103
Dm
BOOK 109.D488 v. 1 pt.2 c. 1
DEUSSEN ff ALLGEMEINE GESCHICHTE
DER PHILOSOPHIE
3 T1S3 OOOSTfllö 7
ALLGEMEINE
GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE.
ERSTER BAND, ZWEITE ABTEILUNG.
ALLGEMEINE
GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE
MIT
BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER RELIGIONEN.
Von
Dr. PAUL DEUSSEN
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT KIEL.
ERSTER BAND, ZWEITE ABTEILUNG:
DIE PHILOSOPHIE DER ÜPAMSHAD'S.
DRITTE AUFLAGE.
LEIPZIG:
F. A. BROCKHAUS.
1919.
VORWORT.
Die vorliegende Arbeit, welche die zweite Abteilung
unserer ,, Allgemeinen Geschichte der Philosophie", aber auch
ein für sich abgeschlossenes Ganze bildet, behandelt die
| Philosophie der lUpanishad's und damit den Kulminations-
punkt der Indischen Weltanschauung, welcher schon in
' vedischer, vorbuddhistischer Zeit erreicht und an philo-
sophischer Bedeutung durch keine der nachfolgenden Erschei-
nungen bis auf die Gegenwart hin übertroffen worden ist,
weder durch das Sänkhyasystem, dessen allmähliche Ent-
, stehung aus den Upanishadgedanken durch Überhandnehmen
der realistischen Tendenzen wir in Kapitel X (unten S. 216
I bis 230) verfolgt haben, noch durch den Buddhismus, der, bei
aller Selbständigkeit des Auftretens, doch in den wesentlich-
sten Punkten von den Lehren der Upanishad's abhängig ist,
wie denn z. B. sein tiefster Grundgedanke (Nirvänam, d. h. Auf-
hebung des Leidens, durch Aufhebung der Trislinä) sich
schon mit andern Worten (Einswerden mit Brahman durch
.Aufhebung des Käma) in der unten, S. 313, mitgeteilten
Stelle Brih. 4,4,6 ausgesprochen findet.
Die Vedantagedanken sind somit für Indien die eigent-
liche geistige Lebensluft, welche alle Erzeugnisse der spä-
tem Literatur durchweht, geworden und geblieben, und noch
VI Vorwort.
heute sind die Upanishad's für jeden brahmanischen Inder
dasselbe, was für den Christen das Neue Testament ist.
Eine Erscheinung von dieser Bedeutung verdiente und
erforderte eine eingehendere Behandlung, als sie bisher zu
finden war, und wir hoffen, dafs es uns gelungen ist, den
Nebel zu heben, der bisher über dieser Region lagerte, und
da, wo manche nur ein Durcheinanderfluten widerspruchs-
voller Konzeptionen erblickten, Ordnung, Zusammenhang und,
wenn nicht ein einheitliches System, so doch eine einheit-
liche historische Entwicklung zu erkennen, bestehend in
einem ursprünglichen, schroffen und kühnen Idealismus,
welcher dann im weitern Verlaufe durch eine zweifache
Akkommodation, einerseits an die überkommenen Traditionen,
anderseits an die uns allen von Natur an eigene empirische
Anschauungsweise, sich stufenweise zu dem fortentwickelt
hat, was wir, im Anschlufs an okzidentalische Vorstellungen,
wenn auch nicht überall genau in dem Sinne derselben,
Pantheismus, Kosmogonismus, Theismus, Atheismus
(Sänkhyam) und Deismus (Yoga) genannt haben. Zur ersten
Orientierung über diese Verhältnisse mag das schon durch
seine paradoxe Überschrift die Aufmerksamkeit auf sich len-
kende und zum Widerspruch reizende Kapitel IX: „Die Nicht-
realität der Welt" {S. 204 — 215), wie auch der am Schlüsse
des Werkes (S. 354 fg.) zu findende Rückblick dienen.
Das Merkwürdige und auf den ersten Blick Verwirrende
bei dieser ganzen Entwicklung besteht^ darin, dafs jener
ursprüngliche Idealismus durch die aus ihm entsprungenen
pantheistischen und theistischen Fortbildungen nicht be-
seitigt wird, sondern als unaufgehobenes Moment fortbesteht
und überall, hier mehr, dort weniger deutlich, hindurch-
leuchtet, bis er endlich vom Sänkhyasysteme ganz verlassen,
hingegen vom Vedäntasysteme als die allein ganz ernst zu
nehmende „höhere Wissenschaft" (parä vidyä) proklamiert
wird, welcher gegenüber alle jene realistischen Fortbildungen
Vorwort. VII
mitsamt Weltschöpfung und Seelenwanderung als die „nie-
dere Wissenschaft" (aparä vidyä) erscheinen und aus einer
Akkommodation der Schriftoffenbarung an die Schwäche des
menschlichen Erkenntnisvermögens erklärt werden. Diese
von den spätem Vedantatheologen vertretene Akkommodations-
theorie ist nicht ganz ohne Grund und nur dahin zu berich-
tigen, dafs jene Anpassung an das empirische (auf räumliche,
zeitliche und kausale Zusammenhänge gerichtete) Erkenntnis-
vermögen nicht eine absichtliche und bewufste, sondern eine
unbewufste gewesen ist. In dieser Form wird der Akkom-
modationsgedanke zu einem Schlüssel, welcher geeignet ist,
nicht nur die Entwicklung der Upanishadlehre, sondern auch
viele analoge Erscheinungen der abendländischen Philosophie
innerlich zu erschliefsen. Denn eine Einkleidung meta-
physischer Intuitionen in empirische Erkenntnisformen ist nicht
nur in Indien, sondern auch in Europa von jeher geübt und
auch dadurch nicht um ihr Ansehen gebracht worden, dafs
Kant das Unberechtigte des ganzen Verfahrens aufdeckte,
wie wir dies in den spätem Teilen unseres Werkes näher
nachzuweisen hoffen.
Kiel, im April 1899.
P. D.
VOKWORT ZUE ZWEITEN AUFLAGE.
Auch bei der vorliegenden zweiten Abteilung ist die
wider Erwarten schnell erforderlich gewordene zweite Auflage
in allem Wesentlichen ein unveränderter Abdruck der ersten,
da seit deren Erscheinen nichts hervorgetreten ist, was meine
Auffassung des in den Upanishad's vorliegenden Entwicklungs-
ganges zu modifizieren geeignet wäre.
Nach dem Vorgange der vor kurzem erschienenen eng-
lischen Übersetzung dieser Abteilung (The Philosophy of the
Upanishads, translated by Rev. A. S, Geden, M. A., Edinburgh
1906) ist auch der neuen deutschen Auflage ein ausführ-
licher Index beigegeben worden, dessen Anfertigung, wie auch
die Revision der Druckbogen, Herrn stud. or. Johannes Brune
verdankt wird.
Kiel, im Dezember 1906.
P. D.
Alphabetisches Verzeichnis
der wichtigeren Upanishad's,
zur Erklärung der im Buche gebrauchten Abkürzungen, welche jedesmal
aus den Anfangsbuchstaben der hier alphabetisch verzeichneten Namen
bestehen (Brih. = Brihadäranyaka-Upanishad, Chänd. == Ckändogya-Upani-
shad, usw.). Die beigefügten Zahlen verweisen auf die Seiten unserer „Sechzig
Upanishad's des Veda, aus dem Sanskrit übersetzt", wo die von uns ver-
wendeten Texte im Zusammenhang vorliegen, auch in den Einleitungen und
Anmerkungen das Nähere zur Begründung unserer Auffassungen zu finden ist.
Agrama 713.
Aitareya 15.
Amritabindu 651.
Arsheya 853.
Äruneya 692.
Atharvagikhä 727.
Atharvagiras 717.
Ätnia 620.
Atma(pra)bodha 750.
Bäshkala 838.
Brahma 679.
Brahmabindu 646.
Brahmavidyä 631.
Brihaddranyaka 382.
Qaunaka 867 (875).
Chägaleya 844.
Chändogya 68.
Qivasamkalpa 837.
Cülika 638.
Qvetdgvatara 291.
Dhyänabindu 659.
Garbha 606.
Gäruda 627.
Hansa 674.
Igd 524.
Jdbäla 707.
Kaivalya 738.
Käldgnirudra 735.
Kanthagruti 698.
Käthaka 266.
Kaushitaki 23.
Z"ewa 204.
Kshurikd 634.
ilfa/ta 744.
Mahändrdyana 243.
Maiträyana 315.
Mdndükya 577.
Mrityuldngala 851.
Mundaka 546.
Nddabindu 643.
Ndrdyana 747.
NUarudra 731.
Nrisinha-pürvat. 754.
Nrisinha-uttarat. 779.
Paingala 849.
Paramahansa 703.
Pmda 618.
Pragna 560.
Prändgnihotra 612.
Pranava 858.
Purusha-sükta 830.
Bäma-pürvat. 805.
Bdma-uttarat. 819.
Sannydsa 687.
Sarvopanishatsdra 622.
IWem 833.
Taittiriya 214.
Tejobindu 664.
Yogagikhä 667.
Yogatattva 670.
AUSSPRACHE.
In indischen Wörtern ist
c, cli wie tscli, tschh
j, jh wie tisch, dsclili
zu sprechen; also: Yädschnavalkya, Tschhändogya usw.
<j ist ein mittlerer. Laut zwischen s (stets scharf) und Sil (= seh).
Die Betonung richtet sich, wie im Lateinischen, nach der Quantität
der vorletzten Silbe; ist dieselbe lang, so hat sie den Akzent, ist sie
kurz, so liegt er auf der drittletzten Silbe (e und o sind stets lang).
Nach der von uns befolgten Schreibweise sind alle Wörter auf a
Maskulina, alle auf ä Feminina, alle auf am Neutra: der Vedänta,
die Mimänsä, das Sänlcliyam (sc. darganam).
INHALTSÜBERSICHT.
Seite
Vorwort. . . • V
Vorwort zur zweiten Auflage VIII
Der zweiten Periode der indischen Philosophie oder der Bräh-
manazeit Fortsetzung und Schlufs:
DIE PHILOSOPHIE DER UPANISHAD'S.
EINLEITUNG ZUR PHILOSOPHIE DER UPANISHAD'S. ,
I. Die Stellung der Upanishad's in der Literatur des Veda .... 3—16
1. Der Veda und seine Teile. 3
2. Brähmanani, Aranyakam, Upanishad 4
3. Die Upanishad's der drei altern Veden 7
4. Die Upanishad's des Atharvaveda 8
5. Über die Bedeutung des Wortes upanishad 11
II. Einiges zur Geschichte der Upanishad's 16—35
1. Der erste Ursprung der Upanishad's . 16
2. Die vorhandenen Upanishad's 22
3. Die Upanishad's hei Bädaräyana und CJankara 26
4. Die wichtigsten Upanishadsanimlungen 31
III. Der Grundgedanke der Upanishad's und seine Bedeutung . . . 36—47
1. Der Grundgedanke der Upanishad's 36
2. Der Upanishadgedanke und die Philosophie 38
3. Der Upanishadgedanke und die Religion 42
b
XII Inhaltsübersicht.
DAS SYSTEM DER UPANISHAD'S.
Vorbemerkung 4#
Des Systems der Upanishad's erster Teil:
THEOLOGIE
ODER DIE LEHRE VOM BRAHMAN
Seite
I. Über die Erkennbarkeit des Brahman 51—78
1. Ist der Veda die Quelle der Brahmanwissenschaft? . . 51
2. Vorbereitende Mittel der Brahmanerkenntnis 56
3. Das Opfer 57
4. Die Askese (tapas) 60
5. Andere Vorbedingungen 65
6. Der Standpunkt des Nichtwissens, des Wissens und des
Überwissens in bezug auf das Brahman 68-
II. Das Suchen nach dem Brahman 78—90
1. Der Atman (das Brahman) als die Einheit 78
2. Die Erklärungsversuche des Bäläki 80
3. Die Erklärungsversuche des Cäkalya 81
4. Sechs einseitige Definitionen 81
5. Definitionen des Ätman Vaiqvänara 83
6. Stufenweise Belehrung des Närada 84
7. Drei verschiedene Ätman's 86
8. Fünf verschiedene Ätman's 89
III. Symbolische Vorstellungen von Brahman 91—114
1. Vorbemerkungen und Anordnung 91
2. Brahman als Präna und Väyu 93
3. Andere Symbole des Brahman 101
4. Versuche, die symbolischen Vorstellungen von Brah-
man umzudeuten 107
5. Umdeutungen und Ersetzungen ritueller Bräuche . . 109,
IV. Das Brahman an sich 115—143
1. Vorbemerkung 115
2. Brahman als das Seiende und das Nichtseiende, als
die Realität und die Nichtrealität 117
3. Brahman als Bewufstsein, Denken (cit) 120
4. Brahman als Wonne (änanda) 127
5. Negative Natur und Unerkennbarkeit des Brahman
an sich 133
V. Das Brahman und die Welt 143—162
1. Alleinige Realität des Brahman 143
2. Das Brahman als kosmisches Prinzip 145
3. Das Brahman als psychisches Prinzip 152
4. Das Brahman als persönlicher Gott (iQvara) 157
Inhaltsübersicht. XIII
Des Systems der Upanishad's zweiter Teil:
KOSMOLOGIE
ODEB DIE LEHRE VON DER "WELT.
Seite
VI. Brahman als Weltschöpfer 163—182
1. Vorbemerkung zur Kosmologie 163
2. Die Weltschöpfung und die Atmanlehre 165
3. Die Schöpfung der unorganischen Natur 168
4. Die organische Natur 176
5. Die Weltseele (Hiranyagarbha, Brahman) 179
VII. Brahman als Erhalter und Regierer 182—198
1. Brahman als Welterhalter 182
2. Brahman als Weltregierer 186
3. Freiheit und Unfreiheit des Willens. 188
4. Brahman als Vorsehung 191
5. Kosmographie der Upanishad's 193
VIII. Brahman als Weltvernichter . 198—204
1. Die Kalpatheorie des spätem Vedänta 198
2. Bückkehr der Einzelwesen in Brahman 199
3. Bückkehr des Weltganzen in Brahman 201
4. Über die Motive der Lehre von der Weltvernichtung
in Brahman 203
IX. Die Nichtrealität der Welt 204—215
1. Die Mäyälehre als Grundlage aller Philosophie .... 204
2. Die Mäyälehre in den Upanishad's 206
3. Die Mäyälehre in empirischen Vorstellungsformen . . 212
X. Die Genesis des Sänkhyasystems 216—230
1. Kurze Übersicht der Sankhyalehre 216
2. Genesis des Dualismus 220
3. Genesis der Evolutionsreihe 222
4. Genesis der Gunalehre 226
5. Genesis der Heilslehre 228
Des Systems der Upanishad's dritter Teil:
PSYCHOLOGIE
ODER DIE LEHRE VON DER SEELE.
XI. Die höchste und die individuelle Seele 231—237
1. Die Anschauung des spätem Vedänta 231
2. Ursprünglich nur eine Seele 232
3. Die individuellen Seelen neben der höchsten 233
4. Grund der Verkörperung 236
XIV Inhaltsübersicht.
Seite
XII. Die Organe der Seele 237—266
1. Spätere Ansicht 237
2. Der Atman und die Organe 239
3. Das Mamas und die zehn Indriyä'a 244
4. Der Präna und seine fünf Verzweigungen 248
5. Der feine Leib und die moralische Bestimmtheit . . 252
6. Physiologisches aus den Upanishad's 255
XIII. Die Zustände der Seele 267—281
1. Die vier Zustände. ..".■■ 267
2. Das Wachen 270
3. Der Traumschlaf 271
4. Der Tiefschlaf 274
5. Der Turlya 278
Des Systems der Upanishad's vierter Teil:
ESCHATOLOGIE
ODER DIE LEHRE VON DER SEELENWANDERUNG UND ERLÖSUNG
SOWIE VON DEM WEGE ZU IHR (PRAKTISCHE PHILOSOPHIE).
XIV. Die Seelenwanderung 282—304
1. Philosophische Bedeutung der Seelenwanderungslehre 282
2. Altvedische Eschatologie 285
3. Die Keime der Seelenwanderungslehre 292
4. Die Genesis der Seelenwanderungslehre 295
5. Die Fortbildung der Seelenwanderungslehre .... 2i>9
XV. Die Erlösung 305—325
1. Bedeutung der Erlösungslehre 305
2. Ursprung der Erlösungslehre 306
3. Das Ätmanwissen ist die Erlösung. Charakteristik
des Erlösten 310
4. Die Erlösungslehre in empirischem Gewände .... 320
XVI. Die praktische Philosophie 325—354
1. Vorbemerkung 325
2. Die Ethik der Upanishad's 327
3. Der Sannyasa 335
4. Der Yoga 343
XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren 354—368
1. Vorbemerkungen 354
2. Der Idealismus als Grundanschauung der Upanishad's 356
3. Theologie (Lehre vom Brahman oder Atman) . . . 359
4. Kosmologie und Psychologie 362
5. Eschatologie (Seelenwanderung und Erlösung) . . . 365
Index. I. Namen- und Sachverzeichnis 369 — 384
iL Verzeichnis der Zitate 385—401
DIE PHILOSOPHIE DER UPANISHAD'S.
Dbcbsen, Geschichte der Vliilosophie. I.u.
Der zweiten Periode der Indischen Philosophie oder
der Brähnianazeit Fortsetzung nnd Schlufs:
Die Philosophie der Upanishad's,
(Bis ca. 500 a. C.)
Ä.. Einleitung zur Philosophie der Upanishad's.
I. Die Stellung der Upanishad's in der Literatur des Veda.
L Der Veda und seine Teile.
Wie aus unsern frühern Ausführungen (I,i, S. 64 fg., vgl.
I, i, S. 47 fg.) erinnerlich, zerfällt die Gesamtheit der vedischen
Literatur, entsprechend den vier Hauptpriestern beim öoma-
opfer, in vier Hauptteile, den Rigvcda, Sämaveda, Ycrurveda
und Atharvaveda, deren jeder eine- Samhitä, ein Brähmanam
und ein Sütram enthält. Das Brähmanam (im weitern Sinne
des Wortes) wird dann wieder von den Vedäntatheologen (oben,
I,i, S. 47 — 50) in drei inhaltlich meist mit einander verbundene
und verfliefsende Teile zerlegt: Vidhi, Artliavüda und Vedänta
oder Ujianishad. Folgendes Schema mag behilflich sein, diese
Hauptgliederung des Veda im Gedächtnisse festzuhalten.
I. Rigveda "j A. Samhitä
B. Brähmanam { b. Arthaväda
III. Yajurveda
IV. Atharvaveda ) C. Sütram K c' Vedänta (UPanishad).
Noch ist im voraus zu bemerken, dafs jeder der genannten
zwölf Teile des Veda in der Regel nicht in einfacher, sondern
1*
4 A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanishad's im Veda
mehrfacher, zum Teil vielfacher Form überliefert ist, sofern
jeder Veda in verschiedenen £äkhä'& (wörtlich: „Zweigen" des
Vedabaumes) d. h. Vedaschulen gelehrt wurde, welche in
der Behandlung des gemeinsamen Stoffes so sehr von einander
abwichen, dafs daraus mit der Zeit verschiedene Werke paral-
lelen Inhaltes erwuchsen. So enthält namentlich jeder der
drei alten Veda's (bei dem vierten liegen die Verhältnisse
vielfach anders) nicht ein Brähmanam, sondern mehrere, und
dementsprechend sind zu jedem Vecla nicht nur eine, sondern
mehrere Upanishad's vorhanden. Hiervon weiter unten.
2. Brähmanam, Äranyakam, Upanishad.
Der Anschlufs der Upanishad an das ihrem Geiste sehr
heterogene Brähmanam ist in der Regel kein unmittelbarer,
sondern pflegt gebildet zu werden durch ein, in die Upanishad
auslaufendes oder dieselbe in sich eingebettet enthaltendes,
Äranyakam oder „Waldbuch", so benannt, sei es, weil es (wie
Oldenberg, Prolegomena S. 291 annimmt) um seines geheimnis-
vollen Charakters willen dem Schüler nicht im Dorfe (gräme),
sondern aufserhalb desselben (aranye, in der Einöde) über-
mittelt wurde (vgl. die Erzählung Brih. 3,2,13, Up. S. 433 und
die Namen rahasyam, upanishad), sei es, weil es von Haus
aus „ein für das Gelübde des Waldlebens bestimmtes Bräh-
manam" {äranyalm-vrata-rüpam brähmanam, Säyana, Einl. zum
Ait. Ar., bei Aufrecht p. III, meine Up. S. 7) war. Der In-
halt der Äranyaka's begünstigt wohl mehr die letztere Auf-
fassung, sofern sie vorwiegend in allerlei Ausdeutungen des
Rituals und allegorischen Betrachtungen über dasselbe bestehen,
wie sie beim Waldleben an die Stelle der gröfstenteils nicht
mehr vollziehbaren, wirklichen Opferhandlungen treten mochten
und einen naturgemäfsen Übergang zu den ganz frei sich über
den Kultus erhebenden Upanishadgedanken bilden. Dieser
Übergang fehlt nirgends, wo uns der Schriftbestand einer
£äkhä vollständig vorliegt (was bei den Käthaka's, (Jvetä-
gvatara's, Maiiräyaniya's nicht der Fall ist), denn sowohl die
Aitareyin's und Kaushitahin's des Rigveda, als auch die Tait-
tiriyalca's und Väjasaneyin's des Yajurveda besitzen, im An-
2. Brälimanam. Aranyakam, Upanishad. 5
Schlüsse an die Samhitä, ihr Brähmanam nebst Aranyakam
und Upanishad, und wenn auch bei den Schulen des Säma-
veda der Name Aranyakam nicht üblich ist, so tragen doch
auch dort die Eingänge der Upanishad's (Chändogya-Up. 1 — 2
und Upanishadbrähmanam 1 — 3) durchaus den Charakter der
Äranyaka's (vgl. Up. S. 66 fg. 203 n.). — Diese bei allen
Cäkhä's im wesentlichen gleichartige Aufeinanderfolge der ri-
tuellen, allegorischen und philosophischen Texte mag
zum Teil auf der Anordnung des Lehrpensums beim Unter-
richte beruhen, welcher naturgemäfs im Anschlüsse an die Sam-
hitä zunächst das Brähmanam (soweit dasselbe überhaupt ge-
lehrt wurde, Oldenberg, Proleg. S. 291) folgen liefs, an die
Darstellung der Zeremonien den tiefern, mystischen Sinn der-
selben im Aranyakam knüpfte und die Aufschlüsse der Upa-
nishad's an das Ende der vedischen Lehrzeit verlegte, daher
die Upanishadtexte schon seit Cvet. 6,22 und Mund. 3,2,6
(Up. S. 310. .557) den Namen Vedänta (d. i. „Veda-Ende")
führen. Anderseits ist nicht zu verkennen, dafs die Reihen-
folge der Texte innerhalb des Kanons einer jeden Qäkhä viel-
fach ihrer historischen Entstehung entspricht, und dafs die
einzelnen Stücke, je früher sie stehen, um so älter, je später,
um so jünger sind. Wenn aber diese beiden für die Anord-
nung mafsgebenden Faktoren, die Tendenz der systematischen
Gliederung des Unterrichtsstoffes und die Wahrung der Reihen-
folge der zeitlichen Entstehung, in ihren Resultaten im grofsen
und ganzen zusammentreffen, so erklärt sich dies sehr einfach
aus der Annahme, dafs im Laufe der Zeiten das allgemeine
Interesse von der rituellen Betrachtungsweise sich der alle-
gorischen und von dieser sodann der philosophischen zuwandte.
Übrigens ist die Sonderung des Stoffes keineswegs streng
durchgeführt, und in allen drei Schriftgattungen, Brähmana's,
Äranyaka's und Upanishad's, finden sich gelegentlich sowohl
rituelle als auch allegorische und philosophische Digressionen.
— Ganz besonders auffallend aber und eine Erklärung heraus-
fordernd ist der Umstand, dafs, abgesehen von jenem gelegent-
lichen Durcheinanderlaufen der Materien, auch im grofsen und
ganzen die Einschnitte zwischen Brähmanam, Aranyakam und
Upanishad keineswegs immer richtig getroffen sind, indem
ß A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanishad's im Veda.
z. B. bei den Aitareyin's der Brähmanastoff in das Äranyakam.
hineinreicht, und bei den Taittiriyaka's das Ende des Bräh-
manam und der Anfang des Äranyakam durchaus zusammen-
gehören und ganz willkürlich auseinandergerissen sind (vgl.
Up. S. 10. 213). Dieser Tatbestand erklärt sich wohl nur
aus der Annahme, dafs der gesamte Lehrstoff jeder Qäkhä
ursprünglich ein kontinuierliches Ganze bildete, und dafs man
erst hinterher dieses Ganze in Brähmanam, Äranyakam und
Upanishad nach einem Prinzip zerlegte, welches nicht aus der
Natur de9 Stoffes allein entsprang, sondern, wenn auch im
ganzen demselben entsprechend, doch von aufsen in ihn herein-
getragen wurde. Ein solches Prinzip glauben wir in der spä-
tem Lebensordnung der vier Agrama's zu erkennen, vermöge
deren (wie wir schon oben I, i, S. 170 — 172 zeigten) es jedem
brahmanisch lebenden Inder zur Pflicht gemacht wurde, zuerst
als Brähmacärin bei einem brahmanischen Lehrer einen Lehr-
kursus durchzumachen, dann als Grihastha eine Familie zu
gründen und die pflichtmäfsigen Opfer zu betreiben, um hier-
auf als Vänaprastha sich in die Waldeinsamkeit zurückzuziehen
und der Askese und Meditation zu leben, bis er endlich, im
höchsten Alter, von allem Erdenhang gereinigt, besitzlos und
heimatlos und frei von allen Pflichten als Sannyäsin (Bhikshu,
ParivräjaJca) umherschweifte, nur noch die Auflösung seines
Atman im höchsten Ätman erwartend. In dem Lehrstoffe,
welchen man dem Brähmacärin übermittelte, wurde ihm eine
Richtschnur für sein ganzes künftiges Leben an die Hand ge-
geben: das Brähmanam belehrte ihn, wie er als Grihastha mit
Hilfe der Opferpriester den Opferkultus zu betreiben hatte,
das Äranyakam entsprach, wie denn auch wohl schon der
Name besagt, dem Vänaprastha, bei welchem die meisten
Opferhandlungen durch die Meditation über dieselben ersetzt
wurden, und die Upanishad lehrte theoretisch dieselbe Welt-
befreiung, welche der Sannyäsin praktisch zu verwirklichen
beflissen war. Daher heifst es von ihm, er soll „ohne [litur-
gische] Vedasprüche leben", jedoch „von allen Veden das
Äranyakam hersagen, die Upanishad hersagen" (Aruneya-Up. 2,
Up. S. 693). Dem häufigen Verfliefsen von Äranyakam und
Upanishad entspricht es, dafs bis in späte Zeiten hin, wie wir
2. Brähmanam, Äranyakam, Upanishaa. 7
noch sehen werden, vielfach zwischen Vänaprasfha und San-
nyäsin nicht streng geschieden wird.
3. Die Upanishad's der drei altem Veden.
Wie die BrähmancCs die rituellen, so sind die an sie
sich anschliefsenden Upanishad's ursprünglich nichts anderes als
die dogmatischen Textbücher der vedischen Qäkhä's,
woraus sich namentlich erklärt, dafs der Grundgedanke in
allen Upanishad's derselbe ist, welcher bald kürzer bald länger
in den mannigfachsten Variationen von ihnen entwickelt wird.
Die erste Entstehung der Qäkhä's oder Vedaschulen, auf wel-
cher dieses Auseinandertreten der rituellen und, mit ihr, der
philosophischen Tradition beruht, wird in einer Zeit zu suchen
sein, in welcher der Inhalt der Samhitä's im wesentlichen be-
reits festgestellt war und den Schülern vom Lehrer zum wört-
lichen Auswendiglernen überliefert wurde (vgl. Chand. 6,7,2,
Up. S. 163), während derselbe die erforderlichen rituellen,
allegorischen und dogmatischen Erläuterungen in freier Rede
(aus welcher nachmals die älteste indische Prosa hervorging)
seinen Schülern übermittelte. Hierbei erfuhr der allgemeine
und in seinen Grundzügen bereits feststehende Lehrstoff je
nach der Individualität des Lehrers mancherlei Modifikationen,
nicht nur in betreff der Ausführung und mystischen Bedeu-
tung der einzelnen Zeremonien, sondern auch, sofern der eine
auf die liturgische, der andere auf die dogmatische Belehrung
grofsern Wert legte (daher die Upanishad's der einzelnen
Schulen an Umfang so verschieden sind). Im Laufe der Jahr-
hunderte fixierte sich die ursprünglich in freier Rede erfol-
gende Belehrung zu festen, vom Schüler wörtlich auswendig
gelernten Prosatexten, während zugleich die Differenzen zwi-
schen den einzelnen Schulen immer grofsern Umfang an-
nahmen. Es ist daher wohl glaublich, wenn die Inder eine
grofse Anzahl von £äkhä's, in denen jeder Veda gelehrt worden
sei, zu nennen wissen. Aber es ist ebenso begreiflich, dafs
von diesen vielen Qäkhä's die meisten im Kampfe ums Dasein
zugrunde gingen, und dafs für jeden Veda nur einige her-
vorragende Qäkhä's. und mit ihnen die zugehörigen Upanishad's
sich erhalten haben. Wir müssen uns hier darauf beschränken,
8 A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanisliad's im Veda.
zur Orientierung im allgemeinen die elf vorhandenen Upa-
nisliad's der drei altern Veden aufzuzählen, bemerken aber,
dafs bei mehreren derselben die Zugehörigkeit zu der be-
treffenden Qäkhä zweifelhaft ist, worüber in den unserer Über-
setzung der sechzig Upanisliad's vorausgeschickten Einleitungen
des weitern gehandelt worden ist.
Upanishad: Qäkhä:
I. Rigveda:
A itareya- Upanishad A itareyiri's.
Kaush Uaki- Upanish ad Kaush itakin's,
II. Sämaveda:
Chändogya- Upanishad Tändiri's.
Kenn (TalavaJcära-) Upanishad Jaiminiya's (TalavaMra's).
III. Yajurveda, a) schwarzer:
Taiüiriya-Upanishad ) „■,.■* -, ,
j/ i» ' ' tt -7i r lautinyalcaS.
Mahanarayna-Upamshad ) J
Käthalca -Upanishad Kaljia?
Qvciäcvaiara- Upanishad fehlt.
Maiträi/aniya- Upanishad Maiträyaniya's (?).
b) weifser:
Brihadärany aha- Upanishad 1 T, .. . ,
f\ TT ■ 7 -j ( I aiasaneyfin s.
lga- Upanishad J
4. Die Upanishad's des Atharvaveäa.
Eine wesentlich andere Bewandtnis hat es mit den zahl-
reichen Upanishad's, welche im Atharvaveda Aufnahme ge-
funden haben. Zwar führen manche derselben ihre Lehre aut
Qaunaka oder Pippaläda oder auch (wie die Brahma-Upanishad)
auf beide zugleich zurück, und nach der von Näräyana und
Colebrooke mitgeteilten Tradition werden bald einzelne Upa-
nishad's, bald ganze Upanishadkomplexe den (Jaunäkiyd's oder
Paippaladfs zugeschrieben (vgl. Up. S. 531); aber schon die
Widersprüche dieser Angaben, wie auch der Umstand, dafs
die verschiedensten Upanishad's ihre Lehre von den angeb-
lichen Begründern der atharvavedischen ^'aklnVs, Qaunaka und
Pippaläda, herleiten, legt die Vermutung nahe, dafs wir hierin
4. Die Upanishad's des Atharvaveda. 9
schwerlich etwas anderes zu erkennen haben als ein willkür-
liches Anknüpfen an berühmte Namen der Vorzeit, ähnlich
wie wenn andere Atharva-Upanishad's ihre Lehren auf Yäjna-
valkya, auf Angiras oder Atharvan, oder auch auf Brahman,
Rudra und Prajäpati zurückführen. Auch die Namen der
Atharva-Upanishad's sind (abgesehen von wenigen und ver-
dächtigen Ausnahmen, wie MändüJcya, Jäbäla, Paulgala, Scha-
vank) nicht mehr, wie bei den Upanishad's der - drei altern
Veden, nach den Namen der.Qäkhä's gebildet, sondern teils
vom Inhalte, teils von irgend einem zufälligen Umstände ent-
nommen und weisen darauf hin, dafs wir in den Atharva-
Upanishad's etwas anderes als die dogmatischen Textbücher
bestimmter Vedaschulen zu suchen haben.
Viele Anzeichen (von denen weiter unten die Rede sein
wird) sprechen dafür, dafs die Hauptgedanken der Upanishad's,
die Lehre von der alleinigen Realität des Ätrnan, von seiner
Entfaltung als Welt, von seiner Identität mit der Seele usw.,
wenn sie auch ursprünglich von Brahmanen (wie Yäjnavalkya)
ausgegangen sein mögen, doch in der ersten Zeit nicht sowohl
bei der am Ritual ersättigten Brahmanenschaft, als vielmehr
in den Kreisen der Kshatriya's Aufnahme und Verständnis
gefunden haben* und erst hinterher von den Brahmanen adop-
tiert (oben I,i, S. 166. 334) und auf dem Wege der allegorischen
Umdeutung mit dem Ritual verwoben worden sind.
Unter diesen Umständen ist es sehr wahrscheinlich, dafs
die Atmanlehre, nachdem sie von den Cäkhä's der drei altern
Veden übernommen worden war, auch ausserhalb derselben
fortfuhr gepflegt zu werden, und dafs daraus mit der Zeit
Werke hervorgingen und, wenn auch nur teilweise, erhalten
blieben, welche den Upanishad's des Rig-, Säman- und Yajur-
veda in ganz ähnlicher Weise gegenüberstanden, wie den
Samhitä's derselben die Samhitä des Atharvaveda. Und wie
* Als typisch für das verschiedene Verhalten der Brahmanen und
Kshatriya's gegenüber der neu aufkommenden Atmanlehre kann Brik. 3 — 4
gelten, wo dem Yäjnavalkya, als Träger dieser neuen Lehre, von Seiten
der Brahmanen Eifersucht und Zweifel, von Seiten des Königs Janaka
begeisterte Zustimmung entgegengebracht werden. Wir kommen unten
(S. 17 fg.) auf diese Frage zurück.
10 A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanisbad's im Veda.
vordem in dieser allerlei, teils für die altern Samhitä's zu spät
gekommene, teils auch von ihnen verschmähte Hymnen Auf-
nahme fanden (oben I, i, S. 169), so war es jetzt wieder der
Atharvaveda, welcher den spätgeborenen oder auch verstofsenen
Kindern der Atmanforschung seine Arme öffnete. Diese Libe-
ralität hatte zur Folge, dafs im Verlaufe alles, was in der
Form einer Upanishad, d. h. eines Geheimtextes, auftrat, mochte
es nun der Ausdruck des religiös -philosophischen Bewufst-
seins bestimmter Kreise oder auch einzelner Denker sein, sich
zum Atharvaveda rechnete oder von spätem Sammlern diesem
ohne weiteres angeschlossen wurde. Die Regelmäfsigkeit, mit
der irgend ein Text in den verschiedenen Sammlungen wieder-
kehrt, bildet dabei, soweit wir sehen, das einzige Merkmal
seiner Kanonizität (wenn von einer solchen noch die Rede
sein kann), und von diesem Gesichtspunkte geleitet haben
wir in unserer Übersetzung der „sechzig Upanishad's" alle die-
jenigen Texte zusammengefafst, welche eine allgemeinere An-
erkennung gefunden zu haben scheinen. Indem wir des wei-
tern auf unsere Einleitung zu den Atharva-Upanishad's, dort
S. 531 — 543, verweisen, wollen wir hier nur zur allgemeinen
Übersicht die wichtigern Atharva-Upanishad's nach den fünf
Klassen aufzählen, denen wir dieselben (im wesentlichen nach
Webers Vorgang) zugeteilt haben.
1. Reine Vedänta-Upaniskad's,
welche wesentlich der alten Vedäntalehre treu bleiben, ohne
deren Fortentwicklung zum Yoga, Sannyäsa und vishnuitischen
oder Qivaitischen Symbolismus erheblich mehr, als schon in
den altern Upanishad's geschieht, zu betonen:
Mundaka, Prqgna, Mändukya (mit der Kärikä);
Garbha, Pränägnihotra, Pinda;
Aima, Sarvqpanishatsära, Gäruda.
2. Yoga-Upanisliad's,
welche, den Vedäntastandpunkt voraussetzend, überwiegend
oder ausschliefslich die Erfassung des Ätman durch den Yoga
mittels der Morae des Ow-Lautes behandeln:
L Die Upanishad's des Atharvaveda. 11
Brahmavidyä, KshuriM, Ctüilcä;
Nädabindu, Brahnabindu, Amritabindu, Bhyänabindu,
Tcjobindu ;
Yogagikhäj Yogatattva, — Hansa
3. Sannyäsa-Upanishad's,
welche, m der Eegel ebenso einseitig, das Leben des Sannyasin
als die praktische Konsequenz der Upanishadlehre empfehlen
und beschreiben:
Brahma, Sannyäsa, Aruneya, Kanthagridi;
Baramahansa, Jdbdla, Acrama.
4. Qiva-Upanishad's,
welche den vom Volke verehrten Qiva (Icuna, Mahecvara,
Mahädeva usw.) zu einer Personifikation des Ätman um-
deuten :
Atharvagiras, Afharvagilchä, Nilarudra ;
Kälägnirudra; — Kaivalya.
5. Vishnu-tTpanisliad's,
welche ebenso den Vishnu (Näräyana, Nrisinha usw.) im
Sinne der Vedäntalehre umformen, indem sie seine verschie-
denen Avatära's als Menschwerdungen des Ätman betrachten:
Mahd, Näräyana, Ahnabodha;
Nrisinhapurvatäpaniya, Nrisinhotiaratäjpaniyai
Rämapürvatäpaniya, Rämottaratäpaniyo.
I
5. Über die Bedeutung des "Wortes upanishad.
Nach £ankara sollen die Upanishad's so benannt sein,
«veil sie das angeborene Nichtwissen „zerstören" (ad Brih.
p. 2,4; ad Käth. p. 73,11), oder auch weil sie zu Brahman
„hinführen" (ad Taitt. p. 9,5; ad Mund. p. 261,10). Abgesehen
von diesen, weder sprachlich noch sachlich gerechtfertigten,
Deutungen wird das Wort upanishad von den Indern in der
Regel erklärt durch rahasyam („Geheimnis", das secreium
tegendum des Anquetil). Dementsprechend heilst es z. B.
12 A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanishad's im Veda.
Nrisinhott. 8 (Up. S. 796) viermal hinter einander iti rahasyam
anstatt des früher üblichen iti upanishad (wie z. B. am Schlüsse
von Taitt. 2 und 3, Mahänär. 62. 63. 64 steht), und auch in
altern Stellen werden, wo von Upanishadtexten die Rede ist,
Ausdrücke wie guliya? ädegdh (Chänd. 3,5,2, Up. S. 102), para-
mam guhyam (Käth. 3,17. Qvet. 6,22, Up. S. 278. 310), veda-
guhya-upanisliatsu güdham (Cvet. 5,6, Up. S. 305), guhyatamam
(Maitr. 6,29, Up. S. 350) gebraucht.
Das Bestreben, tiefsinnige und daher leicht mifszuver-
stehende Lehren geheim zu halten, hat auch im Abendlande
zahlreiche Analogien. Jesus antwortet seinen Jüngern auf die
Frage, warum er in Parabeln rede: 8ti öjitv hihoxoa yvövac ra
jj.uGxVjpia xt\c, ßacikdoLC, tqv oupavöv, Ivtsivoi«; 5s oü hiboxoii
(Matth. 13,11); Pythagoras verlangt von seinen Schülern die
|j.i>ctoo] aioTrrj, das mystische Schweigen; von Heraklit wird der
Ausspruch überliefert: xa «rijs yvoaeco? ßa^Tj xpuTrcsiv aTttCFTiij
dya^Vi; Piaton tadelt an der Schreibkunst, dafs sie oux emara-
xon Xs-yetv oTs 5si ye xod pn/j (Phaedr. p. 275 E), und noch
Schopenhauer fordert von seinem Leser als Vorbedingung das
Studium des schwer zu verstehenden Kant.
Aus demselben Gefühle heraus wird in den Upanishad's
immer wieder und wieder die Warnung ausgesprochen, eine
bestimmte Lehre keinem Unwürdigen mitzuteilen.
Ait. Ar. 3,2,6,9: „Diese Buchstabenverbindungen [nach
ihrem geheimen Sinn, ihrer upanishad] soll der Lehrer keinem
mitteilen, der nicht sein naher Schüler (anteväsin) ist, der nicht
schon ein Jahr bei ihm gewohnt hat, der nicht selbst Lehrer
werden will."
Chänd. 3,11,5: „Darum soll sie (diese Lehre) nur dem
ältesten Sohne sein Vater als das Brahman kundmachen, oder
auch einem vertrauten Schüler, aber keinem andern, wer es
auch sei."
Brih. 6,3,12: „Diesen [den Rührtrank und seine Ausfüh-
rung] soll man keinem mitteilen, aufser seinem Sohne oder
seinem Schüler."
Qvet. 6,22: „Keinem gebt es (dieses höchste Geheimnis),
der nicht ruhig, der nicht Sohn oder auch Schüler ist."
5. Die Bedeutung des Wortes upanishaä. 13
Mund. 3,2,11: „Keiner darf dies lesen, der nicht das Ge-
lübde erfüllte."
Maitr. 6,29: „Dieses Allergeheimnisvollste soll man keinem
kundmachen, der nicht Sohn oder Schüler, und der noch nicht
beruhigt ist."
Nrisihhap. 1,3: „Aber wenn den Savitarspruch, den Laksh-
mispruch, den Pranava ein Weib weifs oder ein Qüdra, mit
dem geht es nach dem Tode abwärts. Darum verkünde man
ihnen denselben nimmermehr! Wenn einer ihnen sie verkün-
digt, mit dem Lehrer geht es dafür nach dem Tode abwärts."
Rämap. 84: „Gemeinen Menschen gebt es (das Diagramm)
nicht!"
Hieraus erklärt sich auch der auffallende, in den Upa-
nishad's immer aufs neue wiederkehrende Zug, dafs ein Lehrer
sich sträubt, irgend eine Lehre dem ihn darum ersuchenden
Schüler mitzuteilen, bis derselbe durch Beharren in seinem
Streben bewiesen hat, dafs er würdig ist, die Belehrung zu
empfangen. Das bekannteste Beispiel dieser Art ist Naciketas
in der Käthaka-Upanishad, welchem der Todesgott die ge-
wünschte Belehrung über das Wesen der Seele und ihr Schick-
sal nach dem Tode erst gewährt, nachdem der Jüngling alle
Versuche, ihn von seinem Wunsche abzubringen, standhaft
abgewiesen hat (Käth. 1,20 fg., Up. S. 270 fg.). In ähnlicher
Weise verfährt Indra gegen Pratardana (Kaush. 3,1, Up. S. 43),
Raikva gegen Jänacruti (Chänd. 4,2, Up. S. 119), Satyakäma
gegen Upakosala (Chänd. 4,10,2, Up. S. 126), Pravähana gegen
Äruni (Chänd. 5,3,7, Up. S. 141. Brih. 6,2,6, Up. S. 506), Pra-
jäpati gegen Indra und Virocana (Chänd. 8,8,4, Up. S. 197),
Yäjnavalkya gegen Janaka (Brih. 4,3,1 fg., Up. S. 466 fg. vgl.
S. 463), (^äkäyanya gegen Biihadratha (Maitr. 1,2, Up. S. 316).
Aus allem diesem ergibt sich, dafs es in der allgemeinen
Tendenz des Zeitalters und der Kreise lag, welche die Upa-
nishad's hervorgebracht haben, den Inhalt derselben vor Un-
berufenen geheim zu halten, und dafs von sachlicher Seite
nichts dagegen einzuwenden ist, wenn die Inder upanishdd
durch rahasyam „Geheimnis" erklären. Weniger leicht ist es,
auf den ; ersten Blick zu verstehen, wie das Wort upanishad
dazu gekommen ist, „Geheimsinn, Geheimlehre, Geheimnis"
14 A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanishad's im Veda.
zu bedeuten. Denn upanisliad, als Substantivum von der
Wurzel sad „sitzen" abgeleitet, kann nur eine „Sitzung", und
zwar, wie die Präposition upa (nahe bei) besagt, im Gegen-
satze zu parisliad, samsad (Versammlung), eine „vertrauliche,
geheime Sitzung" bezeichnen. Wir müssen annehmen, wenn
uns auch die Belege dafür fehlen, dafs dieser Name für „Ge-
heimsitzung" im Verlaufe auch gebraucht wurde, um den
Gegenstand dieser Sitzung, d. h. die „Geheimlehre", zu be-
zeichnen, ganz ahnlich wie unser „Collegium" aus dem Be-
griffe einer „Versammlung" in den eines Lehrinhaltes über-
gegangen ist, wobei in Ausdrücken wie „ein Kolleg lesen,
hören" usw. die ursprüngliche Bedeutung von collegium (von
colligere, sammeln) ganz ebenso vergessen wird, wie bei den
Upanishad's der ursprüngliche Begriff der Sitzung. Ähnliche
Fälle sind ja auch sonst häufig, wie denn z. B. die cpucixod
dxpcoums des Aristoteles oder die (Haxp'.ßou des Epiktet nicht
mehr Vorlesungen, Konversationen, sondern bestimmte Schrift-
denkmäler bedeuten.
Eine andere Erklärung des Wortes upanisliad ist neuer-
dings von Oldenberg aufgestellt worden, nach welcher upanisliad
ursprünglich soviel wie upäsnnä „Verehrung", d. h. die ver-
ehrende Betrachtung des Brahman oder Ätman bedeuten soll
(Zeitschr. d. Deutschen Morgenl. Gesellschaft Bd. 50 [1896],
S. 457 fg.)« Gegen diese beachtenswerte Hypothese müssen
wir doch folgende Einwendungen erheben. 1) Die Verba
upa + äs „vor jemand oder etwas (verehrend) sitzen" und
upa + sad [upa -f- ni -f- sad kommt in den Upanishad's nicht
vor) „sich zu jemand (zum Zweck der Belehrung) hinsetzen"
sind doch, dem überwiegenden Gebrauche nach, sehr von ein-
ander zu unterscheiden. Mag auch in altern Texten der
Sprachgebrauch noch nicht streng fixiert sein, so heifst doch
in den Upanishad's (wie ein Blick in Jacobs Konkordanz zeigt)
upa -j- äs stets „verehren", nie „um Belehrung angehen", und
upa -f- sad stets „um Belehrung angehen", nie „verehren", und
wenn man das Substantivum upäniskad nicht von upa + sad.,
sondern von dem seltenen upa -\- ni -J- sad bildete, so war der
Grund vielleicht nur der, dafs das Substantivum upasad be-
reits zur Bezeichnung einer bekannten Vorfeier beim Soma-
5. Die Bedeutung des Wortes upanishad. 15
Opfer in Anspruch genommen war. 2) Wenn auch oft genug
von einer Verehrung des Brahman oder Ätman, namentlich
unter einem bestimmten Symbole (als Manas, Präna usw.),
die Rede ist, so ist doch, streng genommen, der Ätman nicht
wie die Götter ein Gegenstand der Verehrung, sondern ein
Gegenstand der Erkenntnis; Kena 1,4 fg.: „das sollst du
wissen als Brahman, nicht jenes, was man dort verehrt (na
ida/m, yad idam ujpäsate)"; — Chänd. 8,7,1: „das Selbst (ätman)
. . . das soll man erforschen, das soll man suchen zu er-
kennen"; — Brih. 2,4,5: „das Selbst, fürwahr, soll man sehen,
soll man hören, soll man verstehen, soll man überdenken, o
Maitreyi"; usw. Auch die beiden Upanishadstellen, welche
Oldenberg zum Beweise, dafs Brahman verehrt werde, an-
führt, besagen im Grunde das Gegenteil; Brih. 2,1 erklärt
Gärgya, dieses und jenes als das Brahman zu verehren, bis
endlich der König die Befragung mit den Worten abbricht:
„damit ist es noch nicht erkannt (na etävatä viäitam bhavati)",
sodann die Belehrung an dem Tiefschlafenden erteilt und mit
den Worten schliefst: „seine Upanishad (Geheimname, nicht
Verehrung) ist «die Realität der Realität»", d. h. das in allem
empirischen Seienden steckende Wesen; — und wenn Brih. 1,4
das Thema behandelt wird, dafs man nicht die Götter, sondern
nur den Ätman verehren soll, so liegt hierin nur eine Be-
kämpfung der Verehrung der Götter, nicht aber eine Auf-
forderung, den Atman, als wäre er auch nur ein Gott, zu
„verehren"; dieses Wort bezieht sich dabei nur auf die Götter
und ist mit Atman nur durch Zeugma verbunden*; der Be-
weis liegt im Folgenden, wo es heifst: „wer nun eine andre
Gottheit verehrt und spricht: «eine, andre ist sie, und ein
andrer bin ich», der ist nicht weise". Ohne ein solches „eine
andre ist sie, und ein andrer bin ich" aber, welches hier ver-
boten wird, ist eine Verehrung gar nicht denkbar, wohl aber
eine Erkenntnis durch unmittelbare Innewerdung (anubhava).
3) Ein Versuch, die in Rede stehende Hypothese an dem vor-
* "Wer dies bestreiten wollte, der müfste auch folgerecht aus Stellen
wie Brih. 2,4,5: „den Ätman, fürwahr, soll man sehen, soll man hören" usw.,
den Schlufs ziehen, dafs der Ätman sichtbar und hörbar sei.
16 A. Einleitung: I. Die Stellung der Upanishad's im Veda.
liegenden Material durchzuführen, dürfte ihre Unmöglichkeit
ergeben. So wird Taitt. 1,3 der geheime Sinn (upanishad)
der Buchstabenverbindung (samhitä) erklärt, und nachdem dies
geschehen, werden zum Schlüsse allerlei Belohnungen dem in
Aussicht gestellt, „wer also diese grofsen Verbindungen er-
klärt bekommt und weifs (ijci evam etä mdhäsamhitä vyakhyäta
veda)"', hier wird nur ein Wissen der Buchstabenverbindungen
gefordert, von irgend welcher Verehrung ist in dem ganzen
Abschnitte keine Rede. — Oder man nehme die gewifs sehr
alte Stelle Kaush. 2,1 — 2, wo von dem Bettler, der sich als
das Selbst aller Wesen weifs, gesagt wird: tasya upanishad
'na yäced' ifi, ,, seine geheime Losung ist, nicht zu bitten"; es
dürfte schwer sein, zu sagen, von welcher „Verehrung" an
Stellen wie dieser die Rede sein soll.
— Überblickt man die von uns im Index zu den Upa-
nishad's unter dem Worte Upanishad gesammelten Stellen, so
zeigt sich, dafs sie sämtlich auf die Bedeutungen: „geheime
Losung, Geheimname, geheimer Sinn, Geheimwort, Geheim-
formel, Geheimlehre" hinauslaufen, dafs somit allen Bedeu-
tungen das Merkmal des Geheimen anhaftet, woraus zu
schliefsen ist, dafs die von den Indern gegebene Erklärung
des Wortes upanishad als rahasyam, Geheimnis, die richtige
sein wird.
II. Einiges zur Geschichte der Upanishad's.
1. Der erste Ursprung der Upanishad's.
Das Wort Upanishad kommt in drei verschiedenen Be-
deutungen vor, als:
1) Geheimwort,
2) Geheimtext,
3) Geheimsinn.
1) Gewisse geheimnisvolle Worte, Ausdrücke, Formeln,
die nur dem Eingeweihten verständlich sind, werden als Upa-
nishad bezeichnet. Dieselben enthalten entweder eine geheime
Richtschnur für das Handeln und Verhalten, wie das erwähnte
na yäcet Kaush. 2,1. 2, oder einen geheimen Aufschlufs über
1. Erster Ursprung der Upanishad's. 17
das Wesen des Brahman; so, wenn dasselbe Brih. 2,1,20. 2,3,6
als satyasya satyam, oder Kena 31 als tad-vanam (das letzte
Ziel der Sehnsucht) bezeichnet wird, denn auf diesen Aus-
druck beziehen sich die folgenden Worte: „gelehrt ist dir die
Üpanishad". Von dieser Art sind auch Geheimworte wie
Chänd. 3,14,1 tajjalän „in ihm werdend, vergehend, atmend
(sind die Wesen)"; oder nett neu (Brih. 2,3,6 und öfter), und
wenn empfohlen wird, das Brahman unter solchen Formeln zu
verehren, so besagt dies nicht, dafs üpanishad „Verehrung"
bedeutet, sondern nur, wie gezeigt, dafs die Betrachtung des
Brahman unter diesen geheimnisvollen Ausdrücken an die
Stelle der Verehrung der Götter treten soll.
2) Die uns vorliegenden Texte selbst, wie auch die altern,
ihnen zugrunde liegenden Texte heifsen Upanishad's, daher
namentlich bei den Taittiriyaka's ein Abschnitt häufig mit den
Worten schliefst: iü üpanishad.
3) Sehr häufig wird nicht ein Wort oder ein Text, son-
dern der geheime, allegorische Sinn irgend eines rituellen Be-
griffes oder Brauches als üpanishad bezeichnet; z. B. Chand.
1,1,10: „denn was man mit Wissen verrichtet, mit Glauben,
mit der Üpanishad [der Kenntnis des geheimen Sinnes von
Cdgitha als 0m], das ist wirkungskräftiger".
Es fragt sich, welche dieser drei Bedeutungen die ur-
sprüngliche ist. Man könnte daran denken, die dritte dafür
zu halten und anzunehmen, dafs die Upanishadlehre sich aus
dem Ritual durch allegorische Umdeutung desselben entwickelt
habe. Dies ist aber allem Anscheine nach nicht der Fall, und
vieles spricht dafür, dafs, wie schon oben erwähnt wurde, der
Upanishadgedanke, wenn auch brahmanischen Ursprungs, doch
nicht in den Kreisen der am Ritual klebenden Brahmanen,
sondern aufserhalb der Brahmanenschaft unter den Kshatriya's
seine erste Pflege gefunden hat.
Die Upanishad's sind uns, wie alle Texte der drei altern
Veden, durch die Brahmanen überliefert. Um so auffallender
ist es, dafs diese Texte selbst oftmals manche der wichtigsten
Upanishadlehren auf Könige, also Kshatriya's zurückführen.
So wird Chand. 5,11 — 24 erzählt, wie fünf schriftgelehrte
Brahmanen den Uddälaka Aruni um Belehrung über den
Deusskn, Geschichte der Philosophie. I,ir. -
18 A. Einleitung: IL Zur Geschichte der Upanishad's.
Atman Vaigvqnara bitten; Uddälaka fürchtet, ihnen nicht
alles erklären zu können, worauf sich alle sechs zum Könige
Agvapati Kaikeya begeben und von ihm, nachdem das Un-
genügende ihres Wissens zutage getreten ist, die rechte Be-
lehrung empfangen. — Brih. 2,1 (und parallel Kaush. 4) er-
bietet sich der berühmte Vedagelehrte Gärgya Bäläki, dem
Könige Ajätagatru von Kä§i das Brahman zu erklären, bringt
darauf zwölf (in Kaush. sechzehn) verfehlte Erklärungen vor,
worauf der König ihm, dem Brahmanen, das Brahman an
einem Tiefschlafenden aufweist als den Atman, nachdem er
vorher erklärt hat: „das ist doch der verkehrte Strich, dafs
ein Brahmane sich zu einem Kshatriya als Schüler begibt,
um sich das Brahman erklären zu lassen; nun, ich will dich
belehren". In dieser Erzählung, welche noch dazu von zwei
verschiedenen Vedaschulen überliefert wird, liegt unzweifelhaft
ausgesprochen, dafs der Hauptpunkt der ganzen Vedäntalehre,
die Erkenntnis des Brahman als Atman, dem Könige bekannt,
hingegen dem „als Vedagelehrten berühmten" (Kaush.) Brah-
manen unbekannt war. — Chänd. 1,8 — 9 werden zwei Brah-
manen von dem Könige Pravähana Jaivali über den Akdga
als den, ihnen unbekannten, letzten Grund der Dinge belehrt;
und wenn ebenda Chänd. 1,9,3 gesagt wird, dafs vordem
Atidhanvan dem Udaracändilya diese Belehrung erteilt habe,
so lassen schon die Namen vermuten, dafs auch damals ein
Kshatriya einen Brahmanen belehrte. — Ahnlich enthält
Chänd. 7 die Belehrung des Brahmanen Närada durch den
Kriegsgott Sanatkumära, wobei das umfassende Vedawissen
des Brahmanen für unzulänglich erklärt wird mit den Worten
(Chänd. 7,1,3): „alles, was du da studiert hast, ist nur Name". —
Endlich wird der grofse Haupttext der Seelenwanderungslehre,
welcher in drei verschiedenen Überlieferungen Chänd. 5,3 — 10,
Brih. 6,2 und (sehr abweichend) Kaush. 1 vorliegt, in Form
einer Belehrung des Äruni durch den König Pravähana Jaivali
(Kaush.: des Äruni durch Citra Gängyäyana) vorgetragen,
wobei der König zu dem Brahmanen sagt, Chänd. 5,3,7: „weil,
wie du mir, o Gautama, gesagt, diese Lehre vordem und bis
auf dich nicht. bei den Brahmanen in Umlauf ist, darum
eben ist in allen Welterr das Regiment bei dem Kriegerstande
1. Erster Ursprung der Upanishad's. 19
geblieben" (Brih. 6,2,8: „so wahr wie ich wünsche, dafs du,
gleichwie deine Vorfahren, uns wohlgesinnt bleibest, so wahr
ist diese Wissenschaft bis auf diesen Tag noch nie von
einem Brahmanen besessen worden").
Wenn man bedenkt, dafs es sich in den angeführten Stellen
um die Erkenntnis des Brahman als Atman (Brih. 2,1 . Kaush. 4),
die Erkenntnis dieses Atman als allbeseelend (Chänd. 5,11 fg.)
und das Schicksal der Seele nach dem Tode (Chänd. 5,3 fg.
Brih. 6,2), also gerade um die wichtigsten Punkte der Upa-
nishadlehre handelt, dafs in ihnen nicht nur der König als
der Wissende, sondern ausdrücklich daneben der Brahmane
als der Nichtwissende oder Falschwissende erscheint, und dafs
diese Erzählungen uns von den vedischen Qäkhä's, also von
den Brahmanen selbst überliefert werden, so wird man den
Schlufs, wenn nicht mit völliger Sicherheit, so doch mit hoher
Wahrscheinlichkeit ziehen müssen, dafs tatsächlich die dem
ganzen vedischen Ritualwesen so schroff gegenüber stehende
Atmanlehre, wenn auch die ersten Urheber Brahmanen ge-
wesen sein mögen, doch zunächst nicht in den Kreisen der
Brahmanen, sondern in denen der Kshatriya's aufgenommen
und gepflegt, und von den Brahmanen erst späterhin über-
nommen worden ist. ' Die Tatsache aber, welche namentlich
in den letztangeführten Stellen ausgesprochen wird, dafs die
Brahmanen lange Zeit hindurch nicht in den Besitz dieser
Lehren gelangt sind, nach denen sie sich doch sehr begehrlich
zeigen, wird sich am einfachsten durch die Annahme erklären,
dafs diese Lehren vom Ätman ihnen geflissentlich vorenthalten,
dafs dieselben unter den Kshatriya's in engerem Kreise und
unter Ausschliefsung der Brahmanen, d. h. in UpanishacVs fort-
gepflanzt wurden. Die allegorische Deutung des Rituals im
Sinne der Atmanlehre, wiewohl eine solche auch schon in
Kshatriyakreisen mag geübt worden sein (vgl. Chänd. 1,9,2),
konnte in gröfserem Umfange doch wohl erst nach Übernahme
der neuen Lehre durch die Brahmanen betrieben werden, daher
die dritte der oben angeführten Bedeutungen des Wortes
wpanishad als „geheimer Sinn" (irgend eines rituellen Be-
griffes) wohl erst eine sekundäre ist. Fragen wir aber weiter,
welche von den beiden übrigen Bedeutungen, 1) Geheimwort,
2*
20 A. Einleitung: IL Zur Geschichte der Upanishad's.
2) Geheimtext, die ursprünglichere ist, so dürfte der Übergang
von der zweiten zur ersten ebenso schwer zu verstehen sein,
wie der von der ersten zur zweiten sehr natürlich und be-
greiflich ist.
Wir dürfen also annehmen, dafs die Lehre vom Atman
als dem Prinzip der Welt, deren allmähliche Entstehung wir
durch die Hymnen des Rigveda und Atharvaveda verfolgt
haben, in Opposition zu dem brahmanischen Eitualwesen von
den Kshatriya's gepflegt und fortentwickelt wurde, wobei dann
die neue Erkenntnis in ganz kurze, nur dem Eingeweihten
verständliche Worte oder Formeln wie tadvanam, tajjalän,
satyasya satt/am, samyadväma, vämani, bliämam usw. gefafst
wurde; eine solche Formel hiefs dann, von ihrer Mitteilung
und Erklärung unter Ausschlufs der Öffentlichkeit, eine Upa-
nisliad. Natürlich waren dieselben von mündlichen, ebenfalls
geheim gehaltenen Erklärungen begleitet, aus welchen nach
und nach die ersten Updnishad genannten Texte hervorgingen.
Als Beispiele solcher Geheimworte nebst geheimer Erklärung
kann die Art dienen, wie Brih. 5,4 tad vai tad oder Brih. 5,12
vi-ram besprochen wird.*
Auf diese und ähnliche Weise entstanden die Geheim-
lehren, d. h. die Vidyas, von denen in den Upanishad's so viel
die Rede ist. Ihre Urheber oder alleinigen Besitzer waren be-
rühmt im Lande; man pilgerte zu ihnen hin, diente ihnen
lange Jahre als Schüler (Chand. 4,10,2), brachte ihnen reiche
Gaben dar (Chand. 4,2,1), um dafür die Mitteilung der Vidyä
zu erhalten. Bei vielen dieser Vidyä's ist der Name des Er-
finders erhalten; ja, manche derselben sind von einer förm-
lichen Genealogie begleitet, welche den ersten Urheber und
* In der Erklärung dieser Geheimworte bestand nicht immer Über-
einstimmung. So wird die Definition des -Brahman als pürnam apravarti
Chänd. 3,12,7 gebilligt, hingegen Brih. 2,1,5 (Kaush. 4,8) für unzulänglich
befunden. Noch interessanter liegt der Fall bei der Upanishad Brih. 1,6,3
amrüam satyena channam, welche von andern als anritam satyena chan-
nam aufgefai'st und dementsprechend Brih. 5,5,1 (anritam ubhayatah
satyena parigriMtam) und wieder anders Chänd. 8,3,5 erklärt wurde.
Ähnlich erfährt auch das alte Rishiwort pänlctam idam sarvam Brih. lr4>17
und Taitt. 1,7 eine verschiedene Auslegung.
1. Erster Ursprung der Upanisbad's. 21
die folgenden Besitzer aufzählt und gewöhnlich mit der Mah-
nung schliefst, die Lehre nur dem eignen Sohne oder ver-
trauten Schüler mitzuteilen.
Den geeigneten Boden für ihre gedeihliche Fortentwick-
lung fanden diese Lehren aber erst dadurch, dafs sie aus den
Kreisen der Kshatriya's, in welchen sie ursprünglich heimisch
waren, in der Weise, die wir oben an einigen Beispielen
kennen gelernt haben, zu den ein festes System schulmäfsiger
Tradition besitzenden Brahmanen übergingen. Diese nahmen
die neue Ätmanlehre, so sehr dieselbe auch im Grunde mit
dem vedischen Götterkultus und dem brahmanischen Ritual-
system in Widerspruch steht, mit Begierde auf, verwoben sie
durch allegorische Umdeutung mit der rituellen Tradition und
gliederten sie dem Lehrpensum ihrer Schulen an: die Upa-
nishad's wurden zum Vedänta. —
Bald nahmen die Brahmanen die neue Lehre als ihr Privi-
legium in Anspruch; sie wufsten von Fürsten und Vornehmen,
wie Janaka, Jänacruti usw., zu erzählen, welche sich von
Brahmanen belehren lassen; rituelle Autoritäten wie Qändilya,
Yäjnavalkya wurden zu Urhebern und Trägern der Upanishad-
gedanken, die Vedatradition wurde zur Voraussetzung der
Ätmanlehre gemacht:
Nur wer den Veda kennt, versteht den grofsen
Allgegenwärt'gen Atman, —
wie es in einer schon oben (I, i, S. 334) angeführten Brähmana-
stelle heilst.
Nach Übernahme des Upanishadgedankens durch die
Qakhä's und Eingliederung desselben in ihr vedisches Lehr-
programm, hat derselbe unter den Händen der Vedalehrer eine
mannigfache Fortentwicklung und Ausgestaltung erfahren.
Zunächst brachten sie denselben in Einklang mit der rituellen
Überlieferung, indem sie diese (in den Aranyaka's) im Geiste
der Ätmanlehre umdeuteten, wobei die Anhänger des Rigveda
an das uktham (Hymnus), die des Säinaveda an das sdman,
die des Yajurveda ' an das Opfer, namentlich an das Rofsopfer
als höchste Form desselben, anknüpften. Weiter aber gestal-
teten sie die neue Lehre in einer Weise aus, welche sich ganz
22 A. Einleitung: IL Zur Geschichte der Upanishad's.
frei über den traditionellen Kultus erhob, ja, mit demselben
in offenen Widerspruch trat. Hierbei mufs zwischen den ver-
schiedenen Schulen ein reger Verkehr und Austausch statt-
gefunden haben. Definitionen, welche von den einen hoch-
gehalten wurden, fanden bei andern keine Billigung; manche
Lehrer, welche bei der einen Qäkha die höchste Autorität
bilden, erscheinen bei andern in untergeordneter Stellung
(Äruni) oder werden gar nicht genannt (Yäjnavalkya). Manche
Texte erscheinen mit geringen Abänderungen in verschiedenen
Vedaschulen, sei es dafs sie direkt übernommen wurden, sei
es dafs sie beiderseitig auf eine gemeinsame ältere Vorlage
zurückgehen. Andere Texte erscheinen in mehrfachen, oft sehr
ähnlichen, oft, auch stark von einander abweichenden Rezen-
sionen in derselben Qäkhä heben einander. Dieses reiche geistige
Leben, dessen Einzelheiten sich schwerlich mehr feststellen
lassen werden, mag wohl Jahrhunderte lang gedauert und die
Grundgedanken der Lehre vom Atman durch Meditation ein-
zelner Denker, im vertraulichen Zwiegespräche, vor einem ge-
wählten Kreise von Schülern, ja wohl auch durch öffentliche
Disputationen an Höfen der Fürsten, zu immer vollerer Ent-
faltung gebracht haben. Als Endresultat dieses geistigen Pro-
zesses haben wir die ältesten, uns erhaltenen Upanishad's zu
betrachten.
2. Die vorhandenen Upanishad's.
Bei der Art, wie die Upanishad's durch die Tätigkeit
der verschiedenen Vedaschulen und im Wechselverkehr der-
selben unter einander entstanden sind, kann von einer streng
durchführbaren chronologischen Abfolge derselben keine Rede
sein. Jede der grofsen Upanishad's enthält ältere und jüngere
Texte neben einander, daher das Alter jedes einzelnen Stückes
für sich bestimmt werden mufs, soweit dies aus der Stufe
der Entwicklung, auf der die in ihm enthaltenen Gedanken
stehen, möglich ist. Hier, wo wir noch von den Upanishad's
im ganzen handeln, kann nur von einer vorläufigen und an-
nähernden Bestimmung der Periode die Rede sein, welcher im
grofsen und ganzen eine Upanishad angehört.
2. Die vorhandenen Upanishad's. 23
Wir unterscheiden zunächst vier, zeitlich aufeinander-
folgende, Perioden, denen sich sämtliche Upanishad's einordnen
lassen.
I. Die alten Prosa-Upanishad's:
Brihadäranyalca und Chändogya,
Taittiriya,
Aitareya,
KcmshUaM,
Kena, welche auf der Grenze steht.
Sie sind sämtlich die Vedäntatexte wirklich vorhandener Qäkhä's,
sind in ihren Anfangsteilen zumeist noch mit den Brähmana's
und Äranyaka's verwachsen, deren Fortsetzung sie bilden, und
deren rituelle Begriffe vielfach allegorisch umgedeutet werden.
Erst die spätem und, wie wir annehmen dürfen, Jüngern Teile
erheben sich freier über das Ritual. Die Sprache ist fast noch
ganz die alte Prosa der Brähmanatexte, etwas schwerfällig,
umständlich und ungeschickt, aber nicht ohne natürliche An-
mut. Die von uns aufgestellte Reihenfolge dürfte im ganzen
auch die chronologische sein. Brihadäranydka und Chändogya
sind, wie die umfangreichsten, so auch im allgemeinen die
ältesten der uns erhaltenen Upanishad's; unter ihnen wiederum
zeigt, wie wir noch oft sehen werden, Brihadäranyaka fast
überall in der Haltung der Texte die gröfsere Ursprünglich-
keit, wie denn auch der Literaturkreis von Chänd. 7,1,4 (7,2,1.
7,7,1) erheblich weiter ist als der von Brih. 2,4,10 (4,1,2. 4,5,11;
vgl. Up. S. 484 n.). — Taittiriya ist schon ihrem mittleren
Teile nach jünger als Chändogya; vgl. Chänd. 6,2 (drei Ele-
mente) und Taitt. 2,1 (fünf Elemente). Aitareya ist jünger
als Chändogya (Chänd. 6,3,1 drei, Ait. 3,3 vier Arten orga-
nischer Wesen) und als Taittiriya (vgl. Taitt. 2,6, „nachdem
er sie geschaffen, ging er in dieselbe ein", mit der weiter aus-
gemalten Darstellung Ait. 1,3,12). KcmshUaM endlich ist jünger
als alle genannten (Kaush. 1 ist weniger ursprünglich als
Chänd. 5,3 fg., Brih. 6,2; Kaush. 3 mufs später als Ait. 3,3,
Kaush. 4 später als Brih. 2,1 sein). Auf der Grenze dieser
Periode steht Kena, welche vermöge des ersten, metrischen
Teiles schon der folgenden Epoche angehört.
24 A. Einleitung: II. Zur Geschichte der Upanishad's.
IL Die metrischen Upanishad's.
Den Übergang bilden Kena 1 — 13 und die ohne Zweifel
später eingelegten Verse Brih. 4,4,8 — 21. Dann folge«:
KäthaJca,
Icä,
(Jretacvatara,
Mundaka,
Mahdnäräyana.
Mahänäräyana benutzt schon Mundaka (vgl. zu Mund. 2,1,9
unsere Anm. Up. S. 551 fg.), Mundaka scheint Qoetägvotara
zu benutzen (Up. S. 555 Anm. 1 — 2); frä scheint im ganzen
unentwickelter, auch freier von sektiererischen Neigungen als
Qvet. zu sein, erscheint aber mehrfach als abhängig von Käthdka
(vgl. namentlich Icä 8 mit Käth. 5,13). Dafs Qvet. später ist
als Käth., unterliegt keinem Zweifel, ja, es ist, nach den von
uns Up. S. 289 gesammelten Stellen sehr wahrscheinlich, dafs
Käth. bei der Komposition von Qvet. direkt benutzt worden ist.
Der Unterschied dieser Periode gegen die vorhergehende
ist sehr grofs. Der Zusammenhang mit den Qäkhä's erscheint
teils zweifelhaft, teils künstlich gemacht, ist unter allen Um-
ständen nur ein lockerer; die äranyaka-artigen Allegorien feh-
len; der Upanishadgedanke ist nicht mehr in der Entwicklung
begriffen, sondern erscheint überall als ein fertig überkom-
mener; bestimmte Verse und Wendungen, in denen er sich
ausprägt, kehren überall wieder; eine Phraseologie hat sich
bereits gebildet; die Sprache ist fast durchweg metrisch.
III. Die Jüngern Prosa-Upanishad's:
Pragna,
Maiträyaniya,
Mdndukya.
In dieser dritten Periode wendet sich die Upanishad-
produktion wieder der Prosa zu, jedoch einer Prosa, welche von
der archaischen Sprache der alten Upanishad's sehr merklich
verschieden ist, wenn sie auch, namentlich in Maiträyana, einen
archaistischen Anstrich anstrebt. Der Stil erinnert schon an
den der spätem Sanskritprosa: er ist kompliziert, gewunden,
2. Die vorhandenen Upanishad's. 25
reflektierend; die Abhängigkeit der Gedanken von denen der
frühem, prosaischen wie metrischen, Upanishad's bekundet
sich durch zahlreiche Zitate und Entlehnungen. Dafs Pragna
jünger ist als Mundaka, ergibt sich daraus, dafs sie diese
zitiert (Pragna 3,5); dafs sie älter ist als Maüräyaniya daraus,
dafs sie von derselben zitiert wird (Maitr. 6,5, Up. S. 333). Die
Stellung von Mdndüfoja ist, bei der Kürze derselben, schwer
bestimmbar; doch erscheint die Theorie über Om Mänd. § 3,
Up. S. 581 entwickelter als Maitr. 6,4, Up. S. 332. Die meisten
der bisher aufgezählten Upanishad's haben- noch, zum Teil unter
sehr zweifelhaftem Rechtstitel, Aufnahme in den drei altern
Veden gefunden; nur drei derselben, Mundaka, Pragna und
Mändükya, scheinen von Haus aus dem Atharvaveda angehört
zu haben, und zwar Mundaka und Pragna als die ursprüng-
lichen, legitimen Upanishad's dieses vierten Veda. Beide
knüpfen an Qaunaka und Pippaläda, die Begründer der Qäkhä's
des Atharvaveda, an; die spätem Sammlungen von Atharva-
Upanishad's beginnen in der Regel mit Mundaka und Pragna,
und nur diese beiden werden nachweislich von Bädaräyana
und £ankara anerkannt und benutzt.
IV. Die spätem Atharva-Upanishad's.
Auch die spätere theologische Produktion behielt die Form
der Upanishad's, als eine bequeme und in geheiligtem An-
sehen stehende Art der literarischen Komposition, bei, wäh-
rend sich das Denken teils mit Fortbildung älterer Themata
beschäftigte oder doch nicht wesentlich von den herkömm-
lichen Geleisen abwich (Garbha, Pränägnihotra , Pinda, Atma,.
Sarvopanishatsära, Gäruda), teils der Verherrlichung des Yoga
(Brahmavidyä, Kshurilcä, Cülikä, Nädabindtt, BraJimabindu,
Arm itabincki, Dhyänabindu, Tejobindu, Yogagikhä, Yogatattva,
Hansa) und des Sannyäsa (Brahma, Sannyäsa, Aruneya, Kantha-
gruti, Paramahansa, Jäbäla, Agrama) sich zuwandte. Die Ver-
schiedenheit beider Richtungen gibt sich auch darin zu er-
kennen, dafs fast ausnahmslos die Yoga-Upanishad's in Versen,
die Sannyäsa -Upanishad's in Prosa mit eingelegten Versen
verfafst sind. Eine weitere Klasse von Upanishad's ist dem
Civa-Kultus (Aiharvagiras, Aiharvagilchä, Xilarudra, Kälägni-
26 A. Einleitung: IL Zur Geschichte der Upanishad's.
rudra, Kaivalya) oder dem Vishnukultus (Malta. Ndrdyana,
Atmabodha, Nrisinhatäpamya, Rämatäpaniya) zugewandt, um
denselben im Sinne der Yedäntalehre umzudeuten. Sie sind
meist in Prosa, vereinzelt auch in Versen abgefafst. Alle diese
Upanishad's haben Aufnahme im Atharvaveda, aber keine An-
erkennung von Seiten der leitenden Vedäntatheologen gefunden.
3. Die upanishad's bei Bädaräyana und Qankara.
Den ersten Spuren einer Zusammenfassung der verschie-
denen Upanishad's begegnen wir schon in diesen selbst. So,
wenn Qvet. 5,6 „die den Geheimteil des Veda bildenden Upa-
nishad's" (vßda-guhya-upanishadak) erwähnt werden; und auch
die Stelle Qvet. 6,22, „vor Zeiten ward im Vedänta höchstes
Geheimnis ausgebracht", scheint auf die altern Upanishad's
als ein zusammengehöriges Ganze und schon aus einer gewissen
Entfernung zurückzublicken. Ebenso der dreimal vorkommende
Vers Mund. 3,2,6 (Mahänär. 10,22. Kaiv. 3), wenn er von As-
keten (yaWs) redet, „die der Vedäntalehre Sinn ergriffen" haben.
Noch deutlicher erscheinen die Upanishad's als ein zusammen-
gehöriges Ganze, wenn Maitr. 2,3, Up. S. 318 die Lehre vom
ßrahman als „die Lehre aller Upanishad's" (sarva-upanisliadr
vidyä) bezeichnet wird. Dafs in so späten Werken wie Sarva-
upanishad-sära oder der Muktikä-Upänishad die Upanishad's als
Ganzes vorausgesetzt werden, ist dabei nicht weiter von Belang.
In grofsem Stile unternahm, ohne Zweifel auf Grund
älterer Vorarbeiten, eine Zusammenfassung der Upanishadlehren
Bädaräyana in den Brahmasütra's, dem Grundwerke des spä-
tem Vedänta. Er beweist, dafs Brahman der Grund der
Welt ist, samanvayät „aus der Übereinstimmung" der Upa-
nishadtexte (1,1,4), und proklamiert den Grundsatz, „dafs alle
Vedäntatexte Glauben verdienen" (sarva-vedäntarpratyayam,
3,3,1). Welche Upanishad's aber von Bädaräyana als kanonisch
anerkannt werden, das läl'st sich, bei der Kürze der Sütra's,
nicht aus diesen selbst, sondern nur aus dem Kommentare des
Qafikara entnehmen, bleibt also, da wir nicht wissen, inwie-
weit Qankara einer gesicherten Tradition folgte, in vielen
Fällen zweifelhaft. Mit grosserer Sicherheit lassen sich die
dem Bädaräyana vorschwebenden Upanishadtexte nur im ersten
3. Die Upanishad's bei Bädaräyana und Qankara. 27
Adhyäya bestimmen, wo er es unternimmt, die Lehre vom
Brahman in 28 Adhikarana's (Abschnitten) auf ebensqviele
Upanishadstellen zu gründen. "Wie in dem ganzen Werke,
spielt auch hier die Vierzahl eine für die Disposition des
Stoffes entscheidende Kolle, indem von den 28 Grundstellen
zwölf aus Chändogya, vier aus Brihadäranyaka, vier aus Käthaka,
vier aus Taittiriya und Kaushitaki (je zwei aus jeder), und
vier aus Atharva-Upanishad's, nämlich drei aus Mundaka und
eine aus Praevia, entnommen sind. Folgendes Schema (welches
wir aus „System des Vedänta" S. 130 wiederholen) zeigt, dafs
die Reihenfolge der Stellen, wie sie innerhalb jeder der be-
nutzten Upanishad's stehen, genau gewahrt wird, während im
übrigen die Stellen in einer Weise zusammengeflochten er-
scheinen, für welche man nur hier und da in der Zusammen-
gehörigkeit des Inhalts einen Grund zu erkennen glaubt.
1) 1,1,12- 19 Taitt. 2,5
2) —,20—21 Chänd. 1,6,6
3) —,22 Chänd. 1,9,1
4) -,23 Chänd. 1,11,5
5) -.24—27 Chänd. 3,13,7
6) —,28—31 Kaush. 3,2
7) 1,2, 1— 8 Chänd. 3,14,1
8) — , 9—10 Käth. 2,25
9) -,11—12 Käth. 3,1
10) —,13—17 Chänd. 4,15,1
11) —,18—20 Brih. 3,7,3
12) —,21—23 ' Mund. 1,1,6
13) —,24—32 Chänd. 5,11—24
14) 1,3, 1—7 Mund. 2,2,5
15) — , 8— 9 Chänd. 7,23
16) —.10—12 Brih. 3,8,8
17) — ,13 Pragna 5,5
18) —14—18 Chänd. 8,1,1
19) —,19— 2 t Chänd. 8,12,3
20) -,22-23 Mund. 2,2,10
21) —24-25 Käth. 4,12
22) —,39 Käth. 6,1
23) —,40 Chänd. 8,12,3
24) —41 Chänd. 8,14
25) —,42—43 Brih. 4,3,7
26) 1,4,14-15 ." Taitt. 2,6
27) —16—18 Kaush. 4,19
28) —,19-22 Brih. 4,5,6
28 A. Einleitung: II. Zur Geschichte der Upanishad's.
Die auffallende Bevorzugung von Chändogya läfst ver-
muten, dafs bereits eine aus der Schule dieser Upanishad her-
rührende Vorarbeit vorlag, in welche dann von Bädaräyana
oder schon von einem Frühern sechzehn Hauptstellen anderer
Qäkha s, gleichfalls unter Wahrung des Prinzips der ursprüng-
lichen Reihenfolge der Stellen, hineingearbeitet wurden. Aufser
den genannten Upanishad's läfst sich für Bädaräyana mit
einiger Sicherheit nur noch die Benutzung von Qvetägvatara
(Sütram 1,4,8 — 10), Aitareya (Sütram 3,3,16 — 17), und viel-
leicht Jäbäla (Sütram 1,2,32) nachweisen. Was aber die Sütram
3,3,25 erwähnte Verwünschungsformel betrifft, welche nach
Qankara „am Eingange einer Upanishad der Atharvanika's"-
stehen soll, und die sich nirgendwo finden lassen will, so
möchte ich jetzt vermuten (da Bädaräyana und Qankara im
ganzen Werke von den Atharva- Upanishad's nur Mundaka
und Pracna benutzen, mithin auch nur diese anerkennen, und
da sie die jener Verwünschungsformel folgende Upanishad als
berechtigt anzuerkennen scheinen), dafs die gedachte Formel
sich damals am Eingang einer jener beiden, vielleicht der
Mundaka-Upanishad, befunden haben mag, etwa in der Weise,
wie die Qäntiformeln, welche vor den Upanishad's in einigen
Handschriften vorhergehen und in andern fehlen.
An Bädaräyana's Brahmasütra's schliefst sich der grofse
Kommentar des (Jankara (angeblich 800 p. C.) über dieselben,
welchem aufserdem, unter andern Werken, die in der Bibl.
Ind. (vol. IL III. VII. VIII) edierten Kommentare zu Bri-
J/adäranyaka, Chändogya, Taittiriya, Aitareya, Qvetägvatara,
Igä, Kena, Katlia, Pragna, Mundaka und Mändükya zugeschrieben
werden. Es fehlen also Kommentare von Qankara über Kau-
shitaki, welche erst von Qankaränanda (nach Hall, Index
p. 98. 123 Lehrer des Mädhava, der 1350 p. C. blühte), und
Maibfäyaniya, welche von Bämatirtha kommentiert wurde.
Aber auch die Kommentare zu den genannten elf Upanishad's
rühren teilweise wohl nicht von Qankara selbst, sondern nur
aus seiner Schule her, da die Erklärungen der Upanishad-
Kommentare mit den im Sütra-Kommentar gegebenen öfter
nicht zusammenstimmen (vgl. Up. S. 478 n. 570 n.). Der unter
Caiikara's Namen überlieferte Kommentar zu MändüJoyd be-
3. Die FpanishacT s bei Bädaräyana und <>nkara. 99
handelt diese mit Gaudapädä's Kärikä als Einheit und scheint
das Ganze noch gar nicht als Upanishad anzusehen (p. 330:
vedänta- artha-smra-sangräha-ihütam idam prakardna-catuslita-
yam (om iti etad ahsharam' ity-ädi ärdbliyate) , wozu stimmen
würde, dafs Mändükya weder in den Brahmasütra's noch im
Kommentar des Qankara über dieselben zitiert wird, während
zwei Verse der Kärikä des Gaudapäda (3,15 und 1,16) von
Qankara p. 375,3. 433,1 mit den Worten atra uMani veddnta-
artJia-sanijn-adayacidhhir äcäryaih angeführt werden. Im Kom-
mentar zu den Brahmasütra's werden von Qankara nachweis-
lich (vgl. System des Vedänta S. 32 fg.) nur folgende vierzehn
Upanishad's zitiert, wobei die beigefügten Ziffern die Anzahl
der Zitate bezeichnen: Chändogya 810, Brihadäranyaha 567,
Taittiriya 142, Mundaka 129, Kätliaka 103, KaMsMtaM 88,
(Jvetägvatara 53, Pragna 38, Aitareya 22, Jäbäla 13, Mahdnä-
räyana 9, lca 8, Paingi 6, Kena 5.
Obgleich £ankara diese von ihm anerkannten Vedäntatexte
durchaus als einen einheitlichen, widerspruchlosen Kanon der
Erkenntnis der Wahrheit betrachtet*, so scheint ihm doch noch
keine Sammlung der Upanishad's vorgelegen zu haben, da er
die meisten derselben noch als die Schlufskapitel der zugehö-
rigen Brähmana's vor Augen hat, an die er daher zu Eingang
des Upanishadkommentars anzuknüpfen pflegt. So sagt er in
* Man vergleiche seine Erklärung zu Sütram 3,3,1 ; p. 843 (S. 550
unserer Übersetzung): „Wie kann also da der Gedanke kommen, ob die
Lehren über Brahman verschieden oder nicht verschieden seien? Denn
man kann doch nicht behaupten, dafs es die Absicht des Vedänta sei,
ähnlich wie es eine Vielheit von Werken gibt, auch eine Vielheit des
Brahman zu lehren; indem das Brahman eines und eingestaltig ist. Auch
geht es nicht an, dafs über das eingestaltige Brahman verschiedengestaltige
Lehren bestehen; denn dafs anders die Sache und anders die Erkenntnis
der Sache sei, ist notwendigerweise ein Irrtum. Und gesetzt den Fall,
es würden über das einheitliche Brahman vielheitliche Lehren in den ver-
schiedenen Vedäntatexten mitgeteilt, so könnte nur eine derselben richtig,
die andern hingegen würden falsch sein, und die Folge wäre der Verlust
des Vertrauens auf den Vedänta! [Dieses aber ist, in ^ankara's Augen,
eine d-ayuyr] d; to dcSuvatov.] Es ist also nicht daran zu denken, dafs
in den einzelnen Vedäntatexten eine Verschiedenheit der Lehren über
Brahman statthabe."
30 A. Einleitung: II. Zar Geschichte der Upanishad's.
der Einleitung des Kommentars zu Kcna (Bibl. Ind. p. 28),
nach Zitierung ihres Anfanges, derselbe sei „der Anfang des
neunten Adhyäya [in der von Ortel herausgegebenen Rezension
gehört sie zum vierten Adhyäya, vgl. Up. S. 62. 203 n.] ; vor
demselben sind die Werke vollständig behandelt worden; auch
wurden die Verehrungen des allen Werken als Grundlage
dienenden Präna gelehrt, sowie auch die, welche sich auf das
ein Glied der Werke bildende Säman beziehen. Dann folgte
die Betrachtung des Gäyatra-säman und schlofs mit der Lehrer-
liste; alles dies Genannte gehört noch zu den Werken" usw.
— Zu Chändogya, p. 2: „Das ganze Ritual ist durchgegangen
worden, sowie auch die Erkenntnis des Präna- Agni usw.
als Gottheit". — Zu Taittiriya, p. 2: „Die ständigen Werke,
welche dazu dienen, begangene Vergehen zu tilgen, sowie die
wunschhaften Werke für solche, die einen bestimmten Lohn
begehren, sind in dem vorhergehenden Teile des Buches (pur-
vasmin granthe) durchgegangen worden". — Zu Srihadäranyaka,
p. 4: „Der Zusammenhang dieser (Upanishad) mit dem Werk-
teile ist folgender" usw. — Zu l§ä, p. 1: „Die Mantra's
igä väsyam usw. finden nicht [wie man erwarten sollte] Ver-
wendung bei den Werken, sondern offenbaren die Wesenheit
des nicht zu den Werken gehörigen Ätman". — Zu Aitareija,
p. 143: „Die Werke mitsamt der auf das niedere Brahman
bezüglichen Erkenntnis sind absolviert" usw,
Alle diese Upanishad's scheinen, nach den mitgeteilten
Bemerkungen zu schliefsen, dem Qahkara noch als Schlufsteile
der betreffenden Brähmana's vorgelegen zu haben. Hingegen
fehlt eine derartige Anknüpfung an einen vorhergehenden
Werkteil in den Kommentaren zu Käthaka und Qvctärvatara.
Ebenso bei Mundaka und Pragna, welche beiden von Qankara
als eine Art Einheit behandelt werden; in der Einleitung zu
Pracna, p. 160,2, bemerkt er: „um die in den Mantra's [der
Mundaka-Upanishad, wie der Glossator richtig ergänzt] ge-
lehrte Sache weiter auszuführen, wird dieses Brähmanam
[die Prac,na-Upanishad] unternommen". Da übrigens Mundaka
und Pracna gar keine Verwandtschaft zeigen, wie sie denn
auch an verschiedene Qäkhä's des Atharvaveda (die des Qau-
nafca und die des Pippaläda) anknüpfen, so erklärt sich die
3. Die Upanishad's bei Bädaräyana und (j'ankara. ' 31
Einheit, in welcher £ankara sie betrachtet, wohl nur daraus,
dafs sie schon zu seiner Zeit zusammengefafst waren als erster
Anfang und Grundstock einer Sammlung der Atharva- Upa-
nishad's. Wahrscheinlich bestand damals die Sammlung nur
aus diesen beiden, da sonst die, andern wohl nicht so voll-
ständig von Qankara hätten ignoriert werden können, wie dies
tatsächlich geschieht. Zwar bemerkt der Glossator Anan-
dajnäna zum Eingange von Qankara's Korrtmentar zu Mundaka
(p. 258): „Anfangend mit der Brahma- Upanishad [er meint
wohl Brahmavidyä-Up.] und Garbha-Upanishad sind noch viele
Upanishad's des Atharvaveda vorhanden; aber da sie im Qäri-
rakam (den Brahmasütra's des Bädaräyana) nicht verwendet
werden, so wird er (Qankara) diese nicht erklären". Dieser
Grund ist wohl nicht ausreichend ; denn welche Upanishad's im
Qärirakam vorkommen und welche nicht, das konnte nur durch
die Tradition oder Qankara selbst bestimmt werden. Es mufs
also die Tradition oder Qahkara selbst gewesen sein, welche
aus dem Kanon weitere Upanishad's ausschlössen, sei es, dafs
dieselben noch nicht bekannt waren, sei es, dafs sie noch nicht
als Upanishad's anerkannt wurden, wie denn ja Qahkara die
Mändükya, die er doch selbst nebst Gaudapäda's Kärikä kom-
mentiert hat, noch nicht als Upanishad, sondern als ein vedänta-
artha-sära-sangraha-bfa'ttam pralcaranam „eine den Hauptinhalt
des Vedänta befassende literarische Komposition" bezeichnet.
4. Die wichtigsten Upanishadsaininlungen.
Die weitere Geschichte der Upanishadtradition ist zur Zeit
noch in Dunkel gehüllt, und nur vermutungsweise können wir
aus den vorliegenden Sammlungen der Upanishad's einige
Schlüsse über die Entstehung derselben zu ziehen versuchen.
Diese Sammlungen oder Listen zerfallen von vornherein in
zwei Klassen, sofern sie entweder sämtliche Upanishad's um-
fassen, oder sich (wenigstens der ursprünglichen Absicht nach)
nur auf die Atharva-Upanishad's beschränken. Von ersterer
Art ist der Kanon der Muktikä und des Oupnek'hat, von
letzterer der des Colebrooke und des Näräyana.
Da die Upanishad's der drei altern Veden in der Tra-
32 A. Einleitung: II. Zur Geschichte der Upanishad's.
dition der CäkhA's fortleben, so war, solange diese bestanden,
auch die sichere Überlieferung der betreffenden Upanishad's
nicht gefährdet. Anders im Atharvaveda, welcher beim Opfer
keine Verwendung fand (oben I, i, S. 50) und infolgedessen
nicht von einer so festen Schultradition, wie die Texte der
drei altern Veden, getragen wurde, worauf nicht nur die viel-
fache Verwahrlosung seiner Samhitästücke, sondern auch di«
Liberalität hinweist, mit welcher er neuen Produktionen noch
weiterhin offen stand, und welche wohl nicht möglich war, so-
lange die Tradition in den Händen geordneter, von Geschlecht
zu Geschlecht sich zunftmäfsig fortsetzender Vedaschulen lag.
Aus diesen Umständen erklärt sich das massenweise Eindringen
neu entstehender Upanishad's in den Atharvaveda. Schon bei
Cahkara begegneten wir (oben S. 30) einer Zusammenfassung
von Mundaka und Pracna, und an diese als Grundstock scheint
sich nach und nach eine Sammlung von Atharva-Upanishad's
gereiht zu haben, welche schliefslich in 34 Nummern von
Mundaka bis Nriswhatäpaniyä reichte, und auch solche Stücke
befafste, die früher gar nicht als Upanishad's gerechnet wurden,
wie denn bei Qankara noch die Kärikä des Gaudapada zur
Mändükya-Upanishad und sogar diese selbst (oben S. 29. 31)
nicht das Ansehen einer Upanishad haben. Diese 34 ersten
Upanishad's der Colebrookeschen Liste (Up. S. 537) werden
späterhin auf 52 erweitert, indem man ihnen nicht nur eine
Anzahl neuer Emporkömmlinge, sondern merkwürdigerweise
mit und unter ihnen sieben von alters her bekannte Texte der
altern Veden, nämlich 35. — 36. Kathaka, 37. Kena, 39. — 40.
JBrihanndräyana (= Taitt. Ar. X), 44. Anandavalli (= Taitt.
Up. 2) und 45. BhriguvalU (= Taitt. Up. 3), angliederte. So
entstand die von Colebrooke zuerst bekannt gegebene Samm-
lung der 52 Upanishad's, deren seltsame Zusammensetzung
wir (Up. S. 537) durch die Hypothese zu erklären versuchten,
dafs zur Zeit und im Lande ihrer endgültigen Konstituierung
die drei altern Veden nur noch in den Qäkhä's der Aitareyin's,
Tändin's (denen die Chändogya-Upanishad angehört, System
des Vedänta S. 9) und Väjasaneyin's gepflegt wurden, daher
man die Upanishad's der übrigen £akhä's (mit Ausnahme der
bereits verschollenen oder nicht anerkannten KaushUuJci, Cveta-
4. Die -wichtigsten Upanishadsammlungen. 33
rmtara, MaUräyaniya) , um sie vor dem Untergang zu retten,
der bestehenden Sammlung der Atharva-Upanishad's anreihte.*
Mit der Colebrookeschen Sammlung stimmt (wie wir Up.
S. 538 fg. nachgewiesen haben) die Sammlung des Narä-
yana, abgesehen von einigen Abweichungen in der Reihen-
folge der letzten Nummern, genau überein, nur dafs sie die
52 Upanishad's Colebrooke's auf 45 zusammendrängt und als
No. 46 — 52 sieben sektarische Texte (zwei Gopälatäpaniya,
Krislma, Väsuäeva mit Gopwanäana, Quetägvatara und zwei
Varaäatäpamya) hinzufügt. Dieses Verhältnis haben wir Up.
S. 541 daraus zu erklären versucht, dafs die 52-Zahl schon
zu einer Art kanonischen Ansehens gelangt war, als sich der
Wunsch einstellte, sieben weitere, neuerdings erst entstandene
oder zu Ansehen gelangte Texte einzufügen. Dies wurde er-
reicht, indem man die bisherigen 52 Nummern, durch Zu-
sammenfassung des ursprünglich Zusammengehörigen, auf 45
reduzierte und dadurch Raum gewann, die sieben neuen Texte
als unter der 52-Zahl einbegriffen hinzustellen und dadurch
ihre kanonische Anerkennung zu erleichtern.
Einer ganz andern Gegend (wahrscheinlich dem Süden
Indiens) und einer erheblich spätem Zeit scheint die Samm-
lung der 108 Upanishad's, welche in der Muktikä als
letzter aufgezählt werden, anzugehören. Dieselbe befafst sämt-
liche Upanishad's der Sammlung Colebrooke's (mit Ausnahme
von Nilarudra, Pinda, Mahänärayana, Agrama) und Näräyana's
(mit Ausnahme von Varaclatapaniya) , mehrfach unter andern
Namen und zuweilen durch spätere Zusätze bis zum Dreifsig-
fachen oder Vierzigfachen ihres Umfangs erweitert, dazu sämt-
liche elf Upanishad's der drei altern Veden (mit Ausnahme
von Mahänärayana) und gegen siebzig neuer, sonst nirgendwo
vorkommender, Texte. Schon der Umstand, dafs in dieser
Sammlung auch die Upanishad's der drei altern Veden, und
* Ein anscheinend älteres Verzeichnis, welches nur 28 Atharva-Upa-
nishad's, ohne Einschiebung der Texte der altern Veden, aufzählt und im
übrigen (von einer Ausnahme und den letzten Gliedern abgesehen) völlig
mit Colebrooke's und Näräyana's Liste übereinstimmt, ist erhalten Atharva»
paricishta 2,13 (Berliner Handschriften, 2,88).
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n. 3
34 A. Einleitung: II. Zur Geschichte der Upanisbad's.
zwar zu Eingang derselben, auftreten, weist auf eine Zeit und
Gegend hin, in welcher eine lebendige und stetige Tradition
der Qäkhä's nicht mehr bestand; noch mehr das Unterfangen,
von jenen 108 Upanishad's ohne jeden Schein des Rechtes
10 dem Rigveda, 19 dem weifsen, 32 dem schwarzen Yajur-
veda, 16 dem Sämaveda und 31 dem Atharvaveda zuzuschrei-
ben, — ein Verfahren, gegen welches die alten Vedaschulen
doch wohl protestiert haben würden. Im übrigen ist diese
Sammlung für die spätere Geschichte des Vedänta (vielleicht
vorwiegend oder ausschliefslich unter den Telugu-Brahmanen)
von grofsem Interesse und verdient, nachdem sie 1896 auch
in einem Devanägaridrucke zugänglich gemacht worden ist
(vorher war nur eine Ausgabe in Telugucharakteren vorhan-
den), eine nähere Durcharbeitung. Bemerkenswert ist, dafs
Qafikaränanda's Lesarten oft mit denen der 108 Upanishad's
gegen diejenigen der 52 Upanishad's und des Näräyana zu-
sammenstimmen.
Eine isolierte Stellung sowohl den 52 als auch den 108
Upanishad's gegenüber nimmt diejenige Sammlung von fünfzig
Upanishad's ein, welche unter dem Namen Ottpnek'hat im Jahre
1656 auf Veranlassung des Sultans Mohammed Dara Schakoh
aus dem Sanskrit ins Persische und 1801 — 1802 von Anquetil-
Duperron aus diesem ins Lateinische übertragen wurde. Auch
der Oupnek'hat will, wie die Muktikä-Sammlung, eine all-
gemeine Upanishadsammlung sein; er befafst unter zwölf Num-
mern die Upanishad's der drei altern Veden, dazu sechsund-
zwanzig der auch anderweit bekannten Atharva-Upanishad's;
ferner enthält er acht ihm eigentümliche Stücke, von denen
vier bisher nirgendwo sonst nachgewiesen sind und daher auch
von uns, Up. S. 838 fg., nur aus dem Persisch-Latein des An-
quetil wiedergegeben werden konnten. Endlich enthält der
Oupnek'hat vier Stücke aus Väj. Samh. 16. 31. 32. 34, deren
erstes in verkürzter Form als Nilarudra- Upanisliad auch in
andern Sammlungen vorkommt, während die drei andern sonst
nirgendwo Aufnahme gefunden haben. Wir haben dieselben, als
zur Vorgeschichte der Upanishad's gehörig, oben I, i, S. 156 fg.,
290 fg., 291 fg., 335 übersetzt und besprochen. Die Aufnahme
dieser Samhitästücke in das Corpus der Upanishad's, gleich
4. Die wichtigsten Upanishadsammlungen. 35
als sei Gefahr, dafs sie sonst in Vergessenheit geraten könnten,
läfst auf eine relativ späte Zeit für das Zustandekommen der
Oupnek'hat- Sammlung schliefsen, wiewohl schon 1656 die
persischen Übersetzer diese Sammlung nicht erst veranstaltet,
sondern bereits fertig überkommen haben, ja, in der Up. S. 535
angeführten Stelle, dieselbe als aus einer längst vergangenen
Vorzeit herrührend betrachten. Durch die übergrofse Treue,
mit welcher Anquetil-Duperron diese 50 Upanishad's aus dem
Persischen, Wort für Wort und mit Beibehaltung der persi-
schen Syntax, ins Lateinische übersetzte — eine Treue, welche
in seltsamem Kontraste zu der Freiheit steht, mit der die per-
sischen Übersetzer den Sanskrittext behandelt haben — ist der
Oupnek'hat ein sehr schwer lesbares Buch geworden, und es
bedurfte eines so tief dringen den Geistes wie Schopenhauer,
um in dieser ungeniefsbaren Schale einen Kern unschätzbarer
philosophischer Intuitionen zu entdecken und für sein System
nutzbar zu machen. Sein Urteil über den Oupnek'hat haben
wir Up. S. VI wiedergegeben.
Eine Durcharbeitung des vom Oupnek'hat gebotenen Ma-
terials hat zuerst A. Weber, Indische Studien I. IL IX, an der
Hand der Sanskrittexte unternommen. Inzwischen wurden
die Urtexte, zum Teil mit umfangreichen Kommentaren, in
der Bibliotheca Indica und neuerdings in der ÄnandäQrama
Series publiziert; die zwölf ältesten Upanishad's übersetzte
M. Müller in den „Sacred Books of the East" vol. I. XV, die
beiden gröfsten und einige kleinere sind von 0. Böhtlingk in
wörtlicher Verdeutschung erschienen. Unsere Übersetzung
der sechzig Upanishad's (Leipzig 1897, 2. Aufl. 1905) umfafst
sämtliche Texte dieser Art, welche, vermöge ihres regel-
mäfsigen Vorkommens in den indischen Sammlungen und Ver-
zeichnissen der Upanishad's, auf eine gewisse Kanonizität An-
spruch machen können. Die beigegebenen Einleitungen nebst
Anmerkungen handeln eingehend über Inhalt und Komposition
der einzelnen Stücke, daher wir hier von einem weitern Ein-
gehen auf diese literarischen Fragen Abstand nehmen.
3*
A. Einleitung: III. Bedeutung des Upanishadgodankens.
lil. Der Grundgedanke der Upanishad's und seine Bedeutung.
1. Der Grundgedanke der Upanishad's.
Alle Gedanken der Upanishad's bewegen sich um zwei
Grundbegriffe; sie sind: 1) das JBrahnan und 2) der Atman.
In der Regel werden beide vollkommen synonym gebraucht;
wo sich aber ein Unterschied herausfühlen läfst, da erscheint
Brahman als der ältere und anerkanntere, Atman als der
jüngere und bezeichnendere Ausdruck, Brahman als das Un-
bekannte und zu Erklärende, Atman als dasjenige Bekannte,
wodurch jenes Unbekannte erklärt werden soll, Brahman als
das Prinzip, sofern es im Weltganzen, Atman, sofern es im
Innern des Menschen erfafst wird. Als Beispiel kann man
die schon oben I, i, S. 264. 336 übersetzte Stelle Qatap. Br.
10,6,3. Chänd. 3,14 ansehen, deren einfacher Grundgedanke
darin besteht, dafs das Weltall Brahman (sarvam Jchalu
idam brahma), das Brahman aber der Atman in uns (esha
ma' ätmä antar hridaye usw.) ist.* Ein anderes Beispiel liefert
die Erzählung von Gärgya (Brih. 2,1. Kaush. 4), welcher sich
vergebens bemüht, das Brahman zu definieren, bis er endlich
vom Könige zur Erklärung desselben auf den Atman hinge-
wiesen wird. Am deutlichsten tritt der Unterschied zwischen
Brahman und Atman da hervor, wo beide in ganz kurzen
Aussprüchen neben einander erscheinen. Als Beispiel kann die
Stelle dienen (Brih. 4,4,5): sa vä' ayam ätmä brahma, „wahr-
lich, dieser Atman ist das Brahman".
Halten wir für den gegenwärtigen Zweck an dieser Unter-
scheidung des Brahman als kosmischen Prinzips von dem
Atman als psychischem Prinzip fest, so läfst sich der Grund-
* Bühtlingk behauptet (Berichte der Sachs. G. d. W., 1897, S. 84), ich
hätte „nicht erkannt '!), dafs esha ma' ätmä antar hridaye überall Sub-
jekt ist", legt aber für die Richtigkeit meiner Übersetzung unfreiwilliger-
weise selbst Zeugnis ab, sofern er zwar in § 3 übersetzt „dieses mein
Selbst im Innern des Herzens", jedoch sogleich darauf in § 4, wo dieselbe
Wendung wiederkehrt, ebenso wie ich übersetzt „das ist mein Selbst
im Innern des Herzens".
1. Der Grundgedanke der TJpanishad's. 37
gedanke der ganzen Upanishadphilosophie ausdrücken durch
die einfache Gleichung:
Brahman = Atman,
das heifst: das Brahman, die Kraft, welche in allen Wesen
verkörpert vor uns steht, welche alle Welten schafft, trägt, er-
hält und wieder in sich zurücknimmt, diese ewige, unendliche,
göttliche Kraft ist identisch mit dem Atman, mit demjenigen,
was wir, nach Abzug alles Aufserlichen , als unser innerstes
und wahres Wesen, als unser eigentliches Selbst, als die Seele
in uns finden. — Diese Identität des Brahman und des Atman,
Gottes und der Seele, ist der Grundgedanke der ganzen Upa-
nishadlehre; in aller Kürze wird er ausgedrückt durch die
„grofsen Worte": tat tvam asi „dieses bist du" (Chänd. 6,8,7 fg.)
und: aham brahma asmi „ich bin Brahman" (Brih. 1,4,10); in
dem Kompositum: brahma-ätma-aihjam „Einheit des Brahman
und des Atman" bezeichnet er das Fundamentaldogma des
Vedäntasystems.
Wenn wir diesen Gedanken der mannigfachen, vielfach
bildlichen und nicht selten wunderlichen Formen entkleiden,
in denen er in den Vedäntatexten erscheint, und denselben
nur nach seiner philosophischen Reinheit als die Identität
Gottes und der Seele, des Brahman und des Atman, ins
Auge fassen, so hat er eine weit über die Upanishad's, ihre
Zeit und ihr Land hinausreichende Bedeutung, ja, wir be-
haupten, dafs er von unverlierbarem Werte für die ganze
Menschheit ist. — Wir können nicht in die Zukunft blicken,
wir wissen nicht, welche Aufschlüsse und Entdeckungen dem
rastlos forschenden Menschengeiste noch vorbehalten sind, —
aber eines können wir mit Sicherheit voraussagen, welche
neuen und ungeahnten Wege auch immer die Philosophie
kommender Zeiten einschlagen mag, dieses steht für alle Zu-
kunft fest und niemals wird man davon abgehen können: soll
eine Lösung des grofsen Eätsels, als welches die Natur der
Dinge, je mehr wir davon erkennen, nur um so deutlicher
sich dem Philosophen, darstellt, überhaupt möglich sein, so
kann der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels nur da liegen,
wo allein das Naturgeheimnis sich uns von innen öffnet, das
38 A. Einleitung: III. Bedeutung des Upanishadgedankens.
heifst, in unserm eigenen Innern. Hier landen ihn zum
erstenmal die ewig preiswürdigen Urheber der Upanishad-
gedanken, wenn sie unsern Atman, unser eigenes innerstes
Wesen als das Brahman, als das innerste Wesen der ganzen
Natur und aller ihrer Erscheinungen erkannten.
2. Der Upanishadgedanke und die Philosophie.
Alle Religion und Philosophie wurzelt in dem Gedanken,
dafs (mit Kants Worten zu reden) die Welt nur Erschei-
nung und nicht Ding an sich ist, das heifst, dafs die
ganze, in Eaum und Zeit unendlich sich ausbreitende Aufsen-
welt und ebenso der gesamte Komplex der Wahrnehmungen
in meinem Innern, — dafs dies alles nur die Form ist, in
welcher das Seiende in einem Bewufstsein wie dem unsern
sich darstellt, nicht aber die Form, in welcher es auf serhalb
unseres Bewufstseins und unabhängig von demselben bestehen
mag, dafs, mit andern Worten, der gesamte Komplex der
auf sern und innern Erfahrung uns immer nur sagt, wie die
Dinge für uns, für unser Vorstellungsvermögen, nicht aber
wie sie an sich und ohne dieses Vorstellungsvermögen be-
schaffen sind.
Es ist leicht, zu zeigen, wie dieser, erst in der Kantischen
Philosophie zu voller Klarheit erhobene, aber in weniger
deutlicher Form von jeher vorhanden gewesene Gedanke die
Grundlage und stillschweigende, halb bewufste oder unbewufste
Voraussetzung aller Philosophie ist, soweit sich nicht empi-
rische Wissenschaften unter diesem Namen verbergen. Denn
alle Philosophie, im Gegensatze zu den empirischen Wissen-
schaften, begnügt sich nicht, die Dinge ihrem Tatbestande
nach kennen zu lernen und nach ihrem kausalen Zusammen-
hange zu erforschen ; vielmehr geht sie, ihrer Natur nach, über
dies alles hinaus, indem sie (wie wir schon oben I, i, S. 3 fg.
ausführten) den Gesamtkomplex der empirischen Realität,
auch nach allen Aufhellungen desselben durch die empirischen
Wissenschaften, ansieht als etwas, was noch der weitern
Erklärung bedarf, und diese Erklärung findet in dem
Prinzip, welches sie aufstellt, und aus welchem sie bemüht
ist, das Dasein der Dinge und ihrer Ordnung abzuleiten.
2. Der Upanishadgedanke und die Philosophie. 39
Diese Tatsache, dafs die Philosophie von jeher bestrebt war,
ein Prinzip der Welt aufzustellen (vgl. I, i, S. 3), beweist, dafs
sie ausging von dem mehr oder weniger deutlichen Bewufst-
sein, dafs die ganze empirische Realität nicht das wahre Wesen
der Dinge ist, dafs sie, in Kants Worten, nur Erscheinung
ist und nicht Ding an sich.
Dreimal, soviel wir wissen, hat sich die. Philosophie zu
einem deutlicheren Bewufstsein dieser ihr allgemein gestellten
Aufgabe und ihrer Lösung erhoben, das eine Mal in Indien
in den Upanishad's, das zweite Mal in Griechenland in der
Philosophie des Parmenides und Piaton, das dritte Mal in der
neueren Zeit in der Philosophie Kants und Schopenhauers.
Wir werden in einem spätem Teile dieses Werkes zu zeigen
haben, wie die Philosophie der Griechen ihren Höhepunkt er-
reichte durch die parmenideisch-platonische Lehre, dafs diese
ganze Welt des Werdens ein blofser Schein, wie Parmenides
sagt, eine Welt der Schatten ist, wie Piaton lehrt, und wie
beide Philosophen bemüht sind, durch sie hindurch die wahre
Wesenheit der Dinge, to ov, tö ovtu? b'v zu ergreifen, was
Piaton in einem an die-Upanishadlehre wie an die Kantische
Terminologie erinnernden Ausdruck als das aü-cö (ätman) xa^'
aüxo („an sich") bezeichnet. Wir werden dann weiter sehen,
wie eben dieser Gedanke, nach einer vorübergehenden Ver-
dunkelung durch Aristoteles und das Mittelalter, auf ganz an-
derm Wege wiederum ergriffen wurde und deutlicher als je
zuvor aufleuchtete in der von Kant begründeten Philosophie,
welche ihren grofsen Fortsetzer und Vollender in Schopen-
hauer gefunden hat. Hier haben wir es mit den Upanishad's
zu tun, und wir glauben die welthistorische Bedeutung dieser
Urkunden nicht in ein helleres Licht setzen zu können, als
indem wir zeigen, wie der eigentliche, tiefste Grundgedanke
des Piatonismus und des Kantianismus auch schon der Grund-
gedanke der Upanishadlehre ist.
Die Dinge, welche sich um uns her im unendlichen Räume
nach allen Seiten ausbreiten, und zu denen wir, vermöge unserer
Leiblichkeit, selbst gehören, sind nach Kant nicht die Dinge
an sich, sondern nur Erscheinungen, sie sind nach Piaton nicht
die wahren Wesenheiten, sondern die blofsen Schatten der-
40 A. Einleitung: III. Bedeutung des Uparushadgedankens.
selben, und sie sind nach der Üpanöshadlehre nicht der Atman,
das wirkliche Selbst der Dinge, sondern eine blofse Mäya,
das heifst, ein blofses Blendwerk, eine Illusion. Allerdings
kommt der Terminus Mäya erst von Qvet. 4,10 an vor; daher
von solchen, welche nicht imstande sind, dieselbe Sache, wo
sie in andere "Worte gekleidet erscheint, wiederzuerkennen, die
Behauptung aufgestellt worden ist, der Begriff der Mäya sei
den altern Upanishad's noch unbekannt. Wie sie es, bei dieser
Behauptung, fertig bringen, diese altern Upanishad's (Brihad-
äranyaka und Chändogya) zu verstehen, mögen sie selbst
wissen. Tatsache ist, dafs dieselben ganz von der Vorstellung
durchtränkt sind, welche späterhin ihren glücklichsten Aus-
druck in dem Worte mäya gefunden hat. — Schon in der
Forderung, dafs man den Atman des Menschen, den Atman
der Welt zu suchen habe (Brih. 2,4,5b: ätmä va are drushta-
vyah, grotavyo, maritavyo, nididhyäsita/vyo; Chänd. 8,7,1: so
'nveshtavyah, sa vißjnäsitavyah), liegt implicite, dafs dieser Leib
und diese Welt, die sich ungesucht vor uns ausbreitet, nicht
der Ätman, das Selbst, das wahre Wesen ist, und dafs es
eine Täuschung ist, wenn wir sie (wie der Dämon Virocana,
Chänd. 8,8,4) dafür halten. Alle Dinge und Verhältnisse der
Welt, so entwickelt Yäjnavalkya Brih. 2,4,5a, sind uns nicht
wert um ihrer selbst willen (als „Dinge an sich"), sondern
um des Atman willen; ja sie existieren nur in dem Atman,
und der ist ganz und gar verloren, welcher sie „aufserhalb des
Selbstes" (anyatra ätmano) weifs. Dieser Atman, schliefst er
1. c. 2,4,6, ist Brahmanen und Krieger, Welträume, Götter und
Wesen, „dieser Atman ist das ganze Weltall" (idam sarvam
yad ayam ätmä). Wie man die Töne mit ergreift, indem man
das Instrument ergreift (Brih. 2,4,7 fg.), so hat man, indem
man den Atman ergreift, alle jene Dinge mit ergriffen: „für-
wahr, wer das Selbst gesehen, gehört, verstanden und erkannt
hat, von dem wird diese ganze Welt gewufst" (Brih. 2,4,5b).
Unmittelbar an diesen Gedanken und wahrscheinlich sogar
an diese Stelle Brih. 2,4,5 b knüpft die Chänd. Up. 6,1,2 an,
indem sie, was dort das Resultat der Entwicklung war, zur
Voraussetzung macht und als Thema voranstellt: „Hast du
denn auch der Unterweisung nachgefragt, durch welche [auch]
2. Der Upanishadgedanke und die Philosophie. 41
das Ungehörte ein [schon] Gehörtes, das Unverstandene ein
Verstandenes, das Unerkannte ein Erkanntes wird?" — „Wie
ist denn, o Ehrwürdiger, diese Unterweisung?" — „Gleichwie,
o Teurer, durch einen Tonklumpen alles, was aus Ton be-
steht, erkannt ist, an "Worte sich klammernd ist die Um-
wandlung, ein blofser Name (väcdrambhanam vikäro, nä-
madheyam), Ton nur ist es in Wahrheit, — also, o Teurer,
ist diese Unterweisung." Hier wird die vielheitliche Um-
wandlung des Einen für blofses Wortgerede, blofsen Namen
erklärt, ganz wie Parmenides behauptet, dafs alles, was die
Menschen für wahr halten, blofser Name sei (tö tcocvt' ovc;^
eöTOU., 8 ff ff a ßpoxol xars'ä'svTO tcetcoi^Tottsc etvai aXvj^r-^) . Auf
Grund dieser Anschauungen heifst es dann in spätem Stellen,
„noch auch ist dieses eine Vielheit" (Kaush. 3,8, Up. S. 50) und
in den eingelegten Versen Brih. 4,4,19 (vgl. Käth. 4,10 — 11):
Im Geiste soll man dies merken:
Nicht ist hier Vielheit irgendwie !
Von Tod in neuen Tod stürzt sich,
Wer hier Verschied'nes meint zu seh'n.
Fein und treffend ist auch die Bemerkung einer spätem
Upanishad (Nrisinhott. 9, Up. S. 797), dafs nie ein Beweis für
die Vielheit geführt werden kann: „denn es ist kein
Beweis möglich für das Vorhandensein einer Zweiheit, und
nur der zweitlose Atman ist beweisbar". (Wir können nie
heraus aus unserm Bewufstsein, welches unter allen Umständen
eine Einheit bildet.)
Aus dem Gesagten ist ersichtlich: 1) Dafs die Anschauung,
welche später in der Lehre von der Mäyä ihren schärfsten
Ausdruck fand, schon den ältesten Upanishad's nicht nur nicht
fremd ist, sondern in und mit ihrer Grundlehre von der allei-
nigen Realität des Atman als deren notwendiges Komplement
gegeben ist, und 2) dafs diese Grundlehre der Upanishad's
mit der Grundanschauung der parmenideisch-platonischen und
der kantisch- sVdiopenhauerschen Philosophie in wundersamer
Übereinstimmung sich befindet, der Art, dafs alle drei, aus
verschiedenen Zeiten und Ländern stammenden und völlig von
einander unabhängigen Lehren sich gegenseitig ergänzen,
42 -A. Einleitung: III. Bedeutung des Upanishadgedankens.
erläutern und bestätigen. — So viel von der Bedeutung der
Upanishad's für die Philosophie.
3. Der Upanishadgedanke und die Religion.
Der erwähnte indisch-platonisch-kantische Gedanke, dafs
die ganze Welt nur Erscheinung ist und nicht Ding an sich,
bildet nicht nur das eigentliche und wichtigste Thema aller
Philosophie, sondern auch die Voraussetzung und conditio sine
qua non aller Religion; daher alle grofsen Lehrer der Religion
in alter und neuer Zeit, ja auch noch heute alle die, welche
einer Religion im Glauben anhängen, gleichsam unbewufste
Kantianer sind. Wir wollen dies in der Kürze beweisen.
Die Hauptgüter aller Religion sind, wie Kant oft ausein-
andersetzt, 1) das Dasein Gottes, 2) die Unsterblichkeit der
Seele, 3) die Freiheit des Willens (ohne welche keine Mora-
lität bestehen kann). Diese drei höchsten Heilsgüter der
Menschheit, Gott, Unsterblichkeit und Freiheit, sind nur dann
haltbar, wenn die Welt blofse Erscheinung und nicht Ding
an sich (blofse Mayä und nicht der Atman) ist, und sie fallen
rettungslos dahin, falls diese empirische Realität, in der wir
leben, das wahre Wesen der Dinge ausmachen sollte.
1) Das Dasein Gottes wird ausgeschlossen durch das
Vorhandensein des Raumes, welcher unendlich ist, somit
nichts aufser sich zuläfst und innerhalb seiner nur dasjenige,
was ihn erfüllt, d. h. die Materie (sie ist, ihrer genauesten
Definition nach „das den Raum Erfüllende").
2) Die Unsterblichkeit wird ausgeschlossen durch die
Gesetzmäfsigkeit der Zeit, auf welcher es beruht, dafs unser
Dasein einen Anfang in der Zeit hat durch Zeugung und Ge-
burt und ein Ende in der Zeit durch den Tod; und dieses
Ende ist ein absolutes, so wie jener Anfang ein absoluter war.
3) Die Freiheit, und mit ihr die Möglichkeit des mo-
ralischen Handelns, wird ausgeschlossen durch die empirische
Allgemeingültigkeit des Kausalitätsgesetzes, welches for-
dert, dafs jede Wirkung, mithin auch jede menschliche Hand-
lung, die notwendige Folge von Ursachen ist, welche der
Handlung vorhergehen, somit im jedesmaligen Momente des
Handelns nicht mehr in unserer Macht stehen.
3. Der Upanishadgedanke und die Religion. . 43
Ganz anders stellen sich die Fragen nach Gott, Unsterb-
lichkeit und Freiheit, wenn diese ganze, in Raum und Zeit
ausgebreitete und von der Kausalität beherrschte empirische
Realität blofse Erscheinung ist und nicht eine Ordnung der
Dinge an sich, wie Kant sagt, blofse Mäyä ist und nicht der
Ätman, das „Selbst" der Dinge, wie die Upanishad's lehren.
Denn in diesem Falle wird wiederum Platz für eine andere,
höhere Ordnung der Dinge, welche nicht den Gesetzen des
Raumes, der Zeit und der Kausalität unterworfen ist; und
eben diese höhere, der empirischen Realität widersprechende
Ordnung der Dinge, von deren Erkenntnis wir durch die
Beschaffenheit unseres Intellektes ausgeschlossen sind, wird
von den Religionen durch ihre Lehren von Gottr Unsterblich-
keit und Freiheit im Glauben ergriffen; somit ruhen alle
Religionen, ohne es zu wissen, auf dem Grunddogma der kan-
tischen Philosophie, welches in weniger deutlicher Form schon
dasjenige der Upanishad's war. Diese sind somit, vermöge
ihrer Grundanschauung, die natürliche Basis jeder religiösen
Auffassung des Daseins.
Aber neben diesem Werte derselben für die Religion im
.allgemeinen haben sie noch eine spezielle und sehr merkwür-
dige innere Verwandtschaft zum Christentum, welche wir
nicht kürzer und deutlicher darlegen können, als indem wir
das darüber in der Vorrede zu unserer Upanishad-Übersetzung
Gesagte in den , gegenwärtigen Zusammenhang, für welchen
diese Betrachtung wesentlich ist, herübernehmen.
Die Upanishad's, so sagten wir dort, sind für den Veda,
was für die Bibel das Neue Testament ist: und diese Analogie
ist nicht eine blofs auf serliche und zufällige, sondern eine
solche, welche gar sehr in die Tiefe geht und in einem all-
gemeinen, auf beiden Gebieten zur Erscheinung kommenden,
Entwicklungsgesetze des religiösen Lebens begründet ist.
In der Kindheit der Völker stellt die Religion Gebote
und Verbote auf und gibt denselben Nachdruck durch Ver-
heifsung von Lohn und Androhung von Strafe; — sie wendet
sich somit an den Egoismus, den sie als den eigentlichen Kern
des natürlichen Menschen voraussetzt, und über welchen sie
nicht hinausführt.
44 A. Einleitung: III. Bedeutung des Upanishadgedankens.
Eine höhere Stufe des religiösen Bewufstseins wird er-
reicht mit der Erkenntnis, dafs alle Werke, welche auf Furcht
und Hoffnung als Triebfedern beruhen, für die ewige Be-
stimmung des Menschen wertlos sind, dafs diese höchste Auf-
gabe des Daseins nicht in einer Befriedigung des Egoismus,
sondern in einer völligen Aufhebung desselben besteht, und
dafs erst in dieser unsere wahre, göttliche Wesenheit durch
die Individualität hindurch wie durch eine Schale zum Durch-
bruche kommt,
Jener kindliche Standpunkt der Werkgerechtigkeit ist in
der Bibel vertreten durch das alttestamentliche Gesetz und
entsprechend im Veda durch das, was die indischen Theologen
das Karniakdndam (den Werkteil) nennen, unter welchem
Namen sie die ganze Literatur der Hymnen und Brähmana's,
mit Ausnahme der hier und da ein geflochtenen upanishad-
arligen Partien, befassen. Beide, das Alte Testament und das
Karmakdndam des Veda, proklamieren ein Gesetz und stellen
für die Befolgung desselben Lohn, für die Übertretung Strafe
in Aussicht; und wenn die indische Theorie den Vorteil hat,
die Vergeltung teilweise ins Jenseits verlegen zu können und
dadurch dem Konflikt mit der Erfahrung auszuweichen, welcher
der alttestamentlichen, aufs Diesseits beschränkten Vergeltungs-
lehre so viele Verlegenheiten bereitet, — so ist es hinwiederum
der auszeichnende Charakter der biblischen Gesetzesgerechtig-
keit, dafs sie weniger als die indische auf Ritualvorschriften
hinausläuft und dafür gröfsern Nachdruck auf einen sittlichen,
„unsträflichen" Lebenswandel legt. Für die Interessen der
menschlichen Gesellschaft ist dieser Vorzug ein sehr grofser;
an sich aber und für den moralischen Wert des Handelns be-
gründet es keinen Unterschied, ob der Mensch sich im Dienste
imaginärer Götter oder in dem seiner Mitmenschen abmüht:
beides ist, solange dabei eigenes Wohlsein als letzter Zweck
vorschwebt, ein blofses Mittel zu diesem egoistischen Zwecke
und daher, wie dieser selbst, moralisch betrachtet wertlos und
verwerflich.
Diese Erkenntnis bricht sich Bahn im Neuen Testament,
wenn es die Wertlosigkeit, in den Upanishad's, wenn sie so-
gar die Verwerflichkeit aller, auch der guten, Werke lehren;
3. Der Upairishadgedanke und die Eeligion. 45
beide machen das Heil abhängig, nicht von irgend welchem
Tun und Lassen, sondern von einer völligen Umwandlung
des ganzen natürlichen Menschen; beide betrachten diese Um-
wandlung als eine Erlösung aus den Fesseln dieser ganzen,
im Egoismus wurzelnden, empirischen Realität.
Aber warum bedürfen wir einer Erlösung aus diesem Da-
sein? Weil dasselbe das Reich der Sünde ist, antwortet
die Bibel, weil es das Reich des Irrtums ist, antwortet der
Veda. Jene sieht die Verderbnis im wollenden, dieser im er-
kennenden Teile des Menschen; jene fordert eine Umwandlung
des Willens, dieser eine solche des Erkennens. Auf welcher
Seite liegt hier die Wahrheit? — Wäre der Mensch blofs
Wille oder blofs Erkenntnis, so würden wir uns, dem ent-
sprechend, für die eine oder andere Auffassung zu entscheiden
haben. Nun aber der Mensch ein zugleich wollendes und er-
kennendes Wesen ist, so wird sich jene grofse Wendung, in
welcher Bibel und Veda das Heil erblicken, auf beiden Gebieten
vollziehen: sie wird erstlich, nach biblischer Anschauung,
das im natürlichen Egoismus versteinerte Herz erweichen und
zu Taten der Gerechtigkeit, Liebe und Selbstverleugnung
fähig machen, — und sie wird zweitens, Hand in Hand da-
mit, in uns die grofse, Eants Lehre antizipierende, Erkenntnis
der Upanishad's aufdämmern lassen, dafs diese ganze räum-
liche, folglich vielheitliche, folglich egoistische Weltordnung
nur beruht auf einer, uns durch die Beschaffenheit unseres In-
tellektes eingeborenen Illusion (mäyä), dafs es in Wahrheit nur
ein ewiges, über Raum und Zeit, Vielheit und Werden er-
habenes Wesen gibt, welches in allen Gestalten der Natur
zur Erscheinung kommt, und welches ich, ganz und ungeteilt,
in meinem Innern als mein eigentliches Selbst, als den Atman
fühle und finde.
So gewifs, nach Schopenhauers grofser Lehre, der Wille,
und nicht der Intellekt, den Kern des Menschen bildet, so
gewifs wird dem Christentum der Vorzug bleiben, dafs seine
Forderung einer Wiedergeburt des Willens die eigentlich
zentrale und wesentliche ist, — aber so gewifs der Mensch
nicht blofs Wille, sondern zugleich auch Intellekt ist, so ge-
wifs wird jene christliche Wiedergeburt des Willens nach der
46 A. Einleitung: III. Bedeutung des Upanishadgedankens.
andern Seite hin als eine Wiedergeburt der Erkenntnis sich
kundgeben, wie die Upanishad's sie lehren. „Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst", fordert die Bibel; — aber
woher diese Zumutung, da ich doch nur in mir, nicht in dem
andern fühle? — „Weil", so fügt hier der Veda erklärend
hinzu, „dein Nächster in Wahrheit dein eigenes Selbst, und,
was dich von ihm trennt, blofse Täuschung ist". — Wie in
diesem Falle, so ist es auf allen Punkten des Systems: das
Neue Testament und die Upanishad's, diese beiden höchsten
Erzeugnisse des religiösen Bewufstseins der Menschheit, stehen
nirgendwo (wenn man nicht an der Aufsenseite klebt) in einem
unvereinbaren Widerspruche, sondern dienen in schönster
Weise einander zur Erläuterung und Ergänzung.
Ein Beispiel mag zeigen, welchen Wert die Upanishad-
lehre für die Ausgestaltung unseres christlichen Bewufstseins
gewinnen kann.
Das Christentum lehrt seinem Geiste, wenn auch nicht
überall seinem Buchstaben nach, dafs der Mensch, als solcher,
nur zu sündlichen, d. h. egoistischen Handlungen fähig ist
(Römer 7,18), und dafs alles Gute, seinem Wollen wie Voll-
bringen nach, nur von Gott in uns gewirkt werden kann
(Phil. 2,13). So klar diese Lehre, für jeden, der Augen hat
zu sehen, nicht sowohl in vereinzelten Aussprüchen, als viel-
mehr schon in dem ganzen System als solchem präformiert
liegt, so schwer ist es doch zu allen Zeiten der Kirche ge-
worden, sich mit ihr zu befreunden; stets wufste sie einen
Ausweg zum Synergismus mit seinen Halbheiten zu gewinnen
und der Mitwirkung des Menschen irgend eine Hintertüre
offen zu lassen, — offenbar, weil sie hinter dem Monergismus,
der alles Gute auf Gott zurückführt, als Schreckgespenst die
grauenhafte Absurdität der Prädestination stehen sah. Und
freilich stellt sich diese als unvermeidliche Konsequenz ein,
sobald man jene, so tiefe wie wahre, christliche Erkenntnis
des Monergismus verknüpft mit dem aus dem Alten Testa-
mente überkommenen jüdischen Realismus, welcher Gott und
Mensch als zwei sich ausschliefsende Wesenheiten einander
segenüberstellt. — In diesen Dunkelheiten kommt uns aus
dem Osten, aus Indien, das Licht. Zwar nimmt auch Paulus
3. Der Upcinishadgedanke und die Religion. 47
einen Anlauf, Gott mit dem av'jpwTco? 7iveupi.aTi.x6c zu identi-
fizieren (1 Kor. 15,47), zwar sucht auch Kant das wundersame
Phänomen des kategorischen Imperativs in uns daraus zu er-
klären, dafs in ihm der Mensch als Ding an sich dem Men-
schen als Erscheinung das Gesetz gibt, — aber was bedeuten
diese schüchternen und tastenden Versuche gegenüber der
grofsen, auf jeder Seite der Upanishad's durchblickenden Grund-
anschauung des Vedänta, dafs der Gott, welcher allein alles
Gute in uns wirkt, nicht, wie im Alten Testamente, ein uns
als ein andrer gegenüberstehendes Wesen, sondern vielmehr
— unbeschadet seiner vollen Gegensätzlichkeit zu unserm ver-
derbten empirischen Ich (jiva) — unser eigenstes, meta-
physisches Ich, unser, bei allen Abirrungen der menschlichen
Natur, in ungetrübter Heiligkeit verharrendes, ewiges, seliges,
göttliches Selbst, — unser Atman ist!
Dieses und vieles andere können wir aus den Upanishad's
lernen, — werden wir aus den Upanishad's lernen, wenn wir
anders unser christliches Bewufstsein zum konsequenten, nach
allen Seiten vollgenügenden Ausbau bringen wollen.
Das System der Upanishad's.
Vorb emerkung*
System. Unter einem System verstehen wir einen Zusammenhang
von Gedanken, welche sämtlich auf einen Einheitspunkt be-
zogen und von diesem abhängig gemacht werden. Ein System
hat daher stets einen individuellen Urheber, mag er nun die
im System zusammengeschlossenen Gedanken ursprünglich
selbst hervorgebracht oder auch nur überkommene Gedanken-
elemente durch Anpassung an einander zu einem einheitlichen
Ganzen gestaltet haben. Unter diesen Umständen kann von
System einem „System der Upanishad's" streng genommen allerdings
aishad's. keine Rede sein. Denn sie sind nicht das Werk eines indivi-
duellen Genius, sondern die Summe der philosophischen Er-
zeugnisse einer ganzen Epoche, welche sich von der Zeit der
Einwanderung im Gangestale bis zum Aufkommen des Buddhis-
mus, also, ganz ungefähr und rund gesagt, von 1000 oder 800
bis 500 a. C, ja, in ihren Ausläufern noch weit über diesen
letztern Zeitpunkt hinaus erstrecken mag. Dementsprechend
finden wir in den Upanishad's eine grofse Mannigfaltigkeit
von Gedanken, welche sich vor unsern Augen fortentwickeln
und nicht selten mit einander in unvereinbarem Widerspruche
stehen. Aber alle diese Gedanken kreisen so sehr um einen
gemeinsamen Mittelpunkt, werden so völlig von dem einen
Einheit- Gedanken der alleinigen Realität des Atman beherrscht,
Grumf- dafs sie sich alle darstellen als mannigfache Variationen über
ein und dasselbe Thema, welches bald kürzer, bald länger,
bald von dem Boden des empirischen Bewufstseins aus, bald
Vorbemerkung. 49
in schroffem Widerspruche gegen dasselbe behandelt wird.
Hierbei treten alle Differenzen im einzelnen gegenüber der
Einheit der Grundanschauung so sehr in den Hintergrund,
dafs wir in den Upanishad's zwar kein geschlossenes System
vor uns haben, wohl aber die allmähliche Genesis eines Systems
verfolgen können, bestehend in der immer weiter gehen-
den Verwebung des ursprünglichen idealistischen
Grundgedankens mit den mehr und mehr sich geltend
machenden realistischen Anforderungen des empi-
rischen Bewufstseins, wie dies im Verlaufe unserer Dar-
stellung sich zeigen wird. Ihre Vollenduno; erreichen diese sysi^m a<**
° ° . . ö Vedänta.
Bestrebungen erst in nachvedischer Zeit in dem unter den
Händen des Bääaräyana und seines Kommentators (Janlcara
sich gestaltenden, universellen, den idealistischen und re-
alistischen Forderungen (durch Unterscheidung einer höhern
und niedern Wissenschaft) gleich sehr Rechnung tragenden,
theologisch-philosophischen System, welches als das System
des Yedänta in Indien die allgemeine Grundlage des Glaubens
und Wissens geworden und geblieben ist bis auf den heutigen
Tag. Dieses, nach allen Seiten grofs ausgeführte System glie-
dert sich naturgemäfs in folgende vier Hauptteile: Haupticiie.
I. Theologie, die Lehre vom Brahman als dem Prinzip
der Dinge.
II. Kosmologie, die Lehre von der Entfaltung dieses
Prinzips zur Welt.
III. Psychologie, die Lehre von dem Eingehen des Brah-
man als Seele in die von ihm entfaltete Welt.
IV. Eschatologie und Ethik, die Lehre von dem Schick-
sal der Seele nach dem Tode und von ihrem dasselbe bedingen-
den Verhalten im Leben.
Wie das System des Vedänta selbst, so können wir auch
die in den Upanishad's vorliegende Genesis desselben zweck-
mäfsig unter diesen vier Haupttiteln und den durch die Natur
der Sache dargebotenen Unterabteilungen derselben abhandeln.
Wir werden versuchen, unter jeder Rubrik alle wesentlich in
Betracht kommenden Stellen der vom spätem Vedänta an-
erkannten Lpanishad's zu sammeln, und wo in ihnen eine
Fortentwicklung des Gedankens vorliegt, da wird dieselbe in
Deussen, Geschichte der Philosophie. I, u. 4
50 Vorbemerkung.
Chronologie vielen Fällen einen siehern Anhalt bieten, um die chrono-
keeJentwk'k- logische Stellung eines Textes gegenüber altern und Jüngern
lung' Behandlungen desselben Gedankens zu bestimmen. So wird
der philologische Gewinn in der Schaffung einer sichern Grund-
lage für die Chronologie der Upanishadtexte nach ihrem re-
lativen Alter bestehen, während wir von philosophischer Seite
hoffen dürfen, eine innere Einsicht in die Entstehung einer
der merkwürdigsten und folgenreichsten Gedankenschöpfüngen,
welche die Welt besitzt, zu gewinnen.
Des Systems der Upanishad's erster Teil:
Theologie
oder die Lehre vom Brahman.
I. Über die Erkennbarkeit des Brahman.
1. Ist der Veda die Quelle der Brah man Wissenschaft'
Bädaräyana eröffnet die Qäriraka-mimänsä, in welcher die Der veda
älteste systematische Zusammenfassung der Vedäntalehre vor- der satra's.
liegt, mit folgenden vier Sütra's: 1) atha ato brahma-jijnäsä,
iti „nunmehr daher was man die Brahmanforschung nennt".
2) janmcträdi asya yata', iti ,, [Brahman ist dasjenige,] woraus
Ursprung usw. [d. h. Ursprung, Bestand und Vergang]
dieses [Weltalls] ist". 2) gästra-yonitväd, iti „wegen des Grund-
seins des [Schrift-]Kanons", [d. h. nach der einen Erklärung:
weil der Schriftkanon der Erkenntnisgrund für das Brahman
nach der soeben von ihm gegebenen Definilion ist. Auf die
Einwendung, dafs der Schriftkanon nicht auf Erkenntnis, son-
dern auf Verehrung abzwecke, heifst es dann:] 4) tat tu, saman-
vayät „jenes vielmehr, wegen der Übereinstimmung" [der Aus-
sagen überErahman, welche, wenn es sich nur um Verehrungen
handelte, nicht erforderlich und auch nicht möglich sein würde].
Diese Übereinstimmung aller Vedän tatexte in ihren Aussagen
über Brahman suchen dann Bädaräyana und £ankara durch
das ganze Werk hin im einzelnen zu erweisen. Für sie ist
der ganze Veda übermenschlichen Ursprungs, von Brahman
(nach einer sogleich zu besprechenden Stelle) ausgehaucht und
4*
52 I- Die Erkennbarkeit des Bralnnan.
daher untrüglich (vgl. System des Vedänta, S. 100). Aus ihm
schöpfen sie ihre ganze Lehre und rufen nur in Fällen, wo
der Sinn der Vedf.ntaworte zweifelhaft ist, die Erfahrung zur
Entscheidung herbei.
Es fragt sich, was die UpanishacVs selbst über die Quelle,
aus der das Brahmanwissen zu schöpfen ist, lehren.
Literatur- Schon die ältesten Upanishadtexte blicken auf einen reichen
upani-61 Kreis literarischer (wenn auch nur mündlich überlieferter)
8hads. pr0(ju](tioneil hm. So heifst es Brih. 2,4,10: „Gleichwie, wenn
man ein Feuer mit feuchtem Holze anlegt, die Rauchwolken
sich rings umher verbreiten, ebenso, fürwahr, ist aus diesem
grofsen Wesen ausgehaucht worden der Rigveda, der Yajur-
veda, der Sämaveda, die [Lieder] der Atharvan's und der An-
giras', die Erzählungen, die Geschichten, die Wissenschaften,
die Geheimlehren (upaniskäd), die Verse, die Sinnsprüche, die
Auseinandersetzungen und Erklärungen, — alle diese sind aus
ihm ausgehaucht worden".
Drei oder Diese Stelle ist in vielfacher Hinsicht lehrreich. Zunächst
° ersehen wir aus ihr, dafs es (wie überhaupt für die altern
Upanishadtexte, vgl. im Upanishad -Index unter „dreifache
Wissenschaft") nur drei Veden gibt, und dafs die Lieder der
Atharvan's und Angiras' noch nicht als Veda anerkannt wer-
den. Die erste Spur einer Anerkennung ist vielleicht Brih. 5,13,
wo neben Uläham, Yajus und Säman als Viertes Kshafram ge-
nannt wird. Dies könnte den Atharvaveda bedeuten, der in
näherer Beziehung zur Kriegerkaste steht, auch namentlich
dazu dient, Unheil abzuwehren (trdyate kslianitos, wie hshaträm
a. a. 0. etymologisch erklärt wird). Eben darauf hin weist
Brih. 6,4,18, wo von einem Sohne, der einen, zwei oder drei Veden
studiert habe, ein solcher unterschieden wird, der „alle Veden",
d. h. wohl alle vier, kenne. Als vierter Veda erscheint der
„äthärvana" zuerst Chand. 7,1,2 und unter dem Namen „atharva-
veda" Mund. 1,1,5, also erst in den Atharva-Upanishad's.
Weiter zählt die obige Stelle, Brih. 2,4,10, eine Reihe von
Werken auf, deren Deutung zum Teil zweifelhaft ist, und
welche teilweise wohl in die Brähmana's übergegangen sind,
teilweise auch die ersten Elemente des spätem Epos bezeichnen
mögen. Besonders bemerkenswert aber ist, dafs die „Geheim-
1. Ob der Veda die Quelle der Brabmanwissenschaft ist? 53
lehren" (upanishaddh) erst hinter itihdsah, purdnam und vidyä
an achter Stelle erscheinen, also unter allen Umständen noch
nicht zum Veda gerechnet werden: sie waren noch nicht nie upani-
- , ßhad's noch
zum Vedänta geworden. Wenn endlich die spätem Vcdänta- nicht
- Veda'1.
theologen auf diese Stelle ihren Lehrsatz gründen, dafs der
ganze Veda von Brahman ausgehaucht und daher unfehlbar
sei, so würde dies auch allen weiter aufgezählten Werken die
Unfehlbarkeit eintragen und geschieht sicher mit Unrecht;
denn die Stelle besagt ursprünglich nur, dafs, wie alle andern
Erscheinungen der Natur, so auch alle Geistesprodukte in der
Welt eine Schöpfung des Brahman sind.* Genau dieselbe
Reihe literarischer Produkte, noch um einige Glieder ver-
mehrt, wird von Yäjfiavalkya Brih. 4,1,2 nochmals aufgezählt,
für „Rede" (väc) erklärt und als unzulänglich zur Erkenntnis un™iäng-
des Brahman befunden. Daher am Schlüsse dieser Betrachtung veda nach
Janaka, obgleich er „seine Seele mit jenen Geheimlehren aus-
gerüstet", „die Veden studiert und die Geheimlehren gehört
hat" (adhttaveda und uJcfa-upanishatka ist, Brih. 4,2,1), doch
über das Schicksal der Seele nach dem Tode keine Auskunft
zu geben weifs. Hieraus erhellt, dafs dasjenige, was man zu
jener Zeit unter upanishad verstand, nicht notwendig einen
Aufschlufs über die höchsten Tragen zu enthalten brauchte,
wie ja sogar Chänd. 8,8,5 die Irrlehre, dafs das Wesen des
Menschen im Leibe bestehe, als asuränäm upanishad bezeichnet
wird.
Noch deutlicher wird das Ungenügende alles vedischen, Nach
und überhaupt alles vorhandenen Wissens gekennzeichnet durch
Chänd. 7,1, wo Närada dem Sanatkumära bekennt: „Ich habe,
o Ehrwürdiger, gelernt den Rigveda, Yajurveda, Sämaveda,
den Atharvaveda als vierten, die epischen und mythologischen
Gedichte als fünften Veda, Grammatik, 'Manenritual, Arith-
metik, Mantik, Zeitrechnung, Dialektik, Politik, Götterlehre,
Gebetlehre, Gespensterlehre, Kriegswissenschaft, Astronomie,
Schlangenzauber und die Künste der Musen; — das ist es, o
Ehrwürdiger, was ich gelernt habe; und so bin ich, o Ehr-
* So wird die Stelle aucb Qvet. 4,18 „aus ihm erflofs das Wissen ur-
anfänglich'' (vgl. Qvet. 6,18. Mund. 2,1,4) und auch noch Maitr. 6,32 aufgefafst.
54
I. Die Erkennbarkeit des Brahrnan.
Nach
Chänd.
5,3—10.
Nach
Chänd. 6,1.
Nach Taitt.
2,3.
würdiger, zwar schriftkundig, aber nicht ätmankundig;
denn ich habe gehört von solchen, die dir gleichen, dafs den
Kummer überwindet, wer den Ätman kennt; ich aber, o Ehr-
würdiger, bin bekümmert; darum wollest du mich, o Herr,
zu dem jenseitigen Ufer des Kummers hinüberführen!"
Einen weitern Beleg dafür, dafs das Yedastudium die
wichtigsten Fragen nicht berührt, liefert der grofse Seelen-
wanderungstext, welcher in dreifacher Form, Chänd. 5,3 — 10
Brih. 6,2 und, stark abweichend, Kaush. 1 überliefert ist. In
allen drei Kezensionen erklärt Qvetaketu, von seinem Vater
Aruni belehrt worden zu sein, weifs aber auf die vom Könige
Pravähana (in Kaushitaki Citra) gestellten eschatologischen
Fragen nicht zu antworten, kommt erregt zu seinem Vater
zurück und macht ihm Vorwürfe; Chänd. 5,3,4: „so hast du
also, ohne mich belehrt zu haben, behauptet, du habest mich
belehrt"; Brih. 6,2,3: „so also war es gemeint, wenn du schon
vordem erklärt hast, dafs meine Belehrung fertig sei!"
Derselbe Gedanke kommt Chänd. 6,1 zum Ausdrucke, wo
(in einer übrigens mit den eben angeführten Stellen unverein-
baren Weise) QvetaJsehi von seinem Vater Aruni ausgesandt
wird, das Brahman (d. h. den Veda) zu studieren ; nach zwölf
Jahren „hatte er alle Veden durchstudiert [d. h. nur die
ric, yajus und säman, also die drei Samhitä's, denn nur aus
diesen wird er nachher, Chänd. 6,7,2, examiniert] und kehrte
zurück, hochfahrenden Sinnes, sich weise dünkend und stolz",
_ weifs aber auf die Frage des Vaters nach dem Einen,
Seienden, mit dessen Erkenntnis alles erkannt sei, nicht zu
antworten: „gewifs haben meine ehrwürdigen Lehrer dieses
selbst nicht gewufsi; denn wenn sie es gewufst hätten, warum
hätten sie mir es nicht gesagt"; — worauf dann Aruni ihm
die vollkommene Belehrung erteilt.
Auf diesem Standpunkte steht auch die Taittiriya-Upa-
nishad, wenn sie 2,3 lehrt, dafs der manasartige (mattomaya)
Ätman aus Yajus, Ric, Säman, der Anweisung (adega, d. h.
wohl: dem Brähmanam) und den Atharva- und Angiras-Lie-
dern besteht, dann aber diesen ganzen manasartigen Ätman
für blofse Schale erklärt, welche wir abzulösen haben, um zum
wahren Wesen des Menschen wie der Natur durchzudringen.
1. Ob der Veda die Quelle der Brahmanwissenschaft ist? 55
Was aus diesen Beispielen sich ergibt, das wird früh Verwerfung
auch schon direkt ausgesprochen: Brih. 3,5,1: „darum, nach- schrm-
dem der Brahmane von sich abgetan die Gelahrtheit
(pändityam nirvidya), so verharre er in Kindlichkeit"; — Brih.
4,4,21: „nicht trachte er nach Schriftwissen, das nur Reden
ohn' Ende bringt"; — Taitt. 2,4: „vor dem die Worte um-
kehren und das Denken, nicht findend ihn"; — Käth. 2,23:
„nicht durch Belehrung wird erlangt der Atman, nicht durch
Verstand und viele Schriftgelehrtheit". Und Mund. 1,1,5
werden die vier Veden aufgezählt und mitsamt den sechs Ve-
dänga's zur niedern Wissenschaft (aparä vidyd) gerechnet,
durch welche das unvergängliche Wesen nicht erkannt werde.
Dieses ablehnende Verhalten gegen die vedische Wissen- Die uPani-
schaft ändert sich erst nach und nach in dem Mafse, wie die den mitTer
Texte der Upanishad's sich konstituieren und zum Vedänta QUei*e.T
werden (oben S. 21). Von nun an gelten sie, und. mit ihnen
der Veda, als Quelle der höchsten Erkenntnis. Eine erste
Spur dieser Wendung zeigt sich Bäh. 3,9,26, wo Yäjnavalkya
nach dem Purusha der- Upanishadlehre (npanishada purusha)
fragt, welchen Qäkalya nicht kennt und daran zugrunde geht.
Ferner auch Chänd. 3,5,4, wo der Veda für Nektar, die r/ulnja
ädecäh, d. h. die Upanishad's, für den Nektar des Nektars
erklärt werden. Eine Anschliefsung der Upanishad an den
Veda oder, richtiger, eine Unterordnung des ganzen vedischen
Lehrstoffes unter dieselbe scheint Kena 33 angedeutet zu wer-
den, wo die Veden für „die Gesamtheit der Teile" (verfall
sarväügäni) der „Geheimlehre vonBrahman" (brälimi upanishad,
im Gegensatz gegen andere, nicht anerkannte Upanishad's, wie
die oben erwähnte asuränäm upanishad) erklärt werden. Als
völlig eingebürgert in den Veda erscheinen die Upanishad's Die upani-
mit dem Auftreten des Namens vedänta, welcher zuerst vor- VenVn""
kommt Qvet. 6,22; „vor Zeiten ward im Vedänta höchstes Ge- Vedanta-
heimnis ausgebracht". Die Verlegung dieses Vedänta in die
Vorzeit (purähalpa) scheint zu bekunden, dafs der V er fasser
auf Brih., Chänd. und andere von ihm benutzte Upanishad's
schon aus einer gewissen Ferne zurückblickt, könnte aber auch
aufgefafst werden als ein blofser Ausdruck der Hoch Schätzung,
welche ja mit den Jahren zunimmt. Völlig in ihrer spätem
55 I- Die Erkennbarkeit des Brahman.
Stellung als Quelle des Brahmanwissens, welches man erst
durch Auslegung derselben zu gewinnen hat, erscheinen die
Vedäntatexte in dem Mund. 3,2,6 (Mahän. 10,22. Kaivalya 3)
vorkommenden Verse: vcdänta-vijnäna-suniccita-arthäh usw. „sie,
welche den Sinn der Vedänta-Erkenntnis richtig (su) ermittelt
haben". Hierzu stimmt Mund. 2,2,3 — 4, wo die Upanishad's
und, als ihre Quintessenz, der Om-Laut als der Bogen be-
zeichnet werden, mit dem man nach Brahman als Ziel schiefst,
nicht aber Mund. 1,1,5, wo die sämtlichen vier Veden ab-
gelehnt werden; die letztere Stelle scheint somit aus früherer
Zeit zu stammen.
2. Vorbereitende Mittel der Brahmanerkenntnis.
Die vier Die spätere Zeit konstruierte eine Art von via salutis in
Al'viTll- den yier Agrama's oder Lebensstadien, vermöge derer jeder
lutis. brahmanische Inder zuerst als Brahmacärin dem Vedastudium,
dann als Grihastha dem Opfer und andern guten Werken,
dann als Vänaprastha im Walde der Askese obliegen sollte,
um endlich gegen Ende seines Lebens als Parivräjaka (BMkshu,
Sannydsin) besitzlos und heimatlos umherzuschweifen und nur
noch die Auflösung seines Ätman im höchsten Ätman ab-
zuwarten.
wert der Im Entstehen begriffen sehen wir diese Agramä's Brih.
Btc'haBrib. 4,4,22: „Ihn suchen durch Vedastudium [Brahmacärin] die
4,4,22. Brahmanen zu erkennen, durch Opfer, durch Almosen [Gri-
hastha], durch Büfsen, durch Fasten [Vänaprastha]; wer ihn
erkannt hat, der wird ein Muni. Zu ihm auch pilgern hin
die Pilger, als die nach der Heimat sich sehnen [PariwäjafoaJ".
— Hier scheint den Obliegenheiten der spätem Äc,rama's
(Vedastudium, Opfer, Askese) ein gewisser Wert als vor-
bereitenden Mitteln der Brahmanerkenntnis beigelegt zu
werden.
Kach Deutlicher redet schon Chänd. 2,23,1: „Es gibt drei
C2^3°i1- Zweige der Pflicht': Opfer, Vedastudium und Almosengeben
ist der erste [Grihastha]; Askese ist der zweite [Vänaprastha];
der Brahmanschüler [Brahmacärin] ', der im Hause des Lehrers
wohnt, ist der dritte, wofern derselbe [als Naishthilca] sich für
2. Vorbereitende Mittel. 57
immer im Hause des Lehrers niederläfst. Diese alle bringen
als Lohn heilige Welten; was aber in Brahman feststeht, geht
zur Unsterblichkeit ein". Diese Stelle erwähnt nur drei
Ägrama's, erkennt ihren Wert an, stellt aber allen dreien das
„Feststehen in Brahman" gegenüber, welches sich dann später
zu einem vierten Agrama fortentwickelt hat. — Eine andere
Stelle, Chänd. 8,5, sucht durch eine Reihe verwegener Etymo- Nach
logien nachzuweisen, dafs Opfer, Schweigen, Fasten und Wald-
leben (also die Beschäftigungen des Grihastha und Vänaprastha)
ihrem Wesen nach Bralimacaryam sind, worunter hier nicht
nur das Leben als Brahmanschüler, sondern, wie der wieder-
holte Hinweis darauf zeigt, im weitern Sinne der Brahman-
wandel als der Weg, den Atman zu finden, verstanden wird.
In der Förderung dieses Zweckes — das dürfte der Sinn der
Stelle sein — liegt der eigentliche Wert aller Übungen der
Acrarna's. — Bestimmter bezeichnet Kena 33 Askese, Bezäh- Opfer und
mung und Opferwerk (tapas, dama, Jcarman) als die Voraus- Mittel.
Setzungen (pratislitliäli) der brahmi upanishad d. h. der echten,
das Brahman offenbarenden Geheimlehre. Und auch Käth. 2,15
werden alle Veden, alle Tapas-Übungen und das Bralima-
caryam als Mittel bezeichnet, welche auf den Om-Laut (unter
dem hier die Brahmanerkenntnis verstanden wird) als Zweck
hinstreben. Eine Anerkennung der Werke der Acrarna's liegt
auch in Mund. 2,1,7, sofern dieselben (tapas, graddhä, satyam,
bralimacaryam , vidlii) hier als eine Schöpfung Brahman' s be-
zeichnet werden.
Was "das Einzelne betrifft, so ist über das Vedastudium
schon oben gehandelt worden, und wir wollen hier nur noch
von dem, was die Upanishad's über Opferwerk und Askese
lehren, das Wichtigste zusammenstellen.
3. Das Opfer.
Die altern Upanishad's sind sich der Gegnerschaft des Opposition
ganzen brahmanischen Ritualwesens zu sehr bewufst, als dafs gRietuai.a8
sie demselben eine auch nur relative Anerkennung zu- we8en-
gestehen könnten. Direkte Polemik freilich findet sich in den
uns erhaltenen Texten selten; um so häufiger wird aus den
58 I- Die Erkennbarkeit des Brahman.
überkommenen Opferbräuchen etwas anderes gemacht, sei es,
dafs man sie allegorisch umdeutet, sei es, dafs man ihnen als
Ersatz andere, meist psychologische Verhältnisse substituiert.
Nach BHii. Fast wie Spott klingt es, wenn Brih. 1,4,10 gesagt wird:
„Wer nun eine andere Gottheit [als den Atman] verehrt und
spricht: «eine andre ist sie, und. ein andrer bin ich», der ist
nicht weise, sondern er ist gleich als wie ein Haustier der
Götter. So wie viele Haustiere dem Menschen von Nutzen
sind, also auch ist jeder einzelne Mensch den Göttern von
Nutzen. Wenn auch nur ein Haustier entwendet wird, das
ist unangenehm, wie viel mehr, wenn viele! — Darum ist es
denselben nicht angenehm, dafs die Menschen dieses wissen."
— Sehr abschätzig klingt auch die Bemerkung Yäjnavalkya's,
Brih. 3,9,6: „Was ist das Opfer? — Die Tiere!" und nicht
weniger Brih. 3,9,21, wo gesagt wird, dafs Yama (der Todes-
gott) im Opfer, das Opfer aber im Opferlohne seinen Stand-
ort habe.
Nach So gewagten Bemerkungen wie diesen begegnen wir nicht in
etc. ' " Chändogya, es wäre denn in dem „Hunde-Udgitha" Chänd. 1,12,
welcher ursprünglich eine (später allegorisch gedeutete) Satire
auf die hungrige Bettelhaftigkeit der Priester gewesen zu sein
scheint. Doch wird auch Chänd. 1,10 — 11 nicht ohne Behagen
erzählt, wie die drei zum Opfer versammelten Priester von
einem hergelaufenen Bettler in die Enge getrieben werden,
und Chänd. 4,1 — 3 mufs der „gläubig spendende, viel schen-
kende, viel kochende" (graddJiädeyo, bahudäyi, bahupähyah)
JänaQruti nicht ohne Demütigung die Belehrung eines arm-
seligen Landstreichers nachsuchen.
Für Opfer Die allgemeine Anschauung ist, dafs für Opfer und gute
Pitnyäna. Werke nur der Väterweg (pitriyäna) in Aussicht steht, welcher
nach einer vorübergehenden Ablohnung auf dem Monde zurück
zu einem neuen Erdendasein führt: schon Brih. 1,5,16 heifst
es: „durch das [Opfer-]Werk wird die Väterwelt, durch das
Wissen die Götterwelt erworben", und andere Stellen be-
schreiben den zur Erde zurückleitenden Väterweg als das
Schicksal derjenigen, „welche im Dorfe mit den Worten «Opfer
und fromme Werke sind unser Tribut» Verehrung üben"
(Chänd. 5,10,3), „welche durch Opfer, Almosen und Askese
3. Das Opfer als Mittel.
; 9
die [Himmels-] Welten erwerben" (Brih. 6,2,16), „welche mit
den Worten «Opfer und fromme Werke sind unser Tun»
Verehrung üben" (Praevia 1,9); „Opfer und Werke für das
Höchste haltend, nichts andres, Bessres wissen sie sich, die
Betörten" (Mund. 1,2,10).
Nicht selten wird den überkommenen Opferbräuchen ein
der neuen Lehre entsprechender Sinn untergelegt; so werden
Brih. 1,4,16 die fünf täglich zu spendenden Darbringungen
(mahäyajna's) zu einem Opfer an den Atman umgedeutet; und
Chänd. 4,11 — 14 erklären die drei Opferfeuer sich selbst für
Erscheinungsformen des Atman (eshä asmadviäyä dtmävidyä ca).
Noch häufiger ist der Fall, dafs den rituellen Zeremonien
Verhältnisse des in der Natur und im Menschen verkörperten
Ätman substituiert werden. Brih. 3,1 treten an Stelle der vier
Priester als Organe der Götter die Rede, das Auge, der Odem
und das Manas als Organe des Ätman. Chänd. 4,16 wird der
Wind für das Wesen des Opfers, der Verstand und die Rede
für das Wesen der Opferpriester erklärt. Ait. Ar. 3,2,6 p. 370.
Brih. 1,5,23 und Kaush. 2,5 wird das Agnihotram ersetzt durch
das Einatmen und Reden, ein Gedanke, der sich weiterhin,
auf Grund von Chänd. 5,11 — 24, zur Theorie von dem Pränägni-
hotram entwickelt hat, von dem weiter unten zu handeln sein
wird. Sehr beliebt ist auch die Substitution des Menschen,
seiner Organe und seiner Leibesverrichtungen an die Stelle
des Opfers: so werden Chänd. 3,16 die drei Lebensalter den
drei Somakelterungen, Chänd. 3,17 die menschlichen Tätig-
keiten den verschiedenen Akten der Somafeier und Mahänär. 64
die körperlichen Organe den Opfergeräten substituiert; ins
Kleinliche ausgesponnen findet sich der letzterwähnte Gedanke
Pränägnihotra-Up. 3 — 4. Auch der Vers T-aitt. 2,5 gehört
hierher, sofern er, richtig übersetzt, besagt : „Erkenntnis bringt
er als Opfer, Erkenntnis als die Werke dar".
Erst in spätem Upanishad's begegnen wir einer mehr
freundlichen Stimmung gegenüber dem Opferkultus. Käth. 1,17
wird in übertriebener und upanishadwidriger Weise für die
Erfüllung gewisser Zeremonien und Werke „Überschreiten von
Geburt und Tod", „Eingehen in die ewige Ruhe" verheifsen,
und Käth. 3,2 wird das Näciketafeuer für die Brücke erklärt,
Unideutnn-
gen des
Opfers.
Substitu-
tionen für
die Kultus-
bräuche.
Bedingte
Anerken-
nung des
Opfers in
spätem
Texten.
60 I. -Die Erkennbarkeit des Brahman.
welche die Opfernden zum ewigen höchsten Brahman, zum
„Ufer ohne Furcht" hinüberführe. Hier wird, auch wenn wir
die poetische Übertreibung des Ausdrucks mildern, dem Kultus
mindestens eine Mitwirkung zur Erreichung des Heiles vindi-
ziert. — Einen Schritt weiter geht Qvet 2fi — 7:
Wo Agni aus dem Reibholze
Entspringt, wo Väyu tritt hinzu,
Und wo auch Soina quillt reichlich,
Da entwickelt das Manas sich.
Durch Savitar, durch seinen Trieb
Freut des Gebets, des alten, euch;
Wenn dort ihr euren Stand nehmet,
Beileckt euch früh'res "Werk nicht mehr.
Der hier gewählte Ausdruck- „freut des Gebets, des alten,
euch" (jusheta örahma pürvyam) deutet an, dafs damit ein ehe-
maliger Brauch wieder zu Ehren gebracht werden soll. —
Diese Reaktion vollendet sich in der Maiträyaniya-Up., welche
von vornherein (1,1) erklärt, dafs „das Feuerschichten der Alt-
vordern" in Wahrheit ein „Opfer an Brahman" (!) sei, und
im vierten Prapäthaka den Gedanken ausführt, dafs ohne
Vedastudium, Beobachtung der Pflichten der eigenen Kaste
und Innehaltung der brahmanischen Lebensordnung durch die
AQrama's eine Heilung des natürlichen Atman und Wieder-
vereinigung mit dem höchsten Atman nicht möglich sei. Den
Schlüssel zum Verständnis dieser Reaktion liefert die Maitr.
7,8 — 10 vorkommende Polemil: gegen die Häretiker. Der
Brahmanismus , im Angesicht der Konsequenzen, welche die
Haltung der frühern Upanishad's im Buddbismus und ähn-
lichen Erscheinungen gezeitigt hat, zieht sich auf seine ur-
sprünglichen Grundlagen zurück.
4. Die Askese (tapas).
Bedeutung Die Menschen haben es von jeher bewundernswert ge-
8 ew" f'unden, wenn jemand, im Gegensatze zu den natürlichen und
allgemein-menschlichen, auf Leben, Lust und Glück gerichteten
Trieben, es über sich vermochte, sich selbst Entbehrungen,
. Die Askese als Mittel. 61
Anstrengungen, Qualen aufzuerlegen, sei es, um das Wohl
seiner Mitmenschen zu fördern, sei es auch ohne diesen äufser-
lichen und daher zufälligen Zweck, welcher als solcher für
den innern Wert der betreffenden Handlung ohne Bedeutung
schien. Ja, ein Akt der Selbstverneinung mochte um so reiner
erscheinen, je weniger er mit irgend welchen äufsern Zwecken
verknüpft war, je mehr er nur geschah, um die eigene Indi-
vidualität und ihre natürlichen Triebe zu bekämpfen. Es war,
als wenn hierbei im Menschen eine übermenschliche, meta-
physische Kraft zum Durchbruche käme, welche, aus den
letzten Wurzeln des Seins entspringend, den Täter hoch über
die Menschenwelt und ihre egoistischen Interessen, ja, auch
über die Götterwelt hinaushob und ihm seinen Platz in einer
andern, höhern Ordnung der Dinge, als die unsere ist, anwies.
Es spricht somit für die hohe metaphysische Anlage des Frühes
indischen Volkes, wenn bei ihm das Phänomen der Askese der Askese-
früher auftritt und einen breitern Kaum einnimmt, als bei m Imlien'
irgend einem Volke, welches wir kennen. (Vom spätem Mifs-
brauch der Askese im Dienste persönlicher, auf Bewundert-
werden oder gar auf Erwerb gerichteter Zwecke sehen wir
hierbei ab.)
Schon bei den Schöpfungsmythen sahen wir, wie der
Weltschöpfer sich zu seinem Werke vorbereitet durch Übung
von topos, in welchem Worte die alte Vorstellung von der
zur Ausbrütung des Welteies dienenden „Hitze" (oben I, i,
S. 182) verfliefst mit dem Begriffe der Anstrengung, Erschöpfung,
Selbstentäufserung (I, i, S. 190), mittels welcher der Schöpfer
sich selbst (ganz oder teilweise) in die von ihm zu schaffende
Welt umwandelt (I, i, S. 191). Auf Topas beruht, nach diesem
Vorbilde, alles Grofse in der Welt: die Wahrheit und das
Eecht und mit ihnen die ganze Welt sind nach einem spätem
Hymnus des Kigveda (10,190,1, oben I, i, S. 134) aus Topas
geboren; — aus Q'rama (Abmühung) und Topas ist Skambha
als Erstgeborener (oben I, i, S. 313) entstanden und durchdrang
die Welt (Atharvav. 10,7,36, oben I, i, S. 317), im Topas
schwang er sich auf den Rücken der Urwasser (Atharvav.
10,7,38, oben I, i, S. 318); durch das Tapas, mit dem er seine
Obliegenheiten erfüllt, sättigt, nach dem oben I, i, S. 279 fg.
(32 I- Die Erkennbarkeit des Braliraan.
übersetzten Liede, der Brahmanschüler den Lehrer, sättigt er
die Götter und die Welträume, steigt er empor als Sonne,
schützt er beide Welten, usw., durch Brahmanwandel, durch
Tapas schützt der Fürst sein Reich, haben die Götter den
Tod abgewehrt, Tapas übte der Brahmanschüler in dem Ur-
meer, als er, weltschaffend, über der Wasser Rücken stand
(I, i, S. 281 — 282). Und auch schon im Rigveda setzen sich
die sieben Rishi's zusammen, um Tapas zu üben (10,109,4),
und der in den Himmel eingehenden Seele wird zugerufen
' (10,154,2):
Die, unbezwingbar durch Tapas,
Zum Licht durch Tapas sind gelangt,
Die grofses Tapas vollbrachten, —
Zu diesen gehe jetzo ein!
Ein anderer Hymnus des Rigveda (10,136) schildert den
gottbegeisterten Muni, wie er mit langem Haare, in gelbem,
schmutzigem Gewände, nur von dem Winde umgürtet auf den
Pfaden des Wildes schweift; nur seinen Leib sehen die Sterb-
lichen: er selbst, übernatürlicher Kräfte teilhaft, fliegt durch
die Luft, trinkt mit dem Sturmgotte aus der Schüssel beider
Weltmeere, wird von dem Zuge des Windes zu den Göttern
emporgeführt, überschaut alle Gestalten und wirkt als ein
Genosse der Götter mit ihnen zum Heile der Menschen.
Zu den Zeiten der ältesten Upanishadtexte hat sich das
Asketenleben schon zu einem besondern, gleichberechtigt neben
dem Stande des Hausvaters stehenden, „Berufszweige" (dhar-
masJca/ndha, Chänd. 2,23) ausgebildet: man verliefs, wie Yäjna-
valkya Brih. 2,4, Hauswesen und Familie und zog in die Wald-
einsamkeit, um Tapas zu üben und durch allmählich gesteigerte
Entbehrungen und Kasteiungen den letzten Rest von An-
hänglichkeit an das Erdendasein in sich abzutöten.
Beschränk- Wir haben jetzt zu untersuchen, welche Stellung die Ur-
«u^Askese lieber und Vertreter der Upanishadgedanken dieser Kultur-
gütern" erscheinung des Asketenwesens gegenüber einnehmen.
^.ad^" Die Chändogya-Upanishad stellt uns zunächst 4,10 in
Upakosala einen Brahmanschüler vor Augen, welcher sich
darüber abhärmt (tapto brqhmacäri, 4,10,2. 4), dafs ihm der
Lehrer die Wissenschaft nicht lehren will, in Krankheit ver-
4. Die Askese als Mittel. 63
fällt und sich weigert, Nahrung zu sich zu nehmen. Auf die
Aufforderung, zu essen, erwidert er: „Ach, in dem Menschen
sind so vielerlei Lüste! Ich bin ganz voll Krankheit; ich
mag nicht essen". (In diesen Worten tritt das eigentliche
Motiv der indischen wie aller Askese deutlich hervor.) Da
erbarmen sich die drei Opferfeuer seiner, und die Belehrung,
welche sie ihm erteilen, beginnt mit den Worten: „Brahman
ist Leben, Brahman ist Freude (kam), Brahman ist Weite
(kham)u. In diesen Worten liegt, dafs Brahman, als das
Prinzip des Lebens, der Wonne (kam — änanda, wie Chänd. 7,23
sukham) und der Unendlichkeit auf dem Wege trübsinniger
Askese nicht zu erreichen ist.
Chänd. 2,23 redet vom Tapas als der Berufspflicht des
Waldeinsiedlers ; dasselbe wird als solche neben Brahman-
schülerschaft und Hausvaterschaft anerkannt ; alle drei „bringen
als Lohn heilige Welten; — wer aber in Brahman feststeht,
geht zur Unsterblichkeit ein". — Hiermit steht nicht in Wider-
spruch, dafs Chänd. 5,10,1 der Götterweg, welcher in Brahman
führt ohne Wiederkehr und für diese Zeit noch das höchste
Ziel bedeutet, denen verheifsen wird, ye ca ime 'ranye agraddhä
1apa'v> iti upäsate, denn diese Worte bedeuten: „jene, welche
im Walde mit den Worten: «der Glaube ist unsere Askese»
Verehrung üben". Es ist vom Waldeinsiedler die Kede; aber
der Askese, welche sein Beruf ist, wird hier etwas anderes,
der Glaube, substituiert.
In demselben Sinne äufsert sich die Brihädaranyaka-
L-panishad, wenn sie, diese Stelle im Anhange reproduzierend,
noch deutlicher 6,2,15 nur für solche, „welche im Walde Glau-
ben und Wahrheit üben", den Götterweg, hingegen 6,2,16 für
Opfer, Almosen und Askese (von denen es 4,4,22 hiefs, dafs
man durch sie das Brahman zu erkennen suche, vividisJianti)
nur den Väterweg in Aussicht stellt. — Noch schärfer drückt
sich Yäjnavalkya Brih. 3,8,10 aus: „Wahrlich, o Gärgi, wer
dieses Unvergängliche nicht kennt und in dieser Welt opfert
und spendet und Bufse büfst (tapas tapyate) viel tausend Jahre
lang, dem bringt es nur endlichen [Lohn]". — Die höchste
Kasteiung (paramam tapas), so lehrt Brih. 5,11, sind Krank-
heit, Hinausgetragenwerden als Leiche und Verbrennung;
64 I- Die Erkennbarkeit des Brahman.
hier werden hoher als künstlich herbeigeführte Kasteiungen
die Leiden des Lehens und Sterbens angeschlagen.
zunehmen- Einer für die Askese günstigem Stimmung begegnen wil-
de Hoch-
öJ
BohätzuDg schon in der Taittiriya-Upanishad. Der erste, für den Schüler '
in den spÄ- bestimmte Teil fordert von diesem 1,9 Askese und Vedastudium
™had>s.m und erwähnt bei dieser Gelegenheit die Ansichten zweier
Lehrer, von denen der eine „nur Askese", der andere nur
Vedastudium, „denn dies sei die Askese", verlange. Zwischen
beiden nimmt die Upanishad durch ihre Forderung von Askese
und Vedastudium eine vermittelnde Stellung ein. — Höher
wird die Askese im letzten, spätesten Teile, Taitt. 3, geschätzt,
wo Bhrigu von seinem Vater Varuna immer wieder auf-
gefordert wird: „durch Tapas suche das Brahman zu erkennen,
das Brahman ist Tapas", und, dem nachkommend, durch fort-
gesetztes Tapas sich stufenweise dazu erhebt, das Brahman
als Nahrung, Lebensodem, Manas, Erkenntnis und zuletzt als
Wonne zu erkennen, womit — durch Tapas — die höchste
Stufe erreicht ist. (Noch viel später ist die der Taittiriya-
schule zugerechnete Mahänäräyana-Up., welche 62,11 höher
als die Askese, tapas, etwas anderes setzt, nydsa, „die Ent-
sagung", womit der Standpunkt der Sannyäsa-L^panishacFs
vorbereitet wird; hiervon später.) — Auch Kena 33 zählt, wie
bereits erwähnt, das Tapas mit zu den Grundlagen (d. h.
Voraussetzungen, pratislühäli) des Brahman; und nach Qvet.
1,15. 16. 6,21 wurzelt die Erkenntnis des Brahman in der
Atmavidyä (der Vedäntatexte) und in dem Tapas.
Aber einen grofsen Schritt über das Bisherige hinaus tun
Mundaka und Pracna, indem sie die oben erwähnte Theorie
vom Väterweg und Götterweg nach Chänd. und Brih. repro-
duzieren, jedoch mit einer charakteristischen Abänderung:
Mund. 1,2,11 verhelfst den Götterweg denen, „die im Wald
Askese und Glauben üben" (tajpah-graddhe ye hi upavasanti
aramje); und Pracna 1,10 eröffnet denselben solchen „die durch
Askese, Brahmanwandel, Glaube und Wissen den Atman ge-
sucht haben". — Bemerkenswert ist, dafs Mund; 3,2,4 ein un-
echtes Tapas (tapas alingam), d. h. wohl ein solches erwähnt
wird, welchem das Merkmal der Erkenntnis abgeht.
Wie zu erwarten, wird auch in bezug auf das Topas von
4. Die Askese als Mittel. 65
der Maitr. Up., angesichts buddhistischer und anderer Ver-
irrungen, der altvedische Standpunkt repristiniert. Zwar reicht
Askese allein nicht hin, denn Maitr. 1,2 wird sie von Brihad-
ratha in der schärfsten Weise geübt, ohne ihm doch das
Atmanwissen zu verschaffen ; aber als Vorbedingung ist sie
unerläfslich ; Maitr. 4,3: „ohne ein Asket zu sein, kann man
weder die Erkenntnis des Atman erreichen noch auch die
Werke vollbringen" (na atapaskasya ätmajnäne 'dln'gawah,
~karmasiddhir vä).
5. Andere Vorbedingungen.
Wiederholt begegnen wir in den altern Upanishad's der Sohn °foi
_, . .... Schüler.
Forderung, dafs eine Lehre oder Zeremonie keinem mitgeteilt
werden dürfe aufser dem eigenen Sohne oder dem durch das
Sakrament des Upanaganam aufgenommenen Schüler. Ait.
Ar. 3,2,6,9: man soll den mystischen Sinn der Buchstaben-
verbindungen „keiriem mitteilen, der nicht Schüler ist, der nicht
ein Jahr lang Schüler gewesen ist, der nicht selbst Lehrer
werden will" (vgl. auch Ait. Ar. 5,3,3,4). — Chänd. 3,11,5: die
Lehre von Brahman als Weltsonne soll „nur dem ältesten
Sohne sein Vater als das Brahman kundmachen, oder auch
einem vertrauten Schüler, aber keinem andern, wer es auch
sei. LTnd -böte ihm einer dafür die wasserumgürtete Erde mit
allem ihrem Reichtum, — «dieses ist mehr wert», so soll er
denken". — Brih. 6,3,12: die Rührtrankzeremonie „soll man
keinem mitteilen, aufser seinem Sohne oder seinem Schüler".
Dementsprechend sehen wir in den Upanishad's Men- Beispiele
sehen und Götter das Brennholz zur Hand nehmen und sich
zur Schülerschaft bequemen, wie denn nach Chänd. 8,11,3
Indra selbst 101 Jahre bei Prajäpati als Schüler wohnen
mufste, um der vollständigen Belehrung teilhaft zu werden.
Andere Beispiele sind Kaush. 1,1. 4,19. Brih. 2,1,14. Praq-na
1,1- Mund. 1,2,12.
Doch ist diese Forderung in der älteren Zeit noch keine Diese For-
unbedingte. Chänd. 4,9,3 heifst es nur, dafs „das Wissen, nk-htTn'L-
welches man vom Lehrer lernt [im Gegensatze zu der über-
natürlichen Belehrung durch Stier, Feuer, Gans und Taucher-
vogel], am sichersten zum Ziele führt"; und Chänd. 5,11,7
Deussen, Geschichte der Philosophie. 1, n. . 5
66 I. Die Erkennbarkeit des Brabman.
belehrt König Acvapati die sechs mit dem Brennholze in der
Hand (als Zeichen der Schülerschaft) sich ihm nahenden Brah-
manen anupaniya, „ohne sie erst als Schüler bei sich auf-
zunehmen". Ebenso belehrt Yäjnavalkya Brih. 2,4 seine Gattin
Maitreyi und Brih. 4,1 — 2. 3 — 4 den König Janaka, die doch
nicht eigentlich seine Schüler waren, und Brih. 3 erteilt er
Belehrungen über die tiefsten Fragen (wie z. B. Brih. 3,8 in
dem Gespräche mit der Gärgi) vor einer zahlreichen, ver-
sammelten Corona, und nur ausnahmsweise, da wo er dem
Artabhäga das Mysterium der Seelenwanderung erklären will,
zieht er sich mit diesem in die Einsamkeit zurück, Brih. 3,2,13.
Aber die — Regel aber bleibt, dafs wir eines Lehrers bedürfen, der
.Regel. ° ' '
uns den Nebel der empirischen Erkenntnisweise von den
Augen wegnimmt (<xy\bv 5'aüi toi öbc' S<p^aVwv &ov, ^ xplv
S7r?)ev, — wie Schopenhauer mit Homer's Worten den Geist
Kant's zu sich sagen läfst), worüber besonders die schöne
Stelle Chänd. 6,14 handelt: „Gleichwie, o' Teurer, ein Mann,
den sie aus dem Lande der Gandharer [am fernen Indus] mit
verbundenen Augen hergeführt und dann in der Einöde los-
gelassen haben, nach Osten oder nach Norden oder nach Süden
verschlagen wird, weil er mit verbundenen Augen hergeführt
und mit verbundenen Augen losgelassen worden war, aber,
nachdem jemand ihm die Binde abgenommen und zu ihm ge-
sprochen : « dort hinaus liegen die Gandharer, dort hinaus
gehe», von Dorf zu Dorf sich weiterfragend, belehrt und ver-
ständig zu den Gandhärern heimgelangt, — also auch ist ein
Mann, der hienieden einen Lehrer gefunden, sich bewufst:
«diesem [Welttreiben] werde ich nur so lange angehören, bis
ich erlöst sein werde, darauf werde ich heimgehen»". — Als
unumgängliche Bedingung der Erkenntnis erscheint der Lehrer
Käth. 2,8: „und ohne Lehrer ist hier gar kein Zugang"; —
woraus man, beiläufig gesagt, schliefsen kann, was auch aus
andorn Gründen hervorgeht, dafs zur Zeit der Käth. Up. die
altern Upanishad's noch nicht niedergeschrieben waren.
Die Der spätere Vedänta erwähnt neben den äufsern (vahya)
'Mittel. Mitteln der Brahmanerkenntnis (Vedastudium, Opfer, Almosen,
Büfsen, Fasten) als engere (pratyäsanna) Mittel der Erkenntnis:
„Gemütsruhe, Bezähmung, Entsagung, Geduld, Sammlung"
5. Andere Vorbedingungen. 67
(System des Vedänta, S. 444; vgl. auch Vedäntasära 17 — 23).
Diese Forderung geht zurück auf Brih. 4,4,23: „Darum, wer
solches weifs, der ist beruhigt, bezähmt, entsagend, geduldig
und gesammelt". Freilich ist zweifelhaft, ob diese Stelle von
den Mitteln, oder nicht vielmehr von den Folgen der
Brahmanerkenntnis redet (ob hliütvä hier bedeutet „nachdem
er geworden" oder „indem er ist"). Schon die jungem
Upanishad's nehmen es, wie später Cankara, im erstem Sinne;
Käth. 2,24 : „nicht wer von Frevel nicht abläfst, unruhig, un-
gesammelt ist, nicht, dessen Herz noch nicht stille, kann durch
Forschen erlangen ihn" ; die hier gebrauchten Ausdrücke am-
rata, agänta, asamähüa gehen unzweifelhaft auf das gänto,
dänta', uparatas, titikshuh, samähito hhütvä der Brihadäranyaka-
stelle zurück. Ebenso gewifs auch Mund. 1,2,13 pragäntacit-
täya, gamänvitäya als Voraussetzung der Belehrung.
In spätem Upanishad's wird diese Vorbedingung mit der
erwähnten Forderung eines Lehrers verknüpft; Qvet. 6,22;
„keinem gebt es, der nicht ruhig (na apragäntäya), der nicht
Sohn oder Schüler ist (na aputräya agishyäya vä)". Ebenso,
und vielleicht in Rückerinnerung an diese Stelle, Maitr. 6,29:
„dieses Allergeheimnisvollste soll man keinem kundmachen,
der nicht Sohn oder Schüler (na aputrdya, na agishyäya), und
der noch nicht beruhigt ist (na agäntäya)".
Die Erlangung eines Lehrers und die fünf Forderungen, weitere
Anforde-
der Gemütsruhe, Bezähmung, Entsagung, Geduld und Samm- rungen.
lung sind die regelmäfsig wiederkehrenden Vorbedingungen»
Daneben werden gelegentlich einige andere erwähnt, wie
Chänd. 7,26,2 Reinheit der Nahrung und daraus folgende Rein-
heit des Wesens (sattva-guddhi); letzteres wird (wie so vieles
aus Chänd. 7) Mund. 3 reproduziert in dem Verse Mund. 3,2,6,
der von hier in Mahänär. 10,22 und Kaivalya 3 — 4 über-
gegangen ist. — Käth. 6,9 fordert etwas unbestimmt, dafs man
„an Herz und Sinn und Geist bereitet" sei, und Mundaka
knüpft 3,2,10 — 11 die Mitteilung der Brahmavidyä an die Be-
dingung, dafs das Kopfgelübde (girovraiam) erfüllt sei, worunter
wohl nicht mit Qankara girasi agnidhuranam, sondern einfach
die Observanz zu verstehen ist, welche schon in dem Namen
Mundalca liegt, das Haupt kahl zu scheren. Auch in noch
68 I- Die Erkennbarkeit des Brahman.
spätem Upanishad's kommen gelegentlich besondere Einschrän-
kungen der Mitteilung vor; so verbietet Nrisinhap. 1,3, die
Gliedersprüche (nicht den Spruchkönig) einem Weib oder Qüdra
mitzuteilen, und Rämap. 84 schärft ein, dafs das Diagramm nicht
an gemeine (ungebildete, prukpita) Menschen gegeben werde.
G. Der Standpunkt des Nichtwissens, des Wissens und des
Überwissens in bezog auf das Brahman.
Brahman Die allgemeine Grundanschauung der Upanishad's ist,
ttand des dafs das Brahman, d. h. der Atman, ein Gegenstand des
'Wissens ist; Brih. 2,4,5: „den Ätman, fürwahr, soll man
sehen , soll man hören , soll man verstehen , soll man über-
denken !" — Chänd. 8,7,1 : „das Selbst, .... das soll man er-
forschen, das soll man suchen zu erkennen", — und so zahl-
reiche andere Stellen; und alle Upanishadtexte haben ja den
Zweck, dieses Wissen von Brahman (die brahmavidyä, ätma-
vidyä) mitzuteilen.
Empiri- Aber sehr bald mufste man sich bewufst werden, dafs
sches Wis- . , .
sen ein dieses Wissen von Brahman wesentlich von anderer Art ist
blofses
Nicht- als das, was man im gewöhnlichen Leben „Wissen" nennt.
wissen.
Denn man konnte, wie Närada Chänd. 7,1,2, alle möglichen
Erfahrungen und empirischen Wissenschaften besitzen und sich
dabei doch hinsichtlich des Brahman im Zustande des Nicht-
wissens (aviäyä) befinden. Dieser Begriff, ursprünglich rein
negativ, wurde mit der Zeit mehr und mehr positiv: er
war negativ, sofern alles Erfahrungswissen die Erkenntnis
des Brahman nicht förderte, und er wurde positiv, so-
fern man sich bewufst wurde, dafs die Erkenntnis der em-
pirischen Realität das Brahmanwissen geradezu verhinderte;
die Avidyu ging aus dem negativen Begriffe eines blol'sen
Nichtwissens zu dem positiven eines Falschwissens über.
Das empirische Wissen, welches uns eine vielheitliche Welt
zeigt, wo in Wahrheit nur Brahman ist, und einen Leib, wo
in Wahrheit nur die Seele ist, mufs ein falsches Wissen, eine
Täuschung, eine Mtiyä sein. — Dies ist ein sehr merkwürdiger
Schritt; es ist derselbe, welchen Parmenides und Piaton taten,
wenn nie die Erkenntnis der Sinnenwelt für blofsen Trug,
6. Nichtwissen, Wissen, Überwissen.
69
Falscli-
wissen.
für db(Sk<x erklärten, — welchen Kant tat, wenn er bewies,
dafs die ganze empirische Realität nur Erscheinung ist und
nicht Ding an sich. — Es ist von grofsem Interesse, den ersten
Spuren dieses Gedankens in Indien nachzugehen und zu ver-
folgen, wie die Avidyä aus dem negativen Nichtwissen
zu einem positiven Falschwissen wird.
Ein erstes Aufkeimen desselben finden wir schon im Rig- Acjdyä als
veda, wenn es 10,81,1 (oben I, i, S. 136) von dem Weltenvater
heifst, dafs er, indem er in die niedere Welt eingegangen,
prcdhamachad „das Ursprüngliche verhüllend" (mu-
lihyam, nishprapancoM, pdramdrÜhikam rupam ävrinvan, Säyana)
gewesen sei. — Weiterhin schildert eine tiefe Stelle des Qata-
pathabrähmanam 11,2,3 (übersetzt oben 1, i, S. 259 — 260), wie
das Brahman in der Schöpfung der niedern und der höhern
Welten mitsamt ihren Göttern sich „offenbar" gemacht habe,
wie es in dieselben hineinrage mittels seiner beiden „grofsen
Ungetüme" (abhva), seiner beiden „grofsen Erscheinungen"
(yaJislia), nämlich mittels der Namen und der Gestalten, wie
es selb t aber „in die jenseitige Hälfte eingegangen sei"
(paränÜiam agacchat).
Der Fortentwicklung dieser Gedanken begegnen wir in den
Upanishad's. Brili. 1,6,3 wird die Welt der Namen, Gestalten
und Werke (mittels einer jener kurzen Geheimformeln, welche
vermutlich die ältesten „Upanishad's" bildeten, oben S. 16 fg.)
definiert als amritam satyena channam, „das Unsterbliche [Brah-
man], verhüllt durch die [empirische] Realität". Die Erklärung ctlnnam.
der Formel folgt sogleich darauf: „der Präna [d. h. der Ätman]
nämlich ist das Unsterbliche, Name und Gestalt sind die Rea-
lität; durch diese ist jene Präna verhüllt". — Wie hier (und
Taitt. 2,6: „als Realität ward er zu allem, was irgend vor-
handen ist; denn dieses nennen sie die Realität"), bedeutet
das Wort satyam die empirische Realität auch Brih. 2,1,20,
wo es in einer andern „Upanishad" nebst angefügter Er-
klärung heifst: „Seine Upanishad ist: «die Realität der Realität»
(satyasya satyam); nämlich die Lebensgeister [nebst Welten, satyasya
Göttern und Wesen, wie wir aus dem Vorhergehenden er-
gänzen dürfen] sind die Realität, und er ist ihre Realität".
Er ist — so werden wir dies zu verstehen haben — an der
amritam
satyam.
70
I. Die Erkennbarkeit des Brahman.
sogenannten Realität dasjenige, was von ihr wirklich real ist.
Erläuternde Das ist auch der Sinn der Bilder Brih. 2,4,7 — 9 : der Ätman
ist das Musikinstrument (die Trommel, Muschel, Laute), die
Welterscheinungen sind die Töne desselben; wie man die
Töne nur ergreifen kann, indem man das Instrument ergreift,
so läfst sich die vielseitige Welt nur erkennen, indem man
den Ätman erkennt; nur von ihm gibt es ein Wissen, alles
andere ist „Nichtwissen". — Dementsprechend lehrt Chänd.
6,1,3, dafs die „Umwandlung" des Ätman zur vielheitlichen
idc&rambha- Welt der Erscheinungen nur vacäranibhanam „an Worte sich
°' klammernd", nämadheyam „ein blofser Name" ist, und dafs
„in Wahrheit" nur das Eine, Seiende, d. h. der Ätman, vor-
handen ist. Somit gibt es auch nur von ihm ein wirkliches
Wissen; alles empirische Wissen, die vier Veden und die
ganze Reihe der empirischen Wissenschaften, wie sie Chänd.
7,1,2 — 3 aufgezählt werden, sind, wie es dort heifst, ndma eva
„blofser Name"; und der in ihnen wohlbewanderte Närada
tamas. befindet sich in der „Finsternis", aus der ihn erst die Er-
kenntnis des Ätman zum andern Ufer hinüberführt (Chänd.
7,26,2). — Die Seele und die sie betreffenden „wahren Wünsche"
des Fortlebens nach dem Tode in der Brahmanwelt sind, wie
Chänd. 8,3,1 — 2 entwickelt, durch die .empirische, eine Ver-
nichtung durch den Tod lehrende Erkenntnis „mit Unwahrheit
anritam. zugedeckt. Sie sind in Wahrheit da, aber die Unwahrheit ist
über sie gedeckt"; und „gleichwie einen verborgenen Gold-
schatz, wer die Stelle nicht weifs, nicht findet, ob er wohl
immer wieder darüber hingehet, ebenso finden alle diese Krea-
turen diese Brahmanwelt nicht, obwohl sie tagtäglich in sie
eingehen; denn durch die Unwahrheit werden sie ab-
gedrängt".
Was in diesen Stellen als leeres Wort, blofser Name,
Finsternis, Unwahrheit bezeichnet wird, d. h. die ganze empi-
Atidyd. rische Erkenntnis der Dinge, das wird weiterhin Avidyä „das
Nichtwissen" genannt. So, vielleicht zuerst, Brih. 4,4,3. 4, wo
es von der Seele heifst, dafs sie, indem sie im Tode den Leib
abschüttle, „das Nichtwissen loslasse" (avidyäm gamayitvä).
Das Nichtwissen ist hier und weiterhin die empirische Reali-
tät ; ein Wissen gibt es nur von Brahman. Wie nach Piaton
Yidyä.
6. Nichtwissen, Wissen, Überwissen. 71
nur das Ewige Gegenstand der iiziax^tx-ri ist, während es von
der dem Flusse des Heraklit unterworfenen Erscheinungswelt
nur eine oc£a gibt, so erklärt Qvet. 5,1 : ksharam tu avidyä M,
amritam tu vidyd „das Fliefsende ist das Nichtwissen, das
Ewige ist das Wissen", u. h. ist ein Gegenstand des Wissens.
— Mit poetischer Lebendigkeit werden Nichtwissen und
Wissen einander gegenübergestellt Käth. 2,1 — 6: das Ziel des
Nichtwissens ist die Lust (preyas), das Ziel des Wissens das
Heil (greyas); jenes sagt: „dies ist die Welt" (ayam loJcq), ^»wydund
dieses ist auf die andre Welt gerichtet:
Ja, weit verschieden und entgegenstehend
Ist, was genannt wird Wissen und Nichtwissen
Nach Wissen seh' ich Naciketas trachten,
Der Lüste Heerschar hat dich nicht zerrüttet.
In des Nichtwissens Tiefe hin sich windend,
Sich selbst als Weise, als Gelehrte wähnend,
So laufen ziellos hin und her die Toren,
Wie Blinde, die ein selbst auch Blinder anführt.
Der letzte Vers wird Mund. 1,2,8 — 10 weiter ausgesponnen;
beide Verse werden zitiert Maitr. 7,9. In ähnlicher Weise
wird das Thema behandelt in den (später eingelegten) Versen
Brih. 4,4,11—12 (vgl. Käth. 1,3):
Ja, diese Welten sind freudlos,
Von blinder Finsternis bedeckt;
In sie geh'n nach dem Tod alle,
Die nichterweckt, nichtwissend sind.
Doch wer des Atman ward inne
Und sich bewufst ist: «ich bin er!«
Was wünschend, wem zulieb möchte
Der nachkranken dem Leibe noch!
In noch schärfern Ausdrücken wird die Verblendung des
Nichtwissenden geschildert 19a 3:
Ja, dämonisch ist dies Weltall,
Von blinder Finsternis bedeckt!
Darein geh'n nach dem Tod alle,
Die ihre Seele mordeten.
72
I. Die Erkennbarkeit des Brahman.
Weil das Wissen vom Ätman der empirischen Realität als
dem Reiche des Nichtwissens gegenübersteht, kann es auch
nicht durch blofse (auf sie bezügliche) Reflexion (tarha),
wissen sondern nur durch Offenbarung, welche durch den Lehrer
barung. übermittelt wird, gewirkt werden (Käth. 2,7 — 9); in dem Mause,
wie der Ätman personifiziert als Gott aufgefafst wird, erscheint
Durch diese Offenbaruno; als eine Gnade desselben (Käth. 2,23, ent-
Gnade. ° v
lehnt Mund. 3,2,3):
Nicht durch Belehrung wird erlangt der Atman,
Nicht durch Verstand und viele Schriftgelehrtheit;
Nur wen er wählt, von dem wird er begriffen:
Ihm macht der Atman offenbar sein Wesen.
Ein anderer Vers, welcher ursprünglich wohl (Käth. 2,20, nach
Qahkara's Lesung) das Schauen des im Herzen verborgenen
Ätman demjenigen verheifst, welcher „durch Beruhigung der
Organe" (dlitdu-prasdddd, vgl. Chänd. 8,15 dimani sarvendriydni
sampratishthdpya) willenlos (akratu) geworden ist, hat Qvet.
3,20. Mahänär. 10,1 eine th eistische Färbung erhalten, indem
er die Erkenntnis des Ätman (der doch nach eben diesem
Verse im Herzen wohnt) „durch die Gnade des Schöpfers"
(dhätuh jorasddäd) eintreten läfst. — Einen noch ausgeprägteren
Theismus, welcher vom ursprünglichen Gedanken der Ätman-
lehre sich weit entfernt, zeigen, wie die ganze Qvetäijvatara-
Upanishad, so auch die ihr 2,1 — 5. 3,1 — 6. 4,1 eingeflochtenen
Gebete an Savitar, Rudra und Brahman um geistige Erleuchtung.
Kein wis- Die bisher dargestellte Lehre, nach welcher das Brahman,
Brahman der Ätman erkannt wird durch ein (metaphysisches) Wissen,
wird auf dem Boden der Upanishad's selbst durchbrochen
durch eine andere und, wie sich nicht leugnen läfst, tiefere
Auffassung, nach der es vom Ätman als dem alleinigen, in
allem vorhandenen Wesen der Dinge ein Wissen nicht gibt
und nicht geben kann. Denn jedes Erkennen setzt voraus
ein erkennendes Subjekt und ein erkanntes Objekt, mithin
eine Zweiheit; der Atman aber bildet eine absolute Einheit.
Wir wollen die Entwicklung dieses Gedankens kurz an der
Hand der Texte verfolgen.
ö. Nichtwissen, Wissen, Überwissen. 73
Der Quellpunkt des ganzen Gedankens von der Unerkenn-
Toarkeit des Atman liegt in den Yäjnavalkyareden des Biihad-
äranyakam, und die Kühnheit und Schrofl'heit, mit der er
hier auftritt, sowie die originelle Art seiner Begründung
scheinen für einen individuellen Genius als Urheber desselben
zu sprechen. In seinem Gespräche mit Maitreyi stellt Yäjfia-
valkya Brih. 2,4,12 die paradoxe Behauptung auf: „nach dem Nach dem
Tode ist kein Bewufstsein", und begründet dieselbe mit den kel^Be-
Worten : „denn wo eine Zweiheit gleichsam ist [in Wahrheit wu stsein'
ist sie nicht], da siehet einer den andern, da riecht, hört, redet
an, versteht, erkennt einer den andern; wo aber einem alles
zum eignen Selbste geworden ist, wie sollte er da irgendwen
riechen, sehen, hören, anreden, verstehen, erkennen? Durch
welchen er dieses alles erkennt, wie sollte er den erkennen,
wie sollte er doch den Erkenner erkennen?" — Genau be-
trachtet liegen hier zwei Gedanken vor: 1) der höchste Atman
ist unerkennbar, 'weil er die All-Einheit ist, während jedes
Erkennen eine Zweiheit von Subjekt und Objekt voraussetzt;
aber 2) auch der individuelle Atman („durch welchen er dieses
alles erkennt") ist unerkennbar, weil er bei allem Erkennen
das Subjekt des Erkennens (der Erkenner) ist, mithin niemals
Objekt sein kann. Im Grunde sind diese beiden Gedanken
einer : denn der individuelle Atman ist in Wahrheit der höchste
Atman, und in dem Mafse, wie wir uns zu dieser Erkenntnis
erheben, schwindet die Illusion des Objektes, und es bleibt
allein das objektlose Subjekt des Erkennens übrig, welches,
im Wachen wie im Traume, die Objekte aus sich heraussetzt,
— „denn er ist der Schöpfer!" (Brih. 4,3,10). — Derselbe Ge-
danke findet sich in den Reden Yäjfiavalkya's #noch an fünf
weitern Stellen, die wir, teilweise in Verkürzung, mitteilen.
Brih. 3,4,2 : „Nicht sehen kannst du den Seher des Sehens, Das Subjekt
nicht hören kannst du den Hörer des Hörens, nicht verstehen „ans Ist un-
kannst du den Versteher des Verstehens, nicht erkennen kannst erkenntar-
du den Erkenner des Erkennens." — Brih. 3,8,11: „Wahrlich,
o Gärgi, dieses Unvergängliche ist sehend nicht gesehen, hörend
nicht gehört, verstehend nicht verstanden, erkennend nicht er-
kannt. Nicht gibt es aufser ihm ein Sehendes, nicht gibt
es aufser ihm ein Hörendes, nicht gibt es aufser ihm ein
74 I. Die Erkennbarkeit des Brahman.
Verstehendes, nicht gibt es aufser ihm ein Erkennendes." —
Dieselben Worte kehren, fast unverändert, wieder Brih. 3,7,23,
am Schlüsse eines Abschnittes, der wegen der Verknüpfung
des Weltfadens und des innern Lenkers weniger ursprünglich
zu sein scheint. — Brih. 4,3,23 — 31 (vom Tiefschlafenden):
„Wenn er dann nicht sieht, so ist er doch sehend, obschon er
nicht sieht; denn für den Sehenden ist keine Unterbrechung
des Sehens, weil er unvergänglich ist ; aber es ist kein Zweites
aufser ihm, kein andres, von ihm verschiedenes, das er sehen
könnte." Ebenso weiter vom Riechen, Schmecken, Reden,
Hören, Denken, Fühlen und Erkennen. „Denn [nur] wo ein
andres gleichsam ist, sieht einer das andre, riecht, schmeckt,
redet, hört, denkt, fühlt und erkennt einer das andre." —
Brih. 4,4,2 (vom Sterbenden): „Weil er eins geworden ist,
darum siehet er nicht, wie sie sagen [in" Wahrheit bleibt
er ewig sehend], weil er eins geworden ist, darum riecht,
schmeckt, redet, hört, denkt, fühlt, erkennt er nicht, wie sie
sagen."
Bribad- Wenn wir die Ursprünglichkeit, feste Geschlossenheit und
aranyakam j. o j%
als' letzte (wie wir später sehen werden) Übereinstimmung mit den
übrigen Anschauungen Yäjnavalkya's erwägen, welche der Ge-
danke an allen angeführten Stellen zeigt, so wird uns sehr
wahrscheinlich, dafs alle weiter anzuführenden Stellen, und
somit die ganze Fortentwicklung der Lehre von der Unerkenn-
barkeit des Atman, von den Gedanken, vielleicht auch von
dem Texte des "Brihadäranyakam abhängig sind. So schon
die beiden Chändogyastellen, die wir anzuführen haben. Chänd.
6,15,1 — 2 (vgl. 6,8,6): „Um einen todkranken Mann sitzen
seine Verwandten herum und fragen ihn: «Erkennst du mich?
Erkennst du mich?» — Solange noch nicht seine Rede ein-
gegangen ist in das Manas, sein Manas in den Präna, sein
Präna in die Glut, die Glut in die höchste Gottheit, so lange
erkennt er sie. Aber nachdem seine Rede eingegangen ist in
das Manas, sein Manas in den Präna, sein Präna in die Glut,
die Glut in die höchste Gottheit, alsdann erkennt er sie nicht
mehr." Diese Stelle, so selbständig sie auftritt, scheint doch,
dem Hauptgedanken nach, schon von der zuletzt angeführten
Stelle Brih. 4,4,2 abhängig zu sein, da das Umgekehrte sich
6. Nichtwissen, "Wissen, Überwissen. 75
jedenfalls nicht annehmen läfst. Auch die Chänd. 6,9 und 6,10
in den Bildern von den Bienen und den Flüssen gelehrte Un-
bewufstheit beim Eingange in das Seiende scheint
unter dem Einflüsse der oben zuerst mitgeteilten Stelle Brih.
2,4,12 „nach dem Tode ist kein Bewufstsein" zu stehen. Und
ebenso klingen die (Brih. 2,4,14) weiter folgenden Worte wieder
in Chand. 7,24,1: „Wenn einer [aufser sich] kein andres sieht,
kein andres hört, kein andres erkennt, das ist die Unbe-
schränktheit (bhumcm); wenn er ein andres sieht, hört, er-
kennt, das ist das Beschränkte (alpam). Die Unbeschränkt-
heit ist das Unsterbliche, das Beschränkte ist sterblich." Das
Plötzliche und Unvermittelte, mit dem dieser Gedanke hier
auftritt, scheint auf eine Abhängigkeit von dem Gedanken-
kreise des Yäjnavalkya zu deuten.
Dem Einflüsse dieses Gedankens wird es in erster Linie
^zuzuschreiben sein, wenn sich weiterhin, im Gegensatze zu
der allgemeinen Tendenz der Upanishad's, das Wissen vom
Atman zu suchen und zu lehren, mehr und mehr die Theorie
herausbildete, dafs der Atman (dessen Unerkennbarkeit, wie
wir später sehen werden, schon Yäjnavalkya mit seinem neu
neu so scharf betont hatte) gar kein Gegenstand des Der Atman
Wissens sei. Jetzt erschien das Wissen vom Atman, welches »tana des
ihn als Objekt sich gegenüberstehen hat, folglich noch mit der
Zweiheit behaftet ist, als ein niederer Standpunkt, welcher zu
überwinden ist, um zur vollen Einswerdung mit Brahman, mit
dem Atman zu gelangen.
Diese Anschauung tritt zum erstenmal deutlich hervor Das wissen
in dem grofsartig ausgeführten Weltgemälde, Taitt. 2. Der a 8stand-rer
Verfasser dieses Textes geht aus von der Verkörperung des pun '"
Atman in der materiellen Natur und im menschlichen Leibe,
dem nahrungsartigen Selbst. Von diesem als blofser Hülle
gelangt er, tiefer und tiefer in den Kern des hier erscheinenden
Wesens eindringend, zum lebensartigen, manasartigen und end-
lich zum erkenntnisartigen Selbst, dem vijnänamaya Atman.
Aber auch dieser, für welchen Brahman ein Gegenstand der
Erkenntnis ist, ist eine blofse Hülle des wonneartigen Selbstes,
welches sich mit Brahman eins fühlt. Hier wird die Frage
aufgeworfen :
7G I- Die Erkennbarkeit des Brahman.
Ob irgendein Nichtwissender
Abscheidend geht in jene Welt?
Oder ob wohl der Wissende
Abscheidend jene Welt erlangt?
Weder der eine noch der andere, so lautet die aus dem Fol-
genden zu entnehmende Antwort, welches schildert, wie das
Brahman, die Welt schaffend, in dieselbe eingeht als Seiendes,
Aussprechiich.es, Gegründetes, Bewufstsein, Realität, während
es seinem eigentlichen Wesen nach beharrt als Jenseitiges,
Unaussprechliches, Grundloses, Unbewufstsein, Nichtrealität.
In dem Gefühl der Einheit mit dem letztem besteht die
Wonne: „denn wenn einer in jenem Unsichtbaren, Unrealen,
Unaussprechlichen, Unergründlichen den Frieden, den Standort
findet, alsdann ist er zum Frieden gelangt (ahliayam goto
bJiavati, wie Janaka, welchem Yäjnavalkya Brih. 4,2,4 zuruft:
abhayam vai, Janaka, pfäpto 'sü). Wenn aber einer in jenem'
einen Zwischenraum, eine Trennung [oder „eine wenn auch
kleine Trennung" zwischen sich als Subjekt und dem Atman
als Objekt] annimmt, dann besteht sein Unfriede fort; es ist
aber der Unfriede des, der sich weise dünket [indem er Brah-
man zum Objekt der Erkenntnis macht]". Denn zu Brahman
reicht kein Wort, kein Begriff:
Vor dem die Worte umkehren
Und das Denken, nicht findend ihn,
Wer dieses Brahman's Wonne kennt,
Der fürchtet sich vor keinem mehr.
wie kann Aber, wenn Brahman auf dem Wege der Erkenntnis nicht
ertaTst Ter- erreichbar ist, wie kann dann jene Einswerdung mit ihm be-
werkstelligt werden? Mit dieser Frage beschäftigen sich die
folgenden Texte. Ein Schüler wirft Kena 3 die Frage auf:
Das, bis zu dem kein Aug' vordringt,
Nicht Rede und Gedanke nicht,
Bleibt unbekannt, und nicht seh'n wir,
Wie einer es uns lehren mag!
Ihm dient zur Antwort (Kena 3 und 11):
Verschieden ist's vom Wifsbaren
Und doch darum nicht unbewufst! —
den V
6. Nichtwissen, Wissen, Überwissen. 77
So haben von den Altvordern
Die Lehre überkommen wir.
Nur wer es nicht erkennt, kennt es,
Wer es erkennt, der weifs es nicht, —
Nicht erkannt vom Erkennenden,
Erkannt vom Nicht- Erkennenden!
Unsere Erkenntnis ist der Aufsenwelt zugewendet, aber es
gibt noch einen andern Weg (Käth. 4,1) :
Auswärts die Höhlungen der Schöpfer bohrte:
Darum sieht man nach aufsen, nicht im Innern.
Ein Weiser wohl inwendig sah den Atman,
In sich gesenkt den Blick, das Ew'ge suchend.
„In sich gesenkt den Blick", wörtlich: „das Auge umwendend'',
ß/orittaedkshus (vgl. Jakob Böhme's „umgewandtes Auge").
Hier, im eignen Innern wird uns die Realität des Ätman
zur unmittelbaren Gewifsheit (Käth, 6,12 — 13):
Nicht durch Reden, nicht durch Denken,
Nicht durch Sehen erfafst man ihn :
„Er ist!" durch dieses Wort wird er
Und nicht auf andre Art erfafst.
„Er ist!" so ist er auffafsbar.
Sofern er beider Wesen ist,
„Er ist!" wer so ihn auffafste,
Dem wird klar seine Wesenheit.
Zunehmend verschärft sich die Polemik gegen das Wissen. Polemik
So in dem Brih. 4,4,10 später eingelegten Verse: gwissen|is
In blinde Finsternis fahren,
Die dem Nichtwissen huldigen;
In blindere wohl noch je:ie,
Die am Wissen genügten sich.
Dieser Vers wird Icä 9 — 11 wiederholt und (mit Anlehnung
an Kena 3) weiter ausgeführt:
Anders als, wozu führt Wissen,
Und wozu führt Nichtwissen, ist's!
So haben von den Altmeistern
Die Lehre überkommen wir.
78 I- Die Erkennbarkeit des Brahman.
Wer das Wissen und Nichtwissen-
Beide [als unzulänglich] weifs,
Der überschreitet durch beides
Den Tod und hat Unsterblichkeit.
unter- Hieran schliefst sich die Forderung, die uns ein falsches
der sinnen- Wissen vorgaukelnde Sinnenerkenntnis zu unterdrücken. Schon
"' Brih. 1,5,23 empfiehlt: „darum soll man nur ein Gelübde
befolgen: man soll [mit Unterdrückung der andern Sinnes-
tätigkeiten] einatmen und ausatmen"; Chänd. 8,15 fordert,
dafs man „alle seine Organe in dem Atman zum Stillstande
bringt"; Mundaka verlangt 3,1,8 jnänaprasäda „Stillstand des
Erkennens" und läfst 3,2,7 mit den Werken auch den vijnäna-
maya ätman (Taitt. 2,4) in dem höchsten Ewigen einswerden;
und Maitr. 6,19 gibt die Anweisung, das Bewufstsein mitsamt
dem feinen Leibe (Ungarn) als Träger desselben im Unbe-
wufsten einzutauschen:
Was unbewufst im Bewufstsein
Weilt, undenkbar, geheimnisvoll.
Darin Bewufstsein eintauche
Und das Liiigam, des Grunds beraubt.
Der Yoga. Alle diese Forderungen gehören schon dem Yoga an, welchen
wir weiter unten noch als eine Praxis kennen lernen werden,
durch die man hoffte, jene überintellektuelle Einswerdung mit
dem Ätman durch künstliche Mittel ins Werk zu setzen.
II. Das Suchen nach dem Brahman.
1. Der Ätman (das Brahman) als die Einheit.
Sueben Nachdem schon in den Zeiten des Rigveda, wie wir oben
Einheit* I,i, S. 103 fg. sahen, die Erkenntnis der Einheit zum Durch-
bruche gekommen war und in Hymnen wie Rigv. 1,164. 10,129
ihren Ausdruck gefunden hatte, war und blieb es die weitere
Aufgabe, die ewige Einheit, welche allen Erscheinungen der
Natur zugrunde liegt, näher zu bestimmen. Typisch für das
Suchen nach derselben ist vor allem der Hymnus Rigv. 10,121,
welcher auf die neunmal wiederholte Frage: „wer ist der Gott,
dafs wir ihm opfernd dienen?" im zehnten Verse die Antwort
1. Der Ätrnan als die Einheit. 79
gibt: „Prajäpaii! Du bist es und kein andrer, der alles dies
Entstandene umfafst hält!" (oben I, i, S. 132 fg.). Wir haben
oben im einzelnen verfolgt, wie dieses Suchen durch die Zeit
der Brähmana's sich fortsetzt, wie Prajäpati nach und nach
durch das Brahman verdrängt wurde, und wie man schliefslich
den schärfsten Ausdruck für das, was man suchte, in dem Be-
griffe des Atman fand. Der Atman ist der indische Ausdruck Der Atman
für das, was wir „Prinzip" zu nennen pflegen (oben l,i, b. ofg.j, suchte eu
und unterscheidet sich von diesem nur dadurch, dafs er viel
schärfer und treffender als irgendein abendländisches Ana-
logon das eine und ewige Problem der philosophischen For-
schung bezeichnet: denn er fordert uns auf, das eigentliche
Selbst dos Menschen, das Selbst der Welt zu ergreifen und
alles vom Menschen und von der Natur abzulösen, was sich
nicht a^ dieses Selbst, als das eigentliche, tiefste und letzte
Wesen der Dinge erweist. — Daneben wird oft genug das
unbestimmtere Brahman für unser Prinzip gebraucht ; so in Brahman ai»
•den sogleich zu besprechenden Stellen Brih. 2,1,1 (Kaush. 4,1). rrTnzip1
Thrill. 4,1,2—7. Chänd. 5,11,1; so hebt Qvet. 1,1 an mit der
Frage: „Was ist Urgrund, was Brahman?" und nochPragna 1,1
sund in der Ärsheya-Upanishad (Ark'hi), Up. S. 853 fg., kommen
weise Männer zusammen, um nach dem „Brahman" zu forschen.
Beide Ausdrücke, Brahman und Atman, bedeuten somit Atman und
•das Prinzip der Welt und werden in diesem Sinne in den
Upanishad's gewöhnlich synonym gebraucht, wechseln oft in
demselben Texte mit einander ab oder stehen auch neben
einander, wie in der, Chänd. 5,11,1 aufgeworfenen, Frage: ~ko
.na' ätma, Mm brahma? wo Qankara bemerkt, dafs Brahman
•■das definiendum (vigeshyam) und Atman das defmiens (vigesha-
nam) bedeute (was im allgemeinen, wenn auch nicht gerade
hier, zutrifft), dafs durch brahman die in atman liegende Ein-
schränkung auf das eigene Selbst aufgehoben werde, und durch
atman der Auffassung des brahman als einer zu verehrenden
Gottheit entgegengetreten werde. Aber beide Ausdrücke sind,
wie schon diese Bemerkung zeigt, von unbestimmtem Inhalte: Unhe.
der Begriff des brahman ist, wie wir oben I, i, S. 240 fg. sahen, dieTe^Be-*
:sehr vieldeutig, und der Begriff des atman ist, wie gleichfalls *"*••
oben I, i, S. 286 fg. gezeigt wurde, ein relativer und negativer
80 H. Das Suchen nach dem Brahman.
Begriff, der uns mehr sagt, worin wir das Wesen des Men-
schen und der Welt nicht zu suchen haben, als dafs er uns
über dieses Wesen einen positiven Aufschlufs gäbe. Gerade
hierin liegt sein philosophischer Wert: denn das Wesen der
Dinge bleibt, seiner Natur nach, ein ewig Unerkennbares, und
jeder Versuch, dasselbe zum Gegenstand der Erkenntnis zu
machen, nötigt uns, ihm Bestimmungen aufzuheften, die aus
der unserm Intellekte allein zugänglichen Sphäre der empi-
rischen Realität erborgt sind und dem ansichseienden Wesen
versuche, c]er Dinge nicht zukommen. Aus dieser realistischen Tendenz
dieselben zu 0
bestimmen, entspringen die vielen falschen oder unvollkommenen Ver-
suche, das Brahman, den Atman zu erklären, welche von den
Lehrern der (Jpanishad's selbst verworfen werden und die
wir jetzt zu besprechen haben.
2. Die Erklärungsversuche des Bäläki.
Bdidki Gär- Nach einer in zweifacher Rezension, Biih. 2,1 und Kaush. 4,
^taush. 4). überlieferten Erzählung tritt der gelehrte, berühmte und stolze
Brahmane Bäläki Gärgya vor den König Ajätacatru mit dem
Anerbieten: „Lafs mich dir das Brahman erklären." Er ver-
sucht sodann zwölfmal (in Kaushitaki sechzehnmal) nach ein-
ander das Brahman zu definieren als den Geist (purusha) in
der Sonne, im Monde, im Blitze, im. Äther, im Winde, im
Feuer, im Wasser usw., worauf der König die Definition
jedesmal widerlegt, indem er auf die untergeordnete Stellung
hinweist, die der betreffende Purusha im Ganzen der Natur
Beiehrung einnimmt. Den zum Schweigen gebrachten Brahmanen belehrt
durch Ajd- er sodann an dem Beispiele eines Tiefschlafenden. Dasjenige,
worin seine Lebensgeister (pränaty) weilen, und woraus beim
Erwachen sie, und mit ihnen alle Welten, Götter und Wesen
hervortreten, ist der Atman; er ist das von Gärgya vergebens
zu erklären unternommene Brahman. — Die Erwartung des
Lesers, näheres über das Verhältnis des Brahman zu den
Purusha's des Gärgya zu erfahren, wird in beiden Rezensionen
nicht erfüllt. Beide zeigen nur, wie aus dem Atman beim
Erwachen die Präna's (Rede, Auge, Ohr, Manas) und durcli
sie, als von ihnen abhängig, alle Welten, Götter und Wesen
hervorgehen.
turtttru.
3. Die Erklärungsversuche des Qakalya. 81
3. Die Erklärungsversuche des ^äkalya.
In ähnlicher Weise unternimmt es Vidagdha Qäkalya nangdha
Brih. 3,9,10 — 17. 26, den Purusha zu bestimmen, welcher den Brih. 3,9.
höchsten Gipfel alles durch das Wort Atman Bezeichneten
(sarvasya ätmanah paräyanam) bilde; indem er aber dann als
den Standort desselben achtmal nach einander einseitig die
Erde, die Liebe, die Gestalten, den Äther usw. bezeichnet,
erhält er durch Yajnavalkya die Zurechtweisung, dafs das-
jenige, was er für den höchsten Gipfel alles durch das Wort
Atman Bezeichneten erkläre (sarvasya ätmanah paräyanam yam
ättha), nicht dieses, sondern nur ein untergeordneter, in der
Körperlichkeit der Liebe, der Sonne, dem Hörbaren usw.
schaltender Purusha sei. „Der aber", so fährt Yajnavalkya ydjna-
Brih. 3,9,2G fort, „diese Purusha's auseinandertreibend, zurück- Kritik.8
treibend (d. h. sie zur Tätigkeit antreibend und von ihr
zurückrufend), über sie hinausschreitet (ihnen überlegen ist),
nach diesem Purusha der Upanishadlehre frage ich dich".
Diesen weifs Qäkalya nicht zu nennen und mufs den Frevel,
einen untergeordneten Purusha für sarvasya ätmanah paräyanam
ausgegeben zu haben, mit dem Tode büfsen. (So nach der
von uns angenommenen Personenverteilung; nach der tradi-
tionellen, weniger guten, würde Yajnavalkya die Frage nach
dem sarvasya ätmanah paräyanam aufwerfen und Erde, Liebe,
Gestalten, Äther usw. als seinen Standort bezeichnen, und
der Frevel des Qäkalya würde darin bestehen, nicht den von
Yajnavalkya als Antwort erwarteten Ätman, sondern nur einen
untergeordneten, in der Körperlichkeit, der Liebe, der Sonne,
dem Hörbaren usw. schaltenden Purusha zu nennen.)
&. Sechs einseitige Definitionen.
Wie Brih. 2,1 zwölf, Kaush. 4 sechzehn, Brih. 3,9,10 — 17 Sech8 Defi.
acht, so werden sechs einseitige (ekapäd) Definitionen des BrihTi"
Brahman kritisiert Brih. 4,1, wo Janaka zum Yajnavalkya
kommt, nachdem er, wie der Keisende sein Schiff oder seinen
Wagen verproviantiert, seine Seele mit Geheimlehren, upani-
shacVs, ausgerüstet hat (Brih. 4,2,1). Diese „UpanishadV
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n. * (3
t^CT35
82 II. Das Suchen nach dem Brahman.
bestehen in sechs von andern Lehrern aufgestellten Definitionen
des Brahman als Rede, als Odem, als Auge, als Ohr, als
Manas, als Herz. Alle diese Definitionen lassen sich, wenn
auch nicht immer genau so und unter den angegebenen Namen,
in den vorhandenen Texten noch nachweisen; vgl. zu vag vai
brahma Pancav. Br. 20,14,2 (oben I, i, S. 206). Chänd. 7,2,2; zu
präno vai brahma oben I, i, S. 297 fg. Brih. 1,5,23. 3,7,1 — 2.
Chänd. 4,3,3. 7,15. Taitt. 3,3. Kaush. 2,1. 2. 2,13. Pracna 2,13;
zu cakshurvai brahma Chänd. 1,7,4. 4,15,1. 8,7,4. Kaush. 4,17. IS.
Brih. 2,3,5. 5,5,4; zu grotram vai brahma Taitt. 3,1. Kaush.
4,14; zu mano vai brahma oben I, i, S. 203. 206. 335. Chänd.
3,18,1. Ait. 3,2; zu hridayam vai brahma Chänd. 3,12,4. 8,3,3.
Brih. 5,3; vgl. auch im allgemeinen Chänd. 3,18, wo väc,präna.
cakshuh, grotram die vier Füfse des Brahman, und Chänd. 4,8,3,
wo präna, cakshuh, grotram, manas den einen der vier Füfse
des Brahman bilden. Alle diese und ähnliche Definitionen,
mögen sie nun historisch oder zur Charakterisierung histo-
rischer Richtungen fingiert sein, entspringen aus dem Be-
streben, das seiner Natur nach Unerkennbare zu erkennen,
wobei dann freilich nichts übrig bleibt, als dafs man dasselbe,
mit bewufster oder unbewufster Symbolik, unter der Form
irgend einer seiner Erscheinungen auffafst. Die Kritik, welcher
Ydjna- Yäjnavalkya die genannten sechs Definitionen des Brahman
Kritik, als vdc, präna, caJcshus, grotram, manas, hridayam unterwirft,
besteht darin, dafs er sie für blofse Sitze (äyatana) erklärt,
mittels welcher sechs entsprechende, an dem göttlichen Wesen
angenommene Bestimmungen als prajüä, priyam, satyam, ananta,
änanda, sthiti in dem allen sechsen als Standort (pratishtha >
gemeinsamen Räume zum Ausdrucke kommen. Fragen wir
aber weiter nach dem Wesen dieser sechs Bestimmungen, so
werden wir wieder auf jene sechs Manifestationen derselben
im Räume als väc, präna, caJcshus, grotram, manas, hridayam
zurückgewiesen; und so, zwischen den empirischen Er-
scheinungsformen und den, in ihnen zum Ausdruck kommen-
den, empirischen Bestimmungen des göttlichen Wesens
hin und her geworfen, begreifen wir, dafs Erscheinungen immer
wieder nur durch Erscheinungen erklärt werden können, und
dafs auf diesem Wege dem Wesen der Gottheit nicht bei-
4. Sechs einseitige Definitionen. 83
zukommen ist. Einen andern Weg schlägt dann (4,2) Yäjna- positive
valkya selbst ein, indem er, ausgehend von der Frage, was
aus der Seele nach dem Tode werde, zunächst eine Schilde-
rung der individuellen Seele entwirft, wie sie, von Adern um-
sponnen und genährt, im Herzen wohnt und in den beiden
Augen gleichsam ihre Fühlhörner ausstreckt, — dann aber
plötzlich diese ganze individuelle Seele wie einen verdeckenden
Vorhang hinwegzieht, so dafs wir vor uns und um uns und in
uns nur die eine, allgegenwärtige, höchste Seele sehen, womit
dann jene Frage nach dem individuellen Fortleben der Seele
dadurch beantwortet wird, dafs ihr der ganze Boden, auf dem
sie steht, entzogen wird, und sie, als keinen Sinn gebend,
hinwegfällt. — Eine bessere Antwort können wir auch heute
noch nicht geben.
5. Definitionen des Ätman Vaigvänara.
Wie der Begriff des Brahman, so war auch der des Atman, sechs ver-
bei der Vieldeutigkeit dieses Wortes, manchen Mifsverständ- Ytmaü vl*
cvdnara zu
nissen ausgesetzt. Eines derselben entsprang daraus, dafs man l^™^^
Chänd.
5,11 fg.
über der kosmischen Bedeutung des Ätman als Weltprinzip
seine psychische Bedeutung, die Verwirklichung dieses Prin-
zips im eignen Selbst, übersah. Dies ist der Fall bei den fünf
Brahmanen, welche Chänd. 5,11 zusammenkommen und die Frage
aufwerfen: „was ist unser Ätman, was das Brahman?" Sie wen-
den sich mit dieser Frage an Uddälaka Äruni, von dem sie wissen,
dafs er eben jetzt den Ätman Vaigvänara, d. h. den Ätman als
das allverbreitete Weltprinzip studiere. Uddälaka fürchtet (wie
seine späteYe Antwort zeigt, sehr mit Recht), sie nicht be-
friedigen zu können, und alle sechs gehen sodann den König
Ac,vapati Kaikeya um Belehrung über den Atman Vaicvänara
an. Der König befragt zunächst der Reihe nach die sechs
Brahmanen, was sie als den Ätman „verehren". Er setzt, wie
dieser Ausdruck zeigt, voraus, dafs die ihn um Belehrung er-
suchenden Brahmanen noch in dem Irrtume befangen sind, in
dem Ätman einen objektiv aufser ihnen bestehenden Gegen-
stand der Verehrung, gleichsam eine neue Art von Gottheit,
zu sehen. Diese Voraussetzung bestätigt sich, sofern die sechs
6*
g4 II. Das Suchen nach dem Brahman.
Frager der Reihe nach den Atman für den Himmel, die Sonne,
den Wind, den Raum, das Wasser, die Erde, mithin für etwas
TcMer Objektives erklären. Darauf der König: „Ihr alle, wie ihr
Tuche" da seid, fafst diesen Atman Vaigvänara auf, als wäre er ein
von euch Gesondertes, und so efst ihr die Nahrung. Wer
aber diesen Atman Vaigvänara so [die ausgespannte Hand an
seinen Kopf von der Stirn bis zum Kinn legend] als eine
Spanne grofs an Abmessung (prädegamätram abhivimänam )
verehrt, der ifst die Nahrung in allen Welten, in allen Wesen,
in allen Selbsten. Und von eben hier diesem [als eine Spanne
lang am eignen Kopfe gemessenen] Atman Vaigvänara ist der
glanzvolle [Himmel] das Haupt, die allgestaltige [Sonne] das
Auge, der sonderpfadige [Wind] der Odem, der vielfache
[Raum] sein Rumpf, sein Leibesbestand, der Reichtum [das
Wasser] seine Blase, die Erde seine Füfse." — Die von uns
ergänzten Handbewegungen, ohne welche die Stelle nicht ver-
ständlich ist, sind mit Sicherheit zu entnehmen aus dem Ori-
ginal unserer Stelle, Qatap. Br. 10,6,1, wo dieselben noch wirk-
lich ausgeführt werden (vgl. die Übersetzung in den Sechzig
Upanishad's S. 145). Auch sonst besitzt die erwähnte Original-
stelle manche Vorzüge, namentlich, sofern es sich in ihr nicht
um den Atman Vaigvänara, sondern um eine symbolische Deu-
tung des Agni Vaigvänara, des ,, all verbreiteten Feuers" als
Weltprinzip handelt; hierbei sind die einseitigen Antworten
der sechs Mitunterredner weit begreiflicher, als wenn sie, wie es
in der Nachbildung der Chändogyastelle der Fall ist, von vorn-
herein nach dem Atman als „Brahman" (Prinzip) fragen; diese
Frage und das Forschen nach dem Atman Vaigvänara würde,
streng genommen, solche verfehlte Antworten, wie sie von
allen sechs Brahmanen gegeben werden, von vornherein aus-
schliefsen.
6. Stufenweise Belehrung des Närada.
Nicht immer sind es Gegner oder Schüler, welche sich
in unrichtigen oder einseitigen Auffassungen des Brahman be-
fangen zeigen. Wiederholt begegnen wir einem Brahman-
forscher, welcher, wie Sanatkumära Chand. 7 oder Bhrigu
Taitt. 3, eine Stufenfolge unvollkommener Anschauungen
6. Stufenweise Belehrung des Närada. 85
durchläuft, um sich schrittweise zu reinerer und immer reinerer
Erkenntnis des Brahman oder Ätman zu erheben. Das aus-
geführteste Beispiel dieser Art ist Chänd. 7, wo Sanatkumära stufenweise
° r Belehrung
seine Belehrung des Närada damit beginnt, dafs er die Ge- des mrar/a,
, . ., , ... ,T7-. j... Chänd. 7.
samtheit des von ihm erworbenen empirischen Wissens iur
blofsen Namen erklärt. Gröfser als der Name ist die Rede,
gröfser als diese das Manas, und so erhebt sich der immer
weiter dringende Forscher vom Bedingten zum Bedingenden,
vom Grofsen zum Gröfsern durch die Stufen der Auffassung
des Brahman als näman, väc, manas, samkalpa, cittam, dhyä-
nam, vijüänam, balam, annam, äpas, tejas, äkäga, smara, ägä
zum präna (der individuellen Seele) und von diesem zum
bhtiman, der „Gröfse" schlechthin, der „Unbeschränktheit",
welche nichts aufser sich, alles in sich hat, alle Welträume
erfüllt und dennoch mit dem Ich-Bewufstsein (ahafikära), mit
der Seele (ätman) in uns identisch ist. Die Gröfse dieses
Schlufsgedankens steht für unser Gefühl in seltsamem Gegen-
satze zu der ermüdenden Stufenreihe von Begriffen, durch zweck der
welche wir zu ihm emporgeführt werden. Dieselbe war wohl
für geduldigere Leser berechnet, als sie am Ende des neun-
zehnten Jahrhunderts zu finden sind, und sollte offenbar dazu
dienen, durch Übergang von dem scheinbar Gröfsten zu einem
immer noch Gröfsern, die Spannung bis aufs Aufserste zu
steigern. Im übrigen kann man bei diesem Übergehen vom
Namen zur Rede, von dieser zu den intellektuellen Faktoren
(Manas, Entschlufs, Gedanke, Sinnen, Erkenntnis), von diesen,
durch Vermittlung der Kraft, zu den vier Elementen (Nahrung,
Wasser, Glut, Weltraum), und von diesen durch Gedächtnis
und Hoffnung zum Präna, nicht immer, trotz des reichen
poetischen Schmuckes, mit dem diese Begriffe ausgestattet sind,
einen genügenden Grund für diese fortwährende Selbstüber-
bietung erkennen, und die Frage ist wohl berechtigt, ob es
wohl dem Verfasser selbst damit voller Ernst gewesen ist, ob
Dicht diese Begriffe vom Namen bis zum Präna hinauf alle
mehr oder weniger als blofse Folie dienen sollen, um das Ab-
solute, Unbedingte, Schrankenlose, über alles Denkbare Hinaus-
liegende des Ätman in um so helleres Licht zu setzen. Be-
merkenswert ist übrigens, dafs bei allen Vorstufen des Präna
8(3 II. Das Suchen nach dem Brahmau.
demjenigen, welcher den Namen, die Rede, das Manas usw.
„als das Brahman verehrt", reicher Lohn verheifsen wird. Der
Verfasser sieht also eine Möglichkeit, alle diese Dinge „als
Brahman zu verehren", und hei vielen derselben mag es, mit
mehr oder weniger bewufster Symbolik, in Wirklichkeit ge-
schehen sein. Denn der gewöhnliche Mensch, an seinem
empirischen Bewufstsein wie an einer Kette liegend, will nicht
erkennen, sondern verehren. Hierzu eignet sich nun leider
das Absolutum seiner Natur nach ganz und gar nicht. Daher
müssen Symbole für dasselbe eintreten, welche dann unter den
Händen der Menge sehr bald zu Idolen werden. — Merk-
würdig ist auch die Art, wie unser Autor vom Präna, der
individuellen Seele, für welche die Unterschiede von Subjekt
und Objekt noch bestehen, zum Bhüman, der höchsten Seele,
überleitet, für welche diese wie alle Unterschiede keine Be-
deutung mehr haben. Wir suchen, sagt er, die Wahrheit;
diese beruht auf dem Erkennen, dies auf dem Denken, dies
auf dem Glauben, dies auf dem Eingewurzeltsein, dies auf
dem Schaffen, dies auf der Lust (sükham, gewöhnlicher änanda,
die Wonne genannt), sie besteht in der Unbeschränktheit, dem
Bhüman. So werden wir aus der Sphäre des Intellektuellen,
wo die Unterschiede herrschen, schrittweise, durch immer zu-
nehmendes Verfliefsen von Subjekt und Objekt, zu der Region
emporgehoben, in welcher alle Unterschiede in dem All-Einen
erlöschen.
7. Drei verschiedene Atman's.
nie drei Der Atman ist, wie schon öfter hervorgehoben wurde,
chLTd!' ein vieldeutiger Begriff; das Wort bedeutet nichts weiter als
8'7— 12' „das Selbst", und es kommt alles darauf an, was wir als unser
Selbst ansehen. Hier sind drei Standpunkte möglich, je nach-
dem man unter dem Atman versteht 1) das körperliche Selbst,
den Leib, oder 2) die vom Körper freie, aber individuelle
Seele, welche als Subjekt des Erkennens den Objekten als
einem andern gegenübersteht, oder 3) die höchste Seele, in
welcher Subjekt und Objekt noch nicht auseinandergetreten
sind, oder, nach indischer Auffassung, welche das objektlose
Subjekt des Erkennens ist. Zur Illustration dieser drei Stand-
7. Drei verschiedene Atman's. 87
punkte dient die Erzählung Chand. 8,7 — 12. „Das Selbst
(ätman), das sündlose, frei vom Alter, frei vom Tode und frei
vom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst, dessen Wünschen
wahrhaft, dessen Eatschlufs wahrhaft ist, das soll man er-
forschen, das soll man suchen zu erkennen." Von dieser Forde-
rung getrieben machen sich auf von den Göttern Indra und
von den Dämonen Virocana und begeben sich zu Prajäpati
in die Lehre. Seine erste Belehrung lautet: das Selbst ist Das mate-
... -ii-i •!•« • riclle Selbst.
dasjenige, was man sieht, indem man sich im Auge eines an-
dern, in einem Wasserbecken, in einem Spiegel betrachtet, was
sich bis zu den Härchen und Nägeln im Abbilde widerspiegelt,
was, mit schönen Kleidern geschmückt, schön erscheint, mit
einem Worte: der Leib; „das ist das Selbst, das ist das Un-
sterbliche, das Furchtlose, das ist das Brahman". Die Ant-
wort befriedigt die beiden Schüler, sie ziehen heim, Prajäpati
aber, ihnen nachblickend, spricht: „da ziehen sie hin, ohne
das Selbst wahrgenommen und gefunden zu haben". Virocana
und die Dämonen beruhigen sich bei dieser Antwort, und so
alle dämonischen Menschen, welche im Leibe das Selbst sehen
und daher noch den Leichnam mit allerlei Plunder schmücken,
als wenn es für ihn noch ein Fortleben, eine jenseitige Welt
gäbe. Indra hingegen, in der Erwägung, dafs dieses Selbst
von allen Leiden und Gebrechen des Leibes getroffen wird
und mit dem Tode untergeht, fühlt (was jeder fühlen kann),
dafs alle Veränderung, welche an uns vorgeht, eben darum
nicht uns betreffen kann, und kommt zu Prajäpati zurück.
Jetzt erteilt ihm Prajäpati die zweite Antwort: das Selbst ist Das indi-
dasjenige, was im Traume herrlich umherschweift; „das ist das ifjbst?
Unsterbliche, das Furchtlose, das Brahman". Aber auch bei
dieser Antwort kann sich Indra nicht beruhigen : das Traum-
selbst wird zwar von den Schädigungen des Leibes durch die
Objekte nicht betroffen, aber es ist doch, als wenn es davon
betroffen würde, weil es fortfährt, eine objektive Welt sich
gegenüber vorzustellen. Nun folgt die dritte Antwort des Das höchste
Prajäpati: „Wenn einer so eingeschlafen ist ganz und gar und -
völlig zur Ruhe gekommen, dafs er kein Traumbild erkennt,
das ist das Selbst", so sprach er, „das ist das Unsterbliche,
das Furchtlose, das ist das Brahman". — Ein weiteres
88 II. Das Suchen nach dem Brahman.
Bedenken des Indra, dafs dies dem Eingange in die Vernichtung
gleichkomme, wird von Prajäpati dahin berichtigt, dafs das
Aufhören des Unterschieds von Subjekt und Objekt, wie es
im Tiefschlafe statthat, vielmehr ein Eingang in das höchste
Licht sei, ein Hervortreten in eigener Gestalt als der höchste.
Geist, welcher als das Subjekt des Erkennens in uns von
keinem Wandel der Organe und Objekte berührt wird. —
Der Sinn dieser Erzählung ist klar; auf die Frage: was ist
das Selbst? gibt es drei Antworten, je nachdem man auf dem
Standpunkte des Materialismus, des Realismus oder des Idealis-
SdtanMU"kt mus stenk 1) Die materialistische (dämonische) Antwort lautet:
riaiismus. das Selbst ist der Leib und geht mit diesem zugrunde.
Die Vedäntatheologen verstehen schon hier die individuelle
Seele, indem sie, den Text vergewaltigend, aus dem Manne,
der im Auge (sich widerspiegelnd) „gesehen wird", einen sol-
chen machen, der im Auge „sieht", weil sonst Prajäpati „ein
Betrüger sein würde", da er ja schon von diesem ersten Selbst
sage: „das ist das Unsterbliche" usw. Aber Prajäpati ist
hier der Repräsentant der. Natur, und diese lügt nie und zeigt
sich doch in gewissem Sinne doppelzüngig, sofern sie auf die
beiden wichtigsten Fragen, die wir stellen können, auf die
Frage nach der Freiheit und auf die Frage nach der Unsterb-
lichkeit, schon dem gemeinen empirischen Bewufstsein je zwei
Antworten gibt, die mit einander in Widerspruch zu stehen
scheinen : blicken wir nach aufsen, auf unsere Handlungen, so
sehen wir sie alle aus ihren Ursachen (Charakter und Motive)
nach dem Kausalitätsgesetz mit Notwendigkeit hervorgehen,
und dennoch tragen wir in uns das unversiegliche Bewufst-
sein der Freiheit und Verantwortlichkeit für unsere Hand-
lungen; und ebenso in der Unsterblichkeitsfrage: blicken wir
nach aufsen, so sehen wir unser ganzes Selbst als Leib ent-
stehen und vergehen, und dennoch tragen wir in uns das un-
zerstörbare Bewufstsein von der Ewigkeit unseres Wesens:
scntimus experimurque nos acternos esse, wie Spinoza sagt. Auf
diesem Bewufstsein, und nicht auf egoistischen Wünschen,
beruhen alle Beweise für die Unsterblichkeit der Seele, und
Standpunkt dieses Bewufstsein eben ist es, welches, mit empirischen Formen
8mue8a 1S" umkleidet, 2) auf dem realistischen Standpunkte das Selbst
7. Drei verschiedene Ätraan's.
89
als individuelle Seele erscheinen läfst, auf welche sich
die zweite Antwort des Prajäpati bezieht. Sehr schön illu-
striert er dieses Bewufstsein einer vom Körper freien und den-
noch realen individuellen Seele durch den Traumstand, als
welches der einzige in der Erfahrung gegebene Zustand ist,
in dem wir die von der Leiblichkeit, nicht aber von der Indi-
vidualität entbundene Seele beobachten können. Aber diese
ganze individuelle Seele ist ein Unbegriff, entspringend daraus,
dafs man die intellektuellen Anschauungsformen, und namentlich
die allgemeinste derselben, das Objekt-für-ein-Subjekt-sein,
überträgt auf ein Gebiet, auf dem sie keine Geltung haben.
Das Bewufstsein hiervon leitet 3) zum idealistischen Stand- Standpunkt
punkte über, welcher nur die eine, in allem vorhandene, in e8mus?13
jedem ganz verkörperte höchste Seele kennt. In ihr ist
keine Zweiheit, kein Subjekt und Objekt und folglich kein
Bewufstsein im empirischen Sinne; insofern kann sie dem
tiefen, traumlosen Schlafe verglichen werden. — Wir werden
weiterhin . über Wachen, Träumen und Tiefschlaf hinaus einen
vierten (tiiriya) Zustand der Seele kennen lernen, in welchem
jene Einswerdung, welche im Tiefschlafe unbewufst erfolgt,
bei vollem, wenn auch nicht empirischem, auf Objekte aufser
sich gerichtetem, Bewufstsein stattfinden soll.
8. Fünf verschiedene Atman's.
Wie die eben besprochene Chändogyastelle drei Atman's,
den körperlichen, individuellen und höchsten, so unterscheidet
der auf einer fortgeschrittenern Stufe der Entwicklung stehende
Abschnitt Taitt. 2 fünf Atman's (oder Purusha's), indem er
den mittlem, individuellen Atman noch weiter in das Lebens-
prinzip, Willensprinzip und Erkenntnisprinzip zerlegt. So
entstehen der annamaya, pränamaya, manomaya, vijnänamaya
und änandamaya Atman, welche im Menschen wie in der
ganzen Natur zur Erscheinung kommen, und von denen die vier
ersten als blofse Schalen oder Hülsen (später Jwgas genannt)
den fünften als den eigentlichen Kern umgeben. Durch schicht-
weise Ablösung dieser Hülsen gelangt man, schrittweise tiefer
dringend, zuletzt zum innersten Wesen des Menschen und der
Die füivf
Atman1»,
Taitt. 2.
9Q IL Das Suchen nach dem Brahman.
rcr anna- Natur. 1) Der annamaya Atman, „das nahrungsartige Selbst",
"""'"' ist die Verkörperung des Ätman im Leibe und in der mate-
riellen Natur; die Körperteile sind seine Bestandteile. 2) In^ihm
Der prdna- steckt der prunamaya Atman, „das lebenshauchartige Selbst",
der Ätman als Prinzip des natürlichen Lebens. Seine Bestand-
teile sind die Lebenshauche im Menschen (Einhauch, Zwischen-
hauch, Aushauch), aber auch in kosmischem Sinne ist der
ganze Raum sein Leib, die Erde sein Fundament. Wenn
wir auch diesen Ätman als Hülle ablösen, so gelangen wir
Der mano- 3) ZUm manomaya Atman , dem „manasartigen (wunschartigen)
Selbste", als dessen Körperteile die vier Veden nebst Bräh-
mana's (ädega) bezeichnet werden. Nach dieser Bestimmung
haben wir unter ihm das in den Menschen wie in den Göttern
verkörperte Prinzip des Willens (manas), d. h. der auf egoi-
stische Zwecke gerichteten Wünsche zu verstehen; denn dieses
findet von menschlicher Seite her seinen Ausdruck im vedi-
Der tijuna- sehen Opferkultus. 4) Höher steht der vijnänamaya Atman,
„das erkenntnisartige Selbst", welcher, wie der angehängte
Vers besagt, anstatt der Opfer und Werke die Erkenntnis
darbringt, indem er die Gottheit als ein ihm gegenüberstehendes
Wesen erkennt und verehrt. Daher sind Glaube, Gerechtig-
keit, Wahrheit, Hingebung und Majestät seine Bestandteile.
Aber auch diesen Standpunkt haben wir wie eine Schale ab-
Der änanda- zulösen, um endlich 5) zum änandamaya Atman, „dem wonne-
artigen Selbste", als innerstem Kerne des Menschen und der
ganzen Natur durchzudringen. Dieser wonneartige Atman,
„vor dem die Worte umkehren und das Denken, nicht findend
ihn", ist kein Gegenstand der Erkenntnis mehr; er ist, im
Gegensatze zur empirischen Realität, ein Jenseitiges, Unaus-
sprechliches, Grundloses, ein Unbewufstsein, eine Nichtrealität.
„Denn er ist es, der die Wonne schaffet. Denn wenn einer
in jenem Unsichtbaren, Unrealen, Unaussprechlichen, Un-
ergründlichen den Frieden, den Standort findet, alsdann ist
er zum Frieden gelangt. Wenn aber einer in jenem einen
Zwischenraum, eine Trennung [zwischen sich als Subjekt und
dem Ätman als Objekt] annimmt, dann besteht sein Unfriede
fort; es ist aber der Unfriede des, der sich weise dünket
[indem er Brahman zum Objekte der Erkenntnis macht]."
III. Symbolische Vorstellungen. 1. Vorbemerkungen. 91
III. Symbolische Vorstellungen von Brahman.
1. Vorbemerkungen und Anordnung.
Unter einem Symbol (cüpißoXov) verstanden die Alten *ö|*ß9Xoi«.
das sichtbare Zeichen eines unsichtbaren Gegen-
standes oder Verhältnisses, mag das Wort nun von dem
Zusammenpassen (öupißdXXst.v) der von Gästen, Boten usw.
zu ihrer Legitimation mitgebrachten Hälften eines zerbrochenen
Ringes oder dergleichen an die aufbewahrte andere Hälfte,
oder einfach von dem Verabreden (oujj.ßaXXstv) herrühren, auf
dem die Wiedererkennung an diesem sichtbaren Wahrzeichen
beruhte. — Ein sehr nahe liegendes Beispiel für den Begriff
des Symbols liefern die Worte der Sprache : sie sind sämtlich
anzusehen als die sichtbaren Zeichen der nicht sichtbaren Be-
griffe, welche sie vertreten (Elemente der Metaphysik § 96.
126), daher Aristoteles (de sensu 1 p. 437 a 14) treffend be-
merkt: twv 5' övojj-dxov 1'xacJTov cüjjißoXov e<mv, und (de interpr. 1
p. 16 a 3) : laxi [j.sv oüiv xb. sv ttj 9G)v?) töv iv t-?] 4>uXY) tcoc^t]-
|j.axa)v GUfj-ßoXa, xal xcc Ypa96pt.eva töv Iv ty) 90V7J. — Daher
auch die Kirche ihre Sakramente und Bekenntnisformeln Sym-
bole nennt; sie sind die äufsern Kennzeichen der Zugehörig-
keit zu ihrer Gemeinschaft.
Auf einer ähnlichen Vorstellung beruht das indische Wort prattkam.
für Symbol, pratiham. Es bedeutet ursprünglich (von prati-
ahc) die uns „zugewandte" und dadurch sichtbare Seite einer
im übrigen nicht sichtbaren Sache. In diesem Sinne ist bei
den Vedäntatheologen öfter von Symbolen (pratikäni) des
Brahman die Rede. Sie verstehen darunter gewisse Vor-
stellungen des Brahman unter irgend einer sinnlich wahrnehm-
baren Form, z. B. als Name, Rede usw. (Chänd. 7), als
Manas und Äkäca (Chänd. 3,18), als Äditya (Chänd. 3,19),
als Verdauungsfeuer (Brih. 5,9. Chänd. 3,13,8), oder auch als
Om (Chänd. 1,1), welche zum Zwecke der Verehrung als Brah-
man angeschaut werden und sich zu diesem verhalten wie die
Götterbilder (pratimä, arcä) zu den Göttern, welche sie dar-
stellen (vgl. £ankara zu Brahmasütra p. 147,14. 189,8. 217,10.
835,9. 1059,6, zu Chändogya p. 9,8. 10,1. 21,3). Schon Bäda-
92 III. Symbolische Vorstellungen.
räyana (Sütram 4,3,15 — 16, vgl. 4,1,4) unterscheidet die Ver-
ehrer des Brahman unter solchen Symbolen von den Verehrern
des attributhaften (saguna) Brahman; die letztern besitzen
Erkenntnis des Brahman und gehen daher den Devayäna, der
in Brahman führt, während den Symbolverehrern die Einsicht
in Brahman durch das Symbol verdeckt wird (p. 1135,7, pra-
tika-pradhänatväd upäsanasya), daher sie als Frucht nur die
bei jedem Symbole (z. B. Chänd. 7,1 — 14) angegebene Be-
lohnung erhalten. Konsequent durchführbar ist diese Schei-
dung nicht; die Verehrung des Brahman mittels des Om-Lautes,
welcher nach Qankara zu Chand. p. 9 fg. ein Symbol des Brah-
man ist, führt nach Pra§na 5,5 auf dem Devayäna zu Brahman,
und die Verehrung des Brahman als Fräna wird in der Kegel
zur attributhaften Wissenschaft und nur ausnahmsweise (z. B.
zu Brahmasütra 4,1,5 p. 1063,2) zu den symbolischen Ver-
ehrungen gerechnet, mit denen sie doch nach Stellen wie Brih.
4,1,3 (jpräna neben vuc, manas usw.), 2,3,4 (neben älcäga),
Chänd. 3,18,4 (unter manas, neben väc usw.) auf einer
Linie steht.
Den Üpanishad's fehlt noch der deutliche Begriff des
Symbols, wie denn auch das Wort pratikam in diesem Sinne
noch nicht in ihnen sich findet. Aber wenn in den im vorigen
Kapitel besprochenen Abschnitten Brih. 4,1. Chänd. 5,12 — 17.
7,1 — 14 gewisse konkrete Vorstellungen von Brahman als un-
zulänglich mifsbilligt und doch, durch Verheifsung von Lohn,
als verdienstlich anerkannt werden, so können wir, wie bei
so vielen spätem Vedäntalehren, die erste Entstehung des
Symbolbegriffes an Stellen wie den genannten beobachten.
Symbol. Wir verstehen in weiterin Sinne unter Symbolen alle zum
Zwecke der Verehrung unternommenen Vorstellungen des an
sich unvorstellbaren Brahman unter irgend einer seiner Er-
scheinungsformen, also namentlich als präna und väyu, als
älcäga, manas, äditya, als Verdauungsfeuer und Omlaut. An
die Besprechung dieser Symbole im gegenwärtigen Kapitel
werden sich weiter noch die symbolischen Umdeutungen rituel-
ler Begriffe und endlich die Ersetzungen liturgischer Bräuche
durch andere, zur Ätmanlehre in Beziehung stehende, zu
schliefsen haben.
2. Brahmau als Präna und Väyu. 93
\ Brahman als Prana und Väyu.
Keine Erscheinung der Nafur trägt einen so rätselhaften präna und
Charakter, keine scheint so unmittelbar aus dem innersten prd™a'
Wesen der Dinge zu entspringen und von ihm Kunde zu
geben, wie das Phänomen des Lebens, welches in der
Funktion aller Lebensorgane (präna's), mehr aber als in. allen
andern in dem das Leben selbst bedingenden Atmungsprozesse
(prana) sich manifestiert. Daher sich schon die Brähmanazeit
(wie wir oben I, i, S. 294 — 305 verfolgten) vielfach mit der
zentralen Bedeutung des Präna (Odem oder Leben), sowie
mit einer Superiorität über die übrigen Präna's (Lebens-
kräfte, wie Auge, Ohr, Kede, Manas) und seiner Identität mit
Väyu, dem Windgotte als dem Weltlebensodem, beschäftigte.
Alle diese Themata finden ihre Fortsetzung in den Upanishad's,
namentlich in den altern Texten, welche noch nicht vermögen,
das Weltprinzip anders als in seinen deutlichsten Erscheinungs-
formen zu ergreifen, bis dann der Präna mehr und mehr, sei
es durch Unterordnung oder durch Identifikation, hinter dem
Atman zurücktritt und nur noch als gelegentliches Synonymon
desselben erscheint.
Dafs alle (organischen) Wesen ihren Leib nur so lange Der Präna.
besitzen können, wie der Präna darin weilt, lehrt eine oft
mifsverstandene Stelle, Chänd. 1,11,5: sarväni ha vä' imäni
bhütäni pränam eva abhisamviganti, pränam abhynjjihate. Dies
bedeutet nicht, wie £ankara und viele mit ihm erklären, die
Wesen gehen (beim Tode) in den Präna ein und werden aus
ihm wieder neu geboren, sondern vielmehr umgekehrt: „alle
diese Geschöpfe ziehen mit dem Odem ein [in den Leib], und
mit dem Odem ziehen sie wieder aus". Die beste Illustration
bietet das, möglicherweise in Erinnerung an unsere Stelle
Pracna 2,4 und, abhängig davon, Brahma-Up. 1 (Up. S. 680)
allerdings nicht von den Wesen, sondern von den einzelnen Or-
ganen in ihrer Beziehung zum Präna gebrauchte Bild: „gleich-
wie die Bienen dem Bienenkönige, wenn er auszieht, alle nach-
ziehen, und solange er bleibt, alle bleiben, also auch die Rede,
das Manas, das Auge und das Ohr". — Der Präna ist unter
den sechzehn Teilen, aus denen der Mensch besteht, der
94 III. Symbolische Vorstellungen.
fundamentale und unwandelbare; dies wird mythologisch Brih.
1,5,14 an Prajapati veranschaulicht, welcher mit dem Ab-
nehmen des Mondes jede Nacht ein Sechzehntel verliert; „und
nachdem er in der Neumondnacht mit jenem sechzehnten Teile
in alles, was da Odem hat, eingegangen ist, so wird er am
darauf folgenden Morgen [als die neue Mondsichel] geboren".
Hier besteht Prajapati nach Verlust seiner fünfzehn wandel-
baren Teile in der Neumondnacht mit seinem sechzehnten
„unwandelbaren" (dhruva) Teile nur noch als Präria in allem
Lebenden fort. — Physiologisch wird dieser Gedanke erläutert
Chänd. 6,7: der Mensch besteht aus sechzehn Teilen, von denen
nach fünfzehn tägigem Fasten nur noch einer, der Präria, übrig
bleibt. — Eine Aufzählung dieser sechzehn Teile unternimmt
Pracna 6,3 — 4: „Dieser [Purusha] erwog: mit wessen Auszuge
werde ich selbst ausgezogen sein und mit wessen Bleiben
werde ich bleiben? Da schuf er den Präna", aus welchem,
wie das Folgende ausführt, die übrigen fünfzehn Teile ent-
springen. Hier ist, der spätem Abfassungszeit der Stelle ent-
sprechend, der Präna abhängig vom Purusha, d. i. dem Atman,
aber doch zugleich der empirische Vertreter desselben. — Als
solcher, als der empirisch gewordene (in Subjekt und Objekt
auseinandergetretene) JBhüman erscheint der Präna auch schon
in der schönen Schilderung, Chänd. 7,15: „Wie die Speichen
eingefügt sind in die Nabe, so ist in dieses Leben (präna)
alles eingefügt. Das Leben geht von statten durch das Leben
(den Odem), das Leben (der Odem) gibt das Leben, gibt
es zum Leben. Das Leben ist Vater und ist Mutter, das
Leben ist Bruder und Schwester, das Leben Lehrer und
Brahmane. Darum, wenn einer Vater oder Mutter oder Bruder
oder Schwester oder Lehrer oder Brahmanen hart anfährt, so
sagt man: Pfui, über dir; du bist ein Vatermörder, Mutter-
mörder, Brudermörder, Schwestermörder, Lehrermörder, Brah-
manenmörder! Wenn er aber eben dieselben, nachdem das
Leben entflohen ist, mit dem Spiefse zusammenstöfst [auf dem
Scheiterhaufen] und sie verbrennt mit Haut und Haar, so sagt
man nicht: du bist ein Vatermörder, Muttermörder, Bruder-
mörder, Schwestermörder, Lehrermörder, Brahmanenmörder;
denn das Leben nur ist alles dieses." — Der hier vor-
2. Brahman als Präna und Väyu. 95
kommende Vergleich des Präna mit der Kadnabe, in der alle
Speichen zusammenlaufen, findet sich wieder: 1) vom Präna
Pracna 2,6 in dem eingelegten, aus älterer Zeit stammenden,
an Väj. Samh. 34,5 wie auch mehrfach an Atharvav. 11,4
(oben I, i, S. 301—305) erinnernden Hymnus an den Präna;
2) vom Präna, der aber schon sekundär dem Prajnätman
gleichgesetzt wird, Kaush. 3,8 (dafür das Bild vom Prinzipal
und seinen Leuten, Kaush. 4,20); 3) vom Ätman Brih. 2,5,15,
vgl. 1,5,15, Mund. 2,2,6. Pracna 6,6; ausgedeutet, mit An-
lehnung an Sänkhyavorstellungen, Qvet. 1,4.
Die Superiorität des Präna über die andern Lebensorgane d« BaDg.
* • " streit der
(Auge, Ohr, Rede, Manas usw.) wird veranschaulicht durch Präna'a.
die Parabel vom Rangstreite der Organe, welche ein
beliebtes Thema der Upanishad's bildet. Um zu erproben,
wer von ihnen der wesentlichste ist, ziehen die Präna's (Auge,
Ohr, Rede usw.), einer nach dem andern aus dem Leibe
aus, welcher darum doch fortbesteht; aber indem der Präna
ausziehen will, werden sie inne, dafs sie alle ohne ihn nicht
bestehen können. Diese Erzählung, bekannt unter dem Namen
pränasamväda, findet sich Chänd. 5,1,6 — 12. Brih. 6,1,7 — 13.
Kaush. 2,14, vgl. 3,3. Ait. Ar. 2,1,4. Pracna 2,2—4. (Eine
weitere Rezension, nach Webers Angabe, steht Kaush. Ar. 9.
Über Brih. 1,5,21 vgl. weiter unten.) Die ursprünglichste Form
ist ohne Zweifel erhalten Chänd. 5,1,6 — 12. Die Lebensorgane
(aufser dem Präna werden nur Rede, Auge, Ohr und Manas
erwähnt) kommen, um den Vorrang streitend, zu Prajäpati.
Sein Ausspruch lautet: „Derjenige unter euch, nach dessen
Auszug sich der Leib am allerübelsten befindet, der hat unter
euch den Vorzug". Darauf ziehen der Reihe nach Rede, Auge,
Ohr und Manas aus, ohne dafs darum der Leib zu bestehen
aufhört. „Da wollte der Präna ausziehen, aber gleichwie ein
edles Rofs [wenn es sich losreifst] die Pflöcke der Fufsfesseln
mit herausreifst, also rifs er die andern Lebenshauche mit
heraus. Da kamen sie alle zu ihm und sprachen: „Ehrwürdiger,,
sei du es! Du hast den Vorrang über uns, nur ziehe nicht
aus!" Brih. 6,1,7—13 erzählt die Parabel fast mit denselben
Worten, nur dafs statt Prajäpati das Brahman eintritt, ein
sechstes Organ zugefügt und die Schilderung des Rosses weiter
96 ni. Symbolische Vorstellungen.
ausgeschmückt wird. Alle diese Abweichungen sprechen für
die Ursprünglichkeit der Chändogyaversion. Kaush. 3,3 bietet
nur eine Argumentation, welche die Erzählung in der an-
gegebenen Form voraussetzt. Kaush. 2,14 läfst alle Organe
zugleich ausziehen und dann einzeln zurückkehren. Bei der
Rückkehr des Präna wird der Leib neu belebt. Hier fehlt
für den gemeinsamen Auszug das Motiv. Ait. Ar. 2,1,4 bringt
die Frage, wer von den Präna's UJäham sei, zweimal zur Ent-
scheidung, durch Ilinfall des Leibes beim Auszuge, und durch
Wiederbelebung desselben beim Wiedereinzuge des Prana.
Hier macht beides, die Verdoppelung der Kraftprobe und die
Verwendung der Parabel zur Verherrlichung des Ukihatn,
einen sekundären Eindruck. Pra§na 2,2 — 4 läfst sofort den
über das Verhalten der andern ungehaltenen Prana sich zum
Auszuge anschicken, worauf Rede, Manas, Auge und Ohr mit
fortgerissen werden und den Prana bitten, zu bleiben. Dies
ist offenbar eine Verkürzung der ursprünglichen Erzählung;
neu ist nur die Ersetzung des Bildes von dem Rosse durch
das Bild von dem Bienenkönig. — Diese Verhältnisse sind
von Interesse, da sie für die Chronologie der betreffenden
Texte einen Anhalt geben.
Der Kampf Verwandt mit dieser Erzählung vom Rangstreite der
erund?as Organe ist eine andere vom Kampfe der Götter, d. h. der
Organe, gegen die Dämonen. Wir beschränken uns auf
eine Vergleichung der beiden Hauptversionen, Brih. 1,3 und
Chänd 1,2. (Andere Behandlungen desselben Themas sind
Talav. Up. Br. 1,60. 2,1—2. 2,3. 2,10—11.) Von diesen beiden
ist die ursprünglichere Form ohne Zweifel Brih. 1,3. Um die
Dämonen zu besiegen, beauftragen die Götter, d. h. die Organe,
Rede, Geruch, Auge, Ohr, Manas und Prana, einen aus ihrer
Mitte, den UdgltJta zu singen. Die Rede versucht es, wird
aber beim Singen von den Dämonen mit Übel erfüllt. Ebenso
der Reihe nach weiter der Geruch, das Auge, das Ohr, das
Manas. Zuletzt unternimmt es der Prana, und an ihm zer-
stieben die einstürmenden Dämonen, wie ein Erdklofs, wenn
er auf einen Stein trifft. Darauf führt der Prana die andern
über das Übel und den Tod hinaus, wobei die Rede zu Agni,
der Geruch zu Väyu, das Auge zu Aditya, das Ohr zu den
Dämonen.
2. Brahnian als Präna und Väyu. 97
Himmelsgegenden, das Manas zum Monde wird. Alle diese
Gottheiten gehen sodann, um der Nahrung teilhaft zu werden,
wieder als Rede, Geruch, Auge, Ohr und Manas in den Präna
ein. (Dieselbe Idee, adaptiert an die Vorstellung vom Purusha
als Urmenschen, Ait. 1,2.) An diese Legende schliefst sich
von Brih. 1,3,19 an eine Verherrlichung des Präna als Ayäsya
Aügirasa, als Briliaspati und BrahmanaspaM, als Säman und
auch als Udgitha. Vorher sang er den Udgitha, hier ist er
der Udgitha; es ist wohl klar, dafs hier eine Zusammenkittung
zweier, von verschiedenen Anschauungen ausgehender Texte
vorliegt. — Jetzt verstehen wir die wunderliche Version
unserer Erzählung Chänd. 1,2, wo die Götter in dem Kampfe
gegen de Dämonen die einzelnen Organe nicht dadurch ver-
wenden, dafs sie den Udgitha durch sie singen lassen,
sondern dadurch, dafs sie dieselben als Udgitha verehren.
Der Verfasser dieses Abschnittes fand die Kampflegende schon
(ähnlich wie sie in Brihadäranyaka noch vorliegt) gefolgt von
einer Verehrung des Präna als Udgitha ; beide von Haus aus
verschiedene und nur zufällig zusammenstehende Stücke
verschmolz er zu^ einem Ganzen, wodurch dann die Erzählung
ihren ursprünglichen Charakter ganz einbüfste, wie ich dies in
den Einleitungen zu meiner Übersetzung näher dargelegt habe.
Schon die zuletzt besprochene Legende deutete darauf Der Präna
hin, dafs der Präna ein nicht blofs psychisches, sondern zu- sehes
gleich auch kosmisches Prinzip, dafs er nicht nur der rmzip"
Lebenshauch im Menschen, sondern zugleich der die ganze
Natur durchwaltende Weltlebensodem ist. Dieser Übergang
ist ein sehr natürlicher. Bei den verschiedensten Völkern,
vom Purusha des Hymnus Rigv. 10,90 bis zum Riesen Ymir
der Edda, begegnen wir der Neigung, den Menschen als
Mikrokosmos und ebenso umgekehrt das Weltganze als Makran-
thropos aufzufassen. Dieser Gedanke beruht zunächst darauf,
dafs dasjenige, was sich in der ganzen Natur mit allen ihren
Erscheinungen ausspricht, seinen deutlichsten und vollkommen-
sten Ausdruck im Menschen findet. Aber auch im einzelnen
steht der menschliche Organismus in mannigfachen Beziehungen
zur Aufsenwelt. Mittels seiner verschiedenen Organe und
Funktionen streckt er sich gleichsam den umgebenden Natur-
Deussen, Geschichte der Philosophie. I, n. 7
98 III. Symbolische Vorstellungen.
erscheinungen entgegen und pafst sich ihnen an: die Er-
nährungsorgane entsprechen der Beschaffenheit der Nahrung,
die Atmungsorgane dem Luftraum; das Auge ist dem Licht
verwandt; der Bau der Füfse entspricht der Erde, auf der sie
wandeln sollen, in der Rundung des Hauptes scheint sich die
Himmelswölbung zu wiederholen (Plat. Tim. p. 44 D).
Auf Wahrnehmungen dieser Art mag es beruhen, dafs
schon im Purushaliede Rigv. 10,90,13 — 14 bei der Umwand-
lung des Urmenschen, in das Weltall sein Haupt zum Himmel,
sein Nabel zum Luftraum, seine Füfse zur Erde werden, dafs
sein Auge zur Sonne, sein Manas zum Monde, sein Mund
zu Indra und Agni (Feuer), seine Ohren zu den Himmels-
gegenden und sein Präna zum Winde werden (oben I, i,
S. 155 fg.). In dem Mafse, wie man dann weiterhin, wie vorher
ausgeführt, im Präna das Zentralorgan des Lebens erkannte,
mufste sein kosmisches Analogon, der Wind, zum Lebens-
prinzip der Natur werden, mochte man dasselbe nun als den
die ganze Welt durchwaltenden Präna betrachten, wie in den
schon erwähnten Hymnen Atharvav. 11,4 (oben I, i, S. 301 —
305) und Pracna 2,5 — 13 (Upanishad's S. 562) oder Väyu und
Präna als kosmisches und psychisches Analogon gegenüber-
stellen, wie in den folgenden Stellen geschieht.
rröna und Brih. 1,5,21 — 23 erscheint die Erzählung vom Rangstreit
äyu' der Organe in einer neuen Form, sofern neben den psychi-
schen Organen, Rede, Auge, Ohr und Präna, auch ihre kos-
mischen Äquivalente, Feuer, Sonne, Mond und Väyu im Rang-
streite mit einander auftreten. Da von einem Auswandern aus
dem Leibe bei den letztern keine Rede sein konnte, so kommt
dieser Zug in Wegfall, und an seine Stelle tritt bei den psy-
chischen Organen die Ermüdung, bei den kosmischen das zeit-
weilige Zur-Rast-Gehen; nur Präna und Väyu werden nicht
müde, daher die übrigen in ihnen Zuflucht finden, und es zum
Schlufs heifst, dafs die Sonne aus dem (kosmischen) Präna
aufgehe und in ihm untergehe. — Auf einer ähnlichen An-
schauung beruht es, wenn Brih. 3,3,2 der Wind gepriesen
wird: „darum ist der Wind die Besonderheit (vyashti) und
der Wind die Allgemeinheit (saMiashti)". — In einer andern
Version derselben Erzählung, Brih. 3,7 (vgl. die Einleitung
2. Brahman als Präna und Väyu. 99
dort) wird der Wind (kosmisch und psychisch) als der alle
Wesen zusammenhaltende Weltfaden (sütram) gefeiert: ,, durch
den Wind, o Gautama, als Faden werden diese Welt und die
andre Welt und alle Wesen zusammengebüschelt. Darum
nämlich, o Gautama, sagt man von einem Menschen, der ge-
storben ist, «seine Glieder haben sich aufgelöst»; denn durch
den Wind, o Gautama, als Faden werden sie zusammen-
gebüschelt" (Brih. 3,7,2). Wie der Präna die Dinge von
aufsen zusammenhält, so regiert dieselben von innen, wie das
Brih. 3,7,3 — 23 Folgende entwickelt, der Antaryämin (innere
Lenker), d. h. der Atman. Die Zusammenfassung von Präna
und Antaryämin gehört schon zu den Versuchen, von der
symbolischen zur eigentlichen Vorstellungsweise überzugehen,
von denen weiter unten zu reden sein wird.
Nachdem schon Ait. Br. 8,28 im brahmanah parimarah,
dem „Sterben [der Feinde] um die [vom König gesprochene]
Zauberformel herum", gezeigt worden war, wie die Natur-
erscheinungen, Blitz, Regen, Mond, Sonne und Feuer, im
Winde erlöschen und aus ihm wieder hervorgehen, so lehrt
Kaush. 2,12 — 13 den daivah parimarali „das [um den Präna]
Herumsterben der Götter": die kosmischen Gottheiten (Feuer,
Sonne, Mond, Blitz) und die entsprechenden psychischen Gott-
heiten (Rede, Auge, Ohr, Manas) sterben nicht, wenn ihr
Brahman (hier: ihre Erscheinung) aufhört; nur ihren Glanz
geben sie an andere Götter ab, während sie selbst mit ihrem
Präna eingehen, die kosmischen in den Väyu, die psychischen
in den Präna, welche im Grunde eins sind: „also gehen alle
diese Gottheiten ein in den Präna, ersterben in dem Präna;
aber sie gehen darum nicht verloren, sondern aus ihm erheben
sie sich wieder". Hier erscheint Väyu-Präna als das eigent-
liche Weltprinzip, während das „Brahman" nur sein Erscheinen
in den Naturphänomenen zu bedeuten, somit noch dem Präna
untergeordnet zu werden scheint.
Das Eingehen aller Naturgötter in den Väyu und aller
Sinnengötter in den mit ihm identischen Präna ist auch das
Thema einer Betrachtung, welche mehrfach, am besten und
wohl auch am ursprünglichsten Qatap. Br. 10,3,3,5 — 8, sich
findet. Dort wird gefragt nach „dem Feuer, welches dieses
7*
100 HI. Symbolische Vorstellungen.
Weltall ist", und die Antwort lautet: „Wahrlich, der Präna
(Odem, Leben) ist dieses Feuer. Denn wenn der Mensch ein-
schläft, so geht in den Präna ein die Bede, in den Präna das
Auge, in den Präna das Manas, in den Präna das Ohr; und
wenn er erwacht, so werden sie aus dem Präna wieder ge-
boren. So in bezug auf das Selbst. — Nun in bezug auf die
Gottheiten. Wahrlich, was diese Rede hier ist, das ist Agni,
und dieses Auge hier ist jener Äditya, und dieses Manas ist jener
Mond, und dieses Ohr sind die Himmelsgegenden. Aber was
dieser Präna (Odem) ist, das ist jener Väyu (Wind), der dort
läuternd weht. Wenn nun das Feuer (Agni) ausgeht, so ver-
weht es in den Wind; darum sagt man, er hat es ausgeweht,
denn in den Wind verweht es; und wenn die Sonne (Äditya)
untergeht, so geht sie ein in den Wind, und so in den Wind der
Mond, und in dem Winde sind die Himmelsgegenden gegründet.
Und aus dem Winde werden sie wieder geboren. Wer nun,
solches wissend, aus dieser Welt abscheidet, der geht mit seiner
Rede ein in das Feuer, mit seinem Auge in die Sonne, mit seinem
Manas in den Mond, mit seinem Ohre in die Himmelsgegenden,
mit seinem Präna in den Väyu; denn aus ihnen ist er ent-
standen, und von diesen Gottheiten, welche immer er hebt, zu der
geworden kommt er zur Ruhe". — Diese Betrachtung wurde
weiterhin verbunden mit der Legende von Qp.unaka und Abhipra-
tärin, welche beim Essen von einem Brahmanschüler angebet-
telt werden, der ihnen ein darauf bezügliches Rätsel aufgibt.
In dieser, wie es scheint, nicht mehr erhaltenen Form wurde
dann wieder das Stück die Vorlage von Talav. Up. Br. 3,1 — 2,
wo der Text in sekundärer Weise weiter ausgeschmückt und
erläutert wird, und von Chänd. 4,2 — 3, welche sich näher an
die ursprüngliche Form anzuschliefsen scheint, aber die ganze
Betrachtung nebst Legende durch eine zweite Legende einfafst,
indem (sehr wenig passend) die Betrachtung nebst der Er-
zählung vom bettelnden Brahmanschüler dem den Jänacruti
belehrenden Raikva in den Mund gelegt wird (Upanishad's
S. 117—120).
Auf Anschauungen wie den dargelegten beruht es, dafs
■wir in den Upanishad's öfter der Erklärung begegnen, das
Brahman, dessen Wesen man suchte, sei der Präna, der den
2 Brahman als Präna und Väyu. 101
menschlichen Leib wie das Weltganze durchwaltende Lebens-
hauch. So in der von Yäjnavalkya für unzulänglich befun-
denen Definition Brih. 4,1,3 präno vai brahma, oder Brih. 5,13,
wo uktham, yajus, säman und Jcshatram (d. h. wohl die vier
Veden als die Gesamtheit dessen, was ursprünglich mit brah-
man bezeichnet wurde) für den Präna erklärt werden. Andern
Stellen dieser Art, in denen der Präna als Prinzip anerkannt
und zugleich überschritten wird, wie z. B. Chänd. 4,10,5 präno
bralnna, l;am brahma, Jcham brahma, werden wir weiter unten
noch begegnen und wollen hier nur noch zwei Stellen er-
wähnen, in welchen zu einer solchen Überschreitung ein erster
Anfang gemacht zu werden scheint, Kaush. 2,1 und 2,2. Beide
Stellen erklären, die eine auf die Autorität des Kaushitaki,
die andere auf die des Paingya, den Präna für das Brahman.
Beide leiten daraus den Gedanken ab, dafs, wer sich als den
allerfüllenden Präna weifs, nicht um Speise zu bitten braucht
(na yäcei, ist seine „Upanishad") , da er in allen Wesen die
Nahrung geniefst. Bede, Auge, Ohr und Manas sind nach
der ersten Stelle die Diener des Präna; nach der zweiten sind
sie um ihn herumgelagert, die Rede um das Auge, dieses um
das Ohr, dieses um das Manas, dieses um den Präna; aber
auch von diesem heifst es: er ist herumgelagert (ärundhate).
Um was? wird nicht gesagt, aber man kann darin die erste
Andeutung der grofsen, Taitt. 2,2 ausgesprochenen Wahrheit
finden, dafs auch der prdnamäya ätman nicht Kern, sondern
immer noch erst Schale ist.
8. Andere Symbole des Brahman.
Aufser dem Präna erscheinen als die beiden wichtigsten Brahman
Symbole, unter denen man das Brahman verehren soll, das^"^^
Manas und der ATcdga. Die Hauptsteile dafür ist Chänd. 3,18:
„Das Manas soll man als das Brahman verehren; so in bezug
auf das Selbst. Nun in bezug auf die Gottheit: den Äkäga
(Äther, Raum) soll man als das Brahman [verehren]. Damit
ist beides gelehrt, das in bezug auf das Selbst und das in
bezug auf die Gottheit." Weiter wird auseinandergesetzt,
wie Brahman als Manas die psychischen Organe, Rede, Odem,
102 " III. Symbolische Vorstellungen.
Auge, Ohr, und entsprechend als Akäga die kosmischen Götter,
Feuer, Wind, Sonne und Himmelsgegenden als seine vier Füfse
hat. — Schon ohen I, i, S. 20ö begegneten wir dem vorüber-
gehenden Versuche, das Manas (den Willen) zum Weltprinzip
zu erheben, und wiesen I, i, S. 207 auf den Wert dieses Ge-
dankens hin. Leider wird er nicht weiter ausgebildet, sondern
das Manas als blofses Symbol des Brahman geduldet. So,
aufser in unsrer Stelle, Chänd. 7,3, wo das Manas als drittes
der dort aufgezählten Symbole vorkommt, über welches hinaus
es noch vieles Höhere gibt, und Brih. 4,1,6, wo die Upanishad
mano vai brahna dem Satyakäma (nicht in Einklang mit der
diesem erteilten Belehrung Chänd. 4,9,3) zugeschrieben und
Brahman als unzulänglich behandelt wird. — Neben dem Manas be-
au Akä<;a. zejcjine^e fce 0-|)eil angeführte Stelle als Symbol des Brahman
(denn nur symbolisch kann es gemeint sein, wenn zweierlei
neben einander für Brahman erklärt wird) den Akäc,a (Äther,
Raum, genau: den als materielles Element vorgestellten Raum),
ohne Zweifel wegen der Allgegenwart des Raumes, wie denn
eine von Qankara oft zitierte, aber noch nicht nachgewiesene
Stelle (System des Vedänta S. 33) von Brahman sagt, er sei
akägavat sarvagatag ca nityah „dem Räume gleich allgegen-
wärtig, ewig" und noch Newton den Raum als das sensorium
Gottes bezeichnete, während hundert Jahre später Kant den
Gott, dessen sensorium der Raum ist, als den Verstand (manas)
in unserm eignen Innern nachwies. In altern Upanishadtexten
wird öfter der Äkäga (Raum) für das Brahman erklärt, ohne
dafs noch das Bewufstsein vorhanden ist, dafs diese Vor-
stellung eine blofs symbolische sei. Chänd. 1,9,1 : „der Akaga
ist es, aus dem alle diese Wesen hervorgehen, und in welchen
sie wieder untergehen, der Äkäga ist älter als sie alle, der
Äkäga ist der letzte Ausgangspunkt". Mit Recht behauptet
Bädaräyana (Sütram 1,1,22: äliägas tal-Hügät), dafs hier unter
dem Äkäca das Brahman zu verstehen sei, „weil seine Merk-
male" vorkommen. So auch Brih. 5,1 (im Nachtragteile, der
viel Altes enthält): „Om! Die Weite ist Brahman, die Weite,
die uranfängliche, lufterfüllte Weite!" Und ebenso wohl
noch Chänd, 3,12,7 — 9: „Was nun dieses «Brahman» Genannte
ist, das ist dasselbe, was jener Raum aufserhalb des Menschen
3. Andere Symbole des Brahman. 103
ist; und was jener Raum aufserhalb des Menschen ist, das ist
dasselbe, was dieser Raum innerhalb des Menschen ist; und
was dieser Raum innerhalb des Menschen ist, das ist dasselbe,
was dieser Raum innerhalb des Herzens ist. Das ist das Volle,
Unwandelbare." Bald aber erwacht das Bewufstsein, dafs die
Vorstellung von Brahman als Akäca nur als eine sinnbildliche
geduldet werden könne. Dem Gärgya, welcher Brih. 2,1,5
(Kaush. 4,8) den Geist, der im Raum ist, für das Brahman
erklärt, wird erwidert (mit deutlicher Polemik gegen die Vor-
stellung der eben erwähnten Stelle Chänd. 3,12,9), derselbe
sei nur „das Volle, Unwandelbare"; Chänd. 4,10,5 wird spie-
lend Ixham (der Raum) mit kam (= änanda, Wonne) identifi-
ziert; Chänd. 3,18,1 wird, wie wir sahen, Akäca nur symbolisch
neben Manas für Brahman als Objekt der Verehrung zu-
gelassen; ebenso erscheint Chänd. 7,12 der Akäga als blofses
Symbol, über welches hinaus es Gröfseres gebe; und Chänd.
8,1,1, in charakteristischem Unterschiede gegen die oben
zitierte Stelle Chänd. 3,12,7 — 9, handelt es sich nicht mehr,
wie dort, darum, den Raum im Weltall, den Raum im Herzen
als Brahman anzuschauen, sondern um das, was in diesem
Räume (tasmin yad antar) ist. Darum können wir auch
nicht dem Bädaräyana beipflichten, wenn er meint (Sütram
1,3,41), dafs in dem Schülersegen Chänd. 8,14 unter dem Äkäga
das Brahman zu verstehen sei; vielmehr heifst es dort, viel-
leicht mit absichtlichem Widerspruche gegen eine solche Mei-
nung: „Der Akäga ist es [nur], welcher die Namen und Ge-
stalten auseinanderdehnt; was in diesen beiden ist (te yad
antarä), das ist das Brahman, das ist das Unsterbliche, das
ist der Atman". Nämlich zu Namen und Gestalten hat sich
nach Chänd. 6,3,3 das Brahman ausgebreitet. Am deutlichsten
aber erklärt sich gegen eine Vermengung von Akä^a und
Brahman Brih. 3,7,12: „der, im Äkä§a wohnend, vom Äkäca
verschieden ist, den der Akäca nicht kennt, dessen Leib der
Akäc,a ist, der den Akäca innerlich regiert, der ist deine Seele,
der innere Lenker, der unsterbliche". Vgl. auch Brih. 3,8,11.
4,4,17. 20. —
Schon in der den Upanishad's vorausgehenden Periode Aduya als
lernten wir eine Reihe von Versuchen kennen, das Weltprinzip Jmbo1'
104 HI. Symbolische Vorstellungen.
als in der Sonne (äclitya) verwirklicht anzuschauen, zugleich
aber über diese Vorstellung als eine blofs symbolische durch
Umdeutungen hinauszugelangen (oben I, i, S. 250 — 257). Diese
Bestrebungen finden ihre Fortsetzung in den Upanishad's.
Kaush. 2,7 wird eine Zeremonie gelehrt, welche durch Ver-
ehrung der aufgehenden, mittäglichen und untergehenden Sonne
von allen bei Tage und bei Nacht begangenen Sünden befreit.
Chänd. 3,19,1 fordert dazu auf, die Sonne als Brahman zu
verehren; und dafs diese Vorstellung eine blofs symbolische
ist, ergibt sich aus dem Folgenden, wo die Sonne nicht als
das schöpferische Urprinzip, sondern, mit Anlehnung an die
oben I, i, S. 253. 251 besprochenen Vorstellungen, als das Erst-
geborene der Schöpfung behandelt wird. An die ebendaselbst I, i,
S. 252 fg. erwähnten Versuche, diese Anschauungen des Brah-
man als Sonne umzudeuten und in dem natürlichen Lichte
nur ein Symbol des geistigen Lichtes zu sehen, reiht sich vor
allem der Abschnitt Chänd. 3,1 — 11, welcher es in grofsartiger
"Weise unternimmt, das Brahman als die Weltensonne, und die
natürliche Sonne als die Erscheinungsform dieses Brahman zu
schildern (vgl. des näheren die Einleitung dort). Als einen
weitern Versuch, über das Symbol hinaus zum Wesen durch-
zudringen, dürfen wir es betrachten, wenn in einer Reihe von
Der Pwusha Stellen nicht mehr die Sonne, sondern der Purusha (Mann,
und luge. Geist) in der Sonne, und entsprechend der Purusha im Auge
als Brahman geschildert wird. Chänd. 1,6 — 7 wird in einer
Umdeutung des Udgitha (den der Udgätar zu singen hatte,
oben I, i, S. 169) gesagt: wie über Ric und Säman der Udgitha
herrsche, so herrsche über die kosmischen Götter „der goldne
Mann (pumsha), welcher im Innern der Sonne gesehen wird
mit goldnem Bart und goldnem Haar, bis in die Nagelspitzen
ganz von Golde", und über die psychischen Götter „der Mann,
welcher im Innern des Auges gesehen wird"; jener herrsche
• über die Welten, welche von der Sonne jenseits liegen, und
über die Wünsche der Götter, dieser über die Welten, welche
vom Auge diesseits (also im Innern des Menschen) liegen, und
über die Wünsche der Menschen. — Nach Mahänär. 13 werden
die Ric's, Säman's und Yajus' (und somit das im Veda ver-
wirklichte Brahman) dem Sonnenkreis, der Flamme in ihm
3. Andere Symbole des Brahman. 105
und dem Purusha in dieser Flamme gleichgesetzt: „als diese
dreifache Wissenschaft erglüht er, der als goldner Purusha
dort in der Sonne ist", während die Identität dieses Purusha
mit dem im Menschen schon Taitt. 2,8 (und 3,10) ausgesprochen
worden war: „Er, der hier im Menschen wohnt, und jener
dort in der Sonne, die sind eins." Weiter entwickelt wird
dieser Gedanke Brih. 5,5, wo es unter anderm heifst: „Jener
Mann, welcher in der Sonnenscheibe ist, und dieser Mann,
welcher im rechten Auge ist, diese beiden fufsen auf einander.
Jener fufst durch die Strahlen in diesem, dieser durch die
Lebenshauche in jenem. Dieser, wenn er im Begriffe steht,
auszuziehen, erblickt jene Sonnenscheibe rein [von Strahlen];
ihm treten jene Strahlen nicht in den Weg." Daher fleht
Brih. 5,15 (und Iqä 16) der Sterbende die Sonne an: „zerteile
deine Strahlen, schliefs zusammen deine Herrlichkeit; — ja,
ich sehe sie, deine lieblichste Gestalt; und jener dort, der
Mann dort, ich bin es selbst". Auf einer ähnlichen An-
schauung beruht es, wenn Chänd. 4,11 — 13 die drei Opfer-
feuer in ihrer Belehrung des Upakosala sich für den Mann
in der Sonne, im Monde, im Blitze erklären; wozu der
Lehrer nachher berichtigend bemerkt (Chänd. 4,14,3): „sie
haben dir nur seine Welträume gesagt, ich aber will dir es
selber sagen; . . . der Mann, den man in dem Auge siehet
der ist der Atman — so sprach er, — der ist das Un-
sterbliche, das Furchtlose, der ist das Brahman". Sonne,
Mond und Blitz sind, wie er weiter zeigt, nur die obersten
Stationen des Götterweges, durch welche „der Mann, der
nicht ist wie ein Mensch" (purusha 'mänavali) die Seele
zur ewigen Vereinigung mit Brahman geleitet. — Wie eine
Kritik gerade dieser Vorstellungen sieht es aus, wenn Kaush. 4
(vgl. Brih. 2,1) Gärgya unter seinen sechzehn Definitionen
des Brahman den Mann in der Sonne, im Monde, im Blitze,
im rechten Auge vorbringt, und damit von Ajätagatru ab-
gewiesen wird.
Prdna, Manas, AMga und Aclüya sind die wichtigsten Andere
Symbole, unter denen eine Verehrung des Brahman anbefohlen %Ir*ahmane8
wird. Nach der Theorie sind freilich alle die Chänd. 7,1 — 15
aufgezählten und anerkannten Objekte der Verehrung, nämun,
10G HI. Symbolische Vorstellungen.
väc, manas, samJcälpa, cittum, dhyänam, vijnänatn, bälam, annam,
apas, tejas, ähäga, smara, ägä, prdna, als solche zu betrachten,
und auf gleicher Linie mit ihnen dürften die Brih. 4,1 als un-
vollkommen behandelten und doch auch nicht verworfenen
Vorstellungsweisen des Brahman als väc, präna, cakshus, gro-
tram, manas, hridayam, sowie Taitt. 3,1 annam, prdna, cakshus.
crotram, manas, stehen. — Als Symbole des Brahman gelten
auch noch die Körperwärme und das Ohrensausen, auf
Grund von Chänd. 3,13,7 — 8, wo es von dem Lichte, das jen-
seits des Himmels und "zugleich inwendig im Menschen ist,
d. h. von dem Brahman, heifst: ,, Seine Anschauung ist, dafs
man hier im Leibe, wenn man ihn anfühlt, eine Wärme spürt ;
seine Hörung ist, dafs, wenn man sich so die Ohren zuhält,
so hört man gleichsam ein Gesumme, so als wäre es ein
Sausen wie von einem Feuer, das brennet. Dieses soll man
verehren als seine Anschauung und seine Hörung." Wie der
Abschnitt, aus dem diese Stelle stammt, in eigentümlichem,
noch nicht aufgeklärtem Zusammenhange mit der Lehre vom
Atman Vaigvänara und dem an ihn sich anschliefsenden Pränä-
gnihotram (Chänd. 5,11 — 24) steht, so knüpft an die parallele
Lehre vom Agni Vaigvänara (Qatap. Br. 10,6,1) eine verwandte
Äufserung Brih. 5,9 an, welche das Ohrensausen und die
Verdauung (wie Chänd. 3,13,7 — 8 das Ohrensausen und die
Körperwärme auf das Brahmanfeuer im Menschen) auf das
VaiQvänarafeuer im Menschen zurückführt. Beides läuft im
Grunde auf dasselbe hinaus, da nach der Pränägnihotra-
lehre (von welcher weiter unten zu handeln sein wird) die
Verdauung ein Verzehren der Opferspeise durch das Feuer
des Präna ist, den wir oben als ein Symbol des Brahman
kennen lernten.
Zu den Symbolen, welche das übersinnliche Brahman für
die sinnliche Wahrnehmung repräsentieren, wird schliefslich
auch der heilige Laut Om gerechnet, welcher unter allen
Symbolen das wichtigste und folgenreichste geworden ist
und eng zusammenhängt mit der Praxis des Yoga, einer der
eigentümlichsten Erscheinungen des indischen Kulturlebens,
von welcher weiter unten im Zusammenhange zu handeln
sein wird.
i. Umdeutung der Symbole. 107
4. Versuche, die symbolischen Vorstellungen von Brahman umzudeuten.
Es ist ein grofses Wort, dafs man nicht den neuen Wein Festhalten
in alte Schläuche fassen solle. Aber diese Forderung ist (wie lieferten.
so viele andere Forderungen Jesu) zu hoch gegriffen, zu ex-
zentrisch, zu wenig den menschlichen Verhältnissen und ihren
Schwächen Rechnung tragend, als dafs sie mehr als annähe-
rungsweise erfüllt werden könnte. Denn es liegt in der Natur
der Sache, und wir wiesen schon oben darauf hin (I, i, S. 180),
dafs ein Fortschritt auf religiösem Gebiet sich nie rein voll-
ziehen kann, dafs vielmehr neben dem Besseren, Neuen immer
noch das Abgestorbene, Alte, weil es als ein Geheiligtes er-
scheint, beibehalten werden mufs. Wir werden später sehen,
wie sehr auch das Christentum genötigt war, seinen neuen
Wein in die alten Schläuche zu fassen. Etwas freier verfährt
die Philosophie. Aber äufsere Befreiung ist noch nicht innere
Befreiung; und auch bei dem Entwicklungsgang der Neuern
Philosophie von Cartesius bis Kant und darüber hinaus (dem
gröfsten aller Freiheitskriege, welchen die Menschheit je ge-
führt hat) werden wir nur zu oft an die Goethesche Zikade er-
innert, „die immer fliegt und fliegend springt, und gleich im
Gras ihr altes Liedchen singt".
Nicht anders war es in Indien. Jene symbolischen Vor- verschmei-
stellungen von Brahman als Präna, Akäc,a usw. hafteten zu Brahman
fest im Bewufstsein, als dafs man sie ohne weiteres hätte über1111
Bord werfen können. Daher eine Reihe von Versuchen, die
Symbole beizubehalten, indem man sie mit einer richtigeren
Vorstellung von Brahman verknüpfte. Typisch für dieses
Verfahren ist vor allem der Abschnitt Kaush. 3 — 4. Die grofse,
namentlich durch Yäjnavalkya vertretene und vielleicht auch
durch ihn zuerst erfafste Erkenntnis, dafs das Brahman, der
Ätman, vor allem zu suchen sei im Subjekte des Erkennens,
d. h. im Bewufstsein (prajnä), hatte, wie in den Sämaveda-
schulen (Chänd. 8,12,4. Kena 1 — 8), so auch in den Rigveda-
schulen Eingang gefunden, welche, nach Ait. Ar. 2,1 — 2.
Kaush. 2 zu schliefsen, besonders fest an der symbolischen
Vorstellung des Brahman als Präna hingen. Aber während
derselben bei den Aitareyin's die neue Erkenntnis des Brah-
108 HL Symbolische Vorstellungen.
man als prajnä (Bewufstsein) unvermittelt angeschlossen wird
(Ait. Up. 3 — Ait. Ar. 2,6), versucht die Kaush. Up. eine
Verschmelzung beider vermittelst der Gleichung: präna =
prajnä. In vortrefflicher Weise zeigt Kaush. 3, wie die Sinnes-
objekte von den Sinnesorganen, und diese wiederum von dem
Bewufstsein (prajnä, prajhätman) abhängig sind; aber wie ein
falscher Ton geht durch das Ganze hindurch die immer wieder
und wieder vorgebrachte Behauptung: „was aber der Präna
ist, das ist die Prajnä, und was die Prajnä ist, das ist der
Präna". Als einzigen Grund für diese verwegene Identifika-
tion finden wir ausgeführt (Kaush. 3,4): „denn beide wohnen
vereint im Körper und ziehen vereint aus ihm aus". — Einen
ähnlichen Versuch, den Präna und den Aleära, beide mit dem
Ananda, der Wonne, zu identifizieren, welche das Wesen des
Brahman ausmacht, finden wir Chänd. 4,10,5: „Brahman ist
Leben (präna), Brahman ist Freude (kam = ananda), Brah-
man ist Weite (Tiliam = äJcäga)", wozu die Feuer, die diese
Belehrung erteilen, erläuternd hinzufügen: „«Wahrlich, die
Weite, das ist die Freude, und die Freude, das ist die Weite».
Und sie legten ihm aus, wie da wäre Brahman das Leben
und der weite Raum." — Eine noch umfassendere Verschmel-
zung der Symbole mit der Wesenheit unternimmt der sehr
komplizierte Abschnitt Brih. 2,3. Hier werden „zwei Formen"
des Brahman unterschieden : das G estaltete (Sterbliche, Stehende^
Seiende) und das Ungestaltete (Unsterbliche, Gehende, Jen-
seitige). 1) Das gestaltete Brahman ist die materielle Natur
und der menschliche Leib; seine Essenz sind Sonne und Auge.
2) Das ungestaltete Brahman ist Väyu und Akäca, Präna und
der Raum im Menschen; seine Essenz ist der Purusha in Sonne
und Auge, So weit wären wir also im Symbolischen. Aber über-
schritten wird dasselbe jählings, wenn dann weiter der Purusha
mittels der berühmten Yäjnavalkyaformel ncti neti und mittels
der aus Brih. 2,1,20 entlehnten Upanishad saiyasya satyam dem
unerkennbaren überwesentlichen Brahman gleichgesetzt wird.
(Das Nähere in der Einleitung, Upanishad's S. 413.) — Auf
eine ähnliche Verschmelzung läuft es hinaus, wenn Brih. 3,7
der Väyu -Präna als der Weltfaden (sidram) und der Ätman
als der innere Lenker (antaryämin) in demselben Zusammen-
4. Umdeutung der Symbole. 109
hange behandelt, also doch wohl gleichgesetzt werden. — Be-
merkenswert, weil sich darin ein vollkommen deutliches Be-
wufstsein der symbolischen Vertretung des Brahman durch
Väyu ausspricht, ist das Gebet des Schülers, Taitt. 1,1 (und
1,12): „Verehrung dem Brahman! Verehrung dir, Väyu!
Denn du bist das sichtbare Brahman, dich will ich als
das sichtbare Brahman bekennen." — In spätem Texten ist
Präna gelegentlich ein Synonymon des Atman geworden, wie
Käth. 6,2, oder er wird von diesem abhängig gemacht, wie
Pragna 3,3, wo der Präna (vielleicht nach Bigv. 10,121,2.
Käth. 3,1, und vorbereitend für die „Spiegelung" zwischen
Seele und Organen bei den Sänkhya's) als das Abbild oder
der Schatten (chäyä) des Atman bezeichnet wird. — Dem
reaktionären Geiste der Maitr. Up. 6,1 — 8 war es vorbehalten,
Präna und Aditya zu rehabilitieren und ihre Identität sowie
die Art ihrer Verehrung in langgesponnenen Betrachtungen
zu verfolgen.
5. Anhang: Umdeutungen nnd Ersetzungen ritueller Bräuche.
Der Anschauung des Brahman unter Symbolen ist es ver-
wandt, wenn in den ältesten Teilen der Upanishad's gewisse,
allzufest im Bewufstsein haftende rituelle Vorstellungen und
Bräuche teils im Sinne der Brahmanlehre umgedeutet, teils
auch durch neue, dem Geiste der neuen Lehre mehr ent-
sprechende Zeremonien ersetzt werden. Wir wollen die
Haupterscheinungen nach beiden Seiten hin in der Kürze vor-
führen.
In dem Charakter des indischen Denkens, welches sich umdeutung
auf die höchsten Probleme richtete, ehe es auch nur entfernt vm°nie^
imstande war, dieselben wissenschaftlich zu behandeln, liegt
es begründet, dafs Indien mehr als irgend ein anderes Land
das Land der Symbole ist. Schon in den Brähmana's werden
die einzelnen rituellen Handlungen vielfach als Symbole be-
handelt, deren allegorische Deutung einen breiten Raum ein-
nimmt. Aber der eigentliche Tummelplatz dieser allegorischen
Auslegungen sind die Äranyaka's. Entsprechend ihrer vor-
wiegenden Bestimmung, dem Vänaprastha einen Ersatz für
die meist nicht mehr ausführbaren Opferhandlungen zu bieten,
1 10 HI. Symbolische Vorstellungen.
ergehen sie sich in mystischen Andeutungen derselben, welche
dann in den ältesten Texten der Upanishad's ihre Fortsetzung
finden. Hierbei sehen wir schon vielfach die Grundgedanken
der Atmanlehre in symbolischem Gewände auftreten, und man
könnte geneigt sein, in derartigen allegorischen Betrachtungen
den ersten Ursprung der Upanishadlehre zu sehen. Dafs dem
nicht so ist, dafs die Lehre vom Ätman als dem alleinigen
Wesen der Dinge sich ursprünglich nicht aus rituellen Vor-
stellungen entwickelt hat, sondern erst hinterher in dieselben
gekleidet wurde, haben wir oben (S. 17 fg.) aus der vielfach
noch in den Upanishad's lebendigen Erinnerung ersehen, dafs
es Könige, also Kshatriya's waren, von denen die Brahmanen
die wichtigsten Elemente der Atmanlehre zuerst überkommen
haben, welche sie dann in ihrer Weise sich zu eigen machten,
indem sie dieselben mit dem so völlig heterogenen Ritual-
wesen allegorisch verquickten. Diese Auffassung findet eine
unerwartete aber um so wertvollere Bestätigung in der Art,
wie die verschiedenen Vedaschulen zum Begriffe des Ätman
oder des Präna als seines Vorläufers gelangen. Es zeigt sich
nämlich, dafs dabei jeder Veda von der ihm eigentümlichen
Leistung, die Rigvedin's vom Uläham, die Sämavedin's vom
Udgitha, die Schule des weifsen Yajurveda vom AgvatnedJia,
ausgeht, um durch symbolische Deutung zum Begriff des Präna
oder Ätman zu gelangen; es ist aber nicht denkbar, dafs die
Atmanlehre auf so verschiedenen, parallel neben einander
laufenden Wegen ursprünglich entstanden sei, während
sich der Tatbestand vollkommen aus der Annahme erklärt, dafs
die Lehre vom Präna-Ätman anderswoher übernommen
und von jeder Schule, so gut es gehen wollte, mit den in ihr
herrschenden rituellen Vorstellungen verknüpft wurde. Wir
wollen dies durch einige Beispiele belegen.
Die Hauptfunktion der Priester des Rigveda ist die Re-
zitation des (Jastram (Preisliedes), welches aus den Hymnen
des Rigveda für den jedesmaligen Zweck ausgewählt wurde.
,,Das schönste, ruhmvollste, kraftvollste unter den Qastra's"
(Kaush. 2,6) aber ist das UJctham. Dieses wird von den
Aitareyin's unter mancherlei Allegorien dem Präna gleich-
gesetzt (Ait. Ar. 2,1 — 3), während die Kaushitakin's das
5. Umdeutungen und Substitutionen. 111
Uktham mit dem (in Ric, Yajus, Säman verwirklichten) Brah-
man identifizieren (Kaush. 2,6). — Wie die Rigvedapriester
das Uktham, so betrachten die Sämavedapriester als ihre
höchste Leistung das Singen des Udgitha, welcher dement-
sprechend Chänd. 1 mit der Silbe Om, mit dem Präna, mit
der Sonne, mit dem Purnsha in Sonne und Auge gleichgesetzt
wird, während Chänd. 2 das gesamte Säman, dessen Höhe-
punkt das Singen des Udgitha bildet, mit allerlei kosmischen
und psychischen Verhältnissen in Parallele stellt. In ganz
ähnlichen Allegorien bewegt sich in seinen ersten Teilen das
der Sämavedaschule der Talavakära's angehörige, die Kena-
Upanishad einschliefsende Upanishad-Brähmanam. — Eine
analoge Rolle spielt für die mit der Ausführung der heiligen
Handlungen betrauten Yajurvedapriester die Opferhandlung
selbst, und auch hier wieder ist es die höchste aller Opfer-
leistungen, das Rofsopfer (agvamedha), an welches Brih. 1,1 — 2
anknüpft, um in dem Rosse das Weltall zu sehen, in welches
Prajäpati sich umwandelt, um es dann wieder sich selbst als
Opfer darzubringen. Auch Taitt. Samh. 7,5,25 findet sich diese
allegorische Deutung des Opferrosses als Weltall, und Taitt.
Up. 1,5 wird in anderer Weise der Bann des Opferwesens
durchbrochen, indem zu den drei heiligen, auf Erde, Luftraum
und Himmel gedeuteten Opferrufen bhür, bhuvah, svar als
vierter mahas sich gesellt, welcher das Brahman bedeuten soll.
Von einer andern Seite des Kultus, von der Schichtung der
heiligen Feueraltäre scheinen, wie aus Käth. 1 und Maitr. 1,1
(vgl. 6,33) abzunehmen, die anderen Schulen des Yajurveda
bei ihren allegorischen Deutungen ausgegangen zu sein. Überall
aber sehen wir, wie die rituellen Vorstellungen nur das je
nach den Vedaschulen verschiedene Mittel sind, durch welches
ein allen gemeinsamer Gedanke in allegorischer Einkleidung
zum Ausdrucke gebracht werden soll.
Von andern allegorischen Umdeutungen wollen wir nur
noch die der Gäyatri erwähnen, des dem Range nach ersten
vedischen Versmafses, bestehend aus drei Füfsen (dreimal
w_w_^_^_), zu welchen noch ein vierter imaginärer kommt.
Jn dieser vierfüfsigen Form ist die Gäyatri ein Symbol des
gleichfalls vierfüfsigen Brahman. Von dieser Vierfüfsigkeit
112 HI. Symbolische Vorstellungen.
des Brahman und ihrem Zusammenhang mit den vier Seelen-
zuständen, Wachen, Traum, Tiefschlaf und Turiyam, wird noch
später zu handeln sein. In der Symbolisierung desselben
durch die Gäyatri gehen die beiden Haupttexte ganz ver-
schiedene Wege. Während nach Chänd. 3,12 die Vedarede und
alles Gewordene, die Erde, der Leib, das Herz und die Lebens-
organe, alle sechs nur den einen, sechsfachen Fufs der Gäyatri
ausmachen, und die drei übrigen Füfse (mit Berufung auf
Rigv. 10,90,3) unsterblich im Himmel sind und als Weltraum,
Leibesraum, Herzensraum symbolisiert werden, sind nach
Brih. 5,14 gerade umgekehrt drei Füfse der Gäyatri als Welten,
Veden und Lebenshauche verkörpert, während nur der vierte
(turiya) Fufs transzendent ist und symbolisch in Sonne, Auge,
Wahrheit, Kraft und Leben zur Anschauung kommt.
— In dieser Weise suchte man beim Aufkommen der
neuen Lehre die überlieferten rituellen Erbstücke zu halten,
indem man sie zu Symbolen der Ätmanlehre machte. Bald
aber ging man weiter und versuchte, die wichtigsten der über-
kommenen Opferbräuche dadurch zu beseitigen, dafs man
Ersetzung andere, auf die Ätmanlehre bezügliche Zeremonien an ihre
monien. Stelle • setzte. So werden Brih. 3,1 den vier Priestern (Hotar,
Adhvaryu, Udgätar, Brahman) die vier kosmischen und die
entsprechenden psychischen Erscheinungsformen des Atman
(als Feuer und Rede, Sonne und Auge, Wind und Odem,
Mond und Manas) substituiert, und an Stelle der üblichen Be-
lohnungen tritt die Einswerdung mit dem im Weltall ver-
wirklichten Atman. In ähnlicher Weise tritt Chänd. 4,16,2
an Stelle des Brahman sein Manas und an Stelle des Hotar,
Adhvaryu und Udgätar die in ihnen verkörperte Väc.
Ein anderer Versuch, über den Opferdienst hinauszuge-
langen, besteht darin, dafs man den Menschen selbst und sein
Leben als eine Opferhandlung auffafste. So treten Chänd. 3,16
an Stelle der drei Somakelterungen die drei Lebensalter des
Menschen, und in anderer Weise werden Chänd. 3,17 die Haupt-
akte des Somaopfers durch die Funktionen des Hungerns,
Essens, Zeugens usw. ersetzt. Ins Kleinliche wird dieser
Gedanke durch Deutung der verschiedenen Organe und Funk-
tionen auf die Requisite und Akte des Opfers verfolgt
5. Umdeutungen und Substitutionen. 113
Mahän. 64 und, noch weiter gehend, Pränägnihotra-Upani-
shad 3 — 4.
Übrigens bleibt es in vielen der aufgezählten Fälle zweifel-
haft, ob es sich dabei um eine blofse allegorische Umdeutung
des noch bestehenden Opferkultus oder um eine Beseiti-
gung desselben und Ersetzung durch physische und psychische
Verhältnisse handelt. Das Letztere ist entschieden der Fall
bei der letzten und wichtigsten Erscheinung, die wir hier
noch zu besprechen haben, bei der Ersetzung des Agnihotram
durch das Präna- Agnihotram.
Das Agnihotram, bestehend in einer zweimaligen Spende Bas Prdnd-
von gekochter Milch, welche jeden Morgen vor Sonnenaufgang
und jeden Abend nach Sonnenuntergang ins Feuer gegossen
und dadurch den Göttern und nebenbei allen Wesen dar-
gebracht wurde, sollte nach Gründung des Hausstandes das
ganze Leben hindurch (yävaj-jtvam) betrieben werden. Nach-
dem nun an die Stelle der Götter der Präna getreten war,
welcher in uns allen lebt, suchte man das Agnihotram oder
Feueropfer zu ersetzen durch ein Präna-agni-hotram, ein im
Feuer des Präna gespendetes Opfer. Als solches konnte einT
fach das fortwährende, zur Erhaltung des Lebens (präna) er-
forderliche Einatmen und Ausatmen betrachtet werden. Eine
erste' Spur dieser Vorstellung kann man in den Worten Brih.
1,5,23 finden: „darum soll man nur ein Gelübde befolgen:
man soll einatmen und ausatmen und wünschen: «Möge mich
nicht das Übel, der Tod packen!»" (Vgl. auch Ait. Ar. 3,2,6,8.)
Entwickelter und mit deutlicher Ablehnung des Agnihotra-
kultus findet sich dieses „innerliche Agnihotram" (äntaram
agnihotram, vgl. auch Kaush. Ar. 10) Kaush. Up. 2,5: „diese
beiden Opferungen [des Einatmens und Redens d. h. Aus-
atmens*] sind unendlich, unsterblich; denn man bringt sie das
ohne Unterlafs im Wachen wie im Schlafe. Hingegen die
andern Opferungen sind endlich, denn sie bestehen aus Werken.
Darum haben die alten Weisen [welche in den Upanishad's
auch bei neuen Gedanken so gern als Autorität angerufen
* Vgl. Pra^na 4,4: „Die beiden Opfergüsse des Ausatmens und Ein-
atmens".
Dbussen, Geschichte der Philosophie. I, n. 8
114 III. Symbolische Vorstellungen.
werden] das Agnihotram nicht geopfert". — Wie hier
das Atmen, so konnte auch die Ernährung des eigenen
Leibes als ein in dem (Brih. 5,9 dem Agni Yaicvänara gleich-
gesetzten) Verdauungsfeuer dargebrachtes Opfer aufgefafst
und an die Stelle des überlieferten Agnihotram gesetzt werden.
Auch hier findet sich die erste Spur des Gedankens Brih.
1,5,2: „denn alle Speise, die er [der solches weifsj verzehrt,
die reichet er [dem Atman und durch diesen] den Göttern
dar". Eine ausgeführte Darstellung dieser neuen Art von
Agnihotram findet sich zuerst Chänd. 5,19 — 24. Einer beson-
ders zubereiteten Opfermilch bedarf es nicht mehr: „was ihm
von Speise gerade zur Hand kommt, das ist zum Opfer taug-
lich" (Chänd. 5,19,1). Dieselbe wird in dem Ähavamya-Yeiiei
des Mundes geopfert, indem die fünf Spenden, aus denen
dieses dem Präna dargebrachte Opfer besteht, dem Einhauch,
Zwischenhauch, Aushauch, Allhauch, Aufhauch und mittelbar
durch diese den entsprechenden fünf Sinnesorganen, fünf
Naturgöttern und fünf Weltteilen zugute kommen. (Näheres
Upanishad's S. 146 fg.) In einer benachbarten Stelle wird
das vor und nach dem Essen übliche Mundausspülen als eine
Bekleidung des Präna mit Wasser aufgefafst (Chänd. 5,2,2,
vgl. Brih.» 6,1,14). Beide Momente, die Ernährung und die
Bekleidung des Präna, werden, mit deutlicher Berufung auf
Chänd. 5,24, zusammengefafst und mit entsprechenden Sprüchen
versehen Maitr. 6,9. Auch nach dieser Stelle scheint das ge-
wöhnliche Agnihotram durch das Pränägnihotram überflüssig
gemacht zu werden (atman eva yajati), während in dem Nach-
trage Maitr. 6,34 beide neben einander bestehen, indem das in
seine Rechte wieder eingesetzte Agnihotram als das „offenbar
gemachte" Pränägnihotram aufgefafst wird. Eine letzte Stufe
in dieser Entwicklung bezeichnet die Pränägnihotra-Up. 1 — 2,
welche, wie es scheint (vgl. die Einleitung dort), alle vorher
erwähnten Stellen voraussetzt, das gewöhnliche Agnihotram
für überflüssig erklärt und für das Pränägnihotram ein bis
ins Einzelne ausgeführtes Ritual vorschreibt.
\V. Das Brahman an sich. 1. Vorbemerkung. H5
IV. Das Brahman an sich.
1. Vorbemerkung.
Im spätem Vedänta wird das Brahman unter Zusammen- Brahman
tassung der drei ihm wesentlichen Bestimmungen als Sac- ananda.
cidänanda, d. h. als „Seiendes (sat), Geist (dt) und Wonne
(ananda)" bezeichnet. Dieser Name findet sich noch nicht in
den Upanishad's, mit Ausnahme der spätesten, und ist auch
bei Bädaräyana und Qankara noch nicht nachzuweisen. Wohl
aber können wir in den Upanishad's die Stufen verfolgen,
welche zu ihm geführt haben, sofern sich das Nachdenken über
Brahman, in dem Mafse wie es sich von symbolischen Vor-
stellungen freimacht, mehr und mehr um diese drei Begriffe
konzentriert, wie denn auch hier und da schon eine Zusammen-
fassung derselben versucht wird. So erklärt Yäjfiavalkya am Erste sPu-
Schlusse seiner grofsen Disputation mit neun Unterrednern, NameiuTin
indem er sich an sie alle wendet (Brih. 3,9,28): „Brahman ist deghYd'tm"
Wonne und Erkenntnis" (vijnänam änandam brahma); und im
folgenden Abschnitte (Brih. 4,1), wo derselbe Weise sechs
symbolische Vorstellungsformen auf ihren wahren Wert zurück-
führt, erscheinen als Bestimmungen der göttlichen Wesenheit
neben drei andern auch satyam, prajnä und ananda. Noch
mehr dem Charakter der später üblichen Formel nähert sich
Taitt. 2,1, wo es in einem an die Spitze der Entwicklung ge-
stellten Verszitate heifst:
Als Realität, Erkenntnis, unendlich (satyam, jnänam, anantam),
Wer so das Brahman kennt,
In der Höhle [des Herzens] verborgen und im höchsten Räume,
Der erlangt alle Wünsche
In Gemeinschaft mit Brahman, dem allweisen.
Da hier, zu Eingang der Änandavalli, eine Hinweisung auf
Brahman als ananda (Wonne) sehr am Platze sein würde,
während kein besonderer Anlafs war, das Brahman gerade
hier, wo sein Wohnen im Herzen besonders hervorgehoben
116 IV. Das Brahman an sich.
wird, als ananta (unendlich) zu bezeichnen, so haben wir (Up.
S. 225) die Vermutung aufgestellt, dafs anantam wohl ein ur-
alter, nachmals durch die Tradition geheiligter Fehler für
änandam sein möchte, entstanden daraus, dafs man die drei
Prädikate für Nominative hielt, als welcher änandam sehr un-
gewöhnlich- ist.' Ist dies annehmbar, so würden wir hier das
älteste Vorkommen der nachmaligen, berühmten Formel haben.
Abgeschwächt wird das Gewicht unserer Gründe allerdings
dadurch, dafs wir anscheinend ein Zitat vor uns haben, welches
als solches nicht so genau zu dem Inhalte^ des Folgenden zu
stimmen braucht; auch ist schwer zu verstehen, wie bei der
Allgemeinheit der Lesung anantam sich daneben eine Tradi-
tion des änandam (in Saccidänanda) erhalten haben sollte. —
Eine Zusammenfassung aller vier erwähnten Prädikate findet
sich in der schon ziemlich späten Upanishad Sarvopanishat-
sära, No. 21 (Up. S. 626), wo das Brahman als „real, Erkenntnis,
unendlich, Wonne" (satyam, jnänam, anantam, änandam orahma,
wofür Kodex cf{ mit deutlicher Bezugnahme auf Taitt. 2,1 und
Brih. 3,9,28 liest: satyam jnänam anantam braluna, vijnänam
änandam brahma) definiert wird. Es folgt weiter eine Er-
klärung dieser vier Begriffe, und dann heifst es: „Dasjenige,
dessen Merkmal diese vier Wesenheiten [seiend, Erkenntnis,
unendlich, Wonne] sind, und welches in Baum, Zeit und Kau-
salität (dega-Mla-nimitteshu) unwandelbar besteht, heifst der
[in tat tvam asi] durch das Wort «das» bezeichnete höchste
Erstes vor- Ätman oder das höchste Brahman". — So sehen wir die For-
von sacdd- mel Sac-cid-änanda entstehen, welche als solche (von Taitt. 2,1
abgesehen) zuerst erscheint Nrisinhottaratäp. 4. 6. 7 und Bäma-
pürvatäp. 92. Rämottaratäp. 2. 4. 5 (Upanishad's S. 787. 791.
793; 817. 820. 823. 826) und in der Folge unzähligemal ge-
braucht worden ist. Auch wir können dieselbe als Fachwerk
benutzen, um unter den Titeln: Brahman als sat, als cit und
als änanda, die wesentlichsten Vorstellungen der Upanishad's
zu sammeln. Hierauf wird in diesem Kapitel noch von der
widerspruchsvollen Natur des Brahman und von seiner Un-
erkennbarkeit zu handeln sein.
2. Brahman als das Seiende.
117
2. Brahman als das Seiende und das Nichtseiende (sat und asaif),
als die Realität nnd die Nichtrealität (satyam und asatyam).
Schon Rigv. 10,129,1 (oben I, i, 121) wird mit einem für B™h™*n
iene alte Zeit bewunderungswürdigen Grade philosophischer seiend noch
0 . ° ° r x nichtseiend.
Besonnenheit von dem Urzustände der Dinge, dem Urwesen,
also dem Brahman im spätem Sinne, gesagt, damals sei na
asacl, na u sad „nicht das Nichtseiende, noch auch das Seiende"
gewesen. Ersteijes nicht, weil ein Nichtseiendes niemals ist-
oder gewesen ist, letzteres nicht, weil die empirische Rea-
lität und mit ihr der nur aus ihr abstrahierte Begriff des
„Seienden" dem Urwesen abgesprochen werden mufs. Da
indes die Metaphysik alle ihre Begriffe und Bezeichnungen
der empirischen Realität, auf welche der Kreis unserer Vor-
stellungen beschränkt ist, zu entnehmen und nur ihren Be-
dürfnissen entsprechend umzuformen hat, so ist es natürlich,
dafs wir im weitern Verlaufe das Prinzip der Dinge, das
Brahman, bald als das (nichtempirisch) Seiende, bald als das
(empirisch) Nichtseiende bezeichnet sehen. Letzteres ge- Brahman
schah schon in zwei oben (I, i, S. 199. 202) vorgeführten Schöp-
fungsmythen; £atap. Br. 6,1,1,1: „Nichtseiend, fürwahr, war
diese Welt am Anfang. Da sagen sie : was war dieses Nicht-
seiende?" usw., und Taitt. Br. 2,2,9,1: „Diese Welt, für-
wahr, war zu Anfang gar nichts. Kein Himmel war, keine
Erde, kein Luftraum. Dieses nur nichtseiend Seiende tat
einen Wunsch: ich möge sein!" usw. Ebenso in einigen
Upanishadstellen; Chänd. 3,19,1: „Diese Welt war zu Anfang
nichtseiend; dieses [Nichtseiende] war das Seiende. Dasselbige
entstand. Da entwickelte sich ein Ei", usw.; und Taitt. 2,7,
wo der Vers zitiert wird:
Nichtseiend war dies zu Anfang;
Aus ihm entstand das Seiende.
Es schuf sich seihst wohl aus sich selbst,
Daher dies „wohlbeschaffen'.' heifst.
Wie dies zu verstehen, zeigt klärlich das Vorhergehende, wo
zunächst der Vers „nichtseiend ist der gleichsam nicht, wer
Brahman als nichtseiend weifs" zitiert und dann weiter ent-
wickelt wird, wie Brahman die Welt schafft und ihr als dem
als das
Nicht-
seiende.
118 IV. Das Brahman an sich.
Seienden, Realen gegenübersteht als das (empirisch) Nicht-
seiende, Nichtreale. „Nachdem er sie geschaffen, ging er in
dieselbe ein. Nachdem er in sie eingegangen, war er
Seiendes und Jenseitiges (sat und tyat),
Aussprechliches und Unaussprechliches,
Gegründetes und Grundloses,
Bewufstsein und Unbewufstsein,
Realität und Nichtrealität.
Als Realität ward er zu allem, was irgend vorhanden ist;
denn dieses nennen sie die Realität (tat satyam iti
äcakshate)." In ähnlicher Weise unterscheidet schon Brih.
2,3,1: „Fürwahr, es gibt zwei Formen des Brahman, nämlich:
das Gestaltete und das Ungestaltete,
das Sterbliche und das Unsterbliche,
das Stehende und das Gehende,
das Seiende und das Jenseitige (sat und tyam)".
Diese Stelle macht, trotz des kompilatorischen Charakters des
Kapitels, dessen Anfang sie bildet, einen altern Eindruck, und
vielleicht knüpft die Taittiriyastelle an dieselbe an und ent-
wickelt den Gedanken weiter, indem sie in klarer Weise der
Welt als dem Seienden, Aussprechlichen, Gegrün-
deten, Bewufsten, Realen gegenüberstellt das Brahman
als das Jenseitige, Unaussprechliche, Grundlose, Un-
bewufste, Nichtreale. Hiermit wird der Streit geschlichtet,
der damals die Gemüter bewegen mochte, ob die Welt aus
dem Seienden oder dem Nichtseienden entstanden sei, und in
welchen die (wohl ältere) Stelle Chänd. 6,2,1 einen Einblick
Brahman gewährt : „Seiend nur, o Teurer, war dieses am Anfang, eines
Seiende, nur und ohne zweites. Zwar sagen einige, nichtseiend sei
dieses am Anfang gewesen, eines nur und ohne zweites; aus
diesem Nichtseienden sei das Seiende geboren. Aber wie
könnte es wohl, o Teurer, also sein? Wie könnte aus dem
Nichtseienden das Seiende geboren werden? Seiend also viel-
mehr, o Teurer, war dieses am Anfang, eines nur und ohne
zweites." Entsprechend dieser Stellungnahme wird in der
folgenden Entwicklung Chänd. 6 das Brahman in der Regel
sat „das Seiende" oder satyam „die Realität" genannt.
2. Brahman als das Seiende. 119
Ähnlich wie sat wird auch das Wort satyam (Realität) in J™^*^
dieser doppelten Bedeutung gebraucht. Während dasselbe in
dem eben erwähnten Abschnitte Chänd. 6 das Brahman be-
deutet (so namentlich in der berühmten Formel: tat satyam, sa
ätmä, tat tvam asi) und in eben dieser Bedeutung auch Brih. 5,4
erscheint, so ist hingegen in derselben Upanishad Brih. 2,1,20
( = 2,3,6) satyam die empirische Realität, und Brahman ist
im Gegensatze zu derselben satyasya satyam, dasjenige, was satyasya
an dieser Realität das allein wahrhaft Reale ist : „Sein Geheim-
name (upanishad) ist odie Realität der Realität»; nämlich die
Lebensgeister (pränäh) sind die Realität, und er ist ihre Rea-
lität". Dieselben Worte kehren wieder Brih. 2,3,6; dafs sie
hier entlehnt sind (wie wir schon Up. S. 413 vermuteten), er-
gibt sich auch daraus, dafs die Erwähnung der empirischen
Realität als „die Lebensgeister" (pränäh) nur Brih. 2,1,20,
nicht Brih. 2,3,6 durch das Vorhergehende gerechtfertigt war.
— Ebenso wie in diesen Stellen, bedeutet satyam die empi-
rische Realität. Brih. 1,6,3: „Dasselbige ist das Unsterbliche,
verhüllt durch die Realität (amritam satyena channam); der amritam
Präna nämlich ist das Unsterbliche, Name und Gestalt sind channam.
die Realität; durch diese ist jener Präna verhüllt". Die Worte
amritam satyena channam scheinen eine jener altan, von ihrer
Erklärung begleiteten Geheimformeln zu sein, in denen wir
schon oben (S. 20) die älteste Gestalt der Upanishad's ver-
muteten. Da der Gegensatz von satya (wahr) gewöhnlich anrita
(unwahr) ist, so ist es wohl denkbar, dafs die Formel in an-
derer Überlieferung die Form anritam satyena channam an- anritam
° • ■ * . satyena
nahm. Diese würde das sonderbare Spiel erklären, welches channam.
Brih. 5,5,1 mit dem Worte satyam getrieben wird: „Dasselbige
besteht aus den drei Silben satyam; die eine Silbe ist sa, die
andre ist U, die dritte Silbe ist yam. Die erste und die letzte
Silbe sind die Wahrheit (satyam), in der Mitte ist die Un-
wahrheit (anritam); diese Unwahrheit ist an beiden Seiten
von der Wahrheit eingefafst (anritam ubhayatah satyena pari-
ijrihitam); dadurch wird sie zu einem wahrheitlichen Sein"
(durch Brahman erhält die Welt ihre Realität). In anderer
Weise werden Chänd. 8,3,5 die drei Silben sa als das Unsterb-
liche, ü als das Sterbliche und yam als der Zusammenschlufs
120 IV. Das Brahman an sich.
(yam, yacchati) beider gedeutet, und wieder anders wird
Kaush. 1,6 in dem Worte satyam die Silbe -tyam auf die
Götter und Lebenshauche (die äufsere und innere Natur) und
die Silbe sat- auf das von Göttern und Lebenshauchen ver-
schiedene (über sie erhabene) „Seiende" bezogen.
ü^ahman j^r die spätem Upanishad's hat die Streitfrage, ob Bran-
des und man das (nichtempirisch) Seiende oder das (empirisch) Nicht-
des erhaben, seiende sei, keine Bedeutung mehr. Das Brahman ist, wie
über alle Gegensätze, so auch über diesen erhaben; es ist
„nicht seiend noch nichtseiend" (Qvet. 4,18), es ist „höher als
was ist und nicht ist" (Mund. 2,2,1)., es befafst in sich die
empirische Realität, das Reich des Nichtwissens, und die ewige
Realität, das Reich des Wissens, Qvet. 5,1:
Zwei sind im ewig, endlos, höchsten Brahman
Latent enthalten, Wissen und Nichtwissen;
Vergänglich ist Nichtwissen, ewig Wissen, .
Doch der als Herr verhängt sie, ist der Andre.
3. Brahman als Bewufstsein, Denken (cit).
Irrtum des Der Begriff des Atman wies darauf hin, dafs man das
tellektua
liamus.
a" Prinzip der Dinge zunächst und vor allem zu suchen habe im
eignen Innern. Das Innere des Menschen ist aber nicht in
derselben Weise zugänglich wie sein Aufseres. Während die
äufsere Erscheinung als der Leib mit allen seinen Organen
und Funktionen deutlich vorliegt und sowohl nach der äufsern
Gestalt wie nach dem innern Zusammenspiel der Knochen und
Bänder, der Sehnen, Muskeln und Nerven der Betrachtung
allseitig offen steht, so ist die Erkenntnis unseres Innern eine
sehr beschränkte und einseitige. Wir können nicht den Leib,
wie wir ihn von aufsen anschauen, so in dem ganzen Bestände
seiner Organe und ihrer Funktionen von innen unmittelbar
fühlen. Vielmehr gleicht unser Inneres einem grofsen Hause
mit vielen Abteilungen, Gängen und Kammern, von welchem
nur ein Teil durch das im obern Stockwerke brennende Licht
erhellt wird, während alles übrige im Dunkeln bleibt, aber
darum nicht wfcniüer real und vorhanden ist. Beim ersten
3. Brahman als Bewufs-tsein. 121
Eintritt in ein solches Haus konnte leicht der Irrtum entstehen,
dafs das Licht den Mittelpunkt des Hauses bilde, dafs sich
dessen Räumlichkeiten nur so weit erstreckten, wie die Beleuch-
tung durch jenes Licht reichte, und dafs alles Übrige, da es'
nicht sichtbar war, für gar nicht vorhanden gehalten wurde.
Hierauf beruht es, dafs der philosophierende Menschengeist in
Indien-, Griechenland und der Neuzeit in merkwürdiger Über-
einstimmung einem Irrtume verfallen ist, den wir am kürzesten
durch das Wort Intellektualismus bezeichnen können, und wel-
cher darin besteht, zu glauben, dafs das innerste Wesen des
Menschen und der Welt, das Brahman, das Prinzip, die Gott-
heit, irgendwelche Ähnlichkeit oder Analogie oder Identität
haben könne mit dem, was wir als Bewufstsein, als Gedanke,
als Geist hier „hinter des Menschen alberner Stirn" vorfinden.
— Doch, wie man auch immer über den Wert dieser Vor-
stellung urteilen mag, jedenfalls wird die ganze philosophische
Entwicklung von Piaton und Aristoteles an bis auf die Gegen-
wart mit wenigen Ausnahmen beherrscht von dem Gedanken,
dafs das Wesen der Seele und, in Zusammenhang damit, das
Wesen Gottes als etwas dem menschlichen Denken Verwandtes
oder Analoges, als Vernunft, als Geist, als Intelligenz zu denken
sei. Und wie in der abendländischen Philosophie der Ursprung
dieses Gedankens sich bis zu Xenophanes (ouXo? 6pa, ouXos 5s
vost, cjXoc 5s t' dxcusi) und Parmenides (toutöv h\ ic~l vosiv
ts xcd oüvsxsv iaxt vpTjfxa) zurückverfolgen läfst, so ist es in
Indien Yäjfiavalkya, an dessen Namen sich, wenn nicht die
erste Urheberschaft, so doch die hauptsächlichste Vertretung
ebendesselben Gedankens knüpft; alle seine in der Brihadä-
ranyaka-Upanishad vorgetragenen Anschauungen konvergieren
in der Überzeugung, dafs das Brahman, der Ätman, das Sub-
jekt desErkennens in uns (und eben darum, wie wir später Der Atman
. n i i \ • a'B das Sub-
sehen werden, unerkennbar) sei. jekt des Er-
So wird -er Brih. 3,4 von Ushasta aufgefordert, „das im- nachYa-^a-
manente, nicht transzendente Brahman, welches als Seele allem va kya'
innerlich ist" zu erklären. Er weist als Antwort auf die
Seele hin, welche durch Einhauch, Aushauch, Zwischenhauch,
Aufhauch sich als Lebensprinzip in der Erfahrung betätigt.
Auf die Einwendung, dafs damit nur auf die Sache hingedeutet,
122 IV. Das Brahman an sich.
nicht aber eine Erklärung derselben gegeben sei, erwidert er:
,. Nicht sehen kannst du den Seher des Sehens, nicht hören
kannst du den Hörer des Hörens, nicht verstehen kannst du
den Versteher des Verstehens, nicht erkennen kannst du den
Erkenner des Erkennens. Er ist deine Seele, die allem inner-
lich ist." Und zur Bestätigung, dafs das von ihm hier ge-
kennzeichnete Subjekt des Erkennens nicht nur das Wesen
der Seele, sondern, in und mit ihr, das Wesen der Gottheit
ausmacht, fügt er hinzu: „Was von ihm verschieden, das ist
leidvoll".
Darum beschliefst er Brih. 3,8,11 seine Schilderung des
allmächtigen, den Raum und mit ihm die ganze Welt in sich
tragenden und durch walten den Wesens mit den Worten :
„Wahrlich, o Gärgi, dieses Unvergängliche ist sehend nicht
gesehen, hörend nicht gehört, verstehend nicht verstanden, er-
kennend nicht erkannt. Nicht gibt es aufser ihm ein Sehen-
des, nicht gibt es aufser ihm ein Hörendes, nicht gibt es
aufser ihm ein Verstehendes, nicht gibt es aufser ihm ein Er-
kennendes. — Fürwahr, in diesem Unvergänglichen ist der
Raum eingewoben und verwoben, o Gargi." (Er haftet, nach
Kant, dem Subjekt des Erkennens an.)
In seiner Belehrung der Alaitreyi, Brih. 2,4,11, vergleicht
Yäjnavalkya den Ätman mit dem Ozean. Wie dieser der
Einigungsort aller Gewässer ist, so ist der Atman als Auge
der Einigungsort aller Gestalten, als Ohr aller Töne, als
Nase aller Gerüche, usw. Für die Richtigkeit unserer Auf-
fassung dieser Stelle mag zunächst Brih. 1,4,7 sprechen: „als
atmend heilst er Atem, als redend Rede, als sehend Auge,
als hörend Ohr, als verstehend Verstand; alle diese sind nur
Namen für seine Wirkungen*'; — sowie Chand. 8,12,4: „Wenn
das Auge sich richtet auf den WTeltraum, so ist er der Geist
im Auge, das Auge [selbst] dient [nur] zum Sehen; und wer da
riechen will, das ist der Ätman, die Nase dient nur zum Ge-
rüche; und wer da reden will, das ist der Atman, die Stimme
dient nur zum Reden; und wer da hören will, das ist der
Atman, das Ohr dient nur zum Hören; und wer da verstehen
will, das ist der Ätman, der Verstand ist sein göttliches Auge;
mit diesem göttlichen Auge, dem Verstände, erschaut er jene
3. Brahman als Bewufstsein. 123
Genüsse und freut sich ihrer." Wenn man erwägt, dafs dieser
Gedanke sich hier an das Vorhergehende ziemlich unvermittelt
anschliefst und überhaupt im Gedankenkreise der Chändogya
vereinzelt dasteht, während er für Yajnavalkya den Mittel-
punkt all seines Denkens bildet, so wird wahrscheinlich, dafs
er von dort her entlehnt ist. Dasselbe dürfte gelten von der
ganzen Entwicklung, Kaush. 3, welche die Abhängigkeit der
Sinnpsobjekte von den Sinnesorganen und dieser wiederum
von dem (immer wieder aufs neue mit dem Präna für iden-
tisch erklärten) Prajnätman, dem „Bewufstseinselbst" im ein-
zelnen durchführt, wobei es Kaush. 3,4 in nahem Anklang an
obige Stelle heifst: „Als Auge werden in ihn alle Gestalten
hineingeschüttet, durch das Auge erlangt er alle Gestalten; als
Ohr werden in ihn alle Töne hineingeschüttet, durch das Ohr
erlangt er alle Töne" usw.
Am grofsartigsten entwickelt Yajnavalkya seine Theorie
von dem Ätman als dem in Wachen, Traum, Tiefschlaf, Tod,
Seelenwanderung und Erlösung unwandelbar beharrenden
Subjekte des Erkennens in dem unvergleichlichen Ab-
schnitte Brih. 4,3 — 4. Hier wirft der König Janaka zunächst
die Frage auf: „Was dient dem Menschen als Licht?" —
Yajnavalkya gibt eine ausweichende Antwort: die Sonne
dient ihm als Licht. — Aber wenn sie untergegangen? — Der
Mond. — Und wenn auch dieser untergegangen? — Das Feuer.
— Und wenn auch dieses erloschen? — Die Stimme. — Und
wenn auch diese verstummt ist? — „Dann dient er sich selbst
(ätman) als Licht." — „Was ist das für ein Selbst?" — „Es
ist unter den Lebensorganen der aus Erkenntnis be-
stehende, in dem Herzen innerlich leuchtende Geist."
Weiter wird geschildert, wie dieser Geist, derselbe bleibend,
im Wachen und Traume diese Welt, im Tiefschlaf und Tod
die Brahman weit durchwandert; wie er im Wachen das Gute
und Böse dieser Welt schaut, ohne davon berührt zu werden,
„denn diesem Geiste haftet nichts an" (das Subjekt des Er-
kennens steht allem Objektiven als ein Anderes gegenüber);
wie er im Traume sich selbst eine Welt aufbaut, „denn er ist
der Schöpfer"; wie er endlich im tiefen, traumlosen Schlafe,
von dem erkenntnisartigen Selbste, präjna ätman, d. h. dem
124 IV» Das Brahman an sich.
absoluten Subjekte des Erkennens, umschlungen, kein Bewufst-
sein von Objekten hat und doch nicht unbewufst ist: „wenn
er dann nicht sieht, so ist er doch sehend, obschon er nicht
sieht; denn für den Sehenden ist keine Unterbrechung des
Sehens, weil er unvergänglich ist; aber es ist kein zweites
aufser ihm, kein anderes, von ihm verschiedenes, das er sehen
könnte" (Brih. 4,2,23). Vgl. die verwandte Stelle, Brih. 2,1,17—20,
nach welcher beim Einschlafen alle Prana's (Auge, Ohr usw.)
in den Atman eingehen, und beim Erwachen, wie Funken aus
dem Feuer, alle Lebensgeister, Welten, Götter und Wesen
aus ihm wieder entspringen. — Weiter schildert die obige
Stelle Brih. 4,4,1 fg., wie beim Tode alle Lebenskräfte sich
um das Subjekt des Erkennens scharen, um mit ihm zu neuer
Verkörperung auszuziehen: „weil er eins geworden ist, darum
siehet er nicht, wie sie sagen" (in Wahrheit bleibt er stets
sehend); und wie endlich nach erlangter Erlösung der Leib
wie eine Schlangenhaut abgestreift wird, „aber das Körper-
lose, das Unsterbliche, das Leben ist lauter Brahman, ist lauter
Licht" (d. h. Subjekt des Erkennens). „Wahrlich", heifst es
zum Schlufs, „dieses grofse, ungeborne Selbst ist unter den
Lebensorganen jener aus Erkenntnis Bestehende." —
Ihren schärfsten Ausdruck findet diese, den Ideenkreis des
Yäjfiavalkya beherrschende, Identität des Brahman mit dem
Subjekte des Erkennens in einer (allerdings späteren) Modi-
fikation des (Brih. 2,4,12 in ursprünglicher Form erhaltenen)
Bildes vom Salzklumpen Brih. 4,5,13: „Mit diesem ist es wie
mit einem Salzklumpen, der kein [unterschiedliches] Inneres
oder Aufseres hat, sondern durch und durch ganz aus Ge-
schmack besteht; — also, fürwahr, hat auch dieser Atman'
kein [unterschiedliches] Inneres oder Aufseres, sondern besteht
durch und durch ganz aus Erkenntnis".
Der Atman Wie tief dieser Yäjnavalkyagedanke von Brahman als dem
als B^ken- Subjekte des Erkennens gewirkt hat, sehen wir daran, dafs er
nepät«nh ^e £anze folgende Entwicklung beherrscht, wie wir noch in
Texten (jer Kürze nachweisen wollen.
Zunächst ist hier zu erinnern an die Bezeichnung des
Brahman als „das Licht der Lichter" (jyotishdm jyotis, Biih.
4,4,16 und von dort übernommen Mund. 2,2,9. Bhag. G. 13,17);
3. Brahman als Bewufstsein. 125
dieser Ausdruck ist nichts anderes als eine Zusammenfassung
des oben entwickelten Gedankens, dafs der Atman, wenn
Sonne, Mond und Feuer nicht mehr leuchten, selbst sein Licht
ist. Hier findet auch der herrliche, dreimal bei verschiedenen
Schulen (Käth. 5,15. Qvet. 6,14. Mund. 2,2,10) vorkommende
Vers seine Erklärung:
Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond noch Sternenglanz,
Noch jene Blitze, geschweige irdisch Feuer.
Ihm, der allein glänzt, nachglänzt alles andre,
Die ganze Welt erglänzt von seinem Glänze.
Seine ursprüngliche Stellung ist in der Käthaka-Upanishad
(vgl. Up. S. 308. 289. 554), welche auch sonst mehrfach (vgl.
Käth. 4,3 — 5. 5,8) ihre Abhängigkeit von Brih. 4,3 — 4 be-
kundet. — Von Chänd. 8,12,4 war schon oben die Rede;
und wenn es in der berühmten Stelle Chänd. 8,3,4 und 8,12,3
(vgl. Maitr. 2,2. Brahma- Up. 1, S. 681) heifst, die Seele im
Tiefschlafe erhebe sich aus diesem Leibe, gehe ein in das
höchste Licht (param jyotis) und trete dadurch- hervor in
eigner Gestalt, so dürfte in der eigentümlichen Bezeichnung
des Brahman als param jyotis eine Rückerinnerung an den
Gedanken Yäjnavalkya's von dem Atman, welcher als Subjekt
des Erkennens sein eigenes Licht ist, liegen.
Naheliegend und auch in Indien althergebracht ist die Der ewige
Auffassung der göttlichen Welt als eines ewigen Lichtreiches Brahman.
im Gegensatz zu der Finsternis dieser Erde (vgl. die Brih.
1,3,28. Chänd. 3,17,6 zitierten Sprüche). Diese Vorstellung
verschmolz weiterhin mit dem philosophischen Gedanken, dafs
der Atman als Subjekt des Erkennens sein eignes Licht ist,
zu der oft vorkommenden Anschauung von dem ewigen
Tage des Brahman. So vielleicht schon Chänd. 3,11, wo
geschildert wird, wie die Sonne nach Ablauf von einunddreifsig
Weltperioden „nicht mehr aufgehen noch untergehen, sondern
nur und allein in der Mitte stehen bleiben" wird, wie aber
für den Wissenden dieser Zustand schon jetzt erreicht ist, so
dafs es für ihn ein für allemal Tag ist (sakrid-divä ha eva
asmai ohavati). Ferner Chänd. 8,4,2, wo Brahman einer Brücke
verglichen wird: „Darum, fürwahr, auch die Nacht, wenn sie
126 IV- Das Brahman an sich.
über diese Brücke gehet, wandelt sich in Tag, denn einmal
für immer licht (salcrid-vibhäta) ist diese Brahmanwelt" (die
im Herzen ist). Hierauf beruhen die folgenden Stellen ; Qvet.
4,18: „das Dunkel weicht, nun ist nicht Tag noch Nacht mehr";
— Maitr. 6,24: „indem man die Finsternis [des Nichtwissens]
durchbohrt, gelangt man zu dem nicht mit Finsternis Be-
hafteten; und wer so das mit ihr Behaftete durchbohrt hat,
der hat geschaut, einem schimmernden Funkenkreise ver-
gleichbar, das sonnenfarbige, krafterfüllte, finsternisjenseitige
Brahman, welches in jener Sonne, sowie im Monde, im Feuer,
im Blitze erglänzt"; — Nädabindu 17: die Meditation von
Om führt zuhöchst „zum ew'gen Tage des Brahman, aus dem
der Lichter Ursprung ist"; — Kanthacruti 2 (Up. S. 699):
„für ihn (den Sannyäsin) gibt es nicht Tag und Nacht;
darum ist auch von dem Rishi gesagt worden (Chänd. 3,11,3)
«denn es ist ein für allemal Tag»"; — Gaudapäda (zur
Mändükya) 3,35: im Yoga wird der Geist „ganz nur Er-
kenntnislicht, das ew'ge, schlaf- und traumlose, das ohne
Namen und Gestalt, mit eins < aufleuchtend (Chänd. 8,4,1),
allwissend, — ihm gilt keine Verehrung mehr!" — und ib.
4,81; „das s'chlummerlose, traumlose Ew'ge ist dann sich selber
Licht (Brih. 4,3,14. Käth. 5,15); für immer Licht (Chänd. 8,4,1)
ist dies Wesen, ist diese Wesenheit an sich".
Dafs der Atman das Subjekt des Erkennens in uns
und somit kein Objekt der Verehrung sei, wird auch in den
Eingangsversen der Kena-Upanishad eingeschärft. Hier wird,
im Anschlufs an einen, in zwei sehr abweichenden Formen
Brih. 4,4,18 und Kena 2 vorliegenden Vers, welcher fordert,
dafs man das Auge nur als Auge, das Ohr nur als Ohr usw.
erkennen (Brih. 4,4,18) und als blofse Werkzeuge dahinten
lassen solle (Kena 2, vgl. zur Erläuterung Chänd. 8,12,4.
Kaush. 3,8), weiter entwickelt, dafs Rede, Gedanke, Auge,
Ohr und Geruchsinn nicht dazu verhelfen, das Brahman wahr-
zunehmen, sondern selbst erst, als Objekte, von Brahman als
dem Subjekt wahrgenommen werden (Kena 2 — 8).
Gleich- Die Überzeugung, dafs der Atman das Subjekt des Er-
prajnd mit kennens sei, hat schliefslich auch in den Rigvedaschulen Ein-
gang gefunden, wiewohl dieselben den Atman vorwiegend als
3. Brahman als Bewufstsein. 127
den Präna oder Purusha (im Sinne von Rigv. 10,90) zu ver-
herrlichen pflegen. Hieran schliefst sich, Ait. 3, ziemlich un-
vermittelt, die Lehre, dafs der Ätman nicht dasjenige sei, womit
man sieht, hört, riecht, redet, schmeckt (das Sinnesorgan),
sondern nur und allein das Bewufstsein (prajnä): „Was
dieses Herz und Manas ist, das Überdenken, Ausdenken, Be-
denken, Erdenken, Verstand, Einsicht, Entschlufs, Absicht,
Verlangen, Leidenschaft, Erinnerung, Vorstellung, Kraft, Le-
ben, Liebe, Wille, — diese alle sind Namen des Bewufst-
seins". Alle Götter, alle Elemente, alle Wesen, „dieses alles
ist vom Bewufstsein gelenkt, im Bewufstsein gegründet; vom
Bewufstsein gelenkt ist diese Welt, das Bewufstsein ist ihr
Grund, das Bewufstsein ist Brahman".
Etwas anders verfährt die zweite der Rigvedaschulen,
Kaush. 3 und 4. Hier wird die hergebrachte Anschauung des
Brahman als Präna mit der neuen Erkenntnis des Brahman
als Prajnätman (Bewufstseinselbst) dadurch verschmolzen, dafs
in einer trefflichen Nachweisung der Abhängigkeit aller Sinnen-
dinge und Organe vom Bewufstsein immerfort die Behauptung-
wiederholt wird: „was der Präna ist, das ist die Prajnä, und
was die Prajnä ist, das ist der Präna". — Diese Gleichsetzung
so heterogener Begriffe scheint zu beweisen, dafs die Lehre
vom Brahman als Subjekt des Erkennens (prajnä) bei den
Kaushitakin's, und so wohl auch bei den Aitareyin's,. auf Ent-
lehnung beruht und mutmafslich aus dem Gedankenkreise des
Yäjfiavalkya herübergenommen ist.
In der spätem Philosophie hat diese Lehre sich zu der Der Ätman
verbreiteten Auffassung des Brahman oder Ätman als des al3 '
„Zuschauers" (säkshin) gestaltet, welche sich, vielleicht im An-
schlufs an Brih. 4,3,32 (salila), zuerst findet Qvet. 6,11 (sälcshin)
und Pragna 6,5 (paridrashiar); weitere Nachweisungen sind
im Upanishad-Index unter dem Worte „Zuschauer" gegeben.
4> Brahman als Wonne (änanda).
Es ist dem tieferen religiösen Bewufstsein wesentlich, das über den
irdische Leben nicht als Selbstzweck, sondern als blofses Mittel PemüT.i3'
anzusehen, durch welches wir unserer wahren Bestimmung
128 IV. Das Brahman an sich.
entgegenreifen sollen. Daher die drei grofsen Religionen der
Menschheit, Brahmanismus, Buddhismus und Christentum, wie
auch die das Christentum in seiner reinsten Gestalt vertretende
Philosophie Schopenhauers, übereinstimmen in der Lehre, dafs
das höchste Ziel unserer Bestrebungen die Erlösung aus diesem
Dasein ist. Diese Anschauung setzt voraus, dafs das Erden-
dasein ein Zustand ist, aus dem wir einer Erlösung bedürfen,
und insofern eine Auffassung desselben, welche man kurz und
gut als den Pessimismus bezeichnet hat, — wiewohl sich
neuerdings die Sensationsphilosophie dieses Wortes bemächtigt
und damit ein so frivoles Spiel getrieben hat, dafs man sich
fast scheut, dasselbe noch weiter zu gebrauchen. Berechtigt
ist die pessimistische Anschauung des Lebens nur insoweit,
als sie die Voraussetzung der Erlösungslehre ist, insoweit also,
als sie z. B. auch dem echten und ursprünglichen Christentum
eigen ist: 6 xcay-oc, okoQ iv tö Tcovqpw xstxai (1 Job.. 5,19).
B?he p^l'i- ^n diesem Sinne ist der Pessimismus auch die stillschweigende
mismus. Grundanschauung der Upanishadlehre ; und die später aus ihr
hervorgegangenen Systeme des Buddhismus und der Sänkhya-
philosophie, wie auch schon gewisse jüngere Upanishad's, ver-
weilen, wie später zu zeigen sein wird, mit Vorliebe bei diesem
Thema; denn die Leute hören es gern, wenn man ihnen von
ihren Leiden erzählt. Im Gegensatze zu ihnen begnügen sich
die älteren Upanishad's, in diskreter und sozusagen keuscher
Weise gelegentlich an die leidvolle und das Verlangen nach
Erlösung weckende Beschaffenheit des Daseins zu erinnern,
was nirgendwo besser und würdiger geschieht, als durch
die sinnschweren, eine Welt von Erfahrungen zusammen-
drängenden Worte (Brih. 3,4,2. 3,5,1. 3,7,23): ato 'nyad ärtam
„was von ihm verschieden, das ist leidvoll". — Im Gegensatze
zu allem von ihm Verschiedenen und daher Leidvollen wird
Das Brah- das Brahman an einer der Stellen, wo diese Formel vorkommt,
man leidlos.
bezeichnet als dasjenige, welches „den Hunger und den Durst,
das Wehe und den Wahn, das Alter und den Tod über-
schreitet" (Brih. 3,5,1), oder, nach andern Stellen, als „das
Selbst (ätman), das sündlose, frei vom Alter, frei vom Tode
und frei vom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst" (Chänd.
8,1,5. 8,7,1); — „sein Name ist «Hoch», denn hoch über
4. Brahman als Wonne. 129
allem Übel ist er" (Chänd. 1,6,7), usw. — Alle diese, häufig
wiederkehrenden, Schilderungen werden zusammengefafst in der
Bezeichnung des Brahman als änanda „die Wonne".
Dafs die Götter, im Gegensatze zu der leidenden Menschen- . Brahman
. . . . ist änanda.
weit, eine ungetrübte Seligkeit geniefsen, ist wohl eine allen
Völkern gemeinsame Anschauung. Im Gegensatze dazu gilt
in den Upanishad's die Wonne nicht als eine Eigenschaft, ein
Zustand des Brahman, sondern als dessen eigenstes Wesen;
das Brahman ist nicht änandin, Wonne besitzend, sondern
änanda, die Wonne selbst. Diese Identifikation von Brahman
und änanda wird vermittelt durch die Anschauung, dafs der
tiefe, traumlose Schlaf einerseits, durch die Aufhebung des
Gegensatzes von Subjekt und Objekt, die in ihm stattfindet,
eine vorübergehende Einswerdung mit Brahman, anderseits .
aber, wegen der Aufhebung aller Leiden in ihm , als eine
keiner Steigerung fähige Wonne bezeichnet wird. (Vgl. Piaton, Wonne des
Apol. p. 40 D, wo.Sokrates von der Nacht redet, sv fj ouxu scbiafes.
xaxsSap^Tsv, w?ts (jlt]5' ovap Ihuv, und meint, dafs auch der
König von Persien nicht viele Tage und Nächte hätte, die
dieser am Glück gleichkämen, und Shakespeare, Hamlet 3,1:
and by a sleep to say we end The heart-ache and the thousand
natural shocks Thai, flesh is heir to, — His a consummation
Devoutly to be wisJi'd.) Wir wollen jetzt nachweisen, wie in
diesen Vorstellungen die Auffassung des Brahman als Wonne
ursprünglich wurzelt. Auch hier nimmt die Führung das
Brihadäranyakam.
Brih. 2,1,19: „Aber wenn er im Tiefschlafe ist, wenn er
sich keines Dinges bewufst ist, dann sind da die Hitäh (die
Wohltätigen) genannten Adern , deren sich zweiundsiebzig-
tausend vom Herzen aus in dem Perikardium verbreiten; in
diese schlüpft er hinein und ruht in dem Perikardium; und
wie ein Jüngling oder ein grofser König oder ein grofser
Brahmane, ein Übermafs von Wonne (atighnim änandasya)
geniefsend, ruht, also ruht dann auch er". — Diese Stelle (wie
auch die Parallelstelle Kaush. 4,19) scheint zurückzugehen auf
die ausführliche Schilderung des Tiefschlafes Brih. 4,3,19 — 33,
welche noch nicht die Zahl der Adern bestimmt, in der Über-
bietung der Wonnen 4,3,33 den Schlüsse] zu dem atighnim
Dbussen, Geschichte der Philosophie. I,n. 9
130 IV. Das Brahman an sich.
änandasya bietet und im ganzen (von den Interpolationen ab-
gesehen) den Eindruck höchster Ursprünglichkeit macht. Hier
wird, nach Bezeichnung des Tiefschlafes als des Zustandes,
„wo er, eingeschlafen, keine Begierde mehr empfindet und kein
Traumbild schaut", und nach Erwähnung der Adern, der Über-
gang von dem Traumbewufstsein zu dem Tiefschlafbewufstsein
— von dem Bewufstsein, dieses und jenes zu sein, zu dem
Bewufstsein, alles zu sein (aham eva idam sarvo 'smi), wodurch
Subjekt und Objekt zusammenfallen — geschildert, und sodann
heilst es: „Das ist die Wesensform desselben, in der er über
das Verlangen erhaben, vom Übel frei und ohne Furcht ist.
Denn so wie einer, von einem geliebten Weibe umschlungen
[der ursprüngliche Sinn von änanda], kein Bewufstsein hat,
von dem was aufsen oder innen ist, so auch hat der Geist,
von dem erkenntnisartigen Selbste [präjüena ätmanä, d. i. dem
Brahman) umschlungen, kein Bewufstsein von dem was aufsen
oder innen ist. Das ist die Wesensform desselben, in der er
gestillten Verlangens, selbst sein Verlangen, ohne Verlangen
ist und von Kummer geschieden. Dann ist der Vater nicht
Vater und die Mutter nicht Mutter, die Welten sind nicht
Welten, die Götter nicht Götter, die Veden nicht Veden"
usw., alle Gegensätze haben aufgehört, „dann ist Unberührt-
heit vom Guten und Unberührtheit vom Bösen, dann hat er
überwunden alle Qualen seines Herzens". Dieser Zustand
wird dann weiter geschildert als der eines reinen Erkennens,
objektlosen Subjektseins (vgl. die v6tj<ji,s voVjffsoc) , und dann
heifst es: „Dieses ist sein höchstes Ziel, dieses ist sein höchstes
Glück, dieses ist seine höchste Welt, dieses ist seine höchste
Wonne ; durch ein kleines Teilchen nur dieser Wonne haben
ihr Leben die andern Kreaturen". Zur Erläuterung dieses
Satzes (und daher hier wohl ursprünglich und Taitt. 2,8 von
hier entlehnt und noch weiter getrieben) wird schliefslich
durch eine Steigerung durch sechs (Taitt. 2,8 zehn) Stufen
hindurch gezeigt, wie die höchste menschliche Wonne nur ein
Billionstel (Taitt. 2,8 ein Hunderttrillion stel) von einer Wonne
in der Brahmanwelt (Taitt. 2,8 von einer Wonne des Brahman)
ist; „und dieses ist die höchste Wonne, dieses ist die Brahman-
welt" (die im Herzen ist).
4. Brahman als Wonne. 131
In dieser Brihadäranyakastelle haben wir deutlich die Ent- Der Tief-
stehung der Lehre von Brahman als Wonne vor Augen. Die Grund der
ganze Stelle handelt vom Tiefschlafe und schildert denselben BrahmTn
einerseits als eine Einswerdung mit Brahman, anderseits als a
einen Zustand höchster, unüberbietbarer Wonne, bis dann in
den Schlufsworten : „dieses ist die höchste Wonne, dieses ist
die Brahmanwelt" die Identifikation von Brahman und Wonne
sich vollzieht. Denn dafs unter der „Brahmanwelt" nicht die
Welt des Brahman, sondern Brahman als Welt (nicht brahmano
lokali, sondern brahma eva lokah) zu verstehen ist, bemerkt
schon der Kommentator p. 81,5,5 und 915,7 mit Recht. Hier-
nach scheint die ganze Lehre von Brahman als Wonne auf
dieser Stelle, in welcher wir ihre Genesis beobachten können,
ursprünglich zu beruhen (dafs alle Götter änanda- ätmänah
seien, wie schon Qatap. Br. 10,3,5,13 gesagt wird, ist doch
noch etwas anderes), und die Betrachtung der übrigen, dies©
Lehre enthaltenden Stellen läfst als wohl möglich erscheinen,
dafs sie alle aus unserer Stelle, Brih. 4,3,19 — 33, geschöpft
haben. Von Brih. 2,1,19 (und Kaush. 4,19) war schon oben
die Rede. In der Chändogya-Upanishad kommt das Wort
änanda nicht vor; aber wenn es Chänd. 4,10,5 heifst: „Brahman
ist Leben (präna), Brahman ist Freude (Mm), Brahman ist
Weite (kham)", so steht hier kham für äkäga und Mm für
änanda, und die auf serliche Gleichsetzung der drei Begriffe
präna, änanda, äMga macht den Eindruck eines sekundären
Vermittlungsversuches. Auch Chänd. 7,23, wo die Lust (su-
kham, hier = änanda) 'dem Bhüman gleichgesetzt wird (yo
vai bliümä tat sukham), läfst durch die folgende Schilderung
des Bhüman als objektloses Subjekt des Erkennens eine Ab-
hängigkeit von dem Gedankenkreise des Yäjnavalkya vermuten.
— Die Kaushitaki-Upanishad feiert, wie oben besprochen,
Brahman als den mit der Prajfiä gleichgesetzten Präna und
gebraucht das Wort änanda dabei nur in der ursprünglichen
Bedeutung „Geschlechtslust". Um so auffallender ist es, dafs
Kaush. 3,8, nachdem es noch soeben hiefs, man solle nicht
nach änanda fragen, sondern nach dem änandasya vijnätar,
gleich darauf gesagt wird: „dieser Präna ist aber der Prajnat-
man, ist Wonne (änanda), ist nichtalternd, ist unsterblich".
9*
132 IV. Das Brahman an sich.
Hier ist die Entlehnung des "Wortes änanda aus einem andern
Gedankenkreise wohl unverkennbar.
Der dnanda- Die grofse Hauptstelle für Brahman als Wonne ist die
"*Taitt. a?"' Änandavalli, Taitt. 2 (Taitt. 3 ist nur eine Nachbildung), wo
der annamaya, pränamaya, manomaya und vijnänamaya Atman
als blofse Schalen abgelöst werden, um zum änandamaya Atman
als Kern durchzudringen. Von diesem aus "Wonne bestehenden
Atman heifst es sodann: „An ihm ist Liebes das Haupt,
Freude die rechte Seite, Freudigkeit die linke Seite, Wonne
der Rumpf, Brahman das Unterteil, das Fundament". Das
Brahman, welches hier als Fundament des wonneartigen
Selbstes bezeichnet wird, ist ursprünglich ein Nichtseiendes
(d. h. nur metaphysisch Seiendes) und schafft, wie weiter gesagt
wird, sich selbst aus sich selbst, daher es ein Wohlbeschaffenes
heifst. „Was dieses Wohlbeschaffene ist, fürwahr, das ist die
Essenz. Denn wenn einer diese Essenz empfängt, so wird er
wonnevoll. Denn wer könnte atmen, wer leben, wenn in dem
AMga [dem Leeren, daraus die Welt entstanden] nicht jene
Wonne wäre. Denn er ist es, der die Wonne schaffet.' Denn
wenn einer in jenem Unsichtbaren, Unrealen, Unaussprech-
lichen, Unergründlichen den Frieden, den Standort findet, als-
dann ist er zum Frieden gelangt." Weiter wird davor ge-
warnt, den Erkenntnisdrang zu weit zu treiben und in dem
wonneartigen Selbste noch einen Unterschied von Subjekt und
Objekt zu machen, wodurch man wieder dem Bereiche der
Furcht verfallen würde, und dann folgt Taitt. 2,8 mit dem
Titel : „Dieses ist die Betrachtung über die Wonne (änandasya
mimänsä)" dieselbe Potenzierung der Wonnen, die wir schon
aus Brih. 4,3,33 kennen, wo sie naturgemäfs als Erläuterung
des vorhergehenden Satzes steht, während sie Taitt. 2,8 unter
besonderm Titel und ohne solchen Anschlufs an das Vorher-
gehende auftritt. Dieser Umstand, sowie die Vermehrung der
Potenzierung von sechs Gliedern auf zehn und manche Einzel-
heiten machen es wahrscheinlich, dafs beide Texte nicht einer
gemeinsamen Quelle entstammen, sondern dafs Taitt. 2,8 direkt
auf Brih. 4,3,33 beruht. Ist dies annehmbar, so dürfte Taitt. 2
als polemisch gegen Brih. 4,3 — 4 gerichtet sich ergeben. Denn
der Ausdruck vijnänamaya Atman (PurusJia) bedeutet Brih. 4,3,7»
4. Brahman als Wonne. 133
4,4,22 (vgl. 2,1,16) das objektlose Erkenntnissubjekt und damit
das Höchste, während Taitt. 2,5 dieser vijnänamaya als das dem
Objekt gegenüberstehende Subjekt aufgefafst und gegen Brih. 4.3
zu einer blofsen Vorstufe des änandamaya herabgesetzt wird.
Alle spätem Stellen beruhen teils auf Brih. 4,3 (vgl. Mund, spätere
• ' \ o • • Stelleu
2,2,7. Mänd. 5 mit Gaudap. 1,3 — 4), teils auf Taitt. 2, wie
z. B. Mahänär. 63,16. Maitr. 6,13 6,23. 6,27. 7,3. Tejobindu 8
(änandam nandana-atitam) , Sarvop. 9 — 13 usw. Die Bezeich-
nung des annamaya usw. als „Hüllen" (TcogcCs) dürfte zuerst
in dem Verse Maitr. 6,27 vorkommen. Manche der Späteren
fassen dabei den änandamaya (der ursprünglichen Absicht ent-
sprechend) als innersten Kern auf; andere sehen in der poetischen
Schilderung desselben Taitt. 2,5 noch Vielheitliches (priyamy
moda,pramoda, änanda) und fassen ihn daher als fünfte Hülle auf,
in welcher als Kern das Taitt. 2,5 als „Fundament" bezeichnete
brahman stecke, worüber im spätem Vedänta eine grofse Streit-
frage bestand (vgl. darüber System des Vedänta S. 149 — 151),
5. Negative Natur and Unerkennbarkeit des Brahman an sich.
Wir haben gesehen, wie die Bezeichnungen des Brahman Negativer
als Sein, Denken und Wonne (sac- cid -änanda), welche im der^TaheTi
spätem Vedänta üblich sind, schon in den alten Upanishad's ge^g8enm"
ihre Wurzel haben, und wie sich ihre Aussagen über Brahman
unter diesen drei Begriffen befassen lassen. Aber hiermit ist
kein positiver Aufschlufs über die Natur des Brahman ge-
wonnen. Denn das Seiende, welches Brahman ist, darf nicht
als ein Seiendes verstanden werden, wie wir es durch die
Erfahrung kennen, und ist, wie wir sahen, im empirischen
Sinne vielmehr ein Nichtseiendes. Die Schilderungen des
Brahman als das erkennende Subjekt in uns sind in der Regel
von der Versicherung begleitet, dafs dieses erkennende Sub-
jekt, der „Erkenner des Erkennens", selbst ewig unerkennbar
bleibe, und besagen somit nur, dafs dem Brahman jedes objek-
tive Sein abzusprechen sei. Und auch die Wonne, welche
als Wesen des Brahman bezeichnet wird, ist nicht eine Wonne,
wie wir sie erkennen oder fühlen können, sondern nur eine
solche, wie sie im tiefen, traumlosen Schlafe herrscht, wenn
der Unterschied von Subjekt und Objekt und somit das
134 IV. Das Brahman an sich.
Bewufstsein aufgehört hat. Somit sind alle drei Bestimmungen
des Brahman als Sein, Denken und Wonne im Grunde nur
negativ: das Sein ist die Negation alles empirischen Seins,
das Denken die Negation alles objektiven Seins, die "Wonne
die Negation alles in erkennendes Subjekt und erkanntes Ob-
jekt auseinandergetretenen Seins; und somit ergibt sich als
schliefsliches Resultat und Hauptdogma der Upanishadlehre
Unerkenn- die völlige Unerkennb arkeit des Brahman nach seinem
carkeit des °
Brahman. eigentlichen, ansichseienden Wesen.
Diese Unerkennbarkeit des Brahman, des Ätman, wird
schon von den alten Upanishad's auf das nachdrücklichste
eingeschärft;- Yäjfiavalkya fafst seine Betrachtungen über den
Ätman nicht weniger als viermal (Brih. 4,2,4. 4,4,22. 4,5,15.
3,9,26, — ein fünftes Vorkommen Brih. 2,3,6 beruht auf Ent-
lehnung) in der berühmten Formel zusammen: „Er aber, der
Ätman, ist nicht so und ist nicht so (neu, neti). Er ist un-
greifbar, denn er wird nicht gegriffen;- unzerstörbar, denn er
wird nicht zerstört; unhaftbar, denn es haftet nichts an ihm;
er ist nicht gebunden, er wankt nicht, er leidet keinen Scha-
den"; — Brih. 4,4,25: „Fürwahr, dieses grofse, ungeborne
Selbst ist nicht alternd, nicht welkend, unsterblich, furchtlos,
ist das Brahman"; — Brih. 3,8,8: „Es ist das, o Gärgi, was
die Weisen das Unvergängliche (ahsharam) nennen; es ist
nicht grob und nicht fein, nicht kurz und nicht lang; nicht
rot [wie Feuer] und nicht anhaftend [wie Wasser] ; nicht
schattig und nicht finster; nicht Wind und nicht Äther [Raum];
nicht anklebend [wie Lack]; ohne Geschmack, ohne Geruch,
ohne Auge und ohne Ohr, ohne Rede, ohne Verstand, ohne
Lebenskraft und ohne Odem; ohne Mündung und ohne Mafs,
ohne Inneres und ohne Äufseres; nicht verzehret es irgend
was, nicht wird es verzehrt von irgend wem".
Auf diesen Stellen beruhen die Ausführungen der spätem
Upanishad's. So Käth. 2,18, wo es von dem „Seher" {vipagcit,
d. h. dem Subjekt des Erkennens) heifst:
Nicht wird geboren und nicht stirbt der Seher,
Stammt nicht von jemand, wird auch nicht zu jemand.
Von ewig her, bleibt ewig er der Alte (Brih 4,4,18),
Wird nicht getötet, wenn den Leib man tötet
5. Negative Natur und Unerkennbarkeit. 135
Ebenso Mund. 1,1,5: „Aber die höhere [Wissenschaft] ist die,
durch welche jenes Unvergängliche {aksharam, Brih. 3,8,8) er-
kannt wird; jenes, welches
Unsichtbar, ungreifbar, ohne Stammbaum, farblos,
Ohn' Aug' und Ohren, ohne Hand' und Füfse,
Ewig, durchdringend, überall, schwer erkennbar,
Jenes Unwandelbare,
Das als der Wesen Schofs die Weisen schauen."
Ferner (Käth. 3,15):
„Was unhörbar, unfühlbar, unsichtbar beharrt,
Unschmeckbar und unriechbar, unvergänglich ist,
Anfanglos, endlos, gröfser als Grofses, ewig bleibt,
Wer das erkennt, wird aus des Todes Rachen frei."
Und (Icä 8) :
„Er streckt sich ringshin, körperlos und sehnenlos,
Rein, lauter, unverwundbar, frei vom Übel.
Vorschauend, durch sich selbst nur, allumfassend,
Hat jedem nach der Art die Zwecke er
für ew'ge Zeiten vorgezeichnet."
Auf Brih. 3,5: „derjenige (Ätman), welcher den Hunger und
den Durst, das Wehe und den Wahn, das Alter und den Tod
überschreitet", scheint zu beruhen Chänd. 8,1,5 (= 8,7,1): „das
ist der Ätman, der sündlose, frei vom Alter, frei vom Tod
und frei vom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst", während
Chänd. 6,8 — 16 allerlei, das Denken beschäftigende, Natur-
erscheinungen bis zu ihrer unerkennbaren Wurzel zurück-
verfolgt werden, worauf es von dieser in dem berühmten,
neunmal wiederholten Refrain heilst: „Was jene Feinheit
(d. h. jenes Unerkennbare, animan) ist, ein Bestehen aus dem
ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die Seele, das
bist du (tat tvam asi), o Qvetaketu!"
Die Unerkennbarkeit des Brahman, welche dazu führte, Daller Bei-
ihm in den obigen Stellen alle empirischen Prädikate abzu- w|dfr8°re-
sprechen, kommt in poetischer Weise auch dadurch zum Aus- c^tfmmune
drucke, dafs dem Brahman die widersprechendsten und un- gen-
vereinbarsten empirischen Bestimmungen beigelegt werden, wie
folgende beiden Stellen zeigen.
136 IV. Das Brahman an sich.
Er sitzt und wandert doch fernhin,
Er liegt und schweift doch allerwärts,
Des Gottes Hin- und Herwogen,
Wer verstände es aufser mir? (Käth 2,21.)
Eins, — ohne Regung und doch schnell wie Denken, —
Hinfahrend, nicht von Göttern einzuholen, —
Stillstehend überholt er alle Läufer, —
Ihm wob schon die Urwasser ein der Windgott.
Rastend ist es und doch rastlos,
Ferne ist es und doch so nah!
In allem ist es inwendig,
Und doch aufserhalb allem da (Igä 4 — 5.)
Hier werden dem Brahman die Gegensätze der Nähe und
Ferne, der Ruhe und Bewegung in solcher Weise beigelegt,
dafs sie sich gegenseitig aufheben und nur dazu dienen, die
Unfafsbarkeit des Brahman durch alle empirischen Bestim-
mungen zu illustrieren.
Am schärfsten aber kommt die Unmöglichkeit, Brahman
zu erkennen, zum Ausdrucke in der schon oben erwähnten
neu, neta Formel des Yäjnavalkya: neti, neti, „es ist nicht so, es ist
nicht so" (na iti, na üi). Über den ursprünglichen Sinn der-
selben kann man zweifelhaft sein. Nach Hillebrandt (in einer
Rezension meiner Upanishadübersetzung, Deutsche Literatur-
zeitung 1897, S. 1929) soll na nicht die Negation, sondern
eine affirmative Partikel sein in dem Sinne „fürwahr", „es
ist". Oder man könnte die Formel konstruieren als 'na iti
na' iti, Brahman „ist nicht nicht", ist die Negation der Ne-
gation, „ein versagen des versagennes", das „nihteniht, daz e was
denne niht", wie Meister Eckhart (ed. Pfeiffer, S. 322. 539)
sich ausdrückt. Aber diese Auffassungen haben nicht nur den
Zusammenhang gegen sich, in welchem die Formel an den
vier Steilen, wo sie ursprünglich steht (Brih. 4,2,4. 4,4,22.
4,5,15. 3,9,26), zur Erläuterung von einer Häufung negativer
Prädikate begleitet wird (agrihyo, na hi grihyate usw.),
sondern auch alle uns bekannten indischen Erklärungen der
Formel. Eine solche wird schon gegeben Brih. 2,3,6: na hi
etasmäd — iti neti — anyat param asti „denn nicht gibt es
5. Negative Natur und Unerkennbarkeit. 137
aufser dieser [Bezeichnung], dafs es nicht so ist, eine andre",
oder (weniger gut) : „denn nicht gibt es aufser diesem [Brah-
man], — darum heilst es, es ist nicht so, ein andres darüber
hinaus". Hiernach steht na iti für na evam, wie schon Bäda-
räyana erklärt (Sütram 3,2,22): prahrüa-etävattvam hi prati.
sJiedhaii „denn sie [die Stelle] verneint das vorerwähnte
(Brih. 2,3,6) So-und-so sein", und Qafikara zu diesem Sütram
(indem er beide oben mitgeteilte Erklärungen gibt) bestätigt.
Ebenso schon vor ihm Gaudapäda (Mändükyakarikä 3,26):
Das Wort: „es ist nicht so, nicht so",
Absprechend alles Sagbare,
Kann, wie die Unerkennbarkeit
Zeigt, auf Ihn sich beziehen nur.
Wir wissen jetzt durch die kantische Philosophie, dafs Kant«
alle empirische Ordnung der Dinge den Gesetzen des Baumes, dogmananti-
der Zeit und der Kausalität (dega-Mla-nimitta, wie schon in ziPiert-
einer spätem Upanishad, Up. S. 626, und wohl ein dutzendmal
von Qankara gesagt wird, Syst. des Yed. S. 341) unterworfen
ist, und dafs das Ansichseiende, also indisch gesprochen das
Brahman, im Gegensatze zur empirischen Weltordnung, nicht,
wie sie, im Räume, sondern raumlos, nicht in der Zeit, son-
dern zeitlos, nicht dem Gesetze der Kausalität unterworfen,
sondern kausalitätlos ist. Dieser Satz müfste nicht die ewige,
für alle Zeiten und Völker gleichmäfsig gültige Wahrheit ent-
halten, wenn sich nicht Antizipationen desselben bei allen
Metaphysikern der Vergangenheit, und so auch schon in den
Upanishad's finden sollten. Wir wollen dieselben hier auf-
suchen und müssen nur noch im voraus bemerken, dafs jene
alten Zeiten vielfach noch nicht vermochten, den Begriff einer
raumiosen, zeitlosen, kausalitätlosen Existenz in seiner ab-
strakten Reinheit aufzustellen, sondern nur ein empirisches
Äquivalent desselben zu erfassen; unter dieser Voraussetzung
erscheint die Raumlosigkeit als ein " Entbundensein des
Brahman von den Gesetzen des Raumes, welcher jedem Dinge
Grenzen gibt und einen bestimmten Ort und keinen andern
anweist, während das Brahman als allgegenwärtig, alldurch-
138 rV. Das Brahman an sich.
dringend, unbegrenzt, unendlich grofs und unendlich klein
beschrieben wird; ebenso erscheint die Zeitlosigkeit des Brah-
man als Freiheit von den Bestimmungen der Zeit, als anfang-
lose und endlose Ewigkeit und wiederum als momentane, keine
Zeit füllende Dauer (als Blitz); und endlich stellt sich ebenso
die Kausalitätlosigkeit dar als Freiheit von allen Gesetzen
des Werdens, dessen allgemeine Eegel eben die Kausalität ist,
als Ursachlosigkeit, Durchsichselbstsein und unwandelbares
Beharren.
Brahman 1) Brahman als raumlos. Brih. 3,8,7 heifst es: „Was
3 'oberhalb des Himmels ist, o Gärgi, und was unterhalb der
Erde ist und was zwischen beiden, dem Himmel und der Erde,
ist, was sie das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige
nennen, das ist eingewoben und verwoben in dem Räume". —
„Aber worin ist denn der Raum eingewoben und verwoben?"
— Als Antwort folgt eine herrliche Schilderung des Brahman
als des Unvergänglichen (aJcsharam), und zum Schlufs heifst
es: „Fürwahr, in diesem Unvergänglichen ist der Raum ein-
gewoben und verwoben, o Gärgi". — Brih. 2,5,19: „Dieses
Brahman ist ohne Früheres und ohne Späteres, ohne Inneres
und ohne Aufseres; dieser Atman ist das Brahman, der all-
vernehmende (oder alldurchdringende, sarvänubhü)" — Brih.
4,2,4: „Die vordere (östliche) Himmelsgegend sind seine vor-
deren Organe, die rechtsseitige (südliche) Himmelsgegend sind
seine rechtsseitigen Organe, die hintere (westliche) Himmels-
gegend sind seine hinteren Organe, die linksseitige (nördliche)
Himmelsgegend, sind seine linksseitigen Organe, die Himmels-
gegend nach oben sind seine oberen Organe, die Himmels-
gegend nach unten sind seine unteren Organe, alle Himmels-
gegenden sind alle seine Organe". — Chänd. 7,25: „Sie aber
(die Unbeschränktheit, der ßltüman) ist unten und ist oben,
im Westen und im Osten, im Süden und im Norden; sie ist
diese ganze Welt. — Daraus folgt für das Ichbewufstsein
(ahanlcära): Ich (aham) bin unten und oben, im Westen und
im Osten, im Süden und im Norden; ich bin diese ganze
Welt. — Daraus folgt für die Seele (ätman): Die Seele ist
unten und oben, im Westen und im Osten, im Süden und im
Norden; die Seele ist diese ganze Welt." Vgl. Maitr. 6,17:
5. Negative Natur und Unerkeunbarkeit. 139
„Das Brahman, fürwahr, war diese Welt zu Anfang, der Eine,
Unendliche; unendlich nach Osten, unendlich nach Süden, un-
endlich im Westen, unendlich im Norden, und nach oben und
unten, unendlich nach allen Seiten. Für ihn gibt es keine
östliche oder sonst eine Himmelsgegend, kein in die Quere,
kein unten oder oben," — Chänd. 3,14,3: „Dieser ist meine
Seele (ätman) im innern Herzen, kleiner als ein Reiskorn oder
Gerstenkorn oder Senfkorn oder Hirsekorn oder eines Hirse-
kornes Kern; — dieser ist meine Seele im innern Herzen,
gröfser als die Erde, gröfser als der Luftraum, gröfser als der
Himmel, gröfser als diese Welten". — Auf Stellen wie diese
ist es zurückzuführen, wenn Brahman in einem Öfter vor-
kommenden Verse (Käth. 2,20. Qvet. 3,20. Mahän. 10,1) „des
Kleinen Kleinstes und des Grofsen Gröfstes" genannt wird,
und wenn ihm die Epitheta „allgegenwärtig" (sarvaga Qvet.
6,17. Mund. 3,2,5, sarvagata Qvet. 3,11. 21. Mund. 1,1,6) und
^alldurchdringend" (vibhu Kath. 2,22. 4,4, vyäpaka Kath. 6,8)
beigelegt werden. Auch seine Bezeichnung als „unteilbar"
(mshJcala Qvet. 6,19. Mund. 2,2,9, akala Qvet. 6,5. Pracna 6,5.
Maitr. 6,15) involviert, da alles Räumliche teilbar ist, die Raum-
losigkeit. Da ferner alles Räumliche, weil teilbar, eine Viel-
heit einschliefst, so kommt es einer Negation der Räumlich-
keit gleich, wenn dem Brahman Kaush. 3,8 (no dem nänä),
Brih. 4,4,19 und, in Erweiterung dieses Verses, Kath. 4,10 — 11
alle Vielheit abgesprochen wird
Was hier ist, das ist auch dorten,
Was dorten ist, das ist auch hier;
Von Tod in neuen Tod stürzt sich,
Wer hier Verschied'nes meint zu seh'n.
Im Geiste soll man dies merken:
Nicht ist hier Vielheit irgendwie,
Von Tod zu neuem Tod schreitet,
Wer hier Verschied'nes meint zu seh'n.
2) Brahman als zeitlos. Bestimmter noch als der Brahman
Raum, wird dem Brahman die Zeit abgesprochen; so schon in als zeitl0B-
einigen der angeführten Stellen. Ferner in seinen Bezeich-
nungen als „frei von Vergangnem und Künft'gem" (Kath, 2,14),
140 IV. Das Brahman an sich.
„Herr des Vergangnen und Künft'gen" (Brih. 4,4,15. Käth.
4,5. 12. 13), „Dreizeiterhaben" (Qvet. 6,5), zu dessen Füfsen
die Zeit dahinrollt, wie es in herrlicher Schilderung Brih.
4,4,16—17 heifst:
Zu dessen Füfsen hinrollend
In Jahr und Tagen geht die Zeit,
Den als der Lichter Licht Götter
Anbeten, als Unsterblichkeit.
In dem der Wesen fünffach Heer
Mitsamt dem Raum (Brih. 3,8) gegründet steh'n,
Den weifs als meine Seele ich,
Unsterblich den Unsterblichen.
Tiefer noch dringt Maitr. 6,15: „Fürwahr, es gibt zwei For-
men des Brahman, die Zeit und die Nichtzeit. Nämlich was
vor der Sonne da war, das ist die Nichtzeit, und was mit der
Sonne anfing, das ist die Zeit, ist das Teilbare." Vielleicht
ist dieser Anfang der Zeit zu einer bestimmten Zeit hier wie
bei Piaton (Tim. p. 37 D fg.) nur bildlich zu nehmen. — Wie
die Raumlosigkeit des Brahman nicht nur als unendliche
Gröfse, sondern daneben auch als unendliche Kleinheit (Chänd.
3,14,3 kleiner als ein Reiskorn usw., des Kleinen Kleinstes
Käth. 2,20, einer Ahle Spitze, den zehntausendsten Teil einer
Haarspitze grofs, Qvet. 5,8 — 9) bildlich vorgestellt wird, so er-
scheint seine Zeitlosigkeit einerseits als unendliche Dauer
(anädi, anantam Käth. 3,15. Qvet. 5,13, sanätana Käth. 5,6.
Kaivalya 8 usw.), anderseits als unendlich kleines Zeitteilchen,
wie es symbolisch durch die momentane Dauer des Blitzes
oder des Vorstellungsbildes im Bewufstsein repräsentiert wird.
So schon Väj. Samh. 32,2 (oben I, i, S. 292). Die Hauptstelle
ist Kena 29 — 30 : „Über selbiges ist diese Unterweisung. Was
an dem Blitze das ist, dafs es blitzt, und man ruft «ah!» und
schliefst die Augen, — dies, dafs man «ah!» ruft, [ist seine Unter-
weisung] in bezug auf die Gottheit. — Nun in bezug auf
das Selbst. Wenn etwas gleichsam eintritt in den Geist, dafs
man dadurch sich erinnert an etwas im Augenblick, dieses
Vorstellen [ist seine Unterweisung]." Andere Schilderungen
des Brahman als Blitz finden sich Brih. 2,3,6. 5,7,1. Mahän. 1,8;
5. Negative Natur und Unerkennbarkeit. 141
sie bezwecken sämtlich, die unendliche Kleinheit desselben in
der Zeit, d. h. in bildlicher Form seine Zeitlosigkeit hervor-
zuheben.
3) Brahman als kausalitätlos. Die Kausalität ist Brahman
nichts anderes als die allgemeine Regel, nach der alle Ver- t&tios.
änderungen in der Welt vor sich gehen. "Wo keine Verände-
rung ist, da ist auch keine Kausalität. Es kommt daher einer
Behauptung der Kausalitätlosigkeit des Brahman gleich, wenn
demselben schon in den ältesten Upanishadtexten, wiewohl sie
den Begriff der Kausalität in seiner Abstraktheit noch nicht
zu fassen vermögen, jede Veränderung abgesprochen wird.
So, wenn Brih. 3,8 Brahman als das „Unvergängliche" (aksha-
ram) gefeiert wird; und nur von diesem kann es, wie auch
Piaton lehrt, ein Wissen geben, während es von allem dem
Flusse des Werdens Unterworfenen nur eine 56£a, wie Piaton
sagt, nur ein Nichtwissen gibt, wie es Qvet. 5,1 heifst (Jcsha-
ram tu avidyä hi, amritam tu viäyä). Sehr bestimmt wird die
völlige Unwandelbarkeit (d. h. Kausalitätlosigkeit) des Brahman
ausgesprochen an Stellen wie Brih. 4,4,20:
Als Einheit soll man anschauen,
Unvergänglich, unwandelbar,
Ewig, nichtwerdend, nichtalternd,
Raumerhaben das grofse Selbst.
Dafs alles Werden die wahre Realität nicht berührt, lehrt
Chänd. 6,1,3: „an Worte sich klammernd ist die Umwandlung
(vikära), ein blofser Name", und Käth. 2,14 fragt nach dem
Brahman als demjenigen,
Was frei von Gutem und Bösem,
Frei von Gescheh'n und Nichtgescheh'n,
Frei von Vergangnem und Künft'gem, —
Was du als solches siehst, — sag' an!
Und von dem „Seher" (d. h. dem Brahman als Subjekt des
Erkenn ens) heifst es Käth. 2,18:
Nicht wird geboren und nicht stirbt der Seher,
Stammt nicht von jemand, wird auch nicht zu jemand;
Von ewig her bleibt ewig er der Alte,
Wird nicht getötet, wenn den Leib man tötet.
142 IV. Das Brahman an sich.
Eine scharfe Bekämpfung des Werdens enthält die von
indischen und europäischen Erklärern mifsverstandene Stelle
tcä 12—14:
In blinde Finsternis eingeht,
Wer ein Werden zu Nichts geglaubt,
In blindere wohl noch jener,
Der ein Werden zu Etwas glaubt.
Verschieden ist es von Werdung,
Von Nichtswerdung verschieden auch,
So haben von den Altmeistern
Die Lehre überkommen wir.
Wer Werden und Zunichtwerden
Beide [als nicht vorhanden] weifs,
Der überschreitet durch beides
Den Tod und hat Unsterblichkeit.
Dafs hier unter Sanibliüii und Asambliüti das Entstehen und
Vergehen (statt des konträren Gegensatzes steht der kontra-
diktorische) verstanden werden mufs (Upanishad's S. 527), be-
stätigt auch Gaudapäda, Mändükya-Kärikä 3,25:
Durch Bestreitung der Sambküti (Icä 12)
Wird ein Entstehen abgewehrt;
„Wer könnte ihn hervorbringen?"
Dies Wort (Brih. 3,9,28) zeigt ihn als ursachlos.
Ebendaselbst wird eingehend entwickelt (4,11 — 31), dafs die
Verhältnisse von Ursache und Wirkung (Mranam und Icäryamj,
Grund und Erfolg ( hctu und plialam), Wahrgenommenem und
Wahrnehmung an dem Seienden (Brahman) undenkbar sind.
Kesuitat. Als Resultat aller Untersuchungen des gegenwärtigen
Kapitels über das Brahman an sich ergibt sich, dafs dasselbe
seinem eigentlichen Wesen nach gänzlich unerkennbar ist und
bleibt. Weder als das (metaphysisch) Seiende (sat), noch als
das Subjekt des Erkennens in uns (dt), noch als die im Tief-
schlafe nach Aufhebung des Gegensatzes von Subjekt und
Objekt herrschende Wonne (änanda) ist das Brahman der
Erkenntnis zugänglich. Es läfst sich daher nicht anders cha-
rakterisieren als dadurch, dafs ihm alle empirischen Prädikate,
Bestimmungen und Verhältnisse abgesprochen werden: neu.
5. Negative Natur und Unerkennbarkeit. 143
neti, „es ist nicht so und ist nicht so". Insbesondere ist es,
wie wir gezeigt haben, frei von allen räumlichen, zeitlichen
und kausalen Bestimmungen, welche alles objektiv Gegebene
und somit die ganze empirische Realität beherrschen.
Dieses Resultat lag keimartig beschlossen schon in dem
ersten Satze, mit dem, wie wir oben (I, i, S. 103 — 127) sahen,
im-Rigveda die indische Philosophie beginnt: in dem Gedanken
von der Einheit des Wesens der Dinge. Denn diese Ein-
heit schliefst alle Vielheit aus und somit alles Nebeneinander-
sein im Räume, alles Nacheinandersein in der Zeit, alles Aufser-
einandersein als Ursache und Wirkung und alles Gegenüber-
stehen als Subjekt und Objekt.
Schon oben haben wir in einem andern Zusammenhange
(S. 72 fg.) die Stellen besprochen, welche die völlige Unerkenn-
barkeit des Brahman behaupten, und fügen ihnen hier nur
noch eine schöne Erzählung bei, welche Qankara (zu Brahma-
sütra 3,2,17 p. 808, S. 524 unserer Übersetzung) als Qruti, also
vermutlich aus einer verlorenen oder noch nicht nachgewiesenen
Upanishad, mitteilt:
Als Bähva von dem Vashkali befragt wurde, da erklärte
dieser ihm das Brahman dadurch, dafs er schwieg, wie die
Schrift erzählt: „Und er sprach: «Lehre mir, o Ehrwürdiger,
das Brahman». Jener aber schwieg stille. Als nun der andere
zum zweiten Male oder dritten Male fragte, da sprach er: «ich
lehre dir es ja, du aber verstehst es nicht; dieser Atman ist
stille»."
V. Das Brahman und die Welt.
1. Alleinige Realität des Brahman.
Das Brahman ist der Atman, „das Selbst", d. h. dasjenige am Es gibt
Menschen wie an allen Dingen der Welt, welches übrig bleibt, au?8eCrhdem
wenn wir alles von ihnen in Abzug bringen, was an ihnen Nicht- ^man.
selbst, ein Fremdes, ein Anderes ist. Nun gibt es aber in der
ganzen Welt, im Himmel wie auf Erden, nichts andres als den
Atman, „es ist kein Zweites aufser ihm, kein andres, von ihm
verschiedenes" (Brih. 4,3,23 — 30), „nicht ist hier Vielheit irgend-
144 V. Das Brahman und die Welt.
wie" (na ilia nänä asti Jcincana, Brih. 4,4,19. Käth. 4,10 — 11), und
folglich kann von einem aufser dem Ätman Bestehenden, von
einer Welt im eigentlichen Sinne keine Rede sein. Darum
ist alles erkannt dadurch, dafs man den Ätman erkannt hat:
„fürwahr, wer den Ätman gesehen, gehört, verstanden und
erkannt hat, von dem wird diese ganze Welt gewufst" (Brih.
2,4,5), so wie durch Ergreifung der Trommel, Muschel, Laute
alle Töne dieser Instrumente zugleich schon mit ergriffen sind
(Brih. 2,4,7 — 9). Die Belehrung über den Ätman ist jene
Unterweisung, nach welcher Chänd. 6,1,2 gefragt wird, „durch
welche [auch] das Ungehörte ein [schon] Gehörtes, das Un-
verstandene ein Verstandenes, das Unerkannte ein Erkanntes
wird"; der Ätman ist „dasjenige, mit dessen Erkenntnis diese
ganze Welt erkannt worden ist" (Mund. 1,1,3). Wie durch
einen Tonklumpen alles was aus Ton besteht, durch einen
kupfernen Knopf alles was aus Kupfer besteht, durch eine
Nagelschere alles was aus Eisen besteht, erkannt ist, „an
Worte sich klammernd ist die Umwandlung, ein blofser Name",
so ist mit der Erkenntnis des Ätman alles erkannt (Chänd.
6,1,3 — 5). Verschwunden ist das Feuersein des Feuers, das
Sonnesein der Sonne, das Mondsein des Mondes, das Blitzsein
des Blitzes, an Worte sich klammernd ist die Umwandlung,
ein blofser Name (Chänd. 6,4,1 — 4); dieses wufsten die Alt-
vordern, wenn sie sprachen: „Nunmehr kann keiner uns etwas
vorbringen, was wir nicht [schon] gehört, nicht [schon] ver-
standen, nicht [schon] erkannt hätten" (Chänd. 6,4,5). Darum
Alien an- ist für den Ätmanwisser das Unbekannte nur „gleichsam"
„gieichBa^" (iva) ein Unbekanntes (Chänd. 6,4,7); es gibt nur „gleich-
enden!" sam" eine Zweiheit (dvaitam iva, Brih. 2,4,14), „gleichsam" ein
Anderes (Brih. 4,3,31), „gleichsam" eine Vielheit (nänä iva
Brih. 4,4,19. Käth. 4,10 und 11), und es geschieht nur „gleich-
sam", dafs der Ätman ein Objekt denkt oder zu ihm sich hin-
bewegt (dhyäyati iva, leläyati iva, Brih. 4,3,7). Eigentlich
sollte ein solches „gleichsam" oder iva jeder Seite und jeder
Zeile angeheftet werden, in der die Upanishad's sich mit etwas
anderm als dem Ätman beschäftigen. Es ist aber sehr be-
greiflich, dafs dies nicht geschieht; und so wie ein Parmenides
und Piaton, ohne sich dadurch mit sich selbst in Widerspruch
1. Alleinige Kealität des Brahman. 145
zu setzen, die Welt, deren Realität sie leugnen, dann doch
auch wieder von dem empirischen, uns allen angebornen Stand-
punkte aus so betrachten, als wäre sie real, ebenso ist kein
Widerspruch darin zu finden, wenn die Upanishadlehrer ge-
legentlich von dem Standpunkte des Realismus, der A vidija zuiässigkeit
ö . ,, - , • , des Realis-
aus, auf welchem wir alle von Haus aus stehen, und in welchem mus unter
. . n 111 11 diesem Vor-
alles praktische Leben wurzelt, die Welt als real betrachten behalte,
und behandeln, solange dabei im Hintergrunde des Bewufst-
seins die Überzeugung von der alleinigen Realität des Atman
bestehen bleibt und von dort aus, wenn auch nur stillschwei-
gend, alle Gedanken beherrscht. Wohl aber tritt ein Wider-
spruch ein, wenn und in dem Mafse wie die uns allen durch
die Natur unseres Intellektes eingepflanzte realistische An-
schauung so sehr die Überhand gewinnt, dafs dadurch der
Grundgedanke des Vedänta von der alleinigen Realität des
Atman verdunkelt wird. Überall, wo dieses in den Upani- schiieis-
x liehe Ver-
shad's geschieht, ist der ursprüngliche Vedäntastandpunkt auf- dunkeiung
gegeben, und es macht sich ein andrer Standpunkt geltend, _ sprang-
der des späteren Sänkhyasystems, dessen erste Genesis wir dankens
eben in jener, nie ganz zu überwindenden, realistischen Ten- Realismus.
denz des denkenden Menschengeistes zu suchen haben, und
dessen Aufkeimen und allmähliches Erstarken auf dem Boden
der Upanishadlehre selbst wir in einem spätem Zusammen-
hange zu betrachten und zu verfolgen haben werden.
Zunächst sehen wir hiervon ab und halten mit der reinen Anordnung.
und ursprünglichen Upanishadlehre daran fest, dafs es der
Standpunkt der Avidyä ist, welchen wir betreten, indem wir
jetzt dazu übergehen, das Brahman in seinem Verhältnisse zur
Welt, und zwar 1) als kosmisches Prinzip, 2) als psychisches
Prinzip und 3) als persönlichen Gott (vjvara) zu betrachten.
2. Das Brahman als kosmisches Prinzip.
Das Verhältnis des Prinzips der Dinge zur erschaffenen Ein uniös-
Natur, populär gesprochen, Gottes zur Welt, ist ein Problem, wem.
welches nie völlig gelöst werden kann, weil eine Lösung durch
die Beschaffenheit unserer Erkenntniskräfte ausgeschlossen
wird. In dem Mafse wie wir es versuchen, jenes Verhältnis
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,u. 10
146 V' Das Brahman und die Welt.
zu erkennen, d. h. es in den Formen unseres Intellektes, Raum,
Zeit und Kausalität, aufzufassen, verfallen wir in eine unrich-
tige, oder, milder gesagt, bildliche Vorstellung von der Sache,
— und in dem Mafse wie wir uns über die blofs bildliche
Vorstellung zu erheben suchen, müssen wir auf ein Begreifen
verzichten. Vier Stufen lassen sich in der Erkenntnis jenes
vier stand- Problems unterscheiden, welche wir, zunächst im allgemeinen
und vorbehaltlich der besondern Anwendung auf Indien, als
Realismus, Theismus, Pantheismus und Idealismus
bezeichnen können.
Realismus. 1) Realismus. Die Materie besteht aufserhalb Gottes
und von Ewigkeit her. Gott sinkt zum blofsen Weltbildner
(5tj!ju.oupy6s) herab oder wird, sofern man die bildenden Kräfte
in die Materie selbst verlegt, ganz beseitigt, wie im Sänkhyam.
Theismus. 2) Theismus. Gott schafft aus nichts die Welt, welche
dann aber aufserhalb Gottes als real besteht. Dies ist der
Standpunkt des Alten Testamentes. Sobald man mit ihm
Ernst macht und das Verhältnis Gottes zur Welt zu begreifen
sucht, wird Gott, in dem Mafse wie dies geschieht, mehr und
mehr in die Welt hineingezogen, bis er völlig in ihr aufgeht
und verschwindet. Der Theismus schlägt in Pantheismus um,
welcher seine notwendige Konsequenz ist. Ein Beispiel bietet
die Neuere Philosophie. Nachdem Descartes versucht hatte,
den mittelalterlichen, auf das Alte Testament zurückgehenden,
Theismus logisch zu formulieren, sehen wir, wie unter den
Händen seiner Nachfolger, Geulincx und Malebranche, Gott
mehr und mehr in die Welt hineingleitet, bis er endlich völlig
mit ihr identifiziert wird. Dies geschieht im Pantheismus des
Spinoza. Es ist merkwürdig, dafs es ein Jude war, welcher die
definitive Zertrümmerung dieser, aus dem Judentum stammenden,
biblisch-mittelalterlichen Weltanschauung herbeiführen sollte.
Pantbeis- • 3) Pantheismus. Gott schafft die Welt, indem er sich
selbst in die Welt verwandelt. Sie ist der offenbar gewordene
Gott. Da sie real ist und dazu unendlich, so ist für Gott
kein Platz aufserhalb der Welt, sondern nur in derselben.
Die Worte Gott und Welt werden Synonyma, und der Gottes-
begriff wird nur beibehalten, um Anschlufs an die Tradition
zu gewinnen.
mus.
2. Brahman als kosmisches Prinzip. 147
4) Idealismus. Gott allein und nichts aufser ihm hat Idealismus.
Realität. Die Welt nach ihrer räumlichen Ausbreitung und
ihrem körperlichen Bestände ist in Wahrheit nicht real; sie
ist ein blofser Schein, wie man früher sagte, blofse Erschei-
nung, wie wir heute sagen. Diese Erscheinung ist nicht Gott,
wie dem Pantheismus, sondern das Widerspiel Gottes, ist eine
Abirrung von dem göttlichen Wesen. Nicht, als wäre Gott
jenseits der Welt zu suchen, denn er ist überhaupt nicht im
Räume, nicht als wäre er vor ihr da, denn er ist überhaupt
nicht in der Zeit, nicht als wäre er die Ursache der Welt,
denn das Gesetz der Kausalität hat hier jeden Anspruch ver-
loren. Vielmehr: — sofern die Welt für real gehalten wird,
ist Gott ohne Realität; dafs er real, ja, die einzige Realität
ist, werden wir nur inne, insoweit als es uns gelingt, diese
ganze Welt des Scheines theoretisch und praktisch von uns
abzuschütteln.
Alle diese Stufen sind in der Upanishadlehre vertreten, Vertretung
wodurch dieselbe eine sehr mannigfache, ins Idealistische, Pan- a stande-ser
theistische, Theistische schillernde Färbung erhält, ohne doch den upln°
eigentlich widersprechend zu werden: denn der Grundgedanke, Bhad'8,
der auf allen Stufen und sogar auf der untersten, der Materie
ein selbständiges Dasein vindizierenden, wenigstens noch als
Prinzip festgehalten wird, ist die Überzeugung von der allei-
nigen Realität des Atman, nur dafs neben derselben und trotz
derselben dem empirischen, nie ganz abstreif baren Bewufst-zu erklären
sein von der Realität der Welt mehr oder weniger weitgehende ''moaation*"
Konzessionen gemacht werden, wodurch dann die durch jene "lachen1"
idealistische Grundanschauung von der alleinigen Realität an^chä'uüng
des Ätman geleugnete Welt doch wieder bedingterweise re- pl°i8dcah8e eBe".
habilitiert wird, sei es dafs man sie p an theis tisch als Er- wuf8tseil1-
scheinung des allein realen Atman, oder theistisch als vom
Atman und aus ihm erschaffen, aber doch demselben als «ein
anderes gegenüberstehend, oder realistisch als dem Parusha
von jeher selbständig zur Seite stehende und doch noch in
gewissem Sinne von ihm abhängige Prakriti betrachtet. Über
die theistische und die das Sankhyam vorbereitende rea-
listische Auffassung, welche beide nur gelegentlich auf-
treten, wird in späterem Zusammenhange die Rede sein; hier
10*
mus.
148 V. Das Brahman und die Welt.
wollen wir zunächst an die idealistische Grundanschauung
anknüpfen, um zu zeigen, wie sie, durch Akkommodation an das
empirische, die Welt für real haltende Bewufstsein, in die
pantheistische Doktrin übergeht, welche in den Upani-
shad's die vorherrschende ist.
ideaii- Streng idealistisch und damit den eigentlichen Geist der
stieclio
Grundan- Upanishadlehre am reinsten zum Ausdrucke bringend sind die
* Stellen, welche erklären, dafs mit Erkenntnis des Atman alles
erkannt sei (Brih. 2,4,5. Chänd. 6,1,2. Mund. 1,1,3), und dem-
entsprechend eine vielheitliche Welt leugnen (na iha nana asti
Mncana, Brih. 4,4,19. Käth. 4,10 — 11). Aber mit diesem Ge-
danken war eine Höhe erstiegen, auf welcher sich auf die
Dauer nicht verweilen liefs ; daher auch derartige Stellen ver-
hältnismäfsig selten sind. Die Welt war doch irgendwie da,
sie lag vor Augen. Man mufste suchen, einen Rückweg zu
Pantheis- ihr zu gewinnen. Man fand ihn, indem man, ohne jenes
idealistische Grundprinzip aufzugeben, die Realität der viel-
heitlichen Welt zugestand, aber daran festhielt, dafs diese
vielheitliche Welt in Wahrheit Brahman sei (sarvam Main
idain brahma, Chänd. 3,14,1). So ging der Idealismus eine Ver-
bindung mit der uns angebornen realistischen Anschauung ein
und wurde dadurch zum Pantheismus. So schon in der De-
finition des Brahman als satyasya satyam „die Realität der
Realität" (Brih. 2,1,20). Die Welt ist die Realität (satyam),
aber das Reale an ihr ist allein Brahman. Ebenso, wenn
Chänd. 6,1 fg. die Entstehung der vielheitlichen Welt aus dem
einen Seienden realistisch entwickelt wird zugleich mit der
wiederholten Versicherung, dafs alle diese Umwandlungen nur
„auf Worten beruhend, ein blofser Name" seien. Hieran
schliefsen sich die zahlreichen Stellen, welche Brahman als das
in dem ganzen Universum verwirklichte Prinzip feiern: „All-
wifkend ist er, allwünschend, allriechend, allschmeckend, das
All umfassend, schweigend, unbekümmert" (Chänd. 3,14,2).
„Der Atman ist unten und oben, im Westen und im Osten,
im Süden und im Norden; der Atman ist diese ganze AVeit"
(Chänd. 7,25,2; nachgebildet Mund. 2,2,11). Aus ihm geht die
Sonne auf und in ihm wieder unter (Brih. 1,5,23. Käth. 4,9 und
so schon Atharvav. 10,8,16, oben I, i, S. 321), alle Himmels-
2. Brahman als kosmisches Prinzip. 149
gegenden sind seine Organe (Brih. 4,2,4)? die vier Weltgegenden
(Osten, Westen, Süden, Norden), die vier Weltteile (Erde,
Luftraum, Himmel, Ozean), die vier Weltlichter (Feuer, Sonne,
Mond, Blitz) und die vier Lebenshauche (Odem, Auge, Ohr,
Manas) sind seine sechzehn Teile (Chänd. 4,4 — 9).
Sein Haupt ist Feuer, seine Augen Mond und Sonne,
Die Himmelsgegenden die Ohren,
Seine Stimme ist des Veda Offenbarung.
"Wind ist sein Hauch, sein Herz die Welt, aus seinen Füfsen Erde,
Er ist das innre Selbst in allen Wesen (Mund. 2,1,4).
— Aber wie ist das Verhältnis des Brahman zu seiner
Ausbreitung als die vielheitliche Welt zu denken? — Wir
würden sagen: als Identität, und so sagt schon der spätere
Vedänta, indem er sich auf das Wort von der Anklammerung
(Chänd. 6,1,3) beruft (Sütram 2,1,14: tad-ananyatvam, äram-
bhana-gabda-ädibhyah). Aber dieses Wort ist ein blofser Macht-
spruch ; es bleibt doch immer ein grofser Unterschied zwischen
dem einen Brahman und der Vielheit seiner Erscheinungen^
und zu dem Gedanken, dafs die ganze räumliche und zeitliche
Ausbreitung ein bloi's subjektives Phänomen sei, vermochte
jene alte Zeit, und alle vorkantische Zeit, sich noch nicht zu
erheben. Hier mufste dem empirischen, an Raum, Zeit und Kosmo-
_ . . . T7- • gonismus.
Kausalität gebundenen Bewufstsem eine weitere Konzession
gemacht werden: man betrachtete Brahman als die zeitlich
vorhergehende Ursache, und die Welt als die aus ihr hervor-
gehende Wirkung; die innere Abhängigkeit der Welt von
Brahman und ihre Wesensidentität mit ihm erschien als eine
Schöpfung der Welt durch Brahman und aus Brahman. Wir
stehen an dem Punkte, wo wir die vom Standpunkte des
Idealismus der Upanishad's nicht zu begreifenden Schöpfungs-
theorien derselben aus einer unbewuisten Akkommodation an
die Formen unseres Erkenntnisvermögens begreifen. Die wei-
tere Ausführung der Weltschöpfungslehre wird uns im kosmo-
logischen Teile zu beschäftigen haben. Hier nur einige Stel-
len, welche die Wesensidentität der geschaffenen Welt mit
dem Schöpfer vor Augen stellen. Brih. 2,1,20: „Gleichwie
die Spinne durch den Faden aus sich herausgeht (tantunä
150 v". Das Brahman und die Welt.
uccaret), wie aus dem Feuer die winzigen Fünklein entspringen,
also auch entspringen aus diesem Atman alle Lebensgeister,
alle Welten, alle Götter, alle Wesen". — Seine weitere Aus-
führung erfährt das Bild von der Spinne und dem Feuer
Mund. 1,1,7 und 2,1,1:
Wie eine Spinne ausläfst und einzieht [den Faden],
Wie auf der Erde spriefsen die Gewächse,
Wie auf Haupt und Leib des Menschen, der lebt, die Haare,
So aus dem Unvergänglichen alles, was hier ist.
Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken,
Ihm gleichen Wesens, tausendfach entspringen,
So geh'n, o Teurer, aus dem Unvergänglichen
Die mannigfachen Wesen
Hervor und wieder in dasselbe ein.
Brahman Dafs auch das stoffliche Wesen der Dinge nur aus Brah-
materiaiis. man stammt, lehrt, mit Anknüpfung an das Bild von der
Spinne, Qvet. 6,10, wo Brahman bezeichnet wird als der Gott,
„der spinnegleich durch Fäden, die aus ihm als Stoff (pra-
dhänam) entsprungen, sich verbarg nach seinem Sein"'. Die
letzten Worte besagen, dafs Brahman, indem es nicht (thei-
stisch) die Dinge aus sich heraussetzt, sondern (pantheistisch)
sich selbst in die Dinge umwandelt, „sich nach seinem Sein
verborgen habe" (svabhuvato . . . svam ävrinot). In diesem
Sinne hiefs es schon Rigv. 10,81,1 (oben I, i, S. 136), Vicva-
karman sei durch sein Eingehen in die niedere Welt „ursprung-
verhüllend" (prathamachad) geworden. Ebenso sagt Brih.
1,4,7, der Atman sei in diese Welt „eingegangen bis in die
Nagelspitzen hinein, wie ein Messer verborgen ist in einer
Messerscheide oder das allerhaltende [Feuer] in dem feuer-
bewahrenden [Holze]. Darum siehet man ihn nicht: denn er
ist zerteilt; als atmend heifst er Atem, als redend Rede, als
sehend Auge", usw. Der Atman ist nach Brih. 1,6,3 amritam
satyena channam, „das Unsterbliche, verhüllt durch die (empi-
rische) Realität", und Brih. 2,4,12 heifst es: „Mit diesem ist
es wie mit einem Salzklumpen, der, ins Wasser geworfen, sich
in dem Wasser auflöst, also dafs es nicht möglich ist, ihn
wieder herauszunehmen ; woher man aber immer schöpfen mag,
2. Brahman als kosmisches Prinzip. 151
überall ist es salzig". Denselben Gedanken entwickelt, viel-
leicht auf Grund unsrer Stelle, die Erzählung Chänd. 6,13.
Dafs aber eine solche Vorstellungsweise Anstofs erregte, be-
weist die Parallelstelle Brih. 4,5,13, wo die oben mitgeteilten
Worte Brih. 2,4,12 in folgender Weise abgeändert werden:
„Mit diesem ist es wie mit einem Salzklumpen, der kein
(unterschiedliches] Inneres oder Äufseres hat, sondern durch
und durch ganz aus Geschmack besteht" usw. In ähnlicher Integrität
° des Brah-
Weise sind andre Stellen bemüht, zu zeigen, dafs Brahman man.
durch seine Umwandlung in die Welt nichts von der Fülle
seines Wesens eingebüfst habe. Schon Rigv. 10,90,3 (oben
I, i, S. 156) hiefs es, dafs alle Wesen nur ein Viertel von dem
Purusha seien, während die drei andern Viertel unsterblich
im Himmel bleiben. Dasselbe lehrt, mit Wiederholung des
Rigvedaverses, Chänd. 3,12,6 und ähnlich der Schlufsvers Maitr.
7,11, während nach Brih. 5,14 ein Fufs des (als Gäyatri vor-
gestellten) Brahman die drei Welten, der zweite die dreifache
Wissenschaft des Veda, der dritte die drei Lebenshauche bildet,
und der vierte, erhaben über den Staub des Irdischen, als Sonne
glüht. Deutlicher lehrte schon Qatap. Br. 11,2,3 (oben I, i,
S. 259), dafs Brahman, nachdem es die drei Welten und was
noch darüber hinausliegt erschaffen habe, selbst „in die jen-
seitige Hälfte" eingegangen sei. Die Unerschöpflichkeit des
Brahman lehrt auch im Anklang an Atharvav. 10,8,29 (oben
I,i, S. 322) der Vers Brih. 5,1:
Zieht man von Vollem ab Volles,
Bleibt doch das Volle übrig noch.
Näher ausgeführt wird dasselbe Thema in den schönen Versen
Käth. 5,9—11:
Das Licht, als eines, eindringt in den Weltraum
Und schmiegt sich dennoch jeglicher Gestalt an;
So wohnt das eine innre Selbst der Wesen
Geschmiegt in jede Form, und bleibt doch draufsen.
Die Luft, als eine, eindringt in den Weltraum
Und schmiegt sich dennoch jeglicher Gestalt an,
So wohnt das eine innre Selbst der Wesen
Geschmiegt in jede Form, und bleibt doch draufsen.
152 ^- Das Brahman und die Welt.
Die Sonne, die des ganzen Weltalls Auge,
Bleibt rein von Fehlern aufser ihr der Augen:
So bleibt das eine innre Selbst der Wesen
Rein von dem Leiden aufser ihm der Welten.
3. Das Brahinan als psychisches Prinzip.
Brahman Das Brahman ist der Atman : das Prinzip aller Dinge ist,
a "ir/uns66 e nicht etwa einem Teile nach, sondern ungeteilt, voll und ganz
gegenwärtig in dem, was ich bei richtiger Erkenntnis als mein
eignes Selbst, mein Ich, meine Seele in mir finde. Über den
Wert dieses alle Anschauungen der Upanishad's beherrschen-
den Gedankens haben wir in der Einleitung, oben S. 37 fg.,
gehandelt. Hier wollen wir aus der grofsen Anzahl von
Stellen, die ihn ausdrücken, nur so viele auswählen wie nötig,
um zu zeigen, dafs auch dieser Gedanke, ganz ebenso wie der
von Brahman als Weltprinzip, seiner ursprünglichen Intention
nach idealistisch, d. h. die Vielheit der Weltausbreitung negie-
rend ist, dafs er aber, in dem Mause wie wir versuchen, ihn
in den auf den Realismus zugeschnittenen Formen unserer Er-
kenntnis zu begreifen, eine stufenweise zunehmende realistische
Färbung erhält.
iaeaii- Yäjnavalkya beginnt Brih. 2,4 seine Belehrung der Maitreyi
Fofm dilser mit den Worten: „Fürwahr, nicht um des Gatten willen ist
Lehre. ^er Qa^e i je^ ? sondern um des Selbstes (der Seele, ätman)
willen ist der Gatte lieb". Ebenso sind alle Dinge der Welt,
Gattin, Söhne und Güter, Brahmanenstand und Kriegerstand,
Welträume, Götter, Wesen und das ganze Weltall uns lieb
nicht an sich und um ihretwillen, sondern nur um unseres
eignen Selbstes willen. Wie dies zu verstehen ist, zeigt der
unmittelbar folgende, daraus gezogene Schlufs: „Das Selbst,
fürwahr, soll man sehen, soll man hören, soll man verstehen,
soll man überdenken, o Maitreyi; fürwahr, wer das Selbst
gesehen, gehört, verstanden und erkannt hat, von dem wird
diese ganze Welt gewufst". Dies besagt, dafs alle Realität
beschränkt ist und bleibt auf unser eignes Selbst, und dafs
wir alle Dinge auf der Welt nur insoweit kennen, lieben
und besitzen, als sie in unserm Bewufstsein vorhanden sind,
3. Brahman als psychisches Prinzip. 153
als sie von unserm erkennenden Selbste befafst und getragen
werden. Mit diesem Selbste ist alles erkannt; eine Welt
aufserhalb des Atman, unseres Selbstes, unserer Seele, gibt
es nicht. Dies ist der Standpunkt des vollkommenen, die
vielheitliche Welt leugnenden Idealismus, wie er weiter ver-
treten wird durch Stellen wie Brih. 2,1,16 und 20, wo gelehrt
wird, dafs aus dem erkenntnisartigen Geiste (vijnänammja
punislia) alle Welten, Götter und Wesen wie Funken aus
dem Feuer entspringen, oder Brih. 3,4 und 3,5, wo nach dem
„Brahman, welches als Seele allem innerlich ist", gefragt wird,
und die Antwort lautet: „Es ist deine Seele, welche allem
innerlich ist", welche als Subjekt des Erkennens unerkennbar
bleibt (3,4), und nach deren Innewerdung alle Welt, Kinder,
Besitz und Wissenschaft in das Nichts versinken, welches sie
in Wahrheit sind (3,5). — Schon in den letzteren Stellen gibt Pantheisti-
sich eine Hinneigung zu dem uns allen angebornen Kealismus biidun™
kund, sofern die Existenz der Aufsenwelt .nicht geleugnet
wird: die Dinge sind da, aber sie sind ihrem Wesen nach
nichts als der Atman allein. Ebenso in der berühmten Haupt-
stelle, Chänd. 6,8 — 16, wo eine Reihe von geheimnisvollen
Erscheinungen und Verhältnissen der Natur und des Lebens
bis zu ihrem unerkennbaren Urgrund zurückgeführt werden,
worauf es von diesem in einem neunmal wiederholten .Refrain
heifst: „Was jene Feinheit (jenes Unerkennbare, animan) ist,
ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall, das ist das Reale,
das ist die Seele, das bist du, o Qvetaketu!"
Die Lehre von der alleinigen Realität des Atman, der
Seele in uns, steht in Widerspruch zu dem angebornen und
unabstreifbaren Bewufstsein von der Realität der uns um-
gebenden Aufsenwelt, und dieser Widerspruch wird geflissent-
lich hervorgehoben in einer grofsen Anzahl von Stellen, welche
mit grofsartiger Kühnheit der metaphysischen Intuition die Identität
Seele in uns als das unfafsbar Kleine mit der Natur aufser ,3 weit.
uns als dem unfafsbar Grofsen identifizieren. Chänd. 3,14,2:
„Allwirkend ist er, allwünschend, allriechend, allschmeckend,
das All umfassend, schweigend, unbekümmert; — dieser ist
meine Seele im innern Herzen, kleiner als ein Reiskorn oder
Gerstenkorn, oder Senfkorn oder Hirsekorn oder eines Hirse-
154 V. Das Brahman und die Welt.
kornes Kern; — dieser ist meine Seele im innern Herzen,
gröfser als die Erde, gröfser als der Luftraum, gröfser als der
Himmel, gröfser als diese Welten". — Chänd. 8,1,3: „Wahrlich,
so grofs dieser Weltraum ist, so grofs ist dieser Raum in-
wendig im Herzen; in ihm sind beide, der Himmel und die
Erde, beschlossen; beide, Feuer und Wind, beide, Sonne und
Mond, der Blitz und die Sterne, und was einer hienieden
besitzt und was er nicht besitzt, das alles ist darin beschlossen".
— Chänd. 3,13,7: „Nun aber das Licht, welches jenseits des
Himmels dort leuchtet auf dem Rücken von allem, auf dem
Rücken von jedem, in den höchsten, allerhöchsten Welten, das
ist gewifslich dieses Licht, welches inwendig hier im Menschen
ist". — Die Seele ist, wie diese Stellen lehren, das Weltall
umfassend; sie ist aber zugleich alldurchdringend, sie ist in
Der Antar- allen Dingen der antaryamin, der „innere Lenker", Brih. 3,7,3:
„Der, in der Erde wohnend, von der Erde verschieden ist,
den die Erde nicht kennt, dessen Leib die Erde ist, der die
Erde innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker,
der unsterbliche". Dieselbe Betrachtung wird dann weiter an
mancherlei kosmischen und psychischen Verhältnissen durch-
geführt, und zum Schlüsse heifst es: „Er ist sehend nicht
gesehen, hörend nicht gehört, verstehend nicht verstanden,
erkennend nicht erkannt. Nicht gibt es aufser ihm einen
Sehenden, nicht gibt es aufser ihm einen Hörenden, nicht
gibt es aufser ihm einen Verstehenden, nicht gibt es aufser
ihm einen Erkennenden. Er ist deine Seele, der innere Lenker,
der Unsterbliche. — Was von ihm verschieden, das ist leid-
voll." Hiernach ist der Antaryamin, d. h. die in allen Dingen
wohnende und sie regierende Kraft, ihrem Wesen nach Be-
wufstsein; denn, wie es Ait. 3,3 heifst, alle Götter, alle Ele-
mente und alle organischen Wesen, „alles dieses ist vom Be-
wufstsein gelenkt, im Bewufstsein gegründet; vom Bewufstsein
gelenkt ist die Welt, das Bewufstsein ist ihr Grund, das
Bewufstsein ist Brahman".
Obgleich das Weltprinzip nach diesen und vielen andern
sitz des Stellen als das Bewufstsein, als Subjekt des Erkennens in
AH^rzenm unserm Innern wohnt, so ist doch sein Sitz nicht im Kopfe,
sondern im Herzen; Brih. 4,4,22: „Wahrlich, dieses grofse,
3. Brahma n als psychisches Prinzip. 155
ungeborne Selbst ist unter den Lebensorganen jener aus Er-
kenntnis Bestehende (vijnänamaya). Hier, inwendig im Herzen
ist ein Kaum, darin liegt er, der Herr des Weltalls, der Ge-
bieter des Weltalls, der Fürst des Weltalls; er wird nicht
höher durch gute Werke, er wird nicht geringer durch böse
Werke; er ist der Herr des Weltalls, er ist der Gebieter der
Wesen, er ist der Hüter der Wesen; er ist die Brücke, welche
diese Welten auseinanderhält, dafs sie nicht verfliefsen" (Rück-
beziehung auf Brih. 3,8,9). — Auf dieser Stelle dürfte beruhen
Kaush. 3,8: „Er ist der Hüter der Welt, er ist der Gebieter der
Welt, er ist der Weltenherr; und dieser ist meine Seele, das soll
man wissen!" — Dementsprechend feiern zahlreiche Stellen spä-
terer Upanishad's das Brahman als „in der Höhle [des Herzens]
versteckt" (nihito guhäyäm, zuerst Taitt. 2,1; dann Käth. 1,14.
2,20.^ 3,1. 4,6—7; Mund. 2,1,10. 3,1,7 usw.). Die Identität
des Atman in uns mit dem Ätnan im Weltall wird, wie durch
das tat tvam asi der Chänd. Up. 6,8 — 16, so auch durch das,
ihm wahrscheinlich nachgebildete, etaä vai tad „fürwahr dieses
ist das" ausgedrückt, Brih. 5,4; dieselbe Formel findet sich
Käth. 4,3 — 6,1 zwölfmal in Prosa an die Verse angehängt; in
dem Bewufstsein dieses Gedankens: „dieses ist das", liegt
nach Käth. 5,14 die höchste Wonne. Wir zitieren aus diesem
Zusammenhange nur Käth. 4,12 — 13:
Zollhoch an Gröfse weilt mitten
Im Leibe hier der Purusha,
Herr des Vergangnen und Künft'gen,
Wer ihn kennt, ängstigt sich nicht mehr, —
Wahrlich, dieses ist das!
Wie Flamme ohne Rauch, zollhoch
An Gröfse ist der Purusha,
Herr des Vergangnen und Künft'gen,
Er ist es heut' und morgen auch
Wahrlich, dieses ist das!
Wie der Purusha hier einer Flamme ohne Rauch, so wird er,
wohl in Nachbildung dieser Stelle, Qvet. 6,19 einem Feuer,
dessen Holz verbrannt ist, verglichen (ebenso Maitr. 6,34, Up.
S. 357; Brahmavidyä 9; Nrisinhott. 2, Up. S. 783), während
156 V. Das Brahman und die Welt.
Qxet. 5,9 den Kontrast des Atman in uns mit dem Atman im
Weltall auf die (Dhyänab. 6 noch überbotene) Spitze treibt:
Spalt' hundertmal des Haars Spitze
Und nimm davon ein Hundertstel.
Das denk' als Gröfse der Seele,
Und sie wird zur Unendlichkeit.
Die Schilderung des Atman als einer rauchlosen Flamme im
Herzen hat sich in den Yoga-Upanishad's zu dem Bilde von
der Spitzflamme im Herzen fortentwickelt, dessen ältestes
Vorkommen Mahän. 11,6 — 12 sein dürfte (vgl. Brahmavidyä 10.
Yogacikhä 6. Yogatattva 9—11. Maitr. 6,30, Up. S. 352).
Kosmo- Wir sahen oben, wie die Lehre von Brahman als kosmi-
FortMi- schem Prinzip in Akkommodation an die empirische Anschauungs-
weise sich darstellte als zeitliche Schöpfung der Welt durch
Brahman als Ursache. Auf derselben Akkommodation beruht
es, wenn die Lehre von Brahman als psychischem Prinzip die
Form annimmt, dafs Brahman, nachdem er die Welt geschaffen,
als individuelle Seele in dieselbe eingeht. Brih. 1,4,7: „Die
Welt hier war damals nicht entfaltet; aber dieselbe entfaltete
sich in Namen und Gestalten; ... in sie ist jener [Atman]
eingegangen bis in die Nagelspitzen hinein; . . . darum ist
dieses die [zu verfolgende] Wegespur des Weltalls, was hier
[in uns] der Atman ist; denn in ihm kennt man das ganze
Weltall" usw. Die letzten Worte beweisen, dafs das ge-
schilderte Eingehen des Atman als Seele in die von ihm ge-
schaffene Welt nur eine Form ist, um die gelehrte Identität
der Seele mit dem Weltprinzip vorstellig zu machen. Mehr
und mehr verhärtet sich dann dieselbe weiter zu einem wirk-
lichen Kealismus, wie die folgenden Stellen zeigen. Brih.
2,5,18: „In Burgen ging als Vogel er, in Burgen er als Bür-
ger ein". — Chänd. 6,3,3: „Da ging jene Gottheit in diese
drei Gottheiten (die drei Elemente) mit diesem lebenden
Selbste ein und breitete auseinander Namen und Gestalten". —
Taitt. 2,6: „Nachdem er Kasteiung geübt, schuf er diese ganze
Welt, was irgend vorhanden ist. Nachdem er sie geschaffen,
ging er in dieselbe ein". — Weiter realistisch ausgemalt findet
sich diese Vorstellung schon Ait. 1,11 — 12: „Und er erwog:
auf welchem Wege soll ich in dasselbe eingehen? ... Da
3. Brahman als psychisches Prinzip. 157
spaltete er hier den Scheitel und ging durch diese Pforte
hinein". — Der Realismus wird, je später, um so härter; als
Beispiel mag Maitr. 2,6, Up. S. 320, dienen: Prajäpati schuf
die vielen Geschöpfe; „die sah er hewufstlos und lehlos wie
einen Stein, regungslos wie einen Baumstamm dastehn. Da
hatte er keine Freude. Und ^r beschlofs : ich will, um sie zum
Bewufstsein zu erwecken, in sie hineinfahren. Da machte er sich
selbst, wie ein Wind ist, und wollte in sie hineinfahren" usw.
So sehen wir den ursprünglichen Idealismus durch die
zunehmende Akkommodation an die Anforderungen unseres Er-
kenntnisvermögens zu einem Realismus erstarren, welcher dem
semitischen (Genesis 2,7) nichts nachgibt.
4. Das Brahman als persönlicher Gott (igvara).
Das Bestreben, die idealistische, eine Welt aufser dem Ursprung
Atman leugnende Grundanschauung, in welcher das Denken mus der
der Upanishad's wurzelt, in verständliche, d. h. realistische 8hac?s"
Formen zu kleiden, führte zunächst, wie wir sahen, zum Pan-
theismus, welcher dem empirischen Bewufstsein die Realität
der Welt zugesteht und daneben die Alleinheit des Atman da-
durch behauptet, dafs er erklärt, diese ganze Welt sei nichts
anderes als der Atman. Diese Behauptung war im Grunde
ein Machtspruch und lief darauf hinaus, dafs die Welt als
Erscheinungsform des Atman dem Atman selbst als ein Anderes
gegenübertritt, so sehr man auch durch die unermüdlich wieder-
holte Versicherung, die Welt sei mit dem Atman, das un-
endlich Grofse aufser uns mit dem unendlich Kleinen in uns,
identisch, diesen Gegensatz auszugleichen suchte. — Einen
Schritt weiter in derselben, zum Realismus strebenden Rich-
tung bedeutet es, wenn der Atman als Prinzip nicht nur der
Welt, als welche er erscheint, sondern auch dem Atman in uns,
mit dem er ursprünglich identisch ist, entgegengestellt wird:
so entsteht der in gewissen spätem Upanishad's aufkommende
Theismus. Derselbe ist nicht aus dem altvedischen Poly-
theismus entstanden, sondern tritt erst auf, nachdem dieser
durch die Ätmanlehre längst überwunden war; der Atman ist
nicht ein „Gott", deva, im altvedischen Sinne, sondern er ist
der „Herr", igvara. Der Unterschied beider Vorstellungs-
158 V. Das Brahman und die Welt.
weisen wird deutlich werden, wenn wir zunächst über die
Stellung der altvedischen Götter in den Upanishad's die wich-
tigsten Data zusammenstellen.
Die aitvedi- Die Existenz der altvedischen Götter, Agni, Indra, Va-
schen Götter . , , TT . 1 ,, . ,
in den upa- runa usw. r wird von den Upamshad s so wemg geleugnet,
8 ^ 8' wie die der griechischen von Xenophanes. Aber wie bei
diesem alle andern Götter ebenso wie die Menschen dem
einen Gotte untergeordnet werden {de, ^zhe, h ts ^eofot xal
dvj-pwTCoiC!. ui-yiGTOs), so sind in den Upanishad's alle altvedi-
schen Götter vom Atman erschaffen und von ihm abhängig.
Aus dem Atman gehen, wie die Funken aus dem Feuer, alle
Welten, alle Wesen, und so auch alle Götter hervor (Brih.
2,1,20); in ihm fufsen alle Götter (Käth. 4,9); von ihm sind
sie als die Welthüter erschaffen worden (Ait. 1,1,3); „darum,
wenn die Leute von jedem einzelnen Gotte sagen, «opfere
diesem, opfere jenem!» so [soll man wissen, dafs] diese er-
schaffene Welt von ihm allein herrührt; er also ist alle
Götter. . . . Diese [Schöpfung] hier ist eine Überschöpfung
des Brahman. Weil er als höhere [als er selbst ist] die Götter
schuf, und weil er, als ein Sterblicher, die Unsterblichen schuf,
darum heifst sie die Überschöpfung" (atisrishti, Brih, 1,4,6).
Weiter wird (Brih. 1,4,11 — 13) berichtet, wie der Ätman die
göttlichen Kshatriya's (Indra, Varuna, Soma usw.), Vaicya's
(die Vasu's, Rudra's, Äditya's usw.) und Qüdra's (den Pü-
shan) erschaffen habe. Nach Brih. 1,3,12 — 16 sind es die
Organe des Präna, Rede, Geruch, Auge, Ohr, Manas, welche
von ihm über den Tod hinausgeführt werden und nun als die
Götter, Agni, Väyu, Aditya, Himmelsgegenden und Mond,
fortbestehen. Die Zahl der Götter wurde in vedischer Zeit
in der Regel auf dreiunddreifsig angegeben. Das Vage und
Willkürliche dieser Bestimmung bringt Yäjnavalkya Brih. 3,9,1
in folgender Weise zum Bewufstsein: warum drei und dreifsig?
warum nicht drei und dreihundert? oder drei und dreitausend?
oder beide zugleich (3306)? und wenn es 33 sein sollen, so
kann man diese ebenso gut auf sechs, auf drei, auf zwei, auf
anderthalb, auf einen zurückführen, welches der Präna ist.
Alle jene Zahlen, 3306, 33, 6, 3, 2, l1^, gehen als mannig-
fache Kräfte, Teile und Organe der Natur zuletzt zurück auf
4. Brahman als persönlicher Gott. 159
eine Einheit, „den Präna, so sprach er, dieses nennen sie das
Brahman, das Jenseitige (tyad)u. — Die Abhängigkeit aller
dieser Naturgötter vom Brahman schildert der Mythus Kena
14 — 28: Agni kann nicht einen Strohhalm verbrennen, Väyu
nicht einen Strohhalm fortwehen ohne den Willen des Brah-
man, welches in allen Göttern wirkt. Brahman wohnt, nach
Brih. 3,7, als der innere Lenker (antanjämin) in allen Teilen
der Welt und so auch in allen Göttern, die ihnen entsprechen.
Alle Götter vollbringen, nach einem Taitt. 2,8 und Käth. 6,3
erhaltenen Verse, ihre Tätigkeit „aus Furcht" vor Brahman,
uiwl auch der Seele des Brahmanwissenden vermögen nach
Kaush. 1,5 Indra und Prajäpati, die Türhüter der Himmels-
welt, den Eintritt nicht zu wehren und laufen vor ihr davon.
Und wie die Macht der Götter von Brahman abhängt, so ist
auch ihr Wissen kein vollkommenes; von Haus aus besitzen
sie das Brahmanwissen nicht (vgl. Brih. 1,4,10. 4,3,33. 5,2,1.
Taitt. 2,8. Kaush. 4,20. Käth. 1,21); daher sie Chänd. 8,7 fg.
den Indra absenden, um von Prajäpati das Wissen vom
Ätman zu erlangen; und erst nachdem sie es erlangt haben,
verehren sie ihn in der Brahmanwelt als das Selbst; darum
besitzen sie alle Welten und alle Wünsche (Chänd. 8,12,6).
In dieser Beziehung haben die Götter vor den Menschen
nichts voraus: „Wer immer von den Göttern dieses [«ich bin
Brahman»] inne ward, der ward eben zu demselbigen; und
ebenso von den Rishi's, und ebenso von den Menschen. . . .
Und auch heutzutage, wer also eben dieses erkennt: «ich bin
Brahman!» der wird zu diesem Weltall; und auch die Götter
haben nicht Macht, zu bewirken, dafs er es nicht wird. Denn
er ist die Seele (ätman) derselben" (Brih. 1,4,10).
Diese Stellen kennzeichnen die Rolle, welche die Götter
in den ältesten Upanishadtexten spielen; etwas ganz anderes
und nicht damit zu verbinden ist es, wenn gelegentlich ein-
zelne Götter als symbolische Vertreter des Ätman erscheinen,
wie z. B. Indra Brih. 1,5,12. Ait. 1,3,14. Kaush. 2,6. 3,1, Va-
runa Taitt. 3,1, oder Prajäpati Chänd. 8,7 fg.
Nicht aus diesem altvedischen, noch in den Upanishad's Theistische
nachklingenden Polytheismus, sondern aus ganz andern Voraus- Z a E
Setzungen hat sich der Monotheismus entwickelt, dem wir in „Sa"
1G0 V. Das Brahman und die Welt.
einigen spätem Upanishad's begegnen; hierauf weist schon
der äufserliche Umstand hin, dafs der persönliche Gott der
Upanishad's, in der Regel und von Ausnahmen (wie Käth. 2,12. 21 .
Qvet. 1,8 und öfter) abgesehen, nicht deva (Gott), sondern ig,
iga, vcäna, igvara (der Herr), später gewöhnlich paru)>i<rv<tra
(der höchste Herr) genannt wird. Wie schon diese Namen
zeigen, werden wir den Ursprung des Upanishad- Theismus
in solchen Texten zu suchen haben, welche den Atman als den
,,innern Lenker" (antaryämin) in allen Teilen und Kräften der
Natur und des Menschen feiern (Brih. 3,7,3 — 23) und alle
Wirkungen in der Welt auf seinen Befehl (pragäsanam) er-
folgen lassen, wie Brih. 3,8,9: „auf dieses Unvergänglichen
Geheifs, o Gärgi, stehen auseinandergehalten Sonne und Mond"
usw. Hier ist die Eede von dem „Unvergänglichen" (ak-
sharam, Neutrum), welches für den Augenblick poetisch per-
sonifiziert wird ; dies ist noch kein Theismus, sondern nur der
erste Anfang dazu. Ebenso Brih. 4,4,22: „Hier inwendig im
Herzen ist ein Raum, darin liegt er, der Herr des Weltalls,
der Gebieter des Weltalls, der Fürst des Weltalls; er wird
nicht höher durch gute Werke, er wird nicht geringer durch
böse Werke; er ist der Herr des Weltalls, er ist der Gebieter
der Wesen, er ist der Hüter der Wesen; er ist die Brücke,
welche diese Wesen auseinanderhält, dafs sie nicht verfliefsen".
Ahnlich steht es mit den momentanen Personifikationen des
Brahman als Liebeshort, Liebesfürst, Glanzesfürst (Chänd.
4,15,2 — 4); und auch wenn Icä 1 gefordert wird, das Weltall
„in Gott zu versenken" (igä väsyam idam sarvam), so ist
dies noch kein Theismus, denn der Gott, von dem hier die
Rede ist, ist, wie das Folgende (Vers 6 — 7) zeigt, der Atman
in uns. Ein persönlicher Gott und mit ihm sogar die Präde-
stination scheint gelehrt zu werden Kaush. 3,8 : „Er wird nicht
höher durch gute Werke und wird nicht geringer durch böse
Werke, sondern er ist es, der das gute Werk den tun macht,
welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er ist
es, der das böse Werk den tun macht, welchen er abwärts
führen will. Er ist der Hüter der Welt, er ist der Gebieter
der Welt, er ist der Weltenherr, — und dieser ist meine Seele
(atman), das soll man wissen". Wie der letzte Zusatz zeigt,.
4. Brahman als persönlicher Gott. 1(31
ist es doch wieder nur das eigne Selbst (atman), welches den
Menschen zum Guten und Bösen determiniert, und somit noch
kein Theismus. Ein solcher ist erst da zu konstatieren, wo Erstes Auf-
a treten des
der Atman nicht nur der Welt, sondern auch dem Selbste in Theismus in
uns als ein anderer gegenübertritt. Dies scheint in klarer shad's.
Weise zuerst der Fall zu sein in der Käthaka-Upanishad, wo 3,1
die höchste und die individuelle Seele als Licht und Schatten
unterschieden werden, und nach 2,23 die Erkenntnis des Atman
auf einer Art Gnadenwahl beruht:
Nur wen er wählt, von dem wird er begriffen,
Ihm macht der Atman offenbar sein Wesen.
Ob auch Käth. 2,20 in theistischem Sinne zu interpretieren ist,
hängt davon ab, ob man dhätuprasädäd „durch Beruhigung
der Elemente", oder dhdtuh prasädad „durch die Gnade des
Schöpfers" (schaut man die Herrlichkeit des Atman), zu lesen
hat; bei seiner Wiederkehr Qvet. 3,20 und Mahän. 10,1 ist der
Vers jedenfalls (vgl. auch £vet. 6,18 ätma-buddhi-prasädam)
im Sinne des Theismus zu deuten. Dies führt uns zur Cvetä- Qvetä-
. s Qvatara als
(/vatara-Upamshad, dem Hauptdenkmale der theistischen Upa- Hauptdenk-
nishadlehre, in welcher Gott und Seele, ohne auf ihre Ursprung- Theismus.
liehe Wesensidentität zu verzichten, doch deutlich voneinander
geschieden werden. So heifst es (^vet. 4,6 — 7 (in Umdeutung
des Verses Rigv. 1,164,20, oben I, i, S. 113):
Zwei schönbeflügelte, verbundene Freunde
Umarmen einen und denselben Baum;
Einer von ihnen speist die süfse Beere,
Der andere schaut, nicht essend, nur herab.
Zu solchem Baum der Geist, herabgesunken,
In seiner Ohnmacht grämt sich wahnbefangen;
Doch wenn er ehrt und schaut des andern Allmacht
Und Majestät, dann weicht von ihm sein Kummer.
Diese Verse kehren wieder in der Mund. Up. 3,1,1 — 2, die
im übrigen einen pantheistischen Geist atmet, daher sie hier
wohl aus der theistischen £vetäc,vatara entlehnt sind. Aber
auch in der letzteren bleibt der alles aufser dem Ätman für
nichtreal haltende Idealismus und der die Welt mit dem
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n. 11
102 V. Das Brahman und die Welt.
Atman identifizierende Pantheismus, welche beide aus den
früheren Upanishad's übernommen wurden, neben dem Theis-
mus bestehen und machen dadurch die Darstellung vielfach
widerspruchsvoll und philosophisch unverständlich; so, wenn
4,10 die Welt für eine vom höchsten Gott hervorgebrachte
Mäyä (Täuschung) erklärt wird, wiewohl mit der Realität der
Welt auch die Realität Gottes wegfällt und nur der Atman
in uns als real übrig bleibt; — oder wenn Qvet. 1,6 die Schei-
dung von Seele und Gott (dem Schwan und dem Treiber)
für einen Wahn erklärt wird und daneben die Aufhebung
dieses Wahnes als eine Gnade des durch ihn erst der Seele
als ein anderer gegenübergestellten höchsten Gottes erscheint.
Hierdurch wird die Qvetäcvatara ein höchst widerspruchsvolles
Werk; sie gleicht einem Codex bis palimpseskts: unter den
Schriftzügen des Theismus gewahrt man, halb erloschen, die
des Pantheismus und unter diesen die des Idealismus. —
Ahnlich wie im spätem Vedänta wird schon Qvet. 5,5. 6,4. 6,11.
6,12 als Hauptfunktion des Igvara bezeichnet, die Werke zur
Reife zu bringen und ihre Frucht an die Seelen zu verteilen;
ob auch ihr diese ganze Vorstellung des Igvara wie später im
Vedänta (System des Ved. S. 292 fg.) als eine blofs exoterische
gilt, ist aus gvet. 3,7 (vgl. Up. S. 298 und 290) nicht mit
Sicherheit zu entscheiden.
Späterer Aufgenommen und weitergeführt wird der Theismus der
QvetaQvatara von spätem Upanishad's, welche einen Anschlufs
an die Volksreligion suchen, indem sie den Atman der Upa-
nishadlehre mit dem Kultus des Cka (dessen Genesis man
schon in Qvet. Up. beobachten kann, Up. S. 290) oder des
Vishnu verbinden. Aber selbst in ihnen bricht der ursprüng-
liche, Welt und Gott in dem Atman aufhebende, Idealismus
durch: so Nrisinhottara-täpaniya-Up. 1 (Up. S. 781), wo von den
drei Zuständen der Seele (Wachen, Traum, Tiefschlaf) der
„vierte" und höchste Zustand, der Turhja unterschieden wird,
welcher als der Abgrund der ewigen Einheit erscheint, in dem
alle Unterschiede des Seins und Erkennens verschwinden und
die ganze Weltausbreitung ausgelöscht wird, „und auch der
Igvara (der persönliche Gott) wird verschlungen von dem
Turhja (dem Vierten), von dem Turhja ."'
Des Systems der Upanishad's zweiter Teil:
Kosmologie
oder die Lehre von der Welt.
VI. Brahman als Weltschöpfer.
1. Vorbemerkungen zur Kosmologie.
Die Sütra's des Bädaräyana (1,1,2) definieren Brahman Brahman
n ■ -. t j • • tt alB Schöp-
als dasjenige, janma-adi asya yata äi, „woraus Ursprung f er, Erhalter
usw. [d. h. Ursprung, Bestand und Vergang] dieses [Welt- nichter der
alls] ist". Diese Definition geht zunächst zurück auf Taitt. 3,1:
„Dasjenige, fürwahr, woraus diese Wesen entstehen, wodurch Bädaräya-
sie, entstanden, leben, worein sie, dahinscheidend, wieder ein- "fUng auf
gehen, das suche zu erkennen, das ist das Brahman". Indes
ist zu bemerken, dafs in dieser Upanishadstelle nicht, wie in
dem Sütram, von einem Entstehen, Bestehen und Vergehen
des Weltganzen, sondern nur von einem solchen der einzelnen
Wesen die Rede ist. Anders würde es, wenn wir Qankara
folgen dürften, mit einer noch älteren Stelle stehen, Chänd.
3,14,1: „Gewifslich dieses Weltall ist Brahman; als Tajjaldn
soll man es ehren in der Stille". Das Wort Tajjalän ist ein
nur hier vorkommender Geheimname des mit Brahman identi-
fizierten Weltalls, welcher von Qankara zu Chänd. 3,14,1 er- fjaükara's
klärt wird wie folgt: „Aus diesem (tad) Brahman ist durch auf Tajja-
die Entwicklung zu Feuer, Wasser, Erde usw. das Weltall \u,i.n
entstanden (jan); darum heilst es taj-ja. Ebenso geht es auf
11*
lt>4 VI. Brahman als Weltschöpfer.
dem diesem Entstehungsgange entgegengesetzten Wege in eben-
demselben Brahman unter (U), d. h. es verfliefst mit seiner
Wesenheit; darum heifst es tal-la. Und ebenso endhch ist
es das Brahman, in welchem das Weltall zur Zeit seines Be-
stehens atmet (an), lebt, sich bewegt; darum heifst es tad-
anam. Somit ist es in den drei Zeiten [Vergangenheit, Gegen-
wart, Zukunft] nicht von der Brahman -Wesenheit verschieden,
da es nichts gibt, was über diese hinaus läge" (vgl. die
übereinstimmende Erklärung Qahkara's zu Brahmasütra 1,2,1
p. 167, S. 87 unserer Übersetzung). Wenn Böhtlingk (Be-
richte der Sachs. Ges. d. W. 1896, S. 159 fg.; 1897, S. 83)
diese Erklärung Qankara's für ungrammatisch erklärt, weil
upäsita ein Objekt haben müsse, und sonach den Geheim-
namen nur in Jalän finden will, so steht dem der ganz analoge
Fall Kena 31, tadd ha Tad-vanam ndma, Tad-vanam ity upäsita-
vyam, entgegen; übrigens würde dadurch an der Sache nichts
geändert werden. Nach Qankara's Auffassung hätten wir also
schon in dem Namen Tajjalä» (= tad-ja-la-an) eine Zusammen-
fassung der drei Eigenschaften des Brahman als Schöpfers,.
Erhalters und Vernichters der Welt vor uns. Ob dies richtig
ist, ob in einer so alten Upanishad schon das Dogma von der
Weltvernichtung anzunehmen und nicht vielmehr auch hier
blofs an eine Vernichtung der einzelnen Wesen zu denken
vorbehält ist, wird noch später zu untersuchen sein. Inzwischen wollen
in nunDg°r< wir nach jenen drei Eigenschaften des Brahman unsere Dar-
stellung der Kosmologie ordnen, und somit der Reihe nach
von Brahman als Weltschöpfer, als Wrelterhalter und als Welt-
vernichter handeln. Wenn übrigens Qankara, in der an-
geführten Stelle und so in vielen andern, behauptet, die
ganze Lehre von der Schöpfung sei nicht im eigentlichen
Sinne zu verstehen und solle blofs dienen, um die Wesens-
identität der Welt mit Brahman zu lehren (vgl. System
des Vedänta, Kap. XIX — XX), so bedarf auch dies noch
einer genaueren Untersuchung und Erörterung der Frage, in-
wieweit vom Standpunkte der Atmanlehre eine Weltschöpfung
möglich ist.
2. Die Weltschöpfuug und die Ätmanlehre. 165
3. Die Weltschöpfung: und die itmanlehre.
Wir haben oben, im ersten Teile unseres Werkes, aus Aitvedieche
•den Hymnen und Brähmana's eine Reihe von Beschreibungen lehre.
der Weltschöpfung kennen gelernt und als gemeinsamen Typus
bei vielen derselben nachgewiesen, dafs 1) das Urprinzip
aus sich 2) die Materie schafft und dann 3) als Erst-
geborenes in dieselbe eingeht. Wir wollen die Hauptstellen
für diese Lehre zunächst hier kurz überblicken.
Rigv. 10,129: Zu Anfang ist nur „jenes Eine" (tad ekam);
dasselbe besteht als ein von einer Hülse umschlossenes licht-
loses Gewoge (apraketam snlilant), aus welchem durch Tapas
jenes Eine als Kämet oder Manas (je nach der Auffassung von
Vers 4) zuerst geboren wird (I, i, S. 122 fg.).
Rigv. 10,121 : Prajapati erzeugt die Urwasser und geht
aus ihnen als goldner Keim (hiraitijcigurbha) hervor (I, i, S. 130).
Rigv. 10,81 — 82: Vicvakarman schafft die im Urschlamm-
schmalz, d. h. in den Urwassern versunkenen Welten und
geht sodann aus diesen Wassern als der alle Götter bergende
Urkeim hervor (I, i, S. 135 fg.).
Rigv. 10,72: JBrdhmanaspati schafft die Aditi (salilam,
uttänapad, sad) und geht selbst als Daksha aus ihr hervor
(I, i, S. 144).
Rigv. 10,125: Die Väc ist es, welche am Anfang den Vater
des Weltalls antrieb und dann wiederum in Meeres Wassern
geboren wird, um sich über die Wesen zu verteilen (I, i, S. 148).
Rigv. 10,90: aus dem Purusha (als Adipurusha, Say.) wird
die Viruj, und aus dieser wiederum der Purusha (als Näräyana,
„Sohn des Purusha" oder „Sohn der Wasser", d. h. als Hira-
nyagarbha) geboren (I, i, S. 153).
Qatap. Br. 6,1,1: Der Purusha Prajapati schafft die Wasser,
geht, um aus ihnen geboren zu werden, als Ei in sie ein und
ergiefst sich aus ihm als das Brahman (I, i, S. 200).
Atharvav. 11,4; der Präna zeugt das Weltall und geht
als Erstgeborner (als apäm garbha, v. 26) in demselben hervor
(I, i, S. 301 fg.).
Atharvav. 10,7,7 — 8: Shambha, in welchem Prajapati der
Welt Ganzes stützend hegte, geht mit einem Teile von sich
in die Welt ein (I, i, S. 315).
1(J6 VI. Brahman als Weltschöpfer.
Taitt. Ar. 1,23: Prajapati, die Welten bauend, ging als
der Ordnung Erstgeborner mit dem eignen Selbste ins eigne
Selbst ein (I, i, S. 198. 332).
Väj. Samh. 34,1 — 6: der Geist (manas) schliefst alle Dinge
in sich und verweilt als unsterblich Licht im Menschen
(I, i, S. 335).
Motiv Als Motiv der in allen diesen Stellen herrschenden An-
Lehre, schauung läfst sich bezeichnen, dafs man das Urprinzip in der
ganzen Natur, [namentlich aber und vor allem in der Seele
(der Weltseele und der Einzelseele) verwirklicht sah. Hieraus
entsprang die Vorstellung, dafs das Urwesen die Welt ge-
schaffen habe und dann als Erstgeborner der Schöpfung in
dieselbe eingegangen sei. Diese überkommene Anschauung
werden wir auch in den Upanishad's vielfach auftreten sehen,
wider- Aber wie ist dies möglich, da die ganze Lehre von der
Standpunkt Weltschöpfung und von dem Eingehen des Schöpfers in die
"shad's™ von ihm geschaffene Welt mit der Ätmanlehre der Upanishad'sr
streng genommen, in Widerspruch steht?
Es wird, wie wir sahen, von den Upanishad's oft aus-
gesprochen und liegt schon im Begriffe des Atman, dafs er
die alleinige Realität ist, und dafs es aufser ihm nichts geben
kann, dafs somit durch seine Erkenntnis alles erkannt ist.
Auf diesem Standpunkte kann eine Schöpfung der Welt aus
dem Atman nicht gelehrt werden, weil es keine Welt aufser
Akkommo- dem Atman gibt. Aber die Höhe dieser metaphysischen
dation an ° . . . . ,
das empiri- Anschauung liefs sich, angesichts des empirischen, eine reale
wnrsisein. Welt lehrenden Bewufstseins nicht behaupten; man mufste die
Realität der Welt einräumen und vereinigte damit das idea-
listische Dogma von der alleinigen Realität des Atman dadurch,
dafs man erklärte, die Welt sei da, sei aber in Wahrheit nur
der Atman. Auch auf diesem, Atman und Welt für identisch
erklärenden Standpunkte war eine Weltschöpfungslehre nicht
möglich. Und erst indem man dem empirischen Bewufstsein
eine weitere Konzession machte und jene nur behauptete, in
Die iden- Wirklichkeit aber nicht durchführbare Identität von Atman
aur Kausa- und Welt gestaltete zu einem Verhältnis der Kausalität zwi-
schen dem Atman als Ursache und der Welt als seiner Wir-
kung, — erst jetzt konnte und mufste man eine Theorie
2. Die Weltschöpfung und die Ätmanlehre. 167
darüber aufstellen, wie die Welt als Wirkung aus dem Ätman
hervorgegangen oder erschaffen worden sei. Dieser Schritt
hatte noch einen weiteren zur notwendigen Folge. Nach der
Schöpfungslehre war die Welt aus dem Atman als ein Anderes
herausgetreten; man mufste suchen, ihn wieder in dieselbe
hineinzubringen, wollte man' nicht auf das ursprüngliche
Grunddogma von der alleinigen Realität des Ätman ganz ver-
zichten. Aus diesen Motiven entsprang die Lehre, dafs der
Atman in die von ihm erschaffene Welt als Seele (Weltseele Eingehen
und Einzelseele) eingegangen sei, wie wir sie in den *l seine"
Upanishad's vorgetragen finden. So wurde es den Upanishad- SchODfnns-
lehrern möglich, neben ihrer idealistischen Grundanschammg
die aus dem Rigveda überkommene Lehre, wonach das Prinzip
die materielle Welt schafft und dann als Erstgebornes in
dieselbe eingeht, in modifizierter und fortentwickelter Weise
festzuhalten. Wenn also die Vedäntalehrer, Bädaräyana
(Sütram 2,1,14), Gaudapäda (Mändükyakärikä 1,18. 3,15) und
Qankara (zu Brahmasütra 4,3,14, p. 1126, S. 744 unserer Über-
setzung, und öfter), behaupten, die Schrift lehre eine Welt-
schöpfung nur aus Akkommodation an die menschliche Fassungs-
kraft, so ist dies nicht völlig abzuweisen und nur dahin zu
berichtigen, dafs es nicht eine bewufste, sondern eine un- unbewufst-
bewufste Akkommodation an die, eine reale Welt nebst Akkor
mmo-
dation.
zeitlichem und kausalem Nexus fordernde empirische An-
schauung ist, wenn auch die Upanishad's trotz ihrer welt-
vernichtenden Ätmanlehre eine Schöpfung der Welt durch den
Atman und ein Eingehen desselben in diese seine Schöpfung
lehren, wie die folgenden Stellen zeigen.
Brih. 1,4,7: „Die Welt hier war damals nicht entfaltet; Beispiele
eben dieselbe entfaltete sich in Namen und Gestalten; ... in
sie ist jener Atman eingegangen bis in die Nagelspitzen hinein,
wie ein Messer verborgen ist in einer Messerscheide oder das
allerhaltende [Feuer] in dem feuerbewahrenden [Holze]".
Chänd. 6,2 — 3: „Seiend nur, o Teurer, war dieses am
Anfang, eines nur und ohne zweites. . . . Dasselbige be-
absichtigte: ich will vieles sein, will mich fortpflanzen; da
schuf es die Glut". Weiter geht aus der Glut das Wrasser,
aus diesem die Nahrung (d. h. die Erde) hervor. „Jene Gott-
163 VI. Brahman als Weltschöpfer.
heit beabsichtigte: wohlan, ich will in diese drei Gottheiten
[Glut, Wasser, Nahrung] mit diesem lebenden Selbste [der
individuellen Seele] eingehen und auseinanderbreiten Namen
und Gestalten".
Taitt. 2,6: „Er [der Atman] begehrte: ich will vieles sein,
will mich fortpflanzen. Da übte er Kasteiung. Nachdem er
Kasteiung geübt, schuf er die ganze Welt, was irgend vor-
handen ist. Nachdem er sie geschaffen, ging er in dieselbe ein".
Ait. 1,1: „Zu Anfang war diese Welt allein Atman: es
war nichts andres da, die Augen aufzuschlagen. Er erwog:
ich will Welten schaffen. Da schuf er diese Welten: die
Flut, die Lichträume, das Tote, die Wasser". Weiter 1,3,11:
„Er erwog: wie könnte dieses [Menschengefüge] ohne mich
bestehen? Und er erwog: auf welchem Wege soll ich in das-
selbe eingehen? . . . Da spaltete er hier den Scheitel und
ging durch diese Pforte hinein".
chrono- Was das relative Alter der angeführten Stellen betrifft,
logie. . ö
so dürfte die von uns gewählte Reihenfolge auch die histo-
rische sein. Am wenigsten entwickelt ist Brih. 1,4,7. Ein-
gehend schildert Chänd. 6,2 — 3 den Schöpfungsprozefs, kennt
aber nur drei Elemente. Taitt. 2,1 läfst aus dem Atman die
fünf Elemente hervorgehen. Ait. 3,3 erwähnt die fünf Ele-
mente und bezeichnet sie zum erstenmal mit dem spätem
Terminus technicus pancu mahabhütäm; auch die ausgemalte
Schilderung, wie der Atman durch die Schädelnaht in den
Menschen hineinfährt, Ait. 1,3,11, läfst diese Stelle unter den
angeführten als die späteste erscheinen.
3. Die Schöpfung: der unorganischen Xatur.
organi- In der ganzen Natur ist keine andere Grenze so scharf
sclies und ... . . T. .. i.-\ 1
uuorgani- gezogen, wie die zwischen Inorganischem und Organischem;
und diese Unterscheidung beherrscht auch die Naturanschauung
der Inder, sofern sie zwar beides, Unorganisches wie Organi-
sches, aus dem Atman ableiten, jedoch in ganz verschiedenem
Sinne. Alle organischen Wesen, also alle Pflanzen, Tiere,
Menschen und Götter, sind wandernde Seelen, sind also im
Grunde der Atman selbst, wie er, aus Gründen die uns noch
Bches.
3. Die Schöpfung der unorganischen Natur. 1(31'
"beschäftigen werden, in diese vielheitliche Welt als wandernde,
individuelle Seele eingegangen ist. Hingegen sind die (wegen
ihres Umfanges von Ait. 3,3. Maitr. 3,2. Pränägnihotrop. 4
an mahäbhütäni genannten) unorganischen Wesen, d. h. die
fünf Elemente: Äther, Wind, Feuer, Wasser, Erde, wenn sie
auch von Brahman regiert werden (Brih. 3,7,3 — 14) und unter
dem Schutze besonderer Gottheiten stehen (Brih. 2,1,5 — 8.
2,5,1 — 10), doch nicht, wie alle Pflanzen, Tiere, Menschen und
Götter, wandernde Seelen, sondern nur der von Brahman aus-
gebreitete Schauplatz, auf dem die Seelen ihre Rolle zu spielen
haben. Ehe wir von der Entstehung der Elemente aus Brah-
man und sodann, im nächsten Abschnitte, von dem Eingehen
des Brahman in sie als Seele handeln, ist noch einiges über
die Schöpfungsmythen der Upanishad's vorauszuschicken.
Wir zeigten oben (Seite 166 — 168), wie es den Upanishad- nie Schöp-
lehrern, trotz der von ihnen vertretenen, eine Welt aufserhalb mythend«
des Atman ausschliefsenden Alleinslehre, durch unbewufste shad's.
Annäherung an die empirische Anschauung möglich wurde,
sich an das überkommene Schema der Schöpfungsmythen an-
zuschliefsen. So wird Chänd. 4,17,1 — 3 und, in kürzerer Form,
Chänd. 2,23 ein Schöpfungsmythus reproduziert, den wir, in
teilweise wörtlicher Übereinstimmung, schon qhen (I, i, S. 183-
189) aus Ait. Br. 5,32 und Qatap. Br. 11,5,8 kennen lernten-
An die Vorstellung von dem Weltei, deren ersten Ursprung
wir in dem „Lebenskräftigen, das in der Schale eingeschlossen
war" (Rigv. 10,129,3) und in dem „goldnen Keime" {hiranya-.
gärbha Rigv. 10,121,1) nachgewiesen haben (oben I, i, S. 123.
130), und deren Fortbildung uns bereits (Map. Br. 6,1,1 und
11,1,6 begegnete (I, i, S. 200. 195—196), knüpft ein Schöpfungs-
mythus an, welcher Chänd. 3,19 erhalten ist: „Diese Welt war chänd. 3,19.
zu Anfang nichtseiend; dieses [Nichtseiende] war das Seiende.
Dasselbige entstand. Da entwickelte sich ein Ei. Das lag
da, solange wie ein Jahr ist. Darauf spaltete es sich; die
beiden Eierschalen waren, die eine von Silber, die andre von
Gold. Die silberne ist diese Erde, die goldene der Himmel
dort" usw. (Auf diesen Vorgängern beruht die Darstellung
bei Manu 1,9 — 13.) —
In eioentümlicher Verwebung erscheint die Vorstellung
170 VI. Brahman als Weltschöpfer.
von dem Weltei mit der von dem vorweltlichen Purusha
(Rigv. 10,90, oben I, i, S. 150—158) in dem Schöpfungs-
mythus zu Eingang der, dem Rigveda angehörenden, Aitareya-
Tpanishad. ,,Zu Anfang war diese Welt allein Ätman; es
war nichts andres da, die Augen aufzuschlagen. Er erwog:
ich will Welten schaffen ! " Nachdem er sodann die Erde und
den Luftraum, die Wasser darüber und die darunter geschaffen,
holt er aus den Wassern den Purusha hervor und formt ihn.
Indem er diesen bebrütet, spalten sich, „wie ein Ei", Mund,
Nase, Augen usw. desselben, woraus die acht psychischen
Organe und aus diesen sodann Agni, Väyu, Äditya usw.
als die acht Welthüter hervorgehen, welche schliefslich im
Menschen als Rede, Odem, Gesicht usw. Wohnung nehmen.
Aber trotz dieser Belebung durch die aus dem Weltpurusha
stammenden Sinnesorgane kann das Menschengefüge erst be-
stehen, nachdem der Schöpfer selbst durch die Scheitelnaht
(vidriti) als individuelle Seele in dasselbe eingegangen ist. —
Die Tendenz dieses Mythus ist deutlich : der Purusha, welcher
Rigv. 10,90 das Urprinzip gewesen war, wird hier zu einer
von dem Atman abhängigen Potenz; und dementsprechend
werden nur die Seelenorgane des Menschen auf den Pu-
rusha, die Seele selbst aber auf den Atman zurückgeführt.
Der originellste und bedeutendste Schöpfungsmythus der
Upanishad's ist die Darstellung der Weltausbreitung aus dem
Ätman, Brih. 1,4. Hier erscheint die traditionelle Form des
Schöpfungsmythus nur wie ein leicht übergeworfenes Gewand ;
der Zweck ist nicht, eine zusammenhängende Schöpfungs-
geschichte zu erzählen, sondern vielmehr, in einer Reihe lose
aneinandergereihter Schöpfungsbilder die völlige Abhängigkeit
alles Seienden von dem Ätman zu lehren. Daher wird immer
wieder von neuem an den Atman angeknüpft, um zu zeigen,
wie die Spaltung desselben in Mann und Weib und, durch
Flucht des Weibes vor dem Manne, in die verschiedenen Tier-
geschlechter, — die Ausbreitung von Name und Gestalt und
das Eingehen des Ätman in dieselben, — die Schöpfung der
göttlichen und nach ihnen der menschlichen Kasten, usw.,
— dies alles nur die Selbstausbreitung des Ätman zur vielheit-
lichen Welt und die Wesensidentität aller ihrer Erscheinungen
3. Die Schöpfung der unorganischen Natur. 171
mit dem Ätman bedeutet. Durch das Bewufstsein „ich
bin Brahman" (aham brahma asmi, 1,4,10) wird der Atman
zum Weltall, „und auch heutzutage, wer also eben dieses er-
kennt: «Ich bin Brahman!» der wird zu diesem Weltall; und
auch die Götter haben nicht Macht, zu bewirken, dafs er es
nicht wird. Denn er ist die Seele (atman) derselben". So
wird die überkommene Lehre von der Schöpfung nur als eine
äufserliche Form beibehalten; sie dient nur, um die alleinige
Realität des Atman an den verschiedenen Welterscheinungen
aufzuzeigen.
Von der Höhe dieses Standpunktes sehen wir die Upa-
nishad's immer wieder zum angebornen Realismus zurück-
kehren, um eine Schöpfung der Welt und der Elemente, aus
welchen sie besteht, im einzelnen zu lehren.
Wie in der griechischen Philosophie Philolaos, Piaton und Die fünf
Aristoteles, so unterscheiden auch die meisten indischen Denker
fünf Elemente: Äther, Wind, Feuer, Wasser und Erde. An
eine Abhängigkeit der griechischen von der indischen oder der
indischen von der griechischen Vorstellungsweise ist dabei
nicht zu denken, schon deswegen, weil die Reihenfolge eine
verschiedene ist, indem bei den Griechen zwischen Äther und
Luft das Feuer, bei den Indern zwischen Äther und Feuer
die Luft steht. Ferner, weil auf beiden Gebieten unabhängig
von einander die einfache Beobachtung der Natur darauf führte,
die fünf Aggregatzustände der Materie, das Feste, Flüssige,
Gasförmige, Permanent-Elastische und Imponderabile, als die
fünf Bestandteile der körperlichen Welt zu betrachten, denen,
wie wir sehen werden, die fünf spezifischen Energien der
Sinnesorgane entsprechen. Endlich sehen wir auch in der
griechischen wie in der indischen Philosophie die Lehre von
der Fünfzahl der "Elemente aus einfacheren Vorstellungen all-
mählich sich bilden.
Bei den Indern ist das älteste Element das Wasser; schon Das wasseß
Rigv. 10,129,3 erschien das Urwesen als ein „lichtloses Ge-
woge" (a/prdketam salilam): Rigv. 10,121,9 erzeugt Prajäpati
„die glanzreich grofsen Wasser"; ebendieselben erscheinen
Rigv. 10.,82,1 als das Urschlammschmalz, in welches zu An-
fang Himmel und Erde eingetaucht waren; Rigv. 10,72,4 — 6
] 72 VI. Brahman als Weltschöpfer.
als der mit Aditi identische „Wogenschwall" usw. Auch
in den Upanishad's lebt noch die Vorstellung von den Ur-
wassern fort; Brih. 1,5,13: .Jenes Präna Leib sind die Wasser";
— Chänd. 7,10,1: „nur dieses Wasser, in festgewordenem Zu-
stande, sind diese Erde, der Luftraum, der Himmel, die Berge,
die Götter und Menschen, die Haustiere und Vögel, die
Kräuter und Bäume, die wilden Tiere bis herab zu den Wür-
mern, Fliegen und Ameisen, sie alle sind nur dieses Wasser
in festgewordenem Zustande"; — und Kaush. 1,7 (Up. S. 28)
sagt Brahman zu der sich mit ihm als identisch erkennenden
Seele: „die Urwasser, fürwahr, sind meine Welt [als Hiranya-
garbha], und sie ist Dein!" Auch Käth. 4,6 wird von dem
Purusha gesagt, dafs er schon vor den Urwassern da war;
und ebendieselben sind im folgenden Verse (vgl. oben Rigv.
10,72,5) unter der „zugleich mit dem Leben entspringenden
Götterträgerin Aditi" zu verstehen; auch sie „weilt in der
Herzenshöhle" (in welcher nach Chänd. 8,1,3 Himmel und Erde
beschlossen sind), d. h. auch die Urwasser sind ein Produkt
des im Herzen wohnenden Atman. Ihm hat, nach I§ä 4,
Mätarigvan (d. h. wohl der Präna) schon die Urwasser ein-
gewoben, er hat, nach Mahänär. 1,4 durch Wasser die Lebe-
wesen auf der Erde gesät. Auch die Kosmogonie Ait. 1,1
erklärt sich hieraus. Sie scheint speziell an Rigv. 10,82,1
anzuknüpfen. Dort hiefs es, dafs anfangs die Welten im
ghritam der Urwasser versunken gewesen, und dafs der Schöpfer,
nachdem er zuerst die äufsersten Enden [die nur aus den
Wassern bestehen konnten] befestigt hatte, zwischen ihnen
Erde und Himmel ausgebreitet habe (oben I, i, S. 137). Hier-
aus läfst sich Ait. 1,1 verstehen, wo es heifst: „Er erwog: ich
will Welten schaffen! Da schuf er diese Welten: die Flut,
die Lichträume, das Tote, die Wasser (amhho, maricir, mcvram,
äpas). Jenes ist die Flut, jenseits des Himmels; der Himmel
ist ihr Boden. Die Lichträume sind der Luftraum. Das Tote
ist die Erde. Was unter ihr, das sind die Wasser". Nach
dieser Darstellung haben wir als die beiden Enden der Welt,
oberhalb und unterhalb derselben, Wasser, zwischen beiden
aber den hellen Luftraum (daher maridr) und die dunkle
(daher tote) Erde, d. h. das sürtavn und das asürtarn rajas aus
3. Die Schöpfung der unorganischen Natur. 173
Rigv. 10,82,4. Aus einer Bezugnahme auf diese Stelle würde
sich die übrigens isoliert dastehende Konstruktion der Welt-
teile Ait. 1,1 vollkommen erklären. Im weitern Verlaufe zählt
dieselbe Upanishad (Ait. 3,3) schon die später üblichen fünf
Elemente auf.
Ein weiterer Schritt geschieht Brih. 1,2,2, wo wir das eine Feuer, wad
Element der Urwasser in drei übergehen sehen. Auch hier
schafft Prajäpati durch sein Lobsingen das Wasser; aus der
Butterung desselben entstellt die Erde, aus der Anstrengung
und Erhitzung bei dieser Tätigkeit das Feuer.
Die Hauptstelle für die Dreizahl der Elemente ist Chänd.
0,2. Die Wasser sind hier nicht mehr der Ausgangspunkt,
sondern nehmen ihre Stelle zwischen dem feineren Feuer und
der gröberen Erde ein. Die Tendenz, für gewöhnliche Dinge
mystische, dem Uneingeweihten unverständliche Ausdrücke zu
wählen (welche in den Brahmasütra's bis ins Komische getrieben
wird), zeigt sich darin, dafs neben dem Wasser, dessen Benennung
schon feststand, das Feuer als tcjas (Glut), die Erde als annam
(Nahrung) bezeichnet wird. In systematischer Form wird das
Hervorgehen dieser drei Elemente aus einander und zuhöchst
aus dem Seienden, d. h. dem Brahman, geschildert und be-
gründet: „Dasselbe beabsichtigte: Ich will vieles sein, will
mich fortpflanzen! Da schuf es die Glut (tejas). Diese Glut
beabsichtigte : Ich will vieles sein, will mich fortpflanzen ! Da
schuf sie die Wasser (äpas). Darum wenn ein Mensch die
Glut des Schmerzes fühlt oder schwitzt, so entstehet aus der
Glut das Wasser [der Tränen, des Schweifses]. Diese Wasser
beabsichtigten: Wir wollen vieles sein, wollen uns fortpflanzen!
Da schufen sie die Nahrung (annam). Darum, wenn es regnet,
so entstehet reichliche Nahrung, denn aus den Wassern eben
entstehet die Nahrung, die man isset." Nachdem sodann das
Eingehen des Seienden als individuelle Seele (jiva ätman) in
die drei von ihm geschaffenen Gottheiten, d. h. in die Ele-
mente, berichtet worden, so folgt weiter die Auseinander-
setzung, wie das Seiende die von ihm erschaffenen Elemente
„dreifach gemacht" habe, indem es jedes derselben mit Bestand- Die Drei-
teilen der drei andern versetzte. So wird beispielsweise an machung.
Feuer, Sonne, Mond und Blitz nachgewiesen, dafs das Rote
174 VT. Brahman als Weltschöpfer.
an ihnen aus Glut, das Weifse aus Wasser, das Schwarze
aus Nahrung bestehe. Sonach sind die in der Natur vor-
kommenden Stoße nicht reine Elementarstoffe, sondern Ge-
mische, wobei, wie Bädaräyana sagt ( Sütrarn 2,4,22) : vcneeshyät
tu tadvädas, tadvädah, was man ganz wörtlich wiedergeben
kann durch: denominatio fit a potiori. — In dieser Theorie
von der Dreifachmachung der Urelemente liegt der erste Keim
Die tan- der spätem Unterscheidung von Reinstoffen (tanmätra) und
groben Elementen (dhülabhütäm). Das erste Vorkommen der-
selben ist Prac,na 4,8, wo unterschieden werden: „die Erde
und der Erdstoff (prithivi ca prithivimäträ ca), das Wasser
und der Wasserstoff, die Glut und der Glutstoff, der Wind
und der Wrindstoff, der Äther und der Ätherstoff". Die hier
gebrauchten Ausdrücke: prithivimäträ, apomäträ, tejomäträ,
väyumäträ, akägamäirä, werden dann später zusammengefafst
zu dem Terminus Tanmätra „aus diesem allein bestehend",
welcher zuerst sich findet Maitr. 3,2 und weiterhin Pränägni-
hotrop. 4. Mahop. 1. (An eine Entstehung aus tanu-mätra,
wie wohl behauptet worden, ist nach dem Gesagten nicht zu
denken.) In dem (aufserhalb des Zusammenhangs stehenden)
Verse Manu 1,27 werden die Tanmätra's als anvyo mäirält
erwähnt, und in der Saiikhyaphilosophie spielen sie, wie später
zu zeigen, eine wichtige Rolle. Bädaräyana nennt sie nicht,
und Qankara im Kommentar zu 2,2,10, p. 514,14 erwähnt sie
nur als Sänkhyaterminus, um sie abzuweisen, vertritt aber in
seiner Lehre von dem feinen Leibe (System des Vedänta
S. 399 und Anm. 127) eine verwandte Vorstellung. — Nachdem
man von den drei Elementen zu fünfen übergegangen war,
machte man aus der Dreifachmachung der Elemente eine
Die Fünf- Fünffachmachung {pantikaranam, zuerst, unseres Wissens, bei
machung. Qank. zu Chänd. 6,4, p. 417,5), welche im Vedäntasära dahin
präzisiert wird, dafs von jedem der fünffachgemachten Ele-
mente die Hälfte rein und die andre Hälfte aus den vier
übrigen Elementen zugemischt ist, so dafs z. B. das in der
Natur vorkommende Wasser aus H, Wasser -f- 1/8 Erde -f-
Motive die- */8 Feuer -f- 1fs Luft + 1S Äther besteht. — Als Motive
dieser Dreifachmachung oder Fünffachmachung darf nicht die
Vedäntasära § 128 (Böhtl.) in Verbindung mit ihr vorgetragene
3. Die Schöpfung der unorganischen Natur. 175
Theorie betrachtet werden, nach welcher die Erde riechbar,
schmeckbar, sichtbar, fühlbar und hörbar, das Wasser schmeck-
bar, sichtbar, fühlbar und hörbar, das Feuer sichtbar, fühlbar
und hörbar, der Wind fühlbar und hörbar und der Äther blofs
hörbar ist. Diese Theorie setzt nicht die gemischten, sondern
die ungemischten Elemente voraus, welche bei ihrem Hervor-
gehen aus einander die Eigenschaften der Elemente, aus denen
sie hervorgegangen sind, beibehalten (der Wind neben der
Fühlbarkeit auch die Hörbarkeit, weil er aus dem hörbaren
Äther hervorgegangen, usw.). Mit der Dreifach machung
oder Fünffachmachung hingegen steht diese Theorie in Wider-
spruch, da z. B. der fünffach gemachte Äther, eben wegen der
Zumischung der vier andern Elemente, nicht mehr blofs hörbar,
sondern auch fühlbar, sichtbar, schmeckbar und riechbar sein
müfste. Hingegen wüfsten wir als Motiv der Drei- und Fünf-
fachmachung der Elemente, aufser der Wahrnehmung, dafs
in allem Spuren von allem sind (tcöcv iv icavxl [xz^ly^ai, Anaxa-
goras bei Ar. phys. 1,4 187 b 1), nur anzugeben, dafs der
menschliche Organismus, obwohl er nur einzelne Stoffe als
Nahrung aufnimmt, doch aus ihnen alle drei Elemente, Nah-
rung, Wasser und Glut, entnimmt, welche nach der Schilde-
rung, die sich an die Dreifachmachung der Elemente Chänd. 6,5
anschliefst, zu seinem Aufbau erforderlich sind.
Ein grofser Fortschritt über die behandelte Stelle Chänd. Fant Eie-
6,2 fg. hinaus, welche aus Brahman nur drei Elemente, Feuer,
Wasser und Erde, hervorgehen liefs, besteht darin, dafs der
Äther (oder Raum akäga) und der Wind (väyic), welche in der
altern Zeit, wie wir sahen, als symbolische Vertreter des
Brahman selbst gegolten hatten, weiterhin als die beiden fein-
sten Elemente zwischen Brahman und das Feuer eingeschoben
wurden. Hierdurch gelangte man zur Fünfzahl der Elemente,
welche, mit wenigen Ausnahmen, von allen spätem Philo-
sophen Indiens angenommen werden. Die erste Stelle, welche
die fünf Elemente nach dem Chänd. 6,2 vorliegenden Schema,
das erste aus Brahman und jedes folgende aus dem jedesmal
vorhergehenden, hervorgehen liefs, findet sich (Aufzählungen
wie Brih. 4,4,5 kommen nicht in Betracht) Taitt. 2,1, eine
Stelle, welche in der indischen Philosophie eine fundamentale
mente.
17G VI- Brahman als Weltschöpfer.
Bedeutung gewonnen hat: „Aus diesem Atman, fürwahr, ist
der Äther [Raum] entstanden, aus dem Äther der Wind, aus
dem Winde das Feuer, aus dem Feuer das Wasser, aus dem
Entspre- Wasser die Erde". — Dieser Fünfzahl der Elemente entspricht,
KTk^nmiirs- wie wir später sehen werden, die Fünfzahl der Erkenntnis-
sinne (Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack, Geruch), welche,
wenn nicht die erste Aufstellung, so doch die definitive Fest-
haltung der fünf Elemente veranlafst hat. Jedes Element hat
seine bestimmte Qualität (Ton, Fühlbarkeit, Farbe, Schmeck-
barkeit, Riechbarkeit) und aufser dieser, wie schon oben be-
merkt, noch die Qualität derjenigen Elemente, aus denen ein
jedes hervorgegangen ist. Spätere Upanishad stellen, in denen
die fünf Elemente teils aufgezählt, teils erwähnt werden, sind :
Ait. 3,3 (noch ungeordnet): Qvet. 2,12. 6,2 (vgl. auch Kath.
3,15); Pracna 6,4, Maitr. 3,2. 6,4. Ätma 2. Pinda 2. Pränägni-
hotra 4.
4. Die organische Natur.
Eingehen In Akkommodation an das menschliche, auf kausale Zu-
man inline sammenhänge gerichtete Erkenntnisvermögen stellte sich die
MotiÄsH Wesensidentität der Welt mit Brahman als eine Schöpfung
Lehre. ^er -\yei^ durch das Brahman dar. Wie das indische Wort
für Schöpfung, srishti, zu verstehen gibt, ist diese zu denken
als ein Entlassen, Loslassen, Ausgiefsen, somit als ein Heraus-
treten der Welt aus Brahman, welches als solches mit dem
Grunddogma von der alleinigen Realität des Brahman in
Widerspruch stand. Daher erforderte die Lehre von der
Schöpfung der Welt, sollte diese nicht als ein Anderes, ein
Fremdes dem Brahman gegenübertreten, zu ihrer Ergänzung
die Vorstellung, dafs das Brahman selbst, nachdem es die Welt
geschaffen, in dieselbe als Seele eingegangen sei; Brih. 1,4,7:
„in sie (die Welt) ist jener [Atman] eingegangen bis in die
Nagelspitzen ^hinein"; Chänd. 6,3,3: „da ging jene Gottheit
(das Brahman) in diese drei Gottheiten (die Elemente) mit
diesem lebenden Selbste (jiva atman, der individuellen Seele)
ein und breitete aus einander Namen und Gestalten" ; Taitt. 2,6 :
„nachdem er sie geschaffen, ging er in dieselbe ein": Ait.
1,3,12: „da spaltete er hier den Scheitel und ging durch diese
4. Die organische Natur. 177
Pforte hinein". Brahman schafft die Organismen als Burgen
(puras) und geht dann in dieselben als Bürger {purusha, d. h.
als die Seele) ein, Brih. 2,5,18:
Als Burgen schuf Zweifüfsler er,
Als Burgen die Vierfüfsler auch;
In Burgen ging als Vogel er,
In Burgen er als Bürger ein.
Solche Wohnstätten, in welche Brahman als individuelle aub Lebe-
Seele eingegangen ist, sind alle lebenden Wesen, also alle % Seelen.
Pflanzen, alle Tiere, alle Menschen und alle Götter:
Aus ihm die Götter vielfach sind entstanden,
Und Selige, aus ihm Menschen, Vieh und Vögel,
Einhauch und Aushauch, Beis und Gerste, — _
wie es Mund, 2,1,7 mit Anklang an Bigv. 10,90,8 und Atharvav.
11,4,13 (oben I, i, S. 157. 303) heifst. Alle lebenden Wesen
sind demnach Brahman, Ait. 3,3: „Dieses (das Bewufstsein,
d. h. der- Ätman) ist Brahman, dieses ist Indra, dieses ist
Prajäpati, dieses ist alle Götter, — ist die fünf Elemente,
Erde, Wind, Äther, Wasser, Lichter, — ist die Klein -Lebe-
wesen und was ihnen etwa ähnlich, — ist die Samen der einen
und andern Art, — ist Eigeborenes, Mutterschofsgeborenes,
Schweifsgeborenes, Sprofsgeborenes, — ist Bosse, Binder,
Menschen, Elefanten, — ist alles was lebt, was da geht. und
fliegt und was bewegungslos". Unter dem „Bewegungslosen"
(sthdvaram) ist die Pflanzenwelt zu verstehen. Zu der ganzen
Stelle bemerkt Qankara : „In dieser Weise nimmt in allen den
speziellen Körperhüllen von Brahman bis herab zum Grashalm
(brahmäcU-stambajKü-yanteshu, ein später viel gebrauchter Aus-
druck) das Brahman diese und jene Namen und Gestalten
an". Eine Einteilung der organischen Wesen in drei Klassen: Küssender
„aus dem Ei Geborenes, lebend Geborenes und aus dem Keim orwesenhen
Geborenes", fand sich schon Chänd. 6,3,1, wozu dann obige
(spätere) Stelle als vierte Klasse das „Schweifsgeborene" (In-
sekten und dergleichen) hinzufügt. In jeder dieser Erschei-
nungen wohnt das ganze Brahman; der Atman- heifst Säman, in j6dem
„weil er gleich (sama) ist der Ameise, gleich der Mücke, daes g°nez'e
gleich dem Elefanten, gleich diesen drei Welträumen, gleich Brahman
Deussen, Geschichte der Philosophie. I, n. 12
178
VI. Brahman als Weltschöpf'er.
Die
Pflanzen.
I)ie Götter.
Unbe-
wufstes
Hervor-
gehen aus
Brahman.
Mythus vom
Entstehen
der Tier-
geschlech-
ter.
diesem Weltganzen" (Brih. 1,3,22). Ein Beispiel von der Be-
seeltheit der Pflanzen liefert Chänd. 6,11,1 an dem Baume,
welcher dasteht, „durchdrungen von dem lebendigen Selbste
(jiva ätman, der individuellen Seele), strotzend und freude-
voll"; dafs dementsprechend auch die Wanderung der Seelen
bis in die Pflanzenwelt sich erstreckt, lehrt Käth. 5,7 :
Im Mutterschofs geht ein dieser,
Verkörpernd sich zur Leiblichkeit, —
In eine Pflanze fährt jener, —
Je nach Werk, je nach Wissenschaft.
Nach oben hin erstreckt sich die Seelenwanderung bis in die
Götterwelt hinein, Brih. 4,4,4: „Wie ein Goldschmied von
einem Bildwerke den Stoff nimmt und daraus eine andere,
neuere, schönere Gestalt hämmert, so auch diese Seele, nach-
dem sie den Leib abgeschüttelt und das Nichtwissen [zeit-
weilig] losgelassen hat, so schafft sie sich eine andere, neuere,
schönere Gestalt, sei es der Väter oder der Gandharven oder
der Götter oder des Prajäpati oder des Brahman, oder andrer
Wesen". Das Hervorgehen der Kreaturen aus Brahman, nach-
dem sie, wie die Blumensäfte in den Honig, wie die Flüsse
in den Ozean, in dasselbe (im Tiefschlaf und im Tode) ein-
gegangen sind, geschieht in unbewufster Weise, Chand. 6,10,2:
„also, fürwahr, wissen auch alle diese Kreaturen, wenn sie
aus dem Seienden wieder hervorgehen, nicht, dafs sie aus dem
Seienden wieder hervorgehen; selbige, ob sie hier Tiger sind
oder Löwe, oder Wolf, oder Eber, oder Wurm, oder Vogel,
oder Bremse oder Mücke, was sie immer sein mögen, dazu
werden sie wiedergestaltet". Vgl. die ähnliche, und vielleicht
davon abhängige, Aufzählung, Kaush. 1,2: „Der wird hienieden,
sei es als Wurm, oder als Fliege, oder als Fisch, oder als
Vogel, oder als Löwe, oder als Eber, oder als Beifstier, oder
als Tiger, oder als Mensch, oder als sonst etwas, an diesem
oder jenem Orte wiederum geboren, je nach seinem Werke,
je nach seinem Wissen".
Eine mythische Schilderung des Entstehens des Menschen-
geschlechtes und der Tiergeschlechter bietet Brih. 1,4,3 — 4.
Der Atman ist ursprünglich weder Mann noch Weib, sondern
■i. Die organische Natur. 179
(wie in dem Mythus des Aristophanes bei Piaton Synip.
p. 189 C fg.) die ungeschiedene Einheit beider, welche sich
spaltet und in der Zeugung zur Wiedervereinigung gelangt.
Hierauf entflieht das Weib und verbirgt sich der Reihe nach
in den verschiedenen Tierspezies der Kühe, Pferde, Esel, Ziegen,
Schafe bis herab zu den Ameisen; der Ätman aber verfolgt
sie durch alle Formen hindurch und zeugt so die Individuen
jeder einzelnen Tierart. — Man könnte versucht sein, diesem
Mythus einen tieferen Sinn unterzulegen; das Männliche wäre
der nach seiner Manifestation verlangende Wille, das Weib-
liche der Inbegriff der Formen (der platonischen Ideen),
welche, obgleich aus dem Willen entsprungen, ihm doch he-
terogen sind, vor ihm fliehen, bis der schöpferische Wille sich
ihrer bemächtigt, um in ihnen allen sein Wesen zum Ausdruck
zu bringen. — Jedenfalls besagt der Mythus soviel, dafs alle
Tierformen mit dem Menschen gleichen Wesens und, wie er,
Verkörperungen des Atman sind.
Im Folgenden (Brih. 1,4,6. 11 — 15) wird geschildert, wie Schöpfung
der Ätman über sich hinaus die verschiedenen Götterklassen Jne über-
schafft; „weil er als höhere [als er selbst ist] die Götter schuf schöpfung-
und weil er, als Sterblicher, die Unsterblichen schuf, darum
heifst sie die Überschöpfung (atisrishti)". Hierin liegt jeden-
falls so viel, dafs der als Mensch verkörperte Ätman in sich
das Prinzip aller höheren Welten und Wesen enthält.
5. Die Weltseele (Hiranyagarbha, Brahmän).
Wie die Einzelseele zu ihrem Leibe, so verhält sich zu Die weit-
dem Weltleibe die Weltseele, welche, zum Unterschiede von man, m-^
dem BrdJiman (neutr.) als Urprinzip, als der Brahmän (mask.) ^a9arbha)-
oder auch als der Hiranyagarbha bezeichnet wird, welcher
nach Rigv. 10,121,1 aus den von dem Urprinzip geschaffenen
Urwassern als der Erstgeborne der Schöpfung hervorging.
Weil es das Urprinzip selbst ist, welches in seiner Schöpfung
als Erstgeborner erscheint, darum wird auch der letztere, mit
Änderung des Genus und des Akzentes, als der Brahmän,
gleichsam als das persönlich gewordene Brahma», bezeichnet.
In den altern Upanishadtexten ist diese Vorstellung nur wenig
12*
180 VI. Brahman als Weltschopf er.
ausgebildet. In der oben zitierten Stelle Brih. 4,4,4 erschien
als Beispiel einer wandernden Seele neben Prajäpati und den
übrigen Göttern auch der Brahman (ohne Zweifel als Masku-
linum aufzufassen). Ait. 3,3 wird an der Spitze der Lebe-
wesen, als welche der Ätman zur Erscheinung kommt, der
Brahman genannt fauch hier ist natürlich esha brahma zu lesen
statt esha brahma, wie gedankenloserweise Ait. Ar. 2,6,1,5 p. 299,3
gedruckt ist; vgl. auch die unmittelbar folgenden Worte des
Säyana: anena pHl-liJxjena brahmagabdena e Hiranyägarbhdh
samavartata agre' üy-ädi-gästra-prasiddhah jpraihamah gariri
rivalcshitah). Auch Kaush. 1, wo dieser persönlich gedachte
Brahman die im Jenseits ankommende Seele empfängt, wird
seine Identität mit Hiranyagarbha durch die Schlufsworte 1,7
angedeutet: „Die Urwasser, fürwahr, sind meine Welt, und
sie ist dein!" — Sonst wird der persönliche Brahman (oder
an seiner Stelle gelegentlich Parameshthin, Prajapati Brih.
2,6,3. 4,6,3. 6,5,4) in altern Texten nur erwähnt als der Träger
der göttlichen Offenbarung (wie vordem der Vena, oben I, i,
S. 252 fg.) und ihr Vermittler an die Menschen: 'Chänd. 3,11,4.
8,15. Mund. 1,1,1 — 2 und öfter in späteren Upanishad's.
Brahman Ausgeführter findet sich diese Vorstellung von dem Erst-
garbhd) ist gebornen der Schöpfung als dem Urquell aller Weisheit erst
rSSw i/der in der (überhaupt zur Personifikation des Göttlichen neigen-
'Up' den) Qvetäcvatara-Upanishad, wo derselbe als der Brahman y
als Hiranyagarbha, der „Goldkeim", oder auch einmal, 5,2,.
mit poetischer Umschreibung dieses Wortes, als der (wie Gold)
,,rote Weise", hapila rishi, bezeichnet wird, was dann viele zu
dem Irrtum verleitet hat, dafs hier, in einer vedischen Upa-
nishad, als der Erstgeborne des Schöpfers — Kapila, der
Stifter des Sänkhyasystems, genannt werde! Hätte der allem
Dualismus und Atheismus so feindlich gegenüberstehende Autor
unserer Upanishad diesen gekannt (was wir nicht glauben),
so würde er ihn wohl mit ganz andern Epithetis charakterisiert
haben. Die Meinung, dafs hier.Kapila genannt werde, ist nur
möglich, solange man die Stelle isoliert und ohne Rücksicht
auf den ganzen Zusammenhang der Upanishad betrachtet,
welche denselben Gedanken, der hier vorkommt, noch an vier
andern Stellen zum Ausdruck bringt. Sie feiert den Rudra
5. Die Weltseele. 181
(Qiva), in welchem sie das Urwesen sieht, als den Urquell
aller Weisheit: „aus ihm erflofs das Wissen uranfänglich"
(4,18, vgl. Brih. 2,4,10); — „er heilst der Erstlings-Purusha,
der Grofse" (agryah pnrusho mahän, 3,19, vgl. mahän ätmä
Käth. 3,10. 6,7); — er ist es, „der den Gott Brahmän schuf
zu Anfang, und der ihm auch die Veden überliefert" (6,18);
— „der vormals den Hiranyagarbha zeugte" (3,4), — „der
selbst entstehen sah den Hiranyagarbha" (4,12), — und mit
Hinweis auf die letzteren Stellen heifst es dann 5,2: „der mit
jenem [3,4 und 4,12 erwähnten] ersterzeugten, roten Weisen
(kapüam rishim) im Geist ging schwanger und ihn sah ge-
boren". Das zurückweisende tarn sowie die Worte jäyamanam
ca pagyet, verglichen mit 4,12 pagyata jäyamanam, machen wohl
die Rückbeziehung auf diese Stelle, und somit auf Hiranya-
garbha, unzweifelhaft.
Aus späteren Upanishad's ist zu erwähnen, dafs nach Näräyana.
Xäräyana 1 der Brahmän aus Näräyana, und dafs nach Atharva-
C,iras 6 aus Budra, nach Mahä 3 aus Näräyana, das Weltei
und aus diesem sodann der Brahmän entsteht; als Quelle des
WTissens wird derselbe bezeichnet Pinda 1, Gäruda 3, und
(unter dem Namen Hiranyagarbha) Mahä 4. Im Gegensatze
zu dem ichbewufsten Jiva (der individuellen Seele) wird
Hiranyagarbha als „allichbewufst" (sarvähammänin) bezeichnet
Nrisinhott. 9, Up. S. 798.
Der Stufenfolge von Urwesen, Urwasser und Erstgebo- Der Mahdn
renem (Brahmän, Hiranyagarbha) entspricht es, wenn, unter Atnw'
Abstreifung der mythologischen Form, Käth. 3,10—11. 6,7 — 8
als die drei obersten Prinzipien Purusha, AvyaMam und Mahän
Atmä bezeichnet werden. Hier ist, im Gegensatze zum indi-
viduellen Atman, der Mahan Atmä (das grofse Selbst, dem
mahän purusha Qvet. 3,19 entsprechend) die Weltseele, d. h.
der allichbewufste Hiranyagarbha. Die Buddhi ist Käth. 3,10
noch dem Mahän Atmä untergeordnet. Eine Verschmelzung
beider führt dann weiterhin zum kosmischen Intellekte (mahän,
buddhi) der Sänkhyaphilosophie. — Auf andern Gebieten ent- Analogien
spricht dem kosmischen Intellekte als Träger der Welt (Hiranya- sopMs^he
garbha, Mahän) der aus dem sv emanierende voO? der Neu- Seservof-
platoniker sowie das „reine Subjekt des Erkennens" (das ewige 8teUun«-
Ig2 VI. Brahman als Weltschöpfer.
Weltauge) der schopenhauerschen Philosophie. Für das meta-
physische Verständnis der Welt ist diese Vorstellung eine
unentbehrliche. Wir wissen es (und auch die Inder wufsten
es schon, Brih. 2,4,5), dafs die ganze objektive Welt nur mög-
lich ist, sofern sie getragen wird von einem erkennenden Sub-
jekte. Dieses Subjekt als Träger der objektiven Welt kommt
zur Erscheinung in allen individuellen Subjekten, ist aber
keineswegs mit ihnen identisch. Denn die individuellen Sub-
jekte vergehen (Brih. 2,4,12 „nach dem Tode ist kein Bewufst-
sein", vgl. Brih. 3,2,12), die objektive Welt besteht aber auch
ohne sie weiter, mithin auch das ewige Subjekt des Erkennens
(Hiranyagarbha), von welchem sie getragen wird. Aus diesem
Subjekte entspringen Raum und Zeit; darum ist es selbst in
keinem Räume und zu keiner Zeit, also empirisch betrachtet
überhaupt nicht vorhanden ; es hat keine empirische, sondern
nur eine metaphysische Realität.
VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
1. Brahman als Welterhalter.
in aiiem Da in Wahrheit nur der Ätman vorhanden ist, und die
Ätman.r Welt, sofern sie überhaupt existiert % ihrem Wesen nach nur
Ätman ist, so folgt, dafs die Dinge dieser Welt ihre Realität,
soweit wir ihnen eine solche zugestehen mögen, nur von dem
Ätman zu Lehen tragen können. Sie verhalten sich zu ihm
wie die Funken zu dem Feuer, aus welchem sie entspringen
und welches sie ihrem ganzen Wesen nach sind; Brih. 2,1,20:
„wie aus dem Feuer die winzigen Fünklein entspringen, also
auch entspringen aus diesem Ätman alle Lebensgeister, alle
Welten, alle Götter, alle Wesen"; vgl. Kaush. 4,20. Näher
ausgeführt findet sich dieses Bild Mund. 2,1,1:
Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken,
Ihm gleichen Wesens, tausendfach entspringen,
So geh'n, o Teurer, aus dem Unvergänglichen
Die mannigfachen Wesen
Hervor und wieder in dasselbe ein.
1. Brahman als Welterhalter. 183
Alle Dinge der Welt sind, wie diese Stelle besagt, „ihm
gleichen Wesens" (sarüpa, oder svarüpa „seine Gestalt habend"),
sind der Ätman selbst, und er allein ist es, welcher als die
ganze Welt ausgebreitet vor uns liegt, Mund-: 2,1,4:
Sein Haupt ist Feuer, seine Augen Mond und Sonne,
Die Himmelsgegenden die Ohren,
Seine Stimme ist des Veda Offenbarung.
Wind ist sein Hauch, sein Herz die Welt, aus seinen Füfsen Erde,
Er ist das innre Selbst in allen Wesen.
Wie es geschieht, dafs der einheitliche Ätman sich zur Ausbrei-
vielheitlichen Welt ausbreitet, das bleibt ein Geheimnis und Einheit zur
kann nur durch Bilder erläutert werden. So läfst Chänd. 6,12
der Lehrer die. Frucht des Nyagrodha-Baumes (dessen Zweige Bna vom
nach unten wachsen und in der Erde neue Wurzeln schlagen,
so dafs aus dem Baume ein ganzer Wald wird) herbeibringen
und öffnen, und nachdem der Schüler in ihr nur ganz kleine
Kerne und in diesen gar nichts weiter gefunden hat, spricht
zu ihm der Lehrer: „Die Feinheit, die du nicht wahrnimmst
o Teurer, aus dieser Feinheit, fürwahr, ist dieser grofse Nyag-
rodha-Baum entstanden. Glaube, o Teurer, was jene Feinheit
ist, ein Bestehen aus dem (ein dieses-als- Wesen-Haben, aitad-
ätmyam) ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die
Seele, das bist du, o Qvetaketu!"
Die Ausbreitung der Einheit als Vielheit wird auch er- Biia vom
läutert durch das vielfach mifs verstandene Gleichnis Käth. 6,1 : ^
Die Wurzel hoch, die Zweig' abwärts
Steht jener ew'ge Feigenbaum.
Alle, welche hier mula in ürdhvamüla als Plural fassen und „die
Wurzeln", Jhe roots", „les racines" u. dgl. übersetzen, können
den Sinn des Gleichnisses nicht verstanden haben, welcher
gerade darin besteht, zu zeigen, wie aus dem einheitlichen
Brahman als Wurzel die Vielheit der Welterscheinungen
entspringt. So gleicht das Weltganze einem Acvattha-Baume,
bei dem, ähnlich wie bei unsrer Linde, aus der einen Wurzel,
die er hat, die ganze Mannigfaltigkeit seiner Aste und Zweige
entspringt, nur dafs bei demjenigen Acvattha, welcher die
Welt ist, die eine Wurzel, das Brahman, oben, und die vielen
184 " VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
Zweige seiner Erscheinungen hier unten auf Erden sind. Ganz
irreführend ist es, hier an den Nyagrodha-Baum (ficus indica)
zu denken, der seine Zweige in die Erde schickt, wo sie neue
Wurzeln schlagen. Der A^vattha (ficus religiosa) ist von ihm
nach Wuchs und Blättern völlig verschieden. — , Von Interesse
ist es, zu sehen, dafs die besprochene Käthakastelle allem An-
scheine nach schon Qvet. 3,9 (wie auch Mahänar. 10,20) be-
nutzt wird; wenn es hier heifst: „als Baum im Himmel wur-
zelnd steht der Eine" (vgl. auch den Weltbaum Qxet. 6,6),
so findet dies in der Stelle Käth. 6,1, und nur in ihr, seine
Erklärung.
Aiigegen- Aus der Allverbreitung des Atman ergibt sich seine
itman. Allgegenwart in den Erscheinungen der Welt, wie sie, mit
Benutzung des Verses Rigv. 4,40,5, geschildert wird Käth. 5,2
(= Mahänar. 10,6, vgl. die weiteren Nachweisungen dort):
Im Äther ist Sonnenschwan er, Vasu in der Luft,
Hotar am Opferbette, auf der Schwelle Gast,
Er weilt in Mensch und Weite, im Gesetz, im Raum,
Entspringt aus Wassern, Rindern, Recht, Gebirg' als grofses Recht.
Mit Anknüpfung an den Vers Väj. Samh. 32,4 (oben I, i,
S. 292) schildert die Allgegenwart Gottes gvet. 2,16—17:
Er ist der Gott in allen Weltenräumen,
Vormals geboren und im Mutterleibe;
Er ward geboren, wird geboren werden,
Ist in den Menschen und allgegenwärtig.
Der Gott, der im Feuer ist, im Wasser,
Der in die ganze Welt ist eingegangen,
Der in den Kräutern weilt und in den Bäumen,
Diesem Gotte sei Ehre! — sei Ehre!
Alles hat -ALii uei üiigüg
an seiner
Wonne teil
Auf der Allgegenwart des Atman beruht es, dafs alle
Kreaturen an der Wonne, welche sein Wesen ist (oben
S. 127 fg.), teilhaben: „durch ein kleines Teilchen nur dieser
Wonne haben ihr Leben die andern Kreaturen" (Brih. 4,3,32) :
— „denn wer könnte atmen, wer leben, wenn in dem Äkäca
nicht jene Wonne wäre! Denn er ist es, der die Wonne
schaffet" (Taitt. 2,7). Darum wohnt allen Wesen eine Sehn-
sucht nach dem Ätman inne, und ebenso nach dem, welcher
1. Brahman als Welterhalter. 185
sich als den Ätman weifs; „sein (des Brahman) Name ist
«Nach-ihm-das-Sehnen » (tadvanam), als «Nach-ihm-das-Sehnen » „Nach-ihm-
soll man es verehren. Wer selbiges als solches weifs, zu dem ^n". '
wohl sehnen hin sich die Wesen alle'" (Kena 31, vgl. das
aristotelische : xwsE 5e 6? sp«[j.evov).
Alles Wirken in der Welt ist ein solches des Ätman; „er Aiuvirk-
ist es, der das gute Werk den tun macht, welchen er aus
diesen Welten emporführen will, und er ist es, der das böse
Werk den tun macht, welchen er abwärts führen will"
(Kaush. 3,8). Auch die Götter tun ihr Werk nur durch die
Kraft, welche er ihnen verleiht: kein Strohhalm kann von
Agni verbrannt, von Väyu aufgehoben werden ohne den Willen
des Brahman (Kena 17 — 23).
Die schönste Schilderung von der Allmacht des Unver- Allmacht.
gänglichen, d. h. des Ätman, findet sich, in teilweiser An-
lehnung an den Prajäpatihymnus Rigv. 10,121 (oben I, i, S. 132)
in dem Gespräche des Yäjfiavalkya mit der Gärgi, Brih. 3,8,9:
„Auf dieses Unvergänglichen Geheifs, o Gärgi, stehen
auseinandergehalten Sonne und Mond; auf dieses Unvergäng-
lichen Geheifs, o Gärgi, stehen auseinandergehalten Himmel
und Erde; auf dieses Unvergänglichen Geheifs, o Gärgi, stehen
auseinandergehalten die Minuten und die Stunden, die Tag'
und Nächte, die Halbmonate, Monate, Jahreszeiten und Jahre:
auf dieses Unvergänglichen Geheifs, o Gärgi, rinnen von den
Schneebergen die Ströme, die einen nach Osten, die andern
nach Westen, und wohin ein jeder gehet; auf dieses Unver-
gänglichen Geheifs, o Gärgi, preisen die Menschen den Frei-
gebigen, streben die Götter nach dem Opfergeber, die Väter
nach der Totenspende."
Diese Stelle, in welcher alle räumliche und zeitliche Ord-
nung und alles Wirken in der Natur, alles Begehren der
Menschen, Götter und Manen auf den Ätman zurückgeführt
wird, hat viele Nachbildungen erfahren. So beruht es wohl
auf dem ersten Teile derselben von der auseinanderhaltenden
Kraft des Ätman, wenn der Ätman Brih. 4,4,22 (zitiert Maitr.
7,7) einem setu, welches Wort nicht nur die (verbindende)
„Brücke", sondern auch den (auseinanderhaltenden) „Damm"
bedeutet, verglichen ward: „er ist der Herr des Weltalls, er
180 VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
ist der Gebieter der Wesen, er ist der Hüter der Wesen; er
ist die Brücke, welche (der Damm, welcher) diese Welten
auseinanderhält, dafs sie nicht verfliefsen". Die- letzten Worte
Bnh. 4.4,22 kehren wieder Chänd. 8,4,1 : „Der Ätman, der ist die Brücke
-wird schon .
Chänd. 8,4,1 (der Damm), welche diese Welten auseinanderhält, dafs sie
benutzt und ". n- n itt i i~ • 1
mirsver- nicht verfliefsen". Wenn es aber dann weiter heilst: „Diese
Brücke überschreiten nicht Tag und Nacht, nicht das Alter,
nicht der Tod und nicht das Leiden" usw., so wird hier,
mit plötzlicher Veränderung der Anschauung, aus dem die
Weltverhältnisse trennenden Damm eine das Diesseits mit dem
Jenseits verbindende Brücke; und in diesem Tatbestande
liegt wohl ein sicherer Beweis für den wichtigen Schlufs, dafs
die gleichlautenden Worte aus Brih. 4,4,22 entnommen und,,
mit Abgehen von ihrem ursprünglichen Sinne, Chand. 8,4,1
spätere reproduziert worden sind. Der so modifizierte Gedanke von
der Brücke der Unsterblichkeit ist dann weiter, allem An-
scheine nach aus Chand. 8,4,1, von Qvet. 6,19 und Mund. 2,2,5
herübergenommen worden. Der ganze vorhergehende Ab-
schnitt Mund. 2,1 ist im wesentlichen eine poetische Ver-
webung der angeführten Stelle Brih. 3,8 mit Rigv. 10,90 (oben
l,i, S. 156 fg.) und andern Zutaten, wie in unsrer Über-
setzung S. 550 fg. nachgewiesen ist.
2. Brahman als Weltregierer.
\Venn es in den angeführten Worten aus Brih. 4,4,22
und ebenso (wahrscheinlich in Nachbildung dieser Stelle)
Kaush. 3,8 heifst : „er ist der Hüter der Welt, er ist der Ge-
bieter der Welt", so liegt darin zweierlei: 1) dafs der Ätman
als Welterhalter die Dinge in ihrem Bestände schützt, worüber
gehandelt worden ist, und 2) dafs er als Weltregierer die
Wesen bei ihrem Tun lenkt. Für diese letztere Aufgabe
kommt neben manchem, was schon angeführt wurde, vor allem
Der Anta,- in Betracht das Kapitel Brih. 3,7, welches von dem Ätman
r'"l\i. " ' als dem Antaryämin, d. h. dem „inrrern Lenker", handelt.
Seine Belehrung über denselben beginnt Yäjfiavalkya Brih.
3,7,3 mit den Worten: „Der, in der Erde wohnend, von der
Erde verschieden ist, den die Erde nicht kennt, dessen Leib
2. Brahman als Weltregierer. 187
die Erde ist, der die Erde innerlich regiert, der ist deine
Seele, der innere Lenker, der unsterbliche". Dasselbe, was
hier von der Erde gesagt wird, wird dann weiter, unter steter
Wiederholung der gleichen Formel, von elf anderen Natur-
erscheinungen (Wasser, Feuer, Luftraum, Wind, Himmel,
Sonne, Himmelsgegenden, Mond und Sternen, Äther, Finsternis
und Licht), sodann von allen Wesen und endlich von den
acht Organen (Odem, Rede, Auge, Ohr, Manas, Haut, Er-
kenntnis, Samen) entwickelt; alle diese Naturerscheinungen,
Wesen und Organe sind sonach der Leib des Atman, sind
von ihm verschieden (antaraj, kennen ihn nicht und werden
doch von ihm innerlich regiert. — Auch diese Stelle ist in
der Folge vielfach benutzt worden. So namentlich Mändükya 6
und in den Reproduktionen dieser Stelle Nrisinhap. 4,1. Nri-
sihhott. 1. Rämott. 3; ferner Brahmop. 1 undBäshkala (Up. S. 840).
Eine (wertlose) Definition des Antaryämin wird gegeben
Sarvopanishatsära No. 19: ,,Wenn der Atman, als die Ursache
der Naturbeschaffenheit der mit dem Höchststehenden (dem
Bewufstsein) usw. ausgerüsteten Vielheiten, in allen Leibern,
gleichwie die Schnur durch die Menge der Perlen, hin-
durchgefädelt erscheint, so heifst er der innere Lenker (an-'
taryämin)" . — Im Vedäntasära § 43 wird der Antaryämin
mit dem Igvara gleichgesetzt. Eine ähnliche Rolle spielt er
im System des Rämänuja.
Dem Antaryämin Brih. 3,7 entspricht in der „Honiglehre" Der tejo-
Brih. 2,5 der „kraftartige unsterbliche Geist" (tejomaya amrita- amritamaya
maya purusha), welcher allen kosmischen und psychischen Er- btülVs,
.scheinungen einwohnt und dadurch ihre Wirkung auf einander
ermöglicht. Auch hier wird der wertvolle Grundgedanke in
eine für uns wenig anziehende Form gekleidet, indem dieselbe
stereotype Formel, jedesmal unter Einsetzung anderer Begriffe,
vierzehnmal hinter einander wiederholt wird. „Diese Erde",
so beginnt der Abschnitt, „ist aller Wesen Honig, dieser Erde
sind alle Wesen Honig; aber was in der Erde jener kraft-
volle, unsterbliche Geist ist, und was in bezug auf das Selbst
jener aus Körper bestehende, kraftvolle, unsterbliche Geist ist,
dieser ist eben das, was diese Seele (äiman) ist ; diese ist das
Unsterbliche, diese das Brahman, diese das Weltall". Das-
Stellen.
135 VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
selbe, was hier von Erde und Leib, wird dann weiter, unter
beständiger Wiederholung derselben Formel, von Wasser* und
Samen, Feuer und Rede, Wind und Odem, Sonne und Auge
usw. gesagt : das Auge nährt sich (besteht) durch die Sonne,
und die Sonne durch das Auge (sie wäre nicht da, wenn kein
Auge sie schaute), und diese gegenseitige Abhängigkeit ist
nur dadurch möglich, dafs in beiden derselbe kraftartige, un-
sterbliche Geist, d. h. der Ätman, wohnt. Schon in der Ein-
leitung zu unsrer Übersetzung dieses Abschnittes (Up. S. 420)
erinnerten wir an die verwandte Lehre Kants von der „Affinität
der Erscheinungen", welche nur durch die „synthetische Ein-
heit der Apperzeption", d. h. durch das Subjekt des Erkennens,
den Ätman, möglich ist.
Amiere Neben diesen Hauptstellen wird es genügen, nur kurz zu
erinnern an die Brih. 2,1. Kaush. 4 von Bäläki Gärgya für
das Brahman ausgegebenen zwölf oder sechzehn Purusha's,
welchen Ajäta^atru den Atman als denjenigen gegenüberstellt,
„der der Schöpfer aller jener Geister ist, er, dessen Werk
diese Welt ist" (Kaush. 4,19); — sowie an die Brih. 3,9,10—
18. 26 von Vidagdha Qäkalya für den Ätman gehaltenen acht
Purusha's (der Körperlichkeit, der Begierde, der Sonne, des
Gehörs, des Schattens, des Spiegels, des Wassers, des Sohnes),
welchen Yäjnavalkya den „Geist der Upanishadlehre" (aiqxnü-
shada purusha) gegenüberstellt, „der diese Geister auseinander-
treibend, zurücktreibend, über sie hinausschreitet", d. h. der
sie zu ihrem Tun anspornt, von demselben zurückruft und
ihnen überlegen ist (Brih. 3,9,26).
3. Freiheit und Unfreiheit des Willens.
Im Anschlufs an die Lehre von Brahman als Weltregierer
wollen wir kurz die Frage nach der Freiheit und Unfreiheit
. des menschlichen Willens behandeln. Da die ganze Welt,
upani" soweit sie überhaupt existiert, nur die Selbstmanifestation des
Ätman ist, so kann von einer Freiheit innerhalb des Natur-
zusammenhanges in den Upanishad's so wenig wie bei Spinoza
die Rede sein. Eine solche würde zur Voraussetzung haben,
dafs der Ätman anders wäre, als er ist. Demnach ist der
Determinis
raus der
shad's.
3. Freiheit und Unfreiheit des Willens. 189
Standpunkt der Upanishad's ein strenger Determinismus. Brih.
4,4,5: „Der Mensch ist ganz und gar gebildet aus Begierde
(kama); je nachdem seine Begierde ist, danach ist seine Ein-
sicht (kratu); je nachdem seine Einsicht ist, danach tut er
das Werk (Jcarman)". ' Vgl. die ähnliche Aufserung Qatap.
Br. 10,6,3 und Chänd. 3,14,1 (oben I, i, S. 264. 336). a— Brih.
3,8,9: „Auf dieses Unvergänglichen Geheifs, o Gärgi, preisen
die Menschen den Freigebigen, streben die Götter nach dem
( )pfergeber, die Väter nach der Totenspende". Sie alle, Men-
schen, Götter und Väter, können nicht anders handeln, als es
ihrer Natur gemäfs ist. Chänd. 8,1,5: „Denn gleichwie hie-
nieden die Menschen, als geschähe es auf Befehl, das Ziel
verfolgen, danach ein jeder trachtet, sei es ein Königreich, sei
es ein Ackergut, und nur dafür leben, [so sind sie auch
beim Trachten nach himmlischem Lohne die Sklaven ihrer
Wünsche]".
In scharfem Gegensatze zu dieser Erklärung stehen die Aber der
darauf folgenden Worte. Ahnlich wie Kant, nachdem er in wer sich sas
den stärksten Ausdrücken, durch seinen Vergleich mit der astfrei.'8'
voraus zu berechnenden Sonnenfinsternis, die empirische Un-
freiheit des Willens proklamiert hat, sogleich darauf, in der-
selben Zeile behauptet, „dafs der Mensch frei sei" (Kritik
der prakt. Vernunft S. 120 Kehrb.), — ähnlich heifst es in der
angeführten Stelle Chänd. 8,1,6 weiter:. „Darum, wer von hinnen
scheidet, ohne dafs er die Seele erkannt hat und jene wahr-
haften Wünsche, dem wird zuteil in allen Welten ein Leben
in Unfreiheit; wer aber von hinnen scheidet, nachdem er
die Seele erkannt hat und jene wahrhaften Wünsche, dem
wird zuteil in allen Welten ein Leben in Freiheit". Vgl.
die verwandten Äufserungen Chänd. 7,25,2. 8,5,4. Der Sinn
dieses Gegensatzes ist klar: als Glieder in dem Naturzusammen-
hange sind wir, wie dieser, der Notwendigkeit unterworfen:
aber wir sind frei von derselben, sobald wir, durch Erkennt-
nis unserer Identität mit dem Ätman, aus diesem ganzen
Zusammenhange der Natur heraustreten. Dafs der Ätman
dem Zwange der Kausalität enthoben ist, haben wir oben
(S. 142 fg.) gesehen. Ein jeder von uns ist dieser ewig freie
Atman; wir sollen nicht erst der Ätman werden, sondern wir
190 VII. ürahman als Erhalter und Regierer.
sind es schon jetzt, nur dafs wir uns dessen nicht bewufst
sind. Somit sind wir schon jetzt, trotz der ausnahmslosen
Notwendigkeit unserer Handlungen, in Wahrheit frei, aber
wir wissen es nicht: „gleichwie einen verborgenen Goldschatz,
wer die Stelle nicht weifs, nicht findet, ob er wohl immer
wieder darüber hingehet, ebenso finden alle diese Kreaturen
diese Brahmanwelt nicht, obwohl sie tagtäglich [im tiefen
Schlafe] in sie eingehen; denn durch die Unwahrheit werden
sie abgedrängt" (Chand. 8,3,2); — „darum diejenigen, welche
diese Brahmanwelt durch Brahmacaryam (Leben als Brahman-
schüler in Studium und Entsagung) finden, solcher ist diese
Brahmanwelt,' und solchen wird zuteil in allen "Welten ein
Leben in Freiheit" (Chänd. 8,4,3). Die Unfreiheit des Wil-
lens, so unverbrüchlich sie gilt, gehört doch nur zu der grofsen
Illusion der empirischen Realität und schwindet mit dieser.
Die Erscheinung ist unfrei, aber was in ihr erscheint, der
Atman, ist frei. Das Zusammenbestehen" beider Gesichtspunkte
spricht sich in den Worten aus : „er 'ist es, der das gute Werk
den tun macht, welchen er aus diesen Welten emporführen
will, und er ist es, der das böse Werk den tun macht, welchen
späterhin er abwärts führen will" (Kaush. 3,8). Wie dieser Gedanke, in
und'p^ä-8 dem Mafse wie der Ätman als persönlicher Gott aufgefafst
beide1 nur' wird, sich zur Prädestinationslehre gestaltet, ist schon früher
sotensch. ^g -^ß-jj g.ezejgt Worden. Aber die ganze Prädestinationslehre
ist ebenso wie der Theismus, auf dem sie beruht, in den
Upanishad's nur ein Versuch, in empirischen Formen aus-
zusprechen, was seiner Natur nach denselben fremd ist. Der
ewig freie Atman, welcher unser Tun und Lassen determi-
niert, ist nicht ein andrer, uns Gegenüberstehender, sondern
unser eignes Selbst; darum heifst es vom Atman: „er bindet
sich selbst durch sich selbst (nibadhnäti ätmanä ätmänam),
wie ein Vogel durch das Netz" (Maitr. 3,2), und Praevia 3,3
wird auf die Frage, wie der Atman in diesen Leib hinein-
gehe, geantwortet: „er kommt hinein in diesen Leib mano-
kritena", welches, wenn wir dem Qankara Glauben schenken,
hier bedeuten würde „durch das Werk seines Willens", wie-
wohl die Grammatik eine andre Auffassung (als mano-'hitena
„unbewufsterweise") fordert, woran (trotz Rigv. 1,187,7) schwer-
3. Freiheit und Unfreiheit des Willens. 191
lieh mit einem sanähir ärshah (wie Änandajnäna sagt) vorbei-
zukommen ist.
4. Brahman als Vorsehung.
Die Weltregierung kann auch einem unpersönlichen (als vor-
ankirydmin „innerer Lenker" wirkenden) Prinzip zugeschrieben g"Sun
werden, eine Vorsehung hingegen setzt einen persönlichen ei8m
Gott voraus. Dementsprechend sehen wir in den altern
Upanishad's, wie den Theismus, so auch den Vorsehungs-
glauben nur hin und wieder als poetische Darstellungsform auf-
treten; erst in spätem Upanishad's gewinnt mit der Personi-
fikation des Ätman auch der Glaube an eine göttliche Vor-
sehung festere Gestalt. Durchaus mythisch ist die Darstellung Mythische
Ait. 1,2, wie die vom Ätman aus dem Purusha ausgebrüteten Vor8tufei
Gottheiten (d. h. die Sinnesorgane und die entsprechenden
Naturgötter) in den Ozean stürzen, Hunger und Durst leiden
und dann vom Atman den Menschen als Wohnsitz angewiesen
erhalten, in welchem sie Nahrung geniefsen können, die sie
dann aber mit den dämonischen Mächten des Hungers und
Durstes teilen müssen. — Auch die „Wohlbeschaffenheit"
(d. h. wohl: Zweckmäfsigkeit), welche Taitt. 2,7 für die Essenz
der Welt erklärt und (mittels eines Wertspiels zwischen sukrita
und svakHta) daraus abgeleitet wird, dafs die Welt nur eine
Selbstmanifestation des aus Wonne bestehenden Brahman sei,
kann nur als erster Keim des Glaubens an eine nach Zwecken
lenkende Vorsehung betrachtet werden. — Deutlicher tritt eine
solche schon hervor Käth. 5,13:
Der, als der Ew'ge den Nichtew'gen, Freude,
Als Geist den Geistern, schafft, als Einer Vielen,
Wer den, als Weiser, in sich selbst sieht wohnen,
Der nur hat ew'gen Frieden, und kein andrer.
Die Konzession der ersten Hälfte dieses Verses an den Theis-
mus wird in der zweiten Hälfte wieder zurückgenommen, und
es ist charakteristisch, dafs bei der Reproduktion dieses Verses
Qvet. 6,13 die zweite Hälfte im Sinne des Theismus ab-
geändert wird:
Wer dies Ursein durch Prüfung (sänfchyam) und Hingebung (yoga)
Als Gott erkennt, wird frei von allen Banden.
192 VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
I Nach einigen würde unser Autor hier, zur Begründung seines
Theismus, — sich auf das atheistische Sänkhyasystem berufen.)
Allmähliche Bedeutend fortentwickelt im Sinne des Theismus und
Ausbildung . ■
des vor- Vorsehungsglaubens findet sich der aus Kath. 5,13 angeführte
giaubens. Gedanke Icä 8, wo es (wörtlich) heifst : „Der Weise, Denkende,
Allumfassende, durch sich selbst Seiende hat -die Zwecke
yäthätathyäto für ewige Zeiten verteilt". Das (wie das Me-
trum zeigt) später eingeschobene yäthätathyato bekundet einen
weitern Fortschritt über den ursprünglichen Vers hinaus : „je
nach der Beschaffenheit", d. h. je nachdem (ijathä) die Werke
der einzelnen Seelen sind, dementsprechend (tathä) hat der
Weise, Denkende (Tcavir manishi) die Zwecke (die Frucht der
Werke, das Tun und Leiden jeder Seele) voraus bestimmt.
Dies ist schon, wenn wir nicht zu viel in den Vers hinein-
gelegt haben, die Rolle, welche der Igvara im spätem Vedänta
spielt: die Werke der Seele sind das Samenkorn, welches,
genau seiner Beschaffenheit entsprechend, von Gott alä dem
Regen zur Entwicklung gebracht wird ; wie durch das Samen-
korn die Pflanze, so ist durch die Werke der frühern Geburt
das künftige Leben sowohl nach seinem Leiden wie nach
seinem Tun bestimmt. Eine deutliche Scheidung zwischen
diesen beiden ist auch im spätem Vedänta nicht anzutreffen.
— Am meisten vorbereitet ist dieser spätere Vedäntastand-
punkt durch die Qvetäcvatara-Upanishad, welche, entsprechend
ihrer theistischen Färbung, den Ätman schildert als „den Auf-
seher der Werke" (6,11), „den einen Freien, der den einen
Samen vielfach macht vieler von Natur Werkloser" (6,12; in
Wahrheit ist die Seele werklos wie der Ätman, der sie ist),
der die Beschaffenheiten einzeln verteilt (6,4), der Recht schafft,
Bösem wehrt, Glück austeilt (6,6), „der, selbst farblos, viel-
fach versehen mit Kräften, die vielen Farben verleiht zu be-
stimmten Zwecken" (4,1), der die Werke der Seelen zur Reife
bringt, 5„5:
Wenn seinem Wesen zureift aller Ursprung, —
Was reifen soll, er macht es alles wachsen;
Er lenkt als einer alles hier und jedes,
Verteilend einzeln alle Sonderheiten.
4. Brahinan als Vorsehung. 193
Aber charakteristisch für diese Upanishad (welche wir Daneben
oben einem codex palunpsestus verglichen) ist es, dafs durch bestehen
diese ausgeprägte theistische Vergeltungslehre immer wieder
der alte Upanishadgedanke durchleuchtet, vermöge dessen es
Gott selbst ist, der als Seele sich, entsprechend den begangenen
Werken, in neue und wieder neue Gestalten bindet, 5,12:
Als Seele wählt viel grobe und auch feine
Gestalten er, entsprechend seiner Tugend;
Und was ihn band kraft seines Werks und Selbstes
In diese, bindet wieder ihn in andre.
— So sehen wir die Denker der Upanishad's, nachdem sie
sich, der empirischen Bestimmung des Intellektes folgend, in
realistische Vorstellungsformen verirrt haben, immer wieder
zu dem ursprünglichen Idealismus zurückkehren.
5. Kosniographie der Upanishad's.
Dürftig und wenig zusammenhängend sind die in den
Upanishad's vorkommenden Anschauungen über das Weltganze
und seine Teile.
Was zunächst den geographischen Horizont betrifft, so Geograpw-
zeigt sich derselbe im wesentlichen begrenzt durch die Gebirge aont.
des Himälaya und Vindhya im Norden und Süden (Kaush. 2,13), '
und durch die Flufsgebiete und Mündungen des Indus und
Ganges im Westen und Osten ; der Tag wird geboren in dem
Weltmeere gen Morgen, die Nacht in dem Weltmeere gen
Abend (Brih. 1,1,2): „diese Ströme, o Teurer, fliefsen im Osten
gegen Morgen und im Westen gegen Abend; von Ozean
zu Ozean strömen sie [sich vereinigend] , sie werden lauter
Ozean" (Chänd. 6,10,1; ob hier mit Qankara ad 1. an eine
Rückkehr des Meerwassers durch Wolken und Regen in die
Flüsse gedacht werden darf, scheint nach dem Wortlaute des
Textes sehr fraglich); vgl. Chänd. 2,4,1. Was über diese
Grenzen hinaus liegt, scheint unbekannt zu sein; nur in einer
ganz späten, auf dem Rämäyanam fufsenden Upanishad wird
Lanka auf Ceylon (Rämapürvat. 43. 45) und Ahnliches erwähnt.
Aber auch das Indusland erscheint als fast verschollen; man
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,u. lo
namen.
194 VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
bezog von dort edle Rosse (Brih. 6,1,13), sowie vielleicht das
Hker- Salz (Brih. 2,4,12. 4,5,13, vgl. Maitr. 6,35); das Volk der Gan-
dhära's (westlich vom Indus, im Süden von Peshavar) erscheint
Chänd. 6,14 als ein fernes; zu den Madras (am Hyphasis) ge-
langen die Brahmanschüler auf ihrer Wanderschaft, Brih. 3,3,1.
3,7,1. — Wie als die gröfste Persönlichkeit in den Upanishad's
Yäjnavalkya, so erscheint als der Mittelpunkt des geistigen
Lebens der Fürstenhof des ihm geneigten Janaka, Königs der
Videlias (nordöstlich von Patna), wo sich Brih. 3,1,1 auch die
Brahmanen der (weiter westlich, zwischen Gangä und Yamuna
wohnenden) Kurju's und Pancdlä's zu dem, Brih, 3,1 — 9 ge-
schilderten, grofsen Wettkampfe der Reden zusammenfinden.
Daneben erscheinen die Höfe des Ajätacatru, Königs der
Kägts (um Benares) Brih. 2,1. Kaush. 4, und des Jivala, Kö-
nigs der Paiicälas, Chänd. 5,3 — 10. Brih. 6,2 (wofür Kaush. 1
Citra Gängyäyana eintritt) als Heimstätten der in den Upa-
nishad's niedergelegten Erkenntnisse; dem fernen Nordwesten
sollen die Kekayäs (am obern Laufe des Hydraotes) angehören,
deren König Acvapati (Map. Br. 10,6,1. Chänd. 5,11 — 24 den
sechs ihn aufsuchenden Brahmanen die Belehrung über den
VaiQvänara erteilt. Abgesehen von ihnen werden Kaush. 4,1
in der Aufzählung der Völker, welche der berühmte Veda-
gelehrte Gärgya Bäläki besucht hatte, wohl alle Stämme ge-
nannt sein, welche an dem geistigen Leben der damaligen Zeit
einen regeren Anteil nahmen; es sind dies: westlich von der
Yamuna, die Uginara's, Saivaris und Matsi/as; zwischen Ya-
muna und Gangä die Kuru's und Pancdlä's; östlich von diesen
die Kägts und noch weiter im Osten die Viäeha's. — Ein
gemeinsamer Name für die Volksstämme der Arya's oder ihr
Land kommt in den alten Upanishad's nicht vor. Erst Näda-
bindu 12 findet sich BMratam varsham als Bezeichnung des
arischen Indiens. Die „fünf Fünfstämme" (panca pancajanäh
Brih. 4,4,17, vgl. die Anmerkung dort) scheinen nur die un-
bestimmte Vielheit (vgl. pancanadavn oben I, i, S. 73) aller
Menschenstämme bedeuten zu sollen.
Die Erde ist von Wasser umgürtet, Chänd. 3,11,6. Sie
wrttganie. nat nacn einem späten Texte Ozeane, Berge und sieben Inseln
oder Kontinente (Nrisinhap. 1,2. 5,2). Die Vorstellung von
Die Erde
5. Kosmographie der Upanishad's. 195
Erde und Himmel als den beiden Hälften des Welteies findet
sich Chänd. 3,19. Eine ähnliche Anschauung scheint der Kosmo-
graphie Brih. 3,3 zugrunde zu liegen: wie die verschiedenen
Stoffe in einem Ei, so sind im Weltganzen konzentrisch um
einander gelagert 1) in der Mitte die (bewohnte) Welt, 2) um
diese herum die Erde, 3) um diese herum das Meer. Die
Welt ist 32, die Erde 64, das Meer 128 Tagereisen des
Sonnenwagens breit, wonach der Durchmesser des Welteies
416 Sonnenbahnen betragen würde. „Daselbst", d. h. wo Him-
mel und Meer als die beiden Schalen des Welteies aneinander-
grenzen, „ist, so breit wie die Schneide eines Schermessers
oder wie der Flügel einer Fliege, ein Raum" (zwischen den
beiden Schalen), durch welchen man dorthin gelangt, wo die
Darbringer des Rofsopfers sind, d. h. wohl auf den in andern
Stellen erwähnten „Rücken des Himmels" (näkasya prisMkam)
als des „Leidlosen" [näkam = na dkam, Chänd. 2,10,5), wo
nach Taitt. Ar. 10,1,52 Vereinigung mit Brahman {bralmia-
salökatä, vgl. auch Mahänär. 1,1. 10,21. 63,5), nach. Väj. Samh.
15,50 Vergeltung der guten Werke stattfindet, welche nach
Mund. 1,2,10 (vgl. Käth. 3,1) eine vergängliche ist. — Un-
vereinbar mit der erwähnten Kosmographie Brih. 3,3 ist eine
andre, benachbarte und ebenfalls von Yäjfiavalkya vorgetragene,
Brih. 3,6, nach welcher die dem Wasser eingewobene Welt
noch zehn weitern Schichten „eingewoben und verwoben", d. h.
von ihnen überragt oder, richtiger wohl, ganz umgeben ist.
Diese zehn Schichten (Windwelt, Luftraumwelt, Gandharva-
welt, Sonnenwelt, Mohdwelt, Sternenwelt, Götterwelt, Indra-
welt, Prajäpatiwelt, Brahmanwelt) erinnern an die Wonnen-
skala Brih. 4,3,33 und Taitt. 2,8, sowie an die Stationen des
Götterweges (Chänd. 4,15,5. 5,10,1 — 2. Brih. 6,2,15 und nament-
lich Kaush. 1,3), nur dafs bei diesem, wie wir später sehen
werden, Zeitgröfsen und Raumgröfsen koordiniert nebenein-
anderstehen, wie solche denn auch Chänd. 2,10,5 (vgl. auch
Brih. 1,1) ohne Bedenken zusammen addiert werden.
Die vorherrschende Anschauung in den Upanishad's ist weiträume.
die überkommene, nach der es drei Welträume, Erde, Luft-
raum und Himmel, gibt, welchen Agni, Väyu, Äditya als
ihre Regenten entsprechen (Chänd. 1,3,7. 2,21,1/3,15,5. Brih.
13*
196 VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
1,2,3. 1,5,4. 3,9,8. Prac,na 5,7 usw.). In diesem Sinne ist
auch das Chänd. 8,5,3 eingeflossene Versfragment (dafs es ein
solches ist, zeigt auch Atharvav. 5,4,3) zu erklären: triüyasyäm
ito divi; es ist hier nicht, wie sonst öfter, von drei Himmeln
die Rede, sondern die Worte bedeuten: „im Himmel, welcher
von hier aus [gerechnet] der dritte ist". Nach Ait. 1,1,2 be-
finden sich oberhalb und unterhalb der drei Welträume (Erde,
Luftraum und Himmel) die Urwasser; nach Brih. 3,8,4 sind
alle drei dem Akäca, wie dieser dem Brahman, eingewoben. ■ —
Sehr oft werden Erde, Luftraum und Himmel durch die drei
mystischen Opferrufe (vydhriWs) bhür, bhuvah, sva/r bezeichnet;
zu ihnen kommt als vierter Taitt. 1,5 mähas, welcher das Brah-
man bedeuten soll. Später fügte, man über diese vier hinaus
noch drei höhere Welten, Janas, tapas und satyam, hinzu und
gelangte so zu sieben Welten; ihre erste Erwähnung ist un-
seres Wissens Mund. 1,2,3, ihre erste Aufzählung Taitt. Ar.
10,27 — 28. Spätere Aufzählungen derselben sind Nädabindu
3 — 4. Nrisiphap. 5,6. — Im weitern Verlaufe unterschied man
von Bhür, Bhuvah, Svar, Mahas, Jana(s), Tapas, Satyam als
den sieben oberen Welten die sieben unteren: Atala, Pdtdla,
Vüalä, Sidala, Basätala, Mahätala, Talätala (Aruneya-Up. 1,
vgl. Vedäntasära § 129). Auch diese Zahl wurde noch über-
boten, sofern Atharvagiras 6 (Up. S. 724) neun Himmel, neun
Lufträume und neun Erden gerechnet werden.
Himmels- Auch die Zahl der Himmelsgegenden wird verschieden
angegeben; als vier (Osten, Westen, Süden, Norden) werden
sie gezählt Chänd. 4,5,2; als fünf Brih. 3,9,20 — 24; als sechs
Brih. 4,2,4. Chänd. 7,25; als acht (vier Pole und vier Zwischen-
pole) Maitr. 6,2. Rämap. 71—72. 87. 89.
Astronom;- Die astronomischen Vorstellungen in den Upanishad's sind
Stellungen, nur wenig entwickelt. Sonne und Mond kommen hauptsächlich
in Betracht, sofern sie Stationen auf der Reise der Seele ins
Jenseits bilden, worüber später zu handeln sein wird. Nach
Chänd. 4,15,5. 5,10,2 zu schliefseil, wäre uns die Sonne näher
als der Mond. Das rote, weifse und schwarze Aussehen der
Sonne beruht nach Chänd. 3,1 fg. auf den Säften der ver-
schiedenen Veden, die in ihr zerflossen sind. Nach Chänd.
6,4,2 — 3 bestehen, wie alles in der Welt, so auch Sonne und
5. Kosmographie der Upanishad's. 197
Mond aus den drei Elementen : das Rote an ihnen aus Feuer,
das Weifse aus Wasser, das Schwarze aus Erde. — Die Sonne
zieht im Winter und Sommer abwechselnd sechs Monate nach
Süden und sechs nach Norden, Chänd. 4,15,5. 5,10,1 — 3. Brih.
6,2,15 — 16. Sie hat die Gestalt einer Scheibe (rnandalam)
Brih. 2,3,3. 5,5,2 — 3. Mahänär. 13; in ihr wohnt der Sonnen-
purusha, der gewöhnlich durch die Strahlen verdeckt wird,
Brih. 5,5,2. 5,15. Ic,a 16, aber durch ebendiese Strahlen mit
dem Purusha im Auge (Brih. 5,5,2), oder mit den Adern des
Herzens (Chänd. 8,6,2), in Verbindung steht. — Der Mond ist
(wie Rigv. 10,85,5) der Somabecher der Götter, welcher ab-
wechselnd von ihnen ausgetrunken und wieder gefüllt wird
(Chänd. 5,10,4); anderseits beruht das Zunehmen und Ab-
nehmen des Mondes auf dem Ankommen der Verstorbenen
auf ihm und ihrem Zurückkehren (Kaush. 1,2. 2,8; anders 2,9).
Beide Vorstellungen verfliefsen Brih. 6,2,16, Nach Brih. 1,5,14
ist der Mond Prajäpati als Präna, dessen fünfzehn Teile ab-
wechselnd schwinden und sich wieder herstellen. Bei der Mond-
finsternis befindet sich der Mond im Rachen des Rähu, Chänd.
•8,13,1. Allnächtlich steht der Mond bei seinem Umlaufe in
einem andern Sternbilde (nakshatram) , in welchem er ruht
wie das Säman auf der Ric, Chänd. 1,6,4. Dieselben 27 Stern-
bilder werden nach Maitr. 6,14 von der Sonne auf ihrer jähr-
lichen Reise durchlaufen, wobei auf jeden der zwölf Monate
27/12 Nakshatra's, d. h. neun Vierteile (na/vängdkam) derselben
kommen (das Nähere Up. 'S. 340). — Die Planeten (grahäh)
werden erst Maitr. 6,16 erwähnt; ihre Zahl wird in einem
sehr späten Texte (Rämottarat. 5) auf neun angegeben, wobei
nebst Sonne und Mond auch Halm und Ketu (Drachenkopf
und Drachenschwanz) zu ihnen gerechnet werden. Namentlich
erwähnt werden Qßihra, Venus (Maitr. 7,3), sowie Qani, Saturn,
nebst Halm und Ketu (Maitr. 6,7). — Von kosmischen Kata-
strophen erwähnt Maitr. 1,4: „Vertrocknung grofser Meere,
Einstürzen der Berge, Wanken des Polarsterns (dhruva), Reifsen
der Windseile [welche die Sternbilder an den Polarstern binden].
Versinken der Erde, Stürzung der Götter aus ihrer Stelle".
Als naturwissenschaftliche Kuriosa wollen wir noch er- Naturwis-
wähnen, dafs der Regen durch die Sonne (Mahänär. 63,16. seüohhe3ft"
198 VII. Brahman als Erhalter und Regierer.
Maitr. 6,37, vgl. Manu 3,76) entsteht, indem die Glut das
Gewitter und den Regen veranlafst (Chänd. 7,11,1), wie ja
auch beim Menschen die Hitze den Schweifs und die Glut
des Schmerzes die Tränen hervortreibt (Chänd. 6,2,3); sowie,
dafs nach Maitr. 6,27. „ein in die Erde vergrabenes Stück Eisen
alsbald zu dem Erdesein eingeht". — Über die anatomischen
und physiologischen Anschauungen der Upanishad's werden
wir unten (Kap. XII,6, Seite 255 — 266) handeln.
VIII. Brahman als Weltvernichter.
1. Die Kalpatheorie des spätem Vedänta.
vergeitungs- Ehe wir die Entwicklung der Lehre von Brahman als
thGoric dos ^^
vedänta. Weltvernichter in den Upanishad's verfolgen, wird es zweck-
mäfsig sein, einen Blick auf die Theorie des spätem Vedänta
zu werfen, welche das Resultat dieser Entwicklung ist. Nach
dem Vedäntasystem finden die Werke jedes Lebenslaufes ihre
genau zugemessene Vergeltung in dem nächstfolgenden Leben.
Jedes Leben ist sowohl im Tun wie im Leiden nur die
Frucht der Werke einer vorhergehenden Geburt. Hieraus
folgt, dafs jedes Dasein immer schon ein früheres voraussetzt,
dafs mithin kein Dasein das erste sein kann, und dafs der
Wanderungslauf (samsära) der Seelen von Ewigkeit her be-
Daher der steht. Die Anfanglosigkeit des Samsära (samsärasi/a anäddtvam)
anfaugios. ist somit eine notwendige Konsequenz der Vedäntalehre, welche
nicht nur von Gaudäpäda (Mändükyakärikä 4,30) vorausgesetzt
und von Qankara vertreten wird, sondern auch schon in den
Sütra's des Bädaräyana (2,1,35), wie auch bereits in einigen
späten Upanishad's (z. B. Sarvop. 23; vgl. die drastische Schil-
derung Yogatattva 3 — 5) vorkommt. Diese Anfanglosigkeit
Verbindung des Kreislaufes der Seelenwanderung steht in Widerspruch
rie mit der mit den zahlreichen Schöpfungstheorien der Upanishad's, welche
iehrPefUde^-s sämtlich eine einmalige Schöpfung der Welt lehren, wie schon
shad'B-". der stets wiederkehrende Ausdruck „am Anfang" (agre, Ait.
1,1,1. Chänd. 3,19,1. 6,2,1. Brih. 1,2,1. 1,4,1. 10. 17. 5,5,1. Taitt.
2,7,1. Maitr. 2,6. 5,2) beweist. Um die vom System geforderte
Anfanglosigkeit des Samsära zu behaupten und dennoch
1. Die Kalpatheorie des spätem Vedänta. 199
die Schöpfungslehre der Upanishad's festzuhalten, fassen die
Vedäntatheologen die Weltschöpfung auf als einen von Ewigkeit
her periodisch sich wiederholenden Vorgang: die von Brahman
geschaffene Welt besteht eine Weltperiode (Kcdpa) hindurch, Die Kaipa*.
worauf sie in Brahman zurücktritt, um immer wieder neu aus
demselben hervorzutreten, da bei jedem Weltuntergange immer
noch Werke der Seelen vorhanden sind, welche zu ihrer Süh-
nung ein abermaliges Dasein und somit eine Neuschöpfung
der Welt erfordern; Bhag. G. 9,7 (vgl. 8,17—19):
Alle Wesen, o Kaunteya,
Gehn in meine Natur zurück
Am Weltende; am Weltanfang
Schaff' ich immer sie wieder neu.
Zum Beweise beruft sich Qankara, wie vielleicht auch schon
Bädaräyana (2,1,36), auf den Vers Rigv. 10,190,3 (oben I, i,
S. 134):
Stiryä- candramasaa dhätä yathäpurvam akälpayat,
in welchem jedoch, nach dem Zusammenhange yathäpurvam
nur bedeutet „eins nach dem andern", nicht, wie Qankara
(p. 495,7) will, „wie vordem". Auch die andre Stelle, auf
welche er seine Theorie stützt, Chand. 6,3,2: „ich will in
diese drei Gottheiten mit diesem lebenden Selbste eingehen",
beweist nicht, wie er glaubt, dafs das „lebende Selbst" schon
vor der Schöpfung bestanden habe. Dieser ganze Gedanke
von einer periodisch wiederholten Weltschöpfung und Welt-
vernichtung ist den altern Upanishad's noch völlig fremd. Um
seine Genesis zu verfolgen, werden wir zu unterscheiden haben
1| die Rückkehr der Einzelwesen, 2) die des Weltganzen in
Brahman.
2. Rückkehr der Einzelwesen in Brahman.
Den ersten Ausgangspunkt des Gedankens von Brahman Der Tod als
als Weltvernichter bildete wahrscheinlich die von der Er-
fahrung dargebotene und das Nachdenken zu allen Zeiten und
so auch schon in jener alten Zeit beschäftigende Tatsache
des Todes. Nachdem man sich gewöhnt hatte, in Brahman
200 VIII. Brahman.als Weltvernichter.
die Kraft zu sehen, welche als Präna das Leben hervorbringt
und erhält, so lag es nahe, es auf dieselbe Kraft zurück-
zuführen, „wenn er es müde wird, die Last zu tragen", und
im Brahman als Präna „des Todes Ursach' und des Lebens"
zu sehen (Taitt. Ar. 3,14,1 — 2. Atharvav. 11,4,11, oben I, i,
S. 299—300. 303). Darum hiefs es schon £atap. Br. 11,3,3,1,
„das Brahman überlieferte die Geschöpfe dem Tode", und
Qatap. Br. 13,7,1,1, „es_ opferte in allen den Wesen sein Selbst
und die Wesen in seinem Selbste" (oben I, i, S. 261. 260).
Brahman Dieser Gedanke wird von den Upanishad's weiter ausgeführt.
als Vernich- .
ter der Ein- Bnh. 1,2,1 erscheint „der Tod, der Hunger" (mrityur, aganäyä),
als Weltschöpfer; „alles, was er immer erschuf, das beschlofs
er zu verschlingen; weil er alles verschlingt (ad), darum ist
er die Aditi (die Unendlichkeit)", und Brih. 1,5,3 schafft
Prajäpati die alles befassenden Prinzipien, Manas, Rede und
Präna, als Nahrung für sich selbst. In den Worten Käth. 2,25:
Er, der Brahmanen und Krieger
Beide aufzehrt, als war' es Brot,
Eingetaucht in des Tod's Brühe, —
scheint ein poetischer Nachklang derartiger Stellen vorzuliegen.
Chänd. 1,9,1 heifst es vom Äbaga (Äther, Raum, als Symbol
des Brahman, oben S. 101 — 103): „der Äkäca ist es, aus
dem alle diese Wesen hervorgehen, und in welchen sie wieder
untergehen"; und Taitt. 3,1 findet sich als Kriterium des Brah-
man angegeben: „dasjenige, fürwahr, woraus diese Wesen
entstehen, wodurch sie, entstanden, leben, worein sie, dahin-
scheidend, wieder eingehen, das suche zu erkennen, das ist
das Brahman". An allen diesen Stellen ist nur von einem
Untergang der einzelnen Wesen, nicht von einem solchen des
Weltganzen in Brahman die Rede. Ebenso Mund. 1,1,7, wo
Brahman mit der Spinne verglichen wird, die den Faden aus-
Iäfst und wieder einzieht, und Mund. 2,1,1, wo es 'heifst, dafs
die mannigfachen Wesen aus dem Unvergänglichen hervor-
und wieder in dasselbe eingehen. In demselben Sinne heifst
es Mänd. 1,6 von dem Ätman: „er ist die Wiege des Weltalls,
denn er ist Schöpfung und Vergang der Wesen", und Näräy. 1
von Näräyana: „alle Götter, alle Rishi's, alle Versmafse und
2. Rückkehr der Einzelwesen in Brahman. 201
alle Wesen entstehen nur aus Näräyana und vergehen in Närä-
yana". Man vergleiche auch die schönen Verse ( ülikä 17 — 18:
Dem eingewoben dies Weltall,
Was sich bewegt und nicht bewegt,
In Brahman auch vergeht alles,
Wie Schaumblasen im Ozean.
In ihm, in dem die Weltwesen
Einmündend, werden unsichtbar,
Vergehn sie und entstehn wieder
Gleich Schaumblasen zur Sichtbarkeit.
Auch diesen Stellen scheint das Dogma vom Weltuntergang
in Brahman noch fremd zu sein. Und so werden wir Be-
denken tragen' müssen, dasselbe mit Qankara in dem oben
S. 163 fg. besprochenen Geheimnamen TaijaJän Chänd. 3.14,1 Wjaiä*,
01 . .- ■ Chänd.
zu finden, da der ganzen übrigen Upanishad diese Idee noch 3,ui.
fremd ist, und der Gedanke von Brahman als Grund des Ent-
stehens, Bestehens und Vergehens der einzelnen Wesen hin-
reicht, um das Wort zu erklären. Noch weniger können wir
die Worte Väj. Samh. 32,8,
tasmin ida/ai sam- ca vi- ca eti sarvam,
mit dem Scholiasten auf Weltuntergang und Neuschöpfung
beziehen; sie bedeuten nach dem ganzen Zusammenhange nur,
dafs der Vena „Einheitspunkt und Ausgangspunkt der Welt"
ist (vgl. unsere Übersetzung oben I, i, S. 294). Anders hin-
gegen steht es mit der Wiederholung dieser Worte Qvet. 4,11
(und, davon abhängig, Mahanär. 1,2). Hier gewinnen sie, in
Zusammenhang mit andern Stellen der Qvet. Up., eine neue
Bedeutung, von der jetzt zu handeln sein wird.
3. Rückkehr des Weltg-anzen in Brahman.
Zu den neuen und folgenschweren Gedanken, an denen weitver-
die Qvetägvatara-Upanishad so reich ist, gehört auch der von „ä'chTer
der periodischen Vernichtung und Neuschöpfung des Welt- (*vet Up"
ganzen durch Brahman. Qvet. 3,2: „Er (Rudra als Personifi-
kation des Brahman) weilt in den Wesen, und wutentbrannt
202 VIII. Brahman als Weltvernichter.
zur Endzeit zerschmettert er als Herr die Geschöpfe alle"; —
4,1: Er ordnet alle Zwecke der Wesen, „bis endlich das All
zergeht in ihm, dem Anfang"; — und so werden wir auch die
oben erwähnten Worte Väj. Samh. 32,8, wenn sie in diesem
Zusammenhange Qvet. 4,11 wiederkehren, ihm entsprechend
aufzufassen haben: Gott ist es, „in dem die Welt zergeht
und sich entfaltet" (yasmin idam sam- ca vi- ca eti sarvam).
periodische — Aber dieser Prozefs der Weltschöpfung und Weltvernich-
Wiederkehr . . . ' r °
der weit- tung ist nicht ein einmaliger, sondern ein stetig sich
tung. wiederholender; mit einer Spinne (wie Mund. 1,1,7, vgl.
Qvet. 3,1. 6,10) wird Qvet. 5,3 verglichen „der Gott, der
vielfach ein Netz nach dem andern im Raum ausbreitet
hier und wieder einzieht". Auch der Grund für diese
periodisch wiederkehrende Neuschöpfung der Dinge wird an-
gedeutet Qvet. 6,3 — 4, wo es, nach Schilderung des Schöpfungs-
werkes, heifst:
Was er erschuf, nimmt dann zurück er wieder,
Zur Einheit wei'dend mit des Wesens Wesen;
Um dann — —
Das gunahafte Werk neu zu beginnen,
Verteilend einzeln die Beschaffenheiten.
Dafs es nur die Werke der Seelen sind, welche den Schöpfer
veranlassen, dafs er „alle Beschaffenheiten einzeln verteilt"
(sarvän bhävän viniyojayet), besagen die unmittelbar folgenden
Worte :
Wo sie nicht sind, da wird das Werk zunichte,
Hin geht er werklos, wesentlich ein andrer;
d. h. wo die, den empirischen Charakter ausmachenden bkävcfs
durch die Erkenntnis aufgehoben sind, werden die Werke zu-
nichte, und eine Neuschöpfung erfolgt nicht mehr.
spatere Aus spätem Upanishad's sind über Brahman als Welt-
vernichter folgende Stellen bemerkenswert.
Maitr. 6,17: „Er ist es, der, wenn das Weltall untergeht,
allein wach bleibt; und er ist es, der dann [wieder] aus diesem
Welträume das Reingeistige aufweckt".
Atharva§iras 6: „Wenn Rudra in Schlangenringelung da-
liegt, dann werden die Geschöpfe in ihn hereingezogen. Haucht
3. Rückkehr des Weltganzen in Brahman. 203
er aus, so entsteht Finsternis, aus der Finsternis Wasser"
usw. Vgl. vorher Atharvachas 4: „Er, der, alle Lebens-
kräfte verschlingend, indem er sie verschlingt, als Ewiger sie
zusammenfafst und wieder ausbreitet" usw., was jedoch
auch vom Schlafen und Wachen (vgl. Brih. 2,1,20) verstanden
werden kann.
Das Weltuntergangsfeuer (samvartdko 'qriih) wird erwähnt Das Weit-
00 v • . untergangs-
Atharva^ikhä 1 und in den beiden Reproduktionen dieser feuer.
Steile Nrisinhap. 2,1. Nrisinhott. 3 (Up. S. 727. 761. 785. Wir
schliefsen mit dem schönen Verse Kaivalya 19, wo der sich als
den Atman Wissende spricht:
In mir entstand das Weltganze,
In mir nur hat Bestand das All,
In mir vergeht es, — dies Brahman,
Das zweitlose, ich bin es selbst!
4. Über die Motive der Lehre von der Weltvernichtnng' in Brahman.
Das Brahman ist der Mutterschofs, aus dem alle Wesen vergehen
hervorgehen, und es lag sehr nahe, anzunehmen, dafs dieselben weiiEnt- '
im Tode in das Brahman zurückkehren, aus dem sie gekommen, ihm. "
denn, wie schon Anaximandros sagt, „woraus die Entstehung
der seienden Dinge ist, darein geschieht auch ihr Vergehen
nach der Notwendigkeit". Daher sehen wir, wie oben gezeigt,
in den ältesten Upanishadtexten und schon vor ihnen die
Lehre von Brahman als Vernichter der Einzelwesen auftreten.
Aus ihr hat sich erst in später Zeit, von der ^vetä^vatara- übertra-
Upanishad an, die Lehre von der periodischen Vernichtung weit als
des Weltganzen durch Brahman entwickelt, ganz ähnlich wie
die heraklitische Lehre von dem Hervorgehen der Dinge aus Griechische
Parallele.
dem Feuer (656? xaro) und ihrer Rückkehr in dasselbe (656?
avw) ursprünglich einen überall in der Welt bei dem Werden
und Vergehen der Einzeldinge verbundenen Doppelprozess
bedeutete (656? avw xaxo ;j.w]), dann aber, sei es von Heraklit
selbst, sei es von seinen Nachfolgern, den Stoikern, verallge-
meinert wurde zu einem periodisch wiederkehrenden Vergehen
des Weltganzen im Feuer (sxTCupoci?) und Wiedererstehen aus
204
VIII. Brabman als Weltvcrnicbter.
Wert für
die Ver-
geltungs-
lehre.
demselben (&iax6cjjn)<jt£). Über die Motive, welche in der
griechischen Philosophie zu dieser Verallgemeinerung geführt
haben mögen, erfahren wir nichts Näheres. In Indien kam
dieselbe der Vergeltungslehre in hohem Grade zu statten,
indem diese, wie gezeigt, mit der überlieferten Schöpfungs-
lehre nur vereinbar war, wenn man an die Stelle der in den
alten Upanishad's gelehrten einmaligen Schöpfung einen von
Ewigkeit her sich wiederholenden Prozefs, eine nach jedem
Weltuntergang statthabende, den Werken der Seelen ent-
sprechende Neuschöpfung des Weltganzen setzte. Schon bei
ihrem ersten Auftreten ist die Lehre vom Weltuntergang mit
der Vergeltungslehre verbunden, wie die oben S. 202 an-
geführten Stellen, und namentlich Qvet. 6,4 („wo sie nicht
sind, da wird das Werk zunichte") zeigen; ob aber das ur-
U?icnüsg sprüngliche Motiv der Lehre vom Untergang und periodischen
Motiv. Neuentstehen des Weltganzen in dem Wunsche lag, die über-
kommene Schöpfungslehre neben der später aufgekommenen
Vergeltungslehre in der Weise des jüngeren Vedänta auf-
recht zu halten, oder nur in dem natürlichen Bestreben, das
erfahrungsmäfsige Vergehen der Dinge zu einem Gesamt-
vergehen ebenso zu verallgemeinern, wie die ganze Welt-
schöpfungslehre ursprünglich auf einer Verallgemeinerung des
beobachteten Entstehens der Einzelwesen beruht, — dies zu
entscheiden, ist nach den abgerissenen und mehrdeutigen Aus-
sagen der Qvetägvatara-Upanishad nicht wohl möglich.
IX. Die Nichtrealität der Welt.
1. Die Mäyälehre als Grundlage aller Philosophie.
Kants Als Kant bei seiner Untersuchung des menschlichen Er-
Grund- . P ■
ciogma, so kenntnis Vermögens die Folgerung zog, dafs die ganze Welt,
Philosophie, wie wir sie kennen, nur Erscheinung und nicht Ding an sich
sei, da hatte er nichts schlechterdings Neues gesagt, sondern
nur in wissenschaftlicher, auf Beweise gestützter Form eine
Wahrheit ausgesprochen, welche in weniger wissenschaftlicher
Gestalt lange vor ihm vorhanden gewesen war, ja, als intuitive,
halb unbewufste Erkenntnis von jeher aller. Philosophie
1. Die Mäyälehre als Grundlage aller Philosophie. 205
zugrunde gelegen hatte. Denn wären die Dinge der Welt nicht,
wie Kant behauptete, blofse Erscheinungen, sondern ebenso,
wie sie unserm Bewufstsein in Raum und Zeit erscheinen,
auch ohne dieses Bewufstsein und an sich vorhanden, so würde
eine empirische Betrachtung und Erforschung der -Natur die
letzterreichbaren und vollgültigen Aufschlüsse über das Wesen
der Dinge bieten. Im Gegensatze zu dieser empirischen Be-
trachtungsweise hat die Philosophie von jeher nach dem
eigentlichen Wesen oder, wie man gewöhnlich sagt, nach dem
Prinzip der Welt gefragt, und diese Frage setzt immer schon
das, wenn auch noch undeutliche, Bewufstsein voraus, dafs
dieses Prinzip, dieses Wesen der Dinge nicht schon in den
Dingen selbst, wie sie in Raum und Zeit vor unsern Augen sich
ausbreiten, gegeben ist, dafs, mit andern Worten, der ganze
Inbegriff der äufsern und innern Erfahrung uns immer nur
zeigt, wie die Dinge uns erscheinen, nicht wie sie an sich
sind. Diese Erkenntnis sehen wir denn auch auf allen Ge-
bieten der Philosophie, je bestimmter dieselbe sich ihrer eigent-
lichen Aufgabe im Gegensatze zu den empirischen Wissen-
schaften bewufst wird, um so deutlicher hervortreten: so in
der griechischen Philosophie, wenn die empirische Realität
von Parmenides für blofsen Schein, von Piaton für einen
blofsen Schatten (Rep. VII, 1) der wahren Wesenheit erklärt
wird, so in der indischen Philosophie, wenn die Upanishad's
lehren, dafs diese Welt nicht der Atmcm, das eigentliche
„Selbst" der Dinge, sondern eine blofse Mäyä, ein Trugbild, eine6 j/4«.
eine Illusion ist, und dafs die empirische Erkenntnis derselben
keine Vidyä, kein wahres Wissen gewährt, sondern in der
Aridyä, dem Nichtwissen, befangen bleibt. Da der Ausdruck
Mäyä in diesem Sinne erst verhältnismäfsig spät, nämlich Alter dieser
nicht vor Qvet. 4,10, nachweisbar ist, so hat man geglaubt, in
dieser Lehre nur eine sekundäre, im Verlaufe der Zeit aus
der Weltanschauung der Upanishad's sich entwickelnde An-
sicht erkennen zu müssen. Wir wollen jetzt zeigen, dafs dem
nicht so ist, dafs vielmehr die Upanishadtexte, je älter sie
sind, um so schroffer und nachdrücklicher jenen illusorischen
Charakter der empirischen Realität hervorheben, nur dafs
dieser exzentrische und scheinbar verstiegene Gedanke selten
206 IX. Die Nichtrealität der Welt.
in voller Reinheit zum Ausdrucke kommt und in der Regel
in Formen auftritt, welche in einer Einkleidung desselben in
die uns allen angeborene und unverlierbar anhaftende empi-
rische Erkenntnisweise ihre vollkommene Erklärung finden.
o
2. Die Mäyälehre in den Upanishad's.
Der ideaiis- Es gibt in der Literatur der Upanishad's wenige Texte,
'yTjna6-1 welchen, nach allen äufsern und innern Kriterien, ein höheres
valkyatexte" Alter zukäme als den Abschnitten der Brihadäranyaka-Upa-
nishad, welche die Weltanschauung des Yäjnavalkya entwickeln
(Brih. 2,4 und 3,1 — 4,5). Wir werden sehen, wie in diesen
Abschnitten entschiedener als irgendwo sonst die Lehre von
der alleinigen Realität des Atman und von der Nichtigkeit
einer vielheitlichen Welt aufser dem Atman vorgetragen wird.
Vorher aber wollen wir zeigen, wie schon in der altvedischen
Philosophie vor den Upanishad's die Keime gegeben waren,
welche von Yäjnavalkya, oder wer es sonst gewesen sein mag,
zu jenem grofsen, die ganze Folgezeit beschäftigenden Grund-
gedanken der Upanishad's fortgebildet wurden.
Wir sahen (oben I, i, S. 103 — 127), wie schon in den
spätem Hymnen des Rigveda der Gedanke auftritt, welcher
hier wie überall den ersten Schritt in der Philosophie bedeutet:
Der Ein- der Gedanke von der Einheit des Seienden. Er involviert,
heits- .
gedanke als wenn auch nur keimartig und halb unbewufst, die Erkenntnis,
desselben, dafs alle Vielheit — mithin alles Nebeneinander im Räume,
alles Nacheinander in der Zeit, alles Aufsereinander- von Ur-
sache und Wirkung, alles Gegeneinander von Subjekt und
Objekt — im höchsten Sinne keine Realität hat. Wenn es
Rigv. 1,164,46 (oben I, i, S. 118) heifst: ekam sa<l viprä bahudha
vadanti „vielfach benennen, was nur eins, die Dichter" so
liegt hierin implizite, dafs die Vielheit nur auf Worten be-
ruhend („an Worte sich anklammernd", wie. es später, Chänd.
6,1,3, heifst), und dafs nur die Einheit real ist. Auch bei den
Versuchen, diese Einheit näher zu bestimmen, wie wir die-
selben durch die Zeit der Hymnen und Brähmana's verfolgt
haben (oben I, i, S. 127 fg.), blickt überall, mehr oder weniger
deutlich, der Gedanke durch, dafs nicht die Vielheit real ist,
2. Die Mäyälehre in den Upanishad's. 207
sondern nur die Einheit, „das Eine, aufser dem kein Andres
war" (Rigv. 10,129,2), „der Eine, eingefügt der ew'gen Nabe,
in der die Wesen alle sind gewurzelt" (Rigv. 10,82,6), und
wenn es heifst: „nur Purusha ist diese ganze Welt, und was
da war und was zukünftig währt" (Rigv. 10,90,2), so liegt
hierin, dafs im ganzen Universum, in aller Vergangenheit und
Zukunft das Reale nur und allein der eine Purusha ist. Aber
die Leute wissen das nicht; sie sehen als das Reale nicht den
Stamm, sondern „das, was er nicht ist, das ihn verdeckende
Zweigwerk" (asac-chdhhdfn pratishihantim, Atharvav. 10,7,21,
oben 1, i, S. 316, vgl. auch Dhyänab. 10) an; denn dasjenige,
„woran die Götter und Menschen wie Speichen an der Nabe
stehn", die „Blume des Wassers" (d. h. Brahman als Hiranya-
garbha) „ist durch Zauberkunst (niäyd) versteckt" (Atharvav.
10,8,34, oben I, i, S. 323; aufstellen, wie dieser und dem, in
ähnlichem Sinne schon Brih. 2,5,19 gedeuteten, Verse Rigv.
6,47,18: indro mäyabhih pururüpa? iyate, mag die Qvet. 4,10
erfolgende Einführung des Terminus mäya in die Philosophie
beruhen). Zur vollen Deutlichkeit erstarkte dieser, die viel-
heitliche Welt leugnende, Idealismus durch Einführung und
immer tiefere Erfassung des Begriffes vom Atman oder Selbste, d« Begriff
Dieser Begriff ist, wie öfter gezeigt, wesentlich negativ und
dazu auffordernd, alles von einer Sache abzulösen, was von
ihr ablösbar ist und folglich nicht zu dem unveräufserlichen
Bestände ihres Selbstes gehört und daher Nichtselbst ist.
Solange nun nur von dem Atman eines Einzelwesens die
Rede war, konnte dieses Nichtselbst ja wohl das Selbst eines
andern Einzelwesens und somit real sein; sobald man sich
aber zu dem Begriff vom Atman des Weltganzen, dem
„grofsen allgegenwärtigen Atman" (Taitt. Br. 3,12,9,7, oben I, i,
S. 263), welcher „gröfser als Himmel, Raum und Erde" ist
((^atap. Br. 10,6,3, oben I, i, S. 264), erhob, war dasjenige,
was als Nichtselbst vom Atman ausgeschlossen wurde, eben
dadurch vom Weltganzen und mithin von der Realität aus-
geschlossen. Aber eben dieser kosmische, keine Realität aufser
sich zulassende, Atman war zugleich „klein wie ein Reiskorn"
usw. (Qatap. Br. 10,6,3) im eignen Selbste ganz und un-
geteilt vorhanden, und diese Koinzidenz des kosmischen und
208 I-x- Die Nichtrealität der Welt.
r»cr Ätman- des psychischen Prinzips wurde eben durch das Wort Atman
Queiipunkt immer gegenwärtig erhalten : das Selbst in uns ist der Pfad-
aes idealis- finder des grofsen allgegenwärtigen Ätman (Taitt. Br. 3,12,9,7,
oben I, i, S. 334), und gerade dieser Gedanke ist der Quell-
punkt der Upanishadlehre, wie er denn zunächst in einem der
ältesten Texte Brih. 1,4,7 (der auf der Autorität des Yäjfia-
valkya rufst, Brih. 1,4,3) fast wörtlich wiederkehrt: „Darum
ist dieses die Wegespur des Weltalls, was hier [in uns] 'der Ätman
Erstes Auf- ist, denn in ihm kennt man das ganze Weltall; . . . darum
Idealismus ist dieses teurer als ein Sohn, teurer als Reichtum, teurer als alles
mnishad'sa andere; denn es ist innerlicher, weil es diese Seele (ätman) ist".
Eine weitere Ausführung dieses, wie gesagt, wohl schon
auf die Autorität des Yäjnavalkya zurückgehenden (Brih. 1,4,3)
Gedankens liegt vor in dem Gespräche Yäjnavalkya's mit
Yäjüa- seiner Gattin Maitreyi, für dessen hohes Alter neben innern
sprach mit Gründen auch das doppelte Vorkommen desselben, in zwei
i rej i. ungrer Upanishad vorhergehenden und erst später zu ihr ver-
einigten Sammlungen (vgl. Upanishad's S. 376 — 378), Zeugnis
ablegt, Brih. 2,4 und Brih. 4,5. Yäjnavalkya beginnt seine
Belehrung mit dem Satze: „Fürwahr, nicht um des Gatten
willen ist der Gatte lieb, sondern um des Selbstes willen
ist der Gatte lieb". Dasselbe wird dann, unter steter
Wiederholung dieser Formel, von Gattin, Söhnen, Reichtum,
Brahmanenstand, Kriegerstand, Welträumen, Göttern, Wesen
und Weltall ausgesagt: sie alle sind nicht um ihretwillen,,
sondern um des Selbstes willen lieb. Unter dem Selbste ist
hier, wie der Schlufs des Abschnittes (Brih. 2,4,14) zeigt, das
Bewufstsein, das Subjekt des Erkennens in uns, zu verstehen,
und der Gedanke ist, dafs alle Dinge und Verhältnisse der
Welt für uns nur vorhanden sind, gekannt und geliebt werden
können, sofern sie in unserm alle Dinge der Welt in sich
fassenden und nichts aufser sich habenden Bewufstsein auf-
treten. Darum heifst es weiter: „Das Selbst, fürwahr, soll
man verstehen, soll inan überdenken, o Maitreyi; wer das
Selbst gesehen, gehört, verstanden und erkannt hat,
von dem wird diese ganze Welt gewufst". Wie die
Töne einer Trommel, einer Muschel, einer Laute an sich
wesenlos sind und nur ergriffen werden können, indem man
2. Die Mäyälehre in den Upanisbad's. 209
das sie hervorbringende Instrument ergreift, so werden alle
Dinge und Verhältnisse der Welt von dem erkannt, welcher
den Atman erkennt (Brih. 2,4,7 — 9). Dem Ätman als dem verwandte
Subjekte des Erkennens ist der Raum mit allem seinem In-
halt eingewoben (Brih. 3,8,11. 4,4,17); 'alle Himmelsgegenden
sind seine Organe (Brih. 4,2,4); die Welt der Namen, Ge-
stalten und Werke, „wiewohl sie dreifach ist, ist eines, näm-
lich der Ätman", er ist das Unsterbliche, welches durch die
(empirische) Realität verhüllt ist (amritam satyena channam,
Brih. 1,6,3), er ist die Realität der Realität (satyasyä satyam,
d, h. dasjenige, was an der Realität das wahrhaft Reale ist),
aus ihm entspringen, wie Funken aus dem Feuer, alle Lebens-
geister, alle Welten, alle Götter, alle Wesen (Brih. 2,1,20),
an ihm sind alle, wie Speichen an der Radnabe, befestigt
(Brih. 2,5,15); er übersteigt, im Schlafe, diese Welt, die Ge-
stalten des Todes" (mrityo rüpdni, Brih. 4,3,7); nur „gleich-
sam" sinnt er und bewegt er sich (Brih. 4,3,7), nur „gleich-
sam" ist eine Zweiheit (Brih. 2,4,14), nur „gleichsam" ein
Anderes vorhanden (Brih. 4,3,31); er steht als Schauender allein
und ohne Zweiten (Brih. 4,3,32); eine Vielheit gibt es in
keiner Weise, Brih. 4;4,19:
Im Geiste sollen merken sie :
Nicht ist hier Vielheit irgendwie !
Von Tod zu Tode wird verstrickt,
Wer eine Vielheit hier erblickt.
Die angeführten Stellen gehören fast alle zu dem Altesten, Die uPani-
. ° ö . ' shadlehre
was wir in der Upanishadliteratur besitzen, und so begegnen «* «-
wir, nicht erst im spätem Verlaufe, sondern gleich an der Idealismus.
Schwelle dieser Literatur einem entschiedenen, wohl zusammen-
stimmenden, an den Namen des Yäjnavalkya geknüpften Idealis-
mus, nach welchem der Ätman, d. h. das Subjekt des Er-
kennens, der Träger der Welt und die alleinige Qealität ist,
so dafs mit Erkenntnis des Atman alles erkannt ist.
Dieser in den Yäjnavalkyareden des Brihadäranyakam zuerst D
auftretende Gedanke ist nie wieder aufgegeben worden und *"
beherrscht, allerdings unter gewissen empirischen Modifika- ^ick]
tionen, von denen nachher zu handeln sein wird, die ganze
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n. 14
nius be-
rscht die
ganze wei-
210 IX. Die Nichtrealität der Welt.
Entwicklung der Upanishadlehre bis zu ihrem Abschlüsse
durch Bädaräyana und Qankara hin. In den Upanishad's sehen
wir ihn oft in dieser oder jener Form auftreten. So beruht
auf ihm die Frage, welche an die Spitze gestellt wird Mund.
1,1,3: „Was ist, o Ehrwürdiger, dasjenige, mit dessen Er-
kenntnis diese ganze Welt erkannt worden ist?" — Aber die-
selbe, auf Brih. 2,4,5 (und 1,4;7) zurückgehende, Frage bildet
auch schon den Ausgangspunkt eines so alten Textes wie
(band. 6,1,2: „hast du denn auch der Unterweisung nach-
gefragt, durch welche [auch] das Ungehörte ein [schon] Ge-
hörtes, das Unverstandene ein Verstandenes, das Unerkannte
ein Erkanntes wird?" Schon die hier, in derselben Reihen-
folge, wiederkehrenden Ausdrücke grutqm, matam, vijndtam
legen die Ahnahme einer Abhängigkeit dieser Stelle von Brih.
2,4,5 nahe. Wir glauben aber noch auf einem andern Wege
diese Abhängigkeit recht sehr wahrscheinlich machen zu können.
Schon oben betrafen wir die Chändogya-Upanishad darauf,
wie sie die Stelle von dem Ätman als Auseinanderhalter der
Welterscheinungen Brih. 3,8,9, wie sie zusammengefafst war
in der Bezeichnung des Ätman als „auseinanderhaltende Brücke"
(Brih. 4,4,22: eslia setur vidharana' eshäm lölcätoäm a£ambhedäy>a),
wörtlich reproduzierte (Chänd. 8,4,2: sa setur vidhritir eshäm
lokänäm asambhedäya) und dabei ihre Abhängigkeit von der
ersteren Stelle dadurch verriet, dafs sie den Sinn der wieder-
holten Worte nicht mehr richtig versteht, indem sie unmittel-
bar darauf aus der die Welterscheinungen auseinander-
haltenden Brücke eine das Diesseits mit dem Jenseits
verbindende Brücke gemacht hat. Ganz ähnlich liegt der
Beweis, dafs Fall, wenn die Aufserung Brih. 2,4,5, dafs mit Erkenntnis des
Chänd. 6,1,2 a ° • ' ' '
von Brih. Ätman alles erkannt sei, Chänd. 6,1,2 in der Frage wieder er-
2,4,5 ab- ' ' °
hängig ist. scheint nach der Unterweisung, durch welche auch das noch
Ungehörte, Unverstandene, Unerkannte ein schon Gehörtes.
Verstandenes, Erkanntes werde. Denn offenbar liegt die rich-
tige Antwort auf diese Frage darin, dafs, wie Brih. 2,4,5 und
Mund. 1,1,3 übereinstimmend sagen, mit Erkenntnis des Ätman
alles erkannt sei. Diese Antwort gibt aber der Verfasser
von Chänd. 6,1 fg. nicht, sondern entwickelt statt dessen seine
Theorie von den drei Urelementen, Glut, Wasser und Nahrung,
2. Die Mäyälehre iu den T'panishad's. 211
mit deren Erkenntnis alles in der Welt, weil es nur eine
Mischung aus ihnen sei, erkannt sei (Chänd. (3,4), und auch
in den drei Gleichnissen von dem (weifsen) Ton, dem (roten)
Kupfer und dem (schwarzen) Eisen wird — sehr verschieden
von den Gleichnissen Brih. 2,4,7 fg. — diese Zurückführung
■des Weifsen, Roten und Schwarzen an- den Dingen auf
Wasser, Glut und Nahrung bereits vorbereitet. Der Ver-
fasser hat also den Sinn der Frage nach dem, mit dessen Er-
kenntnis alles erkannt sei (d. h. nach dem einen Atman), nicht
mehr richtig verstanden, oder vielmehr absichtlich abgeändert,
und zwar in einem Sinne, welcher, indem er das Unwandel-
bare nicht nur in dem „ Einen ohne Zweites", sondern ferner
auch in seinen drei Zerlegungen in Glut, Wasser und Nahrung
sieht, vom Monismus der Upanishadlehre abweichend, zu einer
in der Einheit befafsten Dreiheit unveränderlicher Essenzen
gelangt und damit den ersten Grund legt zu der Sänkhya-
lehre von der Pralriti und den drei von ihr befafsten Grunds.
Im übrigen, und abgesehen von dieser Zerlegung der Einheit
in die Dreiheit, hält er an dem Grundsätze des Yajnavalkya
fest und versichert, dafs alle Umwandlung „an Worte sich
klammernd, ein blofser Name" sei, und dafs es in Wahrheit
nur Glut, Wasser und Nahrung gebe (Chänd. 6,4), wiewohl
auch diese nach seiner eignen Theorie (Chänd. 6,2) schon eine
Umwandlung des „Einen ohne Zweites" sind, mithin konse-
quenterweise seinem Verdikte, „auf Worten beruhend und ein
blofser Name" zu sein, ebenfalls unterliegen sollten. — Dies
alles weist darauf hin, dafs hier der monistische Grundsatz
des Yäjnavalkya durch Tradition übernommen, aber in seiner
Tragweite nicht mehr völlig verstanden worden ist.
Demselben Grundsatze von der alleinigen Realität des spätere
Ätman (des Subjekts des Erkennens) und der Nichtrealität für^ueaiiei-
alles übrigen begegnen wir weiterhin, wenn es Taitt. 2,6 von ni?ät des *
der empirischen Realität heifst: „denn dieses nennen sie die Atman-
Realität", wenn Ait. 3,3 entwickelt wird, dafs alle Erschei-
nungen der Welt „vom Bewufstsein gelenkt, im Bewufstsein
gegründet" seien, und wenn Kaush. 3,8 'der Satz „noch auch
ist dieses eine Vielheit" dahin interpretiert wird, dafs, wie die
Speichen an der Nabe, die „Wesenselemente an denBewufstseins-
14*
212 IX. Die Nichtrealität der Welt.
elementen befestigt, und die Bewufstseinselemente an dem
Präna befestigt" seien, welcher das Bewufstseinselbst (prajna-
dtman) und die Wonne, nicht alternd und unsterblich sei.
Aus spätem Upanishad's führen wir an, dafs die scharfe
Leugnung der Vielheit in dem angeführten Verse Brih. 4,4,19
wiederholt und weiter ausgeführt wird in den Versen Käth.
4,10 — 11, und dafs endlich Qvet. 4,10 der aufkommende Sänkhya-
Realismus durch die Erklärung bekämpft wird, dafs die ganze
Prahiti eine blofse Mäyä sei. Treu dem Grundsatze des
Yajnavalkya, fordert uns die Igä-Upanishad in ihren Anfangs-
worten auf, „in Gott das Weltganze zu versenken", und fügt
zu der Leugnung der Vielheit Vers 12 — 14 die Leugnung des
Werdens hinzu; Mund. 1,1,3 fragt, wie gezeigt, nach dem
Atman als demjenigen, mit dessen Erkenntnis alles erkannt
sei, Mändükya 7 schildert den Atman als „die ganze Welt-
ausbreitung auslöschend, beruhigt, selig, zweitlos"; und auch
die späte Maitr. Up. 6,24 erläutert den Satz, dafs alle Viel-
heit blofser Schein sei, durch den glänzenden Vergleich des
Atman mit einem alätacakram, einem Funken, welcher, im
Kreise geschwungen, als ein feuriger Kreis erscheint; eine
Ausführung dieses Bildes gibt Gaudapäda in der Mändükya-
Kärikä 4,47 — 52, wie denn überhaupt dieses ganze Werk eine
beredte Darlegung des auf die ältesten Upanishadtexte zurück-
gehenden und alle Zeit hindurch festgehaltenen Gedankens
von der alleinigen Bealität des Atman ist.
3. Die Mäyälelire in empirischen Vorstellungsformell.
Die Philosophie des Yajnavalkya, wie er uns in der
Brihadäranyaka-Upanishad entgegentritt, läfst sich zusammen-
fassen in den Satz: der Atman ist das Subjekt des Er-
üneikenn- kennens in uns. Hieraus folgt unmittelbar 1) dafs der
aneTnige. Atman, als das erkennende Subjekt, selbst unerkennbar ist
*eAtmandeS und bleibt, 2) dafs es eine Eealität aufser dem Atman (eine
Welt aufser unserm Bewufstsein) für uns nicht gibt und nie
geben kann. Beide Folgesätze werden von Yajnavalkya mit
Klarheit erkannt und ausgesprochen ; beide bedeuten den Höhe-
punkt der philosophischen Anschauungen der Upanishad's, der
3. Die Mäyalehre in empirischen Yorstellungsfornien. 213
erste für die Theologie, der zweite für die Kosmologie, —
und durch beide scheint dem philosophischen Denker jeder
weitere Weg abgeschnitten zu werden. Hierbei aber konnte
der forschende Menschengeist nicht stehen bleiben : trotz der
Unerkennbarkeit des Atman fuhr er fort, den Atman (d. h.
Gott) als einen Gegenstand der Erkenntnis zu behandeln; —
trotz der Nichtrealität der Welt aufser dem Atman fuhr er
fort, sich mit der Welt als einem Realen zu beschäftigen.
Hierdurch entstehen in der Theologie die mannigfachen Empirische
0 a ° Theologie.
bildlichen Vorstellungsweisen über den Atman, welche, aus
einer unzulässigen Herabziehung desselben in die Sphäre des
menschlichen Erkennens entspringend, das anerkannte Grund-
dogma von der Unerkennbarkeit des Atman umspielen und
sich immer wieder in dasselbe auflösen; — und auf eben dieser
Anwendung der empirischen Erkenntnisformen über die Grenze
ihrer Berechtigung hinaus beruht es, wenn in der Kosmo- Empirische
logie die überkommenen pantheistischen, kosmogonischen und logie.
theistischen Vorstellungen auch nach der Erkenntnis der allei-
nigen Realität des Atman sich weiter behaupten, indem sie
das, aus der empirischen Naturanlage des Intellektes ent-
springende, Festhalten an der Realität der Aufsenwelt in
mannigfacher Weise mit der Grundlehre von der alleinigen
Realität des Atman in Einklang zu bringen suchen. Aus der Variationen
Einkleidung dieser Grundlehre in die uns angeborenen und lehre durch
ihr Recht behauptenden empirischen Erkenntnisformen ent- düng in ein-
springen, in stufenweise zunehmender Überwucherung jenes Formen,
metaphysischen Dogmas durch die empirische Erkenntnisweise,
eine Reihe von Anschauungen, welche wir nach dem, was
darüber schon früher gesagt wurde, hier zum Schlüsse als
Umformungen des ursprünglichen Idealismus in die Theorien
des Pantheismus, Kosmogonismus, Theismus, Atheismus und
Deismus kurz überblicken wollen.
1) Idealismus. Der Atman ist das allein Reale; mit Erste stufe :
. Idealismus.
seiner Erkenntnis ist alles erkannt; es gibt keine Vielheit
und kein Werden; die mit Vielheit und Werden behaftete
Natur ist eine blofse Illusion (mäyä).
2) Pantheismus. Die idealistische Grundanschauung, zweite
deren Ursprünglichkeit und hohes Alter durch die Yäjnavalkya- thefsmus!1"
214
IX. Die Nichtrealität der Welt.
Dritte
Stufe: Kos-
mogonis-
imis.
Vierte
Stufe:
Theismus
texte gesichert ist, verbindet sich mit der in der empirischen
Anschauung gegründeten Überzeugung von der Realität der
Aufsenwelt zu der in allen Upanishad's den breitesten Raum
einnehmenden Lehre: die Welt ist real, und doch ist der
Atman das allein Reale, denn die ganze Welt ist der
Ätman. Man kann diese Theorie als pantheistisch bezeichnen,
wiewohl sie vom modernen Pantheismus ihrem Ursprünge
nach sehr verschieden ist. Der Pantheismus der Neuern Philo-
sophie hat sich aus dem Theismus des Mittelalters als dessen
unvermeidliche Konsequenz entwickelt; der Pantheismus der
Upanishad's wurzelt in dem Bestreben, die Lehre von der
alleinigen Realität des Atman gegenüber der sich aufdrängen-
den Realität der vielheitlichen Welt zu behaupten. Mit be-
sonderer Vorliebe pflegen die Upanishad's den Ätman als das
unendlich Kleine in uns mit der Welt als dem unendlich
Grofsen aufser uns zu identifizieren.
3) Kosmogonismus. Die Identität des Ätman und der
Welt war und blieb eine blofse Behauptung. Um sie ver-
ständlich zu machen, mufste man einen Schritt weiter in der
Übertragung empirischer Anschauungsformen auf das Meta-
physische gehen, indem man an die Stelle jener stets be-
haupteten aber nie zu begreifenden Identität das aus der
Erfahrung geläufige Verhältnis der Kausalität setzte und den
Atman als Ursache fafste, welche die Welt als Wirkung aus
sich hervorgebracht hat. So wurde es möglich, auf die alten
Kosmogonien zurückzugreifen und dieselben auf dem Boden
der ihnen ursprünglich widersprechenden Upanishadlehre zu
erneuern. Nachdem der -Atman die Welt geschaffen, fährt
er als Seele in dieselbe hinein. Durch diese Bestimmung
brachte man die Lehre, dafs der Atman, d. h. das Selbst,
die Seele in uns, mit dem Prinzip aller Dinge identisch sei,
mit der Lehre von einer Weltschöpfung aus dem Ätman in
Einklang.
4) Theismus. Die Lehre, dafs der Atman die Welt
schuf und dann als Seele in dieselbe einging, ist noch nicht
Theismus. Sie wird es erst, indem zwischen dem Atman als
Weltschöpfer und dem in der Schöpfung auftretenden Atman,
d. h. zwischen der höchsten und der individuellen Seele unter-
3. Die Mäyälelire in empirischen Vorstellnngstornien. 215
schieden wird. Beide treten in Gegensatz, zuerst unmerklich,
als Licht und Schatten (Käth. 3,1), dann immer bestimmter
bis zum vollendeten Theismus der Qvetäevatara-Upanishad.
Charakteristisch für dieses Werk ist, dafs neben dem ihm
eigenen Theismus alle jene früheren Stufen als unaufgehobene
Momente fortbestehen.
5) Atheismus. Durch diese Trennung von Gott und Fünfte
. ~ _ Stufe:
Seele wurde die Existenz Gottes selbst m Frage gestellt. Die Atheismus
Seele stand im Gegensatze zu ihm, bestand mithin selbständig
und ohne ihn: für Gott blieb nur noch die Aufgabe, als
Schauplatz der Vergeltung für die von den selbständigen
Seelen begangenen Werke die materielle Natur auszubreiten.
Man brauchte nur die hierzu erforderlichen Kräfte in die
Materie selbst zu verlegen, und Gott als Weltschöpfer wurde
überflüssig: von jeher bestehen nur die mit ihren Werken be-
lasteten, von Geburt zu Geburt Vergeltung empfangenden
Seelen (purusha) und die Urmaterie (prdkrüi), welche aus sich
immer wieder aufs neue den Schauplatz für diese Vergeltung
ausbreitet; dies ist der Übergang von der Vedäntalehre der
Upanishad's zum Sänkhyasystem, dessen Entstehung aus der
Upanishadlehre im nächsten Kapitel näher darzulegen sein
wird.
6) Deismus. Wenn aus Opportunitätsrücksichten der sechste
atheistischen Säiikhyalehre , rein äufserlich und ohne in den Deismus.
Organismus des Systems einzugreifen, die Lehre von einem
persönlichen Gott angeheftet wird, so geht dieselbe über in
das, später zu behandelnde, nicht sowohl theistische, als viel-
mehr deistische Yogasystem. Dasselbe unterscheidet sich vom
Deismus der Neuzeit dadurch, dafs dieser bestrebt ist, den
(nur nominell als Weltursache festgehaltenen) Gott aus dem
Naturzusammenhange ohne Gefahr zu eliminieren, während es
sich beim Yogasystem darum handelt, den im Sänkhyam be-
reits eliminierten Gottesbegriff einem System, welches ohne
ihn gedacht worden war, wieder einzufügen. Beide Opera-
tionen laufen auf dasselbe Resultat hinaus; das System besteht
durch sich selbst, und der Gottesbegriff bleibt daneben be-
stehen, ohne auf seine Lehren einen weiteren Einflufs aus-
zuüben'.
216 X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
1. Kurze Übersicht der Sankliyalehre.
Das Die Entstellung des, auf die Urheberschaft des durchaus
system eine mythischen Kupila sich zurückführenden, Sänkhyasystems ist
desvTdäuu. eines der schwierigsten und streitigsten Probleme auf dem
Gebiete der indischen Philosophie. Unsere bisherigen Unter-
suchungen werden es uns ermöglichen, dieser Frage gegenüber
den richtigen Standpunkt zu gewinnen. Es wird sich zeigen,
dafs die Sankliyalehre in allen ihren Bestandteilen aus dem
Vedänta' der Upanishad's . erwachsen und nichts anderes ist
als eine extreme Durchführung der realistischen Tendenzen,
deren Aufkommen und allmähliches Erstarken wir schon inner-
halb der Upanishadlehre selbst in den pantheistischen, kosmo-
gonistischen und th eistischen Umformungen der ursprünglichen,
idealistischen Grundanschauung verfolgt haben. Wir schicken
Haupt- eine Übersicht über die Hauptpunkte der spätem Sänkhya-
Sunkhya- lehre voraus, da sie zum Verständnisse des Folgenden un-
entbehrlich ist.
Der Dualis- Grundanschauung und letzte Voraussetzung des Systems
ist der Dualismus von Prdhrüi (Natur) und Purushai (Geist).
Von Ewigkeit her bestehen neben einander und in einander
zwei völlig verschiedene Wesenheiten, ohne dafs auch nur ein
Versuch gemacht würde, dieselben aus einer höheren Einheit
abzuleiten oder auf dieselbe zurückzuführen:
1) der schon ursprünglich in einer Vielheit vorhandene
Purusha, das Subjekt des Erkennens, wie es von allem
Objektiven losgelöst ist und ihm als ein anderes gegenüber-
steht,
2) die Prdkfiti (Pradhänam), welche alles, was nicht Pu-
rusha oder Subjekt ist, befafst, mithin alles, was nur irgend-
wie ein objektives Dasein hat, mag dasselbe nun noch
unentwickelt (avyaktam, natura naturans) oder schon entwickelt
(vj/aJäam, natura naturata) sein.
Die Leiden Beide, Purusha und Prakriti, Subjekt und Objekt, sind
' von Ewigkeit her in einander verstrickt, oder vielmehr, scheinen
es zu sein, und auf dieser scheinbaren Verstrickung beruhen
1. Kurze Übersicht der Sänkhyalehre. 217
die Leiden des Daseins, deren Hebung das Sänkhyasystem
sich als seinen eigentlichen Zweck vorsetzt.
Erreicht ist dieser Zweck, sobald der Purusha seine, tat- Aufhebung
sächlich von jeher bestehende, aber ihm nicht bewufste, völlige durch den
Verschiedenheit (viveka) von der Prakriti erkennt; denn
nachdem diese Erkenntnis eingetreten ist, sind alle Leiden der
AVeit nicht mehr seine Leiden; sie sind aber auch nicht mehr
die der Prakriti, da all ihr Leiden, sobald es nicht mehr im
Purusha „sich widerspiegelt" oder von ihm „beleuchtet wird",
nicht mehr empfunden wird, folglich nicht mehr Leiden ist.
In dieser Lösung des, von jeher nur scheinbar bestehenden,
Bandes zwischen Purusha und Prakriti liegt die Erlösung, Wesen der
welche für den Purusha nur darin besteht, dafs er die Schmerzen
der Prakriti nicht mehr beleuchtet, für die Prakriti hingegen
darin, dafs ihre Schmerzen nicht mehr beleuchtet, folglich nicht
mehr empfunden werden und mithin aufhören, Schmerzen zu
sein. Die Erlösung ist also ein Vorgang, welcher nicht den
Purusha betrifft (an ihm geht nichts vor), sondern die Prakriti;
daher die auf den ersten Blick befremdliche Erklärung, dafs
„nicht der Purusha, sondern nur die Prakriti gebunden sei,
umwandere und erlöst werde" (Sänkhya-kärikä 62).
Dieser Erlösungsprozefs ist als ein individueller zu denken. Der Er-
Es gibt eine von jeher bestehende Vielheit von Purusha's. pr'öze'rf ein
Von ihnen gelangen die einen zur Erkenntnis, -die andern duener.
nicht; die mit den einen verbundene Prakriti gelangt zur Er-
lösung; die mit den andern verbundene gelangt nicht dazu.
Hieraus folgt, dafs auch für die Prakriti der Erlösungsprozefs
nicht ein kosmischer, sondern ein psychischer, individueller
ist. Die Vielheit der Purusha's zieht nach sich eine Vielheit,
wenn nicht der Prakriti, so doch dessen, was von ihr in Ak-
tion tritt. Hinter der als Lingam individualisierten Prakriti individuelle
steht die allgemeine, kosmische Prakriti, ohne 'dafs von ihr mische pra-
weiter die Rede wäre. Jedenfalls ist der ganze Prozefs, den
wir jetzt zu schildern haben, als ein für jeden einzelnen Pu-
rusha sich wiederholender, somit als ein psychischer, indivi-
dueller zu denken.
Die Prakriti, um in dem Purusha die Erkenntnis seiner
Verschiedenheit und damit ihre eigene Loslösung von dem-
218
X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
selben zu bewirken, entfaltet sich immer wieder und wieder
Die selbst- vor dem Auge'des Purusha. Da der Purusha individuell ist,
"de/priT-8 so mufs auch die bei den erlösten Purusha's nicht mehr statt-
dävidueuTii findende, hingegen bei den nichterlösten sich immerfort, bis
denken. zur Lösung, wiederholende Selbstentfaltung der Prakriti als
eine individuelle aufgefafst werden. Sie besteht darin, dafs
st.uen ,ier aus der Prakriti hervorgeht der Mdhän (die Buddhi, „der
Grofse", „das Bewufstsein"), aus diesem der ÄhanMra (der
„Ichmacher"), aus diesem einerseits das Monas und die zehn
Indriyd's (die Erkenntnisorgane und Tatorgane), anderseits
die fünf Tanmätrd's (Reinstoffe), aus diesen endlich die fünf
Bhütd's (Elemente). Folgendes Schema mag zur Orientierung
dienen :
Prakriti
|| Purusha
Lin-
Mahän (Buddhi)
I
Ahankära
-gam
5 Tamnätra's Marias und 10 Indriyas
5 Bluttat
Das Linnum.
Die 18 ersten Edukte der Prakriti, Mdhän, Ahankära,
Marias, Indriyd's und Tantnätra,&, bilden den feinen Leib,
welcher die Seele umhüllt und auf allen ihren Wanderungen
begleitet. Er heifst Ungarn, weil er das „Kennzeichen" ist,
an dem man die verschiedenen Purusha's unterscheidet, welche
an sich sämtlich blofse Subjekte des Erkennens und nichts
weiter sind, somit völlig identisch und ununterscheidbar sein
würden, hätten sie nicht alle ihre besondern Linga's (empi-
rischen Charaktere), welche von einander verschieden sind.
Zwar stammen alle Linga's aus der einen Prakriti, diese aber
Die drei besteht aus den drei Guna's (am besten als „Faktoren" zu
übersetzen; vgl. gunayati „multiplizieren"), Saüvam (das Leichte,
Helle, Intellektuelle), Bajas (das Bewegliche, Treibende, Leiden-
schaftliche) und Tomas (das Schwere, Dunkle, Hemmende),
1. Kurze Übersicht der Sänkhyalehre. 219
und auf der verschiedenen Mischung der drei Guna's beruht
die ursprüngliche Verschiedenheit der Linga's. Das Mischungs-
verhältnis der drei Guna's im Lingam scheint ein variables zu
sein, wodurch die fünfzig Bnäva's oder Zustände des Lingam
entstehen.
Jeder Lebenslauf ist eine neue Selbstentfaltüng der Pra- Der Lebens-
._ lauf.
kriti vor dem betreffenden Purusha vermittelst des Lingam.
Aus den im Lingam enthaltenen Tanmätra's entspringen (bei
jeder Selbstentfaltung, jedem Lebenslaufe aufs neue, wie wir
annehmen müssen) die Bhutans oder groben Elemente (Äther,
Wind, Feuer, Wasser, Erde). Hieraus folgt 1) dafs jeder
Purusha, wie er sein eigenes Lingam hat, auch seine eigene,
aus ihm entspringende, grobmaterielle Welt besitzt, und
2) dafs für den Purusha im Stande der Erlösung, da keine
Entfaltung des Lingam mehr stattfindet, auch keine grob-
materielle Welt mehr existiert, so dafs doch auch das Sänkhya- Das
system im Grunde idealistisch ist, so sehr auch seine Inter- Bystem im
preten den Idealismus der Buddhisten bekämpfen. idealistisch.
Allerdings soll hinter den individuellen Entfaltungen
von Mdhan, AKankära, Manas usw. der Prakriti eine ent-
sprechende, allgemeine Entfaltung eines kosmischen Mahän,, ,
ÄhanMra, Monas usw. stehen; doch kommt dieser Gedanke
nur ganz nebenbei vor, spielt keine Rolle und erscheint wie
eine abgedrungene Konzession an den Realismus. In der Tat
sieht man nicht, wozu sie dienen soll, da jedes Lingam aus
sich, in jedem Lebenslaufe wieder neu, die fünf groben Ele-
mente, mithin die materielle Aufsenwelt, heraussetzt.
Die ursprüngliche Intention des Systems scheint eine ursprüng-
andre zu sein. Das Eintreten des ÄliafiMra oder Ichmacher tion.
in die Entwicklungsreihe weist darauf hin und ist nur dann
verständlich, wenn in ihm der Übergang hegt von der all-
gemein-kosmischen zu einer psychischen Evolution. Kosmisch
ist ohne Zweifel die allen gemeinsame Prakriti, kosmisch auch
scheint, wie ihr Name Mahän „der Grofse" zu verstehen gibt,
die Buddhi zu sein, als der aus dem Unbewufsten hervor-
gehende Intellekt als Träger der Erscheinungswelt (der Hira-
nyagarbha des Vedänta, oben Kap. VI, 5, S. 179 fg.), nur dafs
eine psychische Abzweigung desselben als individuelle Buddhi
msmuE.
220 X- Die Genesis des !S;uikhyasystenis.
in das Lifigam hereingenommen wird; der Kern des Lingam ist
dann der Ähankära, als Prinzip der Individuation, aus dem
weiter einerseits der individuelle Intellekt (Marias und Indriyä's \-
anderseits die Tanmäträ's, und aus ihnen die groben Elemente,
für jedes Individuum wieder neu, entspringen. — Wenn end-
lich die Interpreten die Reihenfolge von Büddhi, Ahaükära,
Marias damit rechtfertigen, dafs das Manas die Vorstellungen
bilde, der AhanJcara sie sich individuell aneigne, und die
JBuddhi dieselben zu Entschlüssen (adltyavasäya) stempele, so
würde daraus eine Abhängigkeit der JBuddhi von AharVcära
und Manas folgen, und somit gerade die umgekehrte genea-
logische Abfolge zu erwarten sein.
Das Je mehr man in dieses System einzudringen sucht, um
s'ystem ein so mehr wird man des philosophisch Ungeniefsbaren, Unver-
keüf o?ga- ständlichen finden. Verständlich wird das Ganze erst, wenn
wir es als das letzte Resultat und die Zusammenschmelzung
sehr heterogener Vorstellungsreihen ansehen, welche aus älterer
Zeit überkommen waren, und deren Ursprung wir jetzt im
einzelnen nachweisen wollen.
2. Genesis des Dualismus.
Der Dualis- Wie es , populär gesprochen, nur einen Gott und nicht
"Krankheit9 mehrere geben kann, so liegt es in der Natur eines philo-
^soifhie.0" sophischen Prinzips, eine Einheit zu sein, aus welcher die
Mannigfaltigkeit der Welterscheinungen abgeleitet wird. Dabei-
ist der natürliche Standpunkt für die Philosophie der Monis-
mus, und der Dualismus, wo er immer in der Geschichte der
Philosophie aufgetreten ist, war immer die Folge vorher-
gehender, schwerer Störungen und gleichsam ein Symptom
der Erkrankung des philosophierenden Geistes, wie denn der
Dualismus des Empedokles, Anaxagoras und Demokrit ver-
anlafst war durch den unversöhnbar scheinenden Konflikt der
Lehren des Parmenides und Heraklit, und der Dualismus des
Descartes seinen letzten Grund hatte in der schon bei Piaton
und Aristoteles beginnenden, naturwidrigen Auseinander-
reifsung der abstrakten und der anschaulichen Vorstellungen
(cogitatio und eoctensiö). In ähnlicher Weise kann auch der
2. Genesis des Dualismus. 221
Dualismus der Sähkhyalehre schon als solcher keine ursprüng-
liche Naturanschauung sein (denn wie kämen zwei bis in die
Wurzeln verschiedene Prinzipien, wie Purusha und Prakriti,
dazu, sich im unendlichen Räume und in der unendlichen Zeit
zu finden und zu ergreifen, welch' unerhörter Zufall fügte es,
dafs sie so zu einander pafsten, dafs sie sich zu einer Welt-
entwicklung verbinden konnten?), — vielmehr ist er aufzu-
fassen als die Folge einer Selbstzersetzung der Upanishad-
lehre, wie wir jetzt nachweisen wollen.
Der Upanishadgedanke in seiner pantheistischen Form ursprüng-
besagte, wie oben gezeigt,, dafs Brahman die AVeit geschaffen msmus.
hat und dann als Seele in dieselbe eingegangen ist (tat srishtvä,
tad eva aniipvävicat, Taitt. 2,6). Die individuelle Seele ist
nicht etwas von Brahman Verschiedenes, sondern voll und
ganz das Brahman selbst. Die Individualität sowie die Viel-
heit der Seelen ist ein blofser Schein. Aber dieser Schein
verdichtet sich, in dem Mafse wie die empirische Erkenntnis-
weise zur Geltung kommt, zur Realität : der Pantheismus wird
zum Theismus, nach welchem der höchsten Seele die indivi-
duelle als eine eigene Realität gegenübertritt, die Folge ist
die Vielheit der individuellen Seelen, — das erste Vielheit der
Dogma, wodurch sich das Sänkhyam vom Vedänta unter-
scheidet, und damit die erste Absurdität dieser Weltansicht.
Denn die Seele bleibt nach wie vor, wie schon Yäjnavalkya
gelehrt, das Subjekt des Erkennens. Eine Vielheit von
Subjekten des Erkennens! Welcher philosophische Kopf er-
trägt diesen Gedanken? Das Subjekt des Erkennens ist in
mir (aham brahma asmi) und nirgendwo sonst, denn alles aufser
mir ist Objekt und darum eben nicht Subjekt.
Eine weitere Folge des Theismus ist der Atheismus. Die Absterben
a .... der
Spaltung des Atman in individuelle und höchste Seele mufste höchsten
zum Absterben des einen Zweiges — der höchsten Seele —
führen, da sie ihre Lebenskraft in Wahrheit nur aus dem in
mir vorhandenen — allein vorhandenen — Atman geschöpft
hatte. Nachdem dieser sich von ihr getrennt, war sie schwer
aufrecht zu halten. Man brauchte nur die schöpferischen
Kräfte (die Guna's, Saitvam, Hajos und Tamas) in die Materie
selbst zu verlegen, und Gott wurde überflüssig. Vergebens
222 X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
protestiert gegen die einreifsende realistische Tendenz die
Qvet. Up., vergebens versichert sie, dafs es Gottes Selbstkraft
ist, welche sich in die eignen Guna's hüllt (1,3), dafs die
Fäden des Pradhäna- Gewebes nur aus Gott stammen (6,10),
ja, dafs die ganze Prakriti nur eine von Gott hervorgebrachte
Illusion ist (4,10 mäyäm tu prakritim vidyäd, mäyinam tu mahe-
gvaram), — nachdem Gott nicht mehr durch meinen Atman
bezeugt wurde, war er überhaupt nicht mehr hinreichend be-
zeugt, um nicht von dem rücksichtslosen Realismus der Sänkhya's
über Bord geworfen zu werden, wodurch dann aus der alten
Dreiheit (Gott, Welt, Seele), die in Wahrheit eine Einheit
war ((j.'vet. 1,7. 12 etc.), die Zweiheit von Prakriti und Purusha
wurde, von denen man nun nicht mehr zu sagen wufste, woher
sie gekommen, und wie sie so zu einander passen mochten,
dafs sie als der starke Blinde und der sehende Lahme (Sänkhya-
kärika 21) sich zum gemeinsamen Ziele verbinden konnten.
3. Genesis der Evolutionsreihe.
Pwusha, Schon in den Kosmogonien des Bigveda pflegt an der
iMän? Spitze der Weltentwicklung eine Dreiheit von Prinzipien zu
erscheinen, sofern 1) das Urwesen aus sich 2) die Urmaterie
hervorgehen läfst und in dieser 3) als Erstgeborner der
Schöpfung (Hiranyagarblia,- JBrahmdn) selbst entsteht (oben
S. 165 fg. und I, i, S. 143 fg. 153). Diese mehr und mehr ty-
pisch werdende Reihenfolge der drei obersten Prinzipien ist
der letzte Grund für die drei obersten Sänkhyaprinzipien,
1) Purusha, 2) Prakriti, 3) Maliän (Buddln'), nur dafs der
Purusha, infolge seiner Spaltung in höchste und individuelle
Seele und dadurch bedingten Absterbens der ersteren (des Ur-
wesens), nur noch in seinen Absenkern, den individuellen
Seelen, fortbesteht, welche als solche nicht mehr oberstes
Prinzip sind, sondern, wie im vorigen Abschnitte gezeigt, der
Prakriti als nebengeordnet gegenübertreten. Ein erstes Auf-
dämmern dieser Anschauung kann man schon Brih. 1,4,6 finden,
wenn es dort heifst: „diese ganze Welt ist nur dieses: Nah-
rung und Nahrungesser"; jedenfalls werden diese Worte auf
Prakriti und Purusha gedeutet in der ältesten, uns bekannten,
3. Genesis der Evolutionsreihe. . 223
Darstellung der Sänkhyaphilosophie, Maitr. 6,10, einem Ab-
schnitt, welcher durch seine unvermittelte Gegenüberstellung von
Prakriti und Purusha in Widerspruch tritt nicht nur gegen die
Upanishadlehre, auch wo sie schon dem Sänkhyismus zutreibt,
sondern auch mit den übrigen Texten der Maitr. Up,, z. B. 5,2
und 6,1 1 — 13. Aus diesem Ursprung der drei obersten Sänkhya-
begriffe erklärt sich auch die sonst nicht verständliche Er-
scheinung, dafs tlas Intellektuelle, nachdem es dem Purusha
(dem Subjekte des Erkennens) überwiesen war und dadurch
abgefertigt schien, dann doch auch wieder auf der objektiven
Seite erscheint als die Buddln oder der Mahän. d. h. „der ner Mahän
(che auaam)
Grofse"; dieser letztere Ausdruck erscheint (soweit wir sehen)
an allen Stellen, wo das Genus bestimmbar ist, als Masku-
linum (meist in Komposition als mahad-ädi. mahat-tattväm
„die Wesenheit des Grofsen") und taucht schon in den Upani-
shad's auf; so vielleicht schon in dem Verszitate Kaush. 1,7
als rishir brahmamayo mahän] dann als der mahän ätmd Käth.
3,10. 13 und 6,7, als der agryah purusho mahän (>et. 3,19,
falls derselbe als der „erstentstandene, grofse Purusha" auf-
zufassen und somit zu identifizieren ist mit dem Himnyagarbha
3,4. 4,12, dem risJrih Mpilah, agre prasütah 5,2, dem jnah sar-
mgäh 6, 17, dem Brahmän, welchem das Urwesen die Veden
überliefert hat 6,18, und aus welchem das uralte Wissen er-
flossen ist 4,18. Es ist, wie der Vergleich dieser Stellen zeigt,
der schon Rigv. 10,121 als erster aus den Urwassern geborne
Hiranyagarbha, das intellektuelle Weltprinzip, der Intellekt
als Träger der Erscheinungswelt, welcher, nach Abstreifung
der mythologischen Form, bei den Sänkhya's als der JSFalHot.
als die kosmische Buddhi, aus der Prakriti hervorgeht. Dieser
entläfst dann weiter aus sich den AhänJcära als Prinzip der "ie wt>L-
1 teren
Individuation, von welchem wiederum die individuellen Er- stufen!
kenntnisorgane (Monas und Ivdriya's) und ihre Objekte (Tan-
mätra's, Bhutans) abhängen. Durch Hereinziehen in das Lingam
(den psychischen Organismus] gewinnt dann auch der Mahän,
die Buddhi, neben der ursprünglichen, kosmischen eine psy-
chische Bedeutung als Organ der Entscheidung (adhyavasäya).
Der ganzen Konstruktion dieser Stufenreihe scheint der omud die-
Gedanke zugrunde zu liegen, dafs das Hervorgehen aus dem reii.e.
224 X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
I'rwesen denselben und nur umgekehrten Weg nimmt, wie
das Zurückgehen in dasselbe. Nun lehren die Upanishad's
stufen des ein dreifaches Zurückgehen in Brahman : 1) im Schlafe, 2) im
inBrahman. Tode, 3) im Yoga , und bei Beschreibung dieses dreifachen
Eingehens in Brahman kommen dann nach und nach alle die
Prinzipien zum Vorscheine, welche in dem Evolutionsschema
der Sänkhya's zu einem Ganzen vereinigt sind. Wir wollen
dies an einigen Hauptstellen nachweisen.
Beim riet- 1) Beim Tiefschlafe, der ein Eingehen in Brahman ist
schlafe.
gehen nach Chänd. 4,3,3 Rede, Auge, Ohr und Manas ein in
den Präna; und nach Pragna 4 gehen beim Traumschlafe die
Indriya's in das Manas, und beim Tiefschlafe dieses mit ihnen
in das Tejas ein; im Folgenden (4,7) wird geschildert, wie
die fünf Bhüta's und die fünf Tanmätra's sowie die fünf Er-
kenntnissinne und die fünf Tatsinne, ferner Manas, Buddhi,
Ahankära, Cittam, Tejas, Präna und die ihnen zukommenden
Funktionen in den Atinan eingehen; dafs der aufgezählten
Reihenfolge von unten nach oben das sukzessive Eingehen
entspreche, wird nicht ausdrücklich gesagt, ist aber nach der
Analogie anderer Stellen wohl annehmbar.
Beim 2) Beim Sterben geht nach Chänd. 6,8,6 (6,15,2) die
Rede in das Manas, das Manas in den Präna, der Präna in
das Tejas, das Tejas in die höchste Gottheit ein. Wie unter
der Rede hier alle Indriya's, so scheinen unter Tejas alle drei
Urelemente (Tejas, Apas, Annam, aus denen ja nach Chanel.
6,5,4 Rede, Präna und Manas bestehen) verstanden werden zu
müssen, welche, wie wir später sehen werden, zur Prakriti
mit ihren drei Guna's sich fortentwickelt haben.
Beim Yoga. 3) Beim Yoga sollen nach Käth. 3,10 — 13 (und, im wesent-
lichen übereinstimmend, 6,7 — 11) die Sinnendinge und Sinne
im Manas absorbiert werden, dieses in der Buddhi (=jnäna?
ätma == sattvam), diese im mahän ätma, dieser endlich im
avyaktam (= räida ätmä), wodurch der Purusha von ihnen
allen isoliert und der Erlösung teilhaftig wird. Hiernach
würden wir für die Rückkehr in das Urprinzip im Tode,
Yoga und Tiefschlafe folgende Stufenordnungen (die Reihen-
folge bei Pragna 4 problematisch) gewinnen:
3. Genesis der Evolutionsreihe.
225
Beim Sterben Beim Yoga Beim Tiefschlafe
(Chänd. 6,8,6): (Käth. 3,10— 13. 6,7— 11): - (Pracna 4,7):
pard devatd purusha dtman
, * s , *, , (prdna
t&fas (apas, annam) avyaktam (ganta7 atman) \tej'
, * * . (cittam
imina {lum. ychanlauc
manas
üäc usw.
manas
arthdh und indriyäni
buddhi
manas
tanmätra, bhuta, indriya.
Mit diesen Stufen der (beim Sterben, Tierschlaf und
Yoga stattfindenden) Involution in das Urwesen .ver-
gleiche man die Stufen der Evolution der Dinge aus Entspre-
dem Urwesen, wie sie zuerst (noch unabgeklärt und mit wurde das
einigen zweifelhaften Punkten) Mund. 1,1,8 — 9. 2,1,2 — 3, und geheTkon-
in abgeklärter Form im spätem Sähkhyam (zuerst wohl
Maitr. 6,10) erscheinen:
Mund. 1,1,8—9. Mund. 2,1,2—3.
yah sarvajüah, sarvavid purusha
annarn (= avyäkritam, aksharam
Tank.)
prdna (= Hiranyagarbfia, prdna
rank.)
Späteres Sänkhyam.
) prakriti || purusha
\ mahdn
/ ahankdra
satyam, Jokdh, karmäni
manas und
Sinnesorgane
die Elemente
tanmätra manas u. indriya'1?,
bhüta's.
Der Vergleich dieser Schemata macht es sehr wahrschein-
lich, dafs das eigentliche Motiv für die Evolutionsstufen der
Sänkhyalehre , neben der aus dem Eigveda überkommenen
Trias der obersten Prinzipien (Urwesen, Urmaterie, Hiranya-
garbha, welche zu Purusha, Prakriti, Maliern werden), die in
den Upanishad's gelehrte Stufenfolge des Eingehens in Brah-
man bei Tiefschlaf, Tod und Yoga ist; und hierdurch wird
begreiflich, dafs, wenn die spätem Sänkhya's ihre Stufenfolge
.durch den psychologischen Prozefs beim Erkennen zu recht-
fertigen suchen, dieses nur in künstlicher und philosophisch
nicht befriedigender Weise geschehen kann.
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n.
15
226 X. Die Genesis des Sänkhyasysteins.
4. Genesis der Guualehre.
nie drei Der eigentümlichste Bestandteil des Sänkhyasystems ist
die Lehre von den drei Guna's, welche auf dem Gedanken
beruht, dafs die drei im psychischen Organismus sich be-
tätigenden Kräfte, Sattvam, Bajas und Tomas (die der mo-
dernen Unterscheidung von Sensibilität, Irritabilität und
Reproduktion nahe kommen) auch schon in der Prakriti
vorhanden sind und deren ganzes Wesen ausmachen.* So
neu auch diese Lehre bei ihrem ersten Auftreten, in der
Qvetäcvatara-Upanishad (1,3. 4,5. 5,7. 6,3 — 4. 6,11. 6,16) er-
scheint, so beruht doch auch sie auf altern Voraussetzungen.
Wir gehen dabei aus von dem Verse Qvet. 4,5 (= Mahänär. 10,5):
Der Vers Die eine Ziege, rot und weifs und schwärzlich,
Ziege, Wirft viele Junge, die ihr .gleichgestaltet';
sVe ' ' Der eine Bock in Liebesbrunst bespringt sie,
Der andre Bock verläfst sie, die genossen.
Dafs dieser Vers den Grundgedanken der Sankhyalehre zum
Ausdrucke bringt, unterliegt keinem Zweifel. Das verschieden-
artige Verhalten der vielen Purusha's zu der einen Prakriti
kann gar nicht treffender illustriert werden als durch das ver-
schiedenartige Verhalten der vielen Böcke zu der einen Ziege.
Unter diesen Umständen ist es unvermeidlich, die Bezeichnung
Beziehung der Ziege als „rot, weifs und schwarz" (lohita-guMa-lcrishna,
GtmtfB. nach Qankara's Lesung) auf die drei Guna's zu beziehen, aus
denen die Prakriti besteht. Zugleich aber weisen diese drei
Ausdrücke sowohl durch ihre Namen als auch durch die
Reihenfolge derselben, welche nach der Sankhyalehre eine
* Die Prakriti ist im Grunde nur die Potentialität (daher avyäk-
tarn), d. h. der Inbegriff der drei Faktoren (<iio.ni. nach dviguna, triguna
usw. gebildet, vgl. -gunayati ■ multiplizieren), welche in allem Existieren-
den stecken, und aus deren mannigfachen Durchdringungen (awyowya-
abhibhava- ägräya -jatiana - miümna ) alle psychischen Organismen
(linga) und, als deren blofse Folie, die materielle Natur (bhüia) be-
stehen. Alles Seiende ist sonach ein Produkt aus sattvwm (Freude, cpüia),
rajas (Schmerz, veixo?) und tamas (Gleichgültigkeit, Apathie).
4. Genesis der Gunalehre. 227
andre sein müfste, zurück auf Chänd. 6,4, wo alles in der ursprüng-
Welt als aus den drei (aus dem einen Seienden hervorge gange- Ziehung auf'
nen) Elementen, Glut, Wasser und Nahrung, bestehend nach-
gewiesen wird: an allen Dingen (als Beispiele dienen Feuer,
Sonne, Mond und Blitz) ist das Rote (lohita) Glut, das Weifse
(gukla) Wasser, das Schwarze (Tcrishna) Nahrung. Die Wieder-
kehr derselben Ausdrücke und in derselben Reihenfolge in
dem Verse Qvet. 4,5 beweist, dafs derselbe ohne Zweifel mit
Recht von Bädaräyana und Qankara (Sütra 1,4,8 — 10) auf
Chänd. 6,4 bezogen wird. Ebenso aber müssen wir dem bei
Cankara auftretenden Opponenten Recht geben, wenn er den
Vers mit folgenden Worten auf die Sänkhyalehre bezieht:
„In diesem Verse sind unter den Worten «rot und weifs und
schwarz» das Rajas, Sattvam und Tamas zu verstehen. Das
Rote ist das Rajas (Leidenschaft), weil es seiner Natur nach
rot macht (in Aufregung versetzt, ranjayati); das Weifse ist
das Sattvam (Wesenheit, Güte), weil es seiner Natur nach
aufhellt; das Schwarze ist das Tamas (Finsternis), weil es
seiner Natur nach verdunkelt. Es ist die Gleichgewichtslage
dieser Guna's, welche hier nach der Beschaffenheit der Teile,
aus denen sie besteht, als «rot und weifs und schwarz» be-
zeichnet wird. Und weil diese die ursprüngliche ist, darum
heilst sie ajä (die Ziege, auch: die Ungeborne), indem die
Sänkhya's von ihr sagen: «erschaffend, nicht erschaffen ist die
Urnatur» (Sänkhyak. 3). . . . Jene Urmaterie also gebiert
viele, mit den drei Guna's behaftete, Junge; und von eben-
derselben wird gesagt, dafs der eine Ungeborne (oder Bock,
aja), d. h. der eine Purusha sie «in Liebesbrunst » , in Zu-
neigung, Anhänglichkeit «hege» (bespringe), indem er, zufolge
des Nichtwissens, dieselbe für sein eignes Selbst ansieht und
demgemäfs, aus Unvermögen zu unterscheiden, sich selbst fin-
den Träger der Lust, Unlust und Verblendung [welche das
Wesen von Sattvam, Rajas und Tamas ausmachen] hält und
somit in der Seelenwanderung befangen bleibt, — während
hinwiederum ein andrer « Ungeborner » , d. h. ein Purusha,
der jene Erkenntnis der Verschiedenheit erlangt hat und
nicht mehr an ihr hängt, «sie», nämlich die Urmaterie,
«verläfst», sie, «die genossen», deren Geniefsen zu Ende
15*
kräfte.
228 X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
gegangen ist: diese also verläfst er, das heilst, er wird von
ihr erlöst."
In dieser Kontroverse, haben beide Teile recht: der Vedän-
tist, sofern der Vers ohne Zweifel sich auf Chanel. 6,4 zurück-
bezieht, und der Sankhyist, sofern die drei Grundstoffe, welche
nach Chänd. 6,2 aus dem „Einen ohne Zweites" hervorgehen,
und aus denen alles in der Welt durch Mischung entsteht,
psychologisch umgeformt worden sind zu den drei Guna's,
£ie drei welche ebenfalls die Grundstoffe sind, nur dafs jeder dieser
werden zu drei Grundstoffe zum Träger und Ausdruck einer der drei, in
dr'eTcirund" unserm Innern herrschenden, psychischen Grundkräfte ge-
worden ist. Da das Wort Guna (Faktor) sowohl auf die
Grundstoffe als auch auf die Grundkräfte passen würde (in
ihm liegt nur, dafs alles aus dem Urwesen Stammende „drei-
fach", triy/tnam, ist), und da es in allen Stellen der Qvet. Up.,
in der es zuerst vorkommt (1,3. 4,5. 5,7. 6,3 — 4. 6,11. 6,16),
sehr wohl noch als Grundstoff im Sinne von Chänd. 6,2
und dem daran anknüpfenden Verse Qvet. 4,5 gefafst werden
kann, so würde nichts hindern, anzunehmen, dafs jene Um-
formung der drei Grundstoffe in drei Grundkräfte — oder
vielmehr jene Auffassung jedes der drei Grundstoffe als Träger
einer bestimmten Grundkraft — geradezu in Anknüpfung an
den obigen Vers Qvet. 4,5 sich erst weiterhin entwickelt hat.
Vollzogen hat sich dieselbe* mit und durch Einführung der
Namen Sattvam, JRajas und Tomas, welche in dem hier in
Frage kommenden Sinne nicht vor Maitr. 3,5. 5,2 usw. nach-
weisbar sind (über Atharvav. 10,8,43 vgl. oben I, i, S. 324).
5. Genesis der Heilslehre.
Vedänta und Sänkhyam proklamieren beide als ihre Grund-
anschauung den Satz: durch die Erkenntnis erfolgt die
Erlösung. Dieser Satz pafst durchaus zu den Voraussetzun-
gen der Vedäntalehre, nicht aber zu denen des Sänkhyam.
iioiisiehre Nach der Upanishadlehre ist der Atman allein real; die
8Vedänta' vielheitliche Welt ist eine Illusion; diese Illusion wird durch
die erwachende Erkenntnis durchschaut, und hierin besteht
die Erlösung. Hier stimmt alles vollkommen zusammen.
5. Genesis der Heilslehre. 229
Anders im Sänkhyain. Hier ist die Materie ebensogut Heiuiehre
eine Realität wie die Seele, kann folglich nicht von ihr, wie khyam.
im Vedänta, als eine Illusion erkannt werden. Die Illusion,
welche durchschaut werden mufs, liegt hier nur in der Ver-
bindung zwischen Prakriti und Purusha. Aber dieser Ge-
danke ist philosophisch nicht durchführbar. Denn eine Ver- DaB m-
bindung besteht entweder in Wirklichkeit, oder sie besteht dem sie
nicht. Ist sie real, so kann alle Steigerung des Erkennens
nicht zu einer Lösung der Verbindung führen, sondern höch-
stens zu einem deutlichen Bewufstsein der Verbindung, womit
dieselbe aber noch nicht gelöst ist. Das Binsenschwert des
Erkennens kann wohl den Nebel einer Illusion, nicht aber
eine realiter vorhandene Verbindung durchschneiden. Ist hin-
gegen die Verbindung zwischen den beiden Realen, Purusha und
Prakriti, nicht real, so besteht sie eben gar nicht: es ist dann
nicht wahr, dafs der Purusha die Prakriti „beleuchtet", nicht
wahr, dafs die Prakriti im Purusha „sich spiegelt", und diese
Durchleuchtung oder Widerspiegelung darf nicht benutzt wer-
den, um das Phänomen des Leidens zu erklären, weil sie eben
nicht vorhanden ist."
Für den sekundären Charakter der Heilstheorie des Sänkhya- pessimis-
systems zeugt auch der in ihr herrschende Pessimismus. T^ani-1
Auch die alten Upanishad's erwähnen gelegentlich die leid-
volle Beschaffenheit des Daseins (ato 'nyad ärtam, Brih. 3,4,2.
. 3,5,1. 3,7,23), auch nach ihnen schwindet mit der Illusion des
empirischen Daseins auch die Möglichkeit des in ihr ein-
begriffenen Leidens (tarati gokam ätmavid, Chänd. 7,1,3), aber
dies ist doch nur eine Nebenfrucht, und der Hauptnachdruck
liegt auf der Befreiung von der angebornen Avidi/ä durch
Erkenntnis des Atman. Anders in der weitern Folge. Mehr
und mehr tritt die pessimistische Anschauung in den Vorder-
grund; sie nimmt einen breiten Raum ein schon Käth. 1, einen Zunahme
noch breitern in den Deklamationen des Brihadratha, Maitr. 1. migmu""-
Ihren Höhepunkt erreicht diese pessimistische Strömung im
Sänkhyasystem, für welches die ganze Philosophie nur eine
Forschung nach der Ursache der Abwehr der dreifachen
Schmerzen ist (Sänkhyakärikä 1). Ein solcher Standpunkt ist
überall, wo er in der Philosophie auftritt, ein Symptom der
230 X. Die Genesis des Sänkhyasystems.
Philosophie Ermüdung. Ursprünglich wurzelt die Philosophie in dem
dium, ein reinen Triebe nach Erkenntnis und kennt keinen andern Zweck
de™Er^ als die Erforschung der Wahrheit. Erst nachdem dieser Trieb
mudung. er]ajim^ js^ wjr(j ^ie Philosophie zu einem blofsen Mittel zum
Zwecke, zu einem remedium der Leiden des Daseins: so in
Griechenland in den nacharistotelischen Schulen ; so in Indien
im Sänkhyasystem und im Buddhismus.
Des Systems der Upanisliad's dritter -Teil:
Psychologie
oder die Lehre von der Seele.
XI. Die höchste und die individuelle Seele.
1. Die Anschauung: des spätem Vedänta.
Der Vedänta des Qankara und seiner Schule unterscheidet Höchste
von der einen höchsten Seele (paramätman) eine Vielheit indi- vidueiie
vidueller Seelen (jiva atman, gdrira atman). Erstere ist all-
wissend, allmächtig, allgegenwärtig, letztere sind nach Wissen,
Macht und räumlicher Ausbreitung beschränkt. Erstere ist
weder Täter noch Geniefser und "daher von jeher erlöst,
letztere sind handelnd und geniefsend und dadurch in den
ewigen Wanderungslauf des Samsära verstrickt und der Er-
lösung bedürftig. Dennoch sind die individuellen Ätman's Die inaivi-
von dem höchsten Atman nicht eigentlich verschieden. Jede beruht mir
A ff)
von ihnen ist voll und ganz der höchste Atman selbst, wie TtidyA,
er, seinem wahren Wesen nach durch die Upädki's (Manas,
Indriya's usw.) verhüllt, zur Erscheinung kommt. Diese
Upädlns können sein wahres Wesen nicht ändern, sowenig
wie die Reinheit des Bergkristalls durch die rote Farbe auf-
gehoben wird, mit der er von aufsen bestrichen ist. Es ist
vielmehr nur die Avidyä, das Nichtwissen, welches dem höch-
sten Atman die Upädhi's aufbürdet und ihn dadurch als indi-
viduellen Atman anschaut. Somit hat die ganze individuelle
232 XL Die höchste und die individuelle Seele.
Dennoch als Seele als solche keine Bealität, und dennoch kann das System
jSebanaeit. «s nicht vermeiden, sie als eine Realität zu betrachten und
von ihren Organen, ihren Zuständen, ihrer Wanderung und
sekundärer endlichen Erlösung ausführlich zu handeln. Dieser im System
die'ser gan- liegende innere Widerspruch, wie auch schon die Bezeichnung
eone. ^er ]3ej(jen verschiedenen und doch auch wieder nicht ver-
schiedenen Wesenheiten durch das eine Wort Atman deutet
darauf hin, dafs die ganze Theorie von einer zweifachen, einer
höchsten und einer individuellen, Seele sekundären Ursprungs
ist. Ihre Genesis haben wir jetzt in den Upanishad's "zu
verfolgen.
2. Ursprünglich nur eine Seele.
mus kennt
nur eine
Seele.
Der ideaiis- Die ältesten Upanishadtexte kennen nicht zwei Seelen,
sondern nur eine. „Es ist deine Seele, welche allem innerlich
ist" (Brih. 3,4J. 3,5,1). Der in der Erde, dem Wasser, dem
Feuer, in Luftraum, Wind, Himmel, Sonne usw. wohnend,
von ihnen verschieden ist, dessen Leib sie sind, der sie alle
innerlich regiert, „der ist deine Seele, der innere Lenker, der
unsterbliche. Er ist sehend nicht gesehen, hörend nicht ge-
hört, verstehend nicht verstanden, erkennend nicht erkannt.
Nicht gibt es aufser ihm einen Sehenden, Hörenden, Ver-
stehenden, Erkennenden" (Brih. 3,7,3 — 23). Dieser allein vor-
handene Atman ist das Subjekt des Erkennens in uns, welches
als solches die ganze Welt der Vorstellung trägt, in welchem
alles und aufser welchem nichts ist, und mit dessen Erkenntnis
daher alles erkannt ist (Brih. 2,4,5). Dies ist der Standpunkt
des reinen Idealismus, welcher eine vielheitliche Welt und
alles, was aufser dem erkennenden Subjekte wäre, verneint.
Ebenso der Er wird zum Pantheismus, indem er ein relatives Dasein der
mus und Welt zugesteht, diese ganze Welt aber mit dem Atman, dem
gonismus. Subjekte des Erkennens, identisch setzt. Eine solche Gleichung,
so oft sie wiederholt wird, ist aber und bleibt sehr undurch-
sichtig, und, um sie dem empirischen Verständnis näher zu
bringen, wird, mit Zurückgehung auf die alten Kosmogonien,
gelehrt, dafs der Atman die AVeit erschaffen habe und dann
als Seele in dieselbe eingegangen sei: änena jivena ätmanä
2. Ursprünglich nur eine Seele. 233
anupwvigya, Chänd. 6,3,2. Hier hören wir zuerst das Wort
jiva ätnian, welches späier, im Gegensatze zur höchsten, „die
individuelle Seele" bedeutet. Aber auch hier noch ist kein
solcher Gegensatz vorhanden; es ist der allein vorhandene,
weltschaffende Atman selbst, welcher als jiva ätman in die von
ihm erschaffene Welt eingeht. Weder auf dem Standpunkte
des reinen Idealismus, noch in seinen empirischen Variationen
als Pantheismus und Kosmogonismus besteht ein Gegensatz
zwischen der höchsten und individuellen Seele. Er tritt ein Erst der
erst in dem Augenblick, wo der weltschaffende und dann in scheidet
o i .. p • i . i ■ . r> —, •■ höchste und
seine Scnopiung eingegangene Atman als eine Zweiheit ein- individuelle
ander gegenübergestellt werden; diese weitere Akkommodation
an das empirische Bewufstsein haben wir als Theismus be-
zeichnet, für welchen die ursprüngliche Einheit des Ätman-
als Gott und Seele auseinandertritt.
3. Die individuellen Seelen neben der höchsten.
Alle Upanishad's, auch die ältesten, wenn sie die Zu- nie gebuu-
stände der Bindung im Samsära und der Erlösung aus dem- und die
selben behandeln, untersqheiden die gebundene Seele von der
erlösten, die zur Erlösung eingehende von der, zu welcher sie
eingeht, und hierbei kommt es oft genug zu einer poetischen
Personifikation beider Zustände als der im Samsära befangenen
und der erlösten, göttlichen Seele, wie z. B. Chänd. 3,14,4 „zu
ihm werde ich, von hier abscheidend, eingehen", oder Kaush. 1,
wo geschildert wird, wie die ins Jenseits gelangende Seele
vor den Thron des Brahmän (mask.) tritt und von ihm über
ihr Wissen befragt wird. Aber schon die Antwort, welche
sie gibt (Kaush. 1,6): „eines jeglichen Wesens Selbst bist
du, und was du bist, das bin ich", beweist, dafs diese poe-
tischen Gegenüberstellungen durchaus beherrscht bleiben von
dem Bewufstsein der Einheit des Atman. Eine wirkliche
Scheidung zwischen der individuellen und höchsten Seele findet
sich erst in denjenigen Texten, in welchen die letztere zum
Begriffe eines der Seele gegenüberstehenden, persönlichen
Gottes sich verhärtet, durch dessen „Gnade" dann die Er-
lösung bedingt ist. Dies geschieht, wie wir früher sahen,
234 XL Die höchste und die individuelle Seele.
Die imiivi- zuerst in der Käthaka-Upanishad, und dem entspricht es, dafs
"Ina die e wir die erste wirkliche Unterscheidung der höchsten und der
höchste.
individuellen Seele Käth. 3,1 antreffen:
Zwei, Trinker der Vergeltung ihrer Werke
Droben im Jenseits, fuhren in die Hohle;
Schatten und Licht nennt sie, wer Brahraan's kundig.
Die Einheit der beiden, hier unterschiedenen Seelen kommt
darin zum Ausdruck, dafs das „Trinken der Vergeltung",
welches nur der individuellen Seele zukommt, beiden zuge-
- schrieben wird, sowie auch darin, dafs die höchste Seele als
das Licht bezeichnet wird, welchem die individuelle Seele als
blofser wesenloser Schatten anhängt (vgl. Käth. 6,5). Hierauf
beruht wohl Pracma 3,3: „Aus dem Atman entsteht dieser
Präna; wie an einem Menschen der Schatten, so breitet er
sich an demselben aus". In den weiter folgenden Worten
Käth. 3,4 begegnen wir auch zuerst der Bezeichnung der indi-
Der „Ge- viduellen Seele als des bhoktar, des „ Geniefsers", welcher
(bhoktar). durch den ganzen Lebenslauf die Frucht der Werke des
vorherigen Lebens zu geniefsen, d. h. abzubüfsen, hat. Dieser
Geniefser, die individuelle Seele, entsteht dadurch, dafs der
Ätman (die höchste Seele) sich mit- den Organen, Manas und
Indriya's, verbindet (Käth. 3,4). Die Bezeichnung der indi-
viduellen Seele als bhoktar kehrt wieder Qvet. 1,8. 9. 12. 5,7.
. Die Entlehnung aus Käth. 3,4 ist, nach dem ganzen Zusammen-
hange beider Werke, wohl zweifellos (vgl. Up. S. 289). Eben-
daselbst, C>et. 4,6 — 7 (und wohl abhängig davon Mund. 3,1,1 — 2),
wird mit lTmdeutung des Verses Rigv. 1,164,20 (über die ur-
sprüngliche Bedeutung vgl. oben I, i, S. 112—113) der Gegen-
satz zwischen individueller und höchster Seele in bedeutsamer
Verschärfung dargelegt:
„Zwei schönbefiügelte, verbundene Freunde
Umarmen einen und denselben Baum;
Einer von ihnen speist die süfse Beere,
Der andre schaut, nicht essend, nur herab" (Rigv. 1.164,20).
Zu solchem Baum der Geist, herabgesunken,
In seiner Ohnmacht grämt sich wahnbefangen;
Doch wenn er ehrt und schaut des andern Allmacht
Und Majestät, dann weicht von ihm sein Kummer.
3. Die individuellen Seelen neben der höchsten. 235
Als eine weitere Auslegung dieses Gegensatzes dient der Der levara
ganze Adhyäya, Qvet. 5. Hier wird zunächst Vers 2 — 6 die andere".
höchste Seele geschildert, wie sie zu Anfang als Erstgebornen
den Hiranyagarbha (hapila rishi) erzeugte, wie sie das Netz
der Weltaushreitung immer wieder ausspannt und einzieht,
wie sie als der Vergeltung übende I^vara die Frucht aller
Werke wachsen macht und zur Reife bringt. Dann folgt,
Vers 7 — 12, die Schilderung des „Andern" (der Ausdruck
knüpft an den soeben zitierten Vers 4,7 an), d. h. der indi-
viduellen Seele:
7. Bestimmheithaft, fruchtreicher Werke Täter
Und eben dessen, was er tat, Geniefser,
So wandert er als Lebensherr allformig,
Drei-Guna-haft, dreipfadig, je nach seinem Werk.
8. Zollhoch an Gröfse, sonnenähnlich leuchtend,
Mit Vorstellung und Ichheit ausgestattet,
Erscheint, kraft seiner' Buddhi, seines Atman,
Wie einer Ahle Spitze grofs der Andre
9. Spalt' hundertmal des Haars Spitze ■
Und nimm davon ein Hundertstel,
Das denk' als Gröfse der Seele,
Und sie wird zur Unendlichkeit.
10. Er ist nicht weiblich, noch männlich,
Und doch ist er auch sächlich nicht;
Je nach dem Leib, den er wählte,
Steckt er in diesem und in dem.
11. Durch Wahn des Vorstellens, Berührens, Sehens,
Fährt er als Seele, seinem Werk entsprechend,
Durch Essens, Trinkens, Zeugens Selbsterschaffung,
Abwechselnd hier und dort in die Gestalten.
12. Als Seele wählt viel grobe und auch feine
Gestalten er, entsprechend seiner Tugend;
Und was ihn band, kraft seines Werks und Selbstes,
In diese, bindet wieder ihn in andre.
Im Gegensatz zur allgegenwärtigen höchsten Seele wird Kleinheit
hier die individuelle Seele, wie sie mit Sanikalpa (der Tätig- licheGrorse
keit des Manas), AhanJcära und Buddlä behaftet, die Frucht
236 XI. Die höchste und die individuelle Seele.
ihrer Werke geniefst, in zunehmender Steigerung bezeichnet
als „zollhoch", als „einer Ahle Spitze grofs", als so klein wie
der zehntausendste Teil einer Haarspitze, — „und sie", heilst
es weiter, „wird zur Unendlichkeit'-; d. h. nach Aufhebung
des Irrtums der empirischen Realität erkennen wir diese un-
endlich kleine individuelle Seele als identisch mit der unendlich
grofsen höchsten Seele. Die deutliche Unterscheidung und
dann doch immer wieder behauptete Identität beider ist schon
der Standpunkt des spätem Vedänta, wie wir ihn oben zu
Eingang dieses Kapitels charakterisiert haben.
■i. Grund der Verkörperung'.
spätes Auf- Aber wenn die individuelle Seele neben der höchsten
kommen . . . ..
dieser em blofser Schein ist, wie kommt die ewig erlöste, selige
höchste Seele dazu, diesen Schein anzunehmen und als indi-
viduelle Seele, abgeirrt von ihrer wahren Wesenheit, gebunden
zu werden, zu wandern und zu leiden ? — Diese Frage taucht
erst in den spätesten Upanishad's auf, und die Antworten auf
sie sind sehr unbestimmt- und ungenügend.
Pracna 3,1 wird die Frage aufgeworfen: „Woher entsteht
dieser Präna (die individuelle Seele)? Und wie kommt er in
diesen Leib hinein?" — Die Antwort lautet: „Aus dem Atnian
(der höchsten Seele) entsteht dieser Präna; wie an einem
Menschen der Schatten, so breitet er sich an demselben aus.
„manoiri- Und er kommt hinein in diesen Leib manökritena", welches
pragna 3,3. Caiikara erklärt als: nianali-swm]calpa-icchä-udi-nislipaHiH;i-l;arma-
nimittena „vermöge seiner aus dem Wrollen, dem Wünschen
usw. des Manas entsprungenen Werke", wonach aus dem
freien Willen der Seele die Werke und als ihre notwendige
Konsequenz die Gebundenheit in dem Samsära erfolgt wäre.
Allerdings ist diese Erklärung grammatisch anfechtbar, da
manohfitena nur als mano-(a)hrii&na aufgelöst werden kann
und bedeuten würde: ohne Zutun ihres Willens, gegen ihren
Willen ist die Seele dem Samsära verfallen.
rtammZdha- Eingehender ist die Antwort, welche auf die nämliche
m) durch Frage Maitr. 3,2 unter Anlehnung an die später im Sänkhyam
man
dMailr'u' herrschende Terminologie gegeben wird. Nachdem der Unter-
4. Grund der Verkörperung. 237
schied zwischen dem unsterblichen (höchsten) und dem natür-
lichen (individuellen) Atman festgestellt worden, heifst es hier
weiter: „Zwar besteht sein unsterblicher Atman [unvermischt]
fort wie der Wassertropfen auf der Lotosblüte [der nur schein-
bar deren Farbe annimmt] ; aber doch wird dieser Atman über-
wältigt von den Guna's der Prakiiti. Nun durch diese Über-
wältigung gerät er in eine Verwirrung, und vermöge dieser
Verwirrung erkennt er den in ihm selbst stehenden, hehren,
heiligen Schöpfer nicht, sondern vom Strome der Guna's fort-
gerissen und besudelt, wird er haltlos, schwankend, gebrochen,
begehrlich, ungesammelt, und in den Wahn verfallend wähnt
er: «ich bin dieser! mein ist dieses!» und bindet sich selbst „mbadhnäti
durch sich selbst, wie ein Vogel durch das Netz." dtmdnam",
.■ Maitr 3 ''
Erwähnt mag endlich noch der Vers werden, mit welchem
die Maitr. Up. 7,11 schliefst:
Zu schmecken Wahrheit und Täuschung,
Ward zweiheitlich das grofse Seihst.
Hiernach würde die individuelle Seele auf dem Wunsche der wünsch,
höchsten Seele beruhen, neben der ewigen Wahrheit auch die Täuschung
Illusion des Weltlebens kennen zu lernen. Maito. i*u-.
— So hatte schon jene alte Zeit mit denselben Schwierig-
keiten zu kämpfen, welche auch uns entgegentreten wenn wir
nach kausalen Zusammenhängen forschen in einer Region,
welche ihrer Natur nach dem ganzen Kausalitätsverhältnis
entrückt ist.
XII. Die Organe der Seele.
1. Spätere Ansicht.
Auch hier wird es zweckmäfsig sein, die Lehre des spä-
tem Vedänta vorauszuschicken, um sodann die Entwicklung,
welche zu ihr geführt hat, an der Hand der Upanishad's zu
verfolgen.
Qankara unterscheidet, übereinstimmend mit den An- Einteilung,
schauungen der modernen Physiologie, 1) manas und indriya's
(die Organe der Relation) und 2) die fünf präna's (Organe
der Nutrition), wozu sich als begleitende Upädlns der Seele
238 Xu. Die Organe der Seele..
3) sukshmam ga/riram, der feine Leib, und 4) ein von Geburt
zu Geburt variabler Faktor, Jcarman, die "Werke des jedes-
maligen Lebenslaufes, gesellen.
Manu» und ]) Dem Gehirn als Zenftralorgan und seinen beiden Depen-
dentien, den sensibeln und den motorischen Nerven, entspricht
das Verhältnis des Manas (Verstand und bewufster Wille)
zu den fünf Jnänä-indriyd's oder Erkenntnissinnen (nach der
Reihenfolge der fünf Elemente, denen sie gegenüberstehen:
Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch) und den
fünf Karma-hiäriyas oder Tatsinnen (Rede, Hände, Füfse,
Zeugungs- und Entleerungsorgan). Die Jnäna-indriya's tragen
die Sinneseindrücke dem Manas zu, welches dieselben zu Vor-
stellungen (sanikalpa) verarbeitet; nach dieser Seite entspricht
es unserm „Verstand"; diese Vorstellungen werden dann von
dem auch den „bewufsten Willen" repräsentierenden Manas
zu Entschlüssen (samkalpä) geformt und durch die fünf Karma-
indriya's zur Ausführung gebracht. Die Aufstellung eines ge-
meinsamen Organs (Manas) für Verstand und bewufsten Willen
und einer gemeinsamen Funktion (samkalpa) für Vorstellen
und Entschliefsen, entspricht dem physiologischen Tatbestande,
nach welchem das Gehirn sowohl die Eindrücke der sensibeln
Nerven zu Vorstellungen formt, als auch diese Vorstellungen,
soweit sie zu Willensentschliefsungen werden, durch die moto-
rischen Nerven zur Ausführung bringt. Das Manas ist nach
Qahkara das einzige Innenorgan (äntahharanam). Buddhi,
Ahahkära und Cittam, welche vom Sankhyam und Yoga als
besondere Organe behandelt werden, sind nach ihm nur Funk-
tionen des Manas (zu Sütram 2,4,6. 2,3,32, p. 711,11. 666,5).
Die fünf 2) Atmung, Blutumlauf und Ernährung sowie die Be-
Prclna's. .
lebung des Organismus sind die Aufgaben des Präna, welcher
in seinen fünf Verzweigungen als Präna, Apäna, Vyäna,
TJääna und Samäna den ganzen Leib durchzieht. Nach Qan-
kara (p. 723,1 — 4) bewirkt der Präna das Ausatmen (ucchväsa),
der A^äna das Einatmen (nigväsa); vgl. zu Chand. 1,3,-3; yad
vai purushah prdniti, mulha-näsiJcäbhyäm väyum valiir nihsä-
rayati, sa präna-akhyo väyor vritti-vigesho ; yad apäniti, apa-
gvasiti, tabliyäm cva antar äkarshati väyum, so päno, päna-
alihyä vriüih (anders zu Chänd. 3,13,3. Pragna 3,5); der Vyäna
1. Spätere Ansicht. 239
trägt das Leben, während man den Atem anhält; der Stimüit«
ist das Prinzip der Verdauung; der Uddna bewirkt den Auszug
der Seele aus dem Leibe beim Sterben. — Nach andern
Lehrern (z. B. Vedäntasära § 94 — 98) dient der Präna der
Atmung, der Apdna der Entleerung, der Vyäna der Belebung,
der Uddna dem Auszug, der Samdna der Assimilation der
Nahrung.
3) Ein dritter Begleiter der Seele auf ihren Wanderungen Der feine
ist der „feine Leib" (sukshmam gariram); d. h. „die den Samen
des Leibes bildenden Feinteile der Elemente" (deha-vijdni
bMta-sukshmdni). Während der grobe Leib im Tode dahin-
fällt, zieht der feine Leib mit den Organen aus; zum groben
Leibe verhält er sich, wie der Same zur Pflanze, oder wie
die mit der Seele ausziehende Funktion des Sehens, Hörens
usw. zu dem körperlichen Auge und Ohr.
4) Aufser diesem elementaren Substrate (bhüta-dgraya), Das moraii-
aus welchem in der folgenden Geburt der Leib erwächst, wird strat.
die Seele endlich noch begleitet von dem moralischen Sub-
strate (Jcarma-dgraya); welches die Beschaffenheit des neuen
Leibes und Lebens bedingt. Dieses moralische Substrat wird
gebildet durch die in dem jedesmaligen Lebenslauf begangenen
Werke, ist somit für jede Seele und für jeden neuen Lebens-
lauf derselben ein verschiedenes. Ohne diesen Faktor würden
die Seelen samt ihren Organen nicht von einander zu unter-
scheiden sein.
2. Der Itiuan und die Organe.
Brih. 1,4,1 : „Am Anfang war diese Welt allein der Ätman Das ich als
in Gestalt eines Menschen. Der blickte um sich: da sah er Gewi&heit.
nichts andres als sich selbst. Da rief er zu Anfang aus: «Das
bin ich ! » Daraus entstand der Name Ich. — Daher auch
heutzutage, wenn einer angerufen wird, so sagt er zuerst:
«Das bin ich!» und dann erst nennt er den andern Namen,
welchen er trägt." — Nach dieser Stelle ist das erste Bewufst-
sein und damit der Ausgangspunkt und Träger aller Gewifs-
lieit das Ichbewufstsein (Chänd. 7,25,1 dhankdra genannt),
und zwar für die höchste ebensogut wie für die individuelle
Seele, denn beide sind eins. Erst später, nachdem dieser
240 XII. Die Organe der Seele.
ursprüngliche Idealismus durch den zunehmenden Realismus-
verdunkelt und ein Unterschied zwischen höchster und indivi-
dueller Seele aufgestellt worden, erscheint unter den Funktionen
oder Organen der letztern (zuerst Qvet. 5,8 und Pracua 4,8,
wie dann weiterhin Maitr. 2,5. 3,2. 6,5. Pränägnihotra 4. Mahä 1
und im Sänkhyam) der Äkankära, — als wäre der welt-
schaffende Atman etwas anderes als das Selbst in mir, wel-
ches, ebenso wie dem Descartes, auch schon den Indern als
Anfang und letzter Grund aller Erkenntnis der Wahrheit galt.
„Das Selbst ist die Basis (ägraya) für die Tätigkeit des
Beweisens, und mithin ist es auch vor der Tätigkeit des
Beweisens ausgemacht. Und weil es so beschaffen ist, deshalb
geht es nicht an, dasselbe in Abrede zu stellen. Denn in
Abrede stellen können wir eine Sache, die [von aufsen] an
uns herankommt (ägantuka), nicht aber, die unser eigenes
Wesen ist. Denn wer es in Abrede stellt, eben dessen eigenes
Wesen ist es" (Qahkara zu Brahmasütra 2,3,7, p. 620,4 fg.).
Dieser Gedanke findet sich in den Upanishad's, aufser der
oben angeführten Stelle Brih. 1,4,1, auch Qvet. 1,2 angedeutet,
sofern es hier heifst:
Sind Zeit, Natur, Notwendigkeit, der Zufall,
Grundstoffe, Geist, ist die Verbindung dieser
Als Urgrund denkbar? — Doch nicht! Denn ein Selbst ist!'
Alle diese von andern Schulen aufgestellten Prinzipien, Zeitr
Natur, Notwendigkeit usw., sind zu verwerfen, ätmabhävät,
weil als Prinzip der Dinge das Selbst, der Atman anzunehmen
ist, da er die notwendige Voraussetzung von allem andern ist.
Eingehen Dieser in einem jeden von uns wie vor Anfang aller
^"enLeib Dinge sich als das Ich erfassende Atman hat, wie die Stelle
Brih. 1,4 weiter von empirischem Standpunkte aus darstellt,
die Welt der Namen und Gestalten erschaffen und ist dann
selbst als Seele in sie hineingegangen; „bis in die Nagelspitzen
hinein" erfüllt er den Leib und ist in ihm verborgen wie das
Messer in der Scheide oder wie das Feuer in dem Brennholze.
„Darum siehet man ihn nicht:. denn er ist zerteilt; als atmend
heifst er Atem, als redend Rede, als sehend Auge, als hörend
Ohr, als verstehend Verstand; alle diese sind nur Namen für
uml seine
( Irwine
2. Der Ätman und die Organe. 241
seine Wirkungen" (Brih. 1,4,7). Er ist als Auge der Eini-
gungsort (elcäyanam) aller Gestalten, als Ohr der Einigungsort
aller Töne usw. (Brih. 2,4,11). — „Wenn das Auge sich
richtet auf den Weltraum, so ist er der Geist im Auge, das
Auge [selbst] dient [nur] zum Sehen; und wer da riechen
will, das ist der Ätman, die Nase dient nur zum Gerüche"
usw. (Chänd. 8,12,4). Das Auge ist nur Auge, das Ohr nur
Ohr, dies erkennt der Brahman wisser (Brih. 4,4,18) und läfst
des Hörens Hören, des Denkens Denken, der Rede Eeden
usw. fahren, um denjenigen zu ergreifen, von welchem Rede,
Odem, Auge, Ohr und Manas zu ihren Verrichtungen ange-
schirrt und ausgesandt werden (Kena 1 — 2; vgl. die Paraphrase
dieser Stellen Maitr. 6,31). Diese Wesensidentität der Organe
mit dem Ätman erscheint dann in empirischer Auffassung als
eine Schöpfung derselben aus ihm: ,,aus ihm entsteht der
Odem, der Verstand und alle Sinne" (Mund. 2,1,3); nach
Chänd. 6,5 sind Manas, Präna und Rede das feinste Edukt der
aus dem Ätman erschaffenen Elemente, Nahrung, Wasser und
Glut. — Den Organen des individuellen Ätman entsprechen individuelle
im Weltganzen die Naturkräfte (Naturgötter) als Organe des mische or-
kosmischen Ätman. In Fortbildung der Vorstellungen, die
wir aus dem Purushaliede Rigv. 10,90,13 — 14 (oben I, i, S. 157)
kennen lernten, läfst Ait. 1,1 — 2 aus Mund, Nase, Augen,
Ohren usw. des Urmenschen die Götter Agni, Väyu, Aditya,
Die. usw. entstehen, die dann als Rede, Geruch, Gesicht,
Gehör in den individuellen Menschen hineinfahren. Umgekehrt
sind es nach der Brih. Up., welche überhaupt ihren Ausgangs-
punkt vom Individuellen zu nehmen liebt (vgl. besonders
Brih. 1,4,6 am Ende), die individuellen Organe, Rede, Geruch,
Auge, Ohr, Manas, welche als Kinder des Prajäpati zuerst
entstehen, von den Dämonen mit Übel erfüllt und dann von
dem Präna über das Übel, den Tod hinausgeführt werden,
um als Feuer, Wind, Sonne, Weltgegenden und Mond fort-
zubestehen (Brih. 1,3,11—16, vgl. Chänd. 1,2). — Auf Vor-
stellungen wie diesen beruht die spätere Theorie (z. B. Pracna
3,8) von dem Protektorate, welches die Naturgötter über die Protektorat
i-i rx i «■ • i -T.-T (ler Götter
psychischen Organe ausüben, feie tritt zuerst hervor Brih. über die
4,4,1, wo geschildert wird, wie beim Tode das materielle Auge
DEUS6EN, Geschichte der Philosophie. I,n. IG
' 242 XII. Die Organe der Seele.
losgelassen wird (Brih. 4,3,36) und der Geist, der im Auge
wohnte, nach auswärts, zur Sonne zurückkehrt (vgl. die Aus-
führungen Brih. 3,2,13), während das psychische Organ der
Sehkraft sich im Herzen mit den übrigen Organen um die
Seele schart, um mit derselben auszuziehen.
Name und Benennung und Aufzählung der Organe sind in den altern
Zahl der ° , ° °
Organe. Texten noch schwankend. Das Wort indriyam bedeutet Chänd.
3,1,3. Brih. 6,4,5 fg. noch „die Kraft"; zur Bezeichnung der
Organe, als der psychischen Kräfte im Menschen, wird es in
den Upanishad's erst von Kaush. 2,15. Käth. 3,4 an verwendet.
In den altern Texten werden sämtliche Organe, mittels deno-
minatio a potiori, von dem das Leben bedingenden Atmungs-
organ (präna) als dem wichtigsten, Präna s, „die Lebenshauche"
genannt; vgl. Chänd. 5,1,15: „darum nennt man sie nicht die
Reden, die Augen, die Ohren, die Verstände, sondern die
Lebenshauche (pränäh) nennt man sie, denn der Odem (präna)
ist sie alle". — Auch über die Anzahl der Organe besteht
keine Übereinstimmung. Öfter wird erwähnt, dafs der Mensch,
Die sech- nach dem Vorbilde des als Mond aufgefafsten Prajäpati (Brih.
Z6IJJ1 J. 6Ü6
des Men- 1,5,14), aus sechzehn Teilen bestehe; so in der Erzählung
Chänd. 6,7, vgl. Mund. 3,2,7. Pracna 6. Wie wenig man
wufste, was unter diesen sechzehn Teilen zu verstehen sei,
zeigt Qatap. Br. 10,4,1,17, wo als solche die sechzehn Silben
der Worte loman, tuac, asrij, medas, mänsam, snävan, asthi,
majjä (Haar, Haut, Blut, Saft, Fleisch, Sehne, Knochen, Mark)
gelten. Pragna 6 werden als die sechzehn Teile 1) Präna,
2) (Jraddhä, Glaube, 3 — 7) die fünf Elemente, 8) Indriyam,
die Sinnesorgane als Einheit, 9) Manas, 10) annam, Nahrung,
11) viryam, Kraft, 12) tapas, 13) manträh, 14) Jcarman, 15) loMh,
16) näman aufgezählt. Ebendieselben sind nach dem Kom-
mentar Qvet. 5,14 zu verstehen. Vermutlich beruht auf dieser
Sechzehnzahl der Teile des Menschen die spätere Zusammen-
fassung der Organe zu den zehn Indriya's nebst Manas und
den fünf Präna's. — Unter den „sieben Präna's" Mund.
Die sieben 2,1,8 sollen, wie Qatap. Br. 6,4,2,5 und anderweit (oben I, i,
am Ha^te. S. 296), die sieben Öffnungen am Haupte zu verstehen
sein; diese nebst den beiden unterhalb werden Qvet. 3,18 und
weiterhin (z. B. Yoga^ikhä 4. Yogatattvam 13. Bhag. G. 5,13)
2. Der Ätman und die Organe. 243
als die neun Tore der Leibesstadt bezeichnet; mit Ein-
rechnung von Nabel und Brahmarandhram (Ait. 1,3,12) werden
sie als elf gezählt Käth. 5,1. Ein alter Vers (Atharvav. 10,8,9,
oben I,i, S. 320) schilderte das Haupt als eine mit der Öff-
nung nach der Seite liegende Trinkschale, an deren Rändern
(den sieben Öffnungen am Kopfe) sieben Rishi's (die sieben
Sinnesorgane) wohnen, welche mit den sieben Welthütern
identisch sind. Eine Modifikation dieses Verses Brih. 2,2,3
nennt als achte die Rede, daher man unter dem siebenten
Rishi (nach Ohren, Augen, Nasenlöchern) nochmals die Väc
als Organ des Geschmackes verstehen mufs, worauf auch die
Brih. 2,2,4 nachfolgende Erklärung hinweist.
Die genannten sieben Öffnungen des Kopfes sind ohne Die Organe
. . entsprechen
Zweifel der Ausgangspunkt für die ursprüngliche Aufstellung ursprung-
der Sinnesorgane gewesen, wie daraus ersichtlich, dafs in den sieben ös-
ältern Upanishadtexten als Sinnesorgane (präna's) in der Regel nungen-
nur Rede, Odem (Geruch), Auge, Ohr und als fünftes
Organ das Manas aufgezählt werden. So Brih. 1,3,2 — 6-
1,4,7. 2,2,3. Chänd. 1,2,2—6. 2,7,1. 2,11,1. 3,18,1—6. 8,12,4—5.
Kena 1. 4 — 8. Wo ihrer weniger sind, da pflegen besondere
Gründe vorzuliegen, wie Brih. 3,1,3 — 6, wo eine Vierzahl ge-
braucht wird, oder Chänd. 3,13,5. 5,23,2, wo die auffallende
Lücke sich vielleicht daraus erklärt, dafs der Geruch durch
die fünf Präna's schon vorweggenommen war (vgl. Taitt. 1,7).
Wo mehr als fünf Organe genannt werden, da pflegen sie sich
an Rede, Odem, Auge, Ohr, Manas als die ursprünglichen an-
zuschliefsen oder auch vorherzugehen; so Brih. 2,5,1 — 7 (gart- weiterer
ram, retas), 3,2,13. 3,7,16 — 23 (tvac, vijnänam, retas), 4,1,2 — 7
(liridayam) , vgl. Ait. 1,1,4. Kaush. 3,5. — Eigentümlich ist
Brih. 3,2,2 — 9, wo acht Sinnesorgane als die acht Graha's oder Graham und
Greifer (Geruchssinn, Rede, Zunge, Auge, Ohr, Manas, Hände,
Haut) aufgezählt werden, welchen als Atigraha's oder Über-
greifer ihre Objekte (Geruch, Name, Geschmack, Gestalt, Ton,
Begierde, Werk, Berührung) entsprechen. Über die hier vor-
kommende Bezeichnung des Geruchssinns und Geruchs durch
präna und ajpäna wird weiter unten zu handeln sein. Der
Name graha (Greifer) für die Sinnesorgane soll nach Qankara
(zu Brahmasütra 2,4,6, p. 713,11) bedeuten, dafs durch sie die
16*
244 XII. Die Organe der Seele.
Seele an die Objekte gebunden werde (badlujafe Icslutrajna
. 'nenä gruha-samjnakena bandkänena, iti). Hierin kann man
eine Bestätigung unserer, Upanishad's S. 430 aufgestellten, Ver-
mutung finden, dafs auf dieser Stelle oder der in ihr auf-
Die Knoten tretenden Anschauung die spätere Vorstellung von den „Knoten
des Herzens
des Herzens" (zuerst Chänd. 7,26,2, dann Käth. 6,15. Mund.
2,2,8. 3,2,9 und als „Knoten des Nichtwissens" Mund. 2,1,10)
beruht: grdha und atigraha schlingen den Knoten, der sich
Manas und bei der Erlösung auflöst. — In der Zeremonie Kaush. 2,15
begegnet uns zuerst in den Upanishad's für die Sinnesorgane
der Name Indriya's; als solche werden nebst Manas die zehn
spätem, bis auf eine Ausnahme, aufgezählt; bei der Zusammen-
fassung am Schlüsse werden sie wieder mit dem alten Namen
Pränas bezeichnet. — Die älteste Stelle, welche die zehn
spätem Indriya's vollständig, mit Zufügung von Manas und
Hridayam, aufführt, ist Brih. 2,4,11 (-- 4,5,12); ohne Hridayam
mit Manas in der spätem Elfzahl erscheinen sie zuerst Pracna
4,2, in deutlichem Gegensatze zu den fünf Präna's, während
im weitern Verlaufe der Stelle (Pragna 4,8) die fünf Elemente,
fünf Tanmätra's, zehn Indriya's nebst ihren Objekten, sowie
Manas, Buddhi, Ahankära, Cittam, Tejas und Präna aufgezählt
werden. Diese Stelle ist gleichzeitig der Vorläufer für die
Sechzehnzahl der psychischen Organe des Vedänta und für
die fünfundzwanzig Prinzipien der Sähkhya's.
3. Das Manas und die zehn Indriya's.
Erstes vor- Die erste Stelle, in welcher wie im spätem Vedänta die
von'XnL Indriya's als nicht mehr und nicht weniger als zehn aufgeführt,
"ndwy«'" dem Manas als Zentralorgan untergeordnet und mit diesem
mSTrdfX. den fünf Präna's als den auch im Schlafe fortwirkenden Kräften
des unbewufsten Lebens entgegengestellt werden, ist Pracna
4,2: wie die Lichtstrahlen beim Sonnenuntergang in der Sonne
sich sammeln, „also wird auch (beim Einschlafen) dieses alles
im Manas als höchster Gottheit zur Einheit; daher kommt es,
dafs dann der Mensch nicht hört, nicht sieht, nicht riecht,
nicht schmeckt und nicht fühlt, nicht redet, nicht greift,.
nicht zeugt, nicht entleert und nicht hin und her geht,
3. Manas und Indriya's. 245
sondern, wie man sagt, schläft. Dann wachen die Pränafeuer
(Präna, Apäna, Vyäna, Samäna, Udäna, die dann weiter er-
klärt werden) in dieser Stadt (des Leibes)". Diese Auffassung
des Manas als Zentralorgan der Erkenntnissinne und Tat-
sinne, die Kräfte des Wahrnehmens und bewufsten Wollens,
also als das, was wir „Verstand" und „bewufsten Willen"
nennen,, hat sich erst allmählich herausgebildet. Ursprünglich
ist Manas von allgemeinerer Bedeutung und entspricht in seiner Uxsprüng-
° • n er liehe Bedeu-
ünbestimmtheit ungefähr dem, was wir als „Gemüt", „Sinn", tung von
. i/tünas.
„Herz", „Geist" bezeichnen. Als solches vertritt das Manas
nicht selten das Seelische im allgemeinen und wird mitunter
eine Bezeichnung des Prinzips der Dinge, des Brahman oder
Atman; vgl. die oben I, i, S. 205 — 206 nachgewiesenen An-
sätze, Prajäpati als Manas zu fassen, und namentlich das schöne
Lied Väj. Samh. 34,1 — 6 (übersetzt oben I, i, S. 335), welches
als (Jivasamhalpa vom Oupnek'hat auch den Upanishad's ein-
gereiht wird (Upanishad's S. 837). Auch in den Upanishad's
finden sich gelegentlich Bezeichnungen für das Brahman wie
manömaya „aus Manas bestehend" (Chänd. 3,14,2. Brih. 5,6,1.
Taitt. 1,6,1. Mund. 2,2,7), und das Manas ist eines der Sym-
bole, unter denen Brahman verehrt wird (oben S. 101 — 102).
Auch Ait. 3,2 erscheint noch das Manas unter den Funktionen
oder Modifikationen des als „Bewufstsein" (prajnänam) ge-
schilderten Brahman: „was dieses Herz und Manas ist, das
Überdenken, Ausdenken, Bedenken, Erdenken, Verstand, Ein-
sicht, Entschlufs, Absicht, Verlangen, Leidenschaft, Erinnerung,
Vorstellung, Kraft, Leben, Liebe, Wille, — diese alle, sind
Namen des Bewufstseins " ; — ja, auch in dem Abschnitte
Kaush. 3, wo im allgemeinen das Manas in seiner spätem Be-
deutung als Organ neben Rede, Gesicht, Gehör erscheint
(vgl. 3,3; „man lebt auch ohne Manas, denn wir sehen Narren",
und so im Folgenden) und wie diese dem „Bewufstsein"
(prajnä = pv äna = brahman) untergeordnet wird (3,8: „nicht
nach dem Manas soll man fragen, sondern den erkennen, der
da denkt"), auch hier wird, im Widerspruche damit, 3,7 wieder
Manas in der alten Weise als Synonymon von „Bewufstsein"
.verwendet: „denn nicht vermag, von der Prajnä (Bewufstsein)
verlassen, die Rede irgendeinen Namen Zum Bewufstsein zu
246 XII. Die Organe der Seele.
bringen, denn man sagt: mein Manas (Geist) war anderswo
(anyatra nie mano 'bhüt), darum bin ich mir jenes Namens
nicht bewufst geworden"; dasselbe wird dann weiter ebenso
von den übrigen Organen, Odem, Auge, Ohr, Zunge usw.,
gesagt, bis die Reihe an das Manas kommt, wo dann, um den
Widerspruch in dem Doppelgebrauche dieses Worts zu Ver-
ona« als decken, die Formel verwischt wird. — In seiner zweiten,
organ. engeren Bedeutung als das psychische Organ des Vorstellens
und Wollens steht das Manas ursprünglich mit den Sinnes-
organen auf einer Linie, wie die oben erwähnte, häufig vor-
kommende Aufführung der Sinnesorgane (präna's) als Rede,
Odem, Auge, Ohr und Manas beweist; alle fünf sind dem
Ätman untergeordnet, Brih. 1,4,7: „als atmend heifst er Atem,
als redend Rede, als sehend Auge, als hörend Ohr, als ver-
stehend Verstand (manas); alle diese sind nur Namen für
seine Wirkungen"; alle fünf werden Brih. 1,3,2 — 6 von den
Dämonen mit Übel erfüllt und sodann von dem Lebensodem
im Munde (asanya präna) über das Übel und den Tod hinaus-
geführt. — Aber die richtige Erkenntnis, dafs alle Sinnes-
wahrnehmung ein Werk des Verstandes (manas) ist, und mit.
Manas als ihr die Unterordnung der übrigen Sinnesorgane unter das
organ. Manas bricht sich schon in den Upanishad's Bahn und tritt
zutage in dem berühmten, vielzitierten (ein Gegenstück zu
dem Verse des Epicharmos: voü? 6pf) xat voü? dbcoäei, xakla.
xucpa y.cd xixpXdt, bildenden) Ausspruche Brih. 1,5,3: „«Ich
war anderswo mit meinem Verstände (Manas), darum sah ich
nicht; ich war anderswo mit meinem Verstände, darum hörte
ich nicht», so sagt man; denn nur mit dem Verstände sieht
man, und mit dem Verstände hört man. Verlangen, Entschei-
dung, Zweifel, Glaube, Unglaube, Festigkeit, Unfestigkeit,
Scham, Erkenntnis, Furcht, — alles dies ist nur Manas.
Darum, wenn einer auch von hinten berührt wird, so erkennt
er es durch das Manas." Diese schon Maitr. 6,30 und seitdem
unzähligemal reproduzierte und für alle Folgezeit autorita-
tive Stelle besagt, dafs das Manas, obwohl nur Organ des
Ätman, doch das Zentralorgan des ganzen bewufsten Lebens
ist, welches nicht nur als „die erste Wurzel der fünf Er-
kenntnissinne" (panca-buddhi-ädimidam, Qvet. 1,5) die Ein-
3. Manas und Indriya's. 247
drücke des Gesichts, Gehörs, Geschmacks, Geruchs, Gefühls samkaipa
. . (Vorstellen
zu Vorstellungen (samkaipa = „die Bestimmung eines vor- und wollen)
gestellten Objektes als schwarz, weifs usw.", Qank. zu Brih. üon des
1,5,3) formt, daher man „nur mit dem Verstände sieht und
mit dem Verstände hört", sondern auch weiter diese Vorstel-
lungen zu Willensentschlüssen (samkaipa, vgl. Chänd. 7,4)
stempelt, so dafs im letztern Sinne das Manas zum Organ der
Wünsch« und ihrer Ausführung durch die fünf Tatsinne
(Reden, Greifen, Gehen, Entleeren, Zeugen) wird; Brih. 4,1,6:
„denn durch das Manas läfst man sich fortreifsen zu einem
Weibe und zeugt mit ihr einen Sohn, der einem ähnlich ist";
— Chänd. 7,3,1: „und wenn einer sein Manas darauf richtet,
die heiligen Lieder und Sprüche zu studieren, so studiert er
sie; oder die Werke zu vollbringen, so vollbringt er sie; oder
sich Söhne und Vieh zu wünschen, so wünscht er sie sich;
oder sich diese Welt und jene WTelt zu wünschen, so wünscht
er sie sich". Daher auch Taitt. 2,3 an dem aus Manas be-
stehenden (manomaya) Purusha „das Yajus das Haupt, die
Ric die rechte Seite, das Säman die linke Seite" usw. ist,
weil auf den Veden der Opferkultus beruht, der in den egoisti-
schen Wünschen der Götter nach Opfern, der Menschen nach
den Segnungen der Götter seinen Grund hat (oben I, i, S. 92).
— Die Superiorität des Manas über die Indriya's wird weiter
entwickelt Käth. 6,7 „höher als Sinne steht Manas", und Käth.
3,3, wo an dem Wagen des Leibes die Sinne als die Rosse,
das Manas aber als deren Zügel vorgestellt werden. Noch Manas
. . . .als Zügel.
mehr zugunsten des Manas verändert wird dieses Bild Maitr.
2,6, wo die Erkenntnissinne (biiddlii-indriyäni) die fünf Zügel,
die Tatsinne (karma-indriy citri) die Rosse, das Manas der
Wagenlenker, und die Prakriti seine Peitsche sind. Mittels *<»•«
& . .als Wagen-
ihrer treibt das Manas die Tatsinne (Reden, Greifen, Gehen, lenker.
Entleeren, Zeugen) zu ihrer Tätigkeit, welche dann vom
Manas mittels der Erkenntnissinne (Gesicht, Gehör, Geschmack,
Geruch, Gefühl) gelenkt und kontrolliert werden. — Spätem
Stellen, welche das Manas neben den Buddliindriyäni und
Karmcndriyäin aufführen, sind Garbha 4. Pränägnihotra 4.
Als zehn, mit Manas als elftem, werden die Indriyäni erwähnt
Mahä 1. Ihre zehn Funktionen werden schon in der oben
248
XII. Die Organe der Seele.
aus PräQna 4,2 angeführten Stelle genannt. Eine Aufzählung
der zehn ihnen entsprechenden Organe ist uns nicht vor Manu
2,89 fg. erinnerlich.
Prdna,
Odem,
Leben.
Der Präna
bleibt im
Schlafe
wach.
Anzahl der
präna's.
4. Der Präna und seine fünf Verzweigungen.
Wie Manas ist auch Präna ein sehr vieldeutiges Wort,
welches erst allmählich zu seiner . späteren technischen Bedeu-
tung gelangt ist. Ursprünglich ist Präna der „Odem"; sodann
das an den Atmungsprozefs geknüpfte „Leben". Als dieses
wird der Präna häufig, wie wir oben sahen (I, i, S. 295—305.
I, ii, S. 101 — 102), zu einem empirischen, und folglich sym-
bolischen, Vertreter des Ätman. Wie das Leben, werden in
der altern Zeit (und gelegentlich auch später, z. B. Pragna 3,4)
alle Lebenskräfte (Rede, Odem, Auge, Ohr, Manas usw.)
die Präna's genannt. Erst allmählich sondern sich Manas und
Indriya's als die Kräfte des bewufsten Lebens von dem Präna
ab, welcher mit seinen fünf Unterarten in Wachen und Schlaf
unermüdlich tätig, somit der eigentliche Träger des Lebens
als solchen ist. Beim Schlafe geht das Manas in den Präna
ein (Chänd. 6,8,2), läfst die Seele „das niedere Nest durch den
Präna hüten" (Brih. 4,3,12); hierauf beruht vielleicht die spä-
tere Auffassung, dafs im Schlafe, während die Sinnesorgane
im Manas absorbiert werden, die Präna-Feuer in der Stadt
des Leibes wach bleiben (Pracna 4,3). Solcher, im Schlafe
wachender, Präna-Feuer werden ebendaselbst fünf aufgezählt:-
Präna, Apäna, Vyäna, Samäna, Udäna, und eben dieselben
werden früher und später unzähligemal neben einander ge-
nannt und zu den mannigfachsten Allegorien verwendet, ohne
dafs es doch möglich wäre, eine klare und übereinstimmende
Erklärung derselben zu gewinnen. Mitunter werden nur zwei
derselben (präna und apäna) genannt (Taitt. Ar. 3,14,7 oben
I, i, S. 300; Atharvav. 11,4,13. Ait. Ar. 2,1; Käth. 5,3: Mund.
2,1,7), oder drei {präna, apäna, vyäna, Brih. 3,1,10. 5,14,3*
Chänd. 1,3,3. Taitt. 1,5,3. 2,2), oder vier (präna, apäna, vyäna,
udäna, Brih. 3,4,1), gewöhnlich aber alle fünf (Brih. 1,5,3.
3,9,26. Cliänd. 3,13,1—5. 5,19—23. Taitt. 1,7. Pracna 3,5. 4,4.
Maitr. 2,6. 6,4. 6,9. 6,33. 7,1—5. Amritab. 34—35. Pränägnih.
4. Der Präna. 249
1. 4. Kanthacruti 1. Nrisinhott. 9 usw.). Überschritten wird
diese Zahl unseres Wissens nur Sarvopanishats. 10 (Up. S. 624),
wo von vierzehn Präna's die Rede ist. Zu ihren vierzehn Na-
men, welche der Scholiast aufführt, vgl. Vedäntasära § 93 — 104.
So häufig die fünf Präna's in den Upanishad's aufgezählt
werden, so selten kommt doch dabei etwas vor, was zu ihrer
Erklärung dienen könnte. Wir wollen versuchen, die einzelnen
Begriffe, soweit dies möglich ist, zu bestimmen.
1) Präna und 2) Apäna. Zunächst steht durch die S. 238 i)ivd»aund
2) Apäna.
beigebrachten Zeugnisse fest, dafs nach Qaiikara zu Brahma-
putra p. 723,1 — 4 und zu Chänd. 1,3,3 Präna das Ausatmen,
Apäna das Einatmen bedeutet. Es fragt sich, wie sich dieses
Resultat entwickelt hat. Ursprünglich bedeuten Präna und
Apäna wahrscheinlich beide dasselbe, nämlich Atem (Ausatmen
und Einatmen ungeschieden) im allgemeinen (ob mit der Nuan-
cierung, dafs pra-an „anfangen zu atmen", apa-an „aufhören
zu atmen" bedeutet, wofür Rigv. 10,189,2 angeführt wird, mag
bei der Unsicherheit dieser Stelle dahingestellt bleiben). In
den Präpositionen liegt nichts, was einen Unterschied be-
gründete, da pra (ftp 6) „vorwärts, fort" ganz abgeblafst ist
und apa (obre, von) ebensogut „von innen heraus" als „von
aufsen herein'« bedeuten kann. Nur ist Präna der bei weitem
gewöhnlichere Ausdruck, daher er, wo er allein steht, oft
genug den Geruchssinn, mithin das Einatmen bedeutet, wie Pm»aEm-
in der von Böhtlingk angeführten Stelle Qatap. Br. 10,5,2,15,
oder Brih. 1,3,3. Chänd. 1,2,2. Ait. 1,3,4. Ebenso, sehr deut-
lich, Kaush. 2,5: yävad vai purasho bhäshate, na tävat pränitum
qaknoti. Wo aber Präna und Apäna neben einander stehen,
da ist (abgesehen von der Auffassung des Apäna als Ver-
dauungswind, wovon nachher), soweit sich ein Unterschied
erkennen läfst, Präna der Aushauch und Apäna der Einhauch. Präna Aus-
So wohl schon Chänd. 1,3,3, weil es vorher (1,3,2, wo nur Apänavln-
Präna Subjekt sein kann, da Apäna noch gar nicht genannt
wurde) hiefs: „heifs ist dieser", und „als Klang bezeichnet
man diesen". Beide Bestimmungen passen besser auf den
Aushauch als auf den Einhauch. — Während Brih. 1,3,3 und
Chänd. 1,2,2 als Träger des Geruches der Präna in seiner all-
gemeineren Bedeutung „Odem" (Einhauch und Aushauch)
250 XII. Die Organe der Seele.
erscheint, so tritt in der Parallelstelle Tal. Up. Br. 2,1,16 als
solcher der Apäna auf: ,,sein Übel ist, dafs er durch den Apdna
den Übeln Geruch einatmet" (pupam gandham apäniti; dies
kann nicht, wie Oertel als möglich hinstellt, »exhaling bad odor"
bedeuten, da es nachher von dem Präna, dem Odem im Munde
nach den Parallelstellen, heifst: na päpam gandham apäniti).
Hier ist also Apäna sicher der Einhauch. Ebenso Tal. Up.
Br. 1,60,5: apänena jighrati „man riecht mit dem Einhauche",
nicht „ohe smells ivith exhalation (!)". — Hierzu kommt Tal.
Up. Br. 4,22,2 — 3: die weltschaffenden Wasser 'huss1 iti eva
präcih prägvasan; sa väva präno 'bltavat. Täh pränya apänan,
Sa vä apäno 'bltavat. Der Ton huss und der Ausdruck präcih
prägvasan weisen wohl unverkennbar dem Präna das Aus-
hauchen, mithin dem Apäna das Einhauchen zu. — Wir kommen
zu der Hauptstelle Brih. 3,2,2: präno vai graltah ; so apänena
atigrahcna grihito; "pänena hi gandham jighrati. Dafs hier die
Analogie mit dem Folgenden den Geruchssinn und Geruch er-
forderte, sieht jeder, und Böhtlingk brauchte mir nicht gerade
vorzuwerfen, dafs ich es nicht gesehen hätte. Er durfte an-
nehmen, dafs ich andere Gründe hatte, seinem Vorschlag, das
Gewünschte einfach hineinzukorrigieren, nicht folgen zu können.
Es waren diese, dafs hier etwas vorlag, was auf den Verfasser
oder Redaktor der Stelle möglicherweise eine stärkere An-
ziehungskraft ausübte als Analogie und Konzinnität, nämlich
der Reiz, Präna und Apäna, die überall zusammenstehen, hier
auch als graha und atigraha zu verbinden. Dabei stand Apäna,
der Einhauch, als Träger des Geruches, für diesen, und der
erklärende Zusatz (apänena hi gandham jighrati) wurde benutzt,
um, nicht wie nachher überall die Verbindung zwischen graha
und atigraha, sondern zwischen atigraha und dem Objekt,
welches er vertrat, zu rechtfertigen. Dafs, wenn Apäna Ein-
hauch ist, Präna daneben nicht (in seiner allgemeinen Bedeu-
tung „Odem") gleichfalls den Geruchssinn bedeuten durfte, wie
sonst so oft, wurde dabei ausser Augen gelassen. Dafs der
erste Urheber des Abschnittes schon diese Konfusion ange-
richtet, möchte auch ich nicht glauben; aber der Fehler, wenn
man ihn so nennen will, ist älter als die Trennung der Känva's
und Mädhyandina's, also nicht viel weniger als dreitausend
4. Der Plana. 251
Jahre alt (vgl. Upanishad's S. 377), und gewifs hätte man ihn
nicht alle diese Zeit durch ertragen, wäre nicht schon damals
Apäna der Geruchssinn, mithin der Einhauch gewesen. — Eben
darauf hin führt die symbolische Handlung Brih. 6,4,10 — 11,
wo befohlen wird, wenn Unfruchtbarkeit gewünscht wird,
dbhipränya apänyät, wenn Fruchtbarkeit, apänya abhipränyät.
Das Zurücknehmen der Lebenskraft wird durch Einhauchen,
das Einflössen derselben durch Aushauchen symbolisiert. Da
nun der Nachdruck nicht auf dem Gerundium, sondern auf
dem Verbum fmitum liegt, so bedeutet schon hier apänyät
„er hauche ein", abhipränyät „er hauche aus". (In der Über-
setzung liefs ich mich noch verleiten, es umgekehrt zu halten.)
— Zweifelhaft ist, ob Käth.. 5,3, ürddhvam pränam unnayaÜ,
apänam praiyag asyati, Ausbauen und Einhauch, wofür 5,5
sprechen würde, oder nicht vielmehr schon Odem und Ver-
dauungswind zu verstehen sind. Im Gegensatze nämlich zu
der besprochenen Auffassung von Präna als Aushauch, Apäna
als Einhauch, hat sich eine, mit der Zeit immer stärker
werdende, Neigung gebildet, in Präna den Odem (Aushauch Präna
und Einhauch) und in Apäna den^ im Darm wohnenden Ver- Apdna ver-
dauungswind zu sehen, wofür folgende Stellen eintreten. Ait. wind.
1,1,4: der Präna entspringt aus der Nase, der Apäna aus dem
Nabel des Urmenschen; 1,2,4: dem Präna entspricht Väyu,
dem Apäna Mriiyu; 1,3,4. 10: der Präna beriecht die Nahrung,
der Apäna überwältigt sie. — Ebenso möglicherweise in der
erwähnten Stelle, Käth. 5,3. — Pracna 3,5: der Präna hat
seinen Sitz im Auge, Ohr, Mund und Nase, der Apäna steht
dem Entleerungs- und Zeugungs-Organ vor (hingegen ordnet
Pracna 4,2 — 3 Entleerung und Zeugung dem Manas, nicht den
Präna's unter, scheint somit der erstbesprochenen Auffassung
zu folgen). — Maitr. 2,6: der Präna geht nach oben hinaus,
der Apäna nach unten und nimmt die Exkremente auf. —
Garbha 1 (Up. S. 607): der Apäna dient der Entleerung. —
Amritabindu 34 (Up. S. 656): der Präna weilt im Herzen, der
Apäna im Darm. — Sannyäsa 4 (Up. S. 691): der Apäna ist
den Hoden benachbart. — Dieser Auffassung folgt auch der
Vedäntasära § 94 — 95 und der Kommentar zu Chänd. 3,13,3,
während ebenderselbe zu 1,3,3 ^ankara's Meinung vertritt.
252 XII. Die Organe der Seele.
3) vyäna. 3) Vyäna, der Zwischenhauch, ist „das Bindeglied zwischen
Präna und Apäna" (Chänd. 1,3,3). Seine Auffassung richtet
sich nach der des Apäna. Ist dieser Einhauch, so ist der
Vyäna der Hauch, welcher das Leben trägt, wenn man, z. B.
beim Spannen eines starken Bogens, weder einatmet noch
ausatmet (Chänd. 1,3,5); ist hingegen Apäna der Verdauungs-
wind, so ist Vyäna, die Verbindung desselben mit dem Präna
(Maitr. 2,6), schaltet in den Adern (Pragna 3,6) und streicht,
einer Flamme gleich, durch alle Glieder (Amritab. 35. 37,
Up. S. 656). Ebenso Vedäntasära § 96.
4) samäna. 4j j)er ßamäna, Allhauch, heifst so, weil er nach#Prac,na
4,4 Ausatmen und Einatmen zur Einheit führt (samafn nayati);
wohingegen er nach Pra§na 3,5 und Maitr. 2,6 die Nahrung
assimiliert und nach Amritab. 34. 37 milchfarben im Nabel
wohnt. Vgl. Vedäntasära § 98.
5) üdäna. 5) Der JJdäna oder Aufhauch führt nach der gewöhn-
lichen, auch Pragna 3,7 vertretenen Ansicht die Seele beim
Sterben aus dem Leibe hinaus, während er nach Pragna 4,4
schon beim Tiefschlafe in das Brahman führt, hingegen nach
Maitr. 2,6 „das Getrunkene und Gegessene entweder wieder
ausbricht oder herunterschluckt". Nach Amritab. 34 wohnt
er in der Kehle; ebenso nach Vedäntasära § 97, wo er im übrigen
als der Wind des Auszugs erklärt wird.
5. Der feine Leib und die moralische Bestimmtheit.
Als weitere Begleiter der Seele auf ihren Wanderungen
zählt neben Indriya's, Manas und Präna's der spätere Vedänta
„das elementare Substrat" (bhüta-ägraya), d. h. den feinen Leib,
und „das Werksubstrat" (karma-ägraya), d. h. die den künf-
tigen Lebenslauf bedingende moralische Bestimmtheit, auf.
Über beide können wir aus den Upanishad's nur weniges
beibringen.
Da« Tejas, Chänd. 6,8,6 (vgl. 6,15,2) heifst es von dem Sterbenden:
„Bei diesem Menschen, o Teurer, wrenn er dahinscheidet, geht
die Rede ein in das Manas, das Manas in den Präna, der
Präna in die Glut, die Glut in die höchste Gottheit". Hier
soll nach Qankara (zu Sütram 4,2,8), wie unter der Rede die
5. Der feine Leib und die moralische Bestimmtheit. 253
Gesamtheit der Indriya's, so unter der Glut (tejas) die Ge-
samtheit der Elemente zu verstehen sein, wie sie den feinen
Leib als Träger der Organe beim Auszuge der Seele konsti-
tuieren. Aber nach den Textworten liegt hier nichts weiter
vor als der Gedanke, dafs die Organe, Manas, Präna und
Rede, wie sie nach Chänd. 6,5 vermittelst Nahrung, Wasser
und Glut aus dem „Seienden ohne Zweites" entstanden sind,
so auf ähnlichem Wege beim Tode sich wieder in dasselbe
als die höchste Gottheit auflösen.
Deutlicher kann man eine Spur der spätem Theorie vom
feinen Leibe wiedererkennen in dem grofsen Seelenwanderungs- Die Äpas\
texte Chänd. 5,3 — 10 (Brih. 6,2), wo geschildert wird, wie
die Wasser, indem sie fünfmal nach einander in den Opfer-
feuern der Himmels weit, des Regens, der Erde, des Mannes
und des Weibes als Glaube, Soma, Regen, Nahrung, Same
geopfert werden, „bei der fünften Opferung mit Menschen-
stimme redend werden" (Chänd. 5,3,3. 5,9,1). Hier kann aller-
dings unter den „Wassern", welche dann als „Glaube" usw.
geopfert werden, die noch ungeschiedene Einheit der beiden
Begleiter der Seele gefunden werden, welche später als der
feine Leib und die moralische Bestimmtheit auseinandertrat
(vgl. unten, Kap. NIV, 5, S. 300).
Ebendasselbe gilt von der Hauptstelle für beide Lehren, Die inva-
B.,.._ n • 1 i i • riabeln und
im. 4,4,0, wo es von der ausziehenden und zu einer neuen variabel
Geburt eilenden Seele heifst: „Wahrlich, dieses Selbst ist das dergseeeie,
Brahman, bestehend aus Erkenntnis, aus Manas, aus Leben, her-
aus Auge, aus Ohr, bestehend aus Erde, aus Wasser, aus b^iTm^.
Wind, aus Äther, bestehend aus Feuer und nicht aus Feuer,
aus Lust und nicht aus Lust, aus Zorn und nicht aus Zorn^
aus Gerechtigkeit und nicht aus Gerechtigkeit, bestehend aus
allem. Je nachdem einer nun besteht aus diesem oder aus
jenem, je nachdem er handelt, je nachdem er wandelt, danach
wird er geboren; wer Gutes tat, wird als Guter geboren,
wer Böses tat, wird als Böser geboren, heilig wird er durch
heiliges Werk, böse durch böses." Sehen wir ab von dem
Zusätze „und nicht aus Feuer", der bei den Mädhyandina's
fehlt, und dem sich nur schwer ein brauchbarer Sinn ab-
gewinnen läfst, so zählt die Stelle als ständige Begleiter <Jer
254 XII. Die Organe der Seele.
Seele die Organe und fünf Elemente, als variable Faktoren
die moralischen Qualitäten auf; wir sehen hier die Theorie
vom feinen Leib und von der moralischen Bestimmtheit neben
einander erwachsen. Angehängt ist der Vers :
Das Ungarn. Dem hängt er nach, dem strebt er zu mit Taten,
Wonach sein inn'rer Mensch (Ungarn) und sein Begehr (manas) steht.
Hier begegnet uns, anscheinend schon als Terminus, das Wort
Ungarn, mit welchem die Sähkhya's später den „feinen Leib"
(oben S. 218) zu bezeichnen pflegen. In derselben Bedeu-
tung ist es vielleicht weiterhin Käth. 6,8 zu nehmen sowie
auch £vet. 6,9, wo aufserdem der Atman als „Herr des Herrn
der Sinne", d. h. als Herr des feinen Leibes, bezeichnet wird.
Eine ähnliche Vorstellung mag der Bezeichnung des Atman
als „höher als dieser höchste Komplex des Lebens" (Pra^na 5,5),
zugrunde liegen. Ganz in der Weise des spätem Sänkhyam
erscheint das Ungarn Maitr. 6,10, namentlich, wenn wir, nach
unserm Vorschlage Up. S. 337, mit Tilgung des Anusvära-
punktes maliad-ädi-avigesha-antain Ungarn lesen, da sich der
feine Leib vom Mahän an nur bis zu den feinen Elementen
(avigesha), nicht bis zu den groben (vigesha) erstreckt (Sän-
khya-K. 38 — 40). Als Träger der Organe, Präna's, Guna's
und moralischen Bestimmungen wird das Lingagariram ge-
schildert Sarvopanishats. 16 (Up. S. 625) und dabei mit dem
Herzensknoten identifiziert, über welchen wir oben (S. 244)
im Anschlufs an Brih. 3,2,1 — 9 eine andre Erklärung auf-
gestellt haben.
Die werke Dafs endlich die Werke (der spätere Karma-agraya) die
gieiter. Seele ins Jenseits begleiten und für die Gestaltung des nächsten
Lebenslaufes bestimmend sind, wird oft in den Upanishad's
hervorgehoben und später näher zu erörtern sein. Haupt-
stellen für diese Lehren sind: Brih. 3,2,13. 4,4,5 — 6. Chänd.
3,14,1. Käth. 5,7. 19a 17 u. a.; vor allem Brih. 4,4,3: „Dann
nehmen ihn das Wissen und die Werke bei der Hand und
seine vorerworbene Erfahrung". Von besonderer Bedeutung
sind auch nach späterm Glauben (Bhag. G. 8,6) die Vor-
stellungen, welche den Menschen in der Todesstunde beschäf-
tigen. Dieser Gedanke findet sich angedeutet Pracna 3,10
5. Der feine Leib und die moralische Bestimmtheit. 255
(vgl. auch schon Chänd. 3,14,1- Brih. 4,4,5 und das Sterbegebet
Icä 15—17 = Brih. 5,15).
6. Physiologisches aus den Upanishad's.
Vom feinen Leib, welcher als Träger der psychischen Der grobe
Organe die Seele auf ihren Wanderungen bis zur Erlösung
begleitet, ist zu unterscheiden der grobe Leib, den die Seele
beim Tode losläfst wie die Mangofrucht ihren Stengel (Brih.
4,3,3(3). Wir wollen hier anhangsweise von dem, was die
Upanishad's über den Leib, seine Organe und Funktionen
bieten, das Wesentliche zusammenstellen.
Der Leib ist die vom Kopfe überdachte Behausung des Wesen des
Präna, in der er an dem Odem als Pfosten mit der Nahrung
als Strick angebunden ist (Brih. 2,2,1); er ist der „aus Nah-
rungssaft bestehende", annarasamaya, Atman, in welchem der
pränamaya, wie in diesem der manomaya, wie in diesem
der vijüänamaya, wie in diesem der änandamaya Atman als
innerster eingeschlossen ist (Taitt. 2,1 fg.). Erst später (von
Maitr. 6,27 — 28 an) wird, wie die übrigen genannten, so
auch der änandamaya Atman als Hülle (hoga) der Seele be-
zeichnet; vgl. Sarvopanishats. 9 fg. (Up. S. 624), wo auch der
annamaya noch weiter in sechs aus Nahrung gebildete Hüllen
(nach dem Scholiasten der Calcuttaer Ausgabe: Knochen,
Mark, Fett, Haut, Fleisch, Blut) zerlegt wird. — Häufig
ist, seit Brih. 2,5,18 und namentlich Chänd. 8,1,1, die Be-
zeichnung des Leibes als die Stadt des Brahman (bralima- nie Brah-
puram), die himmlische (Mund. 2,2,7), liebliche (Brahma-Up. 1)
Brahmanstadt, die höchste Brahman wohn ung (Mund. 3,2,1),
in der als Haus die Lotosblüte des Herzens steht (Chänd.
8,1,1; Mahän. 10,23; Näräy. 5; Ätmabodha, Up. S. 750), in der
beim Schlafe die Pränafeuer Wache halten (Pracua 4,3). Diese
Leibesstadt hat elf (Käth. 5,1) oder gewöhnlicher neun Tore Tore der
(Qvet. 3,18. Yogac,. 4. Yogat. 13. Bhag. G. 5,13), nämlich die
neun Offnungen am Körper, zu welchen im Falle der Elfzahl
noch der Nabel und die Brahmanöffnung (brahmarandhram) i„-a/,ma-
kommen. Letztere ist eine fingierte Öffnung des Schädels am "iniV"
Scheitel, durch welche Brahman nach Ait. 1,3,12 in den Leib
einging, und durch welche die Seele, nach gewöhnlicher An-
256 XII; Die Organe der Seele.
nähme nur die des Erlösten (Chänd. 8,6,6 == Käth. 6,16), nach-
dem sie durch die 101 8te (später, seit Maitr. 6,21, Sushumnä
genannte) Ader emporgestiegen ist, zur Vereinigung mit Brah-
man gelangt (vgl. Brahmavidyä 12 und namentlich Taitt. 1,6).
Die Vorstellung ist sonach alt; der Name Brahmmanährarn
findet sich erst Haiisa-Up. 3 in Zusammenhang mit den dort
Körper- erst vorkommenden sechs mystischen Kreisen (Unterleibskreis,
Sexualkreis, Nabelkreis, Herzkreis, Halskreis, Zwischenbrauen-
kreis), die man am Körper annahm. Ein Vorspiel derselben
ist es vielleicht, wenn als besondere Wohnstätten des Purusha
Ait. 1,3,12 (nach den Ergänzungen des Scholiasten) Auge,
Manas und Herzäther, Brahma-Up. 4 Auge, Kehle, Herz, Kopf,
(Brahma- Up. 2: Nabel, Herz, Kehle, Kopf) unterschieden
werden. Von ihm, der das Licht inwendig im Menschen
Körper- bildet, rührt auch, nach Ghänd. 3,13,8, die Körperwärme und
ohr^n- das Ohrensausen her. Letzteres sowie die Verdauung wird
^auungs-' "Brih. 5,y auf das Feuer Vaigvänara im Menschen zurück-
fener. geführt, was im Hinblick auf Qatap. Br. 10,6,1 (Upanishad's
S. 144) auf dasselbe hinausläuft. Auf einer Kombination beider
Stellen beruhen Mahän. 11,10. Maitr. 2,6. 6,27. 6,31.
Schilde- Schilderungen des Leibes und seiner Teile, vorwiegend
Leibes, mit pessimistischer Färbung, finden sich erst in späterer Zeit.
Maitr. 1,3: „In diesem aus Knochen, Haut, Sehnen, Mark,.
Fleisch, Samen, Blut, Schleim, Tränen, Augenbutter, Kot,
Harn, Galle und Phlegma zusammengeschütteten, übelriechen-
den, kernlosen Leibe, — wie mag man nur Freude geniefsen !"
Maitr. 3,4: „Dieser Leib, aus Begattung entstanden, erwachsen
in der Hölle [des Mutterleibes] und herausgekommen durch
die Pforte des Harns, ist eine Ansammlung von Knochen, mit
Fleisch überschmiert, mit Haut umflochten, mit Kot, Harn,
Phlegma, Mark, Fett und Speck und dazu mit vielen Krank-
heiten angefüllt wie eine Schatzkammer mit Schätzen". —
Eine Definition des Leibes gibt Atma-Up. 1: „Dasjenige
Selbst, an welchem Haut, Knochen, Fleisch, Mark, Haare,
Finger, Daumen, Rückgrat, Nägel, Knöchel, Bauch, Nabel,
Scham, Hüften, Schenkel, Wangen, Brauen, Stirn, Arme,
Seiten, Haupt, Aderwerk, Augen und Ohren sind, und welches
geboren wird und stirbt, das heifst das äufsere Selbst".
6. Physiologisches. 257
Die eingehendste Beleuchtung des Leibes und seiner Ver- i>er Leib
„ --,. . , ,, ^ nach der
hältnisse liefert die späte und leider sehr korrupte (jrarbha- uarbha-up.
Upanishad. Sie knüpft ihre Erörterungen an einen Vers an,
den wir, mit Einschaltung der ihm folgenden Erläuterungen,
zitieren: „Aus fünf (Erde, Wasser, Feuer, Wind, Äther)
bestehend, in je fünfen (den genannten fünf Elementen,
oder den fünf Erkenntnissinnen, oder Zeugungs- und Ent-
leerungsorgan nebst Buddhi, Manas und Rede) schaltend,
auf sechs (den süfsen, sauern, salzigen, bittern, beifsenden
und herben Nahrungssaft) gestützt, sechs-Eigenschaft-
behaftet (wird nicht erklärt), sieben-Grundstoff-haft
(die aus dem Nahrungssaft gebildete, weifse, rote, dunkle,
rauchfarbige, gelbe, braune, blasse Flüssigkeit im Körper),
drei-Schleim-haft (nicht erklärt, wahrscheinlich die drei
(losha, humores: väyii AVind, pittam Galle, Jcapha Phlegma),
zwei-erzeugt-haft (aus dem väterlichen Samen und dem
mütterlichen Blute), vierfacher Nahrung (des Gegessenen,
Getrunkenen, Geleckten, Gesogenen) teilhaft ist der Kör-
per". Über die Körperteile und ihr Gewicht äufsert sich die
Upanishad am Schlüsse: „Der Kopf hat vier Schädelknochen,
und an ihnen sind [auf jeder] Seite sechzehn Zahnzellen. [Am
Leibe] sind hundertundsieben Gelenke, hundertachtzig Fugen,
neunmalhundert Sehnen, siebenhundert Adern, fünfhundert
Muskeln, dreihundertundsechzig Knochen und vier und eine
halbe Kofi (45 Millionen) • Haare. — Das Herz wiegt acht
Pala (364 Gramm), die Zunge zwölf Pala (546 Gramm), die
Galle ein Prastham (728 Gramm), das Phlegma ein Adhakam
(2912 Gramm), der Same ein Kudavam (182 Gramm), das
Fett zwei Prastha (1456 Gramm); unbestimmt ist Kot und
Urin, je nach dem Quantum der Nahrung."
Der Kopf wurde in einem schon oben (I, i, S. 320) aus dh Kopf.
Atharvav. 10,8,9 übersetzten Verse mit einer seitwärts geneigten
Trinkschale verglichen, deren Öffnung durch die sieben Öff-
nungen der Sinnesorgane als sieben Rishrs gebildet wird.
Derselbe Vers, mit Hinzufügung der Rede als achten Organs,
wird wiederholt und erklärt Brih. 2,2,3; hiernach sind die
Augen zwei RishTs, während unmittelbar vorher, nicht damit
übereinstimmend, das Rote, Schwarze, Weifse im Auge nebst
Deussen, Geschichte der Philosophie. I, n. 17
258 XII. Die Organe der Seele.
Augenstern, Augenwasser und oberer und unterer Wimper
als sieben im Dienste des Auges stehende Götter geschildert
worden waren. Von dem Purusha im Auge als Symbol des
Ätman war schon oben die Rede (S. 104 — 105). Nach Brih.
4,2,2 — 3 wohnen im rechten und linken Auge Indra und Viräj;
sie werden vom Herzen aus durch die Adern Hitdh ernährt
(vgl. Maitr. 6,2) und sind, vermöge ihres „Zusammenklanges"
im Äther des Herzens, der individuelle, mit dem höchsten
identische Atman.
zerspringen Als eine eigentümliche Strafe für Vermessenheit im Fragen
ais strafe, oder falschen Wissensdünkel kommt in den Upanishad's öfter
das Zerspringen des Kopfes (besser als das Abfallen des
Kopfes, ri-pat könnte' beides bedeuten) vor. Sie mag ihren
Grund haben in der Beobachtung des Gefühls, als wenn, bei
übermäfsigem Blutandrang nach dem Kopfe, der Kopf zerspringen
wollte. Hierauf deutet auch hin Brih. 1,3,24, wo von einem
durch den Somagenufs veranlafsten Zerspringen des Kopfes
die Rede ist. In der Regel wird diese Strafe, nur angedroht:
Chand. 1,8,6. 8. 1,10,9—11. 1,11,4—9. 5,12,2. Brih. 3,6. 3,7,1.
Nur einmal erfolgt sie in Wirklichkeit, Brih. 3,9,26 (vgl. Athar-
vav. 19,28,4. gatap. Br. 3,6,1,23. 4,4,3,4. 11,4,1,9).
Das Herz. Mehr als der Kopf beschäftigt die Denker der UpanishadV
das Herz. In ihm sind die Lebenshauche gegründet (Chand.
3,12,4); nicht nur die fünf Prana's, sondern auch Auge, Ohr,
Rede, Manas entspringen aus dem Herzen (Chand. 3,13,1— 5).
Nicht der Kopf, sondern das Herz ist der Sitz des Manas
(Ait. 1,2,4) und damit auch das Zentrum des bewufsten Le-
bens; im Herzen weilen die Organe der Seele beim Schlaf«'
(Brih. 2,1,17), und eben dort sammeln sie sich beim Sterben
(Brih. 4,4,1); „durch das Herz erkennt man die Gestalten"
(Brih. 3,9,20), durch das Herz erkennt man den Glauben,
zeugt man den Sohn, erkennt man die Wahrheit, in ihm hat
auch die Rede ihren Standort, während die weitere Frage,
worin das Herz seinen Standort habe, mit Entrüstung ab-
gewiesen wird (Brih. 3,9,21—25). Aber nicht die Organe allein,
sondern alle Wesen haben ihren Standort und Stützpunkt im
Herzen, und wenn auch die Definition des Herzens als Brah-
man abgelehnt wird (Brih. 4,1,7), so ist das Herz doch der
<5. Physiologisches. 259
empirische Sitz der Seele und damit des Brahman: „hier,
inwendig im Herzen ist ein Raum, darin liegt er, der Herr
des Weltalls, der Gebieter des Weltalls, der Fürst des Welt-
alls" (Brih. 4,4,22); das Herz heifst hridayam, weil „Er im
Herzen" (hridi ayam) wohnt (Chänd. 8,3,3), grofs wie ein
Reiskorn oder Gerstenkorn (Brih. 5,6. Chänd. 3,14,3); zollhoch
an Gröfse wohnt der Purusha mitten im Leibe, im Herzen
iils das Selbst der Geschöpfe (Käth. 2,20. 4,12. 6,17 usw.).
Auf Grund von Chänd. 8,1,1 wird in spätem Upanishad's
häufig das Herz mit dem herabhängenden Kelche einer Lotos-
blüte (Mahänär. 10,23; När. 5; Maitr. 6,2; Brahmab. 15; Ätmab.,
Up. S. 751; Hansa 6) oder auch Bananenblüte (Dhyänab. 14) ver-
glichen und Mahänär. 11,8. Dhyänab. 14 — 16. Yogat. 9. Mahä 3
näher beschrieben. In dieser Lotosblüte des Herzens ist ein
kleiner Raum (oder Äther, äkäga), in welchem nach Chänd.
8,1,3 Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne beschlossen
sind, in dem „beschlossen die Weltlichter glänzen" (Mund.
3,2,1), welcher „des Weltalls grofser Stützpunkt" ist (Brahma-
Up. 4, Up. S. 684). In diesen Raum geht die Seele beim Schlafe
ein (Brih 2,1,17), in ihm weilt der unsterbliche, goldene Pu-
rusha (Taitt. 1,6,1). Er ist die Höhle (gnhä), von der so oft
die Rede ist, in welcher das Brahman versteckt ist (Taitt. 2,1.
Käth. 2,12. 2,20. 3,1. Qvet. 3,20. Mund. 2,1,10 etc.), und aus
welcher es in der Meditation des Yoga hervortritt, indem es
den Herzensäther beiseite schiebt (Maitr. 6,27) oder durch ihn
hindurchdringt (Maitr. 6,38). '
Über die aus dem Herzen entspringenden und dasselbe Die Adem.
umgebenden Adern finden sich mehrfache Angaben, die in
eigentümlicher, schwer bestimmbarer Weise zusammenhängen.
Brih. 4,2,3: die Hitdh genannten Adern, fein wie ein
tausendmal gespaltenes Haar, sind im Herzen gegründet
und ernähren die individuelle Seele. Eine besondere Ader,
welche nach, oben verläuft, ist der Pfad, auf dem sie
wandelt.
Brih. 4,3,20: die Hitäh genannten Adern, fein wie ein
tausendmal gespaltenes Haar, sind angefüllt mit weifser,
dunkler, brauner, grüner, roter Flüssigkeit. Sie sind der Sitz
der Seele im Tief schlafe.
17*
2»i0 XII. Die Organe der Seele.
Brih. 2,1,19: die Hitäh genannten Adern, 72000 an Zahl,
verbreiten sich vom Herzen aus im Perikardium (puritat). Sie
sind der Sitz der Seele im Tiefschlafe.
Diese Stellen stimmen im wesentlichen zusammen. Auf
einer Kombination derselben scheint zu beruhen Kaush. 4,19:
die Hitäh genannten Adern, fein wie ein tausendfach gespalte-
nes Haar, umziehen das Perikardium. Sie sind der Sitz der
Seele im Tiefschlafe. Sie sind angefüllt mit brauner, weifser,
schwarzer, gelber, roter Flüssigkeit. Alles dies ist wie in den
Stellen aus Brih., nur die Farben sind nach Reihenfolge und
Namen (bis auf Tcrishna für nüa) wie Chand. 8,6,1.
Chand. 8,6,1 verknüpft die Vorstellung von den braunen,
weifsen, dunkeln, gelben, roten „Adern des Herzens" mit der
(durch Chand. 3,1 — 5 vorbereiteten) Anschauung von den
gleichfalls fünffarbigen Sonnenstrahlen, welche die Fortsetzung
der Adern bis zur Sonne hin bilden und so Herz und Sonne,
wie zwei Dörfer durch eine Landstrafse, verbinden. Im Tief-
schlafe ist die Seele in jene Adern geschlüpft (Chand. 8,6,3)
und dadurch mit der Glut (tejas, Chand. 6,2,3. 6,8,6. 6,15,2)
eins geworden. Beim Sterben fährt die Seele durch Adern
und Sonnenstrahlen empor; die Wissenden gelangen in die
Sonne, die Nichtwissenden finden den Eingang zu ihr ver-
schlossen.
Auf dieser Stelle könnten beruhen die Verse Brih. 4,4,8 — 9
von dem alten, in mich hineinreichenden, Wege, der zur Himmels-
welt emporführt, der weifs, dunkel, gelb, grün, rot ist, und
auf dem die Seele des Weisen wandelt, nachdem sie zu Glut,
taijasa, geworden ist. Der Ausdruck taijasa erinnert an die
angeführten Chändogyastellen (vgl. jedoch auch Brih. 4,4,7),
die Farben sind wie in Brihadäranyaka. In der Hauptsache
stimmen alle bisher angeführten Stellen zusammen.
Hingegen scheint einer verschiedenen Anschauung anzu-
gehören der Chänd. 8,6,6 angehängte und Käth. 6,16 wieder-
kehrende Vers (der vielleicht auf Brih. 4,4,2 beruht) :
Hundert und eine sind des Herzens Adern.
Von diesen leitet eine nach dem Haupte;
Auf ihr steigt auf, wer zur Unsterblichkeit geht.
Nach allen Seiten Ausgang sind die andern.
6. Physiologisches. 261
Nach diesem Verse leitet nur eine Ader aufwärts zur Un-
sterblichkeit, während nach der vorhergehenden Prosa alle
Adern mit den Sonnenstrahlen verbunden sind und somit zur
Sonne hinleiten, wo dann erst die Scheidung stattfindet.
Alle spätem Stellen beruhen auf einer Kombination der
beiden Theorien von den 72000 und den 101 Adern. So
zählt Pracna 3,6 auf Grund derselben 101 Hauptadern, zu
jeder von diesen 100 Zweigadern und zu jeder von diesen
72 000 Nebenzweigadern, was in Summa 101 -f- 101 mal 100 +
101 mal 100 mal 72000 = 727 210201 Adern ergibt, d. h. 72
Koti's, 72 Laksha's und 10201, wie die Glosse (nach der
Lesart der Anandäcrama -Ausgabe) richtig herausrechnet. —
Nach Maitr. 6,30 gehen unzählige weifse, nichtweifse, schwärz-
lichgelbe, dunkle, rotbraune und zartrote Strahlen vom Herzen
aus, von denen einer zur Sonne, hundert zu den Götter-
wohnungen und die andern abwärts zur Werkwelt führen. —
Kshurikä 15 — 17 erwähnt die 72000 Adern, von denen 101
die vortrefflichsten seien; durch alle diese, welche um die
101 ste, SusJiumnä genannte, Ader wie um ein Kissen herum-
gelagert sind, dringt der Yogin hindurch, indem er auf der
Suslttmniü in Brahman geführt wird. — Ähnlich schildert
Brahmavidyä 11 — 12, wie der Om-Laut (d. h. der, welcher ihn
meditiert) auf der sonnenhaften Kopfader emporsteigt und die
72000 Adern und das Haupt durchbricht, um sich mit Brah-
man zu vereinigen. — Diese und andere Phantasien beruhen
auf einer Verknüpfung der aus Brih. Up. angeführten Stellen
mit dem erwähnten Verse Chänd. 8,6,6 (= Kath. 6,16).
Der Leib besteht nach der gewöhnlichen, auf Brih. 4,4,5 Leib und
zurückgehenden Annahme aus den fünf Elementen (Garbha 1).
Auch Chänd. 6;5, wo nur drei Elemente (Nahrung, d. h. Erde,
Wasser und Glut) angenommen werden, wird gezeigt, wie
aus den gröbsten, mittleren und feinsten Teilen derselben der
Leib und die psychischen Organe nach folgendem Schema
entstehen:
Elemente.
Gröbstes:
Mittleres:
F e i n s t e s
Nahrung:
Faeces
Fleisch
Manas
Wa s s e r :
Urin
Blut
Präna
Glut:
Knochen
Mark
Rede.
262 XIL Die Organe der Seele.
Hierbei gehen, ähnlich wie bei der Milch, wenn sie zu Butter
gequirlt wird, die Feinteile nach oben (Chänd. 6,6). Als Be-
weis dafür, dafs das Manas aus Nahrung, der Präna aus
Wasser besteht, wird angeführt, dafs, wenn man sich der
Nahrung enthält, hingegen Wasser trinkt, zwar das Leben
(präna) erhalten bleibt, aber das Gedächtnis (manas) schwindet
(Chänd. 6,7). Auch Brih. 4,2,3 erwähnt, dafs die individuelle
Seele durch die Blutmasse im Herzen ernährt werde, und dafs
sie darum ,,eine auserlesenere Nahrung habend" (pravicildu-
ahäm-tara) sei, als das körperliche Selbst. Hierauf beruht
die Lehre, dafs der wachende Atman „Grobes geniefsend"-
(stMdabhiij), hingegen der träumende „Auserlesenes geniefsend"
(praviviMabhuj) sei (Mändükya 3 — 4, anders verstanden Ye-
däntasära § 120).
Hunger und Hunger und Durst, welche nach Ait. 1,2,5 als dämonische
Mächte in dem Menschen ihren Standort nehmen, werden
Chänd. 6,8 etymologisierend daraus erklärt, dafs beim Hunger
(aqanäyä) die Wasser die gegessene Nahrung (zum Aufbau
des Organismus) weggeführt haben (acitam nayante), während
beim Durste (udahyä) die Glut das getrunkene Wasser (gleich-
falls zum Aufbau des Organismus) hinwegführt (udaham nd-
yate). Indem so beim Hunger und Durste die Nahrung zu
Wasser, das Wasser zu Glut wird, kehren dieselben nur
zu der Wurzel, aus welcher sie nach Chänd. 6,2 entsprungen
sind, zurück,
wachen, Über die Zustände des Wachens, Träumens, Tiefschlafens
Traum, ' , '
Tiefschiaf, und Todes wird in den nächstfolgenden Kapiteln zu handeln
sein. Hier wollen wir nur noch von dem, was die Upani-
shad's über die Entstehung der Organismen (welche sämtlich
wandernde Seelen sind) lehren, das Wichtigste zusammenstellen.
Einteilung Die Organismen zerfallen nach ihrer Entstehuno; in vier
der Orga- ° ' . c
nismen. Klassen, als Lebendgeborene, Eigeborene, Schweifsgeborene
(Insekten und ähnliches) und Keimgeborene (Pflanzen). Diese,
mit einigen Modifikationen im spätem Indien allgemein an-
genommene Einteilung (Manu 1,43 — 48. Mahäbh. 14,1136. 2543
usw.; vgl. für den Vedänta: Syst. d. Ved. S. 259, für das
Sänkhyam: Garbe, Sänkhyaphilosophie S. 243, für den Nyäya:
< olebrooke, misc. ess. I, p. 269 fg.) beruht nur auf folgenden
6. Physiologisches. 263
beiden Upanishadstellen; Chand. 6,3,1 : „fürwahr, diese Wesen
liier haben dreierlei Samen: aus dem Ei Geborenes, lebend
Geborenes und aus dem Keim Geborenes". — Den Eindruck,
später und vielleicht schon von dieser Stelle abhängig zu sein,
macht Ait. 3,3, wo mit Hinzufügung einer vierten Klasse „Ei-
geborene, Mutterschofsgeborene, Schweifsgeborene, Sprofs-
geborene" aufgezählt werden.
Entsprechend der Seelenwanderungslehre ist die Zeugung Die zeu-
. . gung.
nicht ein erstmaliges Entstehen der Seele, sondern nur eine
Rückkehr derselben vom Monde, wo sie die Frucht der Werke
des früheren Daseins genossen hat. Nach dem grofsen Haupt-
texte der Seelenwanderungslehre (Chand. 5,10,5 — 6. Brih. 6,2,16)
sind die Stationen, welche die vom Monde zurückkehrende
Seele durchläuft : Äther, Wind, Rauch, Nebel,, Wolke, Regen,
Pflanzen, Same und Mutterleib. Hierauf beruht die Schilde-
rung Mund. 2,1,5, und auch die Verse Kaush. 1,2 (Up. S. 25),
in welchen die vom Monde zurückkehrende Seele ihren Durch-
gang durch den väterlichen und mütterlichen Leib berichtet,
schliefsen sich diesen Vorstellungen an. Vielleicht läfst sich
in ähnlichem Sinne die dunkle Stelle Pränägnihotra-Up. 2 (Up-
S. 615) erklären, nach welcher das Allsühnefeuer „mittels des
Mondglanzes" die Zeugung bewirkt. (Anders Näräyana in der
Up. S. 615, Anm. 2 von uns mitgeteilten Glosse.) Der letzte
Träger der aus dem Jenseits zu neuer Verkörperung herab-
steigenden Seele ist der väterliche Same; er ist die Essenz
des Menschen (Brih. 6,4,1), ist „die aus allen Gliedern zu-
sammengebrachte Kraft" (Ait. 2,1; zu dem Ausdrucke sam-
bhritam tejas vgl. Meghadüta Vers 43), ist die Fortpflanzung
selbst (Brih. 6,1,6); sein Standort ist im Herzen (Brih. 3,9,22);
als Wohnstätte desselben hat Prajäpati das Weib erschaffen
(Brih. 6,4,2); in dieses ergiefst der Mann sein eigenes Selbst
und macht es dadurch geboren werden: „dann geht er ein in
die Selbstwesenheit des Weibes, gleich als ein Glied von ihr;
daher kommt es, dafs er ihr keinen Schaden tut; sie aber,
nachdem dieser sein Atman in sie gelangt ist, so pflegt sie
ihn; weil sie ihn pflegt, darum ist sie zu pflegen" (Ait. 2,2 — 3).
Hiernach ist es die Seele des Vaters, welche im Kinde wieder
neu entsteht, während nach dem oben erwähnten Haupttexte
264 XII. Die Organe der Seele.
der Seelenwanderungslehre, Chand. 5,10,5 — 6, das Kind eine
vom Monde zurückkehrende Seele ist, für welche mithin das
väterliche Sperma sowie der Mutterschofs nur Durchgangs-
stationen sind. Mit keiner dieser beiden Anschauungen ver-
einbar ist der auf Yäjnavalkya zurückgeführte Mythus Brih-
1,4,3 — 4, welcher die Zeugung als das Verlangen der Wieder-
vereinigung zweier ursprünglich zusammengehöriger, durch
Prajäpati als Mann und Weib auseinandergespaltener Hälften
desselben Wesens erklärt. Dieser Mythus, sowie der analoge
im platonischen Symposion, entfernt sich von der Wahrheit
nur, sofern er in die Vergangenheit versetzt, was in der Zu-
kunft liegt. -Denn das aus Mann und Weib zur Vereinigung
strebende Wesen ist eben das Kind, welches geboren werden
will (Elemente der Metaphysik $ 153).
Zeugung als Dje Zeugung erscheint als religiöse Pflicht: Taitt. 1,9 wird
religiöse o o o
Pflicht, sie neben dem Lernen und Lehren des Yeda anbefohlen; oft-
mals (Chand. 3,17,5, 5,8—9. Brih. 0,2,13. 6,4,3) wird sie alle-
gorisch als eine Opferhandlung beschrieben; Taitt. 1,11 wird
dem aus der Lehre entlassenen Schüler eingeschärft: „nach-
dem du dem Lehrer die liebe Gabe überreicht hast, sorge,
dafs der Faden deines Geschlechts nicht reifse"; Mahän. 63,8:
„wer im Leben den Faden der Nachkommenschaft richtig fort-
spinnt, der trägt dadurch seine Schulden an die Väter ab;
denn eben das (Zeugen) ist eine Schuldabtragung". Durch
den Sohn sichert man sich das Fortbestehen in der Menschen-
welt (Brih. 1,5,16), er tritt ein für den Vater, die heiligen
Werke zu vollbringen (Ait. 2,4), „und wenn, von ihm irgend
etwas in die Quere begangen worden, so wird sein Sohn das
alles sühnen; daher der Name «Sohn» {pirfra, weil er püra-
nena trayati pitaram, Qank.); durch den Sohn nämlich bestehet
er fort in dieser Welt" (Brih. 1,5,17). Eine ausführliche Be-
lehrung darüber, wie zu verfahren sei, um einen Sohn oder
eine Tochter von bestimmter Beschaffenheit zu erzeugen, findet
sich Brih. 6,4; dieses Kapitel bildet den Schlufs der Upariishad
und somit wohl den Abschlufs der religiösen Belehrung, welche
dem aus der Lehre scheidenden Schüler erteilt wird.
Verwerfung jm Gegensatze zu diesen, die Zeugung in den Kreis der
.l.r Zeu- ö ' ö O i-i
gung. religiösen Pflichten ziehenden, Anschauungen macht sich
6. Physiologisches. 265
allmählich eine asketische Tendenz geltend, welche die Zeugung
verwirft. Brih. 1,4,17 werden die fünf natürlichen Ziele des
menschlichen Strebens (Selbst, Weib, Kind, Reichtum, Werk)
ersetzt durch fünf Erscheinungsformen des Atman (Manas,
Rede, Odem, Auge -Ohr, Leib); Brih. 3,5,1 heifst es von den
Brahmanen, welche den Atman erkannt haben, dafs sie von
dem Verlangen nach Kindern, Besitz und Welt abstehen;
ebenso Brih. 4,4,22, wo es vorher heifst: ,, Dieses wufsten die
Altvordern, wenn sie nicht nach Nachkommenschaft begehrten
und sprachen: «Wozu brauchen wir Nachkommen, wir, deren
Seele diese Welt ist!»". Wenn diese Aufserungen dem Yäjna-
valkya in den Mund gelegt werden, der doch selbst zwei
Weiber hatte, so beweist dies nur wieder, wie so vieles andre,
•dafs Yäjnavalkya ein blofser Name ist, auf welchen die höch-
sten und edelsten Gedanken der Schule der Väjasaneyin's
übertragen wurden. Ob auch der Wunsch Chänd. 8,14: „nicht
möge ich, der Zierde Zier, eingehen in das Graue ohne Zähne,
— das ohne Zähne, Graue, Schleimige", von einem neuen Ein-
gehen in den Mutterschofs (wie der Scholiast will), oder nur
als ein möglichst langes Bewahrtbleiben vor dem Greisenalter
und seinen Beschwerden zu verstehen ist, mag dahingestellt
bleiben. Von spätem Stellen nennen wir nur Mahän. 62,7.
11. 63,8. 13, wo die Entsagung höher gestellt wird als die
Zeugung, und Pracna 1,13. 15, wo das Prajäpativratam, wo-
fern es nicht bei Tage geübt wird, zwar gestattet bleibt, die
Brahmanwelt aber nur denen verheifsen wird, „die sich kasteien,
in denen wahre Keuschheit festgewurzelt ist". Dafs die spä-
tem Sannyäsa-Upanishad's dieses Geistes voll sind, bedarf
keiner Ausführung; das Opfer an Prajäpati, welches dem an-
gehenden Sannyäsin in ihnen Kanthagr. 4 (Up. S. 701) anbe-
fohlen, hingegen Jäbäla 4 (Up. S. 709) widerraten wird, scheint
eine symbolische Loskaufung von der Pflicht der Fortpflan-
zung zu bedeuten.
Die Dauer des Weilens im Mutterleibe wird Chänd. 5,9,1 Embryo-
auf „zehn [Mond-] Monate, oder wie lange es ist" geschätzt.
Eingehende Mitteilungen über die Entwicklung des Embryo
gibt Garbha-Up. 2 — 4 (Up. S. 608 fg.): „Aus der Verbindung
des Samens und des Blutes entwickelt sich der Embryo. . . .
logie.
266 XII. Die Organe der Seele.
Aus der Paarung zur Zeit der Periode entsteht nach einer
Nacht ein Knötchen, nach sieben Nächten eine Blase, inner-
halb eines halben Monates ein Klumpen, innerhalb eines Mo-
nates wird er fest, nach zwei Monaten entsteht der Kopf,
nach drei Monaten entstehen die Fufsteile, im vierten Monate
Fufsknöchel, Bauch und Hüften, im fünften das Rückgrat,
im sechsten Mund, Nase, Augen, Ohren, im siebenten wird
der Embryo mit der Seele (jiva) ausgestattet, im achten ist
er in allen Stücken vollständig. — Beim Überwiegen des
väterlichen Samens entsteht ein Mann, beim Überwiegen des
mütterlichen Samens ein Weib, beim Gleichgewichte des Sa-
mens beider ein Zwitter; bei Benommenheit des Gemütes
entstehen Blinde, Lahme, Bucklige und Zwerge. Geht der
durch die beiderseitigen Winde eingeprefste Same entzwei, so
wird auch der Körper zweifach, und es entstehen Zwillinge.
— ... Im neunten Monat endlich ist er in allen Stücken
und auch in der Erkenntnis vollständig; dann erinnert er sich
[so lange er noch im Mutterleibe weilt, wie Vämadeva, Ait. 2,4]
an seine frühern Geburten und hat Erkenntnis seiner guten
und bösen Werke ; . . . wenn er aber sodann, zu den Pforten
der Geschlechtsteile gelangend, durch die Einzwängung ge-
quält und, unter grofsen Schmerzen kaum geboren, mit dem
Vaishnava -Winde [dem Winde der Aufsenwelt] in Berührung
tritt, so kann er sich nicht mehr auf seine Geburten und Tode
besinnen und hat keine Erkenntnis seiner guten und bösen
Werke mehr." — Auf die verwandten Vorstellungen in der
neueren, abendländischen Philosophie bezieht sich die Ver-
spottung Voltaire's (lettre XIII sur les Anglais), welche auch
auf den indischen Apriorismus ihre Anwendung findet : „je ne
suis pas plus dispose que Locke ä imaginer que, quelques
semaines apres ma conception, j'etais une äme fort savante,
sachant alors mille choses que j'ai oubliees en naissant et ayant
fort inutilement possede dans 1'uterus des connaissances qui
m'ont echappe des que j'ai pu en avoir besoin et que je nai
jamais bien pu reprendre depuis".
XIII. Die Zustände der Seele. 1. Die vier Zustände. 267
XIII. Die Zustände der Seele.
1. Die vier Zustände.
Wie der „zur Leiblichkeit sich verkörpernde" (gavtyatvüya wachen,
dekiri, Käth. 5,7) Ätman räumlich als die Vielheit der Or- Tiefschiäf
gane den Leib „bis in die Nagelspitzen hinein" erfüllt (Brih. U1
1,4,7), so durchläuft er in diesem seinem Individuaistande
zeitlich eine Reihe von Zuständen, in welchen sein wahres
metaphysisches Wesen schrittweise immer deutlicher zutage
tritt; diese sind: 1) das Wachen, 2) der Traumschlaf, 3) der
Tiefschlaf (siisliupü), d. h. der tiefe traumlose Schlaf, in wel-
chem die Seele vorübergehend mit Brahman eins wird und
eine dementsprechende , unüberbietbare Wonne geniefst, und
4) der „vierte" (caturtha. turya, turuja), gewöhnlich Turiya
genannte Zustand, in welchem jenes Aufhören der vielheit-
lichen Welt und Eins werden mit Brahman, auf welchem die
Seligkeit des Tiefschlafes beruht, nicht wie in diesem un-
bewufst, sondern unter vollem Fortbestehen des Bewufstseins
eintritt.
Die Theorie von diesen vier Zuständen der Seele hat sich
erst allmählich ausgebildet.
Zuerst mochten es wohl das Erlöschen des Bewufstseins Phänomen
beim Einschlafen und seine Rückkehr beim Erwachen sein,
welche das Nachdenken beschäftigten und solche Fragen auf-
gaben wie Brih. 2,1,16 (vgl. Kaush. 4,19): „Als dieser hier ein-
geschlafen war, wo war da jener aus Erkenntnis bestehende
Geist (vijnänamayah purushdh), und von wo ist er jetzt [beim
Erwachen] hergekommen?" Dieses wundersame Phänomen
des Schlafes erklärte man dann als ein vorübergehendes Ein-
tauchen der Organe (Rede, Auge, Ohr, Manas) in den Frau«.
So in der schon oben (I, i, S. 298) mitgeteilten Stelle Qatap.
Br. 10,3,3,6, und, fast wörtlich damit übereinstimmend, Chand.
4,3,3: „Denn wenn einer schläft, so geht in den Präna ein
die Rede,, in den Präna das Auge, in den Präna das Ohr, in
den Präna das Manas". Eine blofse Ausmalung dieser Er-
klärung des Schlafes (vielleicht mit Erinnerung an Brih. 4,3,19)
ist Chand. 6,8,2: „Gleichwie ein Vogel, der an einen Faden
268 XIII. Die Zustände der Seele.
gebunden wurde, nach dieser und jener Seite fliegt, und,
nachdem er anderweit einen Stützpunkt nicht gefunden, sich
an der Bindungsstelle niederläfst, so auch, o Teurer, fliegt
das Manas nach dieser und jener Seite, und, nachdem es ander-
weit einen Stützpunkt nicht gefunden, so läfst es sich in dem
Prana nieder, denn der Präna, o Teurer, ist die Bindungs-
stelle des Manas". Von einer etwas andern Anschauung gehen
die unmittelbar vorhergehenden Worte Chänd. 6,8,1 aus: „Wenn
es heifst, dafs der Mensch schlafe, dann ist er mit dem [vorher,
Chänd, 6,2 fg., geschilderten] Seienden, o Teurer, zur Vereini-
gung gelangt. Zu sich selbst ist er eingegangen, darum sagt
man von ihm «er schläft» (svapiti), denn zu sich selbst ein-
gegangen (sra»i apita) ist er."
Traum- Alle diese Stellen enthalten noch keine Unterscheidung
Tiefsohiat. zwischen Traumschlaf und Tiefschlaf. Eine solche findet sich
zuerst Brih. 4,3,9—18. 19—33, sodann Brih. 2,1,18. 19 (Kaush.
4,20) und endlich Chänd. 8,6,3. 8,10. 11—12 (vgl. 8,3,4). Diese
Reihenfolge dürfte auch die historische sein. Brih. 4,3,9 — 33
ist die Scheidung noch nicht so streng durchgeführt wie Brih.
2,1,18 — 19, wo auch zuerst der (Brih. 4,3,9 — 33 noch fehlende)
Name susJiupta für den „Tiefschlafenden" auftritt, woraus sich
dann weiter sushuptam (seit Mänd. 5) und sushupti (seit Kai-
valy. 13. 17) für „Tiefschlaf" entwickelt hat. Am spätesten
und schon von Brih. 4,3,9 — 33 abhängig scheinen die Aus-
führungen Chänd. 8 zu sein; denn wenn Chänd. 8,3,4 (== 8,12,3)
der Tiefschlaf (nicht wie Chänd. 8,6,3 im Anschlufs an Chänd.
6,2,3. 6,8,6 als ein Einswerden mit dem tejaS, sondern) als ein
Eingehen in das höchste Licht und dadurch bedingtes
Hervortreten in eigner Gestalt (param jyoiir upasam-
padya sventi rüpena abhinishpadyate) geschildert wird, so könnte
diese eigentümliche Vorstellung zwar auch auf Chänd. 3,13,7
zurückgehen, aber näher liegt es doch wohl, in ihr eine
Rückerinnerung an den „aus Erkenntnis bestehenden, in dem
Herzen innerlich leuchtenden Geist", Brih. 4,3,7, zu finden,
welcher, wie dort weiter entwickelt wird, „vermöge seines
eigenen Glanzes, seines eigenen Lichtes", in Wachen, Traum
und Tiefschlaf „sich selbst als Licht dient". — Und sicherlich
sekundär ist es auch, wenn das Wort scmprasäda, welches in
1. Die vier Zustünde. 269
der wohl schon interpolierten Stelle Brih. 4,3,15 (siehe unsere
Anm. dort) noch die „Vollberuhigung" des Tiefschlafes be-
deutet, Chänd. 8,3,4. 8,12,3 geradezu für „die Seele im Tief-
schlafe" gebraucht wird.
An diese altern Stellen schliefst sich die kurze Notiz
Ait. 1,3,12, wie auch die Ausführungen über Traumschlaf und
Tiefschlaf Pracna 4 auf ihnen beruhen.
Neben Wachen, Träumen und Tiefschlafen erscheint als Der Turtya.
vierter und höchster Zustand des Atman das Caturtham, Tu-
rijam. Turhjam (sc. sthdham) oder der Turiya (sc. ätma) zuerst
Mänd. 7 (gegen welches die, dem Nachtrage angehörigen,
Stellen Maitr. 6,19. 7,11 wohl später sind), wo auch die drei
ersten Zustände mit den mystischen Namen Yaicjvänara, Taijasa, raigvänara;
Prdjfia bezeichnet werden. Hierbei heifst die wachende Seele pTipa.'
Vaigvänara, vielleicht weil (wie Heraklit, bei Plut., de superst. 3,
sagt) im Wachen alle Menschen eine gemeinsame Welt haben,
während im Traume jeder seine eigene hat; die träumende
Taijasa, wohl weil dann der Atman nur sein eigenes Licht ist
{svena bhasä, svena jyotishä prasvapiti, Brih. 4,3,9); die tief-
schlafende Präjüa, weil im Tiefschlafe der Ätman nach Brih.
4,3,21 mit dem präjna ätman, d. h. dem Brahman, vorüber-
gehend eins wird.
Der Besprechung der vier Zustände im einzelnen mag die Definition
Definition vorangehen, welche Sarvopanishatsära 5 — 8 (Up. stände nach
S. 623) von ihnen gegeben wird: t- ™p'
„Wenn man mit den von Manas anfangenden vierzehn
Organen [Manas, Buddhi, Cittam, Ahankära, Erkenntnissinne
und Tatsinne], welche nach aufsen sich entfalten und dabei
von Gottheiten wie Aditya usw. unterstützt werden, die
groben Objekte, wie Töne usw., wahrnimmt, so heifst dies
das Wachen (jägaranam) des Atman."
„Wenn man, von den Eindrücken des Wachens befreit,
mit nur vier Organen [Manas, Buddhi, Cittam, Ahankära] und
ohne dafs Töne usw. vorhanden sind, auf jenen Eindrücken
beruhende Töne usw. wahrnimmt, so heifst dies das Träu-
men (svapnam, hier als Neutrum) des Atman."
„Wenn man infolge des Ruhens aller vierzehn Organe
und des Aufhörens des Bewufstseins der besondern Objekte
270 XIII. Die Zustände der Seele.
[ohne Bewufstsein ist], so heifst dies der Tiefschlaf (sushup-
tam) des Atman."
„Wenn, unter Wegfall der drei genannten Zustände, das
dem Sein als Zuschauer gegenüberstehende Geistige nur noch
selbst als eine von allem Sein befreite Unterschiedlosigkeit
besteht, so heifst dieses Geistige das Tunyam (das Vierte),"
2. Das Wachen.
Das wa- Mänd. 3: „Der im Stande des Wachens befindliche, nach
Mä'nd. 3. aufsen erkennende, siebengliedrige, neunzehnmündige, das
Grobe geniefsende Väigvänara ist sein erstes Viertel". Der
Atman in dem ersten der vier Stadien, dem des Wachens,
heifst „siebengliedrig", weil er als Valgrcmara nach Chänd.
5,18,2, woher dieser Name entnommen ist, aus Himmel, Sonne,
Wind, Äther, Wasser, Erde und (Opfer-) Feuer besteht und
dieses sein kosmisches Wesen mittels seines „neunzehnmündi-
gen" (zehn Indriya's, fünf Präna's, Manas, Buddhi, Ahankära,
Cittam) psychischen Wesens erkennt. So geniefst er die Welt
der „groben" Objekte; zur Erläuterung mag Kaivalya 12 dienen:
Wenn seine Seele blind ist durch die Mäyä,
Bewohnt den Leib er und betreibt die Werke ;
Durch Weiber, Speise, Trank und viel Genüsse
Erlangt er Sättigung im Stand' des Wachens.
Wie schon diese Stellen andeuten, ist es nur sein eignes
Wesen, welches der Väigvänara beim Wachen als die Welt
der groben Objekte aus sich heraussetzt und geniefst. Hierauf
verwandt- beruht die Verwandtschaft des Wachens mit dem Traume,
Wachens welche schon Ait. 1,3,12 dadurch angedeutet wird, dafs dem
Traume. Atman „drei Traumstände" (traijah svapnah) zugeschrieben
werden, unter denen nach den Kommentatoren Wachen, Traum
und Tiefschlaf zu verstehen sind. Auch das Wachen ist ein
Traumstand, weil in ihm, wie Qankara zu dieser Stelle be-
merkt, „ein Wachen des wirklichen eignen Selbstes nicht statt-
hat und man eine unwirkliche Realität, ähnlich wie im Traume,
anschaut". (Über andere Äufserungen Qankara's in diesem
Sinne vgl. Syst. d. Ved. S. 297. 299. 372.) Diese Verwandt-
2. Das Wachen. 271
schaft des Wachens mit dem Traume wird besonders eingehend
von Gaudapäda in der Mändükyakärikä behandelt: wie der
Traum, so ist auch das Wachen, da es uns eine vielheitliche
Welt vorspiegelt, eine Täuschung (2,5. 3,29); die Wahr-
nehmungen des Wachens haben, ebenso wie die des Traumes,
ihren Grund nur in uns (4,37) und bestehen nirgendwo anders
als im Geiste des Wachenden (4,66); und wie die Realität
des Traumes durch das Aufwachen widerlegt wird, so wird
umgekehrt auch die Realität des Wachens widerlegt dadurch,
dafs sie im Traum aufhört (2,7. 4,32). — Denselben Gedanken
dürfen wir vielleicht schon Brih. 4,3,7 finden, wo zunächst das
Erkennen und Sichbewegen des Ätman für nur scheinbar er-
klärt und dann als Grund dafür angegeben wird, dafs der
Ätman im Traume die wesenlosen Erscheinungen des Wachens
übersteige: „es ist, als ob er sänne, es ist, als ob er umher-
schweifte; denn (sa hi, wofür die Mädhy. sadMh lesen) wenn
er Schlaf geworden ist, so übersteigt er diese Welt, die Ge-
stalten des Todes". Wie ein Fisch zwischen zwei Ufern
dahinstreicht, ohne sie zu berühren, so der Ätman zwischen
den Zuständen des Wachens und Träumens (Brih. 4,3,18);
vom Wachen eilt er zum Träumen und von diesem wieder
„zurück zum Zustande des Wachens; und alles, was er in
diesem schaut, davon wird er nicht berührt; denn diesem
Geiste haftet nichts an" (Brih. 4,3,16).
3. Der Tranmsclilaf.
Die Hauptstelle, von der, wie sich wahrscheinlich machen Der Traum,
läfst, alle andern abhängen, ist Brih. 4,3,9 — 14: 4,3,9 fg.
„Wenn er nun einschläft, dann entnimmt er aus dieser
allenthaltenden Welt das Bauholz, fällt es selbst und baut es
selber auf, vermöge seines eigenen Glanzes,, seines eigenen
Lichtes; — wenn er so schläft, dann dient dieser Geist sich
selbst als Licht. Daselbst sind nicht Wagen, nicht Gespanne,
nicht Strafsen, sondern Wagen, Gespanne und Strafsen schafft
er sich; daselbst ist nicht Wonne, Freude und Lust, sondern
Wonne, Freude und Lust schafft er sich; daselbst sind nicht
Brunnen, Teiche und Flüsse, sondern Brunnen, Teiche und
272 XIII. Die Zustände der Seele.
Flüsse schafft er sich, — denn er ist der Schöpfer. Darüber
sind diese Verse:
Abwerfend was des Leibes ist im Schlafe,
Schaut schlaflos er die schlafenden Organe;
Ihr Licht entlehnend kehrt zum Ort dann wieder ,
Der gold'ge Geist, der ein'ge Wandervogel.
Das niedre Nest läfst er vom Leben hüten
Und schwingt unsterblich aus dem Nest empor sich,
Unsterblich schweift er, wo es ihm beliebet,
Der gold'ge Geist, der ein'ge Wandervogel.
Im Traumesstande schweift er auf und nieder
Und schafft als Gott sich vielerlei Gestalten,
Bald gleichsam wohlgemut mit Frauen scherzend,
Bald wieder gleichsam Schreckliches erschauend.
Nur seinen Spielplatz hier sieht man,
Nicht sieht ihn selber irgendwer.
Darum heifst es: man soll ihn nicht jählings wecken, denn
schwer ist einer zu heilen, zu welchem er sich nicht zurück-
findet. — Darum sagt man auch: der [Schlaf] ist für ihn nur
eine Stätte des Wachens, denn was er im Wachen sieht, das-
selbige siehet, er auch im Schlafe. — So also dient daselbst
dieser Geist sich selbst als Licht."
In dieser Stelle laufen, in poetischer Darstellung, zwei
Auffassungsweisen des Traumes durch einander: nach der einen
bleibt der Geist wo er ist und schafft aus sich selbst heraus
„vermöge seines eigenen Glanzes, seines eigenen Lichtes" aus
den Materialien des Wachens eine neue Welt der Gestalten,
— nach der andern verläfst der Geist im Traume den Leib
und „schweift, wo es ihm beliebet", wobei er dann mitunter
den Kückweg zu seinem Leibe nur schwer findet.
Abhängig Diese beiden, nur auf der dichterischen Darstellung be-
■von obiger .
steile ist ruhenden und nicht eigentlich differierenden Auflassungen
' werden Brih. 2,1,18 ernst genommen und mit einander dahin
verbunden, dafs der Träumende zwar umherschweift, jedoch
nur innerhalb des eignen Leibes: „Wo er dann im Traume
wandelt, das sind seine Welten; dann ist er gleichsam ein
grofser König oder gleichsam ein grofser Brahmane, oder er
3. Der Traumschlaf. 273
gehet gleichsam ein in Hohes und Niederes {uccävacani nigac-
chati, nach Brih. 4,3,13 uccävacam iyamänäh). Und gleichwie
ein grofser König seine Untergebenen mit sich ^immt und in
seinem Lande nach Beheben umherzieht (Reminiszenz an Brih.
4,3,37 — 38), also nimmt er jene Lebensgeister mit sich und
ziehet in seinem Leibe nach Belieben umher." Diese wunder-
liche, auf keine Naturanschauung gestützte Theorie von einem
Umherziehen im Leibe beim Traume erklärt sich als ein Ver-
such, die verschiedenen Anschauungen der oben angeführten
Grundstelle zu vermitteln. Auch der Vergleich mit dem
grofsen Könige und grofsen Brahmanen scheint aus der Brih. Übergang
4.3.20 folgenden Stelle geschöpft zu sein, welche den Über- in den Tief-
... iT-i />(•-!• t • • schlaf nach
gang vom traumenden Bewulstsem, dies und jenes zu sein, Brih. 4,3,20.
zum Bewufstsein des Tiefschlafes, alles zu sein, in folgender
Weise schildert: „Wenn es nun [im Traume] ist, als wenn
man ihn tötete, als wenn man ihn schünde, als wenn ein Ele-
fant ihn bedrängte (vicchäyayati) , als wenn er in eine Grube
stürzte, — alles was er im Wachen fürchtet, das hält er da-
selbst in seinem Nichtwissen für wirklich, — oder aber wenn
es ist, als wäre er ein Gott, als wäre er ein König — , wenn
er sich bewufst wird, «ich allein bin dieses Weltall», — das
ist seine höchste Stätte", — nämlich, wie das Folgende schil-
dert, die des Tiefschlafes, in der man sich eins mit dem Weltall,
d.h. deniBrahman, erkennf und daher ohne gegenüberstehende
Objekte und mithin ohne individuelles Bewufstsein ist (Brih.
4.3.21 fg.). Wenn es Chänd. 8,10,2 vom Träumenden heifst: Hiervon ab-
. . hängig
„aber es ist doch, als wenn er getötet würde, es ist doch, als chänd.
wenn sie ihn bedrängten (vicchayayanti), als wenn er Unliebes
erführe, und es ist, als wenn er weinte", so liegt die Ver-
wandtschaft mit der angeführten Stelle Brih. 4,3,20 auf der
Hand. Das sinnlose vicchädayanti Chänd. 8,10,2 wurde von
M. Müller (dem Böhtlingk und ich hierin folgten) verändert
in viccliäyayanti. Eine fast unumgängliche Konsequenz dieser
Änderung ist, bei der grofsen Seltenheit dieses Ausdrucks,
die Annahme, dafs Chänd. 8,10,2 von Brih. 4,3,20 abhängig
ist, — denn der umgekehrte Fall oder auch eine Interpolation
von Brih. 4,3,20 aus Chänd. 8,10,2 (woran wir Upanishad's
Deussen, Geschichte der Philosophie. I, n. 18
8,10,2.
274 XIII. Die Zustände der Seele.
S. 464. 470 noch dachten) hat hei dem ganzen Charakter
heider Stellen wenig Wahrscheinlichkeit.
Ebenso Sicher abhängig von Brih. 4,3 ist Pracna 4,5, wo, nach-
x rn^iin 4,0. g
dem geschildert worden, wie heim Schlafe das Manas die zehn
Indriya's in sich hereingezogen, so dafs nur die Pränafeuer
in der Leihesstadt wachen, der Traum wie folgt beschrieben
wird: „Alsdann geniefst jener Gott [nämlich das Manas] Grofs-
heit, sofern er das hier und da Gesehene nochmals sieht, die
hier und da gehörte Sache nochmals hört, das inmitten der
Orte und Gegenden einzeln Wahrgenommene wieder und
wieder einzeln wahrnimmt; Gesehenes und Nichtgesehenes,
Gehörtes und Nichtgehörtes, Wahrgenommenes und Nicht-
wahrgenommenes, das Ganze schaut er, als der Ganze schaut
er (sarvam pagyati, sarvah pagyati )"■ Namentlich die letzten
Worte, verglichen mit Brih. 4,3,20 (aham eva idam sarvo 'smi,
üi manyate), machen die Abhängigkeit von dieser Stelle wohl
unzweifelhaft.
spätere Von spätem Stellen führen wir nur Mänd. 4 an, wo es
nach der oben mitgeteilten Erklärung des Wachens in Pa-
rallele damit vom Träumen heifst : „Der im Stande des Träu-
mens befindliche, nach innen erkennende, siebengliedrige, neun-
zehnmündige, das Auserlesene geniefsende Taijasa ist sein
zweites Viertel". Die Ausdrücke „siebengliedrig", „neunzehn-
mündig" werden erklärt wie oben beim Wachen; „das Aus-
erlesene geniefsend" (praviviltiabJmj) heifst die Traumseele
ohne Zweifel mit Bezug auf B.ih. 4,2,3, wo es von der indi-
viduellen Seele heifst, dafs sie, im Gegensatze zum Leibe,
„eine auserlesenere Nahrung habend" (praviviJäa-ähäratara) sei.
Eine Besprechung der Illusion des Traumes, zur Erläute-
rung der Illusion des Wachens, bietet Gaudapäda 2,1 fg.
4,33 fg. (Up. S 583. 597), wo schon dieselben Gedanken auf-
treten, die später seines Schülers Schüler, £ankara, weiter aus-
geführt hat (System d. Ved. S. 371).
4. Der Tiefschlaf.
Übergang In den Tiefschlaf geht der Traumschlaf über, wenn, mit-
V8°cIhiafe'in " tels eines stärkeren Anlaufes auf die andre Welt zu (Brih.
schlaf6" 4,3,9), das träumende Bewufstsein, dies oder jenes, ein Gott,
4. Der TiefscMaf. 275
ein König usw. zu sein, übergeht, wie es Brih. 4,3,20 schil-
dert, in das Bewufstsein, das Weltganze zu sein, welches, da
ihm keine Objekte mehr gegenüberstehen, kein Bewufstsein
mehr in empirischem Sinne, sondern eine vorübergehende Eins-
werdung mit dem präjna ätman, dem ewigen Subjekte des
Erkennens, dem Brahman, ist. Diese Gedanken werden aus-
geführt in dem wichtigsten und wohl auch ältesten Texte, der
vom Tiefschlaf handelt, Brih. 4,3,19 — 33: „Aber gleichwie dort »ex Tief-
schlaf nach
im Lufträume ein Falke oder ein Adler, nachdem er umher- Brih.
geflogen ist, ermüdet seine Fittiche zusammenfaltet und sich
zur Niederkauerung begibt, also auch eilt der Geist zu jenem
Zustande, wo er, eingeschlafen, keine Begierde mehr empfindet
und kein Traumbild schaut". Weiter heifst es, nach einem
Hinweis auf die Adern Hitäh, in denen nach Brih. 2,1,19
usw. die Seele im Tiefschlafe ruht, und nach der Schilde-
rung des Überganges vom Traume in den Tiefschlaf: „Das
ist die Wesensform desselben, in der er über das Verlangen
erhaben, vom Übel frei und ohne Furcht ist. Denn so wie
einer, von einem geliebten Weibe umschlungen, kein Bewufst-
sein hat von dem, was aufsen oder innen ist, so auch hat der
Geist, von dem erkenntnisartigen Selbste (präjnena. ätmanä,
d. i. dem Brahman) umschlungen, kein Bewufstsein von dem,
was aufsen oder innen ist. Das ist die Wesensform desselben,
in der er gestillten Verlangens, selbst sein Verlangen, ohne
Verlangen ist und von Kummer geschieden. Dann ist der
Vater nicht Vater und die Mutter nicht Mutter, die Welten
sind nicht Welten, die Götter nicht Götter" usw., alle
Gegensätze sind in dem Ewigen, Einen ausgelöscht, „dann ist
Unberührtheit vom Guten und Unberührtheit vom Bösen,
dann hat er überwunden alle Qualen seines Herzens. — Wenn
er dann nicht sieht, so ist er doch sehend, obschon er nicht
sieht; denn für den Sehenden ist keine Unterbrechung des
Sehens, weil er unvergänglich ist; aber es ist kein Zweites
aufser ihm, kein andres, von ihm verschiedenes, das er sehen
könnte". In diesem Fortbestehen als reines, objektloses Subr
jekt des Erkennens, welches im Tiefschlafe eintritt, besteht
die Wonne dieses Zustandes, wie weiterhin in einer schon
früher (S. 130) besprochenen Ausführung entwickelt wird. —
18*
276 XIII. Die Zustände der Seele.
Diese Ge- Als eine kurze Zusammenfassung der Gedanken dieses Ab-
de/resu" Schnittes dürfen wir wohl Brih. 2,1,19 betrachten: „Aber wenn
^l^if; ' er im Tiefschlafe ist, wenn er sich keines Dinges bewufst ist,
dann sind da die Hitäh genannten Adern, deren sich zweiund-
siebzigtausend vom Herzen aus in dem Perikardium verbreiten;
in diese schlüpft er hinein und. ruht in dem Perikardium; und
wie ein Jüngling oder ein grofser König oder ein grofser
Brahmane, ein Übermafs von Wonne (atighnim änändäsya,
dieser Ausdruck fafst die Betrachtungen Brih. 4,3,33 zusammen,
oben S. 129 fg.) geniefsend, ruht, also ruht dann auch er".
NachKaush. Die Einswerdung mit dem Prent a (der mit dem Prajnä-
ätman gleichgesetzt wird) ist das Wesen des Tiefschlafes auch
nach Kaush. 3,3: „Wenn ein Mensch so eingeschlafen ist,
dafs er kein Traumbild schaut, dann ist er eben in diesem
Präna zur Einheit geworden; dann geht in ihn die Rede mit
allen Namen ein, das Auge mit allen Gestalten ein, das Ohr
mit allen Tönen ein, das Manas mit allen Gedanken ein".
Eine Kombination der beiden zuletzt zitierten Stellen ist
Kaush. 4,19—20.
Auch die Stellen der Chänd. Up. über den Tiefschlaf
machen durchweg den Eindruck, sekundärer Art zu sein. Wir
führen sie an, indem wir auf die möglicherweise als Vorbild
benutzten Stellen in Parenthese hinweisen.
Nach chänd. Chänd. 8,6,3: „Wenn nun einer so eingeschlafen ist ganz
8,6,3. 8,n,i. un(j gar un(j VQV]jg zur Ruhe gekommen, dafs er kein Traum-
bild erkennt, dann ist er hineingeschlüpft in diese Adern
(Brih. 2,1,19: «in diese schlüpft er hinein»); darum rühret ihn
kein Übel an (Brih. 4,3,22: «dann ist Unberührtheit vom Guten
und Unberührtheit vom Bösen»), denn mit der Glut (Chänd.
6,2,3. 6,&,6) ist er dann eins geworden". Chänd. 8,11,1: „Wenn
einer so eingeschlafen ist ganz und gar und völlig zur Ruhe
gekommen, dafs er kein Traumbild erkennt, das ist das Selbst,
.so sprach er, das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das ist
das Brahman". Hierauf die Einwendung: „In Vernichtung
ist er dann eingegangen; hierin kann ich nichts Tröstliches
erblicken" (vgl. die Einwendung der Maitreyi, Brih. 2,4,13:
«damit, o Herr, hast du mich verwirrt, dafs du sagst, nach
dem Tode sei kein Bewufstsein»), worauf mit dem Hinweis
4. Der Tief schlaf; 277:
auf Wind und Wolke, Blitz und Donner entgegnet -wird,
welche aus dem latenten Zustande hervortreten und dadurch
ihre wahre Wesenheit offenbaren: „so auch erhebt sich diese
Vollberuhigung (sampfasäda, Brih. 4,3,15 «der Tiefschlaf»,
hier und Chänd. 8,3,4 «die Seele im Tiefschlafe », vgl. Brih.
4,3,7 sa lii svapno bhuivä) aus diesem Leibe (Brih. 4,3,11:
«abwerfend was des Leibes ist im Schlafe»), gehet ein in das
höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigner Gestalt (Brih.
4,3,9: «wenn er so schläft, dann dient dieser Geist sich selbst
als Licht»): das ist der höchste Geist, der dort umherwandelt
(Brih. 4,3,12: «unsterblich schweift er, wo es ihm beliebet»),
indem er scherzt und spielt und sich ergötzt, sei es mit Wei-
bern (Brih. 4,3,13: «bald gleichsam wohlgemut mit Frauen
scherzend») oder mit Wagen (Brih. 4,3,10) oder mit Freunden,
und nicht zurückdenkt an dieses Anhängsel von Leib, an
welches der Präna angespannt ist wie ein Zugtier an den
Karren (Brih. 4,3,35: «wie nun ein Wagen, wenn er schwer
beladen ist, knarrend geht»)". Auf einem Mifsverständnis der
Verse Brih. 4,3,11 — 14 scheint es zu beruhen, wenn hier, wie
schon Brih. 4,3,15, dem Tiefschlafe" beigelegt wird, was nur
dem Traumschlafe zukommt. — Als ein Einswerden mit der Nach
Glut (tejas) wird der Tiefschlaf, wie Chänd. 8,6.3, auch auf-
gefafst Pra^na 4,6: „Aber wenn er von der Glut überwältigt
ist, dann schaut jener Gott keine Träume, und dann herrscht
in diesem Leibe jene Lust".
Ganz aus Reminiszenzen zusammengestoppelt ist endlich Nach
die Schilderung des Tiefschlafes Mänd. 5: „Der Zustand, wo
er, eingeschlafen, keine Begierde mehr empfindet und kein
Traumbild schaut (Brih. 4,3,19), ist der Tiefschlaf. Der im
Stande des Tiefschlafes befindliche, einsgewordene (Brih. 4,4,2),
durch und durch ganz aus Erkenntnis bestehende (Brih.
4,5,13), aus Wonne bestehende (Taitt. 2,5), die Wonne ge-
niefsende, das Bewufstsein als Mund habende Präjüa (Brih.
4,3,21. 35) ist sein drittes Viertel. Er ist der Herr des Alls
(Brih. 4,4,22), er ist der Allwissende (Mund. 1,1,9), er ist der
innere Lenker (Brih. 3,7), er ist die Wiege des Weltalls
(Mund. 1,1,6), denn er ist Schöpfung und Vergang (Käth.
6,11) der Wesen".
Pracna 4,6.'
Mänd. 5.
278 XIII. Die Zustände der Seele.
5. Der Turiya.
Noch nicht Wachen, Traumschlaf und Tiefschlaf sind die drei Zu-
ln upani-erD stände des Ätman, welche allein in den altern Upanishad's
ihad'8. vorkommen; nach ihnen wird im Tiefschlafe die völlige Eins-
werdung mit Brahman und damit das Höchsterreichbare er-
reicht; Brih. 4,3,32: „Dieses ist sein höchstes Ziel, dieses ist
sein höchstes Glück, dieses ist seine höchste Welt, dieses
ist seine höchste Wonne". Diese vom Tiefschlafe gesagten
Worte schliefsen den Gedanken an einen noch höheren Zu-
stand aus.
Der Toga. Erst später, mit dem Aufkommen der Yogapraxis, lernte
man im Yoga einen Zustand der Seele kennen, der noch höher
steht als der Tiefschlaf, sofern die Einswerdung mit Brahman
und die damit verbundene höchste Wonne, welche im Tief-
schlafe ohne Fortdauer des individuellen, die Erinnerung daran
auch nach dem Erwachen bewahrenden, Bewufstseins eintritt,
im Yoga unter vollem Fortbestehen des wachenden, indivi-
duellen Bewufstseins sich verwirklicht. Den Yoga, in seinem
Unterschiede vom Tiefschlafe, schildert sehr klar Gaudapäda
Mändükya-K. 3,33 fg.:
Als ewig wandellos Wissen,
Vom Gewufsten verschieden nicht,
Das Brahman wird gewufst allzeit, —
Vom Ew'gen Ew'ges wird gewufst.
Dieser Vorgang besteht darin,
Dafs zwangweis alle Regungen
Des Geistes unterdrückt werden, —
Anders ist es im tiefen Schlaf.
Der Geist erlischt im Tiefschlafe,
Nicht erlischt er, wenn unterdrückt,
Sondern Brahman, das furchtlose,
Wird er, ganz nur Erkenntnislicht.
Diese durch den Yoga bewerkstelligte, bei vollem Wachen
eintretende Unterdrückung des Bewufstseins der Objekte und
Einswerdung mit dem ewigen Subjekte des Erkennens be-
5. Der Turiya. 279
zeichnete man neben Wachen, Träumen und Tiefschlafen als Der Turiya.
den „vierten" Zustand des Atman, caturtha (Mänd. 7) oder,
mit der altvedischen und daher mehr feierlichen Form für
caturtha, als Turiya (auch Turya), wobei sowohl „der Turiya"
(sc. dtmd) als auch „das Turiyam" (sc. sthänam) gesagt wurde.
Da dieser Zustand der Sache nach mit der Yogapraxis zu-
sammenfällt, so werden wir ihn bei Betrachtung dieser in
einem spätem Zusammenhange näher kennen lernen und wollen
hier nur die Stellen namhaft machen, in denen die Lehre vom
Turiya zuerst auftritt. Vorbereitet ist dieselbe ohne Zweifel
durch die alte Theorie von den vier Füfsen des Brahman als
Gäyatrl (Chänd. 3,12. 3,18. 4,5 — 8. Brih. 5,14, wo auch schon
der Ausdruck turiya erscheint), aber die ältesten Stellen, in
welchen der Turiya als besonderer, vierter Zustand des Atman
proklamiert wird, sind erst Mänd. 7 und Maitr. 6,19. 7,11.
Hierbei dürften die Stellen -aus der Maitr. Up. (Nachtrag) die
späteren sein, da sie den Turiya-Zustand bereits als bekannt
voraussetzen, was Mänd. 7 nicht der Fall ist, wo auch noch
Turiya als Terminus fehlt und dafür einfach caturtha gesagt
wird. Die von Spätern vielbenutzte Stelle Mänd. 7 lautet:
„Nicht nach innen erkennend und nicht nach aufsen er- „NaJch„
Mänd. 7.
kennend, noch nach beiden Seiten erkennend, auch nicht durch
und durch aus Erkenntnis bestehend, weder bewufst noch un-
bewufst, — unsichtbar, unbetastbar, ungreifbar, uncharak- '
terisierbar, undenkbar, unbezeichenbar, nur in der Gewifsheit
des eignen Selbstes gegründet, die ganze Weltausbreitung
auslöschend, beruhigt, selig, zweitlos, — das ist das vierte
(caturtha) Viertel, das ist der Atman, den soll man er-
kennen".
Die beste Auslegung geben die zugehörigen Strophen des
Gaudapäda 1,12 — 16:
Nicht der Wahrheit noch Unwahrheit,
Nicht seiner selbst noch anderer
Ist irgend sich bewufst Präjna (der Tiefschlaf),
Ewig alles der Vierte (turya) schaut.
Im Nichterkennen der Vielheit
Sind der Präjna und Vierte gleich;
280 XIII. Die Zustände der Seele.
Doch Prajiia liegt im Keimschlummer,
Der Vierte keinen Schlummer kennt.
Traum und Schlaf sind der zwei ersten,
Traumloser Schlaf des Präjna ist,
Weder Träumen noch auch Schlafen
Schreibt dem Vierten zu, wer ihn kennt.
Der Träumende erkennt irrig,
Gar nicht erkennt der Schlafende;
Beide irren, wo das schwindet,
Da wird der vierte Stand erreicht.
In anfanglosem Weltblendwerk
Schläft die Seele; wenn sie erwacht,
Dann wacht in ihr das zweitlose
Schlaf- und traum-lose Ewige.
NachMaitr. Diese Theorie vom Turiya als bekannt voraussetzend,
6 19 7 11.
fordert Maitr. 6,19 bei Schilderung des Yoga dazu auf, „die
Präna genannte individuelle Seele in dem, was Turyam ge-
nannt wird, niederzuhalten", und verteilt 7,11 die vier Zu-
stände des Ätman auf die vier Füfse des Purusha (deren einen
alle Wesen bilden, während drei unsterblich im Himmel sind,
Rigv. 10,90,3, oben I, i, S. 156) derart, dafs Wachen, Traum
und Tiefschlaf den einen, hingegen der Turiya die drei andern
Füfse des Brahman bildet:
Der im Auge und der im Traum,
Der im Tiefschlaf und der zuhöchst,
Das sind seine vier Abarten,
Doch am gröfsten der vierte ist.
Ein Viertel Brahman's in Dreien,
In dem letzten drei Viertel sind.
Zu schmecken Wahrheit und Täuschung,
Ward zweiheitlich das grofse Selbst.
Spatere Von spätem Stellen über den Turiya (vgl. Brahma-Up. 2.
steilen. §^^^^1^ g. Hansa-Up. 8) wollen wir nur an die Aus-
führungen Nrisinhottaratäp. Up. 2 und 8 erinnern, wo mit
weiterer Zuspitzung des Begriffes auch an dem Turiya noch
5. Der Turiya. 281
vier Grade als ota, anujfiätri, anujnä und avikalpa (weltdurch-
waltend, geistdurchleuchtend, Geistigkeit, Indifferenz) unter-
schieden werden, von denen die drei ersten immer noch mit
„Tiefschlaf, Traum und blofser Täuschung" behaftet sind, und
nur ävikalpa^ die völlige Auslöschung aller Unterschiede, von
jedem Weltgeschmack gereinigt, als turiya-hiriya, „der Vierte
des Vierten", absolut reines Denken ist.
Des Systems der Upanishad's vierter Teil:
Eschatologie
oder die Lehre von der Seelenwanderung und Erlösung
sowie von dem Wege zu ihr (praktische Philosophie).
XIV. Die Seelenwanderung.
1. Philosophische Bedeutung der Seelenwanderungslehre.
Praktische Was wird aus dem Menschen nach dem Tode ? — Diese
des Seelen- Frage führt uns zu dem, wenn nicht bedeutendsten, so doch
rungse- jedenfalls originellsten und einflufsreichsten Dogma der in-
g aindien.in dischen Weltanschauung, zur Lehre von der Seelenwanderung,
welche von den Zeiten der Upanishad's bis auf die Gegen-
wart in dem Vorstellungskreise der Inder eine dominierende
Stellung eingenommen hat und noch jetzt von der gröfsten
praktischen Wirkung ist.* — Der Mensch, so etwa äufsert
sich Qankara (zu Brahmasütra 2,1,34 und öfter), ist wie eine
Pflanze : wie diese entsteht er, entwickelt sich und geht schliefs-
lich wieder zugrunde. Aber nicht vollständig; sondern wie
* In Jaypur besuchte mich (Dezember 1892) mit andern ein alter,
kaum bekleideter Pandit, welcher tastend seinen Weg zu mir fand; man
bedeutete mich, dafs er vollständig blind sei. Nicht wissend, dafs ihm die
Blindheit angeboren war, fragte ich teilnehmend, durch welchen Unglücks-
fall er sich sein Gebrechen zugezogen habe? Sofort und ohne dadurch
irgendwie in seiner guten Laune beeinträchtigt zu werden, war er mit der
Antwort bei der Hand: kenacid aparädhena pürvasmin janmani kritena
,, durch irgendein in einer früheren Geburt begangenes Vergehen".
1. Philosophische Bedeutung. 283
von der Pflanze der Same übrig bleibt, so bleiben auch beim
Tode des Menschen seine Werke als ein Same bestehen, wel-
cher, aufs neue in das Reich des Nichtwissens ausgesät, genau
entsprechend seiner Beschaffenheit, ein neues Dasein hervor-
bringt. Jeder Lebenslauf ist einerseits mit allen seinen Taten
und Leiden die unausbleibliche Folge der Werke einer früheren
Geburt, und bedingt anderseits, durch die in ihm begangenen
Werke, ein nächstfolgendes Leben. In dieser Überzeugung
liegt nicht nur ein wirksamer Trost in den Leiden des Da-
seins, welche sämtlich als selbstverschuldete erscheinen, son-
dern auch ein kräftiger Sporn zum sittlichen Wohlverhalten,
und zahlreich sind die Beispiele aus der epischen und drama-
tischen Poesie der Inder, in denen ein Leidender die Frage
aufwirft: was mag ich in einer früheren Geburt verbrochen
haben ? und sogleich daran die Reflexion knüpft : ich will doch
nicht wieder sündigen und so schweres Leid über mich in
einem künftigen Lebenslaufe bringen.
Diese Vorstellung, so mythisch sie ist, enthält doch einen Kern PhUo-
Kern philosophischer Wahrheit, nur dafs derselbe schwer zu Wahrheit.
entwickeln ist. Denn eigentlich ist die ganze Frage: was
wird aus uns nach dem Tode? eine unstatthafte, und könnte
uns jemand darauf die volle und richtige Antwort geben, so
würden wir diese Antwort gar nicht verstehen. Denn sie
würde eine Anschauung der Dinge ohne Raum, Zeit und
Kausalität voraussetzen, an welche als Anschauungsformen
unser Erkennen für immer gebunden ist. Entschliefsen wir
uns aber, der Wahrheit Gewalt anzutun und das Raumlose
räumlich, das Zeitlose zeitlich, das Kausalitätlose unter dem
Gesichtspunkte der Kausalität aufzufassen, so lassen sich auf
die Frage: was wird mit uns nach dem Tode? (die schon falsch
gestellt ist, weil sie die Form der Zeitlichkeit hereinzieht)
drei Antworten geben, indem wir nur die Wahl haben zwi-
schen 1) Vernichtung, 2) ewiger Vergeltung in Himmel und ^\ **?«-
} °' ' ö O ö henkelten
Hölle und 3) Seelenwanderung. Gegen die erste Annahme nacn dem
' . • . & Tode.
sträubt sich, nicht nur der Egoismus, sondern eine uns ein-
wohnende, tiefer als alle Erkenntnis wurzelnde Gewifsheit
unserer metaphysischen, keinem Entstehen und Vergehen unter-
worfenen Wesenheit; die zweite Annahme, welche für ein so
284 XIV. Die Seelenwanderung.
kurzes, irrsames und allen Zufälligkeiten der Erziehung und
Lebenserfahrung unterworfenes Dasein ewigen Lohn oder
ewige Strafe in Aussicht stellt, richtet sich schon durch das
unerhörte Mifs Verhältnis, in dem hier Ursache und Wirkung
zu einander stehen, und so bleibt, für die empirische (streng
genommen unstatthafte) Erwägung des Problems nur die dritte
Annahme übrig, dafs unser Dasein nach dem Tode in andern
Formen, andern räumlichen und zeitlichen Verhältnissen seine
Fortsetzung findet, also in gewissem Sinne eine Seelenwande-
rung, und auch der bekannte Beweis Kants, welcher die Un-
sterblichkeit auf die nur in unendlichem Annäherungsprozefs
erreichbare Verwirklichung des uns eingeborenen Sittengesetzes
gründet, würde nicht für eine Unsterblichkeit im herkömm-
lichen Sinne, sondern für die Seelenwanderung sprechen.
Die wahr- Sonach ist die Seelenwanderungslehre zwar nicht die
taeit im Oe- . •
wände des strenge philosophische Wahrheit, jedoch ein Mythus, welcher
eine für uns unfafsbar bleibende Wahrheit vertritt und daher
ein schätzbares Surrogat derselben ist. Könnten wir von ihm
das intellektuelle Schema von Raum, Zeit und Kausalität in
Abzug bringen, so würden wir die volle Wahrheit haben: wir
würden dann einsehen, dafs die unaufhörliche Wiederkehr der
Seele nicht in Zukunft und in andern Räumen, sondern schon
hier und in der Gegenwart sich verwirklicht, dafs aber dieses
Hier allgegenwärtig und diese Gegenwart eine ewige ist.
Diese Anschauungen stimmen im wesentlichen überein mit
denen des spätem Vedänta, welcher den Glauben an die Seelen-
wanderung festhält, jedoch nur für die exoterische Anschauung
der aparä vidyä; für die esoterische, parä vidyä, kommt mit
der Realität der Wrelt auch die Realität der Seelenwanderung
in Wegfall.
Wir wollen jetzt versuchen, die Genesis dieses merk-
würdigen Dogmas an der Hand der vedischen Texte zu ver-
verhütung folgen. Vorher aber müssen wir noch einem Mifsverständnisse
verstand- vorbeugen. Wenn es gelegentlich von den Vätern heifst, dafs
sie „einherziehen, das Aussehen von Vögeln annehmend", oder
wenn die Seele der sterbenden buddhistischen Mutter in ein
Schakalweibchen eingeht, um ihren reisenden Sohn vor dem
unheilvollen Walde zu warnen, wenn die Toten in ein die
1. Philosophische Bedeutung. 285
Grabesstätte der Gebeine umschwirrendes Insekt fahren, wenn
die Väter zu den Wurzeln der Pflanzen hinschlüpfen (Olden-
berg, Religion des Veda, S. 563. 581. 582), so sind dies popu-
läre Vorstellungen, welche mit dem Hineinfahren des Vetäla
in den Leichnam oder dem Beseelen mehrerer Leiber durch
den Yogin auf einer Linie stehen, mit dem Seelenwanderungs-
glauben aber nichts zu tun haben, — so wenig wie die alt-
ägyptische Vorstellung, dafs der Tote wiederkommen kann,
Gestalten anzunehmen, welche er will (welche von Herodot
2,123 mifsverständlich auf Seelen Wanderung gedeutet worden
zu sein scheint), oder die sieben Weiber in dem Goetheschen
Gedichte, welche des Nachts als sieben Werwölfe erscheinen.
Abergläubische Vorstellungen wie diese haben bei allen Völ-
kern und zu allen Zeiten bestanden, sind aber kein Seelen-
wanderungsglaube und haben auch diesen, wenigstens in In-
dien, nicht hervorgebracht, ja auch schwerlich irgendwelchen
Einflufs darauf geübt, indem, wie wir zeigen werden, die.
Theorie der Seelenwanderung beruht auf der Überzeugung
von der Vergeltung der guten und bösen Werke, welche man
zuerst im Jenseits eintreten liefs, dann aber, aus Gründen, die
uns die Texte aufschliefsen werden, aus jenem imaginären
Jenseits ins Diesseits verlegte. Wenn dabei diese Vergeltung
mitunter sogar zu einem tierischen oder pflanzlichen Dasein
führt, so ist dies nur eine nebenbei sich ergebende Konsequenz,
auf welcher durchaus nicht der Nachdruck liegt, so sehr auch
gerade dieser Umstand den Gegnern der Seelenwanderungs-
lehre von jeher als besonders charakteristisch erschienen ist
und seit den Zeiten des Xenophanes (Diog. L. 8,36) ihren
Spott hervorgerufen hat.
2- Altvedische Eschatologie.
In keinem vedischen Texte vor den Upanishad's ist die Keine
Seelenwanderungslehre nachzuweisen, wiewohl sie von den Wanderung
Upanishad's selbst schon in den Rigveda zurückverlegt wird, upanl-
Aber gerade die geflissentliche Art, mit der dies geschieht, sbad'8'
spricht dafür, dafs wir es mit einem neu aufkommenden Dogma
zu tun haben, für welches eine Bestätigung in altheiligen
286 XIV. Die Seelenwanderung.
Texten gesucht wurde. Drei Stellen kommen hier in Be-
tracht.
vermeint- Brih. 1,4,10 wird von Vämadeva, dem Dichter von Rig-
kommenlm veda IV, gesagt, dafs er (vermöge einer gästra-drishfi, einer
.lgveda. mspinerten Anschauung, wie Bädaräyana 1,1,30 bei Erwähnung
dieses Falles sagt) sich als Brahman erkannt habe, und als
Beweis für sein Brahmanwissen wird das Durchschauen seiner
früheren Geburten als Manu und Sürya angeführt: „Dieses
erkennend hub Vämadeva, der Rishi, an (Rigv. 4,26,1):
Ich war einst Manu, ich war einst die Sonne".
Deutlicher noch wird Ait. 2,4 die Autorität des Vämadeva
angerufen, um zu beweisen, dafs auf die erste Geburt (als
Kind) und die zweite Geburt (duroh die geistliche Erziehung)
eine dritte Geburt nach dem Tode erfolge: „Nachdem er voll-
bracht, was zu tun, und alt geworden, scheidet er dahin;
dieser wird, von hier abscheidend, abermals geboren; das ist
seine dritte Geburt. Darum sagt der Rishi (Rigv. 4,27,1):
Im Mutterleibe noch verweilend, hab' ich
Erkannt alle Geburten dieser Götter;
Mich hielten hundert eiserne Burgfesten,
Doch, als ein Falke, schnellen Flugs, entfloh ich.
Also hat, da er noch in dieser Weise im Mutterleibe lag,
Vämadeva gesprochen." Das Zitat aus dem Vämadevahymnus
hat an dieser Stelle nur dann einen Sinn,- wenn man unter
dem Falken die Seele und unter den eisernen Burgfesten die
von ihr durchwanderten Leiber (vgl. Brih. 2,5,18) versteht.
Dafs beide Vämadevazitate mit der Seelenwanderungslehre
nichts zu tun haben, bedarf keiner Ausführung. In dem
ersten rühmt Indra seine Zaubermacht, die ihm erlaubt, allerlei
Gestalten anzunehmen (vgl. Rigv. 6,47,18: Indro mäyabhih
pnrtirfijia' tyate); in dem zweiten schildert entweder der schon
im Mutterleibe weise Falke des Indra, wie er seine befestigten
Wohnsitze verläfst, um den Soma vom Himmel zu holen, —
oder es ist der weise Soma selbst, welcher erzählt, wie er,
aus seinen eisernen Burgfesten vom Falken entführt, „als
Falke" (d. h. von diesem getragen) auf die Erde herabkommt.
2. Altvedische Eschatologie. 287
Mehr scheint es auf den ersten Blick mit einem dritten
Zitate auf sich zu haben. In dem grofsen Seelenwanderungs-
texte heifst es hei Erwähnung des Götterweges Brih. 6,2,2:
„Und hast du wohl auch das Wort des Weisen nicht ver-
nommen, der da spricht:
Zwei Wege, hört' ich, gibt es für die Menschen:
Den Weg der Väter und den Weg der Götter.
Auf diesen findet alles sich zusammen,
Was zwischen Vater sich und Mutter reget."
Diese Übersetzung ist richtig im Sinne der Upanishad, nicht
aber im Sinne des Originals, welches sich (von keinem der
bisherigen Übersetzer vermerkt) Rigv. 10,88,15 findet in einem
Hymnus, der den Agni in seiner doppelten Rolle als Sonne
bei Tage und als Feuer bei Nacht feiert. Nach diesem Zu-
sammenhange kann es kaum zweifelhaft sein, dafs unter den
beiden Wegen, welche alles vereinigen, was zwischen Erde
und Himmel sich regt, Tag und Nacht zu verstehen und dem-
entsprechend zu übersetzen ist: „Von den Vorfahren hörte
ich, dafs es zwei Wege gibt für die Götter sowohl wie die
Menschen". Sie alle sind den Gesetzen des Tages und der
Nacht unterworfen.
Die Hymnen des Rigveda wissen somit noch nichts von Eschato-
einer Seelenwanderung, sondern lehren für die Guten ein Hymnen
Fortleben unter Führung des Yama bei den Göttern ■, für die mana-s.
Bösen ein nur dunkel angedeutetes Fahren in die Tiefe. Dies
ist auch der Standpunkt der Atharvahymnen und Brähmana's:
nur dafs sich die Vorstellung einer Vergeltung der Werke im
einzelnen entwickelt. Aber diese Vergeltung liegt immer nur
im Jenseits, und erst in den Upanishad's wird sie ins Dies-
seits verlegt. Ein kurzer Blick auf die altvedische Eschato-
logie wird dies bestätigen.
Das unsterbliche Fortleben bei den Göttern erscheint in Fortleben
. . .... nach dem
vielen, namentlich den älteren, Hymnen des Rigveda als eine Tode,
besondere Gnadengabe der Götter, um deren Verleihung Agni
(1,31,7), die Marut's (5,ö5,4), Mitra-Varuna (5,63,2), Soma
(1,91,1) und andere Götter angefleht werden, und welche
namentlich dem freigebigen Spender in Aussicht gestellt wird
288 XIV. Die Seelenwanderung.
(yah prinäti, sa ha deveshu gacchati usw. 1,125,5 — 6). Später-
Yama. hin ist es Yama, der erste Mensch, welcher für viele Nach-
geborene den Weg zu jenen lichten Höhen gefunden hat und
dort als Zusammenscharer der Menschen (sanigamano jandnäm)
thront (10,14,1 fg.). Um zu ihm zu gelangen, mufs die Seele
des Toten glücklich vorüberkommen <an den beiden bunt-
scheckigen, vieräugigen, breitnasigen Hunden des Yama
(10,14,10), welche, wie es scheint, den Eingang zur Himmels-
welt bewachen und nicht jedem gestatten, worin wohl die erste
Spur eines Totengerichtes zu finden ist, wie es in der spät-
indischen Eschatologie von Yama geübt wird. Nach anderer
Anschauung (10,14,12) haben diese Hunde die Aufgabe, unter
den Menschen umherzuwandern und die ,zum Sterben Be-
stimmten abzuholen. Nach 10,165,4 ist die Taube (Jcapota)
der Todesbote des Yama; auch von der FufssGhlinge oder dem
Fangnetze (padbtgam) des Yama ist 10,97,16 die Rede, so dafs
er schon für die Sänger des Rigveda auch die Schrecken des
Todes repräsentiert. Aber überwiegend ist in dieser altern
Zeit die Auffassung des Yama als des Fürsten im Reiche der
Seligen, wie er in der Ferne (1,36,18), mitten im Himmel
(10,15,14), im Schofse der Morgenröte (10,15,7), im höchsten
Himmel (Väj. Samh. 18,51. Atharvav. 18,2,48), in ewigem Lichte
(9,113,7) thront. Dort sitzt er, mit den Göttern zechend,
Seligkeit unter einem schönbelaubten Baume (10,135,1), dort scharen
men. sich um ihn die Abgeschiedenen, um den Yama, den Varuna
zu schauen (10,14,7); sie lassen das Unvollkommene hinter
sich und kehren zu ihrer wahren Heimat zurück (hitväya
avaäyam punar astam ehi, 10,14,8), zu der Weideflur, die ihnen
niemand mehr rauben wird (10,14,2), wo nicht mehr der
Schwache dem Starken tributpflichtig ist (Atharvav. 3,29,3),
wo sie unsterblich fortlebend in Gemeinschaft mit Yama, mit
den Göttern „am Festmahl sich erfreuen" (sadhamädam ma-
danti, Rigv. 10,14,10. Atharvav. 18,4,10 usw.). Man hat sich
mehrfach beflissen, den sinnlichen Charakter hervorzuheben,
den die altvedischen Schilderungen des Fortlebens im Jenseits
tragen. Hierzu ist zu bemerken, dafs ein Vorstellen der himm-
lischen Freuden nach Analogie der irdischen dem Menschen
natürlich und (soweit man nicht bei der blofsen Negation
2. Altvedische Eschatologie. 289
stehen bleiben will) unvermeidlich ist, dafs auch Jesus sich
das Himmelreich als eine festliche Versammlung vorstellt, bei
der zu Tisch gegangen (Matth. 8,11) und Wein getrunken wird
( Matth. 26,29), dafs auch ein Dante undMilton nicht umhin konn-
ten, dieser irdischen Welt alle Farben zu ihren Gemälden zu ent-
lehnen. Übrigens zeigen sich in den altvedischen Schilderungen
des Jenseits, je nach der Individualität des Dichters, grofse
Verschiedenheiten, von der im Gemeinsinnlichen schwelgenden
Phantasie des Dichters von Atharvav. 4,34 an (der seine Ge-
sinnungsweise schon genugsam bekundet durch die Art, wie
er seinen Reisbrei und dessen Schenkung an die Brahmanen
preist, — fast möchte man das Ganze für eine Parodie halten,
doch vgl. oben I, i, S. 209), bis hinauf zu der mehr geistigen
Anschauungsweise der schönen Verse, Rigv. 9,113,7 — 11, die
wir (mit Auslassung des Refrains) hier übersetzen.
7. Das Reich, wo unerschöpflich Licht,
Aus dem entspringt der Sonne Glanz,
In dieses Reich versetze mich,
Das ewige, unsterbliche.
8. Dort, wo als König Yama thront,
Im Heiligsten der Himmelswelt,
Wo Wasser stets lebendig strömt,
Dort lasse mich unsterblich sein.
9. Wo Wandeln ist nach Lust, wo sich
Der dritte, höchste Himmel wölbt,
Wo lichterfüllte Räume sind,
Dort lasse mich unsterblich sein.
1 0. Wo Wünschung und Auswünschung, wo
Der Sonne andre Seite scheint,
Wo Labung ist und Sättigung,
Dort lasse mich unsterblich sein.
11. Wo Wonne ist und Seligkeit,
Wo Freude über Freude wohnt,
Wo sich der Sehnsucht Sehnen stillt,
Dort lasse mich unsterblich sein.
Dort wohnen auch die ,, Väter" zusammen mit den Göttern; steiiungder
wie diese, werden sie angerufen, herbeizukommen und das
Dbtjssen, Geschichte der Philosophie. I, n. 19
290 XIV. Die Seeleiiwaiiderung.
Opfer zu geniefsen; wie den Göttern, werden auch den Vätern
die Wunderwerke der Schöpfung (8,48,13), das Schmücken
des Himmels mit Sternen (10,68,11), das Heraufführen der
Sonne (10,107,1) usw. zugeschrieben. So stehen sie im all-
gemeinen auf gleicher Stufe mit den Göttern, und wenn auch
gelegentlich eine Andeutung von verschiedenen Aufenthalts-
orten der Väter schon im Rigveda (10,15,1 — 2) sich findet,
so ist ihm doch eine Unterscheidung von verschiedenen Graden
der Seligkeit, wie sie ein späterer Text für die Väter, die
geborenen Götter und die Werkgötter annimmt (Brih. 4,3,33.
Taitt. 2,8), noch fremd.
Die Bösen. Über das Schicksal der Bösen enthält der Rigveda nur
dunkle Andeutungen. Sie sind „prädestiniert für jenen tiefen
Ort" {idam padam ajanata gabMram, 4,5,5), werden von Indra
und Soma in die Höhle (vavra), in bodenlose Finsternis
(unärambhartcun tamas) gestofsen (7,104,3), in die Grube (harta,
9,73,8), in die äufserste Finsternis (10,152,4); vielleicht ist
auch „die blinde Finsternis" (andham tamas), der schon nach
Rigv. 10,89,15. 10,103,12 die Feinde verfallen sollen, hierher-
zuziehen, ein Ausdruck, der von den Upanishad's öfter ge-
braucht wird (Brih. 4,4,10 — 11. ica 3. 9. 12, vgl. Käth. 1,3),
nur dafs sie unter den „freudlosen, mit blinder Finsternis be-
deckten Welten", in die der Nichtwissende nach dem Tode
fährt, nicht mehr eine imaginäre Hölle, sondern diese Welt
verstehen, in der wir leben.
Fortent- Die eschatologischen Anschauungen des Rigveda treten
dTe^'An- uns, weiter entwickelt, in den Atharvahymnen und Brähmanas
8cha««ngen. entgegen> über das Schicksal der Guten und Bösen finden
sich einige nähere Angaben. Schon an die spätem Höllen-
schilderungen erinnern Verse wie Atharvav. 5,19,3. 13:
Die den Brahmanen anspieen,
Auf ihn warfen den Nasenschleim,
Die sitzen da in Blutlachen,
Als Nahrung kauend eignes Haar.
Die Tränen, die herabrollten,
Des Jammernden, Gequälten, die
Haben Götter als Trinkwasser,
Brahmanenquäler, dir bestimmt.
2. Altvedisihe Eschatologie. 291
Eingehender schildern die Brähmana's „die Welt der
Werkfrommen'' {suteritäm loJat, ein Ausdruck, der im Rigveda
nur einmal, 10,16,4, vorkommt, dann aber, bezeichnenderweise,
immer häufiger wird, Väj. Samh. 18,52. Atharvav. 3,28,6.
9,5,1. 11,1,17. 18,3,71 usw.). Sie erstehen im Jenseits nach
ihrem ganzen Leibe mit allen Gliedern und Gelenken (sarva-
tanu, sarvdnga, sarvapams, Atharvav. 11,3,32. Qatap. Br. 4,6,1,1.
11,1,8,6. 12,8,3,31); aber dieser Leib ist ein verklärter, und je
nach dem Grade ihrer Opferleistungen brauchen viele Fromme
im Jenseits nur einmal in vierzehn Tagen, vier Monaten, sechs
Monaten, zwölf Monaten, hundert Jahren Nahrung zu sich zu
nehmen, oder sie können dieselbe auch ganz entbehren (Qatap.
Br, 10,1,5,4). So leben sie in ewiger Gemeinschaft, Welt-
gemeinschaft, Wesensgemeinschaft (säyujyam , salökatä, sarü-
patä) mit den Göttern, mit Äditya (Ait. Br. 3,44. Taitt. Br.
3,10,9,11), mit Agni, Varuna, Indra (Qatap. Br. 2,6,4,8), oder
auch schon mit dem unpersönlichen Brähman (Qatap. Br. 11,4,4,2).
Ja, Qatap. Br. 10,5,4,13 heifst es von dem Wissenden schon:
,, Selbiger ist frei von Verlangen, im Besitze alles Verlangten,
nicht [lockt] ihn das Verlangen nach irgend etwas. Darüber
ist dieser Vers:
Durch Wissen steigen sie aufwärts
Dorthin, wo das Verlangen schweigt;
Nicht Öpfergabe reicht dorthin,
Nicht Bufse des Nichtwissenden.
Denn nicht kann jene Welt durch Opfergaben, nicht durch
Askese erlangen, wer solches nicht weifs. Denn nur dem
solches Wissenden gehört jene Stätte." — Hier tritt schon an
Stelle des Werkes und der Askese das Wissen und, ent-
sprechend, an Stelle der himmlischen Herrlichkeit die Er-
lösung; diese setzt somit die Seelenwanderung nicht voraus
(wie Weber, Zeitschr. d. D. M. G. IX, 239, annimmt), denn
von Seelenwanderung ist vor den Upanishad's noch keine
Rede. Wohl aber liegen die Voraussetzungen derselben schon
in den Brähmana's, wie wir jetzt nachweisen wollen.
19'
292 XIV. Die Seelenwanderung.
3. Die Keime der Seelemvanderunjyslehre.
Die idee Es ist der Hauptzweck der Brähmana's, rituelle Werke
der Vergel-
tung, vorzuschreiben und für deren Vollbringung mannigfachen Lohn,
mitunter auch für die Unterlassung Schaden und Strafe in
Aussicht zu stellen. Indem sie diese Belohnungen wie auch
Strafen teilweise ins Jenseits verlegen, tritt an Stelle der alt-
vedischen Vorstellungen von einer unterschiedslosen Seligkeit
der Frommen die Idee der Vergeltung und damit die
Notwendigkeit, den Abgeschiedenen, je nach ihrem Wissen
und ihren Werken, verschiedene Lose im Jenseits in Aussicht
zu stellen. Wie aber die älteste Form der Strafe bei allen
Naturvölkern die Bache ist, so besteht auch diese Vergeltung-
ursprünglich darin, dafs alles Gute und Böse, welches wir
hier jemand angetan haben, von ebendemselben im Jenseits
' uns wiederum angetan wird. Einen drastischen Ausdruck
findet diese Theorie in dem Ausspruche Qatap. Br. 12,9,1,1:
,,Denn welche Speise der Mensch in dieser Welt isset, die-
selbige isset ihn ciafür wieder (joraty-atti) in jener Welt".
Einen Beleg dazu bietet die Erzählung Qatap. Br. 11,6,1 von
der Vision der Strafen im Jenseits, welche dem Bhrigu zu-
teil wurde, und wir dürfen Weber, welcher (Zeitschr. d. D.
M. G. IX, 237 fg.) diese Fragen zuerst besprochen hat, wohl
vollständig beistimmen, wenn er die liturgische Ausdeutung
dieser Vision für eine sekundäre Zutat des Brähmanaverfassers
erklärt (vgl. unsere analoge Vermutung bei einem andern
Falle, oben I, i, S. 177). Nach Abzug derselben bleibt als
Kern übrig, dafs Bhrigu in den verschiedenen Regionen
schreiende Männer sieht, von welchen andere schreiende Män-
ner Glied für Glied zerhauen, zerschnitten und verzehrt werden
unter den Worten: ,,so haben diese uns in jener Welt getan,
und so tun wir ihnen in dieser Welt wieder". Der Schlafs
der Vision von dem schwarzen Mann mit gelben Augen und
dem Richterstab in der Hand, zu dessen Seiten die schöne
und die häfsliche Frau (die guten und bösen Werke) stehen,
läfst über deren ursprünglichen Sinn wohl keinen Zweifel.
Verschie- x ° ...,-,
dene Aus der primitiven Vergeltungslehre, wie sie dieses durch
Schicksale
im Jenseits. Zufall in einem spätem Brähmanatexte aufbewahrte Stück
3. Die Keime der Seelemvanderungslehre. 293
zeigt, mag sich dann allmählich der Begriff einer ausgleichen-
den Gerechtigkeit entwickelt haben, wie er hervortritt Qatap.
Br. 11,2,7,33: „Denn auf eine Wage legen sie es [das Gute
und Böse] in jener Welt. Und welches von beiden über-
wiegen wird, dem wird er nachfolgen, sei es dem Guten oder
dem Bösen." Nicht alle finden, nach etwas andrer Anschauung,
den Weg zur Himmelswelt, Taitt. Br. 3,10,11,1: „manch einer
vermag, wenn er aus dieser Welt dahinscheidet, seine Stätte
nicht aufzufinden, sondern, vom Feuer [bei der Leichenver-
brennung] verwirrt und vom Rauche beklommen, findet ei-
serne Stätte nicht auf". Andre werden für ihre Missetaten
auf kürzere oder längere Zeit von der Väter weit ferngehalten,
Taitt. Sainh. 2,6,10,2: „wer einen [Brahmanen] bedroht, der
soll es büfsen mit hundert [Jahren] ; wer sich an ihm vergreift,
mit tausend; wer aber sein Blut vergiefst, der soll, so viele
Staubkörnchen dasselbe hervorströmend benetzt, so viele Jahre
die Väterwelt nicht finden ; darum soll man einen Brahmanen
nicht bedrohen, nicht angreifen, nicht sein Blut vergiefsen,
denn um eine so grofse Versündigung handelt es sich dabei".
Hier scheint die „Väterwelt" noch, wie im Bigveda, als höch-
stes Ziel vorzuschweben; mit der Zeit aber trat ein Unter-
schied hervor zwischen dem Götterwege und dem Väterwege Götterweg
° . undVäter-
(Atharvav. 15,12 usw.), und entsprechend zwischen der weg.
Götterwelt als dem Aufenthalte der Seligen und der Väter-
weit als der Stätte der Vergeltung. Ähnlich schon wie in
der spätem Seelenwanderungslehre heifst es, dafs die Pforte
zur Himmelswelt im Nordosten (Qatap. Br. 6,6,2,4), und die
Pforte zur Väterwelt im Südwesten sich befindet (Qatap. Br.
13,8,1,5), eine Bestimmung, die umsomehr ins Gewicht fällt,
weil sie sich an zwei verschiedenen Stellen findet, somit nicht
einer gelegentlichen Systematisierung zuzuschreiben ist. Jeder
Mensch wird in der von ihm erwirkten Welt geboren (Qatap.
Br. 6,2,2,27), wir hören von einer „Unsterblichkeit", die nur
hundert Jahre dauert (Qatap. Br. 10,1,5,4), und dafs, wer den
Göttern opfert, „nicht eine so grofse Welt erwirbt, wie der,
welcher dem Ätman opfert" (Qatap. Br. 11,2,6,14). In einem
andern Texte wird gesagt, dafs „Tag und Nacht (die Zeit) in
jener Welt bei dem solches nicht Wissenden den Schatz [der
2(J4 XIV. Die Seelenwanderung.
guten Werke] aufzehren" (Taitt. Br. 3,10,11,2), und Naciketas
erbittet als zweiten Wunsch die Nichtversiegung (dkshiti) der
guten Werke (Taitt. Br. 3,11,8,5, oben I, i, S. 176). Beson-
ders häufig begegnen wir der Befürchtung, dafs, im Gegen-
satze zu der erhofften Unsterblichkeit {awritatoam, dem „nicht-
mehr-sterben-Können"), dem Menschen in der jenseitigen Welt
Der wiedör- ein abermaliges Sterben (jounarmrityn, der Wiedertod) bevor-
seits. stehen könne, gegen welches dann allerlei Mittel an die Hand
gegeben werden. Taitt. Br. 3,11,8,6 (oben I, i, S. 176): wer
das Naciketasfeuer schichtet oder weifs, der wehrt den Wieder-
tod ab; — Kaush. Br. 25,1: wer den Aquinoktialtag feiert,
der überwindet den Hunger und den Wiedertod; — Catap.
Br. 2,3,3,9: vom Wiedertode wird erlöst, wer also diese Er-
lösung vom Tode am Agnihotram weifs; — 10,1,4,14: der
Yajamäna, welcher das Feuer schichtet, wird zur Gottheit des
Feuers und überwindet dadurch den Wiedertod; — 10,2,6,19:
wer weifs, wie der Hunger vor der Nahrung flieht, der Durst
vor dem Tranke, das Unglück vor dem Glück, die Finsternis
vor dem Lichte, der Tod vor der Unsterblichkeit, vor dem
fliehen diese alle, und er wehrt den Wiedertod ab; — ebenso,
wer in bestimmter AVeise das Feuer schichtet (10,5,1,4), ein
bestimmtes Opfer bringt (11,4,3,20), i.i bestimmter Weise den
Veda studiert (11,5,6,9). So wird „die Abwehr des Wieder-
todesu schliefslich zur stereotypen Formel (10,6,1,4 fg.), die
gelegentlich auch da verwendet wird, wo sie keinen Sinn zu
geben scheint (12,9,3,11). Auch in altern Upanishadtexten
begegnen wir ihr: den Wiedertod wehrt ab, wer weifs, dafs
der Tod sein Selbst ist (Biih. 1,2,7), dafs die Opfer dem
Ätman gelten (Brih. 1,5,2), dafs es ein Wasser gibt, das
Feuer des Todes zu löschen (Brih. 3,2,10), dafs der Wind die
Besonderheit und Allgemeinheit ist (Brih. 3,3,2). — Dafs dieser
Der wieder- Wiedertod von einem abermaligen Sterben im Jenseits zu ver-
rucht stehen ist, lehren besonders zwei Stellen; Catap. Br. 12,9,3,12:
Wanderung, „damit bringt er seine Väter, welche sterblich sind, zur Un-
sterblichkeitsstätte, sie, die sterblich sind, läfst er von der
Unsterblichkeitsstätte aus wiedererstehen; wahrlich, der wehrt
von seinen Vätern den Wiedertod ab, der solches weifs"; —
£atap. Br. 10,4,3J0: „die nun solches wissen oder dieses Werk
3. Die Keime der Seeleirwanderungslehre. 295
tun, die entstehen nach dem Tode wieder, und indem, sie
wieder entstehen, so entstehen sie zur Unsterblichkeit; die
aber solches nicht wissen oder dieses Werk nicht tun, die
entstehen nach dem Tode wieder und werden immer wieder
und wieder seine Speise". Aus dem Parallelismus, den diese
Stelle zwischen Unsterblichkeit und Wiedertod aufstellt, er-
gibt sich, dafs auch der letztere nicht als Seelenwanderung,
sondern nur von einem Wiedererstehen und Wiedersterben
im Jenseits verstanden werden darf. Man brauchte aber nur
jenen Wiedertod aus dem imaginären Jenseits ins Diesseits
zu verlegen, um bei der Seelenwanderungslehre anzulangen.
Dies geschieht erst auf dem Boden der Upanishad's, und die
Gründe, welche zu diesem letzten Schritt veranlafsten, werden
sich uns nicht verbergen. Hier sei nur noch bemerkt, dafs
nicht alle Upanishadtexte die Seelenwanderung kennen oder
anerkennen, und wenn es Brih. 1,5,16 heifst: „die Menschen-
welt ist zu erwerben nur durch einen Sohn, nicht durch
sonst ein Werk; durch das Werk wird die Väterwelt, durch
das Wissen die Götterwelt erworben", so weifs auch noch
dieser Text nichts von Seelenwanderung, wenn er nicht gar
als ein Protest gegen dieses neu aufkommende Dogma
aufzufassen ist. — Ebenso können noch Stellen wie Brih.
1,4,15 (das gute Werk wird am Ende zunichte) und
sogar o,8,10 (Opfer und Askese bringt nur endlichen
Lohn) von einer Aufzehrung des Werkschatzes im Jenseits
verstanden werden.
4. Die Genesis der Seeleimanderungslehre.
Der Haupttext der Seelenwanderungslehre, von dem so v^ Haupt-
t i n Vi i • • text,Cliänd.
ziemlich alles r olgende abhängig ist, findet sich m zweifacher, 5,3-10
meist wörtlich übereinstimmender Rezension Chänd. 5,3 — 10
und Brih. 6,2 (£atap. Br. 14,9,1). Die Inder nennen ihn die
Fünffeuerlehre (pancägnividyä). Er ist, wie bereits Upanishad's
S. 137 fg. gezeigt wurde, zusammengeschweifst aus zwei ver-
schiedenen Teilen, der Fun ff euer lehre (im engern Sinne)
Chänd. 5,4,1—5,9,2 = Brih. 6,2,9—6,2,14, und der Zweiweg-
lehre Chänd. 5,10 == Brih. 6,2,15 — 16. Indem wir diese beiden
296 XIV. Die Seelenwanderung.
Namen für die beiden Teile reservieren, wollen wir das Ganze
hier und in der Folge kurzweg 'den Haupttext nennen.
Brih. 6,2 nur Auffallend ist zunächst, dafs dieser für alle Folge so
trag, hochwichtige Text sich Brih. 6,2 nur in einem Nachtragteile
(khiläkändam) findet, nicht in den beiden Hauptteilen dieser
Upanishad, dem Madhukändam Brih. 1 — 2 und dem Tdjnä-
vcdkyakändam Brih. 3 — 4. Als man diese beiden sammelte und
weiterhin mit einander verband, mufs er wohl noch nicht zu
haben gewesen sein; denn warum hätte man ihn sonst über-
gangen, da er doch später, seiner Wichtigkeit entsprechend,
Aufnahme fand? Schon dies weist darauf hin, dafs er spät
entstanden und ein sekundäres Produkt ist. Noch mehr sein
Inhalt.
Doppelte Der genannte Haupttext lehrt eine doppelte Vergeltung,
im Haupt- einmal durch Lohn und Strafe im Jenseits, sodann nochmals
texte.
durch Wiedergeburt auf der. Erde. Dies ist offenbar se-
kundär und nichts anderes als eine Verschmelzung der im
Veda überkommenen Vergeltung im Jenseits mit der neu auf-
gekommenen Vergeltung der Seelenwanderungslehre. Folglich
werden wir die ursprüngliche Seelenwanderungslehre da zu
suchen haben, wo sie für sich allein und ohne Verknüpfung
mit der altvedischen Vergeltung im Jenseits auftritt, und dies
führt uns zu den Yäjnavalkyapartien Brih. 3 und 4, in denen
wir nun schon so oft die ursprünglichste Form der Upanishad-
lehre gefunden haben. In ihnen können wir die Genesis der
Seelenwanderung mitsamt den zu ihr führenden Motiven noch
beobachten. Nach einer gleichfalls schon altvedischen, neben
der gewöhnlichen herlaufenden und mit ihr schwer vereinbaren
Auffassung gehen beim Tode des Menschen sein Auge zur
Sonne, sein Odem zum Winde, seine Rede zum Feuer, seine
Glieder in die verschiedenen Teile des Universums ein. An
diesen schon Rigv. 10,16,3 ausgesprochenen und Qatap. Br.
10,3,3,8 weiter ausgeführten Gedanken knüpft die Stelle an,
die wir hier in extenso mitteilen, da sie zum erstenmal.
Erstes vor- so weit wir sehen, und noch als ein grofses Geheimnis den
Seelen- Gedanken der Seelenwanderung ausspricht und zugleich die
' Motive erkennen läfst, welche zu dieser Verlegung der Ver-
geltung aus dem Jenseits ins Diesseits führten.
4. Genesis der Seelenwanderuugslehre. 297
Brih. 3,2,13: „«Yajnavalkya», so sprach er (der Sohn des
Ritabhäga), «wenn nach dem Tode dieses Menschen seine
Eede in das Feuer eingeht, sein Odem in den Wind, sein
Auge in die Sonne, sein Manas in den Mond, sein Ohr in
die Pole, sein Leib in die Erde, sein Atman in den Äkäc.a
{Weltraum), seine Leibhaare in die Kräuter, seine^Haupthaare
in die Bäume, sein Blut und Samen in das Wasser, — : wo
bleibt dann der Mensch'?)' — Da sprach Yajnavalkya:
«Fafs mich, Artabhäga, mein Teurer, an der Hand; darüber
müssen wir beiden unter uns allein uns verständigen, nicht
hier in der Versammlung». — Da gingen die beiden hinaus
und beredeten sich; und was sie sprachen, das war Werk,
und was sie priesen, das war Werk. — Fürwahr, gut wird
einer durch gutes Werk, böse durch böses."
In den letzten Worten wird das Motiv, welches dem Motive der
Dogma der Seelenwanderung zugrunde liegt, klar ausge- demngs-
sprochen. Es ist die grofse, von Geburt an vorhandene, mo-
ralische Verschiedenheit der Charaktere, welche schon den
Sängern des Rigveda zu denken gab (10,117,9, oben I, i, S. 94),
und die an unsrer Stelle der Philosoph daraus erklärt, dafs
der Mensch schon vor seiner Geburt einmal da war, und dafs
sein angeborener Charakter die Frucht und Folge eines vorher-
gegangenen Tuns ist.
Deutlicher noch spricht sich Yajnavalkya in der berühmten
Stelle Brih. 4,4,2 — ß aus, wo es, nach Schilderung des Aus-
zuges der Seele aus dem Leibe, unmittelbar daran anschliefsend
heilst :
„Dann nehmen ihn das Wissen und die Werke bei der
Hand und seine vormalige Erfahrung (pürvaprajnä). — Wie
eine Raupe, nachdem sie zur Spitze des Blattes gelangt ist,
einen andern Anfang ergreift und sich selbst dazu hinüber-
zieht, so auch die Seele, nachdem sie den Leib abgeschüttelt
und das Nichtwissen [d. h. die empirische Existenz] losgelassen
hat, ergreift sie einen andern Anfang und zieht sich selbst
dazu hinüber. — Wie ein Goldschmied von einem Bildwerke
den Stoff nimmt und daraus eine andere, neuere, schönere
Gestalt hämmert, so auch diese Seele, nachdem sie den Leib
abgeschüttelt und das Nichtwissen losgelassen hat, so schafft
298 XIV. Die Seelenwauderung.
sie sich eine andere, neuere, schönere Gestalt, sei es der Väter
o'der der Gandharven oder der Götter oder des Prajäpati
oder des Brahmän, oder anderer Wesen. ... Je nachdem
einer nun besteht aus diesem oder jenem, je nachdem er han-
delt, je nachdem er wandelt, danach wird er geboren: wer
Gutes tat, wird als Guter geboren, wer Böses tat,
wird als Böser geboren, heilig wird er durch heiliges
Werk, böse durch böses. — Darum, fürwahr, heilst es (vgl.
Oatap. Br. 10,(3,3,1. Chänd. 3,14,1, oben I, i, S. 264. 336): «Der
Mensch ist ganz und gar gebildet aus Begierde (häma); je
nachdem seine Begierde ist, danach ist seine Einsicht (hratu),
je nachdem seine Einsicht ist, danach tut er das Werk (Jtar-
man), je nachdem er das Werk tut, danach ergehet es ihm».
— Darüber ist dieser Vers:
Dem hängt er nach, dem streht er zu mit Taten,
AVonach sein inn'rer Mensch und sein Begehr steht:
Wer angelangt zum Endziele
Der Werke, die er hier hegeht,
Der kommt aus jener Welt wieder
Zu dieser Welt des Werks zurück.
So geht es mit dem Verlangenden (kämayamäna)."
Koch keine Diese Stelle kennt noch keine doppelte Vergeltung, im
Vergeltung. Jenseits und wiederum auf Erden, sondern nur eine solche
durch Seelenwanderung: sofort nach dem Tode geht die Seele,
je nach ihren guten oder bösen Werken, in einen neuen Leib
ein. Dies ergibt sich zur Evidenz nicht nur aus dem Bilde
von der Raupe, die, sowie sie das eine Blatt aufgezehrt hat,
sich zu einem andern hinüberzieht, sondern auch daraus, dal's
das Gebiet der Seelenwanderung sich durch Menschenwelt,
Vüterwelt und Götterwelt bis zu Prajäpati und dem persön-
lichen Brahmän hinauf erstreckt, dafs mithin Väterwelt und
Götterwelt nicht, wie nach der spätem Theorie, für eine Ver-
geltung neben und aufser derjenigen durch Seelenwanderung
verwendet werden können. Anders wäre es, wenn wir in dem
angehängten Verse präpya antam mit Qankara als bhuktvä
phalam auffassen müfsten: „nachdem er (im Jenseits) die Frucht
der W^erke genossen, kehrt er aus jener Welt zu dieser Welt
4. Genesis der Seelenwanderungslehre. 299
des Werkes zurück". In diesem Falle würde der Vers (der
jedenfalls eine spätere Zutat ist) mit dem Vorhergehenden
in Widerspruch stehen. Er kann aber sehr wohl auch be-
deuten: „Nachdem er mit einem Lebenslaufe (wie die Raupe
mit ihrem Blatte) fertig ist, so kehrt er nach dem Tode zu
einem neuen Lebenslaufe wieder".
Somit kennt die Eschatologie des Yajnavalkya (Brih. 1 — 5)
noch keine doppelte Vergeltung, im Jenseits und abermals
durch einen neuen Lebenslauf, sondern, wie es auch natürlich
ist, nur eine einfache durch Wiedergeborenwerden im Reiche
der empirischen Realität (Menschenwelt, Väterwelt, Götter-
welt); an die Stelle der altvedischen Vergeltung im Jenseits
ist die Vergeltung durch Seelenwanderung getreten ; von dem
Erlösten heifst es nicht mehr: „er wehrt den Wiedertod ab",
sondern: „er kehrt nicht wieder zurück" (Chänd. 4,15,6. 8,15.
Brih. 6,2,15. Pracna 1,10 etc.).
5. Die Fortbildung der Seelenwanderungslehre.
In den Religionen pflegt, wie wir schon öfter hervorhoben Fortbe-
^"^ stGliGO. (Igt
(obenl, i, S. 180. I, n, S. 107 fg.), neben den neu aufkommenden Vergeltung
Gedanken das Alte seine durch die Tradition geheiligten Rechte neben der
zu behaupten. So sehen wir auch hier, wie neben dem Glau- wieder-
ben an eine Wiederkehr zur Erde die alten Vorstellungen von kehr'
einer Vergeltung des Guten und Bösen im Jenseits fortbestehen .
und mit der Seelen Wanderungslehre eine Verbindung eingehen,
so dafs nun alle guten und bösen Werke eine doppelte Ver-
geltung erfahren, einmal im Jenseits und wiederum durch ein
neues Erdenleben, wodurch das bereits voll und ganz Ver- Das schon
goltene nochmals vergolten, und eigentlich der ganze Begriff ^fhmaiT
der Vergeltung aufgehoben wird. Dies geschieht in dem Haupt- vers°lten
texte der Seelenwanderungslehre, Chand. 5,3 — 10 == Brih. 6,2.
Wir haben aber, wie bereits bemerkt und wie Upanishad's
S. 137 des weitern nachgewiesen, in diesem Haupttexte zwei zwei Teile
Teile zu unterscheiden, einen altern Teil Chänd. 5,4 — 9 (Brih. c textes.
6,2,9 — 14), den wir als Fünffeuerlehre (im engern Sinne ).
und einen Jüngern Chänd. 5,10 (Brih. 6,2,15), den wir als
Zw ei weg lehre bezeichnen wollen. Auf erstere beziehen
300 XIV. Die Seelenwanderung.
sich zwei, auf die letztere die drei übrigen der zu Eino-ano;
gestellten Fragen. Die Verschiedenheit beider Teile ergibt
sich, neben andern Up. S. 139 angeführten Gründen, schon
zur Evidenz daraus", dafs der Glaube, graddhä, nach der Zwei-
weglehre in Brahman ohne Wiederkehr führt, während er
nach der Fünffeuerlehre gerade das Vehikel für die Rückkehr
zur Erde bildet.
i>ie Fünf- rjer erste, ältere Teil, die Fünf feuerlehre, nimmt allem
feuerlehrc. ,
Anscheine nach, ebenso wie die angeführten Aussprüche des
Yäjfiavalkya, keine Vergeltung im Jenseits an, sondern schil-
dert, wie die Seele, nachdem sie bei der Leichenverbrennung
„in lichtfarbener Gestalt" (Brih. 6,2,14) zum Himmel gefahren
ist, von dort sofort, wie es scheint, durch die drei Weltgebiete,
Himmel, Luftraum, Erde, sowie durch den väterlichen und
mütterlichen Leib als fünf Durchgangsstationen zu einem neuen
Erdendasein zurückkehrt. Dies ist die Beantwortung der
zu Eingang gestellten Frage: „Weifst du, wie bei der fünften
Opferung die Wasser mit Menschenstimme redend werden
(Chänd: 5,3,3. Brih. 6,2,2)?" Wie bei Yäjfiavalkya als ein
grofses Geheimnis (Brih. 3,2,13, oben S. 297), so tritt auch
hier noch die Seelenwanderungslehre als etwas Neues, nicht
zu Profanierendes, in mystischer Verhüllung auf. So nahe
nämlich den Christen, die den Leichnam begraben, der
Vergleich desselben mit dem in die Erde gesenkten Samen-
korn liegt (1. Kor. 15), so nahe liegt es in Indien, wo die
Leiche verbrannt wird, diese Verbrennung als eine Opferung
aufzufassen. Und wie der ins Feuer gegossene Opfertran k
(Milch, Soma usw.) in vergeistigter Gestalt zu den Göttern
aufsteigt, so steigt das Unsterbliche des Menschen aus dem
Leichenfeuer zum Himmel empor. Dieses Unsterbliche hiefs
bei Yäjfiavalkya Jcarman, das- Werk (oben S. 297), in imsrer
Stelle wird es, in Analogie mit der Opferflüssigkeit als „das
Wasser" und weiterhin als „der Glaube" bezeichnet. Diese
mystisch verhüllenden Ausdrücke machen den Vedänta-
theologen viel zu schaffen (System des Vedänta S. 401. 408),
bedeuten aber im Grunde das Nämliche, sofern die eigentliche
Essenz und sozusagen die Seele des als Opferflüssigkeit (äpas)
emporsteigenden Werkes (Toarman) der Glaube (graddha) ist,
5. Fortbildung der Seelernvanderungslehre. 301
mit welchem es dargebracht wurde. Dieses „Werk", wie
Yäjnavalkya, dieser „Glaube", wie unsre Stelle wohl im An-
schlufs an ihn sagt, steigt als das Unsterbliche des Menschen
zum Himmel auf und wird dort von den Göttern fünfmal
hinter einander in den Opferfeuern des Himmels, des Luft-
raums, der Erde, des Mannes und des Weibes geopfert, wo-
durch es der Reihe nach aus Glaube zu Soma, aus Soma zu
Regen, aus Regen zur Nahrung, aus der Nahrung zum Sperma,
aus dem Sperma zum Embryo wird und so zu einem aber-
maligen Dasein auf der Erde führt.
Viel weiter entwickelt ist die zweite Hälfte des Haupt-
textes, welche wir die Zweiweglehre nennen wollen, und Die Zwei-
• . weglehre.
welche, die altvedische Eschatologie mit dem Seelenwanderungs-
dogma verknüpfend, eine doppelte Vergeltung (und somit eine
Vergeltung des schon Vergoltenen) lehrt, einerseits im Jen-
seits und dann nochmals durch Rückkehr zur Erde. Zu diesem
Zwecke läfst sie die Seele des Verstorbenen auf zwei ver-
schiedenen Wegen aufsteigen, dem Devayäna (Götterweg) und
Pitriyäna (Väterweg), welche durch manche, zum Teil wunder-
liche Stationen hindurchführen, die sich jedoch aufhellen lassen,
wenn man die Entstehung der Lehre in Betracht zieht. Schon
im Rigveda und in den Brähmana's wird oft der Devayäna D Der Got-
* ' . ,. terweg.
erwähnt, ursprünglich wohl der Weg, auf welchem Agni die
Opfergabe zu den Göttern führt, oder diese zu derselben
herabsteigen, dann aber auch der Weg, auf welchem die ver-
storbenen Frommen zu den Göttern aufsteigen, um in ewiger
Seligkeit mit ihnen, an deren Stelle später das Brähman tritt,
zu leben. Eine nähere Beschreibung des Götterweges findet
sich Chänd. 4,15,5: die Seele geht bei der Leichenverbrennung
in die Flamme ein, aus dieser in den Tag, aus diesem in die
helle Monatshälfte, aus dieser in die helle Jahreshälfte (die
Sommerzeit), aus dieser in das Jahr, aus diesem in die Sonne,
aus dieser in den Mond, aus diesem in den Blitz und so
endlich in Brahman. Dafs hier Zeitperioden als Raumgröfsen
erscheinen, kommt auch sonst vor (Qatap. Br. 1,3,5,11. Chänd.
2,10,5) und ist in Indien nicht weiter verwunderlich. Der
Sinn des Ganzen ist, dafs die Seele auf dem Götterwege in
lichte und immer lichtere Regionen gelangt, wozu dann alles,
;502 XIV. Die Seelenwanderung.
was hell ist und leuchtet, herangezogen wird als Durchgangs-
stufe zu Brahman, welches ja „der Lichter Licht" (jyotishäm
jyoiis) ist.
2) Der Nach Analogie mit diesem Devayäna konstruierte man
^ äterweg. *
nun weiter den Pitriyäna oder Väterweg; wie jenem alles
Helle, Glänzende, so wies man . diesem das entsprechende
dunkle Gegenstück zu. Hierbei entstand jedoch die Schwierig-
keit, dafs man den Mond, der schon dem Devayäna angehörte,
auch hier beim Pitriyäna nicht entbehren konnte. Denn nach
einer alten, wenig geklärten Vorstellung war der Mond der
Aufenthalt der Abgeschiedenen (Kaush. 2,8), wobei man dann
weiterhin (Brih. 6,2,16. Kaush. 1,2, aber noch nicht Kaush. 2,9!)
seine Zunahme und Abnahme mit dem Heraufsteigen und
Herabsteigen der Seelen in Verbindung brachte. Somit den
Mond als Endziel des Pitriyäna festhaltend, konstruierte man
diesen im übrigen in Analogie mit dem Devayäna, indem die
Seele nicht in die Flamme, sondern in den Rauch, nicht in
den Tag, sondern in die Nacht, nicht in die helle, sondern in
die dunkle Monatshälfte, nicht in die Sommermonate, sondern
in die Wintermonate, nicht in das Jahr, sondern in die Väter-
welt, nicht in die Sonne, sondern in den Akäc,a (nur Chänd.),
und endlich, wie beim Devayäna, in den Mond eingeht, jedoch
nicht als Durchgangsstation, sondern um dort, „solange noch
ein Bodenrest [der guten Werke] vorhanden ist" (Chänd.
5,10,5), zu verweilen. — Eine Schilderung der vorübergehenden
Seligkeit auf dem Monde wird von unserm Texte taktvoll
umgangen; an ihre Stelle tritt die alte Vorstellung von dem
Somabecher der Götter, welcher, nachdem sie ihn ausgetrunken,
jedesmal wieder neu gefüllt wird (Rigv. 10,85,5: „wenn sie,
o Gott, dich austrinken, so schwillst du darauf wieder an");
sofern dies Gefülltwerden durch die Seelen geschehen soll
(Kaush. 2,8. 1,2), würden diese von den Göttern genossen,
was dann im spätem Vedänta zu einem gegenseitigen Ge-
niefsen der Götter und Frommen im Umgange mit einander
ausgedeutet wird (System d. Ved. S. 393. 416). Die Seligkeit
auf dem Monde dauert yävat sampätam „solange ein Boden-
rest vorhanden" (Chänd. 5,10,5), worin liegt, dafs die Ver-
geltung dort eine vollständige ist; dennoch erfolgt darauf eine
5. Fortbildung der Seelenwanderungslehre. 303
nochmalige Vergeltung auf der Erde. Das Herabsteigen ist
hier nicht, wie in der Fünffeuerlehre, ein Durchgang durch
die fünf Opferfeuer als Glaube, Soma, Regen, Nahrung, Same,
sondern eine allmähliche Verdichtung der Seelenmaterie zu
Äther, Wind, Rauch, Nebel, Wolke, Regen, Pflanze, Nahrung,
Same, worauf der Eingang in einen neuen Mutterschofs und
die abermalige Geburt erfolgt. — Neben dem Götterweg, 3) Der dritte
welcher für Wissen und Glauben zu einem Eingange in Brah-
man ohne Rückkehr führt, und dem Väter weg, welcher für
Opfer, fromme Werke und Askese zum Monde und von da
zurück zur Erde leitet, deutete unser Text ursprünglich nur
dunkel auf den „dritten Ort" als Schicksal der Bösen hin,
welche als niedere Tiere wiedergeboren werden.
Einen Schritt weiter in der Entwicklung dieser Ideen wider-
führen uns die Brih. 6,2,16 fehlenden und nur Chänd. 5,10,7 S)zusätzeer
eingefügten Zusätze, welche, im Widerspruche mit dem 5,10V
ursprünglichen Texte der Z wei weglehre , unter denen, die
vom Monde zurückkehren, solche von „erfreulichem Wandel''
und solche von „stinkendem Wandel" unterscheiden; erstere
werden als Brahmanen, Kshatriyas, Väicya's, letztere als
Hunde, Schweine oder Candala's wiedergeboren. Hierdurch
wird nun der „dritte Ort" neben Götterweg und Väterweg
überflüssig und sollte ganz wegfallen, bleibt aber dennoch
bestehen.
Dieser Widerspruch, wie auch die oben besprochene In- Kaush. i,a
konzinnität, dafs der Mond dem Väterwege und Götterwege Ausgleichs-
gemeinsam ist, scheint früh bemerkt worden zu sein. Als ein
Versuch, beide Übelstände zu heben, ist Kaush. 1,2 anzusehen.
Hier wird, unter Beseitigung des „dritten Ortes", mit Nach-
druck erklärt: „alle, die aus dieser Welt abscheiden, gehen
sämtlich zum Monde". Dort aber werden sie einer Prüfung
über ihr Wissen unterworfen und gehen, je nach Ausfall der-
selben, entweder den Devaycma (Kaush. 1,3), der zu Brahman
ohne Rückkehr führt, oder (der Name Pitriydna kommt nicht
vor) sie gehen zurück zu einer neuen Geburt, „sei es als
Wurm, oder als Fliege, oder als Fisch, oder als Vogel, oder
als Löwe, oder als Eber, oder als Beifstier, oder als Tiger,
oder als Mensch, oder als sonst etwas". Auch diese Aufzählung
304 XIV. Die Seelenwanderung.
scheint eine Nachbildung der Chänd. 6,9,3. 0,10,2 vorkom-
menden zu sein; denn dort war sie durch den Zusammen-
hang berechtigt, während sie hier als ziemlich überflüssig
erscheint.
spatere Von spätem Stellen, welche alle nach der einen oder andern
Seite auf dem bisher Entwickelten beruhen, wollen wir zum
Schlüsse nur die wichtigsten nennen. Käth. 2,10 wird die
Vergänglichkeit des Schatzes der guten Werke (gevadhi, wie
Taitt. Br. 3,10,11,2) gelehrt. Weiter heilst es in betreff der
Rückkehr, Käth. 5,7 :
Im Mutterschofs geht ein dieser,
Verkörpernd sich zur Leiblichkeit, —
In eine Pflanze fährt jener, —
Je nach Werk, je nach Wissenschaft.
Deutliche Abhängigkeit von Chänd. 5,3—10 zeigt Mund.
1,2,10:
Auf des Werkhimmels Kücken genossen habend,
Geh'n sie zurück in diese Welt und tiefer.
Auf die fünf Feuer der Pancägnividyä (Chänd. 5,4 fg.)
bezieht sich auch Mund. 2,1,5:
Aus ihm entsteht das Feuer, dessen Brennholz die Sonne ist
(Chänd. 5,4,1),
Aus Soma wird Regen (Chänd. 5,5,2), Pflanzen aus der Erde,
Der Mann ergiefst den Strom in die Genossin (Chänd. 5,8,2),
Nachkommen viele sind dem Geist geboren.
Auf Grund von Chänd. 5,10 werden Väterweg und Götter-
weg (unter Mifsverstehen des Ausdrucks „rraddhä ta/pa'" iti
Chänd. 5,10,1) geschildert Pracna 1,9 — 10. Zur Bestätigung
wird auf den Vers Rigv. 1,164,12 (oben I, i, S. 111) ver-
wiesen, welcher jedoch mit der Sache nicht das mindeste zu
tun hat.
XV. Die Erlösung. 1. Bedeutung der Erlüsungslehre. 305
XV. Die Erlösung.
1. Bedeutung der Erlösungslehre.
Die Liebe zum Leben ist von allen Trieben, die der stärke der
menschlichen Natur eingepflanzt sind, der stärkste. Wir bringen LlLebenUm
jedes Opfer, um nur das Leben zu erhalten. Ein langes Leben
wünschen wir uns und den Unsrigen; wir beglückwünschen
die, welche es erreichen, und beklagen denjenigen, welcher vor
der Zeit abberufen wird; und der Grund unsrer Trauer um
den zu früh Verstorbenen ist (wenn wir uns einmal deutliche
Kechenschaft davon geben) nicht sowohl, dafs er uns fehlt,
als vielmehr, dass wir ihm fehlen; wir bemitleiden ihn, weil
ihm das Dasein, als wäre es ein hohes Gut, zu frühzeitig ent-
zogen wurde. Wenn wir uns über den Tod eines Angehörigen
damit trösten, dafs wir uns die Leiden, Gefahren und Nöte
vergegenwärtigen, denen er entronnen ist, so ist dies die
Stimme der Reflexion; ein reines Naturgefühl spricht anders:
es sagt uns, dafs der Verlust des Lebens das Schlimmste ist,
was den Menschen treffen kann. Die höchste Strafe ist und
bleibt die Todesstrafe. Ja, so stark ist in uns der Trieb zum
Leben, dafs das ganze Dasein nichts anderes als eben dieser,
im Eaum als Leib, in der Zeit als Leben sich ausbreitende
Trieb selbst ist.
Wie ist es unter diesen Umständen möglich, dafs bei der wünsch der
Menschheit im Verlaufe ihrer Entwicklung wiederholt eine vom D^efn.
Stimmung aufkommen und sich befestigen konnte, welche
jenen Drang zu leben, auf dem unsre ganze empirische Exi-
stenz beruht, als etwas empfindet, was eigentlich nicht sein
sollte, so dafs als die wahre Aufgabe des Menschen nicht die
Befriedigung des Naturtriebes, sondern seine Aufhebung er-
scheint, und somit als höchstes Ziel eine Erlösung (molcsha)
vorschwebt, und zwar eine Erlösung, nicht aus einem be-
stimmten Dasein, wie sie der Tod bringt, sondern eine solche
von dem Dasein überhaupt, welche, wie ein uns eingeborenes
Gefühl bekundet, nicht ohne weiteres durch den Tod zu er-
langen ist.
Deussen, Geschichte der Philosophie. I, n. 20
306 XV. Die Erlösung.
Die Mee der Diese seltsamste aller Stimmungswandlungen läfst sich
nh-gends nirgendwo reiner verfolgen als in Indien, wo die Erlösung,
reiiudien.ln ungetrübt durch das Hineinspielen zufälliger Geschichts-
begebenheiten, nicht als Loskaufung, Genugtuung, Versöhnung
u. dgl. erscheint, sondern einfach als eine Loslösung von dem
empirischen Dasein mit allen seinen Trieben, welche als Fesseln
(bandha, graha), als Knoten (grantln) empfunden werden, die
das Herz an die Sinnendinge knüpfen. Auch in Indien war
dies nicht immer so, und es hegt ein langer Entwicklungs-
gang, eine ungeheure Wandlung zwischen den Sängern des
Rigveda, die, von glühender Lebenslust erfüllt, vor dem Tode
sehaudern (Rigv. 7,89) und sich selbst und ihren Nachkommen
hundert Jahre zu leben wünschen, — und zwischen den Worten,
mit denen der gröfste Dichter Indiens sein Meisterwerk be-
schliefst :
Auch mir zunichte mache meine Neugeburt
Der Gott, der sich allmächtig durch sich selbst erschuf.
— Noch oft wird die Philosophie der Zukunft ihren Blick
nach Indien wenden, um die Erlösungslehre in ihrem ur-
sprünglichen Mutterlande zu studieren; wir wollen jetzt tun,
was wir vermögen, um uns die Genesis dieses merkwürdigsten
aller Dogmen verständlich zu machen.
2. Ursprung- der Erlösungslehre.
Ableitung Albrecht Weber hat in einer sehr beachtenswerten Ausein-
dau8Sedem andersetzung (Zeitschrift der D. M. G. IX, 239) die Vermutung
seeienwan- ausgesprochen , dafs die Lehre von der Erlösung durch das
derungs- . o .r ' <=>
glauben. Dogma von der Seelenwanderung bedingt sei. Dem milden
Sinn und denkenden Geiste der Inder habe die Annahme
widerstrebt, dafs für die Werke dieses kurzen Lebens ent-
weder ewiger Lohn oder ewige Strafe im Jenseits folgen solle.
Aus diesem Dilemma habe er sich zu retten gesucht durch
das Dogma der Seelenwanderung, in Wahrheit aber sich nur
tiefer verstrickt, indem zu der ewigen Vergeltung a parte post
nun noch eine solche a parte ante getreten sei, und so habe
er sich schliefslich durch „ein Zerhauen des Knotens'' geholfen,
2. Ursprung der Erlösungslehre. 307
indem er in der Erlösung die ganze individuelle Existenz zu-
nichte werden liefs, so dafs jetzt als höchster Lohn alles Stre-
bens erschienen sei, was in alter Zeit als höchste Strafe ge-
golten habe. — Aber abgesehen davon, dafs die Erlösung der
vorbuddhistischen Zeit durchaus keine Vernichtung, sondern
vielmehr umgekehrt eine Erhebung über das in sich Nichtige
ist, so entspricht diese ingeniöse Konstruktion dem historischen
Entwicklungsgang auch darum nicht, weil, wie wir sehen
werden, das Dogma von der Erlösung älter ist als die Seelen-
wanderungslehre, mithin nicht eine Folge derselben sein kann.
Von andrer Seite hat man mehrfach die Sehnsucht nach Aus der ge-
drückten
Erlösung aus dem Drucke zu verstehen gesucht, der durch Lage des
° , . . Volkes.
die brahmanische Lebensordnung auf dem indischen Volke
gelastet habe. Demselben sei, so meint man, infolge der
geistigen Knechtung durch die Brahmanen, der materiellen
durch die Kshatriya's, die alte Freude am Dasein verdorben
worden und abhanden gekommen. — Aber, nicht zu erwähnen,
dafs die Lebensbedingungen im reichen Gangestale wohl
schwerlich schlechtere als vormals im Pendschäb waren, und
dafs die Idee der Erlösung sicher nicht im Kreise der Be-
drückten, sondern vielmehr der Bedrücker entsprungen ist, so
ist eine pessimistische Stimmung, wie sie von dieser Theorie
vorausgesetzt wird, den Zeiten, in welchen die Erlösungslehre
entsprang, durchaus noch nicht eigen (oben S. 128. 229).
Allerdings wird durch die Erlösung auch das Leiden seiner
ganzen Möglichkeit nach aufgehoben, aber erst der Buddhis-
mus hat das, was eine blofse Folge war, zum Grunde ge-
macht, und, indem er die Erlösung als eine Flucht vor den
Leiden des Daseins äuffafste, den Egoismus zur Grundtrieb-
feder der Religion gemacht, — wenn auch nicht so wie später
der Islam, welcher nicht müde wird, den Leuten die himm-
lische Herrlichkeit und die Schrecknisse der Hölle auszumalen.
Die Erlösung kann nicht aus diesen oder irgendwelchen Die Erw-
andern im Willen liegenden Motiven abgeleitet werden, eben als Konse-
weiT sie, und zwar schon bei ihrem ersten Auftreten, eine AtmTniehre.
Aufhebung alles Wollens ist (yatra Mmäh parägatäh). Somit
bleibt übrig, dafs ihr ursprüngliches Motiv in der Sphäre des
Intellektuellen zu suchen ist; und hier wird sich uns die
20*
308 XV. Die Erlösung.
Erlösungslehre so sehr als die notwendige Konsequenz und
letzte Krönung der Atmanlehre erweisen, dafs sie nur als eine
persönliche und sozusagen praktische Anwendung der ganzen,
von uns bisher dargestellten Weltanschauung der Upanishad's
anzusehen ist, wie wir jetzt beweisen wollen.
Eingang zu Es ist dem Menschen natürlich und kommt auch in allen
ais'ziei. Regionen der Philosophie zum Ausdruck, dafs er dasjenige,
was für ihn Prinzip der Dinge und Urgrund der Welt ist,
zugleich als das höchste Ziel seines persönlichen Strebens be-
trachtet. Dieses waren in der alten Zeit die Götter, und dem-
entsprechend war es der höchste Wunsch der altvedischen
Rishi's, mit den Göttern nach dem Tode vereinigt zu werden,
um mit Agni, Varuna, Indra, Aditya usw. zur Gemein-
schaft (säyujyam), Weltgemeinschaft (salolcatä), Wesensgemein-
schaft (sarüpatä) zu gelangen (oben S. 291). — Weiterhin
erhob sich über die Götter das (unpersönliche) Brähman; nun
Eingang zu wurde dieses das Endziel, und die Götter waren nur noch die
au ziei. Pforten, um durch sie zu Brahman zu gelangen; Qatap. Br.
11,4,4,1: „Durch den Agni als die Pforte des Brähman geht
er ein; indem er durch den Agni als die Pforte des Brähman
eingeht, erwirbt er mit Brähman Gemeinschaft (säyujyam),
Weltgemeinschaft (mlolmtä)". — Der letzte Schritt war, dafs
man das weltschaffende Prinzip als den Atman, das Selbst,
Eins- erfafste, und, wie zu erwarten, wurde nun Einswerdung mit
Jnltdem dem Atman das Ziel alles Strebens und Sehnens. Dies ge-
*™iS. als schah schon, als man noch nichts von Seelenwanderung, son-
dern nur von einem Wiedersterben im Jenseits wufste, wie
folgende Stellen beweisen; Väj. Samh. 31,18: „nur wer ihn
(den Purusha) kennt, entrinnt dem Reich des Todes; nicht
gibt es einen andern Weg zum Gehen"; — Atharvav. 10,8,44:
„wer diesen kennt, der fürchtet nicht den Tod mehr, den
weisen, alterlosen, jungen Atman"; — Taitt. Br. 3,12,9,8: „das
Selbst (ätnuot) ist sein Pfadfinder, wer ihn findet, wird durch
das Werk nicht mehr befleckt, das böse". Namentlich die
letzte Bestimmung zeigt, dafs hier der Gedanke der Erlösung
schon voll und ganz vorhanden ist. Ebenso in folgender^
schon oben zu anderm Zwecke angeführter Stelle, Qatap. Br.
10,5,4,15: ,, Selbiger (der Ätman) ist frei von Verlangen, im
•2. Ursprung der Erlösungslehre. 309
Besitze alles Verlangten, nicht [lockt] ihn das Verlangen nach
irgend etwas. Darüber ist dieser Vers:
Durch Wissen steige-n sie aufwärts
Dorthin, wo das Verlangen schweigt;
Nicht Opfergabe reicht dorthin,
Nicht Bufse des Nichtwissenden.
Denn nicht kann jene Welt durch Opfergaben, nicht durch
Askese erlangen, wer solches nicht weifs. Denn nur dem
solches Wissenden gehört jene Stätte". Die Abweisung von
Werk und Askese, die Betonung des Wissens, die Aufhebung
aller Wünsche sind Züge, welche beweisen, dafs diese Stelle
die Erlösung als Einswerdung mit dem Atman im Auge hat.
Aber diese Einswerdung erscheint nach Analogie mit den her-
gebrachten Anschauungen noch als ein Emporsteigen zu himm-
lischen Regionen, — als wäre der Atman anderswo zu suchen
als in uns selbst. Ebenso einige Seiten weiter in der schon
oben (I, i, S. 264) übersetzten Stelle Qatap. Br. 10,6,3, welche
lehrt, dafs das Schicksal im Jenseits nach der Einsicht (liratn)
sich richtet, die der Mensch hienieden erworben, und dann als
höchste Einsicht die Erkenntnis des Atman mitteilt, welcher,
alle Weiten erfüllend, alle Welt durchdringend, gröfser als
Erde und Himmel ist und doch kleiner als ein Reiskorn oder
Hirsekorn im innern Selbste wohnt. Zum Schlufs heifst es:
,,er ist meine Seele (atman); zu ihm, von hier, zu dieser
Seele werde ich hinscheidend eingehen". — Wer fühlt
nicht den innern Widerspruch dieser Worte, und dafs es,
wenn der Atman wirklich meine Seele ist, keines Hingehens
mehr zu ihm bedarf!
Hier war nur noch eine dünne Scheidewand einzustofsen, Diese Eins-
■. i p -i • • • • it i werdung ist
um einzusehen, dals dasjenige, was man immer in unendlicher von jeher
Ferne suchte, uns näher als irgendein Anderes ist, und dafs wirwilht.
die als Gottgemeinschaft, Brahmangemeinschaft, Atmangemein-
schaft ersehnte Erlösung nicht erst in Zukunft nach dem Tode
erreicht zu werden braucht, sondern tatsächlich schon jetzt
und hier und von Ewigkeit her erreicht ist, — für den, „der
solches weifs".
Als derjenige, welcher diese letzte Konsequenz der Atman-
310 xv- Die Erlösung.
lehre zog, tritt uns wieder einmal entgegen der Yajnavalkya
des Brihadäranyakam.
3. Das Atmanwissen ist die Erlösung.
Die Er- Die Erlösung darf nicht angesehen werden als ein Werden
lösung ist ° °
nicht ein zu etwas, was vorher nicht war. Erstlich, weil es im Kreise
etwas, der metaphysischen Phänomene, zu denen die Erlösung gehört,
überhaupt (wie alle metaphysischen Geister, nicht nur in In-
dien, sondern auch im Abendlande von Parmenides und Piaton
an bis zu Kant und Schopenhauer hin erkannt . haben) kein
Werden, sondern nur ein Sein gibt. Die Kausalität be-
herrscht alles Endliche ohne Ausnahme, aber nichts, was dar-
über hinaus liegt oder, wie die Erlösung, darüber hinaus führt.
Aber auch darum kann die Erlösung kein Werden eines vorher
nicht Vorhandenen sein, weil sie dann nicht sammum honum
sein könnte. Denn alles Gewordene ist vergänglich; was aus
dem Nichts zu einem Etwas wurde, kann auch aus dem Etwas
in sein Nichts zurückkehren; was die Welle emporhob, kann
sie auch wieder verschlingen; to \xrfih de, cüosv gir.zi.
War' die Erlösung anfangend,
Sie könnte nicht unendlich sein,
wie Gaudapäda (Kärikä 4,30) mit Eecht sagt, könnte nicht
summum bonum, nicht id quo malus cogitari nequit sein, denn
als höheres Gut liefse sich eine solche Erlösung denken, die
nicht geworden und daher auch nicht der Gefahr ausgesetzt
ist, zu vergehen.
Die Eric-- Somit ist die Erlösung (die wir nicht nach unserm abend-
i*°. ländischen, einseitigen, aus historischen und darum engen Ver-
hältnissen erwachsenen Begriffe beurteilen dürfen) keine eigent-
liche Neuentstehung, keine xaiv-r] xxtaic, sondern nur die Inne-
werdung eines von jeher Vorhandenen, aber bis dahin uns
Verborgenen; Gaudap. 4,98:
Alle Seelen sind ursprünglich
Frei vom Dunkel und fleckenlos;
„Urerweckt schon und urerlöst,
Erwachen sie", der Meister spricht.
eung keine
3. Das Ätmanwissen ist die Erlösung. 311
Wir alle sind schon erlöst (wie könnten wir es sonst werden!),
„aber gleichwie einen verborgenen Goldschatz, wer die Stelle
nicht weifs, nicht findet, ob er wohl immer wieder darüber
hingehet, ebenso finden alle diese Kreaturen diese Brahman-
welt nicht, obwohl sie tagtäglich [im tiefen Schlafe] in sie
eingehen; denn durch die Unwahrheit werden sie abgedrängt1'
(Chänd. 8,3,2). Diese Unwahrheit wird gehoben durch die
Erkenntnis: ,,Ich bin Brahman", bin in Wahrheit nicht Indi-
viduum, sondern der Ätman, der Inbegriff aller Realität, bin
das Prinzip, das alle Welten schafft, trägt und erhält. „Und
auch heutzutage, wer also eben dieses erkennt: «Ich bin
Brahman!» der wird zu diesem Weltall; und auch die Götter
haben nicht Macht, zu bewirken, dafs er es nicht wird. Denn
er ist die Seele (atman) derselben" (Brih. 1,4,10). Kurz und
treffend wird dieser Gedanke zusammengefafst Mund. 3,2,9:
„Wahrlich, wer jenes höchste Brahman kennt, der wird zu
Brahman", oder richtiger: „der ist schon Brahman" (sa yo ha
cai tat pa/ramäm brähma vecla, braltma cva bhavati); denn die
Erlösung wird nicht erst durch die Erkenntnis des Ätman
bewirkt, sondern sie besteht in dieser Erkenntnis; sie ist
nicht eine Folge des Atman wissens, sondern dieses Ätman- Das Ätman-
wissen selbst ist schon die volle und ganze Erlösung. Wer TchoTdie
sich als den Atman, als das Prinzip aller Dinge, weifs, der
ist eben dadurch frei von allem Verlangen (akämayamäna), vemich-
denn er weifs alles in sich, nichts aufser sich, was er noch Begehrens.
verlangen könnte; aptakämasya Ted sprihä? „was kann wünschen,
wer 'alles hat (Gaudap. 1,9)?" — Und ferner, wer sich als den vemich-
Atman weifs, den „brennet nicht, was er getan und nicht wfrke"
getan hat", sei es Gutes oder Böses (Brih. 4,4,22. Chänd.
8,4,1. 8,13. Mund. 3,1,3. Taitt. 2,9. Kaush. 1,4. 3,1. Mund. 3,2,9.
Maitr. 2,7. 6,34 usw.), seine Werke verflammen wie der
Binsenhalm im Feuer (Chänd. 5,24,3, vgl. Brih. 5,14,8), und
künftige Werke haften nicht an ihm, wie das Wasser nicht
am Blatte der Lotosblüte (Chänd. 4,14,3). Seine Individualität,
den Träger aller Werke, hat er als eine Illusion durchschaut,
indem ihm das Ätmanwissen und in ihm die Erlösung zuteil
wurde. Mund. 2,2,8:
312 XV. Die Erlösung.
Wer jenes Höchst- und -Tiefste schaut,
Dem spaltet sich des Herzens Knoten,
Dem lösen alle Zweifel sich,
Und seine Werke werden Nichts.
Das Ätmanwissen bewirkt nicht die Erlösung,
(UeseslGeS sondern ist aie Erlösung. Fragen wir nach dem Ursprung
dankens. dieses durch die ganze Upanishadliteratur sich hindurch-
ziehenden Gedankens, so werden wir auf die Brih. 3 und 4
vorliegenden Eeden des Yäjnavalkya (aus dessen Gedanken-
kreis auch schon die oben, S. 311, zitierten Worte Brih. 1,4,10
stammen, vgl. Brih. 1,4,3) zurückgewiesen.
Die Er- wir beginnen mit Brih. 4,2. Zum König Janaka, den wir
loBungnach c . o j
Brih. 4,2. uns als auf der Höhe des damaligen Wissens (etwa wie Närada
Chänd. 7,1) stehend zu denken haben, spricht Yäjnavalkya:
„Dieweil du nun also reich bist an Gefolge und Gütern, die
Veden studiert und die Geheimlehren gehört hast (adhUaveda
und ukta-upanishatka bist), so sage mir, wohin wirst du, wenn
du einmal von hier abscheiden wirst, gelangen?" — „Das weifs
ich nicht, o Heiliger, wohin ich gelangen werde." [Er weifs
es nicht, trotz äevayäna und devalolca, von denen gewifs in
seinen Veden und Upanishad's die Kede war; ihre Offen-
barungen scheinen bei dem König keinen vollen Glauben mehr
zu finden.] — Yäjnavalkya versetzt: „So will ich es dir sagen,
wohin du gelangen wirst". — „0 Heiliger, sage es!" — Was
werden wir zu hören bekommen ? Jedenfalls etwas, was nicht
stärker als durch diese Einführung als etwas zu damaliger
Zeit völlig Neues gekennzeichnet werden konnte.
Zunächst beschreibt Yäjnavalkya den individuellen Atman,
wie er im Herzen wohnt, Indra und Viräj gleichsam als seine
Fühlhörner in die beiden Augen erstreckt und mitsamt ihnen
von der Blutmasse des Herzens ernährt wird. Plötzlich, indem
in so grobmaterialistischer Weise vom individuellen Ätman
die Rede ist, hebt es sich wie ein Nebel von unsern Augen:
„«Die vordere (östliche) Himmelsgegend sind seine vorderen
Organe, die rechtsseitige (südliche) Himmelsgegend sind seine
rechtsseitigen Organe»" usw., „«alle Himmelsgegenden sind
alle seine Organe. Er aber, der Ätman, ist nicht so und ist
nicht so. Er ist ungreifbar, denn er wird nicht gegriffen,
3. Das Ätmanwissen ist die Erlösung. 313
unzerstörbar, denn er wird nicht zerstört; unhaftbar, denn es
haftet nichts an ihm; er ist nicht gebunden, er wankt nicht,
erleidet keinen Schaden. — 0 Janaka! du hast den Frie-
den erlangt!» — Also sprach Yäjnavalkya."
Die letzte Äufserung läfst keinen Zweifel darüber, dafs
hiermit die höchste Belehrung erteilt sein soll, in welcher wir
die Antwort auf die Eingangsfrage: „wohin wirst du, wenn
du einmal von hier abscheiden wirst, gelangen?" zu suchen
haben. Und diese Antwort besagt, dafs die Seele nach dem
Tode nirgendwohin gehen wird, wo sie nicht schon von jeher
war, und nichts anderes sein wird, als was sie von jeher war:
der eine, ewige, allgegenwärtige Atman !
Die Zweifel, welche, bei der abrupten Form des Ab- Die Er-
schnittes, über die Richtigkeit dieser Auffassung bestehen Brih. 4,3— 4.
könnten, werden völlig beseitigt durch die nicht mifszuver-
stehenden Belehrungen, welche Yäjnavalkya dem Janaka Brih.
4,3 — 4 erteilt. Nachdem hier als Schicksal des Kämayqmäna,
„des Verlangenden" (und mithin sich noch nicht als den Atman
Wissenden), die Rückkehr zu einem neuen Erdendasein gelehrt
worden, so folgen Worte, wie sie tiefer, wahrer, herrlicher nie
aus Menschenmunde ergangen sind (Brih. 4,4,6 — 7):
„Nunmehr von dem Nichtverlangenden (akämayamäna). —
Wer ohne Verlangen, frei von Verlangen, gestillten Verlangens,
selbst sein Verlangen ist, dessen Lebensgeister ziehen
nicht aus, sondern Brahman ist er, und in Brahman geht er
auf. — Darüber ist dieser Vers:
Wenn alle Leidenschaft schwindet,
Die nistet in des Menschen Herz,
Dann wird, wer sterblich, unsterblich,
Schon hier erlangt das Brahman er.
Wie eine Schlangenhaut tot und abgeworfen auf einem Ameisen-
haufen liegt, also liegt dann dieser Körper. Aber das Körper-
lose, das Unsterbliche, das Leben ist lauter Brahman, ist lauter
Licht." —
Wir wollen zunächst diese Stelle benutzen, um einige
andere, an sich dunkle, Aussprüche des Yäjnavalkya auf-
zuhellen.
3^4 XY. Die Erlösung!
Brii.. 3,2,11. Brih. -5,2,11 : „«Yäjiiavalkya», so sprach er, «wenn dieser
Mensch stirbt, wandern dann die Lebensgeister aus ihm aus
oder nicht?» — «Mit nichten!» sprach Yäjiiavalkya, «sondern
ebendaselbst bleiben sie versammelt: er schwillt an, er bläht
sich auf, aufgebläht liegt der Tote»." — In dieser Stelle liegt,
wie bereits Upanishad's S. 431 Anm. bemerkt, eine Einschrän-
kung auf die Erlösten allerdings nicht vor, wie denn auch das
Aufgeblähtwerden durch die sich entwickelnden Gase an
jeder Leiche ohne Unterschied beobachtet werden konnte.
Doch werden wir, wie schon die Mädhyandina's zu tun
scheinen (Up. S. 431 Anm.), die Worte nur von den Erlösten
verstehen müssen, wollen wir uns nicht mit dem Ausspruche
des Yäjiiavalkya Brih. 4,4,2, „ indem das Leben auszieht, ziehen
alle Lebensorgane mit aus", in unvereinbaren Widerspruch
setzen.
Brih. 3,2,12. Noch dunkler ist das Folgende, Brih. 3,2,12: „«Yäjiia-
valkya», so sprach er, «wenn dieser Mensch stirbt, was ver-
läfst ihn dann nicht?» — «Der Name», so sprach er, «denn
unendlich ist der Name, unendlich sind die Vicve deväh, und
die unendliche Welt erwirbt er mit diesem»." — Hier müssen
wir, wie Up. S. 431 gezeigt, unter dem Namen die unendliche
„Welt als Vorstellung" verstehen. Indem sie fortbesteht,
bleibt das sie tragende Subjekt des Erkennens bestehen.
„Nach dem Mit dieser Erklärung stimmt es schön zusammen, dafs
keineBe- Yäjiiavalkya Brih. 2,4,12 (=4,5,13) der Maitreyi gegenüber
behauptet: „nach dem Tode ist kein Bewufstsein", und dies
dahin erklärt, dafs der unvergängliche, unzerstörbare (avinägin,
amicchiUiähttrman, 4,5,14) Ätman nach dem Tode doch kein
Bewufstsein von Objekten mehr habe, weil er als Subjekt des
Erkennens alsdann alles in sich, nichts aufser sich habe, somit
„keine Berührung mehr mit der Materie habe" (matra-asam-
sargas tu asya bhavafi, 4,5,14 Mädhy., vgl. Upanishad's S. 485
Anm.).
Brii,. 3,2,10. Auch die mystische Äufserung Brih. 3,2,10 von dem Wasser
(der Erkenntnis), welches das Feuer des Todes auszulöschen
vermöge, findet hierin ihre befriedigende Erklärung.
Somit hat Yäjiiavalkya schon ganz die schopenhauersche
Definition der Unsterblichkeit als einer „Unzerstörbarkeit ohne
3. Das Atmanwissen ist die Erlösung. 315
Fortdauer" (Elemente der Metaphysik § 249) antizipiert. Wie
es für den Wissenden keine Realität der Welt und der Seelen-
wanderung mehr gibt, so gehört auch die Unsterblichkeit als
Fortleben nach dem Tode zu der grofsen Illusion, deren Nichtig-
keit er durchschaut hat.
Von den zahlreichen späteren Upanishadstellen, welche in jjjp**«*6
ähnlicher Weise wie die bisher besprochenen Yäjnavalkyareden
das Atmanwissen als die Erlösung feiern, mögen hier noch
einige folgen.
Brih. 4,4,12—13. 15—17.
Doch wer sich als das Selbst erfafst hat in Gedanken,
Wie mag der wünschen noch, dem Leibe nachzukranken ?
Wem in des Leib's abgründlicher Befleckung
Geworden ist zum Selbste die Erweckung,
Den als allmächtig, als der Welten Schöpfer wifst!
Sein ist das Weltall, weil er selbst das Weltall ist.
Der Mann, der als sein eigen Selbst
Gott hat geschaut von Angesicht,
Den Herrn des, das da war und wird,
Der fürchtet und verbirgt sich nicht!
Zu dessen Füfsen rollend hin in Jahr' und Tagen geht die Zeit,
Den Götter als der Lichter Licht anbeten, als Unsterblichkeit,
In dem der Wesen fünffach Heer mitsamt dem Raum gegründet stehn,
Den weifs als meine Seele ich, unsterblich den Unsterblichen!
Chänd. 7,26,2.
Der Schauende schaut nicht den Tod,
Nicht Krankheit und nicht Ungemach;
Das All nur schaut der Schauende,
Das All durchdringt er allerwärts.
Taitt. 2,9.
Vor dem die Worte umkehren
Und das Denken, nicht findend ihn,
Wer dieses Brahman's Wonne kennt,
Der fürchtet sich vor keinem mehr.
Kena 11—12.
Nur wer es nicht erkennt, kennt es,
Wer es erkennt, der weifs es nicht, —
316 XV. Die Erlösung.
Nicht erkannt vom Erkennenden,
Erkannt vorn Nicht -Erkennenden.
In wem es aufwacht, der weifs es
Und rindet die Unsterblichkeit;
Dafs er es ist, gibt ihm Mannheit,
Dafs er es weifs, Unsterblichkeit.
Käth. 5,12. 6,12—15.
Den einen Herrn und innres Selbst der Wesen,
Der seine eine Form ausbreitet vielfach,
Wer den, als Weiser, in sich selbst sieht wohnen,
Der nur ist ewig selig, und kein andrer.
Nicht durch Reden, nicht durch Denken,
Nicht durch Sehen erfafst man ihn:
«Er ist ! » Durch dieses Wort wird er
Und nicht auf andre Art erfafst.
«Er ist!» so ist er auffafsbar,
Sofern er beider Wesen ist,
«Er ist!» wer so ihn auffafste,
Dem wird klar seine Wesenheit.
Wenn alle Leidenschaft schwindet,
Die nistet in des Menschen Herz,
Dann wird, wer sterblich, unsterblich,
Hier schon erlangt das Brahman er.
Wenn alle Knoten sich spalten,
Die umstricken das Menschenherz,
Dann wird, wer sterblich, unsterblich — ■
So weit erstreckt die Lehre sich.
I^a 6—7.
Doch wer die Wesen hier alle
Wiedererkennt im eignen Selbst
Und sich in allem, was lebet,
Der ängstigt sich vor keinem mehr.
Wo zu den Wesen hier allen ,
Das Selbst ward des Erkennenden, —
Wo wäre Wahn, und wo Kummer
Für ihn, der so die Einheit schaut V
3. Das Atnianwissen ist die Erlösung. 317
gvet. 4,18.
Das Dunkel weicht, nun ist nicht Tag noch Nacht mehr;
Nicht seiend, noch nichtseiend, — selig nur ist er!
Er ist der Om-Laut, Savitar's liebwertes Licht,
Aus ihm erflofs das Wissen ur anfänglich.
Maitr. 6,34 (Up. S. 358).
Wer, durch Nachsinnen reingewaschnen Geistes, sich
Versenkt im Atman, was für Seligkeit der fühlt,
Das auszudrücken sind imstande Worte nicht,
Das mufs im innern Herzen man erfahren selbst.
Mund. 3,2,2. 2,2,8. 3,2,8.
Wer Wünsche noch begehrt und ihnen nachhängt,
Wird durch die Wünsche hier und dort geboren;
Wer aber wunschgestillt, wes Selbst bereitet,
Dem schwinden alle Wünsche schon hienieden.
Wer jenes Höchst -und -Tiefste schaut,
Dem spaltet sich des Herzens Knoten,
Dem lösen alle Zweifel sich,
Und seine Werke werden Nichts.
Wie Ströme rinnen und im Ozean,
Aufgebend Name und Gestalt, verschwinden,
So geht, erlöst von Name und Gestalt,
Der Weise ein zum göttlich höchsten Geiste.
Mändükya-Kärikä 1,16.
Im anfanglosen Weltblendwerk
Schläft die Seele; wenn sie erwacht,
Dann wacht in ihr das zweitlose,
Schlaf- und träum -lose Ewige.
Kaivalya 18 — 23. (Der Erlöste spricht:)
Was als Genufs, Genufsobjekt,
Geniefser die drei Stände kennt,
Davon verschieden, Zuschauer,
Rein geistig, selig stets bin ich.
In mir entstand das Weltganze,
In mir nur hat Bestand das All,
In mir vergeht es, dies Brahman,
Das zweitlose, ich bin es selbst.
318 XV. Die Erlösung.
Des Kleinen Kleinstes bin ich. und nicht wen'ger
Bin grofs ich, bin das bunte, reiche Weltall,
Der Alte bin ich, bin der Geist, der Gottherr,
Ganz golden bin ich, seliger Erscheinung.
Ohn' Hand und Fufs bin ich, unendlich mächtig,
Seh' ohne Augen, höre ohne Ohren;
Ich bin der Wissende, und aufser mir ist
Kein andrer Wissender in ew'gen Zeiten.
Durch alle Vede'n bin ich zu erkennen,
Vedavollender bin ich, Yedawisser,
Vom Guten frei und Bösen, unvergänglich,
Geburtlos bin ich, ohne Leib und Sinne.
Für mich gibt es nicht Erde und nicht Wasser,
Nicht Feuer, nicht den Wind und nicht den Äther.
charakte- Auf Grund dieser und andrer Stellen wollen wir zum
Erlösten8 Schlufs hier eine kurze Charakteristik des Erlösten ver-
suchen.
Das Ätmanwissen bewirkt nicht die Erlösung, sondern ist
die Erlösung; denn wer es besitzt, der hat die Existenz der
Welt, die Existenz seiner Leiblichkeit und Individualität als
eine Illusion (mäyä) durchschaut. Hieraus folgt alles Übrige.
vernich- • i) Der Wissende ist akämmjamäna ; alles Wünschen, Be-
Begehreus. gehren, Verlangen, alles Hoffen und Fürchten hat für ihn auf-
gehört; denn dies alles setzt ein Objekt voraus, auf welches
es sich bezieht. Ein solches aber gibt es für den Wissenden
nicht mehr. „Wahrlich, nachdem sie dieser Seele sich bewufst
geworden, stehen die Brahmanen ab vom Verlangen nach
Kindern und Verlangen nach Besitz und Verlangen nach der
Welt und wandern umher als Bettler. Denn das Verlangen
nach Kindern ist Verlangen nach Besitz, und das Verlangen
nach Besitz ist Verlangen nach Welt; denn alle beide sind
eitel Verlangen" (Brih. 3,5). „Dieses wufsten die Altvordern,
wenn sie nicht nach Nachkommenschaft begehrten und sprachen :
«Wozu brauchen wir Nachkommen, wir, deren Seele diese Welt
ist!»" (Brih. 4,4,22). — Kurz und trefflich fafst dies Gaudapäda
(1,9) in die Worte zusammen: „Was kann wünschen, wer alles
yemich- hat?" — Darum kennt der Wissende auch keine Furcht mehr.
tung der
FnreM. „Wer dieses Brahman's Wonne kennt, der fürchtet nun und
3. Das Ätman wissen ist die Erlösung. 319
nimmer sich" (Taitt. 2,4), „der ängstigt sich vor keinem mehr"
(Käth. 4,5. 12). „Denn wovor sollte er sich fürchten? Denn
vor einem Zweiten ist ja die Furcht" (Brih. 1,4,2).
2) Die Erkenntnis des Ätman hebt über die Individualität Aufhebung
' . des Leidens.
und damit über die Möglichkeit des Schmerzes hinaus. „Den
Kummer überwindet, wer den Ätman kennt" (Chänd. 7,1,3).
„Besessen wird der Bekörperte von Lust und Schmerz, denn
weil er bekorpert ist, ist keine Abwehr möglich der Lust und
des Schmerzes. Den Körperlosen aber berühren Lust und
Schmerz nicht" (Chänd. 8,12,1). „Darum, fürwahr, wer diese
Brücke überschritten hat als ein Blinder, der wird sehend,
als ein Verwundeter, der wird heil, als ein Kranker, der wird
gesund" (Chänd. 8,4,2).
3) „Und seine Werke werden Nichts" (Mund. 2,2,8). vemich-
Alle Werke, die guten wie die bösen, werden bei erlangter ^frke"
Erkenntnis zunichte, wie oft versichert wird (vgl. die oben
S. 311 angeführten Stellen). Denn die Individualität, welche
sie hervorbrachte, ist für den Wissenden nur ein Teil jener
grofsen Weltillusion, die er durchschaut hat.
4) Aus demselben Grunde haften ihm künftige Werke Niehtauhaf-
nicht mehr an, wie das Wasser nicht am Blatte der Lotos- tigerwerke.
blute haftet (Chänd. 4,14,3). Dafs er Böses tun sollte, ist
durch seine Freiheit von allem Verlangen völlig ausgeschlossen.
„Darum, wer solches weifs, der ist beruhigt, bezähmt, ent-
sagend, geduldig und gesammelt; nur in sich selbst sieht er
das Selbst, alles sieht er an als das Selbst; nicht überwindet
ihn das Böse, er überwindet alles Böse, . . . frei von Bösem,
frei von Leidenschaft und frei von Zweifel, wird .er ein Bräh-
mana, er, dessen Welt das Brahman ist" (Brih. 4,4,23). —
„Wodurch lebt dieser Brähmana ? Dadurch, wodurch er lebet,
wie es eben kommt" (Brih. 3,5). Sein künftiges Verhalten
der Leiblichkeit nach , die er wie eine Schlangenhaut ab-
gestreift hat, ist völlig ohne Belang; Icä 2:
Mag immerhin, sein Werk treibend,
Hundert Jahre man wünschen sich !
Drum steht's, wenn so du, nicht anders;
Werkbefleckuns klebt dir nicht an.
320 -^v- ^ie Erlösung.
Lösung 5) „Wem dieses ward, fürwahr, der zweifelt nicht" (Chänd.
/.weife]. 3,14,4), „dem lösen alle Zweifel sich" (Mund. 2,2,8), „frei von
Zweifel, wird er ein Brähmana" (Biih. 4,4,23). „Weil die Er-
kenntnis des Ätman nicht auf Reflexion (tarka, Käth. 2,9),
sondern auf unmittelbarer Innewerdung (anubhava) beruht,
darum kann sie durch keinen Zweifel mehr erschüttert werden.
Die Täuschung, nachdem sie durchschaut ist, kann nicht mehr
täuschen. Die Frage nach der Möglichkeit eines Rückfalls
kann nicht erhoben werden und wird nicht erhoben.
4. Die Erlösungslehre in empirischem Gewände.
Drei meta- 1) Der Ätman ist unerkennbar.
PGyrund-e 2) Der Ätman ist die alleinige Realität.
3) Das Innewerden des Ätman ist die Erlösung.
In diesen drei Sätzen liegt die metaphysische Wahrheit
der Upanishadlehre. Ihre weitere Ausgestaltung besteht darin,
dafs diese metaphysische Wahrheit (ähnlich wie in der Grie-
chischen und der Neuern Philosophie) unberechtigterweise
umkieidung in die Sphäre der Erkennbarkeit herabgezogen und mit em-
mit8empu pirischen Formen umkleidet wird. 1) Der Ätman wird zu
Formtn. einem Objekt der Erkenntnis, welches er in Wahrheit nicht
ist. 2) Der Welt wird ihre Realität belassen, und der hier-
durch entstehende Widerspruch ausgeglichen durch die immer
wiederkehrende Versicherung, dafs die Wrelt mit dem Ätman
Die Er- identisch sei. 3) Die Erlösung endlich erscheint fälschlich in
ein'wwdin der Anschauungsform der Kausalität als ein Wrerden zu etwas,
zu etwas. wag vorner nicht war, und in den Anschauungsformen der
Zeit und des Raumes als die Aufhebung einer zeitlichen und
räumlichen Trennung von dem Ätman, welche in Wahrheit
nie bestanden hat und daher auch nicht aufgehoben zu werden
braucht.
Hieraus entspringt die empirische und daher irrige Auf-
fassung, dafs die Erlösung (welche in Wahrheit von jeher be-
stand und schon im Augenblicke des Erkennens uns voll-
Erst nach ständig zum Bewufstsein kommt) voll und ganz erst mit
dTe^Jrk-e Auflösung des Leibes erreicht werde. Chänd. 3,14,4: „zu ihm
Iicht* werde ich, von hier abscheidend, eingehen"; — Chänd. 6,14,2:
4. Die Erlösungslehre in empirischem Gewände. 321
„diesem [Welttreiben] werde ich nur so lange angehören, bis
ich erlöst sein werde, darauf werde ich heimgehen"; — Käthe. 5,1:
vimuMag ca cimucyute „und wenn er vom Leibe erlöst worden
I oder : nachdem er schon durch die Erkenntnis erlöst worden),
wird er [endgültig erst im Tode] erlöst". — Einer spätem
Zeit gehört das Gleichnis von dem Töpferrade (dem Leben) Das aus-
an, welches zu Ende rollt, auch nachdem das Gefäfs (die Töpferrad.
Erlösung) schon fertig ist (System d. Ved. S. 459. Garbe,
Sänkhyaphilosophie S. 182), sowie die Unterscheidung zwischen
solchen, die erst mit dem Tode erlöst werden (videhamulcti),
und solchen, die es schon bei Lebzeiten sind (jivanmuJcti). mejivan-
. i • ' it i • -\ i milkt i.
Diese Unterscheidung und jener Vergleich stammen erst aus
der realistischen, dem Sänkhyam zutreibenden, Periode des
Vedäuta. Beide sind uns in den Upanishad's (mit Ausnahme
ganz später) nicht begegnet und stehen mit dem ursprüng-
lichen Sinn der Erlösungslehre im Widerspruch. Nach dieser
ist jeder, sobald er das Ätmanwissen besitzt, ein jivanmuMa;
die weitere Fortdauer oder Nichtfortdauer seiner Leiblichkeit
ist ihm, wie alles andere in der Welt, gleichgültig; durch den
Tod erlangt er nichts, was er nicht schon vorher besessen
hätte, und wird nichts los, was er nicht schon vorher durch
Erkenntnis von sich gelöst hätte.
Wie die Theorie der VidehamuMi nebst den sie vor-
bereitenden Upanishadstellen auf der falschen Annahme ruht,
als wenn zwischen uns und dem Ätman eine zeitliche
Trennung bestände, so ist es nicht minder falsch und auf
einer unberechtigten Anwendung der empirischen Erkenntnis-
weise beruhend, wenn zwischen beiden eine räumliche Tren- Der Hin-
7 gang zum
nung angenommen wird, so dafs es erst eines Hinganges zu Ätman (zu
dem Atman bedarf, um ihn zu erreichen. Doch ist diese An-
schauungsweise, unter Nachwirkung der alten Vorstellungen
eines Hinganges zu den Göttern, zum Brahman, zum Ätman
(oben S. 309), auch in den Upanishad's nicht selten. Dafs
die dabei zutage tretenden Vorstellungen wenig zusammen-
stimmen, liegt in der Natur der Sache. Wir wollen die
wichtigsten Stellen in der Kürze überblicken.
Ganz mythisch (wiewohl dem Yäinavalkya in den Mund Wes iiis
" v d V _ .Jenseits.
gelegt) ist Brih. 3,3 die Beschreibung des Weges, welcher die
Deussen, Geschichte der Philosopliie. I,ll. 21
322 XV. Die Erlösung.
Darbringer des Agvamedha als des höchsten Opfers zwischen
den Schalen des Welteies hindurch ins Jenseits leitet, wo sie
der Wind in Empfang nimmt. Auch die am Schlufs ver-
heifsene Abwehr des Wiedertodes für den, welcher den Wind
als Besonderheit und Allgemeinheit (individuellen und kos-
mischen Präna) weifs, zeigt, dafs dieses Stück noch der Zeit
vor der Upanishadlehre zuzuschreiben ist. — Als eine Fort-
setzung desselben könnte betrachtet werden Brih. 5,10, wo
geschildert wird, wie die Dahingeschiedenen (ohne Unterschied)
im Jenseits vom Winde in Empfang genommen und dann
durch Sonne und Mond zu der „Welt, welche ohne Hitze
und ohne Kälte (agokam dhimam, d. h. ohne die Gegensätze
des Erdendaseins) ist", gelangen, um daselbst „unaufhörliche
Jahre" zu weilen. — Zur Sonne nimmt seinen Weg auch der
Sterbende Brih. 5,15 (Icä 15 — 18), nur dafs er sich als identisch
mit dem Purusha in der Sonne erkennt, worin schon ein
Hineinspielen der Atmanlehre und eine Einbettung derselben
in die überkommenen mythologischen Vorstellungen gefunden
werden kann. — Dasselbe gilt von Chänd. 3,13, wo zunächst
die fünf Präna's nebst den entsprechenden fünf Sinnesorganen
und fünf Naturgöttern als die fünf „Götteröffnungen" (deva-
sushayas) bezeichnet und als „die fünf Dienstmannen des
Brahman und Türhüter der Himmelswelt" beschrieben wer-
den, dann aber das durch sie zu erreichende „Licht, welches
jenseits des Himmels dort leuchtet", identisch gesetzt wird mit
dem Lichte, ,, welches hier inwendig im Menschen ist". —
Auch die Eschatologie von Chänd. 8,1 — 6 zeigt diese Ver-
mischung mythologischer und philosophischer Vorstellungen,
wenn Chänd. 8,6,1 — 5 der Weg durch die Adern und die mit
ihnen verbundenen Sonnenstrahlen zur Sonne hin geschildert
wird, während doch vorher 8,3 die Brahmanwelt nicht in
transzendenten Fernen, sondern im Herzen nachgewiesen
worden war. Dafs dabei die Grundanschauung philosophisch,
und die mythische Ausmalung spätere Verbrämung ist, zeigt
sich recht deutlich daran, dafs 8,5,3 aus aranyam, der „Ein-
samkeit", in die sich der Brahman Suchende zurückzieht,
„zwei Seen in der Brahmanwelt, im dritten Himmel von hier"
mit Namen ara- und -nya gemacht werden. Hieran sind noch
4. Die Erlüsnngslehre in empirischem Gewände. 323
andere Herrlichkeiten der Brahmanwelt (das Gewässer Aira/m-
maähjam, der Feigenbaum Somasavana, die Burg Aparäjita
und der Palast Prablmvimitam) , von einer spätem Hand, wie
wir Upanishad's S. 188 gezeigt, angefügt worden. — Vielleicht
schon abhängig von dieser Stelle ist die noch weiter gehende
Schilderung der Brahmanwelt Kaush. 1,3, wo unter anderm
nicht nur der Palast Aparäjita m (hier neutr.) wiederkehrt und
ein Baum 11/ya vorkommt, sondern auch „der See Ära" er-
wähnt wird, dessen Name eine abgeleitete Bildung von dem
See ara- Chänd. 8,5,3 sein dürfte, somit für die Abhängigkeit
von dieser Stelle beweisend sein würde. — Einer andern An-
schauung als Chänd. 8,6,1 — 5 gehört der Chänd. 8,6,6 an-
gehängte und Käth. 6,16 wiederkehrende Vers an, welcher
nicht erst beim Eingang in die Sonne, sondern schon beim
Austreten aus dem Leibe die Aussonderung der durch die
I01ste Ader aufsteigenden Erlösten stattfinden läfst. — Hier-
mit verwandt ist der Weg der Erlösten durch Kopfscheitel,
Feuer, Wind und Sonne zu Brahman hinauf, wie ihn
Taitt. 1,6 beschreibt. — Alle diese Stellen stehen unter dem
Einflüsse des Upanishadgedankens, den sie in empirische For-
men kleiden, indem sie ihn mit den hergebrachten mytho-
logischen Anschauungen verquicken. Recht grell tritt dies hervor
Ait. 3,4: Vämadeva, nachdem er sich als den Atman erkannt,
hat, „aus dieser Welt emporsteigend, in jener Himmelswelt alle
Wünsche erlangt und ist unsterblich geworden" — sehr über-
flüssigerweise, nachdem er sich schon mit dem Ätman, dem
Prinzip aller Dinge, als identisch erfafst hatte.
Eine Klärung fanden diese Vorstellungen durch Aus- Der Dei"*-
gestaltung der Theorie vom Devayäna, wie sie Chänd. 4,15,5
vorliegt, und Verknüpfung derselben mit der analogen Kon-
struktion des Pitriywa in der Fünffeuerlehre, dem grofsen
Haupttexte der Seelenwanderungslehre, den wir oben be-
sprachen. Wir sahen (oben S. 301), wie man die Seelen der
Erlösten durch eine Reihe heller Schichten (Flamme, Tag,
helle Monatshälfte, helle Jahreshälfte, Jahr, Sonne, Mond und
Blitz) bis in Brahman hinein gelangen liefs, von welchem „sie
nicht mehr auf dem Rückwege zu diesem menschlichen Dasein
zurückkehren". Analog dem Devayäna wurde dann weiter
21*
324 XV. Die Erlösung.
mittels der entsprechenden dunkeln Schichten (oben S. 30:0
der Pitriyänä konstruiert, wobei man jedoch, wie gezeigt, nicht
vermeiden konnte, den Mond beiden Wegen gemeinsam sein
zu lassen. Diesen Übelstand sucht der Urheber von Kaush. 1,2
zu heben, indem er, die bis zum Monde führenden beider-
seitigen Vorstufen kassierend oder ignorierend, alle zum Monde
gehen, von dort die Nichtwissenden zurückkehren und die
Wissenden den Devayäna antreten läfst, welchem zum Ersatz
für jene unterdrückten Stufen eine Keihe neuer Stationen
(Mond, Feuerwelt, Windwelt, Varunawelt, Indrawelt, Prajä-
patiwelt, Brahmanwelt) gegeben werden. Diese werden dann
von spätem Vedantisten den vormaligen Stationen des Deva-
yäna einfach eingereiht (System des Ved. S. 475); im übrigen
hat die Theorie der weniger beachteten Kaushitaki nicht ent-
fernt die Bedeutung gewonnen wie die von der Autorität von
Chänd. 5,3 — 10 und Brih. 6,2 getragene Pancägnividyä. Auf
ihr beruhen fast alle spätem Darstellungen des Devayäna,
wie namentlich die Mund. 1,2,11. 3,1,6. Pragna 1,10 vorkom-
menden. Daneben bleibt der Yäjnavalkyagedanke, dafs das
Ätmanwissen schon die Erlösung ist, zu Recht bestehen und
wird oft ganz ungescheut mit der Devayänatheorie verbunden
vorgetragen, wodurch dann schroffe Widersprüche entstehen;
man vergleiche z. B. Käth. 6,14 — 15 mit Käth. 6,16, oder Mund.
3,2,'2 mit Mund. 3,1,10.
Eine Ausgleichung dieser Widersprüche versucht die spätere
Theorie von der KramamuMi oder Stufenerlösung, nach welcher
die für gläubige Verehrung auf dem Devayäna zu Brahman
aufsteigenden Seelen zwar noch nicht erlöst sind, da ihnen
das volle Wissen noch fehlt, doch auch nicht zurück zur Erde
gehen (denn es heilst: „für solche ist keine Wiederkehr1
Brih. 6,2,15. Chänd. 4,15,5. 8,15), sondern in Brahman's Welt
vor dem Ende des Kalpa, wo auch sie vergeht, das volle
Wissen und somit die ewige Erlösung erlangen (vgl. System
d. Ved. S. 430. 472). In den Upanishad's scheint die Krama-
mukti bereits von der Qvet. Up. 1,4. 1,11. 5,7 vertreten zu
werden (vgl. die Anm. dort); noch älter aber dürfte der Vers
Mund. 3,2,6 (Mahänär. 10,22. Kaivalya 3—4) sein:
iitukti.
4. Die Erlösungslehre in empirischem Gewände. 325
Die der Vedäntalehre Sinn ergriffen,
Entsagungsvoll, die Büfser, reinen Wesens,
In Brahman's Welt zur letzten Endzeit werden
Vom Unzerstörbaren erlöset alle.
XVI. Die praktische Philosophie.
1. Vorbemerkung.
Jede theoretische Weltanschauung schliefst in sich Urteile Philosophie
. . und Mora-
über den relativen Wert oder Unwert der Dmge und gewinnt ut&t.
dadurch einen Einflufs auf unser praktisches Verhalten. Darum
hat jedes philosophische System eine ethische Seite, mag die-
selbe nun zu einer besondern Ethik ausgestaltet sein oder
nicht, und gerade auf diese Seite legt unser Gefühl ein so
grofses Gewicht, dafs wir geneigt sind, den Wert einer philo-
sophischen Weltansicht abzuschätzen nach den ethischen Folge-
rungen, die sich aus ihr ergeben haben oder abgeleitet werden
können. Wir lassen uns dabei leiten durch das alte Wahr-
wort: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen" (Matth. 7,16).
Indes kann auch dieses Wort nicht ohne Einschränkung gelten.
Denn, um in dem von Jesu gebrauchten Bilde zu bleiben, es
kann geschehen, dafs ein Baum gut ist und dennoch keine,
oder keine guten Früchte bringt, — etwa weil seine Blüten
zu frühzeitig von dem kalten Eishauche der Erkenntnis der
Wahrheit berührt wurden.
Und dieser Fall dürfte in Indien tatsächlich vorliegen. Ätmaniehre
... ° und Ethik.
Selten hat die ewige philosophische Wahrheit einen schärferen
und treffenderen Ausdruck gefunden als in der Lehre von der
erlösenden Erkenntnis des Ätman. Und dennoch ist diese
Erkenntnis jenem eisigen Hauche zu vergleichen, welcher jede
Entwicklung hemmt, jedes Leben erstarren macht. Wer sich
als den Ätman erkannt hat, der ist zwar allem Begehren und
damit der Möglichkeit eines unmoralischen Verhaltens für
immer entrückt, aber zugleich ist ihm jeder Ansporn zu irgend-
welchem Tun und Schaffen genommen: er ist aus dem ganzen
Kreise der individuellen, illusorischen Existenz herausgetreten,
sein Leib ist nicht mehr sein Leib, seine Werke sind nicht
326 XVI. Die praktische Philosophie.
mehr seine Werke; alles, was er weiterhin noch tun mag oder
nicht tun mag, gehört mit zu dem Bereiche der grofsen Täu-
schung, die er durchschaut hat, und ist daher ohne jeden Belang.
Darum lebt er idriga' eva „wie es eben kommt" (Brih. 3,5,1; er
ist yädricchihi, Mändükya-K. 2,37. Paramahansa-Up. 4), und Icä
1 — 2 gestattet ihm, sich hundert Jahre zu wünschen, zu leben
und zu geniefsen, kein Werk wird ihn beflecken, wird dich
beflecken, evam tvayi „wenn so du", d. h. wenn du das Weltall
in dem Abgrunde der göttlichen Wesenheit versenkt hast.
Nur mühsam und künstlich weifs die Bhagavadgitä aus diesen
Voraussetzungen die Forderung eines heroischen Handelns ab-
zuleiten, wie wir in einem spätem Teile unseres Werkes sehen
werden. Durch das erlangte Ätmanwissen wird jedes, und
somit auch das moralische, Handeln aus den Angeln gehoben.
Moiautät Aber auch zur Erlangung der erlösenden Erkenntnis kann
als Vor- '
be.imgung. das sittliche Verhalten nur indirekt, nicht direkt beitragen.
Denn diese Erkenntnis ist nicht ein Werden zu etwas, das
vorher nicht wäre und durch geeignete Mittel bewirkt werden
könnte, sondern sie ist das Innewerden eines schon vorher,
schon von Ewigkeit her Vorhandenen, sie wird (schon in spä-
tem Upanishad's) verglichen mit dem Erwachen {prabodlm.
Hansa-Up. 1. Ätmaprabodha 1. Gaudap. 1,14. 3,40. 4,92. 98;
vgl. pratibuddha Brih. 4,4,13, pratibodha Kena 12, jagrafa
Käth. 3,14, boddhum ib. 6,4; nityah, guddho, buddJiah Nrisin-
hott. 9) und erfolgt, wie dieses, von selbst (Käth. 2,23) und.
nicht durch Vorsatz. Mändükya-K. 1,16:
In anfanglosem Weltblendwerk
Schläft die Seele; wenn sie erwacht,
Dann wacht in ihr das zvveitlose
Schlaf- und träum -lose Ewige.
Die Er- — Erst später, als die empirische Erkenntnisweise sich der
ein8we8rdae'n Erlösungslehre bemächtigte und dieselbe, wie gezeigt, unter
der Anschauungsform der Kausalität auffafste, erschien das
erlösende Wissen als ein Werden zu etwas, als eine Wirkung,
die auf bestimmte Ursachen erfolgte, und die man durch Be-
förderung der Ursachen glaubte hervorbringen zu können.
Hierbei fafste man, wiederum empirisch, die Erlösung auf
zu etwas.
1. Vorbemerkung. v 327
nach den äufsern Symptomen, durch welche sie in die Er-
scheinung trat. Dieser Symptome aber waren vor allem zwei : zwei sym-
1) die Aufhebung alles Begehrens, Erlösung.
2) die Aufhebung des Eewufstseins der Vielheit.
Diese also galt es hervorzubringen oder doch nach Kräften
zu befördern, und hieraus entspringen zwei merkwürdige Er- zwei Mittel,
' r ° ° sie zu be-
scheinungen der indischen Kultur, welche schon in den alten wirken.
Upanishad's wurzeln und in einer Reihe späterer Upanishad's
ihre Ausbildung erfahren,
1) der Sannyasa, welcher das Begehren, und
2) der Yoga, welcher das Bewufstsein der Vielheit
durch künstliche Vorkehrungen aufzuheben und damit die er-
lösende Erkenntnis, wenigstens ihren äufsern Symptomen nach,
zu erzeugen bemüht ist. In- diesen beiden, parallel neben-
einanderlaufenden und vielfach sich berührenden, Kultur-
erscheinungen liegt die praktische Philosophie, welche aus Die praku-
. . ° \ . ■ ■ sehe Philo-
dem (empirisch aufgefafsten ) Upanishadgedanken hervor- sophie.
gewachsen ist, und von der wir, nach Mafsgabe des in den
Atharva-Upanishad's vorliegenden Materials, noch in der Kürze
zu handeln haben. Vorher aber wollen wir die wichtigsten
ethischen Gedanken, wrelche in den Upanishad's nicht sowohl
aus der Atmanlehre als vielmehr neben ihr her entspringen,
hier zusammenfassen.
2. Die Ethik der Upanishad's.
Die Europäer, praktisch und klug wie sie sind, pflegen objektiver
eine verdienstliche Handlung vor allem zu schätzen nach ihrem uverVeV
objektiven Werte, d. h. nach dem Nutzen, den sie für die tei„ng.n "
Nebenmenschen, für viele, für alle zur Folge hat. Wer in
dieser Richtung die gröfsten Wirkungen erzielt hat, gilt für
den gröfsten Mann seiner Zeit; das Scherflein der Witwe
bleibt immer nur ein Scherflein. Aber dieser objektive Wert
der guten Tat ist zu sehr von der Gunst und Ungunst der
Verhältnisse, von der Einsicht, der Stellung, den Hilfskräften
des Handelnden und andern Zufälligkeiten abhängig, als dafs
er zumMafsstabe der moralischen Würdigung dienen könnte.
Diese hat sich vielmehr nur an den subjektiven Wert einer
Handlung zu halten, welcher besteht in der Gröfse des
328 XVI Die praktische Philosophie.
persönlichen Opfers, welches der Handelnde bringt, oder, genauer
gesagt, in seinem Bewufstsein von der Gröfse des Opfers,
welches er zu bringen glaubt, und somit in dem Grade der
Selbstverleugnung (topos) und Entsagung (nyäsa), der in der
Handlung sich zeigt, mag sie nun übrigens für die andern
von grofsem, oder geringem, oder auch von gar keinem
Nutzen sein,
objektive Diese Unterscheidung mag uns davor schützen, in eine
und subjek- n
tive wert- ungerechte Beurteilung zu verfallen, wenn wir, zunächst mit
der Hand- einiger Befremdung, bemerken, wie bei den alten Indern,
upanishad's. deren Bewufstsein von der menschlichen Gesellschaft, von
ihren Bedürfnissen und Interessen nur wenig entwickelt . war,
der Sinn für den objektiven Wert der moralischen Hand-
lung (d. h. nach dem, was sie für andere ist) viel weniger
als bei uns besteht, während ihre Schätzung nach dem sub-
jektiven Wert (d. h. nach dem, was sie für den Handeln-
den selbst bedeutet) in einer Weise vorhanden ist, von der
wir wohl noch manches lernen können. In diesem Sinne be-
schäftigt sich die Ethik der Upanishad's wesentlich mit der
subjektiven Bedeutung der moralischen Handlung, weniger mit
ihren Wirkungen nach aufsen hin, wiewohl auch diese letztere
Betrachtungsweise nur vor der erstem zurücktritt, keineswegs
aber fehlt, wie wir zunächst durch einige Beispiele zeigen
wollen.
Chänd. 3,17 wird das Leben allegorisch als eine grofse
Somafeier betrachtet. Hierbei wird, im Vorbeigehen, in fünf
Worten eine kleine Ethik eingeflochten, indem als der Opfer-
lohn (daJcshindX der bei dem grofsen Lebensopferfest zu spen-
den ist, bezeichnet werden: 1) topos (Askese), 2) dänam (Mild-
tätigkeit), 3) ävjavam (Rechtschaffenheit), 4) aJiinsä (Nicht-,
verletzen) und 5) satyavaeänäm (Wahrhaftigkeit).
Taitt. 1,9 werden zwölf Pflichten aufgezählt, neben jeder
von welchen immer wieder das „Lernen und Lehren des Veda"
eingeschärft wird. Sie sind: Rechtschaffenheit und Wahr-
haftigkeit; Askese, Bezähmung und Beruhigung; dazu als
Obliegenheiten des Hausvaters: Feueranlegung und Agnihotrani,
Gastfreundlichkeit und Leutseligkeit, Kinderpflicht, Gatten-
pflicbt und Enkelpflicht.
2. Die Ethik der Upanishad's. 329
Wie in andern Ländern, glaubt man auch in Indien die
Stimme des moralischen Gesetzgebers (Prajäpati) aus dem
Hollen des Donners zu vernehmen, dessen da! da! da! in
dem Mythus Brih. 5,2 als damyata ! datta! dayadhvam! (be-
zähmt euch, gebt Almosen, habt Mitleid) gedeutet wird.
Eine schöne Sentenz über die wohltätigen .Wirkungen
der guten Handlung findet sich Mahänär. 9 (Atharva-Rez.
8,2): „Wie von einem mit Blüten bedeckten Baume der Duft
weithin weht, also auch weht weithin der Duft einer guten
Tat".
Auf der andern Seite findet das Böse seine scharfe Mifs-
billigung in dem Chänd. 5,10,9 erhaltenen Verse:
Der Dieb des Goldes und der Branntweintrinker,
Brahmanenmörder, Lehrers Bett Beflecker,
Die vier und fünftens, wer mit ihnen umgeht, stürzt.
Wenn hier statt des allgemeinen Verbotes von Diebstahl,
Trunksucht, Mord und Ehebruch nur spezielle Fälle angeführt
werden, so weist diese noch fehlende Verallgemeinerung, sowie
auch die Seltenheit solcher Warnungen in der Upanishad-
Jiteratur, darauf hin, dafs derartige Verbrechen nicht eben
häutig waren, und dafs mancher -indische Fürst sich etwas von
dem schönen Zeugnisse aneignen konnte, welches Acvapati
Kaikeya seinen Untertanen Chänd. 5,11,5- ausstellt:
In meinem Reiche ist kein Dieb,
Kein Geiziger, kein Trunkenbold,
Kein Opferloser, Schriftloser,
Kein Buhler, keine Buhlerin.
Dem entspricht auch der milde, humane Ton, in welchem
wir in den Upanishad's Gatte und Gattin, Vater und Sohn,
Lehrer und Schüler, Fürst und Untertanen, mit einander ver-
kehren sehen.
Wo die Moral nach aufsen so wenig zu tun fand, da
konnte sie sich um so ungeteilter dem Innern zuwenden, im
Bewufstsein des Spruches (Bhag. G. 6,ö) :
In dir selbst deinen Freund wisse,
In dir selbst wisse deinen Feind.
330
XVI. Die praktische Philosophie.
T<ip<is and
tif/äsa als
ethiBche
(truml-
nes;riffe.
Die vier
Acrama'B.
Entstehung
der A<;ia-
ma'e.
Die Bekämpfung dieses innern Feindes ist Topos (Askese),,
seine Besiegung Nyäso (Entsagung), und hierin sind die beiden
Grundbegriffe gegeben, um welche sich das ethische Denken
in den Upanishad's bewegt. Über Topas wurde schon oben
(S. 60 — 65) eingehend gehandelt, und wir wollen hier nur
noch hinzufügen, dafs Mahänär. 8 sehr richtig alle Tugenden
für Topas erklärt werden, dafs aber nach Mahänär. 02,11 „alle
jene niederen Kasteiungen" (als welche wiederum eine ähnliche
Reihe von Tugenden wie Taitt. 1,9, oben S. 328, und Maha-
nar. 8 aufgezählt werden) überragt werden durch Nyäso, die
Entsagung. Wichtiger als derartige einzelne Aufserungen ist
es, dafs mit der Zeit zu den althergebrachten Lebensstadien
des BraJimacärin und Grihastha ein drittes und viertes hinzu-
traten, in denen jene beiden höchsten Tugenden, das Topos
als Vdnaprasiha und der Nyäsa als Sannydsin, gleichsam ver-
körpert sind. Diese vier Stadien des Brahmanschülers, Haus-
vaters, Waldeinsiedlers und herumschweifenden Bettlers, in
denen nach späterer Anschauung das Leben jedes brahmani-
schen Inders verlaufen sollte, werden in späterer Zeit (zuerst,
unseres Wissens, Qvet. 6,21 atyägrämin, dann Maitr. 4,3 usw.)
sehr bezeichnend AQrama's d. h. „Kasteiungsstätten" genannt:
das ganze Leben sollte in einer Reihe stufenweise sich steigern-
der asketischer Stadien verlaufen, durch die der Mensch, mehr
und mehr von allem irdischen Hang geläutert, seiner „Hei-
mat" (astam) entgegenreifen sollte, als welche das Jenseits schon
Rigv. 10,14,8 bezeichnet wird. — Die ganze Geschichte der
Menschheit hat nicht vieles, was an Gröfse diesem Gedanken
gleichkommt.
In den altern Upanishad's ist die Theorie von den vier
Arrnmas erst in der Ausbildung begriffen. Chänd. 8,15 er-
wähnt nur den Brahmanschüler und Hausvater und verheilst
schon diesem für Studium, Kindererziehung, Yogaübung, Nicht -
schädigung und Opfer ein Hinscheiden ohne Wiederkehr.
Chänd. 2,23,1 nennt neben diesen als dritten „Zweig der
Pflicht" das Tapas (des Vänaprastha) ; eine Reihenfolge besteht
noch nicht ; vielmehr scheinen nach dieser Stelle die Brahman-
schüler, soweit sie nicht vorzogen für immer im Hause des
Lehrers zu bleiben, sich teilweise dem Hausvaterstand, teil-
2. Die Ethik der Upanishad's. 331
weise dem Waldleben zugewandt zu haben. Hierzu stimmt,
dafs Chänd. 5,10 unter denen, welche sterben, die Einsiedler
im Walde und die Opferer im Dorfe neben einander erscheinen-
Allen drei Zweigen der Pflicht stellt Chänd. 2,23,1 den „in
Brahman Feststehenden" gegenüber. Ebenso Brih. 4,4,22 sol-
chen, welche 1) Vedastudium, 2) Opfer und Almosen, 3) Büfsen
und Fasten betreiben, den, welcher den Atman erkannt hat
und infolgedessen ein Muni und Pravräjin (Pilger) wird.
Beide haben das Atman wissen und somit das Höchste erreicht.
(Hingegen wird in der verwandten Stelle, Brih. 3,5, der Bräh-
mana als höhere Stufe noch vom Muni unterschieden.) Auch
Brih. 3,8,10 wird von dem Opfern und Spenden (des Haus-
vaters) sowie dem Tapas-Üben (des Waldeinsiedlers) das
Atmanwissen als höchstes Ziel unterschieden. Alle diese Stellen
setzen nur die drei Stadien des Brahmanschülers, Haus-
vaters und Einsiedlers voraus und stellen ihnen die Ätman-
wisser gegenüber; diese sind ursprünglich „über die (drei)
Acrama's erhaben" (atyacramin, wie es Cvet. 6,21. Kaiv. 24
heifst), aber eben diese Erhabenheit über die Acrama's wurde
mit der Zeit selbst zu einem vierten und höchsten Agrama,
welchen man naturgemäfs an das Ende des Lebens verlegte,
so dafs ihm die Schülerschaft und das (ursprünglich neben
einander stehende) Hausvatertum und Einsiedlertum als zeit-
liche Vorstufen in dieser Reihenfolge vorhergingen. Aber
noch bis in späte Zeit ist die Scheidung zwischen dem dritten
und vierten Acrama, zwischen dem Tapas übenden Väna-
prastha und dem zum Nyäsa durchgedrungenen Sannyäsin,
nicht streng durchgeführt. Eine Hiudeutung auf die Vierzahl
der Acrama's ist vielleicht schon der Vers Mund. 2,1,7: „Ka-
steiung, Wahrheit, Brahmanwandel, Vorschrift". Sonst dürfte
die älteste Stelle, welche alle vier A§rama's in der richtigen
Reihenfolge nennt, Jäbäla-Up. 4 sein: „Hat man die Brahman-
schülerschaft beendet, so werde man ein Hausvater; nachdem
man ein Hausvater gewesen, werde man ein Waldeinsiedler;
nachdem man ein Waldeinsiedler gewesen, ziehe man pilgernd
umher".
Die weitere Ausbildung der Theorie von den vier Acrama's
gehört erst der Periode der Dharmasütra's und Dharmacästra's
332 XVI. Die praktische Philosophie.
au. Hier wollen wir nur noch das, was die Upanishad's
darüber enthalten, der Hauptsache nach überblicken.
1) Der Brahmacarin. — Chänd. 6,1,1 : „Qvetaketu war
der Sohn des [Uddälaka] Äruni. Zu ihm sprach sein Vater:
«CVetaketu! ziehe aus, das Brahman zu studieren, denn einer
aus unsrer Familie, o Teurer, pflegt nicht ungelehrt und ein
[blofses] Anhängsel der Brahmanenschaft zu bleiben»". Aus
dieser Bemerkung scheint zu folgen, dafs das Eintreten als
Brahmanschüler damals noch, zwar als gute Sitte, aber selbst
für Brahmanen noch nicht als allgemeine Vorschrift galt.
Auch das Eintreten des Satyakäma als Brahmanschüler er-
scheint Chänd. 4,4,1 als dessen freiwilliger Entschlufs. Man
konnte bei seinem Vater in die Lehre treten, wie Qvetaketu
Chänd. 5,3,1. Brih. 6,2,1. Kaush. 1,1, oder bei andern Lehrern,
wie (unvereinbar damit) CVetaketu Chänd. 6,1,1. Die Bitte
um Aufnahme mufste rite (tirthena, vgl. Mund. 1,1,3 vidhivat)
erfolgen, d.h. nach Brih. 6,2,7 mit den Worten: upaimi dham
bhivantäm. Als Zeichen, dafs er gewillt sei, dem Lehrer zu
dienen, insbesondere die heiligen Feuer zu unterhalten, nimmt
der Schüler das Brennholz in die Hand, Kaush. 4,19. Chänd.
4,4,5. 5,13,7. 8,7,2. 8,10,3. 8,11,2. Mund. 1,2,12. Pracna 1,1.
Vor der Aufnahme vergewissert sich der Lehrer über die Ab-
stammung des Schülers, Chänd. 4,4,4, doch, wie dieses Beispiel
zeigt, in sehr toleranter Weise. Mitunter wird die Belehrung
auch ohne förmliche Aufnahme (anupaniya, Chänd. 5,11,7) er-
teilt. Die Dauer der Lehrzeit ist Chänd. 4,10,1 zwölf Jahre,
4,4,5 „eine Reihe von Jahren"; auch Qvetaketu tritt Chänd.
6,1,2 zwölf Jahre alt in die Lehre und bleibt in ihr zwölf
Jahre; in dieser Zeit hat er „alle Veden durchstudiert" (Chänd.
6,1,2), nämlich die Rigverse, Opfersprüche und Sämalieder
(Chänd. 6,7,2), also wohl nur die Samhitä's. Übrigens scheint
vom Studium zunächst keine Rede gewesen zu sein: Upakosala
hat Chänd. 4,10,1 — 2 zwölf Jahre die heiligen Feuer bedient, und
immer noch kann sich der Lehrer nicht entschliefsen, ihm „die
Wissenschaft" zu lehren; Satyakäma wird zunächst mit der
Kuhherde des Lehrers in die Fremde geschickt, wo er eine
Reihe von Jahren verweilt, Chänd. 4,4,5; eine weitere Dienst-
leistuno; des Brahmacarin besteht darin, dafs er für den Lehrer
2. Die Ethik der Upanishad's. 333
betteln geht, Chänd. 4,3,5; auch bei feierlichen Gelegenheiten
finden wir ihn im Gefolge des Lehrers und dessen Befehle
erwartend, Brih. 3,1,2. Neben und nach diesen Dienstleistungen,
„in der von der Arbeit für den Lehrer übrig bleibenden Zeit"
(guroh Jcarma-atigeshena) wird dann der Veda studiert (Chand.
8,15). Die Folge war mitunter mehr Wissensdünkel als echtes
Wissen (Chänd. 6,1,2). Auch auf der Wanderschaft finden wir
die Brahmanschüler; zu berühmten Lehrern „ eilen sie von
allerwärts her", wie Wasser zur Tiefe, Taitt. 1,4,3; bis zum
Lande der Madra's (am Hyphasis) wandern sie, „um das Opfer
zu erlernen", Brih. 3,7,1. 3,3,1. In der Kegel aber wohnen
sie als anteväsin's im Hause des Lehrers, und manchen sagte
diese Lebensweise so zu,'dafs sie sich „für immer im Hause
des Lehrers niederliefsen" (Chänd. 2,23,1). Die übrigen wur-
den am Ende der Lehrzeit entlassen mit Belehrungen wie
Brih. 6,4 und Ermahnungen wie Taitt. 1,11: „Nachdem er den
Veda mit ihm studiert hat, ermahnt der Lehrer seinen Schüler:
Sage die Wahrheit, übe die Pflicht, vernachlässige nicht das
Vedastudium. Nachdem du dem .Lehrer die liebe Gabe über-
reicht hast, sorge, dafs der Faden deines Geschlechts nicht
reifse." Weiter folgen Ermahnungen, Gesundheit und Ver-
mögen nicht zu vernachlässigen, Mutter, Vater, Lehrer und
Gast zu ehren, in Werken und Wandel untadelig zu sein,
Höherstehende zu ehren, in der rechten Weise Almosen zu
geben und in allen zweifelhaften Fällen sich nach dem Urteile
bewährter Autoritäten zu richten.
2) Der Grihastha. — Chänd. 8, 15 : „Wer aus der Fa- 2)Dere
milie des Lehrers, nach vorschriftsmäfsigem Vedastudium in
der von der Arbeit für den Lehrer übrig bleibenden Zeit,
nach Hause zurückkehrt, im [eignen] Hausstande in einer
reinen [den Brahmanen zum Aufenthalte gestatteten] Gegend
das Selbststudium des Veda betreibt, fromme [Söhne und
Schüler] erzieht, alle seine Organe in dem Ätman zum Still-
stande bringt, auch kein Wesen verletzt, ausgenommen an
heiliger Stätte [beim Opfer], — der fürwahr, wenn er diesen
Wandel die Dauer seines Lebens hindurch einhält, geht ein
in die ßrahmanwelt und kehrt nicht wieder zurück". Nach
dieser Stelle kann der Hausvater lebenslänglich ein solcher
334 XVI. Die praktische Philosophie.
bleiben, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen. Hingegen
ist nach Chänd. 5,10 für die, ,, welche im Dorfe mit den
Worten: «Opfer und fromme Werke sind unser Tribut» Ver-
ehrung üben", also für die bis zum Ende des Lebens im
Hausvaterstand Verharrenden, die vorübergehende Belohnung
auf dem Monde und Bückkehr zu einem neuen Erdenleben
bestimmt. Die nächste Pflicht des Hausvaters ist, eine Fa-
milie zu gründen und einen Sohn als Fortsetzer der Werke
des Vaters zu erzeugen, worüber schon oben S. 264 fg. ge-
handelt wurde. Mehrere Frauen sind erlaubt, wie denn Yäjfia-
valkya selbst deren zwei hatte (Brih. 2,4. 4,5). Als weitere
Pflichten des Grihastha werden genannt: Opfer, Vedastudium
und Almosengeben (Chänd. 2,23,1. 8,5,1—2. Brih. 4,4,22. 3,8,10).
Inwieweit die Pflicht zu opfern durch den Upanishadgedanken
eine Beeinträchtigung erlitt, wurde schon oben S. 57 — 60
besprochen.
3)Der väna- 3) Der Vänaprastha und 4) der Sannyäsin (Bhikshu,
%a&e?san- Pari vräj aka). — Eine Scheidung zwischen diesen beiden
Stadien hat sich erst nach und nach vollzogen. Ursprünglich
stand das Einsiedlerleben im Walde als besondere „Berufsart"
((Iharmaslcandka) neben dem Hausvatertum (Chänd. 2,23,1.
5,10,1 — 3). Später mochte es Brauch werden, sich erst im
Alter, nachdem man den Pflichten des Grihastha genügt hatte,
in die Waldeinsamkeit zurückzuziehen. Ein Beispiel ist Yäjna-
valkya, wenn er Brih. 2,4,1 (4,5,1 — 2) zu seiner Gattin Mai-
treyi spricht: „Ich werde nun diesen Stand [des Hausvaters]
aufgeben; wohlan, so will ich zwischen dir und der Kätyäyani
da Teilung halten". Bei Yäjnavalkya bedeutet dieser Schritt
die praktische Betätigung dessen, was er Brih. 3,5,1 lehrt:
„Wahrlich, nachdem sie dieser Seele sich bewufst geworden,
stehen die Brahmanen ab vom Verlangen nach Kindern und
Verlangen nach Besitz und Verlangen nach der Welt und
wandern umher als Bettler". Hier sind der dritte und vierte
Stand noch nicht geschieden. Anders verhält es sich mit dem
Könige Brihadratha, welcher Maitr. 1,2 sein Königreich auf-
gibt, in den Wald zieht und sich den höchsten Kasteiungen
hingibt, in die Sonne starrt und mit emporgereckten Armen
dasteht, und doch bekennen mufs : „Ich bin nicht des Atman
2. Die Ethik der Upanishad's. 335
kundig''. Hier hat der Einsiedler, dessen Aufgabe es ist,
neben der Meditation die Askese zu üben (Chänd. 2,23,1 ),
noch nicht das höchste Ziel erreicht; wenn einer, ohne den
Ätman zu kennen, ,, Askese übt viel tausend Jahre lang, dem
bringet es nur endlichen [Lohn]" (Brih. 3,8,10); Askese führt
nur zum Pitriyana (Brih. 6,2,16), und nur bei denen steht es
anders, welche sprechen können: „unsere Askese ist der
Glaube" (Chanel. 5,10,1); Bufsen und Fasten sind nur ein
Mittel", durch welches die Brahmanen den Ätman ,,zu erken-
nen suchen" (vividishemti, Brih. 4,4,22). Nach einigen ist das
Tapas als Mittel des Ätmanwissens unerläfslich (Maitr. 4,3:
na atapaslcasya atrnajnäne \llugamah), nach andern (Jabäla-
Up. 4) sowie nach der Konsequenz des Systems ist es ent-
behrlich. Denn solange das Ziel ein jenseitiges war, mochte
man hoffen, durch asketische Abstumpfung des Hanges zum
Diesseits diesem Ziele näher zu kommen; ist aber die Er-
lösung das Sichfinden als den Ätman und somit etwas, was
nur als vorhanden erkannt, nicht als zukünftig bewirkt zu
werden braucht, so wird die Askese des Vänaprastha ebenso
überflüssig wie das Opfern und Vedastudium (Brih. 3,5. 4,4,21)
des Grihastha; der Ätman wissende ist atyäcramin „über die
[drei] Äcrama's erhaben" (Qvet. 6,21). Er hat erreicht, was
der Asket nur anstrebt, die volle Loslösimg von seiner Indi-
vidualität und allem, was zu ihr gehört, wie Familie, Besitz
und Welt (Brih. 3,5. 4,4,22); weil er „alles von sich wirft"
(sani-ni-as), heifst er Sannyäsin, weil er heimatlos „umher-
schweift", Parivrdj, Parivräjuka, weil er, besitzlos, nur noch •
als „Bettler" lebt, Bhiksfm,
3. Der Sanni/asa.
Der Sannyäsa, welcher ursprünglich nur die Aufhebung Ursprung
der ganzen brahmanischen Lebensordnung und ihrer drei Äc,ra- deutun^.
ma's ist, wurde mit der Zeit zu einem vierten und höchsten
Äcrama gestaltet, welcher in der Kegel, wenn auch nicht not-
wendig, erst nach Durchlaufung der Stadien des Brahmacärin,
Grihastha und Vänaprastha gegen das Ende des Lebens folgen
sollte. Hierdurch aber gewann er eine andere Bedeutung.
War er ursprünglich eine Folgeerscheinung der Erkenntnis
336
XVI. Die praktische Philosophie.
Vorbedin-
gungen.
des Ätman, so wurde er jetzt zu einem . letzten und sichersten
Der s«»- Mittel, durch das man jene Erkenntnis zu erlangen hoffte,
nydsa als . ~ 4
Mittel des und als em solches Mittel der Atmanerkenntnis und Erlösung
Wissens, tritt uns der Sannyäsa in einer Reihe späterer Upanishad's
(die wichtigsten sind: Brahma, Sannyäsa, Aruneyi, Kantha-
gridi, Paramahansa, Jubäla. Agrama) entgegen, aus denen wir
versuchen wollen, ein Bild jener absonderlichen Erscheinung
des indischen Kulturlebens zu entwerfen. Bei der Gering-
schätzung, welche die Sannyäsins nach dem Vorbilde des
Yäjfiavalkya (Biih. 3,5. 4,4,21) gegen die vedLsche Tradition
hegen, und bei dem Mangel einer andern Autorität ist es be-
greiflich, dafs die Regeln und Sprüche, aus denen die Sannyäsa-
Upanishad's sich abgesetzt haben, im einzelnen voll von Wider-
sprüchen sind.
1) Vorbedingungen des Sannyäsa. Eine klare Unter-
scheidung aller vier Acrama's von einander finden wir nur
Jäb. 4 und Acr. 1 — 4; letztere Upanishad unterscheidet das
dritte und vierte Stadium dadurch, dafs der Vänaprastha m
allen seinen vier Spielarten immer noch das Opfern im Walde
fortführt, während die vier Arten des Sannyäsin davon ent-
bunden sind. Jäb. 4 empfiehlt, erst nach Durchlaufung der
Stadien der Brahmacärin , Grihastha und Vänaprastha zum
Sannyäsa überzugehen, gestattet aber auch einen Übergang
dazu direkt von jedem Stadium aus. Ebenso wird Kanth. 1
empfohlen, „in der richtigen Reihenfolge" der Welt zu ent-
sagen, während Kanth. 2 auch ein Abweichen von ihr gestattet
wird. Sanny. 1 wird die Entsagung als ein „Hinausgelangen
über die Lebensstadien" (also noch nicht' als viertes Stadium)
bezeichnet; nach den Schilderungen Sanny. 2 und Kanth. 4
wird direkt vom Hausvatertum zur Entsagung übergegangen,
sei es dafs Grihastha und Vänaprastha hier noch ohne Suk-
zession als Vorstufen der Entsagung nebeneinanderstehen (wie
Chänd. 2,23,1), sei es dafs Vänaprastha und Sannyäsin noch
nicht (wie ħr. 3 — 4 und später) bestimmt geschieden werden.
2) Der Abschied vom Leben. Der Sannyäsa erfor-
dert ein Aufgeben alles Besitzes Kanth. 1, ein Verzichten auf
die sieben obern und sieben untern Welten, welche bei dieser
Gelegenheit aufgezählt werden, Ar. 1, ein Verlassen von Söhnen,
Abschied
vom Leben
3. Der Sannyäsa. 337
Brüdern, Verwandten Ar. 1, von Vater, Sohn und Weib Ar. 5r
von Lehrern und Verwandten Kanth. 4, von Kindern, Freun-
den, Weib, Verwandten Par. 1, ein Zurücklassen der Familie
Ar. 2; nur der Vers Sanny. 2,7 gestattet auch, dafs der Ent-
sager von seinem Weibe begleitet werde. Der Sannyäsa ist
somit ein völliger Abschied vom Leben, daher, wie beim
Sterben, auch hier eine Heiligung (samskura) durch Sprüche
und Zeremonien stattzufinden hat, Sanny. 1. Insbesondere hat
der zur Entsagung Übergehende noch zum letztenmal ein Opfer
darzubringen, in dessen Schilderung die Texte sehr ausein-
andergehen. Sanny. 1 schreibt ein Manenopfer und ein Brahman-
opfer (brähmeshti) vor, — von nun an lebt der Entsagende
ohne Manenspende und Opfer, Par. 4, — Kanth. 4 verlangt,
dafs zuerst zwölf Tage lang ein Agnihotram mit Milch ge-
bracht werde, während welcher Zeit der Opfernde selbst nur
von Milch leben soll; dann soll er, indem er alle seine bis-
herigen Opferpriester noch einmal wie früher wählt, Kanth. 1,
ein Vaigoändro.- Opfer (an Agni Vaigvänara, wohl zu ver-
stehen wie Chänd. 5,19 — 24) darbringen, Kanth. 1 und 4, be-
gleitet von einem Mus an Prajäpati (vielleicht als Loskaufen
von der Zeugung) und einem Kuchen in drei Schalen an
Vishnu, Kanth. 4. Hingegen wird Jäb. 4 das Opfer an Prajä-
pati mifsbilligt und nur das an Agni als Präna (also wohl
das Vaicvänara-Opfer) gefordert, nach diesem aber noch ein
Traidhätaviya- Opfer an die drei Grundstoffe Sattvam, Eajas
und Tamas verordnet. Hierbei wird Jäb. 4, entsprechend der
hier durchgeführten Unterscheidung aller vier Stadien, der
zum Sannyäsa Übergehende als Vänaprastha gedacht; daher
die weiter folgende Verordnung, das Feuer durch den Priester
aus dem Dorfe holen zu lassen; ist kein Feuer zu haben, so
soll man im Wasser opfern, „denn das Wasser ist alle Gott-
heiten" (vgl. oben S. 171 fg.). Dieses Opfern geschieht mit
den Worten: nOm! ich opfere allen Gottheiten, svähd", wobei
das Wort Om alle drei Veden involviert, Jäb. 4 ; hierauf soll
der Opfernde von dem Opferschmalz und der heilsamen Opfer-
speise kosten, Jäb. 4. Nach Kanth. 1 soll er auf die Opfer-
geräte symbolisch seine Glieder übertragen, wodurch er sich
derselben entäufsert ; nach Kanth. 4 soll er seine hölzernen
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n. 22
338 XVJ[- Die praktische Philosophie.
Gefäfse ins Feuer, seine irdenen ins Wasser werfen und die
metallenen dem Lehrer schenken; nach Sanny. 1. Kanth. 4
die Reibhölzer ins Feuer werfen. Hierauf nimmt er sym-
bolisch die Feuer, die er fortan nicht mehr unterhalten wird,
in sich, Sanny. 1, in seinen Leib auf, Sanny. 2,4; die Opfer-
feuer nimmt er in sein Bauchfeuer (in dem er künftig das
Präna-Agnihotram bringt, oben S. 113 — 114), die Gäyatri (d. h.
den Veda, Chänd. 3,12,1) in sein Redefeuer auf, Ar. 2. Es ist
wohl dieses Aufnehmen der Opferfeuer in den eigenen Leib?
welches symbolisch angedeutet werden soll, wenn der Entsager
nach Kanth. 4, die Feuer anredend, von der Reibhölzerseite
eine Handvoll Asche zu trinken, nach Jäb. 4 an den Feuern
zu riechen hat. — Aufser diesen Zeremonien ist Sanny. 3 und
Kanth. 5 noch von einer besondern Weihe (Mkshä) die Rede,
welche mittels des Hymnus Atharvav. 11,8 „Als sich Manyu
eine Gattin aus des Samkalpa Haus erkor" usw. vollzogen
werden soll. Da dieser Hymnus sich in herabsetzender Weise
über die Entstehung des Leibes ausläfst (vgl. die Übersetzung
oben I, i, S. 270 — 277), so hatte seine Verwendung vielleicht
den Sinn, dafs man sich dabei von der eigenen Leiblichkeit
lossagte. — Nach diesem Abschiede von dem Opferwesen
folgt eine sehr bedeutsame Handlung, die daher auch von allen
Texten immer wieder hervorgehoben wird, nämlich das Ab-
legen der, die Zugehörigkeit zum brahmanischen Religions-
verbande anzeigenden, Opferschnur (Kanth. 2. 3. 5. Ar. 1.
3. 5. Brahma 3) und der auf die Familienabstammung hin-
deutenden Haarlocke (g*Ma, Kanth. 2. 3. Ar. 1. Brahma 3.
Par. 1). Von nun an soll nur die Meditation als Opferschnur
.(Kanth. 2. Brahma 3. Par. 2) und das Wissen als Haarlocke
dienen (Kanth. 2. Brahma 3), der zweitlose Atman soll dem
Entsager Opferschnur und Haarlocke sein, Par. 2., Nach Kanth. 4
wird die Opferschnur, nach Jäb. 6 auch die Haarlocke, mit
den Worten „der Erde sväkä" im Wasser geopfert, nach Ar. 2
soll man Opferschnur und Haarlocke in der Erde vergraben
oder im Wasser versenken. Die spätere Systematisierung
Acr. 4, welche vier Rangstufen von Sannyäsin's unterscheidet,
läfst den Bahüdaka mit Haarlocke und Opferschnur, den Hansa
ohne Haarlocke mit Opferschnur und erst den Paramahansa
3. Der Saunyäsa. 339
als höchste Stufe ohne Haarlocke und Opferschnur, wie auch
ohne Kopfhaare sein. Auch über diese besteht Meinungs-
verschiedenheit: Kanth. 2. 3. 4 fordert Entfernung der Haupt-
haare, Jäb. 5 Kahlköpfigkeit, Kanth. 5 nur eine kleine Tonsur,
Sanny. 3 und Kanth. 5 Entfernung der Haare an Scham und
Achselhöhle. — Zuletzt von allem folgt der Abschied vom
Sohne, der den Vater noch eine Strecke begleitet, worauf
unter feierlichen Sprüchen beide rechtsum kehren und fort-
gehen, ohne sich umzusehen, und ohne dafs der Sohn Tränen
vergiefsen darf, Kanth. 2 und 3.
3) Kleidung und Ausrüstung. Auch über diese be- Kleidung,
stehen grofse Meinungsverschiedenheiten. Das Gewand soll
nach Sanny. 3. Kanth. 5 braunrot, nach Jäb. 5 farblos, nach
Kanth. 2 zerrissen oder aus Baumbast, nach Sanny. 4 geflickt
sein; Ägr. 4 gestattet dem Bahüdaka Lendentuch und braun-
rotes Gewand, dem Paramahansa nur Lumpen und Lenden-
tuch; Par. 4 verlangt von ihm, dafs der Weltraum sein Kleid
sei, Jäb. 6, dafs er „nackend, wie er geboren" leben soll. —
Mit Fell, Gürtel und Opferschnur müssen die-, gleichfalls zur
Unterscheidung der Kasten dienenden, Stäbe aus Paläga-, aus-
Bilva- und Agvattha-TLolz abgelegt werden, Ar. 5. An ihre
Stelle tritt der aus drei Stäben zusammengeflochtene Dreistab
(tridandam, wohl als Zeichen der Ausgleichung der Kasten-
unterschiede) Sanny. 4, auch dieser wird verboten Kanth. 5.
Jäb. 6. Ar. 2; an seine Stelle tritt der Einstab (Symbol völliger
Ausgleichung) Par. 1, der Rohrstab Ar. 3; auch ihn verwehrt
Par. 3 mit der Bemerkung, dafs, wer nur die Erkenntnis als
Stab trage, mit Recht ein Einstabiger heifse. Äcr. 4 bringt
auch hier System hinein, indem sie dem Bahüdaka den Drei-
stab, dem Hansa den Einstab gestattet, dem Paramahansa
jeden Stab verbietet. Ebenso wird Sanny. 3 ein Sieb, Kanth. 5
ein Tuchfetzen zum Durchseihen des Getränks, um keine Lebe-
wesen zu verschlucken, gestattet, hingegen Jäb. 6 und in den
Versen Kanth. 5 auch die Tuchseihe verboten. Eine Decke
wird Par. 1 gestattet, jedoch Par. 2 für die höchste Stufe ver-
boten. Eine Zusammenfassung der Gegenstände, welche eine
mildere Observanz dem Sannyäsin erlaubt, geben die Verse
Sanny. 4:
22*'
340 XVI. Die praktische Philosophie.
Topf, Trinkschale und Feldflasche,
Die Dreistütze, das Schuhepaar,
Geflickter Mantel, Schutz gebend
Bei Frost und Glut, das Lendentuch,
Badehose und Tuchseihe,
Dreifacher Stab und Überwurf.
Dieselben Gegenstände werden, unter Wiederholung derselben.
Verse, Kanth. 5 dem Sannyäsin verboten, womit auch die
Aufzählung in Prosa Jäb. 6 übereinstimmt. Äcr. 4 gestattet
sie dem Bahüdaka und verwehrt sie nur dem Paramahansa.
Eigentümlich ist die Vorschrift Ar. 5, dafs sich der Entsager
den Omlaut auf die Glieder auftragen soll.
Nahrang. 4) Nahrung. Der Sannyäsin mufs vom Erbettelten
leben, Kanth. 5, nur Bettelbrot und Spaltfrüchte, Sanny. 4,5^
Wasser, Wind und Früchte, Sanny. 2,4, sollen seine Nahrung
sein. Das Betteln soll nach Kanth. 2 bei allen vier Kasten,
deren Unterschiede für den Sannyäsin nicht mehr bestehen,
betrieben werden. Ä^r. 4 unterscheidet auch hier Stufen:
die Kuticara's sollen in den Häusern ihrer Kinder, die Bahü-
daka's in wohlgesitteten Brahmanenfamilien, und erst die Pa-
ramahansa's bei allen vier Kasten betteln. Beim Betteln be-
dient sich der Sannyäsin nach Ar. 4 eines Tongefäfses,
Gurkengefäfses oder Holzgefäfses, wohingegen nach Kanth. 5.
Jäb. 6 der Bauch sein Gefäfs, nach Kanth. 2 die Hand sein
Gefäfs, nach Ar. 5 der Bauch oder die Hand sein Gefäfs
bilden soll. Nach Kanth. 5 soll der Entsager „Bettelbrot essen,
aber kein Almosen geben", Wiikshäci na dadyät, wofür, mit
einer ganz geringen Änderung, bhikshägt 'shad adyät ,,er soll,
vom Bettelbrot lebend, wenig essen", gelesen werden könnte.
Dies würde zu andern Stellen stimmen, nach denen der Ent-
säger das Essen nur als Arzenei gebrauchen soll, Kanth. 2.
Ar. 3, nur so essen soll, dafs sein Fett nicht zunimmt, und
er mager bleibt, Kanth. 2. Doch soll er diese und andere
Entbehrungen, wenn er sich schwach fühlt, nur so weit treiben,
dafs keine Beschwerde entsteht, Kanth. 2; ist er krank, so
soll er die Entsagung nur im Geiste oder mit Worten üben,
Jäb. 5. Mit Erweiterung der Pränägnihotra -Theorie (oben
S. 113 — 114) heifst es Kanth. 4: „was er dann des Abends
3. Der Sannyäsa. . 341
ifst, das ist sein Abendopfer, was des Morgens, sein Morgen-
opfer, was am Neumond, sein Neumondopfer, was am Voll-
mond, sein Vollmondopfer, und wenn er sich im Frühling
Haupthaare, Bart, Körperhaare und Nägel [aufs neue] schneiden
läfst, so ist das sein Agnishtoma [eine Art Somaopfer]".
5) Aufenthaltsort. Die wesentlichen Merkmale des Aufent-
Entsagers sind schon in den drei Hauptnamen enthalten, alt8ort-
welche er führt. Als Sannyäsin soll er „alles von sich werfen",
als Bliilishu nur als „Bettler" leben, und als Parivräj, Pari-
vräjaka heimatlos als „Pilger (Vagabund)" umherschweifen.
Er ist an keine Ortlichkeit mehr gebunden. Für ihn hat es
kein Interesse mehr, in Avimuktam zu sterben (einer Örtlich-
keit bei Benares, welche dem dort Sterbenden die sofortige
Erlösung sichert, Upanishad's S. 617. 706), denn er trägt die
Varanä und die Ast (zwei Flüfschen, zwischen denen Benares
liegt und von welchen es seinen Namen Väränasi führen soll)
als den Bogen (varana) der Augenbrauen und die Nase (näsä)
immer mit sich, Jäb. 1 — 2. In der Regel wird er am Ufer
des Wassers Kanth. 2, auf Sandbänken im Flusse oder vor
Tempeltüren Sanny. 4. Kanth. 5 verweilen, und auf dem Erd-
boden sitzen oder liegen Ar. 4. Nach Jäb. 6 soll er „in einem
öden Hause, einem Göttertempel, auf einem Grashaufen, einem
Ameisenhaufen, an einer Baumwurzel, in einer Töpferwerk-
statt, bei einem Feueropfer, auf einer Flufsinsel, in einer Berg-
höhle, einer Schlucht, einem hohlen Baume, an einem Wasser-
falle oder auf dem Erdboden heimatlos weilen". In einem
Dorfe darf er nur eine Nacht, in einer Stadt nur fünf Nächte
sich aufhalten, Kanth. 2 (nach Äcr. 4 tritt diese Regel erst
auf der Stufe der Hansa' s in Kraft); eine Ausnahme macht
die Regenzeit, Kanth. 5; während der vier Regenmonate (eine
Glosse macht daraus zwei, Up. S. 699) darf er in einem
Dorfe oder in einer Stadt bleiben, Kanth. 2, die übrigen acht
Monate soll er umherpilgern, sei es allein oder zu zweien,
Ar. 4.
6) Beschäftigung. Der Sannyäsin vollbringt, wie wir BeBChä£ti-
sahen, keine Opfer mehr, an deren Stelle die Ernährung des
eignen Leibes tritt, Kanth. 4, und ebenso lebt er fortan ohne
Vedastudium Par. 1. Ar. 1, ohne die Vedasprüche Ar. 2, doch
342 XYl. Die praktische Philosophie.
soll er „von allen Veden das Äranyakam hersagen, die Upani-
shad hersagen", Ar. 2. Alle Texte verlangen von ihm „Badenr
Nachsinnen und Reinheit durch heiFge Wasser" Sanny. 4.
Kanth. 5, Waschungen hei Anbruch der drei Tageszeiten Ar. 2,
Waschen und Mundausspülen, „mit dem Wasser als Gefäfs"
(d. h. ohne Gefäfs) Kanth. 2. Besonders empfohlen werden
ihm aufserdem noch das Schweigen Kanth. 3, die Meditation
Ar. 2 und die Yo^a-Ubung Sanny. 4. Als seine Haupttugenden
werden Ar. 3 „Keuschheit, Nichtschädigung, Besitzlosigkeit
und Wahrhaftigkeit" genannt. Er spricht: „vor mir haben
Frieden alle Wesen, denn von mir ist alles erschaffen worden"
Ar. 3; Gold soll er nicht annehmen, nicht anrühren, ja nicht
einmal ansehen, Par. 4. Alle Lüste hat er aufgegeben, Er-
kenntnis ist sein Stab, darum heifst er mit Recht „Ein-
stabiger"; wer aber zum Holzstabe greift, weil dieser ihm die
Freiheit verleiht, „von allem zu essen", der ist ein falscher
Sannyäsin und fährt zur Hölle, Par. 3. Der wahre Entsüger
verhalten, hingegen ,,soll Liebe, Zorn, Begierde, Verblendung, Trug,
Stolz, Neid, Selbstsucht, Eigendünkel und Unwahrheit fahren
lassen", Ar. 4. Er ist „frei von den sechs Wogen [des Sam-
sära: Hunger, Durst, Kummer, Wahn, Alter und Tod], indem
er Tadel, Stolz, Eifersucht, Trug, Hochmut, Wunsch, Hafs,
Lust, Schmerz, Verlangen, Zorn, Habgier, Wahn, Freude,
Ärger, Selbstsucht und alles dergleichen dahinten läfst; und
weil von ihm sein eigner Leib nur als ein Aas wird an-
gesehen, so wendet er sich von diesem verkommenen Leibe,
welcher die Ursache ist von Zweifel, Verkehrtheit und Irrtum,
für immer ab, richtet auf jenes [Brahman] beständig sein Er-
kennen, nimmt in ihm selber seinen Stand und weifs von ihm,
dem Ruhigen, Unwandelbaren: jener Zweitlose, ganz aus
Wonne und Erkenntnis Bestehende, bin ich selbst, er ist meine
höchste Stätte, meine Haarlocke, meine Opferschnur", Par. 2.
Er freut sich nicht, wenn man ihn lobt, flucht nicht, wenn
man ihn schmäht, Kanth. 5; „er lockt nicht an, und er stöfst
nicht ab; für ihn gibt es keine Vedasprüche mehr, keine
Meditation, keine Verehrung, kein Sichtbares und kein Un-
sichtbares, kein Gesondertes und kein Ungesondertes, kein
Ich, kein Du und keine Welt.".'. . Im Schmerze unentwegt,
3. Der Sannyäsa. 343
in der Lust ohne Verlangen, in der Begierde entsagend, aller-
wärts weder am Schönen noch am Unschönen hängend, ist er
ohne Hafs und ohne Freude. Aller Sinne Regung ist zur
Ruhe gekommen, nur in der Erkenntnis verharrt er, fest-
gegründet im Ätman", Par. 4. „Dann mag er die grofse Reise
antreten, indem er sich der Nahrung enthält, ins Wasser geht,
ins Feuer geht oder einen Heldentod wählt; oder auch er mag
zu einer Einsiedelei der Alten sich hegeben", Kanth. 4. Jäh. 5.
4. Der Yoga.
In dem Bewufstsein der Einheit mit dem Ätman als Prin- Der Y°9a al3
. Konsequenz
zip aller Dinge besteht die Erlösung. Sie ist ihrem Wesen der Ätman-
nach einerseits eine Vernichtung alles Begehrens, ander-
seits eine Vernichtung des Wahnes der vielheitlichen
Welt. Erstere wird, wie wir sahen, vom Sannyäsa angestrebt;
letztere durch künstliche Vorbereitungen hervorzubringen, ist
die Aufgabe des Yoga. Dieser ist daher, von Auswüchsen
und Übertreibungen abgesehen, eine vollkommen verständliche
Konsequenz der Upanishadlehre. Denn wenn in dem Sich-
einswissen mit dem Ätman das höchste Ziel liegt, warum soll
man nicht versuchen, durch geflissentliche Loslösung von der
illusorischen Erscheinungswelt und durch Konzentration in
dem eignen Selbste dieses Ziel zu erreichen? Dafs aus den
Übungen des Yoga ein Nutzen für die Aufsenwelt wenig oder
gar nicht abfliefst, kommt für eine tiefere ethische Beurteilung
nicht in Betracht (oben S. 327); das einzige wesentliche Be- Bedenken
denken gegen die in Indien zu allen Zeiten hochgehaltenen Yoga.
und noch heute weit verbreiteten Übungen des Yoga (wie
anderseits gegen die geflissentlichen Bufsübungen des Pietis-
mus im Abendlande) liegt darin, dafs sie dasjenige auf künst-
lichem Wege hervorbringen wollen, was nur dann ganz echt
ist, wenn es von selbst und ohne Zutun unseres Willens ent-
steht; tout ce qui nest pas naturel, est imparfait, wie Napoleon
gesagt haben soll. Übrigens berühren sich die Phänomene
beim Yoga nicht nur, wie oft hervorgehoben, mit gewissen,
auch bei uns vorkommenden, krankhaften Zuständen (Hypno-
344 XVI. Die praktische Philosophie.
tismus, Katalepsie u. dgl., worauf wir Dicht eingehen, da das
in den Upanishad's vorliegende Material dazu keine Veran-
lassung gibt), sondern auch mit der durchaus gesunden und
erfreulichen Erscheinung der ästhetischen Kontemplation: die
überirdische Freude, welche wir beim Anschauen des Schönen
in der Natur wie in der Kunst empfinden, beruht auf einem
ähnlichen Selbstvergessen der eignen Individualität und Eins-
werden von Subjekt und Objekt, wie es der Yoga durch
künstliche Mittel anstrebt, die wir jetzt betrachten wollen.
DaTogt-eTe ^n nacnve(lischer -Zeit ist die Yogapraxis zu einem förm-
system. liehen System mit eigenem Lehrbuche (den Sütra's des Pa-
tanjali) fortgebildet worden. Die Entstehung dieses Systems fällt,
wie schon die ersten Anfänge desselben Käth. 3 und 6. Qvet. 2.
Maitr. 6 zeigen, in die Zeit, wo der ursprüngliche Idealismus
der Upanishadlehre bereits anfing, zur realistischen Sänkhya-
philosophie zu erstarren. Auf dieser, dem ursprünglichen
Yogagedanken sehr wenig angemessenen Grundlage hat sich
das spätere Yogasystem aufgebaut. Daher legt dieses System
auf die äufserlichen Mittel (sääkana) und die dadurch erlangten
äufserlichen Zwecke (vibhüti) das Hauptgewicht, behandelt die
Einswerdung mit dem allein realen Atman, welche das ur-
sprüngliche Ziel des Yoga war, als eine Isolation (haiväl/yam)
des Purusha von der Prakriti und läfst die eigentliche Haupt-
sache, die Meditation des Atman mittels der Silbe Om, ganz
in den Hintergrund treten. Nur der Theismus wurde, im
Widerspruch mit der gewählten Sankhyagrundlage, aus spätem
Upanishad's herübergerettet und dem System auf serlich auf-
gepfropft, ohne doch rechtes Leben auf diesem ungeeigneten
Boden gewinnen zu können (oben S. 215). Ein merkwürdiges
Zeugnis für diese theistische Modifikation des Sänkhyasysterns
im Dienste der Yogalehre ist die Cülika-Upanishad, welche,
auf dem Boden der fünfundzwanzig Prinzipien des Sänkhyam
stehend, diesen rein äufserlich ,,als sechsundzwanzigsten" (oder,
wohl mit Einrechnung von Cittam, als siebenundzwanzigsten)
den Igvara anreiht (Cül. 14) und seinen Unterschied von den
Purusha's nur in der Freiheit sieht, mit welcher er an den
Brüsten „der Werdemutter Mayä" trinkt, Cül. 6:
i. Der Yoga. 345
Die Knäblein freilich sind zahllos,
Die da trinken die Sinnenwelt,
Doch einer nur als Gott trinkt sie,
Dem eignen Willen folgend frei.
Im folgenden beschränken wir uns auf den Yoga, soweit Die acht
wir ihn durch die Upanishad's verfolgen können, und ent-
nehmen nur als Fachwerk für unsere Darstellung aus dem
nachvedischen System die „acht Artikel (anga)u, in die sich
die Yogapraxis gliedert, und von denen die fünf letzten (nebst
Tarka als sechstem) schon an zwei Upanishadstellen, wenn
auch noch nicht in der systematischen Folge, aufgezählt werden
{Maitr. 6,18. Amritab. 6). Die spätem acht Anga's sind:
1) yama Zucht (bestehend in Nichtschädigung, Wahrhaftig-
keit, Nichtstehlen, Keuschheit, Armut), 2) niyama Selbstzucht
(Reinheit, Genügsamkeit, Askese, Studium, Gottergebenheit),
3) äsanam Sitzen (am rechten Ort und in richtiger Körper-
haltung), 4) pränäyäma Regulierung des Atmens, 5) pratyähära
Einziehung (der Sinnesorgane), 6) dhäranä Fixierung (der
Aufmerksamkeit), 7) dhyäriam Meditation, 8) samädhi Absorp-
tion (völlige Einswerdung mit dem Gegenstande der Medi-
tation).
Diese Forderungen sehen wir vereinzelt schon in den Vor-
gesohiohte
altern Upanishad's auftauchen. So den Pratyähara, wenn des Yoga.
Chänd. 8,15 gefordert wird, „alle seine Organe in dem Ätman
zum Stillstande zu bringen", und den Pränäyäma, wenn Brih.
1,5,23 als „einziges Gelübde" befohlen wird, einzuatmen und
auszuatmen. Hier und an andern Stellen (oben S. 113) tritt
an Stelle des Opferns das geregelte Atmen, welches dann als
symbolischer Akt von hier aus in den Yoga übernommen
worden zu sein scheint. Das Wort Yoga im technischen Sinne
findet sich zuerst, wenn nicht Taitt. 2,4, so doch Käth. 2,12
(aälnjätma-yoga). 6,11. 18. Qvet. 2,11. 6,13. Maitr. 6,18 etc.
Die richtige Erklärung desselben als „Anschirrung, An-
schickung" ergibt sich aus dem Mahänär. 63,21 und Maitr. 6,3
vorkommenden Ausdrucke: ätmänam yunjita, während der
Yoga Maitr. 6,25 als „Verbindung" (zwischen Präna und Om-
laut) gefafst zu werden scheint. Die genannten Upanishad's
346 XYL Die praktische Philosophie.
enthalten auch die erste Theorie der Yogapraxis; Käth. 3,13
fordert mit Anlehnung an sänkhy aartige Vorstellungen, dafs
man Rede und Manas in der Buddhi, diese in dem von ihr
noch unterschiedenen Mahän, diesen im Avyaktam „hemmen
solle" (yacchetk und Kath. 6,10 — 11 verlangt Fesselung (clliä-
rand) der Organe (Sinne, Manas, Buddhi), damit man den
dadurch von ihnen allen isolierten Purusha aus dem Leibe
herausziehen könne, wie den Halm aus dem Schilfrohre (6,17).
Qvet. 2,8—15 behandelt schon die Wahl des Orts (2,10), die
Art des Sitzens (2,8), die Regelung des Atmens (2,9), die
Fesselung von Sinnen und Manas im Herzen (2,8. 9) und be-
spricht 2,11—13 die Begleit- und Folgeerscheinungen des
Yoga. Hieran schliefst sich die Empfehlung des schon Chänd.
1,1. Taitt. 1,8 als Symbol des Brahman vorkommenden Lautes
Om als Vehikel (älambanam, Kath. 2,17) der Meditation, als
Reibholz (^vet. 1,14. Dhyänab. 20), als Bogen (Mund. 2,2,4.
Dhyänab. 19) oder als Pfeil (Maitr. 6,24), um die Finsternis
zu durchbohren und Brahman als Ziel zu treffen. Die drei
Moren (a, u, m), aus denen der Laut Om besteht, werden
zuerst erwähnt Pracna 5. Maitr. 6,3, während die dreieinhalbte
Mora als der „moralose" Teil des Wortes Mänd. 12, als die
„Spitze des Omlautes" Maitr. 6,23 zuerst vorkommt. An diese
Anfänge schliefsen sich die Schilderungen der Yogapraxis,
welche Maitr. 6,18 — 30 und in den Yoga-Upanishad's des
Atharvaveda (die wichtigsten sind: Brahmavidyä, Kshurika,
CdliM; Nddabindu, Brahmabindii , Amriiidiimhi , Dliyanabindu,
Tcjobindu; YogagiJehä, Yogaiattva und Hansa) vorliegen, und
auf die wir unsere Darstellung gründen, indem wir der spätem
Ordnung der acht Artikel (yama, niyama, äsanam, prändyäma,
/iratydhdra, dhäranä, dhyänam, samädhi) folgen.
Vyamaund l) yanitt, Zwang und 2) niyama, Selbstzwang. —Diese
beiden Glieder kommen bei den Aufzählungen Maitr. 6,18 und
Amritab. 6 noch nicht vor, vermutlich weil sie als die allge-
meinen (objektiven und subjektiven) Pflichten stillschweigend
vorausgesetzt werden. Hierherziehen kann man, nebst vielem
andern, die Bemerkung Yogat. 15, dafs der Yogin allen Wesen
Schutz gewährt, da er sie als sein Selbst weifs, und Warnungen
wie Amritab. 27 :
4. Der Yoga. 347
Yor Furcht, vor Zorn und vor Schlaffheit,
Yor zu viel Wachen, zu viel Schlaf,
Vor zu viel Nahrung, Nichtnährung
Soll der Yogin sich hüten stets.
3) äscmam, das Sitzen. Gewicht wird zunächst auf die 3> ««"""»•
Auswahl der richtigen Örtlichkeit gelegt. Schon Qvet. 2,10
schreibt für die Yogaübung vor:
Rein sei der Ort und eben, von Geröll und Sand,
Yon Feuer, von Geräusch und Wasserlachen frei;
Hier, wo den Geist nichts stört, das Auge nichts verletzt,
In windgeschützter Höhlung schicke man sich an.
Maitr. 6,30 verlangt „eine reine Gegend", Amritab. 17 einen
„ebenen Erdboden, der lieblich ist und fehlerfrei"; nach Yogat. 15
soll der Yoga „an unverbotnem, windstillem, entlegnem, stö-
rungsfreiem Ort" geübt werden; Kshur. 2. 21 verordnet, dafs
man „einen lautlosen Ort" wähle. — In bezug auf die Art
des Sitzens fehlen in den Upanishad's noch die extravaganten,
auf Veräufserlichung deutenden Bestimmungen des spätem
Yoga, der nicht weniger als 84 Sitzarten unterscheidet. Qvet.
2,8 schreibt nur dreifache Geradehaltung (von Brust, Hals und
Kopf) und Ebenmäfsigkeit des Sitzens vor; Amritab. 18 betont
die Richtung nach Norden (die Region des Götterweges) und
empfiehlt nur drei Sitzarten, den Lotossitz (padmasanam, das
Sitzen mit untergeschlagenen Beinen, in Indien die gewöhnliche
Art zu sitzen), den Kreuzformsitz (svastiTcam) und den Glückes-
sitz (bhadräsaiiam, beide wrenig von dem ersten verschieden);
Yogac. 2 verordnet, den Sitz nach Lotosart zu wählen, „oder
wie es ihm sonst beliebt", die Nasenspitze zu fixieren und
Hände und Füfse anzuschmiegen; Amritab. 22 empfiehlt, dafs
der Yogin regungslos und fest sitze, „von seitwärts, oben und
unten in sich zurückgesenkt den Blick"; Kshur. 2 betont nur
„des Sitzens rechte Art", Kshur. 4 spricht von einem Hin-
neigen von Brust, Hüften, Angesicht und Hals zum Herzen
hin. Eine besondere Art der Körperhaltung schildern die
Schlufsverse Sanny. 4. — Wie tiama und niyama wird auch Die sechs
äscmam in den Upanishad's noch nicht als Aüga des Yoga y^j- s,is.
gezählt, der daher noch nicht, wie später, acht, sondern sechs
348
XVI. Die praktische Philosophie.
4) pranä-
yäma.
T>) pratyd-
hära.
Glieder hat (shad-ango Yoga ucyatc Amritab. 6 und Maitr.
6,18), als welche Maitr. 6,18 aufgezählt werden: pränäyäma,
pratyähära, dhyänam, dharanä, iarka, samädhi. Dieselbe Auf-
zählung, nur mit Einschiebung von pränäyäma an dritter
Stelle, kehrt wieder Amritab. 6. Auffallend ist, dafs beide
Aufzählungen dhäranä nicht vor, sondern nach dhyänam haben,
was auf einer etwas andern Auffassung dieser Begriffe als der
später üblichen beruhen könnte. An fünfter Stelle erwähnen
beide Verzeichnisse tarka, Reflexion, welches Amritab. 16 als
„Nachdenken, das der Lehre nicht zuwider ist", definiert wird,
während es der Kommentator zu Maitr. 6,18 p. 130,11 als
Kontrollierung des dhyänam, hingegen p. 133,17 als die aus
dem dhyänam hervorgehende zweifelfreie Erkenntnis erklärt.
4) pfänäyämq, Regelung des Atmens. Sie zerfällt in
recaka, püraka, kumbhaka (auch, was Garbe bestreitet, in
den Yogasütra's 2,50 erwähnt, indem nur, nach einer in den
Sütra's beliebten Manier, andere Namen gewählt werden, als
vdhya - aVhyanta/ra - stambha - vriÜi). Nach der Hauptstelle
Amritab. 10 fg. ist 1) recaka das Ausatmen, welches langsam ge-
schehen soll, Kshur. 5, 2) püraka das Einatmen, beschrieben
Yogat. 12, nach Amritab. 19 durch das eine Nasenloch unter
Schliefsung des andern mit dem Finger, nach Amritab. 13.
Dhyänab. 21 durch den wie ein Lotosrohr gespitzten Mund,
3) kumbhaka der Einbehalt des Atems in der Brust, Amritab. 12.
Yogat. 13, von wo er, wie es nach Kshur. 4. 6 fg. scheint,
kraft der Meditation alle Glieder des Leibes durchdringt. Bei
recaka soll man an Qiva, bei püraka an Vishnu, bei kumbhaka
an Brahmän denken, Dhyanab. 11 — 13. Der pränäyäma hat
die Wirkung, alle Sünden zu verbrennen, Amritab. 7—8.
5) pratyähära, Einziehung der Sinnesorgane, schon
Chänd. 8,15 erwähnt. Wie die Schildkröte ihre Glieder ein-
zieht, Kshur. 3. Yogat. 12, so zieht man alle Sinne nebst dem
regsamen Manas, welche nur Ausstrahlungen des Atman sind,
Amritab. 5, in sich zurück, hemmt sie, Käth. 3,13, schliefst sie
ein im Herzen, Qvet. 2,8, und bringt sie dadurch zum Still-
stande, Käth. 6,10. Hierdurch bringt man die Sinnendinge in
sich zur Ruhe, Maitr. 6,19, und die Sinne werden nieder-
gehalten wie im Schlafe, Maitr. 6,25.
4. Der Yoga.
349
6) clhärßnä, die Fixierung, betrifft das Manas, welches als 6) dh&ranä.
Organ der Wünsche die Erlösung verhindert, wenn man es
nicht hemmt, im Herzen abschliefst, zunichte macht und so zur
Manaslosigkeit gelangt, Brahmab. 1 — 5. Maitr. 6,34 (Up. S. 357).
Man soll daher das Manas nach aufsen zurückhalten, Maitr.
6,19 (eine höhere Art der dhäranä schildert das Folgende 6,20),
allerwärts zügeln, Yogac,. 3, in dem Selbst versenken, Amritab. 15,
bis dafs es ganz in sich zergeht, Nädab. 18. Die Einschliefsung
des Manas im Herzen lehrt auch Kshur. 3, während im übrigen
diese Upanishad davon den Namen hat, dafs sie eine LshiiriJcä
dhäranä lehrt, eine Fixierung der Aufmerksamkeit des Manas
auf die einzelnen Glieder und Adern des Leibes, wodurch
man dieselben mit dem Manas als Messer (Jcshura) sukzessive
von sich abschneidet und dadurch die Freiheit vom Begehren
erreicht.
7) dhyänam, die Meditation. Wenn auch svädhyäya 7) dhyänam,
unter den Niyama's (oben S. 345) vorkommt, so wird doch
im allgemeinen das Vedastudium von dem Yogin mit grofser
Geringschätzung behandelt. Er ist nicht stolz auf brahmanische Verachtung
ö ö _ . ■ ■■ ' der Gelehr-
Abstammung, nicht auf Erlösungsschriften wüst, Tejob. 13, er samkeit.
hat, nach realer Einsicht suchend, die Bücher durchforscht
und statt Kornes nur Spreu in ihnen gefunden, Brahmab. 18 ;
darum wirft er die Bücher fort, als brennten sie, Amritab. 1;
die einzige Wissenschaft ist, wie man das Manas im Herzen
zunichte macht, „das andre ist gelehrter Kram", Brahmab. 5.
An Stelle des Vedawissens tritt die Meditation des Wortes,
das schon nach Käth. 2,15 „alle Yeden uns verkünden", des
Pranava, d. h. des heiligen Lautes Om. Er ist die beste Stütze,
Kath. 2,17, ist der Bogen, auf dem die Seele als Pfeil zu
Brahman fliegt, Mund. 2,2,4, ist der Pfeil, der vom Leibe als
Bogen abgeschnellt wird, um die Finsternis zu durchbohren,
Maitr. 6,24, das obere Reibholz, das mit dem Leibe als unterm
Reibholze das Feuer der Gottschauung entzündet, Qvet. 1,14,
das Netz, mit dem man den Pränafisch herauszieht und im
Ätmanfeuer opfert, Maitr. 6,26, das Schiff, auf dem man über
den Äther des Herzens überfährt, Maitr. 6,28, der Wagen, der
zur Brahmanwelt fährt, Amritab. 2. Seine drei Moren a u m
sind Feuer, Sonne und Wind, Maitr. 6,3, sind der Inbegriff
Der Om-
Laut.
Die drei
Moren.
350
XVI. Die praktische Philosophie.
Die Halb-
mora.
Weitere
Moren.
Allego-
rische Deu-
tungen.
Motiv des
Öm-Kultus
aller Dinge, Maitr. 6,5; wer sie meditiert, gelangt durch eine
Mora zur Menschenwelt, durch zwei zum Pitriyäna», durch drei
zum Devayäna, Pracna 5. Aufser den drei Moren aber hat
das Wort einen vierten moralosen Teil, Mänd. 12, der die
Spitze des Omlautes bildet, Maitr. 6,23, und der weiterhin als
die dreieinhalbte Mora bezeichnet wird, Nädab. 1. Dhyanab. 17.
Yogat. 7 usw. Diese Halbmora ist es, welche zum höchsten
Ziele führt, Yogat. 7. Sie wird repräsentiert durch den Punkt
(h'nnlu) des Anusvära, den Kraftpunkt, welchem das höchste
Sinnen gilt, Tejob. 1, und klingt nach in dem Nachhall (nada),
dem tonlosen m- Laute (asvara makdra) Amritab. 4, welcher
nach Amritab. 24 vollkommen lautlos, ohne Geräusch, Kon-
sonant, Vokal und Ton ist, hingegen nach Brahmavidyä 13
wie der Nachhall eines angeschlagenen Blechtopfes, einer
Glocke, nach Dhyanab. 18 wie langgezogene Öltropfen, wie
nachsummender Glockenton klingt, nach Hansa 10 auf zehn-
fache Art hervorgebracht werden kann, von denen die letzte,
wie Donnerhall tönende, empfohlen wird. Vgl. auch über die
Aussprache des Nachhalls Atharvacikhä 1 (Up. S. 728). Mit
zunehmender Überbietung werden dem Omlaute fünf Moren,
Amritab. 30, drei Moren und drei Nachhalle, Pranou Up. S. 863
(2. Aufl. S. 868), drei Moren nebst Halbmora, Anusvära und
Nachhall, Rämott. 2, drei Moren und vier Halbmoren, Rämott. 5,
ja schliefslich in verschiedenem Sinne zwölf Bestandteile zu-
geschrieben, Nädab. 8 — 11. Kshur. 3. Amritab. 23. Nrisinhott. 2
(Up. S. 782 fg.). — Unermüdlich sind die Upanishad's, je später
um so mehr, in der allegorischen Deutung der drei oder drei-
einhalb Moren auf Agni, Väyu, Sonne, Varuna, Nädab. 6 — 7,
auf die drei Welten, drei Veden, drei Feuer, drei Götter, drei
Tagzeiten, drei Metra, drei Guna's, Brahmavidyä 4 — 7. Yogat.
6 — 7. Atharvaciras 5. Atharvacikhä 1 usw., wobei dann die
Meditation der Halbmora (des Punktes oder Nachhalles) als
über alle diese Dinge hinausführend gepriesen wird.
Im Grunde war es die schon früh zum Bewufstsein ge-
kommene Unerkennbarkeit des Weltprinzips, des Brahman
oder Atman, und seine Unausdrückbarkeit duroh Worte, Be-
griffe und Bilder (netf, neii !) gewesen, welche dazu getrieben
hatte, etwas so völlig Sinnloses und daher gerade besonders
4. Der Yoga. 351
Geeignetes wie die Silbe Om als Symbol des Brahman zu
wählen. Aber dieselbe Erwägung trieb dann weiterhin, auch
über den Omlaut hinauszugehen, zunächst zu der Halbmora,
und endlich auch über diese, Dhyänab. 4:
i Höher ist als die Grundsilbe
Der Punkt, höher als er der Hall;
Die Silbe mit dem Laut schwindet, —
Lautlos die höchste Stätte ist.
Diese höchste Stätte, welche durch kein Wort noch Wort-
geflecht ausgedrückt wird, Tejob. 7, kann nicht durch Om,
sondern nur lautlos meditiert werden. Durch den Omlaut soll
man den Yoga nur „anknüpfen", Brahmab. 7; er ist der
Wagen, welchen man verläfst, wo der Fahrweg aufhört und
der Fufsweg anfängt, Amritab. 3. Om ist immer nur das
„Wortbrahman", über welches hinaus noch das Höchste liegt,
Brahmab. 17. „Hier bedeutet das Wort den Laut Om; durch
diesen emporgestiegen , gelangt man in dem Nichtworte zur
Vernichtung", wie die Blumensäfte im Honigseim, Maitr. (3,22.
Hiermit wird die achte und höchste Stufe des Yoga erreicht.
8) samädhi, Absorption. In sie geht die Meditation s> sam&dhi.
über, wenn Subjekt und. Objekt, Seele und Gott, so völlig
in einander fliefsen, dafs das Bewufstsein des eignen Subjektes
ganz erlischt, und dasjenige eintritt, was Maitr. 6,20 — 21 als
nirätmaJcatvam (Entselbstigung) bezeichnet wird. Für die em- Die Em-
pirische, lokalisierende Anschauung erscheint diese Eins werdung, " EmPor-a
im Anschlufs an Vorstellungen wie Chänd. 8,6,5 — 6. Taitt. 1,6, demgLeibe8
als ein Emporsteigen des Meditierenden aus dem Herzen durch
die Ader Sushumnä und das Brahniarandltram zur Vereinigung
mit dem welterfüllenden Brahman. Dieser Prozefs wird in
mannigfacher und wenig zusammenstimmender Weise be-
schrieben. Das Herz erscheint als Lotosblume, eine schon seit Der Herz-
Chänd. 8,1,1 geläufige Anschauung (oben S. 259). „Es hängt,
von Adern umsponnen, herab fast (ä) wie ein Blütenkelch",
in ihm flammt ein grofses Feuer, aus dessen Mitte sich eine
nach oben strebende Spitzflamme erhebt, Mahänär. 11,8 — 12.
Nähere Beschreibungen dieser Herzlotosblüte finden sich
Dhyänab. 14 — 16. Hansa 8 und öfter. Nach Yogat. 9 — 11 wird
352 XVI. Die praktische Philosophie.
diese Lotosblüte bei der Meditation des a leuchtend, bei a
erschlierst sie sich, bei m erklingt sie leise und wird bei der
Halbmora regungslos. Nach Yogac. 4 — 7 ist im Leibe (im
Herzen) eine Sonne, in dieser ein Feuer, in diesem eine Spitz-
flamme, welche der höchste Gott ist. Dieser dringt bei der
Yogameditation durch die Herzsonne hindurch:
Sodann schlängelt er sich aufwärts
Durch der Sushumnä glänzend Tor;
Die Schädelwölbung durchbrechend,
Schaut er schliefslich das Höchste an.
. Nach Maitr. 6,38 ist im Herzen eine Sonne, in dieser ein Mond,
in diesem ein Feuer, in diesem das Sattvam, in diesem die
Seele, welche alle die genannten Kreise durchdringt, die vier-
netzige Brahmanhülle (annamaya, pränamaya, manomaya, vijndna-
maya, Taitt. 2) zerreifst (Maitr. 6,28. 38), mit dem Schiffe
Om über den Äther des Herzens überfährt (Maitr. 6,28) und so
schliefslich zum Schauen des Höchsten gelangt. Vgl. auch die
Schilderung des Herzensäthers, Maitr. 6,22, und seiner Durch-
stofsung, Maitr. 6,27. Hiernach werden wir auch Brahmavidyä
8 — 10 den ganJcha nicht mit dem Scholiasten von der Hirn-
muschel, sondern von der Herzmuschel zu verstehen haben; in
ihr glänzt nach dieser Stelle das a als Sonne, in dieser das u
als Mond, in diesem das m als Feuer, darüber die Halbmora
als Spitzflamme.
Das Auf- Auch über das Aufsteigen der Seele aus dem Herzen sind
dem Herzen, die Vorstellungen sehr mannigfach. Nach Maitr. 7,11 bricht
durch die Meditation von Om das Tejas, d. h. die individuelle
Seele (vgl. den zweiten der angehängten Verse) hervor, steigt
wie quellender Rauch als einzelner Zweig in die Höhe und
verbreitet sich dort als ein Ast nach dem andern (ins Un-
endliche). Amritab. 26 läfst mittels des lautlosen Om den
Präria „durch Herzenspforte, Windpforte, die Pforte, die nach
oben führt, und der Erlösung Pfortöffhung" aufsteigen. Nach
Dhyänab. 22 zieht die Halbmora als Strick aus dem Brunnen
des Herzlotos durch die Aderbahn das Marias empor, bis es
zwischen den Brauen sich im Höchsten auflöst. Brahmavidyä
11 — 12 schildert, wie man mittels Om die Herzenssonne und
4. Der Yoga. 353
die 72000 Adern (Brih. 2,1,19) durchbricht, auf der Sushumnä
(der Carotis) emporfährt, das Haupt durchbricht und als
Wesenheilbringer, als Weltalldurchdringer bestehen bleibt.
Verwandt ist die Vorstellung Kshur. 8 fg., wonach der Präna
schon vom Nabel bis zum Herzen an der Sushumnä, wie die
Spinne am Faden (das Bild auch Maitr. 6,22), emporklimmt,
und ebenso weiter vom Herzen aufwärts, wobei er mit dem
Messer der Yogakraft alle Glieder abschneidet, die 72 000 und
die 101 Adern mit Ausnahme der (1018ten) Sushumnä spaltet, .
in dieser seine guten und bösen Zustände zurückläfst und auf
ihr, die in Brahman mündet, emporsteigt. So streift der Yogin
nach Maitr. 6,19 alles Vorstellen, alles Bewufstsein, den ganzen,
vorher schon von der Aufsenwelt isolierten psychischen Apparat
(das Ungarn nirägrayam, vgl. Sänkhya-K. 41) von sich ab und
„geht in dem höchsten, wortlosen, unoffenbaren Brahman
unter" (Maitr. 6,22);
Doch die Lust, die beim Hinschmilzen
Des Geist's sich selbst zum Zeugen nur
Besitzt, ist Brahman, rein, ewig,
Der wahre Weg, die wahre Welt (Maitr. 6,24).
Wer „auf diese Art allezeit den Yoga treibt der Ordnung Frucht des
nach", der erlangt nach drei Monaten das Wissen, nach vieren
das Schauen der Götter, nach fünfen ihre Stärke und nach
sechsen Absolutheit, Amritab. 28 fg.; ihm wird nach sechs Mo-
naten „vollkommene Yogakraft zuteil", Maitr. 6,28. Durch fort-
gesetzte Meditation der Moren wird sein Leib in stufenweiser
Verfeinerung erdartig, wasserartig, feuerartig, windartig, raum-
artig, bis man zuletzt nur noch durch sich und in sich denkt
(cintaycä ätmanä ätmcmi, Amritab. 30 — 31).
Der weifs nichts mehr von Krankheit, Alter, Leiden,
Der einen Leib erlangt aus Yogafeuer.
Behendigkeit, Gesundheit, Unbegehren,
Ein klares Antlitz, Lieblichkeit der Stimme,
Schöner Geruch, der Ausscheidungen wenig, —
Darin betätigt sich zuerst der Yoga (Qvet. 2,12 — 13).
Deüssen, Geschichte der Philosophie. I,u. 23
354 XVI. Die praktische Philosophie.
Das Yogadenken befreit von allen Sünden, Yogat. 1, wäre
auch die Sünde „gleich Bergen erstreckend viele Meilen sich",
Dhyänab. 3;
Durch Tausende von Geburten
Wer nicht verzehrt der Sünde Schuld,
Erblickt endlich durch den Yoga
Des Sanisära Vernichtung hier (Yogag. 10).
XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
1. Vorbemerkungen.
opfcrkuitus § 1. Die Upanishad's (von den späteren und weniger
imdieAhK.an* wichtigen abgesehen) sind uns überliefert als Veäänta („Veda-
Ende"), d. h. als die Schlufskapitel der den Opferkultus
lehrenden und. allegorisch ausdeutenden BrähmamVs und
Äranyaka's, stehen aber, je älter um so mehr, zu dem
ganzen vedischen Opferbetriebe in schroffem Gegensatze:
Brih. 1,4,10: „Wer nun eine andre Gottheit [als den Atman,
das Selbst] verehrt und spricht: «Eine andre ist sie, und
ein andrer bin ich » , der ist nicht weise ; sondern er ist
gleich als wie ein Haustier der Götter. So wie viele Haus-
tiere dem Menschen von Nutzen sind, also ist auch jeder ein-
zelne Mann den Göttern von Nutzen. Wenn auch nur ein
Haustier entwendet wird, das ist unangenehm, wie viel mehr,
wenn viele ! — Darum ist es denselben nicht angenehm, dafs
die Menschen dieses wissen."
Könige ais § 2. Dieser Gegensatz der Atmanlehre gegen den Opfer-
te*6 upan" kultus läfst erwarten, dafs dieselbe zunächst bei den Brahmanen
shadieiire. auj> "widerstand stiefs. Ein Beispiel dieser Art ist uns erhalten
in Yäjnavalkya, welchem Brih. 3 — 4 von Seiten der Brahmanen
Eifersucht und Widerspruch, von Seiten des Königs Janaka
begeisterte Zustimmung zuteil wird. Dieser Widerstand mag
veranlafst haben, dafs die Atmanlehre, obgleich ursprüng-
lich von Brahmanen wie Yäjnavalkya ausgegangen, ihre erste
Pflege und Fortbildung in den freier denkenden Kreisen der
Kshatriya's fand, vor den Brahmanen hingegen längere Zeit als
XVII. Rückblick. 1. Vorbemerkungen. 355
Geheimnis (upanishad) gehütet wurde und so denselben vor-
enthalten blieb. Brih. 2,1 (Kaush. 4) weifs der Brahmane
Balaki nicht, dafs das Brahman der Atman ist und wird dar-
über von dem König Ajäta^atru belehrt; Chänd. 5,11 — 18
lernen sechs Brahmanen „von grofser Schriftgelehrtheit" erst
von dem König Acvapati, dafs sie den Atman Vaievänara vor
allem in sich selbst zu suchen haben; ebenso werden Chänd. 7
der Brahmane Närada durch den Kriegsgott Sanatkumära und
Chänd. 1,8 — 9 drei Brahmanen durch den König Pravähana
unterwiesen; und Chänd. 5,3 — 10 (Brih. 6,2) belehrt derselbe
König Pravähana den Brahmanen Uddälaka Äruni über die
Seelenwanderung mit der Bemerkung (Brih. 6,2,8): „diese
Wissenschaft ist bis auf diesen Tag noch nie von einem
Brahmanen besessen worden".
£ 3. Nach diesen Zeugnissen, welche umsomehr ins Aneignung
Gewicht fallen, als sie uns durch die Brahmanen selbst über- Brahmanen
liefert sind, hätten die Brahmanen die wichtigsten Lehrstücke rfscife vor-
der Atmanwissenschaft erst von den Kshatriya's übernommen dem^ftu^i!
und sodann mit der Zeit ihrem vedischen Lehrpensum ange-
gliedert, wodurch dann die Upanishad's zu dem, was sie jetzt
sind, zum Vedunta, wurden. Der Gegensatz gegen den Opfer-
kultus wurde dabei durch allegorische Umdeutungen, bei denen
jede Schule ihren besondern Weg einschlug (oben S. 110), mehr
verschleiert als überbrückt. ' Dafs die Brahmanen weiterhin die
Atmanlehre als ihr Privilegium mit Prätension in Anspruch
nahmen, scheint der Vers zu besagen (Taitt. Br. 3,12,9,7): „nur
wer den Veda kennt, versteht den grofsen, allgegenwärt'gen
Atman". Jedenfalls hat die Fortbildung und schulmäfsige Aus-
gestaltung der Atmanlehre in ihren Händen gelegen. Als letzter
Niederschlag dieser Tätigkeit sind die ältesten der vorhan-
denen Upanishad's zu betrachten, an welche sich dann mit der
Zeit jüngere, in gleichem Geiste gehaltene Produkte anschlössen,
welche die Namen Upavdshad und Vedänta mit mehr oder
weniger Recht tragen. Eine schriftliche Fixierung erfolgte
wohl erst viel später. Aus Käth. 2,7 — 9: „ohne Lehrer ist
hier gar kein Zugang" scheint zu folgen, dafs die altern Upa-
nishad's damals noch nicht aufgezeichnet waren.
23*
356 XVII. Rückblick auf die Upaniskad's und ihre Lehren.
Chronologie £ 4. Eine genaue Chronologie der Upanishad's läfst sich
shadtexte. nicht aufstellen, da jede der gröfsern Upanishad's ältere und
auch jüngere Texte neben einander enthält. Im ganzen und
grofsen aber dürfte die von uns oben S. 23 — 20 aufgestellte
Klassifikation und Reihenfolge auch der historischen Abfolge
entsprechen. Die nähere Begründung derselben ist aus dem
ganzen Verlaufe unserer Darstellung zu entnehmen. Von be-
sonderm Gewicht ist der von uns, wie wir denken, erbrachte
Nachweis, dafs Brih. 1 — 4 (nicht der Nachtrag 5 — 6) nebst
(j'atap. Br. 10,6 älter als alle übrigen Texte von Bedeutung,
namentlich auch älter als die Chändogya-Upanishad
sind, welche nicht nur, wie bekannt, von Qatap. Br. 10 (Chänd.
3,14. 4,3. 5,11 — 18) abhängig ist, sondern auch von den
Yäjnavalkyatexten Brih. 3 — 4 nebst 1,4. 2,4, wie sich daraus
ergibt, dafs mehrfach Gedanken der letztem von der Chänd.
Up. reproduziert und dabei mifs verstanden werden (vgl. darüber
oben S. 185 fg., 210 fg., 90 fg.). — Hiernach werden wir die
ursprünglichste Form der Upanishadlehre vor allem in den
Yäjnavalkyareden des Brihadäranyakam zu suchen haben.
2. Der Idealismus als tirundanschauungr der Upanishad's. .
£ 5. Schon in dem Gedanken der Einheit, wie er
sich ausspricht in den Worten Rigv. 1,164,46: ekam sad uiprä
bahudhä vadanti, ,, vielfach benennen, was nur eins, die Dichter",
lag keimartig der Grundgedanke der ganzen Upanishadlehre
beschlossen. Denn dieser Vers würde, in voller Strenge ge-
nommen, besagen, dafs alle Vielheit, mithin alles Nebeneinander
im Räume, alles Nacheinander in der Zeit, alles Aufsereinander
als Ursache und Wirkung, alles Gegeneinander von Subjekt
und Objekt, nur auf Worten beruhend (vadanü) oder, wie
man später sagte, „an Worte sich klammernd" (väaxranibhanar
Chänd. 6,1,4), und dafs nur die Einheit in vollem Sinne real
ist. Diese Einheit suchte man, wie wir dies im ersten Teile
unseres Werkes verfolgt haben, zunächst zu erfassen in dem
mythologischen Begriffe des Prajäpati, sodann in dem rituellen
Begriffe des Brahman, endlich, ohne diesen fallen zu lassen
und durch eine blofse Verschärfung des schon in ihm liegenden
2. Der Idealismus als Gruiidanschauung der Upanishad's. 357
subjektiven Momentes, in dem philosophischen Begriffe des
Atman, Aber auch der Atmanbegriff ist zunächst noch nicht
rein von mythischen (von den Göttern, Prajäpati und Brahman
ihm angeerbten) Bestimmungen. So, wenn es ^atap. Br. 10,6,3
(oben I, i, S. 264) von dem Atman, nachdem er als alle Welten
durchdringend und zugleich, unfafsbar klein, im eignen Innern
wohnend geschildert worden, zum Schlüsse heifst: „er ist
meine Seele; zu ihm, von hier, zu dieser Seele werde ich
hinscheidend eingehen". Jeder fühlt den Widerspruch
dieser Worte, und dafs es keines Eingehens nach dem Tode
bedarf, wenn der Atman wirklich „meine Seele ist". — Der
erste, welcher, dies erkennend, den Begriff des Atman in seiner
vollen, subjektiven Schärfe erfafst und damit die eigentliche
Upanishadlehre begründet hat, ist der (selbst durchaus mythische)
Yajnavalkya der Brihadäranyaka-Upanishad.
§ 6. Die Lehre des Yajnavalkya (was sich auch immer Die Grund-
hinter diesem Namen verbergen mag) ist ein schroffer, kühner, Yäjna-
exzentrischer Idealismus (vergleichbar dem des Parmenides),
welcher in drei Sätzen gipfelt:
1) Der Atman ist das Subjekt des Erkennens in
mir; Brih. 3,8,11: „Wahrlich, o Gärgi, dieses Unvergängliche
ist sehend, nicht gesehen, hörend, nicht gehört, verstehend,
nicht verstanden, erkennend, nicht erkannt. Nicht gibt es
aufser ihm ein Sehendes, nicht gibt es aufser ihm ein
Hörendes, nicht gibt es aufser ihm ein Verstehendes, nicht
gibt es aufser ihm ein Erkennendes. Fürwahr, in diesem
Unvergänglichen ist der Kaum eingewoben und verwoben."
Hier wird der obige Grundsatz klar ausgesprochen; zugleich
aber werden zwei weitere Sätze als Folgerungen aus ihm ge-
zogen, die in anderen Stellen vielfache Bestätigung finden:
2) Der Atman, als das Subjekt des Erkennens,
ist selbst unerkennbar; Brih. 3,4,2: „nicht sehen kannst
du den Seher des Sehens , nicht hören kannst du den Hörer
des Hörens" usw.; Brih. 2,4,14: „durch welchen er dieses
alles erkennt, wie sollte er den erkennen, wie sollte er doch
den Erkenner erkennen?"
valkya.
358 XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
3) Der Ätman ist die alleinige Realität; in ihm
ist, nach obiger Stelle, der Raum mit allem, was er enthält,
eingewoben und verwoben; Brih. 2,4,5: „wer den Ätman ge-
sehen, gehört, verstanden und erkannt hat, von dem wird
diese ganze Welt gewufst"; Brih. 2,4,6: „das Weltall wird
den preisgeben, der das Weltall aufserhalb des Ätman weifs";
Brih. 2,4,14: nur „wo eine Zweiheit gleichsam ist, da sieht
einer den andern" usw.: Brih. 4,3,23: „aber es ist kein
Zweites aufser ihm, kein anderes, von ihm verschiedenes, das
er sehen könnte"; Brih. 4,4,19:
Im Geiste sollen merken sie:
Nicht ist hier Vielheit irgendwie;
Von Tod zu Tode wird verstrickt,
Wer eine Vielheit hier erblickt.
§ 7. Diese drei Gedanken sind der Kern der Upanishad-
lehre und mit ihr der innerste Kern der ganzen religiösen und
philosophischen Anschauung Indiens geworden und geblieben.
Aber dieser Kern wurde im Verlaufe von einer, mit der Zeit
immer dicker werdenden, Schale umgeben, welche ihn vielfach
entstellt und verdeckt, bis schliefslich auf der einen Seite der
Kern ganz abstirbt und nur die Schale übrig bleibt (Sänkhya-
system), während von der andern Seite eine reinliche Schei-
dung beider Elemente durch Unterscheidung einer esoterischen,
höhern (pürä vidyä), und einer exoterischen, niedern Wissen-
schaft (aparä vidyä) versucht wird (Vedäntasystem). Dieser
Prozefs ist ein sehr begreiflicher. Denn die auf unmittelbarer
Intuition beruhenden Yäjnavalkyagedanken, indem sie in dem
Bewufstsein der Mitmenschen und der Nachwelt Eingang ge-
wannen, trafen dieses Bewufstsein nicht frei an, sondern vor-
weg eingenommen durch zwei Elemente, denen sie sich anzu-
passen hatten; das eine waren die aus der Vergangenheit über-
kommenen Traditionen, das andere war die uns allen von
Natur eigene, empirische Anschauung der Welt und ihrer
räumlichen, zeitlichen und kausalen Ordnung. Aus einer stufen-
weise zunehmenden Akkommodation an diese beiden Elemente
erklärt sich der ganze folgende Entwicklungsgang mit seinen
2. Der Idealismus als Grundanschauung der Upanishad's. 359
scheinbar oft nicht zusammenstimmenden Erscheinungen voll-
kommen, wie wir im folgenden an den verschiedenen Teilen
der Upanishadlehre in der Kürze nachweisen wollen.
3. Theologie (Lehre vom Brahman oder Ätman).
§ 8. Der Atman ist das Subjekt des Erkennens in uns; Die Aman-
das erkennende Subjekt ist „der höchste Gipfel alles dessen? Täjäl°r
was als Ätman bezeichnet werden kann" (tnrvasya ätmanah val ya"
paräyanam, Biih. 3,9,10). Zu diesem, in den Yäjnavalkya-
lehren erreichten Gipfel ist das indische Denken, mit stufen-
weiser Verschärfung des subjektiven Momentes, durch die
Begriffe Purusha (Mensch), Präna (Leben), Atman (Selbst)
emporgestiegen, an welche sich noch die mehr symbolischen
Auffassungen des Weltprinzips als Äkäga (Baum), Manas
(Wille), Aditya (Sonne) u. a. anschliefsen. In diesen Begriffen be-
wegt sich das Denken vor der Zeit der Upanishad's und zum
Teil noch in diesen selbst, und vielleicht gelingt es mit der
Zeit, diejenigen Abschnitte, welche noch vor der Erfassung
des Ätman als Erkenntnissubjekt liegen, zu unterscheiden von
denen, welche, wie alles Folgende, unter dem Einflüsse der
Yäjnavalkyagedanken stehen. So ist in den altern Texten das
oberste Prinzip noch der Puruxlia- Präna (Ait. Ar. 2,1 — 3), der
Präna (Brih. 1,1—3. Chänd. 1,2—3. 4,3. Kaush. 2), Aditya
(Chänd. 3), der Äkäga (Chänd. 1,9,1: „der Äkäga ist es, aus
dem alle diese Wesen hervorgehen, und in welchen sie wieder
untergehen, der Akä^a ist älter als sie alle, der Äkäga ist der
letzte Ausgangspunkt"). Auch Zusammenfassungen kommen
schon vor; so wenn Qatap. Br. 10,6,3 (Chänd. 3,14) der (noch
transszendent aufgefafste) Atman als der „pränasya ätmä" be-
zeichnet und als mano-niaya, präna-garira, bhä-rupa, äkägä-
ätman geschildert wird; oder wenn es Chänd. 4,10,5 heifst:
„Brahman ist Leben (präna), Brahman ist Freude (kam =
änandä), Brahman ist Weite (kham = äkäga)".
§ 9. Anders in den spätem Texten. Jetzt ist nicht Die Ätman-
mehr der Purusha Prinzip, sondern der ihn aus den Urwassern eYäj5aa-C
ziehende Atman (Ait. 1,1), nicht mehr der Akäga, sondern das, valkya-
360 XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
was in ihm ist (tasmin yaä antar, Chand. 8,1 ; te yad aritarä,
8,14), nicht mehr der Prdna, sondern der durch fortgesetzte
Vertiefung in dessen Wesen gewonnene Shüman, .,die Un-
beschränktheit", d. h. das, alles in sich, nichts aufser sich
wissende, Subjekt des Erkennens: „Wenn einer [aufser sich]
kein anderes sieht, kein anderes hört, kein anderes erkennt,
• das ist die Unbeschränktheit; wenn er ein anderes ' sieht,
hört, erkennt, das ist das Beschränkte" (Chänd. 7,15 — 24).
Sehr deutlich tijtt der Umschwung hervor, wenn Ait. 1 nicht
mehr, wie vorher (Ait. Ar. 2,1 — 3), als oberstes Prinzip der
Präna-Pürwsha, sondern der Atman auftritt, und dieser sodann
(Ait. 3) als das alle Dinge in sich begreifende Bewufstsein
(jprajnä) erklärt wird, — noch deutlicher Kaush. 3 — 4, wo
immer wieder die, nur .aus einem Kompromifs heterogener Vor-
stellungsreihen begreifliche, Gleichung „präna = prajnä" ein-
geschärft wird. Alle diese Wandlungen scheinen schon unter
der Einwirkung des Gedankens erfolgt zu sein, welcher in
erster, ursprünglicher Frische in den Reden des Yäjnavalkya
auftritt, dafs der Ätman das, selbst unerkennbare, alle Dinge
als Vorstellung in sich tragende Subjekt des Erkennens ist.
Wie sehr dieser Gedanke die ganze, weiter folgende Entwick-
lung der indischen Theologie beherrscht, mögen einige Bei-
spiele vor Augen stellen.
Der Atman £ 10. 1) Der Ätman ist das Subjekt des Erken-
nt des Er- nens. Er ist „der aus Erkenntnis bestehende (vijnänamaya),
in dem Herzen innerlich leuchtende Geist" (Brih. 4,3,7 fg.),
das Licht, welches leuchtet, wenn Sonne, Mond, Sterne und
Feuer erloschen sind (Brih. 4,3,2—6), das „Licht der Lichter"
(Brih. 4,4,16. Mund. 2,2,9), das Licht, „welches inwendig hier
im Menschen ist" und zugleich jenseits des Himmels, in den
höchsten, allerhöchsten Welten leuchtet (Chänd. 3,13,7), das
„höchste Licht", in welches im Tief schlafe eingehend, die
Seele „hervortritt in eigener Gestalt" (Chand. 8,3,4. 8,12,3).
Und an dieses, allem erst die Erkennbarkeit verleihende Licht
des Bewufstseins haben wir auch zu denken, wenn es heifst
(Käth. 5,15. gvet. 6,14. Mund. 2,2,10) :
3. Theologie (Lehre vom Brahman oder Atman). 361
Dort leuchtet nicht die Sonne, noch Mond noch Sternenglanz.
Noch jene Blitze, geschweige irdisch Feuer.
Ihm, der allein glänzt, nachglänzt alles andre,
Die ganze Welt erglänzt von seinem Glänze.
Dieses allein selbstleuclitende Bewufstseinslicht ist der
„Seher" (vipagcit), welcher nach Käth. 2,18 nicht geboren wird
und nicht stirbt, der „Allschauende" (paridrashtar), Praciia 6,5,
der „Zuschauer" (säkshin), wie der Atman von Gvet. 6,11. an
so oft in spätem Upanishad's genannt wird.
£ 11. 2) Der Atman, als Subjekt des Erkennens, DerÄtman
kann nie Objekt für uns werden und ist daher selbst erkennbar.
unerkennbar. „Nicht sehen kannst du den Seher des
Sehens" usw. (Brih. 3,4,2). Welche Vorstellung wir uns
auch von ihm bilden mögen, immer heilst es: neu, neti, „er ist
nicht so, er ist nicht so" (Brih. 4,2,4. 4,4,22. 4,5,15. 3,9,26.
2,3,6). Er ist dasjenige, „vor dem die Worte umkehren und
das Denken, nicht findend ihn" (Taitt. 2,4), „nicht erkannt
vom Erkennenden, erkannt vom Nichterkennenden" (Kena 11).
Nicht durch Reden, nicht durch Denken,
Nicht durch Sehen erfafst man ihn;
,,Er ist!" durch dieses Wort wird er
Und nicht auf andre Art erfafst (Käth. 6,12).
Daher ist er nur durch negative Bestimmungen charak-
terisierbar. Er ist „nicht grob und nicht fein, nicht kurz und
nicht lang, nicht rot und nicht anhaftend, nicht schattig und
nicht finster, nicht Wind und nicht Äther, nicht anklebend,
ohne Geschmack, ohne Geruch, ohne Auge und ohne Ohr,
ohne Rede, ohne Verstand, ohne Lebenskraft und ohne Odem,
ohne Mündung und ohne Mafs, ohne Inneres und ohne Äufse-
res" (Brih. 3,8,8), „unsichtbar, ungreifbar, ohne Stammbaum,
farblos, ohn' Aug' und Ohren, ohne Hand' und Füfse" (Mund.
1,1,6). Auch die drei Bestimmungen als „Sein, Denken
und Wonne" (sac-tid-änanda), durch welche eine spätere Zeit
den Atman charakterisierte, und die sich einzeln schon viel-
fach in den altern Upanishad's nachweisen lassen (oben S. 117
— 133), sind im Grunde nur negativ; denn das „Sein" des
362 XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
Ätman ist kein Sein, wie es die Erfahrung zeigt, und in empi-
rischem Sinne vielmehr ein Nichtsein, und ehenso ist das
„Denken" nur die Negation alles objektiven Seins, und die
„Wonne" die Negation alles Leidens, wie sie im tiefen, traum-
losen Schlafe besteht, aus dessen Beobachtung, wie wir zeig-
ten (S. 129), diese Bestimmung ursprünglich geschöpft wurde.
Der Ätman & 12. 3) Der Ätman ist die alleinige Realität
ist das ö • ° . .
allein Reale, (satyam, satyasya satyani); denn er ist die m aller empirischen
Mannigfaltigkeit zur Erscheinung kommende metaphysische
Einheit; diese Einheit aber ist nirgendwo anders zu finden
als in uns, in unserm Bewufstsein, welchem, wie in herrlicher
Ausführung Brih. 3,8 zeigt, der ganze Raum mit allem seinem
Inhalte, mit Erde, Luftraum und Himmel, „eingewoben und
verwoben" ist. Darum ist mit Erkenntnis des Ätman (es
handelt sich hier nicht um ein Erkennen in empirischem Sinne)
alles erkannt (Brih. 2,4,5. Chänd. 6,1,2. Mund. 1,1,3), wie' mit
Ergreifen des Instrumentes alle Töne ergriffen sind (Brih.
2,4,7 — 9). Der ist von Menschen, Göttern und aller Welt
verlassen, welcher die Welt aufserhalb des Ätman weifs (Brih.
2,4,6). Alles aufser ihm ist nur „gleichsam" (iva) vorhanden;
in Wahrheit gibt es keine Vielheit (Brih. 4,4,19. Käth.
4,10 — 11) und kein Werden, „an Worte sich klammernd ist
die Umwandlung, ein blofser Name" (Chand. 6,1,4 fg., vgl. 8,1,3).
Denselben Geist atmen die spätem Upanishad's; Igä 1 fordert
uns auf, das ganze Weltall in Gott (d. h. in den Ätman)
zu versenken; Qvet. 4,10 erklärt die Natur für eine Mäyu
(Illusion), und noch Nrisinhott. 9 macht die treffende Be-
merkung, dafs nie ein Beweis für das Vorhandensein einer
Zweiheit möglich, und dafs nur der zweitlose Ätman (als
Subjekt des Erkennens) beweisbar sei.
4. Kosmologie und Psychologie.
pan- § 13. Pantheismus. Die metaphysische Erkenntnis be-
Foit-c ie stritt das Vorhandensein einer Realität aufserhalb des Ätman
bildung.
d. h. des Bewufstseins ; die empirische Anschauung hingegen
lehrte, dafs eine vielheitliche Welt aufser uns bestehe. Aus
4. Kosmologie und Psychologie. 363
einer Verbindung dieser Gegensätze entstand das Dogma,
welches in allen Upanishad's den breitesten Raum einnimmt
und füglich (obgleich seinem Ursprünge nach von dem euro-
päischen Pantheismus sehr verschieden) als Pantheismus be-
zeichnet werden kann : die Welt ist real, aber dennoch bleibt
der Ätman das allein Reale, denn die Welt ist cler Ätrnan.
Diese Identität von Welt und Atman wird schon von
Yäjnavalkya (der so wenig wie Parmenides es vermeiden kann,
sich vorübergehend auch wieder auf den empirischen Stand-
punkt zu stellen) gelehrt, wenn er Brih. 3,7 den Atman als
den Antaryämiii feiert; oder wenn er Brih. 3,8,9 schildert, wie
der Ätman Sonne und Mond, Himmel und Erde, die ganze
Welt und ihre Ordnung trägt und erhält; oder wenn er
Brih. 4,2,4 das erkennende Subjekt in uns sich plötzlich als
die Welt um uns her nach allen Seiten ausbreiten läfst.
Zahlreich sind die spätem Stellen und brauchen hier nicht
wiederholt zu werden, welche den Atman als das unendlich
Kleine in uns identisch setzen mit dem unendlich Grofsen
aufs er uns, wobei die Identität beider Seiten, des Atman
und der Welt, unermüdlich eingeschärft wird, wie eine Sache,
welche dessen gar sehr bedürftig ist.
§ 14. Kosmogonismus. Nichtsdestoweniger blieb die Kosmo-
Gleichung „Ätman — Welt" eine sehr undurchsichtige. Der 8°Fort-c e
einheitliche Ätman und die vielheitliche Welt, so oft man sie llduns-
auch zusammenbrachte, fielen immer wieder aus einander. Es
war daher ein natürlicher Schritt, wenn mit der Zeit mehr
und mehr an Stelle jener nicht zu begreifenden Identität die
empirisch geläufige Anschauungsform der Kausalität trat,
vermöge deren der Ätman als die zeitlich vorhergehende Ur-
sache, und die Welt als seine Wirkung, seine Schöpfung er-
schien, wodurch ein Anschlufs an die altvedischen Kosmo-
gonien möglich wurde. Ein solcher liegt noch nicht vor Brih.
1,4, wo die kosmogonische Form nur dient, um die Abhängig-
keit aller Welterscheinungen vom Ätman zu erläutern, wohl
aber Chänd. 3,19. 6,2. Taitt. 2,6. Ait. 1,1 usw. Charakte-
ristisch ist hierbei, dafs der Ätman, nachdem er die Welt aus
sich ausgebreitet, selbst als Seele in sie hineinfährt; Chänd. 6,3,2:
364 XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
„Jene Gottheit beabsichtigte: Wohlan, ich will in diese drei
Gottheiten [Glut, Wasser, Nahrung] mit diesem lebenden
Selbste eingehen"; Taitt. 2,6: „nachdem er die Welt geschaffen,
ging er in dieselbe ein"; Ait. 1,3,11: „er erwog: wie könnte
dieses ohne mich bestehen? ... Da spaltete er hier den
Scheitel uml ging durch diese Pforte hinein." Die individuelle
Seele ist und bleibt auch auf dieser Stufe noch identisch mit
dem Ätman; sie ist nicht, wie alles andere, eine Schöpfung
des Ätman, sondern sie ist der Ätman selbst, wie er in
die von ihm geschaffene Welt eingeht. Ein Unterschied
zwischen höchster und individueller Seele besteht auch jetzt
noch nicht.
Theistische i< 15. Theismus. Eine. weitere und auch zeitlich spätere
biidung. Entwicklungsstufe ist der Theismus, welcher erst da beginnt,
wo die höchste und" individuelle Seele in Gegensatz zu ein-
ander treten. Dies wurde vorbereitet durch Stellen wie Brih.
4,4,22. Kaush. 3,8 (Schlufs); aber erst Käth. 1,3 und weiterhin
tritt die individuelle Seele mehr und mehr deutlich der höchsten
als ein „Anderer" (Qvet. 4,6 — 7. 5,8 usw.) gegenüber; gleich-
zeitig stellt sich, als die unvermeidliche Konsequenz des Theis-
mus, die Prädestination ein, Käth. 2,23 (Mund. 3,2,3):
Nur wen er wählt, von dem wird er begriffen:
Ihm macht der Ätman offenbar sein Wesen.
Das Hauptdenkmal dieses Theismus ist die Qvetäcvatara-
Upanishad, nur dafs alle jene früheren Entwicklungsstufen,' die
idealistische, pantheistische und kosmogonistische, daneben fort-
bestehen, wie ja überhaupt auf religiösem Gebiete neben dem
Neuen das Alte seine geheiligten Rechte zu behaupten pflegt,
wodurch dann leicht tiefgehende, innere Widersprüche entstehen.
End. £ 16. Atheismus und Deismus (Sähkhya- und Yoga-
ItSmiis System). Mit der Anerkennung einer realen Welt aufser dem
i.cismus. Ätman und mit der Spaltung des letztern in die höchste
Seele und eine Vielheit individueller Seelen waren die Vor-
bedingungen des spätem Sähkhyasystems gegeben. Denn jene
Spaltung mufste zum Absterben des einen Zweiges, nämlich
4. Kosmologie und Psychologie. 365
der höchsten Seele, führen, da sie in Wahrheit von jeher nur
aus der Tatsache der individuellen Seele ihre Lebenskraft
geschöpft hatte. Indem man die schöpferischen und bewegen-
den Kräfte in die Materie selbst verlegte, wurde Gott über-
flüssig, und es blieben nur die Fräkriü und die Vielheit der
individuellen Piirusha's übrig, — die Voraussetzungen des
Sankhyasystems, welches sich philosophisch wohl auf keinem
andern als dem von uns betretenen Wege begreifen läfst. —
Eine Rehabilitierung des Theismus erfolgte im Yogasysteme,
welches die auf der Upanishadlehre beruhende Yogapraxis,
seinem spätem Ursprung entsprechend, auf der sehr wenig
hierzu geeigneten Grundlage des Sankhyasystems aufbaut, und
zwar unter Wiedereinführung des Gottesbegriffs, welcher
jedoch auf diesem Boden kein rechtes Leben zu gewinnen
vermochte, so dafs man diese Theorie (der Sache, wenn auch
nicht der Entstehung nach) füglich mit dem Deismus der
Neuern Philosophie in Parallele stellen kann.
5. Escbatologie (SeelenTvanderung und Erlösung).
§ 17. In dem Mafse, wie an Stelle der altvedischen Die Er-
Götter das Brahman getreten war und dieses seine Inter- Einswerden
pretation in dem Begriffe des Atman gefunden hatte, war auch Ttman.
die im Rigveda bestehende Hoffnung, nach dem Tode zu den
Göttern einzugehen, mit der Zeit zu einer solchen geworden, mit
dem Brahman, und weiterhin mit dem Atman „Weltgemein-
schaft", „Lebensgemeinschaft" zu erlangen. Hierbei wurde
auch der Begriff des Atman, vermöge der Nachwirkung dessen,
was er verdrängt hatte, zunächst noch transszendent gefafst,
und es hiefs: „er ist meine Seele (atman); zu ihm, von hier,
zu dieser Seele werde ich hinscheidend eingehen" (Qatap. Br-
10,6,3,2). — Aber wenn der Atman wirklich meine Seele,
mein Selbst ist, bedarf es keines Hingehens, sondern nur
dieser Erkenntnis, um der Erlösung voll und ganz teilhaft zu
werden. Wer erkannt hat: aham brakma asmi „ich bin Brah-
man", der wird nicht erlöst, sondern der ist schon erlöst;
er durchschaut die Illusion der Vielheit, weifs sich als das
allein Reale, als den Inbegriff alles Vorhandenen und ist
366 XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
dadurch alles Begehrens (hämo) überhoben, denn „was kann
wünschen, wer alles hat (Gaudap. 1,9)?" — Auch dies lehrt,
als erster, Yäjnavalkya in den Worten (Brih. 4,4,6) : „Wer
ohne Verlangen, frei von Verlangen, gestillten Verlangens,
selbst sein Verlangen ist, dessen Lebensgeister ziehen nicht aus;
sondern Brahman ist er, und in Brahman geht er auf".
Empirische § 18. Die Erlösung wird nicht durch die Erkenntnis des
Eriösungs- Atman bewirkt, sondern diese Erkenntnis selbst ist schon die
lehre.
Erlösung. Wer sich als den Atman weifs, der hat damit die
vielheitliche Welt und das durch die Vielheit bedingte Be-
gehren als eine Illusion erkannt, die ihn nicht weiter mehr
täuschen kann. Sem Leib ist nicht mehr sein Leib, seine
Werke sind nicht mehr seine Werke; ob er noch fortfährt zu
leben und zu handeln oder nicht, ist, wie alles andere, gleich-
gültig (Igä 2). — Aber der Schein der empirischen Erkenntnis
besteht noch fort, und auf ihm beruht es, dafs die Erlösung
voll und ganz erst nach Dahinfall des Leibes erreicht zu werden
scheint. Und ein noch weiter gehender Einflufs der empiri-
schen Anschauungsweise im Verein mit den Überlieferungen
der Vorzeit bewirkte, dafs jene, durch das erlösende Ätman-
wissen vollbrachte, innere Befreiung von der Welt er-
schien als ein Emporsteigen aus der Welt zu transszen-
denten Fernen hin, um dort erst mit Brahman, mit dem
Atman vereinigt zu werden. So entstand die Theorie des
Götterweges (devayäna), welcher nach dem Tode den Erlösten
durch eine Anzahl leuchtender Schichten zur Vereinigung mit
Brahman führt, von wo „keine Wiederkehr ist" (Chänd. 4,15,5).
Wiedertod § 19. Aber was wird aus denen, welche sterben ohne
wandemng" sich als Atman erkannt zu haben? Die Brähmana's stellten
ihnen für ihre guten und bösen Werke als Vergeltung Freuden
und Leiden im Jenseits in Aussicht. Zu den letztern gehörte
auch der „Wiedertod" (punarmrityu). Im Gegensatze zu der
Unsterblichkeit, amritatvam, wörtlich dem „Nicht-mehr-sterben-
können" der Vollendeten bestand für die übrigen die Möglich-
keit, im Jenseits neben anderm Unheil ein „Abermals-sterben-
müssen" zu erdulden, welches, da es sich um die bereits
5. Eschatologie (Seelenwanderung und Erlösung). 367
Verstorbenen handelt, nicht als ein körperlicher Vorgang, son-
dern unbestimmt als eines der Leiden zu denken ist, welche als
Vergeltung der Übeltaten im Jenseits bevorstehen. Erst die
Upanishad's — und wiederum zuerst durch den Mund des
Yäjnavalkya — verlegen diesen als Vergeltung drohenden
Wiedertod aus. dem imaginären Jenseits ins Diesseits, indem
sie ihm ein abermaliges Erdendasein vorausgehen lassen. So
entsteht die Theorie der Seelenwanderung (samsära), welche
nicht beruht auf abergläubischen Vorstellungen von einem
"Wiederkommen der Toten in allerlei Gestalten, wie solche
sich bei allen Völkern und auch in Indien finden, sondern,
wie die Texte ausweisen, auf der Wahrnehmung der Verschieden-
heit der Charaktere und der Schicksale der einzelnen Menschen,
welche man sich erklärte als verschuldet durch die Werke in
einem frühern Dasein; Brih. 3,2,13: „fürwahr, gut wird einer
durch gutes Werk, böse durch böses"; Brih. 4,4,5: „je nachdem
er handelt, je nachdem er wandelt, danach wird er geboren;
wer Gutes tat, wird als Guter geboren, wer Böses tat, wird
als Böser geboren, heilig wird er durch heiliges Werk, böse
durch böses. ... Je nachdem er das Werk tut, danach er-
gehet es ihm."
§ 20. Diese Worte des Yäjnavalkya (die ältesten, in Kombma-
denen eine Seelenwanderung vorkommt) setzen an die Stelle jenseitigen
der jenseitigen Vergeltung eine diesseitige, welche durch eine diejenigen
neue Geburt auf Erden, wie es scheint sofort nach dem Tode, Ver°eltuns-
stattfindet (vgl. das Bild von der Raupe Brih. 4,4,3). Indem
diese Theorie Eingang fand, blieb daneben die altvedische
Vorstellung einer Vergeltung im Jenseits für alles Gute und
Böse gleichfalls bestehen; und schliefslich wurde beides kom-
biniert, indem man eine doppelte Vergeltung lehrte, die
erste im Jenseits, welche dauert yävat sampätam „so lange ein
Bodenrest [der Werke] bleibt" (Chänd. 5,10,5), worauf dann
alles nochmals vergolten wird durch ein neues Erdendasein.
Diese Vergeltung des schon Vergoltenen widerspricht so sehr
der ganzen Idee der Vergeltung, dafs sie unmöglich anders
als aus der Verknüpfung heterogener Vorstellungen verstanden
werden kann. Sie ist der Standpunkt der „ Fünffeuerlehre"
368 XVII. Rückblick auf die Upanishad's und ihre Lehren.
( pancägnividyä) j Chand. 5,3 — 10 (Brih. 6,2), welche, analog
dem in Brahman ohne Wiederkehr führenden Götterweg
(devayäna), einen zum Monde und dann zurück zur Erde
führenden Väterweg (p/tni/äna) konstruiert, in Kaush. 1 noch
weiter modifiziert wird und die Grundlage für die ganze
folgende Entwicklung geworden und gebliehen ist.
Ursprung £ 21. Die Einkleidung der Erlösungslehre in empirische
und des Anschauungsformen brachte es mit sich, dafs man die Erlösung,
als wäre sie ein Geschehen in empirischem Sinne, unter dem
Gesichtspunkte der Kausalität als eine Wirkung auffafste,
welche durch geeignete Ursachen hervorgebracht oder doch
befördert werden könne. Nun bestand die Erlösung, nach
ihrer äufsern Erscheinungsweise
1) in der Aufhebung des Bewufstseins der Vielheit,
2) in der notwendig aus ihr folgenden und sie begleiten-
den Aufhebung alles Begehrens.
Diese beiden Symptome künstlich hervorzubringen, war
der Zweck zweier charakteristischer Erscheinungen der spätem
indischen Kultur,
1) des Yoga, welcher durch Zurückziehung der Organe
von den Sinnendingen und Konzentration in das eigene Innere
die vielheitliche Welt auszulöschen und dadurch die Eins-
.werdung mit dem Atman zu erreichen sucht;
2) des Sannyäsa, welcher durch „Vonsichwerfen" der
Heimat, des Besitzes, der Familie und alles dessen, was dem
Begehren Nahrung gibt, jene Befreiung von allem Erden-
hange zu" verwirklichen bemüht ist, in der eine tiefere Lebens-
auffassung auch in andern Zeiten und Ländern die höchste
Aufgabe des Erdendaseins erkannt hat und so wohl auch in
aller Zukunft erkennen wird.
INDEX.
I. Namen- und Sachverzeichnis.
Die Zahlen verweisen anf die Seiten des Werkes. A. Anmerkung.
A.
Abhipratärin, Name eines Mannes, 100.
Ägrama's, die vier Lebensstadien als
Brahmacdrin, Grihastha, Väna-
prastha, Sannyäsin, 330 fg. 6. 60;
ihre Entstehung 330 fg. Die A.'s
als via salutis 56; ihr Wert 56 fg.
Agrama-Upanishad 11. 25. 33. 336.
agvamedha, Rofsopfer, 21. 110. 111.
195. 322.
Agvapati Kaikeya, König, 18. 66. 83.
194. 322. 355.
Agvattha, Baum (ficus religiosa), 183.
184.
Adern 259 fg. 129. 257. 353.
Adhvaryu, einer der vier Hauptpriester,
112.
Aditi, „die Unendlichkeit", 165. 172.
200.
Aditya, Sonne, Gott der Sonne, 96.
100. 170. 158. 195. 241. 269. 291.
308 ; als Symbol des Brahman 103 fg.
91. 92. 105. 359.
ÄdHya^s, Götterklasse , 158.
Agni, Feuer, Gott des Feuers, 60. 96.
98. 100. 158. 159. 170. 185. 195.
241. 287. 291. 301. 308. 350; als
Präna 337.
Agni Vaigvänara, „das allen Men-
schen gemeinsame Feuer". Umge-
deutet 84. 106. 114. 337.
Agnihotram, das tägliche Morgen- und
Abendopfer, 294. 328. 337. Ersetzt
Deussbn, Geschichte der Philosophie. I,
durch das Einatmen und Reden 59r
durch dasPränägnihotram 113 fg. 59.
Agnishtoma, ein Somaopfer, umge-
deutet 341.
aham brahma asmi, „ich bin Brah-
man", 37. 171. 221.
ahanlidra, „das Ichbewufstsein", 85.
138. 239. 240; Funktion oder Or-
gan der Seele 218 fg. 235. 238. 244.
269. 270.
AhavanTya, .das dritte Opferfeuer,
umgedeutet 144.
Airammadiyam, Gewässer in der Brah-
manwelt, 323.
Aitareya-Upanishad 8. 23. 28. 29.
Aitareyvi's, Schule des Rigveda, 4. 6.
8. 32. 107. 110. 127. '
Ajdtagatru, König von Kägi (Benares),
18. 80. 105. 188. 194. 355.
Äkdga, Äther, Raum, 85. 91. 92. 102.
132. 175. 184. 196. 297. 302. 359.
Symbol des Brahman 101 fg. 105.
106. 108. 200. Letzter Grund der
Dinge .18.
aldtacahram, der Funkenkreis, 212.
Allsühnefeuer 263.
Amritabindu-TJpanishad 11. 25. 346.
amritam satyena channam 69. 119.
150. 209.
dnanda, Wonne, 108 fg. 115. 116.
Anandajndna, Glossator Cankaras,
31. 191.
dnandamaya dtman 132 fg. 255.
24
370
Index.
ÄnandavaUi, Name für Taitt. Up. 2:
32. 115.
Anaxagoras 175. 220.
Anaximandros 203.
anga's, die „Glieder, Artikel" der
Yogapraxis, acht 345; sechs 347.
Angiras, Upanishadlehrer 9. Atharva-
und Angiras-Lieder heifsen die Lie-
der des Atharvaveda 54.
annamaya ätman 255. 352.
annarasamaya ätman 255.
Anquetil Duperron, Übersetzer des
Oupnek'hat ins Lateinische, 34 fg.
antaryämin, der Atman als „der in-
nere Lenker", 186. 99. 108. 154.
159. 160. 191. 363; definiert 186.
anubhava, die unmittelbare Inne-
werdung, 15. 320.
apäna, Atem, Hauptstelle 249 fg.;
ferner 238. 239. 245.
Apardjitä, Burg in der Brahmanwelt,
323.
apard vidyä, die niedere Wissen-
schaft, 55. 284. 358.
dpas, die Wasser, 253.
Ära, See in der Brahmanwelt, 323.
ÄranyakcCs (Waldbücher), vedische
Schriftengattung, 4 fg. 21. 23. 109.
354; nur sie dem Sannyäsin emp-
fohlen 342.
Aristophanes 179.
Aristoteles 14. 39. 121. 171. 185. 220.
Ärtabhäga, Unterredner, 66. 297.
Arthavdda, Bestandteil der Brähma-
na's, 3.
Aruneya-Upanishad 11. 25. 336.
Aruni, Lehrername, 12. 22. 54.
Äryä's 194.
äsanam, das Sitzen, in der Yoga-
praxis 347. 345. 346.
Askese 56. 291. 295. 303. 309. 328.
335. Als Mittel der Brahman-
erkenntnis 57. 60 fg. Bedeutung der
Askese 60 fg. Frühes Auftreten der
Askese in Indien 61. Beschränkter
Wert der Askese nach den altern
Upanishad's 62 fg. ; zunehmende
Hochschätzung in den spätem Upa-
nishad's 64.
astronomische Vorstellungen in den
Upanishad's 196 fg.
Atharvacikhd-Upanisliad 11. 25.
Atharvacira'-Upanishad 11. 25.
Atharvan, Upanishadlehrer, 9. Die
Lieder der Atharvau's und Angiras'
= Atharvaveda 52. 54.
Ätharvanika's 28.
Atharva-Üpanishad's 9. 10. 25. 31. 32.
33. 34. 52.
Atharvaveda 3. 8. 20. 25. 26. 30. 31.
32. 34. 53. 287. 290.
Atheismus 213. 215. 221. 364.
Atidhanvan, Lehrername, 18.
atigraha, „Übergreifer", acht 243. 250.
Atmabodha- Upanishad 11. 26.
Ätman 10. 11. 14. 15. 18. 19. 20. 21.
22. 30. 36 fg. 245. 246. 248. 254.
262. 263. 265. 269. 270. 271. 278.
279. 294. 297. 331. 333. 334. 335.
336. 343. 344. 348. 350. 355. -
Die individuelle Seele 6. 73. 83.
85. 161. 166. 167. 168. 169. 170.
173. 176. 177. 178. 181. 207. 208.
214. 221. 231 fg. 241. 258. 259. 262.
274. 280. 312. 364. 365. Die höchste
Seele, die Weltseele 6. 73. 83. 116.
161. 166. 167. 207. 214. 221. 231 fg.
241. 258. 364. 365. — Ätman und
Brahman 79 fg.; Unbestimmtheit
dieser Begriffe 79 fg. ; Versuche,
dieselben zu bestimmen 80 fg. Be-
griff des Ätman 207. 357. Der
Ätnianbegriff als Quellpunkt des
Idealismus 208. Drei verschiedene
Ätman's: materieller, individueller,
höchster, 86 fg. Fünf verschiedene
Ätman's: annamaya,, pränamaya,
manomaya, vijnänamaya, dnanda-
maya Atman, 89 fg. 132. Der Ätman,
das Subjekt des Erkennens (120 fg.
357. 36o), ist selbst kein Gegen-
stand des Wissens 75, unerkennbar
und allein real 73 fg. 212. 320. 357.
358. 361. 362. Der Ätman als sdkshin
127. 361; als prajnd 360; als sac-
ciddnanda 361; als „der innere
Lenker" (antaryamin) 363. Götter
als symbolische Vertreter des Ät-
I. Namen- und Sachverzeichnis.
371
man 159. Der Ätman die ganze
Welt 138. Es gibt nichts aufser
ihm 143 Mahdn Ätmä 181. Des
Ätman Allgegenwart 182. 184, All-
wirksamkeit 185, Allmacht 185.
Der Ätman als die Einheit 178 fg.
Einswerdung mit dem Ätman als
Ziel 308 fg. Das Ätmanwissen ist
die Erlösung 310 fg. Sitz des Ät-
man im Herzen 154. Der Ätman
und die Organe 239 £g. Eingehen
des Ätman in seine Schöpfung 167,
in den Leib und seine Organe 240.
Verwirrung des Ätman durch die
Guna's 236 fg. Das Ich als Grund
der Gewifsheit 239. Der Ätman,
und wer sich als ihn weifs, ist frei
189. Ätmanlehre und Ethik 325 fg.
Die Ätmanlehre vor Yäjnavalkya
359, nach Y. 359 fg. — Siehe auch
^ Brahman und Seele.
Atman Vaicvänara, der Ätman als
allverbreitetes Weltprinzip, 83 fg.
18. 106. 355.
Atma-Upanishad 10. 25.
aiixo xai' auTo 39.
avatara's (Menschwerdungen) des
Vishnu 11.
avidyä, das Nichtwissen, 145. 178.
205. 229. 231. 244. 297.
aryaktam, das Unoffenbare, 181. 346.
B.
Bädaräyana, Verfasser der Brahma-
sütra's, 26 fg. 25. 49. 51. 115. 210.
Bahüdaka, Unterart der Sannyäsin's,
338. 339. 340.
Bähva, Lehrername, 143.
Benares 194. 341.
Bezähmung als Mittel der Brahman-
erkenntnis, 66. 67.
Bhagavadgitä 326.
Bhäratam-varsham (das Regengebiet,
Land der Bharata's), Indien, 194.
bhäva'B, Zustände des Lingam, fünf-
zig, Sänkhyaterminus, 219.
bhilcshu, Bettler, synonym mit san-
nyäsin, parivräjaha, 6. 56. 334. 335.
341.
Bhrigu, Rishi der Vorzeit, 64. 84. 292.
Bhriguvalli, Titel von Taitt.-Up. 3,
234—240: 32.
bhüman, „Gröfse", „Unbeschränkt-
heit", die höchste Seele, 85. 86. 94.
131. 138. 360.
bhür, bhuvah, svar, die drei heiligen
Rufe (Vyähriti's), 111. 196.
bhüta's, die fünf Elemente (Äther,
Wind, Feuer, Wasser, Erde), 218.
219. 239.
Bibel .43. 44. 45. 46.
biblisch-mittelalterliche Weltanschau-
ung 146.
Böhme, Jakob, 77.
Brahmabindu-Upanishad 11. 25. 346.
brahmacärin, Brahmanschüler, 332 fg.
6. 56. 190. 194. 330. 335. 336.
brahmaearyam, Brahmanwandel, 57.
190.
brahman (Neutr.) 9. 12. 14. 15. 17.
18. 19. 26. 27. 30. 36. 245. 252.
255. 256. 261. 267. 269. 273. 275.
278. 280. 291. 300. 301. 303. 308.
311. 313. 315. 316. 317. 319. 321.
322. 323. 331. 332. 342. 346. 350.
351. 353. 356. 357. 359. 365. 366.
368. — Brahman = Ätman der
Grundgedanke der Upanishad's 36fg.
— Erkennbarkeit des Brahman 5 lfg.
Mittel der Brahmanerkenntnis 56 fg.
Brahman als Gegenstand des Wis-
sens 68. Kein Wissen von Brah-
man möglich 72 fg. — Das Suchen
nach dem Brahman 78 fg. Brah-
man als die Einheit 78 fg., als Name
für Prinzip 79. — Symbolische Vor-
stellungen von Brahman 91 fg. : Brah-
man als präna 200, als prdna und
väyu 92. 93 fg., als äkäea, manas
92. 101 fg., als Äditya 92. 103 fg.
Verschmelzung von Brahman und
Symbol 107. Zwei Formen des
Brahman 108. Attributhaftes Brah-
man 92. — Das Brahman an sich
115 fg. Das Brahman als saccid-
änanda 115 fg. 133. 134. 142; als
das Seiende und das Nichtseiende,
als die Realität und die Nicht-
24*
372
Index.
realität 117 fg., über Seiendes und
Nichtseiendes erhaben 120; als Be-
wufstsein, Denken 120 fg. 245, als
Prajnätman 127. Der ewige Tag
des Brahman 125 fg. Brahman als
präna 127, als säkshin 127, als
Wonne 127 fg. Das Brahman leid-
los 128. Negative Natur und Un-
erkennbarkeit des Brahman an sich
133fg. Brahman als raumlos 138 fg.,
als zeitlos 139 fg., als kausalitätlos
141 fg. — Das Brahman und die
Welt 143 fg. Alleinige Realität des
Brahman 143 fg. Das Brahman als
kosmisches Prinzip 145 fg., als causa
materialis 150 fg. Integrität des
Brahman 151. Das Brahman als
psychisches Prinzip 152 fg.; idea-
listische Form dieser Lehre 152 fg.,
pantheistische Umbildung 153. Das
Brahman als persönlicher Gott
(icvara) 157 fg. — Brahman als
Weltschöpfer 163 fg., sein Eingehen
in seine Schöpfung 176 fg. — Brah-
man als Welterhalter 182 fg.; als
Weltregierer 186 fg.; als Vorsehung
191 fg. — Brahman als Weltver-
uichter 198 fg. Rückkehr der Ein-
zelwesen in Brahman 199 fg. Brah-
man als Vernichter der Einzelwesen
200. Rückkehr des Weltganzen in
Brahman 201 fg. Über die Motive
der Lehre von der Weltvernichtung
in Brahman 203 fg.
Brahman (Mask.) 1) der Gott Brah-
man, das personifizierte Brahman
72. 177. 178. 222. 223. 233. 298.
Träger der göttlichen Offenbarung
und ihr Vermittler an die Menschen
180. Die Weltseele 179 fg. 2) Einer
der vier Hauptpriester 112.
brahmanah parimarah, Zeremonie, 99.
brähmanam, Gattung vedischer Schrif-
ten, 3. 4 fg. 7. 23. 30. 44. 52. 54.
79. 90. 109. 165. 287. 290 fg. 292.
301. 354. 366.
Brahmanaspati, „Gebetesherr", vedi-
scher Gott, 165.
Brähmanazeit 3 fg. 93. 206.
Brahmane, Angehöriger der ersten,
der Priesterkaste, 9. 17. 18. 19. 21.
40. 55. 56. 66. 83. 94. 129. 152.
194. 200. 208. 265. 290. 293. 303.
307. 318. 319. 320. 331. 332. 333.
334. 335. 354. 355.
Brahmanismus 60. 128.
Brahmanstadt (der Leib) 255.
Brahmanwelt 70. 123. 126. 159. 190.
195. 265. 311. 322. 323. 324. 325.
333. Brahman als Welt 131.
brahmarandhram, Öffnung im Schädel,
durch welche die Seele auszieht,
255. 243. 256. 351.
Brahmasutra''s des Bädaräyana 26 fg.
173.
Bruluna-Upanishad 8. 11. 25. 336.
Brahmavidya-TJpanishad 11. 25. 31.
346.
Brennholz in der Hand als Zeichen
der Schülerschaft 65. 66. 332.
Brihadäranyaka- Upanishad 8. 23. 29.
40. 121. 209. 212. 356.
Brihadratha, Name eines Königs, 13.
229. 334.
Brihannäräyana, Name für Taitt.
'Ar. X: 32. '
buddhi, Bewufstsein, 218 fg. 181.
Funktion des Manas 238. Neben
manas als besonderes Vermögen
244. 257. 269. 270. 346. Als Be-
stimmtheit der individuellen Seele
235.
Buddhismus und Buddhisten 60. 128.
219. 230. 307. Idealismus der
Buddhisten 219.
C.
(Yikalya, Name eines Mannes, 55.
Qäkäyanya, Name eines Weisen, 13.
gäkhd („Zweig"), Vedaschule, 4. 5. 6.
7. 8. 9. 18. 19. 21. 22. 23. 24. 25.
28. 30. 32. 34. 107. 110. 111. 126.
127.
cakshuh, Auge; cakshur vai brahmaS2.
Candäla's, verachtete Menschenklasse,
303.
Qändilya, Lehrername, 21.
£aw», der Planet Saturn, 197.
I. Namen- und Sachverzeichnis.
373
^ankara (-dcärya), Verfasser des Kom-
mentars zu den Brahmasütra's und
zu Upanishad's, 11. 25. 26 fg. 32.
49. 67. 72. 79. 93. 103. 115. 137..
190. 210. 225. 231. 236. 237. 298.
Qankardnanda , Verfasser des Kom-
mentars zur Kaushitaki- und zu
vielen Atharva-Upanishad's, 28. 34.
Cantiformeln 28.
fäiira ätman 231.
Qär'irakam und Qärirdka-mimähsä,
die Brahmasütra's des Bädaräyana,
31. 51.
gastram, Preislied, 110.
Qaunaka, angeblicher Begründer einer
Atharvavedaschule, 8. 25. 30. (7.
Ki'ipeya 100.
£aunakhja''s, eine Schule des Athar-
vaveda, 8.
Ceylon 193.
Chdndogya-Upanishad 8. 23. 28. 29.
32. 40. 123.
Christentum 43. 45. 107. 128.
gikhd, Haarlocke, vom Sannyäsin be-
seitigt, 338. 339. 342.
Citra Gängyäyana, Name eines Opfer-
herrn, 18. 54. 194.
cittam noch besonders neben buddhi,
ahatlkdra, manas 224. 225. 238.
244. 269. 270.
Qim 11. 25. 181. 348. Qivakultus 162.
Qivaitischer Symbolismus 10.
Qivasamkalpa- Upanishad 245.
Qiva- Upanishad'' s 11.'
Colebrookes Liste der Upanishad's 8.
31. 32. 33.
grotram, Ohr, Gehör; grotram vai
brahma 82.
gruti, die Offenbarung, der Veda, die
(heilige) Schrift, 143.
Cudra, vierte Kaste, ausgeschlossen,
13. 68. Göttliche Qüdra's 158.
tyikra, der Planet Venus, 197.
Cnliht- Upanishad 11. 25. 346.
Qvetägvatara's, angebliche Veda-
schule, 4.
Qvetdgvatara- Upanishad 8. 24. 28.
29. 30. 32. 33. 215. 364.
Qvetaketu, Sohn des Uddälaka-Äruni,
54. 135. 153. 183. 332.
D.
daivah parimarah, das Herumsterben
der Götter, 99.
Daksha, Sohn der Aditi, 165.
dakshinä, Opferlohn an die Priester,
umgedeutet, 328.
Dara Schakoh, Veranstalter der Oup-
nek'hat- Übersetzung, 34.
Deismus 213. 215. 364.
Demokrit 220.
Descartes 107. 146. 220. 240.
Determinismus der Upanishad's 188 fg.
devaydna, der Götterweg, 301 fg. 92.
105. 287. 293. 302. 303. 304. 312.
323. 324. 350. 366. 368.
dhärand, Fixierung der Aufmerksam-
keit' beim Yoga, 349. 345. 346. 348.
Dharmagästra's, Lehrbücher über
Sitte und Recht, 331.
Dharmasütra's, über die Pflichten
der Kasten und Lebensstadien han-
delnd, 331.
dhruva, der Polarstern, 197.
dhydnam, Meditation beim Yoga, 349.
345. 346. 348.
Dhyänabindu-Upanishad 11. 25. 346.
Big als Gottheit 241.
dikshd, Weihe, des Sannyäsin 338.
Disputationen, öffentliche, 22.
dreifache Wissenschaft des Veda 151.
Dritter Ort als Schicksal der Bösen
303.
Dualismus 220 fg.
E.
Edda 97.
Eigeborenes 177. 262. 263.
Einheitsgedanke 143. 206. 356.
Einstab und Dreistab der Sannyäsin's
339.
Elemente 225. 239; drei 23. 156. 168.
173 fg. 176. 197. 210. 227. 261;
vier 85; fünf 23. 168. 169. 171 fg.
175 fg. 177. 238. 242. 244. 254.
257. 261.
Embryologie 265 fg.
374
Index.
Empedokles 220.
Entsagung als Mittel der Brahman-
erkenntnis 66. 67.
Epicharmos 246.
Epiktet 14.
epische und mythologische Gedichte 53.
Erde, die, und das Weltganze 194fg.
Erlösung 123. 128. 228. 231. 232. 233.
291. 326 fg. 335. 349. — Bedeutung
der Erlösungslehre 305 fg. Wunsch
der Erlösung vom Dasein 305. Ur-
sprung der Erlösungslehre 306 fg.
Das Ätmanwissen ist die Erlösung
310 fg. 365 fg. Charakteristik des
Erlösten 318 fg. Empirische Form
der Erlösungslehre 320 fg. 366.
Ersetzung von Zeremonien 11 2 fg.
Eschatologie der Upanishad's 282 fg.,
altvedische 285 fg.
etad vai tad 155.
Ethik der Upanishad's 327 fg.
F.
Frauen, mehrere erlauht, 334.
Freiheit des Willens 42. 43. 88. Frei-
heit und Unfreiheit 188 fg.
Fünf feuerlehre (Pancägnividya) 300.
295. 299. 303. 304. 323. 324.. 367.
G.
Gandhära, Volksstamm am Indus, 66.
194.
Gandharven , Klasse himmlischer
Genien, 178. 298. Gandharvawelt
195.
Ganges 193. 194. 307.
Garbha-Upanishad 10. 25. 31. 257.
Gärgi, Unterrednerin, 63. 66. 73. 122.
134. 138. 160. 357.
Gärgya Bälaki, Lehrername, 15. 18.
36. 80 fg. 103. 105. 188. 194. 355.
Gäruda- Upanishad 10. 25.
Gandapäda, Verfasser der Karikä
zur Mändukya-Upanishad, 28. 32.
Gautama, Familienname des Uddälaka
Äruni, 18. 99.
Gäyatra-säman 30.
Gäyatri, erstes vedisches Metrum,
Symbol des Brahman, 111 fg. 151
279.
Geburt 266.
Geduld und
Gemütsruhe als Mittel der Brahman-
erkenntnis, 66. 67.
Geulincx 146.
Gnaden wähl (Prädestination) 161.
Gopälatäpariiya- Upanishad's 33.
Gopicandana- Upanishad 33.
Gott, sein Dasein, 42. 43. Personi-
fikation des Brahman-Atman 315.
Götter 124. 129. 130. 140. 152. 153..
165. 168. 169. 172. 177. 178. 180.
185. 207. 208. 209. 247. 275. 287.
288. 290. 291. 298. 300. 301. 302.
308. 311. 353. 354. 357. 362. Ver-
ehrung der Götter 15. 17. 21. Stel-
lung der altvedischen Götter in den
Upanishad's 158 fg. ttre Zahl 158.
Götter änanda-ätmänah 131. Pro-
tektorat der Götter über die Or-
gane 241.
Götterweg (devayäna) 63. 64. 195.
Götterwelt (devaloka) 178. 195. 293.
295. 298. 299.
graha 1) die acht Organe 243. 250 \
2) die Planeten 197.
grihastha, Hausvater, im zweiten der
vier Agrama's stehend, 333 fg. 6.
56. 57. 330 fg. 335. 336.
guna, Faktor. Die drei Faktoren,
Sattvam, Bajas und Tamas, aus
denen nach der Sänkhyalehre die
Urmaterie und alles aus ihr Ent-
wickelte besteht, 211. 218. 221. 222.
237. 254. 350. Genesis der Guna-
lehre 226 fg.
H.
Hansa (Gans, Schwan, Flamingo),,
Unterart der Sannyäsin's, 338. 839.
341.
Hansa- Upanishad 11. 25. 346.
Heilslehre des Sänkhyam, Genesis derv
228 fg. Heilslehre des Vedänta 228.
Heraklit 71. 203. 220. 269.
Herz 258 fg.
Herz als Lotosblüte 259. 351.
I. Namen- und Sachverzeichnis.
375
Herzenshöhle 115. 155. 172. 259.
Himälaya 193.
Himmelsgegenden 97. 98. 100. 138.
139. 148. 149. 158. 183. 187. 196.
209. 312.
hiranyagarbha, „der goldene Keim",
der Erstgeborene der Schöpfung, 165.
169. 172. 222. 223. 225. Die Welt-
seele 179 fg. ; der kosmische Intel-
lekt als Träger der Erscheinungs-
welt 219. 235 (der kapila rishi).
Hitäh heifsen die 72000 sich vom
Herzen aus im Perikardium ver-
breitenden Adern, in denen die
Seele im Tiefschlafe ruht, 258 fg.
129. 275. 276.
Homer 66.
Hotar , Hauptpriester des Rigveda,
112. 184.
Hunger und Durst 262.
Hydraotes 194.
Hymnen 44. 165.
Hymnenzeit 206.
Hyphasis 194. 333.
I.
ig, "iga, igdna, igva/ra, „der Herr",
Gott, 160. 11. 157. 162..187. 192. 344.
Igd-Upanishad 8. 24. 29.
Idealismus 147; Idealismus der Upa-
nishads 148. 157. 161. 193. 207 fg.
213. 232. 233. 210. 344, des Yäjna-
valkya 206. 357; der Buddhisten
219. — Erstes Auftreten des Idea-
lismus in den Upanishad's 208 fg.
Die Upanishadlehre ist ursprüng-
lich Idealismus 209; der Idealismus
die ganze weitere Entwicklung be-
herrschend 209 fg.
Ideen, platonische, 179.
Identität von Welt und Seele 153 fg.
363.
Uya, ein Baum in der Brahmanwelt,
323.
individuelles Fortleben der Seele nach
dem Tode 83.
Indra, altvedischer Gott, 13. 65. 87.
88. 98. 158. 159. 177. 258. 286.
290. 291. 308. 312.
indriya's, die psychischen Organe,
nämlich die fünf Erkenntnissinne
(269; buddhi-indriyuni [247], jhäna-
indriyäni [238] : Gehör, Gefühl, Ge-
sicht, Geschmack und Geruch) und
die fünf Tatsinne (269 ; karma-indri-
yäni [238.217]: Organe des Redens,
Greifens, Gehens, Zeügens und Ent-
leerens) 238. 218 fg. 231. 234. 242.
252. 270.
Indus 193. 194.
Intellektualismus 120 fg.
Islam 307.
üihäsah, episches Gedicht, 53.
J.
Jäbäla-Upanishad 9. 11. 25. 28. 29.
336.
Jaimimya's, Schule des Sämaveda, 8.
Jänagruti, Name eines reichen Mannes,
13. 21. 58. 100.
Janäka, König der Videha's 13. 21.
53. 66. 76. 81. 123. 194. 312 fg. 354.
Jesus 12. 107. 289. 325.
jiva, lebend, -Jim ätman, „das lebende
Selbst", die individuelle Seele, 231.
232. 233. Jiva ohne Zusatz, die
individuelle Seele, 181.
Jwdla, König der Pancäla's, 194.
j'ivanmukti , die Erlösung bei Leb-
zeiten, 321.
jndnam, Erkenntnis; Brahman als
jndnam 116.
K.
Kdgi, Volksstamm, 194.
Kaivalya-Upanishad 11. 26.
Käldgnirudra-Upanishad 11. 25.
kalpa, Weltperiode, 199. 324. Die
Kalpatheorie des spätem Vedänta
198 fg.
Kthna (Liebe), Erstgeborener der
Schöpfung, 165.
Kant 12. 38. 39. 41. 43. 45. 47. 66.
68. 102. 107. 122. 137. 188. 189.
204. 205. 284. 310.
Kanthagruti-Upanishad 11. 25. 336.
Känva, Zweigschule der Väjasaneyin's,
250.
376
Index.
Kdpila, Begründer des Sänkhya-
systems, 180. 216.
kapila rishi, „der rote Weise", Brah-
män, 180 fg. 223. 235.
Mrikä des Gaudapäda zur Mändükya-
Upanishad 10» 29. 31. 32. '
karmakdndam, der Werkteil des Veda,
44.
karman, Werk, 189. 225. 236. 237.
242. 300. Siehe auch Werk.
Kasten, vier, 170. 340.
kategorischer Imperativ 47.
Katha's, Schule des schwarzen Yajur-
veda, 8.
Kdthaka's 4.
Kd'thaka-Upanishad 8. 13. 24. 29. 30.
32.
Kdtydyam , Gattin des Yäjnavalkya,
334.
Kaunteya 199.
Kaushitaki, Lehrername, 101.
KaushUakin's, Schule des Rigveda, 4.
8. 110. 127.
Kaushitaki- Upanishad 8. 23. 28. 29.
32.
Keimgeborenes 262.
Kekaya, Volksstamm, 194.
Kena-Upanishad 8. 23. 29. 32. 111.
Ketu (Drachenschwanz) als Planet 197.
khilakdndam der Brihadäranyaka-
Upanishad 296.
Knoten des Herzens 244. 254.
Kommentare Cankaras 28.
Könige (Krieger) weiser als Brahmanen
und diese belehrend 17 fg. 66. 80.
83. 194. 355; Begründer der Ätman-
lehre 17. 110. 354 fg.
Kopf 257 fg. Zerspringen des Kopfes
258.
Körperkreise 256.
Körperwärme 256. Symbol des Brah-
man 106.
Kosmogonien, altvedische, 222. 232.
363.
Kosmogonismus 149 fg. 213. 214. 232.
233. 363 fg.
Kosmographie der Upanishad's 193 fg.
Kosmologie der Upanishad's 163 fg.
213.
kramamukti, Stufenerlösung, 324 fg.
Krieger, siehe kshatriya's.
Krishna- Upanishad 33.
kshatram, kshatriya's, die Krieger-
kaste, 9. 17. 18. 21. 40. 52. 152.
200. 208. 303. 307; kshatram für
den Präna erklärt 101. Kshatriya's
als Pfleger der Ätmanlehre 17. 354fg.
Göttliche kshatriya's 158.
Kshurikd- Upanishad 11. 25. 346.
Kultusbräuche, Substitutionen für die,
59.
Kiiru, Volksstamm, 194.
Kut'icara, Unterart der Sannyäsin's,
340.
L.
Lakshmispruch der Nrisinhaformel 13.
Lanka, Ceylon, 193.
Lebendgeborenes 262.
Lebensalter, drei, 112.
Leib, feiner, 252 fg., siehe auch Ungarn.
Grober Leib 255 fg. Sein Wesen
255, Schilderungen des Leibes 256 fg.
Leib und Elemente 261 fg.
Ungarn, der feine Leib, 218. 217 fg.
(linga-Qarvram) 254, der innere
Mensch 254.
-Lohn für Werke 30.
M.
Mctdhava, Schüler des Cankaränanda,
28.
madhukändam , Titel von Brihad-
äranyaka- Upanishad, 1 — 2: 296.
Mddhyandina's, Zweigschule der Väja-
saneyin's, 250. 253. 314.
Madra, Volksstamm, 194. 333.
Mahüdeva, Beiname des Qiva, 11.
mahän (= buddhi), der kosmische In-
tellekt der Sänkhyaphilosophie, 223.
181. 218 fg. 254. 346. Mahän dtmd
181.
Mahändrä yana- Upanishad 8. 24. 29.
33.
mahas, vierter Opferruf (Vyähriti), 196.
Mahd- Upanishad 11. 26.
Mahegvara (der grofse Gott), Steige-
rung von Igvara, 222; Beiname Ci-
vas 11.
I. Namen- und Sachverzeichnis.
377
Maitrdyamya% Schule des schwarzen
Yajurveda, 4. 8.
Maiträyaniya-Upanishad 8. 24. 25.
28. 33. "
Maitreyi, Gattin des Ydjnavalkya,
15. 66. 73. 122. 152. 208. 276. 314.
334.
Malebranche 146.
»i«»rts,Zentralorgan sowohl der buddhi-
indriyäni wie auch der karma-indri-
yäni, 238. 244, in ersterem Sinne das
Vermögen der Wahrnehmung, der
Verstand 245fg. 238, in letz-
terem Sinne das Organ der Wünsche,
der bewufste Wille 238. 245.
246. 90. 165. 251. 254. 349. 359.
Ursprünglich ist Maltas von all-
gemeinerer Bedeutung, ,, Gemüt",
„Sinn", „Herz", „Geist", 245. 59.
60. 93. 95. 96. 100. 101. 127. 187.
200. 218 fg. 231. 234. 235. 241. 242.
243. 248. 252. 253. 256. 257. 258.
261. 262. 265. 267. 268. 269. 270.
276. 346. 348. Das Manas als Sym-
bol des Brahman oder Atman 15.
64. 74. 82. 85. 91. 92. 101 fg. 105.
106. 149. 245; als Urprinzip 166.
In kosmischem Sinne entspricht ihm
der Mond 97. 98. 112. 158. 297.
Manas uud Indriya's Organe der
Relation 237 fg.
Mdndükya-Upanishad 9. 10. 24. 25.
29.' 31. 32,
Mann (Geist) in der Sonne 104. 105;
im Auge 88. 104. 122. Siehe auch
purusha.
m«HOH!«2/rt(manasartig) atman 54. 255.
359, brahman 245, purusha 247.
Mantra's, Lieder und Sprüche der
Veden (Gegensatz : Brähmana's), 30.
242.
Manu (Mensch), der Stammvater des
Menschengeschlechtes, 286.
MaruVs Götter der Winde, 287.
Mdtarigvan, der Windgott. Der Präna
172.
Matsya, Volksstamm, 194.
mäya, Zauberkunst, Blendwerk. Das
Blendwerk der empirischen Realität
40. 41. .43. 45. 68. 162. 270. 318.
344. 362. Die Mäyälehre als Grund-
lage aller Philosophie 204 fg. Die
MäyälehreindenUpanishad's206fg.,
in empirischen Vorstellungsformen
212 fg.
Meister Eckhart 136.
Mensch, der", und sein Leben als Opfer-
handlung aufgefafst 112.
Mitra-Varuna 287.
moksha, Erlösung, 305.
Monismus 220 fg., der Upanishadlehre
211.
Mrityu, der Todesgott, 251.
Muktikä-Upanishad 26. Der Kanon
der M. 33. 31. 34.
Mundaka-Upanishad 10. 24. 25. 28.
29.' 30. 32.
Mundausspülen 342; als Bekleidung
des Präna beim Pränägnihotram 114.
Muni, der vollendete Weise, 56. 62.
331.
Mutterschofsgeborenes 177. 263.
X.
Naciketas, Sohn des Väjarravasa, 13.
294.
Näciketafeuer 59. 294.
Nddabiiidu-Upanishad 11. 25. 346.
NaishtMka, Brakmanschüler auf Le-
benszeit, 56.
nakshatram, Sternbild, 197.
Ndrada, ein Brahmane, 68. 70. 312;
durch den Kriegsgott Sanatkumära
belehrt 18. 53. 85. 355.
Näruyana 1) der Purusha als Erst-
geborener 165. Vishnu 11. 181. 200.
2) Upanishadkommentator 8. 31. 33.
34. 263.
Näräyana-Upanishad 11. 26.
Naturwissenschaftliches in den Upa-
nishad's 197 fg.
neu, neu 17. 75. 108. 134. 136. 142. 350.
Neuere Philosophie 146.
Neuplatoniker 181.
Nichtrealität der Welt 204 fg.
Nichtwissen (avidyä) 68 fg. Avidyä
als Falschwissen 69. Avidyä und
Vidyä 71. Siehe auch avidyä.
378
Iudex.
NUarudra-Upanishad 11. 25. 33. 34.
niyama, Selbstzucht, in der Yogapraxis
346. 345. 347.
Nrisinha, Vishnu als „Mannlöwe", 11.
Nrisinhapurvatäpam ya - Upanishad
11. 26. 32,
Nrisihhottaratdpanhja- Upanishad 11.
26. 32.
Nyaqroäha, Baum (ficus Indica), 183.
184.
nyäsa, Entsagung, 64. 328. 330. 331.
Nyäya, System der Logik, 262.
O.
Ohrensausen 256, als Symbol des
Brahman 106.
Om, heiliger Laut. Hauptstelle 349 fg.
Ferner 10. 25. 57. 92. 106. 126. 261.
317. 337. 340. 344. 345. 346.
6'v, TÖ, TO ÖVTW? ö'v 39.
Opfer 4. 6. 21. 32. 56. 63. 90. 109.
112. 113. 264. 294. 295. 300. 303.
309. 322. 330. 331. 333. 334. 335.
337. 341. — Opfer als Mittel der
Brahmanerkenntnis 57 fg. Für Opfer
nur der Pitriyäna 58. Umdeutungen
des Opfers 59. Bedingte Anerken-
nung des Opfers in spätem Texten
59 fg.
Opferfeuer, drei, 59. 63. 105. 338.
Opferkultus 247, und Atmanlehre 354.
Opferschnur 338. 339. 342.
Opposition gegen das Ritualwesen 57.
Organische Natur 176 fg. Einteilung
der Organismen 177. 262 fg.
Onpnekliat, persische Übersetzung von
50 Upanishad' s, 34 fg. 31. 245.
Paingala- Upanishad 9. 29.
Paingya, Vedalehrer, 101.
Paippalddfs, eine Schule des Atharva-
veda, 8.
Paücdla's, Volksstamm, 194.
pancanadam, das Fünfstromland, 194.
Pantheismus 146. 147. 148. 157. 162.
213. 214. 221. 232. 233. 362 fg.
Paramahansa, höchste Stufe der San-
nyäsin's, 338. 339. 340.
Paramahansa- Upanishad, 11.25. 336.
paramätman, der höchste Atman, 231.
Parameshtliin, Personifikation des
höchsten Wesens, als Träger der
göttlichen Offenbarung und ihr Ver-
mittler an die Menschen 180.
parä vidyd, höhere "Wissenschaft, 284.
358.
parivrdj, parivräjaka, heimatloser
Pilger (= Sannyäsin) 6. 56. 334.
335. 341.
Parmenides 39. 41. 68. 121. 144. 205.
220. 310. 357. 363.
Patanjali, Gründer des Yoga, 344.
Paulus 46.
PendscKäb 307.
Perikardium (purUat) 129. 260. 276.
Pessimismus 127; indischer 128; der
Upanishad's 229; des Sänkhyam 229.
Philolaos 171.
Physiologisches aus den Upanishad's
255 fg.
Pinda- Upanishad 10. 25. 33.
Pippaldda, angeblicher Begründer
einer Atharvavedaschule, 8. 25. 30.
pitriyäna, Väterweg, 302. 58. 63. 64.
287. 293. 301. 303. 304. 312. 323.
324. 335. 350. 368.
Planeten 197.
Piaton 12. 39. 41. 42. 68. 70. 121.
141. 144. 171. 205. 220. 264. 310.
Polytheismus, altvedischer, 157. 159.
Prabhuvimitam , Palast in der Brah-
manwelt, 323.
PraQna-Upanishad 10. 24. 25. 28. 29.
30. 32.
Prädestination 160. 190. 364.
Prajdpati, altvedischer Gott, 9. 13.
159. 171. 178. 180. 298. Personi-
fikation der Schöpferkraft, Prinzip
der Welt 79. 95. 111. 157. 173. 200.
241. 263. 264. 265. 337. 356. 357.
Erstgeborener der Schöpfung 165.
166. AlsUrquell der Weisheit, Ätman-
wisser, Lehrer 65. 87. 88. 95. 329.
Zum Mond in Beziehung gesetzt 94.
197. 242. Prajäpati = Ätman 177;
= Manas 245; = Präna 197.
Prajdpativratam 265.
I. Namen- und Sachverzeichnis.
379
prajnä, prajndnam, präjna dtmau,
prajnätman, Bewufstsein, das objekt-
lose Subjekt des Bewufstseins, die
höchste Seele, 95. 107. 108. 115.
123. 130. 131. 245. 275. 276. Präjna,
die Seele im Tiefschlafe, 269. 277.
279. 280. Prajnä == präna 126 fg.
Prakriti, die Urmaterie der Sänkhya's,
216 fg. 147. 211. 215. 237. 247. 344.
365; eine mdyd 212. Die Selbst-
entfaltung der Prakriti, als indi-
viduell zu denken 218; kosmische
Prakriti 217. 219.
praktische Philosophie der Upani-
shad's 325 fg.
prdna 15. 30. 69. 74. 80. 82. 92. 158.
165. 172. 200. 224. 225. 234. 238.
239. 241. 242. 214. 245. 253. 261.
262. 267. 268. 274. 277. 280. 322.
337. 345. 352. 353. 359. 360. —
1) Hauch, Odem, Atniungsprozefs.
93. 248. 2) Zentralorgan des Lebens,
Leben 93 fg. 98. 248. Identifiziert
mit Väyu 93. 98 fg., mit Brahman 82.
101, mit prajnä 107. 126. 131. 212.
276; Präna und Akäca = Änanda
= Brahman 107. Der Präna als
kosmisches Prinzip 97 fg. , Symbol
des Brahman 92. 93 fg., 105, Syn-
onymon des Ätman 109. 119, die in-
dividuelle Seele 85. 86. 236. Ver-
herrlicht als Aydsya Angirasa, Bri-
haspati und Brahmanaspati, Säman
und Udgitha 97. Abhängig vom
Purusha 94. — Der Präna und seine
fünf Verzweigungen 248 fg. Der
Präna bleibt im Schlafe wach 248.
prdna''?,, Lebenshauche, Lebensorgane
93 fg. 242. 243. 244. 246. 252. 254.
255. 258. 270. 322. Organe der
Nutrition 237. 238. Ihre Anzahl
248. Rangstreit der Präna's 95.
Kampf der Präna's und der Dä-
monen 96.
Prdndgnihotram 59. 106. 113. 338. 340.
Prdndgnihotra-Upamshad 10. 25.
prdnamaya ätman 101. 255.
Pranava, der Omlaut, 13. 349.
prdndydma, Regulierung des Atmens
in der Yogapraxis 348. 345. 346.
Pratardana, ein König, von Indra be-
lehrt, 13.
prat'ikam, Symbol, 91.
pratydhära, Einziehung der Sinnes-
organe in der Yogapraxis 348. 345.
346.
Pravdhana Jaivali, König der Pan-
cäla's, '13. 18. 54. 355.
Pravrdjin = Parivräjaka 331.
Priester (ritvij), vier, 112.
Psychologie der Upanishad's 231 fg.
purdnam, mythologisches Gedicht, 53.
purusha, Mann, Person, Geist. Na-
mentlich 1) der kosmische Purusha,
aus dem die Welt geschaffen ist,
55. 81. .94. 97. 98. 151. 165. 170.
172. 181. 191. 207. 280. 308. 359.
2) Der Purusha im Menschen (zoll-
hoch 155. 259), die Seele, das Sub-
jekt des Erkennens, 147. 215. 216 fg.
256. 344. 346. 365. Der Purusha
in der Sonne 197. 104 fg. 108. 322,
im Auge 104 fg. 108. 241. 242. 256.
258. — Fünf Purusha' s (annamaya,
prdnamaya , manomaya , rijnäna-
maya, dnandamaya) 89, acht 188.
Pushan, altvedischer Gott, 158.
Pythagoras 12.
R.
Bähu (Drachenkopf) als Planet 197.
Baikva, Name eines Weisen, 13. 100.
rajas (Leidenschaft), der zweite Guna
der Sänkhya's, 218. 221. 226 fg. 337.
Bdmänuja, Name eines berühmten
Vedäntaphilosophen, 187.
Bdmapürvatäpamya- Upanishad 11.
26.
Bdmatirtha, Kommentator der Maiträ-
yaniya-Upanishad, 28.
Bdmäyanam 193.
Bämottaratäpaniya-Upanishad 11. 26.
Rangstreit der Organe 95. 98.
Realismus 145. 146. 152. 153. 157.
171. 219. 222. 240.
ric, Vers (des Rigveda) 54. 104. 111.
197. 247. 332.
380
Index.
Bigveda 3. 4. 8. 9. 20. 21. 34. 52. 53.
' 110. 111. 143. 167. 170. 206. 222.
225. 285. 287. 288. 290. 291. 293.
297. 301. 306. 365.
Rigvedin's 110.
Rishi, Dichter und Sänger vedischer
Hymnen, 126. 159. 200. 308. Sieben
Rishi's 62. (Sinnesorgane) 243. 257.
Ritabhäga, Vater der Ärtabhdga Järat-
kärara, 297.
Rudra, altvedischer Gott, 9. 72. 180.
181. 201. 202.
Rudra's, vedische Götterklasse, 158.
saccidänanda, „Sein, Denken und
Wonne", Attribute Brahmans, 115 fg.
361.
samädhi, Absorption, in der Yoga-
praxis, 351. 345. 346. 348.
säman, Lied, namentlich des Säma-
veda, 21. 30. 52. S4. 100. 104. 111.
197. 247. 342.
samäna, einer der fünf Lebenshauche,
238. 239. 245. 252.
Sämaveda 3. 5. 8. 9. 21. 34. 52. 53. 111.
Sämavedin's 110.
Samhitä's, die „Sammlungen" vedischer
Lieder und Spiüche, 3. 5. 7. 9. 10.
32. 54. 332.
Sammlung als Mittel der Brahman-
erkenntnis, 66. 67.
samsära, der Kreislauf der Seelen-
wanderung, 198. 231. 233. 236. 237.
354. 367, anfanglos 198. Siehe auch
Seelenwanderung.
Sanatkumära, der Kriegsgott Skanda,
als Lehrer, 18. 53. 84. 85. 355.
sänkhyam, Prüfung, 191.
Sänkhya'z 109.
Sänkhyasystem 128. 145. 146. 147.
174. 180. 181. 192. 211. 212. 215.
236. 238. 240. 244. 254. 262. 321.
344. 316. 358. 364 fg. — Genesis
des Sänkhyasystems 216 fg. Kurze
Übersicht der Sänkhyalehre 216 fg.
Das Sänkhyasystem eine Entartung
des Vedänta 216. Hauptpunkte der
Sänkhyalehre: Dualismus 216. Lei-
den des Daseins 216. Aufhebung der-
selben durch den Viveka 217. Wesen
der Erlösung^ 217. Der Erlösungs-
prozefs ein individueller 217. Stufen
der Evolution 218. Das Sänkhya-
system im Grunde idealistisch 219.
Seine ursprüngliche Intention 2 19 fg.
Das Sänkhyasystem ein Aggregat,
kein Organismus 220. Genesis des
Dualismus 220 fg., der Evolutions-
reihe 222 fg., der Gunalehre 226 fg.,
der Heilslehre 228 fg.
Sannyäsa 335 fg. 10. 25. 327. 343.
368. Seine ursprüngliche Bedeutung
335 fg. Der Sannyäsa als Mittel des
Atmanwissens 336. Vorbedingungen
336. Abschied vom Leben 336 fg.
Kleidung . und Ausrüstung 339 fg.
Nahrung 340. Aufenthaltsort 341.
Beschäftigung 341 fg. Verhalten 342.
Sannyäsa-Upanishad 11. 25. 336.
Sannyäsa-UpanishcuVs, des Atharva-
veda 11. 25. 64. 265. 336.
sannyäsin, der besitzlos umherwan-
dernde religiöse Bettler, 6. 7. 11.
56. 126. 265. 330 fg. 334. 335 fg.
Siehe auch Sannyäsa.
Sarvopanishatsära 10. 25. 26.
Sattram, Weisheit, Güte. In kos-
mischem Sinne 352. Sänkhya-
terminus, einer der drei Guna's,
218. 221. 226 fg. 337.
Satvan's, Volksstamm, 194.
SatyaMma, Vedalehrer, 13. 102. 332.
satyam, Wahrheit, Realität, 69. 115.
116. 119. 196. 225.
satijasya satyam 17. 20. 108. 119. 148.
209. 362.
Savüar, vedischer Gott, 60. 72. 317.
Savitarspruch 13.
Säyana 4. 69. 165. 180.
Schavank (Qaunaka-Upanishad) 9.
Schlaf 267.
Schopenhauer 12. 35. 39. 41. 42. 45.
66. 128. 182. 310. 314. ■
Schöpfung der Götter eine Über-
schöpfung 179.
Schöpfungsmythen der Upanishad's
169.
I. Namen- und Sachverzeichnis.
381
Schöpfungslehre, altvedische, 165 fg.
Schweifsgeborenes 177. 262. 263.
Seele, höchste und individuelle, 231 fg.
Die individuelle Seele beruht nur auf
der Avidyä 231; dennoch als eine
Realität behandelt 232. Ursprüng-
lich nur eine Seele (Idealismus, Pan-
theismus, Kosmogonismus) 232 fg.;
erst der Theismus scheidet höchste
und individuelle Seele 233. Die
individuellen Seelen neben der höch-
sten 233 fg. Die gebundene Seele und
die erlöste 233. Die individuelle Seele
als „Geniefser" (bhoktar) 234. Klein-
heit und unendliche Gröfse der Seele
235 fg. Grund der Verkörperung
der höchsten Seele 236 fg. Die Organe
der Seele 237 fg. Die Zustände der
Seele 267 fg. — Siehe auch dtman.
Seelenwanderung 18. 66. 123. 178.
198. 227. 232. 238. 263. 264. 306.
308. 315. 355. 367. 282 fg. Philo-
sophische Bedeutung der Seelen-
wanderungslehre 282 fg. Praktische
Bedeutung des Seelenwanderungs-
glaubens in Indien 282. Keine
Seelenwanderung vor den Upani-
shad's 285 fg. Die Keime der Seelen-
wanderungslehre 292 fg. Genesis
der Seelenwanderungslehre 295 fg.
Erstes Vorkommen der Seelen-
wanderung 296 fg. Fortbildung der
Seelenwanderungslehre 299 fg. Mo-
tive dieser Lehre 297 fg.
Skambha (Stütze), aus Grama und
Tapas als Erstgeborener entstanden
61. Umdeutung des Prajäpati 165.
Soma 1) ein als Opfertrank dienender
Pflanzensaft 60. 253. 258. 286. 287.
290. 300. 301. 302. 303. 304. 341.
Der Mond der Somabecher der Götter
197. 2) Gott Soma 158. 286.
Somakelterungen, drei, umgedeutet 59.
112.
Somaopfer, Somafeier 3. 14. 59. 112.
Somasavana, Baum in der Brahman-
welt, 323.
Spinoza 88. 146. 188.
Sprofsgeborenes 177. 263.
Stoiker 203.
sükshmam gariram, der feine Leib,
238. 239.
Sttrya, Sonne, Sonnengott, 286.
siishmnnd, die Kopfader, Carotis, 256.
261. 351. 352. 353.
Sütrd's, Schriftengattung, 3.
T.
tadvanam, „nach ihm das Sehnen'',
17. 20. 184.
taijasa heifst die träumende Seele
269. 274.
Taittir1yaka,s, Schule des schwarzen
Yajurveda, 4. 6. 8. 17.
Taittirlya-Upanishad 8. 23. 29.
tajjalän, Geheimname des Brahman,
17. 20. 163. 200.
Talavakära's, Schule des Sämaveda,
8. 111.
Talavakära- Upanishad 8.
Tamas (Finsternis), der dritte Guna
der Sänkhya's, 218. 221. 226 fg. 337.
Tändiri's, Schule des Sämaveda, 8. 32.
tanmätra's, die Reinstoffe; fünf, 174.
218 fg. 244.
tapas, Hitze, Anstrengung, Askese,
Selbstverleugnung, 60 fg. 165. 168.
196. 242. 328. 331. 335. Tapas
(Askese) und nyäsa (Entsagung)" als
ethische Grundbegriffe 330. — Siehe
auch Askese,
tarka, Reflexion, in der Yogapraxis
345. 348.
tat tvam asi, „das bist du", 37. 116.
119. 135. 155.
tejas (Glut) als Element 244. 252. 253.
260. 277. Eingang in das tejas
beim Tief schlaf 224. 225. 268; beim
Tode 224. 225. 252. Die indivi-
duelle Seele 352.
Tejobindu-Upanishad 11. 25. 346.
tejomaya amritamaya parusha, „der
kraftartige unsterbliche Geist", 187.
Testament, Altes 44. 46. 146, Neues
43. 44. 46.
Theismus 146. 190. 191. 192. 213.
214. 221. 233. 364. Ursprung des
Theismus der Upanishad's 157 fg.
382
Index.
Theistische' Anklänge in den altern
Upanishad's 159 fg. Erstes Auf-
treten des Theismus in den Upa-
nishad's 161. Cvetägvatara als
Hauptdenkmal des Theismus 161 fg.
Späterer Theismus 162.
Theologie der Upanishad's 51 fg. 213.
Tiefschlaf 274 fg. 268 fg. 88. 89. 112.
123. 125. 133. 162. 178. 224. 225.
252. 259. 260. 262. 267. 362. Wonne
des Tiefschlafes 129 fg., als Grund
der Lehre von Brahman als Wonne
131 fg.
Tod 123. 262. 266. 271; als Rückkehr
der Einzelwesen in Brahman 199.
Trmdhätav'ti/a-Opier 337.
Traumschlaf, Traumhewufstsein 271 fg.
268 fg. 89. 112. 123. 130. 162. 224.
262. 267. 275 fg.
iur'iya, der „vierte" Zustand (aufser
Wachen, Traum und Tiefschlaf),
278 fg. 89. 112. 162. 267. 269.
U.
JJginara, Volksstamm, 194.
uddna, einer der fünf Lebenshauche,
252. 238. 239. 245.
Udaragänditya, wird belehrt 18.
Uddälaka Äruni, Vater des Qvetaketu,
¥!. 18. 83. 332. 355.
Udgätar, „Sänger", Hauptpriester des
Sämaveda, 104. 112.
udgitha 96. 104. 110. Identifiziert
mit Om 17, mit Om, dem Präna,
der Sonne, dem Purusha in Sonne
und Auge 111,,
uktham, Hymnus, 21. 52. 110. = Präna
96. 110. = Brahman 111.
Umdeutung von Zeremonien 109 fg.
unorganische Natur, ihre Schöpfung,
168.
Unsterblichkeit 42. 43. 57. 88. 260.
261. 284. 293. 294. 295. 314. 315.
316.
Unterdrückung der Sinnenerkenntnis
78.
'upädhi, Bestimmung, 231. 237.
Upakosala, Schüler des Satyakäma,
13. 62. 105. 332.
upanatjanam, Sakrament der Ein-
führung des Brahmanschülers, 65.
Upanishad's, Stellung der U.'s in der
Literatur des Veda 3 — 16. Die U.'s
der drei altern Veden 7 fg. Die
U.'s des Atharvaveda 8 fg. Bedeu-
tung des Wortes upanishad 11 fg-
Zur Geschichte der U.'s 16 fg.
Erster Ursprung der U.'s 16 fg.
Kshatriya's als erste Pfleger der
Upanishadlehre 17 fg. 354 fg. An-
eignung durch die Brahmanen und
allegorische Verwebung mit dem
Ritual 18 fg. 355. Die vorhandenen
Upanishad's 22 fg. Die alten Prosa-
U.'s 23; die metrischen U.'s 24;
die Jüngern Prosa-U.'s 24 fg.; die
spätem Atharva-U.'s 25. Die U.'s
bei Bädaräyana und Caükara 26 fg.
Die wichtigsten Upanishadsamm-
lungen 31 fg. Literaturkreis der
U.'s 52. Der Grundgedanke der
U.'s und seine Bedeutung 36 fg.
Das System der U.'s 48 fg. Theo-
logie der U.'s 51 fg. 359 fg.; ihre
Kosmologie 163 fg. 362 fg. ; ihre
Psychologie 231 fg. 362 fg.; ihre
Eschatologie 282 fg. 365 fg.; ihre
Ethik 327 fg.; Naturwissenschaft-
liches aus den U.'s 197 fg., Physio-
logisches 255 fg. Die U.'s noch
nicht „Veda" 53; werden zum Ve-
dänta 21. 55. 354. 355. Idealismus
als Grundanschauung der U.'s 208 fg.
356 fg. Variationen der Grundlehre
durch Einkleidung in empirische
Formen 213 fg. Chronologie der
Upanishadtexte 356.
Upanishad-Brähmanam 111.
upasad, Somavorfeier, 14.
Urwasser 136. 165. 172. 173. 179. 180.
181. 196. 223.
Ushasta, Unterredner, 121.
V.
vdc, Rede, 53. 82. 85. 92. 112. 165.
200. 225. 243. Symbol des Brah-
man 106.
VaiQvänara 1) agni, das „allverbrei-
I. Namen- und Sachverzeichnis.
383
tete" Feuer, 106. 256. 2) ätnian
Vaicvänara 194. 270. 3) Die Seele
im Zustande des Wachens 269.
Vaicya's, die dritte Kaste, 303. Gött-
liche V.'s 158.
Väjasaneyi>i's, Schule des weifsen
Yajurveda, 4. 8. 32. 265.
Vdmadeva, altvedischer Bishi, 286.
323.
vänaprastha, Waldeinsiedler, im drit-
ten Äcrama, 334 fg. 6. 7. 56. 57.
109. 330 fg. 335. 336. 337.
Varadatäpaniya- Upanishad 33.
Varuna, altvedischer Gott, 64. 158.
159. 288. 291. 308. 350.
VasMali 143. ..
Fasw's, Götterklasse, 158. '184.
Väsudeva- Upanishad 33.
Väter 178. 185. 189. 264. 284. 289 fg.
294.. 298.
Väterwelt 293. 295. 298. 299. 302.
Väyu, Wind(-gott), 60. 96. 98. 158.
159. 170. 175. 185. 195. 241. 251.
350. Symbol des Brahman, 92. 93 fg.
108. 109. Väyu-Präna als Welt-
prinzip 99. 108.
Veda 26. 43. 44. 45. 46. 104. 110.
151. 183. 264. 294. 296. 318. 328.
333. 334. 335. 341. 349. 355. Der
Veda und seine Teile 3 fg. Der
Veda als Quelle der Brahmanwissen-
schaft 51 fg.; seine Unzulänglich-
keit 53. Der Veda übermensch-
lichen Ursprungs, von Brahman aus-
gehaucht 51, untrüglich 52. — Veden
6. 8. 9. 17. 25. 31. 32. 33. 34. 130.
181. 196. 247. 312. 332. 342. 349.
(drei oder vier;) 52. (drei:) 350.
(vier:) 70. 90. 101.
Vedänga's, sechs, 55.
Vedänta 3. 5. 18. 23. 26. 29. 31. 34.
37. 47. 53. 55. 66. 88. 91. 115. 133.
145. 162. 167. 192. 198. 199. 204.
215. 219. 221. 228. 231. 236. 237.
244. 252. 262. 28 i. 300. 302. 321.
324. 354. 355. 358. System des
Vedänta 49, seine Hauptteile 49.
— Beine Vedänta-Upanishad's des
Atharvaveda 10.
Vena, der Seher, der Träger der
Offenbarung, 201.
Verdauungsfeuer 114. 256.
Vergeltung 204. 302. 303. 306. Die
Idee der Vergeltung 292. Ver-
schiedene Schicksale im Jenseits
292 fg. Noch keine doppelte V.
298. Fortbestehen der V. im Jen-
seits neben der durch Wiederkehr
299 fg. Das schon Vergoltene noch-
mals vergolten 299 fg. 367.
Verwerfung alles Schriftwissens 55.
Vetäla, Dämon, der in Leichen wohnt,
285.
ViQvaharman, „Allschöpfer", 150. 165.
Vigve deväh, Götterklasse, 314.
Vidagdha (7a&aZ?/rt,Vedalehrer, 81. 188.
Videhä's, Volksstamm, 194.
Vidhi (Vorschrift), Bestandteil der
Brähmana's, 3.
vidyä, Wissen, 53. 205.
vijnänamaya ätman 75. 78. 132. 133.
155. 255. v. purusha 153. 267. 360.
Vindhya-Gebirge 193.
Viräj, Personifikation der Urmaterie,
165. 258. 312.
Virocana, ein Dämon, 13. 40. 87.
Vishnu, 11. 26. 337. 348.
vishnuitischer Symbolismus 10.
Vislinu-Kultus 162.
Vishnu- Upanislvad^ 11.
Völkernamen 194.
Vollberuhigung (samprasdda), der Tief-
schlaf und die Seele im Tiefschlafe,
268. 277.
Vorsehungsglaube und Theismus 191.
Allmähliche Ausbildung des Vor-
sehungsglaubens 192.
vyäna, einer der fünf Lebenshauche,
252. 238. 239. 245.
vydhriWs, die drei mystischen Opfer-
rufe bhür, bhuvak, svar, 196.
W.
Wachen. 270 fg. 89. 112. 123. 162.
262. 267. 268. 269.
Weiber ausgeschlossen 13. 68.
Welt nur Erscheinung und nicht Ding
an sich 38 fg. 69.
384
Index.
Welträume 195.
Weltschöpfung und Ätmanlehre 165.
Weltseele (Hiranyagarbha, Brahma u)
179 fg.
Weltuntergangsfeuer 203.
Weltvernichtung, periodische Wieder-
kehr der, 202.
Werke 30. 90. 160. 178. 185. 189.
190. 192. 193. 195. 198. 202. 209.
215. 235. 236. 239. 247. 253. 263.
264. 266. 270. 283. 285. 287. 291.
292. 294. 295. 297. 298. 299. 300.
301. 302. 304. 306. 308. 311. 317.
319. 325. 326. 333. 334. 366. 367.
Begleiter der Seele ins Jenseits 254.
Wiedertod im Jenseits 294. 299. 308.
322. 366 fg. Der Wiedertod ist
noch nicht Seelenwanderung 294 fg.
Wissen 120. 254. 291. 295. 297. 303;
309. 317. 324. 338. 353. Brahman
als Gegenstand des Wissens 68.
Kein Wissen von Brahman mög-
lich 72. Empirisches Wissen ein
blofses Nichtwissen 68. Wissen
durch Offenbarung 72, durch Gnade
72. Das Wissen als niederer Stand-
punkt 75. Polemik gegen das Wissen
77 fg.
X.
Xenophanes 121. 158. 285.
Y.
Yajamäna, der Veranstalter des Opfers,
294.
Yäjnavalkya , berühmter Vedalehrer,
9. 13. 21. 22. 40. 53. 55. 58. 62.
63. 66. 73. 74. 75. 76. 81. 82. 83.
101. 107. 108. 115. 121. 122. 123.
124. 125. 127. 131. 134. 136. 152.
158. 185. 186. 188. 194. 195. 208.
209. 211. 212. 213. 221. 264. 265.
297. 299. 300. 301. 312 fg. 321. 334.
336. 354. 357. 358. 359. 360. 363.
366. 367.
YäjnavaTkyakändam ist Brih. 3 — 4:
296.
Yajurveda 3. 4. 8. 9. 34. 52. 53. 110.
111.
yajus, Opferspruch (des Yajurveda),
52. 54. 101. 104. 111. 247. 332.
Yama, Todesgott, 288. 58. 287.
yama, Zucht, in der Yogapraxis, 346.
345. 347.
Yamunä, Flufs, 194.
Ymir 97.
yoga, Hingebung, 191.
Yoga, eine besondere Praxis, die Eins-
werdung mit dem Atman zu ver-
wirklichen, 343 fg. 10. 25. 78. 106.
126. 215. 224. 225. 238. 259. 278.
326. 330. 342. 364 fg. Der Yoga
als Konsequenz . der Ätmanlehre
343. Bedenken gegen den Yoga
343. Vorgeschichte des Yoga 345.
Das spätere Yogasystem 344. Die
acht a%a's 345. Die sechs anga's
347 fg. Frucht des Yoga 353.
Yogaqikliä-Upanishad 11. 25. 346.
Yogatattva-Upanishad 11. 25. 346.
Yoga-Upanishad's des Atharvaveda 10.
25. 156. 346.
Yogin 261. 285. 346. 347. 349. 353.
Z.
Zeugung 263; als religiöse Pflicht
264; verworfen 264 fg.
Zweiweglehre 301 fg. 295. 299.
II. Verzeichnis der Zitate.
A. Anmerkung; * übersetzt.
Acrama-Upanishad:
1—4
336
3-4 336
Aitareya-Äranyakam :
4
339. 340. 341.
2,1
n
248
2,6 108
3,2,6,9
12*. 65
2,1,4
9c
►. 96
2,6,1,5 180
5,3,3,4
65.
2,1—2
107
3,2,6 59
2,1—3
110.
360
3,2,6,8 113
3,44
291
Aitareya-Brähmanam :
5,32 169 | 8,28
99.
1,1
1,1.1
1,1,2
1,1,3
1,1,4
1,1-2
1,2
1,2,4
168*
172. 173.
359. 363
198
196
158
243. 251
241
191
251. 258
Aitareya-Upanishad:
1,2,5
1,3,4
1,3,10
1,3,11
1.3.12
1,3,14
1,11-
2,1
262
249. 251
251
168. 364.
23. 176. 243. 255.
256. 269. 270
. 159
12 156
97. 263
2,2-
2,4
3
3,2
3,3
3,4
-3 263
264. 266. 286
108. 127. 360
82. 245
23. 154. 168. 169.
173. 177*. 180. 211.
263
323.
Amritabindu-Upanishad
l
2
3
4
5
6
7—8
10 fg.
12
349
349
351
350
348
345. 346. 348
348
348
13
16
17
18
19
22
23
26
348 27
348
348
347
347
348
347
350
352
346*
28 fg.
30
30—31
34
34—35
35
37
353
350
353
251. 252
248
252
252.
Deussen, Geschichte der Philosophie. I,n.
25
386
Index.
Äruneya-Upanishad:
1
2
196. 336. 337. 338.
341
6. 337. 338. 339.
341. 342
3 338.
4 340.
5 337. 338.
339. 340
341. 342
339. 340.
Atharvaci kha - Upanishad :
1 203. 350.
Atharvacira- Upanishad :
203 |5 350 | 6
181. 196. 202.
Atharvaparicishta :
2,13
33 A.
Atharvaveda :
3,28,6
291
10,7,38
61 11,4 .
95. 98. 165
3,29,3
288 '
10,8,9
243. 257
11,4,11
200
4,34
289
10,8,16
148
11,4,13
177. 248
5,4,3
196
10,8,29
151
11,8
338
5,19,3. 13
290*
10,8,34
207
15,12
293
9,51
291
10,8,43
228
18,2,48
288
10,7,7—8
165
10,8,44
308
18,3,71
291
10,7,21
207
11,1,17
291
18,4,10
288
10,7,36
61
11,3,32
291
19,28,4
258.
Ätma-
Upanishad:
1
256
* j 2 176.
Ätmaprabodha -Upanishad :
255.
259. 326.
Bädaräyana
Brahmasütra's:
1,1,2
163
1,3,41
103
3,2,22
137
1,1,4
26
1,4,8—10
28. 227
3,3,1
26
1,1,12— 19 usw.
27
2,1,14
149. 167
3,3,16—17
28
1,1,22
102
2,1,35
198
3,3,25
28
1,1,30
286
2,1,36
199
4 14
92
1,2,32
28
2,4,22
174 4,3,15—16
92.
Bäshkal
a-Upanishad.
187.
IL Verzeichnis der Zitate.
Bhagavad-Gitä:
387
5,13
242.
255 1
8,6 254 J
9,7
199*
6,5
329* 8,17—19 199 |
13,17
124. '
Brahma -Upanishad:
1
93. 125. 187. 255 l 3
336
2
256. 280 4
3 rahmabindu -Upanishad :
259
1—5
349 17 351 !
17
351
5
349 15 ■ 289
18
349.
Brahmavidyä- Upanishad :
4—7
350 ! 10 156
12
256
8—10
352 ! 11—12 261. 352 |
13
350.
9
155
Bp ihadäranyaka- Upanishad :
1— II
296 III 66. 296. 312 j
IV
296. 312
I— IV
356 III— IV 296 !
V— VI
356.
I— V
I.
299
5,17
4,3 . 208. 312
264
1
195
4,3—4 178. 264
5,21
95
1,2
193
4,6 158*. 179. 222. 241
5,21-
-23
98
1—2
111
4,7 122. 150. 156. 167.
5,23
59.76
5. 82. 113.
1—3
359
168. 176. 208. 210.
148. 345
2,1
198
200
241. 243. 246. 267
6,3
20A
69. 119.
2,2
173
4,10 37. 58*. 159*.
150. 209.
2,3
196
171.198.286.311*.
2,7
294
312. 354*.
II.
3
96
4,11—13 158
1 15. 18. 19. 23. 36. 81.
3,2—6
213
. 246
4,11—15 179
105
.188
. 194. 355
3,3
249
4,15 295
1,1
79
3,11—16
241
4,16 59
1,5
20 A. 103
3,12—16
158
4,17 20A. 198. 265
1,5-
8
169
3,19
97
5,2 114. 294
1,14
65
3,22
178
5,3 200. 246*. 248
1,16
133.
153. 267
3,24
258
5,4 196
1,17
258. 259
3,28
125
5,12 159
1,17-
-20
124
4 15
170. 240
.256.
5,13 172
1,18
268. 272*
363
5,14 94. 197. 242
1,19
129*
131. 260.
4,1
198. 239*
. 240
5,15 95
268
275.
276*. 353
4,2
319 i 5,16 58. 264. 295*
1,20
17.69
108. 119.
25*
388
Index.
148. 149*. 153. 158.
182. 203. 209
2,1 255
2.3 243. 257
2.4 243
3 108
3,1 118*
3.3 197
3.4 92
3.5 82
3.6 17. 119. 134. 136.
137. 140. 361
4 62. 66. 152. 206.
208. 334. 356
4,1 334
4.5 15 (und A.). 40.
68. 144. 148. 182.
210. 232. 358. 362
4.6 40. 358. 362
4.7 fg. 40. 211
4,7—9 70.144.209.362
4.10 23. 52*. 181
4.11 122. 241. 244
4.12 73. 75. 124. 150*.
151. 182. 194. 314
4.13 . 276
4.14 75. 144. 208. 209.
357. 358
5 187
5,1—7 243
5,1—10 169
5.15 95. 209
5.18 156. 177*. 255. 286
5.19 138. 207
6,3 180.
III.
1
1,1
1,2
1,3—6
1,10
1—9
1— IV,5
2,1—9
2,2
59. 112
194
333
243
248
194
206
254
250
2,2—9 ' 243
2.10 294. 314
2.11 314*
2.12 182. 314*
2,13. 4. 66. 242. 243.
254. 297*. 300. 367
3 195. 321
3.1 194. 333
3.2 98. 294
4 121. 153
4.1 232. 248
4.2 73. 128. 229. 357.
361
5 135. 153. 318. 319.
331. 335. 336
5,1 55*. 128. 229. 232.
265. 326. 334
6 195x. 258
7 98. 108. 159. 186.
187. 277. 363
7.1 194. 258. 333
7,1—2 82
7.2 99*
7.3 27. 154. 186
7,3—14 169
7,3—23 99. 160. 232
7,12 103*
7,16—23 243
7,23 ■ 74. 128. 229
8 66. 141. 186. 362
8.4 196
8.7 138*
8.8 27. 134M35. 361
'8,9 155. 160. 185*.
189. 363
8.10 63*. 295. 331.
334. 335
8.11 73*. 103. 122*.
209. 357*
9,1 158
9,6 58
9,8 196
9,10 359
9,10—17 81
9,10—18 188
9,20 258
9,20—24
9,21
9,21—25
9,22
9,26
196
5s
258
263
9,28
1
1,2
1,2—7
1,3
1,6
1,7
1—2
2
2,1
2,2—3
2,3
2,4
3
3,1 fg.
3,2-6
3,7.
3,7
3,9
3,9-
3,9-
55. 81. 134. 136.
188. 248. 258. 361
115. 116. 142.
IV.
81. 92. 106. 115
23. 53
79. 243
92. 101
102. 247
258
66
83. 312
53. 81
258
259. 262. 274
76. 134. 136. 138*.
149.196.209.361.
363
133. 274
13
360
27. 132. 144. 209.
268. 271. 277
360
274. 277
271*
269.
3,9-33
3,10
3,11
3,11—14
3,12
3,13
3,14
3,15
3,16
3,18
3,19
3,19—33
3,20 '
73.
268
268
277
277
277
248. 277
. 273. 277
126
269. 277
271
271
267. 277
129.131.268.
275*
259. 273. 274
II. Verzeichnis der Zitate.
389
3,21
269. 277
4,17
103. 194. 209
9
91. 106. 114. 256
3,21 fg.
273
4,18
126. 134. 241
10
322
3,22
276
4,19
41*. 139. 144. 148.
11
63
3,23
124. 358
209*. 212. 358*.
12
20
3,23—30
143
362
13
101
3,23—31
74
4,20
103
13
112. 151. 279
3,31
144. 209
4,21
55*. 335. 336
14,3
248
3,32 127.184.209.278
4,22
56*. 63. 133. 134.
14,8
311
3,33 129.132.159.195.
136. 154*. 160*.
15
105. 255. 322.
276. 290
185. 186. 210. 259.
3,35
277
265. 277. 311. 318.
VI.
3,36
242. 255
331. 334. 335. 361.
1,6
263
3,37—38
273-
364
1,7-
13 95
3—4
66.
123. 125.
4,23
67. 319*. 320
1,13
194
132. 313
4,25
134
1,14
114
4,1
241. 258
5
208. 334
2
18. 19. 23. 54. 194.
4,1 fg.
124
5,1-
2 334
253.295.296.299.
4,2 74. 260. 277. 314
5,6
27
324. 355. 368
4,2-6
297*
5,11
25
2,1
332
4,3
254. 367
5,12
244
2,2
287*. 300
4,3. 4
70
5,13
124*. 151. 194.
2,3
54*
4,4
178*. 180
277. 314
2,6
13
4,5 36.
175.
189. 253*.
5,14
314
2,7
332
255
261. 367
5,15
134. 136. 361
2,8
19*. 355
4,5—6
254-
6,3
180.
2,9-
14 295
4,6
366
2,13
264
4,6—7
313*
V.
2,14
300
4,7
260
1
102. 151*
2,15
63. 195. 299. 324
4,S— 9
260
2
329
2,15-
-16 197. 295
4,8—21
24
2,1
159
2,16
59. 63. 197. 263.
4,10
77*
3
82
302. 303. 335
4,10—11
290
4
20. 119. 155
3,12
12*. 65
4,11—12
71*
5
105. 197
4
264. 333
4,12—13
315*
5,1
20A. 119*. 198
4,1
263
4,13
326
5,2-
3 197
4,2
263
4,15
140^
5,4
82
4,3
264
4,15—17
315*
6
259
4,5 fg
242
4,16
124. 360
6,1
245
4,10-
-11 251
4,16—17
140*
7,1.
140
5,4
180.
ad Brahmas.:
1,1,24 p. 147,14
1,2,1 p. 167
Cankara
(p. Seite der Calcuttaer Ausgabe) :
1,2,15 p. 189,8
91 ! 1,2,28 p. 217,10
164 | 1,4,14 p. 375,3
91
2,1,9 p. 433,1
29
91
2,1,34
282
29
2,1,36 p. 495,7
199
390
Index.
2,2,10 p.
514,14
174
4,1,5 p. 1063,2
92
ad
Chänd. :
2,3,7 p.
320,4 fg.
240*
4,2,8
252
1,3,2
238. 249
2,3,32 p.
666,5
238
4,3,14 p.
1126
167
3,13,3
23s
2,4,6 p. 7
11,11;
713,11
4,3,15 p.
1135,
7 92.
3,14,1
163*
238.
243
,
6,4 p. 417,5 174
2,4,12 p.
723,1-
-4
238.
249
ad Bril
.:
6,10,1
p.2
193
30*
3,2,17 p
808
143
1,5,3
247
p. 9 fg.
92
3,2,22
137
p.2,4
11
p. 9,8
91
3,2,33 p.
835,9
91
p.4
30
p. 10,1
91
3,3,1 p.
343
29A.*
p. 815,5
131
p. 21,3
91,
4.1,3 p.
1059,6
91
p. 915,7
131.
Catapatha - Brähmanam
1,3,5,11
301
10,3,3,8
296
11,2,6,14
293
2,3,3,9
294
10,3,5,13
131
11,2,7,33
293*
2,6,4,8
291
10,4,1,17
242
11,3,3,1
200
3,6,1,23
258
10,4,3,10
294*
11,4,1,9
258
4,4,3,4
258
10,5,1,4
294
11,4,3,20
294
4,6,1,1
291
10,5,2,15
249
11,4,4,1
308*
6,1,1
165.
169
10,5,4,15
291*. 30!
11,4,4,2
291
6,1,1,1
117
10,6
356
11,5,8
169
6,2,2,27
293
10,6,1
84.
106. 194.
11,5,6,9
294
6,4,2,5
242
256
11,6,1
292
6,6,2,4
293
10,6,1,4 fg
't
294
12,8,3,31
291
8,3,5
119
10,6,3
36.
189. 207.
12,9,1,1
292*
10
356
309.
357. 359
12,9,3,11
294
10,1,4,14
294
10,6,3,1
298
12,9,3,12
294*
10,1,5,4
291
293
10,6,3,2
365
13,7,1,1
200
10,2,6,19
294
11,1,6
169
13,8,1,5
293
10,3,3,6
267
11,1,8,6
291
14,9,1
295.
10,3,3,5-
-8
99*
11,2,3
69. 151
Chändogya-Upanishad:
I — II
5
in
359
VII 18.67.84.85.91.355
II
I.
111
IV
118. 119
VIII
8,6. 8
268.
3,3 248.249.251.252
258
1
91
346
3,5
252
8—9
18. 355
1,10
17*
3,7
195
9,1 2P
.102*. 200. 359
2
96
97
241
6,4
197
9,2
19
2,2
249
6,6
27
9,3
18
2,2—6
243
6,7
129
10,9—11
258
2—3
359
6—7
104
10-11
58
3,2
249
7,4
82
11,4—9
258
IL Verzeichnis der Zitate.
391
11,5
2
7. 93
15,5
195
V.
12
58.
16
59. 112
! 1,6-12
95
17
59. 112. 328
1,15
242
II.
17,5
264
2,2
114
4,1
193
17,6
125
3 fg.
23
7,1
243
18
82. 91. 101. 279
3,1
332
10,5
195
301
18,1
82. 103
3,3
253. 300
11,1
243
18,1—6
243
3,4
54*
21,1
195
18,4
92
3,7
13. 18*
2:\
62. 63
169
19
91. 169. 195. 363
3-10
18. 19. 54. 194.
23,1
56*.
330.
331.
19,1
104. 117. 198.
253.295.299.304.
333. 334. 335. 336.
324. 355. 368
IV.
4,1-9,2
295.299.304
III.
1-3
58
8-9
264
1%.
196
2
13
9,1
253. 265
1,3
242
2,1
20
10 295. 299. 304. 334
1—5
260
2—3
100
10,1
63. 304. 335
1—11
104
3
356. 359
10,1—2
195
5,2
12
3,3
82. 224. 267
10,1—3
197. 334
5,4
55
3,5
333
10,2
196
11
125
4,1
332
10,3
58
11,3
126
4,4
332
10,4
197
11,4
180
4,5
332
10,5
302. 367
11,5
12*
65*
4—9
149
10,5—6
263. 264
11,6
194
5,2
196
10,7
303
12
112.
279
5-8
279
10,9
329*
12,1
338
8,3
82
11 fg.
83
12,4
82.
258
9,3
65. 102
11,1
79
12,6
151
10
62
11,5
329*
12,7
20 A.
10,1
332
11,7
65. 332
12,7-
•9
102.
103
10,1—2
332
11—18
.355. 356
12,9
103
10,2
13. 20
11—24
17. 19. 27. 59.
13
322
10,2. 4
62
106. 194
13,1-
-5
248.
258
10,5
101. 103. 108*.
12,2
258
13,3
251
131. 359
12—17
92
13,5
243
11—13
105
13,7
332
13,7
27. 154
*. 268. 360
11—14
59
18,2
270
13,7-
-8
106*
14,3
103. 311. 319
19,1
114
13,8
91.
256
15,1
27. 82. 301
19—23
248
14
36.
356.
359
15,2—4
160
19-24
' 114. 337
14,1
17.27
148.
163.
15,5
195. 196. 197.
23,2
243
189.201.254.255.
323. 324. 366
24
114
298
15,6
299
24,3
311.
14,2
148.
153*.
245
16
59
VI.
14,3
139*.
140.
259
16,2
112
1
54
14,4
233.
320
17,1—3
169
Ifg.
148
392
Index.
1,1
332*
15,1—2
74*
3,3
82. 25!»
1,2
148. 210. 332.
362
15,2
224.
252. 260.
3,4
3,5
268.269. 277. 360
20 A.
1,2 fg.
40*
VII.
4,1
126. 186. 311
1,3
70. 141. 149. 206
1
53*. 312
4,2
125. 210. 319*
1,4
356
1,2
52. 68
4,3
190
l,4fg-
362
1,2-3
70
5
57
1,3-5
144
1,3
229. 319
5,1—2
334
1
23. 173. 211. 228.
1,4
23
5,3
322. 323
262. 363
1,13
18
5,4
189
2 fg.
175
1—14
92
6,1
260
2,1
198
1—15
105
6,1—5
322. 323
2,1—2
118*
2,1
23
6,2
197
2,3
198. 260. 268.
2,2
82
6,3
260. 268. 276*.
276
3
102
277
2-3
167. 168. 196
3,1
247*
6,5—6
351
3,1
23. 177. 263
4
247
6,6
256. 260*. 261.
3,2
199. 233. 363
7,1
23
323
3,3
163. 156. 176
10,1
172
7,1
15*. 40. 68. 128.
4
211. 227. 228
H,l
198
135
4,1—4
144
12
103
7,2
332
4,5
144
15
82. 94
7,4
82
4,7
144
15—24
360
7 fg-
159
5
175. 253. 261
23
63. 131
7—12
87
5,4
224
24,1
75*
8,4
13. 40
6
262
25
138*. 196
8,5
53
7
94. 242. 262
25,1
239
10,2
273. 332
7,2
7. 332. 333
25,2
148. 189
10,11-
-12 268
8
262
26,2
67. 70.
244. 315*.
11,1
276*
8,1
268*
11,2
332
8,2
248. 267*
VIII
11,3
5
8,6
74. 224. 225. 252.
1
360
12,1
319*
260. 268. 276
1,1
27. 103. 255. 259.
12,3
27. 125. 268.
8,7 fg.
37
351
269. 60
8-16
135. 153. 155
1,3
154*.
172. 259.
12,4
107. 125. 126.
9,3
304
362
241
10,1
193
1,5
128
135. 189
12,4-
5 122*. 43
10,2
178*. 204
1,6
189
12,6
159
11,1
178
1-6
322
13
311
12
83
2,4
125
13,1
197
13
151
3
322
14
27. 103. 265. 360
14
66*. 194
3,1-2
70
15
72. 78. 299. 324.
14,2
320
3,2
190. 311
330. 333*. 345. 348.
Cülikä-Upanishad:
344* 14
344 17—18
201*
II. Verzeichnis der Zitate.
393
Cvetäcvatara- Upanishad
:
I.
2
20
7
226.
228. 234.
1
79
4
181. 223
324
2
240*
7
162
7—12
235*
3
222
226. 228
9
184
8
240. 264
4
95. 324
11
139
8—9
140
6
246
18
242. 255
9
156*
6
162
19*
181. 223
12
193*
7
222
20.
72.139.161.259
13
140
8
160. 234
21
139.
14
242.
9
234
11
324
IV.
VI.
12
222. 234
1
72. 192. 202
2
176
14
346. 349
5
226*. 227. 228
3-4
202*.
226. 228
15. 16
64.
6-7
161*. 234*. 364
4
162
192. 204
II.
i
235
5
139. 140
1—5
72
10
40. 162. 205. 207.
6
192
6—7
60*
212. 222. 362
9
254
8
346.
347. 348
11
201. 202
10
150
202. 222
8—15
346
12
181. 223
11
127. 162. 192. 226.
9
346
18
53A. 120. 126.
228. 361
10
346^ 347*
181. 223. 317*.
12
162. 192
11
345
13
191*. 345
11-13
346
v.
14
125*. 360
12
176
16
226. 228
12—13
353*
1
71. 120*. 141
17
139. 223
16-17
184*.
2
2—6
180. 181. 223
235
18
53 A.
161. 181.
223
III.
3
202
19
139.
155. 186
1
202
5
162. 192*
21
64. 330. 331. 335
1—6
72
6
12. 26
22
5. 12*. 26. 55. 67.
Dhyänabindu - Upanishad
3
354
14
259
19
346
4
351*
14—16
259. 351
20
346
6
156
17
350
21
348
10
207
18
350
22
352.
11—13
348
Garbha- Upanishad-
251. 261 2—4 265* 4
247.
Gäruda- Upanishad:
3 181.
594
Index.
Gaudapäda, Mändükya - Kärikä
1,3—4
133
2,37
326
4,30
198. 310*
1,9
311. 318
366
3,15
29. 167
4,32
271
1,12—16
279*
3,25
142*
4,33 fg.
274
1,14
326
3,26
137-
4,37
271
1,16
29. 317*
326
3,29
271
4,47-52
212
1,18
167
3,33 fg.
278*
4,66
271
2,1 fg.
274
3,35
126
4,81
126*
2,5
271
3,40
326
4,92. 98 ■
326
2,7
271
4,11-31
142
4,98
310*.
Hansa
-Upanishad:
1
326
6
259
10
350.
3
256
g
280. 351
fcä- Upanishad:
1
160
362
6—7
160. 316*
12—14
142*. 212
1—2
326
8
24.
135*. 192
15-17
255
2
319
366
9
290
15-18
322
3
71*
290
9-11
77*
16
105. 197
4
172
12
112. 290
17
254.
4—5
136*
Jäbäla- Upanishad:
1—2 341 I 5 339. 340
4 265. 331.335.336. ! 6 338.339.340.341.
337. 338
3
3-4
s
Kaivalya-Upanishad:
26. 56 12 270* 19
67. 324 13. 17 268 24
140 18-23' 317*
203*
331.
Kanthacruti - Upanishad :
1 249. 336. 337 3 338. 339. 342 I 5
2 126. 336. 338. 339. 4 265. 336. 337. 338. I
340. 341. 342 I 339. 340. 341
338. 339. 340. 341.
342.
111. 229
Käthaka -Upanishad:
III 344
VI
344.
I.
71. 290. 364
14
17
155
59
20 fg.
21
13
159.
II. Verzeichnis der Zitate.
395
1-6
II.
71*
13
14
7—9
72. 355
15
8
66
17
9
320
10
304
12
160. 259. 345
1
14
139. 141*
3—5
15
57. 349
3— VI,1
17
346. 349
4
IS
134*. 141*. 361
5
20
72. 139. 140. 155.
6
161. 259
6—7
21
136*. 160
9
22
139
10
23
55*. 72*. 161*.
326. 364*
10—11
24
67*
11
25
27. 200*.
12
III.
1 27.109.155.161.
195. 215. 234*. 259
2 59
3 247
4 234. 242
10 181. 223
10—11 181
10—13 224. 225
223. 346. 348
326
135*. 140. 176
12.
IV.
77*
125
155
139
140. 319
172
155
148. 158
144
41. 139*. 144.
148. 212. 362
144
27.140.259.319
12—13 155*
13 140.
V.
1
243. 255. 321
2
184*
3
248. 251
5
251
6
140
8
9-11
12
13
14
15
125
151*
316*
24. 191*. 192
155
125*. 126. 360.
178*. 254. 267. 304*
VI.
1 27. 183. 184
2 109
3 159
4 326
5 234
7 181. 223. 247
7-8 181
7—11 224. 225
8 . 139. 254
9 67
10 256. 348
10—11 346
11 277. 345
12 361
12-13 77*
12—15 316*
14—15 324
15 244
16 260*264.323.324
17 259. 346
18 345.
Kaushitaki - Äranyakam :
95 I 10
113.
Kaushitaki
-Brähmanam
;
25,1
294.
Kaushitaki - Upanishad :
1
18. 23. 54. 180.
1,6
120. 233
2,7
104
194. 233. 368
1,'
172. 180. 223
2,8
197. 302
1,1
65. 332
2
107. 359
2,9
197. 302
1,2
178. 197. 263. 302.
2,1
82. 101
2,12-
-13
99
303. 324
2,1—2
16
2,13
82. 193
1,3
195. 303. 323
2,2
82. 101
2,14
95. 96
1,4
311
2,5
59. 113. 249
2,15
242. 244
1,5
159
2,6
110. 111. 159
3
23.108.123.127.245
396
Index.
3,1
3,2
3,8
3,4
3,5
3,7
3,8
1
1—2
1-8
1-13
2
2—8
13. 159. 311
27
95. 96. 245. 276*
108. 123 3—4
243 4
245
41. 95. 126. 131. | 4,1
139. 155. 160. 185.
186. 190. 211. 245.
364
107. 360
18. 19. 23. 36. 81.
105. 127. 188. 355
Kena-Upanishad:
243- 3
241 4 fg.
107 4-8
24 11
126 ! 11-12
126 12
76*
15
4,8 20 A. 103
4,14 82
4,17. 18 82
4,19 27. 65. 129. 131.
188. 267. 332
4,19—20 276
79. 194 4,20 95. 159. 182. 268.
14—28
17—23
243 29—30
76*. 361 31
315 33
326
Kshurikä- Upanishad:
347 5 348 15—17
348. 349. 350 6 fg. 348 j 21
347. 348 | 8 fg. 353 j
Mahä-Upanishad:
174. 240. 247 I 3 181. 259 4
159
185
140*
17. 164. 185
55. 57. 64.
261
347.
181.
Mahäbhäratam :
XIV,1136. 2543 262.
Mahänäräyana- Upanishad
1,1
195
10,20 184
62,7
265
1,2
201
10,21 195
62,11
64. 265. 330
M
172
10,22 26. 56. 67. 324
63,5
195
1,8
140
10,23 255. 259
63,8
264. 265
s
330
11,6—12 156
63,13
265
9
329
11,8 259
63,16
133. 197
10,1
.72. 139. 161
11,8—12 351
63.21
345
10,5
226*
11,10 256
64
511. 113.
10,6
184*
13 104. 197
Maiträyana- Upanishad :
1
229
2,2 125
2,7 . .
311
1,1
60. 111
2,3 26
3,2 169.
174. 176. 190.
1,2
13. 65. 334
2,5 240
236*. 240
1,3
256
2,6 157. 198. 247. 248.
3,4
256*
1,14
197
251. 252. 256
3,5
228
II. Verzeichnis der Zitate.
397
4
60
6,18-
-30 346
6,31
241. 256
4.3
65.
335
6,19
78. 269. 279. 280.
6,32
53
5,2
198.
223.
228
348. 349
6,33
111. 248
6
344
6,20-
-21 351
6,34
114.
155. 198.
6.1—8
109
6,21
256
311.
317*. 349
6,2
196.
258.
259
6,22
351. 352. 353
6,35
194
6,3
345.
346.
349
6,23
133. 346. 350
6,38
259. 352
6,4
25.
176.
248
6,24
126.212.346.349.
7,1—5
248
6,5
25.
240.
350
353*
7,3
133. 197
6,9
114.
248
6,25
345. 348
7,6
J97
6,10
223.
225.
254
6,26
349
7,7
185
6,11—13
223
6,27
133. 198. 256.
7,8—10
60
6,13
133
259. 352
7,9
71
6,15
139.
140
6,27-
-28 255
7,11
151.
337. 269.
6,16
197
6,28
349. 352. 353
279.
280. 352.
6,17
138.
202
6,29
12. 13*. 67
6,18
345.
346.
348
6,30
156.246.261.347
Mändükya -Upanishad :
1,6
200
4
274
7
212
269. 279
3
25.
270
5
133. 268. 277*
12
346. 350.
3—4
262
6
187
Manu:
1,9-13
169
1,43-
-48 262
3,76
198.
1,27
174
2,89 fg. 248
Meghadüta:
Vers
43 263.
Mundaka- Upanishad:
1,1,1-2
180
2,1
186
2,2,5
27. 186
1,1,3
144.
148.
210.
2,1,1
150*. 182*. 200
2,2,6
95
212.
232.
262
2,1,2-
-3 225
2,2,7
133
245. 255
1,1,5
52.55
.56.
135*
2,1,3
241
2,2,8
244. 311*. 317*.
1,1,6 27. 13S
.277
.361
2,1,4
53A. 149*. 183*
319. 320
1,1,7
150*.
200.
202
2,1,5
263. 304*
2,2,9
124.
139. 360
1,1,8—9
225
2,1,7
57. 177*. 248.
2,2,10
27. 125*. 360*
1,1,9
277
331
2,2,11
148
1,2,3
196
2,1,8
242
3,1,1-2
161. 234
1,2,8— IC
>
71
2,1,9
24
3,1,3
311
1,2,10
59*.
195.
304*
2,1,10
155. 244. 259
3,1,6
324
1,2,11
64.
324
2,2,1
120
3,1,7
155-
1.2,12
65.
332
2,2,3-
-4 56
3,1,8
TS
1,2,13
67
2,2,4
346
3,2,1
255. 25!>
398
Index.
3,2,2
317*
3,2,6 f>. 26. 56. 67.
3,2,9
244. 311
3,2,3
72*. 364*
324
3,2,10-
-11
67
3,2,4
64
3,2,7 78. 242
3,2,11
13*.
3.2,5
139
3,2,8 317*
Nädabindu - Upanishad :
1
350
8—11 350
17
126
3—4
196
11 194
18
349.
6—7
350
1,2
1,3
Näräyana- Upanishad:
181 5
255. 259.
Nrisirihapürvatäpamya - Upanishad :
194 ! 2,1 203 5,2
13*. 68 j 4,1 187 j 5,6
Nfisinhoüaratäpaniya- Upanishad
162. 187 3 203 ; 8
194
196.
12. ISO
155. 280. 350 4. 6. 7
116 9 41.181.249.326.362.
Paficavinca - Brähmanam :
20,14,2 82.
Paramahansa- Upanishad :
1 337. 338. 339. 341 I 3 339. 342
2 338. 339. 342* 4 326. 337. 342. 343*.
Pinda-Upanishad:
1
181 ] 2
176.
•
Pracna- Upanishad:
•
1,1
65. 79. 332
3,4
248
4,5
274*
1,9
59
3,5
25. 238. 248, 251.
4,7
224. 225
1,9—10
304
252
4,8
174. 240. 244
1,10
64. 299. 324
3,6
261
5
346. 350
1,13. 15
265
3,7
252
5,5
27. 92. 254
2,2—4
95. 96
3,8
241
5,7
196
2,4
93
3,10
254
6
242
2,5—13
98
4
224. 269
6,3-
-4 94
2,6
95. 252
4,2
244*. 248
6,4
176
2,13
82
4,2-
■3 251
6,5
127. 139. 361
3,1
236
4,3
248. 255
6,6
95.
3,3
109. 190. 234
4,4
113 A. 248. 252
IL Verzeichnis der Zitate.
399
Pränägnihotra- Upanishad :
1
249 1
2 263
4 169. 174.
176.240.
1—2
114
3—4 59. 113
247. 249.
Rämäpürvatäpaniya-Upanishad :
43. 45
193 j
84 13*. 68
89
196
71. 72
196
87 196
92
116.
Rämottaratäpaniya - Upanishad :
2
350 | 4
116
3
187 5
Rigveda:
116. 197.
1,31,7
287
X,14,7 288
X,90,S
177
36,18
288
14,8 288. 330
90,13—14
98. 241
91,1
287
14,10 288
97,16
288
.121
78
14,12 288
103,12
290
125,5—6
288
15,1-2 290
107,1
290
164
78
15,7 288
109,4 .
62
164,12
304
15,14 288
117,9
297
164,20
161
. 234
16,3 296
121 165.
185. 223
164,46
356
16,4 291
121,1
169. 179
187,7
190
68,11 290
121,2
109
1V,5,5
290
72 165
121,9
171
26,1
286
72,4—6 171
125
165
27,1
286*
72,5 172
129
78. 165
40,5
184*
1 81,1 69. 150
129,1
117
V,55,4
287
81—82 165
129,2
207
63,2
287
82,1 171. 172
129,3
169. 171
VI,47,18
207
. 286
82,4 173
135,1
2b,s
VII,89
306
82,6 207
136
62
104,3
290
85,5 197. 302
152,4
290
VIII,48,13
290
88,15 287*
154,2
62*
IX,73,8
290
89,15 " 290
164,46
206
113,7
288
90 97. 127. 165.
165,4
288
113,7—11
289*
170. 186
189,2
219
X,14,lfg.
288
90,2 207
190,1
61
14,2
288
90,3 . 112. 151. 280
190,3
199.
Sähkhya-Kärikä:
1
229 21 222
41
353
3
227 38—40 254
Sannyäsa- Upanishad :
62
217.
1 336.
337
. 338
2,7 337
4 251. T,30^
.341.342.
2
336
3 338. 339
347.
2,4
338
. 340
400
Index.
Sarvopanishatsära:
fj— 8
269*
9—13 133
19
187*
8
280
10 249
21
116
9fg.
255
16 254
Taittiriya -Äranyakam :
23
198.
1,1,52
195
3,14,1- 2 200
10,27—28
196.
1,23
166
3,14,7 248
Taittiriya - Brähmanam
2,2,9,1
117*
* 3,10,11,2 294. 304
3,12,9,7 207. 208. 355
3,10,9,11
291
3,11,8,5 294
3,12,9,8
308*.
3,10,11,1
293*
3,11,8,6 294
2,6,10,2
Taittiriya -Samhitä:
293* | 7,5,25
111.
Taittiriya -Upanishad :
1,1
109
2
75*. 89. 132. 133.
2,7
117*.
184. 191
.198
1,3
16
352
2,8
105. 130. 132. 159.
1,4,3
333
2,1
23. 115*. 116. 155.
195
290
1,5
111. 196
168. 175. 255. 259
2,9
311.
315*
1,5,3
248
2,2
101. 248
3
84
132
1,6
256.
323. 351
2,3
54. 247
3,1
82. 106. 159. 163.
1,6,1
245. 259
2,4
55*. 78. 319. 345.
200
1,7
20 A.
243. 248
361
3,3
82
1,8
346
2,5
27. 59. 133. 277
3,9
64
1,9
64. 264. 328. Si
2,6
23. 27. 69. 156.
3,10
105.
1,11
333
159. 168. 176. 211.
1,12
109
Talava
kära-
221. 363. 364
Upanishad -Brähn
lanam
1,60
96
2,1-
2 96
3,1—!
1
100
1,60,5
250
2,3
96
4,22,2
—3
250.
2,1,16
250
2,10-
-11 96
Tejobindu-Upanishad :
1
350 I 8
133
7
851 1 13
349.
Upanishadbrähmanam :
1—3
5.
IL Verzeichnis der Zitate.
401
Väjasaneyi-Samhitä:
15,50
195
31,18
308*
32,8
201
202
18,51
288 l 32,2
140
34,1-
-6
166
245
18,52
291 | 32,4
184
34,5
95.
Vedäntasära
17—28
67
94—98
239
120
262
43
187
96
252
128
174
93-104
249
97
252
129
196.
94—95
251
Yogapikhä- Upanishad :
•)
347 1 4 242
255 [ 6
156
3
349 f 4—7
352* 10
354*.
Yogatattva - Upanishad :
1
354 7
350
12
348
3-5
198 | 9
259
13
242
255
6— 7
350
Aristoteles,
9—11 156
351 | 15
a 3
91
346.
347.
de interpr. 1 p. 16
de sensu 1 p. 437
a 14
91
phys. 1,4 p. 187 b
1
175
Diogenes Laertius 8,36
285
Herodot 2,123
285
Platon, Apol. p. 40 D
129
Phaedr. p. 275 E
12
Rep. VII,1
205
Symp. p. 189 C fg.
179
Tim. p. 37 D fg.
140
p. 44 D
98
Plutarch, d
G
3 superst. 3
157
269.
enesis 2,7
1 Joh. 5,19
128
1 Kor. 15
300
15,47
47
-
Matth. 7,16
325
8,11
289
26,29
289
Phil. 2,13
46
Römer 7,18
4
6.
Druck von F. A. Brockhaus, Leipzig.
Werke von Paul Deussen:
Commentatio de Piatonis Sophistae compositione ac
doctrina. (Bonn, Marcus, 18G9.) Leipzig, F. A. Brockhans.
Geh. 1 M. 20 Pf.
Die Elemente der Metaphysik. Als Leitfaden zum Gebrauche
bei Vorlesungen, sowie zum Selbststudium zusammengestellt.
Nebst einer Vorbetrachtung über das Wesen des Idealis-
mus. Leipzig, F. A. Brockhaus. Sechste Auflage. 1919. 8.
Geh. 8 M.
Elements of Metaphysies : a Guide for Lectures, translated by C. M. Duff.
London, Macmillan & Co., 1894. 6 s.
Les elements de la metaphysique. Traduction du Dr. Ern. Nyssens, revue
et approuvee par l'auteur. Paris, Perrin et Cie., 1899. 4 fr.
Gli Elementi della Metafisica, con introduzione di Luigi Suali. Pavia 1912.
Elements of Metaphysies, translated into Sanscrit Verses by A. Govinda
Pillai. Trivandrum (S. India) 1912.
Das System des Vedänta nach den Brahma-Sütra's des Bäda-
räyana und dem Kommentare des Cahkara über dieselben, als
ein Kompendium der Dogmatik des Brahmanismus vom Stand-
punkte des Cahkara aus. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1883.
Zweite Auflage 1906. 8. Geh. 12 M.
The System of tlie Vedänta, transl. by Charles Johnston, Chicago 1912.
Outline of the Vedanta System of Philosophy according to Shankara. Trans-
lated by J. H. Woods and C. B. Runkle. New York, The Grafton Press. 1903. $ 1 net.
Die Sutra's des Vedänta oder die Cäriraka-Mimäiisä des Bäda-
räyana nebst dem vollständigen Kommentare des Cahkara. Aus
dem Sanskrit übersetzt. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1887. Geh.
18 M.
Der kategorische Imperativ. Rede. Zweite Auflage. Kiel,
Lipsius & Tischer, 1903. Geh. 50 Pf.
On the Philosophy of the Vedänta in its Relations to Occi-
dental Metaphysies, an address delivered before the Bombay Branch
of the Royal Asiatic Society, Saturday, the 25th February, 1893.
(Bombay 1893. One Ana.) Leipzig, F. A. Brockhaus. Geh. 10 Pf.
Zur Erinnerung an Gustav Glogau. Gedächtnisrede, ge-
halten an der Christian- Albrechts-Universität am 11. Mai 1895.
Kiel, Lipsius & Tischer, 1895. Geh. 50 Pf.
Über die Notwendigkeit, beim mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Doktorexamen die obligatorische Prüfung in der Philo-
sophie beizubehalten. Kiel, Lipsius & Tischer, 1897. Geh. 50 Pf.
Jacob Böhme. Über sein Leben und seine Philosophie. Zweite
Auflage. Mit einer Abbildung des Jacob Böhme-Denkmals. Leipzig,
F. A. Brockhaus, 1911. Geb. 1 M. 50 Pf.
Vedänta und Piatonismus im Lichte der Kantischen Philo-
sophie. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1904. Geh. 1 M.
Sechzig Upanishad's des Veda, aus dem Sanskrit übersetzt
und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen. Leipzig, F. A.
Brockhaus, 1897. Zweite Auflage 1905. [Vergriffen.]
Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. Mit einem Porträt
und drei Briefen in Faksimile. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1901.
Geh. 2 M. 50 Pf.
Discours de la Methode pour bien etudier l'histoire
de la Philosophie et chercher la verite dans les
sy stemes. Paris, Armand Colin, 1902.
Erinnerungen an Indien. Mit einer Karte und sechzehn Ab-
bildungen. Kiel und Leipzig, Lipsius & Tischer, 1904. Geh.
5 M. Geb. 6 M.
My Indian Reminiscences, transl. by A. King, Madras 1911.
Vier philosophische Texte des Mahäbhäratam. Sanatsu-
jata-Parvan — Bhagavadgitä — Mokshadharma — Anugitä. In
Gemeinschaft mit Dr. Otto Strauss aus dem Sanskrit übersetzt.
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1906. Geh. 22 M.
Outlines of Indian Philosophy, with an Appendix on the
Philosophy of the Vedänta in its Relations to Occidental Meta-
physics.. Berlin, Karl Curtius, 1907. Geh. 2 M.
Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upani-
shad's. Aus dem Sanskrit übersetzt. Leipzig, F. A. Brockhaus.
Fünfte Auflage, 1919. Geh. 7 M.
Der Gesang des Heiligen. Eine philosophische Episode des
Mahäbhäratam. Aus dem Sanskrit übersetzt. Leipzig, F. A.
Brockhaus, 1911. Geh. 3 M.
Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer
Berücksichtigung der Religionen. 2 Bände in 6 Abteilungen.
Leipzig, F. A. Brockhaus. Geh. 77 M.
Erster Band, erste Abteilung: Allgemeine Einleitung und Philo-
sophie des Veda bis auf die Upanishad's. 1894. Dritte
Auflage, 1915. Geh. 7 M.
Erster Band, zweite Abteilung: Die Philosophie der Upanishad's.
18-9. Dritte Auflage, 1919. Geh. 16 M.
The Philosophy of the Upanishad's. Authorised English translation by Rev.
A. S. Geden. Edinburgh, T. & T. Clark, 1906. 10s. 6d.
Erster Band, dritte Abteilung: Die nachvedische Philosophie
der Inder. Nebst einem Anhang über die Philosophie . der Chinesen
und Japaner. 1908. Zweite Auflage, 1914. Geh. 16 M.
Zweiter Band, erste Abteilung: Die Philosophie der Griechen.
1911. Zweite Auflage, 1919. Geh. 13 M.
Zweiter Band, zweite Abteilung: Die biblisch-mittelalterliche
Philosophie. 1915—1919. Geh. 11 M.
1. Hälfte: Die Philosophie der Bibel. 1913. Zweite Auflage,
1919. Geh. 7 M.
Bibelns Filosofi, bemyndigad överBättning av August Carr. Stockholm,
Hugo Gebers Förlag, 1916.
2. Hälfte: Die Philosophie des Mittelalters. 1915. Geh. 4 M.
Zweiter Band, dritte Abteilung: Die Neuere Philosophie von Des-
cartes bis Schopenhauer. 1917. Geh. 14 M.
Einzelausgaben des zweiten Bandes:
Erste Abteilung unter dem Titel: Die Philosophie der Griechen. Geh. 13 M.
Zweite Abteilung, erste Hälfte, unter dem Titel: Die Philosophie der Bibel.
Geh. 7 M.
Zweite Abteilung, zweite Hälfte, unter dem Titel: Die Philosophie des Mittel-
alters. Geh. 4 M.
Dritte Abteilung unter dem Titel: Die Neuere Philosophie von Descartes bis
Schopenhauer. Geh. 14 M.
Vedänta, Piaton, Kant, nebst einem Anhang über Kultur und
Weisheit der alten Inder. Wien, Verlag der Wiener Urania,
1917. Geh. 1 M. (1 K 30 h).
Faustbüchlein, ein Leitfaden zum Verständnis des Goetheschen
Faust. Wien, Verlag der Wiener Urania, 1918. Geb. 1 M-
(1 K 30 h). In Vorbereitung.
/ l