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Full text of "Archiv für klinische und experimentelle Ophthalmologie"

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% 


UNIVERSITY  OF  CALIFORNIA 

SAN  FRANCISCO  MEDICAL  CENTER 

LIBRARY 


ALBRECHT  VON  GRJIFE'S 

t 

ARCHIV 


FÜR 


OPHTHALMOLOGIE, 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

PROF.  TH.  LEBER  Prof.  H.  SATTLER 

]N    HEIDELBERG  IN    LEIPZIG 

UND 

PROF.  H.  SNELLEN 

IN    UTRECHT. 


VIERZIGSTER  BAND 

ABTHEILUNG    I. 
MIT  3  FIGUREN  m  TEXT  UND  2  TAFELN. 


LEIPZIG 

VEKI-AjjtYUiJi  WI-LHIEr.M   ENGKIMANN 

•         **•»*         tm  ^ 

1894:  ^ 


•  ■  •   •         •     ■  * 


•    •    •      •   ' 


•  •       •• •  • 


Inhalts-Verzeichniss 

zu 
Band  XL,   1.   Abtheilung. 

Ausgegeben  am  13.  Februar  1894. 


Selto 
Die  literarische  Ueberproduction  und  die  Arbeit  am  Archiv. 

Ein  Vorwort  von  Th.  Leber V— XII 

I.  Ueber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Con- 
junctiva.  Von  Dr.  Cb.  Leedbam  Green,  F.  R.  G.  S. 
aus  Birmingham.  Hierzu  Taf.  I,  Fig.  1  — 5  .  .  .  1—21 
II.  Primäre,  secundäre  und  tertiäre  Netzhautbilder  nach 
momentanen  Lichteindrücken.  Von  Dr.  H.  P. 
Bosseha  in  Utrecht 22—42 

III.  Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  des  Cen- 
tralnen'ensystems  vorkommenden  Augenstorungen. 
Von  Professor  W.  Uhtboff  in  Marburg.  II.  (klini- 
scher) Theil.    2.  Hälfte.  43-122 

IV.  Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  zwischen 
»iderotischer  und  hämatogener  Pigmenti rung.  Von 
Dr.  £.  T.  Hippel,  Privatdocenten  und  erstem  Assi- 
stenten an  der  Uni versitäts- Augenklinik  zu  Heidel- 
berg   123—279 

V.  Das  Sideroskop.  Ein  Apparat  zum  Nachweis  der 
Eisen-  und  Stahlsplitter  im  Innern  des  Auges.  Von 
Dr.  Eduard  Asmus,  Assistenzarzt  an  der  Universi- 
täts- Augenklinik  zu  Breslau.  Hierzu  Tafel  II,  Fig. 
1-4  und  2  Figuren  im  Text 280—325 


1236 


IV  Inhalt. 

Seite 
VI.  Ueber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter.    Von 

Prof.  Hermann  C'ohn  in  Breslau.   Mit  1  Textfigur    32t>— 3;JG 
VII.  Bemerkung  zu  dem  Aufsatze  von  Bosscha:  „Primäre, 
secundäre  und  tertiäre  Nctzhautbilder  nach  momen- 
tanen  Lichteindrücken".    Von    Dr.   Carl  Hess   in 
Leipzig 337—338 


Die  literarische  TJeberproduction  und 
die  Arbeit  am  Archiy. 


Ein  Vorwort 

von 

Th.  Leber. 


Beim  Erscheinen  des  vorliegenden  Heftes  sind  40  .Fahre 
verflossen,  seit  unser  Archiv  durch  Albrecht  von  Graefe 
gegründet  worden  ist.  In  einem  RückbUck  auf  die  ei*sten 
30  Jahre ')  habe  ich  seiner  Zeit  die  Hoffnung  ausgesprochen, 
dass  unsere  Zeitscluift  auch  weiterhin  ihie  ehrenvolle  Stellung 
als  ein  Organ  der  wissenschaftUcheu  Ophtlialmologie  be- 
haupten werde.  Der  reiche  Inhalt  der  letzten  zehn  Jahr- 
gänge hat  unseren  Erwartungen  in  vollem  Maasse  ent- 
sprochen. Die  Bedaction  darf  mit  Genugthuung  auf  den 
Antheil  zurückbUcken,  den  das  Archiv  auch  in  dieser  Zeit 
an  der  Entwickelung  der  Wissenschaft  genommen  hat. 

Als  einen  Beweis  für  die  ihm  zu  Theil  gewordene 
Anerkennung  dürfen  wir  es  betrachten,  dass  seine  Ver- 
breitung im  Laufe  der  Zeit  noch  zugenommen  hat,  obwohl 
die  Ansprüche  an  die  Leser  durch  die  Vergrösserung  des 
Umfangs  allmählich  recht  bedeutend  gewachsen  sind.  In 
den  ersten  Jahren  konnten  die  uns  anvertrauten  Beiträge 
gewöhnlich   in    zwei   Heften   von  durchschnittlich    16—18 


»)  Die  Ophthalmologie  seit  1870.    v.  Graefe's  Archiv  XXX.  1. 


VI  Th.  Leber. 

Bogen  untergebracht  werden;  später  stieg  die  Zahl  der 
Hefte  eines  Jahrganges  bei  gleicher  Bogenzahl  auf  drei 
und  im  Jahre  1876  auf  vier;  hierbei  ist  es,  von  vier  Jahren 
abgesehen,  wo  nur  drei  Hefte  erschienen  sind,  bisher  ver- 
bUeben.  In  diesem  Jahre  sehen  wir  uns  nun  durch  die 
^Nfenge  des  uns  zugegangenen  Materials  veranlasst,  das 
ei-ste  Heft  schon  im  Februar  erscheinen  zu  lassen,  und  werden 
vielleicht  genötliigt  sein,  ausnahmsweise  die  Zahl  der 
Hefte  des  laufenden  Jahrgangs  auf  fünf  zu  erhöhen. 

So  erfreulich  nun  auch  die  rege  Thätigkeit  in  unsei-ein 
Fache  ist,  welche  sich  hierdurch  bekundet,  und  so  selir 
wir  wünschen,  möglichst  zahlreiche  Beiträge  aus 
den  verschiedensten  Gebieten  und  Richtungen  zu 
(»rhalten,  so  erweckt  doch  dies  stetige  Wachsthum  aucli 
gewisse  Bedenken,  denen  wir  uns  nicht  verschUessen  dürfen, 
wenn  das  Archiv  auch  weiterhin  seiner  Aufgabe  vollauf 
entsprechen  soll.  Es  fragt  sich,  ob  wir  nicht  scheu  auf 
einem  Punkte  angelangt  sind,  wo  eine  weitere  Zunahme 
nicht  erfolgen  kann,  ohne  dass  dem  Gewinn  auf  der  einen 
Seite  ernste  Nachtheile  auf  der  anderen  gegenüberstehen. 
Schon  vor  10  Jahren  habe  ich  in  dem  erwähnten 
llückblick  auf  den  enorm  gewachsenen  Umfang  unserer 
FachUteratur  hingewiesen  und  unsere  Mitarbeiter,  freilich 
mit  nur  geringem  Erfolg,  um  thunlichste  Knappheit  in  der 
Abfassung  ihrer  Arbeiten  gebeten.  Das  in  ersterer  Hinsicht 
(lesagte  muss  ich  heute  noch  in  erhöhtem  Maasse  betonen, 
da  die  Zahl  der  einmaligen  und  periodischen  Publicationen 
inzwischen  noch  eine  weitere  Zunahme  erfahren  hat.  Es 
ist  dies  ja  keine  auf  unser  Fach  beschränkte  Erscheinung, 
sondern  macht  sich  auf  allen  Gebieten  der  geistigen 
Thätigkeit  mehr  oder  minder  fühlbar,  aber  kaum  irgendwo 
stärker  als  in  der  Ophthalmologie.  Die  regelmässigen  und 
aussergewöhnlichen  Erscheinungen  der  FachUteratur  können 
auch  von  dem  Fleissigsten  schon  längst  nicht  mehr  alle 
gleich  nach  ihrem  Eingang  bewältigt  werden.     Vieles  wird 


Die  literarische  Ueberproduction  und  die  Arbeit  am  Archiv.    VII 

für  die  Zeit  grösserer  Müsse  zurückgelegt  und  findet  oft 
iimb  später  keine  genügende  Beachtung,  weil  dringende^ 
Ansprüche  des  Berufs  oder  sonstige  Abhaltungen  die  Zeit 
vorwegnehmen.  Wer  sich  heute  in  allen  Zweigen  der 
Ophthalmologie  auch  nur  auf  dem  Laufenden  erhalten  und 
zugleich  den  Fortschritten  der  übrigen  Mediciu  und  der 
Naturwissenschaften  einigermaassen  folgen  ^ill,  muss  seine 
Zeit  auf  das  Sorgtältigste  zu  Rathe  halten  und  auf  anderen 
Gebieten  die  grösste  Selbstbeschränkung  üben;  wie  viel 
mehi*  noch  derjenige,  welcher  an  den  Fortschritten  der 
Wissenschaft  tliätigen  Antheil  nehmen  will!  Die  Masse 
des  Gebotenen  hat  naturgemäss  zur  Folge,  dass  nur  eine 
l)e8diränkte  Zahl  von  Arbeiten,  zumeist  die  für  die  Praxis 
verwerthbaren,  einen  grösseren  Leserkreis  findet,  während 
von  den  anderen  immer  nur  verhältnissmässig  Wenige  Notiz 
nehmen.  Wir  treiben  so  einer  zunehmenden  Specialisinmg 
in  unserer  Specialität  entgegen,  bei  der  es  immer  schwerer 
^ird,  einen  Ueberblick  über  das  Ganze  zu  behalten. 

Der  geschilderte  Zustand  ist  zum  Theil  in  der  Ent- 
>»ickelung  unserer  Wissenschaft  begründet  und  muss  inso- 
weit als  etwas  Gegebenes  hingenommen  werden.  Dies 
♦'uthebt  aber  die  Betheiligten  nicht  der  Veri)flichtung,  zu 
prüfen,  was  etwa  zur  Abhülfe  geschehen  kann.  Die  wisseii- 
schaftUche  Production  herabdrücken  zu  wollen,  wäre  ein  eben 
^)  thörichtes  wie  aussichtsloses  Beginnen;  nur  an  einen  ge- 
wissen Einfluss  auf  die  Art  der  Publicatiou  kann  gedacht 
werden. 

Betrachten  ^ir  nun  die  Verhältnisse  bei  unserem 
Archiv,  so  ergiebt  sich,  dass  weit  weniger  die  Zahl,  als  der 
durchschnittliche  Umfang  der  Arbeiten  mit  der  Zeit  zu- 
g<*ttommen  hat.  Dies  ist  auch  dann  noch  richtig,  wenn 
man  die  besonders  grossen  Arbeiten,  welche  schon  früher 
und  gerade  in  der  letzten  Zeit  einige  Male  im  Archiv  er- 
wüenen  sind,  ausnimmt.  Die  Kedaction  glaubt  bei  deren 
gediegenem  Inhalt  mit  ihrer  Aufnahme  den  Dank  der  Leser 


VIII  Th.  Leber. 

verdient  zu  haben,  da  bei  dem  geringen  Absatz,  welchen 
gesondert  erscheinende  Scliriften  zu  finden  pflegen,  ihr  Ver- 
kaufspreis weit  höher  gewesen  wäre,  als  bei  der  Aufoahnie 
in  unser  Archiv.  Solche  Arbeiten,  deren  Bogenzahl  ebenso 
wohl  ein  gesondertes  Erscheinen  gestattet,  werden  ja  immer 
nur  ausnahmsweise  bei  uns  Platz  finden,  und  die  obige 
Bemerkung  bezieht  sich  ebensowohl  auf  die  kleinen  und 
mittleren,  deren  Grössenzunahme  ganz  unverkennbar  ist  Es 
fragt  sich,  ob  es  nicht  möglich  wäre,  die  in  unserem  Archiv 
erscheinenden  Aufsätze  ohne  Beeinträchtigung  ihres  Werthes 
kürzer,  zum  Theil  erheblich  kürzer  abzufassen,  als  es  bisher 
übHch  war.  Ich  weiss  mich  mit  vielen  miheilsfähigen  Fach- 
genossen  darin  einig,  dass  diese  Frage  entschieden  zu  be- 
jahen ist,  und  ich  würde  es  als  einen  sehr  werÜivoUen 
Portschritt  bezeichnen,  wenn  diese  Ansicht  von  den  Mit- 
arbeitern beherzigt  und  zur  Richtschnur  genommen  würde. 
Ihre  Annahme  könnte  auch  auf  andere  Gebiete  derMedicin 
nur  günstig  zurückwirken  und  auch  auf  diesen  zur  Nach- 
eiferung anregen. 

Ich  verkenne  nicht,  dass  der  Gegenstand  der  Arbeit 
oft  eine  gewisse  Ausführlichkeit  nothwendiger  Weise  mit 
sich  bringt.  Der  Comphcirtheit  der  Verhältnisse,  der 
Mannigfaltigkeit  der  zu  berücksichtigenden  Beziehungen, 
der  Art  und  Zahl  der  verwendeten  Untersuchungsmethoden 
muss  auch  die  Darstellung  gerecht  werden;  schon  durch 
die  Menge  des  gebotenen  Stoffes  kann  eine  sehr  grosse 
Ausdehnung  unvermeidlich  sein;  auch  die  sorgfältige  Berück- 
sichtigung der  Literatur  nimmt  Kaum  in  Anspruch.  Die 
Hast,  mit  welcher  in  jetziger  Zeit  die  wissenschaftliche 
Publication  betrieben  wird,  wirkt  in  derselben  Richtung. 
Jeder  beeilt  sich,  das  Ergebniss  einer  Reihe  von  Unter- 
suchungen, wenn  es  nur  irgend  sicher  gestellt  eracheint, 
vor  das  allgemeine  Forum  zu  bringen,  mag  der  erzielte 
Fortschritt  auch  noch  so  klein  und  beschränkt  sein.  Selten 
zeigt  sich  mehr  ein  Forscher,  der  einen  umfassenderen  Ge- 


Die  literarische  üeberproduction  und  die  Arbeit  am  Archiv.     IX 

danken,  zu  dessen  Nachweis  Jahre  lang  fortgesetzte  Unter- 
suchungen erforderlich  sind,  erst  dann  veröffentlicht,  wenn 
ihm  das  gesammte  Beweismaterial  dafür  zur  Verfügung 
steht  Man  muss  da  oft  auf  die  kleine  Genugthuung  der  so- 
genannten Priorität  verzichten,  welche  für  Viele  so  ver- 
lockend ist,  und  um  welche  oft  so  bitterer  Streit  geführt 
wird,  und  das  harmlose  Vergnügen  entbehren,  welches  der 
häufiger  wiederholte  Abdnick  des  eigenen  Namens  gewährt. 
Die  rasche  Publication  jedes  kleinen  Ergebnisses  hat  den 
Tortheil,  dass  mit  der  gleichen  Aufgabe  beschäftigte  Forscher 
das  Neue  sogleich  verwerihen  können,  und  dass  ihnen 
mancher  vergebliche  Versuch,  mancher  nicht  zum  Ziele 
führende  Weg  erspart  wird.  Sie  bringt  aber  ebenfalls 
wieder  eine  grössere  Ausführlichkeit  der  Darstellung  mit 
sich;  je  grundlegender  eine  Arbeit  ist,  mit  um  so  wenigeren 
Worten  lässt  sich  meistens  ihr  wesentlicher  Inhalt  angeben ; 
je  breiter  sie  gehalten  ist,  um  so  mehr  kann  man  vermuthen, 
dass  bis  zum  Abschluss  der  behandelten  Frage  noch  manche 
Etappe  zu  durchlaufen  sein  wird. 

Fragen  wir  nun,  was  in  der  oben  angegebenen  Richtung 
geschehen  kann,  so  ist  klar,  dass  Jeder  bestrebt  sein  sollte, 
seine  Gedanken  und  Erfahrungen  in  die  mögUchst  knappe 
Form  zu  bringen,  jede  überflüssige  Breite  zu  vermeiden 
und  vor  Allem  das  Beweismaterial  von  allen  entbehrlichen 
Zuthaten  zu  befreien.  Den  grössten  Ba.um  nimmt  ja  stets 
nicht  die  Auseinandersetzung  des  Gegenstandes  und  der 
Ergebnisse  ein,  sondern  die  Mittheilung  der  Beweisstücke. 
Hier  kann  gewiss  sehr  viel  geschehen,  um  Raum  zu  er- 
sparen und  dem  Leser  die  Uebersicht  über  die  Arbeit  und 
die  Kentnissnahme  ihres  wesentlichen  Inhaltes  zu  erleichtem. 
Man  beherzige  doch,  dass  eine  Krankengeschichte,  ein 
Sectionsbefiind,  eine  histologische  Untersuchung,  ein  Versuchs- 
protokoll meistens  nicht  an  und  fiir  sich  von  Werth  und 
nicht  in  allen  ihren  Theilen  von  Bedeutung  sind,  sondern 
nur  sow^eit    als   sie   dem  Zweck    der  Arbeit    dienen    und 


X  Th.  Leber. 

etwaigen  späteren  Forechem  von  Wichtigkeit  sein  können. 
Freilich  niuss  man  verlangen,  dass  alle  diese  Vorarbeiten 
so  sorgfältig  als  möglich  gemacht^  sind,  dass  nichts  dabei 
vergessen,  keine  Untersuchung  versäumt  ist,  welche  zur 
Aufklärung  der  Verhältnisse  dienen  kann.  Wird  man  aber 
alle  diese  Dinge  immer  in  extenso  abdrucken  müssen?  Winl 
dem  Leser  jede  negative  Untersuchung,  jeder  vergebliche 
Versuch  im  Einzelnen  vorzuftihren  sein?  Wird  es  nicht 
oft  genügen,  un  Allgemeinen  zu  bemerken,  welche  Punkte^ 
berücksichtigt  worden  sind,  anzugeben,  dass  man  sich  mit 
Auszügen  aus  den  ausführlichen  Aufzeichnungen  begnüge 
oder  überhaupt  nur  das  Ergebnis»  derselben  mittheile? 
GeMiss  soll  es  Niemand  benommen  sein,  der  Anschaulichkeit 
der  Darstellung  halber  einzelne  Fälle  vorzuführen,  eine  be- 
stimmte Krankengeschichte  mit  treflfenden  Zügen  zu  schildern, 
einen  Versuch  dem  Leser  eingehend  zu  erzählen  und  seine 
Aufinerksamkeit  dadurch  zu  erwecken  und  rege  zu  erhalten. 
Aber  hierin  auch  nicht  zu  weit  zu  gehen,  muss  dem  Tact 
und  der  Discretion  des  Autors  dringend  empfohlen  werden. 
In  besondere  wichtigen  Fällen  mag  es  auch  z.  B.  am  Platze 
sein,  ein  VereuchsprotokoU  mit  allen  seinen  Einzelnheiten 
abzudnicken,  gewissermaassen  als  Beweisstück  dafiü*,  dass 
Irrthum  und  Unzuverlässigkeit  ausgeschlossen  sind.  Doch 
möge  man  bedenken,  dass  die  Glaubwürdigkeit  eine»s  Autors 
durch  die  Beigabe  nebensächlicher  Einzelnheiten  nicht 
wesenthch  erhöht  werden  kann;  etwaige  Irrthümer  werden 
fast  immer  bei  der  Beobachtung  vorkommen,  und  durch 
noch  so  ausführliche  Mittheilung  der  Aufeeichnungen  nur 
selten  aufzudecken  sein. 

Man  wende  hier  nicht  ein,  dass  gewisse  Theile  der 
Arbeit  gar  nicht  zum  Lesen  bestimmt  sind,  sondern  nur 
als  schätzbares  Material  für  spätere  Beai'beiter  desselben 
Gegenstandes  dienen  sollen.  Es  ist  hieran  insofern  etwas 
Wahres,  als  Niemand  von  allen  Theilen  einer  grösseren 
Arl)eit    mit    gleicher   Aufmerksamkeit    Kenntniss  nehmen 


Die  litenurische  Ueberproduction  und  die  Arbeit  am  Archiv.     XI 

wird,  und  Vieles  wirklich  erst  im  Zusammenhalt  mit  eigenen 
Beobachtungen  und  bei  tieferem  Eingehen  auf  den  Gegen- 
stand grösseres  Interesse  imd  richtige  Bedeutung  gewinnt. 
Bei  seltenen  Fällen  dient  das  Archiv  in  der  That  mitunter 
mehr  zur  Sammelstelle  mit  der  Hof&iung  auf  spätere  Ver- 
werthung.  Um  so  grösser  ist  aber  hier  auch  für  den  Autor 
die  Gefahr,  in  die  Breite  zu  gehen,  wenn  er  sich  nicht  un- 
mittelbar durch  den  Leser  controhrt  weiss;  er  vergisst  hier 
zu  leicht,  dass  er  in  erster  Linie  an  das  Interesse  des  Lesers 
denken  muss,  da  die  Erhaltung  der  Zeitschrift  doch 
wesentiich  von  der  Erfüllung  dieser  Bedingung  abhängt. 

Auch  in  der  Wiedergabe  der  Literatur  begegnen  wir 
oft  einer  entbehrlichen  Weitläufigkeit;  die  fremden  Beobach- 
tungen sollen  verwerthet  und  verarbeitet,  aber  nicht,  was 
freilich  das  Bequemste  ist,  einfach  wieder  abgedruckt  werden, 
ausgenonunen  wenn  sie  an  besonders  schwer  zugängUchen 
Stellen  veröffenthcht  sind.  Die  Wiedergabe  beschränke 
sich  auf  das  ftir  den  jedesmaUgen  Zweck  Noth wendige; 
spätere  Arbeiter  mögen,  wenn  das  Gebotene  ihnen  nicht 
genügt,  in  dem  genau  zu  citirenden  Original  nachlesen. 

Ich  kann  hier  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dass 
man  es  heut  zu  Tage  nicht  mehi*  für  ein  so  unverzeihhches 
Unrecht  halten  sollte,  wie  es  zuweilen  vorkommt,  wenn 
einem  gewissenhaften  Arbeiter  eine,  noch  dazu  vielleicht  da 
oder  dort  versteckte  Mittheilung  entgeht.  Wer  nicht  dafür 
gesorgt  hat,  dass  seine  Arbeit  leicht  zu  finden  ist,  darf  sich 
durch  mangelnde  Berücksichtigung  derselben  erst  recht  nicht 
gekränkt  fühlen. 

Dass  bei  alledem  die  Arbeit  des  Autors  vergrössert 
wird,  ist  selbstverständhch.  Es  ist  viel  schwerer,  kurz  und 
zugleich  gut  zu  schreiben,  als  mit  vielen  Worten  doch  nicht 
mehr  zu  sagen,  als  mit  wenigen  gesagt  wäre.  Niemand 
sollte  aber  die  Mühe  scheuen,  die  fertiggestellte  Arbeit  einer 
Revision  in  der  genannten  Richtung  zu  unterziehen,  und 
Jeder  sollte  von  Anfang  an  überlegen,  ol)  der  gewählte  Plan 


XII  Th.  Leber.     Die  literarische  Ueberproduction  etc. 

der  Darstellung  nicht  eine  zu  grosse  Ausführlichkeit  mit  sich 
bringt,  die  durch  spätere  Ueberarbeitung  schwer  zu  beseitigen 
ist.  Wer  für  sein  Werk  Beachtung  finden  vaüj  sei  bemüht, 
dem  Leser  die  Hauptergebnisse  so  klar  als  möglich  vorzu- 
führen, sein  Interesse  für  die  Einzelnheiten  zu  erwecken 
und  durch  eine  gewisse  Beschränkung  im  Nebensächlichen 
den  Umfang  der  Arbeit  im  richtigen  Verhältniss  zu  der 
Wichtigkeit  des  Gegenstandes  zu  erhalten.  Die  darauf 
venvandte  Mühe  wird  durch  den  Erfolg  reichUch  gelohnt 
werden. 

Wenn  Jeder  an  seinem  Theil  die  hier  gegebenen  Rath- 
schläge  beherzigt,  dann  wird  es  wohl  geUngen,  ein  unbe- 
quemes Anschwellen  unserer  Zeitschrift  zu  verhüten,  und 
wir  werden  nicht  zu  besorgen  haben,  dass  die  Wirkung 
ihres  gediegenen  Inhaltes  durch  allzu  grossen  Umfang  be- 
einträchtigt werden  könnte. 


üeber  die  BedentoBg  der  BeebArzellm 
der  Conjnnctiva. 

Von 

Dr.  Ch.  Leedham  Green,  F.  R.  C.  S. 
aus  Binningham. 

Hierzu  Taf.  I,  Fig.  1—5. 


Ot^leiGh  das  Vorkommen  von  Becherzellen  in  der 
Conjnnctiva  schon  lange  als  eine  wohlbekannte  und  unbe- 
s^tteoe  Thatsache  gegolten  hat,  ist  doch  ihre  Natur  tind 
Bedeutung  bisher  noch  nicht  genügend  erforscht  worden. 
Dies  ist  um  so  überraschender,  wenn  wir  die  Arbeit  be- 
rücksiditigen,  welche  auf  die  Untersuchung  dieser  merk- 
würdigen Gebilde  in  andern  Theilen  des  Kärpers  verwendet 
worden  ist 

Die  Mehrzahl  der  Autoren  begnügt  sich  damit,  bei 
Beschreibung  der  Bindehaut  ihr  Vorkommen  einfach  an- 
zufiitiren,  ohne  auf  eine  Erörterung  ihrer  Natur  einzugehen. 
Diejenigen  Autoren,  welche  die  Bedeutung  der  Becherzellen 
durch  eigene  Untersuchungen  zu  erforschen  gesucht  haben, 
stimmen  in  ihren  Ansichten  keineswegs  überein.  Die  mei- 
sten halten  sie  für  pathologisch  veränderte  Gebilde,  für 
£pithelzellen,  die  eine  schleimige  Metamorphose  erfahren 
haben;  nur  die  Minderzahl  vertritt  die  Anincht,  dass  es 
sich  tun  einsseUige  Drüsen  handle,  welche  Ansicht  für  die 
gleichen  Gebilde  der  übrigen  Schleimhäute  und  der  äusseren 

▼.  GtBefe*!  Archir  Ar  Ophthalmologie.   XL.  1.  1 


2  Ch.  Leedham  Green. 

Haut  der  Fische,  Amphibien  etc.  allgemein  angenommen 
ist.  Da  an  der  zuletzt  erwähnten  Auffassung  für  die  als 
normale  Vorkommnisse  anerkannten  Becherzellen  wohl  nicht 
zu  zweifeln  ist,  so  würden  die  BecherzeUen  der  Conjunc- 
tiva,  falls  sie  wirklich  als  pathologisch  veränderte  Epithel- 
zellen zu  betrachten  wären,  von  den  echten  Becherzellen 
wesenthch  verschieden  und  ihnen  nur  äusserlich  ähnlich  sein. 

Um  zu  einer  befriedigenden  Einsicht  in  die  Bedeu- 
tung dieser  Zellen  zu  gelangen,  habe  ich  auf  den  Vor- 
schlag und  mit  der  freundlichen  Unterstützung  von  Pro- 
fessor Leber,  dem  ich  bei  dieser  Gelegenheit  meinen  herz- 
lichen Dank  ausdrücken  möchte,  eine  Reihe  von  Unter- 
suchungen an  der  Conjunctiva  von  Menschen  und  Thieren 
angestellt. 

Es  wurden  zu  diesem  Zweck  sowohl  frische  als  auch 
Isolationspräparate  und  Schnitte  hergestellt  und  genau  unter- 
sucht Die  frischen  Präparate  wurden  gemacht,  indem  man 
ein  kleines,  dem  lebenden  oder  eben  getödteten  Thier  ent- 
nommenes Stückchen  Conjunctiva  auf  einem  warmen  Object- 
träger  sorgfältig  ausbreitete.  Das  Präparat  wurde,  wenn 
nöthig,  mit  Humor  aqueus  angefeuchtet.  Um  die  Zellen 
zu  isohren,  wui'de  die  Conjunctiva  entweder  24  Stunden  in 
33^/0  Alkohol  (nach  Ranvier),  oder  noch  besser,  mehrere 
Tage  in  Müller'sche  Flüssigkeit  (zur  Hälfte  verdünnt)  ein- 
gelegt Zur  Anfertigung  von  Schnitten  der  Conjunctiva 
wurden,  wenn  möglich,  die  Lider  zusammen  mit  dem  Auge 
excidirt,  indem  man  den  Orbitalrand  umschnitt  Das  ganze 
Organ  wurde  dann,  bevor  man  es  halbierte,  in  5  ^/^  wäss- 
riger  Sublimatlösung  und  nachher  in  Alkohol,  oder  in 
Müller'scher  oder  Flemming'scher  Lösung  gehärtet.  Nach 
genügender  Härtung  wurden  die  Präparate  entweder  in 
Paraffin  oder  Celloidin  in  der  gewöhnhchen  Weise  eingebettet. 

Beim  menschlichen  Auge  musste  ich  mich  begnügen, 
kleine  Stückchen  der  Conjunctiva  zu  härten,  indem  ich  sie 
behutsam  auf  einen  flachen  Kork  ausbreitete. 


lieber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Conjunctiva.         3 

Grosse  Schwierigkeiten  fand  ich  bei  dem  Versuch  die 
Becherzellen  so  zu  färben,  dass  man  sie  sofort  von  den 
Xachbarzellen  unterscheiden  konnte.  Die  besten  Resultate 
wurden  erzielt  durch  den  Gebrauch  von  Thionin  nach  der 
ifethode  von  Prof.  Hoyer  (Ärch.  f.  mikr.  Anat,  Bd.  36, 
1890),  welche  er  folgendermassen  beschreibt: 

„Die  den  frisch  getödteten  Thieren  entnommenen  Organ- 
theile  wurden  je  nach  ihrer  Dicke  und  Consistenz  durch  2 — 8 
Stunden  der  Einwirkung  einer  5^/o  (also  nahezu  kalt  ge- 
sattigten) wässerigen  Sublimatlösung  ausgesetzt  und  dann  in 
Alkohol  von  ungefähr  80%  tibertragen.  Die  so  zubereiteten 
Stücke  wurden  durch  mehrere  Tage  mit  frischen  Alkohol- 
mengen  möglichst  von  Sublimat  befreit,  in  absolutem  Alkohol 
entwässert  und  nach  Imbibition  mit  Xylol  in  Paraffin  einge- 
schmolzen. Die  mit  Hilfe  eines  Mikrotoms  angefertigten 
Serien  dünner  Schnitte  wurden  mittels  stark  verdünnten 
(30 — 50^ Iq)  Alkohols  auf  grössere  reine  Glimmerplatten  auf- 
geklebt. Das  Paraffin  wurde  zunächst  mittelst  Xylol  beseitigt 
und  demnäcbst  wurden  die  Schnitte  für  eine  bis  mehrere  Mi- 
nnten  in  Chloroform  übertragen,  um  den  letzten  Rest  des 
Paraffins  und  das  Xylol  zu  extrahiren,  dann  in  starken  Alkohol 
(etwa  90®/o),  und  endlich  in  die  Farblösung.  Aus  letzterer 
gelangten  die  Plättchen  mit  den  Schnitten  zurück  in  stärkeren 
reinen  Alkohol,  absoluten  Alkohol,  ätherisches  Oel  und  schliess- 
lich in  Balsam.  Die  Lösungen  der  Farbstoffe  waren  meisten- 
theils  stark  verdünnt.  Zu  5  ccm  destillirten  Wassers  setzte 
ich  gewöhnlich  2  Tropfen  einer  gesättigten  wässerigen  Lösung 
von  Thionin  und  liess  diese  diluirte  Lösung  durch  5 — 15  Mi- 
nuten auf  den  Schnitt  einwirken,  bis  derselbe  eine  dunkle 
Färbung  angenommen  hatte." 

Diese  Methode  giebt  vortreffliche  Resultate.  Das  Mucin 
der  Becherzellen  wird  hell  rothviolett  geförbt,  während  die  an- 
deren Gewebe  eine  hellblaue  Färbung  annehmen.  Doch  ist  e& 
schwer,  das  Verschwinden  der  rothvioletten  Farbe  des  Mucins 
zu  verhüten.  Wenn  man  nicht  sehr  vorsichtig  zu  Werk  geht, 
wird  man  finden,  dass  nach  der  Behandlung  der  gefärbten 
Schnitte  mit  Alkohol  alle  Zellen  dieselbe  blaue  Färbung  haben, 
und  jede  Spur  von  rothviolett  verschwunden  ist.  —  Bessere 
Resultate    können    erzielt   werden    durch    den    Gebrauch    von 


4  Ch.  Leedham  Green. 

Anilinöl  anstatt  Alkohol,   aber  aach  dann  geht  yiel  Ton    der 
rotken  Farbe  yeiioren. 

Auch  Safranin  erweist  sich  als  oin  werthyolles  Färbemittel 
fOr  diese  Zellen,  besonders  in  Yerbindang  nüt  Hftunatoiylin ; 
nachdem  die  Zellen  in  dieser  Weise  geftrbt  sind,  können  sie 
vor  der  Behandlang  mit  Alkohol  der  Einwirkung  von  Pikrin- 
sänre  aasgesetzt  werden.  (Nach  Altmann  2,5  grm.  Pikrin- 
säare,  35  grm.  Alkohol,  70  grm.  Wasser).  Anilinblan  ist  eben- 
falls nützlich.  Bei  seiner  Anwendung  erscheint  das  Mncin  der 
Becherzellen  stärker  gefilrht,  als  die  andere  Theile.  Ob- 
gleich mit  vielen  andern  Färbungen  Experimente  gemacht 
wurden,  erwiesen  sich  doch  nur  die  oben  erwähnten  von  wirk- 
lichem Nutzen. 

Es  isl  ein  Yortheil,  Glycerin  anstatt  Canada-Balsam  als 
Einschluss  zu  brauchen,  weil  das  geringere  Lichtbrechnngs- 
vermögen  des  Glycerins  die  Becherzellen  besser  hervortreten 
lässt.  (Der  Ganada-Balsam  bewirkt  durch  seinen  stärkeren 
Brechungsindex,  dass  das  starke  Brechungsvermögen  der  Becher- 
zellen, wodurch  sie  bemerkbar  werden,  nicht  mehr  so  zur  Gel- 
tung kommt,  wie  in  dem  Glycerin ) 

Meine  nachfolgenden  Angaben  sind  gegründet  auf  die 
sorgfältige  Untersuchung  der  Conjunctiva  von  dreissig 
menschUchen  Augen,  darunter  die  von  zwei  Foeten  (vom 
8.  Monat),  zwei  Neugebornen  und  zehn  Kindern  verschiedenen 
Alters,  die  übrigen  von  Erwachsenen.  In  jedem  Falle  war 
die  Conjunctiva  gesund  und  vollkommen  frei  von  Catarrli. 

Nur  in  zwei  von  den  dreissig  Fällen  war  es  möglich, 
die  Conjunctiva  während  des  Lebens  des  Individuums  zu 
erlangen.  In  diesen  beiden  Fällen  wurde  das  Auge  bei 
der  Operation  einer  bösartigen  Geschw^ulst  des  Oberkiefers 
entfernt  In  allen  anderen  Fällen  wiurde  die  Coiyuuc- 
tiva  so  bald  wie  mögUch  nach  dem  Tode  des  Individuunis 
entnommen,  in  der  Regel  bevor  der  Körper  kalt  war.  Es 
mag  hier  erwähnt  werden,  dass,  was  die  Becherzellen  be- 
triffi,  die  gleich  nach  dem  Tod  entnommene  Conjunctiva 
sich  nicht  im  Geringsten  von  der  im  Leben  entnommenen 
unterscheidet 


üeber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Conjunctiva.         5 

Ausser  in  den  oben  erwähnten  Fällen  wurde  die  Con* 
juüctiva  bei  einer  Anzahl  von  jungen  und  alten  Thieren 
untersucht,  so  bei  Kaninchen,  Katzen,  Hunden,  Schafen, 
Schweinen,  Ratten,  Meerschweinchen  und  Mäusen,  Auch 
hier  war  die  Conjunctira  völUg  gesund.  — 

Als  Resultat  aller  dieser  Untersuchungen  ergab  sich, 
dass  bei  den  eben  erwähnten  höheren  Tieren,  sowohl  bei 
jungen  wie  bei  alten,  sich  stets  Becherzellen  in  der  nor- 
malen Conjunctiva  finden,  und  wenn  man  aus  den  dreissig 
zur  Untersuchung  gelangten  menschlichen  Augen  einen 
Sdiluss  ziehen  darf,  dass  sie  auch  in  der  normalen 
menschlichen  Conjunctiva  stets  zu  finden  sind.  Nicht  in 
einem  einzigen  Falle  fehlten  sie,  weder  beim  Poe- 
tus,  noch  beim  Kind,  noch  beim  Erwachsenen. 

Obgleich  die  Vertheilung  und  Anzahl  der  Zellen  sich 
bei  den  verschiedenen  Thierarten  variabel  zeigt,  so  bieten 
sie  doch  bei  allen  mit  ganz  kleinen  Verschiedenheiten  die- 
selbe Grestalt  und  die  gleichen  charakteristischen  Eigen- 
schaften dar. 

Die  Becherzellen  sind  von  regelmässiger,  ovaler  Ge- 
stalt, ungefähr  0,025  mm  lang  und  0,016  mm  breit  An 
Isolationspräparaten  beobachtet,  besitzt  jede  Zelle  eine 
scharf  abgegrenzte  Zellmembran  oder  Theca.  Diese  Theca 
ist  eine  wirkliche  Zellmembran  und  erscheint  immer  doppelt 
contouiirt  Die  Membran  hat  eine  feste,  elastische  Be- 
schaffenheit und  kann  durch  Druck,  z.  B.  mit  der  Prä- 
parimadel  nicht  leicht  zerrissen  werden.  Die  äussere  Ober- 
fläche der  Theca  ist  ganz  glatt 

Einige,  aber  nicht  alle  Becherzellen  der  Coiyunctiva 
besitzen  einen  Fuss  oder  Stiel,  der  gewöhnlich  kurz  und 
koidsdi  ist  und  schnell  in  eine  Spitze  ausläuft.  Bisweilen 
iit  er  länger  und  gegabelt,  namentlich  an  den  Zellen  der 
oberflächlichen  Schicht  Der  Fuss  ist  aus  granulirtem 
Protoplasma  gebildet  und  färbt  sich  leicht,  aber  nicht  in- 


6  Ch.  Leedham  Green. 

tensiy.  Die  Theca  im  Gegentheil  fäi'bt  sich  wenig  oder 
gar  nicht. 

Der  Inhalt  der  Theca  ist  von  schleimiger  BeschaflFen- 
heit  und  lärbt  sich  mit  Thionin  rothviolett  Im  frischen 
Zustande  untei'sucht,  enthält  der  Schleim  oder  das  Mucin 
eine  Anzahl  kleiner,  dunkler  Körperchen.  Am  gehärteten 
Präparat  kann  man  diese  Kömchen  nicht  so  deutlich  er- 
kennen, zuweilen  zeigt  die  Theca  Andeutung  eines  zarten 
Netzwerks.  Wahrscheinlich  jedoch  ist  dieses  Netzwerk 
hauptsächlich  ein  Kunstprodukt  Am  breiten  Ende  der 
Zelle,  innerhalb  derselben,  der  Theca  anliegend,  befindet 
sich  der  Kern,  der  immer  von  einer  ge>vissen  Menge  von 
Protoplasma  umgeben  ist  Der  Kern  ist  rund,  mit  Hae- 
matoxylin  leicht  und  intensiv  färbbar.  Gelegentiich  kann 
man  in  ihm  ein  oder  melirere  Kemkörperchen  erkennen. 
Bisweilen  erscheint  der  Kern  gegen  die  Zellwand  abge- 
plattet, mit  welcher  er  immer  fest  verbunden  und  mecha- 
nisch nur  schwer  von  ihr  zu  trennen  ist. 

Der  Seite  der  Zelle,  wo  der  Kern  liegt,  gegenüber 
kann  man  gewöhnhch  eine  klai*e  und  scharf  abgegrenzte 
Oefl&iung,  das  Stoma,  bemerken.  In  der  ersten  Anlage 
ist  diese  Oefl&iung  sehr  klein,  allmählich  wird  sie  grösser, 
immer  jedoch  bewahrt  sie  ihre  scharf  abgegrenzte,  iiinde 
Form.  Der  Rand  dieser  Oefi&iung  erscheint  bei  starker 
Vergrösserung  fein  gestreift.  Durch  diese  Oefi&iung  ent- 
leert sich  der  schleimige  Inhalt  der  Zelle  und  oft  kann 
man  einen  Schleimpfropf  aus  dem  Stoma  herausragen 
sehen.  Die  Becherzellen,  welche  in  den  tieferen  Schichten 
des  Epithels  liegen,  haben  kein  Stoma.  Erst  wenn  die 
Zellen  die  jfreie  Überfläche  der  Conjunctiva  erreicht  haben, 
bildet  sich  die  Oef&iung. 

Wenn  man  ein  Stück  der  Conjunctiva  unmittelbar 
nach  dem  Tode  herausnimmt,  vorsichtig  auf  einem  er- 
wärmten Objectträger  ausbreitet,  und  sanft  mit  einem  Deck- 
gläschen bedeckt,  so  kann  man  die  Becheraellen  leicht  er- 


Ueber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Gonjunctiva.         7 

keimen.  Es  sind  helle  runde  oder  ovale,  durchsichtige 
Körperchen,  stark  lichtbrechend,  ähnhch  wie  Fettzellen. 
Der  Inhalt  der  frischen  Zelle  erscheint  deutlicher  granu- 
lirt  als  am  gehärteten  Präparat.  Bei  sorgfältiger  Ein- 
stellung kann  man  bei  einer  oder  mehreren  Zellen  die 
Oeflhung  als  einen  scharf  begrenzten  Kreis  unterscheiden, 
aus  dem  oft  ein  kleiner  Schleimpfix)pf  hervoiTagt.  Die  Be- 
schaffenheit dieser  Zellen  kann  noch  deuthcher  erkannt 
werden  durch  Hinzufügung  einiger  Tropfen  einer  schwachen 
Lösung  von  Silbemitrat. 

Bei  der  Untersuchung  von  Schnitten  des  Sehorgans 
zeigt  sich,  dass  diese  Zellen  in  der  Conjunctiva  bulbi  und 
in  der  Uebergangsfalte  ganz  besonders  zahlreich  sind,  und 
dass  ilire  Anzahl  gegen  den  Band  des  Augenhdes  all- 
mählich abnimmt  Im  Epithel  der  Cornea  finden  sie  sich 
nie;  dagegen  trifft  man  sie  sowohl  in  den  tieferen,  wie  in 
den  oberflächUchen  Schichten  des  Epithels  der  Conjunctiva. 

Es  scheint,  dass  sich  die  Zellen  in  den  tiefsten  Schichten 
des  Epithels  entwickeln  und  allmähUg  an  die  Oberfläche 
eiuporsteigen.  Im  fniliesten  Stadium  der  Entwicklung  er- 
scheint die  Becherzelle  als  eine  kleine,  runde,  deutUch 
bläschenföi-mige  Zelle,  deren  Kern  die  tiefste  Stelle  ein- 
nimmt. In  diesem  Stadium  ist  der  Zellinhalt  wahrschein- 
lich protoplasmatisch,  denn  mit  Thionin  behandelt,  giebt  er 
nicht  die  Mucinreaction.  Auf  ihrem  Wege  nach  der  Ober- 
fläche hin  wird  die  Form  der  Zelle  länger  und  mehr  oval, 
und  ihr  Inhalt  mehr  und  mehr  schleimig,  wie  die  Mucin- 
reaction mit  Thionin  zeigt.  Hat  die. Zelle  die  freie  Ober- 
fläche der  Conjunctiva  erreicht,  so  bekommt  sie  ein  Stoma, 
durch  welches  sie  ihren  Inhalt  entleeren  kann.  — 

Die  obige  Beschreibung  findet  in  gleicher  Weise  An- 
wendung auf  die  Becherzellen  der  menschlichen  Conjunc- 
tiva, wie  auf  die  der  Thiere.  Nur  in  der  Zahl  und  Ver- 
keilung der  Zellen  macht  sich  ein  deuthcher  Unterschied 
bemerkbar.      Am   zahlreichsten    sind   sie   bei    Katzen  und 


8  Ch.  Leedham  Green. 

Eaninchen.  In  der  Conjunctiva  dieser  Thiere  stehen  die 
Becherzellen  dicht  aneinander  und  oft  in  zwei,  drei,  ja 
vier  Beihen  untereinander.  In  der  Gegend  der  Uebergangs- 
falte  sind  sie  besonders  zahlreich,  auch  finden  sie  sich  in 
grosser  Anzahl  in  allen  Theilen  der  Conjunctiva,  ausser 
in  der  Nähe  des  Sandes. 

Obgleich  beim  Auge  des  Menschen  die  Zellen  nicht 
in  so  grosser  Zahl  gefunden  werden,  wie  im  Auge  des 
Kaninchens  und  der  Katze,  so  kann  man  sie  doch  in  be- 
trächtlicher Zahl  über  die  ganze  Conjunctiva  verbreitet 
sehen,  oft  2  oder  3  Beihen  tief  und  besonders  zahlreich  in 
der  Gegend  der  Uebergangsfalte  und  des  Tarsus.  Man 
begegnet  oft  der  Behauptung,  die  Zellen  fänden  sich  beim 
Menschen  nur  im  hohen  Alter  zahlreich,  wären  dagegen 
beim  Kind  selten.  Dies  steht  im  directen  Widerspruch 
zu  meiner  Erfahrung.  Ich  habe  sie  beim  Kinde  zum  nun* 
desten  in  ebenso  grosser  Zahl,  wie  beim  Erwachsenen  ge- 
funden, und  bei  der  Untersuchung  einer  Anzahl  junger 
und  alter  Kaninchen  mit  besonderer  Berücksichtigang  dieses 
Punktes  ergab  sich  auch  hier,  dass  sie  bei  jungen  und 
alten  Thieren  in  ganz  gleicher  Menge  vorhanden  sind. 

Ehe  ich  dazu  übergehe,  die  Bedeutung  dieser  Zellen 
zu  besprechen,  empfiehlt  es  sich,  kurz  die  Meinungen  der 
früheren  Autoren  über  den  Gegenstand  ins  Auge  zu  fassen. 

Waldeyer  (Handbuch  von  Graefe-Saemisch  Bd.  1) 
sagt  in  seiner  Bescbreibung  der  Goiqnnctiva:  „Eigenthümlich 
ist  die  reichliche  Metamorphose  der  äusseren  EpithelzeUen  zu 
grossen  Schleim  führenden  runden  Körpern,  welche  nach  Art 
der  Becfaerzellen  Im  Darm,  hier  zwischen  den  normalen  Con- 
jnnctfva]*Epithelzellen  als  grosse  blasige  KOrper  vorspringen 
und  sich  auf  allen  Theilen  der  Conjunctiva  bulbi  finden.  Bie 
gewähren  den  Fläehenprftparaten  dieser  Haut  ein  recht  charakte- 
ristisches Anssehen.""  An  anderer  Stelle  giebt  er  der  Mei- 
nung Ausdruck,  dass  die  BecherzeUen  normale  Secretionsge- 
bilde  sind. 

Stieda  schreibt  1867  (Arch.  l  mikr.  Anat  III,  8.  863) 
Folgendes:   „Zum  ßchloss   erwähne   ich    noch    eigenthttmlicbe 


Üeber  die  Bedeutung  der  Beoherzellen  der  Gonjunctiya.         9 

epitheliaie  Bildnng^n,  welche  sich  mitanter  änssent  zahlreich 
zwischen  den  Epithelialzellen  der  Bindehant  antreffen  Hessen. 
£8  sind  dieses  randliche  Lttcken  von  0,015  mm.  im  Dnrch« 
messer,  seltener  Ifiagliche,  0,023  mm  lang  and  0,015  mm  breit, 
welche  einer  stark  bauchigen  Fhische  mit  engem  Hals  zu  ver- 
gteichen  sind.  Der  enge,  zur  freien  Oberfläche  gekehrte  Hals 
mOndetmit  einer  nur  0,0019  bis  höchstens  0,0038  mm  messenden 
Oeffianng  zwischen  den  Epithelialzellen,  wie  namentlich  Flächen- 
sehnitte  zeigen.  Es  sind  diese  Lücken  von  einem  glänzenden, 
das  Li«ht  stark  brechenden  Contour  umgeben,  der  an  einer 
Stelle,  gewöhnlich  am  Boden  der  Ampulle,  verdickt  ist.  Fasst 
man  diese  Begrenzung  als  Zellmembran  auf,  so  kann  diese 
Verdickung  ge?ds$  als  Kern  gelten.  Gewöhnlich  fand  ich  die 
Ampullen  leer,  bisweilen  mit  einer  granulirten  Masse  gefallt. 
Es  sind  dies  offenbar  gleiche  Bildungen,  wie  sie  an  der  Schleim- 
haut des  Darmkanals  vielfach  beobachtet  werden,  aber  in  der 
Epitheliakoskleidung  der  Augenlidbindehaut  noch  nicht  ge- 
sehen worden  sind.  —  Man  mag  sie  als  Schleimzellen  be- 
zeichnen und  als  schleimsecernirende   einzellige   Drüsen   auf- 


Derselbe  Autor  spricht  sich  dagegen  1890  in  anderem 
Sinne  aus,  (Ueber  die  Camncula  lacrymalis  des  Menschen, 
Arch.  £  mikr.  Anat  Bd.  XXXYI):  „Ich  habe  Becherzellen  im 
Epithel  der  Bindehant  einzelner  Augenlider  beobachtet,  aber 
keineswegs  bei  allen  Lidern.  Ich  fand  keine  sogenannten 
Becherzellen  in  dem  Epithel  der  Conjunctiva  und  der  Gar- 
uakel  bei  neugeborenen  und  bei  sehr  jugendlichen  Individuen, 
ich  fand  keine  Becherzeüen  bei  einzelnen  Erwachsenen.  Bei 
einigen  Erwachsenen  fand  ich  wenige  Becherzellen,  bei  anderen 
grosse  Mengen,  sowohl  im  Epithel  der  Bindehaut  der  Lider, 
als  im  Epithel  der  Camncula  lacrymalis.  Die  fraglichen 
Gebilde  kommen  nämlich  nicht  bei  allen  Individuen  vor. 

Die  Gebilde  kommen  im  geschichteten  Epithel  der  Ca- 
roBcala  und  deren  Umgebung  einzeln  oder  in  Gruppen  vor. 
Die  einzelnen  liegen  unregelmässig  oder  in  kleinen  Gruppen 
von  zwei  oder  drei  zerstreut,  oft  in  der  Tiefe,  oft  in  der 
Mitte,  oft  ganz  oberflächlich.  Dass  dies  keine  Drüsen  sind, 
hegt  auf  der  Hand;  sie  haben  keine  bindegewebige  Wand, 
keb  Liwien,  soadem  sind  allseitig  eingeschlossen  von  den 
maanjgDach  gestalteten  Epithelzellen. 

Ich  glanbe  nun  nicht,  dass  man  diese  hier  in  der  Ca- 
nincula  lacrymalis  (und  in  der  Conjunctiva  bulbi  et  palpebramm) 


10  Ch.  Ldedham  Green. 

vorkommenden  Gebilde  mit  den  sogenannten  Becherzellen  im 
Epithel  des  Darmkanals,  der  Respirationsorgauo  u.  s.  w.  (mau 
vergleiche  darüber  die  bezüglichen  Arbeiten  E.  Schultzens, 
List's  u.  a.)  identificiren  darf,  wie  ich  das  (1867)  gethan 
habe.  Bei  den  sogenannten  Becherzellen  des  Darmepithels 
handelt  es  sich  um  zellige  Gebilde,  deren  Protoplasma  flüssig 
geworden  ist,  und  deren  Secret  ausgestossen  wird;  die  Becher- 
zellen liegen  so,  dass  an  einer  Stelle  die  Mündung  des  Bechers 
direct  dem  Secret  nach  aussen  zu  treten  gestattet.  Man  darf 
annehmen,  dass  die  Becherzellen  nicht  ein  Mal,  sondern  meh- 
rere Male  hinter  einander  ihren  Inhalt  ausstossen  und  den- 
selben dann  wieder  erneuern  können.  Es  sind  dieselben  als 
einzellige  Drüsen,  als  normale  Secretionsgebilde  anzusehen.  — 
Die  vereinzelt  der  Oborfl&che  unmittelbar  nahe  gelegeneu  Ge- 
bilde im  Epithel  der  Caruncula  und  Coujuuctiva  machen  nun 
ganz  entschieden  auf  den  ersten  Anblick  auch  den  Eindruck 
der  Becherzellen,  zumal  da  man  oft  eine  leere  Theca  zu  sehen 
Gelegenheit  hat.  Allein  die  in  der  Tiefe  des  Epithels, 
mitten  im  Zellenlager  des  geschichteten  Stratum  befindlichen 
Gebilde  scheinen  mir  nicht  in  die  Kategorie  der  Becherzellen 
hineinzupassen. 

Ich  vermuthe,  dass  es  sich  um  einen  pathologischen  Vor- 
gang, um  eine  Degeneration  der  Epithelzellen,  um  eine  Me- 
tamorphose des  Zellprotoplasmas  handelt,  die  dahin  führt, 
die  Zelle  zu  vernichten.  Ich  möchte  den  Ausdruck  „hyaline'^ 
Degeneration  vorschlagen,  um  hierbei  nur  das  Aussehen  der 
Zellen  zu  charakterisiren,  ohne  über  die  Beschaffenheit  des 
Inhalts  ein  Urtheil  auszusprechen.  —  Es  gehen  die  einzelnen 
Zellen  durch  hyaline  Metamorphose  des  Protoplasma  zu  Grunde ; 
denn  dass  eine  solche  hyalin  gewordene  Zelle  schliesslich  nach 
Berstung  der  Zellhülle  (Theca)  ihr  Protoplasma  entleert  und 
damit  verschwindet,  unterliegt  keinem  Zweifel.  — 

Vielleicht  besteht  zwischen  den  normalen  Secretionsge- 
bilden,  die  wir  Becherzellen  nennen,  und  diesen  hier  in  der 
Conjunctiva  auftretenden  hyalinen  Metamorphosen  ein  Zu- 
sammenhang?^^ 

Ciaccio  (Osservazioni  intorno  alla  struttura  della  con- 
giuntiva  umana,  Bd.  24,  Bologna  1874)  hat  diese  Becherzellen 
auch  beobachtet,  und  zwar  ebenfalls  bei  alten  Individuen;  auch 
er  hält  dieselben  für  pathologische  Bildungen,  spricht  aber 
nicht  von  Oeffnnngen. 


Ueber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Conjunctiva.       H 

Reich  (Znr  Histologie  der  Conjunctiva  des  Menschen,  y. 
Graefe's  Archiv.  Bd.  XXI,  1.  S.  9.  1875): 

,,Diese  Zellen  sind  grösstentheils  mehr  oder  weniger  ei- 
förmig nnd  haben  einen  verhältnissmässig  sehr  feinkörnigen 
oder  ziemlich  klaren,  sich  fast  absolut  nicht  färbenden  Inhalt, 
weshalb  sie  auch  heller,  durchsichtiger  als  die  benachbarten 
Zellen  erscheinen.  Den  Kern,  dessen  Form  oft  verändert  ist, 
sieht  man  fast  immer  gegen  das  breitere  Zellenende  verdrängt, 
welches  der  Conjunctiva  zugewendet  ist;  neben  dem  Kern  sind 
nicht  selten  Reste  normalen  Protoplasmas  zu  finden.  An  dem 
weniger  stumpfen  Zellende,  welches  gegen  die  freie  Oberfläche 
der  Conjunctiva  gerichtet  ist,  ist  gar  nicht  selten  sehr  deut- 
lich eine  ziemlich  breite  (0,008 — 0,01  mm)  Oeffnung  zu  sehen, 
welche  von  einem  scharfen  Contour  begrenzt  wird.  DerLängen- 
durchmesser  der  Zellen  beträgt  ca.  0,022  mm  bis  0,034  mm, 
der  Breitendurchmesser  ca.  0,014 — 0,018  mm.  —  Bei  näherer 
Untersuchung  erwies  sich  nun,  dass  sich  die  sogenannten 
Becherzellen  öfter,  (aber  durchaus  nicht  ausschliesslich)  bei 
verhältnissmässig  alten  Individuen  und  in  solchen  Augen  vor- 
finden, in  denen  ein  mehr  oder  weniger  leichter  chronischer 
Conjanctivalkatarrh  stattgefunden  hatte. 

Die  sogenannten  Becherzellen  sind  sehr  unregelmässig, 
entweder  einzeln  oder  heerdweise  über  die  ganze  Conjunctiva 
zerstreut;  wir  begegnen  den  verschiedensten  Uebergangsformen 
von  normalen  (cylindrischen)  Epithelzellen  der  Conjunctiva  bis 
zu  vollkommen  entwickelten  Becherzellen;  endlich  finden  wir 
fast  zerfallende  Becherzellen.  Nie  haben  die  sogenannten 
Becherzellen  der  Conjunctiva  die  regelmässige  Gestalt,  welche 
denjenigen  Gebilden  zukommt,  welche  offenbar  ganz  normale 
Bestandteile  z.  B.  der  Haut  einiger  Fische  (F.  E.  Schnitze, 
.\rch.  f.  mikr.  Anatomie,  Bd.  3)  bilden.  Auch  haben  sie 
nie  die  regelmässige  Vertheilung,  welche  für  normale  Gebilde 
doch  ziemlich  charakteristisch  ist. 

Die  angeführten  Daten  und  die  sehr  richtige  Abbildung 
Fig.  3)  überzeugen  uns  wohl  zweifellos  davon,  dass  die  soge- 
nannten Becherzollen  weder  einzellige  Drüsen,  noch  normale 
^ekretionsgebilde,  sondern  pathologische  Bildungen  sind,  ent- 
standen durch  theilweise  schleimige  Metamorphose  normaler 
Epithelzellen  bei  mehr  oder  weniger  katarrhalischen  Zuständen 
der  Conjunctiva." 

Sattler  (Beitrag  zur  Kenntniss  der  normalen  Bindehaut 
des  Menschen  v.  Graefe's  Arch.  XXIir,4.  S.  10. 1877)  stimmt  mit 


12  Ch.  Ldedham  Green. 

Giaccio  und  Reich  überein,  indem  er  diese  Zellen  entschieden 
für  pathologisch  h&lt.  £r  sagt:  „Es  sind  mehr  oder  weniger 
leichte  katarrhalische  Reizzastände  der  Bindehaut,  Fälle  von 
Grannlationen,  chronische  Blennorrhoe  nnd  Trachom,  wobei  die  in 
Rede  stehende  Umwandlung  cylindrischer  Epithelzellen  zur  Be- 
obachtung kommt  —  Auch  habe  ich  dieselben  yerh&ltnisa- 
mässig  häufig  bei  alten  Individuen  gesehen,  die  bekanntlich 
recht  oft  an  leichtem,  chronischem  Conjunctival-Eatarrh  leiden, 
dann  aber  auch  einmal  bei  einem,  wenige  Wochen  alten  Kinde. 
Ich  vermisste  sie  yollständig  bei  acuter  BindehautrBlennorrhoe 
und  bei  den  sogenannten  acuten  Granulationen/^ 

Poncet  (Du  Pterygium.  Archiv.  d'Ophtal.  I,  p.  11 — 44, 
1881.)  beobachtete  das  Vorkommen  zahlreicher  Becherzellen 
bei  Pterygium,  wobei  das  Epithel  eine  drflsenähnliche  Anord- 
nung darbot  Er  hält  die  Becherzellen  für  Produkte  einer 
Art  von  Hypertrophie  der  Epithelzellen,  wobei  es  zur  Entstehung 
einer  drüsigen  Bildung  komme,  welche  dazu  bestimmt  sei,  die 
Oberfläche  der  irritirten  Bindehaut  zu  befeuchten.  — 

Nuel  (Des  glandes  tubuleuses  pathologiqnes  dans  la  con- 
jonctive  humaine.  Ann.  d'Oculistique.  T.  88.  1882)  beschreibt 
ausführlich  das  Vorkommen  der  Becherzellen  in  einer  entzünd- 
lich hypertrophirten  Conjunctiva.  Sie  fanden  sich  in  den  von 
ihm  als  tubulöse  Drüsen  aufgefassten  Einsenkungen  des  Epithels 
in  grosser  Menge  und  in  ziemlich  regelmässigen  Abständen  ein- 
gelagert. Bei  der  Uebereinstimmung  ihres  Verhaltens  mit  den 
Becherzellen  der  normalen  Schleimhäute  häJt  er  sie,  wie  die 
letzteren,  für  einzellige  Drüsen.  Die  an  der  Oberfläche  sitzen- 
den Becherzellen,  welche  die  Mehrzahl  bilden,  entleeren  ihr 
Secret  durch  das  Stoma  in  das  Lumen  des  blinddarmförmigen 
Raumes;  bei  einzelnen,  tiefbr  gelegenen  konnte  Nuel  kleine, 
mit  Secret  erfüllte  Gänge  bis  zur  Oberfläche  des  Epithels  ver- 
folgen; bei  noch  anderen,  in  der  Tiefe,  gruppenweise  beisammen 
stehenden  Zellen  kam  es  durch  Ansammlung  des  Secrets  zur 
Entstehung  kleiner  cystischer  Räume  im  Epithel.  Er  schreibt 
auch  der  normalen  Bindehaut  schleimsecemirende  Becherzellen 
zn,  ohne  eigene  Beobachtungen  darüber  mitzutheilen. 

Zwischen  den  Becherzellen  und  den  übrigen  EpithehBellen 
fand  Nael  alle  möglichen  Uebeigänge;  er  glaubt  daher,  dass 
die  BecherzeUen  aus  einer  Umwandlung  der  letzteren  entstehen; 
doch  giebt  er  aoch,  wenigstens  für  einen  Theil  dieser  Ueber- 
gaapfömen  die  Möglichkeit  zu,  dass  es  Becherzellen  sind. 


Ueber  die  Bedeutung  der  Becheraellen  der  Goi\janctiva.       13 

welche  ihren  Inhalt  entleert  haben  und  im  Begriff  sind,  ihn 
nen  zu  bilden.  Nirgends  land  er  Bilder,  wekbe  fAr  einen  Zer- 
fall der  ganzen  Zelle  dnrcfa  sebleamige  Degeneration  sprechen. 

Raehlmann  (Pathologisch -anatomische  üntersncfanngen 
tlber  die  foUicnlftre  Entzflndnng  der  Bindehaut  des  Auges  oder 
das  Trachom,  t.  Graefe's  Arch.  Bd.  XXIX.  2,  S.  118,  1883): 

„Was  aber  die  Becher-  resp.  die  Scbleimzellen  angeht,  so 
moss  ich  der  Meinung  beistimmen,  welche  dieselben  als  rein 
pathologische  Bildungen  betrachtet  Sie  finden  sich  nicht,  oder 
nur  ausnahmsweise,  Tcreinzelt,  in  der  gesunden  Schleimhaut, 
Bind  dagegen  bei  allen  Katarrhen  in  reichlicher  Anzahl  und 
aach  beim  Trachom  in  grosser  Menge  vorhanden.  Sie  be- 
schranken sich  jedoch  hier  nicht  auf  die  Wandung  der  Blind- 
Gicke  und  Furchen,  sondern  finden  sich  auch  auf  der  Höhe 
der  Conjunctiya.  Ich  halte  diese  BecherzeJlen  für  die  Pro- 
dncte  schleimiger  Entartung  der  Epithelien,  und  betrachte  die 
letztere  als  eine  regressive  Metamorphose  in  Folge  beschränkter 
Emfthmngsverhaltnisse  bei  der  Entzündung  des  Gewebes.  Die 
Becherzellen  gehen  hervor  aus  einer  Art  schleimig-hyaliner 
Umwandlung  des  Zellleibes,  welche  mit  gleichzeitiger  Quellung 
verbunden  ist^ 

Stöhr  (Ueber  den  Ban  der  CoQJunctiva  palpebrarum. 
Wtknbnrg.  Sitzg.-Berichte  1885)  will  Einwanderung  von  Lenko- 
cyten  in  Becherzellen  gesehen  haben,  sagt  aber  nichts  über  die 
Bedeutung  der  letzteren. 

Pröbsting  (Inaug.-DisB.  München  1886.  Ein  Beitrag  zur 
feineren  Anatomie  des  Lides  und  der  Conjunctiva)  sagt:  „Ich 
glanbe  nicht,  dass  sie  als  pathologische  Gebilde  anzusprechen 
aiad,  da  man  sie  schon  beim  Foetus  und  beim  Neugeborenen 
findet'' 

Zalttskowski  (Bemerkungen  über  den  Bau  der  Binde- 
haut Arch.  f.  mikr.  Anat  Bd.  XXX.  1887)  findet  die  Becher- 
zellea  constant  in  den  sogenannten  tubuKVsen  Drtlsen  der  Gon- 
jonctiva  und  auch  im  Epithel,  haaptsftchlich  auf  dem  Qrunde 
der  Furchen.  Bei  Kindern  sah  er  ebenfiAlls  einzelne  Becher- 
sellen im  Epithel.  Beim  Kaninchen  waren  sie  im  Epithel 
zahbeich,  noch  zahlreicher  beim  Schweine.  — 

Schirmer  (Ueber  Adenome  der  Karunkelgegend.  v. 
Graefe's  Arch.  Bd.  XXXYII.  1, 1891)  behandelt  die  Frage  nach 
der  Ktttur  der  Becherzellen  der  Bindehaut  etwas  ausführlicher. 
Die  Ansicht  von  Waldeyer  und  Nuel,dass  diese  Gebilde  ein- 


14  Ch.  Leedham  Green. 

zellige  Schleimdrüsen  darstellen,  findet  bei  ihm  keinen  Beifall, 
denn  um  seine  eigenen  Worte  anzuführen: 

„Wäre  diese  Anschauung  richtig,  so  müssten  wir  entweder 
annehmen,  dass  aus  gewöhnlichen  Epithelzellen  durch  andauern- 
den Reiz  Drüsenzellen  zu  entstehen  vermögen,  welche  mehr- 
mals ihren  Inhalt  zu  entleeren  und  von  neuem  Schleim  in  sich 
zu  produciren  vermögen,  ehe  sie  schliesslich  zu   Grunde   gehen 

—  eine  Annahme,  die  mir  sehr  gewagt  und  durch  kein  Ana- 
logen gestützt  erscheint  —  oder  die  Becherzellen  sind,  wie 
Waldeyer  will,  normale  Secretionsgebilde.  Dagegen  spricht 
aber,  dass  sie  bei  weitem  nicht  bei  allen  Individuen  vorkommen, 
dass  sie  nicht  nur  an  der  Oberfläche,  sondern  auch  in  der 
Mitte  oder  in  der  Tiefe  der  Epithelschicht  vorkommen  (^Nuel, 
Raehlmann,  Stieda),  dass  ihr  Kern  sich  häufig  gar  nicht 
mehr  färbt,  oder  doch  deutliche  Zeichen  beginnender  Degene- 
ration zeigt  (Pröbsting);  ferner  finden  sich  alle  üebergangs- 
stadien  von  dem  normalen  Epithel  zu  den  Becherzellen  (Reich, 
Nuel)  und  schliesslich  haben  sie  nie  die  regelmässige  Gestalt 
und  die  regelmässige  Vertheilung,  wie  man  sie  an  normalen 
Gebilden  zu  finden  gewohnt  ist.  Ich  glaube,  dass  es  sich  um 
eine  durch  irgend  welchen  Reiz  bewirkte  Modification  des  nor- 
malen Zelltodes  handelt;  das  Protoplasma  erleidet  eine  schleimige 
Metamorphose  und  schliesslich  platzt  die  Zellhülle,  ihr  Inhalt 
ergiesst  sich  auf  die  freie  Oberfläche  und  der  Zellrest  wird  als 
todt  abgestossen." 

Peters  (lieber  die  Becherzellen  der  Conjunctiva.  Be- 
richt der  ophth.  Gesellschaft  zu  Heidelberg  1891)  kam  bei  seinen 
Untersuchungen  zu  der  Ueberzeugung,  dass  es  sich  bei  den 
Becherzellen  um  pathologisch  entartete  Epithelien  handeln 
müsse.  In  Bezug  auf  ihr  Vorkommen  bestätigt  er  die  Er- 
fahrungen Sattlers,  welcher  sie  bei  verschiedenen  chronischen 
Conjunctival-Affectionen  fand,  bei  acuten  Granulationen  und 
Blennorrhoea  neonatorum  dagegen  vermisste.  Er  vermisste  sie 
ferner  bei  acuter  phlyctaeuulärer  Entzündung  mit  eiterigem 
Secret,  wies  sie  dagegen  nach  bei  chronischem  Katarrh,  FoUi- 
cular-Katarrh,   Conjunctivitis  granulosa  und  Frühjahrs-Katarrh. 

—  Er  untersuchte  ferner  eine  Reihe  anscheinend  ganz  nor- 
maler Conjunctiven  und  konnte  hier  in  der  Regel  keinerlei 
Veränderungen  an  den  Epithelien  constatiren.  Diese  Fälle  ge- 
hörten aber,  wie  er  bemerkt,  nicht  zu  den  häufigen,  da  ge- 
ringe katarrhalische  Veränderungen  der  Conjunctiva  ungemein 
häufig   sind,   und  wo  auch   nur  eine    Spur  davon    zu    finden 


üeber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Coi\junctiva.       15 

ist,  kann  man  darauf  rechnen,  anf  Epithelveränderangen  za 
stoasen.  — 

Aach  bei  einem  Neugeborenen  fand  er  die  Becherzellen 
in  grosser  Anzahl.  — 

Fuchs  (Ueber  das  Pterygium,  v.  Graefe*s  Arch.  XXXVIII. 
2,  S.  51,  1892)  sagt  bei  Besprechung  der  von  ihm  in  Fällen 
Ton  Pterygium  beobachteten  Becherzellen:  „Der  Kern  legt  sich 
an  die  basale  Wand  der  Zelle  an,  schrumpft  immer  mehr  zu- 
sammen und  verschwindet  endlich  ganz.  Zuletzt  ist  auch  die 
Wandung  der  Zelle  nicht  mehr  sichtbar,  und  zwar  zuerst  die 
obere,  später  auch  die  seitlichen,  so  dass  die  benachbarten 
Becherzellen  mit  einander  verschmelzen.^^ 


Aus  den  obigen  Mittheilungen  kann  man  ersehen, 
dass  die  bei  weitem  grössere  Zahl  von  Autoren  die  Becher- 
zellen der  Conjunctiva  übereinstimmend  nur  als  gewöhn- 
liches Epithel  ansieht,  welches  in  schleimiger  Degeneration 
begri£fen  ist,  also  jedenfalls  einen  pathologischen  Frocess 
annimmt  Waldeyer,  Pröbsting  und  Nuel  allein  be- 
trachten sie  als  in  irgend  einer  Weise  normale  Gebilde. 
Es  dürfte  sich  daher  empfehlen,  die  Beweisgründe,  welche 
zu  Gunsten  ihres  pathologischen  Characters  angeführt  worden 
sind,  einer  genaueren  Betrachtung  zu  unterziehen. 

Folgende  sind  die  hauptsächlichsten  Argumente. 

1)  Es  wird  behauptet,  dass  die  Becherzellen  in  der 
menschlichen  Conjunctiva  keineswegs  immer  vorhanden  sind. 

Dies  wird  so  oft  und  von  so  vielen  zuverlässigen  Be- 
obachtern wiederholt,  dass  i^h  die  Frage  aufwerfen  muss, 
ob  ich  dem  gegenüber  berechtigt  bin,  meine  entgegenge- 
setzten Ergebnisse  zu  verallgemeinem.  In  den  30  FäUen, 
tlie  ich  untersucht  habe,  habe  ich  diese  Zellen  stets  in 
grosser  Menge  gefunden.  Mir  scheint  diese  Zahl  von  30 
Fällen  gross  genug,  um  mich  zu  einem  allgemeinen  Aus-* 
Spruch  zu  berechtigen,  da  doch  ein  positives  Resultat  mit 


16  Ch.  Leedham  Green. 

den  von  mir  benatzten  Methoden  jedenfalls  das  Vorkommen 
im  gegebenen  Falle  sicher  beweist,  während  aus  dem  Um- 
stand, dass  die  Becherzellen  vermisst  wurden,  doch  noch 
nicht  mit  Sicherheit  folgt,  dass  sie  gar  nicht  y(»handen 
waren.  Meine  Meinung  geht  daher  dahin,  dass  wenn  man 
die  mensdüiche  Conjunctiva  auf  das  Yoikommen  dieser 
Zellen  mit  Hilfe  von  geeigneten  Methoden,  wie  an  Zupf- 
präparaten und  nach  Färbung  mit  Thionin,  untersucht, 
man  sie  auch  regelmässig  finden  wird.  Dies  begeht  sich 
jedoch  nur  auf  die  normale  Cbnjunctiva.  Es  ist  mir  wohl 
bekannt,  dass  bei  einer  acuten  Entzündung  der  Membran 
diese  Zellen  verschwinden.  Wenn  man  aber  auch  noch 
an  dem  stetigen  Vorkommen  dieser  Zellen  in  der  normalen 
menschUchen  Conjunctiva  zweifeln  wollte,  wie  soll  man 
denn  ihr  ständiges  Vorkommen  in  der  Öonjunctiva  des 
Kaninchens,  der  Katze,  des  Hundes,  des  Meerschweinchens 
und  anderer  Thiere  deuten?  Müssen  wir  ihr  Vorkommen 
bei  den  Thieren  normalen  und  physiologischen  Ursachen 
zuschreiben,  können  wir  es  dann  beim  Menschen  auf  ab- 
norme und  pathologische  Vorgänge  zurückfuhren?  Dass  sie 
bei  diesen  Thieren  nicht  rein  zulälHg  vorkommen,  ist  aus 
der  Regelmässigkeit  und  Constanz  ihrer  Zahl  und  Ver- 
theilung  über  jeden  Zweifel  hinaus  sicher  gestellt.  — 

2)  Wird  als  Beweis  angeführt,  dass  sie  nicht  nur  an 
der  Oberfläche,  sondern  auch  in  den  mittleren  und  tieferen 
Schichten  des  Epithels  vorkommen,  und  deshalb  keine  nor- 
malen Gebilde  sein  können.  — 

Obgleich  dieser  Grund  von  mehreren  Autoren  zu 
Gunsten  des  pathologischen  Ursprungs  der  Zellen  vorge- 
bracht wird,  kann  man  demselben  doch  keine  Beweiskraft 
zuerkennen.  Weit  entfernt,  die  Annahme  ihres  patholo- 
gischen Ursprungs  zu  unterstützen,  8j«icht  er  viehnehr  ge- 
rade für  das  Q^gentheil;  denn  nur  in  den  tieferen  Schich- 
ten von  normal  geschichtetem  Epithel  findet  Zellenent- 
wicklung statt     Wenn  daher  die  Becherzellen  ihrer  Natur 


lieber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Gonjunctiva.       17 

nach  rein  physiologische  Gebilde  sind,  so  müssen  wir  er- 
warten, dass  sie  sich  in  den  tieferen,  und  nicht  in  den 
oberflächlichen  Schichten  entwickehi. 

Und  in  der  That  zieht  List  (lieber  Becherzellen  im 
Blasenepithel  des  Frosches,  Bericht  der  Academie  zu  Wien 
1884)  eben  diesen  Beweis  herbei,  indem  er  sagt:  „Ich  muss 
entschieden  behaupten,  dass  die  eigentUchen  Becherzellen 
im  Blasenepithel  des  Frosches  selbständige  Gebilde  sind, 
welche  nicht  in  den  EntwicWungskreis  gewöhnhcher  Epithel- 
zellen hinein  gehören,  indem  sie  bereit«  in  der  mittleren 
Epitfaelschicht  deuthch  differenzirt  sind'^ 

3)  Als  weiteren  Beweis  zu  Gimsten  des  pathologischen 
Charakters  der  Becherzellen  wird  angeführt,  dass  sich  ihr  Kern 
nicht  färben  und  häufig  Anzeichen  der  Entartung  tragen  soll. 

Auch  dies  widerspricht  direct  meinen  Erfahrungen. 
In  keinem  einzigen  Falle,  weder  bei  den  von  Menschen 
noch  von  Thieren  entnommenen  Präparaten,  habe  ich 
irgend  eine  Schwierigkeit  gefunden,  diese  Zellen  zu  färben, 
und  immer  habe  ich  gefunden,  dass  sich  der  Kern  auf- 
fallend intensiv  färbt 

Dieser  Unterschied  findet  vielleicht  darin  seine  Er- 
klärung, dass  meine  Beobachtungen  alle  an  den  Becher- 
zellen, wie  sie  sich  in  der  völUg  normalen  Gonjunctiva 
finden,  gemacht  sind.  Schirmer,  Fuchs  imd  Andere  da- 
gegen haben  offenbar  Zellen  beschrieben,  die  aus  einer 
Gonjunctiva  stammen,  die  in  pathologischem  Zustande  war, 
in  Folge  der  Wirkimg  andauernder  Reizung. 

Schlüsse  aber,  welche  aus  den  Erscheinungen  dieser, 
unter  unnatürUchen  Bedingungen  stehenden  Zellen  gezogen 
sind,  können  schwerhch  als  werthvoU  zur  Lösung  dieser 
besonderen  Frage  angesehen  werden. 

Ein  abnormes  Verhalten  ihrer  Structur  unter  krank- 
haften Bedingungen  spricht  weit  eher  für  ihren  physiolo- 
gischen Gharakter,  wenn  man  findet,  dass  im  normalen 
Gewebe  das  krankhafte  Aussehen  der  Zellen  fehlt. 

T.  Oniefe'«  ArehiT  fQr  Ophthalmologie.  XL.   1.  2 


18  Oh.  Leedham  Green. 

4)  Ferner  wiid  angeführt,  dass  aUe  Uebergangsatadien 
zwischen  narnuden  Epithelzellen  und  voll  entwickelten 
Becherzellen  vorhanden  sind. 

Dieser  Umstand  kann  nicht  als  Beweis  von  irgend 
welcher  Bedeutung  gegen  den  physiologischen  Qiajakter  der 
Becberzellen  der  Conjunctiva  angeführt  werden.  Andere 
Bechensellen,  gegen  deren  physiologischen  Charakter  nicht 
der  geringste  Zweifel  erhoben  werden  kann  (z.  B.  die  des 
Dünndarms),  entwickeln  sich  a«s  dem  gewöhnlichen  EpiÜiel 
des  Theiles,  und  alle  Uebergaogsstadien  t<«  der  Epithel- 
zelle bis  zu  der  voll  entwickelten  Becherzelle  sind  an  ihnen 
nadbweisbar.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall  bei  alkn  Becher- 
zellen, und  ich  bin  der  Ansicht,  dass  es  bei  denen  der 
Conjunctiva  nicht  zutrifft  —  Wie  schon  vorher  bemerkt, 
entwickeln  sich  die  Becherzellen  der  Conjunctiva  in  den 
tielbten  Schichten  des  Epithels,  gelaixgen  an  die  Oberfläche, 
bilden  eine  Oeflhung  und  entleeren  ihren  schleimigen  In* 
halt  Höchst  wahrscheinlich  sind  die  Zellen,  die  verschie- 
dene Autoren  als  üebergangsstadien  zwisdien  den  gew(3m- 
lichen  Epithelzellen  und  den  ausgebildeten  Bech^^zellen 
aufgefasst  haben,  dieselben  Zellen,  von  denen  Nuel  ver- 
muthet,  dass  sie  in  Wahrheit  nur  Becherzellen  sind,  die 
ihren  Inhalt  entleert  haben  und  nun  im  B^riff  sind,  ihre 
Schleimproduction  wieder  au&unehmen. 

Ich  bin  zu  der  Auffassung  gekommen,  dass  die  Zu- 
saaunensetzung  des  Inhalts  der  Theca  nicht  immer  von 
gleicher  Beschaffenheit  ist  Zu  Zeiten  ersdieint  er,  so  zu 
sagen,  mehr  schleimig  als  <zu  dner  andern  Zeit  loh  komme 
zu  diesem  Schluss  durch  fidgende  Beobachtungen.  Wenn 
man  einen  Schnitt  der  Coigunctiva  mit  Haematoxylin  be^ 
handelt  und  unter  dem  Mikroskop  untersucht,  so  zeigen 
alle  Becherzellen  dieselben  charakteristischen  Eigenschaften: 
der  Kern  tief  gefärbt  und  die  staik  lichtbrechende  Theca 
von  der  Farbe  nicht  beeinflusst  Behandelt  man  aber  einen 
solchen  (Schnitt  entweder  mit  Thionin  oder  mit  Metihylen- 


Ueber  die  Bedeutung  der  Beehenellen  der  Coi\junctiTa.       19 

bko,  so  bemerkt  man  (wesoigstens  zuweilen)  dass  sich  nicht 
alle  ZeUen  in  gleicher  Weise  färben.  Deac  Tbecainhalt 
einer  Zelle  färbt  sidi  ti^,  während  derselbe  bei  einer 
andern  nur  schwach  tingirt  erscheint  oder  idelleicht  manch- 
xoal  ganz  farblos  ist  Woher  kommt  dieser  Unterschied? 
Ist  es  nur  Zufall  oder  kommt  es  daher,  dass  die  Becher- 
zelfen  nadi  Entleerung  ihres  schleimigen  Inhalts  nicht  so- 
gläcb.  neues  Mucin  bilden ,  sond^n  eher  eine  Zwischen- 
Substanz,  die  im  Laufe  der  2iert  sich  in  Mudn  yerwandelt, 
welches  dann  entleert  wird? 

5)  Als  ein  weiterer  Beweis  wird  angegeben^  dass  die 
Becberzellen  der  Ccn^unctiva  nie  die  regelmässige  Gestalt 
und  Yfflteilung  darbieten,  die  man  bei  normalen  Gebilden 
zu  finden  erwartet 

Ich  habe  indessen  schon  vorher  bemerkt,  dass  die 
Zellen  keineswegs  in  ihrer  Gestalt  unregehnässig,  soäodem 
im  Gegentheil  aufiallig  symmetrisdi  und  regelmässig  ge- 
badet smd.  Besondere  Beachtung  verdient  die  scharf  ab- 
gegrenzte runde  Oeffimng  mit  ihrer  gestreiften  Umgebung, 
ferner  die  Lage  des  Elems,  der  immer  gegen  die  Basal- 
laeadma  gerichtet  iflt,  und  endlich  die  Schärfe,  mit  der 
der  schleimige  Inhalt  der  Theca  sich  von  dem  Proto- 
plasma des  Stieles  abgrenzt 

Wenn  diese  Zellen  in  pathologischer  Entartung  be- 
gEiftn  wären,  würde  man  da  nicht  erwarten,  die  gan^e 
ZeBe  einer  allmählichen  Umwandlung  unterhegen  zu  scdben? 
Warum  sollte  nur  das  Protoplasma  des  Zellkärpers  und 
Bicht  das  des  Stieles  sich  verändern? 


Ln  Gegensatz  zu  der  Annahme  einer  kianichafitan 
Degsaaration  haben  wir  oben  schon  erwiesen,  dass  die 
Becherzellen  natürliche  Gebilde  sind,  die  sich  ganz  uaab- 
häi^gig  w>n  xEgend  welcher  Beizung  stets  in  der  nomalen 
Goqinnctiva  dm  Menschen  und  der  Thiere  vorfinden. 

2* 


20  C^-  Leedham  Green. 

Dies  schliesst  natürlich  nicht  aus,  dass  dieselben  viel- 
leicht in  Folge  dauernder  Reizung  zu  erhöhtem  Wachstum 
veranlasst  werden  können,  wie  z.  B.  bei  chronischem  Katarrh. 

Um  festzustellen,  welchen  Einfluss  eine  Entzündung 
der  Conjunctiva  auf  die  Becherzellen  hat,  stellte  ich  folgende 
Versuche  an.  Ich  applicirte  eine  Lösung  von  Jequirity  auf 
das  Auge  eines  gesunden  Kaninchens  in  gewöhnlicher  Weise; 
als  es  nach  einigen  Tagen  zur  Entstehung  einer  massig  in- 
tensiven Entzündung  mit  den  charakteristischen  Erschei- 
nungen gekommen  war,  tödtete  ich  das  Thier  und  untersuchte 
die  Conjunctiva<  Das  Epithel  der  Conjunctiva  war  in 
grosser  Ausdehnung  abgestorben  und  abgestossen,  wobei  die 
Becherzellen  dasselbe  Schicksal  erfahren  hatten.  Das  theil- 
weise  oder  vollständige  Verschwinden  derselben  hing  dabei 
lediglich  von  dem  Grade  der  Entzündung  ab.  Zur  Er- 
zeugung einer  andauernden  leichteren  Conjunctivitis  erwies 
sich  das  Jequirity  als  ungeeignet,  da  sich  seine  Wirkung 
zu  schwer  beherrschen  Hess.  Ich  benützte  daher  zu  diesem 
^weck,  auf  den  Vorschlag  von  Professor  Leber,  ein  Extract 
von  Anagallis  arvensis,  welches  sich  durch  seine  stark  rei- 
zende Eigenschaft  für  die  Oberfläche  des  Auges  auszeichnet. 
Die  Einträufelung  einer  Lösung  dieses  Extractes  in  den 
Bindehautsack  ruft  eine  Entzündung  hervor,  deren  Heftig- 
keit genau  dem  Grad  der  Verdünnung  und  der  Häufigkeit 
der  Anwendung  des  Mittels  entspricht.  Mit  Hilfe  desselben 
konnte  ich  leicht  eine  milde  Form  von  chronischer  Ent- 
zündimg der  Conjunctiva  während  mehrerer  Wochen  unter- 
halten. Obgleich  nun  die  Membran  alle  die  gewöhnlichen 
Erscheinungen  von  chronischer  Entzündung  zeigte,  konnte 
ich  bei  histologischer  Untersuchung  der  Conjunctiva  keinen 
merklichen  Unterschied  im  Aussehen  und  in  der  Anzahl 
der  Becherzellen  und  jedenfalls  keine  Zunahme  derselben 
constatiren. 

F.  E.  Schnitze  hat  schon  vor  langer  Zeit  bewiesen, 
dass  die  Becherzellen  nicht  mechanisch  bersten  und  ihren 


üeber  die  Bedeutung  der  Becherzellen  der  Conjunctiva.       21 

Inhalt  ausgiessen;  denn  wenn  dies  der  Fall  wäre,  würden 
wir  an  Stelle  der  scharf  begrenzten  runden  Oeflhung  einen 
unregelmässigen  zackigen  Riss  sehen,  was  niemals  .wahrzu- 
nehmen ist.  Es  ist  ganz  unmöglich  anzimehmen,  dass  diese 
wohl  abgegrenzte  Oeffiiung  durch  einen  anderen  als  physio- 
logischen Process  ihre  Entstehung  findet. 

Mit  Rücksicht  auf  alle  diese  Thatsachen  und  auf  die 
Unhaltbarkeit  der  Beweise  für  die  pathologische  Xatur  der 
Eecherzellen  der  Conjunctiva  und  die  vielen  durch  diese 
Hypothese  unerklärt  gelassenen  Thatsachen,  kann  man  zu 
keinem  andern  Schlüsse  kommen,  als  dass  sie  als  Gebilde 
zu  betrachten  sind,  welche  in  ihrer  Struktur  und  vermuih- 
lich  auch  in  ihrer  Function  ähnlich  sind  den  Becherzelleu, 
wie  man  sie  in  anderen  Gebieten  des  thierischen  Körpers 
findet^  wie  z.  B.  in  der  Haut  gewisser  Fische,  in  der  Schleim- 
haut der  Frpschblase,  dem  Dünndarm  des  Menschen  etc., 
das  heisst,  wir  müssen  sie  als  Zellen  betrachten, 
welche  die  besondere  Aufgabe  haben,  Schleim 
durch  einen  natürlichen  und  physiologischen  Vor- 
gang zu  produciren. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  I. 

Fig.  1.  Becherzellen  von  der  menschlichen  Conjunctiva.   Isolations- 
präparat aus  Müller'scher  Flüssigkeit. 
Fig.  2.  Becherzellen  von  der  Conjunctiva  der  Katze.    Isolationsprä- 
parat aus  MüUer'scher  Flüssigkeit. 
a      Zellen  der  Oberfläche. 
b  „        „    Mittelschicht. 

cd        „        „    tiefsten  Schicht. 
Fig.  3  u.  4.    Conjunctiva  des  Kaninchens  von  der  Uebergangsfalte. 
Müller'sche   Flüssigkeit  und  Alkohol,    gefärbt  mit  Hämat- 
oxylin  und  aufbewahrt  in  Glycerin. 
Fig.  5.  Conjunctiva  des  Menschen,  mit  Safranin  und  Hämatoxylin 
gefärbt;  aufbewahrt  in  Glycerin. 


Primäre,  secundäre  nnd  tertiäre  Netzhantbilder 
nach  momentanen  Lichteindrflcken. 

Von 

Dr.  H.  P.  Bosscha 
in  Utrecht 


Die  Erscheinungen,  welche  Gegenstand  folgender  Unter- 
suchungen sind,  gehören  zu  der  Gruppe  der  Nachbilder. 
Dieses  Gebiet  ist  so  ausgedehnt  und  so  eng  verbunden  mit 
vielen  physiologischen  Fragen,  dass  ich  mich  bei  meinen 
Untersuchungen  auf  eine  kleine  Abtheilung  des  Ganzen 
zu  beschränken  hatte  und  auch  in  der  Uebersicht  über  die 
Arbeiten  früherer  Forscher  mich  an  das  halten  muss,  was 
zu  dieser  Abtheilung  in  directer  Beziehung  steht 

Zur  besseren  Uebersicht  über  die  Geschichte  unserer 
Kenntnisse  der  Nachbilder  scheint  es  mir  zweckmässig,  in 
ihr  drei  Perioden  zu  unterscheiden:  die  Periode  der  allge- 
meinen Beobachtungen,  die  der  Messungen  und  die  des 
genaueren  Studiums  der  Erscheinungen.  Es  ist  klar,  dass 
letzteres  den  Messungen  hätte  vorangehen  sollen,  und  es 
wird  sich  genügend  zeigen,  dass  die  Arbeiten  vieler  For- 
scher reichere  Früchte  hätten  abwerfen  können,  wenn  dies 
der  Fall  gewesen  wäre. 

.  Schon  sehr  früh  beobachtete  man,  dass  unter  gewissen 
Bedingungen  (z.  B.  bei  schneller  Fortbewegung  leuchtender 
Gegenstände)  eigenthümliche  Gtesichtseindrücke  entstehen, 
welche  auf  Nachbildern  beruhen  (Ptolemaeus),  und  ver- 


Primfire,  secund&re  und  tertiäre  Netzhautbilder  etc.  23 

sachte  zu  »^iaiiren,  durch  welche  Bedingungen  das  Ent- 
stehen dieser  Nachbilder  gefördert  wird.  Hierzu  benutzte 
man  die  im  Kreise  bewegte  glühende  Kohle,  den  Krei- 
sel u.  s.  w.  Für  die  Kenntniss  der^  Details  dieser 
Periode  verweise  ich  auf  die  Biesenarbeit  Plateau 's*). 
Nur  will  ich  noch  bemerken,  dass  man  schon  bald  anfing, 
die  Dauer  der  Nachbilder  zu  schätzen.  So  sagt  z.  B. 
Newton  (Optics):  „and  do  not  the  notions  once  excited 
oontinue  about  a  second  of  time  before  they  cease?^' 

Mit  Segner,  dem  ersten,  der  einigermaassen  genaue 
Untersuchungen  über  die  Dauer  der  Nachbilder  anstellte, 
fangt  die  zweite  Periode  an.  Er  erfand  die  Methode, 
welche  noch  jetzt  benutzt  wird,  bei  der  man  einen  leuchten* 
den  Gegenstand  mit  einer  solchen  Geschwindigkeit  im 
Kreise  herumbewegt,  dass  man,  einen  Punkt  dieses  Kreises 
fixirend,  das  Nachbild  des  leuchtenden  Gregenstandes  noch 
sidit,  wenn  dieser  wieder  an  dieselbe  Stelle  zurückkehrt 
Die  GSeschwindigkeit,  bei  welcher  dies  noch  eben  der  Fall 
ist,  ergibt  dann  die  gesuchte  Dauer  des  Nachbildes.  Seg- 
ner fiuid  hierfür  Vs  Secunde. 

Genauer  waren  die  Untersuchungen  d'Arcy's^,  der 
ebenso  wie  Segn  er  ableuchtenden  Gregenstand  eine  glühende 
Kohle  benutzte  und  dabei  für  die  Dauer  des  Nachbildes 
0.13  See  fand.  Er  hatte  die  Absicht,  zu  untersuchen, 
welchen  Einfiuss  Lichtstärke  und  Farbe  auf  die  Dauer 
des  Nachbildes  haben,  und  wollte  ermitteln,  ob  diese  die 
gleiche  ist  bei  verschiedenen  Personen.  Obgleich  d'Arcy 
selbst  dies  Yoihaben  nicht  ausführte,  hatte  er  hierdurch 
doch  verschiedene  noch  zu  lösende  Fragen  aufgeworfen, 
während   auch  die   zu   befolgende  Methode   nicht  weit  zu 


')  Bibliographie  analytique  des  principaux  ph^nom^nes  subjec- 
tifg  de  la  vision  etc.  M^moires  de  rAcad^mie  t.  42,  43,  45. 

*)  Memoire  snr  la  dnrde  de  la  Sensation  de  la  rae  (Mtooires 
de  l'Aoadtoie  des  Scienoes  de  Paris  1765). 


24  H.  P.  Bosscha. 

suchen  war.    Ein  halbes  Jahrhundert  verlief  jedoch,  bevor 
etwas  neues  auf  diesem  Gebiete  geleistet  wurde. 

Im  Jahre  1829  schrieb  J.  A.  F.  Plateau  zu  Lüttich 
seine  Inaugural- Dissertation:  „Dissertation  sur  quelques 
propriet^s  des  impressions  produites  par  la  lumi^re  sur  Tor- 
gane  de  la  vue.'^  Sie  enthält  die  Beschreibung  einer 
Reihe  von  Versuchen,  die  nach  der  Segner 'sehen  Methode 
mit  den  von  d'Arcy  angegebenen  Modificationen  ange- 
stellt waren.  Plateau  betont  jedoch  nachdrücklich  folgende, 
dieser  Methode  anhaftenden  Nachtheile: 

1)  „L'extr^mite  posterieure  de  Timage  allongee  au  lieu 
d'etre  nettement  terminee,  comme  cela  arriverait  si  Fim- 
pression  s'evanouissait  biiisquement,  se  confond  au  con- 
traire  graduellement  avec  le  fond  sur  lequel  eile  se  pro- 
jette.  H  suit  de  lä  qu'on  doit  renoncer  h  Tespoir  d'ob- 
tenir  des  mesures  pröcises." 

2)  „Chacun  des  points  de  Tanneau  apparent  präsente 
une  succession  continuelle  de  teintes  vives  et  faibles;  de 
Ik  un  papillotage  qui  fatigue  Toeil,  et  rend  ä  peu  pr^s 
impossible  la  determination  de  la  vitesse  k  donner  ä  Tobjet." 

3)  „L'objet  en  mouvement  ne  peut  produire  qu'une 
Impression  imparfaite  et  dans  ce  cas  la  duräe  de  cette 
impression  d^duite  de  celle  d'une  r^volution  est  probable- 
ment  moindre  que  la  duree  de  Timpression  compl^te  du 
meme  objet" 

Anstatt  jedoch  wegen  dieser  Nachtheile  die  Methode 
zu  verwerfen,  (obgleich  die  sub  2  genannte  Schwierigkeit 
ihr  Prinzip  selbst  l)etriffifc),  versuchte  Plateau  jene  zu  neu- 
tralisiren  und  zwar  den  ersten  durch  eine  hinter  dem  Zeiger 
angebrachte  Sammetbekleidung,  den  zweiten  durch  eine 
Durchschnittsberechnung  zahlreicher  Resultate,  den  dritten 
durch  eine  grössere  Breite  des  zu  beobachtenden  Gegen- 
standes. Statt  einer  glühenden  Kohle  benutzte  er  bogen- 
förmige verschieden  gefärbte  Papierstreifen.  Er  fand  als 
Dauer  des  Nachbildes  für  Weiss  0,35,    Gelb  0,35,  Roth 


FrimAre,  secundäre  und  terti&re  Netzhautbilder  etc.  25 

0,34,  Blau  0,32  See.  Eine  zweite  Versuchsreihe  stellte 
er  an  zur  Bestimmung  der  Zeit,  während  welcher  die  Nach- 
bilder ohne  merkliche  Abschwächung  fortbestehen,  imd 
zwar  in  der  Weise,  dass  er  eine  in  weisse  (oder  gefärbte) 
und  schwarze  Sectoren  getheilte  Scheibe  mit  zunehmen- 
der Geschwindigkeit  bis  zum  Aufhören  des  Flackenis 
drehte.  Er  fand  auf  diese  Weise  für  die  Dauer  des  unge- 
schwäditen  Nachbildes  für  Weiss  0,0079,  Gelb  0,0083, 
Roth  0,0096,  Blau  0,0123  See.  Zum  Schlüsse  fasst  er 
die  Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  in  folgenden  Sätzen 
zusammen: 

1)  „üne  impression  quelconque  exige  un  temps  appr^- 
ciable  pour  sa  formation  compl^te,  de  meme  que  pour  son 
enti^re  disparition." 

2)  „liorsqu'une  impression  s'eiFace,  la  marche  de  son 
decroissement  est  d'autant  moins  rapide  que  l'impression 
est  plus  pr^s  de  sa  fin." 

3)  „La  dnr^e  totale  des  impressions  depuis  l'instaut 
oü  eUes  ont  acquis  tonte  leur  force  jusqu'ä  celui  oü  elles 
ne  sont  plus  qu'ä  peine  sensibles,  est  h  peu  pr^s  egale  ä 
0.34  (un  tiers  de  seconde  ä  trfes  peu  prös)." 

Diese  erste  Arbeit  wurde  von  mehreren  anderen  auf 
diesem  Gebiete  gefolgt.  In  seiner  letzten,  ausfiihrlicheren 
Arbeit  über  die  Nachbilder,  der  im  Jahre  1878  erschienenen 
Abhandlung:  „Sur  une  loi  de  la  persistance  des  impressions 
dans  Toeil",  in  welcher  er  seine  während  eines  halben 
Jahrhunderts  gesammelten  Erfahrungen  ordnet  und  über- 
sieht, bespricht  er  lunständlich  seine  früheren  Untersuchungen, 
mit  spezieller  Berücksichtigung  einiger  Detailfragen.  So 
zieht  er  aus  Brücke's  und  Exner's  Untersuchungen 
den  Schluss,  dass  die  Dauer  eines  jeden  Beizes  bei  seinen 
Versuchen  zur  Erregung  eines  vollständigen  Eindruckes 
ausgereicht  hatte.  Er  betont  auch  die  Abhängigkeit  der 
Dauer  des  Nachbildes  von  den  Verauchsbedingungen,  in 
dem  Sinne,  dass  die  oben  angegebenen  Werthe  nur  gelten 


26  H.  P.  Bosscha. 

für  die  Tagesbeleuchtung,  für  eine  Einwirkungsdauer  von 
0,177  See.  und  für  seine  eigenen  Augen.  Weiter  bespricht 
er  die  Bestimmung  der  Zeit,  während  welcher  die  Nach- 
bilder ungeschwächt  fortbestehen,  und  zwar  im  Anschlags 
an  eine  Versuchsreihe,  welche  unter  seiner  Leitung  von 
s^em  Sohne  Felix  und  seinem  Schwager  van  Mens- 
brugghe  angestellt  wurde.  Diese  Versuche  zeigten,  dass 
die  Beleuchtungsstärke  auf  diesen  Zeitraum  („temps  de 
constance  apparente")  nur  unbedeutenden  Einfluss  hat, 
welcher  bei  Ueberschreitung  einer  gewissen  Intensität  ganz 
aufhört  Aus  anderen  Beobachtungen  seiner  Mitarbeiter 
zieht  Plateau  den  Schluss,  dass  nur  die  unvollkommenen 
Eindrücke  eine  messbare  „temps  de  constance  apparente'^ 
haben  und  dass  diese  Zeit  um  so  länger  ist,  je  unvoll- 
kommener die  Empfindung  war.  Bedeutungsvoll  ist  weiter 
der  nicht  näher  begründete  Ausspruch,  dass  die  Empfindung, 
wenn  sie  ihr  Maximum  um  vieles  überschritten  hat,  in  un- 
messbar  kurzer  Zeit  abklingt,  worauf  sie,  entweder  unmittel- 
bar oder  nach  einem  kurzen  Intervall  von  Finstemiss,  von 
einem  negativen  complementören  Nachbilde  gefolgt  wird. 
Der  letzte  Bepräsentant  der  zweiten  Periode  ist  Char- 
pentier,  welcher  imter  Benutzung  sehr  compUcirter  Appa- 
rate, (wobei  ihm  der  electrische  Strom  grosse  Dienste  leistete), 
zahlreiche  Versuche  anstellte  zur  Ermittelung  des  Ein- 
flusses, welchen  verschiedene  Factoren  auf  die  Dauer  des 
Nachbildes  ausüben.  Immer  mehr  kam  man  ja  ziu*  Ein- 
sicht, dass  der  Vorgang  ein  zusammengesetzter  ist,  und 
dass  die  Dauer  der  Nachbilder  von  verschiedenen  Um- 
ständen beinflusst  wird.  Charpentier  bemühte  sich  nicht, 
die  G^samtdauer  des  Nachbildes  zu  ermitteln,  er  suchte 
nur  die  Dauer  des  ungeschwächten  Fortbestehens  zu  be- 
stimmen ^). 

>)  Recherches  Bur  la  persistance  des  impressions  r^tiniennes  et 
BTir  les  excitations  lumineuses  de  courte  dur^e.  Archives  d*ophthal- 
mologie  X. 


Prim&re,  Becundftre  und  tertiftre  Ketzhautbilder  etc.  27 

Er  erforschte  welchen  Emfloss  Beleuchtungsstärke; 
Dauer  der  Emwirkung  und  Farbe  des  Lichtes  auf  diese 
Zeit  haben,  wahrend  er  seine  Yersuche  so  anstellte ,  dass 
diese  Factoren  jeder  an  sich  zu  ändern  waren.  Er  fend, 
dass  die  Farbe  keinen  Einfluss  ausübt,  während  die  Zeit 
des  ungeschwächten  Fortbestehens  im  umgekehrten  Ver- 
hahniss  stdit  zur  Quadratwurzel  der  Lichtstärke  und  sich 
ebenso  verhält  zur  Einwirkungsdauer. 

Zur  Bestimmung  des  Einflusses  der  Lichtstörke  waren 
seine  Yersuche  weit  zweckmässiger  eingerichtet  als  die 
Plateau'schen.  Während  bei  diesen  nämlich  mit  der 
Drehungsgeschwindigkeit  sich  auch  die  Einwirkungsdauer 
änderte,  £and  Charpentier  im  electrischen  Strom  ein  HlI&- 
mittel,  wodurch  es  möglich  wurde,  immer  die  gleiche  Ein- 
wiikungsdauer  zu  erhalten,  während  die  finsteren  Intervalle 
nach  Belieben  verlängert  oder  verkürzt  werden  konnten. 

So  üemd  er,  dass  die  Zeit  der  scheinbar  ungeschwächten 
Empfindung  nicht  abhängig  ist  von  der  absoluten  Licht- 
s^ke,  sondern  von  der  relativen,  nämlich  der  Adaptation 
der  Netsdiaut  Er  üand  diese  Zeit  imter  verschiedenen  Um- 
standen sehr  verschieden,  gewöhnUch  grösser  als  0,01  und 
kleiner  als  0,3  See. 

Fassen  wir  in  kurzem  die  Beobachtungen  der  Unter- 
sucher  dieser  zweiten  Periode  zusammen,  so  sehen  wir, 
dass  sie  aDe  zur  Messung  der  Nachbilddauer  intermittirende 
Beleuchtung  benutzten,  während  die  späteren  Untersucher 
nicht  die  totale  Dauer  des  Nachbildes  zum  Glegenstand 
ihrer  Versuche  machten,  sondern  sich  die  Messung  jener 
Zeit,  während  welcher  das  Nachbild  noch  die  gleiche  Stärke 
hat  wie  das  beobachtete  Licht,  zur  Au%abe  stellten.  Hier- 
aus eiiiellt  schon,  dass  es  für  sie  eine  feststehende  That- 
8ache  war,  dass  da  kurzdauernder  Lichtreiz  eine  Empfindung 
hervorbringt,  die  nach  dem  Aufhören  des  Beizes  noch 
während  einiger  Zeit  ungeschwächt  fortbesteht,  um  dann 
erst  allmählich  abzuklingen. 


28  H.  P.  Bosßcha.  : 

Aubert  war  der  erste,  dem  es  einfiel,  zu  untersuchen, 
ob  diese  Auffassung  mit  der  Wirklichkeit  übereinstimmt, 
und  aus  diesem  Grunde  lasse  ich  mit  ihm  die  dritte  Periode 
anfangen.  Während  alle  fiüheren  Untersucher  ihre  Beob- 
achtungen mit  intermittirendem  Lichte  anstellten,  sah  Aubert 
ein,  dass  man  zuerst  den  Effect  eines  einzelnen  Eindruckes 
kennen  muss,  bevor  man  aus  den  Erscheinungen  bei  auf- 
einander folgenden  Eindrücken  Schlüsse  ziehen  darf.  Aubert 
hatte  den  glückhchen  Gedanken,  zur  Hervorbringung  dieses 
Eindruckes  den  electrischen  Funken  zu  benutzen  und  stu- 
dirte  nun  die  Nachbilder,  welche  entstehen  beim  Anschauen 
des  Funkens  mit  unbewaffnetem  Auge  und  durch  gefärbte 
Gläser,  und  beim  Betrachten  von  verschieden  gefärbten 
Papierstücken  auf  verschieden  gefärbtem  Grunde,  welche 
durch  den  electrischen  Funken  beleuchtet  wurden.  Die 
Versuche  mit  gefärbten  Gläsern  gaben  sehr  auseinander- 
gehende Resultate,  „Merkwürdig  ist",  wie  Aubert^)  sagt, 
„das  Auftreten  eines  positiven  complementären  Nachbildes 
bei  dem  rothen  Glase.  Die  Variationen  der  vollständig- 
sten Beobachtungen  beziehen  sich  zunächst  auf  einen  Zwi- 
schenraum zwischen  dem  Erscheinen  des  Funkens  und  dem 
Auftreten  des  Nachbildes,  in  welchem  das  ganze  Gesichts- 
feld dunkel  ist.  Mitunter  erscheint  das  Nachbild  indess 
unmittelbar  nach  dem  Funken  und  untrennbar  von  ihm". 

In  vieler  Hinsicht  sind  seine  Resultate  wichtig,  na- 
mentiich  indem  bei  diesen  Versuchen  beobachtet  wurde, 
dass  ein  rothes  licht  von  einem  grünem  Nachbilde  gefolgt 
wird.  Diese  Beobachtung  war  jedoch  nicht  die  erste  dieser 
Art.  Eine  gleiche  Erscheinung  war  schon  von  verschiedenen 
Untersuchen!  gesehen  worden,  zuerst  von  Purkinje,  nach 
welchem  sie  auch  genannt  wurde,  Dieser  sah  sie  beim 
Schwingen  einer  glühenden  Kohle,  wie  auch  Exner,  der 


*)  „üeber  die  durch  den  electrischen  Funken  erzeugten  Nach- 
bilder" (Moleschott*8  Untersuchungen  1858). 


Primäre,  secundäre  nnd  tertiäre  Netzhautbilder  etc.  29 

eine  Reihenfolge  von  Roth,  Grün  und  Grau  wahrnahm, 
letzteres  „ähnlich  der  Färbe  des  Eigenlichtes  der  Netzhaut," 
während  Brücke  eine  weniger  primitive  Methode  zur  Her- 
Torbringung  des  Phänomens  benutzte. 

Bei  der  Beobachtung  von  Papierstücken,  die  durch 
den  electrischen  Funken  beleuchtet  wurden,  nahm  Aubert 
folgendes  wahr: 

,^e  Nachbilder  der  durch  den  Funken  beleuchteten 
Objecte  sind  bald  complementär,  bald  gleich&rbig.  Dies 
ist  abhängig  von  dem  Grunde,  auf  dem  die  farbige  Fläche 
liegt,  von  der  Farbe  an  sich,  und  wie  es  scheint,  auch  von 
der  Grösse  der  farbigen  Fläche." 

„Auch  bei  der  momentanen  Beleuchtung  durch  den 
electrischen  Funken  wird  der  Erregungs-Zustand  der  ganzen 
übrigen  Retina  verändert  und  zwar  theils  sympathisch,  theils 
antagonistisch." 

In  diesen  Beobachtungen  waren  so  viele  ganz  neue 
Ansichten  niedergelegt,  dass  man  sich  wundem  muss,  dass 
sich  nicht  sofort  viele  Untersucher  fanden,  welche  die  Ver- 
suche Aubert's  zu  wiederholen,  seine  in  so  mancher  Hin- 
sicht von  der  bestehenden  Meinung  abweichenden  Resultate 
zu  prüfen  und  auf  demselben  Weg  andere  Streitfragen  zu 
lösen  bereit  waren. 

Die  Sache  ruhte  jedoch  bis  zum  Jahre  1892,  in  wel- 
chem  Hess    sie    wieder    auf   die   Tagesordnung   brachte. 

Anleitung  hierzu  fand  er  in  Untersuchungen  Hering 's, 
welche  es  wahrscheinlich  machten,  dass  die  geläufige  Auf- 
fassung des  positiven  Nachbildes  als  ein  Abklingen  des 
Eindruckes  nicht  die  richtige  sei. 

Er  stellte  seine  Versuche  zuerst  mit  von  dem  electri- 
schen Funken  beleuchteten  Papierstücken  an,  setzte  aber 
bald  an  die  Stelle  des  electrischen  Funkens  den  Moment- 
verschluss,  den  die  Photographen  benutzen.  Bei  dieser 
letzteren  Beleuchtungsmethode  nahm  er  hauptsächlich  die 
gleichen  Vorgärige  wahr,  wie  bei  der  so  viel  kürzer  wäh- 


39  H.  P.  BoBsduL 

renden  Beleuditvng  mit  dem  dectriBchen  FwakesL  Der 
von  ihm  benutzte  Momaitirerschluss  hatte  eine  Oeffiiungs- 
zeä,  Ton  '/,04>  ^  ^/i«o  S^*  ^^  beschreibt  das  von  ihm 
Wahrgenommene  folgendermassen: 

,yWiid  eine  sonst  weisse  Scheibe  auf  lichtlosem  Grrunde 
mit  farbigem  Lichte  momentan  beleuchtet,  so  erscheint  un- 
mittelbar nach  der  Wahrnehmung  der  farbigen  Scheibe 
zujiäGhst  ein  dunkles^  deutlich  oomplementar  gefärbtes  Nach- 
häd  von  äusserst  kurzer  Dauer.  An  dieses  schlieest  sich 
das  positive  Helligkeitsnachbild  an,  welches  in  d^  Begel 
nur  eine  sehr  schwadbe  f^bung  zeigt.  Diese  stimmt  mit 
der  Farbe  der  Scheibe  im  Augenblicke  der  Belichtung 
überein.  War  das  Auge  durch  längeren  Aufenthalt  im 
Einstem  genügend  ftir  ferbloses  Licht  empfindlich  gemacht, 
so  sieht  man  das  positive  Nachbild  wohl  auch  ganz  oder 
nahezu  ganz  farblos.'' 

Zum  Schluss  seiner  Arbeit  üsBt  Hess  die  Besultate 
seiner  Untersuchungen  in  einige  Schlusssätze  zusammen, 
denen  ich  Folgendes  entnehme: 

„Wirkt  auf  das  Sehorgan  ein  kurzdauernder  Lichtreiz 
ein,  so  wird  durch  denselben  zunächst  eine  Lichtempfin- 
dung hervorgerufen,  welche  nach  dem  Aufhören  des  Saizes 
in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit  abklingt  Nach  diesem 
primären  Lichteindrucke  wird  bei  günstigen  Yersuchsbe- 
dingungen  ein  negatives  Nachbild  wahrgenommen,  dessen 
Dauer  durchschnittlich  etwas  weniger  als  Vs  Secunde  be- 
trägt." 

„Auf  dieses  negative  Nachbild  folgt  dann  rasch  ein 
positives  Nachbild,  dessen  Dauer  von  der  Stärke  des  pii* 
mären  Beizes  und  dem  jeweiligen  Zustande  des  Auges  ab- 
hängt und  welches  in  der  Begel  durch  mehrere  Secunden 
in  allmählich  abnehmender  Stärke  wahrgenommen  werden 
kann.  Nicht  selten  nimmt  man  nach  diesem  positiven  noch 
ein  zweites  negatives  Nachbild  wahr." 

Die  Erwartungen,  mit  welchen  Hess  sdne  untersuch- 


PrimAre,  secnndfire  und  tertiftre  Netzhautbilder  etc.  81 

imgesD  anfing,  waren  also  ganz  und  gar  bestätigt;  die  bis 
jetzt  aflg<ffneiii  angenommene  AnfEässung  des  Nachbildes 
hatte  aidi  als  nnriolitig  gezeigt  Hess  giebt  dem  mit  folgen- 
den Worten  Ansdrock: 

„Was  bisher  in  der  Begel  (von  Helmholtz,  Fick  u. 
Anderen)  als  das  Abklingen  der  durch  den  Lichtreiz  ge- 
setzten Erregnng  beschrieben  worden  ist^  entspricht  imter 
den  beschriebenen  Umständen  nidit  diesem,  sondern  dem 
AhUmgen  des  positiyea  Nachbildes.  Dieses  positive  Nach- 
bild darf  nicht,  wie  es  bisher  meist  geschah,  einfach  aus 
der  Foitdanar  imd  dem  aUmählichen  Abklingen  der  durch 
den  liditreiz  im  Sehorgane  hervorgerufenen  Erregung  er- 
küirt  werden;  denn  dasselbe  ist  von  dieser  letzteren  regel- 
masBig  durch  eine  negative  Phase  getrennt '< 

Aus  diesen  Worten  schdnt  mir  hervorzugehen,  dass 
Hess  sein  positives  Nachbild  und  jenes  der  früheren  ün- 
tersndber  sJs  dieselbe  Phase  des  Vorganges  betrachtet 
Jene  würden  dann  die  von  Hess  ^itdeckte  negative  Phase 
obersehen  und  so  das  positive  Nadibild  als  die  Fortsetzung 
des  Eindmckes  au%efSs»st  haben. 

In  dieser  Weise  sucht  Hess  den  ziemlich  scharfen 
Widersi»-ach  zwischen  seiner  Ansicht  und  der  bisher  all- 
gemein gültigen  zu  heben  oder  wenigstens  zu  erklären. 
Das  Unhaltbare  dieser  Erklärung  tritt  aber  gleich  zu  Tage, 
wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  dass  die  von  den  früheren 
üntersnchem  vernachlässigte  Phase  %  See.  dauert,  also 
^eichlang  wie  deren  „positives  Nachbild^^,  welches  also 
schweriich  identisch  sdn  kann  mit  dem  6  See.  dauernden 
Hess'schen  „positiven  Nachbilde.^  Viel  wahrscheinlicher 
ist  die  Annahme,  dass  die  früheren  Untersucher  die  Hess- 
sohe  negative  Phase  wohl  gesehen,  aber  falsch  gedeutet 
haben,  indem  ihnen  die  oomplementäre  Färbung  nicht  auf- 
gefallen ist,  während  das  Hessische  „positive  Nachbild^' 
in  Folge  der  Fehler  der  Metiiode  (intermittirende  Beleuch- 
tung) ihrer  Wahrnehmung  entgangen  ist 


32  H.  P.  Bosscha. 

Lassen  wir  aber  vorläufig  jeden  Versuch  ziu*  Erklä- 
rung der  Unterschiede  in  der  AufiTassung  der  Nachbilder 
bei  Hess  und  seinen  Vorgängern  ruhen,  so  bleibt  doch 
immerhin  als  prinzipieller  Unterschied  die  gegenseitige  Auf- 
fassung der  Dauer  des  Lichteindruckes  selbst,  welcher  Yon 
Hess  als  y,eine  Lichtempfindung,  welche  nach  dem  Auf- 
hören des  Beizes  in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit  abkUngt'S 
beschrieben  wird,  während  die  fiiiheren  Untersucher  ein- 
stimmig eine  „persistance  de  rimpressidn,^^  ein  Fortbestehen 
während  messbarer  Zeit,  annehmen. 

Unsere  alltägliche  Erfahrung  spricht  sehr  zu  Gunsten 
dieser  Plateau'schen  Auffassung;  dem  Segner'schen  Ver- 
such, der  Grundidee  der  Pyrotechnik  und  zahlloser  opti- 
scher Apparate,  begegnen  wir  unter  vielfachen  Variationen 
bei  fast  jedem  drehenden  oder  schnell  fortbewegten  Gegen- 
stand als  sprechende  Beweise  gegen  die  Hess'sche  Auf- 
fassung. 

Ist  es  also  auf  der  einen  Seite  wahrscheinUch,  dass 
an  der  von  Hess  gegebenen  Darstellung  ein  Fehler  haften 
muss,  so  ist  es  auf  der  andern  Seite  klar,  dass  dieser 
Fehler  eher  in  der  von  ihm  gegebenen  Erklärung  als  in 
der  Wahrnehmung  selber  hegen  muss.  Wichtig  bleibt 
immerhin  seine  Entdeckung,  dass  die  ursprüngUche  Em- 
pfindung gefolgt  wird  von  einem  complementären  und  dieses 
von  einem  gleichnamigen  Nachbilde.  Jenes  complemen- 
täre  Nachbild  war  zwar  schon  von  früheren  Untersuchem 
(Purkinje,  Aubert  u.  a.)  beobachtet,  Hess  jedoch  wai- 
der  erste,  welcher  es  als  einen  constanten  Vorgang  nach 
momentanen  Lichteindrücken  kennen  gelehrt  hat.  Auch 
in  practischer  Hinsicht  hat  diese  Entdeckung  grossen  Werth, 
denn  das  complementäre  Nachbild  muss  wesentlich  bei- 
tragen zu  den  Fehlem  der  bisher  allgemein  benutzten  Me- 
thode zur  Messung  der  Nachbilddauer. 

Hierin  lag  auch  der  Grund,  weshalb  ich  schon  bald 
die  zuerst  von  mir  gehegte  Absicht,  eine  einfache  Methode 


Primäre  y  secundäre  und  tertiäre  Ketzhautbilder  etc.  33 

2iir  Messnng  dieser  Dauer  zu  sadien,  aufjgab.  Idi  hatte 
Bimlidi  Yersucht  zu  bestimmen,  ob  in  dieser  Hinsicht 
wesentlicfae  individuelle  Abweichungen  bestehen,  und  bei 
vorläufigen  YeimiGhen  mit  einfachen  Apparaten  gefunden, 
daas  solche  Differenzen  wirklich  vorkommen,  (selbst  zwischen 
den  beiden  Augen  derselben  Person),  dass  aber  der  Vor- 
gang zu  verwickelt  ist,  um  in  dieser  Weise  praxstische  Yer- 
wertfaung  zu  finden. 

Reduction  des  zu  beobachtenden  Vorgangs  zur  ein«- 
üAsbsn  Form  ist  die  erste  Bedingung  einer  fruchtbringen- 
den Untersuchung.  Dazu  muss  man  an  erster  Stelle  den 
'ESßd  einer  einfSachen  Empfindung  studiren,  das  heisst, 
eiiier  Empfindung  von  mögUchst  kurzer  Dauer,  damit  die 
dudi  den  Anfimg  des  Beizes  angeregten  subjectiven  Vor- 
gänge nicht  mit  der  nachfolgenden  Beizperiode  coincidiren. 
Diese  Bedingung  suchten  Hess  und  Aubert  beide  zu  er- 
fällen.  Die  Einrichtung  ihrer  Versuche  weicht  jedoch  in 
vielen  Hauptpunkten  von  einander  ab,  in  welchem  Um- 
fltand  die  Abweichungen  in  ihren  Besultaten  zu  suchen 
sind.  Um  dieses  beurtheilen  zu  können,  ist  es  vor  allem 
uothwendig,  den  Einfluss  der  va:whi6denen  in  Betracht 
kommenden  Factoren  zu  bestimmen. 

Meine  Absicht  war  daher  zu  bestimmen: 

1)  den  Einfluss  der  Beleuchtungsdauer, 

2)  den  Einfluss  der  Umgebung, 

8)  den  Einfluss  objectiver  Beleuchtung  auf  die  con- 
Mcutiven  Netzhautbilder. 

Veranohe  über  den  Einfluss  der  Beleuchtungsdauer. 
Aubert  war  der  erste,  weldier  beim  Studium  der 
Kachbild^  den  electrischen  Funken  und  von  diesem  be- 
leuchtete Gegenstände  benutzte.  Hess,  welcher  seine  Ver- 
suche theils  mit  dem  electrischen  Funken,  theils  mit  dem 
Hbmentversdiluss  anstellte,  glaubt  beiden  Methoden  gl^ 
dien  Werth  beimessen  zu  können.    A  priori  jedoch  sdieint 

▼.  OiMfe»!  AndiiT  fOr  Ophthalmologie.  XL.   1.  3 


34  H.  P.  Bo88cha. 

der  ßlectrische  Funken  den  Vorzug  zu  verdienen.  Dieser 
giebt  ja  eine  wirklich  momentane  Lichtquelle,  bei  welcher 
die  Dauer  der  Beleuchtung  jener  der  Nachwirkungen  gegen- 
über zu  vernachlässigen  ist,  während  der  Momentverschluss 
eine  Beleuchtung  giebt,  deren  weit  längere  Dauer  bei  den 
in  Betracht  kommenden  minimalen  Zeitwerthen  immerhin 
«ine  gewisse  Grösse  repräsentirt 

Ausserdem  hat  dieser  Mechanismus  Fehler,  welche 
auch  Hess  erwähnt,  nämhch  Ungleichheit  in  Beleuchtungs- 
dauer und  Beleuchtungsintensität  für  die  verschiedenen 
Theile  des  beleuchteten  Feldes.  Grossen  Werih  hat  der 
Momentverschluss  jedoch  zur  Herstellung  längerer  Beleuch- 
tungszeiten, während  er  durch  die  Leichtigkeit,  mit  welcher 
die  Oefl&iungsdauer  zu  ändern  ist,  ein  sehr  brauchbares 
Hilfsmittel  ist  zum  Studium  des  Einflusses  der  Beleuch- 
tungsdauer. 

Bei  meinen  Versuchen  zeigte  sich  bald,  dass  der  elec- 
trische  Funken  den  Vorzug  verdient  zum  Studium  der  ersten 
und  zweiten  Phase  des  Vorgangs,  während  der  Moment- 
verschluss zur  Prüfung  der  letzten  Phase  besondere  Vor- 
theile  hat,  was  sich  bei  der  Beschreibung  der  Versuche 
zeigen  wird.  Wenige  Beobachtungen  genügen  schon  zum 
Nachweis  der  Thatsache,  dass  die  DeutUchkeit  des  Vor- 
gangs abnimmt  mit  der  Zunahme  der  Beleuchtungsdauer. 
Genauere .  Versuche  zeigen,  dass  dieses  beruht  auf  einer 
Veränderung  in  der  Dauer  des  complementären  Nachbildes, 
welches  um  so  länger  dauert,  je  kürzer  der  Beiz  einwirkt. 

Der  kurzen  Dauer  der  Beleuchtung  kommt  ausserdem 
der  Vortheil  zu,  dass  man  leichter  beurtheilen  kann,  ob 
die  Empfindung  noch  fortbesteht  nach  dem  Aufhören  des 
Reizes,  oder  ob  sie,  wie  Hess  glaubt,  dann  „in  fast  un- 
messbar  kurzer  Zeit  abklingt." 

Die  jfrüheren  Untersucher  (Plateau,  Charpentier), 
welche  die  Zeit  dieses  Fortbestehens  zu  messen  versuchten, 
fanden  sie  um  so  länger,  je  kürzer  die  Beleuchtung  dauerte; 


PrimSre,  secundäre  und  tertiäre  Netzhautbilder  etc.  35 

ein  weiterer  Grund,  um  eine  möglichst  kurze  Beleuchtung 
zu  wählen. 

Bei  meinen  jetzt  zu  beschreibenden  Versuchen  wird 
in  einem  vollkommen  finsteren  Zimmer  ein  kleiner  Schirm 
durch  den  überspringenden  electrischen  Funken  beleuchtet, 
während  der  Funken  selbst  dem  Auge  des  Beobachters 
entzogen  ist 

Hat  der  Schirm  eine  gelbe  Farbe,  so  sieht  man  ein 
gelbes  licht,  welches  auf  einmal  ohne  finsteren  Zwischen- 
raum in  ein  fast  ebenso  intensives  blaues  licht  mit  eigen- 
thümhch  metallischem  Schimmer  übergeht.  Dieses  blaue 
licht  dauert  etwas  länger  als  das  gelbe,  hört  plötzlich  auf 
und  wird  gefolgt  von  einem  viel  weniger  intensiven  lichte, 
welches  so  zu  sagen  sich  aus  der  Finstemiss  hervorhebt, 
während  einiger  Zeit  stärker  wird,  um  dann  wieder  all- 
mählich abzuklingen. 

Um  in  der  Nomenclatur  möglichst  objectiv  zu  bleiben, 
will  ich  nicht  von  positiven  und  negativen  Nachbildern  reden, 
sondern  ziehe  es  vor,  die  drei  Phasen  des  beobachteten  Vor- 
gangs das  primäre,  das  secundäre  und  das  tertiäre  Bild  zu 
nennen. 

Die  Gesammtdauer  des  primären  und  secundären  Bildes 
beträgt  weniger  als  1  Secunde,  das  tertiäre  dauert  einige 
Secunden.  Nimmt  man  die  Lichtstärke  des  primären  Bildes 
als  100  an,  dann  würde  ich  die  des  secundären  auf  80, 
die  des  tertiären  auf  10  schätzen.  Das  secundäre  Bild  hat 
die  Complementärfarbe  des  primären,  das  tertiäre  hat  immer 
eine  eigentümlich  röthüche,  schwer  definirbare  Farbe.  Diese 
Wahrnehmung  stimmt  nicht  in  allen  Punkten  mit  dem, 
was  Hess  mittelst  des  Momentverschlusses  beobachtete. 
Bei  mir  ist  ja  das  secundäre  Bild  immer  hell,  während 
Hess  sein  complementäres  Nachbild  dunkel  nennt  Weiter 
sah  ich  das  tertiäre  Bild  nie  in  der  Farbe  des  primären, 
wie  es  Hess  nach  seiner  Angabe  öfter  vorgekommen  ist 
Der  ganze  Vorgang  ist  von  hervorragender  Schönheit  und 

3* 


3«  H.  P.  Bosscfaa. 

80  attssttwdentlich  klar,  dass  er  auch  von  Leuten,  die  sich 
nicht  oft  mit  solchen  Versuchen  befassen,  sofort  in  all' 
seinen  Einzelheiten  wahrgenommen  und  beschrieben  wird. 
Nachdem  ich  also  den  betreffenden  Vorgang  näher 
kennen  gelemt  hatte,  erforschte  ich  mehr  im  Detail  den 
Einfiuss  der  Beleuchtungsdauer  auf  die  drei  Phasen. 

a)  Einfluss  der  Beleuchtungsdauer  auf  das 
primäre  Bild. 

Schon  fiiiher  habe  ich  bemerkt,  dass  ein  üntersdiied 
in  der  Dauer  der  Beleuchtung  und  der  Dauer  des  primären 
Bildes,  also  das  Fortbestehen  der  Empfindung,  um  so  leich^ 
ter  wahrnehmbar  sein  muss,  je  kürzer  die  Beleuchtungs^ 
dauer  ist  Auch  in  dieser  Hinsicht  ist  der  Unterschied 
zwischen  Momentverschluss  und  electrischem  Funken  oagen- 
fällig.  Bei  jenem  erhält  man  wohl  den  Eindrud^,  als  wäre 
das  primäre  Bild  noch  momentan  sichtbar,  nachdem  der 
Verschluss  schon  hergestellt  ist,  sicher  überzeugend  ist 
jedoch  dieser  Eindruck  nicht.  Beim  electrischen  Funken 
im  Gegentheil  ist  die  Thatsache,  dass  das  primäre  Bild 
während  messbarer  Zeit  (also  jedenfalls  bedeutend  länger 
als  der  Funken  selbst)  dauert,  so  ersichtlich,  dass  jeder 
Zweifel  unmöglich  ist 

Nach  einer  groben  Methode  versuchte  ich  annäherungs- 
weise die  Dauer  des  primären  Bildes  zu  bestimmen,  näm- 
lich aus  der  Differenz  der  Dauer  des  secundären  Bildes 
allein  und  jener  des  secundären  und  primären  Bildes  zu- 
sammen, welche  Zeiten  ich  durch  Vergleichung  mit  einem 
Metronom  bestimmte.  Die  gesuchte  Zeit  ist  zu  kurz,  um 
sie  auf  dieselbe  Weise  direct  zu  finden.  Ich  fand  bei 
sehr  zahh-eichen  Versuchen  mit  verschiedenen  Farben  und 
Beleuchtungsintensitäten  (abhängig  von  der  Entfernung 
zwischen  electrischem  Funken  und  Object),  dass  die  Dauer 
des  primären  Bildes  ungefähr  0.1  bis  0.2  See.  beträgt 

Zwar  erkenne  ich  selbst  diesen  Ziffern  nur  einen  sehr 


Frimftre,  Becundftre  und  terti&re  Netzhautbilder  etc.  37 

relatLYen  Werth  zu,  sie  beweisen  jedoch  immerhin ,  dasa 
die  Dauer  des  primären  Bildes  grösser  ist,  als  die  des 
electrischen  Funkens. 

Es  findet  also  unbedingt  ein  Fortbestehen  der  Em^ 
pfindung  im  Sinne  Plateau 's  statt  Was  dieser  aber  als 
solches  gemessen  hat,  muss  etwas  anderes  sein,  und  zwar 
wahrscheinlich  die  Gesanmitdauer  des  primären  und  secun* 
dären  Bildes,  während  dem  Fortbestehen  der  Empfindung 
die  Plateau 'sehe  Zeit  der  scheinbaren  Constanz  entspricht 
Ist  dies  wirkhch  der  Fall,  und  man  hat  allen  Grund  zu 
dieser  Annahme,  so  bestätigen  meine  Untersuchungen  Pla- 
teau's  oben  erwähnte  Behauptung:  „ce  temps  est  d'autant 
plus  long  que  Timpression  est  plus  loin  d'etre  compl^te." 

b)  Einfluss  der  Beleuchtungsdauer  auf  das 

secundäre  Bild. 

Vergleicht  man  die  B^sultate  bei  verschiedener  Be- 
leuchtungsdauer,  so  zeigt  sich,  dass  die  Dauer  des  secim* 
dären  Bildes  um  so  grösser  wird,  je  kürzer  die  Beleuchtung 
währt 

Bei  Benutzung  eines  Momentverschlusses  mit  einer  Er- 
öffiiungszeit  von  1  See.  kann  man  nur  unter  sehr  günstigen 
Umständen  etwas  von  der  complementären  Farbe  sehen; 
verkürzt  man  die  Eröffiiungszeit,  dann  wird  sie  allmähUch 
deutlicher;  bei  Benutzung  des  electrischen  Funkens  endüch 
erreicht  sie  ihr  Maximum. 

In  einer  grossen  Versuchsreihe  fand  ich  die  Dauer  des 
secundären  Bildes  0.35 — 0.5  See,  also  um  etwas  länger 
als  Hess. 

c)  Einfluss  der  Beleuchtungsdauer  auf  das 

tertiäre  Bild. 
Das  tertiäre  Bild  ist  sowohl  bei  Beleuchtung  mit  dem 
electrischen   Funken   als   bei   Benutzung    des   Momentver* 


38  H.  P.  Bosscha. 

Schlusses  sehr  leicht  zu  sehen,  wird  jedoch  um  so  intensiver 
und  dauert  um  so  länger,  je  länger  die  Beleuchtungsdauer 
ist  Bei  Benutzung  des  electrischen  Funkens  wechselt  die 
Dauer  des  tertiären  Bildes  zwischen  2.5  und  4  See,  was 
wahrscheinlich  abhängt  von  Verschiedenheiten  in  Farbe  und 
Lichtstärke  des  Objectes  (die  vom  electrischen  Funken  be- 
leuchtete Papierscheibe). 

Dass  die  Dauer  des  tertiären  Bildes  von  diesen  Fac- 
toren  beeinflusst  wird,  zeigt  sich  aus  folgenden  mittelst 
eines  Momentverschlusses  bei  zwei  Lichtstärken  gefundenen 
Werthen : 

Blau     Roth    Grün  Violett  Gelb 
Lichtstärke     13        4        4        4        5 
„  16         4         5         5         5         6 

Dass  der  Einfluss  dieser  Factoren  jedoch  bei  weitem 
übertroffen  wird  von  dem  der  Beleuchtungsdauer  erhellt  aus 
folgenden  Ziffern: 

Beleuchtungsdauer:  0.02  0.25  0.5  1  2  3  4  See. 
Dauer  des  tert  Bildes:     5        6       7      9    11    12    14     „ 

Im  Vorhergehenden  besprach  ich  die  wichtigsten  Folgen 
der  Differenzen  der  Beleuchtungsdauer,  wenn  diese  inner- 
halb der  Grenzen  einer  momentanen  Beleuchtimg  bleibt 
Verlängerung  dieser  Dauer  macht  den  Vorgang  compUcirter. 

Ich  würde  ein  ganz  anderes  Gebiet  betreten,  wollte 
ich  diese  Vorgänge  näher  erörtern;  nur  sei  hier  erwähnt, 
dass  die  wichtigste  Erscheinung  bei  längerer  Beleuchtungs- 
dauer im  Auftreten  einer  subjectiven  Empfindung  besteht, 
welche  ich  zur  Unterscheidung  von  den  beschriebenen 
Phasen  das  „zusammengesetzte  Nachbild^^  nennen  will. 
Dieses  stimmt  überein  mit  dem,  was  Plateau  „l'image 
accidentelle  ou  negative"  nennt  (Seite  9). 

Versnobe  über  den  Binfluss  der  Umgebung. 

Auch  diese  Versuche  fanden  nach  der  oben  beschrie- 
benen einfachen  Methode  statt,  und  zwar  indem  auf  den 


Frim&re,  secundäre  tmd  terti&re  Netzhautbilder  etc.  39 

liiefaibten  Schirm  eine  anders  gefärbte  Fapierscheibe  ge- 
klebt wurde. 

Sowohl  auf  die  Farbe  des  primären  wie  auf  die  des 
secondären  Bildes  hat  die  Farbe  der  Umgebung  grossen 
EinfluBS.  Im  allgemeinen  besteht  dieser  Einfluss  in  einer 
Verdeutlichung  sowohl  des  primären  als  des  secundären 
Bildes  auf  einem  complementär  gefärbten  Grunde.  Jede 
andere  Farbe  ändert  die  Nuance  des  primären  und  secun- 
dären Bildes^  während  einige  Farben  das  secundäre  Bild 
migichtbar;  einige  andere  geradezu  schwarz  machen.  Letz- 
teres ist  aber  nur  der  Fall,  wenn  die  kleine  Scheibe  orange 
oder  roth  ist 

Diese  Wahrnehmungen  bestätigen  also  die  von  Aubert 
gemachte  Bemerkung:  „Interessant  ist  die  bedeutende  Wir- 
kung des  Contrastes^^ 

Venuohe  über  den  EinflusB  objeotiven  Liohtes  auf  die 
oonBeoataven  Netshautbilder. 

Um  zu  ermitteln,  welchen  Einfluss  die  gleichzeitige 
Wahrnehmung  objectiven  lichtes  auf  den  Vorgang  ausübt, 
beleuchtete  ich  das  Object  (einen  Schirm  aus  weissem  durch- 
sichtigem Papier)  von  rückwärts  mittelst  einer  schwach 
brennenden  Milchglaslampe.  Zwischen  Schirm  und  electn- 
sdiem  Funken  stellte  ich  eine  gefärbte  Glasplatte  auf,  wo- 
durch der  sonst  farblose  Schirm  im  Momente  des  Ueber- 
springens  des  Funkens  mit  beUebig  gefärbtem  Lichte  be- 
leuchtet wurde. 

Nach  einigen  Versuchen  gelang  es  mir,  dem  constanten 
lichte  die  richtige  Stärke  zu  geben,  um  eine  sehr  merk- 
würdige Erscheinung  zu  sehen.  Man  beobachtet  dann  nach 
dem  Ueberspringen  des  Funkens  das  primäre  Bild  wie  sonst, 
das  secundäre  Bild  etwas  weniger  deutUch  als  ohne  con- 
atante  Beleuchtung,  und  nachher  eine  Periode  totaler  Finster- 
niss,  welche  einige  Secunden  anhält  und  nach  Ablauf  deren 
das  conatante  licht  wieder  sichtbar  wird. 


40  H.  P.  Bosscha. 

Diese  Finstemiss-Periode  stimmt  offenbar  überein  mit 
dem  tertiären  Bilde  und  es  ereignet  sich  hierbei  also  die 
merkwürdige  Thatsache,  dass  licht  durch  licht  in  Finster- 
niss  umgewandelt  wird. 

Um  den  Vorgang  genau  zu  beobachten,  ist  es  noth- 
wendig;  den  Schirm  fortwährend  zu  fidren,  denn  schon  eine 
geringe  Augenbewegung,  bei  welcher  das  Bild  an  eine 
andere  Netzhautstelle  rückt,  genügt  zum  Wiedererscheinen 
des  Constanten  lichtes.  Durch  Uebung  gelingt  es  aber 
auch  dann  noch  das  constante  licht  unsichtbar  zu  machen, 
indem  man  wieder  genau  die  ursprüngliche  Stelle  fixirt 

Diese  eigenthümUche  Erscheinung  stimmt  mit  vielen 
bekannten  Vorgängen  überein,  welche  bisher  als  auf  einer 
Abschwächung  der  PerceptibiKtät  beruhend  aufgefasst  wur- 
den. In  Zusammenhang  mit  dem  oben  beschriebenen  Vor- 
gange jedoch  scheinen  sie  eine  weitere  Bedeutung  zu  gewinnen. 

Auf  demselben  Princip  beruht  auch  der  folgende  ein- 
fache Versuch:  Oefinet  man  bei  einer  Gaslampe  mit  Por- 
zellankappe und  Sicherheitshahn  den  gewöhnhchen  Hahn 
weit,  während  der  Sicherheitshahn  möglichst  geschlossen 
ist,  so  kann  man  dadurch,  dass  man  letzteren  rasch  öffiiet 
und  wieder  schliesst,  ein  kurzwährendes  helles  licht  dar- 
stellen, das  wieder  von  der  ursprünglichen  gedämpften  Be- 
leuchtung gefolgt  wird.  Unter  diesen  Umständen  nimmt 
man  etwas  ähnUches  wahr,  wie  bei  dem  oben  beschriebenen 
Vorgange:  während  einiger  Augenbhcke  nach  der  starken 
Beleuchtung  scheint  das  licht  gänzlich  ausgelöscht  zu  sein, 
imd  erst  nach  einigen  Secunden  wird  das  schwache  con- 
stante licht  wieder  sichtbar. 

Dieser  Vorgang  wird  gewöhnUch  erklärt  durch  Ab- 
schwächung der  Perceptibilität  Zweifellos  hat  diese  einen 
gewissen  Einfluss;  neben  diesem  passiven  Factor  jedoch 
wirkt  auch  ein  activer  mit;  es  erhellt  dies  aus  dem  Schwin- 
den der  subjectiven  Empfindung,  wenn  dieselbe  mit  der 
Wirkung  schwacher  objectiver  Beleuchtung  comcidirt 


Primftre,  secundftre  und  tertiäre  Netzhantbilder  etc.  41 

Prof.  Sn eilen  lenkte  meine  Aufinerksamkeit  auf  eine 
analoge  Erscheinung,  welche  ihm  bei  sehr  schwacher  Be- 
leucttung  aufgefallen  war.  Wenn  man  in  einem  vollkom- 
men dunkeln  Zimmer  das  Leuchten  eines  mit  Lichtferbe 
angestrichenen  Gegenstandes  beobachtet ,  so  scheint  dieser 
in  der  finstem  Umgebung  hellleuchtend.  Fixirt  man  ihn 
weiter,  so  schwindet  das  Licht  allmähhch,  bleibt  einige  Zeit 
fort  und  erscheint  dann  wieder  in  zuerst  geringer,  aber  nach  und 
nach  zunehmender  Stärke,  erreicht  endhch  die  ursprüngliche 
Helligkeit  und  behält  diese  einige  Zeit,  lun  dann  wiederum 
abzuklingen  und  so  abwechselnd  hell  und  dunkel  zu  werden. 

Dieser  Vorgang  ist  so  augenfälHg,  dass  anfangs  die 
Frage  gestellt  wurde,  ob  vielleicht  dem  phosphorescirenden 
Lichte  an  und  für  sich  diese  Eigenschaft  zukommt.  Weitere 
Versuche  ergaben  jedoch  bald,  dass  jede  sehr  schwache  und 
gleichmässige  Beleuchtung  die  gleiche  Erscheinung  hervor- 
ruft. Diese  Wahrnehmungen  scheinen  mir  interessant  zu 
sein,  als  beredte  Beispiele  der  selbstregenerirenden  Wirkung 
der  Netzhaut  (Hering),  während  sie  ausserdem  sich  be- 
sonders zur  Bestimmung  des  Einflusses  eignen,  welchen 
DiTick  und  Bewegung  auf  die  Retinalvorgänge  ausüben. 

Weiter  gehören  zu  diesem  Gebiete  die  bekannten  Nach- 
bilder, welche  auftreten,  wenn  man  während  einiger  Secun- 
den  eine  helle  Fläche  fixirt,  um  dann  ein  anders  gefärbtes 
Feld  anzusehen.  Man  erhält  so  ein  zusammengesetztes 
Nachbild,  bei  welchem  keine  Phasen  zu  unterscheiden  sind, 
wobei  aber  unter  gewissen  Umständen  derselbe  Wechsel 
zwischen  den  complementären  Farben  sowie  zwischen  Hell 
und  Dunkel  zu  beobachten  ist,  wie  bei  den  erwälmten  Ver- 
suchen mit  schwacher  Beleuchtung. 

Die  Folgen  der  directen  Einwirkung  sehr  intensiver 
Beleuchtung  (des  Fixirens  der  Sonne  z.  B.)  sind  wohl  als 
pathologische  Vorgänge  zu  betrachten,  welche  von  den  be- 
sprochenenen  physiologischen  Erscheinungen  scharf  zu 
trennen  sind. 


42    H.  P.  BoBScha.   Primftre,  secundare  und  tertiftre  Netzhautbilder  etc. 

S6hlti888ät8e. 

1)  Die  consecutiven  Netzhautbilder  treten  am  reinsten 
und  in  einfachster  Form  auf  bei  möglichst  kurzer  Beleuch- 
tung einer  umschriebenen  Netzhautstelle  unter  Ausschluss 
jeder  anderen  Lichteinwirkung. 

2)  Auch  bei  Beleuchtung  durch  den  electrischen  Funken 
findet  in  der  Nachbarschaft  des  Netzhautbildes  Contrast- 
wirkung  statt 

3)  Die  Perceptionsvorgänge  sind  um  so  deutlicher,  wenn 
bei  localem  Netzhautreiz  gleichzeitig  in  der  Umgebung  ein 
Contrastreiz  einwirkt 

4)  Das  Perceptionsbild  hat  in  seiner  einfachsten  Form 
drei  Phasen:  das  primäre  Bild,  welches  länger  dauert  als 
die  Beleuchtung  selbst;  das  secundäre  Bild,  welches  die 
Complementärfarbe  des  primären  hat  und  um  so  deutiicher 
ist,  je  kürzer  die  Beleuchtung  dauert;  das  tertiäre  Bild, 
welches  keine  bestimmbare  Farbe  hat  und  dessen  Dauer 
mit  der  der  Beleuchtung  zunimmt 

5)  Die  dritte  Phase  des  Netzhautbildes  kennzeichnet 
sich  durch  Abschwächung  der  Sensibilität  für  schwaches 
objectives  Licht,  durch  welches  sie  ausserdem  ausgelöscht 
wird. 

6)  Das  Nachbild  einer  langdauemden  gleichmässigen 
Beleuchtung  ist  ein  complicirter  Process,  zusammengesetzt 
aus  der  Accumulation  einer  Reihe  auf  einander  folgender 
momentaner  Lichtempfindungen. 


Untersnchim^eii  über  die 

bei  der  Syphilis  des  Centralnervensystems 

vorkommenden  Angenstömngen. 

Von 
Professor  W.  Uhthoff  in  Marburg. 

n.  (klinischer)  Theil. 
2.  Hälfte. 


7)  Motilitäts-  und  Sensibilitätsstörungen  im 
Bereiche  der  Augen  bei  100  Fällen  vonHirnsyphilis. 

Dass  die  Bewegungsnerven  und  der  sensible  Nerv  des 
Auges  bei  der  HimsyphiUs  unverhältnissmässig  oft,  nament- 
lich im  Vergleich  zu  den  hintern  Himnerven,  ergriffen 
werden,  ist  eine  allgemein  anerkannte  Thatsache,  und  brauche 
ich  nicht  erst  an  die  vielfachen  diesbezügUchen  Angaben 
von  Ricord,  Fournier,  Romberg,  v.  Graefe,  Alexan- 
der, Mauthner,  Rumpf  u.  v.  A.  zu  erinnern.  Auch 
unsere  Zusanmienstellung  aus  der  Literatur  im  I.  Theil 
hat  dies  zur  Evidenz  erwiesen  (s.  v.  Graefe 's  Archiv 
XXXTX.  1.  S.  180)  und  wir  werden  sehen,  wie  sich  diese 
Resultate  mit  den  jetzt  aufzuführenden  bei  unserer  eignen 
Beobachtungsreihe  weitgehend  decken,  wo  auf  100  Fälle 
von  HimsyphiUs  34  Oculomotorius-,  16  Abducens-,  5  Tro- 
dilearis-  und  14  Trigeminus-Affectionen  gefunden  wurden. 
Ich  glaube,  es  darf  uns  auch  nicht  verwundem,  wenn  sta- 


44  W.  ühthoff. 

tistische  Angaben  über  die  Häufigkeit  der  einzelnen  Angen- 
nervenlähmimgen  nach  syphilitischer  Infection,  ohne  be- 
sondere Berücksichtigung  etwaiger  kompUcirender  cerebraler 
Erscheinungen^  ein  ziemlich  analoges  Besultat  liefern.  Ich 
führe  hier  z.  B.  die  Angaben  von  Schubert  (1.  c.)  über 
47  syphihtische  Augenmuskelnerven-Lahmungen  an,  der  den 
nervus  Oculomotorius  27 mal,  den  Abducens  ISmal,  den 
Trochlearis  Imal  erkrankt  uad  6mal  Combinationen  ver- 
schiedener Augenmuskel -Lähmungen  fand. 

Durchweg  tritt  uns  beim  Studium  der  Literatur  des 
bezüghchen  Gegenstandes  die  Anschauung  entgegen,  dass 
die  Augenmuskel -Lähmungen  nach  syphiKtischer  Lifection 
erst  den  spätem  Stadien  angehören  und  meistens  erst  nach 
1 — 2  Jahren  in  die  Erscheinung  treten  (Poerster,  Alexan- 
der u.  A.).  Ln  Ganzen  und  Grossen  haben  diese  An- 
schauungen ihre  Berechtigung;  dass  aber  unter  Umständen 
schon  viel  fiüher  nach  der  syphiUtischen  Lifection  die 
Erkrankung  des  Centralnervensystems  und  damit  auch  die 
davon  abhängigen  Augenmuskel-Lähmungen  erfolgen  können, 
darauf  weisen  auch  verschiedene  unserer  Beobachtungen  hin 
und  von  einer  Keihe  von  Autoren  wird  dieser  Punkt  in 
der  Literatur  ganz  besonders  betont  (Naunyn,  Sängern.  A). 

Es  soll  jetzt  die  genauere  Analyse  unserer  eignen 
Beobachtungsreihe  in  Bezug  auf  die  einzelnen  Augen- 
nerven-Lähmungen folgen  unter  Berücksichtigung  nament- 
lich des  aus  der  Literatur  gesammelten  Sectionsmaterials. 
Gleichzeitig  sollen  die  sonstigen  compHcirenden  AflFectionen 
von  Seiten  der  andern  vordem  Himnerven  in  Betracht  ge- 
zogen werden,  aus  denen  sich  vielfach  werthvolle  diag- 
nostische und  difierentiell  diagnostische  Anhaltspunkte  er- 
geben. Es  würde  zu  weit  führen,  in  dieser  Arbeit  auch 
die  gleichzeitige  Erkrankung  der  hintern  Himnerven  ein- 
gehend zu  berücksichtigen,  die  ja  aber  auch  erfahrungs- 
gemäss  viel  seltener  in  Mitieidenschaft  gezogen  sind  bei 
Himsyphilis  als  die  vordem. 


Untenuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  4g 

Tabelle  über  die  Affection  der  motorischen  und 

sensiblen  Nerven  des  Auges  bei  100  Fällen 

von  Hirnsyphilis. 

A.  Oculomotorius-Affectionen 34mal 

1)  Doppelseitig 15mal 

2)  Einseitig  o&ne  gekreuzte  Kor- 
perlfthmung 15  mal 

3)  Einseitig  mit  gekrerozter  Körper- 
ifthmimg 4mal 

B.  Abducens-Affectionen 16mBl 

1)  Doppelseitige 11  mal 

2)  Einseitige  ohne  gekreuzte  Kör- 
periahmung 4mal 

3)  Einseitig  mit  gekreuzter  Körper- 
l&hmung Imal 

C.  Trochlearis-Affectionen 5mal 

1)  Doppelseitige Imal 

2)  Einseitige 4mal 

D.  Trigeminus-Affectionen 14mal 

(stets  einseitig). 

A.  Daten  über  die  Oculomotorius-Affectionen. 
Zunächst  zeigt  uns  auch  diese  tabellarische  Zusammen- 
stellung unserer  eignen  Seobachtungsreihe  in  Betreff  der 
Ocitlomotorius- Befunde  bei  Himsyphilis  in  vielen  Bezieh- 
ungen ganz  analoge  Yerhältnisse,  ^e  das  im  L  Theil 
(8.  V.  Graefe's  Archiv  XXXTX.  1.  p.  128)  aus  der  lite- 
rator  gesammelte  Sectionsmaterial  von  150  Fällen  von  Hirn- 
Syphilis  mit  Augenstörungen.  Auch  hier  ist  in  ungefähr  ein 
Drittel  der  Fälle  der  Oculomotorius  mitbetheiUgt,  und 
ebenso  ist  das  Yerhältniss  der  doppelseitigen  zier  ein- 
seitigen Oculomotoriuslähmung  ein  ganz  analoges,  beide 
irar^i  gleidi  häu£g,  und  ähnlich  stellte  sich  auch  die 
Häufigkeit  des  Vorkommens  der  einseitigen  Oculomotorius- 
lähmung mit  kontralateraler  Körperlähmung.  Die  letztere 
war  bei  den  aus  der  Literatur  zusammengestellten  Fällen 
etwas  häufiger  als  in  unserer  Beobachtungsreihe,  ein  üm- 
fllaady  der  sich,  wie  ich  glaube,  ungezwungen  daraus  erklärt, 


46  W.  ühtlioff. 

dass  derartigen  Fällen,  seitdem  Nothnagel  besonders 
darauf  hingewiesen  hatte,  eine  speciellere  Aufinerksamkeit 
geschenkt  wurde.  Auf  das  Gesammt-Material  also  über- 
tragen würde  das  gefundene  Besultat  lauten:  Bei  259  Fallen 
von  Himsyphilis  war  90  Mal  der  Oculomotorius  afficirt, 
hiervon  war  16  Mal  die  Oculomotorius-Lähmung  einseitig 
mit  gekreuzter  Körperlähmung,  in  den  übrigen  74  Fällen 
war  die  doppelseitige  und  die  einseitige  Oculomotorius* 
Affection  gleich  häufig  vertreten  (je  37  Mal). 

1.  Was  nun  in  erster  Linie  die  doppelseitige  Ocu- 
lomotorius-LäJitnung  des  Genaueren  angeht,  so  ist  die- 
selbe auf  dem  Gebiete  der  HimsyphiUs  so  häufig,  wie  bei 
keiner  andern  intracraniellen  Erkrankung,  sie  findet  sich 
auf  Grundlage  unserer  Beobachtungsreihe  in  ca.  15  ^/^  aller 
Fälle.  Sie  war  durchweg  durch  einen  basalen  syphiUtischen 
Process  bedingt,  denn  in  11  von  diesen  15  Fällen  wurde 
die  Diagnose  auf  einen  solchen  mit  Sicherheit  gestellt  und 
5  Mal  konnte  dieselbe  auch  durch  die  Autopsie  erhärtet 
werden.  Durchweg  ist  der  interpedunculäre  Baum,  gelegent- 
hch  auch  ein  Himschenkel  als  Ausgangspunkt  für  die 
doppelseitige  Oculomotorius-Afiection  anzusehen,  das  zeigen 
uns  die  5  einschlägigen  Sectionen  unserer  Beobachtungs- 
reihe imd  ebenso  die  22  Sectionen  der  Art  in  der  Literatur 
(s.  V.  Graefe's  Archiv  XXXIX.  1.  p.  125  u.  146).  Auch 
in  den  nicht  zur  Section  gekommenen  Fallen  unserer  Beob- 
achtungsreihe sprechen  eine  Beihe  von  gewichtigen  Factoren 
für  diese  Thatsachen.  So  lag  in  6  dieser  15  Fälle  von 
doppelseitiger  Oculomotorius-Lähmung  halbseitige  und  in  2 
Fällen  doppelseitige  Körperparese  vor,  was  auf  eine  Mit- 
afiection  der  Himschenkel  deutete  und  damit  nicht  nur  auf 
den  basalen  Ursprung,  sondern  gleichzeitig  auf  die  Austritts- 
stelle der  Oculomotorii  zwischen  den  Himschenkeln  hinwies. — 
Homonyme  Hemianopsie,  beruhend  auf  Tractus-Affection  an 
der  Himbasis,  compUcirte  sich  2  mal  mit  der  doppelseitigen 
Oculomotorius-Lähmung,   indem  offenbar  der  syphihtische 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   11.  47 

Frocess  in  der  Gegend  der  Austrittsstelle  der  Oculomotorii  auf 
den  einen  benachbarten  Tractus  übergegriffen  hatte,  das  eine 
Mal  mit  gleichzeitiger  Affection  eines  Himschenkels,   das 
andere  Mal  ohne  eine  solche.   Unser  Fall  XTTT  zeigt  jedoch, 
dass  die  homonyme  Hemianopsie  auch  durch  weiter  central 
gelegene  Processe  (Erweichung  einer  Hemisphäre)  bedingt 
sein  kann,    während   die   Oculomotorius- Stämme    an   der 
Basis  des  Gehirn  isolirt  pathologisch  verändert  sind.     Es 
fehlten  hier  allerdings  Funktionsstörungen  im  Bereich  der 
Oculomotorii   intra  vitam,   und  ich  möchte  glauben,   dass 
eine  solche   gleichsam  ganz  unabhängige  Affection  beider 
Oculomotorius-Stämme  an  der  Basis,  und  das  gleichzeitige 
Auftreten    einer    ganz    getrennt    davon    central   bedingten 
homonymen  Hemianopsie  als  ein  seltenes  Yorkonmien  an- 
zusehen ist;  in  unserer  Gesammtreihe  von  250  Fällen  konnte 
das  nur  1  mal  mit  Sicherheit  nachgewiesen  werden.   Es  hegt 
also  immer  am  nächsten  bei  doppelseitiger  Oculomotorius- 
Lahmung  aus  basaler  Ursache  bei  Himsyphilis  eine  gleich- 
zeitige homonjrme  Hemianopsie  ebenfalls  auf  eine  weitere 
Ausdehnung  desselben  basalen  Frocesses  zurück  zu  führen. 
Auch  die  temporale  Hemianopsie,  ein  sicheres  Zeichen 
einer    basalen    Chiasma-Erkrankung,     fand     sich     2  mal 
complicirt  mit  doppelseitiger  Oculomotorius-Lähmung.    Der 
Process  war  in  beiden  Fällen  an  der  Himbasis  ein  recht 
ausgedehnter  und  hatte  offenbar  an  verschiedenen  Stellen 
die  einzelnen  basalen  Himtheile  in  verschiedener  Intensität 
geschädigt     Es  ist  nicht  gut  angängig,  dass  eine  syphiU- 
tische  Neubildung  im  interpedunculären  Baum  durch  ein- 
faches Wachsthum  nach  vom  direct  eine  doppelseitige  tem- 
porale Hemianopsie  hervorruft,  es  müsste  eher  eine  homo- 
nyme   Tractus- Hemianopsie    zu    Stande    kommen.     Diese 
Combination  von  temporaler  Hemianopsie  mit  doppelseitiger 
Oculomotorius-Lähmung  ist  in  den   150   Sectionsbefonden 
aus  der  Literatur  nicht  aufzufinden,   vielleicht  aber  auch 
übersehen  worden. 


46  W.  ühihoff. 

Je  5  von  den  15  Fällen  doppelseitiger  Ocolomotoriiis- 
Lähmimg  legte  noch  die  Complication  mit  Tiähmnng  aadeier 
Augenmuskel-Nerven  den  basalen  Sitz  der  Läsion  nahe  und 
ebenso  in  6  Fällen  ein  positiver  pathologischer  Augenspiegel- 
befimd  an  den  Papillen  (5  mal  atrophische  Abblassung  der 
Papillen  und  Imal  Neuritis  optica).  Die  Optici  resp. 
Ohiasma  und  Tractus  an  der  Basis  cranii  waren  also  im 
Ganzen  in  fast  der  Hälfte  der  FäUe  ^eichzeitig  miter- 
griffen, der  Abdnoens  4  mal  (darunter  3  mal  doppelseitig), 
der  Trochlearis  8 mal  (darunter  Imal  doppelseitig),  der 
Trigeminus  Imal,  der  Facialis  3 mal,  der  Olfactorius  Imal 
(doppelseitig). 

Es  ist  instructiv  mit  diesem  Untersuchungsorgebniss 
bei  unsem  15  Fällen  die  einschlägigen  Daten  der  aus  der 
Literatur  zusammengestellten  22  Beobachtungen  von  d<^pel- 
seitiger  Oculomotorius-Lähmung  bei  Himsyphilis  mitSections- 
befimd  zu  vergleichen.  Bei  diesen  22  Kranken  waren  die 
optischen  Bahnen  peripher  und  an  der  Basis  des  Ge- 
hirns 3  mal  betheiligt  und  zwar  stets  doppelseitig,  der 
Abducens  7  mal  (davon  2  mal  doppelseitig),  der  Troch- 
learis 3  mal  (davon  Imal  doppelseitig),  der  Trigeminus  3  mal, 
der  Olfactorius  2  mal  (doppelseitig),  der  Facialis  6 mal 
(davon  1  mal  doppelseitig).  Wir  entnehmen  somit  aus  diesem 
Vergleich,  dass  bei  HimsyphiUs  die  doppelseitige  Oculomo- 
torius- Affection  sehr  oft  comphcirt  ist  mit  Läsion  der  vordem 
basalen  Himnerven  und  zwar  sind  die  basalen  optischen 
Leitungsbahnen  resp.  die  Nervi  optici  am  häufigsten  be- 
troffen (14  mal  von  37  Fällen),  gewöhnlich  auch  mit  patho- 
logischen -  ophtalmoskopischen  Veränderungen,  in  zweiter 
Linie  der  Abducens  (11  mal  und  hiervon  5 mal  doppelseitig), 
in  dritter  Linie  der  Trochlearis  (6  mal,  2  mal  hiervon  dc^pel- 
seitig),  in  vierter  Linie  der  Trigeminus  (4  mal,  stets  einseitig), 
in  fünfter  Linie  der  Olfactorius  (3  mal,  stets  doppelseitig). 
Hieran  schUesst  sick  sodann  die  Complication  der  Facialis- 
Affection  (9  mal,  davon  1  mal  doppelseitig),  jedoch  ist  hier- 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  49 

bei  zu  bemerken,  dass  Facialis -Parese  in  der  Begel  nur 
die  Mundzweige  betraf  und  offenbar  nicht  basal  bedingt 
war.  Die  letzten  5  Himnerven  waren  bei  der  doppelseitigen 
Ocolomotorius-Parese  selten  in  Mitleidenschaft  gezogen. 

Es  drängt  sich  nach  Feststellung  dieser  Thatsachen 
naturgemäss  noch  die  Frage  auf,  wie  verhielt  es  sich  nun 
genauer  mit  demjenigen  Fällen,  welche  die  doppelseitige 
Oculomotorius- Lähmung  ohne  wesentliche  CompUcationen 
Ton  Seiten  anderer  basaler  Himtheile  (also  ohne  sonstige 
Affectionen  basaler  Himnerven,  hemiplegischen  Erscheinungen 
IL  s.  w.)  boten,  und  die  als  die  Ausnahmen  den  andern 
gegenüber  zu  bezeichnen  sind.  In  unserer  Beobachtungs- 
reihe sind  es  3  Falle;  in  dem  einen  konnte  die  Diagnose  auf 
basalen  syphilitischen  Process  gestellt  werden,  in  den  beiden 
andern  war  es  nicht  möglich  den  cerebralen  Process  genauer 
zu  locaUsiren.     Zur  Section  kam  keiner  dieser  Fälle. 

Von  den  22  Sectionsfällen  von  doppelseitiger  Oculo- 
motorins-Parese  bei  Himlues  aus  der  Literatur  sind  eigent- 
lich nur  3  zu  verzeichnen,  in  denen  die  doppelseitige  Ocu- 
lomotorius-Affection  die  einzigste  Himnerven-Erkrankung 
an  der  Basis  cranii  war,  es  sind  dies  die  Fälle  von  Biggs, 
Ormerod  und  Thomsen.  Li  den  beiden  ersteren  handelte 
es  sich  anatomisch  um  directe  partielle  gummöse  Degene- 
ration der  Oculomotorius-Stämme  selbst,  und  in  dem  letzten 
um  eine  Wucherung  zwischen  den  beiden  austretenden 
Nerven  im  interpedunculären  Baum.  Der  Fall  von  Schott 
gehört  hier  insofern  nicht  her,  als  hier  die  doppelseitige 
partielle  Oculomotorius- Lähmung  auf  direkten  gummösen 
Mnskelaffectionen  beruhte  und  in  dem  Fall  von  Greiff  wai* 
auch  noch  das  Chiasma  mitbetheiUgt,  wenn  auch  keine 
weitem  directen  Functionsstörungen  angegeben  werden. 
Auch  die  sonstigen  Mittheilungen  aus  der  Literatur  ohne 
Sectionsbefund  sprechen  für  die  grosse  Seltenheit  der  doppel- 
seitigen Oculomotorius- Affection  bei  Himsyphilis  ohne  andere 
basale  Functionsstörungen  im  Bereich  der  Himnerven,  wohl 

T.  GtMfe'B  ArchlT  fOr  Ophthalmologie.  XL.  1.  4 


50  W.  ühthoff. 

aber  mit  sonstigen  cerebralen  Beschwerden.  Ich  erwähne 
hier  noch  einmal,  dass  ich  die  Fälle  von  isolirten  Nucleär* 
Lähmungen  der  Augenmuskeln  auf  Grundlage  von  Syphilis 
(Hutchinson)  ohne  anderweitige  cerebrale  Erscheinungen 
hier  nicht  in  Betracht  ziehe.  Aber  ich  möchte  glauben, 
dass  eine  doppelseitige  totale  Oculomotorius-Lähmung  bei 
Syphilis,  auch  wenn  zur  Zeit  der  Beobachtung  anderweitige 
Gehimerscheinungen  fehlen,  wohl  selir  selten  als  eine 
nucleäre  aufzufassen  ist,  sondern  fast  immer  auf  basalen 
Processen  (directe  gummöse  Degeneration  der  Oculomotorius- 
Stämme,  syphiUtische  Wucherung  zwischen  den  Nerven  im 
interpedunculären  Raum  u.  s.  w.)  beruht. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  der  Frage  von  den  durch 
die  doppelseitige  Oculomotorius-Affection  bei  HimsyphiUs 
gesetzten  Functionsstörungen  intra  vitam,  so  dürften  folgende 
Punkte  unser  besonderes  Interesse  verdienen. 

Zunächst  ist  in  unserer  Untersuchungsreihe  Fall  XIV 
(Oppenheim)  hervorzuheben,  wo  bei  einer  ausgesprochenen 
anatomischen  Laesion  beider  Opticus-Stämme  die  Functions- 
störung  nur  in  massiger  doppelseitiger  Ptosis  und  einsei- 
tiger Erweiterung  der  Pupille  bestand,  während  die  übrigen 
Zweige  des  Oculomotorius  noch  im  Wesentlichen  gut  functio- 
nirten.  Ebenso  sind  in  dem  Kahler 'sehen  Fall  (s.  v,  Graefe's 
Archiv  XXXIX.  1.  p.  133)  nur  beide  Levatores  papebr. 
sup.  (Andeutung  doppelseitiger  Ptosis)  und  Lähmung  beider 
Recti  intemi  botroflFen,  trotzdem  die  Oculomotorii  in  ihrem 
Ui-sprungstheil  grau,  verdickt  und  härtlich  anzufühlen  waren. 
Auch  Virchow  berichtet  in  seinem  Fall  (s.  v.  Graefe's 
Archiv  XXXIX.  1,  p.  128)  nur  über  doppelseitige  Ptosis 
mit  einseitiger  Pupillenerweiterung,  trotzdem  die  beiden 
Oculomotorii  in  eine  hellgraue,  derbe,  gallertartige  Masse 
eingebettet  waren,  und  auch  die  beiden  Nervenstämme 
selbst  sich  hochgradig  verändert  zeigten. 

In  zweiter  Linie  führe  ich  unsem  Fall  I  an,  wo  bei 
ausgesprochener    gummöser    Wucherung    zwischen    beiden 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  ete.   II.  51 

Oculomotorius-Stämmen  im  interpedunculären  Raum  an- 
fangs m  erster  Linie  die  Auf-  und  Abwärtsbewegungen 
der  Augen  betroffen  waren,  während  die  seitlichen  Bewe- 
gungen sich  Tiel  weniger  geschädigt  zeigten.  —  Sehr  auf- 
fallend zeigt  eine  solche  isolirte  Parese  des  Blickes  nach 
()l)en  jener  bemerkenswerthe  und  viel  citirte  Fall  von 
Thomsen  (s.  v.  Graefe's  Archiv  XXXIX.  1.  p.  133),  wo 
eine  gummöse  Wucherung  zwischen  den  Himschenkeln 
gerade  an  der  Austrittsstelle  der  Oculomotorii  mit  partieller 
Degeneration  der  Oculomotorius- Stämme  selbst  sich  fand. 
Und  in  mancher  Beziehung  analog  ist  die  Beobachtung 
von  Ormerod  (s.  v.  Graefe's  Archiv  XXXIX.  1.  p.  132), 
wo  beiderseits  die  Augen  nach  unten  abgelenkt  waren  bei 
fast  völligem  Verlust  der  Beweglichkeit  nach  oben  nebst 
linksseitiger  Ptosis,  während  die  übrigen  Aeste  relativ  frei 
geblieben  waren;  und  doch  handelte  es  sich  auch  hier  um 
eine  doppelseitige  ausgesprochene  gummöse  Anschwellung 
der  Nervenstämme  an  der  Basis  bald  nach  ihrem  Austritt 
aus  dem  Gehirn.  Derartige  Fälle  zeigen,  dass  auch  bei 
basaler  doppelseitiger  Oculomotorius-Läsion  eigenthümliche, 
ganz  partielle  symmetrische  Lähmungen  einzelner  Aeste  vor- 
kommen können,  welche  auf  den  ersten  Blick  als  assocürte 
oder  auch  als  nucleäre  Lähmungen  imponiren.  Thomsen 
sowohl  als  Ormerod  weisen  auf  diesen  Punkt  schon  in 
ihren  Mittheilungen  hin  und  letzterer  fuhrt  ungefähr  fol- 
gendes im  Anschluss  an  seinen  Fall  aus:  „Besonders  inter- 
essant ist  zunächst  die  doppelseitige  Läsion  des  Oculomo- 
torius mit  Verlust  der  Aufwäi-tsbewegung  in  erster  Linie. 
Vielleicht  dass  die  Fasern,  welche  zum  Levator  palpebrae 
und  Rectus  superior  gehen,  peripher  im  Stamme  liegen, 
aber  dies  ist  nur  eine  Voraussetzung  und  seltsam  bleibt  es, 
dass  in  der  grössten  Verdickung  nur  relativ  wenig  Nerven- 
fasern erhalten  sind."  Aber  besser  sei  es  vielleicht, 
meint  Ormerod,  statt  diese  Fasern  zum  Levator  palpebrae 
und  Rectus  superior  als  peripher   im  Nervenstamme  gele- 

4* 


52  W.  ühthoff. 

gene  anzunehmen,  auf  die  Analogieen  bei  Lahmungen 
anderer  Organe  z.  B.  des  Larynx  zurückzukommen.  Felix 
Semon  (Archives  of  Laryngology  VoL  11  No.  3)  führe 
aus,  dass,  ob  nun  der  Sitz  der  A£Fection  central  oder 
peripher  sei,  die  Abductor-Fasem  des  Nervus  laryngeus 
recurrens  vorzugsweise  afficirt  würden.  —  Und  Dr.  Ferrier 
(Brain  VoL  IV  p.  311  „The  localisation  of  atrophic  para- 
lyses.^^)  nähme  im  Allgemeinen  an,  dass  die  Extensor-  und 
Abductor  -  Nerven  und  Muskel  weniger  vitale  Resistenz 
hätten  und  früher  erschöpft  würden  als  die  Flexoren,  und 
dass  eine  allgemein  schwächende  Ursache  zuerst  bei  den 
Extensoren  wirksam  werde.  Jedenfalls  zeige  der  mitge- 
theilte  Fall,  dass  eine  läsion  des  m.  Nervenstammes  so 
vollständig,  dass  nur  sehr  wenig  Nervenfasern  sichtbar  ge- 
blieben sind,  ihren  Ausdruck  finden  könne  in  Form  einer 
Lähmung  der  Aufwärtsbewegung  der  Augen  und  einer  in- 
completen  Ptosis.  —  Erwähnen  will  ich  hier  auch  noch 
einen  Fall  von  v.Pfungen  („Ueber  topische  Begründung  der 
Bewegungsstörungen  in  den  Augenmuskeln  bei  Meningitis," 
Wien.  med.  Blatt  1883  Nr.  8  —  11),  wo  bei  Meningitis 
basilaris  luetica,  altemirende  Parese  der  Intemi  mit  vorüber- 
gehendem Nystagmus  beobachtet  vnffde,  Erscheinungen, 
welche  v.  Pfungen  durch  die  Annahme  wechselnder 
Fluxionen  und  Anämieen,  Stasen  und  Hydropsieen,  bewirkt 
durch  die  schwankende  Blutfülle  und  Transsudation  in  ein 
gangUöses  Organ  von  Seiten  der  aus  der  entzündeten 
Membran  entspringenden  Gefässe  erklärt 

Drittens  möchte  ich  noch  unserm  Fall  XIH  anfuhren, 
wo  bei  ausgesprochenen  anatomischen  Veränderungen  der 
Oculomotorius- Stämme  intra  vitam  eine  Functionsstörung 
nicht  nachgewiesen  werden  konnte,  und  hierher  scheint 
auch  der  Fall  von  Baumgarten  (s.  v.  Graefe's  Archiv 
XXXIX.  1.  p.  131)  zu  gehören,  wo  angebUch  keine  Func- 
tionsstörung im  Bereich  der  Oculomotorii  bestand,  trotzdem 
beide  Oculomotorii  an  der  Himbasis  mit  traubig  knotigen 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  53 

gelblichen  Geschwülstchen  dicht  besetzt  waren  bei  gleich- 
zeitiger ausgesprochener  partieller  Entartung  der  Nerven- 
stamme selbst 

In  vierter  Linie  erscheint  mir  noch  abweichend  von 
dem  gewöhnlichen  Verhalten  bei  zwei  von  unsem  Fällen, 
dass  in  dem  einen  die  doppelseitige  Oculomotorius-Bethei- 
figmig  unter  dem  Bilde  der  isolirten  Ophthalmoplegia  interna 
hervortrat,  und  bei  dem  andern  auf  dem  einen  Auge  nur 
die  äussern  Augenmuskel  betroffen  waren,  während  auf 
dem  zweiten  sowohl  äussere  als  innere  Augenmuskulatur 
befallen  war.  In  beiden  Fällen  bestanden  sonstige  ausge- 
sprochene cerebrale  Symptome,  jedoch  konnte  der  intra- 
cranielle  Process  nicht  mit  Sicherheit  seiner  Ijocalisation 
und  Natur  nach  bestinunt  werden. 

2.  Die  einseitige  Octdomotoritis-Äffection  ohne  gekreuzte 
Körperlähmung. 
Auch  bei  dieser  Gruppe  der  einseitigen  Oculomotorius- 
Affectionen  ohne  gekreuzte  Köiperlähmung  in  unserer  ße- 
obachtungsreihe  von  Bümsyphilis-Fällen  muss  unter  Berück- 
sichtigung aller  einschlägigen  Momente  in  fast  '/^  der  Fälle 
die  Diagnose  auf  einen  basalen  syphilitischen  Process  als 
Üraache  für  die  Lähmung  gestellt  werden,  freilich  bot  sich 
hier  nur  1  mal  Gelegenheit  die  Diagnose  durch  die  Sektion 
zu  kontrolliren.  In  dem  letzten  Viertel  der  einschlägigen 
VäHe  war  es  nur  angängig  einen  intracraniellen  syphiliti- 
schen Process  festzustellen,  ohne  jedoch  über  Sitz  imd 
Natur  desselben  etwas  Genaueres  sicher  aussagen  zu 
können.  Ein  Vergleich  dieses  Resultates  mit  den  ge- 
sammelten Sectionsf allen  aus  der  Literatur  (s.  v.  Graefe's 
Archiv  XXXIX.  1.  p.  148)  ergibt  auch  hier  ziemlich  ana- 
loge Daten.  Es  überwiegt  auch  bei  diesen  22  Fällen  wesent- 
lich die  einseitige  Oculomotorius-Lähmung  aus  basaler  Ur- 
sache, sei  es,  dass  es  sich  um  basale  syphilitische  Wuche- 
rungen in  der  Umgebung  des  Nerven  handelt,  sei  es,  dass 


54  W.  ühthoff. 

eine  mehr  selbstständige  basale  gummöse  Degeneration  des 
Oculomotorius-Stammes  selbst  vorlag.  Nur  bei  der  Minder- 
heit der  Fälle  kamen  Thrombosen,  Erweichungen  und  eigent- 
liche Gummi-Geschwülste  in  den  nicht  basalen  Himtheilen 
in  Betracht. 

Des  Weitem  weisen  die  Complicationen  der  einsei- 
tigen Oculomotorius-Lähmung  sowohl  bei  unserer  Beobach- 
tungsreihe als  auch  bei  den  Sectionsf  allen  aus  der  Literatur 
von  vornherein  schon  intra  vitam  auf  den  vorwiegend  ba- 
salen Sitz  der  syphilitischen  Erkrankung  in  der  grossen 
Mehrzahl  der  Fälle  hin.  So  finden  sich  bei  unseren  15 
Fällen  8 mal  der  Opticus  resp.  die  basalen  optischen  Lei- 
tungsbahnen in  Mitleidenschaft  gezogen  und  zwar  in  einer 
Form,  welche  ohne  Weiteres  auf  einen  basalen  Sitz  der 
complicirenden  Opticus -Erkrankung  hinweist;  Imal  als 
doppelseitige  homonyme  Hemianopsie  in  Folge  von  Tractus- 
Affection  mit  Uebergreifen  aufs  Chiasma,  Imal  durch 
partielle  homonyme  Hemianopsie  in  Folge  von  Tractus-Er- 
krankung  (Fall  XXIT),  Imal  temporale  Hemianopsie  (Fall 
XXIV),  2  mal  retrobulbäre  Neuritis  und  3  mal  deutliche 
partielle  atrophische  Verfärbung  der  Papillen,  welche  eben- 
falls auf  einen  basalen  Sitz  der  Opticus-Läsion  hinwies. 

In  zweiter  Linie  liegt  hier  noch  ziemUch  häufig  gleich- 
zeitig Abducensparese  vor,  5 mal  (also  ^'3  der  Fälle; 
4 mal  einseitig,  Imal  doppelseitig).  Bei  der  doppelsei- 
tigen Oculomotorius-Lähmung  war  die  gleichzeitige  Ab- 
ducens-Affection  ungefähr  in  demselben  Procentsatz  vor- 
handen, jedoch  häufiger  ebenfalls  doppelseitig. 

Die  Trochlearis-Parese  wurde  2  r  .il  beobachtet,  ein- 
seitig, und  nach  dem  ganzen  Verlauf  auch  offenbar  auf 
basaler  Ursache  bemhend.  Die  Trigeminus-Affection  war 
in  2  Fällen  einseitig  vorhanden,  ebenfalls  basal  bedingt. 
Der  Facialis  war  2 mal,  der  Acusticus  Imal  und  der 
Olfactorius  gar  nicht  betroffen. 

Bei  den  22  Sectionsfällen  aus  der  Literatur  (einseitige 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  55 

Oculomotorius-Parese  ohne  gekreuzte  Körperlähmung)  ver- 
hält es  sich  in  Bezug  auf  Coznplicationen  mit  Anomalieen 
der  andern  vordem  Himnerven  ähnlich  und  deutet  auch 
hier  die  ganze  Gruppirung  der  Erscheinungen  schon  viel- 
iach  von  vom  herein  auf  basalen  Sitz.  9  mal  waren  hier 
die  Optici  resp.  die  basalen  optischen  Leitungsbahnen  mit- 
betroffen, der  Abducens  3  mal,  der  Trigeminus  5  mal  (da- 
runter Imal  doppelseitig),  der  Facialis  4  mal,  der  Olfac- 
torius  imd  Acusticus  je  Imal.  Im  Ganzen  zeigte  sich 
bei  diesen  22  Fällen  der  Oculomotorius  8  mal  isolirt  be- 
troffen, d.  h.  ohne  sonstige  Affection  anderer  basaler  Him- 
nerven. Somit  ergiebt  sich,  dass  Alles  in  Allem  in  37 
Fällen  von  einseitiger  Oculomotorius-Lähmung  bei  Him- 
STphilis  ohne  gekreuzte  Körperlähmung,  25  mal  die  Com- 
plication  mit  Lähmungserscheinungen  im  Bereich  anderer 
Himnerven  vorliegt,  also  nur  in  ca.  ^/^  der  Fälle  ist  bei 
HimsyphiUs  die  einseitige  Oculomotorius-Affection  die  ein- 
zige basale  Bümnervenläsion,  während  sie  in  */3  mit  andern 
complicirt  auflriti  Wir  haben  gesehen,  dass  bei  der 
doppelseitigen  Oculomotorius-Lähmung  in  Folge  von  Him- 
syphiUs, die  erstere  noch  erhebhch  seltener  die  einzigste 
basale  Himnervenaffection  war  (6  mal  von  37  Fällen),  es 
lag  hier  noch  häufiger  die  CompUcaüon  mit  Functions- 
störungen  im  Bereich  anderer  Himnerven  vor. 

Bei  einer  genauem  Analyse  der  Functionsstörungeu 
in  diesen  15  Fällen  einseitiger  Oculomotorius-Affection  sind 
folgende  Punkte  hervoi*zuheben:  In  etwas  über  der  Hälfte 
der  Fälle  sind  alle  Aeste  des  Oculomotorius  betroffen, 
jedoch  blieb  bei  einem  Kranken  nur  der  Sphincter  pupillae 
intakt,  während  die  Accommodation  noch  mit  afficirt  war, 
und  bei  einem  andem  Patienten  blieb  lediglich  der  Levator 
palpebrae  verschont  Es  war  in  beiden  Fällen  nicht  mög- 
lich eine  bestimmte  Diagnose  in  Bezug  auf  Sitz  und  Natur 
des  sicher  vorhandenen  intracraniellen  syphilitischen  Pro- 
cesses  zu  stellen.   Li  den  andem  Fällen  von  Ocnlomotorius- 


56  W.  ühthoff. 

Lahmung  in  allen  Zweigen  war  der  Process  als  ein  basaler 
anzunehmen.  Aber  auch  bei  den  übrigen  Eimiken  mit  nur 
partieller  einseitiger  Oculomotorius- Parese  musste  noch 
4  mal  der  intracranielle  Process  als  ein  basaler  angenommen 
werden,  und  man  sieht  somit  auch  hier,  dass  bei  ausge- 
sprochener basaler  Himsyphilis  in  einer  Anzahl  der  Fälle 
der  Oculomotorius  doch  nur  ganz  partiell  befallen  wird.  So 
führte  auch  hier,  wie  wir  das  schon  bei  der  doppelseitigen 
Oculomotorius -Lähmung  sahen,  in  1  Fall  basale  Himlues 
zu  ganz  isolirter  mittlerer  Ptosis,  in  den  andern  Fällen 
war  allerdings  immer  noch  der  eine  oder  der  andere  Ast 
mit  ergriflfen  (s.  Tabelle.)  In  2  Fällen  bestand  neben  den 
cerebralen  Erscheinungen  die  Oculomotorius- Affection  in 
isolirter  Ophthalraoplegia  interna,  1  mal  konnte  das  intra- 
cranielle syphilitische  Leiden  nicht  mit  aller  Bestimmtheit 
locaUsirt  werden.  In  dem  zweiten  Fall  (Nr.  XXIV)  handelte 
es  sich  um  basale  Chiasma-Erkrankimg  mit  temporaler  He- 
mianopsie, jedoch  wardie  Ophthalmoplegia  interna  dieser  Affec- 
tion schon  voraufgegangen  und  zur  Zeit  der  Sehstörung  rück- 
gängig geworden.  Es  dürfte  demnach  wohl  nicht  berech- 
tigt erscheinen,  dieselbe  auf  den  basalen  Process  zu  beziehen. 
Bei  einem  Vergleich  der  Functionsstörung  bei  den  ent- 
sprechenden 22  Fällen  aus  der  Literatur  hiermit,  muss  es 
zunächst  auffallen,  dass  hier  in  fast  ^/g  der  Fälle  (7  mal) 
von  isohrter  Ptosis  die  Rede  ist  Es  scheint,  als  ob  es 
sich  in  2  Fällen  (Virchow,  Duncan)  auch  hier  um  eine 
isoUrte  Ptosis  bei  basaler  Beeinträchtigung  des  Oculomo- 
torius-Stammes  gehandelt  hat  Bei  13  von  diesen  Kranken 
scheint  es  sich  um  eine  Affection  aller  Oculomotorius- Aeste 
gehandelt  zu  haben,  so  weit  dies  mit  Sicherheit  aus  den 
Angaben  zu  entnehmen  und  hierbei  liess  sich  5  mal  eine 
directe  gummöse  Degeneration  des  Oculomotorius ,  2  mal 
basale  Einbettung,  2  mal  (als  Ursache  [?])  Arterienerkran- 
kung, Imal  Erweichung  und  Atrophie  des  Nerven  an  der 
Basis,  und  Imal  Druck  an  der  Basis  durch  entfernt  von 


Untersnchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   IL  57 

der  Basis  sitzenden  Tumoren  nachweisen.  Der  letztere 
IUI  von  H.  Power  (1.  c.)  auf  den  schon  Mauthner  be- 
sonders aufinerksam  gemacht,  zeigt,  dass  gelegentlich  auch 
einmal  der  Oculomotorius  durch  Druck  an  der  Himbasis 
bei  entfernt  sitzenden  sjTphilitischen  Neubildungen  in  den 
Grosshimhemisphären  und  bei  relativ  normalem  Verhalten 
des  Xervenstammes  betroffen  werden  kann,  ganz  ähnlich 
wie  das  sonst  vereinzelt  beim  Hirntumor  beobachtet  wird. 

In  2  Fällen  war  ein  sicherer  Gnind  fiir  die  Oculomo- 
torius-Affection  nicht  aus  dem  Secüonsprotocoll  zu  entnehmen. 

In  einem  Fall  von  ausgesprochener  blassgrauer  Ver- 
färbung des  Oculomotorius -Stammes  an  der  Basis  wird 
nichts  von  einer  Functionsstörung  angegeben. 

Pupillenerweiterung  und  Ptosis  ist  Imal  aufgeführt, 
ohne  dass  die  Section  einen  sichern  EinbUck  gewährte. 

In  diesen  22  Fällen  war  also  eine  ganz  partielle  Läsion 
des  Ocidomotorius  selten,  abgesehen  von  dem  relativ  häu- 
figen Vorkommen  isolirter  Ptosis,  jedoch  kann  man  sich 
in  den  letztem  Fällen  bei  genauerer  Prüfung  der  Ansicht 
nicht  verschüessen,  dass  hier  wohl  zum  Theil  die  Functions- 
prüfung  intra  vitam,  zumal  bei  den  altem  Beobachtungen, 
nicht  immer  genau  genug  vorgenommen  worden  ist,  und 
dass  gelegentlich  neben  der  Ptosis  Störungen  in  andern 
Aesten  des  Nerven  übersehen  worden  sind. 

Im  Anschluss  an  diese  Mittheilungen  über  einseitige 
Oculomotorius-Lähmung  ohne  gekreuzte  Körperlähmung  sei 
hier  noch  1  Fall  mitgetheilt,  der  wegen  seiner  Complication 
der  cerebralen  Erscheinungen  mit  spinalen  (tabischen?)  be- 
sonders hervorzuheben  ist 

Fall  XXVin. 

40jähriger  Mann.  Vor  3  Jahren  specifische  In- 
feetion.  Rechtsseitige  Parese  des  Nervus  oculomo- 
torius in  allen  Zweigen,  und  Anästhesie  im  ganzen 
Gebiet  des  rechten  Nervus  trigeminus,  der  Ge- 
schmack   auf  der  rechten   Zungenhälfte   herabge- 


58  W.  ühthoff. 

setzt  Keine  weitem  cerebralen  Erscheinungen.  Ab- 
stumpfung der  Sensibilität  im  Ulnaris-Ge  biet  beider- 
seits; anästhetische  Zone  der  linken  Brusthälfte 
und  im  Bereich  derselben  lanzinirende  Schmer- 
zen.   Allgemeine  Nervosität 

H.  Bies.,  40  Jahr  alt,  stellt  sich  am  21./9.  88  zuerst  in 
in  der  Schoeierschen  Klinik  war.  Vor  3  Jahren  hat  Pat 
eine  specifische  Infektion  erlitten,  sonst  will  er  bis  dahin  ge- 
sund gewesen  sein.  Seit  dem  Herbst  1887  haben  sich  Kopf- 
schmerzen über  dem  rechten  Auge  und  „Kriebeln"  in  der 
rechten  Gesichtshälfte  eingestellt  Seit  kurzer  Zeit  ist  Doppel- 
sehen aufgetreten,  auch  klagt  Pat  seit  jüngster  Zeit  über 
ruckweise  durchschiessende  Schmerzen  in  der  linken  Brusthälfte. 

Die  objektive  Untersuchung  ergibt  bei  der  ersten  Be- 
sichtigung ophthalmoskopisch  nichts  Abnormes,  ebenso  sind 
die  Gesichtsfelder  frei  und  die  Sehschärfe  normal.  Dagegen 
besteht  auf  dem  rechten  Auge  eine  Parese  des  Nervus  oculo- 
motorius  in  allen  Zweigen,  inklusive  leichter  Parese  dessphincter 
pupillae  und  der  Accommodation.  Die  rechte  Pupille  etwas 
weiter  als  die  linke  und  ihre  Reaction  auf  Licht  etwas  träge, 
während  dieselbe  links  ganz  normal  ist.  —  £s  besteht  ferner 
eine  hochgradige  Herabsetzung  der  Sensibilität  im  Bereich  des 
ersten  und  zweiten  Astes  des  rechten  Nervus  trigeminus,  auch 
die  Fasern  der  Chorda  tyropani  (Geschmacksfasern)  sind  rechts 
mitbetroffen,  herabgesetzte  Geschmacksempfindung  auf  der 
rechten  Zungenhälfte.  Die  Conjunctiva  des  rechten  Bulbus 
und  die  rechte  Cornea  sind  noch  gegen  Berührung  empfind- 
lich, wenn  auch  weniger  als  normal,  während  das  übrige  Ge- 
biet des  rechten  Nervus  trigeminus  fast  ganz  anästhetisch  ist. 

Die  Untersuchung  des  übrigen  Körpers  von  Dr.  Oppen- 
heim, ergibt  sonst  keine  Anomalieen,  nur  lässt  sich  in  beiden 
Ulnaris- Gebieten  eine  deutliche  Abstumpfung  der  Sensibilität 
nachweisen,  und  ebenso  findet  sich  an  der  linken  Brusthälfte 
eine  gürtelförmige  anästhetische  Zone  in  der  Gegend,  wo  Pat 
subjektiv  zeitweise  durchfahrende,  lanzinirende  Schmerzen  em- 
pfindet Kniephänomen  beiders.  erhalten,  keine  Erscheinungen 
im  Bereich  der  untern  Extremitäten,  sowie  von  Blase  und 
Mastdarm.  Ferner  lassen  sich  Erscheinungen  allgemeiner 
Nervosität  constatiren.  —  Während  einer  längeren  Beobach- 
tung und  Behandlung  mit  Jodkalium  und  konstantem  Strom 
trat  keine  wesentliche  Aenderung  ein.  — 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   IL  59 

Diagnose:  Syphilitische  Erkrankung  des  rechten  Ocalomo- 
torias  nnd  Trigeminus  (wohl  an  der  Basis  cranii),  beschränkte 
spinale  Erscheinungen  (tabisch?)  Allgemeine  Nervosität.  — 
(Dieser  Pat.  wurde  s.  Z.  von  mir  in  der  Berl.  Gesell,  f.  Psych, 
und  Nervenkrankheiten  vorgestellt  s.  kürz.  Protocoll  Berl.  klin. 
Wocbenschr.  1889). 

3.  Die  einseitige  Oculomotorit$slähmung  mit  gekreuzter 
Körperlähmung. 
In  3  von  diesen  4  einschlägigen  Fällen  ist  die  gemein- 
same Ursache  für  die  Oculomotorius-Parese  der  einen  Seite 
und  die  Körperparese  der  andern  wohl  sicher  als  eine  basal 
gelegene  (Gegend  des  Oculomotorius- Austritts  und  der  Him- 
Bchenkel  resp.  des  Föns)  und  einheitliche  anzusehen,  was  ja 
auch  in  Fall  Vm  durch  die  Section  bestätigt  werden  konnte, 
während  die  beiden  andern  Fälle  nicht  zur  Autopsie  kamen. 
Von  der  Kegel  abweichend  verhält  es  sich  jedoch  bei  dem 
letzten  Kranken,  Fall  IX;  der  Sectionsbefund  desselben  zeigt 
uns,  dass  gelegentUch  bei  einseitiger  Oculomotorius-Lähmung 
mit  gekreuzter  Körper -Lähmung  2  verschieden  locaüsirte 
Krankheitsheerde  in  Betracht  kommen  können.  Es  war  hier 
offenbar  eine  basale  gummöse  Umlagerung  des  Nerven- 
stammes die  Ursache  für  die  Oculomotoriusparese,  während 
der  Grund  für  die  gekreuzte  Hemiplegie  in  der  gummösen 
Geschwulst -Entwicklung  im  vordem  Drittel  des  Thalamus 
opticus,  welche  fast  bis  in  die  innere  Kapsel  hineinreichte 
u.  8.  w.  (s.  V.  Graefe's  Archiv  XXXIX.  1.  p.  50),  gefiin- 
den  werden  musste.  Ein  solches  Zusammentreffen  scheint 
im  Ganzen  ein  sehr  seltenes  zu  sein;  denn  in  den  12  ein- 
schlägigen Sectionsbefiinden  aus  der  Literatur  liess  sich 
etwas  Analoges  nicht  feststellen,  hier  waren  es  fünf  Mal 
gummöse  Neubildungen  in  der  Gegend  des  Himschenkels, 
vier  Mal  Erweichungsheerd  in  derselben  Gegend  und  zwei 
Mal  ein  solcher  in  der  Gegend  der  Brücke  (s.  Tabelle  p.  135 
bis  138I.Theil  v.  Graefe's  XXXIX,  1).  Zwei  Mal  jedoch 
handelte  es  sich  um  die  Entwicklung  eines  syphilitischen 


ÖO  W.  Uhthoff. 

Tumors  in  einer  Grosshimhemisphäre,  die  Gegend  der  Bo- 
land'scheu  Furche  (direct  hinter  derselben)  einnehmend,  mit 
Erweichung  der  Umgebung  und  in  dem  andern  Falle  mit 
dem  Sitz  im  obem  Drittel  beider  Central  Windungen.  Die  Hemi- 
plegie der  entgegengesetzten  Körperhälfte  erklärt  sich  wohl 
zwanglos  aus  einer  derartigen  Localisation  des  Krankheits- 
heerdes,  aber  auch  für  die  gleichseitige  Mitbetheiligung  des 
Oculomotorius  konnte  nach  den  Angaben  im  Sectionsbefund 
eine  andere  Ursache  nicht  nachgewiesen  werden.  Uebrigens 
war  mir  der  eine  dieser  beiden  Fälle  nur  im  Referat  zugängig. 

An  Comphcationen  war  in  unsem  4  Fällen  ausser  der 
gekreuzten  Körperparese  nur  Imal  (Fall  IX)  doppel- 
seitige Mitbetheiligung  des  Opticus  unter  dem  Bilde  der 
Stauungspapillen  nebst  Parese  der  Mundzweige  des  Unken 
Faciahs  vorhanden.  Auch  bei  den  12  Sectionsbeftinden  aus 
der  Literatur  sind  die  Comphcationen  mit  Affectionen  anderer 
Himnerven  scheinbar  nicht  so  häufig,  wie  bei  den  andern 
beiden  vorliin  aufgeführten  Gnippen  der  Oculomotorius- 
Paresen.  Der  Opticus  ist  2  mal  von  diesen  12  Fällen 
mitergriffen,  der  Abducens  3 mal,  der  Trochlearis  Imal, 
der  Trigeminus  3  mal,  der  Olfactorius  2  mal,  (darunter  1  mal 
doppelseitig),  der  Acusticus  2  mal  und  der  Facialis  2  mal; 
vor  Allen  also  sind  die  Nervi  optici  bei  dieser  Gruppe 
weniger  betheiUgt  als  bei  den  frühem,  während  andere, 
z.  B.  der  Trigeminus,  sich  etwas  häufiger  ergriffen  zeigt  — 
kleine  Unterschiede,  welche  sich  wohl  hinreichend  aus  dem 
gewöhnlichen  Sitz  des  Processes  bei  der  einseitigen  Oculo- 
motoriuslähmung   mit    gekreuzter  Körperlähmung  erklären. 

In  Bezug  auf  die  Funktionsstörungen  in  den  4  Fällen 
unserer  Beobachtungsreihe  zeigen  2  Kranke  eine  Bethei- 
ligung aller  Aeste  des  betreffenden  Oculomotorius,  was 
auch  in  der  Hälfte  der  12  Fälle  mit  Sectionsbefiind  aus 
der  Literatur  zu  verzeichnen  war  und  bei  ausgesprochenem 
basalen  Sitz  der  Erkrankung  zu  erwarten  steht  Dagegen 
ist   in   den  beiden  letzten  von  unsem  Beobachtungen  die 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  ßl 

innere  Augenmuskulatur  intact  geblieben  zur  Zeit  der  Unter- 
snchong.  Im  Fall  VJJl  (Encephalomalacia  flava  pontis) 
wird  eine  solche  isolirte  Parese  lediglich  der  äosseren  Augen- 
muskel erklärlich,  da  es  sich  um  eine  fasciculäre  Lähmung 
(im  Sinne  Mauthner's)  handelt  Aber  in  Fall  IX  bleibt 
es  immerhin  sehr  hervorzuheben,  wie  bei  einer  ausgesprochenen 
basalen  Affektion  des  Oculomotorius-Stammes  ebenfalls  die 
imiere  Augenmuskulatur  zur  Zeit  der  Untersuchung  intact 
geblieben  war.  Es  ist  das  gewiss  ein  sehr  seltenes  Factum, 
aber  der  Fall  beweist  doch,  dass  es  unter  Umständen,  auch 
bei  basaler  Läsion  des  Oculomotorius  möglich  ist,  dass  die 
äusseren  Augenmuskeln  einmal  isolirt  befallen  werden, 
wahrend  die  Aeste  für  die  innere  Muskulatur  nicht  mit 
afficirt  sind.  Durchweg  stehe  jedoch  auch  ich  auf  dem 
Standpunkt  (Mauthner's),  dass  die  isohrte  Lähmung  der 
imiem  oder  äussern  Augenmuskulatur  in  erster  Linie  auf 
eine  nudeare  resp.  &sciculäre  Erkrankung  des  Nerven  zurück 
zu  fuhren  ist  Es  wird  aber  hierbei  gut  sein,  sich  solcher 
Ausnahmen  zu  erinnern,  die  gelegenthch  vorkommen  können. 
Unter  den  12  Beobachtungen  aus  der  Literatur  finden 
sich  ebenfells  Imal  nur  die  äussern  vom  Oculomotorius 
versorgten  Augenmuskeln  ergriffen,  während  die  innem 
intact  geblieben  sind  (Hughlings  Jackson),  auch  hier 
handelt  es  sich  um  Erweichung  des  betreffenden  Him- 
schenkels  (fasciculäre  Lähmung).  Eine  isolirte  einseitige 
Ptosis  ist  4  mal  zu  verzeichnen,  in  den  Fällen  von  Duchek 
u.  Rosenthal  bei  syphiUtischer  Neubildung  im  Pons,  bei 
Bristowe  in  Folge  von  Erweichung  eines  Grosshimschenkels 
mit  vöUiger  Ophthalmoplegie  der  andern  Seite,  und  in  dem 
Falle  von  Dowse  handelt  es  sich  bei  rechtsseitiger  isolirter 
Ptosis  um  ein  kleinwallnussgrosses  Gumma  rechts  im  obem 
Drittel  der  beiden  Centralwindungen.  Ich  möchte  jedoch 
glauben,  dass  in  diesem  Falle  ebenso  wie  in  dem  von 
Herxheimer,  wo  bei  syphilitischem  Tumor  der  Hirnrinde 
rechts    direct    hinter   der    Roland'schen   Furche    u.   s.   w^. 


62  W.  Uhthoff. 

(s.  V.  Graefe's  Archiv  XXXIX.  1.  p.  137)  lediglich  der 
R  inf.  und  die  oculopupillären  Fasern  links  betroffen  waren, 
die  Frage  berechtigt  ist,  ob  die  Erscheinungen  im  Ocu- 
lomotorius  einmal  der  gleichen,  das  andere  Mal  der  ent- 
gegengesetzten Seite,  nicht  eventuell  als  durch  Himdruck- 
steigerung  direct  hervorgebracht  anzusehen  sind  und  nicht 
etwa  durch  Zerstörung  der  betreffenden  Himrindenparthieen, 
welche  die  Ijähmung  der  entgegengesetzten  Körperhälfte 
sehr  wohl  zu  erklären  im  Stande  war. 

Werfen  wir  am  Schluss  dieser  Ausführungen  einen 
Blick  auf  das  Gesammtresultat  unserer  Untersuchungen  in 
Betreff  der  Functionsstörungen  im  Bereich  der  Nervi  oculo- 
motorii  bei  Hirnsyphilis,  so  ergiebt  sich  in  zusammenfassen- 
der tabellarischer  Uebersicht  folgendes,  soweit  in  den  be- 
treffenden Fällen  Mittheilungen  über  diesen  Punkt  vorlagen 
(s.  Tabelle,  S.  64  u.  65). 

Ich  will  es  unterlassen,  dieser  tabellarischen  Ueber- 
sicht noch  eingehendere  Erörterungen  anzuschliessen,  es 
möge  dem  Leser  überlassen  bleiben,  sich  aus  der  Tabelle 
selbst  die  Beantwortung  der  einzelnen  Fragen  in  Bezug  auf 
Häufigkeit  der  verschiedenen  Formen  der  Lähmung  sowie 
auf  ihre  Combinationen  zu  entnehmen.  Bemerkt  sei  hier 
nur  noch,  dass,  da  in  einem  grossen  Theil  der  Fälle  eine 
Controlle  durch  die  Section  nicht  möglich  war,  die  Diagnose 
des  basalen  Ursprungs  der  betreffenden  Lähmung  vielfach 
lediglich  auf  die  khnische  Beobachtimg  sich  gründete.  Es 
ist  ja  aus  den  fiüheren  Ausführungen  zu  ersehen,  in  welchem 
Umfang  eine  Controlle  durch  die  Section  statt  hatte.  Femer 
wurde  die  Affection  jedes  einzelnen  Nervus  oculomotorius 
aufgeführt,  so  dass  also  die  doppelseitigen  Lähmungen  als 
je  2  gerechnet  sind.  Auffallen  dürfte  noch  die  grosse  An- 
zahl von  Fällen  mit  isohrter  Ptosis,  dieselben  kommen 
hauptsächlich  auf  die  aus  der  Literatur  gesammelten  Sections- 
fälle,  und  ich  möchte  wohl  glauben,  dass  hier  zuweilen  Mit- 
affectioüen  anderer  Aeste  des  Oculomotorius  übersehen  wor- 


Untenruchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  63 

den  sind.    Und   gerade  auch  hier  ist  es  relativ  oft  nicht 
möglich  gewesen,  trotz  der  einschlägigen  Sectionsprotocolle, 
mit  Sicherheit  die  Ursache  und  deren  Sitz  für  die  Ptosis  au&u- 
finden.    Das  geht  jedenfalls  aus  den  Beftinden  hervor,  dass 
eine  isohrte  Ptosis  ohne  deutliche  Erscheinungen  im  Bereich 
der  übrigen  Aeste  in  einzelnen  Fällen  lediglich  durch  ba- 
sale Äffection  des  betreflfenden  Nervenstammes  bedingt  sein 
kann.    Ob  durch  Läsion   der  Hirnrinde  einer  Hemisphäre 
eine  Ptosis  als  Heerderscheinung  hervorgebracht  werden  kann, 
möchte  ich  an  der  Hand  des  verwertheten  Materials  nicht 
als  absolut  sicher  nachgewiesen  ansehen,  obschon  in  2  von 
diesen  Fällen  im  SectionsprotocoU  (Günther  u.  Dowse) 
lediglich  von    einem   gummösen    Tumor   in   der  Hirnrinde 
(Gegend  der  motorischen  Region)  einer  Hemisphäre  die  Bede 
ist,  das  eine  Mal  auf  der  gleichen,  das  andere  Mal  auf  der 
entgegengesetzten  Seite,  ohne  dass  sonst  Veränderungen  im 
Bereich  des  betreflFenden   Oculomotorius  angegeben  werden. 
Es  erscheint  mir  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Ptosis 
durch  die   Steigerung  des  Himdrucks  bedingt,   und  nicht 
als  Ausfalls-Erscheinung  von  Seiten  der  Hirnrinde  aufzu- 
fassen war,   etwa   analog  wie   beim  Hirntumor  ja   basale 
Augenmuskel -Lähmungen    durch   Druck    gelegentlich   vor- 
kommen können,  ohne  dass  man  deutliche  Veränderungen  der 
Nerven  an  der  Basis  nachzuweisen  im  Stande  ist   Ich  bin 
auch  der  Ueberzeugung,  dass  Mauthner  durchweg  Recht 
hat,  wenn  er  die  bei  Himerkrankungen  vorkommende  isolirte 
Ptosis  ohne  functionelle  Störungen  von  Seiten  der  übrigen 
Oculomotorius- Aeste,  stets  als  nucleär  oder  fasciculär  be- 
dingt  ansieht,   aber   gelegentiich  kann  hiervon  eine  Aus- 
nahme vorkommen  und  eine  rein  basale  Ursache  ebenfalls 
zu  isolirter  Ptosis  führen.     Das  beweisen  einzelne  unserer 
Fälle  mit  Sectionsbefimd,  wo  lediglich  basale  Oculomotorius- 
Veränderungen  constatirt  werden  konnten,  und   die  Kem- 
regionen  gesund  befunden  wurden  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung,   s.  z.  B.  Fall   XIV  (Oppenheim  u.  A.). 


64 


W.  ühthoff. 


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T.  Graefe's  Arcbir  Ar  Ophthalmologie.  XL.    1. 


66  W.  ühthoff. 

Dass  eine  isolirte  Ptosis  lediglich  als  Heerderecheinung  bei 
Erkrankung  der  Hirnrinde  (namentlich  des  Gyrus  angularis) 
der  entgegengesetzten  Hemisphäre  auftreten  kann,  ist  ja 
von  manchen  Autoren,  so  vor  Allen  von  Landouzy  („De 
la  blepharoptose  cerebrale".  Arch.  gen.  de  med.  Aoüt 
1877),  femer  von  Grasset  (Paralysie  limitee  de  la  pau- 
pi^re  superieure  gauche  lesion  h  Textremite  de  la  scissure 
parallMe  meningite"  Recueil  d'Ophthalmolog.  s.  243,  1876) 
und  verschiedenen  Anderen  behauptet  und  auch  durch  Sections- 
befunde  belegt  worden,  jedoch  sind  im  weitem  Verlauf  der 
Discussion  in  der  Literatur  diese  Anschauungen  und  die 
Deutungen  der  Sectionsbefunde  angezweifelt  worden  und 
w^urde  namentlich  hervorgehoben,  dass  die  Bindenläsion 
durchweg  zu  ausgedehnt  imd  nicht  circumscript  genug  ge- 
wesen sei,  um  daraus  beweisende  Schlüsse  zu  ziehen.  Hier 
ist  in  erster  Linie  auf  die  ausführUche  Arbeit  von  Coingt 
(Contribution  k  Tetude  des  symptomes  oculaires  dans  les 
maladies  du  Systeme  nen'eux  central",  Paris  1878)  zu  ver- 
weisen, der  auch  schon  ausführt,  dass  gelegentiich  leichtere 
Veränderungen  des  Oculomotorius-Stammes  an  der  Basis  iso- 
lirte Ptosis  hervorbringen  können,  femer  auch  auf  die  An- 
gaben von  Charcot  und  Pitres,  Nothnagel,  Wernicke, 
Mauthner  u.  A.  —  Letzterer  spricht  sich  am  Schlüsse 
seiner  zusammenhängenden  Ausfühmngen  dahin  aus,  dass 
die  Entstehung  der  isolirten  Ptosis  aus  corticaler  Ursache 
nicht  sicher  nachgewiesen  sei  bisher,  und  auch  nach  den 
neusten  Mittlieilimgen  in  der  Literatur  scheint  mir  das  bis 
jetzt  noch  nicht  sicher  constatirt  zu  sein.  Wie  schon  erwähnt, 
möchte  ich  auch  unsem  oben  angeführten  Fällen  von  iso- 
lirter  Ptosis  bei  sj'philitischen  Neubildungen  in  der  Hirn- 
rinde in  dieser  Hinsicht  keine  absolute  Beweiskraft  zuer- 
kennen, da  in  denselben  auch  indirect  die  intracranielle 
Erkrankung  zu  einer  einseitigen  Ptosis  Anlass  gegeben 
haben  könnte.  Auch  sei  hier  noch  erwähnt,  dass  der  in- 
zwischen  erhobene   erste  Sectionsbefund   bei  isolirter  con- 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  67 

genitaler  Ptosis  von  Siemerling  („Anatomischer  Befund 
l)ei  einseitiger  congenitaler  Ptosis".  Arch.  f.  Psychiatr. 
Bd,  XXin,  Heft  3)  doppelseitige  Veränderungen  im  Ocu- 
lomotoriuskem,  aber  keine  Anhaltspunkte  fiii-  Himrinden- 
läsion  als  Ursache  ergeben  hat.  Ebenso  ergeben  unsere  ganze 
Untersuchungsreihe  und  die  zusammengestellten  Sectionsfälle 
aus  der  Literatiu*  nicht  einen  einzigen  beweisenden  Fall  für 
corticale  Oculomotorius-Lähmung  überhaupt. 

Eine  isolirte  Ophthahnoplegia  interna  (Lähmung  des 
Sphincter  pupillae  und  der  Accommodation)  wurde  in  der 
Tabelle  (also  bei  90  Fällen  von  Oculomotorius-AfFection 
bei  Himsyphilis)  nur  5 mal  notirt,  also  relativ  selten. 
Keiner  dieser  Fälle  kam  zur  Autopsie,  jedoch  in  dem 
einen  (Fall  XXIV)  lag  sicher  ein  basaler  Process  in  Form 
einer  syphilitischen  Chiasma- Erkrankung  mit  temporaler 
Hemianopsie  vor,  aber  hier  war  die  Lähmung  des  Sphincter 
pupillae  und  der  Accommodation  längere  Zeit  der  Seh- 
störung  in  Form  der  temporalen  Hemianopsie  vorange- 
gangen und  auch  bald  wieder  geschwunden.  Es  ist  jeden- 
falls nicht  gerechtfertigt  hier  die  Ophthalmoplegia  interna 
als  basal  bedingt  anzusehen  und  auch  in  den  übrigen  vier 
Fällen  war  eine  genaue  Bestimmung  des  syphiUtischen  intra- 
craniellen  Processes  nach  Art  und  Ort  nicht  mögUch. 
Nach  den  bisherigen  Erfahrungen  erscheint  mir  der  Satz 
Mauthner's  durchaus  gerechtfertigt,  dass  eine  isolirte 
Ophthalmoplegia  interna  als  eine  nucleäre  oder  gelegent- 
lich eine  fasciculäre  aufzufassen  ist,  dagegen  nicht  bei  ba- 
salen syphilitischen  Stammerkrankungen  des  Ocidomotorius 
i)eobachtet  wird.  Im  ganzen  aber  ist  die  isolirte  Ophthal- 
moplegia interna  nach  unsem  Untersuchungsresultaten  eine 
relativ  seltene  CompUcation  der  eigenthchen  Himsyphihs, 
^ie  tritt  erheblich  häufiger  isolirt  auf  syphilitischer  Basis 
^)der  mit  tabischen,  resp.  paralytischen  Erscheinungen  zu- 
f^ainmen  oder  als  Vorläufer  dei^selben   in  die  Erscheinung. 

Analog  gestalten  sich  die  Verhältnisse  für  die  isolirte 

5* 


68  W.  ühthoff. 

Afifection  der  äussern  vom  Oculomotorius  versorgten  Muskeln 
ohne  Betheiligung  des  Sphincter  pupillae  und  der  Accommo- 
dation;  nur  3  mal  ward  diese  Art  der  Functionsstönmg 
bei  den  90  Fällen  beobachtet  und  zwar  lediglich  bei  Fällen 
von  einseitiger  Oculomotorius-Läsion  mit  gekreuzter  Körper- 
lähmung. Bei  2  von  diesen  Kranken  war  die  A£fection  als  eine 
fasciculäre  (Pons-Erweichung),  bei  dem  dritten  Fall  (No.  IX) 
jedoch  scheint  es  sich  thatsächlich  um  eine  basale  Affection 
des  betreffenden  Oculomotoriusstammes  als  Ursache  ge- 
handelt zu  haben.  An  der  Basis  fand  sich  die  Pia  in  der 
Gegend  der  rechten  Fossa  Sylvii  stark  verdickt  und  in  eine 
derbe  Masse  umgewandelt,  die  den  rechten  Oculomotorius 
in  sich  einschUesst  Von  hier  erhob  sich  eine  ziemlich 
derbe  Geschwulst,  die  die  innere  Kapsel,  sowie  den  linsen- 
kem  nach  obenhin  zusammenpresste,  u.  s.  w.  (s.  v.  Graefe^s 
Archiv  XXXIX.  1.  p.  49  u.  50).  Die  Kemparthieen 
des  Oculomotorius  standen  allerdings  nicht  für  die  mikro- 
skopische Untersuchung  zur  Verfugung,  jedoch  möchte  ich 
nach  dem  ganzen  oben  gegebenen  Sectionsbefund  glauben, 
dass  in  diesem  Falle,  wenigstens  mit  grösster  Wahrschein- 
Uchkeit,  eine  basale  Oculomotorius -Stamm -Affection  das 
Bild  der  isohrten  Störung  im  Bereich  der  äussern  von 
Oculomotorius  versorgten  Muskeln  hervorbrachte,  bei  guter 
Function  der  innem  Augenmuskidatur.  Auch  hier  zeigt 
sich  also,  wie  zutreffend  in  diesem  Punkte  die  Mauthner'- 
schen  Ausfuhrungen  durchweg  sind,  jedoch  ist  gelegentlich 
eine  Ausnahme  von  der  Kegel  möglich,  wenn  das  auch 
nur  höchst  selten  vorkommen  dürfte. 

Dass  in  einer  ganzen  Anzahl  von  Fällen  basaler  Ocu- 
lomotorius-Läsion die  Lähmung  nur  eine  partielle,  auf  ein- 
zelne Aeste  beschränkte  sein  kann,  zeigt  unsere  Tabelle 
zur  Genüge;  ja  auch  das  geht  aus  ihr  hervor,  dass  ge- 
legentiich  BUcklähmungen  z.  B.  nach  oben  (d.  h.  isolirte, 
symmetrische  doppelseitige  Parese  des  Bectus  superior 
[Thomson,  OrmerodJ)  lediglich  durch   basale   doppelsei- 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   IL  69 

tige  Ocdomotorius-Läsion  bedingt  sein  können.  Das  letztere 
mu68  aber  ebenfalls  als  ein  sehr  seltenes  Yorkommniss  an- 
gesehen wei"den. 

Die  typische  periodisch  recidivirende  Oculomotorius- 
Lähmung  scheint  nichts  mit  Syphilis  resp.  Gehimsyphihs 
zu  thun  zu  haben,  wenigstens  ist  unter  den  bisher  publi- 
cirten  über  20  Fällen  der  Art  kein  sicherer  Beleg  dafür;  und 
auch  bei  unsem  im  Ganzen  250  Beobachtimgen  von  Him- 
syphilis  ist  kein  hierher  gehöriger  Fall  zu  verzeichnen. 

B.  Daten  über  die  Abducens-Affectionen. 

Bei  näherer  Betrachtung  unserer  Untersuchungsergeb- 
nisse in  Betreff  der  Abducens-AflFection  bei  Himsyphihs 
auf  Grund  unserer  Beobachtungsreihe  fällt  in  erster  Linie 
die  grosse  Häufigkeit  der  doppelseitigen  Lähmung  auf, 
dieselbe  tiberwiegt  bei  Weitem  und  verhält  sich  zu  der 
einseitigen  ungefähr  wie  2 : 1.  Bei  den  aus  der  Literatur 
gesammelten  150  Sectionsf  allen  von  Himsyphihs  mit  Augen- 
erscheinungen war  das  Verhältniss  ein  ganz  anderes,  hier 
war  die  doppelseitige  Abducens-Affection  relativ  seltener 
und  verhielt  sich  zur  einseitigen  ca.  wie  1:4;  ziehen  wir 
das  Resultat  aus  dem  Gesammt- Material,  so  verhält  sich 
die  doppelseitige  Abducens- Lähmung  zur  einseitigen  mit 
oder  ohne  gekreuzter  Körperlähmung  noch  immer  wie  er.  1 : 1,5, 
es  bleibt  somit  die  doppelseitige  Abducens-Affection  auf 
dem  Gebiete  der  Himsyphilis  ein  unverhältnissmässig  häu- 
figes Vorkommniss,  wenn  sie  auch  relativ  etwas  seltener 
auftritt  als  die  doppelseitige  Oculomotorius-Parese.  Durch- 
weg d.  h.  14  mal  war  die  Lähmungsursache  in  den  zu- 
sammengenommen 16  Fällen  doppelseitiger  Abducens- 
Affection  als  eine  basale  anzusehen,  (7  mal  Bestätigung 
durch  die  Section)  imd  2  mal  war  die  LocaUsation  der 
lÄhmungs-Ursache  nicht  möghch.  Es  konnte  in  keinem 
dieser  16  Fälle  die  Natur  der  Lähmung  sicher  als  eine 
nucleäre    festgestellt   werden.     Auch    die  begleitenden  Er- 


70  W.  Uhthoff. 

scheinungen  von  Seiten  der  übrigen  Himnerven,  Compli- 
cation  mit  Körperiähmung  einer  Seite  u.  s.  w.,  weisen  in 
den  16  Fällen  doppelseitiger  Abducens-Affection  bei  Him- 
syphilis  in  erater  Linie  immer  wieder  auf  basalen  Ursprung. 
Die  Optici  resp.  die  optischen  Leitungsbahnen  an  der 
Basis  sind  in  über  der  Hälfte  dieser  Fälle  (9  mal)  in  Mit- 
leidenschaft gezogen,  die  Oculomotorii  6  mal  meistens 
doppelseitig,  die  Trochleares  3  mal,  die  Trigemini  2  mal, 
der  Acusticus  1  mal,  relativ  häufiger  noch  der  Facialis, 
die  hintern  Himnenen  sonst  relativ  selten.  Halbseitige 
Körperlähmung  3  mal.  Hervorgehoben  sei  hier  noch,  dass 
in  diesen  16  Fällen  eine  Mitbetheiügung  des  Olfactorius 
nicht  nachgewiesen  wurde,  ein  Umstand,  der  wohl  erklär- 
lich, da  sich  bei  diesen  Fällen  die  Krankheitsprodukte 
mehr  an  dem  hintern  Theil  der  Gehimbasis  finden  und  in 
der  Regel  nicht  bis  auf  den  allervordersten  Theil  derselben 
übergriffen. 

Die  einseitige  Abducenslähmung  ohne  gekreuzte  Kör- 
perlähmung ist  auf  Grundlage  unseres  Gesammtbeobach- 
tungs- Materials  bei  Hims^ijhihs  ungefähi-  ebenso  häufig 
wie  die  doppelseitige  (4  +  11  =  15  mal).  Auch  hier  kann 
in  der  grösseren  Hälfl;e  der  Fälle  die  Ursache  als  eine 
basale  sicher  nachgewiesen  werden,  theils  durch  die  Section, 
theils  mit  Hülfe  der  begleitenden  Erscheinungen.  Der 
Opticus  resp.  die  optischen  Leitungsbahnen  an  der 
Basis  sind  im  Ganzen  wieder  in  etwas  über  der  Hälfte  der 
Fälle  (8  mal)  mitbetroffen,  theils  mit  theils  ohne  ophtlial- 
moskopischen  Befund  und  ausgesprochene  Functionsstörung. 
Der  Oculomotorius  12  mal  (hiervon  5  mal  doppelseitig), 
der  Trochlearis  4  mal  (davon  1  mal  doppelseitig),  der 
Trigeminus  7  mal  (stets  einseitig;,  der  Acusticus  2  mal, 
der  Facialis  5  mal,  die  letzten  Himnerven  auch  hier 
sehr  selten,  der  Olfactorius  ist  auch  hier  nicht  als  be- 
troffen verzeichnet.  —  Eine  gleichseitige  Körperparese  ist 
8  mal  angegeben. 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  71 

In  Betreff  der  einseitigen  Abducens  -  Lähmung  mit 
contralateraler  Körperlähmung  ist  zunächst  eine  grosse 
Differenz  in  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  zwischen 
unseren  und  dem  aus  der  Literatur  gesammelten  Sections- 
Material  zu  constatiren.  In  unserer  Untersuchungsreihe 
von  100  Fällen  ist  nur  1  mal  einseitige  Abducens-Lähmung 
mit  gekreuzter  Körperlähmung  vorhanden,  und  ich  glaube 
demnach,  dass  diese  Affection  auf  dem  Gebiete  der  Him- 
syphilis  durchweg  als  eine  recht  seltene  zu  betrachten  ist. 
Die  Terhältnissmässig  grössere  Anzahl  derartiger  in  der 
Literatur  mitgetheilter  Fälle,  glaube  ich,  erklärt  sich  im 
Wesentlichen  wieder  aus  dem  Umstände,  dass  diesen  Fällen 
ein  ganz  besonderes  Interesse  entgegengebracht  und  die- 
selben deshalb  relativ  viel  häufiger  publicirt  wurden. 

Durchweg  handelte  es  sich  in  diesen  insgesammt  12 
Fallen  um  eine  Pons-Afiiection,  deren  Natur  in  der  ent- 
sprechenden Tabelle  des  I.  Theiles  p.  153  u.  f.  v.  Graefe's 
Archiv  XXXIX.  1.)  aufgeführt  worden.  Die  Complicatio- 
nen  von  Seiten  der  übrigen  Gehimnerven  gestalteten  sich 
folgendermassen.  Die  optischen  Bahnen  an  der  Basis  resp. 
die  Nervi  optici  waren  nur  1  mal  betrofien  (in  Form  einer 
einseitigen Tractus-Betheiligung),  derOculomotorius  3mal 
(einseitig),  der  Trochlearis  gar  nicht,  der  Trigeminus 
2 mal  (1  mal  mit  Keratitis  neuroparalytica),  der  Facialis 
5  mal  (davon  2  mal  gleichseitig  mit  der  Körperlähmung, 
also  der  Abducensparese  entgegengesetzt,  1  mal  doppelseitig). 
Die  hinteren  Gehimnerven  sind  nur  vereinzelt  mitbetrofFen. 
Man  ersieht  leicht,  wie  sich  die  Form  der  Comphcationen 
von  Seiten  anderer  Gehimnerven  geändert  hat,  im  Vergleich 
zu  den  ersten  Gmppen,  der  Sehnerv  ist  fast  gar  nicht 
mehr  mitbetroffen,  der  Oculomotorius  auch  relativ  selten, 
der  Trochlearis  gar  nicht,  der  Trigeminus  selten,  relativ 
häufig  aber  der  Facialis,  jedoch  zum  Theil  mit  der  Körper- 
lähmung gleichseitig. 

Eis  ist  im  Ganzen  als  ein  seltenes  Ereigniss  auf  dem 


72  W.  Uhthoff. 

Gebiete  der  Himsyphilis  zu  bezeichnen,  dass  der  Abducens 
allein  ohne  Mitbetheiligong  von  Seiten  anderer  Gehirn« 
nerven  befallen  ist  Dies  erheUt  so  recht  aus  den  27  Fällen 
von  Abducens- Affection  mit  Sectionsbefiind  nach  den  Mit- 
theilungen in  der  Literatur,  nur  4  mal  ist  hier  eine  Mit- 
affection  von  Seiten  anderer  Gehimnerven  nicht  vermerkt, 
imd  zwar  in  dem  Falle  von  Dowse  (doppelseitige  Abdu- 
censlähmung)  und  den  Fällen  von  Engelsted t,  Lauten- 
bach und  Chvostek  (einseitige  Abducenslähmung  mit 
geki-euzter  Körperlähmung).  Bei  den  16  Fällen  unserer 
Untersuchungsreihe  ist  3  mal  der  Abducens  als  allein  von 
allen  Himnerven  erkrankt  notirt  und  zwar  bei  2  Fällen 
doppelseitig  und  1  mal  mit  gekreuzter  Körperlähmung  zu- 
sammen. 

Die  nucleäre  Abducenslähmung  scheint  bei  der  eigent- 
lichen Himsyphihs  in  dem  früher  definirten  Sinne  sehr 
selten  vorzukommen,  in  unseren  insgesammt  43  Fällen  ist 
sie  eigentlich  in  Keinem  sicher  erwiesen.  In  den  bei 
Weitem  meisten  Fällen  ist  die  Ursache  keine  basale,  wie 
oben  ausführlich  begründet,  und  in  zweiter  Linie  eine  intra- 
cerebrale durch  Ponsaffection  hervorgebrachte.  Von  den 
seltneren  ätiologischen  Momenten  für  Abducenslähmung, 
wie  sie  gelegentüch  in  der  Literatur  geltend  gemacht  wor- 
den sind  (Compression  im  sinus  cavernosus  [Leber],  Ein- 
schnürung durch  die  anliegenden  Himarterien  [Türck  u.  s.w.]) 
ist  bei  unserm  ganzen  zusanmiengestellten  Material  Keines 
sicher  nachgewiesen. 

Werfen  wir  zuletzt  noch  einen  Bhck  auf  die  sonstigen 
Mittheilungen  in  der  Literatur  über  Abducenslähmung  bei 
Himsyphilis,  so  will  ich  zunächst  noch  kurz  erwähnen,  dass 
auch  die  jüngste  Zeit  noch  verschiedene  werthvolle  Sections- 
befunde  von  Abducens -Lähmung  bei  Himsyphihs  gebracht 
hat,  die  ich  bei  der  Zusammenstellung  im  L  Theil  (v.  Graefe's 
Archiv  XXXIX.  1.)  noch  nicht  mit  berücksichtigen  konnte. 
Ich  nenne  in  dieser  Hinsicht  noch  den  Fall  von  Moeli  und 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  73 

Marinesco  (Arch.  f.  Psychiatr.  Bd.  XXIV,  Heft  3  „Er- 
krankung in  der  Haube  der  Brücke  mit  Bemerkungen  über 
den  Verlauf  der  Bahnen  der  Hautsensibilität"),  von  rechts- 
seitiger Abducens- Lähmung  mit  Paraesthesieen  der  linken 
Eörperfaälfte,  einseitiger  Beschränkung  der  Eaeferbewe- 
gung  u.  s.  w.,  Erscheinungen,  welche  ihre  Ursache  in  einer 
heerdweisen  Degeneration  in  der  rechten  Seite  des  Bodens  des 
vierten  Ventrikels  hatten.  Femer  den  interessanten  aus  Oppen- 
heim's  Poliklinik  von  Hoppe  mitgetheilten  Fall  („Zur  Kennt- 
niss  der  syphilitischen  Erkrankimgen  des  Rückenmarks 
und  der  Brücke".  Berl.  klin.  Wochenschr.  1893,  No.  10). 
von  doppelseitiger  Abducens-  und  Facialis-Lahraung,  acuter 
Bnlbärparalyse,  Lähmung  aller  4  Extremitäten  u.  s.  w. 
Anatomisch  finden  sich  ausgesprochene  gummöse  Verände- 
rangen  der  Basilaris  mit  secundären  Veränderungen  des 
Pens  als  Grund  für  die  klinischen  Symptome.  Von  einer 
geringfügigen  Affection  der  Meningen  abgesehen  war  die 
Veränderung  der  Art.  basilaris  mit  iliren  Folgezuständen 
die  einzige  luetische  Veränderung  am  ganzen  Gehirn. 

Die  Zahl  der  einschlägigen  klinischen  Beobachtungen 
ohne  Sectionsbefimd  in  der  Literatur  ist  noch  eine  recht 
eiliebliche,  es  ist  mir  jedoch  nicht  mögUch  auf  alle  dieselben 
vSher  einzugehen.  Nur  ganz  vereinzelte  Fälle  will  ich  hier 
noch  anführen,  die  besondere  Gesichtspunkte  bieten.  Zu- 
erst sei  hier  auf  den  höchst  interessanten  Fall  von  Wer- 
nicke  („Ueber  einen  Fall  von  Hirntumor*',  Deutsch,  med. 
Wochenschr.  1880,  No.  8  u.  9)  hingewiesen,  wo  die  cere- 
brale Affection  mit  einer  Parese  des  rechten  Abducens 
begonnen,  welche  bald  total  wurde  und  jetzt  auch  Lähmung 
des  linken  £.  internus  nach  sich  zog.  Gleichzeitig  Stauungs- 
papiUen.  Hierauf  Parese  des  linken  Abducens  und  später 
des  rechten  'EL  intern.,  so  dass  alle  seitUchen  Bewegungen 
angehört  haben  und  nur  der  Blick  nach  oben  und  unten 
frei  ist  Unter  JK.- Behandlung  gehen  die  Heerderschei- 
nnngen  in  umgekehrter  Reihenfolge  zurück.     W.  diagnos- 


74  W.  rhthoff. 

ticirt  einen  wahrscheinlich  gummösen  Tumor  im  Pons  in  der 
Nähe  des  rechten  Abducenskemes  (Saum  zwischen  diesem 
und  der  Mittellinie  in  der  hintern  Brückenabtheilung).  Der 
Tumor  ist  von  rechts  nach  links  gewachsen  und  hat  in  dieser 
Richtung  die  Mittellinie  überschritten  und  sich  später  in 
umgekehrter  Weise  zurückgebildet  Gleichzeitig  bestanden 
hemiplegische  Erscheinungen.  Die  Diagnose  darf  hier  wohl 
als  richtig  angesehen  werden. 

Sehr  seltsam  ist  sodann  noch  1  Fall  von  Hock  (,,Die 
syphihtischen  Augenkrankheiten,  Wien.  Klin.  II.  Jahi^., 
Heft  3  u.  4,  1876),  wo  in  einem  Fall  von  Hims}'philis  mit 
hnksseitiger  Parese  und  sonstigen  cerebralen  Erscheinungen 
ein  Krampf  im  Bereich  des  linken  Rect  extern,  erwähnt 
vnrd.  Das  Unke  Auge  hat  bei  monoculärer  Fixation  eine 
freie  Beweglichkeit,  beim  binoculären  Fixiren  jedoch  führt 
es,  wenn  das  Object  nach  links  gebracht  wird,  ruckweise 
unter  Schmerzempfindungen  Drehungen  nach  aussen  aiis  und 
bleibt  in  äusserster  Abductionsstellung  stehen.  Der  rechte 
Rect.  int  war  leicht  paretisch,  diese  Erscheinung  blieb  constant 
auch  für  die  Dauer  der  Behandlung,  während  der  Krampf 
im  Bereich  des  linken  Rect  extemus  verschwand.  Eine  ana- 
loge Beobachtung  habe  ich  in  der  Literatur  auf  dem  Grebiete 
der  Hims}-philis  nicht  auffinden  können,  ob  die  Deutung  des 
Autors  die  richtige  ist,  möchte  ich  nicht  sicher  entscheiden. 

Einen  Fall  von  einseitiger  Abducens- Lähmung  mit 
centralateraler  Körperlähmung  und  gleichzeitiger  Betheili- 
gung einiger  Facialis-Aeste  führt  Alexander  (1.  c.  p.  160) 
noch  auf  unter  der  Diagnose  einer  s}'phihtisohen  Pons-Er- 
krankung,  jedoch  ohne  Sectionsbefund. 

Abducens-Lähmungen  bei  HimsyphiUs  auf  Grundlage 
von  Lues  congenita  werden  von  verschiedenen  Autoren, 
Nettleship  (Transact  of  path.  sec.  of  London  XXXI, 
1881),  Mackenzie  (New  York.  med.  Joum.  31.  May  1884), 
Thiersch  (Münch.  med.  Wochenschr.  Nr.  24  u.  25,  1887) 
u.  A.  veröffentlicht 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  75 

C.  Daten  über  die  Trochlearis-Affection. 

Also  in  5  ®/o  unserer  Beobachtungsreihe  von  Himsyphilis 
ist  der  Trochlearis  mitbetroffen,  es  ist  das  im  Verhältniss 
zum  Opticus,  Oculomotorius  und  Abducens  relativ  selten, 
aber  immer  noch  etwas  häufiger  als  an  der  Hand  der  aus 
der  Literatur  gesammelten  150  Sectionsfälle,  wo  6  mal  der 
Trochlearis  als  mitbeüallen  angegeben  wird. 

In  unsem  Fällen  sowohl  als  bei  den  6  Beobachtungen 
aus  der  Literatur  ist  der  Trochlearis  nie  isolirt  befallen  von 
den  Himnerven,  sondern  eine  Reihe  der  Uebrigen  sind 
durchweg  noch  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Am  häufigsten 
ist  der  Ocidomotorius  gleichzeitig  betroffen  11  mal  d.  h.  in 
allen  Fällen  und  in  über  der  Hälfte  dieser  Fälle  doppel- 
seitig, in  zweiter  Linie  die  optischen  Leitungsbahnen  resp. 
die  Optici  8  mal,  in  dritter  Linie  der  Abducens  3  mal  doppel- 
seitig, 4)  Acusticus  und  Facialis  beide  5  mal,  also  bei  fast 
der  Hälfte  der  Kranken,  5)  der  Trigeminus  4  mal  (stets 
einseitig),  6)  der  Olfactorius  Imal.  —  Die  Oculomotorius- 
lähmung war  also  eine  constante  Begleiterscheinung,  und 
da  auch  der  Abducens  relativ  oft  mitbefallen  war,  so  zeigte 
sich  in  verschiedenen  Fällen  das  ausgesprochene  Bild  der 
Ophthalmoplegia  externa  und  interna  (totalis).  —  In  allen 
11  Fällen  handelte  es  sich  um  eine  basale  Lähmungs-Ür- 
sache  und  zwar  10  mal  in  der  Weise,  dass  syphilitische  ba- 
sale Producte  die  Himnerven  und  mit  ihnen  den  Troch- 
learis schädigten,  nur  1  mal  scheint  die  Lähmung  (H.  Power) 
durch  Druckfemwirkung  auf  die  Basis  entstanden  bei  Sitz 
syphilitischer  Neubildungen  in  beiden  Hemisphären,  während 
die  betreffenden  basalen  Himnerven  im  Wesentlichen  als 
normal  befunden  wurden.  Es  erhellt  hieraus,  dass  ein 
intracerebraler  Process  in  keinem  dieser  Fälle  als  Ursache 
nachgewiesen  werden  konnte  und  eben  so  wenig  ein  Process 
im  Himschlitz  (v.  Pfungen)  oder  eine  nucleare  Affection 
des  Trochleariskeras. 


76  W.  ühthoff. 

Bekanntlich  hat  von  Pfungen  („Ueber  topische  Be- 
gründung der  Bewegungsstörungen  in  den  Augenmuskeln 
bei  Meningitis",  Wien.  med.  Blatt,  1883,  No.  8—11)  ganz 
besonders  darauf  hingewiesen,  wie  bei  Meningitis  durch  Ex- 
sudat-Ablagenmg  im  Gehimschlitz  (der  Querschlitz  zwischen 
Corpora  quadrigemina  und  Splenium  corporis  callosi)  sehr 
leicht  die  Troohlearis-Stämrae  bei  ihrem  Austritt  und  Ver- 
lauf im  vordem  Marksegel  betroffen  werden  könnten.  Es 
vnrd  in  dieser  Hinsicht  besonders  auf  die  Meningitis  tnber- 
culosa  verwiesen.  Bei  der  Himsyphihs  und  speciell  bei  den 
basalen  sj'phiUtischen  Processen  scheint  dieser  Modus  der 
Trochlearis-Läsion  doch  sehr  selten  zu  sein,  unter  dem  von 
uns  verwerthetem  Beobachtungs-Material  findet  sich  kein 
derartiger  Fall,  der  eigentUche  Sitz  der  Lahmungsursache 
war  stets  als  ein  basaler  zu  bezeichnen.  Auch  der  noch  von 
Alexander  (1.  c.  p,  164)  citirte  Fall  von  einseitiger  Troch- 
learis- Parese  mit  doppelseitiger  partieller  Oculomotorius- 
Lähmung  (Beiders.  Ptosis  u.  L.-Parese  des  E.  inf.  u.  R.  int) 
und  sonstigen  cerebralen  Erscheinungen  möchte  ich  eher 
geneigt  sein  als  einen  basalen  anzusehen  und  nicht  als 
einen  nucleären,  wenn  auch  bis  dahin  die  innere  Augen- 
muskulatur intact  war.  Wir  haben  Miher  gesehen,  dass 
ganz  partielle  Oculomotorius-Affectionen  auch  bei  basalem 
Sitz  der  Ursache  vorkommen  können. 

Dass  die  Trochlearis- Lähmung  auf  dem  Gebiete  der 
Himsj'philis  relativ  selten  ist,  ist  auch  von  andern  Be- 
obachtern ausdrückhch  hervorgehoben  (Rumpf,  Wem  icke 
u.  A.)  und  vollends  erst  eine  ganz  isoUrte  Affection  des 
Trochlearis,  was  ja  auch  bei  der  ganzen  topographischen 
Lage  des  Nerven  sehr  wohl  erklärlich  erscheint,  und  ebenso 
ergeben  sich  aus  derselben  die  so  sehr  häufigen  Compli- 
cationen  mit  Affectionen  anderer  Gehimnerven,  namentlich 
des  Oculomotorius,  der  optischen  basalen  Leitungsbahnen 
und  des  Abducens. 

Das  doppelseitige  Befallenwerden  des  n.  trochlearis  bei 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  77 

Hirnsjphilis  ist  ebenfalls  als  sehr  selten  anzusehen,  nur 
2  mal  konnte  dasselbe  in  unsem  11  Fällen  constatirt  w^erden. 
Ausser  dem  oben  Ton  uns  erwähnten  Ki*anken  ist  hier  noch 
von  Graefe's  Fall  (1.  c.)  anzuführen,  wo  eine  basale 
sjphihtische  Wucherung  in  der  rechten  mittleren  Schädel- 
grabe, später  auf  die  linke  Seite  übergriff  und  so  auch  den 
zweiten  Trochlearis  in  Mitleidenschaft  zog.  Eine  isolirte 
doppelseitige  Trochlearis -Lähmung  ist  eigentUch  wohl  nur 
denkbar,  wie  Mauthner  mit  Becht  hervorhebt,  bei  einer 
Eemläsion  und  vor  Allen  bei  einer  Läsion  im  Yelum 
medulläre  anticum,  in  welchen  die  austretenden  Trochlearis- 
Stämme  sich  kreuzen. 

Zum  Schluss  will  ich  hier  noch  eine  interessante  Be- 
obachtung von  Thomas  („A  case  of  cerebrospinal  syphiUs 
with  her  unusual  lesion  of  the  spinal  cord'^  John  Hopkin's 
Hospit  Eep.  n  No.  6,  1891)  anfahren,  in  welcher  links- 
seitige Trochlearis-  undOcidomotorius-Affection  mit  Schwäche 
und  Herabsetzung  der  SensibiUtät  der  rechten  Körperhälfte 
einherging  bei  gleichzeitigem  Vorhandensein  einer  rechts- 
seitigen Abducens-Parese. 

Die  Section  ergab  syphiUtische  Endarteriitis  der  cere- 
bralen Arterien.  Gumma  am  Unken  Oculomotorius  und 
Himschenkel,  Gumata  am  linken  Trochlearis,  rechten  Ab- 
ducens,  Hypoglossus  u.  s.  w.  Es  handelt  sich  hier  also  um 
eine  partielle  gummöse  Degeneration  des  Trochlearis-Stam- 
mes  selbst,  was  gerade  an  diesem  Nerven  relativ  selten 
vorzukommen  scheint.  Während  es  bei  andern  Himnenen, 
namentlich  dem  Oculomotorius  relativ  oft  beobachtet  werden 
konnte,  konnte  es  an  unserm  Material  mit  insgesammt 
8  Sectionsbefunden  von  Trochlearis -Lähmung  bei  Him- 
Sfphihs  nicht  nachgewiesen  werden. 

D.  Daten  über  die  Affection  des  Nervus  trigeminus. 
Im  Ganzen  ist  der  Nervus  trigeminus  in  unsem 
100  Fällen  betroffen:  14  mal. 


78  W.  Uhthoff. 

DieAffection  war  stets  einseitig.  Die  klinische  Dia* 
gnose  der  Cerebral -Affection  lautete  durchweg  auf  einen 
basalen  syphilitischen  Process  und  konnte  als  solche  in 
4  Fällen  als  richtig  durch  die  Autopsie  nachgewiesen  wer- 
den, nur  bei  3  Kranken  liess  sich  die  Lokalisation  und  die 
Art  des  intracaniellen  Processes  nicht  mit  Sicherheit  fest^ 
stellen,  jedoch  war  bei  2  von  ihnen  der  basale  Sitz  auch 
noch  sehr  wahrscheinlich. 

Die  gleichzeitige  Betheiligung  der  übrigen  vordem 
Himnerven  gestaltete  sich  folgendermassen:  l)Der  N.opticus 
war  mit  betroffen  11  mal  (9  mal  doppelseitig,  hiervon  4 mal 
Stauungspapillen,  2  mal  Neuritis  optica  resp.  neuritische 
Atrophie,  1  mal  temporale  Hemianopsie  mit  secundärer  ab- 
steigender Opticus -Atrophie,  2  mal  retrobulbäre  gummöse 
Neuritis,  2  mal  einseitig  (Neuritis  optica). 

2)  Der  Nervus  oculomotorius  6  mal  (2  mal  doppel- 
seitig, 4  mal  einseitig).  Durchweg  waren  innere  und  äussere 
Augenmuskulatur  gleichzeitig  betroffen,  nur  1  mal  die  innere 
allein  (Ophthalmoplegia  interna). 

3)  Der  Nervus  abducens  war  gleichfalls  6 mal  mit- 
betroffen (3  mal  doppelseitig,  3  mal  einseitig^. 

4)  Der  Nervus  trochlearis  Imal. 

5)  Der  Nervus  acusticus  5 mal  (hierunter  Imal 
doppelseitig). 

6)  Der  N.  olfactorius  2  mal  (dop2)elseitig). 

7)  Der  N.  facialis  8  mal  (4  mal  alle  Zweige,  4  mal 
die  untern  Aeste  allein).  — 

Complication  mit  halbseitiger  Körperlähmung 
3  mal,  jedoch  war  jedes  Mal  die  mit  dem  Trigeminus  gleich- 
seitige Köri)erhälfte  befallen,  so  dass  es  nicht  wohl  möglich 
war,  die  Trigeminus- Affection  und  die  halbseitige  Körper- 
parese  aus  einem  gemeinsamen  Krankheitsheerde  zu  erklären. 
In  imserm  Fidl  III  konnte  die  Verschiedenartigkeit  der 
Ursache  für  beide  Erscheinungen  auch  durch  die  Section 
erwiesen  werden. 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  79 

Eine  Keratitis  neuroparalytica  fand  sich  nur  in  1  Fall  (lU). 

Vergleichen  wir  mit  diesen  Untersuchungsergebnissen, 
diejenigen,  welche  uns  die  aus  der  Literatur  zusammen- 
gestellten 22  Fälle  von  Trigeminus-Affection  bei  Himlues 
mit  Sectionsbefund  liefern,  so  zeigt  sich  zunächst,  dass  die 
doppelseitige  Trigeminus-Affection  bei  Himsyphilis  jeden- 
üälls  als  eine  ausserordentlich  seltene  Thatsache  anzusehen  ist, 
denn  auch  unter  diesen  letzteren  22  Fällen  ist  nur  Imal 
die  Affection  doppelseitig  (Leudet)  und  zwar,  wie  es  scheint, 
beiderseits  mit  Keratitis  neuroparalytica  compUcirt.  Auch 
in  den  sonstigen  Mittheilungen  in  der  Literatur  ohne  Sections- 
befund habe  ich  keinen  analogen  Fall  von  doppelseitiger 
Betheiligung  des  Trigeminus  aufgefunden. 

Die  Complication  mit  Sehnerven- Affection  resp.  Affec- 
tion des  basalen  optischen  Leituiigsapparates  war  bei  den 
22  Eällen  aus  der  Literatur  nicht  so  häufig  (9  mal)  als  bei 
unsem  14  Fällen  (11  mal).  Ich  möchte  wohl  annehmen, 
dass  in  manchem  Falle,  namentlich  der  altem  Literatur, 
eine  solche  Mitbetheihgung  des  Sehnervenapparates  über- 
sehen worden,  da  sowohl  die  ophthalmoskopische  als  auch 
die  anatomische  Untersuchung  nicht  immer  mit  wünschens- 
werter Genauigkeit  ausgeführt  wurde.  Jedenfalls  ist  die 
Mitbetheiligung  des  basalen  optischen  Leitungsapparates 
und  der  Sehnerven  bei  Trigeminus-Affection  in  Folge  von 
Himsyphilis  als  eine  ausserordentUch  häufige  anzusehen. 
Das  beweisen  auch  noch  eine  Reihe  sonstiger  kUnischer 
Mittheilungen  aus  der  Literatur.  Bei  keiner  der  übrigen 
Himnerven-Läsionen  war  in  unserer  Untersuchimgsreihe  der 
Opticus  so  oft  mitbetheiligt  als  gerade  bei  der  Trigeminus- 
Affection. 

Die  Mitbetheihgung  des  Oculomotorius  bei  der  Trige- 
minus-Lähmung  in  Folge  von  Bümsyphilis  ist  an  der  Hand 
des  in  der  Literatur  vorliegenden  Materials  reichUch  so 
häufig  als  bei  unserer  Untersuchungsreihe  (15  mal  auf  22 
Fälle).    Durchweg  würde  sich  also  ungefähr  in  der  Hälfte 


80  W.  Uhthoff. 

der  Fälle  der  Nervus  oculomotorius  mit  ergriffen  zeigen  und 
zwar  in  ca.  dem  vierten  Theile  der  Fälle  doppelseitig.  Diese 
Combination  von  Trigeminus-Lähmung  mit  Oculomotorius- 
Affection  beruhte  in  allen  Fallen  unserer  Untersuchungs- 
reihe mit  Sectionsbefiind  sowohl  als  auch  der  Sectionsfalle 
aus  der  Literatur  stets  auf  einen  basalen  Process  resp.  auf 
einen  Krankheitsheerd  in  der  Gkgend  des  Pons.  Nur  Imal 
von  diesen  im  Ganzen  17  durch  die  Autopsie  aufgeklärten 
FäUen  scheint  eine  Drucklähmung  der  betreffenden  Nerven 
bedingt  durch  doppelseitige  syphiUtische  Tumoren  der  Gross- 
himhemisphären  vorgelegen  zu  haben  (Power).  Eine  Pons- 
erkrankung  fand  sich  4  mal  als  Ursache  in  diesen  17  Fällen, 
die  mittlere  Schädelgrube  war  in  umschriebener  Weise  2 mal 
Sitz  der  syphihtischen  Neubildungen ,  3 mal  lag  multiple 
gummöse  Degeneration  der  basalen  Himnervenstämme  selbst 
vor  und  in  den  übrigen  8  Fällen  handelte  es  sich  um  aus- 
gedehntere syphihtißche  Veränderungen  an  der  Himbasis. 
Auch  in  den  restirenden  Fällen  unserer  BeobachtungsreUie, 
wo  keine  Autopsie  ausgeführt  wurde,  musste  von  klinischen 
Gesichtspunkten  aus  stets  auf  einen  basalen  syphihtischen 
Process  geschlossen  werden. 

Die  IVIitbetheihgung  des  Abducens  bei  den  Fällen  von 
Trigeminuslähmimg  in  Folge  von  Himsyphilis  findet  sich 
bei  den  Sectionsfällen  aus  der  literatiu*  ungefähr  ebenso 
häufig  als  bei  unserer  Untersuchungsreihe  (10 mal  auf  22 
Fälle,  bei  uns  6:14),  also  in  noch  nicht  ganz  der  Hälfte 
der  Fälle.  Auch  hier  ist  bei  den  insgesammt  12  Fällen, 
wo  es  ziu*  Autopsie  kam,  die  Ursache  als  syphilitische  Pons- 
erkrankung  3 mal,  als  auf  die  mittlere  Schädelgrube  be- 
schränkt 2 mal,  als  directe  syphiUtische  basale  Erkrankung 
der  Nervenstämme  selbst  2 mal,  und  als  ausgedehnter  ba- 
saler gmnmöser  Process  in  den  übrigen  5  Fällen  nach- 
gewiesen worden.  In  einem  Fall  handelt  es  sich  um  eine 
Erweichung  im  hintern  Schenkel  der  innem  Kapsel  bei 
gleichzeitigen  Arterien -Veränderungen   und  einmal  wieder 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    IL  81 

um  den  Fall  von  Drucklähmung  bei  doppelseitigen  syphi- 
litischen Geschwülsten  in  beiden  Grosshimhemisphären. 

Der  Nervus  trochlearis  war  mit  dem  Trigeminus  der- 
selben Seite  gemeinsam  im  Ganzen  also  in  36  Fällen  5mal 
befallen,  stets  noch  gleichzeitig  mit  andern  Himnerven. 
Alle  5  Fälle  kamen  zur  Autopsie,  und  immer  wurde  die 
Ursache  als  eine  basal  gelegene  gefunden;  3 mal  ausgedehnte 
basale  Veränderungen,  Imal  auf  die  rechte  mittlere  Schä- 
delgrube beschränkt,  und  Imal  wieder  basale  Druckläh- 
mimg bei  doppelseitigem  syphilitischem  Grosshimtumor. 

Der  Nervus  olfactorius  betheiligte  sich  nur  relativ  selten 
gleichzeitig  bei  Quintus-Affection  in  Folge  von  Himsyphilis, 
im  Ganzen  4  mal  auf  36  Fälle.  Die  Ursache  lag  stets 
basal,  bis  auf  den  einen  Fall  von  Power,  der  schon  wieder- 
holt erwähnt  wurde. 

Etwas  häufiger  schon  war  gleichzeitig  der  Acusticus 
mitbetroffen,  im  Ganzen  7  mal  von  36  Fällen,  stets  ein- 
seitig und  mit  der  Trigeminus- Affection  auf  derselben  Seite, 
nur  1  mal  doppelseitig.  Der  anatomische,  zu  Grunde 
liegende  Process  war   wiederum  lediglich  basal  zu  suchen. 

Relativ  oft,  in  fast  der  Hälfte  der  Fälle,  war  der 
Facialis  in  Mitleidenschaft  gezogen,  16  mal  bei  36  Kranken, 
und  zwar  stets  einseitig  und  ziemlich  oft  in  allen  seinen 
Zweigen.  Waren  die  Mundzweige  isolirt  betrofifen,  so  konnte 
auch  in  einem  Theil  dieser  Fälle  halbseitige  Körperlähmung 
nachgewiesen  werden,  sowohl  auf  derselben  als  auf  der 
entgegengesetzten  Seite,  im  letzteren  Falle  war  in  der 
Begel  syphilitische  Brückenerkrankung  nachweisbar.  In  ver- 
schiedenen Fällen  jedoch  kam  auch  die  Parese  der  Mund- 
zweige isolirt  ohne  Körperlähmung  vor  und  zum  Theil  ofifenbar 
auch  auf  Grund  einer  basal  gelegenen  Krankheitsursache. 

Die  letzten  Gehimnerven  waren  erhebUch  seltener 
mitbetheiligt,  jedoch  will  ich  von  einer  genaueren  Auf- 
zahlang  der  CompUcationen  von  ihrer  Seite  auch  hier  absehen. 

Wie   schon   das   Resultat   dieser   ganzen   Zusammen- 

▼.  OiMfe'i  ArebiT  tta  Ophthalmologie.  XL.  1.  6 


82  W.  Uhthoff. 

Stellung  in  Betreff  der  complicirenden  sonstigen  Himnerven- 
lähmungen  bei  Trigeminus-Affection  in  Folge  von  Hini- 
syphilis  zeigt,  waren  mit  dem  Trigeminus  gleichzeitig  in 
der  Regel  noch  mehrere  andere  von  den  vorderen  Him- 
nerven  betroffen.  Die  Fälle  müssen  als  selten  bezeichnet 
werden,  wo  bei  Himsypliilis  der  N.  trigeminus  von  den 
Hinmerven  der  einzig  erkrankte  ist.  In  unserer  Beobach- 
tungsreihe ist  unter  den  einschlägigen  15  Fällen  kein  ein- 
ziger solcher  zu  verzeichnen,  die  Quintus  -  Affection  war 
stets  noch  mit  Erkrankung  im  Bereich  anderer  Gehirn- 
nerven  komplicirt.  Bei  den  22  aus  der  Literatur  zu- 
sammengestellten Füllen  mit  Sectionsbefund  scheint  dies 
jedoch  4  mal  der  Fall  gewesen  zu  sein,  aber  auch  hier 
handelte  es  sich  stets  um  basalen  Sitz  der  anatomischen 
Lähmungs-Ursache,  welche  dann  ziemlich  isolirt  den  Tri- 
geminus einer  Seite  betraf:  Chvostek:  Syphilom  des 
Unken  N.  trigeminus  und  des  GangUon  Gassen,  Genkin: 
Syphilitische  Neubildung  des  Keilbeins,  welche  auf  den 
Unken  Trigeminus  drückte,  Huguenin  (bohnengrosses 
Gumma  hinter  der  Sella  turica  auf  dem  GangUon  Gassen), 
Pick  (gummöse  Bildung  am  Austritt  des  rechten  Trigemi- 
nus mit  totaler  Degeneration  der  aufsteigenden  Trigeminus- 
Wurzel  und  Körperlähmung  der  entgegengesetzten  Seite). 
Auch  Alexander  hebt  u.  A.  die  Seltenheit  der  isoUerten 
Trigeminus-Affection  bei  HimsyphiUs  ganz  besonders  her- 
vor mit  den  Worten:  „Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  den 
Trigeminus  im  Verlaufe  und  in  Verbindung  mit  syphiUti- 
schen  Erki-ankungen  des  N.  opticus,  facialis,  abducens  und 
trochlearis  häufig  genug  erkrankt  gefunden,  indessen  nur 
2  Fälle  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt,  in  denen  Quin- 
tusneuralgie  als  einziges  Symptom  des  syphiUtischen  Leidens 
und  zwar  einer  syphyUtischen  Periostitis  der  Orbitalknochen 
angetroffen  wurde."  —  Unter  aUen  Fällen  des  Gesammt- 
materials  von  Trigeminus-Affection  bei  HimsyphiUs  ist 
auch  nicht  einer,  der  mit  Sicherheit  auf  eine  primäre  De- 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  83 

generation  der  Kernparthieen  zurückgeiührt  werden  könnte. 
Auch  in  unserm  Fall  X  (Siemerling)  mit  Atrophie  der 
an&teigenden  Trigeminus- Wurzel  ist  die  Ursache  oflfenbar 
als  eine  basale  anzusehen. 

Ich  habe  noch  hervorzuheben,  dass  unter  den  14  Fällen 
von  Trigeminus- Affection  bei  Himsyphilis  unserer  Unter- 
suchungsreihe Keiner  von  einseitiger  Trigeminus-Lähmung 
mit  gekreuzter  Körperlähmung  zu  verzeichnen  ist,  während 
bei  dem  aus  der  Literatur  gesammelten  Sectionsmaterial 
unter  22  Fällen  8  solche  vorhanden  waren.  Ich  glaube, 
dass  diese  Form  des  Krankheitsbildes  immer  eine  recht 
seltene  ist,  sie  ist  in  den  bisherigen  Mittheilungen  offenbar 
ganz  besonders  beachtet  worden  und  beruhte  durchweg 
auf  syphiUtischer  Ponserkrankung,  gelegentiich  fand  sie  eine 
andere  Erklärung  (s.  p.  179,  I.  Theil,  v.  Graefe's  Archiv 
XXXIX.  1.). 

Die  Keratitis  neuroparalytica  scheint  bei  der  Him- 
syphiHs  trotz  der  ziemhch  häufigen  BetheiUgung  des 
Nervus  trigeminus  doch  nur  relativ  selten  vorzukommen. 
Bei  unserer  Untersuchungsreihe  von  100  Fällen,  wo  der 
Trigeminus  sich  14  mal  betheiligt  zeigte,  konnte  eine  Kera- 
titis neuroparalytica  nur  1  mal  constatirt  werden  (Fall  III). 
Die  Autopsie  ergab  hier  einen  ausgedehnten  basalen  gum- 
mösen Process  namentUch  in  der  Gegend  des  rechten  in- 
tracranieUen  Opticus -Stammes  und  der  rechten  Chiasma- 
Hälfle  sich  bis  in  die  hintere  Schädelgrube  hinein  erstreckend. 
Der  rechte  N.  trigeminus  war  stark  verdünnt  und  atrophisch 
dem  hnken  gegenüber.  Eine  anatomische  Untersuchung 
des  Nerven  konnte  leider  nicht  ausgeführt  werden. 

Dem  gegenüber  ist  die  neuroparalytische  Hornhaut- 
entzündung bei  den  22  Fällen  von  Trigeminus-Affection, 
welche  auf  die  150  aus  der  Literatur  zusammengestellten 
Sectionsfälle  von  Himsyphilis  kommen,  im  Ganzen  6  mal, 
also  etwas  häufiger,  verzeichnet,  vielleicht  aber  ist  von  diesen 
6  Fällen  der  eine  oder  der  andere  in  seiner  Deutung  als 

6* 


84  W.  ühthoff. 

Keratitis  neuroparalytica  nicht  ganz  sicher.  Es  sind  dies 
die  Fälle  Ton  Leudet,  Westphal,  H.  Power,  Genkin, 
Wagner  und  Pick.  Am  bemerkenswerthesten  ist  hier 
zunächst  die  Beobachtung  von  Leudet,  wo  es  bei  doppel- 
seitiger Trigeminus-AiFection  auch  zu  einer  doppelseitigen 
Keratitis  neuroparalytica  gekommen  zu  sein  scheint  Es 
ist  mir  nicht  möglich  gewesen  auf  dem  Gebiete  der  Him- 
syphilis   eine   zweite  derartige  Beobachtung   nachzuweisen. 

Von  den  übrigen  5  Fällen  ist  noch  der  von  Genkin  ganz 
besonders  hervorzuheben,  weil  es  hier  scheinbar  zu  einer 
Keratitis  neuroparalytica  einer  Seite  mit  ziemlich  schnellem 
ulcerösen  Zerfall  der  Cornea  kam  zu  einer  Zeit,  wo  noch 
keine  Anästhesie  im  Bereich  des  betreffenden  Trigeminus 
bestand,  sondern  eine  Hyperästhesie  daselbst  vorhanden 
war.  Genkin  fasst  seinen  Fall  als  eine  reine  trophoneu- 
rotische  Störung  in  der  Hornhaut  auf  und  stellt  sie  den 
Charcot'schen  Beobachtungen  von  Ophthalmia  neuropara- 
lytica an  die  Seite,  wo  ebenfalls  keine  Anästhesie,  sondern 
eine  Hyperästhesie  in  den  betreffenden  Zweigen  des  Tri- 
geminus vorhanden  war.  Der  Grund  für  die  Trigeminus- 
Anomalie  war  in  dem  Genkin 'sehen  Falle  eine  syphiliti- 
sche Neubildung  am  Keilbein,  welche  auf  den  linken  Nervus 
trigeminus  drückte.  Diese  Beobachtung  beweist  auch  fiir  das 
Gebiet  der  Himsyphiüs,  dass  für  das  Zustandekommen  der 
Keratitis  neuroparalytica  nicht  immer  Empfindimgslosigkeit 
der  Cornea  unbedingt  erforderlich  ist,  jedoch  muss  jedenfalls 
ein  derartiges  Vorkommen  als  ein  sehr  seltenes  angesehen 
werden.  Auch  in  dem  Pick 'sehen  Falle  (Beobachtung  2) 
bestand  keine  völlige  Unempfindlichkeit  des  Auges  und  der 
Cornea  zu  der  Zeit,  als  sich  der  neuroparalytische  Hom- 
hautprocess  entwickelte.  In  den  übrigen  Fällen  scheint 
die  Anästhesie  der  Cornea  eine  vollständige  gewesen  zu  sein. 

Der  Westphal' sehe  Fall  ist  insofern  hervorzuheben, 
als  mit  der  Trigeminus-Lähmung  gleichzeitig  eine  Oculo- 
motorius-Iiähmung   in    allen   Zweigen  bestand,   also   auch 


UntersuchaBgen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.  85 

eine  Ptosis,  trotzdem  aber  kam  es  zur  Keratitis  neuro- 
paralytica,  auch  in  den  Fällen  yon  Leudet,  Power, 
Wagner  bestand  gleichzeitig  Ocnlomotorius-Lähmung  der 
betreffenden  Seite  und  ist  es  wahrscheinhch  dass  bei  ihnen 
z.  Th.  auch  Ptosis  bestanden  hat,  aber  eine  Keratitis  neu- 
roparalytica  trat  doch  ein.  Ich  erinnere  in  dieser  Hin- 
sicht an  die  Ausführungen  von  v.  Graefe's  (1.  c.)  gelegent- 
lich seines  Falles  völliger  einseitiger  Anästhesie  im  Bereich 
des  Trigeminus,  welche  Monate  lang  bestand,  die  aber 
trotzdem  nicht  zur  Keratitis  neuroparalytica  führte.  Es  be- 
stand auch  hier  gleichzeitig  Oculomotorius-Lähmung  der- 
selben Seite  mit  Ptosis,  und  v.  Graefe  ist  nun  geneigt  in 
der  Anwesenheit  der  Ptosis  den  Grund  für  das  Ausbleiben 
der  Keratitis  neuroparalytica  zu  sehen,  da  die  Ptosis  ge- 
eignet gewesen  sei,  die  Austrocknung  der  Cornea  zu  ver- 
hindern, auf  welche  für  das  Zustandekonmien  der  Keratitis 
neuroparalytica  so  grosses  Gewicht  zu  legen  sei.  Es  unter- 
liegt wohl  keinem  Zweifel,  dass  ein  herabhängendes  oberes 
lid  geeignet  ist,  der  Ausbildung  einer  Keratitis  neuroparaly- 
tica bis  zu  einem  gewissen  Grade  entgegenzuwirken,  ich 
glaube  aber  nicht,  auf  Grund  der  in  der  Literatur  vor- 
liegenden Mittheilungen,  dass  dadurch  diese  Homhautaffec- 
tion  dauernd  und  sicher  verhindert  werden  kann. 

Der  Fall  Power  ist  auch  hier  insofern  noch  als  be- 
sonders anzuführen,  da  hier  syphiUtische  Geschwülste  der 
Grosshimhemisphären  durch  Eaumbeengung  in  der  Schädel- 
höhle und  basale  Druckwirkung  auf  den  Trigeminus  sowie 
die  meisten  übrigen  Himnerven  derselben  Seite  zur  Lähmung 
des  Nerven  und  Keratitis  neuroparalytica  geführt  hatte. 
Auch  die  anatomische  Untersuchung  ergab  hier  keine 
wesentliche    Veränderung  im    basalen   Trigeminus-Stamm. 

Bei  den  übrigen  insgesamrot  6  Sectionsfällen  von  Tri- 
geminus-Affection  mit  Keratitis  neuroparalytica  bei  Him- 
syphilis  handelte  es  sich  stets  um  eine  basale  Läsion  des 
Trigeminus-Stammes,  4  mal  durch  Druck  basaler  gummöser 


86  W.  ühthoff. 

Massen  auf  den  betreffenden  Trigeminus-Stamm  mit  secun- 
därer  Degeneration  und  2  mal  durch  syphilitische  Neubildun- 
gen im  Trigeminus-Stamm  selbst,  in  dem  einen  dieser  Fälle  mit 
totaler  Degeneration  der  aufeteigenden  Trigeminus- Wurzel. 

Bei  der  Trigeminus-Affection  in  Folge  von 
Hirnsyphilis  überhaupt,  sowie  noch  besonders  bei 
der  mit  ihr  verbundenen  Keratitis  neuroparalytica 
ist  demnach  durchweg  die  Ursache  als  eine  basal 
gelegene  anzunehmen. 

Die  Literatur  enthält  ausser  den  bisher  berührten  noch 
eine  ganze  Anzahl  von  mehr  oder  minder  bemerkenswerthen 
Mittheilimgen  über  Trigeminus-Lähmung  und  Keratitis  neu- 
roparalytica, auf  die  ich  jedoch  nicht  genauer  eingehen 
kann.  Ich  will  in  dieser  Hinsicht  nur  noch  kurz  erwähnen 
die  Alittheilungen  von  Worms  (citirt  bei  Leon  Gros  et 
Lanceraux  p.  387,  Balfour  (Edinb.  med.  Joum.  1875  Oct), 
Alexander,  Henry  („Gase  of  the  fifth  cranial  nerve". 
Philad.  med.  Times,  Juni  12,  p.  577),  Königstein  („Läh- 
mung aller  äusseren  Augenmuskeln  des  r.  Auges  und  An- 
ästhesie des  rechten  Trigeminus."  Wien.  med.  Presse 
1878,  Nr.  18),  Broadbent  (Paralysis  of  the  Ophthalmie 
and  superior  maxillary  divisions  of  the  fiflh  nerve  etc." 
Lancet,  Bd.  L,  p.  380),  Thiersch  („Zur  Casuistik  der 
Himsyi^hilis",  Münch.  med.  Wochenschr.  Nr.  24  und  25 
(bei  congenitaler  Lues),  Rumpf  (1.  c.)  u.  A. 

E.  Nystagmus  und  nystagmusartige  Zuckungen 
im  Bereich  der  Augenmuskeln  bei  Hirnsyphilis. 
Der  eigenthche  typische  Nystagmus  war  bei  unserer 
Beobachtungsreihe  von  100  Fällen  Himsyphilis  eine  seltene 
Erscheinung,  nur  2  mal  konnte  er  constatirt  werden.  In 
dem  einen  Fall  (XI)  handelte  es  sich  um  hochgradige  ba- 
sale gummöse  Veränderungen,  Hydrocephalus  internus,  End- 
arteriitis  syphiUtica  u.  s.  w.  mit  ausgedehnten  sonstigen  basalen 
Himnerven Veränderungen.     Es   ist   nicht  möglich,  bei  den 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   IL  87 

ausgedehnten  und  mannigfachen  intracraniellen  Veränderun- 
gen gerade  den  Nystagmus  auf  eine  bestimmte  Heerdläsion 
zarückzuftihren  trotz  der  ausgeführten  Autopsie.  Und 
ebenso  konnte  in  dem  zweiten  Falle,  der  nicht  zur  Autopsie 
kam,  und  wo  auch  intra-vitam  die  genauere  Localisation 
und  Bestimmung  des  intracraniellen  Processes  nicht  mit 
Sidierheit  möghch  war,  diese  Frage  ihre  Beantwortung 
nicht  finden.  —  Noch  relativ  seltener  finde  ich  in  unsem 
150  aus  der  Literatur  zusammengestellten  Sectionsfällen 
Nystagmus  bemerkt,  nur  2  mal  (Buss  und  Ormerod). 
Vielleicht,  dass  in  dem  ersteren  Falle  von  „acuter  disse- 
minirter  MyeUtis  bulbi  nebst  Encephalitis  bei  einer  Syphi- 
litischen" ein  Heerd  in  der  Haube  des  hintern  Abschnittes 
des  Himschenkels  und  der  vordem  Hälfte  der  Brücke  für 
die  Entstehung  des  Nystagmus  anzuschuldigen  war;  in  dem 
zweiten  Falle  lag  eine  symmetrische  gummöse  Erkrankung 
beider  Oculomotorius  -  Stämme  neben  syphilitischen  Ver- 
änderungen der  Himarterien  und  namentlich  der  Arter. 
basilaris  vor.  Es  würde  das  somit  im  Ganzen  4  Falle 
von  eigentlichem  typischen  Nystagmus  auf  250  Fälle  von 
Himsyphüis  sein  und  das  muss  als  ein  sehr  geringer  Pro- 
centsatz (1,6%)  bezeichnet  werden,  namentlich  z.  B.  der 
disseminirten  Heerdsklerose  gegenüber,  wo  ich  bei  einer 
Untersuchungsreihe  von  100  Fällen  in  12  %  Nystag- 
mus nachweisen  konnte*).  Demnach  dürfte  bei  der  Him- 
S)'phili8  der  eigentliche  Nystagmus  nicht  häufiger  vor- 
kommen als  bei  andern  intracraniellen  Erkrankungen  (Hirn- 
tumor, Meningitis  u.  s.  w.)  Für  die  relativ  grosse  Selten- 
heit des  Nystagmus  bei  Himsyphihs  möchte  ich  auch  an 
dieser  Stelle  noch  ein  Resultat  anfuhren,  wie  es  sich  auf 
(rrondlage  statistischer  Erhebungen  an  einem  Material  von 
20000  Augenkranken  der  Schoeler'schen  Klinik  ergeben 

*)  „Untersuchungen  über  die  bei  der  multiplen  Heerdsklerose 
Torkommenden  Augenstorungen".  Berlin  1888.  Arch.  f.  Psych,  und 
Nervenkrh.  Bd.  XXI,  Heft  1  u.  2,  p.  89. 


88  W.  Uhthoff. 

hat  (Niedergesäss  „Klinischer  Beitrag  ziir  Aetiologie  des 
Nystagmus  und  der  nystagmusartigen  Zuckungen."  Inaug.- 
Diss.  Berlin  1890).  Hier  kamen  auf  die  20000  Augen- 
kranken 130  Fälle  von  Nystagmus,  davon  waren  120  an- 
geboren resp.  im  frühesten  Kindesalter  erworben,  nur  10 
Fälle  betrafen  Nystagmus,  der  im  spätem  Alter  acquirirt 
wurde  und  hienmter  war  HimsyphiUs  Imal  die  Ursache. 
Etwas  häufiger  konnten  nystagmusartige  Zuckungen 
in  den  Endstellungen  in  unsem  100  Fällen  von  Himlues 
nachgewiesen  werden  (6  mal).  Es  handelte  sich  hier  durch- 
weg um  basale  HimsyphiUs  und  meistens  waren  die  Augen- 
muskelnerven in  ausgedehnterem  Maasse  in  Mitleidenschaft 
gezogen.  6^0  ist  z,  B.  auch  wieder  der  dissehiinirten 
Sklerose  mit  46%  gegenüber  sehr  wenig,  und  da  diese 
Bewegungsanomalie  auch  sonst  bei  vielen  Erkrankungen 
des  Nenensystems  beobachtet  wird.  (s.  meine  Angaben 
in  den  „Untersuchungen  über  die  bei  der  multiplen  Heerd- 
sklerose  vorkommenden  Augenstörungen"  Arch.  f.  Psychtr. 
und  Nerv.,  Bd.  XXI  Heft  2),  so  kommt  ihr  eine  beson- 
dere diagnostische  Bedeutung  auf  dem  Gebiete  der  Him- 
syphiUs nicht  zu.  In  den  Mittheilungen  aus  der  Literatur 
habe  ich  fast  gar  keine  Angaben  über  den  besagten  Punkt 
gefunden,  es  ist  derselbe  offenbar  wenig  beachtet  worden. 

F.  Die  konjugirte  Abweichung  der  Augen 
(deviation  conjugee  Vulpian,  Prevost)  habe  ich  bei  unsem 
100  Beobachtungen  nur  Imal  angetrofiFen.  Die  Abwei- 
chung der  Augen  bestand  nach  rechts,  gleichzeitig  eine 
rechtsseitige  Körperlälimung  mit  Contractur  und  eine  links- 
seitige Hemianopsie.  Der  Pat.  wurde  ungeheilt  entlassen, 
eine  genauere  Bestimmung  von  Sitz  und  Natur  des  intra- 
craniellen  syphiUtischen  Processes  war  diagnostisch  nicht 
möglich. 

Auf   die    150    gesammelten    Sectionsfälle   von    Him- 
syphiUs mit  Augenverändemngen  aus  der  Literatur  kommen 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  89 

im  Ganzen  5  von  conjugirter  Abweichung  der  Augen  vor, 
welche  ich  im  L  Theil  (v.  Graefe's  Archiv  XXXIX.  1. 
p.  168  und  169)  tabellarisch  zusammengestellt  habe.  In  den 
3  Fällen,  wo  eine  Grosshimläsion  die  Ursache  für  die  con- 
jugirte  Abweichung  der  Augen  abgab,  erfolgte  dieselbe  nach 
der  Seite  der  Himläsion  hin  (Tiling,  Gilles  le  la  Tou- 
rette,  Leclerc.)  Der  Himprocess  war  2  mal  ein  ausge- 
dehnter oberflächlicher  Erweichungsprocess  der  einen  Gross- 
himhemisphäre,  wobei  auch  die  motorische  Kegion  in  Mit- 
leidenschaft gezogen  war,  und  Imal  eine  Gummi-Geschwulst 
in  der  linken  dritten  Stimwindung,  den  Paracentral-Lappen 
leicht  bedrängend.  In  allen  3  Fällen  lag  gleichzeitig  eine 
Lähmung  der  entgegengesetzten  Körperhälfte  vor,  welche 
sich  in  dem  Falle  Tiling  nur  auf  die  obere  Extremität  be- 
schränkte. Hier  waren  die  Bulbi  meist  nach  hnks  gewendet 
und  koimten  willkürlich  nicht  nach  rechts,  nach  oben  und 
unten  bewegt  werden.  Unwillkürlich  geschah  es  jedoch 
bisweilen.  Femer  war  bemerkenswerth,  dass  Pat.  die 
Augenlider  nicht  willkürUch  schliessen  konnte,  aber  reflec- 
torisch  blinzelte  und  die  Augen  im  Schlafe  geschlossen 
hielt  —  Die  beiden  Fälle,  wo  eine  Pons-Aflfection  den 
Grund  für  die  Abweichung  der  Augen  bildete,  zeigten  die- 
selben nach  der  dem  Pons-Heerde  entgegengesetzten  Seite 
(Broadbent  u.  Bristowe).  Wir  sehen  also,  dass  diese 
5  Fälle,  die  namentlich  von  Vulpian,  Prevost,  Lan- 
douzy, Grasset  u.  A.  aufgestellten  Sätze  bestätigen, 
dass  die  conjugirte  Abweichung  nach  der  Seite  des  Heerdes 
erfolgt,  wenn  das  Grosshim  erkrankt  und  Sitz  der  Läh- 
mungs-Ursache der  entgegengesetzten  Körperhälfte  ist,  und 
dass  die  Abweichung  nach  entgegengesetzter  Richtung  statt 
hat,  wenn  eine  Erkrankung  des  Mittelhims,  der  Brücke, 
Vierhügel  u.  s.  w.  die  Körperlähmung  der  entgegenge- 
setzten Seite  hervorgerufen  hat.  Die  letzten  beiden  Fälle 
gmgen  ebenfalls  mit  Lähmung  der  dem  Ponsheerd  entge- 
gengesetzten Körperhälfte   einher   und   in   dem  Falle   von 


90  W.  ühthoff. 

Broadbent  vergesellschafteten  sich  diese  Erscheinungen 
noch  mit  Trigeminus-,  Facialis-  und  Abducens- Lähmung. 
Es  ergiebt  sich  somit,  dass  die  conjugirte  Abweichung 
der  Augen  auf  dem  Q-ebiete  der  Himsyphilis  ein  im 
Ganzen  seltenes  Vorkommniss  war  (in  etwas  über  2%  der 
Fälle),  und  dass  sowohl  Erweichungsprocesse,  als  wirkliche 
gummöse  Geschwulstbildungen  der  Gehimsubstanz,  als 
meningitische  Erscheinungen  an  der  Conveidtät  einer  He- 
misphäre für  die  Entstehung  der  conjugirten  Abweichung 
in  Betracht  kommen.  Der  letztere  anatomische  Factor 
(meningitische  Erscheinungen)  dürfte  wohl  als  der  seltenere 
anzusehen  sein.  Im  Uebrigen  haben  unsere  Untersuchun- 
gen Nichts  ergeben,  was  mit  den  Forschungsresidtaten 
anderer  Autoren  über  die  conjugirte  Abweichung  und  ihre 
diagnostische  Bedeutung  in  Widerspruch  stände. 

8)   Pathologische  Erscheinungen  von  Seiten  der 
Pupillen. 
I.     Typische  reflectorische  Pupillenstarre  auf 
Licht  mit  erhaltener  Convergenz-Reaction  lOmal. 

a)  Ohne  sonstige  functionelle  oder  anatomische 
Veränderungen  im  Bereich  der  Nervi  oculomotorii 
4  mal. 

(3  mal  bestand  PupillendifFerenz.  —  2  mal  lautete  die 
Diagnose  auf  basalen  syphilitischen  Process  mit  1  Section 
und  2  mal  war  eine  genauere  Localisation  des  intracra- 
niellen  Processes  nicht  möglich.  —  Das  Symptom  war  stets 
doppelseitig.) 

b)  Mit  anderweitigen  functionellen  oder  ana- 
tomischen Störungen  im  Bereich  der  Nervi  oculo- 
motorii 6  mal. 

(Die  Diagnose  lautete  4  mal  auf  basale  syphilitische 
Veränderungen,  Imal  Erweichungsprocess  in  einer  Hemis- 
phäre mit  gleichzeitiger  gummöser  Geschwulst-Entwicklung 
in  derselben,  und  2  mal  konnte  Sitz  und  Natur  des  intra- 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  91 

craniellen  syphilitischen  Processes  nicht  mit  aller  Sicher- 
heit festgestellt  werden.  —  5  mal  war  die  Störung  doppel- 
seitig, Imal  einseitig.  —  4  mal  bestand  ausgesprochene 
Differenz  in  der  Pupillengrösse.  —  3  mal  waren  die  Punc- 
tionsstörungen  in  andern  Aesten  des  Oculomotorius  doppel- 
seitig und  3 mal  einseitig.  —  Imal  handelte  es  sich  nur 
um  anatomische  Veränderungen  ohne  sonstige  Functions- 
stonmgen  im  Oculomotorius.) 

n.  Fehlen  der  Pupillarreaction  auf  Licht  und 
Convergenz  4  mal.) 

(Hiervon  2  mal  ohne  sonstige  Betheiligung  der  Oculo- 
motorius-Aeste  in  2  mal  mit  Betheiligung  solcher,  dann  in 
einem  Falle  isolirte  doppelseitige  Parese  der  Accommoda- 
tion  (also  Ophthalmoplegia  interna.) 

ni.  Hemianopische  Pupillarreaction  1  mal, 
s.  Fall  XXI.  Tractus-Affection  mit  Uebergreifen  auf  das 
CThiasma  (doppelseitige  Hemianopsie).  Die  Pupillenreaction 
war  nicht  im  strengen  Sinne  hemianopisch,  sondern  nur 
andeutungsweise,  indem  die  Pupillen  bei  seitUcher  Beleuch- 
tung der  ganz  blinden  B/Ctinalhälften  deutlich  weniger  leb- 
haft reagirten  unter  sonst  gleichen  Untersuchungsbedingun- 
gen als  bei  Beleuchtung  der  noch  etwas  sehenden  Hälften. 

IV.  HippusartigeContractionen  des  Sphincter 
pupillae  einer  Seite  Imal. 

(Auf  dem  zweiten  Auge  bestand  typische  Lichtstarre 
der  Pupille.  Auf  dem  so  befallenen  Auge  war  die  Ldcht- 
reaction  wohl  noch  vorhanden,  aber  nur  sehr  miminal, 
während  diese  spontanen  wechselnden  ruckweisen  Contrac- 
tionen  des  Sphincter  pupillae  sehr  lebhaft  waren.  Es  war 
nicht  möglich  in  dem  Falle  Sitz  und  Ausdehnung  des  in- 
tracraniellen  syphilitischen  Processes  mit  Sicherheit  diag- 
nostisch zu  bestimmen.  Gleichzeitig  fand  sich  eine  rechts- 
seitige Abducensparese.) 

Ich  will  mich  auf  eine  kurze  Betrachtung  dieses  Ma- 
terials  beschränken,   ohne    demselben   die   Beobachtungen 


92  W.  ühthoff. 

über  Pupillarerscheinungen  bei  dem  aus  der  Literatur  ge- 
sammelten Sectionsmaterial  von  150  Fällen  gegenüber  zu 
stellen.  Die  Angaben  über  diesen  Punkt  sind  bei  letzteren 
durchweg  unzureichend  und  ergeben  eben  keine  brauchbare 
Vergleichsstatistik. 

Zunächst  also  wurde  im  Ganzen  in  ca.  14^/^  der  Fälle 
reflectorische  Pupillenstarre  auf  licht  beobachtet,  meistens 
mit  erhaltener  Convergenz-Keaction,  in  einem  kleinem  Theil 
ohne  dieselbe.  Es  steht  ein  solcher  Procentsatz  gegen  das 
Vorkommen  der  Pupillenstarre  bei  Tabes  und  progressiver 
Paralyse  (erstere  ca.  60 — 90*^/^,,  letztere  ca.  50®/q)  unend- 
lich zurück,  aber  von  den  sonstigen  intracraniellen  Erkran- 
kungen dürfte  die  Himsyphihs  wohl  diejenige  sein,  bei 
welcher  das  Symptom  noch  am  häufigsten  vorkommt;  aller- 
dings fehlen  mir  über  diesen  Punkt  bisher  in  mancher  Be- 
ziehung noch  genauere  statistische  Daten,  welche  sich  auf 
ein  grosses  eignes  Beobachtungsmaterial  stützen;  aber  z.  B. 
bei  einer  eignen  Beobachtungsreihe  von  100  Himtumor- 
fällen  war  jedenfalls  die  reflectorische  Pupillenstarre  weniger 
häufig.  Ebenso  haben  mir  fiühere  Untersuchungen  ergeben, 
dass  bei  andern  Erkrankungen  (multiple  Sclerose,  Alkoho- 
lismus, traumatische  Neiu'osen,  Dementia  senilis,  Kopfv^er- 
letzungen,  Tabak-Missbrauch  u.  A.)  die  reflectorische  Pu- 
pillenstarre relativ  selten  vorkommt  und  jedenfalls  durch- 
weg viel  seltener  als  bei  Himsyi^hilis  (s.  „Zur  diagnosti- 
schen Bedeutung  der  reflectorischen  Pupillenstarre"  Berlin, 
klin.  Wochenschrift  1886  p.  55). 

Bemerkenswerth  ist  femer  bei  unseren  10  Fällen  von 
Pupillenstarre  mit  erhaltener  Convergenz-Keaction  die  häu- 
fige Beteiligung  einzelner  Aste  der  Nervi  oculomotorii,  zum 
Theil  waren  an  den  betreffenden  Augen  mit  Pupillenstarre 
früher  ausgedehntere  Lähmungserscheinungen  im  Bereich 
des  Oculomotorius  vorhanden  gewesen,  waren  aber  zurück- 
gegangen und  nur  die  Pupillenstarre  blieb  bestehen,  so  dass 
es  scheint,  als  kann  gelegenthch  eine  typische  reflectorische 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    IL  93 

PupiUenstarre  auf  licht  mit  erhaltener  Convergeuz-Beactiou 
Ton  einer  früheren  Oculomotorius- Lähmung  übrigbleiben. 
Zmn  Theil  bestanden  noch  neben  der  Pupillenstarre  auf 
licht  mit  erhaltener  CouTergenz-Reaction  und  Accommo- 
dation,  leichtere  Paresen  im  Grebiet  einzelner  äusserer  vom 
Ocolomotorius  versorgten  Muskel.  In  2  Fällen  war  die  eben 
geschilderte  Pupillenstarre  lediglich  auf  licht  nur  auf  einem 
Auge  vorhanden,  während  auf  dem  zweiten  Ophthalmoplegia 
interna  bestand.  Bei  2  Autopsieen  lag  reflectorische  Pupil- 
lenstarre  auf  licht  vor  und  die  anatomische  Untersuchung 
ergab  Veränderungen  im  Bereich  bei  der  Oculomotorius- 
stamme,  jedoch  ohne  dass  dieselben  vor  dem  Tode  andere 
Erscheinungen  gemacht  hätten  als  Pupillenstarre  (Fall  XII 
IL  XTTT)  auf  licht  mit  erhaltener  Convergenz-Reaction. 

Es  ist  schwer  verständHch,  wie  Oculomotorius- Aflfec- 
tion,  die  auf  einer  Stammerkrankung  beruht,  schliesshch 
als  einzigste  Störung  nur  Lichtstarre  der  Pupille  zurück- 
lassen soll,  bei  guter  B.eaction  auf  Convergenz  und  guter 
Accommodation  und  doch  schien  es  in  einigen  Fällen  so 
zu  sein.  Ganz  ausgeschlossen  erscheint  es  allerdings 
nicht,  dass  das  Symptom  auch  in  diesen^  Fällen  auf 
anderen  gleichzeitig  bestehenden  Himveränderungen  zu- 
rückzuführen ist;  aber  vereinzelte  Beobachtungen  hat  unsere 
Untersuchungsreihe  au£suweisen,  wo  es  sich  anfangs  ledig- 
lich um  ein-  oder  doppelseitige  Affection  der  Oculomotorii 
in  allen  Asten  handelte  und  wo  im  Verlauf  der  längeren 
Beobachtung  alle  diese  Lähmungserscheinungen  schwanden 
Hg  auf  die  Starre  der  betrefiFenden  Pupille  auf  Licht. 

Es  ist  noch  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  ein  Theil 
dieser  Fälle  von  Pupillenstarre  auf  licht  auf  gleichzeitige 
Anwesenheit  tabischer  Symptome  zurückzuführen  war.  Bei 
2  von  den  14  Beobachtungen  lagen  offenbar  gleichzeitig 
tabische  Erscheinungen  vor,  bei  den  übrigen  aber  waren 
solche  nicht  mit  Sicherheit  nachweisbar  und  in  diesen 
Bellen  muss  lediglich   der  intracranielle  sj'philitische  Pro- 


94  W.  ühüioflf. 

cess  als  Ursache  angesehen  werden.  Ich  verweise  in  dieser 
Hinsicht  noch  besonders  auf  unsem  einen  Fall,  der  von 
Oppenheim  („Beiträge  zur  Pathologie  der  Himkrankheiten/< 
Charite-Annalen  1885)  s.  Z.  mitgetheilt  worden  ist  Die  Sec- 
tion  ergab  eine  ganz  chronisch  verlaufene  Meningitis,  die 
sich  wesentlich  an  der  Basis  lokaUsirte  und  ihre  Krankheits- 
producte  auch  in  die  rechte  fossa  Sylvii  absetzte,  gleich- 
zeitige Gefässerkrankung.  Beiderseits  bestanden  Stauungs- 
papillen und  enge,  auf  licht  starre  Pupillen.  Oppenheim 
bemerkt  hierzu:  „Von  Interesse  erscheint  uns  der  Nach- 
weis der  Pupillenstarre  ohne  sonstige  Lähmungserschei- 
nungen im  Bereich  der  Oculomotorü."  Oppenheim  sah 
noch  einen  anderen  Fall  von  „Arachnitis  gummosa  cerebro- 
spinaUs'^  mit  Pupillenstarre. 

Eine  isolirte  Ophthalmoplegia  interna  (Lähmung  des 
sphincter  pupillae  und  der  Accommodation)  ohne  sonstige 
Betheiligung  der  Oculomotoriuszweige  fand  sich  bei  diesen 
14  Fällen  nur  2  mal,  also  recht  selten. 

Was  nun  die  hemianopische  Pupillenreaction  (Wer- 
nicke)  bei  unserer  Untersuchungsreihe  anbetriffi,  so  kam 
dieselbe  nur  1  mal  unter  den  100  Fällen  zur  Beobachtung 
und  auch  nur  andeutungsweise,  aber  doch  so,  dass  sie  mit 
Sicherheit  als  pathologisch  angesprochen  werden  konnte 
(s.  Fall  XXI).  Es  handelte  sich  um  eine  zweifellose  Trac- 
tus-Erkrankung.  Die  Beobachtungen  über  hemianopische 
Pupillenreaction  sind  auch  zur  Zeit  noch  sparsam  in  der 
Literatur  und  speciell  bei  Himsyphilis  finde  ich  bei  dem 
von  mir  gesammelten  Material  keinen  weiteren  Fall.  Es 
handelt  sic^h  in  der  B/Cgel  bei  denirtigen  Fällen  nicht  um 
ein  absolutes  Fehlen  der  Lichtreaktion  bei  Beleuchtung  der 
blinden  Netzhautliälfte,  sondern  nur  um  eine  weniger  leb- 
hafte und  ausgiebige  Reaction  als  bei  Belichtung  der  sehen- 
den Hälfte.  Es  ist  zu  bedenken,  dass  der  theoretischen 
Forderung  nur  eine  Netzhauthälfte  ganz  isolirt  zu  beleuchten 
durch    schräg    einfallende    Lichtstrahlen     nicht     so    ohne 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  eto.    II.  95 

weiteres  Genüge  geleistet  werden  kann,  etwas  Licht  wird 
doch  in  den  verschiedenen  brechenden  Mediendiffus  reflec- 
tirt  werden  und  so  auch  die  sehende  Xetzhauthälfte  nicht 
ganz  ohne  Beleuchtung  bleiben,  eine  Beleuchtung,  welche 
unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  ausreichen  dürfte  auch 
von  hier  aus  noch  eine  lichtreaction  der  Pupille  auszu- 
lösen, wenn  auch  in  geringerem  Grade,  selbst  wenn  die 
die  blinde  Netzhauthälfte  versorgenden  Fasern  an  der  Basis 
des  Gehirns  völlig  zerstört  sind.  Handelt  es  sich  schon 
vor  Eintritt  der  halbseitigen  Erblindung  der  Betina  um 
eine  pathologisch  verminderte,  wenig  lebhafte  Pupillenreac- 
tion,  so  dürfte  der  Nachweis  einer  hemianopischen  Beaction 
leichter  sein,  indem  die  Unterschiede  in  der  Lichtreaction 
sodann  bei  seitlicher  Beleuchtung  der  sehenden  und  der 
nicht  sehenden  Netzhauthälfte  markanter  ausfallen.  Es 
kann  aber  unter  diesen  Umständen  nicht  genug  zur  Vor- 
sicht gemahnt  werden  bei  Anstellung  der  Prüfting,  damit 
man  nicht  zu  falschen  Schlüssen  kommt;  die  Beleuchtungs- 
intensität, der  Einfallswinkel  u.  s.  w.  müssen  dieselben  sein; 
bei  nicht  sehr  sorgfältiger  Versuchsanordnung  kann  man 
sich  auch  schon  beim  gutsehenden  Auge  überzeugen,  wie 
sich  bei  verschiedenem  Einfallswinkel  der  Lichtstrahlen  von 
der  einen  und  der  anderen  Seite  wesentliche  Unterschiede 
in  der  Lebhaftigkeit  der  Lichtreaction  ergeben  und  nament- 
lich dann,  wenn  dieselbe  schon  vorher  abgeschwächt  war. 
Schon  Wilbrand  (1.  c.  p.  89)  weist  auf  die  Schwierig- 
keiten der  Prüfung  in  dieser  Beziehung  hin. 

Wenn  auch  nicht  gerade  auf  dem  Gebiete  der  Him- 
sj'philis,  so  liegen  neben  den  Mittheilungen  über  hemiano- 
pische  Pupillenreaction  von  Wer  nicke  (Portschr.  d.  Medic. 
Bd.  1,  Nr.  2,  1883),  Martins  („Ueber  Hemianopsie  mit 
hemianopischer  Pupillenreaktion".  Charite-Annalen  XIII, 
1888)  u.  a.  aus  der  neuesten  Zeit  doch  jetzt  auch  einige 
einschlägige  Beobachtungen  mit  Sectionsbefund  vor,  von 
Dercum  („Tumor  of  the  thalamus,  more  especially  of  the 


96  W.  Uhthoff. 

pulvinar;  presenting  Wemicke's  pupil  reaction"  (Journal 
of  nervous  inent.  diseases  XV  p.  506.  1890),  Leyden 
(„Beitrag  zur  topischen  Diagnostik  der  Himkrankheiten." 
Internat  Beiträge  z.  wissensch.  Medic,  Berlin  1891),  und 
Oliver  (Transact.  of  the  Americ.  ophth.  soc.  27  meeting 
p.  140,  1891).  Es  handelte  sich  in  allen  3  Fällen  um 
homonyme  Hemianopsie  mit  gleichseitiger  Körperlähmung, 
und  wies  die  Section  in  den  Fällen  von  Der  cum  und 
Oliver  Gliom  des  Thalamus  opticus  und  des  Corpus  striatum 
einer  Seite  als  Ursache  nach,  wobei  in  dem  letzteren  Falle 
der  betreflfende  Tractus  opticus  als  abgeplattet  und  zusam- 
mengedrückt bezeichnet  wird,  jedoch  ohne  nachweisbare 
mikroskopische  Veränderungen;  in  dem  ersten  Fall  werden 
die  Corpora  quadrigemina  und  die  Tractus  optici  ausdrück- 
lich als  normal  bezeichnet  Bei  der  Leyden 'sehen  Ejranken 
lag  ein  Erweichungsheerd  im  rechten  linsenkem,  welcher 
sich  bis  in  den  Himschenkel  hinein  erstreckte  und  den 
tractus  opticus  mitergriflfen  hatte,  vor. 

Alles  in  Allem  genommen,  ist  die  hemianopische  Pu- 
pillenreaction  bisher  auf  dem  Gebiete  der  Gehimsyphiüs 
äusserst  selten  beobachtet  worden  und  ich  glaube  eben, 
dass  in  dieser  Hinsicht  die  vorhin  erörterten  Prüfungs- 
schwierigkeiten zur  Erklärung  dafür  heranzuziehen  sind. 
Ich  verweise  hier  noch  einmal  besonders  auf  unsere  ver- 
schiedenen Beobachtungen  von  temporaler  Hemianopsie  in- 
folge von  Tractus-  und  Chiasma- Erkrankung,  wo  das  Phä- 
nomen nicht  mit  Sicherheit  constatirt  werden  konnte,  trotz- 
dem in  einem  Theil  der  FäUe  nachzuweisen  war,  dass  eine 
Lichtempfindlichkeit  der  entsprechenden  innem  Netzhaut- 
hälften nicht  mehr  existirte;  besonders  erwähnt  sei  in  dieser 
Hinsicht  noch  einmal  unser  Fall  X  (Siemerling),  wo 
der  eine  Tractus  opticus  durch  eine  hochgradige  gummöse 
Degeneration  vollständig  zerstört  worden  war. 

Sehr  selten  sind  bisher  auf  dem  Gebiete  der  Him- 
syphiUs  auch  hippus-artige  Erscheinungen  an  den  Pupillen 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    IL  97 

beobachtet  und  beschrieben  worden.  In  unserer  Beobach- 
timgsreihe  befindet  sich  nur  ein  einziger  Fall,  wo  die  Er- 
scheinung einer  fortwährend  wechselnden  und  unabhängig 
Ton  Beleuchtung ,  Accommodation  und  Augenbewegungen 
einiaietenden  Pupillencontraction  so  markant  war,  dass  ich 
sie  als  eine  pathologische  (Hippus)  in  Anspruch  nehmen 
mochte,  zumal  die  betreffende  Pupille  ÜELst  yöllig  lichtstarr 
war;  auf  dem  zweiten  Auge  mit  lichtstarrer  Pupille  bestand 
diese  Erscheinung  nicht  Ich  habe  diesen  Fall  in  meiner 
frühem  Mittheilung  „Zur  diagnostischen  Bedeutung  der 
reflectorischen  Pupillenstarre"  (1.  c.)  schon  kurz  mitgetheilt 
Auch  bei  den  Mittheilungen  aus  der  Literatur  finde  ich 
dieses  Symptom  auf  dem  Gebiete  der  Bümsyphilis  nur 
einmal  erwähnt  in  dem  Fall  von  Schmick  (1.  c),  wo  es 
bei  Meningitis  basilaris  chronica,  Endarteriitis  obliterans, 
Hydrops  rentriculorum  u.  s.  w.  beobachtet  wurde.  Schmick 
erwähnt  in  dieser  Mittheilung,  dass  Leichtenstern  das 
Symptom  bei  einer  Meningitis -Epidemie  wiederholt  beob- 
achtet habe.  Wie  vorsichtig  man  mit  der  Diagnose  des 
Hippus  ab  etwas  Pathologisches  bei  der  Prüfung  der  Pupil- 
larreaction  vorgehen  muss,  das  ist  schon  von  verschiedenen 
Seiten  (Schadow,  v.  Graefe's  Arch.  f.  Ophthalmologie 
XXVm,  6  u.  A.)  betont  worden,  imd  darauf  habe  ich  in 
meiner  früher  citirten  Mittheilung  auch  schon  hingewiesen. 
Es  gilt  das  vor  Allem  bei  Pupillen,  die  gute  Lichtreaction 
zeigen,  und  wo  wir  auch  schon  unter  normalen  Verhält- 
nissen selbst  bei  constanter  Beleuchtung  fortwährende 
Schwankungen  im  Durchmesser  der  Pupille  wahrnehmen 
können.  Eine  ausreichende  Erklärung  für  dies  Phänomen 
ist  bisher  nicht  gegeben;  G.  Ludwig  (Centralbl.  £  Augen- 
heilL,  Febr.  1889)  ist  geneigt  einen  Keizzustand  in  der 
Hirnrinde  oder  in  den  Yierhügeln  als  Ursache  anzuneh- 
men. Die  pathologische  Bedeutung  der  Erscheinimg  wächst, 
wemi  sie  an  sonst  reflectoiisch  lichtstarren  Pupillen  beob- 
achtet wird. 

T.  Gnefe*«  ArchiT  Ar  Ophthalmologie.  XL.    1.  7 


98  W.  Uhthoff. 

Von  einer  sog.  paradoxen  Pupillenreaction  (d.  h.  Er- 
weiterung der  Pupille  auf  Lichteinfall)  habe  ich  bisher 
weder  bei  BBmsyphilis  noch  auf  andern  pathologischen 
Gebieten  je  etwas  gesehen.  Ich  wüsste  auch  nicht,  wie 
man  sich  eine  solche  Erscheinung  erklären  könnte.  Auf 
dem  Q-ebiete  der  Himsyphilis  existirt  eine  einzige  Beobach- 
tung von  einer  solchen  angeblich  paradoxen  Pupillenreaction 
auf  Licht,  bei  einem  Fall,  wo  die  Diagnose  auf  Meningitis 
diffusa  basilaris  s^^philitica  gestellt  wurde  (keine  Autopsie) 
von  Oestreicher  (Berl.  klin.  Wochenschr.  No.  6,  1890). 
Autor  citirt  auch  noch  eine  einschlägige  Beobachtung  von 
G.  Rezzonico  bei  einem  Paralytiker  (cit  nach  dem  Neu- 
rolog.  Centralbl.  No.  4,  Jahr.  1888).  Der  von  Burchardt 
unter  dem  Titel  von  „paradoxer  Pupillenreaction"  veröflFent- 
lichte  Fall  (Berl.  kUn.  Wochenschr.  No.  2,  1890.  Site.  d. 
Charit^-Gesellschaft  vom  12.  Dec.  1889),  darf  nicht  hierher 
gerechnet  werden,  sondern  kann  höchstens  als  „scheinbar 
paradox"  bezeichnet  werden,  da  eine  künstliche,  in  der  Iris- 
fläche angelegte  Lücke  sich  nur  erweiterte,  rein  aus  mecha- 
nischen Gründen,  in  dem  aber  der  noch  übrig  gebliebene 
Theil  des  eigentlichen  Sphincter  pupillae  sich  regelrecht 
auf  licht  contraliirte.  Ich  habe  mir  s.  Z.  in  der  Discus- 
sion  erlaubt,  auf  diesen  Punkt  dem  Autor  gegenüber  schon 
hinzuweisen. 

Eine  Erklärung  für  eine  sog.  paradoxe  Pupillenreaction 
zu  geben,  ist  bisher  absolut  nicht  mögUch.  Mancherlei 
Fehlerquellen  bei  der  Prüfung  können  natürlich  auch  hier 
zu  einer  irrigen  Deutung  Veranlassung  geben,  wenn  ge- 
wisse Mitbewegungen  der  Iris  z.  B.  beim  Uebergang  von 
Convergenz  zu  Divergenz-Stellung  der  Augen,  beim  Nach- 
lass  der  Accomjnodation  u.  s.  w.  fälschhcher  Weise  mit 
dem  Lichteinfall  in  Zusammenhang  gebracht  werden. 

Was  zum  Schluss  die  Frage  anlangt,  ob  syphilitische 
Infection  zu  dem  Symptom  der  typischen  reflectorischen 
Pupillenstarre  auf  Licht  mit  erhaltener  Convergenz-Reaction 


Untereuchangen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.  QQ 

und  erhaltener  Accommodation  führen  kann,  ohne  dass 
complicirende  Erscheinungen  spinaler  oder  cerebraler  Natur 
eintreten,  so  glaube  ich,  ist  ein  solches  Vorkommen  nicht 
ganz  ausgeschlossen,  aber  als  ein  sehr  seltenes  anzusehen. 
Granz  vereinzelte  derartige  Fälle  habe  ich  im  Laufe  der 
Zeit  selbst  beobachtet  und  auch  zum  Theil  erwähnt  (1.  c). 
Es  sind  solche  Mittheilungen  auch  schon  von  anderer  Seite 
ganz  selten  gemacht  worden:  Erb  (Universitäts-Programm- 
Bede,  Leipzig  1880),  Stolzenburg  („Ein  Beitrag  zur  Lehre 
von  der  reflectorischen  Pupillenstarre  und  der  spinalen 
Myose  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Lues".  Inaug.-Dissert. 
München  1883)  u.  A.,  aber  z.  B.  die  4  Fälle  des  letzteren 
Autors  sind  nicht  alle  als  einwandsfrei  in  dieser  Hinsicht 
zu  betrachten;  in  dem  einen  fand  sich  die  Complication 
mit  einseitiger  Opticus- Atrophie,  in  einem  andern  mit  Läh- 
mung der  innem  Augenmuskulatur  und  1  Fall  wurde  nur 
Imal  beobachtet,  bei  2  andern  erstreckte  sich  die  weitere 
Controle  der  Patienten  auch  auf  nicht  länger  als  2  Jahre, 
ein  Zeitraum,  der  noch  nicht  als  hinreichend  lange  be- 
zeichnet werden  darf,  um  nachfolgende  weitere  Erschei- 
nungen spinaler  oder  cerebraler  Natur  mit  Sicherheit  aus- 
zuschliessen. 

9)  Schlussbemerkungen. 

Ln  Verlaufe  der  bisherigen  Auseinandersetzungen  bin 
ich  nicht  auf  die  Complicationen  der  Sehnerv- Affectionen 
mit  gleichzeitigen  Erkrankungen  anderer  Himnen'^en  bei 
Himsyphilis  eingegangen.  Ich  glaube  aber,  dass  es  auch 
nach  den  bisher  mitgetheilten  Daten  über  die  Complica- 
tionen der  motorischen  und  sensiblen  Augennerven- 
I^hmungen  schon  möglich  ist,  sich  ein  ungefähres  Bild  zu 
machen,  wie  sich  bei  vorhandener  Sehnervenbahnen -Er- 
krankung in  Folge  von  Himsyphilis  die  Combination  mit 
gleichzeitigen  Lähmungen  im  Bereich  der  übrigen  vordem 
Himnerven    stellte.     Hervorheben   will   ich   nur   an  dieser 


100  W.  Uhthofif. 

Stelle  noch;  dass  die  optischen  Leitungsbahnen  relativ 
häufiger  allein  von  allen  Himnerren  befallen  waren  als 
die  motorischen  und  sensiblen  Nerven  der  Augen. 

Bei  unserer  Untersuchungsreihe  von  100  Fallen  war 
der  Opticus  resp.  die  optischen  Leitungsbahnen  im  Ganzen 
20  mal  allein  von  allen  Himnerven  beÜEÜlen  und  zwar  4 mal 
unter  dem  Bilde  der  doppelseitigen  typischen  Stauungs- 
papille, 8  mal  unter  dem  Bilde  der  Neuritis  optica  resp. 
der  neuritischen  Sehnerven -Atrophie  (6  mal  doppelseitig, 
2  mal  einseitig),  4 mal  als  homonyme  Hemianopsie,  2  mal 
als  temporale  Hemianopsie,  1  mal  als  einfache  atrophische 
Verfärbung  der  Papillen.  Und  was  die  Diagnose  des  cere- 
bralen Processes  in  diesen  20  Fällen  anbetrifft,  so  musste 
dieselbe  11  mal  auf  basale  Hirnlues,  Imal  auf  Arach- 
nitis  gummosa  der  Convexität  und  8  mal  auf  intracraniellen 
syphilitischen  Process  mit  nicht  genau  bestimmbaren  Sitz 
gestellt  werden.  Am  häufigsten  war  also  unter  diesen 
isolirten  Opticus-Affectionen  die  doppelseitige  Entzündung 
der  Papillen  (Stauungspapillen  und  Neuritis  optica)  ver- 
treten und  in  zweiter  Linie  die  Hemianopsie.  Es  bleibt 
jedenfalls  besonders  hervorzuheben,  dass  auch  bei  der  ba- 
salen Himlues  in  nicht  ganz  seltenen  Fällen  der  Opticus 
der  einzigste  afficirte  Himnerv  sein  kann,  was  bei  den 
Affectionen  der  übrigen  Augennerven  viel  seltener  der  Fall 
war.  Es  erhellt  hieraus  noch  einmal  so  recht  die  wich- 
tige diagnostische  Bedeutung  der  Opticus- Affection  bei  der 
Himsyphilis.  Bei  den  150  aus  der  Literatur  gesam- 
melten Sectionsfällen  gestalten  sich  in  Bezug  auf  das 
isolirte  Ergriffensein  der  optischen  Leitungsbahnen  resp. 
der  Optici  die  Verhältnisse  ähnUch  und  zwar  folgender- 
massen: 

1)  Stauungspapillen 7  mal 

(6 mal  doppelseitig,  Imal  einseitig). 

Summa     7  mal 


Untersuchangen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   IL         101 

Transport    7  mal 

2)  Neuritis  optica  resp.  neuritische  Opticus- 

Atrophie 9  mal 

(stets  doppelseitig). 

3)  Atrophia  nervi  optici 5  mal 

(stets  d(^pel8eitig). 

4)  Gummöse  Degeneration  der  Optici  (primär 

o<L  durch  Uebergreifen  aus  der  Nachbarschaft)  6  mal 
(der  ophthalmoskopische  Befund  hier  häufig 
nicht  angegeben). 

5)  Chiasma-Erkrankung 3  mal 

6)  Homonyme  Hemianopsie Imal 

7)  Druck  auf  die  Optici  durch  einen  Abscess  1  mal 

Summa  32  mal 

Die  Natur  und  der  Sitz  des  cerebralen  Processes  waren 
hierbei  folgende: 

1)  Basale  Hirnlues 12  mal 

2)  Gummöse  Tumoren 9  mal 

(nicht  an  der  Basis,   sondern   in   andern 
Gehimtheilen). 

3)  Erweichung  u.  Gefässerkrankung     .     .     .      3  mal 

4)  Abscess-Bildung Imal 

Erkrankung  der  Schädel-Knochen  .     .     .     4mal 

(Periostitis,  Hyperostosis,  Caries). 

5)  Lues  cerebrospinalis 3  mal 

Summa  32  mal 

Viel  seltener  war  auch  hier  die  Affection  eines  der 
andern  Himnerven  eine  isolirte. 

Es  schliesst  sich  hieran  noch  die  Frage,  wie  häufig 
kommen  denn  ungefähr  die  PäUe  von  Himsyphihs  vor, 
welche  gar  keine  Augenstörungen  zeigen.  Zur  Beantwortung 
dieser  Frage  kann  uns  naturgemäss  nur  das  in  der  Charit^ 
und  den  Krankenhäusern  gesammelte  Material  unserer  Be- 


102  W.  ühthoff. 

obachtungsreihe  dienen,  da  das  in  der  Schoeler'schen 
Augenklinik  gesammelte  naturgemäss  fast  regelmässig  mit 
Augenveränderungen  complicirt  war.  Es  zeigte  sich  unter 
Berücksichtung  dieser  Momente,  dass  in  ungefähr  nur  15  ^/^ 
der  Fälle  von  HimsyphiUs  alle  Augenstörungen  fehlten, 
eine  Thatsache,  die  schon  für  sich  allein  die  grosse  dia- 
gnostische Bedeutung  der  Augenstörungen  bei  Himsyphilis 
demonstrirt. 

Es  dürfte  femer  noch  eine  kurze  Erörterung  darüber 
geboten  sein,  wie  oft  denn  ungefähr  die  hereditäre  Syphilis 
im  Verhältniss  zur  acquirirten  das  ätiologische  Moment  für 
die  Erkrankung  des  Central-Nervensystems  mit  den  davon 
abhängigen  Augenstörungen  bot  In  unserer  Beobachtungs- 
reihe von  100  Fällen  sind  2  auf  Grundlage  von  hereditärer 
Lues,  bei  den  150  aus  der  Literatur  gesammelten  finden 
sich  schon  6  (Engelstedt,  Chiari,  v.  Graefe,  Jürgens, 
Judson  Bury,  Gajkiewicz),  in  allen  8  Fällen  handelte 
es  sich  um  Kinder  nicht  über  12  Jahre  alt.  Die  Form 
der  Erkrankungen  des  Central-Nervensystems  unterschied 
sich  nicht  von  denen  nach  acquirirter  Lues,  etwas  auffallend 
erscheint  bei  der  cerebrospinalen  Syphilis  nach  Lues  here- 
ditaria,  besonders  auch  unter  Berücksichtigung  der  in  der 
Literatur  vorhegenden  ziemhch  zahlreichen  kUnischen  Mit- 
theilungen, das  relativ  häufigere  Vorkommen  von  Verände- 
rungen des  Bidbus  selbst  (Litis,  Iridochorioiditis,  Chorioidi- 
tis, Keratitis  parenchymatosa  u.  s.  w.).  Im  Ganzen  gewinnt 
man  bei  einem  genauem  Studium  der  Literatur  dieses 
Gegenstandes  die  Ueberzeugung,  dass  Lues  congenita  doch 
häufiger  die  Gmndlage  einer  Affection  des  Central-Nerven- 
systems und  davon  abhängiger  Augenstömngen  abgiebt,  als 
man  bisher  geneigt  war  anzunehmen.  Wenn  Chiari  in 
seiner  Mittheilung  1881  (1.  c.)  noch  hervorhob,  dass  die 
einzigsten  bisher  beschriebenen  Beobachtungen  von  luetischer 
Erkrankung  bei  Lues  hereditaria  die  von  Dowse  bei 
einem  12  jährigen  Mädchen,  und  ein  nicht  ganz  zweifelloser 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.   II.         103 

Fall  Yon  Hedenius  bei  einem  22jähr.  Mädchen  (Schmidt, 
Jahrb.  Bd.  169  p.  35)  seien,  so  war  das  allerdings  schon 
zu  jener  Zeit  nicht  mehr  ganz  zutreffend,  wie  unsere  Zu- 
sammenstellungen gezeigt  haben,  aber  es  beweist  immer 
eine  solche  Aeusserung,  wie  wenig  Gewicht  noch  zu  jener 
Zeit  der  Lues  hereditaria  als  ätiologisches  Moment  für 
syphilitische  Erkrankungen  des  Central-Nervensystems  bei- 
gelegt wurde.  Seit  jener  Zeit  sind  allerdings  eine  ganze 
Beihe  einschlägiger  Mittheilungen  gemacht  worden  mit  und 
ohne  Sectionsbefund;  die  ersteren  habe  ich  schon  erwähnt, 
die  letzteren  betrafen  Beobachtungen  von  Nettleship 
(Transact  of  path.  Societ.  of  London,  X^XII,  1881), 
Mackenzie  (New  York.  med.  Joum.,  31.  May  1884), 
Thiersch  (Münch.  med.  Wochenschr.  No.  24  u.  25,  1887), 
Hirschberg  (Centralbl.  f.  pract  Augenhk.,  1886,  p.  100), 
Lawford  (Ophtalm.  Rewiew.,  1890,  p.  97),  Lepine  (Mer- 
credi  medic.  No.  17,  p.  197,  1890),  Strümpell  (Neurolog. 
Centralbl.  No.  5,  1888),  Hadden  (Brit  med.  Joum.,  1892, 
26.  No,  p.  1164)  u.  A. 

Besonders  hervorzuheben  aber  ist  in  dieser  Hinsicht 
die  Arbeit  von  Judson  Bury  (1.  c),  welche  sich  ausführ- 
lich mit  dem  Einfluss  der  hereditären  Syphilis  auf  das 
Nervensystem,  ihre  Beziehungen  zur  Idiotie  u.  s.  w.  be- 
schäftigt, es  wird  eine  Reihe  eigner  Beobachtungen  mitge- 
theilt  und  femer  auf  die  zahlreichen  einschlägigen  Beob- 
tungen  von  Critchett,  Hutchinson,  Zambaco,  Grie- 
singer,  Mendel,  Hughlings  Jackson,  Rosen,  Engel- 
berg, Haase,  Baerensprung,  Virchow,  de  Meric 
n.  A.  verwiesen.  Es  ist  mir  leider  nicht  möglich  auf  die 
interessante  Arbeit  hier  genauer  einzugehen,  aber  gerade 
auf  das  relativ  häufige  Vorkommen  peripherer  Bulbus- Ver- 
änderungen (Keratitis,  Iritis,  Chorioiditis  u.  s.  w.)  ist  hier 
ganz  besonders  hingewiesen.  Einige  Autoren  gehen  viel- 
leicht zu  weit,  wenn  .sie  Fälle  im  Lebensalter  von  25  Jahren 
und  darüber  noch  der  Lues  congenita  zuschreiben,  aber  es 


104  W.  ühthoff. 

ist  auch  meine  XJeberzeugung,  dass  Lues  congenita  doch 
gelegentlich  noch  bis  zum  Anfang  der  20  er  Lebensjahre 
zu  Erkrankung  des  Central-Nervensystems  mit  secundären 
Augenveränderungen  Anlass  geben  kann. 

Als  relativ  selten  muss  bei  unsem  100  Fällen  die 
Combination  von  ausgesprochen  tabischen  Erscheinungen 
mit  den  Veränderungen  der  eigentlichen  Syphilis  des  Cen- 
tralnervensystems  bezeichnet  werden  4  mal  (Fall  XVIII, 
XXI,  XXVIII  und  bei  einem  8jährigen  Kinde  mit  Lues 
congenita).  In  dem  ersten  Fall  folgten  die  tabischen  Er- 
scheinungen ausgesprochen  cerebralen  mit  Stauungspapillen 
später  nach,  in  den  andern  waren  sie  gleichzeitig  mit  den 
cerebralen  vorhanden.  Auch  bei  den  150  gesammelten 
Sectionsfällen  von  Himsyphilis  aus  der  Literatur  ist  die 
Combination  von  eigentlich  tabischen  Bückenmarksver- 
änderungen  mit  Hirn-  und  Rückenmarkssyphilis  im  gewöhn- 
lichen Sinne  vorhanden  (Eisenlohr,  Dejerine  et  Dar- 
kiewitsch,  Bosenthal),  und  eine  ganze  Beihe  weiterer 
einschlägiger  Mittheilungen  in  der  Literatur  weisen  gerade 
in  neuester  Zeit  auf  diese  Combination  hin  (Erb,  Oppen- 
heim, Hoffman,  Pusinelli,  Reumont,  Marinesco, 
Minor,  Eisenlohr,  Dinkler  u.  A.)  Ganz  vereinzelt  ist 
in  imsem  Fällen  von  eigentUcher  HimsyphiUs  auch  das 
Vorkommen  von  reiner  Kematrophie  einzelner  Himnerven 
constatirt  worden,  wie  bei  Tabes,  ein  Umstand  auf  den 
schon  Oppenheim  u.  A.  hingewiesen  haben.  Es  ist  dem- 
nach sehr  wohl  möghch,  dass  sich  gelegentlich  Himsyphilis 
mit  Veränderungen  im  Bereich  der  Augennerven  compli- 
cirt,  wie  sie  bei  Tabes  vorkommen,  oder  dass  umgekehrt 
bei  Tabes  gelegentlich  einmal  Augennervenveränderungen 
durch  die  CompUcation  mit  syphilitischen  Himprocessen  ent- 
stehen. Es  kann  dies  auch  unter  Umständen  intra  vitam 
sehr  schwer  differentiell  diagnostisch  festzustellen  sein,  jeden- 
falls aber  sind  wir  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Frage  noch 
nicht  berechtigt,  die  voiicommenden  Sehnervenveränderungen 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.         105 

bei  Tabes  alle  als  tabische  Sehnervenatrophie  im  eigentlichen 
Sinne  zu  bezeichnen.  Ich  kann  demnach  auch  Samelsohn 
nicht  bdpäichten^  wenn  er  („lieber  Amblyopia  peripherica" 
Beiidit  der  Heidelberg.  Ophthalmol.  Gesellsch.  1892)  2  ver- 
schiedene Formen  der  tabischen  Sehnervenatrophie  aufstellt. 
Tabes  oder  tabische  Erscheinungen  können  sich  wohl  ge- 
legentlich compUciren  mit  einer  Opticus- Atrophie  aus  retro- 
bttlbämeuritischer  oder  neuritischer  Ursache,  welche  eine 
bessere  Prognose  imd  andere  ophthalmoskopische  Zeichen 
bietet,  als  die  gewöhnUche  progressive  Sehnervenatrophie, 
aber  das  ist  dann  als  eine  Complication  der  Tabes  mit 
Erscheinungen,  wie  sie  der  Himsyphibs  zukommen,  anzu- 
sehen, und  es  dürften  weitere  Veränderungen  der  cerebro- 
spinalen  Lues  wohl  kaum  jemals  fehlen  in  solchen  Fällen, 
wie  z.  B.  in  unserm  Fall  XXI,  wo  die  Form  der  Gesichts- 
feldanomalie, das  ophthalmoskopische  Verhalten  u.  s.  w. 
direct  auf  einen  basalen  syphiUtischen  Process  des  Tractus 
imd  des  Chiasma  hindeuten,  also  sicher  keine  eigentliche 
tabische  Sehnervenatrophie  darstellen,  trotzdem  ophthalmo- 
skopisch das  Bild  der  einfachen  Atrophie  der  Papillen  vor- 
handen war.  Ich  glaube  wir  haben  alle  Ursache  an  der 
Auffassung  der  progressiven  tabischen  Sehnervenatrophie 
als  eines  einheitlichen  Begriflfes  im  Sinne  Leber 's  festzu- 
halten. Intra  vitam  kann  sicherlich  die  Differentialdiagnose 
dieser  beiden  Formen  der  Opticus-Affection  gelegentlich 
grosse  Schwierigkeiten  machen.  Uebrigens  ist  im  Ganzen 
das  Vorkommen  einer  neuritischen  Sehnervenatrophie  even- 
tuell mit  anderen  Erscheinungen  cerebraler  oder  spinaler 
Lues  bei  Tabes  als  sehr  selten  anzusehen. 

Dass  eine  isolirte  Bückenmarkslues  gelegentlich  ein- 
mal zu  Augenerscheinungen  fuhrt,  ohne  dass  sonstige  weitere 
intracranielle  syphilitische  Veränderungen  nachweisbar  zu 
sein  braudien,  steht  fest,  ist  jedoch  als  sehr  selten  zu  be- 
tiaditen.  Bei  unserer  Untersuchungsreihe  würde  hier  eigent- 
lich  nur  Fall  XVII   in   Betracht  kommen   und   bei   den 


106  W.  ühthoff. 

150  Sectionsfällen  aus  der  Literatur  die  Fälle  von  Knapp 
(1.  c.)  und  Fr.  Schultze  (Arch.  £  Psych,  u.  Nervenkr. 
Vm  1878,  p.  222).  Dagegen  ist  natürlich  die  Complication 
der  Himsyphilis  mit  spinalen  Veränderungen  und  gleich- 
zeitigen Augenerscheinungen  nicht  als  selten  anzusehen. 

Aehnlich  wie  mit  den  tabischen  Erscheinungen  bei  der 
eigentlichen  Syphilis  des  Centralnervensystems  verhält  es 
sich  auch  mit  der  nucleären  Augenmuskellähmung  der 
Ophthalmoplegia  externa  und  interna,  sei  es,  dass  sie  iso- 
liert, sei  es,  dass  sie  complicirt  mit  den  Symptomen  der 
Tabes,  der  progressiven  Paralyse  u.  s.  w.  oder  als  deren 
Vorläufer  auftreten.  Sowie  bei  der  Tabes  und  zuletzt  auch 
bei  der  progressiven  Paralyse  sich  allmähUch  immer  mehr 
die  Ueberzeugung  Bahn  gebrochen  hat  (Fournier,  Erb, 
Mendel  u.  A.),  dass  die  Krankheitserscheinungen  in  vielen 
Fällen  auf  degenerativen  Veränderungen  des  Nen'ensystems 
in  Folge  von  Syphiüs  beruhen,  ähnhch  wird  in  jüngster 
Zeit  auch  für  die  nucleäre  Augenmuskellähmung  ein  sol- 
ches Verhalten  mehr  und  mehr  betont  (Hutchinson, 
Gowers  u.  A.)  und  thatsächhch  combinirt  sich  ja  rela- 
tiv häufig  die  nucleäre  Augenmuskellähmung  mit  Tabes 
und  Paralyse  zu  einem  gemeinsamen  Krankheitsbilde.  Wenn 
wir  zur  Zeit  allerdings  noch  ledighch  nach  den  Sta- 
tistiken über  nucleäre  Augenmuskellähmungen  gehen,  so 
ergeben  diese  bisher  vielfach  noch  keine  sehr  significanten 
Daten  für  einen  sehr  häufigen  syphilitischen  Ursprung 
(Dufour  c.  8  %j  Siemerling  c.  29  %  u.  A.).  Wie  dem 
jedoch  auch  sei,  so  erscheint  es  mir  doch  sehr  wohl  mögUch, 
dass  sich  im  Verlaufe  weiterer  Untersuchungen  beweisendere 
Anhaltspunkte  ergeben,  jedenfalls  aber  sind  auch  diese  Er- 
scheinungen als  einfach  degenerative  Veränderungen  ,der 
Nerven  und  Nervenkeme  aufeufassen  und  als  etwas  Ande- 
res anzusehen,  als  die  eigentUchen  syphiUtischen  Ver- 
änderungen des  Centralnervensystems,  die  den  Gegenstand 
unserer  Untersuchungen    gebildet  haben.     Wir  haben   ge- 


Untersuchungen  über  die  bei  der  Syphilis  etc.    II.         107 

sehen,  wie  relativ  selten  sich  bei  unserer  üntersuchungs- 
leihe  die  primären  Kemdegenerationen  der  Augennerven 
mit  den  peripheren  secundären  Veränderungen  combinirten, 
wie  sie  die  Regel  bei  der  eigentlichen  Syphilis  des  Central- 
nerrensystems  sind.  Die  Enstehungsweise  der  einüachen 
primär  auftretenden  degenerativen  Veränderungen  nach  Syphi- 
lis, wie  sie  bei  Tabes,  Paralyse,  Nucleär-Lähmung  der  Augen- 
muskeln u.  8.  w.  in  die  Erscheinung  treten,  ist  noch  nicht 
als  klargestellt  anzusehen,  so  ansprechend  auch  die  ver- 
schiedenen Erklärungsversuche  (Strümpell,  Gowers, 
Tnczek  u.  A.)  sind,  welche  namentlich  die  degenerativen 
Vorgänge  mit  andern  nach  Intoidcationen  (Diphterie,  In- 
fluenza, Ergotismus,  Pellagra  u.  s.  w.)  vorkommenden  Ent- 
artungen des  Nervensystems  in  Pai*allele  setzen. 

Hiermit  will  ich  meine  Ausfuhrungen  schliessen;  manche 
Fragen  von  speciell  neuropathologischem  Charakter  fordern 
wohl  noch  zu  einer  vergleichenden  Besprechung  mit  den 
im  Bereich  der  Augensphäre  constatirten  Thatsachen  auf, 
aber  es  würde  zu  weit  führen,  zumal  der  für  eine  Arbeit 
in  diesem  Archiv  verfugbare  Raum  schon  erheblich  über- 
schritten ist,  wie  ich  mir  selbst  sagen  muss,  und  wie  mir 
auch  schon  die  Redaction  des  Archiv 's  mit  mahnenden 
Worten  angedeutet  hat  Es  dürfte  auch  besser  sein,  com- 
petenteren  Beurtheilem  neuropathologischer  Fragen  es  zu 
überlassen,  die  gegebenen  Daten  über  Augenveränderungen 
bei  Himsyphilis  mit  den  übrigen  Erscheinungen  dieses  viel- 
gestaltigen Krankheitsbildes  zu  vergleichen,  sie  mit  Rück- 
sicht auf  die  übrigen  Symptome  des  Weitem  zu  verwerthen 
und  sie  ihrer  diagnostischen  Bedeutung  nach  einzuordnen. 
Vor  Allem  liegt  unsere  Aufgabe  zunächst  noch  darin,  die 
Diagnostik  auf  diesem  Krankheitsgebiete  zu  fordern.  Es 
ist  mein  Bestreben  gewesen,  in  dieser  Hinsicht  einen, 
wenn  auch  nur  bescheidenen,  Beitrag  zu  liefern,  und  möge 
es  der  Leser  dem  Verfasser  freundlichst  nachsehen,  wenn  er  in 
dem  aufrichtigen  Bestreben,  nach  besten  Kräften  die  Dia- 


108  W.  ühthoff. 

gnostik  auf  dem  Gebiete  der  Syphilis  des  Centraineryen- 
Systems  zu  erweitem,  über  die  im  Verlaufe  langer  Jahre 
beobachteten  Thatsachen  eingehend,  ja  zum  Theil  vielleicht 
fiir  den  Leser  etwas  zu  eingehend,  für  die  Sache  aber  jeden- 
falls kaum  ausführlich  genug,  berichtet  hat 


Verzeichniss  der  benutzten  Literatur. 

Albers,  „Die  Syphilis  des  Gehirns  und  die  daraus  hervor- 
gehenden Nerven*  und  psychischen  Leiden/^  (Allg.  Zeit- 
schrift f.  Psych,  u.  psych,  gerichtl.  Medic.  Bd.  XVI.  1859.) 

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Wochenschr.  N.  18.     1887.) 

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1891.  N.  7.) 
Allen  Starr,  „Cortical    l^sions   of  the  brain.''     A  coUectiou 

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April  1884.) 
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Blessig,  „Neuritis  descendens."     Klin.  M.  Bl.  f.  Angenheilk. 

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Ueber  Siderosis  Bnlbi 

und  die  Beziehnngen  zwischen  siderotischer 

nnd  hamatogener  Pigmentirnng. 

Von 

Dr.  E.  V.  Hippel, 

PriTatdocenten  und  erstem  Assistenten  an  der  Universitäts- Augenklinik 
zu  Heidelberg. 


Auf  dem  internationalen  medicinischen  Congress  zu 
Berlin  im  Jahre  1890  hielt  Bunge  ^)  einen  Vortrag  über 
„Siderosis  Bulbi",  in  welchem  er  auf  Grund  eigener  klini- 
scher Beobachtungen  und  der  anatomischen  Untersuchung 
eines  Bulbus,  der  durch  Braunfärbung  der  Cornea  und  Iris 
schon  intra  vitam  aufgefallen  war  und  einen  intraocularen 
Fremdkörper  aus  Eisen  hatte  annehmen  lassen,  seine  An- 
sichten über  die  Art  der  Verbreitung  des  Eisens  im  Auge 
entwickelte.  Im  Wesentlichen  schliesst  er  sich  der  Auf- 
fassimg  an,  die  Leber*)  über  die  Verbreitung  des  Eisens 
ausgesprochen  hat:  danach  wird  das  Eisen  durch  die  Kohlen- 
säure der  Gewebe  gelöst,  die  Lösung  difiFundirt  als  doppelt- 
kohlensaures Eisenoxydul  und  wird  durch  den  von  den  Ar- 
terien zugeführten  Sauerstoff  in  unlöslicher  Form  nieder- 
geschlagen. 


^)  Bunge,  lieber  Siderosis  Bulbi.   Verhandl.  d.  intemat.  med. 
Congresses  zu  Berlin  1890,  Bd.  III. 

*)  Tb.  Leber,  Transactoftheintemat med. Congress.  Lond.1881. 


124  E-  V-  Hippel. 

Bis  dahin  hatte  besonders  die  Bostfärbung  der  linse 
die  Aufinerksamkeit  der  Ophthalmologen  auf  sich  gelenkt, 
aus  der  man  mit  Sicherheit  das  Vorhandensein  eines  Fremd- 
körpers aus  Eisen  im  Auge,  meist  in  der  linse  selber, 
diagnostizirte,  dabei  war  auch  die  Braunfärbung  der  Iris 
beim  Verweilen  eines  Eisensplitters  im  Auge  öfters  erwähnt 
worden.  Für  die  linse  war  auch  der  mikrochemische  Nach- 
weis erbracht,  dass  die  Färbung  auf  der  Einlagerung  von 
Eisenoxydsalzen  beruht,  für  die  Iris  fehlte  derselbe  noch. 
Bunge  theilte  nun  3  Beobachtungen  von  Siderosis  cor- 
neae mit.  Die  erste  betriffl;  einen  Patienten,  in  dessen 
Hornhaut  ein  Eisensplitter  längere  Zeit  in  den  tiefsten 
Schichten  verweilt  und  eine  Braunfärbung  der  Membran 
in  ziemlich  weiter  Ausdehnung  herbeigeführt  hatte.  Diese 
„unmittelbare^^  Siderosis  ist  ein  hoher  Grad  der  Bostimpräg- 
nation,  wie  man  sie  oft  genug  in  der  Umgebung  sogenannter 
Stahlfunken,  die  nicht  bald  entfernt  werden,  beobachten 
kann. 

Viel  interessanter  ist  der  zweite  Fall,  der  eine  „mittel- 
bai-e"  Siderosis  darstellt  Die  Iris  ist  braun,  ein  Fremd- 
körperkanal von  der  Hornhaut  durch  die  linse  nachweisbar. 
Unter  den  Augen  des  Beobachters  trat  eine  allmähliche 
dunkelbraune  Färbung  der  Hornhaut  ein.  Intraoculare 
Blutungen  hatten  niemals  stattgefunden,  der  Blutfarbstoff 
konnte  deshalb  bei  der  Entstehung  dieser  Färbung  keine 
Rolle  spielen.  Eine  Vascularisation  der  Cornea  wird  in 
diesen  beiden  Fällen  nicht  erwähnt,  eben  so  wenig  in  dem 
folgenden,  der  anatomisch  untersucht  wurde.  Der  Fremd- 
körper sass  hier  an  der  nasalen  Ora  serrata.  In  der  Cor- 
nea waren  braune  Kömchen  üi  den  Homhautkörperchen 
abgelagert,  rostfarbene  Massen  fanden  sich  femer  in  der 
Umgebung  des  Fremdkörpers,  in  dem  Maschenwerk  des 
lig.  pectinatum,  an  der  Innenfläche  des  Ciliarmuskels  und 
in  der  Betina.  Die  vordersten  Gewebsschichten  der  Iris 
waren  imprägnirt  sowie  eine  subcapsuläre  Schicht  der  kata- 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  X25 

nktöfien  Idnse.  Ob  sich  die  EisenabBcheidungen  frei  oder 
an  Zellen  gebunden  vorfanden,  ist  nicht  erwähnt  Die 
Netzhaut,  wdche  nicht  abgelöst  war,  zeigte  totale  Degene- 
ration. Eine  besondere  Bolle  für  die  Eisenausscheidung 
sdbien  das  Gefäss-Sjstem  der  Eetina  zu  spielen,  da  Stücke 
der  Membran,  welche  in  FerrocyankaUum-Lösung  und  Salz- 
säure gebracht  wurd^i,  eine  intensive  Blaufärbung  des 
ganzen  retinalen  Gefäss- Systems  ergaben.  Der  mikros- 
kc^usche  Befund  an  diesen  Gefässen  ist  nicht  mitgetheilt 

Das  mikroskopische  Bild  der  Cornea  dieses  Auges  und 
eines  anderen,  an  welchem  die  Orangefärbung  der  Cornea 
hämatogenen  Ursprungs  war,  zeigte  keinerlei  Verschieden- 
heit Mikrochemisch  war  ein  Unterschied  nur  insofern 
nachweisbar,  als  öprocentige  Salzsäure  die  braune  Masse 
aus  dem  siderotischen  Auge  vollkommen,  aus  dem  häma- 
togen pigmentirten  fast  gar  nicht  merkUch  entfernte.  Die 
Per Is 'sehe  Beaction  (PerrocyankaHum- Salzsäure)  fiel  an 
beiden  Augen  negativ,  die  Quincke'sche  (Schwefelammo- 
oium)  i)08itiv  aus.  Der  siderotische  Bulbus  hatte  lange 
Zeit  in  Müller 'scher  Flüssigkeit  gelegen. 

Ich  habe  die  Besultate  der  Bunge 'sehen  Arbeit  so 
ausfuhrlich  wiedergegeben,  weil  sie  meines  Wissens,  abge- 
sehen von  den  Arbeiten  über  die  Verbreitung  des  Eisens 
in  der  linse,  die  einzige  ist,  welche  auf  anatomisches  Ma- 
terial gestützt  die  Ausbreitung  des  Eisens  im  Auge  über- 
haupt zu  erforschen  sucht  Auch  den  recht  bezeichnenden 
Ausdruck  „Siderosis  Bulbi'^  scheint  Bunge  zuerst  gebraucht 
zu  haben. 

In  den  Experimenten*)  Leb  er 's,  der  Fremdkörper  aus 
Eisen  in  die  verschiedenen  Teile  des  Kaninchenauges  ein- 
führte, handelte  es  sich  wesentlich  um  die  entzündunger- 
regende Wirkung  derselben,  doch  wurde  auch  der  Ver- 
breitung des  Eisens  Beachtung  geschenkt 


^)  Leber,  Entzündung. 


126  E.  ▼•  Hippel. 

Yarsache  über  die  Ansbfeitaiig  des  in  die  Linse  ein- 
geführten Eisens  mit  nachheriger  anatomischer  üntersn- 
chnng  stellte  Aasin  ^)  an.  Auf  seine  Arbeit  komme  ich 
spater  noch  genauer  znrack. 

Hirschberg *)  föhrt  folgende  YeriLnderangen  an,  die 
er  ca.  2  Vi  Jahre  nach  dem  Eindringen  eines  Eisensplitters 
in  die  Netzhaut  klinisch  beobachtete  und  als  Yerrostung 
aufEEisste:  1)  Die  durchsichtig  erscheinende  Hornhaut  ist 
an  der  Hinterfläche  mit  gelbUchen  Punktchen  besetzt. 
2)  Die  Iris  wird  schmutzig  braun.  3)  Einzelne  Yerwach- 
sungen  der  Iris  und  Linsenkapsel  sind  ockergelb.  4)  Ocker- 
gelbe Flecke  liegen  auch  bei  unverletzter  Kaspel  in  der  Linse. 

Die  Bunge'schen  Befunde  der  „mittelbaren^^  Siderosis 
corneae  stellen  jedenfsüls  eine  sehr  seltene  Complication 
Yon  Eisensplitter- Yerletzungen  dar;  ich  habe  in  der  Literatur 
yergebUch  nach  analogen  Mittheilungen  gesucht  mit  Aus- 
nahme des  später  ausfuhrlich  zu  schildernden  Falles 
Albrecht,  der  von  Leber *)  in  seinem  Yortrage  verwerthet, 
von  Landmann  ^)  schon  beschrieben  wurde.  Die  Pigmen- 
tirung  der  Cornea  wurde  allerdings  vom  Blutfeu'bstoff  her- 
geleitet In  Hirschberg 's  Monographie^),  sowie  seiner 
Arbeit  über  die  Ergebnisse  der  Magnetoperation  in  v. 
Graefe's  Archiv,  die  doch  eine  grosse  Anzahl  sehr  ge- 
nauer Krankengeschichten  enthalten,  ist  nirgends  eine 
Bräunung  der  Cornea  erwähnt  Auch  sonst  konnte  ich  in 
den  vielen  casuistischen  Mittheilungen  über  Eisensplitter- 
Yerletzungen  nichts  derartiges  finden.  Es  muss  also  ent- 
schieden von  bisher  nicht  näher  gekannten  selten  voriian- 
denen  Bedingungen  abhängen,  dass  diese  Bostfarbung  ein- 
tritt    Häufiger  schon  ist  die  Verfärbung  einer  bis   dahin 


*)  Ausin,  Das  Eisen  in  der  Linse.   Inaug.-Diss.,  Dorpat  1891. 

■)  V.  Graefe's  Archiv,  Bd.  XXXVI.,  3. 

•)  1.  c. 

*)  V.  Graefe's  Archiv,  Bd.  XXVUI,  2. 

^)  Der  Electromagnet  in  der  Augenheilkunde.   Leipzig  1885. 


Ueber  Siderosis  Bnlbi  und  die  Beziehungen  etc.  127 

grauen  oder  blauen  Iris;  dieselbe  kann  alle  Farben- 
Nuancen  vom  grünlichen,  grüngelblichen  bis  zum  dunkel- 
braunen annehmen.  Dieselben  Farbentöne  wurden  auch 
an  Linsen,  die  einen  Eisensplitter  bergen,  beobachtet 

Bei  der  Seltenheit  der  mittelbaren  Siderosis  corneae 
ist  jeder  genauer,  namentlich  anatomisch  untersuchter  Fall 
von  Werth.  Ein  Auge,  dass  einen  Fremdkörper  aus  Eisen 
in  den  Falten  der  Zonula  enthielt,  dessen  Cornea  intra 
vitam  eine  intensiv  braune  Färbung  dargeboten  hatte, 
be&nd  sich  seit  vielen  Jahren  im  Besitz  von  Herrn  Pro- 
fessor Leber.  Dasselbe  ist  in  der  Arbeit  Landmann's 
beschrieben  (Fall  Albrecht);  die  braimen  Kömchen  in  der 
Hornhaut  wurden  damals  für  Hämatoidin  gehalten. 

Mit  Sücksicht  auf  die  Bunge 'sehen  Beftinde  schien 
eine  nochmahge  besonders  nukrochemische  Untersuchung 
dieses  Auges,  das  auch  in  seinen  übrigen  Theilen  eine 
enorme  Ausbreitung  von  braunem  Kgment  zeigte,  entschie- 
den von  Interesse. 

Die  Resultate,  die  ich  dabei  über  die  Verbreitung  des 
Eisens  bekam,  waren  so  auffallend,  dass  es  geboten  schien, 
eine  grössere  Anzahl  von  Augen,  die  einen  Fremdkörper 
aus  Eisen  enthielten,  anatomisch  und  besonders  mikroche- 
misch zu  imtersuchen.  Hierbei  stellten  sich  wieder  so  eigen- 
thümUche  Beziehungen  zwischen  direct  vom  Fremdkörper 
stammender  und  hämatogener  Eisenpigmentirung  heraus, 
dass  die  Untersuchung  einer  Anzahl  menscldicher  Bulbi, 
in  welchen  stumpfe  oder  penetrirende  Verletzungen  grössere 
Blutongen  erzeugt  hatten,  angeschlossen  wurde. 

Endlich  schien  es  nothwendig,  um  genaue  Aufschlüsse 
über  die  Beziehung  beider  Arten  der  Pigmentirung  unter 
verhältnissmässig  einfachen  Bedingungen  zu  gewinnen,  die 
Frage  experimentell  in  Angriff  zu  nehmen. 

Es  wurden  folgende' Versuchsreihen  angestellt:  1)  Ein- 
lührung  eines  Fremdkörpers  aus  Eisen  in  die  vodere 
Kammer.  (14  Versuche.)     2)  Blutinjection   in   die  vordere 


128  E.  V.  Hippel. 

Kammer.  (6  Versuche.)  3)  Einführung  eines  Fremdkörpers 
aus  Eisen  in  die  linse.  (7  Versuche.)  4)  Einfuhrung  eines 
Fremdköipers  aus  Eisen  in  den  Glaskörper.  (7  Versuche.) 
5)  Blutinjection  in  den  Glaskörper  (6  Versuche.) 

Diese  sämmtlichen  Versuchsaugen,  im  Ganzen  40, 
wurden  ebenfalls  genau  anatomisch  und  mikrochemisch 
studirt  lieber  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  soll 
im  Folgenden  berichtet  werden. 

Die  Technik  sei  noch  mit  einigen  Worten  berührt 
Die  Härtung  wurde  mit  Ausnahme  weniger  Versuchsaugen 
in  Müller 'scher  Flüssigkeit  bewirkt,  die  Nachhärtung  in 
Alkohol.  Eingebettet  wurden  die  Augen  ausschliessUch  in 
Celloidin.  Als  Färbeflüssigkeit  wurde  Hämatoxylin-Eosin 
benutzt,  zur  mikrochemischen  Untersuchung  das  Ferro- 
cyankalium- Salzsäure -Gemisch,  meist  mit  nachfolgender 
Färbung  in  Alauncarmin.  Die  Perls'sche  Reaction  wird 
von  Vossius*)  für  Präparate,  die  in  Müller'scher  Flüssig- 
keit gehärtet  sind,  als  unzuverlässig  bezeichnet,  da  die  Blau- 
färbung entweder  sehr  verzögert  oder  gar  nicht  zu  Stande 
komme,  und  nur  die  Quincke 'sehe  Reaction  mit  Schwefel- 
ammonium wird  für  beweisend  gehalten.  Quincke')  sagt 
nun  von  seiner  Reaction,  dass  sie  nach  Härtung  der  Prä- 
parate in  chromsaurem  Kali  wenig  oder  gar  nicht  hervor- 
trete. Daraus  geht  wohl  hervor,  dass  die  Müller 'sehe 
Lösung  das  Eintreten  beider  Reactionen  verzögert  Mit 
der  Perls 'sehen  Reaction  habe  ich  im  Gegensatz  zu 
Vossius  immer  nur  sehr  befriedigende  Resultate  erhalten. 
Chemisch  ist  auch  nicht  recht  einzusehen,  warum  das  Eisen, 
wenn  es  in  einer  Form  enthalten  ist,  in  der  es  auf  Schwe- 
felammonium reagirt,  nicht  auch  mit  FerrocyankaUum  und 


*)  YoBsius,  Mikrochemische  Untersuchungen  etc.  v.  Graefe^s 
Archiv  XXXI.,  2.  Ders.,  lieber  die  eigenthümlich  grünliche  Ver- 
färbung etc.   V.  Graefe's  Archiv  XXXV,  2. 

*)  Quincke.  Zur  Pathologie  des  Blutes.  Deutsches  Archir  f. 
klin.  Med.,  Bd.  XXVU. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  129 

Säure  reagiren  sollte  und  umgekehrt  In  meinen  sämmt- 
liehen  Fällen,  die  15  menschliche  und  40  Yersuchsaugen 
betreffen,  die  fast  alle  in  Müller'scher  Flüssigkeit  gehärtet 
sind,  zum  Theil  sehr  lange,  mehr  als  10  Jahre  darin  ver- 
weilt haben,  ist  die  Reaction  in  schönster  Weise  zu  Stande 
gekonunen.  Dass  sie  langsam  eintritt,  kann  auch  ich  be- 
stätigen. Ich  habe  von  einer  10%  FerrocyankaUum-Lö- 
sung  und  chemisch  reiner  Salzsäure  ungefähr  gleiche 
Mengen  zusammengegossen,  dann  mit  destillirtem  Wasser 
ziemlich  stark  verdünnt,  und  die  Schnitte  in  dieser  Mischung 
meistens  von  einem  Nachmittag  oder  Abend  bis  zum  näch- 
sten Morgen  liegen  lassen.  Dann  werden  die  Schnitte 
sorgfältig  ausgewässert  (nicht  in  destillirtem  Wasser,  da 
dieses  das  BerUnerblau  langsam  löst)  und  entweder  ohne 
Nachfärbung  oder  nach  Behandlung  mit  Alauncarmin  in 
gewöhnlicher  Weise  in  Canadabalsam  eingeschlossen.  Die 
Reaction  ist,  wo  sie  positiv  ausfällt,  so  scharf  und  exact, 
dass  irgend  welche  Zufälligkeiten  bei  ihrem  Zustande- 
kommen gar  keine  Rolle  spielen  können.  Zur  ControUe 
habe  ich  noch  in  den  Fällen  Albrecht,  Fritz,  Blömer, 
sowie  in  Versuch  13  imd  23  die  Schwefelammonium-Re- 
action  angewandt  und  genau  die  gleichen  Resultate  erhalten 
wie  mit  der  Perls'schen  Reaction,  mich  aber  zugleich  über- 
zeugt, dass  die  letztere  für  meine  Zwecke  viel  leistungs- 
fähiger ist,  da  stellenweise  die  in  Betracht  kommenden 
Pigmente  schon  grünlich-schwarz  aussehen,  so  dass  eine 
schwache  Reaction  leicht  übersehen  werden  konnte,  während 
das  BerUner  Blau  sich  auch  bei  matter  Farbenintensität 
stets  sehr  deutlich  bemerkbar  macht 

Im  Folgenden  möchte  ich  nun  zunächst  berichten 
über  meine  anatomischen  Untersuchungen  von  menschlichen 
Augen,  die  wegen  Verletzimg  durch  einen  Fremdkörper 
aus  Eisen  zur  Enucleation  gekommen  waren.  Wo  mir 
Notizen  zu  Gebote  stehen,  lasse  ich  eine  kurze  Kranken- 
geschichte   vorangehen.     Beginnen   möchte    ich    mit    dem 

V.  Gnefe's  AicIüt  Ar  Ophthalmologie.  XL.  1.  9 


130  E.V.Hippel. 

Falle  Albrecht,  der  den  Anstoss  zu  diesen  ganzen  Un- 
terBQchungen  gegeben  hat  und  in  vieler  Hinsicht  besonders 
interessant  ist.  Wie  schon  erwähnt,  ist  derselbe  in  Land- 
mann's  Arbeit  verwerthet  worden. 

I.  Theil:  PathologiBOh-anatomiBche  und  kliniBOhe 
Xlntersuchnngen. 

Fall  I. 

Karl  Albrecbt,  Maschinenwärter,  (aus  der  Göttinger  Kli- 
nik) 38  J.  wurde  im  Sommer  1867  durch  einen  abgesprungenen 
Stahlsplitter  am  linken  Auge  verletzt  und  3  Wochen  lang  an 
den  Folgen  dieser  Verletzung  auf  der  chirurgischen  Abtheilung 
des  Ernst-August-Spitals  in  Göttingen  behandelt  Die  Entzündung 
ging  durch  Atropin  und  Eis  zurück.  Das  Auge  war  auch  hinter- 
her frei  von  Entzündung  und  konnte  Finger  zählen.  Im  Jahre 
1869  war  das  Auge  durch  Katarakta  traumatica  vollkommen 
erblindet;  bemerkt  ist:  kleine  horizontale  Homhautnarbe  nach 
aussen  vom  Centrum  mit  vorderer  Synechie,  Linse  kataraktös, 
etwas  bräunlich  gefärbt,  mit  einzelnen  braunen  Flecken  auf 
der  Oberfläche,  Lichtschein  gut,  niedrigste  Lampe  sicher,  Be- 
wegungen der  Hand  werden  gesehen.  Am  31.  Januar  1872 
stellte  sich  Patient  wegen  eines  leichten  Epithelverlustes  am 
anderen  Auge  wieder  vor.  Die  Cornea  des  linken  Auges  bot 
jetzt  ein  sehr  eigenthümliches  Aussehen  dar,  wie  wenn  ihre 
ganze  Hinterfläche  von  braunen,  punktförmigen  Beschlägen  be- 
deckt wäre,  die  Iris  zeigte  eine  rostbraune  Farbe.  Gegen 
Anfang  1874  bekam  Patient  eine  frische  Entzündung  am  lin- 
ken Auge  (angeblich  in  Folge  von  hineingespritztem  Cloaken- 
wasser),  welche  er  s^bst  mit  Eis  und  zuletzt  mit  warmen  Um- 
schlägen behandelte.  Als  er  sich  am  13.  Juni  1874  vorstellte, 
hatten  die  oben  erwähnten  Veränderungen  noch  zugenommen, 
die  ganze  Hornhaut  war  stark  diffus,  feinfleckig  getrübt,  von 
braunrother  Farbe,  von  oben  her  vascularisirt,  kleines  Hyphäma. 
Pupille  kaum  sichtbar,  durch  Atropin  miltelweit,  nach  der 
Hornhautnarbe  verzogen;  tiefd  Ii^ection,  viele  Schmenen. 
Totale  Amaurose.  Enucleatio  Bulbi  mit  normalem  Heilungs- 
verlauf. 

Die  anatomische  Untersuchung  des  schon  früher  im  hori- 
zontalen Meridian  halbirten  Auges  am  28.  Oct.  1880  ergab 
Folgendes: 


Ueber  Siderosis  Balbi  und  die  Beziehungen  etc.  131 

Nahe  dem  itsseren  unteren  Hornhaatrand  «iae  mehrere 
Millimeter  lange  winklige  Homhautnarbe.  Pupille  w€4t,  Iris 
zarflckgezogen,  atrophisch.  Linse  vollst&ndig  resorbirt.  Totale 
Netzhaatablösong;  Netzhaut  zu  einem  dünnen  Strang  zusammen- 
geÜEÜtet,  der  sich  vorne  etwas  trichterf5rmig  erweitert  und  hier 
nur  noch  einen  sehr  kleinen  Rest  der  Glaskörperhöhle  ein^ 
sehliesst.  Letztere  ist  leer,  war  also  TOiiier  mit  einer  Flüssig- 
keit g^ÜÜlt  und  nicht  mit  Glaskörpergewebe.  Naofa  vorne 
sehliesst  sich  daran  eine  dünne  Membran,  vielleicht  die  zu- 
sammengelegte Linsenkapsel.  An  den  beiden  Bulbushälften  ist 
auf  dem  Durchschnitt  vom  Fremdkörper  nichts  zu  sehen.  Die 
(%oroidea  ist  im  vorderen  Abschnitt  bis  hinter  den  Aequator 
durch  eine  dünne,  gallertig  geronnene  Flüssigkeitssdiicht,  von 
der  Sklera  abgehoben  und  liegt  erst  hinter  dem  Aequator  wieder 
an,  ohne  merkliche  Dickenzunahme.  Die  abgelöste  Retina  mit 
der  verdickten  Zonula  lässt  sich  ohne  Mühe  vom  Corp.  ciliare 
abtrennen.  Im  letzteren  ist  ein  Fremdkörper  nicht  zu  fühlen, 
wohl  aber  fühlt  man  einen  harten  Widerstand  in  der  abge- 
lösten Zonula.  Der  Ciliarkörper  erscheint  auf  dem  Durch- 
schnitt verdickt  und  zwar  auf  der  lateralen  Seite  mehr  als  auf 
der  medialen.  Die  untere  Bulbusbftlfte  wird  nochmals  halbirt 
Am  vorderen  Theil  zeigt  sich,  dass  die  hauptsächlichst  ver- 
dickte Parthie  des  Ciliarkörpers  sich  nach  aussen  unten  be- 
findet, entsprechend  dem  Sitze  der  vorderen  Synediie.  An 
dieser  Stelle  findet  sich  nach  einigem  Suchen  der  Fremdkörper, 
ein  schwarz  aussehendes  dünnes  Eisenpl&ttchen  von  ca.  3  mm 
Länge  und  \  mm  grösster  Breite,  dicht  unter  der  Zonula, 
an  dem  gefalteten  Theil  derselben,  wo  sie  die  Abdrtcke  der 
Giliarfortsätze  trigt.  Von  seiner  Oberfläche  lässt  ^ch  leicht 
etwas  schwarzer  Eisenrost  abschaben,  der  mit  Salpetersäure 
ufid  Kaliumeisencyanftr  die  bekannte  blaue  Färbung  giebt. 
In  der  Umgebung  finden  sich  zusammengebackene  Blutkörper, 
ääe  als  solche  ntobt  mehr  kenntlich  sind;  kein  Eiter.  Die 
Gegend  des  Circulus  venorus  ciliaris  erscheint  nach  Ablösung 
der  Iris  und  des  Corp.  ciliare  von  der  Fläche  her  als  bimune 
Linie,  offenbar  durch  Extravasat,  nicht  scharf  begrenzt  wie 
von  Geftseen.  In  der  vorderen  Kammer  ein  sehr  unbedeu- 
toades  Hyphäma.  Die  Hintersette  der  Cornea  erscheint  glatt 
und  «vf  der  Descemet'schen  Membran  nicht  aufgelagert.  Das 
höchst  wnnderbar  rothbraune  Aussehen  der  Hornhaut  während 
des  Lebens  war  somt  nkht,  wie  vermuthet  wurde,  durch 
hämerrbagiacbe  Beschläge  Mirer  hinteren  Fläche  verursacht. 

9* 


132  E.  V.  Hippel. 

Bis  hierher  habe  ich  den  Befund  nach  der  Land- 
mann'sehen  Arbeit  wiedergegeben;  es  folgt  dort  noch  eine 
mikroscopische  Beschreibung  des  Verhaltens  der  Hornhaut; 
das  vorgefundene  Pigment  wurde  dort  als  Hämatoidin  an- 
gesprochen. 

Von  diesem  Bulbus  stand  mir  die  ganze  obere  Hälfte 
zur  Verfugung  imd  diese  wurde  in  Schnittserien  nach 
Celloidin-Einbettung  imtersucht. 

Die  CoDJanctiva  durchsetzen  zahlreiche  stark  mit  Blut 
gefällte  Gefässe,  um  dieselben  finden  sich  Rnndzellen  zum 
Theil  in  Haufen  angeordnet. 

Das  Epithel  der  Cornea  zeigt  wenig  Veränderungen,  Pig- 
ment ist  in  demselben  nicht  mit  Sicherheit  nachweisbar,  hier 
und  da  liegt  ein  wohl  hinübergewischtes  Körnchen  in  den 
tieferen  Schichten.  Dagegen  trifft  man  in  aUen  Schichten  des 
Epithels  Zellen  von  verschiedener  Gestalt  mit  sehr  dunkel  ge- 
erbtem, ziemlich  kleinen  Kern  an.  An  einzelnen  Stellen,  wo 
die  Bowman'sche  Membran  in  der  gleich  zu  schildernden  Weise 
unterbrochen  wird,  ist  die  Epithelschicht  gegenüber  der  Um- 
gebung verdünnt  und  besteht  aus  wenigen  Lagen.  Die  Bow- 
man'sche  Membran  ist  vielfach  unterbrochen  durch  ein  ge- 
^ssreiches  Bindegewebe,  um  die  Gefässe  finden  sich  massen- 
haft feine  Pigmentkörnchen,  anscheinend  an  Zellen  gebunden. 
Die  ganze  Cornea  ist  durchsetzt  von  zahlreichen  Gefässen, 
deren  Wandung  aus  einer  einfachen  Lage  platter  Zellen  be- 
steht; dieselben  sind  mit  rothen  und  weissen  Blutkörperchen 
erfüllt.  Ob  Blutkörperchen  frei  im  Gewebe  liegen,  ist  nicht 
mit  voller  Sicherheit  zu  erweisen,  jedenfalls  sind  es  nur  äusserst 
wenige.  Auch  um  diese  Gefässe  ist  massenhaft  feinkörniges 
Pigment  angehäuft.  An  Flachschnitten  tritt  die  perivasculäre 
Anhäufung  des  Pigmentes  mit  grosser  Schärfe  hervor.  Hier 
lässt  sich  auch  feststellen,  dass  mit  Sicherheit  der  allergrösste 
Theil  des  Pigmentes  in  Zellen  mit  vielfachen  Ausläufern  ge- 
legen ist.  Wo  dieses  sich  nicht  mit  aller  Gewissheit  erweisen 
lässt,  ist  es  dagegen  keineswegs  ausgemacht,  dass  die  Pigment- 
körnchen frei  und  nicht  in  Zellausläufem  liegen.  Die  Membr. 
Descemeti  ist  wohl  erhalten,  das  Endothel  deutlich  nachweis- 
bar, in  der  Peripherie  ist  sie  von  der  Cornea  abgelöst  und 
zwar  durch  Zug  von  der  Iris  aus,  mit  welcher  sie  hier  flächen- 
haft  verwachsen  ist;  der  Raum  zwischen  der  abgelösten  Membr. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  133 

Descemeti  and  der  Cornea  ist  theilweise  von  Flüssigkeit,  in 
der  rothe  Blutkörperchen  snspendirt  sind,  eingenommen,  theils 
von  einem  von  der  Cornea  ausgehenden  buckelartig  hervor- 
ragenden faserigen  Bindegewebe.  Der  Kammerwinkel  ist  ver- 
wachsen, die  vordere  Kammer  gleichwohl  durch  Retraction  der 
Iris  vertieft  In  der  Kammer  findet  sich  eine  massige  Menge 
rother  Blutkörperchen,  zum  Theil  der  Vorderfläche  der  Iris 
aufgelagert.  Um  den  Circulus  ciliaris  venosus  liegen  massen- 
hafte Zellen,  welche  mit  feineren  und  gröberen  braungelben 
bis  schwarzbraunen  Körnern  erfüllt  sind. 

Die  Iris  ist  auf  der  Yorderfläche  von  einer  ziemlich  dicken 
Schicht  eines  derben  faserigen  Bindegewebes  bedeckt,  in  wel- 
chem längliche  Kerne  und  Pigmentkörper  liegen.  In  dem  Stroma 
der  Iris  ist  eine  enorme  Masse  brauner  in  Zellen  einge- 
schlossener Kugeln  und  Körner  von  der  allerverschiedensten 
Grösse  eingelagert  Die  Hinterfläche  der  Iris  ist  mit  den 
Firsten  der  Ciliarfortsätze  verwachsen,  wodurch  die  Iris  unge- 
fiLbr  in  der  Mitte  eine  Knickung  erfahren  hat,  die  Pigment- 
schicht ist  hier  etwas  abgehoben. 

Der  Ciliarkörper  ist  abgelöst,  die  Fasern  des  Muse,  ci- 
liaris sind  verschmälert,  das  Bindegewebe  vermehrt,  man  trifft 
keine  erhebliche  Rundzellenanhäufung,  Pigment  findet  sich  nur 
im  vordersten  Theile  des  Muskels.  Im  Inneren  der  Ciliar- 
fortsätze kommen  dagegen  ziemlich  viele  pigmenthaltige  Zellen 
vor,  ebenso  zwischen  den  Falten  der  Ciliarfortsätze.  Das  Pig- 
mentepithel der  Ciliarfortsätze  ist  hellbraun  gefärbt. 

Von  der  Linse  sowie  deren  Kapsel  ist  in  dieser  Bulbus- 
hälfte  keine  Spur  wahrzunehmen.  Die  Ciliarfortsätze  bedeckt 
ein  derbes  faseriges  Bindegewebe,  das  weiter  nach  hinten  dem 
Orbiculus  ciliaris  aufliegt  und  mit  der  trichterförmig  abgelösten 
Netzhaut  im  Zusammenhang  steht.  Auch  in  diesem  finden  sich 
sehr  zahlreiche  pigmentirte  Zellen.  Auf  seiner  Innenfläche  liegt 
eine  Schicht  rother  Blutkörperchen.  Die  Netzhaut  zeigt  in  ihrem 
vordersten  Abschnitt  eine  starke  Wulstbildung,  hervorgerufen 
durch  Wucherung  des  Stützgewebes.  Innerhalb  derselben  findet 
sich  eine  grössere  Blutung;  die  Blutkörperchen  sind  zum  Theil 
zerfallen,  färben  sich  indessen  mit  Eosin  noch  orangeroth, 
innerhalb  der  Blutung  sowie  in  dem  umgebenden  Gewebe  liegen 
massenhaft  dunkelbraun  pigmentirte  Zellen. 

Von  den  Elementen  der  Netzhaut  ist  die  äussere  Körner- 
schicht wohl  erhalten,  ebenso  fast  überall  die  Membr.  limitans 
externa,   stellenweise   sind   noch  Reste   von  Stäbchen   nachza- 


134  E.  V.  Hippel. 

weisen,  fiinigermaassen  deotlich  ist  mehrfaeh  noch  die  innere 
Körnerschifiht,  die  innersten  Lagen  der  Membran  werden  ge- 
bildet von  einem  derben  faserigen  Gewebe,  das  aus  der  sehr 
stark  bypertrophirten  Stützsubstanz  henrorgegangen  ist.  Hier 
trifft  man  die  Gefässe  zum  Theil  mit  hyalin  degenerirter 
Wandung.  Sehr  zahlreiche  stark  pigmentirte  Zellen,  die  im 
Wesentlichen  um  die  Gefässe  angeordnet  sind,  linden  sich  in 
der  ganzen  Ketzhaut.  Der  Anssenfläche  liegen  rothe  Blut- 
körperchen in  dünner  Schicht  an,  ebenso  finden  sich  solche 
innerhalb  des  Netzhaut-Trichters,  femer  kommen  hier  blasse 
kernlose  mit  Eosin  rosa  gefärbte  Gebilde  vor  von  der  doppelten 
und  mehrfochen  Grösse  eines  rothen  Blutkörperchens. 

Das  Pigmentepithel  haftet  in  toto  der  Choroidea  an  und 
besteht  ans  einer  einfachen  Lage  von  Zellen.  Die  Aderhant 
ist  Tome  von  der  Sclera  abgelöst  und  legt  sich  erst  wieder 
in  der  Gegend  des  Aequators  an.  Die  Choriocapillaris  ist  sehr 
schmal,  die  gröberen  Gefässe  sind  prall  mit  Ruudzellen  er- 
füllt. Pigmentkörner  fehlen  in  der  Gefässhaut.  In  dem  Su- 
prachorioidealraum  liegt  viel  freies  Blut.  Die  Blutkörper  sind 
zum  Theil  wohlerhalten,  zum  Theil  ent&rbt,  ferner  kommen 
dieselben  blassen  Engeln  vor,  wie  in  dem  Netzhauttrichter, 
endlich  finden  sich  spärliche  Zellen,  welche  ent&rbte  Blut- 
körperchen, sowie  reichlicher  solche,  die  braune  Kömchen  ein- 
schliessen. 

Die  Sklera  zeigt  keine  Besonderheiten. 

Die  Papille  ist  nach  innen  gezogen,  der  Sehnerv  schmal, 
atrophisch,  bindegewebig  degenerirt,  von  Nervenfasem  kaum 
etwas  nachweisbar. 

Legt  man  Schnitte  dieses  Auges  in  das  Ferrocyankalium- 
Salzsäuregemisch,  so  beginnt  die  Reaction  erst  nach  Vs — ^ 
Stunde  sich  bemerkbar  zu  machen.  Nach  12  Stunden  ist  die 
Blaufärbung  äusserst  intensiv  geworden. 

Die  Schnitte  nehmen  für  das  blosse  Auge  in  grosser  Aus- 
dehnung die  blaue  Färbung  an;  am  intensivsten  ist  dieselbe  in 
der  Netzhaut,  welche  gleichmässig  himmelblau  gefärbt  ist,  fast 
ebenso  stark  in  der  Iris,  leicht  diffus  blau  erscheint  die  Cornea, 
Sklera,  der  Ciliarkörper. 

Bei  mikroskopischer  Untersuchung  zeigt  sich,  dass  in  dt.: 
Retina  die  Blaufärbung  theils  diffos  im  Stützgewebe  verbreitet, 
theils  an  die  mit  braunen  Kömchen  gefüllten  Zell^  gebunden 
18t;  eine  nachträgfiche  DiAision  ins  Gewebe  ist  ausgeschloasWy 
dtoA  die  Farbe  ist  ganz  scharf  auf  die  Fasern  der  Stütasab- 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  135 

stanz  beschränkt,  deren  Zwischenräome  frei  erscheinen.  Man 
sieht  sowohl  die  hypertrophirten  Radiärfasern  als  fiächenartig 
Yerlanfende  Zflge  der  Faserschicht  als  aoch  die  reticulAre 
Stfitzsubstanz  selbst  blao  gefärbt.  Die  zahlreichen  zerstreut 
und  in  Haufen  liegenden  pigmentirten  Zellen  nehmen  Blau- 
firbung  an,  und  zwar  ist  die  Färbung  theils  diffus  im  Proto- 
plasma verbreitet,  theils  tritt  sie  an  kleinen  und  grösseren 
Tröpfchen  auf,  bis  zur  Grösse  eines  rothen  Blutkörperchens. 
Vielfach  ist  mit  Sicherheit  festzustellen,  dass  innerhalb  der 
diffus  blau  gefärbten  Zellen  ein  Theil  der  Körnchen  seine  ur- 
sprflngliche  braune  Farbe  beibehält 

Das  gleiche  Verhalten  zeigt  das  Pigmentepithel  der  Re- 
tina, das  eine  intensiv  blaue  Färbung  annimmt.  Dieselbe  ist 
eben&Us  diffus  im  Protoplasma  ausgebreitet,  dann  kommen 
aber  in  den  Zellen  blaue  Körnchen  nebea  deutlich  schwarz- 
braunen vor. 

Von  dem  Epithel  der  Ciliarfortsätze  wird  der  grösste 
Theil,  der  sich  durch  seine  hellbraune  Färbung  ausgezeichnet 
hatte,  dunkelblau,  der  kleinere  Theil  sowie  das  Pigment- 
epithel der  Iris  bleibt  schwarzbraun  mit  einem  bläulichen 
Schimmer. 

Die  pigmentirten  Zellen  in  der  Iris,  im  Kammerwinke], 
in  der  Suprachoroidea  und  Cornea  nehmen  alle  die  Blau- 
färbung an,  und  zwar  ist  ihr  Verhalten  ganz  das  gleiche  wie 
es  fflr  das  Pigment  der  Betina  geschildert  wurde. 

Innerhalb  der  Anhäufung  rother  Blutkörperchen,  wie  sie 
in  dem  Netzhauttrichter  beobachtet  werden,  nehmen  die  grossen 
blauen  Kugeln  grossen  Theils  die  Blaufärbung  an;  einzelne 
Blutkörperchen  von  gewöhnlicher  Grösse  sind  ebenfalls  blau 
gefärbt 

Um  das  Verhalten  des  Pigmentes  noch  genauer  festzu- 
stellen, wurden  noch  folgende  Reactionen  ausgeführt: 

Nach  eintägiger  Behandlung  mit  Salzsäure  und  Ferrocyan- 
kalium  wird  ein  Schnitt  ausgewaschen,  in  salzsäurehaltigen  Al- 
kohol und  dann  in  Chloroform  gebracht,  worin  er  einen  Tag 
verweilt  Das  braune  Pigment  in  den  Zellen  wird  in  keiner 
Weise  dadurch  verändert. 

Lässt  man  verdünnte  Salzsäure  36  Stunden  einwirken,  so 
ist  in  der  Retina  der  grösste  Theil  des  Pigmentes  verschwun- 
den, doch  bleiben  noch  braune  Körnchen  übrig.  Das  Pigment^ 
epithel  ist  stark  entfilrbt,  die  Zellkerne  sind  mit  Hämotoxylin 
dentlieh    firbbar,    überall    findet    sich    noch    etwas   braunes 


136  E.  V.  Hippel. 

körniges  Pigment  in  den  Zellen.  An  dem  Epithel  der 
Ciliarfortsätze  ist  der  Theil,  welcher  die  Blaufärbung  gab, 
völlig  ent&rbt,  der  andere  ist  erheblich  heller  geworden.  An 
den  übrigen  pigmentirten  Theilen  ist  das  Verhalten  ein  ent- 
sprechendes. 

Legt  man  Schnitte  24  Stunden  in  Aqua  Ghlori,  wässert 
dann  aus  und  lässt  das  Ferrocyankalium- Salzsäuregemisch 
einwirken,  so  erhält  das  Pigmentcpithel  der  Retina  eine  blaue 
Färbung,  ausserdem  liegen  intensiv  dunkelblaue  Kömer  und 
Kugeln  in  den  Zellen,  streckenweise  fehlen  aber  dieselben  und 
das  braune  körnige  i?igment  ist  verschwunden.  Am  Epithel 
der  Ciliarfortsätze  ist  das  braunschwarze  Pigment  verschwun- 
den, an  seine  Stelle  ist  eine  diffus  blaugrttne  Färbung  ge- 
treten; die  Stellen,  die  schon  bei  der  Anwendung  der  Eisen- 
reaction  ohne  vorausgehende  Chlorbehandlung  dunkelblau  wurden, 
zeigen  jetzt  ganz  dieselbe  Färbung. 

Bei  der  Chlorbehandlung  haben  sich  die  Stromazellen  der 
Choroidea,  die  keine  Eisenreaction  gaben,  entfärbt,  bei  der 
Salzsäure-Behandlung  bleiben  sie  unverändert. 

Die  beiden  Reagentien,  Chlor  und  Salzsäure,  sind  also 
in  ihrer  Wirkung  auf  das  Pigment  Antagonisten,  alles 
Pigment,  das  Eisenreaction  gab,  wird  von  Salzsäure  gelöst, 
von  Clilor  wenigstens  in  der  angewendeten  Concentration 
und  während  der  Dauer  des  Versuchs  nicht  merklich  ver- 
ändert; alles  braune  Pigment,  das  seiner  Lage  nach  nor- 
males Augenpigment  sein  kann,  wird  von  Chlor  ge- 
bleicht, von  Salzsäure  nicht  verändert.  Endlich  bleiben 
aber  noch  geringe  Mengen  eines  dritten  feinkömigeu 
braunen  Pigmentes  übrig,  welches  beiden  Reagentien 
widerstellt.  Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  in  Schnitten, 
die  48  Stunden  in  verdünnter  Salzsäure  gelegen  haben, 
das  Pigment  aus  der  Retina  vollkommen  verschwunden, 
sowie  das  Epithel  der  Ciliarfortsätze  noch  mehr  entfärbt 
ist,  als  nach  36  Stunden.  Das  Pigment  der  Stromazellen 
der  Aderhaut  ist  gar  nicht  verändert. 

Fall  n. 
Georg  Fritz  30  J.   (ans   der  Göttinger  Klinik).     Patient 
wurde  am  25.  April  1888   in  die  Klinik  aufgenommen.     £a 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  137 

bestand  L.  Phthisis  Bulbi  in  Folge  einer  am  13.  Januar  88 
stattgefundenen  Verletzung  mit  einem  Stahlsplitter.  Das  Auge  ist 
injicirt,  druckempfindlich,  vollkommen  erblindet.  Am  anderen 
Auge  finden  sich  die  Erscheinungen  sympathischer  Reizung, 
daher  wird  das  phthisische  Auge  enucleirt. 

Der  im  horizontalen  Meridian  durchschnittene  Bulbus  zeigt 
eine  bedeutende  Abfiachung  des  vorderen  Abschnittes,  der 
äquatoriale  Durchmesser  beträgt  23  mm,  von  vorne  nach  hinten 
misst  der  Bulbus  lOV«  mm.  Die  Hornhaut  zeigt  nuregel- 
roHssige  Dicke  sowie  Krümmung,  an  der  lateralen  Seite  ist  sie 
verdickt,  etwas  eingezogen,  es  besteht  eine  vordere  Synechie, 
die  vordere  Kammer  ist  dem  zu  Folge  ebenfalls  von  ungleich- 
massiger  Tiefe,  die  Iris  zeigt  auf  der  Yorderfläche  eine  aus- 
gesprochen rostbraune  Färbung.  Die  Linse  ist  stark  geschrumpft 
und  grössten  Theils  von  gelbbrauner  Farbe.  Unmittelbar  hinter 
der  Linse  findet  sich  in  einem  Exsudat  ein  etwa  2  mm  im 
Durchmesser  grosser  dunkelbrauner  rundlicher  Heerd,  in  dessen 
Mitte  ein  1^/^  mm  langes  und  ca.  1  mm  breites  etwas  un- 
regelmässiges schwärzliches,  zum  Theil  mit  Rost  bedecktes 
Eisenstückchen  steckt,  das  sich  leicht  mit  der  Piucette  extra- 
hiren  lässt.  Das  Corpus  ciliare  sowie  der  vorderste  Abschnitt 
der  Aderhaut  sind  beiderseits  abgelöst  und  nach  innen  gezogen. 
Hinten  liegt  die  Aderhaut  überall  der  Sclera  an.  Die  Netz- 
haut ist  flach  abgelöst,  zwischen  ihr  und  der  Choroidea  be- 
finden sich  geronnene  Eiweissmassen.  Der  Glaskörperraum  ist  von 
eben  solcher  Masse  ausgefüllt  Die  Sklera  ist  besonders  hinten 
verdickt,  der  Sehnerv  zeigt  keine  erhebliche  Yerschmälernng. 

Mikroskopischer  Befund:  Das  Hornhautepithel  zeigt 
normales  Verhalten,  ebenso  die  Bowman'sche  Membran.  Die 
Grundsubstanz  der  Hornhaut  ist  stellenweise  auffallend  reich 
an  Kernen,  hier  und  da  trifft  man  in  den  verschiedenen 
Schichten  dünnwandige  Gefösse,  die  mit  den  Randgcfässen  im 
Znsammenhang  stehen.  Die  Descemet 'sehe  Membran  ist  wohl- 
erhalten, daair* Endothel  ebenfalls.  Besondere  Schilderung  be- 
darf das  Verhalten  der  Cornea  an  der  lateralen  Seite,  wo  der 
Weg  des  Fremdkörpers  genau  zu  verfolgen  ist.  Hier  ist  die 
Cornea  stark  verdickt.  Am  Comeoskleralrande  senkt  sich  das 
Epithel  tief  ein  und  von  dieser  Stelle  beginnend  durchsetzt 
eine  ausserordentlich  schräg  verlaufende  Narbe  die  ganze  Dicke 
der  Cornea.  In  der  vorderen  Kammer  endigt  sie  ziemlich 
weit  vom  Kammerwinkel  entfernt.  Sie  besteht  aus  derbem 
Bindewebe,  welches  zahlreiche  Geisse  einschliesst,  von  denen 


138  E.  V.  Hippel. 

wieder  Zweige  nach  beiden  Seiten  in  die  Substanz  der  Horn- 
haut sich  erstrecken.  Vielfach  liegen  in  der  Umgebung  der 
Gefässe  kleinere  und  grössere  pigmentirte  Zellen.  Die  Membr. 
Descemeti  ist  in  der  Umgebung  der  Narbe  stark  geschlängelt 
und  entsprechend  der  Mitte  derselben  unterbrochen.  Durch  den 
Riss  setzt  sich  das  Narbengewebe  unmittelbar  fort  in  ein  derbes 
Bindegewebe,  das  an  dieser  Stelle  der  Iris  aufliegt  Der 
Kammerwiokel  ist  nicht  verwachsen,  in  den  Maschen  des  Lig. 
pectinatum  liegen  sehr  reichliche  mit  gelbbraunem  Pigment  ge- 
fflUte  Zellen. 

Die  Iris,  die  an  der  nasalen  Seite  von  normaler  Dicke 
ist,  zeigt  auf  der  Seite  der  Verletzung  eine  betrachtliche,  und 
gegenüber  der  Cornealnarbe  eine  ganz  enorme  Verdickung; 
man  trifft  in  einem  sehr  kemreichen  Gewebe  massenhaft  prall 
gefällte  Geftsse  mit  sehr  dicken,  grossen  Theils  hyalin  dege- 
nerirten  Wandungen.  Ucberall  um  dieselben  findet  sich  kör- 
niges braunes  Pigment  in  ZeHen,  welche  der  Adventitia  anzu- 
gehören scheinen.  Die  Vorderfläche  der  Iris  ist  dicht  von 
runden  hellbraunen  Pigmentkngeln  bedeckt  Zwischen  denselben 
liegen  rothe  Blutkörperchen  sowie  etwas  grössere  farblose  £i- 
weisskugeln.  Die  vorderste  Schicht  der  Iris  ist  bräunlich  ge- 
färbt durch  feine  Pigmentkörnchen,  welche  in  spindligen  Zellen 
liegen.  Die  Pigmentepithelschicht  der  Iris  ist  sehr  unregel- 
mässig, theils  stark  verdickt,  theils  unterbrochen,  die  Un- 
regelmässigkeiten treten  besonders  da  hervor,  wo  der  Fremd- 
körper die  Iris  durchschlagen  hat.  Entsprechend  den  Stellen, 
wo  die  Pigmentschicht  unterbrochen  ist  oder  fehlt,  findet  sich 
braunschwarzes  Pigment  in  der  Iris,  das  sich  durch  Form  und 
Farbe  von  dem  vorher  erwähnten  bräunlichen  unterscheidet 
Die  vordere  Linsenkapsel  ist  stark  gefaltet,  gegenüber  der 
Cornealnarbe  unterbrochen  und  an  dieser  Stelle  mit  der  Iris 
durch  sehr  zellenreiches  Gewebe  fest  verwachsen.  Die  hintere 
Kammer  wird  von  geronnener  eiweissreicher  Flüssigkeit  aus- 
gefüllt, in  welcher  viele  Pigmentkömer  und  Schollen,  an  Zellen 
gebunden,  liegen.  Der  Kapselsack  ist  stark  zusammengezogen, 
die  vordere  Kapsel  schlägt  sich  nach  hinten  um,  die  hintere 
Kapsel,  kenntlich  an  ihrer  viel  geringeren  Dicke,  ist  ganz  zu- 
sammen gerollt  Das  Epithel  ist  stellenweise  flächenhaft  ge- 
wuchert^ zerfallene  Oorticalmassen  sind  nur  ziemlich  spärlich 
vorhanden.  Innerhalb  des  Kapselsackes  findet  sich  eine  grössere 
Blutung,  die  Blutkörperchen  sind  zum  Theil  gut  erhalten,  mit 
Eosin  und  mit  der  Weigert 'sehen  Methode  der  Nervenmark- 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  139 

ftrbang  zu  färben,  zun  andren  Theil  sind  sie  zerfallen. 
Zwischen  ihnen  Uogen  ziemlich  grosse  mit  braunem  Pigment 
erfüllte  Zellen. 

Der  braune  Heerd  um  den  Fremdkörper  besteht  aus  dicht 
geh&uften  Rundzellen,  welche  theils  diffus  braun  gefärbt  sind, 
theils  bräunliche  Körner  enthalten.  Mit  diesem  Heerd  steht  im 
Zusammenhang  ein  faseriges  kern-  und  gefEteshaltiges  Binde- 
gewebe, das  die  Hinterfläche  der  Linse  bedeckt,  mit  dem 
Corpus  ciliare  und  durch  schmale  ZOge  mit  dem  vordersten 
Theil  der  Netzhaut  verbunden  ist.  In  diesem  Gewebe  liegen 
ebenfalls  pigmentirte  Zellen  längs  den  Gefässen;  es  scheint 
den   verdichteten  und  geschrumpften  Glaskörper  darzustellen. 

Die  Bttndel  des  Muse,  ciliaris  sind  auseinander  gedrängt, 
das  Bindegewebe  ist  vermehrt,  innerhalb  des  Muskels  finden 
sich  sehr  reichliche  gelbbraune  Pigmentkörner,  die  in  Zellen 
liegen.  Hier  und  da  kommen  kleinere  Anhäufungen  von  Rund- 
zellen in  dem  Ciliarmuskel  vor.  An  dem  £pithel  der  Ciliar- 
fortsätze  fällt  es  auf,  dass  vielflach  das  schwarzbraune  Pigment 
vollkommen  darin  fehlt,  die  Zellen  des  Epithels  sind  enorm 
in  die  Länge  gezogen  und  zum  Theil  mit  feinkörnigem  Pig- 
ment erfüllt.  Innerhalb  der  Ciliarfortsätze  und  zwischen  ihren 
Falten  liegen  pigmentirte  Zellen,  ebenso  zwischen  den  Blättern 
der  Suprachoroida. 

Die  Retina  ist  fast  vollständig  abgelöst.  Die  Abhebung 
hat  zunächst  den  vordersten  Theil  der  Netzhaut  betroffen,  der 
hinter  dem  Fremdkörper  mächtige  Falten  bildet.  Mit  dem 
Sehnerv  steht  die  Retina  noch  im  Zusammenhang.  An  einer 
kleinen  Stelle  liegt  sie  sogar  noch  an  und  hier  lässt  sich  be- 
sonders schön  die  Zugwirkung  von  innen  her  erkennen;  an 
der  Stelle,  wo  die  Ablösung  beginnt,  ist  nämlich  die  Membran 
in  zwei  Blätter  gespalten,  an  anderen  Stellen  ist  streckenweise 
ein  Theil  der  äusseren  Körnerschicht  mit  der  Limitans  ext. 
sitzen  geblieben,  während  die  übrige  Retina  einwärts  gezerrt 
wurde.  Die  Netzhaut  ist  hochgradig  degenerirt,  die  Stäbchen 
und  Zapfen  sind  zerfallen,  die  äussere  Körnerschicht  ist  stellen- 
weise noch  gut  nachweisbar,  die  inneren  Netzhautschichten  sind 
in  ein  kernreiches  Gewebe  verwandelt,  das  aus  einer  Wucher- 
ung der  Sttttzsubstanz  unter  Zugrundegehen  der  nervösen  Be- 
rtandtheile  entstanden  ist.  Auch  die  Parthie  der  Retina,  welche 
noch  anliegt,  ist  hochgradig  atrophisch.  Innerhalb  der  Netzbaut 
und  kleinere  Blutanstritte  wahrzunehmen,  hier  und  da  findet 

kömiges  Pigment  in  kleineren  und  grösseren  Haufen  vor. 


140  E.  V.  Hippel. 

Das  Pigmentepithel  der  Retina  ist  vielfach  erheblich  ge- 
wuchert, die  Zellen  liegen  in  mehreren  Schichten  über  ein- 
ander und  bilden  öfter  kleine  halbkugelartige  Hervorragungen. 

Die  Untersuchung  auf  Eisen  mit  Ferrocyankalium  und 
HCL  hat  folgendes  Ergebniss: 

Die  Zellen,  welche  den  braunen  Heerd  um  den  Fremd- 
körper bilden,  färben  sich  tief  dunkelblau  und  zwar  ist  die 
Färbung  diffus  in  dem  Protoplasma  aufgetreten,  andererseits 
sind  auch  die  braunen  Körnchen  blau  geworden. 

Ausser  an  dieser  Stelle  ist  die  Blaufärbung  am  ausge- 
sprochensten in  der  Iris  sowie  im  Kammerwinkel  und  Ciliar- 
muskel,  weniger  stark  in  der  Netzhaut. 

Die  braunen  Kugeln,  welche  der  Yorderfläche  der  Iris 
aufliegen,  werden  in  toto  tief  dunkelblau,  die  pigmenthaltigen 
Zellen  innerhalb  der  Iris  verhalten  sich  verschieden;  ein  Theil 
wird  vollständig  blau,  in  anderen  bleibt  ein  Theil  der  Körn- 
chen braun,  wieder  andere  nehmen  nur  einen  schwarzbläulichen 
Schimmer  an;  dies  sind  besonders  diejenigen  Zellen,  deren 
Pigment  schwärzlich  aussieht.  Die  vordersten  Schichten  der 
Iris  bleiben  auch  bei  Anwendung  der  Keaction  unverändert 
braun.  Die  Pigmcntepithelschicht  der  Iris  hat  vielfach  einen 
bläulichen  Farbenton  angenommen. 

Die  pigmentirten  Zellen  des  Kammerwinkel  werden  blau 
und  zwar  vollständig,  ebenso  die  innerhalb  der  Ciliarfortsätze 
gelegenen.  Die  Zellen  des  Pigmentepithels  der  Ciliarfortsätze 
sind  zum  Theil  diffus  hellblau  gefärbt;  dies  tritt  besonders  da 
hervor,  wo  sie  auffallend  pigmentarm  sind  (cf.  oben);  ausserdem 
kann  man  aber  auch  zwischen  den  normalen  Pigmentmassen 
blaue  Körnchen  nachweisen. 

Einzelne  blau  gefärbte  Zellen  liegen  in  der  Cornealnarbe. 
Innerhalb  des  Kapselsackes  der  Linse  reagirt  ein  Theil  der 
pigmentirten  Zellen  positiv,  doch  sind  hier  noch  braune  Köm- 
chen ausser  den  blauen  vorhanden,  ein  anderer  Theil  verhält 
sich  ablehnend  gegen  die  Reaction.  Einige  Zellen  des  Linsen- 
epithels sind  diffus  blau  gefärbt 

In  der  Retina  werden  die  braunen  Zellen,  die  grossen 
Theils  in  ihrer  Lage  dem  Ge&ssverlauf  entsprechen,  blau,  eine 
diffuse  Färbung  ist  nicht  nachweisbar.  Das  Pigmentepithel 
hat  keine  Bläuung  angenommen.  Innerhalb  der  Choroidea  fehlt 
jede  Spur  von  Eisenreaction. 

Aus  der  Beschreibung  geht  hervor,  dass  das  Pigment  an 
Zellen   gebunden   auftritt;   vielfach  liess  sich  dies  durch  den 


Ueber  Siderosis  Bulbi  nnd  die  Beziehungen  etc.  141. 

Nachweis  einez  Kernes  beweisen,  an  anderen  Stellen  fflUte 
das  Pigment  die  Zelle  so  vollständig,  dass  ein  Kern  nicht 
za  sehen  war.  Genau  l&sst  sich  der  Nachweis  fahren,  wenn 
man  die  Schnitte  24  —  48  Standen  mit  verdQnnter  Salzsäure 
behandelt;  dann  ist  alles  Pigment,  das  sich  blau  färbte,  ge- 
löst Die  Yorderfläche  der  Iris  beispielsweise  ist  bedeckt  von 
grossen  blassen  Zellen  mit  deutlich  nachweisbarem  Kern.  In 
der  Iris  sind  viele  Zellen,  die  theil weise  Blaufärbung  gaben, 
noch  pigmentirt,  doch  tritt  der  Kern  viel  schärfer  hervor 
und  das  Pigment  entspricht  den  braunen  Körnern,  die  sich  bei 
Anwendung  der  Eisenreaction  braun  erhielten.  Der  Heerd  um 
den  Fremdkörper  ist  völlig  pigmentfrei  und  besteht  aus  kleinen 
einkernigen  Rundzellen,  die  nirgends  den  Charakter  der  Eiter- 
körperchen  haben. 

Das  Pigmentepithel  der  Retina,  der  Iris  und  Ciliarfort^ 
Sätze  sowie  die  pigmentirten  Zellen  der  Choroidea  sind  in 
keiner  Weise  verändert,  ebenso  sind  die  obersten  Schichten 
der  Iris  nach  wie  vor  braun  gefärbt. 

Fall  m.- 

Julius  Blömer,  34  Jahre.  (Das  Auge  ist  der  Göttinger 
Klinik  von  auswärts  flbersandt  mit  folgenden  Notizen): 

Verletzung  durch  einen  Stahlsplitter.  Perforirende  Cor- 
nealwunde;  traumatische  Katarakt.  Lichtschein  gnt.  Iridectomie 
nach  oben  mit  schmalem  Messer.  7.  lY.  76.  Fortdauernder 
Reizzustand.  Verfall  des  Lichtscheines.  Iridocyclitis.  Höchst 
wahrscheinlich  Corpus  alienum  intra  oculum.  Enucleation  6.  Y.76. 

Das  Auge  war  im  Aequator  durchschnitten,  vorderer  so- 
wie hinterer  Abschnitt  nochmals  zerlegt.  In  der  hinteren 
Bulbuswand  ist  eine  unregelmässige  Vertiefung,  die  ihrer  Ge- 
stalt nach  einem  in  dem  Glase  befindlichen  länglichen  Eisen- 
stQck  mit  scharfen  Kauten  von  ca.  6  mm  Länge  und  l^i  mm 
grösster  Breite  entspricht.  Die  beiden  Hälften  der  vorderen 
sowie  der  hinteren  Abschnitte  werden  eingebettet  und  unter- 
sucht. 

Makroskopisch  sieht  man  am  vorderen  Bulbusabschnitt, 
dass  die  CornealkrOmmung  unregelmässig  ist,  eine  Einziehung 
entspricht  der  Wunde,  dieselbe  liegt  ungefähr  auf  der  Mitte 
zwischen  Homhantcentrum  und  unterem  Rande.  Hier  ist  die 
Cornea  verdickt  und  mit  dem  Pupillenrand  der  Iris  und 
einem    Bindegewebe,    das    der    vorderen    Linsenfläche   aufge- 


142  E-  V.  Hippel. 

lagert  ist,  Terwachsen.  Am  oberen  Gornealrande  darchsetfist  die 
Homhant  eine  schmale  Narbe,  welche  mit  dem  der  Linse 
anfgielagerten  Gewebe  verwachsen  ist  Die  Iris  fehlt  hier 
(Iridectomienarbe).  Die  Linse  ist  nnregelmftssig  abgeflacht^ 
ein  fremdes  Gewebe  geht  von  der  Hornhantnarbe  contisnirlidi 
dnrch  die  Linse  bis  in  den  Glaskörper,  wo  es  der  Hintei^ 
fläche  der  Linse  und  dem  Ciliarkörper  aufliegt.  Der  Cüiaiv 
körper  ist  abgelöst  und  einwärts  gezogen,  die  Choroidea  ist 
bis  in  die  Gegend  des  Aequators  abgelöst,  die  Retina  liegt 
der  Aderhaut  an.  Im  vorderen  Theile  des  Glaskörpers  liegen 
grössere  Blutmasseo. 

Mikroskopische  UDtersnchung:  Die  Coi^unctival- 
gefässe  sind  prall  mit  Blut  gefallt,  um  den  Gornealrand  findet 
sich  starke  kleinzellige  Infiltration  und  Einlagerung  schwärz- 
lichen Pigmentes. 

Das  Gornealepithel  ist  normal,  an  der  Stelle  der  Per- 
foration sind  die  Zellen  zapfenförmig  in  das  Narbengewebe 
eingesenkt,  die  Bowman'sche  Membran  ist  hier  unterbrochen. 
An  der  Perforationsstelle  ist  das  Hornhautgewebe  durchsetzt 
von  einem  zell-  und  gefössreichen  Narbengewebe,  einige  Zellen 
sind  pigmentirt.  Von  der  Narbe  aus  erstrecken  sich  ziemlich 
viele  Rundzellen  nach  beiden  Seiten  in  die  Substanz  der 
Hornhaut  hinein.  Die  Descemet 'sehe  Membran  ist  durch- 
brochen und  eine  Strecke  weit  nach  dem  Gentmm  der  Horn- 
haut zu  abgelöst,  an  einzelnen  Stellen  ist  sie  mit  dem  der 
Linse  aufgelagerten  Gewebe  verwachsen.  Mit  letzterem  stellt 
auch  in  festem  Zusammenhang  die  Iridectomienarbe,  die  als 
schmaler  Streifen  im  Hornhantgewebe  kenntlich  ist.  An  dieser 
Stelle  fehlt  die  Iris  bis  auf  einen  kleinen  Stumpf.  Der 
Kammerwinkel  ist  auf  dieser  Stelle  verwachsen  dnrch  ein  Ge- 
webe, in  welches  pigmentirte  Zellen  eingelagert  sind.  In  der 
vorderen  Kammer  finden  sich  spärlich  rothe  Blutkörperchen. 

Der  Yorderflftche  der  Iris  sind  rnnde  Zellen  mit  braunem 
Pigment  aufgelagert  Das  Endothel  der  Vorderfläche  ist  brian- 
lich geftrbt  durc^  Einlagerung  feiner  Pigmentkömehen.  Die 
Gefässwandungen  sind  verdickt,  hyalin  degenerirt,  der  Kera- 
reichthnm  des  Irisstroma  ist  grösser  als  in  der  Norm,  mehr- 
fach kommen  Anhäufungen  von  RnndzeUen  vor.  Von  dem 
der  Narbe  adhärirendeu  Pupillarrand  bis  znr  Mitte  der  Ins  ist 
anf  dieser  Seite  das  Pigmentepithel  äusserst  unregdnfttsig, 
zum  Theil  verdickt,  anderen  Hieils  untearbrochen.  In  4ieMr 
Ausdehnung  finden  sich  sowohl  im  Gewebe  der  Iris  als  hinter 


Ueber  Siderosis  Bnibi  und  die  Beziehungen  etc.  143 

derselben  änssent  zahlreiche  grosse,  im  Allgemeinen  runde  Zellen 
vor,  die  mit  dnnkelbrannschwansem  Pigment  von  Farbe  und 
Aussehen  des  Epithelpigmentes  erfüllt  sind. 

Die  Linsenkapsel  ist  an  der  Perforationsstelle  in  be- 
trichtlicher  Ansdehnnng  unterbrochen,  das  Epithel  ist  in  den 
Randtheilen  erhalten,  in  der  centralen  Parthie  fehlt  es.  Die 
vordere  Kapsel  ist  in  der  Gegend  des  Aeqnators  stark  ge- 
faltet, der  Kembogen  am  Aeqnator  ist  noch  zu  erkennen. 
Weiter  nach  der  Linsenmitte  sind  die  Fasern  zerfallen,  es 
finden  sich  Bruchstttcke  davon,  sowie  grosse  und  kleine  Ei- 
weisskngeln,  von  der  Perforationsstelle  ans  ist  die  Linse  infil- 
trirt  von  massenhaften  Rundzellen  vom  Charakter  der  mehr- 
kemigen  EiterzcUen,  die  zum  Theil  dichtgedrängt  liegen,  zum 
Theil  in  langen  Reihen  zwischen  die  Linsenfasern  eingelagert 
sind.  Aach  rothe  Blutkörperchen  kommen  in  massiger  Menge 
innerhalb  des  Eapselsackes  vor.  Am  dichtesten  ist  die  Infil- 
tration mit  Eiterzellen  unmittelbar  um  den  Wundkanal,  hier 
liegt  inmitten  dieser  Zellen  vielfach  geflaltet  ein  Stück  der  hin- 
teren Kapsel.  Hier  kommen  auch  zahlreiche  dunkelbraun  pig- 
mentirte  Zellen  vor. 

Der  Hinterfläche  der  Linse  ist  auf  der  Seite  der  Ver- 
letzung zelliges  Gewebe  aufgelagert,  das  sich  auf  die  Rück- 
seite des  Corpus  ciliare  fortsetzt;  der  Ciliarmuskel  ist  ein- 
wärts gezogen,  das  Bindegewebe  zwischen  den  Muskelbündeln 
vermehrt  Die  Epithelzellen  der  Pars  ciliaris  retinae  sind 
starte  in  die  Länge  gezogen.  An  dem  Epithel  der  Ciliarfort- 
Bätze  f&llt  auf,  dass  das  Pigment  in  den  Zellen  streckenweise 
sehr  spärlich  ist,  beziehungsweise  fehlt.  Zwischen  den  Falten 
der  Fortsätze  liegen  viele  pigmentirte  Zellen.  Im  Glaskörper- 
raum finden  sich  grosse  Haufen  von  TOthen  Blutkörperchen, 
dazwischen  stellenweise  zahlreiche  zum  Theil  bräunlich  gefärbte 
Rnndzellen.  In  der  Choroidea  kommen  stärkere  Anhäufungen 
von  Rundzellen  vor. 

Die  nicht  abgelöste  Retina  ist  in  hohem  Grade  dega- 
nerirt.  Sie  ist  sehr  stark  verschmälert,  vielfach  ist  nur  eine 
sehmale  Kömerschicht  nachweisbar,  deren  Zellen  sich  schlecht 
fiBl>en,  von  Stäbchen  und  Zapfen  ist  nichts  zu  finden,  die 
inneren  Schichten  sind  in  ein  reticuläres  Gewebe  mit  zahl- 
reichen Kernen  verwandelt;  in  das  Grewebe  der  Retina  sind 
zahlreiche  braun  pigmentirte  Zellen  eingelagert.  Das  Pigment- 
epitbel  ist  zum  Theil  normal,  stre<^enweise  zeigt  es  sich  aber 
•ehr  stark  verändert  und  dies  betrifft  besonders  eine  Parthie 


144  £•  V.  Hippel. 

im  vorderen  Theile  der  Retina.  Hier  findet  sich  statt  des 
Pigmentepithels  eine  vielfach  unterbrochene  Reihe  von  mehr 
runden  dunkelschwarzbraunen,  pigmentirten  Zellen.  Dieselben 
liegen  stellenweise  in  mehreren  Schichten  über  einander  und 
erstrecken  sich  in  die  degenerirte  Netzhaut  hinein.  An  der 
InneDfl&che  der  Retina  liegen  sie  in  grosser  Anzahl  über  ein- 
ander geschichtet,  nur  ist  ihr  Pigment  hier  von  mehr  hellbräun- 
licher Farbe. 

Dicht  an  der  Papille  lassen  sich  noch  zwei  Kömer- 
schichten  nachweisen,  die  Papille  selbst  zeigt  sehr  vermehrten 
Kernreichthum.  Auch  im  hinteren  Theil  der  Netzhaut  sind 
viele  pigmentirte  Zellen  in  dieselbe  eingelagert. 

An  dem  Stück  der  hinteren  Bulbuswand,  das  dem  Fremd- 
körper zam  Sitz  diente,  fehlt  die  Netzhaut  (entweder  beim 
Aufsuchen  des  Fremdkörpers  entfernt  oder  es  bestand  an 
dieser  Stelle  Ablösung).  Der  Eisensplitter  hat  die  Choroidea 
durchschlagen  und  war  in  die  innersten  Lagen  der  Sklera  ein- 
gelagert Schnitte  durch  die  Stelle  seines  Sitzes  zeigen  fol- 
gendes Verhalten:  ungefähr  1  mm  nach  allen  Seiten  um  den 
Splitter  sehen  die  Lamellen  der  Sklera  mehr  homogen,  starr, 
stärker  lichtbrechend  aus,  an  ungefärbten  Schnitten  hat  diese 
Parthie  einen  hellbräunlichen  Ton,  mit  Eosin  färbt  sie  sich 
dunkler  roth,  als  die  Umgebang.  Den  Uebergang  in  die  nor- 
male Sklera  bildet  eine  Parthie  mit  zahlreichen,  im  Allge- 
meinen spindligen  Kernen.  Die  Gefässhaut  ist  da,  wo  sie  an 
den  Fremdkörper  grenzt,  wallartig  verdickt,  stark  bindegewebig 
degenerirt,  und  von  vielen  intensiv  braun  pigmentirten  Zellen 
durchsetzt.  Die  Veränderung  erstreckt  sich  aber  nur  auf  einen 
kleinen  Bezirk;  dann  beginnt  wieder  die  normale  Structur  der 
Choroidea;  nur  fallen  auch  hier  ziemlich  viele  dunkelbraune 
Pigmentkörner  auf.  Ein  zartes  Gewebe  bedeckt  vorne  die 
Lücke,  aus  welcher  der  Splitter  entfernt  ist.  Es  ist  gefässhaltig 
und  schliesst  viele  meist  spindelförmige  dunkelbraun  pigmen- 
tirte Zellen  ein. 

Die  Eisenreaction  bewirkt  folgende  Veränderungen: 

Die  Sklera  in  der  Umgebung  des  Fremdkörpers  wird 
genau  in  der  Ausdehnung,  in  welcher  die  Membran  das  oben 
beschriebene  glänzende  Aussehen  zeigte,  tief  dunkelblau,  diese 
Färbung  schneidet  ziemlich  scharf  ab,  in  der  Umgebung  kommen 
noch  einige  gebläute  Zellen  vor.  In  dem  zarten  Gewebe  vor 
dem  Splitter  und  in  der  wallartig  vordickten  Parthie  der 
Aderhaut   sind  sämmtliche  braun  pigmentirten  Zollen  intensiv 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.        .   145 

dankelblan,  etwas  weiter  entfernt  kommen  in  der  Aderhaut  nur 
ganz  vereinzelte  positiv  reagirende  Zellen  vor. 

In  der  Cornealnarbe,  im  Lig.  pectinatum,  im  Ciliarmnskel, 
auf  der  Oberfläche  der  Iris  werden  die  oben  erwähnten  branu 
pigmentirten  Zellen  blau;  in  vielen  bleiben  aber  noch  bei 
dlffnser  Blauf&rbang  des  Protoplasma  brauno  Körnchen  nach- 
weisbar. Von  den  mit  dunkelschwarzbraunem  Pigment  erfüllten 
Zellen,  die  in  der  Iris  und  hinter  derselben  an  der  Stelle  liegen, 
wo  das  Pigmentepitbel  zerfallen  ist,  nimmt  ein  Theil  gar  keine 
Blaufärbung  an,  ein  anderer  wird  schwach,  ein  dritter  endlich 
intensiv  blau.  Pie  braunschwarzen  Körnchen  bleiben  in  allen 
unverändert.  Das  Epithel  der  Ciliarfortsätzo  wird  diffus  blau, 
besonders  da,  wo  er  auffallend  pigmentarm  war.  Das  Epithel 
der  Pars  ciliaris  retinae  wird  intensiv  himmelblau  gefärbte 
Die  Stützsubstanz  der  Netzhaut  wird  diffus  mattblau.  Die  Pig- 
9ientepithelzellen  werden  mattblau.  Die  grossen  pigmentirten 
Zellen,  welche  in  den  verschiedenen  Schichten  der  Retina  so^ 
wie  auf  ihrer  Innenfläche  liegen,  die  zum  Theil,  wie  wir 
oben  sahen,  zweifellos  aus  den  Zellen  des  Pigmentepithels  ent- 
stehen, zeigen  alle  Uebergänge  von  völlig  negativem  bis  zu 
sehr  intensivem  Ausfall  der  Reaction,  dabei  sind  die  braunen 
Körnchen  grossen  Theils  ungefärbt. 

Das  Epithel  der  Linsenkapsel  färbt  sich  diffas  blau;  ebenso 
ein  grosser  Theil  der  innerhalb  des  Kapselsackes  gelegenen 
braunen  Zellen.  Die  Körnchen  in  letzteren  bleiben  vielfach 
braun.  In  der  Bindegewebsschwarto  hinter  der  Linse  werden 
die  pigmentirten  Zellen  blau.  Die  Fibrin- Netze,  welche  die 
Glaskörperblutung  durchziehen,  werden  blau.  Innerhalb  jener 
grossen  Blutung  finden  sich  neben  unveränderten  rothen  Blut- 
körperclien  solche,  welche  sich  durch  Form  und  Grösse  nicht 
unterscheiden,  aber  Blaufärbung  annehmen,  ferner  homogene 
Kugeln  von  der  doppelten  und  mehrfachen  Grösse  eines  rothen 
Blutkörperchens,  welche  diffus  blaa  werden. 

Fall  IV. 

Wilhelm  Benze  (aus  der  Göttinger  Klinik).  R.  A.  enucl. 
wegen  Verletasong  mit  Eisenstück  im  Mai  1882;  enucl.  6.  XL  82. 
In  medialen'  Theil  der  Sklera  Narbe  auf  die  Cornea  über^ 
greifend.     Traumatuohe  Katarakt     Pupillarmembran. 

Das  Auge  wird  oberhalb  der  Mitte  im  horizontaleii 
Meridian  aaf)seschnltten,  die  untere  Hälfte  eingebettet  und  in 

T.  GneTe'i  Ardür  f&r  Ophthalmologie.  XL.  1.  10 


14§  E.  V.  Hippel. 

genenschnitte  zerlegt;  dabei  stösst  das  Messer  auf  einen  Wider- 
stand und  an  der  medialen  Seite  kommt  in  den  oberflächlich- 
sten Lagen  der  Sklera  die  Spitze  des  Fremdkörpers  zum  Yor- 
schein.  Es  wird  mit  der  Pincette  ein  kleines  Eisenstflckchen 
hervorgezogen;  bald  stellt  sich  aber  erneuter  Widerstand  ein, 
es  zeigt  sich,  dass  nur  die  Spitze  des  Fremdkörpers  abgebrochen 
war;  er  wird  nun  mit  vieler  Mtthe  in  toto  hervorgezogen  und 
erweist  sich  als  ein  weiter  nach  unten  uud  innen  einge- 
drungenes Eisenstück  von  1  cm  Länge,  4  mm  Breite  und  1  ^/^  mm 
Dicke,  von  keilförmiger  Gestalt  mit  scharfen  Kanten. 

Der  Bulbus  ist  klein,  phthisisch,  seine  Länge  beträgt 
18,  seine  Breite  17  mm.  Die  Sklera  ist  sehr  dick,  besonders 
im  hinteren  Abschnitt,  der  Sehnerv  ist  schmal,  die  Papille 
einwärts  gezogen,  die  Netzhaut  in  toto  flach  abgelöst,  das  Corp. 
ciliare  ist  durch  eine  hinter  der  Linse  gelegene  Schwarte  ein- 
wärts gezogen,  die  vordere  Kammer  ist  ganz  flach,  die  Iris 
liegt  fast  der  Hinterfläche  der  Cornea  an. 

Mikroskopische  Untersuchung:  Die  Cornea  ist  in 
ihren  Randtheilen  vascularisirt  und  zeigt  vermehrten  Kem- 
gehalt;  das  Epithel  sowie  das  Endothel  der  Descemet'- 
schen  Membran  sind  normal,  die  Hinterfläche  der  Horn- 
haut hat  einen  welligen  Verlauf.  Der  Kammerwinkel  ist  frei, 
vereinzelte  pigmentirte  Zellen  kommen  darin  vor.  Die  Iris  ist 
sehr  schmal,  atrophisch,  stark  von  Zellen  durchsetzt,  die  Gefilss- 
wandnngen  sehr  verdickt  und  zum  Theil  hyalin  degenerirt,  der 
Pupillenrand  ist  mit  der  Linsenkapsel  verwachsen,  vielflsch  auch 
die  Hinterfläche  der  Iris.  Das  Pupillargebiet  fallt  eine  mit 
der  Iris  im  Zusammenhang  stehende  Bindegewebsmasse.  Die 
hintere  Kammer  ist  auf  der  temporalen  Seite  stark  vertieft, 
auf  der  nasalen  fehlt  sie  in  Folge  flächenhafter  Verwachsung 
von  Iris  und  Linsenkapsel.  Im  Bereich  der  hinteren  Kammer 
liegen  auf  der  Vorderfläche  der  Linsenkapsel  zahlreiche  dunkel- 
braun pigmentirte  Zellen.  In  der  ganzen  Ausdehnung  der 
Pupille  und  noch  darüber  hinaus  findet  sich  ein  vorderer 
Kapselstaar,  in  dessen  Gewebe  eigenthflmlich  geformte  homogene 
Eiweissgerinnungen  eingeschlossen  sind.  Die  hintere  Kapsel  ist 
grossen  Theils  von  Epithel  überzogen,  an  der  temporalen  Seite 
ist  der  Kembogen  noch  angedeutet,  im  übrigen  ist  die  Linse 
kataraktös.  Die  Ciliarfortsätze  bieten  nichts  Besonderes,  im 
Ciliarmuskel  ist  der  Kemgehalt  des  Bindegewebes  vermehrt,  es 
diith&lt  viele  pigmentirte  Zellen.    Die  Choroidea  ist  bis  hinter 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  147 

den  Aequator  abgelOst  and  sehr  schmal,  w.eiter  hinten  zeigt 
sie  mehr  normales  Verhalten,  ihre  Gefösse  sind  aasgedehnt 
and  prall  mit  Eint  gefüllt.  Bas  Pigmentepithel  sitzt  Qberall  der 
Gefösshaat  anf,  vielfach  ist  es  halbkugelig  vorgewölbt,  besteht 
aber  auch  hier  aus  einer  einfachen  Lage.  Im  vordersten  Ab> 
schnitt  des  Bulbas  sieht  man  einige  Drusen  der  Glaslamelle. 
Zwischen  Retina  und  Choroidea  liegen  rothe  Blutkörperchen. 
Die  Retina  zeigt  ziemlich  erhebliche  Degeneration,  die  Stütz- 
sabstanz  ist  stark  gewuchert,  um  die  Gefilsse  kommen  verein-^ 
zelte  kleine  Blutongen  vor,  ferner  finden  sich  hier  massig  zahl- 
reiche braun  pigmentirte  Zellen.  Hinter  der  Linse  liegt  eine 
derbe  Bindegewebsschwarte  mit  spindligen  Kernen,  in  welcher 
GefiLsse  verlaufen,  längs  denen  braun  und  schwarz  pigmentirte 
ZeUen  vorkommen.  Das  Bindegewebe  hängt  zusammen  mit  der 
Pars  cüiaris  retinae  und  hat  diese  einwärts  gezogen.  Letztere 
ist  stark  gewuchert  und  zeigt  mächtige  Faltenbildungen,  viel- 
fach trifft  man  in  dem  Bindegewebe  unregelmässig  gestaltete 
Bäume,  die  wie  Alveolen  aussehen  und  mit  hohem  cylindrischen 
Epithel  bekleidet  sind.  Offenbar  handelt  es  sich  um  Durchschnitte 
von  Faltenbildungen,  die  durch  Wucherung  der  Pars  ciliaris  ent- 
standen sind.  Wo  der  Fremdkörper  in  der  Sklera  sitzt,  sind  ihre 
Lamellen  vielfach  unterbrochen,  homogen,  stärker  lichtbrecbend 
und  braun  gefärbt,  Züge  von  braunen  Körnern  erstrecken  sich 
in  die  Sklera  hinein.  Der  Theil  des  Splitters,  welcher  ein- 
wärts von  der  Sklera  steckt,  ist  in  das  Corpus  ciliare  ein- 
gedrungen, auf  Schnitten  durch  diese  Stelle  sieht  man,  dass 
der  Ciliarmuskel  vollkommen  fehlt  und  ersetzt  ist  durch  ein 
Bindegewebe,  dass  den  Fremdkörper  völlig  einkapselt;  die  Fasern 
dieses  Bindegewebes  haben  ebenfalls  ein  homogenes  Aussehen, 
in  ihnen  finden  sich  viele  intensiv  braun  pigmentirte  Zellen, 
sowie  grosse  braune  amorphe  Schollen.  Die  Eisenreaktion  er- 
zeugt die  intensivste  Blaufärbung  um  den  Fremdkörper,  die 
Sklera  und  das  umgebende  Bindegewebe  sind  diffus  blau,  so 
weit  sie  das  homogene  Aussehen  zeigten;  sämmtliche  braun 
pigmentirte  Zellen  ebenfalls.  Einzelne  in  der  Sklera  ver- 
laufende Gef&sse  sind  von  blauen  Körnern  umgeben.  Das  Epi- 
thel der  Ciliarfortsätze  wird  auf  der  Seite  der  Verletzung 
diffus  blau.  In  dem  Bindegewebe  hinter  der  Linse  sowie  im 
vorderen  Abschnitt  der  Retina  finden  sich  blau  gefärbte  Zellen, 
wesentlich  dem  Verlaufe  der  Gefässe  entsprechend.  Spär- 
ttcher  sind  solche  Zellen  in  der  Iris,  reichlicher  in  der  Supra- 
choroidea. 

10* 


148  E-  V.  Hippel. 


Fall  V. 


Geoi^  Laier,  29  Jahr  (aas  der  Heidelberger  Klinik). 

13.  VI.  1891.  Yerletrong  des  rechten  Anges  durch  Ab- 
springen eines  Stückes  Stahl  oder  Stein  \mm  Hämmern  anf  Stein. 

Hornhantnarbe  im  oberen  Qnadranten,  gegenüber  ist  die 
Iris  durchschlagen.     Traumatische  Katarakt. 

28.  VI.  Hinter  der  Linse  pendelt  ein  heller  Körper  hin  und  her. 
3.  YII.  Linearschnitt  nach  oben,  Indeotomie.  Das  excidirte 

Stück  enthalt  die  Perforationsstelle,  es  kommt  Grlaskörper,  ^n. 
Extractionsversuch  mit  dem  Electromagneten  ist  vergeblich. 

29.  VIII.    Die  obere  Narbe  ist  vascolarisirt 

3.  IX.  Die  Reizerscheinungen  gehen  znrück,  ein  Theil  des 
Ooloboms  ist  frei.  An  der  Cornea  einige  Beschläge.  Hinter 
der  Iris  kommt  ein  weisslicher  Exsudatstreif  zum  Vorschein. 
Auge  blass,  Hintergrund  undeutlich  sichtbar. 

16.  IX.  In  der  Gornealnarbe  findet  sich  ein  schwarzer 
Punkt,  der  etwas  metallisch  glänzt.  Beschläge  der  Cornea, 
unten  breite  Synechie. 

23.  IX,     Iridectomie  nach  unten. 

2.  XII.  Papille  sichtbar.  Beim  Blick  nach  unten  aussen 
glänzender  Reflex  von  einer  prominirenden  hellen  Parthie  um- 
geben.    (Fremdkörper  in  den  Augeuhäuten?) 

6.  XII.  Flottirende  Glaskörpertrübnngen.  Fremdkörper 
noch  sichtbar. 

4. 1.  92.  Patient  verlangt  dringend  einen  Extractionsversuch. 

Meridionalschnitt  nach  aussen,  mehrfaches  Eingehen  mit 
dem  Magneten  bleibt  vergeblich.  Nach  der  Operation  ver- 
fällt das  Sehvermögen,  das  bis  dahin  immer  befriedigend  war, 
es  treten  starke  Schmerzen  au^  daher  wird  das  Auge  am  25.  I. 
enncieirt 

Der  Bulbus  wird  fHsch  von  oben  nach  unten  aufge- 
schnitten, die  Retina  ist  seicht  abgelöst,  blutig  infiltrirt  und 
verdickt,  der  Grlaskörperraum  ist  voll  Blat,  der  Fremdkörper 
nicht  zu  sehen.  Nun  wird  der  Bulbus  gehärtet,  die  äussere 
Hälfte  eingebettet  und  geschnitten.  Nachdem  das  Auge  ÜKt 
bis  anf  die  Sklera  geschnitten,  fand  sich  aussen  im  vorderen 
Abschnitt  des  Bulbus  circa  2  —  3  mm  hinter  dem  Ende  deS) 
Corpus  ciliare  den  Aagenh&uten  anliegend  ein  kleiner  an- 
regelmässiger durch  seine  Blaufilrbnng  mit  Ferrocyankalium-Sate« 
sänre  als  Eisen  kenntlicher  Fremdkörper,  der  sich  mit  der 
Pincette  leicht  herausziehen  lässt. 


Ueber  Siderosis  Balbi  und  die  Beziehungen  etc.  149 

Sdigittalabscbnitte  dieser  Balbnsb&lfte,  welche  die  Papille 
noch  treffen,  seigen  folgenden  mikroskopischen  Befand: 

Das  Conjanctival*Epithel  ist  normal,  die  Oeftsse  der  Gon- 
jnnetiTa  und  Episklera  sind  enorm  ansgedehnt  und  mit  rothen 
Blatkörperchen  prall  gefüllt;  nm  dieselben  findet  sich  stellen- 
weise kleinzellige  Infiltration  und  Einlagerung  grösserer  brann 
{»gmentirter  ZelloD. 

Von  dem  Epithel  fehlen  zom  Theil  die  obersten  Schichten, 
die  Bowman'sche  Membran  ist  normal  bis  anf  eine  kleine 
Unterbrechung  am  unteren  Rand  der  Hornhaut,  von  der  aus 
eine  lineare  Narbe  die  Cornea  durchsetzt;  an  dieser  Stelle  ist 
auch  die  Descemet'sche  Membran  unterbrochen  (Iridectomie- 
narbe).  Im  oberen  Drittel  ist  die  Cornea  noch  einmal  Ton 
einer  feinen  Narbe  durchsetzt  (Perforationsstelle  des  Fremd- 
körpers) und  endlich  findet  sich  am  oberen  Rande  noch  eine 
Narbe,  in  welche  Irisgewebe  eingelagert  ist 

Die  Grundsubstanz  der  Cornea  ist  im  Ganzen  von  nor^ 
maier  Strnctur,  die  Descemet'sche  Membran  und  das  Endo- 
thel ebenso,  der  Hinterfiäche  der  Cornea  sind  rothe  Blutkör- 
perchen sowie  feine  braune  POnktchen  angelagert,  zum  Theil 
scheinen  die  letzten  in  den  Endothelzellen  zu  liegen. 

Die  Iris  zeigt  im  Ganzen  normale  Structnr,  auffallend  ist 
ihre  Farbe:  an  unge&rbten  Schnitten  sieht  sie  bei  schwacher 
Yergrösserung  ausgesprochen  braungelb  aus.  Bei  starker  Yer- 
grösserung  erkennt  man,  dass  die  Endothelzellen  der  Yorder- 
flftche  intensiv  braungelb  pigmentirt  sind,  ausserdem  finden  sich 
massenhafte  braun  pigmentirte  Zellen  zum  TheU  mit  langen 
Ausl&ufern  in  allen  Schichten  der  Iris,  am  reichlichsten  in  den 
vordersten  und  nach  dem  Pupillarrande  hin;  zum  TheU  liegen 
sie  in  der  Adventitia  der  Gefässe.  Die  Pigmentepithelschicht 
der  Iris  ist  sehr  unregelmässig,  stellenweise  stark  verdickt. 
In  der  Nähe  des  Pupillarrandes  schieben  sich  von  der  Epithel- 
Schicht  aus  gewucherte  Epithelzellen  bis  weit  in  das  Gewebe 
der  Iris  hinein;  sie  sind  kenntlich  an  ihrem  kohlschwarzen 
Pigment  und  an  ihrem  directen  Znsammenhang  mit  der  Epithel- 
schicht. Soldie  anscheinend  von  dem  Epithel  herstammende 
Zellen  kommen  auch  in  der  hinteren  Kammer  vor. 

Im  Ciliarmu^el  ist  der  Eemgehalt  des  Zwischenbinde- 
gewebes entschieden  vermehrt,  ausserdem  finden  sich  auffollend 
viele  verästelte  braun  pigmentirte  Zellen  in  demselben.  An 
den  Ciliarfortsätzen  fällt  nur  auf,  dass  das  Pigment  des  Epi- 
thel-Ueberzugs  stellenweise  unregelmässig  ist  und  sogar  fehlen 


150  E.  V.  Hippel. 

kann.  In  der  Choroidea  findet  sich  streckenweise  ziemlich  starke 
kleinzellige  Infiltration,  die  Aderhant  ist  bis  in  die  Gegend  des 
Aeqnators  abgelöst,  die  Oefässe  sind  im  hinteren  Abschnitt 
prall  gefüllt,  die  Lagen  der  Soprachoroidea  sind  stark  ausein- 
ander gezogen,  zwischen  ihnen  liegen  viele  rote  Blutkörperchen 
sowie  braun  pigmentirte  Zellen. 

Die  Linse  ist  stark  verändert,  ihre  Masse  ist  auf  einen 
schmalen  Strang  redncirt,  die  vordere  Kapsel  zeigt  starke 
Faltenbildung,  ebenso  die  hintere.  An  beiden  Seiten  ist  ein 
sehr  schön  ausgebildeter  Krystallwulst  vorhanden,  die  Mitte  ist 
von  einem  Eapselstaargewebe  eingenommen,  in  welches  braun  pig- 
mentirte spindlige  Zellen  eingelagert  sind.  Die  Zellen  des 
Kapselepithels  zeigen  einen  hellbräunlichen  Farbenton.  Zwischen 
Aderhant  und  Netzhaut  sowie  im  Glaskörper  findet  sich  eine 
enorme  Blutung,  am  grössten  ist  die  Menge  des  ergossenen 
Blutes  in  der  Nähe  des  Fremdkörpers.  Hier  liegen  auch 
massenhafte  braun  pigmentirte  Zellen.  Während  die  total  ab- 
gelöste Netzhaut  in  ihren  hinteren  Abschnitten  bis  auf  klein- 
zeUige  perivasculäre  Infiltration  nahezu  normales  Verhalten  zeigt, 
sind  ihre  vorderen  Abschnitte  hochgradig  verschmälert  und 
atrophirt.  Die  Atrophie  betrifft  alle  Schichten,  die  Kömer- 
schichten  rücken  einander  näher,  die  inneren  Schichten  sind 
bindegewebig  degenerirt,  von  Ganglionzellen  ist  kaum  noch 
etwas  zu  finden.  Am  hochgradigsten  ist  die  Veränderung  der 
Retina  in  der  Nähe  des  Fremdkörpers,  hier  ist  sie  von  vielen 
Blutungen  und  zahlreichen  grossen  braun  pigmentirten  Zellen 
durchsetzt  und  ist  in  ihrer  Structur  nur  noch  an  den  Körner- 
schichten zu  erkennen.  Das  Pigment-Epithel  der  Netzhaut 
zeigt  völlig  normales  Verhalten.  An  ungeförbten  Schnitten  sieht 
die  Retina  braungelb  aus. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaktion  erkennt  schon  das 
blosse  Auge  die  enorme  Ausbreitung  der  Blaufilrbung:  die  Iris, 
die  Innenfläche  der  Cornea^  die  Linsenreste,  die  Retina  sehen 
intensiv  dunkelblau  aus. 

Bei  mikroskopischer  Betrachtung  ergiebt  sich  Folgendes: 

Die  braun  pigmentirten  Zellen  in  Conjunctiva  und  Epi- 
sclera  sind  sämmtlich  blau  gefärbt^  vereinzelte  braune  Körnchen 
bleiben  ungefärbt;  die  braunen  Körnchen  an  der  Hinterfläche 
der  Cornea  werden  blau.  In  den  tiefsten  Lagen  der  Cornea 
zeigt  sich  streifige  Blaufärbung,  anscheinend  den  Saftlflcken 
entsprechend,  vielleicht  an  die  Hornhautkörperchen  und  ihre 
Ausläufer  gebunden;  ähnliche  streifige  Blaufärbung  ist  im  Ge« 


Üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  15  t 

webe  der  Sclera  nachweisbar.     Tm  Kammerwinkel  findet  sich 
diffuse  und  an  Zellen  gebundene  Blännng. 

In  der  Iris  ist  der  eigentliche  Sitz  der  Blaafärbnng  sehr 
schwer  festzustellen;  es  macht  den  Eindruck,  als  ob  die  Zellen, 
welche  gelbbraune  Körner  enthielten,  eine  diffuse  Blaufärbung 
des  Stroma  darbieten,  jedenfalls  kann  man  flberall  neben  der 
diffusen  blauen  Farbe  noch  die  braune  Masse  wieder  erkennen. 

Das  Kapselepithel,  das  Epithel  der  Giliarfortsätze,  sowie 
der  Pars  ciliaris  retinae  werden  intensiv  diffus  dunkelblau. 
Am  Kapselepithel  ist  bei  Gontrastfärbung  mit  Alauncarmin  fest* 
zustellen,  dass  die  Kerne  roth  werden.  Die  Stfltzsubstanz  der 
Betina  wird  blau,  die  Körner  sowie  die  spärlichen  noch  vor- 
handenen Ganglienzellen  nicht.  Die  braun  pigmentirten  Zellen 
in  der  Netzhaut  werden  blau,  doch  bleibt  ein  Teil  der  Körn- 
chen braun.  In  der  Nähe  des  Fremdkörpers,  wo  stärkere  Blut- 
anhäufungen  vorkommen,  sieht  man  um  die  letzteren  sowie 
innerhalb  derselben  sehr  zahlreiche  diffus  blau  gefärbte  runde 
Zellen,  die  ausserdem  blaue  und  braune  Kömer  enthalten. 
Ueberall,  wo  die  Blutungen  sich  finden,  zeigen  sich  blaue  Schei- 
ben von  der  Grösse  und  Gestalt  rother  Blutkörperchen,  sowie 
grössere  homogene  blassblaue  Kugeln;  auch  blutkörperchenhaltige 
Zellen  kommen  vor,  deren  Protoplasma  blau  gefärbt  ist,  wäh- 
rend die  Blutkörperchen  sich  als  blasse  ungefärbte  Scheiben 
darstellen.  Das  Pigment-Epithel  der  Retina  ist  diffus  bläulich 
geftrbt,  seiner  Innenfläche  liegen  Blutkörperchen  auf.  In  der 
Ohoroidea  und  Suprachoroidea  sind  die  braunen  Zellen  grössten 
Theils  braun  geworden,  während  die  pigmentirten  mit  Ans- 
länfem  versehenen  Zellen  im  Giliarmuskel  braun  bleiben. 

Fall  VI. 

Carl  Gorcilius  (aus  der  Göttinger  Klinik).  Aufnahme 
6.  IX.  89.  R.  vor  8  Tagen  Verletzung  durch  einen  Eisen- 
splitter. Gomealwunde,  Iris-Yerletzung,  traumatische  Katarakt. 
Aus  der  Tiefe  besonders  nach  innen  grüngelber  Reflex.  Mas- 
sige Injection.     Auge  druckempfindlich. 

6.  IX.  Versuch  einer  Extraction.  Die  Homhautwunde 
wird  nach  beiden  Seiten  mit  der  Scheere  erweitert,  der  Magnet 
eingef&hrt  und  nach  allen  Seiten  herumgedreht.  Negativer 
Erfolg. 

Der  gelbliche  Reflex  aus  der  Tiefe  ist  danach  eher  stärker. 


152  E-  V-  Hippel. 

11.  IX.  Da  das  Auge  nicht  abblasst  and  Eiterung  im 
ifilaskörper  wahrscheinlich  ist,  wird  wegen  Gefahr  sympathischer 
Entzündung  die  Enucleation  gemacht. 

Die  Perforationsstelle  im  Gentrum  der  Cornea  ist  noch 
zum  Theil  klaffend,  zum  Theil  von  frischem  Narbengewebe  aus- 
gefüllt, ein  langer  Epithelzapfen  senkt  sich  hinein.  Das  Gewebe 
der  Hprnhaut  lässt  einen  erheblich  vermehrten  Kerngehalt  er- 
kennen. Auf  der  Innenfläche  sind  der  Hornhaut  zahlreiche 
rothe  Blutkörperchen  aufgelagert.  Das  Endothel  an  der  Ober- 
fläche der  Iris  ist  dunkelbraun  pigmentirt,  massenhafte  braun 
pigmentirte  Zellen  finden  sich  in  ihrem  Gewebe,  sowie  auch 
im  Ciliarmuskel  und  Eammerwinkel.  Der  Pupillarrand  ist  mit 
der  Linsenkapsel  verwachsen,  das  Pigmentepithel  ist  an  dieser 
Stelle  zerfallen,  die  Zellen  liegen  getrennt  im  Gewebe  der 
Synechie.  Die  Linsenkapsel  ist  im  Gentrum  durchbrochen,  es 
besteht  ein  centraler  flacher  Eapselstaar,  die  Linse  selbst  ist 
kataraktös.  Im  Glaskörper  finden  sich  erhebliche  Blutmassen, 
besonders  im  vorderen  Bulbusabschnitt,  die  Blutkörperchen 
sind  grössten  Theils  unverändert,  zwischen  ihnen  kommen  zahl- 
reiche einkernige  Rundzellen,  die  mit  braunen  Körnchen  ge- 
füllt sind,  vor. 

Die  Retina  ist  nicht  abgelöst,  zwischen  ihr  und  der  Ghoroidea 
findet  sich  eine  dünne  Lage  roter  Blutkörperchen,  beide  Mem- 
branen sind  im  Wesentlichen  von  annähernd  normaler  Be- 
schaffenheit, nur  in  der  Nähe  des  Gorp.  allen.,  das  sich  vom 
unten  aussen  in  den  inneren  Lagen  der  Sklera  steckend  vor- 
findet, ist  die  Netzhaut  ziemlich  stark  degenerirt.  In  der  Nähe 
dieser  Stelle  ist  das  Pigment-Epithel  stark  gelockert,  die  Zellen 
liegen  zum  Theil  in  den  äussersten  Schichten  der  Retina. 

Das  Ergebniss  der  Eisenreaktion  ist  ein  überaus  dürfti- 
ges: an  Schnitten  durch  die  Mitte  des  Bulbus  ist  ausser  einer 
matten  diffusen  Blaufärbung  des  Epithels  der  Giliarfortsätze 
nur  eine  geringfügige  Bläuung  einzelner  pigmentirter  Zell^i 
innerhalb  der  Blutung  wahrzunehmen.  Nur  an  Schnitten,  die 
den  Sitz  des  Fremdkörpers  betreffen,  sieht  man  intensive 
Reaktion  gerade  auf  dieser  Stelle  beschränkt:  einmal  liegt  hier 
eine  diffuse  dunkelblaue  amorphe  Masse,  um  dieselbe  herum 
finden  sich  massenhafte  intensiv  dunkelblaue  Rundzellen.  Ein- 
zelne pigmentirte  Zeilen  innerhalb  der  Retina  sowie  innerhalb 
der  Blutung  werden  auch  hier  blau,  doch  ist  dies  nur  eine 
recht  spärliche  Anzahl. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  153 

Fall  Vn. 

Conrad  Mflller  45  J.  (aus  der  Heidelberger  Klinik).  Am 
12.  IX.  90.  fnhr  dem  Patienten  beim  Hämmern  ein  Eiseu- 
spliiter  in's  reehte  Auge.  Patient  kommt  am  selben  Tage  in  die 
Klinik. 

Status :  Auge  massig  injicirt.  Yerticale  ca.  2 — 3  mm 
lange  Hornhautnarbe  nach  aussen  von  der  Mitte.  Kammer 
seicht,  Wunde  geschlossen.  Der  Wunde  entsprechend  ein  Riss 
in  der  Iris,  durch  Blutcoagulum  grossen  Theils  geschlossen. 
Cataracta  traumatica.  In  der  Linse  scheint  aussen  in  der  ge^ 
trabten  Substanz  ein  Fremdkörper  von  metallischem  Glanz  zu 
stecken-,  man  bekommt  einen  intensiven  Reflei:  besonders  bei 
Tageslicht.  Pupille  ist  eng,  reagirt,  nach  aussen  verzogen. 
Etwas  rothes  Licht  zu  erhalten.  Visus:  Finger  werden  in 
]  — 2  m  Entfernung  gezählt.  Lichtschein  und  Projection  sind  gut. 

Sofort  nach  der  Aufnahme  wird  ein  Extractionsversuch 
mit  dem  Electromagneten  gemacht.  Der  Wundkanal  führt  durch 
das  Loch  in  der  Iris  in  den  Glaskörper.  Trotz  mehrfachen 
tiefen  Eingehens  ist  kein  Fremdkörper  herauszubekommen,  ob- 
wohl man  einmal  ein  metallisches  Klappen  zu  hören  glaubte. 
Der  Sphincter  wird  an  der  Stelle  der  Iriswunde  excidirt.  Et- 
was Linsensubstanz  wird  herausgelassen.  Mit  focaler  Beleuch- 
tung ist  kein  Fremdkörper  zu  sehen,  mit  dem  Spiegel  kein 
Reflex  zu^  erhalten.  Ein  wenig  Blut  hat  sich  in  die  vordere 
Kammer  ergossen. 

Am  Tage  nach  der  Operation  ist  Chemosis  eingetreten 
und  fibrinöse  Exsudation  in  die  vordere  Kammer.  Der  Licht- 
schein ist  noch  gut.  In  den  nächsten  Tagen  wird  die  Chemosis 
so  stark,  dass  die  Conjunctiva  aus  der  Lidspalte  vorquillt.  Die 
Iris  ist  verfärbt,  trotz  Atropin  haben  sich  mehrere  Synechieen 
gebildet  Vom  19.  IX.  an  sinkt  der  Lichtschein,  die  Projec- 
tion wird  ungenau. 

22.  IX.  90.  Erneuter  Extractionsversuch.  Mit  dem  Schmal- 
measer  wird  ein  grosser  Comealschnitt  nach  unten  gemacht, 
darauf  ein  breites  Irisstück  exddirt,  die  Kapsel  mit  dem  Cy- 
»titom  geöffnet,  die  Linse  herausgelassen  und  der  Electromag- 
net  tief  in  den  Glaskörper  eingeführt.  Man  hört  kein  Klappen, 
es  kommt  kein  Fremdkörper,  daher  wird  sofort  die  Enucleation 
angeschlossen.  Nach  der  Durcfatrennung  des  R  externus  kommt 
man  anf  ein  verdicktes  Orbitalgewebe. 


154  E.  V.  Hippel. 

Nach  beendigter  Enncleation  zeigt  es  sich,  dass  in  der 
Horizontal-Ebene,  etwas  nach  aussen  vom  hinteren  Pol,  verdicktes 
Gewebe  der  Sclera  aufsitzt,  nach  dessen  Entfernung  eine  kleine 
Scleralwunde  zum  Vorschein  kommt  mit  darin  steckender  Spitze 
eines  in  der  Bnlbuswandung  sitzenden  Eisensplitters.  Der  Mag- 
net wird  mehrmals  in  den  enucleirten  Bulbus  eingeführt,  um 
zu  sehen,  ob  auf  diese  Weise  eine  Extraction  möglich  war. 
Man  hört  das  Anklappen,  die  hintere  Bulbuswand  wird  etwas 
nach  innen  eingezogen,  der  Fremdkörper  folgt  aber  nicht 

Der  Bulbus  wird  in  Mttller'scher  Flflssigkeit  und  Alcohol 
gehärtet;  er  hat  danach  eine  ganz  eckige  Form  angenommen. 
Es  wird  etwas  oberhalb  der  Horizontalebene  aufgeschnitten, 
der  Fremdkörper  entfernt  und  dann  werden  nach  Celloidin- 
Einbettung  Schnitte  durch  die  Stelle,  wo  das  Corpus  alienum 
sass,  angefertigt. 

Die  Cornea  zeigt  in  den  Schnitten,  da  die  Narbe  nicht 
getroffen  ist,  bis  auf  einige  vielleicht  künstlich  erzeugte  Epi- 
thelverluste normales  Verhalten.  Conjunctiva  und  Episklera 
sind  enorm  hyperämisch  und  von  Hundzellen  infiltrirt.  Die 
Iris  und  das  Corpus  ciliare  sind  stark  von  Rundzellen  und 
rothen  Blutkörperchen  durchsetzt.  An  der  Stelle  der  Linse  sind 
einige  Reste  der  vorderen  Kapsel  sowie  spärliche  Eiweissmassen 
nachweisbar.  Ein  Stück  der  vorderen  Kapsel  findet  sich  ziem- 
lich weit  hinten  im  Bulbus  der  Innenfläche  der  Retina  an- 
liegend. Die  Choroidea  ist  im  Ganzen  stark  hyperämisch, 
massig  von  Rundzellen  durchsetzt,  in  der  Suprachoroidea  finden 
sich  massenhafte  Blutaustritte.  Die  Netzhaut  ist  flach  abgelöst, 
zwischen  ihr  und  der  Aderhaut  liegen  Blutkörperchen  in  mas- 
siger Menge;  die  Structur  der  Retina  ist  ziemlich  wohl  er- 
halten; die  Papille  weist  einen  hochgradig  vermehrten  Kern- 
reichthum  auf.  Der  Perforationsstelle  entsprechend  sind  die 
Bulbus-Membranen  sämmtlich  unterbrochen,  die  Lücke  ist 
grösstentheils  von  Blut  ausgefüllt;  im  Zusammenhang  damit 
füllt  eine  enorme  Blutung  den  hinteren  Theil  des  Glaskörpers 
aus.  Der  grösste  Theil  der  Blutkörperchen  ist  vollkommen 
unverändert,  in  dem  ganzen  Glaskörperraum  kommen  massen- 
haft grosse  blasige  Zellen  mit  1 — 2  Kernen  vor,  von  denen 
ein  Theil  deutlich  rothe  Blutkörperchen  einschliesst,  dieselben 
sind  aber  sehr  blass  und  färben  sich  nicht  mehr  mit  Eosin, 
andere  Zellen  enthalten  grosse  blasse  tropfenartige  Gebilde. 

Ausser  den  Elementen  des  Blutes  liegen  reichliche  Eiter- 
körperchen  im  Glaskörperraum. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  155 

Ad  der  Perforationsstelle  ist  die  Choroidea  ausser  von 
RandzeUen  sehr  reichlich  von  grossen  dunkelbraun  geftrbten 
Zellen  durchsetzt  Solche  liegen  auch  in  grosser  Menge  in 
dem  Defect  der  Sklera  um  die  Stelle  des  Fremdkörpersitzes. 

Entsprechend  der  Fortsetzung  des  Pigmentepithels  liegt 
innerhalb  der  Blutung  in  der  Perforationsstelle  mehrfach  ge- 
schichtet eine  Anzahl  grosser  runder  hellbraun  pigmentirter 
Zellen,  die  nach  dem  Ansehen  des  Pigments  zu  schliessen  vom 
Pigmentepithel  herstammen  können,  sei  es,  dass  es  sich  um 
losgetrennte  Epithelien  handelt  oder  dass  das  Pigment  nach 
Zerfall  der  Zellen  von  Leucocyten  aufgenommen  wurde. 

Die  Anwendung  der  Ferrocyankalium-Salzsäure^Reaktion 
ergiebt  Folgendes:  Das  ganze  Präparat  bekommt  einen  hell- 
blaa-granlichen  Farbenton.  Die  Sklera  wird  auf  eine  kurve 
Strecke  in  directer  Umgebung  des  Fremdkörpers  dunkelblau, 
die  hier  liegenden  pigmentirten  Rundzellen  ebenso.  Im  hinter- 
sten Theile  der  Choroidea  nahe  der  Riss-Stelle  nimmt  der  eine 
Theil  der  pigmentirten  Zellen  die  Reaktion  an  in  der  Weise, 
dass  die  Zelle  diffus  blau  wird,  während  von  dem  braunen  Pig- 
ment nur  ein  kleinerer  Theil  sich  blau  färbt,  das  gleiche  Ver- 
halten zeigen  die  braun  pigmentirten  Zellen,  die  oben  mit  dem 
Pigmentepithel  in  Zusammenhang  gebracht  wurden.  Die  grossen 
Zellen  im  Glaskörper  mit  den  Blutkörperchen -Einschlüssen 
bleiben  sftmmtlich  ungefärbt.  Das  Epithel  der  Giliarfortsätze 
ftrbt  sieb  deutlich  mattblau,  ebenso  das  der  Pars  ciliaris  re- 
tinae. Im  vorderen  Bulbusabschnitt  kommen  innerhalb  kleinerer 
Blutungen  einzelne  blau  gefärbte  Zellen  vor. 

Die  7  hier  beschriebenen  Augen  beherbergen  also  in 
ihrem  Inneren  einen  Fremdkörper  aus  Eisen,  als  längsten 
Zeitraum  7  Jahre,  als  kürzesten  10  Tage.  Der  Eisen- 
splitter sass  in  5  Fällen  in  der  Bulbus wandung  (Blömer, 
Benze,  Laier,  Corcilius,  Müller)  einmal  im  Glaskörper 
(Fritz)  und  einmal  an  der  Innenfläche  des  Corpus  ciliare 
(Albrecht).  In  2  Fällen  fanden  sich  Anzeichen  eitriger 
Infection  (Blömer,  Müller),  in  den  5  anderen  fehlten  die- 
selben. In  allen  Fällen  war  es  zur  Bildung  einer  tramna- 
tischen  E^atarakt  gekommen. 

5  mal  bestand  Netzhautablösung  ^  2  mal  fehlte  sie 
(Blömer,  Corcilius).    Ausser  in  den  beiden  Augen,  die 


156  E.  V.  Hippel. 

sehr  früh  enucleirt  waren  (Corcilius,  Müller)  zeigte  die 
iRetina  hochgradige  Degeneration,  auch  in  dem  Falle  Blömer, 
wo  keine  Ablösung  bestand.  Sehr  starke  intraoculare  Blu- 
tungen wurden  in  4  Fällen  beobachtet  (Blömeri  Laier, 
Corcilius,  Müller),  bei  Fritz  war  die  Blutmenge  nicht 
sehr  erhebUch,  relativ  sehr  gering  war  sie  bei  Alb  recht 
und  Benze. 

Die  Ausbreitung  der  Blaufärbung  bei  Anwendimg  der 
Eisenreaction  zeigt  zwar,  was  ihre  Intensität  anlangt,  sehr 
erhebliche  Verschiedenheiten,  die  einigermassen  der  Zeit 
entsprechen,  welche  der  Fremdkörper  im  Auge  geweilt  hatte. 
Indessen  lässt  sich  doch  nachweisen,  dass  gewisse  Zell- 
gruppen und  Fasersysteme  besonders  leicht  der 
Färbung  zugänglich  sind.  Man  muss  imterscheiden 
eine  difiuse  Blaufärbung  und  eine  circumscripte,  die  an 
kömigen  Gebilden  auftritt,  welche  vor  Anwendung  der  Be- 
action  braun  waren  und  ausschUesslich  in  Zellen  gelegen 
sind.  Stets  findet  sich  intensive  diffuse  Blaufärbung 
um  den  Sitz  des  Fremdkörpers  in  relativ  geringer  Aus- 
dehnung. Eine  diffuse  Blaufärbung  von  wechselnder 
Intensität  zeigt  in  allen  Fällen  das  Pigmentepithel  der 
Ciliarfortsätze  imd  der  Pars  ciliaris  Retinae;  in 
3  Fällen  (Fritz,  Blömer,  Laier)  das  Kapselepithel 
der  linse  (bei  Albrecht  war  von  der  linse  und  ihrer 
Kapsel  überhaupt  nichts  zu  finden,  bei  Corcilius  und 
Müller  war  das  Auge  schon  kurze  Zeit  nach  der  Ver- 
letzung enucleirt  worden);  in  3  Fällen  (Albrecht,  Blömer, 
Laier)  das  Pigmentepithel  der  Retina,  in  3  Fällen 
(Albrecht,  Blömer,  Laier)  endlich  die  Stützsubstanz 
der  Retina.  Die  braun  pigmentirten  Zellen,  die 
Blaufärbimg  annehmen,  haben  auch  an  bestimmten  Stellen 
ihren  LiebUngssitz,  vor  Allem  im  Kammerwinkel  und  in 
der  Netzhaut,  weniger  in  der  Iris,  am  spärUchsten  in  der 
Choroidea,  wo  sie  meistens  ganz  fehlen.  Einmal  kamen 
sie  in  der  Hornhaut  vor. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  157 

Es  war  gewiss  naheliegend ,  bei  dieser  gesetzmässigen 
Yertheilung  und  hochgradigen  Yerbreitiing  des  Eisens  im' 
Auge  dasselbe  im  Wesentlichen  direct  vom  Fremdkörper 
herzuleiten,  wie  es  auch  Bunge  gethan  hat. 

Erhebliche  Zweifel  an  der  Bichtigkeit  dieser  Au£Eftssung 
musaten  aber  entstehen  nach  Untersuchung  folgender  Augen^ 
welche  ebenfalls  Verletzungen  durch  Fremdkörper  aus  Eisen 
erlitten  hatten. 

Fall  Vm. 

Friedrich  Scbmid  41  Jahre  (aus  der  Heidelberger  Klinik). 

Am  31.  I.  90.  wurde  das  linke  Auge  durch  einen  von 
einer  Drehbank  abspringenden  Eisensplitter  verletzt.  Patient 
kommt  am  folgenden  Tage  in  die  Klinik. 

Status  praesens:  Starke  conjunctivale  und  ciliare  I^jec^ 
tion;  an  der  Corneoscleralgrenze  findet  sich  im  inneren  oberen, 
Quadranten  eine  kleine  far  eine,  starke  Sonde  durchgängige 
Perforationsöffnnng.  Die  Cornea  ist  klar  und  spiegelt,  die 
vordere  Kammer  von  normaler  Tiefe,  Pupille  ist  weit  und  rea- 
girt  kaum.  Man  bekommt  rothes  Licht  vom  Augenhintergrunde, 
Der  Lichtschein  ist  befriedigend.  Da  Patient  am  Abend  in 
die  Klinik  eintritt,  wird  erst  am  folgenden  Morgen  durch  die 
Wunde  mit  dem  Electromagneten  6 — 7  Mal  vergeblich  ein^ 
gegangen.     Verband. 

7.  IL   Das  Auge  ist  stark  gereizt,  es  besteht  Giliarschmerz. 

25.  II.  Status  idem,  oben  besteht  eine  breite  Synechie, 
das.  Auge  ist  spontan  schmerzhaft,  hinter  der  Linse  sieht  man 
einen  gelblichgrauen  Reflex,  der  Lichtschein  ist  erloschen. 

Wegen  der  Gefahr  fQr  das  andere  Auge  wird  in  Narcose 
der  Bulbus  enucleirt.  Es  finden  sich  dabei  zahlreiche  Yer- 
wachsangen  zwischen  demselben  und  der  Tenon'schen  Kapsel. 

Das  Auge  wurde  von  mir  im  horizontalen  Meridian  auf- 
gesdinitlen,  beide  H&lften  wurden  eingebettet.  Es  besteht  to- 
tale Netdiautablösung,  innerhalb  des  Netzhauttrichters  findet 
ach  eine  grössere  Blutung.  Der  Glaskörperraum  ist  voa  einer 
hitanUch  gefi&rbten  geronneaen  Eiweissmasse  erfollt.  Die  vor- 
dere Kammer  ist  aufgehoben,  die  Linse  liegt  der  Hinterflädie 
der  Hornhaut  an. 

Die  Cornea,  deren  Epitiiel  mit  Ausnahme  einiger  Unregel- 
mflsfligketten  an  der  Oberfläche  ztemlich  normal  ist,  zeigt  am 


158  E.  V.  Hippel. 

Rande  in  den  oberflächlichen  Schichten  zahlreiche  auf  dem 
Querschnitt  spindlig  erscheinende  Kerne,  aasserdem  ist  sie  in 
allen  Lagen  ziemlich  stark  vascularisirt.  Die  vordere  Kammer 
ist  äusserst  flach  nnd  zum  Theil  von  einer  albumiuösen  Gerin- 
nung ausgefüllt.  Die  Iris  ist  stark  nach  vorne  gedrängt  nnd 
liegt  hier  und  da  der  Uinterfläche  der  Cornea  direct  an,  sie 
ist  durchsetzt  von  massenhaften,  zum  Theil  in  Haufen  ange- 
ordneten Rundzellen.  Das  Pupillargebiet  sowie  der  Raum  der 
hinteren  Kammer  sind  eingenommen  von  einem  sehr  kernreichen 
Bindegewebe.  In  der  Iris  sowie  in  der  neugebildeten  Schwarte 
liegen  massig  reichliche  braune  Körner,  kleinere  und  grössere, 
stellenweise  in  Haufen,  sämmtliche  in  Zellen  eingeschlossen; 
das  Pigmentepithel  der  Iris  ist  vielfach  defect,  schwarze  Pig- 
mentschollen liegen  zum  Theil  in  der  Iris  selbst,  zum  Theil 
in  der  Schwarte,  welche  die  hintere  Kammer  ausfallt.  Der 
Ciliarmuskel  zeigt  stark  vermehrten  Kerngehalt  des  Binde- 
gewebes, die  Ciliarfortsätze  ebenso.  Die  ganze  Linse  ist  von 
einer  derben  bindegewebigen  Masse  mit  länglichen  Kernen  ein- 
geschlossen; vorne  findet  sich  eine  ziemlich  ausgedehnte  Kapsel- 
Katarakt,  die  Linse  selbst  ist  kataraktös.  Die  Schwarte,  welche 
hinter  der  Linse  Hegt,  enthält  eine  enorme  Menge  von  dunkel- 
braun pigmentirten  Zellen  und  geht  direct  in  die  strangf5rmig 
abgelöste  Retina  aber.  Auf  der  Seite  der  Verletzung  ist  die 
Choroidea  abgelöst,  die  Lagen  der  Suprachoroidea  sind  stark 
auseinander  gezogen  und  die  Zwischenräume  von  eiweissreichem 
Transsudat  erfüllt,  in  welches  zahlreiche  pigmentirte  Rundzellen 
eingelagert  sind;  in  der  Schwarte  liegt  auf  der  Innenfläche  der 
Choroidea  eine  kleine  Knochenschale. 

Die  Retina  ist  sehr  hochgradig  degenerirt,  andeutungs- 
weise ist  noch  eine  Körnerschicht  zu  erkennen,  sonst  ist  von 
normalen  Bestandtheilen  nichts  nachzuweisen;  um  die  Oefilsse 
findet  sich  vielfach  starke  kleinzellige  Infiltration.  Zahlreich 
kommen  in  der  Netzhaut  grosse  runde  mit  braungelben  Kömern 
und  Schollen  erfüllte  Zellen  vor.  Der  trichterförmige  Raum 
zwischen  den  Blättern  der  Netzhaut,  sowie  der  snbretinale 
Raum  sind  erfüllt  von  einem  eiweissreichen  Transsudat,  in  wel- 
chem grosse  Spalten  von  spiess-  und  nadeiförmiger  Gestalt 
vorkommen;  offenbar  sind  es  Räume,  in  welchen  durch  Aether 
extrahirte  Fettkrystalle  gelegen  haben. 

Ausserdem  sieht  man  zellige  Elemente  von  grosser  Mannig- 
faltigkeit: rothe  Blutkörperchen,  einkernige  Leucocyten,  femer 
sehr  zahlreiche  grosse  blasige  Zellen  mit  einem  und  mehreren 


üeber  Siderosis  Bulbi  iind  die  Beziehungen  etc.  159 

Kernen,  welche  entfärbte  Blutkörpercheu,  Pigmentkömchen,  so- 
wie feinen  moleculftren  Detritus  einschliessen;  das  Protoplasma 
dieser  Zellen  zeigt  vielfach  einen  ausgesprochen  gelblichen 
Farbenton;  es  sind  die  gleichen  Gebilde,  die  im  Falle  Müller 
beschrieben  wurden.  Einige  dieser  grossen  Zellen  besitzen 
einen  solchen  Kernreichthum,  dass  man  sie  nur  als  Riesen- 
zellen bezeichnen  kann.  Ueber  ihre  Entstehung  und  Bedeu- 
tung vermag  ich  keine  näheren  Angaben  zu  machen.  Das 
Pigroentepithel  der  Retina  haftet  der  Choroidea  an;  in  der 
Gegend  der  Ora  serrata  findet  sich  eine  flache  bindegewebige 
Auflagerung  auf  der  Innenfläche  des  Pigmentepithels,  in  diese  er- 
strecken sich  von  demselben  lange  spindlige  mit  braunschwarzen 
Pigment  erfüllte  Zellen  hinein,  ausserdem  liegen  in  diesem  Binde- 
gewebe Zellen,  welche  mit  hellgelbbraunem  Pigment  erfüllt  sind. 

Die  Eisenreaction  ergiebt  Folgendes:  In  der  Iris  sowie 
in  der  Kapselkatarakt  f&rben  sich  einige  Zellen  blau,  intensiv 
blau  werden  ferner  sämmtliche  pigmentirten  Zellen  in  der 
cyklitischen  Schwarte,  sowie  in  der  Retina;  überall  bleiben  in 
den  blau  gefärbten  Zellen  einzelne  Körnchen  braun.  Diffus 
bellblau  färbt  sich  das  Epithel  der  Ciliarfortsätze,  die  Stütz- 
substanz der  Retina  und  diffus  dunkelblau  das  ganze  Pigment- 
epithel der  Netzhaut.  Das  braunschwarze  Pigment  in  den 
Epithelzellen  bleibt  ungefärbt,  dies  Verhalten  tritt  besonders 
deutlich  hervor,  wenn  man  einen  Schnitt  24  Stunden  in  ver- 
dünnte Salzsäure  legt;  dann  ist  alles  Pigment,  das  sich  bei 
Anwendung  der  Eisenreaction  bläute,  entfärbt,  und  das  ur- 
sprüngliche normale  Angenpigment  bleibt  unverändert  Die 
grossen  blasenförmigen  Zellen  im  Glaskörper  und  subretinalen 
Raum  zeigen  verschiedenes  Yerhalteu,  ein  Thcil  bleibt  unge- 
filrbt,  die  meisten  werden  diffus  blau,  die  darin  enthaltenen 
braunen  Kömchen  bleiben  z.  Th.  braun,  andere  werden  inten- 
siv blau.  Die  rothen  Blutkörperchen  bleiben  grössten  Theils 
unverändert,  einige  werden  aber  diffus  blau  gefärbt. 

Von  diesem  Auge  wurden  beide  Hälften  in  Schnitte  bis 
auf  die  Sclera  zerlegt,  dabei  wurde  ein  Fremdkörper  nicht 
gefunden.  Derselbe  mnss  also  hinten  den  Bulbus  wieder 
durchschlagen  haben. 

Fall  IX. 

Nikolaus  Schömer  (aus  der  Heidelberger  Klinik).  Am 
15.  XL  89  flog  dem  Patienten  beim  Hämmern  einer  Schraube 
ein  Eisensplitter  gegen  das  linke  Auge. 


160  E-  V-  Hippel. 

Statas!  Oben  aussen  am  Limbas  corneae  ist  in  eine 
perforirende  Wunde  Iris  eingelagert,  die  Kammer  ist  anfge<- 
hoben,  die  Linse  getrflbt,  man  bekommt  kein  rotfaes  Licht: 
S  =  Lichtschein.  Der  Irisvorfall  wird  abgetragen,  die  Wunde 
erweitert  nnd  mit  dem  Magneten  6  Mal  eingegangen,  wobei 
die  Linse  vermieden  wird;  es  gelingt  aber  nicht  einen  Eisen-" 
Splitter  herauszubekommen.  Nach  der  Operation  stellt  sich 
Chemosis  nnd  Protmsio  Bulbi  ein,  beide  Erscheinungen  gehen 
aber  bis  zum  9.  XII.  zurück,  das  Auge  ist  aber  noch  stark 
gereizt  Am  30.  XII.  ist  der  Lichtschein  erloschen,  der  Bul- 
bus ist  oben  aussen  eingezogen,  die  Stelle  der  stärksten  ESin* 
Ziehung  druckempfindlich. 

Am  7.  I.  90  wird  das  Auge  wegen  stärkerer  Reizerschein- 
ungen enucleirt.  Es  finden  sich  dabei  starke  Verwachsungen 
mit  der  Tenon'schen  Kapsel  und  am  hinteren  Pol  eine  Narbe. 

Das  Auge  wurde  von  mir  im  horizontalen  Meridian  auf- 
geschnitten. Der  Bulbus  ist  von  etwas  unregelmässiger  Gestalt 
entsprechend  der  Einziehung  oben  aussen.  Die  vordere  Kammer 
ist  aufgehoben,  die  Netzhaut  total  abgelöst.  Der  sabretinale 
Raum  ist  von  bräunlicher  geronnener  Eiweissmasse  einge* 
nommen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergibt  starke  Auflecke* 
mng  der  Hornhautfibrillen,  die  auffallend  weite  Lücken  zwi- 
schen sich  zeigen,  starke  Atrophie  der  Iris,  hochgradige 
Cyklitis  mit  Bildung  einer  mächtigen  die  ganze  Linse  ein- 
schliessenden  Schwartenbildnng,  in  welcher  viele  braun  pigmen- 
tirte  Zellen  vorkommen.  In  der  abgelösten  und  ziemlich  stark 
degenerirten  Netzhaut  kommen  zahlreiche  braun  pigmentirte 
Zellen  vor,  die  stellenweise  in  ihrer  Anordnung  dem  Verlauf 
der  GefiUse  entsprechen. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaktion  werden  diese  sämmt- 
lichen  Zellen  blau,  wieder  in  der  Art,  dass  vereinzelte  Körn- 
chen braun  bleiben,  diffus  blau  werden  stellenweise  die  Faser- 
zflge  der  Netzhaut,  sowie  ferner  das  Epithel  der  Oiliarfortsätze. 
Auch  von  diesem  Bulbus  werden  beide  Hälften  bis  auf  die 
Sklera  geschnitten,  ohne  dass  ein  Fremdkörper  zum  Vor- 
schein kam.  Auch  hier  muss  der  Splitter  also  hinten  den 
Bulbus  verlassen  haben. 

Fall  X. 

Conrad  Schreyer.     13  J.     (Ans  der  Heidelberger  KHnik.) 
Aufnahme  am  6.  VI.  92. 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  161 

Dem  Patienten  flog  vor  5  Tagen  ein  Eisensplitter,  über 
dessen  Grösse  er  keine  Angaben  zu  machen  weiss,  gegen  das 
rechte  Auge.  Das  Sehvermögen,  das  Anfangs  etwas  geringer 
geworden,  soll  sich  in  kurzer  Zeit  wieder  gehoben  haben. 

Status:  Nach  innen  von  der  Cornea  sieht  man  im  hori- 
zontalen Meridian  eine  2  —  3  mm  lange  oberflächlich  vernarbte 
Scieralwunde.  Die  vordere  Kammer  ist  normal,  die  Linse  klar, 
das  Auge  im  Ganzen  blass.  Im  Glaskörper  verlaufen  von  der 
Wunde  nach  dem  Hintergrund  einige  schwärzliche  Streifen 
(Blut).  Die  Papille  ist  verdeckt  von  einer  Blutung,  die  sich 
besonders  nach  innen  von  der  Papille  auf  der  Netzhaut  aus- 
breitet und  an  einer  Stelle  stark  prominirt.  Von  einem  Fremd- 
körper ist  nichts  zu  sehen.  E.  S  •=  */e  (!)  Gesichtsfeld  ist  f ar 
oberflächliche  Prüfung  frei. 

7.  YL  92.  Die  Gesichtsfeldprüfung  am  Förster'schen 
Perimeter  ergibt  ein  nach  aussen  vom  Fixirpunkt  gelegenes 
ziemlich  grosses  Skotom. 

Die  Papille  ist  zum  Theil  sichtbar,  nach  innen  schliesst 
sich  an  dieselbe  eine  grosse  Blutung,  unten  scharf  und  dunkel 
begrenzt,  oben  mit  mehr  verwaschenem  Rande;  ziemlich  nahe 
der  Papille  sieht  man  einen  hellen  weissen  dreieckigen  Bezirk, 
der  wohl  der  Aufschlagstelle  des  Fremdkörpers  entspricht. 
Oben  und  unten  innen  schliessen  sich  der  Blutung  graulich 
getrübte  Netzhautparthieen  an.  In  der  Peripherie  ist  der  Hinter- 
grund im  übrigen  normal. 

17.  VL  Die  helle  weisse  Stelle  ist  etwas  grösser  und 
schärfer  begrenzt,  nach  oben  innen  davon  ist  eine  flache  cir- 
cumscripte  Netzhautablösung  wahrzunehmen.    S  =  */ij  —  ^/g. 

22.  VI.  Nach  innen  von  der  Papille  ist  ein  dreieckiger 
weisser  prominirender  Bezirk  zu  sehen  (Choroidealriss,  in 
welchem  Fibrin  oder  Exsudat  liegt?)  weiter  nasal  sieht  man 
einen  horizontalen  Netzhautriss  mit  nach  vorn  umgeklappten 
Bändern. 

Das  Skotom  hat  sich  erheblich  vergrössert  und  ist  un- 
regelmässig umgrenzt.  Am  26.  VI.  wird  Patient  bei  ziemlich 
unverändertem  Zustand  des  Auges  einstweilen  entlassen. 

Als  er  sich  am  8.  YH.  wieder  vorstellt,  ist  das  Auge 
injicirt,  die  Kammer  tief,  die  Spannung  erheblich  herabgesetzt, 
aaf  der  Hinterfläche  der  Cornea  sieht  man  drei  braun  gefärbte 
Beschläge.  Nach  Erweiterung  der  Pupille  sieht  man  bei  fo* 
caler  Beleuchtung  unten  aussen  eine  weissgraue  prominirende 

T.  Onefe's  ^rcfair  für  Ophthalmologie.  XL.    1.  H 


162  E.  V.  Hippel. 

Parthie  ohne  Ge&sse.  Der  Glaskörper  ist  stark  diffus  getrübt, 
man  bekommt  nur  wenig  rothes  Licht,  der  weisse  Heerd  nasal 
von  der  Papille  ist  nnr  undeutlich  zu  sehen.  Das  Gesichts- 
feld ist  schon  bei  Tageslicht  stark  eingeengt,  es  besteht  deut- 
licher Torpor  retinae. 

E.  8=^/36  (Nachträglich  ergibt  sich,  dass  Patient  die 
Buchstaben  der  Probetafeln  auswendig  gelernt  hat  und  ein 
besseres  Sehvermögen  vortäuscht,  um  einer  etwaigen  Operation 
zu  entgehen).  Die  dringend  angerathene  Aufnahme  wird  noch 
verweigert. 

Am  11.  YII.  tritt  Patient  wieder  in  klinische  Behandlung. 

Das  Auge  ist  im  Ganzen  blass,  die  Pupille  ziemlich  eng, 
die  Kammer  etwas  vertieft,  die  Iris  grünlich  verfärbt  Bei 
focaler  Beleuchtung  sieht  man  unten  aussen  eine  weissliche 
Membran,  von  der  Stränge  weiter  nach  hinten  ziehen.  Die 
Papille  ist  eben  sichtbar,  von  dem  nasal  von  der  Papille  ge- 
legenen weissen  Heerd  ziehen  Stränge  nach  der  faltigen  Mem- 
bran hin  und  ebenso  einer  vor  der  Papille  her.  Ganz  weit 
nasal  sieht  man  eine  nicht  deutlich  begrenzte  granweisse  Stelle, 
welche  den  Eindruck  einer  Netzhautfalte  macht.  Der  weisse 
Heerd,  von  dem  die  Stränge  ausgehen,  wird  für  den  Sitz  des 
Fremdkörpers  angesehen.  Am  13.  YU.  ist  auch  oberhalb  der 
Papille  eine  Netzhautfalte  zu  erkennen.  Visus:  Finger  auf 
iVa  M.  gezählt.  Am  16.  VII.  ist  die  Projection  ganz  un- 
sicher, die  Netzhautablösung  hat  sich  noch  vergrössert 

In  Chloroformnarcose  wird  zunächst  die  Sehne  des  R.  in- 
ternus durchtrennt  und  der  Bulbus  an  einer  Fadenschlinge 
stark  auswärts  rotirt  Durch  vorsichtiges  stumpfes  Präpariren 
kommt  man  an  eine  Stelle  dicht  nach  innen  vom  Opticus,  wo 
das  Gewebe  verändert,  wie  narbig  aussieht;  es  macht  den  Ein- 
druck eines  Stranges,  der  sich  in  den  Bulbus  fortsetzt;  mit 
der  Scheere  wird  der  Bulbus  angeschnitten,  es  entleert  sich 
klare  Flüssigkeit,  der  Glaskörper  scheint  nicht  infiltrirt.  Mehr- 
faches Eingehen  mit  dem  Elektromagneten  hat  keinen  Erfolg, 
der  Bulbus  ist  ganz  collabirt,  die  Operation  wird  aufgegeben. 
3  Nähte. 

16.  Vn.  Das  Auge  ist  wieder  gefüllt,  ohne  Schmerzen, 
der  Lichtschein  ist  erloschen. 

24.  VIU.  Die  Pupille  ist  nasal  verschoben,  die  Iris  von 
braunröthlicher  Farbe,  aus  dem  Inneren  ist  kein  rothes  Licht 
2n  bekommen. 


Ueber  Siderosis  Balbi  und  die  Beziehungen  etc.  163 

28.  VIII.    In  der  vorderen  Kammer  ist  etwas  Blut. 

30.  YIII.  wird  das  Auge  in  Narcose  enucleirt. 

Nach  der  gewöhnlichen  Härtung  wurde  der  Bulbus  von 
mir  im  horizontalen  Meridian  aufgeschnitten^  die  Netzhaut  ist 
total  abgelöst  und  sieht  dunkelbraun  aus,  der  ganze  Bulbus  ist 
von  geronnener  Eiweissmasse  erfüllt 

Die  Cornea  zeigt  im  Allgemeinen  normale  Verhältnisse, 
in  der  vorderen  Kammer  findet  sich  ziemlich  viel  Blut,  auch 
die  Maschen  des  Ligamentum  pectinatum  sind  mit  rothen  Blut- 
körperchen erfüllt.  Auf  der  Vorderfläche  der  Iris  liegt  eine 
ziemlich  erhebliche  Menge  von  braun  gefärbten  Zellen,  auch 
die  Endothelien  sind  braun  gefärbt,  die  vordersten  Schichten 
der  Iris  sind  ungewöhnlich  kornreich;  auch  in  den  tieferen 
Lagen  der  Iris  kommen  ziemlich  viele  Zellen  vor,  die  mit  gelb- 
braunen Körnern  erfallt  sind.  Das  Bindegewebe  zwischen  den 
Mnskelbflndeln  des  M.  ciliaris  zeigt  stark  vermehrten  Kem- 
gehalt  Zwischen  den  Falten  der  Giliarfortsätze  liegen  sehr 
reichliche  rothe  Blutkörperchen,  ferner  blutkörperchenhaltige 
Zellen  und  solche,  die  mit  braunen  Körnchen  erfttllt  sind.  Die 
Linse  ist  von  normaler  Beschaffenheit.  Ihrer  Hinterfläche 
Hegt  eine  dicke  Schicht  rother  Blutkörperchen  an.  An  der 
temporalen  Seite  liegt  hinter  der  Linse  ein  sehr  kernreiches 
Bindegewebe,  das  durch  schmale  Zage  einerseits  mit  dem  Gor* 
pus  ciliare,  andererseits  mit  der  abgelösten  Retina  in  Ver- 
bindung steht.  Die  Falten  der  letzteren  sind  eingeschlossen 
in  ganz  enorme  Blutungen,  die  auch  vielfach  das  Gewebe  der 
Netzhaut  durchsetzen,  schmale  ZOge  von  Fibrin  durchziehen 
den  ganzen  subretinalen  Raum.  Die  Blutkörperchen  sind  zum 
flberwiegend  grössten  Theil  unverändert,  eine  Anzahl  ist  deut- 
lich in  Zellen  eingeschlossen,  recht  spärlich  sind  im  Allgemeinen 
Zellen,  die  braune  Pigmentkörnchen  einschliessen. 

Die  Retina  ist  stark  degenerirt,  vielfach  ist  das  Gewebe 
dnrch  die  Blutungen  vollständig  zertrümmert.  Nasalwärts  vom 
Opticus-Eintritt  sind  Sklera  und  Ghoroidea  auf  eine  ziemlich 
weite  Strecke  unterbrochen,  der  Defect  ist  ausgefüllt  von 
einem  an  Spindelzellen  sehr  reichen  Bindegewebe,  mit  welchem 
die  Retina  an  dieser  Stelle  fest  verwachsen  ist  Im  Opticus 
ist  der  Kerngehalt  nicht  unbeträchtlich  vermehrt. 

Die  Eisenreaction  ergiebt  Folgendes:  Die  braun  gefilrbten 
Zellen  auf  der  Oberfläche  der  Iris  sowie  im  Kammerwinkel 
werden  intensiv  diffus  blau,  daneben  bleiben  braune  Körnchen 

11* 


164  E.  V.  Hippel. 

in  denselben.  Das  Epithel  der  Ciliarfortsätze  ist  matt  hell- 
blau gefärbt,  ebenso  das  der  Pars  ciliaris  retinae.  Im  Glas- 
körperraum  wird  ein  grosser  Theil  der  blntkörperchenhaltigen 
Zellen  sowie  derjenigen,  welche  braune  Kömchen  enthalten, 
diffus  blau. 

Beide  Hälften  des  Bulbus  werden  bis  auf  die  Sclera  ge- 
schnitten, ein  Fremdkörper  war  nicht  zu  finden,  der- 
selbe hat  also  den  Bulbus  hinten  wieder  durchschlagen. 


Fall  XI. 

Bömer  (der  Göttinger  Klinik  von  auswärts  zugeschickt). 

Verletzung  durch  Eisensplitter,  Iridocyclitis.  Enucleation 
nach  4  Wochen  bei  erloschenem  Lichtschein  und  erheblicher 
Schmerzhaftigkeit  in  der  Ciliargegend. 

Das  Auge  wurde  von  mir  im  horizontalen  Meridian  durch- 
schnitten. Makroskopisch  ist  totale  strangförmige  Netzhaut- 
ablösung zu  bemerken.  Hinter  der  Linse  liegt  eine  Schwarte, 
die  das  Corpus  ciliare  einwärts  gezogen  hat  Die  vordere 
Kammer  ist  äusserst  flach.  An  der  temporalen  Seite  findet 
sich  am  Corneoskleralrande  eine  breite  eingezogene  Narbe. 
Eine  schmale  Narbe  durchsetzt  etwas  mehr  vom  Rande  ent- 
fernt das  Gewebe  der  Cornea.  Im  vorderen  Theile  des  Glas- 
körpers liegt  eine  grosse  Blutmenge. 

Mikroskopischer  Befund:  Das  episklerale  Zellgewebe  ist 
stark  kleinzellig  infiltrirt.  Die  Cornea  ist  besonders  in  den 
peripheren  Theilen  von  zahlreichen  Gefässen  durchsetzt.  Die 
breite  Narbe,  die  offenbar  der  Perforationsstelle  des  Fremd- 
körpers entspricht,  besteht  aus  einem  sehr  kemreichen  Binde- 
gewebe. Die  Zellen  sind  zum  Theil  dunkelbraun  pigmentirt; 
die  Descemet'sche  Membran  ist  durchbrochen,  die  Iris  ist  mit 
der  Narbe  verwachsen,  in  der  Richtung  der  Narbe  nach  ein- 
wärts ist  die  Linsenkapsel  durchrissen,  die  Linse  an  dieser 
Stelle  kataraktös  und  von  vielen  Rundzellen  durchsetzt.  Von 
der  schmalen,  offenbar  von  einer  Operation  herrührenden  Hom- 
hautnarbe  zieht  ein  schmaler  Zug  eines  kemreichen  Binde- 
gewebes nach  der  grossen  Perforationsnarbe  hin.  Innerhalb 
dieses  Gewebes  findet  sich  in  einem  Schnitt  etwas  von  der 
Oberfläche  der  Cornea  entfernt  eine  Cyste  mit  einer  derben 
bindegewebigen  Wand,  die  im  Innern  von  unregelmässigen 
kubischen  Epithelzellen  ausgekleidet  ist-,  in  der  Mitte  bat  sie 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  165 

ein  kleines  Lumen.  An  Schnitten  aus  der  Umgebung  lässt  sich 
feststellen,  dass  mit  diesem  Gebilde  ein  Zapfen  von  Epithel- 
zellen in  Verbindung  steht,  der  sich  etwas  weiter  nach  der 
Oberfläche  erstreckt;  ein  directer  Zusammenhang  mit  dem  Epi- 
thel der  Corneal-Oberfläche  war  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
weisen. In  der  vorderen  Kammer  findet  sich  viel  Blut;  zwi- 
schen den  wohlerhaltenen  rothen  Blutkörperchen  liegen  braun 
pigmentirte  Zellen,  solche  kommen  in  grosser  Menge  im  Gewebe 
des  Eammerwinkels,  sowie  auf  der  Oberfläche  und  im  Gewebe 
der  Iris  vor.  Die  Vorderfläche  der  Linse  wird  von  einem 
sehr  stark  pigmentirten  Bindegewebe  bedeckt.  Die  Iris  ist 
auf  der  Seite  der  Verletzung  sehr  stark  atrophisch  und  flächen- 
haft  mit  der  Linsenkapsel  verwachsen.  Der  Ciliarkörper  zeigt 
stark  yermehrten  Kemgehalt,  er  ist  abgelöst.  Zwischen  den 
Ciliarfortsätzen  liegen  massenhafte  rothe  Blutkörperchen  sowie 
grosse  braun  pigmentirte  Zellen.  Das  Epithel  der  Giliarfort- 
sätze  ist  streckenweise  auffallend  wenig  pigmentirt. 

Ein  sehr  zellreiches  Granulationsgewebe  liegt  hinter  der 
linse  und  hängt  zusammen  mit  der  Innenfläche  des  Ciliar- 
körpers  und  dem  vordersten  einwärts  und  vorwärts  gezogenen 
Theile  der  Retina.  Sehr  viele  Zellen  dieses  Gewebes  sind  dunkel- 
braun pigmentirt;  nach  hinten  geht  es  unmittelbar  über  in  eine 
grosse  von  Zügen  fädigen  Fibrins  durchsetzte  Blutmasse,  an 
deren  hinterem  Rande  wieder  eine  beträchtliche  Anzahl  braun 
pigmentirter  Zellen  liegt  Die  Aderhaut  ist  bis  zum  Aequator 
abgelöst,  in  den  stark  auseinander  gezerrten  Lagen  der  Supra- 
choroidea  liegen  sehr  viele  braun  pigmentirte  Zellen.  In  grosser 
Menge  finden  sich  solche  von  im  Allgemeinen  spindliger  Ge- 
stalt in  der  Choroidea  selbst,  sie  lassen  sich  sogar  längs  der 
aus-  und  eintretenden  Gefässe  und  Nerven  durch  die  Sklera 
hindurch  verfolgen.  Das  Pigment-Epithel  der  Retina  sitzt  der 
Choroidea  auf;  seiner  Innenfläche  liegen  rothe  Blutkörperchen 
und  braun  pigmentirte  Zellen  in  massiger  Menge  an. 

Die  abgelöste  Netzhaut  ist  in  verschieden  hohem  Grade 
degenerirt.  Während  stellenweise  beide  Eömerschichten  sowie 
die  Zwischenkömer-  und  Ganglienschichte  ziemlich  wohl  er- 
halten sind,  ist  die  Retina  an  anderen  Stellen  stark  verschmä- 
lert, es  ist  nur  eine  Körnerschicht  nachweisbar,  die  inneren 
Schichten  sind  fast  völlig  degenerirt,  die  Stützfasern  stark  aus- 
gewachsen. Im  Gewebe  der  Netzhaut  liegen  zahlreiche  braun 
pigmentirte  Zellen  von  runder  und  spindliger  Gestalt.  An  der 
Aussen-  und  Innenfläche  der  Netzhautfalten  liegen  rothe  Blut- 


166  E.  V.  Hippel. 

körperchen,  grosse  blasse  homogene  Kugeln,  ferner  Zellen,  welche 
Blutkörperchen  sowie  braune  Pigmentschollen  einschliessen. 

Die  Eisenreaction  bewirkt  folgende  Veränderungen: 
Sämmtliche  oben  beschriebenen  gelbbraun  pigmentirten  Zellen 
in  der  Gornealnarbe,  auf  der  Yorderfläche  der  Iris  und  in 
derselben,  im  Eammerwinkel,  zwischen  den  Ciliarfortsätzen,  in 
dem  Bindegewebe  hinter  der  Linse,  am  Rande  der  grossen 
Blutung,  in  der  Suprachoroidea  und  Choroidea  sowie  in  der 
Retina  werden  intensiv  blau;  es  muss  hervorgehoben  werden, 
dass  in  vielen  derselben  bei  Anwendung  starker  Yergrösserung 
noch  braune  Körnchen  nachweisbar  bleiben.  Dieselben  treten 
besonders  deutlich  hervor,  wenn  man  die  Schnitte  24  Stunden 
in  verdünnte  Salzsäure  legt;  dann  ist  alles  Pigment,  das  die 
Blaufärbung  ergab,  verschwunden  und  nur  diese  braunen  Körn* 
chen  bleiben  übrig.  Intensiv  diffus  blau  färbt  sich  das  Epi- 
thel der  Ciliarfortsätze  und  der  Pars  ciliaris  retinae,  femer 
in  ziemlich  grosser  Ausdehnung  das  Kapsel-Epithel  der  Linse, 
etwas  weniger  intensiv  und  nur  stellenweise  das  Pigmentepi- 
thel der  Retina.  Durch  ihre  Blaufärbung  bei  Anwendung  der 
Eisen-Reaction  treten  erst  eigenthümliche  vielfach  verästelte 
Zellen  hervor,  die  besonders  in  den  inneren  Schichten  der 
degenerirten  Retina  vorkommen.  Was  dieselben  zu  bedeuten 
haben,  vermag  ich  nicht  näher  anzugeben. 

Beide  Hälften  dieses  Auges  werden  bis  auf  die  Sklera 
geschnitten,  ein  Fremdkörper  fand  sich  dabei  nicht;  derselbe 
muss  also  den  Bulbus  hinten  wieder  durchschlagen  haben. 

Diese  4  Fälle  lehren  zunächst,  dass  eine  zweimalige 
Durchbohrung  der  Augenhäute  durch  einen  abspringenden 
Eisensplitter,  der  nicht  durch  explosive  Gewalt  getrieben 
wird,  doch  nicht  ganz  so  selten  ist,  wie  Hirschberg*) 
meint,  der  unter  einem  grossen  Material  nur  einen  solchen 
Fall  beobachten  konnte. 

Eine  sehr  ausgedehnte  Verbreitung  eisenhaltigen  Pig- 
ments konnte  beispielsweise  auch  Vossius')  in  seinen 
beiden  Fällen  von  griinlicher  Verfärbung  der  Hornhaut 
feststellen.     Das   Pigment   war   ähnlich   localisirt,   wie   in 

>)  1.  c. 
•)  1.  c. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  lQ^ 

meinen  Fallen.  Von  einer  diffusen  Reaction  an  den  Epi- 
thelien  berichtet  Yossius^  der  Schwefelammonium  an- 
wandte,  nichts. 

Vergleicht  man  die  Ergebnisse  der  Eisenreaction  in 
den  letzten  4  Fällen  mit  denen  der  ersten  7,  so  muss  es 
sofort  aufiEGkUen,  dass  sie  in  sämmtlichen  Fällen  ausser- 
ordentlich ähnlich  sind.  Die  diffuse  Blaufärbung  des 
Epithels  der  Ciüarfortsätze  und  der  Pars  ciliaris  Retinae 
war  in  den  letzten  4  Fällen  ebenfalls  nachweisbar,  intensiv 
war  sie  allerdings  nur  im  Falle  Bömer.  Bas  Kapselepithel 
der  linse  zeigte  einmal  Blaufärbung,  das  Pigmentepithel 
der  Betina  2  mal  (Schmid,  Bömer),  die  Stützsubstanz 
der  Netzhaut  einmal  (Schmid),  allerdings  in  geringer  In- 
tensität Blau  geförbte  Zellen  im  Kammerwinkel,  in  und 
auf  der  IriSi  in  den  cyklitischen  Schwarten,  in  der  Supra- 
choroidea  und  Netzhaut  fänden  sich  in  allen  Fällen.  Eisen- 
haltiges Pigment  in  der  Hornhaut  wurde  allerdings  nicht 
gefunden,  doch  kam  ja  diese  Erscheinung  auch  in  den 
ersten  7  Fällen  nur  einmal  zur  Beobachtung. 

Da  es  sich  also  im  Grossen  und  Ganzen  in  sämmt- 
lichen 11  Fällen  um  die  gleiche  Yertheilung  des  Eisens  im 
Auge  handelte  (die  geringere  Intensität  der  diffusen  Fär- 
bungen konnte  wohl  so  erklärt  werden,  dass  keines  der 
letzten  4  Augen  erst  Monate  od^  Jahre  nach  der  Ver- 
letzung enudeirt  worden  war),  da  femer  in  den  letzten  4 
Fallen  der  Eisengehalt  der  Gewebe  nur  vom  Blute  abge- 
lötet werden  konnte,  so  konnten  nur  2  MögUchkeiten  in 
Betracht  kommen:  Entweder  stammte  das  nachge- 
wiesene Eisen  auch  in  den  ersten  7  Fällen  von 
dem  in  yerschieden  grosser  Menge  ergossenen  Blute 
her,  oder  es  handelte  sich  um  eine  Combination 
echt  siderotischen  und  hämatogenen  eisenhaltigen 
Pigmentes. 

Es  musste  danach  sofort  die  Frage  entstehen:  kann 
man  auf  irgend  einem  Wege  den  Nachweis  fuhren,   dass 


168  E.  V.  Hippel. 

ein  Theil  des  gefundenen  Eisens  in  den  ersten  7  Fällen 
direct  dem  im  Auge  befindKchen  Fremdkörper  entstammt? 

Ausser  allem  Zweifel  trifft  dies  zu  für  die  unmittelbar 
um  denselben  auf  geringe  Entfernung  nachweisbare  höchst 
intensive  diflftise  Eisenausscheidung.  Wenn  wir  beispiels- 
weise die  Sklera  auf  eine  kurze  Strecke  um  den  Fremd- 
körper bei  Blömer,  Beyer  und  Müller  intensiv  diffus  dunkel- 
blau sehen  werden,  so  wird  niemand  auf  den  Gedanken 
kommen,  diese  Färbung  vom  Blute  herleiten  zu  wollen. 
Weit  schwieriger  liegt  die  Sache  für  die  weit  vom  Fremd- 
körper entfernt  auftretende  Eisenausscheidung.  Hier  wer- 
den wir  die  klinische  Beobachtung  einerseits  zu  Bathe 
ziehen  müssen,  andererseits  darauf  zu  achten  haben,  wie 
weit  eine  Entstehung  eisenhaltigen  Pigments  aus  dem  Blute 
in  den  ersten  sieben  Fallen  mit  Sicherheit  zu  erweisen  ist, 
wieviel  also  für  die  Möglichkeit  der  directen  Entstehung 
vom  Fremdkörper  aus  übrig  bleibt. 

Die  klinische  Verwerthung  des  Falles  Albrecht  ist 
deshalb  misslich,  weil  der  Patient  seiner  Zeit  nicht  dazu 
zu  bewegen  war,  sich  öfters  zu  zeigen^  so  dass  von  einer 
Beobachtung  der  Entstehung  der  verschiedenen  Verän- 
derungen keine  Bede  war.  Nachdem  die  braune  Färbung 
der  Linse  festgestellt  war,  vergingen  3  Jahre,  bis  der  Patient 
mit  der  braunen  Cornea  sich  wieder  vorstellte.  Ob  in  dieser 
Zeit  keine  leichteren  Becidive  von  Entzündung,  die  mit 
Blutungen  einhergingen,  vorhanden  gewesen,  lässt  sich 
keineswegs  ausschhessen,  im  Gegentheil,  es  ist  wahrschein- 
hch,  dass  die  Vascularisation  der  Hornhaut  durch  frische 
Entzündung  in  dieser  Zeit  zu  Stande  gekommen  war  und 
aus  den  neugebildeten  Gef  ässen  können  sehr  wohl  Blutungen 
erfolgt  sein.  2  Jahre  nach  dieser  Vorstellung  kam  es  aus  un- 
bekannten Gründen  zu  einer  frischen  Entzündung,  die  mit 
stärkeren  Blutungen  einherging,  wie  das  Hyphäma  beweist; 
im  Gefolge  dieser  Entzündung  kam  es  auch  wahrschein- 
lich erst  zur  Netzhautablösung.     Es  Hessen  sich  nun  be- 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  Igg 

sonders  an  der  Innenfläche  der  Netzhaut  sowie  des  Ciliar- 
korpers  und  an  anderen  Stellen  nicht  unbeträchtliche  Mengen 
rother  Blutkörperchen  auffinden,  die  alle  möglichen  Ueber- 
gänge  zur  Bildung  eisenhaltigen  Pigmentes  zeigten;  daraus 
hätte  man  vielleicht  schliessen  können,  dass  die  Eisenim- 
prägnation  dieser  Gewebe  von  diesen  Blutkörperchen  her- 
zuleiten sei.  Es  ist  aber  anzunehmen,  dass  diese  grösseren 
Blutungen  ebenso  wie  das  Hyphäma  erst  im  Laufe  der 
letzten  Entzündung  entstanden  sind.  Da  aber  kein  Grund 
vorliegt,  die  Eisenimprägnation  der  tiefen  unsichtbaren  Theile, 
Retina,  Ciliarkörper  u.  s.  w.  in  eine  viel  spätere  Zeit  zu 
verlegen,  als  die  der  sichtbaren,  Iris  und  Cornea,  so  bleibt 
nur  möglich  zu  folgern,  dass  die  Eisenimprägnation  der 
Gewebe  entweder  direct  vom  Fremdkörper  oder  aus  kleinen 
reddivirenden  multiplen  Blutimgen  im  Gefolge  leichterer 
Entztindungs-Nachschübe  hervorgegangen  ist,  für  deren  Zu- 
standekommen der  Fremdkörper  in  irgend  einer  Weise  den 
Anreiz  gegeben  haben  mag. 

Aus  dem  zweiten  Falle  (Fritz)  lassen  sich  weit- 
gehende Schlüsse  nicht  ziehen,  da  die  Angaben  in  der 
Krankengeschichte  zu  kurz  sind,  offenbar  hat  hier  sofort 
eine  grössere  Blutung  bei  der  Verletzung  stattgefunden; 
m  allen  Theilen  des  Bulbus  sind  Blutkörperchen  in  grösse- 
rer Anzahl  nachgewiesen.  Ueber  das  Aussehen  der  Iris 
intra  vitam  fehlen  zwar  Angaben,  dass  dieselbe  intensiv 
braun  von  der  Vorderfläche  her  aussah,  konnte  ich  noch 
an  dem  durchschnittenen  Auge  feststellen;  nun  findet  sich 
auf  der  Vorderfläche  eine  dichte  Lage  braun  pigmentirter 
Zellen;  gerade  für  diese  ist  es  aber  ziemlich  sicher,  dass 
sie  aus  dem  Blute  hervorgegangen  sind,  da  sich  alle  mög- 
Uchen  Uebergänge  von  rothen  Blutkörperchen  zu  diesen  Ge- 
bilden nachweisen  lassen. 

In  den  Fallen  Blömer  und  Benze  sind  die  klinischen 
Notizen  zu  kurz,  als  dass  man  weitere  Schlüsse  daraus 
ziehen  könnte.     Etwas  eher  ist  dies  schon  möglich  in  dem 


170  E.V.  Hippel. 

Falle  Laier,  der  durch  die  enorme  Ausbreitung  der  Eisen- 
reaction  neben  Albrecht  besonders  auffiel  Grössere  Blu- 
tungen sowie  die  Netzhautablösung  waren,  wie  aus  der 
Krankengeschichte  hervorgeht,  erst  3  Wochen  vor  der 
Enucleation  durch  den  vergeblichen  Versuch  mit  dem  Electro- 
magneten  herbeigeführt  worden.  Nun  lehrt  zwar  der  Fall 
Schmid,  dass  3Va  Wochen  vollkommen  genügen,  um  eine 
sehr  ausgebreitete  Eisenimprägnation  aus  dem  Blute  her- 
vorgehen zu  lassen,  indessen  ist  doch  im  Falle  Laier  die 
Eisenreaction  der  einzelnen  Teile,  z.  B.  des  Kapsel-Epi- 
thels, der  Pars  dliaris  retinae  etc.  eine  so  ausserordentlich 
intensive,  dass  man  wenigstens  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit die  directe  Einwirkung  des  Fremdkörpers  zur  Er- 
klärung heranziehen  möchte.  Allerdings  ist  auch  hier  nicht 
auszuschliessen,  dass  kleine  öfters  recidivirende  Blutungen 
im  Laufe  der  6  Monate,  die  der  Splitter  im  Bulbus  ver- 
weilte, wohl  im  Stande  gewesen  sein  könnten,  allmählich 
eine  erhebUche  Eisenablagerung  in  den  Geweben  des  Bul- 
bus zu  erzeugen. 

Ln  Falle  Corcilius  ist  die  Eisenreaction  überhaupt  im 
Wesenthchen  auf  die  nähere  Umgebung  des  Fremdkörpers 
beschränkt  Da  trotz  der  Beichlichkeit  der  Blutungen  ferne 
vom  Fremdkörper  noch  kein  hämatogenes  eisenhaltiges  Pig- 
ment wegen  der  Kürze  der  Zeit  entstanden  war,  kann  man 
mit  Wahrscheinlichkeit  folgern,  dass  die  eisenhaltigen  Zel- 
len, die  auf  einige  Entfernung  vom  Fremdkörper  gefunden 
wurden,  demselben  ihren  Eisengehalt  verdanken. 

Der  Fall  Müller  ist  nicht  zu  verwerthen;  unmittelbar 
um  den  Fremdkörper  stammt  der  hohe  Eisengehalt  natür- 
lich von  demselben  ab;  alles  eisenhaltige  Pigment,  das  sich 
sonst  in  verhältnissmässig  geringer  Menge  findet,  kann  vom 
Blute  abstammen,  wie  das  Auftreten  einiger  Eisen-Beactioii 
gebender  Zellen  im  vordersten  Theile  des  Bulbus  beweist 

Die  angestellten  Betrachtungen  ergeben,  dass  die  Yer- 
werthung  der  klinischen  Daten  nicht  im  Stande  ist,   uns 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  171 

Gewissheit  darüber  zu  verschaffen  ^  welcher  Theil  des  vor- 
gefundenen Eisens  in  den  ersten  7  Fällen  direct  vom  Fremd- 
körper abstammt  Die  Annahme  öfters  recidivirender 
Blutungen  wird  gerade  im  Falle  Albrecht  besonders  wahr- 
scheinlich durch  die  unverkennbare  Beziehung^  die  das  Pig- 
ment, spedeU  in  der  Cornea,  zu  den  Gefassen  hat  Vielfach 
ist  es  längs  denselben  sehr  deutlich  in  Beihen  angeordnet 

Giebt  uns  so  die  khnische  Verwerthung  der  unter- 
suchten Fälle  keine  voll  befriedigende  Auskunft,  so  müssen 
wir  uns  nach  anderen  einwandsfreien  Beobachtungen  um- 
sehen, wo  ein  im  Auge  weilender  Fremdkörper  aus  Eisen 
entfernt  von  der  Stelle  seines  Sitzes  Eisenablagerung  er- 
zeugt hatte,  bei  deren  Entstehung  das  Blut  nicht  betheiligt 
sein  konnte. 

Dahin  gehört  vor  Allem  die  gelbbraune  Färbung 
kataractöser  Linsen,  welche  einen  Fremdkörper  aus  Eisen 
enthielten,  sowie  die  in  einem  Kranze  brauner  Flecken  auf- 
tretende Eisenausscheidung  unter  der  vorderen  linsen- 
kapsel,  die  beobachtet  wurde  sowohl  bei  Sitz  eines  Eisen- 
splitters in  der  linse  selbst  als  auch  im  Glaskörper.  Solche 
Fälle  vnirden  mitgetheilt  von  v.  Graefe *),  Leber*),  Samel- 
sohh^).  Landmann*),  Fuchs*),  Vossius").  Bei  dem 
in  meiner  Arbeit  verwertheten  Fall  Albrecht  wurde  dieselbe 
Erscheinung  während  des  Krankheitsverlaufes  beobachtet 
In  neuerer  Zeit  theilte  Aus  in')  7  solche  Fälle  mit  imd 
ich  selbst  kann  noch  einen  weiteren  anführen,  der  in  der 
Universitäts- Augen-Klinik  in  Halle  beobachtet  wurde.  Zwar 
zeigten  die  mehr  oder  weniger  dichten  Glaskörpertrübungen, 


«)  v.  Graefe'8  Archiv  Bd.  VI.  1.,  p.  134. 

')  Tnmsact.  of  the  Internat,  med.  Gongr.    London  1881. 

»)  Zehender's  Mon.-Bl.  1881,  p.  265. 

*)  V.  Graefe' 8  Archiv  XXVIII.  2.    1882. 

•)  Fuchs,  Lehrb.  d.  Augenheilkunde,  1.  Aufl. 

*)  Deutsche  med.  WochenBchrift  1891,  Nr.  51,  p.  1385. 

')  1.  c. 


172  E.  V.  Hippel. 

die  in  einigen  dieser  Fälle  vor  oder  nach  der  Extraction 
der  linse  festgestellt  worden ,  dass  auch  hier  Blutungen 
nicht  immer  auszuschliessen  sind,  indessen  fehlen  sie  in 
anderen  Fällen,  wo  der  Splitter  in  der  linse  sass,  voll- 
kommen. Ausserdem  ist  dies  Krankheitsbild  noch  nie  zur 
Beobachtung  gekommen,  wenn  nicht  ein  Metallsphtter  im 
Auge  sass.  Daraus  können  wir  mit  Sicherheit  schliessen, 
dass  die  braunen  Flecke  unter  der  Kapsel  und  die  -Ver- 
färbung der  linsensubstanz  vom  Fremdkörper  selbst  her- 
stammen. 

Ich  will  hier  nicht  verschweigen,  dass  es  sich  in  dem 
viel  citirten  und  meist  stillschweigend  unter  die  Eisen- 
splitter-Verletzungen gerechneten  Falle  v.  Graefe's  laut 
Anamnese  um  ein  abgesprungenes  Stück  eines  Zündhüt- 
chens handelte.  In  dem  Sectionsberichte  ist  nur  von  einem 
Metallsphtter  die  Rede.  Nun  kam  es  freilich  damals  den 
Untersuchen!  (v.  Graefe  und  Schweigger)  in  keiner  Weise 
auf  die  Natur  des  eingedrungenen  Metallstückes  an,  es  ist 
deshalb  auch  sehr  wohl  möglich,  dass  die  Angaben  des 
betreffenden  Patienten  fehlerhaft  waren  und  doch  ein  Eisen- 
splitter im  Bulbus  sass.  Diese  Annahme  hat  sogar  grosse 
Wahrscheinlichkeit,  denn  es  ist  nicht  einzusehen,  wie  durch 
einen  Kupfersphtter  die  rostbraune  Vertärbung  zu  erklären 
wäre,  ausserdem  ist  meines  Wissens  kein  weiterer  Fall  be- 
kannt, wo  im  Gefolge  einer  Verletzung  durch  einen  Fremd- 
körper aus  Kupfer  jener  Kranz  brauner  Flecke  unter  der 
Kapsel  entstanden  wäre.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  es 
von  praktischer  Bedeutung  ist,  ob  wir  aus  dem  geschilder- 
ten Krankheitsbilde  mit  Sicherheit  das  Vorhandensein  eines 
Fremdkörpers  aus  Eisen  erschliessen  dürfen.  Die  Berech- 
tigung der  Magnetoperation  würde  in  solchen  Fällen,  wenn 
die  Anamnese  nicht  zweifellos  ist,  davon  abhängig  zu 
machen  sein. 

Da  nun  der  braune  Kjranz  an  der  linse  doch  im  Ver- 
hältniss  zu  der  Häufigkeit  penetrirender  EisenspUtter-Ver- 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  173 

letzungen  ein  recht  seltenes  Vorkommnis  ist,  ebenso  wie 
die  Verfärbung  der  Cornea,  so  ist  es  für  die  Praxis  doch 
^heblich  wichtiger,  ob  die  Braunfärbung  der  Iris,  wie 
Bunge  will,  mit  Sicherheit  einen  im  Bulbus  befindlichen 
Fremdkörper  anzeigt,  d.  h.  ob  der  bei  dieser  Annahme  vor- 
ausgesetzte Eisengehalt  derselben  (und  ebenso  der  Cornea 
in  den  seltenen  Fällen)  direct  vom  Fremdkörper  herstammt. 
Dies  ist  allerdings  ausserordentlich  wahrscheinUch,  wenn, 
wie  es  beobachtet  ist,  der  EisenspUtter  in  der  Linse  sitzt, 
nirgends  eine  Blutung  zu  sehen  ist  und  die  Iris  braun 
wird.  Ob  diese  Färbung  wirklich  auf  der  Einlagerung  einer 
Oxydverbindung  beruht,  bezeichnet  Leber  in  seinem  Werk 
über  die  Entzündung  noch  als  eine  offene  Frage. 

Mikrochemische  Untersuchungen  hierüber  stellte  An- 
gin')  an  Irisstücken  an,  die  bei  der  Extraction  solcher 
braun  gefärbter  Kataracten  geronnen  waren.    Er  giebt  an: 

jJDie  Blaufärbung  ist  am  intensivsten  in  den  Zellen  des 
adenoiden  Gewebes  der  vorderen  Grenzschicht  und  einem 
dünnen  Irissaume  vor  der  Kgmentschicht,  femer  in  dem 
Sphincter  pupillae.  Das  Irisstroma  wird  mit  Ausnahme 
der  erfasse  wenig  oder  fast  gar  nicht  blau  gefärbt  An 
den  Gefässen  wiederum  sind  die  die  Adventitia  umgeben- 
den Zellen  einerseits,  die  Tunica  media  und  intima  anderer- 
seits stärker  blau  gefärbt,  ab  die  Adventitia  selbst." 

In  den  beiden  Fällen,  auf  welche  sich  diese  Angaben 
beziehen,  befand  sich  der  Fremdkörper  anscheinend  nicht 
in  der  linse,  wenigstens  ist  weder  in  der  Krankengeschichte 
noch  in  dem  Sectionsbefund  davon  die  Bede;  dagegen 
fand  sich  ein  Ereis  brauner  Flecken  unter  der  vorderen 
Kapsel  in  beiden  Fällen.  Nur  in  dem  ersten  wurden  feine 
Glaskörpertrübungen  nach  der  Extraction  beobachtet  Es 
ist  aber  für  diese  Fälle  erwiesen,  dass  die  bräunliche  Ver- 
färbung der  Iris  auf  Einlagerung  einer  Eisenoxydverbindung 


>)  1.  c. 


174  *  E.  V.  Hippel. 

beruht,  die  sich  mit  Ferrocyankalium  und  Salzsäure  blau 
färbt  und  nur  von  dem  Splitter  selbst  herstammen  kann. 
Ich  hatte  Grelegenheit,  selber  einen  solchen  Fall  zu 
untersuchen,  der  in  der  Hallenser  Klinik  beobachtet  wurde, 
wie  ich  schon  kurz  erwähnte. 

Die  Krankengeschichte  ist  in  Kürze  folgende:  Aufnahme 
12.  XI.  92.  Vor  drei  Jahren  wurde  das  rechte  Auge  durch 
ein  Stahlstflckcheü  verletzt  Der  Fremdkörper  war  angeblich 
abgeprallt.  Nach  dtägiger  Behandlung  konnte  Patient  wieder 
arbeiten  und  glaubt  auch  durch  die  Yerletznng  keine  Einbusse 
seiner  Sehschärfe  erlitten  zu  haben.  Bis  zu  diesem  Frtthjahr 
konnte  er  gut  sehen,  dann  trat  rasche  Verschlechterung  ein. 

Status:  Eine  Hornhautnarbe  ist  nicht  aufzufinden,  wohl 
aber  eine  Kapselnarbe  unten.  Die  Linse  ist  grossen  Theils 
streifig  und  fleckig  getrttbt.  Entsprechend  dem  Rande  der  ad 
maximum  erweiterten  Papille  zeigt  sich  der  *  charakteristische 
Kranz  gelbbrauner  Flecken.  Die  Farbe  der  Iris  ist  beider- 
seits graugrünlich,  ein  Unterschied  besteht  nicht.  Es  wurde 
die  Extraction  gemacht,  das  excidirte  Irisstück,  ein  Stück  der 
Kapsel  mit  einigen  der  braunen  Flecken  und  die  Linse  erhielt 
ich  zur  Untersuchung.  Dass  der  Fremdkörper  nicht  in  der 
Linse  sass,  war  schon  intra  vitam  festzustellen;  wo  er  gesessen, 
war  bisher  nicht  zu  ergründen,  da  eine  Catar.  secund.,  die  sich 
nach  der  Operation  gebildet  hatte  und  bisher  nicht  discindirt  wurde, 
eine  genaue  Untersuchung  der  tiefen  Theile  verhinderte.  Nach 
der  Operation  wurde  im  Centrum  der  Cornea  eine  sehr  feine, 
aber  die  ganze  Dicke  durchsetzende  Trübung,  sowie  an  der 
Hinterfl&che  der  Hornhaut  eine  Anzahl  sehr  feiner,  nur  mit 
der  Lupe  wahrnehmbarer  Beschläge  festgestellt 

Die  Linse  ging  mir  durch  einen  unglücklichen  Zufall  ver- 
loren, auf  den  Befund  an  der  Kapsel  komme  ich  später  zu- 
rück, jetzt  möchte  ich  nur  auf  die  Untersuchung  des  Irisstfickes 
eingehen. 

Die  histologischen  Verhältnisse  sind  normal,  die  Iris  zeigt 
an  ungefärbten  Präparaten  einen  gelblichen  Farbenton,  die 
Eisenreaction  erzengt  intensive  Blaufärbung.  Dieselbe  ist  fast 
ausschliesslich  an  Zellen  gebunden  und  zwar  allem  Anschein 
nach  nur  an  die  Zellen  des  normalen  Iris-Stroma.  Gefilrbt  ist 
das  Endothel  der  Vorderfläche,  von  dem  Epithel  der  Hinter- 
fläche der  der  Iris  zugewandte  Theil;  die  hintere  Grenzschicht 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  175 

ist  fast  ToUkommen  angefärbt,  in  der  Gefässschicht  ist  die 
FftrbuDg  sehr  deutlich  und  zwar  sind  es  im  Wesentlichen  die 
Zollen  der  Tunica  media,  welche  die  Blaufärbung  annehmen. 

Auch  in  diesem  Falle  ist  man  wohl  berechtigt,  den 
Eisengehalt  der  Iris  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  von 
dem  Fremdkörper  herzuleiten.  Es  ist  von  besonderem  Inter- 
esse festzustellen,  dass  in  diesem  Falle,  wo  eine  Siderosis 
Iridis  anatomisch  nachgewiesen  ynirde,  eine  klinisch  wahr* 
nehmbare  Verfärbung  der  Iris  vollkommen  fehlte. 

Ich  verzichte  darauf,  aus  der  Literatur  die  klinischen 
Beobachtungen  zusammenzustellen,  in  denen  eine  Verfärbung 
der  Iris  bei  Fehlen  irgendwie  nennenswerther  Blutungen 
mit  WahrscheinUchkeit  auf  den  Fremdkörper  selbst  zu  be- 
ziehen ist,  und  möchte  nur  einen  eigenen  Fall,  der  mannig- 
faches Interesse  bot,  hier  kurz  erwähnen. 

Andreas  Schneider,  23  J.,  wurde  am  9.  IX.  1892  in  die 
hiesige  Klinik  aufgenommen,  nachdem  ihm  an  demselben  Morgen 
ein  Eisensplitter  in's  linke  Auge  geflogen  war. 

Status:  Am  äusseren  Hornhautrande  findet  sich  eine  ca. 
7  mm  lange  perforirende  Wunde,  in  der  ein  Irisvorfall  liegt 
Ein  Fremdkörper  ist  mit  dem  Spiegel  nicht  zu  sehen,  im  Glas- 
körper sieht  man  einige  Blutstreifen.  Der  Irisvorfall  wird  ab- 
getragen. In  den  folgenden  Tagen  entsteht  Chemosis  und  eine 
ziemlich  heftige  Iritis,  die  aber  allmählich  zurückgeht  Die 
Sehschärfe  hält  sich  gut,  S=  ^/^g. 

Am  26-  IX.  ist  der  Fremdkörper  zum  ersten  Male  sicht- 
bar, er  steckt  oben  aussen  in  den  Augenhäuten  und  ist  von 
grauer  metallischer  Farbe  und  etwas  unregelmässiger  Ober- 
fläche. In  den  folgenden  Tagen  zeigt  sich,  dass  ihm  ein  wenig 
Blut  anhaftet  und  dass  er  von  einem  braunen  Hof  umgeben  ist 
Einige  feine  GlaskörpertrUbungen  sind  zu  sehen.  Bis  zum 
24.  X  ist  die  Iritis  so  gut  wie  vollkommen  zurückgegangen, 
die  Sehschärfe  beträgt  %,  Patient  wird  entlassen. 

Am  19.  I.  93  stellt  er  sich  wieder  vor;  S  =  % —  %, 
es  besteht  leichte  Ciliar-Injection,  ophthalmoskopisch  ist  der 
Befund  unverändert,  nur  ist  die  Pigmentirung  in  der  Um- 
gebung des  Fremdkörpers  noch  dunkler  geworden,  die  Iris  ist 
grünlichgelb  verftrbt  (die  rechte  ist  hellblau). 


176  E.  V.  Hippel. 

Am  20.  II.  93  wird  Patient  zum  zweiten  Mal  aufge- 
nommen, weil  er  Schmerzen  bekommen  und  die  Sehschärfe 
abgenommen  hat.  (S  =  7i8 — ^/i«)-  ^^  ^er  Verlauf  es  doch 
unwahrscheinlich  macht,  dass  der  Fremdkörper  auf  die  Dauer 
ertragen  werde,  machte  Herr  Professor  Leber  am  25.  IL  die 
Extraction  des  Fremdkörpers  in  folgender  Weise: 

Nachdem  der  Sitz  des  Corpus  alienum  möglichst  genau 
festgestellt  war,  wurde  die  Gonjunctiva  eingeschnitten  und  das 
episklerale  Gowebe  zurackpräparirt;  es  kommt  entsprechend 
der  Stelle,  wo  man  den  Splitter  vermuthete,  ein  schwarzes 
Pünktchen  auf  der  Sklera  zum  Vorschein.  Mit  Messer  und 
Scheere  wird  der  Splitter  vorsichtig  frei  präparirt,  er  folgt 
aber  dem  Zug  der  Pincette  nicht,  schliesslich  wird  der  Bulbus 
eröffnet;  dabei  ist  der  Splitter  offenbar  frei  geworden,  er  ist 
im  Glaskörper  verschwunden;  der  Electromagnet  leitet  ihn 
wieder  nach  der  Wunde,  aus  der  er  schliesslich  mit  der  Pincette 
hervorgezogen  wird.  Er  ist  5  mm  lang,  an  der  breitesten 
Stelle  1  mm  breit  Die  Heilung  verlief  reizlos,  der  Patient 
wurde  am  11.  IIL  mit  S  =  ^/i2  entlassen. 

Leider  war  dieser  schöne  Erfolg  nicht  von  Dauer;  am 
7.  V.  93  war  die  Sehschärfe  =  ^/jg,  es  bestand  hoch- 
gradige Einschränkung  der  Gesichtsfeldes  nach  allen  Seiten, 
sowie  starker  Torpor  retinae.  15.  VIL  Auge  leicht  ii^icirt, 
Iris  noch  grün  verfärbt,  Augendruck  normal.  In  der  Gegend 
des  früheren  Sitzes  des  Fremdkörpers  dunkle  Pigmentmassen, 
keine  Netzhautablösung  nachzuweisen.  8=^/24.  Gesichtsfeld 
sehr  stark  concentrisch  eingeengt,  starker  Torpor  Retinae,  bei 
niederer  Lampe  werden  keine  Handbewegungen  erkannt.  Es 
besteht  hochgradige  Farbenstörung  (Grün,  Roth,  Gelb  werden 
nicht  erkannt.) 

Die  Verfärbung  der  Lis,  die  in  diesem  Falle  beobachtet 
wurde,  ist  wohl  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  von  dem 
Fremdkörper  selber  herzuleiten,  wenngleich  Blutungen  nicht 
ganz  gefehlt  haben.  Auf  die  Litis  ist  sie  jedenfalls  nicht 
zu  beziehen,  denn  nach  Ablauf  der  Entzündung  bestand 
sie  noch  nicht.  Ich  hebe  aber  hervor,  das  die  Verfärbung 
eine  grünlich -gelbliche  und  keine  rostbraune  war;  diese 
erste  Art  der  Verfärbung  ist  in  sehr  vielen  Fällen  von 
Eisensplitter -Verletzung,  in  welchen  das  Aussehen  der  Lis 


üeber  Siderosis  Bulbi  nnd  die  Beziehungen  etc.  177 

sich  veränderte,  beobachtet  worden,  sie  scheint  erhebUch 
häufiger  zu  sein,  als  die  wirklich  rostfarbene.  Gerade  dieser 
Umstand  aber  lässt  eine  diagnostische  Verwerthung  der 
Veriärbung  der  Iris  im  höchsten  Grade  bedenklich  er- 
scheinen, da  dieselbe  Veränderung  zweifellos  gar  nicht 
selten  im  Gefolge  grösserer  intraocularer  Blutungen  zu 
sehen  ist  Manchmal  täuscht  die  grünliche  Farbe  des 
Kammerwassers  eine  Verfärbung  der  Iris  vor,  wie  man 
sich  bei  Punktionen  oder  Iridectomieen  in  solchen  Fällen 
öfters  überzeugen  kann,  zweifellos  betrifft  aber  auch  öfters 
die  Verfärbung  die  Iris  selbst  Ich  möchte  nur  eine  eigene 
Beobachtung  anfuhren,  die  um  so  mehr  Interesse  verdient, 
als  ich  die  anatomische  Untersuchung  des  betreffenden 
Auges  anschliessen  konnte. 

Fall  Xn. 

Jacob  Weissbrot,  25  J.  11.  I.  93.  Aufnahme  in  die  hiesige 
Klinik.     Gestern  verletzte  sich  Patient  durch   einen  Baumast. 

Status:  Ausser  einer  Haatwnnde  an  der  Nase  sieht  man 
oberhalb  der  Cornea  eine  quer  verlaufende  Wunde,  in  der 
etwas  Pigment  liegt.  Es  besteht  starke  Chemosis,  man  be- 
kommt kein  rothes  Licht.  Lichtschein  ist  für  niedere  Lampe 
nicht  befriedigend,  die  Projection  fehlt.  Nach  oben  besteht  ein 
Iris-Colobom. 

Die  Wunde  ist  in  den  ersten  Tagen  schmierig  belegt, 
reinigt  sich  aber  allmählich.  Nachdem  das  auf  der  Iris  ge- 
legene Blut  sich  allmählich  resorbirt  hat,  sieht  man  eine  grosse 
Iris-Dialyse  aussen. 

18.  L  Es  zeigt  sich,  dass  eine  Linsenluxation  nach  oben 
aussen  besteht  Im  Glaskörper  ist  viel  Blut  zu  sehen,  an  die 
Wunde  schliesst  sich  lateral  eine  subconjunctivale  Ruptur  an. 

1.  IL  Die  Injection  hat  abgenommen,  das  Auge  ist  nicht 
druckempfindlich,  die  luxirte  Linse  ist  leicht  getrübt,  das  Blut 
im  Glaskörper  ist  zum  Theil  resorbirt    Patient  wird  entlassen. 

2.  III.  93.  üeber  der  Cornea  ist  eine  tief  eingezogene 
Narbe  sichtbar,  die  Skleralruptur  schimmert  bläulichroth  durch, 
das  Auge  ist  etwas  druckempfindlich  und  injicirt  Die  Iris  ist 
grünlich-bräunlich  ver&rbt,  die  rechte  ist  blau,  die  Linse  drängt 

T.  OfaeÜB*!  ArchiT  Ar  Ophthalmologie.   XL.  1.  12 


178  E.  V.  Hippel. 

aussen  die  Iris  nach  vorne;  die  Linse  ist  getrübt  und  sieht 
ausgesprochen  gelblichgrfln  aus. 

24.  III.  Patient  willigt  in  die  Enucleation,  die  ohne 
Zwischenfall  aasgeführt  wird. 

Das  Auge  wurde  nach  der  flblichen  Härtung  im  verti- 
calen  Meridian  aufgeschnitten  und  nach  Gelloidin- Einbettung 
untersucht. 

Der  Bulbus  ist  ausgesprochen  phthisisch,  von  eckiger  Ge- 
stalt. Am  oberen  Cornealrande  sieht  man  die  tief  eingezogen^ 
Narbe,  in  welche  das  Corpus  ciliare  eingeheilt  ist,  von  Iris 
ist  auf  dieser  Seite  nichts  zu  sehen,  die  Linse  ist  oben  ganz 
gegen  die  Cornea  gedrängt.  Hinter  der  Linse  liegt  eine  Binde- 
gewebsschicht,  welche  in  die  strangförmig  abgelöste  Retina 
übergeht  und  vorne  das  Corpus  ciliare  einwärts  zieht  Grössere 
Blutungen  sind  makroskopisch  nicht  sichtbar. 

Im  coDJunctivalen  und  episkleralen  Gewebe  liegen  um  die 
Gefässe  sehr  zahlreiche  braun  pigmentirte  Zellen.  Die  Cornea 
ist  in  ihrem  unteren  Theile  normal,  im  oberen  ist  sie  stark 
vascularisirt  und  besonders  in  den  hinteren  Schichten  zellig  infil- 
trirt.  Die  Descemet'sche  Membran  ist  nirgends  unterbrochen, 
das  Endothel  ist  wohlerhalten*,  etwa  der  Mitte  der  Cornea  ent- 
sprechend. Hegt  auf  der  Hinterfläche  der  Hornhaut  mit  der  vor- 
deren Kapseloberfläche  zusammenhängend,  ein  kernreiches  Ge- 
webe von  der  Structnr  des  Kapselstaars;  offenbar  ist  dasselbe 
durch  Wucherung  der  Endothelzellen  entstanden,  die  an  dieser 
Stelle  nicht  mehr  nachweisbar  sind.  Im  oberen  Theil  der 
Hornhaut  liegt  die  Endothelschicht  unmittelbar  der  vorderen 
Linsenkapsel  an,  ohne  mit  ihr  verwachsen  zu  sein.  In  der 
vorderen  Kammer  finden  sich  einige  rothe  Blutkörperchen  und 
pigmentirte  Rundzellen,  ausserdem  ein  Streifen  wohlerhaltenen 
Cornealepithels  sowie  ein  Stück  eines  Haarschaftes;  offenbar 
sind  diese  Gebilde  bei  der  Verletzung  in  die  vordere  Kammer 
hineingerissen  worden.  Die  grosse  Narbe  oberhalb  der  Cornea 
besteht  aus  kernreichem  Bindegewebe,  in  welches  zahlreiche 
pigmentirte  Zellen  eingelagert  sind;  von  der  Iris  ist  auch 
mikroskopisch  hier  nichts  aufzufinden.  Das  einwärts  gedrehte 
Corpus  ciliare  ist  vollständig  von  dem  Narbengewebe  eing^ 
schlössen,  die  Epithelzellen  der  Ciliarfortsätze  sind  zum  Theil 
zerfallen. 

Im  Ciliarmuskel,  der  sehr  kemreich  ist,  liegt  eine  grosse 
Menge  braun  pigmentirter  Zellen:  solche  kommen  auch  im 
Maschenwerk  des  Kammerwinkels  unten  vor.    Die  Linsenkapsel 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  179 

ist  entsprechend  der  Verletzung  durchbrochen  und  stark  ge- 
faltet  y  die  Linse  ist  in  der  äquatorialen  Zone  sowie  in  der 
Torderen  Corticalis  kataraktös,  es  kommen  in  der  letztgenannten 
Gegend  eigentümliche  Eiweissgerinnungen  vor,  die  sich  mit 
Hämatoxylin  blauschwarz  färben.  Gegenüber  der  von  dem  Gor- 
nealendothel  ausgehenden  Neubildung  findet  sich  auf  der  Innen- 
fläche der  Linsenkapsel  ein  flacher  Kapselstaar  vor.  Im  Pupillar- 
gebiet  liegt  auf  der  Linsenkapsel  eine  ganz  schmale  Schichte 
eines  spindelzelligen  Gewebes;  in  die  Zellen  sind  feine  braune 
Kömchen  eingelagert,  ausserdem  kommen  einige  grössere  runde 
mit  braunen  Schollen  gefüllte  Zellen  hier  vor.  Die  Iris  zeigt 
im  Ganzen  normale  histologische  Verhältnisse;  ihrer  Vorder- 
fläche sind  ähnliche  braun  pigmentirte  Zellen  in  ganz  dünner 
Schicht  aufgelagert,  ausserdem  ist  der  grösste  Theil  der  Endo- 
thelzellen  hellbraun  gefärbt  und  im  Gewebe  der  Membran 
kommen  nicht  sehr  zahlreiche  runde  mit  brauner  Masse  ge- 
füllte Zellen  vor. 

Das  Epithel  der  Processus  ciliares  ist  an  den  Firsten 
der  Fortsätze  stellenweise  auffallend  wenig  pigmentirt 

Die  Bindegewebsschicht  hinter  der  Linse  ist  reich  an  Ge- 
wissen und  pigmentirten  Zellen.  Die  Choroidea  ist  bis  zum 
Aequator  abgelöst,  in  ihrer  Structur  wenig  verändert.  Die 
Retina  zeigt  bei  totaler  Ablösung  die  gewöhnlichen  Degenerations- 
erscheinungen, es  kommen  in  ihrem  Gewebe  Züge  braun  pig- 
mentirterspindliger  Zellen  sowie  Anhäufungen  runder  mit  braunen 
Schollen  gefüllter  Zellen  vor.  Im  unteren  Theile  lieg^  der  Aussen- 
fläche  eine  Blutung  an;  die  Blutkörperchen  sind  grossen  Theils 
zerfallen,  massenhafte  braun  pigmentirte  Zellen  liegen  zwischen 
ihnen,  die  Blutung  ist  eingekapselt  von  einer  dünnen  Schicht 
pigmentirter  Spindelzellen. 

Die  Eisenreaction  hat  folgendes  Ergebniss:  Die  braun 
pigmentirten  Zellen  in  Conjunctiva,  Episklera,  im  Kammer- 
winkel, in  der  cyclitischen  Schwarte,  in  der  Retina  und  in  der 
der  Netzhaut  anliegenden  Blutung  werden  blau;  dabei  ist  wieder 
festzustellen,  dass  in  den  meisten  Zellen,  welche  die  Blaufär- 
bung annehmen,  ein  Theil  des  Pigmentes  braun  bleibt.  Eine 
Anzahl  verhält  sich  auch  völlig  ablehnend  gegenüber  der  Reaction. 
Diffus  blau  färbt  sich  das  Epithel  der  Giliarfortsätze  und  der 
Pars  ciliaris  retinae  besonders  auf  der  Seite  der  Verletzung, 
femer  stellenweise  ganz  matt  die  Stützsubstanz  der  Retina.  Be- 
sonderes Interesse  beanspruchen  im  vorliegenden  Falle  natür- 
lich Iris  und  Linse.     An  der  letzteren  ist  nicht  die  geringste 

12* 


j  80  E.  V.  Hippel. 

Blaufärbang  nachzuweisen;  weder  an  der  Kapsel  noch  am  Epithel 
oder  den  Linsenfasern  selbst.  Von  den  brann  pigmentirten  Zellen 
an  der  Vorderfläche  sowie  im  Gewebe  der  Iris  nimmt  nnr  ein 
ganz  kleiner  Theil  die  Blaufärbung  an,  die  überwiegend  grösste 
Mehrzahl  bleibt  braun. 

Die  grünlichbraime  Färbimg,  die  Iris  und  Linse  wäh- 
rend des  Lebens  darboten,  beruht  also  im  vorliegenden 
Falle  nicht  auf  der  Ein-  oder  Auflagerung  eines  eisenhal- 
tigen sondern  im  Wesentlichen  eisenfreien  Farbstoffes.  Litra 
vitam  sah  die  Iris  genau  so  aus  wie  im  Falle  Schneider, 
sowie  in  dem  ersten  von  Ausin  beschriebenen  Falle.  E[li- 
nisch  ist  also  die  grünlich-braune  Verfärbung  der  Iris  nicht 
für  einen  im  Auge  weilenden  Eisenfremdkörper  charakteris- 
tisch. Anatomisch  scheint  allerdings  die  Einlagerung  einer 
Eisenoxjdverbindung  in  die  normalen  G«webezellen  des 
Irisstromas,  Endothels  und  Epithels  in  der  oben  geschil- 
derten Weise  nur  bei  Anwesenheit  eines  Fremdkörpers  aus 
Eisen  vorzukommen;  wenigstens  konnte  ich  Aehnliches  in 
den  Fällen,  wo  es  sich  nur  um  grössere  Blutungen  ge- 
handelt hatte,  nirgends  auffinden;  die  sich  blau  färbenden 
Zeilen,  die  man  hier  in  der  Iris  fand,  schienen  fieist  alle 
Rundzellen  zu  sein,  die  gröbere  braune  Pigmentkömer 
und  Schollen  enthielten.  So  scheint  mir  im  anatomischen 
Sinne  eine  echte  „Siderosis  Iridis"  nachgewiesen. 

Sind  wir  nun  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass 
die  griinlichbraune  Färbung  der  Iris  nicht  charakteristisch 
für  Fremdkörper  aus  Eisen  ist,  so  wäre  noch  zu  erwägen, 
ob  der  wirkUch  rostbraunen  Verlärbung  diese  Bedeutung 
zukommt  Auch  diese  Frage  glaube  ich,  wenn  auch  nicht 
mit  aller  Bestimmtheit,  verneinen  zu  müssen.  Im  Falle 
Fritz  konnte  ich  mich  nach  Durchschneidung  des  Bulbus 
überzeugen,  dass  die  Iris  von  vorne  gesehen  intensiv  roth- 
braun aussah. 

Es  zeigte  sich  bei  der  Untersuchung,  dass  die  ganze  Ober- 
fläche von  einer  gleichmässigen  Lage  runder  braun  pigmen- 


lieber  Slderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  Igl 

tirter  Zellen  bedeckt  war.  Nun  fand  sich  zwar  in  diesem 
Auge  ein  Eisensplitter  vor,  doch  stammt  das  braune  Pig- 
ment in  jenen  Zellen  ziemlich  sicher  vom  Blute  her.  Es 
Hessen  sich  alle  üebergänge  von  Blutkörperchen  zu  diesen 
Zellen  nachweisen  und  ausserdem  finden  sich  genau  die 
gleichen  Gebilde  im  Falle  Schmid,  wo  ein  Fremdkörper 
fehlte.  Nun  kommt  zwar  bei  Fritz  reichhche  Eisenab- 
lagerung  in  den  Stromazellen  der  Iris  selbst  vor,  doch 
kann  man  mit  ziemhcher  Sicherheit  behaupten,  dass  eine  so 
regelmässige  Schicht  intensiv  brauner  Zellen  an  der  Vor- 
derfläche  intra  vitam  jede  Eigenfärbung  der  Iris  verdecken 
muss  und  klinisch  wird  es  unmögUch  sein  zu  entscheiden, 
ob  es  sich  nur  um  Auflagerung  oder  Einlagenmg  der 
braunen  Substanz  handelt  Ich  kann  daher  mit  ziemUcher 
Sicherheit  behaupten,  dass  die  rostbraune  Färbung  der 
Vorderfläche  der  Iris  im  Falle  Fritz  von  dem  Blutfarb- 
stoflF  herstammt  und  unabhängig  ist  von  dem  Vorhaivlensein 
eines  Fremdkörpers  aus  Eisen. 

Erhebhch  schwieriger  als  für  die  Iris  ist  für  die  Cor- 
nea die  Entscheidung,  ob  es  eine  echte  indirecte  „Sidero- 
sis  Corneae"  giebt,  d.  h.  ob  durch  theilweise  Auflösung 
eines  in  der  Tiefe  des  Auges  sitzenden  Fremdkörpers  eine 
Eisenablagemng  im  Gewebe  der  Cornea  und  eine  dadurch 
entstehende  Braunfärbung  der  Membran  zu  Stande  kommen 
kann.  Die  Hauptschwierigkeit,  sich  über  diese  Frage  ein 
sicheres  Urtheil  zu  bilden  ist  die  eminente  Seltenheit  ein- 
schlägiger Beobachtungen.  Völlig  auszuschalten  sind  hier 
sämmtUche  Fälle,  in  denen  es  zu  einer  selbst  ausgedehnten 
gelbbraunen  Färbung  um  einen  in  der  Hornhaut  selbst 
sitzenden  EisenspKtter  kommt.  Nur  von  der  „indirecten 
Siderosis"  ist  hier  die  Rede.  Nun  habe  ich  unter  der 
grossen  Zahl  von  Veröffentlichungen  über  im  Bulbus  sitzende 
Eisensplitter  ausser  den  beiden  Fällen  von  Bunge  nichts 
dahin  Gehöriges  auffinden  können.  Sollte  mir  eine  Mit- 
theilung entgangen  sein,  so  würde  das  nichts  an  der  That- 


182  C-  ▼•  Hippel. 

Sache  ändern,  dass  die  ,,indirecte  Siderosis  Corneae'^  zu 
den  seltensten  Erscheinungen  gehört.  Mein  erster  Fall 
Albrecht  wäre  als  die  dritte  dahin  gehörige  Beobachtung 
anzuführen.  In  der  kurzen  Mittheilung  von  Landmann, 
der  den  Fall  schon  verwerthet  hat,  wird  das  braune  Pigment 
in  der  Hornhaut  vom  Blutfarbstoff  abgeleitet  und  der  da- 
maligen Anschauung  gemäss  als  Hämatoidin  bezeichnet 
Nicht  so  ganz  selten  kommt  es  zu  einer  hämatogenen  Pig- 
mentirung  der  Hornhaut  im  Gefolge  von  grösseren  Blu- 
tungen; das  dabei  gebildete  Pigment  ist  anatomisch,  wie 
Bunge  hervorhebt,  nicht  mit  Sicherheit  von  dem  „sidero- 
tischen^'  zu  unterscheiden.  Er  sah  als  einzigen  Unterschied 
eine  viel  schwerere  Löslichkeit  des  ersten  in  5  ®/oiger  Salz- 
säure. Er  legt  deshalb  den  Hauptwerth  auf  die  klinische 
Unterscheidung  und  hebt  hervor,  dass  die  siderotische  Pig- 
mentirung  rostfiarben,  die  hämatogene  orangeroth  oder  griin- 
lichroth  aussieht  Ich  möchte  an  dieser  Stelle  bemerken, 
dass  ich  unter  „rostfarben'^  gelbbraun  oder  röthlichbraun 
verstehe.  Bunge  braucht  für  die  siderotische  Pigmentirung 
die  Ausdrücke  rostÜEirben,  rostbraun,  rothbraun,  dunkelbraun 
durcheinander;  dunkelbraun  ist  doch  aber  entschieden  nicht 
rostfarben;  femer  kann  ich  mir  keine  rechte  Vorstellung 
von  dem  Begriffe  „grünüchroth"  machen.  Ich  erwähne  das 
nur,  weil  mir  eine  scharfe  Begriffsbestimmung  nothwendig 
scheint,  wenn  man  eine  Färbung  zu  differentialdiagnosti- 
schen Zwecken  verwerthen  will. 

Die  Anschauung,  zu  der  ich  über  die  sichere  diagnosti- 
sche Verwerthbarkeit  der  rostfarbenen  Verfärbung  der 
Iris  gelangt  bin,  zwingt  mich  dazu,  derselben  zimächst  auch 
für  die  Cornea  keine  absolute  Beweiskraft  zuzuerkennen. 

Es  scheint  mir  von  Wichtigkeit,  ob  die  Cornea  in  den 
3  angegebenen  Fällen  vascularisirt  war;  wenn  ja,  so  wäre 
die  Möglichkeit  einer  hämatogenen  Pigmentirung  einleuchtend. 
In  den  beiden  Bunge 'sehen  Fällen,  der  klinischen  Be- 
obachtung sowie  der  anatomischen  Untersuchung,  ist  von 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  Ig3 

Yascalarisation  nichts  erwähnt  Das  Fehlen  von  Gefässen 
scheint  mir  deswegen  aber  noch  nicht  vollkommen  sicher. 
Im  Falle  Albrecht,  der  wiederholt  von  berufenster  Seite 
intra  vitam  untersucht  wurde,  war  die  reichliche  Vasculari- 
sation  nicht  zu  diagnosticiren  gewesen.  Trübungen  der 
Cornea  können  feine  in  den  tieferen  Lagen  verlaufende 
Grefasse  eben  ausserordentUch  verdecken.  Noch  kürzlich 
konnte  ich  mich  bei  der  anatomischen  Untersuchung  zweier 
mit  parenchymatöser  Keratitis  behafteter  Augen  davon 
überzeugen,  dass  der  Gefässreichthum  ein  viel  grösserer 
war,  als  man  während  des  Lebens  hätte  annehmen  soUen. 
Bei  der  anatomischen  Untersuchung  Bunge 's  kann  die 
Kürze  der  Mittheilung  (Vortrag  auf  dem  intemat  Congress) 
Schuld  daran  sein,  dass  der  Verfasser  eine  Gefässneu- 
bildung,  die  ihm  vielleicht  unwichtig  erschien^  nicht  beson- 
ders erwähnt  hat  Natürlich  ist  das  nur  eine  Möghchkeit, 
die  ich  hierdurch  andeute.  Nun  liegt  freiUch  der  Einwand 
sehr  nahe:  welchen  besonderen  Werth  soll  in  dieser  Frage 
die  Vascularisation  beanspruchen?  Giebt  es  doch  unend- 
lich viele  Fälle  von  Vascularisation  der  Hornhaut,  in  welchen 
es  nicht  zu  hämatogener  Pigmentinmg  kommt  Mit  dem 
gleichen  Becht  kann  man  aber  erwidern:  Wie  häufig  sind 
Eisensplitter- Verletzungen  mit  Verweilen  des  Sphtters  im 
Auge  und  wie  selten  die  Braunfärbung  der  Cornea!  Wo- 
her man  also  auch  das  eisenhaltige  Pigment  in  der  Horn- 
haut herleiten  will,  immer  muss  man  zur  Erklärung  noch 
einen  bisher  unbekannten  Factor  heranziehen. 

Im  Falle  Albrecht  war  nun  die  Cornea  sehr  geläss- 
reich.  2  Gründe  bestimmen  mich  das  in  diesem  Falle  ge- 
fandene  Kgment  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  vom  Blute 
abzuleiten:  einmal  die  Anordnung  desselben  längs  den  er- 
fassen. Zweitens  die  Thatsache,  dass  bei  Anwendung  der 
Eisenreaction  nur  ein  Theil  der  Kömchen,  allerdings  der 
weitaus  grössere,  die  Blaufärbung  annimmt,  während  ein 
kleinerer  bpraon  bleibt    Nach  36  stündiger  Behandlung  mit 


184  E.  V.  Hippel. 

verdünnter  Salzsäure  bleiben  noch  braune  Kömchen  zu- 
rück, während  allerdings  der  grösste  Theil  verschwunden 
ist  Dies  Verhalten  habe  ich  mehr  oder  weniger  ausge- 
sprochen bei  allem  hämatogenen  Pigment  feststellen  können. 
Es  ist  aber  schwer  sich  vorzustellen,  wie  braunes  Pigment, 
das  von  einem  EisenspHtter  aus  entsteht,  die  Perls'sche 
Beaction  ablehnen  soll. 

Es  ist  hier  der  Ort,  noch  in  Kürze  auf  die  Beobach- 
tungen einzugehen,  die  über  Pigmentirung  der  Cornea  ge- 
macht worden  sind;  ich  kann  dieselben  vermehren  durch 
die  Mittheilung  eines  Falles,  den  ich  hier  nur  kurz  ver- 
werthen  will,  da  ich  ihn  wegen  seiner  Merkwürdigkeit  aus- 
führlicher an  anderer  Stelle  bekannt  geben  möchte. 

Da  ich  nur  auf  die  Pigmentirung  Werth  lege,  so  ver- 
zichte ich  darauf,  die  wenigen  kUnischen  Beobachtungen 
über  grössere  Comealblutungen  zusammenzustellen;  ich  ver- 
weise in  dieser  Hinsicht  auf  die  Arbeit  von  Vossius  über 
die  grünliche  Venärbung  der  Cornea.  Nur  den  Fall  von 
Schmidt-Rimpler^),  möchte  ich  kurz  berühren;  es  be- 
stand ein  vernarbter  Irisvorfall  und  starker  Pannus;  ent- 
fernt von  dem  Prolaps  entstand  eine  grössere  Comeal- 
blutung;  am  dritten  Tage  punktirte  Schmidt-Bimpler 
dieselbe  und  fand  in  dem  mit  einem  feinen  Spatelchen  her- 
vorgeholten Gewebe  stark  veränderte  Blutkörperchen  und 
feine  gelbUche  Pigmentkömehen,  „die  jedenfalls  nicht  aus 
Blut£eu:bstoff  entstanden  sind,  da  das  Pigment  der  Iris  in 
der  Nähe  ist".  Da  ausdrückUch  erwähnt  wird,  dass  die 
Blutung  eine  Strecke  weit  von  dem  Prolaps  entstand,  muss 
ich  der  umgekehrten  Auffassung  die  grössere  Wahrschein- 
Uchkeit  beimessen. 

In   von  Ammon's*)  Atlas    ist  in   einem   Falle   von 

»)  Zehender's  Monatsbl.  Bd.  XIII,  S.  317. 

*)  Illustrirte  path.  Anatomie  der  menschl.  Cornea,  Sklera,  Gho- 
rioidea  und  der  optischen  Nerven,  von  Dr.  Fr.  v.  Ammon.  Nach 
des  Verfassers  Tode  herausgegeben  von  Warn  atz..  Leipzig  1862. 


Ueber  Sideroüs  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  185 

parenchymatöser  Keratitis  mit  starker  Yascularisation  yod 
„Triibungen  von  bald  fettiger,  bald  pigmentöser,  bald  plas- 
tischer Natur'^  die  Bede.  Nur  der  Vollständigkeit  halber 
sei  dieser  Beobachtung  kurz  gedacht. 

Hirse  hie  r^)  hat  dann  2  Fälle  mitgetheilt^  wo  es  im 
Besorptionsstadium  von  parenchymatöser  Keratitis  zur  Ab- 
lagerung von  kohlschwarzem  Pigment  im  Parenchym  der 
Hornhaut  gekommen  war.  Dieses  Pigment  fand  sich  im 
Centrum  der  Cornea,  wo  vorher  starke  Gefässbildung  vor- 
handen gewesen  war.  ,,Die  Mitte  des  Fleckes  ist  bald 
tie&chwarzy  umgeben  von  einem  rostbraunen  oder  tief- 
rothen  Hofe,  bald-  wieder  ist  die  Mitte  weniger  saturirt  als 
die  Peripherie  und  spielt  dann  in's  Rostbraune,  wodurch 
der  ganze  Fleck  einem  unregelmässigen  Binge  gleicht'^ 
Die  Entstehung  des  Pigmentes  wird  erklärt  durch  Comeal- 
blutungen  aus  den  neugebildeten  Gefässen  und  Umwand- 
lung des  Blutfarbstoffes;  es  ist  für  mich  wichtig  festzustellen, 
dass  ein  Theil  des  Pigmentes  rostfarben  aussah. 

Der  Deutung,  die  Hirschler  für  die  Entstehung  des 
Pigmentes  gegeben,  tritt  Bitter')  sehr  entschieden  ent- 
gegen. Er  beobachtete  in  einem  Falle  von  Iritis,  in  welchem 
die  Synechieen  dunkelschwarz  aussahen,  in  der  diffus  ge- 
trübten Hornhaut,  die  angebUch  nicht  vascularisirt  war, 
hinter  den  getrübten  Schichten  gelegene  schwarze  Pigment- 
flecken. Er  erklärt  dieselben  durch  Einschwemmung  von 
gewucherten  Pigmentzellen  der  Iris,  welche  durch  die 
intakte  Descemet 'sehe  Mem|)ran  eingedrungen  waren  und 
will  die  Beobachtungen  Hirschler 's  in  derselben  Weise 
erklären. 

Die  Unrichtigkeit  seiner  Annahme  bedarf  nach  unse- 
ren heutigen  Anschauungen  keines  Beweises.  Ausserdem 
ist  seine  Beobachtung  höchst  mangelhaft,  es  lag  eine  Yer- 


»)  HirBchler,  v.  Graefe's  Archiv  Bd.  XVIII,  S.  186. 
*)  Ritter,  Zehender's  Klin.  Monatsbl.  Bd.  X,  S.  303. 


186  E.  V.  Hippel. 

letzung  mit  einer  Ähre  vor,  wahrscheinlich  handelte  es 
sich  also  um  eine  abgelaufene  Hypopyon-Keratitis  mit  cen- 
traler Perforation  imd  Einlagerung  von  etwas  Irispigment 
in  die  Narbe,  keinesfedls  ist  Ritter  berechtigt  auf  Grund 
einer  so  ungenauen  Beobachtung  die  Angaben  Hirsch- 
ler's  in  Zweifel  zu  ziehien. 

Bei  Thieren  soll  eine  solche  Pigmentirung  der  Cor- 
nea nach  den  Angaben  Schimmel's  (citirt  in  de  Jager's') 
Arbeit  über  Pigmentbildung  in  der  Cornea)  häufiger  sein, 
besonders  beim  Hunde  findet  sie  sich  im  Verlaufe  einer 
diffusen  Keratitis,  die  mit  Yascularisation  einhergeht  und 
offenbar  der  Keratitis  parenchymatosa  des  Menschen  sehr 
ähnlich  ist;  es  entstehen  dann  pechschwarze  Stellen  in 
der  Cornea. 

De  Jager  fand  bei  einem  Hunde,  dessen  Cornea  Gre- 
fassbildung  und  zelUge  Infiltration  zeigte,  in  der  Mitte  der 
Hornhaut  Pigment,  das  in  den  oberflächlichen  Schichten 
der  Membran  theilweise  sicher  in  Zellen  lag.  Das  Epi- 
thel war  firei  davon.  Bei  einem  zweiten  Hunde  fand  es 
sich  sowohl  in  der  Cornea  selbst  als  im  Epithel  Bei 
einem  Kaninchen,  dem  durch  Einbringen  eines  StUck- 
chen's  tuberculöser  Lunge  in  die  vordere  Kammer  eine 
heftige  Keratitis  erzeugt  wurde,  fanden  sich  nach  einem 
Jahre  pigmentirte  Stellen  in  der  Cornea,  das  Pigment 
lag  nur  im  Epithel.  Der  Verfasser  schliesst  aus  diesen 
Beobachtungen,  dass  das  Pigment  im  Grewebe  der  Cor- 
nea gebildet  und  durch  Wanderzellen  in's  Epithel  ver- 
schleppt wurde,  entsprechend  der  Annahme  Aeby's*), 
dass  im  Epithel  selbst  nie  Pigment  gebildet  wird.  Er  be- 
trachtet seine  3  Beobachtungen  als  3  verschiedene  Stadien 
desselben  Processes.  Die  Pigmentirung  der  Grundsubstanz 
mag  durch  Blutungen  entstanden  sein.     Die  Deutung  der 


»)  Virchow'8  Archiv,  Bd.  101,  S.  198. 

•)  Centralblatt  f.  d.  med.  Wissensch.  1885,  Nr.  16. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  187 

Pigmentbildang  im  Epithel  bei  dem  Kaninchen  halte  ich 
für  unzutreffend.  Mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  handelt 
es  sich  da  um  einen  analogen  Vorgang,  wie  ihn  Leber 
bei  Einfuhrung  entztindungerregender  Substanzen  in  die 
vordere  Kammer  wiederholt  beobachtet  hat.  Er  hat  die 
Pigmentirung  des  Comealepithels  erklärt  durch  Vorrücken 
des  normalen  Pigmentsaumes  in  Folge  von  Proliferation 
der  randständigen  Epithelien.  Dabei  kann  für  das  blosse 
Auge  ein  Zusammenhang  der  pigmentirten  Stelle  in  der 
Cornea  mit  dem  pigmentirten  Bande  fehlen.  Ob  diese  Er- 
klärung nicht  auch  für  die  zweite  Beobachtung  de  Jager's 
beim  Hunde  zutrifit,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden,  da 
ich  keine  ErfiEduimg  darüber  besitze,  ob  ein  solcher  Pig- 
mentsaum wie  beim  Kaninchen  beim  Hunde  niemals  vor- 
kommt 

Beim  Menschen  kommt  noch  eine  eigenthümliche  grün- 
liche Verfärbung  der  Cornea  vor,  die  zum  ersten  Male  von 
Baumgarten ^)  beschrieben  wurde.  Dieselbe  ÜEind  sich  an 
emem  Auge,  das  ^/4  Jahre  vor  der  Enucleation  durch  ein 
Tnrama  erblindet  war.  Sie  beruhte  auf  der  Einlagerung 
eigenthümlicher  glänzender  Gebilde,  die  man  damals  nicht 
mit  Sicherheit  zu  deuten  wusste,  die  später  von  Leber  als 
Fibringerinnungen  erkannt  worden  sind. 

Zwei  weitere  Fälle,  in  denen  die  grünliche  Verfärbung 
während  des  Lebens  aufgefiallen  war,  sind  von  Vossius*) 
mitgetheilt  worden.  Beide  Male  bestanden  hochgradige 
intraoculare  Blutungen  im  Gefolge  von  Verletzungen,  die 
vordere  Kammer  war  von  Blut  erfüllt 

In  der  Cornea  waren  neugebildete  Gefässe  vorhanden, 
im  ersten  Falle  in  den  centralen  Parthieen  nur  spärUch. 
Es  wurden  jene  schon  im  Baumgarten'schen  Falle  ge- 
sehenen feinen  glänzenden  Gebilde,  sowie  reichliche  in  den 


>)  V.  Graefe's  Archiv  Bd.  XXIX.  3.,  S.  134. 
*)  V.  Graefe's  Archiv  Bd.  XXXV.  2.,  S.  207. 


188  E-  V.  Hippel. 

Homhautzellen  liegende  ,,Hämo8id6rmkömcheii''  gefunden. 
Bei  Anwendung  der  Quincke 'sehen  Beaction  färbte  sich 
die  ganze  Hornhaut  grünlich,  ebenso  die  Hämosiderin- 
kömchen,  während  jene  eigenthümUchen  Gebilde  unverändert 
bUeben.  Die  Perls'sche  Beaction  hatte  ein  negatives  Re- 
sultat Da  uns  hier  nur  das  kömige  Pigment  interessirt, 
brauche  ich  auf  jene  glänzenden  Gebilde  nicht  weiter  ein- 
zugehen. Das  Pigment  wird  abgeleitet  aus  Hämorrhagieen 
in  die  Cornea,  die  durch  Berstungen  des  Leb  er 'sehen 
Yenenplexus  entstanden  sein  sollen.  Die  grünliche  Ver- 
färbung wird  aus  der  Aufiiahme  von  BlutfarbstoflF  in  die 
Hornhaut  erklärt  Ein  Analogen  ist  eine  grünlich- gelbe 
Verfärbung  eines  Theiles  der  Hornhaut  durch  hineindiffun- 
dirten  Blutfarbstoff  an  einer  Stelle,  wo  sich  eine  subcon- 
junctivale  Blutung  bis  an  den  Homhautrand  erstreckt,  wo- 
rauf Czermak^)  aufinerksam  macht 

Aus  der  Bunge 'schen^)  Arbeit  erfahren  wir  nun,  dass 
er  einen  Fall  von  zweifellos  hämatogener  Pigmentirung  der 
Cornea  untersucht  hatte,  in  welchem  das  mikroskopische 
Bild  der  Pigment-Einlagerungen  sich  genau  in  derselben 
Weise  darstellte,  wie  bei  der  echten  „Siderosis  Bulbi". 
Die  Quincke 'sehe  Beaction  fiel  positiv,  die  Perls'sche 
negativ  aus.  Nach  24  stündiger  Behandlung  mit  verdünnter 
Salzsäure  war  der  grösste  Theil  des  Pigmentes  unverändert 
Wie  die  Cornea  im  Leben  ausgesehen  hatte,  erCahren  wir 
nicht 

Meine  eigene  Beobachtung  hochgradiger  hämatogener 
Pigmentirung  der  Cornea  betrifft  folgenden  Fall: 

Ein  Auge,  das  Herrn  Prof.  Leber  vor  vielen  Jahren  von 
Oberstabsarzt  Dr.  Hahn  aberlassen  warde,  war  wegen  recidi- 


^)  Czermak,  Allgemeine  Semiotik  und  Diagnostik  der  Augen- 
erkrankungen.   1889.    S.  101. 

*)  Ueber  Siderosis  Bulbi.  Verhandl.  d.  internationalen  med. 
Congresses  zu  Berlin. 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  Igg 

Yirender  Entzfindang  mit  Dracksteigerung  uud  grosser  Schmerz- 
haftigkeit  enncleirt  worden. 

Die  Ursache  fttr  die  enormen  Blutungen,  die  sich  auf 
dem  Durchschnitt  in  concentrischen  Lagen  präsentirten,  wurde 
erst  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  aufgefunden.  Es 
war  im  vorderen  Theile  des  Bulbus  ein  Sarkom  nachweisbar, 
dessen  Zellen  grossen  Theils  degenerirt  und  aus  dessen  dann- 
wandigen  Gefftssen  die  Hämorrhagieen  entstanden  waren.  Da 
ich  auf  die  genaueren  Verhältnisse  dieses  Auges  an  anderer 
Stelle  eingehen  möchte,  beschränke  ich  mich  auch  hier  auf  die 
ausf&hrliche  Schilderung  des  Befundes  an  der  Cornea.  Das 
Epithel  zeigt  ausser  schlechter  Färbbarkeit  der  Kerne  keine 
Besonderheiten.  Die  Bowman'sche  Membran  ist,  wo  sie  vor- 
handen, Ton  den  basalen  Epithelzellen  abgedrängt  durch  eine 
ziemlich  breite  Lage  eines  zellenreichen  und  gef&sshaltigen 
Bindegewebes,  welches  die  Glaslamelle  auch  öfters  in  ihrem 
Verlauf  auf  kurze  Strecken  unterbricht  Feine  glänzende  gelb- 
liche Körnchen  sind  in  grosser  Menge  in  die  Zellen  dieses  Ge- 
webes eingelagert.  In  der  Grundsubstanz  der  Hornhaut  ver- 
laufen zahlreiche  kleine  und  grössere  Gefösse  mit  sehr  dttnner 
Wandnng,  in  die  Hornhautzellen  und  ihre  Ausläufer  sind  un- 
zählige Pigmentkörnchen  eingelagert,  welche  bei  schwacher  Ver- 
grösserung  die  Hornhaut  wie  von  schwarzen  Reihen  durchsetzt 
erscheinen  lassen.  In  den  tiefsten  Comealschichten  des  Randes 
sieht  man  schmälere  and  breitere  Reihen  von  Zellen,  die  dicht 
an  einander  gedrängt  ihre  Form  durch  Druck  in  verschiedener 
Weise  beeinflussen;  dieselben  schieben  sich  zwischen  den  Hom- 
hautlamellen  bis  gegen  die  Mitte  vor,  sie  sind  dicht  durchsetzt 
von  massenhaften  feinen  braungelben  Körnchen.  Die  Grenze 
der  Cornea  gegen  die  vordere  Kammer  ist  keine  scharfe,  da  die 
Descemet'sche  Membran  vielfach  unterbrochen  ist,  sich  einge- 
rollt hat,  so  dass  stellenweise  fünf  Lagen  der  Membran  über 
einander  liegen,  und  da  der  Raum  der  vorderen  Kammer  von 
einer  Bindegewebsmasse  eingenommen  ist,  in  welcher  lange  wie 
spiessförmige  Krystalle  aussehende  Gebilde,  femer  zerfallene 
LeucocjTten  und  Pigmentkörner  liegen. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  förbt  sich  die  ganze 
Hornhaut  diffus  hellblau,  am  intensivsten  in  den  tieferen 
Schichten,  wo  die  Zflge  pigmentirter  Zellen  liegen.  Am  Epithel 
ist  es  sehr  auffallend,  dass  in  den  tieferen  Lagen  die  Kerne 
intensiv  blau  werden,  während  das  Protoplasma  keine  Verän- 
derung erfährt.    Alle  Zellen,  welche  mit  dem  Pigment  vollge- 


190  E.  V.  Hippel. 

pfropft  sind,  nehmen  die  BlauArbnng  an,  wieder  in  der  Weise, 
dass  das  Protoplasma  diffas  blan  wird,  während  von  den  Körn- 
chen ein  Theil,  allerdings  der  kleinere,  braun  bleibt  Lässt 
man  die  Schnitte  24  —  48  Stunden  in  verdflnnter  Salzsäure 
liegen,  so  ist  der  überwiegend  grösste  Theil  des  Pigmentes 
▼erschwunden,  während  eine  Anzahl  brauner  Kdmchen  zu- 
rückbleibt. 

Wie  diese  Hornhaut  während  des  Lebens  ausgesehen 
hat,  weiss  ich  nicht,  dass  sie  braun  gewesen  ist,  kann  nicht 
zweifelhaft  sein,  ob  freilich  rostbraun  oder  mehr  orange- 
farben muss  ich  dahingestellt  sein  lassen.  Die  ausser- 
ordentliche Resistenz  gegen  verdünnte  Säure,  die  Bunge 
in  seinem  Falle  von  hämatogener  Pigmentirung  der  Cornea 
fand,  fehlte  in  meinen  Präparaten,  daraus  folgt,  dass  sie 
kein  charakteristisches  Merkmal  für  hämatogenes  Pigment 
ist,  also  auch  nicht  zur  Differentialdiagnose  gegenüber  dem 
„siderotischen"  verwandt  werden  kann. 

Anatomische  oder  mikrochemische  durchgreifende  ünter- 
scheidungs-Merkmale  zwischen  beiden  Arten  der  Pigment- 
irung giebt  es  also  für  die  Hornhaut  nicht  Wenn  es 
richtig  ist,  dass  in  meinem  Falle  Albrecht  die  Pigment- 
irung der  Hornhaut  hämatogenen  Ursprungs  ist,  so  wäjte 
dem  klinischen  Merkmal  der  echten  „Siderosis",  der  rost- 
braunen Verfärbimg,  die  Bunge  besonders  hervorhebt^ 
keine  pathognomonische  Bedeutung  zuzuerkennen.  Dass 
rostbraune  Pigmentirung  der  Hornhaut  auch  aus  dem 
Blutfarbstoff  hervorgehen  kann,  lehrt  die  oben  angeführte 
Beobachtung  Hirschler's. 

Ich  kann  deshalb  nur  schliessen:  Die  Möglichkeit 
einer  indirecten  echten  „Siderosis  Corneae^^  ist  zur 
Zeit  nicht  in  Abrede  zu  stellen,  ihr  Vorkommen  ist 
aber  nicht  mit  der  nöthigen  Sicherheit  erwiesen. 

Aehnlich  hegen  die  Verhältnisse  für  die  Netzhaut,  die 
ja,  wie  wir  gesehen,  eine  grosse  Neigung  besitzt,  eisenhaltiges 
Pigment  in  diffuser  und  kömiger  Form  au£zimehmen.  Es 
ist  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Intensität  der  Eisenreaction 


Ueber  Siderosis  Bolbl  und  die  Beziehungen  etc.  191 

in  den  Augen,  die  einen  Fremdkörper  aus  Eisen  enthielten, 
im  Granzen  erheblich  grösser  war,  als  in  den  Fallen,  wo  der 
Splitter  den  Bulbus  hinten  wieder  verlassen  hatte.  Dieser 
Umstand  allein  würde  uns  aber  noch  nicht  zu  dem  sicheren 
Schlüsse  berechtigen,  dass  in  den  ersten  Fällen  der  grössere 
Theil  des  Eisens  von  dem  Fremdkörper  selbst  abstammt; 
denn  es  handelte  sich  um  Augen,  die  nach  Monaten  oder 
Jahren  enucleirt  wurden  (am  ausgesprochensten  war  die 
diffuse  Färbung  bei  Albrecht  imd  Laier),  während  in 
den  letzten  4  Fällen  nur  einige  Wochen  zwischen  der  Ver- 
letzung und  der  Entfernung  des  Bulbus  lagen.  Bunge 
betont,  dass  in  seinem  Falle  von  „Siderosis  Bulbi'^  die  Ge- 
fässe  der  Netzhaut  besondere  Beziehungen  zu  der  Aus* 
Scheidung  des  Eisens  zeigten.  Wenn  er  Stücke  der  Eetma 
in  das  Ferrocyankalium-Salzsäuregemisch  brachte,  so  ent- 
stand eine  Blaufärbung  des  ganzen  retinalen  Gefässnetzes, 
wie  bei  einer  ,4deal  gelungenen  Injection  mit  Berlinerblau^^ 
Ob  die  Ausscheidung  vorwiegend  an  Venen  oder  Arterien 
stattfiEuid,  ob  in  kömiger  Form,  ob  an  Zellen  gebunden  und 
an  welche,  darüber  erfahren  wir  nichts  Näheres.  Die  Unter- 
suchung an  Schnitten  ist  natürlich  weniger  geeignet,  eine 
Beziehung  zu  den  Gefässen  in  so  ausgesprochener  Weise 
hervortreten  zu  lassen,  indessen  konnte  auch  ich  sowohl 
in  den  ersten  7  als  in  den  letzten  4  Fällen  vielfach  fest- 
stellen, dass  kömiges  eisenhaltiges  Pigment,  an  Zellen  ge- 
bunden, um  Gefässe  angeordnet  war,  die  im  Allgemeinen 
die  Charaktere  venöser  Blutbahnen  zeigten.  Dass  aus  in- 
traocularen  Blutungen  ausgedehnte  Pigmentirung  der  Netz- 
haut hervorgehen  kann,  die  sich  an  die  Netzhautgefässe 
hält  und  lange  Zeit  nach  der  Verletzung  noch  vorhanden 
ist,  lehren  einige  Beobachtungen.  Hersing  ^)  konnte  sie 
beispielsweise  16  Jahre  nach  einem  stumpfen  Trauma  in 
grosser  Ausdehnung  ophthalmoskopisch  nachweisen. 


M  Zehender's  Monatsbl.  X,  172. 


192  E.  V.  Hippel. 

Da  die  Ausscheidimg  körnigen  eisenhaltigen  Pig- 
mentes in  meinen  Fällen,  wo  man  sie  vom  Eisensplitter 
herleiten  konnte  und  wo  sie  zweifellos  hämatogenen  Ur- 
sprungs war,  keine  durchgreifenden  Unterschiede  zeigte, 
und  nur  die  diffiise  Färbung  der  Stützsubstanz  in  der  ersten 
Beihe  erheblich  intensiver  ausfiel,  untersuchte  ich  noch 
einige  Augen,  die  lange  Zeit  vor  der  Enucleation  von  einem 
stumpfen  Trauma  betroffen  waren,  das  erhebliche  Blutungen 
nach  sich  gezogen  hatte. 

Ich  hatte  hierbei  vor  Allem  die  Absicht,  zu  entschei- 
den, ob  diffuse  hämatogene  Imbibition  mit  eisenhaltigem 
Pigment  nach  längerer  Zeit  überhaupt  bestehen  bleibt,  oder 
ob  das  Eisen  allmähUch  entweder  verschwindet  oder  in  eine 
mikrochemisch  nicht  mehr  nachweisbare  Form  übergeführt 
wird.  Die  Entscheidung  dieser  Frage  war  von  Interesse 
mit  Kücksicht  auf  die  Untersuchungen  von  M.  B.  Schmidt^), 
welcher  in  2  am  Frosch  und  am  Kaninchen  angestellten 
Versuchsreihen  den  Nachweis  erbracht  hat,  dass  an  dem 
aus  dem  Blute  entstehenden  kömigen  braunen  Pigment  die 
Eisenreaction  erst  nach  einer  gewissen  Zeit  positiv  ausfällt, 
um  später,  nachdem  sie  ihren  Höhepunkt  erreicht  hat,  all- 
mählich wieder  vollkommen  zu  verschwinden.  In  den  Ver- 
suchen am  Frosch  war  vom  70.  Tage  an  keine  Spur  von 
Blaufärbung  mehr  zu  erzielen.  Beim  Kaninchen  war  nach 
25 — 28  Wochen  der  positive  Ausfall  der  Beaction  schon 
sehr  gering,  die  Grenze,  wo  jede  Beaction  ausbUeb,  wurde 
in  den  Versuchen  nicht  erreicht 

Meine  Untersuchungsresultate  möchte  ich,  was  die 
sonstigen  pathologisch -anatomischen  Befände  betrifft,  in 
möglichster  Kürze  wiedergeben,  da  es  mir  im  Wesentlichen 
nur  auf  den  Ausfall  der  Eisenreaction  ankam. 

Fall  Xin. 
Frau  Johanna  Meyer  (aus  der  Göttinger  Klinik). 


>)  Virchow's  Archiv,  Bd.  115. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  193 

Aasgänge  einer  Verletzung  durch  Stoss  mit  dem  Hörn 
einer  Kuh  vor  3  Jahren. 

Die  Iris  ist  grünlich,  es  besteht  eine  Dialyse  nach  aussen 
oben,  Katarakt,  Phthisis  Bulbi  mit  Drnckempfindlichkeit;  daher 
wird  das  Auge  enucleirt. 

Der  Bulbus  ist  von  nnregelmässiger  Gestalt,  ausgesprochen 
pbthisisch.  Die  Betina  ist  total  abgelöst  und  liegt  in  vielen 
Falten  hinter  der  Linse.  Sie  geht  vorne  Ober  in  eine  Binde- 
gew ebsachwarte,  welche  der  Hinterfläche  der  Linse  aufliegt 
und  das  Corpus  ciliare  einwärts  gezogen  hat,  so  dass  es  voll- 
kommen abgelöst  erscheint 

Die  Hornhaut  ist  von  ungleichmässiger  Dicke,  nicht  sehr 
stark  vascularisirt  und  zeigt  vermehrten  Kerngehalt.  Der 
Torderfläche  der  Iris  liegt  eine  dünne  Schicht  eines  Gewebes 
ao^  das  viele  feinkörnig  pigmentirte  Spindelzellen  enthält.  Die 
Iris  ist  stark  verdickt,  das  beruht  im  Wesentlichen  auf  einer 
erheblichen  Verdickung  der  Gefässwandnngen;  in  verschiedenen 
Lagen  der  Iris,  besonders  vor  der  Pigmentschicht,  kommen 
viele  theils  runde,  theils  stark  verästelte  mit  braunen  Körnern 
gefüllte  Zellen  vor.  Das  Pigmentepithel  ist  sehr  unregelmässig, 
zum  Theil  zerfallen,  die  schwarzen  Pigmentmassen  liegen  in 
der  Iris  sowie  in  einer  Bindegewebeschicht,  welche  den  Raum 
der  hinteren  Kammer  einnimmt.  In  der  Iris  liegen  vereinzelte 
knötchenförmige  Anhäufungen  von  Bundzellen.  Der  abgelöste 
Ciliarkörper  zeigt  hochgradige  cyklitische  Veränderungen.  Die 
Linse  ist  kataraktös.  In  der  cyklitischen  Schwarte  liegen 
massenhafte  dunkelbraun  pigmentirte  Zellen  von  sehr  verschie- 
dener Gestalt.  Die  Choroidea  ist  enorm  verdickt,  besonders 
in  ihrem  hinteren  Abschnitt;  hie  und  da  kommen  knötchen- 
förmige Anhäufungen  von  Rundzellen  darin  vor.  Das  Pigment- 
epithel der  Retina  fehlt  grossen  Theils,  vielfach  sieht  man 
Drusenbildungen  an  der  Glaslamelle.  Die  abgelöste  Netzhaut 
ist  hochgradig  degenerirt,  braun  oder  schwärzlich  pigmentirte 
Zellen  kommen  ziemlich  reichlich  in  der  Netzhaut  vor,  theil- 
weise  deutlich  angeordnet  um  die  Gefässe.  Anhäufungen  rother 
Blutkörperchen  sind  nirgends  aufzufinden. 

Die  Eisenreaction  hat  folgendes  Ergebniss: 

Das  ganze  Stützgewebe  der  Retina  wird  deutlich,  zum 
Theil  sehr  intensiv  blau,  fast  sämmtliches  körnige  Pigment  in 
der  Netzhaut  wird  dunkelblau.  Die  meisten  in  der  cyklitischen 
Schwarte  gelegenen  Körner  werden  blau,  daneben  bleiben  auch 
braune  Kömchen  nachweisbar,  viele  pigmentirte  Zellen  bleiben 

T.  Qnefe'i  Arcbiv  fOr  Ophtlialmologle.  XL.  1.  13 


194  E.V.  Hippel. 

vollkommen  braun.  Das  Epithel  der  Ciliarfortsfttse  wird  diffaa 
blau,  das  Pigmentepithel  der  Retina  nnr  theilweise,  besonders 
da,  wo  es  die  Dmsender  Ghislamelle  Aberzieht  In  der  Gho- 
roidea  kommen  Vereinzelte  blau  gefärbte  Zellen  vor.  In  der 
Iris  ist  die  Blaufärbung  am  ausgesprochensten  in  den  hinteren 
Schichten  unmittelbar  vor  dem  Pigmentepithel  und  ist  im 
Wesentlichen  an  spindMge  pigmentirte  Zellen  gebunden.  •  Die 
meisten  braunen  Und  schwärzlichen  Körner  im  Stroma  der  Iris 
bleiben  unverändert.  An  der  Yorderfläche  der  Iris  tHtt'in 
der  dünnen  Gewebeschioht,  die  sie  überzieht,  matte  difase 
Blaufärbung  auf. 

Eine  ganz  schwach  hellblaue  difPuse  Verfärbung  zeigt  das 
ganze  Präparat,  das  an  ungefärbten  Schnitten  ausgesprochen 
gölblich  aussieht. 

Fall  XIV. 

Herr  Soh.  (L.  Auge  aus  der  Heidelberger  Sammtaig, 
von  Dr.  Steffan  am  13.  III.  83  enucleirt  wegen  abgelaufener 
Iridochoroiditid  mit  consecutiver  Katarakt  bei  beginnender  sym- 
pathischer Entzündung  des  anderen  Auges.) 

Vor  39  Jahren  hatte  Patient  einen  Schneeballenwurf  gegen 
das  Unke  Auge  erhalten,  danach  war  nur  noch  Sehvermögen 
iii  der  äusseren  Gesichtsfeldhälfte  übrig  geblieben.  Tor  zwölf 
Jahren  bei  einem  Brande  erhielt  er  aus  einer  Spritze  einen 
Wasserstrahl  gegen  dasselbe  Auge,' das  in  Folge 'dessen  dufch 
Iridochoroiditis  mit  häufigen  Becidiven  erblindete. 

Schnitte  durch  dieses  Auge  sehen  ungeübt  intensiv  gelb- 
braun aus. 

Die  Untersuchung  ergiebt  eine  tiefe  Dmck-Exoavation, 
der  Kammerwinkel  ist  verwachsen,  Iris,  Corpus  ciliare  sowie 
Ghoroidea  sind  stark  atrophisch,  die  Retina  ist  flach  abgelöst, 
dabei  nur  in  massigem  Grade  degenerirt  Die  Gefässe  sind 
ziemlich  prall  mit  Blut  gefällt,  ausserhalb  der  Geüässe  kommen 
hier  und  da  Anhäufungen  veränderter  rother  Blutkörperchen  in 
der  Netzhaut  vor. 

Die  Eisenreaction  ^^üfl  eine  'sobwaohe  heUrgrünlich-bhiue 
Verfärbung  des-  ganzen  Schnittes  hervor. 

Intensive  diffnse  Blaufärbung  ^igt  allein  dad  Etilthel'der 
Giliarfortsätze,  das"  an  den  Stellen,  wa  ^'Sich^amdnte&slfftteu 
'  bläut,  auffi^Iend  pigmentarm  ist. 


üeber  Siderosis  Bttlbi  und  die  Beziehungen  etc.  1.95 

Fair  XV. 

(Aus  der  Heidelberger  Sammlong)  klinische  Diagnose: 
Leucoma  adhärens  totale.     Vor  13  Jahren  Verletzung. 

Ich  verzichte  hier  dar»af,  anatomische  Einzelheiten  wi^er- 
zngeben,  da  ich  den  Fall  ans  anderen  Gründen  noch  genauer 
untersuchen  möchte. 

Deutliche  diffuse  Blaufärbung  ergab  die  Eisenreaction  an 
dem  Epithel  der  Ciliarfortsfttze. 

Aus  dem  Falle  Meyer  lernen  wir  also,  dass  aus  einer 
intatocularen  Blutung  eine  nach  Jahren  noch  nachweisbare 
ffitensive  dfifiuse  Imbibition  mit  eisenhaltigem  Pigment  in  4er 
*  Stützsubstanz  >  der  Betina  entstehen  kann,  dass  femer  das 
gebil<kte  kömige  eisenhaltige  Pigment  wieder  eine  deutliche 
Beziebung  zu  den  Betinalgefassen  hatte.  Halten,  wir  dies 
mit  den  firüher  gewonnenen  Erfahrungen  zusammen ,  so 
müssen  wir  sagen:  Einen  durchgreifenden  Unterschied 
zwischen  siderotischer  und  hämatogener  Pigmen- 
tirung  der  Netzhaut  giebt  es  nicht;  da  bei  Eindringen 
eines  iSsensplitters  in<  den  Bulbus  die  Gelegenheit  zur  Ent- 
stehung von  Pigment  aus  ergossenem  Blute  £ast  immer  vor- 
liegt, so  ist  einstw^en  nicht  mit  genügender  Sicherheit  er- 
wiesen, dass  es  eine  echte  indirecte  ,,Siderosis  Retinae^  im 
•engeren  Sinne  giebt,.*  womit  ihre  iMöglichkeit  freilick  keines- 
wegs ausgeschlossen  ist  i  iDe»  Weiteren  geht  aus  den  letz- 
ten drei  Fällen  hervor,  dass  eine  diffuse  hämatogene  Hg- 
mentirong  mit  einer  eiseoihaltigen- Substanz: sich  viele.  Jahre 
erhalten  kann,  und  auch  für  da&kräiuge  Pigment  zeigt  der 
•Fatt  Meyer,!  dass  dasselbe  noch  :nach  dreiJahrentgFÖssten 
Theils  positiven  t Ausfall  •  der  Eisemreaction'  :ergiebt  Es 
'braucht  daraus.nicht 'geschlossen. zu.  werden,  dass ^tder  Be- 
hauptung* Schmidt's  von'^der  V^gänglichkeit  deif  Eisen- 
reaction keine  allgemeine  Gültigkeit  zukonmit,  nur:. müssen 
die  zeitlichen  Grenzen  für  das  vTerschwdnden  der  Jleaotion 
äusserst  verschieden  sein  je  nach  dem  Ortj..an>  welchem  der 
Blutei^nss  stattgefunden  hat.    Dass'  die  Beaotion  am  .Auge 

13* 


196  E.  V.  Hippel. 

noch  nach  so  langer  Zeit  positiv  ausfällt,  würde  seine  Er- 
klärung darin  finden,  dass  Glaskörper-Blutungen  im  All- 
gemeinen sehr  langsam  resorbirt  werden  und  dass  man 
noch  nach  sehr  langer  Zeit  unveränderte  Blutkörperchen 
antriffL 

Ueberblicken  wir  noch  einmal  die  bisher  gewonnenen 
Besultate,  so  müssen  wir  ims  sagen:  wir  können  bis- 
her nicht  mit  der  nöthigen  Sicherheit  entschei- 
den, in  wieweit  die  Verbreitung  eisenhaltigen  Pig- 
mentes von  dem  Fremdkörper  selbst  herzuleiten 
ist,  weil  der  weitverbreitete  Eisengehalt  der  Augen, 
die  einen  Eisensplitter  enthielten,  auch  aus  dem 
Blute  abgeleitet  werden  kann.  Dass  eine  Femwirkung 
von  Seiten  des  Corpus  alienum  thatsächlich  vorkommt, 
zeigt  die  Ablagerung  einer  Eisenverbindung  unter  der  Linsen- 
kapsel in  der  Grestalt  des  charakteristischen  Kranzes  von 
braunen  Flecken.  Diese  Erscheinung  kann  aus  den  oben 
angeführten  Gründen  nicht  auf  den  Blutfarbstofi^  bezogen 
werden.  Femer  sahen  wir,  dass  wir  ein  Becht  haben,  mit 
grosser  "WahrscheinKchkeit  eine  echte  Siderosis  iridis  bei  Sitz 
des  Fremdkörpers  in  der  Tiefe  des  Auges  als  nachgewiesen 
anzusehen.  A  priori  ist  daher  anzunehmen,  dass  eine  echte 
Siderosis  auch  an  anderen  Teilen  des  Auges  vorkommen 
kann  und  dass  die  in  den  ersten  7  untersuchten  Fällen 
vorgefundene  Ausbreitung  des  Eisens  eine  Combination 
echter  siderotischer  imd  hämatogener  Pigmentirung  dar- 
stellt Diese  Auffassung  würde  sich  auch  gut  mit  der 
Thatsache  in  Einklang  bringen  lassen,  dass  die  Blaufärbung 
in  diesen  Fällen  durchschnittlich  erhebhch  intensiver  war. 
als  in  solchen,  wo  lediglich  hämatogene  Pigmentinmg  statt- 
gefunden hatte.  Um  ein  klareres  Urtheil  darüber  zu  ge- 
winnen, in  welcher  "Weise  der  Fremdkörper  seine  Fem- 
wirkung bei  Ausschluss  hämatogener  Pigmentirung  geltend 
machen  kann,  musste  der  "Weg  des  Experimentes  beschritten 
werden.    Brachte  man  einen  Fremdkörper  aus  Eisen  in  die 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  et€.  197 

vordere  Kammer,  oder  in  die  linse,  oder  schob  man  ihn 
durch  Hornhaut  und  linse  so  weit  vor,  dass  er  in  den 
Glaskörper  ragte,  so  liessen  sich  bei  der  nöthigen  Vorsicht 
Blutungen  mit  Sicherheit  vermeiden.  Nicht  immer  war 
dies  möglich,  wenn  man  ihn  durch  die  Sklera  in  den  Glas- 
körperraum einführte.  Indessen  Hess  sich  auch  da  ein 
sicheres  Urtheil  darüber  gewinnen,  ob  der  beobachtete  Eisen- 
gehalt vom  Fremdkörper  stammte,  mittels  des  Control- 
Yersuches,  wenn  man  Blut  in  den  Glaskörper  injicirte  und 
die  Resultate  beider  Versuchsreihen  mit  einander  verglich, 
üeber  die  Ergebnisse  der  angestellten  Experimente 
soU  nun  im  Folgenden  berichtet  werden. 

n.  Theü.    Die  Experimente. 

Bevor  ich  auf  die  Einzelheiten  meiner  experimentellen 
Untersuchungen  eingehe,  möchte  ich  über  die  Technik 
einige  Worte  vorausschicken. 

Die  Fremdkörper  aus  Eisen,  die  ich  zur  Einführung 
in's  Auge  benutzte,  waren  die  lanzenförmigen  Spitzen  von 
Präparimadeln,  meist  6  mm  lang;  für  einige  Versuche  liess 
ich  mir  solche  von  12  mm  Länge  herstellen;  dieselben 
wurden  scharf  geschliffen,  so  dass  sie  bequem  mit  Hülfe 
einer  anatomischen  Pincette  in  den  Bulbus  eingestochen 
werden  konnten.  Vor  der  Einführung  wurden  sie  in 
2®/oiger  Carbolsäure  längere  Zeit  desinficirt  und  dann  mit 
sterilisirter  Watte  getrocknet 

Die  Blut-Injectionen  führte  ich  in  folgender  Weise  aus: 
an  den  betreffenden  Kaninchen  wurde  eine  Jugularvene 
frei  gelegt  und  aus  derselben  Blut  in  eine  stenhsirte 
Pravaz'sche  Spritze  gezogen.  Die  vordere  Kammer 
wurde  dann  mit  einer  anderen  Ansatznadel  der  Spritze 
punktirt,  das  Kammerwasser  abgelassen  und  dann  das  Blut 
injicirt  Zog  man  die  Canüle  vorsichtig  und  langsam  her- 
aus, so  liess  es  sich  erreichen,  dass  der  grösste  Theil  des 
Blutes  in  der  vorderen  Kammer  blieb.     In  den  Glaskörper 


19»  E./e.  Hippolv 

wurde  die  Injceticm' in  deirtWieise)  gemacht^  dass  ich(er8t> 
eiD6  Oanöle  möglichst  weit  nach  ^  hinten,  umii  eine  Y&m 
lelixmg  :der  Liitse  zui  vennciden,  in  den  luxirtea  Bulbus 
eingtiessj  dann  mit  einer  Lanze  •  die  vordere  Kammer  p^mk* 
tirte*und  das  Kammerwasser-i  abfliess^n  -  liees,  um  .  dann 
escUiob«  unter  zienlich  starke»  Dkncke  das  :Blut.  in-  des. 
Glaskirper  2u<injicireB^i' 

Diei  Versuche  bUeben  II  alle  voUkemmen  aseptisch  >  bis. 
a«(t  eines  einzigen,  wo  ich  einen 'Fremdkörper  in  die  vordere 
Ekimner  einführte ;  dass^  hier  •  eine  geringfügige  Infection 
vorgekömmeai,  schlösse  ich  ans:  einem';  seia  unbedeutenden 
Hypopyon,  das  ichi  bei  ^  der.  anatomischen  Untersuchung 
entdeckte. 

Bei  der  Schilderung*  der  Yersucfasresultate  werde  ich 
es^^bstverständlich  vermeiden,  die  gesammten  Protokolle 
wiederzugeb^  und  mich  darauf  beschränken,  die  typisch- 
sten Fälle  ausführlicher  zu  bdiandelnw.  Im  Allgemeinem 
werde  ich  mich  auch  in  der  Beschreibung  der  während 
dee  Lebens  beobachteten  Erscheinungen  kurz  fassen,  da  ich^ 
wemgstent'-was  ^die  Yeisuche  mit  Fremdkörpern  aus  Eisen 
anlangt^'  mm i alles  wiederholen  kann;  was  Leber  .in  seinem 
Wlßrke  über  die«  Entzündung  ausfiihriicher  daiigestellt  hat 
Den'Hauptwerth  werde  ich  legen  auf  die  Schilderung  :der 
durch  die  anatomische  und  besonders  mikrochemische  üoi'- 
tersuchung  festgestellten:  Befunde; 

Fremdkörper  ans  Eisen  in.  der  vorderen  Kammer. 
(12.  Versuche.) 
Mib! zwei 'Ausnahmen  wurden  diese  Versuche  an  albi^. 
notischen  Thieren'  ang^tellü 

Der  Efaigijff.'waide  reifllos  erte*agen;  ausser,  einer  ge**' 
ringftigigenitinjeclion.  wnr;  keine  Beaotion  bemerkbar.  Im 
denf  vollkommen  gelungenen  Versuchen  t  senkte  sich*  der 
fV*emdkörper  r  auf  •  den  t  Boddn  der '  vorderen  Kammer;  einige 
Male  bei  kleineren  Thieivn  bertthi^  die-Spitze^die  Innen^- 


üeber  Siderosis  Bulbi  u^d.die  Beziehungen  etc.  199. 

flS^e  der  Oorohaut,  eb^  d99  stui^pfe  Eiicle  di^  ganze 
Dicke  der  Cornea  dtmchdrungeQ  haMe;  es  gelang  dann 
mcht  de^  Splitter  vollkommen  in  die  vordere  Kammer 
hineinzubringen;  das  stampfe  Ende  blieb  in  den  innersten 
L^melle^  der  Cornea  stecken.  Darüber  scblpsa  sich  di^ 
Wunde,  in. den. folgenden  Tag^  entwicjscilte  sich  eisk  kleinem 
GrdEassbüschel  vom  Bande  zi|  dieser  Stelle  hin,  der  Spitze 
des  Fremdkörpers  entsprechend,; entstand,  eine  feine  drcum- 
seripte  Trübung. 

Da  es  mir  darauf  ankam,  frühe  Stadien  zu  imter- 
suchen,  weil  man  bei  diesen  relativ  einfache  Verhältnisse 
erwfui«n .  konAte,  wurden  die.  Versuche  im  Ganzen  früh 
unterbrochen;  sie.  erstrecken  sich  auf  einen  Zeitrauin  von 
1 — 14  Tagen.  Einige  dieser  Versuch$augen  wurden  in 
Müller 'scher  Flüssigkeit  gehärtet^  die  meisten  jedoch  in 
absolutem  Alcohol,  um  sie  rasch  schnittfahig  zu  machen. 
Es  trat  dabei  natürlich  starke  SchrumpAmg  ein,  die  linse 
musste  aus  diesen  Augen  entfernt  werden,  weil  sie  durch 
deUii Alcohol  steinhart  wird,  die  Besultate.der  Eisenreaction 
wunden  in  keiner  Weise  beeinträchtigt.  Obgleich  ich 
aus-  der  Untersuchung  menschlicher  Augen,  die  einen 
fVemdkörper  aus  Eisen  enthielten,  keinen  Grund  zu  der 
Annahme  gewonnen  hatte,  dass  in  den  Härtungsflüssig- 
keiten noch  eine  weitere  Verbreitung  des  Eisens  stattfii^det, 
wandte  ich  doch  die.  Vorsicht  an^  regelmässig  sofort  nach 
der«  Enudeation  durch  einen  Einstich  in  die  Cornea  den 
IV^mdkßrper  zu  entfernen. 

Wie  es  Leber  geschildert  hat,  ist  der  IVemdkörper 
scbpn  am  nächsten  Tage  z\un.  Tbeil  von  I^rin  eingehüllt;^. 
dai^.e9iQ.. bräunliche  Färbung  besitzt;  nach  einigen  Tfigen 
ist  1  die  Einhüllung  vollständig  und  das  Fibrin  ist  intensiv 
braun  gefärbt'  Weitere  bemerkenswerthe  Erscheinungen 
waren  während  des  Lebens  nicht  zu  beobachten. 

Versuch  14..  18.  I.  93.  Eii^führung  dgr  Nadelspitze 
in  die  vordere  Kammer.    19.  I.    Enucleation.    Dauer  des  Ver- 


200  E.  V.  Hippel. 

suchs  1  Tag.    Entfernung  des  Fremdkörpers,  Härtung  in  abso- 
lutem Alcohol.     Untersuchung  an  Schnitten. 

Bei  Behandlung  der  Schnitte  mit  Ferrocyankalium  und 
Salzsäure  tritt  an  der  Hinterfläche  der  Cornea  sowie  an  der 
Vorderfläche  der  Iris  und  in  ihren  oberflächlichsten  Schichten, 
da  wo  der  Fremdkörper  angelegen  hat,  in  geringer  Ausdehnung 
diffuse  Blaufärbung  ein;  sonst  ist  nichts  zu  bemerken. 

Versuch  15.  Dauer  des  Versuchs  2  Tage.  18.  I.  Ein- 
ftthrung  des  Fremdkörpers.    20.  I.  Enucleation. 

Das  Eammerwasser  wird  mit  der  Pravaz'schen  Spritze  ab- 
gesaugt und  untersucht,  in  demselben  finden  sich  ziemlich  viele 
Leucocyten,  an  denen  bei  Zusatz  von  Ferrocyankalium  und 
Salzsäure  keine  Blaufärbung  eintritt  Nach  mehrstündigem 
Stehen  tritt  etwas  Gerinnung  in  dem  Humor  aqueus  ein.  Sal- 
petersäure erzeugt  einen  leichten  Niederschlag. 

Versuch  12.  Dauer  des  Versuchs  2  Tage.  21.  XII.  92. 
Einführung  des  Fremdkörpers.     23.  XII.  Enucleation. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  tritt  da,  wo  der  Splitter 
der  Iris  angelegen,  in  dem  angelagerten  Fibrin  und  in  den 
oberflächlichsten  Schichten  der  Iris  diffuse  Blaufärbung  ein. 
In  den  Ciliarfortsätzen  sieht  man  einige  blaue  Punkte,  von 
denen  nicht  ganz  sicher  zu  entscheiden  ist,  ob  sie  Verunrei- 
nigungen oder  blaue  in  Zellen  liegende  Kömchen  darstellen. 

Versuch  7.  Dauer  des  Versuchs  2  Tage.  17.  XII.  Ein- 
führung des  Fremdkörpers,  derselbe  bleibt  in  den  innersten 
Ilornhautschichten  stecken.  19.  XII.  Enucleation.  Aufschnitten 
durch  die  Hornhantwunde  sieht  man  nach  Anwendung  der 
Eisenreaction  folgendes: 

Um  den  Stichkanal  ist  die  Hornhautgrundsubstanz  auf  eine 
kleine  Strecke  diffus  blau;  darüber  hinaus  sind  in  einiger  Ent- 
fernung die  Hornhautzellen  blau  gefärbt.  In  den  innersten 
Schichten,  wo  der  Fremdkörper  gesessen  hat,  ist  die  Blaufilr- 
bung  sehr  intensiv,  in  der  vorderen  Kammer  ist  das  den  Fremd- 
körper umgebende  Fibrin  dunkelblau;  ebenso  förbt  sich  die 
Iris  in  ihrem  vorderen  Theile  da,  wo  die  Spitze  angelegen  hat. 

Innerhalb  der  Ciliarfortsätze  findet  sich  eine  Anzahl  mit 
braunen  Körnchen  erfüllte  Zellen,  die  bei  Anwendung  der  Eisen- 
reaction hellblau  werden. 

Versuch  9.  1.  XII.  92.  Einführung  des  Fremdkörpers, 
der  auf  den  Boden  der  vorderen  Kammer  sinkt.  8.  XII.  Enu- 
cleation.    Dauer  des  Versuchs  7  Tage. 


Ueber  Siderosia  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  201 

Die  untersuchten  Schnitte  entstammen  ungeföhr  der  Mitte 
des  Auges. 

Die  histologischen  Verhältnisse  bieten  nichts  Besonderes. 
Die  Eisenreaction  ergiebt  Folgendes:  Im  Kammerwinkel  kom- 
men vereinzelte  blau  gefärbte  Zellen  vor.  Innerhalb  der  Ciliar- 
fortsätze  findet  sich  eine  grosse  Menge  von  Zellen,  über  deren 
Natur  keine  näheren  Aufschiasse  zu  gewinnen  sind,  die  mit 
blauen  Körnchen  erfallt  sind  und  deren  Protoplasma  sich  zum 
Theil  diffus  blau  färbt.  Vor  Anwendung  der  Reaction  sind 
jene  Kömchen  braun.  In  der  Iris  und  an  der  Hinterfläche 
der  Hornhaut  ist  in  den  untersuchten  Präparaten  keine  Spur 
von  Blaufärbung  nachzuweisen. 

Versuch  3.  19.  XI.  92.  £infahrung  des  Fremdkörpers. 
28.  XI.    Enucleation.     Dauer  des  Versuchs  9  Tage. 

Die  Hornhaut  ist  in  der  Nähe  der  Einstichstelle  etwas 
vascularisirt  und  zeigt  vermehrten  Kerngehalt;  die  Ciliarfort- 
sätze  sind  enorm  hyperämisch,  es  handelt  sich  aber  nur  um 
Ausdehnung  der  Gefösse,  nicht  um  Austritt  von  Blut. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  ist  am  Pupillarrande 
der  Iris,  wo  der  Fremdkörper  angelegen  hatte,  intensive  Blau- 
färbung des  angelagerten  Fibrins  festzustellen,  innerhalb  des- 
selben kommen  einige  blau  geerbte  Zellen  vor.  Die  vorderste 
Schicht  der  Iris  ist  auf  einem  massigen  Abstand  intensiv  blau, 
auf  weitere  Entfernung  wird  die  Färbung  immer  schwächer, 
hält  sich  aber  stets  an  die  vordersten  Lagen  der  Iris.  Im 
Stroma  der  Membran  kommen  vereinzelte  mit  blauen  Körnchen 
erfüllte  Zellen  vor,  etwas  reichlicher  sind  dieselben  im  Kammer- 
winkel, wo  das  Maschen  werk  auch  eine  schwache  diffuse  Färb- 
ung zeigt;  ausserordentlich  reichlich  trifft  man  sie  in  den 
Ciliarfortsätzen  an.  Die  vorher  braunen  Körnchen  sind  sämmt- 
Hch  blau;  stellenweise  auch  das  Protoplasma  dieser  Zellen. 

Versuch  1.  9.  XI.  92.  Einfahrung  des  Fremdkörpers. 
19.  XI.    Enucleation.    Dauer  des  Versuchs  10  Tage. 

Ziemlich  sicher  ist  in  diesem  Falle  eine  geringfagige 
Infection  vorgekommen,  denn  es  findet  sich  starke  kleinzellige 
Infiltration  um  die  episkleralen  Gefässe  sowie  unten  im  Kammer- 
winkel eine  Anhäufung  von  Zellen  vom  Charakter  der  Eiter- 
körperchen. 

Der  Splitter  war  in  diesem  Falle  in  den  innersten  Lagen 
der  Hornhaut  stecken  geblieben;  an  dieser  Stelle  findet  sich 
in  den   Schnitten  nach  Behandlung  mit  Ferrocyankalium  und 


20a  E.  T.  Hippel, 

Salzofture  diffose  BlaoArbmig  .der  iHarDhautfibciUeii^oiRie  der 
Descemet'schen  Membran.  In  der  vorderen  Kammer  liegt  an. 
der  Stelle,  wo  der  Spötter  entfernt  ist,  reicblicbeß  bliMi  ge- 
färbtes Fibrin,  innerhalb  desselben  kojomt  auch. eine  mftssig^ 
Menge  blau  i^^ftrbter  Zellen  yoic*  In  einiger  Entfernang  vom 
Sitze  des  Fremdkörpers  ist  das  vorhandene  Fibrin  .nngeQlrbt.. 

Innerhalb  der  Anh&nfong  von  f  iterkörperdien  am,  Bpd^^D^ 
deff  vorderen  Kawner  liegen  einige  grössere  dunkelblau  gefiürbte . 
Zellen... 

Die  Iris  zeigt-  zom  Theil  an  der  ObesBiche  eine  matte, 
diffuse  Blaufärbung;  ausserdem  kommen  in :  ihr  zientieh  ^zaU- 
reiche  Zellen  vor,  welche  blaue  Eömehen  enthalten  und  zum 
Theil  diffus  blau  gefärbt  sind;  dieselben  liegen  in  j^erschiedenen 
Schichten  der  Iris,  es  Jftsst  sieb  nicht  mit,3iehei:heit  entsphe^ 
den,  ob  es  sich  um  Leucocyten  oder  um  präformirte  Gewebs- 
elemente  handelt.  In  den  Ciliarfbrtsfttzen  kommen  wieder  die* 
selben  Zellen  mit  blanen  Körnchen  vor,  jedoch  nicht  so 
reichlich,  wie:  in  den  vorigen.  Fällen.  Das«  Epithel  der  Ciliar- 
fortsätze  sowie  der  Pars  ciliaris  retinae  ist  ganz  matt  hellblau 
geworden. 

In  den  übrigen  Versuchen  waren  die  Befunde  den  an- 
gefahrten ähnlich.  In  den  bisherigen  Versuchen  ist  das  Ver- 
halten des  Epithels  der  Linsenkapsel  nicht  berücksichtigt  worden; 
dies  liegt  daran,  dass  die  Linse  mit  Kapsel  immer  entfernt 
wurde  wegen  ihrer  durch  den  absoluten  Alkohol  erzeugten 
grossen  Härte;  ich  hatte  auch,  als  ich  diese  Versuche  begann, 
noch  keine  Anhaltspunkte,  dem  Verhalten  des  Kapse)ep\the)s 
grosse  Bedeutung  beizumessen*.  2  weitere  Versuche,  in  welchen 
ich  i  meine  besondere  Aufmerksamkeit  darauf  richtete,  ergaben 
mir  folgendes  Resultat. 

Versuch  85  und  36.  2.'V.  93.  Einfahmng  eines  Fremd» 
körpers  in  die  vordere. Kaminer  beiderseits.  3.  VI.  Entfernung 
des  Fremdkörpers  nach  Enncleation  der  Bulhi.  Die  LiQsen-. 
kapvel  wurde  abgezogen  und  als  Flächenpräparat,  nach  Einlegen 
in  Ferrocyunkalium-Salzsäurjsgemischi  untersu«bt.'  An  d^  £pi- 
thelzellen  scheint  keine  Reaction  eingetreten  zu  sein,. 

Da  wo  der  Fremdkörper  dar  Kiesel  aussen. angelegen  hat, 
zeigt  sich  Blaufärbung. 

Die  Kapseln  wurden  dann  in  Cellqidin  «eingebettet  und  an 
Querschnitten  untersucht     Da  we.»md(roskepisch.Blaufiürbui»g. 
zu  sehen  war»  ist  die  Kapsel  selbst  bktu  gefärbt,  und  zwar,  am 


lieber  Siderosis  Bullai  uAd  die  Beziehungen  etc.  209 

iiileniimteii  auaen,  innen  dagegen  ganz  schwach.  Die  £pUbel- 
zaiten  sind  t vielfach  zerfiiUeft^.ihr  Kern  f&rbt  sich  mit  Alaan- 
camnn  nar-sebr  schwach. 

In  den  Zellen  des  Eapselepithels  ist  keine«  Spar  von  Blaur 
ftrbang  eingeireteiL! 

Die  Untersuchung  der  (albinotischen)  Augen,  welche 
einen  Fremdkörper  aus  Eisen  in  der  vorderen  Kammer 
enthielten,  der  stets  sofort  nach  der  Enudeation  entfernt 
wnide,  ergiebt  also  kurz  zusammenge&sst,  folgende  Aus^ 
breitnng  des  Eisens  in  einer  mikrochemisch  nachweisbaren 
Form: 

Diffuse  intensive  Blaufärbung  tritt  auf  in  den 
ianersten  Hornhautschichten,  wenn  der  Fremd-i 
körper  darin  stecken  geblieben  war,  in  den  ober* 
flUchlichen  Schichten  der  Iris  und  der  Kapsel, 
wenn  die  Spitze  der  Iris  angelegen  hatte,  in  dem 
umgebenden  Fibrin,  in  dem  Protoplasma  einiger 
Zellen^  welche  die  braunen  Körnchen  enthalten; 
circumscripte  Blaufärbung,  die  an  vorher  braunen 
Körnchen  eintritt,  lässt  sich  nach'weisen  an  Zöllen, 
die  spärlich  innerhalb  des,  den  Fremdkörper  ein- 
sohliessenden  Fibrins,  im  Kammerwinkel  und  in 
der  Iris,  sehr  reichlieh  in  den  Ciliarfortsätzen 
vorkommen;  in  den  letzteren  wurden  sie  schon  2 
Tage  nach  der  Einführung  des  Fremdkörpers  an- 
getroffen. Nach  10  Tagen  hatte  das  Epithel  der 
Ciliarfortsätze  matt-hellblaue  diffuse  Färbung  an- 
genommen. 

Versuche  über  Ihjection  von  Blut  in   die   vordere 

Kammer. 
Auch  diese  Versuche  sind  alle,  an  albinotischen  Thieren 
angestellt 

Versuch.  17.  1(X  I.  93.  Iniection.  ven  Blut  in  die  vor- 
dere Kammer;  es  fliesst  beim  Herausziehen  der  Ganüle  etwas 


204  E.  ▼.  Hippel. 

ab,  der  Randtheil  der  Iris  ist  frei  von  Blut,  während  die  Mitte 
und  das  Pnpillargebiet  yollkommen  bedeckt  sind.  11.  I.  Das 
Blut  sieht  dunkel  aus,  ist  geronnen,  hat  sich  am  Rande  etwas 
von  der  Iris  abgehoben. 

14.  I.  Die  BIntmasse  hat  sich  erheblich  verkleinert  und 
noch  etwas  mehr  nach  vom  abgehoben.  Enucleation.  Dauer 
des  Versuchs  4  Tage.  Härtung  in  Moller'scher  Flüssigkeit  und 
Alkohol. 

Untersuchung:  Das  Blutgerinnsel  ist  durchzogen  von  sehr 
dichten  Fibrinnetzen,  die  roten  Blutkörperchen  liegen  sehr 
dicht  aneinander  gepresst  darin,  so  dass  es  im  Schnitt  nicht 
leicht  ist,  ihre  Contouren  deutlich  zu  erkennen;  grössten  Theils 
sind  sie  jedenfalls  noch  gefärbt.  Weisse  Blutkörperchen  sind 
nicht  in  auffölliger  Menge  vorhanden;  blutkörperchenhaltige 
Zellen  fehlen.  Die  Oberfläche  des  Gerinnsels  ist  bedeckt  von 
einem  feinen  Häutchen,  das  aus  2 — 3  Lagen  deutlicher  Spindel- 
zellen mit  gut  j^bbarem  Kern  besteht.  Innerhalb  des  Blut- 
gerinnsels ist  nichts  von  deutlichen  Pigmentkörnchen  nachweis- 
bar. Innerhalb  der  Ciliarfortsätze  kommen  in  ziemlich  spär- 
licher Anzahl  Zellen  vor,  welche  mit  braunen  Pigmentkörnchen 
erfüllt  sind.  In  einem  anderen  Auge,  das  auch  4  Tage  nach 
der  Injection  enucleirt  war,  fanden  sich  dieselben  Gebilde.  In 
der  Iris  waren  keine  derartigen  Zellen  aufzufinden.  Im  Gewebe 
des  Kammerwinkels  liegen  rothe  Blutkörperchen. 

Hier  kommen  bei  Anwendung  der  Eisenreaction  ganz  ver- 
einzelte schwachblau  gefärbte  Zellen  vor.  In  den  Giliarfort- 
sätzen  bleiben  die  Zellen  mit  den  braunen  Körnchen  unver- 
ändert, in  der  Blutung  selbst  fehlt  jede  Blaufärbung. 

Versuch  18.  10.  I.  93.  Injection  von  Blut  in  die  vordere 
Kammer. 

Kammer  ist  ganz  mit  Blut  gefüllt 

11.  I.  Die  Hauptmasse  des  Blutes  bedeckt  als  Gerinnsel 
die  Pupille  und  den  Pupillartheil  der  Iris,  der  periphere  Theil 
der  Iris  ist  nur  von  einer  dünnen  Blutschicht  bedeckt. 

17.  I.  Das  Gerinnsel  ist  kleiner  geworden  und  hat  sich 
am  Rande  ein  wenig  abgehoben.  Enucleation.  Dauer  des  Ver- 
suchs 7  Tage.     Müller'sche  Flüssigkeit,  später  Alkohol. 

Untersuchung:  In  zahlreich  verästelte  Fibrinzüge  einge- 
schlossen, findet  sich  in  der  vorderen  Kammer  eine  sehr  er- 
hebliche Menge  rother  Blutkörperchen,  die  Zahl  der  weissen 
ist  im  Inneren  des  Gerinnsels  nicht  auffällig  vermehrt,  dagegen 
trifft  man  dieselben  reichlicher  am  vorderen  Rande  des  Gerinn- 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  205 

sels;  ganz  vereinzelt  sind  blatkörpercbenhaltige  Zellen;  am 
Rande  des  Gerinnsels  findet  sich  ein  zartes  Gewebe,  das  reich- 
liche Spindelzellen  enthält,  die  feinste  bräunliche  Körnchen 
einschliessen.  Die  Blutkörperchen  sind  auch  im  Gewebe  des 
Kammerwinkels  nnd  in  der  hinteren  Kammer  anzutreffen  sowie 
zwischen  den  Giliarfortsätzen.  Im  Gewebe  der  Iris  sieht  man 
ganz  vereinzelt,  innerhalb  der  Ciliarfortsätze  dagegen  recht 
zahlreiche  Zellen,  welche  mit  bräunlichen  feineren  und  gröberen 
Kömchen  angefüllt  sind. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  tritt  eine  diffuse  Blau- 
färbung ein  in  einigen  der  weissen  Blutkörperchen  innerhalb 
des  Gerinnsels,  einige  derselben  scheinen  entfärbte  rothe  Blut- 
körperchen oder  Bruchstücke  von  solchen  einzuschliessen^  ferner 
werden  diffus  blau  eine  Anzahl  von  Zellen  im  Kammerwinkel, 
auf  der  Yorderfläche  der  Iris  und  zwischen  den  Giliarfortsätzen. 
Ton  den  braunen  Kömchen  der  Zellen  in  dem  zarten  Gewebe 
am  Bande  des  Gerinnsels  sowie  innerhalb  der  Ciliarfortsätze 
wird  ein  Theil  bläulich -grünlich  ein  anderer  bleibt  braun, 
hier  und  da  wird  das  Protoplasma  dieser  Zellen  diffus  hellblau. 

Versuch  11.  12.  XII.  93.  Injection  von  Blut  in  die 
vordere  Kammer. 

13.  Xn.  Ein  dickes  Blutgerinnsel  bedeckt  den  Raum  der 
PupiUe  und  die  angrenzenden  Theile  der  Iris,  in  der  Peripherie 
ist  die  Blutschicht  dünner. 

19.  XII.  Das  Auge  ist  ziemlich  stark  injicirt,  in  der  Mitte 
ist  das  Blutgerinnsel  etwas  kleiner  geworden. 

21.  XII.  Der  Band  des  Gerinnsels  hat  sich  etwas  ab- 
gehoben, die  Injection  ist  noch  ausgesprochen. 

23.  XII.  Die  Verhältnisse  sind  im  Ganzen  unverändert, 
Enucleation.  Dauer  des  Versuchs  11  Tage.  Müller'sche  Flüssig- 
keit, später  Alkohol. 

Innerhalb  der  Fibrinzüge,  welche  das  Gerinnsel  durch- 
setzen, liegen  die  grössten  Theils  vollkommen  unveränderten, 
mit  Eosin  sich  schön  färbenden  rothen  Blutkörperchen.  Zwi- 
schen denselben  kommen  in  massiger  Anzahl  grosse  mnde  ein- 
kernige Zellen  vor,  welche  in  ihrem  Protoplasma  theilweise 
rothe  Blutkörperchen  oder  Bruchstücke  von  solchen  einschliessen. 
Deutliches  Pigment  kommt  innerhalb  der  Blutung  nicht  vor. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  zieht  zunächst  ein 
höchst  auffallender  Befund  die  Aufmerksamkeit  auf  sich:  In 
der  ganzen  Suprachoroidea  liegen  sehr  reichlich  dunkelblau  ge- 
ftrbte  spindlige  Zellen,  dieselben  begleiten  auch  die  aus-  und 


206  E.  V.  Hippel. 

eintretenden  Gestose  und  Nerven;  in  dem  hinter  dem  Balbos 
liegenden  OrbitalzeUgewebe  sind  die  Bindegewebeaiellen  intensiv 
blan  gefärbt.  Mustert  man  nun  nngeftrbte  Präparate,  so  aeigt 
sieb,  dass  diese  sämmtlichen  Zellen  von  brannen  Eömcfaen  er- 
fttllt  sind.  Im  Snprachoroidealraum  liegen  freie  rothe  Blnt- 
kOrpercben  in  ziemlich  erheblicher  Menge,  solche  sind  aacb  in 
das  orbitale  Fettzellgewebe  reichlich  infiltrirt.  Innerhalb  des 
Blutgerinnsels  in  der  vorderen  Kammer  kommen  einige  Zellen 
vor,  in  welchen  Blaufärbung  soeben  angedeutet  ist;  ein^lne 
deutlicher  blau  geförbte  Zellen  liegen  im  Kammerwinkel.  Die 
bekannten  Zellen  mit  den  braunen  Körnchen  sind  in  den  CUiar- 
fortsätzen  sehr  spärlich,  sie  geben  keine  deutliche  Eisenreaction. 

Der  Befund  an  der  Supraohoroidea  und  dem  Orbital- 
gewebe  musste  natürlich  sehr  auffallen,  es  war  aber  doch  sehr 
bald  kein  Zweifel,  dass  das  Pigment,  Welches  hier  so  intensive 
Eisenreaction  ergab,  sicherlich  nicht  von  dem  in  die  vordere 
Kammer  injicirten  Bhite  herstammen  konnte.  Einmal  war  die 
Menge  der  in  jenen  Theilen  vorgefundenen  freien  rotiien  Blut- 
körperchen dazu  viel  zu  erheblich  und  wie  bei  dem  fast  völlig 
negativen  Ausfall  der  Eisenreaction  im  vorderen  Bulbusabschnitt 
der  entgegengesetzte  Befund  an  den  weit  von  der  injicirten 
Blutmenge  gelegenen  Theilen  so  zu  erklären  wäre,  hätte  voll- 
kommen räthselhaft  bleiben  müssen.  Die  Unabhängigkeit  des 
vorgefundenen  eisenhaltigen  Pigmentes  von  dem  injicirten  Blut 
ging  aber  mit  Sicherheit  aus  folgender  Thatsache  hervor:  In 
das  andere  Auge  desselben  Kaninchen  war  ein'  Fremdkörper 
aus  Eisen  eingeführt  worden  und  zwar  in  die  vordere  Kammer. 
Das  Auge  wurde  nach'  2  Tagen  enucleirt. '  Im  vorderen  Boliras- 
'  abschnitt  waren  spärliche  mit  braunen*  Kömchen  erfüllte  Zellen 
dn  den  Giliarfortsätzen  vorhanden,  die  schwach  blau  wwden, 
in  der  Suprachoroidea  und  im  Orbitalgewebe' war  der  Belnnd 
genau  der  gleiche,  wie  im  vorher  geschilderten  Versuch.  Eis 
kann  daher  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  es  an  beiden^ Augen 
Während  des  Lebens  aus  unerklärten  Gründen  zu  Blvtuiigen 
gekommen  war,  aus  welchen  das  Pigment  hervorging. 

Versuch'  19.  10«  L  93.  Blut-Iigection  in  die  «ordere 
Kammer. 

'  18.  I.  93.  Noch  ziemlich  erhebliche  Menge  von  Bhit  Tor- 
handen.  Enucleation.  Mttller'sche  Flässi^eit.  Dauer  des 
Versuchs  8  Tage. 

Der  grösste  Theil  der  roten  Blutkörperchen  ist  vollkom- 
men unverändert;   in   den  Ratidtheilen  -de»  Gerinnsels  finden 


Ueber  Siderosis  Btilbi  und  die  Beziehungen  etc.  207 

sich  etwas  teichlicher  Leukozyten;  ganz  spärlich  sind  etwas 
grössere  eUikermge-  Bnndzellen,  welche  entfiüfbte  rothe  Blut- 
körperchen sowie  feine  bräunliche  Körnchen  einschliessen. 
Blutkörperchen  liegen  auch  im  Baume  der  hinteren  Kammer, 
hier  sind  die  Leukocyten  etwas  reichlicher.  Innerhalb  der 
Ciliarfortsätze  sind  zahlreiche  mit  braungelben  Körnchen  dicht 
erfüllte  Zellen  anzutreffen,  ganz  vereinzelt  kommen  solche  in 
der  Iris  und  im  Kammerwinkel  vor. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  sind  innerhalb  des  Ge- 
rinnsels keine  deutlich  gebläuten  Zellen  zu  finden,  dagegen 
ganz  spärlich  im  Kammerwinkel,  desseu  Gewebe  sich  schwach 
diffus  blau  färbt '  In  den  Ciliarfortsätzen  geben  nur  wenige  der 
mit  den  braunen  Kömchen  versehenen  Zellen  die  Reaction,  die 
meisten  bleiben  ungefärbt 

Ich  begnüge  mich  nait  der  •  Wiedergabe  vorstehender 
'  YerBuchspi^tokolle,  da  die  übrigen  gleiche'  Resultate  er- 
gaben. 'Weil  es  mir  nicht  darauf  ankam,  das  SchickBal 
des  injicirten  Blutes  bis  zu  seinem  Verschwinden  zu  ver- 
folgen,  sondern  Vergleichsobjecte  zu  haben,  an  welchen  ich 
die  Entstehung  eisenhaltigen  Pigmentes  einmal  von  dem 
Fremdkörper,  andererseits  aus  dem  Blute  nach  annähernd 
gleichen  Zeitabschnitten  studiren  konnte,  habe  ich  die  Ver- 
suche mit  Blutinjection  in  die  vordere  Kammer  nicht  über 
grössere  Zeiträume  ausgedehnt 

In  Kürze  zusammenge&sst  ist  das  Ergebniss  dieser 
Vwsuche  folgendes: 

Die  Blutmenge  nimmt'  ziemlich  rasch  ab,  zum 
Theil  kann  dies  allerdings  auf  der  stärkeren  Zusammen- 
ziehung des  Fibrins  beruhen.  Die  untersuchten  Augen 
stammen  vom  3. — 12.  Tage.  In  sämmtlichen  Fällen  ist  der 
überwiegend  grösste  ^heil  der  r4)ten  Blutkörperchen 
unverändert  Die  Zahl  der  weissen  Blutkörper- 
chen ist  in  den  Bandtheilen  des  Gerinnsels  etwas 
vermehrt,  doch  konnte  eine  gleichmässige  Zunahme 
von  einem  Tag  zum  andern  nicht  wahrgenommen 
werden.  —  Ganz  vereinzelt  kommen  Gebilde  vor, 
die  man  als  biutkörperchenhaltige  Zellen  betra'ch- 


208  E.  V.  Hippel. 

ten  kann.  Deutlich  in  Zellen  eingeschlossene  Pig- 
mentmoleküle sind  innerhalb  des  Grerinnsels  nur 
ganz  vereinzelt  zu  finden,  am  frühesten  treten  die- 
selben auf  in  jenen  Zellen  innerhalb  der  Ciliar- 
fortsätze  und  hier  sind  sie  in  den  späteren  Stadien 
sehr  reichlich,  wenn  sie  an  Ort  und  Stelle  der 
Blutung  entweder  ganz  fehlen  oder  ganz  spärlich 
sind.  Vereinzelt  kommen  sie  auch  in  der  Iris  vor. 
Die  Eisenreaction  fällt  wenig  ausgiebig  aus; 
am  4.  Tage  färben  sich  einige  Zellen  im  Kammer- 
winkel, in  den  späteren  Stadien  einige  blutkörper- 
chenhaltige  Zellen  diffus  blau.  An  den  braunen 
Körnchen  in  den  Ciliarfortsätzen  ist  nach  8  und 
9  Tagen  erst  der  Beginn  einer  sowohl  diffusen  als 
an  die  Körnchen  gebundenen  Blaufärbung  nach- 
weisbar. 

Versuche  über  Fremdkörper  aus  Eisen  in  der 
Linse. 

Versuch  27.  25.  I.  93.  Die  vordere  Kammer  wird  oben 
punktirt,  das  Eammerwasser  abgelassen,  darauf  von  vorne  her 
durch  die  Cornea  eine  Nadelspitze  in  die  Linse  eingestochen 
und  vorgeschoben. 

26. 1.  Die  Kammer  ist  wieder  hergestellt,  an  der  Punktions- 
stelle ist  ein  Irisvorfall  entstanden.  An  dem  hinteren  Ende 
der  Nadel,  die  etwas  über  die  Linsenoberfläche  hervorragt,  ist 
eine  ziemlich  reichliche  Fibrinausscheidung  sichtbar;  auch  scheint 
etwas  getrübte  Linsenmasse  aus  der  EinstichöfiPnung  herausge- 
quollen zu  sein. 

4.  II.  Die  herausgequollenen  Linsenmassen  sind  grössten 
Theils  resorbirt,  der  hintere  Theil  des  Fremdkörpers  ist  deut- 
lich in  der  relativ  wenig  getrübten  Linse  sichtbar. 

20.  II.  Im  unteren  Theil  der  Pupille  ist  ein  kleines 
braunes  Fleckchen  zu  sehen,  das  anscheinend  unter  der  vor- 
deren Kapsel  liegt;  um  die  Einstichstelle  sieht  die  Linsen- 
substanz gelblich  aus. 

17.  III.  Die  Linse  ist  noch  grössten  Theils  klar  oder 
nur  wenig  getrübt,  so  dass  der  Fremdkörper  gut  zu  sehen  ist 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  209 

An  der  Einstichstelle  sieht  man  eine  bräunlich  geerbte  Eapsel- 
vcrdickung.  Um  den  Fremdkörper  sieht  die  Linse  bei  Tages- 
belenchtang  gelblich  aas. 

Enucleation.  Dauer  des  Versuches  23  Tage.  Müller'sche 
Flüssigkeit,  später  Alkohol. 

Der  Bulbus  wird  im  Aequator  durchschnitten  und  die 
vordere  Hälfte  zur  Untersuchung  verwandt;  der  Splitter  wird 
erst  aus  dem  gehärteten  Auge  entfernt,  da  das  Präparat  sonst 
zu  leicht  hätte  zerstört  werden  können. 

Von  der  Vorderfläche  der  Linse  erstreckt  sich  an  der 
Stelle  der  Verletzung  eiu  aus  Spindelzellen  bestehendes  Ge- 
webe in  die  vordere  Kammer  fast  bis  zur  Hinterfläche  der 
Hornhaut;  in  die  Zellen  sind  braune  Körnchen  eingelagert. 
Nach  beiden  Seiten  von  der  Verletzung  liegt  unter  der  Kapsel 
ein  zartes  Kapselstaargewebe.  Wo  dies  endigt,  werden  die 
Epithelzellcn  wieder  normal  in  ihrem  Aussehen  und  sind  an 
ungefärbten  Präparaten  ausgesprochen  gelblich  gefärbt.  Der 
Kern  ist  mit  Hämatoxylin  stets  gut  zu  färben.  In  der  Gegend 
des  Aequators  besonders  auf  der  einen  Seite  sind  die  Epithel- 
zellen gewuchert  und  bilden  2  —  3  Lagen,  ihre  Gestalt  ist 
nicht  von  der  gewöhnlichen  Regelmässigkeit,  in  ihrem  Innern 
liegen  kleine  und  grössere  gelbliche  bis  dunkelbraune  Schollen 
und  Körner.  Ueberall  ist  der  Kern  gut  zu  färben.  Der  Keru- 
bogen  ist  beiderseits  erhalten.  In  der  vorderen  Corticalis 
kommt  eine  Anzahl  von  Eiweisskugeln  und  Bruchstücken  von 
Linsenfasern  vor,  im  Ganzen  sind  die  Linsenfasern  wohlerhalten. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  tritt  das  ganze  Kapsel- 
epithel als  dunkelblauer  Streif  hervor;  die  vorher  gelblich  ge- 
färbten Zellen  sind  diffus  blau  geworden,  ihr  Kern  tritt  bei 
Contrastfärbung  stets  roth  hervor;  die  gelbbraunen  Schollen 
und  Körner  sind  intensiv  blau  geworden.  Die  Linsenkapsel 
ist  ungefärbt. 

Die  vordere  Corticalis  ist  in  ziemlicher  Ausdehnung  diffus 
hellblau  gefärbt  und  zwar  nimmt  die  Intensität  der  Verfärbung 
vom  Sitze  des  Fremdkörpers  her  ab. 

In  der  Iris  ist  die  Andeutung  eines  matten  bläulichen 
Schimmers  im  Sphincter  nachweisbar.  Innerhalb  der  Ciliarfortsätze 
kommt  eine  Anzahl  von  Zellen  vor,  die  von  blau  gefärbten 
Kömchen  erfüllt  sind. 

Lässt  man  einen  Schnitt  12  Stunden  in  verdünnter  Salz- 
säure liegen,  so  ist  das  Kapselepithel  enterbt,  die  braunen 
Körner  und  Schollen  sind  verschwunden. 

V.  Gnefe's  Archiv  für  Ophthalmologie.  XL.   1.  14 


210  E.  V.  Hippel. 

Versuch  29.  (Dauer  ebenfalls  vom  25.  I.  bis  17.  II.  93. 
23  Tage.)  In  dem  Verlauf  war  als  einziger  Unterschied  von 
dem  vorigen  festzustellen,  dass  die  Linse  vollständig  kataraktös 
wurde  und  bei  Tageslicht  intensiv  braungelb  aussah,  Hier 
wurde  die  Linse  allein  verarbeitet  uad  der  Fremdkörper  so- 
fort nach  der  Enucleation  hervorgezogen. 

Das  Eapselepithel  ist  nicht  regelmässig,  vielfach  findet 
sich  nur  eine  Lage  von  Zellen,  die  auffallend  abgeplattet  sind 
und  endothelartig  aussehen;  in  vielen  dieser  Zellen  liegen 
braune  und  gelbe  Körner  im  Protoplasma,  während  der  Kern 
davon  frei  ist  und  sich  gut  Blrbt. 

An  anderen  Stellen  sind  die  Epithelzellen  gewuchert  und 
bilden  mehre  Lagen  von  unregelmässig  gestalteten  Zellen;  auch 
in  diese  sind  braune  Körner  eingelagert.  Die  Linse  ist  hat 
vollkommen  kataraktös,  in  der  vorderen  Corticalis  liegen  massen- 
hafte grosse  Eiweisskugeln,  sowie  eigenthQmliche  Zerfallspro- 
dukte der  Linsenfaseru,  zierlich  geschwungene,  ziemlich  stark 
lichtbrechende  Bündel  und  Nadeln;  ausserdem  kommen  ziem- 
lich viele  zellige  Elemente  in  der  vorderen  Corticalis  vor; 
diese  Zellen  enthalten  zum  Theil  auch  braune  Körnchen.  Wo 
noch  Linsenfasern  vorhanden  sind,  sind  dieselben  getrübt  und 
von  ovalen  Tröpfchen  durchsetzt. 

Die  Eisenreactiou  ruft  am  Kapselepithel  keine  so  ausge- 
dehnte difiPuse  Blaufärbung  hervor  wie  im  vorigen  Falle,  ein 
Theil  der  Zellen  bleibt  unverändert,  sämmtliche  braune  Körn- 
chen in  den  Epithelzellen,  sowie  in  den  Zellen,  die  in  der 
Linse  selbst  vorkommen,  werden  dunkelblau,  zum  Theil  ist 
daneben  noch  das  Protoplasma  diffus  blau  gefärbt. 

Von  der  Linse  selbst  wird  ein  zur  Oberfläche  concen- 
trischer  schmaler  Bezirk  in  der  vorderen  Corticalis  diffus  blau; 
(der  Schnitt  geht  nicht  durch  die  Stelle,  wo  der  Fremdkörper 
gesessen  hatte.) 

Versuch  20.  18.  I.  93.  Eine  12  mm  lange  Nadelspitze 
wird  durch  Cornea  und  Linse  bis  in  den  Glaskörper  vorge- 
schoben. 

In  der  Nacht  vom  21. —  22.  I.  ist  das  Kaninchen  todt 
gebissen,  Enucleation  des  Bulbus  am  22.  I.  93  früh.     3  Tage. 

In  der  unmittelbaren  Umgebung  des  Fremdkörpers  zeigt 
sich  bei  Anwendung  der  Eisenreactiou  diffuse  Blaufärbung  der 
Linsensubstanz,  das  Kapselepithel  wird  intensiv  diffus  blau,  die 
Kerne  bleiben  von  der  Färbung  frei. 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  211 

Yersach  5,  der  in  derselben  Weise  gemacht  wardo  wie 
der  vorige  und  sich  auf  einen  Zeitraum  Yon  neun  Tagen  er- 
streckt, zeigt  die  nämlichen  Veränderungen  wie  der  vorige. 
Auf  der  einen  Seite  ist  ausserdem  das  Epithel  der  Ciliarfort- 
sätze  matt  diffus  gefärbt. 

Versuch  6  (in  der  gleichen  Weise  angestellt,  Dauer 
Tom   1.  XII.— 17.  XII.  92.)    (16  Tage.) 

Die  Eisenreaction  ruft  wieder  diffuse  Blaufärbung  der 
Linsensubstanz  in  der  Umgebung  des  Fremdkörpers  hervor; 
das  Kapselepithol  wird  blau.  Das  Epithel  der  Ciliarfort- 
sätze  ist  erheblich  deutlicher  diffus  hellblau,  als  im  vorigen 
Falle. 

Versuch  13  (in  der  gleichen  Weise  angestellt  19.  XII. 
92—24.  1.  93.     36  Tage.) 

Die  Linse  ist  am  Tage  der  Enucleation  noch  grossen 
Theils  klar,  der  Fremdkörper  ist  deutlich  zu  sehen.  Das  Auge 
wird  in  Müller'scher  Flüssigkeit,  dann  in  Alkohol  gehärtet, 
der  Fremdkörper  wird  erst  nach  der  Einbettung  in  Celloidin 
entfernt. 

Das  Kapsclepithül  zeigt  keine  ganz  regelmässige  einschich- 
tige Lage,  sondern  die  Zellen  sind  stellenweise  gewuchert,  am 
meisten  in  der  Nähe  des  Aequators,  wo  sie  oft  in  mehreren 
Lagen  Aber  einander  anzutreffen  sind,  hier  sind  sie  auch  dicht 
erfallt  mit  gröberen  und  feineren  braungelben  Kömern  und 
Schollen.  An  der  ganzen  Innenseite  der  Epithelschicht  liegen 
ovale  Eiweisströpfchen.  Die  vordere  Corticalis  zeigt  unbedeutende 
Zerfallserscheinuugen,  dagegen  ist  die  hintere  Corticalis  hoch- 
gradig kataraktös;  das  Kapselepithel  setzt  sich  in  mehrfacher 
Schichtung  auf  die  hintere  Kapsel  fort  und  die  Linsensub- 
stanz ist  von  vielgestaltigen  Spalten  durchsetzt,  innerhalb  deren 
massenhafte  Eiweisskugeln  liegen. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  wird  in  der  Linse  selbst 
eine  zur  Oberfläche  concentrische  Schicht  der  vorderen  Corti- 
calis diffns  blau,  ebenso  färbt  sich  das  Kapselepithel,  die  Kerne 
ausgenommen.  Sämmtliche  braune  Körner  innerhalb  der  Epi- 
thelzellen werden  intensiv  dunkelblau.  Diffus  hellblau  färbt 
sich  das  Epithel  an  der  Hinterfläche  der  Iris,  ferner  das  Epi- 
thel der  Ciliarfortsätze  und  zwar  lässt  sich  hier  öfters  nach- 
weisen, dass  der  dem  Glaskörper  zugewandte  Theil  der  Zelle 
blau  wird,  während  der  Fusstheil  ungefärbt  bleibt. 

Verdünnte   Salzsäure   löst    die  braunen  Körner  innerhalb 

14* 


212  E.  V.  Hippel. 

der  Eapselzellen  yoUkommen  auf;  lässt  man  danach  Häroatoxyliii 
einwirken,  so  färben  sich  die  Kerne  der  Zellen,  die  dicht  mit 
braunen  Körnern  erfüllt  waren,  vollkommen  gut. 

Die  Versuche,  in  denen  ein  Fremdkörper  aus  Eisen  in 
die  linse  eingeführt  wurde,  lehren  also  Folgendes  über  die 
Ausbreitung  des  mikrochemisch  nachweisbaren  Eisens: 

Die  Linsensubstanz  um  den  Fremdkörper  färbt 
sich  diffus  blau,  die  Intensität  der  Färbung  nimmt 
nach  der  Peripherie  hin  ab.  Eine  Zone  in  der  vor- 
deren CorticaUs  färbt  sich  besonders  ausgiebig.  Das 
Kapselepithel  wird  zum  Theildiffus  blau,  zum  Theil 
kommen  in  demselben  blau  gefärbte  Körner  und 
Schollen  vor,  die  vor  Anwendung  der  Reaction 
braun  waren;  diese  Körner  sind  besonders  reich- 
lich in  einer  Zone  in  der  Nähe  des  Aequators;  hier 
haben  auch  die  Epithelzellen  eine  besondere  Nei- 
gung zu  wuchern.  Die  braunen  Körner  und  Schol- 
len entfärben  sich  in  verdünnter  Salzsäure. 
Die  Kerne  der  Epithelien  sind  mit  Hämatoxylin 
und  Alauncarmin  stets  gut  zu  färben.  Eine  eben 
angedeuteteEisenreaction  kommtim  Epithelderlris 
und  im  Muse,  sphincter  iridis  zur  Beobachtung. 
In  den  Ciliarfortsätzen  werden  einzelne  Zellen  mit 
blauen  Körnchen  gefunden;  ragt  der  Fremdkörper 
durch  die  Linse  bis  in  den  Glaskörper,  so  ist  dif- 
fuse Blaufärbung  des  Epithels  der  Ciliarfortsätze 
nachweisbar. 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  noch  auf  das  mir  aus 
Halle  zugegangene  Präparat  eingehen,  das  ich  im  ei'sten 
Theil  schon  erwähnte.  Es  handelte  sich  um  den  Fall,  wo 
ein  Kranz  rostfarbener  Flecken  imter  der  Kapsel  einer 
kataraktösen  Linse  einen  im  Auge  befindüchen  Fremdkörper 
aus  Eisen  annehmen  liess.  Den  Befund  an  der  Iris,  in 
welcher  ich  beträchtlichen  Eisengehalt  nachweisen  konnte, 
habe  ich  schon  mitgetheilt,  hier  möchte  ich  über  die  Unter- 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  213 

suchung  des  Kapselstückes,  an  welchem  sich  5  der  grösseren 
und  2  kleinere  braune  Flecke  befanden,  berichten. 

Das  Stückchen  wurde  in  das  Ferrocyankalium-Salz- 
säuregeniisch  gelegt  und  nach  Eintritt  der  Eeaction  mit 
Alauncannin  nachgefärbt,  dann  zunächst  von  der  Fläche 
untersucht: 

Für  das  blosse  Auge  sind  die  brauneu  Flecken  intensiv 
dunkelblau  geworden,  das  ganze  Eapselstück  wird  hellblau, 
durch  intensive  Blaufärbung  ausgezeichnet  sind  zwei  dreieckige 
Bezirke,  deren  Spitzen  in  zwei  der  dunkelblauen  Flecken  ge- 
legen sind  und  deren  Basis  in  die  allgemeine  matte  Blau- 
färbung übergeht. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  des  Flächenpräpa- 
rates  erscheinen  die  blauen  Flecke  in  der  Mitte  so  intensiv 
gefärbt,  dass  man  über  ihre  Structur  nur  aus  der  Betrachtung 
der  Ränder  in's  Klare  kommen  kann ;  hier  sieht  man,  dass  die 
Epithelzellen  des  Kapselepithels  mit  grösseren  und  kleineren 
blauen  Körnern  und  Schollen  angefüllt  sind;  manchmal  ist  die 
ganze  Zelle  so  davon  eingenommen,  dass  von  dem  Kern  nichts 
zu  erkennen  ist,  an  anderen  Stellen  tritt  er  deutlich  hervor; 
offenbar  stellen  aber  die  braunen  Flecke  nichts  anderes  dar, 
als  circumscripte  Wucherungen  von  Epithelzellen,  welche  mit 
eisenhaltiger  Substanz  in  Gestalt  brauner  Körner  sehr  dicht 
erfüllt  sind.  Etwas  weiter  von  den  Flecken  entfernt  tritt  die 
Mosaik  der  Epithelzellen  stark  hervor;  hier  sieht  man  Zellen, 
die  gar  keine  Blaufärbung  angenommen  haben,  häufiger  sind 
jedoch  die  blau  gefärbten,  von  diesen  sind  wieder  einzelne 
matt  diffus  blau  um  den  schön  roth  gefärbten  Kern  herum, 
andere  bergen  in  ihrem  Protoplasma  eine  Menge  feinster  blau- 
grün gefärbter  Körnchen,  wieder  in  anderen  liegen  gröbere 
Körner  neben  feineren. 

In  den  beiden  bei  makroskopischer  Betrachtung  dunkler 
blau  erscheinenden  dreieckigen  Bezirken  erkennt  mau,  dass 
die  blauen  Körner  in  unregelmässig  gestalteten,  zum  Theil  spin- 
delförmigen Zellen  liegen;  bei  der  Dicke  des  Flächenpräparates 
ist  es  schwer,  weitere  Einzelheiten  festzustelleu.  Man  hat 
den  Eindruck,  als  ob  es  sich  hier  um  ein  Kapselstaargewebe 
handelte. 

Um  Querschnittspräparate  zu  gewinnen,  wird  der  Canada- 
balsam,  in  den  das  Präparat  eingeschlossen  ist,  mit  Xylol  auf- 


214  E.  V.  Hippel. 

gelöst,    dann  ein  Stück  abgetrennt  und  dieses  nach  Einlegen 
in  absolaten  Alkohol  in  Celloidin  eingebettet. 

An  Querschnitten  sieht  man  dann  Folgendes:  Die  Kapsel 
selbst  ist  nicht  gebläut  bis  auf  einen  schmalen  blauen  Streifen, 
der  die  Kapsel  der  Länge  nach  durchzieht  Der  im  Flächen- 
bild braune,  nach  Anwendung  der  Reaction  blaue  Fleck  stellt 
sich  auf  dem  Schnitt  als  eine  kugelige  blaue  Hervorragung 
dar.  Dass  die  dunkelblauen  Körner  und  Schollen,  aus  denen 
er  besteht,  in  gewucherten  Zellen  des  Kapselepithels  liegen, 
lässt  sich  erweisen.  Am  Rande  des  Hügels  gehen  die  Epithel- 
zellen direct  in  denselben  über  und  innerhalb  der  blauen 
Schollen  sind  besonders  in  den  innersten  Schichten  mit  Car- 
min  roth  gefärbte  Kerne  zu  erkennen.  Noch  klarer  wird  das 
Verhältniss,  wenn  man  das  braune  Pigment  mit  H  Cl  extrahirt 
und  mit  Hämatoxylin  nachßlrbt.  Am  Rande  des  Hügels  sieht 
man  mehrere  Lagen  von  Zellen  über  einander,  die  in  das  nor- 
male Epithel  übergehen.  Innerhalb  des  ganzen  Hügels  trifft 
mau  einzelne  wohl  getärbte  runde  Kerne,  au  der  Oberfläche 
haben  sie  ein  im  Querschnitt  spindelförmiges  Aussehen.  Die 
vorher  braunen  Schollen  sind  nun  hellviolett  geförbt.  An  den 
Hügel  schliesst  sich  eine  Strecke  weit  eine  einfache  Lage  der 
kubischen  Epithelzellen  und  diese  geht  dann  über  in  ein 
typisches  Kapselstaargewebe  mit  auf  dem  Durchschnitt  spind- 
ligen  Zellen.  In  diese  Zellen  sind  massenhaft  blaue  Körnchen 
eingelagert,  die  nach  Entfärbung  des  Pigments  als  feinste 
violette  Pünktchen  erscheinen. 

Versuche  über  Einführung  von  Fremdkörpern 
aus  Eisen  in  den  Glaskörper. 

Diese  Vei-suclie  wurden  bis  auf  2  an  piginentirten 
Kaninchen  angestellt  und  gerade  dieser  Umstand  machte 
es  möghch  etwas  genauere  Angaben  über  einige  histolo- 
gische Details  zu  geben,  die  in  den  Experimenten  Leb  er 's 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  unsicher  bleiben  mussten, 
weil  er  albinotische  Thiere  benutzt  hatte.  Das  Haupt- 
interesse hatte  für  mich  natürlich  die  Art  der  Verbreitung 
des  Eisens.  Ich  möchte  die  5  einschlägigen  Versuche  hier 
anführen. 

Versuch   23.     '20.  I.  93.     Eine    3  mm    lange    Lanzen- 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  215 

spitze  wird  von  oben  her  in  den  Glaskörperraum  eingostossen 
und  mit  einem  stumpfen  Instrumente  in  denselben  vorgeschoben. 

23.  I.  Der  Fremdkörper  ist  hinten  unten  sichtbar,  zum 
Theil  eingehüllt  von  weissen  Exsudatraassen ;  zahlreiche  weisse 
Strftnge  durchziehen  in  seiner  Umgebung  den  Glaskörper.  Die 
Retina  ist  abgelöst,  vielfach  gefaltet  und  eingerissen.  Der 
hintere  Markflflgel  ist  mit  abgelöst,  der  vordere  scheint  noch 
anzuliegen,  die  Gefösse  sind  sehr  dünn  und  wenig  gefüllt. 

26.  I.  Die  Ablösung  hat  zugenommen,  der  Fremdkörper 
ist  grössten  Theils  in  Exsudat  eingehüllt. 

30.  I.  Enncleation.  Dauer  des  Versuches  zehn  Tage. 
Härtung  in  Müller'scher  Flüssigkeit,  später  in  Alkohol. 

Das  Auge  wird  im  horizontalen  Meridian  aufgeschnitten, 
die  untere  Hälfte  eingebettet  und  bis  auf  die  Sklera  geschnitten. 
Dabei  findet  sich  der  Fremdkörper  innen  den  Augenhäuten 
anliegend  in  ein  grau  weisses  Gewebe  eingeschlossen. 

Ein  Schnitt  ungefähr  aus  der  Mitte  des  Bulbus  zeigt  Fol- 
gendes: 

Die  Retina  ist,  soweit  sie  überhaupt  vorhanden  ist,  ziem- 
lich vollständig  flach  abgelöst,  auf  der  temporalen  Seite  fehlt 
sie  ganz  oder  ist  ersetzt  durch  ein  Gewebe,  auf  dessen  Be- 
schreibung ich  sogleich  näher  eingehen  werde.  Auf  der  nasalen 
Seite  ist  die  Netzhaut  gut  erhalten,  ihre  sämmtlichen  Schichten 
sind  gut  nachweisbar.  UngeÜlhr  am  Aequator  beginnt  auf  der 
nasalen  Seite  eine  starke  Degeneration  der  Retina,  die  weiter 
nach  hinten  zu  immer  mehr  zunimmt.  Wo  die  Degeneration 
oben  beginnt,  finden  wir  zwischen  den  noch  erhaltenen  Stäb- 
chen und  Zapfen  einige  Zellen  mit  1  oder  2  Kernen,  welche 
gelblich -braune  Körnchen  und  ausserdem  feine  schwarze  Stäb- 
chen enthalten,  genau  von  dem  Aussehen  des  im  Pigmentepi- 
thel der  Retina  enthaltenen  Pigmentes;  neben  diesen  Zellen 
liegen  zwischen  den  Stäbchen  degenerirte  Netzhautkörner,  deren 
Querstreifung  sehr  deutlich  ist  Etwas  weiter  nach  hinten 
sind  die  Stäbchen  und  Zapfen  zerfallen,  deutliche  stäbchen- 
haltige  Zellen,  wie  sie  vou  Leber  beschrieben  sind,  fand  ich 
hier  nicht.  Die  beiden  Körnerschichten  verschmelzen  zu  einer, 
in  den  inneren  Netzhautschichten  kommen  Zellen  mit  einem 
grossen  Kern  vor,  die  ganz  wie  Körner  aus  der  inneren  Schiebt 
aussehen.  Soweit  zeigt  das  Pigmentepithel  keine  Besonderheit; 
etwas  weiter  nach  hinten  kommt  eine  Stelle,  wo  eine  abgehobene 
zusammenhängende  Schicht  der  Pigmentepithelzellen  mit  der 
abgelösten    Retina    in  Vorbindung   steht,    hier  finden    sich   in 


216  E.V.Hippel. 

alleu  Schichten  der  Netzhaut  Zellen,  welche  mit  den  kurzen 
schwarzen  Stäbchen  des  normalen  Pigments  erfüllt  sind,  auch 
an  der  Innenfläche  der  Netzhaut  liegen  dieselben  im  Glas- 
körperraume.  Noch  etwas  weiter  hinten  liegt  die  hochgradig 
degenerirte  Retina  eine  kleine  Strecke  weit  au.  Hier  zeigt 
das  Pigmentepithel  gauz  abnormes  Verhalten:  Der  Zusammen- 
hang der  Zellen  ist  gelockert,  sie  liegen  in  mehreren  Schich- 
ten über  einander  und  in  der  Netzhaut  selbst;  dann  folgt  eine 
Parthie,  wo  von  Ketina  gar  nichts  nachweisbar  ist  und  die 
grossen  pigmentirten  Zellen  in  Haufen  beisammen  liegen.  Stellen- 
weise ziehen  über  diese  Haufen  brückenartige  Züge  langer 
spiudeliger,  meistens  auch  mit  den  schwarzen  Stäbchen  er- 
füllter Zellen  hinweg.  Hier  und  da  lässt  sich  nachweisen,  dass 
diese  langen  Zollen  übergehen  in  die  länglichen  Zellen  des 
Pigmentepithels,  sie  sind  emporgehoben  von  jenen  grossen 
Zellen,  die  ihrem  Pigmentgehalt  nach  entweder  nur  gewucherte 
Zellen  des  Epithels  selbst  oder  Leucocyten,  welche  die  Pig- 
meutmolekülc  aufgenommen  haben,  darstellen  können.  Noch 
weiter  temporalwärts  findet  sich  an  Stelle  der  Netzhaut  ein 
schmaler  Zug  eines  Gewebes,  in  das  ebenfalls  die  grossen  pig- 
mentirten Zellen  eingelagert  sind.  Ganz  vorne  auf  der  tem- 
poralen Seite  bekommt  die  Pigmentepithelschicht  wieder  ein 
normales  Aussehen;  au  der  Grenze  zu  diesem  Bezirk  liegen 
die  Zellen  des  Epithels  in  mehrfacher  Schichtung  über  einander; 
die  innersten  Lagen  sind  aber  erheblich  schwächer  pigmen- 
tirt,  als  das  normale  Epithel*  Von  normalem  Glaskörpergewebe 
ist  in  dieser  Schnittebeue  nichts  nachzuweisen,  an  seiner  Stelle 
sieht  man  eine  homogene  Eiweissmasse;  im  ganzen  Glaskörper- 
raum, besonders  reichlich  in  der  Nähe  der  Innenfläche  der 
Retina  sowie  hinter  der  Linse  liegen  grosse  runde  Zellen, 
welche  sämmtlich  mehr  oder  weniger  reichlich  mit  den  charak- 
teristischen braunschwarzen  Stäbchen  erfüllt  sind,  welche  zwei- 
fellos dem  Pigmentepithel  der  Retina  entstammen. 

Die  übrigen  Theile  des  Bulbus  bieten  nichts  Besonderes. 
In  einem  Schnitt  aus  grösserer  Tiefe,  nicht  weit  über  der 
Stelle  des  Fremdkörpers  ist  im  vordersten  Theile  des  Glas- 
körperraumes streifiges  Glaskörpergewebe  nachweisbar.  Viele 
gefaltete  Züge  der  abgelösten  zerrissenen  und  hochgradig  dege- 
nerirten  Netzhaut  liegen  im  Glaskörperraum;  in  und  um  die- 
selbe liegen  in  enormer  Menge  jene  vorher  geschilderten  runden 
pigmentirten  Zellen.  Ganz  nasal  und  temporal,  wo  die  Netz- 
haut hier  anliegt,    ist  das  Pigmentepithel  annähernd   normal, 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  217 

doch  zeigt  sich  auch  hier  eine  Stelle,  wo  es  sehr  schön  zu 
sehen  ist,  wie  von  dem  Pignientepithel  aus  ein  Zug  der  be- 
kannten mit  schwarzen  Stäbchen  erfüllten  Zellen  quer  durch  die 
Retina  bis  in  den  Glaskörperraum  hinein  sich  fortsetzt.  Im 
hinteren  Bulbusabschuitt  ist  von  einem  regelmässigen  Pigmeut- 
epithel  nichts  zu  sehen,  die  pigmentirton  Zellen  haben  sich 
Toneinander  getrennt  und  liegen  in  vielen  Lagen  über  einander; 
hier  findet  sich  ein  an  Spindelzellen  reiches  Bindegewebe  an 
Stelle  der  Netzhaut. 

Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  nimmt  das  Epithel  der 
Ciliarfortsätze  eine  matte  diffuse  Blaufärbung  an  u|id  zwar  der 
dem  Glaskörper  zugewandte  Theil  dieser  Zellen.  Im  Uebrigen 
ergiebt  Blaufärbung  einzig  und  allein  ein  Theil  jener  runden, 
mit  den  schwarzen  Stäbchen  erfüllten  Zellen.  Die  Färbung  ist 
von  wechselnder  Intensität  und  scheint  im  Allgemeinen  eine 
diffuse  des  Protoplasma's  zu  sein,  hier  und  da  handelt  es  sich 
aber  sicher  um  blau  gefärbte  in  der  Zelle  liegende  Körnchen. 
Die  schwarzbraunen  Stäbchen  bleiben  durchweg  unverändert. 
Die  Färbung  zeigt  sich  an  jenen  Zellen  sowohl  da,  wo  sie 
ihrer  Lage  und  regelmässigen  Anordnung  nach  sich  als  zweifel- 
los dem  Pigmentepithel  zugehörig  erweisen,  als  auch  innerhalb 
der  Retina  und  im  Glaskörperraume. 

Versuch  25.  20.  I.  93.  Eine  11  mm  lange  Lanzen- 
spitze wird  VQu  oben  her  in  den  Glaskörper  eingestochen  und 
mit  einem  stumpfen  Instrument  vorgeschoben;  sie  ist  nach  der 
Operation  gerade  in  der  Mitte  hinter  der  Linse  zu  sehen,  in 
ihrer  Umgebung  zeigen  sich  einige  kleine  Blutungen. 

23.  I.  Es  zeigt  sich,  dass  der  Fremdkörper  die  Linse 
verletzt  hat,  wenigstens  wird  am  hinteren  Pol  eine  getrübte 
Parthie  sichtbar.    Die  Gefässe  an  der  Papille  sind  sehr  verengt. 

4.  II.  Die  Spitze  der  Nadel  ist  noch  sehr  deutlich,  weiter 
oben  ist  sie  von  weisslichen  Massen  umhüllt.  Die  Retinalge- 
fösse  sind  stark  verengt,  die  Netzhaut  scheint  an  der  nasalen 
Seite  flach  abgelöst  zu  sein.  Enucleation.  Härtung  in  Müller- 
scher Lösung  und  Alkohol.    Dauer  des  Versuches   14  Tage. 

Der  Bulbus  wird  oberhalb  des  horizontalen  Meridians 
aufgeschnitten  und  die  untere  Hälfte  eingebettet.  Beim  Schnei- 
den kommt  man  auf  den  Fremdkörper,  der  dann  herausge- 
zogen wird.  Es  zeigt  sich,  dass  seine  Spitze  ziemlich  tief  in 
die  Linse  eingedrungen  war. 

Die  Netzhaut  ist  an  der  ganzen  medialen  Seite  abgelöst, 
an  der  temporalen  Seite  liegt  sie  an. 


218  E.  V.  Hippel. 

Die  mikroskopische  Untersuchnng  lehrt,  dass  die  ganze 
Retina  hochgradig  degenerirt  ist.  Von  Stäbchen  und  Zapfen 
ist  nichts  mehr  vorhanden.  Der  abgelöste  Theil  besteht  aus 
einer  unregelmässigen  Lage  von  Körnchen  und  einem  reticu- 
lären  Gewebe,  dass  die  inneren  Netzhautschichten  ersetzt  In 
diesem  ganzen  Theil  der  Netzhaut  liegen  ziemlich  viele  grosse 
mit  feinen  leicht  bräunlichen  Körnchen  erfüllte  Zellen,  in  wel- 
cheu  die  im  vorigen  Falle  beschriebenen  schwarzen  Pigment- 
kömchen  nicht  vorhanden  sind.  Am  Pigmentepithel  dieser 
Seite  ist  nichts  Besonderes  aufzufinden,  abgesehen  davon,  dass 
ein  Theil  der  Zellen  auffallend  schwach  pigmentirt  ist  Auf 
der  nasalen  Seite  ist  die  anliegende  Retina  auf  einen  ganz 
schmalen  Strang  reducirt,  in  welchen^  noch  eine  ganz  dünne 
Körnerschicht  nachweisbar  ist.  Von  der  Papille  bis  in  die 
Gegend  des  Aequators  ist  das  normale  Pigmentepithel  nicht 
mehr  vorhanden,  an  seiner  Stelle  liegen  voneinander  getrennte 
im  Allgemeinen  runde  mit  den  schwarzen  Pigmentstäbchen  er- 
füllte Zellen  sowohl  am  Orte  des  normalen  Epithels,  als  in 
den  verschiedenen  Schichten  der  Netzhaut,  sowie  auf  der 
Innenfläche  der  Retina  gerade  wie  im  vorigen  Falle. 

Am  hinteren  Pole,  wo  die  Linse  vom  Fremdkörper  an- 
gespiesst  ist,  quillt  die  Linsensubstanz  weit  in  den  Glaskörper 
hinein  und  ist  hier  stark  kataraktös  verändert  Das  Kapsel- 
epithel setzt  sich  weit  auf  die  hintere  Kapsel  fort,  am  Epithel 
der  vorderen  Kapsel  sind  die  Zellen  in  der  Nähe  des  Aequa- 
tors gewuchert  und  von  braunen  Körnern  erfüllt  In  der  Um- 
gebung des  Fremdkörpers  liegen  innerhalb  vielfacher  F.palt- 
räume  massenhafte  Eiweisskugehi  sowie  grosse  Körnchenzellen, 
die  zum  Theil  deutlich  gelblich  gefärbt  sind.  Legt  man 
Schnitte  in  das  Ferrocyankalium-Salzsäuregemisch,  so  wird  die 
Linsensubstanz  in  der  Umgebung  des  Fremdkörpers  diffus 
blau,  intensiv  blau  werden  ferner  die  meisten  der  Körnchen 
Zellen  und  zwar  theils  diffus,  theils  erscheinen  blaue  Köm- 
chen in  denselben.  Das  ganze  Kapselepithel  der  Linse  wird 
blau,  am  intensivsten  in  jener  Wucherungszone  in  der  Nähe 
des  Aequators.  DifiPus  hellblau  wird  das  Epithel  der  Ciliar- 
fortsätze  und  der  Pars  ciliaris  retinae,  innerhalb  der  Ciliar- 
fortsälze  erscheint  eine  ganze  Anzahl  jener  eigenthümlichen 
mit  blau  gefärbten  Kömchen  erfüllten  Zellen.  Die  pigmentirten 
Zellen  in  der  Retina  ergaben  in  diesem  Falle  keine  Eisenreaction. 

Versuch  22.  19  L  93.  Von  oben  her  wird  eine  7  mm 
lange  Lauzeuspitze  in  den  Glaskörper  eingeschoben,  es  erfolgt 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  219 

eine  ziemlich  starke  subconjanctivale  Blutung.  Die  Spitze  des 
Fremdkörpers  ist  mit  dorn  Spiegel  zu  sehen,  er  steckt  aber 
offenbar  noch  in  der  Bulbaswand. 

22.  I.  Der  Fremdkörper  ist  ganz  nach  unten  gesunken 
und  befindet  sich  im  vorderen  Theile  dos  Bulbus  hinter  der 
Linse,  vollkommen  in  weisse  Membranen  eingehüllt,  die  nach 
verschiedenen  Richtungen  den  Glaskörperraum  durchziehen. 
Die  Gefässe  an  den  Markflügeln  sind  sehr  eng,  eine  sichere 
Ablösung  ist  hier  nicht  zu  erkennen. 

11.  II.  Der  Fremdkörper  ist  von  noch  dichteren  weissen 
Membranen  umhüllt,  zahlreiche  weisse  Flecke  finden  sich  im 
ganzen  Hintergrunde.  Die  Papille  ist  noch  sichtbar,  die  Ge- 
wisse der  Netzhaut  sind  ausserordentlich  verengt,  an  den  Mark- 
flügeln  ist  eine  Ablösung  nicht  mit  Sicherheit  zu  erweisen. 
Enucleation.     Dauer  des  Versuches  23  Tage. 

Beim  Durchschneiden  des  gehärteten  Auges  im  horizon- 
talen Meridian  findet  sich  in  der  hinteren  Bulbushälfte  der 
Fremdkörper  hinter  der  Linse  in  bräunlich  gefärbtes  Gewebe 
eingebettet  vor;  die  Retina  ist  hier  abgelöst,  der  Glaskörper 
anscheinend  stark  verdichtet  und  zusammengezogen,  der  Fremd- 
körper wird  vorsichtig  herausgezogen  und  beide  Bulbushälften 
werden  eingebettet.  Die  untere  wird  vollständig  geschnitten, 
von  der  oberen  werden  nur  einige  Schnitte  zur  Untersuchung 
hergestellt. 

Schnitte  aus  der  oberen  Bulbushälfte  zeigen  auffallender 
Weise  im  Ganzen  vollkommen  normales  Verhalten,  die  Retina 
ist  in  allen  Schichten  wohlerhalten,  es  besteht  keine  Ablösung. 
Bei  Anwendung  der  Eisenreaction  färben  sich  intensiv  diffus 
blau  die  Zonulafasern  und  matt  blau  das  Epithel  der  Ciliar- 
fortsätze.  Im  Glaskörperraum  kommen  ziemlich  vereinzelte 
runde  Zellen  vom  Charakter  der  Leucocyten  vor,  welche  sich 
blaa  färben;  besonders  werden  dieselben  hinter  der  Zonula 
angetroffen.  An  Schnitten  aus  dem  oberen  Theil  der  unteren 
Bulbushälfte  ist  die  Netzhaut  auf  der  Seite,  wo  der  Fremd- 
körper sich  befindet,  abgelöst,  die  Stäbchen  und  Zapfen  sind 
zerfallen,  die  Körnerschichten  sind  zwar  noch  beide  nachweis- 
bar, doch  rücken  sie  sehr  nahe  zusammen,  stellenweise  ver- 
schmelzen sie  sogar.  In  der  Netzhaut  selbst  trifft  man  spär- 
lich, auf  der  Innenfläche  im  Glaskörperraum  dagegen  sehr  reich- 
lich jene  grossen  mit  den  schwarzen  Pigmentstäbchen  erfüllten 
Zellen.    Dieselben  ergeben  grössten  Theils  intensive  Eisenreac- 


220  E-  V.  Hippel. 

tion.  An  dem  Pigmentepithel  selbst  ist  an  diesen  Schnitten 
nichts  Auffälliges  zu  bemerken. 

Wo  der  Fremdkörper  entfernt  wurde,  findet  sich  eine 
braun  gefärbte  Masse,  die  zum  Theil  aus  amorphem  streifigem 
Gewebe  besteht  zum  anderen  Theile  aus  einem  Bindegewebe, 
in  das  zahlreiche  spindelige  Zellen  eingelagert  sind.  Inner- 
halb der  amorphen  Massen  liegen  zahlreiche  grössere  rund- 
liche Zellen,  die  alle  in  ihrem  Inneren  mehr  oder  weniger 
reichlich  jene  charakteristischen  schwarzbraunen .  Stäbchen  ent- 
halten; dieselben  sind  in  grosser  Menge  im  ganzen  Glaskörper- 
raum vorhanden,  am  reichlichsten  an  der  Innenfläche  der  ab- 
gelösten Netzhaut.  Das  ganze  Gewebe  um  den  Fremdkörper 
sowie  alle  diese  Zellen  werden  bei  Anwendung  der  Eisen- 
reaction  intensiv  blau.  Auch  in  den  blau  gefärbten  Zellen 
sind  die  schwarzen  Stäbchen  noch  sehr  deutlich,  die  Netzhaut 
ist  in  dieser  Höhe  vollkommen  abgelöst,  aber  auch  hier  sind 
noch  meistens  die  Körnerschichten  zu  unterscheiden.  An  ihrer 
Ausscnfläche  kommen  reichliche  blasse  vollkommen  unpigmen- 
tirte  Köruchonzellen  vor,  die  offenbar  Theile  der  Stäbchen  und 
Zapfen  enthalten,  dieselben  geben  keine  Eisen reaction;  in  den 
verschiedenen  Schichten  trifft  man  wieder  die  pigmentirten 
grossen  theils  sich  blau  färbenden  Zellen  an.  Die  Zellen  des 
Pignientepithels  sind  hier  wieder  vielfach  in  der  früher  schon 
geschilderten  Weise  auseinander  gewichen  und  liegen  theils  in 
einfacher  theils  in  mehreren  Lagen  über  einander;  die  am 
weitesten  nach  innen  liegenden  Zellen  haben  runde  Gestalt, 
enthalten  weniger  Pigmentstäbchen  und  färben  sich  grossen 
Theils  blau. 

Die  Zonulafasern  sind  auch  in  dieser  Gegend  intensiv 
blau  gefärbt.  Das  Kapselopithel  der  unverletzten  Linse  zeigt 
keine  Spur  von  Blaufärbung. 

Versuch  26.  20.  I.  93.  Einführung  einer  7  mm  langen 
Lanzeuspitze  von  oben  her  in  den  Glaskörperraum. 

23.  L  Der  Fremdkörper  liegt  im  vorderen  Thell  des 
Bulbus  etwas  quer,  umhüllt  von  weisslichen  Massen,  auf  die 
etwas  Blut  aufgelagert  ist.  Die  Retinalgefässe  sind  stark 
verengt. 

26.  L     Es    besteht    ausgedehnte   Ablösung  der  Netzhaut. 

15.  II.  Die  Retina  ist  vollkommen  zerfetzt,  weisse  Mem- 
branen erfüllen  den  Glaskörperraum,  stellenweise  sieht  man 
die  Chorioidea,  die  bräunliche  Flecken  zeigt. 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  221 

20.  II.  Der  Befand  ist  im  Wesentlichen  derselbe;  der 
Baibus  wird  enucleirt^  in  Müller'scher  Fltissigkeit  und  Alkohol 
gehärtet.     Dauer  des  Versuches  31  Tage. 

Beim  Aufschneiden  wird  die  Linse  stark  luxirt,  es  zeigt 
sich,  dass  der  Fremdkörper  ziemlich  weit  nach  vorne  im  Bulbus 
unten  den  Augenhäuten  anliegt.  Bei  dieser  Lage  ist  eine  Ver- 
letzung der  Linse  auszuschliessen.  Auf  der  Seite  des  Fremd- 
körpers scheint  die  Retina  sehr  verdünnt,  zum  Theil  geschwun- 
den zu  sein,  auf  der  anderen  Seite  ist  sie  makroskopisch  von 
annähernd  normaler  Dicke,  aber  abgelöst  von  der  Papille  bis 
zur  Ora  serrata  hin. 

In  den  untersuchten  Schnitten  erstreckt  sich  die  Ab- 
lösung auf  der  Seite,  wo  der  Fremdkörper  gesessen,  von  der 
Ora  serrata  bis  in  die  Gegend  des  Aequators,  von  da  bis  in 
die  Gegend  des  hinteren  Pols  liegt  sie  an,  ist  aber  im  höchsten 
Grade  verändert.  Der  abgelöste  Theil  dieser  Seite  sowie  die 
abgelöste  Netzhaut  auf  der  anderen  Seite  zeigen  erhebliche 
Degenerationserscheinungen,  Fehleu  der  Stäbchen  und  Zapfen, 
Verschmälerung  und  stellenweise  Verschmelzung  der  Körner- 
scbicbten  ähnlich  wie  in  den  vorigen  Fällen.  Das  Pigment- 
epithel ist  entsprechend  den  Stellen  der  Ablösung  im  Ganzen 
normal,  hier  und  da  trifft  man  Stellen,  wo  die  Zellen  in 
mehreren  Lagen  über  einander  liegen  und  der  Pigmentgehalt 
besonders  an  den  innen  gelegenen  Zellen  sehr  gering  ist;  diese 
färben  sich  bei  Anwendung  der  Ei?enreaction  hier  und  da 
blau.  Die  Ausseniläche  der  abgelösten  Retina  bedeckt  ein 
feiner  Detritus,  innerhalb  dessen  man  bei  starker  Vergrösse- 
rung  blasse  körnige  kugelige  Gebilde  ohne  förbbaren  Kern, 
andererseits  Zellen  antrifft,  von  denen  ganz  wenige  schwarze 
Pigmentstäbchen  in  spärlicher  Zahl  enthalten,  während  andere 
bei  Anwendung  der  Eisenreaction  blaue  Färbung  annehmen. 
In  der  abgelösten  Retina  habe  ich  die  in  den  vorigen  Fällen 
beschriebenen  Zellen  vermisst. 

Der  anliegende  Theil  der  Retina  besteht  aus  einem  ver- 
schieden dicken  reticulärcn  Gewebe  mit  spindeligen  Zellen, 
in  dessen  vorderstem  Theil  einige  Netzhautkömer  noch  nach- 
weisbar sind.  So  weit  dieses  Gewebe  reicht,  ist  von  einem 
normalen  Pigmentepithel  keine  Rede.  Hier  und  da  fehlt  es 
ganz,  dann  trifft  man  streckenweise  eine  Lage  grosser  poly- 
gonaler, mit  schwarzen  Pigmentstäbchen  dicht  erfüllter  Zellen, 
die  sich  bei  Anwendung  der  Eisenreaction  zum  Theil  diffus 
blau  färben.    Solche  Zellen,  die  verschiedene  Grösse  und  Form 


222  E.  V.  Hippel. 

besitzen,  aber  alle  durch  ihren  Gehalt  an  schwarzen  Pigmeut- 
stäbchen  ausgezeichnet  sind,  trifft  man  reichlich  in  dem  reti- 
culären  Gewebe,  das  die  Netzhaut  ersetzt.  Im  vordersten 
Theile  des  Glaskörpers  findet  sich  ein  schmaler  Zug  eines 
spindelzelligen  Gewebes,  in  der  Umgebung  liegen  einige  Blut- 
körperchen. Die  Spindelzellen  enthalten  braune  Körnchen,  von 
denen  ein  Theil  bei  Anwendung  der  Eisenreactiou  blau  wird ; 
ausserdem  kommen  innerhalb  dieses  Gewebes  sowie  frei  im 
Glaskörper  grosse  Zellen  vor,  welche  die  charakteristischen 
schwarzen  Pigment  Stäbchen  enthalten  und  grössten  Tboils  bei 
Anwendung  der  Eisenreactiou  diffus  blau  gefärbt  werden.  Das 
Epithel  der  Ciliarfortsätze  nimmt  ebenfalls  diffuse  hellblaue 
Färbung  an.     Die  Linsenkapselepithelien  färben  sich  nicht. 

Versuch  24.  Der  Fall  Albrecht,  in  welchem  die  Linse 
vollständig  resorbirt  war,  brachte  mich  auf  den  Gedanken, 
ob  die  enorme  Pigmentirung  in  den  vorderen  Theilen  des 
Auges,  speciell  in  der  Cornea,  wenn  sie  echt  siderotischer 
Natur  war,  nicht  vielleicht  auch  experimentell  zu  erzeugen 
wäre,  wenn  man  einen  Fremdkörper  in  den  Glaskörper  brächte 
und  später  die  Linse  extrahirte.  In  dieser  Richtung  ergab  der 
Versuch  zwar  ein  negatives  Resultat,  der  anatomische  Befund 
ist  aber  interessant  genug,  um  als  Ergänzung  der  vorigen  Ver- 
suche hier  angeführt  zu  werden. 

20.  I.  93.  Einführung  einer  Nadelspitze  von  oben  her 
in  den  Glaskörper. 

23.  I.  Der  Fremdkörper  liegt  vorne  unten  von  weissen 
Massen  umhüllt,  auf  denen  einige  kleine  Blutungen  liegen.  Die 
Netzhaut  ist  in  der  Nähe  des  Fremdkörpers  eingerissen,  der 
Rand   umgeklappt.    Der  vordere  Markflügel  ist  auch  abgelöst. 

1.  II.  Die  Ablösung  hat  weitere  Fortschritte  gemacht. 
Es  wird  ein  Linearschnitt  in  der  Cornea  nach  oben  mit  dem 
Graefe' sehen  Messer  gemacht,  mit  dem  Cystitom  die  Kapsel 
eröffnet  und  versucht  die  Linse  zu  extrahiren;  dies  ist  wegen 
der  Grösse  der  Kaninchenlinse  und  ihrer  äusserst  zähen  Con- 
sistenz  sehr  schwierig  und  gelingt  nur  unvollkommen  nach 
Anwendung  des  Davierschen  Löffels.     Die  Wunde  klafft  stark. 

2.  II.  Schmierige  Massen,  anscheinend  zum  Theil  ge- 
quollene Linsenmassen  mit  abgestreiftem  Irispigment  vermischt 
in  der  Wunde;  die  Wuudränder  sind  gequollen,  die  Cornea  in 
der  Mitte  getrübt.  Eiterung  besteht  nicht.  Die  vorgequollenen 
Massen  werden  mit  der  Scheere  abgetragen,  darauf  das  Auge 
gilt  desinficirt. 


Veber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  223 

15.  II.  Die  Wunde  bat  sich  im  Laufe  der  letzten  14 
Tage  gereinigt  und  ziemlich  fest  geschlossen.  Die  Narbe  be- 
ginnt sich  einzuziehen.  Die  vordere  Kammer  ist  auffallend 
tief,  die  Pupille  durch  Atropin  nicht  zu  erweitern,  im  Pupillar- 
gcbiet  liegen  Corticalreste,  man  bekommt  mit  dem  Spiegel 
nur  wenig  rotbes  Licht. 

8.  in.  Bei  focaler  Beleuchtung  bekommt  man  aus  der 
Tiefe  einen  brauurothen  Reflex. 

17.  III.  Bei  Tageslicht  erhält  man  einen  gelbbräunlichen 
Keflex  aus  der  Tiefe,  mit  dem  Spiegel  kein  rothes  Licht. 
Enucleation.  Das  Auge  ist  stark  phthisisch,  von  eckiger  Ge- 
stalt.     Dauer  des  Versuchs  56  Tage. 

Das  Auge  wird  von  oben  nach  unten  aufgeschnitten.  Man 
sieht  die  tief  eingezogene  Narbe,  in  welcho  der  pupillare  Rand 
der  Iris  eingeheilt  ist,  von  der  Narbe  abwärts  ist  die  Kammer 
sehr  tief  und  mit  geronnener  Eiweissmasse  erfüllt.  Im  Glas- 
körperraum trifft  man  voruo  unten  den  Fremdkörper  von 
braunen  Massen  umgeben.  Der  Glaskörperraum  ist  von  ge- 
ronnener Eiweissmasse  eingenommen,  der  Sehnervenkopf  ragt 
frei  in  den  Bulbusraum,  die  Retina  ist  an  der  Papille  voll- 
kommen abgerissen  Eine  Membran,  die  wie  ein  Rest  der 
Netzhaut  aussieht,  zieht  quer  durch  den  Bulbus  da,  wo  nor- 
maler Weise  die   Hinterfläche  der  Linse  sich  befinden  würde. 

Der  oberste  Thcil  der  Hornhaut  ist  normal,  dann  folgt  die 
breite  Narbe,  in  welcher  Gefässe  und  Zellen,  dio  mit  goldgelben 
Pigroentkörnern  erfüllt  sind,  liegen.  Die  Descemet'sche  Mem- 
bran zeigt  im  Bereiche  der  Narbe  enorme  P'alteubildungen, 
ihre  Hinterfl  che  bedeckt  eine  ziemlich  breite  Gewebsschicht 
vom  Aussehen  eines  Kapselstaars,  die  normalen  Endothelzellen 
sind  in  dieser  Ausdehnung  nicht  nachweisbar.  Offenbar  han- 
delt es  sich  um  eine  glashäutige  Neubildung,  die  aus  dem 
Hornhautendothel  hervorgegangen  ist.  Ihre  Hinterfläche  ist 
verwachsen  mit  der  Iris.  Die  Pigmentschicht  der  Iris  ist  in 
diesem  Bereich  in  grosser  Ausdehnung  zerfallen,  das  ganze 
Gewebe  der  Iris  bis  in  die  vordersten  Schichten  ist  hier  von 
grossen  runden  Zellen  durchsetzt,  welche  dicht  mit  dem 
schwarzbraunen  Irispigment  erfüllt  sind.  Die  Ciliarfortsätze 
sind  auf  dieser  Seite  mit  der  Hinterfläche  der  Iris  verwachsen 
und  stark  auseinander  gezerrt.  Im  Räume  der  hinteren 
Kammer  kommt  auch  eine  Anzahl  braunschwarz  pigmentirter 
Zellen  vor.  Im  unteren  Theil  des  Auges  liegt  hinter  den 
Ciliarfortsätzen  eine  grössere  Anhäufung  rother  Blutkörperchen, 


224  E.  T.  Hippel. 

zwischen  dcDen  sich  Lencocyten  nnd  Zellen  mit  gelblichen 
Pigmentkdrnem  6nden.  Die  vordere  Ltnsenkapsel  ist  gegen- 
fiber  der  Comealnarbe  dorchbrochen;  sie  ist  stark  verdickt 
und  liegt  in  vielen  Falten.  Die  hintere  KapseK  kenntlich  an 
ihrer  viel  grösseren  Zartheit  ist  ebenfalls  sehr  stark  gefaltet 
Die  ganze  Kapsel  ist  in  der  Peripherie  von  annähernd  nor- 
malem Epithel  ausgekleidet,  während  in  den  mehr  central  ge- 
legenen Tlieilen  ein  an  phitten  Zellen  reiches  Gewebe  die 
Innenfläche  der  Ka|>sel  bedeckt;  in  diese  Zellen  sind  massen- 
hafte schwarzbrauue  Körnchen  eingelagert;  gegenüber  dem  Riss 
der  vorderen  Kapsel  liegen  in  dem  Kapselstaargewebe  einige 
grössere  Zellen,  welche  dicht  mit  den  braonschwarzen  Köm- 
chen erföllt  sind.  Dieses  ans  platten  Zellen  bestehende  Ge- 
webe steht  durch  den  Riss  der  Kapsel  in  Verbindung  mit 
einem  gleichen,  das  von  der  Hinterfläche  der  Ciüarfortsätze 
ausgeht,  sich  iu  die  hintere  Kammer  erstreckt  und  der  Yor- 
derfläche  (fer  Linsenkapsel  aufliegt;  auch  in  diesem  kommen  in 
gleicher  Weise  pigmentirte  Zellen  vor.  Untersucht  man  das 
Pigment  in  allen  diesen  Zellen  mit  starken  Vergrösserungen, 
6)>czie]l  mit  Oelimmersion ,  so  erkennt  man.  dass  es  sich  um 
lauter  ziemlich  gleich  grosse  absolut  runde  braune  KOgelchen 
handelt,  die  genau  so  aussehen,  wie  das  Pigment  in  dem 
Epithel  der  normalen  Ciliarfortsätze;  nirgends  kommen  die 
unrogel massigen  eckigen  Kömer  vor,  die  man  bei  hämatogener 
oder  siderotischer  Pigmentirung  antrifft.  Um  es  hier  gleich 
vorweg  zu  nehmen:  die  Eisenreaction  fällt  an  diesem  ganzen 
Pigment  negativ  aus,  auffallender  Weise  fehlt  aber  auch  eine 
diffuse  Blaufärbung  der  in  der  Peripherie  vorhandenen  zweifel- 
losen Kapsclepithelien  vollkommen. 

Hinter  der  Kapsel  findet  sich  im  vordersten  Theile  des 
Glaskörperraumes  ein  eigenthümliches  reticuläres  Gewebe  mit 
spindligcn  und  mehr  rundlichen  Zellen,  welches  Züge  nach 
den  Ciliarfortsätzen,  der  Pars  ciliaris  retinae,  nach  dem  gleich 
zu  schildernden  Rest  der  Netzhaut  und  weiter  nach  hinten  in 
den  Glaskörper  entsendet.  Nach  hinten  grenzt  au  dasselbe 
eine  grössere  Blutung;  wo  es  an  diese  anstösst,  ist  es  von 
massenhaften  Zellen,  welche  goldgelbe  Körner  enthalten,  durch- 
setzt. Zwischen  den  unveränderten  rotlien  Blutkörperchen 
liegen  in  der  Blutung  einige  Zellen,  welche  entfärbte  Blut- 
körperchen enthalten,  sowie  einige  Haufen  von  braungelb  pig- 
mentirteu  grossen  Rundzellen.  Das  reticuläre  Gewebe  selbst 
ist  auch  vielfach  von  rothen  Blutkörperchen  durchsetzt.     Der 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  225 

im  vorderen  Tbeife  des  Glaskörpers  befindliche  Rest  der  Re- 
tina hängt  oben  an  der  Ora  serrata  fest,  unten  endigt  er  frei 
im  Glaskörper.  Die  Netzhaut  ist  sehr  stark  degenerirt,  die 
Stfltzfasem  sind  stark  ausgewachsen,  eine  schmale  Körnerschicht 
ist  noch  kenntlich.  In  ihrer  Substanz  trifft  man  ziemlich  zahl- 
reiche grosse  runde  gelblich  aussehende  ZeUen  mit  einem  Kern, 
welche  sämmtlich,  wenn  auch  ziemlich  spärlich,  die  kurzen 
schwarzen  Pigmentstäbchen  enthalten,  wie  sie  dem  normalen 
Pigmentepithel  zukommen. 

Die  übergrosse  Mehrzahl  dieser  Zollen  verhält  sich  der 
£isenreaktion  gegenüber  ablehnend,  die  Retina  selbst  giebt 
keine  diffuse  Blaufärbung.  Im  oberen  Theile  des  Bulbus  von 
der  Ora  serrata  bis  zur  Papille  verhält  sich  das  Pigment- 
epithel der  Retina  im  Ganzen  normal,  hier  und  da  scheinen 
die  Zellen  ein  wenig  gewuchert  zu  sein.  Im  unteren  Theile 
beginnt  schon  an  der  Ora  serrata  eine  sehr  starke  Wucherung 
der  Zellen  des  Pigmentepithels;  ihr  Zusammenhang  ist  ge- 
lockert, sie  liegen  in  vielfacher  Schichtung  übereinander  und 
werden  in  ihrer  Gestalt  sohr  unregelmässig,  indem  sie  theils 
runde,  theils  mehr  längliche  oder  verschieden  verästelte  Formen 
annehmen;  sie  schieben  sich  vor  in  die  hier  noch  vorhandene, 
stark  bindegewebig  degenerirte  Pars  ciliaris  retinae;  auch 
nach  innen  von  derselben  kommen  sie  im  Glaskörperraum  vor 
und  sind  überall  kenntlich  an  den  bekannten  schwarzen  Stäb- 
chen. In  der  degenerirten  Pars  ciliaris  kommen  noch  andere 
bräunliche  Zellen  vor;  das  Pigment  derselben  besteht  aus  gold- 
gelben unregelmässigen  Schollen  und  ist  danach  offenbar  häma- 
togenen  Ursprungs.  Etwas  weiter  nach  hinten  ist  das  Pigment- 
epithel  eine  Strecke  weit  unterbrochen,  die  Chorioidea  steht 
hier  im  Znsammenhange  mit  einem  weit  in  den  Bulbusraum 
hineinragenden  eigenthümlichen  zelligen  Gewebe,  das  weiter 
nach  hinten  zu  immer  schmäler  wird,  um  zuletzt  als  ganz 
dünne  Membran  der  Innenfläche  des  Bulbus  anzuliegen;  über 
den  Ursprung  dieses  Gewebes  und  seine  Bedeutung  vermag 
ich  keine  näheren  Angaben  zu  machen;  wo  das  Pigmeiitepithel 
fehlt,  liegen  in  diesem  Gewebe  zahlreiche  runde  Zellen  mit 
schwarzbraunen  Stäbchen.  Hinter  dieser  Stelle  sind  wieder 
Wucherungserscheinungen  am  Pigmentepithel  nachweisbar, 
welche  den  in  den  früheren  Fällen  beschriebenen  gleichen. 
Die  auseinander  gewichenen  Pigmentzellen,  die  runde  Form 
angenommen  haben,  liegen  hier  stellenweise  in  eigenthümlichen 
Hohlräumen,    die  von  pigmentirten  platten  Zellen  überbrückt 

▼.  Gnefe't  ArchlT  f&r  Ophthalmologie.  XL.    1.  15 


226  E-  V.  Hippel. 

werden;  offenbar  entstehen  diese  Bilder  ebenso  wie  im  Ver- 
such 23,  wo  sich  erweisen  Hess,  dass  wuchernde  Zellen  dio 
oberflächlichsten  in  die  Höhe  heben,  die  dann  eine  Art  Bracke 
über  den  tieferen  bilden.  Die  Choroidea  ist  im  unteren  Bul- 
busabschnitt  von  Zügen  eigenthümlicher,  man  möchte  sagen 
epitheloider  Zellen  durchsetzt,  die  Gefässe  sind  stark  erweitert 
Die  Eiscnreaction  lässt  das  Pigmentepithel  der  Retina  im 
oberen  Theil  des  Bulbus  unverändert,  im  unteren  wird  ein 
grosser  Theil  der  Zellen  diffus  blau,  ebenso  ein  Theil  der  mit 
braunen  Stäbchen  gefüllten  Zellen  in  der  Pars  ciliaris  retinae^ 
im  Glaskörperraum  und  dem  reticulären  Gewebe.  Die  meisten 
der  mit  goldgelben  Pigmentschollen  versehenen  Zellen  werden 
blau.  Um  den  Fremdkörper  zeigt  sich  Blaufärbung  an  einer 
amorphen  vorher  braunen  Masse.  In  den  Ciliarfortsätzen  er- 
scheinen wieder  die  blau  gefärbten  früher  schon  oft  erwähn- 
ten Zellen,  auch  zwischen  den  Falten  der  Ciliarfortsätze 
kommen  solche  Gebilde  vor.  Das  Epithel  derselben  wird  diffus 
hellblau.  In  der  Iris,  Cornea  und  Sclera  ist  nirgends  etwas 
von  Blaufärbung  zu  entdecken. 

Bezüglich  der  Verbreitung  des  mikrochemisch  nach- 
v\reisbaren  Eisens  geht  aus  diesen  Versuchen  Folgendes 
hervor: 

Ausser  der  diffusen  Blaufärbung  in  der  directen 
Umgebung  des  Fremdkörpers  zeigt  dieselbe  das 
Epithel  der  Ciliarfortsätze  und  das  Kapselepithel  der 
Linse,  wenn  die  Kapsel  verletzt  war.  Theils  diffus 
theils  an  Körnchen  gebunden  tritt  die  Blaufärbung 
an  Zellen  auf,  die  ihrer  Lage  nach  zweifellos  dem 
veränderten  Pigmentepithel  der  Retina  angehören, 
ferner  an  Zellen,  die  im  ganzen  Glaskörperraum 
und  in  verschiedenen  Schichten  der  Betina  gelegen 
sind  und  sich  durch  ihren  Gehalt  an  feinen  schwar- 
zen Stäbchen  auszeichnen.  Auf  die  Bedeutung  dieser 
Zellen  sowie  auf  die  Verwerthung  der  sonstigen  histologischen 
Befunde  möchte  ich  im  dritten  Theil  meiner  Arbeit  ausführ- 
lich eingehen.  Endlich  konnten  wieder  die  mit 
blauen  Körnchen  erfüllten  Zellen  innerhalb  der 
Ciliarfortsätze  nachgewiesen  werden. 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  227 

Versuche  über  Injection  von  Blut  in  den 
Glaskörper. 

Versuch  33.  25.  II.  93.  Blutinjection  in  den  Glas- 
körper nach  Yorheriger  Punktion  der  vorderen  Kammer  bei 
einem  albinotischen  Kaninchen.  Man  sieht  nach  der  Opera- 
tion schon  bei  Tageslicht  reichliche  Blutmassen  im  Glas- 
körper. 

4.  III.  Im  unteren  Theile  des  Glaskörpers  finden  sich 
reichliche  Klumpen  dunkelen  Blutes.  Der  Glaskörper  ist  diffus 
getrübt,  so  dass  man  die  Papille  nur  ganz  verschleiert  er- 
kennen kann. 

Enucleation.  Dauer  des  Versuchs  7  Tage.  Härtung  in 
Mfiller'scher  Flüssigkeit  und  Alkohol. 

Untersuchung  an  Schnitten:  Im  Glaskörperraum  ist  ziem- 
lich viel  Blut  enthalten,  sowohl  unmittelbar  hinter  der  Linse 
als  weiter  hinten.  Eine  rundliche  Anhäufung  mit  enterbtem 
Centrnm  liegt  in  der  Aequatorialgegend  innen  den  Augen- 
häuten an.  In  der  Peripherie  dieses  Haufens  sind  die  rothen 
Blutkörperchen  noch  gut  gefärbt,  einige  Leukocyten  kommen 
dazwischen  vor;  keine  blutkörpercbenhaltigen  Zellen.  In  eini- 
gen der  Leukocyten  trifft  man  braune  Körnchen,  die  keine 
Eisenreaktion  geben.  Das  Innnere  des  Knotens  ist  von  einem 
Netzwerk  von  Fibrinfäden  durchsetzt,  in  dessen  Maschen  eine 
feinkörnige  Masse  liegt.  Die  Knotenpunkte  des  Netzwerks 
der  Fibrinföden  sehen  aus  wie  Zellen  mit  zahlreichen  Aus- 
läufern, doch  beweist  das  völlige  Fehlen  der  Kernfärbung,  dass 
es  sich  nur  um  Verdickungen  des  Fibrins  handelt. .  In  der 
Uebergangszone  von  den  gut  gefärbten  rothen  Blutkörperchen 
zu  der  feinkörnigen  Masse  liegen  entfärbte  Blutkörperchen 
sowie  unregelmässig  eckige  Stücke  von  leicht  grünlicher  Farbe, 
offenbar  Bruchstücke  zerfallener  rother  Blutkörperchen.  In 
einem  Schnitt  aus  grösserer  Tiefe  liegt  unmittelbar  hinter  der 
Linse  eine  grössere  Anhäufung  des  Blutes  und  seiner  Zer- 
fallsprodukte: neben  einander  kommen  vor  gefärbte  sowie 
entfärbte  rothe  Blutkörperchen,  ferner  Bruchstücke  von  solchen 
von  der  allerverschiedensten  Gestalt  und  Grösse;  von  feinsten 
Kömchen  bis  zu  Stücken,  dio  etwa  halb  so  gross  sind,  wie 
ein  rothes  Blutkörperchen,  dieselben  haben  eine  grünliche  Fär- 
bung, die  sich  auch  bei  Anwendung  der  Eisenreaction  nicht 
verändert.  Die  gröberen  Stückchen  liegen  vielfach  in  Hänf- 
dien  beisammen.   Bemerkenswerth  ist,  dass  auf  grössere  Strecken 

15* 


228  E.  V.  Hippel. 

Leakocyten  vollkommen  fehlen,  dass  ferner  blutkörperchen- 
haltige  Zellen  nirgends  mit  Sicherheit  nachzuweisen  sind.  Hier 
und  da  trifft  man  ein-  und  zweikernige  Leukocyten,  von  denen 
einige  mit  den  grQnlichen  Körnchen  erfüllt  sind.  Nirgends 
ist  an  diesen  Zellen  durch  die  Eiscnreaction  eine  Blaufärbung 
hervorgetreten.  In  den  Ciliarfortsfltzen  kommen  in  massiger 
Menge  die  bekannten  mit  braunen  Kömchen  erfüllten  Zellen 
vor,  von  denen  die  Mehrzahl  bei  Anwendung  der  Eiscnreaction 
intensiv  blau  wird,  während  ein  kleinerer  Theil  die  braune 
Farbe  behält.  Eine  diffuse  Blaufärbung  des  Epithels  der  Ciliar- 
fortsätze  fehlt.  An  den  Membranen  des  Bulbus  kommen  keine 
nennenswerthen  Veränderungen  zur  Beobachtung;  höchstens 
wäre  an  der  Retina  in  der  Nähe  der  Papille  eine  gewisse 
Unregelmässigkeit  in  der  äusseren  Körnerschicht  zu  erwähnen, 
die  stellenweise  verbreitert  ist,  es  finden  sich  an  solchen  Stel- 
len Körner  zwischen  den  Stäbchen  und  Zapfen;  doch  sind  die 
Yeräodcrungen  höchst  geringfügig. 

Versuch  34.  25.  II.  93.  Blutinjection  in  den  Glas- 
körper nach  vorheriger  Punktion  der  vorderen  Kammer. 

8.  III.  An  den  verschiedensten  Stellen  des  Glaskörpers 
sind  dicke  dunkele  Blutklumpen  zu  sehen.  Euucloation.  Dauer 
des  Versuchs  11  Tage. 

Der  anatomische  Befund  ist  im  Ganzen  derselbe  wie  im 
vorigen  Falle;  auch  hier  tritt  deutliche  Eisenreaction  nur  an 
den  Zellen  innerhalb  der  Ciliarfortsätze  ein. 

An  der  Retina  findet  sich  in  geringer  Ausdehnung  ziem- 
lich weit  nach  vorne  deutlicher  Zerfall  der  äusseren  Schichten; 
die  äussere  Körnerschicht  ist  zerfallen,  die  Körner  liegen  zer- 
streut umher,  zwischen  ihnen  Haufen  abgetrennter  Stäbchen. 
Einige  Körner  sind  von  Zellen  aufgenommen  worden. 

Versuch  28.  25.  I.  93.  Einem  albinotischen  Kaninchen 
wird  nach  vorheriger  Punktion  der  vorderen  Kammer  Blut 
unter  ziemlich  starkem  Drucke  in  den  Glaskörper  injicirt. 
Dabei  platzt  gegenüber  der  Punktionsstelle  der  Hornhaut  die 
vordere  Linsenkapsel  und  es  legt  sich  etwas  Linseumasse  in 
die  Cornealwunde.    Dieselbe  wird  mit  der  Scheere  abgetragen. 

26  I.  Ziemlich  starke  blutige  Chemosis,  in  der  Horn- 
hautwunde liegt  ein  kleiner  mit  Fibrin  bedeckter  Irisvorfall, 
die  Linse  ist  aus  dem  Kapselriss  ziemlich  stark  hervorgequol- 
len, man  bekommt  nur  aussen  deutliches  rothes  Licht. 

4.  II.  Die  Chemosis  ist  verschwunden,  man  sieht  eine 
ziemlich  ausgedehnte  kataraktöse  Trübung  der  Linse,  bekommt 


üeber  Siderosis  Biilbi  und  die  Beziehungen  etc.  229 

etwas  rotbes  Licht,  kann  aber  im  Glaskörper  und  im  Augen- 
hintergmnd  keine  Einzelheiten  wahrnehmen. 

20.  IL  Der  Befand  ist  im  Ganzen  unverändert.  Enuclea- 
tion.  Dauer  des  Versuches  26  Tage.  Härtung  in  Mflller'scher 
Flüssigkeit  und  Alkohol. 

Beim  Durchschneiden  wird  die  Linse  leider  stark  luxirt^ 
hinter  derselben  sowie  unten  im  Glaskörper  liegen  dunkele 
bräunliche  klumpige  Massen,  die  Pars  ciliaris  retinae  sieht 
bräunlich  aus.  Bei  der  Einbettung  wird  die  Linse  wieder 
möglichst  in  die  ursprüngliche  Lage  gebracht. 

Mikroskopische  Untersuchung.  Im  vorderen  Theile 
des  Glaskörpers  liegen  beträchtliche  Massen  rother  Blutkörper- 
chen, die  grössten  Theils  wohlgefärbt  und  von  normaler  Ge- 
stalt sind;  zwischen  den  Falten  der  Ciliarfortsätze,  im  Räume 
der  hinteren  Kammer,  sowie  vereinzelt  innerhalb  des  Kapsel- 
sackes der  Linse,  kommen  sie  vor.  Neben  den  unveränderten 
Blutkörperchen  sind  in  geringerer  Menge  Bruchstücke  von 
solchen  sowie  einige  Leukocyten  und  endlich  grosse  runde 
meist  einkernige  Zellen  nachweisbar,  deren  Protoplasma  von 
bräunlichen  Körnchen  erfüllt  ist.  Ein  Thcil  dieser  Körnchcu 
färbt  sich  bei  Anwendung  der  Eisenreaction  deutlich  blau. 
Diese  Zellen  sind  ziemlich  zahlreich  vor  der  Papille,  wo  eine 
Anhäufung  rother  Blutkörperchen  liegt;  das  ist  der  Befund  au 
Schnitten,  die  etwa  der  Mitte  des  Bulbus  entstammen.  In 
grösserer  Tiefe  trifft  man  im  vorderen  Theile  des  Glaskörpers 
innerhalb  einer  Anhäufung  rother  Blutkörperchen  eine  Masse 
grosser,  bei  schwacher  Yergrösserung  dunkelbrauner  Zellen. 
Die  Färbung  ist  bedingt  durch  Einlagerung  brauner  Körnchen, 
welche  die  Zellen  in  verschiedener  Menge  erfüllen.  Ausser 
diesen  Körnchen  enthält  ein  Theil  der  Zellen  deutliche  Bruch- 
stücke rother  Blutkörperchen,  während  ich  unveränderte  rothe 
Blutkörperchen  als  Inhalt  dieser  Zellen  nicht  mit  Sicherheit 
erweisen  konnte.  Die  Eisenreaction  lässt  die  meisten  dieser 
Zellen  unverändert,  einige  nehmen  eine  diffuse  blaue  Färbung 
an,  während  die  Körnchen  braun  bleiben,  wieder  bei  anderen 
werden  die  Körnchen  deutlich  blau. 

An  der  Linse  sieht  man  entsprechend  der  Stelle,  wo  die 
Kapsel  geborsten  war,  eine  ausgedehnte  Kapselkatarakt;  die 
Linsensubstanz  ist  nur  zum  kleinsten  Theil  kataraktös  und 
zwar  sowohl  in  der  vorderen  als  der  hinteren  Corticalis.  Weder 
an  den  Kapsel-Epithelzellen  noch  in  der  Linse  selbst  ruft  die 
Eisenreaction  die  geringste  Blaufärbung  hervor.    Innerhalb  der 


230  E-  V.  Hippel. 

Ciliarfortsätze  finden  sich  in  betitchüicher  Menge  die  bekannten 
Zellen,  deren  brannc  Kömchen  bei  Anwendung  der  Eisenreac- 
tion  alle  Uebergän^e  Yon  völlig  nnTcränderter  bis  znr  inten> 
sivtten  dunkelblauen  Färbung  zeigen.  Im  Ciliannuskel  sind 
diese  Zellen  ganz  vereinzelt  in  der  Iris  gar  nicht  aufzufinden. 
Das  Epithel  der  CiliarfortsStze  und  der  Pars  ciliaiis  retinae 
zeigt  eben  angedeutet  eine  Spur  von  diffuser  Blaufiürbung. 

An  Schnitten,  die  der  Mitte  des  Bulbus  entstammen,  ist 
die  Retina  im  Grossen  und  Ganzen  normal,  auch  ist  sie  nir- 
gends deutlich  abgelöst  Kur  neben  der  Papille  sieht  man 
einige  kleine  Falten,  von  denen  aber  nicht  mit  Sicherheit  zu 
entscheiden  ist,  ob  sie  nicht  durch  die  H&rtung  hervorge- 
rufen sind. 

In  einem  kleinen  Bezirke  temporal  von  der  Papille  ist 
die  Retina  verändert:  hier  sind  die  Körnerschichten  zusammen- 
geflossen, die  äussere  Körnerschicht  ist  nach  aussen  und  innen 
verbreitert,  der  Zusammenhang  der  Kömer  ist  erheblich  ge- 
lockert. Die  Stäbchen  und  Zapfen  fehlen  hier,  das  Epithel 
besteht  nicht  aus  der  einfachen  Lage  flacher  kubischer  Zellen, 
sondern  es  liegen  einwärts  davon  mehrere  grosse  kubische, 
etwas  bräunlich  gefärbte  Zellen  mit  leicht  granulirtem  Proto- 
plasma. Nasal  von  der  Papille  sind  die  Epithelzellen  eine 
Strecke  weit  vergrössert,  von  mehr  kubischer  Gestalt,  stellen- 
weise liegen  einige  übereinander;  hier  enthalten  sie  in  ihrem 
Inneren  branngelbe  Körnchen,  die  nicht  etwa  mit  den  nor- 
malen Oeltropfen  zu  verwechseln  sind. 

Im  Gewebe  der  Papille  sowie  in  den  Markflflgeln  werden  in 
den  innersten  Schiebten  in  der  Umgebung  der  Gefässe  einige 
Zellen  angetroffen,  die  mit  braunen,  durch  die  Eisenreaction 
blau  gefärbten  Körnchen  erfüllt  sind. 

In  Schnitten  aus  grösserer  Tiefe  fällt  hier  und  da  eben- 
falls das  Zusammenrücken  der  Körnerscbichten  auf,  sonst  sieht 
man  keine  besonderen  Veränderungen. 

Versuch  32.  8.  II.  93.  Injection  von  Blut  in  den  Glas- 
körper nach  vorheriger  Punktion  der  vorderen  Kammer;  dabei 
wird  wieder  durch  offenbar  zu  starken  Druck  die  Linsenkapsel 
entsprechend  der  Punktionsstelle  gesprengt,  etwas  Linsenmasse 
quillt  hervor. 

9.  II.  Die  Iris  ist  leicht  eingeklemmt,  das  Auge  etwas 
injicirt  Oben  entsprechend  dem  Kapselriss  ist  die  Linse  im 
vorderen  Theile  strahlig  getrübt    So  weit  man  mit  dem  Spiegel 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  231 

darchleuchten  kann,  sieht  man  blutige  Massen  im  Glaskörper, 
ausserdem  einige  Luftblasen. 

15.  II.    Die  Iris  sieht  brannröthlich  aus. 

20.  II  Die  Linse  sieht  braanröthlich  aus,  lässt  sich  mit 
dem  Spiegel  fast  gar  nicht  mehr  durchleuchteu,  man  erhält  aus 
der  Tiefe  des  Auges  einen  dunkelrothen  Reflex. 

1.  IIL  Nach  Atropin Wirkung  erkennt  man,  dass  die  Linse 
nach  oben  luxirt  ist,  man  sieht  den  unteren  Rand  sehr  deutlich. 

8.  III.  Enucleation.  Härtung  in  Mttiler'scher  Flüssigkeit 
und  Alkohol.     Dauer  des  Versuches  28  Tage. 

Auf  Schnitten,  welche  im  horizontalen  Meridian  durch 
die  Papille  gehen,  trifft  man  von  dem  injicirton  Blute  noch 
eine  etwas  grössere  Anhäufung  an  einer  Stelle,  etwa  in  der 
Mitte  zwischen  Aequator  und  der  Papille,  an.  Die  Blutkörper- 
chen sind  sämmtlich  entfärbt,  zwischen  ihnen  erkennt  man 
feinkörnigen  Detritus;  ausserdem  finden  sich  hier  einkernige 
Leukncyten  und  ferner  eine  relativ  grosse  Menge  bräunlich 
gefärbter,  grosser  runder  ein-  und  mehrkerniger  Zellen.  Die- 
selben enthalten  kleinere  und  grössere  braune  Körnchen  und 
Schollen,  hier  und  da  sind  auch  entfärbte  rothe  Blutkörper- 
chen in  solche  Zellen  eingeschlossen.  Bei  Anwendung  der 
Eisenreaction  bleibt  ein  Theil  dieser  Zellen  ganz  unverändert, 
andere  werden  diffus  hellblau,  während  die  Körnchen  braun 
bleiben,  in  anderen  wiederum  färben  sich  die  Kömchen  und 
das  Protoplasma  bleibt  ungefärbt,  endlich  kann  körniger  Inhalt 
sowie  Protoplasma  die  Färbung  annehmen.  Im  Ganzen  kann 
man  sagen,  dass  intensive  Blaufärbung  selten  ist  und  dass 
schwacher  positiver  sowie  negativer  Ausfall  der  Reaction  nnge- 
fthr  gleich  häufig  zur  Beobachtung  kommt.  An  der  Innen- 
fläche der  Pars  ciliaris  retinae  und  zwischen  den  Falten  der 
Ciliarfortsätze  kommen  jene  Zellen  ebenfalls  ziemlich  zahlreich 
vor,  hier  reagiren  die  meisten  positiv.  Die  bekannten  Zellen 
innerhalb  der  Ciliarfortsätze  sind  hier  sehr  reichlich  und  rea- 
giren ausserordentlich  intensiv,  spärlich  kommen  sie  im  Ciliar- 
muskel,  in  der  Iris  und  im  Kammerwinkel  vor,  hier  fällt  die 
Reaction  sehr  schwach  aus.  Das  Epithel  der  Ciliarfortsätze 
und  der  Pars  ciliaris  retinae  wird  bei  Anwendung  der  Eisen- 
reaction matt  hellblau. 

Die  Linse  ist  zum  Theil  kataraktös,  das  Kapselepithel 
aberzieht  zum  Theil  in  mehrfacher  Lage  die  hintere  Kapsel, 
in  der  Aequatorialgegend  sind  die  Linsenfasern  zerfallen,  ebenso 
in  der  vorderen  Corticalis.    Am  Epithel  der  vorderen  Kapsel 


232  E.  T.  Hippel. 

erhält  Bian  in  einer  Zone  nahe  dem  Aeqaator  bei  Anwendung 
der  Eisenreaction  dentliche  diffase  hellblaue  Färbung  der  Epi- 
thelzellen, während  der  Kern  bei  Gegenftrbnng  mit  Karmin 
roth  wird.  An  der  Stelle,  wo  die  Linsenkapsel  geborsten  war, 
findet  sich  ein  sehr  eigenthämlicher  Befnnd:  Die  Kapsel  ist 
hier  sackförmig  ansgebnchtet  nnd  enorm  yerdickt  Das  Kapsel- 
epithel  befindet  sich  in  einfacher  Lage  an  seiner  normalen 
Stelle,  der  Raum  zwischen  der  Kapsel  nnd  dem  Epithel  ist 
Ton  einem  fiiserigen  Gewebe  erf&llt,  in  welches  zahlreiche 
Spindelzellen  eingelagert  sind. 

Die  Retina  zeigt  im  Ganzen  normales  Verhalten,  die 
flache  Abhebung,  die  man  in  den  Präparaten  erkennt,  ist  jeden- 
falls  durch  die  Härtung  hervorgerufen,  denn  in  dem  subreti- 
nalen Räume  findet  sich  nur  Cclloidin.  Zu  beiden  Seiten  der 
Papille  springt  eine  starke  Falte  der  Retina  in  den  Bulbns- 
raum  Yor,  hier  ist  auch  die  äussere  Kömerschicht  sowie  die 
Stäbchenschiclit  etwas  unregelmässig.  In  der  gauzen  Retina 
sieht  metn  öfters  innerhalb  der  Stäbchenschicht  grosse  polygo- 
nale ZelJen,  welche  von  dem  Epithel  zu  stammen  scheinen. 
An  letzterem  sind  aber  deutliche  Zeichen  von  Wucherung 
nicht  aufzufinden.  Im  Gewebe  der  Papille  kommen  einige  mit 
braunen  Körnchen  gefüllte  Zellen  vor,  welche  schwache  Eisen- 
reaction geben. 

Versuch  31.  8.  IL  93.  Blutinjectiou  in  den  Glaskörper 
nach  vorheriger  Punktion  der  vorderen  Kammer  (albinoti- 
sches  Thier). 

9.  II.  Dunkele  Blutmasson  im  vorderen  Theile  des  Glas- 
körpers.    Auge  blass. 

Die  Iris  sieht  durch  das  hindurchschimmernde  Blut  dunkel- 
roth  aus;  die  Papille  ist  stark  verschleiert  zu  sehen. 

15.  IL     Bei  Tageslicht  sieht  die  Pupille  schwarz  aus. 

20.  IL  Auge  blass,  Linse  vollkommen  klar,  vorne  oben 
siebt  man  einen  scharf  begrenzten  Blutklumpen,  darunter  weiss- 
lich  gefärbte  Massen. 

1.  III.  Ziemlich  weit  vorne  sieht  man  ein  Blutgerinnsel, 
das  in  der  Peripherie  entfärbt  ist  und  nur  in  der  Mitte  dunkel- 
roth  erscheint.  An  verschiedenen  Stellen  des  Glaskörpers  sind 
kleinere  und  grössere  Gerinnsel  sichtbar.  Der  hintere  Mark- 
fiUgel  ist  deutlich  flach  abgelöst,  die  Gefässe  sind  verengt. 

8.  III.  Netzhautablösung  wie  bei  der  letzten  Unter- 
suchung, im  Glaskörper  ausser  den  grossen  Klumpen  zahlreiche 
feinere  flottireudc  Trübungen. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  233 

17.  III.  Deutliche  Netzhaut ablösung  des  vorderen  sowie 
hinteren  Markflügcls,  Schrumpfung  und  Atrophie  der  Netzhaut 
Die  Blutgeriunsel  zum  grossen  Thcil  braunrotb  gefärbt.  £nu- 
cleation.  Härtung  in  MüHer'scher  Flüssigkeit  und  Alkohol. 
Dauer  des  Versuches  37  Tage. 

Bei  der  Untersuchung  überzeugt  man  sich,  dass  die  Reste 
des  injicirten  Blutes  entschieden  spärlicher  sind,  als  man  nach 
der  ophthalmoskopischen  Untersuchung  hätte  erwarten  sollen. 
In  den  untersuchten  Schnitten  trifft  man  wenige,  meist  ent- 
färbte rotbc  Blutkörperchen  an,  in  der  Gläskörpersubstanz 
finden  sich  ausser  feinkörnigen  Massen  äusserst  zahlreiche 
grosse  ein-  und  mehrkernige  Zellen,  welche  durch  einge- 
schlossene feine  und  gröbere  braungelbc  Körnchen  braun  ge- 
erbt erscheinen.  Am  zahlreichsten  sind  diese  Zellen  an  der 
Hinterfläche  der  Linse  sowie  zwischen  den  Falten  der  Ciliar- 
fortsätze,  doch  kommen  sie  im  ganzen  Glaskörperraum e  vor. 
Daneben  siebt  man  auch  zahlreiche  kleine  Rundzellen  vom 
Charakter  der  Leukocyten.  Die  Glaskörpersubstanz  ist  hier 
und  da  durchzogen  von  feinen  Zügen  spindeliger  Zellen,  welche 
an  den  Polen  von  braunen  Körnchen  erfüllt  sind,  die  inten- 
sive Eiscnreaction  ergeben.  Innerhalb  der  Ciliarfortsätze  sind 
die  bekannten  braunen  Zellen  sehr  reichlich,  in  der  Iris  spär- 
lich, ebenso  im  Kammerwinkel.  Die  überwiegende  Mehrzahl 
der  oben  beschriebenen  grossen,  braun  pigmentirten,  sowie  der 
zwischen  und  in  den  Ciliarfortsätzen  befindlichen  Zellen  nimmt 
die  Eisenreaction  an.  Die  Intensität  der  Färbung  ist  ver- 
schieden. Die  Blaufärbung  tritt  wieder  theils  diffus  im  Pro- 
toplasma theils  an  den  Körnchen  oder  an  beiden  auf.  Ein 
kleiner  Theil  dieser  Zellen  bleibt  unverändert. 

An  der  Linse  ist  zu  bemerken,  dass  die  Innenfläche  der 
hinteren  Kapsel  von  einer  unregelmässigen  Schicht  von  Epi- 
thelzellen überzogen  ist;  während  des  Lebens  war  die  Linse 
durchsichtig  erschienen. 

Von  der  Netzhaut  zeigen  nur  kleine  Theile  normales  Ver- 
halten, der  gröBSte  Theil  ist  mehr  oder  weniger  stark  degene- 
rirt;  die  Membran  ist  an  den  degenerirten  Stellen  stark  ver- 
schmälert; die  Stäbchen  und  Zapfen  sind  theilweise  zerfallen, 
die  Körnerschichten  sind  sehr  schmal  und  fliessen  zusammen, 
die  Markflügel  sind  abgelöst  und  stark  gefaltet.  Am  Epithel 
der  Retina  siebt  man  stellenweise  deutliche  Wucherung,  die 
Zellen  sind  vergrössert  und  liegen  öfters  in  mehrfacher  Schich- 
tung über  einander. 


234  E.  V.  Hippel. 

Das  Epithel  der  Pars  ciliaris  retinae  und  der  Ciliarfort- 
sätze  wird  durch  die  Eisenreaction  matt  hellblau  gefärbt  und 
zwar  der  dem  Glaskörper  zugewandte  Theil  der  Zellen  am 
stärksten. 

In  Kürze  zusammengefasst  erhält  man  also  bei  den 
Versuchen  mit  Injection  von  Blut  in  den  Glaskörper  folgende 
Befunde: 

Die  Zeit,  innerhalb  deren  die  rothen  Blut- 
körperchen verändert  werden  und  zerfallen,  zeigt 
grosse  Schwankungen:  während  nach  7  Tagen  einmal 
schon  ein  grosser  Theil  der  Blutkörperchen  zerfallen  war, 
sind  in  einem  andeni  Falle  nach  26  Tagen  noch  grosse 
Mengen  w^ohlgefärbter  unveränderter  rother  Blutkörperchen 
anzutreffen.  Was  die  Art  des  Zerfalles  und  die 
Pigmentbildung  betrifft,  so  ist  zunächst  hervorzuheben, 
dass  in  den  5  Versuchen,  die  sich  auf  einen  Zeitraum 
zwischen  7  und  37  Tagen  erstrecken,  zweifellose  blut- 
körperchenhaltige  Zellen  nicht  anzutreffen  waren, 
einige  Bilder  konnten  allenfalls  so  gedeutet  werden,  doch 
waren  sie  ganz  vereinzelt  und  sehr  unsicher  in  der  Auf- 
fassung. Man  traf  Zerfallsproducte  der  rothen  Blutkörper- 
chen frei  liegend  in  grosser  Menge  an,  ohne  dass  nur  Leuco- 
cjiien  in  der  Umgebung  vorhanden  waren.  Zellige  Ele- 
mente treten  in  grösserer  Menge  überhaupt  erst 
allmählich  auf,  nach  7  Tagen  sind  sie  äusserst 
spärlich,  etw^as  reichlicher  nach  12  Tagen,  recht 
zahlreich  sind  sie  nach  26,  28  und  37  Tagen.  Ein- 
mal sind  es  kleine  einkernige  Zellen  vom  Ansehen 
der  Leucocyten,  dann  aber  grosse  ein-  und  mehr- 
kernige runde  Zellen,  welche  Bruchstücke  der 
rothen  Blutkörperchen  sowie  Pigmentkörner  ein- 
schliessen. 

Das  Ergebnis»  der  Eisenreaction  anlangend, 
80  ist  an  dem  Blut  und  seinen  Zerfallspi'oducten  nach 
7    Tagen    noch   keine    deutliche   positive   Reaction 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  235 

nachweisbar,  nach  12  Tagen  beginnt  sie  an  den  mit 
braunen  Körnchen  erfüllten  Zellen  und  wii-d  in  den 
späteren  Stadien  sehr  deutlich;  während  nach 
26  Tagen  nur  der  kleinere  Theil  jener  Zellen 
positiv  reagirt,  thut  dies  nach  37  Tagen  der  weit- 
aus grösste.  Was  die  Art  der  Blaufärbung  anlangt, 
so  kann  dieselbe  diffus  im  Protoplasma  auftreten, 
wobei  die  Körnchen  braun  bleiben,  ferner  nur  an 
die  Körnchen  gebunden  sein  und  endlich  beide 
Theile  betreffen. 

Früher  als  innerhalb  der  Blutung  findet  sich 
deutliche  positive  Eisenreaction  an  jenen  oft  er- 
wähnten Zellen  innerhalb  der  Ciliarfortsätze;  hier 
ist  sie  schon  nach  7  Tagen  nachweisbar. 

Eine  diffuse  schwache  Blaufärbung  des  Epi- 
thels der  Ciliarfortsätze  und  der  Pars  ciliaris  re- 
tinae fand  sich  erst  nach  28  Tagen  vor. 

Bei  Verletzung  der  Linsenkapsel  nahm  nach 
37  Tagen  das  Epithel  der  Linsenkapsel  in  gewisser 
Ausdehnung  eine  matte  blaue  Färbung  an. 

Nach  28  und  37  Tagen  wurde  theilweise  Ab- 
lösung sowie  Degeneration  der  Retina  beobachtet. 

m.  Theil:  Hesultate  und  Schlussfolgerungen. 
Im  Folgenden  wird  es  sich  darum  handeln,  die  in  den 
beiden  vorigen  Theilen  niedergelegten  Ergebnisse  der  klini- 
schen, pathologisch-anatomischen  und  experimentellen  Unter- 
suchungen unter  gemeinsame  Gesichtspunkte  zu  vereinigen 
und  die  sich  ergebenden  Schlüsse  über  die  Art  der  Aus- 
breitung des  Eisens  unter  den  verschiedenen  Bedingungen 
zu  ziehen,  femer  auch  die  zum  Theil  ungewöhnlichen  histo- 
logischen Befiinde  eingehender  zu  berücksichtigen.  Vorweg 
möchte  ich  bemerken,  dass  ich  mich  auf  die  noch  immer 
strittige  Frage,  ob  das  normale  Augenpigment  eisenhaltig 
ist,  nicht  einzulassen  gedenke.    Für  mich  genügt  die  That- 


236  E.  V.  Hippel. 

Sache,  dass  durch  die  Perls'sche  und  Quincke'sche  Re- 
action  kein  Eisen  darin  nachgewiesen  ist 

Die  klinischen  und  pathologisch-anatomischen  Unter- 
suchungen hatten,  ausser  der  Verbreitung  des  Eisens  in 
unmittelbarer  Umgebung  des  Fremdkörpers,  eine  Femwirkimg, 
wie  ich  es  dort  nannte,  in  Uebereinstimmung  mit  früheren 
Untersuchungen  für  die  linse  mit  Sicherheit  ergeben,  für 
die  Iris  sehr  wahrscheinlich  gemacht.  Für  das  übrige 
mikrochemisch  nachweisbare  Eisen,  das  sich  entfernt  vom 
Fremdkörper,  in  den  verschiedenen  Theilen  des  Auges  vor- 
fand, Hess  sich  nicht  entscheiden,  ob  und  in  wieweit  es  von 
dem  Fremdkörper  selbst  herstammte  oder  ob  es  hämato- 
genen  Ursprungs  war.  Diese  Frage  sollten  die  Experi- 
mente entscheiden,  in  welchen  die  Wirkung  von  Fremd- 
körpern aus  Eisen  und  von  Blut  getrennt  verfolgt  werden 
konnte.  Da  bei  Einführung  eiserner  Lanzenspitzen  in  die 
vordere  Kammer  und  die  Linse  Blutungen  vermieden  wur- 
den, so  stammt  alles  in  diesen  Versuchen  vorgeftindene 
Eisen  zweifellos  vom  Fremdköq^er  selber  her.  Bei  der 
Einführung  von  Lanzenspitzen  in  den  Glaskörper  konnten 
kleinere  Blutungen  niclit  immer  vermieden  werden;  den- 
noch ist  hier  die  difiFiise  Blaufärbung  gewisser  Theile,  be- 
sonders des  Epithels  der  Ciliarfortsätze,  mit  Sicherheit  auf 
den  Fremdkörper  selbst  zu  beziehen,  denn  in  den  Ver- 
suchen, wo  Blut  in  grösserer  Menge  in  den  Glaskörper 
injicirt  wurde,  zeigte  sich  eine  Blaufärbung  erst  in  späteren 
Stadien  und  war  viel  geringfügiger. 

Ist  es  so  sicher  gestellt,  dass  man  die  Fem  Wirkung 
des  Fremdkörpers  isolirt  verfolgen  kann,  so  ergeben  die 
Versuche  mit  Einführung  von  Fremdkörpern  aus  Eisen  in 
die  verschiedenen  Theile  des  Auges  Folgendes:  Bei  be- 
liebigem Sitze  des  Corpus  alienum  findet  sich  nach 
einer  gewissen  Zeit  mikrochemisch  nachweisbares 
Eisen  in  diffuser  Ausbreitung  im  Epithel  der  Ciliar- 
fortsätze,   der    Pars    ciliaris   retinae,    im   Kapsel- 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  237 

epithel  der  Linse,  wenn  die  Kapsel  irgendwo  ver- 
letzt war,  unter  Umständen  im  Epithel  der  Iris, 
ferner  in  gewissen  Zellen,  die  im  Kammerwinkel 
auftreten,  wenn  der  Fremdkörper  in  der  vorderen 
Kammer  lag.  Auf  die  eigenthümlichen  Zellen  in  den 
Ciliarfortsätzen  komme  ich  später  zurück. 

Aus  diesen  Versuchs-Ergebnissen  können  wir  den 
Schluss  ziehen,  dass  die  an  den  untersuchten  menschlichen 
Augen  vorgefundene  diffuse  Ausbreitung  des  Eisens  im 
Epithel  der  Ciliarfortsätze,  der  Pars  ciliaris  retinae  und  der 
Iris  sowie  dem  Kapselepithel  zum  Theil  von  dem  Fremd- 
körper selber  herstammt.  Dass  sie  auch  von  dem  Blute 
herrühren  kann,  bedurfte  keines  experimentellen  Beweises, 
dies  hatte  die  Untersuchung  menschlicher  Augen,  die  keinen 
Fremdkörper  enthielten,  genügend  sicher  gestellt  Die  Er- 
gebnisse der  Versuche  bestätigen  es.  Der  Ausfall  der  B^- 
action  ist  im  Allgemeinen  in  den  menschUchen  Augen  er- 
hebhch  intensiver  als  in  den  Versuchsaugen. 

Bei  Einführung  der  Fremdkörper  in  den  Glaskörper- 
raum fand  sich  sehr  intensive  Eisenreaction  an  Zellen  vor, 
auf  deren  Bedeutung  hier  näher  eingegangen  werden  muss. 

Von  Leber  sind  die  Veränderungen,  welche  im  Glas- 
körper befindliche  Eisensplitter  an  der  Netzhaut  bewirken, 
ausführlich  geschildert  worden.  Ophthalmoscopisch  nimmt 
man  dabei  eine  Zerreissung  und  Ablösung  der  Betina 
wahr,  die  durch  Zug  des  schrumpfenden  Glaskörpers  ent- 
steht, femer  eine  hochgradige  Atrophie  der  Netzhaut.  Die 
Veränderungen  treten  verschieden  rasch  auf,  pflegen  sich 
aber  immer  innerhalb  der  ersten  2  Wochen  zu  entwickeln. 
Die  Ergebnisse  meiner  Versuche  stimmen  vollkommen  mit 
diesen  Angaben  überein.  Anatomisch  fand  Leber  eine 
hochgradige  Atrophie  sämmtUcher  nach  aussen  von  der 
Nervenfaserschicht  befindUchen  Schichten  der  Retina.  .  An 
Stelle  dieser  Theile,  die  zum  grössten  Theil  vollständig  ge- 
schwunden waren,  fanden  sich  „grosse  rundliche  oder  poly- 


238  E.  V.  Hippel. 

gonale,  mosaikartig  angeordnete  Zellen,  welche  Detritus 
der  zerfallenen  Retina  und  vorzugsweise  die  Elemente  der 
Stäbchenschicht  in  sich  aufgenommen  hatten".  Die  Zellen 
des  Ketinaepithels  waren  zum  Theil  vergrössert  und  ent- 
hielten oft  2 — 3  Kerne,  sie  bildeten  hügelige  Hervorragungen 
und  enthielten  ebenfalls  Stäbchen.  Runde  oder  ovoide 
stäbchenhaltige  Zellen  lagen  theilweise  in  mehrfachen 
Schichten  getrennt  von  dem  Retinaepithel  innerhalb  der 
Stäbchenschicht,  femer  zwischen  Choroidea  und  dem  Epi- 
thel, dessen  Zellen  dann  häutchenartige  Platten  darstellten 
und  hügelartig  emporgehoben  wurden.  Wo  die  stäbchen- 
haltigen  Zellen  in  grosser  Menge  übereinander  geschichtet 
lagen,  waren  die  Retinaepithelzellen  von  ihrer  Stelle  ver- 
schwunden, während  ihre  Oeltropfen  sich  in  den  ersteren 
eingeschlossen  fanden.  In  späteren  Stadien  war  das 
kemreiche  reticuläre  Gewebe,  in  welches  die  Retina  ver- 
wandelt war,  durchsetzt  von  grossen  runden  Kömchenzellen, 
welche  braune,  Eisenreaktion  gebende  Kömer  enthielten, 
dieselben  fanden  sich  auch  in  grosser  Menge  im  Glaskörper 
vor.  In  einem  Falle  zeigte  sich  nach  31  Tagen  an  Stelle 
der  äusseren  Retinalschichten  Proliferation  von  reticulärem 
Bindegewebe.  Das  Epithel  (es  handelte  sich  um  ein  pig- 
mentirtes  Thier)  zeigte  verschiedenes  Verhalten.  Soweit 
das  reticuläre  Gewebe  reichte,  fehlte  das  Epithel  und  rund- 
liche pigmentirte  Zellen  durchsetzten  jenes  Gewebe.  Weiter 
peripher,  wo  einfache  Ablösung  der  Netzhaut  bestand,  war 
das  Pigmentepithel  erhalten;  „die  Zellen  sind  aber  unregel- 
mässig, stärker  nach  innen  vorragend,  kolbig  oder  papillen- 
ähnlich  gestaltet,  auch  zum  Theil  gewuchert;  daneben  liegen 
spärUche  runde,  pigmenthaltige  Zellen  von  verschiedener 
Grösse,  zum  Theil  mit  zahlreichen  Kernen.  Ahnliche 
Pigmentzellen  treten  auch  mehr  vereinzelt  in  dem  nicht 
gewucherten  Theil  der  abgelösten  Retina  in  ihrer  ganzen 
Dicke,  besonders  aber  zwischen  den  inneren  Kömem,  auf". 
Die     Stäbchenhaitigen     und     Kömchenzellen     erklärt 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  289 

Leber  so,  dass  es  sich  um  Zellen  handelt,  welche  die 
Elemente  der  Netzhaut  aufnehmen,  die  durch  eine  tief- 
greifende Nekrotisirung  zerstört  sind.  Welche  Zellen  hier 
die  Rolle  der  Phagocyten  spielen,  darüber  konnte  Leber 
keine  völlig  befriedigende  Vorstellung  gewinnen,  hauptsäch- 
lich weil  seine  Versuche  bis  auf  einen  an  albinotischen 
Kaninchen  angestellt  waren,  bei  denen  das  Verhalten  des 
Betinaepithels  schwerer  festzustellen  ist  Mit  Wahrschein- 
lichkeit hält  er  jene  Zellen  für  Leucocyten  aus  folgen- 
den Gründen:  Ihre  Aehnlichkeit  mit  den  grossen  Köm- 
chenzellen, die  bei  der  Entzündung  des  Nervenmarks  auf- 
treten, sprach  dafür,  femer  der  Umstand,  dass  sie  zuerst 
getrennt  von  dem  Betinaepithel  auftraten,  das  an  dieser 
Stelle  keine  Proliferations-Erscheinungen  zeigte,  und  dass 
ausser  diesen  Zellen  an  der  Innenfläche  der  Choroidea  und 
in  der  Stäbchenschicht  kleinere  Zellen  vorkamen,  die 
wohl  nur  für  Leucocyten  gehalten  werden  konnten,  und 
denen  ebenfalls  hier  imd  da  Stäbchen  anhafteten.  Da  in 
dem  Inneren  der  grossen  Zellen  auch  Oeltropfen  vorkamen, 
so  musste  auch  eine  Aufnahme  der  Epithelzellen  in  Leu- 
cocyten stattgefunden  haben.  Einige  seiner  Befunde 
schienen  Leber  aber  sehr  dafür  zu  sprechen,  dass  die 
Zellen  des  Betinaepithels  selbst  Stäbchen  aufnehmen  und 
so  die  Bolle  von  Fresszellen  spielen  können.  Daraus  würde 
sich  dann  eine  doppelte  Entstehungsweise  stäbchenhaltiger 
Zellen  ergeben,  eine  Annahme  die  Leber  noch  weitere 
Bestätigung  zu  erfordem  scheint. 

Aus  der  ausfuhrlichen  Schilderung  der  anatomischen 
Befunde  meiner  Versuche  geht  hervor,  dass  die  Erschei- 
nungen der  Degeneration  der  Netzhaut,  sowie  der  NeubiU 
düng  reticulären  Gewebes  in  späteren  Stadien  grosse  Aehn- 
lichkeit mit  dem  besitzen,  was  Leber  beschrieben  hat. 
Genauer  eingehen  muss  ich  hier  auf  die  Natur  jener  grossen 
eigenthümlichen  Zellen,  über  deren  Bedeutung  ich  nähere 
Angaben  zu  machen  im  Stande  bin,  weil  ich  die  Versuche 


240  E.  V.  Hippel. 

ausschliesslich  au  pigmentirten  Thieren  angestellt  habe. 
Das  Pigment  des  Retinaepithels  besteht  beim  Kaninchen 
aus  den  bekannten  feinen  schwarzbraunen,  öfters  etwas 
gekrümmten  kurzen  Stäbchen  von  so  ausserordentlich  cha- 
racteristischem  Aussehen,  dass  es  überall,  wo  es  vorkommt, 
mit  vollkommener  Sicherheit  zu  erkennen  ist  und  mit  keinem 
andern  Pigment,  speciell  nicht  mit  den  braunen  Eisenpig- 
mentkömchen  oder  hämatogenem  Pigment  verwechselt  wer- 
den kann.  Diese  Thatsache,  auf  welche  ich  bei  der  Unter- 
suchung meiner  Präpai-ate  aufmerksam  wurde,  ist,  wie  ich 
später  fand,  schon  im  Jahre  1863  von  ßosow')  hervorge- 
hoben worden.  Nun  konnte  ich  feststellen,  dass  fast  alle 
jene  grossen  polygonalen,  ovoiden  und  runden  Zellen, 
mochten  sie  an  der  Stelle  des  normalen  Pigmentepithels, 
innerhalb  der  Stäbchenschicht,  in  den  anderen  Theilen  der 
Retina  oder  endUch  frei  im  Glaskörperraum  Hegen,  jene 
characteristischen  schwarzen  Stäbchen  enthielten,  ein  Theil 
war  mit  denselben  vollständig  vollgepfropft,  in  andern  fanden 
sich  wenige,  manchmal  nur  3  —  4  solche  Stäbchen  vor. 
Gegenüber  diesen  mit  den  Pigmentstäbchen  erfüllten  Zellen 
waren  andere  von  sonst  gleicher  Grösse  und  BeschaflFenheit 
in  geradezu  verschwindender  Anzahl  vorhanden.  Ange- 
sichts dieser  Thatsache  gab  es  fiir  die  Auffassung  jener 
Zellen  nur  zwei  Möghchkeiten:  entweder  es  waren  Leuco- 
cyten,  welche  die  Pigmentstäbchen  der  zerfallenen  Epithelien 
aufgenommen  haben;  dann  muss  es  bei  der  stellenweise 
enormen  Menge  dieser  Zellen  zu  einem  ausserordentUch 
starken  Zerfall  des  Pigmentepithels  gekommen  sein;  oder 
jene  Zellen  sind  directe  Abkömmlinge  der  gewucherten 
Pigraentepithelzellen ,  die  active  Ortsveränderungen  einge- 
gangen sind.  Ist  die  letztere  Auffassung  richtig,  so  müssen 
sich  Uebergangsformen  von  diesen  Zellen  zu  den  normalen 
Epithelzellen  nachweisen  lassen.     Das  ist  in  der  That  der 


M  V.  Graefe's  Archiv  IX.  3.,  S.  63  ff. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  241 

Fall,  me   aus   der  ausführlichen   Schilderung  meiner  Be- 
funde hervorgeht. 

Wenn  genau  an  der  Stelle  des  normalen  Epithels  in 
directer  Fortsetzung  normaler  Rgmentzellen  sich  eine  ganz 
regelmässige  einfache  Lage  jener  grossen  Zellen  vorfindet, 
so  wäre  ein  solcher  Befund  nicht  zu  verstehen,  wenn  es 
sich  um  Leucocyten  handelte,  die  sich  hier  angesammelt 
haben,  um  freigewordenes  Pigment  aufisimehmen.  Auch 
Leber  weist  darauf  hin,  dass  das  regelmässige  Mosaik 
stäbchenhaltiger  (NB.  Netzhautstäbchen,  nicht  Pigment- 
stäbchen), Zellen,  das  er  stellenweise  angetroffen,  mit  der 
Annahme,  dass  es  sich  um  Leucocyten  handele,  schwer 
vereinbar  sei.  Wenn  nun  eine  solche  *  einfache  an  der 
normalen  Stelle  des  Epithels  gelegene  Reihe  jener  Zellen 
übergeht  in  einer  Stelle,  wo  dieselben  Zellen  vielfach  ge- 
schichtet übereinander  hegen,  so  kann  natürlich  für  alle 
diese  Zellen  nur  der  gleiche  Ursprung  angenommen  werden. 
Da  die  Zellen,  welche  sich  in  den  verschiedenen  Schichten 
der  Retina  und  im  Glaskörper  befinden,  genau  das  gleiche 
Aussehen  haben,  wie  die  eben  geschilderten,  so  ist  auch 
für  sie  dieselbe  Herkunft  anzunehmen.  Fast  mit  völliger 
Sicherheit  wird  dies  durch  die  Thatsache  bewiesen,  dass 
an  manchen  Stellen  des  Pigmentepithels  die  Zellen  ver- 
grössert  sind,  konische  Gestalt  annehmen  und  sich  in  die 
noch  anliegende  Netzhaut  der  Art  vorschieben,  dass  sie  an 
solchen  Stellen  in  allen  Schichten  der  Netzhaut  vor- 
kommen, ja  selbst  bis  in  den  Glaskörper  hinein,  femer  da- 
durch, dass  öfters  das  Pigmentepithel  aus  melu-eren  Zellen- 
lagen besteht,  von  denen  dann  die  innersten  schwächer 
pigmentirt  zu  sein  pflegen,  als  die  äussern.  Auf  diese 
Wucherungserscheinung  an  den  Epithelzellen  hat,  wie  er- 
wähnt, Leber  auch  bereits  hingewiesen.  Auch  die  von 
ihm  gemachte  Beobachtung,  dass  jene  grossen,  runden 
Zellen  sich  zwischen  Choroidea  und  Pigmentepithel  fanden, 
luibe  ich  wiederholen  können,  die  Pigmentepithelzellen,  die 

T.  Gnefe*B  AtcUt  Ar  Ophthalmologie.  XL.  1.  16 


242  E.  T.  Hippel. 

zu  platten  Häutchen  ausgezogen  waren,  überspannten  dann 
die  Haufen  jener  Zellen,  so  dass  man  stellenweise  den 
Eindmck  hatte,  als  ob  dieselben  in  Hohlraomen  lägen,  wie 
dies  besonders  im  Versuch  24  herrortrat;  diese  Zellen  ent- 
hielten ebenfalls  die  schwarzen  Pigmentstäbchen,  so  dass 
die  Befände  wohl  nur  so  zu  erklären  sind,  dass  proliferirte 
Tergrösserte  aus  dem  Pigmentepithel  herrorgegangene  Zellen 
aus  der  Beihe  der  Epithelzellen  nach  aussen  herausgetreten 
sind.  Dagegen,  dass  diese  an  den  verschiedensten  Stellen 
vorkommenden  Zellen  Leucocyten  sind,  spricht  der  Um- 
stand, dass  ein  hochgradiger  Zerfall  des  Pigmentepiihels, 
dem  sie  ihre  schwarzen  Pigmentstäbchen  verdanken  könnten, 
gar  nicht  vorUegt,  man  müsste  sonst  doch  eine  Menge  der 
Pigmentstäbchen  extracellulär  antreffen,  femer  müsste  eine 
grosse  Menge  jener  Zellen  pigmentfrei  sein  und  man  dürfte 
sie  nicht  an  Stellen  finden,  wo  das  Pigmentepithel  durch- 
aus wohl  erhalten  ist. 

Es  geht  also  aus  den  vorliegenden  Betrach- 
tungen mit  der  allergrössten  Wahrscheinlichkeit 
hervor,  dass  die  Pigmentepithelzellen  durch  irgend 
einen  Beiz  sich  vergrössern,  proliferiren,  in  ihrem 
Zusammenhange  gelockert  werden  und  die  Fähig- 
keit gewinnen,  fremde  Bestandtheile  aufzunehmen 
und  activ  zu  wandern.  Es  müsste  natürhch  wünschens- 
werth  sein,  zum  Beweis  der  Proliferation  der  EpithelzeUen, 
Kemtheilungsfiguren  in  denselben  au£nifinden.  Da  dies 
an  pigmentirtcn  Thieren  nicht  wohl  möglich  ist,  habe  ich 
noch  in  beide  Augen  eines  albinotischen  Kaninchens  Eisen- 
splitter eingeführt,  die  Bulbi  nach  2  Tagen  enucleirt  und 
nach  SubUmathärtung  auf  Kemtheilungsfiguren  untersucht, 
leider  vergeblich;  sollten  diese  Untersuchungen,  die  ich  bei 
Gelegenheit  wieder  aufiiehmen  werde,  noch  ein  positives 
Besultat  ergeben,  so  werde  ich  darüber  seiner  Zeit  berichten. 

Sind  wir  so  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die 
meisten  jener   grossen    kömigen   Zellen    aus    proliferirten 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  243 

Epithelzellen  herrorgegangen  sind,  so  bleibt  doch  noch  eine 
Anzahl  solcher  Zellen  übrig,  die  keine  schwarzen  Stäbchen 
enthalten  und  wohl  als  Leucocyten  aufgefasst  werden 
können.  In  meinen  Präparaten  fand  ich  keine  Stellen,  wo 
jene  grossen  Zellen  deutliche  zweifellose  Netzhautstäbchen 
enthielten,  doch  waren  immerhin  einige  Bilder  der  Art, 
dass  Herr  Professor  Leber  sie  im  HinbUck  auf  seine 
früheren  Befunde  als  stäbchenhaltige  Zellen  auiFasste.  Es 
mag  dies  seinen  Grund  darin  haben,  dass  ich  ausser  einem 
Falle  nur  spätere  Stadien  untersucht  habe,  Dass  die 
grossen  runden  Zellen,  die  sich  in  den  verschiedenen  Netz- 
hautschichten und  im  Glaskörper  fanden,  in  den  Präpa- 
raten Leber's  und  den  meinen  identisch  sind,  kann,  wie 
eine  Vergleichung  ergab,  gar  keinem  Zweifel  unterliegen, 
in  seinen  Präparaten  fehlen  diesen  Zellen  eben  nur  jene 
schwarzen  Stäbchen,  da  es  sich  um  ein  albinotisches  Thier 
handelte.  Man  kann  aber  in  denselben  öfters  die  Oeltropfen 
nachweisen,  auch  bei  den  Zellen,  die  sich  im  Glaskörper- 
raum befinden. 

Was  diesen  Zellen  für  mich  ihr  ganz  besonderes  In- 
teresse verleiht,  ist  die  Thatsache,  dass  sie  grossen  Theils 
ausser  den  schwarzen  Stäbchen  noch  unregelmässige  braune 
Kömchen  enthalten,  die  bei  Anwendung  der  Eisenreaction 
blau  werden,  imd  dass  in  andern  dieser  Zellen,  die  keine 
deutlichen  braunen  Kömchen  zeigen,  das  Protoplasma 
diffus  blau  wird.  Von  der  Blaufärbung  betroffen  sind  die 
Zellen  vollkommen  unabhängig  von  ihrer  Lage:  im  Glas- 
körper, in  der  Retina,  an  der  Stelle  des  normalen  Epithels, 
» -da  wo  sie  zwischen  Choroidea  und  den  platten  Pigment- 
epithelzellen hegen,  überall  hat  ein  Theil  derselben  sich 
gebläut. 

Ist  nun  die    oben  entwickelte  Anschauung  richtig,  so 
wäre  der  Beweis  erbracht,  dass  das  vom  Fremdkörper  ab- 
stammende   Eisen   in    mikrochemisch    nachweisbarer  Form 
in  Zellen  auftritt,  welche  aus  dem  Pigmentepithel  der  Re- 
is* 


244  E.  V.  Hippel. 

tina  hervorgehen,  allerdings,  wie  es  scheint,  nicht  an  zwei- 
fellos unveränderten  Epithelzellen. 

Diese  Thatsache  ist  deshalb  von  Wichtigkeit,  weil  sie 
eine  durch  das  Experiment  gewonnene  Bestätigung  der  bei 
Untersuchung  menschlicher  Augen  gemachten  Erfahrung 
darstellt,  dass  das  Pigmentepithel  der  Betina  ausgesprochene 
Keigung  besitzt,  Eisen  au&unehmen.  Unter  Umständen 
stimmen  die  histologischen  Befunde  am  menschlichen  Auge 
übrigens  auch  in  auflfallender  Weise  nut  denen  der  Expe- 
rimente überein.  Ich  war  in  der  Lage,  in  einem  Falle 
(Blömer)  nachzuweisen,  dass  die  nicht  abgelöste  Netz- 
haut eine  Form  der  Degeneration  zeigt,  welche  der  im 
Experiment  beobachteten  vollkommen  gleicht  (L  c)  Vor 
allem  waren  hier  am  Pigmentepithel  genau  dieselben  Ver- 
änderungen zu  beobachten:  Uebergang  der  Epithelzellen  in 
grosse  runde  Zellen,  Wucherungserscheinungen  des  Epithels, 
Durchsetzung  sämmtlicher  Schichten  der  Netzhaut  bis  weit 
hinein  in  den  Glaskör^^erraum  mit  diesen  Zellen,  die  auch 
theil weise  Eisenreaction  gaben.  Da  jenes  Auge  einen 
Eisensplitter  enthielt,  so  ist  bei  der  vollkommenen  Ueber- 
einstimmung  der  Befunde  mit  den  Experimenten  kein 
Zweifel,  dass  die  Degeneration  der  nicht  abgelösten  Netz- 
haut im  Falle  Blömer  durch  die  chemische  Wirkung  des 
Fremdkörpers  erzeugt  wurde. 

Somit  ist  der  Beweis  geliefert,  dass  ein  im  Glas- 
körper befindlicher  Fremdkörper  aus  Eisen  auch 
im  menschlichen  Auge  dieselben  anatomischen 
Veränderungen  hervorrufen  kann,  die  Leber  für 
das  Kaninchen  geschildert  hat  Ob  der  Befimd 
Bunge's  mit  meinem  Falle  Blömer  übereinstimmt,  ver- 
mag ich  nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen,  der  Verfasser  spricht 
nur  von  hochgradiger  Degeneration  der  nicht  abgelösten  Netz- 
haut, ohne  die  anatomischen  Verhältnisse  näher  zu  schildern. 

Nachdem  die  Fähigkeit  der  Zellen  des  Betinaepithels 
ihre  Form  zu  verändern  und  zu  wandern,  festgestellt  war, 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  245 

lag  es  nahe,  sich  danach  umzusehen  ^  ob  ähnliche  Erschei- 
nungen nicht  auch  an  dem  übrigen  Figmentepithel  des 
Auges  zur  Beobachtung  kommen.  Es  war  mir  schon  bei 
einer  Reihe  der  untersuchten  menschlichen  Augen  aufge- 
fallen,  dass  in  verschiedenen  Lagen  der  Iris  bis  in  die 
vordersten  Schichten  hinein  grosse  runde  mit  dem  schwarz- 
braunen Pigment  der  Epithelschicht  erfüllte  Zellen  vor- 
kamen, ebenso  in  neugebildetem  Bindegewebe  im  Baume 
der  hinteren  Kammer.  In  Versuch  24  waren  ähnliche 
Bilder  zu  beobachten. 

FreiHch  habe  ich  die  Uebergänge  der  Zellen  des  Pig- 
mentepithels in  jene  grossen  Gebilde  nicht  genauer  ver- 
folgen können,  ich  begnüge  mich  einstweilen  damit,  auf  jene 
Befunde  hinzuweisen  und  die  Möglichkeit  anzudeuten,  dass 
sie  vielleicht  in  derselben  Weise  zu  erklären  sind,  wie  es 
oben  für  jene  Zellen  im  Glaskörper  geschah. 

Dass  auch  das  Pigment  der  Ciliarfortsätze  in  zelligen 
Gebilden,  die  mit  den  ursprünglichen  Epithelzellen  nicht 
die  mindeste  Aehnlichkeit  besitzen,  auftreten  kann,  zeigt 
der  Versuch  24,  wo  ein  von  den  Ciliarfortsätzen  ausgehen- 
des zeUiges  Gewebe  in  den  eröfl&ieten  Kapselsack  hinein- 
gewachsen ist  Das  Pigment,  das  in  diesen  Zellen  liegt, 
besteht  aus  lauter  vollkommen  regelmässigen,  scharf  con- 
tourirten  schwarzbraunen  Kügelchen,  die  in  ihrer  Form  so 
charakteristisch  für  das  Pigment  der  Ciliarfortsätze  sind, 
dass  eine  Verwechselung  mit  siderotischem  oder  hämato- 
genem  Pigment  vollkommen  ausgeschlossen  ist.  Auch  auf 
diese  typische  Form  des  Pigmentes  der  Ciliarfortsätze  ist 
von  Rosow  hingewiesen  worden.  — 


Als  sehr  merkwürdige  und  beachtenswerthe  Thatsache 
hat  sich  aus  den  Untersuchungen  ergeben,  dass  das  mikro- 
chemisch nachweisbare  Eisen,  welches  von  dem  Fremd- 
körper herstammt,  in  allen  Fällen  mit  grosser  Regelmässig- 


246  E.  V.  Hippel. 

keit  an  bestimmten  Zellen  und  Zellengruppen  auftritt, 
während  die  anderen  Theile  des  Auges  mit  derselben  Regel- 
mässigkeit frei  davon  bleiben.  Um  diese  auffallende  Er- 
scheinung zu  erklären,  müssen  wir  zunächt  Stellung  nehmen 
zu  der  Frage,  in  welcher  Weise  die  Verbreitung  des  Eisens 
von  dem  Fremdkörper  aus  stattfindet 

V.  Graefe  ^),  der  als  erster  auf  die  in's  Orange  spie- 
lende Verfärbung  des  Linsensystems  hinwies,  wenn  ein 
Metallsplitter  sich  im  Auge  befand,  leitet  dieselbe  von 
„gelösten  oder  moleculär  diffundirten  Oxydsalzen  her." 

Von  Leber*)  wurde  zuerst  in  seinem  auf  dem  inter- 
nationalen Congress  zu  London  gehaltenen  Vortrage  die 
Verbreitung  des  Eisens  so  erklärt,  dass  die  in  den  Augen- 
flüssigkeiten absorbirte  Kohlensäure  ein  wenig  von  dem 
Metall  als  doppelt  -  kohlensaures  Salz  auflöst,  dass  sich 
dieses  durch  Diffiision  in  den  Glaskörper  weiter  verbreitet, 
aber  bald  in  imlösliches  Eisenoxydhydrat  umgewandelt  und 
in  Gestalt  von  feinen  Kömchen  ausgeschieden  wird,  wobei 
es  sich  auch  wohl  mit  den  vorhandenen  Eiweisskörpem 
verbindet  Diese  Auffassung  wird  von  ihm  auch  in  seinen 
späteren  Mittheilungen  ^)  über  diesen  Punkt  vertreten. 
Bunge  schUesst  sich  dem  vollkommen  an. 

Ansichten,  die  mit  den  Leb  er 'sehen  theilweise  in 
Widerspruch  stehen,  sind  von  Samelsohn*)  und  Au  sin*) 
über  die  Ausbreitung  des  Eisens  in  der  Linse  und  die 
Bedeutung  der  oben  erwähnten  braunen  unter  der  Kapsel 
gelegenen  Flecke  geäussert  worden. 

Samelsohn  nimmt  an,  dass  feine  unlösUche  Rostpar- 
tikelchen, die  sich  um  den  Fremdkörper  bilden,  durch  den 
die    Linse     durchsetzenden    Flüssigkeitsstrom    verschleppt 


*)  1.  c.    «)  1.  c. 

»)  V.  Graefe's  Archiv  XXX.    1.,    S.  243.     Th.  Leber,    Die 
Entstehung  der  Entzündung  etc. 
*)  1.  c.    ^)  1.  c. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  247 

werden  und  sich  an  Poren,  durch  welche  die  Flüssigkeit 
die  Kapsel  verlässt,  in  grösseren  Haufen  ansammeln ,  weil 
sie  zu  gross  sind,  um  durch  die  Poren  mit  auszutreten. 
Die  Bildung  von  Eisenoxydhydrat  um  den  Fremdkörper 
muss,  wie  man  sieht,  auch  bei  dieser  Auffassung  in  der 
von  Leber  geschilderten  Weise  vor  sich  gehen. 

Ausin  ist  der  Meinung,  dass  das  Eisen,  sobald  es 
zu  circuUren  beginnt,  leicht  lösliches  Eisenoxydalbuminat 
darstellt,  während  es  als  schwer  lösliches  Eisenoxydalbu- 
minat niedergeschlagen  und  festgehalten  wird.  Gegen 
Leber  fuhrt  er  an,  „dass  der  EisenspUtter  in  der  Linse 
bereits  5—6  Tage  nach  der  Verletzung  eine  gelbe  Farbe 
annimmt,  und  letztere  durch  kohlensaures  Eisensalz  nicht 
bedingt  sein  kann,  welches  nicht  diese  Farbe  besitzt"  Eine 
solche  Behauptung  ist  von  Leber  niemals  aufgestellt  wor- 
den, sondern  es  geht  aus  seinen  Mittheilungen  klar  genug 
hervor,  dass  er  die  gelbe  Farbe  als  von  Eisenoxydhydi-at 
herrührend  ansieht,  es  ist  nicht  zu  verstehen,  warum  das- 
selbe nach  5—6  Tagen  noch  nicht  gebildet  sein  soll,  da 
die  von  Leber  angenommene  Lösung  von  doppelt-kohlen- 
saurem Eisensalz  in  directer  Umgebung  des  Fremdkörpers 
doch  besonders  concentrirt  sein  muss. 

Da  ich  auf  Ausin 's  Befunde  ausfuhrlich  eingehen 
muss,  so  möchte  ich  mich  hier  zunächst  mit  der  Samel- 
sohn 'sehen  Theorie  auseinandersetzen,  Folgende  Gründe 
sprechen  unbedingt  gegen  die  Richtigkeit  seiner  Annahme: 
1)  Die  vorausgesetzten  Poren  in  der  Kapsel  sind  noch 
niemals  gesehen  worden.  2)  Die  braunen  Flecke  bestehen, 
wie  Ausin  nachgewiesen  hat  und  ich  bestätigen  kann, 
nicht  aus  freien  Rostpartikeln,  sondern  aus  gewucherten 
Kapselepithelien,  in  welche  Eisensalze  abgelagert  sind. 
3)  Die  braunen  Flecke  unter  der  Linsenkapsel  können 
auch  entstehen,  wenn  der  Fremdkörper  im  Glaskörper  sitzt. 
Dabei  ist  natürlich  ausgeschlossen,  dass  unlösUche  Rost- 
partikel durch  den  am  Aequator  eintretenden  Flüssigkeits- 


248  E.  T.  Hippel. 

gtrom  in  die  Liiise  geschleppt  w^en  können.  4)  In  der 
Umgebung  eines  in  der  Linse  steckenden  Eisensplitters  sind 
die  Linsenfasern  selbst  diffds  von  äusserst  fein  rer- 
theiltem  mikrodiemisch  nachweisbaren  Eisensalz  durchsetzt 
Gegenüber  Ausin  muss  ich  zunächst  einige  Punkte 
hervorheben,  in  welchen  unsere  Befunde  von  einander  ab* 
weichen,  um  dann  erst  auf  die  Erklärung  einzugehen:  sie 
beziehen  sich  hauptsächlich  auf  das  mikrochemische  Ver- 
halten. Ebenso  wie  er  erhielt  auch  ich  difiuse  Blau- 
färbung an  den  Kapselepithelien,  sowie  an  den  braunen  in 
die  Zellen  eingelagerten  Schollen.  Ausin  giebt  nun  an, 
dass  diese  braunen  Massen  weder  durch  Salzsäure,  noch 
auf  eine  andere  Weise  zu  lösen  waren.  Dem  gegenüber 
muss  ich  betonen,  dass  in  meinen  sämmtlichen  Versuchs- 
augen,  sowie  in  allen  untersuchten  menschlichen  Bulbis 
sämmtliches  braune  Pigment,  welches  mit  Fernxsyanka- 
lium  und  Salzsäure  Berlinerblau -Beaktion  ergab,  nach 
248tündiger  Einwirkung  verdünnter  Salzsäure  (ca.  1 : 3) 
enttärbt  war.  Vielleicht  geschieht  dies  auch  schon  erheb- 
lich schneller,  das  kürzeste  Zeitmaass  festzustellen,  inner- 
halb dessen  die  Auflösung  eintritt,  habe  ich  unterlassen, 
weil  mir  das  nicht  von  Bedeutung  erschien.  Um  die 
braune  Masse  zu  entfernen,  schlug  Ausin  den  Weg  ein, 
dass  er  das  erzeugte  Berlinerblau  durch  Ammoniak  zu- 
nächst zerstörte;  dabei  entsteht  nach  seiner  Meinung  Ferro- 
cyankalium  und  Eisenoxyd,  das  letztere  wird  durch  Aus- 
spülen mit  lauwarmem  Wasser  entfernt  Setzte  man  nun 
wieder  Salzsäure  zu,  so  entstand  sofort  wieder  Berliner^ 
blau.  Dies  wurde  wieder  durch  Ammoniak  zerlegt  und 
nach  50  — 60  maliger  Wiederholung  dieser  Prozedur  war 
die  braune  Substanz  vollkommen  aus  den  Schollen  besei- 
tigt, die  ihre  Form  im  Uebrigen  beibehalten  hatten  und 
nun  mit  Kemtärbungsmitteln  tingirt  werden  konnten.  Ich 
wollte  dies  Verfahren  in  einem  FaUe  nachmachen,  nämlich 
an   dem  Kapselstück   mit   den  braunen  Flecken,   das   ich 


üeber  Siderosis  Btdbi  und  die  Beziehungen  etc.  249 

aus  Halle  bekommen  (siehe  oben),  weil  ich  dasselbe  in 
toto  mit  FerrocyankaUom  und  Salzsäure  behandelt  hatte. 
Die  blau  gefärbten  Schnitte  wurden  für  12  Stunden  in 
verdünnte  Ammoniaklösung  gelegt,  dann  mit  warmem 
Wasser  sehr  gründlich  ausgewaschen;  die  früher  blauen 
Stellen  waren  nun  braun.  Ich  legte  die  Schnitte  in  Salz- 
säure, sie  bUeben  zunächst  braun  und  wurden  im  Laufe 
von  24  Stunden  vollkommen  entfärbt,  mit  Hämatoxylin 
wurden  die  vorher  braunen  SchoUen  matt  violett  Ausin 's 
Auffassimg  der  chemischen  Vorgänge  ist  unrichtig.  Ber- 
linerblau wird  durch  Ammoniak  vollkommen  entfärbt 
Wenn  braune  Substanz  übrig  blieb,  so  war  eben  nicht 
alles  Eisenoxyd  in  Berlinerblau  übergeführt  worden,  d.  h. 
die  Salzsäure  hatte  nicht  lange  genug  eingewirkt 

Die  Verschiedenheit  unserer  Resultate  bezüglich  der 
Löslichkeit  der  braunen  Massen  in  Salzsäure  ist  sehr  auf- 
fallend, ich  möchte  behaupten,  dass  Aus  in  bei  genügend 
langer  Einwirkung  der  Säure  dasselbe  Ergebnis»  bekommen 
lültte,  wie  ich.  Die  Berlinerblau -Reaction  kommt  doch 
gerade  dadurch  zu  Stande,  dass  die  Salzsäure  die  Eisen-* 
Oxydverbindung  zm*  Lösung  bringt,  wonach  dann  erst  das 
Ferrocyankalium  zur  Wirkung  gelangen  kann.  Das  lang- 
same Eintreten  der  Berlinerblau -Reaction,  das  Ausin 
ebenso  wie  ich  beobachtete,  stimmt  vollkommen  überein 
mit  der  langsamen  lösenden  Wirkung  der  Salzsäure. 

Dass  die  braunen  Schollen,  wie  Ausin  meint,  mit 
Eisensalz  imprägnirte  Zellkerne  darstellen,  halte  ich  für 
unrichtig.  Li  meinen  sämmtlichen  Versuchen  fand  ich, 
dass  kleinere  und  grössere  braune  Kömchen  und  Schollen 
neben  dem  mit  Carmin  wohl  gefärbten  Zellkern  im  Proto- 
plasma lagen,  in  allen  Fällen,  wo  das  Epithel  diffuse  Blau- 
tärbung  annahm,  blieb  der  Kern  davon  frei.  An  der 
untersuchten  menschlichen  Linsenkapsel  zeigte  das  ein- 
schichtige Epithel  und  die  Zellen  des  Kapselstaars  das 
nämliche  Veriialten   und  nur   an    der    hügeUgen   Hervor- 


250  E.  V.  Hippel. 

ragung  konnten  Zweifel  aufkommen.  Schon  an  den 
Schnitten,  welche  der  Eisenreaction  unterworfen  waren,  sah 
man  innerhalb  der  blauen  Massen  eine  Anzahl  mit  Garmin 
schön  roth  gefärbter  Kerne,  nach  Beseitigung  der  braunen 
Substanz  waren  sie  noch  deutUcher,  allerdings  wurde  nun 
ein  Theil  der  zurückbleibenden  farblosen  Schollen  durch 
Hämatoxylin  mattblau,  viel  matter  als  die  Kerne.  Dies  sind 
im  Absterben  begrifiene  Zellen,  deren  Kern  nicht  mehr 
farbbar  ist  Der  Kern  hat  mit  der  Eisenaufhahme  nichts 
zu  thun;  auch  in  all'  meinen  Fällen,  wo  sich  im  Epithel 
der  Ciliarfortsätze  und  im  Betinaepithel  Eisen,  sei  es  diffus 
oder  in  feinen  Kömchen  nachweisen  Uess,  war  überall 
nach  Beseitigung  der  braunen  Masse  bzw.  des  normalen 
Pigmentes  der  Kern  nachweisbar  und  wohl  zu  färben. 

Was  seine  Angaben  über  das  Auftreten  der  Eisen- 
reaction in  der  Linse  selbst  betrifft,  so  vermisse  ich  in 
diesem  Punkt  bei  Ausin  die  nöthige  Klarheit.  Während 
man  auf  Seite  57  liest:  „.  .  .  .  da  ich  in  den  Linsenfasem 
Eisen  in  keiner  Form  habe  entdecken  können,"  heisst  es 
auf  Seite  36:  „was  endlich  den  Stichkanal  anlangt,  so 
findet  man  an  dem  nach  vorne  gelegenen  Theil  die  zer- 
fallenen Linsenfasem  eine  Strecke  weit  mehr  diffus  braun 
gefärbt"  und  Seite  50:  „Ausserdem  aber  tritt  in  allen 
Linsen  in  einer  ca,  0,006  mm  breiten  Zone  des  peripheren 
Theiles  der  vorderen  CorticaUs  eine  grünliche  diffuse 
Verfärbung  auf,  die  bei  beiden  Menschenlinsen  fast  bis 
zum  Aequator  reicht,  bei  den  Kaninchenlinsen  bis  an  und 
über  den  Aequator  hinaus  sich  verfolgen  lässt"  Ich  hebe 
noch  hervor,  dass  in  den  beiden  menschlichen  Linsen,  die 
Ausin  untersuchte,  sich  gar  kein  Fremdkörper  befunden 
hat;  offenbar  hatte  derselbe  seinen  Sitz  in  der  Tiefe  des  Bulbus. 
Angaben  darüber  fehlen  leider.  Soviel  steht  doch  hiemach 
jedenfalls  fest,  dass  Ausi  n  in  den  Linsenfasem  Eisen  gefunden 
hat,  auch  ich  habe  in  meinen  Versuchen  eine  besondere  Vor- 
liebe jener  Zone  in  der  vorderen  Corticalis  fiir  die  Aufnahme 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  251 

des  Eisens  gefunden,  ohne  hierfür  eine  ausreichende  Er- 
klärung geben  zu  können.  Wenn  Ausin  bei  Erwähnung 
der  Befunde  Leber 's,  welcher  die  olivenbraun  gefärbten 
Idnsenfasem  in  der  Umgebung  eines  in  der  linse  sitzen- 
den Eisensphtters  durch  Ferrocyankalium  und  Salzsäure 
difius  dunkelblau  werden  sah,  darauf  hinweist^  dass  das 
Berlinerblau  an  frischen  Präparaten  sehr  schnell  in  die 
Umgebung  difiundirt  und  so  durchblicken  lässt,  dass  auf 
diese  Weise  eine  diffuse  Färbung  der  Linsensubstanz  vor- 
getäuscht werden  konnte,  so  muss  ich  hervorheben,  dass  an 
frischen  Zerzupfungspräparaten,  die  man  in  gewöhnlichem 
Brunnenwasser  oder  besser  in  destillirtem  Wasser,  nach 
Zusatz  eines  Tropfens  Säure,  untersucht,  von  rascher  Dif- 
fusion des  Berlinerblaus  ebenso  wenig  die  Rede  ist,  wie 
an  gehärteten  Präparaten,  die  in  Canadabalsam  einge- 
schlossen werden.  In  Glycerin  findet  allerdings  eine 
ziemlich  rasche  diffuse  Ausbreitung  des  Berlinerblau  statt 
Das  in  den  braunen  Schollen  deponirte  Eisen  hält 
Ausin  für  Eisenoxydalbuminat:  einfaches  Eisenoxyd  kann 
es  nicht  sein,  weil  die  Schollen  nach  Beseitigung  der 
braunen  Masse  ihre  Form  unverändert  beibehalten,  weil 
die  Eisenreaction  langsam  eintritt,  weil  nach  ihm  das 
gebildete  Berlinerblau  in  Oxalsäure  unlöslich  ist  „Die 
Aufspeicherung  grösserer  Massen  von  Eisenoxyd  in  den 
Zellen  kommt  um  so  eher  zu  Stande,  als  das  Zelleiweiss 
begierig  das  Eisen  an  sich  zieht  und  eine  schwer  lösliche 
Verbindung  bildet"  Schwer  löslich  soll  das  Eisenoxyd- 
albuminat sein,  wenn  die  Eisenmenge  im  Verhältniss  zimi 
Eiw^eiss  eine  grosse,  leicht  lösUch,  wenn  sie  eine  geringe  ist 
Schwer  verständlich  ist  mir  Ausin 's  Meinung  über  die 
Art,  wie  das  Eisen  sich  zu  verbreiten  beginnt:  „.  .  .  .  Doch 
neige  ich  zu  der  Vermuthung,  dass  das  Eisen,  sobald  es 
zu  circuliren  beginnt-,  gleich  dieselbe  Form,  (leicht  lösUches 
Eisenoxydalbuminat)  annimmt,  in  der  es  sich  auch  deponirt 
findet,  (schwer  lösliches   Eisenoxydalbuminat).      Nur   wird 


252  E.  ▼.  Hippel. 

das  Eisenoxyd  von  dem  circulirenden  Eiweiss  in  so  geringer 
Form  aufgenommen,  dass  es  nach  den  gewöhnlichen  Me- 
thoden nicht  nachgewiesen  werden  kann."  Nun  frage  ich: 
wie  entsteht  das  Eisenoxyd,  das  hier  von  dem  circuliren- 
den Eiweiss  aufgenommen  werden  soll?  Darüber  erfahren 
wir  nichts,  es  wird  einfach  stillschweigend  als  yorhanden 
angesehen.  Es  kann  aber  eben  nur  in  der  von  Leber  ge- 
schilderten Art  entstehen,  indem  die  Kohlensäure  der 
Gewebssäfte  das  Eisen  zum  Theil  löst  und  der  von  den 
Arterien  zugeführte  Sauerstoff  der  Gewebe  die  Oxydation 
besorgt.  Denn  zur  Lösung  des  Eisens  gehört  Säure  und 
die  einzige  in  Betracht  kommende  muss  bei  der  alcalischen 
Reaction  der  Gewebe  die  Kohlensäure  sein.  Dass  das 
Eisenoxyd  dann  mit  dem  Eiweiss  eine  Verbindung  eingeht, 
ist  eine  Möglichkeit,  auf  die  Leber  auch  schon  hinge- 
wiesen. Trotzdem  Ausin  annimmt,  dass  aus  dem  Eisen 
zunächst  ein  lösliches  Eisenoxydalbuminat  entsteht,  glaubt 
er  nicht,  dass  dasselbe  sich  auf  dem  Wege  der  Diffusion 
verbreitet,  weil  es  dann  überall  in  gleicher  Intensität  nach- 
weisbar sein  müsste.  Dabei  ist  wieder  die  Ausbreitung 
des  löslichen  mikrochemisch  nicht  nachweisbaren,  (Au sin) 
mit  der  des  unlöslichen  mikrochemisch  nachweisbaren  Eisen- 
oxydalbuminates  verwechselt.  Denn  ob  ersteres  nicht  sich 
nach  allen  Richtungen  in  gleicher  Weise  verbreitet,  kann 
ja  Ausin  gar  nicht  beweisen.  Für  den  Uebergang  des 
Eisens  in  die  tis  wird  nun  wieder  der  gleiche  Weg,  den 
die  Nährflüssigkeit  nimmt,  nämlich  Difiusion  durch  die 
vordere  Kapsel,  als  möglich  hingestellt,  während  die  Ver- 
breitung allerdings  auch  durch  die  Kapselnarbe  stattfinden 
könne.  Also  in  der  Linse  auf  Lymphbahnen,  aus  der 
Linse  durch  Diffusion! 

Was  meine  eigene  Anschauung  betrifft,  so  muss  ich 
dabei  wieder  imterscheiden  zwischen  der  Eisenausscheidung 
in  unmittelbarer  Umgebung  des  Fremdkörpers  und  der 
Femwirkung.     Die   Lösung   von   kohlensaurem    Eisenoxyd 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  253 

muss  unmittelbar  um  den  Fremdkörper  einen  sehr  hohen 
Concentrationsgrad  haben,  deswegen  findet  hier  auch  eine 
^ehr  erhebhche  Ausscheidung  von  Eisenoxydhydrat  statt, 
das  sich  in  sehr  fein  vertheilter  Form  an  dem  den  Fremd- 
körper einhüllenden  Gewebe  niederschlägt;  so  entsteht  die 
intensive  diffuse  Bräunung  des  Fibrins  in  der  vorderen 
Kamimer,  der  Iris  und  Hornhaut  an  den  Stellen,  wo  der 
Splitter  anhegt,  der  Linsensubstanz,  der  Sklera  u.  s.  w., 
wenn  der  Fremdkörper  darin  steckt  Ob  sich  das  ausge- 
schiedene Eisenoxydhydrat  hier  mit  dem  Eiweiss  der  Ge- 
webe verbindet  oder  nicht,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Die 
Eisenreaction  tritt  an  diesen  Stellen  stets  augenbUckUch 
ein,  nach  Behandlung  der  Schnitte  mit  Salzsäure  ver- 
schwindet die  braime  Masse  vollkommen.  Es  ist  nun  von 
vornherein  zu  erwarten,  dass  da^  wo  sich  um  den  SpUtter 
Bost  abgeschieden  hat,  Leukocyten  erscheinen  werden,  um 
die  Bostpartikelchen  aufzunehmen  und  zu  verschleppen. 
ThatsächUch  waren  auch  in  meinen  Versuchen  an  der  Stelle 
des  Fremdkörpers  immer  einige  Leukocyten  zu  finden, 
welche  Eisenreaction  ergaben.  Dn:e  Zahl  war  relativ  sehr 
gering.  Für  die  Verbreitung  des  Eisens  im  Bulbus  spielen 
sie  eine  untergeordnete  Rolle.  Einige  blau  gefärbte  Zellen 
im  Kammerwinkel  und  in  der  Iris,  die  sich  nach  Einfüh- 
rung eines  Fremdkörpers  in  die  vordere  Kammer  fanden, 
werden  wohl  Leukocyten  sein,  ebenso  wahrscheinUch  jene 
eigenthümHchen  Zellen  in  den  Ciliarfortsätzen,  auf  die  ich 
E^ter  noch  einmal  zurückkomme. 

Ein  Transport  durch  Leukocyten  ist  natürlich  aus- 
zuschliessen,  wenn  eine  ausgedehnte  diflFuse  Eisenreaction 
in  den  oben  angeführten  Gruppen  von  Epithelzellen  statt- 
findet Das  Eisen  kann  zu  denselben  nur  in  gelöster  Form 
auf  dem  Wege  der  Diffusion  gelangen;  besonders  deuthch 
wird  dies,  wenn  wir  bei  Sitz  des  Fremdkörpers  im  Glas- 
körper in  fiühen  Stadien  nur  den  dem  Glaskörper  zuge- 
wandten Theil  der  Epithelzellen  blau  werden  sehen.    Ob  es 


254  E-  V-  Hippel. 

sich  dabei  um  eine  Lösung  von  kohlensaurem  Eisenoxydul 
oder  eines  leicht  lösUchen  Eisenalbuminates,  wie  Ausin 
will,  handelt,  wird  sich  wohl  schwerhch  erweisen  lassen. 
Jedenfalls  tritt  es  erst  in  jenen  Zellengruppen  und 
nur  in  denselben  in  einer  mikrochemisch  nachweisbaren 
Form,  und  zwar  als  Oxydverbindung  auf.  Es  ist  dies  eine 
von  vornherein  im  höchsten  Grade  auffallende  Erscheinung, 
wenn  man  erwägt,  dass  das  Zellprotoplasma  im  Allgemei- 
nen reducirende  Eigenschaften  besitzt;  darauf  beruht  ja  die 
Imprägnation  gewisser  zelUger  Elemente  mit  Metallsalzen, 
beispielsweise  die  Gold-  und  Silbermethoden.  Wir  brauchen 
aber  auch  nicht  anzunehmen,  dass  das  Zellprotoplasma 
oxydirend  wirkt.  Wir  müssen  nur  die  ebenfalls  höchst 
merkwürdige  Thatsache  verzeichnen,  dass  das  Pro- 
toplasma gewisser  ganz  bestimmter  Zellengruppen 
die  Eigenschaft  besitzt,  eine  lösliche  Eisenverbin- 
dung zu  fixiren  und  in  einen  unlöslichen  Zustand 
überzuführen.  Dies  ist  wohl  in  keiner  anderen  Weise 
möglich,  als  dass  dabei  eine  organische  Verbindung  ent- 
steht; das  Eisen  wird  hierin  allmählich  in  Folge  seiner  An- 
häufung nachweisbar.  Das  Eisen  befindet  sich  mit  der 
organischen  Substanz  in  lockerer  chemischer  Verbindung, 
es  tritt  nicht  in  das  Molekül  ein,  dann  würde  es  mit  den 
gewöhnUchen  Methoden  nicht  mehr  mikrochemisch  nach- 
weisbar sein.  Ich  stimme  also  mit  Ausin  vollkommen 
darin  überein,  dass  ich  in  den  braunen,  in  den  Zellen  ab- 
gelagerten Massen  eine  organische  Eisenverbindung  und 
nicht  reines  Eisenoxydhydrat  erbHcke.  Dass  nach  meiner 
Ansicht  das  Zellprotoplasma  und  nicht  der  Kern  die  Ver- 
bindung eingeht,  habe  ich  oben  bereits  auseinander  gesetzt. 
Die  Thatsachen  haben  uns  gezwungen,  eine  specifische 
Affinität  gewisser  Zellen  *)  für  das  Eisen  anzunehmen,  wir 

*)  Da  wir  eine  echte  Siderosis  Iridis  als  sehr  wahrscheinlich 
annehmen  mussten,  wird  es  jedenfalls  auch  in  der  Iris  bestimmte 
Zellen  geben,  denen  jene  Affinität  zukommt. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  265 

werden  auch  sogleich  sehen,  dass  wir  mit  der  ursprüng- 
lichen Hypothese  (Lösung  des  Eisens  in  Form  von  doppelt- 
kohlensaurem Eisenoxydul,  Diffusion  und  Oxydation  durch 
den  im  Gewebe  vorhandenen  Sauerstoff  zu  unlöslichem  Eisen- 
oxydhydrat) allein  nicht  auskommen.  Wir  müssten  dann 
erwarten,  dass  da,  wo  der  meiste  Sauerstoff  vorhanden  ist, 
die  stärkste  Ausscheidung  von  Eisenoxydhydrat  stattfindet 
Dieselbe  müsste  dann  also  ganz  allgemein  ausgedrückt  in 
nachweisbarer  Beziehung  zu  dem  arteriellen  Gefässsystem 
stehen,  sie  könnte  in  gleicher  Weise  intra-  wie  extra- 
cellulär  stattfinden.  Dass  die  Thatsachen  mit  dieser  Voraus- 
setzung in  keiner  Weise  in  Einklang  zu  bringen  waren, 
bedarf  keiner  weiteren  ausführUchen  Begründung.  Eine 
extracelluläre  Ausscheidung  körnigen,  eisenhaltigen  Pig- 
mentes war  mit  voller  Sicherheit  überhaupt  nicht  nach- 
zuweisen; für  die  vöUige  Unabhängigkeit  der  Ausscheidung 
von  dem  arteriellen  Gefässsystem  spricht  genügend  der  Be- 
fund an  der  Linsenkapsel. 

In  den  untersuchten  menschlichen  Augen  war  stellen- 
weise eine  deuthche  Beziehung  des  kömigen  in  Zellen  ge- 
legenen Pigmentes  zu  Gefässen  nachweisbar,  besonders  in 
der  Netzhaut;  doch  handelte  es  sich  gerade  im  Wesent- 
heben  um  venöse  Gefässe  und  dieser  Umstand  macht  es 
besonders  wahrscheinlich,  dass  jenes  Pigment  hämatogenen 
Ursprungs  war.  Will  man  in  den  Bunge 'sehen  Fällen 
und  in  meinem  Falle  Albrecht  eine  echte  Siderosis  cor- 
neae annehmen,  so  müsste  man  den  Homhautkörperchen 
eine  ähnUche  specifische  Affinität  für  das  Eisen  zuschreiben, 
wie  wir  sie  für  andere  Zellengruppen  kennen  gelernt  haben. 
Dafür  haben  mir  aber  die  Experimente  nicht  den  mindesten 
Anhaltspunkt  gegeben,  ich  muss  sie  daher  für  unwahr- 
scheinhch  halten  und  auch  aus  diesem  Grunde  das  Vor- 
kommen einer  echten  Siderosis  corneae  in  Zweifel  ziehen. 
Wie  geringe  Bedeutung  die  Gefässe  für  die  Ausscheidung 
des  echt  siderotischen  Pigmentes  besitzen,  erhellt  am  besten 


256  E-  V.  Hippel. 

daraus,  dass  dasselbe  ausnahmslos  in  der  Choroidea  fehlt 
In  den  wenigen  menschUchen  Augen,  wo  in  der  Aderhaut 
eisenhaltige  Zellen  vorkamen,  sind  dieselben  zweifellos 
hämatogenen  Ursprungs. 

Die  intensive  diffuse  Eisenreaction  im  Stützgewebe  der 
Netzhaut,  wie  sie  am  ausgesprochensten  im  Falle  Albrecht 
auftrat,  konnte  experimentell  nicht  erzeugt  werden,  weil 
eben  die  Kaninchen -Retina  zu  schnell  total  zu  Grunde 
geht  Das  Stützgewebe  der  Netzhaut  muss  eben  auch  ent- 
schiedene Neigung  besitzen,  das  Eisen  festzuhalten.  Das 
ist  vielleicht  weniger  wunderbar,  als  es  von  vorneherein  er- 
scheint, wenn  man  bedenkt,  dass  das  Stützgewebe  ausge- 
wachsene Faserzellen  darstellt 

Um  es  also  noch  einmal  kurz  zusammenzufassen:  Die 
Fem  Wirkung  von  Seiten  eines  Fremdkörpers  aus  Eisen  stelle 
ich  mir  so  vor: 

Am  Orte  des  Fremdkörpers  gelöstes  Eisen 
diffundirt  in  die  Umgebung;  es  wird  von  ganz 
bestimmten  Zellengruppen,  die  eine  specifische 
Affinität  für  das  Eisen  besitzen,  fixirt,  geht  mit 
einer  Substanz  in  dem  Protoplasma  der  Zelle  eine 
unlösliche  Verbindung  ein,  wird  von  dem  Sauer- 
stoff der  Gewebe  oxydirt  und  durch  seine  An- 
häufung mikrochemisch  nachweisbar.  Neben 
dieser  Art  der  Verbreitung  spielt  die  Verschlep- 
pung vom  Orte  des  Fremdkörpers  durch  Leuko- 
cyten  nur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle. 

Wenn  es  auch  nicht  von  vornherein  in  meiner  Ab- 
sicht lag,  die  so  oft  behandelte  Frage  der  hämatogenen 
Pigmentinmg  in  dieser  Arbeit  einer  eingehenden  Unter- 
suchung zu  unterziehen,  so  sah  ich  mich  doch  besonders 
im  Hinblick  auf  die  weitgehende  Aehnhchkeit  zwischen 
echt  siderotischer  und  hämatogener  Pigraentirung  genöthigt 
zu  prüfen,  mit  welcher  der  bisher  herrschenden  Ansichten 
meine  Befunde  am  besten   in  Einklang  zu  bringen  waren 


lieber  Siderosis  Bullii  imd  die  Beziehungen  etc.  2  (7 

und  ob  sich  nicht  TieUeicht  einige  neue  GesiolitBpimkiB 
daraus  gewinnen  liesfiefD.  £&  ist  nicht  meine  Abeicht  hier 
einen  eingehenden  histmadien  üeberhlick  über  die  ver- 
schiedenen Anffassnngen  au  geben ,  welche  im  Laufe  der 
Zeit  in  dieser  Angelegenheit  laut  wurden,  ich  möchte  mich 
im  Wesentlichen  an  die  neueren  Arbeiten  halten.  Eine 
Zusammenstellung  der  Literatur  findet  sich  bei  Dürck^). 
Bine  Ansicht,  die  seiner  Zeit  grosse  Beaehtung  gefunden 
hat,  die  aber  in  der  Verallgemeinerung,  wie  sie  von  Lang-p 
bans*)  ausgesprochen  wurde,  sicher  unrichtig  ist,  war  die 
Behauptung  dieses  Forschers,  dass  alle  rothen  Blutkörper- 
ehen, bevor  aus  ihnen  Pigment  entstehen  kann,  in  ocmtrac- 
tile  Zellen  aufgenommen  würden.  Gegen  diese  Auffassung 
hat  sich  ganz  besonders  E.  Neumann ^)  ausgesprochen,  in- 
dem er  sich  im  Wesentlichen  auf  folgende  Gründe  stützte: 
Das  Vorkommen  der  blutkörperchenhaltigen  Zellen  in 
Extravasaten  ist  keine  constante  Erscheinung,  wo  sie  sich 
finden,  steht  ihre  Zahl  nicht  im  Verhältniss  zu  der  grossen 
Menge  pigmenterfüllter  Zellen.  Dies  bestätigten  auch  die 
unter  Neumann's  Leitung  angestellten  Untersuchungen  von 
Skraeczka^). 

Neumann  glaubt,  dass  der  von  anderen  häufig  ge- 
sehene Befund  hlutk(»perchenhaltiger  Zellen  zum  Theil  auf 
Täuschung  beruht  hat,  indem  PigmentkÖmer,  die  durch 
ihre  Eisenreaction  als  solche  kenntlich  zu  machen  sind,  in 
Bezug  auf  Earbe,  Form  und  Grösse  rothen  Blutkörperchen 


*)  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Veränderungen  und  der  Alters- 
bestimmung von  Blutungen  im  Gentralnervensystem.  Von  Dr.  Her- 
mann Dürck.   Virchow's  Arch.  Bd.  130.  I,  S.  29—93. 

*)  Langhans.  BeobacfatangeD  über  Resorption  der  Extravasate 
und  Pigmenttildiing  in  deiuriben.   Virchow^s  Arck.  Bd.  49. 

')]feumanB,  Beiträge  zur  KecuHints  det  pathologischen  Pig- 
Moto.   Virehow*s  Aiehiv  Bd.  DL 

^)  8kr9*eska,  Ueber  PigBontldldung  in  EzIfKrasalen.  inaa^.- 
Diss.,  Königsberg  1887  und  Ziogler's  Beitrtige  il^  2. 

T.  QnMlie'i  ArefaiT  f&r  Ophthalmologi«.  XL.   1.  17 


258  E.V.Hippel. 

ausserordentlich  ähnlich  sähen.  So  konnte  sich  Neumann 
nicht  von  dem  Vorkommen  blutkörperchenhaltiger  Zellen 
in  der  braunen  Lunge  Herzkranker  überzeugen,  während 
Yon  anderen  (Langhans,  Orth*,  Ziegler*)  dieselbe  als 
Fundstätte  derselben  bezeichnet  wird.  Als  zweiten  Gegen- 
grund fuhrt  er  an,  dass  mit  Pigment  gefüllte  Zellen  z.  B. 
in  der  Wand  eines  thrombosirten  Gefässes  und  in  dem 
umgebenden  Fettgewebe  vorkommen,  wo  man  doch  nicht 
annehmen  kann,  dass  Blutkörperchen  aus  dem  Thrombus 
in  die  Gefässwand  eindringen.  EndUch  findet  sich  häma- 
togenes  Pigment  in  fixen  präexistenten  Gewebszellen,  was 
ebenfalls  mit  der  Vorstellung,  dass  es  aus  blutkörperchen- 
haltigen  Zellen  hervorgeht,  unvereinbar  ist. 

Aus  diesen  Gründen  hält  Neumann  die  Bedeutung 
der  blutkörperchenhaltigen  Zellen  für  die  Pigmentbildung 
nur  für  eine  untergeordnete  und  nimmt  an,  dass  das  Pig- 
ment grossen  Theils  aus  diffimdirendem  Blutfarbstoff  ent- 
steht Das  ist  der  schon  von  Virchow')  vertretene  Stand- 
punkt 

Schmidt^)  meint,  dass  meistens  die  Dinge,  welche  von 
Zellen  aufgenommene  Blutkörperchen  zu  sein  scheinen,  nur 
den  ausgetretenen  Farbstoff  derselben  darstellen.  Bezüg- 
Uch  der  Bedeutung,  welche  die  Diffusion  gelösten  Blutfarb- 
stoffes hat,  steht  er  ^if  einem  ganz  anderen  Standpunkt 
als  Neu  mann:  „Für  die  Einleitung  der  Pigmentmetamor- 
phose der  rothen  Blutkörperchen  möchte  ich  also  die 
Trennung  des  Stroma  vom  Hämoglobin  halten,  welches 
letztere  in  ungelöster  Form  direct  in  die  gelben  Kömer 


1)  Orth.  Lehrb.  der  path.  Anatomie  I.,  S.  378. 

')  Ziegler,  Lehrb.  der  path.  Anatomie  11.,  S.  526. 

')  Yirchow,  Die  patholog.  Pigmmte.   Yirchow's  Arch.  Bd.  1. 

*)  Martin,  B.  Schmidt,  lieber  die  Verwandtschaft  der  hftma- 
togenen  und  autochthonen  Pigmente  und  deren  Stellung  zum  sogen. 
Hamosiderin.   Virchow's  Archiv  Bd.  115. 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  250 

übergeht  y  gleichTiel,  ob  es  von  contractilen  Zellen  aufge- 
nommen wird  oder  nicht"  Mit  der  Behauptung,  dass  das 
Hämoglobin  ungelöst  bleibt,  wird  natürlich  die  Bedeutung 
des  Diffusionsvorganges  in  Abrede  gestellt. 

Nach  Quincke^)  geht  das  Hämoglobin  derjenigen 
rothen  Blutkörperchen  in  Lösung,  welche  nicht  von  Zellen 
aufgenommen  werden,  gelangt  also  zur  Diffusion. 

Dürck*),  der  als  letzter  sich  über  diese  Frage  ausge- 
sprochen hat,  erkennt  den  blutkörperchenhaltigen  Zellen 
nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  zu  und  lässt  den 
grössten  Theil  des  von  den  Blutkörperchen  losgetrennten 
Hämoglobin  in  Lösung  gehen  und  sich  auf  dem  Wege  der 
Diffusion  verbreiten. 

Ln  engsten  Zusammenhange  mit  der  verschiedenen 
Auffassung  über  die  Bedeutung  der  Diffusion  stehen  die 
verschiedenen  Angaben  der  Autoren  über  das  Vorkommen 
diffuser  Kgmentirung  und  die  Frage,  ob  das  körnige  Pig- 
ment aus  dem  diffusen  hervorgeht  oder  umgekehrt. 

In  der  letzten  Frage  nimmt  Langhans*)  wieder  einen 
ganz  abweichenden  Standpunkt  ein,  zu  welchem  er  in  con- 
sequenter  Durchfuhrung  seiner  Meinung  von  der  auschliess- 
lichen  Bedeutung  der  blutkörperchenhaltigen  Zellen  gelangt 
Er  bezeichnet  nämlich  die  diffuse  Pigmentirung  als  das 
letzte  Stadium  des  Pigmentes  vor  seinem  völligen  Ver- 
schwinden und  lässt  sie  durch  Zerfall  des  kömigen  ent^ 
stehen.  Diese  Ansicht  steht  im  schroffen  Gegensatz  zu 
der  älteren  von  Virchow  *)  begründeten  und  auch  von  Roki- 
tansky*) angenommenen  Lehre,  dass  sich  das  kömige  Pig- 


*)  Quincke,  Beitrftge  zur  Lehre  vom  Icterus.  Virchow*s 
Arch.  Bd.  95  und  Zur  Pathologie  des  Blutes.  Deutsches  Archiv  f&r 
klinische  Medicin  Bd.  XXVU. 

•)  Dürck,  1.  c. 

•)  1.  c. 

*)  1.  c. 

•)  Rokitansky,  Lehrhuch  der  path.  Anatomie  III.  Aufl. 

17* 


380  £•  V.  HippeL 

rnent   durcb  Vefcbehtimg   des    difftmdirt«A   BlntfEnrbetc^^el 

NeumaAn*)  läast  cKe  Möglichkeit  su,  da»  aus  kör- 
nigem Pigment  durch  ZerfaU  difiises  eotetehifc,  flieht  den 
umgekdarien  Yocguig  aber  für  erwiesen  an,  da  er  durch 
subcutane  Injecticm  einer  Hämoglohinlös^iiig  die  Bädung 
körnigen  eis^kkaltigen  Pigmentes  erzeugen  kooiBte» 
Schmidt ^y  der  überhaupt  nur  ainserardentlidi  wenig 
diftüs  verbreitetes  Pigment  in  seinen  Yersuch^ä  fajad,  lässt 
dasselbe  durch  Zerfall  des  kömigen  zu  Stande  komme». 
Dürck^),  welcher  d^  Diffusion  des  Blut&rbstoffes  das 
Wort  redet,  nimmt  an,  dass  d^^lbe  zunächst  sich  gleieb- 
mässig  in  dem  umgebenden  Gewebe  verbreitet,  dem  er 
seinen  bräunlichen  Farbenton  verleiht;  nach  einiger  Zeit 
ginge  er  eine  Veränderung  seiner  chemischen  Zusaaunen- 
setaung  ein,  indem  der  Eisengehalt  gelockert  würde,  wobei 
dann  dsbs  Hämosiderin  entstünde,  eharakterisirt  durch  seine 
Blaufärbung  mit  Ferrocyankalium  und  Salzsäure.  An£sngs 
durchsetze  dasselbe  diffus  das  ganze  Gewebe,  später  aber 
beschränke  es  sich  immer  mehr  auf  die  inzwischen  auf- 
getretenen contracülen  Zellen  und  würde  auletzt  nur  in 
dieseu  angetroffen.  Hier  sei  es  Anfangs  in  der  plasma^ 
tischen  Flüssigkeit  des  Zelleninhalts  in  gelöstem  Zustand 
vorhanden.  Das  nachträgliche  Kömigwerden  sei  im  che^ 
mischen  Same  ein  Ausfallen,  das  auf  einer  specijBschen 
Einwirkung  der  Zelle  beruhe.  Das  entstandene  Pigment 
sei  zunächst  grobkörnig  und  verfiele  allmählich  zu  feinen 
Kömchen,  wobei  gleichzeitig  die  es  einschliessenden  ZeUen 
selbst  allmählich  durch  Verfettung  zu  Grunde  gingen,  so 
dass  auf  diese  Weise  das  Pigment  wieder  firei  werden 
kömMw  Tuet  gleiche  Modus  der  Pigmentbildung  wird  audi 
für  die  von  vornherein  in    Zellen   eingeschlossenen   Kut- 


*)  l  c.    •)  1.  c    »)  1,  c 


lieber  Siderosis  Balbi  mnd  die  Beziehungen  etc.  261 

kciperehen  angenommea.  Die  Büdung  körnigen  Pig- 
jnentes  komme  anssdüiesslidi  durch  die  Vermittehittg  von 
contraetUen  Zeilen  zu  Stande,  welche  aber  keineswegs  idle 
Leococs^ten  darstelle  sondern  anch  aus  prübexistenten  Ge- 
webszellen henrorgehen  können. 

Die  diffuse  Blautärbung  des  Gewebes  durch  Frarocyaa- 
kalinm  und  Salzsäure  hält  Dürck  für  das  Anfangsstadium 
der  Bildung  des  Hämosiderin's;  er  hat  sie  nämlich  unter 
seinen  17  untersuchten  Fällen  cerebraler  und  spinaler 
Blutungen  beim  Menschen  nur  2  Mal  gesehen  und  zwar 
in  fiiihen  Stadien,  bei  einer  8  Tage  und  einer  10  Tage 
alten  Blutung.  In  seinen  Thierrersuchen  begann  eine 
diffiise  !E%rbung  nach  6  Tagen,  nach  11  Tagen  war  nur 
ansserordentlich  wenig  diffnses,  dagegen  viel  eisenhaltiges 
kömiges  Pigment  vorhanden,  nach  15  Tagen  fand  sich 
iberhaupt  kein  diffiises  mehr. 

Auf  die  difiuse  Ausbreitung  eisenhaltigen  Pigmentes 
hat  besonders  Neumann  hingewiesen,  indem  er  hervoAob, 
dass  sich  einmal  in  dem  Protoplasma  von  Zellen,  welche 
Pigmenticömchen  eiuschhessen ,  difiuse  Blaufärbung  finde, 
dass  dieselbe  aber  auch  im  Gewebe,  an  der  InterceUular- 
substanz  des  Bindegewebes,  an  hyalinen  Membranen  und 
auch  an  den  Gelasswandungen  vorkomme.  Aehnliehe  Be- 
obachtungen finden  sich  übrigen«  schon  bei  Quincke, 
wdcher  in  seinen  Versuchen  mit  Transfusion  von  Blut  fest- 
stellte, dass  die  LeberzeUen  diffiise  Eisenreaction  zeigten, 
dass  ferner  diffiise  Beaction  neben  feinen  Kömchen  in  den 
Epithelien  der  gewundenen  Harnkanälchen  sowie  in  den 
E^tfaelien  des  Pancreas  auftrat,  dass  endlich  in  einem 
Falle,  wo  offenbar  besonda*s  viel  gelöstes  Eisen  in  die 
Körpersäfte  übergegangen  war,  die  Epithelzellen  der 
Parotis,  Submaxillaris,  der  Plexus  choroidei  sowie  die  Eas^n 
des  Herzmuskels  diffiise  Beaction  ergaben. 

Aus  dieser  XJebersicht,  welche  die  wichtigsten  Arbeiten 
beiückfliGfatigt,  geht  hervor,  dass  die  Verschiedenheit  in  der 


262  S*  ▼•  Hippel. 

Auffassung  über  die  Art  der  Ausbreitung  des  BlutCarb« 
Stoffes,  zu  welcher  sorgtältige  Untersuchungen  geführt  haben, 
wohl  nur  so  zu  erklären  ist,  dass  die  Objecte,  an  welchen 
die  Untersuchungen  angestellt  wurden,  nicht  in  gleicher 
Weise  geeignet  sind,  die  einzelnen  Phasen  des  Ueberganges 
rother  Blutkörperchen  in  Pigment  hervortreten  zu  lassen, 
oder  dass  die  Art  der  Ausbreitung  in  sehr  erheblicher 
Weise  beeinflusst  wird  von  dem  Gewebe,  in  welches  der 
Austritt  von  Blut  stattgefunden  hat  Soviel  ist  jedenfalls 
durch  Neumann,  Quincke,  Dürck  u.  A.  schon  mit 
vollster  Sicherheit  festgestellt,  dass  die  Virchow 'sehe  Lehre 
von  der  Diffusion  des  Blutfarbstoffes  zu  Recht  besteht  und 
dass  femer  difiiise  Ausbreitung  eisenhaltigen  Pigmentes 
vorkommt  und  hieran  können  die  negativen  Residtate  von 
Schmidt  und  Anderen  nichts  ändern. 

Ueber  die  chemische  Natur  des  kömigen  eisenhaltigen 
Farbstoffes  scheinen  erhebliche  Differenzen  nicht  zu  be- 
stehen. Theilweise  gehen  die  Untersucher  auf  diese  Frage 
nicht  näher  ein;  Neu  mann  hebt  hervor,  was  ebenfalls 
schon  von  Quincke  angegeben  wurde,  dass  die  Farbe  jener 
Gebilde,  welche  Eisenreaction  ergeben,  ausserordentlich 
wechselnd  ist,  dass  sie  selbst  farblos  sein  können,  und 
schUcsst  daraus,  dass  das  von  ihm  sogenannte  Hämosiderin 
kein  Körper  von  constanter  chemischer  Zusammensetzung 
ist  und  am  allerwenigsten  schlechtweg  Eisenoxydhydrat 
darstellt.  Aus  dieser  Schilderung  geht  wohl  hervor,  dass 
er  das  Hämosiderin  als  eine  organische  Eisenverbindung 
auffasst  Auch  Arnold^)  sah  z.  B.  in  den  Leberzellen 
farblose  Kömchen  die  Blaufärbung  annehmen.  Quincke 
spricht  von  Eisenalbuminatkömchen  und  auch  Schmidt 
setzt  eine  organische  Gmndlage  in  den  bekannten  Kömem 
und  Schollen  voraus. 


M  J.  Arnold,  Staubinhalation  und  Staubmetastase.  Leipzig  1885. 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  263 

Sehr  wichtig  scheint  mir  neben  der  Art  der  Ausbrei- 
tung des  Blutfarbstoffes  und  der  Natur  des  eisenhaltigen 
Pigmentes  der  dritte  Punkt,  über  welchen  erhebliche 
Meinungsverschiedenheiten  laut  geworden  sind,  die  Frage 
nämlich:  in  welchem  VerhäJtniss  zu  einander  stehen  Häma»- 
toidin  und  Hämosiderin?  Der  Unterschied  galt  ursprüng- 
lich der  Form,  das  Hämatoidin  sollte  krystallinisch,  das 
hindere  Pigment  (der  Name  Hämosiderin  stammt  bekannt- 
lich erst  von  Neumann)  kömig  sein.  Das  Hämatoidin, 
dessen  Identität  mit  dem  Bilirubin  allgemein  angenommen 
wird,  besitzt  eine  charakteristische  B«action,  den  bekannten 
Farbenwechsel  bei  Zusatz  concentrirter  Schwefelsäure.  Später 
zeigte  sich,  dass  es  auch  in  nicht  krystallinischer,  in  kömiger 
Gestalt  aufbreten  kann.  Die  Form  giebt  also  keinen  durch- 
greifenden Unterschied  zwischen  Hämatoidin  und  Hämo- 
siderin. Das  Hämatoidin  ist  eisenfrei,  das  meiste  kömige 
Pigment  fand  man  eisenhaltig.  Der  Eisengehalt  schien 
also  zur  Dififerentialdiagnose  zu  berechtigen.  Von  Schmidt 
ist  nun  aber  nachgewiesen  und  von  Dürck  bestätigt  worden, 
dass  das  Eisen  in  den  als  Hämosiderin  bezeichneten  Kör- 
nern nur  eine  gewisse  Zeit  mikrochemisch  nachweisbar  ist, 
um  später  sich  diesem  Nachweise  vollkommen  zu  entziehen, 
d.  h.  entweder  aus  dem  Pigment  vollkommen  zu  verschwin- 
den, wie  Dürck  ohne  Weiteres  annimmt  oder  in  eine  Ver- 
bindung überzugehen,  welche  der  Reaction  mit  Ferrocyan- 
kahum  und  Salzsäure  nicht  mehr  zugängUch  ist.  Das 
Fehlen  des  mikrochemisch  nachweisbaren  Eisens  ist  also 
auch  nicht  charakteristisch  für  das  Hämatoidin,  wenigstens 
nur  dann,  wenn  man  das  braune  Pigment  in  späteren 
Stadien,  das  die  Eisenreaction  nicht  mehr  giebt,  einfach 
Hämatoidin  nennt,  wie  es  Dürck  thut  Damit  wären  wir 
der  Streitfrage  näher  getreten,  ob  Hämosiderin  die  Vor- 
stufe des  Hämatoidin  ist  oder  umgekehrt  oder  ob  beide 
unabhängig  von  einander  unter  gewissen  Bedingungen  ent- 
stehen und  niemals  ineinander  übergehen. 


264  £.  V.  HtpiieL 

Perls*)  Teiinnthete,  dass  das  eisenhaltige  Figment  eine 
Yorstafe  d«8  Hamatoidin  sei.    Nehmen  wir  an,  dass  das 
Eisen   im  Biutfiirbstoff  metallisch  enthalten  ist,  so  dürfte 
es  sveh  bei  der  letsteren  Umwandlaag  2a  kömigem  Pigment 
um  eine  Oxydation  handeln,   und   als  Bedingung  für  die 
Bildung  krystallinischen  Pigments  (Hämatoidin)  dürften  wir 
die  Möglichkeit  der  voUständigen  Abtrennung  des  gebildeten 
Eisenoxyds  anzusehen  faaben^.     Dieser  Anschauung  wider^ 
spricht  Neumann,  indem  er  feststellt,  dass  in  vielen  Fällen, 
wo  Hämosiderin  entsteht,  später  kein  Hämatoidin  daraus  hei^ 
vorgeht,  und  dass  Hämatoidin  eitstehen  kann  ohne  voiv 
fa^ge  Bildung  von  Hämosiderin,  e.  B.  im  ünterhautfett- 
^webe,  wo  schon  nach  wenigen  Tagen  typische  Hämatoidin^ 
loystalle  sich  finden  können.     Quincke  bezieht  den  Untere 
schied  auf  die  verschiedene  Art  der  Entstehung,  indem  er 
annimmt,  dass  da,  wo  die  rothen  Blutkörpercb^i  selbst  von' 
Zellen  aufgenommen  werden ,  kein  GaUenfaibstoff  gebildet 
wird,  während  da,  wo  das  Blut  zunächst  der  Necrose  an- 
heimfällt und  das  Hämoglobin  austritt,  GaUenfiM^bstc^  ent* 
steht,  während  der  Eisenrest  gelöst  in  die  Säfte  gelangt 
und   ^x)sstentheil8   durch   die  Nieren   ausgeschieden   wird. 
Dürck  spricht  sich  mit  grosser  Entsdiiedenhett  dahin  aus» 
dass  aus  dem  Hämosiderin  allmählich  das  Eisen  verschwin- 
det  und   so  Hämatoidin  entsteht.     Er   hält  offenbar  das 
Eehlen  d^  Eisenreaction  für  einen  ausreichenden  Beweis, 
dass   man   Hämatoidin  vor   sich  hat,   aber   nur  in  einem 
Falle  (11)  hat  er  die  für  Gallenfsirbstoff  charakterii^sche 
Beaction  angestellt     Er   spricht  seine  Verwunderung  da- 
rüber aus^  dass  M.  B.  Schmidt,  der  zuerst  auf  das  all« 
mähliche  Verschwinden  der  Eisenreaction  hingewiesen,  da« 
wieder  eisenfnei  gewordene  Pigment  nidit  sdileohtweg  Bjäma-- 
toidin  nennt.    Ich  vennuthe,  dass  Schmidt  sdir  wohl  ge- 
wusst  hat,  warum  er  diesen  Ausdruck  rennied,  denn  Dürck 


^)  Perls,  Journal  f.  prakt.  OieMiie  B4.  21. 


lieber  Siderosis  Blilbi  ttid  (Ke  Beziehungen  etc.  265 

^äwEachty  ilass  in  Sctiiiiidt^s  Yersucheft  köniijges  in  semen 
Aussehen  dem  Hämosiderin  völlig  gleiches  Pigment  zu  finden 
war,  das  noch  nicht  die  Eisenreactioa  gab.  Mit  dem- 
s^ben  Recht,  wie  das  spä4iere,  dass  die  Beaction  nicht 
mekr  «rgafo,  könnte  man  dies  «r»te  als  &äiiiat(Mdiii  be- 
zeichmen  und  käme  dann  zu  dem  sonderibaren  Schluss, 
dass  das  Hämosiderin  aus  dem  Hämatoidin  entstdit,  um 
steh  spater  wieder  in  solches  zu  verwandeln.  Ich  hob  schon 
hervor,  dass  das  negative  Ergehmss  der  Eis^ireaction  noch 
•gar  nicht  mit  Nothwendigkeit  das  wirkUcbe  Fehlen  des 
Eäsens  in  dem  Rgmente  beweist.  Tritt  das  Eisen  in  einer 
ix-ganischen  Verbindung  in  das  Molekül  ein,  so  entzieht  es 
sich  eben  dem  mikrochemischen  Nachweis.  So  wies  Za- 
leski')  in  einem  Falle  von  Morbus  maculosus  Werlhofii, 
wo  ausserordentUch  reichliche  Massen  von  Pigment  in 
Longen,  Bronchialdrüsen  u.  s.  w^.  abgelagert  waren,  nach, 
dass  in  demselben  mikrochemisch  kein  Eisen  nachzuweisen 
war,  während  die  Elementaranalyse  das  Vorhandensein  des- 
selben feststellte. 

Das  Uebergehen  di^  beiden  Pigmente,  Hämatoidin  und 
Hämosiderin  in  einander  behauptet  Mühlmann  ^)  Er 
hat  Untersuchungen  an  dem  Pigment  angestellt,  das  sich 
in  der  Arachnoidea  vorfindet.  Dabei  will  er  festgestellt 
liaben,  dass  dies  Pigment  im  Laufe  einiger  Tage  seine 
Beaction  ändert  in  der  Weise,  dass  an  Stellen,  welche 
Eisenreaction  gegeben  hatten,  später  Hämatcndin-Beaction 
auftritt  und  umgekehrt;  darin  sieht  er  eine  Bestätigung  der 
Besultate  Schmidt 's.  Wenn  ich  hervorhebe,  dass  in  seinen 
Fällen  die  Section  1 — 2  Tage  nach  dem  Tode  gemacht 
wurde,  und  dass  er  dann  die  Gehirne  mit  einem  feuchten 
Lappen  bedeckte  und  von  Tag  zu  Tag  die  Araclmoidea 
frisch   untersuchte,    so  ist  es   klar,    dass   seine   Besultate 


^)  Zaleski,  Arch.  f.  exper.  Pathol.  u.  Fharmacol.  Bd.  23. 
*)  Virchow'g  Arohiv  Bd.  126, 


266  E.  V.  Hippel. 

nicht  den  Eindruck  grosser  Zuverlässigkeit  hervorbringen 
können. 

Einen  für  die  Frage  wichtigen  Schritt  scheint  mir 
E.  Neumann  damit  gethan  zu  haben,  dass  er  auf  Grund 
der  topographischen  Vertheilung  beider  Farbstoffe  Schlüsse 
auf  ihre  Entstehung  zu  ziehen  sucht.  Kurz  gefasst  sind 
seine  Angaben  die,  dass  bei  grösseren  Blutungen  eine  Ge* 
setzmässigkeit  im  Vorkommen  beider  Substanzen  insofern 
besteht,  als  das  Hämatoidin  in  den  peripheren  Theilen  der 
Blutung  selbst,  das  eisenhaltige  Pigment  in  dem  umgeben- 
den Gewebe  vorkommt,  während  zwischen  beiden  eine  Ueber- 
gangszone  besteht  Er  schliesst  aus  dieser  Thatsache,  dass 
beide  Pigmente  zwei  verschiedenen  chemischen  Processen 
zugeschrieben  werden  müssen :  „beide  verhalten  sich  exclusiv 
zu  einander,  aus  dem  Hämoglobin  einer  rothen  Blutzelle 
entsteht  entweder  Hämosiderin  oder  Hämatoidin".  Dass 
in  dem  einen  Fall  Hämosiderin  entsteht,  bewirkt  das  lebende 
Gewebe  bezw.  seine  Zellen  „die  Hämatoidinbildung  da- 
gegen stellt  einen  von  vitaler  Gewebsthätigkeit  unabhängigen 
Zersetzungsprocess  dar'^  Damit  stände  im  Einklang  die 
Thatsache,  dass  bei  kleinen  Blutungen  überhaupt  kein  Hä- 
matoidin gebildet  werde,  da  alles  Blut  mit  dem  lebenden 
Gewebe  in  Berührung  komme.  Ob  Hämosiderin  nur  in 
Zellen  oder  auch  ausserhalb  derselben  gebildet  wird,  hält 
Neumann  noch  für  unsicher,  aber  auch  für  eine  Frage 
von  secundärer  Bedeutung.  Schmidt  bestätigte  Neu- 
mann's  Auffassung  von  der  Wichtigkeit  des  lebenden  Ge- 
webes für  die  Bildung  eisenhaltigen  Pigmentes.  Er  sah  in 
seinen  Versuchen  mit  Einführung  von  HoUundermarkplätt- 
chen  in  den  Lymphsack  des  Frosches  die  Eisenreaction 
in  den  braunen  Pigmentkömem,  welche  in  dem  das  Plätt- 
chen umgebenden  Bindegewebe  lagen,  erst  eintreten,  wenn 
Gefässe  in  dasselbe  hineinw^ucherten  und  so  ein  regerer 
Stoffwechsel  zu  Stande  kam. 

Ein  eigenthümliches  Pigment,  das  er  Hämofiiscin  nennt. 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  267 

beschrieb  v.  Becklinghausen.')  Er  fand  es  unter  Be- 
dingungen, die  eine  allgemeine  hämorrhagische  Diathese 
annehmen  Hessen,  in  enormer  Verbreitung  im  Körper,  be« 
sonders  in  den  glatten  Muskelzellen,  in  der  Muscularis  der 
Gefässe,  in  Drüsenzellen  u.  s.  w.  Es  ist  ausnahmslos  eisen- 
frei und  wird  nach  v.  Becklinghausen 's  Annahme  in 
gelöstem  Zustand  den  Geweben  zugeführt  und  von  gewissen 
Zellen  zu  Körnern  verdichtet  und  fixirt 

In  meinen  eigenen  Untersuchungen,  zu  denen  ich  jetzt 
übergehen  möchte,  musste  von  vornherein  ein  Umstand  auf- 
feilen, der  auch  einen  wichtigen  Fingerzeig  für  die  Er- 
klärung abgab:  die  vollständige  Uebereinstimmung 
in  der  Verbreitung  des  aus  dem  Blute  stammenden 
Eisens  mit  dem,  welches  vom  Fremdkörper  abge- 
leitet werden  musste.  Wenigstens  für  einen  Theil  des 
hämatogenen  Pigmentes  triffl;  dies  zu.  Diese  auffallende 
Thatsache,  welche  bei  der  Untersuchung  menschUcher  Augen 
schon  festgestellt  werden  konnte,  fand  in  den  Experimenten 
ihre  volle  Bestätigung.  Wir  haben  uns  überzeugt,  dass 
die  Eisenreaction  eine  difiuse  Blaufärbung  im  Epithel  der 
Ciüarfortsätze,  der  Pars  ciUaris  Betinae,  im  Pigmentepithel 
der  Betina  und  auch  im  Kapselepithel  der  Linse  bei  ver- 
letzter Kapsel  hervorruft  in  Fällen,  wo  das  Eisen  nur  von 
dem  Blutfarbstoff  abstammen  kann.  Die  Blautärbung  tritt 
genau  so  ein,  wie  in  den  Fällen,  wo  sie  nur  auf  den  Eisen- 
splitter zu  beziehen  ist.  Es  liegt  deshalb  wohl  sehr  nahe, 
ja  es  ist  eigentlich  kein  Zweifel,  dass  für  beide  Fälle  die 
nämliche  Art  der  Entstehung  angenommen  werden  muss. 
Das  Eisen  muss  dazu  aus  dem  Blutfarbstoff  abgespalten 
werden  und  in  Lösung  gehen;  ob  diese  Spaltung  innerhalb 
der  rothen  Blutkörperchen  oder  erst  aus  dem  difiundirenden 
frei  gewordenen  Blutfarbstoff  vor  sich    geht,   ist   zunächst 


')  V.  Recklinghausen,  Naturforscher -Versammlung  in  Heidel* 
berg  1889. 


268  ^  ▼•  Hippel. 

gleichgültig.  Wegen  seiner  grossen  Yerdtuuning  ist  es  im 
Anfang  mikrochemisch  nicht  nachweisbar;  es  nird  dies  eist 
dadurch  7  dass  gewisse  Zellengrappen  eine  spedfische  Affi- 
nität dafor  besitEsen  nnd  es  anfspeichem,  indem  es  mit  einer 
Substanz  des  Protoplasma  eine  Verbindung  eingeht  Dass 
übrigens  diese  Affinität  allen  Geweben,  wenn  auch  in  un- 
endlich viel  geringerem  Maasse  als  den  genannten  Gruppen 
zukommt,  scheint  mir  daraus  hervorzugehen ,  dass  in  man« 
eben  Fällen,  z.  B.  Albrecht,  Laier,  das  ganze  Präparat 
einen  matten,  diffus  bläuhchen  Ton  angenommen  hat.  Dass 
manchmal  viel  Zeit  nöthig  ist,  damit  das  Eisen  nachweis- 
bar wird,  lehren  die  Experimente,  wo  eine  matte  diffiise 
Blaufärbung  des  Epithels  der  Ciliarfortsätze  erst  nach  28 
Tagen  nachweisbar  war.  In  diesen  Zellengruppen  ist  die 
Yertheilung  des  Eisens  Anfangs  eine  ganz  diffiise,  erst 
später  können  sich  kleine  Kömchen  darin  finden.  An 
Schnitten,  die  nicht  mit  Beagentien  behandelt  sind,  zeigen 
diese  Zellengruppen  einen  gelblichen  Farbenton,  genau  so 
wie  an  Präparaten,  wo  der  Eisengehalt  von  einem  Fremd- 
körper herstammt  In  diesen  letzten  Fällen  ist  es  klar, 
dass  die  gelbUch-braune  Färbung  nur  auf  der  Anwesenheit 
einer  Eisenoxydverbindung  beruhen  kann,  denn  irgend  ein 
Farbstoff  kann  da  selbstverständlich  keine  Bolle  spielen. 
Bei  der  vollkommenen  Uebereinstimmung  der  siderotischen 
und  hämatogenen  Färbung  in  diesen  Zellengruppen  muss 
man  annehmen,  dass  auch  bei  der  letzteren  die  gelbe  Fär- 
bung auf  der  Anwesenheit  einer  Eisenoxydverbindung  be- 
ruht und  unabhängig  ist  von  dem  Blutfarbstoff.  Wäre 
das  nicht  so,  dann  müsste  auch  die  Linsenkapsel  und  Linsen- 
substanz  diese  f^bung  besitzen,  was  nicht  der  Fall  ist 
Es  giebt  also  eine  echte  Siderosis,  die  aus  dem 
Blute  entsteht  und  von  hämatogener  Pigmentirung 
ganz  unabhängig  ist  Ich  möchte  für  dieselbe  den  Aus- 
druck „hämatogene  Siderosis'^  vorschlagen  und  ihr  die 
vom  Fremdkörper  stammende  als  „xenogene  Siderosis" 


üeber  Siderosis  Bnlbi  imd  die  Beziehungen  etc.  269 

gegenüberstellen.  Unter  Siderosis^)  ist  danach  zu 
yerstehen:  Ablagerung  einer  an  organische  Sub- 
stanz gebundenen  Eisenoxydverbindnng  in  be- 
stimmten Zellen'). 

Ich  hake  es  deshalb  für  wichtig,  die  Unabhängigkeit 
der  „hämatogenen  Siderosis^  vom  Farbstoff  festzustellen, 
wdl  andererseits  die  Farbe  des  hamatogenen  körnigen  Pig- 
mentes unabhängig  ist  ¥on  dem  Vorhandensein  einer  mikro 
chemisch  nadiweisbaren  Eisenoxydrerbindung*  Denn  wir 
haben  bei  Schmidt  gesehen  und  ich  kann  es  bestätigen, 
dass  das  braune  k^nige  Pigment  bei  seiner  Entstehung  so- 
wie in   den  späteren  Stadien   mikrochemisch  eisenfrei  ist 

*)  Ich  möchte  hier  darauf  hinweisen,  dass  im  ersten  und  zweiten 
Thei]  meiner  Arbeit  sowie  bis  hieriier  audi  im  dritten  der  Ansdmck 
„siderotiBch''  nur  in  dem  Sinne  ^vom  Fremdkörper  stammend^'  ge- 
braucht wurde.  Erst  nach  der  eben  gegebenen  Auseinandersetxung 
kann  ich  von  ,yhämatogener  Siderosis"  sprechen. 

•)  Um  Missverständnisse  zu  vermeiden,  muss  ich  den  Ausdruck 
„Siderosis"  und  die  Eintheilung  in  hämatogene  und  xenogene  Side- 
rosis rechtfertigen.  . Während  Zenker  (Deutsches  Archiv  f.  klin. 
Med.  Bd.  U)  und  Merkel  (ibid.  Bd.  VIII)  unter  Siderosis  nur  die 
Ablagerung  von  eingeatbmetem  Eisenstaub  in  der  Lunge  verstehen 
wollen,  bezeichnet  Quincke  mit  diesem  Namen  auch  die  Anb&ufung 
von  eisenhaltigem  kömigem  Pigment  (Neumann's  Hftmosiderin)  in 
den  Organen  und  unterscheidet  zw^ischen  physiologischer  und  patho- 
logischer Siderosis.  Arnold  bezeichnet  den  letzteren  Zustand  als 
Deposition  eisenbahigen  Pigmentes,  meint  aber,  man  müsse  mindestens, 
wenn  man  bei  dem  Ausdruck  Siderosis  bleibt,  zwischen  exogener  und 
endogener  (hämatogener  Siderosis)  unterscheiden.  Ich  kam,  wie  aus 
meinen  Mittheilungen  hervorgeht,  dazu,  einen  Gegensatz  zwischen 
hämatogener  Siderosis  und  Hämosiderin  (Ablagerung  eisenhaltigen 
Pigmentes)  anzunehmen.  Den  Ausdruck  Siderosis  ganz  zu  vermeiden, 
vermochte  ich  nicht,  weil  mir  kein  anderer  bezeiehneoder  zu  Gebote 
•teftd.  Die  Sdlieiditng  in  exogene  und  endogene  Siderosis  passte  für 
meine  Y^rsiicbe  nicht»  weil  es  z.  6.  bei  der  Ii^ctLon  von  Blut  in 
den  Glaskörper  zu  einer  exogenen  und  dennoch  hamatogenen  Side- 
rosis kommt.  Daher  die  Trennung  in  ,^hamatogen"  und  „xenogen", 
weicn  letzteren  Amdrut^  ich  gerne  einem  besseren  ebenso  kurzen 
Dpwni  wttrae. 


270  E.  V.  Hippel. 

Es  würde  sich  nun  darum  han^jpln,  ob  man  bei  det 
Annahme,  dass  die  Verbreitung  des  Blutfarbstoffes  und  des 
darin  vorhandenen  Eisens  im  Auge  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  von  einander  imabhängig  sind,  zu  einer  befriedigen- 
den Vorstellung  über  die  Natur  des  kömigen  Pigmentes 
und  seines  Eisengehaltes  gelangen  kann,  und  ob  sich  femer 
die  Thatsache  damit  erklären  lässt,  dass  sich  mikrochemisch 
nachweisbares  Eisen  nur  in  der  Umgebung  von  Blutungen, 
im  lebenden  Gewebe  (Neumann)  findet  Natürlich  wird 
Eisen  auch  frei  werden  im  Inneren  einer  grösseren  Blu- 
tung, wenn  die  Blutkörperchen  zerfallen,  es  diffundirt  aber 
aus  derselben,  da  es  durch  nichts  festgehalten  wird  und 
erst,  wo  es  mit  Zellen  in  Berührung  kommt,  kann  es  fixirt 
und   durch  allmähliche  Ansammlung  nachweisbar  werden. 

Das  kömige  Pigment  entsteht  nach  den  bisherigen 
Annahmen  einmal  dadurch,  dass  Blutkörperchen  oder  Brach- 
stücke derselben  von  Zellen  aufgenommen  und  in  denselben 
zu  Pigment  verarbeitet  werden,  andererseits  dadurch,  dass 
der  beim  Zerfall  der  rothen  Blutkörperchen  frei  werdende 
Blutfarbstoff  diffundirt  und  theils  intra-  theils  extracellulär 
zu  Pigment  umgewandelt  wird.  Während  die  erste  Art 
der  Entstehung  von  allen  Autoren  angenommen  wird,  wollen 
andere  die  Entstehung  aus  difiundirendem  Blutfarbstoff  nicht 
gelten  lassen.  Dass  der  Blutfarbstoff  zur  Diffusion  gelangt, 
beweisen  khnische  Thatsachen,  z.  B.  die  Färbung  des  Kam- 
merwassers, die  partielle  Färbung  der  Homhaut  bei  sub- 
conjunctivalen  Blutungen,  femer  histologisch  das  Auftreten 
der  sogenannten  Schatten;  fraglich  ist  nur,  ob  der  diffim- 
dirende  Blutfarbstoff  nicht  einfach  resorbirt  wird  oder  ob 
wirklich  Pigment  daraus  entsteht 

Das  Auftreten  echter  blutkörperchenhaltiger  Zellen, 
d.  h.  solcher,  welche  wohlgefärbte  ganze  Blutkörperchen 
aufgenommen  hatten,  konnte  ich  in  meinen  Präparaten 
nicht  mit  genügender  Sicherheit  nachweisen;  wenn  sie  über- 
haupt vorhanden  waren,  so  stellte  ihr  Vorkommen  jeden* 


Ueber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  271 

fialls  einen  ganz  vereinzelten  Befund  dar;  dagegen  sah  ich 
vielfech  entfärbte  Blutkörperchen  in  Zellen.  Den  extra- 
cellulären  Zerfall  rother  Blutkörperchen  zu  unregelmässigen 
eckigen  grünlich  gefärbten  Gebilden  fand  ich  besonders 
bei  Blutinjection  in  den  Glaskörper;  ob  diese  Gebilde  Bruch- 
stücke von  Blutkörperchen  oder  Hämoglobinklümpchen 
waren,  lasse  ich  dahin  gestellt  Sie  finden  sich  nun  auch 
von  Zellen  aufgenommen  und  stellen  die  Vorstufe  eines 
Theils  des  gebildeten  Pigmentes  dar.  In  diesen  Gebilden 
musste  nun,  einerlei  ob  es  Bruchstücke  von  Blutkörperchen 
oder  Hämoglobintropfen  waren,  Eisen  vorhanden  sein.  Das- 
selbe wird  aber  erst  allmählich  abgespalten  und  dann  in 
einer  Substanz  des  Protoplasma  fixirt,  wobei  auch  nicht 
auszuschliessen  ist,  dass  ein  Theil  des  Eisens  aus  der  Zelle 
hinaus  difiPundirt.  So  wäre  es  erklärt,  warum  die  Eisen- 
reaction  an  dem  braimen  Pigment  erst  innerhalb  einer  ge- 
wissen Zeit  positiv  ausfällt,  dabei  oft  in  der  Weise,  dass 
das  Protoplasma  diffus  blau  wird,  während  die  Kömer 
noch  braun  bleiben. 

Was  das  spätere  Verschwinden  der  Eisenreaction  an- 
langt, so  habe  ich  schon  oben  betont,  dass  dasselbe  durch 
weitere  chemische  Umsetzung  und  Uebergehen  des  Eisens 
in  das  Molekül  erklärt  werden  kann.  Noch  wahrschein- 
licher dürfte  aber  die  Annahme  sein,  dass  es  all- 
mählich aus  diesen  Zellen  vollständig  heraus  dif- 
fundirt,  da  dieselben  keine  specifische  Affinität 
dafür  besitzen.  Die  soeben  entwickelte  Vorstellung  steht 
im  Widerspruch  mit  Neumann's  Annahme,  dass  aus  dem 
Farbstoff  einer  Blutzelle  entweder  Hämatoidin  oder  Hä- 
mosiderin  hervorgeht,  ich  halte  die  Bildung  von  Pigment 
und  die  Ablagerung  von  Eisen  in  mikrochemisch  nach- 
weisbarer Form  in  diesem  Rgment  für  zwei  zwar  neben 
einander  verlaufende,  aber  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
von  einander  unabhängige  Vorgänge.  Ich  betone,  dass  diese 
Vorstellung  nicht  im  Widerspruch  steht  mit  meiner  An- 


278  £•  V.  Hippel. 

nahme^  dass  bestinmite  Zellengruppeii  eine  ganz  besondere 
Affinität  für  das  Eisen  besitzen.  Denn  dieselben  fixireB 
dasselbe  ans  einer  durch  XKfiuskm  zu  ihnen  gelangenden 
ftusserst  y erdünnten  Lösimg;  während  es  in  jenen  Zellen, 
wekbe  das  körnige  Pigment  einsehliessen,  Ton  romherein 
enthalten  ist. 

Was  man  bisher  nach  Neumann's  Yorgsokg  „Hämo« 
siderin^^  genannt  bat^  ist  also  hämatogenes  Pigment, 
an  welchem  das  ans  dem  Blutfarbstoff  frei  ge- 
wordene Eisen  noch  anhaftet;  die  Farbe  des  Pig» 
mentes  ist  Ton  diesem  Eisengehalt  unabhängig; 
Daron  au  trennen  ist  die  ,,bämatogene  Siderosis'^ 
welche   ron  Pigment   rollkommen   unabhängig  ist 

Nun  werden  in  der  Umgebung  von  Blutungen  auch 
fixe  Gewebszellen,  beispielsweise  die  Zellen  der  Chorioidea, 
wenn  Blut  zwischen  Chorioidea  und  Sklera  getreten  war, 
oder  andere  IKndegewebszellen  v(m  braunem  hämatogenen 
Pigment  erfüllt,  ohne  dass  es  sieh  bestimmt  nachweisen 
lässt,  dass  dieselben  Bruchstücke  rother  Blutkörperchen 
oder  diese  selbst  aufgenommen  haben.  Immerhin  kann  letz- 
teres stattgefunden  haben  und  ich  kann  jed^ifalls  aus  meinen 
Pk'äparaten  keinen  Beweis  dafür  erbringen,  dass  aus  dem 
difFandirenden  Blutfarbstoff  wirklich  kömiges  Pigment  ent^ 
standen  ist. 

Für  ein  extracelluläres  Entstehen  des  kömigen  Rg- 
mentes  habe  ich  in  meinen  Präparaten,  besonders  bei  den 
Versuchen,  keinen  Anhaltspunkt  auffinden  können.  Natür- 
lich ist  bei  dem  oft  sehr  grobkörnigen  Pigment  nicht  immer 
mit  absoluter  Sicherheit  nachzuweisen,  dass  es  in  einer 
Zelle  liegt,  wenn  der  Kern  verdeckt  ist;  so  oft  ich  aber  in 
solclien  Fällen  mit  Salzsäure  das  Pigment  extrahirte,  fimd 
ich  an  Stelle  der  scheinbar  homogenen  Pigmentkngel  eine 
blasse  Zelle  mit  färbbarem  Kern.  Auch  ist  es  ja  woU 
amranehmen,  was  auch  von  anderen  Untersncheni  herTCM> 
gehoben   wird,   dass  durch  nacbträglidies   Zugmndeg«^en 


üeber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  273 

der  Zelle  das  Pigment  frei  werden  kann.  Gegen  die  An- 
nahme der  ausschliesslich  iutracellulären  Entstehung  des 
körnigen  Pigmentes  scheint  mir  auch  nicht  die  Angabe 
Hausers  ^)  zu  sprechen,  dass  sich  bei  fäulnissfreier  Auf- 
bewahrungi  des  Blutes  ein  ockerfarbenes  amorphes  Pigment, 
seltener  Hamatoidinkrystalle  bilden.  Es  ist  eben  keines- 
wegs ausgemacht,  dass  dies  mit  unserem  kömigen  Pigment 
identisch  ist  Ueberhaupt  scheint  mir  die  Frage,  was  für 
Pigmente  aus  dem  Blute  unter  verschiedenen  Bedingungen 
entstehen  können,  noch  gar  nicht  zu  beantworten  (vergl. 
auch  V.  Recklinghausen's  Hämofuscin),  ich  halte  mich 
deshalb  auch  nur  an  jenes  charakteristische  kömige  durch 
seinen  temporären  Eisengehalt  ausgezeichnete  Pigment  und 
verzichte  auch  darauf,  der  Frage  weiter  nachzugehen,  in 
welchem  Yerhältniss  dasselbe  zu  dem  Hämatoidin  steht; 
ich  will  nur  betonen,  dass  ich  Hamatoidinkrystalle  in 
meinen  Präparaten  nicht  gesehen  und  keine  Gelegenheit 
genommen  habe,  die  Hämatoidin-  bezw.  Gallenfarbstoffi*eac- 
tion  ausgiebiger  in  Anwendung  zu  bringen,  da  mich,  wie 
es  der  Zweck  dieser  Arbeit  mit  sich  brachte,  wesentUch  der 
Eisengehalt  interessirte.  Jedenfalls  scheint  mir,  was  ich 
schon  einmal  hervorhob,  dass  man  nur  auf  Grund  der  posi- 
tiven Beaction  mit  Schwefelsäure  nicht  eisenhaltiges  Pig- 
ment als  Hämatoidin  bezeichnen  darf;  femer  ist  Hämatoi- 
din in  Chloroform  löslich;  im  Falle  Albrecht,  wo  ich  diese 
Beaction  anwandte,  blieb  das  Pigment  völlig  unbeeinflusst 
Eine  merkwürdige  Thatsache  muss  ich  hier  noch  er- 
wähnen, die  bisher  nicht  beobachtet  zu  sein  scheint;  ich 
fand  nämUch,  allerdings  ganz  vereinzelt,  dass  Blutkörper- 
chen sowie  blasse  homogene  Kugeln  von  bedeutenderer 
Grösse  difiEiise  Blaufärbung  annahmen.  Ohne  Beagentien 
betrachtet  sahen  diese  Blutkörperchen  ganz  hellgelblich  aus. 
Ich    kann  mir   diesen   Befund  nur  so  erklären,    dass    das 


»)  Arch.  f.  exp.  Pftthol.  Bd.  20. 
T.  Gnafe*8  Axchir  Ar  Ophthalmologie.  XL.  1.  18 


274  E.  T.  Hippel. 

Eisen  sich  sehr  früh  toid  Blutfarbstoff  abgespalten  hat  und 
vom  Stroma  fixirt  wurde.  Die  Schnelligkeit,  mit  welcher 
das  Eisen  abgespalten  wird,  muss  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  beeinflusst  werden  von  der  Lebhaftigkeit  des  Stoff- 
wechsels, dafür  sprechen  die  Befunde  an  jenen  bei  der 
Schilderung  der  Experimente  oft  erwähnten  mit  braunen 
Kömchen  erfüllten  Zellen,  welche  man  in  den  Ciliarfort- 
Sätzen  antrifft.  Diese  Gebilde  kamen  in  sämmtlichen  Ver- 
suchsreihen zur  Beobachtung,  d.  h.  sowohl  wenn  man  Fremd- 
körper aus  Eisen  in  die  verschiedenen  Theile  des  Bulbus 
brachte  als  auch,  wenn  man  Blut  in  die  vordere  Kammer 
oder  den  Glaskörper  injicirte.  Schon  diese  Thatsache  ist 
höchst  auffallend.  Die  Anwendung  der  Eisenreaction  lehrt 
nun  Folgendes:  Ohne  Ausnahme  blau  werden  die  Köm- 
chen, wenn  sie  dem  Fremdkörper  ihre  Entstehung  ver- 
danken. Ein  Theil  und  zwar  Anfangs  ein  erheblicher 
bleibt  braun,  wenn  sie  hämatogenen  Urspmngs  sind.  Doch 
ist  hier  zu  betonen,  dass  schon  ein  grosser  Theil  intensiv 
blau  wird,  wenn  sonst  im  ganzen  Bulbus  bei  Anwendung 
der  Eisenreaction  noch  keine  blaue  Zelle  nachgewiesen  ist 
AVas  können  das  nun  für  Zellen  sein?  Nach  vielem 
Schwanken  kam  ich  endlich  gerade  mit  Rücksicht  auf  ihr 
Ersclieinen  bei  Blutinjection  in  den  Glaskörper  zu  der  An- 
sicht, dass  es  nur  Ijeucocyten  sein  können,  die  sich  in  der 
(nnen  Reihe  der  Fälle  am  Orte  des  Fremdkörpers  mit 
Rostpartikeln  beladen,  in  der  anderen  hämatogenes  kör- 
niges Pigment  aufgenommen  haben  und  damit  in  die 
Ciliarfortsütze  gewandert  sind.  Welche  Kräfte  sie  hierhin 
sowohl  aus  der  vorderen  Kammer  als  aus  dem  Glaskörper 
führen,  muss  ich  als  völlig  unaufgeklärt  bezeichnen.  Die 
Menge  dieser  Zellen  in  den  Ciliarfortsätzen  gegenüber  ihrer 
Seltenheit  oder  völligem  Fehlen  in  der  Iris  ist,  wenn  sie 
aus  der  vorderen  Kammer  kommen,  im  höchsten  Grade 
auffallig.  Dafür,  dass  das  aus  dem  Blute  entstandene 
Eisen    hier   so   früh   nachweisbar  wird,   kann  ich  nur  die 


Ueber  Sideiosis  ßulbi  und  die  Beziehungen  etc.  275 

Lebhaftigkeit  des  Stoffv\recIisels  zur  Erklärung  heranziehen, 
die  chemische  Umsetzungen  erleichtem  muss. 

Ich  möchte  an  dieser  Stelle  noch  kurz  daran  erinnern, 
dass  ich  bei  meinen  Untersuchungen  menschlicher  Augen 
fast  durchweg  Gelegenheit  hatte  festzustellen,  dass  von  dem 
sicher  hämatogenen  kömigen  Pigment  ein  Theil  der  Körn- 
chen bei  Anwendung  der  Eisenreaction  braun  blieb,  wie 
das  nach  den  gegebenen  Auseinandersetzungen  auch  kaum 
anders  zu  erwarten  war.  Man  muss  allerdings,  wenn  die 
Zelle  diflFus  blau  wird,  sehr  genau  untersuchen,  um  dies 
Verhältniss  zu  erkennen,  weil  die  diflPuse  Färbung  die 
braune  Farbe  der  Kömchen  weniger  deutlich  hervortreten 
lässt.  Ich  möchte  fast  glauben,  dass  man  dies  Verhältniss 
zur  Diflerentialdiagnose  zwischen  vom  Fremdkörper  stam- 
menden Eisenoxydalbuminatkörachen  und  Hämosiderin  ver- 
wenden kann,  wenigstens  in  dem  Sinne,  dass  die  ersteren 
diese  Eigenscliaft  niemals  besitzen,  während  das  Hämosiderin 
unter  Umständen  allerdings  vollkommen  blau  werden  kann. 
Daher  habe  ich  auch  für  das  kömige  Pigment  in  der  Comea 
im  Falle  x^lbrecht  hämatogenen  Ursprang  angenommen. 

Eine  Thatsache  muss  ich  hier  noch  kurz  erwähnen, 
auf  welche  ich  schon  im  ersten  Theile  meiner  Arbeit  hin- 
wies: Schmidt  fand  in  seinen  Versuchen  am  Frosch,  dass 
an  dem  kömigen  Pigment  nach  70  Tagen  keine  Blau- 
färbung mehr  eintrat,  beim  Kaninchen  konnte  er  zwar  in 
seinen  Versuchen,  deren  längster  28  Wochen  dauerte,  die 
Grenze,  wo  alles  Pigment  die  Reaction  ablehnte,  nicht  er- 
reichen, doch  blieb  nach  25  Wochen  der  grösste  Theil  des 
Pigmentes  ungebläut.  In  den  Versuchen  von  Dürck  ist 
nach  45  Tagen  das  Pigment  so  gut  wie  eisenfrei.  In 
meinen  Präparaten  von  menschlichen  Augen  konnte  ich 
noch  nach  3  Jahren  Hämosiderin  mit  positiver  Re- 
action nachweisen,  während  die  „hämatogene  Side- 
rosis"  an  dem  Epithel  der  Ciliaifortsätze  noch  12  und 
13  Jahre   nach  einmaligen  stumpfen  Traumen  vor- 

18* 


276  E.  V.  Hippel. 

banden  war.  Die  Zeit,  innerhalb  deren  die  Beaction  an 
dem  Hämosiderin  nicht  mehr  nachzuweisen  ist,  zeigt  also 
sehr  grosse  Schwankungen  je  nach  dem  Ort,  an  welchem 
die  Blutung  stattgefunden  hat 

Ein  eigentümUcher  Befund,  für  den  ich  keine  Er- 
klärung zu  geben  weiss,  fiel  mir  an  dem  Epithel  der 
CiUarfortsätze  auf:  an  den  Stellen,  wo  besonders  intensiTe 
Blautärbung  auftritt,  ist  das  normale  Pigment  ausserordent- 
lich spärlich,  ja  es  fehlt  grossen  Theils  vollkommen.  Diese 
Beobachtung  wurde  an  fast  allen  untersuchten  menschlichen 
Augen  gemacht  Vermuthlich  sind  dabei  auch  chemische 
Vorgänge  im  Spiele. 

Die  Versuche  Pröbsting's*),  welcher  Blut  in  den 
Glaskörper  injicirte,  legten  es  mir  nahe,  besonders  auf  das 
Verhalten  der  Netzhaut  zu  achten,  von  welcher  Pröbsting 
angiebt,  dass  sie  sich  ausnahmslos  ablöst  und  Degenerations- 
Erscheinungen  zeigt,  welche  besonders  in  Bindegewebsneu- 
bildung  an  der  Innenfläche  bestehen.  Ablösung  fand  ich 
in  meinen  Versuchen  zweimal,  in  einem  Falle  erst  bei  der 
anatomischen  Untersuchung,  weil  die  Linse  getrübt  war, 
einmal  konnte  ich  sie  schon  mit  dem  Spiegel  diagnosticiren. 
Bindegewebsneubildung  an  der  Innenfläche  habe  ich  nicht 
gesehen.  Dagegen  kamen  geringfügige  Degenerations- Er- 
scheinungen auch  in  meinen  Präparaten  zw:  Beobachtung, 
Wucherung  der  Pigmentepithehen,  Zerfall  der  Stäbchen 
und  Zapfen,  Zerfall  der  äusseren  und  Verschmelzen  beider 
Kömerschichten,  Auftreten  von  Zellen,  die  offenbar  vom 
Epithel  herstammten,  in  den  äusseren  Lagen  der  Netzhaut 
Diese  Veränderungen  waren  nicht  sehr  hochgradig,  offen- 
bar haben  sie  aber  eine  ausgesprochene  AehnUchkeit  mit 
den  ersten  Veränderungen  der  Betina  bei  Einitihrung  eines 
Fremdkörpers  aus  Eisen  in  den  Glaskörper.  Ich  muss 
deshalb  auf  die   Möglichkeit  hinweisen,  dass  die  Ver- 


«)  V.  Graefe'8  Archiv  Bd.  XXXVUI,  8.  Abthlg. 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  277 

änderungen  auf  der  chemischen  Wirkung  des  aus 
dem  Blute  frei  werdenden  Eisens  beruhen.  Natür- 
lich kann  dasselbe  nur  in  unendlich  viel  grösserer  Verdün- 
nung zur  Wirkung  gelangen ,  als  wenn  sich  ein  grösserer 
EisenspUtter  im  Glaskörper  befindet  Die  grossen  oft 
mehrkemigen  Zellen  im  Glaskörper,  welche  Pigment  bilden 
bezw.  aufnehmen,  sind  mir  in  ihrer  Bedeutung  nicht  klar. 
Auch  sie  sehen  den  grossen  Zellen  sehr  ähnlich,  welche 
wir  in  den  Versuchen  mit  Einführung  eines  EisenspUtters 
in  den  Glaskörper  auftreten  sahen  und  vom  Pigmentepithel 
ableiteten.  Vielleicht  geUngt  es  mir,  über  ihre  Bedeutung 
durch  Experimente  an  pigmentirten  Thieren,  die  ich  bei  Ge- 
legenheit anzustellen  denke,  noch  mehr  iu's  Klare  zu  kommen. 

Zweimal  war  in  meinen  Versuchen,  wenn  ich  nach 
Punktiren  der  vorderen  Kammer  Blut  in  den  Glaskörper 
injicirte,  die  vordere  Linsenkapsel  entsprechend  der  Punk- 
tionsstelle geplatzt.  Wie  der  Mechanismus  dieser  Perfora- 
tion zu  erklären  ist,  darüber  müssten  eigens  darauf  ge- 
richtete Versuche  Klarheit  schaffen. 

Zum  Schluss  möchte  ich  die  Resultate  meiner  Unter- 
suchungen in  einer  Reihe  von  Sätzen  zusammenfiissen: 

1)  Die  Eisenreaction  mit  Ferrocyankalium  und  Salz- 
säure gelingt  bei  genügend  langer  Einwirkung  der  Rea- 
gentien  (12 — 24  Stunden)  ausnahmslos  auch  an  Präpai'aten, 
welche  Jahre  lang  in  Müller'scher  Flüssigkeit  zugebracht 
haben.  Eine  nachträgliche  Ausbreitung  des  Berlinerblau 
findet  weder  an  fiischen  Präparaten,  die  in  angesäuertem 
Wasser  untersucht  werden,  noch  an  Schnitten  statt,  die  bei 
Vermeidung  von  destiUirtem  Wasser  in  gewöhnlicher 
Weise  in  Canadabalsani  eingeschlossen  werden.  Alles  die 
Eisem-eaction  gebende  Pigment  lässt  sich  durch  24  stündige 
Einwirkung  von  Salzsäure  entfärben. 

2)  Die  BerUnerblau-Reaction  giebt  genau  dieselben 
Resultate  wie  die  Quincke'sche  mit  Schwefelammonium, 
doch   ist   sie   für  Präparate,  in   welchen   normaler  Weise 


278  E.  V.  Hippel. 

Pigment  vorkommt,  unendlich  viel  leistungstähiger,  indem 
sie  schwache  Färbungen  sehr  deutlich  hervortreten  lässt. 

3)  Es  giebt  eine  echte  Siderosis  bulbi,  die  auf  zweierlei 
AVeise  entstehen  kann:  einmal  direct  vom  Fremdkörper 
(,yxenogene  Siderosis^')  imd  zweitens  vom  Blute  (^^hämato- 
gene  Siderosis").  Siderosis  ist  die  Ablagerung  von  Eisenoxyd, 
gebunden  an  organische  Substanz  in  gewissen  Zellengruppen. 

4)  Die  hämatogene  Siderosis  ist  völhg  unabhängig 
vom  hämatogenen  Pigment.  Das  „Hämosiderin"  dagegen 
ist  hämatogenes  Pigment,  welchem  abgespaltenes  Eisen  an- 
gelagert ist.   Die  Farbe  desselben  ist  unabhängig  vom  Eisen. 

5)  Die  Siderosis  tritt  vorwiegend  an  bestimmten  Zellen- 
gruppen auf;  ganz  besonders  an  dem  Epithel  der  Ciliar- 
fortsätze,  der  Pars  ciliaris  retinae,  der  Netzhaut  und  dem 
Linsenkapselepithel.  Die  Siderosis  kann  an  diesen  Theileu 
eine  xenogene  sowie  eine  hämatogene  sein.  Die  Möglich- 
keit einer  echten  Siderosis  corneae  ist  nicht  unbedingt  in 
Abrede  zu  stellen,  ihr  Vorkommen  ist  aber  mit  völliger 
Sicherheit  noch  nicht  erwiesen.  Wahrscheinlich  entsteht 
ihre  Braunfärbung  durch  Einlagerung  von  Hämosiderin. 

6)  Die  „xenogene  Siderosis"  entsteht  in  der  Weise, 
dass  die  Kohlensäure  der  Gewebe  das  Eisen  löst,  die  Lö- 
sung difiFimdirt,  von  Zellengruppen,  welche  eine  specifische 
Affinität  für  das  Eisen  besitzen,  fixirt  wird  dadurch,  dass  das- 
selbe mit  einer  Substanz  im  Protoplasma  eine  unlösliche  Ver- 
bindung eingeht,  und  allmähUch  oxydirt  wird.  Ihre  An- 
häufung in  diesen  Zellen  macht  den  mikrochemischen  Nach- 
weis möghch.  (Fernwirkung  oder  indirecte  Siderosis.)  Die 
hohe  Concentration  der  Lösung  in  unmittelbarer  Umgebung 
des  Fremdkörpers  bedingt  die  reichhche  Ablagerung  in 
Oxydfonn  an  dieser  Stelle.  Bei  der  „hämatogenen  Side- 
rosis" wird  das  Eisen  in  gelöstem  Zustande  frei  und  steht 
dann  unter  den  gleichen  Bedingungen  wie  das  vom  Fremd- 
körper herstammende. 

7)  Weder  die  giünliche  noch  gi-ünliclibraune  noch  rost- 


lieber  Siderosis  Bulbi  und  die  Beziehungen  etc.  279 

farbene  Verfärbung  der  Iris  und  Cornea  lassen  mit  Sicher- 
heit auf  einen  im  Bulbus  befindlichen  Fremdkörper  aus 
Eisen  schliessen,  aus  dem  Blutfarbstoff  können  dieselben 
Verfärbungen  entstehen. 

8)  Der  charakteristische  Kranz  brauner  Flecken  unter 
der  Linsenkapsel  bei  Anwesenheit  eines  Fremdkörpers  ent- 
steht in  der  Weise,  dass  in  circumscripten  Anhäufungen 
gewucherter  Kapselepithelien  Eisen  abgelagert  wird. 

9)  Bei  Einführung  eines  EisenspHtters  in  den  Glas- 
körper kommt  es  zu  hochgradiger  Degeneration  der  Netz- 
haut (Leber).  Die  dabei  auftretenden  grossen  eigenthüm- 
lichen  kömigen  Zellen  entstammen  grossen  Theils  dem 
Pigmentepithel  der  Retina.  Die  Zellen  desselben  besitzen 
die  Fähigkeit,  auf  gewisse  Reize  hin  zu  proliferiren ,  ihre 
Form  zu  ändern  und  activ  zu  wandern. 

10)  Genau  dieselben  Veränderungen,  welche  die  Netz- 
haut des  Kaninchens  erfährt,  können  sich  in  der  nicht  ab- 
gelösten Netzhaut  des  Menschen  einstellen. 

11)  Nach  Blutinjection  in  den  Glaskörper  kann  es 
zur  Ablösung  der  Netzhaut  kommen  (Pröbsting);  ausser- 
dem treten  an  der  Retina  Degenerationserscheinungen  ein, 
welche  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Anfangsstadium  der 
Degeneration  besitzen,  welche  die  Einführung  eines  Fremd- 
körpers aus  Eisen  heiTorbringt 

12)  Bei  Blutinjectionen  in  den  Glaskörj^er  nach  vor- 
heriger Punktion  der  vorderen  Kammer  kann  es  auf  eine 
noch  nicht  klar  gestellte  Weise  zur  Berstung  der  vorderen 
Linsenkapsel  kommen. 

Zum  Sclilusse  möchte  ich  meinem  hochverehrten  Chef 
und  Lehrer,  Herrn  Geh.  Rath  Leber  für  seine  Anregung 
zu  dieser  Arbeit  und  seine  vielfache  gütige  Unterstützung 
bei  Anfertigung  derselben  meinen  herzlichsten  Dank  aus- 
sprechen. 

Heidelberg,  9.  Juni  1893. 


Das  Sideroskop. 

Ein   Apparat  zum  Nachweis  der  Eisen-  and 
Stahlsplitter  im  Innern  des  Auges*). 

Ton 

Dr.  Edaard  Asmus« 
A>'»i*tenzarzt  an  der  Univenjitäts- Aufff-nklinik  zu  Bre>laQ. 

Hierzu  Tafel  II,  Fij?.  1 — 4  und  2  Figuren  im  Text. 


Während  sich  von  Jahr  zu  Jahr  die  Zahl  der  Mag- 
netextractionen  von  Eisensplittem  aus  dem  Bulbusinnem 
mehrt,  hat  sich  keine  Methode,  diese  Fremdkörper  mit 
Hülfe  des  Magnetismus  nachzuweisen,  allgemein  eingebürgert. 

Und  doch  könnte  gerade  eine  solche  Methode  den 
genannten   Operationen  segensreich  in  die  Hand  arbeiten. 

In  vielen  Fällen  von  Verletzungen  sind  wir  bekannt- 
lich nicht  im  Stande,  mit  Bestimmtheit  zu  sagen,  dass  ein 
corpus  alienum  in  dem  betreffenden  Auge  sich  befindet, 
denn  wegen  Trübung  der  brechenden  Medien  lässt  der 
Augenspiegel  im  Stich.  Und  wenn  wir  auch  aus  der  Art 
der  Verletzung  den  fest  sicheren  Schluss  ziehen,  dass  der 
Fremdkörper  eingedrungen,  so  kennen  wir  häufig  genug 
neinen  Sitz  nicht. 


*)  Cfr.  Deutsche  Med.  Wochenschrift  Nr.  26.    1893.    Sitzung  der 
Hcblosischen  Gesellschaft. 


Das  Sideroskop.  281 

In  anderen  Fällen  wiederum  sind  wir  in  Zweifel,  wie 
ein  ophthalmoskopischer  Befund  nach  stattgehabter  Ver- 
letzung zu  deuten  ist:  man  sieht  eine  Veränderung,  weiss 
aber  nicht,  ob  dieselbe  dem  Sitz  eines  Fremdkörpers  oder 
gar  dem  corpus  delicti  selbst  entspricht. 

Dann  kommen  Fälle  in  unsere  Behandlung,  wo  die 
Frage  offen  steht,  ob  Eisen  und  Stahl,  oder  Kothguss,  oder 
sonst  ein  Metall  im  Bulbus  Hegt.  Die  Beantwortung  hat 
natürhch  für  eine  beabsichtigte  Magnetextraction  grösste 
Bedeutung. 

Aber  auch  in  Fällen  älterer  Verletzungen,  wo  wir  an 
Magnetextraction  gar  nicht  mehr  denken,  weil  die  Aussicht 
auf  Erfolg  zu  gering  wegen  Fixation  des  corpus  alienum, 
auch  in  solchen  Fällen  ist  es  wünschenswerth  zu  wissen, 
ob  hinter  der  kataraktösen  Linse,  oder  in  dem  getrübten 
Glaskörper  noch  ein  Fremdkörper  sitzt. 

So  nahe  nun  der  Gedanke  liegt,  die  Magnetnadel  in 
solchen  Fällen  zu  Rathe  zu  ziehen,  so  hat  sich  doch  die- 
selbe bis  jetzt  keine  allgemeine  Anerkennung  zu  verschaffen 
gewusst.  Der  Grund  liegt  einzig  und  allein  in  dem  Mangel 
einer  geeigneten  Methode;  ehe  wir  dazu  übergehen,  eine 
solche  zu  beschreiben,  soll  kurz  über  die  bisherigen  in  der 
Literatur  bekannt  gemachten  derartigen  Versuche  berichtet 
werden. 

Im  Jahre  1880  hielt  Thomas  Pooley  M.  D.  in  New  York 
einen  Vortrag  in  der  Americ.  med.  Assoc.  über  die  Entdeckung 
der  Anwesenheit  und  des  Sitzes  von  stählernen  und  eisernen 
Fremdkörpern  im  Auge  mit  Hilfe  einer  Magnetnadel. 

Der  Inhalt  dieses  Vortrages  ist  wiedergegeben  in  abge- 
ktlrzter  Uebersetzung  im  Knapp-Hirschberg'schen  Archiv 
Bd.  X.  1881.  Eine  vorläufige  Mittheilung  findet  sich  in  dem- 
selben Bande  p.  9. 

Das  von  Pooley  angewandte  Princip  ist,  wie  er  selbst 
sagt,  nicht  neu,  da  es  schon  in  der  aligemeinen  Chirurgie  Ver- 
wendung gefunden.  Eine  au  einem  Faden  suspendirte  Mag- 
neinadel wird  dem  fraglichen  Auge  genähert  und  beobachtet, 
ob  eine  Ablenkung  eintritt 


282  E.  Asmus. 

Die  Versuche  beziehen  sich  zunächst  auf  freie  Eisen-  und 
Stahlstttckchen  von  verschiedener  Grösse,  die  theils  unmag- 
netisch, theils  im  magnetischen  Zustand  zur  Verwendung  kamen. 
Das  Magnetisiren  geschah  einmal  durch  Influenz,  indem  ein 
Magnet  in  die  Nähe  des  Splitters  gebracht  wurde,  dann  durch 
Bertthrung  mit  einem  Magneten. 

Sodann  hat  Pooley  an  enucleirten  Thieraugen  experimen- 
tirt,  in  die  er  kleine  Eisen-  und  Stahlstückchen  einbrachte. 
Ein  glttcklichor  Versuch  bezog  ^ich  auf  einen  verletzten  Patien- 
ten, doch  fehlen  nähere  Angaben.  Die  aus  den  Experimenten 
gezogenen  wesentlichen  Schlüsse  sind  folgende: 

1)  Fremdkörper  von  beträchtlicher  Grösse,  die  der  Ober- 
fläche nahe  liegen,  können  durch  die  Methode  nachgewiesen 
werden. 

2)  Die  Anwesenheit  und  Lage  eines  solchen  Fremdkörpers 
kann  ganz  sicher  erkannt  werden,  wenn  man  ihn  durch  Influenz 
magnetisch  macht. 

3)  Die  wahrscheinliche  Tiefe  der  Lage  des  Fremdkörpers 
kann  ans  der  Intensität  der  Nadelbewegungen  nahe  der  Ober- 
fläche geschlossen  werden. 

Weiter  wird  die  Möglichkeit  zugelassen,  Veränderungen 
der  ursprünglichen  Lage  des  Fremdkörpers  festzustellen,  wenn 
man  sorgfältig  die  Veränderungen,  welche  durch  die  Ablenkung 
der  Magnetnadel  angezeigt  werden,  beachtet.  Zum  Schlüsse  ist 
der  Gedanke  ausgesprochen,  dass  noch  viel  zur  Vervollkomm- 
nung der  Methode  gethan  werden  kann,  dass  es  besonders 
wünschenswerth  erscheine,  eine  empfindlichere  Nadel,  als  Ver- 
fasser sie  bisher  habe  erhalten  können,  zu  benutzen. 

In  derselben  Versammlung  amerikanischer  Aerzte  be- 
richtete Grüning  (1.  c.)  über  Verwendung  der  Magnetnadel 
zu  intraocular  diagnostischen  Zwecken. 

Er  hängt  die  Nadel  nicht  wie  Pooley  an  einen  Seiden- 
faden, sondern  an  einen  Coconfaden.  Ferner  paralysirt  er  die 
Wirkung  des  Erdmagnetismus  durch  einen  Magnetstab,  den  er 
in  den  magnetischen  Meridian  der  Nadel  legt.  Gegen  Luft- 
zug schützt  er  Faden  und  Nadel  durch  einen  Glaskasten^  Trotz- 
dem hat  er  diagnostisch  verwerthbare  Resultate  nicht  erreicht. 

In  Deutschland  scheint  Pagenstecher  (1.  c.)  zuerst  hier- 
her gehörende  Versuche  publicirt  zu  haben.  Pagenstecher 
kam  bei  seinen  Experimenten  sehr  bald  darauf,  den  Fremd- 
körper im  Auge  magnetisch  zu  machen,  indem  er  den  Bulbus. 


Das  Sideroskop.  283 

mit  einem  starken  Electroroagneten  bestrich.  Seine  Nadel 
rotirte  nach  Compassart  auf  feiner  Stahlspitze. 

Auch  ihm  gelaug  der  Nachweis,  vorausgesetzt,  dass  die 
betreffenden  Fremdkörper  nicht  zu  klein  und  gleichzeitig  nicht 
zu  weit  von  den  Umhüllungsmembranen  entfernt  waren.  Bei 
Splittern  im  Innern  des  Glaskörpers  misslangen  die  Ver- 
suche stets. 

Pagenstecher  nimmt  aber  an^  dass  grössere  Eisen-  und 
Stahlfragmente  sich  selbst  in  der  Nähe  der  Papilla  optica  nach- 
weisen lassen,  wenn  es  gelingt,  dieselben  hinlänglich  mag- 
netisch zu  machen  und  wenn  man  mit  sehr  empfindlicher  Mag- 
netnadel experimcntirt. 

Demnächst  wäre  die  Arbeit  von  Fröhlich  (1.  c.)  zu  er- 
wähnen. 

Derselbe  hing  die  Magnetnadel  vermittelst  Coconfadens 
an  einem  Stativ  auf,  derart  dass  an  einer  in  Graden  einge- 
theilten  Kreisperipherie  die  Grösse  der  Schwingungen  abge- 
lesen werden  konnte.  Durch  Experimente  an  Schweinsaugen, 
die  Stahl-  und  Eisensplitter  enthielten,  über  deren  Lage  der 
Autor  orientirt  war,  wurde  nun  festgestellt,  dass  die  Nadel 
schon  auf  Eisenstückchen  von  0,005  gr  Gewicht,  selbst  in 
grösserer  Entfernung  reagirte,  auch  wenn  dieselben  in  der 
Mitte  des  Glaskörpers  lagen.  Der  Ausschlagwinkel,  den  ein 
kleines  Stück,  das  sehr  nahe  am  Nadelpol  gelegen,  oder  ein 
grösseres,  weit  entferntes  veranlasste,  differirte  so  wenig,  dass 
man  aus  der  Intensität  der  Schwingungen  keinen  Rückschluss 
auf  die  Lage   des  eingeführten  Fremdkörpers  machen  konnte. 

Nach  Magnetisirung  des  Fremdkörpers  durch  Bestre'chen 
der  Bulbuswand  mit  starkem  Electromagneten  ergab  sich  leb- 
haftere Antwort  der  Nadel  und  ein  anderer  Schwingungscharak- 
ter, indem  sich  das  Gesetz  der  konträren  Pole  geltend  machte. 
Jedoch  gestattete  sich  Fröhlich  aus  der  Intensität  der 
Schwingungen  keinen  Rückschluss  auf  die  Lage  und  Entfer- 
nung des  Fremdkörpers,  weil  in  praxi  die  Grösse  desselben 
unbekannt  und  die  Differenz  der  Excursiouen,  selbst  bei  er- 
heblich verschiedenen  Entfernungen  desselben  Metallstücks 
nicht  gross  genug  sei. 

Seine  Ansicht  über  den  Werth  der  Magnetnadel  fasst  er 
zum  Schlüsse  folgendermasseu  zusammen: 

1)  Eine  empfindliche,  unter  allen  Cautelen  angewandte 
Magnetnadel  verräth  die  Anwesenheit  selbst  kleiner  Eisen-  und 
Stahlstückchen  im  Innern  des  Auges. 


284  S-  Asmus. 

2)  Es  ist  Yortheilhaft,  den  Fremdkörper  durch  Bestrei- 
chen der  Sklera  magnetisch  zu  machen. 

3)  Grosse  Nähe  des  Fremdkörpers  kann  man  sicher  durch 
den  Charakter  der  Schwingungen  constatircn. 

Ueber  den  Versuch,  bei  einem  Verletzten  einen  Eisen- 
splitter im  Bulbus  nachzuweisen,  berichtet  Dr.  Franke  1  (1.  c.) 
in  Chemnitz  (1883).  Während  jedoch  dieser  Versuch  misslang, 
glückte  die  Electromagnetextraction. 

Der  aus  dem  Glaskörper  entfernte  Splitter  stellte  ein 
Plättchen  dar  von  ^j^  mm  Länge  und  ^/^  mm  Breite. 

Im  nächsten  Jahre  sind  Experimente  mitgetheilt  worden 
durch  Dickmann  (1.  c.)  1884.  Derselbe  führte  in  enucleirte 
Schweinsaugeu  kleine  Eisenstückchen  und  benutzte  eine  Bons- 
solo mit  sehr  empfindlicher  Nadel.  Allein  er  konnte  weder 
durch  Bestreichen  des  Auges  mit  einem  Magneten,  noch  durch 
Hindurchleiten  eines  elektrischen  Stromes  behufs  Magnetisirung 
des  Splitters  eine  Ablenkung  erzielen. 

Die  1885  erschienene  Monographie  von  Hirschberg 
(1.  c.)  bringt  einige  kurze  Notizen  über  unser  Thema.  Auf 
Seite  15  ist  nach  Besprechung  der  Pooley'schen  Arbeit  kurz 
erwähnt,  dass  bewährte  Physiker,  wie  Wüllner  von  dieser 
Methode  nur  negative  Resultate  erhalten  hatten.  Auf  Fröh- 
lichs  Veröffentlichung  wird  hingedeutet. 

Hirschberg  besitzt  eine  in  ein  gläsernes  Rohr  einge- 
schlossene Nadel,  verwendet  dieselbe  aber  nicht 

Dass  die  Magnetnadeln  bei  kleinen  Eisenmassen  ganz 
unsicher  seien,  findet  sich  pag.  52  ausdrücklich  ausgesprochen. 

Auch  Laqueur  (1.  c.)  nimmt  an,  dass  die  ingeniöse  Me- 
thode, die  Natur  eines  fraglichen  Fremdkörpers  durch  Magnet- 
nadel-Ablenkung aufzudecken,  in  der  Regel  nicht  zum  Ziele  führe. 
Von  Instrumenten,  die  officiell  zum  Nachweis  von  Eisen- 
splittern im  Auge  angekündigt  werden'),  ist  mir  nur  eines 
bekannt.  Dasselbe  besteht  aus  einem  Holzgriff  mit  Metall- 
spitze, auf  die  eine  kleine  Magnetnadel  aufgesetzt  werden  kann. 

Bei  ruhiger  Hand  und  grossem  Splitter  lassen  sich  gewiss 
gelegentlich  Erfolge  erzielen.  Uebrigens  war  die  mir  gesandte 
Nadel  so  schwach  magnetisch,  dass  sie  selbst  auf  grösste  Splitter 
nur  in  unmittelbarer  Nähe  reagirte. 


")  Erbe,  Mechaniker,  Tübingen. 


Das  Sideroskop.  285 

üeberblicken  wii*  die  verschiedenen  Ansichten  der 
Autoren,  so  erhellt  daraus,  dass  keine  Einigkeit  über  den 
diagnostischen  Werth  der  Nadel  besteht,  und  wenn  trotz  der 
mehr  optimistischen  Auffassung  einzelner  die  allgemeine 
Einfuhrung  der  Nadel  nicht  zustande  gekommen  ist, 
so  spricht  dieser  letzte  Umstand  gegen  die  imbedingte 
Brauchbarkeit  der  Magnetnadel  unter  den  bisherigen  Be- 
dingungen. 

Alle  Experimentatoren,  mögen  sie  nun  mit 
offen  oder  gedeckt  aufgehängten  Nadeln  ihre  Ver- 
suche angestellt  haben,  wollten  unmittelbar  mit 
dem  blossen  Auge  die  Ausschläge  der  Nadel  be- 
obachten. 

Denselben  Irrweg  hatte  auch  ich  zuerst  betreten,  als 
es  galt,  bei  einem  Schmied  festzustellen,  ob  in  dem  schwer 
verletzten  linken  Auge  ein  EisenspUtter  sich  befinde,  oder 
nicht 

Die  Untersuchung  mit  einem  astatischen  Nadelpaar 
ergab  keinen  Aufschluss.  Selbst  unter  der  Glasglocke,  die 
natürhch  die  Annäherung  des  verletzten  Auges  etwas  er- 
schwerte, war  es  dem  Nadelpaar  nicht  anzusehen,  ob  eine 
Beeinflussung  durch  das  Auge  stattfinde. 

Im  Begriff,  ein  passendes  Gehäuse  für  die  Nadeln  zu 
construiren,  machte  mich  Herr  Geheimer  Bergrat  Althans 
darauf  aufmerksam,  dass  unter  den  Instrumenten  des  Berg- 
amtes möglicherweise  ein  für  meine  Zwecke  passender 
Apparat  vorhanden  sei.  Ein  solcher  fand  sich  in  der  That 
in  der  Form  eines  vor  Jahren  von  Dr  Edelmann  ge- 
lieferten, bisher  auf  dem  Bergamt  noch  nie  Tcrwandten 
Instrumentes.  Zweierlei  machten  dasselbe  oÖenbar  tür 
unsere  Zwecke  geeignet: 

1)  Gestattete  dasselbe  grosse  Annäherung  an  das  all- 
s^tig  gegen  Luftzug  geschützte  Magnetnadelsjstcm  und 

2)  war  dasselbe  mit  Gauss  respective  Poggendorffs 
Spiegelablesungsvorrichtung  versehen,  wodurch  kleinste  Be- 


286  E.  Asmu8. 

wegungen  der  Nadel  mit  dem  Fernrohr  beobachtet  werden 
konnten,  Bewegungen,  die  das  blosse  Auge  unmittelbar  an 
der  Nadel  nicht  zu  erkennen  vermag. 

Als  wir  unter  der  freundlichen  Assistenz  des  Mark- 
scheiders Herrn  Bim  1er  das  verletzte  Auge  des  Patienten 
dem  Nadelsystem  näherten,  war  mit  dem  Fenirohr  eine 
deutliche  Ablenkung  zu  bemerken.  Einige  Tage  darauf 
erfuhren  wir  von  Dr.  Edelmann,  dass  dieser  Apparat 
das  „Lamont'sche  Magnetoskop"  vorstelle  und  für  chirur- 
gische Zwecke  gebaut  wäre.  Dasselbe  findet  sich  in  etwas 
anderer  Form  beschrieben  in  Dr.  Edelmanns  Electro- 
technik  für  Aerzte.  Von  einer  Schilderung  des  Instru- 
ments, dem  ich  die  Spiegelablesung  entlehnt  habe,  sehe  ich 
ab  und  verweise  auf  die  eingehende  Besprechung  im  obigen 
Werkchen.  Da  das  Lamont'sche  Magnetoskop  mit  Rück- 
sicht auf  seine  allgemein  chirurgischen  Aufgaben  eine 
etwas  complicirte  Construction  hat,  so  versuchte  ich  mit 
möglichst  einfachen  Mitteln  einen  speciell  für  augenärztliche 
Zwecke  brauchbaren  Apparat  zu  bauen,  dem  ich  den 
Namen  Sideroskop  beilegen  möchte.  Die  bisher  damit  an- 
gestellten Versuche  ergaben  wirklich  ermuthigende  ^Resultate. 
Die  ursprüngliche  Form  des  Instruments,  mit  dem  in  den 
Fällen  2  bis  17  untersucht  wurde,  ist  folgende: 

(Beistehende  Figur  zeigt  dasselbe  in  J  natürl.  Grösse 
im  Durchschnitt.  Die  Nivellirschrauben  a,  b,  c,  sind  mit- 
gezeichnet, obwohl  dieselben  nicht  in  der  Durchschnitts- 
ebene liegen.) 

Ein  kleines  Holzkästchen  trägt  in  der  Mitte  der  Decke 
und  in  der  Mitte  jeder  Seitenwand  eine  Durchbohrung. 
In  die  Oeflhung  der  Decke  ist  ein  10  cm  langes  Glasrohr 
mit  Hilfe  von  Siegellack  vertikal  eingekittet  Die  Vorder- 
wand des  kleinen  Holzhauses  ist  abnehmbar  und  zeigt  ein 
Fenster  von  geschUffenem  Glas,  wie  man  es  in  Spiegel- 
handlungen erhält  Unter  Zwischenschaltung  einer  10  cm 
hohen    Holzsäule    ist    der    Apparat    auf  einem    Brettchen 


Das  Sideroskop. 


287 


befestigt,   das  durch  3  Messingschrauben  nivellirt  werden 
kann. 

Als  Untersatz  des  ganzen  dient  eine  schmale  Console 
von  Holz,  die  so  an  einen  Thürrahmen,  oder  an  die  Wand 
geschraubt  wird,  dass  die  Front 
des  aufzustellenden  Apparats 
nach  Westen  oder  Osten  ge- 
richtet ist.  An  diesen  Unter- 
satz ist  der  Apparat  durch  eine 
von  unten  her  die  Console  durch- 
setzende Schraube  angedrückt. 
Eine  zwischen  Schraubenkopt 
u.  Consolenplatte  eingeschaltete 
Spiralfeder')  von  Messing  sorgt 
für  die  nöthige  Stabiütät,  ge- 
stattet aber  doch  Drehungen  um 
die  vertikale  Axe,  wodurch  die 
Einstellung  in  den  magnetischen 
Meridian  erleichtert  wird.  Uebri- 
gens  kann  das  Instrument  sehr 
wohl  auf  jedem  beliebigen  Tisch 
Aufstellung  finden. 

Das  oben  beschriebene  Käst- 
chen dient  zur  Aufnahme  der 
Magnetnadel  und  des  Spiegels, 
welche  beide  mit  einander  ver- 
bunden an  einem  Coconfaden 
hängen,  der  sich  in  dem  ver- 
tikalen Glasrohr  befindet.  Ein  Stück  Kupferdraht,  an 
dem  der  Faden  befestigt  ist,  kann  in  einem  durchbohrten 
Korke  steckend,  in  vertikaler  Richtung  verschoben  und 
durch    eine  Elementenklemmschraube  fixirt  werden.     Eine 


Fig.  1. 

//.  Holz.    A*.  Kork.    Q.  Olas. 
a,  6,  c  Stellschrauben,    d  Fixaüons- 
sch raube.   Sp.  Spiegel.   SX.  Magnet- 
nadel. 


')  Diese  Vorrichtung  kann   in  einfacher  Weise  ersetzt  werden 
durch  ein  Gewicht,  das  man  an  die  Unterseite  des  Apparates  anhängt. 


288  £•  Aäniii5. 

specielle  Besprechung  verlangt  nun  ein  Theil  des  Apparate^ 
von  dessen  Güte  die  Brauchbarkeit  desselben  ^resentlich 
abhängt;  dies  ist  nicht  die  Xadel  in  erster  Linie,  wie  man 
erwarten  sollte,  sondern  der  Spiegel.  Mit  schlichtem,  ge- 
wöhnlichem Quecksilberspiegel  fing  ich  die  Versuche  an, 
ersetzte  denselben  später  durch  einen  guten  Kehlkopfepiegel, 
wodurch  die  Besultate  schon  besser  wurden,  und  kam  dann 
auf  das  Ideal:  einen  planparallel  geschliffenen  Silber- 
spiegel.  Ein  tadelloser  derartiger  Spiegel  *)  von  runder 
Form  und  10  mm  Durchmesser  kostet  freiUch  10  Mark. 
Doch  erhält  man  von  der  angegebenen  Adresse  quadratisch 
geschnittene  sogen.  Bruchstücke  von  planparallelen  Spiegeln, 
die  sogar  für  Millimeter- Ablesung  geprüft  sind,  zum  Preise 
von  1  bis  2  Mark.  Die  Beobachtimgeu  zur  Herstellung 
der  beigegebenen  Curven  sind  mit  Hilfe  eines  solchen 
billigen  Bruchstücks  gemacht.  Uebrigeus  ^^-ird  die  Mehr- 
ausgabe bei  AnschaflFung  eines  guten  Spiegels  durch  Er- 
spamiss  compensirt,  die  man  dafür  am  Fenirohr  machen 
kann.  Ein  solches  tadelloses  planparalleles  Spiegelchen 
gestattet  mit  einem  kleinen  terrestrischen  Taschenfemrohr, 
wie  es  die  Optiker  für  8  Mark  liefera,  auf  4  m  50  cm  die 
Ablesung  von  Millimetern.  Man  hat  nur  nötig  dasselbe 
mit  „Fadenkreuz"  zu  versehen,  d.  h.  auf  einen  Korkring 
mit  etwas  Klebwachs  einen  Coconfaden  zu  spanneu  und 
diesen  Ring  an  eine  passende  Stelle  des  Ocularrohres  zu 
schieben,  so  dass  man  die  Scalenstriche  und  den  Cocon- 
faden im  Femrohre  gleichzeitig  scharf  sieht  Dieser  ver- 
tikal gestellte  Faden  dient  bekanntlich  zur  Orientirung  bei 
Beobachtung  der  Scalenausschläge. 

Galilei'sche  (Holländische)  Femrohre  können  natür- 
lich nicht  mit  Fadenkreuz  versehen  werden,  weil  dieselben 
keine  reellen  Bilder  im  Bohre  entwerfen  und  weil  durdi 
das  Ocular  (Concavhnse)  keine  Vergrösserung  des  Fadens 


>)  241 4Hri>en  1)61  Magen,  Opticus.  Berlin,  Schanihorststrasse  34a. 


Das  Sideroskop.  289 

bewirkt  wird.  Mit  terrestrischen  Fernrohren  beobachtet  es 
sich  sehr  gut,  da  dieselben  stark  yergrössem,  weites  Ge- 
sichtsfeld haben  und  die  Gegenstände  aufrecht  zeigen,  resp. 
die  Bewegungen  in  dem  Sinne,  wie  sie  wirklich  erfolgen. 
Dagegen  bieten  die  eigens  dazu  construirten  „Ablesefem- 
rohre",  die  als  astronomische  die  Gegenstände  und  Be- 
wegungen umkehren,  den  Vortheil,  mit  Einstellungsvorrich- 
tungen des  Rohres,  des  Oculars  sowie  des  Fadenkreuzes 
speciell  versehen  zu  sein.  Ein  sehr  gutes  derartiges  In- 
strument auf  festem  Stativ  mit  Scalenhalter  und  Scala, 
wie  wir  es  seit  kurzem  besitzen,  kostet  bei  Schmidt  & 
Hänsch  in  Berlin  97  Mark. 

Schliesslich  hätten  wir  der  Magnetnadel  noch  einige 
Worte  zu  widmen.  Ich  habe  mich  bei  sämmtlichen  Unter- 
suchungen am  lebenden  Auge  mit  Ausnahme  der  beiden 
letzten,  sowie  bei  Aufnahme  der  Curven  3  und  6  einer 
Nadel  bedient,  die  ich  aus  2  Millimeter  starkem  deutschen 
Bohrerstahl,  sogen.  Fussstahl,  herstellte.  Dieselbe  ist  im 
Holzkohlenfeuer  bis  zur  kirschrothen  Glut  erwärmt,  in 
"Wasser  gelöscht  und  nun  mit  einem  Hirschberg'schen 
Electromagneten  gestrichen  worden.  Von  der  Mitte  an- 
fangend, streicht  man  mit  dem  Nordpol  des  Electromag- 
neten nach  dem  einen,  mit  dem  Südpol  nach  dem  anderen 
Ende  zu.  Um  sicher  die  Sättigung  des  sehr  harten  Stahls 
zu  erreichen,  strich  ich  jede  Hälfte  der  Nadel  einige  Hun- 
dert mal,  doch  genügt  schon  eine  geringere  Zahl.  Einen 
Massstab  für  die  eingetretene  Sättigung  haben  wir  an  der 
Schwingungszahl.  Die  genannte  Nadel  machte,  wenn  sie 
aus  dem  Gleichgewicht  gebracht  wurde,  24  Schwingungen 
in  der  Minute.  Mehr  waren  trotz  allen  Streichens  nicht 
zu  erzielen.  Eine  gleich  grosse  und  gleich  schwere  Nadel, 
die  in  derselben  Zeit  weniger  Schwingungen  macht,  ist 
schwächer  magnetisch.  Da  beim  Glühen  der  Nadel 
leicht  eine  Ueberhitzung  eintritt,  wobei  der  Stahl  „ver- 
brennt" (an  der  Oberfläche  raub  wird)  so  lässt  man  besser 

T.  Graefe*8  Archiv  mr  Ophthalmologie.  XL.  1.  19 


290  ^-  Asmus. 

die  Härtung  von  einem  Instrumentenmacher  besorgen. 
Verbrannter  Stahl  nimmt  nicht  genug  Magnetismus  auf, 
um  eine  ordentliche  Magnetnadel  abzugeben.  Der  Preis 
des  erforderlichen  Stahls  beträgt  nur  wenige  Pfennige. 
Nach  Magnetisirung  der  Nadel  überzeugt  man  sich  durch 
Anlegen  an  einen  eisernen  Gegenstand  von  dem  unge- 
fähren Grade  der  magnetischen  Kraft  Die  genannte 
Nadel  von  Bohrerstahl  trägt  bei  einem  Eigengewicht  von 
3,5  gr  an  jedem  Pol  9  gr. 

Ist  die  Nadel  fertig,  so  wird  zur  Befestigung  derselben 
an  den  Spiegel  geschritten.  Da  der  letztere  peinUchst 
gegen  Druck  geschützt  werden  muss,  um  ihn  nicht  zu  ver- 
biegen, so  ist  folgende  Montirung  anzurathen:  auf  eine 
Scheibe  guten  Korks  klebt  man  3  kleine  Korkstückchen 
von  Dreieckform  derartig  auf,  dass  sie  mit  einem  an  der 
Spitze  angebrachten  Einschnitt  das  Spiegelchen  an  3  Punk- 
ten leicht  fixiren.  (Siehe  die  Skizze  S.  287.)  Durch  die 
Korkscheibe  hat  man  vorher  eine  DrahtschUnge  gezogen; 
die  letztere  dient  zum  Einhängen  des  Coconfadens,  wäh- 
rend die  freien  Drahtenden  unten  aus  der  Korkscheibe  vor- 
ragen und  zu  2  kleineu  Haken  umgebogen  werden.  In 
diese  Haken  legt  man  die  Nadel  so  ein,  dass  sie  bei  Sus- 
pension des  Korks  horizontal  schwebt  Die  Vortheile  dieser 
Nadelbefestigung  bestehen  darin,  dass  wir  das  magnetische 
Stäbchen  leicht  entfernen  können,  sei  es,  dass  eine  frische 
Magnetisirung  wünschenswerth,  oder  dass  eine  andere  Nadel 
angebracht  werden  soll.  Vor  allem  aber  kommt  die  lose 
Befestigung  beim  Aufstellen  des  Apparats  zu  statten;  je 
nachdem  sich  beim  BUck  in  den  Spiegel  Norden  zur  rechten 
oder  linken  Hand  befindet,  wird  die  Nadel  mit  ihrem  Nord- 
pol nach  rechts  oder  links  in  die  Haken  eingelegt  Nun 
überzeugt  man  sich  mit  Hülfe  einer  Kerzenflamme  vor  dem 
definitiven  Aufhängen,  ob  das  Spiegelbild  der  Flanmie  in 
bequemer  Höhe  zu  finden  ist:  hat  der  Spiegel  zuviel  Nei- 
g^^g  g^g^n  die  Decke,  oder  den  Fussboden,  so  muss  man 


Das  Sideroskop.  291 

im  einen  Fall  zu  hoch  mit  Scala  und  Fernrohr,  im  andern 
Fall  unbequem  tief  hinunter.  Durch  Verlegung  des  Schwer- 
punktes corrigirt  man  beide  Fehler;  den  ersteren  indem  die 
Drahtschlinge  des  Spiegelträgers  etwas  zurück-,  den  anderen, 
indem  dieselbe  etwas  nach  vom  gebogen  wird.  Auf 
diese  Weise  erspart  man  die  Anbringung  eines  excentrischen 
Gewichts,  das  den  Apperat  complicirt  und  belastet.  Jetzt 
wird  der  Coconfaden  mit  angeschlungenem  Haken  in  das 
Häuschen  gehängt,  der  Spiegel  eingehakt  und  nun  die 
Nadel  mit  dem  Nordpol  nach  Norden  eingelegt*). 

Einige  Drehungen  um  die  vertikale  Axe  richten  bald 
den  Apparat  derart,  dass  die  Nadel  central  in  beiden 
Seitenöflhungen  schwebt,  d.  h.  sich  von  Norden  nach  Süden 
einstellen  kann.  Dieselbe  ragt  natürlich  beiderseits  einige 
Centiraeter  vor.  Um  die  Nadel  vor  Luftzug  und  Berüh- 
rung zu  schützen,  bedürfen  wir  zweier  Glasröhren.  Je 
enger  dieselben  sind  und  je  dünnwandiger,  umso  näher 
können  wir  mit  dem  Auge  an  die  Pole  heran.  Deshalb 
versah  ich  2  feinste  Beagenzröhrchen  von  4  mm  lumen  mit 
einer  sauber  geschnittenen  Korkmanschette  und  drehte  die- 
selben in  die  oben  erwähnten  Korkringe  ein. 

Eine  Dämpfung,  d.  h.  eine  Vorrichtung,  welche  die 
schwingende  Nadel  rasch  zur  Ruhe  bringt,  fehlt.  Wie  bei 
dem  Lamont'schen  Apparat  ist  sie  wegen  Ba,ummangels 
aus  Kupfer  nicht  gut  herzustellen.  Von  einer  Dämpfung 
durch  schwache  electrische  Ströme,  die  durch  einen  Strom- 
wender in  passender  Weise  um  die  Nadel  geschickt  werden, 
sah  ich  keinen  besonderen  Vortheil.  Unsere  Nadel  kann 
ja  ohnehin  wegen  der  engen  Glasrölu:en  keine  grossen  Ex- 
cursionen  machen  und  kommt  bald  zur  Ruhe. 


*)  Das  Befestigen  des  Coconfadens  ist  etwas  schwierig.  Wenn 
man  aber  eine  schwarze  Unterlage  wählt  und  das  Ende  des  Fadens 
an  ein  Stückchen  Schwefelholz  ansiegelt,  so  gestattet  diese  Handhabe 
das  Knöpfen  der  Schlinge  in  bequemster  Weise. 

19* 


292  ^'  Asmus. 

Nachdem  Scala  und  Femrohr  einen  geeigneten  Platz 
im  Zimmer  erhalten  ^  ist  der  Apparat  znm  Beobachten 
fertig.  Man  muss  bei  Au&tellung  des  Femrohrs  Sorge 
tragen,  dass  die  Axe  desselben  möglichst  senkrecht  znm 
Fenster  des  Apparats  steht,  weil  nnr  dann  reine  Bilder 
der  Scala  erhalten  werden.  Ein  Abstand  von  3 — 4  m 
genügt 

Das  Auge  des  sitzenden  Patienten  wird  nun,  nadidem 
beide  Theile  sich  eisenfrei  gemacht,  vom  Assistenten  einem 
der  Glasröhrchen  genähert  Erst  die  Cornea,  dann  die 
verschiedenen  Seitentheile  des  Bulbus.  Eine  Kinnstütze  ist 
nicht  nothwendig,  wohl  ein  Sitz,  den  man  je  nach  Grösse 
des  Patienten  hoch  und  niedrig  stellen  kann.  Man  muss 
die  Unke  Hand  fest  auf  den  Kopf  des  Kranken  legen,  die 
rechte  fest  unter  sein  Kinn.  Die  Daumen  halten  die  Lider. 
Ich  fiihre  das  rechte  Auge  des  Patienten  gewöhnUch  an 
das  linke  Nadelende,  das  linke  Auge  an  das  rechte  Nadel- 
ende, so  dass  also  das  Gesicht  des  Patienten  nach  dem 
Femrohr  hin  sieht  Es  kommt  so  der  Kopf  niemals  vor 
den  Spiegel  des  Apparats.  Doch  lassen  sich  auch  sehr 
wohl  beide  Pole  fiir  jedes  Auge  benutzen.  Ueber  die 
Schlüsse,  die  wir  aus  den  Befunden  zu  ziehen  berechtigt 
sind,  sowie  über  die  zu  beobachtende  Vorsicht,  um  Täu- 
schungen vorzubeugen,  soll  bei  Besprechung  der  klinischen 
Fälle  berichtet  werden. 

VerBuolie  mit  dem  Sideroskop  an  Patienten. 

1)  Fall  Plachzik. 

Ende  December  1892  sprang  dem  Pat.  beim  Abhauen 
einer  'j^  cm  starken  Stahlstange  etwas  gegen  das  linke  Auge. 
Die  Sehkraft  erlosch  gleich  nach  der  Verletzung. 

Aufnahme  in  die  Klinik   1.  I.  93. 

L.  A.  Unteres  Lid  am  Rande  durch  frischen  Schnitt 
eingekerbt.  Beim  Blick  geradeaus  setzt  sich  die  Lidrandwunde 
in  eine  die  Sklera  von  unten  innen  nach  oben  aussen  hin 
perforirende    Wunde    fort.      Dieselbe    endet   im    horizontalen 


Das  Sideroakop.  293 

Durchmesser  der  Cornea  am  inneren  Rande.  Iris  innen  ab- 
gelöst. Mit  Augenspiegel  kein  rothes  Licht.  S  nicht  Licht- 
schein. 

Nachdem  die  Untersuchung  auf  dem  Bergamt  mit  dem 
Lam entaschen  Magnetoscop  am  6.  und  8.  L  ergeben  hatte, 
dass  ein  Eisensplitter  im  Bulbus  liege,  gelang  der  Nachweis 
in  der  Klinik  unter  folgender  Anordnung  des  Versuches:  Nadel 
(Bj)  3,5  gr  schwer,  durchweg  2  mm  dick,  11  cm  lang,  aus 
deutschem  Bohrerstahl.  Kehlkopfspiegel  mit  Fassung  und 
Moutur  für  die  Nadel  4  gr  schwer.  Abstand  vom  Spiegel  bis 
zur  Centimeter- Skala  5,8  m.  Terrestrisches  Taschenfernrohr, 
dem  bei  den  6  ersten  Fällen  ein  auf  den  Tisch  gestellter 
Stuhl  als  Stativ  diente.  Als  Gehäuse  benutzte  ich  damals  eine 
Glasglocke,  deren  Wand  dem  Südpol  der  Nadel  stark  genähert 
war.  Natürlich  machte  das  Heranführen  des  Auges  einige 
Schwierigkeiten. 

Bei  Annäherung  an  diesen  primitiven  Apparat  am  18.  L 
erfolgte  stärkster  Ausschlag,  wenn  Pat.  den  äusseren  Augen- 
winkel der  Nadel  nahe  brachte.  Die  10  cm  lange  Skala  ver- 
schwand dabei  aus  dem  Gesichtsfelde.  Genauere  Untersuchun- 
gen behufs  exacter  Localisation  des  Splitters  waren  nicht  mög- 
lich wegen  der  ungeschickten  Form  des  Apparats. 

Am  25.  L  Enucl.  bulbi  in  Narcose. 

Bei  der  Section  findet  sich  links  unten  nahe  der  Median- 
linie ein  Stahlsplitter  von  0,17  gr  Gewicht. 

2)  Fall  Krause. 

Verletzung  des  R.  A.  am  5.  December  91  beim  Meissein 
von  eiserneu  Trägern.  Gleich  darauf  sah  Pat.  mit  dem  r.  A. 
nicht  mehr.  Eine  Stunde  nach  dem  Unfall  soll  ein  vergeb- 
licher Versuch  den  vermutheten  Splitter  mit  Electromagneten 
zu  extrahiren  gemacht  worden  sein.  Seitdem  immer  wieder- 
kehrende Entzündungen  des  betreffenden  Auges  und  unzählige 
Atteste ! 

Aufnahme  in  die  Klinik  am  8.  II.  93. 

R.  A.  Zarte  pericorneale  Injektion.  Unten  aussen  im 
Limbus  corneae  beginnend,  eine  4  mm  lange  lineare  Narbe, 
die  nach  oben  innen  in  die  Cornea  zieht.  Kammerwasser  trüb, 
Iriszeichnnng  verwaschen,  Iris  rostbraun  verfärbt.  Vorderer 
Cortex  bis  unter  die  Kapsel  in  Sectoren  getrübt,  kein  rothes 
Licht  mit  Augenspiegel!  S  =  Lichtschein  (Kerzenfiamme  nur 
in   15'),   Projection   unsicher.     Bei   Annäherang  des  Auges  an 


294  ^-  Asmus. 

das  Sideroskop,  welches  inzwischen  die  ohen  (pag.  287)  ge- 
schilderte Form  erhalten  hatte,  aber  noch  mit  dem  schweren 
Kehlkopfspiegel  ausgerüstet  war,  erfolgte  eine  Skalenverschie- 
bung von  4  cm.  Genauere  Localisation  ist  leider  damals  nicht 
versucht  worden.  Am  17.  II.  Enucl.  bulbi  dextri.  Die  Sec- 
tion  ergiebt  die  Anwesenheit  eines  0,02  gr  schweren  Eisen- 
splitters, der  unten  in  Chorioidealschwarten  fest  eingebettet 
liegt.  (Maasso  des  Splitters:  Länge  7  mm,  Breite  3,  resp. 
2  mm,  Dicke  0,5  mm.) 

3)  Fall  Knauer. 

Pat.,  ein  Schreiner,  erlitt  am  20.  I.  93  eine  Verletzung 
des  R.  A.  als  er  mit  einem  Hammer  auf  eine  Feile  schlug, 
die  ihm  zum  Vertiefen  der  Nagelköpfe  diente.  Sofort  nach 
der  Verletzung  wurde  „das  Auge  trüb".  Status  praes. 
21.  I.  93.  Oben  aussen  in  der  Cornea  feine  lineare  Narbe 
0,5  mm  lang;  in  der  vorderen  Linsenkapsel  aussen  kleine 
dunkle  Stelle,  die  sich  als  Riss  erweisst.  Kleine  Trübung  an 
der  hinteren  Linsenfläche,  etwas  tiefer.  Aufn..  24.  I.  93. 
Cortex  inzwischen  in  Sectoren  getrübt.  Aussen  kleine  hintere 
Synechie.  Hintergrund  nicht  zu  erleuchten.  Kein  Fremdkörper 
sichtbar. 

Die  Untersuchung  mit  dem  Sideroskop  giebt  keine  Ab- 
lenkung, auch  nicht  nach  Bestreichen  des  Bulbus  mit  einem 
Magneten.  Erst  5  Monate  später  gelingt  der  Nachweis  eines 
Fremdkörpers  bei  einer  unter  etwas  anderen  Bedingungen  an- 
gestellten Beobachtung.  Wir  kommen  auf  das  Nähere  weiter 
unten  zurück. 

4)  Fall  Schmidt. 

Pat.  erlitt  am  30.  VI.  92  eine  Verletzung  des  R.  A.,  in- 
dem ihm  beim  Abhauen  eines  Eisenstückes  mit  Meissel  und 
Hammer  ein  Fremdkörper  dagegen  flog.  Eine  halbe  Stunde 
darauf  Aufn.  in  die  Klinik. 

Oberhalb  des  horizontalen  Meridians  findet  sich  im  oberen 
inneren  Quadranten  des  Bulbus  eine  fast  5  mm  lange,  scliarf- 
randige  perforirende  Wunde  der  Bulbuswand,  aus  der  sich 
Glaskörper  entleert.  Mit  Augenspiegel  erkennt  man  oben 
innen,  etwa  im  45.  Meridian,  in  einer  Entfernung  von  circa 
10  mm  vom  Hornhautrande,  einen  schwarzen,  runden  Fremd- 
körper, in  der  Mitte  stark  glänzend.  Durch  einen  in  der 
Gegend  desselben  ausgeführten  Schnitt  wird  der  Hirschberg- 
sche   Electromagnet   etwa    10  mal   eingesenkt,  ohne  dass  ein 


Das  Sideroskop.  295 

Splitter  entfernt  worden  wäre.  Entlassung  afki  17.  VIT.  mit 
starken  Glaskörpertrfibungen  nnd  Snblatio  retinae  in  der 
unteren  'Hälfte.  Vom  Fremdkörper  ist  nichts  zu  sehen. 
S  =  Handbewegungen.  Als  sich  am  19.  IL  93  der  Pat.  wieder 
vorstellte,  wird  das  R.  A.  dem  Sideroskop  genähert.  Es  er- 
gab sich  ein  Skalenausschlag  von  1  cm  bei  Annäherung  der 
äusseren,  eine  von  10  cm  bei  Annäherung  der  inneren  Bulbus- 
hälfte;  dabei  war  auch  roakroscopisch  eine  Nadelablenkung  zu 
bemerken.     Der  Fremdkörper  war  nicht  sichtbar. 

5)  Fall  Matzelt. 

Pat.  wird  am  24.  IL  93  wegen  Herpes  corneae  oculi  d. 
aufgenommen. 

1870  war  dem  Manne  beim  Mühlsteinschärfen  etwas  gegen 
das  R.  A.  geflogen.  Aus  der  damaligen  Zeit  findet  sich  eine 
poliklinische  Notiz:  „hinter  dem  untersten  Theil  der  Linse 
sieht  man  mit  dem  Augenspiegel  ein  hirsekorngrosses,  metall- 
glänzendes Stück'^  —  Die  Sehkraft  nahm  stetig  ab.  Am 
1.  IX.  71  wurde  nachgetragen:  Cataracta  traumat.,  Iritis. 
Linse  gelblich  getrübt,  undurchsichtig,  leichte  episclerale  In- 
jection.  — 

Jetzt  nach  22  Jahren  fanden  wir  Irisschlottern,  eine  kaum 
2  mm  weite,  auf  Atropin  nicht  reagirende  Pupille.  Mit  Augen- 
spiegel kein  Licht  zu  erhalten.  Die  Untersuchung  mit 
dem  Sideroskop  ergab  bei  Annäherung  des  R.  A.  ^2  ^™ 
Skala  Verschiebung.  Beim  Entfernen  des  Auges  kehrte  die 
Skala  auf  den  0  Punkt  zurück.  Bei  dem  Spiegel-Skalenabstand 
von  5,8  m  entspricht  dieser  Skalenausschlag  einem  Winkelwerth 
von  0®  l'   29"  (Groenouw). 

6)  Fall  Weniger. 

Verletzung  des  R.  A.  beim  Hämmern  auf  Stahl  im  Jahre 
1875,  wo  am  23.  XII.  im  Journal  eingetragen  wurde:  „heute 
flog  dem  Pat.  ein  Stück  Gussstahl  in's  r.  Auge.  Cornea  innen, 
ganz  nahe  am  Rande  in  1  mm  Ausdehnung  durchschlagen; 
Iris  dementsprechend  durchtrennt,  am  Linsenrande  schwärzliche 
Stelle  sichtbar.'^  Sodann  sind  Glaskörpertrübungen  erwähnt^ 
nichts  von  einem  Fremdkörper.  Nachdem  sich  Pat.  1877  und 
1885  noch  einmal  vorgestellt  hatte  —  inzwischen  mit  Cata- 
racta accreta  —  erfolgte  am  17.  IL  93  Aufnahme  in  die 
Klinik  wegen  heftiger  Entzündung  des  r.  A.  Diagnose:  R.  A. 
Iritis,  Hypopyon,  Strab.  diverg.,  Amaurosis.  Pupille  2  mm 
weit^  nicht  zu  dilatiren.  Kein  rothes  Licht  mit  Augenspiegel. 
T.—  1. 


296  E.  Asmus. 

Die  Untdrsuchang  des  K  A.  mit  dem  Sideroskop 
nach  Bestreichen  des  Bulbus  mit  einem  Magneten,  ergab  einen 
Skalenausschlag  von  ^/^ — 1  cm  je  nachdem  Pat  bei  An* 
näherung  mit  der  unteren  Bulbusparthic  an  die  Nadel  nach  oben 
sah.  Wie  immer  wurde  zur  Controle  das  gesunde  (linke) 
Auge  ebenfalls  an  die  Nadel  gebracht  und  merkwürdiger  Weise 
erfolgte  hin  und  wieder  eine  zweifellose  Ablenkung,  die  manch* 
mal  stärker  war,  als  die  durch  das  verletzte  Auge  verursachte. 
Wir  bezogen  dieselbe  auf  feine  Eisensplitter  im  Bart  und  Haar. 
Als  dieselbe  aber  auch  nach  sorgfältiger  Reinigung  des  Haares 
bestehen  blieb,  wurde  eine  magnetische  Störung  angenommen 
und  weitere  Versuche  auf  einen  anderen  Tag  verschoben. 
Dennoch  änderte  die  Nadel  ihr  Verhalten  nicht.  Da  erst 
stellte  ein  darauf  gerichtetes  Verhör  die  Sache  klar:  Patient 
hatte  vor  10  Jahren  links  am  Kinn  eine  Eisensplitterver- 
letzung erfahren.  Daselbst  war  ein  Fremdkörper  eingeheilt, 
der  die  Nadel  ablenkte!  Je  nach  der  Art  der  Annäherung 
des  gesunden  1.  A.  beeinflusste  die  betreffende  Stelle  die  Nadel 
mehr  oder  weniger.  Am  13.  II.  93  erfolgte  die  Enucleatio 
bulbi,  nachdem  inzwischen  spontan  ein  Hypbaema  aufgetreten. 
Der  enucleirte  Bulbus  wird  dem  Sideroskop  genähert;  das 
Centrum  corneae  lenkt  dabei  die  Skala  um  ^/^  cm  ab;  bei 
stärkerer  Drehung  des  Bulbus  nach  oben  verschwindet  die 
Skala  aus  dem  Gesichtsfeld. 

Bei  der  Section  findet  sich  nach  längerem  Suchen  am 
Boden  des  Auges  hinter  dem  Corpus  eil.  fest  eingebettet  ein 
sehr  stark  verrosteter  Eisensplitter  von  folgenden  Dimensionen: 
Länge  2,5  mm,  breites  Ende  1  mm,  schmales  Ende  0,5  mm, 
Dicke  kaum  0,5  mm.  Leider  geht  die  Spitze  vor  dem  Wiegen 
verloren;  der  Rest  wiegt  1  mgr,  wovon  ein  grosser  Theil  auf 
Oxyd  zu  beziehen.  Der  Splitter  enthält  nämlich  so  wenig 
metallisches  Eisen,  dass  er  an  einen  ihm  genäherten  kräftigen 
Magneten  nicht  heranspringt,  wie  andere  kleine  Splitter,  sondern 
erst  bei  Berührung  an  demselben  haftet! 

7)  Fall  Weyrich*.  (Diesen,  sowie  die  übrigen  mit  * 
markirten  Fälle,  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Professor 
Magnus,  der  mir  dieselben  zur  Untersuchung  sandte.) 

Verletzung  des  1.  A.  am  18.  Oktober  92  beim  Bearbeiten 
von  Eisen  mit  dem  Hammer.  Angeblich  starke  Blutung  aus 
einer  Skleralwunde  oben  aussen  von  der  Cornea.  Zwei  Tage 
später  vergeblicher  Versuch  von  Seiten  des  Herrn  Prof.  Mag- 


Das  Sideroskop.  297 

BUS  mit  dem  Electromagneten  einen  oben  aussen  vermutheten 
Fremdkörper  zu  extrahiren. 

Heute  am  7.  III.  93  sind  die  brechenden  Medien  klar, 
die  Papilla  optica  ist  normal.  Wenn  Pat.  nach  oben  aussen 
sieht,  gewahrt  man  mit  dem  Augenspiegel  auf  dem  Hinter- 
grund eine  schmale  graue  Stelle  von  doppeltem  Papillendurch- 
messer,  nicht  deutlich  prominent.  An  diese  schliesst  sich  nach 
innen  unten  eine  blendend  weisse,  wetzsteinförmige  Figur  an, 
die  sicher  nicht  prominent  erscheint.  Wird  der  Bulbus  mit 
der  geschilderten  Region  der  Nadel  genähert,  so  er- 
folgt ein  Skalenausschlag  von  >  4  cm,  ein  weit  geringerer, 
wenn  die  innere  Bulbuswand  herangebracht  wird.  Nach  Be- 
streichen mit  Magneten  ist  die  Ablenkung  nicht  stärker,  da 
wohl  durch  die  Magnetextractionsversucho  der  Splitter  gesät- 
tigt ward. 

8)  Fall  Feisthauer*). 

Im  Mai  1892  1.  A.  beim  Meissein  von  Granit  verletzt. 
Ein  Splitter  oder  Steinstück  soll  im  Bulbus  nicht  gesehen 
worden  sein.  Jetzt  findet  sich  in  der  1.  Cornea  oben  aussen 
eine  nach  rechts  convexe  3  mm  lange  lineare  Narbe.  Iris 
nicht  verfärbt.  Oben  aussen  1  hintere  Synechie.  Auf  dem 
vollständig  getrübten  vorderen  Coitex  innen  unten  2  feine 
bräunliche  Streifchen.  Die  Untersuchung  mit  dem 
Sideroskop  (13.  lil.  93).  Bei  Annäherung  der  äusseren 
Bulbushälfte,  wenn  Pat.  stark  nach  innen  sieht,  erfolgt  eine 
Skalenverschiebung  von  2,5  cm.  Keine  Ablenkung  durch  das 
gesunde  Auge.  Am  18.  HI.  93  Enucleatio  bulbi  sin.  Nach 
dem  Aufschneiden  des  Auges  erscheint  in  dem  ausfliessenden 
Glaskörper  ein  kleiner  Stahlsplitter.  Gewicht  7  mgr,  Länge 
2,5  mm.  Breite  in  der  Mitte  1,5  mm,  Dicke  0,5  mm.  In 
welcher  Hälfte  derselbe  gesessen,  lässt  sich  nicht  mehr  be- 
stimmen. N.  B.  Eine  ausführliche,  in  allen  Meridianen  ausge- 
führte Untersuchung  mit  Notirung  der  Ausschläge  in  Milli- 
metern, wie  dies  später  stets  geschehen  ist,  hätte  eine  an- 
nähernd genaue  Localisation  des  Splitters  ergeben.  Freilich 
braucht  man  manchmal  1 — 2  Stunden  zu  einer  derartigen  Be- 
stimmung. Die  erste  genaue  Untersuchung  muss  vor  Magne- 
tisirnng  des  Fremdkörpers,  die  zweite  nach  derselben  er- 
folgen. 

9)  Fall  Zobel. 

Verletzung  des  r.  A.  am  30.  XII.  89  beim  Meissein  von 
Rothguss.      Keine   grossen    Beschwerden    danach.      Erst    am 


298  ^-  Asmus. 

1.  I.  90  sachte  Pat.  wegen  Lichtscheu  und  Schmerzen  einen 
Arzt  auf.     Aufn.  in  die  Klinik  am  13.  I.  90. 

Aus  der  langen  Krankengeschichte  sei  nur  kurz  mitgetheilt, 
dass  damals  oben  aussen  in  der  Cornea  eine  horizontale  Narbe 
von  2  mm  Länge,  sowie  4  hintere  Synechieen  entdeckt  wurden. 
Auf  der  Linsenkapsel  feine  braune  Beschläge.  Glaskörper 
stark  getrübt.  Drei  Papillenbreiten  nach  aussen  vom  Seh- 
nerveneintritt,-etwas  unterhalb  des  horizontalen  Meridians  be- 
merkte man  ein  strangartiges,  bläulich  graues  Gebilde,  das 
nach  vorne  zieht  und  allmählich*  breiter  wird.  Dasselbe  ist 
am  10.  IL  als  papillengrosse,  längliche  gelbweisse  Stelle 
(Fremdkörper?)  beschrieben.  Von  der  Natur  des  fraglichen 
Fremdkörpers  heisst  es,  dass  derselbe  entweder  Rotbguss 
(Messing)  oder  Stahl  von  dem  benutzten  Meissel  sei.  Vier 
Jahre  nach  der  Verletzung,  am  20.  III.  93  besuchte  Fat.  zu- 
fällig die  Klinik  mit  vollständig  getrQbter  Linse  rechts. 

Die  Untersuchung  mit  dem  Sideroskop  ergab  folgen- 
des; R.  A.  Bei  Annäherung  der  inneren  Bulbusbälfte  Ver- 
schiebung der  Skala  um  1  cm;  makroskopisch  ist  keine  Nadel- 
bewegung zu  sehen.  Wird  der  Boden  des  Bulbus  herange- 
führt, so  beträgt  der  Skalenausschlag  3  cm,  bei  Annäherung 
der  äusseren  Bulbuswand  dagegen  5  cm,  wobei  mit  blossem 
Auge   eine  leichte  Bewegung  der  Nadel  zu  bemerken  ist. 

10)  Fall  Logisch. 

Am  23.  III.  93  sprang  beim  Zerschlagen  von  Steinen 
mit  dem  Hammer  angeblich  ein  Steiusplitter  gegen  das  linke 
Auge. 

Drei  Tage  später  erfolgt  die  Aufn.  in  die  Klinik.  L.  A. 
Massige  pericorneale  Injection.  Hornhaut  klar.  Im  Centrum 
5  mm  lange  lineare  Wunde.  Drei  hintere  Synechieen.  Linse 
vollkommen  grau  getrübt,  stark  quellend.  Das  Sideroskop 
ergab  bei  Annäherung  des  1.  A.  eine  Skalenablenkung  bis  zu 
Va  cm  oder  0^  T  29"  ^  Werth,  da  der  Spiegel- Skalenab- 
stand 5,8  m  betrug.  Die  Stelle  des  Splitters  konnte  damals 
auch  nach  Bestreichen  des  Auges  mit  dem  Electromagneten 
nicht  bestimmt  werden.  Bei  der  am  5.  IV.  vorgenommenen 
Ablassung  der  gequollenen  Staarmasse  wurde  kein  Fremdkörper 
entleert.  Leider  ist  der  Fat.,  der  am  2.  V.  mit  ziemlich 
viel  Linsenresteu  im  Pupillargebiet  die  Klinik  verliess,  nicht 
mehr  zu  einer  Untersuchung  erschienen.  Heute  würde  viel- 
leicht mit  dem  inzwischen  verbesserten  Apparat  und  der 
grösseren  Erfahrung  eine  Localisation  des  Splitters  gelingen.  — 


Das  Sideroskop.  299 

11)  Fall  Winter. 

Am  2.  IV.  93  flog  dem  Fat,  als  er  mit  einem  Hammer 
auf  £isen  schlag,  ein  „Funken'^  gegen  das  1.  A.,  das  sich  am 
folgenden  Tage  verdunkelte.     Aufn.  8.  IV.  93. 

Links  Kopfschmerz;  pericorneale  Injection.  In  der  Cornea 
innen  üher  den  horizontalen  Meridian,  3  mm  vom  Limbus  ent- 
fernt, vertikale  1  mm  lange  lineare  Narbe.  Dahinter  in  der 
Iris  feines  rundes  Loch.  S  =  Lichtschein.  Wie  gewöhnlich 
glaubt  Fat.  nicht,  dass  ein  Fremdkörper  im  Bulbus  sei,  da  das 
Auge  nicht  schmerze. 

Untersuchung  mit  dem  Sideroskop.  Wenn  das 
1.  A.  bei  herabgezogenem  unteren  Lide  und  nach  oben  gerichteten 
Blick  in  der  Medianlinie  an  die  Nadel  geführt  wird,  so  erfolgt 
die  stärkste  Ablenkung  =  2 — 3  cm  Skalenverschiebung.  Bei 
Annäherung  der  Cornea  ist  dieselbe  nur  0,5  cm,  bei  Annähe- 
rung der  inneren  oder  äusseren  Bulbushälfte  0,25  cm.  Als 
Fat.  am  29.  IV.  93  entlassen  wurde,  waren  weder  Details  des 
Hintergrundes,  noch  ein  Fremdkörper  zu  sehen. 

12)  Fall  Sucker.*) 

Verletzung  des  1.  A.  am  7.  X.  91,  als  sich  Fat.  in  der 
Werkstatt  bückte,  indem  vom  Werkzeug  eines  Mitarbeiters 
etwas  gegen  das  Auge  flog.  Drei  Tage  später  legte  ein  aus- 
wärtiger College  oben  innen  eine  Iridectomie  an.  Von  einer 
Splitterextraction  weiss  Fat.  nichts. 

Seitdem  stellten  sich  häufig  Entzündungen  des  1.  A.  ein. 

Am  13.  V.  93  wurde  F.  zur  Untersuchung  mit  dem  Side- 
roskop gesandt. 

L.  A.  Cornea  klar,  centrale  vertical  gestellte  4  mm  lange 
feine  Narbe.  Iris  grünlich-braun,  rechts  blau.  Iriscolobom 
oben  innen.  Vorderer  Cortex  in  Sectoren  getrübt,  unten  feine 
braune  Beschläge  auf  der  Kapsel. 

Untersuchung  mit  dem  Sideroskop. 

Nadel  und  Fernrohr  wie  oben,  aber  plauparallel  ge- 
schliffener Spiegel,  mit  Korkfassung  0,27  g  schwer.  Dadurch 
war  die  Nadel  3,73  g  Ballast  los  geworden.  Ausserdem 
konnte  jetzt  die  Millimcterskala  eingeführt  werden. 
Spiegel -Skalenabstand  =  3  m. 

1)  Beobachtung  ohne  Magnetisirung  des  Fremdkörpers: 
Eine  Ablenkung  erfolgt  nur,  wenn  Fat.  nach  aussen  sieht  und 
die  innere  Bulbushälfte  der  Nadel  genähert  wird. 


300  £•  Asmus. 

Der  horizontale  Meridian  lenkt  bei  dieser  Blickrichtung 
schon  in  etwa  1  cm  Entfernung  die  Skala  um  4  mm  ab.  Bei 
zunehmender  Annäherung?  verschwindet  schliesslich  die  Skala 
aus  dem  Gesichtsfeld  (=>100  mm  Ausschlag). 

2)  Nach  Magnetisirung  des  Fremdkörpers  erfolgt  schon 
bei  1  cm  Abstand  der  Bulbuswand  von  der  Nadel  eine  Ab- 
lenkung der  Skala  von  6  mm.  Auf  Grund  dieser  Beobach- 
tungen wurde  angenommen:  1)  der  Splitter  ist  sehr  klein; 
2)  derselbe  liegt  der  Bulbuswand  nahe;  3)  sein  Sitz  ist  innen, 
wahrscheinlich  im  horizontalen  Meridian.  Nachdem  Herr  Pro- 
fessor Magnus  am  16.  V.  93  die  Enucleation  vorgenommen, 
wurde  mir  der  Bulbus  freundlichst  überlassen. 

Vor  der  Scction  brachte  ich  das  enucleirte  Auge  bis  auf 
3  mm  an  die  Nadel  heran  und  konnte  bei  Annäherung  des 
Corneacentrum  makroskopisch  eine  ganz  schwache  Bewegung 
constatircn;  eine  deutliche  Ablenkung  erfolgte,  wenn  genau 
die   innere   Hälfte   im  horizontalen  Meridian  genähert  wurde. 

Bei  der  nunmehr  erfolgenden  Section  des  Bulbus  war  ich 
darauf  bedacht,  den  Splitter  in  seiner  Lage  zu  erhalten.  Die 
Eröffnung  geschah  deshalb  in  der  Art,  dass  in  die  äussere 
Bulbuswand  ein  kleines  Fensterchen  geschnitten  wurde,  von 
dem  aus  das  Auge  sich  durchleuchten  Hess.  Dabei  sah  man 
an  der  Innenfläche  der  inneren  Wand  hinter  dem  Corpus 
ciliare  im  horizontalen  Meridian  eine  dreieckige  graue  Pro- 
minenz, aus  der  mit  Hilfe  einer  Pincette  ein  kleiner,  sehr 
fest  haftender  Eisensplitter  herausgezogen  werden  konnte.  Der- 
selbe wog  weniger  als  1  mgr  und  hatte  etwa  die  Form 
einer  Feuersteinpfeilspitze.  Länge  fast  2  mm,  breiteste  Stelle 
fast   Vä   ™'"-     ^^r  Splitter  ist  stark  magnetisch. 

13)  Fall  Primke*. 

Im  October  1892  flog  dem  Patienten  ein  Splitter  ins 
linke  Auge  als  er  mit  einem  Meissel  Gussstahl  bearbeitete. 

Er  zog  einen  angeblich  1  cm  langen,  nadeiförmigen  Fremd- 
körper selbst  aus  dem  Auge  heraus  und  sah  bis  Januar  ziem- 
lich gut. 

Seitdem  verschlechterte  sich  das  Sehen  und  es  traten 
häuflg  Reizerscheinungen  auf.  Ein  Arzt,  der  den  Patienten 
früher  untersuchte,  soll  im  Auge  keinen  Fremdkörper  ent- 
deckt haben.  Im  April  aber  wurde  ihm  gesagt,  dass  noch 
Eisen  im  Auge  sei  und  eine  vergebliche  Magnetoperation  vor- 
genommen. 


Das  Sideroskop.  301 

Jetzt  am  25.  Y.  93  fand  sich  folgendes:  L.  A.  Cornea 
ohne  Verletzung.  In  der  Sklera  unten  innen  3  mm  vom  Cor- 
nealimbns  entfernt  eine  kleine  etwas  pigmentirte  Delle.  Iris 
bräunlich  verfärbt  (R.  blau);  hintere  Synechieen.  Linse  weist 
einige  zarte  Speichen  auf.  Innen,  unten  auf  der  vorderen 
Linsenkapsel  4  mm  lange  bräunliche  Auflagerung.  Mit  Augen- 
spiegel keine  Details  sichtbar. 

Untersuchung  mit  Sideroskop. 

Planparalleler  Spiegel.  Millimeter-Skala.  Spiegel-Skalen- 
abstand 3,60  m.  Das  angewandte  terrestrische  Taschenfem- 
rohr  gestattete  auf  diese  Entfernung  noch  '/,  mm  zu  schätzen! 
Nadel  wie  oben. 

1)  Skalenausschlag  bei  Annäherung  der  Cornea 

50  mm  nach  rechts 

2)  „  ,,  „  „     äusseren  Bulbuswand 

>  100  mm  nach  rechts 

3)  „  fy  „  f,    inneren  Bulbuswand 

45  mm  nach  links 

4)  „  „  „  „    unteren  Bulbuswand 
bei    herabgezogenem   unteren  Lid  und 

stark  nach  oben  gerichtetem  Blick  ergab 

verschiedene  Resultate:  z.  B.         a)  erst  5mm  n.  rechts 

dann  plötzlich  starker  Ausschlag  >  100  mm  n.  links 
b)  erst         10  mm  n.  links 
dann  plötzlich         45  mm  n.  rechts 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungsresultate  wurde 
angenommen,  dass  unten  im  Bulbus  ein  länglicher 
Stahlsplitter  quer  liege. 

Nachdem  ich  am  27.  V.  93  den  durch  Herrn  Prof.  Mag- 
nus enuclcirten  Bulbus  erhalten  hatte,  eröffnete  ich  denselben 
vorsichtig  von  oben  und  fand  genau  in  der  Medianlinie  etwa 
5  mm  hinter  dem  corp.  eil  in  eine  weissliche  Schwarte  ein- 
gebettet einen  zwar  querliegenden,  aber  keineswegs  sehr  langen 
Stahlsplitter  von  3  mgr  Gewicht  und  folgenden  Dimensionen: 
Länge  2  mm,  Breite  etwa  1  mm,  Dicke  ^/^  mm.  Derselbe  ist 
sehr  magnetisch  und  kehrt  sein  rundliches  Ende  stets  dem 
Südpol  des  Magneten  zu,  sein  mehr  spitzes  dem  Nordpol. 

14)  Fall  Kozeber. 

Dieser  bietet  wie  Fall  16  (Seidel)  ein  besonderes 
Interesse,  weil  die  Extraction  des  nachgewiesenen, 
nicht  sichtbar  gewesenen  Fremdkörpors  gelang. 

Am  26.  y.  93  morgens  flog  etwas  gegen  das  rechte  Auge 
des    Patienten,    als    derselbe    mit    Hammer    und   Meissel    eine 


302  £•  Asmus. 

Vs  zöllige  Schraube  durchschlagen  wollte.  Gleich  darauf  wurde 
es  schwarz  yor  dem  betreffenden  Auge.  Gegen  Mittag  des- 
selben Tages  wird  Pat.  in  die  Klinik  aufgenommen. 

St.  pr.  Am  unteren  Ltdrande  4  mm  vom  Thrftnenpunkt 
entfernt  oberflächliche  Risswuude.  Wenn  Pat  geradeaus  sieht, 
bildet  eine  verticale  4  mm  lange  Wunde  am  inneren  Rande 
der  Cornea  die  Fortsetzung  der  genannten  Lidverletzung.  Uyp- 
hacma  von  5  mm  Höhe.  Pupille  etwas  nach  links  verzogen. 
Mit  Augenspiegel  kein  rothes  Licht.  S  =  Uandbewegungen. 
Die  an  demselben  Tage  nach  Magnetisirung  des  vermutheten 
Fremdkörpers  vorgenommene  Untersuchung  mit  dem  Side- 
roskop  bei  Versuchsanordnung  wie  oben,  ergab: 

1)  Bei  Annäherung  an  die  Nadel  mit  geschlossenen  Lidern 

Skalenausschlag  >  5  mm  n.  links 
(Anziehung  der  Nadel) 

2)  „  ,,  „    ,,        „      mit  unterer  äusserer  Bulbusparthie 

Skalenausschlag  >  5  mm  n.  links 

3)  „  „  „    „        ,,      mit  innerer  Bulbushälfte 

Skalenausschlag  21mm  n.  links 

4)  „  „  „     „        „       mit  unterer  Bulbusparthie 

Skalenausschlag  15  mm  u.  links 
Makroskopisch  war  der  Nadel  ein  leichtes  Schwanken  anzusehen. 

Am  folgenden  Tage  (27,  V.  93)  schritt  Herr  Geheimrath 
Förster  zur  Extraction  des  Fremdkörpers.  Das  Auge  wurde 
gut  coca'inisirt,  mit  einem  Skalpell  unter  dem  horizontalen 
Meridian  die  Sklera  durchschnitten  und  das  gebogene  Ansatz- 
stück des  Hirsch  her  g'schen  Electromagneten  etwa  7  mal  ein- 
gesenkt, ohne  dass  das  Anschlagen  eines  Fremdkörpers  gehört, 
oder  ein  solcher  zu  Tage  gefördert  worden  wäre.  Bei  einem 
nochmaligen  etwas  tieferen  Eingehen  jedoch,  folgte  dem  Elec- 
tromagneten ein  Eisensplitter.  Die  Wunde,  aus  der  sich  wenig 
Glaskörper  entleert  hatte,  wurde  mit  Jodoform  bestreut  und 
beide  Augen  verbunden. 

Die  Heilung  verlief  glatt,  so  dass  der  Pat.  nach  17  Tagen 
entlassen  werden  konnte.  Er  hatte  noch  viele  Glaskörper- 
trübungen, und  Details  des  Hintergrundes  waren  nicht  zu 
sehen. 

S  mit  (+  6)  Sn  V  in  5"  als  Kleinstes.  Wie  weit  sich 
das  Sehen  bessern  wird,  oder  ob  eine  Sublatio  retinae  ein- 
tritt, lässt  sich  vorläufig  nicht  sagen. 

Der  extrahirte  myrthenblattförmige  stark  magnetische 
Splitter  wiegt  14,5  mgr,  ist  5  mm  lang,  1,5  mm  breit, 
0,5  mm  dick. 


gegen    kein   Fremdkörper   f  S  ^ 


Das  Sideroskop.  303 

15)  Fall  Schlicht. 

Pat.,  der  im  Oktober  1884  eine  Verletzung  des  r.  A. 
erlitten,  als  er  mit  einem  Hammer  auf  Stahl  schlug,  kam  erst 
im  April  85  in  Behandlung  der  Klinik.  Damals  fand  sich 
oben  in  der  Cornea  eine  lineare,  verticale,  1,5  mm  lange 
Narbe.  Oben  eine  hintere  Synechie.  Pupille  nach  innen  oben 
verzogen.     Linse  fast  ganz  getrübt. 

Am  25.  IV.  85  Extr.  lin.  periph.,  worauf  am  8.  V.  die 
Pap.  opt.  durch  eine  Lücke  im  Nachstaar   zu   sehen  war,  da- 

20\ 

50/ 

Diese  leidlich  gute  Sehschärfe  ging  aber  im  Laufe  der 
letzten  Jahre  allmählich  zurück  unter  häufig  recidivirenden 
Entzündungen  des  r.  A. 

Am  31.  V.  93  stellt  sich  Pat.  wieder  mit  pericorn-Injec- 
tion  des  r.  A,  Thränen  und  leichter  Ciliarneurose  vor.  Mit 
Augenspiegel  kein  rothes  Licht  zu  erhalten. 

Bei  dem  Versuche  mit  dem  Sideroskop  nach  Bestreichen 
des  Bulbus  mit  einem  Electromagneten,  die  Anwesenheit  eines 
Fremdkörpers  nachzuweisen,  erhielten  wir  nur  bei  Annäherung 
der  innern  Hälfte  des  r.  A.  einen  Skalenausschlag.  Derselbe 
betrug  1 — 3  mm  (Spiegel -Skalen  Abstand  445  m)  und  zwar 
im  Sinne  einer  Abstossung  der  Nadel. 

Zur  Beobachtung  benutzten  wir  ein  Ablesefernrohr  von 
Schmidt  &  Hänsch,  Berlin,  welches  für  diese  Zwecke  ange- 
schafft wurde. 

Den  ^  Werth  berechnete  Herr  College,  Groenouw  in 
diesem  Falle  auf  0«  0*  49",5. 

Nachdem,  wie  wir  sahen,  14  mal  in  15  Fällen  der  Nach- 
weis der  Splitter  gelungen,  beschlossen  wir  den  einzigen  nega« 
tiven  Fall  (No.  3,  Knauer)  noch  einmal  mit  dem  inzwischen 
durch  besseren  und  zugleich  leichteren  Spiegel  leistungsfähiger 
gemachten  Apparat  zu  untersuchen. 

Dies  geschah  mit  Rücksicht  auf  den  offenbar  sehr  kleinen 
Splitter  Nachts,  wo  keine  Erschütterungen  des  Hauses  die  Be- 
obachtungen stören.     In  der  That  glückte  der  Versuch.  — 

Die  Fernrohrbeobachtung  übernahm  unsere  2.  Wärterin 
mit  gutem  Geschick  sowohl  in  diesem  als  in  den  später  auf- 
geführten Fällen.  Es  ist  ein  grosser  Vorthoil,  wenn  eine 
Person  auf  die  Fernrohrablesuug  eingeschult  ist,  die  man  stets 
zur  Haud  hat. 


304 


£.  Asmus. 


Die  Untersuchung  ergab  folgendes:  (Spiegel-Skala  4,60  m). 
Bei  Annäherung  mit  geschlossenen  Lidern  erfolgte  keine  Ablenk. 
„  „  „    unterer  Bulbushälfte  „  „ 

„  „  ,,    äusserer  „  „  „ 

„  „  „    innerer  „         jedesmal 2 mm Skal- Abi. 

(45"  ^  Werth.) 

16)  Fall  Adam  Seidel*). 

Da  bei  diesem  Pat.  die  Extraction  des  Splitters  ge- 
lang und  auch  die  vorhergegangene  Untersuchung  mit  dem 
Sideroskop  systematisch  gemacht  wurde,  so  darf  ich 
wohl  diese  Beobachtung  besonders  hervorheben  und  gewisser- 
massen  als  ,;Muster^^  empfehlen. 

Am  20.  VI.  93  wurde  das  1.  A.  beim  Meissein  von  Guss- 
eisen verletzt  und  die  Sehkraft  nahm  bald  darauf  ab.  Ob  ein 
Splitter  im  Auge  ist,  weiss  Pat.  nicht.  Jetzt  am  1.  VII.  93 
findet  sich  innen  im  horizontalen  Meridian  des  etwas  gereizten 
1.  A.  hart  am  Limbus  eine  2  mm  lange  verticale  Hornhautnarbe. 

Dahinter,  etwas  weiter  nach  aussen  ein  Schlitz  in  der 
Iris.  Hintere  Synechie  am  inneren  Pupillarrand.  Linse  diffus 
getrübt.     Von  einem  Fremdkörper  oder  Oxyd  nichts  zu  sehen. 

Untersuchung  mit  dem  Sideroskop  (1.  VH.  1893). 
Versuchsanordnung:  Nadel  2  mm  stark,  11  cm  lang, 
2,725  gr  schwer,  von  Bamberg,  Friedenau  bei  Berlin.  Plan- 
parallel-Spiegel  von  Magen,  Berlin.  Fernrohr  Schmidt  & 
Hänsch.     Spiegel- Skalenabstand  3,70  m. 

Das  Auge  wurde  1)  vor  Magnetisirung  2)  nach  Magne- 
tisirung  des  Fremdkörpers  an  den  Apparat  gebracht. 

I  Magnetisirung  des  Splitters 


Resultat: 


Bei  Annäherung  mit  geschlossenen  Lidern 
Skalenaussclilag 

Bei  Annäherung  mit  unterer  Bulbushälfte 
Skalenausschlag 

Bei  Annäherung  mit  äusserer  Bulbushälfte 
Skalenaussclilag 


Bei  Annäherung  mit  äusserer -unterer -hin- 
terer Bulbusi)arthie  Skalenausschlag    .     . 

Bei  Annälierung  mit  innerer  Bulbushälfte 
Skalenausschlag 

Bei  AnnähcninfT  mit  oberer  Bulbushälfte 
Skalenausschlag 


1  mm 
3-6    „ 
1    „ 

4-6    „ 


nach 


4  mm 
20  „ 
14   „ 

Beginn  des  Aus- 
schlags bei  2  cm 
Abstand  d.  Auges 
von  der  Nadel. 

>30mm 


Das  Sideroskop.  305 

Auf  diese  Befunde  hin  wurde  folgendes  angenommen: 
1)  es  ist  sicher  ein  Stahlsplitter  im  Bulbus  2)  derselbe  ist  zu 
den  kleinen  zu  rechnen,  weil  vor  Magnetisiren  desselben 
keine  Ablenkung  erfolgte,  wenn  die  innere  Bulbushälfte  ge- 
nähert wurde! 

Ein  nicht  magnetischer  Splitter  von  5  mgr  Gewicht  bei- 
spielsweise, lenkt  quer  oder  schräg  durch  den  Bulbus  hindurch 
eine  Nadel,  wie  sie  hier  zur  Verwendung  kam,  um  mindestens 
2  mm  ab.     (Cfr.  Curventafel.) 

Es  darf  daher  das  Gewicht  des  Splitters  im  Falle  Seidel 
unter  5  mgr  geschätzt  werden. 

3)  Der  Fremdkörper  sitzt  wahrscheinlich  im  unteren 
äusseren  Quadranten  ziemlich  weit  hinten.  Zu  der  letztereu 
Annahme  berechtigte  folgende  Betrachtung.  Wir  hatten  ge- 
sehen, dass  trotz  stärkster  Drehung  des  Auges  der  Sttdpol 
unserer  Nadel  von  dem  Splitter  immer  angezogen,  nicht  aber 
schliesslich  abgestossen  wurde.  Wir  wussten  ferner,  dass  der 
Splitter  klein  und  dass  derselbe  sehr  kräftig  magnetisch 
geworden  war.  Wenn  also  trotz  dessen  die  Nadel  nicht  in 
den  Bereich  des  zweiten  Pols  des  Splitters  zu  bringen  war, 
so  musste  der  Fremdkörper  der  Wahrscheinlichkeit  nach  weit 
hinten  sitzen,  oder  man  müsste  annehmen,  dass  derselbe  zu- 
fällig genau  vertical  zur  Bulbuswand  stehe. 

Es  geht  aus  dieser  Betrachtung  hervor,  dass  es  jedenfalls 
vortheilhaft  ist,  erst  vor  Magnetisirung  der  Splitter  genau  zu 
untersuchen. 

Uebrigens  gelingt  es  nicht  immer,  die  Fremdkörper  so 
stark  magnetisch  zu  machen,  dass  ihre  Pole  die  gleichnamigen 
Pole  der  Nadel  abstossen,  vielmehr  wird  bei  nicht  kräftig 
magnetisirbaren  Splittern  deren  Magnetismus  durch  den  der 
Nadel  umgekehrt.  In  diesen  Fällen  nimmt  die  Grösse  der 
Ausschläge  nach  Bestreichen  des  Bulbus  mit  dem  Elektromag- 
neten nicht  sonderlich  zu  (vergl.  Fall  17,  Gebauer).  Eine 
Umkehrung  des  ganzen  Splitters  ist,  wie  mich  Versuche  ge- 
lehrt haben,  selbst  im  verletzten  Glaskörper  unmöglich,  mag 
auch  die  magnetische  Kraft  sowohl  des  Magneten  wie  des 
Splitters  eine  grosse  sein.  Von  den  mächtigen  Magneten  wie 
^e  Haab  und  Schloesser  anwandten  abgesehen.    Uebrigens 

?.  Graefe's  Archl?  für  Ophthalmologie.  XL.  1.  20 


306  E.  Asmns. 

bezieht  sich  diö  grosse  Fernwirkang  dieser  Magnete  auf  Split- 
ter über  10  mg  Gewicht. 

Am  6.  Vir.  1893  17  Tage  nach  stattgehabter  Verletzung 
nnternahm  Herr  Professor  Magnus  in  meiner  Gegenwart  die 
Kxtraction  des  Splitters. 

Das  verletzte  linke  Auge  wurde  gut  cocalnisirt  und  bei 
nach  oben  innen  gerichtetem  Blick  die  Conjunctiva  bulbi  von 
der  Sehne  des  M.  rect.  ext  an  nach  unten  aussen  in  1  cm 
Länge  durchtrennt.  Sodann  erfolgte  die  Eröffnung  des  Bulbus 
durch  einen  5  mm  langen  Schnitt.  Während  jetzt  die  Ränder 
der  Skleralwunde  mittelst  zweier  Häkchen  auseinander  gezogen 
wurden,  senkte  der  Operateur  die  Kuppe  des  gebogenen  An- 
satzstücks des  Electromagneten  ein,  unter  leichter  Sondirung 
nach  hinten.  Bei  dem  Herausziehen  sitzt  plötzlich  ein  kleines 
Splitterchen  an  einem  der  Häkchen.  Die  Coigunctivalwunde 
wurde  mit  2  Nähten  geschlossen.  — 

Das  Gewicht  des  Splitters  beträgt  3  mgr,  seine  Länge 
2  mm,  breites  Ende  fast  1  mm,  spitzes  Ende  fast  0,5  mm, 
Dicke  fast  0,5  mm.  Der  Splitter  ist  sehr  stark  magnetisch 
und  stösst  mit  seinen  Polen  die  gleichnamigen  Pole  der  Mag- 
netnadel ab.  In  derselben  Weise  erfolgte  die  Extraction  eines 
genau  localisirten  Splitters  bei  Pat.  Jerschke  (Fall  24)  am 
6.  L  94,  sowie  bei  Pat.  Reinsch  (Fall  26)  am  27.  L  94; 
Gew.  =  35  mg.  Beide  durch  Prof.  Magnus.  Eine  Extrac- 
tion  (Fall  20)  misslang,  trotz  Localisation,  wohl  wegen  Fixa- 
tion des  Splitters  durch  Exsudatmassen. 

17)  Fall  Gebauer. 

Verletzung  der  Stirn  und  gleichzeitig  des  r.  A.  am 
3.  Mai  93  beim  Hämmern  auf  Stahl.  Am  6.  VIL  kommt 
Pat.  wegen  Attestes  zur  Untersuchung. 

Auf  der  Stirn  2,5  cm  über  dem  Nasenansatz  kleine  Narbe, 

unter  derselben  ein  hartes  verschiebliches  Körperchen  zu  fühlen. 

R.  A.  reizlos.     In  der  sonst  klaren  Cornea  aussen  unten  vom 

Centrum   lineare    1,5   mm   lange   Narbe.      Auf  der   viirderen 

Linsenfläche  etwas  nach  aussen  und  unten  kleine  circumscripte 

Trübung,  eine  ähnliche  an  der  entsprechenden  hinteren  Fläche. 

Im  Glaskörper  unten  flottiren  mehrere  silberglänzende  Köi^r. 

Hintergrund  und  Papilla  optica  klar  zu  sehen,  kein  Splitter  zu 

.    .         <,  20 

entdecken.    S  =  ,^        — 
60  —  40 


Das  Sideroskop.  307 

Die  Untersuchung  mit  dem  Sideroskop. 


Magnetlsirung  des  Splitters 


a)  Bei    dichter   Annäherung   der  Stirn - 
narbe  Skalenablenkung     .     .  .10  mm 

b)  Bei  Annähenmg  des  gesunden  Auges 
Skalenablenkung ==»0 

c)  R.  A. 

1)  Bei  Annäherung  mit  geschlossenen 
Lidern  Skalenablenkung  .... 

2)  Bei  Annäherung  mit  unterer  äusserer 
Bulbusparthie  Skalenablenkung 

3)  Bei  Annäherung  mit  oberer  Bulbus- 
parthie Skalenableiikung  .... 

4)  Bei  Annäherung  mit  innerem  hori- 
zontalen Meridian  Skalenablenkung 

5)  Bei  Annäherung  mit  verticalem 
unteren  Meridian  Skalenablenkung 

6)  Bei  Annäherung  mit  unterem  inne- 
ren Octanten  ca.  10 — 15  mm  vom 
Limbus   corneae   Skalenablenkung 


2  mm 


1  mm  10  mm 

12—25   „  52 


nach 


70   „        >70   „ 

(Auch  makrosko- 
I  pisch  deatl.  Ab- 

lenkimg) 

Beim  Umkreisen  des  Nadelpols  mit  der  genannten  Region 
des  inneren  unteren  Octanten  stellte  sich  jedesmal  bei  An- 
näherung einer  bestimmten  Stelle  ein  Ausschlag  der  Skala  von 
ca.  70  mm  ein  und  zwar  stets  im  Sinne  einer  Anziehung. 
Dasselbe  Verhalten  zeigt  der  Splitter  beim  Herangehen  an  den 
anderen  Nadelpol. 

Vergleichen  wir  die  Resultate  vor  und  nach  der  Appli- 
cation des  Elektromagneten,  so  finden  wir  keinen  grossen 
Unterschied.  Der  Splitter  ist  von  Natur  nicht  stark  magne- 
tisch gewesen  und  wurde  es  auch  nicht  nach  der  Influenzirung, 
obwohl  wir  ihm,  durch  die  Voruntersuchung  richtig  geleitet, 
mit  dem  Magneten  sehr  nahe  gekommen  waren.  Dadurch 
können  wir  verstehen,  warum  trotz  Umkreisung  des  Nadelpols 
mit  dem  Splitter  und  trotz  Untersuchung  mit  beiden  Nadel- 
polen keine  Abstossung  der  Nadel  erzielt  wurde. 

Die  aus  der  Untersuchung  zu  ziehenden  Schlüsse  waren 
folgende: 

1)  es  sitzt  ein  sehr  kleiner  Splitter  im  Bulbus,  vielleicht 
nur  1 — 2  mgr  schwer.  Für  seine  geringe  Grösse  spricht  ja  auch 
die  seihr  klesne  Comeawnnde  und  die  minimale  LiBsentrttbang. 

20* 


308  £•  Asmus. 

2}  Der  Splitter  liegt  der  ßolbnswand  an  im  nnteren 
inneren  Octanten  10—15  mm  yom  Limbas  corneae  entfernt. 
Eine  Extraction  oder  Enncleation  ist  nicht  erfolgt,  daher  wir 
den  Beweis  schuldig  bleiben  müssen. 

Werfen  wir  jetzt  einen  kurzen  Blick  auf  die  eben  mit- 
getheilten  17  klinischen  Beobachtungen. 

In  allen  Fällen  ist  der  Nachweis  der  Fremdkörper  ge- 
lungen, obgleich  sich  unter  denselben  Splitter  von  noch 
nicht  1  mgr  Gewicht  befanden.  Was  die  Localisation  be- 
trifft, so  misslang  dieselbe  in  2  Fällen  (Matzelt  V,  Lo- 
gisch X);  in  einem  Falle  (Krause  11)  war  dieselbe  wahr- 
scheinlich möglich  gewesen,  wenn  ich  mich  nicht  mit  dem 
positiven  Nachweis  des  Fremdkörpers  begnügt  hätte.  Bei 
Matzelt  und  Logisch  lagen  selir  kleine  Splitter  vor; 
astatische  Nadeln,  wie  sie  unten  beschrieben  werden,  hätten 
vielleicht  besser  zum  Ziele  geführt. 

In  14  Fällen  gelang  die  Localisation,  wenn  auch  die 
Genauigkeit  in  gewissen  Grenzen  schwankte,  je  nachdem 
der  Splittter  der  Bulbuswand  anlag.  Je  weiter  nach  vom 
das  letztere  der  Fall  ist,  desto  sicherer  ist  natürlich  der 
Sitz  zu  bestimmen. 

Besonders  lehrreich  sind  die  Fälle  Sucker  (XII)  und 
Primke  (XIII),  sowie  Seidel  (XVI).  Im  ersteren  wurde 
die  Nadel  nur  dann  abgelenkt,  wenn  die  innere  Bulbus- 
hälfto  derselben  nahe  kam;  demnach  musste  ein  kleiner 
Splitter  angenommen  werden.  Die  innere  Bulbushälfle  aber 
lenkte  dann  am  stärksten  ab,  wenn  der  horizontale  Meri- 
dian herangeführt  wurde:  es  musste  also  der  Splitter  in 
di(»sem  Meridian  sitzen.  Die  Section  bestätigte  die  An- 
nahme, wie  w4r  sahen.  Der  Splitter  wog  nicht  ganz 
1  mgr. 

Beim  Patienten  Primke  half  die  stai-ke  Polwirkung 
dos  magnetischen  Splitters  bei  der  Lagebestimmung,  wenn 
sie  uns  auch  über  die  Grösse  täuschte.  Dass  beim  Heran- 
fuhren des   Bulbusbodens  die  Nadel  manchmal  nach    mo- 


Das  Sideroskop.  309 

mentaner  Anziehung  plötzlich  abgestossen  wurde,  forderte 
die  Annahme,  dass  hier  in  der  Medianlinie  der  Mittelpunkt 
eines  querliegenden  magnetischen  Splitters  sich  befinde. 
Die  Richtigkeit  dieses  Schlusses  wurde  durch  die  Section 
bestätigt. 

Der  Fall  Seidel  gestattete  wie  der  des  Patienten 
Sucker  eine  ungefähre  Grössenbestimmung  sowie  an- 
nähernde Ortsangabe,  obwohl  der  SpUtter  weit  hinten  seinen 
Sitz  hat.  Beim  ersteren  lieferte  die  glückhche  Extraction 
den  Beweis,  dass  die  Voraussetzungen  richtig  waren,  bei 
dem  zweiten  die  Section. 

Wie  bei  jeder  anderen  Untersuchungsmethode,  so  ge- 
hört auch  zu  dieser  gewisse  Uebung,  um  möglichst  erfolg- 
reiche Leistungen  zu  erzielen.  Es  ist  daher  kein  blosser 
Zufall,  dass  gerade  die  letzt  untersuchten  Fälle  die  besten 
Resultate  ergaben.  Natürlich  erleichterte  auch  der  bessere 
Spiegel  und  die  mit  ihm  eingeführte  Millimeterskala  die 
genauere  Beobachtung. 

Es  muss  jetzt  noch  ein  Wort  über  die  bei  derartigen 
Versuchen  zu  beobachtende  Vorsicht  geäussert  werden,  da- 
mit man  nicht  Irrthümer  begeht*).  Dass  nicht  bloss  die 
Untersuchung  der  Kleidung  auf  Eisen  und  Stahl  nöthig, 
sondern  auch  die  des  Körpers  auf  etwa  eingeheilte  eiserne 
Fremdkörper,  sahen  wir  in  lehrreicher  Weise  am  Falle 
Weniger  (VI).  Ob  die  Kleidung  unverdächtig,  erfahren 
wir  am  raschesten,  wenn  der  Patient  und  der  denselben 
dirigirende  Assistent  sich  dem  Apparat  näliem,  während 
eine  3.  Person  die  Scala  mit  dem  Femrohr  beobachtet. 
Erfolgt  eine  Ablenkung,  so  muss  eine  Revision  der  Klei- 
dung erfolgen,  es  muss  wie  Edelmann  citirt  „das  mag- 
netische Feld  ausgejätet  werden".  Frauen  mit  Corset  dür- 
fen nicht  in  die  Nähe  des  Apparats,  wenn  untersucht 
werden   soll.      Irrthümer    durch   Anstossen    an    den 


*)  Vgl.  Kdelniann  1.  c. 


310  £•  Asm  US. 

Apparat  sind  bei  der  Spiegelablesungsmethode 
vollständig  ausgeschlossen.  Die  leiseste  Berührung 
des  Instruments  nämlich  erzeugt  lebhafte  vertikale  Oscilla- 
tionen  der  Nadel  und  jeder  ganz  ungeübte  Beobachter  er- 
kennt dieselben  als  zufällige  Erschütterungen.  Nie  erfolgt 
dabei  eine  ruhige  Ablenkung. 

Wenn  wir  mit  astatischen  Nadeln  arbeiten,  so  sind 
Störungen  durch  Femwirkung  eiserner  Gegenstände  nicht 
selten.  So  bemerkte  ich  beim  Beobachten  eines  solchen 
Nadelpaares  ein  plötzliches  Verschwinden  der  Skala  aus 
dem  Gesichtsfeld  des  Fernrohrs.  Bei  Betrachtung  des 
Apparats  stellte  es  sich  heraus,  dass  die  Nadeln  nicht  mehr 
central  in  den  6  mm  weiten  Glaskuppen  schwebten,  son- 
dern mit  den  Polen  der  Wand  der  Glasröhren  anlagen. 
Ein  im  Nebenzimmer  auf  den  der  Mauer  nahen  Tisch  ge- 
steUter  Wasserkrug  von  emaillirtem  Eisenblech  hatte  diese 
Ablenkung  bewirkt.  Dasselbe  geschah,  als  im  Nebenzimmer 
eine  eiserne  Bettstelle  verschoben  wurde,  oder  wenn  ein 
Corset  der  Mauer  nahe  kam.  Die  beide  Zimmer  trennende 
Wand  hatte  eine  Stärke  von  80  cm. 


Versuche  mit  gewogenen  EisenspUttern  und  Magnet- 
nadeln von  verschiedener  Grösse  und  KrafL 

Gleichzeitig  mit  den  an  Patienten  angestellten  Be- 
obachtungen habe  ich  solche  mit  genau  gewogenen,  theils 
unmagnetischen,  theils  infiuenzmagnetischen  EisenspUttern 
vorgenommen  und  festzustellen  versucht,  welche  Magnet- 
nadeln die  günstigsten  Resultate  fiir  unsere  augenärztlichen 
Zwecke  abgeben. 

Es  galt,  kleinere  und  grössere  Eisenstückchen  der  Mag- 
netnadel zu  nähern  und  unter  Femrohrspiegelablesung  die 
Wirkung  auf  die  Nadel  zu  controlliren. 

Dabei  musste  ich  aber  von  Assistenz  unabhängig  sein. 
Denn   einmal  konnten    genaue  Versuche  der  Art  nur  bei 


Das  Sideroskop.  311 

Nacht  angestellt  werden,  wo  Haus  und  Strasse  ruhig  sind, 
dann  aber  musste  die  Annäherung  der  Splitter  in  genau 
messbaren  Entfernungen  geschehen  und  ohne  Erschütte- 
rungen des  Apparates. 

Um  dies  zu  eireichen,  wurde  in  einem  sonst  nicht  be- 
nutzten Baume  von  dem  Fernrohrplatze  aus  bis  zu  der 
Wandstelle  hin,  wo  der  Apparat  befestigt  war,  ein  über 
Messingrollen  laufender  feiner,  geglühter  Messingdraht  ge- 
zogen. Derselbe  trug  an  jedem  Ende  ein  gleichschweres 
Messinggewicht.  Ausserdem  da,  wo  derselbe  neben  dem 
Femrohr  herlief,  einen  über  einer  Millimeterskala  schweben- 
den Zeiger. 

Ein  gleicher  Zeiger  von  Aluminiumblech  mit  einer 
Vorrichtung  zum  Befestigen  der  auf  Carton  geklebten  Eisen- 
sphtter  war  da  an  dem  Drahte  suspendirt,  wo  derselbe  über 
den  einen  Nadelpol  (Nordpol)  lünlief.  Auch  hier  war  eine 
Millimeterskala  angebracht,  deren  0-Punkt  vor  Beginn  der 
Versuche  unter  den  Nordpol  der  Magnetnadel  geschoben 
wurde.  Stand  der  Eisensplitter  z.  B.  10  mm  von  der 
Nadel,  so  zeigten  beide  Zeiger  auf  der  Millimeterskala  auf 
10  mm.  Durch  Versuche  ist  vorher  festgestellt  worden, 
dass  sich  mit  dieser  Vorrichtung  die  Eisensplitter  genau 
Milhmeter  um  Millimeter  der  Nadel  nähern  Hessen,  und 
dass  die  Controle  über  den  jeweiligen  Stand  des  SpHttei-s 
vom  Femrohrstandorte  aus,  durch  den  daselbst  angebrachten 
Zeiger,  absolut  genau  war.  Der  Abstand  des  Ferarohi-s 
und  der  Skala  vom  Spiegel  betmg  3,5  m.  Die  SpUtter 
wurden  nur  soweit  genähert,  dass  die  Skalenverschiebung 
2  mm  betmg,  ^  Werth  =  0^0'  58,5" ')  nach  der  freund- 

M  Die  Vorstellung  von  der  Kleinheit  dieses  Ausschlages  winl 
durch  folgende  Betrachtung  erleichtert:  der  Minutenzeiger  der  Uhr 
macht  in  einer  Zeitininute  einen  Weg  von  6  Bogengraden.  Theilt 
man  diesen  Weg  in  6  Theile,  so  ist  1  Theil  =»  1  Bogengrad.  Diesen 
Weg  legt  also  der  Minutenzeiger  in  10  Zeit-Secunden  zurück.  Theilen 
wir    diesen    6.    Theil    der   Zeitminute   in   60   Theile,    so    ist  jeder 


312  E.  x^TB. 

liehe«  Berechnnng  darch  Heim  CoU^pn  Grönonw  (For- 
mel tang  2a  =  Aassclilag  dnnrh  Entfemimg).  Bei  dieser 
geringen  AMenkimg  kam  die  Xadel  rasch  zur  Rahe  und 
es  konnte  nach  2 — 3  ^linnten  die  nächste  Beachtung  er- 
folgen. 

Eine  Skalenverschiebnng  Ton  2  mm  ist  für  practische 
Zwecke  vollständig  ausreichend,  falls  zu  einer  Zeit  unter- 
sucht irird,  wo  das  Gebäude  keine  Erschütterungen  enährt 

Es  muss  nun  ausdrücklich  der  Auffassung  vorgebeugt 
werden,  dass  ein  Ausschlag,  wie  wir  Arn  hier  beobachteten, 
die  äusserste  Grenze  für  den  Nachweis  eines  Fremdkör- 
pers bilde! 

Die  Verhältnisse  liegen  A-iel  günstiger,  denn  lange  be- 
vor überhaupt  eine  Ablenkung  der  Xadel  erfolgt,  sehen  wir 
den  Einfluss  des  Splitters  an  der  auffallenden  Stetigkeit, 
die  die  für  gewöhnlich  leicht  oscillirende  Xadel  resp.  Skala 
annimmt.  Diese  Stetigkeit,  diese  absolute  Unbeweglichkeit 
der  Na^lel  ist  der  Vorbote,  dass  allmählich  eine  Ablenkung 
eintreten  wird.  Entfernen  wir  jetzt  den  Splitter,  noch  ehe 
eine  deutliche  Ablenkung  eintrat,  so  erfolgt  sicher  ein  leb- 
liafler  Rückschlag  der  Skala. 

Beispiel:  Ein  5  mgr  schwerer  Eisensplitter  ergab  far  die 
Xadel  B  I  bei  22,6  mm  Abstand  einen  Skalenausschlag  von 
2  mm;  die  Beeinflnssung  durch  diesen  Splitter  war  aber  schon 
bei  38  mm  Abstand  zu  bemerken. 

Kommen  wir  jetzt  dem  Splitter  näher,  so  erfolgt  zunächst 
oino  Ablenkung  von  1  mm,  dann  verhältnissmässig  später  die 
um  2  mm. 


Tlioil  ^-  1  Bo^onminuto:  der  Minutenzeiger  legt  also  den  "Weg  einer 
IJ(>g(»nininute  in  */„  Zeitsecunde  zurück.  Es  betnigen  nun  die  bei  den 
('»rvontftbellpn  beohnrliteten  Ausschläge  noch  nicht  ganz  eine  solche 
noKenminuto  und  im  ]''alle  Knauer  hatten  wir  sogar  mit  einem 
noch  kleiumon  .  T  Werth  zu  rechnen  (0®  0'  45")- 

Man  denke  sich  nun  den  Minutenzeiger  der  Uhr  als 
Mngnotnndnl  und  versuche  mit  blossem  Auge  zu  beobach- 
t»Mi,  um  wie  viel  derselbe  in  '/<,  Secunde  vorrückt!  — 


Das  Sideroskop.  313 

Hat  man  ein  2  mal  vergrösserndes  Fernrohr,  so  macht 
die  Skala  einen  scheinbaren  Weg  von  4  mm  Länge,  es  findet 
also  eine  recht  deutliche  Verschiebung  statt. 

Entfernen  wir  jetzt  den  Splitter  durch  Zurückschieben 
des  Drahtes,  so  muss  die  Skala  sofort  auf  den  0  Punkt,  resp. 
über  denselben  zurückschwingen.  Nur  in  diesem  Falle  haben 
wir  einen  Beweis,  dass  die  Ablenkung  von  2  mm  thatsächlich 
durch  den  Splitter  erfolgte. 

In  den  bei  den  Versuchen  geführten  Tabellen  sind 
denn  auch  nur  solche  Beobachtungen  als  gültig  eingetragen 
worden,  wo  die  Nadel  prompt  nach  Entfernung  des  Split- 
ters zurückging. 

Dass  dies  nicht  stets  der  Fall  ist,  liegt  an  magneti- 
schen Störungen;  dieselben  machten  sich  gelegentlich  beim 
Beobachten  geltend. 

Beispiel:  Am  7.  V.  93  wanderte  Abends  in  der  Zeit  von 
lO"^^  bis  11^  die  Skala  um  10  mm  von  rechts  nach  links. 
Di  c  Verschiebungen  erfolgten  gelegentlich  ruckweise,  so  dass 
z.  B.  plötzlich  ein  Weg  von  2  mm  zurückgelegt  wurde. 

Durch  die  herangeführten  Eisensplitter  hatte  aber  die 
Verschiebung  ebenfalls  von  rechts  nach  links  zu  erfolgen.  Es 
wäre  also  eine  Täuschung  möglich  gewesen,  wenn  nicht  auf 
die  prompte  Rückschwingung  beim  Zurückziehen  des  Eisen- 
splitters geachtet  worden  wäre. 

Da  es  ermüdend  und  wenig  anschaulich  sein  würde, 
die  Zahlen  der  460  angestellten  Beobachtungen  mitzutheilen, 
so  sei  hier  nur  auf  die  beigegebenen  Curven  verwiesen, 
welche  die  Mittelwerthe  aus  den  Beobachtungen  graphisch 
darstellen.  Unten  auf  der  Abscisse  sind  die  Gewichte  der 
Eisensplitter  aufgetragen  (s.  Fig.  2). 

Es  wurde  experimentirt  mit  solchen  von  1  mgr  bis 
10  mgr  Gewicht,  weiter  hinauf  aber  bis  100  mgr  gleich  um 
10  mgr  gesprungen.  Die  meisten  Beobachtungen  beziehen  sich 
auf  die  von  1  mgr  bis  10  mgr,  weil  bei  den  grösseren  Eisen- 
körpern keine  Schwierigkeiten  im  Nachweise  vorliegen.  Bei 
den  astatischen  Nadeln  kamen  auch  ^j^  mgr  schwere  Splitter 
zur  Anwendung.  Die  Splitter  wurden  aus  weichem  Eisen  her- 
gestellt und   gut  durchglüht,  um  etwaigen  Magnetismus  mög- 


314 


E.  Agnius. 


ääS 

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gcfflühies  weiches  Eisen  ! 


Das  Sideroskop.  315 

liebst  auszotroiben.  Im  Lauf  der  Versuche  nahmen  dieselben 
aber  Ton  der  Nadel  her  Hagnetismus  auf,  so  dass  sie  dieselbe 
auf  viel  grössere  Distanzen  hin  ablenkten  als  gleich  nach  dem 
Glühen. 

Einige  geglfihte  Splitter  wurden  dem  Pol  eines  Hirsch- 
berg'schen  Elektromagneten  auf  15  mm  genähert  und  durch 
Influenz  magnetisch  gemacht.  Dieser  Abstand  ist  deshalb  ge- 
wählt worden,  weil  wir  uns  etwa  am  hinteren  Augenpol  sitzen- 
den Fremdkörpern  mit  dem  Magneten  bis  auf  diese  Ent- 
fernung nähern  können,  wenn  der  Patient  stark  nach  der  Seite 
blickt. 

Auf  die  zu  jedem  Splitter  gehörende  Ordinate  ist 
die  Entfernung  aufgetragen,  in  welcher  die  Nadel  der- 
artig durch  den  botreffenden  Splitter  abgelenkt  wird, 
dass  eine  Skalenverschiebung  von  2  mm  erfolgt. 

Für  die  astatische  Nadel  gilt  nicht  die  dauernde  Ablen- 
kung von  2  mm,  sondern  ein  mindestens  2  mm  betragender 
Ausschlag;  meist  betrug  derselbe  3  mm  bis  5  mm.  Wir 
kommen  unten  kurz  hierauf  zurück. 

Was  die  Magnetstäbchen  angeht,  so  kommen  zur  Ver- 
wendung folgende: 

a)  runde  Nadel  von  englischem  Silberstahl,  12  mm  lang, 

1  mm  stark,  0,91  gr  schwer.     (Si.) 

b)  runde  Nadel  von  deutschem  Bohrerstahl  (Fussstahl), 
12  mm  lang,  1  mm  stark,  1,115  gr  schwer.     (Bg.) 

c)  runde  Nadel  von  deutschem  Bohrerstahl  (Fussstahl), 
11  mm  lang,  2  mm  stark,  3,5  gr  schwer.     (B^.) 

d)  astatisches  Nadelpaar,  englischer  Silberstahl,  1  mm 
stark,  12  mm  lang.     (Si.  ast) 

(Diese  Nadeln  a — d  habe  ich  mir  selbst  hergestellt.) 

e)  runde  Nadel  von  C.  Bamberg,  Friedenau  bei  Berlin: 

2  mm  stark,  11  cm  lang.     (Bbg}.) 

f)  runde  Nadel  von  C.  Bamberg,  Friedenau  bei  Berlin: 
1  mm  stark,  11  cm  lang.     (Bbg,.) 

g)  astatiscbes  Paar,  combinirt  aus  2  Nadeln  von  Bam- 
berg: 1  mm  stark,  11  cm  lang.     (Bbg.  ast.) 

Ueberblickt  man  die  zu  den  Nadeln  gehörenden  Cur- 
ven,  so  ist  als  regelmässigste  die  Nr.  2  genanimte,  zu  aller- 
erst aufgenommene  Curve  hervorzuheben.  Dies  liegt  nicht 
daran,  dass  ihr  etwa  mehr  Sorgfalt  als  den  anderen  zuge- 


316  £•  Asmus. 

wandt  worden  wäre,  sondern  die  Splitter  waren  damals 
frisch  geglüht  und  noch  nicht  magnetisch  influenzirt  Wenn 
es  für  diese  Arbeit  von  Bedeutung  gewesen  wäre,  mit  voll- 
ständig unmagnetischen  Splittern  zu  experimentiren,  so 
hätten  die  Eisenstückchen  jedesmal  eine  Flamme  passiren 
müssen,  ehe  man  sie  der  Nadel  von  neuem  näherte.  Da 
wir  uns  aber  in  praxi  des  Vortheils  nicht  begeben  werden, 
die  im  Bulbus  sitzenden  Eisensplitter  zu  magnetisiren,  so  hatte 
die  angedeutete  Complikation  des  Versuches  keinen  Zweck. 

Auf  die  Form  der  Curven  von  Einfluss  sind  ausser- 
dem Wägungsfehler  und  die  ungleiche  Form  der  verschie- 
denen Splitter,  die  keine  mathematisch  genau  gleich 
geformten  Körper  darstellten.  Je  kürzer  z.  B.  ein  Eisen- 
splitter ist,  desto  näher  hegen  seine  Pole  zusammen;  es 
wird  daher  der  anziehende  Einfluss  des  der  Nadel  zuge- 
kehrten Pols  durch  den  andern  etwas  paralysirt  Darin 
ist  auch  der  Grund  zu  suchen,  dass  die  Curven  mit  zu- 
nehmendem SpUttergewicht  nicht  selir  stark  ansteigen.  Im 
übrigen  ist  zu  bemerken,  dass  sich  die  einzelnen  Curven, 
wenn  wir  von  denen  der  astatischen  Nadeln  absehen,  nicht 
wesentüch  von  einander  unterscheiden. 

Beachtenswerth  ist  der  Umstand,  dass  nicht  die  leich- 
teste, sondern  die  am  kräftigsten  magnetische  Nadel  die  besten 
Resultate  lieferte,  es  ist  dies  die  Nadel  Bj  von  3,5  g  Gewicht. 

Dass  die  Resultate  nach  Magnetisirung  der  Splitter 
günstiger  wurden  und  dass  selbst  geglühte  SpUtter  von 
weichem  Eisen  auf  1,5  cm  Abstand  vom  Magneten  klüftig 
influenzmagnetisch  wurden,  ist  schon  erwähnt  und  geht 
aus  den  punktirten  Curven  lienor,  die  mit  solchen  mag- 
netisirten  Eisenstückchen  aufgenommen  sind. 

Schliesslich  wären  noch  die  Versuchsreihen  mit  asta- 
tischen Nadeln  zu  erwähnen,  die  ganz  glänzende  Resultate 
ergeben  haben. 

Das  Gehäuse  habe  ich  mir  in  analoger  Weise  her- 
gestellt, -vvie  das  für  die  einfache  Nadel.     In  ein  der  Länge 


Das  Sideroskop.  317 

nach  durchbohrtes  Holz  von  quadratischem  Querschnitt 
und  12  cm  Höhe,  das  auf  nivellirbarem  Brette  befestigt 
steht,  ist  oben  ein  10  cm  hohes  Glasrohr  eingesiegelt. 
In  letzterem  hängt  der  Coconfaden,  der  einen  Strohhalm 
von  12  cm  Länge  trägt.  Derselbe  ist  oben  und  unten 
durchbohrt  zur  Aufiiahme  der  Nadeln ,  die  aus  12  cm 
langen,  1  mm  starken  englischen  Silberstahlstäbchen  her- 
gestellt wurden.     Der  Abstand  der  Nadeln  beti'ägt  11  cm. 

Eine  solche  Distanz  ist  vollkommen  genügend,  um  bei 
Anziehung  der  einen  Nadel  durch  einen  SpUtter  die  gleich- 
zeitige Abstossung  durch  die  andere  Nadel  zu  verhüten, 
wenigstens  bei  kleinen  Splittern,  Bei  den  grösseren  aber 
sind  die  Ausschläge  so  bedeutend,  dass  der  schwächende 
Einfluss  der  zweiten  Nadel  keine  Rolle  spielt. 

Ein  Nadelabstand  von  11  cm  gestattet  ausserdem  mit 
Bequemlichkeit  die  Annäherung  des  Auges  an  die  obere  Nadel. 

Je  näher  die  Magnete  der  Astasirung  kommen,  desto 
empfindlicher  werden  natürhch  die  Reactionen  sein;  ganz 
astatische  Nadeln  können  wir  selbstverständUch  nicht  brau- 
chen, weil  die  Spiegelablesung  die  Rückkelu-  des  Nadelpaais 
zur  Ausgangstellung  voraussetzt. 

Von  dem  Apparat  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die 
Nadelpole  beiderseits  aus  dem  Kästchen  vorragen  und 
durch  „Präparatengläser''  von  6  mm  Lichtung  gegen  Luft- 
zug geschützt  sind.  Vier  glatt  durchbohrte  Korkscheiben 
halten  diese  Gläschen. 

Der  Spiegel  ist  durch  einen  Korkring  auf  dem  Stroh- 
halm befestigt  und  kann  nach  jeder  Seite  gedreht  werden. 
Vier  Fenster  gestatten  den  Einblick. 

Von  den  Resultaten,  die  dieses  Nadelpaar  ergab,  seien 
hier  einige  mitgetheilt.  (Siehe  auch  die  Curven).  Wegen 
der  langsamen  Bewegungen  der  astatischen  Nadeln  wurden 
nicht  die  definitiven  Ablenkungen,  sondern  die  Ausschläge 
beobachtet  und  notirt.  Es  ist  bei  astatischen  Nadeln,  wie 
ich  sie  verwandte,  sehr  schwierig,  bloss  eine  Ablenkung  von 


318 


E.  AsmnH. 


2  mm  herbeiführen  und  beobachten  zu  wollen,  wie  dies 
oben  mit  den  einfachen  Nadeln  geschah.  Während  die 
letzteren  das  Herannahen  der  Sphtter  durch  Steti^eit  ver- 
rathen,  ist  der  viel  ruhigeren  astatischen  Nadel  dies  nicht 
anzusehen.  Die  Ablenkung  setzt  unerwartet  ein,  und  die 
Ausschhlge  sind  des  grösseren  Gewichts  der  schwingenden 
Massen  wegen  schwerfalhger. 

Die  Beobachtung  mit  solchen  Nadeln  ist  denigemäss 
zeitraubender,  weshalb  es  als  ein  V^ortheil  anzusehen  ist, 
dass  wir  für  gewöhnlich  mit  der  einfachen  Nadel  aus- 
kommen können. 

Versuche  mit  astatischem  Nadelpaar: 

a)  2  Nadeln  ans  englischem  Silberstahl,  1  mm  stark, 
12  cm  lang.  Abstand  vom  Spiegel  bis  zur  Millimeter-Skala: 
;3,15  m.     Femrohr:  Schmidt  &  Hänscb. 


Tabelle  I. 
1)  Versuche  mit  nicht  magnetisirten  Splittern. 


1  mgr 

geglühtes  Eisen  be^ 

irktS— 7 

2    „ 

j»            j» 

n 

3        M 

a 

4    „ 

3 

5    „ 

3 

«    „ 

2 

7    „ 

,      2—3 

ö    „ 

yy                *> 

,      2-3 

*>    ., 

3 

10    „ 

(K)    „ 

3 
4 

30 
33 
35 

33,5 
38 
39 

42,5 
40 
43 
55 


Tabelle  II. 

2)  Versuche  mit  geglühten  Eisensplittern,    die  auf  1,5  cm  Entfernung 

Influenz -magnetisch  gemacht  wurden. 
V^  rag  weich.,  infl.  magnet  Eisen  bewirkt      2mm  Skalenausschl.  in  38mm  Abst. 

1     »»  »»  ♦>  H  «« 

10  „       „  „  „  „ 

100  „      „ 

Für  1  mg  influenz-magiietischen  Stahl draht  ergab  sich  bei  50  mm  Abstand 
von  der  Nadel  ein  Skalenausschlag  von  2,5  mm. 


•i    ., 

>l 

»  30  „     „ 

8    ., 

M 

„50   „     „ 

n  „ 

»> 

»45  „     „ 

>5 

49   „     „ 

3-4   „ 

?» 

»  60   „      „ 

2-:j  „ 

y^ 

„77   „     „ 

2   „ 

ft 

„  85  „     „ 

Das  Sideroskop.  319 

S 

a 

OiOOO-^OiftäOOOöiiftOtNaOOÖiftOQOpOOOOOp 


i  I 

I  ^ 

t3  od 


S  ®  'S 

ßCS    ....•^•^•^..  ......  ........... 

<v  ®  a  60       .          .....  ..... 

»—4      «Oq                  "^                       .....  ..... 

3^      Sc«    ^               »^                     COißt^        Tt«-^  -«Ji        ©1        O        CO        P 


xi 


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S    CO      S 

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®fcC......^^  ^. 

•g        Ä ::   :^   ::    r   :^   r    :^    ::   r   ::   5   ::   ::   ::   ::   r   5   ::   -    -^ 

i      i ^  ...  =  ..  r  ......  =  ...  ^ 

vH  S^  co^iO      «ot^  ao'     o'     'ö"     ^     ^ 


^)  Bei  dem  L am on tischen  Magnetoskop  setzte  der  Skalenaus- 
scblag  ein: 

fQr  Splitter  Latzel  bei  20  mm  Abstand,      )     Spiegel  -  Skalenabstand 
fBr  SpUttipr  Rebsfeta  bei  40  mm  Abstand.  J  Im 


320  E.  Asmus, 

Tabelle  IV. 

Versuche  mit  astatischen  Nadeln: 
b)   Nadel  paar  zusammengesetzt  aus  2  Magnetstäbchen  von  Bamberg 
1  mm  stark  11  cm  lang.   (Entfernung  vom  Spiegel  zur  Skala  3,5  m.) 

Yersuchsanordnung  sonst  wie  oben. 

0,5  mg  geglühtauf  15  mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt ...  1  mm  Skalenausschl.  in 
0,5  mg  geglüht,  auf  15  mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .2   „  „  ,, 

1  mg  geglüht,  auf  15mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  1    ,,  „  ,, 

1  mg  geglüht,  auf  15  mm  intl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  2    „  „  „ 

1  mg  geglüht,  auf  15mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  5   „  „  „  30- 

5  mg  geglüht,  auf  15  mm  infi.- 

magnet  Eisen  bewirkt .  .  .  2    ,,  ,,  ,, 

5  mg  geglüht,  auf  15  mm  infi.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  5   „  „  „ 

10  mg  geglüht,  auf  15  mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  2   „  „  „ 

10  mg  geglüht,  auf  15  mm  infi.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  5   „  ,,  „ 

100  mg  geglüht,  auf  15  mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt . , .  .  2    „  „  „ 

100  mggeglüht.auf  15mm  infl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  3    ,,  „  ,, 

100  mg  geglüht,  auf  15  mm  intl.- 

magnet.  Eisen  bewirkt .  .  .  4   ,,  ,,  „ 

Angesichts  dieser  Resultate  konnte  über  die  definitive 
Form  des  Sideroskops  kein  Zweifel  sein.  Wir  brauchen 
einen  Apparat,  der  sich  nach  Bedürfniss  mit  gewöhnlicher 
Nadel  oder  mit  astatischer  verwenden  lässt.  Dabei  schien 
es  mir  einfacher,  den  Apparat  in  der  Weise  mit  astatischem 
Paar  auszurüsten,  dass  sich  die  eine  Xadel  ohne  Schwierig- 
keit entfernen  lässt,  als  die  Astasirung  durch  einen  verstell- 
baren Magnetstab  zu  erzielen. 

Zweifelsohne  werden  wir  in  den  meisten  Fällen  mit 
der  einzelnen  Nadel  auskommen,  denn  die  Erfahrung  hat 
gelehrt,  dass  Splitter  von  1  mg  sehr  selten  tiefer  in  das 
Augeninnere  vordringen.  Ich  habe  aus  32  in  der  Literatiu* 
envähnten  Fällen  unter  Hinzunahme  der  in  meinen  Hän- 
den befindlichen  12  Splitter  das  Durchschnittsgewicht  auf 


30  mm 

Abst. 

20   „ 

»» 

50  „ 

♦» 

45  „ 

>♦ 

-35  „ 

50  „ 

30   „ 

50  „ 

30  „ 

70  „ 

60  „ 

50   „ 

Das  Sideroskop.  321 

0,054  gr  bestimmt.  Fremdkörper  von  1  mgr  befinden  sich 
nur  2  mal  darunter  (2  eigene  Fälle),  von  diesen  hatte  der 
eine  18  Jahre  im  Bulbus  gelegen  und  durch  Oxydation 
an  Gewicht  verloren.  Aus  15  Fällen,  wo  das  Gewicht 
nicht  angegeben,  wohl  aber  die  Grösse,  Hess  sich  das 
erstere  auf  mindestens  1  mgr  taxiren. 

Hirschberg  (1.  c.)  theilt  bekanntlich  die  SpUtter  im 
Glaskörper  in  3  Kategorien:  1)  kleine  25 — 30 mgr,  2)  mittel- 
grosse 50 — 150  mgr,  3)  übergrosse  200  oder  500  mgr. 

Dass  vielen  SpUttem  gegenüber  die  astatischen  Nadeln 
zu  empfindlich  sind,  wenn  es  sich  um  Localisation  des 
Fremdkörpers  handelt,  dürfte  aus  der  Tabelle  HI  hervor- 
gehen. Dafür  lassen  sich  mit  astatischen  Nadeln  manche 
Splitter  auch  ohne  Femrohrbeobachtung  nachweisen,  weil 
die  makroskopischen  Ausschläge  viel  bedeutender  sind.  So 
wäre  denn  die  Frage,  ob  die  im  Bulbusinnem  vorkommen- 
den Eisen-  und  Stahlsplitter  durch  die  Magnetnadel  nach- 
gewiesen und  localisirt  werden  können,  dahin  zu  beant- 
worten: 

1)  dass  wahrscheinlich  mit  verschwindenden  Ausnahmen 
alle  derartigen  im  Auge  vorkommenden  SpUtter  durch  das 
Sideroskop  nachweisbar  sind,  sei  es  mit  der  einfachen 
Magnetnadel,  sei  es  mit  der  astatischen, 

2)  dass  die  Localisation  dieser  Splitter  möglich  ist, 
bei  Untersuchung  sämmtlicher  Meridiane  und  Vergleichung 
der  einzelnen  Skalenausschläge, 

3)  dass  astatische  Nadeln  im  Allgemeinen  zur  Locali- 
sation ungeeignet  sind,  wegen  der  zu  grossen  Ausschläge. 

Die  Ausführung  des  Instruments  nach  dem  angegebe- 
nen Modell  hat  unser  Mechaniker  Herr  Sitte  in  Breslau 
übernommen.    Preis  Mk.  86. 


Herrn  Geheimrath  Förster  bin  ich  bei  dieser  Arbeit 
zu  ganz  besonderem  Dank  verpflichtet  fiir  das  freundUche 

T.  Graefe'8  ArchlT  fOr  Ophthalmologie.  XL.    1.  21 


322  E.  Asmns. 

Interesse  mit  welchem  derselbe  meine  Versuche  verfolgt 
und  durch  Beschaffung  der  erforderlichen  Apparate  unter- 
stützt hat. 


Literatur. 

1;  Dickmann,  lieber  die  günstige  Wirkung  des  Elektromag- 
neten zur  Entfernung  von  EisenstQckchen  aus  dem 
Innern  des  Bulbus  u.  s.  w.  Inaug.  Diss.  Manchen  1884. 
Ref.  Centralblatt  für  Augenheilkunde,  Bd.  YIII,  1884. 
pg.  449. 

2)  Edelmann,  Elektrotechnik  fQr  Aerzte,  München  1890. 

3)  Franke],    Entfernung  eines  Eisensplitters  aus  dem  Glas- 

körper    mittelst  Skleralschnitt     und    Anwendung    des 

Elektromagneten.  Centralbl.  für  Augen-Heilkunde,  Bd.  VII, 
1883.     pg.  493. 

4)  Fröhlich,    Ueber  den   Pol  Wechsel    beim    Gebrauch    des 

Elektromagneten  and  über  die  Magnetnadel  als  dia- 
gnostisches Hülfsmittel.  Zehender,  Klin.  Monatsblätter  f. 
Augenheilkunde.     1882.     p.  105. 

5)  Grtining,    Ref.    Centralbl.    für   Augenheilkunde.      1881. 

Bd.  V.     pg  60. 

6)  Hirschberg,  Der  Elektromagnet  in  der  Augenheilkunde. 

7)  Laqueur,  Ueber  einen  Fall  von  Magnetextraction  u.  s.  w. 

Centralblatt  für  Augenheilkunde.  Bd.  XII.  1888.  pg.  289 

8)  Pagenstecher,    Zwei   Fälle   von   Extraction   von  Eisen- 

splittern aus  dem  Glaskörper,  nebst  Bemerkungen  über 
die  Diagnostik  und  Extraction  von  Stahl-  und  Eisen- 
stückchen vermittelst  des  Magneten.  Archiv  für  Augen- 
heilkunde, Knapp -Hirschberg.     1881.     Bd.  X,   pg.  234. 

9)  Pooley,    Ueber  Entdeckung  von  stählernen  und  eisernen 

Fremdkörpern  im  Auge  mit  einer  Magnetnadel.  Archiv 
für  Augenheilkunde.  1881.  Bd.  X.  pg.  315.  (Siehe 
auch  pg.  9.     Vorläufige  Mittheilung.) 


Das  Sideroskop.  323 

Erklärung  der  Curventafel  (Fig.  2,  pag.  314). 

1)  Die  Gewichte  der  Eisensplitter  stehen  auf  der  Abscisse. 

2)  Auf  den  Ordinaten  sind  durch  Punkte  die  Entfernungen  in  Milli- 
metern vermerkt,  in  denen  verschiedene  Magnetnadeln  durch  die 
Splitter  um  58"  abgelenkt  werden, 

(=»2  mm  Skalenausschlag,  bei  Spiegel  -  Skalenabstand  von  3,5  m.) 

Durch  Verbindung  der  einzelnen  Punkte  sind  die  Curven 

entstanden. 

3)  Es  bedeutet: 

Nadelmasse. 

I.  Die  Curve  für  eine  Nadel  von  engl. 
Silberstahl 1  mm  stark,  12  cm  lang  (Si.) 

IL  Die  Curve  für  eine  Nadel  von  deut- 
schem Bohrerstalil 1    „      „      12  „     „    (B,) 

III.  Die  Curve  für  eine  Nadel  von  deut- 
schem Bohrerstahl 2   „      „      11   „     „    (Bj) 

IV.  Die  Curve  für  eine  Nadel  von 
Bamberg,  Friedenau- Berlin  und 

magnet.  Splitter 1    „      „      11  „      „    (Bg.  2) 

V.  Die  Curve  für  eine  Nadel  von  Bam- 
berg und  magnet.  Splitter    ....  2   „      „      11  )>     t,    (Bg.  1) 
VI.  Die  Curve  für  die  Nadel  B^  und 

magnet.  Splitter 

VII.  Die  Curve  für  astatisches  Nadelpaar 

V.  engl.  Silberstahl 1    „      „      12  „     „    (Si.  ast.) 

VIII.  Die  Curve  für  astatisches  Nadelpaar 
aus  2  Bamberg  -  Nadeln  combinirt 

(magnet.  Splitter) 1   „      „      11  „     „    (Bg.ast.) 

IX.  Die  Curve  für  das  astatische  Nadel - 
paar  Si.  ast.  und  magnet.  Splitter 

NB.  Die  punktirten  Cun'en  sind  mit  Splittern  von  geglühtem 
Eisen  aufgenommen,  die  auf  15  mm  Entfernung  Influenz -magnetisch 
gemacht  waren. 

Bei  den  Curven  FV,  V,  VI,  VIII  und  IX  ist  nur  mit  Splittern 
von  1,  5,  10  und  100  mg  Gewicht  experimentirt  worden. 

Der  Einfachheit  halber  sind  weggelassen  die  Curvenabtheilungen 
von  10  mg  bis  100  mg,  welche  für  alle  Nadeln  fast  geradlinig  ver- 
liefen. 

Der  eingezeichnete  Kreis  von  25  mm  Durchmesser  soll  als  Bulbus- 
Bchema  dienen. 

21* 


324  ^*  Asmus. 

Man  sieht»  dass  die  astatische  Nadel  (Si.)  auf  einen  nicht  mag- 
netisirten  Splitter,  der  sich  am  hinteren  Bulbospol  befindet,  auch  ohne 
Drehung  des  Auges  (behufs  grösserer  Annäherung)  mit  einem  deut- 
lichen Ausschlag- reagirt. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  U. 

Figur  1  stellt  das  Sideroskop  in  ^/,  natürlicher  Grösse  dar,  wie 
es  vom  Herrn  Optiker  Sitte  für  die  hiesige  kgl.  Augenklinik  gebaut 
worden  ist 

Von  der  Console  ist  in  Figur  1  nur  der  obere  Theil  ausgeführt. 

Der  Apparat  steht  auf  einem  durch  3  Schrauben  nivellirbaren, 
dreiseitig  ausgeschweiften  Brette  a.  Letzteres  wird  durch  eine  mit 
Spiralfeder  versehene  Messingschraube  b  gegen  die  runde  Consolen- 
platte  c  angedrückt. 

Das  Holzkästchen  d  ist  vom  und  hinten  durch  eingeschobene 
Spiegelglasplatten  geschlossen.  Dasselbe  trägt  oben  das  Glasrohr  e  mit 
der  Schraubenvorrichtung  f  zum  Heben  und  Senken  des  Coconfadens. 

Oben  und  unten  befinden  sich  je  2  Oefihungen  in  der  Seiten- 
wand des  Kästchens  d:  wird  mit  einer  Magnetnadel  untersucht,  wie 
das  gewöhnlich  der  Fall  ist,  so  sind  die  oberen  Oefihungen  g  und  p,, 
durch  enge  Glasröhren,  die  unteren  Oefihungen  durch  eingedrehte 
Messingstöpsel  h  und  h^  geschlossen. 

Am  Coconfaden  schwebt  ein  kiu*zes  Aluminiumrohr  t,  durch 
welches  die  2  mm  starke  Magnetnadel  A;  hindurchgeschoben  ist.  An 
diesem  Rohr  ist  auch  der  Spiegel  l  befestigt. 

Soll  mit  den  1  mm  starken  astatischen  Nadeln  untersucht  werden, 
so  verlängert  man  das  kurze  Rohr  i  durch  Ansetzen  des  längeren 
Aluminiumrohres  (Fig.  2.)  und  schiebt  durch  die  Oefihungen  m  die 
zweite  Magnetnadel  ein.  In  dem  kurzen  Rohrabschnitt  t  ist  eine 
1  mm  weite  Oeffnung  für  die  obere  astatische  Nadel  vorhanden.  Der 
letzteren  wird  das  Auge  genähert 

Zum  Verschluss  der  Seitenöffnungen  dienen  bei  Benutzung  der 
astatischen  Nadeln  4  weite  Glasröhren,  von  denen  eine  in  Fig.  3  ab- 
gebildet ist 

Fig.  4  zeigt  die  aus  polirtem  Holz  verfertigte  Console  in  Vh  ^*" 
türlicher  (irösso. 

Dem  Instrument  ist  ein  Kasten  beigegeben,  in  welchem  dasselbe 
fest  lagert.  Zur  Aufnahme  der  einzelnen  Theile  enthält  der  letztere 
ein  besonderes  Etui. 


Das  Sideroskop.  325 

Nachtrag. 

Seit  Abschluss  der  Arbeit  kamen  zur  Untersuchung  10  weitere 
Fälle.  In  8  wurde  der  nicht  sichtbare  Splitter  nachgewiesen  (6  mal 
mit  dem  von  Sitte  gebauten  Modell,  2 mal  mit  dem  ursprünglichen 
Apparat  [pag.  287]). 

In  2  Fällen  Hess  sich  der  Splitter  ausschliessen :  grosse  Wunde, 
kein  Ausschlag. 

Im  Ganzen  sind  von  Januar  1893  bis  Januar  1894  25  Splitter 
im  Bulbus  diagnosticirt  worden. 

Extraction  versucht  in  5  Fällen,  gelang  in  4  (Electromagnet 
Hirschberg),  misslang  in  1  Fall  (Electromagnet  Jani,  Cfr.  pag.  306, 
Anmerkung). 

Ausserdem  wurden  nachgewiesen  und  localisirt  ein  Stück  Strick- 
nadel im  Unterschenkel  und  ein  Stück  Nähnadel  in  der  Ferse. 


Ueber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter. 

Von 

Prof.  Hermann  Colin 
in  Breslau. 

Mit  1  Textfigur. 


In  diesem  Ai-chiv  (Bd.  XXXIX,  Abth.  2,  S.  71)  haben 
Dr.  Boerma  und  Dr.  Walther  in  Leipzig  vor  Kurzem 
Untersuchungen  über  die  Sehschärfe  im  Alter  mitgetheilt 
Sie  hatten  ein  anderes  Resultat  gefunden,  als  Vroesoni 
de  Haan  und  Donders  vor  30  Jahren. 

Schon  im  Jahre  1874  habe  ich  auf  der  Naturfoi'scher- 
Versammlung  zu  Breslau  eigne  Untersuchungen  über  die 
genannte  Frage  veröfFentUcht,  welche  das  sogenannte  de 
Haan 'sehe  Gesetz  umstiessen.  Man  findet  meine  Resul- 
tate kurz  mitgetheilt  unter  dem  Titel  „Die  Augen  der 
Greise"  im  Tageblatt  der  Natm-forscher- Versammlung  zu 
Breslau  vom  19.  Sept  1874,  S.  105,  femer  unter  dem 
Titel  „Untersuchungen  der  S  in  der  Jugend  und  im  Alter** 
als  Bericht  eines  in  der  allgemeinen  Versammlung  der 
schlesischen  Gesellschaft  am  5.  Februar  1875  gehaltenen 
Vortrages  in  der  schlesischen  Zeitung  vom  21.  u.  23.  Febr. 
1877,  endUch  im  Auszuge  in  meinem  Lehrbuche  der  Hygi- 
ene des  Auges,  Wien,  1892,  S.  33.  —  Auch  in  Nagel' s 
Jahrbuch  für  1874,  S.  210  und  222  und  in  Zehender's 
Monatsbl.  £  Augenheilk.  1875,  S.  79  findet  man  Referate.  — 

Da   diese   Untersuchungen  gänzUch    in  Vergessenheit 


üeber  die  Abnalime  der  Sehsdiärfe  im  Alter.  327 

gerathen  zu  sein  scheinen  —  weder  Boerma  und  Wal- 
ther noch  die  neueren  Lehrbücher  erwähnen  sie  —  so 
erlaube  ich  mir,  hier  auf  dieselben  zurückzukommen,  sie 
noch  ausführlicher  mitzutheilen,  zumal  sie  auch  die  Refrac- 
tion  und  die  Augenleiden  der  Greise  umfassen,  und  meine 
Befunde  mit  denen  der  genannten  Leipziger  Autoren  zu 
vergleichen.  — 

Schon  vor  20  Jahren  habe  ich  auf  die  ungenügende 
Zahl  und  Auswahl  der  Personen  hingewiesen,  welche  de 
Haan  zur  Aufetellung  seines  Gesetzes  benützte.  Er  prüfte 
im  Ganzen  231  Personen  von  7—82  Jahren,  welche  gerade 
als  Begleiter  von  Kranken  in  die  AugenkUnik  von  Don- 
ders  kamen,  und  zwar  mit  den  leichter  erkennbai'en  Buch- 
staben von  Snellen  No.  XX.  Sah  er  eine  Augenkrank- 
heit, so  wurde  der  Fall  ausgeschlossen.  „AU^  Augen 
wurden  sorgsam  mit  blossem  Auge,  viele  auch  mit  dem 
Spiegel  untersucht" 

So  wurde    eine  Curve  construirt,    nach    der  die   Seh- 

22 
schärfe  bis  zum  30.  Jahre  fast  unverändert  ^^  -  beträgt,  im 

50.  Jahre  auf  -^,  im  60.  auf  ^^^,  im   70.  auf -^",    im 

80.  aber  auf  die  Hälfte  herabsinkt.  Die  Ursachen  dieser 
wenig  tröstüchen  Erscheinung  suchte  Donders  zum  Theil 
„in  geringerer  Durchsichtigkeit  der  Linse  und  des  Glas- 
körpers, zum  Theil  in  noch  unbekannten  Veränderungen  in 
der  Netzhaut,  dem  Sehnerven  und  Gehirn."  Dies  Gesetz 
war  nur  auf  281  Beobachtungen  an  Holländern  basirt, 
wurde  aber  Dogma  für  die  ganze  Welt;  wir  hatten  Alle 
dieselbe  traurige  Perspective. 

Der  Satz  blieb  unangetastet  bis  1871,  wo  ich  bereits 
die  Mittel werthe  der  S  für  die  Jugend  nach  Untersuchun- 
gen der  Augen  der  Schulkinder  in  Schreiberhau  ganz  anders 
fand  als  de  Haan.  Man  vergleiclie  meinen  Aufsatz  in 
diesem  Archiv,  Bd.  XVII,  Abth.  2,  S.  305. 


328  H.  Cohn. 

Viel  wichtiger  aber  schien  mir  eine  Revision  des  de 
Haan 'sehen  Gesetzes  fiir  das  Alter.  Denn  de  Haan 
hatte  nur  41  Personen  über  60  Jahre  untersucht,  und 
unter  diesen  waren  13  Augenkranke,  so  dass  also  die  Be- 
fiinde  an  nur  28(!)  Menschen  die  Grundlage  des  Gesetzes 
über  die  rapide  Abnahme  der  S  nach  dem  60.  Jahre  bil- 
deten. Ferner  hatte  er  nicht  alle  Personen  mit  dem 
Augenspiegel  untersucht;  wir  wissen  also  gar  nicht,  ob 
nicht  bestimmte  Netzhaut-  oder  Aderhaut-Erkrankungen  ie 
Sehschwächen  erklärt  haben  würden.  Daher  schien  mir 
schon  vor  20  Jahren  eine  Revision  der  S  alter  Leute  nöthig. 
Die  Schwierigkeit  lag  aber  damals  wie  heute  in  der  Her- 
beischaffung des  Materials.  Denn  selbst  wenn  man 
alle  Personen,  die  über  60  Jahre  sind,  durch  die  Zeitungen 
zu  einer  Augen-Untersuchung  einladen  düi-fle,  würden  ja 
doch  viele  ausbleiben  aus  Lethargie,  aus  Mangel  an  Zeit, 
an  Verständniss  etc. 

Eine  Reihe  glücklicher  Umstände  vereinigte  sich  jedoch 
1874,  um  mir  die  lang  gewünschte  Gelegenheit  zu  geben,  die 
Frage  wenigstens  für  einen  Ort  und  zwar  für  Schreiber- 
hau im  Riesengebirge  zu  lösen.  Dort  hatte  mir  der  Schul- 
rector  Herr  Winkler  und.  der  Amtsvorsteher  Herr  Pohl  den 
Weg  geebnet  Man  war  von  Haus  zu  Haus  gegangen,  hatte 
die  alten  Leute  aufgesucht,  über  mein  Vorhaben  belehrt,  die 
Alterstabelle  entworfen  und  alle  Personen  über  60  Jahre  für 
bestimmte  Tage  in  bestimmte  Gasthäuser  des  Ortes  zu  mir 
bestellt. 

Mit  Dr.  Nobis  und  2  Studenten  begann  ich  am  1.  Aug. 
1874  die  Arbeit  und  es  gelang  mir,  als  die  Menge  der  sich 
vorstellenden  alten  Leute  nach  einigen  Tagen  spärlicher  wurde, 
die  Zahl  100  dadurch  zu  erreichen,  dass  ich  das  Erscheinen 
der  alten  Männer  durch  Bier  oder  Geld  und  das  der  alten 
Frauen  durch  Kaffee  belohnte. 

Schreiberhau  war  aber  auch  besonders  für  derartige 
Untersuchungen  geeignet,  weil  der  Kreis  Hirschberg  in 
Schlesien,  in  welchem  Schreiberhau  liegt,  9,1  ®/^  Personen 
über  60  Jahre  enthält,  während  sonst  in  Preussen  nur  6,8  % 
über    60    Jahre    alt    sind.     In    Preussen    vertheilen    sich    die 


üeber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter.  329 

Letzteren  so,  dass  69  ^/q  zwischen  60  and  70  Jahre,  27  ^/o 
zwischen  70  nnd  80  Jahre  und  4^/^  nur  über  80  Jahre  alt 
sind.  Hingegen  ist  das  Yerhältniss  in  Schreiberhau  :  58  ^/q, 
33^^/0  und  9^/0.  Von  den  3681  Einwohnern  des  Gebirgsdorfes 
waren  damals  übrigens  328  Analphabeten  =  9  ^/q,  die  ihr 
Auge  also  gewiss  nicht  angestrengt  hatten. 

Ich  prOfte  von  den  142  Uebersechzigjährigen  100  Per- 
sonen, also  70  7o»  ^T^^  zwar  70  ®/o  derer  von  60 — 69,  77^/^ 
derer  von  70 — 79  und  50  ®/o  derer  von  80—84  Jahren. 
(104  Personen  waren  erschienen,  doch  konnten  die  Angaben 
von  4  Leuten  wegen  Taubheit  und  Schwachsinnigkeit  nicht 
verwerthet  werden). 

Von  60  Männern  wurden  43,  von  82  Weibern  wurden 
57  untersucht.  58  Personen  waren  zwischen  60  und  69,  36 
Personen  zwischen  70  und  79  und  6  Personen  zwischen  80 
und  84  Jahr  alt. 

Die  Prüfung  wurde  damals  unter  freiem  Himmel  mit 
der  \T]  Tafel  von  Snellen  Nr.  XX  vorgenommen  und  durch 
Drehung  der  Zeile  die  Probe  variirt;  die  Tages-Beleuchtung 
war  stets  eine  sehr  gute. 

Nach  der  S-Probe  wurde  der  Bau,  der  Farbensinn  und 
die  Accommodationsbreite,  und  in  jedem  der  200  Augen,  Linse, 
Glaskörper,  Netzhaut  und  Nerv  mit  dem  Spiegel  geprüft.  Erst 
wenn  drei  Antworten  über  die  Kichtung  der  Oeffnung  der 
Haken  übereinstimmten,  wurde  der  Befund  der  S  notirt.  — 

Die  100  Personen  hatten  folgende  Kefraction:  19 E, 
49  H,  9M,  5  auf  einem  Auge  H,  auf  dem  anderen  unbe- 
stimmbar, 7  ein  Auge  H,  das  andere  E,  3  ein  Auge  M,  das 
andere  E,  4  ein  Auge  M,  das  andere  H,  1  ein  Auge  E,  das 
andere  unbestimmbar,  3  überhaupt  unbestimmbar. 

In  12  Augen  konnte  die  Refraction  also  nicht  bestimmt 
werden  und  zwar  wegen  Ablösung  der  Netzhaut,  Glaukom, 
Atrophia  choroideae  centralis,  Maculae  centrales,  Cataracta 
Pannus  trachomatosus  und  Pterygium.  49  Augen  hatten  E, 
114  H,  25  M,  12  unbestimmbar.  Die  E  beider  Augen  betraf 
27  Personen  von  60 — 73  Jahren:  bei  älteren  Leuten  wurde 
E  nicht  mehr  gefunden.  E  eines  und  H  des  anderen  Auges 
kam  in  7  Fällen  von  62 — 83  Jahren  vor. 

Myopie  beider  Augen  hatten  9  Personen  von  61 — 83 
Jahren  und  zwar: 

Mi     biB    Mi 


330  H.  Cohn. 

(Die  damaligen  Proben  wurden  noch  mit  Zollgläsern  gemacht, 
daher  hier  die  Brüche).  Bei  4  von  diesen  war  die  Linse 
klar  bei 

M  — »  und — 

60      30  16' 

der    Kranke    mit    M  -—  war    von  Jugend   an   Schreiber,   die 
16 

übrigen  schwachen  Myopen  hatten  nur  häusliche  Arbeiten 
gemacht.  Bei  den  5  anderen  war  eine  Linsentrübung  vor- 
handen. 

M  eines  und  E  des  anderen  Auges  kam  3  Mal  vor, 
und  zwar: 

M  —  >     -—  und  -^ , 
50      40         24 

bei  Leuten  von  62 — 71  Jahren;  einmal  dabei  Linsentrübung, 
einmal  Macula,  einmal  chronischer  Catarrh. 

M  eines  und  H  des  anderen  Auges  in  4  Fällen;  in  2 
Fällen  zeigten  beide  Augen  beginnenden  Staar.  Die  Grade 
dieser  H  und  M  waren  schwach: 

H  —  mit  M  —  und  M  — •     fl  ^^  mit  M  - ;     H    -  mit  M  —  • 
36  80  36'         80  50'         60  40 

Im  Ganzen  waren  unter  25  M-Augen  13  kataraktös.  Der 
Durchschnittsgrad  der  M  dieser  25  Augen  war  —  ;derDurch- 

schnittsgrad  der  auf  beiden  Augen  Myopischen  war  —  • 

Hyperopie  beider  Augen  hatten  49  Personen;  gleiche 
Grade  von  H  36  Personen.     H  schwankte  zwischen  H  —  bis 

— -.  Von  60 — 64  Jahren  war  der  Durchschnittsgrad  H-— ,  von 
80  4o 

65—69   H  -V,   von  70—74  H  -~,  von  75—80  Jahren  H   -. 
34  46  ob 

Von  5  zu  5  Jahren  nimmt  also  die  H  nicht  zu.  Der  Durch- 
schnittsgrad aller  doppelseitig  Hyperopischen  war  H  =  — -  --, 

39  .  ö 

der  Durchschnittsgrad  aller  114  hyperopischen  Augen  war 
"  =  '37T8- 


Ueber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter.  331 

Bei  13  Personen  war  der  Grad  der  H  auf  beiden  Augen 
verschieden.     Der  Durchschnittsgrad  der  schwächer  hyperopi- 

schcn  dieser  Augen  war  H  — -,  der  der  stärker  hyperopischen 

41 

H  — .;   der  durchschnittliche   Unterschied  in  den  Graden  der 
H  zwischen  rechtem  und  linkem  Auge  betrug  mithin        —  — 

=  -  -;  er  war  also  sehr  gering. 

Die  Accommodation  war  in  einzelnen  Fällen  geradezu 
noch    glänzend.     So    las  Johanna  Häusler,  70  Jahre  alt,  mit 

jedem  Auge  ohne  Glas  noch  I—  in  6  Zoll;  sie  hat  H  —-    und 

II  OD 

32 
S— -.     Ihre  Mutter  wurde  76  Jahre   und  nähete  noch  bis  zu 
20 

ihrem  Tode  ohne  jede  Brille.    Der  Vater  wurde  84  Jahre  und 

las  noch  kurz  vor  seinem  Ende  Monatsschriften  ohne  Brille. 

Von  12  Geschwistern  leben  noch  5,  die  sämmtlich  ohne  Brillen 

arbeiten. 

Ferner  hatte  Barbara  Schärf,  72  Jahre  alt,  fOr  ly  noch 

6  Zoll  Nahpunkt  ohne  Brille,  dabei  E  und  S  "/,o.    Ihr  Vater 
wurde  100  Jahre  alt  und  brauchte  keine  Brille  zum  Lesen. 
Endlich    sei    erwähnt  Christiane    Sender,    76  Jahre,  die 

H  —  und  S  1  zeigte  und  noch  ohne  Brille  einfädelte. 

Farbenblindheit  wurde  bei  keinem  Auge  gefunden. 

Die  Sehschärfe  der  200  Augen  war: 

88S>«o/,o,  34S=«o/,o,   78S<«%o5  also 
U%  17«/o  39«/o 

Von  100  binoculär  geprüften  Personen  hatten  58 
S>"%o»  12  S=»%o  lind  30  S<«%o-  Also  70<>/o  hatten 
binoculär  keine  herabgesetzte  Sehschärfe.  Das  widerspricht 
völlig  dem  de  Haan'schen  Gesetze. 

Augen  mit  S<1.  Es  wurden  78  bei  46  Per- 
sonen gefunden.  Nur  10  Augen  bei  5  Personen  hatten  eine 
unerklärbare  Amblyopie.  68  Augen  von  41  Personen  mit 
S<C  1  zeigten  jedoch  folgende  Krankheiten:  Katarrhus  chronicus 
1,  Maculae  corneae  3,  Keratitis  interstitialis  2,  Pannus  tracho- 


332  H.  Cohn. 

matosus  2,  Pteryginm  magnnm  3,  Synechiae  posteriores  2, 
Katarakt  27,  Nenroretinitis  1^  Retinitis  albuminurica  2,  Chorio* 
Retinitis  4,  Hyperaemia  optici  2,  Atrophia  optici  14,  Sublatio 
retinae   traumatica  1,  Glancom  3,  Nystagmus  1. 

Bei  14  Personen  war  nur  ein  Auge  erkrankt,  bei  27 
Personen  beide.  Atrophia  optici  mit  Katarakt  wurde  im  Ganzen 
11  mal  gesehen. 

Ausserdem  zeigten  noch  34  Augen -Krankheiten,  ohne 
dass  dadurch  S  gelitten  hätte,  u.  zw.  Cornealflecke  3,  Ptery- 
ginm 1,  beginnende  Katarakt  20,  Katarrh  3,  Glaucoma 
chronicum  1,  Dacryocystoblennorrhoe  4,  Nenroretinitis  1, 
Ptosis  1. 

6  mal  sah  ich  sehr  tiefe  physiologische  Excavation  ohne 
Verschlechterung  der  Sehschärfe. 

S  <C  1  fand  sich  bei  7  Krankheiten  der  Bindehaut,  8  der 
Hornhaut,  2  der  Iris,  33  der  Linse,  11  der  Aderhaut,  23  der 
Netzhaut,  2  der  Muskeln,  2  der  Thränenorgane,  3  der  Lider 
und  3  Verletzungen;  also  94  Krankheiten  bei  68  Augen 
von  41  Personen. 

Ringförmige  Aderhaut -Atrophie  sah  ich  3  mal  bei  guter 
S  und  3  mal  bei  herabgesetzter  S.  Verkalkungen  der  Mei- 
bom'schen  Drüsen  kamen  häufig  vor. 

Berechnet  man  nach  Procenten,  so  vertheilen  sich  die 
Krankheiten  der  41  Personen  so:  Vom  60.-64.  Jahre  22^/^, 
vom  65.-69.  37%,  vom  70.— 75.  50%,  vom  75.-79.  Jahre 
83%  und  vom  80.— 84  Jahre  66%.  Mit  den  zunehmen- 
den Jahren  ist  also  die  Wahrscheinlichkeit  der  Er- 
krankung eine  grössere. 

Katarakt  fand  ich  in  53  Augen,  davon  hatten  33  Ver- 
schlechterung der  S,  20  jedoch  S=l  oder  sogar  >1.  Der 
vierte  Theil  aller  Augen,  die  über  60  Jahre  alt  waren, 
zeigte  Katarakt.  Die  53  Augen  gehörten  32  Personen; 
21  hatten  doppelseitige,  1 1  nur  einseitige  Trübungen.  12  Augen 
waren  E,  28  H  und  13  M.  Letztere  gehörten  8  Personen; 
bei  5  derselben  war  M  und  Katarakt  beiderseitig;  bei  3  Per- 
sonen einseitig.  Die  Katarakte  betrafen  13  Männer  (30^/o) 
und  19  Frauen  (33%  der  Untersuchten). 

Katarakt  hatten  20%  von  60  —  69  Jahren,  42%  von 
70—79  Jahren,  100%  von  80—84  Jahren.  Der  Staar 
wird  also  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt  häufiger. 

Unter  20  kataraktösen  Augen,  die  keine  schlechte  S 
zeigten,    waren  sogar  11  mit  S>1  und  zwar  mit  S*%o  bis 


Ueber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter. 


333 


S^%o.  Eine  Kranke  mit  S'%o  ^^  '^^  Jahre,  ein  Kranker 
mit  S^%o  auf  beiden  Augen  war  83  Jahre!  Die  Trübung 
ragte  eben  erst  als  zarte  Streifchen  in  einigen  Sectoren  über 
den  Pupillarrand  hinweg. 

Augen  mit  S>  1. 

88  Augen  zeigten  eine  solche,  und  zwar  hatten  70  Augen 
S>1  bis  S%  17  Augen  S>»/8  bis  2,  1  Auge  S"/,o  d.  h. 
S>2. 

S>1  zeigten  57®/q  der  Augen  von  60—69  Jahren, 
2S^Iq  von  70—79  Jahren  und  33®/o  von  80—84  Jahren. 
Im  7.  Jahrzehnt  sind  also  die  übergrossen  Sehschärfen  noch 
häufiger  als  in  den  späteren  Jahrzehnten. 

Die  folgenden  Tabellen  geben  über  die  Sehschärfen  im 
Ganzen  Aufschluss. 


Untenuchte 

Alter      S=l 

e     21-26 
^-     20 

26-30 

31-85 
20 

36-40 

8<1 

ohne 

patho- 

logiach. 

Befund. 

8<1 
mit 

Augen 

20 

20 

logisch. 
Befund. 

62 
54 
60 
12 
12 

60-64     12 
65-69      4 
70-74     14 
75-79      3 

80-84      1 

18 
8 
2 

2 

11 
15 
12 

2 

7 
4 
1 

1 
3 
2 

4 
2 
4 

9 

18 
25 
9 

7 

200  Augen 

60-84     34 

30 

1    40 

12 

6 

10 

68 

Unter 

100  Augen 

von 

8  = 

40-86 

20 

8» 

86-31 

2Ö 

30-26 
20 

— 1 

26-21 
20 

S  =  »/20 

8<1 
Ambl. 

S<1 
Augen 
krank 

Summa 

60-64  Jahr. 

1 

11 

18 

29 

19 

7 

15 

100 

65-69     „ 

5 

7 

28 

15 

7 

4 

34 

100 

70-74     „ 

2 

2 

20 

4 

24 

6 

42 

100 

75—79     „ 

— 

— 

— 

— 

25 

— 

75 

100 

80-84     „ 

— 

— 

16 

16 

8 

— 

60 

100 

Nach  diesen  Befunden  sprach  ich  vor  20  Jahren  schon 
die  Ansicht  aus,  dass  unsre  Perspective  für  die  S 
im  Alter  viel  tröstlicher  sei,  als  man  bisher 
glaubte.  — 

Bereits  1872  hatte  Mauthner  (Vorlesungen  über  die 


334  H.  Cohn. 

optischeil  Fehler  des  Auges  S.  139  und'  147)  auf  die  un- 
zureichende Beobachtungsreihe  Vroesom  de  Haans  hin- 
gewiesen. „Namentlich  möchten  wir,  ruft  Mauthner,  die 
S,  die  er  70  und  80jährigen  vindicirt,  als  pathologisch 
gering  ansehen.  Einfach  in  Folge  des  Alters  sinkt  S 
mit  80  Jahren  kaum  auf  die  Hälfte;  gesunde  Augen 
solcher  Greise  zeigen,  soweit  mein  verhältnissmässig  kleines 

15 
Beobachtungs-Material  lehrt  S   \j7r',    doch  entscheiden 

können  endgiltig  nur  die  Massen." 

Auch  ich  schloss  meinen  Vortrag  auf  der  Naturforscher- 
Versammlung  1874  mit  den  Worten:  „Freilich  gilt  mein 
Befund  nur  für  Schreiberhau,  und  ich  bin  weit  entfernt, 
ihn  zu  generalisiren.  Wollen  wir  wirklich  ein  Gesetz 
finden,  so  müssen  solche  Untersuchungen  auf  dem  Lande 
und  in  den  Städten,  bei  civilisirten  und  bei  nicht  civihsir- 
ten  Völkerstämmen,  bei  verschiedenen  Nationen,  bei  ver- 
schiedenen Berufsklassen,  in  den  Thäleni  und  auf  den 
Bergen  bei  grossen  Massen  von  Menschen  angestellt 
werden.  Möchten  bald  andere  Fachmänner  diesen  meinen 
ersten  schwachen  Vei-such,  Klarheit  über  den  Einfluss  des 
Alters  auf  die  Sehschärfe  zu  erhalten,  wiederholen  und 
nicht  vor  den  Schwierigkeiten  zuiückschrecken !" 

Seit  19  Jahren  hat  sich  aber  Niemand  an  die  Arbeit 
gemacht  Um  so  dankenswerther  sind  die  neuen  Unter- 
suchungen von  Boerma  und  Walther.  Sie  konnten  mit 
Westiens  Lupe  und  mit  dem  Lupenspiegel  noch  mehr 
Feinheiten  betr.  der  Trübung  der  Medien  feststellen,  als 
ich  im  Jahre  1874,  wo  diese  Hilfsmittel  unbekannt  waren. 
Auch  waren  sie  durch  Anwendung  von  Homatropin, 
das  ja  auch  damals  noch  nicht  existirte,  in  der  Lage,  die 
Pupille  vorübergehend  zu  erweitem.  Dies  hätte  ich  durch 
Atropin  bei  den  Greisen  in  Schreiberhau  nicht  riskiren 
dürfen,  ohne  dass  die  Atropinisirten  die  Nachfolgenden  vor 
der  Untersuchung  gewarnt  hätten. 


Ueber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter. 


335 


Würde  ich  diese  Hilfsmittel  gehabt  haben,  so  würde 
ich  wahrscheinlich  unter  meinen  200  Augen  auch  bei  den 
10  mit  S<;1  pathologische  Störungen  gesehen  haben,  die 
mir  entgingen,  so  dass  die  Zahl  der  Amblyopien  ohne 
Befund  ganz  oder  theilweise  weggefallen  wäre.  Freilich 
war  das  Material  von  Boerma  und  Walther  ein  ganz 
anderes,  als  das  meinige.  Jene  Forscher  piüften  meist  Ge- 
fangene und  Reconvalescenten  und  betonen  selbst  die  zeitige 
Senescenz  der  Mehrzahl  in  Folge  ihrer  bewegten  Vergangen- 
heit, Noth  und  des  Alkoholmissbrauchs.  Die  Greise  in 
Schreiberhau  waren  dagegen  wohl  arm,  aber  gesund  und 
keine  Trinker.  —  Die  400  Leute  in  Leipzig  waren  40  bis 
80  Jahre  alt.  H>3D,  M>5D  und  As>lD  wurde 
ausgeschlossen;  nur  bei  Leuten  über  70  Jahren  wurde 
auch  H  =  4D  zugelassen.  Ich  dagegen  habe  überhaupt 
keine  H>>3    und  keine  M>2.5   gefunden.  —  Auch  die 


sojahn 


fnarnormale  Augen) 
^oam(L  (cdUAußcn  ) 


'-'  Vonders 


Flg.  1.    Curve. 


Beleuchtungsverhältnisse  waren  in  Leipzig  ganz  andere, 
als  in  Schreiberhau ;  in  den  verschiedensten  Lokalen  wurde 
dort  bei  verschiedener  Witteining  auf  Snellen  untersucht; 
ich    Hess    dagegen    an    sehr  hellen   Tagen  unter   freiem 


336     H.  Cohn.    Ueber  die  Abnahme  der  Sehschärfe  im  Alter. 

Himmel  Nr.  XX  Snellen  lesen  und  zwar  Haken.  Daher 
erklären  sich  gewiss  auch  zum  Theil  die  viel  grösseren 
Schreiberhauer  Sehschärfen. 

Trotz  alledem  ist  es  immerhin  interessant,  de  Haan's, 
Boerma's  imd  meine  Curve  der  Sehschärfen- Abnahme 
im  Alter  zu  vergleichen. 

Die  Durchschnittsgrösse   der   S  im  60.  Jahre   betrug 

27        81 
in    Schreiberhau  ^  =  -^,  im  70.  Jahre  ebensoviel  und 

9fi         7  ft 

im  80.  Jahre  —  =  -^.  Sie  betrug  in  Leipzig  bei  Aus- 
schluss   der  pathologisch  veränderten  Augen   im  40.  Jalire 

ß  1  er  Q  t\  f\ 

-^,   im    50.  Jahre  -'-,   im   60.  Jahre  -^,  im   70.  Jahre 

0  0  0 

5.2  4  5 

-^  und  im  80.  Jahre  -^.     Nach  Donders  aber  wäre  sie 
6  6 

'    A  .      T  i.     u  .      6-1     5.4     4,3     3.9        ,  3.3 

m  den  genannten  Jahrzehnten  -^-,   -^,    -^-,    -^,  und  -^. 

0  0  0  0  o 

Wie  vieler  Untersuchungen  wird  es  noch  bedürfen, 
um  das  wirkliche  Gesetz  der  Abnahme  der  Sehschärfe  im 
Alter  zu  finden! 


Bemerkung  zu  dem  Aufsatze  von  Bosscha 

„Primäre,  secundäre  und  teitiäre  Netzhautbilder  nach 
momentanen  Lichteindrücken". 

Von 

Dr.  Carl  Hess  in  Leipzig. 


In  der  in  diesem  Heft  enthaltenen  Abhandlung  von 
Bosscha,  welche  kurz  vorher  schon  in  holländischer  Sprache 
erschienen  und  mir  dadurch  bekannt  geworden  ist,  findet  sich 
eine  in  mehrfacher  Hinsicht  unzutreffende  Auffassung  einer 
von  mir  in  Pflüger 's  Archiv  (Band  49)  veröffentUchten 
Arbeit.  Die  ausfiihrhche  Widerlegung  der  ÄIissvei*ständ- 
nisse  Bosscha 's  konnte  in  diesem  Hefte  nicht  mehr  Auf- 
nahme finden  und  soll  im  Zusammenhang  mit  anderen 
Nachbildstudien  demnächst  veröffenthcht  werden.  An  dieser 
Stelle  möchte  ich  nur  kurz  das  Ergebniss  meiner  Er- 
örteningen  wiedergeben,  das  sich  in  den  folgenden  Sätzen 
zusammenfassen  lässt. 

Der  Lrthum  Bosscha 's  ist  ein  doppelter: 
1)  Meine  Bemerkung,  dass  bei  meinen  Versuchen  die 
bei  kurzdauernder  Reizung  des  Sehorgans  auftretende  Licht- 
empfindung nach  Aufhören  des  Reizes  in  fast  unmessbar 
kurzer  Zeit  abklingt,  fasst  Bosscha  so  auf,  als  hätte  ich 
behaupten  wollen,  das  primäre  Bild  sei  betreffs  seiner 
Dauer  etwa  dem   elektrischen  Funken   zu  vergleichen  und 

V.  Graefe's  Archiv  fTir  Ophthalmologie.   XL.  1.  22 


338      C.  Hess.    Bemerkung  zu  dem  Aufsatz  von  Bosscha  etc. 

entziehe  sich  nicht  bloss  bei  den  von  mir  beschriebeneu 
Versuchen,  sondern  überhaupt  einer  Messung. 

2)  Meine  Einwände  gegen  v.  Helmholtz,  Fick  u.  A., 
welche  das  von  ihnen  beobachtete,  mehrere  Secuudeu 
dauernde,  positive  Nachbild  aus  einer  entsprechend  langen 
ununterbrochenen  Fortdauer  des  primären  Bildes  er- 
klären, deutet  Bosscha  so,  als  hätte  ich  damit  auch  die 
Richtigkeit  der  altbekannten,  schon  von  Plateau,  u.  A.  ge- 
machten Angaben  über  die  nur  Bruchtheile  einer  Secunde 
währende  Nachdauer  kurzer  Lichteinwirkungen  bestreiten 
wollen. 

Da  beide  Deutungen,  wie  ich  ausfiihrlicher  zeigen 
werde,  irrig  sind,  so  werden  auch  die  darauf  gegründeten 
Einwände  Bosscha's  gegenstandslos. 


Druck  von  Pdachel  &  Trepte  in  Leipzig. 


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Taf.II. 


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I :  Grae/is  Ardiii  ■  Bd.XL  .1. 


Taf.n. 


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:  Grxvcüs  Arcldc  Bd.XL.1. 


Taf.IL 


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/ :  Gnu/es  Arddi  ■  Bd.  AI  .1. 


Taf.II. 


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ALBRECHT  VON  GR^FE'8 
ARCHIV 

FÜR 

OPHTHALMOLOGIE 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

PROF.  TH.  LEBER  Prof.  H.  SATTLER 

IN  HBIDBLBSRO  IN  LEIPZIG 

UND 

PROF.  H.  SNELLEN 

IN   UTRECHT. 


VIERZIGSTER   BAND 

ABTHEILUNQ   II. 
MIT  12  TAFELN. 


LEIPZIG 

VERLAG   VON  WILHELM  ENGELMANN 
1894. 


lühalts-Verzeicliniss 


zu 


Band  XL,  2.  Abtheilung. 

Ausgegeben  am  30.  April  1894. 


Seite 


I.  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  der  traumati- 
schen Aniridie  und  Iridodialyse.  Von  Dr.  Hugro 
Wintersteiner,  Assistenten  an  der  Augenklinik  des 
Hofrathes  Prof.  Stellwag  von  Carion  in  Wien. 
Hierzu  Tafel  I  und  II,  Fig.  1—16 1—62 

II.  Jodiiyectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  Eine 
experimentelle  Studie  zu  Scheeleres  „operativer 
Behandlung  und  Heilung  der  Netzhautablösung." 
Von  Dr.  Walter  Wolff  in  M.- Gladbach.  Hierzu 
Tafel  III,  Fig.  1-5 63—112 

III.  Anatomische  Untersuchung  zweier  Fälle  von  experi- 
mentellem Secundärglaucom  am  Kaninchenauge.  Von 
Dr.  Ludwiflr  Berb^oh  aus  Seckenheim.  Hierzu 
Tafel  IV,  Fig.  1—7 113—134 

rV.  Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation 
durch  eine  Stichsäge.  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss 
der  traumatischen  Skleralstaphylome.  Von  Dr.  Jul. 
Dufftng  aus  Dossenheim.  Hierzu  Tafel  V,  Fig.  1-2  135 — 153 
V.  Ueber  Rostablagerung  in  der  Hornhaut.  Von  Dr. 
Radolf  Graber,  Assistenten  an  der  I.  Wiener 
Augenklinik.    Hierzu  Taf.  VI,  Fig.  1 154-171 


/  ■ 

IV  Inhalt. 

Seit« 

VI.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentrischen  Gesichts- 
feldverengerung. Von  Dr.  Groenouw,  Privatdocenten 
und  Assistenzarzt  an  der  königl.  Universitätsklinik 
für  Augenkranke  zu  Breslau.  Hierzu  Taf.  VII  —  IX, 
Fig.  1—18 172—223 

VII.  Ein  Fall  von  hartnäckig  recidivirender  herpesartiger 
Erkrankung  der  Conjunctiva  und  Cornea  im  Zu- 
sammenhange mit  Menstruationsstörungen  der  Meno- 
pause. Von  Dr.  med.  0.  Staelp,  Assistenten  an 
der  Augenheilanstalt  des  Dr.  Stöltingin  Hannover. 

Hierzu  Tafel  X,  Fig.  1—6 224—236 

VIII.  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Luxatio  bulbi.  Von 
Emil  Dehn,  approb.  Arzt  in  Rostock.  Hierzu  Taf.  XI, 
Fig.  A— D 237-249 

IX.  Ueber  ein  Papillom  der  Conjunctiva  mit  ausge- 
dehnter Bildung  von  Becherzellen.  Von  Professor 
Dr.  A.  Wagenmann  in  Jena.    Hierzu  Tafel  XII, 

Fig.  1—2 250-258 

X.  Studien  über  Nachbilder.  Von  Dr.  Carl  Hess,  Pri- 
vatdocenten und  erstem  Assistenten  an  der  üni- 
versitäts- Augenklinik  in  Leipzig 259 — 279 


Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie 
der  tranmatischen  Aniridie  und  Iridodialyse. 

Von 

Dr.  Hugo  Wintersteiner, 

Assistenten  a.  d .  Augenklinik  des  Hofrathes  Prof.  Stell  wagvonCarion 

in  Wien. 

Hierzu  Tafel  I  und  11,  Fig.  1—16. 


Während  in  der  Literatur  sich  zahkeiche  klinische 
Beobachtungen  von  Irideremia  traumatica  und  Iridodialyse 
vorfinden,  deren  Veröffentlichung  zumeist  durch  besondere 
merkwürdige  Umstände  des  Falles  oder  durch  einzelne  in- 
teressante Symptome  oder  Complicationen  veranlasst  wurde, 
sind  die  anatomischen  Untersuchungen  über  diesen  Gegen- 
stand noch  überaus  spärlich.  Der  Grund  hierfür  liegt  offen- 
bar in  der  Schwierigkeit,  das  Untersuchungsmaterial  zu  be- 
schaffen; denn  derartig  verletzte  Augen  geben  verhältniss- 
mässig  selten  Veranlassung  zur  Enucleation  wegen  Gefahi- 
der  sympathischen  Erkrankimg  des  anderen  Auges  oder 
wegen  hinzugetretener  Drucksteigerung  und  lange  dauernder 
Schmerzhaftigkeit  oder  ähnlichen  für  den  Kranken  gefähr- 
lichen oder  quälenden  Zuständen. 

Von  histologischen  Arbeiten  über  Irideremie  und  Irido- 
dialyse sind  nur  zwei  verwerthbar,  nämlich  die  von  Trei- 
tel  und  von  Schäfer,  auf  welche  ich  noch  wiederholt 
zurückkommen  werde.  Die  finiheren  Publicationen  von 
Maats  und  Lawson    bringen  nur  je    eine   kurze   makro- 

T.  Graefe'B  Archiv  fQr  Ophthalmologie.   XL.  2.  1 


2  H.  Wintersteiner. 

skopische  Beschi-eibung  eiues  Bulbus  mit  Iridereniie  und 
Aphakie.  Die  beiden  in  den  Arbeiten  von  Alt  und 
Schiess-Gemuseus  beschriebenen,  histologisch  untei-such- 
ten  Fälle  sind,  da  die  Untersuchung  andere  Ziele  verfolgte, 
gerade  bezüghch  der  Verhältnisse  im  Kammerwinkel  so 
aphoristisch  gehalten,  dass  sie  fiii*  die  pathologische  Ana- 
tomie der  Iridodialyse  resp.  Trideremie  ganz  belanglos  er- 
scheinen. 

Ich  muss  es  deshalb  als  einen  günstigen  Zufall  be- 
trachten, dass  ich  im  Laufe  des  vorigen  Jalires  zwei  der- 
artige Fälle,  welche  auch  zur  Enucleation  kamen,  beob- 
achten konnte  und  ausserdem  in  der  Sammlung  der  I.  Augen- 
klinik je  einen  älteren  Bulbus  mit  Iridodialyse  und  mit 
Iriderenya  traumatica  vorfand  und  zur  Untersuchung  ver- 
wenden konnte. 

Es  drängt  mich,  bei  dieser  Gelegenheit  meinem  ver- 
elirten  Chef,  Herrn  Hofrath  Prof.  Stellwag  von  Carion 
für  die  bereitwiUige  Ueberlassung  des  Untersuchungs-Ma- 
teriales  und  der  Krankenprotokolle  meinen  aufrichtigen 
Dank  auszusprechen. 

Zuerst  mögen  nun  die  Krankengeschichten  und  histo- 
logischen Befunde  der  \äer  Fälle  folgen: 

Fall  I. 

Leopold  Taubach,  40  Jahre  alt,  Knecht,  sab  Prot.  Nr. 
27,  Journ.-Nr.  4288,  am  2.  März  1892  aufgenommen. 

Am  15.  Januar  flog  ihm  bei  der  Arbeit  ein  hölzerner 
Maschinenbestandtheil  gegen  das  linke  Auge.  Dasselbe  soll 
sogleich  erblindet  sein  und  entzündete  sich  in  der  Folge.  Da 
der  Kranke  nichts  sah  und  die  Entzündung  nicht  abnahm,  kam 
er  in  die  Klinik,  wobei  sich  folgende  Verhältnisse  feststellen 
Hessen. 

Am  1.  A.  sind  die  Lider  geschwollen  und  bläulichroth. 
Ihre  Bindehaut  lehhaft  injicirt  und  reichlich  secernirend.  Der 
Bulbus  ciliar  geröthet.  Etwa  2  mm  von  der  oberen  Corneo- 
skleralgrenze  entfernt  verläuft  mit  derselben  parallel  ein  etwa 
8  mm  breiter,  den  vierten  Theil   des  Hornhautumfanges  um- 


Beiträge  zur  patliolog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.     3 

greifender,  schwarzblauer  Wulst  von  l^j  cm  Länge,  welcher 
auf  ^J2  cm  über  die  Bulbusoberfläche  vorragt  und  nur  von  Con- 
junctiva  bedeckt  wird.  Die  vorderen  Ciliargefässe  treten  hinter 
demselben  durch  die  Sklera.  Die  Hornhaut  ist  gestichelt,  in 
der  oberen  Hälfte  abgeflacht,  im  Ganzen  zart  diffus  getrübt 
und  besonders  in  der  äusseren  Hälfte  von  zahlreichen,  grau- 
weissen,  horizontal  verlaufenden,  parallelen,  tiefliegenden  Linien 
durchzogen,  welche  am  Hornhautrande  beginnen  und  bis  über 
die  Hornhautmitte  hineinreichen. 

Der  ganze  Raum  hinter  der  Hornhaut  erscheint  von  tief- 
schwarzer Farbe  und  lässt  nur  bei  gewisser  Stellung  im  con- 
centrirteu  Lichte  einen  rubinrothen,  aus  der  Tiefe  kommenden 
Reflex  erkennen.  Von  der  Iris  ist  nur  aussen  oben  ein  ganz 
schmaler  (1  mm  breiter),  bei  6  mm  langer  Streifen  von  grau- 
grünlicher Farbe  sichtbar,  welcher  sich  mit  einer  scharfen 
geradlinigen  Grenze  gegen  das  vergrösserte  Pupillargebiet  ab- 
setzt, sonst  ist  nirgends  ein  Rest  von  ihr  aufzufinden.  Die 
Anwesenheit  der  Linse  kann  nicht  sicher  constatirt  werden. 
Der  Fundus  ist  nicht  sichtbar,  die  Spannung  etwas  vermehrt, 
das  Sehvermögen  auf  Lichtempfindung  beschränkt.  Der  Bulbus 
ist  auf  Druck  und  spontan  sehr  schmerzhaft. 

Die  Diagnose  wurde  auf  traumatisches  Skleralstaphylom 
mit  Irideremie  und  Keratitis  striata  traumatica  gestellt.  Es 
konnte  nicht  entschieden  werden  ob  die  Iris  oder  die  Chorioi- 
dea  resp.  der  Ciliarkörper  prolabirt  waren,  doch  sprach  die 
bedeutende  Yorwölbung  und  relativ  grosse  Entfernung  des 
Staphyloms  vom  Corneoskleralrande  mehr  für  letztere  Annahme. 
Der  Hämophthalmus  Hess  auch  nicht  erkennen,  ob  die  Linse 
vorhanden  war  oder  fehlte. 

Da  die  Reizerscheinungen  und  die  Schmerzhaftigkeit  des 
Bulbus  fortbestanden,  wurde  am  11.  März  die  Enucleation  vor- 
genommen, am  15.  März  1892  der  Kranke  entlassen. 

Makroskopische  Untersuchung  des  im  verticalen 
Meridian  halbirten  Bulbus: 

Es  fällt  vor  Allem  die  bedeutende  Grösse  und  Flachheit 
der  Hornhaut  auf,  welche  gleichzeitig  dünner  als  gewöhnlich 
ist.  Von  Iris  und  Linse  ist  nichts  auffindbar.  Der  Kammer- 
raum wird  von  dem  des  Glaskörpers  durch  eine  nach  vorne 
zu  leicht  concave  Membran  getrennt,  welche  sich  ringsum  in 
der  Gegend  der  Kammerbucht  ansetzt.  In  der  Kammer  einige 
graue,  feinkörnige  Gerinnsel.  Der  Glaskörper  von  zarten  Mem- 
branen durchsetzt,  blutig  braunroth  gefärbt. 

1* 


4  H.  Wintersteiuer. 

An  der  dem  Skleralstaphylom  entsprechenden  Stelle  be- 
findet sich  zwischen  Sklera  nnd  Bindehaut  ein  flachgedrückter, 
1  mm  hoher  und  5  mm  breiter  Hohlraum,  welcher  durch  eine 
enge,  an  der  Corneoskleralgrenze  gelegene  Spalte  mit  dem 
Bulbusinneren  in  Verbindung  steht.  Seine  Wandung  ist  wellig 
und  schwarzbraun  pigmentirt,  sein  Inhalt  grössten  Theils  flüs- 
sig; er  ö£fnet  sich  erst  hinter  dem  vorerwähnten  Diaphragma, 
communicirt  also  mit  dem  Glaskörperraum,  nicht  mit  der  Kam- 
mer. Der  Ciliarkörper  ist  sehr  flach,  seine  Fortsätze  klein. 
Netzhaut  und  Aderhaut  zeigen  bezüglich  ihrer  Lage  und  ihres 
Aussehens  nichts  Krankhaftes,  der  Sehnerv  ist  makroskopisch 
unverändert. 

Mikroskopische  Untersuchung.  (Fig.  1.) 
Die  Hornhaut  ist  mit  normalem  Epithel  überkleidet.  Die 
Bow man' sehe  Membran  zeigt  an  mehreren  Stellen  seichte  Ein- 
knickungen,  in  welche  sich  das  Epithel  einsenkt,  ohne  an  der 
Oberfläche  dieselben  zum  Ausdrucke  zu  bringen.  Das  Horn- 
hautgewebe ist  dicht,  die  Lymphspalten  nicht  erweitert,  keine 
Spur  einer  zelligen  Infiltration.  Die  Membrana  Descemetii 
macht  mehrere  grobe,  in  die  Yorderkammer  fast  spitzwinkelig 
vorspringende  Falten,  welche  von  dem  unversehrten  Endothel 
überzogen  sind.  Auch  die  hinteren  Hornhautschichten  zeigen 
die  gleiche  Faltung;  doch  gleicht  sie  sich  allmählich  nach 
vorne  zu  immer  mehr  aus,  bis  an  der  Grenze  des  mittleren 
und  vorderen  Drittels  der  Homhautdicke  auch  die  letzte  zarte 
Wellung  der  Lamellen  geschwunden  ist. 

Der  Kammer  winkel  bietet  mit  Ausnahme  der  Stelle,  wo 
die  Skleralruptur  sich  befindet,  im  ganzen  Umkreis  ziemlich 
gleiche  Verhältnisse.  In  dieser  ganzen  Ausdehnung  fehlt  die 
Ins  vollständig,  keine  Spur  von  ihr  ist  an  ihrer  Ansatzstelle 
zurückgeblieben.  Der  Schlemm 'sehe  Canal  ist  erhalten  und 
unverletzt.  Das  Balkenwerk  des  Ligamentum  pectinatum  ist 
zusammengefallen,  dicht  aneinander  gedrängt  und  von  fireien 
Pigmentkörnchen  und  pigmentführendeu  Zellen  durchsetzt,  welche 
auch  in  die  tiefsten  Skleralschichten  eindringen  und  sich  in 
der  nächsten  Umgebung  des  Sohle  mm 'sehen  Canales  vor- 
finden. 

Die  Ciliarfortsätze  sind  sämmtlich  nach  vorne  gerichtet 
und  weiter  nach  vorne  gelagert,  ein  Theil  direct  nach  vorne 
gezerrt,  indem  sie  mit  ihrer  Basis,  welche  der  Abrissstelle  der 
Iris   entspricht,    an    das  Ligamentum  pectinatum  ohne  Schalt- 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.     5 

gewebe  angelöthet  sind.  Auf  diese  Weise  wird  auch  die  vordere 
Fläche  des  Ciliarmuskels,  welche  durch  die  Abreissnng  der 
Iris  blossgelegt  worden  war,  vollständig  gedeckt,  und  die  Spitzen 
der  Processus  ciliares  liegen  gerade  an  der  Grenze  der  Des- 
cemet'sehen  Haut  oder  überragen  dieselbe  noch  um  ein  Ge- 
ringes nach  vorne  zu.  Einige  von  den  Fortsätzen,  welche  mit 
ihren  Firsten  nicht  so  weit  nach  vorne  reichen,  sind  durch 
feinfaseriges,  den  Zonulafasem  gleichendes,  und  von  etlichen 
Zellen  durchsetztes  Gewebe,  welches  auch  Pigment  in  Körn- 
chen und  Schollen  führt,  an  das  Ligamentum  pectinatum  fixirt, 
ohne  mit  ihm  direct  in  Contact  zu  treten.  Der  Ciliarkörper 
zeigt  sonst  keine  Veränderungen. 

*  Im  oberen  Umfauge  erscheint  die  Sklera  ganz  nahe  an 

der  cornealen  Grenze  der  Quere  nach  vollständig  durchrissen, 
die  Rissränder  bis  auf  2  mm  klafifend.  Die  äusseren  Schich- 
ten der  Sklera  haben  sich  bedeutend  stärker  zurückgezogen 
als  die  inneren,  daher  schärfen  sich  die  Ränder  von  aussen 
etwas  zu.  Die  Ruptur  geht  genau  durch  die  Gegend  des 
Schlemm 'sehen  Canales,  von  welchem  sich  keinerlei  Reste 
auffinden  lassen.  Die  Cornea  ist  hier  an  ihren  Randparthien 
von  kleinen,  zwischen  den  Lamellen  liegenden  und  zum  Theile 
von  Rundzellen  eingescheideten  Gefässchen  durchzogen.  Die  Binde- 
haut ist  emporgehoben  und  etwas  verdünnt.  Sowohl  die  Gon- 
junctiva  als  auch  das  subconjunctivale  Gewebe  zeigen  eine 
auffällige  Pigmentirung.  Bei  schwacher  Vergrösserung  erscheint 
sie  in  Form  einer  ziemlich  gleichförmig  ausgebreiteten,  doch 
stellenweise  auch  gruppirten,  schwarzen  Pnnktirung  (Fig.  2)v 
bei  stärkerer  Vergrösserung  erkennt  man,  dass  das  Pigment 
eine  bestimmte  Vertheilung  einnimmt. 

Vorerst  finden  sich  Schollen  und  Klümpcben  von  der 
1 — 4  fachen  Grösse  eines  rothen  Blutkörperchens,  welche  aus 
zahlreichen,  kleinen,  sepiabraunen  Körnchen  zusammengesetzt 
scheinen,  frei  in  den  Lymphgefössen,  hauptsächlich  in  den 
Lymphscheiden  der  Blutgefässe  liegend  (Fig.  3).  Sie  geben 
sich  jedoch  bei  entsprechender  Vergrösserung  und  besonders 
bei  Anwendung  dos  Abb6* sehen  Beleuchtungsapparates  als 
Lenkocyten  zu  erkennen,  welche  mit  Pigment  beladen  sind, 
da  man  zwischen  den  dunklen  Körnchen  den  durch  Karmin 
roth  geerbten  Kern  hindurchschimmern  sieht,  und  anderseits 
wieder  Lymphzellen  zu  finden  sind,  welche  nur  einige  wenige 
Körnchen  in  ihrem  Plasma  enthalten.  Stellenweise  liegen  diese 
pigmentführenden  Zellen  so  dicht  aneinander,  dass  ein  kleines 


6  H.  Wintersteiner. 

Blutgefäss  wie  von  einem  schwarzbranneu  Ringe,  der  nur  hier 
und  da  eine  Yerschmälerung  oder  Unterbrechung  zeigt,  um- 
schlossen ist  (vgl.  Fig.  2). 

Weiterhin  tritt  das  Pigment  auch  im  Bindegewebe  der 
Conjunctiva  und  Subconjunctiva  auf  (Fig.  4).  Es  liegt  in  Ge- 
stalt kleiner  Körnchen  manchmal  in  den  Bindegewebsfasern 
und  erzeugt,  da  ein  Körnchen  hinter  dem  andern  perlschnur- 
artig angeordnet  liegt,  kürzere  und  längere,  in  sanften  Wellen 
verlaufende,  punktirte  Linien.  Zumeist  ist  es  jedoch  knapp 
um  die  Bindegewebs  kerne  stärker  angehäuft,  so  dass  ein  Ende 
des  spindelförmigen  Kernes  braun,  das  andere  mit  Karmin  roth 
gefärbt  erscheint;  oder  es  sind  beide  spitze  Enden  des  Kernes 
pigmentirt,  die  Mitte  roth,  oder  endlich  es  ist  der  ganze  Kern 
von  einer  braunen  Pigmenthülle  umgeben.  Die  Yertheilung 
dieser  beiden  Sitze  des  Pigments  (in  den  Fasern  und  in  den 
Zellen)  ist  zumeist  derart,  dass  in  der  eigentlichen  Conjunc- 
tiva fast  nur  Fasern  und  auch  diese  nur  spärlich  pigmentirt 
sind,  während  im  subconjunctivalen  Gewebe  vorwiegend  der 
zarte  Protoplasmaleib  der  Bindegewebszelle  den  Farbstoff  ent- 
hält. Ganz  nahe  unter  dem  Epithel  finden  sich  im  conjunc- 
tivaien  Gewebe  auch  Pigmentkörnchen  einzeln  und  gehäuft, 
von  welchen  es  sich  nicht  mit  Sicherheit  ausschliessen  lässt, 
dass  sie  frei  zwischen  den  Gewebselementen  liegen.  Doch 
ist  es  viel  wahrscheinlicher  dass  es  sich  hier  nur  um  Quer- 
schnitte von  pigmentführenden  Bindegewebsfasern  handelt, 
zumal  da  auch  in  den  der  Länge  nach  getroffenen  Binde- 
gewebsbündeln  nirgends  Körnchen  zwischen,  sondern  stets  nur 
in  den  Fasern  nachzuweisen  sind. 

Schliesslich  findet  sich  das  Pigment  allenthalben  im  Ge- 
webe verstreut  an  Zellen  gebunden,  welche  wie  die  in  den 
Lymphgefässen  befindlichen  vorerst  ebenfalls  den  Eindruck  von 
schwarzen  Klümpchen  und  Schollen  machen.  Es  lässt  sich 
jedoch  stets  im  Centrum  ein  in  seiner  Form  häufig  nicht  deut- 
lich erkennbarer,  rothgefärbter  Kern  nachweisen,  welcher  von 
einer  mehr  minder  mächtigen  Protoplasmahülle  umgeben  ist; 
und  in  dieser  letzteren  allein  findet  sich  das  aus  zahllosen 
Körnchen  bestehende  Pigment.  Es  sind  offenbar  Wanderzelleu, 
welche  mit  dem  Trausporte  des  Pigmentes  beschäftigt  sind. 
Ob  es  nun  solche  Zellen  sind,  welche  den  Farbstoff  herbei- 
führen, um  ihn  im  Gewebe  zu  deponiren,  oder  solche,  welche 
ihn  aus  dem  Gewebe  wieder  aufgenommen  habeji,  um  ihn 
gegen   die  Lymphdrüsen  abzuführen,  dürfte  kaum  mit  Sicher- 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.     7 

heit  jemals  zu  entscheiden  sein.  Ich  halte  dafür,  dass  beide 
Funktionen  wohl  gleichzeitig  stattfinden  werden,  indem  ein 
Theil  der  Leukocyten  noch  fortwährend  nenes  Pigment  herbei- 
schleppt, während  ein  anderer  Theil  schon  mit  dem  Weiter- 
führen desselben  begonnen  hat.  Als  Zellen,  welche  der  letz- 
teren Function  obliegen,  bin  ich  geneigt,  die  in  den  Lymph- 
gefässen  befindlichen  pigmentführenden  Leukocyten  aufzufassen. 

Im  Allgemeinen  ist  das  Epithel  der  Bindehaut  frei  von 
Pigment.  Nur  die  basale  und  die  unmittelbar  darauf  folgende 
Schicht  enthält  ganz  vereinzelt  stehende  Zellen,  deren  Leib 
mit  glänzenden,  schwarzbraunen,  vielkantigen  Körnchen  mehr 
oder  weniger  erfüllt  ist  (Fig.  5).  Meist  sind  sie  an  einem 
Pole  der  Zelle  mehr  angehäuft  und  erzeugen,  da  sie  nur  in 
den  periphersten  Parthien  des  Protoplasma  liegen,  den  Ein- 
druck einer  grösseren  oder  kleineren  Kappe,  welche  der  Zelle 
aufsitzt  Durch  diese  periphere  Lage  des  Pigmentes  werden 
die  Contouren  derjenigen  Zellen,  in  welchen  dasselbe  reich- 
licher angesammelt  ist,  ausserordentlich  deutlich  ausgeprägt, 
ähnlich  wie  in  den  schon  früher  erwähnten  Wander-  und 
Bindegewebszellen. 

Endlich  finden  sich  in  der  Bindehaut  noch  Nester  von 
Bundzellen,  welche  besonders  die  Gefässe  scheidenartig  um- 
geben. 

Der  Giliarkörper  ist  auch  an  der  Bupturstelle  wohl  er- 
halten, ohne  Verletzung.  Die  Iris  ist  von  ihm  nicht  abgelöst, 
doch  ist  sie  durch  die  Skleralwunde  vorgefallen  und  hat  sich 
mit  ihrer  früheren  Vorderfläche  unmittelbar  an  die  Aussen- 
seite  der  Sklera  angelegt  und  kleidet,  mit  ihrem  pupillaren 
Theile  wieder  nach  vorne  umbiegend,  die  ganze  hintere  Hälfte 
des  zwischen  Sklera  und  Conjunctiva  gelegenen  Hohlraumes 
aus.  Sie  ist  dabei  ziemlich  stark  gedehnt  und  verdünnt,  mit 
der  Sklera  und  dem  subconjunctivalen  Gewebe  fest  verwach- 
sen, ihre  Grenzen  jedoch  an  jeder  Stelle  noch  deutlich  erkenn- 
bar. Stellenweise  hat  sich  an  dem  Wundrande  der  Sklera 
junges  Bindegewebe  mit  ziemlich  zahlreichen  grossen  Kernen 
angebildet,  welches  sich  zwischen  Sklera  und  die  ihr  sonst 
innig  anliegende  Iris  als  sehr  verschieden  dicke  Lage  ein- 
schiebt Auffallend  ist,  dass  die  freie  Oberfläche  der  Iris, 
d.  h.  ihre  frühere  Hinterfläche  keinen  Pigmentbelag  trägt  Der- 
selbe hat  sich  nämlich  von  ihr  abgelöst  und  bildet  die  Aus- 
kleidung der  vorderen  Hälfte  des  Staphylomes.  Der  Sphincter 
iridis  ist  ganz  deutlich  zu  unterscheiden  und  zeigt  keine  auf- 


8  II.  Wintersteiner. 

f&llige  Atrophie.  Die  Iris  ist  nar  wenig  zellig  infiltrirt,  ihre 
Gefässe  dicht  aneinander  gedrängt. 

Nahe  an  der  Rapturstelle  findet  sich  im  Bulbusranme  noch 
ein  Stack  Iris  anf  den  Schnitten  vor,  dasselbe  liegt  frei,  d.  h. 
von  seiner  ciliaren  Anheftung  abgetrennt  ungefähr  in  der  nor- 
malen Irisebene  ausgebreitet  mit  dem  Rissrande  dem  Giliar- 
körper  zugewendet,  mit  dem  Pupillarrande  nach  der  Bulbus- 
achse  gekehrt.  Es  ist  umgeschlagen,  so  dass  die  pigmentirte 
Fläche  nach  vorne  sieht;  ausserdem  ist  der  Pnpillarrand  gegen 
das  Pigmentblatt  zu  eingerollt  Diese  Umstülpung  ist  durch 
ein  zartfaseriges  Gewebe,  in  welches  nur  spärliche  Kerne  ein- 
gelagert sind,  fixirt,  indem  dasselbe  als  ununterbrochenes  Häut- 
chen die  ganze  jetzt  nach  vorne  sehende  Fläche  der  Regen- 
bogenhaut überzieht  und  sich  von  da  weiter  in  der  Richtung 
nach  der  gegenüberliegenden  Kammerbncht  diaphragmaartig 
fortsetzt.  Die  nach  hinten  sehende  Fläche  der  Iris  ist  eben- 
falls von  einem  zarten,  aus  Fasern  bestehenden  Häutchen  über- 
kleidet,  welches  gerade  gegen  die  Ciliarfortsätze  hinzieht  und 
sich  an  denselben  ansetzt.  Der  Rissrand  der  Iris  ist  zerfranzt, 
zackig,  stellenweise  durch  lockeres  neugebildetes  Gewebe  mit 
den  fremden  Ciliarfortsätzen  verbunden.  Offenbar  handelt  es 
sich  um  den  Theil  der  Iris,  dessen  normaler  Ansatz  unten, 
also  der  Ruptur  diametral  gegenüber  sich  befindet  und  welcher 
nur  durch  den  Vorfall  der  übrigen  Regenbogenhaut  herüber- 
gezerrt  wurde. 

In  den  weiter  seitlich  fallenden  Schnitten  sind  diese 
klaren  Verhältnisse  der  Iris  mehr  verwischt,  da  sie  vielfach 
gefaltet  ist  und  sich  schief  stellt,  so  dass  sie  mit  dem  ciliaren 
Rissende  nach  hinten,  mit  dem  Pupillarrande  nach  vorne  sieht. 
Dieser  letztere  tritt  dann  mit  der  vorderen  Lefze  der  Skleral- 
wnnde  durch  lockeres  Bindegewebe  in  Verbindung.  —  Zwischen 
den  Ciliarfortsätzen,  welche  wie  der  Ciliarkörper  selbst  ganz 
normale  Verhältnisse  zeigen,  liegt  feinfädig  geronnenes  Fibrin, 
untermengt  mit  zahlreichen  rothen  Blutkörperchen,  welche 
steilenweise  bedeutend  über  die  Gerinnsel  überwiegen. 

Die  Zonulafasem  sind  im  Bereiche  des  flachen  Theiles 
des  Giliarkörpers  allenthalben  deutlich  zu  unterscheiden  und 
liegen  in  ganz  normaler  Orientierung,  in  der  Gegend  der 
Ciliarfortsätze  sind  keine  Zonulafasem  mehr  nachweisbar.  Von 
der  Linse  und  ihrer  Kapsel  ist  nirgends  im  Bulbus  eine  Spur 
aufzufinden.  Der  hintere  Augapfelabschnitt  ist  bis  auf  die 
blutige  Imbibition  und  Zerwerfung  des  Glaskörpers  normal. 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatiBchen  Aniridie  etc.     9 

Nach  der  liistologischen  Untersuchung  ist  es  nun 
möglich  die  klinische  Diagnose  theils  zu  ergänzen,  theils  zu 
corrigiren  und  auch  die  mechanischen  Vorgänge  bei  der 
Verletzung  einigermassen  klarzustellen. 

Offenbar  war  durch  den  Stoss  die  Sklera  in  ihrer 
oberen  Peripherie  geborsten  an  der  gewöhnlichen  Stelle, 
welche  nach  den  verschiedensten  Untersuchungen  als  der 
schwächste  Theil  bekannt  ist  und  sich  auch  durch  beson- 
dere Dünnheit  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  aus- 
zeichnet, nämlich  zwischen  Comeoskleralrand  und  Insertion 
des  (oberen)  geraden  Augenmuskels.  Durch  die  Ruptur  fiel 
mit  dem  vorstürzenden  Kammei'wasser  die  Iris  und  Linse 
vor;  da  jedenfalls  auch  eine  Zerreissung  der  Bindehaut  stattge- 
funden hatte,  so  ging  die  linse  vollständig  verloren,  während 
die  Regenbogenhaut,  die  sich  jedenfalls  schon  im  Momente  der 
Bulbusruptur  von  ihrem  Ciliaransatze  in  grosser  Ausdehnung 
losgelöst  hatte,  offenbar  von  der  herausgeschleuderten  Linse 
mitgerissen  wurde,  jedoch  gerade  an  der  Stelle  der  Skleral- 
ruptur  hängen  und  deshalb  theils  intra-,  theils  extrabulbär 
liegen  blieb.  Dabei  hatte  sich  der  freigewordene  Streifen 
Iris  eingerollt  und  umgeschlagen.  Da  natürlich  das  Kam- 
merwasser abgeflossen  war,  so  lag  die  vorgefallene  Iris 
zwischen  Sklera  und  Bindehaut  eng  eingebettet  und  erst 
als  dter  Humor  aqueus  sich  wieder  hergestellt  hatte,  wurde 
die  Iris  sammt  der  über  sie  lünziehenden  und  an  der  Riss- 
stelle bald  wieder  verklebten  Bindehaut  wulstformig  ausge- 
dehnt Inzwischen  hatte  aber  schon  das  Pigmentblatt  der 
Iris  eine  Verklebung  mit  dem  subconjunctivalen  Gewebe 
eingegangen  und  blieb  nun  an  demselben  hängen,  ähnlich 
wie  es  nach  Lösung  hinterer  Synechieen  an  der  Linsen- 
kapsel haften  bleibt.  Auf  diese  Weise  erklärt  es  sich 
leicht,  dass  nur  die  vordere  Hälfte  des  Staphylomes  innen 
einen  Pigmentüberzug  trägt,  während  derselbe  an  dem  von 
Iris  ausgekleideten  Theile  fehlt 

Was  die  am  meisten    interessirenden    Veränderungen 


10  H.  Wintersteiner. 

im  Kammerwinkel  betrifft,  so  sei  nur  kurz  zusammengefasst: 
Die  Iris  ist  vollständig  ausgerissen,  ohne  einen  Stumpf  zu- 
lückzulassen.  Die  dadurch  entstandene  Wunde,  welche 
auch  das  Ligamentum  pectinatum  (das  Zeichen  von  Zer- 
reissung  zeigt)  betrifft,  ist  dadurch  zum  Verschluss  gebracht, 
dass  die  Wundflächen  der  Ciliarfortsätze  mit  dem  Liga- 
mentum pectinatum  direkt  verlötheten;  die  Ciliarfoiisätze 
sind  infolge  dessen  ziemUch  beträchthch  nach  vorne  ge- 
zogen und  durch   zartes   Gewebe  in  dieser  Stellung  fixirt. 

Von  diagnostischem  Interesse  ist  der  Umstand,  dass 
ein  kUnisch  als  Irideremie  imponirender  Zustand  sich  bei 
der  histologischen  Untersuchung  doch  nur  als  eine  sehr 
umfangreiche  Iridodialyse  herausstellte.  Dergleichen  kommt 
offenbar  bedeutend  häufiger  vor,  als  bisher  angenommen 
wurde  und  es  tritt  nun  in  einem  solchen  Falle  immer  die 
Frage  an  uns  heran,  (welche  übrigens  in  khnischer  Be- 
ziehung ziemUch  belanglos  ist,  sondern  nur  mehr  theoretisches 
und  anatomisches  Interesse  hat)  ob  derselbe  in  die  Rubrik  der 
Irideremie  oder  der  Iridodialyse  einzureihen  sei.  Einige 
Beispiele  aus  der  Literatur  mögen  das  Gesagte  beleuchten: 
In  Arlts  2.  Fall  von  Irideremie  fand  sich  neben  einer 
Skleralectasie  nach  oben  eine  Narbe  innen  unten  in  der 
Hoi-nhaut,  in  welche  die  abgelöste,  zu  einem  grauweissen 
Streifen  geschrumpfte  Iris  angelöthet  war.  Im  Falle 
Folkers  war  die  Iris  bis  auf  einen  kleinen,  zusammen- 
geknäulten  Rest,  der  in  der  unten  in  der  Hornhaut  ge- 
legenen Wunde  eingeklemmt  war,  verschwunden.  In 
Hirschberg's  Fall  war  von  der  Regenbogenhaut  nur  innen 
oben  ein  ^Z^'"  breiter  Saum  mit  zackigen  Rändern  stehen 
gebheben,  in  Oellers  Fall  waren  nach  innen,  wo  auch  die 
Skleralruptur  lag,  einzelne  gezackte  Reste  übrig.  Mc. 
Keowu  fand  die  Iris  theil weise  in  der  Skleral-Nai-be  ein- 
geheilt, Samelson  sah  nur  einen  sclimalen  Saum  unten, 
während  die  Skleralruptur  nach  oben  zu  gelegen  war. 

Zahlreicher  sind  die  Beobachtungen,  wo  die  Iris  oder 


Beiträge  zur  patliolog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    H 

Theile  von  ihr  unter  der  Conjunctiva  bulbi  liegen  geblieben 
waren.  Es  sind  dies  Beobachtungen  von  Gayet,  Carre, 
von  mir,  Manolescu,  Homburg.  Mengin.  Es  ist 
nun  möglich,  dass  wenigstens  in  einem  Theile  dieser,  bloss 
klinisch  beobachteten  Fälle  von  Lideremie  die  Regenbogen- 
haut in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  an  ihrer 
Insertion  noch  festhielt.  Besonders  die  zuletzt  angeführten 
Beispiele  würden  den  Verhältnissen  des  vorliegenden  ana- 
tomisch untei-suchten  Bulbus  sehr  nahe  kommen. 

Es  sei  noch  erwähnt,  dass  der  Fall  klinisch  als  wulst- 
förmiges  Intercalarstaphylom  imponirte,  wähnend  doch  nur 
ein  ausgedehnter  Trispralaps  vorlag.  Der  Irrthum  ist  mn 
so  erklärlicher,  als  ja  wegen  der  scheinbaren  Irideremie 
eine  fa.st  vollständige  Entfernung  der  Iris  aus  dem  Bulbus 
angenommen  wurde. 

Schliesslicli  möchte  ich  nur  noch  bemerken,  dass  die 
Veränderungen  in  der  Hornhaut,  welche  das  klinische  Bild 
der  traumatischen  streifenförmigen  Hornhauttrübung  bilde- 
ten, in  vollkommenem  Einklänge  mit  den  von  Hess  ge- 
fundenen stehen,  indem  nm*  Faltung  der  hinteren  Honi- 
hautlamellen  und  der  Descemet'schen  Membran,  aber  weder 
zelHge  Infiltration  noch  Erweiterung  der  Saftkanälchen 
nachweisbar  waren. 

Fall  II. 

lieber  denselben  entnehme  ich  den  klinischen  Proto- 
collen  folgende  Daten: 

Johann  Redl,  37  Jabre  alt,  Kntscher,  am  26.  Septem- 
ber 1886  auf  die  I.  Angenklinik  aufgenommen.  Vor  ungefähr 
14  Tagen  fiel  er  mit  der  linken  Augengegend  auf  eine  vor- 
springende Kante  seines  Wagens  auf.  Er  wurde  bis  zum  Ein- 
tritt in  den  Krankenstand  ambulatorisch  behandelt. 

Bei  seiner  Aufnahme  bot  der  sonst  gesunde  Manu  am 
linken  Auge  (das  rechte  war  völlig  normal)  folgenden  Be- 
fund: Etwa  2  cm  unterhalb  des  unteren  Lidrandes  findet  sich 
eine  2  cm  lange,  in  Yerheilnng  begriffene,  lineare  borizontal- 
verlaufende,  granulirende  Wunde,  an  deren  innerem  Ende  die 


12  H.  Wintersteiner. 

Haut  eine  röthlicbe,  erbsengrosse,  leicht  fluctuirende  Geschwulst 
bildet.  Leichte  Schwellung  der  Lider.  Lichtscheu,  Thränen- 
fluss,  lebhafte  Ciliarinjection.  Neben  dem  inneren  Hornhant- 
rande  und  mit  ihm  fast  concentrisch  verlaufend  liegt  in  der 
Sklera  eine  von  oben  nach  unten  ziehende,  etwa  1  cm  lange,  und 
circa  3  mm  breite,  dunkle,  wulstförmige  Prominenz,  die  gegen 
die  Hornhaut  zu  ziemlich  steil,  sonst  allmählich  abfällt.  Ihr 
oberes  Drittel  ist  dunkelbraun,  über  die  unteren  Parthien  ziehen 
einzelne  hellgraue  Stränge  hinüber.  Die  Hornhaut  queroval, 
matt.  Aus  der  Tiefe  der  Kammer  bekommt  man  einen  dunkel- 
rothen  Reflex.  Details  sind  absolut  nicht  wahrzunehmen.  Die 
Spannung  ist  etwas  herabgesetzt,  das  Auge  bei  Betastung 
schmerzhaft.  Diagnose:  Ruptura  sclerae  cum  prolapsu 
uveae.     Haemophthalmus. 

Am  30.  9.  1886.  DieEctasie  deutlich  flacher,  die  Schmer- 
zen sehr  stark;  daher  Enucleation  in  Narcose.  Am  14.  Ok- 
tober 1886  wurde  der  Kranke  mit  reizlosem  Anophthalmus  ent- 
lassen. 

Der  in  Müller'scher  Flüssigkeit  gehärtete  und  in  Alko- 
hol nachbehandelte  Bulbus  wurde  im  horizontalen  Meridiane 
aufgeschnitten.  Er  zeigt  normale  Formen  und  Grössen  Verhält- 
nisse. Innen  an  der  Corneoskleralgrenze  ist  die  Bulbuskapsel 
perforirt,  die  Rissränder  stehen  ungefähr  2  mm  weit  ausein- 
ander; dabei  ist  die  hintere  Wundlippe  beträchtlich  nach  rück- 
wärts und  einwärts  d.  h.  gegen  die  Bulbusachse  verschoben. 
Durch  diese  Wunde  ist  eine  dieselbe  ganz  ausfüllende,  pig* 
mentirte  Gewebsmasse  vorgestülpt.  Die  Iris  fehlt  vollständig, 
ringsum  liegen  die  Ciliarfortsätze  bloss,  nur  an  der  Ruptur 
ist  der  Ciliarkörper  an  der  normalen  Stelle  nicht  auffindbar, 
an  seinem  Orte  liegt  ein  zartes  unpigmentirtes  weisslich- 
graues  Häutchen,  welches  bis  in  die  Nähe  der  Ora  serrata 
zurückreicht.  Die  Linse  ist  im  Bulbus  nicht  auffindbar.  Von 
dem  Prolapse  spannt  sich  zu  den  gegenüberliegenden  Ciliar- 
fortsätzen  eine  zarte  durchscheinende  Membran  quer  vor  dem 
Glaskörper  hin.  Dieser  ist  zu  einer  trüben,  grösstentheils  ho- 
mogen aussehenden  Masse  geronnen.  Nur  im  vordersten  An- 
theile  ist  er  mehr  membranös  und  von  streifigen  und  fleckigen 
Blutungen  durchsetzt  Im  hintersten  Theile  ist  er  verflüssigt 
und  entleerte  sich  bei  der  Eröffnung  des  Augapfels.  Netz- 
und 'Aderhaut  an  normaler  Stelle  und  sowie  die  Sklera  und 
der  Sehnervenkopf  ohne  makroskopisch  wahrnehmbare  Ver- 
änderungen. 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    13 

Die  histologiscbe  Untersachung,  welche  an  Serien- 
scbnitten  von  20 — 25  mm  Dicke  vorgenommen  wurde,  ergiebt 
für  die  Cornea  ganz  normale  Verhältnisse.  Der  Eammerwinkel 
2eigt,  abgesehen  von  den  inneren  Theilen,  welche  der  Ruptnr- 
stelle  entsprechen,  überall  die  gleichen  Yerändemngen,  welche 
den  im  vorigen  Falle  beschriebenen  ansserordentlich  ähnlich 
sind.  Es  fehlt  nämlich  die  Iris  vollständig  ohne 
Hinterlassung  des  geringsten  Stumpfes.  Das  Ligamen- 
tum pectinatum  ist  grösstentheils  unverletzt,  doch  finden  sich 
auch  Stellen,  wo  die  hinteren  Faserzüge  desselben  eingerissen 
sind.  Die  Abrissstelle  der  Iris  vom  Ciliarkörper  ist  durch 
Zusammenziehung  des  Gewebes  auf  ein  sehr  Geringes  ver- 
schmälert, ein  wenig  blutig  imbibirt  und  von  einem  Zellen- 
belage überzogen,  welcher  vom  Ligamentum  pectinatum  beginnt 
und  eine  Fortsetzung  des  Endothels  der  hinteren  Hornhaut- 
wand zu  sein  scheint.  Der  Rissrand  ist  dadurch  in  grösster 
Ausdehnung  geglättet,  nur  stellenweise  etwas  zackig.  Der 
Pigmentepithelüberzug  des  Ciliarkörpers  und  seiner  Fortsätze 
hört  hier  plötzlich  auf,  das  Pigment  ist  stellenweise  in  das 
darunterliegende  Bindegewebslager  der  Giliarfortsätze  ver- 
schleppt. Knapp  an  der  Rissstelle  sind  einige  Ge&squer- 
scbnitte  sichtbar,  deren  Lumen  vollständig  verschlossen  ist; 
dagegen  ist  der  Circulus  arteriosus  iridis  ms^or  an  den 
Schnitten,  an  welchen  er  erhalten  ist,  (er  fehlt  an  der  gröss- 
ten  Anzahl  der  Schnitte)  durchgängig.  Stellenweise  sind  die 
Giliarfortsätze  nach  vorne  gezogen,  so  dass  die  hintere  Hälfte 
des  Ligamentum  pectinatum  gegen  die  Kammer  zu  von  ihnen 
bedeckt  wird.  Der  Ciliarkörper  ist  ganz  normal  gebildet  und 
zeigt  keine  pathologischen  Veränderungen.  Ueber  seine  Ober- 
fläche ist  eine  dünne  Schicht  von  geronnenem  Blute  ausge- 
breitet, über  welche  ein  aus  einer  einfachen  Lage  von  sehr 
zarten  Spindelzellen  gebildetes  Häutchen  hinwegzieht. 

In  der  inneren  Peripherie  des  Kammerwinkels, 
entsprechend  der  Yerletzungsstelle,  sind  die  Veränderungen  sehr 
auffallend  (Fig.  16).  Die  Continuität  der  Bulbushüllen  ist  gerade 
an  der  Corneoskleralgrenze  unterbrochen.  Der  Riss  liegt  zwar 
vollständig  im  Bereiche  der  Sklera,  aber  doch  so  nahe  an  dem 
Hornhautrande,  dass  das  innere  Ende  desselben  noch  in  das 
L^iamentum  pectinatum  fällt,  dessen  aufgefasertes  peripheres 
Ende  von  der  Sklera  abgelöst,  stellenweise  mit  Rundzellen  und 
fast  überall  mit  rothen  Blutkörperchen  infiltrirt  erscheint  Der 
Scfalemm'sche  Canal,  welcher  im  übrigen  Umfange  deutlich  und 


14  H.  Wintersteiner. 

scheinbar  unverletzt  nachzuweisen  ist,  ist  an  der  Ruptur- 
stelle zerstört.  Am  comealen  Wundrande  sind  die  Fasern 
sämmtlich  nach  auswärts  gebogen,  an  der  skleralen  Wundlefze 
sind  die  inneren  Faserschichten  vom  Wundcanal  her  stark  in 
sich  selbst  zusammengedrückt  und  in  steilen  Wellenlinien  ge- 
faltet und  nur  die  äusseren  Faserlageu  zeigen  ebenfalls  eine 
Biegung  nach  aussen.  Wie  schon  bei  der  makroskopischen 
Beschreibung  angegeben,  ist  diese  sklerale  Wundlippo  beträcht- 
lich nach  einwärts  gegen  die  Bulbusachse  verschoben. 
Zwischen  die  Rissränder  ist  das  Corpus  ciliare  ein- 
gelagert. Dasselbe  ist  im  Bereiche  der  Pars  plana  abge- 
rissen und  weit  nach  vorne  gezogen.  An  seiner  Stelle  be- 
findet sich  an  der  Innenseite  der  Sklera  nur  eine  dttnne  Lage 
eines  feinfaserigen  und  ziemlich  kernreichen  Bindegewebes, 
dessen  Zellen  im  Allgemeinen  zwar  unpigmentirt  sind,  stellen- 
weise jedoch  einzelne  Pigmentkörnchen  eingelagert  enthalten. 
Die  Ränder  des  Risses,  der  unweit  der  Ora  serrata  liegt,  die- 
selbe jedoch  an  keiner  Stelle  erreicht,  verhalten  sich  ver- 
schieden; zumeist  sind  sie  abgerundet,  etwas  gewulstet  und  das 
Pigmentepithel  reicht  bis  knapp  zu  ihnen.  An  anderen  Stellen 
ist  jedoch  der  Rand  wie  aufgeblättert  und  seine  inneren 
Schichten  sind  nach  innen  umgekrämpelt  und  durch  feinfase- 
riges Gewebe  gegen  die  Bulbusachse  verzogen.  Von  Zonula- 
fasem  ist  hier  nirgends  eine  Spur  zu  finden.  Die  Pars  ciliaris 
retinae  ist  natürlich  ebenfalls  durchrissen. 

Der  im  Wundcanal  der  Sklera  liegende  Ciliarkörper  ist  nur 
dem  hinteren  Wundrande  allenthalben  innig  angepresst  und 
mit  ihm  verwachsen.  Zwischen  ihm  und  dem  vorderen  Riss- 
rande befindet  sich  hingegen  in  ziemlicher  Ausdehnung  ein  die 
ganze  Dicke  der  harten  Bulbushäute  durchgreifender  Spalt, 
welcher  mit  rothen  Blutkörperchen  angefüllt  ist.  Doch  sind 
die  durchrissenen  Faserzüge  nicht  dem  Kammerwasser  ausge- 
setzt, sondern  werden  von  einer  wechselnd  dicken  Lage  von 
neugebildetem  Bindegewebe  bedeckt.  Dieses  tritt  mit  Aus- 
nahme einer  kurzen  Strecke  in  Gestalt  eines  Zapfens  gegen 
die  Kammer  vor  und  setzt  sich  als  ein  auf  dem  Durchschnitte 
als  feiner  Faden  erscheinendes,  aus  zelligen  Elementen  zu- 
sammengesetztes, mit  Blutkörperchen  infiltrirtes  Häutchen  quer 
durch  die  Kammer  nach  den  Ciliarfortsätzen  der  gegenüber- 
liegenden  Seite  fort. 

Der  vorgefedlene  Ciliarkörper  ist  stark  verändert  £r  ist 
über  die  innere  und  äussere  Risskante  der  Sklera  scharf  recht- 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    15 

winkelig  geknickt,  mit  den  Ciliarfortsätzen  nach  aassen  ge- 
kehrt. An  der  ersten  Knicknngsstelle  ist  er  bedeutend  ver- 
dünnt. Das  noch  intrabalbär  liegende  Stück  desselben,  welches 
seinem  flachen  Theile  entspricht,  ist  ziemlich  dünn,  seine 
Fasern  dicht  aneinander  gelegt  und  gestreckt,  reichlich  pig- 
roentirt.  Muskelfasern  sind  nicht  auffindbar.  Es  ist  zumeist 
des  Pigmentepithels  verlustig  gegangen.  Doch  findet  sich  ein 
solches  der  inneren  Skleralwand  anliegendes  Stück  des  Corpus 
ciliare  nur  streckenweise,  an  anderen  Stellen  ist  es  vollständig 
durch  den  Wundschlitz  hindurch  getreten  oder  mit  einem  mehr 
minder  beträchtlichen  Antheil  noch  in  demselben  eingeklemmt. 
Es  ist  sehr  stark  deformirt,  seine  Muskulatur  hochgradig  atro- 
phisch. Die  Giliarfortsätze  sind  verbogen,  zusammengedrückt, 
nach  aussen  gekehrt  d.  h.  von  der  Sklera  abgewendet,  etliche 
blutig  imbibirt.  Ihr  epithelialer  Ueberzug  ist  grösstentheils 
gut  erhalten,  stellenweise  jedoch  ist  die  unpigmentirte  Zellen- 
lage von  der  pigmentführenden  abgehoben  und  bildet  derart 
cystische  Räume;  an  anderen  Stellen  hinwiederum  ist  sie  ge- 
wuchert, die  Zellen  fast  spindclig  ausgewachsen.  Wieder  an 
anderen  Stellen  sind  beide  Zelllagen  verloren  gegangen  und 
das  retinale  Pigment  in  das  umgebende  junge  Narben-Gewebe 
verschleppt.  Streckenweise  ist  die  Grenze  zwischen  diesem 
und  dem  Stroma  des  Ciliarkörpers  völlig  verwischt  und  un- 
kenntlich geworden. 

Die  Bindehaut  ist  entsprechend  dem  Prolaps  vorgebaucht, 
ihr  Epithel  von  gewöhnlichem  Aussehen.  Dasselbe  sendet  an 
einer  Stelle  einen  hohlen  Zapfen  in  die  Tiefe,  welcher  die 
Fortsätze  des  vorgefallenen  Ciliarkörpers  erreicht.  An  deren 
Oberfläche  breitet  sich  das  Epithel  ans  und  umschliesst  meh- 
rere flache  Hohlräume,  welche  durch  den  erwähnten  Fistel- 
gang  mit  der  Oberfläche  in  Verbindung  stehen.  Diese  Räume 
sind  zum  Theile  leer,  enge,  mit  einander  berührenden  Wan- 
dungen, zum  Theile  enthalten  sie  pigmentgeschwängerte  Rund- 
zellen und  grössere,  bläschenartige,  doppeltcontourirte  Gebilde, 
welche  entweder  Degeneratiousformen  von  Epithelzellen  oder  aber 
Parasiten  darstellen,  wie  ich  sie  gelegentlich  in  einem  Falle 
von  Pigmentirung  der  Bindehaut  fand.  Dieselben  wurden  auch 
von  Fuchs  in  Präparaten  von  Pterygien  vorgefunden  und  be- 
schrieben. 

Die  Bindehaut  ist  ödematös,  von  zahlreichen  Rundzellen 
durchsetzt,  welche  zu  kleinen  Heerden  besonders  in  der  Um- 
gebung der  beträchtlich  erweiterten  und  sehr  zahlreichen  Ge- 


16  •  H.  Wintersteiner. 

flftsse  zasammentreten.  Ausserdem  finden  sich  auch  hier  in 
ausserordentlich  reichlichem  Maasse  die  im  vorigen  Falle  aus- 
fflhrlich  beschriebenen  Pigmentablagernngen  in  den  Rund- 
zellen, Bindegewebszellen  und  in  den  perivascnlären  Lymph- 
scheiden vor. 

Wenn  man  die  Verwundungsstelle  nach  oben  zu 
gegen  ihr  Ende  hin  verfolgt,  so  findet  man  vorerst,  dass 
der  Giliarkörper  hier  wieder  in  ganzer  Ausdehnung  von  dem 
retinalen  Blatte  überzogen  ist.  Der  intrabulbäre  Antheil  wird 
grösser,  wodurch  die  Rissränder  in  der  Pars  plana  nfther  an 
einanderrücken.  Das  extrabulbär  gelegene  Stttck  des  Ciliar- 
körpers  zieht  sich  allmählich  zurück,  bis  sich  zuletzt  der  Vor- 
fall nur  mehr  auf  ein  paar  Giliarfortsätze  beschränkt.  In 
gleichem  Maasse  rücken  die  skleralen  Wundränder  aneinander 
und  erreichen  sich  endlich;  doch  hat  hier  die  Verheilung 
durch  reichliches  Narbengewebe  mit  einer  Stufenbildung  statt- 
gefunden, da,  wie  schon  oben  erwähnt,  die  hintere  Wundlippe 
gegen  das  Bulbnsinnere  verschoben  ist.  Der  Giliarkörper  ge- 
winnt, nachdem  er  ganz  aus  dem  Wundspalte  zurückgetreten 
ist,  annähernd  normale  Gestalt,  auch  seine  Muskulatur  ist  hier 
nicht  mehr  so  hochgradig  atrophisch.  Allein  obwohl  er  an 
normaler  Stelle  liegt,  ist  er  selbst  an  Schnitten,  wo  von  einem 
Skleralriss  nichts  mehr  wahrzunehmen  ist,  noch  nicht  an  der 
Goriieoskleralgrenze  angewachsen.  Die  Trennung  im  Bereiche 
der  Pars  plana  ist  hier  weiter  nach  vorne  verschoben  und  geht 
quer  durch  die  Muskulatur  des  Giliarkörpers. 

Verfolgt  man  den  Riss  der  Bulbushüllen  weiter  nach 
unten  zu,  so  findet  man  den  der  Sklera  durch  eine  ungefiLhr 
1  mm  breite  Narbenmasse  verschlossen,  an  welche  die  Giliar- 
fortsätze angewachsen  sind  und  von  welcher  ein  zapfenartiges 
Gebilde  in  den  Kammerraum  vorspringt.  An  diesen  setzt  sich 
die  schon  erwähnte  nach  der  gegenüberliegenden  Seite  ziehende 
Membran  an. 

Weiter  nach  abwärts  stellt  sich  die  Gontinuität  der 
äusseren  Lederhautschichten  wieder  her,  während  die  klaffende 
Berstung  der  inneren  durch  Narbengewebe  ausgefüllt  ist.  Auch 
hier  ist  der  Giliarkörper  noch  nicht  durch  die  Sehne  des 
Musculus  ciliaris  an  die  Sklera'  angeheftet,  liegt  jedoch  an 
gewöhnlicher  Stelle.  Die  Giliarfortsätze  sind  durch  Blutaas- 
tritte gebläht,  ihr  Pigment-  und  Epithelüberzng  zerworfen. 
Erst  in  den  Parthien,  wo  die  Sklera  ganz  unverletzt  erscheint, 
ist  die  normale  Fixation  des   Giliarkörpers  erbalten.     In  dem 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    17 

ganzen  Bereiche  der  unteren  Hälfte  der  Skleralruptur  ist  das 
Corpus  ciliare  von  der  Chorioidea  nicht  abgerissen. 

Sowohl  von  der  Linse  als  von  ihrer  Kapsel  sind  keine 
Reste  auffindbar.  Dagegen  sind  die  Zonülafasern  mit  Aus- 
nahme der  schon  erwähnten  Stelle  allenthalben  von  der  Ora 
serrata  bis  zu  den  Spitzen  der  Ciliarfortsätze  zu  verfolgen  und 
zwischen  ihnen  Blutkörperchen  in  reichlicher  Menge  ange- 
sammelt. 

Der  Glaskörper,  welcher  durch  die  von  dem  Prolapse  zu 
dem  Kammerwinkel  der  gegenüberliegenden  Seite  ausgespannte 
Membran  nach  vorne  abgeschlossen  wird,  ist  membranös  dege- 
uerirt,  von  Blutaustritten  verschiedener  Grösse  durchsetzt. 
Ebenso  finden  sich  in  der  vorderen  Kammer,  besonders  gegen 
die  Kammerbucht  zu,  Anhäufungen  von  gut  erhaltenen  rothen 
Blutkörperchen. 

Die  Betina  zeigt  ausser  einer  Höhlen-  und  Lackenbilduug 
in  ihren  inneren  Schichten  nahe  der  Ora  serrata  keine  patho- 
logischen Veränderungen.  Die  Chorioidea  ist  blutreich,  ohne 
Entzündungsheerde.  Im  Sehnervenkopf  findet  sich  ganz  geringe 
Kernvermehrung. 

Eine  Zusammenfassung  vorstehender  Befunde  ergiebt 
eine  Berstung  der  Sklera  nahe  an  der  inneren  Grenze  der 
Hornhaut  mit  Zerstörung  des  Schlemm'schen  Canales. 
Durch  die  weit  klaflfende  Lücke  ist  der  Ciliarkörper  vor- 
gefallen, welcher  sowohl  nahe  der  Ora  serrata  quer  durch- 
rissen als  auch  von  seiner  vorderen  Insertion  an  der  Conieo- 
skleralgrenze  abgetrennt  ist.  Doch  ist  nicht  allenthalben 
eine  Verwachsung  des  prolabirten  Theiles  mit  den  Wund- 
rändeni  erfolgt,  sondern  es  blieb  zwischen  Ciharkörper  und 
cornealer  Wundlefee  eine  von  neugebildetem  Gewebe 
(Narbengewebe)  ausgekleidete  Spalte  bestehen.  Aehnliches 
junges  Gewebe  überzieht,  von  der  Conjunctiva  bedeckt,  den 
ganzen  Prolaps.  Sowohl  hier,  als  auch  sonst  im  ganzen 
Umfange  fehlt  die  Iris  vollständig.  Kein  noch  so  kurzer 
Stumpf  ist  auffindbar.  Die  Veränderungen  im  Kammer- 
winkel (mit  Ausnahme  der  Rupturstelle)  entsprechen  voll- 
kommen denen  im  vorigen  Falle  und  bestehen  in  einer 
dirckten  Anwachsung  der  Ciliarfortsätze  an  das  Ligamen- 

▼.  Gnefe's  Archiv  mr  Ophthalmologie.  XL.   2.  2 


18  H.  Wintersteiner. 

tum  pectinatuni  ohne  Einschaltung  einer  nennenswerthen 
Narbenmasse.  —  Die  Linse  fehlt  spurlos.  Sie  ist  jeden- 
falls durch  die  Skleralwunde  aus  dem  Bulbus  ausgetreten 
und  durch  einen  Riss  in  der  Bindehaut  gänzUch  verloren 
gegangen.  Als  Ueberrest  dieser  letzteren  Verletzung  findet 
sich  noch  der  von  Bindehautepithel  ausgekleidete  imd  bis 
auf  den  prolabirten  Ciliarkörper  reichende  Fistelcanal,  der 
sich  in  der  Tiefe  zu  flachen  Hohlräumen  ausweitet 

Was  die  Ausdehnung  des  Risses  anbelangt,  so  nimmt 
er  in  der  Lederhaut  ungelähr  ein  Viertel  des  Umkreises 
ein;  in  der  Pars  plana  corporis  ciliaris  ist  derselbe  nach 
oben  bedeutend  ausgedehnter,  so  dass  auf  Schnitten  im 
inneren  oberen  Quadranten,  welche  schon  eine  unverletzte 
Sklera  zeigen,  der  Riss  im  Strahlenkörper  noch  weit  klafft. 
Nach  unten  zu  kehrt  sich  dieses  Verhältniss  um,  so  dass 
die  Trennung  in  der  Sklera  weiter  nach  abwärts  reicht 
als  die  des  Corpus  cihare.  Wie  selbstverständlich,  erstreckt 
sich  auch  die  Abtrennung  des  CiUarmuskels  von  der  Sklera 
beträchtlich  weiter  als  der  Prolaps;  denn  nur,  wenn  die 
Lockerung  des  CiUarkörpers  genügende  Ausdehnimg  er- 
reicht hatte,  konnte  ja  derselbe  vorfallen.  Dieser  Fall  ist 
besonders  von  Interesse,  wenn  man  ihn  mit  dem  vorigen 
zusammenhält,  mit  welchem  er  weitgehende  Aehidichkeit  in 
der  khnischen  Erscheinimg  und  selbst  im  makroskopischen 
Aussehen  des  hemisecirten  Bulbus  besitzt  Li  beiden 
Fällen  besteht  nämUch  eine  Ruptur  der  Lederhaut  mit 
Vorfall  der  Uvea,  traumatische  Aniridie  und  Aphakie  imd 
blutige  Durchtränkung  des  Glaskörpers.  Während  aber  im 
ersten  Falle  der  Prolaps  durch  vorgestülpte  Jiis  gebildet 
ist,  besteht  er  in  diesem  aus  dem  vorgefallenen  Strahlen- 
körper bei  totalem  Defecte  der  Regenbogenhaut.  Es  ist 
also  gewiss  nöthig,  hier  einen  anderen  Vorgang  bei  der 
Verletzung  anzunehmen  als  im  vorigen  Falle.  Ist  es  ja 
doch  sehr  aufifallend,  dass  bei  voUigem  Mangel  der  Iris  ein 
Vorfall   des  CiliarkOrpers   in  einer  Gegend  zustande  kam. 


Beitrilge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.   19 

welche  vor  seinem  Ansätze  gelegen  ist.  Ueberhaupt  müssen 
bei  der  Entstehung  eines  Ciliarkörpervorfalles  ganz  andere 
Kräfte  in  Action  treten  als  bei  der  eines  Irisprolapses,  zu 
dessen  Bildung  schon  der  Druck  des  aus  der  hinteren 
Kammer  vorstürzenden  Karamerwassers  allein  vollkommen 
hinreicht 

Hier  lassen  sich  zwei  MögUchkeiten  des  Yerletzungs* 
mechanismus  in  Erwägung  ziehen.  Erstens  ist  es  denkbar^ 
dass  durch  die  Sklerah-uptiu-  die  Iris  vorfiel  während  sie 
ähnlich  wie  im  vorigen  Falle,  noch  im  Zusammenhange 
mit  dem  CiUarkörper  stand  und  dass  sie  dann  erst  so 
brüske  abgerissen  wurde,  dass  hierdurch  derselbe  sowohl  von 
der  Sklera  abgesprengt,  als  auch  nahe  der  Ora  serrata  durch- 
rissen wurde  und  durch  den  Skleralspalt  vorfiel.  Dieser 
Yerletzungsmechanismus  ist  mir  aber  nicht  sehr  wahrschein- 
lich, weil  die  Insertion  der  Kegenbogenhaut  an  den  CiUar- 
körper recht  ungünstig  gelegen  ist,  um  einen  Prolaps  des 
letzteren  durch  einfachen  Zug  zu  erzeugen.  Ausserdem 
widerspricht  dem  auch  die  hundertfältige  Erfahrung,  dass 
sich  die  Iris  verhaltnissmässig  leicht  vom  Corpus  cihare 
abtrennen  lässt,  während  doch  die  Anheftung  des  Mus- 
culus dliaris  an  die  Sklera  eine  sehr  feste,  sehnige  ist 

Die  zweite  MögUchkeit  scheint  mir  mehr  für  sich  zu 
haben.  Es  dürfte  nämüch  in  gewöhnUcher  "Weise  (welche 
wir  allerdings  nicht  näher  kennen)  durch  Einwirkung  der 
stumpfen  Gewalt  gleichzeitig  mit  der  Bulbusberstung  oder 
richtiger  noch  vor  derselben  eine  totale  ringförmige  Ablösung 
der  Iris  entstanden  sein  und  dieselbe  diu^ch  die  Wunde  in 
der  Lederhaut  aus  dem  Augapfel  hinausgeschwemmt  worden 
sein.  Die  Abtrennung  und  der  Vorfall  des  Ciharkörpers 
erfolgte  dann  unabhängig  von  der  Iridodialyse  durch  Ein- 
wirkung der  luxirten  Linse,  welche  ebenfalls  durch  die 
Skleralwunde  aus  dem  Bulbus  auszutreten  versuchte,  hier- 
bei aber  mit  ihrem  Aequator  sich  gegen  die  CiUarfortsätze 
und   den   CiliarkOrper   stemmte   und  so  dieselben  vor  sich 

2* 


20  H.  Wintersteiner. 

herdrängte  und  einerseits  von  der  Sklerotica,  andererseits 
von  der  Chorioidea  abriss  und  durch  den  Schütz  in  der 
Sklera  hinaussttilpte.  Gleichzeitig  wird  auch  der  Druck 
des  Glaskörpers  gegen  die  Wundöffnung  sowohl  direkt  auf 
den  Ciliarkörper  gewirkt  als  auch  den  von  der  linse  auf 
denselben  ausgeübten  Druck  verstärkt  haben.  Möglicher- 
weise kann  dabei  auch  eine  abnorme  Festigkeit  der  Zo- 
nula  Zinnii  mitgeholfen  haben,  w^elche  hinderte,  dass  sich 
die  linse  frühzeitig  aus  allen  Verbindungen  löste  und  vor 
'  den  Ciliarkörper  trat.  Das  vorgefallene  Corpus  ciliare 
wurde  offenbar  durch  die  nach  dem  Abfluss  des  Kammer- 
wassers und  dem  Austritte  der  Linse  sich  aneinander- 
legenden  Wundränder  der  Lederhaut  eingeklemmt,  incarce- 
rirt  und  so  lange  festgehalten,  bis  sich  Verwachsungen  mit 
der  Umgebung  ausbildeten  und  die  weitere,  definitive  Fixi- 
rung  übernahmen. 

Fall  ITL 

Schiessbuhl,  Johann,  Wirthschaftsbesitzer,  37  Jahre 
alt,  aufgenommen  am  8.  Sept.  1892  sab  Journal-Nr.  17043 
auf  Z.-Nr.  57^  der  I.  Augenklinik. 

Am  8.  September  Nachmittags  wurde  er  von  einem 
Freunde  auf  der  Rebhühnerjagd  angeblich  aus  einer  Entfer- 
nung von  ungefähr  100  Schritten  (mit  Schrot  Nr.  12)  ange- 
schossen. Er  verspürte  augenblicklich  starken  Schmerz  im 
rechten  Auge,  welches  von  dem  Augenblicke  an  blind  war  und 
heftig  blutete.  Er  fuhr  sogleich  nach  Wien  in  die  Klinik, 
wo  ich  ihn  ungefähr  5  Standen  nach  dem  Unfälle  zu  sehen 
bekam. 

Er  zeigte  mehrere  Schassverletzungen  am  Körper,  näm- 
lich an  der  rechten  Wange  2  cm  unterhalb  des  unteren 
Orbitalrandes;  an  der  Mitte  der  Stirne-,  an  der  rechten  Seite 
der  Oberlippe,  welche  perforirt  war  und  der  eine  Quetschung 
am  Zahnfleische  des  rechten  oberen  Eckzahnes  entsprach;  an 
der  rechten  Halsseite,  am  rechten  Handrücken;  am  rechten 
Oberarme.  Fast  an  allen  diesen  Stellen  Hess  sich  unter  der 
Haut  das  Schrotkorn  tasten. 

Das  rechte  Auge  zeigte  folgende  Verletzungen:  In  der 
Mitte  des  unteren  Lides,  knapp  unterhalb  der  Cilienreihe  be- 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    21 

findet  sich  eine  mit  vertrocknetem  Blute  bedeckte,  unregel- 
m&ssige,  zackigrandige  Wunde  von  ca.  3  mm  Durchmesser, 
welche  die  ganze  Dicke  des  Lides  durchsetzt  und  der  an  der 
-xonjunctivalen  Seite  eine  ähnliche  zackige  Wunde  entspricht. 
Die  Bindehaut  ist  sonst  blass;  am  Bulbus  ein  ganz  zarter,  die 
Hornhaut  umgebender  episkleraler  Injectionsring.  Unmittelbar 
unter  dem  Hornhautrande  befindet  sich  eine  die  Copjunctiva 
und  Sklera  durchdringende,  sternförmige  Oeffnung,  aus  welcher 
dickflüssiges,  dunkles  Blut  austritt.  Alle  drei  erwähnten  Oeff- 
nungen  in  Lid  und  Sklera  entsprechen  der  Lage  nach  ein- 
ander genau  und  haben  den  gleichen  Durchmesser. 

Hornhaut  klar,  normal,  Yorderkammer  aufigehoben;  von 
der  Iris  ist  keine  Spur  zu  sehen.  Die  Linse  ist  klar  und 
zeigt  nur  an  ihrer  vorderen  Kapsel  zwei  kleine  gelbliche  Fleck- 
chen. Hinter  der  Linse  erscheint  bei  seitlicher  Beleuchtung 
ein  hellblntrother  Reflex.  Fundus  nicht  sichtbar.  Der  Patient 
nimmt  mit  diesem  Auge  eine  Kerzenflamme  in  unmittelbarer 
Nähe  nur  undeutlich  wahr. 

Das  linke  Auge  ist  normal  gebildet  und  ohne  patholo- 
gische Veränderung  V  =  */g. 

Die  Diagnose  lautete:  Vulnus  sklopetarium  palpebrae  in- 
ferioris  et  sclerae  o.  d.  Haemophthalmus.  Aniridia  trauma- 
tica. Doch  musste  auch  die  Möglichkeit  in  Betracht  gezogen 
werden,  dass  statt  eines  völligen  Maugels  nur  eine  Einsenkung 
der  Iris  hinter  die  Linse  vorliegen  könne;  denn  die  Unter- 
suchung im  durchfallenden  Lichte,  welche  Ausschluss  hätte 
bieten  können,  war,  wie  erwähnt,  wegen  Glaskörperblutung 
nicht  durchführbar. 

Ich  verordnete  dem  Kranken  warme  Ueberschläge,  Bett- 
ruhe und  täglich  2  malige  Einträufelung  von  l  Tropfen  einer 
1  %  Atropinlösung. 

Am  9.  September  hatte  die  lujectiou  zugenommen.  Starke 
Scbmerzhaftigkcit.  Am  10.  IX.  92.  Die  Cornea  gestichelt, 
in  ihren  hinteren  Schichten  diffus  getrübt,  so  dass  die  tieferen 
Theile  kaum  sichtbar  sind.  Therapie:  Verband  mit  essigsanrer 
Thonerde,  3  mal  täglich  warme  Ueberschläge,  sonst  wie  früher. 
Heftige  spontane  Schmerzen  im  Auge,  wobei  der  Kranke  das 
Gefühl  angiebt,  „als  ob  das  Schrotkorn  im  Bulbus  hin  und  her 
rollen  würde'S  Am  12.  IX.  92.  Die  Hornhauttrübung  und 
Stichelung  hat  noch  zugenommen.  Die  Kammer  hat  sich  wie- 
der hergestellt,  ihre  innere  Hälfte  ist  mit  dunklem  Blute  er- 
füllt.    (Der  Kranke  liegt  auf  der  linken  Seite.) 


22  H.  Wintereteiner. 

Da  angenommen  werden  musste,  dass  das  Projectil  sich 
noch  im  Balbns  befinde  nnd  die  Gefahr  einer  sympathischen 
Ophthalmie  nahe  lag,  warde  am  12.  Sept.  92  die  Enacleation 
in  Ghloroformnarkose  vorgenommen,  wobei  es  gelang,  den 
dnrch  die  Schusswunde  am  unteren  Limbns  drohenden  Glas- 
körpervorfall zu  vermeiden.  Der  weitere  Verlauf  war  normal. 
Fat.  wurde  am  18.  IX.  mit  reizlosem  Anophtbalmus  aus  der 
Anstalt  entlassen. 

Der  Bulbus  wurde  sogleich  in  Müller'sche  Flüssigkeit 
gebracht,  wo  er  durch  2  Monate  verweilte,  dann  ausgewässert 
und  in  Alkohol  von  steigender  Goncentration  nachgehärtet. 
Er  wurde  im  verticalen  Meridian  halbirt,  so  dass  der  Schnitt 
durch  den  Schusscanal  ging,  dann  jede  Hälfte  in  Celloidin 
eingebettet,  in  Serien  geschnitten  und  gefärbt.  Zur  Anwen- 
dung gelangten:  Haematoxylin  (Böhmer)  und  Eosin,  Lithion- 
carmin  und  Picrinsäure  oder  Anilinblau,  Bismarckbraun. 

Die  makroskopische  Untersuchung  ergab  normale 
Maasse  des  Bulbus.  Unten  an  der  Comeoskleralgrenze,  aber 
schon  der  Sklera  angehörend,  befindet  sich  eine  dieselbe  in 
der  Richtung  von  vorne  nach  hinten  horizontal  durchdringende, 
etwas  über  1  mm  weite  canalartige  Oeffnung,  in  deren  Um- 
gebung die  Bindehaut  wulstig  aufgeworfen  ist,  und  welche  von 
einer  rothbraunen  Masse  erfüllt  wird,  die  sich  in  gleichgefärbte, 
theils  lamellär  angeordnete,  theils  mehr  klumpige  Massen  in 
der  vorderen  Glaskörpergegend  fortsetzt.  Die  Hornhaut  zeigt 
keine  sichtbaren  Veränderungen,  die  vordere  Kammer  ist  mit 
theils  gelblichweissen  fädigen  und  membranartigen,  theils  blutig 
imbibirten  Gerinnseln  erfüllt.  Die  Linse  ist  um  ein  geringes 
nach  vorne  gerückt,  so  dass  die  Kammer  verengt  wird,  und 
gleichzeitig  nach  oben  verschoben,  so  dass  der  Linsenrand  an 
den  Ciliarfortsätzen  anliegt.  In  den  unteren  Parthien  der  Linse 
fehlt  die  geschichtete  Structur.  Die  Iris  mangelt  vollständig. 
Der  Ciliarkörper  ist  an  der  dem  Einschüsse  entsprechenden 
Parthie  von  der  skleralen  Fixation  gelöst  und  nach  rückwärts 
dislocirt. 

Die  Netzhaut  ist  in  grosser  Ausdehnung  besonders  nach 
unten  zu  weit  von  der  Chorioidea  durch  einen  massigen  ge- 
ronnenen Bluterguss  abgehoben,  der  Glaskörperraum  dadurch 
bedeutend  verengt  und  von  einem  Fachwerke  von  Gerinnseln 
erfüllt,  welches  nach  vorne  und  unten  in  die  bereits  erwähn- 
ten Blutgerinnsel  übergeht.  Auch  die  Aderhaut  ist  im  ganzen 
Umfange  flach  abgehoben.    Der  Sehnerv  zeigt  nichts  Besonderes. 


Beitrage  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.     23 

Mikroskopische  Untersachung:  (Figur  6.)  Die  Horn- 
haut ist  Yon  gewöhnlicher  Dicke  und  Wölbung,  ihr  Epithel 
grösstentheils  normal;  nur  in  der  unteren  Hälfte  der  Cornea 
sind  die  oberflächlichen  Epithelschichteu  stellenweise  ausge- 
fallen, so  dass  nur  die  Basalzellen  mehr  vorhanden  sind; 
streckenweise,  jedoch  nur  in  sehr  geringer  Ausdehnung,  fehlen 
auch  diese,  so  dass  die  sonst  normale  Bowman'sche  Membran 
blossliegt.  Das  Hornhautgewebe  ist  im  Allgemeinen  etwas 
kernreicher,  die  Lamellen  in  den  hinteren  Schichten  durch 
Verbreiterung  der  Zwischenräume  lockerer  gefügt,  auseinander- 
gedrängt. 

In  den  interlamellären  Räumen  besonders  der  unteren 
Cornealhälfte  finden  sich  zahlreiche  Rundzellen  eingelagert, 
welche  im  Durchschnitt  spindelförmig  gestaltete  Gruppen  bilden. 
Zwischen  der  Lamina  Descemetii  und  den  hinteren  Hornhaut- 
lamellen werden  diese  Heerde  bedeutend  mächtiger  und 
fiiessen  zu  einer  ununterbrochenen  Schicht  von  Wanderzellen 
zusammen. 

Die  Descemet'sche  Haut  ist  grob  gewellt.  An  dieser 
Faltung  nehmen  auch  die  Hornhautlamellen  im  ganzen  hinteren 
Drittel  der  Dicke  in  abnehmender  Intensität  Theil,.  indem  sich 
die  Wellen,  je  weiter  mau  nach  vorne  kommt,  immer  mehr 
abflachen  und  schliesslich  ganz  verstreichen.  Das  Endothel 
ist  auf  kurzen  Strecken  abgestossen  und  hier  kleben  rothe 
Blutkörperchen  direkt  an  der  Descemet'schen  Membran,  au 
anderen  Stellen  mittelst  zarten  Fibringerinnseln  an  dem  Endothel. 

Das  Stückchen  Bindehaut,  welches  am  Bulbus  bei  der 
Enucleatiou  erhalten  blieb,  ist  bis  auf  eine  ziemlich  beträcht- 
liche Hyperaemie  normal.  Nur  in  der  Umgebung  des  Ein- 
schusses ist  sie  stärker  gewulstet,  mit  Fibrinnetzen  und  rothen 
Blutkörperchen  durchsetzt.  An  einer  ganz  beschränkten  Stelle 
ist  sie  völlig  durchrissen,  die  Wundränder  eingerollt  und  blutig 
imbibirt;  das  in  Wucherung  begriffene  Epithel  dringt  ein 
kurzes  Stück  weit  in  den  Wundtrichter  hinein  vor.  Aus  dem- 
selben quillt  in  Gestalt    eines   Zapfens    Glaskörpergewebe  vor. 

Die  Schussöffnung  liegt  knapp  neben  dem  Limbus  cor- 
neae, gehört  aber  schon  vollständig  der  Sklera  an,  so  dass  weder 
die  Bowman'sche  noch  die  Descemet'sche  Haut  verletzt  sind. 
Das  Ligamentum  pectinatum  ist  jedoch  zerrissen  und  seine 
durchtrennten  Fasern  sind  in  den  Schusscanal  eingestülpt. 
Die  skleralen  Wundränder  zeigen  eine  Abrundung,  indem  die 
äussersten    und  innersten   Schichten  der  Lederhaut  gegen  die 


24  H.  Wintersteiner. 

Lichtung  des  Schusscanales  eingerollt  sind.  Von  hier  ange- 
fangen und  bis  über  die  Ansatzstelle  des  Musculus  rectus  in- 
ferior hinausreichend,  ist  die  Sklerotica  theils  mit  rothen 
Blutkörperchen,  theils  mit  Wanderzellen  infiltrirt;  das  Gleiche 
gilt  von  dem  episkleralen  Bindegewebe. 

Der  in  der  Schusswunde  liegende  Glaskörper  ist  reichlich 
mit  rothen  Blutzellen  durchsetzt,  ausserdem  aber  auch  noch 
von  LeucocyteUi  welche  in  Zügen  angeordnet  und  strecken- 
weise mit  grobkörnigem,  dunkelbraunem  Pigment  angefüllt 
sind.  Einzelne  Pigmentkörnchen  finden  sich  hier  auch  frei, 
ebenso  wie  in  dem  Gewebe  der  Sklera  selbst  längs  der  Riss- 
ränder.  An  einigen  Schnitten  sind  letztere  sogar  eine  Strecke 
weit  von  einer  continuirlichen  Lage  von  pigmentführenden 
Zellen,  welche  vollständig  denen  des  retinalen  Pigmentblattes 
der  Iris  gleichen,  überkleidet. 

Es  handelt  sich  hier  offenbar  um  abgestreiftes  Iristapet 
und  dies  ist  der  einzige  Rest  der  Regenbogenhaut,  welcher  im 
ganzen  Bulbus  aufzufinden  ist. 

Die  Verhältnisse  des  Kammerwinkels  gestalten  sich 
folgendermassen: 

An  der  Eiuschussstelle  ist,  wie  schon  erwähnt,  das  Liga- 
mentum pectinatum  durchrissen,  die  Rissräuder  in  den  Wund- 
canal  eingeschlagen.  Die  Verletzung  trifft  auch  den  Ansatz 
des  Corpus  ciliare.  Dasselbe  ist  vollständig  von  seiner  skle- 
raleu  Insertion  abgelöst,  ein  Stück  weit  nach  rückwärts  ge- 
rutscht und  reichlich  mit  Blut  imbibirt,  welches  alle  Spalten 
zwischen  dem  Netzwerk  des  Ciliarmuskels  und  die  ganzen 
Ciliarfortsätze  soweit  sie  erhalten  sind,  erfüllt.  An  circum- 
.skripter  Stelle  ist  die  ganze  vordere  Hälfte  des  Ciliarkörpers 
sammt  seinen  Fortsätzen  zerstört,  an  seiner  Stelle  eine  aus 
Glaskörper,  Fibringerinuseln  und  Blutkörperchen  zusammenge- 
setzte Masse;  in  dieser  befindet  sich  ein  aus  Leucocyten  be- 
stehender, scharf  umschriebener  Heerd,  in  dessen  Mitte  der 
Querschnitt  eines  Haares  eingebettet  liegt.  Riesenzellen  sind 
nicht  vorhanden.  Das  Haar  hat  nicht  auf  allen  Schnitten  die 
gleiche  Lage.  Denn  nur  in  den  der  Mitte  der  Perforations- 
öffnung entsprechenden  Schnitten  nimmt  es  den  eben  be- 
schriebenen Ort  ein;  in  den  weiter  nach  innen  zu  gelegenen 
Schnitten  rückt  es  allmählig  weiter  nach  rückwärts,  so  dass 
es  dann  an  die  Innenseite  des  abgetrennten  Ciliarkörpers  bis 
hinter  die  Ursprungsstcllc  der  Ciliarfortsätze  zu  liegen  kommt. 
Es  ist  weder  die  Spitze  des  Haares,    noch    die  Wurzel,   oder 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen   Aniridie  etc.    25 

Haarzwiebel  vorhanden;  es  handelt  sich  also  um  ein  kurzes 
Stück  mitten  aus  einem  Haare,  welches  seiner  Stärke  nach  einer 
Cilie  entspricht. 

An  den  von  der  Einschussöffnung  mehr  weniger  weit  ent- 
fernten Theilen  sind  die  anatomischen  Verhältnisse  des  Kammer- 
winkels ungleich  interessanter  und  wichtiger  und  fast  im  ganzen 
Umfange  von  dem  gleichen  Wesen.  Vorerst  fehlt  die  Iris  voll- 
ständig; es  ist  auch  nicht  der  allergeringste  Rest  von  ihr  an 
der  Ansatzstelle  zurückgeblieben.  Die  Gegend,  wo  sie  sass,  ist 
durch  eine  tiefe,  in  den  vorderen  Theil  des  Ciliarkörpers  ein- 
dringende, die  Vorderfläche  des  Musculus  ciliaris  vollständig 
biossiegende  Höhle  eingenommen.  Es  ergiebt  sich  demnach, 
dass  die  Regenbogenhaut  nicht  an  ihrer  Wurzel  abgerissen, 
sondern  aus  dem  Strahlenkörper  herausgerissen  ist  Die  ge- 
nauere Begrenzung  der  erwähnton  Höhle  (Fig.  7)  wird  gebildet: 
nach  vorne  von  dem  Ligamentum  pectinatum  welches  fast  au 
keiner  Stelle  unversehrt  gebliebeu  ist,  sondern  dessen  Balken- 
werk streckenweise  selbst  in  ganzer  Dicke  eingerissen  ist.  Die 
einzelnen  Bälkchen  stehen  sparrig  auseinander.  Ihre  Zwischen- 
räume sind  erfüllt  mit  rothen  Blutkörperchen,  welche  offenbar 
aus  dem  Schlemm' sehen  Canale  stammen,  da  derselbe  an  seiner 
Hinterwand  stellenweise  eröffnet  ist  (Fig.  7).  Nach  hinten  be- 
grenzt sich  der  Hohlraum  durch  die  Fasern  des  blossgelegten 
Ciliarmuskels ,  welche  streckenweise  zwischen  sich  pigment- 
führende Zellen  tragen;  gegen  die  Bulbusachse  zu  wird  die 
Grenze  gegeben  durch  die  Rissränder  der  Ciliarfortsätze  und 
durch  die  zum  Theile  erhaltenen,  zum  Theile  aber  auch  zer- 
rissenen und  durch  frische  Thromben  verschlossenen  Gefässchen, 
welche  Aeste  des  Circulus  arteriosus  iridis  major  darstellen. 
Dieser  selbst  lässt  sich  nur  streckenweise  nachweisen,  strecken- 
weise fehlt  er  und  die  Steile,  wo  er  liegen  sollte,  fällt  in  den 
mehrfach  erwähnten  Hohlraum,  der  durch  das  Horausreisseu 
der  Iris  entstanden  ist.  Die  Ciliarfortsätze  sind  alle  ziemlich 
weit  gegen  die  Hornhaut  vorgerückt,  so  dass  die  Höhlung  noch 
tiefer  erscheint.  Einige  zeigen  dabei  die  Neigung  sich  mit 
ihrem  Rissrande  gegen  dieselbe  hin  einzurollen.  Die  Rissstellen 
sind  nur  sehr  wenig  blutig  suffundirt  und  zeigen  keine  ent- 
zündlichen Veränderungen.  Auch  das  Epithel  der  Ciliarfort- 
sätze hat  keine  Wucherungstendenz.  Ausser  dem  Beginne  einer 
hyalinen  Degeneration  im  Halstheile  welche  ja  als  seniler  Vor- 
gang aufzufassen  ist,  zeigen  die  Ciliarfortsätze  keinerlei  patho- 
logische Veränderung. 


26  H.  Wintersteiner. 

Die  übrigen  Befunde  an  dem  Auge  seien  nur  ganz  kurz 
angeführt: 

Die  Linse,,  welche  etwas  nach  oben  verschoben  ist,  so  dass 
sie  dort  an  die  Giliarfortsätze  anstösst,  zeigt  eine  Eröffnung 
ihrer  Kapsel  in  der  Aequatorgegend  cutsprechend  der  Schuss- 
wunde. Die  Wunde  klafft  weit,  ihre  Rissränder  sind  nur  wenig 
nach  aussen  umgekrämpt.  Die  äquatorialen  Parthlen  der  Linsen- 
rinde sind  kataraktös  zerfallen  und  in  Form  einer  den  sklero- 
sirten  Kern  bis  zur  hinteren  Polgegend  umgreifenden  Schale 
von  Rundzellen  infiltrirt.  Die  hintere  Capsel  ist  auffallend  dünn 
und  am  hinteren  Pole  von  der  Linse  abgehoben.  Hier  befinden 
sich  zahlreiche  kleinere  und  grössere  Blasen  in  den  subcapsu- 
lären  Rindenschichten;  ähnliche  ringsum  in  der  Kernbogen- 
gegend.  Die  Zonulafasern  sind  oben  und  natürlich  auch  unten 
zerrissen,  an  den  seitlich  geführten  Schnitten  jedoch  wohl  er- 
halten. 

Der  Kammerraum  ist  von  einem  dichten  Fach  werk  von 
zierlichen  Fibringerinnseln  ausgefüllt,  welches  innig  an  der 
vorderen  Linsenkapsel  haftet  und  seinen  Ursprung  aus  dem 
Kammerwinkel  nimmt.  Es  ist  reichlich  mit  rothen  Blutkörper- 
chen durchsetzt  und  enthält  auch  in  den  der  Linse  unmittelbar 
anliegenden  Antheilen  grössere  Fibrinklumpen  und  kleine  Nester 
von  Leukocyten.  Gegen  den  Boden  der  Kammer  wird  die  Blut- 
ansammlung am  mächtigsten. 

Der  Glaskörper  ist  zerklüftet,  sehr  zellreich  und  von  Blut- 
austritten in  welchselnder  Grösse  durchsetzt;  in  den  hinteren 
unteren  Parthien  ist  er  durch  einen  grossen  Blutklumpen  ganz 
verdrängt  Zerstreut  finden  sich  grössere  und  kleinere  Heerde 
von  Rundzellen.  Ciliarkörper  und  Chorioidea  sind  von  der 
Sklera  flach  abgehoben,  die  Netzhaut  von  der  Ora  serräta  au 
abgelöst.  Ihr  unterer  Theil  zieht  senkrecht  gegen  die  Bulbus- 
achse  bis  hinter  den  hinteren  Linsenpol  und  biegt  erst  hier 
nach  rückwärts  um.  Der  subretinale  Raum  wird  theils  durch 
Blut,  theils  durch  feinkörnig  geronnene,  mit  Eosin  färbbaro 
Massen  ausgefüllt.  Die  Retina  ist  in  ihren  Schichten  ganz  gut 
erhalten,  bietet  keine  Zeichen  von  Entzündung. 

Unterhalb  des  Sehnervenkopfes,  welcher  ausser  einer  ge- 
ringen Kernvermehrung  keine  Veränderungen  zeigt,  befindet  sich 
eine  Perforation  der  Netzhaut,  Ader-  und  Lederhaut.  Au 
letzterer  ist  die  Wundöffnung  von  dem  gleichen  Caliber  wi^ 
vorne  an  der  Gorneoskleralgrenze;  nur  sind  hier  die  Wund- 
ränder nach   aussen  gerollt  und  zwar  sowohl   die  inneren  als 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatisehen  Aniridie  etc.     27 

auch  die  äusseren  Ränder  des  Canales,  welcher  dadurch  die 
Form  eines  mit  der  Basis  dem  Bulbusinneren  zugewendeten 
Trichters  erhält.  Die  Rissränder  der  Ghorioidea  sind  weit 
zurückgezogen,  gewulstet  und  nur  wenig  eingerollt,  zellig  und 
insbesondere  blutig  infiltrirt,  liegen  aber  der  Sklera  an.  Die 
Netzhaut  hat  sich  nur  um  ein  geringes  weiter  als  die  Ader- 
haut retrahirt  und  ist  von  Blutaustritten  gesprenkelt.  In  ziem- 
licher Ausdehnung  haben  sich  hier  die  Ausseuglieder  der 
Stäbchen  und  Zapfen  von  den  übrigen  Netzhautschichten  in 
Gestalt  einer  zusammenhängenden,  gefalteten  Membran  abgelöst ; 
diese  liegt  nun  zwischen  Pigmentepithel  und  Netzhaut  in  Blut- 
coagula  eingebettet  und  steht  mit  ihrem  Rande  noch  mit  der 
Stäbchenzapfenschichte  im  festem  Zusammenhange. 

Die  Ciliarnerven  sind  von  entzündlichen  Veränderungen 
frei.  — 

Die  makroskopisclie  und  insbesoildere  histologische 
Untersuchung  ergiebt  also  ausser  den  für  die  Fi*age  nach 
der  Iridereniie  und  Iridodialyse  in  Betracht  kommenden 
Veränderungen  noch  eine  Reihe  von  Befimden,  welche  zu- 
erst in  Kürze  besprochen  werden  mögen. 

Zuerst  ist  hervorzuheben,  dass  das  Schrotkom  nicht, 
wie  angenommen  worden  war,  noch  im  Bulbus  venveilte, 
sondern  unterhalb  des  Sehnerveneintiittes  die  Augenmem- 
branen zum  zweiten  Male  perforirt  hatte  imd  in  das  Orbi- 
talgewebe eingedrungen  war.  Auf  seinem  Wege  durch  das 
Lid  hatte  es  eine  Cilie  mitgerissen  und  in  das  Innere  des 
Augapfels  verschleppt,  wo  sie  liegen  blieb,  jedoch  nicht 
ohne  eine  entzündliche  Reaction  in  ihrer  Umgebung  hervor- 
zurufen^). Zugleich  wurde  der  vordere  Theil  des  Ciliar- 
körpers  zerstört,  die  Linsenkapsel  in  der  Aequatorgegend 
zum  Bersten  gebracht,  die  Linse  subluxirt,  die  Netzhaut 
durch  Bluterguss  abgehoben.  Die  Hornhaut  zeigt  da» 
typische  Bild  der  interstitiellen  Entzündung. 


')  Ein  ähnlicher  Befund  wurde  von  Deutschmann  gelegent- 
lich gemacht,  doch  fanden  sich  dort  in  der  Umgebung  der  Cilie  auch 
Riesenzellen,  welche  in  unserem  Falle  fehlen,  offenbar  weil  die  Zeit 
(4  Tage)  noch  zu  kurz  zu  ihrem  Auftreten  war. 


28  H.  Winterßteiner. 

Für  die  Beurtheilung  der  Veränderungen  im  Kammer- 
winkel bei  Irideremie  ist  der  vorliegende  Fall  deshalb  von 
hervorragender  Wichtigkeit,  da  die  Enucleation  schon  am 
4.  Tage  nach  der  Verletzung  vorgenommen  wurde,  die  ur- 
sprüngUchen  Wundverhältnisse  also  durch  secundäre  Ver- 
änderungen noch  relativ  wenig  alterirt  oder  verwischt  wor- 
den waren. 

Wie  in  dem  vorigen  Falle  ist  die  Iris  ganz  glatt  von 
ihrem  Ansätze  abgetrennt  und  zwar  sammt  einem  geringen 
Antheil  aus  den  vordersten  Parthien  des  Ciliarkörpers. 
Hierbei  ist  das  Ligamentum  pectinatimi  allenthalben  einge- 
rissen, an  manchen  Stellen  auch  noch  die  Hinterwand  des 
Schlemm'schen  Canales  durchbrochen,  so  dass  sich  dessen 
Inhalt  frei  in  die  Kammer  ergiessen  konnte.  Der'Circulus 
arteriosus  iridis  major  ist  stellenweise  ganz  zerstört,  sonst 
sind  die  von  ihm  abgehenden  Aeste  knapp  an  ihrem  Ur- 
spning  ab-  oder  ausgerissen,  der  Ciliaimuskel  vorne  voll- 
ständig entblösst,  aber  nur  wenig  blutig  infiltrirt 

Von  der  Iris  ist  als  einzige  Spur  beträchtliche  Pig- 
mentirung  in  einer  Strecke  des  Schusscanales  aufzufinden 
und  dies  giebt  einen  Hinweis  auf  den  Mechanismus  der 
Verletzung  und  den  Zeitpunkt  der  Irisabtrennung.  Meiner 
Ansicht  nach  erfolgte  die  Iridodialyse  schon  zu  einer  Zeit, 
als  die  Skleralperforation  noch  nicht  vollendet  war;  viel- 
leicht sogar  schon  in  dem  Augenblicke  als  das  Schrotkorn 
auf  das  untere  Lid  aufschlug  und  so,  da  sich  jetzt  der 
Anprall  auf  eine  grosse  Fläche  verbreitete,  als  stumpfe 
Gewalt  wirkte.  Die  ringsum  abgetrennte  und  zu  einem 
kleinen  Klümpchen  zusammengeballte  Iris  wurde,  sobald 
dfis  Schrot  die  Sklera  völlig  durchsetzt  hatte  und  das  Loch 
klaflfte,  von  dem  Strome  des  durch  die  enge  Oeffiiung  her- 
vorstürzenden Kammerwassers  erfasst  und  aus  dem  Bulbus 
hinausgeschwemmt,  wobei  sich  ihr  Pigment  an  dem  Wund- 
canal  theil weise  abstreifte. 

Dieser   Fall    scheint   mir    direkt    gegen    die    Ansicht 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.     29 

Manolescu's  über  die  Entstehung  der  Irideremie  zu  spre- 
chen. Nach  derselben  ist  das  erste  immer  eine  Perforation 
der  Bulbuskapsel,  das  zweite  ein  Irisprolaps  imd  dann  über- 
nimmt das  Kammerwasser  die  Hauptrolle,  indem  es  wegen 
seiner  Incompressibilität  die  vorgestülpte  Iris  ringsum  ab- 
reisst  und  mit  schwemmt'). 

Später,  d.  h.  nachdem  das  Schrotkom  schon  durch  die 
Lederhaut  hindurchgedrungen  und  die  oflFene  Lücke  in  der- 
selben entstanden  wai-,  konnte  meines  Erachtens  keine  Iri- 
deremie mehr  entstehen,  da  das  Kammerwasser  sowohl  vor 
der  Iris  aus  der  vorderen  Kammer,  als  durch  das  entstan- 
dene Loch  in  derselben  aus  der  hinteren  Kanmier  frei 
hätte  abfliessen  können,  also  kaum  Gelegenheit  zu  einem 
Irisprolapse  geschweige  denn  zu  einer  vollständigen  Ab- 
reissung  und  Hinausschwemmung  der  Iris  vorhanden  ge- 
wesen wäre. 

Es  sei  noch  der  relativen  Seltenheit  von  Irideremia 
traumatica  mit  Erhaltung  der  Linse  Erwähnung  gethan. 
Am  seltensten  sind  wohl  die  Falle,  wo  die  linse  weder 
ihre  Lage  änderte  noch  sich  trübte.  Hierher  gehören  Be- 
obachtungen von  Chisolm,  Folker,  Argyll  Robertson, 
Hjort,  Lange,  Gayet,  Carrd,  von  mir,  Hirschberg, 
Arlt*).  Bedeutend  häufiger  sind  die  Fälle  wo  eine  gleich- 
zeitige Luxation  der  linse  stattfand  entweder  in  den  Glaskörper 


*)  Ausserdem  sprechen  gegen  diese  Theorie  (oder  wenigstens 
gegen  ihre  allgemeine  Annahme)  alle  Fälle,  wo  keine  Perforation  statt- 
fand (z.  B.  Schäfer,  3.  Fallf  und  alle  die,  wo  die  abgerissene  und 
zusammengeknftulte  Iris  am  Boden  der  Vorderkammer  aufgefunden 
wurde  (z.  B.  Schaligin,  Fischer). 

•)  Die  F^Ue  von  Graefe,  Rau,  Weller,  Heyfelder,  Mooren 
dürfen  nicht  hierher  gerechnet  werden,  da  in  denselben  die  durch  eine 
Homhautwunde  vorgefallene  Iris  artificiell  entweder  absichtlich  oder 
durch  Ungeschicklichkeit  der  hülfeleistenden  Person  herausgerissen 
worden  war.  Im  Falle  0  Glesbys  wurde  bei  einer  Kataraktextraction 
in  einem  sonst  ganz  normalen  Auge  mit  prompt  reagirender  Pupille 
die  ganze  Iris  herausgezogen.   Da  dies  ohne  Blutung  stattfand,  kommt 


30  H.  Wintersteiner. 

(z.  B.  Schaligin,  Armaignac,  Ottingen,  Galezowski) 
oder  unter  die  Bindehaut  (z.  B.  Oeller,  Homburg, 
Mengin).  Diese  letzteren  geben  den  Uebergang  zu  dem 
häufigsten  Yorkommniss,  dass  nämlich  die  linse  vollständig 
fehlte,  indem  sie  zumeist  durch  eine  Skleralruptur  unter 
gleichzeitiger  Zerreissung  der  Conjunctiva  den  Bulbus  ganz 
verlassen  hatte  (z.B.  Jeaffreson,  Samelson,  Krajewski, 
Schiess-Gemuseus,  Dixon,  Samelson,  Manolescu, 
Nunnely,  Williams,  Savary,  Harlan,  Haltenhoff, 
Hirschberg,  Natanson,  Lyder  Borthen,  Lange  und 
die  anatomisch  untersuchten  Falle  von  Alt,  Schiess-Ge- 
museus,  Treitel  imd  Schäfer). 

Nur  selten  ist  bei  traumatischer  Aniridie  die  Linse  in 
ihrer  Lage  erhalten  aber  kataraktös  verändert  (Beobach- 
tungen von  Fano,  Mc  Keown)  und  hierher  ist  auch  unser 
Fall  zu  zählen,  obgleich  die  Linse  noch  eine  geringe  Ver- 
schiebung nach  oben  zeigte,  welche  jedoch  klinisch  nicht 
erkennbar  war. 

Fall  IV. 

Ueber  denselben  entnehme  ich  den  kUnischen  Proto- 
kollen folgende  Daten: 

Am  10.  September  1885  wurde  der  56-jährige  Fragner 
Johann  Naber  sab  Prot.  Nr.  12  auf  die  I.  Augenklinik  in 
Wien  aufgenommen.  Angeblich  fiel  er  am  Abend  zuvor  auf 
einen  Stein,  wobei  er  sich  das  rechte  Auge  verletzte.  Bei  der 
Aufnahme  zeigte  sich  die  Haut  des  Kinnes  abgeschürft,  in  der 
Wangenhaut  nahe  dem  unteren  Orbitalrande  rechterseits  eine 
ca  3  cm  lange,  oberflächliche  Continuitätstrennung  mit  zackigen 
Rändern.  Die  Lidhaut  an  mehreren  Stellen  von  Blutaustritten 
durchsetzt.  Bindehaut  des  Bulbus  intensiv  geröthet,  gewulstet. 
Ringförmige  Ciliariigection  um  die  Hornhaut.  Nach  innen 
ca.  2 — 3  mm  vom  Limbus  entfernt,  ist  die  Sklera  durchrissen 


0  Glesby  zu  dem  merkwürdigen  Schlüsse,  dass  die  Iris  schon  früher 
ringsum  losgelöst  war  und  jetzt  dem  leichten  Zuge  der  Pincette  folgte. 
Leider  sagt  er  nicht,  auf  welche  Weise  sie  bis  zu  dieser  Zeit  in  der 
Kammer  ausgespannt  erhalten  worden  war. 


Beitrfige  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    31 

and  zeigt  eine  ungefähr  3  mm  lange,  vertikal  verlaufende,  mit 
tie£schwarzen  Pigmentmassen  ausgefüllte,  annähernd  lineare 
Wunde.  Hornhaut  glänzend,  in  der  oberen  Hälfte  von  senk- 
recht verlaufenden  streifigen  Trttbungen  durchsetzt,  Vorder- 
kammer  vollständig  mit  dunkelrothem  Blute  erfüllt.  Lichtem- 
pfindung scheint  zu  fehlen. 

Das  linke  Auge,   soviel  äusserlich  wahrnehmbar,   normal. 

Die  Therapie  bestand  in  Bettruhe  und  Anregung  der  Dia- 
phorese  durch  Natrium  salicylicum  und  Flores  Tiliae. 

Am  17.  September  war  das  Blut  in  der  Yorderkammer 
bereits  vollkommen  resorbirt.  Man  sah  nun,  dass  die  Iris  von 
ihrer  unteren  Insertion  vollkommen  losgerissen  und  in  das 
obere  Drittel  der  Kammer  gerückt  war.  Die  Pupille  erschien 
als  querverlaufender,  ganz  schmaler,  schlitzförmiger  Spalt. 

Am  23.  September  1885  verliess  der  Kranke  auf  sein 
Verlangen  die  Krankenanstalt.  Es  bestand  noch  intensive  Gi- 
liarinjection  und  Wulstung  der  Augapfelbindehaut.  Der  Skle- 
ralruptur  entsprach  eine  pigmentirte  Narbe.  Im  Übrigen  hatte 
sich  der  Status  bezüglich  Iris  und  Pupille  nicht  geändert.  Aus 
dem  Fundus  war  kein  rothes  Licht  zu  erhalten.  T  n.  Amaurosis  (?) 
Bulbus  bei  Betastung  nicht  schmerzhaft    Linkes  Auge  normal. 

Am  12.  Oktober  1885  Hess  sich  Patient  abermals  auf  die 
Klinik  aufnehmen,  da  die  Reizung  des  rechten  Auges  anhielt 
Am  13.  Oktober  wurde  in  Narcose  die  Enucleation  des  Bulbus 
vorgenommen. 

Der  in  Müll  er 'scher  Flüssigkeit  conservirte  und  in  Alco- 
hol  nachgehärtete  Bulbus  zeigt  auf  dem  verticalen  Durch- 
schnitte folgende  Verhältnisse:  Die  Dimensionen  sind  normal, 
die  Vorderkammer  tief,  da  die  Iris  bis  in  die  Ebene  des  Gi- 
liarkörpers  zurückgesunken  ist.  Die  Regenbogenhaut  zeigt  sich 
nur  innen  und  aussen  fixirt,  so  dass  eine  doppelte  Iridodialyse 
oben  und  unten  entsteht  Die  unten  gelegene  ist  jedoch  be- 
deutend breiter.  Die  Iris  ist  sehr  schmal,  die  Pupille  spalt- 
förmig,  quergestellt  In  der  Vorderkammer  kein  Inhalt  Die 
Linse  fehlt  Der  Glaskörper,  welcher  grösstentheils  von  mem- 
branöser  Structur  ist,  bildet  nur  im  unteren  Theile  eine  com- 
pactere  und  blutig  imbibirte  Masse,  der  obere  Theil  ist  ver- 
flüssigt und  entleerte  sich  bei  der  Spaltung  des  Augapfels.  Er 
ist  nach  vorne  durch  ein  zartes,  durchscheinendes  Häutchen 
abgegrenzt,  auf  welchem  die  Iris  aufliegt.  Netz-  und  Aderiiaut 
sowie  der  ganze  hintere  Bulbusabschnitt  zeigen  makroskopisch 
keine  Abweichung  von  der  Norm. 


32  H.  Wintersteiner. 

Die  beiden  Bolbushälftdii  wurden  in  Gelloidin  eingebettet 
und  in  Serien  zerlegt,  indem  sie  zuerst  dem  verticalen  Meridian 
parallel  geschnitten  wurden,  während  die  seitlichen  Parthien 
frisch  eingebettet  und  sectorenweise  ebenfalls  in  Serien  ge- 
schnitten wurden. 

Mikroskopische  Untersuchung. 

Auf  dem  meridionalen  verticalen  Durchschnitte 
des  vorderen  Augapfelabschnittes  (Fig.  8)  erscheint  die 
Hornhaut  etwas  dicker,  ihr  Gewebe  lockerer,  die  interlamellären 
Spalten  bedeutend  verbreitert,  besonders  in  den  hinteren  Horn- 
hautschichten, ohne  entzündliche  Infiltration.  Ihr  Epithel  voll- 
ständig erhalten,  normal.  Nur  die  Membrana  Descemetii  sammt 
den  hinteren  Hornhantlamellen  ist  besonders  in  den  centralen 
Parthien  der  Cornea  stark  gewellt  Das  Endothel  vorhanden, 
nicht  gewuchert.  Am  Limbus  verdünnt  sich  die  Hornhaut  be- 
trächtlich, da  die  Sklerotica  nur  etwas  über  die  Hälfte  der 
Hornhautdicke  hat.  An  etlichen  Stellen  schiebt  sich  zwischen 
Epithel  und  Bowman'sche  Membran  eine  ganz  dünne  Schicht 
von  reichlich  mit  Rundzellen  durchsetztem,  Gefässe  führendem 
Gewebe  ein  kurzes  Stück  weit  vom  Limbus  aus  vor. 

Oben  ist  die  Continuität  des  Skleragewebes  in  einer  zacki- 
gen Linie  unterbrochen,  der  Zwischenraum  zwischen  den  beiden 
Rissenden  vollständig  ausgefüllt  durch  eine  aus  zarten,  welligen 
Fasern  bestehende,  von  jungen  Kernen  reichlich  durchsetzte 
und  mit  Eosin  nur  blassroth  gefärbte  Bindegewebsmasse.  Nur 
einige  derbere,  wie  geknickt  aussehende  Faserbündel  der  mitt- 
leren Skleralschichten  sind  unzerrissen  geblieben.  Ausserdem 
sind  auch  die  äussersten,  schon  etwas  lockerer  gefügten  und 
den  Übergang  zum  episkleralen  Gewebe  bildenden  Faserzüge 
in  ihrem  Zusammenhange  erhalten,  jedoch  leicht  nach  aussen 
vorgebaucht.  Diese  Unterbrechung  der  Sklera  betrifft  genau 
die  Gegend  des  Schlemm 'sehen  Ganales,  von  welchem  deshalb 
auch  keine  Spur  vorhanden  ist,  und  durchdringt  die  Sklera  in 
schiefer  Richtung  ungefähr  der  Frontalebene  entsprechend,  so 
dass  also  die  äusseren  Schichten  weiter  hinten  durchtrennt  sind, 
als  die  inneren. 

Das  Ligamentum  pectinatum  ist  ebenfalls  in  Mitleiden- 
schaft gezogen.  Sein  Balkenwerk  ist  zusammengefallen,  die 
einzelnen  Bälkchen  stark  gefältelt.  Seine  ganze  Länge  ist  re- 
ducirt,  seine   hintere  Anheftung  fehlt,   da  die  Iris  vollständig 


Beiträge  zur  paüiolog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    33 

und  genau  an  ihrem  Ciliaransatze  abgetrennt  ist,  ohne  hier 
Überreste  zurückzulassen. 

Der  Ciliarkörper  ist  normal  gebildet  und  frei  von  jedem 
entzündlichen  Zeichen.  Die  Ciliarfortsätze  hingegen  sind  deutlich 
und  manche  sogar  beträchtlich  nach  Yorne  gezogen  und  sowie  der 
vor  dem  Ciliarmuskel  gelegene  Theil  des  Ciliarkörpers  innig 
mit  dem  oben  beschriebenen  Schaltgewebe  in  der  Sklera  ver- 
wachsen. Ihr  Pigmentepithel  hört  am  Rissrande,  welcher  an 
das  Ligamentum  pectinatum  stösst,  plötzlich  auf.  An  einer 
Reihe  von  Schnitten  lässt  es  deutliche  Wncherungsvorgänge  er- 
kennen, so  dass  eine  5  —  6  fache  Lage  von  pigmentirten  Epi- 
thelzellen vorliegt.  Hier  ist  auch  das  bindewebige  Stroma  der 
Ciliarfortsätze  mit  dunkelbraun  pigmentirten  Rundzellen  durch- 
setzt. Stellenweise  springt  von  dem  Schaltgewebe  in  der  Sklera 
ein  auf  dem  Durchschnitte  dreieckiger,  aus  feinen  Fasern  be- 
stehender Zipfel  in  den  Kammerwinkel  vor,  welcher  zum  Theile 
mit  den  Ciliarfortsätzen  in  Verbindung  tritt  zum  Theile  in 
Gestalt  feiner,  den  Zonulafasern  gleichenden  Fäden,  sich  frei 
in  die  Kammer  erstreckt. 

Au  der  unteren  Circumferenz  des  Limbus  findet 
sich  ebenfalls  eine  Zusammenhangstrennung  der  Sklera,  welche 
nur  die  inneren  Schichten  betrifift,  während  die  äusseren  un- 
versehrt über  den  Riss  hiuwegziehen.  Die  Tiefe  desselben 
beträgt  ungefähr  die  halbe  Dicke  der  Sklera.  Auch  das  Liga- 
mentum pectinatum  ist  quer  durchtrenut  und  zwischen  die  Riss- 
enden desselben  ein  lockiges,  zartes  Bindegewebe  eingelagert, 
das  stellenweise  zahlreiche  Kerne  enthält.  Vom  Schlemm'schen 
('anale  ist  auch  an  diesem  Abschnitte  nichts  wahrzuneh- 
men. Knapp  hinter  der  Stelle,  wo  die  Membrana  Descemetii 
in  das  Balkenwerk  des  Ligamentum  pectinatum  übergeht,  zeigt 
sich  ein  lockeres,  aus  zarten  Bindegewebsfasern  bestehendes 
Gebilde,  welches  mit  einer  dreieckigen  Basis  entspringt,  indem 
Fasern  von  der  Grenze  der  Descemet' sehen  Haut  nach  hinten 
und  andere  von  dem  Ursprünge  des  Ligamentum  pectinatum 
nach  innen  und  vorne  ziehen  und  sich  unter  spitzen  Winkeln 
treffen.  Dieses  Gebilde  zieht  dann,  sich  allmählich  verschmäch- 
tigeud,  gegen  die  vordere  Glaskörpergegend  hin.  An  den 
Schnitten,  welche  einer  etwas  weiter  nach  innen  und  unten 
gelegenen  Stelle  entsprechen  (Fig.  13),  erreicht  dieses  Gebilde 
eine  bedeutende  Mächtigkeit  Hier  ist  die  Sklera  wieder  in 
ganzer  Dicke  durchrissen  und  die  beiden  Wundränder  durch 
eine  mehr  als  1  mm  dicke  Narbenmasse  mit  einander  vereinigt, 

V.  Qnefe'B  ArchW  fQr  Ophthalmologie.   XL.  2.  3 


34  H.  Wintersteiner. 

die  sich  in  Gestalt  eines  zugespitzten  Zapfens  gegen  die  Bul- 
busachse  in  die  Vorderkammer  vorschiebt  nnd  an  deren  Hinter- 
fläche das  Corpus  ciliare  und  die  Processus  ciliares  angewachsen 
sind.     Ihr  Epithel  zeigt  hierbei  energische  Wucherung.  — 

Unten  innen  (Fig.  12)  hingegen  ist  die  Sklera  intact, 
ebenso  der  Schlemm 'sehe  Canal.  Die  Ciliarfortsätze  sind  ähn- 
lich wie  im  I.  Fall  ohne  Einschaltung  eines  Zwischengewebes 
gegen  das  eingerissene  Ligamentum  pectinatum  hingezogen. 
Der  Circulus  arteriosus  iridis  major  ist  erhalten. 

Der  Glaskörper  besteht  aus  einem  sehr  zarten,  feinstreifigen 
Gewebe,  welches  fleckweise  von  rothen  Blutkörperchen,  die  noch 
sehr  gut  erhalten  sind,  durchsetzt  ist,  stellenweise  auch  Wander- 
zellen eingelagert  enthält;  er  grenzt  sich  nach  vorne  mit  einer 
Glasmembran  ab,  welche  keine  Andeutung  einer  tellerförmigen 
Grube  trägt.  Von  der  Linse  oder  Linsenkapsel  ist  nichts  auf- 
findbar. Auch  an  dieser  Seite  (unten)  ist  von  der  Iris  anch 
nicht  der  mindeste  Rest  an  ihrer  Ansatzstelle  zurückgeblieben. 
Die  Ciliarfortsätze,  welche  Hyalindegeneration  zeigen,  sind  auch 
hier  etwas  nach  vorne  gezogen  und  mit  dem  Ligamentum  pec- 
tinatum direct  verwachsen.  Die  Rissstelle  am  Ciliarkörper  ist 
durch  Zusammenziehung  des  Gewebes  ausserordentlich  schmal 
geworden  und  durch  Einrollung  des  Pigmentepithels  der  Ciliar- 
fortsätze zum  grössten  Theile  gedeckt.  Der  noch  ttbrige  Theil 
der  Rissstelle  tritt  in  directe  Verbindung  mit  der  Basis  des 
Ligamentum  pectinatum,  welches  so  wie  das  von  ihm  abzwei- 
gende neugebildete  Gewebe  reichlich  mit  pigmentführenden 
Rundzellen  durchsetzt  ist.  Dieses  neugebildete  Gewebe  über- 
lagert auch,  von  massenhaften  Blutaustritten  durchsetzt,  den 
Ciliarkörper.  ist  mit  den  Fasern  der  Zonula  Zinnii  aufs  innigste 
verwebt  und  lässt  sich  nach  rückwärts  bis  zur  Ora  serrata  ver- 
folgen, wo  die  Blutungen  allmählich  an  Mächtigkeit  zunehmen. 
Hier  und  da  finden  sich  auch  noch  weiter  hinten  im  Glaskör- 
per Zellhaufen,  welche  uveales  Pigment  führen.  — 

Die  Iris,  welche,  wie  schon  erwähnt,  von  ihrem  Ciliar- 
ansatze  losgetrennt  ist,  liegt  ungefähr  in  der  gleichen  Ebene, 
in  welcher  man  sie  in  aphakischen  Augen  vorzufinden  pflegt. 
Knapp  hinter  ihr  spannt  sich  ein  Diaphragma  aus,  welches  die 
vordere  Begrenzung  des  Glaskörperraumes  bildet  und  aus  der 
Glasmembran  des  Corpus  vitreum  gebildet  und  durch  das  aus 
dem  Kammerwinkel  entspringende,  schon  oben  beschriebene 
feinfaserige  Gewebe  verstärkt  wird.  Mit  demselben  steht 
der  Rissrand   der  Iris  besonders  im  Bereiche  der  oberen  Dia- 


Beiträge  zur  {latholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    35 

lyse  durch  feinfaseriges  Gewebe,  welches  nur  spärliche  Kerne 
und  Pigmentkörnchen  eingelagert  enthält,  in  Verbindung.  Die 
Iris,  welche  keine  Verdtlnnung,  wohl  aber  eine  ziemlich  be- 
trächtliche Verschmälernng  ihrer  Spreite  aufweist,  veijüngt  sich 
gegen  den  Rissrand.  Da,  wo  derselbe  an  das  Glaskörperdia- 
phragma angeheftet  ist,  ist  das  Irisgewebe  etwas  auseinander- 
gezerrt,  die  hinteren  Bindegewebslagen  nach  rückwärts  einge- 
rollt. An  den  Stellen,  wo  der  Rissrand  frei  liegt  (also  besonders 
unten),  ist  er  abgerundet,  indem  die  vorderen  Lagen  nach 
hinten  und  die  rückwärtigen  nach  vorne  eingebogen  sind.  Das 
Pigmentepithel  erreicht  nicht  vollständig  den  freien  Rand,  son- 
dern endet  schon  etwas  früher  noch  an  der  Hinterfläche  der 
Iris.  Das  Irisgewebe  zeigt  keine  weiteren  Veränderungen  als 
eine  auffallende  hyaline  Degeneration  der  Gefässwandungen, 
ohne  sonstige  Zeichen  von  Atrophie  oder  Sklerose.  Auch  der 
Sphincter  iridis  ist  nicht  verändert. 

Bei  Durchmusterung  der  Serien  zeigt  sich,  dass  die  Pu- 
pille, welche  in  vertikaler  Richtung  sehr  schmal,  in  horizon- 
taler dagegen  sehr  breit,  also  spaltförmig  ist,  nach  innen  ver- 
zogen ist.  Daher  erhält  man  aussen  noch  ganz  nahe  beim 
verticalen  Meridian  Schnitte,  an  welchen  die  Pupille  nicht  mehr 
getroffen  ist.  Dieser  undurchbrochene  Antheil  der  Iris  liegt 
ganz  in  der  oberen  Hälfte  der  Kammer  und  rückt,  je  weiter 
man  nach  aussen  kommt,  unter  gleichzeitiger  geringer  Ver- 
schmälernng immer  höher  hinauf  und  näher  in  den  Kammer- 
falz, bis  er  endlich  im  äusseren  oberen  Quadranten  an  den 
Kammerwinkel  anstösst  und  mit  dem  Ciliarkörper  verwachsen  ist. 

Dieser  Uebergang  der  Dialyse  in  die  normale  Iris- 
insertion  findet  in  folgender  Weise  statt: 

Die  sich  nach  der  Seite  ihres  Rissrandes  verschmäch- 
tigende  und  nach  und  nach  zuschärfende  Iris  tritt,  sobald 
sie  wegen  der  allmählichen  Verschmälernng  der  Iridodialyse 
bis  an  die  Spitzen  der  Ciliarfortsätze  herangerückt  ist, 
durch  einen  aus  spindeligen,  langen  Zellen  mit  länglichen 
Kernen  bestehenden  Faden  in  Verbindung  mit  der  Basis  des 
Ligamentum  pectinatum,  wobei  es  den  Anschein  hat,  als  ob 
diese  fasrigen  Zellen  directe  Abzweigungen  und  Verlängerungen 
seines  Balkenwerkes  wären  (Fig.  11).  An  dem  zugespitzten 
Theile  der  Iris  ist  kein  Pigmentblatt  vorhanden,  da  es  mit 
einem  verdickten,  offenbar  in  Wucherung  begriffenen  Rande 
schon  früher  an  der  Hinterfläche  der  Regenbogenhaut  endet. 
Die  Gefässe  dieser  Gegend  sind  sämmtlich  blutleer,  ihre  Wan- 


36  IJ-  Wintereteiner. 

düngen  verdickt,  hyalin,  ihr  Lumen  entweder  vollständig  auf- 
gehoben oder  bis  auf  einen  feinen  Spalt  verengt. 

In  dem  Maasse  als  die  Iris  weiter  in  den  Kammerwinkel 
rückt,  wird  der  erwähnte  Faden  natürlich  kürzer  und  gleich- 
zeitig dicker,  indem  sich  mehrfache  zarte  Bindegewebslagen 
darauf  schichten,  welche  ganz  das  Aussehen  des  (etwas  ge- 
zerrten) Irisstromas  besitzen  und  auch  etliche  Gefässchen  ent- 
lialten.  Auch  hier  fehlt  noch  das  Pigmentepithel.  Dieses  ist  der 
letzte  Bestandtheil  der  Iris,  welcher  wieder  auftritt.  Es  sei 
noch  bemerkt,  dass  auch  in  dieser  Gegend  (also  im  oberen 
äusseren  Quadranten)  die  Sklera  nicht  intact  ist,  sondern  un- 
gel^hr  die  zwei  inneren  Drittel  ihrer  Dicke  eingerissen  und 
durch  junges  Narbengewebe  verlöthet  sind.  Dies  ist  die  einzige 
Stelle,  an  welcher  die  Iris,  wenn  auch  nur  in  kurzer  Strecke 
ihre  normale  Insertion  behalten  hat,  während  sie  sonst  ringsum 
von  ihrem  Ciliaransatz  abgetrennt  ist 

Auf  Schnitten,  welche  durch  den  inneren  Theil  der 
Corneoskleralgrenze  (Fig.  9)  geführt  sind,  also  durch  die 
Stelle,  wo  in  vivo  die  Skleralruptur  und  der  Prolaps  der  Uvea 
sichtbar  war,  ist  die  Bindehaut  stärker  vorgewölbt,  heerdweise 
von  Rundzellen  und  Blutaustritten  durchsetzt.  Das  subcon- 
junctivale  Gewebe  ist  etwas  verdichtet  und  durch  eine  Lage 
neugebildeten  Bindegewebes  verstärkt.  Hier  zeigen  sich  wieder 
die  schon  oben  ausführlich  beschriebenen  pigmentführenden 
Zellen  (Pigment  in  den  Lymphzellen  der  perivasculären  Räume, 
in  den  Wanderzellen,  in  den  fixen  Bindegewebszellen  der  Gon- 
junctiva  und  Subconjunctiva)  in  grosser  Menge.  Die  Sklera 
ist  genau  an  der  Stelle  des  Schlemm'schen  Canales  vollständig 
durchtrennt,  ihre  Rissränder  sind  auseinander  gewichen  und 
zwischen  ihnen  hervor  quillt  die  Iris,  welche  aber  nicht  wie 
bei  einem  gewöhnlichen  Irisprolaps  beuteiförmig  vorgestülpt  und 
mit  ihrer  Yorderfiäche  nach  aussen  gekehrt  ist,  sondern  sie 
ist  auch  hier  von  ihrem  Ansätze  abgelöst,  nach  vorne  umge- 
schlagen und  in  diesem  gefalteten  Zustande  vorgefallen.  Es 
bildet  demnach  das  Pigmentblatt,  welches  streckenweise  abge- 
streift, stellenweise  in  Wucherung  begriffen  ist,  die  äussere 
Ueberklcidung  des  Vorfalles.  Die  Iris  ist  hier  nur  um  We- 
niges zellreicher  als  sonst,  ihre  Gefässe  hingegen  sehr  dicht 
an  einander  gedrängt,  ihre  Wandungen  hyalin,  verdickt.  An 
der  Durchtrittstelle  durch  die  Sklerawunde  ist  die  Regenbogen- 
haut zusammengedrückt,  verdünnt,  mit  ihrer  Yorderfläche  direct 
au    die    skleralen    Faserbündel    angewachsen;    zwischen    ihrer 


Beiträffe  zur  patholog.  Anatomie  d.  trau nia tischen  Aniridie  eto.    37 

Hinterfiäche  und  dem  skleralen  Rissrande  hingegen  ist  sucu- 
lentes  kernreiches  Bindegewebe  eingeschaltet  in  einer  Mächtig- 
keit, welche  der  Dicke  der  Iris  ungefähr  gleichkommt  Das- 
selbe tritt  in  unmittelbare  Verbindung  einerseits  mit  dem 
neugebildetcn  Gewebe  in  der  Episklera,  welches  den  Prolaps 
überzieht,  andererseits  mit  dem  schon  mehrfach  erwähnten, 
hinter  der  Iris  liegenden  Diaphragma.  Hierbei  vermittelt  es 
auch  zugleich  die  Ycrschliessung  der  Risswunde  am  vorderen 
Ende  des  Ciliarkörpers.  Stellenweise  ist  der  Ciliarmuskel  von 
seiner  Insertion  an  der  Sklera  abgelöst  Von  seinen  Gemsen 
treten  zarte  Sprossen  in  das  junge  Narbengewebo  ein.  Die 
Ciliarfortsätze  und  der  Ziliarkörper  zeigen  hier  nur  die  schon 
froher  erwähnten  Veränderungen. 

Der  Uebergang  vom  Irisvorfall  zur  oberen  Dia- 
lyse findet  in  der  Weise  statt,  dass  der  gedoppelte  Antheil 
der  prolabierten  Iris  immer  kleiner  wird,  indem  er  sich  auf- 
rollt, bis  endlich  nur  die  einfache,  ungefaltete  Iris  durch  den 
Skleralriss  hindurchgesteckt  erscheint  (Fig.  10).  Dieser  Thei) 
wird  nach  und  nach  kürzer,  so  dass  er  nicht  mehr  über  die 
äussere  Oberfläche  der  Lederhaut  vorragt  und  von  dem  jungen 
Bindegewebe,  welches  hinter  ihm  aus  der  Ruptur  herauszieht 
und  glatt  über  ihn  hinwegstreicht,  überdeckt  wird.  Weiterhin 
zieht  sich  die  Iris  immer  mehr  zurück;  sie  ist  erst  noch  mit 
einem  kleinen  Endchen  eingeklemmt,  schliesslich  liegt  sie  ganz 
innerhalb  der  Bulbuskapsel,  während  ihr  Platz  in  der  Skleral- 
ruptur  vom  jungen  Narbengewebe  ganz  ausgefüllt  wird.  Mit 
diesem  steht  der  Irisrand  anfangs  noch  vermittelst  feiner  Fa- 
sern in  Zusammenhang,  doch  löst  sich  derselbe  bald. 

Der  Uebergang  vom  Irisvorfall  zur  unteren  Dia- 
lyse ist  ganz  analog,  nur  ist  nach  dieser  Seite  der  vorgestülpte 
Irisantheil  bedeutend  breiter  als  der  in  der  Skleralöffnung 
steckende,  halsartig  eingeschnürte,  so  dass  auf  Schnitten,  welche 
schon  die  ausgebildete  Dialyse  und  die  solide  Skleralnarbe 
trefifen,  noch  zusammengeballte  Reste  der  Iris  ausserhalb  der 
Bulbuskapsel  unter  der  Bindehaut  liegen  (vgl.  Fig.  13). 

Der  hintere  Bulbusabschnitt  bietet  wenig  Bemorkenswerthes. 
Der  Glaskörper  ist  in  der  schon  erwähnten  Weise  verändert, 
theils  flüssig,  theils  fibrillär  geronnen,  von  Blutaustritten  durch- 
setzt, welche  nach  unten  an  Mächtigkeit  bedeutend  zunehmen. 
Die  Retina  und  Chorioidea  sind  gut  erhalten,  der  Sklera  an- 
liegend. Der  Sehnervenkopf  ist  besonders  in  der  Gegend  der 
Laniina  cribrosa  zellig  infiltrirt  aber  nicht  geschwollen,   seine 


38  H.  Wintersteiner. 

Gefässe  sind  strotzend  gefüllt.  Auch  die  peripheren  Anthcile 
des  Sehnerven  sind  zellreicher;  dagegen  zeigen  die  Ciliarnerven 
keine  entzündlichen  Erscheinungen  und  färben  sich  sowie  der 
Sehnervenstamm  nach  Weigert. 

Eine  kurze  Zusammenfassung  der  mikroskopischen  Be- 
funde an  diesem  Auge  ergiebt,  dass  die  Sklera  infolge  des 
Traumas,  dessen  Natur  leider  nicht  genauer  festzustellen 
war,  an  der  inneren  Circumferenz  nahe  dem  Homhaut- 
rande  geborsten  war  und  das  Ligamentum  pectinatum  und 
der  Schlemm'sclie  Canal  hierbei  durchrissen  wurden. 

Die  Skleralruptur  ist  nur  ein  verhältnissmässig  kurzes 
Stück  penetrirend,  umgreift  aber,  mit  Ausnahme  einer  kur- 
zen Strecke  im  äusseren  unteren  Quadranten,  als  incom- 
pleter  Riss  den  ganzen  Homhautumfang.  Hier  sind  allent- 
halben die  inneren  Faserschichten  der  Sklerotica  durch- 
trennt, während  die  äusseren  intact  bheben,  ein  Verhalten, 
welches  den  Befund,  welchen  Schäfer  an  einem  mit  Iri- 
dodialysis  behafteten  Auge  machte,  bestätigt  Derselbe 
fand  näniHch  eine  incomplete  Ruptur  der  Sklera  nahe  der 
Homhautgrenze,  welche  nur  die  beiden  inneren  Drittel  der 
Lederhaut  betraf.  Doch  sind  stellenweise  (vergl.  Fig.  11) 
auch  einzelne  Faserbündel  aus  den  mittleren  Skleralschich- 
ten  erhalten  geblieben,  während  die  nach  innen  und  nach 
aussen  davon  gelegenen  zerrissen.  Dies  deutet  offenbar 
auf  eine  sehr  verschiedene  Dehnbarkeit  der  einzelnen  Leder- 
hautfaserbündel und  berechtigt  im  Allgemeinen  zu  dem 
Schlüsse,  welchem  Schiess-Gemuseus  gelegentlich  der 
Untersuchung  eines  mit  Irideremie  behafteten,  leicht  atro- 
phischen Bulbus,  an  welchem  die  inneren  Skleralschichten 
sehr  stark  gefaltet  waren,  während  die  oberflächUchen 
glatt  darüber  hinwegzogen,  Worte  giebt:  dass  nämUch  die 
Elasticität  der  äusseren  Skleroticallamellen  eine  bedeuten- 
dere sei  als  die  der  inneren.  Auch  Schäfer  folgert  aus 
seinem  Falle  das  Gleiche.  Es  ist  von  Wichtigkeit,  dass 
an  keiner  Stelle  die  beiden  Wundränder  der  Skleralruptur 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    39 

sich  eng  aneinander  legten  und  so  direkt  ohne  BetheiUgung 
eines  Zwischengewebes  verwuchsen,  sondern  dass  überall 
eine  mehr  minder  breite  Schichte  von  jungem,  noch  kem- 
reichem  Bindegewebe  eingeschoben  ist  und  den  Verschluss 
vermittelte. 

Während  klinisch  nur  eine  breite  Iridodialyse  im 
unteren  Bulbusabschnitte  wahrgenommen  werden  konnte, 
zeigte  sich  in  dem  vertical  durchschnittenen  Bulbus  noch 
eine  zweite,  schmälere,  nach  oben  gelegene.  Die  mikros- 
kopische Untersuchung  ergab  nun  den  interessanten  Befund, 
dass  beide  Dialysen  doch  nur  Abschnitte  einer  einzigen, 
sehr  ausgedehnten,  fast  circulären  Abtrennung  der  Regen- 
bogenhaut von  ihrer  ciUaren  Insertion  sind,  da  auch  innen, 
wo  der  Prolaps  sich  befindet  eine  Losreissung  der  Iris  zu 
constatiren  ist  Jedenfalls  ist  dieselbe  fiüher  erfolgt  als 
der  Irisvorfall,  da  sich  sonst  die  Iris  oflenbar  in  derselben 
Weise  hätte  vorstülpen  müssen  wie  in  dem  erstbeschrie- 
benen Falle  und  wie  man  es  überhaupt  bei  Irisprolaps  zu 
finden  gewohnt  ist,  nämUch  dass  die  vordei'en  Irisschichten 
nach  aussen  gekehrt  sind,  nicht  aber  wie  hier  das  Pigment- 
epithel. Dass  es  überhaupt  zu  einem  Irisprolaps  kam  und 
sich  die  dialysirte  Regenbogenhaut  nicht  nach  der  Seite 
der  angeheftet  gebliebenen  Parthie  zurückzog,  führe  ich 
darauf  zurück,  dass  das  vorstürzende  Kammerwasser  den 
nun  schlaffen  Irisring  mit  sich  riss,  hauptsächlich  aber 
darauf,  dass  die  Linse  aus  ihrer  Verbindung  gelöst,  durch 
die  Skleralruptur  ausgetiieben  wurde  und  dabei  die  Iris 
mitzog. 

Da  von  der  linse  gar  keine  Reste  auffindbar  sind, 
muss  angenommen  werden,  dass  sie  durch  einen  Schlitz  in 
der  Bindehaut  austrat. 

Auffallend  ist,  dass  die  Regenbogenhaut,  welche  ja 
nur  an  einer  ganz  kurzen  Strecke  ihres  Umfanges  noch 
angewachsen  war  und  dadurch  mit  den  ernährenden  Ge- 
fässen   in  Verbindung  stand,  nach  einem    mehr  als  einen 


40  H.  Wintersteiner. 

Monat  währenden  Bestände  der  J)ialyse  keine  auffälligen 
Ernährungsstörungen  zeigt  Denn  die  hyaline  Degeneration 
der  Gefässwandungen  ist  wahrscheinlich  nicht  auf  solche 
zurückzuführen,  sondern  als  gewöhnliche  senile  Veränderung 
zu  betrachten.  Finden  wir  ja  doch  bei  dem  56jährigen 
Manne  auch  in  den  Hälsen  der  Ciliarfortsätze  schon  be- 
trächtliche Hyalindegeneration ,  wie  sie  zuerst  von  Rosa 
Kerschbaumer,  dann  von  Fuchs  als  senile  Veränderung 
beschrieben  wurde.  Dass  an  der  Stelle,  wo  die  Dialyse  in 
die  normale  Insertion  übergeht  ein  Theil  der  Gefässe  im 
Ciliartheile  der  Iris  obliterirt  oder  verengt  ist,  darf  uns 
nicht  Wunder  nehmen,  da  gerade  diese  Stelle  einer  grös- 
seren Zerrung  ausgesetzt  ist,  welche  sich  auch  durch  eine 
Verdünnung  der  Irisdicke  kundgiebt.  Im  Gegentheil  ist 
es  auffallend,  dass  die  Communication  durch  den  Circulus 
arteriosus  iridis  minor  und  die  anderen  Anastomosen  im 
Irisgewebe  hini-eichten,  die  gcanze  Iris  genügend  mit  Blut 
zu  versorgen  und  vor  Atropliie  zu  bewahren. 

Was  den  Verschluss  der  Risswunde  an  der  Iris 
anbelangt,  so  findet  er  in  zweierlei  Weise  statt  Erstens 
ohne  Hinzutreten  irgend  welchen  neugebildeten  Gewebes, 
einfach  dadurch,  dass  die  mittleren  Irisschichten  sich  zurück- 
ziehen und  die  vorderen  und  hinteren  sich  gegen  einander 
neigen  und  mit  Endothel  übeikleiden;  zweitens  dadurch, 
dass  der  Rissrand  in  Verbindung  tiitt  mit  einem  aus  zartem 
Bindegewebe  bestehenden  Häutchen  an  der  vorderen  Glas- 
körperbegrenzung. Dabei  zeigt  der  Hand  ein  dem  früher 
beschriebenen  gerade  entgegengesetztes  Verhalten,  indem 
die  vorderen  und  hinteren  Schichten  durch  den  Zug  der 
neugebildeten  Membran  auseinanderge/ogen  und  die  Narl)e 
dadurch  bedeutend  verbreitert  ist  Schäfer  beobachtete  in 
seinen  Fällen  eine  etwas  andere  Art  des  Wundverschlusses: 
„Der  Wundrand  des  abgerissenen  Irisstückes  ist  von  einem 
zarten,  spindelzelUgen  Exsudatbelng  überzogen,  über  welchen 
das    vordere    Irisendotliel    bis  zur  Pigmentschicht  hinüber- 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    41 

gewucheit  ist."  Im  zweiten  Falle  von  Iridodialyse  „ist  das 
abgeü'ennte  Stück  an  seiner  Wundfläche  von  vorne  nacli 
hinten  zugeschärft,  der  Wundrand  selbst  erscheint  ganz 
glatt,  ohne  irgendwelche  l^nebenheit,  von  einer  feinen  orga- 
nisirten,  vorwiegend  aus  laugen  Spindelzellen  bestehenden 
Exsudatschicht  bedeckt,  über  welche  das  Endothel  der  vor- 
deren Irisfläche  bis  zur  hinteren  Begrenzungsschicht  hin- 
zieht." 

Wie  in  den  drei  erst  beschriebenen  Fällen  ist  auch 
hier  die  Iris  vom  Corpus  ciliare  abgerissen  ohne  einen 
noch  so  kurzen  Stumj)f  zurückzulassen.  Die  Wunde  im 
Ciharkörper  schloss  sich,  wie  aus  den  Abbildungen  ersicht- 
hch,  theils  dadurch,  dass  durch  Heranziehung  der  Ciliar- 
fortsätze  gegen  das  in  die  Skleralruptur  eingeschaltete 
Narbengewebe  eine  innige  Verlöthung  eintrat,  theils  da- 
durch, dass  die  Ciliarfortsätze  weit  nach  vorne  bis  über 
das  vordere  Ende  derLamina  Descemetii  gezerrt  und  durch 
eine  mehr  oder  minder  mächtige  Lage  von  neugebildetem 
Bindegewebe  hier  fixirt  wurden.  Endlich  ist  an  manchen 
Stellen  das  Narbengewebe  aus  der  Sklera  so  weit  in  die 
Vorderkammer  gewuchert,  dass  die  ursprünglich  vorhandene 
Wundhöhle  im  vorderen  Theile  des  Cori)us  ciliare  dadurch 
ganz  ausgefüllt  ist  und  die  Ciliarfortsätze  an  die  Hinter- 
fläche der  zapfenartig  vortretenden  Bindegewebsmasse  an- 
gewachsen sind.  Diese  Verhältnisse  scheinen  mir  von 
Wichtigkeit  zu  sein  für  die  Entscheidung  der  Frage,  wann 
die  Ciliarfortsätze  der  khuischen  Beobachtung  zugängUch 
sein  werden  und  wann  nicht.  Denn  wenn  der  vordere 
Theil  des  Ciliarkörpers  zusammengefallen  ist  und  die  Basen 
der  CiUarfortsätze  gegen  eine  Skleralnarbe  oder  an  das 
Ligamentum  pectinatum  hingezogen  sind  oder  wenn  luxu- 
rirendes  Narbengewebe  sich  vor  ihnen  entwickelt  und  in 
die  Kammerbucht  vorragt,  so  wird  der  ganze  Ciharkörper 
so  verschmälert,  dass  er  selbst  bei  sehr  schiefem  Einblicke 
ins   Auge  nicht  sichtbar  wird  oder  er  wird  durch  die  Ge- 


42  H.  Wintersteiner. 

websneubildung  direkt  verdeckt  Von  Belang  scheint  mir 
dabei  auch  noch  die  Entwicklung  des  Ciliarmuskels  zu  sein, 
da  in  hypermetropischen  Augen  bei  stark  ausgebildeten 
circulären  Fasern,  welche  ja  gerade  am  vorspringendsten 
Theile  des  Ciliarkörpers  hegen,  die  Bedingungen  für  das 
Sichtbarsein  seiner  Fortsätze  von  vom  herein  bedeutend 
günstiger  sind  als  in  einem  myopischen  Auge  mit  ganz 
flachem  Corpus  cihare. 

Die  Atrophie  der  CSUarfortsätze,  welche  von  manchen 
Autoren  in  Anspruch  genommen  wird,  dürfte  überhaupt 
gar  nicht  in  Betracht  kommen,  besonders  da  in  manchen 
Fällen  schon  einige  Tage  oder  Wochen  nach  der  Ver- 
letzung, sobald  das  Blut  resorbirt  und  die  Medien  wieder 
klar  geworden  sind,  die  CSUarfortsätze  nicht  wahruehmbai* 
sind,  während  sie  in  anderen  noch  nach  Jahren  in  gleicher 
DeutUchkeit  sichtbar  bleiben. 

Auch  eine  Abreissung  der  Ciliarfoiisätze,  welche 
Samelson  hypothetisch  in  Anspiiich  nahm,  möchte  ich 
nicht  gelten  lassen.  Denn  es  scheint  mir  gar  nicht  mög- 
Uch,  dass  durch  ein  stumpfes  Trauma,  welches  zur  Ab- 
lösung der  Iris  von  ihrer  Insertion  führt,  auch  Ciharfort- 
sätze,  welche  mit  der  Regenbogenhaut  ja  nur  in  indirektem 
Zusammenhange  vermittelst  des  Corpus  ciliare  stehen,  ab- 
getrennt werden  sollen.  Es  wäre  ja  da  viel  eher  denkbar, 
dass  bei  traumatischer  Luxation  der  Linse,  welche  durch 
die  Zonula  direkt  an  die  Processus  ciUares  augeheftet  ist, 
bei  etwas  grösserer  Festigkeit  der  ersteren  und  bei  sehr 
ungestümer  Ein^virkung  der  Gewalt,  eine  Abreissung  von 
Ciliarfortsätzen  erfolgen  könnte  und  doch  ist  ein  solches 
Vorkommniss  meines  Wissens  noch  niemals  beobachtet 
worden. 

Schäfer  fand  bei  der  anatomischen  Untersuchung 
eines  vor  16  Tagen  durch  einen  Schrotschuss  verletzten 
Auges  eine  Homhautnarbe,  welche  nahe  ihrem  Rande  schräg 
von  vorne  nach   hinten   gegen  das  Corpus  ciliare  gerichtet 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    43 

war,  und  dementsprechend  eine  ganz  kurze  Durchtrennung 
der  Iris.  Diese  „ist  dicht  an  ihrem  Aufsatze  ans  Lig.  pect 
abgerissen  und  hat  offenbar  4—5  Processus  ciliares,  welche 
in  den  Präparaten  fast  unmittelbar  ihr  anliegen,  beim  Ab- 
reissen  mitgenommen/'  Hinter  dem  Ciliarkörper  befand 
sich  eine  knäuelartig  aussehende  Narbe  in  der  Chorioidea, 
Retina  und  Glaskörper,  offenbar  der  Gegend  entsprechend, 
wo  das  Schrotkom  aufgefunden  wurde. 

Dieser  Fall  beweist  nun  meiner  Ansicht  nach  dm^ch- 
aus  nicht,  dass  durch  eine  Iridodialyse  Ciliarfortsätze  abge- 
rissen werden  können.  Denn  da  handelte  es  sich  ja  um 
einen  Schrotschuss,  wobei  das  Projectil  durch  die  Hornhaut 
hindurchging  und  die  Iris  nahe  ihrem  Ciliaransatze  samt 
den  hinter  ihr  liegenden  Ciliarfortsätzen  durchschlug.  Wenn 
man  nun  eine  derai't  entstandene  Durchtrennung  der  Iris 
auch  als  Dialyse  gelten  lassen  will,  so  kann  doch  keines- 
wegs zugegeben  werden,  dass  die  Ciliarfortsätze  von  der 
sich  von  ihrem  Ansätze  ablösenden  Iris  mitgenommen  wm-den. 

Da  in  meinem  letztbeschriebenen  Falle  makroskopisch 
eine  doppelte  Iridodialyse  vorgefunden  wurde,  welche  sich 
jedoch  bei  histologischer  Prüfung  als  eine  einzige,  durch 
einen  Irisprolaps  gewissermassen  in  zwei  getheilte  Dialyse 
zu  erkennen  gab,  taucht  die  Vermuthung  auf,  dass  wohl 
Manche  von  den  Fällen,  wo  eine  doppelte  Dialyse  klinisch 
diagnosticirt  worden  war,  auf  ähnliche  Weise  zu  erklären 
sein  dürften.  Es  kann  ja  dabei  der  Irisprolaps  so  klein 
bleiben,  dass  er  von  der  Conjunctiva  ganz  verdeckt  wird, 
insbesondere  wenn  nicht  eine  auffällige  Pigmentining  in  der 
Nähe  des  Limbus  aufmerksam  macht,  nach  dieser  Richtung 
genauer  zu  untersuchen. 

Ein  glücklicher  Zufall  fügte  es,  dass  mir  bald  zwei 
hierhergehörige  Fälle  zur  Beobachtung  kamen,  welche  dazu 
angethan  sind,  die  von  mir  gehegte  Vermuthung  zu  be- 
stätigen. Es  mögen  deshalb  die  beiden  Kmnkengeschichten 
hier  einen  Platz  finden: 


44  H.  Wintersteiner. 

Fall  V. 

Ruptura  sclorae,  Iridodialysis,  Luxatio  lentis  sub 
conjunctivam  o.  d. 

Georg  Renerer,  60  Jahre  alt,  Tagelöhner,  suchte  am  23.  Fe- 
bruar 1893  die  I.  Augenklinik  auf,  weil  er  seit  einer  Verletzung, 
die  er  vor  einigen  Wochen  erlitten,  schlecht  sähe.  Er  hatte 
damals  (eine  genaue  Zeitangabe  war  aus  dem  indolenten  Pa- 
tienten nicht  herauszubringen)  bei  der  Arbeit  einen  Streifhieb 
mit  einem  Dreschflegel  an  die  rechte  Kopfseite  erhalten.  Die 
Augengegend  soll  damals  verschwollen  gewesen  sein.  Er  blu- 
tete aus  einer  Wunde  am  Augenbrauenbogen. 

Bei  der  Aufnahme  in  die  Klinik  war  dieselbe  schon  ver- 
heilt, kaum  sichtbar.  Im  Uebrigen  zeigte  das  rechte  Auge 
folgende  Verhältnisse  (vgl.  Fig.  14):  Lidhaut  sehr  schlaff,  über 
den  äusseren  Winkel  spannt  sich  eine  verticale  dünne  Haut- 
falte, wodurch  der  äussere  Theil  des  Oberlides  eingerollt  wird, 
so  dass  die  Cilion  am  Bulbus  schleifen.  Das  untere  Lid  zeigt 
eine  stärkere  Vorwölbung,  seine  Bindehaut  etwas  verdickt,  das 
Epithel  getrübt..  Direct  nach  unten  von  der  Cornea  befindet 
sich  eine  kreisrunde,  gelblich  durchscheinende,  elastische  Ge- 
schwulst, genau  von  der  Grösse  der  Hornhaut,  welche  auf  7 
bis  8  mm  vorragt  und  mit  etwas  eingezogener  Basis  leicht  ge- 
halst aufsitzt.  Sie  wird  von  einem  sehr  zarten  Netzwerk  von 
Bindehau tgefässen  übersponuen  und  ist  sammt  der  Conjunctiva 
nach  allen  Richtungen  in  geringem  Grade  verschiebbar.  Nach 
aussen  schliesst  sich  an  ihre  Basis  ein  schiefergrau  pigmen- 
tirter,  länglicher,  mit  dem  Hornhautrande  in  einer  Entfernung 
von  2  mm  parallel  laufender  Streifen,  von  welchem  sich,  noch 
immer  parallel  mit  dem  Limbus,  eine  zarte  Narbe  nach  aussen 
oben  bis  über  den  horizontalen  Meridian  fortsetzt.  Eine  ähn- 
liche findet  sich  unten  und  innen  bis  in  die  Pingueculagegend 
hinaufreichend.  Hornhaut  vollständig^  normal  ohne  Aenderuug 
ihrer  Transparenz  oder  Wölbung.  Die  Vorderkammer  oben  von 
gewöhnlicher  Tiefe,  scheint  nach  abwärts  etwas  seichter  zu 
werden,  ohne  fremde  Inhaltsmassen.  Die  Iris  ist  vollständig 
von  ihrem  ciliaren  Ansätze  losgelöst  und  wird  nur  innen  oben 
durch  einen  ungefähr  1  mm  breiten  Zipfel  festgehalten,  ausser- 
dem spannen  sich  jedoch  noch  spinnenwebenartig  zarte  Fasern 
im  oberen  Umfange  des  Kammerfalzes  annähernd  radiär  aus 
und  fixiren  den  oberen  Rand  der  Iris,  welcher  2 — 3  mm  von 
seiner  Ansatzstelle  absteht. 


Beiträge  zur  patliolog.  Anatoniie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    45 

Unten  ist  die  Iris  in  ungefähr  9  mm  Breite  ebenfalls  in 
der  Gegend  der  Kammerbncht  fixirt,  doch  entspricht  ihre  Lage 
einer  weiter  nach  vorne  gegen  die  Hornhaut  zu  liegenden  Stelle 
der  Sklera.  Dnrch  diese  doppelte  Fixation  der  Iris  entsteht 
nach  aussen  zu  eine  7  mm  breite,  neue  Pupille,  welche  aussen 
vom  Gorneoskleralrande,  innen  von  dem  nach  aussen  zu  con- 
caven  Ciliarrande  der  abgetrennten  Iris  begrenzt  wird;  und 
nach  innen  eine  zweite  schmale,  spaltförmige  Pupille.  Die  Iris 
selbst  ist  ausserordentlich  atrophisch,  sehr  dünn,  die  Pupille 
als  ein  schief  von  oben  nach  aussen  unten  ziehender,  dunkler 
Strich  markirt,  welcher  von  einer  weissen,  etwas  prominiren- 
den  Linie  begleitet  wird.  Der  obere  Rand  der  Pupille  liegt 
beiläufig  im  horizontalen  Meridian,  der  untere  knapp  am  Hörn- 
hautrande.  Von  der  weissen  Linie  strahlen  senkrecht  graue, 
zarteste  Fäserchen  aus,  wodurch  die  Iris  das  Aussehen  einer 
feinen  Yogelfeder  erhält.  Zwischen  den  Fasern  erscheinen  ein> 
zelne,  sehr  stark  atrophische  Stellen  von  dnnkelgraublauer  Farbe. 
In  der  innen  gelegenen  Dialyse  zieht  vertical  von  oben  nach 
unten  ein  undurchsichtiger  weisser  Streifen,  der  an  seiner  brei- 
testen Stelle  oben  mit  dem  Irisrande  in  Verbindung  steht, 
während  sein  unteres  Ende  ein  wenig  nach  rückwärts  gewendet 
ist.  In  der  ganzen  Ausdehnung  dieser  Spalte  sind  die  Ciliar- 
fortsätze  ausserordentlich  deutlich  als  dunkelbraune  Zapfen  und 
Wärzchen  mit  gelblichen  Kuppen  sichtbar.  Im  äusseren  Um- 
fange des  Kammerwinkels  ist  keine  Spur  von  ihnen  zu  ent^ 
decken.  Die  Linse  fehlt  an  ihrer  normalen  Stelle.  Im  durch- 
fallenden Lichte  leuchten  beide  neuen  Pupillen  hellroth  auf  Im 
Glaskörper  zahlreiche  frei  schwimmende  Flocken  und  Punkte 
und  eine  aussen  unten  fixirte,  geisselartig  schwingende,  strang- 
förmige  Trübung.     Der  Fundus  normal. 

Am  linken  Auge  ausser  Blepharophimosis  und  centralen 
Homhautfiecken  nichts  Pathologisches. 

S.  R.  F .  z  —  2';  mit  +  3  Vg  F .  z  —  15' 

mit  -f2V8  Schw.   1,4  —  8" 
S.  L.  *®/joo  ^^^^  Besserung  durch  Gläser 

S;S  1,0  —  8"  mit  +  Vt  Schw.  0,7  —  7" 

Am  2.  März  extrahirte  ich  die  unter  die  Conjunctiva  lu- 
xirte  Linse.     Canthoplastik.  — 

10.  III.:  Patient  verlässt  die  Anstalt  mit  geheilter  Bindc- 
hautwunde  Lidspalte  verlängert  Trichiasis  behoben.  Uebriger 
Befund  unverändert. 


46  H.  Wintersteiner. 

Fall  VI. 

Iridodialysis  o.  d.  Cicatrix  corneae  cum  synechia 
anteriore  o.  d. 

Am  14.  Mai  1893  besuchte  Josef  Fttrst,  Hausbesorger, 
57  Jahre  alt,  die  Ambulanz  der  I.  Augenklinik,  da  ihm  vor 
einigen  Tagen  Kalkstaub  in  beide  Augen  geflogen  war. 

Dabei  konnte  ich  folgenden  Befund  am  rechten  Auge 
erheben  (vgl.  Fig.  15): 

Lider  normal,  nur  ein  wenig  zurückgesunken.  Lidbinde- 
haut leicht  injicirt,  seröses  Secret  liefernd,  welches  die  Cilien 
verklebt.  Bulbus  etwas  verkleinert,  blass.  Cornea  ebenfalls 
ein  wenig  kleiner  und  flacher  als  links.  An  ihrer  oberen  Pe- 
ripherie befindet  sich  eine  direct  in  die  Sklera  übergehende, 
völlig  undurchsichtige,  milchweisse  Narbe,  welche  ungefähr 
4  mm  Breite  besitzt.  Deren  untere  mittlere  Parthieen  werden 
eingenommen  von  einer  ca.  5  mm  langen,  2  mm  breiten  Masse, 
die  in  ihrer  äusseren  Hälfte  braunrotb,  sammtartig  ist  und 
wie  Irisgewebe  aussieht,  während  der  innere  Theil  blangrau 
bis  blauschwarz  gefärbt  ist  und  eine  hirsekomgrosse,  schwärz- 
liche, mehr  prominente  Stelle  besitzt.  Während  im  Uebrigen 
die  Grenze  der  Narbe  gegen  das  durchsichtige  Homhautparen- 
chym  ziemlich  scharf  ist,  erscheint  sie  im  innersten  Antheile 
stark  verwaschen.  Die  Vorderkammer  ist  etwas  seichter,  die 
Iris  in  ihrer  ganzen  oberen  und  inneren  Peripherie  also  in 
halbem  Umfange  von  dem  ciliaren  Ansätze  abgelöst.  Ihre  in- 
nere Grenze  zieht  fast  vertical  von  der  Mitte  des  inneren 
unteren  Quadranten  des  Limbus  zum  Innenrande  der  blauschwarzen 
Masse  in  der  Hornhaut,  ihre  obere  Grenze  fast  horizontal  von 
der  Mitte  des  äusseren  oberen  Hornhautumfanges  zum  Aussen- 
rande  dieser  Masse.  Die  Pupille  ist  klein,  dreieckig,  zur 
Hornhautnarbe  hingezogen,  ihre  obere  Hälfte  dadurch  verdeckt. 
Die  Iris  ist  stark  atrophisch,  ihre  Fasern  straff  gespannt.  In 
ihrem  Gewebe  mehrere  braune  Pigmentflecken  eingelagert.  Im 
äusseren  Theile  der  Iridodialyse  sind  mehrere  feine  graue  Fä- 
den sichtbar,  welche  atrophirten  Irisfasern  gleich  sehen.  Am 
inneren  Rande  der  Iris  ist  die  oberste  Parthie  sehnigweiss. 
Bei  gehobener  Blickebene  sieht  man  in  der  Pupille  ein  wenig 
hinter  ihrer  Ebene  eine  weisslichgraue  Masse,  welche  ihre 
Fortsetzung  im  inneren  Theile*  der  Dialyse  findet,  wo  sie  eine 
nach  unten  convexe  Grenze  und  gelblichweisse  Farbe  zeigt. 
Ciliarfortsätze  sind  auf  keine  Weise  sichtbar. 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    47 

Im  darchfalleuden  Lichte  erscheint  Pupille  und  Dialyse 
dunkel,  nur  bei  einer  einzigen  Blickstellnng  (leicht  nach  links 
gewendetem  und  gehobenem  Blick)  erhält  man  einen  gelblich- 
weissen  schillernden  Reflex  im  inneren  Theile  der  Dialyse. 
V=F.  z. —  l'  unsicher,  L.  A.  bis  auf  Conjnnctivalcatarrh 
normal. 

Die  Verletzung  hatte  im  Jahre  1878  (März),  also  vor 
15  Jahren,  stattgefunden,  indem  dem  Patienten  in  der  Nacht  um 
2  Uhr  beim  Wagenwaschen  das  hintere  Ende  des  zum  Wagen- 
heben dienenden  Hebels  in  die  rechte  Augengegend  schnellte. 
Er  wurde  bewusstlos  und  blieb  so  drei  Stunden  liegen,  bis  man 
ihn  fand,  ihn  zum  Bewusstsein  brachte  und  ihm  eine  Wunde 
an  der  rechten  Stirnhälfte  mit  einem  nassen  Tuche  verband. 
Sodann  wusch  er  den  Wagen  weiter.  Am  nächsten  Tage  kam 
er  auf  die  Klinik  Arlt,  wo  eine  Sprengung  des  Augapfels 
diagnosticirt  wurde.  y  =  0.  Erst  gegen  Ende  der  9  Monate 
währenden  ambulatorischen  Behandlung  soll  er  wieder  Licht 
und  Dunkel  unterscheiden  gelernt  haben.  Das  Auge  war  seit- 
dem sehr  reizbar,  brannte  und  thränte  bald.  — 

In  beiden  Fällen  war  also  klinisch  eine  doppelte  Iri- 
dodialyse  zu  erkennen;  doch  zeigte  sich  die  Grenze  beider 
Dialysen  durch  einen  IrisvorfaU  gebildet,  der  im  1.  Falle 
durch  die  Skleralruptur  nach  unten^  im  2.  Falle  durch  die 
Comealwunde  nach  oben  stattgefunden  hatte.  Nach  der 
histologischen  Untersuchung  des  Falles  IV.  lässt  sich  wohl 
mit  Sicherheit  annehmen,  dass  beide  Male  an  dieser  Stelle 
die  Iris  ebenfalls  dialysirt  und  dann  erst  prolabirt  war. 

Die  in  den  vier  von  mir  histologisch  untersuchten 
Fällen  von  Iridermie  resp.  Iridodialyse  gefimdenen  Verände- 
rungen im  Kammerwinkel  stehen  im  vollsten  Einklänge  mit 
den  von  Treitel  beschriebenen.  In  dessen  Falle  handelte 
es  sich  um  Aniridia  totalis  et  Aphakia  traumatica  bei  einem 
60jährigen  Manne  in  Folge  eines  Stockschlages.  Die  Enu- 
cleation  des  Bulbus  war  2*/«  Monate  nach  der  Verletzung 
wegen  sympathischer  Reizung  des  anderen  Auges  vorgenom- 
men worden. 

Es  fand  sich  in  der  Sklera  dicht  neben  dem  Bande 
der  Cornea  eine  aus  kemarmem,  faserigem  Gewebe  bestehende 


48  I^-  Wintersteiner. 

Narbe,  welche  „in  grosser  Ausdehnung  durch  den  Schlemm  '- 
sehen  Canal  geht,  der  vollkommen  verschlossen  ist,  während 
er  an  den  anderen  Schnitten  sehr  deutlich  hervortritt;  sie 
ist  ca.  12—15  mm  lang  und  verläuft  fast  concentrisch  mit 
dem  Comeoskleralrand  in  einem  Abstände  von  ca.  1  bis 
1^/2  mm. 

Die  Ciliarfortsätze  ziehen  schräg  nach  vom  und  me- 
dialwärts  und  sind  zum  Theil  an  der  Sklera  neben  der 
Narbe,  zum  Theil  an  dieser  selbst  angelöthet."  „Von  der 
Iris  nirgends  eine  Andeutung  zu  finden;  man  bekam  den 
Eindruck,  als  ob  aus  einem  sonst  ganz  normalen  Auge  die 
Iris  auf  das  Sorgsamste,  ohne  Zurücklassung  irgend  welcher 
Reste  und  ohne  Beschädigung  der  angrenzenden  Parthien, 
entfernt  wäre."  Eine  Abbildung  illustiirt  diese  Verhältnisse, 
welche  denen  in  meinem  vierten  Falle  streckenweise  vor- 
gefundenen vollkommen  entsprechen. 

In  gewissem  Gegensatze  dazu  stehen  die  Befunde  in 
zweien  von  den  drei  Schäfer 'sehen  Fällen. 

In  dem  Falle  I.  (Irideremia  et  Aphakia  traumatica 
o.  s.  nach  Ruptura  bulbi),  bei  welcher  die  Enucleation 
8  Monate  nach  der  Verletzung  stattgefimden  hatte,  war 
„von  der  Iris  auf  beiden  Seiten  kaum  noch  eine  Spur  nach- 
weisbar. Sie  ist,  wie  deutlich  zu  ersehen,  an  ihrem  Ansätze 
ans  Corpus  ciliare  abgetrennt.  ...  Es  findet  sich  nocli  ein 
ganz  minimaler  Irisstumpf  vor,  welcher  fast  die  Form  eines 
kurzen  vom  abgerundeten  Beer*  sehen  Messers  zeigt  und 
etwas  mit  Rundzellen  infiltrirt  erscheint.  Man  bemerkt 
ganz  deutlich,  wie  die  Pigmentschicht  der  liis  die  Ueber- 
kleidung  des  Wundrandes  übernommen  hat,  über  die  Ab- 
rissstelle hinübergewuchert  ist  und  auf  einem  feinfaserigen, 
vorwiegend  aus  schmalen  Spindelzellen  bestehenden  Narben- 
gewebe aufliegend,  sich  bis  zur  vorderen  Endothellage  hin 
erstreckt,  welche  letztere  sich  in  der  Vemarbung  des  Wund- 
raudes  nicht  activ  betheiligt  zu  haben  scheint." 

In  Schäfer 's  Fall  III.  (Iridodialysis  traumatica  o.  s., 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    49 

Luxatio  lentis,  Ruptura  sclerae  incoinpleta.  —  Enucleation 
SVa  Wochen  nach  der  Verletzung,  einem  Pusstritte)  war 
„von  der  Iris  im  ganzen  Bereiche  der  Iridodialyse  nur  ein 
0,225  mm  betragender  Stumpf  an  ihrer  Ausatzstelle  stehen 
geblieben."  „Der  Irisstumpf  ist  an  seiner  Oberfläche  mit 
dem  schief  die  inneren  ^/^  der  Sklera  (au  Stelle  der  in- 
completen  Ruptur)  diu'chsetzenden  Narbenstrang  verwachsen 
und  vom  an  seiner  Wundfläche  etwas  in  dieses  Narben- 
gewebe eingezogen.  .  .  .  Die  Abrissfläche  des  Stumpfes  ist 
kolbenförmig  abgerundet,  zeigt  ebenfalls  einen  feinen  Ex- 
sudatbelag auf  der  Vordei*fläche,  während  hier  die  Pigment- 
schicht die  Ueberkleidung  übernommen  hat  und  bis  zur 
Verwachsungsstelle  der  Stumpfoberfläche  mit  dem  Skleral- 
narbengewebe  hinreicht.  Der  Stumpf  erscheint  ausserdem 
beträchtlich  infiltrirt"     Heftige  Oyclitis.  — 

Schäfer  konnte  also  in  seinen  zwei  Fällen*)  noch  deut- 
hche  Reste  der  Iris,  welche  an  ihrem  Ciliaransatze  stehen  ge- 
blieben waren,  nachweisen,  während  in  meinen  Pällen  in 
Uebereinstimmung  mit  TreiteTs  Befund  keine  Spur  der 
Iris  zurückgebUeben  war,  ja  in  dem  frisch  (4  Tage)  nach 
der  Verletzung  zur  Untersuchung  gekommenen  Bulbus  so- 
gar eine  förmhche  Herausreissung  der  Iris  aus  dem  Corpus 
ciliare  nachgewiesen  werden  konnte. 

Die  anderen  anatomisch  untersuchten  Pälle,  welche  sich 
in  der  Literatur  vorfinden,  lassen  sich  bei  Beantwortung 
der  angeregten  Frage  nicht  verwerthen,  da  die  Beschrei- 
bungen viel  zu  kurz  gehalten  sind  (Alt,  Schiess-Gemus- 
eus)  oder  sich  (Lawson,  Maats)  nui'  auf  die  makrosko- 
pisch wahmehmbai-en  Veränderungen  beziehen.  Welche 
Einflüsse  Schuld  dai*au   tragen,   dass  die  Iris  einmal  quer 


M  Den  3.  Fall  Schäfers  [Fall  IL]  glaube  ich  nach  dem  früher 
Gesagten  ausschliessen  zu  müssen,  da  hier  nicht  eine  Abreissung, 
sondem  eine  directe  Durchschlagung  der  Iris  in  der  Gegend  ihres 
Ciliaransatzes  stattgefunden  hatte.  Uebrigens  war  kein  Rest  der  Iris 
an  der  Ansatzstelle  zurückgeblieben. 

V.  Graefe's  Archiv  fQr  Ophthalmologie.    XI^.  2.  4 


50  H.  Wintersteiner. 

durch  ihr  Gewebe,  das  andere  Mal  knapp  an  ihrer  ciliaren 
Insertion  abreisst,  lässt  sich  nach  der  viel  zu  geringen  An- 
zahl von  Fällen,  welche  bis  jetzt  der  anatomisch-histologir 
sehen  Untersuchung  zugänghch  wurden,  noch  nicht  beur- 
theilen.  Selten  werden  solche  Präparate  immer  bleiben,  zumal 
da  zur  Entscheidung  dieser  Frage  nur  ganz  frisch  entstan- 
dene oder  höchstens  einige  Tage  bestehende  Iridodialysen 
maassgebend  sein  können. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  sich  nun,  je  nachdem 
die  Iris  vollständig  oder  mit  Zurücklassung  eines  Stumpfes 
vom  Ciharkörper  abgetrennt  ist,  auch  die  Vemarbung  im 
Kammerwinkel  verschieden  verhalten  wird.  In  letzterem 
Falle  müssen  die  Verhältnisse  ganz  ähnliche  sein  wie  an 
dem  kurzen  Irisstumpfe,  welcher  nach  Iridectomie  zurück- 
bleibt, und  auch  ähnlich  wie  an  dem  abgelösten  Stücke  der 
Iris  bei  Iridodialyse.  Diese  Verhältnisse  bei  Verheilung 
der  Iridectomiewunde  an  der  Regenbogenhaut  sind  von  Alt 
am  Kaninchenauge  experimentell  untersucht  worden,  wobei 
er  fand,  dass  die  üeberkleidung  der  Wundfläche  entweder 
vom  Endothel  der  Vorderfläche  der  Iris  oder  vom  Pigment- 
epithel oder  schliesshch  von  beiden  übernommen  werden 
kann.  Diese  Befunde  stimmen  gut  mit  den  an  iridectomirten 
Menschenaugen  überein.  Und  Schäfer  konnte  in  seinen 
beiden  Fällen  die  beiden  erstgenannten  Formen  der  Ver- 
heilung bei  Abreissung  der  Iris  constatiren. 

Anders  ist  natürUch  die  Vemarbung  bei  Ab-  oder  Aus- 
reissung  der  Regenbogenhaut  vom  Ciliarkörper  ohne  Zurück- 
lassung von  Resten.  Während  aber  Treitel  fand,  dass  der 
Verschluss  der  Wunde  im  Corpus  ciliare  durch  Narben- 
gewebe bewirkt  wird,  welches  sich  direct  in  die  Skleralnarbe 
fortsetzt  und  die  Ciliarfortsätze  zum  Theile  nach  vom  an 
die  Homhaut  hinzieht,  konnte  ich  neben  dieser  Art  der 
Verheilung,  wie  schon  oben  erwähnt,  noch  verschiedene 
Formen  constatiren.  Stellenweise  legten  sich  nämlich  die 
Wundflächen  der  im  Ciliarköq)er  gebildeten  Höhlung  direct 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    51 

an  einander  und  verheilten  mit  einander,  ohne  dass  eine 
deutliche  Lage  von  neugebildetem  Gewebe  zwischen  ein- 
geschoben worden  wäre.  An  anderen  Stellen  wucherte 
wieder  von  der  Skleralnarbe  her  so  viel  Bindegewebe  in 
die  Höhlung,  dass  dieselbe  ausgefüllt  wurde  und  die  Ciliar- 
fortsätze  in  Folge  dessen  an  die  Innenfläche  der  Narben- 
masse angelöthet  erscheinen.  Wieder  an  anderen  Stellen 
luxurirte  das  Narbengewebe  in  der  Sklera  so  sehr,  dass  es 
zapfenartig  in  das  Innere  des  Augapfels  vortritt  und  den 
ganzen  Vordertheil  des  Ciliarkörpers  sammt  den  Ciliarfort- 
sätzen  in  sich  aufnimmt  oder  wenigstens  überdeckt 

Diese  Narbe  giebt  stets  den  Ursprung  für  ein  zartes, 
aus  feinfaserigem,  kemarmem  Gewebe  gebildetes  Häutchen, 
in  welches  auch  von  hinten  und  von  den  Ciliarfort- 
sätzen  her  sich  Zonulafasem  einweben  und  welches  den 
Glaskörperraum  vom  Kammerraume  trennt.  Ein  derartiges 
Diaphragma  wurde  in  sämmtlichen  bis  jetzt  zur  mikrosko- 
pischen Untersuchung  gelangten  Fällen  von  Iridodialysis 
oder  Irideremie  bei  gleichzeitigem  Fehlen  der  Linse  nach- 
gewiesen. Dem  entsprechend  fehlte  es  natürlich  in  dem 
3.  meiner  Fälle,  wo  die  Linse,  wenn  auch  verletzt,  noch 
erhalten  war,  und  ebenso  auch  in  Schäfer 's  Fall  11.; 
ausserdem  wäre  auch  gerade  in  diesen  beiden  Fällen  die 
Zeit  offenbar  eine  zu  kurze  (4  und  19  Tage)  zur  Ausbil- 
dung einer  derartigen  Membran  gewesen. 

Schäfer  wirft  am  Schlüsse  seiner  Arbeit  die  Frage 
auf:  „Warum  blutet  es  bei  einer  unter  normalen  Verhält- 
nissen ausgeführten,  regelrecht  verlaufenden  Iridectomie  nie- 
mals, wenigstens  niemals  sichtbar,  warum  entsteht  aber  bei 
einer  Iridodialyse  immer  eine  je  nach  der  Ausdehnung  der- 
selben mehr  oder  minder  mächtige  Haemorrhagie?" 

Dieser  Fragestellung  ist  vorerst  entgegenzuhalten,  dass 
es  häufig  genug  auch  bei  einer  regelrecht  ausgeführten  Iri- 
dectomie blutet.  Es  hängt  dies  vollständig  von  dem  Zu- 
stande der  Gefässwandungen  in  der  Iris  ab;  bei  alten  In- 


52  H.  Wintersteiner. 

dividuen,  wo  die  Gefässe  schon  rigid  und  brüchig  geworden 
sind,  kommt  es  nach  der  Ausschneidung  der  Regenbogen- 
haut immer  zu  einer  mehr  oder  minder  ausgiebigen  Blutung 
und  wir  besitzen  ja  auch  in  der  Krankenbeobachtung  ein 
Symptom,  welches  auf  diesen  Zu&U  imd  auf  die  Gefäss- 
degeneration  von  vorne  herein  aufinerksam  macht,  nämUch 
die  UnmögUchkeit,  die  Pupille  durch  Atropin  maximal  zu  er- 
weitem. EndUch  ist  es  ja  eine  bekannte  Thatsache,  dass 
es  bei  einer  wegen  Glaucom  ausgeführten  Iridectomie,  be- 
sonders wenn  noch  Entztindungserscheinungen  bestehen,  sehr 
häufig  recht  heftig  blutet  Doch  wollte  Schäfer  diese  letz- 
teren Fälle  wahrscheinhch  ausgeschlossen  wissen,  da  er  von 
„einer  unter  normalen  Verhältnissen  ausgeführten  Iridec- 
tomie" spricht 

Als  Ursachen  für  die  Entstehung  der  Blutung  bei  Irido- 
dialyse  undirideremie  fuhrt  Schäfer  Folgendes  an:  Erstens 
&sst  er  die  Schnittwunde  bei  Iridectomie  als  Quetschwimde 
auf,  welch  letztere  bekanntUch  wenig  oder  gar  nicht  blutet 
Dem  möchte  ich  jedoch  entgegenlialten,  dass  in  der  Chi- 
rurgie gerade  ein  wesentUcher  Unterschied  zwischen  Schnitt- 
und  Quetschwunden  gemacht  wird  und  dass  es  als  bekannte 
Thatsache  gilt,  dass  Schnittwunden  ziemhch  lange  und 
heftig  bluten  können,  da  die  Gefässe  im  gleichen  Niveau  mit 
dem  umgebenden  Gewebe  durchtrennt  werden,  also  sich  ver- 
hältnissmässig  wenig  zurückziehen  können,  andererseits  auch 
ganz  glatt  abgeschnitten  werden  ohne  Zerfaserung  ihrer 
Enden,  wie  sie  bei  Biss-  und  Quetschwunden  stattfindet  und 
durch  Zerreissung  und  Einrollung  der  Intima  die  primäre 
VerSchliessung  des  Gefässlumens  und  spätere  Thromben- 
Ibildung  wesentUch  begünstigt 

Zweitens  bemerkt  Schäfer,  dass  bei  Iridectomie  stets 
ein  viel  grösserer  Stumpf  übrig  bleibt  als  bei  Iridodialyse, 
also  nur  die  schon  in  feinerer  Verästelung  begriflenen  Ge- 
fässe durchtrennt  werden.  Dieses  Argument  ist  jedenfalls 
^8  vollkommen  richtig  anzuerkennen. 


Hoi träge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    53 

Drittens  nimmt  Schäfer  noch  als  ein  die  Blutung  bei 
Iridectomie  hinderndes  Moment  den  auch  nach  Eröffiiung 
der  Bulbuskapsel  auf  dem  Bulbusinneren  ruhenden  Druck 
der  Sklera  (nach  v.  Graefe)  und  den  Druck,  welchen  die 
gegen  die  Hinterwand  der  Hornhaut  vorrückende  Linse  auf 
die  Iris  ausübt,  in  Anspruch.  Doch  können  beide  Gründe 
keinen  Unterschied  für  Iridodialyse  und  Iridectomiewunde 
abgeben,  da  ja  in  den  zahlreichen  Fällen,  in  welchen  früher 
zur  künstUchen  Pupillenbildung  die  Iridodialyse  operativ 
erzeugt  wurde,  ebenfalls  stets  heftige  Blutung  eintrat,  wo 
doch  die  Druckverhältnisse  im  Auge  genau  die  gleichen 
sind  wie  bei  der  Ausführung  der  Iridectomie. 

Als  vierter  Gnind  wird  angeführt:  „Während  bei  der 
Iridectomie  in  Folge  der  quetschenden  Scheerenwirkung  die 
Gefasse  aneinander  gepresst  werden  und  so  eine  Thrombo- 
sirung  leicht  und  rasch  sich  vollziehen  kann,  findet  bei 
Traumen  gerade  das  Entgegengesetzte  statt.  Die  Gefass- 
wände  werden  auseinandergehalten  und  es  klaffen  besonders 
die  Arterien  sehr  stark  in  dem  spongiösen  Irisgewebe.'* 
Warum  das  Letztere  der  Fall  sein  soll,  bleibt  mir  un- 
klar. 

Als  gewiss  wichtige  Ursache  der  Blutung  bei  Iris- 
dialyse wird  erwähnt,  dass  die  Gefasse  häufig  nur  ange- 
rissen oder  der  Länge  nach  eingerissen  werden  dürften, 
und  daes  die  Venen  der  Iris  klappenlos  sind. 

Als  Hauptursache  nimmt  Schäfer  jedoch  an,  „dass 
als  unmittelbare  Folge  des  stattgefundenen  und  wohl  immer, 
wenn  es  zu  solchen  grösseren  Verletzungen  geführt  hat, 
ziemlich  bedeutenden  Trauma's  sowohl  in  imseren  (i.  e. 
seinen)  als  in  allen  ähnUchen  mit  mächtigen  Hämorrhagieen 
verbundenen  Fällen  von  Iridodialyse  eine  locale  neuropa- 
ralytische  Gefässlähmung  mit  Erweiterung  derselben  ein- 
trat. Wir  werden  wohl  hauptsächlich  diesen  Umstand  als 
das  die  Blutung  am  meisten  begünstigende  Moment  anzu- 
sehen haben,  welches  weiterhin  auch  den  mit  am  schwer- 


54  H.  Wintereteiner. 

steil  in  die  Wagschale  fallenden  Unterschied  von  der  Iri- 
dectomie  abgehen  mag." 

So  richtig  diese  Ansicht,  dass  durch  das  Trauma  eine 
Gefässparalyse  erzeugt  ^-ird,  gewiss  ist  (und  sie  ist  ja  ge- 
stützt durch  zahlreiche  Beobachtungen  und  Experimente 
aus  der  allgemeinen  Pathologie  von  Cohnheim,  Leber. 
Wegner,  Salkowski,  Nagel),  so  reicht  sie  dennoch 
nicht  hin,  auch  die  Blutimg  in  den  Fällen  von  Iridodialyse 
zu  erklären,  wo  dieselbe  lege  artis  operativ  erzeugt  wurde, 
wo  also  kein  grösseres  Trauma  auf  die  Iris  einwirkte  als 
bei  einer  Iridectomie;  oder  man  müsste  bei  der  letzteren 
in  Folge  des  Anfassens  der  Regenbogenhaut  mit  der  Piu- 
cette,  was  ja  auch  ein  Trauma  der  Iris  bedeutet,  ebenfalls 
eine  Gefässparalyse  und  folgende  Blutung  erwarten. 

Mir  scheint  es  jedoch,  dass  genügende  anatomisch 
nachweisbare  Veränderungen  vorhanden  zu  sein  pflegen, 
welche  das  Auflxeten  der  Blutung  bei  Iridodialyse  und 
Irideremie  zu  erklären  imstande  sind. 

In  erster  Linie  kommt  hier  in  Betracht  die  Zer- 
reissung  des  Schlemm'schen  Canales.  Denn  in  den 
drei  von  mir  untersuchten  Fällen,  wo  eine  Ruptur  der  Sklera 
durch  eine  stumpfe  Gewalt  erzeugt  worden  war  (Fall 
L,  IL  und  IV.),  ging  der  Riss  in  der  Lederhaut  genau 
mitten  durch  den  Schlemm'schen  Canal,  und  in  dem 
4.  Falle  (III.),  wo  die  Irideremie  dmxh  einen  Schrotschuss 
hen^orgerufen  war,  zeigte  sich  auch  an  Stellen,  welche  weit 
entfernt  von  dem  directen  Angriffspunkte  der  Gewalt  lagen, 
auch  das  Ligamentum  pectinatum  und  die  Hinterwand  des 
Schlemm'schen  Canales  eingerissen,  so  dass  sein  Inhalt 
sich  frei  in  den  Kammerraum  entleeren  konnte.  Auch  in 
TreiteTs  Fall  ging  die  Narbe  in  grosser  Ausdehnung 
durch  den  Schlemm'schen  Canal.  In  Schäfers  Fall  1 
gehörte  die  breite  Narbe  zum  grösseren  Theile  der  Sklera, 
zum  kleineren  der  Cornea  an;  leider  wird  nichts  Positives 
über  ihr  Verhältniss  zum  Leber'schen  Venen plexus  ausge- 


Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  d.  traumatischen  Aniridie  etc.    55 

sagt,  eben  so  wenig  wie  in  dem  Fall  III,  wo  über  das  ge- 
nauere Verhältniss  der  im  vordersten  Theile  der  Sklera 
liegenden  incompleten  Skleralruptur  nichts  erwähnt  wird. 
Doch  scheint  es  mir  gestattet  aus  dem  angegebenen  topo- 
graphischen Verhältniss  der  Narbe  zum  Irisstumpfe  und 
aus  den  Bemerkungen,  dass  die  Narbe  in  der  Sklera  lag, 
aber  auch  die  Descemet'sche  Membran  eingerissen  war, 
zu  schUessen,  dass  auch  in  diesem  Falle  eine  Durchtren- 
nung und  EröfiFbuug  des  Plexus  venosus  stattgefunden 
hatte.  Was  schUesshch  die  klinisch  beobachteten  Fälle 
von  traumatischer  Irideremie  und  Iridodialyse  anbelangt, 
so  findet  sich  in  der  weitaus  überwiegenden  Mehrzahl  der 
mir  aus  der  Praxis  und  aus  der  Literatur  bekannten  Fälle 
eine  ganz  nahe  dem  Homhautrande  gelegene  und  mit  ihm 
concentrisch  verlaufende  Skleralruptur  (z.  B.  die  Fälle  von 
Irideremie  von  Gayet,  Carre,  Jeaffreson,  Samelson, 
Krajewsky,  Dixon,  Vose  Salomon,  Samelsohn, 
Oeller,  Manolescu,  Nunnely,  Hirschberg,  Mengin, 
Samuel,  Mc  Keown,  Harlan,  Natanson,  Lyder  Bor- 
then,  Wadsworth).  Dass  bei  Eröfi&iung  des  Schlemm'- 
schen  Canales  eine  sehr  ausgiebige  Blutung  auftritt,  beson- 
ders dann  wenn  dm*ch  Eröffnung  der  Bulbuskapsel  der  intra- 
oculäre  Druck  auf  Null  ablällt,  ist  von  vom  herein  sehr  leicht 
orklärUch,  da  ja  hier  ein  grosser  Theil  der  Bedingungen 
fehlt,  welche  sonst  bei  Zerreissung  von  Gefässen  der  Blut- 
stillung dienen,  nämlich  Muskelreichthum  der  Wandung,  Con- 
ü'actiUtät  des  Gelässrohres  und  die  MögUchkeit,  dass  sich 
dasselbe  in  das  umgebende  Gewebe  zurückzieht.  Im  Gegen- 
theil  wird,  da  ja  der  Gefässplexus  in  das  staire  Gewebe 
der  Comeoskleralgrenze  eingeschlossen  ist,  das  Lumen  der 
zemssenen  Rohre  weit  klaffen.  Es  liegen  ja  auch  directe 
Beobachtungen  von  Czermak  vor  über  Blutimg  bei  iso- 
Inler  Zerreissung  des  Schlemm'schen  Canales.  Es  ist  dabei 
durchaus  nicht  nöthig,  dass  die  Sklera  in  einem  solchen 
Falle  rupturirt,  wie  unter  anderen  mein  IIL  Fall  beweist. 


56  H.  Wintersteiner. 

Ein  zweiter  Grund  für  das  Auftreten  der  Blutung  bei 
Iridodialyse  ist  folgender:  Es  wird  nach  meinen  Unter- 
suchungen die  Iris  aus  dem  Ciliarkörper  heraus  — 
oder  wenigstens  knapp  an  demselben  abgerissen.  Dabei 
wird  nun  der  Circulus  arteriosus  iridis  major  entweder 
ebenfalls  zerrissen ,  so  dass  er  in  den  Schnitten  stellen- 
weise gar  nicht  mehr  nachweisbar  ist,  oder  es  werden 
wenigstens  die  von  ihm  abgehenden  grösseren  Geiäss- 
stämmchen,  welche  die  Iris  versorgen,  unmittelbar  an  ihrem 
Ursprünge  abgerissen,  wodurch  der  grosse  Iriskreis  in  ein 
durchlöchertes  Rohr  umgewandelt  wird,  in  dem  natürUch 
viel  schwerer  ein  Thrombus  sich  ausbilden  kann.  Dabei 
werden  auch  gleichzeitig  eine  grössere  Anzahl  von  Gelassen 
des  Corpus  ciUare,  sowie  die  Anastomosen  mit  den  vor- 
deren Ciliargefässeo  durchrissen.  Da^u  kommt  noch  das 
auch  von  Schäfer  gewürdigte  Moment,  auf  welches 
v.  Stellwag  aufinerksam  machte,  dass  bei  Erö&ung  des 
Bulbus-  infolge  Contraction  der  elastischen  Fasern  der 
Sklera  eine  Verengerung  der  Emissarien  imd  infolge  dessen 
eine  Stauung  in  den  Venen  stattfindet,  welche  noch  da- 
durch gesteigert  wird,  dass  wegen  Herabsetzung  des  intra- 
ocularen  Druckes  die  arterielle  Blutzufuhr  erleichtert  und 
vermehrt  wird,  also  Verhältnisse,  welche  das  Zustande- 
kommen einer  Blutung  ungemein  begünstigen. 

Diese  zwei  anatomisch  constatirten  Folgen  der  Iri- 
dodialyse und  Irideremie  genügen  auch  vollkommen  zur 
Erklärung  der  Blutimg  bei  operativ  eraeugter  Iridodialysis 
und  Irideremie.  Denn  nach  den  Versuchen  von  Becker, 
welche  Schäfer  erwähnt,  war  bei  künsthch  erzeugter  Iri- 
deremie in  sämtlichen  Fällen  mit  einer  einzigen  Aus- 
nahme „die  Iris  so  vollständig  entfernt,  dass  auch  nicht 
eine  Spur  von  ihr  nachweisbar  wai*." 

Dabei  fanden  sich  fast  nm*  grosse,  durchrissene  Ge- 
fässe,  sehr  wenig  Capillaren.  Dass  hierbei  auch  das  Ligam. 
pect,    einreisst,   ist    selbstverständlich    und   nur   allzuleicht 


Beiträfife  zur  paUioIog.  Anatomie  d.  traumatiBcben  Aniridie  etc.    57 

kann  dasselbe  vollständig  durchreissen  und  der  Schlemm- 
sche  Canal  eröffnet  werden. 

Nach  Allem  scheint  es  nur  ein  sonderbarer  Zufall  ge- 
wesen zu  sein,  dass  Schäfer  gerade  zwei  Augen  zur  Unter- 
suchung bekam,  wo  noch  Irisreste  am  ciliaren  Ansätze 
zurückgeblieben  waren,  während  als  das  gewöhnliche 
Vorkommen  das  betrachtet  werden  muss,  dass  die  Iris 
sich  ohne  Zurücklassung  von  Resten  vom  Corpus  ciUare 
trennt. 

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Leber,  Die  Circulations-  u.  Eruährungsverhältnisse  des  Auges. 

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Maats,  De   sympathische  Aaudocningeu  van  het  Oog.     Zesde 

Jaarlyksch    verslag    van    de   Ncderlandsch    Gasthuis   voor 

Ooglyders  1865  pag.  85. 
Manolescu,    Aniridie    et   Aphakie    traumatiques    ä    gauche. 

Iridochorioidite  sympathique   h   Tetat   chronique  a  droite. 

Nouveau    procede    d'irido-ectomie.      Archiv    d^ophthalmo- 

logie  V.  Nr.  3  pag.  227.    1885. 
Mengin,  Gontnsion  de  Toeil  droit   avec  rnpture  de  la  sclero- 

tique,  luxation  souscoujonctivale  du  cristallin,  accompagn6 

et   coiff^    de    tout   Tiris.     Vision    conservec.     Recueil    d* 

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Mooren,  Ophthalmiatrische  Beobachtungen  1867,  pag.  122. 
Nagel,  Ueber  vasomotorische  und  secretorische  Neurosen  des 

Auges.      Zehenders    klin.    Monatsblätter    für   Augenheilk. 

1873,  pag.  405. 
Natansou,    Aniridia    et  aphakia   traumatica   s  powischenjem 

wnutriglasnawo  dawlenja.    Westnik  ophth.  VII.  2.  p.  106. 

1890. 


60  H.  Wintersteiner. 

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0 eller,  Ein  Fall  von  traumatischer  Aniridie  und  Aphakie. 
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18-26. 1866  (ref.  in  Virchows  Jahresbericht  1866,  pag.  453). 

Rau,  Schweizer  Cant.  Zeitschr.  II.  3.  1846  (citirt  nach 
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Salkow.ski,  Ueber  das  Budge'sche  Giliospinalcentrum.  Zeit- 
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Salomon  Vose,  Ein  Fall  von  Zurücktreten  und  Unsichtbar- 
werden  der  Iris  infolge  einer  Verletzung.  British  med. 
Journal.  April  1860  (cit.  nach  Virchows  Jahresbericht  1860). 

Samelsohn,  Traumatische  Aniridie  und  Aphakie  mit  Er- 
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heilk.    Juni  1880,  pag.  184. 

—  Noch  einmal  die  Giliarfortsätze  bei  Irideremie.  Gentral- 
blatt f.  pract.  Augenheilk.     August  1880. 

Samelson,  Traumatic  aniridia  and  aphakia.  British  med. 
Journ.     Nov.  2.   1872,  pag.  498. 

—  Die  Giliarfortsätze  bei  Irideremie  (und  Aphakie).  Gen- 
tralblatt f.  pract  Augenheilk.     Juli  1880,  pag.  213. 

Samuel,   Association  medical  journ.   4.  Mai  1855,   pag.  416 

(cit.    nach    Gaz.    hebdom.    de    m^ecinc    et  de  Chirurgie. 

Mai  1855). 
Savary,  Disparition  totale  de  Tiris  et  du  cristallin  ä,  la  suite 

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Schäfer,    Aniridie    und    Aphakie;    Iridodialysis    traumatica. 

Archiv  für  Ophthalmologie  XXIX.   1.  pag.  13. 
Schaligin,  Abreissung  der  Iris.    Medicin.  Bote  Nr.  27.  1872 

(russ.)  [cit.  nach  Nagels  Jahresbericht  1872,  pag.  300]. 
Schiess-Gemuseus,  Beiträge    zur    pathologischen  Anatomie 

des    Auges    und    der    Orbita.     Archiv  f.    Ophthalmologie 

XIV.  1.  pag.  91. 

—  Skleral-  und  Gomealverletzung,  Entfernung  des  Linsen- 
systems u.  der  Iris,  Heilung  mit  theilweiser  Erhaltung  des 
Sehvermögens.  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilk.  1867  V.  p.  82. 


Beiträge  zur  patkolog.  Anatomie  d.  tnnimatischen  Aniridie  etc.    61 

Stellwag  von  Carion,  Die  Ophthalmologie  vom  natnrwissen- 
schaftL  Sundpunkte  ans.     1853,  II.  Bd.  pag.  70. 

Treitel,  Beitrftge  zur  pathol.  Anatomie  des  Auges.  Archir 
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Wadsworth,  Raptare  of  the  sclerotic  Boston  medic  and 
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Wegner,  Experimentelle  Beitr&ge  zur  Lehre  Tom  Glaucom. 
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Weller,  Die  Krankheiten  des  menschlichen  Auges.  1822, 
pag.  320  Anmerkung. 

Williams,  Gase  of  injury  of  the  eye,  resulting  in  total  loss 
of  the  iris  and  lens,  with  the  establishment  of  a  perma- 
nent fistula  of  the  sclerotic  nearly  perfect  vision  being 
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Yirchows  Jahresbericht  1864). 

Wintersteiner,  Ein  Fall  von  traumatischer  Aniridie.  Wiener 
klinische  Wochenschrift  1893,  Nr.  6. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Taf.  I  u.  IL 

Fig.  1.  Fall  I.  Verticaler  Durchschnitt  durch  die  vordere  Bulbus- 
hälfte.  Skleralruptur  mit  Irisprolaps  [JP).  Die  abgerissene 
Iris  (J)  der  gegenüberliegenden  Seite  ist  umgeschlagen  und 
herübergezogen.  Das  abgelöste  Irispigment  (P),  kleidet  die 
vordere  H&lfte  des  subcoi^junctivalen  Hohlraumes  aus. 

Fig.  2.  Fall  I.  Bindehaut  in  der  Umgebung  des  Irisvorfiüles. 
Schwache  Vergrösserung.  Uebersicht  über  die  Vertheilung 
des  Pigmentes  in  den  periTascularen  Lymphscheiden  und  im 
subconjunctivalen  Gewebe. 

Fig.  3.  Getftssquerschnitt  aus  der  Coi\junctiva  mit  pigmentftkhrenden 
Leucocyten  in  den  perivascularen  Lymphräumen. 

Fig.  4.  Pigmentirung  der  Bindegewebskeme  des  8ubcoi\junctivalen 
Gewebes.    Eine  pigmentführende  Wanderzelle. 

Fig.  5.    Pigment  in  den  Basalzellen  des  Bindehautepithels. 

Fig.  6.  Fall  in.  Verticaler  Durchschnitt  durch  die  vordere  Bulbus- 
b&lfte.  Die  Hornhaut  bes.  in  den  hinteren  Schichten  infll- 
trirt.  Schusscanal  unten  an  der  Comeo-Skleralgrenze.  Ciliar- 
körper  daselbst  abgelöst,  von  einem  Rundzellenheerde  über- 
deckt, in  dessen  Mitte  die  quergeschnittene  Cilie  sich  befindet. 
Irideremie.  Linse  subluxirt,  ihre  Kapsel  am  Aequator  zer- 
rissen, beginnende  Cataracta  traumatica.     Fibrin-  und  Blut- 


62       H.  Wintersteiner.    Beiträge  zur  patholog.  Anatomie  etc. 

gerinnsei  in  der  Kammer  und  im  Glaskörper.  Netzhaut, 
Ghorioidea  und  Giliarkörper  abgelöst. 

Fig.  7.  Fall  III.  Schnitt  durch  die  Comeoskleralgrenze  bei  Irideremie. 
Zerreissung  des  Ligamentum  pectinatum,  Eröffnung  des 
Schlemm 'sehen  Ganales.  Wundhöhle,  entstanden  durch 
Herausreissen  der  Iris  aus  dem  Giliarkörper.  Ein  grösseres 
Gefäss  desselben  ist  angerissen,  die  Wunde  durch  Thrombose 
geschlossen.  Blutung  aus  dem  Schlemm 'sehen  Ganal  in  die 
Vorderkammer. 

Fig.  8.  Fall  IV.  Vertikaler  Durchschnitt  durch  den  vorderen  Bulbusab- 
schnitt  bei  doppelter  Iridodialyse.  Incomplete  Skleralruptur 
oben  und  unten.  Die  abgetrennte  Iris  an  dem  zarten  Diaphragma 
fixirt,  welches  den  Glaskörper  nach  vorne  abgrenzt  Aphakie. 
Fall.  IV.  Gomeoskleralgrenze  innen.  Skleralruptur.  Vorfall 
der  dialysirten  Iris.  Hinter  derselben  liegt  in  der  Wunde 
junges  Narbengewebe. 

Fall  IV.  Gomeoskleralgrenze  innen  oben.  Skleralruptur. 
Die  vorgefallene  Iris  reicht  kaum  mehr  durch  die  ganze 
Dicke  der  Skleralwunde. 

Fall  IV.  Gomeoskleralgrenze  aussen  oben.  Uebergang  der 
Dialyse  in  die  normale  Anwachsung  der  Iris.  Incomplete 
Skleralmptiir.  Die  dialysirte  Iris  ist  durch  einen  Faden  mit 
dem  Lig.  pectin.  verbunden. 

Fall  IV.  Gomeoskleralgrenze  aussen  unten.  Sklera  und 
Schlemm' scher  Ganal  intact.  Ligam.  pectinat  eingerissen, 
die  Giliarfortsätze  an  dasselbe  fixirt. 

Fall  IV.  Gomeoskleralgrenze  innen  unten.  Gomplete  Skleral- 
mptur,  welche  durch  massiges,  in  die  Kammer  vorspringendes 
Narbengewebc  ausgefüllt  ist,  Giliarfortsätze  an  die  Hinter- 
flftche  der  Narbe  angewachsen.  Unter  der  Gonjunctiva  noch 
Reste  der  vorgefallenen  Iris.     (Vgl.  Fig.  9.) 

Fig.  14.  Fall  V.  Iridodialysis  duplex.  Luxatio  lentis  sub  conjunctivam. 
Giliarfortsätze  durch  die  innere  Dialyse  sichtbar. 

Fig.  15.  Fall  VI.  Iridodialysis  duplex.  Gicatrix  corneae  c.  prolapsu 
iridis  cicatrisato. 

Fig.  16.  Fall  II.  Schnitt  oberhalb  des  horizontalen  Meridians  durch 
den  inneren  Gomeoskleralbord.  Ruptur  der  Sklera  knapp 
an  der  Homhautgrenze,  VorfEill  des  Gorpus  ciliare.  Dasselbe 
atrophisch,  der  pigmentirte  Ueberzug  zerworfen,  zum  Theil 
in  das  den  Prolaps  überkleidende  Narbengewebe  verschleppt 
Wundspalt  zwischen  Gomea  und  Vorfall.  Der  Giliarkörper 
vor  der  Ora  serrata  abgerissen,  mit  Blutcoagulis  bedeckt 


Fig. 

9. 

Fig. 

10. 

Fig. 

11. 

Fig. 

12. 

Fig. 

13. 

Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  Yon  Hnnden. 

Eine  experimenteUe  Studie  zu  Schoeler's 
„operativer  Behandlung  und  Heilung  der  Netzhautablösung." 

Von 

Dr.  Walter  Wolff 
in  M.-61adbach. 

Hierzu  Tafel  III,  Fig.  1—5. 


Bei  der  Trostlosigkeit  unserer  Heilbestrebungen  be- 
züglich der  Ablatio  retinae  ist  die  Schoeler'sche  Methode 
der  Jodinjectionen  in  den  Glaskörperraum  mit  berechtigtem 
Aufsehen  begrüsst  und  von  einer  ganzen  Reihe  von  Au- 
toren angewandt  und  nachgeprüft  worden.  Mehrere  unter 
diesen  haben  sich  rühmend  über  dieselbe  ausgesprochen, 
haben  von  Erfolgen  berichtet,  die  sie  mit  ihrer  Hilfe  er- 
zielt hatten,  einige  ohne  von  einer  späteren  Aenderung 
ihres  Standpunktes  ausdrücklich  Kenntniss  zu  geben.  Frei- 
lich haben  sich  allmähUch  die  Meinungen  mehr  und  mehr 
gegen  das  Verfahren  gerichtet,  die  Meisten,  welche  dasselbe 
einer  Nachprüfung  unterzogen,  haben  es  wieder  bei  Seite 
gelegt,  und  es  hat  nicht  an  Stimmen  gefehlt,  welche  nicht 
nur  den  Nutzen  bestritten,  sondern  warnend  auf  schwere 
Gefahren  hinwiesen.  Doch  ist  die  Methode  nicht  von 
Allen  verlassen  worden  imd  diejenigen,  welche  sich  von 
derselben  abwandten,  haben  sich  in  ihrem  Endurtheil  nur 
von  einer  geringeren  oder  grösseren  Zahl  von  praktischen 


64  W.  Woiff. 

Misserfolgen  bestimmen  lassen.  Damit  ist  aber  noch  nichts 
im  Prinzip  entschieden.  Die  Geschichte  der  Medizin,  selbst 
die  neueste,  enthält  belehrende  Beispiele  von  anfanglicher 
Ueberschätzimg  eines  Mittels  oder  Verfahrens,  welche  ge- 
folgt wurde  von  entschiedener  Abweisung  desselben  auf 
Grund  praktischer  Misserfolge;  bis  dann  die  wissenschaft- 
liche Bearbeitung  die  Grenzen  seiner  Anwendbarkeit  und 
die  graduellen  Abstufungen  der  Applikation  kennen  lehrte, 
oder  bis  sie  aus  der  Summe  der  Bestandtheile  etwas  Ein- 
zelnes herausgriff,  was  sie  als  Bereicherung  unseres  Könnens 
ein  für  alle  mal  festlegte.  Freilich  sind  auch  Thierver- 
suche  mit  Jodinjectionen  gemacht  worden,  so  von  Schee- 
ler selbst  und  von  Pflüger,  aber  diese  sind  selbst  bei 
gleicher  Thierspezies,  wie  auch  Pflüger  in  einem  am 
21.  Jan.  1890  im  med.-pharmac.  Bezirksverein  in  Bern 
gehaltenen  Vortrage  hervorhebt,  so  verschieden  ausgefallen, 
dass  sie  keinen  Anhalt  für  eine  sichere  Ver^^erthung  bieten, 
und  dann  ist,  soweit  ich  die  Literatur  übersehe,  nirgends 
eine  genaue  anatomische  Untersuchung  eines  derart 
behandelten  Thier-  oder  Menschenauges  veröffentlicht 
worden. 

Nun  ist  in  einzelnen  der  veröffentlichten  Fälle  doch 
ohne  Zweifel  eine,  wenn  auch  nicht  absolute  und  dauernde, 
so  doch  relative  und  zeitweilige  Heilung  zu  Stande  ge- 
kommen; und  zwar  unter  Beschränkung  der  Jodeinwirkung 
auf  einen  engen  Bezirk,  ohne  weitere  Schädigimg  des 
übrigen  Auges,  ein  Beweis,  dass  die  Anwendung  des  Jods 
als  solche  noch  nicht  unter  allen  Umständen  deletäre  Wir- 
kungen auf  das  Auge  ausüben  muss.  Und  die  Bildung 
einer  durch  „adhäsive  Entzündung^^  geschaffenen  lokalen 
Fixation  der  Netzhaut  auf  ihrer  Unterlage,  welche  nach 
den  Beobachtungen  verschiedener  Autoren  erzielt  werden 
kann,  ist  als  solche,  ganz  abgesehen  von  den  sonstigen 
heilsamen  oder  deletären  Wirkungen  der  Injectionen,  doch 
immerhin  etwas  Positives  in  unserem  Suchen  nach  Mitteln, 


Jodinjectionen  in  den  Glaskör])er  von  Hunden.  65 

mit  denen  sich  jene  so  schwere  und  aussichtslose  Erkran- 
kung beeinflussen  Hesse.  Möglich,  dass  sich  gerade  an 
diesen  Punkt  weitere  Bestrebungen  anknüpfen  liessen,  selbst 
wenn  die  Schoeler'sche  Methode  als  Ganzes  aufzugeben 
wäre.  Diese  Frage  dürfte  doch  einer  Prüfung  werth  sein. 
Einer  von  den  Wegen,  der  Beantwortung  dieser  Frage 
näher  zu  kommen,  schien  nun  der  zu  sein,  dass  man  einer 
Keihe  von  Thieren  Injectionen  machte,  klinisch  beobachtete, 
und  dann  eine  anatomische  Analyse  folgen  liess.  Ich  habe 
auf  die  Anregung  meines  Lehrers,  des  Herrn  Professor 
Dr.  Kuhnt,  im  Laboratorium  der  Jenenser  Augenklinik 
diesen  Weg  beschritten.  Als  Versuchsthiere  wählte  ich 
Hunde.  Ich  habe  im  Ganzen  in  12  Hundeaugen  injicirt. 
Bevor  ich  die  Krankengeschichten  und  anatomischen  Be- 
funde folgen  lasse,  möchte  ich  Einiges  über  die  Versuchs- 
methode vorausschicken. 

Die  Operationen  an  den  Hunden  wurden  iu  Aethernarkose 
ausgeführt,  nachdem  ich  10  Minuten  vor  Beginn  der  Narcose 
zwei  Pravaz'sche  Spritzen  einer  3  **/oigen  Morphinmlösang, 
also  im  Ganzen  die  doppelte  Maximaldosis  für  den  Menschen, 
unter  die  Haut  des  Rückens  injicirt  hatte.  Ohne  vorherige 
Morphiumgabe  erlebt  man  selbst  bei  Aethernarkose  leicht  Todes- 
fälle und  zwar  gleich  im  Anfang,  offenbar  in  Folge  des  hef- 
tigen Widerstandes  der  Thiere  und  der  hastigen,  tiefen  Inspi- 
rationen, wobei  ich  unentschieden  lassen  will,  ob  die  Todes- 
ursache in  einer  Respirations-  oder  einer  Herzlähmung  zu 
suchen  sei;  jedenfalls  hat  die  sofort  bei  Aufhören  der  Respi- 
ration vorgenommene^  lange  fortgesetzte  künstliche  Athmung  in 
den  Fällen,  die  mir  im  Anfang  vorkamen,  nie  den  geringsten 
Erfolg  gehabt.  Nach  begonnener  Narkose  wurden  die  Hunde 
aufgeschnallt.  Das  Injectionsinstrament  war  die  von  Dr.  Beck 
modiiicirte  Pravaz'sche  Spritze,  die  sogenannte  Mikrosy ringe, 
mit  gerader  Canüle,  deren  Spitze  durch  einen  kleinen  Arret 
eine  bestimmte  Länge  gegeben  werden  konnte.  Nur  einmal 
benutzte  ich  die  von  Scheeler  angegebene  hakenförmige  Messer- 
canttle,  legte  sie  aber  wieder  bei  Seite,  weil  sie  mir  zu  un- 
handlich erschien.  Ich  komme  bei  dem  betreffenden  Fall  da- 
rauf zurück  und  lasse  nun  die  Krankengeschichten  folgen*. 

▼.  Graefe'B  Archiv  fQr  Opht-halmologie.   XL.  2.  5 


66  w.  Woiff. 

Auge  I. 
Kleiner,  etwa  halbjähriger  Huud.     Linkes  Auge. 

Die  äussere  Betrachtung,  wie  die  ophthalmoskopische 
Untersuchung  vor  der  Injection  ergiebt  normale  Verhältnisse. 

In  Narkose  wird  zunächst  eine  Lidspaltenerweiterung  vor- 
genommen,  um  den  Spcrrelevateur  bequem  einsetzen  zu  können. 
Die  Nickhaut,  welche  sich  bei  den  Untersuchungen  oft  störend 
vorlegt,  wird  abgetragen.  Ca.  2  mm  oberhalb  des  oberen  Cor- 
nealrandes  wird  die  Conjunctiva  bulbi  horizontal  in  der  Aus- 
dehnung eines  halben  Gentimeters  eingeschnitten  und  von  der 
Wunde  aus  nach  hinten  zu  wie  bei  einer  Schieloperation  (sub- 
coAJunctival)  losgelöst.'  Sodann  wird  bei  stark  abwärts  gerolltem 
Bulbus  von  der  Mitte  der  Wunde  aus  die  Coi^unctiva  sagittal 
bis  in  die  Uebergangsfalte  eingeschnitten;  an  einer  durch  die 
Superiorsehne  gelegten  Schlinge  zieht  ein  Gehülfe  den  Ang- 
apfel möglichst  weit  nach  unten,  die  Sklera  wird  unmittelbar 
nach  innen  vom  Muskel  an  der  am  weitesten  nach  hinten  ge- 
legenen, noch  eben  zugänglichen  Stelle  frei  gelegt  und  hier  die 
gerade  Canüle  in  der  Richtung  auf  die  Bulbusmitte  eingestochen. 
Mit  Htllfe  des  an  der  Oanüle  angebrachten  Arret  ist  der  Spitze 
eine  Länge  von  9  mm  gegeben,  die  Menge  der  injicirten  Jod- 
tinktur beträgt  2  Theilstricho  =  3  Tropfen.  Es  wird  sehr 
langsam  und  ohne  Anwendung  von  stärkerem  Druck  ii^jicirt 
In  dieser  Weise  wurden  au  sämmtlichen  Augen,  mit  gering- 
fügigen Moditikationen  und  mit  Ausnahme  des  einen  Falles,  in 
welchem  die  Seh oe  1er' sehe  Canüle  angewandt  wurde,  die  In- 
jectionen  ausgeführt. 

Die  ophthalmoskopische  Untersuchung  sofort  nach  der  Ein- 
spritzung ergiebt  folgendes  Bild: 

Fast  genau  von  oben  erstreckt  sich,  intensiv  rothbraun 
leuchtend,  die  Jodwolke  in  Gestalt  eines  stumpfen  Kegels  ca. 
2  Papillenbreiten  weit  in  das  Gebiet  des  hellgrünen  Tapetums 
hinein,  von  dem  sie  sich  scharf  abhebt.  Die  Kogelspitze  deutet 
die  Stelle  des  Einstichs  an.  Die  Ausbreitung  der  Basis  nach 
der  Peripherie  der  oberen  Bulbushälfte  hin  ist  nicht  zu  über- 
sehen. Der  nach  unten  an  die  Kegelspitze  angrenzende  Theil 
der  Retina  ist  gelbgrün  verfärbt  und  zeigt  Unterbrechung  des 
Blutstroms  in  einigen  kleinen  Gefässästchen.  In  den  nächsten 
2  Tagen  fand  unter  Abblassung  der  Jod  wölke,  welche  erst  hell- 
bräunlich,  gelbgrau  wurde,  um  dann  einer  diffuseren  grauen 
Glaskörpertrübung  Platz  zu  machen,   ein   weiterer  Fortschritt 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  67 

der  Betiuitis  nach  der  papillären  Seite  zu  statt,  unter  gleich- 
zeitigem Auftreten  kleiner  Haemorrhagieen  in  dem  betroffenen 
Bezirke.  Am  dritten  Tage  beginnt  sich  eine  qneryerlaufende 
Retinalfaite  etwa  l'/,  Papillondurchmessor  oberhalb  der  Pa- 
pille vorzuwölben.  Am  sechsten  Tage  findet  sich  am  oberen 
Rande  dieser  Falte  eine  Blutung.  Oberhalb  der  Falte  giebt 
der  Hintergrund,  auch  in  dem  Gebiete  des  ursprünglichen 
grünen  Tapetumreflexes,  überall  einen  dumpfen  rothgrauen  Wi- 
derschein, Details  sind  nicht  zu  erkennen.  Die  Retinatrübung 
reicht  unterhalb  der  Falte  bis  an  die  Papille,  welche  selbst 
geröthet,  aber  in  ihren  Contouren  deutlich  erscheint;  unter- 
wärts der  Papille  finden  sich,  so  weit  durch  den  leicht  trüben 
Glaskörper  zu  erkennen,  normale  Verhältnisse.  £ine  am  zweiten 
Tage  aufgetretene  dreiblättrige  Linsentrübung  in  der  hinteren 
Corticalis,  entsprechend  dem  Linsenstern  angeordnet,  schwand 
wieder  vollständig  bis  zum  sechsten  Tage.  Das  Bild  blieb  sonst 
im  Wesentlichen  unverändert  bis  zum  zehnten  Tage,  an  wel- 
chem der  Hund  getödtet  und  das  Auge  enucleiirt  wurde.  Här- 
tung in  Müller' scher  Flüssigkeit  — 

Die  anatomische  Untersuchung  ergab  makrosko- 
pisch ziemlich  starke  Schrumpfung  und  in  den  oberen  vorderen 
Parthien  stärkere  Verdichtung  des  Glaskörpers.  In  der  hori- 
zontal angelegten  Durchschneidungsebene  des  Bulbus  erscheint 
der  Glaskörper  von  der  Ora  serrata  der  temporalen  Seite  bis 
in  die  Nähe  der  Papille  bogenförmig  von  der  Retina  abgelöst 
and  diese  Ablösung  erstreckt  sich  sowohl  nach  oben  wie  nach 
unten  eine  grössere  Strecke  weit  in  die  Tiefe  der  Bulbushälften 
hinein.  Im  Uebrigen  liegt  er  locker  der  Netzhaut  an;  nach 
vom  zu  ist  er  überall  an  der  hinteren  Linsenkapsel  fixirt.  — 
Die  Netzhaut  ist  auf  der  lateralen  Seite  vom  Aequator  bis  zur 
Papille  in  einem,  im  Scheitel  2,6  mm  hohen  Bogen  von  der 
Chorioidea  abgehoben.  Diese  Amotio  reicht  auf  der  unteren 
Bulbushälfte  bis  ca.  5  mm  unterhalb  der  Schnittebene;  in  der 
oberen  bemerkt  man  3 — 4  mm  oberhalb  der  Schnittebene  einen 
Einriss  der  Retina,  welcher  von  der  Ora  bis  fast  zur  Papille 
sich  ausdehnt.  Der  untere  Rand  des  Risses  ist  nach  unten  zu 
glaskörperwärts  eingerollt  und  liegt  frei  in  dem  Räume  der 
bogenförmigen  Glaskörperabhebung.  Etwaige  Fixationen  der 
Retina  an  den  geschrumpften  Glaskörper  oberhalb  der  Riss- 
stelle entziehen  sich  am  makroskopischen  Präparat  der  Beur- 
theilung.  Der  Raum  zwischen  abgelöster  Retina  und  Chorioi- 
dea ist  makroskopisch  frei  von  Exsudaten.     Auf  der  nasalen 

5* 


68  W.  Wolff. 

Seite  liegt  die  Netzhaut  unmittelbar  vor  der  Chorioidea  und 
es  ist  zunächst  nicht  zu  entscheiden,  ob  die  geringfügige  Spalt- 
bildung zwischen  Ader-  und  Netzhaut  auf  die  Rechnung  der 
Prftparation  zu  setzen  oder  intravitalen  Veränderungen  zuzu- 
schreiben ist. 

Mikroskopische  Untersuchung. 

An  den  sagittal  angelegten  Schnitten,  welche  noch  medial 
von  der  Rissstelle  der  Retina  liegen,  erhält  man  eine  gute 
Uebersicht  der  von  unten  nach  oben  bezw.  von  hinten  nach 
vorn  zunehmenden  Veränderungen  dieser  Haut  in  ihrer  Con- 
tinuität.  Im  Gegensatz  zu  den  unterhalb  der  Papille  gelegenen 
Netzhautparthien,  über  die  später  gesprochen  werden  soll  und 
die  im  Ganzen  sich  von  der  Norm  weniger  entfernen,  zeigt  der 
obere,  abgelöste  Theil  höchstgradige  Zerstörungen.  Oberhalb 
der  Papille,  welche  selbst  nur  geringe  Kernvermehrung  ihres 
interstitiellen  Gewebes  erkennen  lässt,  sieht  man  zunächst  zwar 
noch  für  eine  kurze  Strecke  deutlich  die  einzelnen  Schichten 
der  Retina,  mit  Ausnahme  der  Stäbchenzapfenschicht,  wohl  ge- 
ordnet und  scharf  gezeichnet  Die  Stäbchenschicht  ist  unmittel- 
bar von  der  Papille  beginnend  gänzlich  zerfallen;  nur  spär- 
liche, unkenntliche,  körnige  Reste  derselben  sitzen  hie  und  da 
der  Limitans  externa  auf.  In  dem  Winkel  zwischen  abgeho- 
bener Retina  und  Chorioidea,  von  der  Papille  bis  wenige  Pa- 
pillarbreiten  aufwärts,  ist  eine  im  Ganzen  structurlose,  hier 
körnige,  dort  grob  netzförmige  Masse  eingelagert,  in  welcher 
grosse  Pigmentkugeln,  z.  Th.  auch  stark  pigmentirte  Wander- 
zellen, unpigmentirte  Leukocyten  und  rothe  Blutkörperchen  in 
massiger  Menge  eingebettet  sind.  Weiter  nach  oben  fehlen  im 
mikroskopischen  Präparat  sichtbare  Exsudationsmassen  vollständig, 
abgesehen  von  der  später  zu  beschreibenden  Stichstello.  —  In 
der  Netzhaut  selbst  nehmen  nun  die  Veränderungen  nach  oben 
hin  in  schneller  Progression  zu.  Schon  2  Papillarbreiten  ober- 
wärts  des  oberen  Papillarrandes  beginnen  nach  einander  Nerven- 
und  Ganglienschicht,  innere  und  äussere  granulirte  Schicht  un- 
kenntlich zu  werden. 

Die  Körnerschichten,  deren  Elemente  zunächst  noch  deut- 
lich und  wohl  tingirbar,  erscheinen  zusammengeflossen,  die 
einzelnen  Körner  auseinander  gedrängt,  das  ganze  GefOge  ge- 
lockert. Ein  Netz  spärlicher,  unregelmässig  angeordneter  Faser- 
zttge,  wohl  Reste  des  in  seiner  spezifischen  Structur  nicht  mehr 
erkennbaren  Stützgewebes,  halten  diese  Ueberbleibsel  der  Re- 


Jodinjectionen  in  den  Glasköq)er  von  Hunden.  69 

tinaschichteu  zusammen;  hierbei  erscheint,  entsprechend  der 
erwähnten  Auflockerung  der  Kömerschichten,  im  Ganzen  die 
Dicke  der  Retina  nicht  verringert.  Doch  dies  nur  für  eine 
kurze  Strecke.  Alsbald  verschwinden  wie  mit  einem  Schlage 
auch  die  sämmtlichen  Elemente  der  Körnerschichten  und  aus 
der  mittleren  Dicke  der  Retina  heraus  erhebt  sich,  im  Schnitt- 
präparat mit  schlankem  Stiele  beginnend  und  etwa  2  mm 
weiter  auf-  und  vorwärts  mit  keulenartiger  Anschwellung  endend, 
ein  kernreiches  Bindegewebe,  in  welchem  neben  frischen  Binde- 
gewebssprossungen  und  spärlichen  neugebildeten  Blutgefässen 
reichlich  freie  Zellen  sich  vorfinden,  Leukocyten  von  der  ge- 
wöhnlichen Grösse  der  weissen  Blutkörperchen,  meist  mit  einem, 
seltener  mit  zwei  Kernen,  sodann  aber  Zellen  in  wechselnder 
Grösse  bis  zu  vier-  und  fünffach  grösserer  Flächenausbreitung 
mit  1  —  6  grossen  ovalen  Kernen.  Von  letzteren  zeigen  einige 
deutlich  gekörnten  Protoplasmaleib,  andere  enthalten  Reste  von 
rothen  Blutkörperchen,  noch  andere  grössere  oder  geringere 
Mengen  von  Pigmentkörnchen.  Auch  freie  Pigmentkörnchen 
linden  sich  eingestreut  neben  grossen  kugeligen  mit  Pigment 
vollgepfropften  Gebilden,  welche  ich  nach  mannichfachen  ver- 
gleichenden Beobachtungen  für  versprengte  und  in  ihrer  Form 
veränderte  Pigmentepithelzellcn  ansprechen  möchte,  obwohl  nur 
an  einigen  pigmentärmeren  dieser  Gebilde  sich  deutlich  ein 
Kern  nachweisen  lässt.  Schliesslich  finden  sich  in  diesem  Ge- 
webe in  Menge,  zerstreut  oder  in  Gruppen  aneinander  gela- 
gert, rothe  Blutkörperchen,  welche  im  Ganzen  gut  die  Eosin- 
färbung  annehmen,  zum  anderen  Theil  in  Schrumpfung  begriffen 
sind  und  sich  schlecht  färben.  —  Auch  Reste  von  alten  Blut- 
gefässen beobachtet  man,  deren  Wandungen  verwaschene  Struc- 
tur  bieten  und  deren  Kerne  sich  mit  Haematoxylin  nicht  mehr 
färben. 

Das  Ende  der  beregten  kolbigen  Anschwellung  dieses 
Gewebes  liegt  in  den  Schnitten,  die  durch  die  Papille  gehen, 
ca.  4  mm  oberhalb  des  oberen  Papillenrandes.  Darüber  hinaus 
finden  sich  bis  in  die  Gegend  der  Ora  serrata  nur  noch  Con- 
glomerate  von  zelligen  Elementen  ohne  faseriges  Bindegewebe, 
welche,  so  wie  die  letztbeschriebene,  in  ausgedehntem  Maasse 
bindegewebig  entartete  Parthie  mit  der  Peripherie  des  retra- 
hirten  Glaskörpers  fest  verkittet  sind:  —  ebendieselben  zel- 
ligen Elemente  wie  die  oben  aufgeführten,  nur  ohne  Einlage- 
rung in  ein  festeres  Gewebe.  —  Diesem,  bald  breiteren,  bald 
schmäleren,    hier    und  da  lückenhaften  Zuge  aus   der  Retina 


70  W.  Wolff. 

heryorgegangener  Degenerationsprodukte  mischen  sich  erst  wie- 
der in  nnmittelbarer  Nähe  der  Ora  serrata  Bindegewebsspros- 
sangen  und  Gefösse  bei,  welche  zum  Theil  ans  der  ganz  cir- 
cnmscript  gewucherten  Ghoriocapillaris  hervorgehen.  Nach 
vorn  von  der  Ora  serrata  hat  sich  die  Zerstörung  des  reti- 
nalen Antheiles  des  Corpus  ciliare  nur  auf  die  nächste  Um- 
gebung beschränkt,  woselbst  die  inneren  Schichten  der  Uvea, 
leicht  gewuchert,  frei  zu  Tage  liegen;  aber  noch  innerhalb  des 
Gebietes  des  Orbiculus  ciliaris  stellt  sich  das  retinale  Epithel 
sammt  dem  Pigmentblatt  wieder  ein  und  überzieht  gleicfamässig 
und  wohlausgebildet  die  Ciliarfortsätze. 

Wie  erwähnt,  liegt  den  vorderen,  stark  bindegewebig  ver- 
änderten Theilen  der  Netzhaut  in  unseren  durch  die  Papille 
gehenden  Schnitten  der  Glaskörper  innig  an  und  zwar  unge- 
fähr von  da  an,  wo  die  ursprünglichen  Retinaelemente  ver- 
schwinden und  mit  dünnem  Stiel  sich  jenes  festere  Bindegewebe 
aus  der  Mitte  der  Netzhautdicke  heraus  entwickelt.  Je  weiter 
sich  die  Schnitte  von  der  Papillonebene  lateral  und  medial 
entfernen,  desto  weiter  wird  nun  die  Grenze  zwischen  diesen 
stark  degenerirten  Parthieen  und  denjenigen,  welche  normale 
Elemente  in  grösserer  Ausdehnung  noch  zeigen  zu  Gunsten  der 
letzteren  nach  vorn  verschoben;  entsprechend  verschiebt  sich 
auch  die  hintere  Grenze  der  Yerlöthung  mit  dem  Glaskörper 
allmählich  weiter  nach  vorn.  Der  Stiel,  wie  ich  den  Quer- 
schnitt des  hinteren  Teiles  der  degenerirten  Parthie  kurz  be- 
zeichnen will,  wird  medialwärts  immer  dünner;  schliesslich  reisst 
derselbe  an  seinem  Ansätze  und  es  schiebt  sich  zwischen  beide 
Theile  keilförmig  verdichteter  Glaskörper.  So  liegt  nun  in  der 
ganzen  Ausdehnung  des  Netzhautrisses,  von  welchem  makros- 
kopisch nur  der  untere  Rissrand  als  eine  frei  in  den  von  Glas- 
körper entblössten  Raum  hineinragende  Rolle  deutlich  erkannt 
wurde,  der  vordere  Theil,  stark  degenerirt,  nach  wie  vor  dem 
Glaskörper  an,  der  hintere  untere,  in  welchem  die  Körner- 
schichten,  aber  auch  Elemente  der  anderen  Schichten  noch 
vorhanden  sind,  hat  sich  eingerollt,  und  die  Windungen  der 
Rolle  sind  zum  Theil  durch  feinkörniges  und  mit  freien  Zellen 
untermischtes  Exsudat  an  einander  geklebt. 

Der  Glaskörper  ist,  wie  schon  makroskopisch  bemerkbar, 
im  oberen  Theile  des  Bulbus  stärker  verdichtet.  Die  Verdich- 
tung stellt  sich  mikroskopisch  dar  als  ein,  sowohl  bei  intensiver 
Eosintinktion  wie  bei  längerer  Einwirkung  von  Haematoxylin 
blass   und  diffus  sich  färbendes  System  von  flach   oder  stark 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  71 

wellig  gekrHaiiiteii,  ttftrkercn  oder  schwächeren,  parallel  ver- 
lattfenden  oder  netefDrmig  sich  dBrchflechtenden  Linien,  welche 
an  Fibrinfaeem  erinnern;  indessen  scheidet  sich  diese  Qlas- 
körperverdichtung  so  scharf  von  dem  an  einigen  circnmscriplen 
Stellen  dem  Ciliarkörper  aufgelagerten  deutlich  fibrinösen  Ex- 
sudat, und  es  fehlt  in  diesem  Auge,  mit  Ausnahme  dieser 
circumscripten  Stellen  und  wie  wir  gleich  sehen  werden,  der 
nächsten  Umgebung  der  Stichstolle,  so  vollkommen  an  fibri« 
nösen  Gerinnungen  etwa  zwischen  der  abgehobenen  Retina  und 
der  Chorioidea  oder  innerhalb  der  letzteren,  dass  es  schwer 
verständlich  wäre,  wie  lediglich  in  den  Glaskörper  hinein  eine 
dem  beschriebenen  Netzwerk  an  Ausdehnung  entsprechende 
Fibrinexsudation  hätte  stattfinden  sollen.  Zudem  sieht  man  die 
Linien  nach  den  weniger  verdichteten  Glaskörperparthieen  zu 
immer  deutlicher  den  Charakter  diffuser  Streifen  annehmen, 
welche  nichts  von  dem  körperlich  scharf  gezeichneten  Bilde 
der  Fibrinbalkeu  an  sich  haben,  sondern  den  Eindruck  erwecken, 
dass  es  sich  um  unregelmässigc  Vordichtung  des  Glaskörper- 
gewebes selbst  handle,  wobei  die  einzelnen  Theile  ein  verschie- 
denes Lichtbrechungsvermögen  erhalten.  Letztere  Annahme 
stfltzte  sich  mir  durch  mehrfache  anderweitige  Betrachtungen: 
Einmal  fand  sich  diese  Wellenlinien-  und  Netzzeichnung  auch 
bei  den  übrigen  Augen,  theils  scharf  ausgesprochen,  theils  nur 
angedeutet,  wo  es  sich  nur  immer  nach  der  klinischen  Beo- 
bachtung und  dem  makroskopischen  Befunde  um  Schrumpfüngs- 
vorgänge  im  Glaskörper  handelte,  stets  deutlich  von  etwaigen 
daneben  vorhandenen  entzündlichen  Gerinnungsproducten  ge- 
schieden; nicht  im  Einzelnen,  wie  Fibrinföden,  gefärbt,  sondern 
diffus  zugleich  mit  der  zwischenliegenden  Substanz,  und  wo  die 
Verdichtung  nicht  sehr  stark  war,  meist  nur  von  zarter  Tiuk- 
tion.  Theilweise  erkannte  man  ferner  in  ophthalmoskopisch  wie 
anatomisch  deutlich  sichtbaren  circumscripten  Trübungen  des 
Corpus  vitreum,  zumal  in  der  Umgebung  des  in  den  Glaskörper 
ragenden  Stichcanalendes,  derartige  Linien  und  Netze  recht 
gut  bei  Betrachtung  der  Schnitte  in  Alkohol  oder  Wasser;  und 
machte  dann  die  störende  Bemerkung,  dass  bei  Aufträuflung 
von  Carbolxylol  diese  Strukturen  verschwanden,  doch  wohl, 
weil  dadurch  die  feineren  Unterschiede  in  der  Lichtbrechung 
ausgeglichen  wurden.  Endlich  kommt  hinzu,  dass  eine  post- 
mortale Injection  in  den  Glaskörper  ganz  ähnliche  Schrumpfnngs- 
erscheinungen  bewirkt,  wie  die  hier  beobachteten,  wodurch  also 
die  Möglichkeit  erwiesen  wurde,  dass  derartige  Veränderungen 


72  W.  Woltf. 

ohne  entzündliche  Ausschwitzungen  zu  Stande  kommen  können, 
und  fernerbin  somit,  dass  eine  energische  Retraction  des  Glas- 
körpers statthaben  kann  ohne  wirkliche  bindegewebige  Um- 
wandlung desselben.  Auch  nach  letzterer  Richtung  wurden  die 
Schnitte  durchforscht;  in  der  Tbat  wurden  nirgends  in  dem 
Gewirr  von  Fasern  etwa  zugehörige  Kerne  gefunden,  nirgends 
eine  Andeutung  von  bindegewebiger  Neubildung  als  Grund  von 
Verdichtung  und  Schrumpfung  beobachtet,  soweit  es  sich  eben 
um  die  beschriebene  Wellenlinien-  und  Netzzeichnung  handelte. 

Inwieweit  sich  etwa  diese  zum  Theil  intensive  Verdichtung 
des  Glaskörpergewebes  in  Folge  Einwirkens  der  Jodtinctur  er- 
klären lässt  aus  dem  stärkeren  Eiweissgehalt,  der  den  Raub- 
thierglaskörper  gegenüber  dem  menschlichen  auszeichnet,  ver* 
mag  ich  nicht  zu  sagen. 

Um  zu  unserem  Auge  zurückzukehren,  so  finden  sich  nun 
in  dessen  Glaskörper,  sowohl  an  den  stark,  wie  an  den  weniger 
verdichteten  Stellen,  überall  aber  mehr  in  den  peripheren 
Parthieen  als  im  centralen  Theile  verstreut,  mannigfache  zellige 
Elemente  frei  suspendirt,  Wanderzellen  der  verschiedensten 
Grösse,  rothe  Blutkörperchen^  Körnerzellen  und  pigmentirte 
Zellen  von  dem  oben  beschriebenen  Charakter.  Im  Ganzen  wird 
ihre  Zahl  nach  unten,  über  die  Papille  hinaus,  sehr  viel  ge- 
ringer. — 

Eine  durch  besondere  Form  oder  Dichtigkeit  sich  aus- 
zeichnende Glaskörpertrübung,  welche  der  Lage  des  Stichcanals 
im  Glaskörper  entspräche,  ist  mikroskopisch  nicht  nachzuweisen. 

Die  Chorioidea  nebst  Pigmentepithel ,  welch'  letzteres  im 
Gebiete  der  Ablatio  stets  auf  der  chorioidealen  Seite  zurück- 
blieb, lässt  unterhalb  der  Papille  keine  Abweichung  von  der 
Norm  erkennen.  Auch  oberhalb  ist  das  Pigmentepithel  auf 
einige  mm  weit  noch  erhalten,  wenngleich  die  in  den  freien 
Ablösungsraum  hineinragenden  Epithelzellen  schon  in  kurzer 
Entfernung  vom  Papillenrande  unregclmässige  Form  annehmen: 
neben  flachen  findet  man  sehr  hohe,  z.  B.  kolbig  anschwellende 
Zeilen  (einige  so  dünn  gestielt  und  glaskörperwärts  so  kuglich 
gestaltet,  dass  man  an  ihnen  den  Uebergang  zu  den  gänzlich 
losgelösten  und  oben  beschriebenen,  frei  in  die  Retina  ver- 
schwemmten oder  —  gewanderten,  grossen  Pigmentzellen  zu 
erkennen  vermeint),  neben  grossen  kleinere,  hie  und  da  sieht 
man  auch  eine  Lücke  in  der  Continuität  der  Zellreihe.  Die 
Kerne  des  Epithels  sind  überall  gut  gefärbt  und,  oberhalb  der 
Papille,  von  da  ab  wo  sie  dem  Tapetum  lucidum    aufliegen, 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Ilunden.  73 

wegen  des  hier  normalerweise  fast  gänzlichen  Pigmentmangels 
der  Epithel-Zellen  sehr  dentlich  zu  erkennen.  Mit  dem  Auf- 
hören des  Pigmentepithels,  etwa  3  mm  oberhalb  der  Papille, 
beginnt,  —  während  die  übrigen  Schichten  der  Chorioidea  ein- 
schliesslich des  Tapetums  noch  keine  weitere  Yeränderaug 
bieten,  —  sich  der  Capillarschicht,  welche  selbst  unter  Zunahme 
ihrer  Elemente  leicht  verdickt  ist,  ein  Gewebe  aufzulagern,  das 
nicht  wenig  an  die  gegenüberliegenden  bindegewebig  umgewan- 
delten Netzhautresto  erinnert.  Es  zeigt  dieselben  langgestreckten 
Spindelkerne,  welche  jene  zum  Teil  charakterisirten;  und  es 
liegt  nur  in  derjenigen  Ausdehnung  auf  der  Chorioidea,  über 
welche  auch  die  bindegewebige  Entartung  der  Retina  sich  er- 
streckt. Freilich  besteht  es  nur  aus  jungem  Fasergewebe  ohne 
die  mannigfachen  zelligen  Einlagerungen  die  dort  sich  fanden, 
selbst  da  noch,  wo  auf  der  gegenüberliegenden  retinalen  Seite 
nur  frei  einander  angelagerte  zellige  Elemente  oder  früheste 
Stadien  der  Bindegewebsbildung  beobachtet  wurden.  Auch  Pig- 
mentirung  dieses  Gewebes  wird  so  weit  vermisst,  als  die  äusseren 
Schichten  der  Chorioidea  noch  normales  Gefüge  aufweisen. 
Erst  wo  das  nicht  mehr  der  Fall  ist,  sieht  man,  wie  sich  längs 
der  Gefösse,  welche  das  Tapetum  durchziehen  um  die  Verbin- 
dung zwischen  den  kleineren  Arterien  und  Venen  mit  der 
Capillarschicht  zu  vermitteln,  einzelne  Pigmentkörner  und 
Conglomerate  von  Pigmentkörnern,  ohne  in  Wanderzcllen  ein- 
geschlossen zu  sein,  bis  in  die  Capillarschicht  und  das  ihr  auf- 
gelagerte Bindegewebe  hinein  erstrecken.  —  Etwa  in  der  Mitte 
zwischen  Papille  und  Ora  serrata  erscheint  auch  das  Tapetum 
hochgradig  verändert,  um  bald  gänzlich  zu  Grunde  zu  gehen. 
Kurz  zuvor  bemerkt  man  auch  in  den  äusseren  Chorioideal- 
schichten  eine  stärkere  Gefässinjection  mit  z.  Th.  nicht  uner- 
heblicher Erweiterung  einzelner  Gefässe  und  eine  Volumszu- 
nahme der  Chorioidea  im  Ganzen.  Diese  Zunahme  geht  ohne 
eine  Vermehrung  der  vorhandenen  oder  eine  Einlagerung  fremder, 
zelliger,  Elemente  einher.  Sie  ist  vielmehr  allein  abhängig  von 
einer  Auseinanderdrängung  oder  Auflockerung  des  ganzen  Ge- 
webes, wie  sie  etwa  durch  eine  stärkere  entzündliche  Durch- 
fenchtung  zu  Stande  gebracht  sein  möchte.  Besonders  charak- 
teristisch ist  dabei  das  Verhalten  der  Pigmentzellen.  Die 
Chorioidea  des  Hundes  ist  im  Grossen  und  Ganzen  sehr  reich 
an  Pigment.  Die  Lagen  der  Pigmentzellen  sind  im  Stroma  so 
angeordnet,  dass  sie  als  fast  continuirliche,  nur  durch  die  Ge- 
fässquerschnitte    unterbrochene;    dicht   auf   einander   gelagerte 


74  W.  Wolff. 

Lamellen  imponiren,  welche  nur  schmale,  von  zarten  Faser* 
Zügen  des  Stromes  ausgefüllte,  Zwischenrftame  frei  lassen.  Die 
Kerne  der  Pigmentzellen  zu  erkennen  und  die  einzelnen  Zell- 
grenzen wahrzunehmen  ist  nicht  ganz  leicht.  Die  Lamellen 
haben  tiefbraune,  fast  schwarze  Färbung.  An  solchen  Stellen 
dagegen  wie  hier  haben  sich  die  Lamellen  aufgelöst  in  Reihen 
grosser,  plumper,  unregelmässiger  Zellen,  deren  Kerne  4eutlich 
hervortreten,  deren  Pigment  aus  einzelnen  kurzovalen  Körnern 
von  heller  brauner,  bisweilen  fast  gelber  Farbe  zusammengesetzt 
erscheint.  Zwischen  den  Pigmentzellen,  die  dem  ganzen  Cho- 
rioidealdurchschnitt  ein  wolkig  geballtes  Aussehen  geben  im 
Gegensatze  zu  der  klaren  Lamellenzeichnung  der  normalen 
Aderhaut,  hat  auch  die  Deutlichkeit  des  in  glatten  Zügen  an* 
geordneten  Stromas  gelitten;  meist  sind  in  Folge  der  unregel- 
mässigen Ueberlagerung  durch  die  geschwellten  Pigmentzelleu 
nur  kurze  Stücke  des  Bindegewebes  in  ihrer  Continuität  zu 
sehen.  — 

Sehr  bald  tritt  nach  vorne  zu  eine  wirkliche  entzündliche 
Wucherung  der  bindegewebigen  Elemente  an  die  Stelle,  unter 
Zugrundegehen  des  normalen  Gewebsgefüges.  Schliesslich  stellt 
die  ganze  Chorioidea  in  allen  ihren  Schichten,  mit  den  Auf- 
lagerungen an  der  Innenseite  eine  fibrillär-bindegewebige  Masse 
mit  spärlichen  Gefössen  und  nnregelmässiger  Pigmentirung  dar, 
ohne  dass  jedoch  der  perichorioidale  Raum  ausser  massiger 
Kernvermehrung  eine  wesentliche  Mitbetheiligung  erkennen 
lässt.  — 

So  gelangen  wir  in  die  Nähe  der  Einstichstelle,  welche 
auf  der  Strecke  zwischen  Papille  und  Ora  serrata  auf  der 
Grenze  des  zweiten  und  dritten  Drittels  gelegen  ist.  — 

Die  StichstcUe  imponirt  als  ein  im  Durchschnitt  0,3  mm 
breiter  Canal,  welcher  Sklera  und  Chorioidea  durchsetzt,  und 
sowohl  beim  Durchschnitt  durch  letztere  Haut  als  auch  in  der 
Höhe  der  oberflächlichen  Skleralschichten  sich  sanduhrförmig 
erweitert.  Ausgefüllt  wird  derselbe  durch  eine  bei  schwacher 
Vergrösseruug  homogen  erscheinende,  bei  stärkerer  feinkörnige 
Masse,  welche  sich  mit  Eosin  rosa  färbt.  Diese  Masse  breitet 
sich  auf  der  inneren  Ghorioidaloberfläche  nach  vorn  zu  etwa 
einen  halben,  nach  hinten  mehr  als  einen  mm  weit  aus  in 
einer  durchschnittlichen  Dicke  von  0,15  mm;  nach  den  Grenzen 
zu  läuft  sie  in  einen  scharfen,  der  Chorioidea  aufliegenden 
Rand  aus.  Auf  der  äusseren  Skleraloberfläche  findet  sich  in 
gleicher  Weise  eine,  wenn  auch  viel  weniger  ausgedehnte,  flach 


Jodinjection  in  den  Olaskorper  von  Hunden.  75 

knopfförmige  Ausbreitung,  die  nach  hinten  zu  etwas  weiter 
reicht,  als  nach  vorn.  Ueberdeckt  wird  diese  episklerale  Aus- 
breitung der  Masse  durch  eine  ungefähr  0,5  mm  dicke  Gewebs- 
Schicht,  welche  z.  Th.  aus  jungem  Granulationsgewebe,  z.  Th. 
schon  ans  fibrillärem  Narbengewebe  besteht.  Indem  sich  dieses 
Gewebe  an  den  Rftndern  der  knopfförmigeu  Ausbreitung  der 
Stichkanalmassc  zwischen  diese  und  die  Sklera  einschiebt,  liefert 
sie,  in  den  Stichcanal  sich  einsenkend,  eine  Art  Scheide  für 
die  Masse  bis  ungefähr  zur  Höhe  der  Chorioidea  hin.  Die 
spindelkemigen  Fasern  kreuzen  im  mikroskopischen  Bilde  senk- 
recht die  Stümpfe  der  durchschnittenen  Skleralbündel,  welch* 
letztere  mit  abgerundeten,  z.  Th.  etwas  eingerollten  £nden  ab- 
schliessen  ohne  dass  Proliferationsvorgänge  an  denselben  beo- 
bachtet würden.  Doch  sieht  man  hie  und  da  Pigment  in  den 
Spalten  zwischen  den  Bflndelenden  eingeschwemmt.   — 

Die  Chorioidea,  welche  mit  verdickten  Rändern  an  die 
Stichcanalmasso  stösst,  besteht  in  unmittelbarer  Nachbarschaft 
des  Canals  fast  nur  aus  zelligen,  stark  pigmentirten  Elemen- 
ten, durch  spärliches  Bindegewebe  zusammengehalten;  der 
Rand  der  Stichcanalmasse,  welcher  im  Verlauf  durch  die  Sklera 
ganz  glatt  sich  darstellt,  erscheint  hier  wie  angenagt,  hier  und 
da  beginnen  sich  aus  der  Chorioidea  Zellen  in  denselben  ein- 
zuschieben, —  die  Einleitung  einer  Organisation  des  Stich- 
canalpfropfs.  —  Im  weiteren  Umkreise  folgt  dann  jener  Zu- 
stand der  Chorioidea,  wie  er  vorher  besprochen  wurde,  näm- 
lich reichliche  bindegewebige  Neubildung  mit  nnregelmässiger 
Pigmentvertheilnng  und  Zugrundegehen  der  normalen  Struktur; 
eine  Andeutung  der  ursprünglichen  Struktur  findet  sich  noch 
in  einzelnen  thrombosirten  Gefässen,  durch  deren  nekrotische 
Wandungen  Wanderzellen  eingedrungen  sind.  Bis  auf  ca. 
2  mm  im  Umkreis  ist  diese  veränderte  Chorioidea  mit  der 
inneren  Oberfläche  der  Sklera  verwachsen,  die  innersten 
Schichten  der  Lederhaut  infiltrirt,  pigmentirt.  Im  Uebrigen 
ist  die  Sklera  überall  frei  geblieben. 

Weiter  nach  vorn  vom  Stichcanal  klingt  die  Chorioiditis 
in  gleicher  Weise  ab,  wie  es  von  dem,  hinter  dem  Stichloche 
gelegenen  Theile  beschrieben  wurde,  (abgesehen  von  dem  nor- 
maler Weise  hier  fehlenden  Tapetum).  —  An  der  Ora  serrata 
finden  wir  die  oben  besprochene  Wucherung,  dort,  wo  die 
Retinareste  ansetzen;  im  Gebiete  des  Orbiculus  ciliaris  fehlt 
das  retinale  Epithel  noch  zum  Theil,  die  Innenfläche  der  Uvea 
liegt  mit  zartem  Narbengewebe  zu  Tage,  während  die  tieferen 


76  W.  Wolflf. 

Schichten  jenen  Zustand  von  Anflockernng  und  Quellung  dar- 
bieten, wie  er  oben  als  ödematöse  Durchtränkung  des  Gewebes 
beschrieben  wurde.  Der  Processustheil  des  Corpus  ciliare  mit 
seinen  Gefässen  zeigt  bereits  keine  Veränderungen  mehr. 
Das  Epithel  des  Strahlenkörpers  ist  wohlgebildet;  aber  wie 
dem  Torderen  Theil  des  Orbiculus,  so  ist  auch  den  Ciliarfort*- 
Sätzen  ein  nicht  sehr  massiges  zartkörniges  Exsudat  aufge- 
lagert. —  Die  Iris  ist  überall  frei  von  anatomischen  Ver- 
änderungen. 

Rücksichtlich  der  weiteren  Ausbreitung  des  Prozesses  auf 
die  übrigen  Theile  des  Auges  ist  zunächst  des  Verhaltens  der- 
jenigen Schnitte,  welche  durch  die  mittleren  Theile  der  Papille 
gehen,  Erwähnung  zu  thuu.  Während,  wie  bemerkt,  in  der 
Höhe  der  Randtheile  der  Papille  nach  oben  zu  ein  kurzes 
Stück  Retina,  abgesehen  vom  Zerfall  der  Stäbchen-Zapfenschicht, 
die  normalen  Netzhaut-Elemente  in  ziemlich  klarer  Weise  noch 
erkennen  Hess,  reicht  hier,  entsprechend  dem  ophthalmosko- 
pischen Bilde,  der  Zustand  stärkerer  Degeneration  bis  an  den 
Rand  der  Papille  heran.  Nur  geringfügige  Reste  der  Körner- 
schichten blieben  erkennbar,  im  Uebrigen  sieht  man  nur  spär- 
liches Bindegewebe,  —  an  dieser  Stelle  noch  mit  geringfügiger 
Proliferation,  —  in  welchem  ein  thrombosirtes  Gefäss  einge- 
schlossen liegt,  mit  nicht  mehr  erkennbarer  Wandung-,  in  den 
Thrombus  sind  einzelne  zum  Theil  pigmentirte  Zellen  einge- 
wandert. Die  Thrombose  überragt  ein  wenig  den  Rand  der 
Papille.  In  der  Umgebung  findet  sich  leichte  Kernvermehrnng, 
die  Nerveufaserbündel  werden  bei  ihrem  Austritt  aus  der  Pa- 
pille auf  der  suprapapillären  Seite  undeutlich,  und  verschwinden 
bald  ganz;  auch  hier  findet  sich  leichte  Infiltration.  Im 
Uebrigen,  besonders  nach  unten  zu  sind  anatomische  Verände- 
rungen nicht  zu  erkennen;  auch  die  Lamina  cribrosa  und  der 
hinter  derselben  im  Schnitt  sichtbare  Theil  des  Sehnerven 
weicht  vom  normalen  nicht  ab.  —  In  diesen  Schnitten  reicht 
auch,  entsprechend  der  weiteren  Ausdehnung  der  bindege- 
webigen Umwandlung  die  Verwachsung  mit  dem  Glaskörper 
weiter  nach  unten,  so  dass  von  dem  verdichteten  Glaskörper 
noch  ein  beträchtlicher  Theil  der  Papille  überdeckt  wird.  — 
Unterwärts  der  Papille  erweist  sich  die  Netzhaut  flach  abge- 
hoben. Die  einzelnen  Schichten  sind  vollständig  vorhanden 
mit  Ausnahme  der  Stäbchenscbicht,  welche  in  ähnlicher  Weise 
zunächst  zerfallen  und  verändert  ist  wie  es  oben  beschrieben 
wurde.     Aber  auch  die  übrige  Netzhaut   ist    im   Ganzen    ein 


Jodinjectionen  in  den  GI&$körper  von  Hunden.  77 

wenig  yerwaschen,  aof  ihrer  inneren  Oberflftehe  hie  und  da 
etwas  feinkörnig  geronnenes  Exsodat  bietend.  Die  St&bchen- 
Zapfenschicht  nähert  sich  im  nntem  Bnlbusabschnitt  allmählich 
der  Norm;  aber  selbst  ganz  nnten  nnd  vorn  an  der  Ora  serrata 
finden  sich  zwischen  wohlerhaltenen  Stäbchen  and  Zapfen  krOm- 
liehe  Zerfiallsprodncte  und  blasse  knglige  Gebilde,  welche  sich 
nur  leicht  mit  Eosin  färben  und  keine  Stmctor  erkennen 
lassen.  An  letzterer  Stelle  ist  sehr  schön  zu  sehen,  wie  der 
schrumpfende  Glaskörper,  welcher  der  Retinaoberfläche  an- 
haftet, die  Netzhaut  bis  zur  Ora  von  der  Unterlage  ab  und 
nach  vorne  gezogen  hat  Die  Uvea  sowie  die  Pars  ciliaris 
retinae  ist  dabei  völlig  intact  geblieben. 

Die  Veränderungen  der  Uvea  klingen,  wie  eine  fernere 
Schnittreihe,  welche  frontal  durch  den  oberen  äusseren  Qua- 
dranten geht,  ausweist,  nach  der  Seite  zu  in  derselben  Weise  all- 
mählich ab,  wie  nach  hinten  von  der  Stichstelle.  Im  horizontalen 
Meridian  erreicht  die  Chorioidea  wieder  ihre  Norm,  während 
zwischen  den  Ciliarfortsätzen  sich  noch  geringe  Mengen  kör- 
nigen Exsudates  finden,  ohne  dass  das  Corpus  ciliare  noch  Ver- 
änderungen seiner  Structur  zeigt.  Die  Retina  lässt  ebenfalls 
in  der  Horizoutalebene  wieder  ihre  Schichten  vollständig  er- 
kennen, wieder  mit  Ausnahme  der  Zapfenschicht  und  mit  der 
Einschränkung,  dass  alle  Schichten  etwas  verwaschen  erscheinen 
und  hie  und  da  ein  wenig  Exsudat  auflagert.  Nirgends  wird 
eine  der  Unterlage  fest  aufsitzende  Parthio  der  Retina  beob- 
achtet, überall  zeigen  Zerfallsproducte  der  Zapfenschicht  und 
eingewanderte  Zellen,  dass  schon  intra  vitam  mindestens  eine 
Lockerung  des.  Zusammenhangs  zwischen  Netzhaut  und  Ader- 
haut bestanden  hat,  während  andererseits  Fixationsprozesse 
durch  Bindegewebswucherung  nirgends  zur  Wahrnehmung 
kommen. 

Um  das  Wesentliche  kurz  zusammenzufassen,  handelte» 
es  sich  um  eine  Injection  von  3  Tropfen  Jodtinktur  in  den 
Glaskörper  mit  Einstich  hinter  dem  Aequator  bulbi  auf  der 
oberen  inneren  Seite  des  Bulbus.  Danach  stai'ke  lokale 
Retinitis  und  Glaskörpertrübung,  welche  unter  Verschwinden 
der  Jodwolke  sich  weiter  papillarwärts  ausbreiteten.  Be- 
ginnende Abhebung  der  Retina  am  3.  Tage.  Am  6.  Tagi» 
wird  ein  Riss  an  der  gleichen  Stelle  angenommen.  Vor- 
übergehende Linsentrübung,  partiell,  der  hinteren  Sternfigur 


78  W.  Wolff. 

entsprechend.  Tod  und  Enudeation  am  10.  Tage.  Die 
anatomische  Untersuchung  bestätigt  einen  ausgedehnten 
Retinariss  und  eine  weitausgedehnte  und  starke  Abhebung 
im  oberen  Bulbustheil,  flachere  im  ganzen  übrigen  Auge; 
die  abgehobenen  Theile  sind  zum  Theil  mit  dem  stark  ge- 
schrumpften Glaskörper  verlöthet,  ein  die  Ablatio  bedingen- 
des Exsudat  zwischen  Chorioidea  und  Retina  wird  nicht 
gefunden.  Ausgedehnte  einfache  Nekrose  und  weiter  papil- 
larwärts  bindegewebige  Umwandlung  der  oberen  Retina- 
parthieen,  leichtere  Veränderungen  an  der  ganzen  übrigen 
Retina  und  der  Papille,  weitverbreiteter  Untergang  der 
Zapfenschicht  Starke  aber  lokale  Chorioiditis  in  weiterer 
Umgebung  der  Stichstelle.  Allgemeine  leichtere  Cyklitis 
ohne  wesentliche  anatomische  Veränderungen  des  Corpus 
ciliare  mit  Ausnahme  des  Theiles,  welcher  der  Stichstelle 
zunächst  liegt;  hier  ist  vor  Allem  der  Orbiculustheil  ähn- 
lichen bindegewebigen  Umwandlungen  unterworfen  wie  die 
Chorioidea  um  die  Stichstelle.  Im  Stichcanal  lagert  eine 
fast  homogene  Masse,  welche  sich  aussen  und  innen  teller- 
förmig ausbreitet;  die  Umgebung,  auch  das  episklerale  Ge- 
webe ist  entzündlich  irritirt,  dagegen  ist  eine  Fixation 
zwischen  Chorioidea  und  Retina  völlig  ausgeblieben.  Ob 
die  bindegewebige  Auflagerung,  welche  einen  Bezirk  der 
Choriocapillaris  in  einiger  Entfernung  hinter  Tier  Stichstelle 
bedeckt,  eine  ursprüngliche  aber  wieder  verloren  gegangene 
Verwachsung  andeutet,  oder  ob  es  sich  lediglich  um  von 
der  Choriocapillaris  ausgehende  nach  der  Ablösung  der 
Retina  erfolgte  bindegewebige  Wucherungen  handelt,  ist 
zweifelhaft.  Der  Vergleich  mit  einigen  der  folgenden  Augen 
lässt  erstere  Möglichkeit  nicht  völlig  von  der  Hand  weisen.  — 
Ich  möchte  an  dieser  Stelle  nicht  verfehlen,  fiir  die 
vielleicht  über  das  Mass  hinausgehende  Ausdehnung  der 
Detailschilderung  der  anatomischen  Befunde  den  Leser  um 
Nachsicht  zu  bitten,  mit  dem  Hinweise  darauf,  dass  die- 
selben zum  grossen  Theile  als  paradigmatisch  gelten  können 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  79 

fiir  die  YeräBderuBgen,  welche  auch  an  den  übrigen  Augen 
gefunden  wurden.  Von  nun  an  darf  ich  mich  bei  der  Be« 
Schreibung  der  anatomischen  Untersuchungsresultate  erheb- 
lich kürzer  fassen. 

Auge  n. 

Kleiner  Pinscher,  jung,  sehr  scblecht  ernährt. 
Rechtes  Auge. 

Die  Spiegelung  des  rechten  Auges  vor  der  Ii^ection  lässt 
längs  des  ersten  nach  der  medialen  Seite  abgehenden  Zweiges 
des  direct  nach  oben  verlaufenden  Arterienastes  eine  Gruppe 
von  Pigmentflecken  erkennen.  Im  Uebrigen  sind  Abnormitäten 
des  Hintergrundes  nicht  zu  erkennen.  Es  werden  in  derselben 
Weise  wie  beim  ersten  Hunde  3  Tropfen  Jodtinctur  langsam, 
unter  sehr  geringem  Druck  injicirt. 

Ophthalmoskopische  Untersuchung  nach  der  Ipjection:  Von 
hinten  oben,  etwas  medialwärts  entspringend,  verläuft  in  der 
Richtung  auf  den  hinteren  Linsenpol  der  Stichcanal  als  röhren- 
förmiges, stark  rothbraun  reflectirendes  Gebilde.  Die  Einstich- 
stelle selbst  wird  verschleiert  durch  eine  dort  der  Retina  vor- 
gelagerte, ziemlich  scharf  begrenzte,  rothbraune  Wolke  von 
ca.  2  Papillen-Durchmesser  Breite.  Der  Stichkanal  endet  vorn 
am  hinteren  Linsenpol;  die  Spitze  der  Canüle  ist  ein  wenig 
in  die  Linsensubstanz  selbst  eingedrungen.  Ein  Theil  der  Jod- 
tinctur hat  sich  plattenförmig  im  Umkreise  einiger  Millimeter 
längs  der  hinteren  Linsenfläche  ausgebreitet  und  leuchtet  hell- 
rothbraun.  Soweit  man  an  dieser  vorderen  Jodansammlung 
vorbei  den  Hintergrund  erkennen  konnte,  war  nur  die  Um- 
gebung der  präretinalen  Jodausbreitung  etwas  gelblich  verfärbt, 
in  weiterer  Entfernung  dagegen  die  Details  des  Hintergrundes 
deutlich.  Nach  kurzer  Zeit  wurde  der  Einblick  in's  Auge  in- 
dess  völlig  verschlossen  durch  eine  Zunahme  der  Jodausbrei- 
tung längs  der  hinteren  Linsenfläche. 

Am  darauffolgenden  Tage  wurde  constatirt,  dass  das 
Kammerwasser  leicht  trübe,  die  Iris  nicht  deutlich  verfärbt 
war;  die  Pupille  erweiterte  sich  auf  Atropineinträufelnng  leicht 
maximal,  ciliare  Injection  fehlte.  Eine  der  hinteren  Linsen- 
fläche entsprechende  gleichmässige  graue  Trübung  verhinderte 
die  ophthalmoskopische  Untersuchung.  Der  Hund  wurde  ge- 
tötet;   das    Auge    enncleirt   und    zunächst   für   einen  Tag   in 


80  W.  Wolff. 

Sablimatlösung  1 :  5000  gelegt.  Eine  leichte  Rosafärbang  der 
Einsticheteile  verschwand  wieder  unter  der  Einwirkung  der 
hiernach  verwendeten  Müll  er 'sehen  Flüssigkeit.  Nach  mehr- 
wöchentlicher Härtung  wurde  folgender  anatomischer  Befund 
aufgenommen: 

Der  Bulbus  ist  im  Ganzen  gleichmassig  gewölbt.  Die 
Einstichstelle  findet  sich  8  mm  oberhalb  des  Sebnerveneintritts 
im  verticalen  Meridian.  Sie  erscheint  als  stecknadelkopfgrosser 
lichtbrauner  Fleck  im  Niveau  der  Sklera. 

Am  sagittal  durchschnittenen  Bulbus  erkennt  man  ma- 
kroskopisch eine  unvollkommene  Ausfüllung  der  vorderen 
Kammer  durch  eine  lockere,  coagulierte  Masse,  die  der  Vor- 
derfläche  der  Iris  lose  aufliegt.  —  Im  Glaskörperraum  bemerkt 
mau  eine  derbere,  strangförmige  Trübung,  welche  von  der 
Stichstelle  entspringt  und  den  massig  durchscheinenden  Glas- 
körper in  der  Richtung  gegen  den  hinteren  Linsenpol  durch- 
zieht, oberhalb  dessen  sie  sich  an  der  Linsenkapsel  ansetzt. 
Der  vordere  Theil  dieses  strangförmigen  Gebildes  verbreitert 
sich  nach  unten  zu,  so  dass  sein  unterer  Ansatzpunkt  an  der 
Linsenkapsel  ungeföhr  4  mm  unter  dem  oberen  gelegen  ist, 
und  sendet  andererseits  weniger  intensive  strangförmige  Aus- 
läufer nach  rückwärts  bis  fast  zur  Papillarhöhe  herab.  Weitere 
Abnormitäten,  insonderheit  eine  Ablösung  sind  nicht  zu  er- 
kennen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  in  Alkohol  nach- 
gehärteten Präparates  Hess  erkennen,  dass  die  Gerinnungs- 
producte  in  der  vorderen  Kammer  aus  feinkörnigen,  mit  Eosin 
zart  tingirbaren  Massen  bestanden,  ohne  Fibrinstrnctur  und 
ohne  Einlagerung  zelliger  Elemente.  Die  Iris  selbst  war  nicht 
verändert.  Aehnliche  Massen  liegen  in  dünner  Schicht  auch 
dem  Corpus  ciliare  auf,  das  leichte  Pigmentverschwemmungen 
durch  das  farblose  Epithel  hindurch,  sonst  kaum  pathologische 
Veränderungen  darbietet. 

Das  Hauptinteresse  concentrirte  sich  bei  diesem  Bulbus 
auf  die  primären  Veränderungen,  welche  die  Injection  an  der 
Stichstelle  selbst  gesetzt  hatte. 

Der  Stichcanal,  welcher  eine  mittlere  Breite  von  0,3  mm 
besitzt,  wird  ausgefüllt  von  einer  im  Ganzen  homogenen,  hie 
und  da  fein  wellig  gezeichneten  Masse,  die  unmittelbar  in  den 
verdichteten  Glaskörper  übergeht.  Der  Glaskörper  ist,  abge- 
sehen von  der  Stichstelle,  nirgends  adhärent  und  breitet  sich 
vor    der    iunereu    Mündung    des   Stichloches    aus,    mit  seinen 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hnnden.  gl 

Grenzen  sich  aberall  ron  der  inneren  Netzhantoberfläche  fern- 
haltend. Die  makroskopisch  sichtbaren  strangfönnigen  Trft- 
bongen  zeichnen  sich  wie  bei  dem  vorigen  Ange  durch  st&r- 
kere  wellige  Zeichnung  aas,  ohne  den  weniger  dichten  Parthieen 
gegenüber  eine  principiell  verschiedene  Stmctnr  zn  besitzen. 
Dem  Bande  des  verdichteten  Glaskörpers  sind  auf  der  vorderen 
Seite  des  Stichcanals  m&ssige  Mengen  rother  Blntkörperchen 
angelagert,  welche  sich  Ins  in  den  Stichcanal  hinein  verfolgen 
laasen.  Die  Masse  des  Stichcanals,  ihrem  Zusammenhange  mit 
dem  Corpus  vitreum  und  ihrem  Aussehen  nach  selbst  als  ver^ 
dichteter,  prolabirter  Glaskörper  anzusprechen,  breitet  sich  auf 
der  sklenüen  Oberflftche  nach  vom  nur  wenig,  nach  hinten  zu 
einen  knappen  Millimeter  weit  in  dftnner  Lage  aus  und  wird 
nach  aussen  von  lockerem  episkleralen  Gewebe  bedeckt  Einige 
Gruppen  mitgerissener  Pigmentschollen  liegen  der  äusseren 
Oberfläche  dieser  Ausbreitung  auf,  nach  vom  zu  findet  sich 
eine  Blutung  in  die  Masse  eingeschlossen.  Eine  Einscheidnng 
der  Masse  w&hrend  des  Verlaufes  durch  den  Stichcanal  in  der 
Art  des  ersten  Auges  fehlt  Die  SkleralfaserbOndel  enden 
stumpf  zum  Theil  an  den  Enden  retrahirt  und  mehr  oder  we- 
niger nach  dem  Inneren  des  Auges  gekrflmmt  Auf  der  vor- 
deren Seite  ist  die  Sklera  in  ganzer  Dicke  mit  ihrem  Ende 
nach  innen  eingerollt  Andererseits  ist  von  der  Innenseite  her 
die  Chorioidea  wenig,  die  Retina  in  bedeutenderem  Maasse 
nach  aussen  zu  mit  ihrem  Stichrande  in  den  Canal  eingesttdpt ; 
auf  der  hinteren  Seite  ist  der  retinale  Stichrand  bis  zur  halben 
Höhe  der  Sklera  eingezogen. 

Die  an  den  Canal  grenzenden  Theile  der  Sklera  bieten 
im  Uebrigen  in  ihrer  Stmctnr  nichts  Bemerkenswerthes.  Die 
Chorioidea  ist  nur  auf  etwa  1  mm  im  Umkreise  verändert.  Die 
pathologischen  Verhältnisse  dieses  Theils  sind  von  zweierlei 
Art:  Die  äusseren  Schichten  zeichnen  sich  aus  durch  Gefäss- 
thrombosen  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Stichstelle;  die 
liOmina  der  Gefässe  sind  etwas  erweitert,  die  Gefässwände 
nur  zum  Theil  zu  erkennen,  während  zum  anderen  Theil  die 
Kerne  der  Wandungen  keine  deutliche  Haem^^toxylin&rbung 
annehmen.  Die  pigmentirten  Lamellen  des  Stromas  erscheinen 
ebenfalls  nur  in  nächster  Nachbarschaft  ein  wenig  verschwom- 
men und  aufgelockert 

Die  Capillarschicht,  deren  Stichrand  in  den  Canal  einbe- 
zogen wurde,  ist  im  Umkreise  von  etwa  0,2  mm  nekrotisirt, 
ohne  erkennbare  Structur;  auch  das  Pigmentepithel  ist  in  dieser 

T.  Qnefe*8  Archiv  Ar  Ophthalmologie.  XL.  2.  6 


82  W.  Wolflf. 

Ausdehnung  untergegangen,  ausserhalb  dieser  Zone  treten  fast 
unvermittelt  wieder  normale  Verhältnisse  auf.  Auf  etwas  wei- 
tere Entfernung,  etwa  0,3  mm,  ist  an  gleicher  Stelle  zwischen 
Ghorioidea  und  Stäbchenzapfenschicht  ein  schmales  fibrinöses 
Exsudat  eingelagert,  welches  indess  nur  sehr  wenig  in  den 
Stichcanal  selbst  vorragt.  Nur  wenig  weiter  als  dieses  Exsudat 
erstrecken  sich  die  retinalen  Veränderungen*  Den  Uebergang 
von  der  Norm  zum  pathologischen  Verhalten  sieht  man  sehr 
schön  an  dem  vor  dem  Stichcanal  liegenden  Retinarand;  auf 
der  papillarwärts  gelegenen  Seite  stört  eine  sehr  bald  begin- 
nende, offenbar  durch  die  Härtung  bedingte  Fältelung  der  Re- 
tina den  deutlichen  Ueberblick.  Bis  auf  etwa  einen  halben 
Millimeter  reicht  völlig  normales  Netzhautgewebe  heran;  die 
Stäbchenzapfenschicht  Hegt  hier  ganz  besonders  gut  ihrer  Unter- 
lage an.  Kurz  bevor  das  subretinale  Exsudat  beginnt,  wird 
die  Stäbchenzapfenschicht  und  fast  zugleich  auch  die  anderen 
Schichten  leicht  verwaschen;  nur  ein  wenig  weiter  in  der  Rich- 
tung auf  den  Stichcanal,  so  deutet  nur  noch  eine  unbestimmte 
radiäre  Strichelung  die  Structur  der  Zapfenschicht  an,  und 
auch  diese  verliert  sich  alsbald  vollständig,  sodass  nur  ein 
wellig  gebogener  und  etwas  zugespitzt  sich  in  den  Stichcanal 
versenkender,  mit  Eosin  rosa  gefärbter  Streifen  die  Lage  der 
Schicht  bezeichnet  Die  Limitans  externa  verschwindet  nicht 
ganz,  wird  aber  sehr  undeutlich.  Die  inneren  Schichten  neh- 
men an  Klarheit  der  Zeichnung  ziemlich  gleichmässig  nach  dem 
Ganal  zu  ab.  Zwischen  undeutlichen  Resten  der  Sttttzsubstanz 
finden  sich  in  dem  gleichmässig  kömigen  Gewebe  Reste  von 
Kernen,  die,  je  weiter  nach  dem  Stichloch,  je  mehr  die  Tinc- 
tionsfähigkeit  einbüssen.  Die  völlige  Nekrose  des  in  den  Ganal 
hineingezogenen  äussersten  Endes  des  Stichrandes  präsentirt 
sich  sehr  schön  an  der  papillarwärts  gelegenen  Seite,  woselbst  die 
Einstülpung,  wie  besprochen,  in  ausgedehnterem  Maasse  stattfand. 
In  der  Fortsetzung  der  Schnittserie  nach  der  medialen 
Seite  hin  fand  sich  an  der  Grenze  der  retinalen  Veränderungen 
eine  schmale  Zone,  Velche  in  sehr  anschaulicher  Weise  eine 
beginnende  Pigmenteinlagerung  in  die  Netzhaut  zeigte^). 


')  Ich  will  hier  nur  nebenbei  (weil  diese  Beobachtung  nicht  in 
unmittelbarem  Zusammenhange  mit  dem  vorliegenden  Thema  steht) 
bemerken,  dass  mir  die  betreffenden  mikroskopischen  Bilder  hohes 
Interesse  zu  beanspruchen  schienen,  weil  sie  einerseits,  wie  ich  glaube, 
die  Thatsache  des  Einschwemmens  von  Pigment  deutlich  machen. 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  83 

Das  Wesentliche  des  BeAmdes  an  diesem  Auge  lässt 
sich  dahin  zusammenfassen:  Bei  der  Injection  von  3  Tropfen 
Jodtinktur  hat  sich  die  Flüssigkeit  zum  Theil  längs  der 
hinteren  Linsenfläche  ausgebreitet  und  ist  so  dem  Corpus 
dUare  sehr  nahe  gekommen.  Es  findet  sich  demgemäss  am 
zweiten  Tage,  an  welchem  die  Enucleation  vorgenommen 
wurde,  eine  seröse  CykUtis  mit  klinisch  geringer,  anatomisch 
nicht  deuÜicher  Betheiligung  der  Iris,  die  sich  hauptsächhch 
durch  Bildung  eines  eiweissreicheren  Humor  aqueus  mani- 
festirte.  Femer  ergiebt  sich  eine  um  den  Stichcanal  herum 
stärker  ausgeprägte  Verdichtung  des  Glaskörpers,  während 
eine  Retraction  des  übrigen  Glaskörpers  noch  nicht  deutUch 
ist.  Chorioidea  und  Betina  sind  im  Ganzien  frei,  eine  Fälte- 
lung  der  Retina  um  den  hinteren  Bulbuspol  ist  wahrschein- 
lich postmortal  entstanden.  Um  die  Stichstelle  herum  findet 
sich  eine  wenig  ausgebreitete  circumscripte  Retinitis  imd 
Chorioiditis,  der  unmittelbar  an  den  Stich  grenzende  Retinal- 
rand  ist  nekrotisch.  Durch  Einstülpung  von  Chorioidea  und 
Retina  in  den  Stichcanal  nach  der  skleralen  Seite  hin  sind 
günstige  Vorbedingungen  für  eine  locale  Fixation  gegeben. 

Auge  in. 
Kleiner,  etwa  einjähriger  Hand.     Rechtes  Auge. 

Die  Untersuchung  vor  der  Injection  ergiebt  mit  Ausnahme 
eines  circumskripten  Pigmentfleckes  aussen  oben  von  der  Pa- 
pille normale  Verhältnisse. 

Injection  von  4  Tropfen  Jodtinctur  bei  Einstellung  der 
Canüle  auf  9  mm.  Da  der  Rand  des  rectus  superior  mitgefasst 
wurde,  drang  die  Canüle  einige  Millimeter  weniger  tief  ein. 

Eine  Viertelstunde  nach  Beginn  der  Operation  wurde  fol- 
gender ophthalmoskopische  Befund  aufgenommen:    Der  untere 


und  andererseitfl,  weil  an  dieser  Stelle  ein  pigmentloses  Pigment- 
epithel (dem  Tapetum  aufliegend)  nicht  wohl  das  eingeschwemmte 
Pigment  geliefert  haben  kann,  vielmehr  die  Chorioidea  dafür  verant- 
wortlich zu  machen  sein  dürfte,  worauf  gelegentlich  an  anderer  Stelle 
näher  eingegangen  werden  soll.    Doch  dies  nur  nebenbei. 


84  W.  Wolfr. 

Rand  der  Jodwolke  ragt,  scharf  elliptisch  begrenzt  von  oben 
nnd  etwas  innen  in  den  Glaskörperraum  vor,  ohne  vollkommen 
die  obere  Grenze  des  Tapetalbezirks  zu  erreichen.  Die  an- 
grenzende Zone  der  Retina  erscheint  leicht  verschleiert,  die 
Verhältnisse  im  Gebiete  des  Tapetam  selbst  unverändert  Die 
periphere  Ausbreitung  der  Jodwolke  nach  vom  nnd  oben  ist 
nicht  zu  übersehen. 

6  Stunden  später  bot  der  Bulbus  massige  Injection,  die 
Pupille  war  eng  und  unrcgelmässig,  erweiterte  sich  auf  viel 
Atropin  nur  wenig,  die  Iris  war  matt  und  ein  wenig  verfärbt. 
Cornea  und  vordere  Kammer  klar.  —  Durchleuchtung  nicht 
möglich.  Am  Morgen  des  folgenden  Tages  maximale  Ver- 
engung der  Pupille,  Iris  stark  verfärbt,  Eammerwafiser  trttbe, 
Cornea  etwas  matt,  stärkere  Ciliarinjection,  massige  Chemosis. 
In  den  nächsten  Tagen  ging  die  Chemosis  wieder  zurück,  die 
Cornea,  welche  sich  zunächst  bei  spiegelnder  Oberfläche  und 
ohne  Dnickerhöhnng  des  Bulbus  leicht  trübte  und  mit  tief- 
liegenden strich-  nnd  punktförmigen  Opacitäten  durchsetzt  war, 
sowie  das  Kammerwasser  klärten  sich  allmählich  bis  zum  sie- 
benten Tage.  Auch  die  Pupille  fing  an  sich  auf  Atropin  wie- 
der besser  zu  erweitern.  Beim  Spiegeln  bekam  man  aus  dem 
Hintergrund  gedämpft  rothen,  nach  oben  mehr  grauen  Reflex, 
ohne  dass  man  im  Glaskörper  oder  im  Hintergrund  Details 
unterscheiden  konnte.  Der  Hund  starb  bei  einer  zweckt  ge- 
nauerer Absuchung  der  Peripherie  eingeleiteten  Aethemarkose 
(ohne  vorherige  Morphiuminjection). 

Die  anatomische  Untersuchung  bestätigte  das  Vorhanden- 
aein  einer  diffusen  Iridochorioiditis.  Die  Netzhaut  ist  total 
trichterförmig  abgelöst,  befindet  sich,  wie  die  Papille,  in  einem 
^dematös-entzündlichen  Zustande  mit  beginnendem  Zerfall  ihrer 
Elemente,  und  ist  in  der  Nachbarschaft  des  Stiches  einer  aus- 
gedehnten Colliquation  verfallen.  Zwischen  Chorioidea  und 
Retina  lagert  überall  ein  massives,  eiweissreiches,  aber  zell- 
armes £xsudat;  eine  Fixation  zwischen  Retina  und  Chorioidea 
ist  nicht  zu  Stande  gekommen,  oder  wieder  gelöst  worden. 
Der  Stichcanal  verhält  sich  ähnlich  wie  in  dem  erstbeschrie-' 
benen  Auge.  Die  chorioiditischen  Veränderungen  sind  in  seiner 
Umgebung  unvergleichlich  hochgradiger  als  im  übrigen  Bereich 
der  Aderhaut.  Der  Glaskörper  ist  stark  geschrumpft  und 
haftet  überall  fest  der  Retina  an.  Er  ist  frei  von  stärkeren 
Exsudationsproducten  und  weist  keine  bindegewebige  Neubil- 
dung auf.     Da  ich  mir  die  Frage  vorlegte,  ob  in  diesem  Falle 


Jodii\jectionen  in  dem  Glaskörper  von  Hunden.  g5 

nicht  etwa  durch  Infection  die  stürmischen  Erscheinungen  be- 
dingt gewesen  seien,  was  jedoch  schon  dnrch  den  schnellen 
Rückgang  der  Entzündung  unwahrscheinlich  gemacht  wird,  habe 
ich  genau  auf  das  Torhandensein  Ton  Mikroorganismen  unter- 
sucht, jedoch  mit  negativem  Erfolge. 

Auge  IV. 

Grosser  Pinscher,  ausgewachsen,  ca.  2  Jahre  alt 
Linkes  Auge. 

Der  Injection  von  7  Tropfen  bei  einer  Canülenlänge  von 
9  mm  folgte  unmittelbar  eine  deutliche  Drucksteigerung,  die 
sich  nach  ^/^  Stunde  wieder  vollständig  verlor. 

Der  ophthalmoskopische  ßefnnd  nach  der  Injection  wich 
von  den  bisher  beschriebenen  nicht  wesentlich  ab.  Die  Reti- 
nitis breitete  sich  in  ähnlicher  Weise  wie  beim  ersten  Auge 
unter  Auftreten  einzelner  Haemorrhagien  allmählich  weiter  pa- 
pillarwärts  aus.  Sechs  Stunden  nach  der  Injection  wurde  in 
der  hinteren  Corticalis  eine  ähnliche  kleeblattförmige  Linsen- 
trübung beobachtet,  wie  bei  dem  erstbeschriebenen  Auge.  In- 
nerhalb 4  Tagen  verschwand  auch  hier  wieder  die  Trübung. 
Am  dritten  Tage  fand  sich  statt  der  braungeftrbten  Jodwolke 
eine  starke  Glaskörpertrübnng  mit  verwischten  Grenzen.  — 
Der  Hintergrund  blieb  im  Ganzen  trübe,  im  Bereich  des  Ta- 
petum  schmutzig  gelbgrün  verfärbt,  die  Papille  bekam  ver- 
schwommene Grenzen  und  erschien  grau.  Der  Stichcanal 
markirte  sich  als  ein  nadeiförmiger,  dunkler,  aus  der  Glas- 
körperverdichtung  hervorragender  Zapfen. 

Allmählich  sah  man  oben  einzelne  Glaskörperstränge  in 
der  Umgebung  des  Stichzapfens  sich  deutlicher  abheben.  Blu- 
tungen in  den  Glaskörper  trübten  das  Bild  des  Hintergrundes. 
Gegen  Anfang  der  vierten  Woche  konnte  man,  während  die 
Papille  sich  noch  mehr  verschleierte,  oberwärts  lateral  und 
medial  zwei  Retinafalten  sich  erheben  sehen,  welche  unterwärts 
der  Papille  bogenförmig  auf  einander  zuliefen  und  sich  mit 
einander  vereinigten.  Fast  concentrisch  zu  diesem  Bogen  fand 
sich  ein  zweiter,  welcher  unten  mit  seinem  Scheitel  die  Papille 
überdeckte  und  mit  seinen  Schenkeln  nach  oben  zu  divergirend 
um  ca.  2  Papillenbreiten  über  die  Höhe  der  Papille  hinaus- 
griff. Ueber  diese  Schenkel  senkten  sich  von  rechts  und  links 
bogenförmig  Geisse  zu  dem  von  ihnen  eingefassten  dreieckigen 
Bezirk  herab  und  verloren  sich  hier.     Der  dreieckige  Bezirk 


86  W.  Wolff. 

bildete  zuBammen  mit  der  Papille  ohne  scharfen  Uebergang 
einen  schmutzig  granweissen  Fleck,  in  seinem  oberen  Theile 
verschiedenartig  gefleckt,  theils  pigmentirt,  theils  grüngelb 
schimmernd.  Auf  der  Papille  selbst  wurden  keine  Gefäss- 
Ursprünge  mehr  erkannt. 

Der  untere  und  grössere  der  beiden  Bogen,  welcher  deut- 
lich flottirte  und  über  welchen  hinaus  der  Hintergrund  schmutzig 
braun  ohne  Details  sich  darstellte,  wurde  als  die  Grenze  eines 
ausgedehnten  Retinarisses  aufgefasst,  der  obere  als  die  Yor- 
wölbung  des  abgerissenen  Lappens  gegen  diejenigen  Stellen, 
wo  eine  Fixation  auf  der  Unterlage  noch  yorhanden  war,  näm- 
lich an  der  Papille  und  der  darüber  gelegenen  dreieckigen 
Zone;  letztere  sah  ich  an  als  eine  auf  die  Papille  übergreifende 
Retinochorioidalnarbe.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  war 
auch  die  übrige  Netzhaut  in  toto  abgelöst,  was  jedoch  durch 
den  trüben  Glaskörper  hindurch  nicht  deutlich  erkannt  werden 
konnte.  Die  Tension  des  Bulbus  war  stark  herabgesetzt.  Enu- 
cleation  am  sechsunddreissigsten  Tage  der  Beobachtung. 

Der  anatomische  Befund  bot  im  Wesentlichen  Folgendes: 
Der  Glaskörper  ist,  bis  auf  strangförmige  Reste  an  der  hin- 
teren Linsenfläche  und  längs  der  Retina  total  verflüssigt.  Die 
Retina  ist  vollständig  abgelöst  bis  auf  einen  nach  oben  zu  an 
die  Papille  sich  anschliessenden  grob  dreieckigen  Bezirk,  wel- 
cher sich  7  mm  weit  bis  zur  Stichstelle  hin  erstreckt.  Unter- 
halb wird  die  Papille  in  der  Entfernung  eines  knappen  Centi- 
meters  von  einem  bogenförmigen  ausgedehnten  Netzhantrisse 
umzogen,  dessen  Schenkel  bis  etwa  zur  Papillenhöhe  reichen. 
Der  so  losgelöste  zungenfSrmige  Lappen  hat  spiralig  einge- 
rollte Ränder  und  wird  durch  Stränge,  welche  aus  der  Stich- 
zapfengegend kommen,  etwas  nach  oben  gezogen,  sodass  die 
Papille  zum  Theil  von  überhängender  Retina  bedeckt  wird. 
Der  Lappen  ist  in  seiner  Structur  hochgradig  verändert,  doch 
erkennt  man  immerhin  noch  die  Körnerschichten.  Unterhalb 
des  Risses  ist  die  Retina,  von  der  Ernährung  durch  die  Netz- 
hantgefässe  ausgeschlossen,  zu  einer  völlig  unkenntlichen  dünnen 
Membran  geworden;  ebenso  verhalten  sich  diejenigen  Parthien, 
welche  sich  oberhalb  des  Stichcanals  befinden.  Nur  nach  den 
Seiten  zu  finden  sich  noch  der  Norm  näher  kommende  Par- 
thien. —  Der  Stichcanal  selbst  ist  von  reichlichem,  pigmen- 
tirten  Granulationsgewebe  ausgefüllt,  welches  sich  noch  eine 
kleine  Strecke  über  das  Retinaniveau  als  zapfenförmiges  Ge- 
bilde fortsetzt,  eingehüllt  von  membranösen  Glaskörpertrübungen. 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  g7 

Zwischen  Stichcanal  und  Papille  ist  die  Retina  in  Narben- 
gewebe umgewandelt,  welches  continuirlich  in  die  ebenfalls 
narbig  veränderte  Ghorioidea  übergebt,  von  welchem  aber  ein- 
zelne oberflächliche  Lamellen  wieder  gelockert,  zum  Theil  los- 
gerissen sind.  Die  Narbe  erstreckt  sich  bis  in  die  Papille 
hinein,  die  gleich  dem  Sehnerven  hochgradig  atrophisch  ist. 
Auch  vom  vor  der  Stichstelle  beginnt  sofort  wieder  die  Ab- 
hebung der  atrophischen  Netzhaut,  die  Veränderungen  der 
Ghorioidea  klingen  in  typischer  Weise  nach  allen  Seiten  vom 
Stichcanal  gleichmässig  ab;  doch  ist  sie  im  Ganzen,  wie  auch 
das  Corpus  ciliare  und  die  Iris  etwas  atrophisch,  freilich  ohne 
bindegewebige  Veränderungen,  ausser  um  die  Stichstelle  herum. 

Auge  V. 
Derselbe  Hund.     Rechtes  Auge. 

Eine  vor  der  Injection  vorgenommene  Untersuchung  ergab 
äusserlich  und  im  Hintergrund  normale  Verhältnisse.  Nach 
den  üblichen  Vorbereitungen  wurden  hinter  dem  Aequator,  ein- 
wärts von  der  Sagittallinie  d'/a  Tropfen  mit  der  auf  9  mm 
eingestellten  geraden  Ganüle  ii^icirt. 

Nach  der  Injection  ragte  die  Jodwolke  mit  ziemlich 
scharfem  elliptischen  Rande  von  oben  und  etwas  innen  über 
die  Tapetumgrenze  hervor,  ihre  periphere  Ausbreitung  war  nicht 
zu  übersehen.  Von  derselben  hob  sich  undeutlich  als  röhren- 
förmiges Gebilde  das  Ende  des  Stichcanals  ab,  sein  Ursprung 
war  durch  die  Jodausbreitung  verdeckt  Die  nächste  Umgebung 
der  Jodwolke  zeigte  wie  gewöhnlich  einen  gelblichen  Ton  und 
war  leicht  verschleiert     Die  Pupille  war  auf  Atropin  weit 

Bis  zum  nächsten  Tage  blasste  die  rothbraune  Jodwolke 
ab,  während  ihre  Grenzen  sich  etwas  vorschoben  und  mehr 
verwischt  wurden.  Der  Stichcanal  hob  sich  deutlicher  davon 
ab.  Unterhalb  fand  sich  um  die  nach  oben  führenden  grossen 
Gefilsse  und  ihre  Verästelungen  herum  eine  ausgedehnte  Blutung, 
welche  auf  zwei  Papillenbreiten  an  den  oberen  Papillenrand 
herankam,  seitwärts  die  Gefässe  durchschnittlich  nur  um  halbe 
Papillenbreite  überschreitend.  Die  Gefässe  sind  ausserhalb, 
zum  Theil  auch  innerhalb  dieses  Gebietes  zu  erkennen.  Im 
weiteren  Umkreis  ist  das  Ghagrin  des  Tapetum  einem  diffuseren 
Grün  gewichen,  die  retinalen  Gefässe  leicht  verschleiert,  weiter 
unterwärts,  insonderheit  an  der  Papille  keine  Veränderung 
wahrzunehmen. 


88  W.  Woiff. 

Am  fünften  Tage  fand  sich  keine  Jodfilrfonng  mehr  Tor; 
eine  diffusere  Glaskörpertrabnng  lag  an  der  Stelle  der  Ursprung- 
liehen  Jodansbreitnng.  Die  grosse  Blutung  wurde  allm&hlich 
kleiner,  so  wie  sich  auch  ein  neuerdings  eingetretener  Blut* 
ergnss  dicht  oberhalb  und  nach  innen  von  der  Papille  in  we- 
nigen Tagen  vollst&ndig  resorbirte.  Letzterer  erschien  bei 
genauerer  Betrachtung  als  ein  diffuser  rother  Streifen,  welcher 
aus  vielen  kleinen  rothen  Punkten  sich  zusammensetzte  und 
keine  Beziehung  zu  Retinalgefässen  zeigte.  Nur  vermuthungs- 
weise  konnte  wegen  der  Ungewohntheit  dieses  Bildes  an  eine 
Blutung  aus  der  Choriocapillaris  gedacht  werden. 

In  der  Folgezeit  nahm  nun  die  Trübung  und  Verflüi>ang 
des  Hintergrundes  papillarwärts  langsam  zu,  während  ebenso 
langsam  die  diffuse  Glaskörpertrübung  um  die  Stichstelle  sich 
nach  der  Bulbuswand  zurückzog  und  die  wolkige  Einscheidung 
des  dunklen,  strichförmig  in  den  Glaskörperraum  vorragenden 
Stichcanals  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  dem  vorigen  Auge  sich 
zu  einem  cylindrischen  Mantel  consolidirte.  Die  Papille  war 
leicht  geröthet,  die  Netzhaut  unterhalb,  sowie  in  der  nächsten 
Nachbarschaft  oberhalb  völlig  klar,  das  Tapetum  bot  hier  ein 
schönes  glänzend  grün  chagrinirtes  Aussehen. 

Die  Zusammenziehung  der  getrübten  Parthien  des  Corpus 
vitreum  ermöglichte  es,  dass  man  am  zwölften  Tage  bereits 
einen  Process  constatiren  konnte,  der  sich  inzwischen,  gedeckt 
von  dem  opaken  Glaskörper,  in  der  Umgebung  der  Stichstelle 
vollzogen  hatte.  Unterwärts  der  Trübung  ragte  nämlich  jetzt 
eine  scharf  nach  unten  convex  bogenförmig  begrenzte  Zone  her- 
vor, welche  im  Gegensatz  zu  der  gelbgrünlichen  bis  bellbräun- 
lichen Färbung  des  benachbarten  Hintergrundes  ein  glänzend 
marmorirtes  Ansehen  bot  und  sich  aus  leuchtend  grünen,  rothen 
und  braunen  Tönen  zusammensetzte.  BlutgeßLsse  konnten  nicht 
unterschieden  werden.  Nach  aussen  reichte  dieser  Bezirk  bis 
zum  Papillenmeridian,  nach  unten  nicht  ganz  bis  zur  mittleren 
Höhe  des  Tapetalbereichs,  nach  innen  überschritt  er  nur  um 
ein  Geringes  die  Grenze  zwischen*  Tapetum  und  pigmentirter 
Peripherie.  Der  untere  bogenförmige  Rand  erhob  sich  deut- 
lich wallartig,  und  offenbar  war  die  Netzhaut  von  hier  bis  auf 
2  Papillenbreiten  vom  oberen  Papillarrand  flach  abgehoben. 
Weiter  papillarwärts  nahm  der  grüne  Reflex  des  Hintergrundes 
an  Klarheit  zu,  und  dicht  oberhalb,  sowie  innen  und  aussen 
oben  wurde  die  Papille  noch  von  einer  sehr  schön  grün  ge- 
färbten und  scharf  gezeichneten  Zone  umgeben.    Abwärts  der 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  89 

Papille,  sowie  weiter  seitwärts  waren  keine  Abnormitäten  zu 
bemerken.  Vom  fänfzehnten  Tage  ab  bemerkte  man  vor  der 
marmorirten  Parthie  eine  dünne,  nor  an  einzelnen  anhaftenden 
Pigmentiningen  zu  erkennende  Membran,  welche  ans  den  Glas- 
körpertrObungen  hervorragte  und  —  wie  jene  marmorirte 
Parthie  —  mit  einem  nach  unten  convexen  Rande  endete,  im 
Ganzen  Oberhaupt  dieselbe  Ausdehnung  hatte.  Der  Rand, 
welcher  nur  wenig  vor  der  Retina  gelegen  war,  war  über  dem 
unteren  Rand  der  marmorirten  Zone  parallactisch  verschieblich 
und  flottirte  leicht  bei  Bewegungen  des  Auges. 

Hieran  änderte  sich  bis  zum  dreissigsten  Tage  so  gut  wie 
nichts.  Da  trat  neuerdings  dicht  oberhalb  der  Papille  eine 
ausgebreitete,  quer  fast  durch  den  ganzen  Tapetalbezirk  sich 
erstreckende  Blutung  auf,  welche  wiederum  aus  diffusen  Streifen 
bestand,  die  keine  sichtbare  Beziehung  zu  Retinalgefössen  be- 
sassen  und  sich  aus  einer  grossen  Menge  kleiner  punktförmiger 
Blutfleckchen  zusammensetzten.  Die  Mitte  dieser  Blutstreifen 
sprang  als  querverlaufende  Leiste  in  den  Glaskörperraum  vor. 
Jetzt  war  auch  das  schöne  Grün  dieser  der  Papille  benach- 
barten Parthie  des  Hintergrundes  einer  diffuseren  grünen  Tönung 
gewichen,  die  Papille  etwas  hyperämisch,  sonst  scharf;  der 
Hintergrund  zwischen  den  Blutungen  und  der  Stichstelle  von 
diffusem  Grün  bis  zu  hellbräunlich  allmählich  übergehend,  die 
verschleierten  Gefässe  nach  oben  zu  allmählich  völlig  verschwin- 
dend. Die  Peripherie  der  oberen  Seite  war  durch  Glaskörper- 
trübungen verdeckt,  die  untere  Bulbushälfte,  sowie  in  einiger 
Entfernung  die  seitlichen  Parthien  scharf  gezeichnet  und  nor- 
mal tingirt.  Am  32.  Tage  wurde  der  Hund  getödtet  und  das 
Auge  enucleirt. 

Anatomische  Untersuchung:  Die  Stichstelle  liegt 
10,5  mm  oberhalb  der  Papille,  etwas  einwärts  vom  sagittalen 
Meridian.  Sie  imponirt  von  der  skleralen  Oberfläche  her  als 
ein  brauner  im  Niveau  liegender  Fleck  von  der  Grösse  eines 
kleinen  Stecknadelkopfes.  Sie  wird  nur  lose  von  episkleralem 
Gewebe  überdeckt.  Cornea,  vordere  Kammer,  Iris,  Corpus 
ciliare,  Chorioidea  und  Linse,  sowie  der  Sehnervenstumpf  bieten 
makroskopisch  nichts  AuffäUiges.  Die  Netzhaut  liegt  abwärts 
von  der  Papille  überall  glatt  an.  Oberwärts  ist  sie  in  einem 
Bereich  von  ca.  6  mm  im  Quadrat  mehrfach  gefältelt  und  flach 
abgehoben.  Dann  folgt  zwischen  dieser  Parthie  und  der  Stich- 
stelle eine  Zone,  in  welcher  die  Retina  (wenn  überhaupt  noch 
als  solche  anzusprechen)  anliegt,  aber  offenbar  stark  atrophirt 


90  w.  Wolff. 

ist  Ueber  die  Stichstelle  hinaus  verdecken  getrübte  Glas- 
körpermassen die  Gegend  um  den  sagittalen  Meridian.  Auf 
dem  kleineren  lateralen  Bulbusabschnitt  ist  nur  für  eine  kurze 
Strecke  die  Fältelung  oberhalb  der  Papille  sowie  die  Verdün- 
nung an  der  Fixationsstelle  noch  zu  bemerken.  Auch  hier  ist 
oben  in  geringer  Ausdehnung  die  Retina  verdeckt,  darüber 
hinaus  liegt  sie  überall  gut  an  und  bietet  keine  sichtliche  Ab- 
weichung. Der  Glaskörper  ist,  wie  angedeutet,  im  oberen  Theil 
des  Bulbus  verdichtet,  sonst  durchsichtig,  aber  auf  den  vor- 
deren Theil  des  Glaskörperraums  beschränkt,  etwa  die  Hälfte 
des  ganzen  Raumes  ausfüllend. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  bestätigt  vor  Allem 
die,  wenn  auch  ausgedehnte,  locale  Beschränkung  der  entzünd- 
lich adhäsiven  und  degenerativen  Processe.  Die  ganze  untere 
Bulbushälfte,  sowie  die  seitlichen  Theile  der  oberen  zeigen 
auch  nicht  die  geringste  Abweichung  von  der  Norm.  Ebenso 
verhält  sich  Iris  und  Corpus  ciliare.  Allgemein  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  ist  nur  der  Glaskörper. 

Die  Stichstelle  zeigt  dasselbe  Bild,  wie  beim  vorigen  Auge : 
in  einem  trichterförmig  sich  einsenkenden  Ganal  ein  reichlich 
pigmentirtes  Granulationsgewebe,  welches  sich  auf  der  Innen- 
seite zu  einer  flachen  Wulstung  ausbreitet.  Nur  ragt  die  Fort- 
setzung dieses  Gewebes  nicht  weiter  zapfenförmig  in  den  Glas- 
körperraum hinein,  vielmehr  erhebt  sie  sich  über  das  Retina- 
niveau nur  etwa  0,5  mm,  während  ihre  seitliche  Ausbreitung 
nach  jeder  Seite  1  mm  um  ein  Geringes  überschreitet.  Längs 
der  vorderen  Wand  des  Stichcanals  ist  die  Anhäufung  von 
pigmentirten  Zellen  eine  auffallend  stärkere,  als  nach  hinten 
zu,  sodass  der  Verdacht  nahe  liegt,  dass  hier  gerade  so  wie 
es  in  einem  frühen  Stadium  beim  Auge  II  beobachtet  wurde, 
ursprünglich  eine  Einstülpung  oder  Einziehung  von  chorioidalem 
Gewebe  stattgehabt  habe.  Und  in  der  Tbat  sind  die  Ränder 
von  Ghorioidea  und  Retina,  welche  an  die  flache  Endausbreitung 
der  Stichcanalmasse  stossen,  ein  wenig  nach  auswärts  umge- 
bogen, wobei  freilich  ihre  faserig  bindegewebige  Structur  am 
Eingang  in  den  Caual  selbst  unmittelbar  in  das  Granulations- 
gewebe übergeht.  Auch  hier  ist  in  der  nächsten  Umgebung 
Retina  und  Ghorioidea  zu  einer  einzigen  bindegewebigen  Masse 
verschmolzen,  die  auf  der  Aussenseite  unter  Verlust  des  Peri- 
chorioidalraums  und  -gewebes  mit  den  inneren  Skleralschichten 
verwachsen  ist.  Letztere  sind  mit  Pigment  durchsetzt  und 
bieten    Vermehrung    der    Kerne.      Eine    Scheidung    zwischen 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  91 

chorioidalem  und  retinalem  Antheil  in  diesem  fibrillären  Ge- 
webe ist  nicht  möglich,  nur  ist  die  Durchsetzung  mit  Pigment 
auch  hier  in  den  innersten  Schichten  eine  geringere,  als  nach 
aussen  hin.  Nach  vorn  zu  findet  nach  etwa  0,5  mm  eine 
Trennung  der  Retina  von  der  Gefässhaut  statt.  Erstere  ist 
abgehoben  und  haftet  dem  verdichteten  Glaskörper  an;  sie 
stellt  eine  nach  vorn  sich  verdünnende  bindegewebige  Lamelle 
dar,  —  nach  ihrer  Trennung  von  der  Chorioidea  spärlicher 
pigmentirt,  —  die  2  mm  vor  dem  Stichcanal  frei  endigt.  Weiter 
vorwärts  finden  sich,  dem  Glaskörper  anhaftend,  nur  sehr  dttnne 
membranöse  Reste,  welche  hie  und  da  mit  Pigmentschollen  be- 
setzt sind.  Durch  eine  derartige  schleierartige,  vielfach  lücken- 
hafte Membran  wird  bis  zur  Ora  serrata  hin  das  Retinalgewebe 
in  einer  Breite  von  etwa  6  mm  ersetzt.  Weiter  nach  den 
Seiten  zu  stellen  sich  dann  zunächst  einige  Elemente  aus  den 
Körnerschichten  ein  und  die  Dicke  der  Netzhaut  wie  die  An- 
zahl ihrer  ursprünglichen  Gewebstheile  nimmt  schnell  zu.  Die 
Fixationen  mit  dem  verdichteten  Glaskörper  reichen  so  weit, 
wie  der  makroskopische  Anblick  eine  Verdichtung  erkennen 
Hess.  Ueberall  ist  hier  die  Netzhaut  nur  flach  abgehoben,  nicht 
viel  weiter  als  die  Dicke  der  Stäbchenzapfenschicht  beträgt. 
Etwa  1  cm  oberhalb  des  Aequators  sind  alle  Schichten  bis  auf 
die  zerfallene  Stäbchenzapfenschicht  vollständig.  Dicht  ober- 
halb des  Aequators  ist  auch  letztere  intact  und  die  Netzhaut 
liegt  von  hier  ihrer  Unterlage  an.  Die  Verdichtung  des  Glas- 
körpers zeigt  wieder  das  gewöhnliche  Bild  welliger  und  netz- 
förmig mit  einander  verwebter  Linien  ohne  eigentliche  Binde- 
gewebsbildung; Wanderzellen,  einzelne  rothe  Blutkörperchen 
und  Pigment  sind  in  demselben  suspendirt.  Die  Verdichtung 
schliesst  sich  unmittelbar  an  die  Endausbreitung  des  Stichcanal- 
gewebes  an  und  ist  in  ihrer  Umgebung  am  stärksten.  Der 
Uebergang  in  den  unverdichteten  Theil  des  Glaskörpers  ist  ein 
ziemlich  allmählicher. 

Kehren  wir  wieder  zur  Gegend  vor  dem  Stichcanal  zu- 
rück, so  finden  wir  das  Verhalten  der  Chorioidea  ähnlich  dem 
bei  dem  vorigen  Auge  beschriebenen.  Die  Gefässhaut  trennt 
sich  nach  etwas  mehr  als  1,5  mm  von  der  Sclera,  Perichori- 
oidalraum  und  -gewebe  stellen  sich  wieder  her,  firei  von  Ex- 
sudat, und  die  Chorioiditis  klingt  nach  vorn  zu  in  einer  Ent- 
fernung von  3  mm  vollkommen  ab.  Die  letzten  2,5  mm  bis 
zur  Ora  serrata  lassen  bis  auf  eine  geringfügige  Unregelmässig- 
keit in  der  Pigmentirung  und  der  Form  der  retinalen  Epithel- 


92  W.  Wolff. 

Zellen,  welche  überall  gut  anhaften,  eine  Abnormität  nicht  mehr 
erkennen.  £ben80  ist,  wie  erwähnt,  das  Corpus  ciliare  nebst 
seiner  retinalen  Epithelbekleidung  normal.  Nach  hinten  zu 
reichen  wiederum  die  Vorgänge  entzündlicher  Bindegewebsneu- 
bildnng  weiter  herunter.  Zunächst  ist  auch  hier  sowie  nach 
den  Seiten  hin  in  derselben  Ausdehnung  wie  nach  yom  eine 
Verwachsung  der  bindegewebig  veränderten  Chorioidea  mit  den 
inneren  Sklerallamellen  zu  Stande  gekommen.  Darüber  hinaus 
ist  nach  allen  Seiten  der  Perichorioidalraum  frei.  Chorioidea 
und  Retina  aber  bleiben  in  einer  Ausdehnung  von  ca.  3,5  mm 
papillarwärts  mit  einander  verwachsen;  anfänglich  bilden  beide 
ein  continnirlich  in  einander  übergehendes  faseriges  Gewebe, 
welches  sehr  kernreich  und  sehr  gefässarm  ist,  wobei  sich  der 
chorioidale  Antheil  durch  stärkere,  der  retinale  durch  verhält- 
nissmässig  schwache  Pigmentirung  auszeichnet;  zwischen  den 
Lagen  des  retinalen  Theiles  findet  sich  in  geringen  Mengen 
frei  ergossenes  Blut  mit  zum  Theil  geschrumpften  rothen  Blut- 
körperchen. Etwas  über  1  mm  von  der  Stichstelle  entfernt, 
beginnen  in  dem  immer  noch  kernreicheren  Chorioidalgewebe 
wieder  die  grösseren  Gefässe  an  typischer  Stelle  hervorzutreten. 
Nur  wenig  weiter  nach  hinten  nimmt  dann  die  Gefässhaut 
jenen  Character  an,  welchen  wir  in  der  oben  definirten  Weise 
als  Aufschwemmung,  Auflockerung  des  Stromas  mit  seinen  Pig- 
mentzellenlagen bezeichnet  haben.  Zugleich  schieben  sich  Reste 
des  Tapetums  sowie  wuchernde  Elemente  der  Capillarschicht, 
welche  sich  durch  kurzovale  Kerne  von  den  langen  spindeligen 
Kernen  des  retinalen  Narbengewebes  unterscheiden,  zwischen 
beide  Häute  ein  und  bedingen  so  eine  scharfe  Trennung  der- 
selben. Die  Tapetumzellen  treten  zunächst  nur  spärlich  auf 
und  sind  in  ihrer  Form  mannichfach  verändert.  Während  sie 
normaler  Weise  auf  dem  Querschnitt  als  langgestreckte  Recht- 
ecke imponiren,  in  deren  Mitte  der  langovale  Kern  liegt,  sind 
sie  hier  klumpig  aufgeschwemmt,  rund,  polyedrisch,  birnen- 
förmig mit  unsymmetrischer  Lage  des  Kerns.  Theilweise  ist 
dabei  die  Tinctionsfähigkeit  des  letzteren  herabgesetzt  oder 
aufgehoben  und  das  Protoplasma  der  Zelle  körnig  getrübt  Mit 
dem  weiteren  Abklingen  der  Chorioiditischen  Veränderungen, 
welches  auch  hier  wieder  in  der  genugsam  beschriebenen  Weise 
in  einem  Zwischenraum  von  etwa  5,5  mm  sich  vollzieht,  stellt 
sich  auch  das  Tapetum  wieder  vollständig  her;  indessen  zeigen 
die  Zellen  noch  bis  zu  einer  Entfernung  von  3,5  mm  hinter 
der  Stichstelle    hie    und    da  Veränderungen    ihrer  Form    und 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  93 

Unregelmässigkeit  ihrer  Schichtang,  sodass  im  Gegensatz  zu 
dem  normalen  Bilde  der  Tapetumlagen,  welches  an  eine  aus 
Ziegelsteinen  aufgeführte  Mauer  erinnert,  hier,  um  im  Bilde 
zu  bleiben,  sich  der  Anblick  einer  aus  unbehauenen  Steinen 
erbauten  Wand  darbietet  Bis  zu  letzterem  Punkte  vermisst 
man  auch  die  regelmässige  Anordnung  feiner  nur  ausEndothel- 
rohren  bestehender  Blutgefässe,  die  normaler  Weise  die  Gapil- 
laris  mit  den  jenseits  des  Tapetum  gelegenen  mittleren  Blut- 
gefässen verbindet;  derartige  Gommunicationen  sind  in  diesem 
Bezirke  spärlich  und  es  scheint  somit  hier  die  Choriocapillaris 
hauptsächlich  auf  eine  Versorgung  von  den  Seiten  her  ange- 
wiesen zu  sein.  Bis  hierher  reicht  nun  auch  die  narbige 
Umwandlung  und  Fixation  der  Retina  unterhalb  des  Stichloches. 
Das  reichlich  mit  spindelförmigen  Kernen  besetzte  junge  Faser- 
gewebe, dessen  Fasern  meridional  geordnet  sind,  und  welches 
nur  spärlich  mit  Gefässen  versorgt  ist,  die  der  Choriocapillaris 
entstammen,  liegt  überall  von  der  Stichstelle  bis  zu  dem  letzt- 
erwähnten Punkt  fest  der  Unterlage  an.  Aber  innerhalb  des 
Gewebes  selbst  findet  etwa  1  mm  hinter  dem  Stichcanal  eine 
Spaltung  statt.  Während  bis  dahin  die  Dicke  der  Auflagerung 
die  der  normalen  Retina  erreichte,  zieht  jetzt  im  Niveau  der 
inneren  Fläche  nur  eine  zarte,  leicht  faserige  Membran,  nur 
anfangs  noch  Kerne  enthaltend,  weiter  papülarwärts,  gehalten 
von  einigen  Ausläufern  der  Glaakörperverdichtung,  und  mit 
Wanderzellen  und  Pigment  spärlich  besetzt  Die  Hauptmasse 
des  Gewebes  reducirt  sich  auf  die  Dicke  der  normalen  äusseren 
Körnerschicht,  um  so  gleichmässig  bis  zu  dem  erwähnten  Punkte 
sich  zn  erstrecken.  An  den  Schnitten,  welche  durch  die  Pa- 
pille geben^  findet  ungef&hr  an  dieser  Stelle  wieder  eine  Ver- 
einigung beider  Theile  statt;  weiter  medialwärts  endet  die 
innere  Membran  mit  freiem  Rande  in  gleicher  Höhe,  so  dass 
sie  —  entsprechend  dem  ophthalmoskopischen  Bilde  —  wie 
ein  Schleier  vor  der  äusseren  Narbensehicht  gelegen  ist  Die 
Ausdehnung  dieser  Retinanarbe  nach  den  Seiten  übersteigt 
wenig  3  Papillenbreiten.  Dann  folgt  abgelöste  Netzhaut,  welche 
in  ähnlicher  Weise  nach  den  Seiten  zu  sich  restituirt,  wie  es 
in  der  Richtung  auf  die  Papille  der  Fall  ist  Hier  verdickt 
sich  3,5  mm  hinter  der  Stichstelle  das  Narbengewebe  fast  un- 
vermittelt zu  etwa  doppelter  Stärke  und  springt  mit  scharfer 
Kante  glaskörperwärts  vor.  An  diese  Kante  setzt  die  unter- 
halb des  Fixationsbereiches  abgelöste  Retina  an.  Anfänglich 
besteht  ihr  Gewebe  nur  aus  Resten  der  Körnerschichten,  zu- 


94  W.  Wolff. 

sammengebalten  durch  spärliches  Stützgewebe.  Weiter  nach 
unten  findet  in  einer  Breite  von  2,5  mm  allmähliche  Restitution 
in  der  gewöhnlichen  Form  statt;  von  hier  an  sind  alle  Schichten 
wohlgeordnet  vertreten,  —  die  innere  reticuläre  ein  wenig  un- 
scharf gezeichnet  — ;  bis  auf  die  Stäbchenzapfenschicht,  welche 
körnig  zerfallen,  nur  hie  und  da  durch  Reste  ihrer  Innen- 
glieder die  ursprüngliche  Structur  andeutet.  Dabei  verhält 
sich  die  Chorioidea  nebst  dem  Pigmentepithel  in  dieser  Breite 
bereits  fast  völlig  normal;  nur  einzelne  unregelmässig  gestaltete 
und  an  Grösse  wechselnde  Zellen  des  Pigmentepithels  deuten 
noch  auf  einen  pathologischen  Zustand.  Von  dort  ab,  wo  die 
Netzhautschichten,  abgesehen  von  der  Stäbchenschicht,  wieder 
hergestellt  erscheinen,  bis  zu  der  4,5  mm  weiter  abwärts  ge- 
legenen Papille  ist  die  Chorioidea  schön  und  klar  gezeichnet, 
Tapetum  und  Epithel  gleichmässig  wohlerhalten,  gut  tingirt  und 
die  Netzhaut  ist  nur  flach  abgehoben,  durch  die  körnigen  Zer- 
fallsproducte  der  Stäbchen  schiebt  vom  Pigmentepithel  geschieden. 
Da  findet  sich  unmittelbar  über  der  Papille  in  dem  Zwischen- 
raum freies  Blut  und  ausgeschwemmtes  Pigment;  das  Pigment- 
epithel ist  etwas  lückenhaft,  weniger  gleichmässig.  Medial- 
wärts  über  die  Papille  hinaus  ist  auf  kurze  Strecke  das  Epithel 
zertrümmert  und  in  offenbarem  Zusammenhang  mit  der  Chorio- 
capillaris  dieser  Stelle  liegt  in  dem  Raum  zwischen  Netz-  und 
Gefässhaut  ein  grosser  fast  bis  an  die  mediale  Grenze  des  Ta- 
petum sich  erstreckender  Bluterguss,  welcher  die  Netzhaut 
sackförmig  vorgebaucht  hat.  Die  Schicht  der  kleinen  und  mitt- 
leren Gefässe  ist  intact,  ebenso  die  der  grossen.  Nach  unten 
ist  diese  sackförmige  Abhebung  scharf  begrenzt.  Unmittelbar 
an  die  abgehobene  Parthie  stösst  festsitzende  Netzhaut,  welche 
sämmtliche  Schichten,  auch  die  Stäbchenzapfenschicht  besitzt 
Letztere  enthält  für  ca.  0,5  mm  bei  etwas  undeutlicher  Zeich- 
nung kleine  kuglige,  mattglänzende  Gebilde,  wohl  ein  Zeichen, 
dass  auch  hier  ein  Zerfall  schon  im  Gange  ist.  Im  Uebrigen 
sind  von  hier  ab  Abnormitäten  nicht  mehr  vorhanden.  Die 
Papille  erscheint  leicht  hyperämisch,  bietet  aber  keine  anato- 
mischen Veränderungen. 

Kurz  zusammengefasst,  ist  hier  thatsächlich  eine  Fixa- 
tion der  Retina  auf  ihrer  Unterlage  erzielt  worden  durch 
Narbenbildung  in  einem  mehrere  mm  breiten  unterwärts  an 
die  Stichstelle  anstossenden  Bezirk.  Ueber  diesen  Bezirk 
hinaus  findet  ein  allmählicher  Uebergang  von  starken  de- 


Jodiigectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  95 

generativen  Veränderungen  zu  einem  der  Norm  genäherten 
Zustande  der  Netzhaut  statt  Die  degenerirten  Parthieen 
zeigen  noch  Fixationen  mit  den  Kesten  des  zum  Theil  ver- 
flüssigten Glaskörpers  und  so  ist  eine  wenn  auch  z.  Th. 
nur  flache  Abhebung  in  grosser  Ausdehnung  im  oberen 
Bulbustheile  zu  Stande  gekommen.  Eine  starke  subretinale 
Blutung  oberhalb  der  Papillenhöhe  macht  eher  den  Ein- 
druck, als  sei  sie  eine  Folge  des  Ablösungsprozesses,  nicht 
eine  Ursache.  —  Die  vor  der  Stichstelle  gelegene  Parthie 
der  Retina  zeigt,  abweichend  von  ihrer  Umgebung  und  von 
den  sonstigen  Veränderungen  um  den  Stichcanal  herum 
hochgradigste  Atrophie  ohne  bindegewebige  entzündhche 
Neubildung. 

Auge  VI. 

Kleiner  Pinscher,  ausgewachsen.     Rechtes  Auge. 

Es  wurden  mit  gerader,  auf  8  mm  eingestellter,  Canüle 
an  der  gewöhnlichen  Stelle  3  Tropfen  injicirt.  Sofort  nach 
der  Injection  war  wiederum  im  oberen  Theile  des  Bulbus  die 
scharf  umschriebene  Jodwolke  zu  sehen,  welche  in  der  typischen 
Weise  bis  zum  3.  Tage  völlig  verschwand.  An  Stelle  der- 
selben trat  eine  diffuse  graue  Glaskörpertrübnng,  in  welcher 
sich  der  nadeiförmige  Stichcanal  abhob.  Die  Trübung  und 
Verfärbung  des  angrenzenden  Hintergrundes  schritt  in  den 
nächsten  Tagen  rapide  fort.  Am  7.  Tage  war  der  ganze  Hin- 
tergrund, soweit  er  bei  der  ziemlich  starken  Glaskörpertrübung 
zu  erkennen  war,  undeutlich,  die  Papille  verschleiert.  Wie  bei 
den  anderen  Augen  traten  auch  hier  verschiedene  kleine 
Retinalblntungen  auf.  Aeusserliche  Entzündnngserscheinungen 
fehlten  vollkommen.  Am  17.  Tage  der  Beobachtung  konnte 
eine  schon  seit  mehreren  Tagen  sichtbare,  über  einen  grossen 
Theil  des  Hintergrundes  von  oben  innen  nach  unten  aussen 
verlaufende,  Falte  deutlich  als  abgehobene  Retina  angesprochen 
werden.  Allm&hlich  traten  noch  eine  ganze  Reihe  einzelner 
faltenartiger  Abhebungen  hervor  unter  weiteren,  nach  oben  zu 
stärkeren,  theilweise  subretinalen  Blutungen.  Am  20.  Tage  gab 
der  ganze  Hintergrund  einen  gedämpft  rothen  Reflex,  Details 
waren  nicht  zu  erkennen,  nur  sah  man  nach  vorn  zu  ver- 
schiedene Falten  sich  abheben.    Offenbar  war  eine  neue  starke, 


96  W.  Wolff. 

wahrscheinlich  snbretinale  Blutung  auügetreten.  Dieses  Ver- 
halten blieb  fast  unverändert  bis  zum  39.  Tage,  an  welchem 
der  Hund  getödtet  und  das  Auge  enucleirt  wurde.  Härtung 
in  Müllerscher  Flüssigkeit,  Nachhärtung  in  Alkohol. 

Anatomischer  Befund:  Der  Glaskörper,  welcher  überall 
der  hinteren  Linsenfläche  anliegt  und  der  andererseits  überall 
mit  der  Innenfläche  der  Retina  verklebt  ist,  erweist  sich  im 
Ganzen  stark  geschrumpft  aber  nach  unten  zu  noch  massig 
durchsichtig,  nur  oben  stärker  verdichtet.  Eigentliche  sich  be- 
sonders abhebende  Strangbildungen  sind  makroskopisch  nicht 
wahrzunehmen.  Die  Retina  ist  total  in  grossen  Falten  abge- 
hoben, mit  ausgezogenem  Stiele  an  der  Papille  inserirend.  £ine 
Fixation  der  Retina  auf  der  Unterlage  besteht  nur  in  der  un- 
mittelbarsten Umgebung  der  Stichstelle.  Letztere  liegt  12,5  mm 
innen  oben  von  der  Papille,  2  mm  von  der  Ora  serrata  entr 
fernt.  Dicht  unterhalb  der  Stichstelle  findet  sich  ein  grosser, 
quer  über  die  ganze  Breite  des  Bulbus  ausgedehnter,  Bluterguss, 
welcher  schon  nach  dem  makroskopischen  Anblick  sich  im  Sta- 
dium der  Organisation  befindet.  Nach  unten  von  der  Stich- 
stelle reicht  er  im  Durchschnitt  6  mm  weit.  Eine  zweite 
kleinere  subretinale  Blutung  liegt  innen  vorn  in  der  Gegend 
der  Ora  serrata.  Ersterer  liegt,  wie  schon  makroskopisch  zu 
erkennen,  überall  fest  der  Chorioidea  auf;  zum  Theil  locker  an 
der  retinalen  Seite.  Der  untere  Abschnitt  des  Ablösungsraumes 
ist  unvollkommen  ausgefüllt  von  einer  gallertigen,  halbdurch- 
scheinenden Masse,  welche  in  sich  zusammenhält,  den  Wan- 
dungen nur  lose  aufliegt  und  nach  oben  bis  zu  dem  Blutergoss 
reicht  in  welchen  sie  unmittelbar  übergeht  Ein  Betinariss  ist 
nicht  zu  sehen. 

Mikroskopisch  erweist  sich  der  Stichcanal  und  das  ihn 
ausfüllende  Gewebe  ganz  analog  dem  Befunde  der  letztbeschrie- 
benen Augen  von  längerer  Beobachtungsdauer.  Nur  sind  hier 
bereits  im  Stichcanal  selbst  wie  an  der  inneren  Ausbreitang 
des  Stichgewebes  mehr  faserige  Elemente  eingelagert,  dort 
radiär  auf  das  Innere  des  Bulbus  gerichtet,  hier  nach  der  Fläche 
der  inneren  Wand  umbiegend.  Nach  innen  zu  stösst  unmittel- 
bar an  dieses  Gewebe  der  stark  netzförmig  verdichtete  Glas- 
körper, in  den  nur  von  der  Stichstelle  her  bindegewebige  Aus- 
läufer hineinragen,  der  aber  selbst  sich  wie  in  den  anderen 
Fällen  kernlos  darstellt,  abgesehen  von  frei  in  seiner  Masse 
suspendirten  zelligen  Elementen. 

In  der  unmittelbarsten  Umgebung  des  Stichloches  hat  auch 


Jodii\jectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  97 

hier  eine  Verwachsung  der  drei  Häute  stattgefunden  unter 
Umbildung  von  Netzhaut  und  Aderhaut  in  ein  kernreiches  festes 
Bindegewebe.  Wiederum  beginnt  nach  Yorn  zu  nach  kaum 
0,5  mm  die  vollkommene  Atrophie  der  Betina,  weiche  bis  zur 
Ora  serrata  sich  als  ganz  dünne  durchscheinende,  fein  faserige, 
kernlose  Membran  repräsentirt,  welcher  freie  Zellea  und  Pig- 
ment spärlich  anhaften,  und  welche  durch  den  anhaftenden 
Glaskörper  von  der  Unterlage  losgerissen  ist  Die  Chorioidea 
zeigt  dagegen  wiederum  relativ  geringe,  nach  vorn  zu  bald  ab- 
klingende anatomische  Veränderungen;  auf  der  mittleren  Höhe 
des  Corpus  ciliare  ist  auch  das  retinale  Epithel,  das  zum  Theil 
mit  losgerissen  war,  wieder  hergestellt  Nach  unten  schiebt 
sich  dicht  hinter  dem  Stichcanal  zwischen  die  anfänglich  stark 
bindegewebig  veränderte  Chorioidea  und  die  zu  spärlichen 
Bindegewebslagen  degenerirte  Retina  der  Bluterguss.  Das  Blut 
liegt  theils  frei,  in  Fibrin  eingebettet,  theils  zwischen  dünnen 
auseinandergedrängten  Lamellen,  welche  an  die  retinalen  Faser- 
Ligen  erinnern.  Die  Choriocapillaris  als  solche  ist  zerstört, 
aus  dem  Chorioidalgewebe  senken  sich  in  das  Blutgerinnsel 
neue  kleine  Blutgefässe  ein.  Auch  Pigment  ist  in  die  Masse 
eingeschwemrat  Die  Betina  liegt  zum  Theil  nur  lose  auf  dem 
Gerinnsel  Die  gallertige  Masse  welche  sich  nach  unten  an 
den  Bluterguss  anschliesst,  erscheint  bei  schwacher  Vergrösse- 
ruAg  homogen,  bei  starker  fein  kömig,  und  £b:bt  sich  blass 
mit  Eosin.  Da  die  Masse  der  Wand  nur  lose  aufliegt  und  die 
Veränderungen  der  angrenzenden  subpapillären  Parthieen  der 
Chorioidea  sehr  geringfügige  sind,  ist  zu  vermuthen,  dass  es 
sieh  am  die  Gerinnung  einer  eiweisshaltigen  Flüssigkeit  han- 
dele, weldke  nicht  an  Ort  und  Stelle  gebildet  ist,  sondern 
welche  den  oberen  Theilen  des  Ablösungsbereichs  entstammt 
und  durch  Senkung  hierher  gelangte,  sei  es  nun,  dass  sie  als 
Product  chorioiditiscber  Ansschwitzung  anzusprechen  sei,  oder, 
was  wahrscheinlicher,  dass  sie  ans  dem  oben  gelegenen  Blut- 
kuchen  aufgepresstes  Blutserum  darstelle.  Für  letzteres  spricht 
schon  der  directe  Uebergang  beider  Massen  in  einander. 

In  der  Ausdehnung  der  Blutung  zeigt  die  Aderhant  starke 
Und^ewebige  Umwandlung,  massige  Figmenürung,  sptoliche 
Gefässe,  Verlust  der  typischen  Capillarschicht  und  des  retinalen 
Epithels.  Vom  Ende  der  Blutung  an,  welche,  wie  erwähnt, 
sich  bis  6  mm  hinter  die  Stichstelle  erstreckt,  beginnt  die 
Chorioidea  allmählich  ihre  ursprüngliche  ^mctur  wieder  zu 
zeigen;  zunächst  treten  die  grösseren,  dann  die  mittleren  und 

T.  Oraefe*!  Archir  Ar  Ophthalmologie.   XL.  8.  7 


98  W.  Wolff. 

kleinen  Gefässe  mit  grösserer  Deutlichkeit  nnd  in  typischer 
Lage  hervor,  während  in  der  vielfach  erwähnten  Weise  das 
Stroma  sich  im  Zustande  der  entzündlichen  Aufschwemmung 
befindet.  In  der  Höhe  der  Capillarschicht  findet  ein  unmittel- 
barer Uebergang  in  eine  wenig  pigmentirte,  bis  zu  0,2  mm 
dicke  bindegewebige  Auflagerung  statt,  welche  dem  Bilde  des 
für  den  Fixationsbereich  charakteristischen  retinalen  Narben- 
gewebes der  oben  besprochenen  Augen  analog  ist  An  einer 
begrenzten  Anzahl  von  Schnitten  kann  man  auch  hier  noch 
einen  partiellen  Zusammenhang  des  ähnlich  degenerirten  vor- 
deren Theiles  der  abgelösten  Retina  mit  diesen  Auflagerungen 
nachweisen.  Der  grösste  Theil  aber,  der  ursprünglich  wohl  in 
diesem  ganzen  Bereich  fixirten  Netzhaut  ist  durch  den  Zug 
des  schrumpfenden  Glaskörpers  und  die  interlamelläre  Blutung 
wieder  von  der  Unterlage  losgerissen.  Die  Auflagerung  er- 
streckt sich  bis  ca.  2  mm  vom  oberen  Papillarrande,  nach 
unten  zu  an  Dicke  allmählich  abnehmend.  In  ihrem  unteren 
Theile  wird  sie  durch  Tapetumreste  und  die  deutlicher  sich 
gestaltende  Choriocapillaris  scharf  von  dem  Aderhautgewebe 
geschieden.  Von  hier  an  sind  nun  sämmtliche  Schichten  der 
Chorioidea  vollständig,  das  Stroma  noch  entzündlich  aufge- 
schwemmt, die  Adventitien  der  erweiterten  und  gefüllten  Blut- 
gefässe verdickt,  das  Pigmentepithel  leicht  gewuchert.  Etwa 
2  mm  unterhalb  der  Papille  ist  die  Aderhaut  für  die  mikros- 
kopische Betrachtung  völlig  zur  Norm  zurückgekehrt.  Nur  der 
Theil  unmittelbar  hinter  der  Ora  serrata  ist  in  noch  zu  be- 
sprechender Weise  verändert.  Die  Papille  ist  reichlich  mit 
freiem  Blute  infarcirt,  ihre  Kerne  vermehrt,  Pigment  hinein- 
geschwemmt, ihre  Structur  durch  die  zerrende  abgehobene  Re- 
tina unregelmässig  aufgelockert,  zerklüftet. 

Die  Netzhaut  zeigt  in  der  Ausdehnung  der  bindegewebigen 
Auflagerung  auf  der  Chorioidea  eine  ähnliche  Structur  wie  jene. 
Weiter  abwärts  treten  die  Neubildungsprozesse  von  Bindege- 
webe zurück  und  sie  bietet  durchweg  einen  stark  atrophischen 
Charakter:  zwischen  spärlichen  Resten  des  Stützgewebes  Kerne, 
vorwiegend  aus  den  Körnerschichten,  auch  diese  unregelmässig 
vertheilt  und  lückenhaft,  dünne  Blutgefässe  mit  zum  Theil  nicht 
tingirbaren  Kernen,  freies  Blut,  Pigment;  nichts  mehr  von 
Stäbchen  und  Zapfen,  Limitans  externa,  Ganglienzellen  und 
Nervenfasern.    Alles  dem  geschrumpften  Glaskörper  anhaftend. 

Auf  der  unteren  Seite  erstreckt  sich  die  Ablösung  bis 
über  die  Ora  serrata  hinaus,  sodass  noch  ein  Theil  der  Pars 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  09 

ciliaris  retinae  an  der  Abhebung  participirt.  In  den  Winkel, 
den  die  abgezerrte  Retina  hier  mit  der  Ghorioidea  bildet,  ist 
längs  der  Ora  serrata  für  fast  9  mm  eine  nach  hinten  zu 
wenig  ausgedehnte  Bindegewebswuchernng  zu  Stande  gekom- 
men, welche  von  der  Ghoriocapillaris  ausgeht.  Ausserhalb 
dieses  Bereiches  ist  die  Retina  nur  bis  zur  Ora  serrata  abge- 
löst, und  dort  fehlt  auch  diese  Wucherung.  Abgesehen  von 
dieser  erwähnten  Betheiligung  an  dem  pathologischen  Process 
verhält  sich  das  Corpus  ciliare  normal,  desgleichen  die  Iris. 
Im  Glaskörper  sind  auch  mikroskopisch  keine  stärkeren  Stränge 
wahrzunehmen,  vielmehr  ist  es  überall  jene  mehrfach  beschrie- 
bene Form  welliger  und  netzförmiger  Verdichtung,  die  wir 
auch  hier  beobachten.  Eine  Fixation  des  Glaskörpers  an  der 
Retina  hat  auch  im  unteren  Theile  des  Bulbus  Platz  gegriffen, 
wo  das  Corpus  vitreum  für  den  makroskopischen  Anblick  noch 
ziemlich  durchsichtig  war.  Freilich  ist  hier  die  Wellen-  und 
Netzzeichnung  sehr  wenig  scharf  ausgeprägt. 

Auge  VII. 
£twa  halbjähriger  kleiner  Hund.     Rechtes  Auge. 

£s  wurden  diesmal  mit  der  nur  auf  5  mm  eingestellten 
geraden  Canüle  oben  hinter  dem  Aequator  4  Tropfen  der 
Jodtinctur  injicirt.  Ein  wenig  Flüssigkeit  regurgitirte  beim 
Herausziehen  der  Canüle  und  wurde  abgewischt.  Sogleich  nach 
der  Injection  wurde  eine  sehr  kleine  rundliche  Jodwolke  oben 
ausserhalb  des  Tapetumbereichs  beobachtet.  Schon  am  darauf- 
folgenden Tage  konnte  in  der  nächsten  Umgebung  unterwärts, 
unter  gleichzeitigem  Abblassen  der  Jodwolke,  eine  kleine  par- 
tielle Abhebung  festgestellt  werden,  welche  nach  Art  der  Ge- 
birge auf  einer  Reliefkarte  in  einzelnen  Graten  hervortrat. 
Die  betreffende  Parthie  war  grünlichgelb  verfärbt.  Sie  nahm 
in  den  nächsten  Tagen  noch  etwas  zu,  während  die  Jodwolke 
einer  nicht  sehr  ausgebreiteten  grauen  Glaskörpertrübung  Platz 
machte.  Nur  die  nächste  Umgebung  der  Abhebung  zeigte  noch 
geringe  Verschwommenheit  und  Verfärbung.  Darüber  hinaus 
blieb  der  ganze  Hintergrund  normal  bis  zum  siebenundzwan- 
zigsten Tage,  an  welchem  Exitus  und  Enucleation  erfolgte. 

Die  anatomische  Untersuchung  ergibt  zunächst  eine  nicht 
erwartete  umfängliche  Verflüssigung  des  Glaskörpers.  Membra- 
nöse Reste  desselben  liegen  der  hinteren  Linsenfläche  an  und 
erstrecken  sich  von  dort  auf  der  oberen  Seite  bis  etwa  3  mm 

7* 


100  W.  Wolff. 

hinter  der  Stichstelle  an  der  inneren  Betinafläche  entlang. 
Die  Ablösung  der  Retina,  welch'  letztere  dicht  hinter  der  Stich- 
stelle Zunächst  als  mit  Pigment  durchsetztes  faseriges  Gewebe 
von  der  mehrfach  beschriebenen  Structur  sich  erhebt»  and  nach 
hinten  zu  mehr  und  mehr  Beste  des  ursprünglichen  Gewebes 
aui^mmt,  reicht  nur  ein  wenig  über  den  Bereich  der  Glas- 
kdrperfixatioaen  hinaus.  Von  da  ab  findet  schnell  eine  An- 
näherung an  die  Norm  statt,  und  5,5  mm  hinter  der  Stich- 
steile  zeigt  die  Netzhaut  keine  Abweichung  von  der  Norm 
mehr  und  liegt  überall  glatt  an.  Die  Chorioidea,  welche  un- 
mittelbar an  der  Stichstelle  in  der  gewöhnlichen  Weise  binde- 
gewebig verändert  und  mit  Sklera  und  Betina  verwachsen  war, 
erreicht  schon  nach  etwa  B  mm  die  Norm.  Der  Stichcaaal 
bietet  im  Wesentlichen  dasselbe  Aussehen  wie  an  den  letzt- 
beschriebenen Augen.  Nach  vom  zu  findet  sich  auch  hier  in 
einer  Breite,  welche  der  Ausdehnung  der  Fixation  um  den 
Stichcanal  entspricht,  vollkommene  Atrophie  des  dem  Glas- 
körper anhaftenden  Betinalgewebes,  während  die  Chorioidea 
nur  in  naher  Umgebung  des  Stichcanals  entzündliche  Verän- 
derungen zeigt.  —  Nach  den  Seiten  zu  greift  sehr  schnell  ein 
Uebergang  zu  normalen  Verhältnissen  Platz. 

Im  Uebrigen  ist  der  ganze  Uvealtract  normal,  ebenso  die 
Retina  jenseits  der  besprochenen  Veränderungen,  desgleichen 
auch  die  Papille. 

Die  Glaskörperreste  weichen  von  dem  bisher  gezeichneten 
Bilde  nicht  wesentlich  ab. 


Auge  Vm. 
Grosser  alter  Schäferhund.     Linkes  Auge. 

Das  Auge  zeigte  vor  der  Injection  in  dem  onmgefiEtrben 
gUozenden  Tapetumbezirk  eine  Beihe  gramer  Flecken,  die  bei 
wechselnder  Stellung  des  Auges  bald  glanzlos,  bald  hell  gläii- 
zead  erschienen.  Dieselben  Veränderungen  bot  auch  das  rechte 
Auge  desselben  Hundes  dar;  und  ich  will  gleich  hier  erwähnen, 
dass  es  sieh,  —  was  wegen  der  Ungewobntheit  des  Bildes 
ophthalmoskopisch  nici|t  festgestellt  werden  konnte,  —  um 
chorioiditische  Heerde  handelte,  welche  über  den  ganzen  Augen- 
hifttergrund  verstreut  lagen,  und  an  denen  die  Betina  unter 
Verlust  ihrer  äusseren  Schichten  mit  der  Unterlage  verwachsen 
war,    lediglich   mit   der  Nervenfaserschicht   und  den  Gefässen 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  101 

diese  defecten  Stellen  überbrückend.  Die  Papillen  sahen  bei^ 
derseits  granweiss  ans.     Die  Geillsse  boten  nichts  Anfßllliges. 

Es  wurden  4  Tropfen  Jodtinctnr  mit  der  geraden  auf 
9  mm  eingestellten  Canüle  etwa  in  der  Höhe  des  Aeqnators 
ii^icirt.  Auch  hier  regnrgitirte  ein  Theil  der  Flüssigkeit. 
Und  da  diesmal  ziemlich  weit  vorn  injicirt  war,  wurde  eine 
Jodwolke  überhaupt  nicht  gesehen.  Der  Hintergrund  war  nn- 
verändert.  Am  zweiten  Tage  trat  Iridocyklitis  auf,  welche  ein 
starkes  gallertiges  Exsudat  im  Pupillarbereiche  setzte,  aber 
unter  Hinterlassung  einer  schmalen  hinteren  Synechie  in  8  Tagen 
abheilte.  In  der  Folgezeit  konnte  man  ziemlich  weit  vom 
am  Dach  des  Glaskörperraumes  eine  zarte,  nicht  sehr  ausge- 
breitete Glaskörpertrttbung  bemerken.  Im  Uebrigen  zeigte  der 
ophthalmoskopische  Befund  keine  wahrnehmbare  Veränderung. 
Der  Glaskörper  blieb  dauernd,  abgesehen  von  der  Trübung 
oben,  klar,  die  Netzhautzeichnung  «charf,  die  Farbe  des  Hinter- 
grundes die  gleiche.  Auch  Zeichen  einer  Veränderung  in  Iris 
und  Corpus  ciliare  traten  nicht  wieder  auf.  Und  so  blieb  der 
gleiche  Status  bis  zum  Exitus,  welcher  am  72.  Tage  herbei- 
geführt wurde.  Härtung  in  Müller'scher  Flüssigkeit,  Nach- 
härtung in  Alkohol. 

Anatomischer  Befund:  Der  Glaskörper  ist  von  guter  Con- 
sistenz,  den  ganzen  Glaskörperraum  ausfüllend;  er  ist  auch 
nach  der  Härtung  in  Müller'scher  Flüssigkeit  vollkommen 
diaphan.  Nur  oben  findet  sich  eine  ziemlich  intensive  Ver- 
dichtung circumscript  in  der  Gegend  der  Stichstelle;  sie  misst 
in  der  Flächenausdehnung  8  mm  und  hat  eine  Dicke  von  4  mm 
in  ihrer  Mitte,  nach  den  Seiten  zu  nimmt  sie  an  Dicke  ab. 
Der  hintere  Theil  der  Glaskörperverdichtung  steht  in  fester 
Verbindung  mit  einer  umschriebenen  Netzhautablösung,  welche 
sidi  bis  auf  4  mm  von  der  Papille  erstreckt.  Sonst  liegt  die 
ganze  Retina  an. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  das  Vorhanden- 
sein einer  ausgebreiteten  chronischen  Chorioiditis,  von  welcher 
oben  gesprochen  wurde,  und  welche,  wie  schon  aus  der  guten 
Cönsistenz  des  Glaskörpers  hervorgeht,  nichts  mit  der  Einwir- 
kung der  Jodtinctur  zu  thun  hatte.  Die  Wirkungen  der  letz- 
teren spielen  sich  vielmehr  in  einem  begrenzten  Kaume  in  der 
Nachbarschaft  der  Stichstelle  ab.  Auch  hier  finden  wir  überall 
wieder  das  typische  Bild:  Stichcanal  nebst  Stichcanalgewebe^ 
welches  entsprechend  der  längeren  Beobachtungsdauer  stärker 
fibrös   umgewandelt  ist,    und  der  unmittelbare   Anschluss   dea 


102  W.  Wolff. 

verdichteten  Glaskörpers  an  die  innere  Aasbreitang  des  Stich- 
canalgewebes,  wie  bei  den  anderen  Aagen.  Die  Aasbreitang 
des  Gewebes  auf  der  Innenseite  überragt  nar  am  ein  geringes 
die  Nachbarschaft;  es  findet  ein  directer  Uebergang  desselben 
in  die  benachbarte  Yerwachsang  von  Retina  and  Chorioidea 
mit  den  inneren  Sklerallamellen  *  statt.  Aach  hier  erstreckt 
sich  diese  Verwachsung  der  drei  Häate  nar  aaf  ca.  0,5  mm 
nach  jeder  Richtung.  Nach  vorn  wiederum  bis  zur  Ora  ser- 
rata,  welche  3,5  mm  vor  dem  Stichloch  gelegen  ist,  vollständige 
Atrophie  und  Abhebung  der  Retina  durch  den  partiell  ver- 
dichteten Glaskörper  bei  massiger  und  wenig  ausgedehnter  Ver- 
änderung der  Chorioidea.  Nach  hinten  zu  ist  es  hier  wegen 
der  geringeren  Ausbreitung  der  Jodtinctur  über  den  Stichcanal 
hinaus  nicht  zu  bindegewebiger  Umbildung  der  Gefässhaut  und 
bindegewebigen  Fixationen  zwischen  dieser  und  der  Retina  ge- 
kommen. Vielmehr  klingt  die  Entzündung  der  ersteren  nach 
hinten  zu,  —  rücksichtlich  ihrer  auf  die  Jod  Wirkung  zu  be- 
ziehenden Veränderungen  — ,  bald  ab,  während  die  abgehobene 
Netzhaut  nur  spärlich  neues  Bindegewebe  gebildet  hat,  und 
mehr  das  Gepräge  atrophischer  Vorgänge  trägt.  Neben  Resten 
alter  Blutgefässe  und  Resten  von  Stützgewebe  finden  sich  Ele- 
mente aus  den  Körnerschichten,  Pigment,  freie  rothe  Blutkör- 
perchen in  massiger  Menge;  hie  und  da  ist  die  abgelöste 
Netzhaut  besonders  dünn  und  sogar  in  ihrer  Continuität  durch 
einzelne  Lücken  unterbrochen,  ohne  dass  es  zu  einem  eigent- 
lichen Riss  gekommen  wäre.  Wie  erwähnt,  reicht  die  Ab- 
hebung bis  auf  4  mm  an  die  Papille  heran;  dann  liegt  die  Re- 
tina überall  an  und  zeigt  das  Verhalten,  welches  durch  die 
chronische  Chorioretinitis  bedingt  ist,  gleichmässig  im  ganzen 
Auge.  Auf  der  unteren  Seite  ist  unmittelbar  hinter  der  Ora 
serrata  ein  schmales,  feinkörniges  Exsudat  zwischen  Ader-  und 
Netzhaut  eingeschoben,  welches  letztere  in  umschriebenem  Um- 
kreise flach  empordrängt.  Hier  handelt  es  sich  um  einen 
frischen,  entzündlichen  Vorgang,  und  es  war  die  Frage,  ob  es 
sich  hier  doch  um  eine  directe  Einwirkung  der  Jodtinctur 
etwa  in  Folge  der  Verdünnung  und  Vertheilung  der  Flüssig- 
keit durch  den  ganzen  Raum  bezw.  ein  Herabsinken  eines 
Theiles  der  Flüssigkeit  nach  dieser  Stelle  handle,  oder  ob  man 
dabei  an  eine  Exacerbation  der  vorhandenen  chronischen  Cho- 
rioiditis, bezw.  die  Bildung  eines  neuen  chorioiditichen  Heerdes 
zu  denken  habe,  unabhängig  von  der  Jodwirkung  oder  bedingt 
durch  eine  Fortleitung  des  Reizes  vom  Orte  des  Traumas  auf 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  103 

den  ganzen  Uvealtract.  Letzteres  ist  mir  mit  Rücksicht  auf 
die  klinisch  beobachtete  vorübergehende  Iridocyklitis  das  Wahr- 
scheinlichere; nnd  anatomisch  betrachtet  ist  nicht  abzusehen, 
wie  an  dieser  entfernten  Stelle  durch  Contaktwirkung  eine  der- 
artige Sch&dignng  zu  Stande  kommen  sollte,  ohne  dass  auch 
die  zwischenliegenden  Parthieen,  vor  Allem  der,  nach  den  Er- 
fahrungen an  den  anderen  Augen,  so  empfindliche  Glaskörper 
gelitten  hätte. 

Auge  IX. 

Derselbe  Hund.     Rechtes  Auge. 

Der  Hintergrund  zeigte  dieselben  chorioiditischen  Yei^ 
änderungen  vor  der  Injection  wie  das  andere  Auge. 

Diesmal  wurde  mit  der  Scheeler 'sehen  Messercanüle  in- 
jicirt.  Ich  habe  damit  dieselbe  Erfahrung  gemacht,  wie  meh- 
rere Autoren,  dass  sie  unhandlicher  sei  als  die  Canüle  der 
Pravaz' sehen  Spritze.  Zunächst  war  das  Messer  nicht  so 
scharf  als  es  wünschenswerth  gewesen  wäre.  Sodann  aber  ge- 
lang es  mir  nach  Einstossung  des  Messers  nicht  die  stumpf- 
winklig vorspringende  Canülenöffnung  durch  die  Sklera  einzu- 
fahren, und  die  Folge  war,  da  sich  das  Skieralge  webe  fest 
um  die  Messerschneide  zusammenschloss,  dass  von  den  3  zu 
injicirenden  Tropfen  das  meiste,  vielleicht  alles  daneben  floss. 
Uebrigens  konnte  ich  auch  nicht  soweit  hinten  ii^iciren,  wie 
ich  es  mit  der  geraden  Spitze  gethan  hatte.  Aus  letzterem 
Grunde  sah  man  nach  der  Injection  ophthalmoskopisch  über- 
haupt keine  Veränderung.  Es  wurde  die  Beobachtung  bis  zum 
47.  Tage  fortgesetzt  und  dauernd  der  gleiche  unveränderte 
Status  festgestellt. 

Die  anatomische  Untersuchung  lehrte,  dass  der  Einstich 
gerade  in  die  Ora  serrata  zu  liegen  gekommen  war.  Wie  am 
anderen  Auge  ist  auch  hier  der  Glaskörper  ganz  durchsichtig; 
es  fehlt  sogar  oben  in  der  Gegend  der  Stichstelle  für  die 
makroskopische  Betrachtung  jede  Andeutung  einer  Trübung. 
Er  füllt  den  ganzen  Glaskörperraum  aus  und  ist  von  guter 
Consistenz.     Nirgends  ist  eine  Netzhautablösung  zu  sehen. 

Mikroskopisch  zeigte  sich  auch  hier  das  Bild  der  chro- 
nischen Chorioretinitis,  indessen  ohne  frische  Heerde.  Die  Stich- 
stelle hat  entsprechend  der  Schneide  des  Messers  eine  längliche 
und  schmale  Form.  Sie  ist  sehr  wenig  pigmentirt  und  enthält 
nur  fibröse  Elemente.  Im  Uebrigen  ist  es  auch  hier  zu  einer 
auf  die   nächste  Umgebung  des  Stichs  beschränkten  Narben- 


104  W.  Wolff. 

iHldang  zwischen  Retina,  Chorioidea  und  Sklera  gekommen. 
Um  ein  weniges  darttber  hinaas  ist  keine  Einwirkung  des  Ein- 
griffiB  mehr  zu  erkennen. 

Das  innere  Ende  des  Stichcanals  ist  leicht  mnldenfönnig 
nach  aussen  retrahirt,  wie  aoch  die  anstossenden  Ränder  von 
Netz-  und  Aderhant  ein  wenig  nach  anssen  umgebogen  sind. 
An  diesem  inneren  Ende  haftet  der  Glaskörper;  es  fehlt  in- 
dessen eine  eigentliche  Trübung.  Man  sieht  nur,  wie  aus  den 
nächstliegenden  Parthieen  des  Glaskörpers  radiär  einzelne  Linien 
gerade  auf  die  Stichstelle  zu  gerichtet  sind,  welche  man  un- 
willkürlich mit  einer  von  der  retrahirten  Stichnarbe  ausgehen- 
den Zugwirkung  in  Zusammenhang  zu  bringen  geneigt  ist.  Es 
fehlt  in  diesem  Falle  eine  Ablösung  der  Retina;  aber  es  fehlt 
auch  jeder  Anhalt,  dass  wirklich  Jodtinctur  in  den  Glaskörper 
gedrungen  ist;  auch  eine  einfache  Stich  Verletzung  kann  wohl 
derartige  Veränderungen  zeitigen. 

Auge  X. 
Mittelgrosser,  etwa  einjähriger  Hund.     Rechtes  Ange. 

Es  wurden  in  das  vorher  normale  Ange  mit  der  geraden 
Canüle  6  Tropfen  Jodtinctur  hinter  den  Aequator,  ungeflAr  im 
sagittalen  Meridian  injicirt.  Die  anfänglich  rothbranne  Jod- 
wolke blasste  in  der  gewöhnlichen  Weise  innerhalb  2  Tagen 
völlig  ab  und  machte  einer  diffuseren  grauen  Glaskörpertrflbung 
Platz.  Zugleich  wurde  die  Netzhaut  in  der  Nachbarschaft, 
ebenso  in  der  bei  den  meisten  Augen  beobachteten  Weise  trübe 
und  verwaschen.  Einige  kleine  Blutungen  traten  in  diesem 
Bezirk  auf,  und  am  sechsten  Tage  präsentirte  sich  an  ent- 
sprechender Stelle  eine  partielle,  stumpf  kegelförmig  nach 
unten  ragende  Netzhautabhebung;  dieselbe  nahm  in  den  näch- 
sten Tagen  noch  etwas  zu,  blieb  aber  dann  stationär  bis  zum 
Exitus  am  36.  Tage.  Am  Dache  des  Glaskörperranms  sah 
man  einige  Glaskörperflocken,  welche  bei  Bewegungen  des 
Auges  flottirten. 

Die  anatomische  Untersuchung  erwies  den  Glaskörper  fast 
vollständig  verflüssigt.  Nur  spärliche  membranöse  Reste  sassen 
der  hinteren  Linsenfläche  auf  und  spannten  sich  auf  der  oberen 
Seite  zur  Retina  hinüber,  zogen  auch  zum  Theil  von  der 
Gregend  der  Stichstelle  zu  weiter  rückwärts  gelegenen  Theilen 
der  Retina,  jedoch  nur  bis  5  mm  hinter  der  Stichstelle. 

Letztere  bietet  unter  dem  Mikroskop  das  gewohnte  jBild 


Jodii\jectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  105 

eines  reicUich  pigmentirten  Grannlationsgewebes  in  einem  trich- 
terförmig sich  einsenkenden  nnd  nach  innen  wieder  erweitern- 
den Canal.  Die  Terwachsnng  der  H&ute  am  Canalrande,  die 
völlige  Atrophie  des  in  einer  Ausdehnung  von  4  mm  bis  zur 
Ora  serrata  vor  dem  Stichloch  gelegenen  Netzhautbezirks,  bei 
geringer  und  nach  vorn  zu  schnell  abklingender  Chorioiditis, 
aiV  das  unterscheidet  sich  im  Wesentlichen  nicht  von  den  bis- 
herigen Beobachtungen.  Nach  hinten  zu  hat  auf  etwas  mehr 
ab  2  mm  ursprünglich  eine  narbige  Fixation  der  Retina  an  der 
Chorioidea  stattgefunden,  aber  offenbar  ist  vor  vollendeter 
Narbenbildung  der  retinale  Antheil  durch  Glaskörperzug  wieder 
losgerissen  worden.  So  finden  sich  tXr  die  angegebene  Strecke 
neugebildete  Bindegewebslamellen  sowohl  auf  der  chorioidalen 
als  auf  der  retinalen  Seite.  Die  Ablösung  reicht  dann  noch 
3  mm  weiter  papillarw&rts;  doch  verliert  sich  in  diesem  cen- 
tralen Theile  das  Bild  bindegewebiger  Neubildung  und  es  tritt 
mehr  die  Atrophie  des  Gewebes  in  den  Vordergrund,  papillar- 
wärts  allmfthlich  sich  verringernd.  Etwas  über  5  mm  hinter 
der  Stichstelle  nnd  noch  6  mm  von  der  Papille  entfernt  liegt 
die  Retina  an  und  zeigt  scharf  gezeichnete  und  wohl  tingirte 
Elemente,  während  die  Chorioidea  sich  kurz  hinter  dem  Auf- 
hören der  bindegewebigen  Auflagerung  bereits  zur  Norm  zu- 
rückgefunden hatte.  Auch  im  übrigen  Bulbus  zeigt  weder 
Retina  noch  Chorioidea  eine  sichtbare  Abnormität.  Desgleichen 
Papille,  Corpus  ciliare  und  Iris.  An  diesem  Auge  lassen  sich 
als  Ursache  der  Ablösung  entsprechend  dem  makroskopischen 
^de  einzelne  an  der  Retina  haftende  Membranen  und  Stränge 
unterscheiden.  Dieselben  sind  im  Ganzen  structurlos,  hie  und 
da  von  leicht  faseriger  Zeichnung,  an  anderen  Stellen  kömig, 
ohne  eigene  Kerne;  angelagert  sind  spärliche  Wanderzellen 
und  geringe  Mengen  von  Pigment  und  rothen  Blutkörperchen. 

Auge  XI. 
Derselbe  Hund.     Linkes  Auge. 

In  das  vor  der  Injection  normale  Auge  wurden  mit  ge- 
rader Canüle  oben  ungefähr  im  Aequator  4  Tropfen  Jodtinctur 
injicirt 

Der  klinische  Verlauf  begann  in  typischer  Weise  mit 
einem  Abblassen  der  Jodwolke  und  retinitischer  Verschleierung 
und  Verförbung,  welche  sich  in  den  ersten  Tagen  bis  auf  etwa 
2^Papillarbreiten  vom  oberen  Papillarrande   erstreckte.     All- 


106  W.  Wolft. 

mählich  wurde  der  ganze  Hintergrund  sehr  leicht  verschleiert; 
die  stärkeren  Veränderungen  dagegen  blieben  auf  den  ursprüug- 
lichen  Bezirk  beschränkt,  der  schliesslich  hellolivonfarbige  Tö- 
nung zeigte.  Am  Dache  des  Bulbus  verdichtete  sich  die  ur- 
sprünglich diffuse  Trübung  zu  einem  scheibenförmigen,  elfen- 
beinfarbenen schwartigen  Gebilde,  von  welchem  aus  zarte 
Glaskörpermembranen,  welche  flottirten,  frei  in  den  Glaskörper- 
raum herabhingen,  auch  rückwärts  zur  Retina  der  oberen 
Bulbusfläche  zogen.  Das  Auge  wurde  im  Ganzen  40  Tage 
beobachtet. 

Die  anatomische  Untersuchung  ergab  wie  bei  dem  rechten 
Auge  fast  völlige  Verflüssigung  des  Glaskörpers  und  dasselbe 
Verhalten  der  membranösen  Glaskörperreste  der  Retina  gegen- 
über. Das  tellerförmige  Gebilde  am  Bulbusdach  ist  die  innere 
Ausbreitung  des  Stichcanalgewebes,  welche  eine  Breite  von  ca. 
8  mm  und  eine  Höhe  von  4  mm  erreicht;  dieselbe  enthält  reich- 
liche zellige  Elemente,  zum  Theil  hat  aber  schon  Umbildung 
in  fibröses  Gewebe  stattgefunden.  Nach  vorn  vom  Stichcanal 
findet  sich  wiederum  die  typische  Atrophie  des  Netzhautgewebes 
bei  geringer  Betheiligung  der  Chorioidea.  Nach  hinten  zu  ist 
die  Retina  auf  ca.  5  mm  in  Narbengewebe  umgewandelt,  wel- 
ches der  Chorioidea  fest  aufliegt  und  eine  Höhe  von  ca.  0,3  mm 
erreicht.  In  der  Mitte  seiner  Ausdehnung  nach  hinten  zu  ver- 
dickt sich  das  Gewebe  bis  auf  das  Doppelte.  Hier  löst  sich 
ein  Theil  der  Biudegewebslamellen  ab  und  setzt  sich  unter 
Aufnahme  normaler  Elemente  in  die  weiter  abwärts  gelegenen, 
abgelösten  Parthieen  der  Retina  fort.  Auch  hier  sind  es  Stränge 
und  Membranen  von  umschriebener  Bildung,  welche  den  vor- 
deren Retinatheil  abgezerrt  haben.  Etwa  6  mm  hinter  der 
Stichstelle  erreicht  die  Retina  diejenige  Verfassung,  in  welcher 
sie  sich  über  den  ganzen  übrigen  Bulbustheil  erstreckt.  Sie 
ist  flach  von  der  Unterlage  abgehoben,  die  Stäbchenzapfen- 
schicht vollständig  zerfallen.  Limitans  externa,  äussere  Eörner- 
schicht,  äussere  retikuläre  und  innere  Eörnerschicht  sind  schön 
gefärbt,  scharf  gezeichnet.  Nach  innen  davon  findet  sich  über 
die  ganze  Retina  ein  sehr  eigenthümlicher  atrophischer  Zustand, 
welcher  mit  Rücksicht  auf  die  vorliegende  Frage  nur  kurz  an- 
gedeutet werden  kann.  Die  Dicke  der  inneren  Retinaschichten 
ist  nämlich  unvermindert,  dagegen  ist  das  Netzwerk  der  inneren 
granulierten  zum  grossen  Theil  geschwunden,  ohne  dass  an  die 
Stelle  anderes  Gewebe  oder  ein  Exsudat,  ein  kerniges  Gerinnsel 
oder  dergleichen  getreten  wäre.    Die  Kerne  dieser  Zone  sowie 


Jodinjectionen  in  den  Glaajkörper  von  Hunden.  107 

die  Ganglienzellen  sind  spärlich,  die  Nervenfaserschicht  sehr  dünn, 
in  der  Peripherie  überhaupt  nicht  mehr  wahrzunehmen.  Sehr 
scharf  skeletartig  treten  hierdurch  die  Müll  er' sehen  Stütz- 
fasern und  ihre  kegelförmigen  Endausbreituugen  hervor.  Die 
Papille  zeigt  keine  auffällige  Veränderung.  Es  fehlt  mir  an 
Analogieen  in  den  Befunden  an  den  anderen  Augen,  um  für 
dieses  sonderbare  Verhalten  mit  Rücksicht  auf  die  Wirkung 
der  Jodtinctur  eine  Erklärung  geben  zu  können.  Auch  hier 
ist  der  Uvealtrakt,  abgesehen  von  geringfügigen  Veränderungen 
am  Pigmentepithel,  das  überall  der  Chorioidea  anhaftet,  von 
der  Norm  nicht  sichtlich  abweichend.  Die  Veränderungen  um 
die  Stichstelle  sind  die  typischen. 

Auge  XII. 
Dachshund,  ausgewachsen.     Rechtes  Auge. 

Dieses  Auge  konnte  wegen  Verderben  des  Präparates  mi- 
kroskopisch nicht  untersucht  werden.  Ich  will  nur  kurz  er- 
wähnen, dass  4  Tropfen  injicirt  wurden,  dass  er  am  zweiten 
Tage  eine  massige  Iridocyklitis  bekam,  nach  deren  Abklingen 
am  10.  Tage  eine  beginnende  Netzhautablösung  beobachtet 
wurde.  Dieselbe  wurde  allmählich  total,  das  Auge  blieb  dann 
reizlos  und  nicht  wesentlich  verändert  bis  zum  79.  Tage. 

Makroskopisch  konnte  man  eine  starke  Glaskörperver- 
dichtung mit  einer  Reihe  kleinerer  subretinaler  Blutungen  und 
totale  Ablösung  der  Netzhaut  feststellen,  welche  nur  wie  an 
einem  Stiele  an  der  Papille  festsass  und  eine  punktförmige 
Fixation  an  der  Stichstelle  eingegangen  war. 

Wenn  ich  die  Befiinde  meiner  Beobachtungen  zusammen- 
fasse, so  steht  im  Vordergrund  die  bemerkenswerthe  That- 
sache,  dass  mit  zwei  Ausnahmen  in  allen  Fällen  in  Folge 
der  Jodinjectionen  Netzhautablösung  in  grösserer  oder  ge- 
ringerer Ausdehnung  eintrat.  Von  den  zwei  Ausnahme- 
fällen war  der  einö^^^eun  zweiten  Tage  der  Beobachtung  ad 
exitum  gekommen,  hatte  also  die  Zeit  noch  nicht  erreicht, 
innerhalb  welcher  sich  nach  der  khnischen  Beobachtung 
die  Ablösungen  einstellten.  Der  andere  Fall  ist  derjenige, 
welcher  mit  der  Schoeler' sehen  Messercanüle  injicirt  war. 
Hier  ist  in  derThat  dieinjection  wegen  der  oben  erwähn- 
ten Schwierigkeiten,  welche  in  der  Natur  des  Instrumentes 


108  W.  Wolff. 

lagen,  unvollkommen  ausgefallen  und  entweder  nur  sehr 
wenig  oder  nichts  von  der  Jodtinctur  in  den  Glaskörper- 
raum gelangt 

Unter  den  10  Fällen  mit  Netzhautablösung  sind  4, 
bei  denen  diese  Ablösung  total  ist.  Darunter  siild  2,  bei 
denen  die  Retina  durch  eine  zwischenliegende  Masse  von 
der  Chorioidea  abgedrängt  wird,  das  eine  Mal  durch  eine 
starke  Blutimg  (Auge  VI),  das  andere  Mal  durch  ein 
chorioiditisches  Exsudat  (Auge  lU).  Daneben  findet  sich 
in  beiden  Augen  Glaskörperschrumpfung  und  Fixation  des 
Glaskörpers  an  der  Retina,  Die  beiden  anderen  Fälle  von 
totaler  Ablösung  sind  wie  die  6  partiellen  Abhebungen  be- 
dingt lediglich  durch  die  Retraction  des  geschrumpften 
Glaskörpers.  In  5  Fällen  war  der  Glaskörper  zum  grossen 
Theil  verflüssigt,  zweimal  fand  sich  ein  ausgedehnter  Re- 
tinariss. 

Stärkere  äussere  Entzündungserscheinungen  traten  nur 
dreimal  auf,  nämlich  bei  dem  Auge  HI  in  Form  einer 
heftigen  Iridochorioiditis,  wobei  eine  Infection  nicht  absolut 
ausgeschlossen  erschien,  und  bei  den  Augen  VIII  und  XII 
in  Form  einer  in  wenigen  Tagen  abklingenden  Iridocyklitis. 

Zweimal  trat  in  den  ersten  Tagen  eine  partielle  Trü- 
bung der  hinteren  Linsenschichten  nach  Art  eines  Chori- 
oidalstaars  auf,  welche  indessen  innerhalb  weniger  Tage 
wieder  verschwand  (Auge  I  und  IV). 

Die  Beobachtungszeit  schwankte  zwischen  2  und  72 
Tagen. 

Anatomisch  wurde  als  Regel  beobachtet,  dass  sich  in 
der  That  an  der  Einstichstelle  eine  bindegewebige  Fixation 
zwischen  Retina  und  Chorioidea  bildete,  die  sich  papillar- 
wärts  bald  sehr  wenig,  bald  weiter  hin  fortsetzte,  wobei  an 
ein  Herabsinken  der  Jodtinctur  von  der  Stichstelle  längs 
der  Bulbuswand  zu  denken  war.  Ueberdies  war  unmittelbar 
an  der  Stichstelle  auch  die  Sklera  in  die  NarbenbilduAg 
mit  einbezogen.     Jenseits  jener  2^ne,  oder  wo  eine  ausge- 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  109 

dehntere  Verwachsung  nicht  statthatte,  dicht  hinter  der 
Stichstelle  begann  dann  die  Ablösung  der  mehr  oder  we- 
niger stark  degenerirten  und  mit  dem  Grlaskörper  verklebten 
Betina.  Bisweilen  bot  selbst  die  hinter  der  Stichstelle  ge- 
legene Verwachsung  und  Narbenbildung  dem  Glaskörper- 
zuge nicht  den  genügenden  Widerstand,  und  es  trat  dann 
eine  Spaltung  der  veränderten  Betinaschichten  auf,  sodass 
der  innere  Theil  dem  Glaskörper  folgte,  der  äussere  an  der 
CShorioidea  haften  blieb. 

Die  Entzündung  der  Uvea  reichte  nach  vom  von  der 
Stichstelle  meist  nicht  weiter,  als  bis  zur  Ora  serrata  und 
war  hier  ziun  Theil  sehr  geringfügig.  Einige  Male  wai* 
eine  Betheiligung  der  hinteren  Parthieen  des  Corpus  ciliare 
vorhanden.  Auch  die  Pars  cilians  retinae  war  entsprechend 
meist  intact. 

Der  nach  vom  von  der  Stichstelle  gelegene  Theil  der 
Betina  war,  abgesehen  von  der  unmittelbarsten  Nachbar- 
schaft des  Stichcanals,  welche  noch  an  der  Narbenbildung 
participirte,  bis  zur  Ora  serrata  in  einer  Breite,  welche  dem 
Verwachsungsbereich  etwa  entsprach,  zu  unkenntlichen  dem 
Glaskörper  anhaftenden  membranösen  Besten  atrophirt. 
Zusa^nmengehalten  mit  der  verhältnissmässig  geringen  Cho- 
rioiditis dieser  Gegend  und  mit  der  Art  der  retinitisdien 
Veninderungen  an  anderen  Stellen,  muss  diese  Erscheinung 
als  der  Ausdmck  höchstgradiger  Emährungsstömng,  nicht 
als  eine  durch  directe  Jodeinwirkung  oder  entzündliche 
Vorgänge  herbeigeführte  Necrose  angesprochen  werden;  es 
handelt  sich  um  ein  Gewebe,  welches  auf  die  Ernährung 
durch  eine  Endarterie  angewiesen  ist,  und  welchem  durch 
eine  breite,  alle  Schichten  umfassende  Narbe  jegliche  arte- 
rielle Zu&hr  abgeschnitten  wird  Die  Ablösung  von  der 
Unterlage  in  Folge  Glaskörperzuges  schliesst  andererseits 
auch  eine  Erhaltung  der  äusseren  Schichten  aus,  nicht  zu 
reden  von  einer  etwa  vicariirend  eintretenden  choriocapü- 
laren  Zufuhr  für  die  mittleren. 


110  W.  Wolff. 

Nach  hinten  zu  war  die  Ausdehnung  der  Chorioiditis 
und  Retinitis  verschieden  gross;  meist  erreichte  die  Chori- 
oidea  früher  die  Norm,  als  die  abgehobene  Retina.  Die 
starke  Veränderung  der  abgehobenen  Retina  stand  bis- 
weilen in  auffallendem  Gegensatz  zu  dem  relativ  wenig 
pathologischen  Verhalten  der  unterUegenden  Chorioidea,  so- 
dass ich  annehme,  dass  zu  grossem  Theil  die  retinitischen 
Veränderungen  als  nach  der  Ablösung  fortgeschrittene  De- 
generationszustände  anzusehen  seien.  Sehr  bemerkenswerth 
ist,  wie  erwähnt,  das  fast  durchweg  beobachtete  Fehlen  all- 
gemeiner entzündlicher  Erscheinungen  an  den  injicirten 
Augen.  Auf  Grund  dieser  letzteren  Thatsache  und  zufolge 
dem  anatomischen  Bilde  habe  ich  den  Eindruck  trotz  der 
so  ungünstigen  Resultate  meiner  Injectionsversuche,  dass 
die  entzündhchen  Erscheinungen  von  Seiten  der  Augen- 
häute sich  bei  gehöriger  Abstufting  der  Menge  und  Con- 
centration  der  Jodlösung  doch  wohl  beherrschen  und  auf 
die  gewünschte  locale  Reizung  und  Narbenbildung  be- 
schränken Hessen.  Was  aber  die  Irritirung  durch  die  Jod- 
tinctur  unter  keinen  Umständen  verträgt,  das  ist  der  Glas- 
körper. Es  berührt  sich  das  mit  einem  Theil  der  Resultate, 
welche  Leber  in  seinem  im  Jahre  1891  veröffentUchten 
grossen  Werke  bei  Einbringung  von  Fremdkörpern  in  den 
Glaskörper  beobachtete;  der  Glaskörper  antwortet,  wie  meine 
Versuche  mich  lehren,  auf  die  chemische  Reizung  stets  mit 
geringerer  oder  ausgedehnterer  Schrumpfiing,  oder  mit 
Schrumpfung  und  Verflüssigung;  und  dem,  an  der  entzünd- 
lich erkrankten  Netzhaut  adhärenten  Glaskörper  folgt  die 
Retina.  Selbst  bei  grösster  Herabsetzung  der  Quantität 
und  Concentration,  würde  man,  glaube  ich,  nichts  anderes 
erreichen  können,  als  dass  bestenfalls  der  Glaskörper  nicht 
geschädigt  wird.  Eine  irgendwie  nützUche  Einvrirkung  auf 
den  Glaskörper,  wie  sie  Schoel er 's  Methode  voraussetzt,  ist 
nicht  zu  erwarten.  Auf  jeden  Fall,  scheint  mir  also,  muss 
das  Einbringen  einer  derartig  differenten  Substanz  in  den 


Jodinjectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden.  Hl 

Glaskörper  selbst  vermieden  werden,  wo  es  sich  um  sehende 
Augen  handelt  und  wo  die  Absicht  vorliegt,  diese  zu  heilen. 
Die  Injectionen  zur  Bekämpfung  infektiöser  Prozesse  stehen 
auf  einem  anderen  Blatt. 

Sodann  stellt  auch  die  Zone  vollkommenster  Betinal- 
atrophie  vor  dem  Stichcanal  einen  locus  minoris  resis- 
tentiae  lür  Bisse  und  Eindringen  verflüssigten  Glaskörpers 
dar.  Hierdurch  unterscheidet  sich  die  arteficielle  narbige 
Vereinigung  der  Retina  mit  der  Chorioidea  sehr  wesenthch 
von  einer  durch  genuine  Chorioiditis  entstandene  Verwach- 
sung, welche  beim  Uebergreifen  auf  die  Betina  doch  die 
Gefässschicht  bezw.  die  Nahrungszufuhr  diuxjh  die  Zweige 
der  Centralis  retinae  nicht  zu  alteriren  braucht.  Freilich 
bin  ich  geneigt,  diese  Unvollkommenheit  der  Methode  in 
zweite  Linie  zu  stellen. 

Ist  es  nun  misslich,  bei  Thierexperimenten  erhaltene 
Besultate  ohne  weiteres  auf  den  Menschen  zu  übertragen 
und  von  dem  Verhalten  gesunder  Hundeaugen  gegen  äussere 
EingnfiPe  Folgerungen  für  das  Verhalten  erkrankter  mensch- 
licher Augen  ableiten  zu  wollen,  so  dürften  sich  doch,  wie 
ich  glaube,  aus  den  letzten  allgemeinen  Erwägungen  einige 
Gesichtspunkte  ergeben,  welche  nicht  ohne  Nutzen  auch  bei 
dem  Aufsuchen  der  Heilbedingungen  für  den  Menschen 
Verwerthung  finden  könnten. 

Zum  Schluss  meiner  Arbeit  drängt  es  mich,  meinem 
Lehrer,  Herrn  Professor  Dr.  Kuhnt  für  die  Anregung  und 
das  rege  Interesse,  welches  derselbe  fortdauernd  in  Uebens- 
würdigster  Weise  meinen  Untersuchungen  entgegengebracht 
hat,  auch  an  dieser  Stelle  meinen  wärmsten  Dank  zu  sagen. 
Auch  Herrn  Collegen  Helmbold  danke  ich  für  die  Anferti- 
gung der  Nummern  4  und  5  der  beigegebenen  Zeichnungen  *). 

^)  Die  Arbeit  wurde  vor  ca.  2  Jahren  vollendet,  die  Drucklegung 
durch  Husaere  Verhältnisse  verzögert  Es  Ist  daher  kein  Bezug  auf 
neuere  Arbeiten  und  Versuche  in  dieser  Richtung  genommen  worden. 


112     W.  Wolff.    Jodii^ectionen  in  den  Glaskörper  von  Hunden. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  m. 

Fig.  1.  Zn  Ange  I.  Schnitt  durch  den  Rand  des  Stichcanals.  a.  Ge- 
wuchertes  episklerales  Gewebe.    Schwache  Y^igrösserung. 

Fig.  2.  Zn  Auge  I.  Eingerollter  Rand  der  Retina  unterhalb  des 
Risses,  in  Verbindung  mit  Glaskörperstrang,  a.  Verdich- 
teter Glaskörper  mit  Zellen  und  Pigment     Schwache  Vergr. 

Fig.  3.    Zu  Auge  II.     Schnitt  durch  den  Stichcanal.    Schw.  Vergr. 

Fig.  4.  Zu  Auge  V.  a.  Retinales  Narbengewebe  unterhalb  des  Stich - 
canals.  b.  Verdichteter  Glaskörper,  unmittelbar  an  das  Stich- 
canalgewebe  sich  anschliessend,  c.  Endstück  retinalen  Nar- 
bengewebes vor  dem  Stichcanal.  Darüber  hinaus  vollkommene 
Atrophie.    Schw.  Vergr. 

Fig.  5.  Zu  Auge  IX.  Schnitt  durch  den  Stichcanal.  a.  Stahlen  im 
Glaskörper.    Schwache  Vergrössenmg. 


Anatomische  Untersuchung  zweier  Fälle 

Yon  experimentellem 

Secundärglaucom  am  Kaninchenauge. 

Von 

Dr.   Ludwig  Berbericli 
aus  Seckenheim. 

Hierzu  Tafel  IV,  Fig.  1—7. 


Bei  seinen  experimentellen  Forschungen  über  die  Ent- 
zündung*) machte  Prof.  Leber  die  Beobax;htung,  dass  es 
in  manchen  Fällen,  wo  er  durch  Injection  von  sterih- 
sirter  Staphylococcus  aureus- Aufschwemmung  in  die  vordere 
Kummer  des  Kaninchenauges  eitrige  Litis  hervorgerufen 
hatte,  nach  Ablauf  dieser  Entzündung  zm-  Entstehung  von 
Secundärglaucom  kam.  Die  Drucksteigerung  führte  in  diesen 
Fällen  nicht  nur  zur  Ausdehnung  der  Bulbuswandung, 
sondern  es  liess  sich  auch,  wenn  die  Pupille  offen  blieb, 
oder  nach  Resorption  des  sie  deckenden  Exsudates  wieder 
frei  wurde,  das  Vorhandensein  von  Druckexcavation  der 
Papille  mittelst  des  Augenspiegels  nachweisen,  wodurch 
der  Befund  eine  vollkommene  Uebereinstimmung  mit  dem 
Secundärglaucom  des  menschlichen  Auges  darbietet.  Die 
Excavation   war  in  einem  von  Prof.  Leber  genauer  ver- 

*)  Th.  Leber,  die  Entstehung  der  Entzündung  und  die  Wir- 
kung der  entzündungerregenden  Schädlichkeiten.     Leipzig  1891. 
T.  Onefe's  Archiv  für  Ophthalmologie.  XL.  i.  8 


114  L.  Berberich. 

folgten  Falle  so  tief,  dass  der  Sehnervenstamm  am  Eingang 
ins  Auge  eine  beträchtliche  Verdickung  zeigte,  die  darauf 
beruhte,  dass  sich  der  Grund  der  Excavation  weiter  nach 
aussen  erstreckte,  als  die  Aussenfläche  der  Sklera.  Ein 
Schnitt  in  den  Sehnerven  dicht  an  der  Aussenfläche  der 
Sklera  eröffnete  auch  in  der  That  die  Bulbushöhlung. 

Schon  vorher  sind  von  anderer  Seite  verschiedenfach 
Versuche  gemacht  worden,  Secundärglaucom  experimentell 
zu  erzeugen,  besonders  seit  der  Aufstellung  der  Retentions- 
theorie  durch  A.  Weber  und  Knies.  So  versuchte  A. 
Weber*)  zunächst  durch  Ligatur  der  hinteren  Venen  (venae 
vorticosae)  am  Kaninchenauge  Drucksteigerung  zu  erzielen, 
was  ihm  aber  nur  in  rasch  vorübergehender  Weise  gelang. 
Später  von  demselben  Autor  angestellte  Versuche*)  be- 
zweckten eine  mechanische  Verlegung  des  Kammerwinkels 
durch  in  die  vordere  Kammer  eingefiihrtes  OHvenöl.  Der 
einzige  von  dem  Verfasser  ausgeführte  derartige  Versuch  soll 
auch  von  positivem  Erfolg  gewesen  sein.  Das  Auge  bot 
das  Bild  des  „entzündHchen  Glaucoms"  mit  Drucksteige- 
ining  und  Vergrösserung  sämmtUcher  Maasse.  Dass  aber 
der  Befund  der  Papille  in  diesem  Fall  auf  eine  Druck- 
steigerung zu  beziehen  war,  muss  ich  entschieden  bezwei- 
feln. Weber  schildert  die  normale  Excavation  der  Ka- 
ninchenpapille  als  kegelf  önnig  sich  in  den  schief  eintretenden 
Opticusstamm  fortsetzend.  Meine  Figur  VIT  auf  Taf.  IV 
ist  der  citirten  Arbeit  Webers  entnommen.  In  dem  Falle 
von  Drucksteigerung  soll  nun  die  Excavation  nicht  nur 
nicht  vergrössert,  sondern  fast  vollständig  verschwunden 
gewesen  sein,  dadurch,  dass  der  untere  Rand  der  Papille 
ventilartig  in  die  Excavation  hineingetrieben  wurde,  wie  die 
Figur  zeigt  Das  veranlasste  mich,  die  normale  Kaninchen- 
papille    zu   untersuchen,  und  besondere  deren  Excavation, 


>)  V.  Graefe'8  Arch.  XXIII.  1. 
*)  Ibidem. 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.     115 

da  diese  einer  Untersuchung  bis  jetzt  nicht  unterzogen 
wurde.  Vertikale  Serienschnitte  ergaben,  dass  die  Excava- 
tion  an  Schnitten  der  einen  Seite  annähernd  kegelförmige 
Form  hat  mit  etwas  überhängendem,  unterem  Band.  Nach 
der  andern  Seite  zu  wird  der  Boden  der  Excavation  breiter 
und  diese  selbst  flacher  von  annähernd  viereckiger  Gestalt 
ohne  prominente  Ränder.  Sie  verUert  dann  immer  mehr 
an  Tiefe  xmd  gleicht  sich  so  nach  dieser  Seite  hin  aus. 
Die  Rgmen  IV,  V,  VI  auf  Taf.  IV  eriäutem  das  Ver- 
halten. Es  ist  ganz  undenkbar,  dass  dabei  ein  ventil- 
artiges Eindrängen  des  untern  Papillenrandes  vorkommt, 
wie  es  Weber  in  seinem  Fall  beschreibt.  Ausserdem  wird 
von  allen  übrigen  Beobachtern  eine  Vergrösserung  der  Ex- 
cavation angegeben. 

Femer  verursachte  Schoeler^)  Drucksteigerung  dui^h 
Cauterisation  des  Theiles  der  Sklera,  in  dem  die  Venae 
ciliares  anteriores  das  Gebiet  der  vorderen  Kammer  ver- 
lassen. Scheeler  verzeichnete  folgende  Ergebnisse  seiner 
Versuche : 

1)  „Verbrennt  man  mit  einer  glühenden  Stricknadel  bei 
punktneller  oder  flächenhafter  Berührung  der  Angenoberfläche 
den  Limbus  and  seine  Nachbarschaft,  so  entwickeln  sich,  je 
nach  der  Intensität  der  Verbrennung,  mehr  oder  minder  aus- 
geprägt, folgende  Symptome:  bedeutende  Drucksteigerung  bis 
zur  Steinhärte,  Blässe  der  Papille,  Unterbrechung  im  Blutstrom 
der  Betinalvenen  bis  zum  völligen  Unsichtbarwerden  aller  Re- 
tinalgefässe,  Excavation  der  Papille,  rauchige  Trübung  der 
Linse  und  der  Hornhaut  wie  völlige  Anästhesie  der  letzteren 
treten  auf.  Die  gleichen  Erscheinungen  werden  auch  bei  par- 
tieller Verbrennung  des  Limbus  beobachtet.  Die  Dauer  der- 
selben schwankt  zwischen  10  Minuten  bis  1 — 2  Stunden,  je 
nach  der  Intensität  der  Verbrennung. 

2)  Circuläre  Verbrennung  der  Hornhaut  wie  der  Sklera  in 
grösserem  Umfang  ruft  die  gleichen,  nur  der  Intensität  nach 


»)  V.  Graefe's  Arch.  XXV.  4. 


116  L-  Berberich. 

schwächeren  Erscheinungen  wie  die  Verbrennung  des  Limbus 
hervor 

3)  Die  Unterbindung  der  Venae  vorticosae  fahrt  zu  keiner 
bemerkenswerthen  Drucksteigerung.  Das  im  Mittel  nur  2  mm 
betragende  Ansteigen  derselben  hält  überdies  nicht  an,  sondern 
es  sinkt  das  Hg.  im  Manometer  in  kürzester  Zeit  auf  seinen 
Ausgangspunkt  zurück.'' 

Wie  schon  oben  berichtet  ist,  führte  in  den  Versuchen 
von  Prof.  Leber  der  Zufall  das  Resultat  herbei,  was  in 
den  eigens  zu  dem  Zwecke  angestellten  Versuchen  anderer 
Autoren  nicht  erzielt  w^orden  w^ar.  Auch  Wagenmann  hatte 
Gelegenheit,  bei  seinen  Versuchen  über  Keratoplastik  und 
die  Folgen  der  Beseitigung  des  Homhautendothels,  derartige 
Beobachtungen  zu  machen.  Hier  kam  es,  wenn  die  Wie- 
derherstellung der  vorderen  Augenkammer  längere  Zeit 
ausbUeb,  zur  Entstehung  von  Bulbusektasie  durch  Steige- 
rung des  intraocularen  Drucks  und  zu  ophthalmoskopisch 
nachweisbarer  Druckexcavation.  Von  den  Versuchen*)  sind 
es  zwei,  die  hierher  gehören: 

Versuch  3.  Aus  der  Cornea  wurde  ein  Lappen  mit  oberer 
Brücke  ausgeschnitten  und  durch  Nähte  wieder  eingefügt;  die 
vordere  Kammer  wurde  dabei  aufgehoben  und  die  Iris  fast 
ringförmig  adhärent.  Die  vordere  Kammer  stellte  sich  nur 
unvollkommen  wieder  her,  aber  trotzdem  wurde  der  vordere 
Bulbusabschnitt  etwas  ektatisch.  Viel  positiver  fiel  Versuch  4 
aus;  hier  wurde  zunächst  ein  Lappen  mit  Brücke  gebildet,  ge- 
näht und  dann  die  Brücke  durchschnitten.  Es  bildete  sich  eine 
vordere,  circuläre  Synechie,  die  vordere  Kammer  wurde  ganz 
aufgehoben.  Schon  nach  6  Wochen  war  der  Bulbus  hart  und 
ektatisch,  ophthalmoskopisch  war  eine  tiefe  Excavation  zu  sehen, 
die  allmählich  sehr  hochgradig  wurde. 

In  neuester  Zeit  sind  von  Ulrich*)  dahinzielende 
Versuche  angestellt  worden,  deren  leitende  Idee  war,  „das 
normaliter  spongiöse,  gefässreiche  Irisgewebe  in  ein  atro- 
phisches,  fibrös   verdichtetes   zu  verwandeln   und   dadurch 


')  V.  Graefe's  Arch.  XXXIV.  1. 

^)  Arch.  ftir  Augenheilk.  von  Knapp  u.  Schweigger  XXV.  92. 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.    117 

möglichst  viel  Blutgefässe  zur  Obliteration  zu  bringen."  Zu 
diesem  Zweck  wurden  multiple  Excisionen  aus  der  Horn- 
haut gemacht  und  die  Iris  durch  mehr  oder  weniger  aus- 
gedehnte Einheilung  zur  Vemarbung  gebracht  In  11  der- 
artigen Fällen  trat  5  mal  Secundärglaucom  auf,  d.  h.  deut- 
lich nachweisbare  Drucksteigerung,  in  4  andern  war  sie 
zweifelhaft  und  in  zweien  trat  Phthisis  bulbi  ein. 

In  den  5  Fällen  von  Secundärglaucom,  die  4  bis  10 
Wochen  in  Beobachtung  waren,  trat  3  mal  vollständig 
circuläre  vordere  Synechie  ein,  die  beiden  übrigen  Male  be- 
standen sehr  ausgedehnte  Adhäsionen  der  Iris  an  die  Cornea 
mit  theilweiser  Verlegung  des  Kammerwinkels.  Die  4 
andern  Fälle,  ohne  deutliche  Drucksteigerung,  waren  8  bis 
10  Monate  in  Beobachtung;  in  allen  4  Fällen  wai-en  zahl- 
reiche vordere  Synechieen  vorhanden,  der  Kammerwinkel  in 
8  Fällen  verengt,  dabei  wurde  2  Mal  Beginn  von  Kerato- 
globus  beachtet.  Iris  und  Ciliarkörper  waren  in  allen  Fällen 
theils  atrophisch,  theils  hyperämisch.  Oifenbar  war  bei  die- 
sen, von  Ulrich  angestellten  Versuchen,  das  Verhalten  des 
Kammerwinkels  das  entscheidende  Moment  und  nicht  der 
Ernährungszustand  der  Iris. 

So  verschieden  auch  die  Eingriflfe  in  den  von  Th, 
Leber  und  den  von  Wagenmann  angestellten  Versuchen 
waren,  so  stimmen  sie  doch  darin  überein,  dass  es  bei  bei- 
den zur  Verwachsung  des  Kammerwinkels  kam,  einer  Ver- 
änderung, die  seit  den  Untersuchungen  von  Ad.  Weber 
und  Knies  in  ätiologische  Beziehung  zur  Entstehung  der 
Drucksteigerung  beim  Glaucom  gebracht  wird.  Dass  die 
bisherigen  Versuche,  Glaucom  beim  Thiere  experimentell 
zu  erzeugen,  keine  oder  wenigstens  keine  beweiskräftigen 
Erfolge  zu  verzeichnen  gehabt  haben,  hat  seine  Ursache 
wohl  darin,  dass  bisher  noch  keine  Methode  gefunden 
worden  ist,  durch  welche  mit  Sicherheit  eine  Verwachsung 
des  Kammerwinkels  bewirkt  werden  kann.  Dass  aber  bei 
so  verschiedenen  Eingriffen  wie   die  oben  genannten,   die 


118  L.  Berberich. 

nur  in  ihrem  mitunter  erfolgten  Ausgang  in  Verwachsung 
des  Kammerwinkels  übereinstimmen,  gerade  in  diesen  Fällen 
Drucksteigerung  und  Sehnervenexcavation  auftrat,  kann  als 
eine  nicht  unwichtige  Stütze  der  Retentionstheorie  des  Glau- 
coms  betrachtet  werden. 

In  den  von  Prof.  Leber  angestellten  Versuchen  waren 
die  glaucomatös  gewordenen  Augen  nur  soweit  untersucht, 
um  die  im  Leben  gestellte  Diagnose  zu  sichern,  aber  noch 
nicht  genauer  in  allen  ihren  Theilen  mikroskopisch  durch- 
forscht worden.  Da  es  von  Wichtigkeit  erschien,  die  üeber- 
einstimmung  mit  dem  path.-anat.  Befunde  des  Glaucoms 
am  menschüchen  Auge  in  eingehender  Weise  zu  prüfen, 
wurde  ich  von  Herrn  Prof.  Leber  mit  der  histologischen 
Untersuchung  dieser  Fälle  beaufti*agt. 

Es  standen  mir  dazu  zwei  Augen  zu  Gebote,  von  denen 
das  eine,  von  Secundärglaucom  ergriflfen,  von  Versuch  69 
(1886)  herstammte*),  während  das  andere  mit  Intercalar- 
staphylom  zum  Versuch  31  (1885)  gedient  hatte.  Der  Be- 
schreibung des  anatomischen  Befundes  werde  ich  in  jedem 
Falle  einen  Auszug  aus  den  Versuchsprotokollen  von  Prof. 
Leber  vorausschicken. 

1.  Fall  (Versuch  69,  1886). 

In  die  vordere  Augenkammer  eines  weissen  Kaninchens 
wurde  eine  durch  Kochen  sterilisirte  Suspension  von  Staphy- 
lococcus  aureus  injicirt,  deren  Wirksamkeit  wohl  etwas  abge- 
nommen hatte,  indem  ein  Theil  der  schädlichen  Substanz  durch 
Dialysirung  ausgezogen  worden  war.  Die  Ii^ection  musste 
gleich  darauf  wiederholt  werden,  da  das  erste  Mal  der  grösste 
Theil  der  Flüssigkeit  wieder  abfloss.  Gleichzeitig  mit  der  In- 
jection  wurde  mit  der  dazu  benützten  Flüssigkeit  eine  Control- 
cultur  auf  Nähragar  angestellt,  die  negativ  ausfiel.  Am  folgen- 
den Tage  fand  sich  starke  Injection  und  Chemosis,  diffuse 
Hornhauttrübung,  Irishyperämie  und  reichliche,  eitrig  fibrinöse 


*)  Th.   Leber,    Die  Entstehung   dor  Entzündung  etc.  S.  132 
und  133. 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.     119 

Ezsadation  in  der  vorderen  Kammer.  Sensibilität  der  Horn- 
haut auffallend  herabgesetzt.  Nach  drei  Tagen  war  die  Horn- 
haut etwas  weniger  getrübt  und  zeigte  sich  wieder  etwas  em- 
pfindlich. Das  Exsudat  in  der  vorderen  Kammer  nahm  von  da 
an  allmählich  ab  und  war  nach  7  Tagen  grösstentheils  resor- 
birt  Die  Hornhaut  blieb  aber  noch  immer  diffus  getrübt  und 
es  stellte  sich  Vasculurisation  vom  Rande  her  ein;  Iris  noch 
stark  hyperämisch.  Unter  zunehmender  Breite  der  Randvascu- 
larisation  kam  es  dann,  10  Tage  nach  der  Injection,  zu  deut- 
licher Ektasie  der  Hornhaut.  Die  Trübung  nahm  wieder  zu, 
sodass  die  Pupille  nicht  deutlich  zu  erkennen  war.  Der  Zu- 
stand blieb  von  jetzt  an  bis  zum  15.  Tage  nach  der  Injection 
ziemlich  unverändert,  nur  dass  die  Injection  der  Bindehaut 
allmählich  abnahm.  Die  Randvascnlarisation  hatte  jetzt  2  mm 
Breite.  Die  Hornhauttrübung  nahm  von  da  an  wieder  ab,  die 
Yascularisation  fing  am  Hornhautrande  an,  sich  etwas  zu  lich- 
ten, während  die  Ektasie  des  Bulbus  allmählich  weiter  zunahm. 
Das  Auge  wurde  von  jetzt  ab  längere  Zeit  nicht  beobachtet 
und  zeigte,  als  es  nach  4  Monaten  wieder  zur  Untersuchung 
kam,  folgenden  sehr  merkwürdigen  Zustand: 

Die  Hornhautmitte  hatte  sich  vollständig  wieder  aufgehellt, 
während  der  Rand  von  einer  4 — 6  mm  breiten,  weissen  sklero- 
sirenden  Trübung  eingenommen  war,  die  von  der  Sklera  meist 
scharf  abgesetzt  war.  Die  Hornhaut  war  beträchtlich  ver- 
grössert,  ihr  horizontaler  Durchmesser  betrug  16,  der  vertikale 
15  mm.  Die  Pupille  erschien  rund  und  ft'ei  von  Exsudat,  die 
Iris  zart,  etwas  atrophisch,  ihre  Randteile  stark,  aber  ungleich- 
massig  zu  durchleuchten,  die  vordere  Kammer  tief,  die  Iris- 
peripherie  mit  der  am  Rand  getrübten  Hornhaut  verwachsen. 
Die  ophthalmoskopische  Untersuchung  ergab  eine  ungewöhnlich 
tiefe  Excavation  der  Sehnervenpapille.  Diese  erschien  dabei 
nicht  wie  sonst  beim  Kaninchen  horizontal  oval,  sondern  auf- 
fallend rund;  die  Markstrahlung  stark  atrophisch  und  die  Netz- 
hautgefässe  sehr  eng.  Drei  Monate  später  war  der  Befund 
derselbe,  nur  hatte  die  Excavation  an  Tiefe  zugenommen,  trotz- 
dem wurde  constatirt,  dass  die  Pupille  noch  auf  Lichtwechsel 
reagirte  und  dass  das  Thier  bei  Beleuchtung  mit  dem  Spiegel 
das  Auge  schloss. 

Anatomische  Untersuchung. 

Die  Maasse,  die  von  dem  Bulbus  genommen  wurden,  waren 
folgende: 


120  L-  Berberich. 

Der  sagittale  Darchmesser  17,5  mm,  grösster  äquatorialer 
Durchmesser  18,7,  Durchmesser  in  der  Ebene  der  Hornhaut- 
basis 14  mm.  Der  vordere  Bulbusabschnitt  ist  erheblich  yer- 
grössert;  in  sagittaler  Richtung  betrug  der  Abstand  vom  Hom- 
hautscheitel  bis  zu  der  durch  die  Sklerocomealgrenze  gelegten 
Ebene  5 — 6  mm,  dabei  war  die  vordere  Kammer  ziemlich 
seicht  Die  Iris  war  von  ihrer  Insertion  an  in  einer  Breite 
von  etwa  3 — 4  mm  an  die  Peripherie  der  Cornea  angeheftet, 
die  Cornea  erschien  nirgends  im  geringsten  gedehnt  und  ver- 
dünnt, ihre  Dicke  betrug  durchschnittlich  1  mm,  während  die 
Sklera  theilweise  weniger  als  ^4  ™™  ^^  Dicke  hatte  und  an 
ihrer  dicksten  Stelle  kaum  ^j^  mm  erreichte.  Die  Cornea  ist 
ringsum  vom  Rande  her  etwa  in  der  Breite  von  4 — 5  mm 
vascularisirt,  und  in  etwa  derselben  Ausdehnung  an  ihrer  hin- 
tern Fläche  von  einer  neugebildeten  Bindegewebsschicht  bedeckt 
Der  Opticus  ist  an  seiner  Eintrittsstelle  in  den  Bulbus  am- 
pullenförmig  aufgerieben,  indem  sich  eine  tiefe  Excavation  der 
Pupille  bis  in  den  Stamm  des  Opticus  hinein  erstreckt;  die- 
selbe war  durch  einen  Querschnitt  au  der  Eintrittsstelle  des 
Opticus  in  das  Auge  eröffnet  worden. 

Im  einzelnen  betrachtet,  bietet  der  vordere  Bulbusabschnitt 
die  hochgradigsten  Veränderungen.  Zunächst  ist  der  gefäss- 
haltige  Limbus  conjunctivae  ziemlich  weit  auf  die  Cornea  vo]> 
geschoben,  enthält  weite  Gefässe  und  in  geringer  Ausdehnung 
eine  dichte  Infiltration  mit  Rundzellen.  Der  Uebergang  in  die 
eigentliche  Cornea  ist  bezeichnet  durch  das  deutliche  Hervor- 
treten von  Qylinderzellen  in  der  tiefisten  Schicht  des  Epithels. 

Die  Bow  man 'sehe  Membran  ist  wenig  entwickelt;  die 
oberste  Schicht  der  Grundsubstanz  der  Hornhaut  ist  noch  eine 
ziemliche  Strecke  weit  von  Gefössen  durchzogen,  in  deren  Um- 
gebung auch  einige  Leukocyten  liegen;  auch  zeigt  diese  Schicht 
vermehrten  Kerngehalt  Das  Epithel  der  Hornhaut  zeigt  eben- 
falls Veränderungen;  die  Schicht  der  platten  Zellen  ist  vielfach 
blasig  abgehoben,  besonders  an  den  peripheren  Theilen,  was 
zwar  zum  Theil  Präparationswirkung  ist,  aber  doch  auf  eine 
Lockerung  des  Zusammenhangs  der  Zellen  bezogen  werden 
muss.  Des  öfteren  trifft  man  auch  einzelne  verhornte  Epithe- 
lien  durch  blasige  Degeneration  der  darttberliegenden  Zellen 
emporgehoben.  Durch  die  Blasenbildung  mag  wohl  auch  die 
Schicht  der  platten  Zellen  zum  Theil  verloren  gegangen  sein, 
die  Cylinderzellen  ragen  dann  wie  zerfasert  hervor;  sie  er- 
scheinen durchweg  stark  entwickelt,  in  die  Länge  gezogen  und 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.     121 

stellenweise  verschmälert,  sodass  Lücken  zwischen  ihnen  sicht- 
bar sind.  Die  Basaltheile  dieser  Zellen  sind  kömig  trüb  und 
grenzen  sich  scharf  gegen  die  leicht  geförbte  snbstantia  propria 
der  Cornea  ab.  Hie  und  da  sind  Leukocyten  dazwischen  ge- 
lagert. Durch  Yergrössernng  und  Blasenbildung  in  den  Cylin- 
derzellen  werden  stellenweise  die  andern  auseinandergedrängt, 
sodass  eine  zwiebelähnliche  Anordnung  entsteht  Die  Bow- 
manische  Membran  zeigt  an  einer  Stelle  im  peripheren  Theil 
eine  umschriebene,  flache,  hüglige  Auflagerung  von  netzför- 
migem Bindegewebe  mit  einzelnen  Ljrmphzellen.  Die  peri- 
pheren Theile  der  Grundsubstanz  der  Hornhaut  sind  reichlich 
vascularisirt,  die  Gefösse  erstrecken  sich  so  weit,  wie  innen 
die  noch  zu  beschreibende  bindegewebige  Auflagerung.  In 
dem  Bereich  der  Gefässe,  in  der  tiefsten  Schicht,  treten  auch 
zahlreiche,  kleine,  ovale  Lücken  zwischen  den  Lamellen  auf, 
sie  fehlen  im  centralen  Theil.  Die  Kerne  sind  wohl  im  all- 
gemeinen vermehrt  und  von  blasserer  Färbung  als  die  Leuko- 
cytenkerne  in  der  Umgebung  der  neugebildeten  Gefässe. 

Die  Descemet'sche  Membran  ist  verschiedenfach 
durchbrochen  und  zwar  liegen  die  meisten  Defecte  in  der 
Obern  Hälfte,  nur  ganz  kleine  nach  unten,  während  das  Cen- 
trum ganz  davon  frei  ist.  Die  Ränder  dieser  Defecte  sind 
meistens,  wie  auch  sonst  die  Kegel  ist,  nach  aussen  umgeklappt. 
Zuweilen  finden  sich  an  einem  und  demselben  Schnitt  zwei 
oder  sogar  drei  solcher  Defecte  neben  einander.  Der  Rand 
der  Defecte  zeigt  sich  unregelmässig,  wie  zerfressen.  Die 
Lücken  sind  von  fibrillärem  Bindegewebe  ausgefüllt,  das  die 
Innenfläche  der  Cornea  in  ihrem  ganzen  peripherischen  Ab- 
schnitt bedeckt  und  dessen  Structur  auf  dem  Dickendurch- 
schnitt der  der  Cornea  ähnlich  ist.  Ueber  dieses  Gewebe  er- 
streckt sich  zum  Theil  das  Endothel  hinüber  und  hat  auch 
wieder  eine  neue,  zarte  Glashaut  an  seiner  äussern  Fläche 
ausgeschieden.  Das  organisirte  Gewebe  ist  sehr  gefässarm  und 
schliesst  auch  nicht  viele  Zellen  ein.  Unter  diesem  Gewebe 
ist  die  Descemet'sche  Membran  vielfach  durch  eine  Auflage- 
rung glashäutiger  Substanz  verdickt,  die  sich  scharf  von  der 
alten  Glashaut  abgrenzt.  Am  centralen  Theil  konnte  ich 
übrigens  auch  eine  kleine  drusenartige  Neubildung  von  Glas- 
haut beobachten,  eine  vollständig  abgeschnürte,  von  Endothel 
umgebene  Kugel.  Von  der  Lage  und  den  Durchmessern  der 
Defecte  der  Descemet 'sehen  Membran  wurden  nun  an  zahl- 
reichen,   in    passenden   Abständen   von   einander   befindlicheu 


122  L.  Berberich. 

Schnitten  Maasse  genommen  und  anf  die  Fläche  übertragen, 
wodnrch  es  gelang,  eine  anschauliche  Vorstellung  von  der  Zahl, 
Lage  und  Ausdehnung  der  Defecte  zu  erhalten  (Vergl.  Fig.  II). 

Wie  erwähnt,  liegt  die  Irisperipherie  in  grosser  Ausdeh- 
nung der  Cornea  an;  wo  sie  sich  von  ihr  abhebt,  ist  sie  mit 
der  den  angrenzenden  Theil  der  Cornea  bedeckenden  Binde- 
gewebsmembran  fest  verwachsen;  daneben  sieht  man  stellen- 
weise von  ihrer  vordem  Fläche  aus  Stränge  von  Irisgewebe 
zur  Bindegewebsschwarte  hinüberziehen.  Der  mit  der  Horn- 
haut verwachsene,  periphere  Theil  der  Iris  ist  stark  verdünnt, 
am  stärksten  am  obern  Rande,  wo  eine  Strecke  weit  nur  eine 
minimal  dünne,  nur  1  bis  2  Zellen  starke  Lamelle  erhalten 
geblieben  ist.  Dass  es  sich  um  die  atrophirte  Iris  handelt, 
erkennt  man  weiterhin  aus  den  auf  ihrer  hintern  Fläche  auf- 
sitzenden Ciliar fortsätzen  und  ihrer  Lage  auf  der  Innenfläche 
der  Cornea,  welche  als  solche  an  der  Desceme tischen  Mem- 
bran kenntlich  ist.  Letztere  zeigt  auch  hier  eine  stellenweise 
Unterbrechung.  Weiter  entfernt  vom  Hornhautrande  schiebt 
sich  zwischen  die  atrophirte  Iris  und  die  Hornhaut  nicht  selten 
bereits  das  oben  erwähnte  Bindegewebe  in  dünner  Schicht  ein. 
Diese  stark  verdünnte  Parthie  der  Iriswurzel  stellt  offenbar 
den  ersten  Anfang  eines  Intercalarstaphyloms  dar,  wobei  aber 
die  Cornea  noch  keine  Verminderung  ihre  Dicke  erfahren  hat. 
Der  freie  Theil  der  Iris  ist  in  seiner  Dicke  sehr  wechselnd 
und  etwas  gefässarm;  das  Endothel  ist  stellenweise  normal, 
stellenweise  gewuchert.  Hinter  und  zwischen  ihm  liegen  auf 
der  vordem  Fläche  der  Iris  massenhaft  Riesenzellen,  grosse  und 
etwas  kleinere,  meist  platt,  mit  gelblichem,  körnigem  Inhalt, 
der  ganz  den  Eindruck  fremden,  von  der  Zelle  aufgenommenen 
Materials  macht,  vermuthlich  aus  der  eingeführten  Coccenmasse 
entstanden.  Das  Gewebe  der  Iris  ist  sehr  zart  und  fehlt  auch 
am  Pupillarrand  fast  ganz,  so  dass  hier  der  anscheinend  un- 
veränderte Sphincter  pupillae  fast  allein  die  ganze  Dicke  ein- 
nimmt. Im  Umfang  der  Pupille  finden  sich  auch  einige  zarte, 
bindegewebige  Auflagerungen  auf  der  Kapsel,  welche  hinteren 
Synechien  im  Leben  zu  entsprechen  scheinen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  das  Verhalten  des  Kammer- 
winkels, welcher  durch  die  periphere  Adhärenz  der  Iris  voll- 
ständig aufgehoben  ist  Die  Venen  des  circulus  venosus  sind 
noch  zu  erkennen,  aber  nicht  mit  Blut  gefüllt,  ihre  Wand  wie 
auch  die  der  skleralen  Venen  kernreich.  Die  Fasern  des  lig. 
pectinatum  verlaufen  ganz  meridional  und  sind  fest  aufeinander. 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.     1 23 

und  an  die  Cornea  angepresst;  der  Kandtheil  der  Iris  ist,  wie 
schon  bemerkt,  bis  auf  eine  zarte  Lamelle  verdünnt. 

An  der  Linse  nebst  Kapsel  sowie  an  der  Zonala  finden 
sich  keine  nennenswerthen  Anomalien. 

Die  Retina  ist,  wohl  durch  die  Präparation,  vollständig 
abgehoben  und  haftet  nur  noch  an  der  Papille  und  der  Ora 
serrata,  ausserdem  ist  sie  verschiedenfach  (artificiell)  eingerissen. 
Abgesehen  von  der  Umgebung  der  Papille  zeigt  sie  vielfach 
locale  Kernvermehrung  geringen  Grades  und  blasige,  cystoide 
Veränderung  und  Abhebung  der  Stäbchenschicht,  die  aber  viel- 
leicht mangelhafter  Conservirung  zuzuschreiben  ist.  Abnor- 
mitäten bietet  sie  nicht  Nach  dem  Glaskörper  zu  liegt  ihr 
eine  blass  feinkörnige  und  klumpige  Eiweissmasse  auf,  die  ver- 
einzelt Bundzellen  enthält,  und  durch  welche  die  Hyaloidea 
mehr  oder  minder  weit  hüglig  abgehoben  ist.  Die  pars  ciliaris 
retinae  zeigt  geringe  cystoide  Degeneration.  Das  Retinalepithel 
liegt  überall  der  Chorioidea  auf  und  ist  in  der  Nähe  der  Pa- 
pille leicht  gewuchert.  Die  (sonst  pigmentloson)  Zellen  sind 
grösstentheils  von  gelblichen,  fettartig  glänzenden  Körnchen 
dicht  erfüllt.  Viele  derselben  enthalten  auch  grössere  goldgelbe 
Körner  und  Klümpchen  von  unrcgelmässiger  Gestalt,  bald  ver- 
einzelt, bald  auch  in  reichlicher  Menge. 

Die  Chorioidea  ist  ebenfalls  durch  die  Präparation  etwas 
von  ihrer  Unterlage  abgehoben  und  die  Suprachorioidea  aufge- 
lockert. Sie  ist  dünn  und  erscheint  besonders  im  hintern 
Bulbustheil  zusammengepresst  und  etwas  kernreich.  An  einer 
Stelle  findet  sich  eine  umschriebene  Anhäufung  von  Rundzellen 
in  der  Umgebung  eines  Gefässes. 

Die  venae  vorticosae  sind  tiberall  mit  Blut  gefüllt;  ihre 
perivasculären  Lymphräume  treten  stellenweise  als  Spalten  her- 
vor, die  nur  selten  einige  Lymphkörperchen  enthalten.  Das 
Endothel  der  Gefässe  zeigt  keine  Abnormitäten. 

Der  Glaskörper  besitzt  die  gewöhnliche,  zart  fibrilläre 
Structur  und  enthält  nur  sehr  spärliche,  vereinzelte  Zellen. 
Die  Membrana  hyaloidea  ist,  wie  erwähnt,  theilweise  durch 
eiweisshaltiges  Exsudat  von  der  Retina  abgehoben. 

Die  Sehnervenpapille  zeigt  die  schon  genannte  ungewöhn- 
lich breite  und  tiefe  Excavation,  durch  welche  der  Opticus- 
stamm  am  Eintritt  in  das  Auge  eine  sehr  bedeutende  Ver- 
dickung erfährt.  Die  grösste  Breite  der  Grubenbildung  in  der 
Ebene  der  (vertical  gerichteten)  Schnitte  beträgt  nahezu  1  ^/^  mm. 
Am  unteren  Rande  ist  fast  nur  noch  die  Opticusscheide  stehen 


124  L.  Berberich. 

geblieben,  w&hreud  nach  oben  noch  eine  ca.  Vs  ^^  dicke  La- 
melle atrophischer  Opticassnbstanz  die  Excavation  begrenzt. 
Die  Nervenfasern  sind  stark  atrophirt,  das  Sttltzgewebe  ge- 
wuchert, verdichtet  nnd  kernreicb,  stellenweise  auch  von  gelben 
Klümpchen  veränderter  Blutkörperchen  durchsetzt.  Auf  der 
Innenfläche  der  Papille  ist  eine  Schicht  neugebildeten,  reticu- 
lären  Zellgewebes  aufgelagert.  Die  angrenzende  Retina  ist  eine 
Strecke  weit  ziemlich  degenerirt,  die  Körnerschichten  treten 
erst  in  einigem  Abstand  als  getrennte  Schiebten  auf,  die  Faser- 
schicht ist  auch  weiterhin  atrophirt.  Die  bündelweise  Anord- 
nung der  Nervenfasern  und  auch  die  Markscheiden  sind  im 
Bereich  des  Opticusstammes  noch  gut  erhalten;  nach  der  Pa- 
pille hin  nimmt  der  Kernreichthum  zu  und  die  Nervenfasern 
verlieren  sich  mehr  und  mehr  zwischen  sich  in  verschiedener 
Richtung  durchflechtenden  Faserzügen,  die  im  Grunde  der  Ex- 
cavation stark  nach  hinten  vorgewölbt  sind,  besonders  oben. 
Am  Grund  der  Papille  findet  sich  ein  kernreiches,  mächtiges 
Bindegewebe  mit  zahlreichen  Lücken.  An  Präparaten,  die  nach 
Weigert' scher  Methode  geförbt  sind,  tritt  normale  Färbung 
der  Markscheiden  erst  in  ca.  5  mm  Entfernung  hinter  dem 
Auge  auf. 

Gegen  den  Bulbus  zu  wird  die  Färbung  für  das  blosse 
Auge  schwächer  und  hört  bald  gänzlich  auf^  wobei  sowohl  die 
Intensität  der  Färbung  als  die  Zahl  der  noch  geförbten  Fasern 
abnimmt;  zuletzt  sieht  man  nur  noch  am  Rande  des  Nerven 
ganz  vereinzelte,  schwach  geförbte  Markscheiden,  im  Innern 
fehlen  sie  vollständig.  Doch  erstreckt  sich  hier  die  vollstän- 
dige Atrophie  nicht  auf  den  ganzen  Querschnitt,  da  an 
Schnitten  vom  obern  Papillarrand  wieder  schwach  gefärbte 
Fasern  zum  Vorschein  kommen,  die  eine  Strecke  weit  in  die 
Retina  zu  verfolgen  sind,  während  sie  im  untern  Theil  des 
Bulbus  ganz  fehlen. 

Der  2.  Fall  (Vers.  31,  1885) 

betraf  das  linke  Auge  eines  schwarzen,  weissgescheckten  Kanin- 
chens. Es  wurde  durch  eine  kleine  Lanzenmesserwunde  ein  Stück- 
chen alkoholischen  Extractes  von  Staphylococcus  aureus  in  die 
vordere  Kammer  eingeschoben,  von  wo  es  zunächst  durch  das 
abfliessende  Kammerwasser  wieder  nach  aussen  in  den  Binde- 
hautsack geschwemmt  wurde;  der  gerinnende  humor  aqueus 
schloss  aber  das  Extractstückeben  ein  und  hinderte  so  dessen 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundftrglaucom.     125 

Zertheilung,  so  dass  es  sich  wieder  in  das  Auge  hineinbringen 
und  bis  vor  die  Pnpille  vorschieben  Hess.  Das  Ange  zeigte 
von  Anfang  an  nur  geringe  Injection,  die  bald  wieder  zurück- 
ging. Die  Pupille  wurde  vollständig  von  dem  in  Fibrin  ge- 
hüllten, gelblichen  Extract  bedeckt  Auch  der  umgebende  Theil 
der  Iris  war  von  Fibringerinnsel  überlagert,  während  der  peri- 
phere Theil  der  Iris  freiblieb. 

Empfindlichkeit  der  Hornhaut  herabgesetzt.  Am  3.  Tage 
trat  ein  hypopyonartiger  Absatz  am  Boden  der  vorderen  Kam- 
mer auf,  der  aber  im  .Lauf  der  nächsten  Zeit  allmählich  zu- 
rückging, während  das  Exsudat  in  der  Pupille  und  auf  der 
Iris  sich  weniger  verminderte.  Es  trat  dabei  am  obern  und 
untern  Homhautrand  ein  ca.  1  mm  breiter  Saum  von  Yascu- 
larisation  auf.  14  Tage  nach  der  Injection  fand  sich  folgen- 
der Zustand:  Die  Injection  grösstentheils  verschwunden;  das 
Exsudat  in  der  vordem  Kammer  mit  Ausnahme  der  Pupille 
resorbirt,  letztere  völlig  verschlossen;  Hornhaut  ektatisch,  be- 
sonders nach  unten  hin  leicht  getrübt  und  von  feinen  Gefässen 
durchzogen,  ihre  Empfindlichkeit  noch  merklich  herabgesetzt; 
vordere  Kammer  aufgehoben;  die  Sklerocornealgrenze  stellt  im 
unteren  Umfang  eine  bis  6  mm  breite,  bläuliche  Zone  dar, 
deren  peripherer  Band  durch  den  etwas  verbreiterten  und  auf- 
gelockerten Pigmentsaum  des  Epithels  bezeichnet  wird,  während 
der  centrale  Band  ohne  Pigmentirung  sich  scharf  gegen  die 
durchsichtige  Hornhaut  absetzt  Etwa  2  Monate  nach  Einfüh- 
rung des  Extractes  war  die  Iigection  ganz  geschwunden  und 
die  Pupille  durch  Besorption  des  Exsudates  wieder  ziemlich 
frei  geworden;  am  untern  Pupillenrande  war  ein  breiter,  durch- 
brochener Pigmentsaum  der  Linsenkapsel  aufgelagert  Die  den 
Umfang  der  Hornhaut  einnehmende,  bläuliche,  getrübte  Zone 
muss  nach  dem  ihren  peripheren  Band  bezeichnenden  Pigment- 
Btreifen  der  Hornhaut  zugerechnet  werden,  obgleich  sie  die 
Wölbung  der  Sklera  besitzt,  und  wie  diese  aussieht,  und  ob- 
wohl die  Iris  sich  an  ihren  centralen  Band  ansetzt,  sodass  die 
vordere  Kammer  sich  nicht  bis  in  ihren  Bereich  erstreckt. 
Diese  bläuliche  Zone  ist  jetzt  nach  innen  unten  2,5  mm,  ge- 
rade nach  unten  1,5  mm,  nach  aussen  ca.  0,5  mm  breit;  nach 
unten  grenzt  daran  noch  eine  etwa  ebenso  breite  Zone,  in 
deren  Ausdehnung  die  Sklera  eine  dunkelgraue  Yer&rbung 
darbietet  Der  Augenhintergrund  zeigt  ausser  einer  geringen 
Excavation  keine  Veränderung.  Als  das  Auge  1  Jahr  später 
enucleirt  wurde,  war  die  Cornea  getrübt,  sodass  der  Zustand 


126  L-  Berberich. 

der  Papille  nicht  mehr  zu  erkennen  war,  und  ihr  Rand  war 
jetzt  von  einem  zum  Theil  erheblich  verbreiterten  Pigment- 
saum umgeben,  dessen  Breite  nach  aussen  unten  4— 5  mm  er- 
reichte, nach  unten  2  mm,  während  er  nach  den  andern  Seiten 
die  normale  Breite  nicht  erheblich  übertraf.  An  dem  Theil 
des  Umfangs,  wo  der  Pigmentring  verbreitert  war,  unterschied 
man  einen  dichteren,  äusseren  Saum  von  ca.  2  mm  Breite  und 
einen  lockeren,  zartgestreiften  inneren.  Das  enucleirte  Auge 
zeigte  die  schon  im  Leben  beobachtete,  beträchtliche  Yergrös- 
serung  des  vorderen  Bulbusabschnittes  durch  Ektasie  der  Ciliar- 
gegend,  besonders  im  untern  Umfang.  Dasselbe  wurde  im  ver- 
tikalen Meridian  durchschnitten.  Es  fand  sich  dabei  die  Pupille 
weit  und  frei  von  Auflagerung,  auch  in  der  vorderen  Kammer 
kein  Exsudat;  dagegen  bestand  ein  vollständiger  Verschluss  des 
Kammerwinkels  durch  Verwachsung  der  Irisperipherie  mit  der 
Hornhaut.  Die  Ektasie  zeigte  die  Formation  des  Intercalar- 
staphyloms.     An  der  Papille  emo  geringe  Druckexcavation. 

Histologischer  Befund. 

Das  Hornhautepithel  zeigt  auffallende  Veränderungen. 
In  der  Nähe  des  obem  und  unteren  Randes  nimmt  seine  Dicke 
stetig  ab  und  zwar  sowohl  durch  geringere  Höhe  der  Zellen, 
als  durch  Verminderung  ihrer  Zahl,  sodass  bald  nur  noch  eine 
einzige  Schicht  kubischer  Zellen  ttbrig  ist.  An  anderen  Stellen 
lagert  sich  über  diese  wieder  eine  dünne  und  weiterhin  stärker 
werdende  Schicht  platter  Zellen  darüber,  auch  nehmen  die 
Zellen  der  tiefsten  Schicht  wieder  Cylinderform  an.  Stellen- 
weise ist  die  Schicht  der  platten  Zellen  in  der  Ablösung  be- 
griffen. Die  Dicke  und  Beschaffenheit  der  Epithelschicht 
wechselt  von  einer  Stelle  zur  andern;  in  der  Hornhautmitte 
ist  die  Dicke  und  das  Verhalten  am  meisten  der  Norm  ent- 
sprechend. Auch  andere  Unregelmässigkeiten  in  der  Gestalt 
und  Anordnung  der  Zellen  kommen  da  und  dort  vor.  In  der 
Randzone  sind  die  Zellen  der  tiefsten  Schicht  sämmtlich,  die 
der  oberen  theil  weise  pigmentirt,  die  Pigmentirung  erstreckt 
sich,  wie  im  Leben  bemerkt  wurde,  ziemlich  weit  nach  der 
Mitte  hin;  sie  findet  sich  auch  da,  wo  nur  eine  Zellenschicht 
vorhanden  ist,  und  filngt  nach  einer  kleinen  Unterbrechung 
wieder  aufs  neue  an.  Die  verschiedene  Gestalt  und  Grösse 
der  Zellen  beweist,  dass  es  sich  bei  der  Dickenabnahme  des 
Epithels  um  vitale  Vorgänge  handeln  mnss,   wenn  auch  viel- 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.     127 

leicht  ein  Theil  der  platten  Zellen  erst  während  der  Härtung 
abgestossen  worden  ist. 

Die  Bow  man 'sehe  Membran  ist  meistens  nndeatlich,  hie 
and  da  zeigt  sie  kleine,  hüglige  Verdickungen.  Die  peripheren 
Theile  der  Hornhautgrundsubstanz  und  der  angrenzende  Lim- 
bns  der  Conjunctiva  sind  massig  mit  Zellen  infiltrirt.  Die 
erstere  ist  in  einer  ziemlich  breiten  Randzone  von  neugebildeten 
Gemsen  durchzogen. 

Die  Descemet 'sehe  Membran  ist  im  obem  Bulbustheil 
durchbrochen,  der  Defect  aber  durch  Anlagerung  und  Organi- 
sation von  Exsudat  und  Neubildung  von  Endothel  verschlossen. 
Auch  im  untern  Bulbustheil  finden  sich  kleine  Defecte  der- 
selben an  3 — 4  Stellen,  ebenfalls  durch  Exsudate  und  wuchern- 
des Endothel  wieder  ausgefüllt.  Ferner  finden  sich  im  obem 
Theil  am  Rand  der  vordem  Synechien  mehrere  Drusenbil- 
dungen. Der  periphere  Theil  der  Iris  haftet  oben  breit  an 
dep  Descemet'schen  Membran,  unten  ist  die  Synechie  zum 
Theil  gelöst,  nur  eine  schmale  Zunge  liegt  noch  über  dem 
Kammerwinkel.  In  der  Iris  selbst  ist  kaum  eine  Veränderung 
sichtbar. 

Der  Giliarkörper  ist  etwas  atrophisch,  der  Ciliarmuskel 
stark  verschmälert.  Die  Zonula  ist  auf  der  Seite  des  Inter- 
calarstaphyloms  mächtig  entwickelt,  während  sie  auf  der  ent- 
gegengesetzten Seite  beinahe  fehlt,  die  Linse  ist  dadurch  etwas 
nach  der  Seite  des  Staphyloms  gezogen,  sodass  man  von  einem 
geringen  Grad  von  Luxation  sprechen  kann.  Sonstige  Verän- 
derungen zeigt  die  Linse  nicht. 

Das  Intercalarstaphylom  liegt  im  untern  Theil  des  Bulbus, 
die  Sklera  in  der  ganzen  Ausdehnung  stark  verdünnt.  Die 
Fasern  der  Sklera  erleiden  am  Rande  der  Ektasie  eine  Trü- 
bung und  feine  Granulierung,  die  nach  dem  Centram  des  Sta- 
phyloms zunimmt,  die  Kerne  scheinen  vermehrt  und  werden 
lang  und  spindelförmig,  die  Grenzen  der  Fasern  werden  un- 
deutlich und  nur  meridionale  Fasern  sind  noch  zu  sehen.  An 
den  hochgradigsten  Stellen  sieht  man  nur  trübes  Gewebe,  in 
dem  die  Kerne  kaum  noch  sichtbar  sind.  Die  Episklera  zeigt 
geringe  Infiltration.     Die  übrige  Sklera  ist  durchweg  normal. 

Die  Hyaloidea  ist  fast  überall  von  der  Retina  abgehoben.. 
Zwischen  beiden  liegen  Fettkörnchenzellon  und  Eiweissklumpen. 

Die  Retina  zeigt  keine  Veränderung. 

Die  Chorioidea  ist  etwas  atrophisch;  an  den  venae  vorti- 
cosae  ist  keine  Veränderung  sichtbar. 


128  L.  Berberich. 

Die  Excavation  ist  weit  geringer  als  im  ersten  Falle, 
aber  doch  entschieden  breiter  und  tiefer  als  am  normalen  Auge, 
auch  erscheinen  die  Faserzüge  in  ihrem  Grunde  deutlich  nach 
hinten  ausgebuchtet  und  die  Nervenfasern  abgeknickt;  auch  ist 
die  Dicke  der  Nervenfaserschicht  am  Bande  der  Papille  und 
in  der  angrenzenden  Retina  deutlich  vermindert;  auch  nach 
Färbung  mit  der  Weigert 'sehen  Methode  ergiebt  sich  ein 
gewisser  Grad  von  Atrophie  der  Substanz;  im  Ganzen  erscheinen 
die  Fasern  gelockert,  spärlicher  und  lassen  sich  in  der  charak* 
teristischen  Färbung  viel  weniger  weit  als  in  der  Norm  in  die 
Netzhaut  hinein  verfolgen. 

Sowohl  aus  den  angeführten  Auszügen  der  Protokolle, 
als  aus  den  erwähnten  Veränderungen  der  beiden  Augen 
ist  ersichtlich,  dass  es  sich  um  Ausgänge  einer  eitrig-fibri- 
nösen  Entzündung  des  vordem  Bulbusabschnittes  handelte, 
im  ersten  Falle  heftiger  und  von  längerer  Dauer  als  im 
zweiten.  Der  Endeflfect  war  in  beiden  Fällen  intraoculare 
Drucksteigerung,  die  sowohl  zu  pathologischer  Excavation 
der  Papille  als  zu  Ektasie  der  Bulbuswand  in  der  Gegend 
der  Comeoskleralgrenze  führte,  Veränderungen,  die  vom 
menschlichen  Auge  her  zur  Genüge  als  Folgen  von  Druck- 
steigerung bekannt  sind.  Die  Uebereinstinmiung  mit  dem 
Glaucom  beim  Menschen  ist  am  erst  beschriebenen  Auge 
um  so  grösser,  weil  die  Pupille  von  der  Bindegewebsneu- 
bildung,  welche  die  Hinterfläche  der  Hornhaut  einnahm, 
frei  blieb  imd  nach  Resorption  des  sie  anfangs  deckenden 
Exsudates  die  tiefe  Druckexcavation  mit  dem  Augenspiegel 
nachweisbar  war.  Die  enorme  Tiefe  der  Gnibenbildimg, 
die  auch  durch  die  anatomische  Untersuchung  bestätigt 
wurde  und  der  ebenfalls  ophthalmoskopisch  wie  anatomisch 
nachgewiesene,  hochgradige  Schwund  der  markhaltigen 
Fasern  der  Papille  und  Netzhaut  lassen  an  der  Entstehung 
dieser  Veränderungen  infolge  gesteigerten  Augendruckes 
keinen  Zweifel  aufkommen.  Im  zweiten  Falle  war  zu  der 
Zeit,  wo  die  Augenspiegehmtersuchung  noch  möglich  war, 
die  Excavation  nicht  tief  genug,  um  sie  sicher  als  patho- 


Anatom.  Untersuchung  vi>n  f-xperimentell^ni  S<H>und&rvlauci>xu.     129 

logisch  bezeichnen  zu  krmnen.  Die  anatomische  Unter- 
suchung ergab  aber  eine  beträchtliche  Tiefe  der  Ausbuch- 
tung, die  sicher  für  pathologisch  anzusprechen  war,  wju» 
noch  durch  die  beginnende  Atrophie  der  Nervenfasern  und 
die  Hyperplasie  de>  8tütz«^ewebes  bestätigt  wird. 

Die  erste  Veranlassung  zur  Entstehung  der  Druck- 
steigeiTing  gab  die,  durch  die  entzündungerregende  Substanz 
des  Staphylococcus  ei-zeugte.  eitrig -fibrinöse  Kerato- Iritis. 
Das  vermuthete  Mittelglied,  die  als  Folge  der  Entzündung 
aufgetretene  Yer^^achsung  des  Kanimerwinkels,  wurde  in 
beiden  Fällen  in  exquisiter  Weise  beobachtet,  sodass  wenig- 
stens die  Möglichkeit  sicher  steht,  dass  bei  dem  experi- 
mentellen Glauconi  die  gestörte  Filti-ation  aus  der  vorderen 
Kammer  die  Ursache  von  Drucksteigerung  abgiebt.  Natür- 
lich können  zwei  gelegentlich  beobachtete  Fälle  nicht  als 
sicherer  Beweis  dienen,  dass  der  Verschluss  des  Kammer- 
winkels hier  in  der  That  die  eigentliche  Ursache  der  Dnick- 
steigerung  gewesen  ist. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  Veränderungen, 
welche  der  entzündliche  Process  an  den  Wänden  der  vor- 
deren Kammer  hervorgebracht  hat,  und  zwar,  abgesehen 
von  der  Verwachsung  des  Kammerwinkels,  namentlich  die 
verschiedenen,  zum  Theil  multiplen  Defecte  der  Desc.  Mem- 
bran und  die  Regenerationsvorgänge  in  deren  Bei-eich  duivh 
Neubildung  von  glashäutiger  Substanz,  wie  sie  schon  be- 
sonders eingehend  durch  AVagenmann  geschildert  worden 
sind.  Die  Figm»  II  giebt  von  der  Zahl  und  Ausdehnung 
der  Lücken,  welche  die  Desc.  Membran  bei  dem  Eiterbil- 
dungsprocess  in  der  vorderen  Kammer  erfuhr,  eine  sein* 
anschauliche  Vorstellung.  Da  mehrfach  auch  die  Substiuitia 
propria  der  Honihaut  im  Bereich  der  Defecte  der  (TJashaut 
durch  Narbengewebe  einsetzt  war,  so  handelt  es  sich  ofton- 
bar  um  die  Folgen  von  geschwürigen  Processen  an  d(»r 
Innenfläche  der  Hornhaut,  wie  sie  Tb.  lieber  b(»i  seiiuMi 
Versuchen  mit  Staphylococcusextracten  beobachtet  hat  un<l 

V.  Graofo's  Archiv  fUr  Ophthaliuologi«.    XL.    2.  9 


130  L.  Berberich. 

die  bei  längerer  Dauer  vielleicht  ebenfalls  zur  Perforation 
gefuhrt  haben  würden. 

Das  Homhautendothel  ging  nicht  nur  im  Bereich  des 
Defectes  der  Glashaut,  sondern  auch  daneben  auf  weite 
Strecken  hin  zu  Grunde;  später  kam  es  dann  zur  Regene- 
ration des  Endothels  von  der  intact  gebliebenen  Umgebung 
aus,  worauf  das  neue  Endothel  unter  Umständen  wieder 
eine  glashäutige  Membran  von  wechselnder  Dicke  ausschied. 

Im  zweiten  Falle  führte  die  Schrumpfung  des  neuge- 
bildeten Gewebes  durch  Abhebung  des  intacten  Homhaut- 
endothels  zu  Drusenbildung.  Im  ersten  Falle  war  diese 
eben  nur  angedeutet  und  die  Druse  ohne  Zusammenhang 
mit  dem  schrumpfenden  und  sich  nach  der  Iris  zu  retra- 
hirenden  Gewebe.  Die  Drusenbildung  im  zweiten  Fall 
steht  ganz  im  Einklang  mit  der  von  Th.  Leber  aufge- 
stellten Ansicht  über  die  Entstehung  dieser  Bildungen. 
Das  schrumpfende  Gewebe,  das  mit  dem  Endothel  ver- 
wachsen war,  hat  dieses  lamellenförmig  abgehoben  und  da- 
durch zur  Neubildung  von  Glashaut  gefuhrt,  die  bald  leisten- 
förmig,  bald  als  beinahe  freie  Kugel  erscheint 

Die  Structur  des  der  Hornhaut  anliegenden,  neuge- 
bildeten Gewebes  ist,  wie  dies  auch  von  Wagenmann  und 
Andern  beobachtet  wurde,  ganz  der  des  Comealgrundge- 
webes  ähnlich,  von  letzterem  aber  deutlich  abgegrenzt  durch 
die  alte  Desc.  Membran,  deren  Endothel  geschwunden  ist. 

In  der  Substantia  propria  der  Cornea  erstreckt  sich  die 
Vascularisation  nach  der  Mitte  zu  nicht  über  die  ganze 
Ausdehnung  der  Defecte  in  der  Desc.  Memlwan,  was  aber 
wohl  ursprünglich,  wie  aus  dem  Protokoll  zu  entnehmen 
ist,  der  Fall  war;  es  darf  daraus  geschlossen  werden,  dass 
die  Keratitis,  womit  auch  die  Beobachtung  im  Leben  über- 
einstimmt, sich  im  Stadium  der  Rückbildung  befand,  als 
das  Auge  enucleirt  wurde.  Voraussichtlich  wäre  diese  auch 
noch  weitergegangen;  darauf  deuten  meiner  Ansicht  nach 
die  zahlreichen  Riesenzellen  hin,  welche  die  in  der  vordem 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglauconi.     131 

Kammer  enthaltene  schädliche  Substanz  völlig  in  ihr  Inneres 
aufgenommen  hatten.  Dieselben  sind  im  ersten  Auge,  be- 
sonders im  oberen  vorderen  Theil,  sehr  zahlreich  und  so- 
wohl in  dem  neugebildeten  Bindegewebe,  wie  in  der  Iris 
imd  deren  Wurzel  massenhaft  anzutreflfeu.  Die  Form  wechselt 
ebensosehr  wie  die  Zahl  der  Kerne,  das  Protoplasma  ist 
trüb,  granulirt  und  enthält  verschiedene  rundliche  und  läng- 
liche Gebilde,  die  wie  Gewebstriimmer  sich  ansehen;  theil- 
weise  sind  diese  leuchtend  mit  Eosin  gefärbt,  ähnlich  den 
eosinophilen  Kömchen,  die  von  Prof.  Leber  bei  seinen 
Versuchen  beobachtet  wurden.  Die  Zellen  sind  in  Zügen 
angeordnet,  die  sich  in  dem  Bindegewebe  an  der  Hinter- 
fläche der  Cornea  unter  dem  Endothel  zur  Iris  hinziehen, 
wo  sie  hauptsächlich  in  der  Iriswurzel,  aber  auch  über  die 
Iris  zerstreut,  unter  dem  Endothel  zu  treflfen  sind.  Am 
reichUchsten  fand  ich  sie  an  der  Hinterfläche  der  Horn- 
haut, wo  sie  an  einer  Stelle  einen  necrotischen  Heerd  voll- 
ständig umringt  und  von  der  Umgebung  losgetrennt  haben ; 
weiterhin  sieht  man  sie  zwischen  die  Fasern  des  neuge- 
bildeten Gewebes  eindringen. 

Die  Veränderungen  des  Homhautepithels  dürfen  wohl 
als  Folgeerscheinungen  des  gesteigerten  Druckes  betrachtet 
werden,  wie  sie  an  andern  glaucomatösen  Augen  vielfach 
beobachtet  sind.  Insbesondere  Trübung,  vesiculäre  Degene- 
ration, Proliferationserscheinimgen,  die  auf  vorausgegangene 
Defecte  hinweisen  und  wozu  auch  die  im  ersten  Fall  be- 
obachteten ZwiebeKormen  im  Epithel  und  die  Verbreiterung 
des  Pigmentsaums  am  Homhautrande  zu  rechnen  sind. 

Von  Seiten  der  Iris  ist  die  hochgradige  Atrophie  und 
Verdünnung  ihrer  Eandzone  als  Folge  der  Dehnung  her- 
vorzuheben; im  übrigen  zeigt  ihr  Gewebe  wenig  Verände- 
rungen. Offenbar  ist  die  Iris  als  gefässreiches  Organ  sehr 
Widerstands-  und  restitutionsfähig,  sogar  ihre  Function  ist 
zum  Theil  wiederhergestellt  worden,  denn  kurz  vor  der 
Enucleation  wurde  noch  Pupillarreaction  beobachtet 

9* 


132  L.  BerbericL. 

Die  Linse  ist  in  beiden  Fällen  intact  geblieben,  der 
Contact  mit  dem  Eiter  war  wohl  ein  zu  kurzer,  um  zu  einer 
Veränderung  zu  fuliren. 

Interessant  ist  das  Auftreten  eines  Intercalarstaphyloms 
in  beiden  Fällen,  besonders  ausgeprägt  im  zweiten  Auge 
und  zwar  hier  nach  unten  gelegen,  eben  nur  angedeutet 
im  ersten  Auge  und  zwar  nach  oben  gelegen;  in  diesem 
Auge  finden  sich  auch  die  meisten  Defecte  der  Desc. 
Membran  nach  oben.  In  beiden  Fällen  dürfte  wohl  die 
liOcalisation  der  Staphylome  von  der  zufälligen  Lagerung 
der  eingefiihrten  Substanzen  und  von  dem  Füllungsgrad  der 
Kammer  abhängig  gewesen  sein.  Die  wirksame  Substanz 
hat  vemiuthUch  l)ei  ihrer  Resorption  aus  der  vorderen 
Kammer,  wobei  sie  das  Gewebe  der  Sklerocomealgrenze 
durchtränkte,  eine  Skleritis  mit  eitriger  Infiltration  und  Er- 
weichung des  Gewebes  hervorgerufen.  Die  Infiltration  ging 
zurück  und  hinterUess  eine  wenig  resistente  Cornea  und 
Sklera,  die  dem  wachsenden  Drucke  nicht  zu  widerstehen 
vermochten.  Die  Drucksteigerung  für  sich  allein  würde  am 
zweiten  Auge  keine  beträchtliche  Ektasie  bewirkt  haben, 
auch  lässt  sich  damit  deren  Sitz  in  keinem  der  beiden 
Fälle  genügend  erklären,  weil  die  Augenwand  nicht  an  der 
dünnsten  Stelle,  am  Aequator,  sondern  an  der  Sklerocor- 
nealgrenze  ausgebuchtet  wurde. 

Die  Chorioidea  und  Retina  sind  nur  in  geringerem 
Grade  betrofien.  Abgesehen  von  leichten  entzündlichen 
Veränderungen  lassen  sie  auch  die  Wirkung  des  gesteigerten 
Druckes  erkennen,  der  Verdünnung  und  beginnende  Atrophie 
hervorrief.  Die  hie  und  da  bemerkte,  aber  nur  ganz  ge- 
ringfügige Leukocytenanhäufung  an  den  Durchtrittsstellen 
derVenae  vorticosae  ist  wohl  ebensowenig  von  Bedeutung, 
wie  die  vereinzelte,  zellige  Infiltration  in  der  Chorioidea 
des  ersten  Auges. '  Dass  die  Retina  trotz  der  hochgradigen 
Excavation  nicht  vollständig  fimctionslos  geworden  ist,  da- 
für  spricht   sowohl,    dass    noch    markhaltige   Nervenfasern 


Anatom.  Untersuchung  von  experimentellem  Secundärglaucom.     133 

vorhanden  waren,  als  auch  die  Angabe  in  dem  Protokoll, 
(lass  das  Thier  bei  Beleuchtung  das  Auge  schloss  und  dass 
Pupillarreaction  vorhanden  war.  Im  zweiten  Fall  ist  über- 
haupt die  Zahl  der  markhaltigen  Fasern  nur  wenig  ver- 
mindert, auch  deutet  das  wenig  veränderte  Aussehen  der 
Retina  auf  ihre  Functionstähigkeit  hin. 

Die  vorhergehende  Beschreibung  der  pathologisch- 
anatomischen Befunde  der  beiden  ektatischen  Verauchs- 
augen  hat  somit  ergeben,  dass  nach  einer  experimentellen 
Kerato-Iritis,  welche  ihren  Ausgang  in  Verwachsung  des 
Kammerwinkels  nahm,  eine  wahi-e  Druckexcavation  der 
Sehnervenpapille  zur  Entwicklung  kommen  kann.  Es  wird 
die  Aufgabe  weiterer  experimenteller  Untersuchungen  sein, 
geeignete  Methoden  ausfindig  zu  machen,  durch  welche  mit 
möglichst  geringer  und  kurzdauernder  Entzündung  eine 
ausgiebige  Verwachsung  des  Kammerwinkels  erzielt  werden 
kann,  um  dadurch  festzustellen,  ob  wirklich,  wie  die  obigen 
Befunde  vemmthen  lassen,  Drucksteigerung  und  dadui'ch 
bedingte  Sehnervenexcavation  eine  nothwendige  Folge  dieser 
Verwachsung  ist.  Es  wird  dann  die  Theorie  des  Glaucoms 
einen  nicht  unwichtigen  Schritt  vorwärts  gethan  haben. 

Am  Schlüsse  der  Arbeit  ergreife  ich  mit  Vergnügen 
die  Gelegenheit,  meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Prof. 
Leber,  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen  für  die 
Ueberweisung  der  Untersuchungsobjecte  und  für  die  freund- 
liche Unterstützung  bei  deren  Untersuchung. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  IV. 

Fig.  1.  Verticalschnitt  durch  das  Kaninchenauge  mit  Secundärglau- 
com (von  Versuch  69,  1886). 

Fig.  1  a.  Längsschnitt  durch  den  Opticuseintritt  desselben  Auges, 
stärker  vergrössert. 


134        L.  Berberich.  Anatom.  Untere,  v.  experim.  Secundärglaiicom. 

Fig.  2.  Flftchenansicht  der  Hornhaut  von  dem  ersten  Fall,  in  welche 
die  an  den  verschiedenen  Schnitten  in  ihrer  Lage  und  Aus- 
dehnung gemessenen  Defecte  der  Descemet'schen  Membran 
eingetragen  wurden. 

a)  Homhautrand, 

b)  Pupillenrand, 

c)  innere  Grenze  der  Yascularisation  der  Hornhaut, 

d)  innere  Grenze  der  bindegewebigen  Auflagerung  an  der 
hinteren  Flftche. 

e)  Grenze  der  Defecte  der  Descemet'schen  Membran. 
Fig.  3.     Durchschnitt  durch  das  zweite  Versuchsauge  mit  beginnender 

Druckexcavation  des  Sehnerven  und  Intercalarstaphylom. 
Fig.  4.     Verticaler  Schnitt  durch  den  normalen  Sehnerveneintritt  des 

Kaninchens,  seitlich  gefollen. 
Fig.  5  u.  6.  Desgleichen,  mehr  durch  das  Centrum  der  Papille  gehend. 
Fig.  7.    Durchschnitt  durch   den   Sehnerveneintritt   des   Kaninchens 

nach  Ad.  Weber. 

a)  im  normalen  Zustand, 

b)  bei  Drucksteigerung. 


ünterBüchnng  eines  Anges 
mit  doppelter  Perforation  durch  eine  Stichsäge. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntniss 
der  traumatischen  Skleralstaphylome. 

Von 

Dr.  Jul.  Duffing 
aus  Dossenheim. 

Hierzu  Tafel  V,  Fig.  1—2. 


Perforationen  der  Sklera  gehören  zu  den  häufigeren 
Augenverletzungen,  besonders  in  der  arbeitenden  Klasse 
einer  industriereichen  Gegend,  sei  es,  dass  dieselben  direct 
durch  das  Eindringen  eines  Fremdkörpers  hervorgerufen 
werden,  oder  dass  sie  durch  Berstung  der  Sklera  entstehen, 
wenn  eine  stumpfe  Gewalt  das  Auge  trifft.  Die  durch 
diese  Ursachen  hervorgerufenen  Entzündungsprocesse  wiricen 
sehr  häufig  auch  auf  die  Wundheilung  ein,  sei  es,  dass  die 
Wunde  gleich  anfengs  an  dem  entzündUchen  Process  be- 
theiligt ist,  oder  im  weiteren  Verlauf  in  denselben  herein- 
gezogen wird,  wenn  eine  durch  die  innere  Entzündung  her- 
vorgerufene reichliche  BindegewebsproUferation  im  Stadium 
der  Schrumpfung  eine  Einziehung  der  Narbe  herbeiführt. 
Schhessen  wir  die  Fälle  von  durch  Infection  oder  An- 
wesenheit eines  Fremdkörpers  compUcirter  Wundheilung 
von  unserer  Betrachtung  aus,  so  kann  sich  auch  bei  ein- 
fachen perforirenden  Bulbuswunden  im  Bereich  der  Sklera 


136  Jul.  Diiffiiig. 

der  Verlauf  der  Heilung  und  der  Endausgang  verschieden 
gestalten.  In  der  Literatur  finden  sich  hierüber  nur  spär- 
liche und  kurze  Angaben,  welche  ziuneist  auf  die  klinische 
Beobachtung  basirt  sind,  da  sich  zur  anatomischen  Unter- 
suchung nur  selten  Gelegenheit  geboten  hat 

Ruete^)  sagt  über  die  Verletzungen  der  Lederhaut: 
„Verletzungen  der  Sklera  heilen,  wenn  sie  klein  sind,  durch 
die  erste  Vereinigung,  d.  h.  per  primam  intentionem,  sind 
sie  gross,  so  bilden  sich  Ektopieen  der  inneren  Theile." 

Alexander  Lubinsky*)  erhielt  aus  seinen  Versuchen 
an  Kaninchen  über  penetrirende  Bulbuswunden  folgendes 
Resultat:  „Die  Skleral wunden  heilen  niemals  durch  un- 
mittelbare Adhäsion  ihrer  Ränder;  diese  letzteren  lassen 
vielmehr  einen  leeren  Raum  zwischen  sich,  welcher  sodann 
durch  junges,  später  straff  werdendes,  dm*ch  Wucherung 
der  Conjimctiva  und  Chorioidea  zu  Stande  kommendes 
Narbengewebe  ausgefüllt  wird,  welches  später  mehr  oder 
weniger,  je  nach  der  Grösse  der  AVunde,  in  das  Innere  des 
Auges  hineinragt  und  sich  beim  Ophthalmoskopiren  dem 
Beobachter  als  eine  weisse,  der  Richtung  des  Längsdurch- 
messers der  Wunde  entsprechende  Prominenz  darstellt" 

Ed.  Meyer  ^)  und  Zehender*)  sprechen  in  ihren 
Lehrbüchern  weniger  von  den  Heilungsvorgängen,  als  von 
den  Complicationen ,  welche  durch  die  gleichzeitige  Ver- 
letzung der  Retina  entstehen  können;  letzterer  bemerkt  in 
Bezug  auf  die  Heilung  penetrirender  Skier jlwunden,  dass 
im   Bereich   der  inneren   Wunde   ein  Veniarbungsprocess 


*)  Ruete,  Lehrb.  d.  Ophthalmologie,  Braunschw.  1854.  2.  Aafl. 
Bd.  II.    S.  353. 

■)  AI.  Lubinsky:  lieber  die  den  Augapfel  penetrierenden 
Wunden,  nach  an  Kaninchen  ausgeführten  Experimenten,  y.  Graefe's 
Arch.  Bd.  XIII.  2.    S.  377. 

•)  Ed.  Meyer,  Lehrb.  der  Augenheilkunde.    1875.    S.  122. 

*)  Zehender,  Handb.  der  Augenheilkunde,  3.  Aufl.  1876. 
Bd.  IL,  S.  604. 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     137 

entsteht,  der  schliesslich  sämmtliche  verletzte  Theile  in  der 
Gegend  der  fiiiheren  Wundöfl&iung  durch  ein  gemeinsames 
Nai'bengewebe  verlöthet. 

Während  nach  Lubinsky^)  die  Sklera  bei  der  Hei- 
lung nicht  direct  betheiligt  sein  soll,  fand  Schunkitz 
Miyashita*),  der  an  Kaninchen  über  die  Verheilung  der 
Lederhaut-,  Aderhaut-  und  Netzhautwunden  Versuche  an- 
stellte, indem  er  unter  aseptischen  Cautelen  theils  Stich-, 
theils  Schnittwunden  im  Aequator  bulbi  anlegte,  dass  bei 
Verletzungen  aller  drei  Häute  das  Narbengewebe  von  der 
Sklera  geliefert  wird.  24  Stunden  nach  der  Verletzung 
waren  die  Skleralwunden  verklebt  ohne  Entzündungserschei- 
nungen, 4  Tage  nach  der  Verletzung  per  piimam  inten- 
tionem  geheilt.  Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Bulbi 
der  nach  3,  resp.  6  Wochen  getödteten  Thiere  ergab  ein 
die  Stelle  der  Skleralwunde  vollständig  ausfüllendes  Narben- 
gewebe, das  in  der  Bichtung  von  aussen  nach  innen  ziehend, 
pilzartig  in  den  Glaskörperraum  hineinragte  und  dort  theils 
allmählich  sich  verlor,  theils  rechtwinkelig  umbiegend  mit 
der  Innenfläche  der  Membrana  limitans  verwuchs;  ebenso 
erstreckte  sich  auf  der  Aussenfläche  der  Sklera  auf  eine 
Entfernung  von  3—4  mm  von  der  verletzten  Stelle  aus 
nach  beiden  Seiten  ein  schmaler  Streifen  von  Granulations- 
gewebe, welches  mit  dem  die  Skleralwunde  ausfüllenden 
unmittelbar  zusammenhing.  Entsprechend  der  Stelle  des 
die  Wunde  der  Sklera  ausfüllenden  Gewebes  war  eine  Lücke 
in  der  Netzhaut,  sowie  auch  in  der  Aderhaut  zu  bemerken. 

Michel')  sagt,  offenbar  im  Anschluss  an  diese  Unter- 
suchungen, in  seinem  Lehrbuche :  „Die  Art  der  Vemarbung 
bei  penetrirenden  Stich-  und  Schnittwunden  besteht  zunächst 
darin,   dass    durch    ein    derbes    und   schrumpfendes,   mit 


M  I.e.  •)  Schunkitz  Miyashita:  Experimentelle  Studien  über 
die  Verheilung  der  Lederhaut-,  Aderhaut-  und  Netzhautwunden. 
Inaug.-Diss.,  Würzburg  1888. 

•)  Michel,  Lehrb.  d.  Augenheilkunde,  2.  Aufl.,  S.  659. 


138  J.  Duffing. 

wenigen  Gefässen  versehenes  Bindegewebe  die  Wundränder 
vereinigt  werden,  und  dasselbe  sich  noch  zu  beiden  Seiten 
der  Wundränder  auf  die  Innen-  und  Aussenfläche  der 
Lederhaut  eine  gewisse  Strecke  weit  ausbreitet  Ein  förm- 
licher Bindegewebsstrang  setzt  sich  in  das  Innere  des  Auges 
fort.  In  seltenen  Fällen  von  feinen  penetrirenden  Stich- 
wunden zeigt  nach  der  Verheilung  die  Stelle  der  Verletzung 
eine  graubläuHche  Verfärbung,  welche  einer  Verdünnung 
des  Lederhautgewebes  zuzuschreiben  ist**" 

Fuchs')  unterscheidet  zwischen  Heilung  mit  unmittel- 
barer Vereinigung  der  Wundränder  und  solcher  mit  Inter- 
position  von  Narbengewebe,  das  aus  eingelagerter  Uvea 
oder  Glaskörper  entstanden  ist. 

Im  Allgemeinen  kann  man  drei  Arten  der  Heilimg 
bei  perforirenden,  nicht  inficirten  Skleralwunden  unter- 
scheiden: 

1)  Heilung  mit  unmittelbarer  Vereinigung  der  Wund- 
ränder durch  ein  schmales,  von  der  Sklera  selbst  geliefertes 
Narbengewebe. 

2)  Vereinigung  der  Wundränder  durch  ein  derbes,  breites 
Narbengewebe,  das  wenigstens  in  manchen  Fällen  aus  einge- 
lagertem Uveal-  oder  Glaskörpergewebe  hervorgeht,  häufig 
mit  nachfolgender  Schrumpfung  der  Narbe,  Zerrung  der 
Uvea,  Netzhautablösung  etc.  In  schweren  Fällen  kommt 
es  hier  zu  Einziehung  der  Narbe,  selbst  mit  Deformation 
der  Bulbuskapsel  und  Phthisis  bulbi.  In  den  ersten  Sta- 
dien verlaufen  diese  Fälle  zuweilen  ohne  erhebliche  Ent- 
zündungserscheinungen und  ohne  nachweisbare  Eiterbildimg 
im  Innern,  doch  steht  es  noch  dahin,  ob  hier  eine  leichte 
Infection  wirklich  ausgeschlossen  werden  kann. 

3)  Heilung  einer  weit  klaffenden  Skleralwunde  durch 
ein  von  der  Sklera  gehefertes  Zwischengewebe  mit  nach- 
folgender  Dehnung    desselben,   sei    es,   dass    dasselbe   zu 


>)  Fuchs,  Lehrb.  d.  Augenheilkunde,  2.  Aufl.,  1891.    S.  242. 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     139 

schwach  ist,  um  dem  normalen  Augendruck  Widerstand 
leisten  zu  können,  sei  es,  dass  eine  pathologische  Druck- 
steigerung stattgefunden  hat. 

Die  letztere  Art  der  Heilung  zeigt  der  im  Folgenden 
zu  beschreibende  Fall  von  doppelter  Perforation  des  Auges 
durch  eine  Stichsäge,  der  sich  auch  sonst  durch  bemerkens- 
werthe  Eigenthümlichkeiten  auszeichnet.  Insbesondere  ist 
hervorzuheben,  dass  die  weit  aus  einander  klaffenden  Wund- 
lünder  durch  eine  neugebildete  Bindegewebsmembran  wie- 
der vereinigt  wurden,  deren  Dicke  der  der  normalen  Sklera 
völlig  gleich  kommt  und  deren  Faserbündel  nicht,  wie  ge- 
wöhnlich angegeben  wird,  senkrecht  zur  Oberfläche  ver- 
laufen, sondern  wie  die  der  benachbarten  Sklera  einen  der 
Oberfläche  parallel  gehenden  Verlauf  zeigen. 

Krankengeschichte. 

Clemens  Schwarzmann,  19  Jahr  alt,  aus  Pfaffshausen, 
stellt  sich  am  8.  VI.  1885  in  der  Göttinger  Augenklinik  vor 
wegen  einer  4  Wochen  zuvor  stattgehabten,  angeblich  nicht 
perforirenden  Verletzung  des  linken  Auges  durch  einen  Stoss 
mit  einer  Handsäge. 

Stat.  praes.  Linkes  Auge:  Starke  Ciliarinjection,  diffuse 
Medientrttbung,  von  Iris  nichts  zu  sehen;  grüngelber  Schein 
aus  der  Tiefe  des  Auges.  In  der  Gegend  des  Aequator  bulbi 
nach  oben  und  etwas  nach  innen  ein  kleiner  Tumor,  mög- 
licher Weise  die  unter  die  Conjunctiva  luxirte  Linse.  Augen- 
druck  erhöht;  keine  Drnckempfindlichkeit.  Lichtschein  für 
mittlere  Lampe;  Projection  unsicher. 

9.  VI.  85.  Enucleatio  bulbi.  Die  Sehne  des  Rectus  su- 
perior  wird  sehr  vorsichtig  abgelöst,  da  hier  möglicher  Weise 
die  Linse  liegt;  jedoch  zeigt  sich,  dass  der  Tumor  nur  eine 
Ausbuchtung  der  Bulbuskapsel  darstellt.  Operation  ohne  Zu- 
fall beendet. 

14.  YL  85.     Heilung  normal  beendigt. 

Untersuchung  des  Auges. 

Das  in  Müller 'scher  Flüssigkeit  gehärtete  Auge  wurde 
in  nahezu  vertikaler  Richtung,  etwas  schräg  von  innen  oben 


140  J.  Dufiing. 

nach  aussen  unten,  durch  die  Mitte  der  erwähnten  Ausbuch- 
tung durchschnitten,  dann  in  der  gewöhnlichen  Weise  in  Gel- 
loidin  eingebettet  und  in  Totalschuitte  zerlegt.  Die  Mikro- 
tomschnitte waren  schon  vor  einiger  Zeit  von  Herrn  Dr.  Eoste- 
nitsch  angefertigt  worden,  von  welchem  ich  auch  einige  No- 
tizen über  den  anatomischen  Befund  mitbenutzen  konnte. 
Die  Untersuchung  der  Schnitte  ergiebt  folgendes: 

Makroskopischer  Befund. 

In  der  Gegend  des  Aequator  bulbi  am  oberen  iuncren 
Quadranten  der  vorderen  Augenhälfte  zeigen  die  Schnitte  eine 
Ausbuchtung  der  Sklera  (Taf.  Y,  Fig.  1  sei.  st.),  an  deren  Grenze 
Netzhaut  und  Aderhaut  eine  Lücke  darzubieten  scheinen;  die 
Breite  der  Ausbuchtung  beträgt,  innen  gemessen,  5  mm, 
ihre  Höhe  3  mm.  Der  sagittale  Durchmesser  des  Auges  be- 
trägt 26  mm,  der  äquatoriale  Durchmesser,  durch  die  Spitze 
des  Skleralstaphyloms  gelegt^  misst  28  mm. 

Eine  zweite  kleinere  Ausbuchtung  (Fig.  1  int.  st.),  die 
hauptsächlich  die  innere  Fläche  betrifft  und  nur  mit  einer  leichten 
Krümmungsänderung  der  äusseren  Oberfläche  verbunden  ist, 
findet  sich  an  der  Corneoskleralgrenze  im  unteren  äusseren 
Quadranten;  ihre  grösste  Breite  beträgt  3,5  mm,  ihre  Tiefe 
2  mm. 

Einige  der  ersten  Schnitte  der  temporalen  Hälfte  des 
Auges  zeigen  in  der  Cornea,  nahe  der  Mitte,  eine  schmale,  die 
ganze  Hornhaut  durchsetzende  Narbe;  diese  fehlt  auf  den  Pa- 
pillenschnitten. 

Die  Iris  ist  etwas  dünn;  ihr  oberer  Theil  ist  in  der 
Nähe  des  Ciliarrandes  mit  der  Cornea  ca.  ^/^  mm  weit  ver- 
wachsen, und  der  Kammerwinkel  dadurch  aufgehoben;  ihr 
unterer  Theil  ist,  mit  Ausnahme  eines  kleinen  Stückes,  der 
Cornea  adhärent  und  überkleidet  in  starker  Verdünnung  den 
Grund  der  oben  erwähnten,  an  der  Corneoskleralgrenze  ge- 
legenen, kleineren  Ausbuchtung,  welche  sich  als  Intercalar- 
staphylom  darstellt,  da  der  Ciliarkörper  erst  an  ihrem  hin- 
teren Ende  sich  an  die  Sklera  ansetzt.  Das  pupillare  Ende 
der  Iris  ragt  vom  centralen  Rande  des  Staphyloms  noch  ca. 
^/s  mm  weit  frei  in  die  vordere  Kammer  hinein  (Fig.  1,  p.  p.  i.). 

Der  Ciliarkörper  ist  oben  wie  unten  dünn,  und  die  Ciliar- 
fortsätze  abgeplattet.  Die  Aderhaut  ist,  wie  bemerkt,  ent- 
sprechend der  Ausdehnung  des  Aequatorialstaphyloms  unter- 
brochen, desgleichen  die  Retina  (Fig.  1,  r.  r.  et  eh.);  der  be- 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     141 

treffende  Theil  der  fibrösen  Bulbushtllle  unterscheidet  sich  von 
den  benachbarten  Abschnitten  der  Sklera,  deren  Fortsetzung 
er  darstellt,  durch  eine  geringe  Zunahme  der  Dicke  und  durch 
schwächere  Färbung  mit  Hämatoxylin  und  Eosin  (Fig.  1,  sei.  st.); 
am  Rande  der  Ausbuchtung  sind  die  verschiedenen  Theile 
scharf  von  einander  abgesetzt. 

Die  Pupille  ist  stark  erweitert,  nahezu  8  mm  weit;  hier- 
durch steht  die  an  sich  seichte  vordere  Kammer  in  weiter 
Communikation  mit  der  hinteren  Augenkammer,  welche  be- 
trächtlich tiefer  ist  als  in  der  Norm.  Die  grössere  Tiefe  der 
hinteren  Augenkammer  ist  bedingt  einmal  durch  das  Vorhan- 
densein des  Intercalarstaphyloms,  wodurch  die  Ciliarfortsätze 
und  damit  die  Insertion  der  Zonula  nach  hinten  verschoben 
sind,  sowie  durch  die  Dehnung  der  Ciliarfortsätze  selbst,  die 
auch  auf  der  dem  Intercalarstaphylom  entgegengesetzten  Seite 
vorhanden  ist;  sodann  durch  Veränderungen  der  Linse,  welche 
nach  hinten  geschoben  und  verkleinert  ist.  Die  vordere 
Fläche  der  Linse  ist  stark  abgeflacht  und  leicht  wellig,  aber 
wie  aus  der  scharfen  Begrenzung  hervorgeht,  noch  von  der 
Vorderkapsel  überzogen;  sie  liegt  5,5  mm  hinter  der  Aussen- 
fläche  der  Hornhaut.  Der  Aequatorialdurchmesser  der  Linse 
beträgt  nur  knapp  8  mm;  ihr  Rand  ist  beiderseits  scharf  zu- 
gespitzt; der  angrenzende  Theil  der  hinteren  Fläche  ist  noch 
in  geringer  Ausdehnung  von  Kapsel  überzogen,  der  übrige 
Theil  der  hinteren  Fläche  ist  sehr  unregelmässig  begrenzt, 
indem  hier  die  Linsensubstanz  offenbar  durch  eine  weite  Kap- 
sellücke (Fig.  1,  r.  c.  1.)  zur  Quellung  gebracht,  zerklüftet  und 
theilweise  resorbirt  ist.  Die  quellenden  Linsenmassen  gehen 
ohne  scharfe  Grenze  in  die  umgebende,  verdichtete  Olaskörper- 
substanz  über. 

Der  Glaskörper  ist  weit  von  der  Innenfläche  der  Retina 
abgelöst,  nach  vorn  zusammengezogen  und  nimmt  nur  einen 
kleinen  Theil  des  ihm  zukommenden  Raumes  ein.  Die  Ab- 
lösung erstreckt  sich  oben  (Fig.  1,  a.  c.  v.)  bis  zum  hinteren 
Rand  des  Staphyloms,  unten  bis  zur  Ora  serrata  der  Netzhaut. 
Im  übrigen  Theil  des  Raumes  findet  sich  nur  eine  geringe 
Menge  durch  die  Härtungsflüssigkeiten  geronnener  Eiweiss- 
masse,  die  auch  in  dünner  Schicht  dem  grössten  Theil  der 
Netzhaut  an  ihrer  Innenfläche  aufgelagert  ist.  Eine  seichte 
Abhebung  der  Retina  von  der  Aderhaut  ist  grösstentheils  erst 
Folge  der  Härtung. 

Die  Papille  zeigt  eine  seichte  trichterförmige  Excavation 


142  J-  Duffing. 

(Fig.  1,   e);  auch  erscheint  die  Lamina  cribrosa  etwas  nach 
hinten  ansgebuchtet  (Fig.  1,  1.  er.). 

Mikroskopischer  Befand. 

Das  Hornhantepithel  zeigt  stellenweise  vesicnläre  Degene- 
ration der  obersten  Zellschicht;  anch  sind,  besonders  in  der 
Peripherie,  vereinzelte  Lenkocyten  zwischen  seine  Elemente 
eingelagert;  am  Limbus  ist  dasselbe  nicht  nnerheblich  verdickt. 

Die  Substantia  propria  zeigt,  abgesehen  von  der  Stelle 
.der  Verletzung,  keine  bedeatenden  Veränderungen:  vom  unteren 
Rande  aus  haben  sich  Gefässe  eine  Strecke  weit  in  dieselbe 
hinein  fortgesetzt,  die  Lamellen  sind  etwas  gelockert,  am  Lim- 
bus findet  sich  eine  ziemlich  ausgesprochene,  kleinzellige  In- 
filtration. 

An  der  Stelle  der  Narbe  in  der  Homhautmitte  sind  die 
LamellenzOge  unterbrochen  und  durch  ein  zellenreiches  Binde- 
gewebe eine  Strecke  weit  auseinander  gedrängt.  An  der  Innen- 
fläche sind  die  Enden  der  D es cemet'schen  Membran  und  die 
angrenzenden  Lamellen  etwas  einwärts  gebogen,  wodurch  ein 
trichterförmiger  Raum  entsteht,  der  nicht  ganz  von  Narben- 
gewebe ausgefüllt  ist.  Das  Narbengewebe  hat  ungefähr  im 
innem  Drittel  des  Dickendurchmessers  der  Cornea  die  grösste 
Breite;  an  der  Aussenfläche  füllt  es  nicht  nur  die  Lücke  der 
Bow  man 'sehen  Membran  aus,  sondern  erstreckt  sich  noch  ein 
wenig  auf  die  Aussenfläche  hinüber;  hierdurch  entsteht  eine 
kleine,  hügelige  Prominenz,  welche  das  Epithel  in  die  Höhe 
hebt;  in  der  Ausdehnung  derselben  fehlt  die  Cylinderzellen- 
schicht  des  Epithels,  es  finden  sich  nur  die  mittleren  und 
äusseren  Zelllagen. 

Das  Narbengewebe  besteht  zum  grössten  Theil  aus  Zellen, 
welche  meist  abgeplattet,  mit  Ausläufern  versehen  oder  spindel- 
förmig gestaltet,  dicht  an  einander  gelagert  sind,  und  zwischen 
denen  eine  kleinere  Zahl  mehr  rundlich  gestalteter  vorkommt; 
die  Kerne  sind  meist  gross,  oval,  selten  klein  und  dunkler  ge- 
färbt vom  Aussehen  der  Leukocjtenkerne.  Sehr  viele  dieser 
Zellen  enthalten  Kömchen  eines  hellgelben  Pigments  in  reich- 
licher Menge,  und  zwar  nicht  nur  die  Lenkocyten,  sondern 
auch  in  grosser  Zahl  die  Bindegewebszellen.  In  der  Nähe 
finden  sich  vereinzelte  kleinere  Zellen,  die  mit  den  gleichen 
Pigmentkömehen  erfüllt  sind,  in  das  Hornhautgewebe  ein- 
gelagert 


UntersuchuDg  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     I43 

Unterhalb  der  Comealnarbe,  nach  hinten  von  der  Corneo- 
skleralgrenze,  befindet  sich  im  Bereich  der  Sklera  das  oben 
erwähnte  Intercalarstaphylom  (Fig.  1.  int  st.).  Die  vordere 
und  obere  Grenze  dieses  Staphyloms  liegt  am  Comealfalz; 
die  hintere  untere  Grenze  befindet  sich  dicht  vor  der  In- 
sertion des  Ciliarmuskels.  Die  Sklera  endigt  am  hinteren 
Rande  der  Ektasie  scharf  abgeschnitten  (Fig.  1.  r.  sei.);  anf 
ihrer  Anssenfläche  liegt  hier  eine  Schicht  verdichteten  epi- 
skleralen  Gewebes,  dessen  Fasern  am  Perforationsrande  senk- 
recht zur  Oberfläche  der  Sklera  gerichtet  sind;  sie  gehen  dann 
über  in  die  Wand  des  Intercalarstaphyloms  und  setzen  sich  am 
vx)rdem  Rande  des  letzteren  ohne  scharfe  Grenze  in  das  Horn- 
hautgewebe fort  Diese  aussen  kaum  prominirende  Wand  des 
Intercalarstaphyloms  hat  in  meridionaler  Richtung  eine  Länge 
von  ca.  3  mm;  sie  besteht  aus  mehr  lockerem,  fibrillärem  Binde- 
gewebe mit  länglichen  Kernen;  das  lockere  GefQge  dieses  Ge- 
webes, das  andere  Aussehen  seiner  Kerne  —  sie  sind  grösser 
und  färben  sich  mit  Hämatoxjlin  weniger  stark  als  die  Kerne 
des  normalen  Skleralgewebes  — ,  sein  anderer  Faserverlauf, 
sowie  der  Umstand,  dass  die  Sklera  in  ihrer  ganzen  Dicke 
hinten  durchbrochen  erscheint,  sprechen  dafür,  dass  es  wirk- 
lich neugebildetes  Gewebe  und  nicht  aus  einer  Dehnung  her- 
vorgegangen ist  Zwischen  den  Bindegewebsfibrillen  finden  sich 
an  einzelnen  Stellen  Anhäufungen  von  Zellen,  welche  braunes 
Irispigment  aufgenommen  haben,  das  offenbar  infolge  der  Yei^ 
letzung  frei  geworden  war. 

Die  Iris  bedeckt  die  Innenfläche  des  Intercalarstaphyloms 
und  ist  mit  ihr  verwachsen ;  sie  ist  sehr  stark  verdünnt,  stellen- 
weise bis  auf  die  Pigmentschicht  atrophirt,  deren  gewuchertes 
Pigmentepithel  zwei  lange,  quer  über  die  Ektasie  sich  aus- 
spannende Fortsätze  bildet;  an  einer  Stelle,  die  wohl  der  Stich- 
wunde entspricht,  fehlt  sie  vollständig.  Nur  der  Pupillartheil 
dieses  Irisabschnittes  ist  noch  erhalten  und  ragt  frei  in  die 
vordere  Kammer  (Fig.  1.  p.  p.  i.);  sein  Gewebe  ist  zellig  in- 
filtrirt  und  enthält  reichliche  Pigmentzellen. 

Aehnliche  Veränderungen  zeigt  die  Iris  der  oberen  Augen- 
hälfte, ausserdem  kleine  Hämorrhagieen  und  eine  eigenthüm- 
liche  Wucherung  des  Pigmentepithels,  bei  der  die  Zellen  sich 
papillenartig  erheben  und  mit  ihren  seitlichen  Grenzflächen 
übereinander  greifen;  einzelne  Pigmentkörnchenzellen  liegen  in 
der  vorderen  Grenzschicht  der  Iris,  stellenweise  auch  in  der 
ganzen  Dicke  der  Iris  eingestreut.     Gegen  den  Kammerwinkel 


144  «T-  Duffing. 

nehmen  an  beiden  Irishälften  die  entzündlichen  Veränderungen 
zu;  an  der  unteren  ist  diese  Zunahme  bedingt  durch  die  Ver- 
letzung, an  deren  Stelle  das  Intercalarstaphylom  aufgetreten 
ist,  an  der  oberen  durch  ein  Trauma  leichterer  Art,  das  die 
Iris  gerade  am  Uebergang  in  den  Ciliarkörper  getroflfen  und 
die  Sklera  mit  verletzt  hat  (Fig.  1.  ci.  i).  Die  Iris  ist  an 
der  betreffenden  Stelle  von  innen  nach  aussen  eingeknickt, 
ihr  Gewebe  unterbrochen,  das  Pigmentepithel  stark  gewuchert; 
die  Skleralfaseru  des  inneren  Drittels  sind  durchtrennt,  das 
periphere  Ende  der  durchtrennten  Parthie  ist  im  Zusammen- 
hang etwas  von  den  unverletzten  Schichten  nach  innen  zu  ab- 
gehoben, die  dadurch  entstandene  Lücke,  sowie  der  durch  die 
Trennung  der  Skleralfasern  entstandene  Zwischenraum  ist  durch 
zellenreiches  Narbengewebe  ausgefüllt.  Diese  Veränderungen 
finden  sich  nur  an  einer  kleinen  Zahl  von  Schnitten,  woraus 
zu  schliessen  ist,  dass  die  Verletzung  nur  eine  ganz  umschrie- 
bene Stelle  getroffen  hat. 

Um  so  stärker  sind  die  Veränderungen,  welche  die  Stich- 
säge in  der  Gegend  des  schon  erwähnten  Aequatorialstaphyloms 
bewirkt  hat.  Der  Uebergang  des  ursprünglichen  Skleralge- 
webes  in  das  Narbengewebe  dieses  Staphyloms  (Fig.  2)  ist 
dadurch  charakterisirt,  dass  die  regelmässig  verlaufenden,  in 
meridionaler  und  äquatorialer  Richtung  sich  durchflechtenden 
Fasern  der  Sklera  einen  unregelmässigen  Verlauf  annehmen  und 
zum  Theil  wellig  gebogen  sind;  in  dem  Narbengewebe  selbst 
(Fig.  2,  neugebildetes  Gewebe)  fehlen  die  äquatorialen  Fasern,  es 
finden  sich  vorwiegend  parallel  zur  Schnittrichtung  verlaufende 
Fasern  eines  fibrillären  Bindegewebes,  die,  zu  Bündeln  vereinigt, 
in  sich  durchflechtenden,  hie  und  da  Lücken  zwischen  sich  lassen- 
den Zügen  die  Wand  des  Staphyloms  ausmachen.  Rundzellen 
fehlen,  dagegen  finden  sich  viele  spindelförmige  etwas  abge- 
plattete Kerne,  die  grösser,  zahlreicher  und  weniger  stark  ge- 
färbt sind,  als  in  dem  benachbarten  normalen  Skleralgewebe; 
das  Gewebe,  dem  sie  angehören,  ist  blasser  und  von  einzelnen 
neugebildeten  Gefässen  durchzogen. 

Hier  haben  wir  es,  wie  oben  bei  dem  Intercalarstaphylom, 
offenbar  mit  neugebildetem  Gewebe  zu  thun,  wofür  das  lockere 
Gefüge,  der  veränderte  Fasorverlauf,  die  schwächere  Färbung, 
die  Vermehrung  und  Vergrösserung  der  Korne  spricht;  die 
neugebildete  Bindegewebsmembran  vereinigte  die  auf  5  mm 
klaffenden  Wundränder,  ohne  dass  eine  erhebliche  Dehnung 
des  Narbengewebes  stattgefunden  zu  haben  scheint,  denn  das- 


.  Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     145 

selbe  ist  ebenso  dick,  stellenweise  sogar  dicker,  als  das  nor- 
male Skleralgewebe.  Retina  und  Chorioidea  fehlen  in  der 
ganzen  Aasdehnung  der  Narbe. 

An  der  Durchtrittsstelle  des  Sehnerven  durch  die  Sklera, 
an  der  Lamina  cribrosa,  finden  wir  die  Bindegewebsfasern 
stark  nach  hinten  ausgebuchtet,  so  dass  ein  tiefer  Trichter 
entstanden  ist,  dessen  Spitze  das  äussere  Niveau  der  Sklera 
erreicht.  Der  Trichter  ist  ausgefüllt  von  einem  lockeren  Binde- 
gewebe, das  mit  sehr  zahlreichen,  grossen  Pigmentkörnchen* 
zollen  infiltrirt  ist.  Das  Gewebe  der  Papille  und  der  angrenzende 
Theil  der  Nervenfaserschicht  ist  stark  atrophirt,  die  Nerven- 
fasern grossentheils  geschwunden,  die  Neuroglia  gewuchert  und 
kernreicher  als  in  der  Norm. 

In  der  vorderen  Kammer  sind  überall  die  Wände  mit 
Pigmentkörnchenzellen  bedeckt,  die  hämatogenes  Pigment  ent- 
halten, das  aus  den  Blutkörperchen  einer  Kammerblutung  her- 
vorgegangen ist;  diese  Körnchenzellen  liegen  an  der  Hinter- 
fläche der  Hornhaut,  besonders  reichlich  aber  an  der  Yorder- 
fläche  der  Iris,  in  welche  sie  vereinzelt  eingewandert  sind,  und 
in  dem  Kammerwinkel.  Hier  bilden  sie  neben  Leukocyten 
und  rothen  Blutkörperchen  das  Material,  das  den  Fontana- 
schen  Raum  und  die  Kammerbucht  ausfallt,  soweit  diese  nicht 
schon  durch  Verwachsung  des  Ligamentum  pectinatum  mit  der 
vorderen  Irisfläche  obliterirt  ist. 

Während  nun  die  Iris  mit  ihrem  Ciliartheil  nach  vorn 
gedrängt  ist,  sind  die  Ciliarfortsätze  stark  nach  hinten  ausge- 
wichen, atrophisch,  die  Kerne  vermehrt;  desgleichen  ist  der 
Mnsculus  ciliaris  atrophisch,  sein  Gewebe  dichter  und  kern- 
reicher; besonders  verringert  sind  die  circulären  Fasern,  besser 
erhalten  sind  die  meridionalen. 

Die  Chorioidea  ist  etwas  atrophirt^  gefössarm,  das  Gewebe 
dichter  gefQgt  als  gewöhnlich;  in  der  Ausdehnung  des  Aequa- 
torialstaphyloms  ist  dieselbe  unterbrochen,  die  Endstücke  mit 
dem  neugebildeten  Skleralgewebe  und  der  ebenfalls  unter- 
brochenen Netzhaut  verwachsen;  im  hinteren  Bulbusabschnitt 
finden  sich  in  der  Chorioidea  um  die  Gefässe  kleinzellige  In- 
filtrationen und  kleine  Extravasate,  die  Gefässlumina  selbst 
sind  mit  Rundzellen  gefüllt,  sodass  man  eine  geringe  Entzün- 
dung annehmen  darf. 

Das  Pigmentepithel  der  Netzhaut  ist  streckenweise  normal; 
an  anderen  Stellen  finden  sich  die  Zellen  zum  Theil  über  ein- 
ander gelagert,  an  anderen  mehr  oder  minder  ihres  Pigmentes 

V.  Qraefe'B  ArchiT  für  Ophthalmologie.  XL.  2.  10 


146  J.  Duffing. 

verlustig;  vielfach  sieht  man  auch  mehr  oder  minder  zahlreiche 
Zellen  aus  ihrer  Verbindung  gelöst  und  zwischen  Epithel  und 
der  etwas  abgehobenen  Netzhaut  zerstreut,  in  einer  geronnenen, 
flockigen  Eiweissmasse  eingebettet,  welche  auch  einzelne  rothe 
Blutkörperchen  und  runde,  myelinartige  Tropfen  einschliesst; 
manche  von  den  abgehobenen  Pigmentzellen  zeigen  zahlreiche, 
mitunter  verzweigte  Ausläufer.  Besonders  auffallend  sind  diese 
Veränderungen  in  der  Umgebung  des  Aeqnatorialstaphyloms, 
wo  die  Zellen  in  grosse,  kernhaltige  Pigmentklumpen  umge- 
wandelt sind.  Unzweifelhaft  hat  zwischen  Pigmentepithel  und 
Retina  ein  seröser  Erguss  stattgefunden,  der  aus  den  Ader- 
hautgefässen  stammt.  Die  Netzhaut  ist  etwas  abgelöst,  am 
stärksten  hinter  dem  Aequatorialstaphylom  und  im  unteren 
Theil  des  Augapfels;  doch  war  die  Ablösung,  wie  man  au  der 
geringen  Dicke  der  Eiweissschicht  sehen  kann,  im  Leben  nur 
sehr  seicht  und  hat  erst  durch  die  Härtung  etwas  zugenommen. 
Die  bedeutendsten  Veränderungen  linden  sich  an  der  Papille 
und  an  der  Nervenfaser-  und  Ganglieuzellenschicht.  Die  Pa- 
pille zeigt  eine  seichte,  trichterförmige  Ezcavation;  an  der 
Lamina  cribrosa  sind  die  Nervenfasern  stark  atrophirt,  man 
sieht  zwischen  den  quer  verlaufenden  Skleralfasern  nur  noch 
Spuren  von  Nervenfasern,  die  jene  in  senkrechter  Richtung 
durchsetzen;  dieselben  treten  deutlicher  erst  peripher  von  der 
Lamina  cribrosa  hervor.  Im  Grund  der  Ezcavation  liegt  zellen- 
reiches, neugebildetes  Bindegewebe,  mit  zahlreichen,  grossen 
Fettkörnchen-  und  Pigmentkörnchenzellen,  sowie  blutkörperchen- 
haltigen  Zellen,  offenbar  durch  Organisation  von  in  den  Glas- 
körper ergossenem  Material  entstanden.  Die  am  Rand  der 
Ezcavation  liegenden  Nervenfasern  sind  degenerirt,  das  Sttttz- 
gewebe  stark  vermehrt  und  kernreich.  Die  Adventitia  der 
Centralgefässe  ist  mit  Rundzellen  infiltrirt,  dazwischen  liegen 
gleichfalls  einzelne  Pigmentkörnchenzellen.  Die  Nervenfaser- 
schicht enthält  zahlreiche,  ovale  und  spindelförmige  Kerne,  die 
wahrscheinlich  dem  Stützgewebe  angehören;  die  Adventitia  der 
Gefässe  ist  mit  Rundzellen  durchsetzt,  die  Venen  sind  etwas 
erweitert,  die  Arterien  verengert.  Die  Veränderungen  sind 
am  stärksten  in  der  Nähe  der  Papille  und  nehmen  gegen  die 
Peripherie  an  Stärke  ab.  Die  Ganglienzellenschicht  ist  sehr 
reducirt,  an  einzelnen  Stellen  fast  nicht  mehr  als  besondere 
Schicht  zu  erkennen.  Die  Radiärfasern  sind  auffallend  ver- 
dickt, ihre  Zahl  scheint  vermehrt  zu  sein;  zwischen  denselben 
liegen  kleine  cystoide  Räume,  die  hie  und  da  commaniciren. 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     147 

Die  Elemente  der  Stäbchenschicht  sind  infolge  der  Abhebung 
stellenweise  verlängert  und  zugleich  durch  das  Transsudat  aus- 
einander gedrängt;  die  übrigen  Netzhautschichten  zeigen  keine 
deutliche  Veränderung.  Dem  Innensaum  der  Retina,  der  durch 
die  Basis  der  Radiärfaserkegel  gebildet  wird,  liegt  stellenweise 
ein  ähnliches,  eiweissartiges  Material  auf,  wie  wir  es  zwischen 
Pigmentepithel  und  Retina  getroffen  haben,  und  hat  die  Mem- 
brana hyaloidea  abgehoben.  Die  Unterbrechung  der  Netzhaut 
in  der  Ausdehnung  des  Aequatorialstaphyloms  wurde  schon  er- 
wähnt, daneben  ist  die  Retina  streckenweise  vollkommen  atro- 
phirt  und  bindegewebig  entartet. 

Fassen  wir  die  Veränderungen  am  Uvea  und  Retina  zu- 
sammen, so  ergiebt  sich: 

Die  Irisperipherie  ist  nach  vorn  gedrängt  und  mit  Sclera 
und  Cornea  verwachsen;  die  Verdrängung  ist  bedingt  theila 
durch  die  beschriebenen  Verletzungen  der  Irisperipherie,  theils 
durch  die  Erhöhung  des  Augendrucks.  Das  Irisgewebe  zeigt 
einen  geringen  entzündlichen  Zustand.  Die  Giliarfortsätze  sind 
atrophisch  und  haben  sich  von  der  Iris  zurückgezogen,  nach- 
dem sie  vielleicht  früher  stark  geschwellt  und  nach  vorn  ge- 
drängt waren.  An  der  Aderhaut  fand  sich  Auflockerung  der 
Suprachorioidea  durch  entzündliches  Oedem,  partielle  Infiltra- 
tion mit  Rundzellen,  sowie  ein  geringes  Exsudat  zwischen  Cho- 
rioidea  und  Retina.  Die  Papille  zeigt  eine  Excavation  und 
Atrophie  der  Nervenfasern,  die  wohl  auf  die  Drucksteigerung 
zurückzuführen  sind.  Die  Nervenfaserschicht  und  Ganglienzellen- 
schicht sind  atrophirt,  ihr  Stützgewebe  gewuchert. 

Es  bleibt  noch  übrig,  einige  Veränderungen  in  dem  Binnen- 
raum des  Auges  zu  betrachten.  Der  Glaskörper  ist  abgelöst, 
geschrumpft  und  nach  vom  gegen  die  Linse  gezogen.  An  seiner 
hinteren  Begrenzung  liegen  in  grosser  Menge  Kömchonzellen, 
an  einzelnen  Stellen  noch  gut  erhaltene,  massenhafte  rothe  Blut- 
körperchen; im  Inneren  des  abgelösten  Glaskörpers  befindet 
sich  ein  körniger  Detritus  mit  einzelnen,  deutlich  erkennbaren, 
rothen  Blutkörperchen,  so  dass  man  annehmen  darf,  dass  eine 
starke  Blutung  in  den  Glaskörper  stattgefunden  hat,  welche 
allmählich  resorbirt  und  organisirt  wurde  und  durch  letzteren 
Vorgang  eine  Glaskörperschrumpfung  herbeiführte.  Es  erklärt 
sich  aus  dieser  Blutung  auch  der  grüne  Schein,  der  am  leben- 
den Auge  aus  der  Tiefe  kam.  Eine  fast  auf  allen  Schnitten 
schon    makroskopisch    sichtbare    Hämorrhagie    findet   sich    am 

10* 


148  J.  Duffing. 

Grund  der  aateren  Augenhälfte  nach  hinten  von  dem  Inter- 
calarstaphylom  (Fig.  1.  h). 

Die  Linse  ist  direct  nach  hinten  in  den  Glaskörperranm 
luxirt.  Die  hintere  Kapsel  ist  nahe  dem  unteren  Linsenrand 
gerissen  (Fig.  1.  r.  I.),  ihr  unteres  Ende  ist  auf  den  Schnitten 
nach  hinten  und  unten  spiralig  umgerollt,  ihr  oberes  Ende 
noch  eine  Strecke  erhalten;  die  Linsensubstanz  ist  zum  grossen 
Theil  aus  der  weiten,  klaffenden  Kapsellücke  ausgetreten  und 
dringt  hinter  der  Linse  in  den  Glaskörperraum  vor.  Die  aus- 
getretenen Linsenfasern  findet  man  in  allen  Stadien  des  Zer- 
falls: körnige  Trübung  mit  Vacuolenbildung,  Querstreifung, 
Detritus  und  Myelinkngeln.  Der  innerhalb  der  Kapsel  zurück- 
gebliebene Theil  hat,  abgesehen  von  der  Abdachung,  im  allge- 
meinen die  Form  der  Linse  bewahrt,  nur  am  Aequator  ist  er 
schnabelförmig  ausgezogen.  Hochgradige  Veränderungen  finden 
sich  an  der  Corticalis  der  vorderen  Fläche  und  am  Aequa- 
tor. Die  Linsenfasern  der  Aequatorialzone  haben  sich  in 
Blasenzellen  umgewandelt  mit  ovalem,  deutlich  sichtbarem  Kern; 
zwischen  ihnen  finden  sich  grosse  Vakuolen.  Die  vordere  Cor- 
ticalis ist  von  kleinen  und  grösseren  Vakuolen  durchsetzt;  das 
Kapselepithel  zeigt  Sparen  von  Wucherung;  am  Aequator  ist 
dasselbe  an  der  Rissstelle  von  der  Innenfläche  eine  ziemliche 
Strecke  weit  auf  die  Aussenseite  hinüber  gewachsen.  Die  Linse 
zeigt  also  die  Veränderungen  wie  bei  traumatischer  Katarakt. 

Was  die  Circulationsverhältnisse  im  Auge  betrifft,  so  fin- 
den wir  die  vorderen  Ciliarvenen  erweitert,  ihre  Umgebuug 
stark  infiltrirt,  ebenso  das  subconjunctivale  Zellgewebe,  eine 
geringe  Infiltration  in  der  Adventitia  der  Arterien.  An  den 
hinteren  Ciliargefässen,  sowie  an  den  Venae  vorticosae  sind 
keine  deutlichen  Veränderungen  zu  finden.  Dass  die  Central- 
gefässe  und  ihre  Aeste  verändert  sind,  wurde  schon  erwähnt 

Den  Vorgang  bei  der  Verletzung  haben  wir  uns  so 
zu  denken,  dass  die  Stichsäge  im  unteren  äusseren  Qua- 
dranten der  vorderen  Augenhälfte  hinter  dem  Limbus  con- 
junctivae das  Auge  traf  und,  die  Sklera  und  das  Liga- 
mentum pectinatimDL,  das  letztere  peripher  von  seinem 
Ursprung  aus  der  Membrana  Descemetü,  durchbohrend,  im 
Kammerwinkel  in  das  Augeninnere  eintrat  Von  da  nahm 
sie  ihren  Weg  durch  den  Ciliartheil  der  Iris,  dicht  am 
Uebergang  dieser  in  den  CSliarkörper  —  dass  die  Lis  wirk- 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     149 

lieh  durchbohrt  wurde,  beweisen  einige  Schnitte,  in  denen 
das  Irisgewebe  an  der  betreiFenden  Stelle  vollständig  fehlt  — , 
streifte  die  Spitzen  der  Ciliarfortsätze,  perforirte  und  dehnte 
die  Zonula  Zinnii  und  traf  die  linse  an  ihrer  hinteren 
fläche.  Dass  die  hintere  Linsenfläche  getroffen  wurde,  ist 
auffallend;  denn  betrachtet  man  einen  Durchschnitt  durch 
ein  normales  Auge,  so  sollt«  man  bei  der  angegebenen 
Einstichstelle  und  der  Austrittstelle  der  Säge  hinter  der 
Ora  serrata  der  gegenüber  liegenden  Seite,  glauben,  dass 
die  Vorderfläche  der  Linse  oder  ihr  Aequator  getroffen 
werden  müsste;  der  Eiss  liegt  aber  in  der  hinteren  Kapsel 
zwischen  erstem  und  zweiten  Drittel  der  hinteren  Circum- 
ferenz,  und  die  vordere  Kapsel  ist  allenthalben  intact.  Man 
kann  zur  Erklärung  entweder  annehmen,  dass  die  Linse, 
indem  bei  dem  Einstich  das  Kammerwasser  abfloss,  nach 
vom  gerückt  war,  oder  dass  die  Säge  senkrecht  zur  Sklera 
in  radiärer  Richtung  eindrang,  zwischen  Corpus  ciliare  und 
unterem  Linsenrand  hindurchging,  dann  aber  ihre  Verlaufs- 
richtung änderte,  indem  der  Sägengriff  stark  gesenkt  wurde, 
oder  indem  das  Auge  eine  Rotation  machte.  Die  Säge 
drang  dann  schräg  nach  oben,  innen  und  hinten  und  per- 
forirte die  fiulbuskapsel  von  innen  nach  aussen,  dicht  hinter 
der  Ora  serrata,  etwas  nach  innen  vom  Rectus  superior. 

Die  beschriebene  Verletzung  der  Lis  in  der  oberen 
Bulbushälfte  kann  nicht  direct  durch  das  Eindringen  der 
Säge  hervorgerufen  worden  sein,  ebensowenig  die  Hom- 
hautwunde;  beide  sind  zu  klein,  als  dass  sie  von  der  Spitze 
der  Säge  herrühren  könnten,  auf  dem  Querschnitt  keil- 
förmig, die  Spitze  des  Keils  nach  der  Aussenfläche  des 
Bulbus  gerichtet,  und  durchbohren  die  Bulbuskapsel  nicht 
vollständig,  sondern  lassen  die  äusseren  Schichten  intact, 
sind  also  offenbar  von  innen  aus  erfolgt.  Ihre  Entstehung 
ist  vielleicht  so  zu  erklären,  dass  die  erwähnten  Theile, 
nachdem  der  vordere  Abschnitt  des  Auges  infolge  des 
Kammerwasserabflusses,  vielleicht  auch  Glaskörpervorfalles 


150  J.  Duffing. 

zusammengefallen  war,  beim  Herausziehen  der  Säge,  deren 
Zähne  wir  nach  vom  und  innen  gerichtet  denken,  mit  Säge- 
zähnen in  Berührung  kamen. 

Die  unmittelbaren  Folgen  der  Verletzung  waren  die 
doppelte  Perforation  der  Bulbuskapsel,  die  Perforation  der 
Iris,  die  Zerreissung  der  Zonula  Zinnii  im  äussern  untern 
Theil,  der  Linsenkapselriss  und  ein  grosser  Bluterguss  in 
den  Glaskörperraum,  Aufhebimg  der  vordem  Kammer,  Iris- 
und  Glaskörpervorfall. 

Nach  der  Verletzung  hat  sich  die  kleinere  Einstich- 
öfl&iung  durch  Einlagemng  der  Iris  wohl  bald  wieder  ge- 
schlossen, und  die  vordere  Kammer  wurde  wieder  herge- 
stellt; durch  die  grosse  aequatoriale  Wunde  der  oberen 
Bulbushälfte  fand  wahrscheinlich  längere  Zeit  ein  Durch- 
tritt von  Glaskörperflüssigkeit  statt,  und  dieser  nach  hinten 
und  oben  gerichtete  Flüssigkeitsstrom  erklärt  wohl  dieVer- 
lagemng  der  Linse  in  den  Glaskörperraum,  die  imi  so 
leichter  stattfinden  konnte,  als  die  Zonula  auf  der  unteren 
äusseren  Seite  gedehnt  und  zerrissen,  der  Glaskörper  zum 
Theil  ausgetreten  war  und  seine  spätere  Schrumpfung 
direct  einen  Zug  auf  die  linse  nach  hinten  ausübte. 

Durch  den  Kapselriss  konnte  das  Kammem^^asser  un- 
gehindert in  die  Linse  eintreten;  es  folgte  eine  stürmische 
Quellung  der  Linsensubstanz,  wodurch  die  Lis  nach  vom 
gedrängt  wurde.  Die  Iriswurzel  legte  sich  dem  vordersten 
Theil  der  Sklera,  also  der  inneren  Oberfläche  des  Liga- 
mentum pectinatum,  an,  dessen  Function  durch  die  Per- 
foration unten  und  aussen,  sowie  durch  die  Einknickung 
der  Iriswimsel  oben  imd  innen,  ohnehin  schon  schwer  ge- 
schädigt war.  Durch  diese  Verödung  der  Kammerbucht, 
die  Verlegung  des  Fontana'schen  Raumes  wai'  der  wich- 
tigste Abflussweg  der  Augenflüssigkeiten,  welcher  durch  das 
Ijigamentum  pectinatum  in  den  Schlemm 'sehen  Canal 
führt,  verschlossen,  woraus  bei  gleichbleibendem  Zufluss  eine 
Drucksteigerung  im  Bulbus  resultirt. 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     151 

Die  Folgen  der  Drucksteigemng  waren  eine  Abplat- 
tung und  Dehnung  des  Ciliarkörpers,  Excavation  der  Pa- 
pille, beginnende  Atrophie  der  Nervenfaser-  und  Ganglien- 
zellenschicht der  Retina  in  der  Nähe  des  Sehnerveneintritts 
und  Ektasie  der  Bulbuskapsel  an  den  Stellen  der  früheren 
Perforation. 

Skleralektasien  sind  immer  die  Folge  eines  Missver- 
hältnisses  zwischen  intraoculärem  Druck  und  Resistenz  der 
Sklera,  sie  können  also  entstehen: 

a)  wenn  der  innere  Druck  pathologisch  erhöht  ist  bei 
normalem  Verhalten  der  Sklera;  praedisponirt  sind  dann 
die  Stellen,  wo  Nerven  und  Gefasse  durch  die  Sklera  hin- 
durchtreten und  wo  die  Sklera  die  geringste  Dicke  besitzt, 
die  Aequatorialgegend; 

b)  bei  verminderter  Widerstandsfähigkeit  der  Sklera, 
sei  es  durch  Entzündimg  derselben,  Geschwülste  oder  Ver- 
letzungen, bei  normalem  Verhalten  des  Augendruckes; 

c)  wenn  beide  Bedingungen  zusammentrefiFen,  wobei 
jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  die  Drucksteigerung  oft  erst 
eine  Folge  der  Ektasie  ist 

Fuchs ^)  sagt  über  die  anatomische  BeschaflFenheit  des 
Skleralstaphyloms:  „Die  anatomische  Beschaffenheit  des 
Skleralstaphyloms  ist  eine  wesentlich  andere,  als  die  des 
Homhautstaphyloms.  Während  dieses  aus  einem  Narben- 
gewebe besteht,  das  an  die  Stelle  der  verloren  gegangenen 
Hornhaut  getreten  ist,  wird  das  Skleralstaphylom  durch  die 
Sklera  selbst  gebildet  Diese  ist  an  der  Stelle  der  Ektasie 
nicht  verschwunden,  sondern  nur  verdünnt,  so  dass  sie  oft 
nicht  dicker  als  ein  Blatt  Papier  ist"  Dies  Verhalten 
wird  sich  wohl  vorzugsweise  auf  die  nicht  traumatischen 
Staphylome  beziehen. 

Das  beschriebene  Skleralstaphylom  bietet,  sowohl  in 
Bezug  auf  die  Art  und  den  Ort  seiner  Entstehung  als  be- 


*)  1.  c.  S.  257. 


152  J.  Duffing. 

züglich   seiner   anatomischen    Beschaffenheit,   verschiedene 
interessante  Eigenheiten: 

1)  das  Skleralstaphylom  bildete  sich  auf  die  von  innen 
aus  erfolgte  Perforation  sämmtlicher  Augenhäute  im  Aequator 
der  oberen  Bulbushälfte,  während  Staphylome  dieser  Ge- 
gend gewöhnlich  nicht  traumatisch,  sondern  die  Folge  einer 
Drucksteigerung  sind,  die  an  den  Stellen  des  geringsten 
Widerstandes  einsetzt; 

2)  traumatische  Staphylome  der  oberen  Bulbushälfte, 
wie  sie  häufig  bei  Rupturen  der  Sklera  nahe  dem  Hom- 
hautrande  durch  Einwirkung  einer  stumpfen  Gewalt  ent- 
stehen, beruhen  auf  einer  Dehnung  und  Verdünnung  der 
Skleralnarbe  imd  des  umgebenden  Skleralgewebes ;  hier 
haben  wir  ein  Staphylom,  das  aus  vollständig  neugebildetem 
Gewebe  besteht,  das  von  der  Sklera  geliefert  wurde;  und 
dieses  Gewebe  ist  nicht  verdünnt,  sondern  ebenso  dick  wie 
die  normale  Sklera; 

3)  die  Fasern  des  neugebildeten  Gewebes  verlaufen 
nicht  senkrecht  zur  Faserrichtung  der  Sklera,  wie  gewöhn- 
lich beobachtet  wurde  [vergl.  MicheP)  und  Schunkitz 
Miyashita*)],  sondern  halten  denselben  Verlauf  ein,  wie 
die  normale  Sklera  und  gehen  so  unmerklich  in  das  be- 
nachbarte normale  Gewebe  über,  dass  die  Perforationsendeu 
nicht  wahrnehmbar  sind,  während  bei  Skleralrupturen  ge- 
wöhnlich Heilung  mit  Verschiebung  und  Winkelstellung 
der  Wundränder  gegen  einander  stattfindet,  wie  von  Th. 
Sachs  ^)  beobachtet  wurde. 

Auf  diese  Weise  trat  Heilung  einer  ziemlich  grossen 
Wunde  ein,  ohne  dass  dies  dem  Auge  etwas  nützte,  weil 
pathologische  Drucksteigerung  bestand.  Die  Wunde  war 
eine  subconjunctivale,  weil  sie  von  innen  nach  aussen  er- 
folgte, der  Wundverlauf  aseptisch;  bei  Berstungen  der  Sklera 

*)  1.  c.  *)  1.  c.  *)  Th.  Sachs,  Ueber  traumatische  Skleral- 
ruptur  im  vorderen  Bul busabschnitt.  Arch.  f.  Augenheilkunde,  Bd.  XX, 
S.  399  u.  f. 


Untersuchung  eines  Auges  mit  doppelter  Perforation  etc.     153 

finden  sich  ähnliche  Vorgänge  und  sind  von  Th.  Sachs  ^) 
näher  beschrieben. 

An  dieser  Stelle  sei  es  mir  gestattet,  meinem  verehr- 
ten Lehrer,  Herrn  Professor  Leber,  für  die  fi^undliche 
Ueberweisung  der  vorliegenden  Arbeit  und  die  vielfache 
Unterstützung  bei  derselben  meinen  herzlichsten  Dank  aus- 
zusprechen. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Taf.  V. 

Fig.  1.  Nahezu  verticaler  Durchschnitt  durch  die  Mitte  des 
Auges  und  des  Aequatorialstaphyloms.  sei.  st.  =  Skleralstaphylom ; 
int.  St.  =  Intercalarstaphylom ;  p.  p.  i.  =^  pars  pupillar.  irid. ;  r.  r.  et  eh. 
=  ruptura  retin.  et  chorioid.;  r.  c.  1.  =^  ruptura  capsulae  lentis; 
a.  c.  v.  =  amotio  corpor.  vitrei;  e  =  excavatio;  1.  er.  =  lamina 
cribrosa;  r.  sei.  =  ruptura  sclerae;  ci.  i.  =  cicatrix  iridis;  h  ==  Hämor- 
rhagie. 

Fig.  2  stellt  den  Uebergang  des  normalen  Skleralgewebes  in 
das  Narbengewebe  dar  und  zeigt,  wie  die  äquatorialen  P'asem  all- 
mählich aufhören,  um  in  einer  Richtung  verlaufenden  Fasern  Platz 
zu  machen,  und  wie  an  Stelle  der  spärlichen  schmalen  Kerne  zahl- 
reiche grosse  Kerne  treten. 

»)  1.  c. 


Ueber  ßostablagernng  in  der  Hornhaut 

Von 
Dr.  Rudolf  Gruber. 

Assistenten  an  der  I.  Wiener  Augenklinik. 

Hierzu  Taf.  VI,  Fig.  1. 


Fremdkörper,  die  in  den  Bulbus  eindringen,  können, 
wenn  wir  von  den  durch  primäre  Infection  hervorgebrachten, 
den  weiteren  Verlauf  pathologisch  und  kUnisch  fast  aus- 
schliesslich beherrschenden  Folgezuständen  absehen,  sehr 
verschiedene  Erscheinungen  hervorrufen,  die  theils  von  dem 
Sitz  des  Fremdkörpers  und  der  Art  der  Verletzung,  theiLs 
aber,  wie  wir  durch  die  Arbeiten  Leb  er 's')  und  seiner 
Schule  wissen,  von  der  chemischen  Beschaffenheit  des  Fremd- 
körpers abhängen.  Allerdings  kommt  dabei  noch  die  Mög- 
lichkeit secundärer  Infection  in  Betracht,  jedoch  ist  diese 
Gefahr  selbst  bei  so  exponirtem  Sitz  der  Fremdkörper  wie 
in  der  Hornhaut,  wo  das  Hineingelangen  septischer  Sub- 
stanzen aus  dem  Bindehautsack  doch  vcrhältnissmässig  leicht 


M  Tli.  Leber:  üeber  die  Wirkung  von  Fremdkörpern  im  Innern 
des  Auges.  Internat.  Med.  Congr.  London  1882  und  v.  Graefe*» 
Arch.  f.  Ophth.  Bd,  XVIII. 

Th.  Leber:  Die  Entstehung  der  Entzündung  und  die  Wirkung 
der  entzündungerregenden  Schädlichkeiten  etc.    Leipzig  1891. 

Landmann:  Ueber  die  Wirkung  aseptisch  in  das  Auge  ein- 
gedrungener Fremdkörper;  v.  Graefe's  Arch.  f.  Ophth.  Bd.  XVIII. 


r«f«r  Ro«staKUg<may  in  der  Horelttst.  155 

wäie.  keine  sehr  efbebHclie.  Bei  meinen  Veisachen«  bei 
dmen  die  Incabationsdaner  der  aseptisch  eingeführten  FWmd« 
koTfer  nur  eine  ziemhch  kone  war.  erhielt  ich  beinahe  nie 
secandäre  Eitenmg.  Hiennit  stimmen  anch  die  Ergebni^i^^ 
der  darüber  angestellten  Versuche  Leber*s*>  sowie  die 
kfinische  Beobachtung  übeiein. 

Was  nun  die  chemische  Beschaffienheit  des  einge- 
drungenen Fremdkörpers  anbelangt,  ergeben  sich  zwischen 
den  einzelnen  Substanzen  derart  eingreifende  Unterschiede, 
dass  wir  danach  eine  Gruppining  der  in  Frage  kommen- 
den Körper  insofern  vornehmen  können,  als  einielno 
beinahe  keine  chemische  Beizung  im  Gewebe  herrorrufen, 
während  andere  intensive  Entziindung.  ja  sogar,  ausschliess- 
lich auf  Grundlage  ihrer  chemischen  Beschaffenheit,  Eite- 
rung anregen  können.  Zwar  hat  sich  die  ursprüngUch 
scharfe  Unterscheidung  zwischen  chemisch  difierenten  und 
indifferenten  Körpern  nicht  fe-^thalten  lassen;  nichts  desto 
weniger  können  wir,  namentlich  für  practische  Zwei'ke,  in 
Bezug  auf  den  vorderen  Uvealtract  das  Silber,  (loKl  und 
das  Glas  als  indifferent  ansehen,  da  sie  nur  ausseixmlent- 
heb  geringe  chemische  Beizungserscheinungen  erregen,  wHh- 
rend  die  übrigen  Substanzen  immer,  wenn  auch  gi'tiduell 
verschiedene  Entzündungszustände  hervoiTufen,  die  sich  bei 
Kupfer  und  Quecksilber  bis  zur  Eitening  steigern,  wiUi- 
rend  sie  bei  Eisen  und  Blei  auf  einer  geringeren  Stufe 
stehen  bleiben  und  einer  leichteren  Beparation  fällig  sind. 

Ein  Fremdkörper  kann  nur  dann  chemisch  ivizend 
wirken,  wenn  er  unter  Bedingungen,  wie  sie  im  Augt^ 
gegeben  sind,  lösUch  wird,  ohne  dass  der  Grad  dieser  Ijös- 
lichkeit  der  Heftigkeit  der  Entzündung  propoi-tional  wäre, 
indem  noch  dabei  die  specifische  Wirksamkeit  der  gelösten 
Substanz  in  Bechnung  kommt,  und  die  längere  Dauer  der 


^)  Leber,  Entstehung  der  Entzündung  etc.    S.  185. 


156  K.  Gruber. 

Einwirkung  einer  auch  wenig  löslichen  Substanz  die  Reiz- 
wirkung verstärkt 

Die  specifische  Reizwirkung  des  Eisens  ist  nun,  wie 
Leber ^)  nachgewiesen  hat,  eine  ziemlich  geringe,  was  um 
so  auffaUender  erscheint,  als  die  Löslichkeit  des  Eisens  eine 
beträchthche  sein  muss,  wie  man  wenigstens  aus  der  Ab- 
lagerung einer  verhältnissmässig  sehr  grossen  Menge  des 
aus  ihm  stammenden  und  in  der  näheren  und  auch  ent- 
fernteren Umgebung  des  Fremdkörpers  abgelagerten  Rostes 
schliessen  kann,  der  in  der  Hornhaut  den  makroskopisch 
namenthch  bei  längerem  Verweilen  des  Fremdkörpers  sehr 
deutüch  sichtbaren,  besonders  durch  seine  gelbbraune  Farbe 
hervortretenden  Rostring  darstellt,  der  zurückbleibt,  wenn 
der  Fremdkörper  selbst  extrahirt  wird.  Das  Zustande- 
kommen dieses  aus  Eisenoxydhydrat  bestehenden  Rost- 
ringes erklärt  Leber  in  der  Weise,  dass  durch  die  Ein- 
wirkung der  trotz  alkahscher  Grundreaction  in  der  Horn- 
haut stets  vorhandener  freien  Kohlensäure  (vielleicht  aber 
auch  der  sauren  Carbonate)  das  metallische  Eisen  als 
saures  kohlensaures  Eisenoxydul  in  Lösung  gelangt  und 
dann  erst  secundär  durch  Einwirkung  der  atmosphärischen 
Luft  als  Eisenoxydhydrat  präcipitirt  wird.  Allerdings  giebt 
es  auch  noch  andere  Möglichkeiten  für  die  Uebertragung 
des  metallischen  Eisens  in  Eisenoxyd  bei  vorhergegangener 
Löslichkeit  desselben: 

1)  ist  nämlich  das  Eisenoxydul  in  sehr  wenig  Luft 
enthaltendem  Wasser  löslich,  wobei  der  nachherige  Luft- 
zutritt das  Eisen  als  Oxydhydrat  ausfällt;  freilich  ist  dabei 
die  ausserordentlich  geringe  directe  Löshchkeit  des  Oxy- 
duls (1: 150,000)  <)  in  Betracht  zu  ziehn. 

2)  Könnten  die  vorhandenen  sauren  Phosphate  eine 
phosphorsaure  Oxydul  Verbindung  bilden,  die  durch  Sauer- 
stoff in  Eisenoxydhydrat  umgewandelt  werden  könnte. 

»)  Leber  1.  c.  S.  220  ff. 

•)  Bineaii,  Compt  rend.    41.    509. 


lieber  Rostablagerung  in  der  Hornhaut.  I57 

In  diesen  Fällen  sowohl  als  bei  der  Lösung  des  Eisens 
als  saures  kohlensaures  Eisenoxydul  handelt  es  sich  um 
eine  anorganische  Eisenverbindung;  es  kann  aber  auch 

3)  eine  LösUchkeit  des  Eisens  in  organischer  Fomi 
entweder  als  Albuminat  oder  in  Verbindung  mit  einer  orga- 
nischen Säure  eintreten,  wodurch  auch  das  Eisenoxyd 
in  Lösung  übergehen  könnte,  was  sonst  auf  gar  keine  andere 
Weise  mögUch  wäre. 

Schliesslich  könnte  nach  Aufaahme  reinen  Eisens  in 
Leukocyten  erst  in  diesen  die  weitere  Oxydation  vor  sich 
gehen.  Leber  hat  in  der  That  nicht  oxydirtes  Eisen  in 
Rundzellen  geftinden.  Da  aber  doch  das  meiste  Oxyd,  wie 
weiter  noch  zu  besprechen  sein  wird,  sich  ausserhalb  der 
ZeUen  vorfindet,  und  die  Regelnlässigkeit  der  Ausbreitung 
in  der  Hornhaut  der  Verbreitung  des  Eisens  durch  Zell- 
thätigkeit  widerspricht,  müssen  wir  diese  Verbreitungsweise 
des  Eisens  als  zwar  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vorhan- 
den ansehen,  ohne  ihr  aber  für  das  Zustandekommen  des 
Rostringes  eine  besondere  Bedeutung  zusprechen  zu  können. 

Es  scheint  aber  als  ob  überhaupt,  die  Lösung  des 
Eisens  in  organischer  Form  für  das  Auge  wenig  in  Be- 
tracht käme.  Eine  Versuchsreihe,  die  ich  zur  Entscheidung 
dieser  Frage  heranziehen  möchte,  hat  mir  nämUch  gezeigt, 
dass  bei  Einführung  reinen  Eisenoxyds  in  die  Hornhaut  eine 
Weiterführung  dieser  Substanz  weder  auf  gelöstem  noch  auf 
ungelöstem  Wege,  durch  Zellthätigkeit,  erfolgt,  es  demnach 
überhaupt  nicht  zur  Bildung  eines  Rostringes  kommt 

Würde  der  Verbreitung  des  Eisens  als  Albuminat  für 
das  G«webe  eine  grössere  Bedeutung  zukommen,  so  müsste 
auch  ein  solches  Eisenalbuminat  aus  dem  Eisenoxyd  ent- 
stehen, und  damit  auch  nach  Einführung  von  Eisenoxyd 
ein  Bostpräcipitat  in  der  Umgebung  nachweisbar  werden. 
Findet  aber  die  Verbreitung  des  Eisens  nur  in  anorganisch 
gelöster  Form  statt,  so  kann  eine  Verbreitung  des  Eisen- 
oxyds im  Gewebe  überhaupt  nicht  erfolgen;  denn  das  Eisen- 


158  K.  Gruber. 

oxyd  ist  den  im  Gewebe  gegebenen  anorganischen  Lösungs- 
mitteln gegenüber  unlöslich.  Meine  Versuche  haben  mir 
nun  wirklich  gezeigt,  dass  eine  Verbreitung  des  Eisen- 
oxydes im  Gewebe  nicht  stattfindet,  dass  das  Eisenoxyd  in 
Bezug  auf  chemische  Wirkung  dem  Homhautgewebe  gegen- 
über als  ganz  indifferent  und  dem  Golde  gleichwerthig  an- 
zusehen ist. 

Bevor  ich  auf  diese  Versuche  selbst  eingehe,  möchte 
ich  darauf  hinweisen,  dass  Leber ^)  bei  Lijectionen  von 
Bost  in  den  Glaskörper  nicht  die  dem  metallischen  Eisen 
zukommenden  schädigenden  Wirkungen  auf  den  Glaskörper 
und  die  Netzhaut  fand,  sondern  nur  eine  langsame  partielle 
Atrophie  der  Netzhaut  constatiren  konnte,  wie  sie  auch 
nach  Einführung  von  reinem  Golde  entsteht 

Ich  ging  bei  meinen  diesbezügUch  angestellten  Ver- 
suchen in  der  Weise  vor,  dass  ich  Katzen  Stücke  reinen 
Eisenoxyds  in  die  Hornhaut  einführte.  Das  Eisenoxyd 
wurde  dadurch  rein  hergestellt,  dass  die  feinsten  im  Han- 
del erhältlichen  Stahlnadeln  durch  sehr  lange  Zeit  (120 
Stunden)  in  der  Oxydationsflamme  des  Bunsenbrenners 
geglüht  wurden,  bis  sie  in  Salzsäure  aufgelöst  mit  rothem 
Blutlaugensalz  keine  Spur  von  Blaufärbung  mehr  gaben. 
Die  Einführung  in  die  Hornhaut  geschah  auf  die  Art,  dass 
in  der  Narkose  erst  mit  einem  Schmalmesser  aus  reinem 
Aluminium  vorgestochen  und  dann  das  sehr  bröckelige 
Oxydstückchen  eingeschoben  wurde;  meist  wurden  in  eine 
Hornhaut  2 — 4  Partikel  eingelegt,  wobei  zur  Controle  auch 
ein  Stück  metallisches  Eisen  mit  verwendet  wurde.  Die 
Thiere  wurden  nach  einem  Zeitraum  von  24-- 48  Stunden 
wieder  vorgenommen,  die  eingeführten  Fremdkörper  mit 
einer  Aluminiumpincette  vorsichtig  entfernt  und  die  üeber- 
führung  des  Rostes  in  der  übUchen  Weise  mit  gelbem 
Blutlaugensalz   und   Salzsäure   zu  Berlinerblau   vorgenom- 


')  Leber,  Entstehung  der  Entzündung,  S.  242. 


Ueber  Rostablagerung  in  der  Hornhaut.  159 

men.  Schon  bei  makroskopischer  Untersuchimg  und  selbst 
vor  dem  chemischen  Nachweis  zeigte  sich  bei  Einfuhrung 
des  Eisenoxyds  gegenüber  dem  metallischen  Eisen  eine 
charakteristische  Differenz:  während  nämhch  bei  letzterem 
sich  unter  den  gleichen  Umständen  stets  ein  deuthcher 
Bostring  und  meist  auch  eine  ganz  leichte  Trübung  der 
Umgebung  darbot,  fehlte  diese  hier  vollständig  und  auch 
die  BerUnerblaureaction  ergab  das  vollständige  Fehlen  jeder 
Spur  von  Rost  Auch  mikroskopisch  Hess  sich  selbstver- 
ständUch  bis  auf  geringe  Mengen  bei  der  Extraction  im 
Stichkanal  zurückgebUebener  Substanz,  kein  Berlinerblau 
nachweisen.  Ich  möchte  übrigens  in  Bezug  auf  diese  That- 
sache  auch  im  Sinne  der  Leb  er 'sehen  Entzündungstheorie 
hervorheben,  dass  kein  Weiterschleppen  des  Eisenoxyds 
durch  Leukocyten  sich  ergab,  trotzdem  gerade  bei  der 
bröckeUgen,  beinahe  pulverig  zerfallenden  Beschaffenheit 
des  Fremdkörpers  diese  bedeutend  erleichtert  erscheinen 
möchte;  dies  erklärt  sich  eben  dadurch,  dass  es  in  Folge 
des  vollständig  fehlenden  chemischen  Beizes  nicht  zum  Auf- 
treten grösserer  Mengen  von  Leukocyten  kommen  konnte. 
Ich  möchte  den  Eisenalbuminaten  überhaupt  nur  eine 
sehr  untergeordnete  Rolle  bei  der  Lösung  oder  Bindung 
des  Eisens  zuschreiben.  Wenn  daher  das  Einhüllen  me- 
tallischer Fremdkörper  durch  eiweissreiche  Substanzen  eine 
Verminderung  ihrer  chemisch  reizenden  Wirkung  zur  Folge 
hat,  wie  es  sich  aus  den  Leb  er 'sehen  Untersuchungen 
zweifellos  ergiebt,  so  möchte  ich  diesen  Umstand  nicht  auf 
eine  durch  Bildung  eines  Albuminates  erfolgende  Neutrah- 
sation  der  chemischen  Wirkung  des  Eisens  zurückführen. 
Ich  möchte  vielmehr  annehmen,  dass  es  sich  hierbei  aus- 
schliesslich um  Hindemisse  handelt,  welche  das  auch  inner- 
halb dieser  Hülle  nur  in  anorganischer  Form  in  Lösung 
gelangte  Eisenoxydul  bei  seiner  Diffusion  findet,  wodurch 
es  viel  früher  prädpitirt  wird,  als  dies  sonst  der  Fall  ge- 
wesen wäre;  dadurch  würde  das  chemisch  reizende  Eisen- 


160  R-  Gruber. 

oxydul  von  seiner  weiteren  Ausbreitung  respective  Ein- 
wirkimg auf  chemisch  besonders  empfindliche  Organtheile 
ausgeschlossen. 

Jedenfalls  aber  müssen  wir,  was  chemischeReia- 
wirkung  anbelangt,  scharf  zwischen  dem  metal- 
lischen Eisen  und  dem  Eisenoxydul  einerseits  und 
dem  Eisenoxyd  andererseits  unterscheiden.  Erstere 
sind  als  chemisch  different,  letzteres  als  wenig- 
stens annähernd  und  für  den  vorderen  XJvealtract 
indifferent  anzusehen.  Gemenge  aus  Eisenoxyd  und 
Oxydul  müssen  eine  um  so  grössere  Reizwirkung 
ausüben,  je  mehr  ihre  Oxydulquote  die  Oxydquote 
übersteigt. 

Dieser  Umstand  erscheint  practisch  wichtig.  Ausser 
der  MögUchkeit  des  Hineingelangens  ganz  oder  nahezu 
reinen  Eisenoxyds,  kommt  hierbei  nämlich  noch  der  Ham- 
merschlag in  Betracht,  von  dem  die  weitaus  grösste  Zahl 
der  Bulbusverletzungen  herrührt.  Der  Hammerschlag  be- 
steht >)  aus  6  Theilen  Eisenoxydul  +  1  Theil  Oxyd;  er  lässt 
eine  Trennung  in  zwei  Schichten  leicht  zu,  eine  innere, 
die  einen  geringeren,  und  eine  äussere,  die  emen  grösseren 
Oxydgehalt  besitzt,  und  zwar  beträgt  dieser  bei  der  inneren 
32  —  37  °/q,  bei  der  äusseren  53®/o.  Es  besteht  daher  gerade 
der  äussere  mit  den  mngebenden  Theilen  vorzugsweise  in 
Berührung  kommende  Mantel  zum  grösseren  Theile  aus  Oxyd. 

Dieses  Verhalten  kommt  sicher  auch  bei  Bulbusver- 
letzungen klinisch  in  Betracht  Die  bei  Thierexperimenten 
mit  geglühtem  metallischem  Eisen  gewonnenen  Resultate, 
geben  trotz  der  verhältnissmässig  geringen  chemischen  Reiz- 
wirkung des  metallischen  Eisens  noch  immer  in  dieser  Be- 
ziehung ceteris  paribus  ungünstigere  Resultate,  wie  die 
beim  Menschen  durch  Hammerschlag,  wie  gewÖhnUch,  ent- 
standenen. 


^)  Mosander,  Pogg.  6.   35. 


lieber  Rüstablagerung  in  der  Hornhaut  161 

Aber  noch  eine  andere  Folgening  scheint  sich  aus 
meinen  Versuchen  im  Zusammenhang  mit  dem  Leb  er 'sehen 
Experimente  für  die  in  die  Hornhaut  eingedrungenen  Fremd- 
körper zu  ergebeu,nämlich  die  vollständige  chemischeUn- 
schädlichkeit  eines  zurückgebliebenen  Rostringes. 
Insofern  dieser  ja  aus  reinem  Eisenoxydhydrat  besteht,  kann 
er  keine  chemische  Reizwirkung  ausüben,  vielmehr  muss 
dieselbe  nach  Oxydation  des  letzten  zurückgebliebenen  Eisen- 
oxyduls aufhören.  Allerdings  können  sich  an  das  Ver- 
bleiben eines  solchen  Rostrings  gewisse  leichte  Entzündungs- 
erscheinungen, die  zu  seiner  definitiven  Ausstossung  führen 
können,  anschUessen;  diese  sind  aber,  wenn  wir  wieder  von 
der  Möglichkeit  einer  secundären  Infection  absehen,  nm* 
solche,  wie  sie  überhaupt  zur  Elimination  ganz  unschäd- 
licher Fremdköri)er  führen,  die  dem  Organismus  lästig 
werden  z.  B.  als  Fremdkörper  eingeführter  Stärke  (Leber). 

Die  chemisch  reizende  Wirkung  des  in  die  Hornhaut 
eingedrungenen  Eisens  müssen  wir  uns  daher  etwa  in  der 
Weise  vorstellen,  dass  fortwährend  durch  die  Berührung 
des  Eisens  mit  namentlich  kohlensäurehaltiger  Gewebs- 
tiüssigkeit,  Ströme  von  Oxydullösung  ausgeschickt  werden, 
die  nur  so  lange  chemisch  reizend  wirken,  bis  sie  als  Oxyd- 
hydrat präcipitirt  sind.  Diese  fortwährend  fortgesetzte 
Jjösung  einer  wenn  auch  sehr  geringen  Menge  der  reizen- 
den Substanz  (das  saure  kohlensaure  Eisenoxydul  löst  sich 
nämlich  nur  1:1000,  genauer  9:10,000)')  ergibt  nach 
Leber  gerade  verhältnissmässig  sehr  starke  Reizzustände. 
Wird  der  Fremdköri)er  extrahirt,  so  hört  die  Neubildung 
von  Oxydul  auf,  und  das  bereits  gebildete  Oxyd  verhält 
sich  indiiferent:  wird  er  durch  compacte  stark  eiweissreiche 
Massen  eingekapselt  z.  B.  durch  quellende  linsenmassen 
oder  Exsudate,  so  wird  zw  ar  auf  ganz  analoge  Weise  Eisen- 
oxydul in  Lösung  gebracht,  kann  aber  nicht  so  weit  diftun- 


M  Hauer,  .1.  pr.  Cbem.  81,  391. 

V.  Graefe's  Archiv  fiSr  Ophthalmologie.    XL.    2. 


162  R.  Gruber. 

diren,  wie  es  sonst  der  Fall  gewesen  wäre,  sondern  wird 
in  kurzer  Entfernung  als  Oxyd  präcipitirt  und  dadurch 
unschädlich  gemacht. 

Ich  habe  nun  eine  grössere  Anzahl  von  Versuchen 
angestellt,  um  die  näheren  Verhältnisse  bei  der  Ablage- 
rung des  Kostes  in  der  Hornhaut  festzustellen  und  die 
topographischen  und  histologischen  Eigenthümlichkeiten  des 
Bostnnges  kennen  zu  lernen,  die  immerhin  auch  klinisches 
Interesse  beanspruchen  dürfen,  wenn  auch,  wie  früher  er- 
wähnt, dem  Rost  an  sich  keine  chemische  Beiz  Wirkung 
zukommt;  ich  habe  auch,  wie  ich  gleich  hier  erwähnen 
will,  wiederholt  beobachtet,  dass  ein  solcher  nach  Extrac- 
tion  des  Fremdkörpers  restirender  Rostring  viele  Tage  ohne 
Störung  in  der  Hornhaut  verbleiben  konnte,  bis  er  schliess- 
lich auf  die  früher  erwähnte  Weise  durch  leicht  entzünd- 
liche und  Erweichungsvorgänge  aus  der  Hornhaut  ent- 
fernt wird. 

Ich  ging  bei  meinen  Versuchen  in  der  Weise  vor,  dass 
ich  Fremdkörper  aus  blankem  Eisen,  die  ich  durch  Breit- 
schlagen und  entsprechendes  Zuspitzen  von  weichem  Biseu- 
draht  gewonnen  hatte,  in  die  Hornhaut  ausgewachsener 
Katzen  derart  einführte,  dass  die  Spitze  des  Fremdkörpers 
die  Tunica  Descemeti  nicht  perforirte,  andererseits  aber 
auch  nicht  etwa  nur  unter  das  Epithel  zu  Hegen  kam. 
Dann  wurde  das  fr^i  herausragende  Ende  knapp  oberhalb 
des  Epithels  mit  der  Ejieipzange  abgetragen  und  die  Lider 
(meist)  vernäht.  Nach  5  Minuten  —  120  Stunden  wurde 
dann  das  Thier  wieder  vorgenommen,  der  Fremdkörper  vor- 
sichtig extrahirt,  und  die  Ueberführung  des  abgelagerten 
Eisenoxydhydrates  (Rostring)  zu  Berlinerblau  ebenfalls  noch 
in  der  Narkose  und  stets  in  vivo  vorgenommen.  Es  wurde 
hierbei  die  Hornhaut  erst  durch  einige  Minuten  mit  |  ®/o 
gelber  Blutlaugensalz-Lösung  gebadet,  dann  rasch  mit  2  ^/^ 
Salzsäurelösung  betropft,  dann  mit  Wasser  gründUch  ab- 
gespült, ausgeschnitten,  nochmals  gründlich  gewaschen  und 


Teber  Rostabbfming  in  der  Hornhaut.  163 

dann  der  weiteren  Untersuchung  durch  Härtung  in  Alko- 
hol zugeföhrt.  Die  hierbei  befolgte  Methode  unterscheidet 
sich,  wie  ersichtlich,  hauptsächlich  dadurch  von  der  gewöhn- 
lich angewendeten,  dass  die  Ueberfuhrung  zu  Beriinerblau 
direkt  Jn  Tivo**  vorgenommen  wird.  Ich  halte  das  für 
einen  entschiedenen  Yortheil,  indem  man  dadurch  sowohl 
natoriichere  Bilder  bekommt,  als  auch  bei  der  nachfolgen- 
den Präparation  nicht  so  scrupulös  eiserne  Instrumente 
fernhalten  muss.  wie  es  sonst  bei  ueberfuhrung  des  Elisens 
in  den  Schnitten  geschehen  müsste. 

Werden  die  Hornhäute  auf  die  eben  angegebene  Weise 
behandelt,  so  erhält  man  in  aUen  FäUen,  auch  dann,  wenn 
die  Fremdkörper  nur  5  Minuten  in  der  Hornhaut  gelegen 
sind;  deutUche  Blaufärbung,  die  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  nut  dem  längeren  Liegenbleiben  stärker  zu  werden 
scheint  Diese  Blaufärbung  nimmt  einen  etwas  grösseren 
Bezirk  ein,  als  der  Grösse  des  eingetührten  Fremdkörpers 
entsprechen  würde.  Im  übrigen  lässt  sich  die  stärkere  Bil- 
dung eines  Rostringes  nicht  willkürlich  ül)er  ein  gewisses 
Mass  hinaus  hervorrufen,  wobei  auch  noch  der  Umstand 
in  Betracht  zu  ziehen  ist,  dass  l)ei  sehr  langem  liegen- 
bleiben meist  entweder  die  Entzündung  einen  sehr  hohen 
Grad  erreicht,  oder  der  Fremdkörper  theils  durch  Erweichung 
des  umgebenden  Gewebes,  theils  auf  mechanischem  Wege 
gelockert  wird,  und  schliesslich  herausfallen  kann. 

Diese  dem  Bostringe  entsprechende  Blautärbung  zeigt 
im  Allgemeinen  die  Gestalt  des  eingeführten  Fremdkörpers 
bis  auf  den  Umstand,  dass  sie  etwas  grösser  und  an  den 
Ecken  abgestumpft  erscheint,  und  es  könnte  daher  den 
Anschein  erwecken,  als  ob  es  sich  um  eine  gleichmässig 
um  den  Stichcanal  erfolgte  Ablagerung  von  Eisenoxydhydrat 
handeln  würde.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
einer  ziemlich  grossen  Anzahl  (gegen  50)  auf  solche 
Weise  behandelter  Hornhäute  hat  mir  aber  gezeigt^ 
dass  ein  so  einfaches  Verhalten  niemals  vorkommt, 

11* 


164  R-  Gruber, 

Wie  aus  dem  beigegebenen  Bilde,  dessen  Contour  von 
mir  mit  dem  Zeiss' sehen  Zeichenapparate  aufgenommen 
wurde,  sich  ergiebt,  findet  sich  vielmehr  ein  eigenthüm- 
liches,  in  typischen  Fällen  höchst  auffallendes  Verhalten. 

Bei  der  Betrachtung  eines  Querschnittes  zeigt  sich 
die  Hornhaut  in  der  Dimension  von  vorne  nach  hinten  von 
einem  System  von  vier  blauen  Bändern  durchzogen,  welche 
die  Ablagerung  des  Eisenoxyds  als  Rostring  charakterisiren. 
Die  zweite  dieser  Linien  löst  sich  bei  schärferen  Ver- 
grösserungen  zu  einem  fein  klaflenden  Spalt  auf,  der  dem 
Stichcanal  bei  Einführung  des  Premdkörpere  entspricht. 
Es  bleiben  eben  bei  Herausnahme  des  Fremdkörpers  Theil- 
chen  von  Eisenoxyd  in  allerdings  nicht  sehr  grosser  Menge 
zurück,  die  den  Stich  Wandungen  anHegen.  Dieser  Stich- 
eanal respective  das  zweite  blaue  Band  erscheint  durch 
eisenfreie  Parthieen  getrennt  von  zwei  eisenhaltigen,  ihn 
scheidenförmig  umgebenden  Bändern,  dem  ersten  und  dem 
dritten,  von  denen  das  erste  nach  vonie  convexe,  bis  imter 
das  Homhautepithel  heranreichende,  und  an  den  Ecken 
am  saturirtesten,  meist  als  das  mächtigere,  das  dritte,  den 
Stichcanal  von  rückwärts  umschliessende,  nach  vorne  con- 
cave,  und  an  den  Rändern  mit  dem  ersten  confluirende  als 
da«  schwächere  erscheint  Diese  vordere  und  hintere  Scheide 
umschliessen  daher,  durch  eisenfreie  Parthieen  von  ihm  ge- 
trennt, den  Stichcanal,  respective  den  Fremdkörper,  wie  die 
Scheide  den  Degen.  Das  vierte  derDescemeti  unmittelbar 
anhegende  und  nach  vorne  ebenfalls  convexe  Band  ist  wie- 
der durch  eisenfreie  ParÜiieen  von  dem  dritten  getrennt. 

Betrachtet  man  eine  ganze  typische  Querschnittserie, 
so  zeigt  es  sich,  dass  unmittelbar  am  Einstich  nui*  dieser 
selbst  sich  durch  Blaufärbung  marquirt,  und  dass  nun  ent- 
sprechend dem  weiteren  mehr  nach  rückwärts  teudirenden 
Verlaufe  des  Stichcanals  die  beschriebenen  Rostbänder  sich 
von  ihm  ablösen,  um  das  vordere  flacher,  das  rückwärtige 
stärker   geneigt   und   dabei    im  Bogen    geschwungen,   den 


lieber  Rostablagening  in  der  Hornhaut.  165 

Stichcanal  scheidenförmig  zu  umschliessen,  wähi*end  das  vierte 
sich  au  der  Descemeti  ablagert.  —  Zum  Schluss  der  Serie 
gelangt  man  zu  Schnitten,  bei  denen  nur  die  Scheidenbänder  zu 
sehen  sind,  während  der  fiiiher  zwischen  ihnen  gelegene  Stich- 
canal (das  zweite  Band)  verschwunden  ist.  Esstelltsichda- 
her  der  Rostring  als  ein  nur  am  Einstich  mit  dem 
Stichcanal  unmittelbar  zusammenhängender,  sonst 
aber  durch  eisenfreie  Parthieen  von  ihm  getrennter 
Mantel  dar,  dessen  Ende  das  Ende  des  Stichcanals 
überragt,  während  andererseits  auch  eine  Rostabla- 
gerung entsprechend  der  Tunica-Descemeti  auftritt 

Ein  diesen  Befund  bekräftigendes  Bild  ergiebt  ein 
typischer  Flachschnitt.  Man  erblickt  an  ihm  den  nur 
wenig  klaffenden  Stichcanal,  dessen  Wandung  auch  hier 
nur  wenig  beträchthche  Eisenoxydpartikeln  anliegen,  wäh- 
rend an  jeder  vom  Einstichspunkt  entfernten  Stelle  der 
eigentUche  Rostring  als  ein  durch  eisenfreie  Parthieen  vom 
Stichcanal  getrenntes  scharf  begrenztes  blaues  Band  um 
den  Stichcanal  herumläuft  und  auch  noch  als  blauer  Ring 
über  den  Stichcanal  hinaus  nachzuweisen  ist. 

Schliesslich  findet  sich  auch  an  typischen  Längs- 
schnitten ein  ähnHcher  Befund,  nur  dass  hier  das  Bild 
durch  die  Einrollung  der  Bowmann 'sehen  Membran  etwas 
compUcirter  wird.  Man  sieht  aber  auch  hier  das  vordere  Band 
durch  Eisenoxyd-freie  Parthieen  vom  Stichcanal  geschieden. 

Ich  muss  aber  gleich  hier  bemerken,  dass  wir  nicht 
erwarten  dürfen,  an  jeder  Schnittserie  ganz  das  gleiche  Bild 
anzutreffen.  Die  Beschreibung  wie  auch  die  beigegebene 
Abbildung  entspricht  nur  dem  (selteneren)  typischen  Fall. 
Oft  genug  aber  findet  man  ausser  dem  eigentUchen  Stich- 
canal nur  das  vordere  Band,  oder  nur  das  vordere  und  das 
der  Descemeti  entsprechende  Band  deutUch  entwickelt. 
Immer  aber  findet  man  im  weiteren  Verlauf  des  Stich- 
canals eisenfreie  Parthieen,  welche  den  eigentUchen  Stich- 
canal  von    dem    vorderen  Rostbande,   das   beinahe   immer 


166  R.  Gruber. 

sehr  schön  ausgebildet  ist,  abgrenzen.  Letzteres  fehlt  natür- 
lich —  und  auch  beinahe  ausschUesslich  —  dann,  wenn 
der  Fremdkörper  direct  subepitheHal  gelegen  ist,  also  keine 
vordere  Begrenzungswand  gegeben  erscheint. 

Die  Incubationszeit  des  Fremdkörpers  in  der  Hornhaut 
hat  auf  die  Beschaffenheit  der  Bostiigur  insofern  einen  Ein- 
fluss,  als  erstens  die  längere  Dauer  der  Einwirkung  die 
Zeichnung  bis  zu  einem  gewissen  Grade  saturirter  hervor- 
treten lässt,  zweitens  aber  die  Begrenzungsbänder  erst  nach 
24 — 48  Stunden  in  der  beschriebenen  Ausbreitung  deutlich 
erscheinen,  um  sich  dann  nicht  mehr  sehr  wesentlich  zu 
verändern.  In  den  Präparaten,  die  von  Hornhäuten  stam- 
men, in  denen  die  Fremdkörper  erhebUch  kürzere  Zeit  ver- 
weilt hatten,  färbte  sich  fast  nur  der  Einstich,  respective 
ein  kurzes  Stück  des  am  Einstich  mit  dem  Stichcanal  zu- 
sammenhängenden vorderen  Bandes.  — 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  wodurch  sich  dieses  ganz 
eigenthümliche  Verhalten  des  Bostringes  erklärt.  Es  hegt 
da  nahe,  anzunehmen,  dass  das  Eisen  in  der  Nähe  des 
Stichcanals  als  kohlensaures  Eisenoxydul  gelöst  und  daher 
durch  die  Berlinerblautärbung  erst  dann  nachweisbar  er- 
scheint, wenn  es  unter  Einwirkung  der  atmosphärischen 
Luft  (Sauerstoff)  zu  Eisenoxyd  übergeführt  ist.  Unmittel- 
bar an  der  Homhautoberfläche  könnte  diese  XJeberflihrung 
natürlich  am  leichtesten  erfolgen,  und  daher  die  Eostab- 
lagerung auch  entsprechend  der  Oberfläche  am  intensivsten 
und  dem  Stichcanal  am  nächsten  erfolgen.  Wir  müssten 
daher  im  weiteren  Verlauf  des  Stichcanals  zwar  kein  Eisen- 
oxyd, dafür  aber  Eisenoxydul  unmittelbar  um  den  ursprüng- 
lichen Sitz  des  Fremdkörpers  vorfinden  und  zwar  in  Lösung, 
während  es  erst  in  einer  gewissen  grösseren  oder  geringe- 
ren Entfernung  zur  Präcipitirung  des  Eisens  als  unlösUches 
Oxydhydrat  kommen  würde.  Allerdings  findet  man  unter 
gewöhnlichen  Umständen  nur  sehr  wenig  oder  gar  kein 
chemisch  nachweisbares  Eüsenoxydul  in  solchen  Hornhäuten, 


Ceber  Rostablagerung  in  der  Hornhaut.  167 

diese  geringe  Menge  könnte  aber  ganz  gut  in  der  doch 
verhältnissmässig  ausserordentlich  geringen  Löslichkeit  des 
Eisenoxyduls  begründet  sein.  Ich  habe  nun  auch  diese 
Frage  einer  experimenteUen  Prüfling  unterzogen;  leider  sind 
aber  die  Resultate  nicht  beweisend  ausgefalleu. 

Ich  ging  in  der  Weise  vor,  dass  ich  nach  Extraction 
der  Fremdkörper  die  Hornhäute  in  vivo  mit  rothem  Blut- 
laugensalz und  Salzsäure  behandelte  und  auf  diese  Weise 
das  Eisenoxydul  in  Tumbullsblau  überführte.  Die  Behand- 
lung in  vivo  scheint  mir  hierbei  noch  viel  wichtiger  zu 
sein,  wie  bei  der  Behandlung  des  Eisenoxyds,  weil  sich  das 
Eisenoxydul  ausserordentlich  leicht  in  das  Oxyd  umsetzt 
was  unmittelbar  nach  der  Herausnahme  leicht  erfolgen 
könnte.  Ich  erhielt  auch  hierbei  eine  deuthch  blaue  Farben- 
reaction,  welche  sich  aber  dadurch  von  der  Berlinerblau- 
reaction  unterschied,  dass  sie  viel  variabler  war,  wie  die- 
jenige, die  ich  bei  der  letzteren  Beaction  erhalten  hatte. 
Dies  ÜEind  seine  Erklärung  darin,  dass  sich,  wie  sich  bei 
der  mikroskopischen  Untersuchung  der  Präparate  ergab, 
fast  nur  die  im  Stichcanal  verbleibenden,  in  Bezug  auf  ihre 
Menge  ^natürUch  sehr  variablen,  Partikelchen  von  Eisen- 
oxydul gebläut  hatten.  Allerdings  konnte  ich  auch  in  vielen 
Schnitten  eine  ganz  deutliche  unmittelbar  den  Stichcanal 
umgebende  ziemUch  diffuse  Bläuung  nachweisen.  Bei  der 
sehr  geringen  Intensität  der  fragUchen  Färbung  erscheint 
es  aber  doch  sehr  zweifelhaft,  ob  es  sich  hier  um  eine  sich 
zur  Oxydbläuung  wie  Positiv  zu  Negativ  verhaltende  Oxydul- 
Imprägnation  oder  nicht  doch  um  einen  zwischen  die  Oxyd- 
ablagerung eingestreuten  Oxydulniederschlag  handelt  Nichts- 
destoweniger halte  ich  es  fiir  höchst  wahrscheinlich,  dass 
das  aus  dem  Stichcanal  als  saures  kohlensaures  Eisen- 
oxydul aufgenommene  Eisen  unmittelbar  um  den  Stichcanal, 
wenn  auch  nur  in  geringer  Menge  sich  vorfindet  und  den 
Zwischenraum  zwischen  dem  eigentUchen  Stichcanal  und 
dem   sogenannten  Rostring,   der,   wie   wir  gesehen  haben, 


168  R.  Gniber. 

überall  mit  Ausnahme  des  Einstichs  durch  oxydfreie  Par- 
thieen  vom  Stichcanal  getrennt  ist,  ausfüllt,  und  dass  sich 
dieses  Oxydul  erst  dann  in  einer  gewissen  Entfernung  als 
Eisenoxydhydrat  niederschlägt,  wobei  es  den  Rostring  bildet 

Zur  Erklärung  des  sehr  inconstanten  Eisennieder- 
schlages entsprechend  der  Descemeti  möchte  ich  die  Re- 
sorptionsverhältnisse beim  Uebergang  der  Saftströmung  aus 
der  Hornhaut  in  die  Vorderkammer,  femer  vielleicht  den 
Umstand  herbeiziehen,  dass  unpräcipitirte  Oxydultheile  die 
rückwärtige  Scheide  passiren  mögen,  die  sich  erst  weiter 
lückwärts  als  Oxyd  niederschlagen  können.  — 

Was  die  mikrochemische  Vertheilung  des  Eisen- 
oxyds in  der  Hornhaut  anbelangt,  konnte  ich  ein 
eigenthümliches  ziemlich  selectives  Verhalten  der 
einzelnen  Hornhautelemente  dem  Eindringen  des 
Eisenoxyds  gegenüber  beobachten. 

Das  Hornhautepithel  zeigte,  insofeni  es  nicht  durch 
Einfuhnmg  des  Fremdkörpers  verloren  gegangen  war,  in 
beinahe  allen  Fällen  ein  eigenthümUches  Verhalten  in  der 
Weise,  dass  die  Epithelzellen  selbst  dem  Eindringen  des 
Fremdkörpers  einen  sehr  grossen  Widerstand  entgegen- 
setzten, sodass  sie  ganz  ungefärbt  blieben  oder  nm*  eine 
schwache  Kemfärbung  zeigten,  wälirend  die  Zwischensub- 
stanz sich  intensiv  blau  färbte.  Daraus  ergab  sich  bei  ent- 
sprechend angelegten  Flachschnitten  eine  eigenthümUche 
Schach brett-förmige  Zeichnung.  In  einzelneu  Fällen  konnte 
ich  CoUoid-Degeneration  der  Epithelzellen  coustatiren. 

Die  Substantia  propria  corneae  zeigte,  insofern  sie 
in  das  früher  beschriebene  Bereich  der  Eisenoxydinfiltration 
zu  hegen  kam,  ein  verschiedenes  Verhalten.  In  den  meisten 
Fällen  zeigten  die  Homhautkörperchen  eine  geringere  Auf- 
nahmsfähigkeit, als  die  Zwischensubstanz,  ein  Verhalten, 
das  in  besonders  charakteristischen  FäUen  Bilder  ergab, 
die  viel  Aehnlichkeit  mit  den  sich  bei  Lapisiärbungen  dar- 
bietenden zeigte.    Allerdings  waren  diese  in  unserem  Falle 


üeber  Rostablagerung  in  der  Hornhaut.  169 

nicht  so  scharf  wie  die  letzteren,  liessen  aber  nichtsdesto- 
weniger doch  gelegenthch  deutliche  Zellfortsätze,  an  Kera- 
titisbilder  erinnernde  Rgurationen,  ja  vielleicht  sogar  An- 
deutungen von  Theilungsfiguren  erkennen.  Ich  möchte 
diese  Bilder  in  Analogie  bringen  mit  den  schönen  Zeich- 
nungen von  Homhautkörperchen,  die  man  bei  der  Behand- 
lung von  Honihäuten  mit  schwefelsaurem  Eisenoxydul  und 
rothem  Blutlaugensalz,  also  bei  der  Imprägnation  mitTuni- 
buUsblau  nach  Leber  erhält.  Ich  erwartete  diese  Bilder 
auch  bei  der  Untersuchung  der  Hornhäute  auf  Eisenoxydul 
naturgemäss  vorzufinden;  nur  war  es  hier  die  der  geringen 
Menge  des  Eisenoxyduls  entsprechende  ausserordentlich 
schwache  Blaufärbung,  welche  diese  Constatirung  unmög- 
lich machte.  Wie  gesagt,  giebt  diese  „Eisenoxydfärbung" 
recht  undeuthche  Bilder,  hat  aber  den  unbestreitbaren  Vor- 
theil  fiir  sich,  dass  sie  durchaus  in  vivo  entstanden  ist,  und 
dass  sie  durch  Behandlung  (Imprägnation)  der  Hornhaut 
mit  einem  absolut  unlöslichen  Körper  (Eisenoxyd)  entsteht. 
Uebrigens  ist  das  beschriebene  Verhalten  der  Substantia 
propria  zwar  das  gewöhnlichere,  keineswegs  aber  das  aus- 
schliesslich vorkommende.  Vielmehr  fand  ich  in  vielen 
Fällen  das  entgegengesetzte  Verhältniss  vor,  dass  nämUch 
die  Homhautkörperchen  durch  ihre  besonders  intensive 
dunkelblaue  Imprägnation  hervortraten,  sich  also  Positiv- 
bilder ergaben,  wie  sie  sich  auch  bei  Silbertärbungen,  mit 
denen  diese  Eisenfärbung  einige  Aehnlichkeit  zu  besitzen 
scheint,  in  gewissen  Fällen  vorfinden. 

Was  die  Imprägnation  selbst  anbelangt,  handelt  es 
sich  um  eine  ziemlich  diffuse  Blautärbung,  an  der  ich  meist 
keine  nennenswerthen  Details  unterscheiden  konnte.  In 
einzelnen  Fällen  fand  sich  zwai-,  namentlich  wo  die  Incu- 
bation  des  Fremdkörpers  eine  längere  Zeit  gedauert  hatte, 
eine  entzündhche  Zellanhäufung  um  den  Stichcanal,  wobei 
im  Uebrigen  die  Entzündungserscheinungen  die  topogra- 
phische  Anordnung    des   Eisenoxyds   nicht   wesentlich   zu 


170  R.  Gruber. 

beeinflussen  schienen.  Eine  nennenswerthe  Phagocythoso 
konnte  ich  niemals  constatiren,  wohl  aber  &nden  sich  hie 
und  da  um  den  Stichcanal  einzelne  Rundzellen,  die  ein 
Eisenoxydbrökel  enthielten;  jedenfalls  ist  die  Fortpflanzung 
des  Eisenoxyds  durch  Wanderzellen  für  die  Hornhaut  gegen- 
über der  Verbreitung  auf  gelöst-anorganischem  Wege  weit- 
aus in  zweite  Linie  zu  rücken. 

Was  schliesslich  die  EisenoxydanhäuAmg  entsprechend 
derMembrana  Descemeti  anlangt,  so  konnte  die  betreffende 
Blautärbung  als  zum  grössten  Theil  den  hintersten  Parthieen 
der  Substantia  propria  angehörend  locaUsirt  werden.  Oft 
fand  sich  aber  auch  eine  ganz  diffuse  Bläuung  der  Mem- 
bran selbst    Das  Wasserhautepithel  fand  ich  ungefärbt  — 

Ich  möchte  mir  zum  Schlüsse  noch  erlauben,  die  that- 
sächlichen  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen  zusammen- 
zustellen: 

1)  In  die  Hornhaut  eingedrungene  Eisenkörper 
verhalten  sich  ihrer  chemischenBeschaffenheit  nach 
in  ihr  verschieden.  Das  metallische  Eisen  und  das 
Eisenoxydul  sind  als  in  chemischer  Beziehung  diffe- 
rent,  das  Eisenoxyd  aber  als  indifferent  anzusehen. 
Gemenge  aus  beiden  verhalten  sich  in  desto  höhe- 
rem Grade  chemisch  reizend,  je  mehr  die  Oxydul- 
quote die  Oxydquote  übersteigt  Die  an  das  Ein- 
dringen eines  Fremdkörpers  sich  anschliessende, 
nach  Extraction  desselben  zurückbleibende  Rost- 
ablagerung in  Form  des  sogenannten  Rostringes  ist, 
als  nur  aus  Eisenoxydhydrat  bestehend,  in  chemi- 
scher Beziehung  indifferent  und  unschädlich. 

2)  Der  aus  dem  Fremdkörper  in  die  umgebende 
Hornhaut  übergegangene  Rost  stellt  einen  nur  am 
Einstich  mit  dem  Stichcanal  zusammenhängenden 
Mantel  dar,  der  sonst  durch  oxydfreie  Parthieen  von 
ihm  getrennt  ist 

3)  Auch  bei  nicht  perforirenden  Fremdkörpern 


lieber  Rostablagerung  in  der  Hornhaut.  171 

kommt  es  sehr  oft  zur  Oxydablagerung  an  der  Des- 
cemet!. 

4)  Die  Rostablagerung  ausserhalb  des  eigent- 
lichen Fremdkörpers  erfolgt  ungemein  rasch,  so- 
dass schon  nach  fünf  Minuten,  vielleicht  auch  schon 
in  kürzerer  Zeit  der  Beginn  des  Rostringes  aus- 
gebildet ist. 

5)  Das  Hornhautepithel  verhält  sich  dem  Ein- 
dringen desEisenoxyds  gegenüber  ausserordentlich 
widerstandsfähig;  vielleicht  ist  daraus  die  bekannte  Un- 
schädlichkeit aseptisch  nur  in  die  Epithelschicht  einge- 
drungener Eisenkörper  mit  zu  erklären. 

6)  Die  Hornhautgrundsubstanz  zeigt  dem  Ein- 
dringendesEisenoxyds  gegenüber  ein  verschiedenes 
Verhalten.  — 

Zum  Schlüsse  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht, 
meinem  hochverehrten  Ijehrer,  Herrn  Professor  Stricker, 
der  mir  für  meine  Versuche  mit  gewohnter  Bereitwilligkeit 
sein  Laboratorium  zur  Verfügung  stellte  und  mich  durch 
seinen  ausgezeichneten  Rath  vielfältig  unterstützte,  an  dieser 
Stelle  meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  VI. 

Querschnitt  durch  eine  Katzenhomhaut  nach  48 stündiger  In- 
cubation  eines  Eisenspahnes.  Man  sieht  die  vier  dem  Stichkanal,  dem 
vorderen  und  dem  hinteren  Rostband  sowie  der  Ablagerung  an  der 
Membrana  Descemeti  entsprechenden  durch  Reduction  des  Eisen- 
oxyds zu  Berlinerblau  kenntlichen  Bänder;  auch  tritt  die  Zeichnung 
des  Epithels  hervor. 


Beiträge  zur  Kenntniss 
der  concentrischen  Gesichtsfeldverengenmg.     . 

Von 

Dr.  Groenouw, 

Privatdocenten  und  Assistenzarzt  an  der  königl.  Univereitätsklinik  für 
Augenkranke  zu  Breslau. 

Hierzu  Taf.  VII  — IX,  Fig.  1—18. 


Es  ist  eine  bekannte,  leicht  zu  erklärende  Thatsache, 
dass  eine  hochgradige  Verengerung  des  GF^),  wie  sie  bei 
organischen  Erkrankungen  des  Auges,  z.  B.  Sehnerven- 
atrophie häufig  vorkommt,  die  Orientirung  im  Raum  ganz 
ausserordentlich  behindert.  Man  findet  nun  aber  bei  der 
Anaesthesia  retinae  und  den  verwandten  Krankheiten  nicht 
selten  ein  sehr  enges  GP,  ohne  dass  die  Orientirung  im 
mindesten  gestört  ist.  Diese  auffallende  Erscheinung  mag 
manchmal  Anlass  gegeben  haben,  den  betreffenden  Patienten 
für  einen  Simulanten  anzusehen,  indessen  mit  Unrecht  Der 
scheinbare  Widerspruch  lässt  sich  nämhch  sehr  wohl  lösen, 
wenn  man  einige  Paktoren  genauer  betrachtet,  welche  von 
Einfluss  auf  die  Ausdehnung  des  concentrisch  verengten 
GP  sind. 

Concentrische  Gesichtsfeldverengerung  nicht  durch  ein 
organisches,  sondern  durch  ein  fimctionelles  Leiden  bewirkt. 


*)  GF  bedeutet  Gesichtsfeld,  GP^:  concentrische  Gesichtsfeld- 
verengerung, GFA:  Gesichtsfeldaufnahme,  GH:  Gesichtsfeldhälfte, 
VT:  Foerster'scher  Verschiehungstypus. 


Beiträge  zur  Kenntniss  d.  concentr.  Gesichtsfeld  Verengerung.     173 

findet  sich  als  Symptom  bei  den  verschiedensten  Augen- 
und  Allgemeinerkrankungen^  meist  in  Verbindung  mit  dem 
Foerster' sehen  Verschiebungstypus  (1  und  2),  Sie  kommt 
vor  bei  der  sogenannten  Anaesthesia  retinae  oder  nervösen 
Asthenopie,  femer  bei  verschiedenen  fimctionellen  Nerven- 
leiden: Hysterie,  Neurasthenie,  traumatische  Neurose,  so- 
dann bei  einer  Anzahl  Augenerkrankungen,  z.  B.  Accom- 
modationslähmung,  Hemeralopie,  Tabaksamblyopie.  Die 
durch  fiinctionelle  Erkrankungen  bedingte  concentrische  Ge- 
sichtsfeldverengerung soll  im  Folgenden  der  Kürze  halber 
mit  GFE  bezeichnet  werden. 

Der  Foerster'sche  Verschiebungstypus. 

Obwohl  die  Art  imd  Weise,  wie  der  Foerster'sche 
Verschiebungstypus  nachzuweisen  ist,  bekannt  sein  dürfte, 
so  soll  dieselbe  doch  nochmals  beschrieben  werden,  da  ver- 
schiedenen Einzelheiten  oft  nicht  genügende  Beachtung  ge- 
schenkt wird  und  wir  im  Folgenden  noch  oft  auf  sie  zurück- 
kommen werden. 

Ein  GF  mit  Foerster'schem  Verschiebungstypus  (VT) 
zeigt  bei  centripetaler  Objectfiihrung  eine  grössere  Ausdeh- 
nung als  bei  centrifiigaler.  Die  Untersuchung  wird  in  der 
Weise  vorgenommen,  dass  ein  weisses  Quadrat  von  5  mm 
Seitenlänge  von  der  temporalen  Seite  des  GF  her  gegen 
den  Fixationspunkt  hingeführt  und  über  diesen  hinaus  nach 
der  nasalen  Grenze  hin  vorgeschoben  wird.  Der  Punkt, 
in  welchem  das  Object  temporalwärts  eben  anfängt  sichtbar 
zu  werden,  und  derjenige,  bei  welchem  es  nasal wärts  wie- 
der verschwindet,  werden  notirt.  Man  beginnt  in  der  Regel 
mit  dem  horizontalen  Meridian  und  prüft  darauf  in  der- 
selben Weise  die  übrigen  GF- Meridiane.  Es  folgt  jetzt 
die  „Controlaufiiahme",  indem  dieselben  Meridiane  in  der 
nämlichen  Reihenfolge  nochmals  in  der  Weise  imtersucht 
werden,  dass  das  Object  in  umgekehrter  Richtung,  also  von 
der   nasalen   Seite  her,   ins   GF  eingefiihrt  und  über  den 


174  Groenouw. 

Fixirpimkt  hinweg  nach  der  temporalen  Grenze  hin  vorge- 
schoben wird.  Der  Punkt,  in  welchem  das  Quadrat  eben 
sichtbar  wird  und  in  welchem  es  eben  verschwindet,  wer- 
den gleichfalls  notirt  Man  erhält  auf  diese  Weise  2  GF, 
eines  bei  Einführung  des  Objectes  von  der  Schläfenseite 
und  ein  zweites  von  der  Nasenseite  her.  Die  Aussen- 
grenzen  dieser  beiden  GF  schneiden  sich  gewöhnhch  im 
verticalen  Meridian  (z.  B.  Fig.  6  a).  Es  ist  meist  nicht 
erforderlich,  zwischen  der  ersten  Au&ahme  des  GF  und 
der  Controlau&ahme  eine  längere  Pause  einzuschalten. 

Eine  Modification  dieser  Methode  besteht  darin,  in 
jedem  Meridian  das  Object  erst  von  der  Schläfenseite  her 
und  nach  einer  ganz  kurzen  Pause  sofort  in  umgekehrter 
Richtung  von  der  Nasenseite  her  durch  das  GF  hindurch- 
zufuhren. Bei  jeder  der  beiden  Einfiihrungsrichtungen  wird 
der  Eintritts-  und  der  Austrittspimkt  notirt  Verbindet  man 
dann  die  bei  temporaler  Einfuhrung  des  Objects  gewon- 
nenen Punkte  unter  einander  und  ebenso  die  bei  nasaler 
Führung  gefundenen,  so  erhält  man  gleichfalls  2  gegen 
einander  vorgeschobene  GF  (z.  B.  Fig.  5a,  5b,  und  15). 
Die  letzterwähnte  Modification  der  Untersuchungsmethode 
beansprucht  etwas  weniger  Zeit  als  die  zuerst  angeführte 
und  giebt  gleichfalls  gute  Resultate. 

Beim  Nachweis  des  Foerster'schen  Verschiebungs- 
typus sind  gewisse  Cautelen  zu  beobachten.  Es  ist  durch- 
aus nothwendig,  den  Schlitten  mit  dem  Prüfungsobject  mit 
einer  möghchst  gleichmässigen  Geschwindigkeit  in  der- 
selben Richtung  durch  das  GF  hindurchzufuhren.  Man  darf 
nicht  etwa,  wie  das  bei  der  Perimeteruntersuchung  sonst 
gebräuchUch  und  auch  durchaus  zweckmässig  ist,  durch 
Hin-  und  Herschieben  des  Objectes  die  GF-Grenzen  mög- 
hchst genau  zu  bestimmen  suchen.  Ebenso  wenig  darf 
man  das  Object  stillstehen  lassen,  es  dann  etwas  verschie- 
ben, nochmals  anhalten,  wieder  weiter  bewegen  u.  s.  w. 
Auf  diese  Art  kann  man  den  Verschiebungstypus 


Bcitriige  zur  Kenntniss  d.  concentr.  Gesichtsfeld  Verengerung.     175 

nur  in  mangelhafter  Weise  nachweisen.  Es  kommt 
gar  nicht  anf  absolute  Grenauigkeit  der  Messung  an«  zumal 
eine  rollkommen  exacte  Feststellung  der  Aussengrenzen 
eines  concentzisch  Terengten  GF  meist  nicht  möglich  ist,  indem 
dieselben  fortwährende  Schwankungen  zeigen,  so  dass  2  un- 
mittelbar nach  einander  aufgenommene  6F  selten  ToUkom- 
men  übereinstimmen.  Trotzdem  bleibt  der  TT  auch  bei 
Schwankungen  in  der  Ausdehnung  des  GF  deutlich  er- 
kennbar. 

ErmüdungsTersuch  nach  Wilbrand. 

Zum  Nachweis  der  GF-Ermüdung  hat  Wilbrand  (6 
und  7)  eine  Alodification  der  Foerster 'sehen  Untersuchungs- 
methode angegeben,  welche  in  Folgendem  besteht.  Man 
fahrt  im  horizontalen  GF-Meridian  mit  einem  weissen  Unter- 
suchungsobject  am  temporalen  Rande  des  Perimeters  be- 
ginnend mit  möglichst  gleichmässiger  Geschwindigkeit  gegen 
die  nasale  GH  hin  und  lässt  durch  einen  Assistenten  im 
GF-Schema  den  Punkt  mit  Null  bezeichnen,  in  welchem 
das  Untersuchungsobject  ins  GF  eintritt,  und  den  Punkt 
mit  1,  in  welchem  es  wieder  verschwindet  Im  Punkte  1 
auf  der  nasalen  GH  wird  sofort  umgekehrt  und  das  Ob- 
ject  mit  derselben  Geschwindigkeit  im  horizontalen  Meri- 
diane nach  der  temporalen  Seite  zurückgeführt  Die  Stelle 
auf  der  temporalen  Seite  des  horizontalen  Meridianes,  an 
welcher  nach  dieser  zweiten  Ermüdungstour  das  Object 
abermals  verschwindet,  wird  mit  der  Zahl  2  im  Schema 
festgehalten.  Sofort  wird  das  Object  wieder  zurückgeführt 
und  die  Stelle,  an  welcher  es  auf  der  nasalen  Hälfte  ver- 
schwindety  mit  3  u.  s.  f.  bezeichnet 

Ist  das  GF  ermüdbar,  so  wird  es  immer  enger,  um 
entweder  vollkommen  zu  verschwinden  oder  bei  einer  ge- 
wissen Verengerung  stehen  zu  bleiben  und  durch  weitere 
Ermüdungstouren  nicht  mehr  eingeschränkt  zu  werden. 


176  Groenouw. 

I.  EinflusB  der  Aooommodation  auf  die  AuBdehnimg 
des  oonoentrisoh  verengten  GF. 
Einer  der  wichtigsten  Factoren,  welche  auf  die  Aus- 
dehnung des  concentrisch  verengten  GF  Einfluss  haben,  ist 
die  Accommodation.  Untersucht  man  ein  normales  Auge 
am  Perimeter,  so  ist  das  bei  Erschlaffung  der  Accommo- 
dation aufgenommene  GF  stets  enger  als  das  bei  Anspan- 
nung derselben  erhaltene.  Bei  der  functionellen  concen- 
trischen  GFE  kehrt  sich  auffallender  Weise  dieses  Gesetz 
gerade  um,  indem  das  GF  bei  Accommodation  für  die 
Feme  weiter  ist  als  beim  Fixiren  eines  nahen  Gegenstandes. 
Foerster  (3)  hat  bereits  1877  einen  derartigen  Fall  mit- 
getheilt,  doch  ist  dieser  Beobachtung  bisher  keine  weitere 
Beachtung  geschenkt  worden. 

Untersuchungsmethode. 
Um  das  GF  bei  mehr  oder  weniger  starker  Anspan- 
nung der  Accommodation  aufzunehmen ,  lassen  sich  ver- 
schiedene Methoden  anwenden.  Die  Auäiahme  des  GF 
an  der  Tafel  in  verschiedener  Entfernung  hat  die  bekannten 
Nachtheile  dieser  Untersuchungsmethode,  welche  sich  be- 
sonders bei  einem  auch  nur  einigermassen  ausgedehnten 
GF  recht  empfindhch  fühlbar  machen.  Perimeter  von  ver- 
schieden grossem  Radius,  welche  jedenfalls  sehr  geeignet 
für  derartige  Versuche  wären,  standen  nicht  zur  Verfügung. 
Es  wurde  daher  eine  andere,  früher  schon  von  Foerster 
benutzte  Methode  in  Anwendung  gebracht. 

Bei  der  Aufnahme  des  GF  am  Foerster' sehen  Perimeter 
accommodirt  der  Patient  auf  einen  etwa  30  cm  (12'')  vor 
seinem  Auge  gelegenen  Punkt.  Eine  stärkere  oder  schwächere 
Accommodationsanspannung  kann  man  durch  Vorsetzen  von 
Concav-  oder  Convexgläsern  vor  das  Auge  erreichen.  Diese 
Gläser  werden  nicht  unmittelbar  vor  dem  Auge  angebracht, 
sondern  in  eine  mittelst  eines  horizontalen  Stabes  an  der  Kinn- 
stütze des  Perimeters  befestigte  Gabel  eingesetzt,  so  dass  ihre 


Beitrige  zur  Kenntni««»  d^r  ronmeatr.  iTp^irhc^Mdtvreiijmtiiigr.     177 

Entfernimg  Tom  XnDirankt  «ks  Perimeteffs  in  der  K^rel  2«>  cm, 
vom  Hoiiiluaitaelieit«;^  ak»  IM  cm  betraf  Tvdrt  der  Unter- 
Boehte  dnrefa  dn  9<4dies  Irbs  den  XnDpnnkt  d»  Perimeters.  s»> 
sieht  er  bei  unbewegtem  Ao<re  einra  centralen  Theil  des  Pen- 
meterbogens  von  etwa  2«  »^  IhircfameaBer  dorefa  de  Gbs.  während 
er  die  peripheren  Theile  des  Bogen»  im  indirecten  Sehen  neben 
dem  Glase  vorbei  gewinermassen  mit  nnbewaffiietem  Ange  wahr- 
nimmt. Anf  diese  We^e  kommt  die  störende  |Mismadsdie  Wir- 
kung des  8phäris4!hen  Cilases  für  die  Seitentheile  des  GF  nicht  in 
Betracht 

Ist  ein  Convexglas  von  5  Dioptrien  brechender  Kraft  li>em 
vor  dem  Homhantsdiatel  befestigt  also  20  cm  vom  Fixationd- 
pnnkt  des  Perimeterbogens  entfernt  so  werden  die  von  letiterem 
Pmikte  ausgehenden  Strahlen  nach  ihrem  Durchtritt  durch  das 
Glas  untereinander  paraOel  verlaufen  und  ein  emmetropisch^ 
Untersuchter  wird  diesen  Punkt  nur  bei  vollkommen  entspannter 
Accommodadon  deutlidi  sehen.  Ffir  einen  Hypermetropen  be- 
rechnet man  die  brechende  Kraft  f-^j  de^enigen  Glases,  mit 
weldiem  er  den  Flxationspnnkt  des  Perimeters  ohne  Accommo- 
dationsanspannung    sieht,    nach    der  Formel   — |-  -  ^         Man 

setzt  hierin  —  ^ =  5  D,    und    h   gidch    dem    Abstände 

a       20  cm 

des  (negativen)  Fempnnktes  des  Hypermetropen  von  dem  Con- 
V ex  glase.  Beträgt  die  Hypermetropie  des  Untersuchten  z.  B. 
4  D,  so  liegt  sein  Fempunkt  25  cm  hinter  dem  Auge.  Die 
von  dem  Nullpunkt  des  Perimeters  ausgehenden  Strahlen  mflssen 
also  nach  ihrem  Durchtritt  durch  das  Convexglas  auf  einen  Punkt 
eonvergiren,  welcher  nngetähr  25  cm  hinter  dem  Homhaut- 
scheitel  des  untersuchten  Auges  oder  25-f-10  =  35  cm  hinter 

dem  Convexglase  liegt.    Wir  setzen  daher  —  =  — :-|--^^5D 

+  2,86  D  =  circa  8  D.  Die  Accommodation  unseres  Hyper- 
metropen wird  also  durch  +  ^  ^  während  der  Perimeterunter- 
sudiung  vollkommen  entspannt 

Benutzt  man  Concavgläser  zur  Erzielung  einer  möglichst 
starken  Anspannung  der  Accommodation,  so  muss  man   ,  ne.gativ 

V.  Onefe*a  Archiv  IBr  Ophthalmologie.   XL.   2.  12 


178  GroeiKraw. 

setzen,  um  zu  berechnen,  weiobee  Concavgbs  erforderiidi  igt,  damit 
der  UnterBuchte  auf  einen  z.  B.  15  cm  vor  dem  Auge  gelegenen 
Punkt  aieoommodirt  Dasselbe  lüast  sich  noch  ein&cher  erreieheii, 
wenn  man  das  unbewaffnete  Auge  einen  iingefiüir  in  seinem 
Nafaepmikte  angebraditen  Steelmadelknopf  üxiren  Usst  und  dabei 
das  GF  in  der  gewöhnlichen  EntÜBmung  von  30  em  aofiiimmt. 
Doch  hat  letztere  Methode  einige  noch  zn  erwähnende  NaditlieUe. 

Die  YerBuche  über  die  Beeinflussung  des  GF  durch 
die  Aecommodation  wurden  in  der  Begel  so  angestellt,  dasa 
zunächst  ein  G-F  bei  unbewaffiietem  Ange,  also  Aecommo- 
dation a^f  30  cm,  und  unmittelbar  darauf  ein  zweites  bei 
starker  Anspannung  oder  möglichst  vollkommener  Ent- 
spannung der  Aecommodation  au%enommen  wurde.  Zum 
Schluss  folgte  nochmals  eine  GFA  bei  unbewaffioetem  Auge, 
um  eine  in  der  Zwischenzeit  etwa  erfolgte  Aenderung  in 
der  Ausdehnung  des  GF  zu  constatiren.  Den  Untersuchten 
wurde  nie  mitgetheilt,  worum  es  sich  handelte,  so  dass  von 
einer  Suggestion  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Aufzeichnung  der  gefundenen  Resultate. 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  sind  tlieils  durch  GF-Zeieli< 
nungen  wiedergegeben,  theils  in  folgender  Weise  notirt  worden. 
Die  in  jedem  Meridian  als  Grenzpunkte  ge^denen  P^iraUelkreise 
werden  in  der  Reihenfolge  aufgeschrieben,  dass  fllr  das  r.  A.  bd 
dem  Meridian  20  des  Foerster'sdien  GF- Schemas  angefangen 
wird,  worauf  entsprediend  dem  Gange  des  Uhrzeigers  die  Meri- 
diane: 60,  90,  120,  160,  200,  240,  270,  300  und  840  folgen. 
FOr  das  1.  A.  wird  ebenfiüls  mit  dem  Meridian  20  begonnen, 
aber  entgegengesetzt  dem  Laufe  des  Uhrzeigers  in  der  Reihen- 
folge: 20,  60,  90,  120,  160,  200,  240,  270,  300  und  340 
vorwärts  gegangen.  Der  Zusatz:  „temporale  Objectftilirung^  be- 
deutet, dass  das  Object  von  der  Schläfenseite  her  eingeftkhrt  und 
durch  das  GF  hindorcli  bis  zur  nasalen  Grenze  vorgeschoben 
wurde,  während  „nasale  ObjectRilinmg"  die  Einführung  des  Ob- 
jectes  von  der  entgegengesetzten  Seite  her  bezeichnet  Die  arabi- 
schen Zalilen  in  den  Figuren  bezeichnen  die  Reihenfolge,  in  wel- 
cher die  einzelnen  Meridiane  untersucht  wurden,  wälu^nd  die 
römischen  Zalilen  die  Aufemanderfolge  der  GFA  angeben. 


Beiträge  zur  Kcnntniäs  der  comttmtr.  i^^kfats^feldreraigefwiiir.     |79 

Ergebniss  der  Untersnchnng. 

Das  Ergehniss  der  Untersuchiingeii  ist  Folgeodes.  In 
einer  grossen  Zahl  Ton  Fällen  mit  GFE  zeigte  sich 
das  GF  bei  entspannter  Accommodation  weiter  aU 
bei  angespannter.  Diese  Erweiternng  des  GF  bei 
Accommodation  für  die  Ferne  soll  ^paradoxe  Gesichts* 
felderweiternng^;  die  Verengerung  bei  Accommodation 
für  die  Nähe  „paradoxe  Geaichtsfeldverengerung*^  genannt 
werioL,  Die  normaler  Weise  eintretende  Terengernng 
des  GF  bei  Entspannung  der  Accommodatioii  soll  als 
.^physiologisdie  GesichtrfeldTerengerang^  und  die  beim  Fi- 
xiren eines  nahe  gelegenen  Gegenstandes  auftretende  Er- 
weiternng als  y^Ysiologische  Gresichtsfi^erweiteruug'^  be- 
zeichnet werden. 

Es  wird  onsae  Aufgabe  sein  nacfaznw«isen,  dass  das 
concentrisch  rerengte  GF  die  paradoxe,  nicht  die  phyao- 
logische  GF-Erweiterung  und  Verengerung  zeigt  und  dann 
zu  untersuchen,  in  welchen  Fallen  von  GFE  sich  diese  Er- 
scheinung findet 

Paradoxe  Gesichtsfelderweiterung  und 
Verengerung  bei  verschiedenen  mit  functioneller 
concentrischerGFE  einhergehenden  Erkrankungen» 

1.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

ClaraiL  13  Jahr  alt  Patienlin  stammt  aas  einer  psycliisch 
belasteten  Familie.  2  Brfider  endeten  dunh  Selbstmord.  Dis 
Kranke  selbst  ist  „hochgradig  ner^Os^  and  in  monüisoher  Be- 
ziehung trotz  ihrer  Jugend  von  sehr  zweifeUiaftem  Charakter. 
Sie  klagt  (15.  XIL  91)  Ober  ssthenopische  Beschwerden,  indem 
sie  sdt  den  Herbstferien  nur  wenige  Minuten  lesen  könne,  ohne 
Beschwerden  (stechende  Schmerzen  in  der  Supraorbitalgegen«^ 
Undentiichsehen)  zu  bekommen.  P.  schläft  jede  Nacht  10  Stun- 
den, angeblich  gut,  hat  wenig  Appetit  Objectiv  ist  an  den  Augen 
nichts  Krankhaftes  nachzuweisen.  Das  GF  des  r.  A.  ist  nur 
wenig,  das  des  L  A.  stark  concentrisch  verengt,  es  besteht  aus- 
gesprochener  VT.     Während   der   folgenden  Beohachtongsdauer 

12* 


180  Groenouw. 

zeigte  das  (iF  grosse  Schwankungen  in  seiner  Ausdehnung.  Die 
Sehschärfe  des  r.  A.  beträgt  '/,  und  steigt  bei  Bewaffiiung  des 
Auges  mit  -f- 1,25  D  auf  1  y  die  des  unbewafiheten  1.  A.  ist 
=  ^/g  y  mit  1,0  D  hebt  sie  sich  auf  ^j^.  Ordination:  Chinin 
täglich  ^/s  gr  etwa  10  Tage  lang  und  die  corrigirende  Convex- 
brille  zum  dauernden  Tragen,  sowie  Vermeidung  von  Lesen  und 
Schreiben. 

Der  Erfolg  der  Behandlung  wai*  ein  guter;  denn  nach  2 
Wochen  waren  die  Beschwerden  der  Kranken  erheblich  gemildert, 
nadi  weiteren  2  Wochen  (14.  I.  92)  vollkommen  gehoben.  Pa- 
tientin vermochte  wieder  stundenlang  zu  lesen  und  zu  sticken, 
das  GF  hatte  üjst  normale  Aussengrenzen  erlangt  und  zeigte  nur 
noch  undeutlichen  VT.  Einige  Tage  später  trat  em  RQck&U  dn. 
Patientin  klagte  über  asthenopische  Beschwerden  und  das  GF 
zeigte  abermals  deutliclien  VT,  worauf  wieder  Chinin  innerlich 
verordnet  wurde.  Der  Erfolg  war  gut  und  dauernd.  Die  Kranke 
konnte  nadi  einiger  Zeit  wieder  stundenlang  ohne  Beschwerden 
lesen,  die  Sehschärfe  jedes  Auges  betrug  ohne  Brille  1,  das  GF 
hatte  normale  Ausdehnung,  VT  war  nicht  vorhanden.  Derselbe 
günstige  Befund  wurde  zuletzt  am  9.  XL  92  constatirt. 

1.  Versuch  (Hg.  1). 

Am  24.  XIL  91  wurde  das  GF  des  1.  A.  dieser  P.  zu- 
nächst bei  unbewaffiietem  Auge  und  Accommodation  auf  den 
30  cm  entfernten  Fixirpunkt  des  Perimeters  aufgenommen  (GFI, 
Fig.  1),  sodann  nochmals  mit  -|-  6  D  10  cm  vor  dem  Hom- 
hautscheitel;  wodurch  die  Accommodation  vollkommen  entspannt 
wurde  (II).  Es  folgte  noch  eine  dritte  GFA  mit  —  17  D,  10  cm 
vor  der  Cornea  angebracht,  wobei  Patientin  auf  emen  15  cm  vor 
dem  Auge  gelegenen  Punkt  accommodirte.  Den  Schluss  bUdete 
eine  GFA  (IV)  bei  unbewaffiietem  Auge.  Das  Object  wurde 
stetB  von  der  temporalen  Seite  her  ins  GF  eingeftlhrt,  wie  in 
Fig.  1  durch  die  Pfeile  angedeutet  ist. 

Fig.  1  zeigt,  dass  das  GF  bei  starker  Anspannung  der 
Accommodation  (III)  am  engsten,  bei  vollkommener  Entspannung 
derselben  am  weitesten  ist,  während  die  vor  und  nach  diesen 
beiden  Aufiiahmen  bei  mitderer  Accommodationsanspannung  (un- 
bewaffiietem Auge)  untersuchten  GF  (I  und  IV)  in  ihrer  Aus- 
dehnung zwischen  den  beiden  GF  II  und  III  liegen. 

Dass  die  ge&ndene  Erweiterung  und  Verengerung  des 


Beitrüge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeld  Verengerung.     181 

6F  nicht  eine  znlallige  ist,  sondern  auf  einem  allgemein- 
gültigen Gresetze  beruht,  ist  zwar  wahrscheinlich,  indessen 
durch  diese  eine  Beobachtung  noch  nicht  sicher  bewiesen. 
Denn  bei  dem  g]x>ssen  Wechsel  in  der  Ausdehnung  des 
concentrisch  verengten  GF  könnten  die  beobachteten  Ver- 
änderungen immerhin  durch  nebensachliche  Momente  be- 
dingt sein.  Es  musste  daher  die  Gültigkeit  des  aufgestellten 
Gesetzes  an  einer  £eihe  von  Fällen  geprüft  werden, 

2.  Versuch  (Fig.  2). 

Am  28.  Xn.  91  wurde  bei  derselben  Patientin  (Fall  1) 
das  GF  des  r.  A.  bei  Bewaffiiung  mit  +  6  D  (GF  I,  Fig.  2) 
und  darauf  mit  —  18  D  (II)  in  der  mehrfach  erwähnten  Wdse 
aufgenommen.  Das  GF  hatte  bei  Aecommodation  för  die  Feme 
normale  Aussengrenzen  (l  Fig.  2),  während  bei  Aecommodation 
för  die  Nähe  (II  Fig.  2)  eine  Verengerung  um  4—22^  eintrat. 
Es  ist  in  diesem  Falle  bemerkenswertii^  daas  trotz  der  weiten 
Aussengrenzen  sich  doch  durch  starke  Anspannung  der  Aecom- 
modation eine  Verengerung  des  GF  bewirken  liess. 

3.  Versuch. 

Als  der  Zustand  derselben  Patientin  (Fall  1)  ein  wesenttich 
besserer  geworden  war,  hatte  das  GF  fast  normale  Ausdehnung 
erlangt  und  zeigte  den  VT  nur  noch  sehr  undeutlich.  Zu  dieser 
Zeit  (14.  I.  92)  wurde  ein  GF  des  unbewaffiieten  r.  A.  bei 
temporaler  und  nasaler  ObjectHührung  aufgenommen.  Es  folgten 
in  derselben  Weise  noch  2  Aufiiahmen,  wälirend  die  Aecommo- 
dation durch  -f- 6  D  entspannt  resp.  —  16  D  stark  angespannt 
wurde.  Das  Resultat  ist  in  etvisa  anderer  Reihenfolge  in  der 
folgenden  Tabelle  wiedergegeben, 

*  GF  des  r.  A.  für  weiss  5  mm*, 
bei  Accommoda- 


Temporale 
Object- 
fahrung 


tionsentspannung    58. 

82. 

90. 

90. 

U. 

66. 

58. 

60. 

62.  52. 

bei  imbewaff- 
netem Auge 
(Aecommodation 
auf  30  cm)   .  .  .    58. 

76. 

84. 

90. 

82. 

54. 

48. 

50. 

58.  58. 

bei   starker  An- 
spannung der 
Aecommodation  .    50. 

86. 

88. 

90. 

84. 

58. 

54. 

56. 

56.  5e. 

bei  Aocommoda- 
1  tionsentspanniing 

58. 

84. 

90. 

90. 

82. 

68.  56.  62.  64.52. 

bei  unbewaff- 
netem Auge 
(Accommodation 
auf  30  cm)   ... 

54. 

68. 

82. 

90. 

74. 

64.  54.  56.  6i.  64. 

bei   starker  An- 

spannuBff  der 
Accommodatfon . 

48. 

84. 

92. 

80. 

76. 

68.  56.  62.  64.  58. 

182  Groenouw. 


Nasale 
Object- 
ftbrun« 


Wie  aus  dieser  Tabelle  hervorgeht,  hatte  zu  der  Zeit, 
wo  das  GrF  unserer  Pstientin  als  fast  normal  anzusehen 
waTy  das  für  das  concentrisch  verengte  GF  gefundene  Ge- 
setz keine  Gültigkeit  mehr.  Die  bei  verschiedener  Anspan- 
nung der  Accommodation  aufgenommenen  GF  zeigen  nur 
einen  geringen  Unterschied  in  ihrer  Ausdehnung.  Es  wird 
2war  sowohl  durch  Entspannung  als  durch  Anspannung 
der  AccommodatioD  das  GF  im  allgemeinen  erweitert, 
indessen  sind  die  Unterschiede  nur  gering,  so  dass  ihnen 
wohl  schwerlich  ein  allgemein  gültiges  Gesetz  zu  Gnmde 
liegt.  Es  tritt  weder  mne  paradoxe,  noch  eine  physiolo- 
gische GF-Erweiterung  deutlich  hervor. 

Aus  der  vorliegmiden  Beobachtung  ergiebt  sich,  dasa 
ein  GF,  welches  während  des  Bestehens  einer  Anaesthesia 
retinae  deutliche  paradoxe  Erweiterung  zeigte,  nach  Ab- 
heihmg  dieser  Erkrankung  durch  Anspannung  und  Er- 
schlaffung der  Accommodation  in  seiner  Ausdehnung  nicht 
mehr  erheblich  beeinäusst  wird. 

2.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Ida  N.,  10  Jahr  alt,  klagt  über  asthenopisehe  Beschwerden. 
Wenn  sie  eine  Stunde  lang  gelesen  habe,  bekomme  sie  Brennen 
in  beiden  Augen  und  sehe  nicht  mehr  deutK<^.  Die  Untersuchung 
(16.  VI.  92)  ergiebt  an  den  Augen  ftusserfich  und  mit  dem 
Augenspiegel  betrachtet  nichts  Abnormes,  insbesondere  keine  Gon- 

2 
junctintis.     S  =  — ,  bei  einer  Hypeiinetr<^e  von  0,75  D.     Das 
o 

GF  zeigt  eine  im  Verlauf  der  Beobachtung  sehr  wediselnde  GFE 


Beitrage  zur  Kexintniss  der  coneentr.  Gesichtsfeld vereii||;enii|g.     183 

mit  VT.  Der  Patientin  wunle  jede  die  Augen  stärlier  in  An- 
sprach nehmende  Thätigkeit  untersagt  und  innerlich  Chinin  ver- 
ordnet,  wodurch  ihre  Beseh werden  in  kurzer  Zeit  erhebMch  ge- 
beflBert  wurden. 

4.  Versuch  (Fig.  3). 

Das  GF  des  1.  A.  der  genannten  Patientin  (Fall  2)  zeigte 
am  17.  VI.  92  bei  unbewaffiietem  Auge  mit  emem  weissen 
Quadrat  von  5  mm  Seitenlange  aufgenommen  eine  ziemlich  er- 
hebliche Einschränkung  (GF  I  Rg.  3).  Wurde  die  Accommo- 
dation  des  Auges  durch  Vorsetzen  von  +  5,.5  D  (10  cm  vor 
die  Cornea)  vollkommen  entspannt ,  so  zeigte  das  OF  ftfer  weiss 
6  mm'  (GF  II)  eine  massige  und  mit  weiss  20 .mm'  aufgenommen 
(III)  eine  sehr  beträchtlidie  Erweiterung.  Das  Object  wurde  bei 
allen  drei  Avfiialimen  von  der  temporalen  8eke  her  m  ätis  GF 
eingeführt. 

5.  Versuch  (Flg.  4). 

Nach  Beendigung  des  vorigen  Versuches  wurde  das  r.  A. 
derselben  Patientm  in  glefc^er  Weise  wie  das  Knke  untersucht. 
Das  bei  unbewaffiietem  Auge  und  temporaler  Objectftlhrung 
aufgenommene  GF  zeigte  eine  eigenthtlmliche  Coniiguration,  es 
hatte  seine  grösste  Ausdehnung  in  der  inneren  GH  und  erstreckte 
mdi  in  die  Süssere  hinein  nur  mit  einem  kleinen  Zipfel.  Es  rtlhrte 
diese  Form  davon  her,  dass  einige  Stunden  vorher  die  äussere 
GH  des  r.  A.  durdi  eine  Anzahl  aufeinander  folgender  GFA  er- 
müdet worden  war. 

Wir  haben  es  also  in  Fig.  4  mit  einem  GF  zu  thun, 
dessen  Ausdehnung  ausser  durch  die  bestehende  Anaes- 
thesia  retinae  noch  durch  die  vorausgegangenen  Ermüdungs- 
versuche beeinflusst  ist.  Auch  dieses  zum  Theil  künst- 
lich verengte  GF  zeigte  die  paradoxe  GF-Erweiterung. 
Es  war  (mit  weiss  5  mm*  aufgenommen)  am  engsten  für 
das  unbewaffiiete  Auge  (Fig.  4  GF  I)  und  erweiterte  sich 
als  die  Accommodation  durch  Vorsetzen  rem  5,5D  vor  das 
Auge  erschlafft  wurde  (II).  Eine  noch  beträchtlichere  Aus- 
dehnung erlangte  das  GF,  als  es  bei  entspannter  Accom- 
modation mit  einem  weissen  Quadrat  von  20  mm  Seite 
untersucht  wurde  (III). 


184  Groenouw. 


G.  Versuch. 


Das  GF  des  1.  A.  derselben  Patientin  (Fall  2)  zeigte  einige 
Tage  später  (20.  IV.  92)  eine  beträchtliche  concentrische  Ver- 
engerung bei  der  Aufnahme  mit  unbewaifiietem  Auge.  Bei  Ent- 
spannung der  Accommodation  durch  -^  5,5  D  trat  eine  merk- 
liche Erweiterung  des  GF  ein,  wie  folgende  Tabelle  zeigt. 

GF  des  1.  A.  für  weiss  5  mm  bei  centripetaler  ObjectftUitung. 

I.  Bei  Accommodation  auf 

30  cm 6,    8,    8,     5,   8.     4,    6,    8,    4,     8. 

II.  Bei  entspannter  Accom- 
modation       10,  12,  15,    8,  12.  12,  10,  16,  12,    8. 

3.  Fall.     Anaesthesia  retinae,  Neuralgia  supra- 
orbitalis. 

Cai-1  V.,  10  Jalu-e  alt.  12.  IV.  93.  Patient  kann  nach 
semer  Angabe  nur  wenige  Minuten  lang  lesen,  dann  bekommt 
er  Schmerzen  in  den  Augen  und  die  Schrill  erschemt  ihm  ver- 
schwommen. Ausserdem  klagt  er  über  Schmerzen  in  der  Stim- 
gegend,  welche  seit  einigen  Wochen  sich  täglich  des  Morgens 
einstellen,  um  Abends  wieder  zu  verschwinden.  Die  Indsura 
supraorbitalis  beider  Seiten  ist  druckempfindlich.  Objectiv  bieten 
die  Augen  nichts  abnormes  dar.     Die  Sehschärfe  beträgt: 

r.  A.  S=^,  mit  (—0,75  D.)  ist  S  =  | 

1.  A.  S=-^,  mit  (—0,75  D.)  ist  S=l. 

Der  binoculäre  Nahepunkt  für  SneUen  0,5  liegt  in  6  cm. 
Das  GF  zeigt  eine  massige  GFE  mit  deutlichem  VT.  Patient 
schläft  jede  Nacht  11  Stunden,  jedoch  sehr  unruhig.  Appetit  an- 
geblich gut.     Ordination:  Chhiin. 

7.  Versuch. 

Um  den  Einfluss  der  Accommodation  auf  die  Ausdehnung 
des  GF  unseres  Patienten  (Fall  3)  zu  prüfen,  wurde  am  12.  IV. 
93  das  GF  des  r.  A.  viermal  nach  emander  mit  weiss  5  mm' 
aufgenommen.  Die  erste  und  \aerte  GFA  (I  und  IV)  er- 
folgten bei  unbewaffnetem  Auge,  während  der  zweiten  wurde 
+  5  D,  während  der  dritten  —  15  D  10  cm  vor  dem  Hornhaut- 


Beitrftge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     185 

Scheitel  angebracht  Das  Auge  accommodirte  demnach  auf  einen 
Pnnkty  welcher  bei  GFA  I  und  IV  30  cm,  bei  II  unendlich 
weit  und  bei  11^  15  cm  vor  dem  Homhautscheitel  gelegen 
war.  Das  Resultat  des  Versuches  ist  aus  folgender  Tabelle  zu 
ersehen. 

GF  des  r.  A.  für  weiss  5  mm'  bei  temporaler  Objectführung. 
I.  Bei     massiger    Anspan- 
nung der  Accommodation    52,  74,  78,  73,  56,  38,  36,  38,  40,  34. 
II.  Bei     Entspannung     der 

Accommodation 62,  74,  80,  80,  68,  42,  50,  55,  40,  36. 

III.  Bei  starker  Anspannung 

der  Accommodation  ...     48,  62,  75,  78,  54,  36,  33,  34,  36,  32. 

IV.  Bei  massiger  Anspannung 

der  Accommodation  ...    56,  68,  80,  78,  66,  36,  38,  50,  36,  34. 

Am  weitesten  ist  das  bei  vollkommen  entspannter  Accom- 
modation  (II),  am  engsten  das  bei  stark  angespannter  (III)  auf- 
genommene GF.  Die  Grenzen  der  beiden  bei  mittlerer  Accom- 
modation untersuchten  GF  (I  und  IV)  liegen  —  abgesehen  von 
einer  einzigen  Ausnahme  im  Meridian  120  —  zwischen  den 
Grenzen  der  GF  II  und  III.  Es  besteht  also  auch  in  diesem 
Falle  von  GFE  die  paradoxe  GF-Erweiterung  und  Verengerung. 

4.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Edith  C,  10  Jahr  alt,  klagt  über  asthenopische  Beschwer- 
den, sie  kann  nur  eine  Stunde  lang  lesen,  dann  thränen  ihr  die 
Augen  und  sie  sieht  nicht  mehr  deutlich.  Patientin  schläft  selir 
unruhig.  Appitit  gut  An  den  Augen  objectiv  nichts  abnormes 
zu  finden.  Die  Sehschärfe  des  r.  A.  beträgt  f  und  steigt  bei 
Bewafihung  mit  +0,75  D  auf  V«?  <^e  des  1.  A.  beträgt  eben- 
£sdls  I  und  wird  durch  dasselbe  Convexglas  auf  |^  gehoben.  Es 
verbessern  also  sdion  sehr  schwache  ConvexglSser  das  Sehen  in 
die  Feme.     Das  GF  zeigt  eine  massige  GFE  mit  Vl\ 

8.  Versuch. 

Am  14.  III.  93  wurde  das  GF  des  r.  A.  dieser  Patientin 
(Fall  4)  im  horizontalen  Meridian  für  weiss  5  mm*  bei  temporaler 
Objectftlhrung  aufgenommen.  Patientin  accommodul»  bei  GFA  I 
mit  dem  unbewaffiieten  Auge  auf  den  Nullpunkt  des  Perimeters, 
bei  GFA  II  wurde  die  Accommodation  durch  +  5,5  D  entspannt^ 


186  Groenonw. 

während  GFA  III  wieder  bei  nabewafiiicrtem  Auge  erfolgte.    D» 
Eesolital  war  Folgendes: 

GF  des  r.  A.  Im  horizontalen  Median  bei  temporaler  Ob- 
jeetftlhrung  für  weiss  5  mm*: 
GFA  I      Accommodation  auf  einen  30  cm 

entfernten  Punkt  aussen  64^  innai  40^ 

GFA  II    Accommodation  für  die  Feme  „        6S^      „      44 <> 

GFA  III  Accommodation  auf  einen  30  cm 

entfernten  Punkt  „        64<>      „      38<> 

Wie  aus  obigen  Zahlen  hervorgeht,  wu^  das  GF  unserer 
Patientin  bei  Accommodation  für  öie  Feme  weiter  als  bei  Accom- 
modation auf  einen  30  cm  entfernten  Punkt. 

Ausser  den  eben  geschilderten  zeigt  das  eoncentrisch 
verengte  GF  beim  Wechsel  der  AccommodatioaaeiBstellung 
noch  andere  Veränderungen.  Der  YerschiebungstypuB  tritt 
nämlich  bei  Accommodation  für  die  Nahe  oft  slärker  her- 
vor, als  beim  Blick  in  die  Feme,  wie  folgender  Fall  zeigt 

5.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Der  13jährige  Rudolf  P.  sudite  am  6.  V.  92  die  Polikhnik 
mit  der  Klage  auf,  er  könne  nur  ^/^  Stunde  lang  lesen  und 
zdchnen.  Nach  Verlauf  dieser  Zeit  liefen  ihm  Thränen  aus  den 
Augen  und  er  sehe  nicht  mehr  deutlich,  so  dass  er  seine  Arbeit 
Unterbrechern  mttsse.  Ob|ectiv  liUst  sich  «a  den  Augeft  nichts 
Abni^mes  nachweiBen.  Die  SehsehSrfe  jedes  Auges  beixägt  f  «nd 
hebt  sich  bei  Bewafinung  mit  4^  0,75  a«f  |  ^  h  +1^^  ^^v- 
sehlechtert  das  Sdien  för  die  Feme.  Es  verbaHem  aJm  sebr 
schwache  Convexgfiaer  die  Sehsdiärfe  ftbr  die  Feme  nicht  vnbe- 
trikbtlicb.  Das  GF  zeigt  eine  ooncentrische  Verengenmg  mitt- 
leren Grades  mit  ausgepfftgten  VT  (Fig.  6a). 

9.  Versuch  (Fig.  5a  nnd  5b). 

Das  GF  des  erwähnten  Knaben  (Fall  5)  ist  in  der  Weise 
aufgenommen,  dass  fllr  jede  Stellung  des  Perimeterbogens  das 
Object  erst  von  der  temporalen  und  nach  einer  Pause  von  viel- 
lei«^t  ^/4  Minute  sofort  auch  von  der  nasalen  Seite  her  dnreh 
denselben  Meridian  geführt  wurde.  In  Fig.  5  a  und  5  b  ist  die 
Keihenfolge^  in  weldber  die  PrO^mg  der  Meridiaiie  eriMgte,  dureh 
die  Zahlen    1  — 10    und  die  Objeetfithrung   bei  jeder  einzehien 


Beitrage  zur  Kenntniss  der  concentr,  Gesichtsfeldverengerunfir.     ^37 

UnterBuchiing  dnrch  die  Pfeile  «Dg<^gebeQ.  Fig.  5  a  wurde  bei 
«nbewa&etem  Auge  (Aeeommodatioii  auf  30  cm).  Flg.  5b  bei 
entspannter  Aceommodation  (Bewafihung  des  Auges  mh  -|-  5,5  I>) 
»genommen.  Ein  Y»gieich  der  bdden  GF  Fig.  5  a  und  5  b 
ergiebt  f&r  dae  bei  entspannter  Aeoommodation  aiifgenoramene 
GF  —  abgesehen  von  2  Meridianen  —  eine  weitere  Ausdeh- 
nung als  ftlr  das  bei  Aceommodation  auf  30  em  Entfernung  ge- 
wonnene GF.  Das  bei  temporaler  und  djus  bei  nasaler  Object- 
fikhrong  erhaltene  GF  zeigen  in  Fig.  5  a  einen  viel  erhebliclieren 
Untersdiied  als  in  Fig.  5b.  Es  ist  also  in  diesem  Falle  bei 
Aeeommodation  für  die  Nähe  der  VT  in  stftrtcerem  Grade  vor- 
handen als  bei  Aceommodation  für  die  Feme. 

Das  GF  des  1.  A.  desselben  Patienten  erweiterte  sich  eben- 
falls in  Folge  Entspannung  der  Aceommodation  ganz  erheblich. 
Dagegen  war  em  Einfluss  des  Aceommodationszustandes  auf  den 
VT  nicht  nachzuweisen. 

Dasa  der  VT  bei  starker  Anspannung  der  Aceommo- 
dation oft  deutlicher  hervortritt,  als  bei  Entspannung  oder 
nur  massiger  Inanspruchnahme  derselben,  geht  besonders 
deutlich  aus  folgendem  Versuche  hervor. 

10.  Versuch  (Fig.  6a  und  6b). 

Mit  der  Patientin  Clara  K.  (Fall  1)  wurde  am  28.  XII.  92 
folgender  Versuch  angestellt.  Nachdem  —  18  D  10  cm  vor  dem 
HonihautBcheitel  des  r.  A.  befestigt  war,  erfolgte  ^e  Aufiiahme 
des  GF  in  5  Meridianen  zunäclist  bei  temporaler  (GF  I  Fig.  6  a) 
and  darauf  bei  nasaler  ObjectfÜhrung  (GF  II).  Beide  GF  zeigten 
gegen  einander  eine  Verschiebung  bis  zu  20^.  Unmittelbar 
darauf  wunle  in  gleicher  Weise  das  GF  desselben  auf  den  Null- 
punkt des  Perimeters  accommodirenden,  unbewaffneten  Auges 
geprüft  (Fig.  6  b).  Die  letzteren  beiden  GF  (Fig.  6  b)  zeigten 
den  VT  nur  in  einzelnen  Meridianen  ausgeprägt. 

Hieraus  folgt,  dass  in  einzelnen  Fällen  bei  starker  An- 
spannung der  Aceommodation  der  VT  deutlich  hervortritt, 
während  er  bei  massiger  Anspannung  derselben  kaum  nach- 
zuweisen ist 

6.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 
Die  IGjährige  Weissnähterin  Agnes  V.  suchte  am  6.  I.  92 
die  Polikhnik  wegen  aadienoptscher  Beschwerden  auf.    Nach  em- 


188  Groenouw. 

stfindiger  Arbeit  (Nähen)  bekommt  Patientin  Schmerzen  in  den 
Augen  und  sieht  nidit  mehr  deutlich;  so  dass  sie  erst  nadi  einer 
Pause  weiter  arbeiten  kann,  bis  neu  eintretende  Beschwerden  sie 
wiederum  zur  Unterbrechung  des  Nähens  zwingen.  Die  Augen 
zeigen  objectiv  nichts  abnormes.  Die  Sehschärfe  beträgt  '/g  bei 
einer  Hypermetropie  von  1  D.  Das  OF  zeigt  eine  massige  GFE 
mit  deutlichem  VT. 

Nachdem  Patientin  nur  einen  Tag  lang  die  Arbeit  ausgesetzt 
hatte  y  zeigte  das  GF  (7.  I.  92)  vollkommen  normale  Aussen- 
grenzen  und  keinen  VT  mehr.  Als  jedoch  die  Kranke  einige 
Tage  lang  angestrengt  genäht  hatte  ^  trat  \^deder  eine  geringe 
Verengerung  des  GF  (12. 1.  92)  mit  wenig  ausgeprägtem  VT  ein. 

11.  Versuch. 

Das  GF  des  r.  A.  unserer  Patientin  (Fall  t>)  zeigte  am  iu 
I.  92  eme  massige  Verengerung  mit  ausgeprägtem  VT.  Das 
Untersuchungsobject  wurde  in  jedem  Meridiane  erst  von  der  tem- 
poralen und  unmittelbar  darauf  auch  von  der  nasalen  Seite  her 
durchgeführt  (cf.  Fig.  5  a  und  5  b).  GFA  I  und  II  erfolgten 
bei  Fixation  des  Nullpunktes  des  Perimeters,  wälirend  GF  III 
und  IV  bei  Entspannung  der  Accommodation  durch  Vorsetzen 
von  +  16  D  aufgenommen  wurden. 

GF  des  r.  A.  für  Weiss  5  mm*. 

1)  Temporale  Objectfubrung  und 
I.  massige  Anspannung  der 

Accommodation 50,  58,  62,  66,  56,  34,  34,  26,  32,  24. 

III.  Vollkommen    entspannte 

Accommodation 56,  78,  84,  84,  68,  56,  46,  50,  53,  44. 

2)  Nasale  Objectfährung  und 
II.  massige  Anspannung  der 

Accommodation 34,  40,  48,  58,  32,  54,  52,  44,  44.  40. 

IV.  Vollkommen    entspannte 

Accommodation 48,  56,  76,  84,  66,  58,  50,  53,  56,  48. 

Das  GF  zeigt  bei  Accommodationsentspannung  eine  erheb- 
lidi  weitere  Ausdehnung  und  ein  viel  undeutlicheres  Hervortreten 
des  VT  als  beim  Fixiren  des  30  cm  entfernten  Nullpunktes  des 
Perimeters. 

7.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Anna  G.,  17jährige  Fabrikarbeiterin ,  kann  ihrer  Angabe 
nach  nur  etwa  5  Minuten  lang  fernere  Arbeiten  (Nähen,  Sticken  etc.) 


Beitrage  zur  Kenntniss  der  concentr.  (iesichtsfeldverengerung.     189 

verriditen,  dann  bekommt  sie  Schmerzen  in  beiden  Augen,  sie 
sieht  bunte  Hinge  und  Hader,  welche  sicli  bewegen,  und  es  flim- 
mert ihr  vor  den  Augen.  Nach  einer  kurzen  Ruhepause  kann 
sie  wieder  eine  Zeit  lang  weiter  arbeiten,  worauf  abermals  neue 
Beschwerden  eintreten.  Objectiv  ist  nichts  Abnormes  an  den 
Augen  zu  finden  (8.  I.  92).  Die  Selischärfe  beträgt  |  bei  einer 
Hypermetropie  von  1  0.  Das  GF  zeigt  eine  massige  6FE  mit 
deutlichem  VT. 

12.  Versuch. 

Das  ÜF  des  r.  A.  der  Patientin  (Fall  7)  wurde  zuerst  bei 
unbewaffiietem  Auge  aufgenommen  und  zwar  för  jeden  Meridian 
erst  bei  temporaler  und  unmittelbar  darauf  bei  nasaler  Object- 
ftQirung  (GF  I  und  II).  Es  folgte  eine  nochmalige  GFA  in  genau 
derselben  Weise,  während  +  5,0  10  cm  vor  dem  Homhaut- 
Bcheitel  angebracht  war  und  dadurch  eine  vollständige  Entspan- 
nung der  Accommodation  erzielt  wurde.  Das  Resultat  zeigt  fol- 
gende Tabelle: 

GF  des  r.  A.  für  weiss  5  mm*. 

1)  Temporale  Objectführung. 

I.  Bei  Accommodation  auf 
den  Nullpunkt  des  Peri- 
meters     44.  48.  78.  72.  58.  32.  28.  38.  40.  34. 

111.  Bei  entspannter  Accom- 
modation      50.  68.  78.  64.  62.  48.  50.  46.  50.  37. 

2)  Nasale  ObjectfOhrung. 

II.  Bei  Accommodation  auf 
den  Nullpunkt  des  Peri- 
meters     32.  34.  64.  60.  46.  36.  48.  50.  48.  41. 

I\.  Bei  entspannter  Accom- 
modation      48.  54.  74.  58.  52.  58.  56.  58.  54.  42. 

Das  GF  wird,  wie  die  Tabelle  zeigt  —  ausser  im  Meridian 
120  —  bei  Accommodation  für  die  Feme  weiter  als  beim  Fi- 
xiren eines  30  cm  entfernten  Punktes.  Vergleicht  man  die  GF 
I,  II  und  III,  IV  mit  einander,  so  erkennt  man,  dass  erstere 
unter  einander  erheblicher  düferiren  als  die  beiden  letzteren.  Es 
ist  der  VT  stärker  ausgesprochen  bei  Accommodation  ftlr  die 
Nähe  als  bei  entspannter  Accommodation. 


190  Groenouw. 

8.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Der  17jSlirige  Schnhmacheriehrlmg  Gufltav  L.  wurde  am 
27.  VI.  92  in  die  Klinik  angenommen.  Patient  bemerkt  seit 
einem  Jahre,  daaB  ihm  öfter  ein  ^Nebel^  daa  GF  verdunkelt,  so- 
bald er  einige  Zeit  famg  gearb^tet  hat.  Seit  6  Woofaen  trigt 
der  Kranke  -f- 1,25 ,  ohne  daas  seine  Besdiwerd^  dadurch  ge> 
bessert  worden  wären. 

Die  Untersuchung  ergiebt  an  den  Augen  objectiv  nichts  Ab- 

2 
normes.  /S  =  —  bei  Hyperm.  1  D.  Am  Foerster'schen  Photo- 
meter werden  die  8  Stridie  des  Probeobjectes  bei  «ner  Beleueli- 
tungsöiihung  von  12'/,  qmra,  gegenttber  2  qmm  bemi  normaiea 
Auge,  eben  erkannt  Der  lidbtsinn  ist  also  nodi  als  fast  normal 
aneusehen.  Das  GF  ist  stark  verengt  und  zeigt  VT.  Ermttdet 
man  das  GF  des  r.  A.  nach  Wilbrand,  so  lässt  sieh  der  Durdi- 
messer  des  horizontalen  Meridians  von  50^  durch  6  Ermüdungs- 
touren auf  30^  einengen  und  behält  diese  Ausd^nung  bei  5 
weiteren  Ermlidungstouren  bei. 

Patient  erhielt  innerlich  Bromkalium  und  Chinin,  worauf  das 
GF  allmählich  weiter  wurde.  Am  Tage  der  Entlassung  aus  der 
Klinik  (15.  VII.  92)  waren  die  Grenzen  des  GF  ftlr  weiss  fast 
normal  und  nur  noch  ein  wenig  ausgeprägter  VT  vothanden. 

13.  Versuch. 

Bei  dem  erwähnten  Patienten  (Fall  8)  wurde  eine  Beobach- 
tung gemacht,  welche  ^  den  Nachweis  der  paradoxen  Gesichts- 
feldverengerung und  Erweiterung  von  Wichtigkeit  ist  Es  wurde 
nämlidi  am  6.  VII.  92  das  GF  des  r.  A.  flir  ein  weisses  Qusr 
drat  von  5  mm  Seitenlänge  bei  temporaler  Objectftlhrung  und 
Aocommodation  auf  den  Nullpunkt  des  Perimeters  aufgenommen 
(GF  I),  was  etwa  3  Minuten  beanspruchte.  Das  GF  zeigte  sieh 
nur  wenig  concentrisch  verengt,  in  der  nasalen  GH  um  etwa 
10",  in  der  temporalen  um  20".  Es  folgte  eine  zweite^GFA 
(II),  während  die  Aocommodation  durch  -|-  6  D  (10  cm  vor  dem 
Homhautsc^itel)  entspannt  war.  Das  GF  erweiterte  sidi  hier- 
durch in  5  der  untersuchten  10  Meridiane  um  2 — 7^,  behielt  in 
dnem  seine  frühere  Ausdehnung  bei  und  verengte  sich  m  4  Me- 
ridiane um  1—3^  Wenn  auch  die  in  Folge  der  Aeoommoda- 
tionsetspannung  eingetretene  GF-F^elierung  die  in  einiekien 
Meridianen  vorhandene  Verengerung  übertraf,  so  hätte  sieh  do<^  ans 


Beiträge  zurKenntniss  der  cockcentr.  Gesichtsfeldverengerung.     191 

4em  eben  genaanton  Befunde  schwerlich  mit  Sicherfaeit  der  Schfaui 
iäeben  laasen,  dais  Aecommodationseat^Muinung  das  coneentriiMsh 
verengte  GF  erweitere. 

Dass  bei  unserem  Patienten  die  paradoxe  GF-Erweite- 
nrng  bestand,  ging  aus  einem  am  11.  Vll.  92  mit  dem- 
selben Auge  angestellten  Versuche  hervor. 

Es  wurde  nämlidi  das  GF  bei  temporaler  Objectftihrung 
mit  einem  weissen  Quadrat  von  nur  1  mm  Seitenlänge  aufge- 
nommen, und  zwar  erst  bei  Accommodation  auf  den  Nullpunkt 
4es  Perimeters  (GFf),  dann  bei  Entspannung  der  Aecommodattoft 
duveh  -h|-  6  D  (GF  II),  hieiauf  nochmals  bei  Accommodation  auf 
den  Nullpunkt  des  Perimeters  (GF  III).  Das  Resultat  war  fol- 
gendes: 

GF  des  R.  A.  für  weiss  1  mm*  bei  temporaler  Objectführang. 

I.  Bei  Accommodation  auf 
den  Nullpunkt  des  Peri- 
meters (3U  cm  Entfernung)   46.  eO.  66.  73.  59.  42.  48.  40.  47.  44. 

11.  Bei  entspannter  Accom- 
modation    47.  60.  72.  75.  67.  46.  48.  46.  47.  46. 

III.  Bei  A^ccoiumodatioa  auf 
den  Nullpunkt  des  Peri- 
meters   44.  58.  70.  71.  64.  42.  48.  46.  47.  42. 

Ein  Vergleich  der  drei  Reihen  ergiebt,  dass  das  bei  Accom- 
modation für  die  Feme  eilialtene  GF  (II)  weiter  ist,  als  die  bei- 
den voriier  und  nadiher  bei  Accommodation  auf  den  30  cm  ent- 
fernten Flxationspunkt  des  Peiim^ierB  aufgenommenen  GF  (I  u.  III). 
Die  paradoxe  Erweitenmg  des  GF  in  dem  vorliegenden  Falle 
ist  nur  gering,  doch  muss  man  dabei  in  Betracht  ziehen,  dass 
unter  physiologischen  VerhiLitniSBen  das  GF  bei  entspannte  Ac- 
oommodatioB  enger  wird^  nicht  weiter. 

Aus  d«r  angeführten  Beobachtung  geht  hervor,  dass 
sich  die  paradoxe  Gesichtsfelderweiterung  bei  der  ünter- 
sudiung  mit  sehr  kleinen  Objecten  oft  deutlicher  nadi- 
weisen  lässt,  als  mit  grösseren. 

14.  Versuch  (Fig.  7). 

In  üebereinstimmung  mit  der  genannten  Thatsache  steht 
das  Ergebniss  eines  am  6.  VII.  92  mit  demselben  Patienten  an- 


192  Groenouw. 

gestellten  Versuches.  Das  GF  des  1.  A.  Hir  weiss  2mm^  wurde 
bei  temporaler  Objectföhrung  erst  bei  unbewafihetem  Auge  (Fig.  7, 
GF  I)  und  darauf  mit  -|-  6  D,  10  cm  vor  dem  Homhautscheitel 
aufgenommen,  und  zeigte  im  letzteren  Falle  eine  erhebliche  Er- 
weiterung. Es  bestand  demnach  bei  unserem  Patienten  Hlr  das 
1.  A.  eine  deutliche  paradoxe  GF-Erweiterang^  während  das  r.  A. 
an  demselben  Tage  für  weiss  5  mm*,  wie  oben  erwälmt,  die 
paradoxe  Erweiterung  nicht  deutlich  zeigte. 

Wäre  bei  unserem  Patienten  nur  das  r.  A.  mit  einem 
grösseren  weissen  Quadrat  untersucht  worden,  so  hätte  man 
zu  dem  Schlüsse  gelangen  können,  es  bestehe  keine  para- 
doxe Gesichtsfelderweiterung,  während  sie  doch  für  das  1. 
A.  mit  einem  kleinen  Untersuchungsobject  leicht  nachweis- 
bar war.  Dieser  Punkt  verdient  besonders  hervorgehoben 
zu  werden.  Es  war  manchmal  nicht  möglich,  bei  einem 
Patienten  die  paradoxe  GF-Erweiterung  auf  dem  einen 
Auge  deutlich  zu  demonstriren,  während  dies  für  das  zweite 
Auge  oder  bei  der  genannten  Modification  der  Unter- 
suchungsmethode auch  für  dasselbe  Auge  keine  Schwierig- 
keiten darbot 

Günstiger  Einfluss  des  dauernden  Tragens 

von  Convexgläsern  bei  Anaesthesia  retinae  mit 

Hypermetropie. 

Da  das  concentrisch  verengte  GF  sich  bei  Entspan- 
nung der  Accommodation  temporär  erweitert,  so  lag  es 
nahe,  diese  Beobachtung  therapeutisch  zu  verwerthen,  in 
der  Voraussetzung,  dass  eine  dauernde  Entlastung  der 
Accommodation  auf  die  dauernde  Erweiterung  des  GF 
von  günstigem  Einfluss  sein  werde.  Es  wurde  daher  allen 
hypermetropischen  Patienten  mit  Anaesthesia  retinae  die 
corrigirende  Convexbrille  zum  andauernden  Tragen  ver- 
ordnet, eine  Behandlungsweise,  welche  von  uns  schon  seit 
vielen  Jahren  als  Unterstützung  der  übrigen  Therapie  ge- 
übt wird. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     193 

Es  war  nicht  zu  erwarten ,  dass  allein  das  dauernde 
Tragen  einer  Convexbrille  in  allen  Fällen  zur  Heilung  der 
Anaesthesia  retinae  ausreichen  würde.  Denn  die  genannte 
Krankheit  ist  nicht  eine  ausschliessliche  Affection  der  Augen, 
sondern  ein  allgemein  nervöses  Leiden,  dessen  hervor- 
stechendstes Symptom  die  Augenerkrankung  darstellt  Trotz- 
dem erschien  es  wahrscheinlich,  dass  die  dauernde  Ent- 
lastung der  Accommodation  zur  Beseitigung  der  Symptome 
von  Seiten  des  Sehorganes  viel  beitragen  würde.  Als  Be- 
weis für  die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  diene  folgen- 
der Fall. 

9.  Fall  (Anaesthesia  retinae,  geheilt  durch 
dauerndes  Tragen  einer  Convexbrille). 

Maiiha  B.^  17jälirige  Schneiderin^  näht  seit  April  1892 
Damengarderobe,  täglich  10  Stunden  lang,  ohne  in  der  Ausfüh- 
rung dieser  Arbeit  wälirend  des  vergangenen  Jahres  von  Seiten 
der  Augen  irgendwie  behindert  worden  zu  sein.  Erst  hn  Februar 
1893  stellten  sicli  asthenopische  Beschwerden  ein,  welche  so  stark 
wurden,  dass  die  Kranke  nur  noch  eine  Stunde  lang  ununter- 
brochen zu  nälien  vermochte.  Nach  Verlauf  dieser  Zeit  sali 
Patientin  die  Arbeit  verschwommen  und  musste  ^1^  Stunde  lang 
pausiren,  ehe  sie  wieder  weiter  nähen  konnte.  Dies  wiederholte 
sich  mehrmals  am  Tage,  sodass  Patientin  üire  tägliclie  Ai'beits- 
zeit  auf  6  Stunden  reduciren  musste.  Ausserdem  bestanden  die 
Symptome  eines  Bindehautcatarrhes,  Drücken,  Brennen  und  hau- 
üges  Thränen  der  Augen. 

Die  am  23.  IL  1893  vorgenommene  Untersuchung  ergiebt 
einen  Bindehautcatarrh  geringen  Grades,  sonst  zeigen  die  Augen 
äusserlich  und  mit  dem  Augenspiegel  betrachtet  objectiv  nichts 
Krankhaftes.  Es  besteht  eine  Insufficienz  des  linken  m.  rectua 
internus.  Die  Sehschärfe  beträgt  itlr  beide  Augen  ^/g,  mit 
-|-0,75  D  steigt  sie  auf  ^/j,  Snellen  0,5  wird  von  11 — 37  cm, 
Snellen  1,0  bis  79  cm  gelesen.  Es  ist  also  Hypermetropie  bei 
guter  Accommodationsbreite  und  ^/4  Sehschärfe  vorhanden.  Das 
(IF  ist  in  massigem  Grade  concentrisch  verengt,  es  erstreckt  sich 
vom  Fixationspunkt  aus  nach  allen  lüchtungen  hin  nur  40 — 50^ 
weit,  ausserdem  besteht  ausgesprochener  Fo  erster 'scher  VT  mit 
einer  Verschiebung  von    15 — 20^.     Das  Allgemeinbefinden  der 

T.  Onefe's  Archir  Ar  Ophthalmologie.  XL.  2.  13 


194  Groenoiiw. 

Patientin  ist  günstig^  sie  hat  guten  Appetit  und  schlfift  jede  Nacht 
8  Stunden,  allerdings  in  den  letzten  4  Wochen  sehr  unruhig. 
Die  Kranke  sieht  etwas  blass  aus,  Nonensausen  ist  nicht  tot- 
banden.     Patientin  lebt  unter  günstigen  äusseren  Verhältnissen. 

Es  wurde  gegen  die  Conjunctivitis  eine  */,  ^j^  Lösung  von 
schwefelsaurem  Zink  als  Augenwasser  verordnet  und  ausserdem 
+  1  D  zum  dauernden  Tragen. 

Schon  2  Tage  später  zeigte  das  GF  eme  erhebliche  Erwei- 
tenuag,  es  reidite  aussen  bis  zum  70.,  innen  bis  zum  55.  Pa- 
rallelkreise und  der  VT  war  nur  noch  wenig  ausgeprägt  Die 
Kranke  konnte  et^-as  länger,  etwa  3  Stunden  lang,  ohne  Unter- 
brechung nähen,  ehe  Beschwerden  eintraten. 

Patientin  trug  ihre  Convexbrille  weiter,  setzte  aber  wäh- 
rend der  ganzen  Behandlungsdauer  die  Arbeit  nicht 
aus,  sondern  nähte  täglich  mindestens  6  Stunden  lang.  Die 
asthenopischen  Beschwerden  wurden  immer  geringer.  Am  3.  III. 
1893  konnte  die  Kranke  täglich  10  Stunden  lang  ohne  alle  Be- 
schwerden nähen,  nur  die  subjectiven  Symptome  des  Catarrhes 
belästigten  sie  nocli.  Das  GF  hatte  fast  normale  Ausdehnung 
erreicht,  der  VT  war  nidit  mehr  nachzuweisen. 

Dieser  Besserung  folgte  bald  ein  Rückfall.  Schon  am  7.  III. 
1893  stellten  sich  nach  3 — 4 stündiger  Arbeit  wieder  Beschwer- 
den ein,  trotzdem  die  Convexbrille  dauernd  getragen  wurde.  Die 
Untersuchung  ergab  jetzt  eine  manifeste  Hypermetropie  von 
1,25  D  ftlr  das  rechte  bei  voller,  1,0  D  für  das  linke  Auge  bei 
*/3  Sehschärfe.  Wurden  beide  Augen  gleichzeitig  untersucht,  so 
betrug  die  manifeste  Hypermetropie  1,75  D.  Patientin  erhielt 
+  1,75  D  zum  dauernden  Tragen  verordnet,  wodurch  ihre  Be- 
schwerden sehr  rasch  gebessert  wurden. 

Das  am  13.  III.  1893  aufgenommene  GF  zeigte  nur  dne 
geringe  Verengerung  mit  wenig  ausgeprägtem  VT,  die  Kranke 
konnte  damals  täglich  7  —  8  Stunden  und  seit  Anfiug  April  10 
Stunden  ohne  Beschwerden  arbeiten. 

Eine  am  13.  IV.  1893  vorgenommene  Untersuchung  er- 
gab dasselbe  Resultat  Patientin  hatte  ilire  BriUe  +1,75  D 
dauernd  getragen  und  täglich  8  —  10  Stunden  lang  genäht  Der 
BindehautcataiTh  wai*  noch  nicht  vollkommen  abgeheilt,  verur- 
sachte aber  nur  geringe  Beschwerden. 

15.  Versuch  (Fig.  8). 
Am  Tage  der  ersten  GF-Üntersuchung  (23.  II.  1893)  Hess 
sich  nachweisen,  dass  das  GF  des  r.  A.  der  genannten  Patientin 


Beitrftge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeld  Verengerung.     195 

(Fan  9)  durdi  Entspannung  der  Acoommodation  erweitert  wurde. 
Fig.  8  erläutert  die  Anstellung  des  Versuches  genauer.  Die  Ao- 
commodation  war  bei  GFA  II  durch  Vorsetzen  von  +5,75  D 
(10  em  vor  den  Hombautscheitel)  entspannt,  während  GFA  I 
und  III  bei  unbew^affiietem  Auge  (Aecommodation  auf  30  em) 
erfolgten.  Ausser  dem  sehr  deutlichen  Hervortreten  der  para- 
doxen GF-Erweiterung  ist  bei  diesem  Versuche  noch  besonders 
aufMendy  dass  das  GF  III  weiter  ist,  als  GF  I.  Aus  dieser 
Beobachtung  lässt  sicli  folgendes  Gesetz  ableiten. 

Macht  man  bei  einem  Patienten  mit  GPE  3  GFA 
hintereinander,  so  dass  der  Kranke  bei  der  ersten  und 
dritten  Untersuchung  auf  30  cm  Entfernung  (den  Nullpunkt 
des  Perimeters),  während  der  zweiten  auf  unendliche  Ent- 
fernung accommodirt,  so  ist  das  letzte  GF  in  der 'Regel 
weiter,  als  das  erste,  obwohl  beide  unter  denselben  Be- 
dingungen erhalten  worden  sind.  Diese  Erscheinung  wurde 
in  einer  ATi7fl.h1  von  Fällen,  nicht  in  allen  beobachtet  und 
lässt  sich  wahrscheinlich  auf  folgende  Weise  erklären.  Die 
Entspannung  der  Aecommodation  während  der  zweiten 
GFA  hat  eine  erweiternde  Wirkung  auf  das  GF,  dieser 
günstige  Einfluss  verschwindet  nicht  sofort  bei  erneuter  In- 
anspruchnahme der  Aecommodation,  sondern  übt  noch  eine 
Nachwirkung  aus,  welche  der  letzten  GFA  zu  Gute  kommt 
Auch  diese  Beobachtung  spricht  dafür,  dass  das  dauernde 
Tragen  einer  Convexbrille  auf  die  bleibende  Erweiterung 
eines  concentrisch  verengten  GF  von  Einfluss  sein  könne. 

Für  das  l.  A.  derselben  Patientin  ergaben  3  am  gleidien 
Tage  gemachte  GFA  ebenfalls  das  Voiiiandensein  der  paradoxen 
GF-Erweiterung.  Die  Grösse  der  Erweiterung  betrug  in  den 
einzelnen  Meridianen  0^—8*. 

16.  Versuch. 

Am  23.  IL  1893  wurde  mit  dem  r.  A.  derselben  Patientin 
(FaU  9)  em  Ermüdungsversuch  nach  Wilbrand  (Seite  175)  ange- 
ateUt  Ein  weisses  Quadrat  von  5  mm  SeitenJfinge  wurde  im 
horizontalen  Meridian  von  der  Schläienseite  her  ins  GF  einge- 
fthrt     Es  wurde  beim  58.  Farallelkreise  temporaiwärts  wahrge- 

13* 


196  Groenouw. 

nommen  und  verschwand  auf  der  nasalen  GH  beim  44.  Nun 
wurde  es  sofort  nach  der  temporalen  GH  zurückgeführt  und  ver- 
schwand bei  52^,  wieder  nach  der  nasalen  Seite  geführt,  ver- 
schwand es  bei  38^  u.  s.  w.  Hierauf  wurde  genau  in  derselben 
Weise  noch  einmal  der  horizontale  Meridian  geprüft,  während  die 
Accommodation  durch  Vorsetzen  von  -{-'  5,75  i>  10  cm  vor  den 
HomhautBcheitel  entspannt  war.  Das  Ergebniss  beider  Versuche 
ist  folgendes. 

R.  A.,  horizontaler  Meridian,  Ermüdungsversuch  nach 
Wilbrand.     Untersuchungsobject:  weiss  5  min^ 


I.  Bei  Accommodation  auf  den 
Nullpunkt  des  Perimeters 
nasal  (i)44  — 58(0)  temporal 
•    (3)38—52(2) 
(6)34—48(4) 


II.  Bei  entspannter  Accommo- 
dation. 
nasal  (i)  52  —  72  (O)  temporal 
(8)44—56(2) 
(6)40—54(4) 


Wie  aus  den  angeMirten  Zalilen  henorgeht,  wird  das  GF 
unserer  Patiendn  durch  fortgesetzte  Ermüdung  immer  enger. 
Bei  entspannter  Accommodation  hat  das  GF  eine  viel  erheblichere 
Ausdehnung  und  wird  durch  eine  gleiche  Anzahl  Ermüdungs- 
touren viel  weniger  verengt,  als  bei  angespannter  Accommo- 
dation. 

Die  paradoxe  GF-Erweiterung  bestand  bei  der  erwälmten 
Patientin  nur  so  lange,  als  das  GF  eine  concentrische  Verenge- 
rung mit  \^  zeigte.  Die  Erscheinung  verschwand  wieder,  so- 
bald die  Ki'anke  als  geheilt  anzusehen  war.  Am  13.  IV,  1893 
zeigte  das  GF  beider  Augen  fiir  weiss  5  mm*  normale  Aussen- 
grenzen  und  keinen  \^  mehr.  An  diesem  Tage  wurde  dasGF 
des  r.  A.  mit  weiss  2  mm*  erst  bei  Accommodation  auf  30  cm 
Entfernung  (GF  I)  und  darauf  bei  entspannter  Accommodation 
(GF  II)  untersucht  Das  letztere  der  beiden  GF  zeigte  gegen- 
über dem  ersteren  in  2  Meridianen  keine  Veränderung,  hatte  sich 
in  einem  um  2^  verengt  und  war  in  7  Meridianen  um  1 — 5^ 
weiter  geworden.  Vergleichen  wir  damit  die  sehr  beträchtliche 
paradoxe  Erweiterung  des  GF  für  em  weit  grösseres  Object, 
welche  7  Wochen  früher  bestand  (Fig.  8),  so  können  wir  die 
jetzt  bestehenden  Veränderungen  des  GF  als  unerheblicli  be- 
zeichnen. 

An  demselben  Tage  wurde  das  GF  des  1.  A.  für  weiss 
1  mm*  bei  Accommodation  auf  30  cm  (GF  I)  und  auf  den  Fem- 
punkt der  Patientin  (GF  II)   geprüft.     GF  II  war  in   5  Meri- 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengening.     197 

dianen  um  1  —  6*^  enger,  als  6F  I,  hatte  sich  nur  in  2  Meri- 
dianen um  1^  und  2^  erweitert  und  in  3  Meridianen  gar  nicht 
verändert.  Es  war  demnadi  infolge  der  Entspannung  der  Ao- 
commodation  das  GF  im  Grossen  und  Ganzen  enger  geworden, 
so  dass  die  physiologische  GF-Verengerung  an  Stelle  der 
paradoxen   Erweiterung  getreten  war. 

10.  Fall.     Nictitatio,  Anaesthesia  retinae. 

Die  14jälirige  Schneiderstochter  Martha  Seh.  suchte  am 
18.  II.  1893  die  Poliklinik  wegen  eines  seit  4  Wochen  bestehen- 
den Lidkrampfes  auf.  Es  zeigt  sich  ein  fast  ausschliesslich  auf 
dem  1.  A.  auftretender  Blepharospasmus.  Das  Auge  wird  plötz- 
lich krampfhaft  auf  einige  Secunden  geschlossen  und  dann  wie- 
der geöffiiet  Dieses  Spiel  wiederholt  sich  in  ganz  kurzen  Zeit- 
räumen. Ausserdem  bestehen  fibrilläre  Zuckungen  in  den  Lidern, 
besonders  in  dem  unteren.  Die  Erscheinung  verschwindet  sofort, 
wie  mit  einem  Zauberschlage,  wenn  Patientin  die  corrigirende 
Brille  R:  +  1,25  L:  +  2,75  aufsetzt  So  lange  die  Brille  ge- 
tragen wird,  sind  keine  oder  nur  geringe  Zuckungen  in  den 
Augenlidern  zu  sehen;  sobald  das  Glas  abgenommen  wird,  treten 
sie,  wie  auf  Commando,  sofort  wieder  ein.  Die  Untersuchung 
der  Augen  ergiebt  sonst  äusserlicli  nichts  Abnormes.  Die  Seh- 
schärfe beträgt  */3  bei  einer  Hypermetropie  des  erwähnten 
Grades.  Das  GF  zeigt  eine  geringe  concentrische  Verengerung 
und  deutlichen  VT  mit  einer  Verachiebungsgrösse  von  etwa  10®. 
Patientin  erhielt  die  corrigirende  Convexbrille  zum  dauernden 
Tragen  verordnet  und  ausserdem  innerlich  Chinin  in  Lösung,  da 
sich  an  der  linken  Incisura  supraorbitalis  ein  V  all  ei  x' scher  Druck- 
punkt fand.  Es  trat  unter  dieser  Behandlung  ei'st  eine  erhebliche 
Verminderung  und  schliesslich  völlige  Heilung  des  Blepharospas- 
mus ein.  Das  GF  erweiterte  sich  ebenfalls  und  zeigte  am  4.  IIL 
1893  durchaus  normale  Aussengi^enzen  ohne  eine  Spur  von  VT. 

17.  Versuch. 

Der  Einfluss  der  Accommodationsentspannung  auf  den  Ble- 
pharospasmus war  bei  der  genannten  Patientin  (Fall  10)  sehr 
leicht  zu  demonstriren.  Es  lag  nahe,  auch  eine  Beeinflussung 
des  GF  durch  die  Accommodation  zu  vermuthen.  Um  dies  näher 
zu  prüfen,  wurde  am  18.  IL  1893  ein  GF  des  1.  A.  zuerst 
ohne  Brille  (GF  I),  darauf  mit  +  7,25  1  dm  vor  dem  Auge 
(GF  II)  und  hierauf  nochmals  bei  unbewaffnetem  Auge  (GFIII) 


]  98  Groenouir. 

aii%enommen.     Im  Folgenden   haben  nur  die  ffHr  den  horizon- 
talen Meridian  geftindenen  Zahlen  Platz  gefunden. 

L.  A.y  GF  für  weiss  5  mm^  im  horizontalen  Meridian  bei 
temporaler  Objectfübrung. 

temporal    nasal 
I.  Bei  Accommodation  auf  den  Nullpunkt 

des  Perimeters 77  50 

II.  Bei  entspannter  Accommodation  ...  84  58 

III.  Bei  Accommodation  auf  den  Nullpunkt 

des  Perimeters 82  52 

Das  GF  wurde  also  dorch  Entspannung  der  AccomniodatioD 
erweitert  Femer  zeigte  sich  auch  hier  wieder  die  Seite  195  ge- 
schilderte Erschemnng^  dass  GF  III  weitere  AuBsengrenzen  zeigte, 
als  GF  I,  daas  daher  die  infolge  der  Accommodationsentspannung 
bewirkte  GF- Erweiterung  noch  eine  Nachwirkung  zeigt,  wenn 
die  Accommodation  wieder  in  Anspruch  genommen  wird. 

11.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Der  24jährige  Sattler  Gustav  L.  stellte  sich  am  19.  IV. 
1893  nüt  der  Klage  vor,  er  könne  nur  et^^a  20  Minuten  lang 
lesen  oder  ai'beiten,  nach  Veriauf  dieser  Zeit  ^flimmere^  es  ihm 
vor  den  Augen  und  er  müsse  einige  Minuten  lang  pausiren.  Dies 
wiederhole  sicli  öller. 

Die  Untersuchung  ergiebt  an  den  Augen  objectiv  niditB 
Abnormes.  S=  ^/g;  mit  (—  0,75  D)  steigt  S  auf  1.  Mit  jedem 
Auge  einzeln  wird  Snellen  0,5  von  12  cm  punct  proximum, 
bis  24  cm  p.  r.  und  Sn.  1,0  bis  32  cm  p.  r.  gelesen.  Es  be- 
steht also  ein  auffallendes  Missverliältniss  zwischen  dem  Ergebniss 
der  Sehprfifung  für  die  Nähe  und  fllr  die  Feme,  indem  Sn.  0,5 
und  1,0  in  viel  grösserer  Enttemung  vom  Auge  nocli  gelesen 
werden  müssten,  als  dies  thatsächlich  der  Fall  ist. 

Das  GF  zeigte  eine  concentrische  Verengerung  mittleren 
Grades  und  einen  sehr  ausgeprägten  YT  (cf.  Fig.  9  a  und  b). 

18.  Versuch  (Fig.  9  a  und  b). 

Um  den  Einfluss  der  Accommodation  auf  die  Ausdelmung 
des  GF  unseres  Patienten  (Fall  11)  zu  prttfen,  wurde  am  18. 
IV.  1893  das  GF  des  unbewaffneten  1.  A.  erst  bei  temporaler 
(I)  und  unmittelbar  darauf  bei  nasaler  (II)  ObjectfÜhiimg  aufge- 


Beitrfige  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfcldverengerung.     199 

Bommen.  Nach  einer  Ruhepause  von  5  Minuten  wunle  dasselbe 
Manöver  wiederholt,  wSlur^d  die  Accommodation  des  untersuchten 
Auges  durch  Vorsetzen  von  4*  '^y^  D  10  cm  vor  den  Hornhaut- 
scheite!  mögtiebst  vollkommen  entq[>annt  wai*  (GF  III  und  IV 
Fig.  9).  Es  fi[%te  eine  abermah'ge  Pause,  worauf  das  GF  wie- 
derum aufgenommen  wurde,  während  Patient  seine  Acoommo- 
dation  durch  fUren  eines  12  om  vor  dem  Auge  gelegenen 
Punktes  stark  anspannte. 

In  diesem  Falle  wui*de  abweichend  von  den  ii*tLheren  Ver- 
sudien  die  Accommodationsanspannung  dadurch  ei-zielt,  dass  dei* 
Untersuchte  den  Knopf  einer  Stecknadel  fixirte,  welche  nalie  vor 
dem  Auge  befestigt  war.  Diese  Methode  liat  den  Nachtheil,  dass 
das  Untersuchungsobject,  welchem  Patient  seine  Auimeiksamkeil 
zuwenden  muss,  weiter  vom  Auge  entfernt  ist,  als  d^  Fixations- 
punkt,  wodurch  die  Beobachtung  für  den  Kiunken  erachweil  wird. 

Auf  die  oben  emälmte  Weise  wurden  \'on  unserem  Patien- 
ten 6  GF  erhalten,  von  denen  die  H  bei  temporaler  Objectiiihrung 
aufgenommenen  in  Fig.  9  a,  die  bei  nasaler  Einflihning  gewonnenen 
in  Fig.  9  b  abgebildet  sind.  Fig.  9  a  zeigt,  dass  das  bei  starker 
Anspannung  der  Accommodation  erhaltene  GF  (V)  die  geringste, 
das  bei  Entspannung  derselben  gewonnene  (III)  die  weiteste 
Ausdehnung  hat  und  das  bei  mittlerer  Inanspruchnalnne  der  Ac- 
commodation aufgenommene  GF  in  seiner  Ausdehnung  zwischen 
den  ersteren  beiden  GF  liegt,  (ienau  ebenso  verhält  es  sich  mit 
den  3  bei  nasaler  ObjectfÜlunmg  erhaltenen  GF  (Fig.  9  b).  Es 
ist  demnach  auch  bei  diesem  Patienten  das  GF  bei  stärkerer 
Anspannung  der  Accommodation  enger  als  bei  massiger  Inan- 
spruclmahme  dereelben  und  im  letzteren  Falle  wieder  enger  als 
bei  vollkommen  entspannter  Accommodation. 

Ausser  bei  der  Anaesthesia  retinae  findet  sich  die 
GFE  noch  bei  einer  Anzahl  anderer  Krankheiten,  häufig 
in  Verbindung  mit  VT,  wie  O.  Koenig(2)  nachgewiesen 
hat  Wir  wollen  nun  untersuchen,  ob  sich  auch  in  diesen 
Fällen  die  paradoxe  GF-Erweiterung  findet. 

12.  Fall.     Myopia  spastica. 

Helene  K.  11  Jahr  alt.  1.  April  1891:  Patientm  klagt, 
dass  sie  seit  ^/^  Jalu-e  vorttbergehende  Versdüechterungen  des 
Sehvermögens,  euxige  Minuten  hmg  anhaltende  Verdunkelungen 
des  GF,  bemerke.   Die  Unterauchung  der  Augen  ergiebt  objectiv 


200  Groenouw. 

nichts  Abnormes.  Die  Sehscliärfe  des  r.  A.  beträgt  \,  die  des 
I.  A.  ^/g,  sie  steigt  auf  ^/j,  wenn  das  r.  A.  mit  —  1,25,  das 
I.  A.  mit  —  1,75  bewaffnet  wird.  Die  Skiaskopie  ergiebt  fiir 
beide  Angen  hypermetropischen  Ban.  Nadi  Atropinisirung  des 
r.  A.  lässt  sich  auch  functionell  eine  Hypermetropie  von  1,75 
nscchweisen,  weldie  nach  dem  Verschwinden  der  Atropinwirkung 
wieder  in  eine  functionelle  Myopie  von  1,0  übergeht.  Das  GF 
zeigt  auf  beiden  Augen  eine  geringe  GFE  und  eme  typische 
Verschiebung  von  10 — 20®.  Die  Ausdehnung  des  GF  zeigte 
während  der  folgenden  Beobachtungsdauer  recht  erhebliche  Schwan- 
kungen. Die  Fai'bengrenzen  des  GF  zeigen  bei  der  Unter- 
suchung mit  Quadi^ten  von  5  mm  Seitenlänge  die  normale  Reihen- 
folge. Am  weitesten  periplier  wird  blau  erkannt,  dann  folgt 
weiter  centralwärts  roth  und  zuletzt  grün.  Die  Farbenfelder  sind 
entsprechend  der  Verengerung  des  GF  fih-  weiss  etwas  eingeengt 
Der  VT  ist  auch  filr  farbige  Objecte  (roth  und  grün)  nachzu- 
weisen. 

Patientin  wurde  in  die  Klinik  aufgenommen  und  1  Woche 
lang  (14.  V.  1891)  mit  Bettruhe  und  Verband  beider  Augen 
behandelt.  Der  Erfolg  dieser  Cur  war  eine  Erweiterung  desGF 
unter  gleichzeitiger  Umwandlung  der  Myopie  in  eine  Hyper- 
metropie von  0,25.  Durch  eine  Reihe  von  Strychnininjectionen 
wurde  noch  eine  weitere  Besserung  erzielt,  so  dass  P.  am  27. 
V.  1891  als  nahezu  geheilt  entlassen  werden  konnte. 

^/,  Jahr  später  (Nov.  1891)  stellte  sich  die  Kranke  wieder 
mit  ihren  früheren  Beschwerden  vor.  Es  bestand  functionell  eine 
Myopie  von  0,75  bei  massig  verengtem  GF  und  deutlichem  VT. 
Unter  dem  Gebrauch  von  liq.  fem  albuminati  vei-schwanden  die 
Beschwerden  der  Patientin  allmählich. 

19.  Versuch. 

Während  des  Rückfalles  der  Erki-ankung  im  November  1891 
wurde  das  GF  der  genannten  Patientin  mehrfacli  auf  die  para- 
doxe GF-Erweiterung  hin  untereucht.  Es  ergaben  sich  dabei 
einige  fiir  den  Nachweis  dieses  Symptoms  widitige  Beobach- 
tungen. 

Am  23.  XII.  91  wurde  das  GF  des  r.  A.  bei  temporaler 
ObjectfÜhrung  zweimal  hinter  einander  aufgenommen.  Wälirend 
der  ersten  Auiiiahme  betrachtete  Patientin  den  Nullpunkt  des 
Perimeters  durch  —  3,25  10  cm  vor  dem  Homhautscheitel  be- 
festigt   (Accommodation    auf   23  cm).     Bei    der   zweiten  Unter- 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeld  Verengerung.     201 

Bnchnng  war  das  Auge  unbewaühet,  accommodlrte  also  auf  30  cm. 
Die  beiden  so  gewonnenen  6F  zeigten  keinen  wesentlichen  Unter- 
schied in  ihrer  Ausdehnung.  Dieser  negative  Ausfall  des  Ver- 
suches berulit  darauf,  dass  der  Unterschied  in  der  Accommodations- 
anspannung,  unter  welcher  beide  Aufnahmen  erfolgten,  zu  gering 
ist,  um  den  Nachweis  der  paradoxen  GF- Erweiterung  zu  ge- 
statten. Dass  letztere  vorhanden  war,  zeigt  ein  am  folgenden 
Tage  angestellter  Versuch. 

Das  6F  desselben  Auges  wurde  am  24.  XII.  91  erst  bei 
Bewaühung  des  Auges  mit  —  18,0  10  cm  vor  dem  Homhant- 
scheitel  (Accommodation  auf  eine  Entfernung  von  15  cm)  auf- 
genommen. Nachdem  das  Concavglas  durdi  +  5,25  ersetzt  und 
dadurcli  die  Accommodation  entspannt  war,  wurde  eine  zweite 
GFA  vorgenommen  (II).  Hierauf  folgte  eine  dritte  GFA  bei  un- 
bewaflhetem  Auge  (III).    Die  Objectftlhrung  war  stets  temporal. 

GF  für  weiss  5  mm*  bei  temporaler  Objectfühning. 
I.  Bei     starker     Anspan- 
nung der  Accommodation    38,  46,  56,  54,  50,  36,  38,  46,  34,  32. 
II.  BeientspannterAccom- 

modation 52,  63,  78,  78,  62,  44,  48,  48,  48,  4(). 

III.  Bei  massiger  Anspan- 
nung der  Accommodation    42,  56,  64,  62,  50,  42,  46,  46,  38,  40. 

Wie  die  Tabelle  zeigf,  ist  das  bei  Accommodation  auf  1 5  cm 
erhaltene  GF  I  enger  als  das  beim  Fixiren  des  30  cm  entiemten 
Perimeterknopfes  gewonnene  (III)  und  letzteres  wieder  von  ge- 
ringerer Ausdehnung  als  GF  II,  welches  bei  Accomraodations- 
entspannung  aufgenommen  wurde.  Es  bestand  also  för  das 
untersuchte  Auge  paradoxe  GF- Erweiterung,  dieselbe  hatte  sich 
aber  am  vorhergehenden  Tage  nidit  nachweisen  lassen,  da  der 
Unterschied  in  der  Accommodationsanspannung,  untei*  welcher  die 
beiden  GFA  erfolgten,  zu  gering  war. 

Man  darf  das  Vorhandensein  der  paradoxen  GF-Er- 
weiterung  bei  GFE  erst  dann  ausschliessen,  wenn  ein 
bei  sehr  starker  Anspannung  der  Accommodation  und  ein 
bei  vollständiger  Erschlafiung  derselben  aufgenommenes 
GF  die  genannte  Erscheinung  nicht  darbieten.  Geringe 
accomraodative  Veränderungen  beeinflussen  die  Ausdehnung 
des   concentrisch   verengten  GF   meist  nicht  wesentlich. 


202  Groenouw. 

Indessen  kommen  Ausnahmen  vor,  wie  folgender  Versuch 
zeigt 

20.  Versuch  (Flg.  10). 

Das  GF  des  1.  A.  der  eben  erwähnten  Patientin  wurde  am 
19.  XII.  91  erst  (I)  bei  Acoommodation  auf  60  cm  (-f-  3,25 
12  cm  vor  der  Hornhaut),  sodann  (II)  auf  30  cm  (unbewaffiietes 
Auge)  aufgenommen.  6F  I  (Fig.  10)  zeigte  bedeutend  weitere 
Aussengrenzen  als  GF  II. 

Diese  Beobachtung,  dass  schon  eine  massige  Ent- 
spannung der  Acoommodation  genügt,  um  eine  erhebliche 
GrF-Erweiterung  zu  erzielen,  steht  ziemlich  isolirt  da.  Meist 
war  es  erforderlich,  die  Acoommodation  vollständig  zu  ent- 
spannen, um  eine  deutHche  GF- Erweiterung  zu  erhalten. 
Die  durch  Rg.  10  illustrirte  Beobachtung  erscheint  weniger 
auffallend,  wenn  man  bedenkt,  dass  das  untersuchte  Auge 
functionell  myopisch  war  und  demnach  sein  Acconamo- 
dationsapparat  bei  der  Einstellung  auf  einen  60  cm  ent- 
fernten Punkt  eine  wenigstens  relative  Ruhestellung  inne 
hatte. 

Es  soll  noch  besonders  darauf  hingewiesen  werden, 
dass  Versuch  19  keinen  Unterschied  in  der  Ausdehnung 
des  GF  ergab,  wenn  das  rechte  Auge  erst  auf  23,  dann 
auf  30  cm  Entfernung  accommodirte,  während  für  das  1.  A. 
eine  beträchtliche  GF-Erweiterung  eintrat,  wenn  die  Ac- 
commodation  von  30  auf  60  cm  eingestellt  wurde.  Es  be- 
wirkt eben  nicht  jede  geringe  Verminderung  der  Accom- 
modationsanspannung  auch  eine  nachweisbare  Erweite- 
rung des  GF. 

Mit  derselben  Patientin  wurden  noch  eine  Anzahl 
Versuche  angestellt,  welche  alle  eine  erhebliche  Erweiterung 
des  GF  bei  Entspannung  der  Acoommodation  ergaben. 

13.  Fall.     Kopiopia  hysterica. 

Der  24jährige  Wurstmacher  Bichard  Seh.  suchte  am  17. 
IV.  93   die  Poliklinik  auf  mit  der  Klage,   er  habe  seit   einem 


Beitrage  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     203 

halben  Jahre  Schmerzen  (Drücken)  in  beiden  Augen,  welche  sieh 
seit  einer  Woche  erheblich  versdilimmert  hätten.  Helles  lieht^ 
besonders  Sonnensdiein  und  Gaslicht  blenden  den  Patienten  so 
stark,  dass  er  bei  einer  derartigen  Beleuclitung  viel  schlechter 
sieht  als  bei  gewöhnlichem  Tageslicht. 

Die  Untersudinng  ergiebt,  abgesehen  von  einem  sehr  ge- 
ringen Bindehautkatarrii,  objectiv  nichts  Abnormes  an  den  Augen. 
Es  besteht  volle  Sehschärfe  bei  einer  Hypermetropie  von  0,75. 
Der  Nahepunkt  für  8n  0,5  liegt  in  16  cm.  Das  GF  für  weiss 
5  mm*  zeigt  eine  geringe  concentrische  Verengerung  mit  einer 
typisdien  Verschiebung  der  bei  nasaler  und  temporaler  Object- 
iührung  gewonnenen  GF  gegen  einander  um  6 — 18  ^  P.  sdi^ 
gut,  7  Stunden  jede  Nadit.  Appetit  hat  in  letzterer  Zeit  etwas 
abgenommen. 

Der  selir  geringe  Coi\junctivalkatarrh,  gegen  welchen  der 
Kranke  schon  seit  längerer  Zeit  eine  ^/g  ®/ü  Lösung  von  Zinc 
sulfiiric.  in  den  Bindehautsack  eingegossen  hatte,  konnte  die  Be- 
sdiwerden  des  P.,  namentlich  die  starke  Blendung  durch  helles 
Licht,  nicht  erklären,  es  wurde  dalier  die  Diagnose  auf  Kopiopia 
hysterica  gestellt. 

21.  Versuch  (Fig.  11). 

Der  genannte  Patient  (Fall  13)  ermüdetete  bei  der  Auf- 
nahme des  GF  sehr  leicht,  weshalb  ilim  öfter  Ruhepausen  ge- 
wälirt  wurden.  Am  17.  IV.  9M  wurde  das  GF  des  r.  A.  mit 
weiss  2  mm*  bei  entspannter  Accommodation  (-f-  5,25  10  cm 
vor  dem  Homhautscheitel)  und  darauf  bei  Accommodation  auf 
den  Nahepunkt  (Fixation  eines  16  cm  entfernten  Stecknadel- 
knopfes) aufgenommen.  Das  letztere  der  beiden  GF  (II  flg.  11) 
war  um  2®— 23^  enger  als  das  erstere  (I).  Es  wurde  ein 
kleines  weisses  Object  zur  GFA  benutzt,  da  ein  grösseres  Ob- 
}eet  zu  weite  Aussengrenzen  lieferte  und  daher  zum  Nachweise 
der  paradoxen   GF-Erweiterung  wenig  brauchbai'  gewesen  wäre. 

14.  Fall.     Hemeralopia. 

Am  31.  III.  1893  suchte  der  59jälirige  Knecht  GottKeb  P. 
die  Poliklinik  auf  mit  der  Angabe,  er  könne  seit  2  Monaten  im 
Halbdunkeln  nur  selur  schlecht  sehen.  Patient  führt  sein  Leiden 
darauf  zurQck,  dass  er  im  Monat  Januar  Holz  ge&hren  habe  und 
dabei  durch  denSdmee  stark  geblendet  worden  sei.    DerKi-anke 


204  Groenouw. 

ist  Dienstknecht  auf  einem  Dominium,  isst  zwar  nur  Sonntags 
Fleisch,  hat  aber  sonst  vollkommen  ausi*eichende  Nahrung. 

Die  Augen  zeigen  äusserlich  und  mit  dem  Augenspiegel  be- 
trachtet nichts  Abnormes,  keine  Glaskörpertrübungen,  keine  chori- 
oiditischen Heerde.  Sehschärfe  jedes  Auges  =  ^/g,  bei  Hyper- 
metropie  0,75.  Am  Foerster'schen  Photometer  erkennt  Patient 
nach  einem  '/^  stündigen  Aufenthalt  im  absolut  finsteren  Zimmer 
bei  einer  Beleuchtungsöfihung  von  450  qmm  mit  dem  r.  A., 
812  qmm  mit  dem  l  A.,  gegenüber  2  qmm  beim  normalen 
Auge,  alle  H  Striche  des  Probeobjectes.  Der  Lichtsinn  ist  also 
beträchtlich  herabgesetzt.  Das  GF  zeigt  ftir  weiss  5mm^  eine 
massige  GFE  mit  geringem  VT. 

2*2,  Versuch. 

Am  1.  IV.  1893  wurde  das  GF  des  1.  A.  des  Patienten 
Fall  14  mit  weiss  2  mm*  dreimal  hinter  einander  aufgenommen. 
Aufiialime  I  und  III  erfolgten  bei  Fixation  des  Nullpunktes  des 
Perimeters  mit  unbewaffnetem  Auge,  Aufiialime  II,  wälu*end  die 
Accommodation  durch  Vorsetzen  von  -f"  ö>75  (10  cm  vor  dem 
Auge)  entspannt  war. 

GF  für  weiss  2  mm*  bei  temporaler  Objectführung. 
I.  Bei  Accommodation   auf 

30  cm  Entfernung ....    36,  42,  56,  56,  48,  26,  36,  40,  30,  24. 
IL  Bei   entspannter  Accom- 
modation       42,  62,  66,  62,  62,  43,  44,  44,  38,  32. 

III.  Bei  Accommodation   auf 

30  cm  Entfernung  ....    38,  54,  54,  58,  56,  42,  42,  42,  34,  30. 

Die  Tabelle  zeigt,  dass  das  bei  entspannter  Accommodation 
aufgenommene  (iF  die  weiteste  Ausdehnung  unter  den  3  GF  hat 

GF  III,  welches  nach  der  bei  entspannter  Accommodation 
erfolgenden  GFA  (II)  erhalten  wurde,  ist  weiter  als  das  vor 
dieser  Aufnahme  gewonnene  GF  L  Es  hat  also  die  voraus- 
gehende Accommodationsentspannung  noch  eme  nachträgliche  er- 
weiternde Wirkung  aufs  (JF  ausgeübt,  wie  sclion  mehrfach  er- 
wälint  (z.  B.  Fig.  8,  Versuch  15,  Seite  194). 

Zwei  weitere  Versuche,  einer  bei  nasaler  Objectftilirung  mit 
dem  I.A.,  der  andere  bei  temporaler  mit  weiss  5  mm*  auf  dem 
r.  A.  angestellt,  ergaben  beide  ebenfalls  das  Bestehen  der  para- 
doxen GF-Eiiiveiterung  in  diesem  Falle  von  Hemeralopie. 


Beiträge  zar  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     205 

15.  Fall,     Amblyopia  ex  abusu  nicotianae 
et  spirituosorum. 

Heinridi  R.,  62jähriger  Geschäftsvermittler,  bemerkt  seit 
einigen  Wochen  eine  fortschreitende  Verschleditenmg  der  Seh- 
schärfe. Aeusserlich  und  mit  dem  Augenspiegel  betrachtet,  zeigen 
die  Augen  (6.  III.  1893)  nichts  abnormes.  S  ==  ^/jq,  mit 
+  4,5  wird  als  kleinste  Schrift  Sn.  1,6  in  20  cm  mühsam  ent- 
ziffert. Das  6F  zeigt  einen  centralen  eiförmigen  Defect  fCLr  rotli 
5  mm'  zwischen  dem  flxationspunkt  und  dem  Mariotte 'sehen 
Fleck.  Für  weiss  2  mm'  ist  am  fixirpunkt  ein  kiemer  Defect 
von  2 — 3^  Durchmesser  vorhanden.  Der  Kranke  giebt  zu,  täg- 
lich 5—8  Cigarren  zu  rauchen  und  4—6  Schnäpse  zu  trinken. 
Appetit  schlecht,  Schlaf  sehr  unruhig.  Dem  Patienten  wurde  Ab- 
stinenz von  Alcohol  und  Tabak  empfohlen,  worauf  sich  das  All- 
gemeinbefinden, insbesondere  Schlaf  und  Appetit  erheblich  besser- 
ten, wie  eme  Notiz  vom  15.  III.  1893  besagt. 

23.  Versuch. 

Das  GF  des  genannten  Patienten  (Fall  15)  zeigte  fiir  weiss 
5  'mm'  nur  eine  sehr  geringe  Einengung  der  Aussengrenzen, 
trotzdem  war  der  Foerster'sche  VT  deutlich  nachzuweisen, 
die  Verschiebung  betrag  4— 16^  Die  paradoxe  GF-Erweiterang 
liess  sich  für  den  horizontalen  Meridian,  welcher  allein  untersucht 
wurde,  ffür  weiss  und  roth  5  mm*  nicht  nachweisen,  wohl  aber 
für  weiss  2  mm'.  Dieses  kleine  weisse  Quadrat  wurde  erst  bei 
temporaler  und  darauf  bei  nasaler  ObjectfÜhrang  durch  den  hori- 
zontalen Meridian  hindurdigefllhrt,  während  Patient  mit  unbewaff- 
netem Auge  den  30  cm  entfernten  Nullpunkt  des  Perimeters 
fixirte.  Es  folgte  eine  zweite  GFA  bei  Entspannung  der  Accom- 
modation  durch  +  5,0  10  cm  vor  der  Hornhaut  befestigt  und 
eine  dritte  wiederam  bei  unbewafihetem  Auge.  In  der  folgenden 
Tabelle  ist  nur  das  bei  EinfÜhrang  des  Objectes  von  der  Sdiläfen- 
seite  her  gewonnene  Resultat  angeführt  (s.  S.  206). 

Das  GF  ist  demnach  bei  Entspannung  der  Accommodation 
etwas  weiter  als  beim  fixiren  eines  30  cm  entfernten  Punktes. 
Die  Erweiterung  ist  nur  gering,  entsprecliend  der  Beobachtung, 
dass  bei  relativ  weiten  GF-Grenzen  die  paradoxe  Erweiterang 
nur  wenig  ausgeprägt  ist 


206  Groenonw. 

6F  des  1.  A.  für  weiss  2  mm*  im  horizontalen  Meridian  bei 
temporaler  Objectfühmng. 


I.  Bei  Fixation  des  Nullpunktes  des 
Perimeters    (Accommodation     auf 

30  cm) 

II.  Bei  entspannter  Accommodation  . 

III.  Bei  Fixation  des  Nullpunktes  des 

Perimeters 


Grense 

temporal- 

▼ärto 


76 

81 

76 


Grenze 
nual- 
w«rtt 


48 

52 

50 


Der  angeführte  Yersuch  lehrt,  dass  die  bei  derTabaks- 
amblyopie  vorkommende  concentnsche  G^sichtsfeldverenge- 
rung  ebenfalls  paradoxe  GF-Erweiterung  zeigen  kann. 

Traumatische  Neurose. 
Bei  der  traumatischen  Neurose  findet  sich  öfter  eine 
fiinctionelle  GFE  mit  oder  ohne  VT.  Von  dieser  Er- 
krankung sind  3  Fälle  auf  paradoxe  GF-Erweiterung  hin 
untersucht  worden.  Alle  3  zeigten  eine  geringe  Erweite- 
rung des  GF  bei  Entspannung  der  Acoommodation.  Der 
erste  der  Patienten  hatte  eine  ziemhch  beträchthche  GFE, 
war  indessen  der  Aggravation  verdächtig,  die  beiden  an- 
deren zeigten  nur  geringe  GFE,  aber  deutlichen  VT.  Die 
paradoxe  GF-Erweiterung  war  mit  einem  weissen  Quadrat 
von  1  mm  Seitenlänge  nachzuweisen,  betrug  jedoch  nur 
wenige  Grade.  Wegen  dieser  Geringfügigkeit  der  GF- Ver- 
änderung soll  auf  die  genannten  Fälle  hier  nicht  weiter 
eingegangen  werden. 

Vorkommen  und  Wesen  der  paradoxen  GtoeiahtsfUd- 
Brweiternns. 

Aus  den  angeführten  Beobachtungen  ergeben  sich  fol- 
gende Resultate: 

1)  Die  Ausdehnung  des  infolge  functioneller  Leiden 
concentrisch  verengten  GF  hängt  innerhalb  gewisser  Grenzen 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  ooneentr.  Gesichtsfeld  Verengerung.    207 

von  dem  Grade  der  Accommodationsajispaimung  ab,  wat&r 
welcher  das  GF  aufgenommen  wird,  und  zwar  ist  das  bei 
Entspannung  der  Accommodation  erhaltene  GF  weiter,  als 
das  bei  Anspannung  derselben  gewonnene  (paradoxe  Ge- 
sichtsfelderweiterung). Das  concentrisch  verengte  GF 
wird  durch  Entspannung  der  Accommodation  gerade  in 
umgekehrter  Weise  beeinflusst,  wie  das  normale. 

2)  Die  paradoxe  GF-Erweiterung  lässt  sich  meist  nur 
dann  deutiich  nachweisen,  wenn  das  GF  eine  stärkere  con- 
centrische  Einengung  zeigt  Bei  geringeren  Graden  von 
GFE  ist  dieser  Nachweis  manchmal  noch  möglich,  wenn 
das  GF  mit  sehr  kleinen  Objecten  (weiss  1  und  2  mm*) 
aufgenommen  wird. 

3)  Die  paradoxe  GF*Erweiterung  lässt  sich  am  besten 
nachweisen,  wenn  man  ein  GF  au&immt,  während  der 
Untersuchte  auf  den  30  cm  entfernten  Nullpunkt  des  Peri- 
meters oder  noch  besser  auf  seinen  Nahepunkt  accommo- 
dirt,  und  ein  zweites,  bei  vollständiger  Entspannung  der 
Accommodation  durch  Vorsetzen  eines  passend  gewählten 
Convexglases  vor  das  Auge.  Theilweise  Entspannung  der 
Accommodation  genügt  in  der  Regel  nicht,  um  eine  merk- 
liche Erweiterung  des  GF  zu  erzielen. 

4)  Die  paradoxe  GF-Erweiterung  findet  sich  mit  der 
angegebenen  Ausnahme  in  den  meisten  Fällen  von  con- 
centrischer  GFE.  Sie  ist  nachgewiesen  bei  Anaesthesia 
retinae,  Kopiopia  hysterica,  Hemeralopie,  spastischer  Myopie, 
traumatischer  Neurose,  Tabaksamblyopie. 

5)  In  einer  Anzahl  von  Fällen  zeigt  das  bei  entspannter 
Accommodation  aufgenommene  GF  den  Yerschiebungs- 
typus  in  viel  weniger  ausgesprochener  Weise,  als  das  bei 
Anspannung  der  Accommodation  erhaltene  (c£  Fig.  5  a, 
5b  und  6a,  6b). 

6)  Die  paradoxe  Gesichtsfelderweiterung  bei  Accommo- 
dation ftir  die  Feme  verschwindet  wieder,  und  an  ihre 
Stelle  tritt  die  physiologische  GF- Verengerung,  sobald  der 


208  Groenouw. 

Kranke  als  vollkommen  geheilt  anzusehen  ist  und  seinGF 
normale  Ausdehnung  erlangt  hat. 

Wie  aus  den  angeführten  Sätzen  hervorgeht,  lässt  sich 
daraus,  dass  bei  einer  einmaUgen  Untersuchung  keine  para- 
doxe GF-En^'eiterung  gefunden  wird,  durchaus  noch  nicht 
der  Schluss  ziehen,  dass  eine  solche  überhaupt  nicht  vor- 
handen sei.  Vielmehr  ist  bei  Anwendung  verschiedener 
Kunstgriffe,  insbesondere  bei  der  Benutzung  sehr  kleiner 
Untersuchungsobjecte,  die  paradoxe  GF-Ei-weiterung  oft 
noch  in  Fällen  nachzuweisen,  in  welchen  sie  bei  oberfläch- 
hoher  Untersuchung  zu  fehlen  scheint.  Da  wir  nun  in 
allen,  für  den  Nachweis  dieses  Phänomens  überhaupt  ge- 
eigneten Fällen  auch  die  paradoxe  GF-Erweiterung  geftm- 
den  haben,  so  ist  dieselbe  als  eins  der  constantesten  Symp- 
tome der  functionellen  concentrischen  Gesichtsfeldverenge- 
rung anzusehen. 

Dass  sich  die  Aussengrenzen  eines  normalen  GF 
bei  Accommodation  für  die  Feme  verengen,  ist  schon  mehr- 
fach nachgewiesen  worden,  u.  A.  von  Emmert(l).  Auch 
die  mehr  central  gelegenen  Gesichtsfeldparthieen  zeigen  bei 
Entspannung  der  Accommodation  eine  ahnUche  Verände- 
rung. Nimmt  man  nändich  ein  GF  mit  Objecten  aufi 
welche  wegen  ihrer  Kleinheit  nicht  innerhalb  des  ganzen 
GF,  sondern  nur  in  einem  beschränkten  centralen  Bereiche 
desselben  sichtbar  sind,  so  werden  die  Objecte  bei  Accom- 
modation für  die  Nähe  innerhalb  eines  grösseren  Bezirkes 
gesehen,  als  bei  Accommodation  für  die  Feme.  Aubert 
und  Foerster  haben  gezeigt,  dass  bei  constantem  Ge- 
sichtswinkel kleine  nahe  Zahlen  auf  einem  grösseren  Theile 
der  Netzhaut  erkannt  werden,  als  grosse  feme  Zahlen. 
Femer  habe  ich  (9)  nachgewiesen,  dass  ein  kleiner  schwarzer 
Punkt  auf  weissem  Grunde  am  Perimeter  bei  Accommo- 
dation für  die  Nähe  weiter  peripherwärts  wahrgenommen 
wird,  als  bei  Accommodation  für  die  Feme. 

Diese  „physiologische"  GF-Erweiterung  bei  Accom- 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     209 

Biodation  für  die  Nähe  beruht  auf  physikalisch -optischen 
Vorgängen:  Annäherung  des  vorderen  linsenpoles  an  die 
Hornhaut,  Verschiebung  der  Netzhaut  nach  vom.  Die 
paradoxe  GF- Verengerung  bei  Accommodation  für  die 
Nähe  muss  andere  Ursachen  haben.  Da  nämlich  bei  einem 
Auge  mit  GFE  die  physikalisch -optischen  Vorgänge  bei 
der  Accommodation  für  die  Nähe  genau  dieselben  sind,  wie 
bei  jedem  anderen  Auge,  so  müssen  sie  eine  Erweiterung 
des  GF  bewirken.  Wenn  wir  trotzdem  bei  Accommodation 
fijr  die  Nähe  ein  Kleinerwerden  des  concentrisch  verengten 
GF  finden,  so  müssen  dabei  Factoren  thätig  sein,  deren 
verengernder  Einäuss  auf  das  GF  viel  mächtiger  ist,  als 
die  erweiternde  Kraft  des  physikalisch-optischen  Accommo- 
dationsvorganges.  Wir  müssen  annehmen,  dass  sich  bei 
der  paradoxen  GF- Erweiterung  die  Empfindlichkeit  der 
Netzhaut  selbst  ändert.  Die  Retina  eines  Auges  mit  GFE 
wird  bei  Accommodation  für  die  Feme  empfänglicher  für 
Lichteindrücke,  als  bei  Accommodation  für  die  Nähe. 

Die  Ursache  für  diese  Erhöhung  der  Empfindlichkeit 
der  Netzhaut  kann  mittelbar  oder  unmittelbar  in  dieser 
selbst,  in  den  fortleitenden  Nerven&sem  oder  in  den  Central- 
Organen  gelegen  sein.  Im  letzteren  Falle  würden  haupt- 
sächlich Vorgänge  psychischer  Natur  dabei  mitspielen.  Am 
einfachsten  erscheint  es,  die  Ursache  in  den  Augapfel  und 
die  Netzhaut  selbst  zu  verlegen.  Es  werden  nämhch  die 
Circulationsverhältnisse  in  der  Retina  und  Chorioidea,  welche 
letztere  bei  der  Ernährung  der  ^Stäbchen  und  Zapfen  auch 
in  BetoMArt  kommt,  durch  den  Accommodationsvorgang 
vermuthhch  beeinflusst  Bei  Accommodation  für  die  Nähe 
werden  Netz-  und  Aderhaut  gegen  den  Glaskörper  ange- 
presst  und  dadnrch  wahrscheinlich  der  Zufluss  artariellen 
Blairs  veimgert  Auf  diese  verminderte  Blutzufuhr  rea- 
girt  unter  nomiaien  Verhältnissen  die  Netzhaut  nicht  weiter, 
wie  wir  annehmen  können,  wohl  aber  unter  pathologischen, 
also  bei   concentrisch   verengtem  GF,   dadurch,   dass   ihre 

▼.  Gnefe'B  ArchW  tOr  Ophthalmologie.  XL.  2.  14 


210  Groenouw. 

Empfindlichkeit  für  Lichteindrücke  abnimmt,  und  so  eine 
noch  stärkere  Verengerung  des  GF  eintritt  Bei  Entspan- 
nung der  Accommodation  wird  die  Circulation  fi^eier  und 
das  concentrisch  verengte  GP  infolge  dessen  weiter. 

Der  Accommodationszustand  eines  Auges  lässt  sich 
künsthch  beeinflussen  durch  Einträufeln  von  Atropin  und 
Eserin.  Es  wird  nun  unsere  Aufgabe  sein,  zu  untersuchen, 
ob  sich  das  concentrisch  verengte  GP  gegen  die  durch 
diese  Alkaloide  bewirkte  Anspannung  und  Entspannung 
der  Accommodation  ebenso  verhält,  wie  der  natürlichen 
Veränderung  der  Accommodation  durch  den  Willen  des 
Patienten  gegenüber.  Derartige  Versuche  sind  bereits  vor 
16  Jahren  von  Herrn  Geheimrath  Foerster  mit  dem- 
selben Resultate  wie  die  noch  zu  schildernden  angestellt 
worden. 

Wirkung  des  Atropins  und  Eserins  auf  das 

concentrisch  verengte  GF. 

16.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Moritz  Seh.,  12  Jahre  alt,  suchte  am  30.  V.  93  die  Poü- 
klinik  wegen  aBthenopisdier  Beschwerden  auf.  Sobald  Patient 
einige  Zeit  gelesen  hat,  wird  ihm,  wie  er  aagiebt,  ^schwarz" 
vor  den  Augen  und  er  muss  seine  Leetüre  unterbrechen.  Schlaf 
sehr  unruhig,  Appetit  gut^  günstige  äussere  Verhältnisse. 

Die  Untersuchung  zeigt  an  den  Augen  objectiv  nichts  Ab- 
normes. Die  Sehschärfe  des  r.  A.  beträgt  f  bei  ftinctioneUer 
Emmetropie,  die  des  ünken  J  bei  einer  Hypermetropie  von  0,75. 
Das  GF  für  weiss  5  mm*  zeigt  eine  concentrische  Verengerung 
um  10®  und  ausgesprochenen  VT,  mit  einer  Versdüebung  von 
10—20  0. 

24.  Versuch. 

Das  Vorhandensein  der  paradoxen  GF- Erweiterung  wurde 
bei  dem  erwähnten  Patienten  (Fall  16)  auf  folgende  Art  nach- 
gewiesen. Am  30.  V.  93  wurde  das  GF  des  r.  A.  mit  weiss 
2  mm*  bei  temporaler  Objectföhrung  und  flxation  des  Null- 
punktes des  Perimeters  aufgenommen  (GFA  I).  Es  folgte  eine 
zweite  GFA,  während  die  Accommodation  durch  Vorsetzen  von 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtefeld  Verengerung.     211 

+  5,25  10  cm  vor  die  Hornhaut  entspannt  war.  Hierauf  wurde 
das  6F  nochmals  (III)  bei  unbewaffiietem  Auge  aufgenommen. 
Im  folgenden  sind  die  bei  den  3  Aufnahmen  erhaltenen  Zahlen 
angegeben. 

GF  für  weiss  2  mm*,  r.  A.,  temporale  Objectfühning. 
I.  Bei  Accommodation  auf 

30  cm 46,  54,  64,  66,  52,  26,  33,  35,  35,  26. 

II.  Bei     vollkommen     ent- 
spannter Accommodation    48,  58,  74,  74,  57,  38,  37,  40,  44,  34. 
III.  Bei  Accommodation   auf 

30  cm 46,  54,  68,  70,  56.  28,  33,  34,  34,  32. 

Das  bei  entspannter  Accommodation  aufgenommene  GF  hat 
demnach  durchweg  eine  grössere  Ausdehnung  als  die  beiden  vor- 
her und  nachher  bei  Acx5ommodation  auf  einen  30  cm  entfernten 
Punkt  untersuchten  GF. 

25.  Versuch. 

Auch  das  1.  A.  desselben  Patienten  zeigte  die  paradoxe 
GF-Erweiterung.  Am  1.  VI.  93  wnirde  ein  GF  dieses  Auges 
aufgenommen,  während  P.  den  Nullpunkt  des  Perimeters  durch 
—  20,0  (10  cm  vor  der  Hornhaut  befestigt)  fixirte  (GFA  I).  Das 
Auge  accommodirte  hierbei  auf  einen  14  cm  entfernten  Punkt 
Es  wurde  nun  das  Concavglas  durch  -f-  5,0  ersetzt  und  so  bei 
entspannter  Accommodation  nochmals  ein  GF  (II)  aufgenommen. 
Das  Ergebniss  war  Folgendes. 

GF  für  weiss  2  mm*,  1.  A.,  temporale  Objectfahrung. 
I.  Bei  Accommodation   auf 
einen   14  cm  entfernten 

Punkt 37,  42,  43,  39,  36.  36,  47,  47,  40,  34 

II.  Bei  entepannter  Accom- 
modation      38,  45,  45,  42,  36.  49,  53,  52,  48,  88. 

Das  bei  entspannter  Accommodation  aufgenommene  GF  ist 
demnach  weiter  als  das  bei  Accommodation  auf  einen  nahen 
Punkt  gewonnene. 

26.  Versuch  (Fig.   12). 
EinflusB  der  Accommodationsentspannung  durch  Atropin 
auf  die  Ausdehnung  des  concentrisch  verengten  GF. 
Durch  Versuch  24  ist  das  Bestehen  der  paradoxen  GF-Er- 
weiterung für  das  r.  A.  des  genannten  Patienten  nachgewiesen 

14* 


212  Groenouw. 

worden.  Um  den  Einfluss  der  durch  Atropin  erzielten  Acconi- 
modationsentspannung  auf  die  Weite  des  GF  zu  prüfen,  wurde 
am  31.  V.  1893  Naduuittag  4  Uhr  eine  GFA  des  unbewait- 
neten  r.  A.  mit  weiss  2  mm  bei  temporaler  Objectftilimng  vor- 
genommen (GF  I,  Fig.  12).  Nacli  Beendigung  dieser  Unter- 
suchung las  Patient  Sn.  0,5  von  9  cm  Nahepunkt  bis  27  cm 
Fempunkt.  Es  wurden  jetzt  einige  Tropfen  einer  1*/^  Atropin- 
iösung  in  den  rechten  Bmdeliautsaek  geträufelt  und  nach  Verlauf 
von  je  emer  halben  Stunde  diese  Procedur  wiederliolt.  ^/,  Stunde 
nach  der  dritten  Einträufelung  um  5*/,  Ulir  war  die  Pupille 
des  atropinisirten  Auges  reactionslos  und  9  mm  weit.  Die  Ac- 
eommodation  war  vollkommen  gelähmt,  Patient  las  mit  -j-  (n5 
Sn.  0,5  nur  von  14  bis  20  cm.  Das  GF  wurde  jetzt  wiederum 
aufgenommen,  wäiu-end  P.  den  Nullpunkt  des  Perimeters  ilxirte, 
und  zeigte  sich,  wie  Fig.  12  zeigt,  in  allen  Meridianen  etwas 
enger,  als  das  GF  des  nicht  atropinisirten  Auges. 

Während  das  concentrisch  verengte  GF  bei  Entspan- 
nung der  Accommodation  durch  Vorsetzen  eines  Convex- 
glases  erweitert  wird,  verengt  es  sich,  wenn  die  Accommo- 
dation durch  Atix>pin Wirkung  entspannt  wird. 

27.  Versuch  (Fig.   13). 

Einfluss  der  Eserinwirkung  auf  das  concentrisch 
verengte  GF. 

Das  l.  A.  des  ei-wälmten  Patienten  zeigte,  wie  aus  Ver- 
such 25  her^'orgeht,  eben&ys  die  paradoxe  GF-Erweitenmg.  An 
diesem  Auge  wurde  die  Wu-kung  des  Eserins  in  Iblgender  Weise 
geprüft.  Es  wurde  am  3.  VI.  1893  eän  GF  des  unbewaffiieten 
Auges  aufgenommen  (GF  I,  Fig.  13).  Hierauf  wurde  eine  1% 
Lösung  von  Eserin  m  den  Bindehautsac^  eingeträufelt.  Eine 
halbe  Stunde  später  war  die  Pupille  nur  2  mm  weit  und  Sn.  0,5 
wurde  bis  11  cm,  Sn.  1,0  bis  14  cm  Fempunkt  nodi  erkannt. 
Die  Sehschärfe  des  unbewaffneten  Auges  betrug  weniger  als  ^/j^ 
und  hob  sich  mit  —  10,0  auf  */g.  Vor  der  Anwendung  des 
Eserins  wurde  Sn.  0,5  von  11  bis  20  cm  gelesen  und  die  Seh- 
schärfe des  unbewaffiieten  Auges  betrug  ^/,,  es  war  also  durdi 
die  WiriLimg  des  Eserins  das  Auge  auf  seinen  Nihepankt  ein- 
gestellt woidea.  Das  jetzt  anfgenommeBe  GF  (11,  Fig.  13)  zeigte 
eijM  beträchtliche  Einschränkung  der  Auasengrenzen,  welche  24 
Staadea  «{>äter  inamer  noch  selir  ausgeprägt  war. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     213 

Durch  die  Wirkung  des  Eserins  ist  das  GF  unseres 
Patienten  erheblieh  verengt  worden,  viel  stärker  als  durch 
die  willkürhch  erfolgende  Einstellung  der  Accommodation 
auf  einen  sehr  nahe  gelegenen  Punkt.  Es  wirkt  demnach 
die  Einstellung  des  Accommodationsapparates  flir  die  Nähe, 
gleichgültig  ob  sie  durch  Eserin  oder  durch  einen  Willens- 
act  des  Patienten  erzeugt  wird,  stets  verkleinernd  auf  das 
concentrisch  verengte  GP.  Von  der  Einstellung  der  Ac- 
commodation flir  die  Feme  dagegen  könnte  man  annehmen, 
dass  sie  verschieden  auf  das  concentrisch  verengte  GF  ein- 
wirkt, indem  sie  durch  einen  Willensakt  des  Patienten  her- 
vorgerufen eine  Erweiterung  des  GF,  auf  Atropinwirkung 
beruhend  aber  eine  Verengerung  zu  erzeugen  scheint.  Dieser 
Schluss  ist  indessen  nicht  berechtigt.  Die  durch  Atropin 
bewirkte  Einstellung  des  Auges  auf  seinen  Fempunkt  ent- 
spricht nämlich  durchaus  nicht  vollkommen  dem  gleichen, 
durch  einen  Willensimpuls  des  Patienten  ausgelösten  Vor- 
gange. Es  können  sehr  wohl  Nebenimistände  störend 
einwirken,  besonders  kann  die  im  Gefolge  der  Atropin- 
wirkung auftretende  Mydriasis  durch  Blendung  der  Netz- 
haut eine  entgegengesetzte  Wirkung  auf  die  Ausdeh- 
nung des  GF  ausüben,  wie  die  gleichzeitig  erfolgende 
Accommodationsentspannung.  Die  oben  angeführte  Hypo- 
these, dass  die  paradoxe  GF-Verengemng  durch  eine 
Behindemng  der  Netzhautcirculation  bei  Accommodation 
fiir  die  Nähe  verursacht  werde,  wird  daher  durch  die 
angeführte  Beobachtimg  über  die  Wirkung  des  Atropins 
nicht  widerlegt. 

Wie  wir  gesehen  haben,  findet  sich  die  paradoxe  GF- 
Erweiterung  in  allen  oder  doch  in  den  meisten  Fällen  von 
stärkerer  GFE.  Sie  ist  daher,  ähnlich  wie  der  Foerster'- 
sche  Verschiebungstypus,  ein  fast  constantes,  wenn  auch 
manchmal  schwer  nachweisbares  Symptom  dieser  Krank- 
heitsgruppe. Beide  Symptome  sind  dadurch  besonders  werth- 
voll,  dass  sie  nicht  vorgetäuscht  werden  können  und  uns 


214  Groenouw. 

80  ein  Mittel  an  die  Hand  geben,  den  wii*klich  Kranken 
von  dem  Simulanten  zu  unterscheiden. 

Es  ist  ein  bekanntes  Hilfsmittel  zum  Nachweise  der 
Simulation  einer  GFE,  das  GF  in  verschiedener  Ent- 
fernung an  der  Tafel  aufeunehmen.  Besteht  eine  wirkliche, 
functionelle  oder  organische  Gesichtsfeldverengerung,  so  muss 
die  Ausdehnung  des  auf  die  Tafel  projicirten  GF  im  direc- 
ten  Verhältniss  zu  dem  Abstände  von  der  Tafel  wachsen- 
Wir  können  hinzufügen,  dass  dieses  Wachsthum  bei  der 
functionellen  GFE,  wenn  die  Untersuchung  sehr  genau  aus- 
geführt wird,  noch  schneller  erfolgen  muss,  als  dem  Ab- 
stände von  der  Tafel  entspricht,  da  sich  ja  das  concentrisch 
verengte  GF  bei  Accommodation  für  die  Feme  erweitert. 

Therapeutisohe  Sohlassfolgenuigen. 
Eine  temporäre  Entspannung  der  Accommodation  be- 
wirkt eine  sofortige  temporäre  Erweiterung  des  concentrisch 
verengten  GF,  eine  dauernde  Entspannung  oder  wenigstens 
Entlastung  der  Accommodation  wird  also  auf  die  dauernde 
Erweiterung  des  GF  wahrscheinlich  von  günstigem  Einfluss 
sein.  Diese  Annahme  findet  ihre  Bestätigimg  in  der  Seite 
195  und  198  erwähnten  Beobachtung,  dass  die  durch  Ent- 
spannung der  Accommodation  bewirkte  Erweiterung  des  GF 
auch  dann  noch  eine  Nachwirkung  zeigt,  wenn  die  Accom- 
modation wieder  in  Anspruch  genommen  wird.  Femer  ist 
oben  eine  Patientin  (Fall  9)  erwähnt  worden,  welche  durch 
dauemdes  Tragen  einer  Convexbrille  von  ihrer  Anaesthesia 
retinae  geheilt  wurde,  trotzdem  sie  während  der  ganzen  Be- 
handlungsdauer ihre  Arbeit  (Nähen)  nicht  aussetzte.  Es 
soll  aber  hieraus  durchaus  nicht  der  Schluss  gezogen  wer- 
den, dass  in  allen  Fällen  das  dauernde  Tragen  einer  ge- 
eigneten Convexbrille  allein  zur  Heilung  der  Anaesthesia 
retinae  bei  Hypermetropie  ausreicht.  Es  wirken  bei  dieser 
Krankheit  bekannthch  ausserordentlich  viele  Mittel  in  ein- 
zelnen Fällen  oft  in  sehr  prompter  Weise,  während  sie  bei 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.     215 

anderen  Kranken  vollkommen  versagen,  so  z.  B.  Strychnin- 
injectionen,  Augendouche,  Schlaf kuren,  constanter  Strom, 
Gebrauch  von  Chinin,  Eisen  oder  Bromkalium.  Es  wird 
das  Tragen  einer  geeigneten  Brille  stets  nur  eine  der  zu 
erfüllenden  therapeutischen  Maassnahmen  sein,  neben  wel- 
cher die  Eegelung  der  Lebensweise,  die  Behandlung  einer 
bestehenden  Chlorose  u.  s.  w.  als  nicht  minder  wichtige 
Heilfactoren  einzutreten  haben.  Die  Vermeidung  oder  we- 
nigstens Einschränkung  aller  Nahearbeit,  wie  Lesen,  Schrei- 
ben, Nähen,  empfiehlt  sich  aus  verschiedenen  iS^ründen,  u.  A. 
um  eine  zu  häufige  Inanspruchnahme  des  Accommodations- 
apparates  zu  vermeiden.  Unbedingt  nothwendig  ist  diese 
Maassnahme  allerdings  nicht  immer,  wie  das  angeführte 
Beispiel  zeigt. 

IL  EixifliiBB  der  Grösse  und  lichtstarke 
der  UntersuchuBgsobjeote  auf  die  Ausdehnung  des 
concentrisch  verengten  Gesichtsfeldes. 
Wenn  man  am  Perimeter  eine  concentrische  Verenge- 
rung des  GF  für  ein  weisses  Quadrat  von  5  mm  Seiten- 
länge findet,  so  lässt  sich  daraus  noch  nicht  der  Schluss 
ziehen,  dass  die  peripheren  Parthieen  des  GF,  in  welchen 
dieses  Object  nicht  mehr  wahrgenommen  wird,  für  Licht- 
eindrücke jeder  Art  vollkommen  unempfindUch  sind.  Al- 
brecht von  Graefe  hat  bereits  nachgewiesen,  dass  in 
diesen .  peripheren  GF-B^gionen  die  Druckphosphene  er- 
halten sind;  auch  ist  es  bekannt,  dass  bei  der  Untersuchung 
mit  immer  grösseren  Objecten  das  GF  immer  weitere  Aus- 
dehnung erlangt.  Da  es  wahrscheinlich  war,  dass  fiir  sehr 
helle  Objecte  das  GF  sehr  weite,  vielleicht  normale  Aussen- 
grenzen  erreichen  würde,  so  wurde  als  Prüfimgsobject  eine 
Lichtflamme  benutzt. 

Es  wäre  nicht  schwierig  gewesen,  eine  geeignete  Vor- 
richtung, etwa  eine  kleine  electrische  Glühlampe  an  dem 
Schlitten  des  Perimeters  zu  befestigen  und  so  sehr  genaue 


216  Groenouw. 

Messungen  anzustellen.  Da  es  indessen  auf  absolute  Ge- 
nauigkeit nicht  ankam,  so  wurde  ein  einfacheres  Verfahren 
eingeschlagen.  Ein  2  cm  langes  hufeisenförmig  gebogenes 
Stück  Wachsstock  wiu'de  an  dem  einen  Ende  angezündet 
und  an  dem  anderen  mit  der  durch  den  Perimeterbogen 
verdeckten  Hand  durch  das  GF  hindurchgefiihrt.  Die  Ver- 
suche ergaben,  dass  ein  concentrisch  verengtes  GF  mit 
einer  Kerzenflamme  untersucht  meist  normale  Ausdehnung 
erreicht 

28.  Versuch  (Plg.   14), 

Als  Fall  H  (Seite  190)  ist  ein  17 jähriger  Schuhmadierlehr- 
ling  L.  mit  Anaesthesia  retinae  en^älmt  worden.  Am  2.  VII. 
1892  wurde  das  GF  des  I.A.  dieses  Patienten  bei  temporaler 
Objectflilming  ftir  verschiedene  weisse  rechteckige  Papierstttckchen 
aufgenommen.  Für  ein  derartiges  quadratisches  Object  von  5  mm 
Seitenlänge  erstreckte  sidi  das  GF  (I,  Fig.  14)  nach  allen  Rich- 
tungen hin  nur  etwa  bis  zum  20.  Pai-allelkreis,  fiir  ein  Quadrat 
von  20  mm  Seite  (II)  wai*  das  GF  merklich  grösser  und  wurde 
noch  weiter  fiir  ein  Rechteck  von  80  resp.  75  mm  Seitenlänge 
(III),  um  bei  der  Au&ahme  mit  einer  Kerzenflamme  und  centri- 
petaler  ObjectfUhiomg  (IV)  fast  normale  Ausdehnung  zu  er- 
reiclien. 

Das  2  Tage  später  aufgenommene  GF  des  r.  A.  zeigte  für 
weiss  5  mm*  eine  Einengung  der  Aussengrenzen  um  10  —  30^, 
tür  weiss  20  mm*  war  das  GF  nur  um  5 — 15®  verengt  und 
mit  einer  Lichtflamme  untersucht,  war  eine  Einengung  überhaupt 
nicht  nachzuweisen. 

17.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Die  9jährige  Geitrud  U.  suchte  am  15.  VII.  1892  die 
Poliklinik  mit  der  Klage  auf,  sie  habe  em  Geföhl  von  Drücken 
und  Brennen  m  beiden  Augen,  welches  den  ganzen  Tag  über 
bestehe.  Durch  Lampenlicht  w^erde  sie  so  stark  geblendet,  dass 
sie  nicht  lesen  könne;  aber  auch  bei  Tageslicht  vermöge  sie  nur 
^/j  Stunde  lang  zu  lesen,  dann  thränen  ihr  die  Augen,  sie  sehe 
nicht  mehr  deutlidi  und  müsse  eine  Zeit  lang  pausiren. 

Die  Untersuchung  ergiebt  an  den  Augen  äusserlidi  und  mit 
dem  Augenspiegel  betraclitet  nichts  Abnormes,  insbesondere  ist 
kein  BindehautcataiTh    vorhanden.     Die  Schattenprobe    und  die 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  concentr.  Gesichtsfeldverengerung.    217 

SefaprOfiing  ergeben  übereinstimmend  liypermetropischen  Astigma- 
tismus.  P.  ist  in  geringem  Grade  liditscheu  and  zeigt  Nictitatio, 
die  Lider  werden  zeitweise  einige  «'Seeunden  lang  krampfhaft  ge- 
schlossen. Die  Sehschärfe  jedes  Auges  beträgt  ^/j  und  steigt 
mit  Cyl.  +  1,25  Achse  vertical  auf  Vs  bis  ^/g.  Wird  ein  blaues 
Planglas  vor  die  Augen  gehalten,  so  steigt  S  ebenfalls  auf  fast 
^/j.  Das  GF  ist  stark  concentrisch  verengt  und  zeigt  VT. 
Patientin  ist  von  schwächlicher  Constitution  und  blasser  Gesichte- 
farbe. Die  Mutter  des  Kindes  giebt  an,  dieses  sei  sehr  fleissig, 
„ein  kleiner  BüchenÄ'urm",  und  lese  sehr  viel,  oft  bis  tief  in  die 
Nacht  hinein.  Die  äusseren  Verhältnisse  der  Ki'anken  sind  gün- 
stig, sie  isst  täglich  Fleisch,  schläft  jede  Nacht  11   Stunden. 

29.  Versuch  (Hg.   15). 

Das  GF  des  r.  A.  der  erwähnten  Patientin  (Fall  17)  war 
bei  der  Untersuchung  am  15.  VII.  1892  stark  concentrisch  ver- 
engt und  zeigte  ^^.  In  Fig.  15  ist  das  GF  fiir  weiss  5  mm* 
abgebildet,  welches  bei  abwechselnd  temporaler  und  nasaler  Ob- 
jectftihrung  in  jedem  Meridian  aufgenommen  wurde.  Ausserdem 
sind  in  Fig.  15  die  Aussengrenzen  des  GF  ftlr  eine  Kerzen- 
flamme bei  centripetaler  Objectftihining  eingezeichnet,  welche  durch- 
aus keine  Einengung  zeigen. 

Das  1.  A.  derselben  Patientin  zeigte  f^  weiss  5  mm*  eine 
nodi  stärkere  GFE  als  das  r.  A.,  es  erreichte  nur  den  20.  Pa- 
rallelkreis,  VT  lies  sich  ebenfalls  nachweisen. 

Mit  einer  Kerzenflamme  aufgenommen  hatte  das  GF  voll- 
kommen normale  Aussengrenzen. 

Nur  nebenbei  sollen  hier  zwei  oben  (Seite  206)  schon 
angeführte  Fälle  von  traumatischer  Neurose  Erwäh- 
nung finden. 

Der  erste  betrifft  einen  49jälirigen  Postschafiner,  welcher 
mfolge  eines  Sturzes  vom  Wagen  an  traumatischer  Neurose  er- 
krankte. Das  GF  für  weiss  5  mm*  zeigte  eine  concentrische 
Verengerung  um  10—30^  mit  VT.  Mit  einer  Waclisstockflamme 
aufgenommen,  hatten  die  Aussengrenzen  des  GF  normale  Aus- 
dehnung. 

Der  zweite  Fall  von  traumatischer  Neurose  betrifft  einen 
45jährigen  Bahnarbeiter,  dessen  GF  fUr  weiss  5  mm*  um  10— 30® 
verengt  war  und  nui*  selur  wenig  ausgeprägten  VT  zeigte.  Eine 


218  Groenouw. 

Kerzenflamme  wurde  auch  von  diesem  Patienten  bis  an  die  nor- 
male Grenzen  des  GF  hin  wahrgenommen. 

18.  Fall.     Anaesthesia  retinae. 

Adele  Seh.,  13  Jahr  alt,  suchte  am  6.  VIT.  1893  die  Poli- 
klinik auf  mit  der  Klage^  sie  könne  nur  ^/^  Stunde  lang  nahen 
oder  lesen,  dann  sehe  sie  undeutlich  und  müsse  aufhören.  Die 
Untersuchung  ergiebt  objectiv  nichts  Abnormes,  ausser  sehr  mangel- 
haftem Convergenzvermögen.  Die  Sehschärfe  beträgt  för  jedes 
Auge  ^l^f  mit  Cyl  —  2,0  Achse  horizontal  steigt  sie  auf  ^j^. 
Das  GF  ist  um  20^  und  mehr  concentrisdi  verengt  und  zeigt 
ausgeprägten  VT.  , 

30.  Versuch. 

Am  6.  VII.  93  wurde  das  GF  des  r.  A.  der  erwälmten 
Patientin  (Fall  18)  mit  weiss  5  mm*  bei  temporaler  ObjectfÜh- 
rung  aufgenommen  und  zeigte  sich  stark  verengt.  Einige  Minuten 
später  erfolgte  eine  GFA  mit  einer  Wachsstockflamme  bei  centri- 
petaler  Objectfilhrung,  wobei  das  GF  fast  normale  Ausdehnung 
erreichte.  In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  bezüglichen  Zahlen 
angegeben. 

GF  des  r.  A. 
I.  Für    weiss    5  mm'    bei 

temporaler  ObjectfÜhrung    37,  58,  70,  56,  62.  26,  22,  25,  24,  25. 
II.  Für   eine  Kerzenflamme 
bei  centripetaler  Object- 
fÜhrung      50,  72,  88,  90,  67.  55,  50,  60,  60,  50. 

Die  Peripherie  eines  in  Folge  functioneller  Leiden 
concentrisch  verengten  GP  ist  zwar  für  starke,  aber  nicht 
für  schwache  Lichteindrücke  empfängUch.  Es  fragt  sich 
nun,  \\de  verhält  sich  ein  in  Folge  organischer  Leiden 
z.  B.  Sehnervenatrophie  verengtes  GF  gegenüber  sehr  hellen 
Objeeten?  Von  der  Hemianopsie  ist  es  bekannt,  dass  nicht 
selten  in  den  defecten  GF-Hälften  noch  eine  stumpfe  Em- 
pfindung für  sehr  helles  Licht  vorhanden  ist,  diese  Er- 
krankung kommt  hier  indessen  kaum  in  Betracht. 

Zur  Prüfung  dieser  Frage  wurden  folgende  3  f^e  benutzt. 
Erstens  ein   4  2 jähriger  Mann   mit  typischer  Retinitis  pigmentosa 


Beiträge  zur  Kenntniäs  der  ooncentr.  GedchtsfeldTerengening.     219 

aaf  beiden  Augen  und  emem  GF  von  hödistens  20  ®  DordimeaBer 
flir  wei«  5  mm  *.  Ferner  ein  54jähriger  Brieftriger^  welcher  auf 
dem  dnen  Ange  eine  partielle  Sehnenrenatrophie  hatte  als  Folge 
einer  Embohe  aller  Aeste  der  Arteria  centralis  retinae  mit  Aus- 
nahme der  zur  Macula  lutea  ziehenden.  Sein  GF  für  weis  5  mm* 
erstreckte  sidi  zwisdien  Fixationspunkt  und  blindem  Fleck  in 
einer  Ausdehnung  von  16®,  der  gröeste  verticale  Durchmesser  be- 
trug nur  4®.  Der  dritte  Fall  betraf  einen  SOjShrigen  Ziegel- 
arbeiter mit  doppelseitiger  Sehnenenatrophie  nach  Magenblutnng. 
Das  GF  dieses  Kranken  bestand  (mit  weiss  5  mm*  untersucht^ 
auf  jedem  Auge  aus  2  vollkommen  getrennten  P^hieen,  einer 
centralen  von  höchstens  12®  Durchmesser  und  ein«-  im  oberen 
äusseren  GF-Quadranten  zr^ischen  dem  10.  und  20.  ParallelkrHse 
gelegenen  bogenförmigen  Zone. 

Die  Prüfung  mit  einer  Wacfasstockflamme  ergab  bei  allen 
3  Patienten  für  dieses  Untersuchungsobject  nur  ein  sehr  wenig 
weiteres  GF  als  fiir  weiss  5  mm*.  Die  peripheren  GF-Parthieen 
waren  auch  für  sdu-  helles  Licht  durchaus  unempfindlich  und 
vollkommen  amaurotisch. 

Es  nimmt  also  die  Peripherie  eines  in  Folge 
organischer  Erkrankungen  —  abgesehen  von  gewissen 
Formen  der  Hemianopsie  —  stark  verengten  GP  eine 
Kerzenflamme  nicht  mehr  w^ahr,  während  ein  in 
Folge  functioneller  Leiden  verengtes  GF  dies  meist 
noch  bis  an  die  Grenzen  des  normalen  GF  hin  ver- 
mag. Für  die  Unterscheidung  der  durch  organische  Ijei- 
den  verursachten  GF- Verengerungen,  von  den  functiouelleu 
ist  dieses  Symptom  von  grosser  Wichtigkeit,  zumal  beide 
Ursachen  gleichzeitig  einwirken  können.  Auch  zur  Ent- 
larvung von  Simulanten  dürfte  das  genannte  Symptom  zu 
venverthen  sein. 

m.   Einige  andere  Momente,  welche  die  Ausdehnung 
des  ooncentrisch  verengten  GF  beeinflussen. 

Es  sind  von  verschiedenen  Forschem  noch  eine  An- 
zahl Pactoren  en\'ähnt  worden,  welche  die  Ausdehnung  des 
concentrisch  verengten   GF  beeinflussen.     So  hat  Pagen- 


222  Groenouw. 

wurde  das  GF  dieser  Patientin  bei  Bewaflftiung  mit  einer  blauen 
(Nuance  C)  und  darauf  einer  grauen  (Nuance  B)  Uhrglasbrille 
aufgenommen.  Beide  GF  zeigten  gegenüber  dem  bei  unbewaff- 
netem Auge  untersuchten  keine  nennenswerthe  Veränderung.  Es 
hatten  also  in  diesem  Falle  weder  blaue  noch  graue  Gläser  einen 
Einfluss  auf  die  Weite  des  GF. 

Dass  die  psychische  Stimmung  des  Patienten  einen 
Einfluss  auf  die  Ausdehnung  des  GF  hat,  ist  bekannt.  Mo- 
ravc8ik(9)  hat  in  dieser  Beziehung  sehr  interessante  Beob- 
tungen  gemacht.  Er  fand  nämlich  bei  einer  23-jähi'igen 
Patientin  eine  bedeutende  Erweiterung  des  concentrisch  ver- 
engten GP,  wenn  er  während  der  GFA  verschiedene  Sinnes- 
nerven reizte.  So  erweiterte  sich  das  GF,  wenn  er  der 
Patientin  warme  Gegenstände  auf  die  Hand  legte,  ihr  eine 
tönende  Stimmgabel  ans  Ohr  hielt,  sie  Aether  riechen  liess 
oder  ihre  Zunge  mit  Salz  bestreute.  Während  der  Hyp- 
nose war  das  GF  weiter  als  im  wachen  Zustande.  Wurde 
der  Patientin  eine  traurige  Stimmimg  suggerirt,  so  zeigte 
das  GF  eine  hochgraxiige  Verengerung,  bei  Suggestion  einer 
freudigen  Stimmung  dagegen  eine  Erweiterung.  Morav- 
csik  bediente  sich  bei  seinen  Untersuchungen  des  Foerster'- 
schen  Perimeters  und  ziemlich  grosser  weisser  Untersuchungs- 
objecte  (2  cm  Seitenlänge). 

Kommen  wir  nun  zum  Schluss  nochmals  auf  die  in 
der  Einleitung  aufgeworfene  Frage  zurück:  „Warum  sind 
Personen,  welche  an  einer  hochgradigen  functionellen 
Verengerung  des  GF  leiden,  in  ihrer  Orientirung  nicht  ge- 
stört?" Wie  wir  gesehen  haben,  erweitert  sich  das  con- 
centrisch verengte  GF  bei  Accommodation  für  die  Feme, 
es  ist  also  das  GF  eines  im  Zimmer  umhergehenden  der- 
artigen Kranken  grösser  als  das  bei  der  Perimeterunter- 
suchung aufgenommene.  Femer  ist  die  Peripherie  des 
GF,  welche  bei  der  Untersuchung  mit  einem  kleinen  weissen 
Quadrat  als  „defect"  erscheint,  nicht  vollkommen  unempfind- 
lich gegen  alle  Lichteindrücke,  sie  vermag  vielmehr  grosse 


Beitrüge  zur  KenntniM  der  concentr.  GesichtsfeldTerengenuig.     223 

oder  sehr  helle  Objecte  noch  wahrzunehmen.  Da  nun  auch 
das  normale  Auge  mit  der  6F-Peripherie  die  Gegenstände 
nicht  deuthch  erkennt,  sondern  nur  ihr  Vorhandensein  und 
ihre  Lage  wahrnimmt ,  so  wird  eine  Verminderung  dieser 
ohnehin  nicht  gerade  erheblichen  Empfindlichkeit  der  pe- 
ripheren Netzhautregionen  wenig  von  Belang  sein.  Es  wer- 
den demnach  auch  Personen  mit  einer  recht  bedeutenden 
GFE  sich  beim  umhergehen  orientiren  können  und^  ohne 
an  seitUch  stehende  Gregenstände  anzustossen,  ihren  Weg 
finden. 


Literatur. 

1)  Oscar  Koenig:  Beobachtungen  über Gesiditsfeld-Einengang 

nach    dem   Foerster 'sehen  Typns.     Arch.    f.  Augenheilk. 
XXII,  S.  264. 

2)  Derselbe:     Ein  objectives  Rrankheitszeichen  der  traumati- 

schen   Neurose.     Berliner    klinische    Wochenschrift    189U 
No.  31. 

3)  Foerster:     Berieht  fiber  die  9.  Versammlmig  der  ophthal- 

mologischen Gesellschaft  zu  Heidelberg,   1877,  Seite   162. 

4)  Wilbrand  und  Saenger:     üeber  Sehstörongen  bei  ftine- 

tionellen  Nervenleiden.     Leipzig  1892. 

5)  Groenouw:     Giebt  es  eine  Miterregung  im  Bereiche  homi>- 

n3rmer  GesiehtBfeldbezirke,  wie  sie  Schiele  beschrieben  hat? 
Arch.  f.  Augenheilk.  XXVII,  Seite  112. 

6)  Derselbe:     üeber   die    Sehschärfe   der   Netzhautperipherie 

und    eine    neue  Untersuchungsmethode   derselben.     Ardiiv 
f.  Augenheilk.  XXVI,  Seite  85. 

7)  Wilhelm  Koenig:    üeber  Gesichtsfeldermüdung  und  deren 

Beziehung  zur  concentrisehen  Gesichtsfeldeinschrfinkung  bei 
Erkrankungen  des  Centralnervensystems.     Leipzig  1893. 

8)  Emmert:     Die  Grosse  des  Gesichsfeldes  in  Beziehung  zur 

Accommodation.     Archiv  f.  Augenheilk.  XI,   S.  303. 

9)  Moravcsik:   Neurologisches  Centralblatt  IX,  1890,  S.  230. 
10)  Boehm,  Ludwig.     Die  Therapie   des  Auges   mittels   des 

ferbigen  Uchtes.     Berlin  1862. 


Ein  Fall  von  hartnäckig  recidivirender 

herpesartiger  Erkrankung  der  Conjnnctiya  nnd 

Cornea  im  Zusammenhange 

mit  MenstrnationsstSmngen  der  Menopause. 

Von 

Dr.  med.  O.  Stuelp, 
Assistenten  an  der  Augenheilanstalt  des  Dr.  Stölting  in  Hannover. 

Hierzu  Tafel  X,  Fig.  1—6. 


Die  ophthalmologische  Literatur,  besonders  diejenige 
der  letzten  Jahre,  ist  reich  an  Veröffentlichungen  über 
„seltene"  nnd  „eigenthümliche"  Erkrankungen  der  Con- 
junctiva  und  Cornea,  ein  Zeichen  dafür,  dass  das  Capitel 
der  Binde-  und  Homhautaffectionen  durchaus  noch  nicht 
erschöpft  ist  Zum  Theil  sind  diese  Erkrankungen  als 
selbstständige  Leiden,  zum  Theil  im  Zusammenhange  mit 
Störungen  des  Allgemeinbefindens  beschrieben  worden. 

Auch  folgender  Fall  zeigt  Abweichungen  von  dem 
typischen  Bilde  einer  herpetischen  Erkrankung,  saw<»hl  in 
dem  Krankheitsprocesse  selbst,  als  audi  in  de«  Zusammen- 
hange mit  dem  Allgemeinleiden,  wie  sie,  sow^t  mir  die 
Literatur  zugänglich  war,  nur  bei  einigen  wenigen  Fällen 
in  ähnlicher  Weise  beschrieben  worden  sind,  und  dürfte 
deshalb  vielleicht  manche  Leser  interessiren. 

Zunächst  soll  die  Krankengeschichte  der  48jäluigen, 
gracil  gebauten  und  auffallend  leidend  aussehenden  Pati- 
entin mitgetheüt  werden. 


Ein  Fall  v.  hartnäckig  recidivirender  herpesartiger  Erkrankung  etc.  225 

Frau  X.,  welche  aus  tuherculöser  Familie  stammt,  hat  ausser 
Kinderkrankheiten  im  16.  I^bensjahre  an  Intercostabeuralgie 
(Herpes  Zoster),  im  19.  an  Nervenfieber,  un  22.  an  Scharlach 
tind  zweimal  an  Lungenentzündung  gelitten,  zuletzt  vor  acht 
Jahren. 

Vor  zwei  Jahren  hörten  die  Menses  auf,  sodass  die  Patientin 
glaubte  ins  Klimacterium  eingetreten  zu  sein.  Doch  kehrten  sie 
nach  vier  Monaten  wieder,  um  unregelmässig,  bald  in  Pausen 
von  14  Tagen,  bald  von  zwei  Monaten  unter  profiisen  Blutungen, 
Schmerzen,  Mattigkeit  und  Appetitlosigkeit  zu  erscheinen. 

Anfang  Juni  1891  nun  bemerkte  Patientin  wälirend  der 
Periode,  dass  ihr  linkes  Auge  geröthet  und  liditschen  war  und 
stärker  thränte  als  gewöhnlich.  Heftige  bohrende  Schmerzen  im 
Auge,  in  der  Schläfe  und  der  linken  Kopfhälfte  begleiteten  den 
Zustand. 

Das  Auge,  welches  die  Erscheinungen  einer  Conjunctivitis 
phlyctänularis  darbot,  wurde  mit  warmen  Boi-säureumschlägen  be- 
handelt und  war  in  einigen  Tagen  wieder  reizlos. 

Am  23.  November  erschien  Patientin  mit  der  Angabe,  dass 
sie  in  der  Zwischenzeit  stets  während  der  Menstruation  am  linken 
Auge  die  genannten  Beschwenlen  bemerkt  hätte,  und  dass  die- 
selben sich  aucli  jetzt  wieder  eingestellt  hätten. 

An  der  Stelle  der  früheren  Erkrankung  zeigte  sich  ein 
kleines  Ulcus,  welches  nach  galvanokaustisclier  Behandlung  in 
ca.  12  Tagen  heilte  und  eine  kleine  Narbe  hinterliess  (s.  Fig.  la). 

Am  25.  Januar  1802,  einige  Tage  nach  Eintritt  der 
Menses,  kam  Patientin  nieder.  Im  Krankenjoumal  findet  sich 
folgende  Notiz:  Im  medialen  Augenwinkel  auf  der  Conjunctiva 
bulbi  findet  sich  eine  circumscripte,  das  Lidspaltengebiet  ein- 
nehmende Röthung.  Bei  seitlicher  Beleuchtung  zeigt  sich,  dass 
in  der  Conjunctiva  mehrere  kleine,  zu  einem  Haufen  confluirende 
Knötchen  liegen.  Ihre  Farbe  ist  nicht  käsig  gelb,  sondern  grau 
und  diaphan.  Auch  am  Homhautrande  findet  sich  im  oberen, 
inneren  Quadi-anten  ein  kleiner  Wall,  offenbar  aus  derselben  In- 
filtrationsmasse bestehend  (s.  Fig.  Ib). 

Die  Knötchen  am  Limbus  wurden  galvanokaustisch  be- 
handelt, diejenigen  der  Conjunctiva  mit  der  Scheere  excidirt  und 
nach  Härtung  und  Einbettung  zu  mikroskopischen  Präparaten  ge- 
schnitten und  gefärbt. 

Der  Verdacht,  dass  es  sich  um  einen  tuberculösen  Process 
handele  —  die  Untensudiung  der  Lungen  lieferte  keine  Anhalts- 
punkte  ftb-   Tuberculose    —    wurde    durch    die    mikroskopische 

▼.  Graefe's  ArchlT  fOr  Ophthalmologie.  XL.  2.  15 


226  0.  Stuelp. 

UntenBudiung  der  Schnitte  nicht  bestätigt  Die  Knötchen  er- 
wiesen sidi  vielmelir  als  didit  unter  dem  Epithel  liegende  An- 
häufung von  Rundzellen;  sie  zeigten  nicht  den  Bau  von  Tuber- 
keln,  auch  fanden  sich  keine  Riesenzellen.  Desgleidien  lieferte 
die  f^bung  auf  Tuberkelbacillen  ein  negatives  Resultat.  Von 
einer  Impfung  in  die  vordere  Rammer  eines  Kaninchenauges 
wurde  Abstand  genommen. 

Die  nach  der  Exdsion  genälite  Conjunctiva  heilte  per  primam. 
Auch  der  Prozess  an  der  Cornea  war  unter  einem  Verbände  in 
ca.  8  Tagen  beendigt 

Am  18.  Februar  stellte  sidi  Frau  X.  wieder  vor,  nach- 
dem seit  einigen  Tagen,  kurz  vor  Eintritt  der  Menses,  die  Mheren 
Beschwerden  sich  gezeigt  hatten.  Ausser  massiger  Ciliarinjection 
im  Lidspaltengebiete  des  äusseren  Augenwinkels  fanden  sich  am 
temporalen  Uomhautrande  mehrere  kleine  Knötchen  mit  gelb 
verförbtem  Centrum,  welche  sich  pei'lschnurartig  an  einander 
reihten  (s.  Fig.  2). 

Das  Auge  wurde  verbunden  und  die  Kranke  angewiesen, 
sich  den  Verband  täglich  zu  erneuern.  Nach  acht  Tagen  er- 
schien die  Patientin  wieder  und  klagte,  dass  sidi  die  Beschwerden 
nicht  verloren  hätten. 

Der  Beftind  am  Auge  wai*  ein  anderer.  Die  Knötchen  am 
limbus  waren  bis  auf  das  oberete  versdiwunden.  Dagegen  lagen 
mehrere  in  der  Conjunctiva  bulbi  im  äusseren  Theile  der  Lidspalten- 
zone nebeneinander  auf  den  horizontalen  Meridian  beschränkt 
(8.  Fig.  8). 

Die  beiden  letzten  Beobachtungen  machten  die  Diagnose 
einer  herpetischen  Erkrankung  sehi*  wahrscheinlich. 

Die  Knötclien  wurden  mittelst  Scheere  excidirt  und  eins 
derselben,  um  zu  sehen,  ob  die  Aifection  \ielleidit  durch  Mikro- 
organismen hervorgerufen  wäre,  in  ein  Gelatineröhrchen  geimpft 
Das  Rölirchen  blieb  steril.  Die  entzündlichen  Erscheinungen 
gingen  unter  einem  Verbände  und  unter  Chininbehandlung  nach 
ca.  8  Tagen  zurück. 

Am  2  9.  März,  als  die  Kranke  sich  wieder  mit  den  be- 
kannten Beschwerden  vorstellte,  fanden  sich  am  medialen  Hom- 
hautrande  mehrere  kleine  Knötchen  in  perlschnurartiger  Anord- 
nung und  von  demselben  Aussehen  wie  die  früheren.  Dieselben 
heilten   unter  Chininbehandlung  und  Verband  in  einigen  Tagen. 

Am  8.  April  war  nieder  eine  Reddiv  zu  verzeichnen. 
Dieses  Mal  zeigten  sich  bei  starker  Injection  des  nasalen  Theiles 
der  Augapfelbindehaut  auf  der  Cornea  im  inneren,   oberen  Qua- 


Ein  Fall  v.  hartnfickig  recidivirender  herpesartiger  Erkrankung  etc.  227 

dranten  z>*ei  grössere  Ulcera  mit  stark  gelber  Infilti-ation  des 
Gewebes  und  leichter  diffuser  Trübung,  welche  sich  bis  dicht  an 
den  Pupillenrand  erstreckte.  Das  obere  Geschwür  war  neu  hinzu- 
getreten, wälirend  das  untere  im  wesentlichen  eine  fiisclie  In- 
filtration der  alten  Narbe  darstellte  (s.  Fig.  4). 

Unter  einem  Verbände  machte  die  Heilung  keine  merk- 
lichen Fortschritte,  sodass  am  21.  April  eme  Cauterisation  nöthig 
wurde,  worauf  in  einigen  Tagen  die  Ulcera  vernarbten. 

Am  12.  Mai,  als  die  Patientin  wieder  mit  einem  frischen 
Geschwür  unterhalb  der  zuletzt  erwähnten  Stelle  ärztlichen  Rath 
einholte,  w^urde  eine  Urinuntersuclmng  auf  Zucker  und  Ei  weiss 
angestellt,  welclie  ein  negatives  Resultat  lieferte. 

Da  die  Kranke  durch  die  häufigen  Recidive  beunruhigt 
wurde,  wurde  sie  Herrn  Professor  Schmidt-Rimpler  zur  Con- 
sultation  überwiesen,  welcher  sich  ebenfalls  für  die  Annalime  einer 
herpetischen  Erkrankung  entschied. 

Am  2  3.  Juni  erschien  Frau  X.  mit  denselben  Klagen  wie 
früher.  Im  Lidspaltengebiete,  in  der  Mitte  zwischen  tempo- 
ralem Comealrande  und  äusserer  Lidcommissur,  befand  sich  ein 
ca.  1  mm  breites  und  ca.  2  mm  langes  gelblich  infiltiirtes  Knöt- 
chen, zu  welchem  m  der  etwas  ödematösen  Conjunctiva  ein  Strang 
v(m  wenig  geschlängelten  Gefassen  zog  (s.  Fig.  5). 

Das  Knötchen  wurde  excidirt  und  die  Beschwerden  schwan- 
den bald  nach  Heilung  der  Bindehaut\i'unde. 

Mit  denselben  Klagen  und  immer  neuen  Knötchen  und  In- 
filtraten an  versclüedenen  Stellen  der  Binde-  und  Honihaut,  zum 
Theil  im  Bereiche  der  alten  Narben,  suchte  die  Kranke  in  ziem- 
lich regelmässigen  Zwischenräumen,  bald  kurz  vor,  bald  kurz 
nadi  Eintritt  der  Menses,  oder  in  der  Zeit,  wenn  letztere  er- 
wartet wurden,  aber  ausblieben,  äi'ztliche  Hilfe;  so  am  4.  August, 
5.  September,  20.  October,  29.  November,  5.  December 
und  6.  Januar  1893. 

Die  Behandlung  während  dieser  AnfllUe  bestand  wie  früher  in 
Galvanokaustik,  Verband,  Bettrulie,  Jodoformsalbe,  Extract,  Hydrast 
canadens.,  Eisenpräparaten,  Jodkali,  Schlafmitteln  und  während 
sechs  Tagen  versuchsweise  in  der  Anwendung  des  constanten 
Sti*omes  (2  M.-A.),  ohne  dass  auch  nur  im  Geringsten  ein  günsti- 
ger Einfluss  auf  die  hartnäckige  Neigung  zu  Reddiven  sich  be- 
merkbar gemacht  hätte. 

Da  nun  die  zurückbleibenden  Hornhauttrübungen  bei  jedem 
neuen  Anfalle  mehr  und  mehr  von  dem  noch  durchsichtigen 
Homhautareal  occupirten  und  so  die  Sehsdiärfe  in  hohem  Maasse 

15* 


228  0.  Stuelii. 

zu  beeintiüchtigen  droliten,  und  da  ferner  noch  nie  die  als  Vor- 
läufer der  Infiltrate  vermutliete  Bläscheneruption  beobachtet  wei-den 
konnte,  wurde  PVau  X.  angewiesen,  bei  den  ersten  Anzeiclien 
eines  erneuten  Anfalles  in  die  Klinik  einzuti-eten^  damit  eventuell 
der  üebergang  der  Bläschen  in  Infiltrate  verhindert  und  somit 
die  nachfolgenden  Trübungen  beschränkt  werden  könnten. 

Am  8.  Februar  erschien  Patientin  mit  noch  reizlosem  Auge 
und  der  Angabe,  dass  sich  ein  Recidiv  bemerkbai*  mache.  Das 
Auge  wunle  verbunden  und  nadi  einigen  Stunden  zeigte  sich 
Abends  beim  Verbandwechsel  folgendes  Bild  (s.  Fig.  ö):  Im 
oberen  Drittel  der  Hornhaut  stehen  zwei  Reihen  stecknadel- 
spitzengrosser  Bläschen  mit  wasserklarem  Inhalte.  Drei  grössere 
ähnliche  Bläschen  befinden  sich  über  dieser  Stelle  in  der  Con- 
junctiva  bulbi,  welche  kemerlei  Reizerscheinungen  zeigt. 

Am  nächsten  Morgen  waren  die  Bläschen  spurlos,  ohne 
einen  Epitheldefect  zu  hinterlassen,  verschwunden.  Da  Patientin 
über  keinerlei  Beschwerden  mehr  klagte,  wurde  sie  am  nächsten 
Tage  entlassen  mit  der  Weisung,  bei  etwa  nachfolgenden  Fällen 
sich  mögUchst  frühzeitig  einen  Verband  anzulegen  und  Bettruhe 
zu  beobachten. 

Nadidem  die  Kranke  auf  diese  Weise  zwei  Anfalle  selbst 
coupirt  hatte,  welche,  trotzdem  die  Menses  fortgeblieben  waren, 
zu  der  erwarteten  Zeit  aufgetreten  waren,  stellte  sie  sicli  am 
1  5.  April  wieder  vor  mit  zwei  neuen  Infiltraten,  welche  leider 
im  Gentrum  der  Pupille  sassen. 

Da  die  früheren  Behandlungsmethoden  keinen  dauernden  Er- 
folg hatten,  wurden  neben  der  Application  des  constanten  Stromes 
täglich,  später  alle  zwei  Tage,  subconjunctivale  Sublimatinjectionen 
angewendet  (2  Tlieilstriche  einer  Prav  atz 'sehen  Spritze  mit 
*/«  */oo  Sublimat  und  2  ^/^  Cocainlösung  a*a.) 

Nach  einigen  Tagen  war  der  Pi-ozess  geheilt  und  nach 
vierzehntägiger  Weiterbehandlung  in  genannter  'Weise  zeigten 
sämmtliche  Trübungen  eine  bedeutende  Aufhellung,  so  dass  auch 
die  Kranke  selbst  eine  Besserung  des  Sehvermögens  constadrte. 

Hierauf  traten  noch  zwei  Anfälle  auf,  die  jedoch  sehr  milde 
verliefen  und  von  kaum  nennensw^eitlien  Beschwerden  begleitet 
waren. 

Eine  erneute  Untersuchung  durch  einen  Frauenai-zt  —  die 
erste  war  vor  etwa  emem  Jalire  mit  negativem  Resultate  v(»r- 
genommen  worden  —  ergab  ein  kleines  gestieltes  Myom  des 
Corpus  uteri  und  eine  schon  stark  atrophische  Uterusschleimhaut, 
sodass    der   baldige    Eintritt    des    KUmacterinms    wohl    ei*wartet 


Ein  Fall  v.  hartnäckig  recidivirender  herpesartiger  Erkrankung  otc.  229 

werden  darf,  und  damit  zugleich  auch  das  Ende  des  Augen- 
leidens. 

Die  oben  geschilderte  Erkrankung  kann  wohl  nur  als 
Herpes  conjunctivae  et  corneae  gedeutet  werden,  obgleich 
sie  manche  Abweichung  von  der  typischen  Herpesaffection 
zeigte,  wie  sie  zuerst  von  Hörn  er*)  und  dann  unter  seiner 
Leitung  von  Josephine  Kendall*),  femer  von  Schmidt- 
Rimpler«),  Wilh.  Favre*),  Achtermann*),  Godo^), 
Durruly'),  Wangler*)  und  Hagnauer®)  geschildert 
worden  ist. 

Diese  Abweichungen  machten  sich  zunächst  geltend 
in  der  Form  der  Infiltrate.  Die  Veränderungen  an  der 
Cornea  waren  nicht  derart,  wie  sie  von  den  genannten 
Autoren  in  übereinstimmender  Weise  als  characteristisch  für 
die  Folgezustände  der  Herpesceruption  hingestellt  werden. 
Es  fanden  sich  in  unserm  Falle  keine  Substanzverluste  mit 
fetzig  zerrissenen  Rändern,  die  Ulcera  waren  nicht  von  steilen 
ausgezackten  Rändern  umgeben,  es  konnten  keine  Aus- 
läufer beobachtet  werden,  welche  den  Geschwüren  ein  baum- 
artig verzweigtes  Aiissehen  verliehen,  sondern  die  Infiltrate 
stellten  in  den  meisten  Fällen  mehr  weniger  grosse  und  er- 
habene, einer  Phlyctaene  ähnliche  Knötchen  dar,  deren 
Spitze  manchmal  exulcerirt  war. 


*)  Hörn  er,  „Ucber  Herpes  corn."  Klin.  Monatsbl.  f.  Augen- 
heilk.  1871,  p.  321  und  „Krankheiten  des  Auges  im  Kindesalter"  in 
Gerhardts  Handbuch  der  Kinderkrankh.,  Bd.  5. 

*)  Josephine Kendall,„UeberHeri)e8com."  Diss. Zürich  1880. 

■)  Schmidt-Rimpler,  „Echter  Herpes,  corn."  Klin.  Monatsbl. 
f.  Augenheilk.  1872  p.  163. 

*)  Wilh,  P'avre,  „Heq)es  com."     Diss.  Würzburg. 

*)  Achtermann,  „Uober  neri)es  corn."     Diss.  Marburg    1876. 

•)  Godo,  „De  l'herl)^s  febrile  de  la  comee."  Receuil  d'Ophth- 
alme.     1880. 

')  Durruly,  „De  l'herpes  oculaire."    Receuil  d'Opht,  1887. 

®)  Wangler,  „Herpes  com."     Diss.  Zürich  1889. 

•)  Hagnauer,  „Ueber  Missdeutungen  des  Herp.  corn  lebrilis.**^ 
Diss.  Zürich  1891. 


230  0.  Stuelp. 

Auch  die  Anordnung  der  Knötchen  war  nicht  die 
typische,  indem  die  characteristische  perlschnurartige  An- 
einanderreihung sowohl,  als  auch  die  Gruppirung  in  einem 
Meridian  wenigstens  in  den  Fällen  vermisst  wurde,  in  denen 
der  Process  auf  die  Hornhaut  beschränkt  war.  Selbst  bei 
dem  einzigen  Anfalle,  bei  welchem  die  Bläscheneruption 
beobachtet  werden  konnte,  war  dieses  Verhalten  nicht  deut- 
lich ausgeprägt  Nur  dreimal,  und  zwar  dann,  wenn  der 
Process  auf  die  Conjunctiva  bulbi  beschränkt  blieb,  trat 
die  rosenkranzformige  Anordnung  der  Knötchen  hervor. 

Dieses  beim  vorUegenden  Falle  öfter  beobachtete 
alleinige  Befallensein  der  Augapfelbindehaut  gehört  gleich- 
falls nicht  zu  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  der  herpe- 
tischen Erkrankung  des  Auges  (im  Homer'schen  Sinne). 
Wenigstens  habe  ich  in  der  mir  zugänglichen  Literatur 
nur  zwei  Fälle  von  Herpes  conjunctivae  beschrieben  gefunden, 
und  zwar  von  Cheathem*)  und  Bergmeister*),  während 
die  andern  Autoren,  welche  die  HerpesafFection  am  Auge 
zum  Gegenstande  ihrer  Veröffentlichungen  gemacht  haben, 
nichts  davon  erwähnen. 

Femer  im  Allgemeinen  nicht  übereinstimmend  mit  den 
Angaben  der  Autoren  ist  die  Zeitdauer  der  Heilung  der 
einzelnen  Anfälle  bei  unserer  Patientin. 

Das  Verhalten,  wie  es  einmal  bei  der  Bläscheneruption 
beobachtet  wurde,  nämUch  dass  die  Bläschen  unter  einem 
Schutzverbande  in  einigen  Stunden,  ohne  eine  Spur  zu  hinter- 
lassen, verschwanden,  habe  ich  nirgends  erwähnt  gefunden. 

Aber  auch  dann,  wenn  sich  schon  Infiltrate  oder  Ulcera 
gebildet  hatten,  ging  die  Heilung  meistens  ungleich  schneller 
von  statten,  als  gewöhnlich  angegeben  wird. 

Vielleicht  könnte   man   den   kürzeren  Heilungsverlauf 

*)  Cheathem,  „Heq)e8  of  the  coiyunctiva  or  Cornea"  etc. 
Louisville  M.  News  XIV  p.  184. 

*)  Bergnieister,  „Ein  Fall  von  Herpes  ins  coiyunctivae."  An- 
zeiger d.  K.  K.  Gesellsch.  d.  Aerzte  in  Wien,  No.  29  p.  223. 


Ein  Fall  v.  hartnäckig  recidivirender  herpesartiger  Erkrankung  etc.  23 1 

in  der  Mehrzahl  der  Anfälle  auf  Kosten  des  therapeuti- 
schen Eingriffs  (Galvanocaustik,  Excision)  setzen.  Aber 
auch,  wenn  die  Kranke  sich  entweder  gar  nicht  vorstellte, 
oder  wenn  von  der  genannten  Behandlungsweise  abgesehen 
wurde,  heilte  die  Affection  in  einigen  Tagen,  während 
ÜEist  alle  Autoren  gierade  füi*  die  herpetische  Erkrankung 
die  sehr  langsame  Heilungsdauer  besonders  herrorheben, 
wie  Horner^),  Michel*),  Saemisch*)  und  Wangler*). 
Josephine  KendalP)  giebt  als  Durchschnitt  48  Tage, 
Nieden^  drei  Wochen  für  die  Heilungsdauer  an.  Bau- 
sch off)  und  Decker®),  welche  ähnliche  Fälle  wie  der  vor- 
liegende beschrieben  haben,  nehmen  10  bis  14  Tage, 
Kipp^)  2  —  4  Wochen  bis  einige  Monate  in  Anspruch. 

Eine  weitere  Eigenthümlichkeit  unseres  Falles  liegt  in 
der  auffallenden  Neigung  zu  häufigen  Recidiven. 

Im  Allgemeinen  wird  es  fiir  ein  characteristisches 
Merkmal  des  Herpes  gehalten  und  besonders  von  Homer  ^®), 
KendalP*),  Michel'*)  u.  A.  für  die  öünstigstellung  der 
Prognose  verwendet,  dass  er  keine  Neigung  zu  Nachschü- 
ben und  Recidiven  zeige,   und   „wenn   er  nach  Jahr  und 


*)  1.  c. 

*)  Michel,  „Lehrbuch  der  Augenheilkunde."  IL  Aufl.  1890 
p.  223. 

■)  Saemisch,  „Krankheiten  der  Cornea"  in  Graefe-Saeraisch 
Handbuch  der  Augenheilk.     Bd.  IV  p.  235. 

*)  1.  c.    »)  1.  c. 

•)  Nieden,  „Ein  Fall  von  recidivirendera  Herp.  Zoster  Opht." 
Centralbl.  f.  pract.  Augenheilk.    .Tuni  1882. 

')  Ransohoff,  „Periodisch  wiederkehrende  Homhauterkran- 
kungen  in  Zus.  m.  Störungen  des  Allgemeinbef."  Klin.  Monatsbl. 
f.  A.    1889  p.  218  u.  1891  p.  275. 

®)  Decker,  a.  „Beitrag  z.  Kenntnis  der  herpetischen  Augener- 
krankung."   Klin.  Monatsbl.  f.  A.  1890  p.  409. 
b)  „Zur  Aetiologie  des  Herpes  com."    Ibid.  p.  105. 

•)  Kipp,  „Further  observations  on  malarial-Keratitis."  Transact. 
of  the  american.  opht.  soc.  25  meeting  New.  London  p.  331. 

'«)  1.  c.     ")  1.  c.     ^»)  1.  c. 


232  0.  Stuelp. 

Tag  einmal  wiederkehre,  sagt  Horner,  so  .geschehe  das, 
weil  die  verursachende  Allgemeinerkrankung  reddivire." 

Nun  ist  ja  allerdings  im  yorUegenden  Falle  das  aetio- 
logische  Moment  ein  häufig  wiederkehrendes  und  somit 
wäre  der  Widerspruch  nur  ein  scheinbarer;  aber  es  ist 
doch  immerhin  aufifallend,  dass  die  Ericrankung  des  Auges 
über  zwei  Jahre  mit  absoluter  Regelmässigkeit  den  Allge- 
meinzustand begleitet. 

Uebrigens  heben  auch  Wangler*  und  Hagnauer*) 
hervor,  dass  nach  ihren  Beobachtungen  der  Herpes  corneae 
bedeutend  häufiger  recidivire,  als  Horner  es  angiebt  Das- 
selbe beweisen  die  Fälle  von  Bansohoff  und  Decker. 

Auch  der  Zusammenhang  des  Augenleidens  mit  dem 
Allgemeinzustande  ist  in  unserem  Falle  ein  seltener. 

Dass  dieser  Zusammenhang  tiiatsächlich  besteht,  ist 
wohl  nach  obigen  Angaben  und  nachdem  keine  Erkran- 
kung des  Respirationstractus  oder  anderer  Organe  als 
aetiologisches  Moment  gefunden  werden  konnte,  zweifellos. 

Darin  stimmen  ja  alle  Beobachtungen  überein,  dass 
der  Herpes  des  Auges  nicht  eine  Erkrankung  sui  generis 
ist,  sondern  sich  im  Verlaufe  oder  Anschlüsse  an  Störun- 
gen des  Allgemeinbefindens  einstellt 

Eine  grosse  Bolle  spielen  dabei  katarrhaUsche  Ent- 
zündungen des  Bespii'ationstraktus,  wie  Schnupfen,  Bron- 
chitiden, Influenza,  Keuchhusten,  femer  viele  fieberhaften 
Krankheiten,  wie  Pneumonie,  Typhus,  Malaria,  Rheumatis- 
mus, Erysipelas  u.  A. 

Nur  die  Angaben  über  Herpes  des  Auges  im  Zu- 
sammenhange mit  der  Menstruation  und  ihren  Störungen 
sind  spärhch. 

Drei  Fälle  habe  ich  in  der  Literatur  gefunden,  welche 
mit  dem  vorUegenden  Aehnhchkeit  haben.  Einen  hat 
Ransohoff^)  veröffentlicht,  welcher  eine  chlorotische  Frau 

M  1.  c.    «)  1.  c.    ")  1.  c. 


Ein  Fall  v.  hartnäckig  recidivirender  herpesartiger  Erkrankung  etc.  233 

betrifft^  die  seit  der  Pubertät  an  einer  fast  immer  zur  Zeit  der 
unregelmässigen  Menses  auftretenden  Comealaffection  litt. 

Dieselbe  erschien  unter  heftigen  subjeetiven  Beschwer- 
den, Lichtscheu,  Thränen,  Stimkopfschmerz  etc.,  und  be- 
stand in  8  bis  10  kleinen,  auf  das  Centrum  der  Hornhaut 
beschränkten,  scharf  begrenzten  Infiltraten,  welche  nicht 
confluirten.  Nach  einigen  Tagen  hob  sich  das  Epithel 
über  den  infiltrirten  Stellen  zu  Bläschen  ab,  welche  bald 
platzten  und  einen  Epitheldefect  hinterliessen,  der  nach 
8 — 14  Tagen  heilte,  ohne  Trübungen  zu  hinterlassen. 

Der  zweite  Fall,  ebenfalls  von  Ransohoff,  bezieht  sich 
auf  ein  17 jähriges  Mädchen  mit  ähnUchen  Erscheinungen. 

Eine  dritte,  hierher  gehörige  Erkrankung  berichtet 
Landesberg*)  von  einem  15jährigen,  sonst  gesunden  Mäd- 
chen, bei  dem  in  einem  halben  Jahre  fünf  Mal  zur  Zeit 
der  normalen  Menstruation  eine  Eruption  kleiner  Bläschen 
auf  einer  oder  auf  beiden  Hornhäuten  unter  den  bekannten 
Beschwerden  entstand.  Die  Heilung  erfolgte  meist  rasch; 
nur  einmal  verzögerte  sie  sich  um  4  Wochen. 

Ausser  diesen  drei  Fällen  ist  noch  eine  ähnliche 
Affection  der  Hornhaut  im  Gefolge  der  Menstruation  von 
Decker*)  imter  dem  Namen  Keratitis  herpetiformis  recidiva 
beschrieben  worden.  Decker  nimmt  aber  als  ätiologisches 
Moment  nicht  die  Menstruation,  sondern  einen  chronisch 
catarrhalischen  Zustand  der  Nasenschleimhaut  an  —  Er- 
krankungen, welche  zur  Zeit  der  Menses  exacerbiren  sollen 
—  und  fügt  hinzU;  dass  auch  in  den  beiden  Ransohoff- 
schen  Fällen  ein  Katarrh  der  Nase  die  Ursache  der  Cor- 
neaerkrankung  gewesen  sein  dürfte. 

In  unserem  Falle  bestand  jedenfalls  kein  Katarrh  der 
Nasenschleimhaut  und  es  hegt  kein  Grund  vor  ein  anderes 


*)  Landesberg,    „Augenleiden   in  Verbindung   mit   normaler 
Menstruation."    Centralbl.  f.  A.  1883  Mai. 
*)  ß.  No.  20a. 


234  0.  Stuelp. 

Allgemeinleideji  als  die  dysmennorrhoischen  Beschwerden 
des  Klimacteriums  für  die  Entstehung  der  Homhautaffec- 
tion  verantwortUch  zu  machen,  zumal  ja  die  Menstruation 
nicht  selten  mit  Herpeseruptionen  an  Lippe  und  Nase 
einhergeht,  wie  das  auch  bei  unserer  Patientin  vor  dem 
Ausbruche  des  Augenleidens  häufig  der  Fall  war. 

Warum  sollte  sich  dieser  Process  nicht  auch  gelegent- 
Uch  in  der  Cornea  und  Conjunctiva  etabliren,  deren  Ge- 
webszusaramensetzung  ja  der  der  äussern  Haut  und  der 
Schleimhäute  ganz  nahe  steht? 

Abgesehen  nun  von  den  angeführten  Abweichungen 
passt  die  vorUegende  Erkrankung  im  Allgemeinen  recht 
gut  zu  dem  Bilde  des  Herpes. 

Die  Allgemeinerscheinungen  vor  dem  Ausbruche  der 
Aflfection  sind  die  gleichen. 

Letztere  selbst,  d.  h.  die  Infiltrate  und  Ulcera  hatten 
sich  wahrscheinhch  bei  Anwendung  der  von  Hagnauer') 
so  warm  empfohlenen  Methode  der  Pluorescinfärbung 
gleichfalls  in  einer  mehr  typischen  Form  präsentirt 

Auch  das  Befallensein  eines  Auges  und  das  Alter  der 
Patientin  sprechen  zu  Gunsten  der  Annahme  einer  herpe- 
tischen Erkrankung. 

Die  Herabsetzung  des  intraocularen  Druckes  und  eine 
Anaesthesie  der  befallenen  Homhautstellen  ist  auch  in  unserem 
Falle,  so  oft  darauf  untersucht  wurde,  beobachtet  worden. 

Was  letztere  Erscheinung  anbetrifF,  so  möchte  ich  her- 
vorheben, dass  dieselbe  nicht  als  ein  für  Herpes  absolut 
characteristisches  Symptom  betrachtet  werden  kann,  da  ich 
sie  auch  bei  andern  Entzündungen  der  Hornhaut  wie  beim 
Ulcus  pustulosum    und  Ulcus   serpens   constatiren   konnte. 

Dieselbe  Beobachtung  hat  auch  Schiess-Gemuseus*) 
bei  marantischer  Keratitis  der  Kinder  gemacht,  und  Vos- 


1)  1.  c. 

*)  Schiess-GemuseuB,  Jahresbericht  d.  Aiigenheilanst.   Basel 
1883—84. 


Ein  Fall  v.  hartnäckig  recidivirender  herpesartiger  Erkrankung  etc.  235 

sius')  besclireibt  einen  Fall  von  beiderseitiger  syminetriscber 
Comeatriibung  nach  einem  epileptischen  Anfalle,  bei  wel- 
chem die  Hornhaut  im  Bereiche  der  getrübten  Stellen  an- 
aesthetisch  war.  Auch  Bonnard*)  berichtet  über  vollstän- 
dige oder  unvollständige  Anaesthesie  bei  Homhautinfiltraten- 
und  Greschwüren  im  Gefolge  von  Neuralgieen  des  Trige- 
minus  und  Fuchs")  konnte  bei  seiner  Keratitis  punctata  super- 
ficialis  gleichfalls  Herabsetzung  der  Sensibilität  feststellen. 

In  diflferentialdiagnostischer  Beziehung  kommen  für 
den  vorliegenden  Fall  nur  wenige  entzündliche  Erkrankun- 
gen der  Bindehaut  und  Hornhaut  in  Betracht. 

Gegen  eine  Conjunctivitis  und  Keratitis  pustulosa,  an 
welche  ja  bei  den  ersten  Anfallen  gedacht  werden  musste, 
spricht  sowohl  das  Alter  der  Patientin  als  besonders  der 
ganze  Verlauf  der  Affection. 

Für  Tuberculose  der  Conjunctiva  und  Cornea  konnten 
aus  der  Untersuchung,  wie  oben  ausgeführt,  ebensowenig 
Anhaltspunkte  gewonnen  werden  als  für  eine  parasitäre 
Natur  der  Erkrankung. 

Von  den  in  neuerer  Zeit  beschriebenen  seltenen  Horn- 
hautentzündungen wäre  zu  erwähnen  die  von  Fuchs*) 
Inoye^)  und  Schlösser*)  als  Keratitis  punctata  superfi- 
ciaUs,  von  Adler')  als  Keratitis  subepitheUalis  und  von 
V.  Reu  SS®)  als  Keratitis  maculosa  bezeichnete  Form. 
Ebensowenig  wie  diese  Affection  kommen  ein  von  Manz®) 


>)  Vossius,  Klin.  Monatsbl.  f.  A.  1883,  p.  227. 

*)  Bonnard,  De  certaine»  formes  de  Köratite  consöcutives  h 
des  alt^rations  l^gferes  du  nerf  tryumau.    Thfese  de  Paris  1891. 

■)  Fuchß,  „Lehrbuch  der  Augenheilkunde." 

*)  Ibidem. 

*)  Inoye,  Centralbl.  f.  A.  1891  August,  p.  244. 

«)  Schlösser,  Ibid.  1889  Dec.  p.  360. 

')  Adler,  Deutsche  med.  Zeitung.     1891    No.  33. 

»)  V.  Reusß,  Wiener  klin.  Wochenschrift.    1889  No.  84. 

•)  Manz,  „Ein  Fall  von  knotchenbildender  Hornhautentzün- 
dung."   Wiener  med.  Wochenschr.  No.  23  1891. 


236    ö.  Stuelp.    Ein  Fall  v.  hartn.  recidiv.  herpesart.  Erkrankung  etc. 

veröffentlichter  interessanter  Fall  und  eine  von  Stell  wag  ^) 
beobachtete  eigenthümliche  Hornhautentzündung  in  Betracht 

Die  grosse  Zahl  der  übrigen  „seltenen  und  eigen- 
thümlichen"  Homhauterkrankungen,  welche  bei  der  Diffe- 
rentialdiagnose Erwähnung  finden  müsste,  schrumpft  er- 
hebUch  zusammen,  da  die  meisten  von  ihnen,  wie  Hag- 
nauer*)  in  überzeugender  Weise  dargethan  hat,  indem  er 
sich  auch  auf  ein  gleiches  XIrtheil  von  Haab,  Fuchs, 
Pflüger,  Eversbusch  u.  A.  stützt,  nur  Stadien  oder 
Folgen  des  Herpes  corneae  sind.  Dahin  gehört  die  Kera- 
titis dendritica  von  Emmert*),  Hansen- Grut*)undHock**), 
femer  die  Keratite  ulcereuse  en  sillons  ^toil^s  von  Gillet 
de  Graudmont*),  die  Malariakeratitis  von  Kipp^)  und 
die  von  van  Millingen®)  und  Macrocki*)  beschriebenen 
Keratitisformen. 

Nach  AusschUessung  der  genannten  Erkrankungen 
und  nach  den  Ausfuhrungen  obiger  Zeilen  ist  trotz  der 
Abweichungen  von  dem  typischen  Bilde  der  herpetischen 
Augenentzündung  die  Diagnose,  wie  sie  am  Anfange 
dieser  Veröffentlichung  ausgesprochen  ist,  wohl  eine  ge- 
rechtfertigte. 

Zimi  Schlüsse  spreche  ich  meinem  verehrten  Chef, 
Herrn  Dr.  Stölting,  für  die  Anregung  zur  Publication 
dieses  Falles  meinen  verbindlichsten  Dank  aus. 


')  Stellwag  V.  Carion,  „Ueber  eine  eigenthümliche  Form  der 
Hornhautentzündung.*^  Wien.  klin.  Wochenschr.  1889,  No.  31  u. 
1890  No.  33  u.  34. 

•)  1.  c. 

")  Emmert,  Centralbl.  f.  A.  1885,  Octob.  p.  302. 

*)  Hausen-Grut,  Ibid.  p.  381. 

*)  Hock,  Ibid.,  Dec.  p.  380. 

•)  Gillet  de  Graudmont,  Archiv  d'Opht.  1886  p.  422. 

')  1.  c. 

■)  van  Millingen,  „Eigenthüml.  Form.  d.  Keratitis  b.  Inter- 
mittens."     Centralbl.  f.  A.,  Jan.  p.  7. 

•)  Macrocki,  Klin.  Monatsbl.  f.  A.,  1890  Mftrz. 


Ein  Beitrag  znr  Kenntniss  der  Laxatio  bulbi. 

Von 

Emil  Dehn,  approb.  Arzt. 

Hierzu  Taf.  XI,  Fig.  A— D. 


Die  Krankheiten  der  Orbita  bilden  unter  den  Augen- 
erkrankungen eine  nummerisch  untergeordnete  Gruppe.  Sie 
beziflFem  sich  in  ihrer  Häufigkeit  nur  auf  ca,  0,2  Procent 
sämtUcher  Augenkrankheiten.  Etwa  fünf  Procent  von 
ihnen  entfallen  auf  die  traumatischen  Orbitalerkrankungen 
und  unter  den  letzteren  repräsentirt  die  Luxatio  bulbi 
eine  so  kleine  Quote,  dass  die  Mittheilung  einschlägiger 
Fälle  gerechtfertigt  sein  dürfte. 

Bezüglich  der  Mechanik  der  Luxationen  im  Allge- 
meinen verweise  ich  auf  Berlin  ^)  „Krankheiten  der  Orbita" 
und  hebe  hier  nur  diejenigen  2  Arten  hervor,  zu  denen 
ich  einen  Beitrag  zu  liefern  im  Stande  bin. 

In  einzekien  railen*)  ist  es  der  vermehrte  Blutgehalt  der 
Orbitalgefösse,  wahrscheinlich  ausschliesslich  der  Venen,  welcher 
die  treibende  Kraft  darstellt  Dieser  Vorgang  findet  statt  bei 
dem,  jedem  beschäftigten  Operateur  bekannten  Hervortreten  des 
Augapfels,  welches  wir  hie  und  da  nach  dem  Einlegen  des  Ele- 
vateurs  oder  bei  manueller  Distraction  der  Lider  beobachten. 
Hierbei  wirken  zwei  Momente  zusammen,  als  disponirendes  die 


M  Handbuch  der  gesammten  Augenheilkunde  VI,  S.  461  u.  f. 
«)  Berlin  1.  c. 


238  E-  I>®hn- 

Aufhebung  des  regulatorischen  Liddrucks^)  und  als  ursächliches 
eine  exspiratorische  venöse  Stauung.  Die  letztere  wird  provodrt 
durch  den  Schmerz  oder  die  Furcht  vor  demselben  und  giebt 
sich,  namentlicli  bei  Kindern,  durch  Schreien  kund.  .  .  Bei  den 
in  der  Literatur  mitgetheilten  Beobachtungen  wird  diese  exspira- 
torische Circulationsstörung  nicht  immer  besonders  betont,  in  cha- 
racteristischer  Weise  tritt  sie  aber  in  dem  Falle  von  Praöl*) 
hervor,  in  welchem  die  Repostion  nicht  eher  gelang,  bis  man  dem 
Patienten,  einem  einjälirigen  Knaben,  die  gebundenen  Arme  löste 
und  er  aufhörte  zu  schreien.'* 

Einen  ähnlichen  Fall  stellte  Willemer  am  17.  Juni 
1892  auf  der  Versammlung  des  Allgemeinen  Mecklenbur- 
gischen Aerzte- Vereins  vor*). 

Dem  betreffenden  Patienten  waren  im  Laufe  von  25  Jahren 
die  Nasenbeine,  Theile  des  Oberkiefers,  Vomer,  rechtes  Jochbein 
und  beide  Sthnbeine  nach  und  nach  necrotisch  geworden  und 
hatten  sich  z.  Tli.  spontan  abgestossen,  z.  Th.  mussten  sie  ope- 
rativ entfernt  werden." 

Ich  ftlge  mit  gütiger  Zustimmung  des  Herrn  Dr.  Willem  er 
hinzu:  Beide  Augen  machten  den  Eindruck,  als  wenn  sie  hoch- 
gradig hervorgetrieben  wären.  Sie  nahmen  indessen  ihre  nor- 
male Stellung  innerhalb  der  Augenliöhle  ein  und  wurden  von 
den  oberen  Lidern  in  normaler  Weise  bedeckt  Der  Eindruck 
des  Exophthalmus  wurde  dadurch  hen-orgerufen,  dass  die  oberen 
Lider  infolge  des  Felilens  der  oberen  Orbitahänder  um  ein  Be- 
trächtliches zurückgesunken  waren.  Wenn  man  eines  der  oberen 
Augenlider  mit  grösster  Vorsicht  emporzog,  so  stiirzte  der  be- 
treffende Augapfel  sofort  vor  die  Lidspalte,  liess  sicli  aber  mit 
Leichtigkeit  wieder  reponiren.  Irgend  welches  Drängen  des  Pa- 
tienten £wd  bei  diesen  Manipulationen  nicht  statt  und  es  musste 
deshalb  eine  exspiratorische  venöse  Stauung  innerhalb  der  Orbital- 
venen ausgeschlossen  bleiben.  Möglicherweise  handelte  es  sich 
auch  hier  um  eine  venöse  Hyperaemie  innerhalb  der  Orbita,  aber 
dann  lediglich  infolge  der  Aufhebung  des  regulatorischen  lid- 
druckes. 


*)  Vergl.  Donders,  Archiv  f.  Ophtii.  XVII,  p.  95. 
»)  Vergl.  Deutsche  Klinik.    15.   1861. 

■)  S.    Correspondenzblatt   des   Allgemeinen   Mecklenburgischen 
Aerzte -Vereins  Nr.  144  vom  19.  Juli  1892.    S.  570  u.  f. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Luxatio  bulbi.  239 

^Die  schwersten^)  Formen  (der  Luxatio  bnlbi)  kommen  da- 
durch zn  Stande,  dass  Jemand  mit  dem  Auge  auf  einen  hervor- 
ragenden mehr  oder  weniger  stumpfen  Gegenstand')  ftllt  Der- 
selbe —  und  zwar  handelte  es  sich  meistens  um  den  Ring  eines 
im  Schlosse  steckenden  Schlüssels  —  drängt  sich  dann  unter  dem 
Einfluss  des  Körpergewichtes  mit  ausserordentlicher  Gewalt  zwi- 
schen Orbitah-and  und  Bulbus  hinein  und  reisst  den  letzteren 
durch  Hebelwirkung  gewöhnlich  aus  allen  seinen  Verbindungen 
vollkommen  los. 

Es  leuchtet  ein,  dass  es  einer  sehr  bedeutenden  Kraft  be- 
darf, um  derartige  Avulsionen  des  Bulbus  hervorzubringen. 
Wenn  daher  Jemand,  wie  dies  bei  Irren  beobachtet  wurde,  sich 
den  Augapfel  selber  herausreisst,  so  bringt  er  dies  wolil  nicht 
durch  blossen  Druck  zu  Stande,  sondern  kneipt  die  AdhäBionen 
zum  Theil  mit  seinen  Nägeln  ab.^') 

Von  diesen  letzteren,  seltenen  Beobachtungen  habe  ich 
in  der  gesammten  mir  zur  Verfügung  stehenden  Literatur 
im  Ganzen  nur  5  auffinden  können. 

Der  erste  wird  von  Stell  wag  berichtet*.) 

^ Ich  sah  einen  Fall,  in  welchem  sich  ein  Irrsinniger  nacli 
'fyroler  Weise  mittelst  des  in  die  Orbita  eingesenkten  Daumens  den 
rechten  Augapfel  völlig  aus  der  Orbita  herausgerissen  und  auf  die 
.  Erde  gesclileudert  hatte.  Der  Bulbus  war  wie  mit  einem  Messer 
herauspräparirt  und  aus  der  unverletzten  Bonn  et 'sehen  Capsel 
herausgezogen.  Alle  seine  Muskeki  waren  mit  iliren  Seimen  hart  an 
der  Sklera  scharf  abgetrennt  worden.  Die  Heilung  erfolgte  rascli 
auf  dem  Wege  der  Eiterung  und  Granulationsbildung. 

Der  zweite  wird  von  White  Cooper*)  angeführt. 

„Two  cases  of  genuine  dislocation  of  tlie  eyeball  liave  fallen 
under  my  own  notice.    In  one  a  young  man  in  a  fit  of  insanity 


')  Berlin  1.  c. 

*)  Alles  bis  hierher  zwischen  Anführungszeiciien  Stehende  und 
die  dazu  gehörigen  Citate  sind  mit  Ausnahme  des  Falles  Willemer 
nach  Berlin  L  c.  gegeben. 

')  Die  Ophthalmologie  vom  naturwissenschaftlichen  Standpunkte 
aus  von  Professor  Dr.  Stell  wag  von  Garion  Band  II,  Abtheilung 
II,  S.  1253. 

*)  Wounds  and  ii^juries  of  the  eye  S.  221  u.  f. 


240  E.  I>phn. 

endeavoured   to   pluck  out  \m  eye,  and  succeeded  so  &r  as  to 
drag  it  beyond  the  lids  .... 

In  eitlier  ca^e  were  the  attachement  of  the  eyeball  seriouBly 
injured  and  in  each  it  retumed  in  its  place  with  a  jerk  wlien 
the  lids  were  held  sufficiently  apart 

The  sight  was  uninjured  in  both  instances.^ 
Der  3te  und  4te  Fall  stammen  von  Ideler ^): 
Eine  48jährige  Wittwe  riss  sieli  in  einem  religiös-maniaka- 
lischen  Anfalle  beide  Augäpfel  aus  den  Höhlen.  Als  man  die 
Kranke,  die  in  einem  ländlichen  Verwahrsam  gehalten  wurde,  mit 
bluttriefendem  (Besicht  vorfand,  zerrte  sie  noch  mit  den  Fingern 
an  einzelnen  ParÜiieen  der  Augenmuskeln,  die  aus  den  ge- 
schwollenen lidspalten  heraushingen,  indem  sie  rief:  „Sind  denn 
die  Augen  noch  nicht  heraus?"  Beide  Augäpfel,  die  sie  durdi 
blosse  Manipulation  mit  den  Fingern  aus  ihren  Höhlen  heraus- 
gedreht hatte,  wurden  auf  dem  Fussboden  gefunden.  Die  so 
fiirchtbare  Verwundung  heilte  ohne  die  mindesten  cei^ebralen 
SjTuptome. 

Hieran  schliesst  sich  der  zweite  Ide  1er 'sehe  Fall: 

Ein  etwa  34  Jahre  altes  Mädchen  hatte  vor  4Jaliren  ihrem 
Brodherm  ein  Kind  geboren,  dasselbe  aber  nach  7  Tagen  wie- 
der durch  den  Tod  verloren.  Seit  dieser  Zeit  htt  die  Unglück- 
liche an  zunehmender  geistiger  Unruhe,  an  religiösen  Wahnvor- 
stellungen und  an  Verfolgungswahnsinn.  Dieser  Zustand  brachte 
sie  um  ihre  Brodstelle,  blieb  unheilbar  und  bewirkte  ihre  Auf- 
nahme in  die  städtische  Irrenverpfiegungsanstalt  zu  Berlin.  Am 
9.  October  1869  gegen  5  Ulir  Morgens  findet  die  controllirende 
Wärterin  die  Patientin  mit  blutendem  Gesichte  vor,  das  sie  mit 
den  Händen  vei-deckt  hält,  auf  dem  Boden  eine  ziemliche  Blut- 
ladie.  Herbeigerufen  sehe  ich  sie  von  mehreren  Wärterinnen 
umringt  und  festgehalten,  weil  sie  sich  die  Finger  abbeissen  will. 
Bei  der  Untersuchung  ergab  sich,  dass  die  linke  Augenhöhle  des 
Bulbus  gänzlich  beraubt  war;  aus  der  leeren  Höhle  hingen  blu- 
tige Massen  —  Augenhäute,  ZeUgewebe,  Fettpolster  —  heraus. 
Auf  dem  rechten  Auge  bestand  hochgradiger  Exophthalmus.  Offen- 
bar hatte  Patientin  auch  auf  diesem  Auge  Manipulationen  gemacht, 
um  dasselbe  aus  seiner  Höhle  herauszureissen,  war  aber  durdi 
die  Ankunft  der  Wärterin  in  ihrem  Vorhaben  unterbrochen  wor- 


*)  Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  psychisch-gericht- 
liche Medicin.     Band  XXVH. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Luxatio  bulbi.  241 

den.  Man  fand  kein  Instrument,  keine  Haarnadel  vor,  mit  der 
sie  sich  hätte  diese  grässliche  Verletzung  beibringen  können. 
Unter  strenger  Antiplilogose  heilte  die  schwere  Verwundung  inner- 
halb 14  Tagen  und  beseitigte  sidi  der  Exoplithalmus  auf  dem 
rechten  Auge.  Befragt  über  die  Vorgänge  in  ilirem  Seelenleben 
während  der  Nacht  vom  8.  zum  9.  äusserte  sie,  dass  sie  die 
Erscheinung  eines  feurigen  Mannes  gehabt,  der  ilir  zugerufen: 
gieb  mir  die  Ohren  lier,  spalte  Dir  den  Kopf.  Vorher  habe  sie 
die  Stimme  Gottes  vernommen.  Sie  sei  mit  dem  Kopfe  wieder- 
holt gegen  die  Wand  gerannt,  habe  sich  an  den  Ohren  gerissen 
und  dann  beschlossen,  sich  die  Augen  auszureissen.  Bei  den 
ersten  Versuchen  (mit  den  Rngem)  will  sie  die  heftigsten 
Schmerzen  gehabt  haben;  die  Stimme  habe  sie  aber  ennalmt, 
nicht  nachzulassen  und  der  Schmerzen  nicht  zu  achten.  Später 
^ill  sie  die  Besinnung  verloren  haben,  sodass  sie  nicht  angeben 
könne,  wie  sie  das  Auge  ganz  aus  seiner  Höhle  herausge- 
bradit  habe. 

Den  5ten  Fall  finde  ich  kurz  erwähnt  von  Gillet  de 
Grandmont*)  in  den  Berichten  der  Societe  d'ophtalino- 
logie  de  Paris,  Sdance  den  7.  October  1890.  Der  Bericht 
ist  abgedruckt  in  den  Bull,  et  Mein,  de  la  Soc.  de  Mede- 
cine  prat.  Dec.  1887  und  im  Journal  de  M^decine  de  Paris, 
27.  Nov.  1887.  Derselbe  wurde  1887  erzählt  von  Cro- 
nigneu;  die  kurze  SCttheilung  von  Gillet  de  Grand- 
mont  über  die  betreffende  Patientin  lautet: 

„De  sa  main  gauche  eile  saisit  compl^tement  le  globe  de 
Toeil,  Tairache  avec  trois  centimetre  de  neif  optique  et  le  lasse 
sous  le  lit  voisin.     Cela  n'a  durö  que  quelques  secondes." 

Ein  6  t er  Fall  wurde  in  der  Uni versitäts -Augenklinik 
zu  Rostock  beobachtet. 

Ein  15 jähriges  Mädchen,  das  von  gesunden  Eltera  stammte 
und  bis  daliin  stets  gesund  gewesen  war,  gerieth  infolge  unauf- 
geklärter Ursachen  in  maniakalische  Aufregung.  Sie  entkleidete 
sich  vollständig  und  schrie  und  tobte  stundenlang.  Man  schloss 
sie  In  ein  Zimmer  em  und  bewachte  sie  von  aussen.  Als  sie 
sich    beruhigt    hatte,    öflnete  man   der  inzwischen  von  auswärts 


»)  Recueil  d'ophthalmologie  1890,  pag.  604  —  605. 

T.  Graefe'a  Archir  für  Ophthalmologie.  XL.  2.  16 


242  E.  Dehn. 

herbei  gekommenen  Mutter  dieThfir  und  diese  fand  ihreTochter, 
das  Gesicht  und  Hände  blutüberströmt  und  mit  ausgekratzten 
Augen.  Der  Abends  gerufene  Arzt  verband  die  Augen  und  ord- 
nete die  Ueberildirung  in  die  Klinik  an^  wohin  sie  am  näelisten 
Tage,  den  12.  Mai  1891,  gebracht  wurde.  Hinsichtlich  der 
Mutter  ist  noch  zu  bemerken,  dass  dieselbe  einige  Wochen  nach 
diesem  Ei-eignisse  unmittelbar  nach  einem  sehr  heftigen  Auitritte 
von  einer  acuten  Psychose  ergriffen  wurde,  welche  ilire  Ueber- 
fUlirung  in  eine  In*enheilanstalt  nöthig  machte,  von  wo  sie  aber 
nach  wenigen  Wochen  geheilt  entlassen  wurde. 

Der  Verlauf  der  Psychose  bei  der  Tocliter  bot  nichts  Be- 
sonderes. Idi  will  nur  bemerken,  dass  die  Kranke  am  18.  Juni 
1891  vollkommen  ruhig  entlassen  wui*de  und  dass  bis  jetzt,  nach 
den  eingezogenen  Erkundigungen,  keinerlei  Geistesstörung  mehr 
aufgetreten  ist. 

Was  die  Augen  anbeüifft,  so  ergab  der  Status  praesens  am 
12.  Mai  folgendes: 

Linke  Augenlider  stark  geschwollen,  sugillirt  Zwischen  den 
Augenlidern  hervorragend,  in  der  Innern  Hälfte  der  Lidspalte, 
eine  wulstige,  blutdurchtränkte  Masse,  in  der  äusseren  Hälfte  der 
völlig  entleerte  Augapfel,  d.  h.  Homliaut  und  Sklera  mit  daran 
hängenden  Fetzen  von  Conjunctiva  und  Muskeln.  Oben  und 
auch  median wäiis  ist  der  Bulbus  in  weitem  Umfange  zerrissen; 
man  kann  in  die  obere  Oefihung  gut  die  Spitze  des  Zeigefingers 
hineinstecken.  Der  untere  Theil  der  zerrissenen  Bulbuskapsel  ist 
umgeschlagen,  so  zwar,  dass  die  innere  Flädie  der  Homliaut 
nach  vom  sieht. 

Rechtes  Auge:  Ebenfalls  starke  SchweUung  und  Sugillation 
beider  Lider.  Zwischen  denselben  nach  aussen  ein  dicker,  \iel- 
leicht  V2  ^^  langer  blutig  infiltrirter  Wulst,  nach  innen  davon 
der  collabirte  Bulbus.  In  der  Sklera  zeigen  sich  oben,  diclit 
neben  einander  und  nur  durch  eine  schmale  Brücke  getrennt, 
2  gi'osse  Oeflhungen,  durch  welche  man  eine  dünne  Bleifeder 
hindurchstecken  kann  und  aus  denen  geronnenes  Blut  hervor- 
sieht. Die  obere  Hälfte  der  Conjunctiva  ist  von  der  Cornea  ab- 
gelöst, die  untere  war  noch  im  Zusammenhang  mit  derselben. 

Beide  collabirte  Bulbi  wurden  entfernt  und  ebenso  die  er- 
wälmten  neben  den  Augäpfeln  gelegenen  blutigen  Wülste,  weldie 
sich  als  blutig  inßltrirtes,  nur  rechts  mit  etwas  Coi\junctiva  be- 
decktes orbitales  Fettbindegewebe  erwiesen.  Die  Heilung  geschalt 
unter  minimaler  Eiterung  in  etwa  14  Tagen.  Unmittelbar  nach 
der   Entfernung   der  Augäpfel    wurde   folgender   kuraer  Befund 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Luxatio  bulbi.  243 

notirt;  welchen  die  äussere  Betraditung  ergab:  Linkes  Auge: 
Zuerst  Mt  auf,  dass  in  den  vordei*en  4  I^^nfteln  des  Bulbus- 
restes  nur  Cornea  und  Sklera  existirt,  keine  Iiis,  kein  Corpus 
ciliare^  keine  Chorioidea,  keine  Retina,  keine  Spur  von  IJnse  und 
Glaskörper.  In  den  allerbintersten  Parthieen,  unmittelbar  am  Seh- 
nervxneintritt,  sieht  man  Reste  von  Chorioidea.  Aeusserlich  zeigt 
sich,  das»  sämmtliche  Muskeln  und  die  Conjunctiva  in  ihrer 
ganzen  comeo-skleralen  Cu*cumferenz  in  uni-egehnässiger  Weise 
losgelöst  sind.  Der  Augapfel  war  nur  noch  mit  dem  Sehnerven 
in  Zusammenhang  gewesen. 

Rechtes  Auge:  Die  äusserlidie  Beti*achtung  ergiebt  ausser 
den  erwähnten  Wunden  der  Sklera,  dass  der  M.  i*ectus  superior, 
derRectus  estemus  und  die  beiden  obliqui  in  langen  Fetzen  an 
der  Sklera  haften.  Die  anderen  Muskeln  und  der  Sehnerv  stehen 
nodi  mit  dem  coUabirten  Bulbus  in  Verbindung. 

Die  anatomische  Untersuchung  der  Augen  habe  idi  erst 
voi^enommen,  nachdem  dieselben  etwas  über  zwei  Jalire  in 
Müll  er 'scher  Flüssigkeit  gelegen  hatten. 

I.  Makroskopischer  Befund. 

a.  Linkes  Auge:  Der  Bulbus  ist  in  seiner  Foim  stark  ver- 
ändert, er  ist  in  die  Länge  gezogen  und  von  oben  nach  unten 
platt  gedrückt.  Seine  grösste  Länge  (Taf.  XI,  Flg.  A  ab)  be- 
trägt 4  cm,  seine  grösste  Breite  (Taf.  XI,  Fig.  A  cd)  2,4  cm. 
An  dem  Bulbus  sitzen  die  Stumpfe  der  abgerissenen  Muskeln 
(Fig.  A  und  B). 

Ihre  Längen  sind  folgende: 
Der  Stumpf  des  M.  rect  superior         =12  mm 
71         7)         n      V      V     inferior  =     5     ^ 

„         „         „      ^      „     extemus         =  16     „ 

77  77  77         77  77         mtemUS  =        9         „  , 

„  ^         „      ^    obliquus  superior  =  25     „ 

77  77  77  77  77  »^^"0^'       =     ^0         „ 

Der  Musculus  obliquus  superior  ist  gerade  an  der  Trochlea 
abgerissen.  Die  Enden  der  Stümpfe  sind,  wie  die  Zeichnung 
ergiebt,  vielfach  zerfetzt,  aber  im  AUgemeinen  geht  die  Richtung 
der  Zusammenhangstiennung  bei  allen  ziemlich  genau  senkrecht 
zum  Fasei-verlauf. 

Die  in  Fg.  A  dargestellte  Oberseite  des  linken  Augapfels 
lässt  zunächst  ein  grosses  Lodi  in  der  Sklera  erkennen.  Das- 
selbe hat  nach  allen  Richtungen  etvsi  dieselbe  Ausdehnung,  in 

16* 


244  E-  I^ehn. 

sa^ttaler  misst  es  21  mm,  in  transversaler  20  mm.  Die  Ent- 
fernung des  vorderen  Randes  von  der  Cornea  beträft  4  mm. 
Die  linder  sind  zum  grössten  llieil  nach  aussen  umgesdilagen 
und  zerfetzt  Durch  diese  Oeffnung  sielit  man  in  das  Innere 
des  Bulbus  hinein,  man  sieht  die  Innenfläche  der  umgeschlagenen 
Hornhaut  als  eine  flache  Grabe,  sowie  den  vorderen  Tlieil  der 
unteren  Skleralhälfte. 

An  der  medialen  Seite  der  Sklera  ist  ebenfalls  eine  grosse 
Zusammenhangstrennung  der  Sklera,  welche  in  der  Zeichnung 
durch  eine  Nadel  deutlicher  gekennzeichnet  ist  Sie  ist  von  der 
oberen  durch  eine  schmale  Brücke  Skleralgewebes  getrennt  und 
misst  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  12  mm,  in  seit- 
licher Richtung  9  mm. 

Von  Iris,  Linse,  Glaskörper,  Chorioidea  und  Retina  sind  in 
dem  offen  daliegenden  Abschnitte  des  Bulbus  nidits  zu  entdecken. 
Nur  ganz  hinten,  unmittelbar  am  Eintiitte  des  Sehnerven,  liegt 
ein  etwa  erbsengrosses  dunkles  Klümpclien,  welches  zumeist  aus 
geronnenem  Blute  besteht,  aber  auch  einige  Trümmer  von  Cho- 
lioidea  und  vielleicht  auch  der  Retina  enthält 

b.  Rechtes  Auge:  Dasselbe  ist  auch  stark  in  seiner  Form 
verändert  und  zwar  ebenfalls  beträchtlich  verlängert,  wälirend  es 
zugleich  abgeflacht  ist.  Die  grösste  Länge  vom  oberen  Coraeal- 
rande  bis  zur  Eintrittsstelle  des  Sehnenen  beträgt  41  und  die 
grösste  Breite  21  mm  (Hg.  C  ab  und  ef). 

Die  Stümpfe  der  abgerissenen  Muskeln  haben  folgende  Längen: 

Der  Muse  rect  sup.     =22  mm 

„         „         „      ext     =     6     „ 

„         „      obliq.  sup.  =  21      „ 

n  V  71        ^^'     =      ^      fl 

An  der  oberen  Seite  des  Bulbus  flnden  sich  im  vorderen 
Abschnitte  der  Sklera  zwei  Zusammenhangstrennungen,  aus  w^el- 
chen  eine  dunkle  Masse  (Blutgerinnsel)  hen^orsieht,  welche  das 
ganze  Innere  des  Auges  erfiillt.  Die  raedianwärts  gelegene  dieser 
Zusamraenhangstrennungen  hat  in  sagittaler  Richtung  eine  Aus- 
dehnung von  5  mm,  eine  Breite  von  3  mm,  die  grössere,  tem- 
poralwärts  gelegene  ist  7  mm  lang  und  ebenfalls  3  mm  breit 
(Fig.  C}.  Ihre  vorderen  Ränder  sind  je  11  und  12  mm  vom 
Coraealrande  entfernt 

IL    Mikroskopischer  Befund. 
Zum  Zwecke  der  mikroskopischen  Untersuchung  wurden  in 
transversaler  Richtung  mittelst  des  Mikrotoms  Serienschnitte  durch 


Ein  Beitrag  zur  KenntnisB  der  Luxatio  bulbi.  245 

beide  Bulbi  und  durch  das  Sehnerveneude  des  rechten  Auges  ge- 
legt. Ausserdem  wurden  zalilreiche  Schnitte,  meist  in  longitudi- 
naler  Richtung,  durch  die  Muskelstümpfe  gelUlirt.  Die  f^bung 
geschah  mittelst  Hämatoxylin. 

Als  Paradigma  itir  die  innerhalb  der  Stümpfe  der  abgerissenen 
Muskeln  *  betrachteten  Veränderungen,  gebe  ich  [den  Befiind  im 
Musculus  rectus  superior:  Am  Wundi'ande  haben  die  Muskel- 
bündel zum  Tlieil  einen  gesclüängelten  Verlauf;  sie  sind  an 
mandien  Stellen  entzündlich  verdickt  und  durch  zalilreiche  kleine 
Blutergüsse  aus  ilirer  Richtung  gedi-ängt.  An  einzelnen  Stellen 
sind  sie  deutlich  eingerissen.  An  einer  derartigen  Stelle  sieht 
man  einen,  den  Muskel  senkrecht  zur  Faserrichtung  in  beü-ächt- 
licher  Ausdehnung  durchsetzenden  Riss.  Am  Eingangsende  des 
Risses  besteht  starke  Infiltration  und  Verzerrung,  sowohl  der 
IMmitivbündel  als  des  Bindegewebes;  auch  liegen  Fragmente  von 
Beiden  im  Risskanal  frei  da.  In  dem  peripher  von  dem  Risse 
gelegenen  Tlieil  des  Muskels  sind  die  Gefasse  völlig  coUabhi,  in 
dem  centi*al  gelegenen  sind  sie  bluthaltig  und  zum  Tlieil  erweitert. 
Das  Muskelgewebe  selbst  ist  hier,  wie  gesagt,  von  zahlreiclien 
Blutungen  durchsetzt. 

Die  transversalen  Schnitte  durch  den  rechten  Bulbus  lassen 
in  der  Sklera  einzelne  kleine  heerdibrmige  Blutungen  erkennen 
und  zwar  namentHch  in  den  inneren  Lagen.  In  der  Nälie  der 
Blutungen  zeigt  sich  diffuse,  aber  massige  Infiltration  mit  Leuko- 
cyten.  Die  Chorioidea  ist  in  toto  nachweisbai*.  Sie  ist  gefaltet 
und  stark  verdickt,  was  dadurch  henorgebraclit  ist,  dass  ihr  Ge- 
webe mit  Blutungen  durchsetzt  und  die  Getässe  stark  mit  Blut 
gefiillt  sind.  Zwischen  Chorioidea  und  Sklera  massige  Blutungen, 
(ilaskörper  ist  nicht  aufzufinden,  seine  Stelle  ist  von  einem  grossen 
Bluterguss  eingenommen.  Von  Retinalgewebe  konnten  in  den  in 
der  Aequatorialgegend  ausgefüllten  Serienschnitten  (etwa  20  an 
der  Zahl)  nur  Spuren  nachgewiesen  werden  und  zwar  Reste  der 
KöiTierscliichten.  Der  hintere  Abschnitt  des  Bulbus  wurde  zwecks 
Schonung  des  Präparates  zur  makroskopischen  Demonstration  un- 
untei-sucht  gelassen. 

Die  durch  den  linken  Augapfel  gelegten  Schnitte  betrafen 
nur  den  hintersten  Absclinitt  derselben.  Sie  bieten  ein  ganz 
älinliches  Bild  wie  rechts,  sowohl  in  Bezug  auf  die  Faltung  der 
Chorioidea,  als  hinsichtlich  der  Blutungen  in  das  Chorioidea-Gewebe, 
den  Schwalbe 'sehen  Raum  und  den  Glaskörpern.  Netzhaut- 
gewebe wurde  in  diesen  Schnitten  nidit  nacligewiesen. 


246  E.  Dehn. 

Die  dui-ch  den  S^nervenstompf  gelegten  Sdinitte  «wiesen 
Folgendes: 

Die  Dui-alscheide  zeigt  eine  Menge  mit  Blut  erftHlter  Ge- 
fasse.  In  den  kleinen  Venen  besteht  Randstellung  und  Aus- 
wanderung von  Leukocyten.  Die  Bindegewebsbündel  sind  an 
einzelnen  Stellen  auseinandergedrängt  durch  den  Austritt  rother 
Blutkörperchen  und  durch  weisse  Blutkörperchen.  Mitunter  er- 
kennt man  auch  heerdförmige  Anliäu^g  von  Blutkörperchen, 
besonders  um  grössere  Arterien  herum.  Ebendaselbst  sind  die 
Leukocyten  polynucleär  oder  gelapptkömig. 

Die  Piaischeide  zeigt  unmittelbar  nach  Innen,  an  ihrer 
peripheren  Grenze,  dieselben  Veränderungen  wie  die  Duralscheide, 
Blutung  und  entzündliche  Infiltration.  Der  subdurale  und  aradmeo- 
ideale  Raum  sind  sehr  eng  und  frei  von  patiiologischer  Verände- 
rung. Die  peripheren  Schichten  des  Sehnerven  selbst  zeigen 
stärkere  Lenkocytenansammlungen,  grosse  mehrkömige  pigmenürte 
Zellen  und  daneben  auch  einzelne,  niclit  deutlich  pigmentirte 
Riesenzellen.  An  den  mehr  oder  weniger  quer  getroffenen  Nerven- 
btlndeln  fällt  stellenweise  eine  Vergrösserung  und  Chromatinreich- 
tlium  der  Kerne  auf.  Die  Bindegewebsbündel  des  Neurilems 
sind  an  einzelnen  Stellen  aufgefasert  und  bei  Hämatoxylin- 
fUrbung  verwaBclien  hellblau  (Oedem).  An  einzelnen  Stellen  sind 
die  Gefäase  stai'k  geföllt,  zu  iliren  Seiten  liegen  ausgetretene 
Leukocyten,  welche  oft  die  Bindegewebsfasern  infiltrii'en,  stellen- 
weise aber  auch  heerdfbrmig  aufb'eten. 

Die  beschriebenen  anatomischen  Befunde  an  den 
luxirten  Bulbis  gaben  uns  unzweideutige  Aufklärung  über 
die  Mechanik,  welche  die  unglückliche  Patientin  bei  der 
versuchten  Herausreissung  ihrer  Augen  angewandt  hat. 
Ver>'ollständigt  wird  das  Bild  noch  durch  die  Mittheilun- 
gen, welche  sie  selbst  nach  Ablauf  der  Psychose  über  die 
von  ihr  angestellten  Manipulationen  machte.  Nach  diesen 
will  sie  zuerst  die  Zeigefinger  je  von  Aussen  hinter  die 
Augen  hineingebracht  und  dann  versucht  haben,  dieselben 
herauszureissen.  Wie  sie  gefühlt  habe,  dass  es  blutet,  habe 
sie  die  Finger  immer  tiefer  in  die  Augenhöhle  hineinge- 
zwängt. Auf  Weiteres  wusste  sie  sich  nicht  zu  besinnen, 
da  sie  schUesslich  ohnmächtig  geworden  sei. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Luxatio  bulbi.  247 

Da  keinerlei  Werkzeuge  bei  dem  Mädchen  gefunden 
wurden,  mit  welchen  sie  sich  die  fraglichen  Verwundungen 
hätte  beibringen  können,  so  müssen  wir  annehmen,  dass 
sie  dieselben  lediglich  mit  ihren  Fingern  ausgeführt  hat. 
Die  grossen  Löcher  in  der  Sclera  beider  Augen  sind  wohl 
sicher  mittelst  der  Fingernägel  zu  Stande  gebracht  worden. 
Auch  die  Muskeln,  wenigstens  alle  diejenigen,  bei  welchen 
die  Zusammenhangstrennung  deutlich  senkrecht  zur  Längs- 
richtung verlief,  sind  zweifelsohne  mit  den  Fingernägeln 
durchgekneipt  worden.  Die  zahlreichen  kleinen  Blutungen 
und  die  Zeichen  reactiver  Entzündung  an  den  Enden  der 
Muskelstümpfe  beweisen,  dass  der  völligen  Abtrennung 
wiederholte  Abkneip-Versuche  vorausgegangen  sind,  nament- 
hch  aber  spricht  hierfür  der  ausgedehnte  senkrechte  Riss, 
welchen  der  rechte  Musculus  rectus  superior  aufweist,  mit 
den  Blutungen  in  dem  centralwärts  angrenzenden  Muskel- 
abschnitt 

Die  Entleerung  des  Unken  Augapfels  bis  zum  völligen 
Fehlen  der  Lis,  Linse,  Glaskörper,  Retina  und  Chorioidea 
—  letzterer  bis  auf  wenig  Reste  im  hintersten  Bulbusab- 
schnitte  —  ist  auch  wohl  nicht  anders  zu  erklären  als 
durch  Kratzen  mittelst  der  Pingemägel.  Rechts  war  die 
Zerstörung  nicht  so  weit  gediehen,  aber  die  Mechanik  wird 
hier  dieselbe  gewesen  sein. 

Diejenigen  Muskeln,  von  welchen  sehr  lange  Stümpfe 
am  Bulbus  zurückgeblieben  sind  und  deren  TrennungsUnio 
nicht  ausgesprochen  senkrecht  zur  Längsrichtung  verliefen,  hat 
die  Kranke  wohl,  nach  vorgeschrittener  Lockerung  derselben, 
mittelst  des  unter  sie  geschobenen  Zeigefingers  abgerissen. 

Was  sie  für  Manipulationen  angestellt  hat,  um  die 
nicht  zu  Stande  gekommene  Zusammenhangstrennung  des 
Sehnerven  zu  bewerkstelligen,  geht  aus  der  anatomischen 
Untersuchung  nicht  hervor.  Dass  solche  stattgefiindeu 
haben,  beweisen  die  vorgefundenen  pathologisch -anatomi- 
schen Veränderungen 


248  E.  Dehn. 

Möglicherweise  sind  die  Blutungen  innerhalb  der  Seh- 
nen'enscheiden  auch  auf  directen  Druck  mittelst  der  Fin- 
gernägel zurückzuführen.  Es  ist  aber  nicht  ausgeschlossen, 
dass  dieselben  durch  Zerrung  des  Nerven  in  Folge  hebei- 
förmiger Wirkung  des  eingedrungenen  Zeigefingers  oder 
in  Folge  starken  Zuges  an  dem  mit  mehreren  Fingern  ge- 
packten Bulbus  entstanden  sind.  Jedenfalls  beweisen  sie, 
dass  eine  starke  mechanische  Gewalt  auf  den  Nerven  ein- 
gewirkt hat.  Dafür  sprechen  auch  die  entzündUchen  Ver- 
änderungen der  Scheiden  und  in  dem  Gewebe  des  Nerven 
selbst.  Zur  Entwickelung  einer  solchen  entzündlichen  Ee- 
action  war  ja  Zeit  genügend  vorhanden  gewesen,  da  die 
operative  Entfernung  der  maltraitirten  Bulbi  erst  18  Stun- 
den nach  Constatirung  der  Verletzungen  stattfand. 

Unser  Fall  spricht  durch  seinen  anatomischen  Befund 
für  die  Bichtigkeit  der  angeführten  Ansicht  von  Berlin, 
(1.  c.)  dass  es  einer  sehr  bedeutendenden  Kraft  bedarf,  um 
Avulsionen  des  Auges  zu  bewerkstelligen,  und  dass  Irren, 
welche  sich  die  Augen  selbst  herausreissen,  dies  wohl  nicht 
durch  blossen  Druck  (und  Zerrung  Ver£)  zu  Stande  brin- 
gen, sondern  die  Adhaesionen  zum  Theil  mit  den  Fingern 
abkneipen.  Auch  die  Stellwag'sche  Beobachtung  (1.  c.) 
lässt  diese  Deutung  zu. 

Neuerdings  hat  von  Wecker^)  die  Schwierigkeit  der 
Avulsion  eines  Augapfels  experimentell  an  Leichen  darge- 
than  und  ist  sogar  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  dass  es 
unmöghch  sei,  den  unverletzten  Sehnerv  mit  den  Händen 
al)zureissen. 

Demgegenüber  berief  sich  Gillet  de  Grandmont*) 
auf  dem  oben  citirten  Fall,  in  welchem  sich  eine  Tob- 
süchtige in  wenigen  Secunden  einen  Augapfel  herausge- 
rissen hatte.     An  demselben  hafteten   8  cm  Sehnerv,  also 


*)  Recueil  d'ophth.  1890,  pag.  601  u.  f. 
«)  1.  c. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Luxatio  bulbi.  249 

der  ganze  orbitale  Theil  desselben.  Leider  liegt  keine  ge- 
naue anatomische  Untersuchung  des  Präparates  vor.  Viel- 
leicht wäre  dieselbe  geeignet  gewesen,  die  Controverse 
zwischen  von  Wecker  und  Gillet  de  Grandmont  im 
Sinne  des  Ersteren  zu  entscheiden. 

Zum  Schlüsse  spreche  ich  Herrn  Professor  Berlin 
fiir  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und  dem  derzeitigen 
ersten  Assistenten  an  der  Rostocker  Universitäts-Augen- 
klinik Herrn  Dr.  Krückmann  für  die  Unterstützung 
bei  der  anatomischen  Untersuchung  meinen  wärmsten 
Dank  aus. 


lieber  ein  Papillom  der  Conjimctiva 
mit  ausgedehnter  Bildung  von  Becherzellen. 

Von 

Professor  Dr.  A.  Wagenmann 
in  Jena. 

Hierzu  Tafel  XII,  Fig.  1-2. 


Erst  in  neuerer  Zeit  hat  man  den  an  der  Conjunctiva 
vorkommenden  polypenartigen  Neubildungen  nähere  Auf- 
merksamkeit geschenkt  und  sie  nach  pathologisch-anatomi- 
schen Gesichtspunkten  zu  classificiren  gesucht  Wie 
Elschnig^)  hervorhebt,  sind  echte  Polypen  der  Bindehaut, 
d.  h.  „gestielt  vorragende  hyperplastische  Wucherungen 
einer  strfeng  umschriebenen  Stelle  der  Schleimhaut  durch 
ihre  ganze  Dicke  hindurch,  also  sämmtiicher  Schleimhaut- 
bestandtheile"  bisher  noch  gar  nicht  durch  genauere  Unter- 
suchung nachgewiesen  worden.  Das,  was  uns  Idinisch  als 
polypenartige  Neubildungen  der  Schleimhaut  entgegentritt, 
kann  einen  ganz  verschiedenen  histologischen  Charakter 
haben.  Wir  wissen  jetzt,  dass,  abgesehen  von  den  z.  B. 
nach  Traumen  aus  Granulationsgewebe  entstandenen  Wuche- 
rungen, weiche  und  harte  tuberöse  Fibrome,  Papillome, 
Adenome  und  auch  Sarcome  im  ersten  Stadium  in  Polypen- 
form sich  entwickeln  können*). 

')  lieber  die  polypenähnlichen  Geschwülste  der  Bindehaut.  Arch. 
für  Augenheilkunde  XIX,  1889,  p.  63. 

')  Vergleiche   folgende   Arbeiten,    in   denen   auch   die   nfthere 


Ueber  ein  Papillom  der  Conjunctiva  etc.  251 

Ich  möchte  nun  im  Folgenden  die  kurze  Beschreibung 
eines  derartigen  als  gestielter  Polyp  klinisch  in  Erscheinung 
getretenen  Conjunctivaltumors  mittheilen,  der  pathologisch- 
anatomisch den  gestielten  Papillomen  zuzuzählen  ist  und 
der  wegen  einiger  histologischer  Besonderheiten  einiges  In- 
teresse erregen  dürfte. 

Der  Tumor  stammt  von  einem  50jährigen  Manne,  der  sidi 
am  29.  März  1892  in  der  Heidelberger  Uni versitäts- Augenklinik 
vorstellte,  da  er  erst  seit  wenigen  Monaten  die  rasch  wachsende 
Geschwulst  bemerkt  hatte.  Klinisch  stellte  sich  die  Neubildung 
dar  als  ein  mit  einem  dünnen  Stiel  iroplantirter  Schleimhautpolyp, 
der  von  der  Mitte  der  rechten  unteren  üebergangsfalte  ausgegangen 
war,  und  der  die  Grösse  und  Form  einer  kleinen  Bohne  besass. 

Bei  der  gewöhnlichen  Blickrichtung  der  Augen  war  der 
Tumor  von  dem  unteren  Lid  bedeckt  und  machte  sich  nur 
durch  eine  geringe  Prominenz  desselben  bemerkbai*.  Beim  Blick 
nach  oben  und  bei  schnelleren  Augenbewegungen  trat  er  spontan 
zu  Tage  und  ectropionirte  das  untere  Lid.  Er  besass  eine  stai'k 
i-ödiliche  f^bung  und  scliien  recht  gefassreich  zu  sein.  An  seiner 
glatten  Obei-fläche  erkannte  man  besonders  schön  bei  Loupen- 
beti-achtung  tiberall  in  regelmässigen  Abständen  kleine  rotlie  Pünkt- 
chen, von  denen  jedes  von  einem  gi-auröthliehen  Hof  umgeben 
war,  sodass  die  Oberfläche  dadurch  in  regelmässige  Felder  ge- 
theilt  erscliien.  Der  kurze  Schleimliautstiel  enthielt  eine  Anzalil 
grösserer  GefUsschen,  die  sich  von  unten  her  in  die  Geschwulst 
einsenkten.  Die  Conjunctiva  des  Auges  war  etwas  injicirt  und 
secemirte  ziemlich  reiclilich. 

In  Vei-tretung  meines  damaligen  Chefe,  HeiTn  Professor 
Leber,  entfernte  ich  die  Geschwulst,  indem  ich  den  Stiel  mit 
einer  Arterienpincette  abklemmte,  mit  einem  Doppelfaden  unter- 
halb der  Pincette  durchstach,  nach  beiden  Seiten  unterband  und 

Literatur  zu  finden  ist.  Parisotti:  Contribution  h  T^tude  des 
tunieurs  benignes  de  la  conjunctive.  Recueil  d'Ophth.  1884,  p.  575. 
El  sehnig:  lieber  die  polypenfihnlichen  Geschwülste  der  Bindehaut. 
Archiv  für  Augenheilk.  XIX,  1889,  p.  63.  S.  Fuchs:  Ueber  das 
Papillom  der  Coiyunctiva.  Archiv  für  Augenheilkunde  Bd.  XX,  1889, 
p.  416.  —  Schirm  er:  Ueber  Adenome  der  Karunkelgegend  nebst 
einem  neuen  Fall.  v.  Graefe's  Archiv  f.  Ophth.  XXXVH.  1.  p.  216. 
Rumschewitsch:  Zur  Onkologie  der  Conjunctiva.  Klin.  Monats- 
blatter für  Augenheilkunde  1891,  p.  260  ff. 


252  A.  Wagenmann. 

dann  oberlialb  der  Ligatur  durchschnitt.  Die  kleine  Wunde 
heilte  glatt,  nachdem  die  Fäden  nach  zwei  Tagen  entfernt  worden 
waren.  Der  Mann  stellte  sich  innerhalb  der  nächsten  Monate 
mehlfach  vor,  olme  daßs  ein  Recidiv  beobachtet  -  wurde. 

Der  mü'  von  Herrn  Professor  Leber  zur  Untersuchung 
freundlichst  tiberlassene  Tumor  wurde  in  Müller'scher  Flüssigkeit 
gehärtet,  in  Alkohol  nachgeliäi-tet,  in  Celloidin  eingebettet  und 
parallel  zum  Verlauf  und  Eintritt  des  Stiels  geschnitten.  Bei  der 
Nachhärtung  in  Alkohol  veränderte  sidi  die  bis  daliin  glatte  Ober- 
fläche der  Geschwulst  derart,  dass  die  Peripherie  der  kleinen  oben 
erwälinten  Felder  sicli  etwas  zurückzog,  wodurch  der  Tumor  ganz 
das  Aussehen  einer  Himbeere  erhielt. 

Bei  der  mikroskopischen  Untei-suchung  erkennt  man,  dass 
der  Tumor  aus  den  Vei-ästelungen  der  durch  den  Stiel  in  ilm 
eintretenden  Geilisse  aufgebaut  ist,  indem  je  ein  oder  mehrere  bis 
etwa  vier  dicht  zusammenliegende  Gefassstämmchen  von  einem 
dicken  Mantel  von  Epithelzellen  umgeben  sind.  Die  sich  ver- 
zweigenden Gefässe  geben  gewissennassen  nur  das  Geiüst  der 
Geschwulst  ab,  an  das  sich  die  die  Hauptmasse  der  Gesdiwulst 
bildenden  Zellmäntel  anlehnen.  Verfolgt  man  den  Stiel  des  Tumors 
nach  innen  zu,  so  erkennt  man,  dass  seine  Gefösse  sich  sdinell 
in  kleine  Stämmchen  auflösen,  dass  das  dieselben  einhüllende 
Bindegewebe  rasch  abnimmt  und  die  im  l'Himor  befindlichen  Ge- 
fösse  nur  in  äusseret  spärlidier  Menge  begleitet,  und  dass  die 
kleinen  Aestchen  sich  schnell  mit  einem  dicken  Zellmantel  um- 
geben haben.  Die  in  der  Geschwidst  sich  veraweigenden  Ge- 
fässe haben  vorzugsweise,  aber  keineswegs  aussdüiesslidi,  eine 
radiäre  Uiditung;  vielfadi  kann  man  constatiren,  dass  sie  in  der 
(4e*sdiwulst  nadi  den  verschiedensten  Richtungen  hin  seitliche 
Aeste  abgeben.  Dadurch  trifft  man  in  jedem  Sdmitte  quer-, 
längs-  und  schi-äggetroffene  Gefässe  an. 

Das  den  Stiel  überkleidende  Conjunctivalepithel  nimmt  nach 
der  Geschwulst  an  Mächtigkeit  rasch  zu  und  geht  direct  in  das 
Epithel  der  periphersten  Sti-änge  über.  Die  an  der  Oberfläche 
liegenden  Zellen  werden  et^-as  grösser  und  besitzen  ebenso  wie 
die  Deckzellen  der  Gesdiwulst  die  Gestalt  von  kui'zen,  breiten 
Cylinderzellen. 

Da  die  er^älinte  Beziehung  der  Epitlielzellen  zu  den  Ge- 
fässen  besteht,  scheint  die  Geschwulst  auf  dem  Durdisdmitt  aus 
lauter  Läppchen  zu  bestehen  (1\  XH,  Fig.  1).  Ilir  Aussehen  er- 
innert lebhaft  an  daa  gewisser  Angiosarcome.  Beaditensweith 
ist  femer,  dass  die  Läppchen  vielfach  ein  ftii*  sich  abgeschlossenes 


lieber  ein  Papillom  der  Conjunctiva  etc.  253 

Ganzes  bilden  und  nicht  confluiren,  sondern  nur  sich  innig  be- 
rühren und  sich  isoliren  lassen.  Icli  komme  darauf  später  noch  zurück. 

Die  einzelnen  Theile  der  Geschwulst  bieten  nun  nodi  weitere 
zum  Theil  auffallende  Besonderheiten  dar. 

Zunächst  zeichnete  sich  die  innen  gelegene  Parthie  der 
Stränge,  also  die  Gefässsdiicht,  durch  mannigfache  Verschieden- 
heiten und  Complicationen  mit  secundären  Veränderungen  aus. 
In  einer  Reihe  von  Läppchen  findet  sich  in  der  Mitte  nur  ein 
einziges  Geföss,  oft  mit  relativ  beü-ächtlichem  Lumen,  dessen 
Wand  aus  einem  einfachen  Endotlielrohr  besteht,  das  den  Epithel- 
zellen unmittelbar  aufliegt.  Andere  Aestchen  besitzen  zwischen 
Endothel  und  Zellenmantel  eine  zai*te,  aus  fibrillärem  Binde- 
gewebe bestehende  Wand.  In  vielen  Läppchen  sind  die  Gefässe 
von  etw^as  reichhcheren  Bindegewebszügen  umgeben;  gewöhnlich 
liegen  dann  auch  mehrere  Stämmdien  in  der  Mitte  eines  Strangs, 
ohne  dass  man  aber  etwa  Unterscheidungen  in  Arterien  und 
Venen  machen  könnte.  Von  glatten  Muskelfasern  ist  an  keinem 
einzigen  Geföss  der  Geschwulst  etwas  zu  erkennen  (T.  XII, 
Fig.  2). 

Das  die  Gefässe  umgebende  Bindegewebe  ist  äusserst  ai-ni 
an  Zellen,  fein  fibrillär,  vielfach  von  homogenem,  hyalinem  Aus- 
sehen. Ab  imd  zu  kommen  einzelne  Lymphzellen  darin  vor.  Die 
äusserst  zarten  Fibrillen  sind  \ielfach  zu  den  Gefässen  concen- 
trisch  verlaufend,  so  dass  man  nicht  weiss,  wie  weit  sie  zur  Ge- 
fasswand  selbst  gehören.  An  anderen  Stellen  zweifelt  man,  ob 
man  nicht  nur  Degenerationsvorgänge  der  Gefässwand  durch 
Wuclierung  der  Endothelien  mit  fibrillärer  und  hyaliner  Ent- 
artung vor  sich  hat,  zumal  dort,  wo  thatsädilich  derartige  En- 
dothelwucherungen  vorkommen.  Vielfach  wird  man  ganz  an  die 
A'eränderungen  erinnert,  die  in  Angiosarcomen  vorkommen  und 
mehrfach  beschrieben  sind. 

Wie  eben  erwähnt,  finden  sich  an  einer  Reilie  von  Ge- 
fässen deutliche  I^roliferationsvorgänge  der  Wand  und  alle  mög- 
lichen Stadien  und  üebergänge  bis  zur  vollständigen  Obliteration 
der  Lumina.  Zuweilen  erkennt  man  in  den  Verdickungen  noch 
Reste  von  Endothelien.  Ist  das  Gefäss  vollkommen  obliterirt,  so 
ist  das  Centrum  der  Läppchen  m  eme  feinfibiilläre  oder  homogen- 
hyaline  Masse  umgewandelt,  an  der  man  hier  und  da  weiter 
einen  feinköi-nigen  Zerfall  waluiiehmen  kann.  Offenbar  hängen 
diese  Verändeiningen  mit  dem  Alter  der  Gefässe  zusammen,  wes- 
halb man  sie  auch  nur  in  der  Mitte  der  Geschwulst,  in  den 
ältesten  Partliien  antrifft. 


254  -A..  Wagenmann. 

Der  die  Geßlsse  umkleidende,  meist  recht  dicke  ZeUen- 
maatel  besteht  aus  EpiÜielzellen,  die  eine  radiäre  Anordnung  er- 
kennen lassen.  Die  innerste  an  die  Gefässschicht  stossende  Zellen- 
lage wird  durchweg  von  schmalen,  nicht  sehr  hohen  Cylinder- 
zellen  mit  länglichen  ovoiden  Kernen  gebildet  Da  die  Zellen 
eine  geringe  Breite  besitzen,  liegen  die  Kerne  dicht  zusammen. 
Die  daran  stossenden  Sdiiditen  bestehen  aus  grösseren,  poly- 
morphen, meist  kugeligen  Zellen  mit  mndliclien  Kernen  und 
grösserem  Protoplasmaleib,  so  dass  die  Kerne  hier  weiter  aus- 
einander gerückt  sind  (T.  XII,  Fig.  2).  Ihre  f^bbarkeit  nimmt 
nach  aussen  zu  ab;  während  die  unmittelbar  an  die  Gefliase 
stossenden  Kerne  sich  intensiv  und  gleichmässig  färben,  werden 
sie  nach  der  Peripherie  zu  immer  blasser  und  besitzen  nur  ein 
sich  intensiver  färbendes  Netzwerk  im  Innern.  Dort,  wo  die 
Stränge  ein  in  sidi  abgeschlossenes  Ganzes  bilden  und  gewisser- 
maassen  begrenzte  Epithelzapfen  darstellen,  die  sich  mit  den  be- 
nachbarten nur  innig  berühren,  nimmt  die  äusserste  Zellenschicht 
das  Aussehen  von  Deckzellen  an,  die  einen  regelmässigen  Ueber- 
zug  des  Mantels  bilden.  Diese  Zellen  besitzen  die  (i estalt  von 
kurzen  Cylinderzellen,  in  denen  die  Kerne  stets  auf  der  inneren 
Seite  der  Zelle  hegen.  Dieselben  Zellen  finden  sich  auch  überall 
dort,  wo  die  Stränge  die  freie  Oberfläche  der  Geschwulst  er- 
reichen. In  grosser  Ausdehnung  sind  nun  diese  Deckzellen  in 
Becherzellen  umgewandelt  Die  einzelne  Zelle  ist,  wie  bei  der 
gewöhnüchen  Umwandlung  in  Becherzellen  stets  zu  sehen  ist, 
bedeutend  vergrössei^t,  vor  aUem  in  der  Höhenausdehnung;  der 
KeiTi  nimmt,  meist  vollkommen  plattgediilckt,  die  tiefste  Stelle 
der  Zelle  ein;  der  Inltalt  hat  ein  hyahn-glasiges  Aussehen.  Doch 
erkennt  man  meist  ein  feines  Netzwerk  in  dem  Zellenleib  (T.  XII, 
Flg.  2;. 

Fäi'bt  man  mit  Carmin  oder  mit  ganz  schwacher  Häina- 
toxylinlösung,  so  behält  der  Inhalt  das  hyahne  Aussehen  und 
bleibt  ungefärbt,  während  der  an  die  Wand  gediilckte  Kern  ge- 
färbt ist.  flü-bt  man  in  gewöhnlicher  Hämatoxyhnlösung,  so 
wü'd  der  Inhalt  ebenfalls  stai'k  blau  gefärbt  und  lässt  sich  nur 
schwer  von  dem  meist  etwas  intensiver  gefäi-bten  Kei-n  abgrenzen. 
Eosin  färbt  den  Zelleninhalt  nicht  Dagegen  bekommt  man  sehr 
schöne  Rotli-  oder  Violettfäi'bung  der  Zelle  l>ei  Fäibung  mit 
lliionin,  wälirend  die  Keme  sich  blau  färben.  Auch  mit  Fuchsin 
nimmt  der  Inhalt  intensive  Rotfafärbung  an. 

Da  die  oberste  Ijige  der  Deckzellen  auf  grosse  Strecken 
durchweg  in  Beeherzellen   umgewandelt  ist,  hat  die  Gesdiwulst 


lieber  ein  Papillom  der  Conjunctiva  etc.  255 

ein  höchst  eigenthümliches  Aufisehen  bekommeiL  Die  einzelnen 
Epidieistränge  sind  häufig  vollkommen  von  einer  auf  dem  Durch- 
schnitt bandförmigen  Lage  reihenförmig  gestellter  Becherzellen 
überzogen  (Taf.  XII,  Rg.  1).  Und  dort,  wo  sich  die  Ge- 
schwnlstläppchen  isolirt  haben  und  mit  den  benachbarten  nur  be- 
rfihren,  stossen  die  äusseren  Oberflächen  zweier  benachbarter 
ßecherzellenbeläge  direct  zusammen.  Besonders  in  den  mit 
Eosin-Hämatoxylin  in  der  gewöhnlichen  Weise  geflu*bten  Prä- 
paraten ist  das  Aussehen  der  Geschwulst  höchst  merkwürdig,  da 
die  blau  gefärbten  Bänder  dieselbe  in  einzelne  Felder  theilen 
(T.  XII,  Rg.  1).  An  einzelnen  Theilen  des  Tumors  ist  der  Saum 
der  Becherzellen  unterbrochen,  da  nur  einzelne  Zellen  umge- 
wandelt sind.  Man  trifft  aber  die  Züge  von  Becherzellen  überall 
in  der  Geschwulst  an,  auch  in  den  tiefsten  Parthien. 

Wie  schon  erwähnt,  bilden  die  einzehien  Zellenstränge  viel- 
fach flir  sich  abgeschlossene  Gebilde,  die  sich  mit  den  benach- 
barten nur  innig  berühren,  besondere  in  dem  peripheren  Theile 
des  Tumore.  Dadurch  bestellen  zwischen  ihnen  feine  Gänge,  die 
mehrfach  durch  die  Härtung  etwas  breiter  geworden  sind  als  sie 
wohl  im  Leben  waren.  Die  Gänge  münden  an  der  Oberfläche 
frei  nach  aussen.  Ab  und  zu  erkennt  man  darin  etwas  Blut^ 
das  wahrecheinlidi  eret  bei  der  Operation  eingechiingen  ist.  Ueberall 
dort,  wo  der  Becherzellenbelag  zu  finden  ist,  kommen  schmale 
structurlose  Fäden  vor,  die  sich  mit  Hämatoxylin  blau  färben 
und  als  Schlehnfäden  anzusehen  sind.  In  den  tieferen  Sdiichten 
sieht  man  breitere  Schleimschicliten  auftreten  und  vollends  in  den 
innereten  Paiüiien  kommen  breite  Züge  von  SchleimflUlen,  die 
stellenweise  auch  mit  massenhaften  rotlien  Blutkörperchen  und 
einzelnen  LymphzeUen  untermisdit  sind,  vor.  Auch  trifll  man 
hier  ab  und  zu  kleine  Hohhräume  an,  die  mit  hyalinen  Tropfen 
und  Detritus  erfüllt  sind. 

Die  Schleimbildung  muss  bei  diesem  massenhafTen  Vor- 
kommen von  Becherzellen  eine  reichliche  gewesen  sein.  Die 
Schleimmassen  werden  vennuthlich  zum  grossen  Tlieil  durch  die 
vielen  zwischen  den  Läppchen  gelegenen  und  an  der  Oberflädie 
mündenden  Gänge  nach  aussen  befördert  sein. 

In  dem  Epitliel  des  Bindehautstiels,  das,  wie  erwähnt,  nadi 
dem  Tumor  zu  verdickt  ist,  kommen  ebenfalls  zahlreiche  Becher- 
zellen in  den  oberflächlichsten  Schichten  vor.  Das  Gewebe 
des  Stiels  zeigt  an  einzelnen  Stellen  entzündliche  Veränderungen 
in  Gestalt  streifenförmiger  dichter  Ansammlungen  von  Leuko- 
cythen. 


256  -A..  Wagenmann. 

Wie  ich  schon  Eingangs  angeführt  habe,  möchte  ich 
diese  polypenartige  Bindehautgesch^\Tilst  auf  Grund  der 
anatomischen  Untersuchung  als  gestieltes  Papillom  be- 
zeichnen. Künisch  hätte  man  sie  freihch  schwerUch  als 
solches  erkannt,  da  sie  im  Gegensatz  zu  den  bisher  be- 
schriebenen Papillomen  eine  glatte  Oberfläche  besass  und 
einen  bohnenförmigen  gestielten  Tumor  darstellte.  Bei  der 
anatomischen  Untersuchung  jedoch  constatii'en  wir,  dass  die 
Geschwulst  die  Merkmale  des  Papilloms  besitzt:  axiale  Ge- 
fässe  in  einer  wenn  auch  nur  spärUchen  Bindegewebsneu- 
bildung,  umgeben  von  einem  Mantel  von  Epithelzellen.  Die 
das  Gerüst  bildenden  Gefässe  verästehi  sich  vielfach  inner- 
halb der  Geschwulst,  so  dass  man  wohl  von  einenj  dendri- 
tischen Papillom  sprechen  könnte.  Immerhin  aber  bilden 
die  Verzweigungen  sammt  den  Zellenmänteln  abgeschlossene 
Zapfen  oder  Läppchen,  was  hauptsächlich  durch  die  Um- 
wandlung der  Deckzellen  in  Becherzellen  zum  Ausdruck 
kommt.  Es  ist  eben,  wie  der  Befund  zeigt,  innerhalb  der 
Geschwulst  eine  ganz  beträchtliche  Oberflächenentwickelung 
vorhanden.  Im  Leben  war  zwar  der  lappige  Bau  dadurch 
verdeckt,  dass  die  die  äussere  Oberfläche  erreichenden 
Läppchen  innig  zusammenlagen,  nach  aussen  abgeflacht 
waren  und  dasselbe  Niveau  besassen.  Erst  bei  der  Alcohol- 
härtung  wurde  durch  gelinge  Schrumpfung  der  die  Gr^fässe 
umgebenden  Theile  die  Oberfläche  uneben,  so  dass  der 
Tumor  einer  Himbeere  güch. 

Das  Papillom,  oder  ^vie  es  Virchow  nannte,  das  Fi- 
broma papilläre,  kommt  an  der  Conjunctiva  in  mehreren 
Fonnen  vor,  die  anatomisch  sämmthch  den  charakteristi- 
schen Bau  haben:  axiales  Gefäss  mit  Bindegewebswuche- 
rung,  umgeben  von  einem  EpithelmanteL  dessen  Dicke  ver- 
schieden sein  kann. 

Saemisch^)  unterschied   das  Fibroma   papilläre    von 


*)  Graefe-Sämisch  IV,  I,  p.  152. 


Ueber  ein  Papillom  der  ConjuncÜTa  etc,  257 

der  Warzenbüdung.  Elschnig*)  fasst  beide  unter  dem 
Namen  Papillom  zusammen,  indem  er  augiebt,  dass  die 
Papillome  einen  bald  mehr  zottigen,  bald  mehr  warzigen 
Habitus  darböten;  im  ersten  Fall  hätten  wir  es  mit  mehr 
himbeerartigen  Geschwülstchen  zu  thun,  im  letzteren  Fall 
mit  Geschwülstchen,  die  den  spitzen  Condylomen  gleich  zu 
halten  wären.  S.  Fuchs,  der  auch  betont,  dass  die  Pa- 
pillome sämmthch  zu  den  Fibromen  geholten,  präcisirt  dio 
Formen  noch  näher,  indem  er  sie  mit  dem  Standort  und 
der  Genese  in  Zusammenhang  bringt.  Er  hebt  hervor, 
dass,  wenn  die  Papillombildung  sich  an  einen  Thoil  der 
Conjunctiva,  der  schon  normal  Papillen  hat,  unschliesHt,  die 
Erkrankung  gewöhnUch  multipel  auftritt  und  zu  beetartigeu 
Geschwülsten  mit  breiter  Basis  führt,  während  die  Papil- 
lome der  Conjunctiva  bulbi  und  des  Foniix  viuliLstigis  oft 
gestielte  Vegetationen  von  papilläi-er  Obertläclui  und  oft  mit 
polypoider  Form  darstellen.  Als  dritte  Fonn  würdt*  sich 
dann  die  diflFuse  Papillombildung  ihr  ( ^)i\iun(5tiva  an- 
schliessen,  von  der  er  eincMi  hochgradigt^n  Kall  bei  diflusor 
Papillomatose  der  Cutis  mittheilt. 

Der  von  mir  mitgetheilte  Tumor  würde  zu  den  hoH- 
tären,  polypoiden,  gestieltt^n  Papillomen  der  Uebergtmgs- 
falte  gehören.  Besonders  bemerkensweilh  ist  das  ül)oraus 
massenhafte  Auftreten  von  Becher/ellen  in  allen  Theilen 
der  Geschwulst,  dessen  Erklärung  nicht  Hicher  /u  geben 
ist,  wenn  wir  auch  durch  die  neuesten  IlnterHUchuiigt^n 
Green 's*)  über  die  Bedeutung  der  Becherzelh^n  dt^r  (>ou- 
junctiva  als  bewiesen  erachten  dürfen,  dass  Kit^  normale, 
Schleim  producirende  Gebilde  der  Bindehaut  sind.  Möglieher- 
weise hat  der  catarrhalische  Zustand,  in  dem  sich  die  ganze 
»Schleimhaut  befand,  auf  die  massenhafte  Bildung  einen  ur- 
sächlichen Einfluss  gehabt,  vielleicht  auch  der  Umstand,  dass 


>i  1.  c.  p.  74. 

«)  V.  Graefe's  Arch.  f.  Opth.  XL.  1.,  S.  1  tf. 
V.  Graefe's  ArchiT  für  Ophthalmologie.  XL    i.  17 


258    A.  Wagenmann,    üeber  ein  Papillom  der  Gonjunctiva  etc. 

die  Geschwulst  das  untere  Lid  leicht  spontan  ectropionirte 
und  dann  frei  zu  Tage  trat,  wodurch  sie  mancherlei  Reizen 
ausgesetzt  war. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  Xu,  Fig.  1—2. 

Fig.  1.  Uebersichtapräparat  (schwache  Vergrössening).  Die  im  Innern 
der  Läppchen  liegenden  Gefässe  sind  von  einem  dicken  Epi- 
thelmantel umgeben,  dessen  äusserste  Lage  auf  grosse  Strecken 
in  Becherzellen  umgewandelt  ist.  Die  Becherzellen  bilden 
auf  dem  Durchschnitt  Bänder,  die  die  Geschwulst  durch- 
ziehen (Hämatoxylin  -Eosinfärbung). 

Q  r=r  Gefässe. 

E  =  Epithelzellen. 

B  =  Becherzellen. 

Fig.  2.    Ein  Läppchen  stark  vergrössert.    Die  Gefässe  sind  hier  in  ein 
vollkommen  hyalines  Gewebe  eingeschlossen.    Die  peripherste 
Zellenschicht  fast  rings  herum  in  Becherzellen  umgewandelt. 
(Hämatoxylin  -  Eosinfärbung). 
H  =  Hyalines  Gewebe. 
O    =  Gefässe. 

C     =  Querverlaufende  Capillare. 
L    =  Leukocyten,  in  einer  Spalte  Hegend. 
El  =  Epithelzellen  in  der  nächsten  Umgebung  der  Ge- 
fässe, cylinderförmig  mit  stark  gefärbtem  Kern. 
Ell  =^  Epithelzellcn,  die  Hauptmasse  desMantels  bildend. 
B    =  Becherzellen,     deren    Inhalt    mit    Hämatoxylin 

stark  blau  gefärbt  ist. 
K    =  Kerne  der  Becherzellen,    die  tiefste  Stelle  der 
Zelle  einnehmend,  vielfach  platt  gedrückt. 


Studien  über  Nachbilder. 

Von 

Dr.  Carl  Hess, 

Privatdocenten  und  erstem  Assistenten  an  der  Universitäts- Augenklinik 

in  Leipzig. 


Im  49.  Bande  des  Pflüger 'sehen  Archivs  fiii-  Physio- 
logie hatte  ich  eine  Reihe  von  Beobachtungen  „über  die 
nach  kurzdauernder  Reizung  des  Sehorgans  auftretenden 
Nachbilder*'  mitgetheilt,  deren  wesentlichste  Ergebnisse  ich 
in  folgenden  Sätzen  zusammenfasste : 

1)  Wirkt  auf  das  Sehorgan  ein  kurzdauernder  Licht- 
reiz ein,  so  wird  durch  denselben  zunächst  eine  Lichtem- 
pfindung hervorgerufen,  welche  nach  dem  Aufhören  des 
Reizes  in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit^)  abkUngt.  Nach 
diesem  primären  Lichteindrucke  wird  bei  günstigen  Ver- 
suchsbedingungen ein  negatives  Nachbild  wahrgenommen, 
dessen  Dauer  diu-chschnitthch  etwas  weniger  als  V3  Se- 
cunde  beträgt.  Auf  dieses  negative  Nachbild  folgt  dann 
rasch  ein  positives  Nachbild,  dessen  Dauer  von  der  Stärke 
des  primären  Reizes  und  dem  jeweiligen  Zustande  des 
Auges  abhängt,  und  welches  in  der  Regel  durch  mehrere 
Secunden  in  allmählich  abnehmender  Stärke  wahrgenommen 
werden  kann.  Nicht  selten  nimmt  man  nach  diesem  posi- 
tiven noch  ein  zweites  negatives  Nachbild  wahr. 


*)  In  meiner  Abhandhing  sind  diese  Worte  nicht  gesperrt  gedruckt. 

17* 


260  C.  Hess. 

2)  Was  bisher  in  der  Regel  (von  v.  Helmboltz,  Fick 
u.  A.)  als  das  Abklingen  der  durch  den  Lichtreiz  gesetzten 
Erregung  beschrieben  worden  ist,  entspricht  unter  den 
beschriebenen  Umständen^)  in  WirkUchkeit  nicht  die- 
sem, sondern  dem  Abklingen  des  positiven  Nachbildes. 
Dieses  positive  Nachbild  darf  nicht,  wie  es  bisher  meist  geschah, 
einfach  aus  der  Fortdauer  und  dem  allmähUchen  Abklingen 
der  durch  den  Lichtreiz  im  Sehorgane  hervorgerufenen 
Erregung  erklärt  werden;  denn  dasselbe  ist  von  dieser 
letzteren  regelmässig  durch  eine  negative  Phase  getrennt" 

Kürzhch  ist  nun  eine  Abhandlung  von  Bosscha*)  er- 
schienen, in  welcher  der  Verfasser  zwar  die  wesentlichen 
(oben  unter  1  zusammengefassten)  Ergebnisse  meiner  Unter- 
suchungen bestätigt,  gleichzeitig  aber  eine  Reihe  von  Ein- 
wänden erhebt,  die  ich  nicht  unerwidert  lassen  kann,  da 
sie  mehrfache  Lrthüraer  enthalten. 

Bosscha  sagt  (S.  18  ff.):  „Aus  diesen  (seil,  oben  unter 
2  angeführten)  Worten  scheint  hervorzugehen,  dass  Hess 
sein  positives  Nachbild  und  das  der  früheren  üntersucher 
für  dieselbe  Phase  der  Erscheinung  hält.  Diese  letzteren 
sollten  dann  die  durch  Hess  zuerst  w^ahrgenommene  nega- 
tive Phase  einfach  übersehen  und  so  das  positive  Nachbild  als 
eine  Fortsetzung  von  dem  primären  Eindruck  betrachtet  haben. 

Auf  diese  Weise  sucht  Hess  den  scharfen  Widerspruch 
zwischen  seiner  Auffassung  und  der  bisher  allgemein  gil- 
tigen aufzuheben  oder  wenigstens  zu  erkläi-en.     Das  Un- 

^j  In  meiner  Abhandlung  sind  diese  Worte  nicht  gesperrt  gedruckt. 

*)  Bosscha:  „Primaire,  secundaire  en  tertiaire  netvliesl)eelden 
na  momentane  lichtsindrukken",  im  34.  Jaliresberichte  von  „Het 
Nederlandsch  Gasthuis  voor  behooftige  en  min  vennogende  ooglijders 
te  Utrecht",  und  v.  Graefe's  Archiv  XL.  1.,  S.  22  ff. 

Ich  citire  hier  nach  der  holländischen  Arbeit,  da  die  deutsche 
bei  Abfassung  meiner  Abhandlung  noch  nicht  erschienen  war.  Die 
deutsche  Arbeit  ist  im  Wesentlichen  eine  wörtliche  Uebersetzung  der 
holländischen.  Wo  sich  bedeutendere  Unterschiede  zwischen  beiden 
fanden,  habe  ich  nachträglich  den  deutschen  Text  zu  Gnmde  gelegt. 


Studien  über  Nachbilder.  261 

haltbare  dieser  Erklärung  springt  aber  unmittelbar  in  die 
Augen,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  von  den  fi-üheren 
Untersuchen!  vernachlässigte  Phase  ^'3  Secünde  dauert, 
d.  i.  genau  ebenso  lang  als  ihr  positives  Nachbild,  das  des- 
halb schwerlich  dasselbe  sein  kann  wie  das  6  Secunden 
dauernde  positive  Nachbild  von  Hess.  Viel  wahrschein- 
licher ist  es,  anzunehmen,  dass  die  fiüheren  Untersucher 
die  negative  Phase  von  Hess  wohl  gesehen  haben,  doch 
ohne  sich  von  der  complementären  Färbung  Rechenschaft 
zu  geben,  während  das  positive  Nachbild  von  Hess  infolge 
der  Mängel  ihrer  Methode  (intermittirendes  Licht)  ihrer 
Wahrnehmung  entgangen  ist. 

Lassen  wir  aber  vorläufig  alle  Versuche  zur  Erklärung 
der  Verschiedenheit  in  der  Auffassung  der  Nachbilder  zwi- 
schen Hess  und  seinen  Vorgängern  bei  Seite,  so  bleibt 
als  die  principielle  Verschiedenheit  die  abweichende  Auf- 
fassung der  Dauer  des  ursprüngUchen  Lichteindruckes,  nach 
Hess  eine  Lichtempfindung,  welche  nach  dem  Aufhören 
des  Reizes  in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit  abklingt,  indess 
die  früheren  Untersucher  übereinstimmend  festhalten  an  dem, 
was  Plateau  „la  pei*sistance  de  Timpression"  nannte,  ein 
Fortbestehen  wähi-end  einer  messbaren  Zeit 

Unsere  tägliche  Erfahrung  spricht  deutlich  fiir  die 
Auffassung  von  Plateau.  Der  so  vielfach  variirte  Vereucli 
von  Segner,  auf  welchen  die  pyrotechnische  Kunst  gröss- 
tentheils  sich  gründet,  kommt  unter  zahllosen  Formen  bei 
beinahe  jeder  drehenden  oder  schnell  fortschreitenden  Be- 
wegung uns  vor  die  Augen,  als  sprechender  Beweis  gegen 
die  Auffassung  von  Hess.  Ist  es  also  auf  der  einen  Seite 
wahrscheinlich,  dass  an  der  von  Hess  gegebenen  Dar- 
stellung ein  Fehler  haften  muss,  so  ist  es  auf  der  anderen 
Seite  klar,  dass  dieser  Fehler  eher  in  der  von  ihm  ge- 
gebenen Erklärung,  als  in  der  Wahrnehmung  selber  liegen 
muss."  Weiter  sagt  Bosscha  auf  S.  26:  „Nach  einer  groben 
Methode  trachtete  ich  annähernd  die  Dauer  des  primäi'en 


262  C.  Hess. 

Bildes  aufzufinden,  nämlich  aus  der  Verschiedenheit  der 
Dauer  des  secundären  Bildes  allein  und  jener  des  primären 
und  secundären  Bildes  zusammen,  welche  Zeiten  ich  durch 
Vcrgleichung  mit  einem  Metronom  schätzte.  Die  gesuchte 
Zeit  ist  zu  kurz,  um  auf  diese  Weise  direct  gemessen  zu 
werden.  Ich  fand  bei  einer  grossen  Anzahl  von  Bestim- 
mungen mit  verschiedenen  Farben  und  verschiedenen  Be- 
leuchtungsintensitäten, dass  die  Dauer  des  primären  Bildes 
ungefähr  0,1  —  0,2  Secunden  beträgt 

Wenn  ich  auch  auf  diese  Ziffern  nur  einen  sehr  ge- 
ringen Werth  lege,  so  beweisen  sie  doch  immer,  dass  das 
primäre  Bild  länger  dauert,  als  der  electrische  Funke." 

Es  ist  selbstverständlich  richtig,  dass,  wie  Bosscha 
sagt,  das  primäre  Bild  länger  dauert  als  der  electrische 
Funke;  jeder  Versuch  mit  intermittirender  Netzhautreizung 
lehrt  es  zur  Genüge. 

Unverständlich  aber  ist  es,  wie  Bosscha  darin  einen 
Widerspruch  zu  meinen  Angaben  finden  konnte,  v.  Helm- 
holtz  giebt  z.  B.  an  (Physiol.  Optik,  2.  Aufl.,  S.  480),  dass 
eine  aus  einem  weissen  und  einem  schwarzen  Sector  gebil- 
dete, gut  beleuchtete  rotirende  Scheibe  24  bis  30  Mal  in 
der  Secunde  umlaufen  muss,  wenn  sie  einen  ganz  gleich- 
massigen  Eindruck  machen  soll;  dabei  ist  es  gleichgiltig,  vie 
gross  der  weisse  Sector  im  Verhältniss  zum  schwarzen  ist 

Lissajou  fand,  wie  v.  Helmholtz  ebenda  mittheilt, 
dass  ein  sehr  heller  Lichtpunct,  der  die  Bewegungen  schlin- 
gender Stimmgabeln  mitmachte,  30  Mal  in  der  Secunde 
schwingen  musste,  wenn  seine  Bahn  als  eine  geschlossene, 
gleichmässig  leuchtende  Cune  erscheinen  sollte. 

Bei  diesen  Versuchen  würde  also  die  Zeit,  während 
welcher  der  primäre  Eindruck  mit  nicht  merküch  gemin- 
derter HelUgkeit  nachdaueii:,  etwa  ^j^ — ^/^^  Secunde  be- 
tragen haben.  Die  Bekanntschaft  mit  diesen  Thatsachen 
durfte  Bosscha  bei  mir  wohl  voraussetzen;  das  Ergebniss 
steht  in  keinerlei  Widerspruch  mit  meinen  Befunden. 


Studien  über  Nachbilder.  263 

Nach  meinen  Messungen  (s.  S.  201)  betrug  die  Zeit, 
welche  vom  Eintritte  des  primären  Bildes  bis  zu  dem  Momente 
verfoss,  wo  das  positive  Nachbild  erschien,  etwa  Vs  his  Vj 
Secunde.  Hätte  nun  bei  diesen  meinen  Versuchen  die  Zeit, 
während  welcher  das  primäre  Bild  ohne  merkliche  Hellig- 
keitsabnahme andauerte,  ebenfalls  '/^q  bis  ^/^^  Secunden  be- 
tragen, so  bliebe  immer  noch  eine  Zeit  von  0,29  bis  0,47 
Secunden  für  das  Abklingen  des  primären  Bildes,  das  nega- 
tive Nachbild  und  das  Auftauchen  des  positiven  Nach- 
bildes. 

Uebrigens  ist  es  nicht  ganz  richtig,  wenn  Bosscha  sagt,  nach 
den  Angaben  der  „früheren"  Beobachter  betrage  die  Dauer  des 
Abklingens  des  primären  liditeindrucks  Vs  Secunde.  (S.  seine 
Abhandlung,  S.  18.) 

Denn  nach  Bosscha 's  eigenen  Angaben  hat  d'Arcy  diese 
Zeit  auf  0,13  Secunden,  Charpentier  auf  weniger  als  0,3  Se- 
cunden, Bosscha  selbst  nach  einer,  wie  er  sagt,  „groben" 
Methode  auf  0,1 — 0,2  Secunden  geschätzt 

Nur  Plateau  und  Segner  fanden  für  diese  Zeit  Vs  Secunde. 

Aber  auch,  wenn  die  Versuche  mit  intermittirender 
Beleuchtung  zu  Ergebnissen  geführt  hätten,  die  sich  mit 
meinen  Beobachtungen  nicht  ohne  Weiteres  hätten  in  Ein- 
klang bringen  lassen,  so  dürften  hieraus  gegen  meine  Ver- 
suche keine  Schlüsse  gezogen  werden,  denn  diese  sind  unter 
ganz  anderen  Bedingungen  angestellt 

Bei  meinen  Versuchen  wurde  die  Netzhaut  nur  ein 
einziges  Mal  von  einem  kurzdauernden  Lichte  getrofifen, 
bei  den  soeben  beschriebenen  Versuchen  aber  24  bis  80  Mal 
in  der  Secunde. 

Bei  einer  solchen,  sich  sclinell  wiederholenden  BeHch- 
timg  findet  jeder  Lichtreiz  die  betroffenen  Netzhautstellen 
bereits  durch  die  vorhergegangenen  Reizungen  mehr  oder 
minder  verändert. 

Ausserdem  wurden  meine  Versuche  im  Dunkelzimmer 
mit  einem  für  die  Dunkelheit  mehr  oder  weniger  adaptirten 


264  C.  Hess. 

Auge  angestellt,  während  die  Kreisel  versuche  wenigstens 
gewöhnlich  in  einem  allgemein  beleuchteten  Räume  vorge- 
nommen werden. 

Hätte  Bosscha  dies  Alles  erwogen,  so  würde  er  die 
Ergebnisse  der  Versuche  mit  intermittirender  Beleuchtung 
wohl  kaum  als  „sprechende  Beweise"  gegen  meine  Auf- 
fassung angeführt  und  meiner  Bemerkung,  dass  bei  meinen 
Versuchen  das  primäre  Bild  „in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit" 
abklang,  nicht  die  längst  bekannte  Thatsache  entgegengestellt 
haben,  dass  „das  primäre  Bild  länger  dauert  als  der  electrische 
Funke"  und  wälu-end  einer  messbaren  Zeit  fortbesteht. 

Die  Polemik  Bosscha 's  ist  um  so  weniger  gerecht- 
fertigt, als  er  selbst  bei  Wiederholung  meiner  Versuche  an- 
giebt,  dass  die  gesuchte  Zeit  zu  kurz  ist,  um  auf  diese 
Weise  (d.  i.  mit  dem  Metronom)  direct  gefunden  zu  wer- 
den, was  doch  im  Grunde  nichts  wesentlich  Anderes  be- 
sagt, als  wenn  ich  aus  meinen  Versuchen  den  Schluss  zog, 
dass  die  Lichtempfindung  „ausserordentUch  rasch"  (s.  meine 
Abh.  S.  199),  „in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit,"  abklinge. 

Bosscha  schätzt  die  Dauer  des  primären  Eindruckes 
auf  0,1  bis  0,2  Secunden,  was  mit  meinen  Angaben  eben- 
falls nicht  in  Widerspruch  stehen  würde. 

Der  Begriff  „fast  unmessbar"  ist  eben  relativ,  und  was 
unter  gegebenen  Umständen  fast  nicht  gemessen  werden 
kann,  lässt  sich  unter  anderen  Umständen  vielleicht  an- 
nähernd genau  bestimmen.  Hätte  ich  die  Absicht  gehabt, 
die  Dauer  des  primären  Bildes  nach  kurzdauernder  Licht- 
einwirkung zu  messen,  so  hätte  ich  hierzu  andere  Versuchs- 
methoden gewählt  als  die  von  mir  benutzten,  bei  welchen  ich 
einen  ganz  anderen  Zweck  verfolgte,  nämUch  den,  zu  unter- 
suchen, ob  das  von  v.  Helmholtz,  Fick  und  Anderen  ge- 
nauer beschriebene,  mehrere  Secunden  andauernde  positive 
Nachbild  kurzdauernder  Lichteindinicke  als  eine  unmittel- 
bare Fortsetzung  und  als  ein  sehr  in  die  Länge  gezogenes 
Abkhngen  des  primären  Bildes  anzusehen  ist,  wie  v.Helm- 


Studien  über  Nachbilder.  265 

holtz  und  Andere  meinen,  oder  ob  dasselbe  von  dem  pri- 
mären Bilde  durch  eine  negative  Phase  getrennt  ist. 

V.  Helmholtz  macht  über  das  Abklingen  der  Er- 
regung, die  durch  einen  kurzdauernden  Lichteindruck  her- 
vorgerufen wird,  die  folgenden  Angaben  (Physiol.  Optik, 
L  Aufl.,  S.  359): 

„Man  kann  auch  von  sehr  massig  erleuchteten  Gegenstän- 
den, z.  B.  von  weissem  Papier,  welches  die  zum  Lesen  und 
Schreiben  bequeme  Helligkeit  hat,  nach  der  beschriebenen 
Methode  (d.  i.  rasches  Auf-  und  Zudecken  der  auf  den 
Gegenstand  gerichteten  Augen)  noch  positive  Nachbilder  ge- 
winnen, die  eine  erkennbare  Dauer  von  etwa  2  Secunden  haben." 

Unmittelbar  vorher  giebt  v.  Helmholtz  an:  „Je  grösser 
die  Intensität  des  primären  Lichtes  ist,  desto  heller  ist  das 
positive  Nachbild  und  desto  länger  dauert  es."  Ln  weiteren 
Verlaufe  der  Schilderung  dieser  durch  möglichst  km'z- 
dauernde  Belichtung  erzeugten  Nachbilder  sagt  v.  Helm- 
holtz: „Man  hat  Zeit  genug,  an  diesen  Nachbildeni  noch 
eine  Menge  einzelner  Umstände  zu  bemerken,  auf  welche 
zu  achten  man  während  der  wirklichen  Betrachtmig  nicht 
Zeit  hatte.« 

Pick  giebt  keine  Zahlen  an,  aber  er  sagt  (Handb.  d. 
Physiol.  V.  Hermann.  S.  216).  „Wenn  man  nach  kurz- 
dauernder, nicht  ermüdender  Betrachtung  eines  weissen  ()b- 
jectes  das  Auge  schhesst  und  verdeckt,  so  sieht  man  im 
dunklen  Gesichtsfelde  ein  sogenanntes  positives  Nachbild 
des  weissen  Objectes,  das  anfangs  sehr  schnell  und  dann 
immer  langsamer  an  HelUgkeit  abnimmt." 

Nach  diesen  Angaben  ist  also  jede  Verwechselung 
ausgeschlossen  zwischen  dem  nur  Bruchtheile  einer 
Secunde  dauernden  AbkUngen  der  primären  En-egung 
und  dem  mehrere  Secunden  dauernden  Abklingen  des 
positiven  Nachbildes. 

Mir  kam  es  zunächst  lediglich  darauf  an,  die  Existenz 
des  zwischen  das  primäre  Bild  und  das  von  v.  Helmholtz 


266  C.  Hess. 

beschriebene  positive  Nachbild  sich  einschiebenden  negativen 
Nachbildes  festzustellen.  Nachdem  mir  dies  durch  meine 
verschiedenen  Versuchsanordnimgen  unzweifelhaft  gelungen 
war,  ergab  sich  ganz  von  selbst,  dass  ich  nur  die  der  ne- 
gativen Phase  nachfolgende  positive  Phase  als  positives 
Nachbild  bezeichnete,  nicht  aber  auch  das  rasch  abklingende 
primäre  Bild,  wenn  es  gleich  länger  dauert,  als  das  ein- 
wirkende objective  Licht,  und  insofern  auch  in  gewissem 
Sinne  ein  positives  Nachbild  ist. 

Wollte  man  es  so  bezeichnen,  so  müsste  man  es  als 
erstes  positives  Nachbild  von  dem  viel  länger  dauernden 
zweiten  imterscheiden ,  welch'  letzteres  v.  Helmholtz, 
Fick  u.  A.  beschrieben  haben.  Zweckmässig  erscheint  eine 
solche  Eintheilung  aber  wohl  nicht 

Der  Irrthum  Bosscha's  ist  demnach  ein  doppelter: 

1)  In  meiner  Bemerkung,  dass  bei  meinen  Versuchen 
die  durch  kurzdauernden  lichtreiz  hervorgerufene  Erregung 
„in  fast  unmessbar  kurzer  Zeit"  abklinge,  glaubt  Bosscha 
die  Behauptung  zu  sehen,  dass  nach  meiner  AufÜEkssung 
diese  Erregung  bezüglich  ihrer  Dauer  mit  jener  des  elec- 
trischen  Funkens  selbst  vergHchen  werden  könne,  und  dass 
dieselbe  nicht  bloss  bei  der  von  mir  benutzten  Versuchs- 
anordnung, sondern  überhaupt  einer  Messung  sich  entziehe. 

2)  Meine  Kritik  der  Angaben  von  v.  Helmholtz  und 
Anderen,  welche  das  von  ihnen  beschriebene  mehrere 
Secunden  dauernde  positive  Nachbild  als  ein  entsprechend 
langes,  ununterbrochenes  Fortdauern  des  primären  Bildes 
auffassen,  deutet  Bosscha  so,  als  hätte  ich  damit  auch  die 
Bichtigkeit  der  altbekannten,  schon  von  Plateau  u.  A.  ge- 
machten Angaben  über  die  nur  einen  Bruchtheil  einer 
Secunde  währende  Nachdauer  einer  kurzdauernden  Er- 
regung bestreiten  wollen.  Diese  beiden  Deutungen  sind, 
wie  man  sieht,  irrig,  und  es  werden  damit  auch  die  auf 
dieselben  gegründeten  Einwände  Bosscha's  gegen  meine 
Arbeit  gegenstandslos. 


Studien  über  Nachbilder.  267 

Bosscha  sieht  „einen  sprechenden  Beweis"  gegen  die 
Richtigkeit  meiner  Ansichten  in  der  bekannten  Thatsache, 
,,auf  welche  die  pyrotechnische  Kunst  sich  gründet/^  dass 
ein  rasch  bewegter  leuchtender  Gegenstand  als  leuchtende 
Linie  erscheint. 

Auch  dieser  Irrthum  Bosscha's  ist  nur  so  zu  er- 
klären, dass  er  sich  über  meine  Angaben  in  Betreff  des 
Abklingens  der  durch  den  Reiz  gesetzten  Erregung  eine 
falsche  Vorstellung  gemacht  hat  Wenn  ich  gesagt  hätte, 
diese  Erregung  höre  nach  Schluss  des  Reizes  momentan 
auf,  so  hätte  Bosse  ha  recht.  Da  in  meiner  Abhandlung 
aber  ausdrückUch  gesagt  ist,  dass  die  Erregung  nach  Auf- 
hören des  Reizes,  wenn  auch  nur  kurze  Zeit,  fortdauert 
(„ausserordentlich  rasch  abnimmt,"  „in  fast unmessbar  kurzer 
Zeit  abklingt"),  so  ist  Bosscha 's  Einwurf  hinfällig.  — 

Die  erwähnte  Bemerkung  ,gab  mir  Veranlassung,  Ver- 
suche wieder  aufeunehmen,  welche  ich  fiiiher  mit  unvoll- 
kommenen Methoden  angestellt  hatte,  die  mich  aber  damals 
nicht  zu  völlig  befriedigenden  Ergebnissen  fiihrten.  Es 
handelte  sich  um  die  Beobachtung  der  Erscheinungen, 
welche  man  wahrnimmt,  wenn  leuchtende,  farblose  oder 
farbige  Gegenstände  in  einem  sonst  dunklen  Räume  rasch  am 
Auge  vorübergeführt  werden.  Die  Versuche  schliessen  sich, 
wie  man  sieht,  jenen  mit  dem  electrischen  Funken  eng  an. 

Schon  Purkinje  hatte  gesehen,  dass  das  streifenför- 
mige Nachbild,  welches  man  bei  rascher  Bewegung  einer 
glühenden  Kohle  hinter  derselben  w^ahmimmt,  sich  nicht 
unmittelbar  an  den  leuchtenden  Punkt  anschliesst,  sondern 
von  diesem  durch  ein  „leeres  Intervall"  getrennt  ist.  Er 
beschreibt  die  Erscheinung  mit  den  folgenden  Worten: 
„Wenn  man  eine  rothglühende  Kohle  massig  im  Kreise  be- 
wegt, sodass  die  einzelnen  Momente  der  Blendung  früher 
Zeit  gewinnen  auszulöschen,  ehe  das  Gluthbild  auf  seine 
erste  Stelle  zurückkehrt,  so  zeigt  sich  ein  rothes  Band  als 
Spur  des  ersten  Moments  des  Eindrucks,  diesem  folgt  ein 


268  C.  Hess. 

leeres  Intervall,  dann  das  grüne  Spectrum,  ebenfalls  in  ein 
Band  verzogen  und  jenem  ersten  im  Kreise  nachlaufend, 
endlich  eine  schwarze  Furche  von  grauem  Nebel  umgeben." 

Aubert  giebt  an,  dass  nach  seinen  Beobachtungen 
der  rothe  Streifen  allmähUch  farblos  wird  und  direct  in  den 
blaugrünen  Streifen  übergeht,  ohne  ein  dunkleres  Intervall 
zwischen  beiden. 

Bei  der  Wiederholung  dieser  Versuche  mit  der  glühen- 
den Kohle  fand  ich  bald  eine  Reihe  von  IVIissständen^ 
welche  die  genaue  Beobachtung  der  Erscheinungen  ausser- 
ordentHch  erschweren.  Die  lichtstäi'ke  der  glühenden  Kohle 
ist  verhältnissmässig  sehi*  gering  und  die  gelbrothe  Fai-be 
derselben  erscheint  hier  so  wenig  gesättigt,  dass  es  mir 
kaum  mögUch  ist,  die  Färbung  des  Nachbildes  zu  studiren. 
Vor  Allem  aber  wechselt  die  Lichtstärke  von  Versuch 
zu  Versuch,  indem  die  oberflächlichsten  Kohlentheilchen 
rasch  abkühlen  und  einen  Aschenmantel  von  stets  wechseln- 
der Dicke  um  den  glühenden  Kern  bilden.  Der  Ablauf  der 
Erscheinungen  wird  aber  durch  die  Lichtstärke  des  beweg- 
ten Gegenstandes  wesentlich  beeinflusst.  Um  alle  Einzel- 
lieiten  klar  übersehen  zu  können,  ist  eine  grosse  Zahl  von 
Einzel -Beobachtungen  unter  möglichst  gleichbleibenden 
äusseren  Bedingungen  anzustellen.  Der  Gegenstand  er- 
schien mir  wichtig  genug,  um  einer  systematischen  Prüfung 
unterzogen  zu  werden. 

Zu  diesem  Zwecke  habe  ich  Beobachtungen  angestellt 
mit  kleinen  Glühlämpchen  von  '/^  bis  '/^  cm  Durchmesser. 
Dieselben  waren  mit  einem  Accumulator  von  geeigneter 
Stärke  durch  leicht  bewegliche  Leitungsschnüre  verbunden. 
Ein  zwischengeschalteter  Rheostat  erlaubte  die  Lichtstäi-ke 
für  verscliiedene  Versuchsreihen  innerhalb  ziemlich  weiter 
Grenzen  zu  variiren,  während  dieselbe  für  eine  und  dieselbe 
Versuchsreihe  immer  angenähert  constant  blieb. 

Um  die  Erscheinungen  bei  verschiedenfarbigem  Lichte 
zu  studiren,  bediente  ich  mich  entweder  bunter  Lämpchen, 


Studien  über  Nachbilder.  269 

die  aus  gesättigten  farbigen  Gläsern  hergestellt  waren,  oder 
ich  hielt  mir  farbige  Gläser  von  mögUchst  grosser  Sättigung 
vor  die  Augen.  Die  Versuche  wurden  im  Dunkelzimmer 
so  angestellt,  dass  das  Lämpchen  in  einer  Entfernung  von 
^/g  bis  '/4  m  rasch  vor  dem  Auge  vorbeigeführt  wurde. 
Der  Beobachter  hatte  den  Kopf  gegen  die  grosse,  gleich- 
massig  schwarze  Wandfläche  gerichtet,  so  dass  alle  störende 
Nebeneindrücke  thunlichst  ausgeschlossen  waren.  Das  Lämp- 
chen wurde  erst  während  der  Bewegung  selbst  zum  Glühen 
gebracht,  indem  durch  leichten  Druck  mit  dem  Zeige- 
finger der  bewegenden  Hand  ein  Contact  geschlossen 
wurde.  Am  Ende  der  Bewegung  wurde  der  Contact  wie- 
der geöffiiet,  so  dass  der  Beobachter  vor  und  nach  dem 
Versuche  vor  jeder  äusseren  Lichteinwirkung  völlig  ge- 
schützt war. 

Bei  dieser  Versuchsanordnung  dauert  es  beim  Schliessen 
des  Stromes  eine  gewisse,  wenn  auch  nur  äusserst  kurze 
Zeit,  bis  das  Glühlämpchen  seine  volle  Leuchtkraft  erreicht 
hat  und  ebenso  wird  nach  Oeflnen  des  Contactes  die  Licht- 
quelle nicht  plötzlich  unsichtbar,  sondern  unter  allmählicher 
(allerdings  sehr  rascher)  Abnahme  der  Lichtstärke.  Da  es 
nicht  ausgeschlossen  schien,  dass  hierdurch  der  Gang  der 
Erscheinungen  beeinflusst  werden  könnte,  so  hatte  ich  einige 
Versuchsreihen  in  der  Weise  angestellt,  dass  das  Lämpchen 
vor  Beginn  und  vor  Schluss  der  Bewegung  durch  passend 
aufgestellte  Schirme  verdeckt  war.  Bewegte  ich  das  Lämp- 
chen vor  dem  Auge  vorbei,  so  war  es  fiir  mich  nur  auf 
der  zwischen  beiden  Schirmen  gelegenen  Strecke  sichtbar  und 
hatte  während  dieser  Zeit  unverändert  die  volle  Leuchtkraft. 

Bei  meinen  späteren  Versuchen  ging  ich  wieder  von 
dieser  umständhcheren  Anordnung  ab,  da  sich  .zeigte,  dass 
der  Ablauf  der  Erscheinungen  sich  nicht  merklich  anders 
gestaltete,  als  bei  der  oben  geschilderten  einfacheren  Ver- 
suchsweise. 

Auf  diese  Weise  war  es  möglich,  die  hierher  gehörigen 


270  C-  Hess. 

Erscheinungen  unter  vielfacher  Variirung  der  äusseren  Be- 
dingungen an  einer  grossen  Anzahl  von  Versuchsreihen 
durchzuprüfen. 

Ich  schildere  zunächst  die  Erscheinungen  bei  Anwen- 
dung von  Glühlämpchen  mit  farblosen  Gläsern.  Das  von 
denselben  ausgehende  licht  erschien  bei  mittlerer  Lichtstärke 
meist  in  einem  wenig  gesättigten  gelblichen  Farbentone. 

Wird  dasLämpchen  rasch  an  dem  Auge  vorbeibewegt, 
so  sieht  man,  demselben  unmittelbar  folgend,  einen  meist 
nur  sehr  kurzen,  hell  leuchtenden  Strich,  der  gefolgt  wird  von 
einem  dunklen  Zwischenräume,  dessen  scheinbare  Länge  bei 
unveränderter  Lichtstärke  abhängt  von  der  SchnelUgkeit  der 
Bewegung.  Er  erscheint  um  so  länger,  je  rascher  die  Be- 
wegung ausgeführt  wird,  und  kann  bei  etwas  langsamerer 
Bewegung  so  kurz  sein,  dass  er  der  Beobachtung  leicht 
entgeht  Es  war  mir  bei  dieser  Versuchsanordnung  nicht 
möglich,  mit  Sicherheit  zu  constatiren,  ob  der  Zwischen- 
raum dunkler  war,  als  die  seithche  Umgebung. 

Hinter  diesem  dunklen  Zwischenräume  folgt  dann  ein 
langer  heller  Streif,  der  meist  nahezu  völlig  farblos  erscheint 
Seine  HelUgkeit  ist  an  der  dem  dunklen  Intervalle  folgen- 
den Anfangsstrecke  am  grössten  und  nimmt  von  da  au 
ganz  allmähUch  ab;  dieser  Streifen  hat  bei  ausgiebigen  Be- 
wegungen, wenn  diese  nicht  allzu  langsam  ausgeführt  wer- 
den, oft  eine  beträchtliche  Länge  und  bleibt  als  ein  posi- 
tives Nachbild  der  ganzen  vom  Lichte  durchmessenen  Bahn 
während  mehrerer  Secunden  deuthch  sichtbar,  und  zwar 
um  so  länger,  je  heller  die  Lichtquelle  war.  Derselbe  ent- 
spricht dem  in  meiner  ersten  Abhandlung  ausfuhrlicher  be- 
schriebenen positiven  Nachbilde.  Bewegt  man  das  Lämp- 
chen  rasch,  in  grossen  Curven,  so  hat  man  den  Eindruck, 
als  eile  hinter  dem  kurzen  leuchtenden  Striche  in  kleinem 
Abstände  eine  lange  feurige  Schlange  her.  Oft  sieht  man 
nach  diesem  hellen  noch  ein  zweites  dunkles  Nachbild,  als 
tief  dunkle  Linie  in  einer  etwas  weniger  dunklen  Umgebung. 


Studien  über  Nachbilder.  271 

Die  Grösse  des  Abstandes,  in  welchem  das  helle  Nach- 
bild der  Lichtquelle  nachläuft,  ist  bei  unveränderter  Schnellig- 
keit der  Bewegung  abhängig  von  der  Lichtstärke  des 
Lämpchens.  Der  dunkle  Zwischenraum  ist  nämlich  im  All- 
gemeinen um  so  länger,  je  heller  die  Lichtquelle  ist 

Bei  Anwendung  sehr  grosser  Lichtstärken  kann  der 
Ablauf  der  Erscheinungen  durch  das  Eintreten  von  Blen- 
dung sich  anders  gestalten.  Doch  wurde  diese  bei  meinen 
Versuchen  sorgfältig  vermieden. 

Etwas  grössere  Schwierigkeiten  bietet  das  Studium  der 
Erscheinungen  bei  Anwendung  farbigen  Lichtes,  Mit  zu- 
nehmender Lichtstärke  verlieren  die  farbigen  Lichter  an 
Sättigung,  andererseits  beeinträchtigen  die  stark  gesättigten 
farbigen  Gläser  die  Lichtstärke  leicht  so  sehr,  dass  hier- 
durch die  Beobachtung  erschwert  wird.  Es  war  also  noth- 
wendig,  durch  zahlreiche  Versuchsreihen  die  für  die  Be- 
obachtung geeignetesten  Helligkeits-  und  Sättigungsverhält- 
nisse allmählich  zu  ermitteln. 

Unter  den  günstigsten  Versuchsbedingungen  konnte 
ich  Folgendes  beobachten.  Unmittelbar  hinter  dem  beweg- 
ten leuchtenden  Objecto  sieht  man  eine  kurze  helle  Linie 
von  der  gleichen  Farbe  wie  die  Lichtquelle.  Hierauf  folgt 
eine  in  der  Regel  etwas  längere  Strecke,  welche,  insbeson- 
dere bei  Benutzung  stark  gesättigter  farbiger  Lichter,  deut- 
lich complementäre  Färbung  zeigt;  diese  Strecke  ist  meist 
weniger  hell  als  die  erste,  aber  bei  Anwendung  einer  hell- 
leuchtenden Lichtquelle  deuthch  heller  als  die  Umgebung. 
Es  folgt  dann  ein  etwas  kürzeres  dunkles  Intervall,  in 
welchem  ich  eine  Färbung  überhaupt  nicht  mit  Sicherheit 
wahrnehmen  konnte,  und  hieran  schliesst  sich  ein  langer 
heller  Streifen,  dessen  Färbung  im  ersten  Augenblicke  mit 
derjenigen  der  benutzten  Lichtquelle  übereinstimmt.  Er 
wird  sehr  bald  völlig  farblos,  bleibt  aber  dann  noch  einige 
Secunden  sichtbar.  Bei  gut  ausgeruhtem  Auge  sieht  man 
oft  noch  ein  zweites  negatives  Nachbild  auf  einer  mehr  oder 


272  C.  Hess. 

minder  grossen  Sb-ecke  der  durchlaufenen  Bahn,  welches 
als  tief  dunkle  Linie  in  einer  etwas  weniger  dunklen  Um- 
gebung deutlich  sichtbar  ist 

Wenngleich  aus  dem  Gesagten  schon  hervorgeht,  dass 
ich  unter  den  geschilderten  Verhältnissen  das  positive  Nach- 
bild in  seiner  Färbung  mit  derjenigen  der  Lichtquelle  selbst 
übereinstimmend  gefunden  habe,  so  stellte  ich  doch  noch 
eine  eigene  Versuchsreihe  zu  dem  Zwecke  an,  um  diese 
Färbung  des  positiven  Nachbildes  unter  besonders  gün- 
stigen Umständen  zu  studiren. 

Hierzu  wurde  ich  hauptsächlich  dadm*ch  veranlasst, 
dass  so  erfahrene  und  sorgfältige  Beobachter  wie  Purkinje 
und  Aubert  das  positive  Nachbild  complementär  gefärbt 
sahen,  (s.  oben)  wenn  sie  das  verhältnissmässig  schwache  gelb- 
röthliche  Licht  einer  im  Kreise  bewegten  glühenden  Kohle 
benutzten. 

Bei  einer  B^ihe  von  Versuchen  traf  ich  die  folgende 
Anordnung.  Vor  das  eine  Auge  wurde  ein  farbiges  Glas 
von  möglichst  grosser  Sättigung  gehalten,  und  nun  der 
Blick,  während  beide  Augen  geöfl&iet  waren,  auf  die  in 
grösserer  Entfernung  befindliche  schwarze  Wand  des 
Zimmers  gerichtet.  Führte  ich  jetzt  ein  angenähert  farb- 
loses Glülüämpchen  in  ca.  ^/^  Meter  Entfernung  senkrecht 
vor  den  Augen  vorbei,  so  erschien  dasselbe  in  gekreuzten 
Doppelbildern,  und  zwar  wurde  das  eine  Bild  farblos,  das 
andere  in  gesättigt  farbigem  Lichte  gesehen.  Nach  Schluss 
der  BeUchtung  erscliien  das  positive  Nachbild  in  Gestalt 
zweier  heller,  nebeneinander  verlaufender  Streifen,  welche 
rücksichtlich  ihrer  Färbung  leicht  miteinander  verglichen 
werden  konnten.  Durch  eine  Reihe  von  Versuchen,  welche 
ich  auch  durch  mehrere  befreundete  Collegen  controlieren 
Hess,  konnte  ich  mich  überaeugen,  dass  nun  regelmässig 
die  beiden  Nachbildstreifen  merklich  verschieden  gefärbt 
gesehen  wurden. 

Das  erwähnte  positive  Nachbild  in  dem  unbewaffneten 


Studien  über  Nachbilder.  273 

Auge  erschien  meist  ganz  farblos,  während  das  entspre- 
chende Nachbild  des  mit  einem  farbigen  Glase  bewaffiieten 
Auges  eine  deutliche,  wenn  auch  schwache  Färbung  zeigte, 
welche  mit  jener  des  gefärbten  Glases  übereinstimmte. 
Diese  Färbung  ist  am  ausgesprochensten  an  dem  Anfangs- 
theile  des  Nachbildstreifens  und  verliert  sich  bald  vollständig. 

Es  ergiebt  sich  also  daraus,  dass  auch  bei  diesen 
Versuchen  ganz  so,  wie  bei  den  in  meiner  ersten  Abhand- 
lung geschilderten,  das  positive  Nachbild  eine  mit  der  Farbe 
der  Lichtquelle  übereinstimmende  Färbung '  zeigt.  Dass 
den  früheren  Beobachtern  diese  Erscheinung  entging,  dürfte 
auf  die  so  ungünstigen  Versuchsbedingimgen  zu  beziehen 
sein,  unter  welchen  dieselben  arbeiteten. 

Die  Versuche  mit  rasch  bewegten .  leuchtenden  Ob- 
jecten  geben  also  in  allen  wesentiichen  Punkten  eine  voll- 
kommene Bestätigung  der  in  meiner  ersten  Abhandlung 
mitgetheilten  Beobachtungen. 

Die  Thatsache,  dass  nach  dem  Abkhngen  der  pri- 
mären Erregung  und  vor  dem  Auftreten  des  dunklen  In- 
tervalles  ein  complementär  gefärbter  heller  Streifen  bei 
unserer  Versuchsanordnung  gesehen  wurde,  erklärt  sich 
nach  der  Hering 'sehen  Theorie  ungezwungen  in  der  fol- 
genden Weise: 

So,  wie  der  B^izwerth  eines  jeden  farbigen  Lichtes  in 
eine  farblos  und  in  eine  &rbig  wirkende  Componente  zer- 
legt gedacht  werden  kann,  ebenso  kann  man  die  einer 
kurzdauernden  BeUchtung  der  Netzhaut  folgende  Erschei- 
nungsreihe in  eine  farblose  und  in  eine  farbige  Componente 
zerlegt  denken,  welche  beide  nicht  genau  synchronisch  ab- 
laufen müssen,  sondern  gegeneinander  in  ihrem  Ablaufe 
mehr  oder  weniger  verschoben  sein  können.  Die  Nach- 
wirkungen der  farbigen  Componente  des  Lichtreizes  können 
nach  der  Theorie  der  Gegenfarben,  sowohl  betreffs  der 
Stärke  oder  Deutlichkeit  als  auch  betreffe  der  Dauer  ihrer 
einzelnen  Phasen  innerhalb    gewisser  Grenzen  unabhängig 

V.  Gnefe's  Archiv  nir  Ophthalmologie.  XL.   2.  18 


274  C.  Hess. 

von  jenen  der  farblosen  Componente  ablaufen.  Daher 
kann  unter  Umständen  eine  negative  Phase  der  farbigen 
Nachwirkung  sich  zum  Theile  mit  einer  positiven  Phase 
der  farblosen  Nachwirkung  decken.  Auf  diese  Weise  ent- 
stehen überhaupt  die  sogenannten  positiven  complementär 
gefärbten  Nachbilder.  — 

Im  weiteren  Verlaufe  seiner  Abhandlung  theilt 
Bosscha  eine  neue  Beobachtung  mit,  welche  er  zum 
Ausgangspunkte  für  theoretische  Erörterungen  macht  Es 
sei  gestattet,  auch  diese  neuen  Versuche  Bosscha's  hier 
kurz  zu  besprechen. 

Bosscha  macht  über  dieselben  folgende  Angaben: 

„Sieht  man  in  einem  absolut  dunklen  Baume  eine 
Leuchtfarbe  —  z.B.  einen  selbstleuchtenden  Kerzenständer 
—  an,  so  erscheint  dieser  in  der  finsteren  Umgebung  hell- 
leuchtend. Wenn  man  nun  das  Object  unbeweglich  fixirt, 
so  verschwindet  das  Licht  allmählich  vollständig,  aber  wäh- 
rend man  weiter  fixirt,  beginnt  das  Licht  allmählich  wieder- 
zukehren, um  nach  einiger  Zeit  die  ursprüngliche  Hellig- 
keit wieder  zu  erlangen,  dann  wieder  schwächer  zu  werden 
und  so  abwechselnd  heller  und  dunkler  zu  werden. 

Diese  Erscheinung  ist  so  augenfällig,  dass  anfänglich 
die  Frage  gestellt  wurde,  ob  vielleicht  das  phosphoresci- 
rende  Licht  an  und  für  sich  diese  Eigenschaft  besitzt  In- 
dessen lehrten  weitere  Versuche  bald,  dass  jede  Art  von 
sehr  schwacher  und  gleichmässiger  Beleuchtung  im  Dunkeln 
dieselbe  Erscheinung  bietet. 

Diese  Beobachtung  scheint  mir  von  Bedeutung  zu 
sein  als  ein  beredtes  Beispiel  für  die  selbstregenerirende 
Thätigkeit  der  Netzhaut  (Hering),  während  sie  zugleich 
ausserordentHch  geeignet  ist  als  Methode  zum  Nachweise 
des  Einflusses,  welchen  Druck  und  Bewegung  des  Aug- 
apfels auf  die  Vorgänge  in  der  Netzhaut  ausüben." 

Was  zunächst  das  Thatsäcliliche  der  Bosscha 'sehen 
Angabe  betrifit,  so  vermag  ich  dieselbe  nicht  zu  bestätigen. 


Studien  über  Nachbilder.  .275 

Durch  die  Freundlichkeit  von  Herrn  Professor  Sn eilen 
bin  ich  in  den  Besitz  von  solchen  Leuchtobjecten  gekom- 
men, wie  sie  von  Bosscha  benutzt  wurden;  es  sind 
schwarze  Cartons,  auf  welchen  eine  kreisföimige  Fläche 
von  ca.  10  cm  Durchmesser  mit  Leuchtfarbe  bestrichen 
ist  Ich  heftete  diese  an  der  schwarzen  Wand  unseres 
Dunkelzimmers  an  und  fixirte  den  Mittelpunkt  der  Scheibe. 
Der  Verlauf  der  Erscheinungen  war  für  mein  Auge  dann 
der  folgende:  Die  HeUigkeit  der  Fläche  nahm  ziemhch  rasch 
und  gleichmässig  ab,  dann  wurden  die  Bänder  verwaschen, 
wie  wenn  sich  dunkle  Wolken  darüber  legten,  und  nach 
einiger  Zeit  war  die  Scheibe  ganz  unsichtbar  geworden. 
Es  ist  verhältnissmässig  leicht,  dies  wahrzunehmen,  da  man 
bei  einiger  Uebung  einen  beliebigen  Punkt  auf  der  Fläche 
leicht  fixiren  kann.  Aber  von  dem  AugenbUcke  an,  in 
welchem  die  leuchtende  Fläche  unsichtbar  geworfen  ist, 
hat  das  Auge  im  vollkommen  verdunkelten  Zimmer  keinen 
Fixationspunkt  mehr,  und  es  ist  äusserst  schwierig,  fast  un- 
mögUch,  das  Auge  auch  jetzt  noch  völHg  ruhig  zu  halten. 
Die  geringste  unwillkürUch  ausgeführte  Augenbewegung, 
ja,  eine  Aenderung  der  Accommodationsspannung  genügt, 
um  die  Scheibe  ^mehr  oder  weniger  vollständig  wieder  auf- 
tauchen zu  lassen. 

Um  mich  zu  überzeugen,  dass  wirkUch  die  Augenbo- 
wegungen  die  Ui'sache  des  scheinbaren  Wiederkeluvns  der 
leuchtenden  Fläche  sind,  machte  ich  folgende  2  Vt^i-suclie. 

Durch  länger  fortgesetzte  Uebung  war  es  mir  gelun- 
gen, die  leuchtende  Fläche  nicht  nur  vorübergehend,  sondern 
auch  fiir  längere  Zeit  vöUig  zum  Verschwinden  zu  bringen. 
Ich  glaubte  dann,  mich  in  einem  ganz  gleichmässig  dunklen 
Baume  zu  befinden.  Nun  machte  ich  willkürlich  eine  mögUchst 
rasche  kleine  Bewegung  mit  dem  Auge,  so  dass  dasselbe 
sofort  wieder  in  seine  ursprüngliche  Stellung  zurückkehrte. 
Dabei  tauchte  mir  die  leuchtende  Fläche  für  einen  Augen- 
bUck   in   ihrer   vollen  HelUgkeit   auf,   wmxle    aber   wieder 

18* 


276  C.  Hess. 

ganz  unsichtbar,  sobald  das  Auge  in  die  ursprüngliche  Lage 
zurückgekehrt  war. 

Noch  beweisender  ist  der  folgende  Versuch: 

Um  eine  richtige  Stellung  des  Auges  auch  nach  dem 
Unsichtbarwerden  der  leuchtenden  Fläche  zu  sichern, 
brachte  ich  dicht  neben  derselben  ein  ganz  kleines  Glüh- 
lämpchen  an,  dessen  Helligkeit  durch  einen  Rheostaten 
regulirt  werden  konnte.  Durch  einen  passend  aufgestellten 
Schirm  war  verhütet,  dass  die  Leuchtfläche  von  dem  Glüh- 
lämpchen  mit  belichtet  wurde. 

Die  Lichtstärke  des  Glühlämpchens  war  so  gross  ge- 
wählt, dass  auch  bei  länger  dauerndem  Fixiren  desselben 
dieses  nicht  ganz  unsichtbar  wurde. 

Fixirte  ich  es  nun,  so  bildete  sich  die  leuchtende 
Fläche  auf  einer  dicht  neben  der  Macula  gelegenen  Netz- 
hautstelle ab. 

Stellte  ich  den  Versuch  in  der  geschilderten  Weise 
an,  so  war  der  Verlauf  der  Erscheinimgen  wiederum  der, 
dass  die  nur  wenig  excentrisch  gesehene  leuchtende  Fläche 
rasch  an  HeUigkeit  abnahm,  bald  vollständig  unsichtbar 
wHirde,  und  nun  auch  unsichtbar  blieb,  sofern  das 
Auge  streng  das  Glühlämpchen  fixirte.  ^Diese  Versuche 
habe  ich  längere  Zeit  hindurch  tägUch  mehrere  Male 
wiederholt  und  sie  auch  von  befreundeten  Collegen  an- 
stellen lassen,  welche  nicht  wussten,  worum  es  sich  bei 
dem  Versuche  handelte.  Stets  war  das  Ergebniss  das 
gleiche,  oben  geschilderte. 

Auf  einen  analogen  Versuch,  zu  dessen  Anstellung 
nur  die  Fähigkeit  zu  längerem  festen  Fixiren  gehört,  machte 
mich  früher  Herr  Professor  Hering  aufinerksam.  Man 
richte  an  einem  klaren  Abende  das  Auge  streng  auf  einen 
boUebigen,  recht  hellen  Stern  als  Fixationsobjeci  Ln  ersten 
AugenbUcke  nimmt  man  noch  zahlreiche  Sterne  in  der 
unmittelbaren  Umgebung  und  selbst  in  grösserer  Entfer- 
nung von  dem  fixirten  Sterne  wahr.    Aber  es  dauert  nicht 


Studien  über  Nachbilder.  277 

lange,  so  werden  allmählich  alle  Sterne  unsichtbar  bis  auf 
den  fixirten  (sofern  dieser  besonders  hell  war),  und  man 
hat  den  Eindruck,  gegen  eine  sonst  vollkommen  dunkle 
Fläche  zu  sehen.  Diese  Verdunkelung  bleibt  so  lange 
bestehen,  als  man  die  Augen  vollständig  ruhig  hält;  die 
Sterne  bleiben  unsichtbar. 

Hierhergehörige  Erscheinungen  bezügUch  des  Unsicht- 
barwerdens  von  Aderhautfigur  und  Macula  lutea  sind  be- 
kannt und  von  Hering  ausführlich  beschrieben  und  als  Folge 
einer  localen  Adaptation  der  Netzhaut  eingehend  erklärt  wor- 
den. (Archiv  f.  Ophthahnologie,  Bd.  XXXVH,  Abth.  8, 
S.  28 — 34.  „lieber  Ermüdung  und  Erholung  des  Seh- 
organs" und  Archiv  für  die  gesammte  Physiologie,  Bd.  54: 
„lieber  den  Einfluss  der  Macula  lutea  auf  spectrale  Farben- 
gleichungen."). 

Die  von  Bosscha  beschriebene  Beobachtung  würde 
sich  nach  der  Herin  g  'sehen  Theorie  kaum  erklären  lassen.  — 

SchhessKch  möchte  ich  noch  eine  von  anderer  Seite 
an  meiner  Abhandlung  geübte  Kritik  an  dieser  Stelle  kurz 
beleuchten. 

Bei  der  Zusammenfassung  meiner  Versuchsergebnisse 
hatte  ich  an  vierter  Stelle  den  folgenden  Satz  auf- 
gestellt: 

„Auch  wenn  man  von  der  Auffassung  der  positiven 
Nachbilder  und  den  Beziehungen  derselben  zur  primären 
Erregung  zunächst  ganz  absieht,  so  vermag  eine  Theorie, 
nach  welcher  die  Empfindung  Weiss  durch  die  gleichzeitige 
Erregung  verschiedener  farbig  empfindender  nervöser  Ele- 
mente zu  Stande  kommen  soll,  die  beschriebenen  That- 
sachen  in  keiner  Weise  zu  erklären.  Vielmehr  ist  zum 
Verständnisse  derselben  die  Annahme  einer  von  der  far- 
bigen Empfindungsreihe  mehr  oder  weniger  unabhängigen 
farblosen,  von  den  weissen  Valenzen  der  ReizUchter  ab- 
hängigen Empfindungsreihe  unerlässüch." 

Mit  Bezug  auf  diesen  Satz  sagt  A.  König  (Zeitschrift 


278  C.  Hess. 

für  Physiologie  und  Psychologie  der  Sinnesorgane  Bd.  IV) 
Folgendes: 

„Der  Verfesser  würde  den  Werth  seiner  interessanten 
Abhandlung  noch  beträchtlich  erhöht  haben,  wenn  er  eine 
Begründung  der  vierten  These  hinzugefügt  hätte." 

Bei  Abfassung  meiner  Arbeit  hatte  ich  eine  eingehende 
Beweisfiihrung  zu  dem  betreflfenden  Satze  fiir  überflüssig 
gehalten  in  dem  Glauben,  dass  die  Unvereinbarkeit  einer 
ganzen  Reihe  der  mitgetheilten  Thatsachen  mit  der  Drei- 
Fasertheorie  für  den  aufinerksameA  Leser  sich  von  selbst 
ergeben  müsste.  Ich  entspreche  aber  gerne  der  Aufforde- 
rung König 's,  indem  ich  für  ihn  wenigstens  an  einem 
Beispiele  die  Unvereinbarkeit  der  von  mir  mitgetheilten 
Thatsachen  mit  der  Young 'sehen  Theorie  mit  besonderer 
Ausführlichkeit  nachweise. 

Es  ist  eine  bekannte,  auch  von  v.  Helmholtz  selbst 
(Physiologische  Optik  S.  359)  angeführte  Thatsache,  dass 
die  positiven  Nachbilder  nach  kurz  dauernder  BeUchtung 
um  so  länger  dauern,  je  heller  die  Lichtquelle,  je  stärker 
also  der  Reiz  war. 

Nin-  bei  Aubert  finde  ich  die  entgegengesetzte  Ansicht 
vertreten  (Moleschott,  Untersuchungen.  1858,  S.  301  und  Physiol. 
d.  Netzhaut  S.  374). 

Aubert  sagt  dort:  „Ich  habe  die  Beobachtung  gemacht, 
dass  nach  einem  lichtschwachen  Funken  die  NaclibUder  von  den 
dm-ch  ilm  beleucliteten  Objecten  länger  dauerten  als  nadi  einem 
sehr  liellen  Funken." 

Um  in  ganz  einwandfreier  Weise  den  Einfluss  der  Hellig- 
keit des  Objectes  auf  die  Dauer  des  Naclibildes  zu  studiren,  be- 
diente ich  mich  derselben  Methode,  welche  icli  oben  (S.  272)  bei 
den  Beobachtungen  über  die  Farbe  der  Nachbilder  anwendete. 
Im  Dunkelzimmer  wurde  bei  angenähert  paralleler  Stellung  der 
Augen  in  einiger  Entfernung  vor  diesen  das  Glühlämpdien  vor- 
beibeweg:t,  wäin-end  vor  ein  Auge  ein  möglichst  farbloses  rauch- 
gi-aues  Glas  gehalten  wurde;  das  Glühlämpchen  wurde  also  jetzt 
in  Doppelbildern  von  angenähert  gleicher  Farbe  aber  sehr  ver- 
schiedener Helligkeit  gesehen.    Bei  mannigfacher  Abänderung  der 


Studien  über  Nachbilder.  279 

Vereuchsanordnung  fand  ich  regelmässig,  dass  das  Nachbild 
des  mit  unbewaffnetem  Auge  geselienen  (helleren)  Glühlämpdiens 
merklich  später  unsichtbar  wurde  als  das  andere. 

Wird  das  Sehorgan  von  homogenem,  z.  B.  rothem 
Lichte  getroffen  (s.  meine  Abhandlung  S.  203  ff.)  so  wer- 
den dadurch  (nach  der  Dreifasertheorie)  die  rothempfinden- 
den Fasern  stark,  die  grün-  und  blau-  oder  violettempfin- 
denden Fasern  nur  verhältnissmässig  schwach  erregt.  Nach 
dem  oben  über  die  Dauer  der  Erregung  Gesagten  müsste 
der  Erregimgszustand  in  den  rothempfindenden  Fasern  am 
längsten  fortdauern,  während  die  grün-  und  die  blau-  oder 
violettempfindenden  Fasern  viel  früher  in  den  Ruhezu- 
stand zurückkehren  würden.  Es  müsste  also  einen  Zeit- 
punkt geben,  in  welchem  die  Erregung  dieser  letzteren  gleich 
oder  nahezu  gleich  null  wäre,  während  die  der  rothem- 
pfindenden noch  fortdauerte.  Das  positive  Nachbild  müsste 
dann  in  einem  ausserordentlich  gesättigten  rotlien 
Farbentone  gesehen  werden.  Ueberhaupt  müsste  nach  Rei- 
zung mit  beliebigem  homogenem  Lichte  das  Nachbild 
sehr  gesättigt  erscheinen.  Dies  ist  aber  bekanntlich  nicht 
der  Fall.  Vielmehr  ist  das  positive  Nachbild  auch  bei  Rei- 
zung mit  den  gesättigten  homogenen  Lichtem  nur  schwach 
gefärbt  und  bald  vollkommen  farblos.  Die  Dreifasertheorie 
vermag  diese  Erscheinung  nicht  zu  erklären.  Man  kann 
gegen  diese  Folgerungen  auch  nicht  einwenden,  dass  das 
Abkhngen  der  Erregung  in  den  3  Faserarten  möglicher- 
weise verschieden  schnell  stattfinden  könnte,  unabhängig 
von  der  Stärke  des  Lichtreizes.  Denn  dann  würde  das 
positive  Nachbild  einer  farblosen  Lichtquelle  im  Allge- 
meinen farbig  erscheinen  müssen;  dies  ist  aber  unter  den 
von  uns  benutzten  Versuchsbedingungen  nicht  der  FalL 
(Siehe  meine  Abhandlung  S.  199  f.). 


Druck  TOD  FOschel  A  Trepte  in  Leipzig. 


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Fa^se^rt 


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I  ■  (Jn/e/cs  Arcku  •  Bd.XL.3. 


TafW 


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IMIMIII   ^ 


Tig.  6^  (Versuch  10)  Geeickt^ld  für  Weiss  5mmF 
Ihei  iemporaJUr Ohjectfuhrung luiid' 


^erAnspan-  KHtM  -^''     nasaler  »  I starker 

Anspanung  der  Accomodaäaru 


"'■"•*•'  iott  desMiUpunk. 


«K- 


^•^-  ^^^W-  Weiss 5mm/:  Fi<f.6^  (Versuch  W) Cf esnchtsßldfär  Weiss  3m7n? 

^'  rvna\wid  voll.       HI  hei  temporaler  Ohjectfiiknmg jimdmAssi. 

'       ^  Ikommerur  +-H"«-^^  "  nasaler              ''             ß ger Anspart- 

\odatiori.  nury  der  Accammodation. 


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Füf.l  ^hldf  Weiss  omni'  Fign2.iVersuch26lGrmchisfMfWeias  2jnm  ^ 

^  aufeOcmEnißmmy.  hei  temporaler  Objectfähnm^ 

desPe,  "    ^0-         -  1 hei rdM  atrapinigirUm^ Auge. 

JH  t^z  Standen  später  unter  Atropüiwlr- 

kung. 


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^ldfiirUeis2nmi^ 

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des  Pe  mU.Acconmiod. 
ufden  ydhepunkt 

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des  J 


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FYg.13.  fVersm^27)GesiMs^ld fm'Wel82rrmr 
bei  temporaler  Objectßihrung 

.1  bei  Beginn  des  Versudies 


n  ^i  Stunde^    späierimter  Eserinwirkung. 


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-  ^  aufßOcmEnißmury.  hei  temporaler  Objectßhruiuj 

Ihei  niclit  cUropinitiriem  Auge. 

JI  l^z  Stunden  später  unter  Atropinwir- 

kung. 


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Fig. 
des  Peinnt. 


des  J 


ldfnrlieis2nmi^' 
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'.Accommod. 
ufdsn  Xähepunkt 


Fig.13.  (yer8ndi27)Ge8ichtsfkld  fmWeis2tmn^ 
bei  temporaler  Objectßihrung 

~1  bei  Beginn  des  Versudies 


n  H  Stunde^    späier  unter  Eserimvirkung. 


/  •-  Grae  "psAn  hiv  Bd. XL. 2. 


L.A. 


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Verlag  v WiRLEngelinami  in  Icip zicj 


'CiiutefesMiw  Iki  XL.2 


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NOT  TO  BE  TAKEN  FROM  THE  ROOM 

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