im Glaskörper
(Fritz) und einmal an der Innenfläche des Corpus ciliare
(Albrecht). In 2 Fällen fanden sich Anzeichen eitriger
Infection (Blömer, Müller), in den 5 anderen fehlten die-
selben. In allen Fällen war es zur Bildung einer tramna-
tischen E^atarakt gekommen.
5 mal bestand Netzhautablösung ^ 2 mal fehlte sie
(Blömer, Corcilius). Ausser in den beiden Augen, die
156 E. V. Hippel.
sehr früh enucleirt waren (Corcilius, Müller) zeigte die
iRetina hochgradige Degeneration, auch in dem Falle Blömer,
wo keine Ablösung bestand. Sehr starke intraoculare Blu-
tungen wurden in 4 Fällen beobachtet (Blömeri Laier,
Corcilius, Müller), bei Fritz war die Blutmenge nicht
sehr erhebUch, relativ sehr gering war sie bei Alb recht
und Benze.
Die Ausbreitung der Blaufärbung bei Anwendimg der
Eisenreaction zeigt zwar, was ihre Intensität anlangt, sehr
erhebliche Verschiedenheiten, die einigermassen der Zeit
entsprechen, welche der Fremdkörper im Auge geweilt hatte.
Indessen lässt sich doch nachweisen, dass gewisse Zell-
gruppen und Fasersysteme besonders leicht der
Färbung zugänglich sind. Man muss imterscheiden
eine difiuse Blaufärbung und eine circumscripte, die an
kömigen Gebilden auftritt, welche vor Anwendung der Be-
action braun waren und ausschUesslich in Zellen gelegen
sind. Stets findet sich intensive diffuse Blaufärbung
um den Sitz des Fremdkörpers in relativ geringer Aus-
dehnung. Eine diffuse Blaufärbung von wechselnder
Intensität zeigt in allen Fällen das Pigmentepithel der
Ciliarfortsätze imd der Pars ciliaris Retinae; in
3 Fällen (Fritz, Blömer, Laier) das Kapselepithel
der linse (bei Albrecht war von der linse und ihrer
Kapsel überhaupt nichts zu finden, bei Corcilius und
Müller war das Auge schon kurze Zeit nach der Ver-
letzung enucleirt worden); in 3 Fällen (Albrecht, Blömer,
Laier) das Pigmentepithel der Retina, in 3 Fällen
(Albrecht, Blömer, Laier) endlich die Stützsubstanz
der Retina. Die braun pigmentirten Zellen, die
Blaufärbimg annehmen, haben auch an bestimmten Stellen
ihren LiebUngssitz, vor Allem im Kammerwinkel und in
der Netzhaut, weniger in der Iris, am spärUchsten in der
Choroidea, wo sie meistens ganz fehlen. Einmal kamen
sie in der Hornhaut vor.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 157
Es war gewiss naheliegend , bei dieser gesetzmässigen
Yertheilung und hochgradigen Yerbreitiing des Eisens im'
Auge dasselbe im Wesentlichen direct vom Fremdkörper
herzuleiten, wie es auch Bunge gethan hat.
Erhebliche Zweifel an der Bichtigkeit dieser Au£Eftssung
musaten aber entstehen nach Untersuchung folgender Augen^
welche ebenfalls Verletzungen durch Fremdkörper aus Eisen
erlitten hatten.
Fall Vm.
Friedrich Scbmid 41 Jahre (aus der Heidelberger Klinik).
Am 31. I. 90. wurde das linke Auge durch einen von
einer Drehbank abspringenden Eisensplitter verletzt. Patient
kommt am folgenden Tage in die Klinik.
Status praesens: Starke conjunctivale und ciliare I^jec^
tion; an der Corneoscleralgrenze findet sich im inneren oberen,
Quadranten eine kleine far eine, starke Sonde durchgängige
Perforationsöffnnng. Die Cornea ist klar und spiegelt, die
vordere Kammer von normaler Tiefe, Pupille ist weit und rea-
girt kaum. Man bekommt rothes Licht vom Augenhintergrunde,
Der Lichtschein ist befriedigend. Da Patient am Abend in
die Klinik eintritt, wird erst am folgenden Morgen durch die
Wunde mit dem Electromagneten 6 — 7 Mal vergeblich ein^
gegangen. Verband.
7. IL Das Auge ist stark gereizt, es besteht Giliarschmerz.
25. II. Status idem, oben besteht eine breite Synechie,
das. Auge ist spontan schmerzhaft, hinter der Linse sieht man
einen gelblichgrauen Reflex, der Lichtschein ist erloschen.
Wegen der Gefahr fQr das andere Auge wird in Narcose
der Bulbus enucleirt. Es finden sich dabei zahlreiche Yer-
wachsangen zwischen demselben und der Tenon'schen Kapsel.
Das Auge wurde von mir im horizontalen Meridian auf-
gesdinitlen, beide H&lften wurden eingebettet. Es besteht to-
tale Netdiautablösung, innerhalb des Netzhauttrichters findet
ach eine grössere Blutung. Der Glaskörperraum ist voa einer
hitanUch gefi&rbten geronneaen Eiweissmasse erfollt. Die vor-
dere Kammer ist aufgehoben, die Linse liegt der Hinterflädie
der Hornhaut an.
Die Cornea, deren Epitiiel mit Ausnahme einiger Unregel-
mflsfligketten an der Oberfläche ztemlich normal ist, zeigt am
158 E. V. Hippel.
Rande in den oberflächlichen Schichten zahlreiche auf dem
Querschnitt spindlig erscheinende Kerne, aasserdem ist sie in
allen Lagen ziemlich stark vascularisirt. Die vordere Kammer
ist äusserst flach nnd zum Theil von einer albumiuösen Gerin-
nung ausgefüllt. Die Iris ist stark nach vorne gedrängt nnd
liegt hier und da der Uinterfläche der Cornea direct an, sie
ist durchsetzt von massenhaften, zum Theil in Haufen ange-
ordneten Rundzellen. Das Pupillargebiet sowie der Raum der
hinteren Kammer sind eingenommen von einem sehr kernreichen
Bindegewebe. In der Iris sowie in der neugebildeten Schwarte
liegen massig reichliche braune Körner, kleinere und grössere,
stellenweise in Haufen, sämmtliche in Zellen eingeschlossen;
das Pigmentepithel der Iris ist vielfach defect, schwarze Pig-
mentschollen liegen zum Theil in der Iris selbst, zum Theil
in der Schwarte, welche die hintere Kammer ausfallt. Der
Ciliarmuskel zeigt stark vermehrten Kerngehalt des Binde-
gewebes, die Ciliarfortsätze ebenso. Die ganze Linse ist von
einer derben bindegewebigen Masse mit länglichen Kernen ein-
geschlossen; vorne findet sich eine ziemlich ausgedehnte Kapsel-
Katarakt, die Linse selbst ist kataraktös. Die Schwarte, welche
hinter der Linse Hegt, enthält eine enorme Menge von dunkel-
braun pigmentirten Zellen und geht direct in die strangf5rmig
abgelöste Retina aber. Auf der Seite der Verletzung ist die
Choroidea abgelöst, die Lagen der Suprachoroidea sind stark
auseinander gezogen und die Zwischenräume von eiweissreichem
Transsudat erfüllt, in welches zahlreiche pigmentirte Rundzellen
eingelagert sind; in der Schwarte liegt auf der Innenfläche der
Choroidea eine kleine Knochenschale.
Die Retina ist sehr hochgradig degenerirt, andeutungs-
weise ist noch eine Körnerschicht zu erkennen, sonst ist von
normalen Bestandtheilen nichts nachzuweisen; um die Oefilsse
findet sich vielfach starke kleinzellige Infiltration. Zahlreich
kommen in der Netzhaut grosse runde mit braungelben Kömern
und Schollen erfüllte Zellen vor. Der trichterförmige Raum
zwischen den Blättern der Netzhaut, sowie der snbretinale
Raum sind erfüllt von einem eiweissreichen Transsudat, in wel-
chem grosse Spalten von spiess- und nadeiförmiger Gestalt
vorkommen; offenbar sind es Räume, in welchen durch Aether
extrahirte Fettkrystalle gelegen haben.
Ausserdem sieht man zellige Elemente von grosser Mannig-
faltigkeit: rothe Blutkörperchen, einkernige Leucocyten, femer
sehr zahlreiche grosse blasige Zellen mit einem und mehreren
üeber Siderosis Bulbi iind die Beziehungen etc. 159
Kernen, welche entfärbte Blutkörpercheu, Pigmentkömchen, so-
wie feinen moleculftren Detritus einschliessen; das Protoplasma
dieser Zellen zeigt vielfach einen ausgesprochen gelblichen
Farbenton; es sind die gleichen Gebilde, die im Falle Müller
beschrieben wurden. Einige dieser grossen Zellen besitzen
einen solchen Kernreichthum, dass man sie nur als Riesen-
zellen bezeichnen kann. Ueber ihre Entstehung und Bedeu-
tung vermag ich keine näheren Angaben zu machen. Das
Pigroentepithel der Retina haftet der Choroidea an; in der
Gegend der Ora serrata findet sich eine flache bindegewebige
Auflagerung auf der Innenfläche des Pigmentepithels, in diese er-
strecken sich von demselben lange spindlige mit braunschwarzen
Pigment erfüllte Zellen hinein, ausserdem liegen in diesem Binde-
gewebe Zellen, welche mit hellgelbbraunem Pigment erfüllt sind.
Die Eisenreaction ergiebt Folgendes: In der Iris sowie
in der Kapselkatarakt f&rben sich einige Zellen blau, intensiv
blau werden ferner sämmtliche pigmentirten Zellen in der
cyklitischen Schwarte, sowie in der Retina; überall bleiben in
den blau gefärbten Zellen einzelne Körnchen braun. Diffus
bellblau färbt sich das Epithel der Ciliarfortsätze, die Stütz-
substanz der Retina und diffus dunkelblau das ganze Pigment-
epithel der Netzhaut. Das braunschwarze Pigment in den
Epithelzellen bleibt ungefärbt, dies Verhalten tritt besonders
deutlich hervor, wenn man einen Schnitt 24 Stunden in ver-
dünnte Salzsäure legt; dann ist alles Pigment, das sich bei
Anwendung der Eisenreaction bläute, entfärbt, und das ur-
sprüngliche normale Angenpigment bleibt unverändert Die
grossen blasenförmigen Zellen im Glaskörper und subretinalen
Raum zeigen verschiedenes Yerhalteu, ein Thcil bleibt unge-
filrbt, die meisten werden diffus blau, die darin enthaltenen
braunen Kömchen bleiben z. Th. braun, andere werden inten-
siv blau. Die rothen Blutkörperchen bleiben grössten Theils
unverändert, einige werden aber diffus blau gefärbt.
Von diesem Auge wurden beide Hälften in Schnitte bis
auf die Sclera zerlegt, dabei wurde ein Fremdkörper nicht
gefunden. Derselbe mnss also hinten den Bulbus wieder
durchschlagen haben.
Fall IX.
Nikolaus Schömer (aus der Heidelberger Klinik). Am
15. XL 89 flog dem Patienten beim Hämmern einer Schraube
ein Eisensplitter gegen das linke Auge.
160 E- V- Hippel.
Statas! Oben aussen am Limbas corneae ist in eine
perforirende Wunde Iris eingelagert, die Kammer ist anfge<-
hoben, die Linse getrflbt, man bekommt kein rotfaes Licht:
S = Lichtschein. Der Irisvorfall wird abgetragen, die Wunde
erweitert nnd mit dem Magneten 6 Mal eingegangen, wobei
die Linse vermieden wird; es gelingt aber nicht einen Eisen-"
Splitter herauszubekommen. Nach der Operation stellt sich
Chemosis nnd Protmsio Bulbi ein, beide Erscheinungen gehen
aber bis zum 9. XII. zurück, das Auge ist aber noch stark
gereizt Am 30. XII. ist der Lichtschein erloschen, der Bul-
bus ist oben aussen eingezogen, die Stelle der stärksten ESin*
Ziehung druckempfindlich.
Am 7. I. 90 wird das Auge wegen stärkerer Reizerschein-
ungen enucleirt. Es finden sich dabei starke Verwachsungen
mit der Tenon'schen Kapsel und am hinteren Pol eine Narbe.
Das Auge wurde von mir im horizontalen Meridian auf-
geschnitten. Der Bulbus ist von etwas unregelmässiger Gestalt
entsprechend der Einziehung oben aussen. Die vordere Kammer
ist aufgehoben, die Netzhaut total abgelöst. Der sabretinale
Raum ist von bräunlicher geronnener Eiweissmasse einge*
nommen.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt starke Auflecke*
mng der Hornhautfibrillen, die auffallend weite Lücken zwi-
schen sich zeigen, starke Atrophie der Iris, hochgradige
Cyklitis mit Bildung einer mächtigen die ganze Linse ein-
schliessenden Schwartenbildnng, in welcher viele braun pigmen-
tirte Zellen vorkommen. In der abgelösten und ziemlich stark
degenerirten Netzhaut kommen zahlreiche braun pigmentirte
Zellen vor, die stellenweise in ihrer Anordnung dem Verlauf
der GefiUse entsprechen.
Bei Anwendung der Eisenreaktion werden diese sämmt-
lichen Zellen blau, wieder in der Art, dass vereinzelte Körn-
chen braun bleiben, diffus blau werden stellenweise die Faser-
zflge der Netzhaut, sowie ferner das Epithel der Oiliarfortsätze.
Auch von diesem Bulbus werden beide Hälften bis auf die
Sklera geschnitten, ohne dass ein Fremdkörper zum Vor-
schein kam. Auch hier muss der Splitter also hinten den
Bulbus verlassen haben.
Fall X.
Conrad Schreyer. 13 J. (Ans der Heidelberger KHnik.)
Aufnahme am 6. VI. 92.
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 161
Dem Patienten flog vor 5 Tagen ein Eisensplitter, über
dessen Grösse er keine Angaben zu machen weiss, gegen das
rechte Auge. Das Sehvermögen, das Anfangs etwas geringer
geworden, soll sich in kurzer Zeit wieder gehoben haben.
Status: Nach innen von der Cornea sieht man im hori-
zontalen Meridian eine 2 — 3 mm lange oberflächlich vernarbte
Scieralwunde. Die vordere Kammer ist normal, die Linse klar,
das Auge im Ganzen blass. Im Glaskörper verlaufen von der
Wunde nach dem Hintergrund einige schwärzliche Streifen
(Blut). Die Papille ist verdeckt von einer Blutung, die sich
besonders nach innen von der Papille auf der Netzhaut aus-
breitet und an einer Stelle stark prominirt. Von einem Fremd-
körper ist nichts zu sehen. E. S •= */e (!) Gesichtsfeld ist f ar
oberflächliche Prüfung frei.
7. YL 92. Die Gesichtsfeldprüfung am Förster'schen
Perimeter ergibt ein nach aussen vom Fixirpunkt gelegenes
ziemlich grosses Skotom.
Die Papille ist zum Theil sichtbar, nach innen schliesst
sich an dieselbe eine grosse Blutung, unten scharf und dunkel
begrenzt, oben mit mehr verwaschenem Rande; ziemlich nahe
der Papille sieht man einen hellen weissen dreieckigen Bezirk,
der wohl der Aufschlagstelle des Fremdkörpers entspricht.
Oben und unten innen schliessen sich der Blutung graulich
getrübte Netzhautparthieen an. In der Peripherie ist der Hinter-
grund im übrigen normal.
17. VL Die helle weisse Stelle ist etwas grösser und
schärfer begrenzt, nach oben innen davon ist eine flache cir-
cumscripte Netzhautablösung wahrzunehmen. S = */ij — ^/g.
22. VI. Nach innen von der Papille ist ein dreieckiger
weisser prominirender Bezirk zu sehen (Choroidealriss, in
welchem Fibrin oder Exsudat liegt?) weiter nasal sieht man
einen horizontalen Netzhautriss mit nach vorn umgeklappten
Bändern.
Das Skotom hat sich erheblich vergrössert und ist un-
regelmässig umgrenzt. Am 26. VI. wird Patient bei ziemlich
unverändertem Zustand des Auges einstweilen entlassen.
Als er sich am 8. YH. wieder vorstellt, ist das Auge
injicirt, die Kammer tief, die Spannung erheblich herabgesetzt,
aaf der Hinterfläche der Cornea sieht man drei braun gefärbte
Beschläge. Nach Erweiterung der Pupille sieht man bei fo*
caler Beleuchtung unten aussen eine weissgraue prominirende
T. Onefe's ^rcfair für Ophthalmologie. XL. 1. H
162 E. V. Hippel.
Parthie ohne Ge&sse. Der Glaskörper ist stark diffus getrübt,
man bekommt nur wenig rothes Licht, der weisse Heerd nasal
von der Papille ist nnr undeutlich zu sehen. Das Gesichts-
feld ist schon bei Tageslicht stark eingeengt, es besteht deut-
licher Torpor retinae.
E. 8=^/36 (Nachträglich ergibt sich, dass Patient die
Buchstaben der Probetafeln auswendig gelernt hat und ein
besseres Sehvermögen vortäuscht, um einer etwaigen Operation
zu entgehen). Die dringend angerathene Aufnahme wird noch
verweigert.
Am 11. YII. tritt Patient wieder in klinische Behandlung.
Das Auge ist im Ganzen blass, die Pupille ziemlich eng,
die Kammer etwas vertieft, die Iris grünlich verfärbt Bei
focaler Beleuchtung sieht man unten aussen eine weissliche
Membran, von der Stränge weiter nach hinten ziehen. Die
Papille ist eben sichtbar, von dem nasal von der Papille ge-
legenen weissen Heerd ziehen Stränge nach der faltigen Mem-
bran hin und ebenso einer vor der Papille her. Ganz weit
nasal sieht man eine nicht deutlich begrenzte granweisse Stelle,
welche den Eindruck einer Netzhautfalte macht. Der weisse
Heerd, von dem die Stränge ausgehen, wird für den Sitz des
Fremdkörpers angesehen. Am 13. YU. ist auch oberhalb der
Papille eine Netzhautfalte zu erkennen. Visus: Finger auf
iVa M. gezählt. Am 16. VII. ist die Projection ganz un-
sicher, die Netzhautablösung hat sich noch vergrössert
In Chloroformnarcose wird zunächst die Sehne des R. in-
ternus durchtrennt und der Bulbus an einer Fadenschlinge
stark auswärts rotirt Durch vorsichtiges stumpfes Präpariren
kommt man an eine Stelle dicht nach innen vom Opticus, wo
das Gewebe verändert, wie narbig aussieht; es macht den Ein-
druck eines Stranges, der sich in den Bulbus fortsetzt; mit
der Scheere wird der Bulbus angeschnitten, es entleert sich
klare Flüssigkeit, der Glaskörper scheint nicht infiltrirt. Mehr-
faches Eingehen mit dem Elektromagneten hat keinen Erfolg,
der Bulbus ist ganz collabirt, die Operation wird aufgegeben.
3 Nähte.
16. Vn. Das Auge ist wieder gefüllt, ohne Schmerzen,
der Lichtschein ist erloschen.
24. VIU. Die Pupille ist nasal verschoben, die Iris von
braunröthlicher Farbe, aus dem Inneren ist kein rothes Licht
2n bekommen.
Ueber Siderosis Balbi und die Beziehungen etc. 163
28. VIII. In der vorderen Kammer ist etwas Blut.
30. YIII. wird das Auge in Narcose enucleirt.
Nach der gewöhnlichen Härtung wurde der Bulbus von
mir im horizontalen Meridian aufgeschnitten^ die Netzhaut ist
total abgelöst und sieht dunkelbraun aus, der ganze Bulbus ist
von geronnener Eiweissmasse erfüllt
Die Cornea zeigt im Allgemeinen normale Verhältnisse,
in der vorderen Kammer findet sich ziemlich viel Blut, auch
die Maschen des Ligamentum pectinatum sind mit rothen Blut-
körperchen erfüllt. Auf der Vorderfläche der Iris liegt eine
ziemlich erhebliche Menge von braun gefärbten Zellen, auch
die Endothelien sind braun gefärbt, die vordersten Schichten
der Iris sind ungewöhnlich kornreich; auch in den tieferen
Lagen der Iris kommen ziemlich viele Zellen vor, die mit gelb-
braunen Körnern erfallt sind. Das Bindegewebe zwischen den
Mnskelbflndeln des M. ciliaris zeigt stark vermehrten Kem-
gehalt Zwischen den Falten der Giliarfortsätze liegen sehr
reichliche rothe Blutkörperchen, ferner blutkörperchenhaltige
Zellen und solche, die mit braunen Körnchen erfttllt sind. Die
Linse ist von normaler Beschaffenheit. Ihrer Hinterfläche
Hegt eine dicke Schicht rother Blutkörperchen an. An der
temporalen Seite liegt hinter der Linse ein sehr kernreiches
Bindegewebe, das durch schmale Zage einerseits mit dem Gor*
pus ciliare, andererseits mit der abgelösten Retina in Ver-
bindung steht. Die Falten der letzteren sind eingeschlossen
in ganz enorme Blutungen, die auch vielfach das Gewebe der
Netzhaut durchsetzen, schmale ZOge von Fibrin durchziehen
den ganzen subretinalen Raum. Die Blutkörperchen sind zum
flberwiegend grössten Theil unverändert, eine Anzahl ist deut-
lich in Zellen eingeschlossen, recht spärlich sind im Allgemeinen
Zellen, die braune Pigmentkörnchen einschliessen.
Die Retina ist stark degenerirt, vielfach ist das Gewebe
dnrch die Blutungen vollständig zertrümmert. Nasalwärts vom
Opticus-Eintritt sind Sklera und Ghoroidea auf eine ziemlich
weite Strecke unterbrochen, der Defect ist ausgefüllt von
einem an Spindelzellen sehr reichen Bindegewebe, mit welchem
die Retina an dieser Stelle fest verwachsen ist Im Opticus
ist der Kerngehalt nicht unbeträchtlich vermehrt.
Die Eisenreaction ergiebt Folgendes: Die braun gefilrbten
Zellen auf der Oberfläche der Iris sowie im Kammerwinkel
werden intensiv diffus blau, daneben bleiben braune Körnchen
11*
164 E. V. Hippel.
in denselben. Das Epithel der Ciliarfortsätze ist matt hell-
blau gefärbt, ebenso das der Pars ciliaris retinae. Im Glas-
körperraum wird ein grosser Theil der blntkörperchenhaltigen
Zellen sowie derjenigen, welche braune Kömchen enthalten,
diffus blau.
Beide Hälften des Bulbus werden bis auf die Sclera ge-
schnitten, ein Fremdkörper war nicht zu finden, der-
selbe hat also den Bulbus hinten wieder durchschlagen.
Fall XI.
Bömer (der Göttinger Klinik von auswärts zugeschickt).
Verletzung durch Eisensplitter, Iridocyclitis. Enucleation
nach 4 Wochen bei erloschenem Lichtschein und erheblicher
Schmerzhaftigkeit in der Ciliargegend.
Das Auge wurde von mir im horizontalen Meridian durch-
schnitten. Makroskopisch ist totale strangförmige Netzhaut-
ablösung zu bemerken. Hinter der Linse liegt eine Schwarte,
die das Corpus ciliare einwärts gezogen hat Die vordere
Kammer ist äusserst flach. An der temporalen Seite findet
sich am Corneoskleralrande eine breite eingezogene Narbe.
Eine schmale Narbe durchsetzt etwas mehr vom Rande ent-
fernt das Gewebe der Cornea. Im vorderen Theile des Glas-
körpers liegt eine grosse Blutmenge.
Mikroskopischer Befund: Das episklerale Zellgewebe ist
stark kleinzellig infiltrirt. Die Cornea ist besonders in den
peripheren Theilen von zahlreichen Gefässen durchsetzt. Die
breite Narbe, die offenbar der Perforationsstelle des Fremd-
körpers entspricht, besteht aus einem sehr kemreichen Binde-
gewebe. Die Zellen sind zum Theil dunkelbraun pigmentirt;
die Descemet'sche Membran ist durchbrochen, die Iris ist mit
der Narbe verwachsen, in der Richtung der Narbe nach ein-
wärts ist die Linsenkapsel durchrissen, die Linse an dieser
Stelle kataraktös und von vielen Rundzellen durchsetzt. Von
der schmalen, offenbar von einer Operation herrührenden Hom-
hautnarbe zieht ein schmaler Zug eines kemreichen Binde-
gewebes nach der grossen Perforationsnarbe hin. Innerhalb
dieses Gewebes findet sich in einem Schnitt etwas von der
Oberfläche der Cornea entfernt eine Cyste mit einer derben
bindegewebigen Wand, die im Innern von unregelmässigen
kubischen Epithelzellen ausgekleidet ist-, in der Mitte bat sie
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 165
ein kleines Lumen. An Schnitten aus der Umgebung lässt sich
feststellen, dass mit diesem Gebilde ein Zapfen von Epithel-
zellen in Verbindung steht, der sich etwas weiter nach der
Oberfläche erstreckt; ein directer Zusammenhang mit dem Epi-
thel der Corneal-Oberfläche war nicht mit Sicherheit zu er-
weisen. In der vorderen Kammer findet sich viel Blut; zwi-
schen den wohlerhaltenen rothen Blutkörperchen liegen braun
pigmentirte Zellen, solche kommen in grosser Menge im Gewebe
des Eammerwinkels, sowie auf der Oberfläche und im Gewebe
der Iris vor. Die Vorderfläche der Linse wird von einem
sehr stark pigmentirten Bindegewebe bedeckt. Die Iris ist
auf der Seite der Verletzung sehr stark atrophisch und flächen-
haft mit der Linsenkapsel verwachsen. Der Ciliarkörper zeigt
stark yermehrten Kemgehalt, er ist abgelöst. Zwischen den
Ciliarfortsätzen liegen massenhafte rothe Blutkörperchen sowie
grosse braun pigmentirte Zellen. Das Epithel der Giliarfort-
sätze ist streckenweise auffallend wenig pigmentirt.
Ein sehr zellreiches Granulationsgewebe liegt hinter der
linse und hängt zusammen mit der Innenfläche des Ciliar-
körpers und dem vordersten einwärts und vorwärts gezogenen
Theile der Retina. Sehr viele Zellen dieses Gewebes sind dunkel-
braun pigmentirt; nach hinten geht es unmittelbar über in eine
grosse von Zügen fädigen Fibrins durchsetzte Blutmasse, an
deren hinterem Rande wieder eine beträchtliche Anzahl braun
pigmentirter Zellen liegt Die Aderhaut ist bis zum Aequator
abgelöst, in den stark auseinander gezerrten Lagen der Supra-
choroidea liegen sehr viele braun pigmentirte Zellen. In grosser
Menge finden sich solche von im Allgemeinen spindliger Ge-
stalt in der Choroidea selbst, sie lassen sich sogar längs der
aus- und eintretenden Gefässe und Nerven durch die Sklera
hindurch verfolgen. Das Pigment-Epithel der Retina sitzt der
Choroidea auf; seiner Innenfläche liegen rothe Blutkörperchen
und braun pigmentirte Zellen in massiger Menge an.
Die abgelöste Netzhaut ist in verschieden hohem Grade
degenerirt. Während stellenweise beide Eömerschichten sowie
die Zwischenkömer- und Ganglienschichte ziemlich wohl er-
halten sind, ist die Retina an anderen Stellen stark verschmä-
lert, es ist nur eine Körnerschicht nachweisbar, die inneren
Schichten sind fast völlig degenerirt, die Stützfasern stark aus-
gewachsen. Im Gewebe der Netzhaut liegen zahlreiche braun
pigmentirte Zellen von runder und spindliger Gestalt. An der
Aussen- und Innenfläche der Netzhautfalten liegen rothe Blut-
166 E. V. Hippel.
körperchen, grosse blasse homogene Kugeln, ferner Zellen, welche
Blutkörperchen sowie braune Pigmentschollen einschliessen.
Die Eisenreaction bewirkt folgende Veränderungen:
Sämmtliche oben beschriebenen gelbbraun pigmentirten Zellen
in der Gornealnarbe, auf der Yorderfläche der Iris und in
derselben, im Eammerwinkel, zwischen den Ciliarfortsätzen, in
dem Bindegewebe hinter der Linse, am Rande der grossen
Blutung, in der Suprachoroidea und Choroidea sowie in der
Retina werden intensiv blau; es muss hervorgehoben werden,
dass in vielen derselben bei Anwendung starker Yergrösserung
noch braune Körnchen nachweisbar bleiben. Dieselben treten
besonders deutlich hervor, wenn man die Schnitte 24 Stunden
in verdünnte Salzsäure legt; dann ist alles Pigment, das die
Blaufärbung ergab, verschwunden und nur diese braunen Körn*
chen bleiben übrig. Intensiv diffus blau färbt sich das Epi-
thel der Ciliarfortsätze und der Pars ciliaris retinae, femer
in ziemlich grosser Ausdehnung das Kapsel-Epithel der Linse,
etwas weniger intensiv und nur stellenweise das Pigmentepi-
thel der Retina. Durch ihre Blaufärbung bei Anwendung der
Eisen-Reaction treten erst eigenthümliche vielfach verästelte
Zellen hervor, die besonders in den inneren Schichten der
degenerirten Retina vorkommen. Was dieselben zu bedeuten
haben, vermag ich nicht näher anzugeben.
Beide Hälften dieses Auges werden bis auf die Sklera
geschnitten, ein Fremdkörper fand sich dabei nicht; derselbe
muss also den Bulbus hinten wieder durchschlagen haben.
Diese 4 Fälle lehren zunächst, dass eine zweimalige
Durchbohrung der Augenhäute durch einen abspringenden
Eisensplitter, der nicht durch explosive Gewalt getrieben
wird, doch nicht ganz so selten ist, wie Hirschberg*)
meint, der unter einem grossen Material nur einen solchen
Fall beobachten konnte.
Eine sehr ausgedehnte Verbreitung eisenhaltigen Pig-
ments konnte beispielsweise auch Vossius') in seinen
beiden Fällen von griinlicher Verfärbung der Hornhaut
feststellen. Das Pigment war ähnlich localisirt, wie in
>) 1. c.
•) 1. c.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. lQ^
meinen Fallen. Von einer diffusen Reaction an den Epi-
thelien berichtet Yossius^ der Schwefelammonium an-
wandte, nichts.
Vergleicht man die Ergebnisse der Eisenreaction in
den letzten 4 Fällen mit denen der ersten 7, so muss es
sofort aufiEGkUen, dass sie in sämmtlichen Fällen ausser-
ordentlich ähnlich sind. Die diffuse Blaufärbung des
Epithels der Ciüarfortsätze und der Pars ciliaris Retinae
war in den letzten 4 Fällen ebenfalls nachweisbar, intensiv
war sie allerdings nur im Falle Bömer. Bas Kapselepithel
der linse zeigte einmal Blaufärbung, das Pigmentepithel
der Betina 2 mal (Schmid, Bömer), die Stützsubstanz
der Netzhaut einmal (Schmid), allerdings in geringer In-
tensität Blau geförbte Zellen im Kammerwinkel, in und
auf der IriSi in den cyklitischen Schwarten, in der Supra-
choroidea und Netzhaut fänden sich in allen Fällen. Eisen-
haltiges Pigment in der Hornhaut wurde allerdings nicht
gefunden, doch kam ja diese Erscheinung auch in den
ersten 7 Fällen nur einmal zur Beobachtung.
Da es sich also im Grossen und Ganzen in sämmt-
lichen 11 Fällen um die gleiche Yertheilung des Eisens im
Auge handelte (die geringere Intensität der diffusen Fär-
bungen konnte wohl so erklärt werden, dass keines der
letzten 4 Augen erst Monate od^ Jahre nach der Ver-
letzung enudeirt worden war), da femer in den letzten 4
Fallen der Eisengehalt der Gewebe nur vom Blute abge-
lötet werden konnte, so konnten nur 2 MögUchkeiten in
Betracht kommen: Entweder stammte das nachge-
wiesene Eisen auch in den ersten 7 Fällen von
dem in yerschieden grosser Menge ergossenen Blute
her, oder es handelte sich um eine Combination
echt siderotischen und hämatogenen eisenhaltigen
Pigmentes.
Es musste danach sofort die Frage entstehen: kann
man auf irgend einem Wege den Nachweis fuhren, dass
168 E. V. Hippel.
ein Theil des gefundenen Eisens in den ersten 7 Fällen
direct dem im Auge befindKchen Fremdkörper entstammt?
Ausser allem Zweifel trifft dies zu für die unmittelbar
um denselben auf geringe Entfernung nachweisbare höchst
intensive diflftise Eisenausscheidung. Wenn wir beispiels-
weise die Sklera auf eine kurze Strecke um den Fremd-
körper bei Blömer, Beyer und Müller intensiv diffus dunkel-
blau sehen werden, so wird niemand auf den Gedanken
kommen, diese Färbung vom Blute herleiten zu wollen.
Weit schwieriger liegt die Sache für die weit vom Fremd-
körper entfernt auftretende Eisenausscheidung. Hier wer-
den wir die klinische Beobachtung einerseits zu Bathe
ziehen müssen, andererseits darauf zu achten haben, wie
weit eine Entstehung eisenhaltigen Pigments aus dem Blute
in den ersten sieben Fallen mit Sicherheit zu erweisen ist,
wieviel also für die Möglichkeit der directen Entstehung
vom Fremdkörper aus übrig bleibt.
Die klinische Verwerthung des Falles Albrecht ist
deshalb misslich, weil der Patient seiner Zeit nicht dazu
zu bewegen war, sich öfters zu zeigen^ so dass von einer
Beobachtung der Entstehung der verschiedenen Verän-
derungen keine Bede war. Nachdem die braune Färbung
der Linse festgestellt war, vergingen 3 Jahre, bis der Patient
mit der braunen Cornea sich wieder vorstellte. Ob in dieser
Zeit keine leichteren Becidive von Entzündung, die mit
Blutungen einhergingen, vorhanden gewesen, lässt sich
keineswegs ausschhessen, im Gegentheil, es ist wahrschein-
hch, dass die Vascularisation der Hornhaut durch frische
Entzündung in dieser Zeit zu Stande gekommen war und
aus den neugebildeten Gef ässen können sehr wohl Blutungen
erfolgt sein. 2 Jahre nach dieser Vorstellung kam es aus un-
bekannten Gründen zu einer frischen Entzündung, die mit
stärkeren Blutungen einherging, wie das Hyphäma beweist;
im Gefolge dieser Entzündung kam es auch wahrschein-
lich erst zur Netzhautablösung. Es Hessen sich nun be-
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. Igg
sonders an der Innenfläche der Netzhaut sowie des Ciliar-
korpers und an anderen Stellen nicht unbeträchtliche Mengen
rother Blutkörperchen auffinden, die alle möglichen Ueber-
gänge zur Bildung eisenhaltigen Pigmentes zeigten; daraus
hätte man vielleicht schliessen können, dass die Eisenim-
prägnation dieser Gewebe von diesen Blutkörperchen her-
zuleiten sei. Es ist aber anzunehmen, dass diese grösseren
Blutungen ebenso wie das Hyphäma erst im Laufe der
letzten Entzündung entstanden sind. Da aber kein Grund
vorliegt, die Eisenimprägnation der tiefen unsichtbaren Theile,
Retina, Ciliarkörper u. s. w. in eine viel spätere Zeit zu
verlegen, als die der sichtbaren, Iris und Cornea, so bleibt
nur möglich zu folgern, dass die Eisenimprägnation der
Gewebe entweder direct vom Fremdkörper oder aus kleinen
reddivirenden multiplen Blutimgen im Gefolge leichterer
Entztindungs-Nachschübe hervorgegangen ist, für deren Zu-
standekommen der Fremdkörper in irgend einer Weise den
Anreiz gegeben haben mag.
Aus dem zweiten Falle (Fritz) lassen sich weit-
gehende Schlüsse nicht ziehen, da die Angaben in der
Krankengeschichte zu kurz sind, offenbar hat hier sofort
eine grössere Blutung bei der Verletzung stattgefunden;
m allen Theilen des Bulbus sind Blutkörperchen in grösse-
rer Anzahl nachgewiesen. Ueber das Aussehen der Iris
intra vitam fehlen zwar Angaben, dass dieselbe intensiv
braun von der Vorderfläche her aussah, konnte ich noch
an dem durchschnittenen Auge feststellen; nun findet sich
auf der Vorderfläche eine dichte Lage braun pigmentirter
Zellen; gerade für diese ist es aber ziemlich sicher, dass
sie aus dem Blute hervorgegangen sind, da sich alle mög-
Uchen Uebergänge von rothen Blutkörperchen zu diesen Ge-
bilden nachweisen lassen.
In den Fallen Blömer und Benze sind die klinischen
Notizen zu kurz, als dass man weitere Schlüsse daraus
ziehen könnte. Etwas eher ist dies schon möglich in dem
170 E.V. Hippel.
Falle Laier, der durch die enorme Ausbreitung der Eisen-
reaction neben Albrecht besonders auffiel Grössere Blu-
tungen sowie die Netzhautablösung waren, wie aus der
Krankengeschichte hervorgeht, erst 3 Wochen vor der
Enucleation durch den vergeblichen Versuch mit dem Electro-
magneten herbeigeführt worden. Nun lehrt zwar der Fall
Schmid, dass 3Va Wochen vollkommen genügen, um eine
sehr ausgebreitete Eisenimprägnation aus dem Blute her-
vorgehen zu lassen, indessen ist doch im Falle Laier die
Eisenreaction der einzelnen Teile, z. B. des Kapsel-Epi-
thels, der Pars dliaris retinae etc. eine so ausserordentlich
intensive, dass man wenigstens mit einiger Wahrscheinlich-
keit die directe Einwirkung des Fremdkörpers zur Er-
klärung heranziehen möchte. Allerdings ist auch hier nicht
auszuschliessen, dass kleine öfters recidivirende Blutungen
im Laufe der 6 Monate, die der Splitter im Bulbus ver-
weilte, wohl im Stande gewesen sein könnten, allmählich
eine erhebUche Eisenablagerung in den Geweben des Bul-
bus zu erzeugen.
Ln Falle Corcilius ist die Eisenreaction überhaupt im
Wesenthchen auf die nähere Umgebung des Fremdkörpers
beschränkt Da trotz der Beichlichkeit der Blutungen ferne
vom Fremdkörper noch kein hämatogenes eisenhaltiges Pig-
ment wegen der Kürze der Zeit entstanden war, kann man
mit Wahrscheinlichkeit folgern, dass die eisenhaltigen Zel-
len, die auf einige Entfernung vom Fremdkörper gefunden
wurden, demselben ihren Eisengehalt verdanken.
Der Fall Müller ist nicht zu verwerthen; unmittelbar
um den Fremdkörper stammt der hohe Eisengehalt natür-
lich von demselben ab; alles eisenhaltige Pigment, das sich
sonst in verhältnissmässig geringer Menge findet, kann vom
Blute abstammen, wie das Auftreten einiger Eisen-Beactioii
gebender Zellen im vordersten Theile des Bulbus beweist
Die angestellten Betrachtungen ergeben, dass die Yer-
werthung der klinischen Daten nicht im Stande ist, uns
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 171
Gewissheit darüber zu verschaffen ^ welcher Theil des vor-
gefundenen Eisens in den ersten 7 Fällen direct vom Fremd-
körper abstammt Die Annahme öfters recidivirender
Blutungen wird gerade im Falle Albrecht besonders wahr-
scheinlich durch die unverkennbare Beziehung^ die das Pig-
ment, spedeU in der Cornea, zu den Gefassen hat Vielfach
ist es längs denselben sehr deutlich in Beihen angeordnet
Giebt uns so die khnische Verwerthung der unter-
suchten Fälle keine voll befriedigende Auskunft, so müssen
wir uns nach anderen einwandsfreien Beobachtungen um-
sehen, wo ein im Auge weilender Fremdkörper aus Eisen
entfernt von der Stelle seines Sitzes Eisenablagerung er-
zeugt hatte, bei deren Entstehung das Blut nicht betheiligt
sein konnte.
Dahin gehört vor Allem die gelbbraune Färbung
kataractöser Linsen, welche einen Fremdkörper aus Eisen
enthielten, sowie die in einem Kranze brauner Flecken auf-
tretende Eisenausscheidung unter der vorderen linsen-
kapsel, die beobachtet wurde sowohl bei Sitz eines Eisen-
splitters in der linse selbst als auch im Glaskörper. Solche
Fälle vnirden mitgetheilt von v. Graefe *), Leber*), Samel-
sohh^). Landmann*), Fuchs*), Vossius"). Bei dem
in meiner Arbeit verwertheten Fall Albrecht wurde dieselbe
Erscheinung während des Krankheitsverlaufes beobachtet
In neuerer Zeit theilte Aus in') 7 solche Fälle mit imd
ich selbst kann noch einen weiteren anführen, der in der
Universitäts- Augen-Klinik in Halle beobachtet wurde. Zwar
zeigten die mehr oder weniger dichten Glaskörpertrübungen,
«) v. Graefe'8 Archiv Bd. VI. 1., p. 134.
') Tnmsact. of the Internat, med. Gongr. London 1881.
») Zehender's Mon.-Bl. 1881, p. 265.
*) V. Graefe' 8 Archiv XXVIII. 2. 1882.
•) Fuchs, Lehrb. d. Augenheilkunde, 1. Aufl.
*) Deutsche med. WochenBchrift 1891, Nr. 51, p. 1385.
') 1. c.
172 E. V. Hippel.
die in einigen dieser Fälle vor oder nach der Extraction
der linse festgestellt worden , dass auch hier Blutungen
nicht immer auszuschliessen sind, indessen fehlen sie in
anderen Fällen, wo der Splitter in der linse sass, voll-
kommen. Ausserdem ist dies Krankheitsbild noch nie zur
Beobachtung gekommen, wenn nicht ein Metallsphtter im
Auge sass. Daraus können wir mit Sicherheit schliessen,
dass die braunen Flecke unter der Kapsel und die -Ver-
färbung der linsensubstanz vom Fremdkörper selbst her-
stammen.
Ich will hier nicht verschweigen, dass es sich in dem
viel citirten und meist stillschweigend unter die Eisen-
splitter-Verletzungen gerechneten Falle v. Graefe's laut
Anamnese um ein abgesprungenes Stück eines Zündhüt-
chens handelte. In dem Sectionsberichte ist nur von einem
Metallsphtter die Rede. Nun kam es freilich damals den
Untersuchen! (v. Graefe und Schweigger) in keiner Weise
auf die Natur des eingedrungenen Metallstückes an, es ist
deshalb auch sehr wohl möglich, dass die Angaben des
betreffenden Patienten fehlerhaft waren und doch ein Eisen-
splitter im Bulbus sass. Diese Annahme hat sogar grosse
Wahrscheinlichkeit, denn es ist nicht einzusehen, wie durch
einen Kupfersphtter die rostbraune Vertärbung zu erklären
wäre, ausserdem ist meines Wissens kein weiterer Fall be-
kannt, wo im Gefolge einer Verletzung durch einen Fremd-
körper aus Kupfer jener Kranz brauner Flecke unter der
Kapsel entstanden wäre. Es liegt auf der Hand, dass es
von praktischer Bedeutung ist, ob wir aus dem geschilder-
ten Krankheitsbilde mit Sicherheit das Vorhandensein eines
Fremdkörpers aus Eisen erschliessen dürfen. Die Berech-
tigung der Magnetoperation würde in solchen Fällen, wenn
die Anamnese nicht zweifellos ist, davon abhängig zu
machen sein.
Da nun der braune Kjranz an der linse doch im Ver-
hältniss zu der Häufigkeit penetrirender EisenspUtter-Ver-
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 173
letzungen ein recht seltenes Vorkommnis ist, ebenso wie
die Verfärbung der Cornea, so ist es für die Praxis doch
^heblich wichtiger, ob die Braunfärbung der Iris, wie
Bunge will, mit Sicherheit einen im Bulbus befindlichen
Fremdkörper anzeigt, d. h. ob der bei dieser Annahme vor-
ausgesetzte Eisengehalt derselben (und ebenso der Cornea
in den seltenen Fällen) direct vom Fremdkörper herstammt.
Dies ist allerdings ausserordentlich wahrscheinUch, wenn,
wie es beobachtet ist, der EisenspUtter in der Linse sitzt,
nirgends eine Blutung zu sehen ist und die Iris braun
wird. Ob diese Färbung wirklich auf der Einlagerung einer
Oxydverbindung beruht, bezeichnet Leber in seinem Werk
über die Entzündung noch als eine offene Frage.
Mikrochemische Untersuchungen hierüber stellte An-
gin') an Irisstücken an, die bei der Extraction solcher
braun gefärbter Kataracten geronnen waren. Er giebt an:
jJDie Blaufärbung ist am intensivsten in den Zellen des
adenoiden Gewebes der vorderen Grenzschicht und einem
dünnen Irissaume vor der Kgmentschicht, femer in dem
Sphincter pupillae. Das Irisstroma wird mit Ausnahme
der erfasse wenig oder fast gar nicht blau gefärbt An
den Gefässen wiederum sind die die Adventitia umgeben-
den Zellen einerseits, die Tunica media und intima anderer-
seits stärker blau gefärbt, ab die Adventitia selbst."
In den beiden Fällen, auf welche sich diese Angaben
beziehen, befand sich der Fremdkörper anscheinend nicht
in der linse, wenigstens ist weder in der Krankengeschichte
noch in dem Sectionsbefund davon die Bede; dagegen
fand sich ein Ereis brauner Flecken unter der vorderen
Kapsel in beiden Fällen. Nur in dem ersten wurden feine
Glaskörpertrübungen nach der Extraction beobachtet Es
ist aber für diese Fälle erwiesen, dass die bräunliche Ver-
färbung der Iris auf Einlagerung einer Eisenoxydverbindung
>) 1. c.
174 * E. V. Hippel.
beruht, die sich mit Ferrocyankalium und Salzsäure blau
färbt und nur von dem Splitter selbst herstammen kann.
Ich hatte Grelegenheit, selber einen solchen Fall zu
untersuchen, der in der Hallenser Klinik beobachtet wurde,
wie ich schon kurz erwähnte.
Die Krankengeschichte ist in Kürze folgende: Aufnahme
12. XI. 92. Vor drei Jahren wurde das rechte Auge durch
ein Stahlstflckcheü verletzt Der Fremdkörper war angeblich
abgeprallt. Nach dtägiger Behandlung konnte Patient wieder
arbeiten und glaubt auch durch die Yerletznng keine Einbusse
seiner Sehschärfe erlitten zu haben. Bis zu diesem Frtthjahr
konnte er gut sehen, dann trat rasche Verschlechterung ein.
Status: Eine Hornhautnarbe ist nicht aufzufinden, wohl
aber eine Kapselnarbe unten. Die Linse ist grossen Theils
streifig und fleckig getrttbt. Entsprechend dem Rande der ad
maximum erweiterten Papille zeigt sich der * charakteristische
Kranz gelbbrauner Flecken. Die Farbe der Iris ist beider-
seits graugrünlich, ein Unterschied besteht nicht. Es wurde
die Extraction gemacht, das excidirte Irisstück, ein Stück der
Kapsel mit einigen der braunen Flecken und die Linse erhielt
ich zur Untersuchung. Dass der Fremdkörper nicht in der
Linse sass, war schon intra vitam festzustellen; wo er gesessen,
war bisher nicht zu ergründen, da eine Catar. secund., die sich
nach der Operation gebildet hatte und bisher nicht discindirt wurde,
eine genaue Untersuchung der tiefen Theile verhinderte. Nach
der Operation wurde im Centrum der Cornea eine sehr feine,
aber die ganze Dicke durchsetzende Trübung, sowie an der
Hinterfl&che der Hornhaut eine Anzahl sehr feiner, nur mit
der Lupe wahrnehmbarer Beschläge festgestellt
Die Linse ging mir durch einen unglücklichen Zufall ver-
loren, auf den Befund an der Kapsel komme ich später zu-
rück, jetzt möchte ich nur auf die Untersuchung des Irisstfickes
eingehen.
Die histologischen Verhältnisse sind normal, die Iris zeigt
an ungefärbten Präparaten einen gelblichen Farbenton, die
Eisenreaction erzengt intensive Blaufärbung. Dieselbe ist fast
ausschliesslich an Zellen gebunden und zwar allem Anschein
nach nur an die Zellen des normalen Iris-Stroma. Gefilrbt ist
das Endothel der Vorderfläche, von dem Epithel der Hinter-
fläche der der Iris zugewandte Theil; die hintere Grenzschicht
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 175
ist fast ToUkommen angefärbt, in der Gefässschicht ist die
FftrbuDg sehr deutlich und zwar sind es im Wesentlichen die
Zollen der Tunica media, welche die Blaufärbung annehmen.
Auch in diesem Falle ist man wohl berechtigt, den
Eisengehalt der Iris mit grosser Wahrscheinlichkeit von
dem Fremdkörper herzuleiten. Es ist von besonderem Inter-
esse festzustellen, dass in diesem Falle, wo eine Siderosis
Iridis anatomisch nachgewiesen ynirde, eine klinisch wahr*
nehmbare Verfärbung der Iris vollkommen fehlte.
Ich verzichte darauf, aus der Literatur die klinischen
Beobachtungen zusammenzustellen, in denen eine Verfärbung
der Iris bei Fehlen irgendwie nennenswerther Blutungen
mit WahrscheinUchkeit auf den Fremdkörper selbst zu be-
ziehen ist, und möchte nur einen eigenen Fall, der mannig-
faches Interesse bot, hier kurz erwähnen.
Andreas Schneider, 23 J., wurde am 9. IX. 1892 in die
hiesige Klinik aufgenommen, nachdem ihm an demselben Morgen
ein Eisensplitter in's linke Auge geflogen war.
Status: Am äusseren Hornhautrande findet sich eine ca.
7 mm lange perforirende Wunde, in der ein Irisvorfall liegt
Ein Fremdkörper ist mit dem Spiegel nicht zu sehen, im Glas-
körper sieht man einige Blutstreifen. Der Irisvorfall wird ab-
getragen. In den folgenden Tagen entsteht Chemosis und eine
ziemlich heftige Iritis, die aber allmählich zurückgeht Die
Sehschärfe hält sich gut, S= ^/^g.
Am 26- IX. ist der Fremdkörper zum ersten Male sicht-
bar, er steckt oben aussen in den Augenhäuten und ist von
grauer metallischer Farbe und etwas unregelmässiger Ober-
fläche. In den folgenden Tagen zeigt sich, dass ihm ein wenig
Blut anhaftet und dass er von einem braunen Hof umgeben ist
Einige feine GlaskörpertrUbungen sind zu sehen. Bis zum
24. X ist die Iritis so gut wie vollkommen zurückgegangen,
die Sehschärfe beträgt %, Patient wird entlassen.
Am 19. I. 93 stellt er sich wieder vor; S = % — %,
es besteht leichte Ciliar-Injection, ophthalmoskopisch ist der
Befund unverändert, nur ist die Pigmentirung in der Um-
gebung des Fremdkörpers noch dunkler geworden, die Iris ist
grünlichgelb verftrbt (die rechte ist hellblau).
176 E. V. Hippel.
Am 20. II. 93 wird Patient zum zweiten Mal aufge-
nommen, weil er Schmerzen bekommen und die Sehschärfe
abgenommen hat. (S = 7i8 — ^/i«)- ^^ ^er Verlauf es doch
unwahrscheinlich macht, dass der Fremdkörper auf die Dauer
ertragen werde, machte Herr Professor Leber am 25. IL die
Extraction des Fremdkörpers in folgender Weise:
Nachdem der Sitz des Corpus alienum möglichst genau
festgestellt war, wurde die Gonjunctiva eingeschnitten und das
episklerale Gowebe zurackpräparirt; es kommt entsprechend
der Stelle, wo man den Splitter vermuthete, ein schwarzes
Pünktchen auf der Sklera zum Vorschein. Mit Messer und
Scheere wird der Splitter vorsichtig frei präparirt, er folgt
aber dem Zug der Pincette nicht, schliesslich wird der Bulbus
eröffnet; dabei ist der Splitter offenbar frei geworden, er ist
im Glaskörper verschwunden; der Electromagnet leitet ihn
wieder nach der Wunde, aus der er schliesslich mit der Pincette
hervorgezogen wird. Er ist 5 mm lang, an der breitesten
Stelle 1 mm breit Die Heilung verlief reizlos, der Patient
wurde am 11. IIL mit S = ^/i2 entlassen.
Leider war dieser schöne Erfolg nicht von Dauer; am
7. V. 93 war die Sehschärfe = ^/jg, es bestand hoch-
gradige Einschränkung der Gesichtsfeldes nach allen Seiten,
sowie starker Torpor retinae. 15. VIL Auge leicht ii^icirt,
Iris noch grün verfärbt, Augendruck normal. In der Gegend
des früheren Sitzes des Fremdkörpers dunkle Pigmentmassen,
keine Netzhautablösung nachzuweisen. 8=^/24. Gesichtsfeld
sehr stark concentrisch eingeengt, starker Torpor Retinae, bei
niederer Lampe werden keine Handbewegungen erkannt. Es
besteht hochgradige Farbenstörung (Grün, Roth, Gelb werden
nicht erkannt.)
Die Verfärbung der Lis, die in diesem Falle beobachtet
wurde, ist wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit von dem
Fremdkörper selber herzuleiten, wenngleich Blutungen nicht
ganz gefehlt haben. Auf die Litis ist sie jedenfalls nicht
zu beziehen, denn nach Ablauf der Entzündung bestand
sie noch nicht. Ich hebe aber hervor, das die Verfärbung
eine grünlich -gelbliche und keine rostbraune war; diese
erste Art der Verfärbung ist in sehr vielen Fällen von
Eisensplitter -Verletzung, in welchen das Aussehen der Lis
üeber Siderosis Bulbi nnd die Beziehungen etc. 177
sich veränderte, beobachtet worden, sie scheint erhebUch
häufiger zu sein, als die wirklich rostfarbene. Gerade dieser
Umstand aber lässt eine diagnostische Verwerthung der
Veriärbung der Iris im höchsten Grade bedenklich er-
scheinen, da dieselbe Veränderung zweifellos gar nicht
selten im Gefolge grösserer intraocularer Blutungen zu
sehen ist Manchmal täuscht die grünliche Farbe des
Kammerwassers eine Verfärbung der Iris vor, wie man
sich bei Punktionen oder Iridectomieen in solchen Fällen
öfters überzeugen kann, zweifellos betrifft aber auch öfters
die Verfärbung die Iris selbst Ich möchte nur eine eigene
Beobachtung anfuhren, die um so mehr Interesse verdient,
als ich die anatomische Untersuchung des betreffenden
Auges anschliessen konnte.
Fall Xn.
Jacob Weissbrot, 25 J. 11. I. 93. Aufnahme in die hiesige
Klinik. Gestern verletzte sich Patient durch einen Baumast.
Status: Ausser einer Haatwnnde an der Nase sieht man
oberhalb der Cornea eine quer verlaufende Wunde, in der
etwas Pigment liegt. Es besteht starke Chemosis, man be-
kommt kein rothes Licht. Lichtschein ist für niedere Lampe
nicht befriedigend, die Projection fehlt. Nach oben besteht ein
Iris-Colobom.
Die Wunde ist in den ersten Tagen schmierig belegt,
reinigt sich aber allmählich. Nachdem das auf der Iris ge-
legene Blut sich allmählich resorbirt hat, sieht man eine grosse
Iris-Dialyse aussen.
18. L Es zeigt sich, dass eine Linsenluxation nach oben
aussen besteht Im Glaskörper ist viel Blut zu sehen, an die
Wunde schliesst sich lateral eine subconjunctivale Ruptur an.
1. IL Die Injection hat abgenommen, das Auge ist nicht
druckempfindlich, die luxirte Linse ist leicht getrübt, das Blut
im Glaskörper ist zum Theil resorbirt Patient wird entlassen.
2. III. 93. üeber der Cornea ist eine tief eingezogene
Narbe sichtbar, die Skleralruptur schimmert bläulichroth durch,
das Auge ist etwas druckempfindlich und injicirt Die Iris ist
grünlich-bräunlich ver&rbt, die rechte ist blau, die Linse drängt
T. OfaeÜB*! ArchiT Ar Ophthalmologie. XL. 1. 12
178 E. V. Hippel.
aussen die Iris nach vorne; die Linse ist getrübt und sieht
ausgesprochen gelblichgrfln aus.
24. III. Patient willigt in die Enucleation, die ohne
Zwischenfall aasgeführt wird.
Das Auge wurde nach der flblichen Härtung im verti-
calen Meridian aufgeschnitten und nach Gelloidin- Einbettung
untersucht.
Der Bulbus ist ausgesprochen phthisisch, von eckiger Ge-
stalt. Am oberen Cornealrande sieht man die tief eingezogen^
Narbe, in welche das Corpus ciliare eingeheilt ist, von Iris
ist auf dieser Seite nichts zu sehen, die Linse ist oben ganz
gegen die Cornea gedrängt. Hinter der Linse liegt eine Binde-
gewebsschicht, welche in die strangförmig abgelöste Retina
übergeht und vorne das Corpus ciliare einwärts zieht Grössere
Blutungen sind makroskopisch nicht sichtbar.
Im coDJunctivalen und episkleralen Gewebe liegen um die
Gefässe sehr zahlreiche braun pigmentirte Zellen. Die Cornea
ist in ihrem unteren Theile normal, im oberen ist sie stark
vascularisirt und besonders in den hinteren Schichten zellig infil-
trirt. Die Descemet'sche Membran ist nirgends unterbrochen,
das Endothel ist wohlerhalten*, etwa der Mitte der Cornea ent-
sprechend. Hegt auf der Hinterfläche der Hornhaut mit der vor-
deren Kapseloberfläche zusammenhängend, ein kernreiches Ge-
webe von der Structnr des Kapselstaars; offenbar ist dasselbe
durch Wucherung der Endothelzellen entstanden, die an dieser
Stelle nicht mehr nachweisbar sind. Im oberen Theil der
Hornhaut liegt die Endothelschicht unmittelbar der vorderen
Linsenkapsel an, ohne mit ihr verwachsen zu sein. In der
vorderen Kammer finden sich einige rothe Blutkörperchen und
pigmentirte Rundzellen, ausserdem ein Streifen wohlerhaltenen
Cornealepithels sowie ein Stück eines Haarschaftes; offenbar
sind diese Gebilde bei der Verletzung in die vordere Kammer
hineingerissen worden. Die grosse Narbe oberhalb der Cornea
besteht aus kernreichem Bindegewebe, in welches zahlreiche
pigmentirte Zellen eingelagert sind; von der Iris ist auch
mikroskopisch hier nichts aufzufinden. Das einwärts gedrehte
Corpus ciliare ist vollständig von dem Narbengewebe eing^
schlössen, die Epithelzellen der Ciliarfortsätze sind zum Theil
zerfallen.
Im Ciliarmuskel, der sehr kemreich ist, liegt eine grosse
Menge braun pigmentirter Zellen: solche kommen auch im
Maschenwerk des Kammerwinkels unten vor. Die Linsenkapsel
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 179
ist entsprechend der Verletzung durchbrochen und stark ge-
faltet y die Linse ist in der äquatorialen Zone sowie in der
Torderen Corticalis kataraktös, es kommen in der letztgenannten
Gegend eigentümliche Eiweissgerinnungen vor, die sich mit
Hämatoxylin blauschwarz färben. Gegenüber der von dem Gor-
nealendothel ausgehenden Neubildung findet sich auf der Innen-
fläche der Linsenkapsel ein flacher Kapselstaar vor. Im Pupillar-
gebiet liegt auf der Linsenkapsel eine ganz schmale Schichte
eines spindelzelligen Gewebes; in die Zellen sind feine braune
Kömchen eingelagert, ausserdem kommen einige grössere runde
mit braunen Schollen gefüllte Zellen hier vor. Die Iris zeigt
im Ganzen normale histologische Verhältnisse; ihrer Vorder-
fläche sind ähnliche braun pigmentirte Zellen in ganz dünner
Schicht aufgelagert, ausserdem ist der grösste Theil der Endo-
thelzellen hellbraun gefärbt und im Gewebe der Membran
kommen nicht sehr zahlreiche runde mit brauner Masse ge-
füllte Zellen vor.
Das Epithel der Processus ciliares ist an den Firsten
der Fortsätze stellenweise auffallend wenig pigmentirt
Die Bindegewebsschicht hinter der Linse ist reich an Ge-
wissen und pigmentirten Zellen. Die Choroidea ist bis zum
Aequator abgelöst, in ihrer Structur wenig verändert. Die
Retina zeigt bei totaler Ablösung die gewöhnlichen Degenerations-
erscheinungen, es kommen in ihrem Gewebe Züge braun pig-
mentirterspindliger Zellen sowie Anhäufungen runder mit braunen
Schollen gefüllter Zellen vor. Im unteren Theile lieg^ der Aussen-
fläche eine Blutung an; die Blutkörperchen sind grossen Theils
zerfallen, massenhafte braun pigmentirte Zellen liegen zwischen
ihnen, die Blutung ist eingekapselt von einer dünnen Schicht
pigmentirter Spindelzellen.
Die Eisenreaction hat folgendes Ergebniss: Die braun
pigmentirten Zellen in Conjunctiva, Episklera, im Kammer-
winkel, in der cyclitischen Schwarte, in der Retina und in der
der Netzhaut anliegenden Blutung werden blau; dabei ist wieder
festzustellen, dass in den meisten Zellen, welche die Blaufär-
bung annehmen, ein Theil des Pigmentes braun bleibt. Eine
Anzahl verhält sich auch völlig ablehnend gegenüber der Reaction.
Diffus blau färbt sich das Epithel der Giliarfortsätze und der
Pars ciliaris retinae besonders auf der Seite der Verletzung,
femer stellenweise ganz matt die Stützsubstanz der Retina. Be-
sonderes Interesse beanspruchen im vorliegenden Falle natür-
lich Iris und Linse. An der letzteren ist nicht die geringste
12*
j 80 E. V. Hippel.
Blaufärbang nachzuweisen; weder an der Kapsel noch am Epithel
oder den Linsenfasern selbst. Von den brann pigmentirten Zellen
an der Vorderfläche sowie im Gewebe der Iris nimmt nnr ein
ganz kleiner Theil die Blaufärbung an, die überwiegend grösste
Mehrzahl bleibt braun.
Die grünlichbraime Färbimg, die Iris und Linse wäh-
rend des Lebens darboten, beruht also im vorliegenden
Falle nicht auf der Ein- oder Auflagerung eines eisenhal-
tigen sondern im Wesentlichen eisenfreien Farbstoffes. Litra
vitam sah die Iris genau so aus wie im Falle Schneider,
sowie in dem ersten von Ausin beschriebenen Falle. E[li-
nisch ist also die grünlich-braune Verfärbung der Iris nicht
für einen im Auge weilenden Eisenfremdkörper charakteris-
tisch. Anatomisch scheint allerdings die Einlagerung einer
Eisenoxjdverbindung in die normalen G«webezellen des
Irisstromas, Endothels und Epithels in der oben geschil-
derten Weise nur bei Anwesenheit eines Fremdkörpers aus
Eisen vorzukommen; wenigstens konnte ich Aehnliches in
den Fällen, wo es sich nur um grössere Blutungen ge-
handelt hatte, nirgends auffinden; die sich blau färbenden
Zeilen, die man hier in der Iris fand, schienen fieist alle
Rundzellen zu sein, die gröbere braune Pigmentkömer
und Schollen enthielten. So scheint mir im anatomischen
Sinne eine echte „Siderosis Iridis" nachgewiesen.
Sind wir nun zu der Ueberzeugung gekommen, dass
die griinlichbraune Färbung der Iris nicht charakteristisch
für Fremdkörper aus Eisen ist, so wäre noch zu erwägen,
ob der wirkUch rostbraunen Verlärbung diese Bedeutung
zukommt Auch diese Frage glaube ich, wenn auch nicht
mit aller Bestimmtheit, verneinen zu müssen. Im Falle
Fritz konnte ich mich nach Durchschneidung des Bulbus
überzeugen, dass die Iris von vorne gesehen intensiv roth-
braun aussah.
Es zeigte sich bei der Untersuchung, dass die ganze Ober-
fläche von einer gleichmässigen Lage runder braun pigmen-
lieber Slderosis Bulbi und die Beziehungen etc. Igl
tirter Zellen bedeckt war. Nun fand sich zwar in diesem
Auge ein Eisensplitter vor, doch stammt das braune Pig-
ment in jenen Zellen ziemlich sicher vom Blute her. Es
Hessen sich alle üebergänge von Blutkörperchen zu diesen
Zellen nachweisen und ausserdem finden sich genau die
gleichen Gebilde im Falle Schmid, wo ein Fremdkörper
fehlte. Nun kommt zwar bei Fritz reichhche Eisenab-
lagerung in den Stromazellen der Iris selbst vor, doch
kann man mit ziemhcher Sicherheit behaupten, dass eine so
regelmässige Schicht intensiv brauner Zellen an der Vor-
derfläche intra vitam jede Eigenfärbung der Iris verdecken
muss und klinisch wird es unmögUch sein zu entscheiden,
ob es sich nur um Auflagerung oder Einlagenmg der
braunen Substanz handelt Ich kann daher mit ziemUcher
Sicherheit behaupten, dass die rostbraune Färbung der
Vorderfläche der Iris im Falle Fritz von dem Blutfarb-
stoflF herstammt und unabhängig ist von dem Vorhaivlensein
eines Fremdkörpers aus Eisen.
Erhebhch schwieriger als für die Iris ist für die Cor-
nea die Entscheidung, ob es eine echte indirecte „Sidero-
sis Corneae" giebt, d. h. ob durch theilweise Auflösung
eines in der Tiefe des Auges sitzenden Fremdkörpers eine
Eisenablagemng im Gewebe der Cornea und eine dadurch
entstehende Braunfärbung der Membran zu Stande kommen
kann. Die Hauptschwierigkeit, sich über diese Frage ein
sicheres Urtheil zu bilden ist die eminente Seltenheit ein-
schlägiger Beobachtungen. Völlig auszuschalten sind hier
sämmtUche Fälle, in denen es zu einer selbst ausgedehnten
gelbbraunen Färbung um einen in der Hornhaut selbst
sitzenden EisenspKtter kommt. Nur von der „indirecten
Siderosis" ist hier die Rede. Nun habe ich unter der
grossen Zahl von Veröffentlichungen über im Bulbus sitzende
Eisensplitter ausser den beiden Fällen von Bunge nichts
dahin Gehöriges auffinden können. Sollte mir eine Mit-
theilung entgangen sein, so würde das nichts an der That-
182 C- ▼• Hippel.
Sache ändern, dass die ,,indirecte Siderosis Corneae'^ zu
den seltensten Erscheinungen gehört. Mein erster Fall
Albrecht wäre als die dritte dahin gehörige Beobachtung
anzuführen. In der kurzen Mittheilung von Landmann,
der den Fall schon verwerthet hat, wird das braune Pigment
in der Hornhaut vom Blutfarbstoff abgeleitet und der da-
maligen Anschauung gemäss als Hämatoidin bezeichnet
Nicht so ganz selten kommt es zu einer hämatogenen Pig-
mentirung der Hornhaut im Gefolge von grösseren Blu-
tungen; das dabei gebildete Pigment ist anatomisch, wie
Bunge hervorhebt, nicht mit Sicherheit von dem „sidero-
tischen^' zu unterscheiden. Er sah als einzigen Unterschied
eine viel schwerere Löslichkeit des ersten in 5 ®/oiger Salz-
säure. Er legt deshalb den Hauptwerth auf die klinische
Unterscheidung und hebt hervor, dass die siderotische Pig-
mentirung rostfiarben, die hämatogene orangeroth oder griin-
lichroth aussieht Ich möchte an dieser Stelle bemerken,
dass ich unter „rostfarben'^ gelbbraun oder röthlichbraun
verstehe. Bunge braucht für die siderotische Pigmentirung
die Ausdrücke rostÜEirben, rostbraun, rothbraun, dunkelbraun
durcheinander; dunkelbraun ist doch aber entschieden nicht
rostfarben; femer kann ich mir keine rechte Vorstellung
von dem Begriffe „grünüchroth" machen. Ich erwähne das
nur, weil mir eine scharfe Begriffsbestimmung nothwendig
scheint, wenn man eine Färbung zu differentialdiagnosti-
schen Zwecken verwerthen will.
Die Anschauung, zu der ich über die sichere diagnosti-
sche Verwerthbarkeit der rostfarbenen Verfärbung der
Iris gelangt bin, zwingt mich dazu, derselben zimächst auch
für die Cornea keine absolute Beweiskraft zuzuerkennen.
Es scheint mir von Wichtigkeit, ob die Cornea in den
3 angegebenen Fällen vascularisirt war; wenn ja, so wäre
die Möglichkeit einer hämatogenen Pigmentirung einleuchtend.
In den beiden Bunge 'sehen Fällen, der klinischen Be-
obachtung sowie der anatomischen Untersuchung, ist von
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. Ig3
Yascalarisation nichts erwähnt Das Fehlen von Gefässen
scheint mir deswegen aber noch nicht vollkommen sicher.
Im Falle Albrecht, der wiederholt von berufenster Seite
intra vitam untersucht wurde, war die reichliche Vasculari-
sation nicht zu diagnosticiren gewesen. Trübungen der
Cornea können feine in den tieferen Lagen verlaufende
Grefasse eben ausserordentUch verdecken. Noch kürzlich
konnte ich mich bei der anatomischen Untersuchung zweier
mit parenchymatöser Keratitis behafteter Augen davon
überzeugen, dass der Gefässreichthum ein viel grösserer
war, als man während des Lebens hätte annehmen soUen.
Bei der anatomischen Untersuchung Bunge 's kann die
Kürze der Mittheilung (Vortrag auf dem intemat Congress)
Schuld daran sein, dass der Verfasser eine Gefässneu-
bildung, die ihm vielleicht unwichtig erschien^ nicht beson-
ders erwähnt hat Natürlich ist das nur eine Möghchkeit,
die ich hierdurch andeute. Nun liegt freiUch der Einwand
sehr nahe: welchen besonderen Werth soll in dieser Frage
die Vascularisation beanspruchen? Giebt es doch unend-
lich viele Fälle von Vascularisation der Hornhaut, in welchen
es nicht zu hämatogener Pigmentinmg kommt Mit dem
gleichen Becht kann man aber erwidern: Wie häufig sind
Eisensplitter- Verletzungen mit Verweilen des Sphtters im
Auge und wie selten die Braunfärbung der Cornea! Wo-
her man also auch das eisenhaltige Pigment in der Horn-
haut herleiten will, immer muss man zur Erklärung noch
einen bisher unbekannten Factor heranziehen.
Im Falle Albrecht war nun die Cornea sehr geläss-
reich. 2 Gründe bestimmen mich das in diesem Falle ge-
fandene Kgment mit einiger Wahrscheinlichkeit vom Blute
abzuleiten: einmal die Anordnung desselben längs den er-
fassen. Zweitens die Thatsache, dass bei Anwendung der
Eisenreaction nur ein Theil der Kömchen, allerdings der
weitaus grössere, die Blaufärbung annimmt, während ein
kleinerer bpraon bleibt Nach 36 stündiger Behandlung mit
184 E. V. Hippel.
verdünnter Salzsäure bleiben noch braune Kömchen zu-
rück, während allerdings der grösste Theil verschwunden
ist Dies Verhalten habe ich mehr oder weniger ausge-
sprochen bei allem hämatogenen Pigment feststellen können.
Es ist aber schwer sich vorzustellen, wie braunes Pigment,
das von einem EisenspHtter aus entsteht, die Perls'sche
Beaction ablehnen soll.
Es ist hier der Ort, noch in Kürze auf die Beobach-
tungen einzugehen, die über Pigmentirung der Cornea ge-
macht worden sind; ich kann dieselben vermehren durch
die Mittheilung eines Falles, den ich hier nur kurz ver-
werthen will, da ich ihn wegen seiner Merkwürdigkeit aus-
führlicher an anderer Stelle bekannt geben möchte.
Da ich nur auf die Pigmentirung Werth lege, so ver-
zichte ich darauf, die wenigen kUnischen Beobachtungen
über grössere Comealblutungen zusammenzustellen; ich ver-
weise in dieser Hinsicht auf die Arbeit von Vossius über
die grünliche Venärbung der Cornea. Nur den Fall von
Schmidt-Rimpler^), möchte ich kurz berühren; es be-
stand ein vernarbter Irisvorfall und starker Pannus; ent-
fernt von dem Prolaps entstand eine grössere Comeal-
blutung; am dritten Tage punktirte Schmidt-Bimpler
dieselbe und fand in dem mit einem feinen Spatelchen her-
vorgeholten Gewebe stark veränderte Blutkörperchen und
feine gelbUche Pigmentkömehen, „die jedenfalls nicht aus
Blut£eu:bstoff entstanden sind, da das Pigment der Iris in
der Nähe ist". Da ausdrückUch erwähnt wird, dass die
Blutung eine Strecke weit von dem Prolaps entstand, muss
ich der umgekehrten Auffassung die grössere Wahrschein-
Uchkeit beimessen.
In von Ammon's*) Atlas ist in einem Falle von
») Zehender's Monatsbl. Bd. XIII, S. 317.
*) Illustrirte path. Anatomie der menschl. Cornea, Sklera, Gho-
rioidea und der optischen Nerven, von Dr. Fr. v. Ammon. Nach
des Verfassers Tode herausgegeben von Warn atz.. Leipzig 1862.
Ueber Sideroüs Bulbi und die Beziehungen etc. 185
parenchymatöser Keratitis mit starker Yascularisation yod
„Triibungen von bald fettiger, bald pigmentöser, bald plas-
tischer Natur'^ die Bede. Nur der Vollständigkeit halber
sei dieser Beobachtung kurz gedacht.
Hirse hie r^) hat dann 2 Fälle mitgetheilt^ wo es im
Besorptionsstadium von parenchymatöser Keratitis zur Ab-
lagerung von kohlschwarzem Pigment im Parenchym der
Hornhaut gekommen war. Dieses Pigment fand sich im
Centrum der Cornea, wo vorher starke Gefässbildung vor-
handen gewesen war. ,,Die Mitte des Fleckes ist bald
tie&chwarzy umgeben von einem rostbraunen oder tief-
rothen Hofe, bald- wieder ist die Mitte weniger saturirt als
die Peripherie und spielt dann in's Rostbraune, wodurch
der ganze Fleck einem unregelmässigen Binge gleicht'^
Die Entstehung des Pigmentes wird erklärt durch Comeal-
blutungen aus den neugebildeten Gefässen und Umwand-
lung des Blutfarbstoffes; es ist für mich wichtig festzustellen,
dass ein Theil des Pigmentes rostfarben aussah.
Der Deutung, die Hirschler für die Entstehung des
Pigmentes gegeben, tritt Bitter') sehr entschieden ent-
gegen. Er beobachtete in einem Falle von Iritis, in welchem
die Synechieen dunkelschwarz aussahen, in der diffus ge-
trübten Hornhaut, die angebUch nicht vascularisirt war,
hinter den getrübten Schichten gelegene schwarze Pigment-
flecken. Er erklärt dieselben durch Einschwemmung von
gewucherten Pigmentzellen der Iris, welche durch die
intakte Descemet 'sehe Mem|)ran eingedrungen waren und
will die Beobachtungen Hirschler 's in derselben Weise
erklären.
Die Unrichtigkeit seiner Annahme bedarf nach unse-
ren heutigen Anschauungen keines Beweises. Ausserdem
ist seine Beobachtung höchst mangelhaft, es lag eine Yer-
») HirBchler, v. Graefe's Archiv Bd. XVIII, S. 186.
*) Ritter, Zehender's Klin. Monatsbl. Bd. X, S. 303.
186 E. V. Hippel.
letzung mit einer Ähre vor, wahrscheinlich handelte es
sich also um eine abgelaufene Hypopyon-Keratitis mit cen-
traler Perforation imd Einlagerung von etwas Irispigment
in die Narbe, keinesfedls ist Ritter berechtigt auf Grund
einer so ungenauen Beobachtung die Angaben Hirsch-
ler's in Zweifel zu ziehien.
Bei Thieren soll eine solche Pigmentirung der Cor-
nea nach den Angaben Schimmel's (citirt in de Jager's')
Arbeit über Pigmentbildung in der Cornea) häufiger sein,
besonders beim Hunde findet sie sich im Verlaufe einer
diffusen Keratitis, die mit Yascularisation einhergeht und
offenbar der Keratitis parenchymatosa des Menschen sehr
ähnlich ist; es entstehen dann pechschwarze Stellen in
der Cornea.
De Jager fand bei einem Hunde, dessen Cornea Gre-
fassbildung und zelUge Infiltration zeigte, in der Mitte der
Hornhaut Pigment, das in den oberflächlichen Schichten
der Membran theilweise sicher in Zellen lag. Das Epi-
thel war firei davon. Bei einem zweiten Hunde fand es
sich sowohl in der Cornea selbst als im Epithel Bei
einem Kaninchen, dem durch Einbringen eines StUck-
chen's tuberculöser Lunge in die vordere Kammer eine
heftige Keratitis erzeugt wurde, fanden sich nach einem
Jahre pigmentirte Stellen in der Cornea, das Pigment
lag nur im Epithel. Der Verfasser schliesst aus diesen
Beobachtungen, dass das Pigment im Grewebe der Cor-
nea gebildet und durch Wanderzellen in's Epithel ver-
schleppt wurde, entsprechend der Annahme Aeby's*),
dass im Epithel selbst nie Pigment gebildet wird. Er be-
trachtet seine 3 Beobachtungen als 3 verschiedene Stadien
desselben Processes. Die Pigmentirung der Grundsubstanz
mag durch Blutungen entstanden sein. Die Deutung der
») Virchow'8 Archiv, Bd. 101, S. 198.
•) Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1885, Nr. 16.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 187
Pigmentbildang im Epithel bei dem Kaninchen halte ich
für unzutreffend. Mit grösster Wahrscheinlichkeit handelt
es sich da um einen analogen Vorgang, wie ihn Leber
bei Einfuhrung entztindungerregender Substanzen in die
vordere Kammer wiederholt beobachtet hat. Er hat die
Pigmentirung des Comealepithels erklärt durch Vorrücken
des normalen Pigmentsaumes in Folge von Proliferation
der randständigen Epithelien. Dabei kann für das blosse
Auge ein Zusammenhang der pigmentirten Stelle in der
Cornea mit dem pigmentirten Bande fehlen. Ob diese Er-
klärung nicht auch für die zweite Beobachtung de Jager's
beim Hunde zutrifit, vermag ich nicht zu entscheiden, da
ich keine ErfiEduimg darüber besitze, ob ein solcher Pig-
mentsaum wie beim Kaninchen beim Hunde niemals vor-
kommt
Beim Menschen kommt noch eine eigenthümliche grün-
liche Verfärbung der Cornea vor, die zum ersten Male von
Baumgarten ^) beschrieben wurde. Dieselbe ÜEind sich an
emem Auge, das ^/4 Jahre vor der Enucleation durch ein
Tnrama erblindet war. Sie beruhte auf der Einlagerung
eigenthümlicher glänzender Gebilde, die man damals nicht
mit Sicherheit zu deuten wusste, die später von Leber als
Fibringerinnungen erkannt worden sind.
Zwei weitere Fälle, in denen die grünliche Verfärbung
während des Lebens aufgefiallen war, sind von Vossius*)
mitgetheilt worden. Beide Male bestanden hochgradige
intraoculare Blutungen im Gefolge von Verletzungen, die
vordere Kammer war von Blut erfüllt
In der Cornea waren neugebildete Gefässe vorhanden,
im ersten Falle in den centralen Parthieen nur spärUch.
Es wurden jene schon im Baumgarten'schen Falle ge-
sehenen feinen glänzenden Gebilde, sowie reichliche in den
>) V. Graefe's Archiv Bd. XXIX. 3., S. 134.
*) V. Graefe's Archiv Bd. XXXV. 2., S. 207.
188 E- V. Hippel.
Homhautzellen liegende ,,Hämo8id6rmkömcheii'' gefunden.
Bei Anwendung der Quincke 'sehen Beaction färbte sich
die ganze Hornhaut grünlich, ebenso die Hämosiderin-
kömchen, während jene eigenthümUchen Gebilde unverändert
bUeben. Die Perls'sche Beaction hatte ein negatives Re-
sultat Da uns hier nur das kömige Pigment interessirt,
brauche ich auf jene glänzenden Gebilde nicht weiter ein-
zugehen. Das Pigment wird abgeleitet aus Hämorrhagieen
in die Cornea, die durch Berstungen des Leb er 'sehen
Yenenplexus entstanden sein sollen. Die grünliche Ver-
färbung wird aus der Aufiiahme von BlutfarbstoflF in die
Hornhaut erklärt Ein Analogen ist eine grünlich- gelbe
Verfärbung eines Theiles der Hornhaut durch hineindiffun-
dirten Blutfarbstoff an einer Stelle, wo sich eine subcon-
junctivale Blutung bis an den Homhautrand erstreckt, wo-
rauf Czermak^) aufinerksam macht
Aus der Bunge 'schen^) Arbeit erfahren wir nun, dass
er einen Fall von zweifellos hämatogener Pigmentirung der
Cornea untersucht hatte, in welchem das mikroskopische
Bild der Pigment-Einlagerungen sich genau in derselben
Weise darstellte, wie bei der echten „Siderosis Bulbi".
Die Quincke 'sehe Beaction fiel positiv, die Perls'sche
negativ aus. Nach 24 stündiger Behandlung mit verdünnter
Salzsäure war der grösste Theil des Pigmentes unverändert
Wie die Cornea im Leben ausgesehen hatte, erCahren wir
nicht
Meine eigene Beobachtung hochgradiger hämatogener
Pigmentirung der Cornea betrifft folgenden Fall:
Ein Auge, das Herrn Prof. Leber vor vielen Jahren von
Oberstabsarzt Dr. Hahn aberlassen warde, war wegen recidi-
^) Czermak, Allgemeine Semiotik und Diagnostik der Augen-
erkrankungen. 1889. S. 101.
*) Ueber Siderosis Bulbi. Verhandl. d. internationalen med.
Congresses zu Berlin.
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. Igg
Yirender Entzfindang mit Dracksteigerung uud grosser Schmerz-
haftigkeit enncleirt worden.
Die Ursache fttr die enormen Blutungen, die sich auf
dem Durchschnitt in concentrischen Lagen präsentirten, wurde
erst bei der mikroskopischen Untersuchung aufgefunden. Es
war im vorderen Theile des Bulbus ein Sarkom nachweisbar,
dessen Zellen grossen Theils degenerirt und aus dessen dann-
wandigen Gefftssen die Hämorrhagieen entstanden waren. Da
ich auf die genaueren Verhältnisse dieses Auges an anderer
Stelle eingehen möchte, beschränke ich mich auch hier auf die
ausf&hrliche Schilderung des Befundes an der Cornea. Das
Epithel zeigt ausser schlechter Färbbarkeit der Kerne keine
Besonderheiten. Die Bowman'sche Membran ist, wo sie vor-
handen, Ton den basalen Epithelzellen abgedrängt durch eine
ziemlich breite Lage eines zellenreichen und gef&sshaltigen
Bindegewebes, welches die Glaslamelle auch öfters in ihrem
Verlauf auf kurze Strecken unterbricht Feine glänzende gelb-
liche Körnchen sind in grosser Menge in die Zellen dieses Ge-
webes eingelagert. In der Grundsubstanz der Hornhaut ver-
laufen zahlreiche kleine und grössere Gefösse mit sehr dttnner
Wandnng, in die Hornhautzellen und ihre Ausläufer sind un-
zählige Pigmentkörnchen eingelagert, welche bei schwacher Ver-
grösserung die Hornhaut wie von schwarzen Reihen durchsetzt
erscheinen lassen. In den tiefsten Comealschichten des Randes
sieht man schmälere and breitere Reihen von Zellen, die dicht
an einander gedrängt ihre Form durch Druck in verschiedener
Weise beeinflussen; dieselben schieben sich zwischen den Hom-
hautlamellen bis gegen die Mitte vor, sie sind dicht durchsetzt
von massenhaften feinen braungelben Körnchen. Die Grenze
der Cornea gegen die vordere Kammer ist keine scharfe, da die
Descemet'sche Membran vielfach unterbrochen ist, sich einge-
rollt hat, so dass stellenweise fünf Lagen der Membran über
einander liegen, und da der Raum der vorderen Kammer von
einer Bindegewebsmasse eingenommen ist, in welcher lange wie
spiessförmige Krystalle aussehende Gebilde, femer zerfallene
LeucocjTten und Pigmentkörner liegen.
Bei Anwendung der Eisenreaction förbt sich die ganze
Hornhaut diffus hellblau, am intensivsten in den tieferen
Schichten, wo die Zflge pigmentirter Zellen liegen. Am Epithel
ist es sehr auffallend, dass in den tieferen Lagen die Kerne
intensiv blau werden, während das Protoplasma keine Verän-
derung erfährt. Alle Zellen, welche mit dem Pigment vollge-
190 E. V. Hippel.
pfropft sind, nehmen die BlauArbnng an, wieder in der Weise,
dass das Protoplasma diffas blan wird, während von den Körn-
chen ein Theil, allerdings der kleinere, braun bleibt Lässt
man die Schnitte 24 — 48 Stunden in verdflnnter Salzsäure
liegen, so ist der überwiegend grösste Theil des Pigmentes
▼erschwunden, während eine Anzahl brauner Kdmchen zu-
rückbleibt.
Wie diese Hornhaut während des Lebens ausgesehen
hat, weiss ich nicht, dass sie braun gewesen ist, kann nicht
zweifelhaft sein, ob freilich rostbraun oder mehr orange-
farben muss ich dahingestellt sein lassen. Die ausser-
ordentliche Resistenz gegen verdünnte Säure, die Bunge
in seinem Falle von hämatogener Pigmentirung der Cornea
fand, fehlte in meinen Präparaten, daraus folgt, dass sie
kein charakteristisches Merkmal für hämatogenes Pigment
ist, also auch nicht zur Differentialdiagnose gegenüber dem
„siderotischen" verwandt werden kann.
Anatomische oder mikrochemische durchgreifende ünter-
scheidungs-Merkmale zwischen beiden Arten der Pigment-
irung giebt es also für die Hornhaut nicht Wenn es
richtig ist, dass in meinem Falle Albrecht die Pigment-
irung der Hornhaut hämatogenen Ursprungs ist, so wäjte
dem klinischen Merkmal der echten „Siderosis", der rost-
braunen Verfärbimg, die Bunge besonders hervorhebt^
keine pathognomonische Bedeutung zuzuerkennen. Dass
rostbraune Pigmentirung der Hornhaut auch aus dem
Blutfarbstoff hervorgehen kann, lehrt die oben angeführte
Beobachtung Hirschler's.
Ich kann deshalb nur schliessen: Die Möglichkeit
einer indirecten echten „Siderosis Corneae^^ ist zur
Zeit nicht in Abrede zu stellen, ihr Vorkommen ist
aber nicht mit der nöthigen Sicherheit erwiesen.
Aehnlich hegen die Verhältnisse für die Netzhaut, die
ja, wie wir gesehen, eine grosse Neigung besitzt, eisenhaltiges
Pigment in diffuser und kömiger Form au£zimehmen. Es
ist nicht zu leugnen, dass die Intensität der Eisenreaction
Ueber Siderosis Bolbl und die Beziehungen etc. 191
in den Augen, die einen Fremdkörper aus Eisen enthielten,
im Granzen erheblich grösser war, als in den Fallen, wo der
Splitter den Bulbus hinten wieder verlassen hatte. Dieser
Umstand allein würde uns aber noch nicht zu dem sicheren
Schlüsse berechtigen, dass in den ersten Fällen der grössere
Theil des Eisens von dem Fremdkörper selbst abstammt;
denn es handelte sich um Augen, die nach Monaten oder
Jahren enucleirt wurden (am ausgesprochensten war die
diffuse Färbung bei Albrecht imd Laier), während in
den letzten 4 Fällen nur einige Wochen zwischen der Ver-
letzung und der Entfernung des Bulbus lagen. Bunge
betont, dass in seinem Falle von „Siderosis Bulbi'^ die Ge-
fässe der Netzhaut besondere Beziehungen zu der Aus*
Scheidung des Eisens zeigten. Wenn er Stücke der Eetma
in das Ferrocyankalium-Salzsäuregemisch brachte, so ent-
stand eine Blaufärbung des ganzen retinalen Gefässnetzes,
wie bei einer ,4deal gelungenen Injection mit Berlinerblau^^
Ob die Ausscheidung vorwiegend an Venen oder Arterien
stattfiEuid, ob in kömiger Form, ob an Zellen gebunden und
an welche, darüber erfahren wir nichts Näheres. Die Unter-
suchung an Schnitten ist natürlich weniger geeignet, eine
Beziehung zu den Gefässen in so ausgesprochener Weise
hervortreten zu lassen, indessen konnte auch ich sowohl
in den ersten 7 als in den letzten 4 Fällen vielfach fest-
stellen, dass kömiges eisenhaltiges Pigment, an Zellen ge-
bunden, um Gefässe angeordnet war, die im Allgemeinen
die Charaktere venöser Blutbahnen zeigten. Dass aus in-
traocularen Blutungen ausgedehnte Pigmentirung der Netz-
haut hervorgehen kann, die sich an die Netzhautgefässe
hält und lange Zeit nach der Verletzung noch vorhanden
ist, lehren einige Beobachtungen. Hersing ^) konnte sie
beispielsweise 16 Jahre nach einem stumpfen Trauma in
grosser Ausdehnung ophthalmoskopisch nachweisen.
M Zehender's Monatsbl. X, 172.
192 E. V. Hippel.
Da die Ausscheidimg körnigen eisenhaltigen Pig-
mentes in meinen Fällen, wo man sie vom Eisensplitter
herleiten konnte und wo sie zweifellos hämatogenen Ur-
sprungs war, keine durchgreifenden Unterschiede zeigte,
und nur die diffiise Färbung der Stützsubstanz in der ersten
Beihe erheblich intensiver ausfiel, untersuchte ich noch
einige Augen, die lange Zeit vor der Enucleation von einem
stumpfen Trauma betroffen waren, das erhebliche Blutungen
nach sich gezogen hatte.
Ich hatte hierbei vor Allem die Absicht, zu entschei-
den, ob diffuse hämatogene Imbibition mit eisenhaltigem
Pigment nach längerer Zeit überhaupt bestehen bleibt, oder
ob das Eisen allmähUch entweder verschwindet oder in eine
mikrochemisch nicht mehr nachweisbare Form übergeführt
wird. Die Entscheidung dieser Frage war von Interesse
mit Kücksicht auf die Untersuchungen von M. B. Schmidt^),
welcher in 2 am Frosch und am Kaninchen angestellten
Versuchsreihen den Nachweis erbracht hat, dass an dem
aus dem Blute entstehenden kömigen braunen Pigment die
Eisenreaction erst nach einer gewissen Zeit positiv ausfällt,
um später, nachdem sie ihren Höhepunkt erreicht hat, all-
mählich wieder vollkommen zu verschwinden. In den Ver-
suchen am Frosch war vom 70. Tage an keine Spur von
Blaufärbung mehr zu erzielen. Beim Kaninchen war nach
25 — 28 Wochen der positive Ausfall der Beaction schon
sehr gering, die Grenze, wo jede Beaction ausbUeb, wurde
in den Versuchen nicht erreicht
Meine Untersuchungsresultate möchte ich, was die
sonstigen pathologisch -anatomischen Befände betrifft, in
möglichster Kürze wiedergeben, da es mir im Wesentlichen
nur auf den Ausfall der Eisenreaction ankam.
Fall Xin.
Frau Johanna Meyer (aus der Göttinger Klinik).
>) Virchow's Archiv, Bd. 115.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 193
Aasgänge einer Verletzung durch Stoss mit dem Hörn
einer Kuh vor 3 Jahren.
Die Iris ist grünlich, es besteht eine Dialyse nach aussen
oben, Katarakt, Phthisis Bulbi mit Drnckempfindlichkeit; daher
wird das Auge enucleirt.
Der Bulbus ist von nnregelmässiger Gestalt, ausgesprochen
pbthisisch. Die Betina ist total abgelöst und liegt in vielen
Falten hinter der Linse. Sie geht vorne Ober in eine Binde-
gew ebsachwarte, welche der Hinterfläche der Linse aufliegt
und das Corpus ciliare einwärts gezogen hat, so dass es voll-
kommen abgelöst erscheint
Die Hornhaut ist von ungleichmässiger Dicke, nicht sehr
stark vascularisirt und zeigt vermehrten Kerngehalt. Der
Torderfläche der Iris liegt eine dünne Schicht eines Gewebes
ao^ das viele feinkörnig pigmentirte Spindelzellen enthält. Die
Iris ist stark verdickt, das beruht im Wesentlichen auf einer
erheblichen Verdickung der Gefässwandnngen; in verschiedenen
Lagen der Iris, besonders vor der Pigmentschicht, kommen
viele theils runde, theils stark verästelte mit braunen Körnern
gefüllte Zellen vor. Das Pigmentepithel ist sehr unregelmässig,
zum Theil zerfallen, die schwarzen Pigmentmassen liegen in
der Iris sowie in einer Bindegewebeschicht, welche den Raum
der hinteren Kammer einnimmt. In der Iris liegen vereinzelte
knötchenförmige Anhäufungen von Bundzellen. Der abgelöste
Ciliarkörper zeigt hochgradige cyklitische Veränderungen. Die
Linse ist kataraktös. In der cyklitischen Schwarte liegen
massenhafte dunkelbraun pigmentirte Zellen von sehr verschie-
dener Gestalt. Die Choroidea ist enorm verdickt, besonders
in ihrem hinteren Abschnitt; hie und da kommen knötchen-
förmige Anhäufungen von Rundzellen darin vor. Das Pigment-
epithel der Retina fehlt grossen Theils, vielfach sieht man
Drusenbildungen an der Glaslamelle. Die abgelöste Netzhaut
ist hochgradig degenerirt, braun oder schwärzlich pigmentirte
Zellen kommen ziemlich reichlich in der Netzhaut vor, theil-
weise deutlich angeordnet um die Gefässe. Anhäufungen rother
Blutkörperchen sind nirgends aufzufinden.
Die Eisenreaction hat folgendes Ergebniss:
Das ganze Stützgewebe der Retina wird deutlich, zum
Theil sehr intensiv blau, fast sämmtliches körnige Pigment in
der Netzhaut wird dunkelblau. Die meisten in der cyklitischen
Schwarte gelegenen Körner werden blau, daneben bleiben auch
braune Kömchen nachweisbar, viele pigmentirte Zellen bleiben
T. Qnefe'i Arcbiv fOr Ophtlialmologle. XL. 1. 13
194 E.V. Hippel.
vollkommen braun. Das Epithel der Ciliarfortsfttse wird diffaa
blau, das Pigmentepithel der Retina nnr theilweise, besonders
da, wo es die Dmsender Ghislamelle Aberzieht In der Gho-
roidea kommen Vereinzelte blau gefärbte Zellen vor. In der
Iris ist die Blaufärbung am ausgesprochensten in den hinteren
Schichten unmittelbar vor dem Pigmentepithel und ist im
Wesentlichen an spindMge pigmentirte Zellen gebunden. • Die
meisten braunen Und schwärzlichen Körner im Stroma der Iris
bleiben unverändert. An der Yorderfläche der Iris tHtt'in
der dünnen Gewebeschioht, die sie überzieht, matte difase
Blaufärbung auf.
Eine ganz schwach hellblaue difPuse Verfärbung zeigt das
ganze Präparat, das an ungefärbten Schnitten ausgesprochen
gölblich aussieht.
Fall XIV.
Herr Soh. (L. Auge aus der Heidelberger Sammtaig,
von Dr. Steffan am 13. III. 83 enucleirt wegen abgelaufener
Iridochoroiditid mit consecutiver Katarakt bei beginnender sym-
pathischer Entzündung des anderen Auges.)
Vor 39 Jahren hatte Patient einen Schneeballenwurf gegen
das Unke Auge erhalten, danach war nur noch Sehvermögen
iii der äusseren Gesichtsfeldhälfte übrig geblieben. Tor zwölf
Jahren bei einem Brande erhielt er aus einer Spritze einen
Wasserstrahl gegen dasselbe Auge,' das in Folge 'dessen dufch
Iridochoroiditis mit häufigen Becidiven erblindete.
Schnitte durch dieses Auge sehen ungeübt intensiv gelb-
braun aus.
Die Untersuchung ergiebt eine tiefe Dmck-Exoavation,
der Kammerwinkel ist verwachsen, Iris, Corpus ciliare sowie
Ghoroidea sind stark atrophisch, die Retina ist flach abgelöst,
dabei nur in massigem Grade degenerirt Die Gefässe sind
ziemlich prall mit Blut gefällt, ausserhalb der Geüässe kommen
hier und da Anhäufungen veränderter rother Blutkörperchen in
der Netzhaut vor.
Die Eisenreaction ^^üfl eine 'sobwaohe heUrgrünlich-bhiue
Verfärbung des- ganzen Schnittes hervor.
Intensive diffnse Blaufärbung ^igt allein dad Etilthel'der
Giliarfortsätze, das" an den Stellen, wa ^'Sich^amdnte&slfftteu
' bläut, auffi^Iend pigmentarm ist.
üeber Siderosis Bttlbi und die Beziehungen etc. 1.95
Fair XV.
(Aus der Heidelberger Sammlong) klinische Diagnose:
Leucoma adhärens totale. Vor 13 Jahren Verletzung.
Ich verzichte hier dar»af, anatomische Einzelheiten wi^er-
zngeben, da ich den Fall ans anderen Gründen noch genauer
untersuchen möchte.
Deutliche diffuse Blaufärbung ergab die Eisenreaction an
dem Epithel der Ciliarfortsfttze.
Aus dem Falle Meyer lernen wir also, dass aus einer
intatocularen Blutung eine nach Jahren noch nachweisbare
ffitensive dfifiuse Imbibition mit eisenhaltigem Pigment in 4er
* Stützsubstanz > der Betina entstehen kann, dass femer das
gebil<kte kömige eisenhaltige Pigment wieder eine deutliche
Beziebung zu den Betinalgefassen hatte. Halten, wir dies
mit den firüher gewonnenen Erfahrungen zusammen , so
müssen wir sagen: Einen durchgreifenden Unterschied
zwischen siderotischer und hämatogener Pigmen-
tirung der Netzhaut giebt es nicht; da bei Eindringen
eines iSsensplitters in< den Bulbus die Gelegenheit zur Ent-
stehung von Pigment aus ergossenem Blute £ast immer vor-
liegt, so ist einstw^en nicht mit genügender Sicherheit er-
wiesen, dass es eine echte indirecte ,,Siderosis Retinae^ im
•engeren Sinne giebt,.* womit ihre iMöglichkeit freilick keines-
wegs ausgeschlossen ist i iDe» Weiteren geht aus den letz-
ten drei Fällen hervor, dass eine diffuse hämatogene Hg-
mentirong mit einer eiseoihaltigen- Substanz: sich viele. Jahre
erhalten kann, und auch für da&kräiuge Pigment zeigt der
•Fatt Meyer,! dass dasselbe noch :nach dreiJahrentgFÖssten
Theils positiven t Ausfall • der Eisemreaction' :ergiebt Es
'braucht daraus.nicht 'geschlossen. zu. werden, dass ^tder Be-
hauptung* Schmidt's von'^der V^gänglichkeit deif Eisen-
reaction keine allgemeine Gültigkeit zukonmit, nur:. müssen
die zeitlichen Grenzen für das vTerschwdnden der Jleaotion
äusserst verschieden sein je nach dem Ortj..an> welchem der
Blutei^nss stattgefunden hat. Dass' die Beaotion am .Auge
13*
196 E. V. Hippel.
noch nach so langer Zeit positiv ausfällt, würde seine Er-
klärung darin finden, dass Glaskörper-Blutungen im All-
gemeinen sehr langsam resorbirt werden und dass man
noch nach sehr langer Zeit unveränderte Blutkörperchen
antriffL
Ueberblicken wir noch einmal die bisher gewonnenen
Besultate, so müssen wir ims sagen: wir können bis-
her nicht mit der nöthigen Sicherheit entschei-
den, in wieweit die Verbreitung eisenhaltigen Pig-
mentes von dem Fremdkörper selbst herzuleiten
ist, weil der weitverbreitete Eisengehalt der Augen,
die einen Eisensplitter enthielten, auch aus dem
Blute abgeleitet werden kann. Dass eine Femwirkung
von Seiten des Corpus alienum thatsächlich vorkommt,
zeigt die Ablagerung einer Eisenverbindung unter der Linsen-
kapsel in der Grestalt des charakteristischen Kranzes von
braunen Flecken. Diese Erscheinung kann aus den oben
angeführten Gründen nicht auf den Blutfarbstofi^ bezogen
werden. Femer sahen wir, dass wir ein Becht haben, mit
grosser "WahrscheinKchkeit eine echte Siderosis iridis bei Sitz
des Fremdkörpers in der Tiefe des Auges als nachgewiesen
anzusehen. A priori ist daher anzunehmen, dass eine echte
Siderosis auch an anderen Teilen des Auges vorkommen
kann und dass die in den ersten 7 untersuchten Fällen
vorgefundene Ausbreitung des Eisens eine Combination
echter siderotischer imd hämatogener Pigmentirung dar-
stellt Diese Auffassung würde sich auch gut mit der
Thatsache in Einklang bringen lassen, dass die Blaufärbung
in diesen Fällen durchschnittlich erhebhch intensiver war.
als in solchen, wo lediglich hämatogene Pigmentinmg statt-
gefunden hatte. Um ein klareres Urtheil darüber zu ge-
winnen, in welcher "Weise der Fremdkörper seine Fem-
wirkung bei Ausschluss hämatogener Pigmentirung geltend
machen kann, musste der "Weg des Experimentes beschritten
werden. Brachte man einen Fremdkörper aus Eisen in die
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen et€. 197
vordere Kammer, oder in die linse, oder schob man ihn
durch Hornhaut und linse so weit vor, dass er in den
Glaskörper ragte, so liessen sich bei der nöthigen Vorsicht
Blutungen mit Sicherheit vermeiden. Nicht immer war
dies möglich, wenn man ihn durch die Sklera in den Glas-
körperraum einführte. Indessen Hess sich auch da ein
sicheres Urtheil darüber gewinnen, ob der beobachtete Eisen-
gehalt vom Fremdkörper stammte, mittels des Control-
Yersuches, wenn man Blut in den Glaskörper injicirte und
die Resultate beider Versuchsreihen mit einander verglich,
üeber die Ergebnisse der angestellten Experimente
soU nun im Folgenden berichtet werden.
n. Theü. Die Experimente.
Bevor ich auf die Einzelheiten meiner experimentellen
Untersuchungen eingehe, möchte ich über die Technik
einige Worte vorausschicken.
Die Fremdkörper aus Eisen, die ich zur Einführung
in's Auge benutzte, waren die lanzenförmigen Spitzen von
Präparimadeln, meist 6 mm lang; für einige Versuche liess
ich mir solche von 12 mm Länge herstellen; dieselben
wurden scharf geschliffen, so dass sie bequem mit Hülfe
einer anatomischen Pincette in den Bulbus eingestochen
werden konnten. Vor der Einführung wurden sie in
2®/oiger Carbolsäure längere Zeit desinficirt und dann mit
sterilisirter Watte getrocknet
Die Blut-Injectionen führte ich in folgender Weise aus:
an den betreffenden Kaninchen wurde eine Jugularvene
frei gelegt und aus derselben Blut in eine stenhsirte
Pravaz'sche Spritze gezogen. Die vordere Kammer
wurde dann mit einer anderen Ansatznadel der Spritze
punktirt, das Kammerwasser abgelassen und dann das Blut
injicirt Zog man die Canüle vorsichtig und langsam her-
aus, so liess es sich erreichen, dass der grösste Theil des
Blutes in der vorderen Kammer blieb. In den Glaskörper
19» E./e. Hippolv
wurde die Injceticm' in deirtWieise) gemacht^ dass ich(er8t>
eiD6 Oanöle möglichst weit nach ^ hinten, umii eine Y&m
lelixmg :der Liitse zui vennciden, in den luxirtea Bulbus
eingtiessj dann mit einer Lanze • die vordere Kammer p^mk*
tirte*und das Kammerwasser-i abfliess^n - liees, um . dann
escUiob« unter zienlich starke» Dkncke das :Blut. in- des.
Glaskirper 2u<injicireB^i'
Diei Versuche bUeben II alle voUkemmen aseptisch > bis.
a«(t eines einzigen, wo ich einen 'Fremdkörper in die vordere
Ekimner einführte ; dass^ hier • eine geringfügige Infection
vorgekömmeai, schlösse ich ans: einem'; seia unbedeutenden
Hypopyon, das ichi bei ^ der. anatomischen Untersuchung
entdeckte.
Bei der Schilderung* der Yersucfasresultate werde ich
es^^bstverständlich vermeiden, die gesammten Protokolle
wiederzugeb^ und mich darauf beschränken, die typisch-
sten Fälle ausführlicher zu bdiandelnw. Im Allgemeinem
werde ich mich auch in der Beschreibung der während
dee Lebens beobachteten Erscheinungen kurz fassen, da ich^
wemgstent'-was ^die Yeisuche mit Fremdkörpern aus Eisen
anlangt^' mm i alles wiederholen kann; was Leber .in seinem
Wlßrke über die« Entzündung ausfiihriicher daiigestellt hat
Den'Hauptwerth werde ich legen auf die Schilderung :der
durch die anatomische und besonders mikrochemische üoi'-
tersuchung festgestellten: Befunde;
Fremdkörper ans Eisen in. der vorderen Kammer.
(12. Versuche.)
Mib! zwei 'Ausnahmen wurden diese Versuche an albi^.
notischen Thieren' ang^tellü
Der Efaigijff.'waide reifllos erte*agen; ausser, einer ge**'
ringftigigenitinjeclion. wnr; keine Beaotion bemerkbar. Im
denf vollkommen gelungenen Versuchen t senkte sich* der
fV*emdkörper r auf • den t Boddn der ' vorderen Kammer; einige
Male bei kleineren Thieivn bertthi^ die-Spitze^die Innen^-
üeber Siderosis Bulbi u^d.die Beziehungen etc. 199.
flS^e der Oorohaut, eb^ d99 stui^pfe Eiicle di^ ganze
Dicke der Cornea dtmchdrungeQ haMe; es gelang dann
mcht de^ Splitter vollkommen in die vordere Kammer
hineinzubringen; das stampfe Ende blieb in den innersten
L^melle^ der Cornea stecken. Darüber scblpsa sich di^
Wunde, in. den. folgenden Tag^ entwicjscilte sich eisk kleinem
GrdEassbüschel vom Bande zi| dieser Stelle hin, der Spitze
des Fremdkörpers entsprechend,; entstand, eine feine drcum-
seripte Trübung.
Da es mir darauf ankam, frühe Stadien zu imter-
suchen, weil man bei diesen relativ einfache Verhältnisse
erwfui«n . konAte, wurden die. Versuche im Ganzen früh
unterbrochen; sie. erstrecken sich auf einen Zeitrauin von
1 — 14 Tagen. Einige dieser Versuch$augen wurden in
Müller 'scher Flüssigkeit gehärtet^ die meisten jedoch in
absolutem Alcohol, um sie rasch schnittfahig zu machen.
Es trat dabei natürlich starke SchrumpAmg ein, die linse
musste aus diesen Augen entfernt werden, weil sie durch
deUii Alcohol steinhart wird, die Besultate.der Eisenreaction
wunden in keiner Weise beeinträchtigt. Obgleich ich
aus- der Untersuchung menschlicher Augen, die einen
fVemdkörper aus Eisen enthielten, keinen Grund zu der
Annahme gewonnen hatte, dass in den Härtungsflüssig-
keiten noch eine weitere Verbreitung des Eisens stattfii^det,
wandte ich doch die. Vorsicht an^ regelmässig sofort nach
der« Enudeation durch einen Einstich in die Cornea den
IV^mdkßrper zu entfernen.
Wie es Leber geschildert hat, ist der IVemdkörper
scbpn am nächsten Tage z\un. Tbeil von I^rin eingehüllt;^.
dai^.e9iQ.. bräunliche Färbung besitzt; nach einigen Tfigen
ist 1 die Einhüllung vollständig und das Fibrin ist intensiv
braun gefärbt' Weitere bemerkenswerthe Erscheinungen
waren während des Lebens nicht zu beobachten.
Versuch 14.. 18. I. 93. Eii^führung dgr Nadelspitze
in die vordere Kammer. 19. I. Enucleation. Dauer des Ver-
200 E. V. Hippel.
suchs 1 Tag. Entfernung des Fremdkörpers, Härtung in abso-
lutem Alcohol. Untersuchung an Schnitten.
Bei Behandlung der Schnitte mit Ferrocyankalium und
Salzsäure tritt an der Hinterfläche der Cornea sowie an der
Vorderfläche der Iris und in ihren oberflächlichsten Schichten,
da wo der Fremdkörper angelegen hat, in geringer Ausdehnung
diffuse Blaufärbung ein; sonst ist nichts zu bemerken.
Versuch 15. Dauer des Versuchs 2 Tage. 18. I. Ein-
ftthrung des Fremdkörpers. 20. I. Enucleation.
Das Eammerwasser wird mit der Pravaz'schen Spritze ab-
gesaugt und untersucht, in demselben finden sich ziemlich viele
Leucocyten, an denen bei Zusatz von Ferrocyankalium und
Salzsäure keine Blaufärbung eintritt Nach mehrstündigem
Stehen tritt etwas Gerinnung in dem Humor aqueus ein. Sal-
petersäure erzeugt einen leichten Niederschlag.
Versuch 12. Dauer des Versuchs 2 Tage. 21. XII. 92.
Einführung des Fremdkörpers. 23. XII. Enucleation.
Bei Anwendung der Eisenreaction tritt da, wo der Splitter
der Iris angelegen, in dem angelagerten Fibrin und in den
oberflächlichsten Schichten der Iris diffuse Blaufärbung ein.
In den Ciliarfortsätzen sieht man einige blaue Punkte, von
denen nicht ganz sicher zu entscheiden ist, ob sie Verunrei-
nigungen oder blaue in Zellen liegende Kömchen darstellen.
Versuch 7. Dauer des Versuchs 2 Tage. 17. XII. Ein-
führung des Fremdkörpers, derselbe bleibt in den innersten
Ilornhautschichten stecken. 19. XII. Enucleation. Aufschnitten
durch die Hornhantwunde sieht man nach Anwendung der
Eisenreaction folgendes:
Um den Stichkanal ist die Hornhautgrundsubstanz auf eine
kleine Strecke diffus blau; darüber hinaus sind in einiger Ent-
fernung die Hornhautzellen blau gefärbt. In den innersten
Schichten, wo der Fremdkörper gesessen hat, ist die Blaufilr-
bung sehr intensiv, in der vorderen Kammer ist das den Fremd-
körper umgebende Fibrin dunkelblau; ebenso förbt sich die
Iris in ihrem vorderen Theile da, wo die Spitze angelegen hat.
Innerhalb der Ciliarfortsätze findet sich eine Anzahl mit
braunen Körnchen erfüllte Zellen, die bei Anwendung der Eisen-
reaction hellblau werden.
Versuch 9. 1. XII. 92. Einführung des Fremdkörpers,
der auf den Boden der vorderen Kammer sinkt. 8. XII. Enu-
cleation. Dauer des Versuchs 7 Tage.
Ueber Siderosia Bulbi und die Beziehungen etc. 201
Die untersuchten Schnitte entstammen ungeföhr der Mitte
des Auges.
Die histologischen Verhältnisse bieten nichts Besonderes.
Die Eisenreaction ergiebt Folgendes: Im Kammerwinkel kom-
men vereinzelte blau gefärbte Zellen vor. Innerhalb der Ciliar-
fortsätze findet sich eine grosse Menge von Zellen, über deren
Natur keine näheren Aufschiasse zu gewinnen sind, die mit
blauen Körnchen erfallt sind und deren Protoplasma sich zum
Theil diffus blau färbt. Vor Anwendung der Reaction sind
jene Kömchen braun. In der Iris und an der Hinterfläche
der Hornhaut ist in den untersuchten Präparaten keine Spur
von Blaufärbung nachzuweisen.
Versuch 3. 19. XI. 92. £infahrung des Fremdkörpers.
28. XI. Enucleation. Dauer des Versuchs 9 Tage.
Die Hornhaut ist in der Nähe der Einstichstelle etwas
vascularisirt und zeigt vermehrten Kerngehalt; die Ciliarfort-
sätze sind enorm hyperämisch, es handelt sich aber nur um
Ausdehnung der Gefösse, nicht um Austritt von Blut.
Bei Anwendung der Eisenreaction ist am Pupillarrande
der Iris, wo der Fremdkörper angelegen hatte, intensive Blau-
färbung des angelagerten Fibrins festzustellen, innerhalb des-
selben kommen einige blau geerbte Zellen vor. Die vorderste
Schicht der Iris ist auf einem massigen Abstand intensiv blau,
auf weitere Entfernung wird die Färbung immer schwächer,
hält sich aber stets an die vordersten Lagen der Iris. Im
Stroma der Membran kommen vereinzelte mit blauen Körnchen
erfüllte Zellen vor, etwas reichlicher sind dieselben im Kammer-
winkel, wo das Maschen werk auch eine schwache diffuse Färb-
ung zeigt; ausserordentlich reichlich trifft man sie in den
Ciliarfortsätzen an. Die vorher braunen Körnchen sind sämmt-
Hch blau; stellenweise auch das Protoplasma dieser Zellen.
Versuch 1. 9. XI. 92. Einfahrung des Fremdkörpers.
19. XI. Enucleation. Dauer des Versuchs 10 Tage.
Ziemlich sicher ist in diesem Falle eine geringfagige
Infection vorgekommen, denn es findet sich starke kleinzellige
Infiltration um die episkleralen Gefässe sowie unten im Kammer-
winkel eine Anhäufung von Zellen vom Charakter der Eiter-
körperchen.
Der Splitter war in diesem Falle in den innersten Lagen
der Hornhaut stecken geblieben; an dieser Stelle findet sich
in den Schnitten nach Behandlung mit Ferrocyankalium und
20a E. T. Hippel,
Salzofture diffose BlaoArbmig .der iHarDhautfibciUeii^oiRie der
Descemet'schen Membran. In der vorderen Kammer liegt an.
der Stelle, wo der Spötter entfernt ist, reicblicbeß bliMi ge-
färbtes Fibrin, innerhalb desselben kojomt auch. eine mftssig^
Menge blau i^^ftrbter Zellen yoic* In einiger Entfernang vom
Sitze des Fremdkörpers ist das vorhandene Fibrin .nngeQlrbt..
Innerhalb der Anh&nfong von f iterkörperdien am, Bpd^^D^
deff vorderen Kawner liegen einige grössere dunkelblau gefiürbte .
Zellen...
Die Iris zeigt- zom Theil an der ObesBiche eine matte,
diffuse Blaufärbung; ausserdem kommen in : ihr zientieh ^zaU-
reiche Zellen vor, welche blaue Eömehen enthalten und zum
Theil diffus blau gefärbt sind; dieselben liegen in j^erschiedenen
Schichten der Iris, es Jftsst sieb nicht mit,3iehei:heit entsphe^
den, ob es sich um Leucocyten oder um präformirte Gewebs-
elemente handelt. In den Ciliarfbrtsfttzen kommen wieder die*
selben Zellen mit blanen Körnchen vor, jedoch nicht so
reichlich, wie: in den vorigen. Fällen. Das« Epithel der Ciliar-
fortsätze sowie der Pars ciliaris retinae ist ganz matt hellblau
geworden.
In den übrigen Versuchen waren die Befunde den an-
gefahrten ähnlich. In den bisherigen Versuchen ist das Ver-
halten des Epithels der Linsenkapsel nicht berücksichtigt worden;
dies liegt daran, dass die Linse mit Kapsel immer entfernt
wurde wegen ihrer durch den absoluten Alkohol erzeugten
grossen Härte; ich hatte auch, als ich diese Versuche begann,
noch keine Anhaltspunkte, dem Verhalten des Kapse)ep\the)s
grosse Bedeutung beizumessen*. 2 weitere Versuche, in welchen
ich i meine besondere Aufmerksamkeit darauf richtete, ergaben
mir folgendes Resultat.
Versuch 85 und 36. 2.'V. 93. Einfahmng eines Fremd»
körpers in die vordere. Kaminer beiderseits. 3. VI. Entfernung
des Fremdkörpers nach Enncleation der Bulhi. Die LiQsen-.
kapvel wurde abgezogen und als Flächenpräparat, nach Einlegen
in Ferrocyunkalium-Salzsäurjsgemischi untersu«bt.' An d^ £pi-
thelzellen scheint keine Reaction eingetreten zu sein,.
Da wo der Fremdkörper dar Kiesel aussen. angelegen hat,
zeigt sich Blaufärbung.
Die Kapseln wurden dann in Cellqidin «eingebettet und an
Querschnitten untersucht Da we.»md(roskepisch.Blaufiürbui»g.
zu sehen war» ist die Kapsel selbst bktu gefärbt, und zwar, am
lieber Siderosis Bullai uAd die Beziehungen etc. 209
iiileniimteii auaen, innen dagegen ganz schwach. Die £pUbel-
zaiten sind t vielfach zerfiiUeft^.ihr Kern f&rbt sich mit Alaan-
camnn nar-sebr schwach.
In den Zellen des Eapselepithels ist keine« Spar von Blaur
ftrbang eingeireteiL!
Die Untersuchung der (albinotischen) Augen, welche
einen Fremdkörper aus Eisen in der vorderen Kammer
enthielten, der stets sofort nach der Enudeation entfernt
wnide, ergiebt also kurz zusammenge&sst, folgende Aus^
breitnng des Eisens in einer mikrochemisch nachweisbaren
Form:
Diffuse intensive Blaufärbung tritt auf in den
ianersten Hornhautschichten, wenn der Fremd-i
körper darin stecken geblieben war, in den ober*
flUchlichen Schichten der Iris und der Kapsel,
wenn die Spitze der Iris angelegen hatte, in dem
umgebenden Fibrin, in dem Protoplasma einiger
Zellen^ welche die braunen Körnchen enthalten;
circumscripte Blaufärbung, die an vorher braunen
Körnchen eintritt, lässt sich nach'weisen an Zöllen,
die spärlich innerhalb des, den Fremdkörper ein-
sohliessenden Fibrins, im Kammerwinkel und in
der Iris, sehr reichlieh in den Ciliarfortsätzen
vorkommen; in den letzteren wurden sie schon 2
Tage nach der Einführung des Fremdkörpers an-
getroffen. Nach 10 Tagen hatte das Epithel der
Ciliarfortsätze matt-hellblaue diffuse Färbung an-
genommen.
Versuche über Ihjection von Blut in die vordere
Kammer.
Auch diese Versuche sind alle, an albinotischen Thieren
angestellt
Versuch. 17. 1(X I. 93. Iniection. ven Blut in die vor-
dere Kammer; es fliesst beim Herausziehen der Ganüle etwas
204 E. ▼. Hippel.
ab, der Randtheil der Iris ist frei von Blut, während die Mitte
und das Pnpillargebiet yollkommen bedeckt sind. 11. I. Das
Blut sieht dunkel aus, ist geronnen, hat sich am Rande etwas
von der Iris abgehoben.
14. I. Die BIntmasse hat sich erheblich verkleinert und
noch etwas mehr nach vom abgehoben. Enucleation. Dauer
des Versuchs 4 Tage. Härtung in Moller'scher Flüssigkeit und
Alkohol.
Untersuchung: Das Blutgerinnsel ist durchzogen von sehr
dichten Fibrinnetzen, die roten Blutkörperchen liegen sehr
dicht aneinander gepresst darin, so dass es im Schnitt nicht
leicht ist, ihre Contouren deutlich zu erkennen; grössten Theils
sind sie jedenfalls noch gefärbt. Weisse Blutkörperchen sind
nicht in auffölliger Menge vorhanden; blutkörperchenhaltige
Zellen fehlen. Die Oberfläche des Gerinnsels ist bedeckt von
einem feinen Häutchen, das aus 2 — 3 Lagen deutlicher Spindel-
zellen mit gut j^bbarem Kern besteht. Innerhalb des Blut-
gerinnsels ist nichts von deutlichen Pigmentkörnchen nachweis-
bar. Innerhalb der Ciliarfortsätze kommen in ziemlich spär-
licher Anzahl Zellen vor, welche mit braunen Pigmentkörnchen
erfüllt sind. In einem anderen Auge, das auch 4 Tage nach
der Injection enucleirt war, fanden sich dieselben Gebilde. In
der Iris waren keine derartigen Zellen aufzufinden. Im Gewebe
des Kammerwinkels liegen rothe Blutkörperchen.
Hier kommen bei Anwendung der Eisenreaction ganz ver-
einzelte schwachblau gefärbte Zellen vor. In den Giliarfort-
sätzen bleiben die Zellen mit den braunen Körnchen unver-
ändert, in der Blutung selbst fehlt jede Blaufärbung.
Versuch 18. 10. I. 93. Injection von Blut in die vordere
Kammer.
Kammer ist ganz mit Blut gefüllt
11. I. Die Hauptmasse des Blutes bedeckt als Gerinnsel
die Pupille und den Pupillartheil der Iris, der periphere Theil
der Iris ist nur von einer dünnen Blutschicht bedeckt.
17. I. Das Gerinnsel ist kleiner geworden und hat sich
am Rande ein wenig abgehoben. Enucleation. Dauer des Ver-
suchs 7 Tage. Müller'sche Flüssigkeit, später Alkohol.
Untersuchung: In zahlreich verästelte Fibrinzüge einge-
schlossen, findet sich in der vorderen Kammer eine sehr er-
hebliche Menge rother Blutkörperchen, die Zahl der weissen
ist im Inneren des Gerinnsels nicht auffällig vermehrt, dagegen
trifft man dieselben reichlicher am vorderen Rande des Gerinn-
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 205
sels; ganz vereinzelt sind blatkörpercbenhaltige Zellen; am
Rande des Gerinnsels findet sich ein zartes Gewebe, das reich-
liche Spindelzellen enthält, die feinste bräunliche Körnchen
einschliessen. Die Blutkörperchen sind auch im Gewebe des
Kammerwinkels nnd in der hinteren Kammer anzutreffen sowie
zwischen den Giliarfortsätzen. Im Gewebe der Iris sieht man
ganz vereinzelt, innerhalb der Ciliarfortsätze dagegen recht
zahlreiche Zellen, welche mit bräunlichen feineren und gröberen
Kömchen angefüllt sind.
Bei Anwendung der Eisenreaction tritt eine diffuse Blau-
färbung ein in einigen der weissen Blutkörperchen innerhalb
des Gerinnsels, einige derselben scheinen entfärbte rothe Blut-
körperchen oder Bruchstücke von solchen einzuschliessen^ ferner
werden diffus blau eine Anzahl von Zellen im Kammerwinkel,
auf der Yorderfläche der Iris und zwischen den Giliarfortsätzen.
Ton den braunen Kömchen der Zellen in dem zarten Gewebe
am Bande des Gerinnsels sowie innerhalb der Ciliarfortsätze
wird ein Theil bläulich -grünlich ein anderer bleibt braun,
hier und da wird das Protoplasma dieser Zellen diffus hellblau.
Versuch 11. 12. XII. 93. Injection von Blut in die
vordere Kammer.
13. Xn. Ein dickes Blutgerinnsel bedeckt den Raum der
PupiUe und die angrenzenden Theile der Iris, in der Peripherie
ist die Blutschicht dünner.
19. XII. Das Auge ist ziemlich stark injicirt, in der Mitte
ist das Blutgerinnsel etwas kleiner geworden.
21. XII. Der Band des Gerinnsels hat sich etwas ab-
gehoben, die Injection ist noch ausgesprochen.
23. XII. Die Verhältnisse sind im Ganzen unverändert,
Enucleation. Dauer des Versuchs 11 Tage. Müller'sche Flüssig-
keit, später Alkohol.
Innerhalb der Fibrinzüge, welche das Gerinnsel durch-
setzen, liegen die grössten Theils vollkommen unveränderten,
mit Eosin sich schön färbenden rothen Blutkörperchen. Zwi-
schen denselben kommen in massiger Anzahl grosse mnde ein-
kernige Zellen vor, welche in ihrem Protoplasma theilweise
rothe Blutkörperchen oder Bruchstücke von solchen einschliessen.
Deutliches Pigment kommt innerhalb der Blutung nicht vor.
Bei Anwendung der Eisenreaction zieht zunächst ein
höchst auffallender Befund die Aufmerksamkeit auf sich: In
der ganzen Suprachoroidea liegen sehr reichlich dunkelblau ge-
ftrbte spindlige Zellen, dieselben begleiten auch die aus- und
206 E. V. Hippel.
eintretenden Gestose und Nerven; in dem hinter dem Balbos
liegenden OrbitalzeUgewebe sind die Bindegewebeaiellen intensiv
blan gefärbt. Mustert man nun nngeftrbte Präparate, so aeigt
sieb, dass diese sämmtlichen Zellen von brannen Eömcfaen er-
fttllt sind. Im Snprachoroidealraum liegen freie rothe Blnt-
kOrpercben in ziemlich erheblicher Menge, solche sind aacb in
das orbitale Fettzellgewebe reichlich infiltrirt. Innerhalb des
Blutgerinnsels in der vorderen Kammer kommen einige Zellen
vor, in welchen Blaufärbung soeben angedeutet ist; ein^lne
deutlicher blau geförbte Zellen liegen im Kammerwinkel. Die
bekannten Zellen mit den braunen Körnchen sind in den CUiar-
fortsätzen sehr spärlich, sie geben keine deutliche Eisenreaction.
Der Befund an der Supraohoroidea und dem Orbital-
gewebe musste natürlich sehr auffallen, es war aber doch sehr
bald kein Zweifel, dass das Pigment, Welches hier so intensive
Eisenreaction ergab, sicherlich nicht von dem in die vordere
Kammer injicirten Bhite herstammen konnte. Einmal war die
Menge der in jenen Theilen vorgefundenen freien rotiien Blut-
körperchen dazu viel zu erheblich und wie bei dem fast völlig
negativen Ausfall der Eisenreaction im vorderen Bulbusabschnitt
der entgegengesetzte Befund an den weit von der injicirten
Blutmenge gelegenen Theilen so zu erklären wäre, hätte voll-
kommen räthselhaft bleiben müssen. Die Unabhängigkeit des
vorgefundenen eisenhaltigen Pigmentes von dem injicirten Blut
ging aber mit Sicherheit aus folgender Thatsache hervor: In
das andere Auge desselben Kaninchen war ein' Fremdkörper
aus Eisen eingeführt worden und zwar in die vordere Kammer.
Das Auge wurde nach' 2 Tagen enucleirt. ' Im vorderen Boliras-
' abschnitt waren spärliche mit braunen* Kömchen erfüllte Zellen
dn den Giliarfortsätzen vorhanden, die schwach blau wwden,
in der Suprachoroidea und im Orbitalgewebe' war der Belnnd
genau der gleiche, wie im vorher geschilderten Versuch. Eis
kann daher nicht zweifelhaft sein, dass es an beiden^ Augen
Während des Lebens aus unerklärten Gründen zu Blvtuiigen
gekommen war, aus welchen das Pigment hervorging.
Versuch' 19. 10« L 93. Blut-Iigection in die «ordere
Kammer.
' 18. I. 93. Noch ziemlich erhebliche Menge von Bhit Tor-
handen. Enucleation. Mttller'sche Flässi^eit. Dauer des
Versuchs 8 Tage.
Der grösste Theil der roten Blutkörperchen ist vollkom-
men unverändert; in den Ratidtheilen -de» Gerinnsels finden
Ueber Siderosis Btilbi und die Beziehungen etc. 207
sich etwas teichlicher Leukozyten; ganz spärlich sind etwas
grössere eUikermge- Bnndzellen, welche entfiüfbte rothe Blut-
körperchen sowie feine bräunliche Körnchen einschliessen.
Blutkörperchen liegen auch im Baume der hinteren Kammer,
hier sind die Leukocyten etwas reichlicher. Innerhalb der
Ciliarfortsätze sind zahlreiche mit braungelben Körnchen dicht
erfüllte Zellen anzutreffen, ganz vereinzelt kommen solche in
der Iris und im Kammerwinkel vor.
Bei Anwendung der Eisenreaction sind innerhalb des Ge-
rinnsels keine deutlich gebläuten Zellen zu finden, dagegen
ganz spärlich im Kammerwinkel, desseu Gewebe sich schwach
diffus blau färbt ' In den Ciliarfortsätzen geben nur wenige der
mit den braunen Kömchen versehenen Zellen die Reaction, die
meisten bleiben ungefärbt
Ich begnüge mich nait der • Wiedergabe vorstehender
' YerBuchspi^tokolle, da die übrigen gleiche' Resultate er-
gaben. 'Weil es mir nicht darauf ankam, das SchickBal
des injicirten Blutes bis zu seinem Verschwinden zu ver-
folgen, sondern Vergleichsobjecte zu haben, an welchen ich
die Entstehung eisenhaltigen Pigmentes einmal von dem
Fremdkörper, andererseits aus dem Blute nach annähernd
gleichen Zeitabschnitten studiren konnte, habe ich die Ver-
suche mit Blutinjection in die vordere Kammer nicht über
grössere Zeiträume ausgedehnt
In Kürze zusammenge&sst ist das Ergebniss dieser
Vwsuche folgendes:
Die Blutmenge nimmt' ziemlich rasch ab, zum
Theil kann dies allerdings auf der stärkeren Zusammen-
ziehung des Fibrins beruhen. Die untersuchten Augen
stammen vom 3. — 12. Tage. In sämmtlichen Fällen ist der
überwiegend grösste ^heil der r4)ten Blutkörperchen
unverändert Die Zahl der weissen Blutkörper-
chen ist in den Bandtheilen des Gerinnsels etwas
vermehrt, doch konnte eine gleichmässige Zunahme
von einem Tag zum andern nicht wahrgenommen
werden. — Ganz vereinzelt kommen Gebilde vor,
die man als biutkörperchenhaltige Zellen betra'ch-
208 E. V. Hippel.
ten kann. Deutlich in Zellen eingeschlossene Pig-
mentmoleküle sind innerhalb des Grerinnsels nur
ganz vereinzelt zu finden, am frühesten treten die-
selben auf in jenen Zellen innerhalb der Ciliar-
fortsätze und hier sind sie in den späteren Stadien
sehr reichlich, wenn sie an Ort und Stelle der
Blutung entweder ganz fehlen oder ganz spärlich
sind. Vereinzelt kommen sie auch in der Iris vor.
Die Eisenreaction fällt wenig ausgiebig aus;
am 4. Tage färben sich einige Zellen im Kammer-
winkel, in den späteren Stadien einige blutkörper-
chenhaltige Zellen diffus blau. An den braunen
Körnchen in den Ciliarfortsätzen ist nach 8 und
9 Tagen erst der Beginn einer sowohl diffusen als
an die Körnchen gebundenen Blaufärbung nach-
weisbar.
Versuche über Fremdkörper aus Eisen in der
Linse.
Versuch 27. 25. I. 93. Die vordere Kammer wird oben
punktirt, das Eammerwasser abgelassen, darauf von vorne her
durch die Cornea eine Nadelspitze in die Linse eingestochen
und vorgeschoben.
26. 1. Die Kammer ist wieder hergestellt, an der Punktions-
stelle ist ein Irisvorfall entstanden. An dem hinteren Ende
der Nadel, die etwas über die Linsenoberfläche hervorragt, ist
eine ziemlich reichliche Fibrinausscheidung sichtbar; auch scheint
etwas getrübte Linsenmasse aus der EinstichöfiPnung herausge-
quollen zu sein.
4. II. Die herausgequollenen Linsenmassen sind grössten
Theils resorbirt, der hintere Theil des Fremdkörpers ist deut-
lich in der relativ wenig getrübten Linse sichtbar.
20. II. Im unteren Theil der Pupille ist ein kleines
braunes Fleckchen zu sehen, das anscheinend unter der vor-
deren Kapsel liegt; um die Einstichstelle sieht die Linsen-
substanz gelblich aus.
17. III. Die Linse ist noch grössten Theils klar oder
nur wenig getrübt, so dass der Fremdkörper gut zu sehen ist
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 209
An der Einstichstelle sieht man eine bräunlich geerbte Eapsel-
vcrdickung. Um den Fremdkörper sieht die Linse bei Tages-
belenchtang gelblich aas.
Enucleation. Dauer des Versuches 23 Tage. Müller'sche
Flüssigkeit, später Alkohol.
Der Bulbus wird im Aequator durchschnitten und die
vordere Hälfte zur Untersuchung verwandt; der Splitter wird
erst aus dem gehärteten Auge entfernt, da das Präparat sonst
zu leicht hätte zerstört werden können.
Von der Vorderfläche der Linse erstreckt sich an der
Stelle der Verletzung eiu aus Spindelzellen bestehendes Ge-
webe in die vordere Kammer fast bis zur Hinterfläche der
Hornhaut; in die Zellen sind braune Körnchen eingelagert.
Nach beiden Seiten von der Verletzung liegt unter der Kapsel
ein zartes Kapselstaargewebe. Wo dies endigt, werden die
Epithelzellcn wieder normal in ihrem Aussehen und sind an
ungefärbten Präparaten ausgesprochen gelblich gefärbt. Der
Kern ist mit Hämatoxylin stets gut zu färben. In der Gegend
des Aequators besonders auf der einen Seite sind die Epithel-
zellen gewuchert und bilden 2 — 3 Lagen, ihre Gestalt ist
nicht von der gewöhnlichen Regelmässigkeit, in ihrem Innern
liegen kleine und grössere gelbliche bis dunkelbraune Schollen
und Körner. Ueberall ist der Kern gut zu färben. Der Keru-
bogen ist beiderseits erhalten. In der vorderen Corticalis
kommt eine Anzahl von Eiweisskugeln und Bruchstücken von
Linsenfasern vor, im Ganzen sind die Linsenfasern wohlerhalten.
Bei Anwendung der Eisenreaction tritt das ganze Kapsel-
epithel als dunkelblauer Streif hervor; die vorher gelblich ge-
färbten Zellen sind diffus blau geworden, ihr Kern tritt bei
Contrastfärbung stets roth hervor; die gelbbraunen Schollen
und Körner sind intensiv blau geworden. Die Linsenkapsel
ist ungefärbt.
Die vordere Corticalis ist in ziemlicher Ausdehnung diffus
hellblau gefärbt und zwar nimmt die Intensität der Verfärbung
vom Sitze des Fremdkörpers her ab.
In der Iris ist die Andeutung eines matten bläulichen
Schimmers im Sphincter nachweisbar. Innerhalb der Ciliarfortsätze
kommt eine Anzahl von Zellen vor, die von blau gefärbten
Kömchen erfüllt sind.
Lässt man einen Schnitt 12 Stunden in verdünnter Salz-
säure liegen, so ist das Kapselepithel enterbt, die braunen
Körner und Schollen sind verschwunden.
V. Gnefe's Archiv für Ophthalmologie. XL. 1. 14
210 E. V. Hippel.
Versuch 29. (Dauer ebenfalls vom 25. I. bis 17. II. 93.
23 Tage.) In dem Verlauf war als einziger Unterschied von
dem vorigen festzustellen, dass die Linse vollständig kataraktös
wurde und bei Tageslicht intensiv braungelb aussah, Hier
wurde die Linse allein verarbeitet uad der Fremdkörper so-
fort nach der Enucleation hervorgezogen.
Das Eapselepithel ist nicht regelmässig, vielfach findet
sich nur eine Lage von Zellen, die auffallend abgeplattet sind
und endothelartig aussehen; in vielen dieser Zellen liegen
braune und gelbe Körner im Protoplasma, während der Kern
davon frei ist und sich gut Blrbt.
An anderen Stellen sind die Epithelzellen gewuchert und
bilden mehre Lagen von unregelmässig gestalteten Zellen; auch
in diese sind braune Körner eingelagert. Die Linse ist hat
vollkommen kataraktös, in der vorderen Corticalis liegen massen-
hafte grosse Eiweisskugeln, sowie eigenthQmliche Zerfallspro-
dukte der Linsenfaseru, zierlich geschwungene, ziemlich stark
lichtbrechende Bündel und Nadeln; ausserdem kommen ziem-
lich viele zellige Elemente in der vorderen Corticalis vor;
diese Zellen enthalten zum Theil auch braune Körnchen. Wo
noch Linsenfasern vorhanden sind, sind dieselben getrübt und
von ovalen Tröpfchen durchsetzt.
Die Eisenreactiou ruft am Kapselepithel keine so ausge-
dehnte difiPuse Blaufärbung hervor wie im vorigen Falle, ein
Theil der Zellen bleibt unverändert, sämmtliche braune Körn-
chen in den Epithelzellen, sowie in den Zellen, die in der
Linse selbst vorkommen, werden dunkelblau, zum Theil ist
daneben noch das Protoplasma diffus blau gefärbt.
Von der Linse selbst wird ein zur Oberfläche concen-
trischer schmaler Bezirk in der vorderen Corticalis diffus blau;
(der Schnitt geht nicht durch die Stelle, wo der Fremdkörper
gesessen hatte.)
Versuch 20. 18. I. 93. Eine 12 mm lange Nadelspitze
wird durch Cornea und Linse bis in den Glaskörper vorge-
schoben.
In der Nacht vom 21. — 22. I. ist das Kaninchen todt
gebissen, Enucleation des Bulbus am 22. I. 93 früh. 3 Tage.
In der unmittelbaren Umgebung des Fremdkörpers zeigt
sich bei Anwendung der Eisenreactiou diffuse Blaufärbung der
Linsensubstanz, das Kapselepithel wird intensiv diffus blau, die
Kerne bleiben von der Färbung frei.
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 211
Yersach 5, der in derselben Weise gemacht wardo wie
der vorige und sich auf einen Zeitraum Yon neun Tagen er-
streckt, zeigt die nämlichen Veränderungen wie der vorige.
Auf der einen Seite ist ausserdem das Epithel der Ciliarfort-
sätze matt diffus gefärbt.
Versuch 6 (in der gleichen Weise angestellt, Dauer
Tom 1. XII.— 17. XII. 92.) (16 Tage.)
Die Eisenreaction ruft wieder diffuse Blaufärbung der
Linsensubstanz in der Umgebung des Fremdkörpers hervor;
das Kapselepithol wird blau. Das Epithel der Ciliarfort-
sätze ist erheblich deutlicher diffus hellblau, als im vorigen
Falle.
Versuch 13 (in der gleichen Weise angestellt 19. XII.
92—24. 1. 93. 36 Tage.)
Die Linse ist am Tage der Enucleation noch grossen
Theils klar, der Fremdkörper ist deutlich zu sehen. Das Auge
wird in Müller'scher Flüssigkeit, dann in Alkohol gehärtet,
der Fremdkörper wird erst nach der Einbettung in Celloidin
entfernt.
Das Kapsclepithül zeigt keine ganz regelmässige einschich-
tige Lage, sondern die Zellen sind stellenweise gewuchert, am
meisten in der Nähe des Aequators, wo sie oft in mehreren
Lagen Aber einander anzutreffen sind, hier sind sie auch dicht
erfallt mit gröberen und feineren braungelben Kömern und
Schollen. An der ganzen Innenseite der Epithelschicht liegen
ovale Eiweisströpfchen. Die vordere Corticalis zeigt unbedeutende
Zerfallserscheinuugen, dagegen ist die hintere Corticalis hoch-
gradig kataraktös; das Kapselepithel setzt sich in mehrfacher
Schichtung auf die hintere Kapsel fort und die Linsensub-
stanz ist von vielgestaltigen Spalten durchsetzt, innerhalb deren
massenhafte Eiweisskugeln liegen.
Bei Anwendung der Eisenreaction wird in der Linse selbst
eine zur Oberfläche concentrische Schicht der vorderen Corti-
calis diffns blau, ebenso färbt sich das Kapselepithel, die Kerne
ausgenommen. Sämmtliche braune Körner innerhalb der Epi-
thelzellen werden intensiv dunkelblau. Diffus hellblau färbt
sich das Epithel an der Hinterfläche der Iris, ferner das Epi-
thel der Ciliarfortsätze und zwar lässt sich hier öfters nach-
weisen, dass der dem Glaskörper zugewandte Theil der Zelle
blau wird, während der Fusstheil ungefärbt bleibt.
Verdünnte Salzsäure löst die braunen Körner innerhalb
14*
212 E. V. Hippel.
der Eapselzellen yoUkommen auf; lässt man danach Häroatoxyliii
einwirken, so färben sich die Kerne der Zellen, die dicht mit
braunen Körnern erfüllt waren, vollkommen gut.
Die Versuche, in denen ein Fremdkörper aus Eisen in
die linse eingeführt wurde, lehren also Folgendes über die
Ausbreitung des mikrochemisch nachweisbaren Eisens:
Die Linsensubstanz um den Fremdkörper färbt
sich diffus blau, die Intensität der Färbung nimmt
nach der Peripherie hin ab. Eine Zone in der vor-
deren CorticaUs färbt sich besonders ausgiebig. Das
Kapselepithel wird zum Theildiffus blau, zum Theil
kommen in demselben blau gefärbte Körner und
Schollen vor, die vor Anwendung der Reaction
braun waren; diese Körner sind besonders reich-
lich in einer Zone in der Nähe des Aequators; hier
haben auch die Epithelzellen eine besondere Nei-
gung zu wuchern. Die braunen Körner und Schol-
len entfärben sich in verdünnter Salzsäure.
Die Kerne der Epithelien sind mit Hämatoxylin
und Alauncarmin stets gut zu färben. Eine eben
angedeuteteEisenreaction kommtim Epithelderlris
und im Muse, sphincter iridis zur Beobachtung.
In den Ciliarfortsätzen werden einzelne Zellen mit
blauen Körnchen gefunden; ragt der Fremdkörper
durch die Linse bis in den Glaskörper, so ist dif-
fuse Blaufärbung des Epithels der Ciliarfortsätze
nachweisbar.
An dieser Stelle möchte ich noch auf das mir aus
Halle zugegangene Präparat eingehen, das ich im ei'sten
Theil schon erwähnte. Es handelte sich um den Fall, wo
ein Kranz rostfarbener Flecken imter der Kapsel einer
kataraktösen Linse einen im Auge befindüchen Fremdkörper
aus Eisen annehmen liess. Den Befund an der Iris, in
welcher ich beträchtlichen Eisengehalt nachweisen konnte,
habe ich schon mitgetheilt, hier möchte ich über die Unter-
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 213
suchung des Kapselstückes, an welchem sich 5 der grösseren
und 2 kleinere braune Flecke befanden, berichten.
Das Stückchen wurde in das Ferrocyankalium-Salz-
säuregeniisch gelegt und nach Eintritt der Eeaction mit
Alauncannin nachgefärbt, dann zunächst von der Fläche
untersucht:
Für das blosse Auge sind die brauneu Flecken intensiv
dunkelblau geworden, das ganze Eapselstück wird hellblau,
durch intensive Blaufärbung ausgezeichnet sind zwei dreieckige
Bezirke, deren Spitzen in zwei der dunkelblauen Flecken ge-
legen sind und deren Basis in die allgemeine matte Blau-
färbung übergeht.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Flächenpräpa-
rates erscheinen die blauen Flecke in der Mitte so intensiv
gefärbt, dass man über ihre Structur nur aus der Betrachtung
der Ränder in's Klare kommen kann ; hier sieht man, dass die
Epithelzellen des Kapselepithels mit grösseren und kleineren
blauen Körnern und Schollen angefüllt sind; manchmal ist die
ganze Zelle so davon eingenommen, dass von dem Kern nichts
zu erkennen ist, an anderen Stellen tritt er deutlich hervor;
offenbar stellen aber die braunen Flecke nichts anderes dar,
als circumscripte Wucherungen von Epithelzellen, welche mit
eisenhaltiger Substanz in Gestalt brauner Körner sehr dicht
erfüllt sind. Etwas weiter von den Flecken entfernt tritt die
Mosaik der Epithelzellen stark hervor; hier sieht man Zellen,
die gar keine Blaufärbung angenommen haben, häufiger sind
jedoch die blau gefärbten, von diesen sind wieder einzelne
matt diffus blau um den schön roth gefärbten Kern herum,
andere bergen in ihrem Protoplasma eine Menge feinster blau-
grün gefärbter Körnchen, wieder in anderen liegen gröbere
Körner neben feineren.
In den beiden bei makroskopischer Betrachtung dunkler
blau erscheinenden dreieckigen Bezirken erkennt mau, dass
die blauen Körner in unregelmässig gestalteten, zum Theil spin-
delförmigen Zellen liegen; bei der Dicke des Flächenpräparates
ist es schwer, weitere Einzelheiten festzustelleu. Man hat
den Eindruck, als ob es sich hier um ein Kapselstaargewebe
handelte.
Um Querschnittspräparate zu gewinnen, wird der Canada-
balsam, in den das Präparat eingeschlossen ist, mit Xylol auf-
214 E. V. Hippel.
gelöst, dann ein Stück abgetrennt und dieses nach Einlegen
in absolaten Alkohol in Celloidin eingebettet.
An Querschnitten sieht man dann Folgendes: Die Kapsel
selbst ist nicht gebläut bis auf einen schmalen blauen Streifen,
der die Kapsel der Länge nach durchzieht Der im Flächen-
bild braune, nach Anwendung der Reaction blaue Fleck stellt
sich auf dem Schnitt als eine kugelige blaue Hervorragung
dar. Dass die dunkelblauen Körner und Schollen, aus denen
er besteht, in gewucherten Zellen des Kapselepithels liegen,
lässt sich erweisen. Am Rande des Hügels gehen die Epithel-
zellen direct in denselben über und innerhalb der blauen
Schollen sind besonders in den innersten Schichten mit Car-
min roth gefärbte Kerne zu erkennen. Noch klarer wird das
Verhältniss, wenn man das braune Pigment mit H Cl extrahirt
und mit Hämatoxylin nachßlrbt. Am Rande des Hügels sieht
man mehrere Lagen von Zellen über einander, die in das nor-
male Epithel übergehen. Innerhalb des ganzen Hügels trifft
mau einzelne wohl getärbte runde Kerne, au der Oberfläche
haben sie ein im Querschnitt spindelförmiges Aussehen. Die
vorher braunen Schollen sind nun hellviolett geförbt. An den
Hügel schliesst sich eine Strecke weit eine einfache Lage der
kubischen Epithelzellen und diese geht dann über in ein
typisches Kapselstaargewebe mit auf dem Durchschnitt spind-
ligen Zellen. In diese Zellen sind massenhaft blaue Körnchen
eingelagert, die nach Entfärbung des Pigments als feinste
violette Pünktchen erscheinen.
Versuche über Einführung von Fremdkörpern
aus Eisen in den Glaskörper.
Diese Vei-suclie wurden bis auf 2 an piginentirten
Kaninchen angestellt und gerade dieser Umstand machte
es möghch etwas genauere Angaben über einige histolo-
gische Details zu geben, die in den Experimenten Leb er 's
bis zu einem gewissen Grade unsicher bleiben mussten,
weil er albinotische Thiere benutzt hatte. Das Haupt-
interesse hatte für mich natürlich die Art der Verbreitung
des Eisens. Ich möchte die 5 einschlägigen Versuche hier
anführen.
Versuch 23. '20. I. 93. Eine 3 mm lange Lanzen-
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 215
spitze wird von oben her in den Glaskörperraum eingostossen
und mit einem stumpfen Instrumente in denselben vorgeschoben.
23. I. Der Fremdkörper ist hinten unten sichtbar, zum
Theil eingehüllt von weissen Exsudatraassen ; zahlreiche weisse
Strftnge durchziehen in seiner Umgebung den Glaskörper. Die
Retina ist abgelöst, vielfach gefaltet und eingerissen. Der
hintere Markflflgel ist mit abgelöst, der vordere scheint noch
anzuliegen, die Gefösse sind sehr dünn und wenig gefüllt.
26. I. Die Ablösung hat zugenommen, der Fremdkörper
ist grössten Theils in Exsudat eingehüllt.
30. I. Enncleation. Dauer des Versuches zehn Tage.
Härtung in Müller'scher Flüssigkeit, später in Alkohol.
Das Auge wird im horizontalen Meridian aufgeschnitten,
die untere Hälfte eingebettet und bis auf die Sklera geschnitten.
Dabei findet sich der Fremdkörper innen den Augenhäuten
anliegend in ein grau weisses Gewebe eingeschlossen.
Ein Schnitt ungefähr aus der Mitte des Bulbus zeigt Fol-
gendes:
Die Retina ist, soweit sie überhaupt vorhanden ist, ziem-
lich vollständig flach abgelöst, auf der temporalen Seite fehlt
sie ganz oder ist ersetzt durch ein Gewebe, auf dessen Be-
schreibung ich sogleich näher eingehen werde. Auf der nasalen
Seite ist die Netzhaut gut erhalten, ihre sämmtlichen Schichten
sind gut nachweisbar. UngeÜlhr am Aequator beginnt auf der
nasalen Seite eine starke Degeneration der Retina, die weiter
nach hinten zu immer mehr zunimmt. Wo die Degeneration
oben beginnt, finden wir zwischen den noch erhaltenen Stäb-
chen und Zapfen einige Zellen mit 1 oder 2 Kernen, welche
gelblich -braune Körnchen und ausserdem feine schwarze Stäb-
chen enthalten, genau von dem Aussehen des im Pigmentepi-
thel der Retina enthaltenen Pigmentes; neben diesen Zellen
liegen zwischen den Stäbchen degenerirte Netzhautkörner, deren
Querstreifung sehr deutlich ist Etwas weiter nach hinten
sind die Stäbchen und Zapfen zerfallen, deutliche stäbchen-
haltige Zellen, wie sie vou Leber beschrieben sind, fand ich
hier nicht. Die beiden Körnerschichten verschmelzen zu einer,
in den inneren Netzhautschichten kommen Zellen mit einem
grossen Kern vor, die ganz wie Körner aus der inneren Schiebt
aussehen. Soweit zeigt das Pigmentepithel keine Besonderheit;
etwas weiter nach hinten kommt eine Stelle, wo eine abgehobene
zusammenhängende Schicht der Pigmentepithelzellen mit der
abgelösten Retina in Vorbindung steht, hier finden sich in
216 E.V.Hippel.
alleu Schichten der Netzhaut Zellen, welche mit den kurzen
schwarzen Stäbchen des normalen Pigments erfüllt sind, auch
an der Innenfläche der Netzhaut liegen dieselben im Glas-
körperraume. Noch etwas weiter hinten liegt die hochgradig
degenerirte Retina eine kleine Strecke weit au. Hier zeigt
das Pigmentepithel gauz abnormes Verhalten: Der Zusammen-
hang der Zellen ist gelockert, sie liegen in mehreren Schich-
ten über einander und in der Netzhaut selbst; dann folgt eine
Parthie, wo von Ketina gar nichts nachweisbar ist und die
grossen pigmentirten Zellen in Haufen beisammen liegen. Stellen-
weise ziehen über diese Haufen brückenartige Züge langer
spiudeliger, meistens auch mit den schwarzen Stäbchen er-
füllter Zellen hinweg. Hier und da lässt sich nachweisen, dass
diese langen Zollen übergehen in die länglichen Zellen des
Pigmentepithels, sie sind emporgehoben von jenen grossen
Zellen, die ihrem Pigmentgehalt nach entweder nur gewucherte
Zellen des Epithels selbst oder Leucocyten, welche die Pig-
meutmolekülc aufgenommen haben, darstellen können. Noch
weiter temporalwärts findet sich an Stelle der Netzhaut ein
schmaler Zug eines Gewebes, in das ebenfalls die grossen pig-
mentirten Zellen eingelagert sind. Ganz vorne auf der tem-
poralen Seite bekommt die Pigmentepithelschicht wieder ein
normales Aussehen; au der Grenze zu diesem Bezirk liegen
die Zellen des Epithels in mehrfacher Schichtung über einander;
die innersten Lagen sind aber erheblich schwächer pigmen-
tirt, als das normale Epithel* Von normalem Glaskörpergewebe
ist in dieser Schnittebeue nichts nachzuweisen, an seiner Stelle
sieht man eine homogene Eiweissmasse; im ganzen Glaskörper-
raum, besonders reichlich in der Nähe der Innenfläche der
Retina sowie hinter der Linse liegen grosse runde Zellen,
welche sämmtlich mehr oder weniger reichlich mit den charak-
teristischen braunschwarzen Stäbchen erfüllt sind, welche zwei-
fellos dem Pigmentepithel der Retina entstammen.
Die übrigen Theile des Bulbus bieten nichts Besonderes.
In einem Schnitt aus grösserer Tiefe, nicht weit über der
Stelle des Fremdkörpers ist im vordersten Theile des Glas-
körperraumes streifiges Glaskörpergewebe nachweisbar. Viele
gefaltete Züge der abgelösten zerrissenen und hochgradig dege-
nerirten Netzhaut liegen im Glaskörperraum; in und um die-
selbe liegen in enormer Menge jene vorher geschilderten runden
pigmentirten Zellen. Ganz nasal und temporal, wo die Netz-
haut hier anliegt, ist das Pigmentepithel annähernd normal,
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 217
doch zeigt sich auch hier eine Stelle, wo es sehr schön zu
sehen ist, wie von dem Pignientepithel aus ein Zug der be-
kannten mit schwarzen Stäbchen erfüllten Zellen quer durch die
Retina bis in den Glaskörperraum hinein sich fortsetzt. Im
hinteren Bulbusabschuitt ist von einem regelmässigen Pigmeut-
epithel nichts zu sehen, die pigmentirton Zellen haben sich
Toneinander getrennt und liegen in vielen Lagen über einander;
hier findet sich ein an Spindelzellen reiches Bindegewebe an
Stelle der Netzhaut.
Bei Anwendung der Eisenreaction nimmt das Epithel der
Ciliarfortsätze eine matte diffuse Blaufärbung an u|id zwar der
dem Glaskörper zugewandte Theil dieser Zellen. Im Uebrigen
ergiebt Blaufärbung einzig und allein ein Theil jener runden,
mit den schwarzen Stäbchen erfüllten Zellen. Die Färbung ist
von wechselnder Intensität und scheint im Allgemeinen eine
diffuse des Protoplasma's zu sein, hier und da handelt es sich
aber sicher um blau gefärbte in der Zelle liegende Körnchen.
Die schwarzbraunen Stäbchen bleiben durchweg unverändert.
Die Färbung zeigt sich an jenen Zellen sowohl da, wo sie
ihrer Lage und regelmässigen Anordnung nach sich als zweifel-
los dem Pigmentepithel zugehörig erweisen, als auch innerhalb
der Retina und im Glaskörperraume.
Versuch 25. 20. I. 93. Eine 11 mm lange Lanzen-
spitze wird VQu oben her in den Glaskörper eingestochen und
mit einem stumpfen Instrument vorgeschoben; sie ist nach der
Operation gerade in der Mitte hinter der Linse zu sehen, in
ihrer Umgebung zeigen sich einige kleine Blutungen.
23. I. Es zeigt sich, dass der Fremdkörper die Linse
verletzt hat, wenigstens wird am hinteren Pol eine getrübte
Parthie sichtbar. Die Gefässe an der Papille sind sehr verengt.
4. II. Die Spitze der Nadel ist noch sehr deutlich, weiter
oben ist sie von weisslichen Massen umhüllt. Die Retinalge-
fösse sind stark verengt, die Netzhaut scheint an der nasalen
Seite flach abgelöst zu sein. Enucleation. Härtung in Müller-
scher Lösung und Alkohol. Dauer des Versuches 14 Tage.
Der Bulbus wird oberhalb des horizontalen Meridians
aufgeschnitten und die untere Hälfte eingebettet. Beim Schnei-
den kommt man auf den Fremdkörper, der dann herausge-
zogen wird. Es zeigt sich, dass seine Spitze ziemlich tief in
die Linse eingedrungen war.
Die Netzhaut ist an der ganzen medialen Seite abgelöst,
an der temporalen Seite liegt sie an.
218 E. V. Hippel.
Die mikroskopische Untersuchnng lehrt, dass die ganze
Retina hochgradig degenerirt ist. Von Stäbchen und Zapfen
ist nichts mehr vorhanden. Der abgelöste Theil besteht aus
einer unregelmässigen Lage von Körnchen und einem reticu-
lären Gewebe, dass die inneren Netzhautschichten ersetzt In
diesem ganzen Theil der Netzhaut liegen ziemlich viele grosse
mit feinen leicht bräunlichen Körnchen erfüllte Zellen, in wel-
cheu die im vorigen Falle beschriebenen schwarzen Pigment-
kömchen nicht vorhanden sind. Am Pigmentepithel dieser
Seite ist nichts Besonderes aufzufinden, abgesehen davon, dass
ein Theil der Zellen auffallend schwach pigmentirt ist Auf
der nasalen Seite ist die anliegende Retina auf einen ganz
schmalen Strang reducirt, in welchen^ noch eine ganz dünne
Körnerschicht nachweisbar ist. Von der Papille bis in die
Gegend des Aequators ist das normale Pigmentepithel nicht
mehr vorhanden, an seiner Stelle liegen voneinander getrennte
im Allgemeinen runde mit den schwarzen Pigmentstäbchen er-
füllte Zellen sowohl am Orte des normalen Epithels, als in
den verschiedenen Schichten der Netzhaut, sowie auf der
Innenfläche der Retina gerade wie im vorigen Falle.
Am hinteren Pole, wo die Linse vom Fremdkörper an-
gespiesst ist, quillt die Linsensubstanz weit in den Glaskörper
hinein und ist hier stark kataraktös verändert Das Kapsel-
epithel setzt sich weit auf die hintere Kapsel fort, am Epithel
der vorderen Kapsel sind die Zellen in der Nähe des Aequa-
tors gewuchert und von braunen Körnern erfüllt In der Um-
gebung des Fremdkörpers liegen innerhalb vielfacher F.palt-
räume massenhafte Eiweisskugehi sowie grosse Körnchenzellen,
die zum Theil deutlich gelblich gefärbt sind. Legt man
Schnitte in das Ferrocyankalium-Salzsäuregemisch, so wird die
Linsensubstanz in der Umgebung des Fremdkörpers diffus
blau, intensiv blau werden ferner die meisten der Körnchen
Zellen und zwar theils diffus, theils erscheinen blaue Köm-
chen in denselben. Das ganze Kapselepithel der Linse wird
blau, am intensivsten in jener Wucherungszone in der Nähe
des Aequators. DifiPus hellblau wird das Epithel der Ciliar-
fortsätze und der Pars ciliaris retinae, innerhalb der Ciliar-
fortsälze erscheint eine ganze Anzahl jener eigenthümlichen
mit blau gefärbten Kömchen erfüllten Zellen. Die pigmentirten
Zellen in der Retina ergaben in diesem Falle keine Eisenreaction.
Versuch 22. 19 L 93. Von oben her wird eine 7 mm
lange Lauzeuspitze in den Glaskörper eingeschoben, es erfolgt
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 219
eine ziemlich starke subconjanctivale Blutung. Die Spitze des
Fremdkörpers ist mit dorn Spiegel zu sehen, er steckt aber
offenbar noch in der Bulbaswand.
22. I. Der Fremdkörper ist ganz nach unten gesunken
und befindet sich im vorderen Theile dos Bulbus hinter der
Linse, vollkommen in weisse Membranen eingehüllt, die nach
verschiedenen Richtungen den Glaskörperraum durchziehen.
Die Gefässe an den Markflügeln sind sehr eng, eine sichere
Ablösung ist hier nicht zu erkennen.
11. II. Der Fremdkörper ist von noch dichteren weissen
Membranen umhüllt, zahlreiche weisse Flecke finden sich im
ganzen Hintergrunde. Die Papille ist noch sichtbar, die Ge-
wisse der Netzhaut sind ausserordentlich verengt, an den Mark-
flügeln ist eine Ablösung nicht mit Sicherheit zu erweisen.
Enucleation. Dauer des Versuches 23 Tage.
Beim Durchschneiden des gehärteten Auges im horizon-
talen Meridian findet sich in der hinteren Bulbushälfte der
Fremdkörper hinter der Linse in bräunlich gefärbtes Gewebe
eingebettet vor; die Retina ist hier abgelöst, der Glaskörper
anscheinend stark verdichtet und zusammengezogen, der Fremd-
körper wird vorsichtig herausgezogen und beide Bulbushälften
werden eingebettet. Die untere wird vollständig geschnitten,
von der oberen werden nur einige Schnitte zur Untersuchung
hergestellt.
Schnitte aus der oberen Bulbushälfte zeigen auffallender
Weise im Ganzen vollkommen normales Verhalten, die Retina
ist in allen Schichten wohlerhalten, es besteht keine Ablösung.
Bei Anwendung der Eisenreaction färben sich intensiv diffus
blau die Zonulafasern und matt blau das Epithel der Ciliar-
fortsätze. Im Glaskörperraum kommen ziemlich vereinzelte
runde Zellen vom Charakter der Leucocyten vor, welche sich
blaa färben; besonders werden dieselben hinter der Zonula
angetroffen. An Schnitten aus dem oberen Theil der unteren
Bulbushälfte ist die Netzhaut auf der Seite, wo der Fremd-
körper sich befindet, abgelöst, die Stäbchen und Zapfen sind
zerfallen, die Körnerschichten sind zwar noch beide nachweis-
bar, doch rücken sie sehr nahe zusammen, stellenweise ver-
schmelzen sie sogar. In der Netzhaut selbst trifft man spär-
lich, auf der Innenfläche im Glaskörperraum dagegen sehr reich-
lich jene grossen mit den schwarzen Pigmentstäbchen erfüllten
Zellen. Dieselben ergeben grössten Theils intensive Eisenreac-
220 E- V. Hippel.
tion. An dem Pigmentepithel selbst ist an diesen Schnitten
nichts Auffälliges zu bemerken.
Wo der Fremdkörper entfernt wurde, findet sich eine
braun gefärbte Masse, die zum Theil aus amorphem streifigem
Gewebe besteht zum anderen Theile aus einem Bindegewebe,
in das zahlreiche spindelige Zellen eingelagert sind. Inner-
halb der amorphen Massen liegen zahlreiche grössere rund-
liche Zellen, die alle in ihrem Inneren mehr oder weniger
reichlich jene charakteristischen schwarzbraunen . Stäbchen ent-
halten; dieselben sind in grosser Menge im ganzen Glaskörper-
raum vorhanden, am reichlichsten an der Innenfläche der ab-
gelösten Netzhaut. Das ganze Gewebe um den Fremdkörper
sowie alle diese Zellen werden bei Anwendung der Eisen-
reaction intensiv blau. Auch in den blau gefärbten Zellen
sind die schwarzen Stäbchen noch sehr deutlich, die Netzhaut
ist in dieser Höhe vollkommen abgelöst, aber auch hier sind
noch meistens die Körnerschichten zu unterscheiden. An ihrer
Ausscnfläche kommen reichliche blasse vollkommen unpigmen-
tirte Köruchonzellen vor, die offenbar Theile der Stäbchen und
Zapfen enthalten, dieselben geben keine Eisen reaction; in den
verschiedenen Schichten trifft man wieder die pigmentirten
grossen theils sich blau färbenden Zellen an. Die Zellen des
Pignientepithels sind hier wieder vielfach in der früher schon
geschilderten Weise auseinander gewichen und liegen theils in
einfacher theils in mehreren Lagen über einander; die am
weitesten nach innen liegenden Zellen haben runde Gestalt,
enthalten weniger Pigmentstäbchen und färben sich grossen
Theils blau.
Die Zonulafasern sind auch in dieser Gegend intensiv
blau gefärbt. Das Kapselopithel der unverletzten Linse zeigt
keine Spur von Blaufärbung.
Versuch 26. 20. I. 93. Einführung einer 7 mm langen
Lanzeuspitze von oben her in den Glaskörperraum.
23. L Der Fremdkörper liegt im vorderen Thell des
Bulbus etwas quer, umhüllt von weisslichen Massen, auf die
etwas Blut aufgelagert ist. Die Retinalgefässe sind stark
verengt.
26. L Es besteht ausgedehnte Ablösung der Netzhaut.
15. II. Die Retina ist vollkommen zerfetzt, weisse Mem-
branen erfüllen den Glaskörperraum, stellenweise sieht man
die Chorioidea, die bräunliche Flecken zeigt.
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 221
20. II. Der Befand ist im Wesentlichen derselbe; der
Baibus wird enucleirt^ in Müller'scher Fltissigkeit und Alkohol
gehärtet. Dauer des Versuches 31 Tage.
Beim Aufschneiden wird die Linse stark luxirt, es zeigt
sich, dass der Fremdkörper ziemlich weit nach vorne im Bulbus
unten den Augenhäuten anliegt. Bei dieser Lage ist eine Ver-
letzung der Linse auszuschliessen. Auf der Seite des Fremd-
körpers scheint die Retina sehr verdünnt, zum Theil geschwun-
den zu sein, auf der anderen Seite ist sie makroskopisch von
annähernd normaler Dicke, aber abgelöst von der Papille bis
zur Ora serrata hin.
In den untersuchten Schnitten erstreckt sich die Ab-
lösung auf der Seite, wo der Fremdkörper gesessen, von der
Ora serrata bis in die Gegend des Aequators, von da bis in
die Gegend des hinteren Pols liegt sie an, ist aber im höchsten
Grade verändert. Der abgelöste Theil dieser Seite sowie die
abgelöste Netzhaut auf der anderen Seite zeigen erhebliche
Degenerationserscheinungen, Fehleu der Stäbchen und Zapfen,
Verschmälerung und stellenweise Verschmelzung der Körner-
scbicbten ähnlich wie in den vorigen Fällen. Das Pigment-
epithel ist entsprechend den Stellen der Ablösung im Ganzen
normal, hier und da trifft man Stellen, wo die Zellen in
mehreren Lagen über einander liegen und der Pigmentgehalt
besonders an den innen gelegenen Zellen sehr gering ist; diese
färben sich bei Anwendung der Ei?enreaction hier und da
blau. Die Ausseniläche der abgelösten Retina bedeckt ein
feiner Detritus, innerhalb dessen man bei starker Vergrösse-
rung blasse körnige kugelige Gebilde ohne förbbaren Kern,
andererseits Zellen antrifft, von denen ganz wenige schwarze
Pigmentstäbchen in spärlicher Zahl enthalten, während andere
bei Anwendung der Eisenreaction blaue Färbung annehmen.
In der abgelösten Retina habe ich die in den vorigen Fällen
beschriebenen Zellen vermisst.
Der anliegende Theil der Retina besteht aus einem ver-
schieden dicken reticulärcn Gewebe mit spindeligen Zellen,
in dessen vorderstem Theil einige Netzhautkömer noch nach-
weisbar sind. So weit dieses Gewebe reicht, ist von einem
normalen Pigmentepithel keine Rede. Hier und da fehlt es
ganz, dann trifft man streckenweise eine Lage grosser poly-
gonaler, mit schwarzen Pigmentstäbchen dicht erfüllter Zellen,
die sich bei Anwendung der Eisenreaction zum Theil diffus
blau färben. Solche Zellen, die verschiedene Grösse und Form
222 E. V. Hippel.
besitzen, aber alle durch ihren Gehalt an schwarzen Pigmeut-
stäbchen ausgezeichnet sind, trifft man reichlich in dem reti-
culären Gewebe, das die Netzhaut ersetzt. Im vordersten
Theile des Glaskörpers findet sich ein schmaler Zug eines
spindelzelligen Gewebes, in der Umgebung liegen einige Blut-
körperchen. Die Spindelzellen enthalten braune Körnchen, von
denen ein Theil bei Anwendung der Eisenreactiou blau wird ;
ausserdem kommen innerhalb dieses Gewebes sowie frei im
Glaskörper grosse Zellen vor, welche die charakteristischen
schwarzen Pigment Stäbchen enthalten und grössten Tboils bei
Anwendung der Eisenreactiou diffus blau gefärbt werden. Das
Epithel der Ciliarfortsätze nimmt ebenfalls diffuse hellblaue
Färbung an. Die Linsenkapselepithelien färben sich nicht.
Versuch 24. Der Fall Albrecht, in welchem die Linse
vollständig resorbirt war, brachte mich auf den Gedanken,
ob die enorme Pigmentirung in den vorderen Theilen des
Auges, speciell in der Cornea, wenn sie echt siderotischer
Natur war, nicht vielleicht auch experimentell zu erzeugen
wäre, wenn man einen Fremdkörper in den Glaskörper brächte
und später die Linse extrahirte. In dieser Richtung ergab der
Versuch zwar ein negatives Resultat, der anatomische Befund
ist aber interessant genug, um als Ergänzung der vorigen Ver-
suche hier angeführt zu werden.
20. I. 93. Einführung einer Nadelspitze von oben her
in den Glaskörper.
23. I. Der Fremdkörper liegt vorne unten von weissen
Massen umhüllt, auf denen einige kleine Blutungen liegen. Die
Netzhaut ist in der Nähe des Fremdkörpers eingerissen, der
Rand umgeklappt. Der vordere Markflügel ist auch abgelöst.
1. II. Die Ablösung hat weitere Fortschritte gemacht.
Es wird ein Linearschnitt in der Cornea nach oben mit dem
Graefe' sehen Messer gemacht, mit dem Cystitom die Kapsel
eröffnet und versucht die Linse zu extrahiren; dies ist wegen
der Grösse der Kaninchenlinse und ihrer äusserst zähen Con-
sistenz sehr schwierig und gelingt nur unvollkommen nach
Anwendung des Davierschen Löffels. Die Wunde klafft stark.
2. II. Schmierige Massen, anscheinend zum Theil ge-
quollene Linsenmassen mit abgestreiftem Irispigment vermischt
in der Wunde; die Wuudränder sind gequollen, die Cornea in
der Mitte getrübt. Eiterung besteht nicht. Die vorgequollenen
Massen werden mit der Scheere abgetragen, darauf das Auge
gilt desinficirt.
Veber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 223
15. II. Die Wunde bat sich im Laufe der letzten 14
Tage gereinigt und ziemlich fest geschlossen. Die Narbe be-
ginnt sich einzuziehen. Die vordere Kammer ist auffallend
tief, die Pupille durch Atropin nicht zu erweitern, im Pupillar-
gcbiet liegen Corticalreste, man bekommt mit dem Spiegel
nur wenig rotbes Licht.
8. in. Bei focaler Beleuchtung bekommt man aus der
Tiefe einen brauurothen Reflex.
17. III. Bei Tageslicht erhält man einen gelbbräunlichen
Keflex aus der Tiefe, mit dem Spiegel kein rothes Licht.
Enucleation. Das Auge ist stark phthisisch, von eckiger Ge-
stalt. Dauer des Versuchs 56 Tage.
Das Auge wird von oben nach unten aufgeschnitten. Man
sieht die tief eingezogene Narbe, in welcho der pupillare Rand
der Iris eingeheilt ist, von der Narbe abwärts ist die Kammer
sehr tief und mit geronnener Eiweissmasse erfüllt. Im Glas-
körperraum trifft man voruo unten den Fremdkörper von
braunen Massen umgeben. Der Glaskörperraum ist von ge-
ronnener Eiweissmasse eingenommen, der Sehnervenkopf ragt
frei in den Bulbusraum, die Retina ist an der Papille voll-
kommen abgerissen Eine Membran, die wie ein Rest der
Netzhaut aussieht, zieht quer durch den Bulbus da, wo nor-
maler Weise die Hinterfläche der Linse sich befinden würde.
Der oberste Thcil der Hornhaut ist normal, dann folgt die
breite Narbe, in welcher Gefässe und Zellen, dio mit goldgelben
Pigroentkörnern erfüllt sind, liegen. Die Descemet'sche Mem-
bran zeigt im Bereiche der Narbe enorme P'alteubildungen,
ihre Hinterfl che bedeckt eine ziemlich breite Gewebsschicht
vom Aussehen eines Kapselstaars, die normalen Endothelzellen
sind in dieser Ausdehnung nicht nachweisbar. Offenbar han-
delt es sich um eine glashäutige Neubildung, die aus dem
Hornhautendothel hervorgegangen ist. Ihre Hinterfläche ist
verwachsen mit der Iris. Die Pigmentschicht der Iris ist in
diesem Bereich in grosser Ausdehnung zerfallen, das ganze
Gewebe der Iris bis in die vordersten Schichten ist hier von
grossen runden Zellen durchsetzt, welche dicht mit dem
schwarzbraunen Irispigment erfüllt sind. Die Ciliarfortsätze
sind auf dieser Seite mit der Hinterfläche der Iris verwachsen
und stark auseinander gezerrt. Im Räume der hinteren
Kammer kommt auch eine Anzahl braunschwarz pigmentirter
Zellen vor. Im unteren Theil des Auges liegt hinter den
Ciliarfortsätzen eine grössere Anhäufung rother Blutkörperchen,
224 E. T. Hippel.
zwischen dcDen sich Lencocyten nnd Zellen mit gelblichen
Pigmentkdrnem 6nden. Die vordere Ltnsenkapsel ist gegen-
fiber der Comealnarbe dorchbrochen; sie ist stark verdickt
und liegt in vielen Falten. Die hintere KapseK kenntlich an
ihrer viel grösseren Zartheit ist ebenfalls sehr stark gefaltet
Die ganze Kapsel ist in der Peripherie von annähernd nor-
malem Epithel ausgekleidet, während in den mehr central ge-
legenen Tlieilen ein an phitten Zellen reiches Gewebe die
Innenfläche der Ka|>sel bedeckt; in diese Zellen sind massen-
hafte schwarzbrauue Körnchen eingelagert; gegenüber dem Riss
der vorderen Kapsel liegen in dem Kapselstaargewebe einige
grössere Zellen, welche dicht mit den braonschwarzen Köm-
chen erföllt sind. Dieses ans platten Zellen bestehende Ge-
webe steht durch den Riss der Kapsel in Verbindung mit
einem gleichen, das von der Hinterfläche der Ciüarfortsätze
ausgeht, sich iu die hintere Kammer erstreckt und der Yor-
derfläche (fer Linsenkapsel aufliegt; auch in diesem kommen in
gleicher Weise pigmentirte Zellen vor. Untersucht man das
Pigment in allen diesen Zellen mit starken Vergrösserungen,
6)>czie]l mit Oelimmersion , so erkennt man. dass es sich um
lauter ziemlich gleich grosse absolut runde braune KOgelchen
handelt, die genau so aussehen, wie das Pigment in dem
Epithel der normalen Ciliarfortsätze; nirgends kommen die
unrogel massigen eckigen Kömer vor, die man bei hämatogener
oder siderotischer Pigmentirung antrifft. Um es hier gleich
vorweg zu nehmen: die Eisenreaction fällt an diesem ganzen
Pigment negativ aus, auffallender Weise fehlt aber auch eine
diffuse Blaufärbung der in der Peripherie vorhandenen zweifel-
losen Kapsclepithelien vollkommen.
Hinter der Kapsel findet sich im vordersten Theile des
Glaskörperraumes ein eigenthümliches reticuläres Gewebe mit
spindligcn und mehr rundlichen Zellen, welches Züge nach
den Ciliarfortsätzen, der Pars ciliaris retinae, nach dem gleich
zu schildernden Rest der Netzhaut und weiter nach hinten in
den Glaskörper entsendet. Nach hinten grenzt au dasselbe
eine grössere Blutung; wo es an diese anstösst, ist es von
massenhaften Zellen, welche goldgelbe Körner enthalten, durch-
setzt. Zwischen den unveränderten rotlien Blutkörperchen
liegen in der Blutung einige Zellen, welche entfärbte Blut-
körperchen enthalten, sowie einige Haufen von braungelb pig-
mentirteu grossen Rundzellen. Das reticuläre Gewebe selbst
ist auch vielfach von rothen Blutkörperchen durchsetzt. Der
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 225
im vorderen Tbeife des Glaskörpers befindliche Rest der Re-
tina hängt oben an der Ora serrata fest, unten endigt er frei
im Glaskörper. Die Netzhaut ist sehr stark degenerirt, die
Stfltzfasem sind stark ausgewachsen, eine schmale Körnerschicht
ist noch kenntlich. In ihrer Substanz trifft man ziemlich zahl-
reiche grosse runde gelblich aussehende ZeUen mit einem Kern,
welche sämmtlich, wenn auch ziemlich spärlich, die kurzen
schwarzen Pigmentstäbchen enthalten, wie sie dem normalen
Pigmentepithel zukommen.
Die übergrosse Mehrzahl dieser Zollen verhält sich der
£isenreaktion gegenüber ablehnend, die Retina selbst giebt
keine diffuse Blaufärbung. Im oberen Theile des Bulbus von
der Ora serrata bis zur Papille verhält sich das Pigment-
epithel der Retina im Ganzen normal, hier und da scheinen
die Zellen ein wenig gewuchert zu sein. Im unteren Theile
beginnt schon an der Ora serrata eine sehr starke Wucherung
der Zellen des Pigmentepithels; ihr Zusammenhang ist ge-
lockert, sie liegen in vielfacher Schichtung übereinander und
werden in ihrer Gestalt sohr unregelmässig, indem sie theils
runde, theils mehr längliche oder verschieden verästelte Formen
annehmen; sie schieben sich vor in die hier noch vorhandene,
stark bindegewebig degenerirte Pars ciliaris retinae; auch
nach innen von derselben kommen sie im Glaskörperraum vor
und sind überall kenntlich an den bekannten schwarzen Stäb-
chen. In der degenerirten Pars ciliaris kommen noch andere
bräunliche Zellen vor; das Pigment derselben besteht aus gold-
gelben unregelmässigen Schollen und ist danach offenbar häma-
togenen Ursprungs. Etwas weiter nach hinten ist das Pigment-
epithel eine Strecke weit unterbrochen, die Chorioidea steht
hier im Znsammenhange mit einem weit in den Bulbusraum
hineinragenden eigenthümlichen zelligen Gewebe, das weiter
nach hinten zu immer schmäler wird, um zuletzt als ganz
dünne Membran der Innenfläche des Bulbus anzuliegen; über
den Ursprung dieses Gewebes und seine Bedeutung vermag
ich keine näheren Angaben zu machen; wo das Pigmeiitepithel
fehlt, liegen in diesem Gewebe zahlreiche runde Zellen mit
schwarzbraunen Stäbchen. Hinter dieser Stelle sind wieder
Wucherungserscheinungen am Pigmentepithel nachweisbar,
welche den in den früheren Fällen beschriebenen gleichen.
Die auseinander gewichenen Pigmentzellen, die runde Form
angenommen haben, liegen hier stellenweise in eigenthümlichen
Hohlräumen, die von pigmentirten platten Zellen überbrückt
▼. Gnefe't ArchlT f&r Ophthalmologie. XL. 1. 15
226 E- V. Hippel.
werden; offenbar entstehen diese Bilder ebenso wie im Ver-
such 23, wo sich erweisen Hess, dass wuchernde Zellen dio
oberflächlichsten in die Höhe heben, die dann eine Art Bracke
über den tieferen bilden. Die Choroidea ist im unteren Bul-
busabschnitt von Zügen eigenthümlicher, man möchte sagen
epitheloider Zellen durchsetzt, die Gefässe sind stark erweitert
Die Eiscnreaction lässt das Pigmentepithel der Retina im
oberen Theil des Bulbus unverändert, im unteren wird ein
grosser Theil der Zellen diffus blau, ebenso ein Theil der mit
braunen Stäbchen gefüllten Zellen in der Pars ciliaris retinae^
im Glaskörperraum und dem reticulären Gewebe. Die meisten
der mit goldgelben Pigmentschollen versehenen Zellen werden
blau. Um den Fremdkörper zeigt sich Blaufärbung an einer
amorphen vorher braunen Masse. In den Ciliarfortsätzen er-
scheinen wieder die blau gefärbten früher schon oft erwähn-
ten Zellen, auch zwischen den Falten der Ciliarfortsätze
kommen solche Gebilde vor. Das Epithel derselben wird diffus
hellblau. In der Iris, Cornea und Sclera ist nirgends etwas
von Blaufärbung zu entdecken.
Bezüglich der Verbreitung des mikrochemisch nach-
v\reisbaren Eisens geht aus diesen Versuchen Folgendes
hervor:
Ausser der diffusen Blaufärbung in der directen
Umgebung des Fremdkörpers zeigt dieselbe das
Epithel der Ciliarfortsätze und das Kapselepithel der
Linse, wenn die Kapsel verletzt war. Theils diffus
theils an Körnchen gebunden tritt die Blaufärbung
an Zellen auf, die ihrer Lage nach zweifellos dem
veränderten Pigmentepithel der Retina angehören,
ferner an Zellen, die im ganzen Glaskörperraum
und in verschiedenen Schichten der Betina gelegen
sind und sich durch ihren Gehalt an feinen schwar-
zen Stäbchen auszeichnen. Auf die Bedeutung dieser
Zellen sowie auf die Verwerthung der sonstigen histologischen
Befunde möchte ich im dritten Theil meiner Arbeit ausführ-
lich eingehen. Endlich konnten wieder die mit
blauen Körnchen erfüllten Zellen innerhalb der
Ciliarfortsätze nachgewiesen werden.
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 227
Versuche über Injection von Blut in den
Glaskörper.
Versuch 33. 25. II. 93. Blutinjection in den Glas-
körper nach Yorheriger Punktion der vorderen Kammer bei
einem albinotischen Kaninchen. Man sieht nach der Opera-
tion schon bei Tageslicht reichliche Blutmassen im Glas-
körper.
4. III. Im unteren Theile des Glaskörpers finden sich
reichliche Klumpen dunkelen Blutes. Der Glaskörper ist diffus
getrübt, so dass man die Papille nur ganz verschleiert er-
kennen kann.
Enucleation. Dauer des Versuchs 7 Tage. Härtung in
Mfiller'scher Flüssigkeit und Alkohol.
Untersuchung an Schnitten: Im Glaskörperraum ist ziem-
lich viel Blut enthalten, sowohl unmittelbar hinter der Linse
als weiter hinten. Eine rundliche Anhäufung mit enterbtem
Centrnm liegt in der Aequatorialgegend innen den Augen-
häuten an. In der Peripherie dieses Haufens sind die rothen
Blutkörperchen noch gut gefärbt, einige Leukocyten kommen
dazwischen vor; keine blutkörpercbenhaltigen Zellen. In eini-
gen der Leukocyten trifft man braune Körnchen, die keine
Eisenreaktion geben. Das Innnere des Knotens ist von einem
Netzwerk von Fibrinfäden durchsetzt, in dessen Maschen eine
feinkörnige Masse liegt. Die Knotenpunkte des Netzwerks
der Fibrinföden sehen aus wie Zellen mit zahlreichen Aus-
läufern, doch beweist das völlige Fehlen der Kernfärbung, dass
es sich nur um Verdickungen des Fibrins handelt. . In der
Uebergangszone von den gut gefärbten rothen Blutkörperchen
zu der feinkörnigen Masse liegen entfärbte Blutkörperchen
sowie unregelmässig eckige Stücke von leicht grünlicher Farbe,
offenbar Bruchstücke zerfallener rother Blutkörperchen. In
einem Schnitt aus grösserer Tiefe liegt unmittelbar hinter der
Linse eine grössere Anhäufung des Blutes und seiner Zer-
fallsprodukte: neben einander kommen vor gefärbte sowie
entfärbte rothe Blutkörperchen, ferner Bruchstücke von solchen
von der allerverschiedensten Gestalt und Grösse; von feinsten
Kömchen bis zu Stücken, dio etwa halb so gross sind, wie
ein rothes Blutkörperchen, dieselben haben eine grünliche Fär-
bung, die sich auch bei Anwendung der Eisenreaction nicht
verändert. Die gröberen Stückchen liegen vielfach in Hänf-
dien beisammen. Bemerkenswerth ist, dass auf grössere Strecken
15*
228 E. V. Hippel.
Leakocyten vollkommen fehlen, dass ferner blutkörperchen-
haltige Zellen nirgends mit Sicherheit nachzuweisen sind. Hier
und da trifft man ein- und zweikernige Leukocyten, von denen
einige mit den grQnlichen Körnchen erfüllt sind. Nirgends
ist an diesen Zellen durch die Eiscnreaction eine Blaufärbung
hervorgetreten. In den Ciliarfortsfltzen kommen in massiger
Menge die bekannten mit braunen Kömchen erfüllten Zellen
vor, von denen die Mehrzahl bei Anwendung der Eiscnreaction
intensiv blau wird, während ein kleinerer Theil die braune
Farbe behält. Eine diffuse Blaufärbung des Epithels der Ciliar-
fortsätze fehlt. An den Membranen des Bulbus kommen keine
nennenswerthen Veränderungen zur Beobachtung; höchstens
wäre an der Retina in der Nähe der Papille eine gewisse
Unregelmässigkeit in der äusseren Körnerschicht zu erwähnen,
die stellenweise verbreitert ist, es finden sich an solchen Stel-
len Körner zwischen den Stäbchen und Zapfen; doch sind die
Yeräodcrungen höchst geringfügig.
Versuch 34. 25. II. 93. Blutinjection in den Glas-
körper nach vorheriger Punktion der vorderen Kammer.
8. III. An den verschiedensten Stellen des Glaskörpers
sind dicke dunkele Blutklumpen zu sehen. Euucloation. Dauer
des Versuchs 11 Tage.
Der anatomische Befund ist im Ganzen derselbe wie im
vorigen Falle; auch hier tritt deutliche Eisenreaction nur an
den Zellen innerhalb der Ciliarfortsätze ein.
An der Retina findet sich in geringer Ausdehnung ziem-
lich weit nach vorne deutlicher Zerfall der äusseren Schichten;
die äussere Körnerschicht ist zerfallen, die Körner liegen zer-
streut umher, zwischen ihnen Haufen abgetrennter Stäbchen.
Einige Körner sind von Zellen aufgenommen worden.
Versuch 28. 25. I. 93. Einem albinotischen Kaninchen
wird nach vorheriger Punktion der vorderen Kammer Blut
unter ziemlich starkem Drucke in den Glaskörper injicirt.
Dabei platzt gegenüber der Punktionsstelle der Hornhaut die
vordere Linsenkapsel und es legt sich etwas Linseumasse in
die Cornealwunde. Dieselbe wird mit der Scheere abgetragen.
26 I. Ziemlich starke blutige Chemosis, in der Horn-
hautwunde liegt ein kleiner mit Fibrin bedeckter Irisvorfall,
die Linse ist aus dem Kapselriss ziemlich stark hervorgequol-
len, man bekommt nur aussen deutliches rothes Licht.
4. II. Die Chemosis ist verschwunden, man sieht eine
ziemlich ausgedehnte kataraktöse Trübung der Linse, bekommt
üeber Siderosis Biilbi und die Beziehungen etc. 229
etwas rotbes Licht, kann aber im Glaskörper und im Augen-
hintergmnd keine Einzelheiten wahrnehmen.
20. IL Der Befand ist im Ganzen unverändert. Enuclea-
tion. Dauer des Versuches 26 Tage. Härtung in Mflller'scher
Flüssigkeit und Alkohol.
Beim Durchschneiden wird die Linse leider stark luxirt^
hinter derselben sowie unten im Glaskörper liegen dunkele
bräunliche klumpige Massen, die Pars ciliaris retinae sieht
bräunlich aus. Bei der Einbettung wird die Linse wieder
möglichst in die ursprüngliche Lage gebracht.
Mikroskopische Untersuchung. Im vorderen Theile
des Glaskörpers liegen beträchtliche Massen rother Blutkörper-
chen, die grössten Theils wohlgefärbt und von normaler Ge-
stalt sind; zwischen den Falten der Ciliarfortsätze, im Räume
der hinteren Kammer, sowie vereinzelt innerhalb des Kapsel-
sackes der Linse, kommen sie vor. Neben den unveränderten
Blutkörperchen sind in geringerer Menge Bruchstücke von
solchen sowie einige Leukocyten und endlich grosse runde
meist einkernige Zellen nachweisbar, deren Protoplasma von
bräunlichen Körnchen erfüllt ist. Ein Thcil dieser Körnchcu
färbt sich bei Anwendung der Eisenreaction deutlich blau.
Diese Zellen sind ziemlich zahlreich vor der Papille, wo eine
Anhäufung rother Blutkörperchen liegt; das ist der Befund au
Schnitten, die etwa der Mitte des Bulbus entstammen. In
grösserer Tiefe trifft man im vorderen Theile des Glaskörpers
innerhalb einer Anhäufung rother Blutkörperchen eine Masse
grosser, bei schwacher Yergrösserung dunkelbrauner Zellen.
Die Färbung ist bedingt durch Einlagerung brauner Körnchen,
welche die Zellen in verschiedener Menge erfüllen. Ausser
diesen Körnchen enthält ein Theil der Zellen deutliche Bruch-
stücke rother Blutkörperchen, während ich unveränderte rothe
Blutkörperchen als Inhalt dieser Zellen nicht mit Sicherheit
erweisen konnte. Die Eisenreaction lässt die meisten dieser
Zellen unverändert, einige nehmen eine diffuse blaue Färbung
an, während die Körnchen braun bleiben, wieder bei anderen
werden die Körnchen deutlich blau.
An der Linse sieht man entsprechend der Stelle, wo die
Kapsel geborsten war, eine ausgedehnte Kapselkatarakt; die
Linsensubstanz ist nur zum kleinsten Theil kataraktös und
zwar sowohl in der vorderen als der hinteren Corticalis. Weder
an den Kapsel-Epithelzellen noch in der Linse selbst ruft die
Eisenreaction die geringste Blaufärbung hervor. Innerhalb der
230 E- V. Hippel.
Ciliarfortsätze finden sich in betitchüicher Menge die bekannten
Zellen, deren brannc Kömchen bei Anwendung der Eisenreac-
tion alle Uebergän^e Yon völlig nnTcränderter bis znr inten>
sivtten dunkelblauen Färbung zeigen. Im Ciliannuskel sind
diese Zellen ganz vereinzelt in der Iris gar nicht aufzufinden.
Das Epithel der CiliarfortsStze und der Pars ciliaiis retinae
zeigt eben angedeutet eine Spur von diffuser Blaufiürbung.
An Schnitten, die der Mitte des Bulbus entstammen, ist
die Retina im Grossen und Ganzen normal, auch ist sie nir-
gends deutlich abgelöst Kur neben der Papille sieht man
einige kleine Falten, von denen aber nicht mit Sicherheit zu
entscheiden ist, ob sie nicht durch die H&rtung hervorge-
rufen sind.
In einem kleinen Bezirke temporal von der Papille ist
die Retina verändert: hier sind die Körnerschichten zusammen-
geflossen, die äussere Körnerschicht ist nach aussen und innen
verbreitert, der Zusammenhang der Kömer ist erheblich ge-
lockert. Die Stäbchen und Zapfen fehlen hier, das Epithel
besteht nicht aus der einfachen Lage flacher kubischer Zellen,
sondern es liegen einwärts davon mehrere grosse kubische,
etwas bräunlich gefärbte Zellen mit leicht granulirtem Proto-
plasma. Nasal von der Papille sind die Epithelzellen eine
Strecke weit vergrössert, von mehr kubischer Gestalt, stellen-
weise liegen einige übereinander; hier enthalten sie in ihrem
Inneren branngelbe Körnchen, die nicht etwa mit den nor-
malen Oeltropfen zu verwechseln sind.
Im Gewebe der Papille sowie in den Markflflgeln werden in
den innersten Schiebten in der Umgebung der Gefässe einige
Zellen angetroffen, die mit braunen, durch die Eisenreaction
blau gefärbten Körnchen erfüllt sind.
In Schnitten aus grösserer Tiefe fällt hier und da eben-
falls das Zusammenrücken der Körnerscbichten auf, sonst sieht
man keine besonderen Veränderungen.
Versuch 32. 8. II. 93. Injection von Blut in den Glas-
körper nach vorheriger Punktion der vorderen Kammer; dabei
wird wieder durch offenbar zu starken Druck die Linsenkapsel
entsprechend der Punktionsstelle gesprengt, etwas Linsenmasse
quillt hervor.
9. II. Die Iris ist leicht eingeklemmt, das Auge etwas
injicirt Oben entsprechend dem Kapselriss ist die Linse im
vorderen Theile strahlig getrübt So weit man mit dem Spiegel
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 231
darchleuchten kann, sieht man blutige Massen im Glaskörper,
ausserdem einige Luftblasen.
15. II. Die Iris sieht brannröthlich aus.
20. II Die Linse sieht braanröthlich aus, lässt sich mit
dem Spiegel fast gar nicht mehr durchleuchteu, man erhält aus
der Tiefe des Auges einen dunkelrothen Reflex.
1. IIL Nach Atropin Wirkung erkennt man, dass die Linse
nach oben luxirt ist, man sieht den unteren Rand sehr deutlich.
8. III. Enucleation. Härtung in Mttiler'scher Flüssigkeit
und Alkohol. Dauer des Versuches 28 Tage.
Auf Schnitten, welche im horizontalen Meridian durch
die Papille gehen, trifft man von dem injicirton Blute noch
eine etwas grössere Anhäufung an einer Stelle, etwa in der
Mitte zwischen Aequator und der Papille, an. Die Blutkörper-
chen sind sämmtlich entfärbt, zwischen ihnen erkennt man
feinkörnigen Detritus; ausserdem finden sich hier einkernige
Leukncyten und ferner eine relativ grosse Menge bräunlich
gefärbter, grosser runder ein- und mehrkerniger Zellen. Die-
selben enthalten kleinere und grössere braune Körnchen und
Schollen, hier und da sind auch entfärbte rothe Blutkörper-
chen in solche Zellen eingeschlossen. Bei Anwendung der
Eisenreaction bleibt ein Theil dieser Zellen ganz unverändert,
andere werden diffus hellblau, während die Körnchen braun
bleiben, in anderen wiederum färben sich die Kömchen und
das Protoplasma bleibt ungefärbt, endlich kann körniger Inhalt
sowie Protoplasma die Färbung annehmen. Im Ganzen kann
man sagen, dass intensive Blaufärbung selten ist und dass
schwacher positiver sowie negativer Ausfall der Reaction nnge-
fthr gleich häufig zur Beobachtung kommt. An der Innen-
fläche der Pars ciliaris retinae und zwischen den Falten der
Ciliarfortsätze kommen jene Zellen ebenfalls ziemlich zahlreich
vor, hier reagiren die meisten positiv. Die bekannten Zellen
innerhalb der Ciliarfortsätze sind hier sehr reichlich und rea-
giren ausserordentlich intensiv, spärlich kommen sie im Ciliar-
muskel, in der Iris und im Kammerwinkel vor, hier fällt die
Reaction sehr schwach aus. Das Epithel der Ciliarfortsätze
und der Pars ciliaris retinae wird bei Anwendung der Eisen-
reaction matt hellblau.
Die Linse ist zum Theil kataraktös, das Kapselepithel
aberzieht zum Theil in mehrfacher Lage die hintere Kapsel,
in der Aequatorialgegend sind die Linsenfasern zerfallen, ebenso
in der vorderen Corticalis. Am Epithel der vorderen Kapsel
232 E. T. Hippel.
erhält Bian in einer Zone nahe dem Aeqaator bei Anwendung
der Eisenreaction dentliche diffase hellblaue Färbung der Epi-
thelzellen, während der Kern bei Gegenftrbnng mit Karmin
roth wird. An der Stelle, wo die Linsenkapsel geborsten war,
findet sich ein sehr eigenthämlicher Befnnd: Die Kapsel ist
hier sackförmig ansgebnchtet nnd enorm yerdickt Das Kapsel-
epithel befindet sich in einfacher Lage an seiner normalen
Stelle, der Raum zwischen der Kapsel nnd dem Epithel ist
Ton einem fiiserigen Gewebe erf&llt, in welches zahlreiche
Spindelzellen eingelagert sind.
Die Retina zeigt im Ganzen normales Verhalten, die
flache Abhebung, die man in den Präparaten erkennt, ist jeden-
falls durch die Härtung hervorgerufen, denn in dem subreti-
nalen Räume findet sich nur Cclloidin. Zu beiden Seiten der
Papille springt eine starke Falte der Retina in den Bulbns-
raum Yor, hier ist auch die äussere Kömerschicht sowie die
Stäbchenschiclit etwas unregelmässig. In der gauzen Retina
sieht metn öfters innerhalb der Stäbchenschicht grosse polygo-
nale ZelJen, welche von dem Epithel zu stammen scheinen.
An letzterem sind aber deutliche Zeichen von Wucherung
nicht aufzufinden. Im Gewebe der Papille kommen einige mit
braunen Körnchen gefüllte Zellen vor, welche schwache Eisen-
reaction geben.
Versuch 31. 8. IL 93. Blutinjectiou in den Glaskörper
nach vorheriger Punktion der vorderen Kammer (albinoti-
sches Thier).
9. II. Dunkele Blutmasson im vorderen Theile des Glas-
körpers. Auge blass.
Die Iris sieht durch das hindurchschimmernde Blut dunkel-
roth aus; die Papille ist stark verschleiert zu sehen.
15. IL Bei Tageslicht sieht die Pupille schwarz aus.
20. IL Auge blass, Linse vollkommen klar, vorne oben
siebt man einen scharf begrenzten Blutklumpen, darunter weiss-
lich gefärbte Massen.
1. III. Ziemlich weit vorne sieht man ein Blutgerinnsel,
das in der Peripherie entfärbt ist und nur in der Mitte dunkel-
roth erscheint. An verschiedenen Stellen des Glaskörpers sind
kleinere und grössere Gerinnsel sichtbar. Der hintere Mark-
fiUgel ist deutlich flach abgelöst, die Gefässe sind verengt.
8. III. Netzhautablösung wie bei der letzten Unter-
suchung, im Glaskörper ausser den grossen Klumpen zahlreiche
feinere flottireudc Trübungen.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 233
17. III. Deutliche Netzhaut ablösung des vorderen sowie
hinteren Markflügcls, Schrumpfung und Atrophie der Netzhaut
Die Blutgeriunsel zum grossen Thcil braunrotb gefärbt. £nu-
cleation. Härtung in MüHer'scher Flüssigkeit und Alkohol.
Dauer des Versuches 37 Tage.
Bei der Untersuchung überzeugt man sich, dass die Reste
des injicirten Blutes entschieden spärlicher sind, als man nach
der ophthalmoskopischen Untersuchung hätte erwarten sollen.
In den untersuchten Schnitten trifft man wenige, meist ent-
färbte rotbc Blutkörperchen an, in der Gläskörpersubstanz
finden sich ausser feinkörnigen Massen äusserst zahlreiche
grosse ein- und mehrkernige Zellen, welche durch einge-
schlossene feine und gröbere braungelbc Körnchen braun ge-
erbt erscheinen. Am zahlreichsten sind diese Zellen an der
Hinterfläche der Linse sowie zwischen den Falten der Ciliar-
fortsätze, doch kommen sie im ganzen Glaskörperraum e vor.
Daneben siebt man auch zahlreiche kleine Rundzellen vom
Charakter der Leukocyten. Die Glaskörpersubstanz ist hier
und da durchzogen von feinen Zügen spindeliger Zellen, welche
an den Polen von braunen Körnchen erfüllt sind, die inten-
sive Eiscnreaction ergeben. Innerhalb der Ciliarfortsätze sind
die bekannten braunen Zellen sehr reichlich, in der Iris spär-
lich, ebenso im Kammerwinkel. Die überwiegende Mehrzahl
der oben beschriebenen grossen, braun pigmentirten, sowie der
zwischen und in den Ciliarfortsätzen befindlichen Zellen nimmt
die Eisenreaction an. Die Intensität der Färbung ist ver-
schieden. Die Blaufärbung tritt wieder theils diffus im Pro-
toplasma theils an den Körnchen oder an beiden auf. Ein
kleiner Theil dieser Zellen bleibt unverändert.
An der Linse ist zu bemerken, dass die Innenfläche der
hinteren Kapsel von einer unregelmässigen Schicht von Epi-
thelzellen überzogen ist; während des Lebens war die Linse
durchsichtig erschienen.
Von der Netzhaut zeigen nur kleine Theile normales Ver-
halten, der gröBSte Theil ist mehr oder weniger stark degene-
rirt; die Membran ist an den degenerirten Stellen stark ver-
schmälert; die Stäbchen und Zapfen sind theilweise zerfallen,
die Körnerschichten sind sehr schmal und fliessen zusammen,
die Markflügel sind abgelöst und stark gefaltet. Am Epithel
der Retina siebt man stellenweise deutliche Wucherung, die
Zellen sind vergrössert und liegen öfters in mehrfacher Schich-
tung über einander.
234 E. V. Hippel.
Das Epithel der Pars ciliaris retinae und der Ciliarfort-
sätze wird durch die Eisenreaction matt hellblau gefärbt und
zwar der dem Glaskörper zugewandte Theil der Zellen am
stärksten.
In Kürze zusammengefasst erhält man also bei den
Versuchen mit Injection von Blut in den Glaskörper folgende
Befunde:
Die Zeit, innerhalb deren die rothen Blut-
körperchen verändert werden und zerfallen, zeigt
grosse Schwankungen: während nach 7 Tagen einmal
schon ein grosser Theil der Blutkörperchen zerfallen war,
sind in einem andeni Falle nach 26 Tagen noch grosse
Mengen w^ohlgefärbter unveränderter rother Blutkörperchen
anzutreffen. Was die Art des Zerfalles und die
Pigmentbildung betrifft, so ist zunächst hervorzuheben,
dass in den 5 Versuchen, die sich auf einen Zeitraum
zwischen 7 und 37 Tagen erstrecken, zweifellose blut-
körperchenhaltige Zellen nicht anzutreffen waren,
einige Bilder konnten allenfalls so gedeutet werden, doch
waren sie ganz vereinzelt und sehr unsicher in der Auf-
fassung. Man traf Zerfallsproducte der rothen Blutkörper-
chen frei liegend in grosser Menge an, ohne dass nur Leuco-
cjiien in der Umgebung vorhanden waren. Zellige Ele-
mente treten in grösserer Menge überhaupt erst
allmählich auf, nach 7 Tagen sind sie äusserst
spärlich, etw^as reichlicher nach 12 Tagen, recht
zahlreich sind sie nach 26, 28 und 37 Tagen. Ein-
mal sind es kleine einkernige Zellen vom Ansehen
der Leucocyten, dann aber grosse ein- und mehr-
kernige runde Zellen, welche Bruchstücke der
rothen Blutkörperchen sowie Pigmentkörner ein-
schliessen.
Das Ergebnis» der Eisenreaction anlangend,
80 ist an dem Blut und seinen Zerfallspi'oducten nach
7 Tagen noch keine deutliche positive Reaction
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 235
nachweisbar, nach 12 Tagen beginnt sie an den mit
braunen Körnchen erfüllten Zellen und wii-d in den
späteren Stadien sehr deutlich; während nach
26 Tagen nur der kleinere Theil jener Zellen
positiv reagirt, thut dies nach 37 Tagen der weit-
aus grösste. Was die Art der Blaufärbung anlangt,
so kann dieselbe diffus im Protoplasma auftreten,
wobei die Körnchen braun bleiben, ferner nur an
die Körnchen gebunden sein und endlich beide
Theile betreffen.
Früher als innerhalb der Blutung findet sich
deutliche positive Eisenreaction an jenen oft er-
wähnten Zellen innerhalb der Ciliarfortsätze; hier
ist sie schon nach 7 Tagen nachweisbar.
Eine diffuse schwache Blaufärbung des Epi-
thels der Ciliarfortsätze und der Pars ciliaris re-
tinae fand sich erst nach 28 Tagen vor.
Bei Verletzung der Linsenkapsel nahm nach
37 Tagen das Epithel der Linsenkapsel in gewisser
Ausdehnung eine matte blaue Färbung an.
Nach 28 und 37 Tagen wurde theilweise Ab-
lösung sowie Degeneration der Retina beobachtet.
m. Theil: Hesultate und Schlussfolgerungen.
Im Folgenden wird es sich darum handeln, die in den
beiden vorigen Theilen niedergelegten Ergebnisse der klini-
schen, pathologisch-anatomischen und experimentellen Unter-
suchungen unter gemeinsame Gesichtspunkte zu vereinigen
und die sich ergebenden Schlüsse über die Art der Aus-
breitung des Eisens unter den verschiedenen Bedingungen
zu ziehen, femer auch die zum Theil ungewöhnlichen histo-
logischen Befiinde eingehender zu berücksichtigen. Vorweg
möchte ich bemerken, dass ich mich auf die noch immer
strittige Frage, ob das normale Augenpigment eisenhaltig
ist, nicht einzulassen gedenke. Für mich genügt die That-
236 E. V. Hippel.
Sache, dass durch die Perls'sche und Quincke'sche Re-
action kein Eisen darin nachgewiesen ist
Die klinischen und pathologisch-anatomischen Unter-
suchungen hatten, ausser der Verbreitung des Eisens in
unmittelbarer Umgebung des Fremdkörpers, eine Femwirkimg,
wie ich es dort nannte, in Uebereinstimmung mit früheren
Untersuchungen für die linse mit Sicherheit ergeben, für
die Iris sehr wahrscheinlich gemacht. Für das übrige
mikrochemisch nachweisbare Eisen, das sich entfernt vom
Fremdkörper, in den verschiedenen Theilen des Auges vor-
fand, Hess sich nicht entscheiden, ob und in wieweit es von
dem Fremdkörper selbst herstammte oder ob es hämato-
genen Ursprungs war. Diese Frage sollten die Experi-
mente entscheiden, in welchen die Wirkung von Fremd-
körpern aus Eisen und von Blut getrennt verfolgt werden
konnte. Da bei Einführung eiserner Lanzenspitzen in die
vordere Kammer und die Linse Blutungen vermieden wur-
den, so stammt alles in diesen Versuchen vorgeftindene
Eisen zweifellos vom Fremdköq^er selber her. Bei der
Einführung von Lanzenspitzen in den Glaskörper konnten
kleinere Blutungen niclit immer vermieden werden; den-
noch ist hier die difiFiise Blaufärbung gewisser Theile, be-
sonders des Epithels der Ciliarfortsätze, mit Sicherheit auf
den Fremdkörper selbst zu beziehen, denn in den Ver-
suchen, wo Blut in grösserer Menge in den Glaskörper
injicirt wurde, zeigte sich eine Blaufärbung erst in späteren
Stadien und war viel geringfügiger.
Ist es so sicher gestellt, dass man die Fem Wirkung
des Fremdkörpers isolirt verfolgen kann, so ergeben die
Versuche mit Einführung von Fremdkörpern aus Eisen in
die verschiedenen Theile des Auges Folgendes: Bei be-
liebigem Sitze des Corpus alienum findet sich nach
einer gewissen Zeit mikrochemisch nachweisbares
Eisen in diffuser Ausbreitung im Epithel der Ciliar-
fortsätze, der Pars ciliaris retinae, im Kapsel-
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 237
epithel der Linse, wenn die Kapsel irgendwo ver-
letzt war, unter Umständen im Epithel der Iris,
ferner in gewissen Zellen, die im Kammerwinkel
auftreten, wenn der Fremdkörper in der vorderen
Kammer lag. Auf die eigenthümlichen Zellen in den
Ciliarfortsätzen komme ich später zurück.
Aus diesen Versuchs-Ergebnissen können wir den
Schluss ziehen, dass die an den untersuchten menschlichen
Augen vorgefundene diffuse Ausbreitung des Eisens im
Epithel der Ciliarfortsätze, der Pars ciliaris retinae und der
Iris sowie dem Kapselepithel zum Theil von dem Fremd-
körper selber herstammt. Dass sie auch von dem Blute
herrühren kann, bedurfte keines experimentellen Beweises,
dies hatte die Untersuchung menschlicher Augen, die keinen
Fremdkörper enthielten, genügend sicher gestellt Die Er-
gebnisse der Versuche bestätigen es. Der Ausfall der B^-
action ist im Allgemeinen in den menschUchen Augen er-
hebhch intensiver als in den Versuchsaugen.
Bei Einführung der Fremdkörper in den Glaskörper-
raum fand sich sehr intensive Eisenreaction an Zellen vor,
auf deren Bedeutung hier näher eingegangen werden muss.
Von Leber sind die Veränderungen, welche im Glas-
körper befindliche Eisensplitter an der Netzhaut bewirken,
ausführlich geschildert worden. Ophthalmoscopisch nimmt
man dabei eine Zerreissung und Ablösung der Betina
wahr, die durch Zug des schrumpfenden Glaskörpers ent-
steht, femer eine hochgradige Atrophie der Netzhaut. Die
Veränderungen treten verschieden rasch auf, pflegen sich
aber immer innerhalb der ersten 2 Wochen zu entwickeln.
Die Ergebnisse meiner Versuche stimmen vollkommen mit
diesen Angaben überein. Anatomisch fand Leber eine
hochgradige Atrophie sämmtUcher nach aussen von der
Nervenfaserschicht befindUchen Schichten der Retina. . An
Stelle dieser Theile, die zum grössten Theil vollständig ge-
schwunden waren, fanden sich „grosse rundliche oder poly-
238 E. V. Hippel.
gonale, mosaikartig angeordnete Zellen, welche Detritus
der zerfallenen Retina und vorzugsweise die Elemente der
Stäbchenschicht in sich aufgenommen hatten". Die Zellen
des Ketinaepithels waren zum Theil vergrössert und ent-
hielten oft 2 — 3 Kerne, sie bildeten hügelige Hervorragungen
und enthielten ebenfalls Stäbchen. Runde oder ovoide
stäbchenhaltige Zellen lagen theilweise in mehrfachen
Schichten getrennt von dem Retinaepithel innerhalb der
Stäbchenschicht, femer zwischen Choroidea und dem Epi-
thel, dessen Zellen dann häutchenartige Platten darstellten
und hügelartig emporgehoben wurden. Wo die stäbchen-
haltigen Zellen in grosser Menge übereinander geschichtet
lagen, waren die Retinaepithelzellen von ihrer Stelle ver-
schwunden, während ihre Oeltropfen sich in den ersteren
eingeschlossen fanden. In späteren Stadien war das
kemreiche reticuläre Gewebe, in welches die Retina ver-
wandelt war, durchsetzt von grossen runden Kömchenzellen,
welche braune, Eisenreaktion gebende Kömer enthielten,
dieselben fanden sich auch in grosser Menge im Glaskörper
vor. In einem Falle zeigte sich nach 31 Tagen an Stelle
der äusseren Retinalschichten Proliferation von reticulärem
Bindegewebe. Das Epithel (es handelte sich um ein pig-
mentirtes Thier) zeigte verschiedenes Verhalten. Soweit
das reticuläre Gewebe reichte, fehlte das Epithel und rund-
liche pigmentirte Zellen durchsetzten jenes Gewebe. Weiter
peripher, wo einfache Ablösung der Netzhaut bestand, war
das Pigmentepithel erhalten; „die Zellen sind aber unregel-
mässig, stärker nach innen vorragend, kolbig oder papillen-
ähnlich gestaltet, auch zum Theil gewuchert; daneben liegen
spärUche runde, pigmenthaltige Zellen von verschiedener
Grösse, zum Theil mit zahlreichen Kernen. Ahnliche
Pigmentzellen treten auch mehr vereinzelt in dem nicht
gewucherten Theil der abgelösten Retina in ihrer ganzen
Dicke, besonders aber zwischen den inneren Kömem, auf".
Die Stäbchenhaitigen und Kömchenzellen erklärt
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 289
Leber so, dass es sich um Zellen handelt, welche die
Elemente der Netzhaut aufnehmen, die durch eine tief-
greifende Nekrotisirung zerstört sind. Welche Zellen hier
die Rolle der Phagocyten spielen, darüber konnte Leber
keine völlig befriedigende Vorstellung gewinnen, hauptsäch-
lich weil seine Versuche bis auf einen an albinotischen
Kaninchen angestellt waren, bei denen das Verhalten des
Betinaepithels schwerer festzustellen ist Mit Wahrschein-
lichkeit hält er jene Zellen für Leucocyten aus folgen-
den Gründen: Ihre Aehnlichkeit mit den grossen Köm-
chenzellen, die bei der Entzündung des Nervenmarks auf-
treten, sprach dafür, femer der Umstand, dass sie zuerst
getrennt von dem Betinaepithel auftraten, das an dieser
Stelle keine Proliferations-Erscheinungen zeigte, und dass
ausser diesen Zellen an der Innenfläche der Choroidea und
in der Stäbchenschicht kleinere Zellen vorkamen, die
wohl nur für Leucocyten gehalten werden konnten, und
denen ebenfalls hier imd da Stäbchen anhafteten. Da in
dem Inneren der grossen Zellen auch Oeltropfen vorkamen,
so musste auch eine Aufnahme der Epithelzellen in Leu-
cocyten stattgefunden haben. Einige seiner Befunde
schienen Leber aber sehr dafür zu sprechen, dass die
Zellen des Betinaepithels selbst Stäbchen aufnehmen und
so die Bolle von Fresszellen spielen können. Daraus würde
sich dann eine doppelte Entstehungsweise stäbchenhaltiger
Zellen ergeben, eine Annahme die Leber noch weitere
Bestätigung zu erfordem scheint.
Aus der ausfuhrlichen Schilderung der anatomischen
Befunde meiner Versuche geht hervor, dass die Erschei-
nungen der Degeneration der Netzhaut, sowie der NeubiU
düng reticulären Gewebes in späteren Stadien grosse Aehn-
lichkeit mit dem besitzen, was Leber beschrieben hat.
Genauer eingehen muss ich hier auf die Natur jener grossen
eigenthümlichen Zellen, über deren Bedeutung ich nähere
Angaben zu machen im Stande bin, weil ich die Versuche
240 E. V. Hippel.
ausschliesslich au pigmentirten Thieren angestellt habe.
Das Pigment des Retinaepithels besteht beim Kaninchen
aus den bekannten feinen schwarzbraunen, öfters etwas
gekrümmten kurzen Stäbchen von so ausserordentlich cha-
racteristischem Aussehen, dass es überall, wo es vorkommt,
mit vollkommener Sicherheit zu erkennen ist und mit keinem
andern Pigment, speciell nicht mit den braunen Eisenpig-
mentkömchen oder hämatogenem Pigment verwechselt wer-
den kann. Diese Thatsache, auf welche ich bei der Unter-
suchung meiner Präpai-ate aufmerksam wurde, ist, wie ich
später fand, schon im Jahre 1863 von ßosow') hervorge-
hoben worden. Nun konnte ich feststellen, dass fast alle
jene grossen polygonalen, ovoiden und runden Zellen,
mochten sie an der Stelle des normalen Pigmentepithels,
innerhalb der Stäbchenschicht, in den anderen Theilen der
Retina oder endUch frei im Glaskörperraum Hegen, jene
characteristischen schwarzen Stäbchen enthielten, ein Theil
war mit denselben vollständig vollgepfropft, in andern fanden
sich wenige, manchmal nur 3 — 4 solche Stäbchen vor.
Gegenüber diesen mit den Pigmentstäbchen erfüllten Zellen
waren andere von sonst gleicher Grösse und BeschaflFenheit
in geradezu verschwindender Anzahl vorhanden. Ange-
sichts dieser Thatsache gab es fiir die Auffassung jener
Zellen nur zwei Möghchkeiten: entweder es waren Leuco-
cyten, welche die Pigmentstäbchen der zerfallenen Epithelien
aufgenommen haben; dann muss es bei der stellenweise
enormen Menge dieser Zellen zu einem ausserordentUch
starken Zerfall des Pigmentepithels gekommen sein; oder
jene Zellen sind directe Abkömmlinge der gewucherten
Pigraentepithelzellen , die active Ortsveränderungen einge-
gangen sind. Ist die letztere Auffassung richtig, so müssen
sich Uebergangsformen von diesen Zellen zu den normalen
Epithelzellen nachweisen lassen. Das ist in der That der
M V. Graefe's Archiv IX. 3., S. 63 ff.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 241
Fall, me aus der ausführlichen Schilderung meiner Be-
funde hervorgeht.
Wenn genau an der Stelle des normalen Epithels in
directer Fortsetzung normaler Rgmentzellen sich eine ganz
regelmässige einfache Lage jener grossen Zellen vorfindet,
so wäre ein solcher Befund nicht zu verstehen, wenn es
sich um Leucocyten handelte, die sich hier angesammelt
haben, um freigewordenes Pigment aufisimehmen. Auch
Leber weist darauf hin, dass das regelmässige Mosaik
stäbchenhaltiger (NB. Netzhautstäbchen, nicht Pigment-
stäbchen), Zellen, das er stellenweise angetroffen, mit der
Annahme, dass es sich um Leucocyten handele, schwer
vereinbar sei. Wenn nun eine solche * einfache an der
normalen Stelle des Epithels gelegene Reihe jener Zellen
übergeht in einer Stelle, wo dieselben Zellen vielfach ge-
schichtet übereinander hegen, so kann natürlich für alle
diese Zellen nur der gleiche Ursprung angenommen werden.
Da die Zellen, welche sich in den verschiedenen Schichten
der Retina und im Glaskörper befinden, genau das gleiche
Aussehen haben, wie die eben geschilderten, so ist auch
für sie dieselbe Herkunft anzunehmen. Fast mit völliger
Sicherheit wird dies durch die Thatsache bewiesen, dass
an manchen Stellen des Pigmentepithels die Zellen ver-
grössert sind, konische Gestalt annehmen und sich in die
noch anliegende Netzhaut der Art vorschieben, dass sie an
solchen Stellen in allen Schichten der Netzhaut vor-
kommen, ja selbst bis in den Glaskörper hinein, femer da-
durch, dass öfters das Pigmentepithel aus melu-eren Zellen-
lagen besteht, von denen dann die innersten schwächer
pigmentirt zu sein pflegen, als die äussern. Auf diese
Wucherungserscheinung an den Epithelzellen hat, wie er-
wähnt, Leber auch bereits hingewiesen. Auch die von
ihm gemachte Beobachtung, dass jene grossen, runden
Zellen sich zwischen Choroidea und Pigmentepithel fanden,
luibe ich wiederholen können, die Pigmentepithelzellen, die
T. Gnefe*B AtcUt Ar Ophthalmologie. XL. 1. 16
242 E. T. Hippel.
zu platten Häutchen ausgezogen waren, überspannten dann
die Haufen jener Zellen, so dass man stellenweise den
Eindmck hatte, als ob dieselben in Hohlraomen lägen, wie
dies besonders im Versuch 24 herrortrat; diese Zellen ent-
hielten ebenfalls die schwarzen Pigmentstäbchen, so dass
die Befände wohl nur so zu erklären sind, dass proliferirte
Tergrösserte aus dem Pigmentepithel herrorgegangene Zellen
aus der Beihe der Epithelzellen nach aussen herausgetreten
sind. Dagegen, dass diese an den verschiedensten Stellen
vorkommenden Zellen Leucocyten sind, spricht der Um-
stand, dass ein hochgradiger Zerfall des Pigmentepiihels,
dem sie ihre schwarzen Pigmentstäbchen verdanken könnten,
gar nicht vorUegt, man müsste sonst doch eine Menge der
Pigmentstäbchen extracellulär antreffen, femer müsste eine
grosse Menge jener Zellen pigmentfrei sein und man dürfte
sie nicht an Stellen finden, wo das Pigmentepithel durch-
aus wohl erhalten ist.
Es geht also aus den vorliegenden Betrach-
tungen mit der allergrössten Wahrscheinlichkeit
hervor, dass die Pigmentepithelzellen durch irgend
einen Beiz sich vergrössern, proliferiren, in ihrem
Zusammenhange gelockert werden und die Fähig-
keit gewinnen, fremde Bestandtheile aufzunehmen
und activ zu wandern. Es müsste natürhch wünschens-
werth sein, zum Beweis der Proliferation der EpithelzeUen,
Kemtheilungsfiguren in denselben au£nifinden. Da dies
an pigmentirtcn Thieren nicht wohl möglich ist, habe ich
noch in beide Augen eines albinotischen Kaninchens Eisen-
splitter eingeführt, die Bulbi nach 2 Tagen enucleirt und
nach SubUmathärtung auf Kemtheilungsfiguren untersucht,
leider vergeblich; sollten diese Untersuchungen, die ich bei
Gelegenheit wieder aufiiehmen werde, noch ein positives
Besultat ergeben, so werde ich darüber seiner Zeit berichten.
Sind wir so zu der Ueberzeugung gekommen, dass die
meisten jener grossen kömigen Zellen aus proliferirten
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 243
Epithelzellen herrorgegangen sind, so bleibt doch noch eine
Anzahl solcher Zellen übrig, die keine schwarzen Stäbchen
enthalten und wohl als Leucocyten aufgefasst werden
können. In meinen Präparaten fand ich keine Stellen, wo
jene grossen Zellen deutliche zweifellose Netzhautstäbchen
enthielten, doch waren immerhin einige Bilder der Art,
dass Herr Professor Leber sie im HinbUck auf seine
früheren Befunde als stäbchenhaltige Zellen auiFasste. Es
mag dies seinen Grund darin haben, dass ich ausser einem
Falle nur spätere Stadien untersucht habe, Dass die
grossen runden Zellen, die sich in den verschiedenen Netz-
hautschichten und im Glaskörper fanden, in den Präpa-
raten Leber's und den meinen identisch sind, kann, wie
eine Vergleichung ergab, gar keinem Zweifel unterliegen,
in seinen Präparaten fehlen diesen Zellen eben nur jene
schwarzen Stäbchen, da es sich um ein albinotisches Thier
handelte. Man kann aber in denselben öfters die Oeltropfen
nachweisen, auch bei den Zellen, die sich im Glaskörper-
raum befinden.
Was diesen Zellen für mich ihr ganz besonderes In-
teresse verleiht, ist die Thatsache, dass sie grossen Theils
ausser den schwarzen Stäbchen noch unregelmässige braune
Kömchen enthalten, die bei Anwendung der Eisenreaction
blau werden, imd dass in andern dieser Zellen, die keine
deutlichen braunen Kömchen zeigen, das Protoplasma
diffus blau wird. Von der Blaufärbung betroffen sind die
Zellen vollkommen unabhängig von ihrer Lage: im Glas-
körper, in der Retina, an der Stelle des normalen Epithels,
» -da wo sie zwischen Choroidea und den platten Pigment-
epithelzellen hegen, überall hat ein Theil derselben sich
gebläut.
Ist nun die oben entwickelte Anschauung richtig, so
wäre der Beweis erbracht, dass das vom Fremdkörper ab-
stammende Eisen in mikrochemisch nachweisbarer Form
in Zellen auftritt, welche aus dem Pigmentepithel der Re-
is*
244 E. V. Hippel.
tina hervorgehen, allerdings, wie es scheint, nicht an zwei-
fellos unveränderten Epithelzellen.
Diese Thatsache ist deshalb von Wichtigkeit, weil sie
eine durch das Experiment gewonnene Bestätigung der bei
Untersuchung menschlicher Augen gemachten Erfahrung
darstellt, dass das Pigmentepithel der Betina ausgesprochene
Keigung besitzt, Eisen au&unehmen. Unter Umständen
stimmen die histologischen Befunde am menschlichen Auge
übrigens auch in auflfallender Weise nut denen der Expe-
rimente überein. Ich war in der Lage, in einem Falle
(Blömer) nachzuweisen, dass die nicht abgelöste Netz-
haut eine Form der Degeneration zeigt, welche der im
Experiment beobachteten vollkommen gleicht (L c) Vor
allem waren hier am Pigmentepithel genau dieselben Ver-
änderungen zu beobachten: Uebergang der Epithelzellen in
grosse runde Zellen, Wucherungserscheinungen des Epithels,
Durchsetzung sämmtlicher Schichten der Netzhaut bis weit
hinein in den Glaskör^^erraum mit diesen Zellen, die auch
theil weise Eisenreaction gaben. Da jenes Auge einen
Eisensplitter enthielt, so ist bei der vollkommenen Ueber-
einstimmung der Befunde mit den Experimenten kein
Zweifel, dass die Degeneration der nicht abgelösten Netz-
haut im Falle Blömer durch die chemische Wirkung des
Fremdkörpers erzeugt wurde.
Somit ist der Beweis geliefert, dass ein im Glas-
körper befindlicher Fremdkörper aus Eisen auch
im menschlichen Auge dieselben anatomischen
Veränderungen hervorrufen kann, die Leber für
das Kaninchen geschildert hat Ob der Befimd
Bunge's mit meinem Falle Blömer übereinstimmt, ver-
mag ich nicht mit Sicherheit zu sagen, der Verfasser spricht
nur von hochgradiger Degeneration der nicht abgelösten Netz-
haut, ohne die anatomischen Verhältnisse näher zu schildern.
Nachdem die Fähigkeit der Zellen des Betinaepithels
ihre Form zu verändern und zu wandern, festgestellt war,
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 245
lag es nahe, sich danach umzusehen ^ ob ähnliche Erschei-
nungen nicht auch an dem übrigen Figmentepithel des
Auges zur Beobachtung kommen. Es war mir schon bei
einer Reihe der untersuchten menschlichen Augen aufge-
fallen, dass in verschiedenen Lagen der Iris bis in die
vordersten Schichten hinein grosse runde mit dem schwarz-
braunen Pigment der Epithelschicht erfüllte Zellen vor-
kamen, ebenso in neugebildetem Bindegewebe im Baume
der hinteren Kammer. In Versuch 24 waren ähnliche
Bilder zu beobachten.
FreiHch habe ich die Uebergänge der Zellen des Pig-
mentepithels in jene grossen Gebilde nicht genauer ver-
folgen können, ich begnüge mich einstweilen damit, auf jene
Befunde hinzuweisen und die Möglichkeit anzudeuten, dass
sie vielleicht in derselben Weise zu erklären sind, wie es
oben für jene Zellen im Glaskörper geschah.
Dass auch das Pigment der Ciliarfortsätze in zelligen
Gebilden, die mit den ursprünglichen Epithelzellen nicht
die mindeste Aehnlichkeit besitzen, auftreten kann, zeigt
der Versuch 24, wo ein von den Ciliarfortsätzen ausgehen-
des zeUiges Gewebe in den eröfl&ieten Kapselsack hinein-
gewachsen ist Das Pigment, das in diesen Zellen liegt,
besteht aus lauter vollkommen regelmässigen, scharf con-
tourirten schwarzbraunen Kügelchen, die in ihrer Form so
charakteristisch für das Pigment der Ciliarfortsätze sind,
dass eine Verwechselung mit siderotischem oder hämato-
genem Pigment vollkommen ausgeschlossen ist. Auch auf
diese typische Form des Pigmentes der Ciliarfortsätze ist
von Rosow hingewiesen worden. —
Als sehr merkwürdige und beachtenswerthe Thatsache
hat sich aus den Untersuchungen ergeben, dass das mikro-
chemisch nachweisbare Eisen, welches von dem Fremd-
körper herstammt, in allen Fällen mit grosser Regelmässig-
246 E. V. Hippel.
keit an bestimmten Zellen und Zellengruppen auftritt,
während die anderen Theile des Auges mit derselben Regel-
mässigkeit frei davon bleiben. Um diese auffallende Er-
scheinung zu erklären, müssen wir zunächt Stellung nehmen
zu der Frage, in welcher Weise die Verbreitung des Eisens
von dem Fremdkörper aus stattfindet
V. Graefe ^), der als erster auf die in's Orange spie-
lende Verfärbung des Linsensystems hinwies, wenn ein
Metallsplitter sich im Auge befand, leitet dieselbe von
„gelösten oder moleculär diffundirten Oxydsalzen her."
Von Leber*) wurde zuerst in seinem auf dem inter-
nationalen Congress zu London gehaltenen Vortrage die
Verbreitung des Eisens so erklärt, dass die in den Augen-
flüssigkeiten absorbirte Kohlensäure ein wenig von dem
Metall als doppelt - kohlensaures Salz auflöst, dass sich
dieses durch Diffiision in den Glaskörper weiter verbreitet,
aber bald in imlösliches Eisenoxydhydrat umgewandelt und
in Gestalt von feinen Kömchen ausgeschieden wird, wobei
es sich auch wohl mit den vorhandenen Eiweisskörpem
verbindet Diese Auffassung wird von ihm auch in seinen
späteren Mittheilungen ^) über diesen Punkt vertreten.
Bunge schUesst sich dem vollkommen an.
Ansichten, die mit den Leb er 'sehen theilweise in
Widerspruch stehen, sind von Samelsohn*) und Au sin*)
über die Ausbreitung des Eisens in der Linse und die
Bedeutung der oben erwähnten braunen unter der Kapsel
gelegenen Flecke geäussert worden.
Samelsohn nimmt an, dass feine unlösUche Rostpar-
tikelchen, die sich um den Fremdkörper bilden, durch den
die Linse durchsetzenden Flüssigkeitsstrom verschleppt
*) 1. c. «) 1. c.
») V. Graefe's Archiv XXX. 1., S. 243. Th. Leber, Die
Entstehung der Entzündung etc.
*) 1. c. ^) 1. c.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 247
werden und sich an Poren, durch welche die Flüssigkeit
die Kapsel verlässt, in grösseren Haufen ansammeln , weil
sie zu gross sind, um durch die Poren mit auszutreten.
Die Bildung von Eisenoxydhydrat um den Fremdkörper
muss, wie man sieht, auch bei dieser Auffassung in der
von Leber geschilderten Weise vor sich gehen.
Ausin ist der Meinung, dass das Eisen, sobald es
zu circuUren beginnt, leicht lösliches Eisenoxydalbuminat
darstellt, während es als schwer lösliches Eisenoxydalbu-
minat niedergeschlagen und festgehalten wird. Gegen
Leber fuhrt er an, „dass der EisenspUtter in der Linse
bereits 5—6 Tage nach der Verletzung eine gelbe Farbe
annimmt, und letztere durch kohlensaures Eisensalz nicht
bedingt sein kann, welches nicht diese Farbe besitzt" Eine
solche Behauptung ist von Leber niemals aufgestellt wor-
den, sondern es geht aus seinen Mittheilungen klar genug
hervor, dass er die gelbe Farbe als von Eisenoxydhydi-at
herrührend ansieht, es ist nicht zu verstehen, warum das-
selbe nach 5—6 Tagen noch nicht gebildet sein soll, da
die von Leber angenommene Lösung von doppelt-kohlen-
saurem Eisensalz in directer Umgebung des Fremdkörpers
doch besonders concentrirt sein muss.
Da ich auf Ausin 's Befunde ausfuhrlich eingehen
muss, so möchte ich mich hier zunächst mit der Samel-
sohn 'sehen Theorie auseinandersetzen, Folgende Gründe
sprechen unbedingt gegen die Richtigkeit seiner Annahme:
1) Die vorausgesetzten Poren in der Kapsel sind noch
niemals gesehen worden. 2) Die braunen Flecke bestehen,
wie Ausin nachgewiesen hat und ich bestätigen kann,
nicht aus freien Rostpartikeln, sondern aus gewucherten
Kapselepithelien, in welche Eisensalze abgelagert sind.
3) Die braunen Flecke unter der Linsenkapsel können
auch entstehen, wenn der Fremdkörper im Glaskörper sitzt.
Dabei ist natürlich ausgeschlossen, dass unlösUche Rost-
partikel durch den am Aequator eintretenden Flüssigkeits-
248 E. T. Hippel.
gtrom in die Liiise geschleppt w^en können. 4) In der
Umgebung eines in der Linse steckenden Eisensplitters sind
die Linsenfasern selbst diffds von äusserst fein rer-
theiltem mikrodiemisch nachweisbaren Eisensalz durchsetzt
Gegenüber Ausin muss ich zunächst einige Punkte
hervorheben, in welchen unsere Befunde von einander ab*
weichen, um dann erst auf die Erklärung einzugehen: sie
beziehen sich hauptsächlich auf das mikrochemische Ver-
halten. Ebenso wie er erhielt auch ich difiuse Blau-
färbung an den Kapselepithelien, sowie an den braunen in
die Zellen eingelagerten Schollen. Ausin giebt nun an,
dass diese braunen Massen weder durch Salzsäure, noch
auf eine andere Weise zu lösen waren. Dem gegenüber
muss ich betonen, dass in meinen sämmtlichen Versuchs-
augen, sowie in allen untersuchten menschlichen Bulbis
sämmtliches braune Pigment, welches mit Fernxsyanka-
lium und Salzsäure Berlinerblau -Beaktion ergab, nach
248tündiger Einwirkung verdünnter Salzsäure (ca. 1 : 3)
enttärbt war. Vielleicht geschieht dies auch schon erheb-
lich schneller, das kürzeste Zeitmaass festzustellen, inner-
halb dessen die Auflösung eintritt, habe ich unterlassen,
weil mir das nicht von Bedeutung erschien. Um die
braune Masse zu entfernen, schlug Ausin den Weg ein,
dass er das erzeugte Berlinerblau durch Ammoniak zu-
nächst zerstörte; dabei entsteht nach seiner Meinung Ferro-
cyankalium und Eisenoxyd, das letztere wird durch Aus-
spülen mit lauwarmem Wasser entfernt Setzte man nun
wieder Salzsäure zu, so entstand sofort wieder Berliner^
blau. Dies wurde wieder durch Ammoniak zerlegt und
nach 50 — 60 maliger Wiederholung dieser Prozedur war
die braune Substanz vollkommen aus den Schollen besei-
tigt, die ihre Form im Uebrigen beibehalten hatten und
nun mit Kemtärbungsmitteln tingirt werden konnten. Ich
wollte dies Verfahren in einem FaUe nachmachen, nämlich
an dem Kapselstück mit den braunen Flecken, das ich
üeber Siderosis Btdbi und die Beziehungen etc. 249
aus Halle bekommen (siehe oben), weil ich dasselbe in
toto mit FerrocyankaUom und Salzsäure behandelt hatte.
Die blau gefärbten Schnitte wurden für 12 Stunden in
verdünnte Ammoniaklösung gelegt, dann mit warmem
Wasser sehr gründlich ausgewaschen; die früher blauen
Stellen waren nun braun. Ich legte die Schnitte in Salz-
säure, sie bUeben zunächst braun und wurden im Laufe
von 24 Stunden vollkommen entfärbt, mit Hämatoxylin
wurden die vorher braunen SchoUen matt violett Ausin 's
Auffassimg der chemischen Vorgänge ist unrichtig. Ber-
linerblau wird durch Ammoniak vollkommen entfärbt
Wenn braune Substanz übrig blieb, so war eben nicht
alles Eisenoxyd in Berlinerblau übergeführt worden, d. h.
die Salzsäure hatte nicht lange genug eingewirkt
Die Verschiedenheit unserer Resultate bezüglich der
Löslichkeit der braunen Massen in Salzsäure ist sehr auf-
fallend, ich möchte behaupten, dass Aus in bei genügend
langer Einwirkung der Säure dasselbe Ergebnis» bekommen
lültte, wie ich. Die Berlinerblau -Reaction kommt doch
gerade dadurch zu Stande, dass die Salzsäure die Eisen-*
Oxydverbindung zm* Lösung bringt, wonach dann erst das
Ferrocyankalium zur Wirkung gelangen kann. Das lang-
same Eintreten der Berlinerblau -Reaction, das Ausin
ebenso wie ich beobachtete, stimmt vollkommen überein
mit der langsamen lösenden Wirkung der Salzsäure.
Dass die braunen Schollen, wie Ausin meint, mit
Eisensalz imprägnirte Zellkerne darstellen, halte ich für
unrichtig. Li meinen sämmtlichen Versuchen fand ich,
dass kleinere und grössere braune Kömchen und Schollen
neben dem mit Carmin wohl gefärbten Zellkern im Proto-
plasma lagen, in allen Fällen, wo das Epithel diffuse Blau-
tärbung annahm, blieb der Kern davon frei. An der
untersuchten menschlichen Linsenkapsel zeigte das ein-
schichtige Epithel und die Zellen des Kapselstaars das
nämliche Veriialten und nur an der hügeUgen Hervor-
250 E. V. Hippel.
ragung konnten Zweifel aufkommen. Schon an den
Schnitten, welche der Eisenreaction unterworfen waren, sah
man innerhalb der blauen Massen eine Anzahl mit Garmin
schön roth gefärbter Kerne, nach Beseitigung der braunen
Substanz waren sie noch deutUcher, allerdings wurde nun
ein Theil der zurückbleibenden farblosen Schollen durch
Hämatoxylin mattblau, viel matter als die Kerne. Dies sind
im Absterben begrifiene Zellen, deren Kern nicht mehr
farbbar ist Der Kern hat mit der Eisenaufhahme nichts
zu thun; auch in all' meinen Fällen, wo sich im Epithel
der Ciliarfortsätze und im Betinaepithel Eisen, sei es diffus
oder in feinen Kömchen nachweisen Uess, war überall
nach Beseitigung der braunen Masse bzw. des normalen
Pigmentes der Kern nachweisbar und wohl zu färben.
Was seine Angaben über das Auftreten der Eisen-
reaction in der Linse selbst betrifft, so vermisse ich in
diesem Punkt bei Ausin die nöthige Klarheit. Während
man auf Seite 57 liest: „. . . . da ich in den Linsenfasem
Eisen in keiner Form habe entdecken können," heisst es
auf Seite 36: „was endlich den Stichkanal anlangt, so
findet man an dem nach vorne gelegenen Theil die zer-
fallenen Linsenfasem eine Strecke weit mehr diffus braun
gefärbt" und Seite 50: „Ausserdem aber tritt in allen
Linsen in einer ca, 0,006 mm breiten Zone des peripheren
Theiles der vorderen CorticaUs eine grünliche diffuse
Verfärbung auf, die bei beiden Menschenlinsen fast bis
zum Aequator reicht, bei den Kaninchenlinsen bis an und
über den Aequator hinaus sich verfolgen lässt" Ich hebe
noch hervor, dass in den beiden menschlichen Linsen, die
Ausin untersuchte, sich gar kein Fremdkörper befunden
hat; offenbar hatte derselbe seinen Sitz in der Tiefe des Bulbus.
Angaben darüber fehlen leider. Soviel steht doch hiemach
jedenfalls fest, dass Ausi n in den Linsenfasem Eisen gefunden
hat, auch ich habe in meinen Versuchen eine besondere Vor-
liebe jener Zone in der vorderen Corticalis fiir die Aufnahme
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 251
des Eisens gefunden, ohne hierfür eine ausreichende Er-
klärung geben zu können. Wenn Ausin bei Erwähnung
der Befunde Leber 's, welcher die olivenbraun gefärbten
Idnsenfasem in der Umgebung eines in der linse sitzen-
den Eisensphtters durch Ferrocyankalium und Salzsäure
difius dunkelblau werden sah, darauf hinweist^ dass das
Berlinerblau an frischen Präparaten sehr schnell in die
Umgebung difiundirt und so durchblicken lässt, dass auf
diese Weise eine diffuse Färbung der Linsensubstanz vor-
getäuscht werden konnte, so muss ich hervorheben, dass an
frischen Zerzupfungspräparaten, die man in gewöhnlichem
Brunnenwasser oder besser in destillirtem Wasser, nach
Zusatz eines Tropfens Säure, untersucht, von rascher Dif-
fusion des Berlinerblaus ebenso wenig die Rede ist, wie
an gehärteten Präparaten, die in Canadabalsam einge-
schlossen werden. In Glycerin findet allerdings eine
ziemlich rasche diffuse Ausbreitung des Berlinerblau statt
Das in den braunen Schollen deponirte Eisen hält
Ausin für Eisenoxydalbuminat: einfaches Eisenoxyd kann
es nicht sein, weil die Schollen nach Beseitigung der
braunen Masse ihre Form unverändert beibehalten, weil
die Eisenreaction langsam eintritt, weil nach ihm das
gebildete Berlinerblau in Oxalsäure unlöslich ist „Die
Aufspeicherung grösserer Massen von Eisenoxyd in den
Zellen kommt um so eher zu Stande, als das Zelleiweiss
begierig das Eisen an sich zieht und eine schwer lösliche
Verbindung bildet" Schwer löslich soll das Eisenoxyd-
albuminat sein, wenn die Eisenmenge im Verhältniss zimi
Eiw^eiss eine grosse, leicht lösUch, wenn sie eine geringe ist
Schwer verständlich ist mir Ausin 's Meinung über die
Art, wie das Eisen sich zu verbreiten beginnt: „. . . . Doch
neige ich zu der Vermuthung, dass das Eisen, sobald es
zu circuliren beginnt-, gleich dieselbe Form, (leicht lösUches
Eisenoxydalbuminat) annimmt, in der es sich auch deponirt
findet, (schwer lösliches Eisenoxydalbuminat). Nur wird
252 E. ▼. Hippel.
das Eisenoxyd von dem circulirenden Eiweiss in so geringer
Form aufgenommen, dass es nach den gewöhnlichen Me-
thoden nicht nachgewiesen werden kann." Nun frage ich:
wie entsteht das Eisenoxyd, das hier von dem circuliren-
den Eiweiss aufgenommen werden soll? Darüber erfahren
wir nichts, es wird einfach stillschweigend als yorhanden
angesehen. Es kann aber eben nur in der von Leber ge-
schilderten Art entstehen, indem die Kohlensäure der
Gewebssäfte das Eisen zum Theil löst und der von den
Arterien zugeführte Sauerstoff der Gewebe die Oxydation
besorgt. Denn zur Lösung des Eisens gehört Säure und
die einzige in Betracht kommende muss bei der alcalischen
Reaction der Gewebe die Kohlensäure sein. Dass das
Eisenoxyd dann mit dem Eiweiss eine Verbindung eingeht,
ist eine Möglichkeit, auf die Leber auch schon hinge-
wiesen. Trotzdem Ausin annimmt, dass aus dem Eisen
zunächst ein lösliches Eisenoxydalbuminat entsteht, glaubt
er nicht, dass dasselbe sich auf dem Wege der Diffusion
verbreitet, weil es dann überall in gleicher Intensität nach-
weisbar sein müsste. Dabei ist wieder die Ausbreitung
des löslichen mikrochemisch nicht nachweisbaren, (Au sin)
mit der des unlöslichen mikrochemisch nachweisbaren Eisen-
oxydalbuminates verwechselt. Denn ob ersteres nicht sich
nach allen Richtungen in gleicher Weise verbreitet, kann
ja Ausin gar nicht beweisen. Für den Uebergang des
Eisens in die tis wird nun wieder der gleiche Weg, den
die Nährflüssigkeit nimmt, nämlich Difiusion durch die
vordere Kapsel, als möglich hingestellt, während die Ver-
breitung allerdings auch durch die Kapselnarbe stattfinden
könne. Also in der Linse auf Lymphbahnen, aus der
Linse durch Diffusion!
Was meine eigene Anschauung betrifft, so muss ich
dabei wieder imterscheiden zwischen der Eisenausscheidung
in unmittelbarer Umgebung des Fremdkörpers und der
Femwirkung. Die Lösung von kohlensaurem Eisenoxyd
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 253
muss unmittelbar um den Fremdkörper einen sehr hohen
Concentrationsgrad haben, deswegen findet hier auch eine
^ehr erhebhche Ausscheidung von Eisenoxydhydrat statt,
das sich in sehr fein vertheilter Form an dem den Fremd-
körper einhüllenden Gewebe niederschlägt; so entsteht die
intensive diffuse Bräunung des Fibrins in der vorderen
Kamimer, der Iris und Hornhaut an den Stellen, wo der
Splitter anhegt, der Linsensubstanz, der Sklera u. s. w.,
wenn der Fremdkörper darin steckt Ob sich das ausge-
schiedene Eisenoxydhydrat hier mit dem Eiweiss der Ge-
webe verbindet oder nicht, ist schwer zu entscheiden. Die
Eisenreaction tritt an diesen Stellen stets augenbUckUch
ein, nach Behandlung der Schnitte mit Salzsäure ver-
schwindet die braime Masse vollkommen. Es ist nun von
vornherein zu erwarten, dass da^ wo sich um den SpUtter
Bost abgeschieden hat, Leukocyten erscheinen werden, um
die Bostpartikelchen aufzunehmen und zu verschleppen.
ThatsächUch waren auch in meinen Versuchen an der Stelle
des Fremdkörpers immer einige Leukocyten zu finden,
welche Eisenreaction ergaben. Dn:e Zahl war relativ sehr
gering. Für die Verbreitung des Eisens im Bulbus spielen
sie eine untergeordnete Rolle. Einige blau gefärbte Zellen
im Kammerwinkel und in der Iris, die sich nach Einfüh-
rung eines Fremdkörpers in die vordere Kammer fanden,
werden wohl Leukocyten sein, ebenso wahrscheinUch jene
eigenthümHchen Zellen in den Ciliarfortsätzen, auf die ich
E^ter noch einmal zurückkomme.
Ein Transport durch Leukocyten ist natürlich aus-
zuschliessen, wenn eine ausgedehnte diflFuse Eisenreaction
in den oben angeführten Gruppen von Epithelzellen statt-
findet Das Eisen kann zu denselben nur in gelöster Form
auf dem Wege der Diffusion gelangen; besonders deuthch
wird dies, wenn wir bei Sitz des Fremdkörpers im Glas-
körper in fiühen Stadien nur den dem Glaskörper zuge-
wandten Theil der Epithelzellen blau werden sehen. Ob es
254 E- V- Hippel.
sich dabei um eine Lösung von kohlensaurem Eisenoxydul
oder eines leicht lösUchen Eisenalbuminates, wie Ausin
will, handelt, wird sich wohl schwerhch erweisen lassen.
Jedenfalls tritt es erst in jenen Zellengruppen und
nur in denselben in einer mikrochemisch nachweisbaren
Form, und zwar als Oxydverbindung auf. Es ist dies eine
von vornherein im höchsten Grade auffallende Erscheinung,
wenn man erwägt, dass das Zellprotoplasma im Allgemei-
nen reducirende Eigenschaften besitzt; darauf beruht ja die
Imprägnation gewisser zelUger Elemente mit Metallsalzen,
beispielsweise die Gold- und Silbermethoden. Wir brauchen
aber auch nicht anzunehmen, dass das Zellprotoplasma
oxydirend wirkt. Wir müssen nur die ebenfalls höchst
merkwürdige Thatsache verzeichnen, dass das Pro-
toplasma gewisser ganz bestimmter Zellengruppen
die Eigenschaft besitzt, eine lösliche Eisenverbin-
dung zu fixiren und in einen unlöslichen Zustand
überzuführen. Dies ist wohl in keiner anderen Weise
möglich, als dass dabei eine organische Verbindung ent-
steht; das Eisen wird hierin allmählich in Folge seiner An-
häufung nachweisbar. Das Eisen befindet sich mit der
organischen Substanz in lockerer chemischer Verbindung,
es tritt nicht in das Molekül ein, dann würde es mit den
gewöhnUchen Methoden nicht mehr mikrochemisch nach-
weisbar sein. Ich stimme also mit Ausin vollkommen
darin überein, dass ich in den braunen, in den Zellen ab-
gelagerten Massen eine organische Eisenverbindung und
nicht reines Eisenoxydhydrat erbHcke. Dass nach meiner
Ansicht das Zellprotoplasma und nicht der Kern die Ver-
bindung eingeht, habe ich oben bereits auseinander gesetzt.
Die Thatsachen haben uns gezwungen, eine specifische
Affinität gewisser Zellen *) für das Eisen anzunehmen, wir
*) Da wir eine echte Siderosis Iridis als sehr wahrscheinlich
annehmen mussten, wird es jedenfalls auch in der Iris bestimmte
Zellen geben, denen jene Affinität zukommt.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 265
werden auch sogleich sehen, dass wir mit der ursprüng-
lichen Hypothese (Lösung des Eisens in Form von doppelt-
kohlensaurem Eisenoxydul, Diffusion und Oxydation durch
den im Gewebe vorhandenen Sauerstoff zu unlöslichem Eisen-
oxydhydrat) allein nicht auskommen. Wir müssten dann
erwarten, dass da, wo der meiste Sauerstoff vorhanden ist,
die stärkste Ausscheidung von Eisenoxydhydrat stattfindet
Dieselbe müsste dann also ganz allgemein ausgedrückt in
nachweisbarer Beziehung zu dem arteriellen Gefässsystem
stehen, sie könnte in gleicher Weise intra- wie extra-
cellulär stattfinden. Dass die Thatsachen mit dieser Voraus-
setzung in keiner Weise in Einklang zu bringen waren,
bedarf keiner weiteren ausführUchen Begründung. Eine
extracelluläre Ausscheidung körnigen, eisenhaltigen Pig-
mentes war mit voller Sicherheit überhaupt nicht nach-
zuweisen; für die vöUige Unabhängigkeit der Ausscheidung
von dem arteriellen Gefässsystem spricht genügend der Be-
fund an der Linsenkapsel.
In den untersuchten menschlichen Augen war stellen-
weise eine deuthche Beziehung des kömigen in Zellen ge-
legenen Pigmentes zu Gefässen nachweisbar, besonders in
der Netzhaut; doch handelte es sich gerade im Wesent-
heben um venöse Gefässe und dieser Umstand macht es
besonders wahrscheinlich, dass jenes Pigment hämatogenen
Ursprungs war. Will man in den Bunge 'sehen Fällen
und in meinem Falle Albrecht eine echte Siderosis cor-
neae annehmen, so müsste man den Homhautkörperchen
eine ähnUche specifische Affinität für das Eisen zuschreiben,
wie wir sie für andere Zellengruppen kennen gelernt haben.
Dafür haben mir aber die Experimente nicht den mindesten
Anhaltspunkt gegeben, ich muss sie daher für unwahr-
scheinhch halten und auch aus diesem Grunde das Vor-
kommen einer echten Siderosis corneae in Zweifel ziehen.
Wie geringe Bedeutung die Gefässe für die Ausscheidung
des echt siderotischen Pigmentes besitzen, erhellt am besten
256 E- V. Hippel.
daraus, dass dasselbe ausnahmslos in der Choroidea fehlt
In den wenigen menschUchen Augen, wo in der Aderhaut
eisenhaltige Zellen vorkamen, sind dieselben zweifellos
hämatogenen Ursprungs.
Die intensive diffuse Eisenreaction im Stützgewebe der
Netzhaut, wie sie am ausgesprochensten im Falle Albrecht
auftrat, konnte experimentell nicht erzeugt werden, weil
eben die Kaninchen -Retina zu schnell total zu Grunde
geht Das Stützgewebe der Netzhaut muss eben auch ent-
schiedene Neigung besitzen, das Eisen festzuhalten. Das
ist vielleicht weniger wunderbar, als es von vorneherein er-
scheint, wenn man bedenkt, dass das Stützgewebe ausge-
wachsene Faserzellen darstellt
Um es also noch einmal kurz zusammenzufassen: Die
Fem Wirkung von Seiten eines Fremdkörpers aus Eisen stelle
ich mir so vor:
Am Orte des Fremdkörpers gelöstes Eisen
diffundirt in die Umgebung; es wird von ganz
bestimmten Zellengruppen, die eine specifische
Affinität für das Eisen besitzen, fixirt, geht mit
einer Substanz in dem Protoplasma der Zelle eine
unlösliche Verbindung ein, wird von dem Sauer-
stoff der Gewebe oxydirt und durch seine An-
häufung mikrochemisch nachweisbar. Neben
dieser Art der Verbreitung spielt die Verschlep-
pung vom Orte des Fremdkörpers durch Leuko-
cyten nur eine ganz untergeordnete Rolle.
Wenn es auch nicht von vornherein in meiner Ab-
sicht lag, die so oft behandelte Frage der hämatogenen
Pigmentinmg in dieser Arbeit einer eingehenden Unter-
suchung zu unterziehen, so sah ich mich doch besonders
im Hinblick auf die weitgehende Aehnhchkeit zwischen
echt siderotischer und hämatogener Pigraentirung genöthigt
zu prüfen, mit welcher der bisher herrschenden Ansichten
meine Befunde am besten in Einklang zu bringen waren
lieber Siderosis Bullii imd die Beziehungen etc. 2 (7
und ob sich nicht TieUeicht einige neue GesiolitBpimkiB
daraus gewinnen liesfiefD. £& ist nicht meine Abeicht hier
einen eingehenden histmadien üeberhlick über die ver-
schiedenen Anffassnngen au geben , welche im Laufe der
Zeit in dieser Angelegenheit laut wurden, ich möchte mich
im Wesentlichen an die neueren Arbeiten halten. Eine
Zusammenstellung der Literatur findet sich bei Dürck^).
Bine Ansicht, die seiner Zeit grosse Beaehtung gefunden
hat, die aber in der Verallgemeinerung, wie sie von Lang-p
bans*) ausgesprochen wurde, sicher unrichtig ist, war die
Behauptung dieses Forschers, dass alle rothen Blutkörper-
ehen, bevor aus ihnen Pigment entstehen kann, in ocmtrac-
tile Zellen aufgenommen würden. Gegen diese Auffassung
hat sich ganz besonders E. Neumann ^) ausgesprochen, in-
dem er sich im Wesentlichen auf folgende Gründe stützte:
Das Vorkommen der blutkörperchenhaltigen Zellen in
Extravasaten ist keine constante Erscheinung, wo sie sich
finden, steht ihre Zahl nicht im Verhältniss zu der grossen
Menge pigmenterfüllter Zellen. Dies bestätigten auch die
unter Neumann's Leitung angestellten Untersuchungen von
Skraeczka^).
Neumann glaubt, dass der von anderen häufig ge-
sehene Befund hlutk(»perchenhaltiger Zellen zum Theil auf
Täuschung beruht hat, indem PigmentkÖmer, die durch
ihre Eisenreaction als solche kenntlich zu machen sind, in
Bezug auf Earbe, Form und Grösse rothen Blutkörperchen
*) Beitrag zur Lehre von den Veränderungen und der Alters-
bestimmung von Blutungen im Gentralnervensystem. Von Dr. Her-
mann Dürck. Virchow's Arch. Bd. 130. I, S. 29—93.
*) Langhans. BeobacfatangeD über Resorption der Extravasate
und Pigmenttildiing in deiuriben. Virchow^s Arck. Bd. 49.
')]feumanB, Beiträge zur KecuHints det pathologischen Pig-
Moto. Virehow*s Aiehiv Bd. DL
^) 8kr9*eska, Ueber PigBontldldung in EzIfKrasalen. inaa^.-
Diss., Königsberg 1887 und Ziogler's Beitrtige il^ 2.
T. QnMlie'i ArefaiT f&r Ophthalmologi«. XL. 1. 17
258 E.V.Hippel.
ausserordentlich ähnlich sähen. So konnte sich Neumann
nicht von dem Vorkommen blutkörperchenhaltiger Zellen
in der braunen Lunge Herzkranker überzeugen, während
Yon anderen (Langhans, Orth*, Ziegler*) dieselbe als
Fundstätte derselben bezeichnet wird. Als zweiten Gegen-
grund fuhrt er an, dass mit Pigment gefüllte Zellen z. B.
in der Wand eines thrombosirten Gefässes und in dem
umgebenden Fettgewebe vorkommen, wo man doch nicht
annehmen kann, dass Blutkörperchen aus dem Thrombus
in die Gefässwand eindringen. EndUch findet sich häma-
togenes Pigment in fixen präexistenten Gewebszellen, was
ebenfalls mit der Vorstellung, dass es aus blutkörperchen-
haltigen Zellen hervorgeht, unvereinbar ist.
Aus diesen Gründen hält Neumann die Bedeutung
der blutkörperchenhaltigen Zellen für die Pigmentbildung
nur für eine untergeordnete und nimmt an, dass das Pig-
ment grossen Theils aus diffimdirendem Blutfarbstoff ent-
steht Das ist der schon von Virchow') vertretene Stand-
punkt
Schmidt^) meint, dass meistens die Dinge, welche von
Zellen aufgenommene Blutkörperchen zu sein scheinen, nur
den ausgetretenen Farbstoff derselben darstellen. Bezüg-
Uch der Bedeutung, welche die Diffusion gelösten Blutfarb-
stoffes hat, steht er ^if einem ganz anderen Standpunkt
als Neu mann: „Für die Einleitung der Pigmentmetamor-
phose der rothen Blutkörperchen möchte ich also die
Trennung des Stroma vom Hämoglobin halten, welches
letztere in ungelöster Form direct in die gelben Kömer
1) Orth. Lehrb. der path. Anatomie I., S. 378.
') Ziegler, Lehrb. der path. Anatomie 11., S. 526.
') Yirchow, Die patholog. Pigmmte. Yirchow's Arch. Bd. 1.
*) Martin, B. Schmidt, lieber die Verwandtschaft der hftma-
togenen und autochthonen Pigmente und deren Stellung zum sogen.
Hamosiderin. Virchow's Archiv Bd. 115.
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 250
übergeht y gleichTiel, ob es von contractilen Zellen aufge-
nommen wird oder nicht" Mit der Behauptung, dass das
Hämoglobin ungelöst bleibt, wird natürlich die Bedeutung
des Diffusionsvorganges in Abrede gestellt.
Nach Quincke^) geht das Hämoglobin derjenigen
rothen Blutkörperchen in Lösung, welche nicht von Zellen
aufgenommen werden, gelangt also zur Diffusion.
Dürck*), der als letzter sich über diese Frage ausge-
sprochen hat, erkennt den blutkörperchenhaltigen Zellen
nur eine untergeordnete Bedeutung zu und lässt den
grössten Theil des von den Blutkörperchen losgetrennten
Hämoglobin in Lösung gehen und sich auf dem Wege der
Diffusion verbreiten.
Ln engsten Zusammenhange mit der verschiedenen
Auffassung über die Bedeutung der Diffusion stehen die
verschiedenen Angaben der Autoren über das Vorkommen
diffuser Kgmentirung und die Frage, ob das körnige Pig-
ment aus dem diffusen hervorgeht oder umgekehrt.
In der letzten Frage nimmt Langhans*) wieder einen
ganz abweichenden Standpunkt ein, zu welchem er in con-
sequenter Durchfuhrung seiner Meinung von der auschliess-
lichen Bedeutung der blutkörperchenhaltigen Zellen gelangt
Er bezeichnet nämlich die diffuse Pigmentirung als das
letzte Stadium des Pigmentes vor seinem völligen Ver-
schwinden und lässt sie durch Zerfall des kömigen ent^
stehen. Diese Ansicht steht im schroffen Gegensatz zu
der älteren von Virchow *) begründeten und auch von Roki-
tansky*) angenommenen Lehre, dass sich das kömige Pig-
*) Quincke, Beitrftge zur Lehre vom Icterus. Virchow*s
Arch. Bd. 95 und Zur Pathologie des Blutes. Deutsches Archiv f&r
klinische Medicin Bd. XXVU.
•) Dürck, 1. c.
•) 1. c.
*) 1. c.
•) Rokitansky, Lehrhuch der path. Anatomie III. Aufl.
17*
380 £• V. HippeL
rnent durcb Vefcbehtimg des difftmdirt«A BlntfEnrbetc^^el
NeumaAn*) läast cKe Möglichkeit su, da» aus kör-
nigem Pigment durch ZerfaU difiises eotetehifc, flieht den
umgekdarien Yocguig aber für erwiesen an, da er durch
subcutane Injecticm einer Hämoglohinlös^iiig die Bädung
körnigen eis^kkaltigen Pigmentes erzeugen kooiBte»
Schmidt ^y der überhaupt nur ainserardentlidi wenig
diftüs verbreitetes Pigment in seinen Yersuch^ä fajad, lässt
dasselbe durch Zerfall des kömigen zu Stande komme».
Dürck^), welcher d^ Diffusion des Blut&rbstoffes das
Wort redet, nimmt an, dass d^^lbe zunächst sich gleieb-
mässig in dem umgebenden Gewebe verbreitet, dem er
seinen bräunlichen Farbenton verleiht; nach einiger Zeit
ginge er eine Veränderung seiner chemischen Zusaaunen-
setaung ein, indem der Eisengehalt gelockert würde, wobei
dann dsbs Hämosiderin entstünde, eharakterisirt durch seine
Blaufärbung mit Ferrocyankalium und Salzsäure. An£sngs
durchsetze dasselbe diffus das ganze Gewebe, später aber
beschränke es sich immer mehr auf die inzwischen auf-
getretenen contracülen Zellen und würde auletzt nur in
dieseu angetroffen. Hier sei es Anfangs in der plasma^
tischen Flüssigkeit des Zelleninhalts in gelöstem Zustand
vorhanden. Das nachträgliche Kömigwerden sei im che^
mischen Same ein Ausfallen, das auf einer specijBschen
Einwirkung der Zelle beruhe. Das entstandene Pigment
sei zunächst grobkörnig und verfiele allmählich zu feinen
Kömchen, wobei gleichzeitig die es einschliessenden ZeUen
selbst allmählich durch Verfettung zu Grunde gingen, so
dass auf diese Weise das Pigment wieder firei werden
kömMw Tuet gleiche Modus der Pigmentbildung wird audi
für die von vornherein in Zellen eingeschlossenen Kut-
*) l c. •) 1. c ») 1, c
lieber Siderosis Balbi mnd die Beziehungen etc. 261
kciperehen angenommea. Die Büdung körnigen Pig-
jnentes komme anssdüiesslidi durch die Vermittehittg von
contraetUen Zeilen zu Stande, welche aber keineswegs idle
Leococs^ten darstelle sondern anch aus prübexistenten Ge-
webszellen henrorgehen können.
Die diffuse Blautärbung des Gewebes durch Frarocyaa-
kalinm und Salzsäure hält Dürck für das Anfangsstadium
der Bildung des Hämosiderin's; er hat sie nämlich unter
seinen 17 untersuchten Fällen cerebraler und spinaler
Blutungen beim Menschen nur 2 Mal gesehen und zwar
in fiiihen Stadien, bei einer 8 Tage und einer 10 Tage
alten Blutung. In seinen Thierrersuchen begann eine
diffiise !E%rbung nach 6 Tagen, nach 11 Tagen war nur
ansserordentlich wenig diffnses, dagegen viel eisenhaltiges
kömiges Pigment vorhanden, nach 15 Tagen fand sich
iberhaupt kein diffiises mehr.
Auf die difiuse Ausbreitung eisenhaltigen Pigmentes
hat besonders Neumann hingewiesen, indem er hervoAob,
dass sich einmal in dem Protoplasma von Zellen, welche
Pigmenticömchen eiuschhessen , difiuse Blaufärbung finde,
dass dieselbe aber auch im Gewebe, an der InterceUular-
substanz des Bindegewebes, an hyalinen Membranen und
auch an den Gelasswandungen vorkomme. Aehnliehe Be-
obachtungen finden sich übrigen« schon bei Quincke,
wdcher in seinen Versuchen mit Transfusion von Blut fest-
stellte, dass die LeberzeUen diffiise Eisenreaction zeigten,
dass ferner diffiise Beaction neben feinen Kömchen in den
Epithelien der gewundenen Harnkanälchen sowie in den
E^tfaelien des Pancreas auftrat, dass endlich in einem
Falle, wo offenbar besonda*s viel gelöstes Eisen in die
Körpersäfte übergegangen war, die Epithelzellen der
Parotis, Submaxillaris, der Plexus choroidei sowie die Eas^n
des Herzmuskels diffiise Beaction ergaben.
Aus dieser XJebersicht, welche die wichtigsten Arbeiten
beiückfliGfatigt, geht hervor, dass die Verschiedenheit in der
262 S* ▼• Hippel.
Auffassung über die Art der Ausbreitung des BlutCarb«
Stoffes, zu welcher sorgtältige Untersuchungen geführt haben,
wohl nur so zu erklären ist, dass die Objecte, an welchen
die Untersuchungen angestellt wurden, nicht in gleicher
Weise geeignet sind, die einzelnen Phasen des Ueberganges
rother Blutkörperchen in Pigment hervortreten zu lassen,
oder dass die Art der Ausbreitung in sehr erheblicher
Weise beeinflusst wird von dem Gewebe, in welches der
Austritt von Blut stattgefunden hat Soviel ist jedenfalls
durch Neumann, Quincke, Dürck u. A. schon mit
vollster Sicherheit festgestellt, dass die Virchow 'sehe Lehre
von der Diffusion des Blutfarbstoffes zu Recht besteht und
dass femer difiiise Ausbreitung eisenhaltigen Pigmentes
vorkommt und hieran können die negativen Residtate von
Schmidt und Anderen nichts ändern.
Ueber die chemische Natur des kömigen eisenhaltigen
Farbstoffes scheinen erhebliche Differenzen nicht zu be-
stehen. Theilweise gehen die Untersucher auf diese Frage
nicht näher ein; Neu mann hebt hervor, was ebenfalls
schon von Quincke angegeben wurde, dass die Farbe jener
Gebilde, welche Eisenreaction ergeben, ausserordentlich
wechselnd ist, dass sie selbst farblos sein können, und
schUcsst daraus, dass das von ihm sogenannte Hämosiderin
kein Körper von constanter chemischer Zusammensetzung
ist und am allerwenigsten schlechtweg Eisenoxydhydrat
darstellt. Aus dieser Schilderung geht wohl hervor, dass
er das Hämosiderin als eine organische Eisenverbindung
auffasst Auch Arnold^) sah z. B. in den Leberzellen
farblose Kömchen die Blaufärbung annehmen. Quincke
spricht von Eisenalbuminatkömchen und auch Schmidt
setzt eine organische Gmndlage in den bekannten Kömem
und Schollen voraus.
M J. Arnold, Staubinhalation und Staubmetastase. Leipzig 1885.
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 263
Sehr wichtig scheint mir neben der Art der Ausbrei-
tung des Blutfarbstoffes und der Natur des eisenhaltigen
Pigmentes der dritte Punkt, über welchen erhebliche
Meinungsverschiedenheiten laut geworden sind, die Frage
nämlich: in welchem VerhäJtniss zu einander stehen Häma»-
toidin und Hämosiderin? Der Unterschied galt ursprüng-
lich der Form, das Hämatoidin sollte krystallinisch, das
hindere Pigment (der Name Hämosiderin stammt bekannt-
lich erst von Neumann) kömig sein. Das Hämatoidin,
dessen Identität mit dem Bilirubin allgemein angenommen
wird, besitzt eine charakteristische B«action, den bekannten
Farbenwechsel bei Zusatz concentrirter Schwefelsäure. Später
zeigte sich, dass es auch in nicht krystallinischer, in kömiger
Gestalt aufbreten kann. Die Form giebt also keinen durch-
greifenden Unterschied zwischen Hämatoidin und Hämo-
siderin. Das Hämatoidin ist eisenfrei, das meiste kömige
Pigment fand man eisenhaltig. Der Eisengehalt schien
also zur Dififerentialdiagnose zu berechtigen. Von Schmidt
ist nun aber nachgewiesen und von Dürck bestätigt worden,
dass das Eisen in den als Hämosiderin bezeichneten Kör-
nern nur eine gewisse Zeit mikrochemisch nachweisbar ist,
um später sich diesem Nachweise vollkommen zu entziehen,
d. h. entweder aus dem Pigment vollkommen zu verschwin-
den, wie Dürck ohne Weiteres annimmt oder in eine Ver-
bindung überzugehen, welche der Reaction mit Ferrocyan-
kahum und Salzsäure nicht mehr zugängUch ist. Das
Fehlen des mikrochemisch nachweisbaren Eisens ist also
auch nicht charakteristisch für das Hämatoidin, wenigstens
nur dann, wenn man das braune Pigment in späteren
Stadien, das die Eisenreaction nicht mehr giebt, einfach
Hämatoidin nennt, wie es Dürck thut Damit wären wir
der Streitfrage näher getreten, ob Hämosiderin die Vor-
stufe des Hämatoidin ist oder umgekehrt oder ob beide
unabhängig von einander unter gewissen Bedingungen ent-
stehen und niemals ineinander übergehen.
264 £. V. HtpiieL
Perls*) Teiinnthete, dass das eisenhaltige Figment eine
Yorstafe d«8 Hamatoidin sei. Nehmen wir an, dass das
Eisen im Biutfiirbstoff metallisch enthalten ist, so dürfte
es sveh bei der letsteren Umwandlaag 2a kömigem Pigment
um eine Oxydation handeln, und als Bedingung für die
Bildung krystallinischen Pigments (Hämatoidin) dürften wir
die Möglichkeit der voUständigen Abtrennung des gebildeten
Eisenoxyds anzusehen faaben^. Dieser Anschauung wider^
spricht Neumann, indem er feststellt, dass in vielen Fällen,
wo Hämosiderin entsteht, später kein Hämatoidin daraus hei^
vorgeht, und dass Hämatoidin eitstehen kann ohne voiv
fa^ge Bildung von Hämosiderin, e. B. im ünterhautfett-
^webe, wo schon nach wenigen Tagen typische Hämatoidin^
loystalle sich finden können. Quincke bezieht den Untere
schied auf die verschiedene Art der Entstehung, indem er
annimmt, dass da, wo die rothen Blutkörpercb^i selbst von'
Zellen aufgenommen werden , kein GaUenfaibstoff gebildet
wird, während da, wo das Blut zunächst der Necrose an-
heimfällt und das Hämoglobin austritt, GaUenfiM^bstc^ ent*
steht, während der Eisenrest gelöst in die Säfte gelangt
und ^x)sstentheil8 durch die Nieren ausgeschieden wird.
Dürck spricht sich mit grosser Entsdiiedenhett dahin aus»
dass aus dem Hämosiderin allmählich das Eisen verschwin-
det und so Hämatoidin entsteht. Er hält offenbar das
Eehlen d^ Eisenreaction für einen ausreichenden Beweis,
dass man Hämatoidin vor sich hat, aber nur in einem
Falle (11) hat er die für Gallenfsirbstoff charakterii^sche
Beaction angestellt Er spricht seine Verwunderung da-
rüber aus^ dass M. B. Schmidt, der zuerst auf das all«
mähliche Verschwinden der Eisenreaction hingewiesen, da«
wieder eisenfnei gewordene Pigment nidit sdileohtweg Bjäma--
toidin nennt. Ich vennuthe, dass Schmidt sdir wohl ge-
wusst hat, warum er diesen Ausdruck rennied, denn Dürck
^) Perls, Journal f. prakt. OieMiie B4. 21.
lieber Siderosis Blilbi ttid (Ke Beziehungen etc. 265
^äwEachty ilass in Sctiiiiidt^s Yersucheft köniijges in semen
Aussehen dem Hämosiderin völlig gleiches Pigment zu finden
war, das noch nicht die Eisenreactioa gab. Mit dem-
s^ben Recht, wie das spä4iere, dass die Beaction nicht
mekr «rgafo, könnte man dies «r»te als &äiiiat(Mdiii be-
zeichmen und käme dann zu dem sonderibaren Schluss,
dass das Hämosiderin aus dem Hämatoidin entstdit, um
steh spater wieder in solches zu verwandeln. Ich hob schon
hervor, dass das negative Ergehmss der Eis^ireaction noch
•gar nicht mit Nothwendigkeit das wirkUcbe Fehlen des
Eäsens in dem Rgmente beweist. Tritt das Eisen in einer
ix-ganischen Verbindung in das Molekül ein, so entzieht es
sich eben dem mikrochemischen Nachweis. So wies Za-
leski') in einem Falle von Morbus maculosus Werlhofii,
wo ausserordentUch reichliche Massen von Pigment in
Longen, Bronchialdrüsen u. s. w^. abgelagert waren, nach,
dass in demselben mikrochemisch kein Eisen nachzuweisen
war, während die Elementaranalyse das Vorhandensein des-
selben feststellte.
Das Uebergehen di^ beiden Pigmente, Hämatoidin und
Hämosiderin in einander behauptet Mühlmann ^) Er
hat Untersuchungen an dem Pigment angestellt, das sich
in der Arachnoidea vorfindet. Dabei will er festgestellt
liaben, dass dies Pigment im Laufe einiger Tage seine
Beaction ändert in der Weise, dass an Stellen, welche
Eisenreaction gegeben hatten, später Hämatcndin-Beaction
auftritt und umgekehrt; darin sieht er eine Bestätigung der
Besultate Schmidt 's. Wenn ich hervorhebe, dass in seinen
Fällen die Section 1 — 2 Tage nach dem Tode gemacht
wurde, und dass er dann die Gehirne mit einem feuchten
Lappen bedeckte und von Tag zu Tag die Araclmoidea
frisch untersuchte, so ist es klar, dass seine Besultate
^) Zaleski, Arch. f. exper. Pathol. u. Fharmacol. Bd. 23.
*) Virchow'g Arohiv Bd. 126,
266 E. V. Hippel.
nicht den Eindruck grosser Zuverlässigkeit hervorbringen
können.
Einen für die Frage wichtigen Schritt scheint mir
E. Neumann damit gethan zu haben, dass er auf Grund
der topographischen Vertheilung beider Farbstoffe Schlüsse
auf ihre Entstehung zu ziehen sucht. Kurz gefasst sind
seine Angaben die, dass bei grösseren Blutungen eine Ge*
setzmässigkeit im Vorkommen beider Substanzen insofern
besteht, als das Hämatoidin in den peripheren Theilen der
Blutung selbst, das eisenhaltige Pigment in dem umgeben-
den Gewebe vorkommt, während zwischen beiden eine Ueber-
gangszone besteht Er schliesst aus dieser Thatsache, dass
beide Pigmente zwei verschiedenen chemischen Processen
zugeschrieben werden müssen : „beide verhalten sich exclusiv
zu einander, aus dem Hämoglobin einer rothen Blutzelle
entsteht entweder Hämosiderin oder Hämatoidin". Dass
in dem einen Fall Hämosiderin entsteht, bewirkt das lebende
Gewebe bezw. seine Zellen „die Hämatoidinbildung da-
gegen stellt einen von vitaler Gewebsthätigkeit unabhängigen
Zersetzungsprocess dar'^ Damit stände im Einklang die
Thatsache, dass bei kleinen Blutungen überhaupt kein Hä-
matoidin gebildet werde, da alles Blut mit dem lebenden
Gewebe in Berührung komme. Ob Hämosiderin nur in
Zellen oder auch ausserhalb derselben gebildet wird, hält
Neumann noch für unsicher, aber auch für eine Frage
von secundärer Bedeutung. Schmidt bestätigte Neu-
mann's Auffassung von der Wichtigkeit des lebenden Ge-
webes für die Bildung eisenhaltigen Pigmentes. Er sah in
seinen Versuchen mit Einführung von HoUundermarkplätt-
chen in den Lymphsack des Frosches die Eisenreaction
in den braunen Pigmentkömem, welche in dem das Plätt-
chen umgebenden Bindegewebe lagen, erst eintreten, wenn
Gefässe in dasselbe hineinw^ucherten und so ein regerer
Stoffwechsel zu Stande kam.
Ein eigenthümliches Pigment, das er Hämofiiscin nennt.
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 267
beschrieb v. Becklinghausen.') Er fand es unter Be-
dingungen, die eine allgemeine hämorrhagische Diathese
annehmen Hessen, in enormer Verbreitung im Körper, be«
sonders in den glatten Muskelzellen, in der Muscularis der
Gefässe, in Drüsenzellen u. s. w. Es ist ausnahmslos eisen-
frei und wird nach v. Becklinghausen 's Annahme in
gelöstem Zustand den Geweben zugeführt und von gewissen
Zellen zu Körnern verdichtet und fixirt
In meinen eigenen Untersuchungen, zu denen ich jetzt
übergehen möchte, musste von vornherein ein Umstand auf-
feilen, der auch einen wichtigen Fingerzeig für die Er-
klärung abgab: die vollständige Uebereinstimmung
in der Verbreitung des aus dem Blute stammenden
Eisens mit dem, welches vom Fremdkörper abge-
leitet werden musste. Wenigstens für einen Theil des
hämatogenen Pigmentes triffl; dies zu. Diese auffallende
Thatsache, welche bei der Untersuchung menschUcher Augen
schon festgestellt werden konnte, fand in den Experimenten
ihre volle Bestätigung. Wir haben uns überzeugt, dass
die Eisenreaction eine difiuse Blaufärbung im Epithel der
Ciüarfortsätze, der Pars ciUaris Betinae, im Pigmentepithel
der Betina und auch im Kapselepithel der Linse bei ver-
letzter Kapsel hervorruft in Fällen, wo das Eisen nur von
dem Blutfarbstoff abstammen kann. Die Blautärbung tritt
genau so ein, wie in den Fällen, wo sie nur auf den Eisen-
splitter zu beziehen ist. Es liegt deshalb wohl sehr nahe,
ja es ist eigentlich kein Zweifel, dass für beide Fälle die
nämliche Art der Entstehung angenommen werden muss.
Das Eisen muss dazu aus dem Blutfarbstoff abgespalten
werden und in Lösung gehen; ob diese Spaltung innerhalb
der rothen Blutkörperchen oder erst aus dem difiundirenden
frei gewordenen Blutfarbstoff vor sich geht, ist zunächst
') V. Recklinghausen, Naturforscher -Versammlung in Heidel*
berg 1889.
268 ^ ▼• Hippel.
gleichgültig. Wegen seiner grossen Yerdtuuning ist es im
Anfang mikrochemisch nicht nachweisbar; es nird dies eist
dadurch 7 dass gewisse Zellengrappen eine spedfische Affi-
nität dafor besitEsen nnd es anfspeichem, indem es mit einer
Substanz des Protoplasma eine Verbindung eingeht Dass
übrigens diese Affinität allen Geweben, wenn auch in un-
endlich viel geringerem Maasse als den genannten Gruppen
zukommt, scheint mir daraus hervorzugehen , dass in man«
eben Fällen, z. B. Albrecht, Laier, das ganze Präparat
einen matten, diffus bläuhchen Ton angenommen hat. Dass
manchmal viel Zeit nöthig ist, damit das Eisen nachweis-
bar wird, lehren die Experimente, wo eine matte diffiise
Blaufärbung des Epithels der Ciliarfortsätze erst nach 28
Tagen nachweisbar war. In diesen Zellengruppen ist die
Yertheilung des Eisens Anfangs eine ganz diffiise, erst
später können sich kleine Kömchen darin finden. An
Schnitten, die nicht mit Beagentien behandelt sind, zeigen
diese Zellengruppen einen gelblichen Farbenton, genau so
wie an Präparaten, wo der Eisengehalt von einem Fremd-
körper herstammt In diesen letzten Fällen ist es klar,
dass die gelbUch-braune Färbung nur auf der Anwesenheit
einer Eisenoxydverbindung beruhen kann, denn irgend ein
Farbstoff kann da selbstverständlich keine Bolle spielen.
Bei der vollkommenen Uebereinstimmung der siderotischen
und hämatogenen Färbung in diesen Zellengruppen muss
man annehmen, dass auch bei der letzteren die gelbe Fär-
bung auf der Anwesenheit einer Eisenoxydverbindung be-
ruht und unabhängig ist von dem Blutfarbstoff. Wäre
das nicht so, dann müsste auch die Linsenkapsel und Linsen-
substanz diese f^bung besitzen, was nicht der Fall ist
Es giebt also eine echte Siderosis, die aus dem
Blute entsteht und von hämatogener Pigmentirung
ganz unabhängig ist Ich möchte für dieselbe den Aus-
druck „hämatogene Siderosis'^ vorschlagen und ihr die
vom Fremdkörper stammende als „xenogene Siderosis"
üeber Siderosis Bnlbi imd die Beziehungen etc. 269
gegenüberstellen. Unter Siderosis^) ist danach zu
yerstehen: Ablagerung einer an organische Sub-
stanz gebundenen Eisenoxydverbindnng in be-
stimmten Zellen').
Ich hake es deshalb für wichtig, die Unabhängigkeit
der „hämatogenen Siderosis^ vom Farbstoff festzustellen,
wdl andererseits die Farbe des hamatogenen körnigen Pig-
mentes unabhängig ist ¥on dem Vorhandensein einer mikro
chemisch nadiweisbaren Eisenoxydrerbindung* Denn wir
haben bei Schmidt gesehen und ich kann es bestätigen,
dass das braune k^nige Pigment bei seiner Entstehung so-
wie in den späteren Stadien mikrochemisch eisenfrei ist
*) Ich möchte hier darauf hinweisen, dass im ersten und zweiten
Thei] meiner Arbeit sowie bis hieriier audi im dritten der Ansdmck
„siderotiBch'' nur in dem Sinne ^vom Fremdkörper stammend^' ge-
braucht wurde. Erst nach der eben gegebenen Auseinandersetxung
kann ich von ,yhämatogener Siderosis" sprechen.
•) Um Missverständnisse zu vermeiden, muss ich den Ausdruck
„Siderosis" und die Eintheilung in hämatogene und xenogene Side-
rosis rechtfertigen. . Während Zenker (Deutsches Archiv f. klin.
Med. Bd. U) und Merkel (ibid. Bd. VIII) unter Siderosis nur die
Ablagerung von eingeatbmetem Eisenstaub in der Lunge verstehen
wollen, bezeichnet Quincke mit diesem Namen auch die Anb&ufung
von eisenhaltigem kömigem Pigment (Neumann's Hftmosiderin) in
den Organen und unterscheidet zw^ischen physiologischer und patho-
logischer Siderosis. Arnold bezeichnet den letzteren Zustand als
Deposition eisenbahigen Pigmentes, meint aber, man müsse mindestens,
wenn man bei dem Ausdruck Siderosis bleibt, zwischen exogener und
endogener (hämatogener Siderosis) unterscheiden. Ich kam, wie aus
meinen Mittheilungen hervorgeht, dazu, einen Gegensatz zwischen
hämatogener Siderosis und Hämosiderin (Ablagerung eisenhaltigen
Pigmentes) anzunehmen. Den Ausdruck Siderosis ganz zu vermeiden,
vermochte ich nicht, weil mir kein anderer bezeiehneoder zu Gebote
•teftd. Die Sdlieiditng in exogene und endogene Siderosis passte für
meine Y^rsiicbe nicht» weil es z. 6. bei der Ii^ctLon von Blut in
den Glaskörper zu einer exogenen und dennoch hamatogenen Side-
rosis kommt. Daher die Trennung in ,^hamatogen" und „xenogen",
weicn letzteren Amdrut^ ich gerne einem besseren ebenso kurzen
Dpwni wttrae.
270 E. V. Hippel.
Es würde sich nun darum han^jpln, ob man bei det
Annahme, dass die Verbreitung des Blutfarbstoffes und des
darin vorhandenen Eisens im Auge bis zu einem gewissen
Grade von einander imabhängig sind, zu einer befriedigen-
den Vorstellung über die Natur des kömigen Pigmentes
und seines Eisengehaltes gelangen kann, und ob sich femer
die Thatsache damit erklären lässt, dass sich mikrochemisch
nachweisbares Eisen nur in der Umgebung von Blutungen,
im lebenden Gewebe (Neumann) findet Natürlich wird
Eisen auch frei werden im Inneren einer grösseren Blu-
tung, wenn die Blutkörperchen zerfallen, es diffundirt aber
aus derselben, da es durch nichts festgehalten wird und
erst, wo es mit Zellen in Berührung kommt, kann es fixirt
und durch allmähliche Ansammlung nachweisbar werden.
Das kömige Pigment entsteht nach den bisherigen
Annahmen einmal dadurch, dass Blutkörperchen oder Brach-
stücke derselben von Zellen aufgenommen und in denselben
zu Pigment verarbeitet werden, andererseits dadurch, dass
der beim Zerfall der rothen Blutkörperchen frei werdende
Blutfarbstoff diffundirt und theils intra- theils extracellulär
zu Pigment umgewandelt wird. Während die erste Art
der Entstehung von allen Autoren angenommen wird, wollen
andere die Entstehung aus difiundirendem Blutfarbstoff nicht
gelten lassen. Dass der Blutfarbstoff zur Diffusion gelangt,
beweisen khnische Thatsachen, z. B. die Färbung des Kam-
merwassers, die partielle Färbung der Homhaut bei sub-
conjunctivalen Blutungen, femer histologisch das Auftreten
der sogenannten Schatten; fraglich ist nur, ob der diffim-
dirende Blutfarbstoff nicht einfach resorbirt wird oder ob
wirklich Pigment daraus entsteht
Das Auftreten echter blutkörperchenhaltiger Zellen,
d. h. solcher, welche wohlgefärbte ganze Blutkörperchen
aufgenommen hatten, konnte ich in meinen Präparaten
nicht mit genügender Sicherheit nachweisen; wenn sie über-
haupt vorhanden waren, so stellte ihr Vorkommen jeden*
Ueber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 271
fialls einen ganz vereinzelten Befund dar; dagegen sah ich
vielfech entfärbte Blutkörperchen in Zellen. Den extra-
cellulären Zerfall rother Blutkörperchen zu unregelmässigen
eckigen grünlich gefärbten Gebilden fand ich besonders
bei Blutinjection in den Glaskörper; ob diese Gebilde Bruch-
stücke von Blutkörperchen oder Hämoglobinklümpchen
waren, lasse ich dahin gestellt Sie finden sich nun auch
von Zellen aufgenommen und stellen die Vorstufe eines
Theils des gebildeten Pigmentes dar. In diesen Gebilden
musste nun, einerlei ob es Bruchstücke von Blutkörperchen
oder Hämoglobintropfen waren, Eisen vorhanden sein. Das-
selbe wird aber erst allmählich abgespalten und dann in
einer Substanz des Protoplasma fixirt, wobei auch nicht
auszuschliessen ist, dass ein Theil des Eisens aus der Zelle
hinaus difiPundirt. So wäre es erklärt, warum die Eisen-
reaction an dem braimen Pigment erst innerhalb einer ge-
wissen Zeit positiv ausfällt, dabei oft in der Weise, dass
das Protoplasma diffus blau wird, während die Kömer
noch braun bleiben.
Was das spätere Verschwinden der Eisenreaction an-
langt, so habe ich schon oben betont, dass dasselbe durch
weitere chemische Umsetzung und Uebergehen des Eisens
in das Molekül erklärt werden kann. Noch wahrschein-
licher dürfte aber die Annahme sein, dass es all-
mählich aus diesen Zellen vollständig heraus dif-
fundirt, da dieselben keine specifische Affinität
dafür besitzen. Die soeben entwickelte Vorstellung steht
im Widerspruch mit Neumann's Annahme, dass aus dem
Farbstoff einer Blutzelle entweder Hämatoidin oder Hä-
mosiderin hervorgeht, ich halte die Bildung von Pigment
und die Ablagerung von Eisen in mikrochemisch nach-
weisbarer Form in diesem Rgment für zwei zwar neben
einander verlaufende, aber bis zu einem gewissen Grade
von einander unabhängige Vorgänge. Ich betone, dass diese
Vorstellung nicht im Widerspruch steht mit meiner An-
278 £• V. Hippel.
nahme^ dass bestinmite Zellengruppeii eine ganz besondere
Affinität für das Eisen besitzen. Denn dieselben fixireB
dasselbe ans einer durch XKfiuskm zu ihnen gelangenden
ftusserst y erdünnten Lösimg; während es in jenen Zellen,
wekbe das körnige Pigment einsehliessen, Ton romherein
enthalten ist.
Was man bisher nach Neumann's Yorgsokg „Hämo«
siderin^^ genannt bat^ ist also hämatogenes Pigment,
an welchem das ans dem Blutfarbstoff frei ge-
wordene Eisen noch anhaftet; die Farbe des Pig»
mentes ist Ton diesem Eisengehalt unabhängig;
Daron au trennen ist die ,,bämatogene Siderosis'^
welche ron Pigment rollkommen unabhängig ist
Nun werden in der Umgebung von Blutungen auch
fixe Gewebszellen, beispielsweise die Zellen der Chorioidea,
wenn Blut zwischen Chorioidea und Sklera getreten war,
oder andere IKndegewebszellen v(m braunem hämatogenen
Pigment erfüllt, ohne dass es sieh bestimmt nachweisen
lässt, dass dieselben Bruchstücke rother Blutkörperchen
oder diese selbst aufgenommen haben. Immerhin kann letz-
teres stattgefunden haben und ich kann jed^ifalls aus meinen
Pk'äparaten keinen Beweis dafür erbringen, dass aus dem
difFandirenden Blutfarbstoff wirklich kömiges Pigment ent^
standen ist.
Für ein extracelluläres Entstehen des kömigen Rg-
mentes habe ich in meinen Präparaten, besonders bei den
Versuchen, keinen Anhaltspunkt auffinden können. Natür-
lich ist bei dem oft sehr grobkörnigen Pigment nicht immer
mit absoluter Sicherheit nachzuweisen, dass es in einer
Zelle liegt, wenn der Kern verdeckt ist; so oft ich aber in
solclien Fällen mit Salzsäure das Pigment extrahirte, fimd
ich an Stelle der scheinbar homogenen Pigmentkngel eine
blasse Zelle mit färbbarem Kern. Auch ist es ja woU
amranehmen, was auch von anderen Untersncheni herTCM>
gehoben wird, dass durch nacbträglidies Zugmndeg«^en
üeber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 273
der Zelle das Pigment frei werden kann. Gegen die An-
nahme der ausschliesslich iutracellulären Entstehung des
körnigen Pigmentes scheint mir auch nicht die Angabe
Hausers ^) zu sprechen, dass sich bei fäulnissfreier Auf-
bewahrungi des Blutes ein ockerfarbenes amorphes Pigment,
seltener Hamatoidinkrystalle bilden. Es ist eben keines-
wegs ausgemacht, dass dies mit unserem kömigen Pigment
identisch ist Ueberhaupt scheint mir die Frage, was für
Pigmente aus dem Blute unter verschiedenen Bedingungen
entstehen können, noch gar nicht zu beantworten (vergl.
auch V. Recklinghausen's Hämofuscin), ich halte mich
deshalb auch nur an jenes charakteristische kömige durch
seinen temporären Eisengehalt ausgezeichnete Pigment und
verzichte auch darauf, der Frage weiter nachzugehen, in
welchem Yerhältniss dasselbe zu dem Hämatoidin steht;
ich will nur betonen, dass ich Hamatoidinkrystalle in
meinen Präparaten nicht gesehen und keine Gelegenheit
genommen habe, die Hämatoidin- bezw. Gallenfarbstoffi*eac-
tion ausgiebiger in Anwendung zu bringen, da mich, wie
es der Zweck dieser Arbeit mit sich brachte, wesentUch der
Eisengehalt interessirte. Jedenfalls scheint mir, was ich
schon einmal hervorhob, dass man nur auf Grund der posi-
tiven Beaction mit Schwefelsäure nicht eisenhaltiges Pig-
ment als Hämatoidin bezeichnen darf; femer ist Hämatoi-
din in Chloroform löslich; im Falle Albrecht, wo ich diese
Beaction anwandte, blieb das Pigment völlig unbeeinflusst
Eine merkwürdige Thatsache muss ich hier noch er-
wähnen, die bisher nicht beobachtet zu sein scheint; ich
fand nämUch, allerdings ganz vereinzelt, dass Blutkörper-
chen sowie blasse homogene Kugeln von bedeutenderer
Grösse difiEiise Blaufärbung annahmen. Ohne Beagentien
betrachtet sahen diese Blutkörperchen ganz hellgelblich aus.
Ich kann mir diesen Befund nur so erklären, dass das
») Arch. f. exp. Pftthol. Bd. 20.
T. Gnafe*8 Axchir Ar Ophthalmologie. XL. 1. 18
274 E. T. Hippel.
Eisen sich sehr früh toid Blutfarbstoff abgespalten hat und
vom Stroma fixirt wurde. Die Schnelligkeit, mit welcher
das Eisen abgespalten wird, muss bis zu einem gewissen
Grade beeinflusst werden von der Lebhaftigkeit des Stoff-
wechsels, dafür sprechen die Befunde an jenen bei der
Schilderung der Experimente oft erwähnten mit braunen
Kömchen erfüllten Zellen, welche man in den Ciliarfort-
Sätzen antrifft. Diese Gebilde kamen in sämmtlichen Ver-
suchsreihen zur Beobachtung, d. h. sowohl wenn man Fremd-
körper aus Eisen in die verschiedenen Theile des Bulbus
brachte als auch, wenn man Blut in die vordere Kammer
oder den Glaskörper injicirte. Schon diese Thatsache ist
höchst auffallend. Die Anwendung der Eisenreaction lehrt
nun Folgendes: Ohne Ausnahme blau werden die Köm-
chen, wenn sie dem Fremdkörper ihre Entstehung ver-
danken. Ein Theil und zwar Anfangs ein erheblicher
bleibt braun, wenn sie hämatogenen Urspmngs sind. Doch
ist hier zu betonen, dass schon ein grosser Theil intensiv
blau wird, wenn sonst im ganzen Bulbus bei Anwendung
der Eisenreaction noch keine blaue Zelle nachgewiesen ist
AVas können das nun für Zellen sein? Nach vielem
Schwanken kam ich endlich gerade mit Rücksicht auf ihr
Ersclieinen bei Blutinjection in den Glaskörper zu der An-
sicht, dass es nur Ijeucocyten sein können, die sich in der
(nnen Reihe der Fälle am Orte des Fremdkörpers mit
Rostpartikeln beladen, in der anderen hämatogenes kör-
niges Pigment aufgenommen haben und damit in die
Ciliarfortsütze gewandert sind. Welche Kräfte sie hierhin
sowohl aus der vorderen Kammer als aus dem Glaskörper
führen, muss ich als völlig unaufgeklärt bezeichnen. Die
Menge dieser Zellen in den Ciliarfortsätzen gegenüber ihrer
Seltenheit oder völligem Fehlen in der Iris ist, wenn sie
aus der vorderen Kammer kommen, im höchsten Grade
auffallig. Dafür, dass das aus dem Blute entstandene
Eisen hier so früh nachweisbar wird, kann ich nur die
Ueber Sideiosis ßulbi und die Beziehungen etc. 275
Lebhaftigkeit des Stoffv\recIisels zur Erklärung heranziehen,
die chemische Umsetzungen erleichtem muss.
Ich möchte an dieser Stelle noch kurz daran erinnern,
dass ich bei meinen Untersuchungen menschlicher Augen
fast durchweg Gelegenheit hatte festzustellen, dass von dem
sicher hämatogenen kömigen Pigment ein Theil der Körn-
chen bei Anwendung der Eisenreaction braun blieb, wie
das nach den gegebenen Auseinandersetzungen auch kaum
anders zu erwarten war. Man muss allerdings, wenn die
Zelle diflFus blau wird, sehr genau untersuchen, um dies
Verhältniss zu erkennen, weil die diflPuse Färbung die
braune Farbe der Kömchen weniger deutlich hervortreten
lässt. Ich möchte fast glauben, dass man dies Verhältniss
zur Diflerentialdiagnose zwischen vom Fremdkörper stam-
menden Eisenoxydalbuminatkörachen und Hämosiderin ver-
wenden kann, wenigstens in dem Sinne, dass die ersteren
diese Eigenscliaft niemals besitzen, während das Hämosiderin
unter Umständen allerdings vollkommen blau werden kann.
Daher habe ich auch für das kömige Pigment in der Comea
im Falle x^lbrecht hämatogenen Ursprang angenommen.
Eine Thatsache muss ich hier noch kurz erwähnen,
auf welche ich schon im ersten Theile meiner Arbeit hin-
wies: Schmidt fand in seinen Versuchen am Frosch, dass
an dem kömigen Pigment nach 70 Tagen keine Blau-
färbung mehr eintrat, beim Kaninchen konnte er zwar in
seinen Versuchen, deren längster 28 Wochen dauerte, die
Grenze, wo alles Pigment die Reaction ablehnte, nicht er-
reichen, doch blieb nach 25 Wochen der grösste Theil des
Pigmentes ungebläut. In den Versuchen von Dürck ist
nach 45 Tagen das Pigment so gut wie eisenfrei. In
meinen Präparaten von menschlichen Augen konnte ich
noch nach 3 Jahren Hämosiderin mit positiver Re-
action nachweisen, während die „hämatogene Side-
rosis" an dem Epithel der Ciliaifortsätze noch 12 und
13 Jahre nach einmaligen stumpfen Traumen vor-
18*
276 E. V. Hippel.
banden war. Die Zeit, innerhalb deren die Beaction an
dem Hämosiderin nicht mehr nachzuweisen ist, zeigt also
sehr grosse Schwankungen je nach dem Ort, an welchem
die Blutung stattgefunden hat
Ein eigentümUcher Befund, für den ich keine Er-
klärung zu geben weiss, fiel mir an dem Epithel der
CiUarfortsätze auf: an den Stellen, wo besonders intensiTe
Blautärbung auftritt, ist das normale Pigment ausserordent-
lich spärlich, ja es fehlt grossen Theils vollkommen. Diese
Beobachtung wurde an fast allen untersuchten menschlichen
Augen gemacht Vermuthlich sind dabei auch chemische
Vorgänge im Spiele.
Die Versuche Pröbsting's*), welcher Blut in den
Glaskörper injicirte, legten es mir nahe, besonders auf das
Verhalten der Netzhaut zu achten, von welcher Pröbsting
angiebt, dass sie sich ausnahmslos ablöst und Degenerations-
Erscheinungen zeigt, welche besonders in Bindegewebsneu-
bildung an der Innenfläche bestehen. Ablösung fand ich
in meinen Versuchen zweimal, in einem Falle erst bei der
anatomischen Untersuchung, weil die Linse getrübt war,
einmal konnte ich sie schon mit dem Spiegel diagnosticiren.
Bindegewebsneubildung an der Innenfläche habe ich nicht
gesehen. Dagegen kamen geringfügige Degenerations- Er-
scheinungen auch in meinen Präparaten zw: Beobachtung,
Wucherung der Pigmentepithehen, Zerfall der Stäbchen
und Zapfen, Zerfall der äusseren und Verschmelzen beider
Kömerschichten, Auftreten von Zellen, die offenbar vom
Epithel herstammten, in den äusseren Lagen der Netzhaut
Diese Veränderungen waren nicht sehr hochgradig, offen-
bar haben sie aber eine ausgesprochene AehnUchkeit mit
den ersten Veränderungen der Betina bei Einitihrung eines
Fremdkörpers aus Eisen in den Glaskörper. Ich muss
deshalb auf die Möglichkeit hinweisen, dass die Ver-
«) V. Graefe'8 Archiv Bd. XXXVUI, 8. Abthlg.
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 277
änderungen auf der chemischen Wirkung des aus
dem Blute frei werdenden Eisens beruhen. Natür-
lich kann dasselbe nur in unendlich viel grösserer Verdün-
nung zur Wirkung gelangen , als wenn sich ein grösserer
EisenspUtter im Glaskörper befindet Die grossen oft
mehrkemigen Zellen im Glaskörper, welche Pigment bilden
bezw. aufnehmen, sind mir in ihrer Bedeutung nicht klar.
Auch sie sehen den grossen Zellen sehr ähnlich, welche
wir in den Versuchen mit Einführung eines EisenspUtters
in den Glaskörper auftreten sahen und vom Pigmentepithel
ableiteten. Vielleicht geUngt es mir, über ihre Bedeutung
durch Experimente an pigmentirten Thieren, die ich bei Ge-
legenheit anzustellen denke, noch mehr iu's Klare zu kommen.
Zweimal war in meinen Versuchen, wenn ich nach
Punktiren der vorderen Kammer Blut in den Glaskörper
injicirte, die vordere Linsenkapsel entsprechend der Punk-
tionsstelle geplatzt. Wie der Mechanismus dieser Perfora-
tion zu erklären ist, darüber müssten eigens darauf ge-
richtete Versuche Klarheit schaffen.
Zum Schluss möchte ich die Resultate meiner Unter-
suchungen in einer Reihe von Sätzen zusammenfiissen:
1) Die Eisenreaction mit Ferrocyankalium und Salz-
säure gelingt bei genügend langer Einwirkung der Rea-
gentien (12 — 24 Stunden) ausnahmslos auch an Präpai'aten,
welche Jahre lang in Müller'scher Flüssigkeit zugebracht
haben. Eine nachträgliche Ausbreitung des Berlinerblau
findet weder an fiischen Präparaten, die in angesäuertem
Wasser untersucht werden, noch an Schnitten statt, die bei
Vermeidung von destiUirtem Wasser in gewöhnlicher
Weise in Canadabalsani eingeschlossen werden. Alles die
Eisem-eaction gebende Pigment lässt sich durch 24 stündige
Einwirkung von Salzsäure entfärben.
2) Die BerUnerblau-Reaction giebt genau dieselben
Resultate wie die Quincke'sche mit Schwefelammonium,
doch ist sie für Präparate, in welchen normaler Weise
278 E. V. Hippel.
Pigment vorkommt, unendlich viel leistungstähiger, indem
sie schwache Färbungen sehr deutlich hervortreten lässt.
3) Es giebt eine echte Siderosis bulbi, die auf zweierlei
AVeise entstehen kann: einmal direct vom Fremdkörper
(,yxenogene Siderosis^') imd zweitens vom Blute (^^hämato-
gene Siderosis"). Siderosis ist die Ablagerung von Eisenoxyd,
gebunden an organische Substanz in gewissen Zellengruppen.
4) Die hämatogene Siderosis ist völhg unabhängig
vom hämatogenen Pigment. Das „Hämosiderin" dagegen
ist hämatogenes Pigment, welchem abgespaltenes Eisen an-
gelagert ist. Die Farbe desselben ist unabhängig vom Eisen.
5) Die Siderosis tritt vorwiegend an bestimmten Zellen-
gruppen auf; ganz besonders an dem Epithel der Ciliar-
fortsätze, der Pars ciliaris retinae, der Netzhaut und dem
Linsenkapselepithel. Die Siderosis kann an diesen Theileu
eine xenogene sowie eine hämatogene sein. Die Möglich-
keit einer echten Siderosis corneae ist nicht unbedingt in
Abrede zu stellen, ihr Vorkommen ist aber mit völliger
Sicherheit noch nicht erwiesen. Wahrscheinlich entsteht
ihre Braunfärbung durch Einlagerung von Hämosiderin.
6) Die „xenogene Siderosis" entsteht in der Weise,
dass die Kohlensäure der Gewebe das Eisen löst, die Lö-
sung difiFimdirt, von Zellengruppen, welche eine specifische
Affinität für das Eisen besitzen, fixirt wird dadurch, dass das-
selbe mit einer Substanz im Protoplasma eine unlösliche Ver-
bindung eingeht, und allmähUch oxydirt wird. Ihre An-
häufung in diesen Zellen macht den mikrochemischen Nach-
weis möghch. (Fernwirkung oder indirecte Siderosis.) Die
hohe Concentration der Lösung in unmittelbarer Umgebung
des Fremdkörpers bedingt die reichhche Ablagerung in
Oxydfonn an dieser Stelle. Bei der „hämatogenen Side-
rosis" wird das Eisen in gelöstem Zustande frei und steht
dann unter den gleichen Bedingungen wie das vom Fremd-
körper herstammende.
7) Weder die giünliche noch gi-ünliclibraune noch rost-
lieber Siderosis Bulbi und die Beziehungen etc. 279
farbene Verfärbung der Iris und Cornea lassen mit Sicher-
heit auf einen im Bulbus befindlichen Fremdkörper aus
Eisen schliessen, aus dem Blutfarbstoff können dieselben
Verfärbungen entstehen.
8) Der charakteristische Kranz brauner Flecken unter
der Linsenkapsel bei Anwesenheit eines Fremdkörpers ent-
steht in der Weise, dass in circumscripten Anhäufungen
gewucherter Kapselepithelien Eisen abgelagert wird.
9) Bei Einführung eines EisenspHtters in den Glas-
körper kommt es zu hochgradiger Degeneration der Netz-
haut (Leber). Die dabei auftretenden grossen eigenthüm-
lichen kömigen Zellen entstammen grossen Theils dem
Pigmentepithel der Retina. Die Zellen desselben besitzen
die Fähigkeit, auf gewisse Reize hin zu proliferiren , ihre
Form zu ändern und activ zu wandern.
10) Genau dieselben Veränderungen, welche die Netz-
haut des Kaninchens erfährt, können sich in der nicht ab-
gelösten Netzhaut des Menschen einstellen.
11) Nach Blutinjection in den Glaskörper kann es
zur Ablösung der Netzhaut kommen (Pröbsting); ausser-
dem treten an der Retina Degenerationserscheinungen ein,
welche grosse Aehnlichkeit mit dem Anfangsstadium der
Degeneration besitzen, welche die Einführung eines Fremd-
körpers aus Eisen heiTorbringt
12) Bei Blutinjectionen in den Glaskörj^er nach vor-
heriger Punktion der vorderen Kammer kann es auf eine
noch nicht klar gestellte Weise zur Berstung der vorderen
Linsenkapsel kommen.
Zum Sclilusse möchte ich meinem hochverehrten Chef
und Lehrer, Herrn Geh. Rath Leber für seine Anregung
zu dieser Arbeit und seine vielfache gütige Unterstützung
bei Anfertigung derselben meinen herzlichsten Dank aus-
sprechen.
Heidelberg, 9. Juni 1893.
Das Sideroskop.
Ein Apparat zum Nachweis der Eisen- and
Stahlsplitter im Innern des Auges*).
Ton
Dr. Edaard Asmus«
A>'»i*tenzarzt an der Univenjitäts- Aufff-nklinik zu Bre>laQ.
Hierzu Tafel II, Fij?. 1 — 4 und 2 Figuren im Text.
Während sich von Jahr zu Jahr die Zahl der Mag-
netextractionen von Eisensplittem aus dem Bulbusinnem
mehrt, hat sich keine Methode, diese Fremdkörper mit
Hülfe des Magnetismus nachzuweisen, allgemein eingebürgert.
Und doch könnte gerade eine solche Methode den
genannten Operationen segensreich in die Hand arbeiten.
In vielen Fällen von Verletzungen sind wir bekannt-
lich nicht im Stande, mit Bestimmtheit zu sagen, dass ein
corpus alienum in dem betreffenden Auge sich befindet,
denn wegen Trübung der brechenden Medien lässt der
Augenspiegel im Stich. Und wenn wir auch aus der Art
der Verletzung den fest sicheren Schluss ziehen, dass der
Fremdkörper eingedrungen, so kennen wir häufig genug
neinen Sitz nicht.
*) Cfr. Deutsche Med. Wochenschrift Nr. 26. 1893. Sitzung der
Hcblosischen Gesellschaft.
Das Sideroskop. 281
In anderen Fällen wiederum sind wir in Zweifel, wie
ein ophthalmoskopischer Befund nach stattgehabter Ver-
letzung zu deuten ist: man sieht eine Veränderung, weiss
aber nicht, ob dieselbe dem Sitz eines Fremdkörpers oder
gar dem corpus delicti selbst entspricht.
Dann kommen Fälle in unsere Behandlung, wo die
Frage offen steht, ob Eisen und Stahl, oder Kothguss, oder
sonst ein Metall im Bulbus Hegt. Die Beantwortung hat
natürhch für eine beabsichtigte Magnetextraction grösste
Bedeutung.
Aber auch in Fällen älterer Verletzungen, wo wir an
Magnetextraction gar nicht mehr denken, weil die Aussicht
auf Erfolg zu gering wegen Fixation des corpus alienum,
auch in solchen Fällen ist es wünschenswerth zu wissen,
ob hinter der kataraktösen Linse, oder in dem getrübten
Glaskörper noch ein Fremdkörper sitzt.
So nahe nun der Gedanke liegt, die Magnetnadel in
solchen Fällen zu Rathe zu ziehen, so hat sich doch die-
selbe bis jetzt keine allgemeine Anerkennung zu verschaffen
gewusst. Der Grund liegt einzig und allein in dem Mangel
einer geeigneten Methode; ehe wir dazu übergehen, eine
solche zu beschreiben, soll kurz über die bisherigen in der
Literatur bekannt gemachten derartigen Versuche berichtet
werden.
Im Jahre 1880 hielt Thomas Pooley M. D. in New York
einen Vortrag in der Americ. med. Assoc. über die Entdeckung
der Anwesenheit und des Sitzes von stählernen und eisernen
Fremdkörpern im Auge mit Hilfe einer Magnetnadel.
Der Inhalt dieses Vortrages ist wiedergegeben in abge-
ktlrzter Uebersetzung im Knapp-Hirschberg'schen Archiv
Bd. X. 1881. Eine vorläufige Mittheilung findet sich in dem-
selben Bande p. 9.
Das von Pooley angewandte Princip ist, wie er selbst
sagt, nicht neu, da es schon in der aligemeinen Chirurgie Ver-
wendung gefunden. Eine au einem Faden suspendirte Mag-
neinadel wird dem fraglichen Auge genähert und beobachtet,
ob eine Ablenkung eintritt
282 E. Asmus.
Die Versuche beziehen sich zunächst auf freie Eisen- und
Stahlstttckchen von verschiedener Grösse, die theils unmag-
netisch, theils im magnetischen Zustand zur Verwendung kamen.
Das Magnetisiren geschah einmal durch Influenz, indem ein
Magnet in die Nähe des Splitters gebracht wurde, dann durch
Bertthrung mit einem Magneten.
Sodann hat Pooley an enucleirten Thieraugen experimen-
tirt, in die er kleine Eisen- und Stahlstückchen einbrachte.
Ein glttcklichor Versuch bezog ^ich auf einen verletzten Patien-
ten, doch fehlen nähere Angaben. Die aus den Experimenten
gezogenen wesentlichen Schlüsse sind folgende:
1) Fremdkörper von beträchtlicher Grösse, die der Ober-
fläche nahe liegen, können durch die Methode nachgewiesen
werden.
2) Die Anwesenheit und Lage eines solchen Fremdkörpers
kann ganz sicher erkannt werden, wenn man ihn durch Influenz
magnetisch macht.
3) Die wahrscheinliche Tiefe der Lage des Fremdkörpers
kann ans der Intensität der Nadelbewegungen nahe der Ober-
fläche geschlossen werden.
Weiter wird die Möglichkeit zugelassen, Veränderungen
der ursprünglichen Lage des Fremdkörpers festzustellen, wenn
man sorgfältig die Veränderungen, welche durch die Ablenkung
der Magnetnadel angezeigt werden, beachtet. Zum Schlüsse ist
der Gedanke ausgesprochen, dass noch viel zur Vervollkomm-
nung der Methode gethan werden kann, dass es besonders
wünschenswerth erscheine, eine empfindlichere Nadel, als Ver-
fasser sie bisher habe erhalten können, zu benutzen.
In derselben Versammlung amerikanischer Aerzte be-
richtete Grüning (1. c.) über Verwendung der Magnetnadel
zu intraocular diagnostischen Zwecken.
Er hängt die Nadel nicht wie Pooley an einen Seiden-
faden, sondern an einen Coconfaden. Ferner paralysirt er die
Wirkung des Erdmagnetismus durch einen Magnetstab, den er
in den magnetischen Meridian der Nadel legt. Gegen Luft-
zug schützt er Faden und Nadel durch einen Glaskasten^ Trotz-
dem hat er diagnostisch verwerthbare Resultate nicht erreicht.
In Deutschland scheint Pagenstecher (1. c.) zuerst hier-
her gehörende Versuche publicirt zu haben. Pagenstecher
kam bei seinen Experimenten sehr bald darauf, den Fremd-
körper im Auge magnetisch zu machen, indem er den Bulbus.
Das Sideroskop. 283
mit einem starken Electroroagneten bestrich. Seine Nadel
rotirte nach Compassart auf feiner Stahlspitze.
Auch ihm gelaug der Nachweis, vorausgesetzt, dass die
betreffenden Fremdkörper nicht zu klein und gleichzeitig nicht
zu weit von den Umhüllungsmembranen entfernt waren. Bei
Splittern im Innern des Glaskörpers misslangen die Ver-
suche stets.
Pagenstecher nimmt aber an^ dass grössere Eisen- und
Stahlfragmente sich selbst in der Nähe der Papilla optica nach-
weisen lassen, wenn es gelingt, dieselben hinlänglich mag-
netisch zu machen und wenn man mit sehr empfindlicher Mag-
netnadel experimcntirt.
Demnächst wäre die Arbeit von Fröhlich (1. c.) zu er-
wähnen.
Derselbe hing die Magnetnadel vermittelst Coconfadens
an einem Stativ auf, derart dass an einer in Graden einge-
theilten Kreisperipherie die Grösse der Schwingungen abge-
lesen werden konnte. Durch Experimente an Schweinsaugen,
die Stahl- und Eisensplitter enthielten, über deren Lage der
Autor orientirt war, wurde nun festgestellt, dass die Nadel
schon auf Eisenstückchen von 0,005 gr Gewicht, selbst in
grösserer Entfernung reagirte, auch wenn dieselben in der
Mitte des Glaskörpers lagen. Der Ausschlagwinkel, den ein
kleines Stück, das sehr nahe am Nadelpol gelegen, oder ein
grösseres, weit entferntes veranlasste, differirte so wenig, dass
man aus der Intensität der Schwingungen keinen Rückschluss
auf die Lage des eingeführten Fremdkörpers machen konnte.
Nach Magnetisirung des Fremdkörpers durch Bestre'chen
der Bulbuswand mit starkem Electromagneten ergab sich leb-
haftere Antwort der Nadel und ein anderer Schwingungscharak-
ter, indem sich das Gesetz der konträren Pole geltend machte.
Jedoch gestattete sich Fröhlich aus der Intensität der
Schwingungen keinen Rückschluss auf die Lage und Entfer-
nung des Fremdkörpers, weil in praxi die Grösse desselben
unbekannt und die Differenz der Excursiouen, selbst bei er-
heblich verschiedenen Entfernungen desselben Metallstücks
nicht gross genug sei.
Seine Ansicht über den Werth der Magnetnadel fasst er
zum Schlüsse folgendermasseu zusammen:
1) Eine empfindliche, unter allen Cautelen angewandte
Magnetnadel verräth die Anwesenheit selbst kleiner Eisen- und
Stahlstückchen im Innern des Auges.
284 S- Asmus.
2) Es ist Yortheilhaft, den Fremdkörper durch Bestrei-
chen der Sklera magnetisch zu machen.
3) Grosse Nähe des Fremdkörpers kann man sicher durch
den Charakter der Schwingungen constatircn.
Ueber den Versuch, bei einem Verletzten einen Eisen-
splitter im Bulbus nachzuweisen, berichtet Dr. Franke 1 (1. c.)
in Chemnitz (1883). Während jedoch dieser Versuch misslang,
glückte die Electromagnetextraction.
Der aus dem Glaskörper entfernte Splitter stellte ein
Plättchen dar von ^j^ mm Länge und ^/^ mm Breite.
Im nächsten Jahre sind Experimente mitgetheilt worden
durch Dickmann (1. c.) 1884. Derselbe führte in enucleirte
Schweinsaugeu kleine Eisenstückchen und benutzte eine Bons-
solo mit sehr empfindlicher Nadel. Allein er konnte weder
durch Bestreichen des Auges mit einem Magneten, noch durch
Hindurchleiten eines elektrischen Stromes behufs Magnetisirung
des Splitters eine Ablenkung erzielen.
Die 1885 erschienene Monographie von Hirschberg
(1. c.) bringt einige kurze Notizen über unser Thema. Auf
Seite 15 ist nach Besprechung der Pooley'schen Arbeit kurz
erwähnt, dass bewährte Physiker, wie Wüllner von dieser
Methode nur negative Resultate erhalten hatten. Auf Fröh-
lichs Veröffentlichung wird hingedeutet.
Hirschberg besitzt eine in ein gläsernes Rohr einge-
schlossene Nadel, verwendet dieselbe aber nicht
Dass die Magnetnadeln bei kleinen Eisenmassen ganz
unsicher seien, findet sich pag. 52 ausdrücklich ausgesprochen.
Auch Laqueur (1. c.) nimmt an, dass die ingeniöse Me-
thode, die Natur eines fraglichen Fremdkörpers durch Magnet-
nadel-Ablenkung aufzudecken, in der Regel nicht zum Ziele führe.
Von Instrumenten, die officiell zum Nachweis von Eisen-
splittern im Auge angekündigt werden'), ist mir nur eines
bekannt. Dasselbe besteht aus einem Holzgriff mit Metall-
spitze, auf die eine kleine Magnetnadel aufgesetzt werden kann.
Bei ruhiger Hand und grossem Splitter lassen sich gewiss
gelegentlich Erfolge erzielen. Uebrigens war die mir gesandte
Nadel so schwach magnetisch, dass sie selbst auf grösste Splitter
nur in unmittelbarer Nähe reagirte.
") Erbe, Mechaniker, Tübingen.
Das Sideroskop. 285
üeberblicken wii* die verschiedenen Ansichten der
Autoren, so erhellt daraus, dass keine Einigkeit über den
diagnostischen Werth der Nadel besteht, und wenn trotz der
mehr optimistischen Auffassung einzelner die allgemeine
Einfuhrung der Nadel nicht zustande gekommen ist,
so spricht dieser letzte Umstand gegen die imbedingte
Brauchbarkeit der Magnetnadel unter den bisherigen Be-
dingungen.
Alle Experimentatoren, mögen sie nun mit
offen oder gedeckt aufgehängten Nadeln ihre Ver-
suche angestellt haben, wollten unmittelbar mit
dem blossen Auge die Ausschläge der Nadel be-
obachten.
Denselben Irrweg hatte auch ich zuerst betreten, als
es galt, bei einem Schmied festzustellen, ob in dem schwer
verletzten linken Auge ein EisenspUtter sich befinde, oder
nicht
Die Untersuchung mit einem astatischen Nadelpaar
ergab keinen Aufschluss. Selbst unter der Glasglocke, die
natürhch die Annäherung des verletzten Auges etwas er-
schwerte, war es dem Nadelpaar nicht anzusehen, ob eine
Beeinflussung durch das Auge stattfinde.
Im Begriff, ein passendes Gehäuse für die Nadeln zu
construiren, machte mich Herr Geheimer Bergrat Althans
darauf aufmerksam, dass unter den Instrumenten des Berg-
amtes möglicherweise ein für meine Zwecke passender
Apparat vorhanden sei. Ein solcher fand sich in der That
in der Form eines vor Jahren von Dr Edelmann ge-
lieferten, bisher auf dem Bergamt noch nie Tcrwandten
Instrumentes. Zweierlei machten dasselbe oÖenbar tür
unsere Zwecke geeignet:
1) Gestattete dasselbe grosse Annäherung an das all-
s^tig gegen Luftzug geschützte Magnetnadelsjstcm und
2) war dasselbe mit Gauss respective Poggendorffs
Spiegelablesungsvorrichtung versehen, wodurch kleinste Be-
286 E. Asmu8.
wegungen der Nadel mit dem Fernrohr beobachtet werden
konnten, Bewegungen, die das blosse Auge unmittelbar an
der Nadel nicht zu erkennen vermag.
Als wir unter der freundlichen Assistenz des Mark-
scheiders Herrn Bim 1er das verletzte Auge des Patienten
dem Nadelsystem näherten, war mit dem Fenirohr eine
deutliche Ablenkung zu bemerken. Einige Tage darauf
erfuhren wir von Dr. Edelmann, dass dieser Apparat
das „Lamont'sche Magnetoskop" vorstelle und für chirur-
gische Zwecke gebaut wäre. Dasselbe findet sich in etwas
anderer Form beschrieben in Dr. Edelmanns Electro-
technik für Aerzte. Von einer Schilderung des Instru-
ments, dem ich die Spiegelablesung entlehnt habe, sehe ich
ab und verweise auf die eingehende Besprechung im obigen
Werkchen. Da das Lamont'sche Magnetoskop mit Rück-
sicht auf seine allgemein chirurgischen Aufgaben eine
etwas complicirte Construction hat, so versuchte ich mit
möglichst einfachen Mitteln einen speciell für augenärztliche
Zwecke brauchbaren Apparat zu bauen, dem ich den
Namen Sideroskop beilegen möchte. Die bisher damit an-
gestellten Versuche ergaben wirklich ermuthigende ^Resultate.
Die ursprüngliche Form des Instruments, mit dem in den
Fällen 2 bis 17 untersucht wurde, ist folgende:
(Beistehende Figur zeigt dasselbe in J natürl. Grösse
im Durchschnitt. Die Nivellirschrauben a, b, c, sind mit-
gezeichnet, obwohl dieselben nicht in der Durchschnitts-
ebene liegen.)
Ein kleines Holzkästchen trägt in der Mitte der Decke
und in der Mitte jeder Seitenwand eine Durchbohrung.
In die Oeflhung der Decke ist ein 10 cm langes Glasrohr
mit Hilfe von Siegellack vertikal eingekittet Die Vorder-
wand des kleinen Holzhauses ist abnehmbar und zeigt ein
Fenster von geschUffenem Glas, wie man es in Spiegel-
handlungen erhält Unter Zwischenschaltung einer 10 cm
hohen Holzsäule ist der Apparat auf einem Brettchen
Das Sideroskop.
287
befestigt, das durch 3 Messingschrauben nivellirt werden
kann.
Als Untersatz des ganzen dient eine schmale Console
von Holz, die so an einen Thürrahmen, oder an die Wand
geschraubt wird, dass die Front
des aufzustellenden Apparats
nach Westen oder Osten ge-
richtet ist. An diesen Unter-
satz ist der Apparat durch eine
von unten her die Console durch-
setzende Schraube angedrückt.
Eine zwischen Schraubenkopt
u. Consolenplatte eingeschaltete
Spiralfeder') von Messing sorgt
für die nöthige Stabiütät, ge-
stattet aber doch Drehungen um
die vertikale Axe, wodurch die
Einstellung in den magnetischen
Meridian erleichtert wird. Uebri-
gens kann das Instrument sehr
wohl auf jedem beliebigen Tisch
Aufstellung finden.
Das oben beschriebene Käst-
chen dient zur Aufnahme der
Magnetnadel und des Spiegels,
welche beide mit einander ver-
bunden an einem Coconfaden
hängen, der sich in dem ver-
tikalen Glasrohr befindet. Ein Stück Kupferdraht, an
dem der Faden befestigt ist, kann in einem durchbohrten
Korke steckend, in vertikaler Richtung verschoben und
durch eine Elementenklemmschraube fixirt werden. Eine
Fig. 1.
//. Holz. A*. Kork. Q. Olas.
a, 6, c Stellschrauben, d Fixaüons-
sch raube. Sp. Spiegel. SX. Magnet-
nadel.
') Diese Vorrichtung kann in einfacher Weise ersetzt werden
durch ein Gewicht, das man an die Unterseite des Apparates anhängt.
288 £• Aäniii5.
specielle Besprechung verlangt nun ein Theil des Apparate^
von dessen Güte die Brauchbarkeit desselben ^resentlich
abhängt; dies ist nicht die Xadel in erster Linie, wie man
erwarten sollte, sondern der Spiegel. Mit schlichtem, ge-
wöhnlichem Quecksilberspiegel fing ich die Versuche an,
ersetzte denselben später durch einen guten Kehlkopfepiegel,
wodurch die Besultate schon besser wurden, und kam dann
auf das Ideal: einen planparallel geschliffenen Silber-
spiegel. Ein tadelloser derartiger Spiegel *) von runder
Form und 10 mm Durchmesser kostet freiUch 10 Mark.
Doch erhält man von der angegebenen Adresse quadratisch
geschnittene sogen. Bruchstücke von planparallelen Spiegeln,
die sogar für Millimeter- Ablesung geprüft sind, zum Preise
von 1 bis 2 Mark. Die Beobachtimgeu zur Herstellung
der beigegebenen Curven sind mit Hilfe eines solchen
billigen Bruchstücks gemacht. Uebrigeus ^^-ird die Mehr-
ausgabe bei AnschaflFung eines guten Spiegels durch Er-
spamiss compensirt, die man dafür am Fenirohr machen
kann. Ein solches tadelloses planparalleles Spiegelchen
gestattet mit einem kleinen terrestrischen Taschenfemrohr,
wie es die Optiker für 8 Mark liefera, auf 4 m 50 cm die
Ablesung von Millimetern. Man hat nur nötig dasselbe
mit „Fadenkreuz" zu versehen, d. h. auf einen Korkring
mit etwas Klebwachs einen Coconfaden zu spanneu und
diesen Ring an eine passende Stelle des Ocularrohres zu
schieben, so dass man die Scalenstriche und den Cocon-
faden im Femrohre gleichzeitig scharf sieht Dieser ver-
tikal gestellte Faden dient bekanntlich zur Orientirung bei
Beobachtung der Scalenausschläge.
Galilei'sche (Holländische) Femrohre können natür-
lich nicht mit Fadenkreuz versehen werden, weil dieselben
keine reellen Bilder im Bohre entwerfen und weil durdi
das Ocular (Concavhnse) keine Vergrösserung des Fadens
>) 241 4Hri>en 1)61 Magen, Opticus. Berlin, Schanihorststrasse 34a.
Das Sideroskop. 289
bewirkt wird. Mit terrestrischen Fernrohren beobachtet es
sich sehr gut, da dieselben stark yergrössem, weites Ge-
sichtsfeld haben und die Gegenstände aufrecht zeigen, resp.
die Bewegungen in dem Sinne, wie sie wirklich erfolgen.
Dagegen bieten die eigens dazu construirten „Ablesefem-
rohre", die als astronomische die Gegenstände und Be-
wegungen umkehren, den Vortheil, mit Einstellungsvorrich-
tungen des Rohres, des Oculars sowie des Fadenkreuzes
speciell versehen zu sein. Ein sehr gutes derartiges In-
strument auf festem Stativ mit Scalenhalter und Scala,
wie wir es seit kurzem besitzen, kostet bei Schmidt &
Hänsch in Berlin 97 Mark.
Schliesslich hätten wir der Magnetnadel noch einige
Worte zu widmen. Ich habe mich bei sämmtlichen Unter-
suchungen am lebenden Auge mit Ausnahme der beiden
letzten, sowie bei Aufnahme der Curven 3 und 6 einer
Nadel bedient, die ich aus 2 Millimeter starkem deutschen
Bohrerstahl, sogen. Fussstahl, herstellte. Dieselbe ist im
Holzkohlenfeuer bis zur kirschrothen Glut erwärmt, in
"Wasser gelöscht und nun mit einem Hirschberg'schen
Electromagneten gestrichen worden. Von der Mitte an-
fangend, streicht man mit dem Nordpol des Electromag-
neten nach dem einen, mit dem Südpol nach dem anderen
Ende zu. Um sicher die Sättigung des sehr harten Stahls
zu erreichen, strich ich jede Hälfte der Nadel einige Hun-
dert mal, doch genügt schon eine geringere Zahl. Einen
Massstab für die eingetretene Sättigung haben wir an der
Schwingungszahl. Die genannte Nadel machte, wenn sie
aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, 24 Schwingungen
in der Minute. Mehr waren trotz allen Streichens nicht
zu erzielen. Eine gleich grosse und gleich schwere Nadel,
die in derselben Zeit weniger Schwingungen macht, ist
schwächer magnetisch. Da beim Glühen der Nadel
leicht eine Ueberhitzung eintritt, wobei der Stahl „ver-
brennt" (an der Oberfläche raub wird) so lässt man besser
T. Graefe*8 Archiv mr Ophthalmologie. XL. 1. 19
290 ^- Asmus.
die Härtung von einem Instrumentenmacher besorgen.
Verbrannter Stahl nimmt nicht genug Magnetismus auf,
um eine ordentliche Magnetnadel abzugeben. Der Preis
des erforderlichen Stahls beträgt nur wenige Pfennige.
Nach Magnetisirung der Nadel überzeugt man sich durch
Anlegen an einen eisernen Gegenstand von dem unge-
fähren Grade der magnetischen Kraft Die genannte
Nadel von Bohrerstahl trägt bei einem Eigengewicht von
3,5 gr an jedem Pol 9 gr.
Ist die Nadel fertig, so wird zur Befestigung derselben
an den Spiegel geschritten. Da der letztere peinUchst
gegen Druck geschützt werden muss, um ihn nicht zu ver-
biegen, so ist folgende Montirung anzurathen: auf eine
Scheibe guten Korks klebt man 3 kleine Korkstückchen
von Dreieckform derartig auf, dass sie mit einem an der
Spitze angebrachten Einschnitt das Spiegelchen an 3 Punk-
ten leicht fixiren. (Siehe die Skizze S. 287.) Durch die
Korkscheibe hat man vorher eine DrahtschUnge gezogen;
die letztere dient zum Einhängen des Coconfadens, wäh-
rend die freien Drahtenden unten aus der Korkscheibe vor-
ragen und zu 2 kleineu Haken umgebogen werden. In
diese Haken legt man die Nadel so ein, dass sie bei Sus-
pension des Korks horizontal schwebt Die Vortheile dieser
Nadelbefestigung bestehen darin, dass wir das magnetische
Stäbchen leicht entfernen können, sei es, dass eine frische
Magnetisirung wünschenswerth, oder dass eine andere Nadel
angebracht werden soll. Vor allem aber kommt die lose
Befestigung beim Aufstellen des Apparats zu statten; je
nachdem sich beim BUck in den Spiegel Norden zur rechten
oder linken Hand befindet, wird die Nadel mit ihrem Nord-
pol nach rechts oder links in die Haken eingelegt Nun
überzeugt man sich mit Hülfe einer Kerzenflamme vor dem
definitiven Aufhängen, ob das Spiegelbild der Flanmie in
bequemer Höhe zu finden ist: hat der Spiegel zuviel Nei-
g^^g g^g^n die Decke, oder den Fussboden, so muss man
Das Sideroskop. 291
im einen Fall zu hoch mit Scala und Fernrohr, im andern
Fall unbequem tief hinunter. Durch Verlegung des Schwer-
punktes corrigirt man beide Fehler; den ersteren indem die
Drahtschlinge des Spiegelträgers etwas zurück-, den anderen,
indem dieselbe etwas nach vom gebogen wird. Auf
diese Weise erspart man die Anbringung eines excentrischen
Gewichts, das den Apperat complicirt und belastet. Jetzt
wird der Coconfaden mit angeschlungenem Haken in das
Häuschen gehängt, der Spiegel eingehakt und nun die
Nadel mit dem Nordpol nach Norden eingelegt*).
Einige Drehungen um die vertikale Axe richten bald
den Apparat derart, dass die Nadel central in beiden
Seitenöflhungen schwebt, d. h. sich von Norden nach Süden
einstellen kann. Dieselbe ragt natürlich beiderseits einige
Centiraeter vor. Um die Nadel vor Luftzug und Berüh-
rung zu schützen, bedürfen wir zweier Glasröhren. Je
enger dieselben sind und je dünnwandiger, umso näher
können wir mit dem Auge an die Pole heran. Deshalb
versah ich 2 feinste Beagenzröhrchen von 4 mm lumen mit
einer sauber geschnittenen Korkmanschette und drehte die-
selben in die oben erwähnten Korkringe ein.
Eine Dämpfung, d. h. eine Vorrichtung, welche die
schwingende Nadel rasch zur Ruhe bringt, fehlt. Wie bei
dem Lamont'schen Apparat ist sie wegen Ba,ummangels
aus Kupfer nicht gut herzustellen. Von einer Dämpfung
durch schwache electrische Ströme, die durch einen Strom-
wender in passender Weise um die Nadel geschickt werden,
sah ich keinen besonderen Vortheil. Unsere Nadel kann
ja ohnehin wegen der engen Glasrölu:en keine grossen Ex-
cursionen machen und kommt bald zur Ruhe.
*) Das Befestigen des Coconfadens ist etwas schwierig. Wenn
man aber eine schwarze Unterlage wählt und das Ende des Fadens
an ein Stückchen Schwefelholz ansiegelt, so gestattet diese Handhabe
das Knöpfen der Schlinge in bequemster Weise.
19*
292 ^' Asmus.
Nachdem Scala und Femrohr einen geeigneten Platz
im Zimmer erhalten ^ ist der Apparat znm Beobachten
fertig. Man muss bei Au&tellung des Femrohrs Sorge
tragen, dass die Axe desselben möglichst senkrecht znm
Fenster des Apparats steht, weil nnr dann reine Bilder
der Scala erhalten werden. Ein Abstand von 3 — 4 m
genügt
Das Auge des sitzenden Patienten wird nun, nadidem
beide Theile sich eisenfrei gemacht, vom Assistenten einem
der Glasröhrchen genähert Erst die Cornea, dann die
verschiedenen Seitentheile des Bulbus. Eine Kinnstütze ist
nicht nothwendig, wohl ein Sitz, den man je nach Grösse
des Patienten hoch und niedrig stellen kann. Man muss
die Unke Hand fest auf den Kopf des Kranken legen, die
rechte fest unter sein Kinn. Die Daumen halten die Lider.
Ich fiihre das rechte Auge des Patienten gewöhnUch an
das linke Nadelende, das linke Auge an das rechte Nadel-
ende, so dass also das Gesicht des Patienten nach dem
Femrohr hin sieht Es kommt so der Kopf niemals vor
den Spiegel des Apparats. Doch lassen sich auch sehr
wohl beide Pole fiir jedes Auge benutzen. Ueber die
Schlüsse, die wir aus den Befunden zu ziehen berechtigt
sind, sowie über die zu beobachtende Vorsicht, um Täu-
schungen vorzubeugen, soll bei Besprechung der klinischen
Fälle berichtet werden.
VerBuolie mit dem Sideroskop an Patienten.
1) Fall Plachzik.
Ende December 1892 sprang dem Pat. beim Abhauen
einer 'j^ cm starken Stahlstange etwas gegen das linke Auge.
Die Sehkraft erlosch gleich nach der Verletzung.
Aufnahme in die Klinik 1. I. 93.
L. A. Unteres Lid am Rande durch frischen Schnitt
eingekerbt. Beim Blick geradeaus setzt sich die Lidrandwunde
in eine die Sklera von unten innen nach oben aussen hin
perforirende Wunde fort. Dieselbe endet im horizontalen
Das Sideroakop. 293
Durchmesser der Cornea am inneren Rande. Iris innen ab-
gelöst. Mit Augenspiegel kein rothes Licht. S nicht Licht-
schein.
Nachdem die Untersuchung auf dem Bergamt mit dem
Lam entaschen Magnetoscop am 6. und 8. L ergeben hatte,
dass ein Eisensplitter im Bulbus liege, gelang der Nachweis
in der Klinik unter folgender Anordnung des Versuches: Nadel
(Bj) 3,5 gr schwer, durchweg 2 mm dick, 11 cm lang, aus
deutschem Bohrerstahl. Kehlkopfspiegel mit Fassung und
Moutur für die Nadel 4 gr schwer. Abstand vom Spiegel bis
zur Centimeter- Skala 5,8 m. Terrestrisches Taschenfernrohr,
dem bei den 6 ersten Fällen ein auf den Tisch gestellter
Stuhl als Stativ diente. Als Gehäuse benutzte ich damals eine
Glasglocke, deren Wand dem Südpol der Nadel stark genähert
war. Natürlich machte das Heranführen des Auges einige
Schwierigkeiten.
Bei Annäherung an diesen primitiven Apparat am 18. L
erfolgte stärkster Ausschlag, wenn Pat. den äusseren Augen-
winkel der Nadel nahe brachte. Die 10 cm lange Skala ver-
schwand dabei aus dem Gesichtsfelde. Genauere Untersuchun-
gen behufs exacter Localisation des Splitters waren nicht mög-
lich wegen der ungeschickten Form des Apparats.
Am 25. L Enucl. bulbi in Narcose.
Bei der Section findet sich links unten nahe der Median-
linie ein Stahlsplitter von 0,17 gr Gewicht.
2) Fall Krause.
Verletzung des R. A. am 5. December 91 beim Meissein
von eiserneu Trägern. Gleich darauf sah Pat. mit dem r. A.
nicht mehr. Eine Stunde nach dem Unfall soll ein vergeb-
licher Versuch den vermutheten Splitter mit Electromagneten
zu extrahiren gemacht worden sein. Seitdem immer wieder-
kehrende Entzündungen des betreffenden Auges und unzählige
Atteste !
Aufnahme in die Klinik am 8. II. 93.
R. A. Zarte pericorneale Injektion. Unten aussen im
Limbus corneae beginnend, eine 4 mm lange lineare Narbe,
die nach oben innen in die Cornea zieht. Kammerwasser trüb,
Iriszeichnnng verwaschen, Iris rostbraun verfärbt. Vorderer
Cortex bis unter die Kapsel in Sectoren getrübt, kein rothes
Licht mit Augenspiegel! S = Lichtschein (Kerzenfiamme nur
in 15'), Projection unsicher. Bei Annäherang des Auges an
294 ^- Asmus.
das Sideroskop, welches inzwischen die ohen (pag. 287) ge-
schilderte Form erhalten hatte, aber noch mit dem schweren
Kehlkopfspiegel ausgerüstet war, erfolgte eine Skalenverschie-
bung von 4 cm. Genauere Localisation ist leider damals nicht
versucht worden. Am 17. II. Enucl. bulbi dextri. Die Sec-
tion ergiebt die Anwesenheit eines 0,02 gr schweren Eisen-
splitters, der unten in Chorioidealschwarten fest eingebettet
liegt. (Maasso des Splitters: Länge 7 mm, Breite 3, resp.
2 mm, Dicke 0,5 mm.)
3) Fall Knauer.
Pat., ein Schreiner, erlitt am 20. I. 93 eine Verletzung
des R. A. als er mit einem Hammer auf eine Feile schlug,
die ihm zum Vertiefen der Nagelköpfe diente. Sofort nach
der Verletzung wurde „das Auge trüb". Status praes.
21. I. 93. Oben aussen in der Cornea feine lineare Narbe
0,5 mm lang; in der vorderen Linsenkapsel aussen kleine
dunkle Stelle, die sich als Riss erweisst. Kleine Trübung an
der hinteren Linsenfläche, etwas tiefer. Aufn.. 24. I. 93.
Cortex inzwischen in Sectoren getrübt. Aussen kleine hintere
Synechie. Hintergrund nicht zu erleuchten. Kein Fremdkörper
sichtbar.
Die Untersuchung mit dem Sideroskop giebt keine Ab-
lenkung, auch nicht nach Bestreichen des Bulbus mit einem
Magneten. Erst 5 Monate später gelingt der Nachweis eines
Fremdkörpers bei einer unter etwas anderen Bedingungen an-
gestellten Beobachtung. Wir kommen auf das Nähere weiter
unten zurück.
4) Fall Schmidt.
Pat. erlitt am 30. VI. 92 eine Verletzung des R. A., in-
dem ihm beim Abhauen eines Eisenstückes mit Meissel und
Hammer ein Fremdkörper dagegen flog. Eine halbe Stunde
darauf Aufn. in die Klinik.
Oberhalb des horizontalen Meridians findet sich im oberen
inneren Quadranten des Bulbus eine fast 5 mm lange, scliarf-
randige perforirende Wunde der Bulbuswand, aus der sich
Glaskörper entleert. Mit Augenspiegel erkennt man oben
innen, etwa im 45. Meridian, in einer Entfernung von circa
10 mm vom Hornhautrande, einen schwarzen, runden Fremd-
körper, in der Mitte stark glänzend. Durch einen in der
Gegend desselben ausgeführten Schnitt wird der Hirschberg-
sche Electromagnet etwa 10 mal eingesenkt, ohne dass ein
Das Sideroskop. 295
Splitter entfernt worden wäre. Entlassung afki 17. VIT. mit
starken Glaskörpertrfibungen nnd Snblatio retinae in der
unteren 'Hälfte. Vom Fremdkörper ist nichts zu sehen.
S = Handbewegungen. Als sich am 19. IL 93 der Pat. wieder
vorstellte, wird das R. A. dem Sideroskop genähert. Es er-
gab sich ein Skalenausschlag von 1 cm bei Annäherung der
äusseren, eine von 10 cm bei Annäherung der inneren Bulbus-
hälfte; dabei war auch roakroscopisch eine Nadelablenkung zu
bemerken. Der Fremdkörper war nicht sichtbar.
5) Fall Matzelt.
Pat. wird am 24. IL 93 wegen Herpes corneae oculi d.
aufgenommen.
1870 war dem Manne beim Mühlsteinschärfen etwas gegen
das R. A. geflogen. Aus der damaligen Zeit findet sich eine
poliklinische Notiz: „hinter dem untersten Theil der Linse
sieht man mit dem Augenspiegel ein hirsekorngrosses, metall-
glänzendes Stück'^ — Die Sehkraft nahm stetig ab. Am
1. IX. 71 wurde nachgetragen: Cataracta traumat., Iritis.
Linse gelblich getrübt, undurchsichtig, leichte episclerale In-
jection. —
Jetzt nach 22 Jahren fanden wir Irisschlottern, eine kaum
2 mm weite, auf Atropin nicht reagirende Pupille. Mit Augen-
spiegel kein Licht zu erhalten. Die Untersuchung mit
dem Sideroskop ergab bei Annäherung des R. A. ^2 ^™
Skala Verschiebung. Beim Entfernen des Auges kehrte die
Skala auf den 0 Punkt zurück. Bei dem Spiegel-Skalenabstand
von 5,8 m entspricht dieser Skalenausschlag einem Winkelwerth
von 0® l' 29" (Groenouw).
6) Fall Weniger.
Verletzung des R. A. beim Hämmern auf Stahl im Jahre
1875, wo am 23. XII. im Journal eingetragen wurde: „heute
flog dem Pat. ein Stück Gussstahl in's r. Auge. Cornea innen,
ganz nahe am Rande in 1 mm Ausdehnung durchschlagen;
Iris dementsprechend durchtrennt, am Linsenrande schwärzliche
Stelle sichtbar.'^ Sodann sind Glaskörpertrübungen erwähnt^
nichts von einem Fremdkörper. Nachdem sich Pat. 1877 und
1885 noch einmal vorgestellt hatte — inzwischen mit Cata-
racta accreta — erfolgte am 17. IL 93 Aufnahme in die
Klinik wegen heftiger Entzündung des r. A. Diagnose: R. A.
Iritis, Hypopyon, Strab. diverg., Amaurosis. Pupille 2 mm
weit^ nicht zu dilatiren. Kein rothes Licht mit Augenspiegel.
T.— 1.
296 E. Asmus.
Die Untdrsuchang des K A. mit dem Sideroskop
nach Bestreichen des Bulbus mit einem Magneten, ergab einen
Skalenausschlag von ^/^ — 1 cm je nachdem Pat bei An*
näherung mit der unteren Bulbusparthic an die Nadel nach oben
sah. Wie immer wurde zur Controle das gesunde (linke)
Auge ebenfalls an die Nadel gebracht und merkwürdiger Weise
erfolgte hin und wieder eine zweifellose Ablenkung, die manch*
mal stärker war, als die durch das verletzte Auge verursachte.
Wir bezogen dieselbe auf feine Eisensplitter im Bart und Haar.
Als dieselbe aber auch nach sorgfältiger Reinigung des Haares
bestehen blieb, wurde eine magnetische Störung angenommen
und weitere Versuche auf einen anderen Tag verschoben.
Dennoch änderte die Nadel ihr Verhalten nicht. Da erst
stellte ein darauf gerichtetes Verhör die Sache klar: Patient
hatte vor 10 Jahren links am Kinn eine Eisensplitterver-
letzung erfahren. Daselbst war ein Fremdkörper eingeheilt,
der die Nadel ablenkte! Je nach der Art der Annäherung
des gesunden 1. A. beeinflusste die betreffende Stelle die Nadel
mehr oder weniger. Am 13. II. 93 erfolgte die Enucleatio
bulbi, nachdem inzwischen spontan ein Hypbaema aufgetreten.
Der enucleirte Bulbus wird dem Sideroskop genähert; das
Centrum corneae lenkt dabei die Skala um ^/^ cm ab; bei
stärkerer Drehung des Bulbus nach oben verschwindet die
Skala aus dem Gesichtsfeld.
Bei der Section findet sich nach längerem Suchen am
Boden des Auges hinter dem Corpus eil. fest eingebettet ein
sehr stark verrosteter Eisensplitter von folgenden Dimensionen:
Länge 2,5 mm, breites Ende 1 mm, schmales Ende 0,5 mm,
Dicke kaum 0,5 mm. Leider geht die Spitze vor dem Wiegen
verloren; der Rest wiegt 1 mgr, wovon ein grosser Theil auf
Oxyd zu beziehen. Der Splitter enthält nämlich so wenig
metallisches Eisen, dass er an einen ihm genäherten kräftigen
Magneten nicht heranspringt, wie andere kleine Splitter, sondern
erst bei Berührung an demselben haftet!
7) Fall Weyrich*. (Diesen, sowie die übrigen mit *
markirten Fälle, verdanke ich der Güte des Herrn Professor
Magnus, der mir dieselben zur Untersuchung sandte.)
Verletzung des 1. A. am 18. Oktober 92 beim Bearbeiten
von Eisen mit dem Hammer. Angeblich starke Blutung aus
einer Skleralwunde oben aussen von der Cornea. Zwei Tage
später vergeblicher Versuch von Seiten des Herrn Prof. Mag-
Das Sideroskop. 297
BUS mit dem Electromagneten einen oben aussen vermutheten
Fremdkörper zu extrahiren.
Heute am 7. III. 93 sind die brechenden Medien klar,
die Papilla optica ist normal. Wenn Pat. nach oben aussen
sieht, gewahrt man mit dem Augenspiegel auf dem Hinter-
grund eine schmale graue Stelle von doppeltem Papillendurch-
messer, nicht deutlich prominent. An diese schliesst sich nach
innen unten eine blendend weisse, wetzsteinförmige Figur an,
die sicher nicht prominent erscheint. Wird der Bulbus mit
der geschilderten Region der Nadel genähert, so er-
folgt ein Skalenausschlag von > 4 cm, ein weit geringerer,
wenn die innere Bulbuswand herangebracht wird. Nach Be-
streichen mit Magneten ist die Ablenkung nicht stärker, da
wohl durch die Magnetextractionsversucho der Splitter gesät-
tigt ward.
8) Fall Feisthauer*).
Im Mai 1892 1. A. beim Meissein von Granit verletzt.
Ein Splitter oder Steinstück soll im Bulbus nicht gesehen
worden sein. Jetzt findet sich in der 1. Cornea oben aussen
eine nach rechts convexe 3 mm lange lineare Narbe. Iris
nicht verfärbt. Oben aussen 1 hintere Synechie. Auf dem
vollständig getrübten vorderen Coitex innen unten 2 feine
bräunliche Streifchen. Die Untersuchung mit dem
Sideroskop (13. lil. 93). Bei Annäherung der äusseren
Bulbushälfte, wenn Pat. stark nach innen sieht, erfolgt eine
Skalenverschiebung von 2,5 cm. Keine Ablenkung durch das
gesunde Auge. Am 18. HI. 93 Enucleatio bulbi sin. Nach
dem Aufschneiden des Auges erscheint in dem ausfliessenden
Glaskörper ein kleiner Stahlsplitter. Gewicht 7 mgr, Länge
2,5 mm. Breite in der Mitte 1,5 mm, Dicke 0,5 mm. In
welcher Hälfte derselbe gesessen, lässt sich nicht mehr be-
stimmen. N. B. Eine ausführliche, in allen Meridianen ausge-
führte Untersuchung mit Notirung der Ausschläge in Milli-
metern, wie dies später stets geschehen ist, hätte eine an-
nähernd genaue Localisation des Splitters ergeben. Freilich
braucht man manchmal 1 — 2 Stunden zu einer derartigen Be-
stimmung. Die erste genaue Untersuchung muss vor Magne-
tisirnng des Fremdkörpers, die zweite nach derselben er-
folgen.
9) Fall Zobel.
Verletzung des r. A. am 30. XII. 89 beim Meissein von
Rothguss. Keine grossen Beschwerden danach. Erst am
298 ^- Asmus.
1. I. 90 sachte Pat. wegen Lichtscheu und Schmerzen einen
Arzt auf. Aufn. in die Klinik am 13. I. 90.
Aus der langen Krankengeschichte sei nur kurz mitgetheilt,
dass damals oben aussen in der Cornea eine horizontale Narbe
von 2 mm Länge, sowie 4 hintere Synechieen entdeckt wurden.
Auf der Linsenkapsel feine braune Beschläge. Glaskörper
stark getrübt. Drei Papillenbreiten nach aussen vom Seh-
nerveneintritt,-etwas unterhalb des horizontalen Meridians be-
merkte man ein strangartiges, bläulich graues Gebilde, das
nach vorne zieht und allmählich* breiter wird. Dasselbe ist
am 10. IL als papillengrosse, längliche gelbweisse Stelle
(Fremdkörper?) beschrieben. Von der Natur des fraglichen
Fremdkörpers heisst es, dass derselbe entweder Rotbguss
(Messing) oder Stahl von dem benutzten Meissel sei. Vier
Jahre nach der Verletzung, am 20. III. 93 besuchte Fat. zu-
fällig die Klinik mit vollständig getrQbter Linse rechts.
Die Untersuchung mit dem Sideroskop ergab folgen-
des; R. A. Bei Annäherung der inneren Bulbusbälfte Ver-
schiebung der Skala um 1 cm; makroskopisch ist keine Nadel-
bewegung zu sehen. Wird der Boden des Bulbus herange-
führt, so beträgt der Skalenausschlag 3 cm, bei Annäherung
der äusseren Bulbuswand dagegen 5 cm, wobei mit blossem
Auge eine leichte Bewegung der Nadel zu bemerken ist.
10) Fall Logisch.
Am 23. III. 93 sprang beim Zerschlagen von Steinen
mit dem Hammer angeblich ein Steiusplitter gegen das linke
Auge.
Drei Tage später erfolgt die Aufn. in die Klinik. L. A.
Massige pericorneale Injection. Hornhaut klar. Im Centrum
5 mm lange lineare Wunde. Drei hintere Synechieen. Linse
vollkommen grau getrübt, stark quellend. Das Sideroskop
ergab bei Annäherung des 1. A. eine Skalenablenkung bis zu
Va cm oder 0^ T 29" ^ Werth, da der Spiegel- Skalenab-
stand 5,8 m betrug. Die Stelle des Splitters konnte damals
auch nach Bestreichen des Auges mit dem Electromagneten
nicht bestimmt werden. Bei der am 5. IV. vorgenommenen
Ablassung der gequollenen Staarmasse wurde kein Fremdkörper
entleert. Leider ist der Fat., der am 2. V. mit ziemlich
viel Linsenresteu im Pupillargebiet die Klinik verliess, nicht
mehr zu einer Untersuchung erschienen. Heute würde viel-
leicht mit dem inzwischen verbesserten Apparat und der
grösseren Erfahrung eine Localisation des Splitters gelingen. —
Das Sideroskop. 299
11) Fall Winter.
Am 2. IV. 93 flog dem Fat, als er mit einem Hammer
auf £isen schlag, ein „Funken'^ gegen das 1. A., das sich am
folgenden Tage verdunkelte. Aufn. 8. IV. 93.
Links Kopfschmerz; pericorneale Injection. In der Cornea
innen üher den horizontalen Meridian, 3 mm vom Limbus ent-
fernt, vertikale 1 mm lange lineare Narbe. Dahinter in der
Iris feines rundes Loch. S = Lichtschein. Wie gewöhnlich
glaubt Fat. nicht, dass ein Fremdkörper im Bulbus sei, da das
Auge nicht schmerze.
Untersuchung mit dem Sideroskop. Wenn das
1. A. bei herabgezogenem unteren Lide und nach oben gerichteten
Blick in der Medianlinie an die Nadel geführt wird, so erfolgt
die stärkste Ablenkung = 2 — 3 cm Skalenverschiebung. Bei
Annäherung der Cornea ist dieselbe nur 0,5 cm, bei Annähe-
rung der inneren oder äusseren Bulbushälfte 0,25 cm. Als
Fat. am 29. IV. 93 entlassen wurde, waren weder Details des
Hintergrundes, noch ein Fremdkörper zu sehen.
12) Fall Sucker.*)
Verletzung des 1. A. am 7. X. 91, als sich Fat. in der
Werkstatt bückte, indem vom Werkzeug eines Mitarbeiters
etwas gegen das Auge flog. Drei Tage später legte ein aus-
wärtiger College oben innen eine Iridectomie an. Von einer
Splitterextraction weiss Fat. nichts.
Seitdem stellten sich häufig Entzündungen des 1. A. ein.
Am 13. V. 93 wurde F. zur Untersuchung mit dem Side-
roskop gesandt.
L. A. Cornea klar, centrale vertical gestellte 4 mm lange
feine Narbe. Iris grünlich-braun, rechts blau. Iriscolobom
oben innen. Vorderer Cortex in Sectoren getrübt, unten feine
braune Beschläge auf der Kapsel.
Untersuchung mit dem Sideroskop.
Nadel und Fernrohr wie oben, aber plauparallel ge-
schliffener Spiegel, mit Korkfassung 0,27 g schwer. Dadurch
war die Nadel 3,73 g Ballast los geworden. Ausserdem
konnte jetzt die Millimcterskala eingeführt werden.
Spiegel -Skalenabstand = 3 m.
1) Beobachtung ohne Magnetisirung des Fremdkörpers:
Eine Ablenkung erfolgt nur, wenn Fat. nach aussen sieht und
die innere Bulbushälfte der Nadel genähert wird.
300 £• Asmus.
Der horizontale Meridian lenkt bei dieser Blickrichtung
schon in etwa 1 cm Entfernung die Skala um 4 mm ab. Bei
zunehmender Annäherung? verschwindet schliesslich die Skala
aus dem Gesichtsfeld (=>100 mm Ausschlag).
2) Nach Magnetisirung des Fremdkörpers erfolgt schon
bei 1 cm Abstand der Bulbuswand von der Nadel eine Ab-
lenkung der Skala von 6 mm. Auf Grund dieser Beobach-
tungen wurde angenommen: 1) der Splitter ist sehr klein;
2) derselbe liegt der Bulbuswand nahe; 3) sein Sitz ist innen,
wahrscheinlich im horizontalen Meridian. Nachdem Herr Pro-
fessor Magnus am 16. V. 93 die Enucleation vorgenommen,
wurde mir der Bulbus freundlichst überlassen.
Vor der Scction brachte ich das enucleirte Auge bis auf
3 mm an die Nadel heran und konnte bei Annäherung des
Corneacentrum makroskopisch eine ganz schwache Bewegung
constatircn; eine deutliche Ablenkung erfolgte, wenn genau
die innere Hälfte im horizontalen Meridian genähert wurde.
Bei der nunmehr erfolgenden Section des Bulbus war ich
darauf bedacht, den Splitter in seiner Lage zu erhalten. Die
Eröffnung geschah deshalb in der Art, dass in die äussere
Bulbuswand ein kleines Fensterchen geschnitten wurde, von
dem aus das Auge sich durchleuchten Hess. Dabei sah man
an der Innenfläche der inneren Wand hinter dem Corpus
ciliare im horizontalen Meridian eine dreieckige graue Pro-
minenz, aus der mit Hilfe einer Pincette ein kleiner, sehr
fest haftender Eisensplitter herausgezogen werden konnte. Der-
selbe wog weniger als 1 mgr und hatte etwa die Form
einer Feuersteinpfeilspitze. Länge fast 2 mm, breiteste Stelle
fast Vä ™'"- ^^r Splitter ist stark magnetisch.
13) Fall Primke*.
Im October 1892 flog dem Patienten ein Splitter ins
linke Auge als er mit einem Meissel Gussstahl bearbeitete.
Er zog einen angeblich 1 cm langen, nadeiförmigen Fremd-
körper selbst aus dem Auge heraus und sah bis Januar ziem-
lich gut.
Seitdem verschlechterte sich das Sehen und es traten
häuflg Reizerscheinungen auf. Ein Arzt, der den Patienten
früher untersuchte, soll im Auge keinen Fremdkörper ent-
deckt haben. Im April aber wurde ihm gesagt, dass noch
Eisen im Auge sei und eine vergebliche Magnetoperation vor-
genommen.
Das Sideroskop. 301
Jetzt am 25. Y. 93 fand sich folgendes: L. A. Cornea
ohne Verletzung. In der Sklera unten innen 3 mm vom Cor-
nealimbns entfernt eine kleine etwas pigmentirte Delle. Iris
bräunlich verfärbt (R. blau); hintere Synechieen. Linse weist
einige zarte Speichen auf. Innen, unten auf der vorderen
Linsenkapsel 4 mm lange bräunliche Auflagerung. Mit Augen-
spiegel keine Details sichtbar.
Untersuchung mit Sideroskop.
Planparalleler Spiegel. Millimeter-Skala. Spiegel-Skalen-
abstand 3,60 m. Das angewandte terrestrische Taschenfem-
rohr gestattete auf diese Entfernung noch '/, mm zu schätzen!
Nadel wie oben.
1) Skalenausschlag bei Annäherung der Cornea
50 mm nach rechts
2) „ ,, „ „ äusseren Bulbuswand
> 100 mm nach rechts
3) „ fy „ f, inneren Bulbuswand
45 mm nach links
4) „ „ „ „ unteren Bulbuswand
bei herabgezogenem unteren Lid und
stark nach oben gerichtetem Blick ergab
verschiedene Resultate: z. B. a) erst 5mm n. rechts
dann plötzlich starker Ausschlag > 100 mm n. links
b) erst 10 mm n. links
dann plötzlich 45 mm n. rechts
Auf Grund dieser Beobachtungsresultate wurde
angenommen, dass unten im Bulbus ein länglicher
Stahlsplitter quer liege.
Nachdem ich am 27. V. 93 den durch Herrn Prof. Mag-
nus enuclcirten Bulbus erhalten hatte, eröffnete ich denselben
vorsichtig von oben und fand genau in der Medianlinie etwa
5 mm hinter dem corp. eil in eine weissliche Schwarte ein-
gebettet einen zwar querliegenden, aber keineswegs sehr langen
Stahlsplitter von 3 mgr Gewicht und folgenden Dimensionen:
Länge 2 mm, Breite etwa 1 mm, Dicke ^/^ mm. Derselbe ist
sehr magnetisch und kehrt sein rundliches Ende stets dem
Südpol des Magneten zu, sein mehr spitzes dem Nordpol.
14) Fall Kozeber.
Dieser bietet wie Fall 16 (Seidel) ein besonderes
Interesse, weil die Extraction des nachgewiesenen,
nicht sichtbar gewesenen Fremdkörpors gelang.
Am 26. y. 93 morgens flog etwas gegen das rechte Auge
des Patienten, als derselbe mit Hammer und Meissel eine
302 £• Asmus.
Vs zöllige Schraube durchschlagen wollte. Gleich darauf wurde
es schwarz yor dem betreffenden Auge. Gegen Mittag des-
selben Tages wird Pat. in die Klinik aufgenommen.
St. pr. Am unteren Ltdrande 4 mm vom Thrftnenpunkt
entfernt oberflächliche Risswuude. Wenn Pat geradeaus sieht,
bildet eine verticale 4 mm lange Wunde am inneren Rande
der Cornea die Fortsetzung der genannten Lidverletzung. Uyp-
hacma von 5 mm Höhe. Pupille etwas nach links verzogen.
Mit Augenspiegel kein rothes Licht. S = Uandbewegungen.
Die an demselben Tage nach Magnetisirung des vermutheten
Fremdkörpers vorgenommene Untersuchung mit dem Side-
roskop bei Versuchsanordnung wie oben, ergab:
1) Bei Annäherung an die Nadel mit geschlossenen Lidern
Skalenausschlag > 5 mm n. links
(Anziehung der Nadel)
2) „ ,, „ ,, „ mit unterer äusserer Bulbusparthie
Skalenausschlag > 5 mm n. links
3) „ „ „ „ ,, mit innerer Bulbushälfte
Skalenausschlag 21mm n. links
4) „ „ „ „ „ mit unterer Bulbusparthie
Skalenausschlag 15 mm u. links
Makroskopisch war der Nadel ein leichtes Schwanken anzusehen.
Am folgenden Tage (27, V. 93) schritt Herr Geheimrath
Förster zur Extraction des Fremdkörpers. Das Auge wurde
gut coca'inisirt, mit einem Skalpell unter dem horizontalen
Meridian die Sklera durchschnitten und das gebogene Ansatz-
stück des Hirsch her g'schen Electromagneten etwa 7 mal ein-
gesenkt, ohne dass das Anschlagen eines Fremdkörpers gehört,
oder ein solcher zu Tage gefördert worden wäre. Bei einem
nochmaligen etwas tieferen Eingehen jedoch, folgte dem Elec-
tromagneten ein Eisensplitter. Die Wunde, aus der sich wenig
Glaskörper entleert hatte, wurde mit Jodoform bestreut und
beide Augen verbunden.
Die Heilung verlief glatt, so dass der Pat. nach 17 Tagen
entlassen werden konnte. Er hatte noch viele Glaskörper-
trübungen, und Details des Hintergrundes waren nicht zu
sehen.
S mit (+ 6) Sn V in 5" als Kleinstes. Wie weit sich
das Sehen bessern wird, oder ob eine Sublatio retinae ein-
tritt, lässt sich vorläufig nicht sagen.
Der extrahirte myrthenblattförmige stark magnetische
Splitter wiegt 14,5 mgr, ist 5 mm lang, 1,5 mm breit,
0,5 mm dick.
gegen kein Fremdkörper f S ^
Das Sideroskop. 303
15) Fall Schlicht.
Pat., der im Oktober 1884 eine Verletzung des r. A.
erlitten, als er mit einem Hammer auf Stahl schlug, kam erst
im April 85 in Behandlung der Klinik. Damals fand sich
oben in der Cornea eine lineare, verticale, 1,5 mm lange
Narbe. Oben eine hintere Synechie. Pupille nach innen oben
verzogen. Linse fast ganz getrübt.
Am 25. IV. 85 Extr. lin. periph., worauf am 8. V. die
Pap. opt. durch eine Lücke im Nachstaar zu sehen war, da-
20\
50/
Diese leidlich gute Sehschärfe ging aber im Laufe der
letzten Jahre allmählich zurück unter häufig recidivirenden
Entzündungen des r. A.
Am 31. V. 93 stellt sich Pat. wieder mit pericorn-Injec-
tion des r. A, Thränen und leichter Ciliarneurose vor. Mit
Augenspiegel kein rothes Licht zu erhalten.
Bei dem Versuche mit dem Sideroskop nach Bestreichen
des Bulbus mit einem Electromagneten, die Anwesenheit eines
Fremdkörpers nachzuweisen, erhielten wir nur bei Annäherung
der innern Hälfte des r. A. einen Skalenausschlag. Derselbe
betrug 1 — 3 mm (Spiegel -Skalen Abstand 445 m) und zwar
im Sinne einer Abstossung der Nadel.
Zur Beobachtung benutzten wir ein Ablesefernrohr von
Schmidt & Hänsch, Berlin, welches für diese Zwecke ange-
schafft wurde.
Den ^ Werth berechnete Herr College, Groenouw in
diesem Falle auf 0« 0* 49",5.
Nachdem, wie wir sahen, 14 mal in 15 Fällen der Nach-
weis der Splitter gelungen, beschlossen wir den einzigen nega«
tiven Fall (No. 3, Knauer) noch einmal mit dem inzwischen
durch besseren und zugleich leichteren Spiegel leistungsfähiger
gemachten Apparat zu untersuchen.
Dies geschah mit Rücksicht auf den offenbar sehr kleinen
Splitter Nachts, wo keine Erschütterungen des Hauses die Be-
obachtungen stören. In der That glückte der Versuch. —
Die Fernrohrbeobachtung übernahm unsere 2. Wärterin
mit gutem Geschick sowohl in diesem als in den später auf-
geführten Fällen. Es ist ein grosser Vorthoil, wenn eine
Person auf die Fernrohrablesuug eingeschult ist, die man stets
zur Haud hat.
304
£. Asmus.
Die Untersuchung ergab folgendes: (Spiegel-Skala 4,60 m).
Bei Annäherung mit geschlossenen Lidern erfolgte keine Ablenk.
„ „ „ unterer Bulbushälfte „ „
„ „ ,, äusserer „ „ „
„ „ „ innerer „ jedesmal 2 mm Skal- Abi.
(45" ^ Werth.)
16) Fall Adam Seidel*).
Da bei diesem Pat. die Extraction des Splitters ge-
lang und auch die vorhergegangene Untersuchung mit dem
Sideroskop systematisch gemacht wurde, so darf ich
wohl diese Beobachtung besonders hervorheben und gewisser-
massen als ,;Muster^^ empfehlen.
Am 20. VI. 93 wurde das 1. A. beim Meissein von Guss-
eisen verletzt und die Sehkraft nahm bald darauf ab. Ob ein
Splitter im Auge ist, weiss Pat. nicht. Jetzt am 1. VII. 93
findet sich innen im horizontalen Meridian des etwas gereizten
1. A. hart am Limbus eine 2 mm lange verticale Hornhautnarbe.
Dahinter, etwas weiter nach aussen ein Schlitz in der
Iris. Hintere Synechie am inneren Pupillarrand. Linse diffus
getrübt. Von einem Fremdkörper oder Oxyd nichts zu sehen.
Untersuchung mit dem Sideroskop (1. VH. 1893).
Versuchsanordnung: Nadel 2 mm stark, 11 cm lang,
2,725 gr schwer, von Bamberg, Friedenau bei Berlin. Plan-
parallel-Spiegel von Magen, Berlin. Fernrohr Schmidt &
Hänsch. Spiegel- Skalenabstand 3,70 m.
Das Auge wurde 1) vor Magnetisirung 2) nach Magne-
tisirung des Fremdkörpers an den Apparat gebracht.
I Magnetisirung des Splitters
Resultat:
Bei Annäherung mit geschlossenen Lidern
Skalenaussclilag
Bei Annäherung mit unterer Bulbushälfte
Skalenausschlag
Bei Annäherung mit äusserer Bulbushälfte
Skalenaussclilag
Bei Annäherung mit äusserer -unterer -hin-
terer Bulbusi)arthie Skalenausschlag . .
Bei Annälierung mit innerer Bulbushälfte
Skalenausschlag
Bei AnnähcninfT mit oberer Bulbushälfte
Skalenausschlag
1 mm
3-6 „
1 „
4-6 „
nach
4 mm
20 „
14 „
Beginn des Aus-
schlags bei 2 cm
Abstand d. Auges
von der Nadel.
>30mm
Das Sideroskop. 305
Auf diese Befunde hin wurde folgendes angenommen:
1) es ist sicher ein Stahlsplitter im Bulbus 2) derselbe ist zu
den kleinen zu rechnen, weil vor Magnetisiren desselben
keine Ablenkung erfolgte, wenn die innere Bulbushälfte ge-
nähert wurde!
Ein nicht magnetischer Splitter von 5 mgr Gewicht bei-
spielsweise, lenkt quer oder schräg durch den Bulbus hindurch
eine Nadel, wie sie hier zur Verwendung kam, um mindestens
2 mm ab. (Cfr. Curventafel.)
Es darf daher das Gewicht des Splitters im Falle Seidel
unter 5 mgr geschätzt werden.
3) Der Fremdkörper sitzt wahrscheinlich im unteren
äusseren Quadranten ziemlich weit hinten. Zu der letztereu
Annahme berechtigte folgende Betrachtung. Wir hatten ge-
sehen, dass trotz stärkster Drehung des Auges der Sttdpol
unserer Nadel von dem Splitter immer angezogen, nicht aber
schliesslich abgestossen wurde. Wir wussten ferner, dass der
Splitter klein und dass derselbe sehr kräftig magnetisch
geworden war. Wenn also trotz dessen die Nadel nicht in
den Bereich des zweiten Pols des Splitters zu bringen war,
so musste der Fremdkörper der Wahrscheinlichkeit nach weit
hinten sitzen, oder man müsste annehmen, dass derselbe zu-
fällig genau vertical zur Bulbuswand stehe.
Es geht aus dieser Betrachtung hervor, dass es jedenfalls
vortheilhaft ist, erst vor Magnetisirung der Splitter genau zu
untersuchen.
Uebrigens gelingt es nicht immer, die Fremdkörper so
stark magnetisch zu machen, dass ihre Pole die gleichnamigen
Pole der Nadel abstossen, vielmehr wird bei nicht kräftig
magnetisirbaren Splittern deren Magnetismus durch den der
Nadel umgekehrt. In diesen Fällen nimmt die Grösse der
Ausschläge nach Bestreichen des Bulbus mit dem Elektromag-
neten nicht sonderlich zu (vergl. Fall 17, Gebauer). Eine
Umkehrung des ganzen Splitters ist, wie mich Versuche ge-
lehrt haben, selbst im verletzten Glaskörper unmöglich, mag
auch die magnetische Kraft sowohl des Magneten wie des
Splitters eine grosse sein. Von den mächtigen Magneten wie
^e Haab und Schloesser anwandten abgesehen. Uebrigens
?. Graefe's Archl? für Ophthalmologie. XL. 1. 20
306 E. Asmns.
bezieht sich diö grosse Fernwirkang dieser Magnete auf Split-
ter über 10 mg Gewicht.
Am 6. Vir. 1893 17 Tage nach stattgehabter Verletzung
nnternahm Herr Professor Magnus in meiner Gegenwart die
Kxtraction des Splitters.
Das verletzte linke Auge wurde gut cocalnisirt und bei
nach oben innen gerichtetem Blick die Conjunctiva bulbi von
der Sehne des M. rect. ext an nach unten aussen in 1 cm
Länge durchtrennt. Sodann erfolgte die Eröffnung des Bulbus
durch einen 5 mm langen Schnitt. Während jetzt die Ränder
der Skleralwunde mittelst zweier Häkchen auseinander gezogen
wurden, senkte der Operateur die Kuppe des gebogenen An-
satzstücks des Electromagneten ein, unter leichter Sondirung
nach hinten. Bei dem Herausziehen sitzt plötzlich ein kleines
Splitterchen an einem der Häkchen. Die Coigunctivalwunde
wurde mit 2 Nähten geschlossen. —
Das Gewicht des Splitters beträgt 3 mgr, seine Länge
2 mm, breites Ende fast 1 mm, spitzes Ende fast 0,5 mm,
Dicke fast 0,5 mm. Der Splitter ist sehr stark magnetisch
und stösst mit seinen Polen die gleichnamigen Pole der Mag-
netnadel ab. In derselben Weise erfolgte die Extraction eines
genau localisirten Splitters bei Pat. Jerschke (Fall 24) am
6. L 94, sowie bei Pat. Reinsch (Fall 26) am 27. L 94;
Gew. = 35 mg. Beide durch Prof. Magnus. Eine Extrac-
tion (Fall 20) misslang, trotz Localisation, wohl wegen Fixa-
tion des Splitters durch Exsudatmassen.
17) Fall Gebauer.
Verletzung der Stirn und gleichzeitig des r. A. am
3. Mai 93 beim Hämmern auf Stahl. Am 6. VIL kommt
Pat. wegen Attestes zur Untersuchung.
Auf der Stirn 2,5 cm über dem Nasenansatz kleine Narbe,
unter derselben ein hartes verschiebliches Körperchen zu fühlen.
R. A. reizlos. In der sonst klaren Cornea aussen unten vom
Centrum lineare 1,5 mm lange Narbe. Auf der viirderen
Linsenfläche etwas nach aussen und unten kleine circumscripte
Trübung, eine ähnliche an der entsprechenden hinteren Fläche.
Im Glaskörper unten flottiren mehrere silberglänzende Köi^r.
Hintergrund und Papilla optica klar zu sehen, kein Splitter zu
. . <, 20
entdecken. S = ,^ —
60 — 40
Das Sideroskop. 307
Die Untersuchung mit dem Sideroskop.
Magnetlsirung des Splitters
a) Bei dichter Annäherung der Stirn -
narbe Skalenablenkung . . .10 mm
b) Bei Annähenmg des gesunden Auges
Skalenablenkung ==»0
c) R. A.
1) Bei Annäherung mit geschlossenen
Lidern Skalenablenkung ....
2) Bei Annäherung mit unterer äusserer
Bulbusparthie Skalenablenkung
3) Bei Annäherung mit oberer Bulbus-
parthie Skalenableiikung ....
4) Bei Annäherung mit innerem hori-
zontalen Meridian Skalenablenkung
5) Bei Annäherung mit verticalem
unteren Meridian Skalenablenkung
6) Bei Annäherung mit unterem inne-
ren Octanten ca. 10 — 15 mm vom
Limbus corneae Skalenablenkung
2 mm
1 mm 10 mm
12—25 „ 52
nach
70 „ >70 „
(Auch makrosko-
I pisch deatl. Ab-
lenkimg)
Beim Umkreisen des Nadelpols mit der genannten Region
des inneren unteren Octanten stellte sich jedesmal bei An-
näherung einer bestimmten Stelle ein Ausschlag der Skala von
ca. 70 mm ein und zwar stets im Sinne einer Anziehung.
Dasselbe Verhalten zeigt der Splitter beim Herangehen an den
anderen Nadelpol.
Vergleichen wir die Resultate vor und nach der Appli-
cation des Elektromagneten, so finden wir keinen grossen
Unterschied. Der Splitter ist von Natur nicht stark magne-
tisch gewesen und wurde es auch nicht nach der Influenzirung,
obwohl wir ihm, durch die Voruntersuchung richtig geleitet,
mit dem Magneten sehr nahe gekommen waren. Dadurch
können wir verstehen, warum trotz Umkreisung des Nadelpols
mit dem Splitter und trotz Untersuchung mit beiden Nadel-
polen keine Abstossung der Nadel erzielt wurde.
Die aus der Untersuchung zu ziehenden Schlüsse waren
folgende:
1) es sitzt ein sehr kleiner Splitter im Bulbus, vielleicht
nur 1 — 2 mgr schwer. Für seine geringe Grösse spricht ja auch
die seihr klesne Comeawnnde und die minimale LiBsentrttbang.
20*
308 £• Asmus.
2} Der Splitter liegt der ßolbnswand an im nnteren
inneren Octanten 10—15 mm yom Limbas corneae entfernt.
Eine Extraction oder Enncleation ist nicht erfolgt, daher wir
den Beweis schuldig bleiben müssen.
Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf die eben mit-
getheilten 17 klinischen Beobachtungen.
In allen Fällen ist der Nachweis der Fremdkörper ge-
lungen, obgleich sich unter denselben Splitter von noch
nicht 1 mgr Gewicht befanden. Was die Localisation be-
trifft, so misslang dieselbe in 2 Fällen (Matzelt V, Lo-
gisch X); in einem Falle (Krause 11) war dieselbe wahr-
scheinlich möglich gewesen, wenn ich mich nicht mit dem
positiven Nachweis des Fremdkörpers begnügt hätte. Bei
Matzelt und Logisch lagen selir kleine Splitter vor;
astatische Nadeln, wie sie unten beschrieben werden, hätten
vielleicht besser zum Ziele geführt.
In 14 Fällen gelang die Localisation, wenn auch die
Genauigkeit in gewissen Grenzen schwankte, je nachdem
der Splittter der Bulbuswand anlag. Je weiter nach vom
das letztere der Fall ist, desto sicherer ist natürlich der
Sitz zu bestimmen.
Besonders lehrreich sind die Fälle Sucker (XII) und
Primke (XIII), sowie Seidel (XVI). Im ersteren wurde
die Nadel nur dann abgelenkt, wenn die innere Bulbus-
hälfto derselben nahe kam; demnach musste ein kleiner
Splitter angenommen werden. Die innere Bulbushälfle aber
lenkte dann am stärksten ab, wenn der horizontale Meri-
dian herangeführt wurde: es musste also der Splitter in
di(»sem Meridian sitzen. Die Section bestätigte die An-
nahme, wie w4r sahen. Der Splitter wog nicht ganz
1 mgr.
Beim Patienten Primke half die stai-ke Polwirkung
dos magnetischen Splitters bei der Lagebestimmung, wenn
sie uns auch über die Grösse täuschte. Dass beim Heran-
fuhren des Bulbusbodens die Nadel manchmal nach mo-
Das Sideroskop. 309
mentaner Anziehung plötzlich abgestossen wurde, forderte
die Annahme, dass hier in der Medianlinie der Mittelpunkt
eines querliegenden magnetischen Splitters sich befinde.
Die Richtigkeit dieses Schlusses wurde durch die Section
bestätigt.
Der Fall Seidel gestattete wie der des Patienten
Sucker eine ungefähre Grössenbestimmung sowie an-
nähernde Ortsangabe, obwohl der SpUtter weit hinten seinen
Sitz hat. Beim ersteren lieferte die glückhche Extraction
den Beweis, dass die Voraussetzungen richtig waren, bei
dem zweiten die Section.
Wie bei jeder anderen Untersuchungsmethode, so ge-
hört auch zu dieser gewisse Uebung, um möglichst erfolg-
reiche Leistungen zu erzielen. Es ist daher kein blosser
Zufall, dass gerade die letzt untersuchten Fälle die besten
Resultate ergaben. Natürlich erleichterte auch der bessere
Spiegel und die mit ihm eingeführte Millimeterskala die
genauere Beobachtung.
Es muss jetzt noch ein Wort über die bei derartigen
Versuchen zu beobachtende Vorsicht geäussert werden, da-
mit man nicht Irrthümer begeht*). Dass nicht bloss die
Untersuchung der Kleidung auf Eisen und Stahl nöthig,
sondern auch die des Körpers auf etwa eingeheilte eiserne
Fremdkörper, sahen wir in lehrreicher Weise am Falle
Weniger (VI). Ob die Kleidung unverdächtig, erfahren
wir am raschesten, wenn der Patient und der denselben
dirigirende Assistent sich dem Apparat näliem, während
eine 3. Person die Scala mit dem Femrohr beobachtet.
Erfolgt eine Ablenkung, so muss eine Revision der Klei-
dung erfolgen, es muss wie Edelmann citirt „das mag-
netische Feld ausgejätet werden". Frauen mit Corset dür-
fen nicht in die Nähe des Apparats, wenn untersucht
werden soll. Irrthümer durch Anstossen an den
*) Vgl. Kdelniann 1. c.
310 £• Asm US.
Apparat sind bei der Spiegelablesungsmethode
vollständig ausgeschlossen. Die leiseste Berührung
des Instruments nämlich erzeugt lebhafte vertikale Oscilla-
tionen der Nadel und jeder ganz ungeübte Beobachter er-
kennt dieselben als zufällige Erschütterungen. Nie erfolgt
dabei eine ruhige Ablenkung.
Wenn wir mit astatischen Nadeln arbeiten, so sind
Störungen durch Femwirkung eiserner Gegenstände nicht
selten. So bemerkte ich beim Beobachten eines solchen
Nadelpaares ein plötzliches Verschwinden der Skala aus
dem Gesichtsfeld des Fernrohrs. Bei Betrachtung des
Apparats stellte es sich heraus, dass die Nadeln nicht mehr
central in den 6 mm weiten Glaskuppen schwebten, son-
dern mit den Polen der Wand der Glasröhren anlagen.
Ein im Nebenzimmer auf den der Mauer nahen Tisch ge-
steUter Wasserkrug von emaillirtem Eisenblech hatte diese
Ablenkung bewirkt. Dasselbe geschah, als im Nebenzimmer
eine eiserne Bettstelle verschoben wurde, oder wenn ein
Corset der Mauer nahe kam. Die beide Zimmer trennende
Wand hatte eine Stärke von 80 cm.
Versuche mit gewogenen EisenspUttern und Magnet-
nadeln von verschiedener Grösse und KrafL
Gleichzeitig mit den an Patienten angestellten Be-
obachtungen habe ich solche mit genau gewogenen, theils
unmagnetischen, theils infiuenzmagnetischen EisenspUttern
vorgenommen und festzustellen versucht, welche Magnet-
nadeln die günstigsten Resultate fiir unsere augenärztlichen
Zwecke abgeben.
Es galt, kleinere und grössere Eisenstückchen der Mag-
netnadel zu nähern und unter Femrohrspiegelablesung die
Wirkung auf die Nadel zu controlliren.
Dabei musste ich aber von Assistenz unabhängig sein.
Denn einmal konnten genaue Versuche der Art nur bei
Das Sideroskop. 311
Nacht angestellt werden, wo Haus und Strasse ruhig sind,
dann aber musste die Annäherung der Splitter in genau
messbaren Entfernungen geschehen und ohne Erschütte-
rungen des Apparates.
Um dies zu eireichen, wurde in einem sonst nicht be-
nutzten Baume von dem Fernrohrplatze aus bis zu der
Wandstelle hin, wo der Apparat befestigt war, ein über
Messingrollen laufender feiner, geglühter Messingdraht ge-
zogen. Derselbe trug an jedem Ende ein gleichschweres
Messinggewicht. Ausserdem da, wo derselbe neben dem
Femrohr herlief, einen über einer Millimeterskala schweben-
den Zeiger.
Ein gleicher Zeiger von Aluminiumblech mit einer
Vorrichtung zum Befestigen der auf Carton geklebten Eisen-
sphtter war da an dem Drahte suspendirt, wo derselbe über
den einen Nadelpol (Nordpol) lünlief. Auch hier war eine
Millimeterskala angebracht, deren 0-Punkt vor Beginn der
Versuche unter den Nordpol der Magnetnadel geschoben
wurde. Stand der Eisensplitter z. B. 10 mm von der
Nadel, so zeigten beide Zeiger auf der Millimeterskala auf
10 mm. Durch Versuche ist vorher festgestellt worden,
dass sich mit dieser Vorrichtung die Eisensplitter genau
Milhmeter um Millimeter der Nadel nähern Hessen, und
dass die Controle über den jeweiligen Stand des SpHttei-s
vom Femrohrstandorte aus, durch den daselbst angebrachten
Zeiger, absolut genau war. Der Abstand des Ferarohi-s
und der Skala vom Spiegel betmg 3,5 m. Die SpUtter
wurden nur soweit genähert, dass die Skalenverschiebung
2 mm betmg, ^ Werth = 0^0' 58,5" ') nach der freund-
M Die Vorstellung von der Kleinheit dieses Ausschlages winl
durch folgende Betrachtung erleichtert: der Minutenzeiger der Uhr
macht in einer Zeitininute einen Weg von 6 Bogengraden. Theilt
man diesen Weg in 6 Theile, so ist 1 Theil =» 1 Bogengrad. Diesen
Weg legt also der Minutenzeiger in 10 Zeit-Secunden zurück. Theilen
wir diesen 6. Theil der Zeitminute in 60 Theile, so ist jeder
312 E. x^TB.
liehe« Berechnnng darch Heim CoU^pn Grönonw (For-
mel tang 2a = Aassclilag dnnrh Entfemimg). Bei dieser
geringen AMenkimg kam die Xadel rasch zur Rahe und
es konnte nach 2 — 3 ^linnten die nächste Beachtung er-
folgen.
Eine Skalenverschiebnng Ton 2 mm ist für practische
Zwecke vollständig ausreichend, falls zu einer Zeit unter-
sucht irird, wo das Gebäude keine Erschütterungen enährt
Es muss nun ausdrücklich der Auffassung vorgebeugt
werden, dass ein Ausschlag, wie wir Arn hier beobachteten,
die äusserste Grenze für den Nachweis eines Fremdkör-
pers bilde!
Die Verhältnisse liegen A-iel günstiger, denn lange be-
vor überhaupt eine Ablenkung der Xadel erfolgt, sehen wir
den Einfluss des Splitters an der auffallenden Stetigkeit,
die die für gewöhnlich leicht oscillirende Xadel resp. Skala
annimmt. Diese Stetigkeit, diese absolute Unbeweglichkeit
der Na^lel ist der Vorbote, dass allmählich eine Ablenkung
eintreten wird. Entfernen wir jetzt den Splitter, noch ehe
eine deutliche Ablenkung eintrat, so erfolgt sicher ein leb-
liafler Rückschlag der Skala.
Beispiel: Ein 5 mgr schwerer Eisensplitter ergab far die
Xadel B I bei 22,6 mm Abstand einen Skalenausschlag von
2 mm; die Beeinflnssung durch diesen Splitter war aber schon
bei 38 mm Abstand zu bemerken.
Kommen wir jetzt dem Splitter näher, so erfolgt zunächst
oino Ablenkung von 1 mm, dann verhältnissmässig später die
um 2 mm.
Tlioil ^- 1 Bo^onminuto: der Minutenzeiger legt also den "Weg einer
IJ(>g(»nininute in */„ Zeitsecunde zurück. Es betnigen nun die bei den
('»rvontftbellpn beohnrliteten Ausschläge noch nicht ganz eine solche
noKenminuto und im ]''alle Knauer hatten wir sogar mit einem
noch kleiumon . T Werth zu rechnen (0® 0' 45")-
Man denke sich nun den Minutenzeiger der Uhr als
Mngnotnndnl und versuche mit blossem Auge zu beobach-
t»Mi, um wie viel derselbe in '/<, Secunde vorrückt! —
Das Sideroskop. 313
Hat man ein 2 mal vergrösserndes Fernrohr, so macht
die Skala einen scheinbaren Weg von 4 mm Länge, es findet
also eine recht deutliche Verschiebung statt.
Entfernen wir jetzt den Splitter durch Zurückschieben
des Drahtes, so muss die Skala sofort auf den 0 Punkt, resp.
über denselben zurückschwingen. Nur in diesem Falle haben
wir einen Beweis, dass die Ablenkung von 2 mm thatsächlich
durch den Splitter erfolgte.
In den bei den Versuchen geführten Tabellen sind
denn auch nur solche Beobachtungen als gültig eingetragen
worden, wo die Nadel prompt nach Entfernung des Split-
ters zurückging.
Dass dies nicht stets der Fall ist, liegt an magneti-
schen Störungen; dieselben machten sich gelegentlich beim
Beobachten geltend.
Beispiel: Am 7. V. 93 wanderte Abends in der Zeit von
lO"^^ bis 11^ die Skala um 10 mm von rechts nach links.
Di c Verschiebungen erfolgten gelegentlich ruckweise, so dass
z. B. plötzlich ein Weg von 2 mm zurückgelegt wurde.
Durch die herangeführten Eisensplitter hatte aber die
Verschiebung ebenfalls von rechts nach links zu erfolgen. Es
wäre also eine Täuschung möglich gewesen, wenn nicht auf
die prompte Rückschwingung beim Zurückziehen des Eisen-
splitters geachtet worden wäre.
Da es ermüdend und wenig anschaulich sein würde,
die Zahlen der 460 angestellten Beobachtungen mitzutheilen,
so sei hier nur auf die beigegebenen Curven verwiesen,
welche die Mittelwerthe aus den Beobachtungen graphisch
darstellen. Unten auf der Abscisse sind die Gewichte der
Eisensplitter aufgetragen (s. Fig. 2).
Es wurde experimentirt mit solchen von 1 mgr bis
10 mgr Gewicht, weiter hinauf aber bis 100 mgr gleich um
10 mgr gesprungen. Die meisten Beobachtungen beziehen sich
auf die von 1 mgr bis 10 mgr, weil bei den grösseren Eisen-
körpern keine Schwierigkeiten im Nachweise vorliegen. Bei
den astatischen Nadeln kamen auch ^j^ mgr schwere Splitter
zur Anwendung. Die Splitter wurden aus weichem Eisen her-
gestellt und gut durchglüht, um etwaigen Magnetismus mög-
314
E. Agnius.
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i 3
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1
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1
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1
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1
a
■1^
1
gcfflühies weiches Eisen !
Das Sideroskop. 315
liebst auszotroiben. Im Lauf der Versuche nahmen dieselben
aber Ton der Nadel her Hagnetismus auf, so dass sie dieselbe
auf viel grössere Distanzen hin ablenkten als gleich nach dem
Glühen.
Einige geglfihte Splitter wurden dem Pol eines Hirsch-
berg'schen Elektromagneten auf 15 mm genähert und durch
Influenz magnetisch gemacht. Dieser Abstand ist deshalb ge-
wählt worden, weil wir uns etwa am hinteren Augenpol sitzen-
den Fremdkörpern mit dem Magneten bis auf diese Ent-
fernung nähern können, wenn der Patient stark nach der Seite
blickt.
Auf die zu jedem Splitter gehörende Ordinate ist
die Entfernung aufgetragen, in welcher die Nadel der-
artig durch den botreffenden Splitter abgelenkt wird,
dass eine Skalenverschiebung von 2 mm erfolgt.
Für die astatische Nadel gilt nicht die dauernde Ablen-
kung von 2 mm, sondern ein mindestens 2 mm betragender
Ausschlag; meist betrug derselbe 3 mm bis 5 mm. Wir
kommen unten kurz hierauf zurück.
Was die Magnetstäbchen angeht, so kommen zur Ver-
wendung folgende:
a) runde Nadel von englischem Silberstahl, 12 mm lang,
1 mm stark, 0,91 gr schwer. (Si.)
b) runde Nadel von deutschem Bohrerstahl (Fussstahl),
12 mm lang, 1 mm stark, 1,115 gr schwer. (Bg.)
c) runde Nadel von deutschem Bohrerstahl (Fussstahl),
11 mm lang, 2 mm stark, 3,5 gr schwer. (B^.)
d) astatisches Nadelpaar, englischer Silberstahl, 1 mm
stark, 12 mm lang. (Si. ast)
(Diese Nadeln a — d habe ich mir selbst hergestellt.)
e) runde Nadel von C. Bamberg, Friedenau bei Berlin:
2 mm stark, 11 cm lang. (Bbg}.)
f) runde Nadel von C. Bamberg, Friedenau bei Berlin:
1 mm stark, 11 cm lang. (Bbg,.)
g) astatiscbes Paar, combinirt aus 2 Nadeln von Bam-
berg: 1 mm stark, 11 cm lang. (Bbg. ast.)
Ueberblickt man die zu den Nadeln gehörenden Cur-
ven, so ist als regelmässigste die Nr. 2 genanimte, zu aller-
erst aufgenommene Curve hervorzuheben. Dies liegt nicht
daran, dass ihr etwa mehr Sorgfalt als den anderen zuge-
316 £• Asmus.
wandt worden wäre, sondern die Splitter waren damals
frisch geglüht und noch nicht magnetisch influenzirt Wenn
es für diese Arbeit von Bedeutung gewesen wäre, mit voll-
ständig unmagnetischen Splittern zu experimentiren, so
hätten die Eisenstückchen jedesmal eine Flamme passiren
müssen, ehe man sie der Nadel von neuem näherte. Da
wir uns aber in praxi des Vortheils nicht begeben werden,
die im Bulbus sitzenden Eisensplitter zu magnetisiren, so hatte
die angedeutete Complikation des Versuches keinen Zweck.
Auf die Form der Curven von Einfluss sind ausser-
dem Wägungsfehler und die ungleiche Form der verschie-
denen Splitter, die keine mathematisch genau gleich
geformten Körper darstellten. Je kürzer z. B. ein Eisen-
splitter ist, desto näher hegen seine Pole zusammen; es
wird daher der anziehende Einfluss des der Nadel zuge-
kehrten Pols durch den andern etwas paralysirt Darin
ist auch der Grund zu suchen, dass die Curven mit zu-
nehmendem SpUttergewicht nicht selir stark ansteigen. Im
übrigen ist zu bemerken, dass sich die einzelnen Curven,
wenn wir von denen der astatischen Nadeln absehen, nicht
wesentüch von einander unterscheiden.
Beachtenswerth ist der Umstand, dass nicht die leich-
teste, sondern die am kräftigsten magnetische Nadel die besten
Resultate lieferte, es ist dies die Nadel Bj von 3,5 g Gewicht.
Dass die Resultate nach Magnetisirung der Splitter
günstiger wurden und dass selbst geglühte SpUtter von
weichem Eisen auf 1,5 cm Abstand vom Magneten klüftig
influenzmagnetisch wurden, ist schon erwähnt und geht
aus den punktirten Curven lienor, die mit solchen mag-
netisirten Eisenstückchen aufgenommen sind.
Schliesslich wären noch die Versuchsreihen mit asta-
tischen Nadeln zu erwähnen, die ganz glänzende Resultate
ergeben haben.
Das Gehäuse habe ich mir in analoger Weise her-
gestellt, -vvie das für die einfache Nadel. In ein der Länge
Das Sideroskop. 317
nach durchbohrtes Holz von quadratischem Querschnitt
und 12 cm Höhe, das auf nivellirbarem Brette befestigt
steht, ist oben ein 10 cm hohes Glasrohr eingesiegelt.
In letzterem hängt der Coconfaden, der einen Strohhalm
von 12 cm Länge trägt. Derselbe ist oben und unten
durchbohrt zur Aufiiahme der Nadeln , die aus 12 cm
langen, 1 mm starken englischen Silberstahlstäbchen her-
gestellt wurden. Der Abstand der Nadeln beti'ägt 11 cm.
Eine solche Distanz ist vollkommen genügend, um bei
Anziehung der einen Nadel durch einen SpUtter die gleich-
zeitige Abstossung durch die andere Nadel zu verhüten,
wenigstens bei kleinen Splittern, Bei den grösseren aber
sind die Ausschläge so bedeutend, dass der schwächende
Einfluss der zweiten Nadel keine Rolle spielt.
Ein Nadelabstand von 11 cm gestattet ausserdem mit
Bequemlichkeit die Annäherung des Auges an die obere Nadel.
Je näher die Magnete der Astasirung kommen, desto
empfindlicher werden natürhch die Reactionen sein; ganz
astatische Nadeln können wir selbstverständUch nicht brau-
chen, weil die Spiegelablesung die Rückkelu- des Nadelpaais
zur Ausgangstellung voraussetzt.
Von dem Apparat ist noch zu bemerken, dass die
Nadelpole beiderseits aus dem Kästchen vorragen und
durch „Präparatengläser'' von 6 mm Lichtung gegen Luft-
zug geschützt sind. Vier glatt durchbohrte Korkscheiben
halten diese Gläschen.
Der Spiegel ist durch einen Korkring auf dem Stroh-
halm befestigt und kann nach jeder Seite gedreht werden.
Vier Fenster gestatten den Einblick.
Von den Resultaten, die dieses Nadelpaar ergab, seien
hier einige mitgetheilt. (Siehe auch die Curven). Wegen
der langsamen Bewegungen der astatischen Nadeln wurden
nicht die definitiven Ablenkungen, sondern die Ausschläge
beobachtet und notirt. Es ist bei astatischen Nadeln, wie
ich sie verwandte, sehr schwierig, bloss eine Ablenkung von
318
E. AsmnH.
2 mm herbeiführen und beobachten zu wollen, wie dies
oben mit den einfachen Nadeln geschah. Während die
letzteren das Herannahen der Sphtter durch Steti^eit ver-
rathen, ist der viel ruhigeren astatischen Nadel dies nicht
anzusehen. Die Ablenkung setzt unerwartet ein, und die
Ausschhlge sind des grösseren Gewichts der schwingenden
Massen wegen schwerfalhger.
Die Beobachtung mit solchen Nadeln ist denigemäss
zeitraubender, weshalb es als ein V^ortheil anzusehen ist,
dass wir für gewöhnlich mit der einfachen Nadel aus-
kommen können.
Versuche mit astatischem Nadelpaar:
a) 2 Nadeln ans englischem Silberstahl, 1 mm stark,
12 cm lang. Abstand vom Spiegel bis zur Millimeter-Skala:
;3,15 m. Femrohr: Schmidt & Hänscb.
Tabelle I.
1) Versuche mit nicht magnetisirten Splittern.
1 mgr
geglühtes Eisen be^
irktS— 7
2 „
j» j»
n
3 M
a
4 „
3
5 „
3
« „
2
7 „
, 2—3
ö „
yy *>
, 2-3
*> .,
3
10 „
(K) „
3
4
30
33
35
33,5
38
39
42,5
40
43
55
Tabelle II.
2) Versuche mit geglühten Eisensplittern, die auf 1,5 cm Entfernung
Influenz -magnetisch gemacht wurden.
V^ rag weich., infl. magnet Eisen bewirkt 2mm Skalenausschl. in 38mm Abst.
1 »» »» ♦> H ««
10 „ „ „ „ „
100 „ „
Für 1 mg influenz-magiietischen Stahl draht ergab sich bei 50 mm Abstand
von der Nadel ein Skalenausschlag von 2,5 mm.
•i .,
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» 30 „ „
8 .,
M
„50 „ „
n „
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»45 „ „
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49 „ „
3-4 „
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» 60 „ „
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Das Sideroskop. 319
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vH S^ co^iO «ot^ ao' o' 'ö" ^ ^
^) Bei dem L am on tischen Magnetoskop setzte der Skalenaus-
scblag ein:
fQr Splitter Latzel bei 20 mm Abstand, ) Spiegel - Skalenabstand
fBr SpUttipr Rebsfeta bei 40 mm Abstand. J Im
320 E. Asmus,
Tabelle IV.
Versuche mit astatischen Nadeln:
b) Nadel paar zusammengesetzt aus 2 Magnetstäbchen von Bamberg
1 mm stark 11 cm lang. (Entfernung vom Spiegel zur Skala 3,5 m.)
Yersuchsanordnung sonst wie oben.
0,5 mg geglühtauf 15 mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt ... 1 mm Skalenausschl. in
0,5 mg geglüht, auf 15 mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt . . .2 „ „ ,,
1 mg geglüht, auf 15mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 1 ,, „ ,,
1 mg geglüht, auf 15 mm intl.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 2 „ „ „
1 mg geglüht, auf 15mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 5 „ „ „ 30-
5 mg geglüht, auf 15 mm infi.-
magnet Eisen bewirkt . . . 2 ,, ,, ,,
5 mg geglüht, auf 15 mm infi.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 5 „ „ „
10 mg geglüht, auf 15 mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 2 „ „ „
10 mg geglüht, auf 15 mm infi.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 5 „ ,, „
100 mg geglüht, auf 15 mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt . , . . 2 „ „ „
100 mggeglüht.auf 15mm infl.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 3 ,, „ ,,
100 mg geglüht, auf 15 mm intl.-
magnet. Eisen bewirkt . . . 4 ,, ,, „
Angesichts dieser Resultate konnte über die definitive
Form des Sideroskops kein Zweifel sein. Wir brauchen
einen Apparat, der sich nach Bedürfniss mit gewöhnlicher
Nadel oder mit astatischer verwenden lässt. Dabei schien
es mir einfacher, den Apparat in der Weise mit astatischem
Paar auszurüsten, dass sich die eine Xadel ohne Schwierig-
keit entfernen lässt, als die Astasirung durch einen verstell-
baren Magnetstab zu erzielen.
Zweifelsohne werden wir in den meisten Fällen mit
der einzelnen Nadel auskommen, denn die Erfahrung hat
gelehrt, dass Splitter von 1 mg sehr selten tiefer in das
Augeninnere vordringen. Ich habe aus 32 in der Literatiu*
envähnten Fällen unter Hinzunahme der in meinen Hän-
den befindlichen 12 Splitter das Durchschnittsgewicht auf
30 mm
Abst.
20 „
»»
50 „
♦»
45 „
>♦
-35 „
50 „
30 „
50 „
30 „
70 „
60 „
50 „
Das Sideroskop. 321
0,054 gr bestimmt. Fremdkörper von 1 mgr befinden sich
nur 2 mal darunter (2 eigene Fälle), von diesen hatte der
eine 18 Jahre im Bulbus gelegen und durch Oxydation
an Gewicht verloren. Aus 15 Fällen, wo das Gewicht
nicht angegeben, wohl aber die Grösse, Hess sich das
erstere auf mindestens 1 mgr taxiren.
Hirschberg (1. c.) theilt bekanntlich die SpUtter im
Glaskörper in 3 Kategorien: 1) kleine 25 — 30 mgr, 2) mittel-
grosse 50 — 150 mgr, 3) übergrosse 200 oder 500 mgr.
Dass vielen SpUttem gegenüber die astatischen Nadeln
zu empfindlich sind, wenn es sich um Localisation des
Fremdkörpers handelt, dürfte aus der Tabelle HI hervor-
gehen. Dafür lassen sich mit astatischen Nadeln manche
Splitter auch ohne Femrohrbeobachtung nachweisen, weil
die makroskopischen Ausschläge viel bedeutender sind. So
wäre denn die Frage, ob die im Bulbusinnem vorkommen-
den Eisen- und Stahlsplitter durch die Magnetnadel nach-
gewiesen und localisirt werden können, dahin zu beant-
worten:
1) dass wahrscheinlich mit verschwindenden Ausnahmen
alle derartigen im Auge vorkommenden SpUtter durch das
Sideroskop nachweisbar sind, sei es mit der einfachen
Magnetnadel, sei es mit der astatischen,
2) dass die Localisation dieser Splitter möglich ist,
bei Untersuchung sämmtlicher Meridiane und Vergleichung
der einzelnen Skalenausschläge,
3) dass astatische Nadeln im Allgemeinen zur Locali-
sation ungeeignet sind, wegen der zu grossen Ausschläge.
Die Ausführung des Instruments nach dem angegebe-
nen Modell hat unser Mechaniker Herr Sitte in Breslau
übernommen. Preis Mk. 86.
Herrn Geheimrath Förster bin ich bei dieser Arbeit
zu ganz besonderem Dank verpflichtet fiir das freundUche
T. Graefe'8 ArchlT fOr Ophthalmologie. XL. 1. 21
322 E. Asmns.
Interesse mit welchem derselbe meine Versuche verfolgt
und durch Beschaffung der erforderlichen Apparate unter-
stützt hat.
Literatur.
1; Dickmann, lieber die günstige Wirkung des Elektromag-
neten zur Entfernung von EisenstQckchen aus dem
Innern des Bulbus u. s. w. Inaug. Diss. Manchen 1884.
Ref. Centralblatt für Augenheilkunde, Bd. YIII, 1884.
pg. 449.
2) Edelmann, Elektrotechnik fQr Aerzte, München 1890.
3) Franke], Entfernung eines Eisensplitters aus dem Glas-
körper mittelst Skleralschnitt und Anwendung des
Elektromagneten. Centralbl. für Augen-Heilkunde, Bd. VII,
1883. pg. 493.
4) Fröhlich, Ueber den Pol Wechsel beim Gebrauch des
Elektromagneten and über die Magnetnadel als dia-
gnostisches Hülfsmittel. Zehender, Klin. Monatsblätter f.
Augenheilkunde. 1882. p. 105.
5) Grtining, Ref. Centralbl. für Augenheilkunde. 1881.
Bd. V. pg 60.
6) Hirschberg, Der Elektromagnet in der Augenheilkunde.
7) Laqueur, Ueber einen Fall von Magnetextraction u. s. w.
Centralblatt für Augenheilkunde. Bd. XII. 1888. pg. 289
8) Pagenstecher, Zwei Fälle von Extraction von Eisen-
splittern aus dem Glaskörper, nebst Bemerkungen über
die Diagnostik und Extraction von Stahl- und Eisen-
stückchen vermittelst des Magneten. Archiv für Augen-
heilkunde, Knapp -Hirschberg. 1881. Bd. X, pg. 234.
9) Pooley, Ueber Entdeckung von stählernen und eisernen
Fremdkörpern im Auge mit einer Magnetnadel. Archiv
für Augenheilkunde. 1881. Bd. X. pg. 315. (Siehe
auch pg. 9. Vorläufige Mittheilung.)
Das Sideroskop. 323
Erklärung der Curventafel (Fig. 2, pag. 314).
1) Die Gewichte der Eisensplitter stehen auf der Abscisse.
2) Auf den Ordinaten sind durch Punkte die Entfernungen in Milli-
metern vermerkt, in denen verschiedene Magnetnadeln durch die
Splitter um 58" abgelenkt werden,
(=»2 mm Skalenausschlag, bei Spiegel - Skalenabstand von 3,5 m.)
Durch Verbindung der einzelnen Punkte sind die Curven
entstanden.
3) Es bedeutet:
Nadelmasse.
I. Die Curve für eine Nadel von engl.
Silberstahl 1 mm stark, 12 cm lang (Si.)
IL Die Curve für eine Nadel von deut-
schem Bohrerstalil 1 „ „ 12 „ „ (B,)
III. Die Curve für eine Nadel von deut-
schem Bohrerstahl 2 „ „ 11 „ „ (Bj)
IV. Die Curve für eine Nadel von
Bamberg, Friedenau- Berlin und
magnet. Splitter 1 „ „ 11 „ „ (Bg. 2)
V. Die Curve für eine Nadel von Bam-
berg und magnet. Splitter .... 2 „ „ 11 )> t, (Bg. 1)
VI. Die Curve für die Nadel B^ und
magnet. Splitter
VII. Die Curve für astatisches Nadelpaar
V. engl. Silberstahl 1 „ „ 12 „ „ (Si. ast.)
VIII. Die Curve für astatisches Nadelpaar
aus 2 Bamberg - Nadeln combinirt
(magnet. Splitter) 1 „ „ 11 „ „ (Bg.ast.)
IX. Die Curve für das astatische Nadel -
paar Si. ast. und magnet. Splitter
NB. Die punktirten Cun'en sind mit Splittern von geglühtem
Eisen aufgenommen, die auf 15 mm Entfernung Influenz -magnetisch
gemacht waren.
Bei den Curven FV, V, VI, VIII und IX ist nur mit Splittern
von 1, 5, 10 und 100 mg Gewicht experimentirt worden.
Der Einfachheit halber sind weggelassen die Curvenabtheilungen
von 10 mg bis 100 mg, welche für alle Nadeln fast geradlinig ver-
liefen.
Der eingezeichnete Kreis von 25 mm Durchmesser soll als Bulbus-
Bchema dienen.
21*
324 ^* Asmus.
Man sieht» dass die astatische Nadel (Si.) auf einen nicht mag-
netisirten Splitter, der sich am hinteren Bulbospol befindet, auch ohne
Drehung des Auges (behufs grösserer Annäherung) mit einem deut-
lichen Ausschlag- reagirt.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel U.
Figur 1 stellt das Sideroskop in ^/, natürlicher Grösse dar, wie
es vom Herrn Optiker Sitte für die hiesige kgl. Augenklinik gebaut
worden ist
Von der Console ist in Figur 1 nur der obere Theil ausgeführt.
Der Apparat steht auf einem durch 3 Schrauben nivellirbaren,
dreiseitig ausgeschweiften Brette a. Letzteres wird durch eine mit
Spiralfeder versehene Messingschraube b gegen die runde Consolen-
platte c angedrückt.
Das Holzkästchen d ist vom und hinten durch eingeschobene
Spiegelglasplatten geschlossen. Dasselbe trägt oben das Glasrohr e mit
der Schraubenvorrichtung f zum Heben und Senken des Coconfadens.
Oben und unten befinden sich je 2 Oefihungen in der Seiten-
wand des Kästchens d: wird mit einer Magnetnadel untersucht, wie
das gewöhnlich der Fall ist, so sind die oberen Oefihungen g und p,,
durch enge Glasröhren, die unteren Oefihungen durch eingedrehte
Messingstöpsel h und h^ geschlossen.
Am Coconfaden schwebt ein kiu*zes Aluminiumrohr t, durch
welches die 2 mm starke Magnetnadel A; hindurchgeschoben ist. An
diesem Rohr ist auch der Spiegel l befestigt.
Soll mit den 1 mm starken astatischen Nadeln untersucht werden,
so verlängert man das kurze Rohr i durch Ansetzen des längeren
Aluminiumrohres (Fig. 2.) und schiebt durch die Oefihungen m die
zweite Magnetnadel ein. In dem kurzen Rohrabschnitt t ist eine
1 mm weite Oeffnung für die obere astatische Nadel vorhanden. Der
letzteren wird das Auge genähert
Zum Verschluss der Seitenöffnungen dienen bei Benutzung der
astatischen Nadeln 4 weite Glasröhren, von denen eine in Fig. 3 ab-
gebildet ist
Fig. 4 zeigt die aus polirtem Holz verfertigte Console in Vh ^*"
türlicher (irösso.
Dem Instrument ist ein Kasten beigegeben, in welchem dasselbe
fest lagert. Zur Aufnahme der einzelnen Theile enthält der letztere
ein besonderes Etui.
Das Sideroskop. 325
Nachtrag.
Seit Abschluss der Arbeit kamen zur Untersuchung 10 weitere
Fälle. In 8 wurde der nicht sichtbare Splitter nachgewiesen (6 mal
mit dem von Sitte gebauten Modell, 2 mal mit dem ursprünglichen
Apparat [pag. 287]).
In 2 Fällen Hess sich der Splitter ausschliessen : grosse Wunde,
kein Ausschlag.
Im Ganzen sind von Januar 1893 bis Januar 1894 25 Splitter
im Bulbus diagnosticirt worden.
Extraction versucht in 5 Fällen, gelang in 4 (Electromagnet
Hirschberg), misslang in 1 Fall (Electromagnet Jani, Cfr. pag. 306,
Anmerkung).
Ausserdem wurden nachgewiesen und localisirt ein Stück Strick-
nadel im Unterschenkel und ein Stück Nähnadel in der Ferse.
Ueber die Abnahme der Sehschärfe im Alter.
Von
Prof. Hermann Colin
in Breslau.
Mit 1 Textfigur.
In diesem Ai-chiv (Bd. XXXIX, Abth. 2, S. 71) haben
Dr. Boerma und Dr. Walther in Leipzig vor Kurzem
Untersuchungen über die Sehschärfe im Alter mitgetheilt
Sie hatten ein anderes Resultat gefunden, als Vroesoni
de Haan und Donders vor 30 Jahren.
Schon im Jahre 1874 habe ich auf der Naturfoi'scher-
Versammlung zu Breslau eigne Untersuchungen über die
genannte Frage veröfFentUcht, welche das sogenannte de
Haan 'sehe Gesetz umstiessen. Man findet meine Resul-
tate kurz mitgetheilt unter dem Titel „Die Augen der
Greise" im Tageblatt der Natm-forscher- Versammlung zu
Breslau vom 19. Sept 1874, S. 105, femer unter dem
Titel „Untersuchungen der S in der Jugend und im Alter**
als Bericht eines in der allgemeinen Versammlung der
schlesischen Gesellschaft am 5. Februar 1875 gehaltenen
Vortrages in der schlesischen Zeitung vom 21. u. 23. Febr.
1877, endUch im Auszuge in meinem Lehrbuche der Hygi-
ene des Auges, Wien, 1892, S. 33. — Auch in Nagel' s
Jahrbuch für 1874, S. 210 und 222 und in Zehender's
Monatsbl. £ Augenheilk. 1875, S. 79 findet man Referate. —
Da diese Untersuchungen gänzUch in Vergessenheit
üeber die Abnalime der Sehsdiärfe im Alter. 327
gerathen zu sein scheinen — weder Boerma und Wal-
ther noch die neueren Lehrbücher erwähnen sie — so
erlaube ich mir, hier auf dieselben zurückzukommen, sie
noch ausführlicher mitzutheilen, zumal sie auch die Refrac-
tion und die Augenleiden der Greise umfassen, und meine
Befunde mit denen der genannten Leipziger Autoren zu
vergleichen. —
Schon vor 20 Jahren habe ich auf die ungenügende
Zahl und Auswahl der Personen hingewiesen, welche de
Haan zur Aufetellung seines Gesetzes benützte. Er prüfte
im Ganzen 231 Personen von 7—82 Jahren, welche gerade
als Begleiter von Kranken in die AugenkUnik von Don-
ders kamen, und zwar mit den leichter erkennbai'en Buch-
staben von Snellen No. XX. Sah er eine Augenkrank-
heit, so wurde der Fall ausgeschlossen. „AU^ Augen
wurden sorgsam mit blossem Auge, viele auch mit dem
Spiegel untersucht"
So wurde eine Curve construirt, nach der die Seh-
22
schärfe bis zum 30. Jahre fast unverändert ^^ - beträgt, im
50. Jahre auf -^, im 60. auf ^^^, im 70. auf -^", im
80. aber auf die Hälfte herabsinkt. Die Ursachen dieser
wenig tröstüchen Erscheinung suchte Donders zum Theil
„in geringerer Durchsichtigkeit der Linse und des Glas-
körpers, zum Theil in noch unbekannten Veränderungen in
der Netzhaut, dem Sehnerven und Gehirn." Dies Gesetz
war nur auf 281 Beobachtungen an Holländern basirt,
wurde aber Dogma für die ganze Welt; wir hatten Alle
dieselbe traurige Perspective.
Der Satz blieb unangetastet bis 1871, wo ich bereits
die Mittel werthe der S für die Jugend nach Untersuchun-
gen der Augen der Schulkinder in Schreiberhau ganz anders
fand als de Haan. Man vergleiclie meinen Aufsatz in
diesem Archiv, Bd. XVII, Abth. 2, S. 305.
328 H. Cohn.
Viel wichtiger aber schien mir eine Revision des de
Haan 'sehen Gesetzes fiir das Alter. Denn de Haan
hatte nur 41 Personen über 60 Jahre untersucht, und
unter diesen waren 13 Augenkranke, so dass also die Be-
fiinde an nur 28(!) Menschen die Grundlage des Gesetzes
über die rapide Abnahme der S nach dem 60. Jahre bil-
deten. Ferner hatte er nicht alle Personen mit dem
Augenspiegel untersucht; wir wissen also gar nicht, ob
nicht bestimmte Netzhaut- oder Aderhaut-Erkrankungen ie
Sehschwächen erklärt haben würden. Daher schien mir
schon vor 20 Jahren eine Revision der S alter Leute nöthig.
Die Schwierigkeit lag aber damals wie heute in der Her-
beischaffung des Materials. Denn selbst wenn man
alle Personen, die über 60 Jahre sind, durch die Zeitungen
zu einer Augen-Untersuchung einladen düi-fle, würden ja
doch viele ausbleiben aus Lethargie, aus Mangel an Zeit,
an Verständniss etc.
Eine Reihe glücklicher Umstände vereinigte sich jedoch
1874, um mir die lang gewünschte Gelegenheit zu geben, die
Frage wenigstens für einen Ort und zwar für Schreiber-
hau im Riesengebirge zu lösen. Dort hatte mir der Schul-
rector Herr Winkler und. der Amtsvorsteher Herr Pohl den
Weg geebnet Man war von Haus zu Haus gegangen, hatte
die alten Leute aufgesucht, über mein Vorhaben belehrt, die
Alterstabelle entworfen und alle Personen über 60 Jahre für
bestimmte Tage in bestimmte Gasthäuser des Ortes zu mir
bestellt.
Mit Dr. Nobis und 2 Studenten begann ich am 1. Aug.
1874 die Arbeit und es gelang mir, als die Menge der sich
vorstellenden alten Leute nach einigen Tagen spärlicher wurde,
die Zahl 100 dadurch zu erreichen, dass ich das Erscheinen
der alten Männer durch Bier oder Geld und das der alten
Frauen durch Kaffee belohnte.
Schreiberhau war aber auch besonders für derartige
Untersuchungen geeignet, weil der Kreis Hirschberg in
Schlesien, in welchem Schreiberhau liegt, 9,1 ®/^ Personen
über 60 Jahre enthält, während sonst in Preussen nur 6,8 %
über 60 Jahre alt sind. In Preussen vertheilen sich die
üeber die Abnahme der Sehschärfe im Alter. 329
Letzteren so, dass 69 ^/q zwischen 60 and 70 Jahre, 27 ^/o
zwischen 70 nnd 80 Jahre und 4^/^ nur über 80 Jahre alt
sind. Hingegen ist das Yerhältniss in Schreiberhau : 58 ^/q,
33^^/0 und 9^/0. Von den 3681 Einwohnern des Gebirgsdorfes
waren damals übrigens 328 Analphabeten = 9 ^/q, die ihr
Auge also gewiss nicht angestrengt hatten.
Ich prOfte von den 142 Uebersechzigjährigen 100 Per-
sonen, also 70 7o» ^T^^ zwar 70 ®/o derer von 60 — 69, 77^/^
derer von 70 — 79 und 50 ®/o derer von 80—84 Jahren.
(104 Personen waren erschienen, doch konnten die Angaben
von 4 Leuten wegen Taubheit und Schwachsinnigkeit nicht
verwerthet werden).
Von 60 Männern wurden 43, von 82 Weibern wurden
57 untersucht. 58 Personen waren zwischen 60 und 69, 36
Personen zwischen 70 und 79 und 6 Personen zwischen 80
und 84 Jahr alt.
Die Prüfung wurde damals unter freiem Himmel mit
der \T] Tafel von Snellen Nr. XX vorgenommen und durch
Drehung der Zeile die Probe variirt; die Tages-Beleuchtung
war stets eine sehr gute.
Nach der S-Probe wurde der Bau, der Farbensinn und
die Accommodationsbreite, und in jedem der 200 Augen, Linse,
Glaskörper, Netzhaut und Nerv mit dem Spiegel geprüft. Erst
wenn drei Antworten über die Kichtung der Oeffnung der
Haken übereinstimmten, wurde der Befund der S notirt. —
Die 100 Personen hatten folgende Kefraction: 19 E,
49 H, 9M, 5 auf einem Auge H, auf dem anderen unbe-
stimmbar, 7 ein Auge H, das andere E, 3 ein Auge M, das
andere E, 4 ein Auge M, das andere H, 1 ein Auge E, das
andere unbestimmbar, 3 überhaupt unbestimmbar.
In 12 Augen konnte die Refraction also nicht bestimmt
werden und zwar wegen Ablösung der Netzhaut, Glaukom,
Atrophia choroideae centralis, Maculae centrales, Cataracta
Pannus trachomatosus und Pterygium. 49 Augen hatten E,
114 H, 25 M, 12 unbestimmbar. Die E beider Augen betraf
27 Personen von 60 — 73 Jahren: bei älteren Leuten wurde
E nicht mehr gefunden. E eines und H des anderen Auges
kam in 7 Fällen von 62 — 83 Jahren vor.
Myopie beider Augen hatten 9 Personen von 61 — 83
Jahren und zwar:
Mi biB Mi
330 H. Cohn.
(Die damaligen Proben wurden noch mit Zollgläsern gemacht,
daher hier die Brüche). Bei 4 von diesen war die Linse
klar bei
M — » und —
60 30 16'
der Kranke mit M -— war von Jugend an Schreiber, die
16
übrigen schwachen Myopen hatten nur häusliche Arbeiten
gemacht. Bei den 5 anderen war eine Linsentrübung vor-
handen.
M eines und E des anderen Auges kam 3 Mal vor,
und zwar:
M — > -— und -^ ,
50 40 24
bei Leuten von 62 — 71 Jahren; einmal dabei Linsentrübung,
einmal Macula, einmal chronischer Catarrh.
M eines und H des anderen Auges in 4 Fällen; in 2
Fällen zeigten beide Augen beginnenden Staar. Die Grade
dieser H und M waren schwach:
H — mit M — und M — • fl ^^ mit M - ; H - mit M — •
36 80 36' 80 50' 60 40
Im Ganzen waren unter 25 M-Augen 13 kataraktös. Der
Durchschnittsgrad der M dieser 25 Augen war — ;derDurch-
schnittsgrad der auf beiden Augen Myopischen war — •
Hyperopie beider Augen hatten 49 Personen; gleiche
Grade von H 36 Personen. H schwankte zwischen H — bis
— -. Von 60 — 64 Jahren war der Durchschnittsgrad H-— , von
80 4o
65—69 H -V, von 70—74 H -~, von 75—80 Jahren H -.
34 46 ob
Von 5 zu 5 Jahren nimmt also die H nicht zu. Der Durch-
schnittsgrad aller doppelseitig Hyperopischen war H = — - --,
39 . ö
der Durchschnittsgrad aller 114 hyperopischen Augen war
" = '37T8-
Ueber die Abnahme der Sehschärfe im Alter. 331
Bei 13 Personen war der Grad der H auf beiden Augen
verschieden. Der Durchschnittsgrad der schwächer hyperopi-
schcn dieser Augen war H — -, der der stärker hyperopischen
41
H — .; der durchschnittliche Unterschied in den Graden der
H zwischen rechtem und linkem Auge betrug mithin — —
= - -; er war also sehr gering.
Die Accommodation war in einzelnen Fällen geradezu
noch glänzend. So las Johanna Häusler, 70 Jahre alt, mit
jedem Auge ohne Glas noch I— in 6 Zoll; sie hat H —- und
II OD
32
S— -. Ihre Mutter wurde 76 Jahre und nähete noch bis zu
20
ihrem Tode ohne jede Brille. Der Vater wurde 84 Jahre und
las noch kurz vor seinem Ende Monatsschriften ohne Brille.
Von 12 Geschwistern leben noch 5, die sämmtlich ohne Brillen
arbeiten.
Ferner hatte Barbara Schärf, 72 Jahre alt, fOr ly noch
6 Zoll Nahpunkt ohne Brille, dabei E und S "/,o. Ihr Vater
wurde 100 Jahre alt und brauchte keine Brille zum Lesen.
Endlich sei erwähnt Christiane Sender, 76 Jahre, die
H — und S 1 zeigte und noch ohne Brille einfädelte.
Farbenblindheit wurde bei keinem Auge gefunden.
Die Sehschärfe der 200 Augen war:
88S>«o/,o, 34S=«o/,o, 78S<«%o5 also
U% 17«/o 39«/o
Von 100 binoculär geprüften Personen hatten 58
S>"%o» 12 S=»%o lind 30 S<«%o- Also 70<>/o hatten
binoculär keine herabgesetzte Sehschärfe. Das widerspricht
völlig dem de Haan'schen Gesetze.
Augen mit S<1. Es wurden 78 bei 46 Per-
sonen gefunden. Nur 10 Augen bei 5 Personen hatten eine
unerklärbare Amblyopie. 68 Augen von 41 Personen mit
S<C 1 zeigten jedoch folgende Krankheiten: Katarrhus chronicus
1, Maculae corneae 3, Keratitis interstitialis 2, Pannus tracho-
332 H. Cohn.
matosus 2, Pteryginm magnnm 3, Synechiae posteriores 2,
Katarakt 27, Nenroretinitis 1^ Retinitis albuminurica 2, Chorio*
Retinitis 4, Hyperaemia optici 2, Atrophia optici 14, Sublatio
retinae traumatica 1, Glancom 3, Nystagmus 1.
Bei 14 Personen war nur ein Auge erkrankt, bei 27
Personen beide. Atrophia optici mit Katarakt wurde im Ganzen
11 mal gesehen.
Ausserdem zeigten noch 34 Augen -Krankheiten, ohne
dass dadurch S gelitten hätte, u. zw. Cornealflecke 3, Ptery-
ginm 1, beginnende Katarakt 20, Katarrh 3, Glaucoma
chronicum 1, Dacryocystoblennorrhoe 4, Nenroretinitis 1,
Ptosis 1.
6 mal sah ich sehr tiefe physiologische Excavation ohne
Verschlechterung der Sehschärfe.
S <C 1 fand sich bei 7 Krankheiten der Bindehaut, 8 der
Hornhaut, 2 der Iris, 33 der Linse, 11 der Aderhaut, 23 der
Netzhaut, 2 der Muskeln, 2 der Thränenorgane, 3 der Lider
und 3 Verletzungen; also 94 Krankheiten bei 68 Augen
von 41 Personen.
Ringförmige Aderhaut -Atrophie sah ich 3 mal bei guter
S und 3 mal bei herabgesetzter S. Verkalkungen der Mei-
bom'schen Drüsen kamen häufig vor.
Berechnet man nach Procenten, so vertheilen sich die
Krankheiten der 41 Personen so: Vom 60.-64. Jahre 22^/^,
vom 65.-69. 37%, vom 70.— 75. 50%, vom 75.-79. Jahre
83% und vom 80.— 84 Jahre 66%. Mit den zunehmen-
den Jahren ist also die Wahrscheinlichkeit der Er-
krankung eine grössere.
Katarakt fand ich in 53 Augen, davon hatten 33 Ver-
schlechterung der S, 20 jedoch S=l oder sogar >1. Der
vierte Theil aller Augen, die über 60 Jahre alt waren,
zeigte Katarakt. Die 53 Augen gehörten 32 Personen;
21 hatten doppelseitige, 1 1 nur einseitige Trübungen. 12 Augen
waren E, 28 H und 13 M. Letztere gehörten 8 Personen;
bei 5 derselben war M und Katarakt beiderseitig; bei 3 Per-
sonen einseitig. Die Katarakte betrafen 13 Männer (30^/o)
und 19 Frauen (33% der Untersuchten).
Katarakt hatten 20% von 60 — 69 Jahren, 42% von
70—79 Jahren, 100% von 80—84 Jahren. Der Staar
wird also von Jahrzehnt zu Jahrzehnt häufiger.
Unter 20 kataraktösen Augen, die keine schlechte S
zeigten, waren sogar 11 mit S>1 und zwar mit S*%o bis
Ueber die Abnahme der Sehschärfe im Alter.
333
S^%o. Eine Kranke mit S'%o ^^ '^^ Jahre, ein Kranker
mit S^%o auf beiden Augen war 83 Jahre! Die Trübung
ragte eben erst als zarte Streifchen in einigen Sectoren über
den Pupillarrand hinweg.
Augen mit S> 1.
88 Augen zeigten eine solche, und zwar hatten 70 Augen
S>1 bis S% 17 Augen S>»/8 bis 2, 1 Auge S"/,o d. h.
S>2.
S>1 zeigten 57®/q der Augen von 60—69 Jahren,
2S^Iq von 70—79 Jahren und 33®/o von 80—84 Jahren.
Im 7. Jahrzehnt sind also die übergrossen Sehschärfen noch
häufiger als in den späteren Jahrzehnten.
Die folgenden Tabellen geben über die Sehschärfen im
Ganzen Aufschluss.
Untenuchte
Alter S=l
e 21-26
^- 20
26-30
31-85
20
36-40
8<1
ohne
patho-
logiach.
Befund.
8<1
mit
Augen
20
20
logisch.
Befund.
62
54
60
12
12
60-64 12
65-69 4
70-74 14
75-79 3
80-84 1
18
8
2
2
11
15
12
2
7
4
1
1
3
2
4
2
4
9
18
25
9
7
200 Augen
60-84 34
30
1 40
12
6
10
68
Unter
100 Augen
von
8 =
40-86
20
8»
86-31
2Ö
30-26
20
— 1
26-21
20
S = »/20
8<1
Ambl.
S<1
Augen
krank
Summa
60-64 Jahr.
1
11
18
29
19
7
15
100
65-69 „
5
7
28
15
7
4
34
100
70-74 „
2
2
20
4
24
6
42
100
75—79 „
—
—
—
—
25
—
75
100
80-84 „
—
—
16
16
8
—
60
100
Nach diesen Befunden sprach ich vor 20 Jahren schon
die Ansicht aus, dass unsre Perspective für die S
im Alter viel tröstlicher sei, als man bisher
glaubte. —
Bereits 1872 hatte Mauthner (Vorlesungen über die
334 H. Cohn.
optischeil Fehler des Auges S. 139 und' 147) auf die un-
zureichende Beobachtungsreihe Vroesom de Haans hin-
gewiesen. „Namentlich möchten wir, ruft Mauthner, die
S, die er 70 und 80jährigen vindicirt, als pathologisch
gering ansehen. Einfach in Folge des Alters sinkt S
mit 80 Jahren kaum auf die Hälfte; gesunde Augen
solcher Greise zeigen, soweit mein verhältnissmässig kleines
15
Beobachtungs-Material lehrt S \j7r', doch entscheiden
können endgiltig nur die Massen."
Auch ich schloss meinen Vortrag auf der Naturforscher-
Versammlung 1874 mit den Worten: „Freilich gilt mein
Befund nur für Schreiberhau, und ich bin weit entfernt,
ihn zu generalisiren. Wollen wir wirklich ein Gesetz
finden, so müssen solche Untersuchungen auf dem Lande
und in den Städten, bei civilisirten und bei nicht civihsir-
ten Völkerstämmen, bei verschiedenen Nationen, bei ver-
schiedenen Berufsklassen, in den Thäleni und auf den
Bergen bei grossen Massen von Menschen angestellt
werden. Möchten bald andere Fachmänner diesen meinen
ersten schwachen Vei-such, Klarheit über den Einfluss des
Alters auf die Sehschärfe zu erhalten, wiederholen und
nicht vor den Schwierigkeiten zuiückschrecken !"
Seit 19 Jahren hat sich aber Niemand an die Arbeit
gemacht Um so dankenswerther sind die neuen Unter-
suchungen von Boerma und Walther. Sie konnten mit
Westiens Lupe und mit dem Lupenspiegel noch mehr
Feinheiten betr. der Trübung der Medien feststellen, als
ich im Jahre 1874, wo diese Hilfsmittel unbekannt waren.
Auch waren sie durch Anwendung von Homatropin,
das ja auch damals noch nicht existirte, in der Lage, die
Pupille vorübergehend zu erweitem. Dies hätte ich durch
Atropin bei den Greisen in Schreiberhau nicht riskiren
dürfen, ohne dass die Atropinisirten die Nachfolgenden vor
der Untersuchung gewarnt hätten.
Ueber die Abnahme der Sehschärfe im Alter.
335
Würde ich diese Hilfsmittel gehabt haben, so würde
ich wahrscheinlich unter meinen 200 Augen auch bei den
10 mit S<;1 pathologische Störungen gesehen haben, die
mir entgingen, so dass die Zahl der Amblyopien ohne
Befund ganz oder theilweise weggefallen wäre. Freilich
war das Material von Boerma und Walther ein ganz
anderes, als das meinige. Jene Forscher piüften meist Ge-
fangene und Reconvalescenten und betonen selbst die zeitige
Senescenz der Mehrzahl in Folge ihrer bewegten Vergangen-
heit, Noth und des Alkoholmissbrauchs. Die Greise in
Schreiberhau waren dagegen wohl arm, aber gesund und
keine Trinker. — Die 400 Leute in Leipzig waren 40 bis
80 Jahre alt. H>3D, M>5D und As>lD wurde
ausgeschlossen; nur bei Leuten über 70 Jahren wurde
auch H = 4D zugelassen. Ich dagegen habe überhaupt
keine H>>3 und keine M>2.5 gefunden. — Auch die
sojahn
fnarnormale Augen)
^oam(L (cdUAußcn )
'-' Vonders
Flg. 1. Curve.
Beleuchtungsverhältnisse waren in Leipzig ganz andere,
als in Schreiberhau ; in den verschiedensten Lokalen wurde
dort bei verschiedener Witteining auf Snellen untersucht;
ich Hess dagegen an sehr hellen Tagen unter freiem
336 H. Cohn. Ueber die Abnahme der Sehschärfe im Alter.
Himmel Nr. XX Snellen lesen und zwar Haken. Daher
erklären sich gewiss auch zum Theil die viel grösseren
Schreiberhauer Sehschärfen.
Trotz alledem ist es immerhin interessant, de Haan's,
Boerma's imd meine Curve der Sehschärfen- Abnahme
im Alter zu vergleichen.
Die Durchschnittsgrösse der S im 60. Jahre betrug
27 81
in Schreiberhau ^ = -^, im 70. Jahre ebensoviel und
9fi 7 ft
im 80. Jahre — = -^. Sie betrug in Leipzig bei Aus-
schluss der pathologisch veränderten Augen im 40. Jalire
ß 1 er Q t\ f\
-^, im 50. Jahre -'-, im 60. Jahre -^, im 70. Jahre
0 0 0
5.2 4 5
-^ und im 80. Jahre -^. Nach Donders aber wäre sie
6 6
' A . T i. u . 6-1 5.4 4,3 3.9 , 3.3
m den genannten Jahrzehnten -^-, -^, -^-, -^, und -^.
0 0 0 0 o
Wie vieler Untersuchungen wird es noch bedürfen,
um das wirkliche Gesetz der Abnahme der Sehschärfe im
Alter zu finden!
Bemerkung zu dem Aufsatze von Bosscha
„Primäre, secundäre und teitiäre Netzhautbilder nach
momentanen Lichteindrücken".
Von
Dr. Carl Hess in Leipzig.
In der in diesem Heft enthaltenen Abhandlung von
Bosscha, welche kurz vorher schon in holländischer Sprache
erschienen und mir dadurch bekannt geworden ist, findet sich
eine in mehrfacher Hinsicht unzutreffende Auffassung einer
von mir in Pflüger 's Archiv (Band 49) veröffentUchten
Arbeit. Die ausfiihrhche Widerlegung der ÄIissvei*ständ-
nisse Bosscha 's konnte in diesem Hefte nicht mehr Auf-
nahme finden und soll im Zusammenhang mit anderen
Nachbildstudien demnächst veröffenthcht werden. An dieser
Stelle möchte ich nur kurz das Ergebniss meiner Er-
örteningen wiedergeben, das sich in den folgenden Sätzen
zusammenfassen lässt.
Der Lrthum Bosscha 's ist ein doppelter:
1) Meine Bemerkung, dass bei meinen Versuchen die
bei kurzdauernder Reizung des Sehorgans auftretende Licht-
empfindung nach Aufhören des Reizes in fast unmessbar
kurzer Zeit abklingt, fasst Bosscha so auf, als hätte ich
behaupten wollen, das primäre Bild sei betreffs seiner
Dauer etwa dem elektrischen Funken zu vergleichen und
V. Graefe's Archiv fTir Ophthalmologie. XL. 1. 22
338 C. Hess. Bemerkung zu dem Aufsatz von Bosscha etc.
entziehe sich nicht bloss bei den von mir beschriebeneu
Versuchen, sondern überhaupt einer Messung.
2) Meine Einwände gegen v. Helmholtz, Fick u. A.,
welche das von ihnen beobachtete, mehrere Secuudeu
dauernde, positive Nachbild aus einer entsprechend langen
ununterbrochenen Fortdauer des primären Bildes er-
klären, deutet Bosscha so, als hätte ich damit auch die
Richtigkeit der altbekannten, schon von Plateau, u. A. ge-
machten Angaben über die nur Bruchtheile einer Secunde
währende Nachdauer kurzer Lichteinwirkungen bestreiten
wollen.
Da beide Deutungen, wie ich ausfiihrlicher zeigen
werde, irrig sind, so werden auch die darauf gegründeten
Einwände Bosscha's gegenstandslos.
Druck von Pdachel & Trepte in Leipzig.
/•. f''mc/e.sArrJn'r fiel XL:.
Tan,
Fiq/J.
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FÜJ.3.
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Taf.II.
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i ■- Gnidis Ardiu ■ Bd.XL .1.
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I : Grae/is Ardiii ■ Bd.XL .1.
Taf.n.
"AnfTiii. ad r,a' 10.
r .rU';n, f«„„l-
: Grxvcüs Arcldc Bd.XL.1.
Taf.IL
'A v-.i- jc r.a' '.':''
r .-U';n, t' 1
/ : Gnu/es Arddi ■ Bd. AI .1.
Taf.II.
,H':rUf 1-
ALBRECHT VON GR^FE'8
ARCHIV
FÜR
OPHTHALMOLOGIE
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. TH. LEBER Prof. H. SATTLER
IN HBIDBLBSRO IN LEIPZIG
UND
PROF. H. SNELLEN
IN UTRECHT.
VIERZIGSTER BAND
ABTHEILUNQ II.
MIT 12 TAFELN.
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1894.
lühalts-Verzeicliniss
zu
Band XL, 2. Abtheilung.
Ausgegeben am 30. April 1894.
Seite
I. Beiträge zur pathologischen Anatomie der traumati-
schen Aniridie und Iridodialyse. Von Dr. Hugro
Wintersteiner, Assistenten an der Augenklinik des
Hofrathes Prof. Stellwag von Carion in Wien.
Hierzu Tafel I und II, Fig. 1—16 1—62
II. Jodiiyectionen in den Glaskörper von Hunden. Eine
experimentelle Studie zu Scheeleres „operativer
Behandlung und Heilung der Netzhautablösung."
Von Dr. Walter Wolff in M.- Gladbach. Hierzu
Tafel III, Fig. 1-5 63—112
III. Anatomische Untersuchung zweier Fälle von experi-
mentellem Secundärglaucom am Kaninchenauge. Von
Dr. Ludwiflr Berb^oh aus Seckenheim. Hierzu
Tafel IV, Fig. 1—7 113—134
rV. Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation
durch eine Stichsäge. Ein Beitrag zur Kenntniss
der traumatischen Skleralstaphylome. Von Dr. Jul.
Dufftng aus Dossenheim. Hierzu Tafel V, Fig. 1-2 135 — 153
V. Ueber Rostablagerung in der Hornhaut. Von Dr.
Radolf Graber, Assistenten an der I. Wiener
Augenklinik. Hierzu Taf. VI, Fig. 1 154-171
/ ■
IV Inhalt.
Seit«
VI. Beiträge zur Kenntniss der concentrischen Gesichts-
feldverengerung. Von Dr. Groenouw, Privatdocenten
und Assistenzarzt an der königl. Universitätsklinik
für Augenkranke zu Breslau. Hierzu Taf. VII — IX,
Fig. 1—18 172—223
VII. Ein Fall von hartnäckig recidivirender herpesartiger
Erkrankung der Conjunctiva und Cornea im Zu-
sammenhange mit Menstruationsstörungen der Meno-
pause. Von Dr. med. 0. Staelp, Assistenten an
der Augenheilanstalt des Dr. Stöltingin Hannover.
Hierzu Tafel X, Fig. 1—6 224—236
VIII. Ein Beitrag zur Kenntniss der Luxatio bulbi. Von
Emil Dehn, approb. Arzt in Rostock. Hierzu Taf. XI,
Fig. A— D 237-249
IX. Ueber ein Papillom der Conjunctiva mit ausge-
dehnter Bildung von Becherzellen. Von Professor
Dr. A. Wagenmann in Jena. Hierzu Tafel XII,
Fig. 1—2 250-258
X. Studien über Nachbilder. Von Dr. Carl Hess, Pri-
vatdocenten und erstem Assistenten an der üni-
versitäts- Augenklinik in Leipzig 259 — 279
Beiträge zur pathologischen Anatomie
der tranmatischen Aniridie und Iridodialyse.
Von
Dr. Hugo Wintersteiner,
Assistenten a. d . Augenklinik des Hofrathes Prof. Stell wagvonCarion
in Wien.
Hierzu Tafel I und 11, Fig. 1—16.
Während in der Literatur sich zahkeiche klinische
Beobachtungen von Irideremia traumatica und Iridodialyse
vorfinden, deren Veröffentlichung zumeist durch besondere
merkwürdige Umstände des Falles oder durch einzelne in-
teressante Symptome oder Complicationen veranlasst wurde,
sind die anatomischen Untersuchungen über diesen Gegen-
stand noch überaus spärlich. Der Grund hierfür liegt offen-
bar in der Schwierigkeit, das Untersuchungsmaterial zu be-
schaffen; denn derartig verletzte Augen geben verhältniss-
mässig selten Veranlassung zur Enucleation wegen Gefahi-
der sympathischen Erkrankimg des anderen Auges oder
wegen hinzugetretener Drucksteigerung und lange dauernder
Schmerzhaftigkeit oder ähnlichen für den Kranken gefähr-
lichen oder quälenden Zuständen.
Von histologischen Arbeiten über Irideremie und Irido-
dialyse sind nur zwei verwerthbar, nämlich die von Trei-
tel und von Schäfer, auf welche ich noch wiederholt
zurückkommen werde. Die finiheren Publicationen von
Maats und Lawson bringen nur je eine kurze makro-
T. Graefe'B Archiv fQr Ophthalmologie. XL. 2. 1
2 H. Wintersteiner.
skopische Beschi-eibung eiues Bulbus mit Iridereniie und
Aphakie. Die beiden in den Arbeiten von Alt und
Schiess-Gemuseus beschriebenen, histologisch untei-such-
ten Fälle sind, da die Untersuchung andere Ziele verfolgte,
gerade bezüghch der Verhältnisse im Kammerwinkel so
aphoristisch gehalten, dass sie fiii* die pathologische Ana-
tomie der Iridodialyse resp. Trideremie ganz belanglos er-
scheinen.
Ich muss es deshalb als einen günstigen Zufall be-
trachten, dass ich im Laufe des vorigen Jalires zwei der-
artige Fälle, welche auch zur Enucleation kamen, beob-
achten konnte und ausserdem in der Sammlung der I. Augen-
klinik je einen älteren Bulbus mit Iridodialyse und mit
Iriderenya traumatica vorfand und zur Untersuchung ver-
wenden konnte.
Es drängt mich, bei dieser Gelegenheit meinem ver-
elirten Chef, Herrn Hofrath Prof. Stellwag von Carion
für die bereitwiUige Ueberlassung des Untersuchungs-Ma-
teriales und der Krankenprotokolle meinen aufrichtigen
Dank auszusprechen.
Zuerst mögen nun die Krankengeschichten und histo-
logischen Befunde der \äer Fälle folgen:
Fall I.
Leopold Taubach, 40 Jahre alt, Knecht, sab Prot. Nr.
27, Journ.-Nr. 4288, am 2. März 1892 aufgenommen.
Am 15. Januar flog ihm bei der Arbeit ein hölzerner
Maschinenbestandtheil gegen das linke Auge. Dasselbe soll
sogleich erblindet sein und entzündete sich in der Folge. Da
der Kranke nichts sah und die Entzündung nicht abnahm, kam
er in die Klinik, wobei sich folgende Verhältnisse feststellen
Hessen.
Am 1. A. sind die Lider geschwollen und bläulichroth.
Ihre Bindehaut lehhaft injicirt und reichlich secernirend. Der
Bulbus ciliar geröthet. Etwa 2 mm von der oberen Corneo-
skleralgrenze entfernt verläuft mit derselben parallel ein etwa
8 mm breiter, den vierten Theil des Hornhautumfanges um-
Beiträge zur patliolog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 3
greifender, schwarzblauer Wulst von l^j cm Länge, welcher
auf ^J2 cm über die Bulbusoberfläche vorragt und nur von Con-
junctiva bedeckt wird. Die vorderen Ciliargefässe treten hinter
demselben durch die Sklera. Die Hornhaut ist gestichelt, in
der oberen Hälfte abgeflacht, im Ganzen zart diffus getrübt
und besonders in der äusseren Hälfte von zahlreichen, grau-
weissen, horizontal verlaufenden, parallelen, tiefliegenden Linien
durchzogen, welche am Hornhautrande beginnen und bis über
die Hornhautmitte hineinreichen.
Der ganze Raum hinter der Hornhaut erscheint von tief-
schwarzer Farbe und lässt nur bei gewisser Stellung im con-
centrirteu Lichte einen rubinrothen, aus der Tiefe kommenden
Reflex erkennen. Von der Iris ist nur aussen oben ein ganz
schmaler (1 mm breiter), bei 6 mm langer Streifen von grau-
grünlicher Farbe sichtbar, welcher sich mit einer scharfen
geradlinigen Grenze gegen das vergrösserte Pupillargebiet ab-
setzt, sonst ist nirgends ein Rest von ihr aufzufinden. Die
Anwesenheit der Linse kann nicht sicher constatirt werden.
Der Fundus ist nicht sichtbar, die Spannung etwas vermehrt,
das Sehvermögen auf Lichtempfindung beschränkt. Der Bulbus
ist auf Druck und spontan sehr schmerzhaft.
Die Diagnose wurde auf traumatisches Skleralstaphylom
mit Irideremie und Keratitis striata traumatica gestellt. Es
konnte nicht entschieden werden ob die Iris oder die Chorioi-
dea resp. der Ciliarkörper prolabirt waren, doch sprach die
bedeutende Yorwölbung und relativ grosse Entfernung des
Staphyloms vom Corneoskleralrande mehr für letztere Annahme.
Der Hämophthalmus Hess auch nicht erkennen, ob die Linse
vorhanden war oder fehlte.
Da die Reizerscheinungen und die Schmerzhaftigkeit des
Bulbus fortbestanden, wurde am 11. März die Enucleation vor-
genommen, am 15. März 1892 der Kranke entlassen.
Makroskopische Untersuchung des im verticalen
Meridian halbirten Bulbus:
Es fällt vor Allem die bedeutende Grösse und Flachheit
der Hornhaut auf, welche gleichzeitig dünner als gewöhnlich
ist. Von Iris und Linse ist nichts auffindbar. Der Kammer-
raum wird von dem des Glaskörpers durch eine nach vorne
zu leicht concave Membran getrennt, welche sich ringsum in
der Gegend der Kammerbucht ansetzt. In der Kammer einige
graue, feinkörnige Gerinnsel. Der Glaskörper von zarten Mem-
branen durchsetzt, blutig braunroth gefärbt.
1*
4 H. Wintersteiuer.
An der dem Skleralstaphylom entsprechenden Stelle be-
findet sich zwischen Sklera nnd Bindehaut ein flachgedrückter,
1 mm hoher und 5 mm breiter Hohlraum, welcher durch eine
enge, an der Corneoskleralgrenze gelegene Spalte mit dem
Bulbusinneren in Verbindung steht. Seine Wandung ist wellig
und schwarzbraun pigmentirt, sein Inhalt grössten Theils flüs-
sig; er ö£fnet sich erst hinter dem vorerwähnten Diaphragma,
communicirt also mit dem Glaskörperraum, nicht mit der Kam-
mer. Der Ciliarkörper ist sehr flach, seine Fortsätze klein.
Netzhaut und Aderhaut zeigen bezüglich ihrer Lage und ihres
Aussehens nichts Krankhaftes, der Sehnerv ist makroskopisch
unverändert.
Mikroskopische Untersuchung. (Fig. 1.)
Die Hornhaut ist mit normalem Epithel überkleidet. Die
Bow man' sehe Membran zeigt an mehreren Stellen seichte Ein-
knickungen, in welche sich das Epithel einsenkt, ohne an der
Oberfläche dieselben zum Ausdrucke zu bringen. Das Horn-
hautgewebe ist dicht, die Lymphspalten nicht erweitert, keine
Spur einer zelligen Infiltration. Die Membrana Descemetii
macht mehrere grobe, in die Yorderkammer fast spitzwinkelig
vorspringende Falten, welche von dem unversehrten Endothel
überzogen sind. Auch die hinteren Hornhautschichten zeigen
die gleiche Faltung; doch gleicht sie sich allmählich nach
vorne zu immer mehr aus, bis an der Grenze des mittleren
und vorderen Drittels der Homhautdicke auch die letzte zarte
Wellung der Lamellen geschwunden ist.
Der Kammer winkel bietet mit Ausnahme der Stelle, wo
die Skleralruptur sich befindet, im ganzen Umkreis ziemlich
gleiche Verhältnisse. In dieser ganzen Ausdehnung fehlt die
Ins vollständig, keine Spur von ihr ist an ihrer Ansatzstelle
zurückgeblieben. Der Schlemm 'sehe Canal ist erhalten und
unverletzt. Das Balkenwerk des Ligamentum pectinatum ist
zusammengefallen, dicht aneinander gedrängt und von fireien
Pigmentkörnchen und pigmentführendeu Zellen durchsetzt, welche
auch in die tiefsten Skleralschichten eindringen und sich in
der nächsten Umgebung des Sohle mm 'sehen Canales vor-
finden.
Die Ciliarfortsätze sind sämmtlich nach vorne gerichtet
und weiter nach vorne gelagert, ein Theil direct nach vorne
gezerrt, indem sie mit ihrer Basis, welche der Abrissstelle der
Iris entspricht, an das Ligamentum pectinatum ohne Schalt-
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 5
gewebe angelöthet sind. Auf diese Weise wird auch die vordere
Fläche des Ciliarmuskels, welche durch die Abreissnng der
Iris blossgelegt worden war, vollständig gedeckt, und die Spitzen
der Processus ciliares liegen gerade an der Grenze der Des-
cemet'sehen Haut oder überragen dieselbe noch um ein Ge-
ringes nach vorne zu. Einige von den Fortsätzen, welche mit
ihren Firsten nicht so weit nach vorne reichen, sind durch
feinfaseriges, den Zonulafasem gleichendes, und von etlichen
Zellen durchsetztes Gewebe, welches auch Pigment in Körn-
chen und Schollen führt, an das Ligamentum pectinatum fixirt,
ohne mit ihm direct in Contact zu treten. Der Ciliarkörper
zeigt sonst keine Veränderungen.
* Im oberen Umfauge erscheint die Sklera ganz nahe an
der cornealen Grenze der Quere nach vollständig durchrissen,
die Rissränder bis auf 2 mm klafifend. Die äusseren Schich-
ten der Sklera haben sich bedeutend stärker zurückgezogen
als die inneren, daher schärfen sich die Ränder von aussen
etwas zu. Die Ruptur geht genau durch die Gegend des
Schlemm 'sehen Canales, von welchem sich keinerlei Reste
auffinden lassen. Die Cornea ist hier an ihren Randparthien
von kleinen, zwischen den Lamellen liegenden und zum Theile
von Rundzellen eingescheideten Gefässchen durchzogen. Die Binde-
haut ist emporgehoben und etwas verdünnt. Sowohl die Gon-
junctiva als auch das subconjunctivale Gewebe zeigen eine
auffällige Pigmentirung. Bei schwacher Vergrösserung erscheint
sie in Form einer ziemlich gleichförmig ausgebreiteten, doch
stellenweise auch gruppirten, schwarzen Pnnktirung (Fig. 2)v
bei stärkerer Vergrösserung erkennt man, dass das Pigment
eine bestimmte Vertheilung einnimmt.
Vorerst finden sich Schollen und Klümpcben von der
1 — 4 fachen Grösse eines rothen Blutkörperchens, welche aus
zahlreichen, kleinen, sepiabraunen Körnchen zusammengesetzt
scheinen, frei in den Lymphgefössen, hauptsächlich in den
Lymphscheiden der Blutgefässe liegend (Fig. 3). Sie geben
sich jedoch bei entsprechender Vergrösserung und besonders
bei Anwendung dos Abb6* sehen Beleuchtungsapparates als
Lenkocyten zu erkennen, welche mit Pigment beladen sind,
da man zwischen den dunklen Körnchen den durch Karmin
roth geerbten Kern hindurchschimmern sieht, und anderseits
wieder Lymphzellen zu finden sind, welche nur einige wenige
Körnchen in ihrem Plasma enthalten. Stellenweise liegen diese
pigmentführenden Zellen so dicht aneinander, dass ein kleines
6 H. Wintersteiner.
Blutgefäss wie von einem schwarzbranneu Ringe, der nur hier
und da eine Yerschmälerung oder Unterbrechung zeigt, um-
schlossen ist (vgl. Fig. 2).
Weiterhin tritt das Pigment auch im Bindegewebe der
Conjunctiva und Subconjunctiva auf (Fig. 4). Es liegt in Ge-
stalt kleiner Körnchen manchmal in den Bindegewebsfasern
und erzeugt, da ein Körnchen hinter dem andern perlschnur-
artig angeordnet liegt, kürzere und längere, in sanften Wellen
verlaufende, punktirte Linien. Zumeist ist es jedoch knapp
um die Bindegewebs kerne stärker angehäuft, so dass ein Ende
des spindelförmigen Kernes braun, das andere mit Karmin roth
gefärbt erscheint; oder es sind beide spitze Enden des Kernes
pigmentirt, die Mitte roth, oder endlich es ist der ganze Kern
von einer braunen Pigmenthülle umgeben. Die Yertheilung
dieser beiden Sitze des Pigments (in den Fasern und in den
Zellen) ist zumeist derart, dass in der eigentlichen Conjunc-
tiva fast nur Fasern und auch diese nur spärlich pigmentirt
sind, während im subconjunctivalen Gewebe vorwiegend der
zarte Protoplasmaleib der Bindegewebszelle den Farbstoff ent-
hält. Ganz nahe unter dem Epithel finden sich im conjunc-
tivaien Gewebe auch Pigmentkörnchen einzeln und gehäuft,
von welchen es sich nicht mit Sicherheit ausschliessen lässt,
dass sie frei zwischen den Gewebselementen liegen. Doch
ist es viel wahrscheinlicher dass es sich hier nur um Quer-
schnitte von pigmentführenden Bindegewebsfasern handelt,
zumal da auch in den der Länge nach getroffenen Binde-
gewebsbündeln nirgends Körnchen zwischen, sondern stets nur
in den Fasern nachzuweisen sind.
Schliesslich findet sich das Pigment allenthalben im Ge-
webe verstreut an Zellen gebunden, welche wie die in den
Lymphgefässen befindlichen vorerst ebenfalls den Eindruck von
schwarzen Klümpchen und Schollen machen. Es lässt sich
jedoch stets im Centrum ein in seiner Form häufig nicht deut-
lich erkennbarer, rothgefärbter Kern nachweisen, welcher von
einer mehr minder mächtigen Protoplasmahülle umgeben ist;
und in dieser letzteren allein findet sich das aus zahllosen
Körnchen bestehende Pigment. Es sind offenbar Wanderzelleu,
welche mit dem Trausporte des Pigmentes beschäftigt sind.
Ob es nun solche Zellen sind, welche den Farbstoff herbei-
führen, um ihn im Gewebe zu deponiren, oder solche, welche
ihn aus dem Gewebe wieder aufgenommen habeji, um ihn
gegen die Lymphdrüsen abzuführen, dürfte kaum mit Sicher-
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 7
heit jemals zu entscheiden sein. Ich halte dafür, dass beide
Funktionen wohl gleichzeitig stattfinden werden, indem ein
Theil der Leukocyten noch fortwährend nenes Pigment herbei-
schleppt, während ein anderer Theil schon mit dem Weiter-
führen desselben begonnen hat. Als Zellen, welche der letz-
teren Function obliegen, bin ich geneigt, die in den Lymph-
gefässen befindlichen pigmentführenden Leukocyten aufzufassen.
Im Allgemeinen ist das Epithel der Bindehaut frei von
Pigment. Nur die basale und die unmittelbar darauf folgende
Schicht enthält ganz vereinzelt stehende Zellen, deren Leib
mit glänzenden, schwarzbraunen, vielkantigen Körnchen mehr
oder weniger erfüllt ist (Fig. 5). Meist sind sie an einem
Pole der Zelle mehr angehäuft und erzeugen, da sie nur in
den periphersten Parthien des Protoplasma liegen, den Ein-
druck einer grösseren oder kleineren Kappe, welche der Zelle
aufsitzt Durch diese periphere Lage des Pigmentes werden
die Contouren derjenigen Zellen, in welchen dasselbe reich-
licher angesammelt ist, ausserordentlich deutlich ausgeprägt,
ähnlich wie in den schon früher erwähnten Wander- und
Bindegewebszellen.
Endlich finden sich in der Bindehaut noch Nester von
Bundzellen, welche besonders die Gefässe scheidenartig um-
geben.
Der Giliarkörper ist auch an der Bupturstelle wohl er-
halten, ohne Verletzung. Die Iris ist von ihm nicht abgelöst,
doch ist sie durch die Skleralwunde vorgefallen und hat sich
mit ihrer früheren Vorderfläche unmittelbar an die Aussen-
seite der Sklera angelegt und kleidet, mit ihrem pupillaren
Theile wieder nach vorne umbiegend, die ganze hintere Hälfte
des zwischen Sklera und Conjunctiva gelegenen Hohlraumes
aus. Sie ist dabei ziemlich stark gedehnt und verdünnt, mit
der Sklera und dem subconjunctivalen Gewebe fest verwach-
sen, ihre Grenzen jedoch an jeder Stelle noch deutlich erkenn-
bar. Stellenweise hat sich an dem Wundrande der Sklera
junges Bindegewebe mit ziemlich zahlreichen grossen Kernen
angebildet, welches sich zwischen Sklera und die ihr sonst
innig anliegende Iris als sehr verschieden dicke Lage ein-
schiebt Auffallend ist, dass die freie Oberfläche der Iris,
d. h. ihre frühere Hinterfläche keinen Pigmentbelag trägt Der-
selbe hat sich nämlich von ihr abgelöst und bildet die Aus-
kleidung der vorderen Hälfte des Staphylomes. Der Sphincter
iridis ist ganz deutlich zu unterscheiden und zeigt keine auf-
8 II. Wintersteiner.
f&llige Atrophie. Die Iris ist nar wenig zellig infiltrirt, ihre
Gefässe dicht aneinander gedrängt.
Nahe an der Rapturstelle findet sich im Bulbusranme noch
ein Stack Iris anf den Schnitten vor, dasselbe liegt frei, d. h.
von seiner ciliaren Anheftung abgetrennt ungefähr in der nor-
malen Irisebene ausgebreitet mit dem Rissrande dem Giliar-
körper zugewendet, mit dem Pupillarrande nach der Bulbus-
achse gekehrt. Es ist umgeschlagen, so dass die pigmentirte
Fläche nach vorne sieht; ausserdem ist der Pnpillarrand gegen
das Pigmentblatt zu eingerollt Diese Umstülpung ist durch
ein zartfaseriges Gewebe, in welches nur spärliche Kerne ein-
gelagert sind, fixirt, indem dasselbe als ununterbrochenes Häut-
chen die ganze jetzt nach vorne sehende Fläche der Regen-
bogenhaut überzieht und sich von da weiter in der Richtung
nach der gegenüberliegenden Kammerbncht diaphragmaartig
fortsetzt. Die nach hinten sehende Fläche der Iris ist eben-
falls von einem zarten, aus Fasern bestehenden Häutchen über-
kleidet, welches gerade gegen die Ciliarfortsätze hinzieht und
sich an denselben ansetzt. Der Rissrand der Iris ist zerfranzt,
zackig, stellenweise durch lockeres neugebildetes Gewebe mit
den fremden Ciliarfortsätzen verbunden. Offenbar handelt es
sich um den Theil der Iris, dessen normaler Ansatz unten,
also der Ruptur diametral gegenüber sich befindet und welcher
nur durch den Vorfall der übrigen Regenbogenhaut herüber-
gezerrt wurde.
In den weiter seitlich fallenden Schnitten sind diese
klaren Verhältnisse der Iris mehr verwischt, da sie vielfach
gefaltet ist und sich schief stellt, so dass sie mit dem ciliaren
Rissende nach hinten, mit dem Pupillarrande nach vorne sieht.
Dieser letztere tritt dann mit der vorderen Lefze der Skleral-
wnnde durch lockeres Bindegewebe in Verbindung. — Zwischen
den Ciliarfortsätzen, welche wie der Ciliarkörper selbst ganz
normale Verhältnisse zeigen, liegt feinfädig geronnenes Fibrin,
untermengt mit zahlreichen rothen Blutkörperchen, welche
steilenweise bedeutend über die Gerinnsel überwiegen.
Die Zonulafasem sind im Bereiche des flachen Theiles
des Giliarkörpers allenthalben deutlich zu unterscheiden und
liegen in ganz normaler Orientierung, in der Gegend der
Ciliarfortsätze sind keine Zonulafasem mehr nachweisbar. Von
der Linse und ihrer Kapsel ist nirgends im Bulbus eine Spur
aufzufinden. Der hintere Augapfelabschnitt ist bis auf die
blutige Imbibition und Zerwerfung des Glaskörpers normal.
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatiBchen Aniridie etc. 9
Nach der liistologischen Untersuchung ist es nun
möglich die klinische Diagnose theils zu ergänzen, theils zu
corrigiren und auch die mechanischen Vorgänge bei der
Verletzung einigermassen klarzustellen.
Offenbar war durch den Stoss die Sklera in ihrer
oberen Peripherie geborsten an der gewöhnlichen Stelle,
welche nach den verschiedensten Untersuchungen als der
schwächste Theil bekannt ist und sich auch durch beson-
dere Dünnheit bei der mikroskopischen Untersuchung aus-
zeichnet, nämlich zwischen Comeoskleralrand und Insertion
des (oberen) geraden Augenmuskels. Durch die Ruptur fiel
mit dem vorstürzenden Kammei'wasser die Iris und Linse
vor; da jedenfalls auch eine Zerreissung der Bindehaut stattge-
funden hatte, so ging die linse vollständig verloren, während
die Regenbogenhaut, die sich jedenfalls schon im Momente der
Bulbusruptur von ihrem Ciliaransatze in grosser Ausdehnung
losgelöst hatte, offenbar von der herausgeschleuderten Linse
mitgerissen wurde, jedoch gerade an der Stelle der Skleral-
ruptur hängen und deshalb theils intra-, theils extrabulbär
liegen blieb. Dabei hatte sich der freigewordene Streifen
Iris eingerollt und umgeschlagen. Da natürlich das Kam-
merwasser abgeflossen war, so lag die vorgefallene Iris
zwischen Sklera und Bindehaut eng eingebettet und erst
als dter Humor aqueus sich wieder hergestellt hatte, wurde
die Iris sammt der über sie lünziehenden und an der Riss-
stelle bald wieder verklebten Bindehaut wulstformig ausge-
dehnt Inzwischen hatte aber schon das Pigmentblatt der
Iris eine Verklebung mit dem subconjunctivalen Gewebe
eingegangen und blieb nun an demselben hängen, ähnlich
wie es nach Lösung hinterer Synechieen an der Linsen-
kapsel haften bleibt. Auf diese Weise erklärt es sich
leicht, dass nur die vordere Hälfte des Staphylomes innen
einen Pigmentüberzug trägt, während derselbe an dem von
Iris ausgekleideten Theile fehlt
Was die am meisten interessirenden Veränderungen
10 H. Wintersteiner.
im Kammerwinkel betrifft, so sei nur kurz zusammengefasst:
Die Iris ist vollständig ausgerissen, ohne einen Stumpf zu-
lückzulassen. Die dadurch entstandene Wunde, welche
auch das Ligamentum pectinatum (das Zeichen von Zer-
reissung zeigt) betrifft, ist dadurch zum Verschluss gebracht,
dass die Wundflächen der Ciliarfortsätze mit dem Liga-
mentum pectinatum direkt verlötheten; die Ciliarfoiisätze
sind infolge dessen ziemUch beträchthch nach vorne ge-
zogen und durch zartes Gewebe in dieser Stellung fixirt.
Von diagnostischem Interesse ist der Umstand, dass
ein kUnisch als Irideremie imponirender Zustand sich bei
der histologischen Untersuchung doch nur als eine sehr
umfangreiche Iridodialyse herausstellte. Dergleichen kommt
offenbar bedeutend häufiger vor, als bisher angenommen
wurde und es tritt nun in einem solchen Falle immer die
Frage an uns heran, (welche übrigens in khnischer Be-
ziehung ziemUch belanglos ist, sondern nur mehr theoretisches
und anatomisches Interesse hat) ob derselbe in die Rubrik der
Irideremie oder der Iridodialyse einzureihen sei. Einige
Beispiele aus der Literatur mögen das Gesagte beleuchten:
In Arlts 2. Fall von Irideremie fand sich neben einer
Skleralectasie nach oben eine Narbe innen unten in der
Hoi-nhaut, in welche die abgelöste, zu einem grauweissen
Streifen geschrumpfte Iris angelöthet war. Im Falle
Folkers war die Iris bis auf einen kleinen, zusammen-
geknäulten Rest, der in der unten in der Hornhaut ge-
legenen Wunde eingeklemmt war, verschwunden. In
Hirschberg's Fall war von der Regenbogenhaut nur innen
oben ein ^Z^'" breiter Saum mit zackigen Rändern stehen
gebheben, in Oellers Fall waren nach innen, wo auch die
Skleralruptur lag, einzelne gezackte Reste übrig. Mc.
Keowu fand die Iris theil weise in der Skleral-Nai-be ein-
geheilt, Samelson sah nur einen sclimalen Saum unten,
während die Skleralruptur nach oben zu gelegen war.
Zahlreicher sind die Beobachtungen, wo die Iris oder
Beiträge zur patliolog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. H
Theile von ihr unter der Conjunctiva bulbi liegen geblieben
waren. Es sind dies Beobachtungen von Gayet, Carre,
von mir, Manolescu, Homburg. Mengin. Es ist
nun möglich, dass wenigstens in einem Theile dieser, bloss
klinisch beobachteten Fälle von Lideremie die Regenbogen-
haut in grösserer oder geringerer Ausdehnung an ihrer
Insertion noch festhielt. Besonders die zuletzt angeführten
Beispiele würden den Verhältnissen des vorliegenden ana-
tomisch untei-suchten Bulbus sehr nahe kommen.
Es sei noch erwähnt, dass der Fall klinisch als wulst-
förmiges Intercalarstaphylom imponirte, wähnend doch nur
ein ausgedehnter Trispralaps vorlag. Der Irrthum ist mn
so erklärlicher, als ja wegen der scheinbaren Irideremie
eine fa.st vollständige Entfernung der Iris aus dem Bulbus
angenommen wurde.
Schliesslicli möchte ich nur noch bemerken, dass die
Veränderungen in der Hornhaut, welche das klinische Bild
der traumatischen streifenförmigen Hornhauttrübung bilde-
ten, in vollkommenem Einklänge mit den von Hess ge-
fundenen stehen, indem nm* Faltung der hinteren Honi-
hautlamellen und der Descemet'schen Membran, aber weder
zelHge Infiltration noch Erweiterung der Saftkanälchen
nachweisbar waren.
Fall II.
lieber denselben entnehme ich den klinischen Proto-
collen folgende Daten:
Johann Redl, 37 Jabre alt, Kntscher, am 26. Septem-
ber 1886 auf die I. Angenklinik aufgenommen. Vor ungefähr
14 Tagen fiel er mit der linken Augengegend auf eine vor-
springende Kante seines Wagens auf. Er wurde bis zum Ein-
tritt in den Krankenstand ambulatorisch behandelt.
Bei seiner Aufnahme bot der sonst gesunde Manu am
linken Auge (das rechte war völlig normal) folgenden Be-
fund: Etwa 2 cm unterhalb des unteren Lidrandes findet sich
eine 2 cm lange, in Yerheilnng begriffene, lineare borizontal-
verlaufende, granulirende Wunde, an deren innerem Ende die
12 H. Wintersteiner.
Haut eine röthlicbe, erbsengrosse, leicht fluctuirende Geschwulst
bildet. Leichte Schwellung der Lider. Lichtscheu, Thränen-
fluss, lebhafte Ciliarinjection. Neben dem inneren Hornhant-
rande und mit ihm fast concentrisch verlaufend liegt in der
Sklera eine von oben nach unten ziehende, etwa 1 cm lange, und
circa 3 mm breite, dunkle, wulstförmige Prominenz, die gegen
die Hornhaut zu ziemlich steil, sonst allmählich abfällt. Ihr
oberes Drittel ist dunkelbraun, über die unteren Parthien ziehen
einzelne hellgraue Stränge hinüber. Die Hornhaut queroval,
matt. Aus der Tiefe der Kammer bekommt man einen dunkel-
rothen Reflex. Details sind absolut nicht wahrzunehmen. Die
Spannung ist etwas herabgesetzt, das Auge bei Betastung
schmerzhaft. Diagnose: Ruptura sclerae cum prolapsu
uveae. Haemophthalmus.
Am 30. 9. 1886. DieEctasie deutlich flacher, die Schmer-
zen sehr stark; daher Enucleation in Narcose. Am 14. Ok-
tober 1886 wurde der Kranke mit reizlosem Anophthalmus ent-
lassen.
Der in Müller'scher Flüssigkeit gehärtete und in Alko-
hol nachbehandelte Bulbus wurde im horizontalen Meridiane
aufgeschnitten. Er zeigt normale Formen und Grössen Verhält-
nisse. Innen an der Corneoskleralgrenze ist die Bulbuskapsel
perforirt, die Rissränder stehen ungefähr 2 mm weit ausein-
ander; dabei ist die hintere Wundlippe beträchtlich nach rück-
wärts und einwärts d. h. gegen die Bulbusachse verschoben.
Durch diese Wunde ist eine dieselbe ganz ausfüllende, pig*
mentirte Gewebsmasse vorgestülpt. Die Iris fehlt vollständig,
ringsum liegen die Ciliarfortsätze bloss, nur an der Ruptur
ist der Ciliarkörper an der normalen Stelle nicht auffindbar,
an seinem Orte liegt ein zartes unpigmentirtes weisslich-
graues Häutchen, welches bis in die Nähe der Ora serrata
zurückreicht. Die Linse ist im Bulbus nicht auffindbar. Von
dem Prolapse spannt sich zu den gegenüberliegenden Ciliar-
fortsätzen eine zarte durchscheinende Membran quer vor dem
Glaskörper hin. Dieser ist zu einer trüben, grösstentheils ho-
mogen aussehenden Masse geronnen. Nur im vordersten An-
theile ist er mehr membranös und von streifigen und fleckigen
Blutungen durchsetzt Im hintersten Theile ist er verflüssigt
und entleerte sich bei der Eröffnung des Augapfels. Netz-
und 'Aderhaut an normaler Stelle und sowie die Sklera und
der Sehnervenkopf ohne makroskopisch wahrnehmbare Ver-
änderungen.
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 13
Die histologiscbe Untersachung, welche an Serien-
scbnitten von 20 — 25 mm Dicke vorgenommen wurde, ergiebt
für die Cornea ganz normale Verhältnisse. Der Eammerwinkel
2eigt, abgesehen von den inneren Theilen, welche der Ruptnr-
stelle entsprechen, überall die gleichen Yerändemngen, welche
den im vorigen Falle beschriebenen ansserordentlich ähnlich
sind. Es fehlt nämlich die Iris vollständig ohne
Hinterlassung des geringsten Stumpfes. Das Ligamen-
tum pectinatum ist grösstentheils unverletzt, doch finden sich
auch Stellen, wo die hinteren Faserzüge desselben eingerissen
sind. Die Abrissstelle der Iris vom Ciliarkörper ist durch
Zusammenziehung des Gewebes auf ein sehr Geringes ver-
schmälert, ein wenig blutig imbibirt und von einem Zellen-
belage überzogen, welcher vom Ligamentum pectinatum beginnt
und eine Fortsetzung des Endothels der hinteren Hornhaut-
wand zu sein scheint. Der Rissrand ist dadurch in grösster
Ausdehnung geglättet, nur stellenweise etwas zackig. Der
Pigmentepithelüberzug des Ciliarkörpers und seiner Fortsätze
hört hier plötzlich auf, das Pigment ist stellenweise in das
darunterliegende Bindegewebslager der Giliarfortsätze ver-
schleppt. Knapp an der Rissstelle sind einige Ge&squer-
scbnitte sichtbar, deren Lumen vollständig verschlossen ist;
dagegen ist der Circulus arteriosus iridis ms^or an den
Schnitten, an welchen er erhalten ist, (er fehlt an der gröss-
ten Anzahl der Schnitte) durchgängig. Stellenweise sind die
Giliarfortsätze nach vorne gezogen, so dass die hintere Hälfte
des Ligamentum pectinatum gegen die Kammer zu von ihnen
bedeckt wird. Der Ciliarkörper ist ganz normal gebildet und
zeigt keine pathologischen Veränderungen. Ueber seine Ober-
fläche ist eine dünne Schicht von geronnenem Blute ausge-
breitet, über welche ein aus einer einfachen Lage von sehr
zarten Spindelzellen gebildetes Häutchen hinwegzieht.
In der inneren Peripherie des Kammerwinkels,
entsprechend der Yerletzungsstelle, sind die Veränderungen sehr
auffallend (Fig. 16). Die Continuität der Bulbushüllen ist gerade
an der Corneoskleralgrenze unterbrochen. Der Riss liegt zwar
vollständig im Bereiche der Sklera, aber doch so nahe an dem
Hornhautrande, dass das innere Ende desselben noch in das
L^iamentum pectinatum fällt, dessen aufgefasertes peripheres
Ende von der Sklera abgelöst, stellenweise mit Rundzellen und
fast überall mit rothen Blutkörperchen infiltrirt erscheint Der
Scfalemm'sche Canal, welcher im übrigen Umfange deutlich und
14 H. Wintersteiner.
scheinbar unverletzt nachzuweisen ist, ist an der Ruptur-
stelle zerstört. Am comealen Wundrande sind die Fasern
sämmtlich nach auswärts gebogen, an der skleralen Wundlefze
sind die inneren Faserschichten vom Wundcanal her stark in
sich selbst zusammengedrückt und in steilen Wellenlinien ge-
faltet und nur die äusseren Faserlageu zeigen ebenfalls eine
Biegung nach aussen. Wie schon bei der makroskopischen
Beschreibung angegeben, ist diese sklerale Wundlippo beträcht-
lich nach einwärts gegen die Bulbusachse verschoben.
Zwischen die Rissränder ist das Corpus ciliare ein-
gelagert. Dasselbe ist im Bereiche der Pars plana abge-
rissen und weit nach vorne gezogen. An seiner Stelle be-
findet sich an der Innenseite der Sklera nur eine dttnne Lage
eines feinfaserigen und ziemlich kernreichen Bindegewebes,
dessen Zellen im Allgemeinen zwar unpigmentirt sind, stellen-
weise jedoch einzelne Pigmentkörnchen eingelagert enthalten.
Die Ränder des Risses, der unweit der Ora serrata liegt, die-
selbe jedoch an keiner Stelle erreicht, verhalten sich ver-
schieden; zumeist sind sie abgerundet, etwas gewulstet und das
Pigmentepithel reicht bis knapp zu ihnen. An anderen Stellen
ist jedoch der Rand wie aufgeblättert und seine inneren
Schichten sind nach innen umgekrämpelt und durch feinfase-
riges Gewebe gegen die Bulbusachse verzogen. Von Zonula-
fasem ist hier nirgends eine Spur zu finden. Die Pars ciliaris
retinae ist natürlich ebenfalls durchrissen.
Der im Wundcanal der Sklera liegende Ciliarkörper ist nur
dem hinteren Wundrande allenthalben innig angepresst und
mit ihm verwachsen. Zwischen ihm und dem vorderen Riss-
rande befindet sich hingegen in ziemlicher Ausdehnung ein die
ganze Dicke der harten Bulbushäute durchgreifender Spalt,
welcher mit rothen Blutkörperchen angefüllt ist. Doch sind
die durchrissenen Faserzüge nicht dem Kammerwasser ausge-
setzt, sondern werden von einer wechselnd dicken Lage von
neugebildetem Bindegewebe bedeckt. Dieses tritt mit Aus-
nahme einer kurzen Strecke in Gestalt eines Zapfens gegen
die Kammer vor und setzt sich als ein auf dem Durchschnitte
als feiner Faden erscheinendes, aus zelligen Elementen zu-
sammengesetztes, mit Blutkörperchen infiltrirtes Häutchen quer
durch die Kammer nach den Ciliarfortsätzen der gegenüber-
liegenden Seite fort.
Der vorgefedlene Ciliarkörper ist stark verändert £r ist
über die innere und äussere Risskante der Sklera scharf recht-
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 15
winkelig geknickt, mit den Ciliarfortsätzen nach aassen ge-
kehrt. An der ersten Knicknngsstelle ist er bedeutend ver-
dünnt. Das noch intrabalbär liegende Stück desselben, welches
seinem flachen Theile entspricht, ist ziemlich dünn, seine
Fasern dicht aneinander gelegt und gestreckt, reichlich pig-
roentirt. Muskelfasern sind nicht auffindbar. Es ist zumeist
des Pigmentepithels verlustig gegangen. Doch findet sich ein
solches der inneren Skleralwand anliegendes Stück des Corpus
ciliare nur streckenweise, an anderen Stellen ist es vollständig
durch den Wundschlitz hindurch getreten oder mit einem mehr
minder beträchtlichen Antheil noch in demselben eingeklemmt.
Es ist sehr stark deformirt, seine Muskulatur hochgradig atro-
phisch. Die Giliarfortsätze sind verbogen, zusammengedrückt,
nach aussen gekehrt d. h. von der Sklera abgewendet, etliche
blutig imbibirt. Ihr epithelialer Ueberzug ist grösstentheils
gut erhalten, stellenweise jedoch ist die unpigmentirte Zellen-
lage von der pigmentführenden abgehoben und bildet derart
cystische Räume; an anderen Stellen hinwiederum ist sie ge-
wuchert, die Zellen fast spindclig ausgewachsen. Wieder an
anderen Stellen sind beide Zelllagen verloren gegangen und
das retinale Pigment in das umgebende junge Narben-Gewebe
verschleppt. Streckenweise ist die Grenze zwischen diesem
und dem Stroma des Ciliarkörpers völlig verwischt und un-
kenntlich geworden.
Die Bindehaut ist entsprechend dem Prolaps vorgebaucht,
ihr Epithel von gewöhnlichem Aussehen. Dasselbe sendet an
einer Stelle einen hohlen Zapfen in die Tiefe, welcher die
Fortsätze des vorgefallenen Ciliarkörpers erreicht. An deren
Oberfläche breitet sich das Epithel ans und umschliesst meh-
rere flache Hohlräume, welche durch den erwähnten Fistel-
gang mit der Oberfläche in Verbindung stehen. Diese Räume
sind zum Theile leer, enge, mit einander berührenden Wan-
dungen, zum Theile enthalten sie pigmentgeschwängerte Rund-
zellen und grössere, bläschenartige, doppeltcontourirte Gebilde,
welche entweder Degeneratiousformen von Epithelzellen oder aber
Parasiten darstellen, wie ich sie gelegentlich in einem Falle
von Pigmentirung der Bindehaut fand. Dieselben wurden auch
von Fuchs in Präparaten von Pterygien vorgefunden und be-
schrieben.
Die Bindehaut ist ödematös, von zahlreichen Rundzellen
durchsetzt, welche zu kleinen Heerden besonders in der Um-
gebung der beträchtlich erweiterten und sehr zahlreichen Ge-
16 • H. Wintersteiner.
flftsse zasammentreten. Ausserdem finden sich auch hier in
ausserordentlich reichlichem Maasse die im vorigen Falle aus-
fflhrlich beschriebenen Pigmentablagernngen in den Rund-
zellen, Bindegewebszellen und in den perivascnlären Lymph-
scheiden vor.
Wenn man die Verwundungsstelle nach oben zu
gegen ihr Ende hin verfolgt, so findet man vorerst, dass
der Giliarkörper hier wieder in ganzer Ausdehnung von dem
retinalen Blatte überzogen ist. Der intrabulbäre Antheil wird
grösser, wodurch die Rissränder in der Pars plana nfther an
einanderrücken. Das extrabulbär gelegene Stttck des Ciliar-
körpers zieht sich allmählich zurück, bis sich zuletzt der Vor-
fall nur mehr auf ein paar Giliarfortsätze beschränkt. In
gleichem Maasse rücken die skleralen Wundränder aneinander
und erreichen sich endlich; doch hat hier die Verheilung
durch reichliches Narbengewebe mit einer Stufenbildung statt-
gefunden, da, wie schon oben erwähnt, die hintere Wundlippe
gegen das Bulbnsinnere verschoben ist. Der Giliarkörper ge-
winnt, nachdem er ganz aus dem Wundspalte zurückgetreten
ist, annähernd normale Gestalt, auch seine Muskulatur ist hier
nicht mehr so hochgradig atrophisch. Allein obwohl er an
normaler Stelle liegt, ist er selbst an Schnitten, wo von einem
Skleralriss nichts mehr wahrzunehmen ist, noch nicht an der
Goriieoskleralgrenze angewachsen. Die Trennung im Bereiche
der Pars plana ist hier weiter nach vorne verschoben und geht
quer durch die Muskulatur des Giliarkörpers.
Verfolgt man den Riss der Bulbushüllen weiter nach
unten zu, so findet man den der Sklera durch eine ungefiLhr
1 mm breite Narbenmasse verschlossen, an welche die Giliar-
fortsätze angewachsen sind und von welcher ein zapfenartiges
Gebilde in den Kammerraum vorspringt. An diesen setzt sich
die schon erwähnte nach der gegenüberliegenden Seite ziehende
Membran an.
Weiter nach abwärts stellt sich die Gontinuität der
äusseren Lederhautschichten wieder her, während die klaffende
Berstung der inneren durch Narbengewebe ausgefüllt ist. Auch
hier ist der Giliarkörper noch nicht durch die Sehne des
Musculus ciliaris an die Sklera' angeheftet, liegt jedoch an
gewöhnlicher Stelle. Die Giliarfortsätze sind durch Blutaas-
tritte gebläht, ihr Pigment- und Epithelüberzng zerworfen.
Erst in den Parthien, wo die Sklera ganz unverletzt erscheint,
ist die normale Fixation des Giliarkörpers erbalten. In dem
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 17
ganzen Bereiche der unteren Hälfte der Skleralruptur ist das
Corpus ciliare von der Chorioidea nicht abgerissen.
Sowohl von der Linse als von ihrer Kapsel sind keine
Reste auffindbar. Dagegen sind die Zonülafasern mit Aus-
nahme der schon erwähnten Stelle allenthalben von der Ora
serrata bis zu den Spitzen der Ciliarfortsätze zu verfolgen und
zwischen ihnen Blutkörperchen in reichlicher Menge ange-
sammelt.
Der Glaskörper, welcher durch die von dem Prolapse zu
dem Kammerwinkel der gegenüberliegenden Seite ausgespannte
Membran nach vorne abgeschlossen wird, ist membranös dege-
uerirt, von Blutaustritten verschiedener Grösse durchsetzt.
Ebenso finden sich in der vorderen Kammer, besonders gegen
die Kammerbucht zu, Anhäufungen von gut erhaltenen rothen
Blutkörperchen.
Die Betina zeigt ausser einer Höhlen- und Lackenbilduug
in ihren inneren Schichten nahe der Ora serrata keine patho-
logischen Veränderungen. Die Chorioidea ist blutreich, ohne
Entzündungsheerde. Im Sehnervenkopf findet sich ganz geringe
Kernvermehrung.
Eine Zusammenfassung vorstehender Befunde ergiebt
eine Berstung der Sklera nahe an der inneren Grenze der
Hornhaut mit Zerstörung des Schlemm'schen Canales.
Durch die weit klaflfende Lücke ist der Ciliarkörper vor-
gefallen, welcher sowohl nahe der Ora serrata quer durch-
rissen als auch von seiner vorderen Insertion an der Conieo-
skleralgrenze abgetrennt ist. Doch ist nicht allenthalben
eine Verwachsung des prolabirten Theiles mit den Wund-
rändeni erfolgt, sondern es blieb zwischen Ciharkörper und
cornealer Wundlefee eine von neugebildetem Gewebe
(Narbengewebe) ausgekleidete Spalte bestehen. Aehnliches
junges Gewebe überzieht, von der Conjunctiva bedeckt, den
ganzen Prolaps. Sowohl hier, als auch sonst im ganzen
Umfange fehlt die Iris vollständig. Kein noch so kurzer
Stumpf ist auffindbar. Die Veränderungen im Kammer-
winkel (mit Ausnahme der Rupturstelle) entsprechen voll-
kommen denen im vorigen Falle und bestehen in einer
dirckten Anwachsung der Ciliarfortsätze an das Ligamen-
▼. Gnefe's Archiv mr Ophthalmologie. XL. 2. 2
18 H. Wintersteiner.
tum pectinatuni ohne Einschaltung einer nennenswerthen
Narbenmasse. — Die Linse fehlt spurlos. Sie ist jeden-
falls durch die Skleralwunde aus dem Bulbus ausgetreten
und durch einen Riss in der Bindehaut gänzUch verloren
gegangen. Als Ueberrest dieser letzteren Verletzung findet
sich noch der von Bindehautepithel ausgekleidete imd bis
auf den prolabirten Ciliarkörper reichende Fistelcanal, der
sich in der Tiefe zu flachen Hohlräumen ausweitet
Was die Ausdehnung des Risses anbelangt, so nimmt
er in der Lederhaut ungelähr ein Viertel des Umkreises
ein; in der Pars plana corporis ciliaris ist derselbe nach
oben bedeutend ausgedehnter, so dass auf Schnitten im
inneren oberen Quadranten, welche schon eine unverletzte
Sklera zeigen, der Riss im Strahlenkörper noch weit klafft.
Nach unten zu kehrt sich dieses Verhältniss um, so dass
die Trennung in der Sklera weiter nach abwärts reicht
als die des Corpus cihare. Wie selbstverständlich, erstreckt
sich auch die Abtrennung des CiUarmuskels von der Sklera
beträchtlich weiter als der Prolaps; denn nur, wenn die
Lockerung des CiUarkörpers genügende Ausdehnimg er-
reicht hatte, konnte ja derselbe vorfallen. Dieser Fall ist
besonders von Interesse, wenn man ihn mit dem vorigen
zusammenhält, mit welchem er weitgehende Aehidichkeit in
der khnischen Erscheinimg und selbst im makroskopischen
Aussehen des hemisecirten Bulbus besitzt Li beiden
Fällen besteht nämUch eine Ruptur der Lederhaut mit
Vorfall der Uvea, traumatische Aniridie und Aphakie imd
blutige Durchtränkung des Glaskörpers. Während aber im
ersten Falle der Prolaps durch vorgestülpte Jiis gebildet
ist, besteht er in diesem aus dem vorgefallenen Strahlen-
körper bei totalem Defecte der Regenbogenhaut. Es ist
also gewiss nöthig, hier einen anderen Vorgang bei der
Verletzung anzunehmen als im vorigen Falle. Ist es ja
doch sehr aufifallend, dass bei voUigem Mangel der Iris ein
Vorfall des CiliarkOrpers in einer Gegend zustande kam.
Beitrilge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 19
welche vor seinem Ansätze gelegen ist. Ueberhaupt müssen
bei der Entstehung eines Ciliarkörpervorfalles ganz andere
Kräfte in Action treten als bei der eines Irisprolapses, zu
dessen Bildung schon der Druck des aus der hinteren
Kammer vorstürzenden Karamerwassers allein vollkommen
hinreicht
Hier lassen sich zwei MögUchkeiten des Yerletzungs*
mechanismus in Erwägung ziehen. Erstens ist es denkbar^
dass durch die Sklerah-uptiu- die Iris vorfiel während sie
ähnlich wie im vorigen Falle, noch im Zusammenhange
mit dem CiUarkörper stand und dass sie dann erst so
brüske abgerissen wurde, dass hierdurch derselbe sowohl von
der Sklera abgesprengt, als auch nahe der Ora serrata durch-
rissen wurde und durch den Skleralspalt vorfiel. Dieser
Yerletzungsmechanismus ist mir aber nicht sehr wahrschein-
lich, weil die Insertion der Kegenbogenhaut an den CiUar-
körper recht ungünstig gelegen ist, um einen Prolaps des
letzteren durch einfachen Zug zu erzeugen. Ausserdem
widerspricht dem auch die hundertfältige Erfahrung, dass
sich die Iris verhaltnissmässig leicht vom Corpus cihare
abtrennen lässt, während doch die Anheftung des Mus-
culus dliaris an die Sklera eine sehr feste, sehnige ist
Die zweite MögUchkeit scheint mir mehr für sich zu
haben. Es dürfte nämüch in gewöhnUcher "Weise (welche
wir allerdings nicht näher kennen) durch Einwirkung der
stumpfen Gewalt gleichzeitig mit der Bulbusberstung oder
richtiger noch vor derselben eine totale ringförmige Ablösung
der Iris entstanden sein und dieselbe diu^ch die Wunde in
der Lederhaut aus dem Augapfel hinausgeschwemmt worden
sein. Die Abtrennung und der Vorfall des Ciharkörpers
erfolgte dann unabhängig von der Iridodialyse durch Ein-
wirkung der luxirten Linse, welche ebenfalls durch die
Skleralwunde aus dem Bulbus auszutreten versuchte, hier-
bei aber mit ihrem Aequator sich gegen die CiUarfortsätze
und den CiliarkOrper stemmte und so dieselben vor sich
2*
20 H. Wintersteiner.
herdrängte und einerseits von der Sklerotica, andererseits
von der Chorioidea abriss und durch den Schütz in der
Sklera hinaussttilpte. Gleichzeitig wird auch der Druck
des Glaskörpers gegen die Wundöffnung sowohl direkt auf
den Ciliarkörper gewirkt als auch den von der linse auf
denselben ausgeübten Druck verstärkt haben. Möglicher-
weise kann dabei auch eine abnorme Festigkeit der Zo-
nula Zinnii mitgeholfen haben, w^elche hinderte, dass sich
die linse frühzeitig aus allen Verbindungen löste und vor
' den Ciliarkörper trat. Das vorgefallene Corpus ciliare
wurde offenbar durch die nach dem Abfluss des Kammer-
wassers und dem Austritte der Linse sich aneinander-
legenden Wundränder der Lederhaut eingeklemmt, incarce-
rirt und so lange festgehalten, bis sich Verwachsungen mit
der Umgebung ausbildeten und die weitere, definitive Fixi-
rung übernahmen.
Fall ITL
Schiessbuhl, Johann, Wirthschaftsbesitzer, 37 Jahre
alt, aufgenommen am 8. Sept. 1892 sab Journal-Nr. 17043
auf Z.-Nr. 57^ der I. Augenklinik.
Am 8. September Nachmittags wurde er von einem
Freunde auf der Rebhühnerjagd angeblich aus einer Entfer-
nung von ungefähr 100 Schritten (mit Schrot Nr. 12) ange-
schossen. Er verspürte augenblicklich starken Schmerz im
rechten Auge, welches von dem Augenblicke an blind war und
heftig blutete. Er fuhr sogleich nach Wien in die Klinik,
wo ich ihn ungefähr 5 Standen nach dem Unfälle zu sehen
bekam.
Er zeigte mehrere Schassverletzungen am Körper, näm-
lich an der rechten Wange 2 cm unterhalb des unteren
Orbitalrandes; an der Mitte der Stirne-, an der rechten Seite
der Oberlippe, welche perforirt war und der eine Quetschung
am Zahnfleische des rechten oberen Eckzahnes entsprach; an
der rechten Halsseite, am rechten Handrücken; am rechten
Oberarme. Fast an allen diesen Stellen Hess sich unter der
Haut das Schrotkorn tasten.
Das rechte Auge zeigte folgende Verletzungen: In der
Mitte des unteren Lides, knapp unterhalb der Cilienreihe be-
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 21
findet sich eine mit vertrocknetem Blute bedeckte, unregel-
m&ssige, zackigrandige Wunde von ca. 3 mm Durchmesser,
welche die ganze Dicke des Lides durchsetzt und der an der
-xonjunctivalen Seite eine ähnliche zackige Wunde entspricht.
Die Bindehaut ist sonst blass; am Bulbus ein ganz zarter, die
Hornhaut umgebender episkleraler Injectionsring. Unmittelbar
unter dem Hornhautrande befindet sich eine die Copjunctiva
und Sklera durchdringende, sternförmige Oeffnung, aus welcher
dickflüssiges, dunkles Blut austritt. Alle drei erwähnten Oeff-
nungen in Lid und Sklera entsprechen der Lage nach ein-
ander genau und haben den gleichen Durchmesser.
Hornhaut klar, normal, Yorderkammer aufigehoben; von
der Iris ist keine Spur zu sehen. Die Linse ist klar und
zeigt nur an ihrer vorderen Kapsel zwei kleine gelbliche Fleck-
chen. Hinter der Linse erscheint bei seitlicher Beleuchtung
ein hellblntrother Reflex. Fundus nicht sichtbar. Der Patient
nimmt mit diesem Auge eine Kerzenflamme in unmittelbarer
Nähe nur undeutlich wahr.
Das linke Auge ist normal gebildet und ohne patholo-
gische Veränderung V = */g.
Die Diagnose lautete: Vulnus sklopetarium palpebrae in-
ferioris et sclerae o. d. Haemophthalmus. Aniridia trauma-
tica. Doch musste auch die Möglichkeit in Betracht gezogen
werden, dass statt eines völligen Maugels nur eine Einsenkung
der Iris hinter die Linse vorliegen könne; denn die Unter-
suchung im durchfallenden Lichte, welche Ausschluss hätte
bieten können, war, wie erwähnt, wegen Glaskörperblutung
nicht durchführbar.
Ich verordnete dem Kranken warme Ueberschläge, Bett-
ruhe und täglich 2 malige Einträufelung von l Tropfen einer
1 % Atropinlösung.
Am 9. September hatte die lujectiou zugenommen. Starke
Scbmerzhaftigkcit. Am 10. IX. 92. Die Cornea gestichelt,
in ihren hinteren Schichten diffus getrübt, so dass die tieferen
Theile kaum sichtbar sind. Therapie: Verband mit essigsanrer
Thonerde, 3 mal täglich warme Ueberschläge, sonst wie früher.
Heftige spontane Schmerzen im Auge, wobei der Kranke das
Gefühl angiebt, „als ob das Schrotkorn im Bulbus hin und her
rollen würde'S Am 12. IX. 92. Die Hornhauttrübung und
Stichelung hat noch zugenommen. Die Kammer hat sich wie-
der hergestellt, ihre innere Hälfte ist mit dunklem Blute er-
füllt. (Der Kranke liegt auf der linken Seite.)
22 H. Wintereteiner.
Da angenommen werden musste, dass das Projectil sich
noch im Balbns befinde nnd die Gefahr einer sympathischen
Ophthalmie nahe lag, warde am 12. Sept. 92 die Enacleation
in Ghloroformnarkose vorgenommen, wobei es gelang, den
dnrch die Schusswunde am unteren Limbns drohenden Glas-
körpervorfall zu vermeiden. Der weitere Verlauf war normal.
Fat. wurde am 18. IX. mit reizlosem Anophtbalmus aus der
Anstalt entlassen.
Der Bulbus wurde sogleich in Müller'sche Flüssigkeit
gebracht, wo er durch 2 Monate verweilte, dann ausgewässert
und in Alkohol von steigender Goncentration nachgehärtet.
Er wurde im verticalen Meridian halbirt, so dass der Schnitt
durch den Schusscanal ging, dann jede Hälfte in Celloidin
eingebettet, in Serien geschnitten und gefärbt. Zur Anwen-
dung gelangten: Haematoxylin (Böhmer) und Eosin, Lithion-
carmin und Picrinsäure oder Anilinblau, Bismarckbraun.
Die makroskopische Untersuchung ergab normale
Maasse des Bulbus. Unten an der Comeoskleralgrenze, aber
schon der Sklera angehörend, befindet sich eine dieselbe in
der Richtung von vorne nach hinten horizontal durchdringende,
etwas über 1 mm weite canalartige Oeffnung, in deren Um-
gebung die Bindehaut wulstig aufgeworfen ist, und welche von
einer rothbraunen Masse erfüllt wird, die sich in gleichgefärbte,
theils lamellär angeordnete, theils mehr klumpige Massen in
der vorderen Glaskörpergegend fortsetzt. Die Hornhaut zeigt
keine sichtbaren Veränderungen, die vordere Kammer ist mit
theils gelblichweissen fädigen und membranartigen, theils blutig
imbibirten Gerinnseln erfüllt. Die Linse ist um ein geringes
nach vorne gerückt, so dass die Kammer verengt wird, und
gleichzeitig nach oben verschoben, so dass der Linsenrand an
den Ciliarfortsätzen anliegt. In den unteren Parthien der Linse
fehlt die geschichtete Structur. Die Iris mangelt vollständig.
Der Ciliarkörper ist an der dem Einschüsse entsprechenden
Parthie von der skleralen Fixation gelöst und nach rückwärts
dislocirt.
Die Netzhaut ist in grosser Ausdehnung besonders nach
unten zu weit von der Chorioidea durch einen massigen ge-
ronnenen Bluterguss abgehoben, der Glaskörperraum dadurch
bedeutend verengt und von einem Fachwerke von Gerinnseln
erfüllt, welches nach vorne und unten in die bereits erwähn-
ten Blutgerinnsel übergeht. Auch die Aderhaut ist im ganzen
Umfange flach abgehoben. Der Sehnerv zeigt nichts Besonderes.
Beitrage zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 23
Mikroskopische Untersachung: (Figur 6.) Die Horn-
haut ist Yon gewöhnlicher Dicke und Wölbung, ihr Epithel
grösstentheils normal; nur in der unteren Hälfte der Cornea
sind die oberflächlichen Epithelschichteu stellenweise ausge-
fallen, so dass nur die Basalzellen mehr vorhanden sind;
streckenweise, jedoch nur in sehr geringer Ausdehnung, fehlen
auch diese, so dass die sonst normale Bowman'sche Membran
blossliegt. Das Hornhautgewebe ist im Allgemeinen etwas
kernreicher, die Lamellen in den hinteren Schichten durch
Verbreiterung der Zwischenräume lockerer gefügt, auseinander-
gedrängt.
In den interlamellären Räumen besonders der unteren
Cornealhälfte finden sich zahlreiche Rundzellen eingelagert,
welche im Durchschnitt spindelförmig gestaltete Gruppen bilden.
Zwischen der Lamina Descemetii und den hinteren Hornhaut-
lamellen werden diese Heerde bedeutend mächtiger und
fiiessen zu einer ununterbrochenen Schicht von Wanderzellen
zusammen.
Die Descemet'sche Haut ist grob gewellt. An dieser
Faltung nehmen auch die Hornhautlamellen im ganzen hinteren
Drittel der Dicke in abnehmender Intensität Theil,. indem sich
die Wellen, je weiter mau nach vorne kommt, immer mehr
abflachen und schliesslich ganz verstreichen. Das Endothel
ist auf kurzen Strecken abgestossen und hier kleben rothe
Blutkörperchen direkt an der Descemet'schen Membran, au
anderen Stellen mittelst zarten Fibringerinnseln an dem Endothel.
Das Stückchen Bindehaut, welches am Bulbus bei der
Enucleatiou erhalten blieb, ist bis auf eine ziemlich beträcht-
liche Hyperaemie normal. Nur in der Umgebung des Ein-
schusses ist sie stärker gewulstet, mit Fibrinnetzen und rothen
Blutkörperchen durchsetzt. An einer ganz beschränkten Stelle
ist sie völlig durchrissen, die Wundränder eingerollt und blutig
imbibirt; das in Wucherung begriffene Epithel dringt ein
kurzes Stück weit in den Wundtrichter hinein vor. Aus dem-
selben quillt in Gestalt eines Zapfens Glaskörpergewebe vor.
Die Schussöffnung liegt knapp neben dem Limbus cor-
neae, gehört aber schon vollständig der Sklera an, so dass weder
die Bowman'sche noch die Descemet'sche Haut verletzt sind.
Das Ligamentum pectinatum ist jedoch zerrissen und seine
durchtrennten Fasern sind in den Schusscanal eingestülpt.
Die skleralen Wundränder zeigen eine Abrundung, indem die
äussersten und innersten Schichten der Lederhaut gegen die
24 H. Wintersteiner.
Lichtung des Schusscanales eingerollt sind. Von hier ange-
fangen und bis über die Ansatzstelle des Musculus rectus in-
ferior hinausreichend, ist die Sklerotica theils mit rothen
Blutkörperchen, theils mit Wanderzellen infiltrirt; das Gleiche
gilt von dem episkleralen Bindegewebe.
Der in der Schusswunde liegende Glaskörper ist reichlich
mit rothen Blutzellen durchsetzt, ausserdem aber auch noch
von LeucocyteUi welche in Zügen angeordnet und strecken-
weise mit grobkörnigem, dunkelbraunem Pigment angefüllt
sind. Einzelne Pigmentkörnchen finden sich hier auch frei,
ebenso wie in dem Gewebe der Sklera selbst längs der Riss-
ränder. An einigen Schnitten sind letztere sogar eine Strecke
weit von einer continuirlichen Lage von pigmentführenden
Zellen, welche vollständig denen des retinalen Pigmentblattes
der Iris gleichen, überkleidet.
Es handelt sich hier offenbar um abgestreiftes Iristapet
und dies ist der einzige Rest der Regenbogenhaut, welcher im
ganzen Bulbus aufzufinden ist.
Die Verhältnisse des Kammerwinkels gestalten sich
folgendermassen:
An der Eiuschussstelle ist, wie schon erwähnt, das Liga-
mentum pectinatum durchrissen, die Rissräuder in den Wund-
canal eingeschlagen. Die Verletzung trifft auch den Ansatz
des Corpus ciliare. Dasselbe ist vollständig von seiner skle-
raleu Insertion abgelöst, ein Stück weit nach rückwärts ge-
rutscht und reichlich mit Blut imbibirt, welches alle Spalten
zwischen dem Netzwerk des Ciliarmuskels und die ganzen
Ciliarfortsätze soweit sie erhalten sind, erfüllt. An circum-
.skripter Stelle ist die ganze vordere Hälfte des Ciliarkörpers
sammt seinen Fortsätzen zerstört, an seiner Stelle eine aus
Glaskörper, Fibringerinuseln und Blutkörperchen zusammenge-
setzte Masse; in dieser befindet sich ein aus Leucocyten be-
stehender, scharf umschriebener Heerd, in dessen Mitte der
Querschnitt eines Haares eingebettet liegt. Riesenzellen sind
nicht vorhanden. Das Haar hat nicht auf allen Schnitten die
gleiche Lage. Denn nur in den der Mitte der Perforations-
öffnung entsprechenden Schnitten nimmt es den eben be-
schriebenen Ort ein; in den weiter nach innen zu gelegenen
Schnitten rückt es allmählig weiter nach rückwärts, so dass
es dann an die Innenseite des abgetrennten Ciliarkörpers bis
hinter die Ursprungsstcllc der Ciliarfortsätze zu liegen kommt.
Es ist weder die Spitze des Haares, noch die Wurzel, oder
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 25
Haarzwiebel vorhanden; es handelt sich also um ein kurzes
Stück mitten aus einem Haare, welches seiner Stärke nach einer
Cilie entspricht.
An den von der Einschussöffnung mehr weniger weit ent-
fernten Theilen sind die anatomischen Verhältnisse des Kammer-
winkels ungleich interessanter und wichtiger und fast im ganzen
Umfange von dem gleichen Wesen. Vorerst fehlt die Iris voll-
ständig; es ist auch nicht der allergeringste Rest von ihr an
der Ansatzstelle zurückgeblieben. Die Gegend, wo sie sass, ist
durch eine tiefe, in den vorderen Theil des Ciliarkörpers ein-
dringende, die Vorderfläche des Musculus ciliaris vollständig
biossiegende Höhle eingenommen. Es ergiebt sich demnach,
dass die Regenbogenhaut nicht an ihrer Wurzel abgerissen,
sondern aus dem Strahlenkörper herausgerissen ist Die ge-
nauere Begrenzung der erwähnton Höhle (Fig. 7) wird gebildet:
nach vorne von dem Ligamentum pectinatum welches fast au
keiner Stelle unversehrt gebliebeu ist, sondern dessen Balken-
werk streckenweise selbst in ganzer Dicke eingerissen ist. Die
einzelnen Bälkchen stehen sparrig auseinander. Ihre Zwischen-
räume sind erfüllt mit rothen Blutkörperchen, welche offenbar
aus dem Schlemm' sehen Canale stammen, da derselbe an seiner
Hinterwand stellenweise eröffnet ist (Fig. 7). Nach hinten be-
grenzt sich der Hohlraum durch die Fasern des blossgelegten
Ciliarmuskels , welche streckenweise zwischen sich pigment-
führende Zellen tragen; gegen die Bulbusachse zu wird die
Grenze gegeben durch die Rissränder der Ciliarfortsätze und
durch die zum Theile erhaltenen, zum Theile aber auch zer-
rissenen und durch frische Thromben verschlossenen Gefässchen,
welche Aeste des Circulus arteriosus iridis major darstellen.
Dieser selbst lässt sich nur streckenweise nachweisen, strecken-
weise fehlt er und die Steile, wo er liegen sollte, fällt in den
mehrfach erwähnten Hohlraum, der durch das Horausreisseu
der Iris entstanden ist. Die Ciliarfortsätze sind alle ziemlich
weit gegen die Hornhaut vorgerückt, so dass die Höhlung noch
tiefer erscheint. Einige zeigen dabei die Neigung sich mit
ihrem Rissrande gegen dieselbe hin einzurollen. Die Rissstellen
sind nur sehr wenig blutig suffundirt und zeigen keine ent-
zündlichen Veränderungen. Auch das Epithel der Ciliarfort-
sätze hat keine Wucherungstendenz. Ausser dem Beginne einer
hyalinen Degeneration im Halstheile welche ja als seniler Vor-
gang aufzufassen ist, zeigen die Ciliarfortsätze keinerlei patho-
logische Veränderung.
26 H. Wintersteiner.
Die übrigen Befunde an dem Auge seien nur ganz kurz
angeführt:
Die Linse,, welche etwas nach oben verschoben ist, so dass
sie dort an die Giliarfortsätze anstösst, zeigt eine Eröffnung
ihrer Kapsel in der Aequatorgegend cutsprechend der Schuss-
wunde. Die Wunde klafft weit, ihre Rissränder sind nur wenig
nach aussen umgekrämpt. Die äquatorialen Parthlen der Linsen-
rinde sind kataraktös zerfallen und in Form einer den sklero-
sirten Kern bis zur hinteren Polgegend umgreifenden Schale
von Rundzellen infiltrirt. Die hintere Capsel ist auffallend dünn
und am hinteren Pole von der Linse abgehoben. Hier befinden
sich zahlreiche kleinere und grössere Blasen in den subcapsu-
lären Rindenschichten; ähnliche ringsum in der Kernbogen-
gegend. Die Zonulafasern sind oben und natürlich auch unten
zerrissen, an den seitlich geführten Schnitten jedoch wohl er-
halten.
Der Kammerraum ist von einem dichten Fach werk von
zierlichen Fibringerinnseln ausgefüllt, welches innig an der
vorderen Linsenkapsel haftet und seinen Ursprung aus dem
Kammerwinkel nimmt. Es ist reichlich mit rothen Blutkörper-
chen durchsetzt und enthält auch in den der Linse unmittelbar
anliegenden Antheilen grössere Fibrinklumpen und kleine Nester
von Leukocyten. Gegen den Boden der Kammer wird die Blut-
ansammlung am mächtigsten.
Der Glaskörper ist zerklüftet, sehr zellreich und von Blut-
austritten in welchselnder Grösse durchsetzt; in den hinteren
unteren Parthien ist er durch einen grossen Blutklumpen ganz
verdrängt Zerstreut finden sich grössere und kleinere Heerde
von Rundzellen. Ciliarkörper und Chorioidea sind von der
Sklera flach abgehoben, die Netzhaut von der Ora serräta au
abgelöst. Ihr unterer Theil zieht senkrecht gegen die Bulbus-
achse bis hinter den hinteren Linsenpol und biegt erst hier
nach rückwärts um. Der subretinale Raum wird theils durch
Blut, theils durch feinkörnig geronnene, mit Eosin färbbaro
Massen ausgefüllt. Die Retina ist in ihren Schichten ganz gut
erhalten, bietet keine Zeichen von Entzündung.
Unterhalb des Sehnervenkopfes, welcher ausser einer ge-
ringen Kernvermehrung keine Veränderungen zeigt, befindet sich
eine Perforation der Netzhaut, Ader- und Lederhaut. Au
letzterer ist die Wundöffnung von dem gleichen Caliber wi^
vorne an der Gorneoskleralgrenze; nur sind hier die Wund-
ränder nach aussen gerollt und zwar sowohl die inneren als
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatisehen Aniridie etc. 27
auch die äusseren Ränder des Canales, welcher dadurch die
Form eines mit der Basis dem Bulbusinneren zugewendeten
Trichters erhält. Die Rissränder der Ghorioidea sind weit
zurückgezogen, gewulstet und nur wenig eingerollt, zellig und
insbesondere blutig infiltrirt, liegen aber der Sklera an. Die
Netzhaut hat sich nur um ein geringes weiter als die Ader-
haut retrahirt und ist von Blutaustritten gesprenkelt. In ziem-
licher Ausdehnung haben sich hier die Ausseuglieder der
Stäbchen und Zapfen von den übrigen Netzhautschichten in
Gestalt einer zusammenhängenden, gefalteten Membran abgelöst ;
diese liegt nun zwischen Pigmentepithel und Netzhaut in Blut-
coagula eingebettet und steht mit ihrem Rande noch mit der
Stäbchenzapfenschichte im festem Zusammenhange.
Die Ciliarnerven sind von entzündlichen Veränderungen
frei. —
Die makroskopisclie und insbesoildere histologische
Untersuchung ergiebt also ausser den für die Fi*age nach
der Iridereniie und Iridodialyse in Betracht kommenden
Veränderungen noch eine Reihe von Befimden, welche zu-
erst in Kürze besprochen werden mögen.
Zuerst ist hervorzuheben, dass das Schrotkom nicht,
wie angenommen worden war, noch im Bulbus venveilte,
sondern unterhalb des Sehnerveneintiittes die Augenmem-
branen zum zweiten Male perforirt hatte imd in das Orbi-
talgewebe eingedrungen war. Auf seinem Wege durch das
Lid hatte es eine Cilie mitgerissen und in das Innere des
Augapfels verschleppt, wo sie liegen blieb, jedoch nicht
ohne eine entzündliche Reaction in ihrer Umgebung hervor-
zurufen^). Zugleich wurde der vordere Theil des Ciliar-
körpers zerstört, die Linsenkapsel in der Aequatorgegend
zum Bersten gebracht, die Linse subluxirt, die Netzhaut
durch Bluterguss abgehoben. Die Hornhaut zeigt da»
typische Bild der interstitiellen Entzündung.
') Ein ähnlicher Befund wurde von Deutschmann gelegent-
lich gemacht, doch fanden sich dort in der Umgebung der Cilie auch
Riesenzellen, welche in unserem Falle fehlen, offenbar weil die Zeit
(4 Tage) noch zu kurz zu ihrem Auftreten war.
28 H. Winterßteiner.
Für die Beurtheilung der Veränderungen im Kammer-
winkel bei Irideremie ist der vorliegende Fall deshalb von
hervorragender Wichtigkeit, da die Enucleation schon am
4. Tage nach der Verletzung vorgenommen wurde, die ur-
sprüngUchen Wundverhältnisse also durch secundäre Ver-
änderungen noch relativ wenig alterirt oder verwischt wor-
den waren.
Wie in dem vorigen Falle ist die Iris ganz glatt von
ihrem Ansätze abgetrennt und zwar sammt einem geringen
Antheil aus den vordersten Parthien des Ciliarkörpers.
Hierbei ist das Ligamentum pectinatimi allenthalben einge-
rissen, an manchen Stellen auch noch die Hinterwand des
Schlemm'schen Canales durchbrochen, so dass sich dessen
Inhalt frei in die Kammer ergiessen konnte. Der'Circulus
arteriosus iridis major ist stellenweise ganz zerstört, sonst
sind die von ihm abgehenden Aeste knapp an ihrem Ur-
spning ab- oder ausgerissen, der Ciliaimuskel vorne voll-
ständig entblösst, aber nur wenig blutig infiltrirt
Von der Iris ist als einzige Spur beträchtliche Pig-
mentirung in einer Strecke des Schusscanales aufzufinden
und dies giebt einen Hinweis auf den Mechanismus der
Verletzung und den Zeitpunkt der Irisabtrennung. Meiner
Ansicht nach erfolgte die Iridodialyse schon zu einer Zeit,
als die Skleralperforation noch nicht vollendet war; viel-
leicht sogar schon in dem Augenblicke als das Schrotkorn
auf das untere Lid aufschlug und so, da sich jetzt der
Anprall auf eine grosse Fläche verbreitete, als stumpfe
Gewalt wirkte. Die ringsum abgetrennte und zu einem
kleinen Klümpchen zusammengeballte Iris wurde, sobald
dfis Schrot die Sklera völlig durchsetzt hatte und das Loch
klaflfte, von dem Strome des durch die enge Oeffiiung her-
vorstürzenden Kammerwassers erfasst und aus dem Bulbus
hinausgeschwemmt, wobei sich ihr Pigment an dem Wund-
canal theil weise abstreifte.
Dieser Fall scheint mir direkt gegen die Ansicht
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 29
Manolescu's über die Entstehung der Irideremie zu spre-
chen. Nach derselben ist das erste immer eine Perforation
der Bulbuskapsel, das zweite ein Irisprolaps imd dann über-
nimmt das Kammerwasser die Hauptrolle, indem es wegen
seiner Incompressibilität die vorgestülpte Iris ringsum ab-
reisst und mit schwemmt').
Später, d. h. nachdem das Schrotkom schon durch die
Lederhaut hindurchgedrungen und die oflFene Lücke in der-
selben entstanden wai-, konnte meines Erachtens keine Iri-
deremie mehr entstehen, da das Kammerwasser sowohl vor
der Iris aus der vorderen Kammer, als durch das entstan-
dene Loch in derselben aus der hinteren Kanmier frei
hätte abfliessen können, also kaum Gelegenheit zu einem
Irisprolapse geschweige denn zu einer vollständigen Ab-
reissung und Hinausschwemmung der Iris vorhanden ge-
wesen wäre.
Es sei noch der relativen Seltenheit von Irideremia
traumatica mit Erhaltung der Linse Erwähnung gethan.
Am seltensten sind wohl die Falle, wo die linse weder
ihre Lage änderte noch sich trübte. Hierher gehören Be-
obachtungen von Chisolm, Folker, Argyll Robertson,
Hjort, Lange, Gayet, Carrd, von mir, Hirschberg,
Arlt*). Bedeutend häufiger sind die Fälle wo eine gleich-
zeitige Luxation der linse stattfand entweder in den Glaskörper
*) Ausserdem sprechen gegen diese Theorie (oder wenigstens
gegen ihre allgemeine Annahme) alle Fälle, wo keine Perforation statt-
fand (z. B. Schäfer, 3. Fallf und alle die, wo die abgerissene und
zusammengeknftulte Iris am Boden der Vorderkammer aufgefunden
wurde (z. B. Schaligin, Fischer).
•) Die F^Ue von Graefe, Rau, Weller, Heyfelder, Mooren
dürfen nicht hierher gerechnet werden, da in denselben die durch eine
Homhautwunde vorgefallene Iris artificiell entweder absichtlich oder
durch Ungeschicklichkeit der hülfeleistenden Person herausgerissen
worden war. Im Falle 0 Glesbys wurde bei einer Kataraktextraction
in einem sonst ganz normalen Auge mit prompt reagirender Pupille
die ganze Iris herausgezogen. Da dies ohne Blutung stattfand, kommt
30 H. Wintersteiner.
(z. B. Schaligin, Armaignac, Ottingen, Galezowski)
oder unter die Bindehaut (z. B. Oeller, Homburg,
Mengin). Diese letzteren geben den Uebergang zu dem
häufigsten Yorkommniss, dass nämlich die linse vollständig
fehlte, indem sie zumeist durch eine Skleralruptur unter
gleichzeitiger Zerreissung der Conjunctiva den Bulbus ganz
verlassen hatte (z.B. Jeaffreson, Samelson, Krajewski,
Schiess-Gemuseus, Dixon, Samelson, Manolescu,
Nunnely, Williams, Savary, Harlan, Haltenhoff,
Hirschberg, Natanson, Lyder Borthen, Lange und
die anatomisch untersuchten Falle von Alt, Schiess-Ge-
museus, Treitel imd Schäfer).
Nur selten ist bei traumatischer Aniridie die Linse in
ihrer Lage erhalten aber kataraktös verändert (Beobach-
tungen von Fano, Mc Keown) und hierher ist auch unser
Fall zu zählen, obgleich die Linse noch eine geringe Ver-
schiebung nach oben zeigte, welche jedoch klinisch nicht
erkennbar war.
Fall IV.
Ueber denselben entnehme ich den kUnischen Proto-
kollen folgende Daten:
Am 10. September 1885 wurde der 56-jährige Fragner
Johann Naber sab Prot. Nr. 12 auf die I. Augenklinik in
Wien aufgenommen. Angeblich fiel er am Abend zuvor auf
einen Stein, wobei er sich das rechte Auge verletzte. Bei der
Aufnahme zeigte sich die Haut des Kinnes abgeschürft, in der
Wangenhaut nahe dem unteren Orbitalrande rechterseits eine
ca 3 cm lange, oberflächliche Continuitätstrennung mit zackigen
Rändern. Die Lidhaut an mehreren Stellen von Blutaustritten
durchsetzt. Bindehaut des Bulbus intensiv geröthet, gewulstet.
Ringförmige Ciliariigection um die Hornhaut. Nach innen
ca. 2 — 3 mm vom Limbus entfernt, ist die Sklera durchrissen
0 Glesby zu dem merkwürdigen Schlüsse, dass die Iris schon früher
ringsum losgelöst war und jetzt dem leichten Zuge der Pincette folgte.
Leider sagt er nicht, auf welche Weise sie bis zu dieser Zeit in der
Kammer ausgespannt erhalten worden war.
Beitrfige zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 31
and zeigt eine ungefähr 3 mm lange, vertikal verlaufende, mit
tie£schwarzen Pigmentmassen ausgefüllte, annähernd lineare
Wunde. Hornhaut glänzend, in der oberen Hälfte von senk-
recht verlaufenden streifigen Trttbungen durchsetzt, Vorder-
kammer vollständig mit dunkelrothem Blute erfüllt. Lichtem-
pfindung scheint zu fehlen.
Das linke Auge, soviel äusserlich wahrnehmbar, normal.
Die Therapie bestand in Bettruhe und Anregung der Dia-
phorese durch Natrium salicylicum und Flores Tiliae.
Am 17. September war das Blut in der Yorderkammer
bereits vollkommen resorbirt. Man sah nun, dass die Iris von
ihrer unteren Insertion vollkommen losgerissen und in das
obere Drittel der Kammer gerückt war. Die Pupille erschien
als querverlaufender, ganz schmaler, schlitzförmiger Spalt.
Am 23. September 1885 verliess der Kranke auf sein
Verlangen die Krankenanstalt. Es bestand noch intensive Gi-
liarinjection und Wulstung der Augapfelbindehaut. Der Skle-
ralruptur entsprach eine pigmentirte Narbe. Im Übrigen hatte
sich der Status bezüglich Iris und Pupille nicht geändert. Aus
dem Fundus war kein rothes Licht zu erhalten. T n. Amaurosis (?)
Bulbus bei Betastung nicht schmerzhaft Linkes Auge normal.
Am 12. Oktober 1885 Hess sich Patient abermals auf die
Klinik aufnehmen, da die Reizung des rechten Auges anhielt
Am 13. Oktober wurde in Narcose die Enucleation des Bulbus
vorgenommen.
Der in Müll er 'scher Flüssigkeit conservirte und in Alco-
hol nachgehärtete Bulbus zeigt auf dem verticalen Durch-
schnitte folgende Verhältnisse: Die Dimensionen sind normal,
die Vorderkammer tief, da die Iris bis in die Ebene des Gi-
liarkörpers zurückgesunken ist. Die Regenbogenhaut zeigt sich
nur innen und aussen fixirt, so dass eine doppelte Iridodialyse
oben und unten entsteht Die unten gelegene ist jedoch be-
deutend breiter. Die Iris ist sehr schmal, die Pupille spalt-
förmig, quergestellt In der Vorderkammer kein Inhalt Die
Linse fehlt Der Glaskörper, welcher grösstentheils von mem-
branöser Structur ist, bildet nur im unteren Theile eine com-
pactere und blutig imbibirte Masse, der obere Theil ist ver-
flüssigt und entleerte sich bei der Spaltung des Augapfels. Er
ist nach vorne durch ein zartes, durchscheinendes Häutchen
abgegrenzt, auf welchem die Iris aufliegt. Netz- und Aderiiaut
sowie der ganze hintere Bulbusabschnitt zeigen makroskopisch
keine Abweichung von der Norm.
32 H. Wintersteiner.
Die beiden Bolbushälftdii wurden in Gelloidin eingebettet
und in Serien zerlegt, indem sie zuerst dem verticalen Meridian
parallel geschnitten wurden, während die seitlichen Parthien
frisch eingebettet und sectorenweise ebenfalls in Serien ge-
schnitten wurden.
Mikroskopische Untersuchung.
Auf dem meridionalen verticalen Durchschnitte
des vorderen Augapfelabschnittes (Fig. 8) erscheint die
Hornhaut etwas dicker, ihr Gewebe lockerer, die interlamellären
Spalten bedeutend verbreitert, besonders in den hinteren Horn-
hautschichten, ohne entzündliche Infiltration. Ihr Epithel voll-
ständig erhalten, normal. Nur die Membrana Descemetii sammt
den hinteren Hornhantlamellen ist besonders in den centralen
Parthien der Cornea stark gewellt Das Endothel vorhanden,
nicht gewuchert. Am Limbus verdünnt sich die Hornhaut be-
trächtlich, da die Sklerotica nur etwas über die Hälfte der
Hornhautdicke hat. An etlichen Stellen schiebt sich zwischen
Epithel und Bowman'sche Membran eine ganz dünne Schicht
von reichlich mit Rundzellen durchsetztem, Gefässe führendem
Gewebe ein kurzes Stück weit vom Limbus aus vor.
Oben ist die Continuität des Skleragewebes in einer zacki-
gen Linie unterbrochen, der Zwischenraum zwischen den beiden
Rissenden vollständig ausgefüllt durch eine aus zarten, welligen
Fasern bestehende, von jungen Kernen reichlich durchsetzte
und mit Eosin nur blassroth gefärbte Bindegewebsmasse. Nur
einige derbere, wie geknickt aussehende Faserbündel der mitt-
leren Skleralschichten sind unzerrissen geblieben. Ausserdem
sind auch die äussersten, schon etwas lockerer gefügten und
den Übergang zum episkleralen Gewebe bildenden Faserzüge
in ihrem Zusammenhange erhalten, jedoch leicht nach aussen
vorgebaucht. Diese Unterbrechung der Sklera betrifft genau
die Gegend des Schlemm 'sehen Ganales, von welchem deshalb
auch keine Spur vorhanden ist, und durchdringt die Sklera in
schiefer Richtung ungefähr der Frontalebene entsprechend, so
dass also die äusseren Schichten weiter hinten durchtrennt sind,
als die inneren.
Das Ligamentum pectinatum ist ebenfalls in Mitleiden-
schaft gezogen. Sein Balkenwerk ist zusammengefallen, die
einzelnen Bälkchen stark gefältelt. Seine ganze Länge ist re-
ducirt, seine hintere Anheftung fehlt, da die Iris vollständig
Beiträge zur paüiolog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 33
und genau an ihrem Ciliaransatze abgetrennt ist, ohne hier
Überreste zurückzulassen.
Der Ciliarkörper ist normal gebildet und frei von jedem
entzündlichen Zeichen. Die Ciliarfortsätze hingegen sind deutlich
und manche sogar beträchtlich nach Yorne gezogen und sowie der
vor dem Ciliarmuskel gelegene Theil des Ciliarkörpers innig
mit dem oben beschriebenen Schaltgewebe in der Sklera ver-
wachsen. Ihr Pigmentepithel hört am Rissrande, welcher an
das Ligamentum pectinatum stösst, plötzlich auf. An einer
Reihe von Schnitten lässt es deutliche Wncherungsvorgänge er-
kennen, so dass eine 5 — 6 fache Lage von pigmentirten Epi-
thelzellen vorliegt. Hier ist auch das bindewebige Stroma der
Ciliarfortsätze mit dunkelbraun pigmentirten Rundzellen durch-
setzt. Stellenweise springt von dem Schaltgewebe in der Sklera
ein auf dem Durchschnitte dreieckiger, aus feinen Fasern be-
stehender Zipfel in den Kammerwinkel vor, welcher zum Theile
mit den Ciliarfortsätzen in Verbindung tritt zum Theile in
Gestalt feiner, den Zonulafasern gleichenden Fäden, sich frei
in die Kammer erstreckt.
Au der unteren Circumferenz des Limbus findet
sich ebenfalls eine Zusammenhangstrennung der Sklera, welche
nur die inneren Schichten betrifift, während die äusseren un-
versehrt über den Riss hiuwegziehen. Die Tiefe desselben
beträgt ungefähr die halbe Dicke der Sklera. Auch das Liga-
mentum pectinatum ist quer durchtrenut und zwischen die Riss-
enden desselben ein lockiges, zartes Bindegewebe eingelagert,
das stellenweise zahlreiche Kerne enthält. Vom Schlemm'schen
('anale ist auch an diesem Abschnitte nichts wahrzuneh-
men. Knapp hinter der Stelle, wo die Membrana Descemetii
in das Balkenwerk des Ligamentum pectinatum übergeht, zeigt
sich ein lockeres, aus zarten Bindegewebsfasern bestehendes
Gebilde, welches mit einer dreieckigen Basis entspringt, indem
Fasern von der Grenze der Descemet' sehen Haut nach hinten
und andere von dem Ursprünge des Ligamentum pectinatum
nach innen und vorne ziehen und sich unter spitzen Winkeln
treffen. Dieses Gebilde zieht dann, sich allmählich verschmäch-
tigeud, gegen die vordere Glaskörpergegend hin. An den
Schnitten, welche einer etwas weiter nach innen und unten
gelegenen Stelle entsprechen (Fig. 13), erreicht dieses Gebilde
eine bedeutende Mächtigkeit Hier ist die Sklera wieder in
ganzer Dicke durchrissen und die beiden Wundränder durch
eine mehr als 1 mm dicke Narbenmasse mit einander vereinigt,
V. Qnefe'B ArchW fQr Ophthalmologie. XL. 2. 3
34 H. Wintersteiner.
die sich in Gestalt eines zugespitzten Zapfens gegen die Bul-
busachse in die Vorderkammer vorschiebt nnd an deren Hinter-
fläche das Corpus ciliare und die Processus ciliares angewachsen
sind. Ihr Epithel zeigt hierbei energische Wucherung. —
Unten innen (Fig. 12) hingegen ist die Sklera intact,
ebenso der Schlemm 'sehe Canal. Die Ciliarfortsätze sind ähn-
lich wie im I. Fall ohne Einschaltung eines Zwischengewebes
gegen das eingerissene Ligamentum pectinatum hingezogen.
Der Circulus arteriosus iridis major ist erhalten.
Der Glaskörper besteht aus einem sehr zarten, feinstreifigen
Gewebe, welches fleckweise von rothen Blutkörperchen, die noch
sehr gut erhalten sind, durchsetzt ist, stellenweise auch Wander-
zellen eingelagert enthält; er grenzt sich nach vorne mit einer
Glasmembran ab, welche keine Andeutung einer tellerförmigen
Grube trägt. Von der Linse oder Linsenkapsel ist nichts auf-
findbar. Auch an dieser Seite (unten) ist von der Iris anch
nicht der mindeste Rest an ihrer Ansatzstelle zurückgeblieben.
Die Ciliarfortsätze, welche Hyalindegeneration zeigen, sind auch
hier etwas nach vorne gezogen und mit dem Ligamentum pec-
tinatum direct verwachsen. Die Rissstelle am Ciliarkörper ist
durch Zusammenziehung des Gewebes ausserordentlich schmal
geworden und durch Einrollung des Pigmentepithels der Ciliar-
fortsätze zum grössten Theile gedeckt. Der noch ttbrige Theil
der Rissstelle tritt in directe Verbindung mit der Basis des
Ligamentum pectinatum, welches so wie das von ihm abzwei-
gende neugebildete Gewebe reichlich mit pigmentführenden
Rundzellen durchsetzt ist. Dieses neugebildete Gewebe über-
lagert auch, von massenhaften Blutaustritten durchsetzt, den
Ciliarkörper. ist mit den Fasern der Zonula Zinnii aufs innigste
verwebt und lässt sich nach rückwärts bis zur Ora serrata ver-
folgen, wo die Blutungen allmählich an Mächtigkeit zunehmen.
Hier und da finden sich auch noch weiter hinten im Glaskör-
per Zellhaufen, welche uveales Pigment führen. —
Die Iris, welche, wie schon erwähnt, von ihrem Ciliar-
ansatze losgetrennt ist, liegt ungefähr in der gleichen Ebene,
in welcher man sie in aphakischen Augen vorzufinden pflegt.
Knapp hinter ihr spannt sich ein Diaphragma aus, welches die
vordere Begrenzung des Glaskörperraumes bildet und aus der
Glasmembran des Corpus vitreum gebildet und durch das aus
dem Kammerwinkel entspringende, schon oben beschriebene
feinfaserige Gewebe verstärkt wird. Mit demselben steht
der Rissrand der Iris besonders im Bereiche der oberen Dia-
Beiträge zur {latholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 35
lyse durch feinfaseriges Gewebe, welches nur spärliche Kerne
und Pigmentkörnchen eingelagert enthält, in Verbindung. Die
Iris, welche keine Verdtlnnung, wohl aber eine ziemlich be-
trächtliche Verschmälernng ihrer Spreite aufweist, veijüngt sich
gegen den Rissrand. Da, wo derselbe an das Glaskörperdia-
phragma angeheftet ist, ist das Irisgewebe etwas auseinander-
gezerrt, die hinteren Bindegewebslagen nach rückwärts einge-
rollt. An den Stellen, wo der Rissrand frei liegt (also besonders
unten), ist er abgerundet, indem die vorderen Lagen nach
hinten und die rückwärtigen nach vorne eingebogen sind. Das
Pigmentepithel erreicht nicht vollständig den freien Rand, son-
dern endet schon etwas früher noch an der Hinterfläche der
Iris. Das Irisgewebe zeigt keine weiteren Veränderungen als
eine auffallende hyaline Degeneration der Gefässwandungen,
ohne sonstige Zeichen von Atrophie oder Sklerose. Auch der
Sphincter iridis ist nicht verändert.
Bei Durchmusterung der Serien zeigt sich, dass die Pu-
pille, welche in vertikaler Richtung sehr schmal, in horizon-
taler dagegen sehr breit, also spaltförmig ist, nach innen ver-
zogen ist. Daher erhält man aussen noch ganz nahe beim
verticalen Meridian Schnitte, an welchen die Pupille nicht mehr
getroffen ist. Dieser undurchbrochene Antheil der Iris liegt
ganz in der oberen Hälfte der Kammer und rückt, je weiter
man nach aussen kommt, unter gleichzeitiger geringer Ver-
schmälernng immer höher hinauf und näher in den Kammer-
falz, bis er endlich im äusseren oberen Quadranten an den
Kammerwinkel anstösst und mit dem Ciliarkörper verwachsen ist.
Dieser Uebergang der Dialyse in die normale Iris-
insertion findet in folgender Weise statt:
Die sich nach der Seite ihres Rissrandes verschmäch-
tigende und nach und nach zuschärfende Iris tritt, sobald
sie wegen der allmählichen Verschmälernng der Iridodialyse
bis an die Spitzen der Ciliarfortsätze herangerückt ist,
durch einen aus spindeligen, langen Zellen mit länglichen
Kernen bestehenden Faden in Verbindung mit der Basis des
Ligamentum pectinatum, wobei es den Anschein hat, als ob
diese fasrigen Zellen directe Abzweigungen und Verlängerungen
seines Balkenwerkes wären (Fig. 11). An dem zugespitzten
Theile der Iris ist kein Pigmentblatt vorhanden, da es mit
einem verdickten, offenbar in Wucherung begriffenen Rande
schon früher an der Hinterfläche der Regenbogenhaut endet.
Die Gefässe dieser Gegend sind sämmtlich blutleer, ihre Wan-
36 IJ- Wintereteiner.
düngen verdickt, hyalin, ihr Lumen entweder vollständig auf-
gehoben oder bis auf einen feinen Spalt verengt.
In dem Maasse als die Iris weiter in den Kammerwinkel
rückt, wird der erwähnte Faden natürlich kürzer und gleich-
zeitig dicker, indem sich mehrfache zarte Bindegewebslagen
darauf schichten, welche ganz das Aussehen des (etwas ge-
zerrten) Irisstromas besitzen und auch etliche Gefässchen ent-
lialten. Auch hier fehlt noch das Pigmentepithel. Dieses ist der
letzte Bestandtheil der Iris, welcher wieder auftritt. Es sei
noch bemerkt, dass auch in dieser Gegend (also im oberen
äusseren Quadranten) die Sklera nicht intact ist, sondern un-
gel^hr die zwei inneren Drittel ihrer Dicke eingerissen und
durch junges Narbengewebe verlöthet sind. Dies ist die einzige
Stelle, an welcher die Iris, wenn auch nur in kurzer Strecke
ihre normale Insertion behalten hat, während sie sonst ringsum
von ihrem Ciliaransatz abgetrennt ist
Auf Schnitten, welche durch den inneren Theil der
Corneoskleralgrenze (Fig. 9) geführt sind, also durch die
Stelle, wo in vivo die Skleralruptur und der Prolaps der Uvea
sichtbar war, ist die Bindehaut stärker vorgewölbt, heerdweise
von Rundzellen und Blutaustritten durchsetzt. Das subcon-
junctivale Gewebe ist etwas verdichtet und durch eine Lage
neugebildeten Bindegewebes verstärkt. Hier zeigen sich wieder
die schon oben ausführlich beschriebenen pigmentführenden
Zellen (Pigment in den Lymphzellen der perivasculären Räume,
in den Wanderzellen, in den fixen Bindegewebszellen der Gon-
junctiva und Subconjunctiva) in grosser Menge. Die Sklera
ist genau an der Stelle des Schlemm'schen Canales vollständig
durchtrennt, ihre Rissränder sind auseinander gewichen und
zwischen ihnen hervor quillt die Iris, welche aber nicht wie
bei einem gewöhnlichen Irisprolaps beuteiförmig vorgestülpt und
mit ihrer Yorderfiäche nach aussen gekehrt ist, sondern sie
ist auch hier von ihrem Ansätze abgelöst, nach vorne umge-
schlagen und in diesem gefalteten Zustande vorgefallen. Es
bildet demnach das Pigmentblatt, welches streckenweise abge-
streift, stellenweise in Wucherung begriffen ist, die äussere
Ueberklcidung des Vorfalles. Die Iris ist hier nur um We-
niges zellreicher als sonst, ihre Gefässe hingegen sehr dicht
an einander gedrängt, ihre Wandungen hyalin, verdickt. An
der Durchtrittstelle durch die Sklerawunde ist die Regenbogen-
haut zusammengedrückt, verdünnt, mit ihrer Yorderfläche direct
au die skleralen Faserbündel angewachsen; zwischen ihrer
Beiträffe zur patholog. Anatomie d. trau nia tischen Aniridie eto. 37
Hinterfiäche und dem skleralen Rissrande hingegen ist sucu-
lentes kernreiches Bindegewebe eingeschaltet in einer Mächtig-
keit, welche der Dicke der Iris ungefähr gleichkommt Das-
selbe tritt in unmittelbare Verbindung einerseits mit dem
neugebildetcn Gewebe in der Episklera, welches den Prolaps
überzieht, andererseits mit dem schon mehrfach erwähnten,
hinter der Iris liegenden Diaphragma. Hierbei vermittelt es
auch zugleich die Ycrschliessung der Risswunde am vorderen
Ende des Ciliarkörpers. Stellenweise ist der Ciliarmuskel von
seiner Insertion an der Sklera abgelöst Von seinen Gemsen
treten zarte Sprossen in das junge Narbengewebo ein. Die
Ciliarfortsätze und der Ziliarkörper zeigen hier nur die schon
froher erwähnten Veränderungen.
Der Uebergang vom Irisvorfall zur oberen Dia-
lyse findet in der Weise statt, dass der gedoppelte Antheil
der prolabierten Iris immer kleiner wird, indem er sich auf-
rollt, bis endlich nur die einfache, ungefaltete Iris durch den
Skleralriss hindurchgesteckt erscheint (Fig. 10). Dieser Thei)
wird nach und nach kürzer, so dass er nicht mehr über die
äussere Oberfläche der Lederhaut vorragt und von dem jungen
Bindegewebe, welches hinter ihm aus der Ruptur herauszieht
und glatt über ihn hinwegstreicht, überdeckt wird. Weiterhin
zieht sich die Iris immer mehr zurück; sie ist erst noch mit
einem kleinen Endchen eingeklemmt, schliesslich liegt sie ganz
innerhalb der Bulbuskapsel, während ihr Platz in der Skleral-
ruptur vom jungen Narbengewebe ganz ausgefüllt wird. Mit
diesem steht der Irisrand anfangs noch vermittelst feiner Fa-
sern in Zusammenhang, doch löst sich derselbe bald.
Der Uebergang vom Irisvorfall zur unteren Dia-
lyse ist ganz analog, nur ist nach dieser Seite der vorgestülpte
Irisantheil bedeutend breiter als der in der Skleralöffnung
steckende, halsartig eingeschnürte, so dass auf Schnitten, welche
schon die ausgebildete Dialyse und die solide Skleralnarbe
trefifen, noch zusammengeballte Reste der Iris ausserhalb der
Bulbuskapsel unter der Bindehaut liegen (vgl. Fig. 13).
Der hintere Bulbusabschnitt bietet wenig Bemorkenswerthes.
Der Glaskörper ist in der schon erwähnten Weise verändert,
theils flüssig, theils fibrillär geronnen, von Blutaustritten durch-
setzt, welche nach unten an Mächtigkeit bedeutend zunehmen.
Die Retina und Chorioidea sind gut erhalten, der Sklera an-
liegend. Der Sehnervenkopf ist besonders in der Gegend der
Laniina cribrosa zellig infiltrirt aber nicht geschwollen, seine
38 H. Wintersteiner.
Gefässe sind strotzend gefüllt. Auch die peripheren Anthcile
des Sehnerven sind zellreicher; dagegen zeigen die Ciliarnerven
keine entzündlichen Erscheinungen und färben sich sowie der
Sehnervenstamm nach Weigert.
Eine kurze Zusammenfassung der mikroskopischen Be-
funde an diesem Auge ergiebt, dass die Sklera infolge des
Traumas, dessen Natur leider nicht genauer festzustellen
war, an der inneren Circumferenz nahe dem Homhaut-
rande geborsten war und das Ligamentum pectinatum und
der Schlemm'sclie Canal hierbei durchrissen wurden.
Die Skleralruptur ist nur ein verhältnissmässig kurzes
Stück penetrirend, umgreift aber, mit Ausnahme einer kur-
zen Strecke im äusseren unteren Quadranten, als incom-
pleter Riss den ganzen Homhautumfang. Hier sind allent-
halben die inneren Faserschichten der Sklerotica durch-
trennt, während die äusseren intact bheben, ein Verhalten,
welches den Befund, welchen Schäfer an einem mit Iri-
dodialysis behafteten Auge machte, bestätigt Derselbe
fand näniHch eine incomplete Ruptur der Sklera nahe der
Homhautgrenze, welche nur die beiden inneren Drittel der
Lederhaut betraf. Doch sind stellenweise (vergl. Fig. 11)
auch einzelne Faserbündel aus den mittleren Skleralschich-
ten erhalten geblieben, während die nach innen und nach
aussen davon gelegenen zerrissen. Dies deutet offenbar
auf eine sehr verschiedene Dehnbarkeit der einzelnen Leder-
hautfaserbündel und berechtigt im Allgemeinen zu dem
Schlüsse, welchem Schiess-Gemuseus gelegentlich der
Untersuchung eines mit Irideremie behafteten, leicht atro-
phischen Bulbus, an welchem die inneren Skleralschichten
sehr stark gefaltet waren, während die oberflächUchen
glatt darüber hinwegzogen, Worte giebt: dass nämUch die
Elasticität der äusseren Skleroticallamellen eine bedeuten-
dere sei als die der inneren. Auch Schäfer folgert aus
seinem Falle das Gleiche. Es ist von Wichtigkeit, dass
an keiner Stelle die beiden Wundränder der Skleralruptur
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 39
sich eng aneinander legten und so direkt ohne BetheiUgung
eines Zwischengewebes verwuchsen, sondern dass überall
eine mehr minder breite Schichte von jungem, noch kem-
reichem Bindegewebe eingeschoben ist und den Verschluss
vermittelte.
Während klinisch nur eine breite Iridodialyse im
unteren Bulbusabschnitte wahrgenommen werden konnte,
zeigte sich in dem vertical durchschnittenen Bulbus noch
eine zweite, schmälere, nach oben gelegene. Die mikros-
kopische Untersuchung ergab nun den interessanten Befund,
dass beide Dialysen doch nur Abschnitte einer einzigen,
sehr ausgedehnten, fast circulären Abtrennung der Regen-
bogenhaut von ihrer ciUaren Insertion sind, da auch innen,
wo der Prolaps sich befindet eine Losreissung der Iris zu
constatiren ist Jedenfalls ist dieselbe fiüher erfolgt als
der Irisvorfall, da sich sonst die Iris oflenbar in derselben
Weise hätte vorstülpen müssen wie in dem erstbeschrie-
benen Falle und wie man es überhaupt bei Irisprolaps zu
finden gewohnt ist, nämUch dass die vordei'en Irisschichten
nach aussen gekehrt sind, nicht aber wie hier das Pigment-
epithel. Dass es überhaupt zu einem Irisprolaps kam und
sich die dialysirte Regenbogenhaut nicht nach der Seite
der angeheftet gebliebenen Parthie zurückzog, führe ich
darauf zurück, dass das vorstürzende Kammerwasser den
nun schlaffen Irisring mit sich riss, hauptsächlich aber
darauf, dass die Linse aus ihrer Verbindung gelöst, durch
die Skleralruptur ausgetiieben wurde und dabei die Iris
mitzog.
Da von der linse gar keine Reste auffindbar sind,
muss angenommen werden, dass sie durch einen Schlitz in
der Bindehaut austrat.
Auffallend ist, dass die Regenbogenhaut, welche ja
nur an einer ganz kurzen Strecke ihres Umfanges noch
angewachsen war und dadurch mit den ernährenden Ge-
fässen in Verbindung stand, nach einem mehr als einen
40 H. Wintersteiner.
Monat währenden Bestände der J)ialyse keine auffälligen
Ernährungsstörungen zeigt Denn die hyaline Degeneration
der Gefässwandungen ist wahrscheinlich nicht auf solche
zurückzuführen, sondern als gewöhnliche senile Veränderung
zu betrachten. Finden wir ja doch bei dem 56jährigen
Manne auch in den Hälsen der Ciliarfortsätze schon be-
trächtliche Hyalindegeneration , wie sie zuerst von Rosa
Kerschbaumer, dann von Fuchs als senile Veränderung
beschrieben wurde. Dass an der Stelle, wo die Dialyse in
die normale Insertion übergeht ein Theil der Gefässe im
Ciliartheile der Iris obliterirt oder verengt ist, darf uns
nicht Wunder nehmen, da gerade diese Stelle einer grös-
seren Zerrung ausgesetzt ist, welche sich auch durch eine
Verdünnung der Irisdicke kundgiebt. Im Gegentheil ist
es auffallend, dass die Communication durch den Circulus
arteriosus iridis minor und die anderen Anastomosen im
Irisgewebe hini-eichten, die gcanze Iris genügend mit Blut
zu versorgen und vor Atropliie zu bewahren.
Was den Verschluss der Risswunde an der Iris
anbelangt, so findet er in zweierlei Weise statt Erstens
ohne Hinzutreten irgend welchen neugebildeten Gewebes,
einfach dadurch, dass die mittleren Irisschichten sich zurück-
ziehen und die vorderen und hinteren sich gegen einander
neigen und mit Endothel übeikleiden; zweitens dadurch,
dass der Rissrand in Verbindung tiitt mit einem aus zartem
Bindegewebe bestehenden Häutchen an der vorderen Glas-
körperbegrenzung. Dabei zeigt der Hand ein dem früher
beschriebenen gerade entgegengesetztes Verhalten, indem
die vorderen und hinteren Schichten durch den Zug der
neugebildeten Membran auseinanderge/ogen und die Narl)e
dadurch bedeutend verbreitert ist Schäfer beobachtete in
seinen Fällen eine etwas andere Art des Wundverschlusses:
„Der Wundrand des abgerissenen Irisstückes ist von einem
zarten, spindelzelUgen Exsudatbelng überzogen, über welchen
das vordere Irisendotliel bis zur Pigmentschicht hinüber-
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 41
gewucheit ist." Im zweiten Falle von Iridodialyse „ist das
abgeü'ennte Stück an seiner Wundfläche von vorne nacli
hinten zugeschärft, der Wundrand selbst erscheint ganz
glatt, ohne irgendwelche l^nebenheit, von einer feinen orga-
nisirten, vorwiegend aus laugen Spindelzellen bestehenden
Exsudatschicht bedeckt, über welche das Endothel der vor-
deren Irisfläche bis zur hinteren Begrenzungsschicht hin-
zieht."
Wie in den drei erst beschriebenen Fällen ist auch
hier die Iris vom Corpus ciliare abgerissen ohne einen
noch so kurzen Stumj)f zurückzulassen. Die Wunde im
Ciharkörper schloss sich, wie aus den Abbildungen ersicht-
hch, theils dadurch, dass durch Heranziehung der Ciliar-
fortsätze gegen das in die Skleralruptur eingeschaltete
Narbengewebe eine innige Verlöthung eintrat, theils da-
durch, dass die Ciliarfortsätze weit nach vorne bis über
das vordere Ende derLamina Descemetii gezerrt und durch
eine mehr oder minder mächtige Lage von neugebildetem
Bindegewebe hier fixirt wurden. Endlich ist an manchen
Stellen das Narbengewebe aus der Sklera so weit in die
Vorderkammer gewuchert, dass die ursprünglich vorhandene
Wundhöhle im vorderen Theile des Cori)us ciliare dadurch
ganz ausgefüllt ist und die Ciliarfortsätze an die Hinter-
fläche der zapfenartig vortretenden Bindegewebsmasse an-
gewachsen sind. Diese Verhältnisse scheinen mir von
Wichtigkeit zu sein für die Entscheidung der Frage, wann
die Ciliarfortsätze der khuischen Beobachtung zugängUch
sein werden und wann nicht. Denn wenn der vordere
Theil des Ciliarkörpers zusammengefallen ist und die Basen
der CiUarfortsätze gegen eine Skleralnarbe oder an das
Ligamentum pectinatum hingezogen sind oder wenn luxu-
rirendes Narbengewebe sich vor ihnen entwickelt und in
die Kammerbucht vorragt, so wird der ganze Ciharkörper
so verschmälert, dass er selbst bei sehr schiefem Einblicke
ins Auge nicht sichtbar wird oder er wird durch die Ge-
42 H. Wintersteiner.
websneubildung direkt verdeckt Von Belang scheint mir
dabei auch noch die Entwicklung des Ciliarmuskels zu sein,
da in hypermetropischen Augen bei stark ausgebildeten
circulären Fasern, welche ja gerade am vorspringendsten
Theile des Ciliarkörpers hegen, die Bedingungen für das
Sichtbarsein seiner Fortsätze von vom herein bedeutend
günstiger sind als in einem myopischen Auge mit ganz
flachem Corpus cihare.
Die Atrophie der CSUarfortsätze, welche von manchen
Autoren in Anspruch genommen wird, dürfte überhaupt
gar nicht in Betracht kommen, besonders da in manchen
Fällen schon einige Tage oder Wochen nach der Ver-
letzung, sobald das Blut resorbirt und die Medien wieder
klar geworden sind, die CSUarfortsätze nicht wahruehmbai*
sind, während sie in anderen noch nach Jahren in gleicher
DeutUchkeit sichtbar bleiben.
Auch eine Abreissung der Ciliarfoiisätze, welche
Samelson hypothetisch in Anspiiich nahm, möchte ich
nicht gelten lassen. Denn es scheint mir gar nicht mög-
Uch, dass durch ein stumpfes Trauma, welches zur Ab-
lösung der Iris von ihrer Insertion führt, auch Ciharfort-
sätze, welche mit der Regenbogenhaut ja nur in indirektem
Zusammenhange vermittelst des Corpus ciliare stehen, ab-
getrennt werden sollen. Es wäre ja da viel eher denkbar,
dass bei traumatischer Luxation der Linse, welche durch
die Zonula direkt an die Processus ciUares augeheftet ist,
bei etwas grösserer Festigkeit der ersteren und bei sehr
ungestümer Ein^virkung der Gewalt, eine Abreissung von
Ciliarfortsätzen erfolgen könnte und doch ist ein solches
Vorkommniss meines Wissens noch niemals beobachtet
worden.
Schäfer fand bei der anatomischen Untersuchung
eines vor 16 Tagen durch einen Schrotschuss verletzten
Auges eine Homhautnarbe, welche nahe ihrem Rande schräg
von vorne nach hinten gegen das Corpus ciliare gerichtet
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 43
war, und dementsprechend eine ganz kurze Durchtrennung
der Iris. Diese „ist dicht an ihrem Aufsatze ans Lig. pect
abgerissen und hat offenbar 4—5 Processus ciliares, welche
in den Präparaten fast unmittelbar ihr anliegen, beim Ab-
reissen mitgenommen/' Hinter dem Ciliarkörper befand
sich eine knäuelartig aussehende Narbe in der Chorioidea,
Retina und Glaskörper, offenbar der Gegend entsprechend,
wo das Schrotkom aufgefunden wurde.
Dieser Fall beweist nun meiner Ansicht nach dm^ch-
aus nicht, dass durch eine Iridodialyse Ciliarfortsätze abge-
rissen werden können. Denn da handelte es sich ja um
einen Schrotschuss, wobei das Projectil durch die Hornhaut
hindurchging und die Iris nahe ihrem Ciliaransatze samt
den hinter ihr liegenden Ciliarfortsätzen durchschlug. Wenn
man nun eine derai't entstandene Durchtrennung der Iris
auch als Dialyse gelten lassen will, so kann doch keines-
wegs zugegeben werden, dass die Ciliarfortsätze von der
sich von ihrem Ansätze ablösenden Iris mitgenommen wm-den.
Da in meinem letztbeschriebenen Falle makroskopisch
eine doppelte Iridodialyse vorgefunden wurde, welche sich
jedoch bei histologischer Prüfung als eine einzige, durch
einen Irisprolaps gewissermassen in zwei getheilte Dialyse
zu erkennen gab, taucht die Vermuthung auf, dass wohl
Manche von den Fällen, wo eine doppelte Dialyse klinisch
diagnosticirt worden war, auf ähnliche Weise zu erklären
sein dürften. Es kann ja dabei der Irisprolaps so klein
bleiben, dass er von der Conjunctiva ganz verdeckt wird,
insbesondere wenn nicht eine auffällige Pigmentining in der
Nähe des Limbus aufmerksam macht, nach dieser Richtung
genauer zu untersuchen.
Ein glücklicher Zufall fügte es, dass mir bald zwei
hierhergehörige Fälle zur Beobachtung kamen, welche dazu
angethan sind, die von mir gehegte Vermuthung zu be-
stätigen. Es mögen deshalb die beiden Kmnkengeschichten
hier einen Platz finden:
44 H. Wintersteiner.
Fall V.
Ruptura sclorae, Iridodialysis, Luxatio lentis sub
conjunctivam o. d.
Georg Renerer, 60 Jahre alt, Tagelöhner, suchte am 23. Fe-
bruar 1893 die I. Augenklinik auf, weil er seit einer Verletzung,
die er vor einigen Wochen erlitten, schlecht sähe. Er hatte
damals (eine genaue Zeitangabe war aus dem indolenten Pa-
tienten nicht herauszubringen) bei der Arbeit einen Streifhieb
mit einem Dreschflegel an die rechte Kopfseite erhalten. Die
Augengegend soll damals verschwollen gewesen sein. Er blu-
tete aus einer Wunde am Augenbrauenbogen.
Bei der Aufnahme in die Klinik war dieselbe schon ver-
heilt, kaum sichtbar. Im Uebrigen zeigte das rechte Auge
folgende Verhältnisse (vgl. Fig. 14): Lidhaut sehr schlaff, über
den äusseren Winkel spannt sich eine verticale dünne Haut-
falte, wodurch der äussere Theil des Oberlides eingerollt wird,
so dass die Cilion am Bulbus schleifen. Das untere Lid zeigt
eine stärkere Vorwölbung, seine Bindehaut etwas verdickt, das
Epithel getrübt.. Direct nach unten von der Cornea befindet
sich eine kreisrunde, gelblich durchscheinende, elastische Ge-
schwulst, genau von der Grösse der Hornhaut, welche auf 7
bis 8 mm vorragt und mit etwas eingezogener Basis leicht ge-
halst aufsitzt. Sie wird von einem sehr zarten Netzwerk von
Bindehau tgefässen übersponuen und ist sammt der Conjunctiva
nach allen Richtungen in geringem Grade verschiebbar. Nach
aussen schliesst sich an ihre Basis ein schiefergrau pigmen-
tirter, länglicher, mit dem Hornhautrande in einer Entfernung
von 2 mm parallel laufender Streifen, von welchem sich, noch
immer parallel mit dem Limbus, eine zarte Narbe nach aussen
oben bis über den horizontalen Meridian fortsetzt. Eine ähn-
liche findet sich unten und innen bis in die Pingueculagegend
hinaufreichend. Hornhaut vollständig^ normal ohne Aenderuug
ihrer Transparenz oder Wölbung. Die Vorderkammer oben von
gewöhnlicher Tiefe, scheint nach abwärts etwas seichter zu
werden, ohne fremde Inhaltsmassen. Die Iris ist vollständig
von ihrem ciliaren Ansätze losgelöst und wird nur innen oben
durch einen ungefähr 1 mm breiten Zipfel festgehalten, ausser-
dem spannen sich jedoch noch spinnenwebenartig zarte Fasern
im oberen Umfange des Kammerfalzes annähernd radiär aus
und fixiren den oberen Rand der Iris, welcher 2 — 3 mm von
seiner Ansatzstelle absteht.
Beiträge zur patliolog. Anatoniie d. traumatischen Aniridie etc. 45
Unten ist die Iris in ungefähr 9 mm Breite ebenfalls in
der Gegend der Kammerbncht fixirt, doch entspricht ihre Lage
einer weiter nach vorne gegen die Hornhaut zu liegenden Stelle
der Sklera. Dnrch diese doppelte Fixation der Iris entsteht
nach aussen zu eine 7 mm breite, neue Pupille, welche aussen
vom Gorneoskleralrande, innen von dem nach aussen zu con-
caven Ciliarrande der abgetrennten Iris begrenzt wird; und
nach innen eine zweite schmale, spaltförmige Pupille. Die Iris
selbst ist ausserordentlich atrophisch, sehr dünn, die Pupille
als ein schief von oben nach aussen unten ziehender, dunkler
Strich markirt, welcher von einer weissen, etwas prominiren-
den Linie begleitet wird. Der obere Rand der Pupille liegt
beiläufig im horizontalen Meridian, der untere knapp am Hörn-
hautrande. Von der weissen Linie strahlen senkrecht graue,
zarteste Fäserchen aus, wodurch die Iris das Aussehen einer
feinen Yogelfeder erhält. Zwischen den Fasern erscheinen ein>
zelne, sehr stark atrophische Stellen von dnnkelgraublauer Farbe.
In der innen gelegenen Dialyse zieht vertical von oben nach
unten ein undurchsichtiger weisser Streifen, der an seiner brei-
testen Stelle oben mit dem Irisrande in Verbindung steht,
während sein unteres Ende ein wenig nach rückwärts gewendet
ist. In der ganzen Ausdehnung dieser Spalte sind die Ciliar-
fortsätze ausserordentlich deutlich als dunkelbraune Zapfen und
Wärzchen mit gelblichen Kuppen sichtbar. Im äusseren Um-
fange des Kammerwinkels ist keine Spur von ihnen zu ent^
decken. Die Linse fehlt an ihrer normalen Stelle. Im durch-
fallenden Lichte leuchten beide neuen Pupillen hellroth auf Im
Glaskörper zahlreiche frei schwimmende Flocken und Punkte
und eine aussen unten fixirte, geisselartig schwingende, strang-
förmige Trübung. Der Fundus normal.
Am linken Auge ausser Blepharophimosis und centralen
Homhautfiecken nichts Pathologisches.
S. R. F . z — 2'; mit + 3 Vg F . z — 15'
mit -f2V8 Schw. 1,4 — 8"
S. L. *®/joo ^^^^ Besserung durch Gläser
S;S 1,0 — 8" mit + Vt Schw. 0,7 — 7"
Am 2. März extrahirte ich die unter die Conjunctiva lu-
xirte Linse. Canthoplastik. —
10. III.: Patient verlässt die Anstalt mit geheilter Bindc-
hautwunde Lidspalte verlängert Trichiasis behoben. Uebriger
Befund unverändert.
46 H. Wintersteiner.
Fall VI.
Iridodialysis o. d. Cicatrix corneae cum synechia
anteriore o. d.
Am 14. Mai 1893 besuchte Josef Fttrst, Hausbesorger,
57 Jahre alt, die Ambulanz der I. Augenklinik, da ihm vor
einigen Tagen Kalkstaub in beide Augen geflogen war.
Dabei konnte ich folgenden Befund am rechten Auge
erheben (vgl. Fig. 15):
Lider normal, nur ein wenig zurückgesunken. Lidbinde-
haut leicht injicirt, seröses Secret liefernd, welches die Cilien
verklebt. Bulbus etwas verkleinert, blass. Cornea ebenfalls
ein wenig kleiner und flacher als links. An ihrer oberen Pe-
ripherie befindet sich eine direct in die Sklera übergehende,
völlig undurchsichtige, milchweisse Narbe, welche ungefähr
4 mm Breite besitzt. Deren untere mittlere Parthieen werden
eingenommen von einer ca. 5 mm langen, 2 mm breiten Masse,
die in ihrer äusseren Hälfte braunrotb, sammtartig ist und
wie Irisgewebe aussieht, während der innere Theil blangrau
bis blauschwarz gefärbt ist und eine hirsekomgrosse, schwärz-
liche, mehr prominente Stelle besitzt. Während im Uebrigen
die Grenze der Narbe gegen das durchsichtige Homhautparen-
chym ziemlich scharf ist, erscheint sie im innersten Antheile
stark verwaschen. Die Vorderkammer ist etwas seichter, die
Iris in ihrer ganzen oberen und inneren Peripherie also in
halbem Umfange von dem ciliaren Ansätze abgelöst. Ihre in-
nere Grenze zieht fast vertical von der Mitte des inneren
unteren Quadranten des Limbus zum Innenrande der blauschwarzen
Masse in der Hornhaut, ihre obere Grenze fast horizontal von
der Mitte des äusseren oberen Hornhautumfanges zum Aussen-
rande dieser Masse. Die Pupille ist klein, dreieckig, zur
Hornhautnarbe hingezogen, ihre obere Hälfte dadurch verdeckt.
Die Iris ist stark atrophisch, ihre Fasern straff gespannt. In
ihrem Gewebe mehrere braune Pigmentflecken eingelagert. Im
äusseren Theile der Iridodialyse sind mehrere feine graue Fä-
den sichtbar, welche atrophirten Irisfasern gleich sehen. Am
inneren Rande der Iris ist die oberste Parthie sehnigweiss.
Bei gehobener Blickebene sieht man in der Pupille ein wenig
hinter ihrer Ebene eine weisslichgraue Masse, welche ihre
Fortsetzung im inneren Theile* der Dialyse findet, wo sie eine
nach unten convexe Grenze und gelblichweisse Farbe zeigt.
Ciliarfortsätze sind auf keine Weise sichtbar.
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 47
Im darchfalleuden Lichte erscheint Pupille und Dialyse
dunkel, nur bei einer einzigen Blickstellnng (leicht nach links
gewendetem und gehobenem Blick) erhält man einen gelblich-
weissen schillernden Reflex im inneren Theile der Dialyse.
V=F. z. — l' unsicher, L. A. bis auf Conjnnctivalcatarrh
normal.
Die Verletzung hatte im Jahre 1878 (März), also vor
15 Jahren, stattgefunden, indem dem Patienten in der Nacht um
2 Uhr beim Wagenwaschen das hintere Ende des zum Wagen-
heben dienenden Hebels in die rechte Augengegend schnellte.
Er wurde bewusstlos und blieb so drei Stunden liegen, bis man
ihn fand, ihn zum Bewusstsein brachte und ihm eine Wunde
an der rechten Stirnhälfte mit einem nassen Tuche verband.
Sodann wusch er den Wagen weiter. Am nächsten Tage kam
er auf die Klinik Arlt, wo eine Sprengung des Augapfels
diagnosticirt wurde. y = 0. Erst gegen Ende der 9 Monate
währenden ambulatorischen Behandlung soll er wieder Licht
und Dunkel unterscheiden gelernt haben. Das Auge war seit-
dem sehr reizbar, brannte und thränte bald. —
In beiden Fällen war also klinisch eine doppelte Iri-
dodialyse zu erkennen; doch zeigte sich die Grenze beider
Dialysen durch einen IrisvorfaU gebildet, der im 1. Falle
durch die Skleralruptur nach unten^ im 2. Falle durch die
Comealwunde nach oben stattgefunden hatte. Nach der
histologischen Untersuchung des Falles IV. lässt sich wohl
mit Sicherheit annehmen, dass beide Male an dieser Stelle
die Iris ebenfalls dialysirt und dann erst prolabirt war.
Die in den vier von mir histologisch untersuchten
Fällen von Iridermie resp. Iridodialyse gefimdenen Verände-
rungen im Kammerwinkel stehen im vollsten Einklänge mit
den von Treitel beschriebenen. In dessen Falle handelte
es sich um Aniridia totalis et Aphakia traumatica bei einem
60jährigen Manne in Folge eines Stockschlages. Die Enu-
cleation des Bulbus war 2*/« Monate nach der Verletzung
wegen sympathischer Reizung des anderen Auges vorgenom-
men worden.
Es fand sich in der Sklera dicht neben dem Bande
der Cornea eine aus kemarmem, faserigem Gewebe bestehende
48 I^- Wintersteiner.
Narbe, welche „in grosser Ausdehnung durch den Schlemm '-
sehen Canal geht, der vollkommen verschlossen ist, während
er an den anderen Schnitten sehr deutlich hervortritt; sie
ist ca. 12—15 mm lang und verläuft fast concentrisch mit
dem Comeoskleralrand in einem Abstände von ca. 1 bis
1^/2 mm.
Die Ciliarfortsätze ziehen schräg nach vom und me-
dialwärts und sind zum Theil an der Sklera neben der
Narbe, zum Theil an dieser selbst angelöthet." „Von der
Iris nirgends eine Andeutung zu finden; man bekam den
Eindruck, als ob aus einem sonst ganz normalen Auge die
Iris auf das Sorgsamste, ohne Zurücklassung irgend welcher
Reste und ohne Beschädigung der angrenzenden Parthien,
entfernt wäre." Eine Abbildung illustiirt diese Verhältnisse,
welche denen in meinem vierten Falle streckenweise vor-
gefundenen vollkommen entsprechen.
In gewissem Gegensatze dazu stehen die Befunde in
zweien von den drei Schäfer 'sehen Fällen.
In dem Falle I. (Irideremia et Aphakia traumatica
o. s. nach Ruptura bulbi), bei welcher die Enucleation
8 Monate nach der Verletzung stattgefimden hatte, war
„von der Iris auf beiden Seiten kaum noch eine Spur nach-
weisbar. Sie ist, wie deutlich zu ersehen, an ihrem Ansätze
ans Corpus ciliare abgetrennt. ... Es findet sich nocli ein
ganz minimaler Irisstumpf vor, welcher fast die Form eines
kurzen vom abgerundeten Beer* sehen Messers zeigt und
etwas mit Rundzellen infiltrirt erscheint. Man bemerkt
ganz deutlich, wie die Pigmentschicht der liis die Ueber-
kleidung des Wundrandes übernommen hat, über die Ab-
rissstelle hinübergewuchert ist und auf einem feinfaserigen,
vorwiegend aus schmalen Spindelzellen bestehenden Narben-
gewebe aufliegend, sich bis zur vorderen Endothellage hin
erstreckt, welche letztere sich in der Vemarbung des Wund-
raudes nicht activ betheiligt zu haben scheint."
In Schäfer 's Fall III. (Iridodialysis traumatica o. s.,
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 49
Luxatio lentis, Ruptura sclerae incoinpleta. — Enucleation
SVa Wochen nach der Verletzung, einem Pusstritte) war
„von der Iris im ganzen Bereiche der Iridodialyse nur ein
0,225 mm betragender Stumpf an ihrer Ausatzstelle stehen
geblieben." „Der Irisstumpf ist an seiner Oberfläche mit
dem schief die inneren ^/^ der Sklera (au Stelle der in-
completen Ruptur) diu'chsetzenden Narbenstrang verwachsen
und vom an seiner Wundfläche etwas in dieses Narben-
gewebe eingezogen. . . . Die Abrissfläche des Stumpfes ist
kolbenförmig abgerundet, zeigt ebenfalls einen feinen Ex-
sudatbelag auf der Vordei*fläche, während hier die Pigment-
schicht die Ueberkleidung übernommen hat und bis zur
Verwachsungsstelle der Stumpfoberfläche mit dem Skleral-
narbengewebe hinreicht. Der Stumpf erscheint ausserdem
beträchtlich infiltrirt" Heftige Oyclitis. —
Schäfer konnte also in seinen zwei Fällen*) noch deut-
hche Reste der Iris, welche an ihrem Ciliaransatze stehen ge-
blieben waren, nachweisen, während in meinen Pällen in
Uebereinstimmung mit TreiteTs Befund keine Spur der
Iris zurückgebUeben war, ja in dem frisch (4 Tage) nach
der Verletzung zur Untersuchung gekommenen Bulbus so-
gar eine förmhche Herausreissung der Iris aus dem Corpus
ciliare nachgewiesen werden konnte.
Die anderen anatomisch untersuchten Pälle, welche sich
in der Literatur vorfinden, lassen sich bei Beantwortung
der angeregten Frage nicht verwerthen, da die Beschrei-
bungen viel zu kurz gehalten sind (Alt, Schiess-Gemus-
eus) oder sich (Lawson, Maats) nui' auf die makrosko-
pisch wahmehmbai-en Veränderungen beziehen. Welche
Einflüsse Schuld dai*au tragen, dass die Iris einmal quer
M Den 3. Fall Schäfers [Fall IL] glaube ich nach dem früher
Gesagten ausschliessen zu müssen, da hier nicht eine Abreissung,
sondem eine directe Durchschlagung der Iris in der Gegend ihres
Ciliaransatzes stattgefunden hatte. Uebrigens war kein Rest der Iris
an der Ansatzstelle zurückgeblieben.
V. Graefe's Archiv fQr Ophthalmologie. XI^. 2. 4
50 H. Wintersteiner.
durch ihr Gewebe, das andere Mal knapp an ihrer ciliaren
Insertion abreisst, lässt sich nach der viel zu geringen An-
zahl von Fällen, welche bis jetzt der anatomisch-histologir
sehen Untersuchung zugänghch wurden, noch nicht beur-
theilen. Selten werden solche Präparate immer bleiben, zumal
da zur Entscheidung dieser Frage nur ganz frisch entstan-
dene oder höchstens einige Tage bestehende Iridodialysen
maassgebend sein können.
Es ist selbstverständlich, dass sich nun, je nachdem
die Iris vollständig oder mit Zurücklassung eines Stumpfes
vom Ciharkörper abgetrennt ist, auch die Vemarbung im
Kammerwinkel verschieden verhalten wird. In letzterem
Falle müssen die Verhältnisse ganz ähnliche sein wie an
dem kurzen Irisstumpfe, welcher nach Iridectomie zurück-
bleibt, und auch ähnlich wie an dem abgelösten Stücke der
Iris bei Iridodialyse. Diese Verhältnisse bei Verheilung
der Iridectomiewunde an der Regenbogenhaut sind von Alt
am Kaninchenauge experimentell untersucht worden, wobei
er fand, dass die üeberkleidung der Wundfläche entweder
vom Endothel der Vorderfläche der Iris oder vom Pigment-
epithel oder schliesshch von beiden übernommen werden
kann. Diese Befunde stimmen gut mit den an iridectomirten
Menschenaugen überein. Und Schäfer konnte in seinen
beiden Fällen die beiden erstgenannten Formen der Ver-
heilung bei Abreissung der Iris constatiren.
Anders ist natürUch die Vemarbung bei Ab- oder Aus-
reissung der Regenbogenhaut vom Ciliarkörper ohne Zurück-
lassung von Resten. Während aber Treitel fand, dass der
Verschluss der Wunde im Corpus ciliare durch Narben-
gewebe bewirkt wird, welches sich direct in die Skleralnarbe
fortsetzt und die Ciliarfortsätze zum Theile nach vom an
die Homhaut hinzieht, konnte ich neben dieser Art der
Verheilung, wie schon oben erwähnt, noch verschiedene
Formen constatiren. Stellenweise legten sich nämlich die
Wundflächen der im Ciliarköq)er gebildeten Höhlung direct
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 51
an einander und verheilten mit einander, ohne dass eine
deutliche Lage von neugebildetem Gewebe zwischen ein-
geschoben worden wäre. An anderen Stellen wucherte
wieder von der Skleralnarbe her so viel Bindegewebe in
die Höhlung, dass dieselbe ausgefüllt wurde und die Ciliar-
fortsätze in Folge dessen an die Innenfläche der Narben-
masse angelöthet erscheinen. Wieder an anderen Stellen
luxurirte das Narbengewebe in der Sklera so sehr, dass es
zapfenartig in das Innere des Augapfels vortritt und den
ganzen Vordertheil des Ciliarkörpers sammt den Ciliarfort-
sätzen in sich aufnimmt oder wenigstens überdeckt
Diese Narbe giebt stets den Ursprung für ein zartes,
aus feinfaserigem, kemarmem Gewebe gebildetes Häutchen,
in welches auch von hinten und von den Ciliarfort-
sätzen her sich Zonulafasem einweben und welches den
Glaskörperraum vom Kammerraume trennt. Ein derartiges
Diaphragma wurde in sämmtlichen bis jetzt zur mikrosko-
pischen Untersuchung gelangten Fällen von Iridodialysis
oder Irideremie bei gleichzeitigem Fehlen der Linse nach-
gewiesen. Dem entsprechend fehlte es natürlich in dem
3. meiner Fälle, wo die Linse, wenn auch verletzt, noch
erhalten war, und ebenso auch in Schäfer 's Fall 11.;
ausserdem wäre auch gerade in diesen beiden Fällen die
Zeit offenbar eine zu kurze (4 und 19 Tage) zur Ausbil-
dung einer derartigen Membran gewesen.
Schäfer wirft am Schlüsse seiner Arbeit die Frage
auf: „Warum blutet es bei einer unter normalen Verhält-
nissen ausgeführten, regelrecht verlaufenden Iridectomie nie-
mals, wenigstens niemals sichtbar, warum entsteht aber bei
einer Iridodialyse immer eine je nach der Ausdehnung der-
selben mehr oder minder mächtige Haemorrhagie?"
Dieser Fragestellung ist vorerst entgegenzuhalten, dass
es häufig genug auch bei einer regelrecht ausgeführten Iri-
dectomie blutet. Es hängt dies vollständig von dem Zu-
stande der Gefässwandungen in der Iris ab; bei alten In-
52 H. Wintersteiner.
dividuen, wo die Gefässe schon rigid und brüchig geworden
sind, kommt es nach der Ausschneidung der Regenbogen-
haut immer zu einer mehr oder minder ausgiebigen Blutung
und wir besitzen ja auch in der Krankenbeobachtung ein
Symptom, welches auf diesen Zu&U imd auf die Gefäss-
degeneration von vorne herein aufinerksam macht, nämUch
die UnmögUchkeit, die Pupille durch Atropin maximal zu er-
weitem. EndUch ist es ja eine bekannte Thatsache, dass
es bei einer wegen Glaucom ausgeführten Iridectomie, be-
sonders wenn noch Entztindungserscheinungen bestehen, sehr
häufig recht heftig blutet Doch wollte Schäfer diese letz-
teren Fälle wahrscheinhch ausgeschlossen wissen, da er von
„einer unter normalen Verhältnissen ausgeführten Iridec-
tomie" spricht
Als Ursachen für die Entstehung der Blutung bei Irido-
dialyse undirideremie fuhrt Schäfer Folgendes an: Erstens
&sst er die Schnittwunde bei Iridectomie als Quetschwimde
auf, welch letztere bekanntUch wenig oder gar nicht blutet
Dem möchte ich jedoch entgegenlialten, dass in der Chi-
rurgie gerade ein wesentUcher Unterschied zwischen Schnitt-
und Quetschwunden gemacht wird und dass es als bekannte
Thatsache gilt, dass Schnittwunden ziemhch lange und
heftig bluten können, da die Gefässe im gleichen Niveau mit
dem umgebenden Gewebe durchtrennt werden, also sich ver-
hältnissmässig wenig zurückziehen können, andererseits auch
ganz glatt abgeschnitten werden ohne Zerfaserung ihrer
Enden, wie sie bei Biss- und Quetschwunden stattfindet und
durch Zerreissung und Einrollung der Intima die primäre
VerSchliessung des Gefässlumens und spätere Thromben-
Ibildung wesentUch begünstigt
Zweitens bemerkt Schäfer, dass bei Iridectomie stets
ein viel grösserer Stumpf übrig bleibt als bei Iridodialyse,
also nur die schon in feinerer Verästelung begriflenen Ge-
fässe durchtrennt werden. Dieses Argument ist jedenfalls
^8 vollkommen richtig anzuerkennen.
Hoi träge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 53
Drittens nimmt Schäfer noch als ein die Blutung bei
Iridectomie hinderndes Moment den auch nach Eröffiiung
der Bulbuskapsel auf dem Bulbusinneren ruhenden Druck
der Sklera (nach v. Graefe) und den Druck, welchen die
gegen die Hinterwand der Hornhaut vorrückende Linse auf
die Iris ausübt, in Anspruch. Doch können beide Gründe
keinen Unterschied für Iridodialyse und Iridectomiewunde
abgeben, da ja in den zahlreichen Fällen, in welchen früher
zur künstUchen Pupillenbildung die Iridodialyse operativ
erzeugt wurde, ebenfalls stets heftige Blutung eintrat, wo
doch die Druckverhältnisse im Auge genau die gleichen
sind wie bei der Ausführung der Iridectomie.
Als vierter Gnind wird angeführt: „Während bei der
Iridectomie in Folge der quetschenden Scheerenwirkung die
Gefasse aneinander gepresst werden und so eine Thrombo-
sirung leicht und rasch sich vollziehen kann, findet bei
Traumen gerade das Entgegengesetzte statt. Die Gefass-
wände werden auseinandergehalten und es klaffen besonders
die Arterien sehr stark in dem spongiösen Irisgewebe.'*
Warum das Letztere der Fall sein soll, bleibt mir un-
klar.
Als gewiss wichtige Ursache der Blutung bei Iris-
dialyse wird erwähnt, dass die Gefasse häufig nur ange-
rissen oder der Länge nach eingerissen werden dürften,
und daes die Venen der Iris klappenlos sind.
Als Hauptursache nimmt Schäfer jedoch an, „dass
als unmittelbare Folge des stattgefundenen und wohl immer,
wenn es zu solchen grösseren Verletzungen geführt hat,
ziemlich bedeutenden Trauma's sowohl in imseren (i. e.
seinen) als in allen ähnUchen mit mächtigen Hämorrhagieen
verbundenen Fällen von Iridodialyse eine locale neuropa-
ralytische Gefässlähmung mit Erweiterung derselben ein-
trat. Wir werden wohl hauptsächlich diesen Umstand als
das die Blutung am meisten begünstigende Moment anzu-
sehen haben, welches weiterhin auch den mit am schwer-
54 H. Wintereteiner.
steil in die Wagschale fallenden Unterschied von der Iri-
dectomie abgehen mag."
So richtig diese Ansicht, dass durch das Trauma eine
Gefässparalyse erzeugt ^-ird, gewiss ist (und sie ist ja ge-
stützt durch zahlreiche Beobachtungen und Experimente
aus der allgemeinen Pathologie von Cohnheim, Leber.
Wegner, Salkowski, Nagel), so reicht sie dennoch
nicht hin, auch die Blutimg in den Fällen von Iridodialyse
zu erklären, wo dieselbe lege artis operativ erzeugt wurde,
wo also kein grösseres Trauma auf die Iris einwirkte als
bei einer Iridectomie; oder man müsste bei der letzteren
in Folge des Anfassens der Regenbogenhaut mit der Piu-
cette, was ja auch ein Trauma der Iris bedeutet, ebenfalls
eine Gefässparalyse und folgende Blutung erwarten.
Mir scheint es jedoch, dass genügende anatomisch
nachweisbare Veränderungen vorhanden zu sein pflegen,
welche das Auflxeten der Blutung bei Iridodialyse und
Irideremie zu erklären imstande sind.
In erster Linie kommt hier in Betracht die Zer-
reissung des Schlemm'schen Canales. Denn in den
drei von mir untersuchten Fällen, wo eine Ruptur der Sklera
durch eine stumpfe Gewalt erzeugt worden war (Fall
L, IL und IV.), ging der Riss in der Lederhaut genau
mitten durch den Schlemm'schen Canal, und in dem
4. Falle (III.), wo die Irideremie dmxh einen Schrotschuss
hen^orgerufen war, zeigte sich auch an Stellen, welche weit
entfernt von dem directen Angriffspunkte der Gewalt lagen,
auch das Ligamentum pectinatum und die Hinterwand des
Schlemm'schen Canales eingerissen, so dass sein Inhalt
sich frei in den Kammerraum entleeren konnte. Auch in
TreiteTs Fall ging die Narbe in grosser Ausdehnung
durch den Schlemm'schen Canal. In Schäfers Fall 1
gehörte die breite Narbe zum grösseren Theile der Sklera,
zum kleineren der Cornea an; leider wird nichts Positives
über ihr Verhältniss zum Leber'schen Venen plexus ausge-
Beiträge zur patholog. Anatomie d. traumatischen Aniridie etc. 55
sagt, eben so wenig wie in dem Fall III, wo über das ge-
nauere Verhältniss der im vordersten Theile der Sklera
liegenden incompleten Skleralruptur nichts erwähnt wird.
Doch scheint es mir gestattet aus dem angegebenen topo-
graphischen Verhältniss der Narbe zum Irisstumpfe und
aus den Bemerkungen, dass die Narbe in der Sklera lag,
aber auch die Descemet'sche Membran eingerissen war,
zu schUessen, dass auch in diesem Falle eine Durchtren-
nung und EröfiFbuug des Plexus venosus stattgefunden
hatte. Was schUesshch die klinisch beobachteten Fälle
von traumatischer Irideremie und Iridodialyse anbelangt,
so findet sich in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der
mir aus der Praxis und aus der Literatur bekannten Fälle
eine ganz nahe dem Homhautrande gelegene und mit ihm
concentrisch verlaufende Skleralruptur (z. B. die Fälle von
Irideremie von Gayet, Carre, Jeaffreson, Samelson,
Krajewsky, Dixon, Vose Salomon, Samelsohn,
Oeller, Manolescu, Nunnely, Hirschberg, Mengin,
Samuel, Mc Keown, Harlan, Natanson, Lyder Bor-
then, Wadsworth). Dass bei Eröfi&iung des Schlemm'-
schen Canales eine sehr ausgiebige Blutung auftritt, beson-
ders dann wenn dm*ch Eröffnung der Bulbuskapsel der intra-
oculäre Druck auf Null ablällt, ist von vom herein sehr leicht
orklärUch, da ja hier ein grosser Theil der Bedingungen
fehlt, welche sonst bei Zerreissung von Gefässen der Blut-
stillung dienen, nämlich Muskelreichthum der Wandung, Con-
ü'actiUtät des Gelässrohres und die MögUchkeit, dass sich
dasselbe in das umgebende Gewebe zurückzieht. Im Gegen-
theil wird, da ja der Gefässplexus in das staire Gewebe
der Comeoskleralgrenze eingeschlossen ist, das Lumen der
zemssenen Rohre weit klaffen. Es liegen ja auch directe
Beobachtungen von Czermak vor über Blutimg bei iso-
Inler Zerreissung des Schlemm'schen Canales. Es ist dabei
durchaus nicht nöthig, dass die Sklera in einem solchen
Falle rupturirt, wie unter anderen mein IIL Fall beweist.
56 H. Wintersteiner.
Ein zweiter Grund für das Auftreten der Blutung bei
Iridodialyse ist folgender: Es wird nach meinen Unter-
suchungen die Iris aus dem Ciliarkörper heraus —
oder wenigstens knapp an demselben abgerissen. Dabei
wird nun der Circulus arteriosus iridis major entweder
ebenfalls zerrissen , so dass er in den Schnitten stellen-
weise gar nicht mehr nachweisbar ist, oder es werden
wenigstens die von ihm abgehenden grösseren Geiäss-
stämmchen, welche die Iris versorgen, unmittelbar an ihrem
Ursprünge abgerissen, wodurch der grosse Iriskreis in ein
durchlöchertes Rohr umgewandelt wird, in dem natürUch
viel schwerer ein Thrombus sich ausbilden kann. Dabei
werden auch gleichzeitig eine grössere Anzahl von Gelassen
des Corpus ciUare, sowie die Anastomosen mit den vor-
deren Ciliargefässeo durchrissen. Da^u kommt noch das
auch von Schäfer gewürdigte Moment, auf welches
v. Stellwag aufinerksam machte, dass bei Erö&ung des
Bulbus- infolge Contraction der elastischen Fasern der
Sklera eine Verengerung der Emissarien imd infolge dessen
eine Stauung in den Venen stattfindet, welche noch da-
durch gesteigert wird, dass wegen Herabsetzung des intra-
ocularen Druckes die arterielle Blutzufuhr erleichtert und
vermehrt wird, also Verhältnisse, welche das Zustande-
kommen einer Blutung ungemein begünstigen.
Diese zwei anatomisch constatirten Folgen der Iri-
dodialyse und Irideremie genügen auch vollkommen zur
Erklärung der Blutimg bei operativ eraeugter Iridodialysis
und Irideremie. Denn nach den Versuchen von Becker,
welche Schäfer erwähnt, war bei künsthch erzeugter Iri-
deremie in sämtlichen Fällen mit einer einzigen Aus-
nahme „die Iris so vollständig entfernt, dass auch nicht
eine Spur von ihr nachweisbar wai*."
Dabei fanden sich fast nm* grosse, durchrissene Ge-
fässe, sehr wenig Capillaren. Dass hierbei auch das Ligam.
pect, einreisst, ist selbstverständlich und nur allzuleicht
Beiträfife zur paUioIog. Anatomie d. traumatiBcben Aniridie etc. 57
kann dasselbe vollständig durchreissen und der Schlemm-
sche Canal eröffnet werden.
Nach Allem scheint es nur ein sonderbarer Zufall ge-
wesen zu sein, dass Schäfer gerade zwei Augen zur Unter-
suchung bekam, wo noch Irisreste am ciliaren Ansätze
zurückgeblieben waren, während als das gewöhnliche
Vorkommen das betrachtet werden muss, dass die Iris
sich ohne Zurücklassung von Resten vom Corpus ciUare
trennt.
Literatur-Verzeichniss,
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Erklärung der Abbildungen auf Taf. I u. IL
Fig. 1. Fall I. Verticaler Durchschnitt durch die vordere Bulbus-
hälfte. Skleralruptur mit Irisprolaps [JP). Die abgerissene
Iris (J) der gegenüberliegenden Seite ist umgeschlagen und
herübergezogen. Das abgelöste Irispigment (P), kleidet die
vordere H&lfte des subcoi^junctivalen Hohlraumes aus.
Fig. 2. Fall I. Bindehaut in der Umgebung des Irisvorfiüles.
Schwache Vergrösserung. Uebersicht über die Vertheilung
des Pigmentes in den periTascularen Lymphscheiden und im
subconjunctivalen Gewebe.
Fig. 3. Getftssquerschnitt aus der Coi\junctiva mit pigmentftkhrenden
Leucocyten in den perivascularen Lymphräumen.
Fig. 4. Pigmentirung der Bindegewebskeme des 8ubcoi\junctivalen
Gewebes. Eine pigmentführende Wanderzelle.
Fig. 5. Pigment in den Basalzellen des Bindehautepithels.
Fig. 6. Fall in. Verticaler Durchschnitt durch die vordere Bulbus-
b&lfte. Die Hornhaut bes. in den hinteren Schichten infll-
trirt. Schusscanal unten an der Comeo-Skleralgrenze. Ciliar-
körper daselbst abgelöst, von einem Rundzellenheerde über-
deckt, in dessen Mitte die quergeschnittene Cilie sich befindet.
Irideremie. Linse subluxirt, ihre Kapsel am Aequator zer-
rissen, beginnende Cataracta traumatica. Fibrin- und Blut-
62 H. Wintersteiner. Beiträge zur patholog. Anatomie etc.
gerinnsei in der Kammer und im Glaskörper. Netzhaut,
Ghorioidea und Giliarkörper abgelöst.
Fig. 7. Fall III. Schnitt durch die Comeoskleralgrenze bei Irideremie.
Zerreissung des Ligamentum pectinatum, Eröffnung des
Schlemm 'sehen Ganales. Wundhöhle, entstanden durch
Herausreissen der Iris aus dem Giliarkörper. Ein grösseres
Gefäss desselben ist angerissen, die Wunde durch Thrombose
geschlossen. Blutung aus dem Schlemm 'sehen Ganal in die
Vorderkammer.
Fig. 8. Fall IV. Vertikaler Durchschnitt durch den vorderen Bulbusab-
schnitt bei doppelter Iridodialyse. Incomplete Skleralruptur
oben und unten. Die abgetrennte Iris an dem zarten Diaphragma
fixirt, welches den Glaskörper nach vorne abgrenzt Aphakie.
Fall. IV. Gomeoskleralgrenze innen. Skleralruptur. Vorfall
der dialysirten Iris. Hinter derselben liegt in der Wunde
junges Narbengewebe.
Fall IV. Gomeoskleralgrenze innen oben. Skleralruptur.
Die vorgefallene Iris reicht kaum mehr durch die ganze
Dicke der Skleralwunde.
Fall IV. Gomeoskleralgrenze aussen oben. Uebergang der
Dialyse in die normale Anwachsung der Iris. Incomplete
Skleralmptiir. Die dialysirte Iris ist durch einen Faden mit
dem Lig. pectin. verbunden.
Fall IV. Gomeoskleralgrenze aussen unten. Sklera und
Schlemm' scher Ganal intact. Ligam. pectinat eingerissen,
die Giliarfortsätze an dasselbe fixirt.
Fall IV. Gomeoskleralgrenze innen unten. Gomplete Skleral-
mptur, welche durch massiges, in die Kammer vorspringendes
Narbengewebc ausgefüllt ist, Giliarfortsätze an die Hinter-
flftche der Narbe angewachsen. Unter der Gonjunctiva noch
Reste der vorgefallenen Iris. (Vgl. Fig. 9.)
Fig. 14. Fall V. Iridodialysis duplex. Luxatio lentis sub conjunctivam.
Giliarfortsätze durch die innere Dialyse sichtbar.
Fig. 15. Fall VI. Iridodialysis duplex. Gicatrix corneae c. prolapsu
iridis cicatrisato.
Fig. 16. Fall II. Schnitt oberhalb des horizontalen Meridians durch
den inneren Gomeoskleralbord. Ruptur der Sklera knapp
an der Homhautgrenze, VorfEill des Gorpus ciliare. Dasselbe
atrophisch, der pigmentirte Ueberzug zerworfen, zum Theil
in das den Prolaps überkleidende Narbengewebe verschleppt
Wundspalt zwischen Gomea und Vorfall. Der Giliarkörper
vor der Ora serrata abgerissen, mit Blutcoagulis bedeckt
Fig.
9.
Fig.
10.
Fig.
11.
Fig.
12.
Fig.
13.
Jodinjectionen in den Glaskörper Yon Hnnden.
Eine experimenteUe Studie zu Schoeler's
„operativer Behandlung und Heilung der Netzhautablösung."
Von
Dr. Walter Wolff
in M.-61adbach.
Hierzu Tafel III, Fig. 1—5.
Bei der Trostlosigkeit unserer Heilbestrebungen be-
züglich der Ablatio retinae ist die Schoeler'sche Methode
der Jodinjectionen in den Glaskörperraum mit berechtigtem
Aufsehen begrüsst und von einer ganzen Reihe von Au-
toren angewandt und nachgeprüft worden. Mehrere unter
diesen haben sich rühmend über dieselbe ausgesprochen,
haben von Erfolgen berichtet, die sie mit ihrer Hilfe er-
zielt hatten, einige ohne von einer späteren Aenderung
ihres Standpunktes ausdrücklich Kenntniss zu geben. Frei-
lich haben sich allmähUch die Meinungen mehr und mehr
gegen das Verfahren gerichtet, die Meisten, welche dasselbe
einer Nachprüfung unterzogen, haben es wieder bei Seite
gelegt, und es hat nicht an Stimmen gefehlt, welche nicht
nur den Nutzen bestritten, sondern warnend auf schwere
Gefahren hinwiesen. Doch ist die Methode nicht von
Allen verlassen worden imd diejenigen, welche sich von
derselben abwandten, haben sich in ihrem Endurtheil nur
von einer geringeren oder grösseren Zahl von praktischen
64 W. Woiff.
Misserfolgen bestimmen lassen. Damit ist aber noch nichts
im Prinzip entschieden. Die Geschichte der Medizin, selbst
die neueste, enthält belehrende Beispiele von anfanglicher
Ueberschätzimg eines Mittels oder Verfahrens, welche ge-
folgt wurde von entschiedener Abweisung desselben auf
Grund praktischer Misserfolge; bis dann die wissenschaft-
liche Bearbeitung die Grenzen seiner Anwendbarkeit und
die graduellen Abstufungen der Applikation kennen lehrte,
oder bis sie aus der Summe der Bestandtheile etwas Ein-
zelnes herausgriff, was sie als Bereicherung unseres Könnens
ein für alle mal festlegte. Freilich sind auch Thierver-
suche mit Jodinjectionen gemacht worden, so von Schee-
ler selbst und von Pflüger, aber diese sind selbst bei
gleicher Thierspezies, wie auch Pflüger in einem am
21. Jan. 1890 im med.-pharmac. Bezirksverein in Bern
gehaltenen Vortrage hervorhebt, so verschieden ausgefallen,
dass sie keinen Anhalt für eine sichere Ver^^erthung bieten,
und dann ist, soweit ich die Literatur übersehe, nirgends
eine genaue anatomische Untersuchung eines derart
behandelten Thier- oder Menschenauges veröffentlicht
worden.
Nun ist in einzelnen der veröffentlichten Fälle doch
ohne Zweifel eine, wenn auch nicht absolute und dauernde,
so doch relative und zeitweilige Heilung zu Stande ge-
kommen; und zwar unter Beschränkung der Jodeinwirkung
auf einen engen Bezirk, ohne weitere Schädigimg des
übrigen Auges, ein Beweis, dass die Anwendung des Jods
als solche noch nicht unter allen Umständen deletäre Wir-
kungen auf das Auge ausüben muss. Und die Bildung
einer durch „adhäsive Entzündung^^ geschaffenen lokalen
Fixation der Netzhaut auf ihrer Unterlage, welche nach
den Beobachtungen verschiedener Autoren erzielt werden
kann, ist als solche, ganz abgesehen von den sonstigen
heilsamen oder deletären Wirkungen der Injectionen, doch
immerhin etwas Positives in unserem Suchen nach Mitteln,
Jodinjectionen in den Glaskör])er von Hunden. 65
mit denen sich jene so schwere und aussichtslose Erkran-
kung beeinflussen Hesse. Möglich, dass sich gerade an
diesen Punkt weitere Bestrebungen anknüpfen liessen, selbst
wenn die Schoeler'sche Methode als Ganzes aufzugeben
wäre. Diese Frage dürfte doch einer Prüfung werth sein.
Einer von den Wegen, der Beantwortung dieser Frage
näher zu kommen, schien nun der zu sein, dass man einer
Keihe von Thieren Injectionen machte, klinisch beobachtete,
und dann eine anatomische Analyse folgen liess. Ich habe
auf die Anregung meines Lehrers, des Herrn Professor
Dr. Kuhnt, im Laboratorium der Jenenser Augenklinik
diesen Weg beschritten. Als Versuchsthiere wählte ich
Hunde. Ich habe im Ganzen in 12 Hundeaugen injicirt.
Bevor ich die Krankengeschichten und anatomischen Be-
funde folgen lasse, möchte ich Einiges über die Versuchs-
methode vorausschicken.
Die Operationen an den Hunden wurden iu Aethernarkose
ausgeführt, nachdem ich 10 Minuten vor Beginn der Narcose
zwei Pravaz'sche Spritzen einer 3 **/oigen Morphinmlösang,
also im Ganzen die doppelte Maximaldosis für den Menschen,
unter die Haut des Rückens injicirt hatte. Ohne vorherige
Morphiumgabe erlebt man selbst bei Aethernarkose leicht Todes-
fälle und zwar gleich im Anfang, offenbar in Folge des hef-
tigen Widerstandes der Thiere und der hastigen, tiefen Inspi-
rationen, wobei ich unentschieden lassen will, ob die Todes-
ursache in einer Respirations- oder einer Herzlähmung zu
suchen sei; jedenfalls hat die sofort bei Aufhören der Respi-
ration vorgenommene^ lange fortgesetzte künstliche Athmung in
den Fällen, die mir im Anfang vorkamen, nie den geringsten
Erfolg gehabt. Nach begonnener Narkose wurden die Hunde
aufgeschnallt. Das Injectionsinstrament war die von Dr. Beck
modiiicirte Pravaz'sche Spritze, die sogenannte Mikrosy ringe,
mit gerader Canüle, deren Spitze durch einen kleinen Arret
eine bestimmte Länge gegeben werden konnte. Nur einmal
benutzte ich die von Scheeler angegebene hakenförmige Messer-
canttle, legte sie aber wieder bei Seite, weil sie mir zu un-
handlich erschien. Ich komme bei dem betreffenden Fall da-
rauf zurück und lasse nun die Krankengeschichten folgen*.
▼. Graefe'B Archiv fQr Opht-halmologie. XL. 2. 5
66 w. Woiff.
Auge I.
Kleiner, etwa halbjähriger Huud. Linkes Auge.
Die äussere Betrachtung, wie die ophthalmoskopische
Untersuchung vor der Injection ergiebt normale Verhältnisse.
In Narkose wird zunächst eine Lidspaltenerweiterung vor-
genommen, um den Spcrrelevateur bequem einsetzen zu können.
Die Nickhaut, welche sich bei den Untersuchungen oft störend
vorlegt, wird abgetragen. Ca. 2 mm oberhalb des oberen Cor-
nealrandes wird die Conjunctiva bulbi horizontal in der Aus-
dehnung eines halben Gentimeters eingeschnitten und von der
Wunde aus nach hinten zu wie bei einer Schieloperation (sub-
coAJunctival) losgelöst.' Sodann wird bei stark abwärts gerolltem
Bulbus von der Mitte der Wunde aus die Coi^unctiva sagittal
bis in die Uebergangsfalte eingeschnitten; an einer durch die
Superiorsehne gelegten Schlinge zieht ein Gehülfe den Ang-
apfel möglichst weit nach unten, die Sklera wird unmittelbar
nach innen vom Muskel an der am weitesten nach hinten ge-
legenen, noch eben zugänglichen Stelle frei gelegt und hier die
gerade Canüle in der Richtung auf die Bulbusmitte eingestochen.
Mit Htllfe des an der Oanüle angebrachten Arret ist der Spitze
eine Länge von 9 mm gegeben, die Menge der injicirten Jod-
tinktur beträgt 2 Theilstricho = 3 Tropfen. Es wird sehr
langsam und ohne Anwendung von stärkerem Druck ii^jicirt
In dieser Weise wurden au sämmtlichen Augen, mit gering-
fügigen Moditikationen und mit Ausnahme des einen Falles, in
welchem die Seh oe 1er' sehe Canüle angewandt wurde, die In-
jectionen ausgeführt.
Die ophthalmoskopische Untersuchung sofort nach der Ein-
spritzung ergiebt folgendes Bild:
Fast genau von oben erstreckt sich, intensiv rothbraun
leuchtend, die Jodwolke in Gestalt eines stumpfen Kegels ca.
2 Papillenbreiten weit in das Gebiet des hellgrünen Tapetums
hinein, von dem sie sich scharf abhebt. Die Kogelspitze deutet
die Stelle des Einstichs an. Die Ausbreitung der Basis nach
der Peripherie der oberen Bulbushälfte hin ist nicht zu über-
sehen. Der nach unten an die Kegelspitze angrenzende Theil
der Retina ist gelbgrün verfärbt und zeigt Unterbrechung des
Blutstroms in einigen kleinen Gefässästchen. In den nächsten
2 Tagen fand unter Abblassung der Jod wölke, welche erst hell-
bräunlich, gelbgrau wurde, um dann einer diffuseren grauen
Glaskörpertrübung Platz zu machen, ein weiterer Fortschritt
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 67
der Betiuitis nach der papillären Seite zu statt, unter gleich-
zeitigem Auftreten kleiner Haemorrhagieen in dem betroffenen
Bezirke. Am dritten Tage beginnt sich eine qneryerlaufende
Retinalfaite etwa l'/, Papillondurchmessor oberhalb der Pa-
pille vorzuwölben. Am sechsten Tage findet sich am oberen
Rande dieser Falte eine Blutung. Oberhalb der Falte giebt
der Hintergrund, auch in dem Gebiete des ursprünglichen
grünen Tapetumreflexes, überall einen dumpfen rothgrauen Wi-
derschein, Details sind nicht zu erkennen. Die Retinatrübung
reicht unterhalb der Falte bis an die Papille, welche selbst
geröthet, aber in ihren Contouren deutlich erscheint; unter-
wärts der Papille finden sich, so weit durch den leicht trüben
Glaskörper zu erkennen, normale Verhältnisse. £ine am zweiten
Tage aufgetretene dreiblättrige Linsentrübung in der hinteren
Corticalis, entsprechend dem Linsenstern angeordnet, schwand
wieder vollständig bis zum sechsten Tage. Das Bild blieb sonst
im Wesentlichen unverändert bis zum zehnten Tage, an wel-
chem der Hund getödtet und das Auge enucleiirt wurde. Här-
tung in Müller' scher Flüssigkeit —
Die anatomische Untersuchung ergab makrosko-
pisch ziemlich starke Schrumpfung und in den oberen vorderen
Parthien stärkere Verdichtung des Glaskörpers. In der hori-
zontal angelegten Durchschneidungsebene des Bulbus erscheint
der Glaskörper von der Ora serrata der temporalen Seite bis
in die Nähe der Papille bogenförmig von der Retina abgelöst
and diese Ablösung erstreckt sich sowohl nach oben wie nach
unten eine grössere Strecke weit in die Tiefe der Bulbushälften
hinein. Im Uebrigen liegt er locker der Netzhaut an; nach
vom zu ist er überall an der hinteren Linsenkapsel fixirt. —
Die Netzhaut ist auf der lateralen Seite vom Aequator bis zur
Papille in einem, im Scheitel 2,6 mm hohen Bogen von der
Chorioidea abgehoben. Diese Amotio reicht auf der unteren
Bulbushälfte bis ca. 5 mm unterhalb der Schnittebene; in der
oberen bemerkt man 3 — 4 mm oberhalb der Schnittebene einen
Einriss der Retina, welcher von der Ora bis fast zur Papille
sich ausdehnt. Der untere Rand des Risses ist nach unten zu
glaskörperwärts eingerollt und liegt frei in dem Räume der
bogenförmigen Glaskörperabhebung. Etwaige Fixationen der
Retina an den geschrumpften Glaskörper oberhalb der Riss-
stelle entziehen sich am makroskopischen Präparat der Beur-
theilung. Der Raum zwischen abgelöster Retina und Chorioi-
dea ist makroskopisch frei von Exsudaten. Auf der nasalen
5*
68 W. Wolff.
Seite liegt die Netzhaut unmittelbar vor der Chorioidea und
es ist zunächst nicht zu entscheiden, ob die geringfügige Spalt-
bildung zwischen Ader- und Netzhaut auf die Rechnung der
Prftparation zu setzen oder intravitalen Veränderungen zuzu-
schreiben ist.
Mikroskopische Untersuchung.
An den sagittal angelegten Schnitten, welche noch medial
von der Rissstelle der Retina liegen, erhält man eine gute
Uebersicht der von unten nach oben bezw. von hinten nach
vorn zunehmenden Veränderungen dieser Haut in ihrer Con-
tinuität. Im Gegensatz zu den unterhalb der Papille gelegenen
Netzhautparthien, über die später gesprochen werden soll und
die im Ganzen sich von der Norm weniger entfernen, zeigt der
obere, abgelöste Theil höchstgradige Zerstörungen. Oberhalb
der Papille, welche selbst nur geringe Kernvermehrung ihres
interstitiellen Gewebes erkennen lässt, sieht man zunächst zwar
noch für eine kurze Strecke deutlich die einzelnen Schichten
der Retina, mit Ausnahme der Stäbchenzapfenschicht, wohl ge-
ordnet und scharf gezeichnet Die Stäbchenschicht ist unmittel-
bar von der Papille beginnend gänzlich zerfallen; nur spär-
liche, unkenntliche, körnige Reste derselben sitzen hie und da
der Limitans externa auf. In dem Winkel zwischen abgeho-
bener Retina und Chorioidea, von der Papille bis wenige Pa-
pillarbreiten aufwärts, ist eine im Ganzen structurlose, hier
körnige, dort grob netzförmige Masse eingelagert, in welcher
grosse Pigmentkugeln, z. Th. auch stark pigmentirte Wander-
zellen, unpigmentirte Leukocyten und rothe Blutkörperchen in
massiger Menge eingebettet sind. Weiter nach oben fehlen im
mikroskopischen Präparat sichtbare Exsudationsmassen vollständig,
abgesehen von der später zu beschreibenden Stichstello. — In
der Netzhaut selbst nehmen nun die Veränderungen nach oben
hin in schneller Progression zu. Schon 2 Papillarbreiten ober-
wärts des oberen Papillarrandes beginnen nach einander Nerven-
und Ganglienschicht, innere und äussere granulirte Schicht un-
kenntlich zu werden.
Die Körnerschichten, deren Elemente zunächst noch deut-
lich und wohl tingirbar, erscheinen zusammengeflossen, die
einzelnen Körner auseinander gedrängt, das ganze GefOge ge-
lockert. Ein Netz spärlicher, unregelmässig angeordneter Faser-
zttge, wohl Reste des in seiner spezifischen Structur nicht mehr
erkennbaren Stützgewebes, halten diese Ueberbleibsel der Re-
Jodinjectionen in den Glasköq)er von Hunden. 69
tinaschichteu zusammen; hierbei erscheint, entsprechend der
erwähnten Auflockerung der Kömerschichten, im Ganzen die
Dicke der Retina nicht verringert. Doch dies nur für eine
kurze Strecke. Alsbald verschwinden wie mit einem Schlage
auch die sämmtlichen Elemente der Körnerschichten und aus
der mittleren Dicke der Retina heraus erhebt sich, im Schnitt-
präparat mit schlankem Stiele beginnend und etwa 2 mm
weiter auf- und vorwärts mit keulenartiger Anschwellung endend,
ein kernreiches Bindegewebe, in welchem neben frischen Binde-
gewebssprossungen und spärlichen neugebildeten Blutgefässen
reichlich freie Zellen sich vorfinden, Leukocyten von der ge-
wöhnlichen Grösse der weissen Blutkörperchen, meist mit einem,
seltener mit zwei Kernen, sodann aber Zellen in wechselnder
Grösse bis zu vier- und fünffach grösserer Flächenausbreitung
mit 1 — 6 grossen ovalen Kernen. Von letzteren zeigen einige
deutlich gekörnten Protoplasmaleib, andere enthalten Reste von
rothen Blutkörperchen, noch andere grössere oder geringere
Mengen von Pigmentkörnchen. Auch freie Pigmentkörnchen
linden sich eingestreut neben grossen kugeligen mit Pigment
vollgepfropften Gebilden, welche ich nach mannichfachen ver-
gleichenden Beobachtungen für versprengte und in ihrer Form
veränderte Pigmentepithelzellcn ansprechen möchte, obwohl nur
an einigen pigmentärmeren dieser Gebilde sich deutlich ein
Kern nachweisen lässt. Schliesslich finden sich in diesem Ge-
webe in Menge, zerstreut oder in Gruppen aneinander gela-
gert, rothe Blutkörperchen, welche im Ganzen gut die Eosin-
färbung annehmen, zum anderen Theil in Schrumpfung begriffen
sind und sich schlecht färben. — Auch Reste von alten Blut-
gefässen beobachtet man, deren Wandungen verwaschene Struc-
tur bieten und deren Kerne sich mit Haematoxylin nicht mehr
färben.
Das Ende der beregten kolbigen Anschwellung dieses
Gewebes liegt in den Schnitten, die durch die Papille gehen,
ca. 4 mm oberhalb des oberen Papillenrandes. Darüber hinaus
finden sich bis in die Gegend der Ora serrata nur noch Con-
glomerate von zelligen Elementen ohne faseriges Bindegewebe,
welche, so wie die letztbeschriebene, in ausgedehntem Maasse
bindegewebig entartete Parthie mit der Peripherie des retra-
hirten Glaskörpers fest verkittet sind: — ebendieselben zel-
ligen Elemente wie die oben aufgeführten, nur ohne Einlage-
rung in ein festeres Gewebe. — Diesem, bald breiteren, bald
schmäleren, hier und da lückenhaften Zuge aus der Retina
70 W. Wolff.
heryorgegangener Degenerationsprodukte mischen sich erst wie-
der in nnmittelbarer Nähe der Ora serrata Bindegewebsspros-
sangen und Gefösse bei, welche zum Theil ans der ganz cir-
cnmscript gewucherten Ghoriocapillaris hervorgehen. Nach
vorn von der Ora serrata hat sich die Zerstörung des reti-
nalen Antheiles des Corpus ciliare nur auf die nächste Um-
gebung beschränkt, woselbst die inneren Schichten der Uvea,
leicht gewuchert, frei zu Tage liegen; aber noch innerhalb des
Gebietes des Orbiculus ciliaris stellt sich das retinale Epithel
sammt dem Pigmentblatt wieder ein und überzieht gleicfamässig
und wohlausgebildet die Ciliarfortsätze.
Wie erwähnt, liegt den vorderen, stark bindegewebig ver-
änderten Theilen der Netzhaut in unseren durch die Papille
gehenden Schnitten der Glaskörper innig an und zwar unge-
fähr von da an, wo die ursprünglichen Retinaelemente ver-
schwinden und mit dünnem Stiel sich jenes festere Bindegewebe
aus der Mitte der Netzhautdicke heraus entwickelt. Je weiter
sich die Schnitte von der Papillonebene lateral und medial
entfernen, desto weiter wird nun die Grenze zwischen diesen
stark degenerirten Parthieen und denjenigen, welche normale
Elemente in grösserer Ausdehnung noch zeigen zu Gunsten der
letzteren nach vorn verschoben; entsprechend verschiebt sich
auch die hintere Grenze der Yerlöthung mit dem Glaskörper
allmählich weiter nach vorn. Der Stiel, wie ich den Quer-
schnitt des hinteren Teiles der degenerirten Parthie kurz be-
zeichnen will, wird medialwärts immer dünner; schliesslich reisst
derselbe an seinem Ansätze und es schiebt sich zwischen beide
Theile keilförmig verdichteter Glaskörper. So liegt nun in der
ganzen Ausdehnung des Netzhautrisses, von welchem makros-
kopisch nur der untere Rissrand als eine frei in den von Glas-
körper entblössten Raum hineinragende Rolle deutlich erkannt
wurde, der vordere Theil, stark degenerirt, nach wie vor dem
Glaskörper an, der hintere untere, in welchem die Körner-
schichten, aber auch Elemente der anderen Schichten noch
vorhanden sind, hat sich eingerollt, und die Windungen der
Rolle sind zum Theil durch feinkörniges und mit freien Zellen
untermischtes Exsudat an einander geklebt.
Der Glaskörper ist, wie schon makroskopisch bemerkbar,
im oberen Theile des Bulbus stärker verdichtet. Die Verdich-
tung stellt sich mikroskopisch dar als ein, sowohl bei intensiver
Eosintinktion wie bei längerer Einwirkung von Haematoxylin
blass und diffus sich färbendes System von flach oder stark
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 71
wellig gekrHaiiiteii, ttftrkercn oder schwächeren, parallel ver-
lattfenden oder netefDrmig sich dBrchflechtenden Linien, welche
an Fibrinfaeem erinnern; indessen scheidet sich diese Qlas-
körperverdichtung so scharf von dem an einigen circnmscriplen
Stellen dem Ciliarkörper aufgelagerten deutlich fibrinösen Ex-
sudat, und es fehlt in diesem Auge, mit Ausnahme dieser
circumscripten Stellen und wie wir gleich sehen werden, der
nächsten Umgebung der Stichstolle, so vollkommen an fibri«
nösen Gerinnungen etwa zwischen der abgehobenen Retina und
der Chorioidea oder innerhalb der letzteren, dass es schwer
verständlich wäre, wie lediglich in den Glaskörper hinein eine
dem beschriebenen Netzwerk an Ausdehnung entsprechende
Fibrinexsudation hätte stattfinden sollen. Zudem sieht man die
Linien nach den weniger verdichteten Glaskörperparthieen zu
immer deutlicher den Charakter diffuser Streifen annehmen,
welche nichts von dem körperlich scharf gezeichneten Bilde
der Fibrinbalkeu an sich haben, sondern den Eindruck erwecken,
dass es sich um unregelmässigc Vordichtung des Glaskörper-
gewebes selbst handle, wobei die einzelnen Theile ein verschie-
denes Lichtbrechungsvermögen erhalten. Letztere Annahme
stfltzte sich mir durch mehrfache anderweitige Betrachtungen:
Einmal fand sich diese Wellenlinien- und Netzzeichnung auch
bei den übrigen Augen, theils scharf ausgesprochen, theils nur
angedeutet, wo es sich nur immer nach der klinischen Beo-
bachtung und dem makroskopischen Befunde um Schrumpfüngs-
vorgänge im Glaskörper handelte, stets deutlich von etwaigen
daneben vorhandenen entzündlichen Gerinnungsproducten ge-
schieden; nicht im Einzelnen, wie Fibrinföden, gefärbt, sondern
diffus zugleich mit der zwischenliegenden Substanz, und wo die
Verdichtung nicht sehr stark war, meist nur von zarter Tiuk-
tion. Theilweise erkannte man ferner in ophthalmoskopisch wie
anatomisch deutlich sichtbaren circumscripten Trübungen des
Corpus vitreum, zumal in der Umgebung des in den Glaskörper
ragenden Stichcanalendes, derartige Linien und Netze recht
gut bei Betrachtung der Schnitte in Alkohol oder Wasser; und
machte dann die störende Bemerkung, dass bei Aufträuflung
von Carbolxylol diese Strukturen verschwanden, doch wohl,
weil dadurch die feineren Unterschiede in der Lichtbrechung
ausgeglichen wurden. Endlich kommt hinzu, dass eine post-
mortale Injection in den Glaskörper ganz ähnliche Schrumpfnngs-
erscheinungen bewirkt, wie die hier beobachteten, wodurch also
die Möglichkeit erwiesen wurde, dass derartige Veränderungen
72 W. Woltf.
ohne entzündliche Ausschwitzungen zu Stande kommen können,
und fernerbin somit, dass eine energische Retraction des Glas-
körpers statthaben kann ohne wirkliche bindegewebige Um-
wandlung desselben. Auch nach letzterer Richtung wurden die
Schnitte durchforscht; in der Tbat wurden nirgends in dem
Gewirr von Fasern etwa zugehörige Kerne gefunden, nirgends
eine Andeutung von bindegewebiger Neubildung als Grund von
Verdichtung und Schrumpfung beobachtet, soweit es sich eben
um die beschriebene Wellenlinien- und Netzzeichnung handelte.
Inwieweit sich etwa diese zum Theil intensive Verdichtung
des Glaskörpergewebes in Folge Einwirkens der Jodtinctur er-
klären lässt aus dem stärkeren Eiweissgehalt, der den Raub-
thierglaskörper gegenüber dem menschlichen auszeichnet, ver*
mag ich nicht zu sagen.
Um zu unserem Auge zurückzukehren, so finden sich nun
in dessen Glaskörper, sowohl an den stark, wie an den weniger
verdichteten Stellen, überall aber mehr in den peripheren
Parthieen als im centralen Theile verstreut, mannigfache zellige
Elemente frei suspendirt, Wanderzellen der verschiedensten
Grösse, rothe Blutkörperchen^ Körnerzellen und pigmentirte
Zellen von dem oben beschriebenen Charakter. Im Ganzen wird
ihre Zahl nach unten, über die Papille hinaus, sehr viel ge-
ringer. —
Eine durch besondere Form oder Dichtigkeit sich aus-
zeichnende Glaskörpertrübung, welche der Lage des Stichcanals
im Glaskörper entspräche, ist mikroskopisch nicht nachzuweisen.
Die Chorioidea nebst Pigmentepithel , welch' letzteres im
Gebiete der Ablatio stets auf der chorioidealen Seite zurück-
blieb, lässt unterhalb der Papille keine Abweichung von der
Norm erkennen. Auch oberhalb ist das Pigmentepithel auf
einige mm weit noch erhalten, wenngleich die in den freien
Ablösungsraum hineinragenden Epithelzellen schon in kurzer
Entfernung vom Papillenrande unregclmässige Form annehmen:
neben flachen findet man sehr hohe, z. B. kolbig anschwellende
Zeilen (einige so dünn gestielt und glaskörperwärts so kuglich
gestaltet, dass man an ihnen den Uebergang zu den gänzlich
losgelösten und oben beschriebenen, frei in die Retina ver-
schwemmten oder — gewanderten, grossen Pigmentzellen zu
erkennen vermeint), neben grossen kleinere, hie und da sieht
man auch eine Lücke in der Continuität der Zellreihe. Die
Kerne des Epithels sind überall gut gefärbt und, oberhalb der
Papille, von da ab wo sie dem Tapetum lucidum aufliegen,
Jodinjectionen in den Glaskörper von Ilunden. 73
wegen des hier normalerweise fast gänzlichen Pigmentmangels
der Epithel-Zellen sehr dentlich zu erkennen. Mit dem Auf-
hören des Pigmentepithels, etwa 3 mm oberhalb der Papille,
beginnt, — während die übrigen Schichten der Chorioidea ein-
schliesslich des Tapetums noch keine weitere Yeränderaug
bieten, — sich der Capillarschicht, welche selbst unter Zunahme
ihrer Elemente leicht verdickt ist, ein Gewebe aufzulagern, das
nicht wenig an die gegenüberliegenden bindegewebig umgewan-
delten Netzhautresto erinnert. Es zeigt dieselben langgestreckten
Spindelkerne, welche jene zum Teil charakterisirten; und es
liegt nur in derjenigen Ausdehnung auf der Chorioidea, über
welche auch die bindegewebige Entartung der Retina sich er-
streckt. Freilich besteht es nur aus jungem Fasergewebe ohne
die mannigfachen zelligen Einlagerungen die dort sich fanden,
selbst da noch, wo auf der gegenüberliegenden retinalen Seite
nur frei einander angelagerte zellige Elemente oder früheste
Stadien der Bindegewebsbildung beobachtet wurden. Auch Pig-
mentirung dieses Gewebes wird so weit vermisst, als die äusseren
Schichten der Chorioidea noch normales Gefüge aufweisen.
Erst wo das nicht mehr der Fall ist, sieht man, wie sich längs
der Gefösse, welche das Tapetum durchziehen um die Verbin-
dung zwischen den kleineren Arterien und Venen mit der
Capillarschicht zu vermitteln, einzelne Pigmentkörner und
Conglomerate von Pigmentkörnern, ohne in Wanderzcllen ein-
geschlossen zu sein, bis in die Capillarschicht und das ihr auf-
gelagerte Bindegewebe hinein erstrecken. — Etwa in der Mitte
zwischen Papille und Ora serrata erscheint auch das Tapetum
hochgradig verändert, um bald gänzlich zu Grunde zu gehen.
Kurz zuvor bemerkt man auch in den äusseren Chorioideal-
schichten eine stärkere Gefässinjection mit z. Th. nicht uner-
heblicher Erweiterung einzelner Gefässe und eine Volumszu-
nahme der Chorioidea im Ganzen. Diese Zunahme geht ohne
eine Vermehrung der vorhandenen oder eine Einlagerung fremder,
zelliger, Elemente einher. Sie ist vielmehr allein abhängig von
einer Auseinanderdrängung oder Auflockerung des ganzen Ge-
webes, wie sie etwa durch eine stärkere entzündliche Durch-
fenchtung zu Stande gebracht sein möchte. Besonders charak-
teristisch ist dabei das Verhalten der Pigmentzellen. Die
Chorioidea des Hundes ist im Grossen und Ganzen sehr reich
an Pigment. Die Lagen der Pigmentzellen sind im Stroma so
angeordnet, dass sie als fast continuirliche, nur durch die Ge-
fässquerschnitte unterbrochene; dicht auf einander gelagerte
74 W. Wolff.
Lamellen imponiren, welche nur schmale, von zarten Faser*
Zügen des Stromes ausgefüllte, Zwischenrftame frei lassen. Die
Kerne der Pigmentzellen zu erkennen und die einzelnen Zell-
grenzen wahrzunehmen ist nicht ganz leicht. Die Lamellen
haben tiefbraune, fast schwarze Färbung. An solchen Stellen
dagegen wie hier haben sich die Lamellen aufgelöst in Reihen
grosser, plumper, unregelmässiger Zellen, deren Kerne 4eutlich
hervortreten, deren Pigment aus einzelnen kurzovalen Körnern
von heller brauner, bisweilen fast gelber Farbe zusammengesetzt
erscheint. Zwischen den Pigmentzellen, die dem ganzen Cho-
rioidealdurchschnitt ein wolkig geballtes Aussehen geben im
Gegensatze zu der klaren Lamellenzeichnung der normalen
Aderhaut, hat auch die Deutlichkeit des in glatten Zügen an*
geordneten Stromas gelitten; meist sind in Folge der unregel-
mässigen Ueberlagerung durch die geschwellten Pigmentzelleu
nur kurze Stücke des Bindegewebes in ihrer Continuität zu
sehen. —
Sehr bald tritt nach vorne zu eine wirkliche entzündliche
Wucherung der bindegewebigen Elemente an die Stelle, unter
Zugrundegehen des normalen Gewebsgefüges. Schliesslich stellt
die ganze Chorioidea in allen ihren Schichten, mit den Auf-
lagerungen an der Innenseite eine fibrillär-bindegewebige Masse
mit spärlichen Gefössen und nnregelmässiger Pigmentirung dar,
ohne dass jedoch der perichorioidale Raum ausser massiger
Kernvermehrung eine wesentliche Mitbetheiligung erkennen
lässt. —
So gelangen wir in die Nähe der Einstichstelle, welche
auf der Strecke zwischen Papille und Ora serrata auf der
Grenze des zweiten und dritten Drittels gelegen ist. —
Die StichstcUe imponirt als ein im Durchschnitt 0,3 mm
breiter Canal, welcher Sklera und Chorioidea durchsetzt, und
sowohl beim Durchschnitt durch letztere Haut als auch in der
Höhe der oberflächlichen Skleralschichten sich sanduhrförmig
erweitert. Ausgefüllt wird derselbe durch eine bei schwacher
Vergrösseruug homogen erscheinende, bei stärkerer feinkörnige
Masse, welche sich mit Eosin rosa färbt. Diese Masse breitet
sich auf der inneren Ghorioidaloberfläche nach vorn zu etwa
einen halben, nach hinten mehr als einen mm weit aus in
einer durchschnittlichen Dicke von 0,15 mm; nach den Grenzen
zu läuft sie in einen scharfen, der Chorioidea aufliegenden
Rand aus. Auf der äusseren Skleraloberfläche findet sich in
gleicher Weise eine, wenn auch viel weniger ausgedehnte, flach
Jodinjection in den Olaskorper von Hunden. 75
knopfförmige Ausbreitung, die nach hinten zu etwas weiter
reicht, als nach vorn. Ueberdeckt wird diese episklerale Aus-
breitung der Masse durch eine ungefähr 0,5 mm dicke Gewebs-
Schicht, welche z. Th. aus jungem Granulationsgewebe, z. Th.
schon ans fibrillärem Narbengewebe besteht. Indem sich dieses
Gewebe an den Rftndern der knopfförmigeu Ausbreitung der
Stichkanalmassc zwischen diese und die Sklera einschiebt, liefert
sie, in den Stichcanal sich einsenkend, eine Art Scheide für
die Masse bis ungefähr zur Höhe der Chorioidea hin. Die
spindelkemigen Fasern kreuzen im mikroskopischen Bilde senk-
recht die Stümpfe der durchschnittenen Skleralbündel, welch*
letztere mit abgerundeten, z. Th. etwas eingerollten £nden ab-
schliessen ohne dass Proliferationsvorgänge an denselben beo-
bachtet würden. Doch sieht man hie und da Pigment in den
Spalten zwischen den Bflndelenden eingeschwemmt. —
Die Chorioidea, welche mit verdickten Rändern an die
Stichcanalmasso stösst, besteht in unmittelbarer Nachbarschaft
des Canals fast nur aus zelligen, stark pigmentirten Elemen-
ten, durch spärliches Bindegewebe zusammengehalten; der
Rand der Stichcanalmasse, welcher im Verlauf durch die Sklera
ganz glatt sich darstellt, erscheint hier wie angenagt, hier und
da beginnen sich aus der Chorioidea Zellen in denselben ein-
zuschieben, — die Einleitung einer Organisation des Stich-
canalpfropfs. — Im weiteren Umkreise folgt dann jener Zu-
stand der Chorioidea, wie er vorher besprochen wurde, näm-
lich reichliche bindegewebige Neubildung mit nnregelmässiger
Pigmentvertheilnng und Zugrundegehen der normalen Struktur;
eine Andeutung der ursprünglichen Struktur findet sich noch
in einzelnen thrombosirten Gefässen, durch deren nekrotische
Wandungen Wanderzellen eingedrungen sind. Bis auf ca.
2 mm im Umkreis ist diese veränderte Chorioidea mit der
inneren Oberfläche der Sklera verwachsen, die innersten
Schichten der Lederhaut infiltrirt, pigmentirt. Im Uebrigen
ist die Sklera überall frei geblieben.
Weiter nach vorn vom Stichcanal klingt die Chorioiditis
in gleicher Weise ab, wie es von dem, hinter dem Stichloche
gelegenen Theile beschrieben wurde, (abgesehen von dem nor-
maler Weise hier fehlenden Tapetum). — An der Ora serrata
finden wir die oben besprochene Wucherung, dort, wo die
Retinareste ansetzen; im Gebiete des Orbiculus ciliaris fehlt
das retinale Epithel noch zum Theil, die Innenfläche der Uvea
liegt mit zartem Narbengewebe zu Tage, während die tieferen
76 W. Wolflf.
Schichten jenen Zustand von Anflockernng und Quellung dar-
bieten, wie er oben als ödematöse Durchtränkung des Gewebes
beschrieben wurde. Der Processustheil des Corpus ciliare mit
seinen Gefässen zeigt bereits keine Veränderungen mehr.
Das Epithel des Strahlenkörpers ist wohlgebildet; aber wie
dem Torderen Theil des Orbiculus, so ist auch den Ciliarfort*-
Sätzen ein nicht sehr massiges zartkörniges Exsudat aufge-
lagert. — Die Iris ist überall frei von anatomischen Ver-
änderungen.
Rücksichtlich der weiteren Ausbreitung des Prozesses auf
die übrigen Theile des Auges ist zunächst des Verhaltens der-
jenigen Schnitte, welche durch die mittleren Theile der Papille
gehen, Erwähnung zu thuu. Während, wie bemerkt, in der
Höhe der Randtheile der Papille nach oben zu ein kurzes
Stück Retina, abgesehen vom Zerfall der Stäbchen-Zapfenschicht,
die normalen Netzhaut-Elemente in ziemlich klarer Weise noch
erkennen Hess, reicht hier, entsprechend dem ophthalmosko-
pischen Bilde, der Zustand stärkerer Degeneration bis an den
Rand der Papille heran. Nur geringfügige Reste der Körner-
schichten blieben erkennbar, im Uebrigen sieht man nur spär-
liches Bindegewebe, — an dieser Stelle noch mit geringfügiger
Proliferation, — in welchem ein thrombosirtes Gefäss einge-
schlossen liegt, mit nicht mehr erkennbarer Wandung-, in den
Thrombus sind einzelne zum Theil pigmentirte Zellen einge-
wandert. Die Thrombose überragt ein wenig den Rand der
Papille. In der Umgebung findet sich leichte Kernvermehrnng,
die Nerveufaserbündel werden bei ihrem Austritt aus der Pa-
pille auf der suprapapillären Seite undeutlich, und verschwinden
bald ganz; auch hier findet sich leichte Infiltration. Im
Uebrigen, besonders nach unten zu sind anatomische Verände-
rungen nicht zu erkennen; auch die Lamina cribrosa und der
hinter derselben im Schnitt sichtbare Theil des Sehnerven
weicht vom normalen nicht ab. — In diesen Schnitten reicht
auch, entsprechend der weiteren Ausdehnung der bindege-
webigen Umwandlung die Verwachsung mit dem Glaskörper
weiter nach unten, so dass von dem verdichteten Glaskörper
noch ein beträchtlicher Theil der Papille überdeckt wird. —
Unterwärts der Papille erweist sich die Netzhaut flach abge-
hoben. Die einzelnen Schichten sind vollständig vorhanden
mit Ausnahme der Stäbchenscbicht, welche in ähnlicher Weise
zunächst zerfallen und verändert ist wie es oben beschrieben
wurde. Aber auch die übrige Netzhaut ist im Ganzen ein
Jodinjectionen in den GI&$körper von Hunden. 77
wenig yerwaschen, aof ihrer inneren Oberflftehe hie und da
etwas feinkörnig geronnenes Exsodat bietend. Die St&bchen-
Zapfenschicht nähert sich im nntem Bnlbusabschnitt allmählich
der Norm; aber selbst ganz nnten nnd vorn an der Ora serrata
finden sich zwischen wohlerhaltenen Stäbchen and Zapfen krOm-
liehe Zerfiallsprodncte und blasse knglige Gebilde, welche sich
nur leicht mit Eosin färben und keine Stmctor erkennen
lassen. An letzterer Stelle ist sehr schön zu sehen, wie der
schrumpfende Glaskörper, welcher der Retinaoberfläche an-
haftet, die Netzhaut bis zur Ora von der Unterlage ab und
nach vorne gezogen hat Die Uvea sowie die Pars ciliaris
retinae ist dabei völlig intact geblieben.
Die Veränderungen der Uvea klingen, wie eine fernere
Schnittreihe, welche frontal durch den oberen äusseren Qua-
dranten geht, ausweist, nach der Seite zu in derselben Weise all-
mählich ab, wie nach hinten von der Stichstelle. Im horizontalen
Meridian erreicht die Chorioidea wieder ihre Norm, während
zwischen den Ciliarfortsätzen sich noch geringe Mengen kör-
nigen Exsudates finden, ohne dass das Corpus ciliare noch Ver-
änderungen seiner Structur zeigt. Die Retina lässt ebenfalls
in der Horizoutalebene wieder ihre Schichten vollständig er-
kennen, wieder mit Ausnahme der Zapfenschicht und mit der
Einschränkung, dass alle Schichten etwas verwaschen erscheinen
und hie und da ein wenig Exsudat auflagert. Nirgends wird
eine der Unterlage fest aufsitzende Parthio der Retina beob-
achtet, überall zeigen Zerfallsproducte der Zapfenschicht und
eingewanderte Zellen, dass schon intra vitam mindestens eine
Lockerung des. Zusammenhangs zwischen Netzhaut und Ader-
haut bestanden hat, während andererseits Fixationsprozesse
durch Bindegewebswucherung nirgends zur Wahrnehmung
kommen.
Um das Wesentliche kurz zusammenzufassen, handelte»
es sich um eine Injection von 3 Tropfen Jodtinktur in den
Glaskörper mit Einstich hinter dem Aequator bulbi auf der
oberen inneren Seite des Bulbus. Danach stai'ke lokale
Retinitis und Glaskörpertrübung, welche unter Verschwinden
der Jodwolke sich weiter papillarwärts ausbreiteten. Be-
ginnende Abhebung der Retina am 3. Tage. Am 6. Tagi»
wird ein Riss an der gleichen Stelle angenommen. Vor-
übergehende Linsentrübung, partiell, der hinteren Sternfigur
78 W. Wolff.
entsprechend. Tod und Enudeation am 10. Tage. Die
anatomische Untersuchung bestätigt einen ausgedehnten
Retinariss und eine weitausgedehnte und starke Abhebung
im oberen Bulbustheil, flachere im ganzen übrigen Auge;
die abgehobenen Theile sind zum Theil mit dem stark ge-
schrumpften Glaskörper verlöthet, ein die Ablatio bedingen-
des Exsudat zwischen Chorioidea und Retina wird nicht
gefunden. Ausgedehnte einfache Nekrose und weiter papil-
larwärts bindegewebige Umwandlung der oberen Retina-
parthieen, leichtere Veränderungen an der ganzen übrigen
Retina und der Papille, weitverbreiteter Untergang der
Zapfenschicht Starke aber lokale Chorioiditis in weiterer
Umgebung der Stichstelle. Allgemeine leichtere Cyklitis
ohne wesentliche anatomische Veränderungen des Corpus
ciliare mit Ausnahme des Theiles, welcher der Stichstelle
zunächst liegt; hier ist vor Allem der Orbiculustheil ähn-
lichen bindegewebigen Umwandlungen unterworfen wie die
Chorioidea um die Stichstelle. Im Stichcanal lagert eine
fast homogene Masse, welche sich aussen und innen teller-
förmig ausbreitet; die Umgebung, auch das episklerale Ge-
webe ist entzündlich irritirt, dagegen ist eine Fixation
zwischen Chorioidea und Retina völlig ausgeblieben. Ob
die bindegewebige Auflagerung, welche einen Bezirk der
Choriocapillaris in einiger Entfernung hinter Tier Stichstelle
bedeckt, eine ursprüngliche aber wieder verloren gegangene
Verwachsung andeutet, oder ob es sich lediglich um von
der Choriocapillaris ausgehende nach der Ablösung der
Retina erfolgte bindegewebige Wucherungen handelt, ist
zweifelhaft. Der Vergleich mit einigen der folgenden Augen
lässt erstere Möglichkeit nicht völlig von der Hand weisen. —
Ich möchte an dieser Stelle nicht verfehlen, fiir die
vielleicht über das Mass hinausgehende Ausdehnung der
Detailschilderung der anatomischen Befunde den Leser um
Nachsicht zu bitten, mit dem Hinweise darauf, dass die-
selben zum grossen Theile als paradigmatisch gelten können
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 79
fiir die YeräBderuBgen, welche auch an den übrigen Augen
gefunden wurden. Von nun an darf ich mich bei der Be«
Schreibung der anatomischen Untersuchungsresultate erheb-
lich kürzer fassen.
Auge n.
Kleiner Pinscher, jung, sehr scblecht ernährt.
Rechtes Auge.
Die Spiegelung des rechten Auges vor der Ii^ection lässt
längs des ersten nach der medialen Seite abgehenden Zweiges
des direct nach oben verlaufenden Arterienastes eine Gruppe
von Pigmentflecken erkennen. Im Uebrigen sind Abnormitäten
des Hintergrundes nicht zu erkennen. Es werden in derselben
Weise wie beim ersten Hunde 3 Tropfen Jodtinctur langsam,
unter sehr geringem Druck injicirt.
Ophthalmoskopische Untersuchung nach der Ipjection: Von
hinten oben, etwas medialwärts entspringend, verläuft in der
Richtung auf den hinteren Linsenpol der Stichcanal als röhren-
förmiges, stark rothbraun reflectirendes Gebilde. Die Einstich-
stelle selbst wird verschleiert durch eine dort der Retina vor-
gelagerte, ziemlich scharf begrenzte, rothbraune Wolke von
ca. 2 Papillen-Durchmesser Breite. Der Stichkanal endet vorn
am hinteren Linsenpol; die Spitze der Canüle ist ein wenig
in die Linsensubstanz selbst eingedrungen. Ein Theil der Jod-
tinctur hat sich plattenförmig im Umkreise einiger Millimeter
längs der hinteren Linsenfläche ausgebreitet und leuchtet hell-
rothbraun. Soweit man an dieser vorderen Jodansammlung
vorbei den Hintergrund erkennen konnte, war nur die Um-
gebung der präretinalen Jodausbreitung etwas gelblich verfärbt,
in weiterer Entfernung dagegen die Details des Hintergrundes
deutlich. Nach kurzer Zeit wurde der Einblick in's Auge in-
dess völlig verschlossen durch eine Zunahme der Jodausbrei-
tung längs der hinteren Linsenfläche.
Am darauffolgenden Tage wurde constatirt, dass das
Kammerwasser leicht trübe, die Iris nicht deutlich verfärbt
war; die Pupille erweiterte sich auf Atropineinträufelnng leicht
maximal, ciliare Injection fehlte. Eine der hinteren Linsen-
fläche entsprechende gleichmässige graue Trübung verhinderte
die ophthalmoskopische Untersuchung. Der Hund wurde ge-
tötet; das Auge enncleirt und zunächst für einen Tag in
80 W. Wolff.
Sablimatlösung 1 : 5000 gelegt. Eine leichte Rosafärbang der
Einsticheteile verschwand wieder unter der Einwirkung der
hiernach verwendeten Müll er 'sehen Flüssigkeit. Nach mehr-
wöchentlicher Härtung wurde folgender anatomischer Befund
aufgenommen:
Der Bulbus ist im Ganzen gleichmassig gewölbt. Die
Einstichstelle findet sich 8 mm oberhalb des Sebnerveneintritts
im verticalen Meridian. Sie erscheint als stecknadelkopfgrosser
lichtbrauner Fleck im Niveau der Sklera.
Am sagittal durchschnittenen Bulbus erkennt man ma-
kroskopisch eine unvollkommene Ausfüllung der vorderen
Kammer durch eine lockere, coagulierte Masse, die der Vor-
derfläche der Iris lose aufliegt. — Im Glaskörperraum bemerkt
mau eine derbere, strangförmige Trübung, welche von der
Stichstelle entspringt und den massig durchscheinenden Glas-
körper in der Richtung gegen den hinteren Linsenpol durch-
zieht, oberhalb dessen sie sich an der Linsenkapsel ansetzt.
Der vordere Theil dieses strangförmigen Gebildes verbreitert
sich nach unten zu, so dass sein unterer Ansatzpunkt an der
Linsenkapsel ungeföhr 4 mm unter dem oberen gelegen ist,
und sendet andererseits weniger intensive strangförmige Aus-
läufer nach rückwärts bis fast zur Papillarhöhe herab. Weitere
Abnormitäten, insonderheit eine Ablösung sind nicht zu er-
kennen.
Die mikroskopische Untersuchung des in Alkohol nach-
gehärteten Präparates Hess erkennen, dass die Gerinnungs-
producte in der vorderen Kammer aus feinkörnigen, mit Eosin
zart tingirbaren Massen bestanden, ohne Fibrinstrnctur und
ohne Einlagerung zelliger Elemente. Die Iris selbst war nicht
verändert. Aehnliche Massen liegen in dünner Schicht auch
dem Corpus ciliare auf, das leichte Pigmentverschwemmungen
durch das farblose Epithel hindurch, sonst kaum pathologische
Veränderungen darbietet.
Das Hauptinteresse concentrirte sich bei diesem Bulbus
auf die primären Veränderungen, welche die Injection an der
Stichstelle selbst gesetzt hatte.
Der Stichcanal, welcher eine mittlere Breite von 0,3 mm
besitzt, wird ausgefüllt von einer im Ganzen homogenen, hie
und da fein wellig gezeichneten Masse, die unmittelbar in den
verdichteten Glaskörper übergeht. Der Glaskörper ist, abge-
sehen von der Stichstelle, nirgends adhärent und breitet sich
vor der iunereu Mündung des Stichloches aus, mit seinen
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hnnden. gl
Grenzen sich aberall ron der inneren Netzhantoberfläche fern-
haltend. Die makroskopisch sichtbaren strangfönnigen Trft-
bongen zeichnen sich wie bei dem vorigen Ange durch st&r-
kere wellige Zeichnung aas, ohne den weniger dichten Parthieen
gegenüber eine principiell verschiedene Stmctnr zn besitzen.
Dem Bande des verdichteten Glaskörpers sind auf der vorderen
Seite des Stichcanals m&ssige Mengen rother Blntkörperchen
angelagert, welche sich Ins in den Stichcanal hinein verfolgen
laasen. Die Masse des Stichcanals, ihrem Zusammenhange mit
dem Corpus vitreum und ihrem Aussehen nach selbst als ver^
dichteter, prolabirter Glaskörper anzusprechen, breitet sich auf
der sklenüen Oberflftche nach vom nur wenig, nach hinten zu
einen knappen Millimeter weit in dftnner Lage aus und wird
nach aussen von lockerem episkleralen Gewebe bedeckt Einige
Gruppen mitgerissener Pigmentschollen liegen der äusseren
Oberfläche dieser Ausbreitung auf, nach vom zu findet sich
eine Blutung in die Masse eingeschlossen. Eine Einscheidnng
der Masse w&hrend des Verlaufes durch den Stichcanal in der
Art des ersten Auges fehlt Die SkleralfaserbOndel enden
stumpf zum Theil an den Enden retrahirt und mehr oder we-
niger nach dem Inneren des Auges gekrflmmt Auf der vor-
deren Seite ist die Sklera in ganzer Dicke mit ihrem Ende
nach innen eingerollt Andererseits ist von der Innenseite her
die Chorioidea wenig, die Retina in bedeutenderem Maasse
nach aussen zu mit ihrem Stichrande in den Canal eingesttdpt ;
auf der hinteren Seite ist der retinale Stichrand bis zur halben
Höhe der Sklera eingezogen.
Die an den Canal grenzenden Theile der Sklera bieten
im Uebrigen in ihrer Stmctnr nichts Bemerkenswerthes. Die
Chorioidea ist nur auf etwa 1 mm im Umkreise verändert. Die
pathologischen Verhältnisse dieses Theils sind von zweierlei
Art: Die äusseren Schichten zeichnen sich aus durch Gefäss-
thrombosen in unmittelbarer Nachbarschaft der Stichstelle; die
liOmina der Gefässe sind etwas erweitert, die Gefässwände
nur zum Theil zu erkennen, während zum anderen Theil die
Kerne der Wandungen keine deutliche Haem^^toxylin&rbung
annehmen. Die pigmentirten Lamellen des Stromas erscheinen
ebenfalls nur in nächster Nachbarschaft ein wenig verschwom-
men und aufgelockert
Die Capillarschicht, deren Stichrand in den Canal einbe-
zogen wurde, ist im Umkreise von etwa 0,2 mm nekrotisirt,
ohne erkennbare Structur; auch das Pigmentepithel ist in dieser
T. Qnefe*8 Archiv Ar Ophthalmologie. XL. 2. 6
82 W. Wolflf.
Ausdehnung untergegangen, ausserhalb dieser Zone treten fast
unvermittelt wieder normale Verhältnisse auf. Auf etwas wei-
tere Entfernung, etwa 0,3 mm, ist an gleicher Stelle zwischen
Ghorioidea und Stäbchenzapfenschicht ein schmales fibrinöses
Exsudat eingelagert, welches indess nur sehr wenig in den
Stichcanal selbst vorragt. Nur wenig weiter als dieses Exsudat
erstrecken sich die retinalen Veränderungen* Den Uebergang
von der Norm zum pathologischen Verhalten sieht man sehr
schön an dem vor dem Stichcanal liegenden Retinarand; auf
der papillarwärts gelegenen Seite stört eine sehr bald begin-
nende, offenbar durch die Härtung bedingte Fältelung der Re-
tina den deutlichen Ueberblick. Bis auf etwa einen halben
Millimeter reicht völlig normales Netzhautgewebe heran; die
Stäbchenzapfenschicht Hegt hier ganz besonders gut ihrer Unter-
lage an. Kurz bevor das subretinale Exsudat beginnt, wird
die Stäbchenzapfenschicht und fast zugleich auch die anderen
Schichten leicht verwaschen; nur ein wenig weiter in der Rich-
tung auf den Stichcanal, so deutet nur noch eine unbestimmte
radiäre Strichelung die Structur der Zapfenschicht an, und
auch diese verliert sich alsbald vollständig, sodass nur ein
wellig gebogener und etwas zugespitzt sich in den Stichcanal
versenkender, mit Eosin rosa gefärbter Streifen die Lage der
Schicht bezeichnet Die Limitans externa verschwindet nicht
ganz, wird aber sehr undeutlich. Die inneren Schichten neh-
men an Klarheit der Zeichnung ziemlich gleichmässig nach dem
Ganal zu ab. Zwischen undeutlichen Resten der Sttttzsubstanz
finden sich in dem gleichmässig kömigen Gewebe Reste von
Kernen, die, je weiter nach dem Stichloch, je mehr die Tinc-
tionsfähigkeit einbüssen. Die völlige Nekrose des in den Ganal
hineingezogenen äussersten Endes des Stichrandes präsentirt
sich sehr schön an der papillarwärts gelegenen Seite, woselbst die
Einstülpung, wie besprochen, in ausgedehnterem Maasse stattfand.
In der Fortsetzung der Schnittserie nach der medialen
Seite hin fand sich an der Grenze der retinalen Veränderungen
eine schmale Zone, Velche in sehr anschaulicher Weise eine
beginnende Pigmenteinlagerung in die Netzhaut zeigte^).
') Ich will hier nur nebenbei (weil diese Beobachtung nicht in
unmittelbarem Zusammenhange mit dem vorliegenden Thema steht)
bemerken, dass mir die betreffenden mikroskopischen Bilder hohes
Interesse zu beanspruchen schienen, weil sie einerseits, wie ich glaube,
die Thatsache des Einschwemmens von Pigment deutlich machen.
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 83
Das Wesentliche des BeAmdes an diesem Auge lässt
sich dahin zusammenfassen: Bei der Injection von 3 Tropfen
Jodtinktur hat sich die Flüssigkeit zum Theil längs der
hinteren Linsenfläche ausgebreitet und ist so dem Corpus
dUare sehr nahe gekommen. Es findet sich demgemäss am
zweiten Tage, an welchem die Enucleation vorgenommen
wurde, eine seröse CykUtis mit klinisch geringer, anatomisch
nicht deuÜicher Betheiligung der Iris, die sich hauptsächhch
durch Bildung eines eiweissreicheren Humor aqueus mani-
festirte. Femer ergiebt sich eine um den Stichcanal herum
stärker ausgeprägte Verdichtung des Glaskörpers, während
eine Retraction des übrigen Glaskörpers noch nicht deutUch
ist. Chorioidea und Betina sind im Ganzien frei, eine Fälte-
lung der Retina um den hinteren Bulbuspol ist wahrschein-
lich postmortal entstanden. Um die Stichstelle herum findet
sich eine wenig ausgebreitete circumscripte Retinitis imd
Chorioiditis, der unmittelbar an den Stich grenzende Retinal-
rand ist nekrotisch. Durch Einstülpung von Chorioidea und
Retina in den Stichcanal nach der skleralen Seite hin sind
günstige Vorbedingungen für eine locale Fixation gegeben.
Auge in.
Kleiner, etwa einjähriger Hand. Rechtes Auge.
Die Untersuchung vor der Injection ergiebt mit Ausnahme
eines circumskripten Pigmentfleckes aussen oben von der Pa-
pille normale Verhältnisse.
Injection von 4 Tropfen Jodtinctur bei Einstellung der
Canüle auf 9 mm. Da der Rand des rectus superior mitgefasst
wurde, drang die Canüle einige Millimeter weniger tief ein.
Eine Viertelstunde nach Beginn der Operation wurde fol-
gender ophthalmoskopische Befund aufgenommen: Der untere
und andererseitfl, weil an dieser Stelle ein pigmentloses Pigment-
epithel (dem Tapetum aufliegend) nicht wohl das eingeschwemmte
Pigment geliefert haben kann, vielmehr die Chorioidea dafür verant-
wortlich zu machen sein dürfte, worauf gelegentlich an anderer Stelle
näher eingegangen werden soll. Doch dies nur nebenbei.
84 W. Wolfr.
Rand der Jodwolke ragt, scharf elliptisch begrenzt von oben
nnd etwas innen in den Glaskörperraum vor, ohne vollkommen
die obere Grenze des Tapetalbezirks zu erreichen. Die an-
grenzende Zone der Retina erscheint leicht verschleiert, die
Verhältnisse im Gebiete des Tapetam selbst unverändert Die
periphere Ausbreitung der Jodwolke nach vom nnd oben ist
nicht zu übersehen.
6 Stunden später bot der Bulbus massige Injection, die
Pupille war eng und unrcgelmässig, erweiterte sich auf viel
Atropin nur wenig, die Iris war matt und ein wenig verfärbt.
Cornea und vordere Kammer klar. — Durchleuchtung nicht
möglich. Am Morgen des folgenden Tages maximale Ver-
engung der Pupille, Iris stark verfärbt, Eammerwafiser trttbe,
Cornea etwas matt, stärkere Ciliarinjection, massige Chemosis.
In den nächsten Tagen ging die Chemosis wieder zurück, die
Cornea, welche sich zunächst bei spiegelnder Oberfläche und
ohne Dnickerhöhnng des Bulbus leicht trübte und mit tief-
liegenden strich- nnd punktförmigen Opacitäten durchsetzt war,
sowie das Kammerwasser klärten sich allmählich bis zum sie-
benten Tage. Auch die Pupille fing an sich auf Atropin wie-
der besser zu erweitern. Beim Spiegeln bekam man aus dem
Hintergrund gedämpft rothen, nach oben mehr grauen Reflex,
ohne dass man im Glaskörper oder im Hintergrund Details
unterscheiden konnte. Der Hund starb bei einer zweckt ge-
nauerer Absuchung der Peripherie eingeleiteten Aethemarkose
(ohne vorherige Morphiuminjection).
Die anatomische Untersuchung bestätigte das Vorhanden-
aein einer diffusen Iridochorioiditis. Die Netzhaut ist total
trichterförmig abgelöst, befindet sich, wie die Papille, in einem
^dematös-entzündlichen Zustande mit beginnendem Zerfall ihrer
Elemente, und ist in der Nachbarschaft des Stiches einer aus-
gedehnten Colliquation verfallen. Zwischen Chorioidea und
Retina lagert überall ein massives, eiweissreiches, aber zell-
armes £xsudat; eine Fixation zwischen Retina und Chorioidea
ist nicht zu Stande gekommen, oder wieder gelöst worden.
Der Stichcanal verhält sich ähnlich wie in dem erstbeschrie-'
benen Auge. Die chorioiditischen Veränderungen sind in seiner
Umgebung unvergleichlich hochgradiger als im übrigen Bereich
der Aderhaut. Der Glaskörper ist stark geschrumpft und
haftet überall fest der Retina an. Er ist frei von stärkeren
Exsudationsproducten und weist keine bindegewebige Neubil-
dung auf. Da ich mir die Frage vorlegte, ob in diesem Falle
Jodii\jectionen in dem Glaskörper von Hunden. g5
nicht etwa durch Infection die stürmischen Erscheinungen be-
dingt gewesen seien, was jedoch schon dnrch den schnellen
Rückgang der Entzündung unwahrscheinlich gemacht wird, habe
ich genau auf das Torhandensein Ton Mikroorganismen unter-
sucht, jedoch mit negativem Erfolge.
Auge IV.
Grosser Pinscher, ausgewachsen, ca. 2 Jahre alt
Linkes Auge.
Der Injection von 7 Tropfen bei einer Canülenlänge von
9 mm folgte unmittelbar eine deutliche Drucksteigerung, die
sich nach ^/^ Stunde wieder vollständig verlor.
Der ophthalmoskopische ßefnnd nach der Injection wich
von den bisher beschriebenen nicht wesentlich ab. Die Reti-
nitis breitete sich in ähnlicher Weise wie beim ersten Auge
unter Auftreten einzelner Haemorrhagien allmählich weiter pa-
pillarwärts aus. Sechs Stunden nach der Injection wurde in
der hinteren Corticalis eine ähnliche kleeblattförmige Linsen-
trübung beobachtet, wie bei dem erstbeschriebenen Auge. In-
nerhalb 4 Tagen verschwand auch hier wieder die Trübung.
Am dritten Tage fand sich statt der braungeftrbten Jodwolke
eine starke Glaskörpertrübnng mit verwischten Grenzen. —
Der Hintergrund blieb im Ganzen trübe, im Bereich des Ta-
petum schmutzig gelbgrün verfärbt, die Papille bekam ver-
schwommene Grenzen und erschien grau. Der Stichcanal
markirte sich als ein nadeiförmiger, dunkler, aus der Glas-
körperverdichtung hervorragender Zapfen.
Allmählich sah man oben einzelne Glaskörperstränge in
der Umgebung des Stichzapfens sich deutlicher abheben. Blu-
tungen in den Glaskörper trübten das Bild des Hintergrundes.
Gegen Anfang der vierten Woche konnte man, während die
Papille sich noch mehr verschleierte, oberwärts lateral und
medial zwei Retinafalten sich erheben sehen, welche unterwärts
der Papille bogenförmig auf einander zuliefen und sich mit
einander vereinigten. Fast concentrisch zu diesem Bogen fand
sich ein zweiter, welcher unten mit seinem Scheitel die Papille
überdeckte und mit seinen Schenkeln nach oben zu divergirend
um ca. 2 Papillenbreiten über die Höhe der Papille hinaus-
griff. Ueber diese Schenkel senkten sich von rechts und links
bogenförmig Geisse zu dem von ihnen eingefassten dreieckigen
Bezirk herab und verloren sich hier. Der dreieckige Bezirk
86 W. Wolff.
bildete zuBammen mit der Papille ohne scharfen Uebergang
einen schmutzig granweissen Fleck, in seinem oberen Theile
verschiedenartig gefleckt, theils pigmentirt, theils grüngelb
schimmernd. Auf der Papille selbst wurden keine Gefäss-
Ursprünge mehr erkannt.
Der untere und grössere der beiden Bogen, welcher deut-
lich flottirte und über welchen hinaus der Hintergrund schmutzig
braun ohne Details sich darstellte, wurde als die Grenze eines
ausgedehnten Retinarisses aufgefasst, der obere als die Yor-
wölbung des abgerissenen Lappens gegen diejenigen Stellen,
wo eine Fixation auf der Unterlage noch yorhanden war, näm-
lich an der Papille und der darüber gelegenen dreieckigen
Zone; letztere sah ich an als eine auf die Papille übergreifende
Retinochorioidalnarbe. Mit grosser Wahrscheinlichkeit war
auch die übrige Netzhaut in toto abgelöst, was jedoch durch
den trüben Glaskörper hindurch nicht deutlich erkannt werden
konnte. Die Tension des Bulbus war stark herabgesetzt. Enu-
cleation am sechsunddreissigsten Tage der Beobachtung.
Der anatomische Befund bot im Wesentlichen Folgendes:
Der Glaskörper ist, bis auf strangförmige Reste an der hin-
teren Linsenfläche und längs der Retina total verflüssigt. Die
Retina ist vollständig abgelöst bis auf einen nach oben zu an
die Papille sich anschliessenden grob dreieckigen Bezirk, wel-
cher sich 7 mm weit bis zur Stichstelle hin erstreckt. Unter-
halb wird die Papille in der Entfernung eines knappen Centi-
meters von einem bogenförmigen ausgedehnten Netzhantrisse
umzogen, dessen Schenkel bis etwa zur Papillenhöhe reichen.
Der so losgelöste zungenfSrmige Lappen hat spiralig einge-
rollte Ränder und wird durch Stränge, welche aus der Stich-
zapfengegend kommen, etwas nach oben gezogen, sodass die
Papille zum Theil von überhängender Retina bedeckt wird.
Der Lappen ist in seiner Structur hochgradig verändert, doch
erkennt man immerhin noch die Körnerschichten. Unterhalb
des Risses ist die Retina, von der Ernährung durch die Netz-
hantgefässe ausgeschlossen, zu einer völlig unkenntlichen dünnen
Membran geworden; ebenso verhalten sich diejenigen Parthien,
welche sich oberhalb des Stichcanals befinden. Nur nach den
Seiten zu finden sich noch der Norm näher kommende Par-
thien. — Der Stichcanal selbst ist von reichlichem, pigmen-
tirten Granulationsgewebe ausgefüllt, welches sich noch eine
kleine Strecke über das Retinaniveau als zapfenförmiges Ge-
bilde fortsetzt, eingehüllt von membranösen Glaskörpertrübungen.
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. g7
Zwischen Stichcanal und Papille ist die Retina in Narben-
gewebe umgewandelt, welches continuirlich in die ebenfalls
narbig veränderte Ghorioidea übergebt, von welchem aber ein-
zelne oberflächliche Lamellen wieder gelockert, zum Theil los-
gerissen sind. Die Narbe erstreckt sich bis in die Papille
hinein, die gleich dem Sehnerven hochgradig atrophisch ist.
Auch vom vor der Stichstelle beginnt sofort wieder die Ab-
hebung der atrophischen Netzhaut, die Veränderungen der
Ghorioidea klingen in typischer Weise nach allen Seiten vom
Stichcanal gleichmässig ab; doch ist sie im Ganzen, wie auch
das Corpus ciliare und die Iris etwas atrophisch, freilich ohne
bindegewebige Veränderungen, ausser um die Stichstelle herum.
Auge V.
Derselbe Hund. Rechtes Auge.
Eine vor der Injection vorgenommene Untersuchung ergab
äusserlich und im Hintergrund normale Verhältnisse. Nach
den üblichen Vorbereitungen wurden hinter dem Aequator, ein-
wärts von der Sagittallinie d'/a Tropfen mit der auf 9 mm
eingestellten geraden Ganüle ii^icirt.
Nach der Injection ragte die Jodwolke mit ziemlich
scharfem elliptischen Rande von oben und etwas innen über
die Tapetumgrenze hervor, ihre periphere Ausbreitung war nicht
zu übersehen. Von derselben hob sich undeutlich als röhren-
förmiges Gebilde das Ende des Stichcanals ab, sein Ursprung
war durch die Jodausbreitung verdeckt Die nächste Umgebung
der Jodwolke zeigte wie gewöhnlich einen gelblichen Ton und
war leicht verschleiert Die Pupille war auf Atropin weit
Bis zum nächsten Tage blasste die rothbraune Jodwolke
ab, während ihre Grenzen sich etwas vorschoben und mehr
verwischt wurden. Der Stichcanal hob sich deutlicher davon
ab. Unterhalb fand sich um die nach oben führenden grossen
Gefilsse und ihre Verästelungen herum eine ausgedehnte Blutung,
welche auf zwei Papillenbreiten an den oberen Papillenrand
herankam, seitwärts die Gefässe durchschnittlich nur um halbe
Papillenbreite überschreitend. Die Gefässe sind ausserhalb,
zum Theil auch innerhalb dieses Gebietes zu erkennen. Im
weiteren Umkreis ist das Ghagrin des Tapetum einem diffuseren
Grün gewichen, die retinalen Gefässe leicht verschleiert, weiter
unterwärts, insonderheit an der Papille keine Veränderung
wahrzunehmen.
88 W. Woiff.
Am fünften Tage fand sich keine Jodfilrfonng mehr Tor;
eine diffusere Glaskörpertrabnng lag an der Stelle der Ursprung-
liehen Jodansbreitnng. Die grosse Blutung wurde allm&hlich
kleiner, so wie sich auch ein neuerdings eingetretener Blut*
ergnss dicht oberhalb und nach innen von der Papille in we-
nigen Tagen vollst&ndig resorbirte. Letzterer erschien bei
genauerer Betrachtung als ein diffuser rother Streifen, welcher
aus vielen kleinen rothen Punkten sich zusammensetzte und
keine Beziehung zu Retinalgefässen zeigte. Nur vermuthungs-
weise konnte wegen der Ungewohntheit dieses Bildes an eine
Blutung aus der Choriocapillaris gedacht werden.
In der Folgezeit nahm nun die Trübung und Verflüi>ang
des Hintergrundes papillarwärts langsam zu, während ebenso
langsam die diffuse Glaskörpertrübung um die Stichstelle sich
nach der Bulbuswand zurückzog und die wolkige Einscheidung
des dunklen, strichförmig in den Glaskörperraum vorragenden
Stichcanals in ähnlicher Weise wie bei dem vorigen Auge sich
zu einem cylindrischen Mantel consolidirte. Die Papille war
leicht geröthet, die Netzhaut unterhalb, sowie in der nächsten
Nachbarschaft oberhalb völlig klar, das Tapetum bot hier ein
schönes glänzend grün chagrinirtes Aussehen.
Die Zusammenziehung der getrübten Parthien des Corpus
vitreum ermöglichte es, dass man am zwölften Tage bereits
einen Process constatiren konnte, der sich inzwischen, gedeckt
von dem opaken Glaskörper, in der Umgebung der Stichstelle
vollzogen hatte. Unterwärts der Trübung ragte nämlich jetzt
eine scharf nach unten convex bogenförmig begrenzte Zone her-
vor, welche im Gegensatz zu der gelbgrünlichen bis bellbräun-
lichen Färbung des benachbarten Hintergrundes ein glänzend
marmorirtes Ansehen bot und sich aus leuchtend grünen, rothen
und braunen Tönen zusammensetzte. BlutgeßLsse konnten nicht
unterschieden werden. Nach aussen reichte dieser Bezirk bis
zum Papillenmeridian, nach unten nicht ganz bis zur mittleren
Höhe des Tapetalbereichs, nach innen überschritt er nur um
ein Geringes die Grenze zwischen* Tapetum und pigmentirter
Peripherie. Der untere bogenförmige Rand erhob sich deut-
lich wallartig, und offenbar war die Netzhaut von hier bis auf
2 Papillenbreiten vom oberen Papillarrand flach abgehoben.
Weiter papillarwärts nahm der grüne Reflex des Hintergrundes
an Klarheit zu, und dicht oberhalb, sowie innen und aussen
oben wurde die Papille noch von einer sehr schön grün ge-
färbten und scharf gezeichneten Zone umgeben. Abwärts der
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 89
Papille, sowie weiter seitwärts waren keine Abnormitäten zu
bemerken. Vom fänfzehnten Tage ab bemerkte man vor der
marmorirten Parthie eine dünne, nor an einzelnen anhaftenden
Pigmentiningen zu erkennende Membran, welche ans den Glas-
körpertrObungen hervorragte und — wie jene marmorirte
Parthie — mit einem nach unten convexen Rande endete, im
Ganzen Oberhaupt dieselbe Ausdehnung hatte. Der Rand,
welcher nur wenig vor der Retina gelegen war, war über dem
unteren Rand der marmorirten Zone parallactisch verschieblich
und flottirte leicht bei Bewegungen des Auges.
Hieran änderte sich bis zum dreissigsten Tage so gut wie
nichts. Da trat neuerdings dicht oberhalb der Papille eine
ausgebreitete, quer fast durch den ganzen Tapetalbezirk sich
erstreckende Blutung auf, welche wiederum aus diffusen Streifen
bestand, die keine sichtbare Beziehung zu Retinalgefössen be-
sassen und sich aus einer grossen Menge kleiner punktförmiger
Blutfleckchen zusammensetzten. Die Mitte dieser Blutstreifen
sprang als querverlaufende Leiste in den Glaskörperraum vor.
Jetzt war auch das schöne Grün dieser der Papille benach-
barten Parthie des Hintergrundes einer diffuseren grünen Tönung
gewichen, die Papille etwas hyperämisch, sonst scharf; der
Hintergrund zwischen den Blutungen und der Stichstelle von
diffusem Grün bis zu hellbräunlich allmählich übergehend, die
verschleierten Gefässe nach oben zu allmählich völlig verschwin-
dend. Die Peripherie der oberen Seite war durch Glaskörper-
trübungen verdeckt, die untere Bulbushälfte, sowie in einiger
Entfernung die seitlichen Parthien scharf gezeichnet und nor-
mal tingirt. Am 32. Tage wurde der Hund getödtet und das
Auge enucleirt.
Anatomische Untersuchung: Die Stichstelle liegt
10,5 mm oberhalb der Papille, etwas einwärts vom sagittalen
Meridian. Sie imponirt von der skleralen Oberfläche her als
ein brauner im Niveau liegender Fleck von der Grösse eines
kleinen Stecknadelkopfes. Sie wird nur lose von episkleralem
Gewebe überdeckt. Cornea, vordere Kammer, Iris, Corpus
ciliare, Chorioidea und Linse, sowie der Sehnervenstumpf bieten
makroskopisch nichts AuffäUiges. Die Netzhaut liegt abwärts
von der Papille überall glatt an. Oberwärts ist sie in einem
Bereich von ca. 6 mm im Quadrat mehrfach gefältelt und flach
abgehoben. Dann folgt zwischen dieser Parthie und der Stich-
stelle eine Zone, in welcher die Retina (wenn überhaupt noch
als solche anzusprechen) anliegt, aber offenbar stark atrophirt
90 w. Wolff.
ist Ueber die Stichstelle hinaus verdecken getrübte Glas-
körpermassen die Gegend um den sagittalen Meridian. Auf
dem kleineren lateralen Bulbusabschnitt ist nur für eine kurze
Strecke die Fältelung oberhalb der Papille sowie die Verdün-
nung an der Fixationsstelle noch zu bemerken. Auch hier ist
oben in geringer Ausdehnung die Retina verdeckt, darüber
hinaus liegt sie überall gut an und bietet keine sichtliche Ab-
weichung. Der Glaskörper ist, wie angedeutet, im oberen Theil
des Bulbus verdichtet, sonst durchsichtig, aber auf den vor-
deren Theil des Glaskörperraums beschränkt, etwa die Hälfte
des ganzen Raumes ausfüllend.
Die mikroskopische Untersuchung bestätigt vor Allem
die, wenn auch ausgedehnte, locale Beschränkung der entzünd-
lich adhäsiven und degenerativen Processe. Die ganze untere
Bulbushälfte, sowie die seitlichen Theile der oberen zeigen
auch nicht die geringste Abweichung von der Norm. Ebenso
verhält sich Iris und Corpus ciliare. Allgemein in Mitleiden-
schaft gezogen ist nur der Glaskörper.
Die Stichstelle zeigt dasselbe Bild, wie beim vorigen Auge :
in einem trichterförmig sich einsenkenden Ganal ein reichlich
pigmentirtes Granulationsgewebe, welches sich auf der Innen-
seite zu einer flachen Wulstung ausbreitet. Nur ragt die Fort-
setzung dieses Gewebes nicht weiter zapfenförmig in den Glas-
körperraum hinein, vielmehr erhebt sie sich über das Retina-
niveau nur etwa 0,5 mm, während ihre seitliche Ausbreitung
nach jeder Seite 1 mm um ein Geringes überschreitet. Längs
der vorderen Wand des Stichcanals ist die Anhäufung von
pigmentirten Zellen eine auffallend stärkere, als nach hinten
zu, sodass der Verdacht nahe liegt, dass hier gerade so wie
es in einem frühen Stadium beim Auge II beobachtet wurde,
ursprünglich eine Einstülpung oder Einziehung von chorioidalem
Gewebe stattgehabt habe. Und in der Tbat sind die Ränder
von Ghorioidea und Retina, welche an die flache Endausbreitung
der Stichcanalmasse stossen, ein wenig nach auswärts umge-
bogen, wobei freilich ihre faserig bindegewebige Structur am
Eingang in den Caual selbst unmittelbar in das Granulations-
gewebe übergeht. Auch hier ist in der nächsten Umgebung
Retina und Ghorioidea zu einer einzigen bindegewebigen Masse
verschmolzen, die auf der Aussenseite unter Verlust des Peri-
chorioidalraums und -gewebes mit den inneren Skleralschichten
verwachsen ist. Letztere sind mit Pigment durchsetzt und
bieten Vermehrung der Kerne. Eine Scheidung zwischen
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 91
chorioidalem und retinalem Antheil in diesem fibrillären Ge-
webe ist nicht möglich, nur ist die Durchsetzung mit Pigment
auch hier in den innersten Schichten eine geringere, als nach
aussen hin. Nach vorn zu findet nach etwa 0,5 mm eine
Trennung der Retina von der Gefässhaut statt. Erstere ist
abgehoben und haftet dem verdichteten Glaskörper an; sie
stellt eine nach vorn sich verdünnende bindegewebige Lamelle
dar, — nach ihrer Trennung von der Chorioidea spärlicher
pigmentirt, — die 2 mm vor dem Stichcanal frei endigt. Weiter
vorwärts finden sich, dem Glaskörper anhaftend, nur sehr dttnne
membranöse Reste, welche hie und da mit Pigmentschollen be-
setzt sind. Durch eine derartige schleierartige, vielfach lücken-
hafte Membran wird bis zur Ora serrata hin das Retinalgewebe
in einer Breite von etwa 6 mm ersetzt. Weiter nach den
Seiten zu stellen sich dann zunächst einige Elemente aus den
Körnerschichten ein und die Dicke der Netzhaut wie die An-
zahl ihrer ursprünglichen Gewebstheile nimmt schnell zu. Die
Fixationen mit dem verdichteten Glaskörper reichen so weit,
wie der makroskopische Anblick eine Verdichtung erkennen
Hess. Ueberall ist hier die Netzhaut nur flach abgehoben, nicht
viel weiter als die Dicke der Stäbchenzapfenschicht beträgt.
Etwa 1 cm oberhalb des Aequators sind alle Schichten bis auf
die zerfallene Stäbchenzapfenschicht vollständig. Dicht ober-
halb des Aequators ist auch letztere intact und die Netzhaut
liegt von hier ihrer Unterlage an. Die Verdichtung des Glas-
körpers zeigt wieder das gewöhnliche Bild welliger und netz-
förmig mit einander verwebter Linien ohne eigentliche Binde-
gewebsbildung; Wanderzellen, einzelne rothe Blutkörperchen
und Pigment sind in demselben suspendirt. Die Verdichtung
schliesst sich unmittelbar an die Endausbreitung des Stichcanal-
gewebes an und ist in ihrer Umgebung am stärksten. Der
Uebergang in den unverdichteten Theil des Glaskörpers ist ein
ziemlich allmählicher.
Kehren wir wieder zur Gegend vor dem Stichcanal zu-
rück, so finden wir das Verhalten der Chorioidea ähnlich dem
bei dem vorigen Auge beschriebenen. Die Gefässhaut trennt
sich nach etwas mehr als 1,5 mm von der Sclera, Perichori-
oidalraum und -gewebe stellen sich wieder her, firei von Ex-
sudat, und die Chorioiditis klingt nach vorn zu in einer Ent-
fernung von 3 mm vollkommen ab. Die letzten 2,5 mm bis
zur Ora serrata lassen bis auf eine geringfügige Unregelmässig-
keit in der Pigmentirung und der Form der retinalen Epithel-
92 W. Wolff.
Zellen, welche überall gut anhaften, eine Abnormität nicht mehr
erkennen. £ben80 ist, wie erwähnt, das Corpus ciliare nebst
seiner retinalen Epithelbekleidung normal. Nach hinten zu
reichen wiederum die Vorgänge entzündlicher Bindegewebsneu-
bildnng weiter herunter. Zunächst ist auch hier sowie nach
den Seiten hin in derselben Ausdehnung wie nach yom eine
Verwachsung der bindegewebig veränderten Chorioidea mit den
inneren Sklerallamellen zu Stande gekommen. Darüber hinaus
ist nach allen Seiten der Perichorioidalraum frei. Chorioidea
und Retina aber bleiben in einer Ausdehnung von ca. 3,5 mm
papillarwärts mit einander verwachsen; anfänglich bilden beide
ein continnirlich in einander übergehendes faseriges Gewebe,
welches sehr kernreich und sehr gefässarm ist, wobei sich der
chorioidale Antheil durch stärkere, der retinale durch verhält-
nissmässig schwache Pigmentirung auszeichnet; zwischen den
Lagen des retinalen Theiles findet sich in geringen Mengen
frei ergossenes Blut mit zum Theil geschrumpften rothen Blut-
körperchen. Etwas über 1 mm von der Stichstelle entfernt,
beginnen in dem immer noch kernreicheren Chorioidalgewebe
wieder die grösseren Gefässe an typischer Stelle hervorzutreten.
Nur wenig weiter nach hinten nimmt dann die Gefässhaut
jenen Character an, welchen wir in der oben definirten Weise
als Aufschwemmung, Auflockerung des Stromas mit seinen Pig-
mentzellenlagen bezeichnet haben. Zugleich schieben sich Reste
des Tapetums sowie wuchernde Elemente der Capillarschicht,
welche sich durch kurzovale Kerne von den langen spindeligen
Kernen des retinalen Narbengewebes unterscheiden, zwischen
beide Häute ein und bedingen so eine scharfe Trennung der-
selben. Die Tapetumzellen treten zunächst nur spärlich auf
und sind in ihrer Form mannichfach verändert. Während sie
normaler Weise auf dem Querschnitt als langgestreckte Recht-
ecke imponiren, in deren Mitte der langovale Kern liegt, sind
sie hier klumpig aufgeschwemmt, rund, polyedrisch, birnen-
förmig mit unsymmetrischer Lage des Kerns. Theilweise ist
dabei die Tinctionsfähigkeit des letzteren herabgesetzt oder
aufgehoben und das Protoplasma der Zelle körnig getrübt Mit
dem weiteren Abklingen der Chorioiditischen Veränderungen,
welches auch hier wieder in der genugsam beschriebenen Weise
in einem Zwischenraum von etwa 5,5 mm sich vollzieht, stellt
sich auch das Tapetum wieder vollständig her; indessen zeigen
die Zellen noch bis zu einer Entfernung von 3,5 mm hinter
der Stichstelle hie und da Veränderungen ihrer Form und
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 93
Unregelmässigkeit ihrer Schichtang, sodass im Gegensatz zu
dem normalen Bilde der Tapetumlagen, welches an eine aus
Ziegelsteinen aufgeführte Mauer erinnert, hier, um im Bilde
zu bleiben, sich der Anblick einer aus unbehauenen Steinen
erbauten Wand darbietet Bis zu letzterem Punkte vermisst
man auch die regelmässige Anordnung feiner nur ausEndothel-
rohren bestehender Blutgefässe, die normaler Weise die Gapil-
laris mit den jenseits des Tapetum gelegenen mittleren Blut-
gefässen verbindet; derartige Gommunicationen sind in diesem
Bezirke spärlich und es scheint somit hier die Choriocapillaris
hauptsächlich auf eine Versorgung von den Seiten her ange-
wiesen zu sein. Bis hierher reicht nun auch die narbige
Umwandlung und Fixation der Retina unterhalb des Stichloches.
Das reichlich mit spindelförmigen Kernen besetzte junge Faser-
gewebe, dessen Fasern meridional geordnet sind, und welches
nur spärlich mit Gefässen versorgt ist, die der Choriocapillaris
entstammen, liegt überall von der Stichstelle bis zu dem letzt-
erwähnten Punkt fest der Unterlage an. Aber innerhalb des
Gewebes selbst findet etwa 1 mm hinter dem Stichcanal eine
Spaltung statt. Während bis dahin die Dicke der Auflagerung
die der normalen Retina erreichte, zieht jetzt im Niveau der
inneren Fläche nur eine zarte, leicht faserige Membran, nur
anfangs noch Kerne enthaltend, weiter papülarwärts, gehalten
von einigen Ausläufern der Glaakörperverdichtung, und mit
Wanderzellen und Pigment spärlich besetzt Die Hauptmasse
des Gewebes reducirt sich auf die Dicke der normalen äusseren
Körnerschicht, um so gleichmässig bis zu dem erwähnten Punkte
sich zn erstrecken. An den Schnitten, welche durch die Pa-
pille geben^ findet ungef&hr an dieser Stelle wieder eine Ver-
einigung beider Theile statt; weiter medialwärts endet die
innere Membran mit freiem Rande in gleicher Höhe, so dass
sie — entsprechend dem ophthalmoskopischen Bilde — wie
ein Schleier vor der äusseren Narbensehicht gelegen ist Die
Ausdehnung dieser Retinanarbe nach den Seiten übersteigt
wenig 3 Papillenbreiten. Dann folgt abgelöste Netzhaut, welche
in ähnlicher Weise nach den Seiten zu sich restituirt, wie es
in der Richtung auf die Papille der Fall ist Hier verdickt
sich 3,5 mm hinter der Stichstelle das Narbengewebe fast un-
vermittelt zu etwa doppelter Stärke und springt mit scharfer
Kante glaskörperwärts vor. An diese Kante setzt die unter-
halb des Fixationsbereiches abgelöste Retina an. Anfänglich
besteht ihr Gewebe nur aus Resten der Körnerschichten, zu-
94 W. Wolff.
sammengebalten durch spärliches Stützgewebe. Weiter nach
unten findet in einer Breite von 2,5 mm allmähliche Restitution
in der gewöhnlichen Form statt; von hier an sind alle Schichten
wohlgeordnet vertreten, — die innere reticuläre ein wenig un-
scharf gezeichnet — ; bis auf die Stäbchenzapfenschicht, welche
körnig zerfallen, nur hie und da durch Reste ihrer Innen-
glieder die ursprüngliche Structur andeutet. Dabei verhält
sich die Chorioidea nebst dem Pigmentepithel in dieser Breite
bereits fast völlig normal; nur einzelne unregelmässig gestaltete
und an Grösse wechselnde Zellen des Pigmentepithels deuten
noch auf einen pathologischen Zustand. Von dort ab, wo die
Netzhautschichten, abgesehen von der Stäbchenschicht, wieder
hergestellt erscheinen, bis zu der 4,5 mm weiter abwärts ge-
legenen Papille ist die Chorioidea schön und klar gezeichnet,
Tapetum und Epithel gleichmässig wohlerhalten, gut tingirt und
die Netzhaut ist nur flach abgehoben, durch die körnigen Zer-
fallsproducte der Stäbchen schiebt vom Pigmentepithel geschieden.
Da findet sich unmittelbar über der Papille in dem Zwischen-
raum freies Blut und ausgeschwemmtes Pigment; das Pigment-
epithel ist etwas lückenhaft, weniger gleichmässig. Medial-
wärts über die Papille hinaus ist auf kurze Strecke das Epithel
zertrümmert und in offenbarem Zusammenhang mit der Chorio-
capillaris dieser Stelle liegt in dem Raum zwischen Netz- und
Gefässhaut ein grosser fast bis an die mediale Grenze des Ta-
petum sich erstreckender Bluterguss, welcher die Netzhaut
sackförmig vorgebaucht hat. Die Schicht der kleinen und mitt-
leren Gefässe ist intact, ebenso die der grossen. Nach unten
ist diese sackförmige Abhebung scharf begrenzt. Unmittelbar
an die abgehobene Parthie stösst festsitzende Netzhaut, welche
sämmtliche Schichten, auch die Stäbchenzapfenschicht besitzt
Letztere enthält für ca. 0,5 mm bei etwas undeutlicher Zeich-
nung kleine kuglige, mattglänzende Gebilde, wohl ein Zeichen,
dass auch hier ein Zerfall schon im Gange ist. Im Uebrigen
sind von hier ab Abnormitäten nicht mehr vorhanden. Die
Papille erscheint leicht hyperämisch, bietet aber keine anato-
mischen Veränderungen.
Kurz zusammengefasst, ist hier thatsächlich eine Fixa-
tion der Retina auf ihrer Unterlage erzielt worden durch
Narbenbildung in einem mehrere mm breiten unterwärts an
die Stichstelle anstossenden Bezirk. Ueber diesen Bezirk
hinaus findet ein allmählicher Uebergang von starken de-
Jodiigectionen in den Glaskörper von Hunden. 95
generativen Veränderungen zu einem der Norm genäherten
Zustande der Netzhaut statt Die degenerirten Parthieen
zeigen noch Fixationen mit den Kesten des zum Theil ver-
flüssigten Glaskörpers und so ist eine wenn auch z. Th.
nur flache Abhebung in grosser Ausdehnung im oberen
Bulbustheile zu Stande gekommen. Eine starke subretinale
Blutung oberhalb der Papillenhöhe macht eher den Ein-
druck, als sei sie eine Folge des Ablösungsprozesses, nicht
eine Ursache. — Die vor der Stichstelle gelegene Parthie
der Retina zeigt, abweichend von ihrer Umgebung und von
den sonstigen Veränderungen um den Stichcanal herum
hochgradigste Atrophie ohne bindegewebige entzündhche
Neubildung.
Auge VI.
Kleiner Pinscher, ausgewachsen. Rechtes Auge.
Es wurden mit gerader, auf 8 mm eingestellter, Canüle
an der gewöhnlichen Stelle 3 Tropfen injicirt. Sofort nach
der Injection war wiederum im oberen Theile des Bulbus die
scharf umschriebene Jodwolke zu sehen, welche in der typischen
Weise bis zum 3. Tage völlig verschwand. An Stelle der-
selben trat eine diffuse graue Glaskörpertrübnng, in welcher
sich der nadeiförmige Stichcanal abhob. Die Trübung und
Verfärbung des angrenzenden Hintergrundes schritt in den
nächsten Tagen rapide fort. Am 7. Tage war der ganze Hin-
tergrund, soweit er bei der ziemlich starken Glaskörpertrübung
zu erkennen war, undeutlich, die Papille verschleiert. Wie bei
den anderen Augen traten auch hier verschiedene kleine
Retinalblntungen auf. Aeusserliche Entzündnngserscheinungen
fehlten vollkommen. Am 17. Tage der Beobachtung konnte
eine schon seit mehreren Tagen sichtbare, über einen grossen
Theil des Hintergrundes von oben innen nach unten aussen
verlaufende, Falte deutlich als abgehobene Retina angesprochen
werden. Allm&hlich traten noch eine ganze Reihe einzelner
faltenartiger Abhebungen hervor unter weiteren, nach oben zu
stärkeren, theilweise subretinalen Blutungen. Am 20. Tage gab
der ganze Hintergrund einen gedämpft rothen Reflex, Details
waren nicht zu erkennen, nur sah man nach vorn zu ver-
schiedene Falten sich abheben. Offenbar war eine neue starke,
96 W. Wolff.
wahrscheinlich snbretinale Blutung auügetreten. Dieses Ver-
halten blieb fast unverändert bis zum 39. Tage, an welchem
der Hund getödtet und das Auge enucleirt wurde. Härtung
in Müllerscher Flüssigkeit, Nachhärtung in Alkohol.
Anatomischer Befund: Der Glaskörper, welcher überall
der hinteren Linsenfläche anliegt und der andererseits überall
mit der Innenfläche der Retina verklebt ist, erweist sich im
Ganzen stark geschrumpft aber nach unten zu noch massig
durchsichtig, nur oben stärker verdichtet. Eigentliche sich be-
sonders abhebende Strangbildungen sind makroskopisch nicht
wahrzunehmen. Die Retina ist total in grossen Falten abge-
hoben, mit ausgezogenem Stiele an der Papille inserirend. £ine
Fixation der Retina auf der Unterlage besteht nur in der un-
mittelbarsten Umgebung der Stichstelle. Letztere liegt 12,5 mm
innen oben von der Papille, 2 mm von der Ora serrata entr
fernt. Dicht unterhalb der Stichstelle findet sich ein grosser,
quer über die ganze Breite des Bulbus ausgedehnter, Bluterguss,
welcher schon nach dem makroskopischen Anblick sich im Sta-
dium der Organisation befindet. Nach unten von der Stich-
stelle reicht er im Durchschnitt 6 mm weit. Eine zweite
kleinere subretinale Blutung liegt innen vorn in der Gegend
der Ora serrata. Ersterer liegt, wie schon makroskopisch zu
erkennen, überall fest der Chorioidea auf; zum Theil locker an
der retinalen Seite. Der untere Abschnitt des Ablösungsraumes
ist unvollkommen ausgefüllt von einer gallertigen, halbdurch-
scheinenden Masse, welche in sich zusammenhält, den Wan-
dungen nur lose aufliegt und nach oben bis zu dem Blutergoss
reicht in welchen sie unmittelbar übergeht Ein Betinariss ist
nicht zu sehen.
Mikroskopisch erweist sich der Stichcanal und das ihn
ausfüllende Gewebe ganz analog dem Befunde der letztbeschrie-
benen Augen von längerer Beobachtungsdauer. Nur sind hier
bereits im Stichcanal selbst wie an der inneren Ausbreitang
des Stichgewebes mehr faserige Elemente eingelagert, dort
radiär auf das Innere des Bulbus gerichtet, hier nach der Fläche
der inneren Wand umbiegend. Nach innen zu stösst unmittel-
bar an dieses Gewebe der stark netzförmig verdichtete Glas-
körper, in den nur von der Stichstelle her bindegewebige Aus-
läufer hineinragen, der aber selbst sich wie in den anderen
Fällen kernlos darstellt, abgesehen von frei in seiner Masse
suspendirten zelligen Elementen.
In der unmittelbarsten Umgebung des Stichloches hat auch
Jodii\jectionen in den Glaskörper von Hunden. 97
hier eine Verwachsung der drei Häute stattgefunden unter
Umbildung von Netzhaut und Aderhaut in ein kernreiches festes
Bindegewebe. Wiederum beginnt nach Yorn zu nach kaum
0,5 mm die vollkommene Atrophie der Betina, weiche bis zur
Ora serrata sich als ganz dünne durchscheinende, fein faserige,
kernlose Membran repräsentirt, welcher freie Zellea und Pig-
ment spärlich anhaften, und welche durch den anhaftenden
Glaskörper von der Unterlage losgerissen ist Die Chorioidea
zeigt dagegen wiederum relativ geringe, nach vorn zu bald ab-
klingende anatomische Veränderungen; auf der mittleren Höhe
des Corpus ciliare ist auch das retinale Epithel, das zum Theil
mit losgerissen war, wieder hergestellt Nach unten schiebt
sich dicht hinter dem Stichcanal zwischen die anfänglich stark
bindegewebig veränderte Chorioidea und die zu spärlichen
Bindegewebslagen degenerirte Retina der Bluterguss. Das Blut
liegt theils frei, in Fibrin eingebettet, theils zwischen dünnen
auseinandergedrängten Lamellen, welche an die retinalen Faser-
Ligen erinnern. Die Choriocapillaris als solche ist zerstört,
aus dem Chorioidalgewebe senken sich in das Blutgerinnsel
neue kleine Blutgefässe ein. Auch Pigment ist in die Masse
eingeschwemrat Die Betina liegt zum Theil nur lose auf dem
Gerinnsel Die gallertige Masse welche sich nach unten an
den Bluterguss anschliesst, erscheint bei schwacher Vergrösse-
ruAg homogen, bei starker fein kömig, und £b:bt sich blass
mit Eosin. Da die Masse der Wand nur lose aufliegt und die
Veränderungen der angrenzenden subpapillären Parthieen der
Chorioidea sehr geringfügige sind, ist zu vermuthen, dass es
sieh am die Gerinnung einer eiweisshaltigen Flüssigkeit han-
dele, weldke nicht an Ort und Stelle gebildet ist, sondern
welche den oberen Theilen des Ablösungsbereichs entstammt
und durch Senkung hierher gelangte, sei es nun, dass sie als
Product chorioiditiscber Ansschwitzung anzusprechen sei, oder,
was wahrscheinlicher, dass sie ans dem oben gelegenen Blut-
kuchen aufgepresstes Blutserum darstelle. Für letzteres spricht
schon der directe Uebergang beider Massen in einander.
In der Ausdehnung der Blutung zeigt die Aderhant starke
Und^ewebige Umwandlung, massige Figmenürung, sptoliche
Gefässe, Verlust der typischen Capillarschicht und des retinalen
Epithels. Vom Ende der Blutung an, welche, wie erwähnt,
sich bis 6 mm hinter die Stichstelle erstreckt, beginnt die
Chorioidea allmählich ihre ursprüngliche ^mctur wieder zu
zeigen; zunächst treten die grösseren, dann die mittleren und
T. Oraefe*! Archir Ar Ophthalmologie. XL. 8. 7
98 W. Wolff.
kleinen Gefässe mit grösserer Deutlichkeit nnd in typischer
Lage hervor, während in der vielfach erwähnten Weise das
Stroma sich im Zustande der entzündlichen Aufschwemmung
befindet. In der Höhe der Capillarschicht findet ein unmittel-
barer Uebergang in eine wenig pigmentirte, bis zu 0,2 mm
dicke bindegewebige Auflagerung statt, welche dem Bilde des
für den Fixationsbereich charakteristischen retinalen Narben-
gewebes der oben besprochenen Augen analog ist An einer
begrenzten Anzahl von Schnitten kann man auch hier noch
einen partiellen Zusammenhang des ähnlich degenerirten vor-
deren Theiles der abgelösten Retina mit diesen Auflagerungen
nachweisen. Der grösste Theil aber, der ursprünglich wohl in
diesem ganzen Bereich fixirten Netzhaut ist durch den Zug
des schrumpfenden Glaskörpers und die interlamelläre Blutung
wieder von der Unterlage losgerissen. Die Auflagerung er-
streckt sich bis ca. 2 mm vom oberen Papillarrande, nach
unten zu an Dicke allmählich abnehmend. In ihrem unteren
Theile wird sie durch Tapetumreste und die deutlicher sich
gestaltende Choriocapillaris scharf von dem Aderhautgewebe
geschieden. Von hier an sind nun sämmtliche Schichten der
Chorioidea vollständig, das Stroma noch entzündlich aufge-
schwemmt, die Adventitien der erweiterten und gefüllten Blut-
gefässe verdickt, das Pigmentepithel leicht gewuchert. Etwa
2 mm unterhalb der Papille ist die Aderhaut für die mikros-
kopische Betrachtung völlig zur Norm zurückgekehrt. Nur der
Theil unmittelbar hinter der Ora serrata ist in noch zu be-
sprechender Weise verändert. Die Papille ist reichlich mit
freiem Blute infarcirt, ihre Kerne vermehrt, Pigment hinein-
geschwemmt, ihre Structur durch die zerrende abgehobene Re-
tina unregelmässig aufgelockert, zerklüftet.
Die Netzhaut zeigt in der Ausdehnung der bindegewebigen
Auflagerung auf der Chorioidea eine ähnliche Structur wie jene.
Weiter abwärts treten die Neubildungsprozesse von Bindege-
webe zurück und sie bietet durchweg einen stark atrophischen
Charakter: zwischen spärlichen Resten des Stützgewebes Kerne,
vorwiegend aus den Körnerschichten, auch diese unregelmässig
vertheilt und lückenhaft, dünne Blutgefässe mit zum Theil nicht
tingirbaren Kernen, freies Blut, Pigment; nichts mehr von
Stäbchen und Zapfen, Limitans externa, Ganglienzellen und
Nervenfasern. Alles dem geschrumpften Glaskörper anhaftend.
Auf der unteren Seite erstreckt sich die Ablösung bis
über die Ora serrata hinaus, sodass noch ein Theil der Pars
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 09
ciliaris retinae an der Abhebung participirt. In den Winkel,
den die abgezerrte Retina hier mit der Ghorioidea bildet, ist
längs der Ora serrata für fast 9 mm eine nach hinten zu
wenig ausgedehnte Bindegewebswuchernng zu Stande gekom-
men, welche von der Ghoriocapillaris ausgeht. Ausserhalb
dieses Bereiches ist die Retina nur bis zur Ora serrata abge-
löst, und dort fehlt auch diese Wucherung. Abgesehen von
dieser erwähnten Betheiligung an dem pathologischen Process
verhält sich das Corpus ciliare normal, desgleichen die Iris.
Im Glaskörper sind auch mikroskopisch keine stärkeren Stränge
wahrzunehmen, vielmehr ist es überall jene mehrfach beschrie-
bene Form welliger und netzförmiger Verdichtung, die wir
auch hier beobachten. Eine Fixation des Glaskörpers an der
Retina hat auch im unteren Theile des Bulbus Platz gegriffen,
wo das Corpus vitreum für den makroskopischen Anblick noch
ziemlich durchsichtig war. Freilich ist hier die Wellen- und
Netzzeichnung sehr wenig scharf ausgeprägt.
Auge VII.
£twa halbjähriger kleiner Hund. Rechtes Auge.
£s wurden diesmal mit der nur auf 5 mm eingestellten
geraden Canüle oben hinter dem Aequator 4 Tropfen der
Jodtinctur injicirt. Ein wenig Flüssigkeit regurgitirte beim
Herausziehen der Canüle und wurde abgewischt. Sogleich nach
der Injection wurde eine sehr kleine rundliche Jodwolke oben
ausserhalb des Tapetumbereichs beobachtet. Schon am darauf-
folgenden Tage konnte in der nächsten Umgebung unterwärts,
unter gleichzeitigem Abblassen der Jodwolke, eine kleine par-
tielle Abhebung festgestellt werden, welche nach Art der Ge-
birge auf einer Reliefkarte in einzelnen Graten hervortrat.
Die betreffende Parthie war grünlichgelb verfärbt. Sie nahm
in den nächsten Tagen noch etwas zu, während die Jodwolke
einer nicht sehr ausgebreiteten grauen Glaskörpertrübung Platz
machte. Nur die nächste Umgebung der Abhebung zeigte noch
geringe Verschwommenheit und Verfärbung. Darüber hinaus
blieb der ganze Hintergrund normal bis zum siebenundzwan-
zigsten Tage, an welchem Exitus und Enucleation erfolgte.
Die anatomische Untersuchung ergibt zunächst eine nicht
erwartete umfängliche Verflüssigung des Glaskörpers. Membra-
nöse Reste desselben liegen der hinteren Linsenfläche an und
erstrecken sich von dort auf der oberen Seite bis etwa 3 mm
7*
100 W. Wolff.
hinter der Stichstelle an der inneren Betinafläche entlang.
Die Ablösung der Retina, welch' letztere dicht hinter der Stich-
stelle Zunächst als mit Pigment durchsetztes faseriges Gewebe
von der mehrfach beschriebenen Structur sich erhebt» and nach
hinten zu mehr und mehr Beste des ursprünglichen Gewebes
aui^mmt, reicht nur ein wenig über den Bereich der Glas-
kdrperfixatioaen hinaus. Von da ab findet schnell eine An-
näherung an die Norm statt, und 5,5 mm hinter der Stich-
steile zeigt die Netzhaut keine Abweichung von der Norm
mehr und liegt überall glatt an. Die Chorioidea, welche un-
mittelbar an der Stichstelle in der gewöhnlichen Weise binde-
gewebig verändert und mit Sklera und Betina verwachsen war,
erreicht schon nach etwa B mm die Norm. Der Stichcaaal
bietet im Wesentlichen dasselbe Aussehen wie an den letzt-
beschriebenen Augen. Nach vom zu findet sich auch hier in
einer Breite, welche der Ausdehnung der Fixation um den
Stichcanal entspricht, vollkommene Atrophie des dem Glas-
körper anhaftenden Betinalgewebes, während die Chorioidea
nur in naher Umgebung des Stichcanals entzündliche Verän-
derungen zeigt. — Nach den Seiten zu greift sehr schnell ein
Uebergang zu normalen Verhältnissen Platz.
Im Uebrigen ist der ganze Uvealtract normal, ebenso die
Retina jenseits der besprochenen Veränderungen, desgleichen
auch die Papille.
Die Glaskörperreste weichen von dem bisher gezeichneten
Bilde nicht wesentlich ab.
Auge Vm.
Grosser alter Schäferhund. Linkes Auge.
Das Auge zeigte vor der Injection in dem onmgefiEtrben
gUozenden Tapetumbezirk eine Beihe gramer Flecken, die bei
wechselnder Stellung des Auges bald glanzlos, bald hell gläii-
zead erschienen. Dieselben Veränderungen bot auch das rechte
Auge desselben Hundes dar; und ich will gleich hier erwähnen,
dass es sieh, — was wegen der Ungewobntheit des Bildes
ophthalmoskopisch nici|t festgestellt werden konnte, — um
chorioiditische Heerde handelte, welche über den ganzen Augen-
hifttergrund verstreut lagen, und an denen die Betina unter
Verlust ihrer äusseren Schichten mit der Unterlage verwachsen
war, lediglich mit der Nervenfaserschicht und den Gefässen
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 101
diese defecten Stellen überbrückend. Die Papillen sahen bei^
derseits granweiss ans. Die Geillsse boten nichts Anfßllliges.
Es wurden 4 Tropfen Jodtinctnr mit der geraden auf
9 mm eingestellten Canüle etwa in der Höhe des Aeqnators
ii^icirt. Auch hier regnrgitirte ein Theil der Flüssigkeit.
Und da diesmal ziemlich weit vorn injicirt war, wurde eine
Jodwolke überhaupt nicht gesehen. Der Hintergrund war nn-
verändert. Am zweiten Tage trat Iridocyklitis auf, welche ein
starkes gallertiges Exsudat im Pupillarbereiche setzte, aber
unter Hinterlassung einer schmalen hinteren Synechie in 8 Tagen
abheilte. In der Folgezeit konnte man ziemlich weit vom
am Dach des Glaskörperraumes eine zarte, nicht sehr ausge-
breitete Glaskörpertrttbung bemerken. Im Uebrigen zeigte der
ophthalmoskopische Befund keine wahrnehmbare Veränderung.
Der Glaskörper blieb dauernd, abgesehen von der Trübung
oben, klar, die Netzhautzeichnung «charf, die Farbe des Hinter-
grundes die gleiche. Auch Zeichen einer Veränderung in Iris
und Corpus ciliare traten nicht wieder auf. Und so blieb der
gleiche Status bis zum Exitus, welcher am 72. Tage herbei-
geführt wurde. Härtung in Müller'scher Flüssigkeit, Nach-
härtung in Alkohol.
Anatomischer Befund: Der Glaskörper ist von guter Con-
sistenz, den ganzen Glaskörperraum ausfüllend; er ist auch
nach der Härtung in Müller'scher Flüssigkeit vollkommen
diaphan. Nur oben findet sich eine ziemlich intensive Ver-
dichtung circumscript in der Gegend der Stichstelle; sie misst
in der Flächenausdehnung 8 mm und hat eine Dicke von 4 mm
in ihrer Mitte, nach den Seiten zu nimmt sie an Dicke ab.
Der hintere Theil der Glaskörperverdichtung steht in fester
Verbindung mit einer umschriebenen Netzhautablösung, welche
sidi bis auf 4 mm von der Papille erstreckt. Sonst liegt die
ganze Retina an.
Die mikroskopische Untersuchung ergab das Vorhanden-
sein einer ausgebreiteten chronischen Chorioiditis, von welcher
oben gesprochen wurde, und welche, wie schon aus der guten
Cönsistenz des Glaskörpers hervorgeht, nichts mit der Einwir-
kung der Jodtinctur zu thun hatte. Die Wirkungen der letz-
teren spielen sich vielmehr in einem begrenzten Kaume in der
Nachbarschaft der Stichstelle ab. Auch hier finden wir überall
wieder das typische Bild: Stichcanal nebst Stichcanalgewebe^
welches entsprechend der längeren Beobachtungsdauer stärker
fibrös umgewandelt ist, und der unmittelbare Anschluss dea
102 W. Wolff.
verdichteten Glaskörpers an die innere Aasbreitang des Stich-
canalgewebes, wie bei den anderen Aagen. Die Aasbreitang
des Gewebes auf der Innenseite überragt nar am ein geringes
die Nachbarschaft; es findet ein directer Uebergang desselben
in die benachbarte Yerwachsang von Retina and Chorioidea
mit den inneren Sklerallamellen * statt. Aach hier erstreckt
sich diese Verwachsung der drei Häate nar aaf ca. 0,5 mm
nach jeder Richtung. Nach vorn wiederum bis zur Ora ser-
rata, welche 3,5 mm vor dem Stichloch gelegen ist, vollständige
Atrophie und Abhebung der Retina durch den partiell ver-
dichteten Glaskörper bei massiger und wenig ausgedehnter Ver-
änderung der Chorioidea. Nach hinten zu ist es hier wegen
der geringeren Ausbreitung der Jodtinctur über den Stichcanal
hinaus nicht zu bindegewebiger Umbildung der Gefässhaut und
bindegewebigen Fixationen zwischen dieser und der Retina ge-
kommen. Vielmehr klingt die Entzündung der ersteren nach
hinten zu, — rücksichtlich ihrer auf die Jod Wirkung zu be-
ziehenden Veränderungen — , bald ab, während die abgehobene
Netzhaut nur spärlich neues Bindegewebe gebildet hat, und
mehr das Gepräge atrophischer Vorgänge trägt. Neben Resten
alter Blutgefässe und Resten von Stützgewebe finden sich Ele-
mente aus den Körnerschichten, Pigment, freie rothe Blutkör-
perchen in massiger Menge; hie und da ist die abgelöste
Netzhaut besonders dünn und sogar in ihrer Continuität durch
einzelne Lücken unterbrochen, ohne dass es zu einem eigent-
lichen Riss gekommen wäre. Wie erwähnt, reicht die Ab-
hebung bis auf 4 mm an die Papille heran; dann liegt die Re-
tina überall an und zeigt das Verhalten, welches durch die
chronische Chorioretinitis bedingt ist, gleichmässig im ganzen
Auge. Auf der unteren Seite ist unmittelbar hinter der Ora
serrata ein schmales, feinkörniges Exsudat zwischen Ader- und
Netzhaut eingeschoben, welches letztere in umschriebenem Um-
kreise flach empordrängt. Hier handelt es sich um einen
frischen, entzündlichen Vorgang, und es war die Frage, ob es
sich hier doch um eine directe Einwirkung der Jodtinctur
etwa in Folge der Verdünnung und Vertheilung der Flüssig-
keit durch den ganzen Raum bezw. ein Herabsinken eines
Theiles der Flüssigkeit nach dieser Stelle handle, oder ob man
dabei an eine Exacerbation der vorhandenen chronischen Cho-
rioiditis, bezw. die Bildung eines neuen chorioiditichen Heerdes
zu denken habe, unabhängig von der Jodwirkung oder bedingt
durch eine Fortleitung des Reizes vom Orte des Traumas auf
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 103
den ganzen Uvealtract. Letzteres ist mir mit Rücksicht auf
die klinisch beobachtete vorübergehende Iridocyklitis das Wahr-
scheinlichere; nnd anatomisch betrachtet ist nicht abzusehen,
wie an dieser entfernten Stelle durch Contaktwirkung eine der-
artige Sch&dignng zu Stande kommen sollte, ohne dass auch
die zwischenliegenden Parthieen, vor Allem der, nach den Er-
fahrungen an den anderen Augen, so empfindliche Glaskörper
gelitten hätte.
Auge IX.
Derselbe Hund. Rechtes Auge.
Der Hintergrund zeigte dieselben chorioiditischen Yei^
änderungen vor der Injection wie das andere Auge.
Diesmal wurde mit der Scheeler 'sehen Messercanüle in-
jicirt. Ich habe damit dieselbe Erfahrung gemacht, wie meh-
rere Autoren, dass sie unhandlicher sei als die Canüle der
Pravaz' sehen Spritze. Zunächst war das Messer nicht so
scharf als es wünschenswerth gewesen wäre. Sodann aber ge-
lang es mir nach Einstossung des Messers nicht die stumpf-
winklig vorspringende Canülenöffnung durch die Sklera einzu-
fahren, und die Folge war, da sich das Skieralge webe fest
um die Messerschneide zusammenschloss, dass von den 3 zu
injicirenden Tropfen das meiste, vielleicht alles daneben floss.
Uebrigens konnte ich auch nicht soweit hinten ii^iciren, wie
ich es mit der geraden Spitze gethan hatte. Aus letzterem
Grunde sah man nach der Injection ophthalmoskopisch über-
haupt keine Veränderung. Es wurde die Beobachtung bis zum
47. Tage fortgesetzt und dauernd der gleiche unveränderte
Status festgestellt.
Die anatomische Untersuchung lehrte, dass der Einstich
gerade in die Ora serrata zu liegen gekommen war. Wie am
anderen Auge ist auch hier der Glaskörper ganz durchsichtig;
es fehlt sogar oben in der Gegend der Stichstelle für die
makroskopische Betrachtung jede Andeutung einer Trübung.
Er füllt den ganzen Glaskörperraum aus und ist von guter
Consistenz. Nirgends ist eine Netzhautablösung zu sehen.
Mikroskopisch zeigte sich auch hier das Bild der chro-
nischen Chorioretinitis, indessen ohne frische Heerde. Die Stich-
stelle hat entsprechend der Schneide des Messers eine längliche
und schmale Form. Sie ist sehr wenig pigmentirt und enthält
nur fibröse Elemente. Im Uebrigen ist es auch hier zu einer
auf die nächste Umgebung des Stichs beschränkten Narben-
104 W. Wolff.
iHldang zwischen Retina, Chorioidea und Sklera gekommen.
Um ein weniges darttber hinaas ist keine Einwirkung des Ein-
griffiB mehr zu erkennen.
Das innere Ende des Stichcanals ist leicht mnldenfönnig
nach aussen retrahirt, wie aoch die anstossenden Ränder von
Netz- und Aderhant ein wenig nach anssen umgebogen sind.
An diesem inneren Ende haftet der Glaskörper; es fehlt in-
dessen eine eigentliche Trübung. Man sieht nur, wie aus den
nächstliegenden Parthieen des Glaskörpers radiär einzelne Linien
gerade auf die Stichstelle zu gerichtet sind, welche man un-
willkürlich mit einer von der retrahirten Stichnarbe ausgehen-
den Zugwirkung in Zusammenhang zu bringen geneigt ist. Es
fehlt in diesem Falle eine Ablösung der Retina; aber es fehlt
auch jeder Anhalt, dass wirklich Jodtinctur in den Glaskörper
gedrungen ist; auch eine einfache Stich Verletzung kann wohl
derartige Veränderungen zeitigen.
Auge X.
Mittelgrosser, etwa einjähriger Hund. Rechtes Ange.
Es wurden in das vorher normale Ange mit der geraden
Canüle 6 Tropfen Jodtinctur hinter den Aequator, ungeflAr im
sagittalen Meridian injicirt. Die anfänglich rothbranne Jod-
wolke blasste in der gewöhnlichen Weise innerhalb 2 Tagen
völlig ab und machte einer diffuseren grauen Glaskörpertrflbung
Platz. Zugleich wurde die Netzhaut in der Nachbarschaft,
ebenso in der bei den meisten Augen beobachteten Weise trübe
und verwaschen. Einige kleine Blutungen traten in diesem
Bezirk auf, und am sechsten Tage präsentirte sich an ent-
sprechender Stelle eine partielle, stumpf kegelförmig nach
unten ragende Netzhautabhebung; dieselbe nahm in den näch-
sten Tagen noch etwas zu, blieb aber dann stationär bis zum
Exitus am 36. Tage. Am Dache des Glaskörperranms sah
man einige Glaskörperflocken, welche bei Bewegungen des
Auges flottirten.
Die anatomische Untersuchung erwies den Glaskörper fast
vollständig verflüssigt. Nur spärliche membranöse Reste sassen
der hinteren Linsenfläche auf und spannten sich auf der oberen
Seite zur Retina hinüber, zogen auch zum Theil von der
Gregend der Stichstelle zu weiter rückwärts gelegenen Theilen
der Retina, jedoch nur bis 5 mm hinter der Stichstelle.
Letztere bietet unter dem Mikroskop das gewohnte jBild
Jodii\jectionen in den Glaskörper von Hunden. 105
eines reicUich pigmentirten Grannlationsgewebes in einem trich-
terförmig sich einsenkenden nnd nach innen wieder erweitern-
den Canal. Die Terwachsnng der H&ute am Canalrande, die
völlige Atrophie des in einer Ausdehnung von 4 mm bis zur
Ora serrata vor dem Stichloch gelegenen Netzhautbezirks, bei
geringer und nach vorn zu schnell abklingender Chorioiditis,
aiV das unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von den bis-
herigen Beobachtungen. Nach hinten zu hat auf etwas mehr
ab 2 mm ursprünglich eine narbige Fixation der Retina an der
Chorioidea stattgefunden, aber offenbar ist vor vollendeter
Narbenbildung der retinale Antheil durch Glaskörperzug wieder
losgerissen worden. So finden sich tXr die angegebene Strecke
neugebildete Bindegewebslamellen sowohl auf der chorioidalen
als auf der retinalen Seite. Die Ablösung reicht dann noch
3 mm weiter papillarw&rts; doch verliert sich in diesem cen-
tralen Theile das Bild bindegewebiger Neubildung und es tritt
mehr die Atrophie des Gewebes in den Vordergrund, papillar-
wärts allmfthlich sich verringernd. Etwas über 5 mm hinter
der Stichstelle nnd noch 6 mm von der Papille entfernt liegt
die Retina an und zeigt scharf gezeichnete und wohl tingirte
Elemente, während die Chorioidea sich kurz hinter dem Auf-
hören der bindegewebigen Auflagerung bereits zur Norm zu-
rückgefunden hatte. Auch im übrigen Bulbus zeigt weder
Retina noch Chorioidea eine sichtbare Abnormität. Desgleichen
Papille, Corpus ciliare und Iris. An diesem Auge lassen sich
als Ursache der Ablösung entsprechend dem makroskopischen
^de einzelne an der Retina haftende Membranen und Stränge
unterscheiden. Dieselben sind im Ganzen structurlos, hie und
da von leicht faseriger Zeichnung, an anderen Stellen kömig,
ohne eigene Kerne; angelagert sind spärliche Wanderzellen
und geringe Mengen von Pigment und rothen Blutkörperchen.
Auge XI.
Derselbe Hund. Linkes Auge.
In das vor der Injection normale Auge wurden mit ge-
rader Canüle oben ungefähr im Aequator 4 Tropfen Jodtinctur
injicirt
Der klinische Verlauf begann in typischer Weise mit
einem Abblassen der Jodwolke und retinitischer Verschleierung
und Verförbung, welche sich in den ersten Tagen bis auf etwa
2^Papillarbreiten vom oberen Papillarrande erstreckte. All-
106 W. Wolft.
mählich wurde der ganze Hintergrund sehr leicht verschleiert;
die stärkeren Veränderungen dagegen blieben auf den ursprüug-
lichen Bezirk beschränkt, der schliesslich hellolivonfarbige Tö-
nung zeigte. Am Dache des Bulbus verdichtete sich die ur-
sprünglich diffuse Trübung zu einem scheibenförmigen, elfen-
beinfarbenen schwartigen Gebilde, von welchem aus zarte
Glaskörpermembranen, welche flottirten, frei in den Glaskörper-
raum herabhingen, auch rückwärts zur Retina der oberen
Bulbusfläche zogen. Das Auge wurde im Ganzen 40 Tage
beobachtet.
Die anatomische Untersuchung ergab wie bei dem rechten
Auge fast völlige Verflüssigung des Glaskörpers und dasselbe
Verhalten der membranösen Glaskörperreste der Retina gegen-
über. Das tellerförmige Gebilde am Bulbusdach ist die innere
Ausbreitung des Stichcanalgewebes, welche eine Breite von ca.
8 mm und eine Höhe von 4 mm erreicht; dieselbe enthält reich-
liche zellige Elemente, zum Theil hat aber schon Umbildung
in fibröses Gewebe stattgefunden. Nach vorn vom Stichcanal
findet sich wiederum die typische Atrophie des Netzhautgewebes
bei geringer Betheiligung der Chorioidea. Nach hinten zu ist
die Retina auf ca. 5 mm in Narbengewebe umgewandelt, wel-
ches der Chorioidea fest aufliegt und eine Höhe von ca. 0,3 mm
erreicht. In der Mitte seiner Ausdehnung nach hinten zu ver-
dickt sich das Gewebe bis auf das Doppelte. Hier löst sich
ein Theil der Biudegewebslamellen ab und setzt sich unter
Aufnahme normaler Elemente in die weiter abwärts gelegenen,
abgelösten Parthieen der Retina fort. Auch hier sind es Stränge
und Membranen von umschriebener Bildung, welche den vor-
deren Retinatheil abgezerrt haben. Etwa 6 mm hinter der
Stichstelle erreicht die Retina diejenige Verfassung, in welcher
sie sich über den ganzen übrigen Bulbustheil erstreckt. Sie
ist flach von der Unterlage abgehoben, die Stäbchenzapfen-
schicht vollständig zerfallen. Limitans externa, äussere Eörner-
schicht, äussere retikuläre und innere Eörnerschicht sind schön
gefärbt, scharf gezeichnet. Nach innen davon findet sich über
die ganze Retina ein sehr eigenthümlicher atrophischer Zustand,
welcher mit Rücksicht auf die vorliegende Frage nur kurz an-
gedeutet werden kann. Die Dicke der inneren Retinaschichten
ist nämlich unvermindert, dagegen ist das Netzwerk der inneren
granulierten zum grossen Theil geschwunden, ohne dass an die
Stelle anderes Gewebe oder ein Exsudat, ein kerniges Gerinnsel
oder dergleichen getreten wäre. Die Kerne dieser Zone sowie
Jodinjectionen in den Glaajkörper von Hunden. 107
die Ganglienzellen sind spärlich, die Nervenfaserschicht sehr dünn,
in der Peripherie überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Sehr
scharf skeletartig treten hierdurch die Müll er' sehen Stütz-
fasern und ihre kegelförmigen Endausbreituugen hervor. Die
Papille zeigt keine auffällige Veränderung. Es fehlt mir an
Analogieen in den Befunden an den anderen Augen, um für
dieses sonderbare Verhalten mit Rücksicht auf die Wirkung
der Jodtinctur eine Erklärung geben zu können. Auch hier
ist der Uvealtrakt, abgesehen von geringfügigen Veränderungen
am Pigmentepithel, das überall der Chorioidea anhaftet, von
der Norm nicht sichtlich abweichend. Die Veränderungen um
die Stichstelle sind die typischen.
Auge XII.
Dachshund, ausgewachsen. Rechtes Auge.
Dieses Auge konnte wegen Verderben des Präparates mi-
kroskopisch nicht untersucht werden. Ich will nur kurz er-
wähnen, dass 4 Tropfen injicirt wurden, dass er am zweiten
Tage eine massige Iridocyklitis bekam, nach deren Abklingen
am 10. Tage eine beginnende Netzhautablösung beobachtet
wurde. Dieselbe wurde allmählich total, das Auge blieb dann
reizlos und nicht wesentlich verändert bis zum 79. Tage.
Makroskopisch konnte man eine starke Glaskörperver-
dichtung mit einer Reihe kleinerer subretinaler Blutungen und
totale Ablösung der Netzhaut feststellen, welche nur wie an
einem Stiele an der Papille festsass und eine punktförmige
Fixation an der Stichstelle eingegangen war.
Wenn ich die Befiinde meiner Beobachtungen zusammen-
fasse, so steht im Vordergrund die bemerkenswerthe That-
sache, dass mit zwei Ausnahmen in allen Fällen in Folge
der Jodinjectionen Netzhautablösung in grösserer oder ge-
ringerer Ausdehnung eintrat. Von den zwei Ausnahme-
fällen war der einö^^^eun zweiten Tage der Beobachtung ad
exitum gekommen, hatte also die Zeit noch nicht erreicht,
innerhalb welcher sich nach der khnischen Beobachtung
die Ablösungen einstellten. Der andere Fall ist derjenige,
welcher mit der Schoeler' sehen Messercanüle injicirt war.
Hier ist in derThat dieinjection wegen der oben erwähn-
ten Schwierigkeiten, welche in der Natur des Instrumentes
108 W. Wolff.
lagen, unvollkommen ausgefallen und entweder nur sehr
wenig oder nichts von der Jodtinctur in den Glaskörper-
raum gelangt
Unter den 10 Fällen mit Netzhautablösung sind 4,
bei denen diese Ablösung total ist. Darunter siild 2, bei
denen die Retina durch eine zwischenliegende Masse von
der Chorioidea abgedrängt wird, das eine Mal durch eine
starke Blutimg (Auge VI), das andere Mal durch ein
chorioiditisches Exsudat (Auge lU). Daneben findet sich
in beiden Augen Glaskörperschrumpfung und Fixation des
Glaskörpers an der Retina, Die beiden anderen Fälle von
totaler Ablösung sind wie die 6 partiellen Abhebungen be-
dingt lediglich durch die Retraction des geschrumpften
Glaskörpers. In 5 Fällen war der Glaskörper zum grossen
Theil verflüssigt, zweimal fand sich ein ausgedehnter Re-
tinariss.
Stärkere äussere Entzündungserscheinungen traten nur
dreimal auf, nämlich bei dem Auge HI in Form einer
heftigen Iridochorioiditis, wobei eine Infection nicht absolut
ausgeschlossen erschien, und bei den Augen VIII und XII
in Form einer in wenigen Tagen abklingenden Iridocyklitis.
Zweimal trat in den ersten Tagen eine partielle Trü-
bung der hinteren Linsenschichten nach Art eines Chori-
oidalstaars auf, welche indessen innerhalb weniger Tage
wieder verschwand (Auge I und IV).
Die Beobachtungszeit schwankte zwischen 2 und 72
Tagen.
Anatomisch wurde als Regel beobachtet, dass sich in
der That an der Einstichstelle eine bindegewebige Fixation
zwischen Retina und Chorioidea bildete, die sich papillar-
wärts bald sehr wenig, bald weiter hin fortsetzte, wobei an
ein Herabsinken der Jodtinctur von der Stichstelle längs
der Bulbuswand zu denken war. Ueberdies war unmittelbar
an der Stichstelle auch die Sklera in die NarbenbilduAg
mit einbezogen. Jenseits jener 2^ne, oder wo eine ausge-
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. 109
dehntere Verwachsung nicht statthatte, dicht hinter der
Stichstelle begann dann die Ablösung der mehr oder we-
niger stark degenerirten und mit dem Grlaskörper verklebten
Betina. Bisweilen bot selbst die hinter der Stichstelle ge-
legene Verwachsung und Narbenbildung dem Glaskörper-
zuge nicht den genügenden Widerstand, und es trat dann
eine Spaltung der veränderten Betinaschichten auf, sodass
der innere Theil dem Glaskörper folgte, der äussere an der
CShorioidea haften blieb.
Die Entzündung der Uvea reichte nach vom von der
Stichstelle meist nicht weiter, als bis zur Ora serrata und
war hier ziun Theil sehr geringfügig. Einige Male wai*
eine Betheiligung der hinteren Parthieen des Corpus ciliare
vorhanden. Auch die Pars cilians retinae war entsprechend
meist intact.
Der nach vom von der Stichstelle gelegene Theil der
Betina war, abgesehen von der unmittelbarsten Nachbar-
schaft des Stichcanals, welche noch an der Narbenbildung
participirte, bis zur Ora serrata in einer Breite, welche dem
Verwachsungsbereich etwa entsprach, zu unkenntlichen dem
Glaskörper anhaftenden membranösen Besten atrophirt.
Zusa^nmengehalten mit der verhältnissmässig geringen Cho-
rioiditis dieser Gegend und mit der Art der retinitisdien
Veninderungen an anderen Stellen, muss diese Erscheinung
als der Ausdmck höchstgradiger Emährungsstömng, nicht
als eine durch directe Jodeinwirkung oder entzündliche
Vorgänge herbeigeführte Necrose angesprochen werden; es
handelt sich um ein Gewebe, welches auf die Ernährung
durch eine Endarterie angewiesen ist, und welchem durch
eine breite, alle Schichten umfassende Narbe jegliche arte-
rielle Zu&hr abgeschnitten wird Die Ablösung von der
Unterlage in Folge Glaskörperzuges schliesst andererseits
auch eine Erhaltung der äusseren Schichten aus, nicht zu
reden von einer etwa vicariirend eintretenden choriocapü-
laren Zufuhr für die mittleren.
110 W. Wolff.
Nach hinten zu war die Ausdehnung der Chorioiditis
und Retinitis verschieden gross; meist erreichte die Chori-
oidea früher die Norm, als die abgehobene Retina. Die
starke Veränderung der abgehobenen Retina stand bis-
weilen in auffallendem Gegensatz zu dem relativ wenig
pathologischen Verhalten der unterUegenden Chorioidea, so-
dass ich annehme, dass zu grossem Theil die retinitischen
Veränderungen als nach der Ablösung fortgeschrittene De-
generationszustände anzusehen seien. Sehr bemerkenswerth
ist, wie erwähnt, das fast durchweg beobachtete Fehlen all-
gemeiner entzündlicher Erscheinungen an den injicirten
Augen. Auf Grund dieser letzteren Thatsache und zufolge
dem anatomischen Bilde habe ich den Eindruck trotz der
so ungünstigen Resultate meiner Injectionsversuche, dass
die entzündhchen Erscheinungen von Seiten der Augen-
häute sich bei gehöriger Abstufting der Menge und Con-
centration der Jodlösung doch wohl beherrschen und auf
die gewünschte locale Reizung und Narbenbildung be-
schränken Hessen. Was aber die Irritirung durch die Jod-
tinctur unter keinen Umständen verträgt, das ist der Glas-
körper. Es berührt sich das mit einem Theil der Resultate,
welche Leber in seinem im Jahre 1891 veröffentUchten
grossen Werke bei Einbringung von Fremdkörpern in den
Glaskörper beobachtete; der Glaskörper antwortet, wie meine
Versuche mich lehren, auf die chemische Reizung stets mit
geringerer oder ausgedehnterer Schrumpfiing, oder mit
Schrumpfung und Verflüssigung; und dem, an der entzünd-
lich erkrankten Netzhaut adhärenten Glaskörper folgt die
Retina. Selbst bei grösster Herabsetzung der Quantität
und Concentration, würde man, glaube ich, nichts anderes
erreichen können, als dass bestenfalls der Glaskörper nicht
geschädigt wird. Eine irgendwie nützUche Einvrirkung auf
den Glaskörper, wie sie Schoel er 's Methode voraussetzt, ist
nicht zu erwarten. Auf jeden Fall, scheint mir also, muss
das Einbringen einer derartig differenten Substanz in den
Jodinjectionen in den Glaskörper von Hunden. Hl
Glaskörper selbst vermieden werden, wo es sich um sehende
Augen handelt und wo die Absicht vorliegt, diese zu heilen.
Die Injectionen zur Bekämpfung infektiöser Prozesse stehen
auf einem anderen Blatt.
Sodann stellt auch die Zone vollkommenster Betinal-
atrophie vor dem Stichcanal einen locus minoris resis-
tentiae lür Bisse und Eindringen verflüssigten Glaskörpers
dar. Hierdurch unterscheidet sich die arteficielle narbige
Vereinigung der Retina mit der Chorioidea sehr wesenthch
von einer durch genuine Chorioiditis entstandene Verwach-
sung, welche beim Uebergreifen auf die Betina doch die
Gefässschicht bezw. die Nahrungszufuhr diuxjh die Zweige
der Centralis retinae nicht zu alteriren braucht. Freilich
bin ich geneigt, diese Unvollkommenheit der Methode in
zweite Linie zu stellen.
Ist es nun misslich, bei Thierexperimenten erhaltene
Besultate ohne weiteres auf den Menschen zu übertragen
und von dem Verhalten gesunder Hundeaugen gegen äussere
EingnfiPe Folgerungen für das Verhalten erkrankter mensch-
licher Augen ableiten zu wollen, so dürften sich doch, wie
ich glaube, aus den letzten allgemeinen Erwägungen einige
Gesichtspunkte ergeben, welche nicht ohne Nutzen auch bei
dem Aufsuchen der Heilbedingungen für den Menschen
Verwerthung finden könnten.
Zum Schluss meiner Arbeit drängt es mich, meinem
Lehrer, Herrn Professor Dr. Kuhnt für die Anregung und
das rege Interesse, welches derselbe fortdauernd in Uebens-
würdigster Weise meinen Untersuchungen entgegengebracht
hat, auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank zu sagen.
Auch Herrn Collegen Helmbold danke ich für die Anferti-
gung der Nummern 4 und 5 der beigegebenen Zeichnungen *).
^) Die Arbeit wurde vor ca. 2 Jahren vollendet, die Drucklegung
durch Husaere Verhältnisse verzögert Es Ist daher kein Bezug auf
neuere Arbeiten und Versuche in dieser Richtung genommen worden.
112 W. Wolff. Jodii^ectionen in den Glaskörper von Hunden.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel m.
Fig. 1. Zn Ange I. Schnitt durch den Rand des Stichcanals. a. Ge-
wuchertes episklerales Gewebe. Schwache Y^igrösserung.
Fig. 2. Zn Auge I. Eingerollter Rand der Retina unterhalb des
Risses, in Verbindung mit Glaskörperstrang, a. Verdich-
teter Glaskörper mit Zellen und Pigment Schwache Vergr.
Fig. 3. Zu Auge II. Schnitt durch den Stichcanal. Schw. Vergr.
Fig. 4. Zu Auge V. a. Retinales Narbengewebe unterhalb des Stich -
canals. b. Verdichteter Glaskörper, unmittelbar an das Stich-
canalgewebe sich anschliessend, c. Endstück retinalen Nar-
bengewebes vor dem Stichcanal. Darüber hinaus vollkommene
Atrophie. Schw. Vergr.
Fig. 5. Zu Auge IX. Schnitt durch den Stichcanal. a. Stahlen im
Glaskörper. Schwache Vergrössenmg.
Anatomische Untersuchung zweier Fälle
Yon experimentellem
Secundärglaucom am Kaninchenauge.
Von
Dr. Ludwig Berbericli
aus Seckenheim.
Hierzu Tafel IV, Fig. 1—7.
Bei seinen experimentellen Forschungen über die Ent-
zündung*) machte Prof. Leber die Beobax;htung, dass es
in manchen Fällen, wo er durch Injection von sterih-
sirter Staphylococcus aureus- Aufschwemmung in die vordere
Kummer des Kaninchenauges eitrige Litis hervorgerufen
hatte, nach Ablauf dieser Entzündung zm- Entstehung von
Secundärglaucom kam. Die Drucksteigerung führte in diesen
Fällen nicht nur zur Ausdehnung der Bulbuswandung,
sondern es liess sich auch, wenn die Pupille offen blieb,
oder nach Resorption des sie deckenden Exsudates wieder
frei wurde, das Vorhandensein von Druckexcavation der
Papille mittelst des Augenspiegels nachweisen, wodurch
der Befund eine vollkommene Uebereinstimmung mit dem
Secundärglaucom des menschlichen Auges darbietet. Die
Excavation war in einem von Prof. Leber genauer ver-
*) Th. Leber, die Entstehung der Entzündung und die Wir-
kung der entzündungerregenden Schädlichkeiten. Leipzig 1891.
T. Onefe's Archiv für Ophthalmologie. XL. i. 8
114 L. Berberich.
folgten Falle so tief, dass der Sehnervenstamm am Eingang
ins Auge eine beträchtliche Verdickung zeigte, die darauf
beruhte, dass sich der Grund der Excavation weiter nach
aussen erstreckte, als die Aussenfläche der Sklera. Ein
Schnitt in den Sehnerven dicht an der Aussenfläche der
Sklera eröffnete auch in der That die Bulbushöhlung.
Schon vorher sind von anderer Seite verschiedenfach
Versuche gemacht worden, Secundärglaucom experimentell
zu erzeugen, besonders seit der Aufstellung der Retentions-
theorie durch A. Weber und Knies. So versuchte A.
Weber*) zunächst durch Ligatur der hinteren Venen (venae
vorticosae) am Kaninchenauge Drucksteigerung zu erzielen,
was ihm aber nur in rasch vorübergehender Weise gelang.
Später von demselben Autor angestellte Versuche*) be-
zweckten eine mechanische Verlegung des Kammerwinkels
durch in die vordere Kammer eingefiihrtes OHvenöl. Der
einzige von dem Verfasser ausgeführte derartige Versuch soll
auch von positivem Erfolg gewesen sein. Das Auge bot
das Bild des „entzündHchen Glaucoms" mit Drucksteige-
ining und Vergrösserung sämmtUcher Maasse. Dass aber
der Befund der Papille in diesem Fall auf eine Druck-
steigerung zu beziehen war, muss ich entschieden bezwei-
feln. Weber schildert die normale Excavation der Ka-
ninchenpapille als kegelf önnig sich in den schief eintretenden
Opticusstamm fortsetzend. Meine Figur VIT auf Taf. IV
ist der citirten Arbeit Webers entnommen. In dem Falle
von Drucksteigerung soll nun die Excavation nicht nur
nicht vergrössert, sondern fast vollständig verschwunden
gewesen sein, dadurch, dass der untere Rand der Papille
ventilartig in die Excavation hineingetrieben wurde, wie die
Figur zeigt Das veranlasste mich, die normale Kaninchen-
papille zu untersuchen, und besondere deren Excavation,
>) V. Graefe'8 Arch. XXIII. 1.
*) Ibidem.
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 115
da diese einer Untersuchung bis jetzt nicht unterzogen
wurde. Vertikale Serienschnitte ergaben, dass die Excava-
tion an Schnitten der einen Seite annähernd kegelförmige
Form hat mit etwas überhängendem, unterem Band. Nach
der andern Seite zu wird der Boden der Excavation breiter
und diese selbst flacher von annähernd viereckiger Gestalt
ohne prominente Ränder. Sie verUert dann immer mehr
an Tiefe xmd gleicht sich so nach dieser Seite hin aus.
Die Rgmen IV, V, VI auf Taf. IV eriäutem das Ver-
halten. Es ist ganz undenkbar, dass dabei ein ventil-
artiges Eindrängen des untern Papillenrandes vorkommt,
wie es Weber in seinem Fall beschreibt. Ausserdem wird
von allen übrigen Beobachtern eine Vergrösserung der Ex-
cavation angegeben.
Femer verursachte Schoeler^) Drucksteigerung dui^h
Cauterisation des Theiles der Sklera, in dem die Venae
ciliares anteriores das Gebiet der vorderen Kammer ver-
lassen. Scheeler verzeichnete folgende Ergebnisse seiner
Versuche :
1) „Verbrennt man mit einer glühenden Stricknadel bei
punktneller oder flächenhafter Berührung der Angenoberfläche
den Limbus and seine Nachbarschaft, so entwickeln sich, je
nach der Intensität der Verbrennung, mehr oder minder aus-
geprägt, folgende Symptome: bedeutende Drucksteigerung bis
zur Steinhärte, Blässe der Papille, Unterbrechung im Blutstrom
der Betinalvenen bis zum völligen Unsichtbarwerden aller Re-
tinalgefässe, Excavation der Papille, rauchige Trübung der
Linse und der Hornhaut wie völlige Anästhesie der letzteren
treten auf. Die gleichen Erscheinungen werden auch bei par-
tieller Verbrennung des Limbus beobachtet. Die Dauer der-
selben schwankt zwischen 10 Minuten bis 1 — 2 Stunden, je
nach der Intensität der Verbrennung.
2) Circuläre Verbrennung der Hornhaut wie der Sklera in
grösserem Umfang ruft die gleichen, nur der Intensität nach
») V. Graefe's Arch. XXV. 4.
116 L- Berberich.
schwächeren Erscheinungen wie die Verbrennung des Limbus
hervor
3) Die Unterbindung der Venae vorticosae fahrt zu keiner
bemerkenswerthen Drucksteigerung. Das im Mittel nur 2 mm
betragende Ansteigen derselben hält überdies nicht an, sondern
es sinkt das Hg. im Manometer in kürzester Zeit auf seinen
Ausgangspunkt zurück.''
Wie schon oben berichtet ist, führte in den Versuchen
von Prof. Leber der Zufall das Resultat herbei, was in
den eigens zu dem Zwecke angestellten Versuchen anderer
Autoren nicht erzielt w^orden w^ar. Auch Wagenmann hatte
Gelegenheit, bei seinen Versuchen über Keratoplastik und
die Folgen der Beseitigung des Homhautendothels, derartige
Beobachtungen zu machen. Hier kam es, wenn die Wie-
derherstellung der vorderen Augenkammer längere Zeit
ausbUeb, zur Entstehung von Bulbusektasie durch Steige-
rung des intraocularen Drucks und zu ophthalmoskopisch
nachweisbarer Druckexcavation. Von den Versuchen*) sind
es zwei, die hierher gehören:
Versuch 3. Aus der Cornea wurde ein Lappen mit oberer
Brücke ausgeschnitten und durch Nähte wieder eingefügt; die
vordere Kammer wurde dabei aufgehoben und die Iris fast
ringförmig adhärent. Die vordere Kammer stellte sich nur
unvollkommen wieder her, aber trotzdem wurde der vordere
Bulbusabschnitt etwas ektatisch. Viel positiver fiel Versuch 4
aus; hier wurde zunächst ein Lappen mit Brücke gebildet, ge-
näht und dann die Brücke durchschnitten. Es bildete sich eine
vordere, circuläre Synechie, die vordere Kammer wurde ganz
aufgehoben. Schon nach 6 Wochen war der Bulbus hart und
ektatisch, ophthalmoskopisch war eine tiefe Excavation zu sehen,
die allmählich sehr hochgradig wurde.
In neuester Zeit sind von Ulrich*) dahinzielende
Versuche angestellt worden, deren leitende Idee war, „das
normaliter spongiöse, gefässreiche Irisgewebe in ein atro-
phisches, fibrös verdichtetes zu verwandeln und dadurch
') V. Graefe's Arch. XXXIV. 1.
^) Arch. ftir Augenheilk. von Knapp u. Schweigger XXV. 92.
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 117
möglichst viel Blutgefässe zur Obliteration zu bringen." Zu
diesem Zweck wurden multiple Excisionen aus der Horn-
haut gemacht und die Iris durch mehr oder weniger aus-
gedehnte Einheilung zur Vemarbung gebracht In 11 der-
artigen Fällen trat 5 mal Secundärglaucom auf, d. h. deut-
lich nachweisbare Drucksteigerung, in 4 andern war sie
zweifelhaft und in zweien trat Phthisis bulbi ein.
In den 5 Fällen von Secundärglaucom, die 4 bis 10
Wochen in Beobachtung waren, trat 3 mal vollständig
circuläre vordere Synechie ein, die beiden übrigen Male be-
standen sehr ausgedehnte Adhäsionen der Iris an die Cornea
mit theilweiser Verlegung des Kammerwinkels. Die 4
andern Fälle, ohne deutliche Drucksteigerung, waren 8 bis
10 Monate in Beobachtung; in allen 4 Fällen wai-en zahl-
reiche vordere Synechieen vorhanden, der Kammerwinkel in
8 Fällen verengt, dabei wurde 2 Mal Beginn von Kerato-
globus beachtet. Iris und Ciliarkörper waren in allen Fällen
theils atrophisch, theils hyperämisch. Oifenbar war bei die-
sen, von Ulrich angestellten Versuchen, das Verhalten des
Kammerwinkels das entscheidende Moment und nicht der
Ernährungszustand der Iris.
So verschieden auch die Eingriflfe in den von Th,
Leber und den von Wagenmann angestellten Versuchen
waren, so stimmen sie doch darin überein, dass es bei bei-
den zur Verwachsung des Kammerwinkels kam, einer Ver-
änderung, die seit den Untersuchungen von Ad. Weber
und Knies in ätiologische Beziehung zur Entstehung der
Drucksteigerung beim Glaucom gebracht wird. Dass die
bisherigen Versuche, Glaucom beim Thiere experimentell
zu erzeugen, keine oder wenigstens keine beweiskräftigen
Erfolge zu verzeichnen gehabt haben, hat seine Ursache
wohl darin, dass bisher noch keine Methode gefunden
worden ist, durch welche mit Sicherheit eine Verwachsung
des Kammerwinkels bewirkt werden kann. Dass aber bei
so verschiedenen Eingriffen wie die oben genannten, die
118 L. Berberich.
nur in ihrem mitunter erfolgten Ausgang in Verwachsung
des Kammerwinkels übereinstimmen, gerade in diesen Fällen
Drucksteigerung und Sehnervenexcavation auftrat, kann als
eine nicht unwichtige Stütze der Retentionstheorie des Glau-
coms betrachtet werden.
In den von Prof. Leber angestellten Versuchen waren
die glaucomatös gewordenen Augen nur soweit untersucht,
um die im Leben gestellte Diagnose zu sichern, aber noch
nicht genauer in allen ihren Theilen mikroskopisch durch-
forscht worden. Da es von Wichtigkeit erschien, die üeber-
einstimmung mit dem path.-anat. Befunde des Glaucoms
am menschüchen Auge in eingehender Weise zu prüfen,
wurde ich von Herrn Prof. Leber mit der histologischen
Untersuchung dieser Fälle beaufti*agt.
Es standen mir dazu zwei Augen zu Gebote, von denen
das eine, von Secundärglaucom ergriflfen, von Versuch 69
(1886) herstammte*), während das andere mit Intercalar-
staphylom zum Versuch 31 (1885) gedient hatte. Der Be-
schreibung des anatomischen Befundes werde ich in jedem
Falle einen Auszug aus den Versuchsprotokollen von Prof.
Leber vorausschicken.
1. Fall (Versuch 69, 1886).
In die vordere Augenkammer eines weissen Kaninchens
wurde eine durch Kochen sterilisirte Suspension von Staphy-
lococcus aureus injicirt, deren Wirksamkeit wohl etwas abge-
nommen hatte, indem ein Theil der schädlichen Substanz durch
Dialysirung ausgezogen worden war. Die Ii^ection musste
gleich darauf wiederholt werden, da das erste Mal der grösste
Theil der Flüssigkeit wieder abfloss. Gleichzeitig mit der In-
jection wurde mit der dazu benützten Flüssigkeit eine Control-
cultur auf Nähragar angestellt, die negativ ausfiel. Am folgen-
den Tage fand sich starke Injection und Chemosis, diffuse
Hornhauttrübung, Irishyperämie und reichliche, eitrig fibrinöse
*) Th. Leber, Die Entstehung dor Entzündung etc. S. 132
und 133.
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 119
Ezsadation in der vorderen Kammer. Sensibilität der Horn-
haut auffallend herabgesetzt. Nach drei Tagen war die Horn-
haut etwas weniger getrübt und zeigte sich wieder etwas em-
pfindlich. Das Exsudat in der vorderen Kammer nahm von da
an allmählich ab und war nach 7 Tagen grösstentheils resor-
birt Die Hornhaut blieb aber noch immer diffus getrübt und
es stellte sich Vasculurisation vom Rande her ein; Iris noch
stark hyperämisch. Unter zunehmender Breite der Randvascu-
larisation kam es dann, 10 Tage nach der Injection, zu deut-
licher Ektasie der Hornhaut. Die Trübung nahm wieder zu,
sodass die Pupille nicht deutlich zu erkennen war. Der Zu-
stand blieb von jetzt an bis zum 15. Tage nach der Injection
ziemlich unverändert, nur dass die Injection der Bindehaut
allmählich abnahm. Die Randvascnlarisation hatte jetzt 2 mm
Breite. Die Hornhauttrübung nahm von da an wieder ab, die
Yascularisation fing am Hornhautrande an, sich etwas zu lich-
ten, während die Ektasie des Bulbus allmählich weiter zunahm.
Das Auge wurde von jetzt ab längere Zeit nicht beobachtet
und zeigte, als es nach 4 Monaten wieder zur Untersuchung
kam, folgenden sehr merkwürdigen Zustand:
Die Hornhautmitte hatte sich vollständig wieder aufgehellt,
während der Rand von einer 4 — 6 mm breiten, weissen sklero-
sirenden Trübung eingenommen war, die von der Sklera meist
scharf abgesetzt war. Die Hornhaut war beträchtlich ver-
grössert, ihr horizontaler Durchmesser betrug 16, der vertikale
15 mm. Die Pupille erschien rund und ft'ei von Exsudat, die
Iris zart, etwas atrophisch, ihre Randteile stark, aber ungleich-
massig zu durchleuchten, die vordere Kammer tief, die Iris-
peripherie mit der am Rand getrübten Hornhaut verwachsen.
Die ophthalmoskopische Untersuchung ergab eine ungewöhnlich
tiefe Excavation der Sehnervenpapille. Diese erschien dabei
nicht wie sonst beim Kaninchen horizontal oval, sondern auf-
fallend rund; die Markstrahlung stark atrophisch und die Netz-
hautgefässe sehr eng. Drei Monate später war der Befund
derselbe, nur hatte die Excavation an Tiefe zugenommen, trotz-
dem wurde constatirt, dass die Pupille noch auf Lichtwechsel
reagirte und dass das Thier bei Beleuchtung mit dem Spiegel
das Auge schloss.
Anatomische Untersuchung.
Die Maasse, die von dem Bulbus genommen wurden, waren
folgende:
120 L- Berberich.
Der sagittale Darchmesser 17,5 mm, grösster äquatorialer
Durchmesser 18,7, Durchmesser in der Ebene der Hornhaut-
basis 14 mm. Der vordere Bulbusabschnitt ist erheblich yer-
grössert; in sagittaler Richtung betrug der Abstand vom Hom-
hautscheitel bis zu der durch die Sklerocomealgrenze gelegten
Ebene 5 — 6 mm, dabei war die vordere Kammer ziemlich
seicht Die Iris war von ihrer Insertion an in einer Breite
von etwa 3 — 4 mm an die Peripherie der Cornea angeheftet,
die Cornea erschien nirgends im geringsten gedehnt und ver-
dünnt, ihre Dicke betrug durchschnittlich 1 mm, während die
Sklera theilweise weniger als ^4 ™™ ^^ Dicke hatte und an
ihrer dicksten Stelle kaum ^j^ mm erreichte. Die Cornea ist
ringsum vom Rande her etwa in der Breite von 4 — 5 mm
vascularisirt, und in etwa derselben Ausdehnung an ihrer hin-
tern Fläche von einer neugebildeten Bindegewebsschicht bedeckt
Der Opticus ist an seiner Eintrittsstelle in den Bulbus am-
pullenförmig aufgerieben, indem sich eine tiefe Excavation der
Pupille bis in den Stamm des Opticus hinein erstreckt; die-
selbe war durch einen Querschnitt au der Eintrittsstelle des
Opticus in das Auge eröffnet worden.
Im einzelnen betrachtet, bietet der vordere Bulbusabschnitt
die hochgradigsten Veränderungen. Zunächst ist der gefäss-
haltige Limbus conjunctivae ziemlich weit auf die Cornea vo]>
geschoben, enthält weite Gefässe und in geringer Ausdehnung
eine dichte Infiltration mit Rundzellen. Der Uebergang in die
eigentliche Cornea ist bezeichnet durch das deutliche Hervor-
treten von Qylinderzellen in der tiefisten Schicht des Epithels.
Die Bow man 'sehe Membran ist wenig entwickelt; die
oberste Schicht der Grundsubstanz der Hornhaut ist noch eine
ziemliche Strecke weit von Gefössen durchzogen, in deren Um-
gebung auch einige Leukocyten liegen; auch zeigt diese Schicht
vermehrten Kerngehalt Das Epithel der Hornhaut zeigt eben-
falls Veränderungen; die Schicht der platten Zellen ist vielfach
blasig abgehoben, besonders an den peripheren Theilen, was
zwar zum Theil Präparationswirkung ist, aber doch auf eine
Lockerung des Zusammenhangs der Zellen bezogen werden
muss. Des öfteren trifft man auch einzelne verhornte Epithe-
lien durch blasige Degeneration der darttberliegenden Zellen
emporgehoben. Durch die Blasenbildung mag wohl auch die
Schicht der platten Zellen zum Theil verloren gegangen sein,
die Cylinderzellen ragen dann wie zerfasert hervor; sie er-
scheinen durchweg stark entwickelt, in die Länge gezogen und
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 121
stellenweise verschmälert, sodass Lücken zwischen ihnen sicht-
bar sind. Die Basaltheile dieser Zellen sind kömig trüb und
grenzen sich scharf gegen die leicht geförbte snbstantia propria
der Cornea ab. Hie und da sind Leukocyten dazwischen ge-
lagert. Durch Yergrössernng und Blasenbildung in den Cylin-
derzellen werden stellenweise die andern auseinandergedrängt,
sodass eine zwiebelähnliche Anordnung entsteht Die Bow-
manische Membran zeigt an einer Stelle im peripheren Theil
eine umschriebene, flache, hüglige Auflagerung von netzför-
migem Bindegewebe mit einzelnen Ljrmphzellen. Die peri-
pheren Theile der Grundsubstanz der Hornhaut sind reichlich
vascularisirt, die Gefösse erstrecken sich so weit, wie innen
die noch zu beschreibende bindegewebige Auflagerung. In
dem Bereich der Gefässe, in der tiefsten Schicht, treten auch
zahlreiche, kleine, ovale Lücken zwischen den Lamellen auf,
sie fehlen im centralen Theil. Die Kerne sind wohl im all-
gemeinen vermehrt und von blasserer Färbung als die Leuko-
cytenkerne in der Umgebung der neugebildeten Gefässe.
Die Descemet'sche Membran ist verschiedenfach
durchbrochen und zwar liegen die meisten Defecte in der
Obern Hälfte, nur ganz kleine nach unten, während das Cen-
trum ganz davon frei ist. Die Ränder dieser Defecte sind
meistens, wie auch sonst die Kegel ist, nach aussen umgeklappt.
Zuweilen finden sich an einem und demselben Schnitt zwei
oder sogar drei solcher Defecte neben einander. Der Rand
der Defecte zeigt sich unregelmässig, wie zerfressen. Die
Lücken sind von fibrillärem Bindegewebe ausgefüllt, das die
Innenfläche der Cornea in ihrem ganzen peripherischen Ab-
schnitt bedeckt und dessen Structur auf dem Dickendurch-
schnitt der der Cornea ähnlich ist. Ueber dieses Gewebe er-
streckt sich zum Theil das Endothel hinüber und hat auch
wieder eine neue, zarte Glashaut an seiner äussern Fläche
ausgeschieden. Das organisirte Gewebe ist sehr gefässarm und
schliesst auch nicht viele Zellen ein. Unter diesem Gewebe
ist die Descemet'sche Membran vielfach durch eine Auflage-
rung glashäutiger Substanz verdickt, die sich scharf von der
alten Glashaut abgrenzt. Am centralen Theil konnte ich
übrigens auch eine kleine drusenartige Neubildung von Glas-
haut beobachten, eine vollständig abgeschnürte, von Endothel
umgebene Kugel. Von der Lage und den Durchmessern der
Defecte der Descemet 'sehen Membran wurden nun an zahl-
reichen, in passenden Abständen von einander befindlicheu
122 L. Berberich.
Schnitten Maasse genommen und anf die Fläche übertragen,
wodnrch es gelang, eine anschauliche Vorstellung von der Zahl,
Lage und Ausdehnung der Defecte zu erhalten (Vergl. Fig. II).
Wie erwähnt, liegt die Irisperipherie in grosser Ausdeh-
nung der Cornea an; wo sie sich von ihr abhebt, ist sie mit
der den angrenzenden Theil der Cornea bedeckenden Binde-
gewebsmembran fest verwachsen; daneben sieht man stellen-
weise von ihrer vordem Fläche aus Stränge von Irisgewebe
zur Bindegewebsschwarte hinüberziehen. Der mit der Horn-
haut verwachsene, periphere Theil der Iris ist stark verdünnt,
am stärksten am obern Rande, wo eine Strecke weit nur eine
minimal dünne, nur 1 bis 2 Zellen starke Lamelle erhalten
geblieben ist. Dass es sich um die atrophirte Iris handelt,
erkennt man weiterhin aus den auf ihrer hintern Fläche auf-
sitzenden Ciliar fortsätzen und ihrer Lage auf der Innenfläche
der Cornea, welche als solche an der Desceme tischen Mem-
bran kenntlich ist. Letztere zeigt auch hier eine stellenweise
Unterbrechung. Weiter entfernt vom Hornhautrande schiebt
sich zwischen die atrophirte Iris und die Hornhaut nicht selten
bereits das oben erwähnte Bindegewebe in dünner Schicht ein.
Diese stark verdünnte Parthie der Iriswurzel stellt offenbar
den ersten Anfang eines Intercalarstaphyloms dar, wobei aber
die Cornea noch keine Verminderung ihre Dicke erfahren hat.
Der freie Theil der Iris ist in seiner Dicke sehr wechselnd
und etwas gefässarm; das Endothel ist stellenweise normal,
stellenweise gewuchert. Hinter und zwischen ihm liegen auf
der vordem Fläche der Iris massenhaft Riesenzellen, grosse und
etwas kleinere, meist platt, mit gelblichem, körnigem Inhalt,
der ganz den Eindruck fremden, von der Zelle aufgenommenen
Materials macht, vermuthlich aus der eingeführten Coccenmasse
entstanden. Das Gewebe der Iris ist sehr zart und fehlt auch
am Pupillarrand fast ganz, so dass hier der anscheinend un-
veränderte Sphincter pupillae fast allein die ganze Dicke ein-
nimmt. Im Umfang der Pupille finden sich auch einige zarte,
bindegewebige Auflagerungen auf der Kapsel, welche hinteren
Synechien im Leben zu entsprechen scheinen.
Von besonderem Interesse ist das Verhalten des Kammer-
winkels, welcher durch die periphere Adhärenz der Iris voll-
ständig aufgehoben ist Die Venen des circulus venosus sind
noch zu erkennen, aber nicht mit Blut gefüllt, ihre Wand wie
auch die der skleralen Venen kernreich. Die Fasern des lig.
pectinatum verlaufen ganz meridional und sind fest aufeinander.
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 1 23
und an die Cornea angepresst; der Kandtheil der Iris ist, wie
schon bemerkt, bis auf eine zarte Lamelle verdünnt.
An der Linse nebst Kapsel sowie an der Zonala finden
sich keine nennenswerthen Anomalien.
Die Retina ist, wohl durch die Präparation, vollständig
abgehoben und haftet nur noch an der Papille und der Ora
serrata, ausserdem ist sie verschiedenfach (artificiell) eingerissen.
Abgesehen von der Umgebung der Papille zeigt sie vielfach
locale Kernvermehrung geringen Grades und blasige, cystoide
Veränderung und Abhebung der Stäbchenschicht, die aber viel-
leicht mangelhafter Conservirung zuzuschreiben ist. Abnor-
mitäten bietet sie nicht Nach dem Glaskörper zu liegt ihr
eine blass feinkörnige und klumpige Eiweissmasse auf, die ver-
einzelt Bundzellen enthält, und durch welche die Hyaloidea
mehr oder minder weit hüglig abgehoben ist. Die pars ciliaris
retinae zeigt geringe cystoide Degeneration. Das Retinalepithel
liegt überall der Chorioidea auf und ist in der Nähe der Pa-
pille leicht gewuchert. Die (sonst pigmentloson) Zellen sind
grösstentheils von gelblichen, fettartig glänzenden Körnchen
dicht erfüllt. Viele derselben enthalten auch grössere goldgelbe
Körner und Klümpchen von unrcgelmässiger Gestalt, bald ver-
einzelt, bald auch in reichlicher Menge.
Die Chorioidea ist ebenfalls durch die Präparation etwas
von ihrer Unterlage abgehoben und die Suprachorioidea aufge-
lockert. Sie ist dünn und erscheint besonders im hintern
Bulbustheil zusammengepresst und etwas kernreich. An einer
Stelle findet sich eine umschriebene Anhäufung von Rundzellen
in der Umgebung eines Gefässes.
Die venae vorticosae sind tiberall mit Blut gefüllt; ihre
perivasculären Lymphräume treten stellenweise als Spalten her-
vor, die nur selten einige Lymphkörperchen enthalten. Das
Endothel der Gefässe zeigt keine Abnormitäten.
Der Glaskörper besitzt die gewöhnliche, zart fibrilläre
Structur und enthält nur sehr spärliche, vereinzelte Zellen.
Die Membrana hyaloidea ist, wie erwähnt, theilweise durch
eiweisshaltiges Exsudat von der Retina abgehoben.
Die Sehnervenpapille zeigt die schon genannte ungewöhn-
lich breite und tiefe Excavation, durch welche der Opticus-
stamm am Eintritt in das Auge eine sehr bedeutende Ver-
dickung erfährt. Die grösste Breite der Grubenbildung in der
Ebene der (vertical gerichteten) Schnitte beträgt nahezu 1 ^/^ mm.
Am unteren Rande ist fast nur noch die Opticusscheide stehen
124 L. Berberich.
geblieben, w&hreud nach oben noch eine ca. Vs ^^ dicke La-
melle atrophischer Opticassnbstanz die Excavation begrenzt.
Die Nervenfasern sind stark atrophirt, das Sttltzgewebe ge-
wuchert, verdichtet nnd kernreicb, stellenweise auch von gelben
Klümpchen veränderter Blutkörperchen durchsetzt. Auf der
Innenfläche der Papille ist eine Schicht neugebildeten, reticu-
lären Zellgewebes aufgelagert. Die angrenzende Retina ist eine
Strecke weit ziemlich degenerirt, die Körnerschichten treten
erst in einigem Abstand als getrennte Schiebten auf, die Faser-
schicht ist auch weiterhin atrophirt. Die bündelweise Anord-
nung der Nervenfasern und auch die Markscheiden sind im
Bereich des Opticusstammes noch gut erhalten; nach der Pa-
pille hin nimmt der Kernreichthum zu und die Nervenfasern
verlieren sich mehr und mehr zwischen sich in verschiedener
Richtung durchflechtenden Faserzügen, die im Grunde der Ex-
cavation stark nach hinten vorgewölbt sind, besonders oben.
Am Grund der Papille findet sich ein kernreiches, mächtiges
Bindegewebe mit zahlreichen Lücken. An Präparaten, die nach
Weigert' scher Methode geförbt sind, tritt normale Färbung
der Markscheiden erst in ca. 5 mm Entfernung hinter dem
Auge auf.
Gegen den Bulbus zu wird die Färbung für das blosse
Auge schwächer und hört bald gänzlich auf^ wobei sowohl die
Intensität der Färbung als die Zahl der noch geförbten Fasern
abnimmt; zuletzt sieht man nur noch am Rande des Nerven
ganz vereinzelte, schwach geförbte Markscheiden, im Innern
fehlen sie vollständig. Doch erstreckt sich hier die vollstän-
dige Atrophie nicht auf den ganzen Querschnitt, da an
Schnitten vom obern Papillarrand wieder schwach gefärbte
Fasern zum Vorschein kommen, die eine Strecke weit in die
Retina zu verfolgen sind, während sie im untern Theil des
Bulbus ganz fehlen.
Der 2. Fall (Vers. 31, 1885)
betraf das linke Auge eines schwarzen, weissgescheckten Kanin-
chens. Es wurde durch eine kleine Lanzenmesserwunde ein Stück-
chen alkoholischen Extractes von Staphylococcus aureus in die
vordere Kammer eingeschoben, von wo es zunächst durch das
abfliessende Kammerwasser wieder nach aussen in den Binde-
hautsack geschwemmt wurde; der gerinnende humor aqueus
schloss aber das Extractstückeben ein und hinderte so dessen
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundftrglaucom. 125
Zertheilung, so dass es sich wieder in das Auge hineinbringen
und bis vor die Pnpille vorschieben Hess. Das Ange zeigte
von Anfang an nur geringe Injection, die bald wieder zurück-
ging. Die Pupille wurde vollständig von dem in Fibrin ge-
hüllten, gelblichen Extract bedeckt Auch der umgebende Theil
der Iris war von Fibringerinnsel überlagert, während der peri-
phere Theil der Iris freiblieb.
Empfindlichkeit der Hornhaut herabgesetzt. Am 3. Tage
trat ein hypopyonartiger Absatz am Boden der vorderen Kam-
mer auf, der aber im .Lauf der nächsten Zeit allmählich zu-
rückging, während das Exsudat in der Pupille und auf der
Iris sich weniger verminderte. Es trat dabei am obern und
untern Homhautrand ein ca. 1 mm breiter Saum von Yascu-
larisation auf. 14 Tage nach der Injection fand sich folgen-
der Zustand: Die Injection grösstentheils verschwunden; das
Exsudat in der vordem Kammer mit Ausnahme der Pupille
resorbirt, letztere völlig verschlossen; Hornhaut ektatisch, be-
sonders nach unten hin leicht getrübt und von feinen Gefässen
durchzogen, ihre Empfindlichkeit noch merklich herabgesetzt;
vordere Kammer aufgehoben; die Sklerocornealgrenze stellt im
unteren Umfang eine bis 6 mm breite, bläuliche Zone dar,
deren peripherer Band durch den etwas verbreiterten und auf-
gelockerten Pigmentsaum des Epithels bezeichnet wird, während
der centrale Band ohne Pigmentirung sich scharf gegen die
durchsichtige Hornhaut absetzt Etwa 2 Monate nach Einfüh-
rung des Extractes war die Iigection ganz geschwunden und
die Pupille durch Besorption des Exsudates wieder ziemlich
frei geworden; am untern Pupillenrande war ein breiter, durch-
brochener Pigmentsaum der Linsenkapsel aufgelagert Die den
Umfang der Hornhaut einnehmende, bläuliche, getrübte Zone
muss nach dem ihren peripheren Band bezeichnenden Pigment-
Btreifen der Hornhaut zugerechnet werden, obgleich sie die
Wölbung der Sklera besitzt, und wie diese aussieht, und ob-
wohl die Iris sich an ihren centralen Band ansetzt, sodass die
vordere Kammer sich nicht bis in ihren Bereich erstreckt.
Diese bläuliche Zone ist jetzt nach innen unten 2,5 mm, ge-
rade nach unten 1,5 mm, nach aussen ca. 0,5 mm breit; nach
unten grenzt daran noch eine etwa ebenso breite Zone, in
deren Ausdehnung die Sklera eine dunkelgraue Yer&rbung
darbietet Der Augenhintergrund zeigt ausser einer geringen
Excavation keine Veränderung. Als das Auge 1 Jahr später
enucleirt wurde, war die Cornea getrübt, sodass der Zustand
126 L- Berberich.
der Papille nicht mehr zu erkennen war, und ihr Rand war
jetzt von einem zum Theil erheblich verbreiterten Pigment-
saum umgeben, dessen Breite nach aussen unten 4— 5 mm er-
reichte, nach unten 2 mm, während er nach den andern Seiten
die normale Breite nicht erheblich übertraf. An dem Theil
des Umfangs, wo der Pigmentring verbreitert war, unterschied
man einen dichteren, äusseren Saum von ca. 2 mm Breite und
einen lockeren, zartgestreiften inneren. Das enucleirte Auge
zeigte die schon im Leben beobachtete, beträchtliche Yergrös-
serung des vorderen Bulbusabschnittes durch Ektasie der Ciliar-
gegend, besonders im untern Umfang. Dasselbe wurde im ver-
tikalen Meridian durchschnitten. Es fand sich dabei die Pupille
weit und frei von Auflagerung, auch in der vorderen Kammer
kein Exsudat; dagegen bestand ein vollständiger Verschluss des
Kammerwinkels durch Verwachsung der Irisperipherie mit der
Hornhaut. Die Ektasie zeigte die Formation des Intercalar-
staphyloms. An der Papille emo geringe Druckexcavation.
Histologischer Befund.
Das Hornhautepithel zeigt auffallende Veränderungen.
In der Nähe des obem und unteren Randes nimmt seine Dicke
stetig ab und zwar sowohl durch geringere Höhe der Zellen,
als durch Verminderung ihrer Zahl, sodass bald nur noch eine
einzige Schicht kubischer Zellen ttbrig ist. An anderen Stellen
lagert sich über diese wieder eine dünne und weiterhin stärker
werdende Schicht platter Zellen darüber, auch nehmen die
Zellen der tiefsten Schicht wieder Cylinderform an. Stellen-
weise ist die Schicht der platten Zellen in der Ablösung be-
griffen. Die Dicke und Beschaffenheit der Epithelschicht
wechselt von einer Stelle zur andern; in der Hornhautmitte
ist die Dicke und das Verhalten am meisten der Norm ent-
sprechend. Auch andere Unregelmässigkeiten in der Gestalt
und Anordnung der Zellen kommen da und dort vor. In der
Randzone sind die Zellen der tiefsten Schicht sämmtlich, die
der oberen theil weise pigmentirt, die Pigmentirung erstreckt
sich, wie im Leben bemerkt wurde, ziemlich weit nach der
Mitte hin; sie findet sich auch da, wo nur eine Zellenschicht
vorhanden ist, und filngt nach einer kleinen Unterbrechung
wieder aufs neue an. Die verschiedene Gestalt und Grösse
der Zellen beweist, dass es sich bei der Dickenabnahme des
Epithels um vitale Vorgänge handeln mnss, wenn auch viel-
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 127
leicht ein Theil der platten Zellen erst während der Härtung
abgestossen worden ist.
Die Bow man 'sehe Membran ist meistens nndeatlich, hie
and da zeigt sie kleine, hüglige Verdickungen. Die peripheren
Theile der Hornhautgrundsubstanz und der angrenzende Lim-
bns der Conjunctiva sind massig mit Zellen infiltrirt. Die
erstere ist in einer ziemlich breiten Randzone von neugebildeten
Gemsen durchzogen.
Die Descemet 'sehe Membran ist im obem Bulbustheil
durchbrochen, der Defect aber durch Anlagerung und Organi-
sation von Exsudat und Neubildung von Endothel verschlossen.
Auch im untern Bulbustheil finden sich kleine Defecte der-
selben an 3 — 4 Stellen, ebenfalls durch Exsudate und wuchern-
des Endothel wieder ausgefüllt. Ferner finden sich im obem
Theil am Rand der vordem Synechien mehrere Drusenbil-
dungen. Der periphere Theil der Iris haftet oben breit an
dep Descemet'schen Membran, unten ist die Synechie zum
Theil gelöst, nur eine schmale Zunge liegt noch über dem
Kammerwinkel. In der Iris selbst ist kaum eine Veränderung
sichtbar.
Der Giliarkörper ist etwas atrophisch, der Ciliarmuskel
stark verschmälert. Die Zonula ist auf der Seite des Inter-
calarstaphyloms mächtig entwickelt, während sie auf der ent-
gegengesetzten Seite beinahe fehlt, die Linse ist dadurch etwas
nach der Seite des Staphyloms gezogen, sodass man von einem
geringen Grad von Luxation sprechen kann. Sonstige Verän-
derungen zeigt die Linse nicht.
Das Intercalarstaphylom liegt im untern Theil des Bulbus,
die Sklera in der ganzen Ausdehnung stark verdünnt. Die
Fasern der Sklera erleiden am Rande der Ektasie eine Trü-
bung und feine Granulierung, die nach dem Centram des Sta-
phyloms zunimmt, die Kerne scheinen vermehrt und werden
lang und spindelförmig, die Grenzen der Fasern werden un-
deutlich und nur meridionale Fasern sind noch zu sehen. An
den hochgradigsten Stellen sieht man nur trübes Gewebe, in
dem die Kerne kaum noch sichtbar sind. Die Episklera zeigt
geringe Infiltration. Die übrige Sklera ist durchweg normal.
Die Hyaloidea ist fast überall von der Retina abgehoben..
Zwischen beiden liegen Fettkörnchenzellon und Eiweissklumpen.
Die Retina zeigt keine Veränderung.
Die Chorioidea ist etwas atrophisch; an den venae vorti-
cosae ist keine Veränderung sichtbar.
128 L. Berberich.
Die Excavation ist weit geringer als im ersten Falle,
aber doch entschieden breiter und tiefer als am normalen Auge,
auch erscheinen die Faserzüge in ihrem Grunde deutlich nach
hinten ausgebuchtet und die Nervenfasern abgeknickt; auch ist
die Dicke der Nervenfaserschicht am Bande der Papille und
in der angrenzenden Retina deutlich vermindert; auch nach
Färbung mit der Weigert 'sehen Methode ergiebt sich ein
gewisser Grad von Atrophie der Substanz; im Ganzen erscheinen
die Fasern gelockert, spärlicher und lassen sich in der charak*
teristischen Färbung viel weniger weit als in der Norm in die
Netzhaut hinein verfolgen.
Sowohl aus den angeführten Auszügen der Protokolle,
als aus den erwähnten Veränderungen der beiden Augen
ist ersichtlich, dass es sich um Ausgänge einer eitrig-fibri-
nösen Entzündung des vordem Bulbusabschnittes handelte,
im ersten Falle heftiger und von längerer Dauer als im
zweiten. Der Endeflfect war in beiden Fällen intraoculare
Drucksteigerung, die sowohl zu pathologischer Excavation
der Papille als zu Ektasie der Bulbuswand in der Gegend
der Comeoskleralgrenze führte, Veränderungen, die vom
menschlichen Auge her zur Genüge als Folgen von Druck-
steigerung bekannt sind. Die Uebereinstinmiung mit dem
Glaucom beim Menschen ist am erst beschriebenen Auge
um so grösser, weil die Pupille von der Bindegewebsneu-
bildung, welche die Hinterfläche der Hornhaut einnahm,
frei blieb imd nach Resorption des sie anfangs deckenden
Exsudates die tiefe Druckexcavation mit dem Augenspiegel
nachweisbar war. Die enorme Tiefe der Gnibenbildimg,
die auch durch die anatomische Untersuchung bestätigt
wurde und der ebenfalls ophthalmoskopisch wie anatomisch
nachgewiesene, hochgradige Schwund der markhaltigen
Fasern der Papille und Netzhaut lassen an der Entstehung
dieser Veränderungen infolge gesteigerten Augendruckes
keinen Zweifel aufkommen. Im zweiten Falle war zu der
Zeit, wo die Augenspiegehmtersuchung noch möglich war,
die Excavation nicht tief genug, um sie sicher als patho-
Anatom. Untersuchung vi>n f-xperimentell^ni S<H>und&rvlauci>xu. 129
logisch bezeichnen zu krmnen. Die anatomische Unter-
suchung ergab aber eine beträchtliche Tiefe der Ausbuch-
tung, die sicher für pathologisch anzusprechen war, wju»
noch durch die beginnende Atrophie der Nervenfasern und
die Hyperplasie de> 8tütz«^ewebes bestätigt wird.
Die erste Veranlassung zur Entstehung der Druck-
steigeiTing gab die, durch die entzündungerregende Substanz
des Staphylococcus ei-zeugte. eitrig -fibrinöse Kerato- Iritis.
Das vermuthete Mittelglied, die als Folge der Entzündung
aufgetretene Yer^^achsung des Kanimerwinkels, wurde in
beiden Fällen in exquisiter Weise beobachtet, sodass wenig-
stens die Möglichkeit sicher steht, dass bei dem experi-
mentellen Glauconi die gestörte Filti-ation aus der vorderen
Kammer die Ursache von Drucksteigerung abgiebt. Natür-
lich können zwei gelegentlich beobachtete Fälle nicht als
sicherer Beweis dienen, dass der Verschluss des Kammer-
winkels hier in der That die eigentliche Ursache der Dnick-
steigerung gewesen ist.
Von besonderem Interesse sind die Veränderungen,
welche der entzündliche Process an den Wänden der vor-
deren Kammer hervorgebracht hat, und zwar, abgesehen
von der Verwachsung des Kammerwinkels, namentlich die
verschiedenen, zum Theil multiplen Defecte der Desc. Mem-
bran und die Regenerationsvorgänge in deren Bei-eich duivh
Neubildung von glashäutiger Substanz, wie sie schon be-
sonders eingehend durch AVagenmann geschildert worden
sind. Die Figm» II giebt von der Zahl und Ausdehnung
der Lücken, welche die Desc. Membran bei dem Eiterbil-
dungsprocess in der vorderen Kammer erfuhr, eine sein*
anschauliche Vorstellung. Da mehrfach auch die Substiuitia
propria der Honihaut im Bereich der Defecte der (TJashaut
durch Narbengewebe einsetzt war, so handelt es sich ofton-
bar um die Folgen von geschwürigen Processen an d(»r
Innenfläche der Hornhaut, wie sie Tb. lieber b(»i seiiuMi
Versuchen mit Staphylococcusextracten beobachtet hat un<l
V. Graofo's Archiv fUr Ophthaliuologi«. XL. 2. 9
130 L. Berberich.
die bei längerer Dauer vielleicht ebenfalls zur Perforation
gefuhrt haben würden.
Das Homhautendothel ging nicht nur im Bereich des
Defectes der Glashaut, sondern auch daneben auf weite
Strecken hin zu Grunde; später kam es dann zur Regene-
ration des Endothels von der intact gebliebenen Umgebung
aus, worauf das neue Endothel unter Umständen wieder
eine glashäutige Membran von wechselnder Dicke ausschied.
Im zweiten Falle führte die Schrumpfung des neuge-
bildeten Gewebes durch Abhebung des intacten Homhaut-
endothels zu Drusenbildung. Im ersten Falle war diese
eben nur angedeutet und die Druse ohne Zusammenhang
mit dem schrumpfenden und sich nach der Iris zu retra-
hirenden Gewebe. Die Drusenbildung im zweiten Fall
steht ganz im Einklang mit der von Th. Leber aufge-
stellten Ansicht über die Entstehung dieser Bildungen.
Das schrumpfende Gewebe, das mit dem Endothel ver-
wachsen war, hat dieses lamellenförmig abgehoben und da-
durch zur Neubildung von Glashaut gefuhrt, die bald leisten-
förmig, bald als beinahe freie Kugel erscheint
Die Structur des der Hornhaut anliegenden, neuge-
bildeten Gewebes ist, wie dies auch von Wagenmann und
Andern beobachtet wurde, ganz der des Comealgrundge-
webes ähnlich, von letzterem aber deutlich abgegrenzt durch
die alte Desc. Membran, deren Endothel geschwunden ist.
In der Substantia propria der Cornea erstreckt sich die
Vascularisation nach der Mitte zu nicht über die ganze
Ausdehnung der Defecte in der Desc. Memlwan, was aber
wohl ursprünglich, wie aus dem Protokoll zu entnehmen
ist, der Fall war; es darf daraus geschlossen werden, dass
die Keratitis, womit auch die Beobachtung im Leben über-
einstimmt, sich im Stadium der Rückbildung befand, als
das Auge enucleirt wurde. Voraussichtlich wäre diese auch
noch weitergegangen; darauf deuten meiner Ansicht nach
die zahlreichen Riesenzellen hin, welche die in der vordem
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglauconi. 131
Kammer enthaltene schädliche Substanz völlig in ihr Inneres
aufgenommen hatten. Dieselben sind im ersten Auge, be-
sonders im oberen vorderen Theil, sehr zahlreich und so-
wohl in dem neugebildeten Bindegewebe, wie in der Iris
imd deren Wurzel massenhaft anzutreflfeu. Die Form wechselt
ebensosehr wie die Zahl der Kerne, das Protoplasma ist
trüb, granulirt und enthält verschiedene rundliche und läng-
liche Gebilde, die wie Gewebstriimmer sich ansehen; theil-
weise sind diese leuchtend mit Eosin gefärbt, ähnlich den
eosinophilen Kömchen, die von Prof. Leber bei seinen
Versuchen beobachtet wurden. Die Zellen sind in Zügen
angeordnet, die sich in dem Bindegewebe an der Hinter-
fläche der Cornea unter dem Endothel zur Iris hinziehen,
wo sie hauptsächlich in der Iriswurzel, aber auch über die
Iris zerstreut, unter dem Endothel zu treflfen sind. Am
reichUchsten fand ich sie an der Hinterfläche der Horn-
haut, wo sie an einer Stelle einen necrotischen Heerd voll-
ständig umringt und von der Umgebung losgetrennt haben ;
weiterhin sieht man sie zwischen die Fasern des neuge-
bildeten Gewebes eindringen.
Die Veränderungen des Homhautepithels dürfen wohl
als Folgeerscheinungen des gesteigerten Druckes betrachtet
werden, wie sie an andern glaucomatösen Augen vielfach
beobachtet sind. Insbesondere Trübung, vesiculäre Degene-
ration, Proliferationserscheinimgen, die auf vorausgegangene
Defecte hinweisen und wozu auch die im ersten Fall be-
obachteten ZwiebeKormen im Epithel und die Verbreiterung
des Pigmentsaums am Homhautrande zu rechnen sind.
Von Seiten der Iris ist die hochgradige Atrophie und
Verdünnung ihrer Eandzone als Folge der Dehnung her-
vorzuheben; im übrigen zeigt ihr Gewebe wenig Verände-
rungen. Offenbar ist die Iris als gefässreiches Organ sehr
Widerstands- und restitutionsfähig, sogar ihre Function ist
zum Theil wiederhergestellt worden, denn kurz vor der
Enucleation wurde noch Pupillarreaction beobachtet
9*
132 L. BerbericL.
Die Linse ist in beiden Fällen intact geblieben, der
Contact mit dem Eiter war wohl ein zu kurzer, um zu einer
Veränderung zu fuliren.
Interessant ist das Auftreten eines Intercalarstaphyloms
in beiden Fällen, besonders ausgeprägt im zweiten Auge
und zwar hier nach unten gelegen, eben nur angedeutet
im ersten Auge und zwar nach oben gelegen; in diesem
Auge finden sich auch die meisten Defecte der Desc.
Membran nach oben. In beiden Fällen dürfte wohl die
liOcalisation der Staphylome von der zufälligen Lagerung
der eingefiihrten Substanzen und von dem Füllungsgrad der
Kammer abhängig gewesen sein. Die wirksame Substanz
hat vemiuthUch l)ei ihrer Resorption aus der vorderen
Kammer, wobei sie das Gewebe der Sklerocomealgrenze
durchtränkte, eine Skleritis mit eitriger Infiltration und Er-
weichung des Gewebes hervorgerufen. Die Infiltration ging
zurück und hinterUess eine wenig resistente Cornea und
Sklera, die dem wachsenden Drucke nicht zu widerstehen
vermochten. Die Drucksteigerung für sich allein würde am
zweiten Auge keine beträchtliche Ektasie bewirkt haben,
auch lässt sich damit deren Sitz in keinem der beiden
Fälle genügend erklären, weil die Augenwand nicht an der
dünnsten Stelle, am Aequator, sondern an der Sklerocor-
nealgrenze ausgebuchtet wurde.
Die Chorioidea und Retina sind nur in geringerem
Grade betrofien. Abgesehen von leichten entzündlichen
Veränderungen lassen sie auch die Wirkung des gesteigerten
Druckes erkennen, der Verdünnung und beginnende Atrophie
hervorrief. Die hie und da bemerkte, aber nur ganz ge-
ringfügige Leukocytenanhäufung an den Durchtrittsstellen
derVenae vorticosae ist wohl ebensowenig von Bedeutung,
wie die vereinzelte, zellige Infiltration in der Chorioidea
des ersten Auges. ' Dass die Retina trotz der hochgradigen
Excavation nicht vollständig fimctionslos geworden ist, da-
für spricht sowohl, dass noch markhaltige Nervenfasern
Anatom. Untersuchung von experimentellem Secundärglaucom. 133
vorhanden waren, als auch die Angabe in dem Protokoll,
(lass das Thier bei Beleuchtung das Auge schloss und dass
Pupillarreaction vorhanden war. Im zweiten Fall ist über-
haupt die Zahl der markhaltigen Fasern nur wenig ver-
mindert, auch deutet das wenig veränderte Aussehen der
Retina auf ihre Functionstähigkeit hin.
Die vorhergehende Beschreibung der pathologisch-
anatomischen Befunde der beiden ektatischen Verauchs-
augen hat somit ergeben, dass nach einer experimentellen
Kerato-Iritis, welche ihren Ausgang in Verwachsung des
Kammerwinkels nahm, eine wahi-e Druckexcavation der
Sehnervenpapille zur Entwicklung kommen kann. Es wird
die Aufgabe weiterer experimenteller Untersuchungen sein,
geeignete Methoden ausfindig zu machen, durch welche mit
möglichst geringer und kurzdauernder Entzündung eine
ausgiebige Verwachsung des Kammerwinkels erzielt werden
kann, um dadurch festzustellen, ob wirklich, wie die obigen
Befunde vemmthen lassen, Drucksteigerung und dadui'ch
bedingte Sehnervenexcavation eine nothwendige Folge dieser
Verwachsung ist. Es wird dann die Theorie des Glaucoms
einen nicht unwichtigen Schritt vorwärts gethan haben.
Am Schlüsse der Arbeit ergreife ich mit Vergnügen
die Gelegenheit, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof.
Leber, meinen herzlichsten Dank auszusprechen für die
Ueberweisung der Untersuchungsobjecte und für die freund-
liche Unterstützung bei deren Untersuchung.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV.
Fig. 1. Verticalschnitt durch das Kaninchenauge mit Secundärglau-
com (von Versuch 69, 1886).
Fig. 1 a. Längsschnitt durch den Opticuseintritt desselben Auges,
stärker vergrössert.
134 L. Berberich. Anatom. Untere, v. experim. Secundärglaiicom.
Fig. 2. Flftchenansicht der Hornhaut von dem ersten Fall, in welche
die an den verschiedenen Schnitten in ihrer Lage und Aus-
dehnung gemessenen Defecte der Descemet'schen Membran
eingetragen wurden.
a) Homhautrand,
b) Pupillenrand,
c) innere Grenze der Yascularisation der Hornhaut,
d) innere Grenze der bindegewebigen Auflagerung an der
hinteren Flftche.
e) Grenze der Defecte der Descemet'schen Membran.
Fig. 3. Durchschnitt durch das zweite Versuchsauge mit beginnender
Druckexcavation des Sehnerven und Intercalarstaphylom.
Fig. 4. Verticaler Schnitt durch den normalen Sehnerveneintritt des
Kaninchens, seitlich gefollen.
Fig. 5 u. 6. Desgleichen, mehr durch das Centrum der Papille gehend.
Fig. 7. Durchschnitt durch den Sehnerveneintritt des Kaninchens
nach Ad. Weber.
a) im normalen Zustand,
b) bei Drucksteigerung.
ünterBüchnng eines Anges
mit doppelter Perforation durch eine Stichsäge.
Ein Beitrag zur Kenntniss
der traumatischen Skleralstaphylome.
Von
Dr. Jul. Duffing
aus Dossenheim.
Hierzu Tafel V, Fig. 1—2.
Perforationen der Sklera gehören zu den häufigeren
Augenverletzungen, besonders in der arbeitenden Klasse
einer industriereichen Gegend, sei es, dass dieselben direct
durch das Eindringen eines Fremdkörpers hervorgerufen
werden, oder dass sie durch Berstung der Sklera entstehen,
wenn eine stumpfe Gewalt das Auge trifft. Die durch
diese Ursachen hervorgerufenen Entzündungsprocesse wiricen
sehr häufig auch auf die Wundheilung ein, sei es, dass die
Wunde gleich anfengs an dem entzündUchen Process be-
theiligt ist, oder im weiteren Verlauf in denselben herein-
gezogen wird, wenn eine durch die innere Entzündung her-
vorgerufene reichliche BindegewebsproUferation im Stadium
der Schrumpfung eine Einziehung der Narbe herbeiführt.
Schhessen wir die Fälle von durch Infection oder An-
wesenheit eines Fremdkörpers compUcirter Wundheilung
von unserer Betrachtung aus, so kann sich auch bei ein-
fachen perforirenden Bulbuswunden im Bereich der Sklera
136 Jul. Diiffiiig.
der Verlauf der Heilung und der Endausgang verschieden
gestalten. In der Literatur finden sich hierüber nur spär-
liche und kurze Angaben, welche ziuneist auf die klinische
Beobachtung basirt sind, da sich zur anatomischen Unter-
suchung nur selten Gelegenheit geboten hat
Ruete^) sagt über die Verletzungen der Lederhaut:
„Verletzungen der Sklera heilen, wenn sie klein sind, durch
die erste Vereinigung, d. h. per primam intentionem, sind
sie gross, so bilden sich Ektopieen der inneren Theile."
Alexander Lubinsky*) erhielt aus seinen Versuchen
an Kaninchen über penetrirende Bulbuswunden folgendes
Resultat: „Die Skleral wunden heilen niemals durch un-
mittelbare Adhäsion ihrer Ränder; diese letzteren lassen
vielmehr einen leeren Raum zwischen sich, welcher sodann
durch junges, später straff werdendes, dm*ch Wucherung
der Conjimctiva und Chorioidea zu Stande kommendes
Narbengewebe ausgefüllt wird, welches später mehr oder
weniger, je nach der Grösse der AVunde, in das Innere des
Auges hineinragt und sich beim Ophthalmoskopiren dem
Beobachter als eine weisse, der Richtung des Längsdurch-
messers der Wunde entsprechende Prominenz darstellt"
Ed. Meyer ^) und Zehender*) sprechen in ihren
Lehrbüchern weniger von den Heilungsvorgängen, als von
den Complicationen , welche durch die gleichzeitige Ver-
letzung der Retina entstehen können; letzterer bemerkt in
Bezug auf die Heilung penetrirender Skier jlwunden, dass
im Bereich der inneren Wunde ein Veniarbungsprocess
*) Ruete, Lehrb. d. Ophthalmologie, Braunschw. 1854. 2. Aafl.
Bd. II. S. 353.
■) AI. Lubinsky: lieber die den Augapfel penetrierenden
Wunden, nach an Kaninchen ausgeführten Experimenten, y. Graefe's
Arch. Bd. XIII. 2. S. 377.
•) Ed. Meyer, Lehrb. der Augenheilkunde. 1875. S. 122.
*) Zehender, Handb. der Augenheilkunde, 3. Aufl. 1876.
Bd. IL, S. 604.
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 137
entsteht, der schliesslich sämmtliche verletzte Theile in der
Gegend der fiiiheren Wundöfl&iung durch ein gemeinsames
Nai'bengewebe verlöthet.
Während nach Lubinsky^) die Sklera bei der Hei-
lung nicht direct betheiligt sein soll, fand Schunkitz
Miyashita*), der an Kaninchen über die Verheilung der
Lederhaut-, Aderhaut- und Netzhautwunden Versuche an-
stellte, indem er unter aseptischen Cautelen theils Stich-,
theils Schnittwunden im Aequator bulbi anlegte, dass bei
Verletzungen aller drei Häute das Narbengewebe von der
Sklera geliefert wird. 24 Stunden nach der Verletzung
waren die Skleralwunden verklebt ohne Entzündungserschei-
nungen, 4 Tage nach der Verletzung per piimam inten-
tionem geheilt. Die mikroskopische Untersuchung der Bulbi
der nach 3, resp. 6 Wochen getödteten Thiere ergab ein
die Stelle der Skleralwunde vollständig ausfüllendes Narben-
gewebe, das in der Bichtung von aussen nach innen ziehend,
pilzartig in den Glaskörperraum hineinragte und dort theils
allmählich sich verlor, theils rechtwinkelig umbiegend mit
der Innenfläche der Membrana limitans verwuchs; ebenso
erstreckte sich auf der Aussenfläche der Sklera auf eine
Entfernung von 3—4 mm von der verletzten Stelle aus
nach beiden Seiten ein schmaler Streifen von Granulations-
gewebe, welches mit dem die Skleralwunde ausfüllenden
unmittelbar zusammenhing. Entsprechend der Stelle des
die Wunde der Sklera ausfüllenden Gewebes war eine Lücke
in der Netzhaut, sowie auch in der Aderhaut zu bemerken.
Michel') sagt, offenbar im Anschluss an diese Unter-
suchungen, in seinem Lehrbuche : „Die Art der Vemarbung
bei penetrirenden Stich- und Schnittwunden besteht zunächst
darin, dass durch ein derbes und schrumpfendes, mit
M I.e. •) Schunkitz Miyashita: Experimentelle Studien über
die Verheilung der Lederhaut-, Aderhaut- und Netzhautwunden.
Inaug.-Diss., Würzburg 1888.
•) Michel, Lehrb. d. Augenheilkunde, 2. Aufl., S. 659.
138 J. Duffing.
wenigen Gefässen versehenes Bindegewebe die Wundränder
vereinigt werden, und dasselbe sich noch zu beiden Seiten
der Wundränder auf die Innen- und Aussenfläche der
Lederhaut eine gewisse Strecke weit ausbreitet Ein förm-
licher Bindegewebsstrang setzt sich in das Innere des Auges
fort. In seltenen Fällen von feinen penetrirenden Stich-
wunden zeigt nach der Verheilung die Stelle der Verletzung
eine graubläuHche Verfärbung, welche einer Verdünnung
des Lederhautgewebes zuzuschreiben ist**"
Fuchs') unterscheidet zwischen Heilung mit unmittel-
barer Vereinigung der Wundränder und solcher mit Inter-
position von Narbengewebe, das aus eingelagerter Uvea
oder Glaskörper entstanden ist.
Im Allgemeinen kann man drei Arten der Heilimg
bei perforirenden, nicht inficirten Skleralwunden unter-
scheiden:
1) Heilung mit unmittelbarer Vereinigung der Wund-
ränder durch ein schmales, von der Sklera selbst geliefertes
Narbengewebe.
2) Vereinigung der Wundränder durch ein derbes, breites
Narbengewebe, das wenigstens in manchen Fällen aus einge-
lagertem Uveal- oder Glaskörpergewebe hervorgeht, häufig
mit nachfolgender Schrumpfung der Narbe, Zerrung der
Uvea, Netzhautablösung etc. In schweren Fällen kommt
es hier zu Einziehung der Narbe, selbst mit Deformation
der Bulbuskapsel und Phthisis bulbi. In den ersten Sta-
dien verlaufen diese Fälle zuweilen ohne erhebliche Ent-
zündungserscheinungen und ohne nachweisbare Eiterbildimg
im Innern, doch steht es noch dahin, ob hier eine leichte
Infection wirklich ausgeschlossen werden kann.
3) Heilung einer weit klaffenden Skleralwunde durch
ein von der Sklera gehefertes Zwischengewebe mit nach-
folgender Dehnung desselben, sei es, dass dasselbe zu
>) Fuchs, Lehrb. d. Augenheilkunde, 2. Aufl., 1891. S. 242.
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 139
schwach ist, um dem normalen Augendruck Widerstand
leisten zu können, sei es, dass eine pathologische Druck-
steigerung stattgefunden hat.
Die letztere Art der Heilung zeigt der im Folgenden
zu beschreibende Fall von doppelter Perforation des Auges
durch eine Stichsäge, der sich auch sonst durch bemerkens-
werthe Eigenthümlichkeiten auszeichnet. Insbesondere ist
hervorzuheben, dass die weit aus einander klaffenden Wund-
lünder durch eine neugebildete Bindegewebsmembran wie-
der vereinigt wurden, deren Dicke der der normalen Sklera
völlig gleich kommt und deren Faserbündel nicht, wie ge-
wöhnlich angegeben wird, senkrecht zur Oberfläche ver-
laufen, sondern wie die der benachbarten Sklera einen der
Oberfläche parallel gehenden Verlauf zeigen.
Krankengeschichte.
Clemens Schwarzmann, 19 Jahr alt, aus Pfaffshausen,
stellt sich am 8. VI. 1885 in der Göttinger Augenklinik vor
wegen einer 4 Wochen zuvor stattgehabten, angeblich nicht
perforirenden Verletzung des linken Auges durch einen Stoss
mit einer Handsäge.
Stat. praes. Linkes Auge: Starke Ciliarinjection, diffuse
Medientrttbung, von Iris nichts zu sehen; grüngelber Schein
aus der Tiefe des Auges. In der Gegend des Aequator bulbi
nach oben und etwas nach innen ein kleiner Tumor, mög-
licher Weise die unter die Conjunctiva luxirte Linse. Augen-
druck erhöht; keine Drnckempfindlichkeit. Lichtschein für
mittlere Lampe; Projection unsicher.
9. VI. 85. Enucleatio bulbi. Die Sehne des Rectus su-
perior wird sehr vorsichtig abgelöst, da hier möglicher Weise
die Linse liegt; jedoch zeigt sich, dass der Tumor nur eine
Ausbuchtung der Bulbuskapsel darstellt. Operation ohne Zu-
fall beendet.
14. YL 85. Heilung normal beendigt.
Untersuchung des Auges.
Das in Müller 'scher Flüssigkeit gehärtete Auge wurde
in nahezu vertikaler Richtung, etwas schräg von innen oben
140 J. Dufiing.
nach aussen unten, durch die Mitte der erwähnten Ausbuch-
tung durchschnitten, dann in der gewöhnlichen Weise in Gel-
loidin eingebettet und in Totalschuitte zerlegt. Die Mikro-
tomschnitte waren schon vor einiger Zeit von Herrn Dr. Eoste-
nitsch angefertigt worden, von welchem ich auch einige No-
tizen über den anatomischen Befund mitbenutzen konnte.
Die Untersuchung der Schnitte ergiebt folgendes:
Makroskopischer Befund.
In der Gegend des Aequator bulbi am oberen iuncren
Quadranten der vorderen Augenhälfte zeigen die Schnitte eine
Ausbuchtung der Sklera (Taf. Y, Fig. 1 sei. st.), an deren Grenze
Netzhaut und Aderhaut eine Lücke darzubieten scheinen; die
Breite der Ausbuchtung beträgt, innen gemessen, 5 mm,
ihre Höhe 3 mm. Der sagittale Durchmesser des Auges be-
trägt 26 mm, der äquatoriale Durchmesser, durch die Spitze
des Skleralstaphyloms gelegt^ misst 28 mm.
Eine zweite kleinere Ausbuchtung (Fig. 1 int. st.), die
hauptsächlich die innere Fläche betrifft und nur mit einer leichten
Krümmungsänderung der äusseren Oberfläche verbunden ist,
findet sich an der Corneoskleralgrenze im unteren äusseren
Quadranten; ihre grösste Breite beträgt 3,5 mm, ihre Tiefe
2 mm.
Einige der ersten Schnitte der temporalen Hälfte des
Auges zeigen in der Cornea, nahe der Mitte, eine schmale, die
ganze Hornhaut durchsetzende Narbe; diese fehlt auf den Pa-
pillenschnitten.
Die Iris ist etwas dünn; ihr oberer Theil ist in der
Nähe des Ciliarrandes mit der Cornea ca. ^/^ mm weit ver-
wachsen, und der Kammerwinkel dadurch aufgehoben; ihr
unterer Theil ist, mit Ausnahme eines kleinen Stückes, der
Cornea adhärent und überkleidet in starker Verdünnung den
Grund der oben erwähnten, an der Corneoskleralgrenze ge-
legenen, kleineren Ausbuchtung, welche sich als Intercalar-
staphylom darstellt, da der Ciliarkörper erst an ihrem hin-
teren Ende sich an die Sklera ansetzt. Das pupillare Ende
der Iris ragt vom centralen Rande des Staphyloms noch ca.
^/s mm weit frei in die vordere Kammer hinein (Fig. 1, p. p. i.).
Der Ciliarkörper ist oben wie unten dünn, und die Ciliar-
fortsätze abgeplattet. Die Aderhaut ist, wie bemerkt, ent-
sprechend der Ausdehnung des Aequatorialstaphyloms unter-
brochen, desgleichen die Retina (Fig. 1, r. r. et eh.); der be-
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 141
treffende Theil der fibrösen Bulbushtllle unterscheidet sich von
den benachbarten Abschnitten der Sklera, deren Fortsetzung
er darstellt, durch eine geringe Zunahme der Dicke und durch
schwächere Färbung mit Hämatoxylin und Eosin (Fig. 1, sei. st.);
am Rande der Ausbuchtung sind die verschiedenen Theile
scharf von einander abgesetzt.
Die Pupille ist stark erweitert, nahezu 8 mm weit; hier-
durch steht die an sich seichte vordere Kammer in weiter
Communikation mit der hinteren Augenkammer, welche be-
trächtlich tiefer ist als in der Norm. Die grössere Tiefe der
hinteren Augenkammer ist bedingt einmal durch das Vorhan-
densein des Intercalarstaphyloms, wodurch die Ciliarfortsätze
und damit die Insertion der Zonula nach hinten verschoben
sind, sowie durch die Dehnung der Ciliarfortsätze selbst, die
auch auf der dem Intercalarstaphylom entgegengesetzten Seite
vorhanden ist; sodann durch Veränderungen der Linse, welche
nach hinten geschoben und verkleinert ist. Die vordere
Fläche der Linse ist stark abgeflacht und leicht wellig, aber
wie aus der scharfen Begrenzung hervorgeht, noch von der
Vorderkapsel überzogen; sie liegt 5,5 mm hinter der Aussen-
fläche der Hornhaut. Der Aequatorialdurchmesser der Linse
beträgt nur knapp 8 mm; ihr Rand ist beiderseits scharf zu-
gespitzt; der angrenzende Theil der hinteren Fläche ist noch
in geringer Ausdehnung von Kapsel überzogen, der übrige
Theil der hinteren Fläche ist sehr unregelmässig begrenzt,
indem hier die Linsensubstanz offenbar durch eine weite Kap-
sellücke (Fig. 1, r. c. 1.) zur Quellung gebracht, zerklüftet und
theilweise resorbirt ist. Die quellenden Linsenmassen gehen
ohne scharfe Grenze in die umgebende, verdichtete Olaskörper-
substanz über.
Der Glaskörper ist weit von der Innenfläche der Retina
abgelöst, nach vorn zusammengezogen und nimmt nur einen
kleinen Theil des ihm zukommenden Raumes ein. Die Ab-
lösung erstreckt sich oben (Fig. 1, a. c. v.) bis zum hinteren
Rand des Staphyloms, unten bis zur Ora serrata der Netzhaut.
Im übrigen Theil des Raumes findet sich nur eine geringe
Menge durch die Härtungsflüssigkeiten geronnener Eiweiss-
masse, die auch in dünner Schicht dem grössten Theil der
Netzhaut an ihrer Innenfläche aufgelagert ist. Eine seichte
Abhebung der Retina von der Aderhaut ist grösstentheils erst
Folge der Härtung.
Die Papille zeigt eine seichte trichterförmige Excavation
142 J- Duffing.
(Fig. 1, e); auch erscheint die Lamina cribrosa etwas nach
hinten ansgebuchtet (Fig. 1, 1. er.).
Mikroskopischer Befand.
Das Hornhantepithel zeigt stellenweise vesicnläre Degene-
ration der obersten Zellschicht; anch sind, besonders in der
Peripherie, vereinzelte Lenkocyten zwischen seine Elemente
eingelagert; am Limbus ist dasselbe nicht nnerheblich verdickt.
Die Substantia propria zeigt, abgesehen von der Stelle
.der Verletzung, keine bedeatenden Veränderungen: vom unteren
Rande aus haben sich Gefässe eine Strecke weit in dieselbe
hinein fortgesetzt, die Lamellen sind etwas gelockert, am Lim-
bus findet sich eine ziemlich ausgesprochene, kleinzellige In-
filtration.
An der Stelle der Narbe in der Homhautmitte sind die
LamellenzOge unterbrochen und durch ein zellenreiches Binde-
gewebe eine Strecke weit auseinander gedrängt. An der Innen-
fläche sind die Enden der D es cemet'schen Membran und die
angrenzenden Lamellen etwas einwärts gebogen, wodurch ein
trichterförmiger Raum entsteht, der nicht ganz von Narben-
gewebe ausgefüllt ist. Das Narbengewebe hat ungefähr im
innem Drittel des Dickendurchmessers der Cornea die grösste
Breite; an der Aussenfläche füllt es nicht nur die Lücke der
Bow man 'sehen Membran aus, sondern erstreckt sich noch ein
wenig auf die Aussenfläche hinüber; hierdurch entsteht eine
kleine, hügelige Prominenz, welche das Epithel in die Höhe
hebt; in der Ausdehnung derselben fehlt die Cylinderzellen-
schicht des Epithels, es finden sich nur die mittleren und
äusseren Zelllagen.
Das Narbengewebe besteht zum grössten Theil aus Zellen,
welche meist abgeplattet, mit Ausläufern versehen oder spindel-
förmig gestaltet, dicht an einander gelagert sind, und zwischen
denen eine kleinere Zahl mehr rundlich gestalteter vorkommt;
die Kerne sind meist gross, oval, selten klein und dunkler ge-
färbt vom Aussehen der Leukocjtenkerne. Sehr viele dieser
Zellen enthalten Kömchen eines hellgelben Pigments in reich-
licher Menge, und zwar nicht nur die Lenkocyten, sondern
auch in grosser Zahl die Bindegewebszellen. In der Nähe
finden sich vereinzelte kleinere Zellen, die mit den gleichen
Pigmentkömehen erfüllt sind, in das Hornhautgewebe ein-
gelagert
UntersuchuDg eines Auges mit doppelter Perforation etc. I43
Unterhalb der Comealnarbe, nach hinten von der Corneo-
skleralgrenze, befindet sich im Bereich der Sklera das oben
erwähnte Intercalarstaphylom (Fig. 1. int st.). Die vordere
und obere Grenze dieses Staphyloms liegt am Comealfalz;
die hintere untere Grenze befindet sich dicht vor der In-
sertion des Ciliarmuskels. Die Sklera endigt am hinteren
Rande der Ektasie scharf abgeschnitten (Fig. 1. r. sei.); anf
ihrer Anssenfläche liegt hier eine Schicht verdichteten epi-
skleralen Gewebes, dessen Fasern am Perforationsrande senk-
recht zur Oberfläche der Sklera gerichtet sind; sie gehen dann
über in die Wand des Intercalarstaphyloms und setzen sich am
vx)rdem Rande des letzteren ohne scharfe Grenze in das Horn-
hautgewebe fort Diese aussen kaum prominirende Wand des
Intercalarstaphyloms hat in meridionaler Richtung eine Länge
von ca. 3 mm; sie besteht aus mehr lockerem, fibrillärem Binde-
gewebe mit länglichen Kernen; das lockere GefQge dieses Ge-
webes, das andere Aussehen seiner Kerne — sie sind grösser
und färben sich mit Hämatoxjlin weniger stark als die Kerne
des normalen Skleralgewebes — , sein anderer Faserverlauf,
sowie der Umstand, dass die Sklera in ihrer ganzen Dicke
hinten durchbrochen erscheint, sprechen dafür, dass es wirk-
lich neugebildetes Gewebe und nicht aus einer Dehnung her-
vorgegangen ist Zwischen den Bindegewebsfibrillen finden sich
an einzelnen Stellen Anhäufungen von Zellen, welche braunes
Irispigment aufgenommen haben, das offenbar infolge der Yei^
letzung frei geworden war.
Die Iris bedeckt die Innenfläche des Intercalarstaphyloms
und ist mit ihr verwachsen ; sie ist sehr stark verdünnt, stellen-
weise bis auf die Pigmentschicht atrophirt, deren gewuchertes
Pigmentepithel zwei lange, quer über die Ektasie sich aus-
spannende Fortsätze bildet; an einer Stelle, die wohl der Stich-
wunde entspricht, fehlt sie vollständig. Nur der Pupillartheil
dieses Irisabschnittes ist noch erhalten und ragt frei in die
vordere Kammer (Fig. 1. p. p. i.); sein Gewebe ist zellig in-
filtrirt und enthält reichliche Pigmentzellen.
Aehnliche Veränderungen zeigt die Iris der oberen Augen-
hälfte, ausserdem kleine Hämorrhagieen und eine eigenthüm-
liche Wucherung des Pigmentepithels, bei der die Zellen sich
papillenartig erheben und mit ihren seitlichen Grenzflächen
übereinander greifen; einzelne Pigmentkörnchenzellen liegen in
der vorderen Grenzschicht der Iris, stellenweise auch in der
ganzen Dicke der Iris eingestreut. Gegen den Kammerwinkel
144 «T- Duffing.
nehmen an beiden Irishälften die entzündlichen Veränderungen
zu; an der unteren ist diese Zunahme bedingt durch die Ver-
letzung, an deren Stelle das Intercalarstaphylom aufgetreten
ist, an der oberen durch ein Trauma leichterer Art, das die
Iris gerade am Uebergang in den Ciliarkörper getroflfen und
die Sklera mit verletzt hat (Fig. 1. ci. i). Die Iris ist an
der betreffenden Stelle von innen nach aussen eingeknickt,
ihr Gewebe unterbrochen, das Pigmentepithel stark gewuchert;
die Skleralfaseru des inneren Drittels sind durchtrennt, das
periphere Ende der durchtrennten Parthie ist im Zusammen-
hang etwas von den unverletzten Schichten nach innen zu ab-
gehoben, die dadurch entstandene Lücke, sowie der durch die
Trennung der Skleralfasern entstandene Zwischenraum ist durch
zellenreiches Narbengewebe ausgefüllt. Diese Veränderungen
finden sich nur an einer kleinen Zahl von Schnitten, woraus
zu schliessen ist, dass die Verletzung nur eine ganz umschrie-
bene Stelle getroffen hat.
Um so stärker sind die Veränderungen, welche die Stich-
säge in der Gegend des schon erwähnten Aequatorialstaphyloms
bewirkt hat. Der Uebergang des ursprünglichen Skleralge-
webes in das Narbengewebe dieses Staphyloms (Fig. 2) ist
dadurch charakterisirt, dass die regelmässig verlaufenden, in
meridionaler und äquatorialer Richtung sich durchflechtenden
Fasern der Sklera einen unregelmässigen Verlauf annehmen und
zum Theil wellig gebogen sind; in dem Narbengewebe selbst
(Fig. 2, neugebildetes Gewebe) fehlen die äquatorialen Fasern, es
finden sich vorwiegend parallel zur Schnittrichtung verlaufende
Fasern eines fibrillären Bindegewebes, die, zu Bündeln vereinigt,
in sich durchflechtenden, hie und da Lücken zwischen sich lassen-
den Zügen die Wand des Staphyloms ausmachen. Rundzellen
fehlen, dagegen finden sich viele spindelförmige etwas abge-
plattete Kerne, die grösser, zahlreicher und weniger stark ge-
färbt sind, als in dem benachbarten normalen Skleralgewebe;
das Gewebe, dem sie angehören, ist blasser und von einzelnen
neugebildeten Gefässen durchzogen.
Hier haben wir es, wie oben bei dem Intercalarstaphylom,
offenbar mit neugebildetem Gewebe zu thun, wofür das lockere
Gefüge, der veränderte Fasorverlauf, die schwächere Färbung,
die Vermehrung und Vergrösserung der Korne spricht; die
neugebildete Bindegewebsmembran vereinigte die auf 5 mm
klaffenden Wundränder, ohne dass eine erhebliche Dehnung
des Narbengewebes stattgefunden zu haben scheint, denn das-
. Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 145
selbe ist ebenso dick, stellenweise sogar dicker, als das nor-
male Skleralgewebe. Retina und Chorioidea fehlen in der
ganzen Aasdehnung der Narbe.
An der Durchtrittsstelle des Sehnerven durch die Sklera,
an der Lamina cribrosa, finden wir die Bindegewebsfasern
stark nach hinten ausgebuchtet, so dass ein tiefer Trichter
entstanden ist, dessen Spitze das äussere Niveau der Sklera
erreicht. Der Trichter ist ausgefüllt von einem lockeren Binde-
gewebe, das mit sehr zahlreichen, grossen Pigmentkörnchen*
zollen infiltrirt ist. Das Gewebe der Papille und der angrenzende
Theil der Nervenfaserschicht ist stark atrophirt, die Nerven-
fasern grossentheils geschwunden, die Neuroglia gewuchert und
kernreicher als in der Norm.
In der vorderen Kammer sind überall die Wände mit
Pigmentkörnchenzellen bedeckt, die hämatogenes Pigment ent-
halten, das aus den Blutkörperchen einer Kammerblutung her-
vorgegangen ist; diese Körnchenzellen liegen an der Hinter-
fläche der Hornhaut, besonders reichlich aber an der Yorder-
fläche der Iris, in welche sie vereinzelt eingewandert sind, und
in dem Kammerwinkel. Hier bilden sie neben Leukocyten
und rothen Blutkörperchen das Material, das den Fontana-
schen Raum und die Kammerbucht ausfallt, soweit diese nicht
schon durch Verwachsung des Ligamentum pectinatum mit der
vorderen Irisfläche obliterirt ist.
Während nun die Iris mit ihrem Ciliartheil nach vorn
gedrängt ist, sind die Ciliarfortsätze stark nach hinten ausge-
wichen, atrophisch, die Kerne vermehrt; desgleichen ist der
Mnsculus ciliaris atrophisch, sein Gewebe dichter und kern-
reicher; besonders verringert sind die circulären Fasern, besser
erhalten sind die meridionalen.
Die Chorioidea ist etwas atrophirt^ gefössarm, das Gewebe
dichter gefQgt als gewöhnlich; in der Ausdehnung des Aequa-
torialstaphyloms ist dieselbe unterbrochen, die Endstücke mit
dem neugebildeten Skleralgewebe und der ebenfalls unter-
brochenen Netzhaut verwachsen; im hinteren Bulbusabschnitt
finden sich in der Chorioidea um die Gefässe kleinzellige In-
filtrationen und kleine Extravasate, die Gefässlumina selbst
sind mit Rundzellen gefüllt, sodass man eine geringe Entzün-
dung annehmen darf.
Das Pigmentepithel der Netzhaut ist streckenweise normal;
an anderen Stellen finden sich die Zellen zum Theil über ein-
ander gelagert, an anderen mehr oder minder ihres Pigmentes
V. Qraefe'B ArchiT für Ophthalmologie. XL. 2. 10
146 J. Duffing.
verlustig; vielfach sieht man auch mehr oder minder zahlreiche
Zellen aus ihrer Verbindung gelöst und zwischen Epithel und
der etwas abgehobenen Netzhaut zerstreut, in einer geronnenen,
flockigen Eiweissmasse eingebettet, welche auch einzelne rothe
Blutkörperchen und runde, myelinartige Tropfen einschliesst;
manche von den abgehobenen Pigmentzellen zeigen zahlreiche,
mitunter verzweigte Ausläufer. Besonders auffallend sind diese
Veränderungen in der Umgebung des Aeqnatorialstaphyloms,
wo die Zellen in grosse, kernhaltige Pigmentklumpen umge-
wandelt sind. Unzweifelhaft hat zwischen Pigmentepithel und
Retina ein seröser Erguss stattgefunden, der aus den Ader-
hautgefässen stammt. Die Netzhaut ist etwas abgelöst, am
stärksten hinter dem Aequatorialstaphylom und im unteren
Theil des Augapfels; doch war die Ablösung, wie man au der
geringen Dicke der Eiweissschicht sehen kann, im Leben nur
sehr seicht und hat erst durch die Härtung etwas zugenommen.
Die bedeutendsten Veränderungen linden sich an der Papille
und an der Nervenfaser- und Ganglieuzellenschicht. Die Pa-
pille zeigt eine seichte, trichterförmige Ezcavation; an der
Lamina cribrosa sind die Nervenfasern stark atrophirt, man
sieht zwischen den quer verlaufenden Skleralfasern nur noch
Spuren von Nervenfasern, die jene in senkrechter Richtung
durchsetzen; dieselben treten deutlicher erst peripher von der
Lamina cribrosa hervor. Im Grund der Ezcavation liegt zellen-
reiches, neugebildetes Bindegewebe, mit zahlreichen, grossen
Fettkörnchen- und Pigmentkörnchenzellen, sowie blutkörperchen-
haltigen Zellen, offenbar durch Organisation von in den Glas-
körper ergossenem Material entstanden. Die am Rand der
Ezcavation liegenden Nervenfasern sind degenerirt, das Sttttz-
gewebe stark vermehrt und kernreich. Die Adventitia der
Centralgefässe ist mit Rundzellen infiltrirt, dazwischen liegen
gleichfalls einzelne Pigmentkörnchenzellen. Die Nervenfaser-
schicht enthält zahlreiche, ovale und spindelförmige Kerne, die
wahrscheinlich dem Stützgewebe angehören; die Adventitia der
Gefässe ist mit Rundzellen durchsetzt, die Venen sind etwas
erweitert, die Arterien verengert. Die Veränderungen sind
am stärksten in der Nähe der Papille und nehmen gegen die
Peripherie an Stärke ab. Die Ganglienzellenschicht ist sehr
reducirt, an einzelnen Stellen fast nicht mehr als besondere
Schicht zu erkennen. Die Radiärfasern sind auffallend ver-
dickt, ihre Zahl scheint vermehrt zu sein; zwischen denselben
liegen kleine cystoide Räume, die hie und da commaniciren.
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 147
Die Elemente der Stäbchenschicht sind infolge der Abhebung
stellenweise verlängert und zugleich durch das Transsudat aus-
einander gedrängt; die übrigen Netzhautschichten zeigen keine
deutliche Veränderung. Dem Innensaum der Retina, der durch
die Basis der Radiärfaserkegel gebildet wird, liegt stellenweise
ein ähnliches, eiweissartiges Material auf, wie wir es zwischen
Pigmentepithel und Retina getroffen haben, und hat die Mem-
brana hyaloidea abgehoben. Die Unterbrechung der Netzhaut
in der Ausdehnung des Aequatorialstaphyloms wurde schon er-
wähnt, daneben ist die Retina streckenweise vollkommen atro-
phirt und bindegewebig entartet.
Fassen wir die Veränderungen am Uvea und Retina zu-
sammen, so ergiebt sich:
Die Irisperipherie ist nach vorn gedrängt und mit Sclera
und Cornea verwachsen; die Verdrängung ist bedingt theila
durch die beschriebenen Verletzungen der Irisperipherie, theils
durch die Erhöhung des Augendrucks. Das Irisgewebe zeigt
einen geringen entzündlichen Zustand. Die Giliarfortsätze sind
atrophisch und haben sich von der Iris zurückgezogen, nach-
dem sie vielleicht früher stark geschwellt und nach vorn ge-
drängt waren. An der Aderhaut fand sich Auflockerung der
Suprachorioidea durch entzündliches Oedem, partielle Infiltra-
tion mit Rundzellen, sowie ein geringes Exsudat zwischen Cho-
rioidea und Retina. Die Papille zeigt eine Excavation und
Atrophie der Nervenfasern, die wohl auf die Drucksteigerung
zurückzuführen sind. Die Nervenfaserschicht und Ganglienzellen-
schicht sind atrophirt, ihr Stützgewebe gewuchert.
Es bleibt noch übrig, einige Veränderungen in dem Binnen-
raum des Auges zu betrachten. Der Glaskörper ist abgelöst,
geschrumpft und nach vom gegen die Linse gezogen. An seiner
hinteren Begrenzung liegen in grosser Menge Kömchonzellen,
an einzelnen Stellen noch gut erhaltene, massenhafte rothe Blut-
körperchen; im Inneren des abgelösten Glaskörpers befindet
sich ein körniger Detritus mit einzelnen, deutlich erkennbaren,
rothen Blutkörperchen, so dass man annehmen darf, dass eine
starke Blutung in den Glaskörper stattgefunden hat, welche
allmählich resorbirt und organisirt wurde und durch letzteren
Vorgang eine Glaskörperschrumpfung herbeiführte. Es erklärt
sich aus dieser Blutung auch der grüne Schein, der am leben-
den Auge aus der Tiefe kam. Eine fast auf allen Schnitten
schon makroskopisch sichtbare Hämorrhagie findet sich am
10*
148 J. Duffing.
Grund der aateren Augenhälfte nach hinten von dem Inter-
calarstaphylom (Fig. 1. h).
Die Linse ist direct nach hinten in den Glaskörperranm
luxirt. Die hintere Kapsel ist nahe dem unteren Linsenrand
gerissen (Fig. 1. r. I.), ihr unteres Ende ist auf den Schnitten
nach hinten und unten spiralig umgerollt, ihr oberes Ende
noch eine Strecke erhalten; die Linsensubstanz ist zum grossen
Theil aus der weiten, klaffenden Kapsellücke ausgetreten und
dringt hinter der Linse in den Glaskörperraum vor. Die aus-
getretenen Linsenfasern findet man in allen Stadien des Zer-
falls: körnige Trübung mit Vacuolenbildung, Querstreifung,
Detritus und Myelinkngeln. Der innerhalb der Kapsel zurück-
gebliebene Theil hat, abgesehen von der Abdachung, im allge-
meinen die Form der Linse bewahrt, nur am Aequator ist er
schnabelförmig ausgezogen. Hochgradige Veränderungen finden
sich an der Corticalis der vorderen Fläche und am Aequa-
tor. Die Linsenfasern der Aequatorialzone haben sich in
Blasenzellen umgewandelt mit ovalem, deutlich sichtbarem Kern;
zwischen ihnen finden sich grosse Vakuolen. Die vordere Cor-
ticalis ist von kleinen und grösseren Vakuolen durchsetzt; das
Kapselepithel zeigt Sparen von Wucherung; am Aequator ist
dasselbe an der Rissstelle von der Innenfläche eine ziemliche
Strecke weit auf die Aussenseite hinüber gewachsen. Die Linse
zeigt also die Veränderungen wie bei traumatischer Katarakt.
Was die Circulationsverhältnisse im Auge betrifft, so fin-
den wir die vorderen Ciliarvenen erweitert, ihre Umgebuug
stark infiltrirt, ebenso das subconjunctivale Zellgewebe, eine
geringe Infiltration in der Adventitia der Arterien. An den
hinteren Ciliargefässen, sowie an den Venae vorticosae sind
keine deutlichen Veränderungen zu finden. Dass die Central-
gefässe und ihre Aeste verändert sind, wurde schon erwähnt
Den Vorgang bei der Verletzung haben wir uns so
zu denken, dass die Stichsäge im unteren äusseren Qua-
dranten der vorderen Augenhälfte hinter dem Limbus con-
junctivae das Auge traf und, die Sklera und das Liga-
mentum pectinatimDL, das letztere peripher von seinem
Ursprung aus der Membrana Descemetü, durchbohrend, im
Kammerwinkel in das Augeninnere eintrat Von da nahm
sie ihren Weg durch den Ciliartheil der Iris, dicht am
Uebergang dieser in den CSliarkörper — dass die Lis wirk-
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 149
lieh durchbohrt wurde, beweisen einige Schnitte, in denen
das Irisgewebe an der betreiFenden Stelle vollständig fehlt — ,
streifte die Spitzen der Ciliarfortsätze, perforirte und dehnte
die Zonula Zinnii und traf die linse an ihrer hinteren
fläche. Dass die hintere Linsenfläche getroffen wurde, ist
auffallend; denn betrachtet man einen Durchschnitt durch
ein normales Auge, so sollt« man bei der angegebenen
Einstichstelle und der Austrittstelle der Säge hinter der
Ora serrata der gegenüber liegenden Seite, glauben, dass
die Vorderfläche der Linse oder ihr Aequator getroffen
werden müsste; der Eiss liegt aber in der hinteren Kapsel
zwischen erstem und zweiten Drittel der hinteren Circum-
ferenz, und die vordere Kapsel ist allenthalben intact. Man
kann zur Erklärung entweder annehmen, dass die Linse,
indem bei dem Einstich das Kammerwasser abfloss, nach
vom gerückt war, oder dass die Säge senkrecht zur Sklera
in radiärer Richtung eindrang, zwischen Corpus ciliare und
unterem Linsenrand hindurchging, dann aber ihre Verlaufs-
richtung änderte, indem der Sägengriff stark gesenkt wurde,
oder indem das Auge eine Rotation machte. Die Säge
drang dann schräg nach oben, innen und hinten und per-
forirte die fiulbuskapsel von innen nach aussen, dicht hinter
der Ora serrata, etwas nach innen vom Rectus superior.
Die beschriebene Verletzung der Lis in der oberen
Bulbushälfte kann nicht direct durch das Eindringen der
Säge hervorgerufen worden sein, ebensowenig die Hom-
hautwunde; beide sind zu klein, als dass sie von der Spitze
der Säge herrühren könnten, auf dem Querschnitt keil-
förmig, die Spitze des Keils nach der Aussenfläche des
Bulbus gerichtet, und durchbohren die Bulbuskapsel nicht
vollständig, sondern lassen die äusseren Schichten intact,
sind also offenbar von innen aus erfolgt. Ihre Entstehung
ist vielleicht so zu erklären, dass die erwähnten Theile,
nachdem der vordere Abschnitt des Auges infolge des
Kammerwasserabflusses, vielleicht auch Glaskörpervorfalles
150 J. Duffing.
zusammengefallen war, beim Herausziehen der Säge, deren
Zähne wir nach vom und innen gerichtet denken, mit Säge-
zähnen in Berührung kamen.
Die unmittelbaren Folgen der Verletzung waren die
doppelte Perforation der Bulbuskapsel, die Perforation der
Iris, die Zerreissung der Zonula Zinnii im äussern untern
Theil, der Linsenkapselriss und ein grosser Bluterguss in
den Glaskörperraum, Aufhebimg der vordem Kammer, Iris-
und Glaskörpervorfall.
Nach der Verletzung hat sich die kleinere Einstich-
öfl&iung durch Einlagemng der Iris wohl bald wieder ge-
schlossen, und die vordere Kammer wurde wieder herge-
stellt; durch die grosse aequatoriale Wunde der oberen
Bulbushälfte fand wahrscheinlich längere Zeit ein Durch-
tritt von Glaskörperflüssigkeit statt, und dieser nach hinten
und oben gerichtete Flüssigkeitsstrom erklärt wohl dieVer-
lagemng der Linse in den Glaskörperraum, die imi so
leichter stattfinden konnte, als die Zonula auf der unteren
äusseren Seite gedehnt und zerrissen, der Glaskörper zum
Theil ausgetreten war und seine spätere Schrumpfung
direct einen Zug auf die linse nach hinten ausübte.
Durch den Kapselriss konnte das Kammem^^asser un-
gehindert in die Linse eintreten; es folgte eine stürmische
Quellung der Linsensubstanz, wodurch die Lis nach vom
gedrängt wurde. Die Iriswurzel legte sich dem vordersten
Theil der Sklera, also der inneren Oberfläche des Liga-
mentum pectinatum, an, dessen Function durch die Per-
foration unten und aussen, sowie durch die Einknickung
der Iriswimsel oben imd innen, ohnehin schon schwer ge-
schädigt war. Durch diese Verödung der Kammerbucht,
die Verlegung des Fontana'schen Raumes wai' der wich-
tigste Abflussweg der Augenflüssigkeiten, welcher durch das
Ijigamentum pectinatum in den Schlemm 'sehen Canal
führt, verschlossen, woraus bei gleichbleibendem Zufluss eine
Drucksteigerung im Bulbus resultirt.
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 151
Die Folgen der Drucksteigemng waren eine Abplat-
tung und Dehnung des Ciliarkörpers, Excavation der Pa-
pille, beginnende Atrophie der Nervenfaser- und Ganglien-
zellenschicht der Retina in der Nähe des Sehnerveneintritts
und Ektasie der Bulbuskapsel an den Stellen der früheren
Perforation.
Skleralektasien sind immer die Folge eines Missver-
hältnisses zwischen intraoculärem Druck und Resistenz der
Sklera, sie können also entstehen:
a) wenn der innere Druck pathologisch erhöht ist bei
normalem Verhalten der Sklera; praedisponirt sind dann
die Stellen, wo Nerven und Gefasse durch die Sklera hin-
durchtreten und wo die Sklera die geringste Dicke besitzt,
die Aequatorialgegend;
b) bei verminderter Widerstandsfähigkeit der Sklera,
sei es durch Entzündimg derselben, Geschwülste oder Ver-
letzungen, bei normalem Verhalten des Augendruckes;
c) wenn beide Bedingungen zusammentrefiFen, wobei
jedoch zu bemerken ist, dass die Drucksteigerung oft erst
eine Folge der Ektasie ist
Fuchs ^) sagt über die anatomische BeschaflFenheit des
Skleralstaphyloms: „Die anatomische Beschaffenheit des
Skleralstaphyloms ist eine wesentlich andere, als die des
Homhautstaphyloms. Während dieses aus einem Narben-
gewebe besteht, das an die Stelle der verloren gegangenen
Hornhaut getreten ist, wird das Skleralstaphylom durch die
Sklera selbst gebildet Diese ist an der Stelle der Ektasie
nicht verschwunden, sondern nur verdünnt, so dass sie oft
nicht dicker als ein Blatt Papier ist" Dies Verhalten
wird sich wohl vorzugsweise auf die nicht traumatischen
Staphylome beziehen.
Das beschriebene Skleralstaphylom bietet, sowohl in
Bezug auf die Art und den Ort seiner Entstehung als be-
*) 1. c. S. 257.
152 J. Duffing.
züglich seiner anatomischen Beschaffenheit, verschiedene
interessante Eigenheiten:
1) das Skleralstaphylom bildete sich auf die von innen
aus erfolgte Perforation sämmtlicher Augenhäute im Aequator
der oberen Bulbushälfte, während Staphylome dieser Ge-
gend gewöhnlich nicht traumatisch, sondern die Folge einer
Drucksteigerung sind, die an den Stellen des geringsten
Widerstandes einsetzt;
2) traumatische Staphylome der oberen Bulbushälfte,
wie sie häufig bei Rupturen der Sklera nahe dem Hom-
hautrande durch Einwirkung einer stumpfen Gewalt ent-
stehen, beruhen auf einer Dehnung und Verdünnung der
Skleralnarbe imd des umgebenden Skleralgewebes ; hier
haben wir ein Staphylom, das aus vollständig neugebildetem
Gewebe besteht, das von der Sklera geliefert wurde; und
dieses Gewebe ist nicht verdünnt, sondern ebenso dick wie
die normale Sklera;
3) die Fasern des neugebildeten Gewebes verlaufen
nicht senkrecht zur Faserrichtung der Sklera, wie gewöhn-
lich beobachtet wurde [vergl. MicheP) und Schunkitz
Miyashita*)], sondern halten denselben Verlauf ein, wie
die normale Sklera und gehen so unmerklich in das be-
nachbarte normale Gewebe über, dass die Perforationsendeu
nicht wahrnehmbar sind, während bei Skleralrupturen ge-
wöhnlich Heilung mit Verschiebung und Winkelstellung
der Wundränder gegen einander stattfindet, wie von Th.
Sachs ^) beobachtet wurde.
Auf diese Weise trat Heilung einer ziemlich grossen
Wunde ein, ohne dass dies dem Auge etwas nützte, weil
pathologische Drucksteigerung bestand. Die Wunde war
eine subconjunctivale, weil sie von innen nach aussen er-
folgte, der Wundverlauf aseptisch; bei Berstungen der Sklera
*) 1. c. *) 1. c. *) Th. Sachs, Ueber traumatische Skleral-
ruptur im vorderen Bul busabschnitt. Arch. f. Augenheilkunde, Bd. XX,
S. 399 u. f.
Untersuchung eines Auges mit doppelter Perforation etc. 153
finden sich ähnliche Vorgänge und sind von Th. Sachs ^)
näher beschrieben.
An dieser Stelle sei es mir gestattet, meinem verehr-
ten Lehrer, Herrn Professor Leber, für die fi^undliche
Ueberweisung der vorliegenden Arbeit und die vielfache
Unterstützung bei derselben meinen herzlichsten Dank aus-
zusprechen.
Erklärung der Abbildungen auf Taf. V.
Fig. 1. Nahezu verticaler Durchschnitt durch die Mitte des
Auges und des Aequatorialstaphyloms. sei. st. = Skleralstaphylom ;
int. St. = Intercalarstaphylom ; p. p. i. =^ pars pupillar. irid. ; r. r. et eh.
= ruptura retin. et chorioid.; r. c. 1. =^ ruptura capsulae lentis;
a. c. v. = amotio corpor. vitrei; e = excavatio; 1. er. = lamina
cribrosa; r. sei. = ruptura sclerae; ci. i. = cicatrix iridis; h == Hämor-
rhagie.
Fig. 2 stellt den Uebergang des normalen Skleralgewebes in
das Narbengewebe dar und zeigt, wie die äquatorialen P'asem all-
mählich aufhören, um in einer Richtung verlaufenden Fasern Platz
zu machen, und wie an Stelle der spärlichen schmalen Kerne zahl-
reiche grosse Kerne treten.
») 1. c.
Ueber ßostablagernng in der Hornhaut
Von
Dr. Rudolf Gruber.
Assistenten an der I. Wiener Augenklinik.
Hierzu Taf. VI, Fig. 1.
Fremdkörper, die in den Bulbus eindringen, können,
wenn wir von den durch primäre Infection hervorgebrachten,
den weiteren Verlauf pathologisch und kUnisch fast aus-
schliesslich beherrschenden Folgezuständen absehen, sehr
verschiedene Erscheinungen hervorrufen, die theils von dem
Sitz des Fremdkörpers und der Art der Verletzung, theiLs
aber, wie wir durch die Arbeiten Leb er 's') und seiner
Schule wissen, von der chemischen Beschaffenheit des Fremd-
körpers abhängen. Allerdings kommt dabei noch die Mög-
lichkeit secundärer Infection in Betracht, jedoch ist diese
Gefahr selbst bei so exponirtem Sitz der Fremdkörper wie
in der Hornhaut, wo das Hineingelangen septischer Sub-
stanzen aus dem Bindehautsack doch vcrhältnissmässig leicht
M Tli. Leber: üeber die Wirkung von Fremdkörpern im Innern
des Auges. Internat. Med. Congr. London 1882 und v. Graefe*»
Arch. f. Ophth. Bd, XVIII.
Th. Leber: Die Entstehung der Entzündung und die Wirkung
der entzündungerregenden Schädlichkeiten etc. Leipzig 1891.
Landmann: Ueber die Wirkung aseptisch in das Auge ein-
gedrungener Fremdkörper; v. Graefe's Arch. f. Ophth. Bd. XVIII.
r«f«r Ro«staKUg<may in der Horelttst. 155
wäie. keine sehr efbebHclie. Bei meinen Veisachen« bei
dmen die Incabationsdaner der aseptisch eingeführten FWmd«
koTfer nur eine ziemhch kone war. erhielt ich beinahe nie
secandäre Eitenmg. Hiennit stimmen anch die Ergebni^i^^
der darüber angestellten Versuche Leber*s*> sowie die
kfinische Beobachtung übeiein.
Was nun die chemische Beschaffienheit des einge-
drungenen Fremdkörpers anbelangt, ergeben sich zwischen
den einzelnen Substanzen derart eingreifende Unterschiede,
dass wir danach eine Gruppining der in Frage kommen-
den Körper insofern vornehmen können, als einielno
beinahe keine chemische Beizung im Gewebe herrorrufen,
während andere intensive Entziindung. ja sogar, ausschliess-
lich auf Grundlage ihrer chemischen Beschaffenheit, Eite-
rung anregen können. Zwar hat sich die ursprüngUch
scharfe Unterscheidung zwischen chemisch difierenten und
indifferenten Körpern nicht fe-^thalten lassen; nichts desto
weniger können wir, namentlich für practische Zwei'ke, in
Bezug auf den vorderen Uvealtract das Silber, (loKl und
das Glas als indifferent ansehen, da sie nur ausseixmlent-
heb geringe chemische Beizungserscheinungen erregen, wHh-
rend die übrigen Substanzen immer, wenn auch gi'tiduell
verschiedene Entzündungszustände hervoiTufen, die sich bei
Kupfer und Quecksilber bis zur Eitening steigern, wiUi-
rend sie bei Eisen und Blei auf einer geringeren Stufe
stehen bleiben und einer leichteren Beparation fällig sind.
Ein Fremdkörper kann nur dann chemisch ivizend
wirken, wenn er unter Bedingungen, wie sie im Augt^
gegeben sind, lösUch wird, ohne dass der Grad dieser Ijös-
lichkeit der Heftigkeit der Entzündung propoi-tional wäre,
indem noch dabei die specifische Wirksamkeit der gelösten
Substanz in Bechnung kommt, und die längere Dauer der
^) Leber, Entstehung der Entzündung etc. S. 185.
156 K. Gruber.
Einwirkung einer auch wenig löslichen Substanz die Reiz-
wirkung verstärkt
Die specifische Reizwirkung des Eisens ist nun, wie
Leber ^) nachgewiesen hat, eine ziemlich geringe, was um
so auffaUender erscheint, als die Löslichkeit des Eisens eine
beträchthche sein muss, wie man wenigstens aus der Ab-
lagerung einer verhältnissmässig sehr grossen Menge des
aus ihm stammenden und in der näheren und auch ent-
fernteren Umgebung des Fremdkörpers abgelagerten Rostes
schliessen kann, der in der Hornhaut den makroskopisch
namenthch bei längerem Verweilen des Fremdkörpers sehr
deutüch sichtbaren, besonders durch seine gelbbraune Farbe
hervortretenden Rostring darstellt, der zurückbleibt, wenn
der Fremdkörper selbst extrahirt wird. Das Zustande-
kommen dieses aus Eisenoxydhydrat bestehenden Rost-
ringes erklärt Leber in der Weise, dass durch die Ein-
wirkung der trotz alkahscher Grundreaction in der Horn-
haut stets vorhandener freien Kohlensäure (vielleicht aber
auch der sauren Carbonate) das metallische Eisen als
saures kohlensaures Eisenoxydul in Lösung gelangt und
dann erst secundär durch Einwirkung der atmosphärischen
Luft als Eisenoxydhydrat präcipitirt wird. Allerdings giebt
es auch noch andere Möglichkeiten für die Uebertragung
des metallischen Eisens in Eisenoxyd bei vorhergegangener
Löslichkeit desselben:
1) ist nämlich das Eisenoxydul in sehr wenig Luft
enthaltendem Wasser löslich, wobei der nachherige Luft-
zutritt das Eisen als Oxydhydrat ausfällt; freilich ist dabei
die ausserordentlich geringe directe Löshchkeit des Oxy-
duls (1: 150,000) <) in Betracht zu ziehn.
2) Könnten die vorhandenen sauren Phosphate eine
phosphorsaure Oxydul Verbindung bilden, die durch Sauer-
stoff in Eisenoxydhydrat umgewandelt werden könnte.
») Leber 1. c. S. 220 ff.
•) Bineaii, Compt rend. 41. 509.
lieber Rostablagerung in der Hornhaut. I57
In diesen Fällen sowohl als bei der Lösung des Eisens
als saures kohlensaures Eisenoxydul handelt es sich um
eine anorganische Eisenverbindung; es kann aber auch
3) eine LösUchkeit des Eisens in organischer Fomi
entweder als Albuminat oder in Verbindung mit einer orga-
nischen Säure eintreten, wodurch auch das Eisenoxyd
in Lösung übergehen könnte, was sonst auf gar keine andere
Weise mögUch wäre.
Schliesslich könnte nach Aufaahme reinen Eisens in
Leukocyten erst in diesen die weitere Oxydation vor sich
gehen. Leber hat in der That nicht oxydirtes Eisen in
Rundzellen geftinden. Da aber doch das meiste Oxyd, wie
weiter noch zu besprechen sein wird, sich ausserhalb der
ZeUen vorfindet, und die Regelnlässigkeit der Ausbreitung
in der Hornhaut der Verbreitung des Eisens durch Zell-
thätigkeit widerspricht, müssen wir diese Verbreitungsweise
des Eisens als zwar bis zu einem gewissen Grade vorhan-
den ansehen, ohne ihr aber für das Zustandekommen des
Rostringes eine besondere Bedeutung zusprechen zu können.
Es scheint aber als ob überhaupt, die Lösung des
Eisens in organischer Form für das Auge wenig in Be-
tracht käme. Eine Versuchsreihe, die ich zur Entscheidung
dieser Frage heranziehen möchte, hat mir nämUch gezeigt,
dass bei Einführung reinen Eisenoxyds in die Hornhaut eine
Weiterführung dieser Substanz weder auf gelöstem noch auf
ungelöstem Wege, durch Zellthätigkeit, erfolgt, es demnach
überhaupt nicht zur Bildung eines Rostringes kommt
Würde der Verbreitung des Eisens als Albuminat für
das G«webe eine grössere Bedeutung zukommen, so müsste
auch ein solches Eisenalbuminat aus dem Eisenoxyd ent-
stehen, und damit auch nach Einführung von Eisenoxyd
ein Bostpräcipitat in der Umgebung nachweisbar werden.
Findet aber die Verbreitung des Eisens nur in anorganisch
gelöster Form statt, so kann eine Verbreitung des Eisen-
oxyds im Gewebe überhaupt nicht erfolgen; denn das Eisen-
158 K. Gruber.
oxyd ist den im Gewebe gegebenen anorganischen Lösungs-
mitteln gegenüber unlöslich. Meine Versuche haben mir
nun wirklich gezeigt, dass eine Verbreitung des Eisen-
oxydes im Gewebe nicht stattfindet, dass das Eisenoxyd in
Bezug auf chemische Wirkung dem Homhautgewebe gegen-
über als ganz indifferent und dem Golde gleichwerthig an-
zusehen ist.
Bevor ich auf diese Versuche selbst eingehe, möchte
ich darauf hinweisen, dass Leber ^) bei Lijectionen von
Bost in den Glaskörper nicht die dem metallischen Eisen
zukommenden schädigenden Wirkungen auf den Glaskörper
und die Netzhaut fand, sondern nur eine langsame partielle
Atrophie der Netzhaut constatiren konnte, wie sie auch
nach Einführung von reinem Golde entsteht
Ich ging bei meinen diesbezügUch angestellten Ver-
suchen in der Weise vor, dass ich Katzen Stücke reinen
Eisenoxyds in die Hornhaut einführte. Das Eisenoxyd
wurde dadurch rein hergestellt, dass die feinsten im Han-
del erhältlichen Stahlnadeln durch sehr lange Zeit (120
Stunden) in der Oxydationsflamme des Bunsenbrenners
geglüht wurden, bis sie in Salzsäure aufgelöst mit rothem
Blutlaugensalz keine Spur von Blaufärbung mehr gaben.
Die Einführung in die Hornhaut geschah auf die Art, dass
in der Narkose erst mit einem Schmalmesser aus reinem
Aluminium vorgestochen und dann das sehr bröckelige
Oxydstückchen eingeschoben wurde; meist wurden in eine
Hornhaut 2 — 4 Partikel eingelegt, wobei zur Controle auch
ein Stück metallisches Eisen mit verwendet wurde. Die
Thiere wurden nach einem Zeitraum von 24-- 48 Stunden
wieder vorgenommen, die eingeführten Fremdkörper mit
einer Aluminiumpincette vorsichtig entfernt und die üeber-
führung des Rostes in der übUchen Weise mit gelbem
Blutlaugensalz und Salzsäure zu Berlinerblau vorgenom-
') Leber, Entstehung der Entzündung, S. 242.
Ueber Rostablagerung in der Hornhaut. 159
men. Schon bei makroskopischer Untersuchimg und selbst
vor dem chemischen Nachweis zeigte sich bei Einfuhrung
des Eisenoxyds gegenüber dem metallischen Eisen eine
charakteristische Differenz: während nämhch bei letzterem
sich unter den gleichen Umständen stets ein deuthcher
Bostring und meist auch eine ganz leichte Trübung der
Umgebung darbot, fehlte diese hier vollständig und auch
die BerUnerblaureaction ergab das vollständige Fehlen jeder
Spur von Rost Auch mikroskopisch Hess sich selbstver-
ständUch bis auf geringe Mengen bei der Extraction im
Stichkanal zurückgebUebener Substanz, kein Berlinerblau
nachweisen. Ich möchte übrigens in Bezug auf diese That-
sache auch im Sinne der Leb er 'sehen Entzündungstheorie
hervorheben, dass kein Weiterschleppen des Eisenoxyds
durch Leukocyten sich ergab, trotzdem gerade bei der
bröckeUgen, beinahe pulverig zerfallenden Beschaffenheit
des Fremdkörpers diese bedeutend erleichtert erscheinen
möchte; dies erklärt sich eben dadurch, dass es in Folge
des vollständig fehlenden chemischen Beizes nicht zum Auf-
treten grösserer Mengen von Leukocyten kommen konnte.
Ich möchte den Eisenalbuminaten überhaupt nur eine
sehr untergeordnete Rolle bei der Lösung oder Bindung
des Eisens zuschreiben. Wenn daher das Einhüllen me-
tallischer Fremdkörper durch eiweissreiche Substanzen eine
Verminderung ihrer chemisch reizenden Wirkung zur Folge
hat, wie es sich aus den Leb er 'sehen Untersuchungen
zweifellos ergiebt, so möchte ich diesen Umstand nicht auf
eine durch Bildung eines Albuminates erfolgende Neutrah-
sation der chemischen Wirkung des Eisens zurückführen.
Ich möchte vielmehr annehmen, dass es sich hierbei aus-
schliesslich um Hindemisse handelt, welche das auch inner-
halb dieser Hülle nur in anorganischer Form in Lösung
gelangte Eisenoxydul bei seiner Diffusion findet, wodurch
es viel früher prädpitirt wird, als dies sonst der Fall ge-
wesen wäre; dadurch würde das chemisch reizende Eisen-
160 R- Gruber.
oxydul von seiner weiteren Ausbreitung respective Ein-
wirkimg auf chemisch besonders empfindliche Organtheile
ausgeschlossen.
Jedenfalls aber müssen wir, was chemischeReia-
wirkung anbelangt, scharf zwischen dem metal-
lischen Eisen und dem Eisenoxydul einerseits und
dem Eisenoxyd andererseits unterscheiden. Erstere
sind als chemisch different, letzteres als wenig-
stens annähernd und für den vorderen XJvealtract
indifferent anzusehen. Gemenge aus Eisenoxyd und
Oxydul müssen eine um so grössere Reizwirkung
ausüben, je mehr ihre Oxydulquote die Oxydquote
übersteigt.
Dieser Umstand erscheint practisch wichtig. Ausser
der MögUchkeit des Hineingelangens ganz oder nahezu
reinen Eisenoxyds, kommt hierbei nämlich noch der Ham-
merschlag in Betracht, von dem die weitaus grösste Zahl
der Bulbusverletzungen herrührt. Der Hammerschlag be-
steht >) aus 6 Theilen Eisenoxydul + 1 Theil Oxyd; er lässt
eine Trennung in zwei Schichten leicht zu, eine innere,
die einen geringeren, und eine äussere, die emen grösseren
Oxydgehalt besitzt, und zwar beträgt dieser bei der inneren
32 — 37 °/q, bei der äusseren 53®/o. Es besteht daher gerade
der äussere mit den mngebenden Theilen vorzugsweise in
Berührung kommende Mantel zum grösseren Theile aus Oxyd.
Dieses Verhalten kommt sicher auch bei Bulbusver-
letzungen klinisch in Betracht Die bei Thierexperimenten
mit geglühtem metallischem Eisen gewonnenen Resultate,
geben trotz der verhältnissmässig geringen chemischen Reiz-
wirkung des metallischen Eisens noch immer in dieser Be-
ziehung ceteris paribus ungünstigere Resultate, wie die
beim Menschen durch Hammerschlag, wie gewÖhnUch, ent-
standenen.
^) Mosander, Pogg. 6. 35.
lieber Rüstablagerung in der Hornhaut 161
Aber noch eine andere Folgening scheint sich aus
meinen Versuchen im Zusammenhang mit dem Leb er 'sehen
Experimente für die in die Hornhaut eingedrungenen Fremd-
körper zu ergebeu,nämlich die vollständige chemischeUn-
schädlichkeit eines zurückgebliebenen Rostringes.
Insofern dieser ja aus reinem Eisenoxydhydrat besteht, kann
er keine chemische Reizwirkung ausüben, vielmehr muss
dieselbe nach Oxydation des letzten zurückgebliebenen Eisen-
oxyduls aufhören. Allerdings können sich an das Ver-
bleiben eines solchen Rostrings gewisse leichte Entzündungs-
erscheinungen, die zu seiner definitiven Ausstossung führen
können, anschUessen; diese sind aber, wenn wir wieder von
der Möglichkeit einer secundären Infection absehen, nm*
solche, wie sie überhaupt zur Elimination ganz unschäd-
licher Fremdköri)er führen, die dem Organismus lästig
werden z. B. als Fremdkörper eingeführter Stärke (Leber).
Die chemisch reizende Wirkung des in die Hornhaut
eingedrungenen Eisens müssen wir uns daher etwa in der
Weise vorstellen, dass fortwährend durch die Berührung
des Eisens mit namentlich kohlensäurehaltiger Gewebs-
tiüssigkeit, Ströme von Oxydullösung ausgeschickt werden,
die nur so lange chemisch reizend wirken, bis sie als Oxyd-
hydrat präcipitirt sind. Diese fortwährend fortgesetzte
Jjösung einer wenn auch sehr geringen Menge der reizen-
den Substanz (das saure kohlensaure Eisenoxydul löst sich
nämlich nur 1:1000, genauer 9:10,000)') ergibt nach
Leber gerade verhältnissmässig sehr starke Reizzustände.
Wird der Fremdköri)er extrahirt, so hört die Neubildung
von Oxydul auf, und das bereits gebildete Oxyd verhält
sich indiiferent: wird er durch compacte stark eiweissreiche
Massen eingekapselt z. B. durch quellende linsenmassen
oder Exsudate, so wird zw ar auf ganz analoge Weise Eisen-
oxydul in Lösung gebracht, kann aber nicht so weit diftun-
M Hauer, .1. pr. Cbem. 81, 391.
V. Graefe's Archiv fiSr Ophthalmologie. XL. 2.
162 R. Gruber.
diren, wie es sonst der Fall gewesen wäre, sondern wird
in kurzer Entfernung als Oxyd präcipitirt und dadurch
unschädlich gemacht.
Ich habe nun eine grössere Anzahl von Versuchen
angestellt, um die näheren Verhältnisse bei der Ablage-
rung des Kostes in der Hornhaut festzustellen und die
topographischen und histologischen Eigenthümlichkeiten des
Bostnnges kennen zu lernen, die immerhin auch klinisches
Interesse beanspruchen dürfen, wenn auch, wie früher er-
wähnt, dem Rost an sich keine chemische Beiz Wirkung
zukommt; ich habe auch, wie ich gleich hier erwähnen
will, wiederholt beobachtet, dass ein solcher nach Extrac-
tion des Fremdkörpers restirender Rostring viele Tage ohne
Störung in der Hornhaut verbleiben konnte, bis er schliess-
lich auf die früher erwähnte Weise durch leicht entzünd-
liche und Erweichungsvorgänge aus der Hornhaut ent-
fernt wird.
Ich ging bei meinen Versuchen in der Weise vor, dass
ich Fremdkörper aus blankem Eisen, die ich durch Breit-
schlagen und entsprechendes Zuspitzen von weichem Biseu-
draht gewonnen hatte, in die Hornhaut ausgewachsener
Katzen derart einführte, dass die Spitze des Fremdkörpers
die Tunica Descemeti nicht perforirte, andererseits aber
auch nicht etwa nur unter das Epithel zu Hegen kam.
Dann wurde das fr^i herausragende Ende knapp oberhalb
des Epithels mit der Ejieipzange abgetragen und die Lider
(meist) vernäht. Nach 5 Minuten — 120 Stunden wurde
dann das Thier wieder vorgenommen, der Fremdkörper vor-
sichtig extrahirt, und die Ueberführung des abgelagerten
Eisenoxydhydrates (Rostring) zu Berlinerblau ebenfalls noch
in der Narkose und stets in vivo vorgenommen. Es wurde
hierbei die Hornhaut erst durch einige Minuten mit | ®/o
gelber Blutlaugensalz-Lösung gebadet, dann rasch mit 2 ^/^
Salzsäurelösung betropft, dann mit Wasser gründUch ab-
gespült, ausgeschnitten, nochmals gründlich gewaschen und
Teber Rostabbfming in der Hornhaut. 163
dann der weiteren Untersuchung durch Härtung in Alko-
hol zugeföhrt. Die hierbei befolgte Methode unterscheidet
sich, wie ersichtlich, hauptsächlich dadurch von der gewöhn-
lich angewendeten, dass die Ueberfuhrung zu Beriinerblau
direkt Jn Tivo** vorgenommen wird. Ich halte das für
einen entschiedenen Yortheil, indem man dadurch sowohl
natoriichere Bilder bekommt, als auch bei der nachfolgen-
den Präparation nicht so scrupulös eiserne Instrumente
fernhalten muss. wie es sonst bei ueberfuhrung des Elisens
in den Schnitten geschehen müsste.
Werden die Hornhäute auf die eben angegebene Weise
behandelt, so erhält man in aUen FäUen, auch dann, wenn
die Fremdkörper nur 5 Minuten in der Hornhaut gelegen
sind; deutUche Blaufärbung, die bis zu einem gewissen
Grade nut dem längeren Liegenbleiben stärker zu werden
scheint Diese Blaufärbung nimmt einen etwas grösseren
Bezirk ein, als der Grösse des eingetührten Fremdkörpers
entsprechen würde. Im übrigen lässt sich die stärkere Bil-
dung eines Rostringes nicht willkürlich ül)er ein gewisses
Mass hinaus hervorrufen, wobei auch noch der Umstand
in Betracht zu ziehen ist, dass l)ei sehr langem liegen-
bleiben meist entweder die Entzündung einen sehr hohen
Grad erreicht, oder der Fremdkörper theils durch Erweichung
des umgebenden Gewebes, theils auf mechanischem Wege
gelockert wird, und schliesslich herausfallen kann.
Diese dem Bostringe entsprechende Blautärbung zeigt
im Allgemeinen die Gestalt des eingeführten Fremdkörpers
bis auf den Umstand, dass sie etwas grösser und an den
Ecken abgestumpft erscheint, und es könnte daher den
Anschein erwecken, als ob es sich um eine gleichmässig
um den Stichcanal erfolgte Ablagerung von Eisenoxydhydrat
handeln würde. Die mikroskopische Untersuchung
einer ziemlich grossen Anzahl (gegen 50) auf solche
Weise behandelter Hornhäute hat mir aber gezeigt^
dass ein so einfaches Verhalten niemals vorkommt,
11*
164 R- Gruber,
Wie aus dem beigegebenen Bilde, dessen Contour von
mir mit dem Zeiss' sehen Zeichenapparate aufgenommen
wurde, sich ergiebt, findet sich vielmehr ein eigenthüm-
liches, in typischen Fällen höchst auffallendes Verhalten.
Bei der Betrachtung eines Querschnittes zeigt sich
die Hornhaut in der Dimension von vorne nach hinten von
einem System von vier blauen Bändern durchzogen, welche
die Ablagerung des Eisenoxyds als Rostring charakterisiren.
Die zweite dieser Linien löst sich bei schärferen Ver-
grösserungen zu einem fein klaflenden Spalt auf, der dem
Stichcanal bei Einführung des Premdkörpere entspricht.
Es bleiben eben bei Herausnahme des Fremdkörpers Theil-
chen von Eisenoxyd in allerdings nicht sehr grosser Menge
zurück, die den Stich Wandungen anHegen. Dieser Stich-
eanal respective das zweite blaue Band erscheint durch
eisenfreie Parthieen getrennt von zwei eisenhaltigen, ihn
scheidenförmig umgebenden Bändern, dem ersten und dem
dritten, von denen das erste nach vonie convexe, bis imter
das Homhautepithel heranreichende, und an den Ecken
am saturirtesten, meist als das mächtigere, das dritte, den
Stichcanal von rückwärts umschliessende, nach vorne con-
cave, und an den Rändern mit dem ersten confluirende als
da« schwächere erscheint Diese vordere und hintere Scheide
umschliessen daher, durch eisenfreie Parthieen von ihm ge-
trennt, den Stichcanal, respective den Fremdkörper, wie die
Scheide den Degen. Das vierte derDescemeti unmittelbar
anhegende und nach vorne ebenfalls convexe Band ist wie-
der durch eisenfreie ParÜiieen von dem dritten getrennt.
Betrachtet man eine ganze typische Querschnittserie,
so zeigt es sich, dass unmittelbar am Einstich nui* dieser
selbst sich durch Blaufärbung marquirt, und dass nun ent-
sprechend dem weiteren mehr nach rückwärts teudirenden
Verlaufe des Stichcanals die beschriebenen Rostbänder sich
von ihm ablösen, um das vordere flacher, das rückwärtige
stärker geneigt und dabei im Bogen geschwungen, den
lieber Rostablagening in der Hornhaut. 165
Stichcanal scheidenförmig zu umschliessen, wähi*end das vierte
sich au der Descemeti ablagert. — Zum Schluss der Serie
gelangt man zu Schnitten, bei denen nur die Scheidenbänder zu
sehen sind, während der fiiiher zwischen ihnen gelegene Stich-
canal (das zweite Band) verschwunden ist. Esstelltsichda-
her der Rostring als ein nur am Einstich mit dem
Stichcanal unmittelbar zusammenhängender, sonst
aber durch eisenfreie Parthieen von ihm getrennter
Mantel dar, dessen Ende das Ende des Stichcanals
überragt, während andererseits auch eine Rostabla-
gerung entsprechend der Tunica-Descemeti auftritt
Ein diesen Befund bekräftigendes Bild ergiebt ein
typischer Flachschnitt. Man erblickt an ihm den nur
wenig klaffenden Stichcanal, dessen Wandung auch hier
nur wenig beträchthche Eisenoxydpartikeln anliegen, wäh-
rend an jeder vom Einstichspunkt entfernten Stelle der
eigentUche Rostring als ein durch eisenfreie Parthieen vom
Stichcanal getrenntes scharf begrenztes blaues Band um
den Stichcanal herumläuft und auch noch als blauer Ring
über den Stichcanal hinaus nachzuweisen ist.
Schliesslich findet sich auch an typischen Längs-
schnitten ein ähnHcher Befund, nur dass hier das Bild
durch die Einrollung der Bowmann 'sehen Membran etwas
compUcirter wird. Man sieht aber auch hier das vordere Band
durch Eisenoxyd-freie Parthieen vom Stichcanal geschieden.
Ich muss aber gleich hier bemerken, dass wir nicht
erwarten dürfen, an jeder Schnittserie ganz das gleiche Bild
anzutreffen. Die Beschreibung wie auch die beigegebene
Abbildung entspricht nur dem (selteneren) typischen Fall.
Oft genug aber findet man ausser dem eigentUchen Stich-
canal nur das vordere Band, oder nur das vordere und das
der Descemeti entsprechende Band deutUch entwickelt.
Immer aber findet man im weiteren Verlauf des Stich-
canals eisenfreie Parthieen, welche den eigentUchen Stich-
canal von dem vorderen Rostbande, das beinahe immer
166 R. Gruber.
sehr schön ausgebildet ist, abgrenzen. Letzteres fehlt natür-
lich — und auch beinahe ausschUesslich — dann, wenn
der Fremdkörper direct subepitheHal gelegen ist, also keine
vordere Begrenzungswand gegeben erscheint.
Die Incubationszeit des Fremdkörpers in der Hornhaut
hat auf die Beschaffenheit der Bostiigur insofern einen Ein-
fluss, als erstens die längere Dauer der Einwirkung die
Zeichnung bis zu einem gewissen Grade saturirter hervor-
treten lässt, zweitens aber die Begrenzungsbänder erst nach
24 — 48 Stunden in der beschriebenen Ausbreitung deutlich
erscheinen, um sich dann nicht mehr sehr wesentlich zu
verändern. In den Präparaten, die von Hornhäuten stam-
men, in denen die Fremdkörper erhebUch kürzere Zeit ver-
weilt hatten, färbte sich fast nur der Einstich, respective
ein kurzes Stück des am Einstich mit dem Stichcanal zu-
sammenhängenden vorderen Bandes. —
Es entsteht nun die Frage, wodurch sich dieses ganz
eigenthümliche Verhalten des Bostringes erklärt. Es hegt
da nahe, anzunehmen, dass das Eisen in der Nähe des
Stichcanals als kohlensaures Eisenoxydul gelöst und daher
durch die Berlinerblautärbung erst dann nachweisbar er-
scheint, wenn es unter Einwirkung der atmosphärischen
Luft (Sauerstoff) zu Eisenoxyd übergeführt ist. Unmittel-
bar an der Homhautoberfläche könnte diese XJeberflihrung
natürlich am leichtesten erfolgen, und daher die Eostab-
lagerung auch entsprechend der Oberfläche am intensivsten
und dem Stichcanal am nächsten erfolgen. Wir müssten
daher im weiteren Verlauf des Stichcanals zwar kein Eisen-
oxyd, dafür aber Eisenoxydul unmittelbar um den ursprüng-
lichen Sitz des Fremdkörpers vorfinden und zwar in Lösung,
während es erst in einer gewissen grösseren oder geringe-
ren Entfernung zur Präcipitirung des Eisens als unlösUches
Oxydhydrat kommen würde. Allerdings findet man unter
gewöhnlichen Umständen nur sehr wenig oder gar kein
chemisch nachweisbares Eüsenoxydul in solchen Hornhäuten,
Ceber Rostablagerung in der Hornhaut. 167
diese geringe Menge könnte aber ganz gut in der doch
verhältnissmässig ausserordentlich geringen Löslichkeit des
Eisenoxyduls begründet sein. Ich habe nun auch diese
Frage einer experimenteUen Prüfling unterzogen; leider sind
aber die Resultate nicht beweisend ausgefalleu.
Ich ging in der Weise vor, dass ich nach Extraction
der Fremdkörper die Hornhäute in vivo mit rothem Blut-
laugensalz und Salzsäure behandelte und auf diese Weise
das Eisenoxydul in Tumbullsblau überführte. Die Behand-
lung in vivo scheint mir hierbei noch viel wichtiger zu
sein, wie bei der Behandlung des Eisenoxyds, weil sich das
Eisenoxydul ausserordentlich leicht in das Oxyd umsetzt
was unmittelbar nach der Herausnahme leicht erfolgen
könnte. Ich erhielt auch hierbei eine deuthch blaue Farben-
reaction, welche sich aber dadurch von der Berlinerblau-
reaction unterschied, dass sie viel variabler war, wie die-
jenige, die ich bei der letzteren Beaction erhalten hatte.
Dies ÜEind seine Erklärung darin, dass sich, wie sich bei
der mikroskopischen Untersuchung der Präparate ergab,
fast nur die im Stichcanal verbleibenden, in Bezug auf ihre
Menge ^natürUch sehr variablen, Partikelchen von Eisen-
oxydul gebläut hatten. Allerdings konnte ich auch in vielen
Schnitten eine ganz deutliche unmittelbar den Stichcanal
umgebende ziemUch diffuse Bläuung nachweisen. Bei der
sehr geringen Intensität der fragUchen Färbung erscheint
es aber doch sehr zweifelhaft, ob es sich hier um eine sich
zur Oxydbläuung wie Positiv zu Negativ verhaltende Oxydul-
Imprägnation oder nicht doch um einen zwischen die Oxyd-
ablagerung eingestreuten Oxydulniederschlag handelt Nichts-
destoweniger halte ich es fiir höchst wahrscheinlich, dass
das aus dem Stichcanal als saures kohlensaures Eisen-
oxydul aufgenommene Eisen unmittelbar um den Stichcanal,
wenn auch nur in geringer Menge sich vorfindet und den
Zwischenraum zwischen dem eigentUchen Stichcanal und
dem sogenannten Rostring, der, wie wir gesehen haben,
168 R. Gniber.
überall mit Ausnahme des Einstichs durch oxydfreie Par-
thieen vom Stichcanal getrennt ist, ausfüllt, und dass sich
dieses Oxydul erst dann in einer gewissen Entfernung als
Eisenoxydhydrat niederschlägt, wobei es den Rostring bildet
Zur Erklärung des sehr inconstanten Eisennieder-
schlages entsprechend der Descemeti möchte ich die Re-
sorptionsverhältnisse beim Uebergang der Saftströmung aus
der Hornhaut in die Vorderkammer, femer vielleicht den
Umstand herbeiziehen, dass unpräcipitirte Oxydultheile die
rückwärtige Scheide passiren mögen, die sich erst weiter
lückwärts als Oxyd niederschlagen können. —
Was die mikrochemische Vertheilung des Eisen-
oxyds in der Hornhaut anbelangt, konnte ich ein
eigenthümliches ziemlich selectives Verhalten der
einzelnen Hornhautelemente dem Eindringen des
Eisenoxyds gegenüber beobachten.
Das Hornhautepithel zeigte, insofeni es nicht durch
Einfuhnmg des Fremdkörpers verloren gegangen war, in
beinahe allen Fällen ein eigenthümUches Verhalten in der
Weise, dass die Epithelzellen selbst dem Eindringen des
Fremdkörpers einen sehr grossen Widerstand entgegen-
setzten, sodass sie ganz ungefärbt blieben oder nm* eine
schwache Kemfärbung zeigten, wälirend die Zwischensub-
stanz sich intensiv blau färbte. Daraus ergab sich bei ent-
sprechend angelegten Flachschnitten eine eigenthümUche
Schach brett-förmige Zeichnung. In einzelneu Fällen konnte
ich CoUoid-Degeneration der Epithelzellen coustatiren.
Die Substantia propria corneae zeigte, insofern sie
in das früher beschriebene Bereich der Eisenoxydinfiltration
zu hegen kam, ein verschiedenes Verhalten. In den meisten
Fällen zeigten die Homhautkörperchen eine geringere Auf-
nahmsfähigkeit, als die Zwischensubstanz, ein Verhalten,
das in besonders charakteristischen FäUen Bilder ergab,
die viel Aehnlichkeit mit den sich bei Lapisiärbungen dar-
bietenden zeigte. Allerdings waren diese in unserem Falle
üeber Rostablagerung in der Hornhaut. 169
nicht so scharf wie die letzteren, liessen aber nichtsdesto-
weniger doch gelegenthch deutliche Zellfortsätze, an Kera-
titisbilder erinnernde Rgurationen, ja vielleicht sogar An-
deutungen von Theilungsfiguren erkennen. Ich möchte
diese Bilder in Analogie bringen mit den schönen Zeich-
nungen von Homhautkörperchen, die man bei der Behand-
lung von Honihäuten mit schwefelsaurem Eisenoxydul und
rothem Blutlaugensalz, also bei der Imprägnation mitTuni-
buUsblau nach Leber erhält. Ich erwartete diese Bilder
auch bei der Untersuchung der Hornhäute auf Eisenoxydul
naturgemäss vorzufinden; nur war es hier die der geringen
Menge des Eisenoxyduls entsprechende ausserordentlich
schwache Blaufärbung, welche diese Constatirung unmög-
lich machte. Wie gesagt, giebt diese „Eisenoxydfärbung"
recht undeuthche Bilder, hat aber den unbestreitbaren Vor-
theil fiir sich, dass sie durchaus in vivo entstanden ist, und
dass sie durch Behandlung (Imprägnation) der Hornhaut
mit einem absolut unlöslichen Körper (Eisenoxyd) entsteht.
Uebrigens ist das beschriebene Verhalten der Substantia
propria zwar das gewöhnlichere, keineswegs aber das aus-
schliesslich vorkommende. Vielmehr fand ich in vielen
Fällen das entgegengesetzte Verhältniss vor, dass nämUch
die Homhautkörperchen durch ihre besonders intensive
dunkelblaue Imprägnation hervortraten, sich also Positiv-
bilder ergaben, wie sie sich auch bei Silbertärbungen, mit
denen diese Eisenfärbung einige Aehnlichkeit zu besitzen
scheint, in gewissen Fällen vorfinden.
Was die Imprägnation selbst anbelangt, handelt es
sich um eine ziemlich diffuse Blautärbung, an der ich meist
keine nennenswerthen Details unterscheiden konnte. In
einzelnen Fällen fand sich zwai-, namentlich wo die Incu-
bation des Fremdkörpers eine längere Zeit gedauert hatte,
eine entzündhche Zellanhäufung um den Stichcanal, wobei
im Uebrigen die Entzündungserscheinungen die topogra-
phische Anordnung des Eisenoxyds nicht wesentlich zu
170 R. Gruber.
beeinflussen schienen. Eine nennenswerthe Phagocythoso
konnte ich niemals constatiren, wohl aber &nden sich hie
und da um den Stichcanal einzelne Rundzellen, die ein
Eisenoxydbrökel enthielten; jedenfalls ist die Fortpflanzung
des Eisenoxyds durch Wanderzellen für die Hornhaut gegen-
über der Verbreitung auf gelöst-anorganischem Wege weit-
aus in zweite Linie zu rücken.
Was schliesslich die EisenoxydanhäuAmg entsprechend
derMembrana Descemeti anlangt, so konnte die betreffende
Blautärbung als zum grössten Theil den hintersten Parthieen
der Substantia propria angehörend locaUsirt werden. Oft
fand sich aber auch eine ganz diffuse Bläuung der Mem-
bran selbst Das Wasserhautepithel fand ich ungefärbt —
Ich möchte mir zum Schlüsse noch erlauben, die that-
sächlichen Ergebnisse meiner Untersuchungen zusammen-
zustellen:
1) In die Hornhaut eingedrungene Eisenkörper
verhalten sich ihrer chemischenBeschaffenheit nach
in ihr verschieden. Das metallische Eisen und das
Eisenoxydul sind als in chemischer Beziehung diffe-
rent, das Eisenoxyd aber als indifferent anzusehen.
Gemenge aus beiden verhalten sich in desto höhe-
rem Grade chemisch reizend, je mehr die Oxydul-
quote die Oxydquote übersteigt Die an das Ein-
dringen eines Fremdkörpers sich anschliessende,
nach Extraction desselben zurückbleibende Rost-
ablagerung in Form des sogenannten Rostringes ist,
als nur aus Eisenoxydhydrat bestehend, in chemi-
scher Beziehung indifferent und unschädlich.
2) Der aus dem Fremdkörper in die umgebende
Hornhaut übergegangene Rost stellt einen nur am
Einstich mit dem Stichcanal zusammenhängenden
Mantel dar, der sonst durch oxydfreie Parthieen von
ihm getrennt ist
3) Auch bei nicht perforirenden Fremdkörpern
lieber Rostablagerung in der Hornhaut. 171
kommt es sehr oft zur Oxydablagerung an der Des-
cemet!.
4) Die Rostablagerung ausserhalb des eigent-
lichen Fremdkörpers erfolgt ungemein rasch, so-
dass schon nach fünf Minuten, vielleicht auch schon
in kürzerer Zeit der Beginn des Rostringes aus-
gebildet ist.
5) Das Hornhautepithel verhält sich dem Ein-
dringen desEisenoxyds gegenüber ausserordentlich
widerstandsfähig; vielleicht ist daraus die bekannte Un-
schädlichkeit aseptisch nur in die Epithelschicht einge-
drungener Eisenkörper mit zu erklären.
6) Die Hornhautgrundsubstanz zeigt dem Ein-
dringendesEisenoxyds gegenüber ein verschiedenes
Verhalten. —
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht,
meinem hochverehrten Ijehrer, Herrn Professor Stricker,
der mir für meine Versuche mit gewohnter Bereitwilligkeit
sein Laboratorium zur Verfügung stellte und mich durch
seinen ausgezeichneten Rath vielfältig unterstützte, an dieser
Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI.
Querschnitt durch eine Katzenhomhaut nach 48 stündiger In-
cubation eines Eisenspahnes. Man sieht die vier dem Stichkanal, dem
vorderen und dem hinteren Rostband sowie der Ablagerung an der
Membrana Descemeti entsprechenden durch Reduction des Eisen-
oxyds zu Berlinerblau kenntlichen Bänder; auch tritt die Zeichnung
des Epithels hervor.
Beiträge zur Kenntniss
der concentrischen Gesichtsfeldverengenmg. .
Von
Dr. Groenouw,
Privatdocenten und Assistenzarzt an der königl. Univereitätsklinik für
Augenkranke zu Breslau.
Hierzu Taf. VII — IX, Fig. 1—18.
Es ist eine bekannte, leicht zu erklärende Thatsache,
dass eine hochgradige Verengerung des GF^), wie sie bei
organischen Erkrankungen des Auges, z. B. Sehnerven-
atrophie häufig vorkommt, die Orientirung im Raum ganz
ausserordentlich behindert. Man findet nun aber bei der
Anaesthesia retinae und den verwandten Krankheiten nicht
selten ein sehr enges GP, ohne dass die Orientirung im
mindesten gestört ist. Diese auffallende Erscheinung mag
manchmal Anlass gegeben haben, den betreffenden Patienten
für einen Simulanten anzusehen, indessen mit Unrecht Der
scheinbare Widerspruch lässt sich nämhch sehr wohl lösen,
wenn man einige Paktoren genauer betrachtet, welche von
Einfluss auf die Ausdehnung des concentrisch verengten
GP sind.
Concentrische Gesichtsfeldverengerung nicht durch ein
organisches, sondern durch ein fimctionelles Leiden bewirkt.
*) GF bedeutet Gesichtsfeld, GP^: concentrische Gesichtsfeld-
verengerung, GFA: Gesichtsfeldaufnahme, GH: Gesichtsfeldhälfte,
VT: Foerster'scher Verschiehungstypus.
Beiträge zur Kenntniss d. concentr. Gesichtsfeld Verengerung. 173
findet sich als Symptom bei den verschiedensten Augen-
und Allgemeinerkrankungen^ meist in Verbindung mit dem
Foerster' sehen Verschiebungstypus (1 und 2), Sie kommt
vor bei der sogenannten Anaesthesia retinae oder nervösen
Asthenopie, femer bei verschiedenen fimctionellen Nerven-
leiden: Hysterie, Neurasthenie, traumatische Neurose, so-
dann bei einer Anzahl Augenerkrankungen, z. B. Accom-
modationslähmung, Hemeralopie, Tabaksamblyopie. Die
durch fiinctionelle Erkrankungen bedingte concentrische Ge-
sichtsfeldverengerung soll im Folgenden der Kürze halber
mit GFE bezeichnet werden.
Der Foerster'sche Verschiebungstypus.
Obwohl die Art imd Weise, wie der Foerster'sche
Verschiebungstypus nachzuweisen ist, bekannt sein dürfte,
so soll dieselbe doch nochmals beschrieben werden, da ver-
schiedenen Einzelheiten oft nicht genügende Beachtung ge-
schenkt wird und wir im Folgenden noch oft auf sie zurück-
kommen werden.
Ein GF mit Foerster'schem Verschiebungstypus (VT)
zeigt bei centripetaler Objectfiihrung eine grössere Ausdeh-
nung als bei centrifiigaler. Die Untersuchung wird in der
Weise vorgenommen, dass ein weisses Quadrat von 5 mm
Seitenlänge von der temporalen Seite des GF her gegen
den Fixationspunkt hingeführt und über diesen hinaus nach
der nasalen Grenze hin vorgeschoben wird. Der Punkt,
in welchem das Object temporalwärts eben anfängt sichtbar
zu werden, und derjenige, bei welchem es nasal wärts wie-
der verschwindet, werden notirt. Man beginnt in der Regel
mit dem horizontalen Meridian und prüft darauf in der-
selben Weise die übrigen GF- Meridiane. Es folgt jetzt
die „Controlaufiiahme", indem dieselben Meridiane in der
nämlichen Reihenfolge nochmals in der Weise imtersucht
werden, dass das Object in umgekehrter Richtung, also von
der nasalen Seite her, ins GF eingefiihrt und über den
174 Groenouw.
Fixirpimkt hinweg nach der temporalen Grenze hin vorge-
schoben wird. Der Punkt, in welchem das Quadrat eben
sichtbar wird und in welchem es eben verschwindet, wer-
den gleichfalls notirt Man erhält auf diese Weise 2 GF,
eines bei Einführung des Objectes von der Schläfenseite
und ein zweites von der Nasenseite her. Die Aussen-
grenzen dieser beiden GF schneiden sich gewöhnhch im
verticalen Meridian (z. B. Fig. 6 a). Es ist meist nicht
erforderlich, zwischen der ersten Au&ahme des GF und
der Controlau&ahme eine längere Pause einzuschalten.
Eine Modification dieser Methode besteht darin, in
jedem Meridian das Object erst von der Schläfenseite her
und nach einer ganz kurzen Pause sofort in umgekehrter
Richtung von der Nasenseite her durch das GF hindurch-
zufuhren. Bei jeder der beiden Einfiihrungsrichtungen wird
der Eintritts- und der Austrittspimkt notirt Verbindet man
dann die bei temporaler Einfuhrung des Objects gewon-
nenen Punkte unter einander und ebenso die bei nasaler
Führung gefundenen, so erhält man gleichfalls 2 gegen
einander vorgeschobene GF (z. B. Fig. 5a, 5b, und 15).
Die letzterwähnte Modification der Untersuchungsmethode
beansprucht etwas weniger Zeit als die zuerst angeführte
und giebt gleichfalls gute Resultate.
Beim Nachweis des Foerster'schen Verschiebungs-
typus sind gewisse Cautelen zu beobachten. Es ist durch-
aus nothwendig, den Schlitten mit dem Prüfungsobject mit
einer möghchst gleichmässigen Geschwindigkeit in der-
selben Richtung durch das GF hindurchzufuhren. Man darf
nicht etwa, wie das bei der Perimeteruntersuchung sonst
gebräuchUch und auch durchaus zweckmässig ist, durch
Hin- und Herschieben des Objectes die GF-Grenzen mög-
hchst genau zu bestimmen suchen. Ebenso wenig darf
man das Object stillstehen lassen, es dann etwas verschie-
ben, nochmals anhalten, wieder weiter bewegen u. s. w.
Auf diese Art kann man den Verschiebungstypus
Bcitriige zur Kenntniss d. concentr. Gesichtsfeld Verengerung. 175
nur in mangelhafter Weise nachweisen. Es kommt
gar nicht anf absolute Grenauigkeit der Messung an« zumal
eine rollkommen exacte Feststellung der Aussengrenzen
eines concentzisch Terengten GF meist nicht möglich ist, indem
dieselben fortwährende Schwankungen zeigen, so dass 2 un-
mittelbar nach einander aufgenommene 6F selten ToUkom-
men übereinstimmen. Trotzdem bleibt der TT auch bei
Schwankungen in der Ausdehnung des GF deutlich er-
kennbar.
ErmüdungsTersuch nach Wilbrand.
Zum Nachweis der GF-Ermüdung hat Wilbrand (6
und 7) eine Alodification der Foerster 'sehen Untersuchungs-
methode angegeben, welche in Folgendem besteht. Man
fahrt im horizontalen GF-Meridian mit einem weissen Unter-
suchungsobject am temporalen Rande des Perimeters be-
ginnend mit möglichst gleichmässiger Geschwindigkeit gegen
die nasale GH hin und lässt durch einen Assistenten im
GF-Schema den Punkt mit Null bezeichnen, in welchem
das Untersuchungsobject ins GF eintritt, und den Punkt
mit 1, in welchem es wieder verschwindet Im Punkte 1
auf der nasalen GH wird sofort umgekehrt und das Ob-
ject mit derselben Geschwindigkeit im horizontalen Meri-
diane nach der temporalen Seite zurückgeführt Die Stelle
auf der temporalen Seite des horizontalen Meridianes, an
welcher nach dieser zweiten Ermüdungstour das Object
abermals verschwindet, wird mit der Zahl 2 im Schema
festgehalten. Sofort wird das Object wieder zurückgeführt
und die Stelle, an welcher es auf der nasalen Hälfte ver-
schwindety mit 3 u. s. f. bezeichnet
Ist das GF ermüdbar, so wird es immer enger, um
entweder vollkommen zu verschwinden oder bei einer ge-
wissen Verengerung stehen zu bleiben und durch weitere
Ermüdungstouren nicht mehr eingeschränkt zu werden.
176 Groenouw.
I. EinflusB der Aooommodation auf die AuBdehnimg
des oonoentrisoh verengten GF.
Einer der wichtigsten Factoren, welche auf die Aus-
dehnung des concentrisch verengten GF Einfluss haben, ist
die Accommodation. Untersucht man ein normales Auge
am Perimeter, so ist das bei Erschlaffung der Accommo-
dation aufgenommene GF stets enger als das bei Anspan-
nung derselben erhaltene. Bei der functionellen concen-
trischen GFE kehrt sich auffallender Weise dieses Gesetz
gerade um, indem das GF bei Accommodation für die
Feme weiter ist als beim Fixiren eines nahen Gegenstandes.
Foerster (3) hat bereits 1877 einen derartigen Fall mit-
getheilt, doch ist dieser Beobachtung bisher keine weitere
Beachtung geschenkt worden.
Untersuchungsmethode.
Um das GF bei mehr oder weniger starker Anspan-
nung der Accommodation aufzunehmen , lassen sich ver-
schiedene Methoden anwenden. Die Auäiahme des GF
an der Tafel in verschiedener Entfernung hat die bekannten
Nachtheile dieser Untersuchungsmethode, welche sich be-
sonders bei einem auch nur einigermassen ausgedehnten
GF recht empfindhch fühlbar machen. Perimeter von ver-
schieden grossem Radius, welche jedenfalls sehr geeignet
für derartige Versuche wären, standen nicht zur Verfügung.
Es wurde daher eine andere, früher schon von Foerster
benutzte Methode in Anwendung gebracht.
Bei der Aufnahme des GF am Foerster' sehen Perimeter
accommodirt der Patient auf einen etwa 30 cm (12'') vor
seinem Auge gelegenen Punkt. Eine stärkere oder schwächere
Accommodationsanspannung kann man durch Vorsetzen von
Concav- oder Convexgläsern vor das Auge erreichen. Diese
Gläser werden nicht unmittelbar vor dem Auge angebracht,
sondern in eine mittelst eines horizontalen Stabes an der Kinn-
stütze des Perimeters befestigte Gabel eingesetzt, so dass ihre
Beitrige zur Kenntni««» d^r ronmeatr. iTp^irhc^Mdtvreiijmtiiigr. 177
Entfernimg Tom XnDirankt «ks Perimeteffs in der K^rel 2«> cm,
vom Hoiiiluaitaelieit«;^ ak» IM cm betraf Tvdrt der Unter-
Boehte dnrefa dn 9<4dies Irbs den XnDpnnkt d» Perimeters. s»>
sieht er bei unbewegtem Ao<re einra centralen Theil des Pen-
meterbogens von etwa 2« »^ IhircfameaBer dorefa de Gbs. während
er die peripheren Theile des Bogen» im indirecten Sehen neben
dem Glase vorbei gewinermassen mit nnbewaffiietem Ange wahr-
nimmt. Anf diese We^e kommt die störende |Mismadsdie Wir-
kung des 8phäris4!hen Cilases für die Seitentheile des GF nicht in
Betracht
Ist ein Convexglas von 5 Dioptrien brechender Kraft li>em
vor dem Homhantsdiatel befestigt also 20 cm vom Fixationd-
pnnkt des Perimeterbogens entfernt so werden die von letiterem
Pmikte ausgehenden Strahlen nach ihrem Durchtritt durch das
Glas untereinander paraOel verlaufen und ein emmetropisch^
Untersuchter wird diesen Punkt nur bei vollkommen entspannter
Accommodadon deutlidi sehen. Ffir einen Hypermetropen be-
rechnet man die brechende Kraft f-^j de^enigen Glases, mit
weldiem er den Flxationspnnkt des Perimeters ohne Accommo-
dationsanspannung sieht, nach der Formel — |- - ^ Man
setzt hierin — ^ = 5 D, und h gidch dem Abstände
a 20 cm
des (negativen) Fempnnktes des Hypermetropen von dem Con-
V ex glase. Beträgt die Hypermetropie des Untersuchten z. B.
4 D, so liegt sein Fempunkt 25 cm hinter dem Auge. Die
von dem Nullpunkt des Perimeters ausgehenden Strahlen mflssen
also nach ihrem Durchtritt durch das Convexglas auf einen Punkt
eonvergiren, welcher nngetähr 25 cm hinter dem Homhaut-
scheitel des untersuchten Auges oder 25-f-10 = 35 cm hinter
dem Convexglase liegt. Wir setzen daher — = — :-|--^^5D
+ 2,86 D = circa 8 D. Die Accommodation unseres Hyper-
metropen wird also durch + ^ ^ während der Perimeterunter-
sudiung vollkommen entspannt
Benutzt man Concavgläser zur Erzielung einer möglichst
starken Anspannung der Accommodation, so muss man , ne.gativ
V. Onefe*a Archiv IBr Ophthalmologie. XL. 2. 12
178 GroeiKraw.
setzen, um zu berechnen, weiobee Concavgbs erforderiidi igt, damit
der UnterBuchte auf einen z. B. 15 cm vor dem Auge gelegenen
Punkt aieoommodirt Dasselbe lüast sich noch ein&cher erreieheii,
wenn man das unbewaffnete Auge einen iingefiüir in seinem
Nafaepmikte angebraditen Steelmadelknopf üxiren Usst und dabei
das GF in der gewöhnlichen EntÜBmung von 30 em aofiiimmt.
Doch hat letztere Methode einige noch zn erwähnende NaditlieUe.
Die YerBuche über die Beeinflussung des GF durch
die Aecommodation wurden in der Begel so angestellt, dasa
zunächst ein G-F bei unbewaffiietem Ange, also Aecommo-
dation a^f 30 cm, und unmittelbar darauf ein zweites bei
starker Anspannung oder möglichst vollkommener Ent-
spannung der Aecommodation au%enommen wurde. Zum
Schluss folgte nochmals eine GFA bei unbewaffioetem Auge,
um eine in der Zwischenzeit etwa erfolgte Aenderung in
der Ausdehnung des GF zu constatiren. Den Untersuchten
wurde nie mitgetheilt, worum es sich handelte, so dass von
einer Suggestion nicht die Rede sein kann.
Aufzeichnung der gefundenen Resultate.
Die Ergebnisse der Untersuchungen sind tlieils durch GF-Zeieli<
nungen wiedergegeben, theils in folgender Weise notirt worden.
Die in jedem Meridian als Grenzpunkte ge^denen P^iraUelkreise
werden in der Reihenfolge aufgeschrieben, dass fllr das r. A. bd
dem Meridian 20 des Foerster'sdien GF- Schemas angefangen
wird, worauf entsprediend dem Gange des Uhrzeigers die Meri-
diane: 60, 90, 120, 160, 200, 240, 270, 300 und 840 folgen.
FOr das 1. A. wird ebenfiüls mit dem Meridian 20 begonnen,
aber entgegengesetzt dem Laufe des Uhrzeigers in der Reihen-
folge: 20, 60, 90, 120, 160, 200, 240, 270, 300 und 340
vorwärts gegangen. Der Zusatz: „temporale Objectftilirung^ be-
deutet, dass das Object von der Schläfenseite her eingeftkhrt und
durch das GF hindorcli bis zur nasalen Grenze vorgeschoben
wurde, während „nasale ObjectRilinmg" die Einführung des Ob-
jectes von der entgegengesetzten Seite her bezeichnet Die arabi-
schen Zalilen in den Figuren bezeichnen die Reihenfolge, in wel-
cher die einzelnen Meridiane untersucht wurden, wälu^nd die
römischen Zalilen die Aufemanderfolge der GFA angeben.
Beiträge zur Kcnntniäs der comttmtr. i^^kfats^feldreraigefwiiir. |79
Ergebniss der Untersnchnng.
Das Ergehniss der Untersuchiingeii ist Folgeodes. In
einer grossen Zahl Ton Fällen mit GFE zeigte sich
das GF bei entspannter Accommodation weiter aU
bei angespannter. Diese Erweiternng des GF bei
Accommodation für die Ferne soll ^paradoxe Gesichts*
felderweiternng^; die Verengerung bei Accommodation
für die Nähe „paradoxe Geaichtsfeldverengerung*^ genannt
werioL, Die normaler Weise eintretende Terengernng
des GF bei Entspannung der Accommodatioii soll als
.^physiologisdie GesichtrfeldTerengerang^ und die beim Fi-
xiren eines nahe gelegenen Gegenstandes auftretende Er-
weiternng als y^Ysiologische Gresichtsfi^erweiteruug'^ be-
zeichnet werden.
Es wird onsae Aufgabe sein nacfaznw«isen, dass das
concentrisch rerengte GF die paradoxe, nicht die phyao-
logische GF-Erweiterung und Verengerung zeigt und dann
zu untersuchen, in welchen Fallen von GFE sich diese Er-
scheinung findet
Paradoxe Gesichtsfelderweiterung und
Verengerung bei verschiedenen mit functioneller
concentrischerGFE einhergehenden Erkrankungen»
1. Fall. Anaesthesia retinae.
ClaraiL 13 Jahr alt Patienlin stammt aas einer psycliisch
belasteten Familie. 2 Brfider endeten dunh Selbstmord. Dis
Kranke selbst ist „hochgradig ner^Os^ and in monüisoher Be-
ziehung trotz ihrer Jugend von sehr zweifeUiaftem Charakter.
Sie klagt (15. XIL 91) Ober ssthenopische Beschwerden, indem
sie sdt den Herbstferien nur wenige Minuten lesen könne, ohne
Beschwerden (stechende Schmerzen in der Supraorbitalgegen«^
Undentiichsehen) zu bekommen. P. schläft jede Nacht 10 Stun-
den, angeblich gut, hat wenig Appetit Objectiv ist an den Augen
nichts Krankhaftes nachzuweisen. Das GF des r. A. ist nur
wenig, das des L A. stark concentrisch verengt, es besteht aus-
gesprochener VT. Während der folgenden Beohachtongsdauer
12*
180 Groenouw.
zeigte das (iF grosse Schwankungen in seiner Ausdehnung. Die
Sehschärfe des r. A. beträgt '/, und steigt bei Bewaffiiung des
Auges mit -f- 1,25 D auf 1 y die des unbewafiheten 1. A. ist
= ^/g y mit 1,0 D hebt sie sich auf ^j^. Ordination: Chinin
täglich ^/s gr etwa 10 Tage lang und die corrigirende Convex-
brille zum dauernden Tragen, sowie Vermeidung von Lesen und
Schreiben.
Der Erfolg der Behandlung wai* ein guter; denn nach 2
Wochen waren die Beschwerden der Kranken erheblich gemildert,
nadi weiteren 2 Wochen (14. I. 92) vollkommen gehoben. Pa-
tientin vermochte wieder stundenlang zu lesen und zu sticken,
das GF hatte üjst normale Aussengrenzen erlangt und zeigte nur
noch undeutlichen VT. Einige Tage später trat em RQck&U dn.
Patientin klagte über asthenopische Beschwerden und das GF
zeigte abermals deutliclien VT, worauf wieder Chinin innerlich
verordnet wurde. Der Erfolg war gut und dauernd. Die Kranke
konnte nadi einiger Zeit wieder stundenlang ohne Beschwerden
lesen, die Sehschärfe jedes Auges betrug ohne Brille 1, das GF
hatte normale Ausdehnung, VT war nicht vorhanden. Derselbe
günstige Befund wurde zuletzt am 9. XL 92 constatirt.
1. Versuch (Hg. 1).
Am 24. XIL 91 wurde das GF des 1. A. dieser P. zu-
nächst bei unbewaffiietem Auge und Accommodation auf den
30 cm entfernten Fixirpunkt des Perimeters aufgenommen (GFI,
Fig. 1), sodann nochmals mit -|- 6 D 10 cm vor dem Hom-
hautscheitel; wodurch die Accommodation vollkommen entspannt
wurde (II). Es folgte noch eine dritte GFA mit — 17 D, 10 cm
vor der Cornea angebracht, wobei Patientin auf emen 15 cm vor
dem Auge gelegenen Punkt accommodirte. Den Schluss bUdete
eine GFA (IV) bei unbewaffiietem Auge. Das Object wurde
stetB von der temporalen Seite her ins GF eingeftlhrt, wie in
Fig. 1 durch die Pfeile angedeutet ist.
Fig. 1 zeigt, dass das GF bei starker Anspannung der
Accommodation (III) am engsten, bei vollkommener Entspannung
derselben am weitesten ist, während die vor und nach diesen
beiden Aufiiahmen bei mitderer Accommodationsanspannung (un-
bewaffiietem Auge) untersuchten GF (I und IV) in ihrer Aus-
dehnung zwischen den beiden GF II und III liegen.
Dass die ge&ndene Erweiterung und Verengerung des
Beitrüge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeld Verengerung. 181
6F nicht eine znlallige ist, sondern auf einem allgemein-
gültigen Gresetze beruht, ist zwar wahrscheinlich, indessen
durch diese eine Beobachtung noch nicht sicher bewiesen.
Denn bei dem g]x>ssen Wechsel in der Ausdehnung des
concentrisch verengten GF könnten die beobachteten Ver-
änderungen immerhin durch nebensachliche Momente be-
dingt sein. Es musste daher die Gültigkeit des aufgestellten
Gesetzes an einer £eihe von Fällen geprüft werden,
2. Versuch (Fig. 2).
Am 28. Xn. 91 wurde bei derselben Patientin (Fall 1)
das GF des r. A. bei Bewaffiiung mit + 6 D (GF I, Fig. 2)
und darauf mit — 18 D (II) in der mehrfach erwähnten Wdse
aufgenommen. Das GF hatte bei Aecommodation för die Feme
normale Aussengrenzen (l Fig. 2), während bei Aecommodation
för die Nähe (II Fig. 2) eine Verengerung um 4—22^ eintrat.
Es ist in diesem Falle bemerkenswertii^ daas trotz der weiten
Aussengrenzen sich doch durch starke Anspannung der Aecom-
modation eine Verengerung des GF bewirken liess.
3. Versuch.
Als der Zustand derselben Patientin (Fall 1) ein wesenttich
besserer geworden war, hatte das GF fast normale Ausdehnung
erlangt und zeigte den VT nur noch sehr undeutlich. Zu dieser
Zeit (14. I. 92) wurde ein GF des unbewaffiieten r. A. bei
temporaler und nasaler ObjectHührung aufgenommen. Es folgten
in derselben Weise noch 2 Aufiiahmen, wälirend die Aecommo-
dation durch -f- 6 D entspannt resp. — 16 D stark angespannt
wurde. Das Resultat ist in etvisa anderer Reihenfolge in der
folgenden Tabelle wiedergegeben,
* GF des r. A. für weiss 5 mm*,
bei Accommoda-
Temporale
Object-
fahrung
tionsentspannung 58.
82.
90.
90.
U.
66.
58.
60.
62. 52.
bei imbewaff-
netem Auge
(Aecommodation
auf 30 cm) . . . 58.
76.
84.
90.
82.
54.
48.
50.
58. 58.
bei starker An-
spannung der
Aecommodation . 50.
86.
88.
90.
84.
58.
54.
56.
56. 5e.
bei Aocommoda-
1 tionsentspanniing
58.
84.
90.
90.
82.
68. 56. 62. 64.52.
bei unbewaff-
netem Auge
(Accommodation
auf 30 cm) ...
54.
68.
82.
90.
74.
64. 54. 56. 6i. 64.
bei starker An-
spannuBff der
Accommodatfon .
48.
84.
92.
80.
76.
68. 56. 62. 64. 58.
182 Groenouw.
Nasale
Object-
ftbrun«
Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, hatte zu der Zeit,
wo das GrF unserer Pstientin als fast normal anzusehen
waTy das für das concentrisch verengte GF gefundene Ge-
setz keine Gültigkeit mehr. Die bei verschiedener Anspan-
nung der Accommodation aufgenommenen GF zeigen nur
einen geringen Unterschied in ihrer Ausdehnung. Es wird
2war sowohl durch Entspannung als durch Anspannung
der AccommodatioD das GF im allgemeinen erweitert,
indessen sind die Unterschiede nur gering, so dass ihnen
wohl schwerlich ein allgemein gültiges Gesetz zu Gnmde
liegt. Es tritt weder mne paradoxe, noch eine physiolo-
gische GF-Erweiterung deutlich hervor.
Aus der vorliegmiden Beobachtung ergiebt sich, dasa
ein GF, welches während des Bestehens einer Anaesthesia
retinae deutliche paradoxe Erweiterung zeigte, nach Ab-
heihmg dieser Erkrankung durch Anspannung und Er-
schlaffung der Accommodation in seiner Ausdehnung nicht
mehr erheblich beeinäusst wird.
2. Fall. Anaesthesia retinae.
Ida N., 10 Jahr alt, klagt über asthenopisehe Beschwerden.
Wenn sie eine Stunde lang gelesen habe, bekomme sie Brennen
in beiden Augen und sehe nicht mehr deutK<^. Die Untersuchung
(16. VI. 92) ergiebt an den Augen ftusserfich und mit dem
Augenspiegel betrachtet nichts Abnormes, insbesondere keine Gon-
2
junctintis. S = — , bei einer Hypeiinetr<^e von 0,75 D. Das
o
GF zeigt eine im Verlauf der Beobachtung sehr wediselnde GFE
Beitrage zur Kexintniss der coneentr. Gesichtsfeld vereii||;enii|g. 183
mit VT. Der Patientin wunle jede die Augen stärlier in An-
sprach nehmende Thätigkeit untersagt und innerlich Chinin ver-
ordnet, wodurch ihre Beseh werden in kurzer Zeit erhebMch ge-
beflBert wurden.
4. Versuch (Fig. 3).
Das GF des 1. A. der genannten Patientin (Fall 2) zeigte
am 17. VI. 92 bei unbewaffiietem Auge mit emem weissen
Quadrat von 5 mm Seitenlange aufgenommen eine ziemlich er-
hebliche Einschränkung (GF I Rg. 3). Wurde die Accommo-
dation des Auges durch Vorsetzen von + 5,.5 D (10 cm vor
die Cornea) vollkommen entspannt , so zeigte das OF ftfer weiss
6 mm' (GF II) eine massige und mit weiss 20 .mm' aufgenommen
(III) eine sehr beträchtlidie Erweiterung. Das Object wurde bei
allen drei Avfiialimen von der temporalen 8eke her m ätis GF
eingeführt.
5. Versuch (Flg. 4).
Nach Beendigung des vorigen Versuches wurde das r. A.
derselben Patientm in glefc^er Weise wie das Knke untersucht.
Das bei unbewaffiietem Auge und temporaler Objectftlhrung
aufgenommene GF zeigte eine eigenthtlmliche Coniiguration, es
hatte seine grösste Ausdehnung in der inneren GH und erstreckte
mdi in die Süssere hinein nur mit einem kleinen Zipfel. Es rtlhrte
diese Form davon her, dass einige Stunden vorher die äussere
GH des r. A. durdi eine Anzahl aufeinander folgender GFA er-
müdet worden war.
Wir haben es also in Fig. 4 mit einem GF zu thun,
dessen Ausdehnung ausser durch die bestehende Anaes-
thesia retinae noch durch die vorausgegangenen Ermüdungs-
versuche beeinflusst ist. Auch dieses zum Theil künst-
lich verengte GF zeigte die paradoxe GF-Erweiterung.
Es war (mit weiss 5 mm* aufgenommen) am engsten für
das unbewaffiiete Auge (Fig. 4 GF I) und erweiterte sich
als die Accommodation durch Vorsetzen rem 5,5D vor das
Auge erschlafft wurde (II). Eine noch beträchtlichere Aus-
dehnung erlangte das GF, als es bei entspannter Accom-
modation mit einem weissen Quadrat von 20 mm Seite
untersucht wurde (III).
184 Groenouw.
G. Versuch.
Das GF des 1. A. derselben Patientin (Fall 2) zeigte einige
Tage später (20. IV. 92) eine beträchtliche concentrische Ver-
engerung bei der Aufnahme mit unbewaifiietem Auge. Bei Ent-
spannung der Accommodation durch -^ 5,5 D trat eine merk-
liche Erweiterung des GF ein, wie folgende Tabelle zeigt.
GF des 1. A. für weiss 5 mm bei centripetaler ObjectftUitung.
I. Bei Accommodation auf
30 cm 6, 8, 8, 5, 8. 4, 6, 8, 4, 8.
II. Bei entspannter Accom-
modation 10, 12, 15, 8, 12. 12, 10, 16, 12, 8.
3. Fall. Anaesthesia retinae, Neuralgia supra-
orbitalis.
Cai-1 V., 10 Jalu-e alt. 12. IV. 93. Patient kann nach
semer Angabe nur wenige Minuten lang lesen, dann bekommt
er Schmerzen in den Augen und die Schrill erschemt ihm ver-
schwommen. Ausserdem klagt er über Schmerzen in der Stim-
gegend, welche seit einigen Wochen sich täglich des Morgens
einstellen, um Abends wieder zu verschwinden. Die Indsura
supraorbitalis beider Seiten ist druckempfindlich. Objectiv bieten
die Augen nichts abnormes dar. Die Sehschärfe beträgt:
r. A. S=^, mit (—0,75 D.) ist S = |
1. A. S=-^, mit (—0,75 D.) ist S=l.
Der binoculäre Nahepunkt für SneUen 0,5 liegt in 6 cm.
Das GF zeigt eine massige GFE mit deutlichem VT. Patient
schläft jede Nacht 11 Stunden, jedoch sehr unruhig. Appetit an-
geblich gut. Ordination: Chhiin.
7. Versuch.
Um den Einfluss der Accommodation auf die Ausdehnung
des GF unseres Patienten (Fall 3) zu prüfen, wurde am 12. IV.
93 das GF des r. A. viermal nach emander mit weiss 5 mm'
aufgenommen. Die erste und \aerte GFA (I und IV) er-
folgten bei unbewaffnetem Auge, während der zweiten wurde
+ 5 D, während der dritten — 15 D 10 cm vor dem Hornhaut-
Beitrftge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 185
Scheitel angebracht Das Auge accommodirte demnach auf einen
Pnnkty welcher bei GFA I und IV 30 cm, bei II unendlich
weit und bei 11^ 15 cm vor dem Homhautscheitel gelegen
war. Das Resultat des Versuches ist aus folgender Tabelle zu
ersehen.
GF des r. A. für weiss 5 mm' bei temporaler Objectführung.
I. Bei massiger Anspan-
nung der Accommodation 52, 74, 78, 73, 56, 38, 36, 38, 40, 34.
II. Bei Entspannung der
Accommodation 62, 74, 80, 80, 68, 42, 50, 55, 40, 36.
III. Bei starker Anspannung
der Accommodation ... 48, 62, 75, 78, 54, 36, 33, 34, 36, 32.
IV. Bei massiger Anspannung
der Accommodation ... 56, 68, 80, 78, 66, 36, 38, 50, 36, 34.
Am weitesten ist das bei vollkommen entspannter Accom-
modation (II), am engsten das bei stark angespannter (III) auf-
genommene GF. Die Grenzen der beiden bei mittlerer Accom-
modation untersuchten GF (I und IV) liegen — abgesehen von
einer einzigen Ausnahme im Meridian 120 — zwischen den
Grenzen der GF II und III. Es besteht also auch in diesem
Falle von GFE die paradoxe GF-Erweiterung und Verengerung.
4. Fall. Anaesthesia retinae.
Edith C, 10 Jahr alt, klagt über asthenopische Beschwer-
den, sie kann nur eine Stunde lang lesen, dann thränen ihr die
Augen und sie sieht nicht mehr deutlich. Patientin schläft selir
unruhig. Appitit gut An den Augen objectiv nichts abnormes
zu finden. Die Sehschärfe des r. A. beträgt f und steigt bei
Bewafihung mit +0,75 D auf V«? <^e des 1. A. beträgt eben-
£sdls I und wird durch dasselbe Convexglas auf |^ gehoben. Es
verbessern also sdion sehr schwache ConvexglSser das Sehen in
die Feme. Das GF zeigt eine massige GFE mit Vl\
8. Versuch.
Am 14. III. 93 wurde das GF des r. A. dieser Patientin
(Fall 4) im horizontalen Meridian für weiss 5 mm* bei temporaler
Objectftlhrung aufgenommen. Patientin accommodul» bei GFA I
mit dem unbewaffiieten Auge auf den Nullpunkt des Perimeters,
bei GFA II wurde die Accommodation durch + 5,5 D entspannt^
186 Groenonw.
während GFA III wieder bei nabewafiiicrtem Auge erfolgte. D»
Eesolital war Folgendes:
GF des r. A. Im horizontalen Median bei temporaler Ob-
jeetftlhrung für weiss 5 mm*:
GFA I Accommodation auf einen 30 cm
entfernten Punkt aussen 64^ innai 40^
GFA II Accommodation für die Feme „ 6S^ „ 44 <>
GFA III Accommodation auf einen 30 cm
entfernten Punkt „ 64<> „ 38<>
Wie aus obigen Zahlen hervorgeht, wu^ das GF unserer
Patientin bei Accommodation für öie Feme weiter als bei Accom-
modation auf einen 30 cm entfernten Punkt.
Ausser den eben geschilderten zeigt das eoncentrisch
verengte GF beim Wechsel der AccommodatioaaeiBstellung
noch andere Veränderungen. Der YerschiebungstypuB tritt
nämlich bei Accommodation für die Nahe oft slärker her-
vor, als beim Blick in die Feme, wie folgender Fall zeigt
5. Fall. Anaesthesia retinae.
Der 13jährige Rudolf P. sudite am 6. V. 92 die Polikhnik
mit der Klage auf, er könne nur ^/^ Stunde lang lesen und
zdchnen. Nach Verlauf dieser Zeit liefen ihm Thränen aus den
Augen und er sehe nicht mehr deutlich, so dass er seine Arbeit
Unterbrechern mttsse. Ob|ectiv liUst sich «a den Augeft nichts
Abni^mes nachweiBen. Die SehsehSrfe jedes Auges beixägt f «nd
hebt sich bei Bewafinung mit 4^ 0,75 a«f | ^ h +1^^ ^^v-
sehlechtert das Sdien för die Feme. Es verbaHem aJm sebr
schwache Convexgfiaer die Sehsdiärfe ftbr die Feme nicht vnbe-
trikbtlicb. Das GF zeigt eine ooncentrische Verengenmg mitt-
leren Grades mit ausgepfftgten VT (Fig. 6a).
9. Versuch (Fig. 5a nnd 5b).
Das GF des erwähnten Knaben (Fall 5) ist in der Weise
aufgenommen, dass fllr jede Stellung des Perimeterbogens das
Object erst von der temporalen und nach einer Pause von viel-
lei«^t ^/4 Minute sofort auch von der nasalen Seite her dnreh
denselben Meridian geführt wurde. In Fig. 5 a und 5 b ist die
Keihenfolge^ in weldber die PrO^mg der Meridiaiie eriMgte, dureh
die Zahlen 1 — 10 und die Objeetfithrung bei jeder einzehien
Beitrage zur Kenntniss der concentr, Gesichtsfeldverengerunfir. ^37
UnterBuchiing dnrch die Pfeile «Dg<^gebeQ. Fig. 5 a wurde bei
«nbewa&etem Auge (Aeeommodatioii auf 30 cm). Flg. 5b bei
entspannter Aceommodation (Bewafihung des Auges mh -|- 5,5 I>)
»genommen. Ein Y»gieich der bdden GF Fig. 5 a und 5 b
ergiebt f&r dae bei entspannter Aeoommodation aiifgenoramene
GF — abgesehen von 2 Meridianen — eine weitere Ausdeh-
nung als ftlr das bei Aceommodation auf 30 em Entfernung ge-
wonnene GF. Das bei temporaler und djus bei nasaler Object-
fikhrong erhaltene GF zeigen in Fig. 5 a einen viel erhebliclieren
Untersdiied als in Fig. 5b. Es ist also in diesem Falle bei
Aeeommodation für die Nähe der VT in stftrtcerem Grade vor-
handen als bei Aceommodation für die Feme.
Das GF des 1. A. desselben Patienten erweiterte sich eben-
falls in Folge Entspannung der Aceommodation ganz erheblich.
Dagegen war em Einfluss des Aceommodationszustandes auf den
VT nicht nachzuweisen.
Dasa der VT bei starker Anspannung der Aceommo-
dation oft deutlicher hervortritt, als bei Entspannung oder
nur massiger Inanspruchnahme derselben, geht besonders
deutlich aus folgendem Versuche hervor.
10. Versuch (Fig. 6a und 6b).
Mit der Patientin Clara K. (Fall 1) wurde am 28. XII. 92
folgender Versuch angestellt. Nachdem — 18 D 10 cm vor dem
HonihautBcheitel des r. A. befestigt war, erfolgte ^e Aufiiahme
des GF in 5 Meridianen zunäclist bei temporaler (GF I Fig. 6 a)
and darauf bei nasaler ObjectfÜhrung (GF II). Beide GF zeigten
gegen einander eine Verschiebung bis zu 20^. Unmittelbar
darauf wunle in gleicher Weise das GF desselben auf den Null-
punkt des Perimeters accommodirenden, unbewaffneten Auges
geprüft (Fig. 6 b). Die letzteren beiden GF (Fig. 6 b) zeigten
den VT nur in einzelnen Meridianen ausgeprägt.
Hieraus folgt, dass in einzelnen Fällen bei starker An-
spannung der Aceommodation der VT deutlich hervortritt,
während er bei massiger Anspannung derselben kaum nach-
zuweisen ist
6. Fall. Anaesthesia retinae.
Die IGjährige Weissnähterin Agnes V. suchte am 6. I. 92
die Polikhnik wegen aadienoptscher Beschwerden auf. Nach em-
188 Groenouw.
stfindiger Arbeit (Nähen) bekommt Patientin Schmerzen in den
Augen und sieht nidit mehr deutlich; so dass sie erst nadi einer
Pause weiter arbeiten kann, bis neu eintretende Beschwerden sie
wiederum zur Unterbrechung des Nähens zwingen. Die Augen
zeigen objectiv nichts abnormes. Die Sehschärfe beträgt '/g bei
einer Hypermetropie von 1 D. Das OF zeigt eine massige GFE
mit deutlichem VT.
Nachdem Patientin nur einen Tag lang die Arbeit ausgesetzt
hatte y zeigte das GF (7. I. 92) vollkommen normale Aussen-
grenzen und keinen VT mehr. Als jedoch die Kranke einige
Tage lang angestrengt genäht hatte ^ trat \^deder eine geringe
Verengerung des GF (12. 1. 92) mit wenig ausgeprägtem VT ein.
11. Versuch.
Das GF des r. A. unserer Patientin (Fall t>) zeigte am iu
I. 92 eme massige Verengerung mit ausgeprägtem VT. Das
Untersuchungsobject wurde in jedem Meridiane erst von der tem-
poralen und unmittelbar darauf auch von der nasalen Seite her
durchgeführt (cf. Fig. 5 a und 5 b). GFA I und II erfolgten
bei Fixation des Nullpunktes des Perimeters, wälirend GF III
und IV bei Entspannung der Accommodation durch Vorsetzen
von + 16 D aufgenommen wurden.
GF des r. A. für Weiss 5 mm*.
1) Temporale Objectfubrung und
I. massige Anspannung der
Accommodation 50, 58, 62, 66, 56, 34, 34, 26, 32, 24.
III. Vollkommen entspannte
Accommodation 56, 78, 84, 84, 68, 56, 46, 50, 53, 44.
2) Nasale Objectfährung und
II. massige Anspannung der
Accommodation 34, 40, 48, 58, 32, 54, 52, 44, 44. 40.
IV. Vollkommen entspannte
Accommodation 48, 56, 76, 84, 66, 58, 50, 53, 56, 48.
Das GF zeigt bei Accommodationsentspannung eine erheb-
lidi weitere Ausdehnung und ein viel undeutlicheres Hervortreten
des VT als beim Fixiren des 30 cm entfernten Nullpunktes des
Perimeters.
7. Fall. Anaesthesia retinae.
Anna G., 17jährige Fabrikarbeiterin , kann ihrer Angabe
nach nur etwa 5 Minuten lang fernere Arbeiten (Nähen, Sticken etc.)
Beitrage zur Kenntniss der concentr. (iesichtsfeldverengerung. 189
verriditen, dann bekommt sie Schmerzen in beiden Augen, sie
sieht bunte Hinge und Hader, welche sicli bewegen, und es flim-
mert ihr vor den Augen. Nach einer kurzen Ruhepause kann
sie wieder eine Zeit lang weiter arbeiten, worauf abermals neue
Beschwerden eintreten. Objectiv ist nichts Abnormes an den
Augen zu finden (8. I. 92). Die Selischärfe beträgt | bei einer
Hypermetropie von 1 0. Das GF zeigt eine massige 6FE mit
deutlichem VT.
12. Versuch.
Das ÜF des r. A. der Patientin (Fall 7) wurde zuerst bei
unbewaffiietem Auge aufgenommen und zwar för jeden Meridian
erst bei temporaler und unmittelbar darauf bei nasaler Object-
ftQirung (GF I und II). Es folgte eine nochmalige GFA in genau
derselben Weise, während + 5,0 10 cm vor dem Homhaut-
Bcheitel angebracht war und dadurch eine vollständige Entspan-
nung der Accommodation erzielt wurde. Das Resultat zeigt fol-
gende Tabelle:
GF des r. A. für weiss 5 mm*.
1) Temporale Objectführung.
I. Bei Accommodation auf
den Nullpunkt des Peri-
meters 44. 48. 78. 72. 58. 32. 28. 38. 40. 34.
111. Bei entspannter Accom-
modation 50. 68. 78. 64. 62. 48. 50. 46. 50. 37.
2) Nasale ObjectfOhrung.
II. Bei Accommodation auf
den Nullpunkt des Peri-
meters 32. 34. 64. 60. 46. 36. 48. 50. 48. 41.
I\. Bei entspannter Accom-
modation 48. 54. 74. 58. 52. 58. 56. 58. 54. 42.
Das GF wird, wie die Tabelle zeigt — ausser im Meridian
120 — bei Accommodation für die Feme weiter als beim Fi-
xiren eines 30 cm entfernten Punktes. Vergleicht man die GF
I, II und III, IV mit einander, so erkennt man, dass erstere
unter einander erheblicher düferiren als die beiden letzteren. Es
ist der VT stärker ausgesprochen bei Accommodation ftlr die
Nähe als bei entspannter Accommodation.
190 Groenouw.
8. Fall. Anaesthesia retinae.
Der 17jSlirige Schnhmacheriehrlmg Gufltav L. wurde am
27. VI. 92 in die Klinik angenommen. Patient bemerkt seit
einem Jahre, daaB ihm öfter ein ^Nebel^ daa GF verdunkelt, so-
bald er einige Zeit famg gearb^tet hat. Seit 6 Woofaen trigt
der Kranke -f- 1,25 , ohne daas seine Besdiwerd^ dadurch ge>
bessert worden wären.
Die Untersuchung ergiebt an den Augen objectiv nichts Ab-
2
normes. /S = — bei Hyperm. 1 D. Am Foerster'schen Photo-
meter werden die 8 Stridie des Probeobjectes bei «ner Beleueli-
tungsöiihung von 12'/, qmra, gegenttber 2 qmm bemi normaiea
Auge, eben erkannt Der lidbtsinn ist also nodi als fast normal
aneusehen. Das GF ist stark verengt und zeigt VT. Ermttdet
man das GF des r. A. nach Wilbrand, so lässt sieh der Durdi-
messer des horizontalen Meridians von 50^ durch 6 Ermüdungs-
touren auf 30^ einengen und behält diese Ausd^nung bei 5
weiteren Ermlidungstouren bei.
Patient erhielt innerlich Bromkalium und Chinin, worauf das
GF allmählich weiter wurde. Am Tage der Entlassung aus der
Klinik (15. VII. 92) waren die Grenzen des GF ftlr weiss fast
normal und nur noch ein wenig ausgeprägter VT vothanden.
13. Versuch.
Bei dem erwähnten Patienten (Fall 8) wurde eine Beobach-
tung gemacht, welche ^ den Nachweis der paradoxen Gesichts-
feldverengerung und Erweiterung von Wichtigkeit ist Es wurde
nämlidi am 6. VII. 92 das GF des r. A. flir ein weisses Qusr
drat von 5 mm Seitenlänge bei temporaler Objectftlhrung und
Aocommodation auf den Nullpunkt des Perimeters aufgenommen
(GF I), was etwa 3 Minuten beanspruchte. Das GF zeigte sieh
nur wenig concentrisch verengt, in der nasalen GH um etwa
10", in der temporalen um 20". Es folgte eine zweite^GFA
(II), während die Aocommodation durch -|- 6 D (10 cm vor dem
Homhautsc^itel) entspannt war. Das GF erweiterte sidi hier-
durch in 5 der untersuchten 10 Meridiane um 2 — 7^, behielt in
dnem seine frühere Ausdehnung bei und verengte sich m 4 Me-
ridiane um 1—3^ Wenn auch die in Folge der Aeoommoda-
tionsetspannung eingetretene GF-F^elierung die in einiekien
Meridianen vorhandene Verengerung übertraf, so hätte sieh do<^ ans
Beiträge zurKenntniss der cockcentr. Gesichtsfeldverengerung. 191
4em eben genaanton Befunde schwerlich mit Sicherfaeit der Schfaui
iäeben laasen, dais Aecommodationseat^Muinung das coneentriiMsh
verengte GF erweitere.
Dass bei unserem Patienten die paradoxe GF-Erweite-
nrng bestand, ging aus einem am 11. Vll. 92 mit dem-
selben Auge angestellten Versuche hervor.
Es wurde nämlidi das GF bei temporaler Objectftihrung
mit einem weissen Quadrat von nur 1 mm Seitenlänge aufge-
nommen, und zwar erst bei Accommodation auf den Nullpunkt
4es Perimeters (GFf), dann bei Entspannung der Aecommodattoft
duveh -h|- 6 D (GF II), hieiauf nochmals bei Accommodation auf
den Nullpunkt des Perimeters (GF III). Das Resultat war fol-
gendes:
GF des R. A. für weiss 1 mm* bei temporaler Objectführang.
I. Bei Accommodation auf
den Nullpunkt des Peri-
meters (3U cm Entfernung) 46. eO. 66. 73. 59. 42. 48. 40. 47. 44.
11. Bei entspannter Accom-
modation 47. 60. 72. 75. 67. 46. 48. 46. 47. 46.
III. Bei A^ccoiumodatioa auf
den Nullpunkt des Peri-
meters 44. 58. 70. 71. 64. 42. 48. 46. 47. 42.
Ein Vergleich der drei Reihen ergiebt, dass das bei Accom-
modation für die Feme eilialtene GF (II) weiter ist, als die bei-
den voriier und nadiher bei Accommodation auf den 30 cm ent-
fernten Flxationspunkt des Peiim^ierB aufgenommenen GF (I u. III).
Die paradoxe Erweitenmg des GF in dem vorliegenden Falle
ist nur gering, doch muss man dabei in Betracht ziehen, dass
unter physiologischen VerhiLitniSBen das GF bei entspannte Ac-
oommodatioB enger wird^ nicht weiter.
Aus d«r angeführten Beobachtung geht hervor, dass
sich die paradoxe Gesichtsfelderweiterung bei der ünter-
sudiung mit sehr kleinen Objecten oft deutlicher nadi-
weisen lässt, als mit grösseren.
14. Versuch (Fig. 7).
In üebereinstimmung mit der genannten Thatsache steht
das Ergebniss eines am 6. VII. 92 mit demselben Patienten an-
192 Groenouw.
gestellten Versuches. Das GF des 1. A. Hir weiss 2mm^ wurde
bei temporaler Objectföhrung erst bei unbewafihetem Auge (Fig. 7,
GF I) und darauf mit -|- 6 D, 10 cm vor dem Homhautscheitel
aufgenommen, und zeigte im letzteren Falle eine erhebliche Er-
weiterung. Es bestand demnach bei unserem Patienten Hlr das
1. A. eine deutliche paradoxe GF-Erweiterang^ während das r. A.
an demselben Tage für weiss 5 mm*, wie oben erwälmt, die
paradoxe Erweiterung nicht deutlich zeigte.
Wäre bei unserem Patienten nur das r. A. mit einem
grösseren weissen Quadrat untersucht worden, so hätte man
zu dem Schlüsse gelangen können, es bestehe keine para-
doxe Gesichtsfelderweiterung, während sie doch für das 1.
A. mit einem kleinen Untersuchungsobject leicht nachweis-
bar war. Dieser Punkt verdient besonders hervorgehoben
zu werden. Es war manchmal nicht möglich, bei einem
Patienten die paradoxe GF-Erweiterung auf dem einen
Auge deutlich zu demonstriren, während dies für das zweite
Auge oder bei der genannten Modification der Unter-
suchungsmethode auch für dasselbe Auge keine Schwierig-
keiten darbot
Günstiger Einfluss des dauernden Tragens
von Convexgläsern bei Anaesthesia retinae mit
Hypermetropie.
Da das concentrisch verengte GF sich bei Entspan-
nung der Accommodation temporär erweitert, so lag es
nahe, diese Beobachtung therapeutisch zu verwerthen, in
der Voraussetzung, dass eine dauernde Entlastung der
Accommodation auf die dauernde Erweiterung des GF
von günstigem Einfluss sein werde. Es wurde daher allen
hypermetropischen Patienten mit Anaesthesia retinae die
corrigirende Convexbrille zum andauernden Tragen ver-
ordnet, eine Behandlungsweise, welche von uns schon seit
vielen Jahren als Unterstützung der übrigen Therapie ge-
übt wird.
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 193
Es war nicht zu erwarten , dass allein das dauernde
Tragen einer Convexbrille in allen Fällen zur Heilung der
Anaesthesia retinae ausreichen würde. Denn die genannte
Krankheit ist nicht eine ausschliessliche Affection der Augen,
sondern ein allgemein nervöses Leiden, dessen hervor-
stechendstes Symptom die Augenerkrankung darstellt Trotz-
dem erschien es wahrscheinlich, dass die dauernde Ent-
lastung der Accommodation zur Beseitigung der Symptome
von Seiten des Sehorganes viel beitragen würde. Als Be-
weis für die Richtigkeit dieser Anschauung diene folgen-
der Fall.
9. Fall (Anaesthesia retinae, geheilt durch
dauerndes Tragen einer Convexbrille).
Maiiha B.^ 17jälirige Schneiderin^ näht seit April 1892
Damengarderobe, täglich 10 Stunden lang, ohne in der Ausfüh-
rung dieser Arbeit wälirend des vergangenen Jahres von Seiten
der Augen irgendwie behindert worden zu sein. Erst hn Februar
1893 stellten sicli asthenopische Beschwerden ein, welche so stark
wurden, dass die Kranke nur noch eine Stunde lang ununter-
brochen zu nälien vermochte. Nach Verlauf dieser Zeit sali
Patientin die Arbeit verschwommen und musste ^1^ Stunde lang
pausiren, ehe sie wieder weiter nähen konnte. Dies wiederholte
sich mehrmals am Tage, sodass Patientin üire tägliclie Ai'beits-
zeit auf 6 Stunden reduciren musste. Ausserdem bestanden die
Symptome eines Bindehautcatarrhes, Drücken, Brennen und hau-
üges Thränen der Augen.
Die am 23. IL 1893 vorgenommene Untersuchung ergiebt
einen Bindehautcatarrh geringen Grades, sonst zeigen die Augen
äusserlich und mit dem Augenspiegel betrachtet objectiv nichts
Krankhaftes. Es besteht eine Insufficienz des linken m. rectua
internus. Die Sehschärfe beträgt itlr beide Augen ^/g, mit
-|-0,75 D steigt sie auf ^/j, Snellen 0,5 wird von 11 — 37 cm,
Snellen 1,0 bis 79 cm gelesen. Es ist also Hypermetropie bei
guter Accommodationsbreite und ^/4 Sehschärfe vorhanden. Das
(IF ist in massigem Grade concentrisch verengt, es erstreckt sich
vom Fixationspunkt aus nach allen lüchtungen hin nur 40 — 50^
weit, ausserdem besteht ausgesprochener Fo erster 'scher VT mit
einer Verschiebung von 15 — 20^. Das Allgemeinbefinden der
T. Onefe's Archir Ar Ophthalmologie. XL. 2. 13
194 Groenoiiw.
Patientin ist günstig^ sie hat guten Appetit und schlfift jede Nacht
8 Stunden, allerdings in den letzten 4 Wochen sehr unruhig.
Die Kranke sieht etwas blass aus, Nonensausen ist nicht tot-
banden. Patientin lebt unter günstigen äusseren Verhältnissen.
Es wurde gegen die Conjunctivitis eine */, ^j^ Lösung von
schwefelsaurem Zink als Augenwasser verordnet und ausserdem
+ 1 D zum dauernden Tragen.
Schon 2 Tage später zeigte das GF eme erhebliche Erwei-
tenuag, es reidite aussen bis zum 70., innen bis zum 55. Pa-
rallelkreise und der VT war nur noch wenig ausgeprägt Die
Kranke konnte et^-as länger, etwa 3 Stunden lang, ohne Unter-
brechung nähen, ehe Beschwerden eintraten.
Patientin trug ihre Convexbrille weiter, setzte aber wäh-
rend der ganzen Behandlungsdauer die Arbeit nicht
aus, sondern nähte täglich mindestens 6 Stunden lang. Die
asthenopischen Beschwerden wurden immer geringer. Am 3. III.
1893 konnte die Kranke täglich 10 Stunden lang ohne alle Be-
schwerden nähen, nur die subjectiven Symptome des Catarrhes
belästigten sie nocli. Das GF hatte fast normale Ausdehnung
erreicht, der VT war nidit mehr nachzuweisen.
Dieser Besserung folgte bald ein Rückfall. Schon am 7. III.
1893 stellten sich nach 3 — 4 stündiger Arbeit wieder Beschwer-
den ein, trotzdem die Convexbrille dauernd getragen wurde. Die
Untersuchung ergab jetzt eine manifeste Hypermetropie von
1,25 D ftlr das rechte bei voller, 1,0 D für das linke Auge bei
*/3 Sehschärfe. Wurden beide Augen gleichzeitig untersucht, so
betrug die manifeste Hypermetropie 1,75 D. Patientin erhielt
+ 1,75 D zum dauernden Tragen verordnet, wodurch ihre Be-
schwerden sehr rasch gebessert wurden.
Das am 13. III. 1893 aufgenommene GF zeigte nur dne
geringe Verengerung mit wenig ausgeprägtem VT, die Kranke
konnte damals täglich 7 — 8 Stunden und seit Anfiug April 10
Stunden ohne Beschwerden arbeiten.
Eine am 13. IV. 1893 vorgenommene Untersuchung er-
gab dasselbe Resultat Patientin hatte ilire BriUe +1,75 D
dauernd getragen und täglich 8 — 10 Stunden lang genäht Der
BindehautcataiTh wai* noch nicht vollkommen abgeheilt, verur-
sachte aber nur geringe Beschwerden.
15. Versuch (Fig. 8).
Am Tage der ersten GF-Üntersuchung (23. II. 1893) Hess
sich nachweisen, dass das GF des r. A. der genannten Patientin
Beitrftge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeld Verengerung. 195
(Fan 9) durdi Entspannung der Acoommodation erweitert wurde.
Fig. 8 erläutert die Anstellung des Versuches genauer. Die Ao-
commodation war bei GFA II durch Vorsetzen von +5,75 D
(10 em vor den Hombautscheitel) entspannt, während GFA I
und III bei unbew^affiietem Auge (Aecommodation auf 30 em)
erfolgten. Ausser dem sehr deutlichen Hervortreten der para-
doxen GF-Erweiterung ist bei diesem Versuche noch besonders
aufMendy dass das GF III weiter ist, als GF I. Aus dieser
Beobachtung lässt sicli folgendes Gesetz ableiten.
Macht man bei einem Patienten mit GPE 3 GFA
hintereinander, so dass der Kranke bei der ersten und
dritten Untersuchung auf 30 cm Entfernung (den Nullpunkt
des Perimeters), während der zweiten auf unendliche Ent-
fernung accommodirt, so ist das letzte GF in der 'Regel
weiter, als das erste, obwohl beide unter denselben Be-
dingungen erhalten worden sind. Diese Erscheinung wurde
in einer ATi7fl.h1 von Fällen, nicht in allen beobachtet und
lässt sich wahrscheinlich auf folgende Weise erklären. Die
Entspannung der Aecommodation während der zweiten
GFA hat eine erweiternde Wirkung auf das GF, dieser
günstige Einfluss verschwindet nicht sofort bei erneuter In-
anspruchnahme der Aecommodation, sondern übt noch eine
Nachwirkung aus, welche der letzten GFA zu Gute kommt
Auch diese Beobachtung spricht dafür, dass das dauernde
Tragen einer Convexbrille auf die bleibende Erweiterung
eines concentrisch verengten GF von Einfluss sein könne.
Für das l. A. derselben Patientin ergaben 3 am gleidien
Tage gemachte GFA ebenfalls das Voiiiandensein der paradoxen
GF-Erweiterung. Die Grösse der Erweiterung betrug in den
einzelnen Meridianen 0^—8*.
16. Versuch.
Am 23. IL 1893 wurde mit dem r. A. derselben Patientin
(FaU 9) em Ermüdungsversuch nach Wilbrand (Seite 175) ange-
ateUt Ein weisses Quadrat von 5 mm SeitenJfinge wurde im
horizontalen Meridian von der Schläienseite her ins GF einge-
fthrt Es wurde beim 58. Farallelkreise temporaiwärts wahrge-
13*
196 Groenouw.
nommen und verschwand auf der nasalen GH beim 44. Nun
wurde es sofort nach der temporalen GH zurückgeführt und ver-
schwand bei 52^, wieder nach der nasalen Seite geführt, ver-
schwand es bei 38^ u. s. w. Hierauf wurde genau in derselben
Weise noch einmal der horizontale Meridian geprüft, während die
Accommodation durch Vorsetzen von -{-' 5,75 i> 10 cm vor den
HomhautBcheitel entspannt war. Das Ergebniss beider Versuche
ist folgendes.
R. A., horizontaler Meridian, Ermüdungsversuch nach
Wilbrand. Untersuchungsobject: weiss 5 min^
I. Bei Accommodation auf den
Nullpunkt des Perimeters
nasal (i)44 — 58(0) temporal
• (3)38—52(2)
(6)34—48(4)
II. Bei entspannter Accommo-
dation.
nasal (i) 52 — 72 (O) temporal
(8)44—56(2)
(6)40—54(4)
Wie aus den angeMirten Zalilen henorgeht, wird das GF
unserer Patiendn durch fortgesetzte Ermüdung immer enger.
Bei entspannter Accommodation hat das GF eine viel erheblichere
Ausdehnung und wird durch eine gleiche Anzahl Ermüdungs-
touren viel weniger verengt, als bei angespannter Accommo-
dation.
Die paradoxe GF-Erweiterung bestand bei der erwälmten
Patientin nur so lange, als das GF eine concentrische Verenge-
rung mit \^ zeigte. Die Erscheinung verschwand wieder, so-
bald die Ki'anke als geheilt anzusehen war. Am 13. IV, 1893
zeigte das GF beider Augen fiir weiss 5 mm* normale Aussen-
grenzen und keinen \^ mehr. An diesem Tage wurde dasGF
des r. A. mit weiss 2 mm* erst bei Accommodation auf 30 cm
Entfernung (GF I) und darauf bei entspannter Accommodation
(GF II) untersucht Das letztere der beiden GF zeigte gegen-
über dem ersteren in 2 Meridianen keine Veränderung, hatte sich
in einem um 2^ verengt und war in 7 Meridianen um 1 — 5^
weiter geworden. Vergleichen wir damit die sehr beträchtliche
paradoxe Erweiterung des GF für em weit grösseres Object,
welche 7 Wochen früher bestand (Fig. 8), so können wir die
jetzt bestehenden Veränderungen des GF als unerheblicli be-
zeichnen.
An demselben Tage wurde das GF des 1. A. für weiss
1 mm* bei Accommodation auf 30 cm (GF I) und auf den Fem-
punkt der Patientin (GF II) geprüft. GF II war in 5 Meri-
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengening. 197
dianen um 1 — 6*^ enger, als 6F I, hatte sich nur in 2 Meri-
dianen um 1^ und 2^ erweitert und in 3 Meridianen gar nicht
verändert. Es war demnadi infolge der Entspannung der Ao-
commodation das GF im Grossen und Ganzen enger geworden,
so dass die physiologische GF-Verengerung an Stelle der
paradoxen Erweiterung getreten war.
10. Fall. Nictitatio, Anaesthesia retinae.
Die 14jälirige Schneiderstochter Martha Seh. suchte am
18. II. 1893 die Poliklinik wegen eines seit 4 Wochen bestehen-
den Lidkrampfes auf. Es zeigt sich ein fast ausschliesslich auf
dem 1. A. auftretender Blepharospasmus. Das Auge wird plötz-
lich krampfhaft auf einige Secunden geschlossen und dann wie-
der geöffiiet Dieses Spiel wiederholt sich in ganz kurzen Zeit-
räumen. Ausserdem bestehen fibrilläre Zuckungen in den Lidern,
besonders in dem unteren. Die Erscheinung verschwindet sofort,
wie mit einem Zauberschlage, wenn Patientin die corrigirende
Brille R: + 1,25 L: + 2,75 aufsetzt So lange die Brille ge-
tragen wird, sind keine oder nur geringe Zuckungen in den
Augenlidern zu sehen; sobald das Glas abgenommen wird, treten
sie, wie auf Commando, sofort wieder ein. Die Untersuchung
der Augen ergiebt sonst äusserlicli nichts Abnormes. Die Seh-
schärfe beträgt */3 bei einer Hypermetropie des erwähnten
Grades. Das GF zeigt eine geringe concentrische Verengerung
und deutlichen VT mit einer Verachiebungsgrösse von etwa 10®.
Patientin erhielt die corrigirende Convexbrille zum dauernden
Tragen verordnet und ausserdem innerlich Chinin in Lösung, da
sich an der linken Incisura supraorbitalis ein V all ei x' scher Druck-
punkt fand. Es trat unter dieser Behandlung ei'st eine erhebliche
Verminderung und schliesslich völlige Heilung des Blepharospas-
mus ein. Das GF erweiterte sich ebenfalls und zeigte am 4. IIL
1893 durchaus normale Aussengi^enzen ohne eine Spur von VT.
17. Versuch.
Der Einfluss der Accommodationsentspannung auf den Ble-
pharospasmus war bei der genannten Patientin (Fall 10) sehr
leicht zu demonstriren. Es lag nahe, auch eine Beeinflussung
des GF durch die Accommodation zu vermuthen. Um dies näher
zu prüfen, wurde am 18. IL 1893 ein GF des 1. A. zuerst
ohne Brille (GF I), darauf mit + 7,25 1 dm vor dem Auge
(GF II) und hierauf nochmals bei unbewaffnetem Auge (GFIII)
] 98 Groenouir.
aii%enommen. Im Folgenden haben nur die ffHr den horizon-
talen Meridian geftindenen Zahlen Platz gefunden.
L. A.y GF für weiss 5 mm^ im horizontalen Meridian bei
temporaler Objectfübrung.
temporal nasal
I. Bei Accommodation auf den Nullpunkt
des Perimeters 77 50
II. Bei entspannter Accommodation ... 84 58
III. Bei Accommodation auf den Nullpunkt
des Perimeters 82 52
Das GF wurde also dorch Entspannung der AccomniodatioD
erweitert Femer zeigte sich auch hier wieder die Seite 195 ge-
schilderte Erschemnng^ dass GF III weitere AuBsengrenzen zeigte,
als GF I, daas daher die infolge der Accommodationsentspannung
bewirkte GF- Erweiterung noch eine Nachwirkung zeigt, wenn
die Accommodation wieder in Anspruch genommen wird.
11. Fall. Anaesthesia retinae.
Der 24jährige Sattler Gustav L. stellte sich am 19. IV.
1893 nüt der Klage vor, er könne nur et^^a 20 Minuten lang
lesen oder ai'beiten, nach Veriauf dieser Zeit ^flimmere^ es ihm
vor den Augen und er müsse einige Minuten lang pausiren. Dies
wiederhole sicli öller.
Die Untersuchung ergiebt an den Augen objectiv niditB
Abnormes. S= ^/g; mit (— 0,75 D) steigt S auf 1. Mit jedem
Auge einzeln wird Snellen 0,5 von 12 cm punct proximum,
bis 24 cm p. r. und Sn. 1,0 bis 32 cm p. r. gelesen. Es be-
steht also ein auffallendes Missverliältniss zwischen dem Ergebniss
der Sehprfifung für die Nähe und fllr die Feme, indem Sn. 0,5
und 1,0 in viel grösserer Enttemung vom Auge nocli gelesen
werden müssten, als dies thatsächlich der Fall ist.
Das GF zeigte eine concentrische Verengerung mittleren
Grades und einen sehr ausgeprägten YT (cf. Fig. 9 a und b).
18. Versuch (Fig. 9 a und b).
Um den Einfluss der Accommodation auf die Ausdelmung
des GF unseres Patienten (Fall 11) zu prttfen, wurde am 18.
IV. 1893 das GF des unbewaffneten 1. A. erst bei temporaler
(I) und unmittelbar darauf bei nasaler (II) ObjectfÜhiimg aufge-
Beitrfige zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfcldverengerung. 199
Bommen. Nach einer Ruhepause von 5 Minuten wunle dasselbe
Manöver wiederholt, wSlur^d die Accommodation des untersuchten
Auges durch Vorsetzen von 4* '^y^ D 10 cm vor den Hornhaut-
scheite! mögtiebst vollkommen entq[>annt wai* (GF III und IV
Fig. 9). Es fi[%te eine abermah'ge Pause, worauf das GF wie-
derum aufgenommen wurde, während Patient seine Acoommo-
dation durch fUren eines 12 om vor dem Auge gelegenen
Punktes stark anspannte.
In diesem Falle wui*de abweichend von den ii*tLheren Ver-
sudien die Accommodationsanspannung dadurch ei-zielt, dass dei*
Untersuchte den Knopf einer Stecknadel fixirte, welche nalie vor
dem Auge befestigt war. Diese Methode liat den Nachtheil, dass
das Untersuchungsobject, welchem Patient seine Auimeiksamkeil
zuwenden muss, weiter vom Auge entfernt ist, als d^ Fixations-
punkt, wodurch die Beobachtung für den Kiunken erachweil wird.
Auf die oben emälmte Weise wurden \'on unserem Patien-
ten 6 GF erhalten, von denen die H bei temporaler Objectiiihrung
aufgenommenen in Fig. 9 a, die bei nasaler Einflihning gewonnenen
in Fig. 9 b abgebildet sind. Fig. 9 a zeigt, dass das bei starker
Anspannung der Accommodation erhaltene GF (V) die geringste,
das bei Entspannung derselben gewonnene (III) die weiteste
Ausdehnung hat und das bei mittlerer Inanspruchnalnne der Ac-
commodation aufgenommene GF in seiner Ausdehnung zwischen
den ersteren beiden GF liegt, (ienau ebenso verhält es sich mit
den 3 bei nasaler ObjectfÜlunmg erhaltenen GF (Fig. 9 b). Es
ist demnach auch bei diesem Patienten das GF bei stärkerer
Anspannung der Accommodation enger als bei massiger Inan-
spruclmahme dereelben und im letzteren Falle wieder enger als
bei vollkommen entspannter Accommodation.
Ausser bei der Anaesthesia retinae findet sich die
GFE noch bei einer Anzahl anderer Krankheiten, häufig
in Verbindung mit VT, wie O. Koenig(2) nachgewiesen
hat Wir wollen nun untersuchen, ob sich auch in diesen
Fällen die paradoxe GF-Erweiterung findet.
12. Fall. Myopia spastica.
Helene K. 11 Jahr alt. 1. April 1891: Patientm klagt,
dass sie seit ^/^ Jalu-e vorttbergehende Versdüechterungen des
Sehvermögens, euxige Minuten hmg anhaltende Verdunkelungen
des GF, bemerke. Die Unterauchung der Augen ergiebt objectiv
200 Groenouw.
nichts Abnormes. Die Sehscliärfe des r. A. beträgt \, die des
I. A. ^/g, sie steigt auf ^/j, wenn das r. A. mit — 1,25, das
I. A. mit — 1,75 bewaffnet wird. Die Skiaskopie ergiebt fiir
beide Angen hypermetropischen Ban. Nadi Atropinisirung des
r. A. lässt sich auch functionell eine Hypermetropie von 1,75
nscchweisen, weldie nach dem Verschwinden der Atropinwirkung
wieder in eine functionelle Myopie von 1,0 übergeht. Das GF
zeigt auf beiden Augen eine geringe GFE und eme typische
Verschiebung von 10 — 20®. Die Ausdehnung des GF zeigte
während der folgenden Beobachtungsdauer recht erhebliche Schwan-
kungen. Die Fai'bengrenzen des GF zeigen bei der Unter-
suchung mit Quadi^ten von 5 mm Seitenlänge die normale Reihen-
folge. Am weitesten periplier wird blau erkannt, dann folgt
weiter centralwärts roth und zuletzt grün. Die Farbenfelder sind
entsprechend der Verengerung des GF fih- weiss etwas eingeengt
Der VT ist auch filr farbige Objecte (roth und grün) nachzu-
weisen.
Patientin wurde in die Klinik aufgenommen und 1 Woche
lang (14. V. 1891) mit Bettruhe und Verband beider Augen
behandelt. Der Erfolg dieser Cur war eine Erweiterung desGF
unter gleichzeitiger Umwandlung der Myopie in eine Hyper-
metropie von 0,25. Durch eine Reihe von Strychnininjectionen
wurde noch eine weitere Besserung erzielt, so dass P. am 27.
V. 1891 als nahezu geheilt entlassen werden konnte.
^/, Jahr später (Nov. 1891) stellte sich die Kranke wieder
mit ihren früheren Beschwerden vor. Es bestand functionell eine
Myopie von 0,75 bei massig verengtem GF und deutlichem VT.
Unter dem Gebrauch von liq. fem albuminati vei-schwanden die
Beschwerden der Patientin allmählich.
19. Versuch.
Während des Rückfalles der Erki-ankung im November 1891
wurde das GF der genannten Patientin mehrfacli auf die para-
doxe GF-Erweiterung hin untereucht. Es ergaben sich dabei
einige fiir den Nachweis dieses Symptoms widitige Beobach-
tungen.
Am 23. XII. 91 wurde das GF des r. A. bei temporaler
ObjectfÜhrung zweimal hinter einander aufgenommen. Wälirend
der ersten Auiiiahme betrachtete Patientin den Nullpunkt des
Perimeters durch — 3,25 10 cm vor dem Homhautscheitel be-
festigt (Accommodation auf 23 cm). Bei der zweiten Unter-
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeld Verengerung. 201
Bnchnng war das Auge unbewaühet, accommodlrte also auf 30 cm.
Die beiden so gewonnenen 6F zeigten keinen wesentlichen Unter-
schied in ihrer Ausdehnung. Dieser negative Ausfall des Ver-
suches berulit darauf, dass der Unterschied in der Accommodations-
anspannung, unter welcher beide Aufnahmen erfolgten, zu gering
ist, um den Nachweis der paradoxen GF- Erweiterung zu ge-
statten. Dass letztere vorhanden war, zeigt ein am folgenden
Tage angestellter Versuch.
Das 6F desselben Auges wurde am 24. XII. 91 erst bei
Bewaühung des Auges mit — 18,0 10 cm vor dem Homhant-
scheitel (Accommodation auf eine Entfernung von 15 cm) auf-
genommen. Nachdem das Concavglas durdi + 5,25 ersetzt und
dadurcli die Accommodation entspannt war, wurde eine zweite
GFA vorgenommen (II). Hierauf folgte eine dritte GFA bei un-
bewaflhetem Auge (III). Die Objectftlhrung war stets temporal.
GF für weiss 5 mm* bei temporaler Objectfühning.
I. Bei starker Anspan-
nung der Accommodation 38, 46, 56, 54, 50, 36, 38, 46, 34, 32.
II. BeientspannterAccom-
modation 52, 63, 78, 78, 62, 44, 48, 48, 48, 4().
III. Bei massiger Anspan-
nung der Accommodation 42, 56, 64, 62, 50, 42, 46, 46, 38, 40.
Wie die Tabelle zeigf, ist das bei Accommodation auf 1 5 cm
erhaltene GF I enger als das beim Fixiren des 30 cm entiemten
Perimeterknopfes gewonnene (III) und letzteres wieder von ge-
ringerer Ausdehnung als GF II, welches bei Accomraodations-
entspannung aufgenommen wurde. Es bestand also för das
untersuchte Auge paradoxe GF- Erweiterung, dieselbe hatte sich
aber am vorhergehenden Tage nidit nachweisen lassen, da der
Unterschied in der Accommodationsanspannung, untei* welcher die
beiden GFA erfolgten, zu gering war.
Man darf das Vorhandensein der paradoxen GF-Er-
weiterung bei GFE erst dann ausschliessen, wenn ein
bei sehr starker Anspannung der Accommodation und ein
bei vollständiger Erschlafiung derselben aufgenommenes
GF die genannte Erscheinung nicht darbieten. Geringe
accomraodative Veränderungen beeinflussen die Ausdehnung
des concentrisch verengten GF meist nicht wesentlich.
202 Groenouw.
Indessen kommen Ausnahmen vor, wie folgender Versuch
zeigt
20. Versuch (Flg. 10).
Das GF des 1. A. der eben erwähnten Patientin wurde am
19. XII. 91 erst (I) bei Acoommodation auf 60 cm (-f- 3,25
12 cm vor der Hornhaut), sodann (II) auf 30 cm (unbewaffiietes
Auge) aufgenommen. 6F I (Fig. 10) zeigte bedeutend weitere
Aussengrenzen als GF II.
Diese Beobachtung, dass schon eine massige Ent-
spannung der Acoommodation genügt, um eine erhebliche
GrF-Erweiterung zu erzielen, steht ziemlich isolirt da. Meist
war es erforderlich, die Acoommodation vollständig zu ent-
spannen, um eine deutHche GF- Erweiterung zu erhalten.
Die durch Rg. 10 illustrirte Beobachtung erscheint weniger
auffallend, wenn man bedenkt, dass das untersuchte Auge
functionell myopisch war und demnach sein Acconamo-
dationsapparat bei der Einstellung auf einen 60 cm ent-
fernten Punkt eine wenigstens relative Ruhestellung inne
hatte.
Es soll noch besonders darauf hingewiesen werden,
dass Versuch 19 keinen Unterschied in der Ausdehnung
des GF ergab, wenn das rechte Auge erst auf 23, dann
auf 30 cm Entfernung accommodirte, während für das 1. A.
eine beträchtliche GF-Erweiterung eintrat, wenn die Ac-
commodation von 30 auf 60 cm eingestellt wurde. Es be-
wirkt eben nicht jede geringe Verminderung der Accom-
modationsanspannung auch eine nachweisbare Erweite-
rung des GF.
Mit derselben Patientin wurden noch eine Anzahl
Versuche angestellt, welche alle eine erhebliche Erweiterung
des GF bei Entspannung der Acoommodation ergaben.
13. Fall. Kopiopia hysterica.
Der 24jährige Wurstmacher Bichard Seh. suchte am 17.
IV. 93 die Poliklinik auf mit der Klage, er habe seit einem
Beitrage zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 203
halben Jahre Schmerzen (Drücken) in beiden Augen, welche sieh
seit einer Woche erheblich versdilimmert hätten. Helles lieht^
besonders Sonnensdiein und Gaslicht blenden den Patienten so
stark, dass er bei einer derartigen Beleuclitung viel schlechter
sieht als bei gewöhnlichem Tageslicht.
Die Untersudinng ergiebt, abgesehen von einem sehr ge-
ringen Bindehautkatarrii, objectiv nichts Abnormes an den Augen.
Es besteht volle Sehschärfe bei einer Hypermetropie von 0,75.
Der Nahepunkt für 8n 0,5 liegt in 16 cm. Das GF für weiss
5 mm* zeigt eine geringe concentrische Verengerung mit einer
typisdien Verschiebung der bei nasaler und temporaler Object-
iührung gewonnenen GF gegen einander um 6 — 18 ^ P. sdi^
gut, 7 Stunden jede Nadit. Appetit hat in letzterer Zeit etwas
abgenommen.
Der selir geringe Coi\junctivalkatarrh, gegen welchen der
Kranke schon seit längerer Zeit eine ^/g ®/ü Lösung von Zinc
sulfiiric. in den Bindehautsack eingegossen hatte, konnte die Be-
sdiwerden des P., namentlich die starke Blendung durch helles
Licht, nicht erklären, es wurde dalier die Diagnose auf Kopiopia
hysterica gestellt.
21. Versuch (Fig. 11).
Der genannte Patient (Fall 13) ermüdetete bei der Auf-
nahme des GF sehr leicht, weshalb ilim öfter Ruhepausen ge-
wälirt wurden. Am 17. IV. 9M wurde das GF des r. A. mit
weiss 2 mm* bei entspannter Accommodation (-f- 5,25 10 cm
vor dem Homhautscheitel) und darauf bei Accommodation auf
den Nahepunkt (Fixation eines 16 cm entfernten Stecknadel-
knopfes) aufgenommen. Das letztere der beiden GF (II flg. 11)
war um 2®— 23^ enger als das erstere (I). Es wurde ein
kleines weisses Object zur GFA benutzt, da ein grösseres Ob-
}eet zu weite Aussengrenzen lieferte und daher zum Nachweise
der paradoxen GF-Erweiterung wenig brauchbai' gewesen wäre.
14. Fall. Hemeralopia.
Am 31. III. 1893 suchte der 59jälirige Knecht GottKeb P.
die Poliklinik auf mit der Angabe, er könne seit 2 Monaten im
Halbdunkeln nur selur schlecht sehen. Patient führt sein Leiden
darauf zurQck, dass er im Monat Januar Holz ge&hren habe und
dabei durch denSdmee stark geblendet worden sei. DerKi-anke
204 Groenouw.
ist Dienstknecht auf einem Dominium, isst zwar nur Sonntags
Fleisch, hat aber sonst vollkommen ausi*eichende Nahrung.
Die Augen zeigen äusserlich und mit dem Augenspiegel be-
trachtet nichts Abnormes, keine Glaskörpertrübungen, keine chori-
oiditischen Heerde. Sehschärfe jedes Auges = ^/g, bei Hyper-
metropie 0,75. Am Foerster'schen Photometer erkennt Patient
nach einem '/^ stündigen Aufenthalt im absolut finsteren Zimmer
bei einer Beleuchtungsöfihung von 450 qmm mit dem r. A.,
812 qmm mit dem l A., gegenüber 2 qmm beim normalen
Auge, alle H Striche des Probeobjectes. Der Lichtsinn ist also
beträchtlich herabgesetzt. Das GF zeigt ftir weiss 5mm^ eine
massige GFE mit geringem VT.
2*2, Versuch.
Am 1. IV. 1893 wurde das GF des 1. A. des Patienten
Fall 14 mit weiss 2 mm* dreimal hinter einander aufgenommen.
Aufiialime I und III erfolgten bei Fixation des Nullpunktes des
Perimeters mit unbewaffnetem Auge, Aufiialime II, wälu*end die
Accommodation durch Vorsetzen von -f" ö>75 (10 cm vor dem
Auge) entspannt war.
GF für weiss 2 mm* bei temporaler Objectführung.
I. Bei Accommodation auf
30 cm Entfernung .... 36, 42, 56, 56, 48, 26, 36, 40, 30, 24.
IL Bei entspannter Accom-
modation 42, 62, 66, 62, 62, 43, 44, 44, 38, 32.
III. Bei Accommodation auf
30 cm Entfernung .... 38, 54, 54, 58, 56, 42, 42, 42, 34, 30.
Die Tabelle zeigt, dass das bei entspannter Accommodation
aufgenommene (iF die weiteste Ausdehnung unter den 3 GF hat
GF III, welches nach der bei entspannter Accommodation
erfolgenden GFA (II) erhalten wurde, ist weiter als das vor
dieser Aufnahme gewonnene GF L Es hat also die voraus-
gehende Accommodationsentspannung noch eme nachträgliche er-
weiternde Wirkung aufs (JF ausgeübt, wie sclion mehrfach er-
wälint (z. B. Fig. 8, Versuch 15, Seite 194).
Zwei weitere Versuche, einer bei nasaler Objectftilirung mit
dem I.A., der andere bei temporaler mit weiss 5 mm* auf dem
r. A. angestellt, ergaben beide ebenfalls das Bestehen der para-
doxen GF-Eiiiveiterung in diesem Falle von Hemeralopie.
Beiträge zar Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 205
15. Fall, Amblyopia ex abusu nicotianae
et spirituosorum.
Heinridi R., 62jähriger Geschäftsvermittler, bemerkt seit
einigen Wochen eine fortschreitende Verschleditenmg der Seh-
schärfe. Aeusserlich und mit dem Augenspiegel betrachtet, zeigen
die Augen (6. III. 1893) nichts abnormes. S == ^/jq, mit
+ 4,5 wird als kleinste Schrift Sn. 1,6 in 20 cm mühsam ent-
ziffert. Das 6F zeigt einen centralen eiförmigen Defect fCLr rotli
5 mm' zwischen dem flxationspunkt und dem Mariotte 'sehen
Fleck. Für weiss 2 mm' ist am fixirpunkt ein kiemer Defect
von 2 — 3^ Durchmesser vorhanden. Der Kranke giebt zu, täg-
lich 5—8 Cigarren zu rauchen und 4—6 Schnäpse zu trinken.
Appetit schlecht, Schlaf sehr unruhig. Dem Patienten wurde Ab-
stinenz von Alcohol und Tabak empfohlen, worauf sich das All-
gemeinbefinden, insbesondere Schlaf und Appetit erheblich besser-
ten, wie eme Notiz vom 15. III. 1893 besagt.
23. Versuch.
Das GF des genannten Patienten (Fall 15) zeigte fiir weiss
5 'mm' nur eine sehr geringe Einengung der Aussengrenzen,
trotzdem war der Foerster'sche VT deutlich nachzuweisen,
die Verschiebung betrag 4— 16^ Die paradoxe GF-Erweiterang
liess sich für den horizontalen Meridian, welcher allein untersucht
wurde, ffür weiss und roth 5 mm* nicht nachweisen, wohl aber
für weiss 2 mm'. Dieses kleine weisse Quadrat wurde erst bei
temporaler und darauf bei nasaler ObjectfÜhrang durch den hori-
zontalen Meridian hindurdigefllhrt, während Patient mit unbewaff-
netem Auge den 30 cm entfernten Nullpunkt des Perimeters
fixirte. Es folgte eine zweite GFA bei Entspannung der Accom-
modation durch + 5,0 10 cm vor der Hornhaut befestigt und
eine dritte wiederam bei unbewafihetem Auge. In der folgenden
Tabelle ist nur das bei EinfÜhrang des Objectes von der Sdiläfen-
seite her gewonnene Resultat angeführt (s. S. 206).
Das GF ist demnach bei Entspannung der Accommodation
etwas weiter als beim fixiren eines 30 cm entfernten Punktes.
Die Erweiterung ist nur gering, entsprecliend der Beobachtung,
dass bei relativ weiten GF-Grenzen die paradoxe Erweiterang
nur wenig ausgeprägt ist
206 Groenonw.
6F des 1. A. für weiss 2 mm* im horizontalen Meridian bei
temporaler Objectfühmng.
I. Bei Fixation des Nullpunktes des
Perimeters (Accommodation auf
30 cm)
II. Bei entspannter Accommodation .
III. Bei Fixation des Nullpunktes des
Perimeters
Grense
temporal-
▼ärto
76
81
76
Grenze
nual-
w«rtt
48
52
50
Der angeführte Yersuch lehrt, dass die bei derTabaks-
amblyopie vorkommende concentnsche G^sichtsfeldverenge-
rung ebenfalls paradoxe GF-Erweiterung zeigen kann.
Traumatische Neurose.
Bei der traumatischen Neurose findet sich öfter eine
fiinctionelle GFE mit oder ohne VT. Von dieser Er-
krankung sind 3 Fälle auf paradoxe GF-Erweiterung hin
untersucht worden. Alle 3 zeigten eine geringe Erweite-
rung des GF bei Entspannung der Acoommodation. Der
erste der Patienten hatte eine ziemhch beträchthche GFE,
war indessen der Aggravation verdächtig, die beiden an-
deren zeigten nur geringe GFE, aber deutlichen VT. Die
paradoxe GF-Erweiterung war mit einem weissen Quadrat
von 1 mm Seitenlänge nachzuweisen, betrug jedoch nur
wenige Grade. Wegen dieser Geringfügigkeit der GF- Ver-
änderung soll auf die genannten Fälle hier nicht weiter
eingegangen werden.
Vorkommen und Wesen der paradoxen GtoeiahtsfUd-
Brweiternns.
Aus den angeführten Beobachtungen ergeben sich fol-
gende Resultate:
1) Die Ausdehnung des infolge functioneller Leiden
concentrisch verengten GF hängt innerhalb gewisser Grenzen
Beiträge zur Kenntniss der ooneentr. Gesichtsfeld Verengerung. 207
von dem Grade der Accommodationsajispaimung ab, wat&r
welcher das GF aufgenommen wird, und zwar ist das bei
Entspannung der Accommodation erhaltene GF weiter, als
das bei Anspannung derselben gewonnene (paradoxe Ge-
sichtsfelderweiterung). Das concentrisch verengte GF
wird durch Entspannung der Accommodation gerade in
umgekehrter Weise beeinflusst, wie das normale.
2) Die paradoxe GF-Erweiterung lässt sich meist nur
dann deutiich nachweisen, wenn das GF eine stärkere con-
centrische Einengung zeigt Bei geringeren Graden von
GFE ist dieser Nachweis manchmal noch möglich, wenn
das GF mit sehr kleinen Objecten (weiss 1 und 2 mm*)
aufgenommen wird.
3) Die paradoxe GF*Erweiterung lässt sich am besten
nachweisen, wenn man ein GF au&immt, während der
Untersuchte auf den 30 cm entfernten Nullpunkt des Peri-
meters oder noch besser auf seinen Nahepunkt accommo-
dirt, und ein zweites, bei vollständiger Entspannung der
Accommodation durch Vorsetzen eines passend gewählten
Convexglases vor das Auge. Theilweise Entspannung der
Accommodation genügt in der Regel nicht, um eine merk-
liche Erweiterung des GF zu erzielen.
4) Die paradoxe GF-Erweiterung findet sich mit der
angegebenen Ausnahme in den meisten Fällen von con-
centrischer GFE. Sie ist nachgewiesen bei Anaesthesia
retinae, Kopiopia hysterica, Hemeralopie, spastischer Myopie,
traumatischer Neurose, Tabaksamblyopie.
5) In einer Anzahl von Fällen zeigt das bei entspannter
Accommodation aufgenommene GF den Yerschiebungs-
typus in viel weniger ausgesprochener Weise, als das bei
Anspannung der Accommodation erhaltene (c£ Fig. 5 a,
5b und 6a, 6b).
6) Die paradoxe Gesichtsfelderweiterung bei Accommo-
dation ftir die Feme verschwindet wieder, und an ihre
Stelle tritt die physiologische GF- Verengerung, sobald der
208 Groenouw.
Kranke als vollkommen geheilt anzusehen ist und seinGF
normale Ausdehnung erlangt hat.
Wie aus den angeführten Sätzen hervorgeht, lässt sich
daraus, dass bei einer einmaUgen Untersuchung keine para-
doxe GF-En^'eiterung gefunden wird, durchaus noch nicht
der Schluss ziehen, dass eine solche überhaupt nicht vor-
handen sei. Vielmehr ist bei Anwendung verschiedener
Kunstgriffe, insbesondere bei der Benutzung sehr kleiner
Untersuchungsobjecte, die paradoxe GF-Ei-weiterung oft
noch in Fällen nachzuweisen, in welchen sie bei oberfläch-
hoher Untersuchung zu fehlen scheint. Da wir nun in
allen, für den Nachweis dieses Phänomens überhaupt ge-
eigneten Fällen auch die paradoxe GF-Erweiterung geftm-
den haben, so ist dieselbe als eins der constantesten Symp-
tome der functionellen concentrischen Gesichtsfeldverenge-
rung anzusehen.
Dass sich die Aussengrenzen eines normalen GF
bei Accommodation für die Feme verengen, ist schon mehr-
fach nachgewiesen worden, u. A. von Emmert(l). Auch
die mehr central gelegenen Gesichtsfeldparthieen zeigen bei
Entspannung der Accommodation eine ahnUche Verände-
rung. Nimmt man nändich ein GF mit Objecten aufi
welche wegen ihrer Kleinheit nicht innerhalb des ganzen
GF, sondern nur in einem beschränkten centralen Bereiche
desselben sichtbar sind, so werden die Objecte bei Accom-
modation für die Nähe innerhalb eines grösseren Bezirkes
gesehen, als bei Accommodation für die Feme. Aubert
und Foerster haben gezeigt, dass bei constantem Ge-
sichtswinkel kleine nahe Zahlen auf einem grösseren Theile
der Netzhaut erkannt werden, als grosse feme Zahlen.
Femer habe ich (9) nachgewiesen, dass ein kleiner schwarzer
Punkt auf weissem Grunde am Perimeter bei Accommo-
dation für die Nähe weiter peripherwärts wahrgenommen
wird, als bei Accommodation für die Feme.
Diese „physiologische" GF-Erweiterung bei Accom-
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 209
Biodation für die Nähe beruht auf physikalisch -optischen
Vorgängen: Annäherung des vorderen linsenpoles an die
Hornhaut, Verschiebung der Netzhaut nach vom. Die
paradoxe GF- Verengerung bei Accommodation für die
Nähe muss andere Ursachen haben. Da nämlich bei einem
Auge mit GFE die physikalisch -optischen Vorgänge bei
der Accommodation für die Nähe genau dieselben sind, wie
bei jedem anderen Auge, so müssen sie eine Erweiterung
des GF bewirken. Wenn wir trotzdem bei Accommodation
fijr die Nähe ein Kleinerwerden des concentrisch verengten
GF finden, so müssen dabei Factoren thätig sein, deren
verengernder Einäuss auf das GF viel mächtiger ist, als
die erweiternde Kraft des physikalisch-optischen Accommo-
dationsvorganges. Wir müssen annehmen, dass sich bei
der paradoxen GF- Erweiterung die Empfindlichkeit der
Netzhaut selbst ändert. Die Retina eines Auges mit GFE
wird bei Accommodation für die Feme empfänglicher für
Lichteindrücke, als bei Accommodation für die Nähe.
Die Ursache für diese Erhöhung der Empfindlichkeit
der Netzhaut kann mittelbar oder unmittelbar in dieser
selbst, in den fortleitenden Nerven&sem oder in den Central-
Organen gelegen sein. Im letzteren Falle würden haupt-
sächlich Vorgänge psychischer Natur dabei mitspielen. Am
einfachsten erscheint es, die Ursache in den Augapfel und
die Netzhaut selbst zu verlegen. Es werden nämhch die
Circulationsverhältnisse in der Retina und Chorioidea, welche
letztere bei der Ernährung der ^Stäbchen und Zapfen auch
in BetoMArt kommt, durch den Accommodationsvorgang
vermuthhch beeinflusst Bei Accommodation für die Nähe
werden Netz- und Aderhaut gegen den Glaskörper ange-
presst und dadnrch wahrscheinlich der Zufluss artariellen
Blairs veimgert Auf diese verminderte Blutzufuhr rea-
girt unter nomiaien Verhältnissen die Netzhaut nicht weiter,
wie wir annehmen können, wohl aber unter pathologischen,
also bei concentrisch verengtem GF, dadurch, dass ihre
▼. Gnefe'B ArchW tOr Ophthalmologie. XL. 2. 14
210 Groenouw.
Empfindlichkeit für Lichteindrücke abnimmt, und so eine
noch stärkere Verengerung des GF eintritt Bei Entspan-
nung der Accommodation wird die Circulation fi^eier und
das concentrisch verengte GP infolge dessen weiter.
Der Accommodationszustand eines Auges lässt sich
künsthch beeinflussen durch Einträufeln von Atropin und
Eserin. Es wird nun unsere Aufgabe sein, zu untersuchen,
ob sich das concentrisch verengte GP gegen die durch
diese Alkaloide bewirkte Anspannung und Entspannung
der Accommodation ebenso verhält, wie der natürlichen
Veränderung der Accommodation durch den Willen des
Patienten gegenüber. Derartige Versuche sind bereits vor
16 Jahren von Herrn Geheimrath Foerster mit dem-
selben Resultate wie die noch zu schildernden angestellt
worden.
Wirkung des Atropins und Eserins auf das
concentrisch verengte GF.
16. Fall. Anaesthesia retinae.
Moritz Seh., 12 Jahre alt, suchte am 30. V. 93 die Poü-
klinik wegen aBthenopisdier Beschwerden auf. Sobald Patient
einige Zeit gelesen hat, wird ihm, wie er aagiebt, ^schwarz"
vor den Augen und er muss seine Leetüre unterbrechen. Schlaf
sehr unruhig, Appetit gut^ günstige äussere Verhältnisse.
Die Untersuchung zeigt an den Augen objectiv nichts Ab-
normes. Die Sehschärfe des r. A. beträgt f bei ftinctioneUer
Emmetropie, die des ünken J bei einer Hypermetropie von 0,75.
Das GF für weiss 5 mm* zeigt eine concentrische Verengerung
um 10® und ausgesprochenen VT, mit einer Versdüebung von
10—20 0.
24. Versuch.
Das Vorhandensein der paradoxen GF- Erweiterung wurde
bei dem erwähnten Patienten (Fall 16) auf folgende Art nach-
gewiesen. Am 30. V. 93 wurde das GF des r. A. mit weiss
2 mm* bei temporaler Objectföhrung und flxation des Null-
punktes des Perimeters aufgenommen (GFA I). Es folgte eine
zweite GFA, während die Accommodation durch Vorsetzen von
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtefeld Verengerung. 211
+ 5,25 10 cm vor die Hornhaut entspannt war. Hierauf wurde
das 6F nochmals (III) bei unbewaffiietem Auge aufgenommen.
Im folgenden sind die bei den 3 Aufnahmen erhaltenen Zahlen
angegeben.
GF für weiss 2 mm*, r. A., temporale Objectfühning.
I. Bei Accommodation auf
30 cm 46, 54, 64, 66, 52, 26, 33, 35, 35, 26.
II. Bei vollkommen ent-
spannter Accommodation 48, 58, 74, 74, 57, 38, 37, 40, 44, 34.
III. Bei Accommodation auf
30 cm 46, 54, 68, 70, 56. 28, 33, 34, 34, 32.
Das bei entspannter Accommodation aufgenommene GF hat
demnach durchweg eine grössere Ausdehnung als die beiden vor-
her und nachher bei Acx5ommodation auf einen 30 cm entfernten
Punkt untersuchten GF.
25. Versuch.
Auch das 1. A. desselben Patienten zeigte die paradoxe
GF-Erweiterung. Am 1. VI. 93 wnirde ein GF dieses Auges
aufgenommen, während P. den Nullpunkt des Perimeters durch
— 20,0 (10 cm vor der Hornhaut befestigt) fixirte (GFA I). Das
Auge accommodirte hierbei auf einen 14 cm entfernten Punkt
Es wurde nun das Concavglas durch -f- 5,0 ersetzt und so bei
entspannter Accommodation nochmals ein GF (II) aufgenommen.
Das Ergebniss war Folgendes.
GF für weiss 2 mm*, 1. A., temporale Objectfahrung.
I. Bei Accommodation auf
einen 14 cm entfernten
Punkt 37, 42, 43, 39, 36. 36, 47, 47, 40, 34
II. Bei entepannter Accom-
modation 38, 45, 45, 42, 36. 49, 53, 52, 48, 88.
Das bei entspannter Accommodation aufgenommene GF ist
demnach weiter als das bei Accommodation auf einen nahen
Punkt gewonnene.
26. Versuch (Fig. 12).
EinflusB der Accommodationsentspannung durch Atropin
auf die Ausdehnung des concentrisch verengten GF.
Durch Versuch 24 ist das Bestehen der paradoxen GF-Er-
weiterung für das r. A. des genannten Patienten nachgewiesen
14*
212 Groenouw.
worden. Um den Einfluss der durch Atropin erzielten Acconi-
modationsentspannung auf die Weite des GF zu prüfen, wurde
am 31. V. 1893 Naduuittag 4 Uhr eine GFA des unbewait-
neten r. A. mit weiss 2 mm bei temporaler Objectftilimng vor-
genommen (GF I, Fig. 12). Nacli Beendigung dieser Unter-
suchung las Patient Sn. 0,5 von 9 cm Nahepunkt bis 27 cm
Fempunkt. Es wurden jetzt einige Tropfen einer 1*/^ Atropin-
iösung in den rechten Bmdeliautsaek geträufelt und nach Verlauf
von je emer halben Stunde diese Procedur wiederliolt. ^/, Stunde
nach der dritten Einträufelung um 5*/, Ulir war die Pupille
des atropinisirten Auges reactionslos und 9 mm weit. Die Ac-
eommodation war vollkommen gelähmt, Patient las mit -j- (n5
Sn. 0,5 nur von 14 bis 20 cm. Das GF wurde jetzt wiederum
aufgenommen, wäiu-end P. den Nullpunkt des Perimeters ilxirte,
und zeigte sich, wie Fig. 12 zeigt, in allen Meridianen etwas
enger, als das GF des nicht atropinisirten Auges.
Während das concentrisch verengte GF bei Entspan-
nung der Accommodation durch Vorsetzen eines Convex-
glases erweitert wird, verengt es sich, wenn die Accommo-
dation durch Atix>pin Wirkung entspannt wird.
27. Versuch (Fig. 13).
Einfluss der Eserinwirkung auf das concentrisch
verengte GF.
Das l. A. des ei-wälmten Patienten zeigte, wie aus Ver-
such 25 her^'orgeht, eben&ys die paradoxe GF-Erweitenmg. An
diesem Auge wurde die Wu-kung des Eserins in Iblgender Weise
geprüft. Es wurde am 3. VI. 1893 eän GF des unbewaffiieten
Auges aufgenommen (GF I, Fig. 13). Hierauf wurde eine 1%
Lösung von Eserin m den Bindehautsac^ eingeträufelt. Eine
halbe Stunde später war die Pupille nur 2 mm weit und Sn. 0,5
wurde bis 11 cm, Sn. 1,0 bis 14 cm Fempunkt nodi erkannt.
Die Sehschärfe des unbewaffneten Auges betrug weniger als ^/j^
und hob sich mit — 10,0 auf */g. Vor der Anwendung des
Eserins wurde Sn. 0,5 von 11 bis 20 cm gelesen und die Seh-
schärfe des unbewaffiieten Auges betrug ^/,, es war also durdi
die WiriLimg des Eserins das Auge auf seinen Nihepankt ein-
gestellt woidea. Das jetzt anfgenommeBe GF (11, Fig. 13) zeigte
eijM beträchtliche Einschränkung der Auasengrenzen, welche 24
Staadea «{>äter inamer noch selir ausgeprägt war.
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 213
Durch die Wirkung des Eserins ist das GF unseres
Patienten erheblieh verengt worden, viel stärker als durch
die willkürhch erfolgende Einstellung der Accommodation
auf einen sehr nahe gelegenen Punkt. Es wirkt demnach
die Einstellung des Accommodationsapparates flir die Nähe,
gleichgültig ob sie durch Eserin oder durch einen Willens-
act des Patienten erzeugt wird, stets verkleinernd auf das
concentrisch verengte GP. Von der Einstellung der Ac-
commodation flir die Feme dagegen könnte man annehmen,
dass sie verschieden auf das concentrisch verengte GF ein-
wirkt, indem sie durch einen Willensakt des Patienten her-
vorgerufen eine Erweiterung des GF, auf Atropinwirkung
beruhend aber eine Verengerung zu erzeugen scheint. Dieser
Schluss ist indessen nicht berechtigt. Die durch Atropin
bewirkte Einstellung des Auges auf seinen Fempunkt ent-
spricht nämlich durchaus nicht vollkommen dem gleichen,
durch einen Willensimpuls des Patienten ausgelösten Vor-
gange. Es können sehr wohl Nebenimistände störend
einwirken, besonders kann die im Gefolge der Atropin-
wirkung auftretende Mydriasis durch Blendung der Netz-
haut eine entgegengesetzte Wirkung auf die Ausdeh-
nung des GF ausüben, wie die gleichzeitig erfolgende
Accommodationsentspannung. Die oben angeführte Hypo-
these, dass die paradoxe GF-Verengemng durch eine
Behindemng der Netzhautcirculation bei Accommodation
fiir die Nähe verursacht werde, wird daher durch die
angeführte Beobachtimg über die Wirkung des Atropins
nicht widerlegt.
Wie wir gesehen haben, findet sich die paradoxe GF-
Erweiterung in allen oder doch in den meisten Fällen von
stärkerer GFE. Sie ist daher, ähnlich wie der Foerster'-
sche Verschiebungstypus, ein fast constantes, wenn auch
manchmal schwer nachweisbares Symptom dieser Krank-
heitsgruppe. Beide Symptome sind dadurch besonders werth-
voll, dass sie nicht vorgetäuscht werden können und uns
214 Groenouw.
80 ein Mittel an die Hand geben, den wii*klich Kranken
von dem Simulanten zu unterscheiden.
Es ist ein bekanntes Hilfsmittel zum Nachweise der
Simulation einer GFE, das GF in verschiedener Ent-
fernung an der Tafel aufeunehmen. Besteht eine wirkliche,
functionelle oder organische Gesichtsfeldverengerung, so muss
die Ausdehnung des auf die Tafel projicirten GF im direc-
ten Verhältniss zu dem Abstände von der Tafel wachsen-
Wir können hinzufügen, dass dieses Wachsthum bei der
functionellen GFE, wenn die Untersuchung sehr genau aus-
geführt wird, noch schneller erfolgen muss, als dem Ab-
stände von der Tafel entspricht, da sich ja das concentrisch
verengte GF bei Accommodation für die Feme erweitert.
Therapeutisohe Sohlassfolgenuigen.
Eine temporäre Entspannung der Accommodation be-
wirkt eine sofortige temporäre Erweiterung des concentrisch
verengten GF, eine dauernde Entspannung oder wenigstens
Entlastung der Accommodation wird also auf die dauernde
Erweiterung des GF wahrscheinlich von günstigem Einfluss
sein. Diese Annahme findet ihre Bestätigimg in der Seite
195 und 198 erwähnten Beobachtung, dass die durch Ent-
spannung der Accommodation bewirkte Erweiterung des GF
auch dann noch eine Nachwirkung zeigt, wenn die Accom-
modation wieder in Anspruch genommen wird. Femer ist
oben eine Patientin (Fall 9) erwähnt worden, welche durch
dauemdes Tragen einer Convexbrille von ihrer Anaesthesia
retinae geheilt wurde, trotzdem sie während der ganzen Be-
handlungsdauer ihre Arbeit (Nähen) nicht aussetzte. Es
soll aber hieraus durchaus nicht der Schluss gezogen wer-
den, dass in allen Fällen das dauernde Tragen einer ge-
eigneten Convexbrille allein zur Heilung der Anaesthesia
retinae bei Hypermetropie ausreicht. Es wirken bei dieser
Krankheit bekannthch ausserordentlich viele Mittel in ein-
zelnen Fällen oft in sehr prompter Weise, während sie bei
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 215
anderen Kranken vollkommen versagen, so z. B. Strychnin-
injectionen, Augendouche, Schlaf kuren, constanter Strom,
Gebrauch von Chinin, Eisen oder Bromkalium. Es wird
das Tragen einer geeigneten Brille stets nur eine der zu
erfüllenden therapeutischen Maassnahmen sein, neben wel-
cher die Eegelung der Lebensweise, die Behandlung einer
bestehenden Chlorose u. s. w. als nicht minder wichtige
Heilfactoren einzutreten haben. Die Vermeidung oder we-
nigstens Einschränkung aller Nahearbeit, wie Lesen, Schrei-
ben, Nähen, empfiehlt sich aus verschiedenen iS^ründen, u. A.
um eine zu häufige Inanspruchnahme des Accommodations-
apparates zu vermeiden. Unbedingt nothwendig ist diese
Maassnahme allerdings nicht immer, wie das angeführte
Beispiel zeigt.
IL EixifliiBB der Grösse und lichtstarke
der UntersuchuBgsobjeote auf die Ausdehnung des
concentrisch verengten Gesichtsfeldes.
Wenn man am Perimeter eine concentrische Verenge-
rung des GF für ein weisses Quadrat von 5 mm Seiten-
länge findet, so lässt sich daraus noch nicht der Schluss
ziehen, dass die peripheren Parthieen des GF, in welchen
dieses Object nicht mehr wahrgenommen wird, für Licht-
eindrücke jeder Art vollkommen unempfindUch sind. Al-
brecht von Graefe hat bereits nachgewiesen, dass in
diesen . peripheren GF-B^gionen die Druckphosphene er-
halten sind; auch ist es bekannt, dass bei der Untersuchung
mit immer grösseren Objecten das GF immer weitere Aus-
dehnung erlangt. Da es wahrscheinlich war, dass fiir sehr
helle Objecte das GF sehr weite, vielleicht normale Aussen-
grenzen erreichen würde, so wurde als Prüfimgsobject eine
Lichtflamme benutzt.
Es wäre nicht schwierig gewesen, eine geeignete Vor-
richtung, etwa eine kleine electrische Glühlampe an dem
Schlitten des Perimeters zu befestigen und so sehr genaue
216 Groenouw.
Messungen anzustellen. Da es indessen auf absolute Ge-
nauigkeit nicht ankam, so wurde ein einfacheres Verfahren
eingeschlagen. Ein 2 cm langes hufeisenförmig gebogenes
Stück Wachsstock wiu'de an dem einen Ende angezündet
und an dem anderen mit der durch den Perimeterbogen
verdeckten Hand durch das GF hindurchgefiihrt. Die Ver-
suche ergaben, dass ein concentrisch verengtes GF mit
einer Kerzenflamme untersucht meist normale Ausdehnung
erreicht
28. Versuch (Plg. 14),
Als Fall H (Seite 190) ist ein 17 jähriger Schuhmadierlehr-
ling L. mit Anaesthesia retinae en^älmt worden. Am 2. VII.
1892 wurde das GF des I.A. dieses Patienten bei temporaler
Objectflilming ftir verschiedene weisse rechteckige Papierstttckchen
aufgenommen. Für ein derartiges quadratisches Object von 5 mm
Seitenlänge erstreckte sidi das GF (I, Fig. 14) nach allen Rich-
tungen hin nur etwa bis zum 20. Pai-allelkreis, fiir ein Quadrat
von 20 mm Seite (II) wai* das GF merklich grösser und wurde
noch weiter fiir ein Rechteck von 80 resp. 75 mm Seitenlänge
(III), um bei der Au&ahme mit einer Kerzenflamme und centri-
petaler ObjectfUhiomg (IV) fast normale Ausdehnung zu er-
reiclien.
Das 2 Tage später aufgenommene GF des r. A. zeigte für
weiss 5 mm* eine Einengung der Aussengrenzen um 10 — 30^,
tür weiss 20 mm* war das GF nur um 5 — 15® verengt und
mit einer Lichtflamme untersucht, war eine Einengung überhaupt
nicht nachzuweisen.
17. Fall. Anaesthesia retinae.
Die 9jährige Geitrud U. suchte am 15. VII. 1892 die
Poliklinik mit der Klage auf, sie habe em Geföhl von Drücken
und Brennen m beiden Augen, welches den ganzen Tag über
bestehe. Durch Lampenlicht w^erde sie so stark geblendet, dass
sie nicht lesen könne; aber auch bei Tageslicht vermöge sie nur
^/j Stunde lang zu lesen, dann thränen ihr die Augen, sie sehe
nicht mehr deutlidi und müsse eine Zeit lang pausiren.
Die Untersuchung ergiebt an den Augen äusserlidi und mit
dem Augenspiegel betraclitet nichts Abnormes, insbesondere ist
kein BindehautcataiTh vorhanden. Die Schattenprobe und die
Beiträge zur Kenntniss der concentr. Gesichtsfeldverengerung. 217
SefaprOfiing ergeben übereinstimmend liypermetropischen Astigma-
tismus. P. ist in geringem Grade liditscheu and zeigt Nictitatio,
die Lider werden zeitweise einige «'Seeunden lang krampfhaft ge-
schlossen. Die Sehschärfe jedes Auges beträgt ^/j und steigt
mit Cyl. + 1,25 Achse vertical auf Vs bis ^/g. Wird ein blaues
Planglas vor die Augen gehalten, so steigt S ebenfalls auf fast
^/j. Das GF ist stark concentrisch verengt und zeigt VT.
Patientin ist von schwächlicher Constitution und blasser Gesichte-
farbe. Die Mutter des Kindes giebt an, dieses sei sehr fleissig,
„ein kleiner BüchenÄ'urm", und lese sehr viel, oft bis tief in die
Nacht hinein. Die äusseren Verhältnisse der Ki'anken sind gün-
stig, sie isst täglich Fleisch, schläft jede Nacht 11 Stunden.
29. Versuch (Hg. 15).
Das GF des r. A. der erwähnten Patientin (Fall 17) war
bei der Untersuchung am 15. VII. 1892 stark concentrisch ver-
engt und zeigte ^^. In Fig. 15 ist das GF fiir weiss 5 mm*
abgebildet, welches bei abwechselnd temporaler und nasaler Ob-
jectftihrung in jedem Meridian aufgenommen wurde. Ausserdem
sind in Fig. 15 die Aussengrenzen des GF ftlr eine Kerzen-
flamme bei centripetaler Objectftihining eingezeichnet, welche durch-
aus keine Einengung zeigen.
Das 1. A. derselben Patientin zeigte f^ weiss 5 mm* eine
nodi stärkere GFE als das r. A., es erreichte nur den 20. Pa-
rallelkreis, VT lies sich ebenfalls nachweisen.
Mit einer Kerzenflamme aufgenommen hatte das GF voll-
kommen normale Aussengrenzen.
Nur nebenbei sollen hier zwei oben (Seite 206) schon
angeführte Fälle von traumatischer Neurose Erwäh-
nung finden.
Der erste betrifft einen 49jälirigen Postschafiner, welcher
mfolge eines Sturzes vom Wagen an traumatischer Neurose er-
krankte. Das GF für weiss 5 mm* zeigte eine concentrische
Verengerung um 10—30^ mit VT. Mit einer Waclisstockflamme
aufgenommen, hatten die Aussengrenzen des GF normale Aus-
dehnung.
Der zweite Fall von traumatischer Neurose betrifft einen
45jährigen Bahnarbeiter, dessen GF fUr weiss 5 mm* um 10— 30®
verengt war und nui* selur wenig ausgeprägten VT zeigte. Eine
218 Groenouw.
Kerzenflamme wurde auch von diesem Patienten bis an die nor-
male Grenzen des GF hin wahrgenommen.
18. Fall. Anaesthesia retinae.
Adele Seh., 13 Jahr alt, suchte am 6. VIT. 1893 die Poli-
klinik auf mit der Klage^ sie könne nur ^/^ Stunde lang nahen
oder lesen, dann sehe sie undeutlich und müsse aufhören. Die
Untersuchung ergiebt objectiv nichts Abnormes, ausser sehr mangel-
haftem Convergenzvermögen. Die Sehschärfe beträgt för jedes
Auge ^l^f mit Cyl — 2,0 Achse horizontal steigt sie auf ^j^.
Das GF ist um 20^ und mehr concentrisdi verengt und zeigt
ausgeprägten VT. ,
30. Versuch.
Am 6. VII. 93 wurde das GF des r. A. der erwälmten
Patientin (Fall 18) mit weiss 5 mm* bei temporaler ObjectfÜh-
rung aufgenommen und zeigte sich stark verengt. Einige Minuten
später erfolgte eine GFA mit einer Wachsstockflamme bei centri-
petaler Objectfilhrung, wobei das GF fast normale Ausdehnung
erreichte. In der folgenden Tabelle sind die bezüglichen Zahlen
angegeben.
GF des r. A.
I. Für weiss 5 mm' bei
temporaler ObjectfÜhrung 37, 58, 70, 56, 62. 26, 22, 25, 24, 25.
II. Für eine Kerzenflamme
bei centripetaler Object-
fÜhrung 50, 72, 88, 90, 67. 55, 50, 60, 60, 50.
Die Peripherie eines in Folge functioneller Leiden
concentrisch verengten GP ist zwar für starke, aber nicht
für schwache Lichteindrücke empfängUch. Es fragt sich
nun, \\de verhält sich ein in Folge organischer Leiden
z. B. Sehnervenatrophie verengtes GF gegenüber sehr hellen
Objeeten? Von der Hemianopsie ist es bekannt, dass nicht
selten in den defecten GF-Hälften noch eine stumpfe Em-
pfindung für sehr helles Licht vorhanden ist, diese Er-
krankung kommt hier indessen kaum in Betracht.
Zur Prüfung dieser Frage wurden folgende 3 f^e benutzt.
Erstens ein 4 2 jähriger Mann mit typischer Retinitis pigmentosa
Beiträge zur Kenntniäs der ooncentr. GedchtsfeldTerengening. 219
aaf beiden Augen und emem GF von hödistens 20 ® DordimeaBer
flir wei« 5 mm *. Ferner ein 54jähriger Brieftriger^ welcher auf
dem dnen Ange eine partielle Sehnenrenatrophie hatte als Folge
einer Embohe aller Aeste der Arteria centralis retinae mit Aus-
nahme der zur Macula lutea ziehenden. Sein GF für weis 5 mm*
erstreckte sidi zwisdien Fixationspunkt und blindem Fleck in
einer Ausdehnung von 16®, der gröeste verticale Durchmesser be-
trug nur 4®. Der dritte Fall betraf einen SOjShrigen Ziegel-
arbeiter mit doppelseitiger Sehnenenatrophie nach Magenblutnng.
Das GF dieses Kranken bestand (mit weiss 5 mm* untersucht^
auf jedem Auge aus 2 vollkommen getrennten P^hieen, einer
centralen von höchstens 12® Durchmesser und ein«- im oberen
äusseren GF-Quadranten zr^ischen dem 10. und 20. ParallelkrHse
gelegenen bogenförmigen Zone.
Die Prüfung mit einer Wacfasstockflamme ergab bei allen
3 Patienten für dieses Untersuchungsobject nur ein sehr wenig
weiteres GF als fiir weiss 5 mm*. Die peripheren GF-Parthieen
waren auch für sdu- helles Licht durchaus unempfindlich und
vollkommen amaurotisch.
Es nimmt also die Peripherie eines in Folge
organischer Erkrankungen — abgesehen von gewissen
Formen der Hemianopsie — stark verengten GP eine
Kerzenflamme nicht mehr w^ahr, während ein in
Folge functioneller Leiden verengtes GF dies meist
noch bis an die Grenzen des normalen GF hin ver-
mag. Für die Unterscheidung der durch organische Ijei-
den verursachten GF- Verengerungen, von den functiouelleu
ist dieses Symptom von grosser Wichtigkeit, zumal beide
Ursachen gleichzeitig einwirken können. Auch zur Ent-
larvung von Simulanten dürfte das genannte Symptom zu
venverthen sein.
m. Einige andere Momente, welche die Ausdehnung
des ooncentrisch verengten GF beeinflussen.
Es sind von verschiedenen Forschem noch eine An-
zahl Pactoren en\'ähnt worden, welche die Ausdehnung des
concentrisch verengten GF beeinflussen. So hat Pagen-
222 Groenouw.
wurde das GF dieser Patientin bei Bewaflftiung mit einer blauen
(Nuance C) und darauf einer grauen (Nuance B) Uhrglasbrille
aufgenommen. Beide GF zeigten gegenüber dem bei unbewaff-
netem Auge untersuchten keine nennenswerthe Veränderung. Es
hatten also in diesem Falle weder blaue noch graue Gläser einen
Einfluss auf die Weite des GF.
Dass die psychische Stimmung des Patienten einen
Einfluss auf die Ausdehnung des GF hat, ist bekannt. Mo-
ravc8ik(9) hat in dieser Beziehung sehr interessante Beob-
tungen gemacht. Er fand nämlich bei einer 23-jähi'igen
Patientin eine bedeutende Erweiterung des concentrisch ver-
engten GP, wenn er während der GFA verschiedene Sinnes-
nerven reizte. So erweiterte sich das GF, wenn er der
Patientin warme Gegenstände auf die Hand legte, ihr eine
tönende Stimmgabel ans Ohr hielt, sie Aether riechen liess
oder ihre Zunge mit Salz bestreute. Während der Hyp-
nose war das GF weiter als im wachen Zustande. Wurde
der Patientin eine traurige Stimmimg suggerirt, so zeigte
das GF eine hochgraxiige Verengerung, bei Suggestion einer
freudigen Stimmung dagegen eine Erweiterung. Morav-
csik bediente sich bei seinen Untersuchungen des Foerster'-
schen Perimeters und ziemlich grosser weisser Untersuchungs-
objecte (2 cm Seitenlänge).
Kommen wir nun zum Schluss nochmals auf die in
der Einleitung aufgeworfene Frage zurück: „Warum sind
Personen, welche an einer hochgradigen functionellen
Verengerung des GF leiden, in ihrer Orientirung nicht ge-
stört?" Wie wir gesehen haben, erweitert sich das con-
centrisch verengte GF bei Accommodation für die Feme,
es ist also das GF eines im Zimmer umhergehenden der-
artigen Kranken grösser als das bei der Perimeterunter-
suchung aufgenommene. Femer ist die Peripherie des
GF, welche bei der Untersuchung mit einem kleinen weissen
Quadrat als „defect" erscheint, nicht vollkommen unempfind-
lich gegen alle Lichteindrücke, sie vermag vielmehr grosse
Beitrüge zur KenntniM der concentr. GesichtsfeldTerengenuig. 223
oder sehr helle Objecte noch wahrzunehmen. Da nun auch
das normale Auge mit der 6F-Peripherie die Gegenstände
nicht deuthch erkennt, sondern nur ihr Vorhandensein und
ihre Lage wahrnimmt , so wird eine Verminderung dieser
ohnehin nicht gerade erheblichen Empfindlichkeit der pe-
ripheren Netzhautregionen wenig von Belang sein. Es wer-
den demnach auch Personen mit einer recht bedeutenden
GFE sich beim umhergehen orientiren können und^ ohne
an seitUch stehende Gregenstände anzustossen, ihren Weg
finden.
Literatur.
1) Oscar Koenig: Beobachtungen über Gesiditsfeld-Einengang
nach dem Foerster 'sehen Typns. Arch. f. Augenheilk.
XXII, S. 264.
2) Derselbe: Ein objectives Rrankheitszeichen der traumati-
schen Neurose. Berliner klinische Wochenschrift 189U
No. 31.
3) Foerster: Berieht fiber die 9. Versammlmig der ophthal-
mologischen Gesellschaft zu Heidelberg, 1877, Seite 162.
4) Wilbrand und Saenger: üeber Sehstörongen bei ftine-
tionellen Nervenleiden. Leipzig 1892.
5) Groenouw: Giebt es eine Miterregung im Bereiche homi>-
n3rmer GesiehtBfeldbezirke, wie sie Schiele beschrieben hat?
Arch. f. Augenheilk. XXVII, Seite 112.
6) Derselbe: üeber die Sehschärfe der Netzhautperipherie
und eine neue Untersuchungsmethode derselben. Ardiiv
f. Augenheilk. XXVI, Seite 85.
7) Wilhelm Koenig: üeber Gesichtsfeldermüdung und deren
Beziehung zur concentrisehen Gesichtsfeldeinschrfinkung bei
Erkrankungen des Centralnervensystems. Leipzig 1893.
8) Emmert: Die Grosse des Gesichsfeldes in Beziehung zur
Accommodation. Archiv f. Augenheilk. XI, S. 303.
9) Moravcsik: Neurologisches Centralblatt IX, 1890, S. 230.
10) Boehm, Ludwig. Die Therapie des Auges mittels des
ferbigen Uchtes. Berlin 1862.
Ein Fall von hartnäckig recidivirender
herpesartiger Erkrankung der Conjnnctiya nnd
Cornea im Zusammenhange
mit MenstrnationsstSmngen der Menopause.
Von
Dr. med. O. Stuelp,
Assistenten an der Augenheilanstalt des Dr. Stölting in Hannover.
Hierzu Tafel X, Fig. 1—6.
Die ophthalmologische Literatur, besonders diejenige
der letzten Jahre, ist reich an Veröffentlichungen über
„seltene" nnd „eigenthümliche" Erkrankungen der Con-
junctiva und Cornea, ein Zeichen dafür, dass das Capitel
der Binde- und Homhautaffectionen durchaus noch nicht
erschöpft ist Zum Theil sind diese Erkrankungen als
selbstständige Leiden, zum Theil im Zusammenhange mit
Störungen des Allgemeinbefindens beschrieben worden.
Auch folgender Fall zeigt Abweichungen von dem
typischen Bilde einer herpetischen Erkrankung, saw<»hl in
dem Krankheitsprocesse selbst, als audi in de« Zusammen-
hange mit dem Allgemeinleiden, wie sie, sow^t mir die
Literatur zugänglich war, nur bei einigen wenigen Fällen
in ähnlicher Weise beschrieben worden sind, und dürfte
deshalb vielleicht manche Leser interessiren.
Zunächst soll die Krankengeschichte der 48jäluigen,
gracil gebauten und auffallend leidend aussehenden Pati-
entin mitgetheüt werden.
Ein Fall v. hartnäckig recidivirender herpesartiger Erkrankung etc. 225
Frau X., welche aus tuherculöser Familie stammt, hat ausser
Kinderkrankheiten im 16. I^bensjahre an Intercostabeuralgie
(Herpes Zoster), im 19. an Nervenfieber, un 22. an Scharlach
tind zweimal an Lungenentzündung gelitten, zuletzt vor acht
Jahren.
Vor zwei Jahren hörten die Menses auf, sodass die Patientin
glaubte ins Klimacterium eingetreten zu sein. Doch kehrten sie
nach vier Monaten wieder, um unregelmässig, bald in Pausen
von 14 Tagen, bald von zwei Monaten unter profiisen Blutungen,
Schmerzen, Mattigkeit und Appetitlosigkeit zu erscheinen.
Anfang Juni 1891 nun bemerkte Patientin wälirend der
Periode, dass ihr linkes Auge geröthet und liditschen war und
stärker thränte als gewöhnlich. Heftige bohrende Schmerzen im
Auge, in der Schläfe und der linken Kopfhälfte begleiteten den
Zustand.
Das Auge, welches die Erscheinungen einer Conjunctivitis
phlyctänularis darbot, wurde mit warmen Boi-säureumschlägen be-
handelt und war in einigen Tagen wieder reizlos.
Am 23. November erschien Patientin mit der Angabe, dass
sie in der Zwischenzeit stets während der Menstruation am linken
Auge die genannten Beschwenlen bemerkt hätte, und dass die-
selben sich aucli jetzt wieder eingestellt hätten.
An der Stelle der früheren Erkrankung zeigte sich ein
kleines Ulcus, welches nach galvanokaustisclier Behandlung in
ca. 12 Tagen heilte und eine kleine Narbe hinterliess (s. Fig. la).
Am 25. Januar 1802, einige Tage nach Eintritt der
Menses, kam Patientin nieder. Im Krankenjoumal findet sich
folgende Notiz: Im medialen Augenwinkel auf der Conjunctiva
bulbi findet sich eine circumscripte, das Lidspaltengebiet ein-
nehmende Röthung. Bei seitlicher Beleuchtung zeigt sich, dass
in der Conjunctiva mehrere kleine, zu einem Haufen confluirende
Knötchen liegen. Ihre Farbe ist nicht käsig gelb, sondern grau
und diaphan. Auch am Homhautrande findet sich im oberen,
inneren Quadi-anten ein kleiner Wall, offenbar aus derselben In-
filtrationsmasse bestehend (s. Fig. Ib).
Die Knötchen am Limbus wurden galvanokaustisch be-
handelt, diejenigen der Conjunctiva mit der Scheere excidirt und
nach Härtung und Einbettung zu mikroskopischen Präparaten ge-
schnitten und gefärbt.
Der Verdacht, dass es sich um einen tuberculösen Process
handele — die Untensudiung der Lungen lieferte keine Anhalts-
punkte ftb- Tuberculose — wurde durch die mikroskopische
▼. Graefe's ArchlT fOr Ophthalmologie. XL. 2. 15
226 0. Stuelp.
UntenBudiung der Schnitte nicht bestätigt Die Knötchen er-
wiesen sidi vielmelir als didit unter dem Epithel liegende An-
häufung von Rundzellen; sie zeigten nicht den Bau von Tuber-
keln, auch fanden sich keine Riesenzellen. Desgleidien lieferte
die f^bung auf Tuberkelbacillen ein negatives Resultat. Von
einer Impfung in die vordere Rammer eines Kaninchenauges
wurde Abstand genommen.
Die nach der Exdsion genälite Conjunctiva heilte per primam.
Auch der Prozess an der Cornea war unter einem Verbände in
ca. 8 Tagen beendigt
Am 18. Februar stellte sidi Frau X. wieder vor, nach-
dem seit einigen Tagen, kurz vor Eintritt der Menses, die Mheren
Beschwerden sich gezeigt hatten. Ausser massiger Ciliarinjection
im Lidspaltengebiete des äusseren Augenwinkels fanden sich am
temporalen Uomhautrande mehrere kleine Knötchen mit gelb
verförbtem Centrum, welche sich pei'lschnurartig an einander
reihten (s. Fig. 2).
Das Auge wurde verbunden und die Kranke angewiesen,
sich den Verband täglich zu erneuern. Nach acht Tagen er-
schien die Patientin wieder und klagte, dass sidi die Beschwerden
nicht verloren hätten.
Der Beftind am Auge wai* ein anderer. Die Knötchen am
limbus waren bis auf das oberete versdiwunden. Dagegen lagen
mehrere in der Conjunctiva bulbi im äusseren Theile der Lidspalten-
zone nebeneinander auf den horizontalen Meridian beschränkt
(8. Fig. 8).
Die beiden letzten Beobachtungen machten die Diagnose
einer herpetischen Erkrankung sehi* wahrscheinlich.
Die Knötclien wurden mittelst Scheere excidirt und eins
derselben, um zu sehen, ob die Aifection \ielleidit durch Mikro-
organismen hervorgerufen wäre, in ein Gelatineröhrchen geimpft
Das Rölirchen blieb steril. Die entzündlichen Erscheinungen
gingen unter einem Verbände und unter Chininbehandlung nach
ca. 8 Tagen zurück.
Am 2 9. März, als die Kranke sich wieder mit den be-
kannten Beschwerden vorstellte, fanden sich am medialen Hom-
hautrande mehrere kleine Knötchen in perlschnurartiger Anord-
nung und von demselben Aussehen wie die früheren. Dieselben
heilten unter Chininbehandlung und Verband in einigen Tagen.
Am 8. April war nieder eine Reddiv zu verzeichnen.
Dieses Mal zeigten sich bei starker Injection des nasalen Theiles
der Augapfelbindehaut auf der Cornea im inneren, oberen Qua-
Ein Fall v. hartnfickig recidivirender herpesartiger Erkrankung etc. 227
dranten z>*ei grössere Ulcera mit stark gelber Infilti-ation des
Gewebes und leichter diffuser Trübung, welche sich bis dicht an
den Pupillenrand erstreckte. Das obere Geschwür war neu hinzu-
getreten, wälirend das untere im wesentlichen eine fiisclie In-
filtration der alten Narbe darstellte (s. Fig. 4).
Unter einem Verbände machte die Heilung keine merk-
lichen Fortschritte, sodass am 21. April eme Cauterisation nöthig
wurde, worauf in einigen Tagen die Ulcera vernarbten.
Am 12. Mai, als die Patientin wieder mit einem frischen
Geschwür unterhalb der zuletzt erwähnten Stelle ärztlichen Rath
einholte, w^urde eine Urinuntersuclmng auf Zucker und Ei weiss
angestellt, welclie ein negatives Resultat lieferte.
Da die Kranke durch die häufigen Recidive beunruhigt
wurde, wurde sie Herrn Professor Schmidt-Rimpler zur Con-
sultation überwiesen, welcher sich ebenfalls für die Annalime einer
herpetischen Erkrankung entschied.
Am 2 3. Juni erschien Frau X. mit denselben Klagen wie
früher. Im Lidspaltengebiete, in der Mitte zwischen tempo-
ralem Comealrande und äusserer Lidcommissur, befand sich ein
ca. 1 mm breites und ca. 2 mm langes gelblich infiltiirtes Knöt-
chen, zu welchem m der etwas ödematösen Conjunctiva ein Strang
v(m wenig geschlängelten Gefassen zog (s. Fig. 5).
Das Knötchen wurde excidirt und die Beschwerden schwan-
den bald nach Heilung der Bindehaut\i'unde.
Mit denselben Klagen und immer neuen Knötchen und In-
filtraten an versclüedenen Stellen der Binde- und Honihaut, zum
Theil im Bereiche der alten Narben, suchte die Kranke in ziem-
lich regelmässigen Zwischenräumen, bald kurz vor, bald kurz
nadi Eintritt der Menses, oder in der Zeit, wenn letztere er-
wartet wurden, aber ausblieben, äi'ztliche Hilfe; so am 4. August,
5. September, 20. October, 29. November, 5. December
und 6. Januar 1893.
Die Behandlung während dieser AnfllUe bestand wie früher in
Galvanokaustik, Verband, Bettrulie, Jodoformsalbe, Extract, Hydrast
canadens., Eisenpräparaten, Jodkali, Schlafmitteln und während
sechs Tagen versuchsweise in der Anwendung des constanten
Sti*omes (2 M.-A.), ohne dass auch nur im Geringsten ein günsti-
ger Einfluss auf die hartnäckige Neigung zu Reddiven sich be-
merkbar gemacht hätte.
Da nun die zurückbleibenden Hornhauttrübungen bei jedem
neuen Anfalle mehr und mehr von dem noch durchsichtigen
Homhautareal occupirten und so die Sehsdiärfe in hohem Maasse
15*
228 0. Stuelii.
zu beeintiüchtigen droliten, und da ferner noch nie die als Vor-
läufer der Infiltrate vermutliete Bläscheneruption beobachtet wei-den
konnte, wurde PVau X. angewiesen, bei den ersten Anzeiclien
eines erneuten Anfalles in die Klinik einzuti-eten^ damit eventuell
der üebergang der Bläschen in Infiltrate verhindert und somit
die nachfolgenden Trübungen beschränkt werden könnten.
Am 8. Februar erschien Patientin mit noch reizlosem Auge
und der Angabe, dass sich ein Recidiv bemerkbai* mache. Das
Auge wunle verbunden und nadi einigen Stunden zeigte sich
Abends beim Verbandwechsel folgendes Bild (s. Fig. ö): Im
oberen Drittel der Hornhaut stehen zwei Reihen stecknadel-
spitzengrosser Bläschen mit wasserklarem Inhalte. Drei grössere
ähnliche Bläschen befinden sich über dieser Stelle in der Con-
junctiva bulbi, welche kemerlei Reizerscheinungen zeigt.
Am nächsten Morgen waren die Bläschen spurlos, ohne
einen Epitheldefect zu hinterlassen, verschwunden. Da Patientin
über keinerlei Beschwerden mehr klagte, wurde sie am nächsten
Tage entlassen mit der Weisung, bei etwa nachfolgenden Fällen
sich mögUchst frühzeitig einen Verband anzulegen und Bettruhe
zu beobachten.
Nadidem die Kranke auf diese Weise zwei Anfalle selbst
coupirt hatte, welche, trotzdem die Menses fortgeblieben waren,
zu der erwarteten Zeit aufgetreten waren, stellte sie sicli am
1 5. April wieder vor mit zwei neuen Infiltraten, welche leider
im Gentrum der Pupille sassen.
Da die früheren Behandlungsmethoden keinen dauernden Er-
folg hatten, wurden neben der Application des constanten Stromes
täglich, später alle zwei Tage, subconjunctivale Sublimatinjectionen
angewendet (2 Tlieilstriche einer Prav atz 'sehen Spritze mit
*/« */oo Sublimat und 2 ^/^ Cocainlösung a*a.)
Nach einigen Tagen war der Pi-ozess geheilt und nach
vierzehntägiger Weiterbehandlung in genannter 'Weise zeigten
sämmtliche Trübungen eine bedeutende Aufhellung, so dass auch
die Kranke selbst eine Besserung des Sehvermögens constadrte.
Hierauf traten noch zwei Anfälle auf, die jedoch sehr milde
verliefen und von kaum nennensw^eitlien Beschwerden begleitet
waren.
Eine erneute Untersuchung durch einen Frauenai-zt — die
erste war vor etwa emem Jalire mit negativem Resultate v(»r-
genommen worden — ergab ein kleines gestieltes Myom des
Corpus uteri und eine schon stark atrophische Uterusschleimhaut,
sodass der baldige Eintritt des KUmacterinms wohl ei*wartet
Ein Fall v. hartnäckig recidivirender herpesartiger Erkrankung otc. 229
werden darf, und damit zugleich auch das Ende des Augen-
leidens.
Die oben geschilderte Erkrankung kann wohl nur als
Herpes conjunctivae et corneae gedeutet werden, obgleich
sie manche Abweichung von der typischen Herpesaffection
zeigte, wie sie zuerst von Hörn er*) und dann unter seiner
Leitung von Josephine Kendall*), femer von Schmidt-
Rimpler«), Wilh. Favre*), Achtermann*), Godo^),
Durruly'), Wangler*) und Hagnauer®) geschildert
worden ist.
Diese Abweichungen machten sich zunächst geltend
in der Form der Infiltrate. Die Veränderungen an der
Cornea waren nicht derart, wie sie von den genannten
Autoren in übereinstimmender Weise als characteristisch für
die Folgezustände der Herpesceruption hingestellt werden.
Es fanden sich in unserm Falle keine Substanzverluste mit
fetzig zerrissenen Rändern, die Ulcera waren nicht von steilen
ausgezackten Rändern umgeben, es konnten keine Aus-
läufer beobachtet werden, welche den Geschwüren ein baum-
artig verzweigtes Aiissehen verliehen, sondern die Infiltrate
stellten in den meisten Fällen mehr weniger grosse und er-
habene, einer Phlyctaene ähnliche Knötchen dar, deren
Spitze manchmal exulcerirt war.
*) Hörn er, „Ucber Herpes corn." Klin. Monatsbl. f. Augen-
heilk. 1871, p. 321 und „Krankheiten des Auges im Kindesalter" in
Gerhardts Handbuch der Kinderkrankh., Bd. 5.
*) Josephine Kendall,„UeberHeri)e8com." Diss. Zürich 1880.
■) Schmidt-Rimpler, „Echter Herpes, corn." Klin. Monatsbl.
f. Augenheilk. 1872 p. 163.
*) Wilh, P'avre, „Heq)es com." Diss. Würzburg.
*) Achtermann, „Uober neri)es corn." Diss. Marburg 1876.
•) Godo, „De l'herl)^s febrile de la comee." Receuil d'Ophth-
alme. 1880.
') Durruly, „De l'herpes oculaire." Receuil d'Opht, 1887.
®) Wangler, „Herpes com." Diss. Zürich 1889.
•) Hagnauer, „Ueber Missdeutungen des Herp. corn lebrilis.**^
Diss. Zürich 1891.
230 0. Stuelp.
Auch die Anordnung der Knötchen war nicht die
typische, indem die characteristische perlschnurartige An-
einanderreihung sowohl, als auch die Gruppirung in einem
Meridian wenigstens in den Fällen vermisst wurde, in denen
der Process auf die Hornhaut beschränkt war. Selbst bei
dem einzigen Anfalle, bei welchem die Bläscheneruption
beobachtet werden konnte, war dieses Verhalten nicht deut-
lich ausgeprägt Nur dreimal, und zwar dann, wenn der
Process auf die Conjunctiva bulbi beschränkt blieb, trat
die rosenkranzformige Anordnung der Knötchen hervor.
Dieses beim vorUegenden Falle öfter beobachtete
alleinige Befallensein der Augapfelbindehaut gehört gleich-
falls nicht zu den gewöhnlichen Erscheinungen der herpe-
tischen Erkrankung des Auges (im Homer'schen Sinne).
Wenigstens habe ich in der mir zugänglichen Literatur
nur zwei Fälle von Herpes conjunctivae beschrieben gefunden,
und zwar von Cheathem*) und Bergmeister*), während
die andern Autoren, welche die HerpesafFection am Auge
zum Gegenstande ihrer Veröffentlichungen gemacht haben,
nichts davon erwähnen.
Femer im Allgemeinen nicht übereinstimmend mit den
Angaben der Autoren ist die Zeitdauer der Heilung der
einzelnen Anfälle bei unserer Patientin.
Das Verhalten, wie es einmal bei der Bläscheneruption
beobachtet wurde, nämUch dass die Bläschen unter einem
Schutzverbande in einigen Stunden, ohne eine Spur zu hinter-
lassen, verschwanden, habe ich nirgends erwähnt gefunden.
Aber auch dann, wenn sich schon Infiltrate oder Ulcera
gebildet hatten, ging die Heilung meistens ungleich schneller
von statten, als gewöhnlich angegeben wird.
Vielleicht könnte man den kürzeren Heilungsverlauf
*) Cheathem, „Heq)e8 of the coiyunctiva or Cornea" etc.
Louisville M. News XIV p. 184.
*) Bergnieister, „Ein Fall von Herpes ins coiyunctivae." An-
zeiger d. K. K. Gesellsch. d. Aerzte in Wien, No. 29 p. 223.
Ein Fall v. hartnäckig recidivirender herpesartiger Erkrankung etc. 23 1
in der Mehrzahl der Anfälle auf Kosten des therapeuti-
schen Eingriffs (Galvanocaustik, Excision) setzen. Aber
auch, wenn die Kranke sich entweder gar nicht vorstellte,
oder wenn von der genannten Behandlungsweise abgesehen
wurde, heilte die Affection in einigen Tagen, während
ÜEist alle Autoren gierade füi* die herpetische Erkrankung
die sehr langsame Heilungsdauer besonders herrorheben,
wie Horner^), Michel*), Saemisch*) und Wangler*).
Josephine KendalP) giebt als Durchschnitt 48 Tage,
Nieden^ drei Wochen für die Heilungsdauer an. Bau-
sch off) und Decker®), welche ähnliche Fälle wie der vor-
liegende beschrieben haben, nehmen 10 bis 14 Tage,
Kipp^) 2 — 4 Wochen bis einige Monate in Anspruch.
Eine weitere Eigenthümlichkeit unseres Falles liegt in
der auffallenden Neigung zu häufigen Recidiven.
Im Allgemeinen wird es fiir ein characteristisches
Merkmal des Herpes gehalten und besonders von Homer ^®),
KendalP*), Michel'*) u. A. für die öünstigstellung der
Prognose verwendet, dass er keine Neigung zu Nachschü-
ben und Recidiven zeige, und „wenn er nach Jahr und
*) 1. c.
*) Michel, „Lehrbuch der Augenheilkunde." IL Aufl. 1890
p. 223.
■) Saemisch, „Krankheiten der Cornea" in Graefe-Saeraisch
Handbuch der Augenheilk. Bd. IV p. 235.
*) 1. c. ») 1. c.
•) Nieden, „Ein Fall von recidivirendera Herp. Zoster Opht."
Centralbl. f. pract. Augenheilk. .Tuni 1882.
') Ransohoff, „Periodisch wiederkehrende Homhauterkran-
kungen in Zus. m. Störungen des Allgemeinbef." Klin. Monatsbl.
f. A. 1889 p. 218 u. 1891 p. 275.
®) Decker, a. „Beitrag z. Kenntnis der herpetischen Augener-
krankung." Klin. Monatsbl. f. A. 1890 p. 409.
b) „Zur Aetiologie des Herpes com." Ibid. p. 105.
•) Kipp, „Further observations on malarial-Keratitis." Transact.
of the american. opht. soc. 25 meeting New. London p. 331.
'«) 1. c. ") 1. c. ^») 1. c.
232 0. Stuelp.
Tag einmal wiederkehre, sagt Horner, so .geschehe das,
weil die verursachende Allgemeinerkrankung reddivire."
Nun ist ja allerdings im yorUegenden Falle das aetio-
logische Moment ein häufig wiederkehrendes und somit
wäre der Widerspruch nur ein scheinbarer; aber es ist
doch immerhin aufifallend, dass die Ericrankung des Auges
über zwei Jahre mit absoluter Regelmässigkeit den Allge-
meinzustand begleitet.
Uebrigens heben auch Wangler* und Hagnauer*)
hervor, dass nach ihren Beobachtungen der Herpes corneae
bedeutend häufiger recidivire, als Horner es angiebt Das-
selbe beweisen die Fälle von Bansohoff und Decker.
Auch der Zusammenhang des Augenleidens mit dem
Allgemeinzustande ist in unserem Falle ein seltener.
Dass dieser Zusammenhang tiiatsächlich besteht, ist
wohl nach obigen Angaben und nachdem keine Erkran-
kung des Respirationstractus oder anderer Organe als
aetiologisches Moment gefunden werden konnte, zweifellos.
Darin stimmen ja alle Beobachtungen überein, dass
der Herpes des Auges nicht eine Erkrankung sui generis
ist, sondern sich im Verlaufe oder Anschlüsse an Störun-
gen des Allgemeinbefindens einstellt
Eine grosse Bolle spielen dabei katarrhaUsche Ent-
zündungen des Bespii'ationstraktus, wie Schnupfen, Bron-
chitiden, Influenza, Keuchhusten, femer viele fieberhaften
Krankheiten, wie Pneumonie, Typhus, Malaria, Rheumatis-
mus, Erysipelas u. A.
Nur die Angaben über Herpes des Auges im Zu-
sammenhange mit der Menstruation und ihren Störungen
sind spärhch.
Drei Fälle habe ich in der Literatur gefunden, welche
mit dem vorUegenden Aehnhchkeit haben. Einen hat
Ransohoff^) veröffentlicht, welcher eine chlorotische Frau
M 1. c. «) 1. c. ") 1. c.
Ein Fall v. hartnäckig recidivirender herpesartiger Erkrankung etc. 233
betrifft^ die seit der Pubertät an einer fast immer zur Zeit der
unregelmässigen Menses auftretenden Comealaffection litt.
Dieselbe erschien unter heftigen subjeetiven Beschwer-
den, Lichtscheu, Thränen, Stimkopfschmerz etc., und be-
stand in 8 bis 10 kleinen, auf das Centrum der Hornhaut
beschränkten, scharf begrenzten Infiltraten, welche nicht
confluirten. Nach einigen Tagen hob sich das Epithel
über den infiltrirten Stellen zu Bläschen ab, welche bald
platzten und einen Epitheldefect hinterliessen, der nach
8 — 14 Tagen heilte, ohne Trübungen zu hinterlassen.
Der zweite Fall, ebenfalls von Ransohoff, bezieht sich
auf ein 17 jähriges Mädchen mit ähnUchen Erscheinungen.
Eine dritte, hierher gehörige Erkrankung berichtet
Landesberg*) von einem 15jährigen, sonst gesunden Mäd-
chen, bei dem in einem halben Jahre fünf Mal zur Zeit
der normalen Menstruation eine Eruption kleiner Bläschen
auf einer oder auf beiden Hornhäuten unter den bekannten
Beschwerden entstand. Die Heilung erfolgte meist rasch;
nur einmal verzögerte sie sich um 4 Wochen.
Ausser diesen drei Fällen ist noch eine ähnliche
Affection der Hornhaut im Gefolge der Menstruation von
Decker*) imter dem Namen Keratitis herpetiformis recidiva
beschrieben worden. Decker nimmt aber als ätiologisches
Moment nicht die Menstruation, sondern einen chronisch
catarrhalischen Zustand der Nasenschleimhaut an — Er-
krankungen, welche zur Zeit der Menses exacerbiren sollen
— und fügt hinzU; dass auch in den beiden Ransohoff-
schen Fällen ein Katarrh der Nase die Ursache der Cor-
neaerkrankung gewesen sein dürfte.
In unserem Falle bestand jedenfalls kein Katarrh der
Nasenschleimhaut und es hegt kein Grund vor ein anderes
*) Landesberg, „Augenleiden in Verbindung mit normaler
Menstruation." Centralbl. f. A. 1883 Mai.
*) ß. No. 20a.
234 0. Stuelp.
Allgemeinleideji als die dysmennorrhoischen Beschwerden
des Klimacteriums für die Entstehung der Homhautaffec-
tion verantwortUch zu machen, zumal ja die Menstruation
nicht selten mit Herpeseruptionen an Lippe und Nase
einhergeht, wie das auch bei unserer Patientin vor dem
Ausbruche des Augenleidens häufig der Fall war.
Warum sollte sich dieser Process nicht auch gelegent-
Uch in der Cornea und Conjunctiva etabliren, deren Ge-
webszusaramensetzung ja der der äussern Haut und der
Schleimhäute ganz nahe steht?
Abgesehen nun von den angeführten Abweichungen
passt die vorUegende Erkrankung im Allgemeinen recht
gut zu dem Bilde des Herpes.
Die Allgemeinerscheinungen vor dem Ausbruche der
Aflfection sind die gleichen.
Letztere selbst, d. h. die Infiltrate und Ulcera hatten
sich wahrscheinhch bei Anwendung der von Hagnauer')
so warm empfohlenen Methode der Pluorescinfärbung
gleichfalls in einer mehr typischen Form präsentirt
Auch das Befallensein eines Auges und das Alter der
Patientin sprechen zu Gunsten der Annahme einer herpe-
tischen Erkrankung.
Die Herabsetzung des intraocularen Druckes und eine
Anaesthesie der befallenen Homhautstellen ist auch in unserem
Falle, so oft darauf untersucht wurde, beobachtet worden.
Was letztere Erscheinung anbetrifF, so möchte ich her-
vorheben, dass dieselbe nicht als ein für Herpes absolut
characteristisches Symptom betrachtet werden kann, da ich
sie auch bei andern Entzündungen der Hornhaut wie beim
Ulcus pustulosum und Ulcus serpens constatiren konnte.
Dieselbe Beobachtung hat auch Schiess-Gemuseus*)
bei marantischer Keratitis der Kinder gemacht, und Vos-
1) 1. c.
*) Schiess-GemuseuB, Jahresbericht d. Aiigenheilanst. Basel
1883—84.
Ein Fall v. hartnäckig recidivirender herpesartiger Erkrankung etc. 235
sius') besclireibt einen Fall von beiderseitiger syminetriscber
Comeatriibung nach einem epileptischen Anfalle, bei wel-
chem die Hornhaut im Bereiche der getrübten Stellen an-
aesthetisch war. Auch Bonnard*) berichtet über vollstän-
dige oder unvollständige Anaesthesie bei Homhautinfiltraten-
und Greschwüren im Gefolge von Neuralgieen des Trige-
minus und Fuchs") konnte bei seiner Keratitis punctata super-
ficialis gleichfalls Herabsetzung der Sensibilität feststellen.
In diflferentialdiagnostischer Beziehung kommen für
den vorliegenden Fall nur wenige entzündliche Erkrankun-
gen der Bindehaut und Hornhaut in Betracht.
Gegen eine Conjunctivitis und Keratitis pustulosa, an
welche ja bei den ersten Anfallen gedacht werden musste,
spricht sowohl das Alter der Patientin als besonders der
ganze Verlauf der Affection.
Für Tuberculose der Conjunctiva und Cornea konnten
aus der Untersuchung, wie oben ausgeführt, ebensowenig
Anhaltspunkte gewonnen werden als für eine parasitäre
Natur der Erkrankung.
Von den in neuerer Zeit beschriebenen seltenen Horn-
hautentzündungen wäre zu erwähnen die von Fuchs*)
Inoye^) und Schlösser*) als Keratitis punctata superfi-
ciaUs, von Adler') als Keratitis subepitheUalis und von
V. Reu SS®) als Keratitis maculosa bezeichnete Form.
Ebensowenig wie diese Affection kommen ein von Manz®)
>) Vossius, Klin. Monatsbl. f. A. 1883, p. 227.
*) Bonnard, De certaine» formes de Köratite consöcutives h
des alt^rations l^gferes du nerf tryumau. Thfese de Paris 1891.
■) Fuchß, „Lehrbuch der Augenheilkunde."
*) Ibidem.
*) Inoye, Centralbl. f. A. 1891 August, p. 244.
«) Schlösser, Ibid. 1889 Dec. p. 360.
') Adler, Deutsche med. Zeitung. 1891 No. 33.
») V. Reusß, Wiener klin. Wochenschrift. 1889 No. 84.
•) Manz, „Ein Fall von knotchenbildender Hornhautentzün-
dung." Wiener med. Wochenschr. No. 23 1891.
236 ö. Stuelp. Ein Fall v. hartn. recidiv. herpesart. Erkrankung etc.
veröffentlichter interessanter Fall und eine von Stell wag ^)
beobachtete eigenthümliche Hornhautentzündung in Betracht
Die grosse Zahl der übrigen „seltenen und eigen-
thümlichen" Homhauterkrankungen, welche bei der Diffe-
rentialdiagnose Erwähnung finden müsste, schrumpft er-
hebUch zusammen, da die meisten von ihnen, wie Hag-
nauer*) in überzeugender Weise dargethan hat, indem er
sich auch auf ein gleiches XIrtheil von Haab, Fuchs,
Pflüger, Eversbusch u. A. stützt, nur Stadien oder
Folgen des Herpes corneae sind. Dahin gehört die Kera-
titis dendritica von Emmert*), Hansen- Grut*)undHock**),
femer die Keratite ulcereuse en sillons ^toil^s von Gillet
de Graudmont*), die Malariakeratitis von Kipp^) und
die von van Millingen®) und Macrocki*) beschriebenen
Keratitisformen.
Nach AusschUessung der genannten Erkrankungen
und nach den Ausfuhrungen obiger Zeilen ist trotz der
Abweichungen von dem typischen Bilde der herpetischen
Augenentzündung die Diagnose, wie sie am Anfange
dieser Veröffentlichung ausgesprochen ist, wohl eine ge-
rechtfertigte.
Zimi Schlüsse spreche ich meinem verehrten Chef,
Herrn Dr. Stölting, für die Anregung zur Publication
dieses Falles meinen verbindlichsten Dank aus.
') Stellwag V. Carion, „Ueber eine eigenthümliche Form der
Hornhautentzündung.*^ Wien. klin. Wochenschr. 1889, No. 31 u.
1890 No. 33 u. 34.
•) 1. c.
") Emmert, Centralbl. f. A. 1885, Octob. p. 302.
*) Hausen-Grut, Ibid. p. 381.
*) Hock, Ibid., Dec. p. 380.
•) Gillet de Graudmont, Archiv d'Opht. 1886 p. 422.
') 1. c.
■) van Millingen, „Eigenthüml. Form. d. Keratitis b. Inter-
mittens." Centralbl. f. A., Jan. p. 7.
•) Macrocki, Klin. Monatsbl. f. A., 1890 Mftrz.
Ein Beitrag znr Kenntniss der Laxatio bulbi.
Von
Emil Dehn, approb. Arzt.
Hierzu Taf. XI, Fig. A— D.
Die Krankheiten der Orbita bilden unter den Augen-
erkrankungen eine nummerisch untergeordnete Gruppe. Sie
beziflFem sich in ihrer Häufigkeit nur auf ca, 0,2 Procent
sämtUcher Augenkrankheiten. Etwa fünf Procent von
ihnen entfallen auf die traumatischen Orbitalerkrankungen
und unter den letzteren repräsentirt die Luxatio bulbi
eine so kleine Quote, dass die Mittheilung einschlägiger
Fälle gerechtfertigt sein dürfte.
Bezüglich der Mechanik der Luxationen im Allge-
meinen verweise ich auf Berlin ^) „Krankheiten der Orbita"
und hebe hier nur diejenigen 2 Arten hervor, zu denen
ich einen Beitrag zu liefern im Stande bin.
In einzekien railen*) ist es der vermehrte Blutgehalt der
Orbitalgefösse, wahrscheinlich ausschliesslich der Venen, welcher
die treibende Kraft darstellt Dieser Vorgang findet statt bei
dem, jedem beschäftigten Operateur bekannten Hervortreten des
Augapfels, welches wir hie und da nach dem Einlegen des Ele-
vateurs oder bei manueller Distraction der Lider beobachten.
Hierbei wirken zwei Momente zusammen, als disponirendes die
M Handbuch der gesammten Augenheilkunde VI, S. 461 u. f.
«) Berlin 1. c.
238 E- I>®hn-
Aufhebung des regulatorischen Liddrucks^) und als ursächliches
eine exspiratorische venöse Stauung. Die letztere wird provodrt
durch den Schmerz oder die Furcht vor demselben und giebt
sich, namentlicli bei Kindern, durch Schreien kund. . . Bei den
in der Literatur mitgetheilten Beobachtungen wird diese exspira-
torische Circulationsstörung nicht immer besonders betont, in cha-
racteristischer Weise tritt sie aber in dem Falle von Praöl*)
hervor, in welchem die Repostion nicht eher gelang, bis man dem
Patienten, einem einjälirigen Knaben, die gebundenen Arme löste
und er aufhörte zu schreien.'*
Einen ähnlichen Fall stellte Willemer am 17. Juni
1892 auf der Versammlung des Allgemeinen Mecklenbur-
gischen Aerzte- Vereins vor*).
Dem betreffenden Patienten waren im Laufe von 25 Jahren
die Nasenbeine, Theile des Oberkiefers, Vomer, rechtes Jochbein
und beide Sthnbeine nach und nach necrotisch geworden und
hatten sich z. Tli. spontan abgestossen, z. Th. mussten sie ope-
rativ entfernt werden."
Ich ftlge mit gütiger Zustimmung des Herrn Dr. Willem er
hinzu: Beide Augen machten den Eindruck, als wenn sie hoch-
gradig hervorgetrieben wären. Sie nahmen indessen ihre nor-
male Stellung innerhalb der Augenliöhle ein und wurden von
den oberen Lidern in normaler Weise bedeckt Der Eindruck
des Exophthalmus wurde dadurch hen-orgerufen, dass die oberen
Lider infolge des Felilens der oberen Orbitahänder um ein Be-
trächtliches zurückgesunken waren. Wenn man eines der oberen
Augenlider mit grösster Vorsicht emporzog, so stiirzte der be-
treffende Augapfel sofort vor die Lidspalte, liess sicli aber mit
Leichtigkeit wieder reponiren. Irgend welches Drängen des Pa-
tienten £wd bei diesen Manipulationen nicht statt und es musste
deshalb eine exspiratorische venöse Stauung innerhalb der Orbital-
venen ausgeschlossen bleiben. Möglicherweise handelte es sich
auch hier um eine venöse Hyperaemie innerhalb der Orbita, aber
dann lediglich infolge der Aufhebung des regulatorischen lid-
druckes.
*) Vergl. Donders, Archiv f. Ophtii. XVII, p. 95.
») Vergl. Deutsche Klinik. 15. 1861.
■) S. Correspondenzblatt des Allgemeinen Mecklenburgischen
Aerzte -Vereins Nr. 144 vom 19. Juli 1892. S. 570 u. f.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Luxatio bulbi. 239
^Die schwersten^) Formen (der Luxatio bnlbi) kommen da-
durch zn Stande, dass Jemand mit dem Auge auf einen hervor-
ragenden mehr oder weniger stumpfen Gegenstand') ftllt Der-
selbe — und zwar handelte es sich meistens um den Ring eines
im Schlosse steckenden Schlüssels — drängt sich dann unter dem
Einfluss des Körpergewichtes mit ausserordentlicher Gewalt zwi-
schen Orbitah-and und Bulbus hinein und reisst den letzteren
durch Hebelwirkung gewöhnlich aus allen seinen Verbindungen
vollkommen los.
Es leuchtet ein, dass es einer sehr bedeutenden Kraft be-
darf, um derartige Avulsionen des Bulbus hervorzubringen.
Wenn daher Jemand, wie dies bei Irren beobachtet wurde, sich
den Augapfel selber herausreisst, so bringt er dies wolil nicht
durch blossen Druck zu Stande, sondern kneipt die AdhäBionen
zum Theil mit seinen Nägeln ab.^')
Von diesen letzteren, seltenen Beobachtungen habe ich
in der gesammten mir zur Verfügung stehenden Literatur
im Ganzen nur 5 auffinden können.
Der erste wird von Stell wag berichtet*.)
^ Ich sah einen Fall, in welchem sich ein Irrsinniger nacli
'fyroler Weise mittelst des in die Orbita eingesenkten Daumens den
rechten Augapfel völlig aus der Orbita herausgerissen und auf die
. Erde gesclileudert hatte. Der Bulbus war wie mit einem Messer
herauspräparirt und aus der unverletzten Bonn et 'sehen Capsel
herausgezogen. Alle seine Muskeki waren mit iliren Seimen hart an
der Sklera scharf abgetrennt worden. Die Heilung erfolgte rascli
auf dem Wege der Eiterung und Granulationsbildung.
Der zweite wird von White Cooper*) angeführt.
„Two cases of genuine dislocation of tlie eyeball liave fallen
under my own notice. In one a young man in a fit of insanity
') Berlin 1. c.
*) Alles bis hierher zwischen Anführungszeiciien Stehende und
die dazu gehörigen Citate sind mit Ausnahme des Falles Willemer
nach Berlin L c. gegeben.
') Die Ophthalmologie vom naturwissenschaftlichen Standpunkte
aus von Professor Dr. Stell wag von Garion Band II, Abtheilung
II, S. 1253.
*) Wounds and ii^juries of the eye S. 221 u. f.
240 E. I>phn.
endeavoured to pluck out \m eye, and succeeded so &r as to
drag it beyond the lids ....
In eitlier ca^e were the attachement of the eyeball seriouBly
injured and in each it retumed in its place with a jerk wlien
the lids were held sufficiently apart
The sight was uninjured in both instances.^
Der 3te und 4te Fall stammen von Ideler ^):
Eine 48jährige Wittwe riss sieli in einem religiös-maniaka-
lischen Anfalle beide Augäpfel aus den Höhlen. Als man die
Kranke, die in einem ländlichen Verwahrsam gehalten wurde, mit
bluttriefendem (Besicht vorfand, zerrte sie noch mit den Fingern
an einzelnen ParÜiieen der Augenmuskeln, die aus den ge-
schwollenen lidspalten heraushingen, indem sie rief: „Sind denn
die Augen noch nicht heraus?" Beide Augäpfel, die sie durdi
blosse Manipulation mit den Fingern aus ihren Höhlen heraus-
gedreht hatte, wurden auf dem Fussboden gefunden. Die so
fiirchtbare Verwundung heilte ohne die mindesten cei^ebralen
SjTuptome.
Hieran schliesst sich der zweite Ide 1er 'sehe Fall:
Ein etwa 34 Jahre altes Mädchen hatte vor 4Jaliren ihrem
Brodherm ein Kind geboren, dasselbe aber nach 7 Tagen wie-
der durch den Tod verloren. Seit dieser Zeit htt die Unglück-
liche an zunehmender geistiger Unruhe, an religiösen Wahnvor-
stellungen und an Verfolgungswahnsinn. Dieser Zustand brachte
sie um ihre Brodstelle, blieb unheilbar und bewirkte ihre Auf-
nahme in die städtische Irrenverpfiegungsanstalt zu Berlin. Am
9. October 1869 gegen 5 Ulir Morgens findet die controllirende
Wärterin die Patientin mit blutendem Gesichte vor, das sie mit
den Händen vei-deckt hält, auf dem Boden eine ziemliche Blut-
ladie. Herbeigerufen sehe ich sie von mehreren Wärterinnen
umringt und festgehalten, weil sie sich die Finger abbeissen will.
Bei der Untersuchung ergab sich, dass die linke Augenhöhle des
Bulbus gänzlich beraubt war; aus der leeren Höhle hingen blu-
tige Massen — Augenhäute, ZeUgewebe, Fettpolster — heraus.
Auf dem rechten Auge bestand hochgradiger Exophthalmus. Offen-
bar hatte Patientin auch auf diesem Auge Manipulationen gemacht,
um dasselbe aus seiner Höhle herauszureissen, war aber durdi
die Ankunft der Wärterin in ihrem Vorhaben unterbrochen wor-
*) Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gericht-
liche Medicin. Band XXVH.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Luxatio bulbi. 241
den. Man fand kein Instrument, keine Haarnadel vor, mit der
sie sich hätte diese grässliche Verletzung beibringen können.
Unter strenger Antiplilogose heilte die schwere Verwundung inner-
halb 14 Tagen und beseitigte sidi der Exoplithalmus auf dem
rechten Auge. Befragt über die Vorgänge in ilirem Seelenleben
während der Nacht vom 8. zum 9. äusserte sie, dass sie die
Erscheinung eines feurigen Mannes gehabt, der ilir zugerufen:
gieb mir die Ohren lier, spalte Dir den Kopf. Vorher habe sie
die Stimme Gottes vernommen. Sie sei mit dem Kopfe wieder-
holt gegen die Wand gerannt, habe sich an den Ohren gerissen
und dann beschlossen, sich die Augen auszureissen. Bei den
ersten Versuchen (mit den Rngem) will sie die heftigsten
Schmerzen gehabt haben; die Stimme habe sie aber ennalmt,
nicht nachzulassen und der Schmerzen nicht zu achten. Später
^ill sie die Besinnung verloren haben, sodass sie nicht angeben
könne, wie sie das Auge ganz aus seiner Höhle herausge-
bradit habe.
Den 5ten Fall finde ich kurz erwähnt von Gillet de
Grandmont*) in den Berichten der Societe d'ophtalino-
logie de Paris, Sdance den 7. October 1890. Der Bericht
ist abgedruckt in den Bull, et Mein, de la Soc. de Mede-
cine prat. Dec. 1887 und im Journal de M^decine de Paris,
27. Nov. 1887. Derselbe wurde 1887 erzählt von Cro-
nigneu; die kurze SCttheilung von Gillet de Grand-
mont über die betreffende Patientin lautet:
„De sa main gauche eile saisit compl^tement le globe de
Toeil, Tairache avec trois centimetre de neif optique et le lasse
sous le lit voisin. Cela n'a durö que quelques secondes."
Ein 6 t er Fall wurde in der Uni versitäts -Augenklinik
zu Rostock beobachtet.
Ein 15 jähriges Mädchen, das von gesunden Eltera stammte
und bis daliin stets gesund gewesen war, gerieth infolge unauf-
geklärter Ursachen in maniakalische Aufregung. Sie entkleidete
sich vollständig und schrie und tobte stundenlang. Man schloss
sie In ein Zimmer em und bewachte sie von aussen. Als sie
sich beruhigt hatte, öflnete man der inzwischen von auswärts
») Recueil d'ophthalmologie 1890, pag. 604 — 605.
T. Graefe'a Archir für Ophthalmologie. XL. 2. 16
242 E. Dehn.
herbei gekommenen Mutter dieThfir und diese fand ihreTochter,
das Gesicht und Hände blutüberströmt und mit ausgekratzten
Augen. Der Abends gerufene Arzt verband die Augen und ord-
nete die Ueberildirung in die Klinik an^ wohin sie am näelisten
Tage, den 12. Mai 1891, gebracht wurde. Hinsichtlich der
Mutter ist noch zu bemerken, dass dieselbe einige Wochen nach
diesem Ei-eignisse unmittelbar nach einem sehr heftigen Auitritte
von einer acuten Psychose ergriffen wurde, welche ilire Ueber-
fUlirung in eine In*enheilanstalt nöthig machte, von wo sie aber
nach wenigen Wochen geheilt entlassen wurde.
Der Verlauf der Psychose bei der Tocliter bot nichts Be-
sonderes. Idi will nur bemerken, dass die Kranke am 18. Juni
1891 vollkommen ruhig entlassen wui*de und dass bis jetzt, nach
den eingezogenen Erkundigungen, keinerlei Geistesstörung mehr
aufgetreten ist.
Was die Augen anbeüifft, so ergab der Status praesens am
12. Mai folgendes:
Linke Augenlider stark geschwollen, sugillirt Zwischen den
Augenlidern hervorragend, in der Innern Hälfte der Lidspalte,
eine wulstige, blutdurchtränkte Masse, in der äusseren Hälfte der
völlig entleerte Augapfel, d. h. Homliaut und Sklera mit daran
hängenden Fetzen von Conjunctiva und Muskeln. Oben und
auch median wäiis ist der Bulbus in weitem Umfange zerrissen;
man kann in die obere Oefihung gut die Spitze des Zeigefingers
hineinstecken. Der untere Theil der zerrissenen Bulbuskapsel ist
umgeschlagen, so zwar, dass die innere Flädie der Homliaut
nach vom sieht.
Rechtes Auge: Ebenfalls starke SchweUung und Sugillation
beider Lider. Zwischen denselben nach aussen ein dicker, \iel-
leicht V2 ^^ langer blutig infiltrirter Wulst, nach innen davon
der collabirte Bulbus. In der Sklera zeigen sich oben, diclit
neben einander und nur durch eine schmale Brücke getrennt,
2 gi'osse Oeflhungen, durch welche man eine dünne Bleifeder
hindurchstecken kann und aus denen geronnenes Blut hervor-
sieht. Die obere Hälfte der Conjunctiva ist von der Cornea ab-
gelöst, die untere war noch im Zusammenhang mit derselben.
Beide collabirte Bulbi wurden entfernt und ebenso die er-
wälmten neben den Augäpfeln gelegenen blutigen Wülste, weldie
sich als blutig inßltrirtes, nur rechts mit etwas Coi\junctiva be-
decktes orbitales Fettbindegewebe erwiesen. Die Heilung geschalt
unter minimaler Eiterung in etwa 14 Tagen. Unmittelbar nach
der Entfernung der Augäpfel wurde folgender kuraer Befund
Ein Beitrag zur Kenntniss der Luxatio bulbi. 243
notirt; welchen die äussere Betraditung ergab: Linkes Auge:
Zuerst Mt auf, dass in den vordei*en 4 I^^nfteln des Bulbus-
restes nur Cornea und Sklera existirt, keine Iiis, kein Corpus
ciliare^ keine Chorioidea, keine Retina, keine Spur von IJnse und
Glaskörper. In den allerbintersten Parthieen, unmittelbar am Seh-
nervxneintritt, sieht man Reste von Chorioidea. Aeusserlich zeigt
sich, das» sämmtliche Muskeln und die Conjunctiva in ihrer
ganzen comeo-skleralen Cu*cumferenz in uni-egehnässiger Weise
losgelöst sind. Der Augapfel war nur noch mit dem Sehnerven
in Zusammenhang gewesen.
Rechtes Auge: Die äusserlidie Beti*achtung ergiebt ausser
den erwähnten Wunden der Sklera, dass der M. i*ectus superior,
derRectus estemus und die beiden obliqui in langen Fetzen an
der Sklera haften. Die anderen Muskeln und der Sehnerv stehen
nodi mit dem coUabirten Bulbus in Verbindung.
Die anatomische Untersuchung der Augen habe idi erst
voi^enommen, nachdem dieselben etwas über zwei Jalire in
Müll er 'scher Flüssigkeit gelegen hatten.
I. Makroskopischer Befund.
a. Linkes Auge: Der Bulbus ist in seiner Foim stark ver-
ändert, er ist in die Länge gezogen und von oben nach unten
platt gedrückt. Seine grösste Länge (Taf. XI, Flg. A ab) be-
trägt 4 cm, seine grösste Breite (Taf. XI, Fig. A cd) 2,4 cm.
An dem Bulbus sitzen die Stumpfe der abgerissenen Muskeln
(Fig. A und B).
Ihre Längen sind folgende:
Der Stumpf des M. rect superior =12 mm
71 7) n V V inferior = 5 ^
„ „ „ ^ „ extemus = 16 „
77 77 77 77 77 mtemUS = 9 „ ,
„ ^ „ ^ obliquus superior = 25 „
77 77 77 77 77 »^^"0^' = ^0 „
Der Musculus obliquus superior ist gerade an der Trochlea
abgerissen. Die Enden der Stümpfe sind, wie die Zeichnung
ergiebt, vielfach zerfetzt, aber im AUgemeinen geht die Richtung
der Zusammenhangstiennung bei allen ziemlich genau senkrecht
zum Fasei-verlauf.
Die in Fg. A dargestellte Oberseite des linken Augapfels
lässt zunächst ein grosses Lodi in der Sklera erkennen. Das-
selbe hat nach allen Richtungen etvsi dieselbe Ausdehnung, in
16*
244 E- I^ehn.
sa^ttaler misst es 21 mm, in transversaler 20 mm. Die Ent-
fernung des vorderen Randes von der Cornea beträft 4 mm.
Die linder sind zum grössten llieil nach aussen umgesdilagen
und zerfetzt Durch diese Oeffnung sielit man in das Innere
des Bulbus hinein, man sieht die Innenfläche der umgeschlagenen
Hornhaut als eine flache Grabe, sowie den vorderen Tlieil der
unteren Skleralhälfte.
An der medialen Seite der Sklera ist ebenfalls eine grosse
Zusammenhangstrennung der Sklera, welche in der Zeichnung
durch eine Nadel deutlicher gekennzeichnet ist Sie ist von der
oberen durch eine schmale Brücke Skleralgewebes getrennt und
misst in der Richtung von vorn nach hinten 12 mm, in seit-
licher Richtung 9 mm.
Von Iris, Linse, Glaskörper, Chorioidea und Retina sind in
dem offen daliegenden Abschnitte des Bulbus nidits zu entdecken.
Nur ganz hinten, unmittelbar am Eintiitte des Sehnerven, liegt
ein etwa erbsengrosses dunkles Klümpclien, welches zumeist aus
geronnenem Blute besteht, aber auch einige Trümmer von Cho-
lioidea und vielleicht auch der Retina enthält
b. Rechtes Auge: Dasselbe ist auch stark in seiner Form
verändert und zwar ebenfalls beträchtlich verlängert, wälirend es
zugleich abgeflacht ist. Die grösste Länge vom oberen Coraeal-
rande bis zur Eintrittsstelle des Sehnenen beträgt 41 und die
grösste Breite 21 mm (Hg. C ab und ef).
Die Stümpfe der abgerissenen Muskeln haben folgende Längen:
Der Muse rect sup. =22 mm
„ „ „ ext = 6 „
„ „ obliq. sup. = 21 „
n V 71 ^^' = ^ fl
An der oberen Seite des Bulbus flnden sich im vorderen
Abschnitte der Sklera zwei Zusammenhangstrennungen, aus w^el-
chen eine dunkle Masse (Blutgerinnsel) hen^orsieht, welche das
ganze Innere des Auges erfiillt. Die raedianwärts gelegene dieser
Zusamraenhangstrennungen hat in sagittaler Richtung eine Aus-
dehnung von 5 mm, eine Breite von 3 mm, die grössere, tem-
poralwärts gelegene ist 7 mm lang und ebenfalls 3 mm breit
(Fig. C}. Ihre vorderen Ränder sind je 11 und 12 mm vom
Coraealrande entfernt
IL Mikroskopischer Befund.
Zum Zwecke der mikroskopischen Untersuchung wurden in
transversaler Richtung mittelst des Mikrotoms Serienschnitte durch
Ein Beitrag zur KenntnisB der Luxatio bulbi. 245
beide Bulbi und durch das Sehnerveneude des rechten Auges ge-
legt. Ausserdem wurden zalilreiche Schnitte, meist in longitudi-
naler Richtung, durch die Muskelstümpfe gelUlirt. Die f^bung
geschah mittelst Hämatoxylin.
Als Paradigma itir die innerhalb der Stümpfe der abgerissenen
Muskeln * betrachteten Veränderungen, gebe ich [den Befiind im
Musculus rectus superior: Am Wundi'ande haben die Muskel-
bündel zum Tlieil einen gesclüängelten Verlauf; sie sind an
mandien Stellen entzündlich verdickt und durch zalilreiche kleine
Blutergüsse aus ilirer Richtung gedi-ängt. An einzelnen Stellen
sind sie deutlich eingerissen. An einer derartigen Stelle sieht
man einen, den Muskel senkrecht zur Faserrichtung in beü-ächt-
licher Ausdehnung durchsetzenden Riss. Am Eingangsende des
Risses besteht starke Infiltration und Verzerrung, sowohl der
IMmitivbündel als des Bindegewebes; auch liegen Fragmente von
Beiden im Risskanal frei da. In dem peripher von dem Risse
gelegenen Tlieil des Muskels sind die Gefasse völlig coUabhi, in
dem centi*al gelegenen sind sie bluthaltig und zum Tlieil erweitert.
Das Muskelgewebe selbst ist hier, wie gesagt, von zahlreiclien
Blutungen durchsetzt.
Die transversalen Schnitte durch den rechten Bulbus lassen
in der Sklera einzelne kleine heerdibrmige Blutungen erkennen
und zwar namentHch in den inneren Lagen. In der Nälie der
Blutungen zeigt sich diffuse, aber massige Infiltration mit Leuko-
cyten. Die Chorioidea ist in toto nachweisbai*. Sie ist gefaltet
und stark verdickt, was dadurch henorgebraclit ist, dass ihr Ge-
webe mit Blutungen durchsetzt und die Getässe stark mit Blut
gefiillt sind. Zwischen Chorioidea und Sklera massige Blutungen,
(ilaskörper ist nicht aufzufinden, seine Stelle ist von einem grossen
Bluterguss eingenommen. Von Retinalgewebe konnten in den in
der Aequatorialgegend ausgefüllten Serienschnitten (etwa 20 an
der Zahl) nur Spuren nachgewiesen werden und zwar Reste der
KöiTierscliichten. Der hintere Abschnitt des Bulbus wurde zwecks
Schonung des Präparates zur makroskopischen Demonstration un-
untei-sucht gelassen.
Die durch den linken Augapfel gelegten Schnitte betrafen
nur den hintersten Absclinitt derselben. Sie bieten ein ganz
älinliches Bild wie rechts, sowohl in Bezug auf die Faltung der
Chorioidea, als hinsichtlich der Blutungen in das Chorioidea-Gewebe,
den Schwalbe 'sehen Raum und den Glaskörpern. Netzhaut-
gewebe wurde in diesen Schnitten nidit nacligewiesen.
246 E. Dehn.
Die dui-ch den S^nervenstompf gelegten Sdinitte «wiesen
Folgendes:
Die Dui-alscheide zeigt eine Menge mit Blut erftHlter Ge-
fasse. In den kleinen Venen besteht Randstellung und Aus-
wanderung von Leukocyten. Die Bindegewebsbündel sind an
einzelnen Stellen auseinandergedrängt durch den Austritt rother
Blutkörperchen und durch weisse Blutkörperchen. Mitunter er-
kennt man auch heerdförmige Anliäu^g von Blutkörperchen,
besonders um grössere Arterien herum. Ebendaselbst sind die
Leukocyten polynucleär oder gelapptkömig.
Die Piaischeide zeigt unmittelbar nach Innen, an ihrer
peripheren Grenze, dieselben Veränderungen wie die Duralscheide,
Blutung und entzündliche Infiltration. Der subdurale und aradmeo-
ideale Raum sind sehr eng und frei von patiiologischer Verände-
rung. Die peripheren Schichten des Sehnerven selbst zeigen
stärkere Lenkocytenansammlungen, grosse mehrkömige pigmenürte
Zellen und daneben auch einzelne, niclit deutlich pigmentirte
Riesenzellen. An den mehr oder weniger quer getroffenen Nerven-
btlndeln fällt stellenweise eine Vergrösserung und Chromatinreich-
tlium der Kerne auf. Die Bindegewebsbündel des Neurilems
sind an einzelnen Stellen aufgefasert und bei Hämatoxylin-
fUrbung verwaBclien hellblau (Oedem). An einzelnen Stellen sind
die Gefäase stai'k geföllt, zu iliren Seiten liegen ausgetretene
Leukocyten, welche oft die Bindegewebsfasern infiltrii'en, stellen-
weise aber auch heerdfbrmig aufb'eten.
Die beschriebenen anatomischen Befunde an den
luxirten Bulbis gaben uns unzweideutige Aufklärung über
die Mechanik, welche die unglückliche Patientin bei der
versuchten Herausreissung ihrer Augen angewandt hat.
Ver>'ollständigt wird das Bild noch durch die Mittheilun-
gen, welche sie selbst nach Ablauf der Psychose über die
von ihr angestellten Manipulationen machte. Nach diesen
will sie zuerst die Zeigefinger je von Aussen hinter die
Augen hineingebracht und dann versucht haben, dieselben
herauszureissen. Wie sie gefühlt habe, dass es blutet, habe
sie die Finger immer tiefer in die Augenhöhle hineinge-
zwängt. Auf Weiteres wusste sie sich nicht zu besinnen,
da sie schUesslich ohnmächtig geworden sei.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Luxatio bulbi. 247
Da keinerlei Werkzeuge bei dem Mädchen gefunden
wurden, mit welchen sie sich die fraglichen Verwundungen
hätte beibringen können, so müssen wir annehmen, dass
sie dieselben lediglich mit ihren Fingern ausgeführt hat.
Die grossen Löcher in der Sclera beider Augen sind wohl
sicher mittelst der Fingernägel zu Stande gebracht worden.
Auch die Muskeln, wenigstens alle diejenigen, bei welchen
die Zusammenhangstrennung deutlich senkrecht zur Längs-
richtung verlief, sind zweifelsohne mit den Fingernägeln
durchgekneipt worden. Die zahlreichen kleinen Blutungen
und die Zeichen reactiver Entzündung an den Enden der
Muskelstümpfe beweisen, dass der völligen Abtrennung
wiederholte Abkneip-Versuche vorausgegangen sind, nament-
hch aber spricht hierfür der ausgedehnte senkrechte Riss,
welchen der rechte Musculus rectus superior aufweist, mit
den Blutungen in dem centralwärts angrenzenden Muskel-
abschnitt
Die Entleerung des Unken Augapfels bis zum völligen
Fehlen der Lis, Linse, Glaskörper, Retina und Chorioidea
— letzterer bis auf wenig Reste im hintersten Bulbusab-
schnitte — ist auch wohl nicht anders zu erklären als
durch Kratzen mittelst der Pingemägel. Rechts war die
Zerstörung nicht so weit gediehen, aber die Mechanik wird
hier dieselbe gewesen sein.
Diejenigen Muskeln, von welchen sehr lange Stümpfe
am Bulbus zurückgeblieben sind und deren TrennungsUnio
nicht ausgesprochen senkrecht zur Längsrichtung verliefen, hat
die Kranke wohl, nach vorgeschrittener Lockerung derselben,
mittelst des unter sie geschobenen Zeigefingers abgerissen.
Was sie für Manipulationen angestellt hat, um die
nicht zu Stande gekommene Zusammenhangstrennung des
Sehnerven zu bewerkstelligen, geht aus der anatomischen
Untersuchung nicht hervor. Dass solche stattgefiindeu
haben, beweisen die vorgefundenen pathologisch -anatomi-
schen Veränderungen
248 E. Dehn.
Möglicherweise sind die Blutungen innerhalb der Seh-
nen'enscheiden auch auf directen Druck mittelst der Fin-
gernägel zurückzuführen. Es ist aber nicht ausgeschlossen,
dass dieselben durch Zerrung des Nerven in Folge hebei-
förmiger Wirkung des eingedrungenen Zeigefingers oder
in Folge starken Zuges an dem mit mehreren Fingern ge-
packten Bulbus entstanden sind. Jedenfalls beweisen sie,
dass eine starke mechanische Gewalt auf den Nerven ein-
gewirkt hat. Dafür sprechen auch die entzündUchen Ver-
änderungen der Scheiden und in dem Gewebe des Nerven
selbst. Zur Entwickelung einer solchen entzündlichen Ee-
action war ja Zeit genügend vorhanden gewesen, da die
operative Entfernung der maltraitirten Bulbi erst 18 Stun-
den nach Constatirung der Verletzungen stattfand.
Unser Fall spricht durch seinen anatomischen Befund
für die Bichtigkeit der angeführten Ansicht von Berlin,
(1. c.) dass es einer sehr bedeutendenden Kraft bedarf, um
Avulsionen des Auges zu bewerkstelligen, und dass Irren,
welche sich die Augen selbst herausreissen, dies wohl nicht
durch blossen Druck (und Zerrung Ver£) zu Stande brin-
gen, sondern die Adhaesionen zum Theil mit den Fingern
abkneipen. Auch die Stellwag'sche Beobachtung (1. c.)
lässt diese Deutung zu.
Neuerdings hat von Wecker^) die Schwierigkeit der
Avulsion eines Augapfels experimentell an Leichen darge-
than und ist sogar zu der Ueberzeugung gelangt, dass es
unmöghch sei, den unverletzten Sehnerv mit den Händen
al)zureissen.
Demgegenüber berief sich Gillet de Grandmont*)
auf dem oben citirten Fall, in welchem sich eine Tob-
süchtige in wenigen Secunden einen Augapfel herausge-
rissen hatte. An demselben hafteten 8 cm Sehnerv, also
*) Recueil d'ophth. 1890, pag. 601 u. f.
«) 1. c.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Luxatio bulbi. 249
der ganze orbitale Theil desselben. Leider liegt keine ge-
naue anatomische Untersuchung des Präparates vor. Viel-
leicht wäre dieselbe geeignet gewesen, die Controverse
zwischen von Wecker und Gillet de Grandmont im
Sinne des Ersteren zu entscheiden.
Zum Schlüsse spreche ich Herrn Professor Berlin
fiir die Anregung zu dieser Arbeit und dem derzeitigen
ersten Assistenten an der Rostocker Universitäts-Augen-
klinik Herrn Dr. Krückmann für die Unterstützung
bei der anatomischen Untersuchung meinen wärmsten
Dank aus.
lieber ein Papillom der Conjimctiva
mit ausgedehnter Bildung von Becherzellen.
Von
Professor Dr. A. Wagenmann
in Jena.
Hierzu Tafel XII, Fig. 1-2.
Erst in neuerer Zeit hat man den an der Conjunctiva
vorkommenden polypenartigen Neubildungen nähere Auf-
merksamkeit geschenkt und sie nach pathologisch-anatomi-
schen Gesichtspunkten zu classificiren gesucht Wie
Elschnig^) hervorhebt, sind echte Polypen der Bindehaut,
d. h. „gestielt vorragende hyperplastische Wucherungen
einer strfeng umschriebenen Stelle der Schleimhaut durch
ihre ganze Dicke hindurch, also sämmtiicher Schleimhaut-
bestandtheile" bisher noch gar nicht durch genauere Unter-
suchung nachgewiesen worden. Das, was uns Idinisch als
polypenartige Neubildungen der Schleimhaut entgegentritt,
kann einen ganz verschiedenen histologischen Charakter
haben. Wir wissen jetzt, dass, abgesehen von den z. B.
nach Traumen aus Granulationsgewebe entstandenen Wuche-
rungen, weiche und harte tuberöse Fibrome, Papillome,
Adenome und auch Sarcome im ersten Stadium in Polypen-
form sich entwickeln können*).
') lieber die polypenähnlichen Geschwülste der Bindehaut. Arch.
für Augenheilkunde XIX, 1889, p. 63.
') Vergleiche folgende Arbeiten, in denen auch die nfthere
Ueber ein Papillom der Conjunctiva etc. 251
Ich möchte nun im Folgenden die kurze Beschreibung
eines derartigen als gestielter Polyp klinisch in Erscheinung
getretenen Conjunctivaltumors mittheilen, der pathologisch-
anatomisch den gestielten Papillomen zuzuzählen ist und
der wegen einiger histologischer Besonderheiten einiges In-
teresse erregen dürfte.
Der Tumor stammt von einem 50jährigen Manne, der sidi
am 29. März 1892 in der Heidelberger Uni versitäts- Augenklinik
vorstellte, da er erst seit wenigen Monaten die rasch wachsende
Geschwulst bemerkt hatte. Klinisch stellte sich die Neubildung
dar als ein mit einem dünnen Stiel iroplantirter Schleimhautpolyp,
der von der Mitte der rechten unteren üebergangsfalte ausgegangen
war, und der die Grösse und Form einer kleinen Bohne besass.
Bei der gewöhnlichen Blickrichtung der Augen war der
Tumor von dem unteren Lid bedeckt und machte sich nur
durch eine geringe Prominenz desselben bemerkbai*. Beim Blick
nach oben und bei schnelleren Augenbewegungen trat er spontan
zu Tage und ectropionirte das untere Lid. Er besass eine stai'k
i-ödiliche f^bung und scliien recht gefassreich zu sein. An seiner
glatten Obei-fläche erkannte man besonders schön bei Loupen-
beti-achtung tiberall in regelmässigen Abständen kleine rotlie Pünkt-
chen, von denen jedes von einem gi-auröthliehen Hof umgeben
war, sodass die Oberfläche dadurch in regelmässige Felder ge-
theilt erscliien. Der kurze Schleimliautstiel enthielt eine Anzalil
grösserer GefUsschen, die sich von unten her in die Geschwulst
einsenkten. Die Conjunctiva des Auges war etwas injicirt und
secemirte ziemlich reiclilich.
In Vei-tretung meines damaligen Chefe, HeiTn Professor
Leber, entfernte ich die Geschwulst, indem ich den Stiel mit
einer Arterienpincette abklemmte, mit einem Doppelfaden unter-
halb der Pincette durchstach, nach beiden Seiten unterband und
Literatur zu finden ist. Parisotti: Contribution h T^tude des
tunieurs benignes de la conjunctive. Recueil d'Ophth. 1884, p. 575.
El sehnig: lieber die polypenfihnlichen Geschwülste der Bindehaut.
Archiv für Augenheilk. XIX, 1889, p. 63. S. Fuchs: Ueber das
Papillom der Coiyunctiva. Archiv für Augenheilkunde Bd. XX, 1889,
p. 416. — Schirm er: Ueber Adenome der Karunkelgegend nebst
einem neuen Fall. v. Graefe's Archiv f. Ophth. XXXVH. 1. p. 216.
Rumschewitsch: Zur Onkologie der Conjunctiva. Klin. Monats-
blatter für Augenheilkunde 1891, p. 260 ff.
252 A. Wagenmann.
dann oberlialb der Ligatur durchschnitt. Die kleine Wunde
heilte glatt, nachdem die Fäden nach zwei Tagen entfernt worden
waren. Der Mann stellte sich innerhalb der nächsten Monate
mehlfach vor, olme daßs ein Recidiv beobachtet - wurde.
Der mü' von Herrn Professor Leber zur Untersuchung
freundlichst tiberlassene Tumor wurde in Müller'scher Flüssigkeit
gehärtet, in Alkohol nachgeliäi-tet, in Celloidin eingebettet und
parallel zum Verlauf und Eintritt des Stiels geschnitten. Bei der
Nachhärtung in Alkohol veränderte sidi die bis daliin glatte Ober-
fläche der Geschwulst derart, dass die Peripherie der kleinen oben
erwälinten Felder sicli etwas zurückzog, wodurch der Tumor ganz
das Aussehen einer Himbeere erhielt.
Bei der mikroskopischen Untei-suchung erkennt man, dass
der Tumor aus den Vei-ästelungen der durch den Stiel in ilm
eintretenden Geilisse aufgebaut ist, indem je ein oder mehrere bis
etwa vier dicht zusammenliegende Gefassstämmchen von einem
dicken Mantel von Epithelzellen umgeben sind. Die sich ver-
zweigenden Gefässe geben gewissennassen nur das Geiüst der
Geschwulst ab, an das sich die die Hauptmasse der Gesdiwulst
bildenden Zellmäntel anlehnen. Verfolgt man den Stiel des Tumors
nach innen zu, so erkennt man, dass seine Gefösse sich sdinell
in kleine Stämmchen auflösen, dass das dieselben einhüllende
Bindegewebe rasch abnimmt und die im l'Himor befindlichen Ge-
fösse nur in äusseret spärlidier Menge begleitet, und dass die
kleinen Aestchen sich schnell mit einem dicken Zellmantel um-
geben haben. Die in der Geschwidst sich veraweigenden Ge-
fässe haben vorzugsweise, aber keineswegs aussdüiesslidi, eine
radiäre Uiditung; vielfadi kann man constatiren, dass sie in der
(4e*sdiwulst nadi den verschiedensten Richtungen hin seitliche
Aeste abgeben. Dadurch trifft man in jedem Sdmitte quer-,
längs- und schi-äggetroffene Gefässe an.
Das den Stiel überkleidende Conjunctivalepithel nimmt nach
der Geschwulst an Mächtigkeit rasch zu und geht direct in das
Epithel der periphersten Sti-änge über. Die an der Oberfläche
liegenden Zellen werden et^-as grösser und besitzen ebenso wie
die Deckzellen der Gesdiwulst die Gestalt von kui'zen, breiten
Cylinderzellen.
Da die er^älinte Beziehung der Epitlielzellen zu den Ge-
fässen besteht, scheint die Geschwulst auf dem Durdisdmitt aus
lauter Läppchen zu bestehen (1\ XH, Fig. 1). Ilir Aussehen er-
innert lebhaft an daa gewisser Angiosarcome. Beaditensweith
ist femer, dass die Läppchen vielfach ein ftii* sich abgeschlossenes
lieber ein Papillom der Conjunctiva etc. 253
Ganzes bilden und nicht confluiren, sondern nur sich innig be-
rühren und sich isoliren lassen. Icli komme darauf später noch zurück.
Die einzelnen Theile der Geschwulst bieten nun nodi weitere
zum Theil auffallende Besonderheiten dar.
Zunächst zeichnete sich die innen gelegene Parthie der
Stränge, also die Gefässsdiicht, durch mannigfache Verschieden-
heiten und Complicationen mit secundären Veränderungen aus.
In einer Reihe von Läppchen findet sich in der Mitte nur ein
einziges Geföss, oft mit relativ beü-ächtlichem Lumen, dessen
Wand aus einem einfachen Endotlielrohr besteht, das den Epithel-
zellen unmittelbar aufliegt. Andere Aestchen besitzen zwischen
Endothel und Zellenmantel eine zai*te, aus fibrillärem Binde-
gewebe bestehende Wand. In vielen Läppchen sind die Gefässe
von etw^as reichhcheren Bindegewebszügen umgeben; gewöhnlich
liegen dann auch mehrere Stämmdien in der Mitte eines Strangs,
ohne dass man aber etwa Unterscheidungen in Arterien und
Venen machen könnte. Von glatten Muskelfasern ist an keinem
einzigen Geföss der Geschwulst etwas zu erkennen (T. XII,
Fig. 2).
Das die Gefässe umgebende Bindegewebe ist äusserst ai-ni
an Zellen, fein fibrillär, vielfach von homogenem, hyalinem Aus-
sehen. Ab imd zu kommen einzelne Lymphzellen darin vor. Die
äusserst zarten Fibrillen sind \ielfach zu den Gefässen concen-
trisch verlaufend, so dass man nicht weiss, wie weit sie zur Ge-
fasswand selbst gehören. An anderen Stellen zweifelt man, ob
man nicht nur Degenerationsvorgänge der Gefässwand durch
Wuclierung der Endothelien mit fibrillärer und hyaliner Ent-
artung vor sich hat, zumal dort, wo thatsädilich derartige En-
dothelwucherungen vorkommen. Vielfach wird man ganz an die
A'eränderungen erinnert, die in Angiosarcomen vorkommen und
mehrfach beschrieben sind.
Wie eben erwähnt, finden sich an einer Reilie von Ge-
fässen deutliche I^roliferationsvorgänge der Wand und alle mög-
lichen Stadien und üebergänge bis zur vollständigen Obliteration
der Lumina. Zuweilen erkennt man in den Verdickungen noch
Reste von Endothelien. Ist das Gefäss vollkommen obliterirt, so
ist das Centrum der Läppchen m eme feinfibiilläre oder homogen-
hyaline Masse umgewandelt, an der man hier und da weiter
einen feinköi-nigen Zerfall waluiiehmen kann. Offenbar hängen
diese Verändeiningen mit dem Alter der Gefässe zusammen, wes-
halb man sie auch nur in der Mitte der Geschwulst, in den
ältesten Partliien antrifft.
254 -A.. Wagenmann.
Der die Geßlsse umkleidende, meist recht dicke ZeUen-
maatel besteht aus EpiÜielzellen, die eine radiäre Anordnung er-
kennen lassen. Die innerste an die Gefässschicht stossende Zellen-
lage wird durchweg von schmalen, nicht sehr hohen Cylinder-
zellen mit länglichen ovoiden Kernen gebildet Da die Zellen
eine geringe Breite besitzen, liegen die Kerne dicht zusammen.
Die daran stossenden Sdiiditen bestehen aus grösseren, poly-
morphen, meist kugeligen Zellen mit mndliclien Kernen und
grösserem Protoplasmaleib, so dass die Kerne hier weiter aus-
einander gerückt sind (T. XII, Fig. 2). Ihre f^bbarkeit nimmt
nach aussen zu ab; während die unmittelbar an die Gefliase
stossenden Kerne sich intensiv und gleichmässig färben, werden
sie nach der Peripherie zu immer blasser und besitzen nur ein
sich intensiver färbendes Netzwerk im Innern. Dort, wo die
Stränge ein in sidi abgeschlossenes Ganzes bilden und gewisser-
maassen begrenzte Epithelzapfen darstellen, die sich mit den be-
nachbarten nur innig berühren, nimmt die äusserste Zellenschicht
das Aussehen von Deckzellen an, die einen regelmässigen Ueber-
zug des Mantels bilden. Diese Zellen besitzen die (i estalt von
kurzen Cylinderzellen, in denen die Kerne stets auf der inneren
Seite der Zelle hegen. Dieselben Zellen finden sich auch überall
dort, wo die Stränge die freie Oberfläche der Geschwulst er-
reichen. In grosser Ausdehnung sind nun diese Deckzellen in
Becherzellen umgewandelt Die einzelne Zelle ist, wie bei der
gewöhnüchen Umwandlung in Becherzellen stets zu sehen ist,
bedeutend vergrössei^t, vor aUem in der Höhenausdehnung; der
KeiTi nimmt, meist vollkommen plattgediilckt, die tiefste Stelle
der Zelle ein; der Inltalt hat ein hyahn-glasiges Aussehen. Doch
erkennt man meist ein feines Netzwerk in dem Zellenleib (T. XII,
Flg. 2;.
Fäi'bt man mit Carmin oder mit ganz schwacher Häina-
toxylinlösung, so behält der Inhalt das hyahne Aussehen und
bleibt ungefärbt, während der an die Wand gediilckte Kern ge-
färbt ist. flü-bt man in gewöhnlicher Hämatoxyhnlösung, so
wü'd der Inhalt ebenfalls stai'k blau gefärbt und lässt sich nur
schwer von dem meist etwas intensiver gefäi-bten Kei-n abgrenzen.
Eosin färbt den Zelleninhalt nicht Dagegen bekommt man sehr
schöne Rotli- oder Violettfäi'bung der Zelle l>ei Fäibung mit
lliionin, wälirend die Keme sich blau färben. Auch mit Fuchsin
nimmt der Inhalt intensive Rotfafärbung an.
Da die oberste Ijige der Deckzellen auf grosse Strecken
durchweg in Beeherzellen umgewandelt ist, hat die Gesdiwulst
lieber ein Papillom der Conjunctiva etc. 255
ein höchst eigenthümliches Aufisehen bekommeiL Die einzelnen
Epidieistränge sind häufig vollkommen von einer auf dem Durch-
schnitt bandförmigen Lage reihenförmig gestellter Becherzellen
überzogen (Taf. XII, Rg. 1). Und dort, wo sich die Ge-
schwnlstläppchen isolirt haben und mit den benachbarten nur be-
rfihren, stossen die äusseren Oberflächen zweier benachbarter
ßecherzellenbeläge direct zusammen. Besonders in den mit
Eosin-Hämatoxylin in der gewöhnlichen Weise geflu*bten Prä-
paraten ist das Aussehen der Geschwulst höchst merkwürdig, da
die blau gefärbten Bänder dieselbe in einzelne Felder theilen
(T. XII, Rg. 1). An einzelnen Theilen des Tumors ist der Saum
der Becherzellen unterbrochen, da nur einzelne Zellen umge-
wandelt sind. Man trifft aber die Züge von Becherzellen überall
in der Geschwulst an, auch in den tiefsten Parthien.
Wie schon erwähnt, bilden die einzehien Zellenstränge viel-
fach flir sich abgeschlossene Gebilde, die sich mit den benach-
barten nur innig berühren, besondere in dem peripheren Theile
des Tumore. Dadurch bestellen zwischen ihnen feine Gänge, die
mehrfach durch die Härtung etwas breiter geworden sind als sie
wohl im Leben waren. Die Gänge münden an der Oberfläche
frei nach aussen. Ab und zu erkennt man darin etwas Blut^
das wahrecheinlidi eret bei der Operation eingechiingen ist. Ueberall
dort, wo der Becherzellenbelag zu finden ist, kommen schmale
structurlose Fäden vor, die sich mit Hämatoxylin blau färben
und als Schlehnfäden anzusehen sind. In den tieferen Sdiichten
sieht man breitere Schleimschicliten auftreten und vollends in den
innereten Paiüiien kommen breite Züge von SchleimflUlen, die
stellenweise auch mit massenhaften rotlien Blutkörperchen und
einzelnen LymphzeUen untermisdit sind, vor. Auch trifll man
hier ab und zu kleine Hohhräume an, die mit hyalinen Tropfen
und Detritus erfüllt sind.
Die Schleimbildung muss bei diesem massenhafTen Vor-
kommen von Becherzellen eine reichliche gewesen sein. Die
Schleimmassen werden vennuthlich zum grossen Tlieil durch die
vielen zwischen den Läppchen gelegenen und an der Oberflädie
mündenden Gänge nach aussen befördert sein.
In dem Epitliel des Bindehautstiels, das, wie erwähnt, nadi
dem Tumor zu verdickt ist, kommen ebenfalls zahlreiche Becher-
zellen in den oberflächlichsten Schichten vor. Das Gewebe
des Stiels zeigt an einzelnen Stellen entzündliche Veränderungen
in Gestalt streifenförmiger dichter Ansammlungen von Leuko-
cythen.
256 -A.. Wagenmann.
Wie ich schon Eingangs angeführt habe, möchte ich
diese polypenartige Bindehautgesch^\Tilst auf Grund der
anatomischen Untersuchung als gestieltes Papillom be-
zeichnen. Künisch hätte man sie freihch schwerUch als
solches erkannt, da sie im Gegensatz zu den bisher be-
schriebenen Papillomen eine glatte Oberfläche besass und
einen bohnenförmigen gestielten Tumor darstellte. Bei der
anatomischen Untersuchung jedoch constatii'en wir, dass die
Geschwulst die Merkmale des Papilloms besitzt: axiale Ge-
fässe in einer wenn auch nur spärUchen Bindegewebsneu-
bildung, umgeben von einem Mantel von Epithelzellen. Die
das Gerüst bildenden Gefässe verästehi sich vielfach inner-
halb der Geschwulst, so dass man wohl von einenj dendri-
tischen Papillom sprechen könnte. Immerhin aber bilden
die Verzweigungen sammt den Zellenmänteln abgeschlossene
Zapfen oder Läppchen, was hauptsächlich durch die Um-
wandlung der Deckzellen in Becherzellen zum Ausdruck
kommt. Es ist eben, wie der Befund zeigt, innerhalb der
Geschwulst eine ganz beträchtliche Oberflächenentwickelung
vorhanden. Im Leben war zwar der lappige Bau dadurch
verdeckt, dass die die äussere Oberfläche erreichenden
Läppchen innig zusammenlagen, nach aussen abgeflacht
waren und dasselbe Niveau besassen. Erst bei der Alcohol-
härtung wurde durch gelinge Schrumpfung der die Gr^fässe
umgebenden Theile die Oberfläche uneben, so dass der
Tumor einer Himbeere güch.
Das Papillom, oder ^vie es Virchow nannte, das Fi-
broma papilläre, kommt an der Conjunctiva in mehreren
Fonnen vor, die anatomisch sämmthch den charakteristi-
schen Bau haben: axiales Gefäss mit Bindegewebswuche-
rung, umgeben von einem EpithelmanteL dessen Dicke ver-
schieden sein kann.
Saemisch^) unterschied das Fibroma papilläre von
*) Graefe-Sämisch IV, I, p. 152.
Ueber ein Papillom der ConjuncÜTa etc, 257
der Warzenbüdung. Elschnig*) fasst beide unter dem
Namen Papillom zusammen, indem er augiebt, dass die
Papillome einen bald mehr zottigen, bald mehr warzigen
Habitus darböten; im ersten Fall hätten wir es mit mehr
himbeerartigen Geschwülstchen zu thun, im letzteren Fall
mit Geschwülstchen, die den spitzen Condylomen gleich zu
halten wären. S. Fuchs, der auch betont, dass die Pa-
pillome sämmthch zu den Fibromen geholten, präcisirt dio
Formen noch näher, indem er sie mit dem Standort und
der Genese in Zusammenhang bringt. Er hebt hervor,
dass, wenn die Papillombildung sich an einen Thoil der
Conjunctiva, der schon normal Papillen hat, unschliesHt, die
Erkrankung gewöhnUch multipel auftritt und zu beetartigeu
Geschwülsten mit breiter Basis führt, während die Papil-
lome der Conjunctiva bulbi und des Foniix viuliLstigis oft
gestielte Vegetationen von papilläi-er Obertläclui und oft mit
polypoider Form darstellen. Als dritte Fonn würdt* sich
dann die diflFuse Papillombildung ihr ( ^)i\iun(5tiva an-
schliessen, von der er eincMi hochgradigt^n Kall bei diflusor
Papillomatose der Cutis mittheilt.
Der von mir mitgetheilte Tumor würde zu den hoH-
tären, polypoiden, gestieltt^n Papillomen der Uebergtmgs-
falte gehören. Besonders bemerkensweilh ist das ül)oraus
massenhafte Auftreten von Becher/ellen in allen Theilen
der Geschwulst, dessen Erklärung nicht Hicher /u geben
ist, wenn wir auch durch die neuesten IlnterHUchuiigt^n
Green 's*) über die Bedeutung der Becherzelh^n dt^r (>ou-
junctiva als bewiesen erachten dürfen, dass Kit^ normale,
Schleim producirende Gebilde der Bindehaut sind. Möglieher-
weise hat der catarrhalische Zustand, in dem sich die ganze
»Schleimhaut befand, auf die massenhafte Bildung einen ur-
sächlichen Einfluss gehabt, vielleicht auch der Umstand, dass
>i 1. c. p. 74.
«) V. Graefe's Arch. f. Opth. XL. 1., S. 1 tf.
V. Graefe's ArchiT für Ophthalmologie. XL i. 17
258 A. Wagenmann, üeber ein Papillom der Gonjunctiva etc.
die Geschwulst das untere Lid leicht spontan ectropionirte
und dann frei zu Tage trat, wodurch sie mancherlei Reizen
ausgesetzt war.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel Xu, Fig. 1—2.
Fig. 1. Uebersichtapräparat (schwache Vergrössening). Die im Innern
der Läppchen liegenden Gefässe sind von einem dicken Epi-
thelmantel umgeben, dessen äusserste Lage auf grosse Strecken
in Becherzellen umgewandelt ist. Die Becherzellen bilden
auf dem Durchschnitt Bänder, die die Geschwulst durch-
ziehen (Hämatoxylin -Eosinfärbung).
Q r=r Gefässe.
E = Epithelzellen.
B = Becherzellen.
Fig. 2. Ein Läppchen stark vergrössert. Die Gefässe sind hier in ein
vollkommen hyalines Gewebe eingeschlossen. Die peripherste
Zellenschicht fast rings herum in Becherzellen umgewandelt.
(Hämatoxylin - Eosinfärbung).
H = Hyalines Gewebe.
O = Gefässe.
C = Querverlaufende Capillare.
L = Leukocyten, in einer Spalte Hegend.
El = Epithelzellen in der nächsten Umgebung der Ge-
fässe, cylinderförmig mit stark gefärbtem Kern.
Ell =^ Epithelzellcn, die Hauptmasse desMantels bildend.
B = Becherzellen, deren Inhalt mit Hämatoxylin
stark blau gefärbt ist.
K = Kerne der Becherzellen, die tiefste Stelle der
Zelle einnehmend, vielfach platt gedrückt.
Studien über Nachbilder.
Von
Dr. Carl Hess,
Privatdocenten und erstem Assistenten an der Universitäts- Augenklinik
in Leipzig.
Im 49. Bande des Pflüger 'sehen Archivs fiii- Physio-
logie hatte ich eine Reihe von Beobachtungen „über die
nach kurzdauernder Reizung des Sehorgans auftretenden
Nachbilder*' mitgetheilt, deren wesentlichste Ergebnisse ich
in folgenden Sätzen zusammenfasste :
1) Wirkt auf das Sehorgan ein kurzdauernder Licht-
reiz ein, so wird durch denselben zunächst eine Lichtem-
pfindung hervorgerufen, welche nach dem Aufhören des
Reizes in fast unmessbar kurzer Zeit^) abkUngt. Nach
diesem primären Lichteindrucke wird bei günstigen Ver-
suchsbedingungen ein negatives Nachbild wahrgenommen,
dessen Dauer diu-chschnitthch etwas weniger als V3 Se-
cunde beträgt. Auf dieses negative Nachbild folgt dann
rasch ein positives Nachbild, dessen Dauer von der Stärke
des primären Reizes und dem jeweiligen Zustande des
Auges abhängt, und welches in der Regel durch mehrere
Secunden in allmählich abnehmender Stärke wahrgenommen
werden kann. Nicht selten nimmt man nach diesem posi-
tiven noch ein zweites negatives Nachbild wahr.
*) In meiner Abhandhing sind diese Worte nicht gesperrt gedruckt.
17*
260 C. Hess.
2) Was bisher in der Regel (von v. Helmboltz, Fick
u. A.) als das Abklingen der durch den Lichtreiz gesetzten
Erregung beschrieben worden ist, entspricht unter den
beschriebenen Umständen^) in WirkUchkeit nicht die-
sem, sondern dem Abklingen des positiven Nachbildes.
Dieses positive Nachbild darf nicht, wie es bisher meist geschah,
einfach aus der Fortdauer und dem allmähUchen Abklingen
der durch den Lichtreiz im Sehorgane hervorgerufenen
Erregung erklärt werden; denn dasselbe ist von dieser
letzteren regelmässig durch eine negative Phase getrennt"
Kürzhch ist nun eine Abhandlung von Bosscha*) er-
schienen, in welcher der Verfasser zwar die wesentlichen
(oben unter 1 zusammengefassten) Ergebnisse meiner Unter-
suchungen bestätigt, gleichzeitig aber eine Reihe von Ein-
wänden erhebt, die ich nicht unerwidert lassen kann, da
sie mehrfache Lrthüraer enthalten.
Bosscha sagt (S. 18 ff.): „Aus diesen (seil, oben unter
2 angeführten) Worten scheint hervorzugehen, dass Hess
sein positives Nachbild und das der früheren üntersucher
für dieselbe Phase der Erscheinung hält. Diese letzteren
sollten dann die durch Hess zuerst w^ahrgenommene nega-
tive Phase einfach übersehen und so das positive Nachbild als
eine Fortsetzung von dem primären Eindruck betrachtet haben.
Auf diese Weise sucht Hess den scharfen Widerspruch
zwischen seiner Auffassung und der bisher allgemein gil-
tigen aufzuheben oder wenigstens zu erkläi-en. Das Un-
^j In meiner Abhandlung sind diese Worte nicht gesperrt gedruckt.
*) Bosscha: „Primaire, secundaire en tertiaire netvliesl)eelden
na momentane lichtsindrukken", im 34. Jaliresberichte von „Het
Nederlandsch Gasthuis voor behooftige en min vennogende ooglijders
te Utrecht", und v. Graefe's Archiv XL. 1., S. 22 ff.
Ich citire hier nach der holländischen Arbeit, da die deutsche
bei Abfassung meiner Abhandlung noch nicht erschienen war. Die
deutsche Arbeit ist im Wesentlichen eine wörtliche Uebersetzung der
holländischen. Wo sich bedeutendere Unterschiede zwischen beiden
fanden, habe ich nachträglich den deutschen Text zu Gnmde gelegt.
Studien über Nachbilder. 261
haltbare dieser Erklärung springt aber unmittelbar in die
Augen, wenn man bedenkt, dass die von den fi-üheren
Untersuchen! vernachlässigte Phase ^'3 Secünde dauert,
d. i. genau ebenso lang als ihr positives Nachbild, das des-
halb schwerlich dasselbe sein kann wie das 6 Secunden
dauernde positive Nachbild von Hess. Viel wahrschein-
licher ist es, anzunehmen, dass die fiüheren Untersucher
die negative Phase von Hess wohl gesehen haben, doch
ohne sich von der complementären Färbung Rechenschaft
zu geben, während das positive Nachbild von Hess infolge
der Mängel ihrer Methode (intermittirendes Licht) ihrer
Wahrnehmung entgangen ist.
Lassen wir aber vorläufig alle Versuche zur Erklärung
der Verschiedenheit in der Auffassung der Nachbilder zwi-
schen Hess und seinen Vorgängern bei Seite, so bleibt
als die principielle Verschiedenheit die abweichende Auf-
fassung der Dauer des ursprüngUchen Lichteindruckes, nach
Hess eine Lichtempfindung, welche nach dem Aufhören
des Reizes in fast unmessbar kurzer Zeit abklingt, indess
die früheren Untersucher übereinstimmend festhalten an dem,
was Plateau „la pei*sistance de Timpression" nannte, ein
Fortbestehen wähi-end einer messbaren Zeit
Unsere tägliche Erfahrung spricht deutlich fiir die
Auffassung von Plateau. Der so vielfach variirte Vereucli
von Segner, auf welchen die pyrotechnische Kunst gröss-
tentheils sich gründet, kommt unter zahllosen Formen bei
beinahe jeder drehenden oder schnell fortschreitenden Be-
wegung uns vor die Augen, als sprechender Beweis gegen
die Auffassung von Hess. Ist es also auf der einen Seite
wahrscheinlich, dass an der von Hess gegebenen Dar-
stellung ein Fehler haften muss, so ist es auf der anderen
Seite klar, dass dieser Fehler eher in der von ihm ge-
gebenen Erklärung, als in der Wahrnehmung selber liegen
muss." Weiter sagt Bosscha auf S. 26: „Nach einer groben
Methode trachtete ich annähernd die Dauer des primäi'en
262 C. Hess.
Bildes aufzufinden, nämlich aus der Verschiedenheit der
Dauer des secundären Bildes allein und jener des primären
und secundären Bildes zusammen, welche Zeiten ich durch
Vcrgleichung mit einem Metronom schätzte. Die gesuchte
Zeit ist zu kurz, um auf diese Weise direct gemessen zu
werden. Ich fand bei einer grossen Anzahl von Bestim-
mungen mit verschiedenen Farben und verschiedenen Be-
leuchtungsintensitäten, dass die Dauer des primären Bildes
ungefähr 0,1 — 0,2 Secunden beträgt
Wenn ich auch auf diese Ziffern nur einen sehr ge-
ringen Werth lege, so beweisen sie doch immer, dass das
primäre Bild länger dauert, als der electrische Funke."
Es ist selbstverständlich richtig, dass, wie Bosscha
sagt, das primäre Bild länger dauert als der electrische
Funke; jeder Versuch mit intermittirender Netzhautreizung
lehrt es zur Genüge.
Unverständlich aber ist es, wie Bosscha darin einen
Widerspruch zu meinen Angaben finden konnte, v. Helm-
holtz giebt z. B. an (Physiol. Optik, 2. Aufl., S. 480), dass
eine aus einem weissen und einem schwarzen Sector gebil-
dete, gut beleuchtete rotirende Scheibe 24 bis 30 Mal in
der Secunde umlaufen muss, wenn sie einen ganz gleich-
massigen Eindruck machen soll; dabei ist es gleichgiltig, vie
gross der weisse Sector im Verhältniss zum schwarzen ist
Lissajou fand, wie v. Helmholtz ebenda mittheilt,
dass ein sehr heller Lichtpunct, der die Bewegungen schlin-
gender Stimmgabeln mitmachte, 30 Mal in der Secunde
schwingen musste, wenn seine Bahn als eine geschlossene,
gleichmässig leuchtende Cune erscheinen sollte.
Bei diesen Versuchen würde also die Zeit, während
welcher der primäre Eindruck mit nicht merküch gemin-
derter HelUgkeit nachdaueii:, etwa ^j^ — ^/^^ Secunde be-
tragen haben. Die Bekanntschaft mit diesen Thatsachen
durfte Bosscha bei mir wohl voraussetzen; das Ergebniss
steht in keinerlei Widerspruch mit meinen Befunden.
Studien über Nachbilder. 263
Nach meinen Messungen (s. S. 201) betrug die Zeit,
welche vom Eintritte des primären Bildes bis zu dem Momente
verfoss, wo das positive Nachbild erschien, etwa Vs his Vj
Secunde. Hätte nun bei diesen meinen Versuchen die Zeit,
während welcher das primäre Bild ohne merkliche Hellig-
keitsabnahme andauerte, ebenfalls '/^q bis ^/^^ Secunden be-
tragen, so bliebe immer noch eine Zeit von 0,29 bis 0,47
Secunden für das Abklingen des primären Bildes, das nega-
tive Nachbild und das Auftauchen des positiven Nach-
bildes.
Uebrigens ist es nicht ganz richtig, wenn Bosscha sagt, nach
den Angaben der „früheren" Beobachter betrage die Dauer des
Abklingens des primären liditeindrucks Vs Secunde. (S. seine
Abhandlung, S. 18.)
Denn nach Bosscha 's eigenen Angaben hat d'Arcy diese
Zeit auf 0,13 Secunden, Charpentier auf weniger als 0,3 Se-
cunden, Bosscha selbst nach einer, wie er sagt, „groben"
Methode auf 0,1 — 0,2 Secunden geschätzt
Nur Plateau und Segner fanden für diese Zeit Vs Secunde.
Aber auch, wenn die Versuche mit intermittirender
Beleuchtung zu Ergebnissen geführt hätten, die sich mit
meinen Beobachtungen nicht ohne Weiteres hätten in Ein-
klang bringen lassen, so dürften hieraus gegen meine Ver-
suche keine Schlüsse gezogen werden, denn diese sind unter
ganz anderen Bedingungen angestellt
Bei meinen Versuchen wurde die Netzhaut nur ein
einziges Mal von einem kurzdauernden Lichte getrofifen,
bei den soeben beschriebenen Versuchen aber 24 bis 80 Mal
in der Secunde.
Bei einer solchen, sich sclinell wiederholenden BeHch-
timg findet jeder Lichtreiz die betroffenen Netzhautstellen
bereits durch die vorhergegangenen Reizungen mehr oder
minder verändert.
Ausserdem wurden meine Versuche im Dunkelzimmer
mit einem für die Dunkelheit mehr oder weniger adaptirten
264 C. Hess.
Auge angestellt, während die Kreisel versuche wenigstens
gewöhnlich in einem allgemein beleuchteten Räume vorge-
nommen werden.
Hätte Bosscha dies Alles erwogen, so würde er die
Ergebnisse der Versuche mit intermittirender Beleuchtung
wohl kaum als „sprechende Beweise" gegen meine Auf-
fassung angeführt und meiner Bemerkung, dass bei meinen
Versuchen das primäre Bild „in fast unmessbar kurzer Zeit"
abklang, nicht die längst bekannte Thatsache entgegengestellt
haben, dass „das primäre Bild länger dauert als der electrische
Funke" und wälu-end einer messbaren Zeit fortbesteht.
Die Polemik Bosscha 's ist um so weniger gerecht-
fertigt, als er selbst bei Wiederholung meiner Versuche an-
giebt, dass die gesuchte Zeit zu kurz ist, um auf diese
Weise (d. i. mit dem Metronom) direct gefunden zu wer-
den, was doch im Grunde nichts wesentlich Anderes be-
sagt, als wenn ich aus meinen Versuchen den Schluss zog,
dass die Lichtempfindung „ausserordentUch rasch" (s. meine
Abh. S. 199), „in fast unmessbar kurzer Zeit," abklinge.
Bosscha schätzt die Dauer des primären Eindruckes
auf 0,1 bis 0,2 Secunden, was mit meinen Angaben eben-
falls nicht in Widerspruch stehen würde.
Der Begriff „fast unmessbar" ist eben relativ, und was
unter gegebenen Umständen fast nicht gemessen werden
kann, lässt sich unter anderen Umständen vielleicht an-
nähernd genau bestimmen. Hätte ich die Absicht gehabt,
die Dauer des primären Bildes nach kurzdauernder Licht-
einwirkung zu messen, so hätte ich hierzu andere Versuchs-
methoden gewählt als die von mir benutzten, bei welchen ich
einen ganz anderen Zweck verfolgte, nämUch den, zu unter-
suchen, ob das von v. Helmholtz, Fick und Anderen ge-
nauer beschriebene, mehrere Secunden andauernde positive
Nachbild kurzdauernder Lichteindinicke als eine unmittel-
bare Fortsetzung und als ein sehr in die Länge gezogenes
Abkhngen des primären Bildes anzusehen ist, wie v.Helm-
Studien über Nachbilder. 265
holtz und Andere meinen, oder ob dasselbe von dem pri-
mären Bilde durch eine negative Phase getrennt ist.
V. Helmholtz macht über das Abklingen der Er-
regung, die durch einen kurzdauernden Lichteindruck her-
vorgerufen wird, die folgenden Angaben (Physiol. Optik,
L Aufl., S. 359):
„Man kann auch von sehr massig erleuchteten Gegenstän-
den, z. B. von weissem Papier, welches die zum Lesen und
Schreiben bequeme Helligkeit hat, nach der beschriebenen
Methode (d. i. rasches Auf- und Zudecken der auf den
Gegenstand gerichteten Augen) noch positive Nachbilder ge-
winnen, die eine erkennbare Dauer von etwa 2 Secunden haben."
Unmittelbar vorher giebt v. Helmholtz an: „Je grösser
die Intensität des primären Lichtes ist, desto heller ist das
positive Nachbild und desto länger dauert es." Ln weiteren
Verlaufe der Schilderung dieser durch möglichst km'z-
dauernde Belichtung erzeugten Nachbilder sagt v. Helm-
holtz: „Man hat Zeit genug, an diesen Nachbildeni noch
eine Menge einzelner Umstände zu bemerken, auf welche
zu achten man während der wirklichen Betrachtmig nicht
Zeit hatte.«
Pick giebt keine Zahlen an, aber er sagt (Handb. d.
Physiol. V. Hermann. S. 216). „Wenn man nach kurz-
dauernder, nicht ermüdender Betrachtung eines weissen ()b-
jectes das Auge schhesst und verdeckt, so sieht man im
dunklen Gesichtsfelde ein sogenanntes positives Nachbild
des weissen Objectes, das anfangs sehr schnell und dann
immer langsamer an HelUgkeit abnimmt."
Nach diesen Angaben ist also jede Verwechselung
ausgeschlossen zwischen dem nur Bruchtheile einer
Secunde dauernden AbkUngen der primären En-egung
und dem mehrere Secunden dauernden Abklingen des
positiven Nachbildes.
Mir kam es zunächst lediglich darauf an, die Existenz
des zwischen das primäre Bild und das von v. Helmholtz
266 C. Hess.
beschriebene positive Nachbild sich einschiebenden negativen
Nachbildes festzustellen. Nachdem mir dies durch meine
verschiedenen Versuchsanordnimgen unzweifelhaft gelungen
war, ergab sich ganz von selbst, dass ich nur die der ne-
gativen Phase nachfolgende positive Phase als positives
Nachbild bezeichnete, nicht aber auch das rasch abklingende
primäre Bild, wenn es gleich länger dauert, als das ein-
wirkende objective Licht, und insofern auch in gewissem
Sinne ein positives Nachbild ist.
Wollte man es so bezeichnen, so müsste man es als
erstes positives Nachbild von dem viel länger dauernden
zweiten imterscheiden , welch' letzteres v. Helmholtz,
Fick u. A. beschrieben haben. Zweckmässig erscheint eine
solche Eintheilung aber wohl nicht
Der Irrthum Bosscha's ist demnach ein doppelter:
1) In meiner Bemerkung, dass bei meinen Versuchen
die durch kurzdauernden lichtreiz hervorgerufene Erregung
„in fast unmessbar kurzer Zeit" abklinge, glaubt Bosscha
die Behauptung zu sehen, dass nach meiner AufÜEkssung
diese Erregung bezüglich ihrer Dauer mit jener des elec-
trischen Funkens selbst vergHchen werden könne, und dass
dieselbe nicht bloss bei der von mir benutzten Versuchs-
anordnung, sondern überhaupt einer Messung sich entziehe.
2) Meine Kritik der Angaben von v. Helmholtz und
Anderen, welche das von ihnen beschriebene mehrere
Secunden dauernde positive Nachbild als ein entsprechend
langes, ununterbrochenes Fortdauern des primären Bildes
auffassen, deutet Bosscha so, als hätte ich damit auch die
Bichtigkeit der altbekannten, schon von Plateau u. A. ge-
machten Angaben über die nur einen Bruchtheil einer
Secunde währende Nachdauer einer kurzdauernden Er-
regung bestreiten wollen. Diese beiden Deutungen sind,
wie man sieht, irrig, und es werden damit auch die auf
dieselben gegründeten Einwände Bosscha's gegen meine
Arbeit gegenstandslos.
Studien über Nachbilder. 267
Bosscha sieht „einen sprechenden Beweis" gegen die
Richtigkeit meiner Ansichten in der bekannten Thatsache,
,,auf welche die pyrotechnische Kunst sich gründet/^ dass
ein rasch bewegter leuchtender Gegenstand als leuchtende
Linie erscheint.
Auch dieser Irrthum Bosscha's ist nur so zu er-
klären, dass er sich über meine Angaben in Betreff des
Abklingens der durch den Reiz gesetzten Erregung eine
falsche Vorstellung gemacht hat Wenn ich gesagt hätte,
diese Erregung höre nach Schluss des Reizes momentan
auf, so hätte Bosse ha recht. Da in meiner Abhandlung
aber ausdrückUch gesagt ist, dass die Erregung nach Auf-
hören des Reizes, wenn auch nur kurze Zeit, fortdauert
(„ausserordentlich rasch abnimmt," „in fast unmessbar kurzer
Zeit abklingt"), so ist Bosscha 's Einwurf hinfällig. —
Die erwähnte Bemerkung ,gab mir Veranlassung, Ver-
suche wieder aufeunehmen, welche ich fiiiher mit unvoll-
kommenen Methoden angestellt hatte, die mich aber damals
nicht zu völlig befriedigenden Ergebnissen fiihrten. Es
handelte sich um die Beobachtung der Erscheinungen,
welche man wahrnimmt, wenn leuchtende, farblose oder
farbige Gegenstände in einem sonst dunklen Räume rasch am
Auge vorübergeführt werden. Die Versuche schliessen sich,
wie man sieht, jenen mit dem electrischen Funken eng an.
Schon Purkinje hatte gesehen, dass das streifenför-
mige Nachbild, welches man bei rascher Bewegung einer
glühenden Kohle hinter derselben w^ahmimmt, sich nicht
unmittelbar an den leuchtenden Punkt anschliesst, sondern
von diesem durch ein „leeres Intervall" getrennt ist. Er
beschreibt die Erscheinung mit den folgenden Worten:
„Wenn man eine rothglühende Kohle massig im Kreise be-
wegt, sodass die einzelnen Momente der Blendung früher
Zeit gewinnen auszulöschen, ehe das Gluthbild auf seine
erste Stelle zurückkehrt, so zeigt sich ein rothes Band als
Spur des ersten Moments des Eindrucks, diesem folgt ein
268 C. Hess.
leeres Intervall, dann das grüne Spectrum, ebenfalls in ein
Band verzogen und jenem ersten im Kreise nachlaufend,
endlich eine schwarze Furche von grauem Nebel umgeben."
Aubert giebt an, dass nach seinen Beobachtungen
der rothe Streifen allmähUch farblos wird und direct in den
blaugrünen Streifen übergeht, ohne ein dunkleres Intervall
zwischen beiden.
Bei der Wiederholung dieser Versuche mit der glühen-
den Kohle fand ich bald eine Reihe von IVIissständen^
welche die genaue Beobachtung der Erscheinungen ausser-
ordentHch erschweren. Die lichtstäi'ke der glühenden Kohle
ist verhältnissmässig sehi* gering und die gelbrothe Fai-be
derselben erscheint hier so wenig gesättigt, dass es mir
kaum mögUch ist, die Färbung des Nachbildes zu studiren.
Vor Allem aber wechselt die Lichtstärke von Versuch
zu Versuch, indem die oberflächlichsten Kohlentheilchen
rasch abkühlen und einen Aschenmantel von stets wechseln-
der Dicke um den glühenden Kern bilden. Der Ablauf der
Erscheinungen wird aber durch die Lichtstärke des beweg-
ten Gegenstandes wesentlich beeinflusst. Um alle Einzel-
lieiten klar übersehen zu können, ist eine grosse Zahl von
Einzel -Beobachtungen unter möglichst gleichbleibenden
äusseren Bedingungen anzustellen. Der Gegenstand er-
schien mir wichtig genug, um einer systematischen Prüfung
unterzogen zu werden.
Zu diesem Zwecke habe ich Beobachtungen angestellt
mit kleinen Glühlämpchen von '/^ bis '/^ cm Durchmesser.
Dieselben waren mit einem Accumulator von geeigneter
Stärke durch leicht bewegliche Leitungsschnüre verbunden.
Ein zwischengeschalteter Rheostat erlaubte die Lichtstäi-ke
für verscliiedene Versuchsreihen innerhalb ziemlich weiter
Grenzen zu variiren, während dieselbe für eine und dieselbe
Versuchsreihe immer angenähert constant blieb.
Um die Erscheinungen bei verschiedenfarbigem Lichte
zu studiren, bediente ich mich entweder bunter Lämpchen,
Studien über Nachbilder. 269
die aus gesättigten farbigen Gläsern hergestellt waren, oder
ich hielt mir farbige Gläser von mögUchst grosser Sättigung
vor die Augen. Die Versuche wurden im Dunkelzimmer
so angestellt, dass das Lämpchen in einer Entfernung von
^/g bis '/4 m rasch vor dem Auge vorbeigeführt wurde.
Der Beobachter hatte den Kopf gegen die grosse, gleich-
massig schwarze Wandfläche gerichtet, so dass alle störende
Nebeneindrücke thunlichst ausgeschlossen waren. Das Lämp-
chen wurde erst während der Bewegung selbst zum Glühen
gebracht, indem durch leichten Druck mit dem Zeige-
finger der bewegenden Hand ein Contact geschlossen
wurde. Am Ende der Bewegung wurde der Contact wie-
der geöffiiet, so dass der Beobachter vor und nach dem
Versuche vor jeder äusseren Lichteinwirkung völlig ge-
schützt war.
Bei dieser Versuchsanordnung dauert es beim Schliessen
des Stromes eine gewisse, wenn auch nur äusserst kurze
Zeit, bis das Glühlämpchen seine volle Leuchtkraft erreicht
hat und ebenso wird nach Oeflnen des Contactes die Licht-
quelle nicht plötzlich unsichtbar, sondern unter allmählicher
(allerdings sehr rascher) Abnahme der Lichtstärke. Da es
nicht ausgeschlossen schien, dass hierdurch der Gang der
Erscheinungen beeinflusst werden könnte, so hatte ich einige
Versuchsreihen in der Weise angestellt, dass das Lämpchen
vor Beginn und vor Schluss der Bewegung durch passend
aufgestellte Schirme verdeckt war. Bewegte ich das Lämp-
chen vor dem Auge vorbei, so war es fiir mich nur auf
der zwischen beiden Schirmen gelegenen Strecke sichtbar und
hatte während dieser Zeit unverändert die volle Leuchtkraft.
Bei meinen späteren Versuchen ging ich wieder von
dieser umständhcheren Anordnung ab, da sich .zeigte, dass
der Ablauf der Erscheinungen sich nicht merklich anders
gestaltete, als bei der oben geschilderten einfacheren Ver-
suchsweise.
Auf diese Weise war es möglich, die hierher gehörigen
270 C- Hess.
Erscheinungen unter vielfacher Variirung der äusseren Be-
dingungen an einer grossen Anzahl von Versuchsreihen
durchzuprüfen.
Ich schildere zunächst die Erscheinungen bei Anwen-
dung von Glühlämpchen mit farblosen Gläsern. Das von
denselben ausgehende licht erschien bei mittlerer Lichtstärke
meist in einem wenig gesättigten gelblichen Farbentone.
Wird dasLämpchen rasch an dem Auge vorbeibewegt,
so sieht man, demselben unmittelbar folgend, einen meist
nur sehr kurzen, hell leuchtenden Strich, der gefolgt wird von
einem dunklen Zwischenräume, dessen scheinbare Länge bei
unveränderter Lichtstärke abhängt von der SchnelUgkeit der
Bewegung. Er erscheint um so länger, je rascher die Be-
wegung ausgeführt wird, und kann bei etwas langsamerer
Bewegung so kurz sein, dass er der Beobachtung leicht
entgeht Es war mir bei dieser Versuchsanordnung nicht
möglich, mit Sicherheit zu constatiren, ob der Zwischen-
raum dunkler war, als die seithche Umgebung.
Hinter diesem dunklen Zwischenräume folgt dann ein
langer heller Streif, der meist nahezu völlig farblos erscheint
Seine HelUgkeit ist an der dem dunklen Intervalle folgen-
den Anfangsstrecke am grössten und nimmt von da au
ganz allmähUch ab; dieser Streifen hat bei ausgiebigen Be-
wegungen, wenn diese nicht allzu langsam ausgeführt wer-
den, oft eine beträchtliche Länge und bleibt als ein posi-
tives Nachbild der ganzen vom Lichte durchmessenen Bahn
während mehrerer Secunden deuthch sichtbar, und zwar
um so länger, je heller die Lichtquelle war. Derselbe ent-
spricht dem in meiner ersten Abhandlung ausfuhrlicher be-
schriebenen positiven Nachbilde. Bewegt man das Lämp-
chen rasch, in grossen Curven, so hat man den Eindruck,
als eile hinter dem kurzen leuchtenden Striche in kleinem
Abstände eine lange feurige Schlange her. Oft sieht man
nach diesem hellen noch ein zweites dunkles Nachbild, als
tief dunkle Linie in einer etwas weniger dunklen Umgebung.
Studien über Nachbilder. 271
Die Grösse des Abstandes, in welchem das helle Nach-
bild der Lichtquelle nachläuft, ist bei unveränderter Schnellig-
keit der Bewegung abhängig von der Lichtstärke des
Lämpchens. Der dunkle Zwischenraum ist nämlich im All-
gemeinen um so länger, je heller die Lichtquelle ist
Bei Anwendung sehr grosser Lichtstärken kann der
Ablauf der Erscheinungen durch das Eintreten von Blen-
dung sich anders gestalten. Doch wurde diese bei meinen
Versuchen sorgfältig vermieden.
Etwas grössere Schwierigkeiten bietet das Studium der
Erscheinungen bei Anwendung farbigen Lichtes, Mit zu-
nehmender Lichtstärke verlieren die farbigen Lichter an
Sättigung, andererseits beeinträchtigen die stark gesättigten
farbigen Gläser die Lichtstärke leicht so sehr, dass hier-
durch die Beobachtung erschwert wird. Es war also noth-
wendig, durch zahlreiche Versuchsreihen die für die Be-
obachtung geeignetesten Helligkeits- und Sättigungsverhält-
nisse allmählich zu ermitteln.
Unter den günstigsten Versuchsbedingungen konnte
ich Folgendes beobachten. Unmittelbar hinter dem beweg-
ten leuchtenden Objecto sieht man eine kurze helle Linie
von der gleichen Farbe wie die Lichtquelle. Hierauf folgt
eine in der Regel etwas längere Strecke, welche, insbeson-
dere bei Benutzung stark gesättigter farbiger Lichter, deut-
lich complementäre Färbung zeigt; diese Strecke ist meist
weniger hell als die erste, aber bei Anwendung einer hell-
leuchtenden Lichtquelle deuthch heller als die Umgebung.
Es folgt dann ein etwas kürzeres dunkles Intervall, in
welchem ich eine Färbung überhaupt nicht mit Sicherheit
wahrnehmen konnte, und hieran schliesst sich ein langer
heller Streifen, dessen Färbung im ersten Augenblicke mit
derjenigen der benutzten Lichtquelle übereinstimmt. Er
wird sehr bald völlig farblos, bleibt aber dann noch einige
Secunden sichtbar. Bei gut ausgeruhtem Auge sieht man
oft noch ein zweites negatives Nachbild auf einer mehr oder
272 C. Hess.
minder grossen Sb-ecke der durchlaufenen Bahn, welches
als tief dunkle Linie in einer etwas weniger dunklen Um-
gebung deutlich sichtbar ist
Wenngleich aus dem Gesagten schon hervorgeht, dass
ich unter den geschilderten Verhältnissen das positive Nach-
bild in seiner Färbung mit derjenigen der Lichtquelle selbst
übereinstimmend gefunden habe, so stellte ich doch noch
eine eigene Versuchsreihe zu dem Zwecke an, um diese
Färbung des positiven Nachbildes unter besonders gün-
stigen Umständen zu studiren.
Hierzu wurde ich hauptsächlich dadm*ch veranlasst,
dass so erfahrene und sorgfältige Beobachter wie Purkinje
und Aubert das positive Nachbild complementär gefärbt
sahen, (s. oben) wenn sie das verhältnissmässig schwache gelb-
röthliche Licht einer im Kreise bewegten glühenden Kohle
benutzten.
Bei einer B^ihe von Versuchen traf ich die folgende
Anordnung. Vor das eine Auge wurde ein farbiges Glas
von möglichst grosser Sättigung gehalten, und nun der
Blick, während beide Augen geöfl&iet waren, auf die in
grösserer Entfernung befindliche schwarze Wand des
Zimmers gerichtet. Führte ich jetzt ein angenähert farb-
loses Glülüämpchen in ca. ^/^ Meter Entfernung senkrecht
vor den Augen vorbei, so erschien dasselbe in gekreuzten
Doppelbildern, und zwar wurde das eine Bild farblos, das
andere in gesättigt farbigem Lichte gesehen. Nach Schluss
der BeUchtung erscliien das positive Nachbild in Gestalt
zweier heller, nebeneinander verlaufender Streifen, welche
rücksichtlich ihrer Färbung leicht miteinander verglichen
werden konnten. Durch eine Reihe von Versuchen, welche
ich auch durch mehrere befreundete Collegen controlieren
Hess, konnte ich mich überaeugen, dass nun regelmässig
die beiden Nachbildstreifen merklich verschieden gefärbt
gesehen wurden.
Das erwähnte positive Nachbild in dem unbewaffneten
Studien über Nachbilder. 273
Auge erschien meist ganz farblos, während das entspre-
chende Nachbild des mit einem farbigen Glase bewaffiieten
Auges eine deutliche, wenn auch schwache Färbung zeigte,
welche mit jener des gefärbten Glases übereinstimmte.
Diese Färbung ist am ausgesprochensten an dem Anfangs-
theile des Nachbildstreifens und verliert sich bald vollständig.
Es ergiebt sich also daraus, dass auch bei diesen
Versuchen ganz so, wie bei den in meiner ersten Abhand-
lung geschilderten, das positive Nachbild eine mit der Farbe
der Lichtquelle übereinstimmende Färbung ' zeigt. Dass
den früheren Beobachtern diese Erscheinung entging, dürfte
auf die so ungünstigen Versuchsbedingimgen zu beziehen
sein, unter welchen dieselben arbeiteten.
Die Versuche mit rasch bewegten . leuchtenden Ob-
jecten geben also in allen wesentiichen Punkten eine voll-
kommene Bestätigung der in meiner ersten Abhandlung
mitgetheilten Beobachtungen.
Die Thatsache, dass nach dem Abkhngen der pri-
mären Erregung und vor dem Auftreten des dunklen In-
tervalles ein complementär gefärbter heller Streifen bei
unserer Versuchsanordnung gesehen wurde, erklärt sich
nach der Hering 'sehen Theorie ungezwungen in der fol-
genden Weise:
So, wie der B^izwerth eines jeden farbigen Lichtes in
eine farblos und in eine &rbig wirkende Componente zer-
legt gedacht werden kann, ebenso kann man die einer
kurzdauernden BeUchtung der Netzhaut folgende Erschei-
nungsreihe in eine farblose und in eine farbige Componente
zerlegt denken, welche beide nicht genau synchronisch ab-
laufen müssen, sondern gegeneinander in ihrem Ablaufe
mehr oder weniger verschoben sein können. Die Nach-
wirkungen der farbigen Componente des Lichtreizes können
nach der Theorie der Gegenfarben, sowohl betreffs der
Stärke oder Deutlichkeit als auch betreffe der Dauer ihrer
einzelnen Phasen innerhalb gewisser Grenzen unabhängig
V. Gnefe's Archiv nir Ophthalmologie. XL. 2. 18
274 C. Hess.
von jenen der farblosen Componente ablaufen. Daher
kann unter Umständen eine negative Phase der farbigen
Nachwirkung sich zum Theile mit einer positiven Phase
der farblosen Nachwirkung decken. Auf diese Weise ent-
stehen überhaupt die sogenannten positiven complementär
gefärbten Nachbilder. —
Im weiteren Verlaufe seiner Abhandlung theilt
Bosscha eine neue Beobachtung mit, welche er zum
Ausgangspunkte für theoretische Erörterungen macht Es
sei gestattet, auch diese neuen Versuche Bosscha's hier
kurz zu besprechen.
Bosscha macht über dieselben folgende Angaben:
„Sieht man in einem absolut dunklen Baume eine
Leuchtfarbe — z.B. einen selbstleuchtenden Kerzenständer
— an, so erscheint dieser in der finsteren Umgebung hell-
leuchtend. Wenn man nun das Object unbeweglich fixirt,
so verschwindet das Licht allmählich vollständig, aber wäh-
rend man weiter fixirt, beginnt das Licht allmählich wieder-
zukehren, um nach einiger Zeit die ursprüngliche Hellig-
keit wieder zu erlangen, dann wieder schwächer zu werden
und so abwechselnd heller und dunkler zu werden.
Diese Erscheinung ist so augenfällig, dass anfänglich
die Frage gestellt wurde, ob vielleicht das phosphoresci-
rende Licht an und für sich diese Eigenschaft besitzt In-
dessen lehrten weitere Versuche bald, dass jede Art von
sehr schwacher und gleichmässiger Beleuchtung im Dunkeln
dieselbe Erscheinung bietet.
Diese Beobachtung scheint mir von Bedeutung zu
sein als ein beredtes Beispiel für die selbstregenerirende
Thätigkeit der Netzhaut (Hering), während sie zugleich
ausserordentHch geeignet ist als Methode zum Nachweise
des Einflusses, welchen Druck und Bewegung des Aug-
apfels auf die Vorgänge in der Netzhaut ausüben."
Was zunächst das Thatsäcliliche der Bosscha 'sehen
Angabe betrifit, so vermag ich dieselbe nicht zu bestätigen.
Studien über Nachbilder. .275
Durch die Freundlichkeit von Herrn Professor Sn eilen
bin ich in den Besitz von solchen Leuchtobjecten gekom-
men, wie sie von Bosscha benutzt wurden; es sind
schwarze Cartons, auf welchen eine kreisföimige Fläche
von ca. 10 cm Durchmesser mit Leuchtfarbe bestrichen
ist Ich heftete diese an der schwarzen Wand unseres
Dunkelzimmers an und fixirte den Mittelpunkt der Scheibe.
Der Verlauf der Erscheinungen war für mein Auge dann
der folgende: Die HeUigkeit der Fläche nahm ziemhch rasch
und gleichmässig ab, dann wurden die Bänder verwaschen,
wie wenn sich dunkle Wolken darüber legten, und nach
einiger Zeit war die Scheibe ganz unsichtbar geworden.
Es ist verhältnissmässig leicht, dies wahrzunehmen, da man
bei einiger Uebung einen beliebigen Punkt auf der Fläche
leicht fixiren kann. Aber von dem AugenbUcke an, in
welchem die leuchtende Fläche unsichtbar geworfen ist,
hat das Auge im vollkommen verdunkelten Zimmer keinen
Fixationspunkt mehr, und es ist äusserst schwierig, fast un-
mögUch, das Auge auch jetzt noch völHg ruhig zu halten.
Die geringste unwillkürUch ausgeführte Augenbewegung,
ja, eine Aenderung der Accommodationsspannung genügt,
um die Scheibe ^mehr oder weniger vollständig wieder auf-
tauchen zu lassen.
Um mich zu überzeugen, dass wirkUch die Augenbo-
wegungen die Ui'sache des scheinbaren Wiederkeluvns der
leuchtenden Fläche sind, machte ich folgende 2 Vt^i-suclie.
Durch länger fortgesetzte Uebung war es mir gelun-
gen, die leuchtende Fläche nicht nur vorübergehend, sondern
auch fiir längere Zeit vöUig zum Verschwinden zu bringen.
Ich glaubte dann, mich in einem ganz gleichmässig dunklen
Baume zu befinden. Nun machte ich willkürlich eine mögUchst
rasche kleine Bewegung mit dem Auge, so dass dasselbe
sofort wieder in seine ursprüngliche Stellung zurückkehrte.
Dabei tauchte mir die leuchtende Fläche für einen Augen-
bUck in ihrer vollen HelUgkeit auf, wmxle aber wieder
18*
276 C. Hess.
ganz unsichtbar, sobald das Auge in die ursprüngliche Lage
zurückgekehrt war.
Noch beweisender ist der folgende Versuch:
Um eine richtige Stellung des Auges auch nach dem
Unsichtbarwerden der leuchtenden Fläche zu sichern,
brachte ich dicht neben derselben ein ganz kleines Glüh-
lämpchen an, dessen Helligkeit durch einen Rheostaten
regulirt werden konnte. Durch einen passend aufgestellten
Schirm war verhütet, dass die Leuchtfläche von dem Glüh-
lämpchen mit belichtet wurde.
Die Lichtstärke des Glühlämpchens war so gross ge-
wählt, dass auch bei länger dauerndem Fixiren desselben
dieses nicht ganz unsichtbar wurde.
Fixirte ich es nun, so bildete sich die leuchtende
Fläche auf einer dicht neben der Macula gelegenen Netz-
hautstelle ab.
Stellte ich den Versuch in der geschilderten Weise
an, so war der Verlauf der Erscheinimgen wiederum der,
dass die nur wenig excentrisch gesehene leuchtende Fläche
rasch an HeUigkeit abnahm, bald vollständig unsichtbar
wHirde, und nun auch unsichtbar blieb, sofern das
Auge streng das Glühlämpchen fixirte. ^Diese Versuche
habe ich längere Zeit hindurch tägUch mehrere Male
wiederholt und sie auch von befreundeten Collegen an-
stellen lassen, welche nicht wussten, worum es sich bei
dem Versuche handelte. Stets war das Ergebniss das
gleiche, oben geschilderte.
Auf einen analogen Versuch, zu dessen Anstellung
nur die Fähigkeit zu längerem festen Fixiren gehört, machte
mich früher Herr Professor Hering aufinerksam. Man
richte an einem klaren Abende das Auge streng auf einen
boUebigen, recht hellen Stern als Fixationsobjeci Ln ersten
AugenbUcke nimmt man noch zahlreiche Sterne in der
unmittelbaren Umgebung und selbst in grösserer Entfer-
nung von dem fixirten Sterne wahr. Aber es dauert nicht
Studien über Nachbilder. 277
lange, so werden allmählich alle Sterne unsichtbar bis auf
den fixirten (sofern dieser besonders hell war), und man
hat den Eindruck, gegen eine sonst vollkommen dunkle
Fläche zu sehen. Diese Verdunkelung bleibt so lange
bestehen, als man die Augen vollständig ruhig hält; die
Sterne bleiben unsichtbar.
Hierhergehörige Erscheinungen bezügUch des Unsicht-
barwerdens von Aderhautfigur und Macula lutea sind be-
kannt und von Hering ausführlich beschrieben und als Folge
einer localen Adaptation der Netzhaut eingehend erklärt wor-
den. (Archiv f. Ophthahnologie, Bd. XXXVH, Abth. 8,
S. 28 — 34. „lieber Ermüdung und Erholung des Seh-
organs" und Archiv für die gesammte Physiologie, Bd. 54:
„lieber den Einfluss der Macula lutea auf spectrale Farben-
gleichungen.").
Die von Bosscha beschriebene Beobachtung würde
sich nach der Herin g 'sehen Theorie kaum erklären lassen. —
SchhessKch möchte ich noch eine von anderer Seite
an meiner Abhandlung geübte Kritik an dieser Stelle kurz
beleuchten.
Bei der Zusammenfassung meiner Versuchsergebnisse
hatte ich an vierter Stelle den folgenden Satz auf-
gestellt:
„Auch wenn man von der Auffassung der positiven
Nachbilder und den Beziehungen derselben zur primären
Erregung zunächst ganz absieht, so vermag eine Theorie,
nach welcher die Empfindung Weiss durch die gleichzeitige
Erregung verschiedener farbig empfindender nervöser Ele-
mente zu Stande kommen soll, die beschriebenen That-
sachen in keiner Weise zu erklären. Vielmehr ist zum
Verständnisse derselben die Annahme einer von der far-
bigen Empfindungsreihe mehr oder weniger unabhängigen
farblosen, von den weissen Valenzen der ReizUchter ab-
hängigen Empfindungsreihe unerlässüch."
Mit Bezug auf diesen Satz sagt A. König (Zeitschrift
278 C. Hess.
für Physiologie und Psychologie der Sinnesorgane Bd. IV)
Folgendes:
„Der Verfesser würde den Werth seiner interessanten
Abhandlung noch beträchtlich erhöht haben, wenn er eine
Begründung der vierten These hinzugefügt hätte."
Bei Abfassung meiner Arbeit hatte ich eine eingehende
Beweisfiihrung zu dem betreflfenden Satze fiir überflüssig
gehalten in dem Glauben, dass die Unvereinbarkeit einer
ganzen Reihe der mitgetheilten Thatsachen mit der Drei-
Fasertheorie für den aufinerksameA Leser sich von selbst
ergeben müsste. Ich entspreche aber gerne der Aufforde-
rung König 's, indem ich für ihn wenigstens an einem
Beispiele die Unvereinbarkeit der von mir mitgetheilten
Thatsachen mit der Young 'sehen Theorie mit besonderer
Ausführlichkeit nachweise.
Es ist eine bekannte, auch von v. Helmholtz selbst
(Physiologische Optik S. 359) angeführte Thatsache, dass
die positiven Nachbilder nach kurz dauernder BeUchtung
um so länger dauern, je heller die Lichtquelle, je stärker
also der Reiz war.
Nin- bei Aubert finde ich die entgegengesetzte Ansicht
vertreten (Moleschott, Untersuchungen. 1858, S. 301 und Physiol.
d. Netzhaut S. 374).
Aubert sagt dort: „Ich habe die Beobachtung gemacht,
dass nach einem lichtschwachen Funken die NaclibUder von den
dm-ch ilm beleucliteten Objecten länger dauerten als nadi einem
sehr liellen Funken."
Um in ganz einwandfreier Weise den Einfluss der Hellig-
keit des Objectes auf die Dauer des Naclibildes zu studiren, be-
diente ich mich derselben Methode, welche icli oben (S. 272) bei
den Beobachtungen über die Farbe der Nachbilder anwendete.
Im Dunkelzimmer wurde bei angenähert paralleler Stellung der
Augen in einiger Entfernung vor diesen das Glühlämpdien vor-
beibeweg:t, wäin-end vor ein Auge ein möglichst farbloses rauch-
gi-aues Glas gehalten wurde; das Glühlämpchen wurde also jetzt
in Doppelbildern von angenähert gleicher Farbe aber sehr ver-
schiedener Helligkeit gesehen. Bei mannigfacher Abänderung der
Studien über Nachbilder. 279
Vereuchsanordnung fand ich regelmässig, dass das Nachbild
des mit unbewaffnetem Auge geselienen (helleren) Glühlämpdiens
merklich später unsichtbar wurde als das andere.
Wird das Sehorgan von homogenem, z. B. rothem
Lichte getroffen (s. meine Abhandlung S. 203 ff.) so wer-
den dadurch (nach der Dreifasertheorie) die rothempfinden-
den Fasern stark, die grün- und blau- oder violettempfin-
denden Fasern nur verhältnissmässig schwach erregt. Nach
dem oben über die Dauer der Erregung Gesagten müsste
der Erregimgszustand in den rothempfindenden Fasern am
längsten fortdauern, während die grün- und die blau- oder
violettempfindenden Fasern viel früher in den Ruhezu-
stand zurückkehren würden. Es müsste also einen Zeit-
punkt geben, in welchem die Erregung dieser letzteren gleich
oder nahezu gleich null wäre, während die der rothem-
pfindenden noch fortdauerte. Das positive Nachbild müsste
dann in einem ausserordentlich gesättigten rotlien
Farbentone gesehen werden. Ueberhaupt müsste nach Rei-
zung mit beliebigem homogenem Lichte das Nachbild
sehr gesättigt erscheinen. Dies ist aber bekanntlich nicht
der Fall. Vielmehr ist das positive Nachbild auch bei Rei-
zung mit den gesättigten homogenen Lichtem nur schwach
gefärbt und bald vollkommen farblos. Die Dreifasertheorie
vermag diese Erscheinung nicht zu erklären. Man kann
gegen diese Folgerungen auch nicht einwenden, dass das
Abkhngen der Erregung in den 3 Faserarten möglicher-
weise verschieden schnell stattfinden könnte, unabhängig
von der Stärke des Lichtreizes. Denn dann würde das
positive Nachbild einer farblosen Lichtquelle im Allge-
meinen farbig erscheinen müssen; dies ist aber unter den
von uns benutzten Versuchsbedingungen nicht der FalL
(Siehe meine Abhandlung S. 199 f.).
Druck TOD FOschel A Trepte in Leipzig.
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