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Full text of "Allgemeine geschichte der philosophie : mit besonderer berücksichtigung der religionen"

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103 

Dm 


BOOK    109.D488   v.  1    pt.2   c.  1 
DEUSSEN    ff    ALLGEMEINE    GESCHICHTE 
DER    PHILOSOPHIE 


3    T1S3    OOOSTfllö    7 


ALLGEMEINE 

GESCHICHTE  DER  PHILOSOPHIE. 


ERSTER  BAND,  ZWEITE  ABTEILUNG. 


ALLGEMEINE 

GESCHICHTE  DER  PHILOSOPHIE 


MIT 


BESONDERER  BERÜCKSICHTIGUNG  DER  RELIGIONEN. 

Von 

Dr.  PAUL  DEUSSEN 

PROFESSOR   AN   DER   UNIVERSITÄT    KIEL. 


ERSTER  BAND,  ZWEITE  ABTEILUNG: 
DIE  PHILOSOPHIE  DER  ÜPAMSHAD'S. 

DRITTE  AUFLAGE. 


LEIPZIG: 

F.    A.    BROCKHAUS. 

1919. 


VORWORT. 


Die  vorliegende  Arbeit,  welche  die  zweite  Abteilung 
unserer  ,, Allgemeinen  Geschichte  der  Philosophie",  aber  auch 
ein    für    sich    abgeschlossenes    Ganze    bildet,    behandelt    die 

|  Philosophie  der  lUpanishad's  und  damit  den  Kulminations- 
punkt   der    Indischen    Weltanschauung,    welcher    schon    in 

'  vedischer,  vorbuddhistischer  Zeit  erreicht  und  an  philo- 
sophischer Bedeutung  durch  keine  der  nachfolgenden  Erschei- 
nungen bis  auf  die  Gegenwart  hin  übertroffen  worden  ist, 
weder    durch    das   Sänkhyasystem,    dessen    allmähliche   Ent- 

,  stehung  aus  den  Upanishadgedanken  durch  Überhandnehmen 
der  realistischen  Tendenzen  wir  in  Kapitel  X  (unten  S.  216 

I  bis  230)  verfolgt  haben,  noch  durch  den  Buddhismus,  der,  bei 
aller  Selbständigkeit  des  Auftretens,  doch  in  den  wesentlich- 
sten Punkten  von  den  Lehren  der  Upanishad's  abhängig  ist, 
wie  denn  z.  B.  sein  tiefster  Grundgedanke  (Nirvänam,  d.  h.  Auf- 
hebung des  Leidens,  durch  Aufhebung  der  Trislinä)  sich 
schon  mit   andern  Worten   (Einswerden  mit  Brahman  durch 

.Aufhebung  des  Käma)  in  der  unten,  S.  313,  mitgeteilten 
Stelle  Brih.  4,4,6  ausgesprochen  findet. 

Die  Vedantagedanken  sind  somit  für  Indien  die  eigent- 
liche geistige  Lebensluft,  welche  alle  Erzeugnisse  der  spä- 
tem Literatur  durchweht,  geworden  und  geblieben,  und  noch 


VI  Vorwort. 

heute  sind  die  Upanishad's  für  jeden  brahmanischen  Inder 
dasselbe,  was  für  den  Christen  das  Neue  Testament  ist. 

Eine  Erscheinung  von  dieser  Bedeutung  verdiente  und 
erforderte  eine  eingehendere  Behandlung,  als  sie  bisher  zu 
finden  war,  und  wir  hoffen,  dafs  es  uns  gelungen  ist,  den 
Nebel  zu  heben,  der  bisher  über  dieser  Region  lagerte,  und 
da,  wo  manche  nur  ein  Durcheinanderfluten  widerspruchs- 
voller Konzeptionen  erblickten,  Ordnung,  Zusammenhang  und, 
wenn  nicht  ein  einheitliches  System,  so  doch  eine  einheit- 
liche historische  Entwicklung  zu  erkennen,  bestehend  in 
einem  ursprünglichen,  schroffen  und  kühnen  Idealismus, 
welcher  dann  im  weitern  Verlaufe  durch  eine  zweifache 
Akkommodation,  einerseits  an  die  überkommenen  Traditionen, 
anderseits  an  die  uns  allen  von  Natur  an  eigene  empirische 
Anschauungsweise,  sich  stufenweise  zu  dem  fortentwickelt 
hat,  was  wir,  im  Anschlufs  an  okzidentalische  Vorstellungen, 
wenn  auch  nicht  überall  genau  in  dem  Sinne  derselben, 
Pantheismus,  Kosmogonismus,  Theismus,  Atheismus 
(Sänkhyam)  und  Deismus  (Yoga)  genannt  haben.  Zur  ersten 
Orientierung  über  diese  Verhältnisse  mag  das  schon  durch 
seine  paradoxe  Überschrift  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  len- 
kende und  zum  Widerspruch  reizende  Kapitel  IX:  „Die  Nicht- 
realität  der  Welt"  {S.  204 — 215),  wie  auch  der  am  Schlüsse 
des  Werkes  (S.  354  fg.)  zu  findende  Rückblick  dienen. 

Das  Merkwürdige  und  auf  den  ersten  Blick  Verwirrende 
bei  dieser  ganzen  Entwicklung  besteht^  darin,  dafs  jener 
ursprüngliche  Idealismus  durch  die  aus  ihm  entsprungenen 
pantheistischen  und  theistischen  Fortbildungen  nicht  be- 
seitigt wird,  sondern  als  unaufgehobenes  Moment  fortbesteht 
und  überall,  hier  mehr,  dort  weniger  deutlich,  hindurch- 
leuchtet, bis  er  endlich  vom  Sänkhyasysteme  ganz  verlassen, 
hingegen  vom  Vedäntasysteme  als  die  allein  ganz  ernst  zu 
nehmende  „höhere  Wissenschaft"  (parä  vidyä)  proklamiert 
wird,  welcher  gegenüber  alle  jene  realistischen  Fortbildungen 


Vorwort.  VII 

mitsamt  Weltschöpfung  und  Seelenwanderung  als  die  „nie- 
dere Wissenschaft"  (aparä  vidyä)  erscheinen  und  aus  einer 
Akkommodation  der  Schriftoffenbarung  an  die  Schwäche  des 
menschlichen  Erkenntnisvermögens  erklärt  werden.  Diese 
von  den  spätem  Vedantatheologen  vertretene  Akkommodations- 
theorie  ist  nicht  ganz  ohne  Grund  und  nur  dahin  zu  berich- 
tigen, dafs  jene  Anpassung  an  das  empirische  (auf  räumliche, 
zeitliche  und  kausale  Zusammenhänge  gerichtete)  Erkenntnis- 
vermögen nicht  eine  absichtliche  und  bewufste,  sondern  eine 
unbewufste  gewesen  ist.  In  dieser  Form  wird  der  Akkom- 
modationsgedanke  zu  einem  Schlüssel,  welcher  geeignet  ist, 
nicht  nur  die  Entwicklung  der  Upanishadlehre,  sondern  auch 
viele  analoge  Erscheinungen  der  abendländischen  Philosophie 
innerlich  zu  erschliefsen.  Denn  eine  Einkleidung  meta- 
physischer Intuitionen  in  empirische  Erkenntnisformen  ist  nicht 
nur  in  Indien,  sondern  auch  in  Europa  von  jeher  geübt  und 
auch  dadurch  nicht  um  ihr  Ansehen  gebracht  worden,  dafs 
Kant  das  Unberechtigte  des  ganzen  Verfahrens  aufdeckte, 
wie  wir  dies  in  den  spätem  Teilen  unseres  Werkes  näher 
nachzuweisen  hoffen. 

Kiel,  im  April  1899. 

P.  D. 


VOKWORT  ZUE  ZWEITEN  AUFLAGE. 


Auch  bei  der  vorliegenden  zweiten  Abteilung  ist  die 
wider  Erwarten  schnell  erforderlich  gewordene  zweite  Auflage 
in  allem  Wesentlichen  ein  unveränderter  Abdruck  der  ersten, 
da  seit  deren  Erscheinen  nichts  hervorgetreten  ist,  was  meine 
Auffassung  des  in  den  Upanishad's  vorliegenden  Entwicklungs- 
ganges zu  modifizieren  geeignet  wäre. 

Nach  dem  Vorgange  der  vor  kurzem  erschienenen  eng- 
lischen Übersetzung  dieser  Abteilung  (The  Philosophy  of  the 
Upanishads,  translated  by  Rev.  A.  S,  Geden,  M.  A.,  Edinburgh 
1906)  ist  auch  der  neuen  deutschen  Auflage  ein  ausführ- 
licher Index  beigegeben  worden,  dessen  Anfertigung,  wie  auch 
die  Revision  der  Druckbogen,  Herrn  stud.  or.  Johannes  Brune 
verdankt  wird. 

Kiel,  im  Dezember  1906. 

P.  D. 


Alphabetisches  Verzeichnis 

der  wichtigeren  Upanishad's, 

zur  Erklärung  der  im  Buche  gebrauchten  Abkürzungen,  welche  jedesmal 
aus  den  Anfangsbuchstaben  der  hier  alphabetisch  verzeichneten  Namen 
bestehen  (Brih.  =  Brihadäranyaka-Upanishad,  Chänd.  ==  Ckändogya-Upani- 
shad,  usw.).  Die  beigefügten  Zahlen  verweisen  auf  die  Seiten  unserer  „Sechzig 
Upanishad's  des  Veda,  aus  dem  Sanskrit  übersetzt",  wo  die  von  uns  ver- 
wendeten Texte  im  Zusammenhang  vorliegen,  auch  in  den  Einleitungen  und 
Anmerkungen  das  Nähere  zur  Begründung  unserer  Auffassungen  zu  finden  ist. 


Agrama  713. 
Aitareya  15. 
Amritabindu  651. 
Arsheya  853. 
Äruneya  692. 
Atharvagikhä  727. 
Atharvagiras  717. 
Ätnia  620. 
Atma(pra)bodha  750. 
Bäshkala  838. 
Brahma  679. 
Brahmabindu  646. 
Brahmavidyä  631. 
Brihaddranyaka  382. 
Qaunaka  867  (875). 
Chägaleya  844. 
Chändogya  68. 
Qivasamkalpa  837. 
Cülika  638. 
Qvetdgvatara  291. 


Dhyänabindu  659. 
Garbha  606. 
Gäruda  627. 
Hansa  674. 
Igd  524. 
Jdbäla  707. 
Kaivalya  738. 
Käldgnirudra  735. 
Kanthagruti  698. 
Käthaka  266. 
Kaushitaki  23. 
Z"ewa  204. 
Kshurikd  634. 
ilfa/ta  744. 
Mahändrdyana  243. 
Maiträyana  315. 
Mdndükya  577. 
Mrityuldngala  851. 
Mundaka  546. 
Nddabindu  643. 


Ndrdyana  747. 
NUarudra  731. 
Nrisinha-pürvat.  754. 
Nrisinha-uttarat.  779. 
Paingala  849. 
Paramahansa  703. 
Pmda  618. 
Pragna  560. 
Prändgnihotra  612. 
Pranava  858. 
Purusha-sükta  830. 
Bäma-pürvat.  805. 
Bdma-uttarat.  819. 
Sannydsa  687. 
Sarvopanishatsdra  622. 
IWem  833. 
Taittiriya  214. 
Tejobindu  664. 
Yogagikhä  667. 
Yogatattva  670. 


AUSSPRACHE. 

In  indischen  Wörtern  ist 

c,  cli  wie  tscli,  tschh 
j,  jh  wie  tisch,  dsclili 

zu  sprechen;  also:    Yädschnavalkya,  Tschhändogya  usw. 

<j  ist  ein  mittlerer.  Laut  zwischen  s  (stets  scharf)  und  Sil  (=  seh). 


Die  Betonung  richtet  sich,  wie  im  Lateinischen,  nach  der  Quantität 
der  vorletzten  Silbe;  ist  dieselbe  lang,  so  hat  sie  den  Akzent,  ist  sie 
kurz,  so  liegt  er  auf  der  drittletzten  Silbe  (e  und  o  sind  stets  lang). 


Nach  der  von  uns  befolgten  Schreibweise  sind  alle  Wörter  auf  a 
Maskulina,  alle  auf  ä  Feminina,  alle  auf  am  Neutra:  der  Vedänta, 
die  Mimänsä,  das  Sänlcliyam  (sc.  darganam). 


INHALTSÜBERSICHT. 


Seite 

Vorwort.   .   .  • V 

Vorwort  zur  zweiten  Auflage VIII 

Der  zweiten  Periode  der  indischen  Philosophie  oder  der  Bräh- 
manazeit  Fortsetzung  und  Schlufs: 

DIE  PHILOSOPHIE  DER  UPANISHAD'S. 

EINLEITUNG  ZUR  PHILOSOPHIE  DER  UPANISHAD'S. , 

I.    Die  Stellung  der  Upanishad's  in  der  Literatur  des  Veda  ....  3—16 

1.  Der  Veda  und  seine  Teile. 3 

2.  Brähmanani,  Aranyakam,  Upanishad 4 

3.  Die  Upanishad's  der  drei  altern  Veden 7 

4.  Die  Upanishad's  des  Atharvaveda 8 

5.  Über  die  Bedeutung  des  Wortes  upanishad 11 

II.  Einiges  zur  Geschichte  der  Upanishad's 16—35 

1.  Der  erste  Ursprung  der  Upanishad's .  16 

2.  Die  vorhandenen  Upanishad's 22 

3.  Die  Upanishad's  hei  Bädaräyana  und  CJankara 26 

4.  Die  wichtigsten  Upanishadsanimlungen 31 

III.  Der  Grundgedanke  der  Upanishad's  und  seine  Bedeutung    .    .    .  36—47 

1.  Der  Grundgedanke  der  Upanishad's 36 

2.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Philosophie 38 

3.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Religion 42 

b 


XII  Inhaltsübersicht. 

DAS  SYSTEM  DER  UPANISHAD'S. 

Vorbemerkung 4# 

Des  Systems  der  Upanishad's  erster  Teil: 
THEOLOGIE 

ODER  DIE  LEHRE  VOM  BRAHMAN 

Seite 

I.  Über  die  Erkennbarkeit  des  Brahman 51—78 

1.  Ist  der  Veda  die  Quelle  der  Brahmanwissenschaft?  .    .  51 

2.  Vorbereitende  Mittel  der  Brahmanerkenntnis 56 

3.  Das  Opfer 57 

4.  Die  Askese  (tapas) 60 

5.  Andere  Vorbedingungen 65 

6.  Der  Standpunkt  des  Nichtwissens,  des  Wissens  und  des 

Überwissens  in  bezug  auf  das  Brahman 68- 

II.  Das  Suchen  nach  dem  Brahman 78—90 

1.  Der  Atman  (das  Brahman)  als  die  Einheit 78 

2.  Die  Erklärungsversuche  des  Bäläki 80 

3.  Die  Erklärungsversuche  des  Cäkalya 81 

4.  Sechs  einseitige  Definitionen 81 

5.  Definitionen  des  Ätman  Vaiqvänara 83 

6.  Stufenweise  Belehrung  des  Närada 84 

7.  Drei  verschiedene  Ätman's 86 

8.  Fünf  verschiedene  Ätman's 89 

III.  Symbolische  Vorstellungen  von  Brahman 91—114 

1.  Vorbemerkungen  und  Anordnung 91 

2.  Brahman  als  Präna  und   Väyu 93 

3.  Andere  Symbole  des  Brahman 101 

4.  Versuche,    die  symbolischen  Vorstellungen   von  Brah- 

man umzudeuten 107 

5.  Umdeutungen  und  Ersetzungen  ritueller  Bräuche       .    .  109, 

IV.  Das  Brahman  an  sich 115—143 

1.  Vorbemerkung 115 

2.  Brahman   als   das  Seiende   und   das   Nichtseiende,    als 

die  Realität  und  die  Nichtrealität 117 

3.  Brahman  als  Bewufstsein,  Denken  (cit) 120 

4.  Brahman  als  Wonne  (änanda) 127 

5.  Negative    Natur    und    Unerkennbarkeit    des    Brahman 

an  sich 133 

V.   Das  Brahman  und  die  Welt 143—162 

1.  Alleinige  Realität  des  Brahman 143 

2.  Das  Brahman  als  kosmisches  Prinzip 145 

3.  Das  Brahman  als  psychisches  Prinzip 152 

4.  Das  Brahman  als  persönlicher  Gott  (iQvara) 157 


Inhaltsübersicht.  XIII 
Des  Systems  der  Upanishad's  zweiter  Teil: 

KOSMOLOGIE 

ODEB  DIE  LEHRE  VON  DER  "WELT. 

Seite 

VI.    Brahman  als  Weltschöpfer 163—182 

1.  Vorbemerkung  zur  Kosmologie 163 

2.  Die  Weltschöpfung  und  die  Atmanlehre 165 

3.  Die  Schöpfung  der  unorganischen  Natur 168 

4.  Die  organische  Natur 176 

5.  Die  Weltseele  (Hiranyagarbha,  Brahman) 179 

VII.  Brahman  als  Erhalter  und  Regierer 182—198 

1.  Brahman  als  Welterhalter 182 

2.  Brahman  als  Weltregierer 186 

3.  Freiheit  und  Unfreiheit  des  Willens. 188 

4.  Brahman  als  Vorsehung 191 

5.  Kosmographie  der  Upanishad's 193 

VIII.  Brahman  als  Weltvernichter .  198—204 

1.  Die  Kalpatheorie  des  spätem  Vedänta 198 

2.  Bückkehr  der  Einzelwesen  in  Brahman 199 

3.  Bückkehr  des  Weltganzen  in  Brahman 201 

4.  Über  die  Motive  der  Lehre  von  der  Weltvernichtung 

in  Brahman 203 

IX.  Die  Nichtrealität  der  Welt 204—215 

1.  Die  Mäyälehre  als  Grundlage  aller  Philosophie ....  204 

2.  Die  Mäyälehre  in  den  Upanishad's 206 

3.  Die  Mäyälehre  in  empirischen  Vorstellungsformen    .    .  212 

X.  Die  Genesis  des  Sänkhyasystems 216—230 

1.  Kurze  Übersicht  der  Sankhyalehre 216 

2.  Genesis  des  Dualismus 220 

3.  Genesis  der  Evolutionsreihe 222 

4.  Genesis  der  Gunalehre 226 

5.  Genesis  der  Heilslehre 228 

Des  Systems  der  Upanishad's  dritter  Teil: 
PSYCHOLOGIE 

ODER  DIE  LEHRE  VON  DER  SEELE. 

XI.  Die  höchste  und  die  individuelle  Seele 231—237 

1.  Die  Anschauung  des  spätem  Vedänta 231 

2.  Ursprünglich  nur  eine  Seele 232 

3.  Die  individuellen  Seelen  neben  der  höchsten 233 

4.  Grund  der  Verkörperung 236 


XIV  Inhaltsübersicht. 

Seite 

XII.  Die  Organe  der  Seele 237—266 

1.  Spätere  Ansicht 237 

2.  Der  Atman  und  die  Organe 239 

3.  Das  Mamas  und  die  zehn  Indriyä'a 244 

4.  Der  Präna  und  seine  fünf  Verzweigungen 248 

5.  Der  feine  Leib  und  die  moralische  Bestimmtheit  .    .  252 

6.  Physiologisches  aus  den  Upanishad's 255 

XIII.  Die  Zustände  der  Seele 267—281 

1.  Die  vier  Zustände.  ..".■■ 267 

2.  Das  Wachen 270 

3.  Der  Traumschlaf 271 

4.  Der  Tiefschlaf 274 

5.  Der  Turlya 278 

Des  Systems  der  Upanishad's  vierter  Teil: 

ESCHATOLOGIE 

ODER  DIE  LEHRE  VON  DER  SEELENWANDERUNG  UND  ERLÖSUNG 
SOWIE  VON  DEM  WEGE  ZU  IHR  (PRAKTISCHE  PHILOSOPHIE). 

XIV.  Die  Seelenwanderung 282—304 

1.  Philosophische  Bedeutung  der  Seelenwanderungslehre  282 

2.  Altvedische  Eschatologie 285 

3.  Die  Keime  der  Seelenwanderungslehre 292 

4.  Die  Genesis  der  Seelenwanderungslehre 295 

5.  Die  Fortbildung  der  Seelenwanderungslehre    ....  2i>9 

XV.  Die  Erlösung 305—325 

1.  Bedeutung  der  Erlösungslehre 305 

2.  Ursprung  der  Erlösungslehre 306 

3.  Das  Ätmanwissen  ist  die  Erlösung.     Charakteristik 

des  Erlösten 310 

4.  Die  Erlösungslehre  in  empirischem  Gewände  ....  320 

XVI.    Die  praktische  Philosophie 325—354 

1.  Vorbemerkung 325 

2.  Die  Ethik  der  Upanishad's 327 

3.  Der  Sannyasa 335 

4.  Der   Yoga 343 

XVII.    Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren 354—368 

1.  Vorbemerkungen 354 

2.  Der  Idealismus  als  Grundanschauung  der  Upanishad's  356 

3.  Theologie  (Lehre  vom  Brahman  oder  Atman)    .    .    .  359 

4.  Kosmologie  und  Psychologie 362 

5.  Eschatologie  (Seelenwanderung  und  Erlösung)    .    .    .  365 
Index.     I.   Namen-  und  Sachverzeichnis 369 — 384 

iL   Verzeichnis  der  Zitate 385—401 


DIE  PHILOSOPHIE  DER  UPANISHAD'S. 


Dbcbsen,  Geschichte  der  Vliilosophie.    I.u. 


Der  zweiten  Periode  der  Indischen  Philosophie  oder 
der  Brähnianazeit  Fortsetzung  nnd  Schlufs: 

Die  Philosophie  der  Upanishad's, 

(Bis  ca.  500  a.  C.) 


Ä..  Einleitung  zur  Philosophie  der  Upanishad's. 
I.  Die  Stellung  der  Upanishad's  in  der  Literatur  des  Veda. 

L    Der  Veda  und  seine  Teile. 

Wie  aus  unsern  frühern  Ausführungen  (I,i,  S.  64  fg.,  vgl. 
I,  i,  S.  47  fg.)  erinnerlich,  zerfällt  die  Gesamtheit  der  vedischen 
Literatur,  entsprechend  den  vier  Hauptpriestern  beim  öoma- 
opfer,  in  vier  Hauptteile,  den  Rigvcda,  Sämaveda,  Ycrurveda 
und  Atharvaveda,  deren  jeder  eine-  Samhitä,  ein  Brähmanam 
und  ein  Sütram  enthält.  Das  Brähmanam  (im  weitern  Sinne 
des  Wortes)  wird  dann  wieder  von  den  Vedäntatheologen  (oben, 
I,i,  S.  47 — 50)  in  drei  inhaltlich  meist  mit  einander  verbundene 
und  verfliefsende  Teile  zerlegt:  Vidhi,  Artliavüda  und  Vedänta 
oder  Ujianishad.  Folgendes  Schema  mag  behilflich  sein,  diese 
Hauptgliederung  des  Veda  im  Gedächtnisse  festzuhalten. 

I.    Rigveda  "j    A.    Samhitä 

B.    Brähmanam   {    b.  Arthaväda 


III.  Yajurveda 

IV.  Atharvaveda     )    C.   Sütram  K   c'  Vedänta  (UPanishad). 

Noch  ist  im  voraus  zu  bemerken,  dafs  jeder  der  genannten 
zwölf  Teile  des  Veda  in  der  Regel  nicht  in  einfacher,  sondern 

1* 


4  A.  Einleitung:   I.  Die  Stellung  der  Upanishad's  im  Veda 

mehrfacher,  zum  Teil  vielfacher  Form  überliefert  ist,  sofern 
jeder  Veda  in  verschiedenen  £äkhä'&  (wörtlich:  „Zweigen"  des 
Vedabaumes)  d.  h.  Vedaschulen  gelehrt  wurde,  welche  in 
der  Behandlung  des  gemeinsamen  Stoffes  so  sehr  von  einander 
abwichen,  dafs  daraus  mit  der  Zeit  verschiedene  Werke  paral- 
lelen Inhaltes  erwuchsen.  So  enthält  namentlich  jeder  der 
drei  alten  Veda's  (bei  dem  vierten  liegen  die  Verhältnisse 
vielfach  anders)  nicht  ein  Brähmanam,  sondern  mehrere,  und 
dementsprechend  sind  zu  jedem  Vecla  nicht  nur  eine,  sondern 
mehrere    Upanishad's  vorhanden.     Hiervon  weiter  unten. 


2.    Brähmanam,  Äranyakam,  Upanishad. 

Der  Anschlufs  der  Upanishad  an  das  ihrem  Geiste  sehr 
heterogene  Brähmanam  ist  in  der  Regel  kein  unmittelbarer, 
sondern  pflegt  gebildet  zu  werden  durch  ein,  in  die  Upanishad 
auslaufendes  oder  dieselbe  in  sich  eingebettet  enthaltendes, 
Äranyakam  oder  „Waldbuch",  so  benannt,  sei  es,  weil  es  (wie 
Oldenberg,  Prolegomena  S.  291  annimmt)  um  seines  geheimnis- 
vollen Charakters  willen  dem  Schüler  nicht  im  Dorfe  (gräme), 
sondern  aufserhalb  desselben  (aranye,  in  der  Einöde)  über- 
mittelt wurde  (vgl.  die  Erzählung  Brih.  3,2,13,  Up.  S.  433  und 
die  Namen  rahasyam,  upanishad),  sei  es,  weil  es  von  Haus 
aus  „ein  für  das  Gelübde  des  Waldlebens  bestimmtes  Bräh- 
manam" {äranyalm-vrata-rüpam  brähmanam,  Säyana,  Einl.  zum 
Ait.  Ar.,  bei  Aufrecht  p.  III,  meine  Up.  S.  7)  war.  Der  In- 
halt der  Äranyaka's  begünstigt  wohl  mehr  die  letztere  Auf- 
fassung, sofern  sie  vorwiegend  in  allerlei  Ausdeutungen  des 
Rituals  und  allegorischen  Betrachtungen  über  dasselbe  bestehen, 
wie  sie  beim  Waldleben  an  die  Stelle  der  gröfstenteils  nicht 
mehr  vollziehbaren,  wirklichen  Opferhandlungen  treten  mochten 
und  einen  naturgemäfsen  Übergang  zu  den  ganz  frei  sich  über 
den  Kultus  erhebenden  Upanishadgedanken  bilden.  Dieser 
Übergang  fehlt  nirgends,  wo  uns  der  Schriftbestand  einer 
£äkhä  vollständig  vorliegt  (was  bei  den  Käthaka's,  (Jvetä- 
gvatara's,  Maiiräyaniya's  nicht  der  Fall  ist),  denn  sowohl  die 
Aitareyin's  und  Kaushitahin's  des  Rigveda,  als  auch  die  Tait- 
tiriyalca's  und  Väjasaneyin's  des  Yajurveda  besitzen,  im  An- 


2.  Brälimanam.  Aranyakam,  Upanishad.  5 

Schlüsse  an  die  Samhitä,  ihr  Brähmanam  nebst  Aranyakam 
und  Upanishad,  und  wenn  auch  bei  den  Schulen  des  Säma- 
veda  der  Name  Aranyakam  nicht  üblich  ist,  so  tragen  doch 
auch  dort  die  Eingänge  der  Upanishad's  (Chändogya-Up.  1 — 2 
und  Upanishadbrähmanam  1 — 3)  durchaus  den  Charakter  der 
Äranyaka's  (vgl.  Up.  S.  66  fg.  203  n.).  —  Diese  bei  allen 
Cäkhä's  im  wesentlichen  gleichartige  Aufeinanderfolge  der  ri- 
tuellen, allegorischen  und  philosophischen  Texte  mag 
zum  Teil  auf  der  Anordnung  des  Lehrpensums  beim  Unter- 
richte beruhen,  welcher  naturgemäfs  im  Anschlüsse  an  die  Sam- 
hitä zunächst  das  Brähmanam  (soweit  dasselbe  überhaupt  ge- 
lehrt wurde,  Oldenberg,  Proleg.  S.  291)  folgen  liefs,  an  die 
Darstellung  der  Zeremonien  den  tiefern,  mystischen  Sinn  der- 
selben im  Aranyakam  knüpfte  und  die  Aufschlüsse  der  Upa- 
nishad's an  das  Ende  der  vedischen  Lehrzeit  verlegte,  daher 
die  Upanishadtexte  schon  seit  Cvet.  6,22  und  Mund.  3,2,6 
(Up.  S.  310.  .557)  den  Namen  Vedänta  (d.  i.  „Veda-Ende") 
führen.  Anderseits  ist  nicht  zu  verkennen,  dafs  die  Reihen- 
folge der  Texte  innerhalb  des  Kanons  einer  jeden  Qäkhä  viel- 
fach ihrer  historischen  Entstehung  entspricht,  und  dafs  die 
einzelnen  Stücke,  je  früher  sie  stehen,  um  so  älter,  je  später, 
um  so  jünger  sind.  Wenn  aber  diese  beiden  für  die  Anord- 
nung mafsgebenden  Faktoren,  die  Tendenz  der  systematischen 
Gliederung  des  Unterrichtsstoffes  und  die  Wahrung  der  Reihen- 
folge der  zeitlichen  Entstehung,  in  ihren  Resultaten  im  grofsen 
und  ganzen  zusammentreffen,  so  erklärt  sich  dies  sehr  einfach 
aus  der  Annahme,  dafs  im  Laufe  der  Zeiten  das  allgemeine 
Interesse  von  der  rituellen  Betrachtungsweise  sich  der  alle- 
gorischen und  von  dieser  sodann  der  philosophischen  zuwandte. 
Übrigens  ist  die  Sonderung  des  Stoffes  keineswegs  streng 
durchgeführt,  und  in  allen  drei  Schriftgattungen,  Brähmana's, 
Äranyaka's  und  Upanishad's,  finden  sich  gelegentlich  sowohl 
rituelle  als  auch  allegorische  und  philosophische  Digressionen. 
—  Ganz  besonders  auffallend  aber  und  eine  Erklärung  heraus- 
fordernd ist  der  Umstand,  dafs,  abgesehen  von  jenem  gelegent- 
lichen Durcheinanderlaufen  der  Materien,  auch  im  grofsen  und 
ganzen  die  Einschnitte  zwischen  Brähmanam,  Aranyakam  und 
Upanishad  keineswegs  immer  richtig   getroffen   sind,    indem 


ß  A.   Einleitung:   I.  Die  Stellung  der  Upanishad's  im  Veda. 

z.  B.  bei  den  Aitareyin's  der  Brähmanastoff  in  das  Äranyakam. 
hineinreicht,  und  bei  den  Taittiriyaka's  das  Ende  des  Bräh- 
manam  und  der  Anfang  des  Äranyakam  durchaus  zusammen- 
gehören und  ganz  willkürlich  auseinandergerissen  sind  (vgl. 
Up.  S.  10.  213).  Dieser  Tatbestand  erklärt  sich  wohl  nur 
aus  der  Annahme,  dafs  der  gesamte  Lehrstoff  jeder  Qäkhä 
ursprünglich  ein  kontinuierliches  Ganze  bildete,  und  dafs  man 
erst  hinterher  dieses   Ganze  in  Brähmanam,  Äranyakam  und 

Upanishad  nach  einem  Prinzip  zerlegte,  welches  nicht  aus  der 
Natur  de9  Stoffes  allein  entsprang,  sondern,  wenn  auch  im 
ganzen  demselben  entsprechend,  doch  von  aufsen  in  ihn  herein- 
getragen wurde.  Ein  solches  Prinzip  glauben  wir  in  der  spä- 
tem Lebensordnung  der  vier  Agrama's  zu  erkennen,  vermöge 
deren  (wie  wir  schon  oben  I,  i,  S.  170 — 172  zeigten)  es  jedem 
brahmanisch  lebenden  Inder  zur  Pflicht  gemacht  wurde,  zuerst 
als  Brähmacärin  bei  einem  brahmanischen  Lehrer  einen  Lehr- 
kursus durchzumachen,  dann  als  Grihastha  eine  Familie  zu 
gründen  und  die  pflichtmäfsigen  Opfer  zu  betreiben,  um  hier- 
auf als  Vänaprastha  sich  in  die  Waldeinsamkeit  zurückzuziehen 
und  der  Askese  und  Meditation  zu  leben,  bis  er  endlich,  im 
höchsten  Alter,  von  allem  Erdenhang  gereinigt,  besitzlos  und 
heimatlos  und  frei  von  allen  Pflichten  als  Sannyäsin  (Bhikshu, 
ParivräjaJca)  umherschweifte,  nur  noch  die  Auflösung  seines 
Atman  im  höchsten  Ätman  erwartend.  In  dem  Lehrstoffe, 
welchen  man  dem  Brähmacärin  übermittelte,  wurde  ihm  eine 
Richtschnur  für  sein  ganzes  künftiges  Leben  an  die  Hand  ge- 
geben: das  Brähmanam  belehrte  ihn,  wie  er  als  Grihastha  mit 
Hilfe  der  Opferpriester  den  Opferkultus  zu  betreiben  hatte, 
das  Äranyakam  entsprach,  wie  denn  auch  wohl  schon  der 
Name  besagt,  dem  Vänaprastha,  bei  welchem  die  meisten 
Opferhandlungen  durch  die  Meditation  über  dieselben  ersetzt 
wurden,  und  die  Upanishad  lehrte  theoretisch  dieselbe  Welt- 
befreiung, welche  der  Sannyäsin  praktisch  zu  verwirklichen 
beflissen  war.  Daher  heifst  es  von  ihm,  er  soll  „ohne  [litur- 
gische] Vedasprüche  leben",  jedoch  „von  allen  Veden  das 
Äranyakam  hersagen,  die  Upanishad  hersagen"  (Aruneya-Up.  2, 
Up.  S.  693).     Dem  häufigen  Verfliefsen  von  Äranyakam  und 

Upanishad  entspricht  es,  dafs  bis  in  späte  Zeiten  hin,  wie  wir 


2.  Brähmanam,  Äranyakam,  Upanishaa.  7 

noch  sehen  werden,  vielfach  zwischen   Vänaprasfha  und  San- 
nyäsin  nicht  streng  geschieden  wird. 

3.  Die  Upanishad's  der  drei  altem  Veden. 
Wie  die  BrähmancCs  die  rituellen,  so  sind  die  an  sie 
sich  anschliefsenden  Upanishad's  ursprünglich  nichts  anderes  als 
die  dogmatischen  Textbücher  der  vedischen  Qäkhä's, 
woraus  sich  namentlich  erklärt,  dafs  der  Grundgedanke  in 
allen  Upanishad's  derselbe  ist,  welcher  bald  kürzer  bald  länger 
in  den  mannigfachsten  Variationen  von  ihnen  entwickelt  wird. 
Die  erste  Entstehung  der  Qäkhä's  oder  Vedaschulen,  auf  wel- 
cher dieses  Auseinandertreten  der  rituellen  und,  mit  ihr,  der 
philosophischen  Tradition  beruht,  wird  in  einer  Zeit  zu  suchen 
sein,  in  welcher  der  Inhalt  der  Samhitä's  im  wesentlichen  be- 
reits festgestellt  war  und  den  Schülern  vom  Lehrer  zum  wört- 
lichen Auswendiglernen  überliefert  wurde  (vgl.  Chand.  6,7,2, 
Up.  S.  163),  während  derselbe  die  erforderlichen  rituellen, 
allegorischen  und  dogmatischen  Erläuterungen  in  freier  Rede 
(aus  welcher  nachmals  die  älteste  indische  Prosa  hervorging) 
seinen  Schülern  übermittelte.  Hierbei  erfuhr  der  allgemeine 
und  in  seinen  Grundzügen  bereits  feststehende  Lehrstoff  je 
nach  der  Individualität  des  Lehrers  mancherlei  Modifikationen, 
nicht  nur  in  betreff  der  Ausführung  und  mystischen  Bedeu- 
tung der  einzelnen  Zeremonien,  sondern  auch,  sofern  der  eine 
auf  die  liturgische,  der  andere  auf  die  dogmatische  Belehrung 
grofsern  Wert  legte  (daher  die  Upanishad's  der  einzelnen 
Schulen  an  Umfang  so  verschieden  sind).  Im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte fixierte  sich  die  ursprünglich  in  freier  Rede  erfol- 
gende Belehrung  zu  festen,  vom  Schüler  wörtlich  auswendig 
gelernten  Prosatexten,  während  zugleich  die  Differenzen  zwi- 
schen den  einzelnen  Schulen  immer  grofsern  Umfang  an- 
nahmen. Es  ist  daher  wohl  glaublich,  wenn  die  Inder  eine 
grofse  Anzahl  von  £äkhä's,  in  denen  jeder  Veda  gelehrt  worden 
sei,  zu  nennen  wissen.  Aber  es  ist  ebenso  begreiflich,  dafs 
von  diesen  vielen  Qäkhä's  die  meisten  im  Kampfe  ums  Dasein 
zugrunde  gingen,  und  dafs  für  jeden  Veda  nur  einige  her- 
vorragende Qäkhä's.  und  mit  ihnen  die  zugehörigen  Upanishad's 
sich  erhalten  haben.   Wir  müssen  uns  hier  darauf  beschränken, 


8  A.   Einleitung:   I.  Die  Stellung  der  Upanisliad's  im  Veda. 

zur  Orientierung  im  allgemeinen  die  elf  vorhandenen  Upa- 
nisliad's der  drei  altern  Veden  aufzuzählen,  bemerken  aber, 
dafs  bei  mehreren  derselben  die  Zugehörigkeit  zu  der  be- 
treffenden Qäkhä  zweifelhaft  ist,  worüber  in  den  unserer  Über- 
setzung der  sechzig  Upanisliad's  vorausgeschickten  Einleitungen 
des  weitern  gehandelt  worden  ist. 

Upanishad:  Qäkhä: 

I.  Rigveda: 

A  itareya-  Upanishad  A  itareyiri's. 

Kaush  Uaki-  Upanish  ad  Kaush  itakin's, 

II.  Sämaveda: 

Chändogya-  Upanishad  Tändiri's. 

Kenn  (TalavaJcära-)  Upanishad   Jaiminiya's  (TalavaMra's). 

III.  Yajurveda,  a)  schwarzer: 

Taiüiriya-Upanishad  )    „■,.■*    -,  , 

j/  i»  '   '         tt       -7i        r    lautinyalcaS. 
Mahanarayna-Upamshad        )  J 

Käthalca -Upanishad  Kaljia? 

Qvciäcvaiara-  Upanishad  fehlt. 

Maiträi/aniya-  Upanishad  Maiträyaniya's  (?). 

b)  weifser: 

Brihadärany aha-  Upanishad   1    T, ..  .  , 

f\   TT       ■  7    -j  (    I  aiasaneyfin  s. 

lga-  Upanishad  J 

4.   Die  Upanishad's  des  Atharvaveäa. 

Eine  wesentlich  andere  Bewandtnis  hat  es  mit  den  zahl- 
reichen Upanishad's,  welche  im  Atharvaveda  Aufnahme  ge- 
funden haben.  Zwar  führen  manche  derselben  ihre  Lehre  aut 
Qaunaka  oder  Pippaläda  oder  auch  (wie  die  Brahma-Upanishad) 
auf  beide  zugleich  zurück,  und  nach  der  von  Näräyana  und 
Colebrooke  mitgeteilten  Tradition  werden  bald  einzelne  Upa- 
nishad's, bald  ganze  Upanishadkomplexe  den  (Jaunäkiyd's  oder 
Paippaladfs  zugeschrieben  (vgl.  Up.  S.  531);  aber  schon  die 
Widersprüche  dieser  Angaben,  wie  auch  der  Umstand,  dafs 
die  verschiedensten  Upanishad's  ihre  Lehre  von  den  angeb- 
lichen Begründern  der  atharvavedischen  ^'aklnVs,  Qaunaka  und 
Pippaläda,  herleiten,  legt  die  Vermutung  nahe,  dafs  wir  hierin 


4.  Die  Upanishad's  des  Atharvaveda.  9 

schwerlich  etwas  anderes  zu  erkennen  haben  als  ein  willkür- 
liches Anknüpfen  an  berühmte  Namen  der  Vorzeit,  ähnlich 
wie  wenn  andere  Atharva-Upanishad's  ihre  Lehren  auf  Yäjna- 
valkya,  auf  Angiras  oder  Atharvan,  oder  auch  auf  Brahman, 
Rudra  und  Prajäpati  zurückführen.  Auch  die  Namen  der 
Atharva-Upanishad's  sind  (abgesehen  von  wenigen  und  ver- 
dächtigen Ausnahmen,  wie  MändüJcya,  Jäbäla,  Paulgala,  Scha- 
vank)  nicht  mehr,  wie  bei  den  Upanishad's  der  -  drei  altern 
Veden,  nach  den  Namen  der.Qäkhä's  gebildet,  sondern  teils 
vom  Inhalte,  teils  von  irgend  einem  zufälligen  Umstände  ent- 
nommen und  weisen  darauf  hin,  dafs  wir  in  den  Atharva- 
Upanishad's  etwas  anderes  als  die  dogmatischen  Textbücher 
bestimmter  Vedaschulen  zu  suchen  haben. 

Viele  Anzeichen  (von  denen  weiter  unten  die  Rede  sein 
wird)  sprechen  dafür,  dafs  die  Hauptgedanken  der  Upanishad's, 
die  Lehre  von  der  alleinigen  Realität  des  Ätrnan,  von  seiner 
Entfaltung  als  Welt,  von  seiner  Identität  mit  der  Seele  usw., 
wenn  sie  auch  ursprünglich  von  Brahmanen  (wie  Yäjnavalkya) 
ausgegangen  sein  mögen,  doch  in  der  ersten  Zeit  nicht  sowohl 
bei  der  am  Ritual  ersättigten  Brahmanenschaft,  als  vielmehr 
in  den  Kreisen  der  Kshatriya's  Aufnahme  und  Verständnis 
gefunden  haben*  und  erst  hinterher  von  den  Brahmanen  adop- 
tiert (oben  I,i,  S.  166.  334)  und  auf  dem  Wege  der  allegorischen 
Umdeutung  mit  dem  Ritual  verwoben  worden  sind. 

Unter  diesen  Umständen  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dafs 
die  Atmanlehre,  nachdem  sie  von  den  Cäkhä's  der  drei  altern 
Veden  übernommen  worden  war,  auch  ausserhalb  derselben 
fortfuhr  gepflegt  zu  werden,  und  dafs  daraus  mit  der  Zeit 
Werke  hervorgingen  und,  wenn  auch  nur  teilweise,  erhalten 
blieben,  welche  den  Upanishad's  des  Rig-,  Säman-  und  Yajur- 
veda  in  ganz  ähnlicher  Weise  gegenüberstanden,  wie  den 
Samhitä's  derselben  die  Samhitä  des  Atharvaveda.     Und  wie 


*  Als  typisch  für  das  verschiedene  Verhalten  der  Brahmanen  und 
Kshatriya's  gegenüber  der  neu  aufkommenden  Atmanlehre  kann  Brik.  3 — 4 
gelten,  wo  dem  Yäjnavalkya,  als  Träger  dieser  neuen  Lehre,  von  Seiten 
der  Brahmanen  Eifersucht  und  Zweifel,  von  Seiten  des  Königs  Janaka 
begeisterte  Zustimmung  entgegengebracht  werden.  Wir  kommen  unten 
(S.  17  fg.)  auf  diese  Frage  zurück. 


10  A.   Einleitung:   I.  Die  Stellung  der  Upanisbad's  im  Veda. 

vordem  in  dieser  allerlei,  teils  für  die  altern  Samhitä's  zu  spät 
gekommene,  teils  auch  von  ihnen  verschmähte  Hymnen  Auf- 
nahme fanden  (oben  I,  i,  S.  169),  so  war  es  jetzt  wieder  der 
Atharvaveda,  welcher  den  spätgeborenen  oder  auch  verstofsenen 
Kindern  der  Atmanforschung  seine  Arme  öffnete.  Diese  Libe- 
ralität hatte  zur  Folge,  dafs  im  Verlaufe  alles,  was  in  der 
Form  einer  Upanishad,  d.  h.  eines  Geheimtextes,  auftrat,  mochte 
es  nun  der  Ausdruck  des  religiös -philosophischen  Bewufst- 
seins  bestimmter  Kreise  oder  auch  einzelner  Denker  sein,  sich 
zum  Atharvaveda  rechnete  oder  von  spätem  Sammlern  diesem 
ohne  weiteres  angeschlossen  wurde.  Die  Regelmäfsigkeit,  mit 
der  irgend  ein  Text  in  den  verschiedenen  Sammlungen  wieder- 
kehrt, bildet  dabei,  soweit  wir  sehen,  das  einzige  Merkmal 
seiner  Kanonizität  (wenn  von  einer  solchen  noch  die  Rede 
sein  kann),  und  von  diesem  Gesichtspunkte  geleitet  haben 
wir  in  unserer  Übersetzung  der  „sechzig  Upanishad's"  alle  die- 
jenigen Texte  zusammengefafst,  welche  eine  allgemeinere  An- 
erkennung gefunden  zu  haben  scheinen.  Indem  wir  des  wei- 
tern auf  unsere  Einleitung  zu  den  Atharva-Upanishad's,  dort 
S.  531 — 543,  verweisen,  wollen  wir  hier  nur  zur  allgemeinen 
Übersicht  die  wichtigern  Atharva-Upanishad's  nach  den  fünf 
Klassen  aufzählen,  denen  wir  dieselben  (im  wesentlichen  nach 
Webers  Vorgang)  zugeteilt  haben. 

1.    Reine  Vedänta-Upaniskad's, 

welche  wesentlich  der  alten  Vedäntalehre  treu  bleiben,  ohne 
deren  Fortentwicklung  zum  Yoga,  Sannyäsa  und  vishnuitischen 
oder  Qivaitischen  Symbolismus  erheblich  mehr,  als  schon  in 
den  altern  Upanishad's  geschieht,  zu  betonen: 

Mundaka,  Prqgna,  Mändukya  (mit  der  Kärikä); 

Garbha,  Pränägnihotra,  Pinda; 

Aima,  Sarvqpanishatsära,  Gäruda. 

2.   Yoga-Upanisliad's, 

welche,  den  Vedäntastandpunkt  voraussetzend,  überwiegend 
oder  ausschliefslich  die  Erfassung  des  Ätman  durch  den  Yoga 
mittels  der  Morae  des   Ow-Lautes  behandeln: 


L  Die  Upanishad's  des  Atharvaveda.  11 

Brahmavidyä,  KshuriM,  Ctüilcä; 

Nädabindu,     Brahnabindu,     Amritabindu,     Bhyänabindu, 

Tcjobindu ; 
Yogagikhäj  Yogatattva,  —  Hansa 

3.    Sannyäsa-Upanishad's, 
welche,  m  der  Eegel  ebenso  einseitig,  das  Leben  des  Sannyasin 
als  die  praktische  Konsequenz  der  Upanishadlehre  empfehlen 
und  beschreiben: 

Brahma,  Sannyäsa,  Aruneya,  Kanthagridi; 
Baramahansa,  Jdbdla,  Acrama. 

4.   Qiva-Upanishad's, 
welche   den  vom  Volke  verehrten   Qiva  (Icuna,  Mahecvara, 
Mahädeva    usw.)    zu    einer    Personifikation    des    Ätman    um- 
deuten : 

Atharvagiras,  Afharvagilchä,  Nilarudra ; 

Kälägnirudra;  —  Kaivalya. 

5.   Vishnu-tTpanisliad's, 
welche    ebenso    den   Vishnu   (Näräyana,   Nrisinha  usw.)    im 
Sinne  der  Vedäntalehre  umformen,  indem  sie  seine  verschie- 
denen Avatära's  als  Menschwerdungen  des  Ätman  betrachten: 

Mahd,  Näräyana,  Ahnabodha; 

Nrisinhapurvatäpaniya,  Nrisinhotiaratäjpaniyai 

Rämapürvatäpaniya,  Rämottaratäpaniyo. 

I 
5.   Über  die  Bedeutung  des  "Wortes  upanishad. 

Nach  £ankara  sollen  die  Upanishad's  so  benannt  sein, 
«veil  sie  das  angeborene  Nichtwissen  „zerstören"  (ad  Brih. 
p.  2,4;  ad  Käth.  p.  73,11),  oder  auch  weil  sie  zu  Brahman 
„hinführen"  (ad  Taitt.  p.  9,5;  ad  Mund.  p.  261,10).  Abgesehen 
von  diesen,  weder  sprachlich  noch  sachlich  gerechtfertigten, 
Deutungen  wird  das  Wort  upanishad  von  den  Indern  in  der 
Regel  erklärt  durch  rahasyam  („Geheimnis",  das  secreium 
tegendum    des    Anquetil).      Dementsprechend    heilst    es    z.  B. 


12  A.    Einleitung:   I.  Die  Stellung  der  Upanishad's  im  Veda. 

Nrisinhott.  8  (Up.  S.  796)  viermal  hinter  einander  iti  rahasyam 
anstatt  des  früher  üblichen  iti  upanishad  (wie  z.  B.  am  Schlüsse 
von  Taitt.  2  und  3,  Mahänär.  62.  63.  64  steht),  und  auch  in 
altern  Stellen  werden,  wo  von  Upanishadtexten  die  Rede  ist, 
Ausdrücke  wie  guliya?  ädegdh  (Chänd.  3,5,2,  Up.  S.  102),  para- 
mam  guhyam  (Käth.  3,17.  Qvet.  6,22,  Up.  S.  278.  310),  veda- 
guhya-upanisliatsu  güdham  (Cvet.  5,6,  Up.  S.  305),  guhyatamam 
(Maitr.  6,29,  Up.  S.  350)  gebraucht. 

Das  Bestreben,  tiefsinnige  und  daher  leicht  mifszuver- 
stehende  Lehren  geheim  zu  halten,  hat  auch  im  Abendlande 
zahlreiche  Analogien.  Jesus  antwortet  seinen  Jüngern  auf  die 
Frage,  warum  er  in  Parabeln  rede:  8ti  öjitv  hihoxoa  yvövac  ra 
jj.uGxVjpia  xt\c,  ßacikdoLC,  tqv  oupavöv,  Ivtsivoi«;  5s  oü  hiboxoii 
(Matth.  13,11);  Pythagoras  verlangt  von  seinen  Schülern  die 
|j.i>ctoo]  aioTrrj,  das  mystische  Schweigen;  von  Heraklit  wird  der 
Ausspruch  überliefert:  xa  «rijs  yvoaeco?  ßa^Tj  xpuTrcsiv  aTttCFTiij 
dya^Vi;  Piaton  tadelt  an  der  Schreibkunst,  dafs  sie  oux  emara- 
xon  Xs-yetv  oTs  5si  ye  xod  pn/j  (Phaedr.  p.  275  E),  und  noch 
Schopenhauer  fordert  von  seinem  Leser  als  Vorbedingung  das 
Studium  des  schwer  zu  verstehenden  Kant. 

Aus  demselben  Gefühle  heraus  wird  in  den  Upanishad's 
immer  wieder  und  wieder  die  Warnung  ausgesprochen,  eine 
bestimmte  Lehre  keinem  Unwürdigen  mitzuteilen. 

Ait.  Ar.  3,2,6,9:  „Diese  Buchstabenverbindungen  [nach 
ihrem  geheimen  Sinn,  ihrer  upanishad]  soll  der  Lehrer  keinem 
mitteilen,  der  nicht  sein  naher  Schüler  (anteväsin)  ist,  der  nicht 
schon  ein  Jahr  bei  ihm  gewohnt  hat,  der  nicht  selbst  Lehrer 
werden  will." 

Chänd.  3,11,5:  „Darum  soll  sie  (diese  Lehre)  nur  dem 
ältesten  Sohne  sein  Vater  als  das  Brahman  kundmachen,  oder 
auch  einem  vertrauten  Schüler,  aber  keinem  andern,  wer  es 
auch  sei." 

Brih.  6,3,12:  „Diesen  [den  Rührtrank  und  seine  Ausfüh- 
rung] soll  man  keinem  mitteilen,  aufser  seinem  Sohne  oder 
seinem  Schüler." 

Qvet.  6,22:  „Keinem  gebt  es  (dieses  höchste  Geheimnis), 
der  nicht  ruhig,  der  nicht  Sohn  oder  auch  Schüler  ist." 


5.   Die  Bedeutung  des  Wortes  upanishaä.  13 

Mund.  3,2,11:  „Keiner  darf  dies  lesen,  der  nicht  das  Ge- 
lübde erfüllte." 

Maitr.  6,29:  „Dieses  Allergeheimnisvollste  soll  man  keinem 
kundmachen,  der  nicht  Sohn  oder  Schüler,  und  der  noch  nicht 
beruhigt  ist." 

Nrisihhap.  1,3:  „Aber  wenn  den  Savitarspruch,  den  Laksh- 
mispruch,  den  Pranava  ein  Weib  weifs  oder  ein  Qüdra,  mit 
dem  geht  es  nach  dem  Tode  abwärts.  Darum  verkünde  man 
ihnen  denselben  nimmermehr!  Wenn  einer  ihnen  sie  verkün- 
digt, mit  dem  Lehrer  geht  es  dafür  nach  dem  Tode  abwärts." 

Rämap.  84:  „Gemeinen  Menschen  gebt  es  (das  Diagramm) 
nicht!" 

Hieraus  erklärt  sich  auch  der  auffallende,  in  den  Upa- 
nishad's  immer  aufs  neue  wiederkehrende  Zug,  dafs  ein  Lehrer 
sich  sträubt,  irgend  eine  Lehre  dem  ihn  darum  ersuchenden 
Schüler  mitzuteilen,  bis  derselbe  durch  Beharren  in  seinem 
Streben  bewiesen  hat,  dafs  er  würdig  ist,  die  Belehrung  zu 
empfangen.  Das  bekannteste  Beispiel  dieser  Art  ist  Naciketas 
in  der  Käthaka-Upanishad,  welchem  der  Todesgott  die  ge- 
wünschte Belehrung  über  das  Wesen  der  Seele  und  ihr  Schick- 
sal nach  dem  Tode  erst  gewährt,  nachdem  der  Jüngling  alle 
Versuche,  ihn  von  seinem  Wunsche  abzubringen,  standhaft 
abgewiesen  hat  (Käth.  1,20  fg.,  Up.  S.  270  fg.).  In  ähnlicher 
Weise  verfährt  Indra  gegen  Pratardana  (Kaush.  3,1,  Up.  S.  43), 
Raikva  gegen  Jänacruti  (Chänd.  4,2,  Up.  S.  119),  Satyakäma 
gegen  Upakosala  (Chänd.  4,10,2,  Up.  S.  126),  Pravähana  gegen 
Äruni  (Chänd.  5,3,7,  Up.  S.  141.  Brih.  6,2,6,  Up.  S.  506),  Pra- 
jäpati  gegen  Indra  und  Virocana  (Chänd.  8,8,4,  Up.  S.  197), 
Yäjnavalkya  gegen  Janaka  (Brih.  4,3,1  fg.,  Up.  S.  466  fg.  vgl. 
S.  463),  (^äkäyanya  gegen  Biihadratha  (Maitr.  1,2,  Up.  S.  316). 

Aus  allem  diesem  ergibt  sich,  dafs  es  in  der  allgemeinen 
Tendenz  des  Zeitalters  und  der  Kreise  lag,  welche  die  Upa- 
nishad's  hervorgebracht  haben,  den  Inhalt  derselben  vor  Un- 
berufenen geheim  zu  halten,  und  dafs  von  sachlicher  Seite 
nichts  dagegen  einzuwenden  ist,  wenn  die  Inder  upanishdd 
durch  rahasyam  „Geheimnis"  erklären.  Weniger  leicht  ist  es, 
auf  den  ; ersten  Blick  zu  verstehen,  wie  das  Wort  upanishad 
dazu  gekommen   ist,   „Geheimsinn,   Geheimlehre,  Geheimnis" 


14  A.   Einleitung:  I.  Die  Stellung  der  Upanishad's  im  Veda. 

zu  bedeuten.  Denn  upanisliad,  als  Substantivum  von  der 
Wurzel  sad  „sitzen"  abgeleitet,  kann  nur  eine  „Sitzung",  und 
zwar,  wie  die  Präposition  upa  (nahe  bei)  besagt,  im  Gegen- 
satze zu  parisliad,  samsad  (Versammlung),  eine  „vertrauliche, 
geheime  Sitzung"  bezeichnen.  Wir  müssen  annehmen,  wenn 
uns  auch  die  Belege  dafür  fehlen,  dafs  dieser  Name  für  „Ge- 
heimsitzung" im  Verlaufe  auch  gebraucht  wurde,  um  den 
Gegenstand  dieser  Sitzung,  d.  h.  die  „Geheimlehre",  zu  be- 
zeichnen, ganz  ahnlich  wie  unser  „Collegium"  aus  dem  Be- 
griffe einer  „Versammlung"  in  den  eines  Lehrinhaltes  über- 
gegangen ist,  wobei  in  Ausdrücken  wie  „ein  Kolleg  lesen, 
hören"  usw.  die  ursprüngliche  Bedeutung  von  collegium  (von 
colligere,  sammeln)  ganz  ebenso  vergessen  wird,  wie  bei  den 
Upanishad's  der  ursprüngliche  Begriff  der  Sitzung.  Ähnliche 
Fälle  sind  ja  auch  sonst  häufig,  wie  denn  z.  B.  die  cpucixod 
dxpcoums  des  Aristoteles  oder  die  (Haxp'.ßou  des  Epiktet  nicht 
mehr  Vorlesungen,  Konversationen,  sondern  bestimmte  Schrift- 
denkmäler bedeuten. 

Eine  andere  Erklärung  des  Wortes  upanisliad  ist  neuer- 
dings von  Oldenberg  aufgestellt  worden,  nach  welcher  upanisliad 
ursprünglich  soviel  wie  upäsnnä  „Verehrung",  d.  h.  die  ver- 
ehrende Betrachtung  des  Brahman  oder  Ätman  bedeuten  soll 
(Zeitschr.  d.  Deutschen  Morgenl.  Gesellschaft  Bd.  50  [1896], 
S.  457  fg.)«  Gegen  diese  beachtenswerte  Hypothese  müssen 
wir  doch  folgende  Einwendungen  erheben.  1)  Die  Verba 
upa  +  äs  „vor  jemand  oder  etwas  (verehrend)  sitzen"  und 
upa  +  sad  [upa  -f-  ni  -f-  sad  kommt  in  den  Upanishad's  nicht 
vor)  „sich  zu  jemand  (zum  Zweck  der  Belehrung)  hinsetzen" 
sind  doch,  dem  überwiegenden  Gebrauche  nach,  sehr  von  ein- 
ander zu  unterscheiden.  Mag  auch  in  altern  Texten  der 
Sprachgebrauch  noch  nicht  streng  fixiert  sein,  so  heifst  doch 
in  den  Upanishad's  (wie  ein  Blick  in  Jacobs  Konkordanz  zeigt) 
upa  -j-  äs  stets  „verehren",  nie  „um  Belehrung  angehen",  und 
upa  -f-  sad  stets  „um  Belehrung  angehen",  nie  „verehren",  und 
wenn  man  das  Substantivum  upäniskad  nicht  von  upa  +  sad., 
sondern  von  dem  seltenen  upa  -\-  ni  -J-  sad  bildete,  so  war  der 
Grund  vielleicht  nur  der,  dafs  das  Substantivum  upasad  be- 
reits zur  Bezeichnung  einer  bekannten  Vorfeier  beim  Soma- 


5.  Die  Bedeutung  des  Wortes  upanishad.  15 

Opfer  in  Anspruch  genommen  war.  2)  Wenn  auch  oft  genug 
von  einer  Verehrung  des  Brahman  oder  Ätman,  namentlich 
unter  einem  bestimmten  Symbole  (als  Manas,  Präna  usw.), 
die  Rede  ist,  so  ist  doch,  streng  genommen,  der  Ätman  nicht 
wie  die  Götter  ein  Gegenstand  der  Verehrung,  sondern  ein 
Gegenstand  der  Erkenntnis;  Kena  1,4  fg.:  „das  sollst  du 
wissen  als  Brahman,  nicht  jenes,  was  man  dort  verehrt  (na 
ida/m,  yad  idam  ujpäsate)";  —  Chänd.  8,7,1:  „das  Selbst  (ätman) 
.  .  .  das  soll  man  erforschen,  das  soll  man  suchen  zu  er- 
kennen"; —  Brih.  2,4,5:  „das  Selbst,  fürwahr,  soll  man  sehen, 
soll  man  hören,  soll  man  verstehen,  soll  man  überdenken,  o 
Maitreyi";  usw.  Auch  die  beiden  Upanishadstellen,  welche 
Oldenberg  zum  Beweise,  dafs  Brahman  verehrt  werde,  an- 
führt, besagen  im  Grunde  das  Gegenteil;  Brih.  2,1  erklärt 
Gärgya,  dieses  und  jenes  als  das  Brahman  zu  verehren,  bis 
endlich  der  König  die  Befragung  mit  den  Worten  abbricht: 
„damit  ist  es  noch  nicht  erkannt  (na  etävatä  viäitam  bhavati)", 
sodann  die  Belehrung  an  dem  Tiefschlafenden  erteilt  und  mit 
den  Worten  schliefst:  „seine  Upanishad  (Geheimname,  nicht 
Verehrung)  ist  «die  Realität  der  Realität»",  d.  h.  das  in  allem 
empirischen  Seienden  steckende  Wesen;  —  und  wenn  Brih.  1,4 
das  Thema  behandelt  wird,  dafs  man  nicht  die  Götter,  sondern 
nur  den  Ätman  verehren  soll,  so  liegt  hierin  nur  eine  Be- 
kämpfung der  Verehrung  der  Götter,  nicht  aber  eine  Auf- 
forderung, den  Atman,  als  wäre  er  auch  nur  ein  Gott,  zu 
„verehren";  dieses  Wort  bezieht  sich  dabei  nur  auf  die  Götter 
und  ist  mit  Atman  nur  durch  Zeugma  verbunden*;  der  Be- 
weis liegt  im  Folgenden,  wo  es  heifst:  „wer  nun  eine  andre 
Gottheit  verehrt  und  spricht:  «eine,  andre  ist  sie,  und  ein 
andrer  bin  ich»,  der  ist  nicht  weise".  Ohne  ein  solches  „eine 
andre  ist  sie,  und  ein  andrer  bin  ich"  aber,  welches  hier  ver- 
boten wird,  ist  eine  Verehrung  gar  nicht  denkbar,  wohl  aber 
eine  Erkenntnis  durch  unmittelbare  Innewerdung  (anubhava). 
3)  Ein  Versuch,  die  in  Rede  stehende  Hypothese  an  dem  vor- 


*  "Wer  dies  bestreiten  wollte,  der  müfste  auch  folgerecht  aus  Stellen 
wie  Brih.  2,4,5:  „den  Ätman,  fürwahr,  soll  man  sehen,  soll  man  hören"  usw., 
den  Schlufs  ziehen,  dafs  der  Ätman  sichtbar  und  hörbar  sei. 


16  A.   Einleitung:   I.  Die  Stellung  der  Upanishad's  im  Veda. 

liegenden  Material  durchzuführen,  dürfte  ihre  Unmöglichkeit 
ergeben.  So  wird  Taitt.  1,3  der  geheime  Sinn  (upanishad) 
der  Buchstabenverbindung  (samhitä)  erklärt,  und  nachdem  dies 
geschehen,  werden  zum  Schlüsse  allerlei  Belohnungen  dem  in 
Aussicht  gestellt,  „wer  also  diese  grofsen  Verbindungen  er- 
klärt bekommt  und  weifs  (ijci  evam  etä  mdhäsamhitä  vyakhyäta 
veda)"',  hier  wird  nur  ein  Wissen  der  Buchstabenverbindungen 
gefordert,  von  irgend  welcher  Verehrung  ist  in  dem  ganzen 
Abschnitte  keine  Rede.  —  Oder  man  nehme  die  gewifs  sehr 
alte  Stelle  Kaush.  2,1 — 2,  wo  von  dem  Bettler,  der  sich  als 
das  Selbst  aller  Wesen  weifs,  gesagt  wird:  tasya  upanishad 
'na  yäced'  ifi,  ,, seine  geheime  Losung  ist,  nicht  zu  bitten";  es 
dürfte  schwer  sein,  zu  sagen,  von  welcher  „Verehrung"  an 
Stellen  wie  dieser  die  Rede  sein  soll. 

—  Überblickt  man  die  von  uns  im  Index  zu  den  Upa- 
nishad's unter  dem  Worte  Upanishad  gesammelten  Stellen,  so 
zeigt  sich,  dafs  sie  sämtlich  auf  die  Bedeutungen:  „geheime 
Losung,  Geheimname,  geheimer  Sinn,  Geheimwort,  Geheim- 
formel, Geheimlehre"  hinauslaufen,  dafs  somit  allen  Bedeu- 
tungen das  Merkmal  des  Geheimen  anhaftet,  woraus  zu 
schliefsen  ist,  dafs  die  von  den  Indern  gegebene  Erklärung 
des  Wortes  upanishad  als  rahasyam,  Geheimnis,  die  richtige 
sein  wird. 


II.  Einiges  zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

1.  Der  erste  Ursprung  der  Upanishad's. 

Das  Wort  Upanishad  kommt  in  drei  verschiedenen  Be- 
deutungen vor,  als: 

1)  Geheimwort, 

2)  Geheimtext, 

3)  Geheimsinn. 

1)  Gewisse  geheimnisvolle  Worte,  Ausdrücke,  Formeln, 
die  nur  dem  Eingeweihten  verständlich  sind,  werden  als  Upa- 
nishad bezeichnet.  Dieselben  enthalten  entweder  eine  geheime 
Richtschnur  für  das  Handeln  und  Verhalten,  wie  das  erwähnte 
na  yäcet  Kaush.  2,1.  2,   oder  einen   geheimen  Aufschlufs  über 


1.  Erster  Ursprung  der  Upanishad's.  17 

das  Wesen  des  Brahman;  so,  wenn  dasselbe  Brih.  2,1,20.  2,3,6 
als  satyasya  satyam,  oder  Kena  31  als  tad-vanam  (das  letzte 
Ziel  der  Sehnsucht)  bezeichnet  wird,  denn  auf  diesen  Aus- 
druck beziehen  sich  die  folgenden  Worte:  „gelehrt  ist  dir  die 
Üpanishad".  Von  dieser  Art  sind  auch  Geheimworte  wie 
Chänd.  3,14,1  tajjalän  „in  ihm  werdend,  vergehend,  atmend 
(sind  die  Wesen)";  oder  nett  neu  (Brih.  2,3,6  und  öfter),  und 
wenn  empfohlen  wird,  das  Brahman  unter  solchen  Formeln  zu 
verehren,  so  besagt  dies  nicht,  dafs  üpanishad  „Verehrung" 
bedeutet,  sondern  nur,  wie  gezeigt,  dafs  die  Betrachtung  des 
Brahman  unter  diesen  geheimnisvollen  Ausdrücken  an  die 
Stelle  der  Verehrung  der  Götter  treten  soll. 

2)  Die  uns  vorliegenden  Texte  selbst,  wie  auch  die  altern, 
ihnen  zugrunde  liegenden  Texte  heifsen  Upanishad's,  daher 
namentlich  bei  den  Taittiriyaka's  ein  Abschnitt  häufig  mit  den 
Worten  schliefst:  iü  üpanishad. 

3)  Sehr  häufig  wird  nicht  ein  Wort  oder  ein  Text,  son- 
dern der  geheime,  allegorische  Sinn  irgend  eines  rituellen  Be- 
griffes oder  Brauches  als  üpanishad  bezeichnet;  z.  B.  Chand. 
1,1,10:  „denn  was  man  mit  Wissen  verrichtet,  mit  Glauben, 
mit  der  Üpanishad  [der  Kenntnis  des  geheimen  Sinnes  von 
Cdgitha  als   0m],  das  ist  wirkungskräftiger". 

Es  fragt  sich,  welche  dieser  drei  Bedeutungen  die  ur- 
sprüngliche ist.  Man  könnte  daran  denken,  die  dritte  dafür 
zu  halten  und  anzunehmen,  dafs  die  Upanishadlehre  sich  aus 
dem  Ritual  durch  allegorische  Umdeutung  desselben  entwickelt 
habe.  Dies  ist  aber  allem  Anscheine  nach  nicht  der  Fall,  und 
vieles  spricht  dafür,  dafs,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde,  der 
Upanishadgedanke,  wenn  auch  brahmanischen  Ursprungs,  doch 
nicht  in  den  Kreisen  der  am  Ritual  klebenden  Brahmanen, 
sondern  aufserhalb  der  Brahmanenschaft  unter  den  Kshatriya's 
seine  erste  Pflege  gefunden  hat. 

Die  Upanishad's  sind  uns,  wie  alle  Texte  der  drei  altern 
Veden,  durch  die  Brahmanen  überliefert.  Um  so  auffallender 
ist  es,  dafs  diese  Texte  selbst  oftmals  manche  der  wichtigsten 
Upanishadlehren  auf  Könige,  also  Kshatriya's  zurückführen. 
So  wird  Chand.  5,11 — 24  erzählt,  wie  fünf  schriftgelehrte 
Brahmanen    den    Uddälaka    Aruni    um    Belehrung    über    den 

Deusskn,  Geschichte  der  Philosophie.     I,ir.  - 


18  A.    Einleitung:    IL  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

Atman  Vaigvqnara  bitten;  Uddälaka  fürchtet,  ihnen  nicht 
alles  erklären  zu  können,  worauf  sich  alle  sechs  zum  Könige 
Agvapati  Kaikeya  begeben  und  von  ihm,  nachdem  das  Un- 
genügende ihres  Wissens  zutage  getreten  ist,  die  rechte  Be- 
lehrung empfangen.  —  Brih.  2,1  (und  parallel  Kaush.  4)  er- 
bietet sich  der  berühmte  Vedagelehrte  Gärgya  Bäläki,  dem 
Könige  Ajätagatru  von  Kä§i  das  Brahman  zu  erklären,  bringt 
darauf  zwölf  (in  Kaush.  sechzehn)  verfehlte  Erklärungen  vor, 
worauf  der  König  ihm,  dem  Brahmanen,  das  Brahman  an 
einem  Tiefschlafenden  aufweist  als  den  Atman,  nachdem  er 
vorher  erklärt  hat:  „das  ist  doch  der  verkehrte  Strich,  dafs 
ein  Brahmane  sich  zu  einem  Kshatriya  als  Schüler  begibt, 
um  sich  das  Brahman  erklären  zu  lassen;  nun,  ich  will  dich 
belehren".  In  dieser  Erzählung,  welche  noch  dazu  von  zwei 
verschiedenen  Vedaschulen  überliefert  wird,  liegt  unzweifelhaft 
ausgesprochen,  dafs  der  Hauptpunkt  der  ganzen  Vedäntalehre, 
die  Erkenntnis  des  Brahman  als  Atman,  dem  Könige  bekannt, 
hingegen  dem  „als  Vedagelehrten  berühmten"  (Kaush.)  Brah- 
manen unbekannt  war.  —  Chänd.  1,8 — 9  werden  zwei  Brah- 
manen von  dem  Könige  Pravähana  Jaivali  über  den  Akdga 
als  den,  ihnen  unbekannten,  letzten  Grund  der  Dinge  belehrt; 
und  wenn  ebenda  Chänd.  1,9,3  gesagt  wird,  dafs  vordem 
Atidhanvan  dem  Udaracändilya  diese  Belehrung  erteilt  habe, 
so  lassen  schon  die  Namen  vermuten,  dafs  auch  damals  ein 
Kshatriya  einen  Brahmanen  belehrte.  —  Ahnlich  enthält 
Chänd.  7  die  Belehrung  des  Brahmanen  Närada  durch  den 
Kriegsgott  Sanatkumära,  wobei  das  umfassende  Vedawissen 
des  Brahmanen  für  unzulänglich  erklärt  wird  mit  den  Worten 
(Chänd.  7,1,3):  „alles,  was  du  da  studiert  hast,  ist  nur  Name". — 
Endlich  wird  der  grofse  Haupttext  der  Seelenwanderungslehre, 
welcher  in  drei  verschiedenen  Überlieferungen  Chänd.  5,3 — 10, 
Brih.  6,2  und  (sehr  abweichend)  Kaush.  1  vorliegt,  in  Form 
einer  Belehrung  des  Äruni  durch  den  König  Pravähana  Jaivali 
(Kaush.:  des  Äruni  durch  Citra  Gängyäyana)  vorgetragen, 
wobei  der  König  zu  dem  Brahmanen  sagt,  Chänd.  5,3,7:  „weil, 
wie  du  mir,  o  Gautama,  gesagt,  diese  Lehre  vordem  und  bis 
auf  dich  nicht. bei  den  Brahmanen  in  Umlauf  ist,  darum 
eben  ist  in  allen  Welterr  das  Regiment  bei  dem  Kriegerstande 


1.   Erster  Ursprung  der  Upanishad's.  19 

geblieben"  (Brih.  6,2,8:  „so  wahr  wie  ich  wünsche,  dafs  du, 
gleichwie  deine  Vorfahren,  uns  wohlgesinnt  bleibest,  so  wahr 
ist  diese  Wissenschaft  bis  auf  diesen  Tag  noch  nie  von 
einem  Brahmanen  besessen  worden"). 

Wenn  man  bedenkt,  dafs  es  sich  in  den  angeführten  Stellen 
um  die  Erkenntnis  des  Brahman  als  Atman  (Brih.  2,1 .  Kaush.  4), 
die  Erkenntnis  dieses  Atman  als  allbeseelend  (Chänd.  5,11  fg.) 
und  das  Schicksal  der  Seele  nach  dem  Tode  (Chänd.  5,3  fg. 
Brih.  6,2),  also  gerade  um  die  wichtigsten  Punkte  der  Upa- 
nishadlehre  handelt,  dafs  in  ihnen  nicht  nur  der  König  als 
der  Wissende,  sondern  ausdrücklich  daneben  der  Brahmane 
als  der  Nichtwissende  oder  Falschwissende  erscheint,  und  dafs 
diese  Erzählungen  uns  von  den  vedischen  Qäkhä's,  also  von 
den  Brahmanen  selbst  überliefert  werden,  so  wird  man  den 
Schlufs,  wenn  nicht  mit  völliger  Sicherheit,  so  doch  mit  hoher 
Wahrscheinlichkeit  ziehen  müssen,  dafs  tatsächlich  die  dem 
ganzen  vedischen  Ritualwesen  so  schroff  gegenüber  stehende 
Atmanlehre,  wenn  auch  die  ersten  Urheber  Brahmanen  ge- 
wesen sein  mögen,  doch  zunächst  nicht  in  den  Kreisen  der 
Brahmanen,  sondern  in  denen  der  Kshatriya's  aufgenommen 
und  gepflegt,  und  von  den  Brahmanen  erst  späterhin  über- 
nommen worden  ist. '  Die  Tatsache  aber,  welche  namentlich 
in  den  letztangeführten  Stellen  ausgesprochen  wird,  dafs  die 
Brahmanen  lange  Zeit  hindurch  nicht  in  den  Besitz  dieser 
Lehren  gelangt  sind,  nach  denen  sie  sich  doch  sehr  begehrlich 
zeigen,  wird  sich  am  einfachsten  durch  die  Annahme  erklären, 
dafs  diese  Lehren  vom  Ätman  ihnen  geflissentlich  vorenthalten, 
dafs  dieselben  unter  den  Kshatriya's  in  engerem  Kreise  und 
unter  Ausschliefsung  der  Brahmanen,  d.  h.  in  UpanishacVs  fort- 
gepflanzt wurden.  Die  allegorische  Deutung  des  Rituals  im 
Sinne  der  Atmanlehre,  wiewohl  eine  solche  auch  schon  in 
Kshatriyakreisen  mag  geübt  worden  sein  (vgl.  Chänd.  1,9,2), 
konnte  in  gröfserem  Umfange  doch  wohl  erst  nach  Übernahme 
der  neuen  Lehre  durch  die  Brahmanen  betrieben  werden,  daher 
die  dritte  der  oben  angeführten  Bedeutungen  des  Wortes 
wpanishad  als  „geheimer  Sinn"  (irgend  eines  rituellen  Be- 
griffes) wohl  erst  eine  sekundäre  ist.  Fragen  wir  aber  weiter, 
welche  von  den  beiden  übrigen  Bedeutungen,   1)  Geheimwort, 

2* 


20  A.   Einleitung:   IL  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

2)  Geheimtext,  die  ursprünglichere  ist,  so  dürfte  der  Übergang 
von  der  zweiten  zur  ersten  ebenso  schwer  zu  verstehen  sein, 
wie  der  von  der  ersten  zur  zweiten  sehr  natürlich  und  be- 
greiflich ist. 

Wir  dürfen  also  annehmen,  dafs  die  Lehre  vom  Atman 
als  dem  Prinzip  der  Welt,  deren  allmähliche  Entstehung  wir 
durch  die  Hymnen  des  Rigveda  und  Atharvaveda  verfolgt 
haben,  in  Opposition  zu  dem  brahmanischen  Eitualwesen  von 
den  Kshatriya's  gepflegt  und  fortentwickelt  wurde,  wobei  dann 
die  neue  Erkenntnis  in  ganz  kurze,  nur  dem  Eingeweihten 
verständliche  Worte  oder  Formeln  wie  tadvanam,  tajjalän, 
satyasya  satt/am,  samyadväma,  vämani,  bliämam  usw.  gefafst 
wurde;  eine  solche  Formel  hiefs  dann,  von  ihrer  Mitteilung 
und  Erklärung  unter  Ausschlufs  der  Öffentlichkeit,  eine  Upa- 
nisliad.  Natürlich  waren  dieselben  von  mündlichen,  ebenfalls 
geheim  gehaltenen  Erklärungen  begleitet,  aus  welchen  nach 
und  nach  die  ersten  Updnishad  genannten  Texte  hervorgingen. 
Als  Beispiele  solcher  Geheimworte  nebst  geheimer  Erklärung 
kann  die  Art  dienen,  wie  Brih.  5,4  tad  vai  tad  oder  Brih.  5,12 
vi-ram  besprochen  wird.* 

Auf  diese  und  ähnliche  Weise  entstanden  die  Geheim- 
lehren, d.  h.  die  Vidyas,  von  denen  in  den  Upanishad's  so  viel 
die  Rede  ist.  Ihre  Urheber  oder  alleinigen  Besitzer  waren  be- 
rühmt im  Lande;  man  pilgerte  zu  ihnen  hin,  diente  ihnen 
lange  Jahre  als  Schüler  (Chand.  4,10,2),  brachte  ihnen  reiche 
Gaben  dar  (Chand.  4,2,1),  um  dafür  die  Mitteilung  der  Vidyä 
zu  erhalten.  Bei  vielen  dieser  Vidyä's  ist  der  Name  des  Er- 
finders erhalten;  ja,  manche  derselben  sind  von  einer  förm- 
lichen Genealogie   begleitet,  welche  den  ersten  Urheber   und 


*  In  der  Erklärung  dieser  Geheimworte  bestand  nicht  immer  Über- 
einstimmung. So  wird  die  Definition  des  -Brahman  als  pürnam  apravarti 
Chänd.  3,12,7  gebilligt,  hingegen  Brih.  2,1,5  (Kaush.  4,8)  für  unzulänglich 
befunden.  Noch  interessanter  liegt  der  Fall  bei  der  Upanishad  Brih.  1,6,3 
amrüam  satyena  channam,  welche  von  andern  als  anritam  satyena  chan- 
nam aufgefai'st  und  dementsprechend  Brih.  5,5,1  (anritam  ubhayatah 
satyena  parigriMtam)  und  wieder  anders  Chänd.  8,3,5  erklärt  wurde. 
Ähnlich  erfährt  auch  das  alte  Rishiwort  pänlctam  idam  sarvam  Brih.  lr4>17 
und  Taitt.  1,7  eine  verschiedene  Auslegung. 


1.   Erster  Ursprung  der  Upanisbad's.  21 

die  folgenden  Besitzer  aufzählt  und  gewöhnlich  mit  der  Mah- 
nung schliefst,  die  Lehre  nur  dem  eignen  Sohne  oder  ver- 
trauten Schüler  mitzuteilen. 

Den  geeigneten  Boden  für  ihre  gedeihliche  Fortentwick- 
lung fanden  diese  Lehren  aber  erst  dadurch,  dafs  sie  aus  den 
Kreisen  der  Kshatriya's,  in  welchen  sie  ursprünglich  heimisch 
waren,  in  der  Weise,  die  wir  oben  an  einigen  Beispielen 
kennen  gelernt  haben,  zu  den  ein  festes  System  schulmäfsiger 
Tradition  besitzenden  Brahmanen  übergingen.  Diese  nahmen 
die  neue  Ätmanlehre,  so  sehr  dieselbe  auch  im  Grunde  mit 
dem  vedischen  Götterkultus  und  dem  brahmanischen  Ritual- 
system in  Widerspruch  steht,  mit  Begierde  auf,  verwoben  sie 
durch  allegorische  Umdeutung  mit  der  rituellen  Tradition  und 
gliederten  sie  dem  Lehrpensum  ihrer  Schulen  an:  die  Upa- 
nishad's  wurden  zum  Vedänta.  — 

Bald  nahmen  die  Brahmanen  die  neue  Lehre  als  ihr  Privi- 
legium in  Anspruch;  sie  wufsten  von  Fürsten  und  Vornehmen, 
wie  Janaka,  Jänacruti  usw.,  zu  erzählen,  welche  sich  von 
Brahmanen  belehren  lassen;  rituelle  Autoritäten  wie  Qändilya, 
Yäjnavalkya  wurden  zu  Urhebern  und  Trägern  der  Upanishad- 
gedanken,  die  Vedatradition  wurde  zur  Voraussetzung  der 
Ätmanlehre  gemacht: 

Nur  wer  den   Veda  kennt,  versteht  den  grofsen 
Allgegenwärt'gen  Atman,  — 

wie  es  in  einer  schon  oben  (I,  i,  S.  334)  angeführten  Brähmana- 
stelle  heilst. 

Nach  Übernahme  des  Upanishadgedankens  durch  die 
Qakhä's  und  Eingliederung  desselben  in  ihr  vedisches  Lehr- 
programm, hat  derselbe  unter  den  Händen  der  Vedalehrer  eine 
mannigfache  Fortentwicklung  und  Ausgestaltung  erfahren. 
Zunächst  brachten  sie  denselben  in  Einklang  mit  der  rituellen 
Überlieferung,  indem  sie  diese  (in  den  Aranyaka's)  im  Geiste 
der  Ätmanlehre  umdeuteten,  wobei  die  Anhänger  des  Rigveda 
an  das  uktham  (Hymnus),  die  des  Säinaveda  an  das  sdman, 
die  des  Yajurveda '  an  das  Opfer,  namentlich  an  das  Rofsopfer 
als  höchste  Form  desselben,  anknüpften.  Weiter  aber  gestal- 
teten sie  die  neue  Lehre  in  einer  Weise  aus,  welche  sich  ganz 


22  A.    Einleitung:   IL  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

frei  über  den  traditionellen  Kultus  erhob,  ja,  mit  demselben 
in  offenen  Widerspruch  trat.  Hierbei  mufs  zwischen  den  ver- 
schiedenen Schulen  ein  reger  Verkehr  und  Austausch  statt- 
gefunden haben.  Definitionen,  welche  von  den  einen  hoch- 
gehalten wurden,  fanden  bei  andern  keine  Billigung;  manche 
Lehrer,  welche  bei  der  einen  Qäkha  die  höchste  Autorität 
bilden,  erscheinen  bei  andern  in  untergeordneter  Stellung 
(Äruni)  oder  werden  gar  nicht  genannt  (Yäjnavalkya).  Manche 
Texte  erscheinen  mit  geringen  Abänderungen  in  verschiedenen 
Vedaschulen,  sei  es  dafs  sie  direkt  übernommen  wurden,  sei 
es  dafs  sie  beiderseitig  auf  eine  gemeinsame  ältere  Vorlage 
zurückgehen.  Andere  Texte  erscheinen  in  mehrfachen,  oft  sehr 
ähnlichen,  oft,  auch  stark  von  einander  abweichenden  Rezen- 
sionen in  derselben  Qäkhä  heben  einander.  Dieses  reiche  geistige 
Leben,  dessen  Einzelheiten  sich  schwerlich  mehr  feststellen 
lassen  werden,  mag  wohl  Jahrhunderte  lang  gedauert  und  die 
Grundgedanken  der  Lehre  vom  Atman  durch  Meditation  ein- 
zelner Denker,  im  vertraulichen  Zwiegespräche,  vor  einem  ge- 
wählten Kreise  von  Schülern,  ja  wohl  auch  durch  öffentliche 
Disputationen  an  Höfen  der  Fürsten,  zu  immer  vollerer  Ent- 
faltung gebracht  haben.  Als  Endresultat  dieses  geistigen  Pro- 
zesses haben  wir  die  ältesten,  uns  erhaltenen  Upanishad's  zu 
betrachten. 


2.  Die  vorhandenen  Upanishad's. 

Bei  der  Art,  wie  die  Upanishad's  durch  die  Tätigkeit 
der  verschiedenen  Vedaschulen  und  im  Wechselverkehr  der- 
selben unter  einander  entstanden  sind,  kann  von  einer  streng 
durchführbaren  chronologischen  Abfolge  derselben  keine  Rede 
sein.  Jede  der  grofsen  Upanishad's  enthält  ältere  und  jüngere 
Texte  neben  einander,  daher  das  Alter  jedes  einzelnen  Stückes 
für  sich  bestimmt  werden  mufs,  soweit  dies  aus  der  Stufe 
der  Entwicklung,  auf  der  die  in  ihm  enthaltenen  Gedanken 
stehen,  möglich  ist.  Hier,  wo  wir  noch  von  den  Upanishad's 
im  ganzen  handeln,  kann  nur  von  einer  vorläufigen  und  an- 
nähernden Bestimmung  der  Periode  die  Rede  sein,  welcher  im 
grofsen  und  ganzen  eine  Upanishad  angehört. 


2.  Die  vorhandenen  Upanishad's.  23 

Wir    unterscheiden    zunächst    vier,    zeitlich    aufeinander- 
folgende, Perioden,  denen  sich  sämtliche  Upanishad's  einordnen 

lassen. 

I.    Die  alten  Prosa-Upanishad's: 
Brihadäranyalca  und  Chändogya, 

Taittiriya, 

Aitareya, 

KcmshUaM, 

Kena,  welche  auf  der  Grenze  steht. 
Sie  sind  sämtlich  die  Vedäntatexte  wirklich  vorhandener  Qäkhä's, 
sind  in  ihren  Anfangsteilen  zumeist  noch  mit  den  Brähmana's 
und  Äranyaka's  verwachsen,  deren  Fortsetzung  sie  bilden,  und 
deren  rituelle  Begriffe  vielfach  allegorisch  umgedeutet  werden. 
Erst  die  spätem  und,  wie  wir  annehmen  dürfen,  Jüngern  Teile 
erheben  sich  freier  über  das  Ritual.  Die  Sprache  ist  fast  noch 
ganz  die  alte  Prosa  der  Brähmanatexte,  etwas  schwerfällig, 
umständlich  und  ungeschickt,  aber  nicht  ohne  natürliche  An- 
mut. Die  von  uns  aufgestellte  Reihenfolge  dürfte  im  ganzen 
auch  die  chronologische  sein.  Brihadäranydka  und  Chändogya 
sind,  wie  die  umfangreichsten,  so  auch  im  allgemeinen  die 
ältesten  der  uns  erhaltenen  Upanishad's;  unter  ihnen  wiederum 
zeigt,  wie  wir  noch  oft  sehen  werden,  Brihadäranyaka  fast 
überall  in  der  Haltung  der  Texte  die  gröfsere  Ursprünglich- 
keit, wie  denn  auch  der  Literaturkreis  von  Chänd.  7,1,4  (7,2,1. 
7,7,1)  erheblich  weiter  ist  als  der  von  Brih.  2,4,10  (4,1,2.  4,5,11; 
vgl.  Up.  S.  484  n.).  —  Taittiriya  ist  schon  ihrem  mittleren 
Teile  nach  jünger  als  Chändogya;  vgl.  Chänd.  6,2  (drei  Ele- 
mente) und  Taitt.  2,1  (fünf  Elemente).  Aitareya  ist  jünger 
als  Chändogya  (Chänd.  6,3,1  drei,  Ait.  3,3  vier  Arten  orga- 
nischer Wesen)  und  als  Taittiriya  (vgl.  Taitt.  2,6,  „nachdem 
er  sie  geschaffen,  ging  er  in  dieselbe  ein",  mit  der  weiter  aus- 
gemalten Darstellung  Ait.  1,3,12).  KcmshUaM  endlich  ist  jünger 
als  alle  genannten  (Kaush.  1  ist  weniger  ursprünglich  als 
Chänd.  5,3  fg.,  Brih.  6,2;  Kaush.  3  mufs  später  als  Ait.  3,3, 
Kaush.  4  später  als  Brih.  2,1  sein).  Auf  der  Grenze  dieser 
Periode  steht  Kena,  welche  vermöge  des  ersten,  metrischen 
Teiles  schon  der  folgenden  Epoche  angehört. 


24  A.   Einleitung:   II.  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

IL    Die  metrischen  Upanishad's. 
Den  Übergang  bilden  Kena  1 — 13  und  die  ohne  Zweifel 
später  eingelegten  Verse  Brih.  4,4,8 — 21.     Dann  folge«: 
KäthaJca, 

Icä, 

(Jretacvatara, 

Mundaka, 

Mahdnäräyana. 
Mahänäräyana  benutzt  schon  Mundaka  (vgl.  zu  Mund.  2,1,9 
unsere  Anm.  Up.  S.  551  fg.),  Mundaka  scheint  Qoetägvotara 
zu  benutzen  (Up.  S.  555  Anm.  1 — 2);  frä  scheint  im  ganzen 
unentwickelter,  auch  freier  von  sektiererischen  Neigungen  als 
Qvet.  zu  sein,  erscheint  aber  mehrfach  als  abhängig  von  Käthdka 
(vgl.  namentlich  Icä  8  mit  Käth.  5,13).  Dafs  Qvet.  später  ist 
als  Käth.,  unterliegt  keinem  Zweifel,  ja,  es  ist,  nach  den  von 
uns  Up.  S.  289  gesammelten  Stellen  sehr  wahrscheinlich,  dafs 
Käth.  bei  der  Komposition  von  Qvet.  direkt  benutzt  worden  ist. 
Der  Unterschied  dieser  Periode  gegen  die  vorhergehende 
ist  sehr  grofs.  Der  Zusammenhang  mit  den  Qäkhä's  erscheint 
teils  zweifelhaft,  teils  künstlich  gemacht,  ist  unter  allen  Um- 
ständen nur  ein  lockerer;  die  äranyaka-artigen  Allegorien  feh- 
len; der  Upanishadgedanke  ist  nicht  mehr  in  der  Entwicklung 
begriffen,  sondern  erscheint  überall  als  ein  fertig  überkom- 
mener; bestimmte  Verse  und  Wendungen,  in  denen  er  sich 
ausprägt,  kehren  überall  wieder;  eine  Phraseologie  hat  sich 
bereits  gebildet;  die  Sprache  ist  fast  durchweg  metrisch. 

III.    Die  Jüngern  Prosa-Upanishad's: 

Pragna, 

Maiträyaniya, 

Mdndukya. 
In  dieser  dritten  Periode  wendet  sich  die  Upanishad- 
produktion  wieder  der  Prosa  zu,  jedoch  einer  Prosa,  welche  von 
der  archaischen  Sprache  der  alten  Upanishad's  sehr  merklich 
verschieden  ist,  wenn  sie  auch,  namentlich  in  Maiträyana,  einen 
archaistischen  Anstrich  anstrebt.  Der  Stil  erinnert  schon  an 
den  der  spätem  Sanskritprosa:   er  ist  kompliziert,  gewunden, 


2.   Die  vorhandenen  Upanishad's.  25 

reflektierend;  die  Abhängigkeit  der  Gedanken  von  denen  der 
frühem,  prosaischen  wie  metrischen,  Upanishad's  bekundet 
sich  durch  zahlreiche  Zitate  und  Entlehnungen.  Dafs  Pragna 
jünger  ist  als  Mundaka,  ergibt  sich  daraus,  dafs  sie  diese 
zitiert  (Pragna  3,5);  dafs  sie  älter  ist  als  Maüräyaniya  daraus, 
dafs  sie  von  derselben  zitiert  wird  (Maitr.  6,5,  Up.  S.  333).  Die 
Stellung  von  Mdndüfoja  ist,  bei  der  Kürze  derselben,  schwer 
bestimmbar;  doch  erscheint  die  Theorie  über  Om  Mänd.  §  3, 
Up.  S.  581  entwickelter  als  Maitr.  6,4,  Up.  S.  332.  Die  meisten 
der  bisher  aufgezählten  Upanishad's  haben-  noch,  zum  Teil  unter 
sehr  zweifelhaftem  Rechtstitel,  Aufnahme  in  den  drei  altern 
Veden  gefunden;  nur  drei  derselben,  Mundaka,  Pragna  und 
Mändükya,  scheinen  von  Haus  aus  dem  Atharvaveda  angehört 
zu  haben,  und  zwar  Mundaka  und  Pragna  als  die  ursprüng- 
lichen, legitimen  Upanishad's  dieses  vierten  Veda.  Beide 
knüpfen  an  Qaunaka  und  Pippaläda,  die  Begründer  der  Qäkhä's 
des  Atharvaveda,  an;  die  spätem  Sammlungen  von  Atharva- 
Upanishad's  beginnen  in  der  Regel  mit  Mundaka  und  Pragna, 
und  nur  diese  beiden  werden  nachweislich  von  Bädaräyana 
und  £ankara  anerkannt  und  benutzt. 

IV.    Die  spätem  Atharva-Upanishad's. 

Auch  die  spätere  theologische  Produktion  behielt  die  Form 
der  Upanishad's,  als  eine  bequeme  und  in  geheiligtem  An- 
sehen stehende  Art  der  literarischen  Komposition,  bei,  wäh- 
rend sich  das  Denken  teils  mit  Fortbildung  älterer  Themata 
beschäftigte  oder  doch  nicht  wesentlich  von  den  herkömm- 
lichen Geleisen  abwich  (Garbha,  Pränägnihotra ,  Pinda,  Atma,. 
Sarvopanishatsära,  Gäruda),  teils  der  Verherrlichung  des  Yoga 
(Brahmavidyä,  Kshurilcä,  Cülikä,  Nädabindtt,  BraJimabindu, 
Arm itabincki,  Dhyänabindu,  Tejobindu,  Yogagikhä,  Yogatattva, 
Hansa)  und  des  Sannyäsa  (Brahma,  Sannyäsa,  Aruneya,  Kantha- 
gruti,  Paramahansa,  Jäbäla,  Agrama)  sich  zuwandte.  Die  Ver- 
schiedenheit beider  Richtungen  gibt  sich  auch  darin  zu  er- 
kennen, dafs  fast  ausnahmslos  die  Yoga-Upanishad's  in  Versen, 
die  Sannyäsa -Upanishad's  in  Prosa  mit  eingelegten  Versen 
verfafst  sind.  Eine  weitere  Klasse  von  Upanishad's  ist  dem 
Civa-Kultus  (Aiharvagiras,  Aiharvagilchä,   Xilarudra,  Kälägni- 


26  A.   Einleitung:   IL  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

rudra,  Kaivalya)  oder  dem  Vishnukultus  (Malta.  Ndrdyana, 
Atmabodha,  Nrisinhatäpamya,  Rämatäpaniya)  zugewandt,  um 
denselben  im  Sinne  der  Yedäntalehre  umzudeuten.  Sie  sind 
meist  in  Prosa,  vereinzelt  auch  in  Versen  abgefafst.  Alle  diese 
Upanishad's  haben  Aufnahme  im  Atharvaveda,  aber  keine  An- 
erkennung von  Seiten  der  leitenden  Vedäntatheologen  gefunden. 

3.   Die  upanishad's  bei  Bädaräyana  und  Qankara. 

Den  ersten  Spuren  einer  Zusammenfassung  der  verschie- 
denen Upanishad's  begegnen  wir  schon  in  diesen  selbst.  So, 
wenn  Qvet.  5,6  „die  den  Geheimteil  des  Veda  bildenden  Upa- 
nishad's" (vßda-guhya-upanishadak)  erwähnt  werden;  und  auch 
die  Stelle  Qvet.  6,22,  „vor  Zeiten  ward  im  Vedänta  höchstes 
Geheimnis  ausgebracht",  scheint  auf  die  altern  Upanishad's 
als  ein  zusammengehöriges  Ganze  und  schon  aus  einer  gewissen 
Entfernung  zurückzublicken.  Ebenso  der  dreimal  vorkommende 
Vers  Mund.  3,2,6  (Mahänär.  10,22.  Kaiv.  3),  wenn  er  von  As- 
keten (yaWs)  redet,  „die  der  Vedäntalehre  Sinn  ergriffen"  haben. 
Noch  deutlicher  erscheinen  die  Upanishad's  als  ein  zusammen- 
gehöriges Ganze,  wenn  Maitr.  2,3,  Up.  S.  318  die  Lehre  vom 
ßrahman  als  „die  Lehre  aller  Upanishad's"  (sarva-upanisliadr 
vidyä)  bezeichnet  wird.  Dafs  in  so  späten  Werken  wie  Sarva- 
upanishad-sära  oder  der  Muktikä-Upänishad  die  Upanishad's  als 
Ganzes  vorausgesetzt  werden,  ist  dabei  nicht  weiter  von  Belang. 

In  grofsem  Stile  unternahm,  ohne  Zweifel  auf  Grund 
älterer  Vorarbeiten,  eine  Zusammenfassung  der  Upanishadlehren 
Bädaräyana  in  den  Brahmasütra's,  dem  Grundwerke  des  spä- 
tem Vedänta.  Er  beweist,  dafs  Brahman  der  Grund  der 
Welt  ist,  samanvayät  „aus  der  Übereinstimmung"  der  Upa- 
nishadtexte  (1,1,4),  und  proklamiert  den  Grundsatz,  „dafs  alle 
Vedäntatexte  Glauben  verdienen"  (sarva-vedäntarpratyayam, 
3,3,1).  Welche  Upanishad's  aber  von  Bädaräyana  als  kanonisch 
anerkannt  werden,  das  läl'st  sich,  bei  der  Kürze  der  Sütra's, 
nicht  aus  diesen  selbst,  sondern  nur  aus  dem  Kommentare  des 
Qafikara  entnehmen,  bleibt  also,  da  wir  nicht  wissen,  inwie- 
weit Qankara  einer  gesicherten  Tradition  folgte,  in  vielen 
Fällen  zweifelhaft.  Mit  grosserer  Sicherheit  lassen  sich  die 
dem  Bädaräyana  vorschwebenden  Upanishadtexte  nur  im  ersten 


3.   Die  Upanishad's  bei  Bädaräyana  und  Qankara.  27 

Adhyäya  bestimmen,  wo  er  es  unternimmt,  die  Lehre  vom 
Brahman  in  28  Adhikarana's  (Abschnitten)  auf  ebensqviele 
Upanishadstellen  zu  gründen.  "Wie  in  dem  ganzen  Werke, 
spielt  auch  hier  die  Vierzahl  eine  für  die  Disposition  des 
Stoffes  entscheidende  Kolle,  indem  von  den  28  Grundstellen 
zwölf  aus  Chändogya,  vier  aus  Brihadäranyaka,  vier  aus  Käthaka, 
vier  aus  Taittiriya  und  Kaushitaki  (je  zwei  aus  jeder),  und 
vier  aus  Atharva-Upanishad's,  nämlich  drei  aus  Mundaka  und 
eine  aus  Praevia,  entnommen  sind.  Folgendes  Schema  (welches 
wir  aus  „System  des  Vedänta"  S.  130  wiederholen)  zeigt,  dafs 
die  Reihenfolge  der  Stellen,  wie  sie  innerhalb  jeder  der  be- 
nutzten Upanishad's  stehen,  genau  gewahrt  wird,  während  im 
übrigen  die  Stellen  in  einer  Weise  zusammengeflochten  er- 
scheinen, für  welche  man  nur  hier  und  da  in  der  Zusammen- 
gehörigkeit des  Inhalts  einen  Grund  zu  erkennen  glaubt. 

1)  1,1,12- 19 Taitt.  2,5 

2)  —,20—21  Chänd.  1,6,6 

3)  —,22  Chänd.  1,9,1 

4)  -,23  Chänd.  1,11,5 

5)  -.24—27  Chänd.  3,13,7 

6)  —,28—31 Kaush.  3,2 

7)  1,2, 1—  8  Chänd.  3,14,1 

8)  — ,  9—10 Käth.  2,25 

9)  -,11—12 Käth.  3,1 

10)  —,13—17  Chänd.  4,15,1 

11)  —,18—20 Brih.  3,7,3 

12)  —,21—23 ' Mund.  1,1,6 

13)  —,24—32  Chänd.  5,11—24 

14)  1,3, 1—7    Mund.  2,2,5 

15)  — ,  8—  9  Chänd.  7,23 

16)  —.10—12 Brih.  3,8,8 

17)  — ,13         Pragna  5,5 

18)  —14—18  Chänd.  8,1,1 

19)  —,19— 2  t  Chänd.  8,12,3 

20)  -,22-23 Mund.  2,2,10 

21)  —24-25 Käth.  4,12 

22)  —,39       Käth.  6,1 

23)  —,40      Chänd.  8,12,3 

24)  —41       Chänd.  8,14 

25)  —,42—43 Brih.  4,3,7 

26)  1,4,14-15 ." Taitt.  2,6 

27)  —16—18 Kaush.  4,19 

28)  —,19-22 Brih.  4,5,6 


28  A.   Einleitung:   II.  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

Die  auffallende  Bevorzugung  von  Chändogya  läfst  ver- 
muten, dafs  bereits  eine  aus  der  Schule  dieser  Upanishad  her- 
rührende Vorarbeit  vorlag,  in  welche  dann  von  Bädaräyana 
oder  schon  von  einem  Frühern  sechzehn  Hauptstellen  anderer 
Qäkha  s,  gleichfalls  unter  Wahrung  des  Prinzips  der  ursprüng- 
lichen Reihenfolge  der  Stellen,  hineingearbeitet  wurden.  Aufser 
den  genannten  Upanishad's  läfst  sich  für  Bädaräyana  mit 
einiger  Sicherheit  nur  noch  die  Benutzung  von  Qvetägvatara 
(Sütram  1,4,8 — 10),  Aitareya  (Sütram  3,3,16 — 17),  und  viel- 
leicht Jäbäla  (Sütram  1,2,32)  nachweisen.  Was  aber  die  Sütram 
3,3,25  erwähnte  Verwünschungsformel  betrifft,  welche  nach 
Qankara  „am  Eingange  einer  Upanishad  der  Atharvanika's"- 
stehen  soll,  und  die  sich  nirgendwo  finden  lassen  will,  so 
möchte  ich  jetzt  vermuten  (da  Bädaräyana  und  Qankara  im 
ganzen  Werke  von  den  Atharva- Upanishad's  nur  Mundaka 
und  Pracna  benutzen,  mithin  auch  nur  diese  anerkennen,  und 
da  sie  die  jener  Verwünschungsformel  folgende  Upanishad  als 
berechtigt  anzuerkennen  scheinen),  dafs  die  gedachte  Formel 
sich  damals  am  Eingang  einer  jener  beiden,  vielleicht  der 
Mundaka-Upanishad,  befunden  haben  mag,  etwa  in  der  Weise, 
wie  die  Qäntiformeln,  welche  vor  den  Upanishad's  in  einigen 
Handschriften  vorhergehen  und  in  andern  fehlen. 

An  Bädaräyana's  Brahmasütra's  schliefst  sich  der  grofse 
Kommentar  des  (Jankara  (angeblich  800  p.  C.)  über  dieselben, 
welchem  aufserdem,  unter  andern  Werken,  die  in  der  Bibl. 
Ind.  (vol.  IL  III.  VII.  VIII)  edierten  Kommentare  zu  Bri- 
J/adäranyaka,  Chändogya,  Taittiriya,  Aitareya,  Qvetägvatara, 
Igä,  Kena,  Katlia,  Pragna,  Mundaka  und  Mändükya  zugeschrieben 
werden.  Es  fehlen  also  Kommentare  von  Qankara  über  Kau- 
shitaki,  welche  erst  von  Qankaränanda  (nach  Hall,  Index 
p.  98.  123  Lehrer  des  Mädhava,  der  1350  p.  C.  blühte),  und 
Maibfäyaniya,  welche  von  Bämatirtha  kommentiert  wurde. 
Aber  auch  die  Kommentare  zu  den  genannten  elf  Upanishad's 
rühren  teilweise  wohl  nicht  von  Qankara  selbst,  sondern  nur 
aus  seiner  Schule  her,  da  die  Erklärungen  der  Upanishad- 
Kommentare  mit  den  im  Sütra-Kommentar  gegebenen  öfter 
nicht  zusammenstimmen  (vgl.  Up.  S.  478  n.  570  n.).  Der  unter 
Caiikara's   Namen   überlieferte  Kommentar  zu  MändüJoyd   be- 


3.  Die  FpanishacT s  bei  Bädaräyana  und  <>nkara.  99 

handelt  diese  mit  Gaudapädä's  Kärikä  als  Einheit  und  scheint 
das  Ganze  noch  gar  nicht  als  Upanishad  anzusehen  (p.  330: 
vedänta- artha-smra-sangräha-ihütam  idam  prakardna-catuslita- 
yam  (om  iti  etad  ahsharam'  ity-ädi  ärdbliyate) ,  wozu  stimmen 
würde,  dafs  Mändükya  weder  in  den  Brahmasütra's  noch  im 
Kommentar  des  Qankara  über  dieselben  zitiert  wird,  während 
zwei  Verse  der  Kärikä  des  Gaudapäda  (3,15  und  1,16)  von 
Qankara  p.  375,3.  433,1  mit  den  Worten  atra  uMani  veddnta- 
artJia-sanijn-adayacidhhir  äcäryaih  angeführt  werden.  Im  Kom- 
mentar zu  den  Brahmasütra's  werden  von  Qankara  nachweis- 
lich (vgl.  System  des  Vedänta  S.  32  fg.)  nur  folgende  vierzehn 
Upanishad's  zitiert,  wobei  die  beigefügten  Ziffern  die  Anzahl 
der  Zitate  bezeichnen:  Chändogya  810,  Brihadäranyaha  567, 
Taittiriya  142,  Mundaka  129,  Kätliaka  103,  KaMsMtaM  88, 
(Jvetägvatara  53,  Pragna  38,  Aitareya  22,  Jäbäla  13,  Mahdnä- 
räyana  9,  lca  8,  Paingi  6,  Kena  5. 

Obgleich  £ankara  diese  von  ihm  anerkannten  Vedäntatexte 
durchaus  als  einen  einheitlichen,  widerspruchlosen  Kanon  der 
Erkenntnis  der  Wahrheit  betrachtet*,  so  scheint  ihm  doch  noch 
keine  Sammlung  der  Upanishad's  vorgelegen  zu  haben,  da  er 
die  meisten  derselben  noch  als  die  Schlufskapitel  der  zugehö- 
rigen Brähmana's  vor  Augen  hat,  an  die  er  daher  zu  Eingang 
des  Upanishadkommentars  anzuknüpfen  pflegt.    So  sagt  er  in 


*  Man  vergleiche  seine  Erklärung  zu  Sütram  3,3,1 ;  p.  843  (S.  550 
unserer  Übersetzung):  „Wie  kann  also  da  der  Gedanke  kommen,  ob  die 
Lehren  über  Brahman  verschieden  oder  nicht  verschieden  seien?  Denn 
man  kann  doch  nicht  behaupten,  dafs  es  die  Absicht  des  Vedänta  sei, 
ähnlich  wie  es  eine  Vielheit  von  Werken  gibt,  auch  eine  Vielheit  des 
Brahman  zu  lehren;  indem  das  Brahman  eines  und  eingestaltig  ist.  Auch 
geht  es  nicht  an,  dafs  über  das  eingestaltige  Brahman  verschiedengestaltige 
Lehren  bestehen;  denn  dafs  anders  die  Sache  und  anders  die  Erkenntnis 
der  Sache  sei,  ist  notwendigerweise  ein  Irrtum.  Und  gesetzt  den  Fall, 
es  würden  über  das  einheitliche  Brahman  vielheitliche  Lehren  in  den  ver- 
schiedenen Vedäntatexten  mitgeteilt,  so  könnte  nur  eine  derselben  richtig, 
die  andern  hingegen  würden  falsch  sein,  und  die  Folge  wäre  der  Verlust 
des  Vertrauens  auf  den  Vedänta!  [Dieses  aber  ist,  in  ^ankara's  Augen, 
eine  d-ayuyr]  d;  to  dcSuvatov.]  Es  ist  also  nicht  daran  zu  denken,  dafs 
in  den  einzelnen  Vedäntatexten  eine  Verschiedenheit  der  Lehren  über 
Brahman  statthabe." 


30  A.   Einleitung:   II.  Zar  Geschichte  der  Upanishad's. 

der  Einleitung  des  Kommentars  zu  Kcna  (Bibl.  Ind.  p.  28), 
nach  Zitierung  ihres  Anfanges,  derselbe  sei  „der  Anfang  des 
neunten  Adhyäya  [in  der  von  Ortel  herausgegebenen  Rezension 
gehört  sie  zum  vierten  Adhyäya,  vgl.  Up.  S.  62.  203  n.] ;  vor 
demselben  sind  die  Werke  vollständig  behandelt  worden;  auch 
wurden  die  Verehrungen  des  allen  Werken  als  Grundlage 
dienenden  Präna  gelehrt,  sowie  auch  die,  welche  sich  auf  das 
ein  Glied  der  Werke  bildende  Säman  beziehen.  Dann  folgte 
die  Betrachtung  des  Gäyatra-säman  und  schlofs  mit  der  Lehrer- 
liste; alles  dies  Genannte  gehört  noch  zu  den  Werken"  usw. 
—  Zu  Chändogya,  p.  2:  „Das  ganze  Ritual  ist  durchgegangen 
worden,  sowie  auch  die  Erkenntnis  des  Präna- Agni  usw. 
als  Gottheit".  —  Zu  Taittiriya,  p.  2:  „Die  ständigen  Werke, 
welche  dazu  dienen,  begangene  Vergehen  zu  tilgen,  sowie  die 
wunschhaften  Werke  für  solche,  die  einen  bestimmten  Lohn 
begehren,  sind  in  dem  vorhergehenden  Teile  des  Buches  (pur- 
vasmin  granthe)  durchgegangen  worden".  —  Zu  Srihadäranyaka, 
p.  4:  „Der  Zusammenhang  dieser  (Upanishad)  mit  dem  Werk- 
teile ist  folgender"  usw.  —  Zu  l§ä,  p.  1:  „Die  Mantra's 
igä  väsyam  usw.  finden  nicht  [wie  man  erwarten  sollte]  Ver- 
wendung bei  den  Werken,  sondern  offenbaren  die  Wesenheit 
des  nicht  zu  den  Werken  gehörigen  Ätman".  —  Zu  Aitareija, 
p.  143:  „Die  Werke  mitsamt  der  auf  das  niedere  Brahman 
bezüglichen  Erkenntnis  sind  absolviert"  usw, 

Alle  diese  Upanishad's  scheinen,  nach  den  mitgeteilten 
Bemerkungen  zu  schliefsen,  dem  Qahkara  noch  als  Schlufsteile 
der  betreffenden  Brähmana's  vorgelegen  zu  haben.  Hingegen 
fehlt  eine  derartige  Anknüpfung  an  einen  vorhergehenden 
Werkteil  in  den  Kommentaren  zu  Käthaka  und  Qvctärvatara. 
Ebenso  bei  Mundaka  und  Pragna,  welche  beiden  von  Qankara 
als  eine  Art  Einheit  behandelt  werden;  in  der  Einleitung  zu 
Pracna,  p.  160,2,  bemerkt  er:  „um  die  in  den  Mantra's  [der 
Mundaka-Upanishad,  wie  der  Glossator  richtig  ergänzt]  ge- 
lehrte Sache  weiter  auszuführen,  wird  dieses  Brähmanam 
[die  Prac,na-Upanishad]  unternommen".  Da  übrigens  Mundaka 
und  Pracna  gar  keine  Verwandtschaft  zeigen,  wie  sie  denn 
auch  an  verschiedene  Qäkhä's  des  Atharvaveda  (die  des  Qau- 
nafca  und  die  des  Pippaläda)  anknüpfen,   so   erklärt   sich  die 


3.  Die  Upanishad's  bei  Bädaräyana  und  (j'ankara.    '  31 

Einheit,  in  welcher  £ankara  sie  betrachtet,  wohl  nur  daraus, 
dafs  sie  schon  zu  seiner  Zeit  zusammengefafst  waren  als  erster 
Anfang  und  Grundstock  einer  Sammlung  der  Atharva- Upa- 
nishad's. Wahrscheinlich  bestand  damals  die  Sammlung  nur 
aus  diesen  beiden,  da  sonst  die, andern  wohl  nicht  so  voll- 
ständig von  Qankara  hätten  ignoriert  werden  können,  wie  dies 
tatsächlich  geschieht.  Zwar  bemerkt  der  Glossator  Anan- 
dajnäna  zum  Eingange  von  Qankara's  Korrtmentar  zu  Mundaka 
(p.  258):  „Anfangend  mit  der  Brahma- Upanishad  [er  meint 
wohl  Brahmavidyä-Up.]  und  Garbha-Upanishad  sind  noch  viele 
Upanishad's  des  Atharvaveda  vorhanden;  aber  da  sie  im  Qäri- 
rakam  (den  Brahmasütra's  des  Bädaräyana)  nicht  verwendet 
werden,  so  wird  er  (Qankara)  diese  nicht  erklären".  Dieser 
Grund  ist  wohl  nicht  ausreichend ;  denn  welche  Upanishad's  im 
Qärirakam  vorkommen  und  welche  nicht,  das  konnte  nur  durch 
die  Tradition  oder  Qankara  selbst  bestimmt  werden.  Es  mufs 
also  die  Tradition  oder  Qahkara  selbst  gewesen  sein,  welche 
aus  dem  Kanon  weitere  Upanishad's  ausschlössen,  sei  es,  dafs 
dieselben  noch  nicht  bekannt  waren,  sei  es,  dafs  sie  noch  nicht 
als  Upanishad's  anerkannt  wurden,  wie  denn  ja  Qahkara  die 
Mändükya,  die  er  doch  selbst  nebst  Gaudapäda's  Kärikä  kom- 
mentiert hat,  noch  nicht  als  Upanishad,  sondern  als  ein  vedänta- 
artha-sära-sangraha-bfa'ttam  pralcaranam  „eine  den  Hauptinhalt 
des  Vedänta  befassende  literarische  Komposition"  bezeichnet. 


4.  Die  wichtigsten  Upanishadsaininlungen. 

Die  weitere  Geschichte  der  Upanishadtradition  ist  zur  Zeit 
noch  in  Dunkel  gehüllt,  und  nur  vermutungsweise  können  wir 
aus  den  vorliegenden  Sammlungen  der  Upanishad's  einige 
Schlüsse  über  die  Entstehung  derselben  zu  ziehen  versuchen. 
Diese  Sammlungen  oder  Listen  zerfallen  von  vornherein  in 
zwei  Klassen,  sofern  sie  entweder  sämtliche  Upanishad's  um- 
fassen, oder  sich  (wenigstens  der  ursprünglichen  Absicht  nach) 
nur  auf  die  Atharva-Upanishad's  beschränken.  Von  ersterer 
Art  ist  der  Kanon  der  Muktikä  und  des  Oupnek'hat,  von 
letzterer  der  des  Colebrooke  und  des  Näräyana. 

Da   die  Upanishad's   der   drei  altern  Veden  in  der  Tra- 


32  A.    Einleitung:   II.  Zur  Geschichte  der  Upanishad's. 

dition  der  CäkhA's  fortleben,  so  war,  solange  diese  bestanden, 
auch  die  sichere  Überlieferung  der  betreffenden  Upanishad's 
nicht  gefährdet.  Anders  im  Atharvaveda,  welcher  beim  Opfer 
keine  Verwendung  fand  (oben  I,  i,  S.  50)  und  infolgedessen 
nicht  von  einer  so  festen  Schultradition,  wie  die  Texte  der 
drei  altern  Veden,  getragen  wurde,  worauf  nicht  nur  die  viel- 
fache Verwahrlosung  seiner  Samhitästücke,  sondern  auch  di« 
Liberalität  hinweist,  mit  welcher  er  neuen  Produktionen  noch 
weiterhin  offen  stand,  und  welche  wohl  nicht  möglich  war,  so- 
lange die  Tradition  in  den  Händen  geordneter,  von  Geschlecht 
zu  Geschlecht  sich  zunftmäfsig  fortsetzender  Vedaschulen  lag. 
Aus  diesen  Umständen  erklärt  sich  das  massenweise  Eindringen 
neu  entstehender  Upanishad's  in  den  Atharvaveda.  Schon  bei 
Cahkara  begegneten  wir  (oben  S.  30)  einer  Zusammenfassung 
von  Mundaka  und  Pracna,  und  an  diese  als  Grundstock  scheint 
sich  nach  und  nach  eine  Sammlung  von  Atharva-Upanishad's 
gereiht  zu  haben,  welche  schliefslich  in  34  Nummern  von 
Mundaka  bis  Nriswhatäpaniyä  reichte,  und  auch  solche  Stücke 
befafste,  die  früher  gar  nicht  als  Upanishad's  gerechnet  wurden, 
wie  denn  bei  Qankara  noch  die  Kärikä  des  Gaudapada  zur 
Mändükya-Upanishad  und  sogar  diese  selbst  (oben  S.  29.  31) 
nicht  das  Ansehen  einer  Upanishad  haben.  Diese  34  ersten 
Upanishad's  der  Colebrookeschen  Liste  (Up.  S.  537)  werden 
späterhin  auf  52  erweitert,  indem  man  ihnen  nicht  nur  eine 
Anzahl  neuer  Emporkömmlinge,  sondern  merkwürdigerweise 
mit  und  unter  ihnen  sieben  von  alters  her  bekannte  Texte  der 
altern  Veden,  nämlich  35. — 36.  Kathaka,  37.  Kena,  39. — 40. 
JBrihanndräyana  (=  Taitt.  Ar.  X),  44.  Anandavalli  (=  Taitt. 
Up.  2)  und  45.  BhriguvalU  (=  Taitt.  Up.  3),  angliederte.  So 
entstand  die  von  Colebrooke  zuerst  bekannt  gegebene  Samm- 
lung der  52  Upanishad's,  deren  seltsame  Zusammensetzung 
wir  (Up.  S.  537)  durch  die  Hypothese  zu  erklären  versuchten, 
dafs  zur  Zeit  und  im  Lande  ihrer  endgültigen  Konstituierung 
die  drei  altern  Veden  nur  noch  in  den  Qäkhä's  der  Aitareyin's, 
Tändin's  (denen  die  Chändogya-Upanishad  angehört,  System 
des  Vedänta  S.  9)  und  Väjasaneyin's  gepflegt  wurden,  daher 
man  die  Upanishad's  der  übrigen  £akhä's  (mit  Ausnahme  der 
bereits  verschollenen  oder  nicht  anerkannten  KaushUuJci,   Cveta- 


4.  Die  -wichtigsten  Upanishadsammlungen.  33 

rmtara,  MaUräyaniya) ,  um  sie  vor  dem  Untergang  zu  retten, 
der  bestehenden  Sammlung  der  Atharva-Upanishad's  anreihte.* 

Mit  der  Colebrookeschen  Sammlung  stimmt  (wie  wir  Up. 
S.  538  fg.  nachgewiesen  haben)  die  Sammlung  des  Narä- 
yana,  abgesehen  von  einigen  Abweichungen  in  der  Reihen- 
folge der  letzten  Nummern,  genau  überein,  nur  dafs  sie  die 
52  Upanishad's  Colebrooke's  auf  45  zusammendrängt  und  als 
No.  46 — 52  sieben  sektarische  Texte  (zwei  Gopälatäpaniya, 
Krislma,  Väsuäeva  mit  Gopwanäana,  Quetägvatara  und  zwei 
Varaäatäpamya)  hinzufügt.  Dieses  Verhältnis  haben  wir  Up. 
S.  541  daraus  zu  erklären  versucht,  dafs  die  52-Zahl  schon 
zu  einer  Art  kanonischen  Ansehens  gelangt  war,  als  sich  der 
Wunsch  einstellte,  sieben  weitere,  neuerdings  erst  entstandene 
oder  zu  Ansehen  gelangte  Texte  einzufügen.  Dies  wurde  er- 
reicht, indem  man  die  bisherigen  52  Nummern,  durch  Zu- 
sammenfassung des  ursprünglich  Zusammengehörigen,  auf  45 
reduzierte  und  dadurch  Raum  gewann,  die  sieben  neuen  Texte 
als  unter  der  52-Zahl  einbegriffen  hinzustellen  und  dadurch 
ihre  kanonische  Anerkennung  zu  erleichtern. 

Einer  ganz  andern  Gegend  (wahrscheinlich  dem  Süden 
Indiens)  und  einer  erheblich  spätem  Zeit  scheint  die  Samm- 
lung der  108  Upanishad's,  welche  in  der  Muktikä  als 
letzter  aufgezählt  werden,  anzugehören.  Dieselbe  befafst  sämt- 
liche Upanishad's  der  Sammlung  Colebrooke's  (mit  Ausnahme 
von  Nilarudra,  Pinda,  Mahänärayana,  Agrama)  und  Näräyana's 
(mit  Ausnahme  von  Varaclatapaniya) ,  mehrfach  unter  andern 
Namen  und  zuweilen  durch  spätere  Zusätze  bis  zum  Dreifsig- 
fachen  oder  Vierzigfachen  ihres  Umfangs  erweitert,  dazu  sämt- 
liche elf  Upanishad's  der  drei  altern  Veden  (mit  Ausnahme 
von  Mahänärayana)  und  gegen  siebzig  neuer,  sonst  nirgendwo 
vorkommender,  Texte.  Schon  der  Umstand,  dafs  in  dieser 
Sammlung  auch  die  Upanishad's  der  drei  altern  Veden,  und 


*  Ein  anscheinend  älteres  Verzeichnis,  welches  nur  28  Atharva-Upa- 
nishad's, ohne  Einschiebung  der  Texte  der  altern  Veden,  aufzählt  und  im 
übrigen  (von  einer  Ausnahme  und  den  letzten  Gliedern  abgesehen)  völlig 
mit  Colebrooke's  und  Näräyana's  Liste  übereinstimmt,  ist  erhalten  Atharva» 
paricishta  2,13  (Berliner  Handschriften,  2,88). 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,n.  3 


34  A.    Einleitung:  II.  Zur  Geschichte  der  Upanisbad's. 

zwar  zu  Eingang  derselben,  auftreten,  weist  auf  eine  Zeit  und 
Gegend  hin,  in  welcher  eine  lebendige  und  stetige  Tradition 
der  Qäkhä's  nicht  mehr  bestand;  noch  mehr  das  Unterfangen, 
von  jenen  108  Upanishad's  ohne  jeden  Schein  des  Rechtes 
10  dem  Rigveda,  19  dem  weifsen,  32  dem  schwarzen  Yajur- 
veda,  16  dem  Sämaveda  und  31  dem  Atharvaveda  zuzuschrei- 
ben, —  ein  Verfahren,  gegen  welches  die  alten  Vedaschulen 
doch  wohl  protestiert  haben  würden.  Im  übrigen  ist  diese 
Sammlung  für  die  spätere  Geschichte  des  Vedänta  (vielleicht 
vorwiegend  oder  ausschliefslich  unter  den  Telugu-Brahmanen) 
von  grofsem  Interesse  und  verdient,  nachdem  sie  1896  auch 
in  einem  Devanägaridrucke  zugänglich  gemacht  worden  ist 
(vorher  war  nur  eine  Ausgabe  in  Telugucharakteren  vorhan- 
den), eine  nähere  Durcharbeitung.  Bemerkenswert  ist,  dafs 
Qafikaränanda's  Lesarten  oft  mit  denen  der  108  Upanishad's 
gegen  diejenigen  der  52  Upanishad's  und  des  Näräyana  zu- 
sammenstimmen. 

Eine  isolierte  Stellung  sowohl  den  52  als  auch  den  108 
Upanishad's  gegenüber  nimmt  diejenige  Sammlung  von  fünfzig 
Upanishad's  ein,  welche  unter  dem  Namen  Ottpnek'hat  im  Jahre 
1656  auf  Veranlassung  des  Sultans  Mohammed  Dara  Schakoh 
aus  dem  Sanskrit  ins  Persische  und  1801 — 1802  von  Anquetil- 
Duperron  aus  diesem  ins  Lateinische  übertragen  wurde.  Auch 
der  Oupnek'hat  will,  wie  die  Muktikä-Sammlung,  eine  all- 
gemeine Upanishadsammlung  sein;  er  befafst  unter  zwölf  Num- 
mern die  Upanishad's  der  drei  altern  Veden,  dazu  sechsund- 
zwanzig der  auch  anderweit  bekannten  Atharva-Upanishad's; 
ferner  enthält  er  acht  ihm  eigentümliche  Stücke,  von  denen 
vier  bisher  nirgendwo  sonst  nachgewiesen  sind  und  daher  auch 
von  uns,  Up.  S.  838  fg.,  nur  aus  dem  Persisch-Latein  des  An- 
quetil  wiedergegeben  werden  konnten.  Endlich  enthält  der 
Oupnek'hat  vier  Stücke  aus  Väj.  Samh.  16.  31.  32.  34,  deren 
erstes  in  verkürzter  Form  als  Nilarudra-  Upanisliad  auch  in 
andern  Sammlungen  vorkommt,  während  die  drei  andern  sonst 
nirgendwo  Aufnahme  gefunden  haben.  Wir  haben  dieselben,  als 
zur  Vorgeschichte  der  Upanishad's  gehörig,  oben  I,  i,  S.  156  fg., 
290  fg.,  291  fg.,  335  übersetzt  und  besprochen.  Die  Aufnahme 
dieser  Samhitästücke  in  das  Corpus   der  Upanishad's,  gleich 


4.  Die  wichtigsten  Upanishadsammlungen.  35 

als  sei  Gefahr,  dafs  sie  sonst  in  Vergessenheit  geraten  könnten, 
läfst  auf  eine  relativ  späte  Zeit  für  das  Zustandekommen  der 
Oupnek'hat- Sammlung  schliefsen,  wiewohl  schon  1656  die 
persischen  Übersetzer  diese  Sammlung  nicht  erst  veranstaltet, 
sondern  bereits  fertig  überkommen  haben,  ja,  in  der  Up.  S.  535 
angeführten  Stelle,  dieselbe  als  aus  einer  längst  vergangenen 
Vorzeit  herrührend  betrachten.  Durch  die  übergrofse  Treue, 
mit  welcher  Anquetil-Duperron  diese  50  Upanishad's  aus  dem 
Persischen,  Wort  für  Wort  und  mit  Beibehaltung  der  persi- 
schen Syntax,  ins  Lateinische  übersetzte  —  eine  Treue,  welche 
in  seltsamem  Kontraste  zu  der  Freiheit  steht,  mit  der  die  per- 
sischen Übersetzer  den  Sanskrittext  behandelt  haben  —  ist  der 
Oupnek'hat  ein  sehr  schwer  lesbares  Buch  geworden,  und  es 
bedurfte  eines  so  tief  dringen  den  Geistes  wie  Schopenhauer, 
um  in  dieser  ungeniefsbaren  Schale  einen  Kern  unschätzbarer 
philosophischer  Intuitionen  zu  entdecken  und  für  sein  System 
nutzbar  zu  machen.  Sein  Urteil  über  den  Oupnek'hat  haben 
wir  Up.  S.  VI  wiedergegeben. 

Eine  Durcharbeitung  des  vom  Oupnek'hat  gebotenen  Ma- 
terials hat  zuerst  A.  Weber,  Indische  Studien  I.  IL  IX,  an  der 
Hand  der  Sanskrittexte  unternommen.  Inzwischen  wurden 
die  Urtexte,  zum  Teil  mit  umfangreichen  Kommentaren,  in 
der  Bibliotheca  Indica  und  neuerdings  in  der  ÄnandäQrama 
Series  publiziert;  die  zwölf  ältesten  Upanishad's  übersetzte 
M.  Müller  in  den  „Sacred  Books  of  the  East"  vol.  I.  XV,  die 
beiden  gröfsten  und  einige  kleinere  sind  von  0.  Böhtlingk  in 
wörtlicher  Verdeutschung  erschienen.  Unsere  Übersetzung 
der  sechzig  Upanishad's  (Leipzig  1897,  2.  Aufl.  1905)  umfafst 
sämtliche  Texte  dieser  Art,  welche,  vermöge  ihres  regel- 
mäfsigen  Vorkommens  in  den  indischen  Sammlungen  und  Ver- 
zeichnissen der  Upanishad's,  auf  eine  gewisse  Kanonizität  An- 
spruch machen  können.  Die  beigegebenen  Einleitungen  nebst 
Anmerkungen  handeln  eingehend  über  Inhalt  und  Komposition 
der  einzelnen  Stücke,  daher  wir  hier  von  einem  weitern  Ein- 
gehen auf  diese  literarischen  Fragen  Abstand  nehmen. 


3* 


A.   Einleitung:   III.  Bedeutung  des  Upanishadgodankens. 


lil.  Der  Grundgedanke  der  Upanishad's  und  seine  Bedeutung. 

1.  Der  Grundgedanke  der  Upanishad's. 

Alle  Gedanken  der  Upanishad's  bewegen  sich  um  zwei 
Grundbegriffe;  sie  sind:  1)  das  JBrahnan  und  2)  der  Atman. 
In  der  Regel  werden  beide  vollkommen  synonym  gebraucht; 
wo  sich  aber  ein  Unterschied  herausfühlen  läfst,  da  erscheint 
Brahman  als  der  ältere  und  anerkanntere,  Atman  als  der 
jüngere  und  bezeichnendere  Ausdruck,  Brahman  als  das  Un- 
bekannte und  zu  Erklärende,  Atman  als  dasjenige  Bekannte, 
wodurch  jenes  Unbekannte  erklärt  werden  soll,  Brahman  als 
das  Prinzip,  sofern  es  im  Weltganzen,  Atman,  sofern  es  im 
Innern  des  Menschen  erfafst  wird.  Als  Beispiel  kann  man 
die  schon  oben  I,  i,  S.  264.  336  übersetzte  Stelle  Qatap.  Br. 
10,6,3.  Chänd.  3,14  ansehen,  deren  einfacher  Grundgedanke 
darin  besteht,  dafs  das  Weltall  Brahman  (sarvam  Jchalu 
idam  brahma),  das  Brahman  aber  der  Atman  in  uns  (esha 
ma'  ätmä  antar  hridaye  usw.)  ist.*  Ein  anderes  Beispiel  liefert 
die  Erzählung  von  Gärgya  (Brih.  2,1.  Kaush.  4),  welcher  sich 
vergebens  bemüht,  das  Brahman  zu  definieren,  bis  er  endlich 
vom  Könige  zur  Erklärung  desselben  auf  den  Atman  hinge- 
wiesen wird.  Am  deutlichsten  tritt  der  Unterschied  zwischen 
Brahman  und  Atman  da  hervor,  wo  beide  in  ganz  kurzen 
Aussprüchen  neben  einander  erscheinen.  Als  Beispiel  kann  die 
Stelle  dienen  (Brih.  4,4,5):  sa  vä'  ayam  ätmä  brahma,  „wahr- 
lich, dieser  Atman  ist  das  Brahman". 

Halten  wir  für  den  gegenwärtigen  Zweck  an  dieser  Unter- 
scheidung des  Brahman  als  kosmischen  Prinzips  von  dem 
Atman  als  psychischem  Prinzip  fest,  so  läfst  sich  der  Grund- 


*  Bühtlingk  behauptet  (Berichte  der  Sachs.  G.  d.  W.,  1897,  S.  84),  ich 
hätte  „nicht  erkannt  '!),  dafs  esha  ma'  ätmä  antar  hridaye  überall  Sub- 
jekt ist",  legt  aber  für  die  Richtigkeit  meiner  Übersetzung  unfreiwilliger- 
weise  selbst  Zeugnis  ab,  sofern  er  zwar  in  §  3  übersetzt  „dieses  mein 
Selbst  im  Innern  des  Herzens",  jedoch  sogleich  darauf  in  §  4,  wo  dieselbe 
Wendung  wiederkehrt,  ebenso  wie  ich  übersetzt  „das  ist  mein  Selbst 
im  Innern  des  Herzens". 


1.   Der  Grundgedanke  der  TJpanishad's.  37 

gedanke  der  ganzen  Upanishadphilosophie  ausdrücken  durch 
die  einfache  Gleichung: 

Brahman  =  Atman, 

das  heifst:  das  Brahman,  die  Kraft,  welche  in  allen  Wesen 
verkörpert  vor  uns  steht,  welche  alle  Welten  schafft,  trägt,  er- 
hält und  wieder  in  sich  zurücknimmt,  diese  ewige,  unendliche, 
göttliche  Kraft  ist  identisch  mit  dem  Atman,  mit  demjenigen, 
was  wir,  nach  Abzug  alles  Aufserlichen ,  als  unser  innerstes 
und  wahres  Wesen,  als  unser  eigentliches  Selbst,  als  die  Seele 
in  uns  finden.  —  Diese  Identität  des  Brahman  und  des  Atman, 
Gottes  und  der  Seele,  ist  der  Grundgedanke  der  ganzen  Upa- 
nishadlehre;  in  aller  Kürze  wird  er  ausgedrückt  durch  die 
„grofsen  Worte":  tat  tvam  asi  „dieses  bist  du"  (Chänd.  6,8,7  fg.) 
und:  aham  brahma  asmi  „ich  bin  Brahman"  (Brih.  1,4,10);  in 
dem  Kompositum:  brahma-ätma-aihjam  „Einheit  des  Brahman 
und  des  Atman"  bezeichnet  er  das  Fundamentaldogma  des 
Vedäntasystems. 

Wenn  wir  diesen  Gedanken  der  mannigfachen,  vielfach 
bildlichen  und  nicht  selten  wunderlichen  Formen  entkleiden, 
in  denen  er  in  den  Vedäntatexten  erscheint,  und  denselben 
nur  nach  seiner  philosophischen  Reinheit  als  die  Identität 
Gottes  und  der  Seele,  des  Brahman  und  des  Atman,  ins 
Auge  fassen,  so  hat  er  eine  weit  über  die  Upanishad's,  ihre 
Zeit  und  ihr  Land  hinausreichende  Bedeutung,  ja,  wir  be- 
haupten, dafs  er  von  unverlierbarem  Werte  für  die  ganze 
Menschheit  ist.  —  Wir  können  nicht  in  die  Zukunft  blicken, 
wir  wissen  nicht,  welche  Aufschlüsse  und  Entdeckungen  dem 
rastlos  forschenden  Menschengeiste  noch  vorbehalten  sind,  — 
aber  eines  können  wir  mit  Sicherheit  voraussagen,  welche 
neuen  und  ungeahnten  Wege  auch  immer  die  Philosophie 
kommender  Zeiten  einschlagen  mag,  dieses  steht  für  alle  Zu- 
kunft fest  und  niemals  wird  man  davon  abgehen  können:  soll 
eine  Lösung  des  grofsen  Eätsels,  als  welches  die  Natur  der 
Dinge,  je  mehr  wir  davon  erkennen,  nur  um  so  deutlicher 
sich  dem  Philosophen,  darstellt,  überhaupt  möglich  sein,  so 
kann  der  Schlüssel  zur  Lösung  dieses  Rätsels  nur  da  liegen, 
wo  allein  das  Naturgeheimnis  sich  uns  von  innen  öffnet,  das 


38  A.   Einleitung:   III.  Bedeutung  des  Upanishadgedankens. 

heifst,  in  unserm  eigenen  Innern.  Hier  landen  ihn  zum 
erstenmal  die  ewig  preiswürdigen  Urheber  der  Upanishad- 
gedanken,  wenn  sie  unsern  Atman,  unser  eigenes  innerstes 
Wesen  als  das  Brahman,  als  das  innerste  Wesen  der  ganzen 
Natur  und  aller  ihrer  Erscheinungen  erkannten. 

2.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Philosophie. 

Alle  Religion  und  Philosophie  wurzelt  in  dem  Gedanken, 
dafs  (mit  Kants  Worten  zu  reden)  die  Welt  nur  Erschei- 
nung und  nicht  Ding  an  sich  ist,  das  heifst,  dafs  die 
ganze,  in  Eaum  und  Zeit  unendlich  sich  ausbreitende  Aufsen- 
welt  und  ebenso  der  gesamte  Komplex  der  Wahrnehmungen 
in  meinem  Innern,  —  dafs  dies  alles  nur  die  Form  ist,  in 
welcher  das  Seiende  in  einem  Bewufstsein  wie  dem  unsern 
sich  darstellt,  nicht  aber  die  Form,  in  welcher  es  auf  serhalb 
unseres  Bewufstseins  und  unabhängig  von  demselben  bestehen 
mag,  dafs,  mit  andern  Worten,  der  gesamte  Komplex  der 
auf sern  und  innern  Erfahrung  uns  immer  nur  sagt,  wie  die 
Dinge  für  uns,  für  unser  Vorstellungsvermögen,  nicht  aber 
wie  sie  an  sich  und  ohne  dieses  Vorstellungsvermögen  be- 
schaffen sind. 

Es  ist  leicht,  zu  zeigen,  wie  dieser,  erst  in  der  Kantischen 
Philosophie  zu  voller  Klarheit  erhobene,  aber  in  weniger 
deutlicher  Form  von  jeher  vorhanden  gewesene  Gedanke  die 
Grundlage  und  stillschweigende,  halb  bewufste  oder  unbewufste 
Voraussetzung  aller  Philosophie  ist,  soweit  sich  nicht  empi- 
rische Wissenschaften  unter  diesem  Namen  verbergen.  Denn 
alle  Philosophie,  im  Gegensatze  zu  den  empirischen  Wissen- 
schaften, begnügt  sich  nicht,  die  Dinge  ihrem  Tatbestande 
nach  kennen  zu  lernen  und  nach  ihrem  kausalen  Zusammen- 
hange zu  erforschen ;  vielmehr  geht  sie,  ihrer  Natur  nach,  über 
dies  alles  hinaus,  indem  sie  (wie  wir  schon  oben  I,  i,  S.  3  fg. 
ausführten)  den  Gesamtkomplex  der  empirischen  Realität, 
auch  nach  allen  Aufhellungen  desselben  durch  die  empirischen 
Wissenschaften,  ansieht  als  etwas,  was  noch  der  weitern 
Erklärung  bedarf,  und  diese  Erklärung  findet  in  dem 
Prinzip,  welches  sie  aufstellt,  und  aus  welchem  sie  bemüht 
ist,    das   Dasein    der  Dinge    und    ihrer   Ordnung    abzuleiten. 


2.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Philosophie.  39 

Diese  Tatsache,  dafs  die  Philosophie  von  jeher  bestrebt  war, 
ein  Prinzip  der  Welt  aufzustellen  (vgl.  I,  i,  S.  3),  beweist,  dafs 
sie  ausging  von  dem  mehr  oder  weniger  deutlichen  Bewufst- 
sein,  dafs  die  ganze  empirische  Realität  nicht  das  wahre  Wesen 
der  Dinge  ist,  dafs  sie,  in  Kants  Worten,  nur  Erscheinung 
ist  und  nicht  Ding  an  sich. 

Dreimal,  soviel  wir  wissen,  hat  sich  die.  Philosophie  zu 
einem  deutlicheren  Bewufstsein  dieser  ihr  allgemein  gestellten 
Aufgabe  und  ihrer  Lösung  erhoben,  das  eine  Mal  in  Indien 
in  den  Upanishad's,  das  zweite  Mal  in  Griechenland  in  der 
Philosophie  des  Parmenides  und  Piaton,  das  dritte  Mal  in  der 
neueren  Zeit  in  der  Philosophie  Kants  und  Schopenhauers. 
Wir  werden  in  einem  spätem  Teile  dieses  Werkes  zu  zeigen 
haben,  wie  die  Philosophie  der  Griechen  ihren  Höhepunkt  er- 
reichte durch  die  parmenideisch-platonische  Lehre,  dafs  diese 
ganze  Welt  des  Werdens  ein  blofser  Schein,  wie  Parmenides 
sagt,  eine  Welt  der  Schatten  ist,  wie  Piaton  lehrt,  und  wie 
beide  Philosophen  bemüht  sind,  durch  sie  hindurch  die  wahre 
Wesenheit  der  Dinge,  to  ov,  tö  ovtu?  b'v  zu  ergreifen,  was 
Piaton  in  einem  an  die-Upanishadlehre  wie  an  die  Kantische 
Terminologie  erinnernden  Ausdruck  als  das  aü-cö  (ätman)  xa^' 
aüxo  („an  sich")  bezeichnet.  Wir  werden  dann  weiter  sehen, 
wie  eben  dieser  Gedanke,  nach  einer  vorübergehenden  Ver- 
dunkelung durch  Aristoteles  und  das  Mittelalter,  auf  ganz  an- 
derm  Wege  wiederum  ergriffen  wurde  und  deutlicher  als  je 
zuvor  aufleuchtete  in  der  von  Kant  begründeten  Philosophie, 
welche  ihren  grofsen  Fortsetzer  und  Vollender  in  Schopen- 
hauer gefunden  hat.  Hier  haben  wir  es  mit  den  Upanishad's 
zu  tun,  und  wir  glauben  die  welthistorische  Bedeutung  dieser 
Urkunden  nicht  in  ein  helleres  Licht  setzen  zu  können,  als 
indem  wir  zeigen,  wie  der  eigentliche,  tiefste  Grundgedanke 
des  Piatonismus  und  des  Kantianismus  auch  schon  der  Grund- 
gedanke der  Upanishadlehre  ist. 

Die  Dinge,  welche  sich  um  uns  her  im  unendlichen  Räume 
nach  allen  Seiten  ausbreiten,  und  zu  denen  wir,  vermöge  unserer 
Leiblichkeit,  selbst  gehören,  sind  nach  Kant  nicht  die  Dinge 
an  sich,  sondern  nur  Erscheinungen,  sie  sind  nach  Piaton  nicht 
die  wahren  Wesenheiten,   sondern   die   blofsen  Schatten   der- 


40  A.   Einleitung:   III.  Bedeutung  des  Uparushadgedankens. 

selben,  und  sie  sind  nach  der  Üpanöshadlehre  nicht  der  Atman, 
das  wirkliche  Selbst  der  Dinge,  sondern  eine  blofse  Mäya, 
das  heifst,  ein  blofses  Blendwerk,  eine  Illusion.  Allerdings 
kommt  der  Terminus  Mäya  erst  von  Qvet.  4,10  an  vor;  daher 
von  solchen,  welche  nicht  imstande  sind,  dieselbe  Sache,  wo 
sie  in  andere  "Worte  gekleidet  erscheint,  wiederzuerkennen,  die 
Behauptung  aufgestellt  worden  ist,  der  Begriff  der  Mäya  sei 
den  altern  Upanishad's  noch  unbekannt.  Wie  sie  es,  bei  dieser 
Behauptung,  fertig  bringen,  diese  altern  Upanishad's  (Brihad- 
äranyaka  und  Chändogya)  zu  verstehen,  mögen  sie  selbst 
wissen.  Tatsache  ist,  dafs  dieselben  ganz  von  der  Vorstellung 
durchtränkt  sind,  welche  späterhin  ihren  glücklichsten  Aus- 
druck in  dem  Worte  mäya  gefunden  hat.  —  Schon  in  der 
Forderung,  dafs  man  den  Atman  des  Menschen,  den  Atman 
der  Welt  zu  suchen  habe  (Brih.  2,4,5b:  ätmä  va  are  drushta- 
vyah,  grotavyo,  maritavyo,  nididhyäsita/vyo;  Chänd.  8,7,1:  so 
'nveshtavyah,  sa  vißjnäsitavyah),  liegt  implicite,  dafs  dieser  Leib 
und  diese  Welt,  die  sich  ungesucht  vor  uns  ausbreitet,  nicht 
der  Ätman,  das  Selbst,  das  wahre  Wesen  ist,  und  dafs  es 
eine  Täuschung  ist,  wenn  wir  sie  (wie  der  Dämon  Virocana, 
Chänd.  8,8,4)  dafür  halten.  Alle  Dinge  und  Verhältnisse  der 
Welt,  so  entwickelt  Yäjnavalkya  Brih.  2,4,5a,  sind  uns  nicht 
wert  um  ihrer  selbst  willen  (als  „Dinge  an  sich"),  sondern 
um  des  Atman  willen;  ja  sie  existieren  nur  in  dem  Atman, 
und  der  ist  ganz  und  gar  verloren,  welcher  sie  „aufserhalb  des 
Selbstes"  (anyatra  ätmano)  weifs.  Dieser  Atman,  schliefst  er 
1.  c.  2,4,6,  ist  Brahmanen  und  Krieger,  Welträume,  Götter  und 
Wesen,  „dieser  Atman  ist  das  ganze  Weltall"  (idam  sarvam 
yad  ayam  ätmä).  Wie  man  die  Töne  mit  ergreift,  indem  man 
das  Instrument  ergreift  (Brih.  2,4,7  fg.),  so  hat  man,  indem 
man  den  Atman  ergreift,  alle  jene  Dinge  mit  ergriffen:  „für- 
wahr, wer  das  Selbst  gesehen,  gehört,  verstanden  und  erkannt 
hat,  von  dem  wird  diese  ganze  Welt  gewufst"  (Brih.  2,4,5b). 
Unmittelbar  an  diesen  Gedanken  und  wahrscheinlich  sogar 
an  diese  Stelle  Brih.  2,4,5 b  knüpft  die  Chänd.  Up.  6,1,2  an, 
indem  sie,  was  dort  das  Resultat  der  Entwicklung  war,  zur 
Voraussetzung  macht  und  als  Thema  voranstellt:  „Hast  du 
denn  auch  der  Unterweisung  nachgefragt,  durch  welche  [auch] 


2.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Philosophie.  41 

das  Ungehörte  ein  [schon]  Gehörtes,  das  Unverstandene  ein 
Verstandenes,  das  Unerkannte  ein  Erkanntes  wird?"  —  „Wie 
ist  denn,  o  Ehrwürdiger,  diese  Unterweisung?"  —  „Gleichwie, 
o  Teurer,  durch  einen  Tonklumpen  alles,  was  aus  Ton  be- 
steht, erkannt  ist,  an  "Worte  sich  klammernd  ist  die  Um- 
wandlung, ein  blofser  Name  (väcdrambhanam  vikäro,  nä- 
madheyam),  Ton  nur  ist  es  in  Wahrheit,  —  also,  o  Teurer, 
ist  diese  Unterweisung."  Hier  wird  die  vielheitliche  Um- 
wandlung des  Einen  für  blofses  Wortgerede,  blofsen  Namen 
erklärt,  ganz  wie  Parmenides  behauptet,  dafs  alles,  was  die 
Menschen  für  wahr  halten,  blofser  Name  sei  (tö  tcocvt'  ovc;^ 
eöTOU.,  8  ff  ff  a  ßpoxol  xars'ä'svTO  tcetcoi^Tottsc  etvai  aXvj^r-^) .  Auf 
Grund  dieser  Anschauungen  heifst  es  dann  in  spätem  Stellen, 
„noch  auch  ist  dieses  eine  Vielheit"  (Kaush.  3,8,  Up.  S.  50)  und 
in  den  eingelegten  Versen  Brih.  4,4,19  (vgl.  Käth.  4,10 — 11): 

Im  Geiste  soll  man   dies  merken: 
Nicht  ist  hier  Vielheit  irgendwie ! 
Von  Tod  in  neuen  Tod  stürzt  sich, 
Wer  hier  Verschied'nes  meint  zu  seh'n. 

Fein  und  treffend  ist  auch  die  Bemerkung  einer  spätem 
Upanishad  (Nrisinhott.  9,  Up.  S.  797),  dafs  nie  ein  Beweis  für 
die  Vielheit  geführt  werden  kann:  „denn  es  ist  kein 
Beweis  möglich  für  das  Vorhandensein  einer  Zweiheit,  und 
nur  der  zweitlose  Atman  ist  beweisbar".  (Wir  können  nie 
heraus  aus  unserm  Bewufstsein,  welches  unter  allen  Umständen 
eine  Einheit  bildet.) 

Aus  dem  Gesagten  ist  ersichtlich:  1)  Dafs  die  Anschauung, 
welche  später  in  der  Lehre  von  der  Mäyä  ihren  schärfsten 
Ausdruck  fand,  schon  den  ältesten  Upanishad's  nicht  nur  nicht 
fremd  ist,  sondern  in  und  mit  ihrer  Grundlehre  von  der  allei- 
nigen Realität  des  Atman  als  deren  notwendiges  Komplement 
gegeben  ist,  und  2)  dafs  diese  Grundlehre  der  Upanishad's 
mit  der  Grundanschauung  der  parmenideisch-platonischen  und 
der  kantisch- sVdiopenhauerschen  Philosophie  in  wundersamer 
Übereinstimmung  sich  befindet,  der  Art,  dafs  alle  drei,  aus 
verschiedenen  Zeiten  und  Ländern  stammenden  und  völlig  von 
einander    unabhängigen    Lehren    sich    gegenseitig    ergänzen, 


42  -A.   Einleitung:   III.  Bedeutung  des  Upanishadgedankens. 

erläutern  und  bestätigen.  —  So  viel  von   der  Bedeutung  der 
Upanishad's  für  die  Philosophie. 

3.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Religion. 

Der  erwähnte  indisch-platonisch-kantische  Gedanke,  dafs 
die  ganze  Welt  nur  Erscheinung  ist  und  nicht  Ding  an  sich, 
bildet  nicht  nur  das  eigentliche  und  wichtigste  Thema  aller 
Philosophie,  sondern  auch  die  Voraussetzung  und  conditio  sine 
qua  non  aller  Religion;  daher  alle  grofsen  Lehrer  der  Religion 
in  alter  und  neuer  Zeit,  ja  auch  noch  heute  alle  die,  welche 
einer  Religion  im  Glauben  anhängen,  gleichsam  unbewufste 
Kantianer  sind.     Wir  wollen  dies  in  der  Kürze  beweisen. 

Die  Hauptgüter  aller  Religion  sind,  wie  Kant  oft  ausein- 
andersetzt, 1)  das  Dasein  Gottes,  2)  die  Unsterblichkeit  der 
Seele,  3)  die  Freiheit  des  Willens  (ohne  welche  keine  Mora- 
lität  bestehen  kann).  Diese  drei  höchsten  Heilsgüter  der 
Menschheit,  Gott,  Unsterblichkeit  und  Freiheit,  sind  nur  dann 
haltbar,  wenn  die  Welt  blofse  Erscheinung  und  nicht  Ding 
an  sich  (blofse  Mayä  und  nicht  der  Atman)  ist,  und  sie  fallen 
rettungslos  dahin,  falls  diese  empirische  Realität,  in  der  wir 
leben,  das  wahre  Wesen  der  Dinge  ausmachen  sollte. 

1)  Das  Dasein  Gottes  wird  ausgeschlossen  durch  das 
Vorhandensein  des  Raumes,  welcher  unendlich  ist,  somit 
nichts  aufser  sich  zuläfst  und  innerhalb  seiner  nur  dasjenige, 
was  ihn  erfüllt,  d.  h.  die  Materie  (sie  ist,  ihrer  genauesten 
Definition  nach  „das  den  Raum  Erfüllende"). 

2)  Die  Unsterblichkeit  wird  ausgeschlossen  durch  die 
Gesetzmäfsigkeit  der  Zeit,  auf  welcher  es  beruht,  dafs  unser 
Dasein  einen  Anfang  in  der  Zeit  hat  durch  Zeugung  und  Ge- 
burt und  ein  Ende  in  der  Zeit  durch  den  Tod;  und  dieses 
Ende  ist  ein  absolutes,  so  wie  jener  Anfang  ein  absoluter  war. 

3)  Die  Freiheit,  und  mit  ihr  die  Möglichkeit  des  mo- 
ralischen Handelns,  wird  ausgeschlossen  durch  die  empirische 
Allgemeingültigkeit  des  Kausalitätsgesetzes,  welches  for- 
dert, dafs  jede  Wirkung,  mithin  auch  jede  menschliche  Hand- 
lung, die  notwendige  Folge  von  Ursachen  ist,  welche  der 
Handlung  vorhergehen,  somit  im  jedesmaligen  Momente  des 
Handelns  nicht  mehr  in  unserer  Macht  stehen. 


3.  Der  Upanishadgedanke  und  die  Religion.  .  43 

Ganz  anders  stellen  sich  die  Fragen  nach  Gott,  Unsterb- 
lichkeit und  Freiheit,  wenn  diese  ganze,  in  Raum  und  Zeit 
ausgebreitete  und  von  der  Kausalität  beherrschte  empirische 
Realität  blofse  Erscheinung  ist  und  nicht  eine  Ordnung  der 
Dinge  an  sich,  wie  Kant  sagt,  blofse  Mäyä  ist  und  nicht  der 
Ätman,  das  „Selbst"  der  Dinge,  wie  die  Upanishad's  lehren. 
Denn  in  diesem  Falle  wird  wiederum  Platz  für  eine  andere, 
höhere  Ordnung  der  Dinge,  welche  nicht  den  Gesetzen  des 
Raumes,  der  Zeit  und  der  Kausalität  unterworfen  ist;  und 
eben  diese  höhere,  der  empirischen  Realität  widersprechende 
Ordnung  der  Dinge,  von  deren  Erkenntnis  wir  durch  die 
Beschaffenheit  unseres  Intellektes  ausgeschlossen  sind,  wird 
von  den  Religionen  durch  ihre  Lehren  von  Gottr  Unsterblich- 
keit und  Freiheit  im  Glauben  ergriffen;  somit  ruhen  alle 
Religionen,  ohne  es  zu  wissen,  auf  dem  Grunddogma  der  kan- 
tischen Philosophie,  welches  in  weniger  deutlicher  Form  schon 
dasjenige  der  Upanishad's  war.  Diese  sind  somit,  vermöge 
ihrer  Grundanschauung,  die  natürliche  Basis  jeder  religiösen 
Auffassung  des  Daseins. 

Aber  neben  diesem  Werte  derselben  für  die  Religion  im 
.allgemeinen  haben  sie  noch  eine  spezielle  und  sehr  merkwür- 
dige innere  Verwandtschaft  zum  Christentum,  welche  wir 
nicht  kürzer  und  deutlicher  darlegen  können,  als  indem  wir 
das  darüber  in  der  Vorrede  zu  unserer  Upanishad-Übersetzung 
Gesagte  in  den ,  gegenwärtigen  Zusammenhang,  für  welchen 
diese  Betrachtung  wesentlich  ist,  herübernehmen. 

Die  Upanishad's,  so  sagten  wir  dort,  sind  für  den  Veda, 
was  für  die  Bibel  das  Neue  Testament  ist:  und  diese  Analogie 
ist  nicht  eine  blofs  auf  serliche  und  zufällige,  sondern  eine 
solche,  welche  gar  sehr  in  die  Tiefe  geht  und  in  einem  all- 
gemeinen, auf  beiden  Gebieten  zur  Erscheinung  kommenden, 
Entwicklungsgesetze  des  religiösen  Lebens  begründet  ist. 

In  der  Kindheit  der  Völker  stellt  die  Religion  Gebote 
und  Verbote  auf  und  gibt  denselben  Nachdruck  durch  Ver- 
heifsung  von  Lohn  und  Androhung  von  Strafe;  —  sie  wendet 
sich  somit  an  den  Egoismus,  den  sie  als  den  eigentlichen  Kern 
des  natürlichen  Menschen  voraussetzt,  und  über  welchen  sie 
nicht  hinausführt. 


44  A.   Einleitung:   III.  Bedeutung  des  Upanishadgedankens. 

Eine  höhere  Stufe  des  religiösen  Bewufstseins  wird  er- 
reicht mit  der  Erkenntnis,  dafs  alle  Werke,  welche  auf  Furcht 
und  Hoffnung  als  Triebfedern  beruhen,  für  die  ewige  Be- 
stimmung des  Menschen  wertlos  sind,  dafs  diese  höchste  Auf- 
gabe des  Daseins  nicht  in  einer  Befriedigung  des  Egoismus, 
sondern  in  einer  völligen  Aufhebung  desselben  besteht,  und 
dafs  erst  in  dieser  unsere  wahre,  göttliche  Wesenheit  durch 
die  Individualität  hindurch  wie  durch  eine  Schale  zum  Durch- 
bruche kommt, 

Jener  kindliche  Standpunkt  der  Werkgerechtigkeit  ist  in 
der  Bibel  vertreten  durch  das  alttestamentliche  Gesetz  und 
entsprechend  im  Veda  durch  das,  was  die  indischen  Theologen 
das  Karniakdndam  (den  Werkteil)  nennen,  unter  welchem 
Namen  sie  die  ganze  Literatur  der  Hymnen  und  Brähmana's, 
mit  Ausnahme  der  hier  und  da  ein  geflochtenen  upanishad- 
arligen  Partien,  befassen.  Beide,  das  Alte  Testament  und  das 
Karmakdndam  des  Veda,  proklamieren  ein  Gesetz  und  stellen 
für  die  Befolgung  desselben  Lohn,  für  die  Übertretung  Strafe 
in  Aussicht;  und  wenn  die  indische  Theorie  den  Vorteil  hat, 
die  Vergeltung  teilweise  ins  Jenseits  verlegen  zu  können  und 
dadurch  dem  Konflikt  mit  der  Erfahrung  auszuweichen,  welcher 
der  alttestamentlichen,  aufs  Diesseits  beschränkten  Vergeltungs- 
lehre so  viele  Verlegenheiten  bereitet,  —  so  ist  es  hinwiederum 
der  auszeichnende  Charakter  der  biblischen  Gesetzesgerechtig- 
keit, dafs  sie  weniger  als  die  indische  auf  Ritualvorschriften 
hinausläuft  und  dafür  gröfsern  Nachdruck  auf  einen  sittlichen, 
„unsträflichen"  Lebenswandel  legt.  Für  die  Interessen  der 
menschlichen  Gesellschaft  ist  dieser  Vorzug  ein  sehr  grofser; 
an  sich  aber  und  für  den  moralischen  Wert  des  Handelns  be- 
gründet es  keinen  Unterschied,  ob  der  Mensch  sich  im  Dienste 
imaginärer  Götter  oder  in  dem  seiner  Mitmenschen  abmüht: 
beides  ist,  solange  dabei  eigenes  Wohlsein  als  letzter  Zweck 
vorschwebt,  ein  blofses  Mittel  zu  diesem  egoistischen  Zwecke 
und  daher,  wie  dieser  selbst,  moralisch  betrachtet  wertlos  und 
verwerflich. 

Diese  Erkenntnis  bricht  sich  Bahn  im  Neuen  Testament, 
wenn  es  die  Wertlosigkeit,  in  den  Upanishad's,  wenn  sie  so- 
gar die  Verwerflichkeit  aller,  auch  der  guten,  Werke  lehren; 


3.  Der  Upairishadgedanke  und  die  Eeligion.  45 

beide  machen  das  Heil  abhängig,  nicht  von  irgend  welchem 
Tun  und  Lassen,  sondern  von  einer  völligen  Umwandlung 
des  ganzen  natürlichen  Menschen;  beide  betrachten  diese  Um- 
wandlung als  eine  Erlösung  aus  den  Fesseln  dieser  ganzen, 
im  Egoismus  wurzelnden,  empirischen  Realität. 

Aber  warum  bedürfen  wir  einer  Erlösung  aus  diesem  Da- 
sein? Weil  dasselbe  das  Reich  der  Sünde  ist,  antwortet 
die  Bibel,  weil  es  das  Reich  des  Irrtums  ist,  antwortet  der 
Veda.  Jene  sieht  die  Verderbnis  im  wollenden,  dieser  im  er- 
kennenden Teile  des  Menschen;  jene  fordert  eine  Umwandlung 
des  Willens,  dieser  eine  solche  des  Erkennens.  Auf  welcher 
Seite  liegt  hier  die  Wahrheit?  —  Wäre  der  Mensch  blofs 
Wille  oder  blofs  Erkenntnis,  so  würden  wir  uns,  dem  ent- 
sprechend, für  die  eine  oder  andere  Auffassung  zu  entscheiden 
haben.  Nun  aber  der  Mensch  ein  zugleich  wollendes  und  er- 
kennendes Wesen  ist,  so  wird  sich  jene  grofse  Wendung,  in 
welcher  Bibel  und  Veda  das  Heil  erblicken,  auf  beiden  Gebieten 
vollziehen:  sie  wird  erstlich,  nach  biblischer  Anschauung, 
das  im  natürlichen  Egoismus  versteinerte  Herz  erweichen  und 
zu  Taten  der  Gerechtigkeit,  Liebe  und  Selbstverleugnung 
fähig  machen,  —  und  sie  wird  zweitens,  Hand  in  Hand  da- 
mit, in  uns  die  grofse,  Eants  Lehre  antizipierende,  Erkenntnis 
der  Upanishad's  aufdämmern  lassen,  dafs  diese  ganze  räum- 
liche, folglich  vielheitliche,  folglich  egoistische  Weltordnung 
nur  beruht  auf  einer,  uns  durch  die  Beschaffenheit  unseres  In- 
tellektes eingeborenen  Illusion  (mäyä),  dafs  es  in  Wahrheit  nur 
ein  ewiges,  über  Raum  und  Zeit,  Vielheit  und  Werden  er- 
habenes Wesen  gibt,  welches  in  allen  Gestalten  der  Natur 
zur  Erscheinung  kommt,  und  welches  ich,  ganz  und  ungeteilt, 
in  meinem  Innern  als  mein  eigentliches  Selbst,  als  den  Atman 
fühle  und  finde. 

So  gewifs,  nach  Schopenhauers  grofser  Lehre,  der  Wille, 
und  nicht  der  Intellekt,  den  Kern  des  Menschen  bildet,  so 
gewifs  wird  dem  Christentum  der  Vorzug  bleiben,  dafs  seine 
Forderung  einer  Wiedergeburt  des  Willens  die  eigentlich 
zentrale  und  wesentliche  ist,  —  aber  so  gewifs  der  Mensch 
nicht  blofs  Wille,  sondern  zugleich  auch  Intellekt  ist,  so  ge- 
wifs wird  jene  christliche  Wiedergeburt  des  Willens  nach  der 


46  A.   Einleitung:  III.  Bedeutung  des  Upanishadgedankens. 

andern  Seite  hin  als  eine  Wiedergeburt  der  Erkenntnis  sich 
kundgeben,  wie  die  Upanishad's  sie  lehren.  „Du  sollst  deinen 
Nächsten  lieben  wie  dich  selbst",  fordert  die  Bibel;  —  aber 
woher  diese  Zumutung,  da  ich  doch  nur  in  mir,  nicht  in  dem 
andern  fühle?  —  „Weil",  so  fügt  hier  der  Veda  erklärend 
hinzu,  „dein  Nächster  in  Wahrheit  dein  eigenes  Selbst,  und, 
was  dich  von  ihm  trennt,  blofse  Täuschung  ist".  —  Wie  in 
diesem  Falle,  so  ist  es  auf  allen  Punkten  des  Systems:  das 
Neue  Testament  und  die  Upanishad's,  diese  beiden  höchsten 
Erzeugnisse  des  religiösen  Bewufstseins  der  Menschheit,  stehen 
nirgendwo  (wenn  man  nicht  an  der  Aufsenseite  klebt)  in  einem 
unvereinbaren  Widerspruche,  sondern  dienen  in  schönster 
Weise  einander  zur  Erläuterung  und  Ergänzung. 

Ein  Beispiel  mag  zeigen,  welchen  Wert  die  Upanishad- 
lehre  für  die  Ausgestaltung  unseres  christlichen  Bewufstseins 
gewinnen  kann. 

Das  Christentum  lehrt  seinem  Geiste,  wenn  auch  nicht 
überall  seinem  Buchstaben  nach,  dafs  der  Mensch,  als  solcher, 
nur  zu  sündlichen,  d.  h.  egoistischen  Handlungen  fähig  ist 
(Römer  7,18),  und  dafs  alles  Gute,  seinem  Wollen  wie  Voll- 
bringen nach,  nur  von  Gott  in  uns  gewirkt  werden  kann 
(Phil.  2,13).  So  klar  diese  Lehre,  für  jeden,  der  Augen  hat 
zu  sehen,  nicht  sowohl  in  vereinzelten  Aussprüchen,  als  viel- 
mehr schon  in  dem  ganzen  System  als  solchem  präformiert 
liegt,  so  schwer  ist  es  doch  zu  allen  Zeiten  der  Kirche  ge- 
worden, sich  mit  ihr  zu  befreunden;  stets  wufste  sie  einen 
Ausweg  zum  Synergismus  mit  seinen  Halbheiten  zu  gewinnen 
und  der  Mitwirkung  des  Menschen  irgend  eine  Hintertüre 
offen  zu  lassen,  —  offenbar,  weil  sie  hinter  dem  Monergismus, 
der  alles  Gute  auf  Gott  zurückführt,  als  Schreckgespenst  die 
grauenhafte  Absurdität  der  Prädestination  stehen  sah.  Und 
freilich  stellt  sich  diese  als  unvermeidliche  Konsequenz  ein, 
sobald  man  jene,  so  tiefe  wie  wahre,  christliche  Erkenntnis 
des  Monergismus  verknüpft  mit  dem  aus  dem  Alten  Testa- 
mente überkommenen  jüdischen  Realismus,  welcher  Gott  und 
Mensch  als  zwei  sich  ausschliefsende  Wesenheiten  einander 
segenüberstellt.  —  In  diesen  Dunkelheiten  kommt  uns  aus 
dem  Osten,  aus  Indien,  das  Licht.    Zwar  nimmt  auch  Paulus 


3.  Der  Upcinishadgedanke  und  die  Religion.  47 

einen  Anlauf,  Gott  mit  dem  av'jpwTco?  7iveupi.aTi.x6c  zu  identi- 
fizieren (1  Kor.  15,47),  zwar  sucht  auch  Kant  das  wundersame 
Phänomen  des  kategorischen  Imperativs  in  uns  daraus  zu  er- 
klären, dafs  in  ihm  der  Mensch  als  Ding  an  sich  dem  Men- 
schen als  Erscheinung  das  Gesetz  gibt,  —  aber  was  bedeuten 
diese  schüchternen  und  tastenden  Versuche  gegenüber  der 
grofsen,  auf  jeder  Seite  der  Upanishad's  durchblickenden  Grund- 
anschauung des  Vedänta,  dafs  der  Gott,  welcher  allein  alles 
Gute  in  uns  wirkt,  nicht,  wie  im  Alten  Testamente,  ein  uns 
als  ein  andrer  gegenüberstehendes  Wesen,  sondern  vielmehr 
—  unbeschadet  seiner  vollen  Gegensätzlichkeit  zu  unserm  ver- 
derbten empirischen  Ich  (jiva)  —  unser  eigenstes,  meta- 
physisches Ich,  unser,  bei  allen  Abirrungen  der  menschlichen 
Natur,  in  ungetrübter  Heiligkeit  verharrendes,  ewiges,  seliges, 
göttliches  Selbst,  —  unser  Atman  ist! 

Dieses  und  vieles  andere  können  wir  aus  den  Upanishad's 
lernen,  —  werden  wir  aus  den  Upanishad's  lernen,  wenn  wir 
anders  unser  christliches  Bewufstsein  zum  konsequenten,  nach 
allen  Seiten  vollgenügenden  Ausbau  bringen  wollen. 


Das  System  der  Upanishad's. 

Vorb  emerkung* 

System.  Unter  einem  System  verstehen  wir  einen  Zusammenhang 

von  Gedanken,  welche  sämtlich  auf  einen  Einheitspunkt  be- 
zogen und  von  diesem  abhängig  gemacht  werden.  Ein  System 
hat  daher  stets  einen  individuellen  Urheber,  mag  er  nun  die 
im  System  zusammengeschlossenen  Gedanken  ursprünglich 
selbst  hervorgebracht  oder  auch  nur  überkommene  Gedanken- 
elemente durch  Anpassung  an  einander  zu  einem  einheitlichen 
Ganzen  gestaltet  haben.     Unter  diesen  Umständen  kann  von 

System  einem  „System  der  Upanishad's"  streng  genommen  allerdings 
aishad's.  keine  Rede  sein.  Denn  sie  sind  nicht  das  Werk  eines  indivi- 
duellen Genius,  sondern  die  Summe  der  philosophischen  Er- 
zeugnisse einer  ganzen  Epoche,  welche  sich  von  der  Zeit  der 
Einwanderung  im  Gangestale  bis  zum  Aufkommen  des  Buddhis- 
mus, also,  ganz  ungefähr  und  rund  gesagt,  von  1000  oder  800 
bis  500  a.  C,  ja,  in  ihren  Ausläufern  noch  weit  über  diesen 
letztern  Zeitpunkt  hinaus  erstrecken  mag.  Dementsprechend 
finden  wir  in  den  Upanishad's  eine  grofse  Mannigfaltigkeit 
von  Gedanken,  welche  sich  vor  unsern  Augen  fortentwickeln 
und  nicht  selten  mit  einander  in  unvereinbarem  Widerspruche 
stehen.  Aber  alle  diese  Gedanken  kreisen  so  sehr  um  einen 
gemeinsamen   Mittelpunkt,   werden   so  völlig  von  dem   einen 

Einheit-    Gedanken  der  alleinigen  Realität  des  Atman  beherrscht, 

Grumf-  dafs  sie  sich  alle  darstellen  als  mannigfache  Variationen  über 
ein  und  dasselbe  Thema,  welches  bald  kürzer,  bald  länger, 
bald  von  dem  Boden  des  empirischen  Bewufstseins  aus,  bald 


Vorbemerkung.  49 

in  schroffem  Widerspruche  gegen  dasselbe  behandelt  wird. 
Hierbei  treten  alle  Differenzen  im  einzelnen  gegenüber  der 
Einheit  der  Grundanschauung  so  sehr  in  den  Hintergrund, 
dafs  wir  in  den  Upanishad's  zwar  kein  geschlossenes  System 
vor  uns  haben,  wohl  aber  die  allmähliche  Genesis  eines  Systems 
verfolgen  können,  bestehend  in  der  immer  weiter  gehen- 
den Verwebung  des  ursprünglichen  idealistischen 
Grundgedankens  mit  den  mehr  und  mehr  sich  geltend 
machenden  realistischen  Anforderungen  des  empi- 
rischen Bewufstseins,  wie  dies  im  Verlaufe  unserer  Dar- 
stellung  sich  zeigen  wird.     Ihre  Vollenduno;   erreichen   diese  sysi^m  a<** 

°  °      .  .  ö  Vedänta. 

Bestrebungen  erst  in  nachvedischer  Zeit  in  dem  unter  den 
Händen  des  Bääaräyana  und  seines  Kommentators  (Janlcara 
sich  gestaltenden,  universellen,  den  idealistischen  und  re- 
alistischen Forderungen  (durch  Unterscheidung  einer  höhern 
und  niedern  Wissenschaft)  gleich  sehr  Rechnung  tragenden, 
theologisch-philosophischen  System,  welches  als  das  System 
des  Yedänta  in  Indien  die  allgemeine  Grundlage  des  Glaubens 
und  Wissens  geworden  und  geblieben  ist  bis  auf  den  heutigen 
Tag.  Dieses,  nach  allen  Seiten  grofs  ausgeführte  System  glie- 
dert sich  naturgemäfs  in  folgende  vier  Hauptteile:  Haupticiie. 

I.  Theologie,  die  Lehre  vom  Brahman  als  dem  Prinzip 
der  Dinge. 

II.  Kosmologie,  die  Lehre  von  der  Entfaltung  dieses 
Prinzips  zur  Welt. 

III.  Psychologie,  die  Lehre  von  dem  Eingehen  des  Brah- 
man als  Seele  in  die  von  ihm  entfaltete  Welt. 

IV.  Eschatologie  und  Ethik,  die  Lehre  von  dem  Schick- 
sal der  Seele  nach  dem  Tode  und  von  ihrem  dasselbe  bedingen- 
den Verhalten  im  Leben. 

Wie  das  System  des  Vedänta  selbst,  so  können  wir  auch 
die  in  den  Upanishad's  vorliegende  Genesis  desselben  zweck- 
mäfsig  unter  diesen  vier  Haupttiteln  und  den  durch  die  Natur 
der  Sache  dargebotenen  Unterabteilungen  derselben  abhandeln. 
Wir  werden  versuchen,  unter  jeder  Rubrik  alle  wesentlich  in 
Betracht  kommenden  Stellen  der  vom  spätem  Vedänta  an- 
erkannten Lpanishad's  zu  sammeln,  und  wo  in  ihnen  eine 
Fortentwicklung  des  Gedankens  vorliegt,  da  wird  dieselbe  in 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  u.  4 


50  Vorbemerkung. 

Chronologie  vielen  Fällen  einen  siehern  Anhalt  bieten,  um  die  chrono- 
keeJentwk'k-  logische  Stellung  eines  Textes  gegenüber  altern  und  Jüngern 
lung'  Behandlungen  desselben  Gedankens  zu  bestimmen.  So  wird 
der  philologische  Gewinn  in  der  Schaffung  einer  sichern  Grund- 
lage für  die  Chronologie  der  Upanishadtexte  nach  ihrem  re- 
lativen Alter  bestehen,  während  wir  von  philosophischer  Seite 
hoffen  dürfen,  eine  innere  Einsicht  in  die  Entstehung  einer 
der  merkwürdigsten  und  folgenreichsten  Gedankenschöpfüngen, 
welche  die  Welt  besitzt,  zu  gewinnen. 


Des  Systems  der  Upanishad's  erster  Teil: 

Theologie 

oder  die  Lehre  vom  Brahman. 
I.  Über  die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

1.  Ist  der  Veda  die  Quelle  der  Brah  man  Wissenschaft' 

Bädaräyana  eröffnet  die  Qäriraka-mimänsä,  in  welcher  die  Der  veda 
älteste  systematische  Zusammenfassung  der  Vedäntalehre  vor-  der  satra's. 
liegt,  mit  folgenden  vier  Sütra's:  1)  atha  ato  brahma-jijnäsä, 
iti  „nunmehr  daher  was  man  die  Brahmanforschung  nennt". 
2)  janmcträdi  asya  yata',  iti  ,,  [Brahman  ist  dasjenige,]  woraus 
Ursprung  usw.  [d.  h.  Ursprung,  Bestand  und  Vergang] 
dieses  [Weltalls]  ist".  2)  gästra-yonitväd,  iti  „wegen  des  Grund- 
seins des  [Schrift-]Kanons",  [d.  h.  nach  der  einen  Erklärung: 
weil  der  Schriftkanon  der  Erkenntnisgrund  für  das  Brahman 
nach  der  soeben  von  ihm  gegebenen  Definilion  ist.  Auf  die 
Einwendung,  dafs  der  Schriftkanon  nicht  auf  Erkenntnis,  son- 
dern auf  Verehrung  abzwecke,  heifst  es  dann:]  4)  tat  tu,  saman- 
vayät  „jenes  vielmehr,  wegen  der  Übereinstimmung"  [der  Aus- 
sagen überErahman,  welche,  wenn  es  sich  nur  um  Verehrungen 
handelte,  nicht  erforderlich  und  auch  nicht  möglich  sein  würde]. 
Diese  Übereinstimmung  aller  Vedän tatexte  in  ihren  Aussagen 
über  Brahman  suchen  dann  Bädaräyana  und  £ankara  durch 
das  ganze  Werk  hin  im  einzelnen  zu  erweisen.  Für  sie  ist 
der  ganze  Veda  übermenschlichen  Ursprungs,  von  Brahman 
(nach  einer  sogleich  zu  besprechenden  Stelle)  ausgehaucht  und 

4* 


52  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Bralnnan. 

daher  untrüglich  (vgl.  System  des  Vedänta,  S.  100).  Aus  ihm 
schöpfen  sie  ihre  ganze  Lehre  und  rufen  nur  in  Fällen,  wo 
der  Sinn  der  Vedf.ntaworte  zweifelhaft  ist,  die  Erfahrung  zur 
Entscheidung  herbei. 

Es  fragt  sich,  was  die  UpanishacVs  selbst  über  die  Quelle, 
aus  der  das  Brahmanwissen  zu  schöpfen  ist,  lehren. 

Literatur-  Schon  die  ältesten  Upanishadtexte  blicken  auf  einen  reichen 

upani-61  Kreis  literarischer  (wenn  auch  nur  mündlich  überlieferter) 
8hads.  pr0(ju](tioneil  hm.  So  heifst  es  Brih.  2,4,10:  „Gleichwie,  wenn 
man  ein  Feuer  mit  feuchtem  Holze  anlegt,  die  Rauchwolken 
sich  rings  umher  verbreiten,  ebenso,  fürwahr,  ist  aus  diesem 
grofsen  Wesen  ausgehaucht  worden  der  Rigveda,  der  Yajur- 
veda,  der  Sämaveda,  die  [Lieder]  der  Atharvan's  und  der  An- 
giras',  die  Erzählungen,  die  Geschichten,  die  Wissenschaften, 
die  Geheimlehren  (upaniskäd),  die  Verse,  die  Sinnsprüche,  die 
Auseinandersetzungen  und  Erklärungen,  —  alle  diese  sind  aus 
ihm  ausgehaucht  worden". 

Drei  oder  Diese  Stelle  ist  in  vielfacher  Hinsicht  lehrreich.    Zunächst 

°  ersehen  wir  aus  ihr,  dafs  es  (wie  überhaupt  für  die  altern 
Upanishadtexte,  vgl.  im  Upanishad -Index  unter  „dreifache 
Wissenschaft")  nur  drei  Veden  gibt,  und  dafs  die  Lieder  der 
Atharvan's  und  Angiras'  noch  nicht  als  Veda  anerkannt  wer- 
den. Die  erste  Spur  einer  Anerkennung  ist  vielleicht  Brih.  5,13, 
wo  neben  Uläham,  Yajus  und  Säman  als  Viertes  Kshafram  ge- 
nannt wird.  Dies  könnte  den  Atharvaveda  bedeuten,  der  in 
näherer  Beziehung  zur  Kriegerkaste  steht,  auch  namentlich 
dazu  dient,  Unheil  abzuwehren  (trdyate  kslianitos,  wie  hshaträm 
a.  a.  0.  etymologisch  erklärt  wird).  Eben  darauf  hin  weist 
Brih.  6,4,18,  wo  von  einem  Sohne,  der  einen,  zwei  oder  drei  Veden 
studiert  habe,  ein  solcher  unterschieden  wird,  der  „alle  Veden", 
d.  h.  wohl  alle  vier,  kenne.  Als  vierter  Veda  erscheint  der 
„äthärvana"  zuerst  Chand.  7,1,2  und  unter  dem  Namen  „atharva- 
veda"  Mund.  1,1,5,  also  erst  in  den  Atharva-Upanishad's. 
Weiter  zählt  die  obige  Stelle,  Brih.  2,4,10,  eine  Reihe  von 
Werken  auf,  deren  Deutung  zum  Teil  zweifelhaft  ist,  und 
welche  teilweise  wohl  in  die  Brähmana's  übergegangen  sind, 
teilweise  auch  die  ersten  Elemente  des  spätem  Epos  bezeichnen 
mögen.    Besonders  bemerkenswert  aber  ist,  dafs  die  „Geheim- 


1.  Ob  der  Veda  die  Quelle  der  Brabmanwissenschaft  ist?  53 

lehren"  (upanishaddh)  erst  hinter  itihdsah,  purdnam  und  vidyä 
an  achter  Stelle  erscheinen,  also  unter  allen  Umständen  noch 
nicht  zum  Veda  gerechnet  werden:  sie  waren  noch  nicht  nie  upani- 

- ,  ßhad's  noch 

zum  Vedänta  geworden.    Wenn  endlich  die  spätem  Vcdänta-     nicht 

-  Veda'1. 

theologen  auf  diese  Stelle  ihren  Lehrsatz  gründen,  dafs  der 
ganze  Veda  von  Brahman  ausgehaucht  und  daher  unfehlbar 
sei,  so  würde  dies  auch  allen  weiter  aufgezählten  Werken  die 
Unfehlbarkeit  eintragen  und  geschieht  sicher  mit  Unrecht; 
denn  die  Stelle  besagt  ursprünglich  nur,  dafs,  wie  alle  andern 
Erscheinungen  der  Natur,  so  auch  alle  Geistesprodukte  in  der 
Welt  eine  Schöpfung  des  Brahman  sind.*  Genau  dieselbe 
Reihe  literarischer  Produkte,  noch  um  einige  Glieder  ver- 
mehrt, wird  von  Yäjfiavalkya  Brih.  4,1,2  nochmals  aufgezählt, 
für  „Rede"  (väc)  erklärt  und  als  unzulänglich  zur  Erkenntnis  un™iäng- 
des  Brahman  befunden.  Daher  am  Schlüsse  dieser  Betrachtung  veda  nach 
Janaka,  obgleich  er  „seine  Seele  mit  jenen  Geheimlehren  aus- 
gerüstet", „die  Veden  studiert  und  die  Geheimlehren  gehört 
hat"  (adhttaveda  und  uJcfa-upanishatka  ist,  Brih.  4,2,1),  doch 
über  das  Schicksal  der  Seele  nach  dem  Tode  keine  Auskunft 
zu  geben  weifs.  Hieraus  erhellt,  dafs  dasjenige,  was  man  zu 
jener  Zeit  unter  upanishad  verstand,  nicht  notwendig  einen 
Aufschlufs  über  die  höchsten  Tragen  zu  enthalten  brauchte, 
wie  ja  sogar  Chänd.  8,8,5  die  Irrlehre,  dafs  das  Wesen  des 
Menschen  im  Leibe  bestehe,  als  asuränäm  upanishad  bezeichnet 
wird. 

Noch  deutlicher  wird  das  Ungenügende  alles  vedischen,  Nach 
und  überhaupt  alles  vorhandenen  Wissens  gekennzeichnet  durch 
Chänd.  7,1,  wo  Närada  dem  Sanatkumära  bekennt:  „Ich  habe, 
o  Ehrwürdiger,  gelernt  den  Rigveda,  Yajurveda,  Sämaveda, 
den  Atharvaveda  als  vierten,  die  epischen  und  mythologischen 
Gedichte  als  fünften  Veda,  Grammatik,  'Manenritual,  Arith- 
metik, Mantik,  Zeitrechnung,  Dialektik,  Politik,  Götterlehre, 
Gebetlehre,  Gespensterlehre,  Kriegswissenschaft,  Astronomie, 
Schlangenzauber  und  die  Künste  der  Musen;  —  das  ist  es,  o 
Ehrwürdiger,  was  ich  gelernt  habe;  und  so  bin  ich,   o  Ehr- 


*  So  wird  die  Stelle  aucb  Qvet.  4,18  „aus  ihm  erflofs  das  Wissen  ur- 
anfänglich''  (vgl.  Qvet.  6,18.  Mund.  2,1,4)  und  auch  noch  Maitr.  6,32  aufgefafst. 


54 


I.    Die  Erkennbarkeit  des  Brahrnan. 


Nach 
Chänd. 
5,3—10. 


Nach 

Chänd.  6,1. 


Nach    Taitt. 
2,3. 


würdiger,  zwar  schriftkundig,  aber  nicht  ätmankundig; 
denn  ich  habe  gehört  von  solchen,  die  dir  gleichen,  dafs  den 
Kummer  überwindet,  wer  den  Ätman  kennt;  ich  aber,  o  Ehr- 
würdiger, bin  bekümmert;  darum  wollest  du  mich,  o  Herr, 
zu  dem  jenseitigen  Ufer  des  Kummers  hinüberführen!" 

Einen  weitern  Beleg  dafür,  dafs  das  Yedastudium  die 
wichtigsten  Fragen  nicht  berührt,  liefert  der  grofse  Seelen- 
wanderungstext, welcher  in  dreifacher  Form,  Chänd.  5,3 — 10 
Brih.  6,2  und,  stark  abweichend,  Kaush.  1  überliefert  ist.  In 
allen  drei  Kezensionen  erklärt  Qvetaketu,  von  seinem  Vater 
Aruni  belehrt  worden  zu  sein,  weifs  aber  auf  die  vom  Könige 
Pravähana  (in  Kaushitaki  Citra)  gestellten  eschatologischen 
Fragen  nicht  zu  antworten,  kommt  erregt  zu  seinem  Vater 
zurück  und  macht  ihm  Vorwürfe;  Chänd.  5,3,4:  „so  hast  du 
also,  ohne  mich  belehrt  zu  haben,  behauptet,  du  habest  mich 
belehrt";  Brih.  6,2,3:  „so  also  war  es  gemeint,  wenn  du  schon 
vordem  erklärt  hast,  dafs  meine  Belehrung  fertig  sei!" 

Derselbe  Gedanke  kommt  Chänd.  6,1  zum  Ausdrucke,  wo 
(in  einer  übrigens  mit  den  eben  angeführten  Stellen  unverein- 
baren Weise)  QvetaJsehi  von  seinem  Vater  Aruni  ausgesandt 
wird,  das  Brahman  (d.  h.  den  Veda)  zu  studieren ;  nach  zwölf 
Jahren  „hatte  er  alle  Veden  durchstudiert  [d.  h.  nur  die 
ric,  yajus  und  säman,  also  die  drei  Samhitä's,  denn  nur  aus 
diesen  wird  er  nachher,  Chänd.  6,7,2,  examiniert]  und  kehrte 
zurück,  hochfahrenden  Sinnes,  sich  weise  dünkend  und  stolz", 
_  weifs  aber  auf  die  Frage  des  Vaters  nach  dem  Einen, 
Seienden,  mit  dessen  Erkenntnis  alles  erkannt  sei,  nicht  zu 
antworten:  „gewifs  haben  meine  ehrwürdigen  Lehrer  dieses 
selbst  nicht  gewufsi;  denn  wenn  sie  es  gewufst  hätten,  warum 
hätten  sie  mir  es  nicht  gesagt";  —  worauf  dann  Aruni  ihm 
die  vollkommene  Belehrung  erteilt. 

Auf  diesem  Standpunkte  steht  auch  die  Taittiriya-Upa- 
nishad,  wenn  sie  2,3  lehrt,  dafs  der  manasartige  (mattomaya) 
Ätman  aus  Yajus,  Ric,  Säman,  der  Anweisung  (adega,  d.  h. 
wohl:  dem  Brähmanam)  und  den  Atharva-  und  Angiras-Lie- 
dern  besteht,  dann  aber  diesen  ganzen  manasartigen  Ätman 
für  blofse  Schale  erklärt,  welche  wir  abzulösen  haben,  um  zum 
wahren  Wesen  des  Menschen  wie  der  Natur  durchzudringen. 


1.  Ob  der  Veda  die  Quelle  der  Brahmanwissenschaft  ist?  55 

Was  aus  diesen  Beispielen  sich  ergibt,  das  wird  früh  Verwerfung 
auch  schon  direkt  ausgesprochen:  Brih.  3,5,1:  „darum,  nach-  schrm- 
dem  der  Brahmane  von  sich  abgetan  die  Gelahrtheit 
(pändityam  nirvidya),  so  verharre  er  in  Kindlichkeit";  —  Brih. 
4,4,21:  „nicht  trachte  er  nach  Schriftwissen,  das  nur  Reden 
ohn'  Ende  bringt";  —  Taitt.  2,4:  „vor  dem  die  Worte  um- 
kehren und  das  Denken,  nicht  findend  ihn";  —  Käth.  2,23: 
„nicht  durch  Belehrung  wird  erlangt  der  Atman,  nicht  durch 
Verstand  und  viele  Schriftgelehrtheit".  Und  Mund.  1,1,5 
werden  die  vier  Veden  aufgezählt  und  mitsamt  den  sechs  Ve- 
dänga's  zur  niedern  Wissenschaft  (aparä  vidyd)  gerechnet, 
durch  welche  das  unvergängliche  Wesen  nicht  erkannt  werde. 

Dieses  ablehnende  Verhalten  gegen  die  vedische  Wissen-  Die  uPani- 
schaft  ändert  sich  erst  nach  und  nach  in  dem  Mafse,  wie  die  den  mitTer 
Texte  der  Upanishad's  sich   konstituieren   und  zum  Vedänta     QUei*e.T 
werden  (oben  S.  21).    Von  nun  an  gelten  sie,  und.  mit  ihnen 
der  Veda,   als    Quelle   der   höchsten  Erkenntnis.     Eine   erste 
Spur  dieser  Wendung  zeigt  sich  Bäh.  3,9,26,  wo  Yäjnavalkya 
nach   dem  Purusha   der-  Upanishadlehre  (npanishada  purusha) 
fragt,  welchen  Qäkalya  nicht  kennt  und  daran  zugrunde  geht. 
Ferner  auch  Chänd.  3,5,4,  wo  der  Veda  für  Nektar,  die  r/ulnja 
ädecäh,   d.  h.    die  Upanishad's,   für   den   Nektar   des  Nektars 
erklärt  werden.     Eine  Anschliefsung   der  Upanishad   an   den 
Veda  oder,  richtiger,  eine  Unterordnung  des  ganzen  vedischen 
Lehrstoffes  unter  dieselbe  scheint  Kena  33  angedeutet  zu  wer- 
den, wo   die  Veden   für   „die   Gesamtheit   der   Teile"   (verfall 
sarväügäni)  der  „Geheimlehre  vonBrahman"  (brälimi  upanishad, 
im  Gegensatz  gegen  andere,  nicht  anerkannte  Upanishad's,  wie 
die  oben  erwähnte  asuränäm  upanishad)  erklärt  werden.     Als 
völlig  eingebürgert  in  den  Veda  erscheinen  die  Upanishad's  Die  upani- 
mit  dem  Auftreten   des  Namens  vedänta,  welcher  zuerst  vor-  VenVn"" 
kommt  Qvet.  6,22;  „vor  Zeiten  ward  im  Vedänta  höchstes  Ge-   Vedanta- 
heimnis  ausgebracht".     Die  Verlegung  dieses  Vedänta  in  die 
Vorzeit  (purähalpa)  scheint  zu  bekunden,   dafs   der  V  er  fasser 
auf  Brih.,  Chänd.  und  andere  von   ihm  benutzte  Upanishad's 
schon  aus  einer  gewissen  Ferne  zurückblickt,  könnte  aber  auch 
aufgefafst  werden  als  ein  blofser  Ausdruck  der  Hoch  Schätzung, 
welche  ja  mit  den  Jahren  zunimmt.     Völlig  in  ihrer  spätem 


55  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

Stellung  als  Quelle  des  Brahmanwissens,  welches  man  erst 
durch  Auslegung  derselben  zu  gewinnen  hat,  erscheinen  die 
Vedäntatexte  in  dem  Mund.  3,2,6  (Mahän.  10,22.  Kaivalya  3) 
vorkommenden  Verse:  vcdänta-vijnäna-suniccita-arthäh  usw.  „sie, 
welche  den  Sinn  der  Vedänta-Erkenntnis  richtig  (su)  ermittelt 
haben".  Hierzu  stimmt  Mund.  2,2,3 — 4,  wo  die  Upanishad's 
und,  als  ihre  Quintessenz,  der  Om-Laut  als  der  Bogen  be- 
zeichnet werden,  mit  dem  man  nach  Brahman  als  Ziel  schiefst, 
nicht  aber  Mund.  1,1,5,  wo  die  sämtlichen  vier  Veden  ab- 
gelehnt werden;  die  letztere  Stelle  scheint  somit  aus  früherer 
Zeit  zu  stammen. 


2.  Vorbereitende  Mittel  der  Brahmanerkenntnis. 

Die  vier  Die  spätere  Zeit  konstruierte   eine  Art  von  via  salutis  in 

Al'viTll-  den  yier  Agrama's  oder  Lebensstadien,  vermöge  derer  jeder 
lutis.  brahmanische  Inder  zuerst  als  Brahmacärin  dem  Vedastudium, 
dann  als  Grihastha  dem  Opfer  und  andern  guten  Werken, 
dann  als  Vänaprastha  im  Walde  der  Askese  obliegen  sollte, 
um  endlich  gegen  Ende  seines  Lebens  als  Parivräjaka  (BMkshu, 
Sannydsin)  besitzlos  und  heimatlos  umherzuschweifen  und  nur 
noch  die  Auflösung  seines  Ätman  im  höchsten  Ätman  ab- 
zuwarten. 

wert  der  Im  Entstehen  begriffen   sehen  wir  diese  Agramä's  Brih. 

Btc'haBrib.  4,4,22:  „Ihn  suchen  durch  Vedastudium  [Brahmacärin]  die 
4,4,22.  Brahmanen  zu  erkennen,  durch  Opfer,  durch  Almosen  [Gri- 
hastha], durch  Büfsen,  durch  Fasten  [Vänaprastha];  wer  ihn 
erkannt  hat,  der  wird  ein  Muni.  Zu  ihm  auch  pilgern  hin 
die  Pilger,  als  die  nach  der  Heimat  sich  sehnen  [PariwäjafoaJ". 
—  Hier  scheint  den  Obliegenheiten  der  spätem  Äc,rama's 
(Vedastudium,  Opfer,  Askese)  ein  gewisser  Wert  als  vor- 
bereitenden Mitteln  der  Brahmanerkenntnis  beigelegt  zu 
werden. 
Kach  Deutlicher    redet    schon    Chänd.  2,23,1:    „Es    gibt    drei 

C2^3°i1-  Zweige  der  Pflicht':  Opfer,  Vedastudium  und  Almosengeben 
ist  der  erste  [Grihastha];  Askese  ist  der  zweite  [Vänaprastha]; 
der  Brahmanschüler  [Brahmacärin] ',  der  im  Hause  des  Lehrers 
wohnt,  ist  der  dritte,  wofern  derselbe  [als  Naishthilca]  sich  für 


2.  Vorbereitende  Mittel.  57 

immer  im  Hause  des  Lehrers  niederläfst.  Diese  alle  bringen 
als  Lohn  heilige  Welten;  was  aber  in  Brahman  feststeht,  geht 
zur  Unsterblichkeit  ein".  Diese  Stelle  erwähnt  nur  drei 
Ägrama's,  erkennt  ihren  Wert  an,  stellt  aber  allen  dreien  das 
„Feststehen  in  Brahman"  gegenüber,  welches  sich  dann  später 
zu  einem  vierten  Agrama  fortentwickelt  hat.  —  Eine  andere 
Stelle,  Chänd.  8,5,  sucht  durch  eine  Reihe  verwegener  Etymo-  Nach 
logien  nachzuweisen,  dafs  Opfer,  Schweigen,  Fasten  und  Wald- 
leben (also  die  Beschäftigungen  des  Grihastha  und  Vänaprastha) 
ihrem  Wesen  nach  Bralimacaryam  sind,  worunter  hier  nicht 
nur  das  Leben  als  Brahmanschüler,  sondern,  wie  der  wieder- 
holte Hinweis  darauf  zeigt,  im  weitern  Sinne  der  Brahman- 
wandel  als  der  Weg,  den  Atman  zu  finden,  verstanden  wird. 
In  der  Förderung  dieses  Zweckes  —  das  dürfte  der  Sinn  der 
Stelle  sein  —  liegt  der  eigentliche  Wert  aller  Übungen  der 
Acrarna's.  —  Bestimmter  bezeichnet  Kena  33  Askese,  Bezäh-  Opfer  und 
mung  und  Opferwerk  (tapas,  dama,  Jcarman)  als  die  Voraus-  Mittel. 
Setzungen  (pratislitliäli)  der  brahmi  upanishad  d.  h.  der  echten, 
das  Brahman  offenbarenden  Geheimlehre.  Und  auch  Käth.  2,15 
werden  alle  Veden,  alle  Tapas-Übungen  und  das  Bralima- 
caryam als  Mittel  bezeichnet,  welche  auf  den  Om-Laut  (unter 
dem  hier  die  Brahmanerkenntnis  verstanden  wird)  als  Zweck 
hinstreben.  Eine  Anerkennung  der  Werke  der  Acrarna's  liegt 
auch  in  Mund.  2,1,7,  sofern  dieselben  (tapas,  graddhä,  satyam, 
bralimacaryam ,  vidlii)  hier  als  eine  Schöpfung  Brahman' s  be- 
zeichnet werden. 

Was  "das  Einzelne  betrifft,  so  ist  über  das  Vedastudium 
schon  oben  gehandelt  worden,  und  wir  wollen  hier  nur  noch 
von  dem,  was  die  Upanishad's  über  Opferwerk  und  Askese 
lehren,  das  Wichtigste  zusammenstellen. 


3.  Das  Opfer. 

Die  altern  Upanishad's  sind   sich   der  Gegnerschaft   des  Opposition 
ganzen  brahmanischen  Ritualwesens  zu  sehr  bewufst,  als  dafs  gRietuai.a8 
sie    demselben     eine    auch    nur    relative    Anerkennung    zu-     we8en- 
gestehen  könnten.    Direkte  Polemik  freilich  findet  sich  in  den 
uns  erhaltenen  Texten  selten;  um  so  häufiger  wird   aus  den 


58  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

überkommenen  Opferbräuchen  etwas  anderes  gemacht,  sei  es, 
dafs  man  sie  allegorisch  umdeutet,  sei  es,  dafs  man  ihnen  als 
Ersatz  andere,  meist  psychologische  Verhältnisse  substituiert. 
Nach  BHii.  Fast  wie  Spott  klingt  es,  wenn  Brih.  1,4,10  gesagt  wird: 

„Wer  nun  eine  andere  Gottheit  [als  den  Atman]  verehrt  und 
spricht:  «eine  andre  ist  sie,  und.  ein  andrer  bin  ich»,  der  ist 
nicht  weise,  sondern  er  ist  gleich  als  wie  ein  Haustier  der 
Götter.  So  wie  viele  Haustiere  dem  Menschen  von  Nutzen 
sind,  also  auch  ist  jeder  einzelne  Mensch  den  Göttern  von 
Nutzen.  Wenn  auch  nur  ein  Haustier  entwendet  wird,  das 
ist  unangenehm,  wie  viel  mehr,  wenn  viele!  —  Darum  ist  es 
denselben  nicht  angenehm,  dafs  die  Menschen  dieses  wissen." 
—  Sehr  abschätzig  klingt  auch  die  Bemerkung  Yäjnavalkya's, 
Brih.  3,9,6:  „Was  ist  das  Opfer?  —  Die  Tiere!"  und  nicht 
weniger  Brih.  3,9,21,  wo  gesagt  wird,  dafs  Yama  (der  Todes- 
gott) im  Opfer,  das  Opfer  aber  im  Opferlohne  seinen  Stand- 
ort habe. 
Nach  So  gewagten  Bemerkungen  wie  diesen  begegnen  wir  nicht  in 

etc.  '  "  Chändogya,  es  wäre  denn  in  dem  „Hunde-Udgitha"  Chänd.  1,12, 
welcher  ursprünglich  eine  (später  allegorisch  gedeutete)  Satire 
auf  die  hungrige  Bettelhaftigkeit  der  Priester  gewesen  zu  sein 
scheint.  Doch  wird  auch  Chänd.  1,10 — 11  nicht  ohne  Behagen 
erzählt,  wie  die  drei  zum  Opfer  versammelten  Priester  von 
einem  hergelaufenen  Bettler  in  die  Enge  getrieben  werden, 
und  Chänd.  4,1 — 3  mufs  der  „gläubig  spendende,  viel  schen- 
kende, viel  kochende"  (graddJiädeyo,  bahudäyi,  bahupähyah) 
JänaQruti  nicht  ohne  Demütigung  die  Belehrung  eines  arm- 
seligen Landstreichers  nachsuchen. 
Für  Opfer  Die  allgemeine  Anschauung  ist,  dafs  für  Opfer  und  gute 

Pitnyäna.  Werke  nur  der  Väterweg  (pitriyäna)  in  Aussicht  steht,  welcher 
nach  einer  vorübergehenden  Ablohnung  auf  dem  Monde  zurück 
zu  einem  neuen  Erdendasein  führt:  schon  Brih.  1,5,16  heifst 
es:  „durch  das  [Opfer-]Werk  wird  die  Väterwelt,  durch  das 
Wissen  die  Götterwelt  erworben",  und  andere  Stellen  be- 
schreiben den  zur  Erde  zurückleitenden  Väterweg  als  das 
Schicksal  derjenigen,  „welche  im  Dorfe  mit  den  Worten  «Opfer 
und  fromme  Werke  sind  unser  Tribut»  Verehrung  üben" 
(Chänd.  5,10,3),   „welche   durch  Opfer,  Almosen   und   Askese 


3.   Das  Opfer  als  Mittel. 


;  9 


die  [Himmels-] Welten  erwerben"  (Brih.  6,2,16),  „welche  mit 
den  Worten  «Opfer  und  fromme  Werke  sind  unser  Tun» 
Verehrung  üben"  (Praevia  1,9);  „Opfer  und  Werke  für  das 
Höchste  haltend,  nichts  andres,  Bessres  wissen  sie  sich,  die 
Betörten"  (Mund.  1,2,10). 

Nicht  selten  wird  den  überkommenen  Opferbräuchen  ein 
der  neuen  Lehre  entsprechender  Sinn  untergelegt;  so  werden 
Brih.  1,4,16  die  fünf  täglich  zu  spendenden  Darbringungen 
(mahäyajna's)  zu  einem  Opfer  an  den  Atman  umgedeutet;  und 
Chänd.  4,11 — 14  erklären  die  drei  Opferfeuer  sich  selbst  für 
Erscheinungsformen  des  Atman  (eshä  asmadviäyä  dtmävidyä  ca). 

Noch  häufiger  ist  der  Fall,  dafs  den  rituellen  Zeremonien 
Verhältnisse  des  in  der  Natur  und  im  Menschen  verkörperten 
Ätman  substituiert  werden.  Brih.  3,1  treten  an  Stelle  der  vier 
Priester  als  Organe  der  Götter  die  Rede,  das  Auge,  der  Odem 
und  das  Manas  als  Organe  des  Ätman.  Chänd.  4,16  wird  der 
Wind  für  das  Wesen  des  Opfers,  der  Verstand  und  die  Rede 
für  das  Wesen  der  Opferpriester  erklärt.  Ait.  Ar.  3,2,6  p.  370. 
Brih.  1,5,23  und  Kaush.  2,5  wird  das  Agnihotram  ersetzt  durch 
das  Einatmen  und  Reden,  ein  Gedanke,  der  sich  weiterhin, 
auf  Grund  von  Chänd.  5,11 — 24,  zur  Theorie  von  dem  Pränägni- 
hotram  entwickelt  hat,  von  dem  weiter  unten  zu  handeln  sein 
wird.  Sehr  beliebt  ist  auch  die  Substitution  des  Menschen, 
seiner  Organe  und  seiner  Leibesverrichtungen  an  die  Stelle 
des  Opfers:  so  werden  Chänd.  3,16  die  drei  Lebensalter  den 
drei  Somakelterungen,  Chänd.  3,17  die  menschlichen  Tätig- 
keiten den  verschiedenen  Akten  der  Somafeier  und  Mahänär.  64 
die  körperlichen  Organe  den  Opfergeräten  substituiert;  ins 
Kleinliche  ausgesponnen  findet  sich  der  letzterwähnte  Gedanke 
Pränägnihotra-Up.  3 — 4.  Auch  der  Vers  T-aitt.  2,5  gehört 
hierher,  sofern  er,  richtig  übersetzt,  besagt :  „Erkenntnis  bringt 
er  als  Opfer,  Erkenntnis  als  die  Werke  dar". 

Erst  in  spätem  Upanishad's  begegnen  wir  einer  mehr 
freundlichen  Stimmung  gegenüber  dem  Opferkultus.  Käth.  1,17 
wird  in  übertriebener  und  upanishadwidriger  Weise  für  die 
Erfüllung  gewisser  Zeremonien  und  Werke  „Überschreiten  von 
Geburt  und  Tod",  „Eingehen  in  die  ewige  Ruhe"  verheifsen, 
und  Käth.  3,2  wird  das  Näciketafeuer  für  die  Brücke  erklärt, 


Unideutnn- 
gen  des 
Opfers. 


Substitu- 
tionen für 
die  Kultus- 
bräuche. 


Bedingte 
Anerken- 
nung des 
Opfers  in 
spätem 
Texten. 


60  I.   -Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

welche  die  Opfernden  zum  ewigen  höchsten  Brahman,  zum 
„Ufer  ohne  Furcht"  hinüberführe.  Hier  wird,  auch  wenn  wir 
die  poetische  Übertreibung  des  Ausdrucks  mildern,  dem  Kultus 
mindestens  eine  Mitwirkung  zur  Erreichung  des  Heiles  vindi- 
ziert. —  Einen  Schritt  weiter  geht  Qvet  2fi — 7: 

Wo  Agni  aus  dem  Reibholze 
Entspringt,  wo  Väyu  tritt  hinzu, 
Und  wo  auch  Soina  quillt  reichlich, 
Da  entwickelt  das  Manas  sich. 

Durch  Savitar,   durch  seinen  Trieb 
Freut  des  Gebets,   des  alten,   euch; 
Wenn   dort  ihr   euren  Stand  nehmet, 
Beileckt  euch   früh'res  "Werk  nicht  mehr. 

Der  hier  gewählte  Ausdruck-  „freut  des  Gebets,  des  alten, 
euch"  (jusheta  örahma  pürvyam)  deutet  an,  dafs  damit  ein  ehe- 
maliger Brauch  wieder  zu  Ehren  gebracht  werden  soll.  — 
Diese  Reaktion  vollendet  sich  in  der  Maiträyaniya-Up.,  welche 
von  vornherein  (1,1)  erklärt,  dafs  „das  Feuerschichten  der  Alt- 
vordern" in  Wahrheit  ein  „Opfer  an  Brahman"  (!)  sei,  und 
im  vierten  Prapäthaka  den  Gedanken  ausführt,  dafs  ohne 
Vedastudium,  Beobachtung  der  Pflichten  der  eigenen  Kaste 
und  Innehaltung  der  brahmanischen  Lebensordnung  durch  die 
AQrama's  eine  Heilung  des  natürlichen  Atman  und  Wieder- 
vereinigung mit  dem  höchsten  Atman  nicht  möglich  sei.  Den 
Schlüssel  zum  Verständnis  dieser  Reaktion  liefert  die  Maitr. 
7,8 — 10  vorkommende  Polemil:  gegen  die  Häretiker.  Der 
Brahmanismus ,  im  Angesicht  der  Konsequenzen,  welche  die 
Haltung  der  frühern  Upanishad's  im  Buddbismus  und  ähn- 
lichen Erscheinungen  gezeitigt  hat,  zieht  sich  auf  seine  ur- 
sprünglichen Grundlagen  zurück. 

4.  Die  Askese  (tapas). 

Bedeutung  Die  Menschen  haben  es  von  jeher  bewundernswert  ge- 

8  ew"  f'unden,  wenn  jemand,  im  Gegensatze  zu  den  natürlichen  und 

allgemein-menschlichen,  auf  Leben,  Lust  und  Glück  gerichteten 

Trieben,  es  über  sich  vermochte,  sich   selbst  Entbehrungen, 


.  Die  Askese  als  Mittel.  61 

Anstrengungen,  Qualen  aufzuerlegen,  sei  es,  um  das  Wohl 
seiner  Mitmenschen  zu  fördern,  sei  es  auch  ohne  diesen  äufser- 
lichen  und  daher  zufälligen  Zweck,  welcher  als  solcher  für 
den  innern  Wert  der  betreffenden  Handlung  ohne  Bedeutung 
schien.  Ja,  ein  Akt  der  Selbstverneinung  mochte  um  so  reiner 
erscheinen,  je  weniger  er  mit  irgend  welchen  äufsern  Zwecken 
verknüpft  war,  je  mehr  er  nur  geschah,  um  die  eigene  Indi- 
vidualität und  ihre  natürlichen  Triebe  zu  bekämpfen.  Es  war, 
als  wenn  hierbei  im  Menschen  eine  übermenschliche,  meta- 
physische Kraft  zum  Durchbruche  käme,  welche,  aus  den 
letzten  Wurzeln  des  Seins  entspringend,  den  Täter  hoch  über 
die  Menschenwelt  und  ihre  egoistischen  Interessen,  ja,  auch 
über  die  Götterwelt  hinaushob  und  ihm  seinen  Platz  in  einer 
andern,  höhern  Ordnung  der  Dinge,  als  die  unsere  ist,  anwies. 

Es  spricht  somit  für  die  hohe  metaphysische  Anlage  des     Frühes 
indischen  Volkes,   wenn  bei   ihm  das  Phänomen  der  Askese  der  Askese- 
früher  auftritt  und   einen   breitern  Kaum   einnimmt,    als   bei  m  Imlien' 
irgend  einem  Volke,  welches  wir  kennen.    (Vom  spätem  Mifs- 
brauch  der  Askese  im  Dienste  persönlicher,   auf  Bewundert- 
werden oder  gar   auf  Erwerb   gerichteter  Zwecke   sehen   wir 
hierbei  ab.) 

Schon  bei  den  Schöpfungsmythen  sahen  wir,  wie  der 
Weltschöpfer  sich  zu  seinem  Werke  vorbereitet  durch  Übung 
von  topos,  in  welchem  Worte  die  alte  Vorstellung  von  der 
zur  Ausbrütung  des  Welteies  dienenden  „Hitze"  (oben  I,  i, 
S.  182)  verfliefst  mit  dem  Begriffe  der  Anstrengung,  Erschöpfung, 
Selbstentäufserung  (I,  i,  S.  190),  mittels  welcher  der  Schöpfer 
sich  selbst  (ganz  oder  teilweise)  in  die  von  ihm  zu  schaffende 
Welt  umwandelt  (I,  i,  S.  191).  Auf  Topas  beruht,  nach  diesem 
Vorbilde,  alles  Grofse  in  der  Welt:  die  Wahrheit  und  das 
Eecht  und  mit  ihnen  die  ganze  Welt  sind  nach  einem  spätem 
Hymnus  des  Kigveda  (10,190,1,  oben  I,  i,  S.  134)  aus  Topas 
geboren;  —  aus  Q'rama  (Abmühung)  und  Topas  ist  Skambha 
als  Erstgeborener  (oben  I,  i,  S.  313)  entstanden  und  durchdrang 
die  Welt  (Atharvav.  10,7,36,  oben  I,  i,  S.  317),  im  Topas 
schwang  er  sich  auf  den  Rücken  der  Urwasser  (Atharvav. 
10,7,38,  oben  I,  i,  S.  318);  durch  das  Tapas,  mit  dem  er  seine 
Obliegenheiten  erfüllt,  sättigt,  nach  dem  oben  I,  i,  S.  279  fg. 


(32  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Braliraan. 

übersetzten  Liede,  der  Brahmanschüler  den  Lehrer,  sättigt  er 
die  Götter  und  die  Welträume,  steigt  er  empor  als  Sonne, 
schützt  er  beide  Welten,  usw.,  durch  Brahmanwandel,  durch 
Tapas  schützt  der  Fürst  sein  Reich,  haben  die  Götter  den 
Tod  abgewehrt,  Tapas  übte  der  Brahmanschüler  in  dem  Ur- 
meer,  als  er,  weltschaffend,  über  der  Wasser  Rücken  stand 
(I,  i,  S.  281 — 282).  Und  auch  schon  im  Rigveda  setzen  sich 
die  sieben  Rishi's  zusammen,  um  Tapas  zu  üben  (10,109,4), 
und  der  in  den  Himmel  eingehenden  Seele  wird  zugerufen 
'  (10,154,2): 

Die,  unbezwingbar  durch  Tapas, 
Zum  Licht  durch  Tapas  sind  gelangt, 
Die  grofses  Tapas  vollbrachten,  — 
Zu  diesen  gehe  jetzo  ein! 

Ein  anderer  Hymnus  des  Rigveda  (10,136)  schildert  den 
gottbegeisterten  Muni,  wie  er  mit  langem  Haare,  in  gelbem, 
schmutzigem  Gewände,  nur  von  dem  Winde  umgürtet  auf  den 
Pfaden  des  Wildes  schweift;  nur  seinen  Leib  sehen  die  Sterb- 
lichen: er  selbst,  übernatürlicher  Kräfte  teilhaft,  fliegt  durch 
die  Luft,  trinkt  mit  dem  Sturmgotte  aus  der  Schüssel  beider 
Weltmeere,  wird  von  dem  Zuge  des  Windes  zu  den  Göttern 
emporgeführt,  überschaut  alle  Gestalten  und  wirkt  als  ein 
Genosse  der  Götter  mit  ihnen  zum  Heile  der  Menschen. 

Zu  den  Zeiten  der  ältesten  Upanishadtexte  hat  sich  das 
Asketenleben  schon  zu  einem  besondern,  gleichberechtigt  neben 
dem  Stande  des  Hausvaters  stehenden,  „Berufszweige"  (dhar- 
masJca/ndha,  Chänd.  2,23)  ausgebildet:  man  verliefs,  wie  Yäjna- 
valkya  Brih.  2,4,  Hauswesen  und  Familie  und  zog  in  die  Wald- 
einsamkeit, um  Tapas  zu  üben  und  durch  allmählich  gesteigerte 
Entbehrungen  und  Kasteiungen  den  letzten  Rest  von  An- 
hänglichkeit an  das  Erdendasein  in  sich  abzutöten. 
Beschränk-  Wir  haben  jetzt  zu  untersuchen,  welche  Stellung  die  Ur- 

«u^Askese  lieber   und  Vertreter   der  Upanishadgedanken   dieser   Kultur- 
gütern"  erscheinung  des  Asketenwesens  gegenüber  einnehmen. 
^.ad^"  Die   Chändogya-Upanishad   stellt    uns    zunächst  4,10    in 

Upakosala  einen  Brahmanschüler  vor  Augen,  welcher  sich 
darüber  abhärmt  (tapto  brqhmacäri,  4,10,2.  4),  dafs  ihm  der 
Lehrer  die  Wissenschaft  nicht  lehren  will,  in  Krankheit  ver- 


4.   Die  Askese  als  Mittel.  63 

fällt  und  sich  weigert,  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen.  Auf  die 
Aufforderung,  zu  essen,  erwidert  er:  „Ach,  in  dem  Menschen 
sind  so  vielerlei  Lüste!  Ich  bin  ganz  voll  Krankheit;  ich 
mag  nicht  essen".  (In  diesen  Worten  tritt  das  eigentliche 
Motiv  der  indischen  wie  aller  Askese  deutlich  hervor.)  Da 
erbarmen  sich  die  drei  Opferfeuer  seiner,  und  die  Belehrung, 
welche  sie  ihm  erteilen,  beginnt  mit  den  Worten:  „Brahman 
ist  Leben,  Brahman  ist  Freude  (kam),  Brahman  ist  Weite 
(kham)u.  In  diesen  Worten  liegt,  dafs  Brahman,  als  das 
Prinzip  des  Lebens,  der  Wonne  (kam  —  änanda,  wie  Chänd.  7,23 
sukham)  und  der  Unendlichkeit  auf  dem  Wege  trübsinniger 
Askese  nicht  zu  erreichen  ist. 

Chänd.  2,23  redet  vom  Tapas  als  der  Berufspflicht  des 
Waldeinsiedlers ;  dasselbe  wird  als  solche  neben  Brahman- 
schülerschaft  und  Hausvaterschaft  anerkannt ;  alle  drei  „bringen 
als  Lohn  heilige  Welten;  —  wer  aber  in  Brahman  feststeht, 
geht  zur  Unsterblichkeit  ein".  —  Hiermit  steht  nicht  in  Wider- 
spruch, dafs  Chänd.  5,10,1  der  Götterweg,  welcher  in  Brahman 
führt  ohne  Wiederkehr  und  für  diese  Zeit  noch  das  höchste 
Ziel  bedeutet,  denen  verheifsen  wird,  ye  ca  ime  'ranye  agraddhä 
1apa'v>  iti  upäsate,  denn  diese  Worte  bedeuten:  „jene,  welche 
im  Walde  mit  den  Worten:  «der  Glaube  ist  unsere  Askese» 
Verehrung  üben".  Es  ist  vom  Waldeinsiedler  die  Kede;  aber 
der  Askese,  welche  sein  Beruf  ist,  wird  hier  etwas  anderes, 
der  Glaube,  substituiert. 

In  demselben  Sinne  äufsert  sich  die  Brihädaranyaka- 
L-panishad,  wenn  sie,  diese  Stelle  im  Anhange  reproduzierend, 
noch  deutlicher  6,2,15  nur  für  solche,  „welche  im  Walde  Glau- 
ben und  Wahrheit  üben",  den  Götterweg,  hingegen  6,2,16  für 
Opfer,  Almosen  und  Askese  (von  denen  es  4,4,22  hiefs,  dafs 
man  durch  sie  das  Brahman  zu  erkennen  suche,  vividisJianti) 
nur  den  Väterweg  in  Aussicht  stellt.  —  Noch  schärfer  drückt 
sich  Yäjnavalkya  Brih.  3,8,10  aus:  „Wahrlich,  o  Gärgi,  wer 
dieses  Unvergängliche  nicht  kennt  und  in  dieser  Welt  opfert 
und  spendet  und  Bufse  büfst  (tapas  tapyate)  viel  tausend  Jahre 
lang,  dem  bringt  es  nur  endlichen  [Lohn]".  —  Die  höchste 
Kasteiung  (paramam  tapas),  so  lehrt  Brih.  5,11,  sind  Krank- 
heit,   Hinausgetragenwerden    als    Leiche    und    Verbrennung; 


64  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

hier  werden  hoher  als  künstlich  herbeigeführte  Kasteiungen 

die  Leiden  des  Lehens  und  Sterbens  angeschlagen. 

zunehmen-  Einer  für  die  Askese  günstigem  Stimmung  begegnen  wil- 

de Hoch- 


öJ 


BohätzuDg  schon  in  der  Taittiriya-Upanishad.  Der  erste,  für  den  Schüler  ' 
in  den  spÄ-  bestimmte  Teil  fordert  von  diesem  1,9  Askese  und  Vedastudium 
™had>s.m  und  erwähnt  bei  dieser  Gelegenheit  die  Ansichten  zweier 
Lehrer,  von  denen  der  eine  „nur  Askese",  der  andere  nur 
Vedastudium,  „denn  dies  sei  die  Askese",  verlange.  Zwischen 
beiden  nimmt  die  Upanishad  durch  ihre  Forderung  von  Askese 
und  Vedastudium  eine  vermittelnde  Stellung  ein.  —  Höher 
wird  die  Askese  im  letzten,  spätesten  Teile,  Taitt.  3,  geschätzt, 
wo  Bhrigu  von  seinem  Vater  Varuna  immer  wieder  auf- 
gefordert wird:  „durch  Tapas  suche  das  Brahman  zu  erkennen, 
das  Brahman  ist  Tapas",  und,  dem  nachkommend,  durch  fort- 
gesetztes Tapas  sich  stufenweise  dazu  erhebt,  das  Brahman 
als  Nahrung,  Lebensodem,  Manas,  Erkenntnis  und  zuletzt  als 
Wonne  zu  erkennen,  womit  —  durch  Tapas  —  die  höchste 
Stufe  erreicht  ist.  (Noch  viel  später  ist  die  der  Taittiriya- 
schule  zugerechnete  Mahänäräyana-Up.,  welche  62,11  höher 
als  die  Askese,  tapas,  etwas  anderes  setzt,  nydsa,  „die  Ent- 
sagung", womit  der  Standpunkt  der  Sannyäsa-L^panishacFs 
vorbereitet  wird;  hiervon  später.)  —  Auch  Kena  33  zählt,  wie 
bereits  erwähnt,  das  Tapas  mit  zu  den  Grundlagen  (d.  h. 
Voraussetzungen,  pratislühäli)  des  Brahman;  und  nach  Qvet. 
1,15.  16.  6,21  wurzelt  die  Erkenntnis  des  Brahman  in  der 
Atmavidyä  (der  Vedäntatexte)  und  in  dem  Tapas. 

Aber  einen  grofsen  Schritt  über  das  Bisherige  hinaus  tun 
Mundaka  und  Pracna,  indem  sie  die  oben  erwähnte  Theorie 
vom  Väterweg  und  Götterweg  nach  Chänd.  und  Brih.  repro- 
duzieren, jedoch  mit  einer  charakteristischen  Abänderung: 
Mund.  1,2,11  verhelfst  den  Götterweg  denen,  „die  im  Wald 
Askese  und  Glauben  üben"  (tajpah-graddhe  ye  hi  upavasanti 
aramje);  und  Pracna  1,10  eröffnet  denselben  solchen  „die  durch 
Askese,  Brahmanwandel,  Glaube  und  Wissen  den  Atman  ge- 
sucht haben".  —  Bemerkenswert  ist,  dafs  Mund;  3,2,4  ein  un- 
echtes Tapas  (tapas  alingam),  d.  h.  wohl  ein  solches  erwähnt 
wird,  welchem  das  Merkmal  der  Erkenntnis  abgeht. 

Wie  zu  erwarten,  wird  auch  in  bezug  auf  das  Topas  von 


4.  Die  Askese  als  Mittel.  65 

der  Maitr.  Up.,  angesichts  buddhistischer  und  anderer  Ver- 
irrungen,  der  altvedische  Standpunkt  repristiniert.  Zwar  reicht 
Askese  allein  nicht  hin,  denn  Maitr.  1,2  wird  sie  von  Brihad- 
ratha  in  der  schärfsten  Weise  geübt,  ohne  ihm  doch  das 
Atmanwissen  zu  verschaffen ;  aber  als  Vorbedingung  ist  sie 
unerläfslich ;  Maitr.  4,3:  „ohne  ein  Asket  zu  sein,  kann  man 
weder  die  Erkenntnis  des  Atman  erreichen  noch  auch  die 
Werke  vollbringen"  (na  atapaskasya  ätmajnäne  'dln'gawah, 
~karmasiddhir  vä). 

5.  Andere  Vorbedingungen. 

Wiederholt  begegnen  wir  in  den  altern  Upanishad's  der  Sohn  °foi 

_,  .  ....  Schüler. 

Forderung,  dafs  eine  Lehre  oder  Zeremonie  keinem  mitgeteilt 
werden  dürfe  aufser  dem  eigenen  Sohne  oder  dem  durch  das 
Sakrament  des  Upanaganam  aufgenommenen  Schüler.  Ait. 
Ar.  3,2,6,9:  man  soll  den  mystischen  Sinn  der  Buchstaben- 
verbindungen „keiriem  mitteilen,  der  nicht  Schüler  ist,  der  nicht 
ein  Jahr  lang  Schüler  gewesen  ist,  der  nicht  selbst  Lehrer 
werden  will"  (vgl.  auch  Ait.  Ar.  5,3,3,4).  —  Chänd.  3,11,5:  die 
Lehre  von  Brahman  als  Weltsonne  soll  „nur  dem  ältesten 
Sohne  sein  Vater  als  das  Brahman  kundmachen,  oder  auch 
einem  vertrauten  Schüler,  aber  keinem  andern,  wer  es  auch 
sei.  LTnd  -böte  ihm  einer  dafür  die  wasserumgürtete  Erde  mit 
allem  ihrem  Reichtum,  —  «dieses  ist  mehr  wert»,  so  soll  er 
denken".  —  Brih.  6,3,12:  die  Rührtrankzeremonie  „soll  man 
keinem  mitteilen,  aufser  seinem  Sohne  oder  seinem  Schüler". 

Dementsprechend  sehen  wir  in  den  Upanishad's  Men-  Beispiele 
sehen  und  Götter  das  Brennholz  zur  Hand  nehmen  und  sich 
zur  Schülerschaft  bequemen,  wie  denn  nach  Chänd.  8,11,3 
Indra  selbst  101  Jahre  bei  Prajäpati  als  Schüler  wohnen 
mufste,  um  der  vollständigen  Belehrung  teilhaft  zu  werden. 
Andere  Beispiele  sind  Kaush.  1,1.  4,19.  Brih.  2,1,14.  Praq-na 
1,1-    Mund.  1,2,12. 

Doch  ist  diese  Forderung  in  der  älteren  Zeit  noch  keine  Diese  For- 
unbedingte.    Chänd.  4,9,3  heifst  es  nur,  dafs   „das  Wissen,  nk-htTn'L- 
welches  man  vom  Lehrer  lernt  [im  Gegensatze  zu  der  über- 
natürlichen Belehrung  durch  Stier,  Feuer,  Gans  und  Taucher- 
vogel],  am   sichersten   zum  Ziele   führt";   und   Chänd.  5,11,7 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.    1,  n.      .  5 


66  I.   Die  Erkennbarkeit  des  Brabman. 

belehrt  König  Acvapati  die  sechs  mit  dem  Brennholze  in  der 
Hand  (als  Zeichen  der  Schülerschaft)  sich  ihm  nahenden  Brah- 
manen  anupaniya,  „ohne  sie  erst  als  Schüler  bei  sich  auf- 
zunehmen". Ebenso  belehrt  Yäjnavalkya  Brih.  2,4  seine  Gattin 
Maitreyi  und  Brih.  4,1 — 2.  3 — 4  den  König  Janaka,  die  doch 
nicht  eigentlich  seine  Schüler  waren,  und  Brih.  3  erteilt  er 
Belehrungen  über  die  tiefsten  Fragen  (wie  z.  B.  Brih.  3,8  in 
dem  Gespräche  mit  der  Gärgi)  vor  einer  zahlreichen,  ver- 
sammelten Corona,  und  nur  ausnahmsweise,  da  wo  er  dem 
Artabhäga  das  Mysterium  der  Seelenwanderung  erklären  will, 
zieht  er  sich  mit  diesem  in  die  Einsamkeit  zurück,  Brih.  3,2,13. 
Aber  die   —  Regel  aber  bleibt,   dafs  wir  eines  Lehrers  bedürfen,   der 

.Regel.  °  '  ' 

uns  den  Nebel  der  empirischen  Erkenntnisweise  von  den 
Augen  wegnimmt  (<xy\bv  5'aüi  toi  öbc'  S<p^aVwv  &ov,  ^  xplv 
S7r?)ev,  —  wie  Schopenhauer  mit  Homer's  Worten  den  Geist 
Kant's  zu  sich  sagen  läfst),  worüber  besonders  die  schöne 
Stelle  Chänd.  6,14  handelt:  „Gleichwie,  o' Teurer,  ein  Mann, 
den  sie  aus  dem  Lande  der  Gandharer  [am  fernen  Indus]  mit 
verbundenen  Augen  hergeführt  und  dann  in  der  Einöde  los- 
gelassen haben,  nach  Osten  oder  nach  Norden  oder  nach  Süden 
verschlagen  wird,  weil  er  mit  verbundenen  Augen  hergeführt 
und  mit  verbundenen  Augen  losgelassen  worden  war,  aber, 
nachdem  jemand  ihm  die  Binde  abgenommen  und  zu  ihm  ge- 
sprochen :  « dort  hinaus  liegen  die  Gandharer,  dort  hinaus 
gehe»,  von  Dorf  zu  Dorf  sich  weiterfragend,  belehrt  und  ver- 
ständig zu  den  Gandhärern  heimgelangt,  —  also  auch  ist  ein 
Mann,  der  hienieden  einen  Lehrer  gefunden,  sich  bewufst: 
«diesem  [Welttreiben]  werde  ich  nur  so  lange  angehören,  bis 
ich  erlöst  sein  werde,  darauf  werde  ich  heimgehen»".  —  Als 
unumgängliche  Bedingung  der  Erkenntnis  erscheint  der  Lehrer 
Käth.  2,8:  „und  ohne  Lehrer  ist  hier  gar  kein  Zugang";  — 
woraus  man,  beiläufig  gesagt,  schliefsen  kann,  was  auch  aus 
andorn  Gründen  hervorgeht,  dafs  zur  Zeit  der  Käth.  Up.  die 
altern  Upanishad's  noch  nicht  niedergeschrieben  waren. 
Die  Der  spätere  Vedänta  erwähnt  neben  den  äufsern  (vahya) 

'Mittel.  Mitteln  der  Brahmanerkenntnis  (Vedastudium,  Opfer,  Almosen, 
Büfsen,  Fasten)  als  engere  (pratyäsanna)  Mittel  der  Erkenntnis: 
„Gemütsruhe,    Bezähmung,   Entsagung,    Geduld,    Sammlung" 


5.  Andere  Vorbedingungen.  67 

(System  des  Vedänta,  S.  444;  vgl.  auch  Vedäntasära  17 — 23). 
Diese  Forderung  geht  zurück  auf  Brih.  4,4,23:  „Darum,  wer 
solches  weifs,  der  ist  beruhigt,  bezähmt,  entsagend,  geduldig 
und  gesammelt".  Freilich  ist  zweifelhaft,  ob  diese  Stelle  von 
den  Mitteln,  oder  nicht  vielmehr  von  den  Folgen  der 
Brahmanerkenntnis  redet  (ob  hliütvä  hier  bedeutet  „nachdem 
er  geworden"  oder  „indem  er  ist").  Schon  die  jungem 
Upanishad's  nehmen  es,  wie  später  Cankara,  im  erstem  Sinne; 
Käth.  2,24 :  „nicht  wer  von  Frevel  nicht  abläfst,  unruhig,  un- 
gesammelt ist,  nicht,  dessen  Herz  noch  nicht  stille,  kann  durch 
Forschen  erlangen  ihn" ;  die  hier  gebrauchten  Ausdrücke  am- 
rata,  agänta,  asamähüa  gehen  unzweifelhaft  auf  das  gänto, 
dänta',  uparatas,  titikshuh,  samähito  hhütvä  der  Brihadäranyaka- 
stelle  zurück.  Ebenso  gewifs  auch  Mund.  1,2,13  pragäntacit- 
täya,  gamänvitäya  als  Voraussetzung  der  Belehrung. 

In  spätem  Upanishad's  wird  diese  Vorbedingung  mit  der 
erwähnten  Forderung  eines  Lehrers  verknüpft;  Qvet.  6,22; 
„keinem  gebt  es,  der  nicht  ruhig  (na  apragäntäya),  der  nicht 
Sohn  oder  Schüler  ist  (na  aputräya  agishyäya  vä)".  Ebenso, 
und  vielleicht  in  Rückerinnerung  an  diese  Stelle,  Maitr.  6,29: 
„dieses  Allergeheimnisvollste  soll  man  keinem  kundmachen, 
der  nicht  Sohn  oder  Schüler  (na  aputrdya,  na  agishyäya),  und 
der  noch  nicht  beruhigt  ist  (na  agäntäya)". 

Die  Erlangung  eines  Lehrers  und  die  fünf  Forderungen,  weitere 

Anforde- 

der  Gemütsruhe,  Bezähmung,  Entsagung,  Geduld  und  Samm-  rungen. 
lung  sind  die  regelmäfsig  wiederkehrenden  Vorbedingungen» 
Daneben  werden  gelegentlich  einige  andere  erwähnt,  wie 
Chänd.  7,26,2  Reinheit  der  Nahrung  und  daraus  folgende  Rein- 
heit des  Wesens  (sattva-guddhi);  letzteres  wird  (wie  so  vieles 
aus  Chänd.  7)  Mund.  3  reproduziert  in  dem  Verse  Mund.  3,2,6, 
der  von  hier  in  Mahänär.  10,22  und  Kaivalya  3 — 4  über- 
gegangen ist.  —  Käth.  6,9  fordert  etwas  unbestimmt,  dafs  man 
„an  Herz  und  Sinn  und  Geist  bereitet"  sei,  und  Mundaka 
knüpft  3,2,10 — 11  die  Mitteilung  der  Brahmavidyä  an  die  Be- 
dingung, dafs  das  Kopfgelübde  (girovraiam)  erfüllt  sei,  worunter 
wohl  nicht  mit  Qankara  girasi  agnidhuranam,  sondern  einfach 
die  Observanz  zu  verstehen  ist,  welche  schon  in  dem  Namen 
Mundalca  liegt,   das  Haupt  kahl  zu  scheren.     Auch  in  noch 


68  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

spätem  Upanishad's  kommen  gelegentlich  besondere  Einschrän- 
kungen der  Mitteilung  vor;  so  verbietet  Nrisinhap.  1,3,  die 
Gliedersprüche  (nicht  den  Spruchkönig)  einem  Weib  oder  Qüdra 
mitzuteilen,  und  Rämap.  84  schärft  ein,  dafs  das  Diagramm  nicht 
an  gemeine  (ungebildete,  prukpita)  Menschen  gegeben  werde. 


G.  Der  Standpunkt  des  Nichtwissens,  des  Wissens  und  des 
Überwissens  in  bezog  auf  das  Brahman. 

Brahman  Die    allgemeine    Grundanschauung    der    Upanishad's    ist, 

ttand  des  dafs  das  Brahman,  d.  h.  der  Atman,  ein  Gegenstand  des 
'Wissens  ist;  Brih.  2,4,5:  „den  Ätman,  fürwahr,  soll  man 
sehen ,  soll  man  hören ,  soll  man  verstehen ,  soll  man  über- 
denken !"  —  Chänd.  8,7,1 :  „das  Selbst,  ....  das  soll  man  er- 
forschen, das  soll  man  suchen  zu  erkennen",  —  und  so  zahl- 
reiche andere  Stellen;  und  alle  Upanishadtexte  haben  ja  den 
Zweck,  dieses  Wissen  von  Brahman  (die  brahmavidyä,  ätma- 
vidyä)  mitzuteilen. 
Empiri-  Aber  sehr  bald  mufste  man   sich  bewufst  werden,   dafs 

sches  Wis-       .  ,  . 

sen  ein     dieses  Wissen  von  Brahman  wesentlich  von  anderer  Art   ist 

blofses 

Nicht-     als  das,  was  man  im  gewöhnlichen  Leben  „Wissen"  nennt. 


wissen. 


Denn  man  konnte,  wie  Närada  Chänd.  7,1,2,  alle  möglichen 
Erfahrungen  und  empirischen  Wissenschaften  besitzen  und  sich 
dabei  doch  hinsichtlich  des  Brahman  im  Zustande  des  Nicht- 
wissens (aviäyä)  befinden.  Dieser  Begriff,  ursprünglich  rein 
negativ,  wurde  mit  der  Zeit  mehr  und  mehr  positiv:  er 
war  negativ,  sofern  alles  Erfahrungswissen  die  Erkenntnis 
des  Brahman  nicht  förderte,  und  er  wurde  positiv,  so- 
fern man  sich  bewufst  wurde,  dafs  die  Erkenntnis  der  em- 
pirischen Realität  das  Brahmanwissen  geradezu  verhinderte; 
die  Avidyu  ging  aus  dem  negativen  Begriffe  eines  blol'sen 
Nichtwissens  zu  dem  positiven  eines  Falschwissens  über. 
Das  empirische  Wissen,  welches  uns  eine  vielheitliche  Welt 
zeigt,  wo  in  Wahrheit  nur  Brahman  ist,  und  einen  Leib,  wo 
in  Wahrheit  nur  die  Seele  ist,  mufs  ein  falsches  Wissen,  eine 
Täuschung,  eine  Mtiyä  sein.  —  Dies  ist  ein  sehr  merkwürdiger 
Schritt;  es  ist  derselbe,  welchen  Parmenides  und  Piaton  taten, 
wenn   nie   die   Erkenntnis   der   Sinnenwelt    für    blofsen   Trug, 


6.   Nichtwissen,  Wissen,  Überwissen. 


69 


Falscli- 
wissen. 


für  db(Sk<x  erklärten,  —  welchen  Kant  tat,  wenn  er  bewies, 
dafs  die  ganze  empirische  Realität  nur  Erscheinung  ist  und 
nicht  Ding  an  sich.  —  Es  ist  von  grofsem  Interesse,  den  ersten 
Spuren  dieses  Gedankens  in  Indien  nachzugehen  und  zu  ver- 
folgen, wie  die  Avidyä  aus  dem  negativen  Nichtwissen 
zu  einem  positiven  Falschwissen  wird. 

Ein  erstes  Aufkeimen  desselben  finden  wir  schon  im  Rig-  Acjdyä  als 
veda,  wenn  es  10,81,1  (oben  I,  i,  S.  136)  von  dem  Weltenvater 
heifst,  dafs  er,  indem  er  in  die  niedere  Welt  eingegangen, 
prcdhamachad  „das  Ursprüngliche  verhüllend"  (mu- 
lihyam,  nishprapancoM,  pdramdrÜhikam  rupam  ävrinvan,  Säyana) 
gewesen  sei.  —  Weiterhin  schildert  eine  tiefe  Stelle  des  Qata- 
pathabrähmanam  11,2,3  (übersetzt  oben  1,  i,  S.  259 — 260),  wie 
das  Brahman  in  der  Schöpfung  der  niedern  und  der  höhern 
Welten  mitsamt  ihren  Göttern  sich  „offenbar"  gemacht  habe, 
wie  es  in  dieselben  hineinrage  mittels  seiner  beiden  „grofsen 
Ungetüme"  (abhva),  seiner  beiden  „grofsen  Erscheinungen" 
(yaJislia),  nämlich  mittels  der  Namen  und  der  Gestalten,  wie 
es  selb  t  aber  „in  die  jenseitige  Hälfte  eingegangen  sei" 
(paränÜiam  agacchat). 

Der  Fortentwicklung  dieser  Gedanken  begegnen  wir  in  den 
Upanishad's.  Brili.  1,6,3  wird  die  Welt  der  Namen,  Gestalten 
und  Werke  (mittels  einer  jener  kurzen  Geheimformeln,  welche 
vermutlich  die  ältesten  „Upanishad's"  bildeten,  oben  S.  16  fg.) 
definiert  als  amritam  satyena  channam,  „das  Unsterbliche  [Brah- 
man], verhüllt  durch  die  [empirische]  Realität".  Die  Erklärung  ctlnnam. 
der  Formel  folgt  sogleich  darauf:  „der  Präna  [d.  h.  der  Ätman] 
nämlich  ist  das  Unsterbliche,  Name  und  Gestalt  sind  die  Rea- 
lität; durch  diese  ist  jene  Präna  verhüllt".  —  Wie  hier  (und 
Taitt.  2,6:  „als  Realität  ward  er  zu  allem,  was  irgend  vor- 
handen ist;  denn  dieses  nennen  sie  die  Realität"),  bedeutet 
das  Wort  satyam  die  empirische  Realität  auch  Brih.  2,1,20, 
wo  es  in  einer  andern  „Upanishad"  nebst  angefügter  Er- 
klärung heifst:  „Seine  Upanishad  ist:  «die  Realität  der  Realität» 
(satyasya  satyam);  nämlich  die  Lebensgeister  [nebst  Welten,  satyasya 
Göttern  und  Wesen,  wie  wir  aus  dem  Vorhergehenden  er- 
gänzen dürfen]  sind  die  Realität,  und  er  ist  ihre  Realität". 
Er  ist  —  so  werden  wir   dies  zu  verstehen  haben  —  an  der 


amritam 


satyam. 


70 


I.  Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 


sogenannten  Realität  dasjenige,  was  von  ihr  wirklich  real  ist. 

Erläuternde  Das  ist  auch  der  Sinn  der  Bilder  Brih.  2,4,7 — 9 :  der  Ätman 
ist  das  Musikinstrument  (die  Trommel,  Muschel,  Laute),  die 
Welterscheinungen  sind  die  Töne  desselben;  wie  man  die 
Töne  nur  ergreifen  kann,  indem  man  das  Instrument  ergreift, 
so  läfst  sich  die  vielseitige  Welt  nur  erkennen,  indem  man 
den  Ätman  erkennt;  nur  von  ihm  gibt  es  ein  Wissen,  alles 
andere  ist  „Nichtwissen".  —  Dementsprechend  lehrt  Chänd. 
6,1,3,  dafs  die  „Umwandlung"  des  Ätman  zur  vielheitlichen 

idc&rambha-  Welt  der  Erscheinungen  nur  vacäranibhanam  „an  Worte  sich 
°'  klammernd",  nämadheyam  „ein  blofser  Name"  ist,  und  dafs 
„in  Wahrheit"  nur  das  Eine,  Seiende,  d.  h.  der  Ätman,  vor- 
handen ist.  Somit  gibt  es  auch  nur  von  ihm  ein  wirkliches 
Wissen;  alles  empirische  Wissen,  die  vier  Veden  und  die 
ganze  Reihe  der  empirischen  Wissenschaften,  wie  sie  Chänd. 
7,1,2 — 3  aufgezählt  werden,  sind,  wie  es  dort  heifst,  ndma  eva 
„blofser  Name";  und  der  in  ihnen  wohlbewanderte  Närada 
tamas.  befindet  sich  in  der  „Finsternis",  aus  der  ihn  erst  die  Er- 
kenntnis des  Ätman  zum  andern  Ufer  hinüberführt  (Chänd. 
7,26,2).  —  Die  Seele  und  die  sie  betreffenden  „wahren  Wünsche" 
des  Fortlebens  nach  dem  Tode  in  der  Brahmanwelt  sind,  wie 
Chänd.  8,3,1 — 2  entwickelt,  durch  die  .empirische,  eine  Ver- 
nichtung durch  den  Tod  lehrende  Erkenntnis  „mit  Unwahrheit 
anritam.  zugedeckt.  Sie  sind  in  Wahrheit  da,  aber  die  Unwahrheit  ist 
über  sie  gedeckt";  und  „gleichwie  einen  verborgenen  Gold- 
schatz, wer  die  Stelle  nicht  weifs,  nicht  findet,  ob  er  wohl 
immer  wieder  darüber  hingehet,  ebenso  finden  alle  diese  Krea- 
turen diese  Brahmanwelt  nicht,  obwohl  sie  tagtäglich  in  sie 
eingehen;  denn  durch  die  Unwahrheit  werden  sie  ab- 
gedrängt". 

Was  in  diesen  Stellen  als  leeres  Wort,  blofser  Name, 
Finsternis,  Unwahrheit  bezeichnet  wird,  d.  h.  die  ganze  empi- 
Atidyd.  rische  Erkenntnis  der  Dinge,  das  wird  weiterhin  Avidyä  „das 
Nichtwissen"  genannt.  So,  vielleicht  zuerst,  Brih.  4,4,3.  4,  wo 
es  von  der  Seele  heifst,  dafs  sie,  indem  sie  im  Tode  den  Leib 
abschüttle,  „das  Nichtwissen  loslasse"  (avidyäm  gamayitvä). 
Das  Nichtwissen  ist  hier  und  weiterhin  die  empirische  Reali- 
tät ;  ein  Wissen  gibt  es  nur  von  Brahman.    Wie  nach  Piaton 


Yidyä. 


6.  Nichtwissen,  Wissen,  Überwissen.  71 

nur  das  Ewige  Gegenstand  der  iiziax^tx-ri  ist,  während  es  von 

der  dem  Flusse  des  Heraklit  unterworfenen  Erscheinungswelt 

nur  eine  oc£a  gibt,  so  erklärt  Qvet.  5,1 :  ksharam  tu  avidyä  M, 

amritam  tu  vidyd  „das  Fliefsende    ist   das   Nichtwissen,    das 

Ewige  ist  das  Wissen",  u.  h.  ist  ein  Gegenstand  des  Wissens. 

—    Mit    poetischer    Lebendigkeit    werden    Nichtwissen    und 

Wissen  einander  gegenübergestellt  Käth.  2,1 — 6:  das  Ziel  des 

Nichtwissens  ist  die  Lust  (preyas),  das  Ziel  des  Wissens  das 

Heil   (greyas);  jenes   sagt:  „dies  ist   die  Welt"   (ayam   loJcq),  ^»wydund 

dieses  ist  auf  die  andre  Welt  gerichtet: 

Ja,  weit  verschieden  und  entgegenstehend 
Ist,  was  genannt  wird  Wissen  und  Nichtwissen 
Nach  Wissen  seh'  ich  Naciketas  trachten, 
Der  Lüste  Heerschar  hat  dich  nicht  zerrüttet. 

In  des  Nichtwissens  Tiefe  hin  sich  windend, 
Sich  selbst  als  Weise,  als  Gelehrte  wähnend, 
So  laufen  ziellos  hin  und  her  die  Toren, 
Wie  Blinde,  die  ein  selbst  auch  Blinder  anführt. 

Der  letzte  Vers  wird  Mund.  1,2,8 — 10  weiter  ausgesponnen; 
beide  Verse  werden  zitiert  Maitr.  7,9.  In  ähnlicher  Weise 
wird  das  Thema  behandelt  in  den  (später  eingelegten)  Versen 
Brih.  4,4,11—12  (vgl.  Käth.  1,3): 

Ja,  diese  Welten  sind  freudlos, 
Von  blinder  Finsternis  bedeckt; 
In  sie  geh'n  nach  dem  Tod  alle, 
Die  nichterweckt,  nichtwissend  sind. 

Doch  wer  des  Atman  ward  inne 
Und  sich  bewufst  ist:   «ich  bin  er!« 
Was  wünschend,   wem  zulieb   möchte 
Der  nachkranken   dem  Leibe  noch! 

In  noch  schärfern  Ausdrücken  wird  die  Verblendung  des 
Nichtwissenden  geschildert  19a  3: 

Ja,  dämonisch  ist  dies  Weltall, 
Von  blinder  Finsternis  bedeckt! 
Darein  geh'n  nach  dem  Tod  alle, 
Die  ihre  Seele  mordeten. 


72 


I.    Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 


Weil   das  Wissen   vom   Ätman   der   empirischen   Realität   als 

dem  Reiche  des  Nichtwissens  gegenübersteht,   kann   es  auch 

nicht   durch    blofse    (auf    sie   bezügliche)   Reflexion   (tarha), 

wissen     sondern  nur  durch  Offenbarung,   welche  durch  den  Lehrer 

barung.    übermittelt  wird,  gewirkt  werden  (Käth.  2,7 — 9);  in  dem  Mause, 

wie  der  Ätman  personifiziert  als  Gott  aufgefafst  wird,  erscheint 

Durch     diese  Offenbaruno;  als  eine  Gnade  desselben  (Käth.  2,23,  ent- 
Gnade. °  v 

lehnt  Mund.  3,2,3): 

Nicht  durch  Belehrung  wird  erlangt  der  Atman, 
Nicht  durch   Verstand  und  viele   Schriftgelehrtheit; 
Nur  wen  er  wählt,   von   dem  wird  er  begriffen: 
Ihm  macht   der  Atman  offenbar  sein  Wesen. 

Ein  anderer  Vers,  welcher  ursprünglich  wohl  (Käth.  2,20,  nach 
Qahkara's  Lesung)  das  Schauen  des  im  Herzen  verborgenen 
Ätman  demjenigen  verheifst,  welcher  „durch  Beruhigung  der 
Organe"  (dlitdu-prasdddd,  vgl.  Chänd.  8,15  dimani  sarvendriydni 
sampratishthdpya)  willenlos  (akratu)  geworden  ist,  hat  Qvet. 
3,20.  Mahänär.  10,1  eine  th eistische  Färbung  erhalten,  indem 
er  die  Erkenntnis  des  Ätman  (der  doch  nach  eben  diesem 
Verse  im  Herzen  wohnt)  „durch  die  Gnade  des  Schöpfers" 
(dhätuh  jorasddäd)  eintreten  läfst.  —  Einen  noch  ausgeprägteren 
Theismus,  welcher  vom  ursprünglichen  Gedanken  der  Ätman- 
lehre  sich  weit  entfernt,  zeigen,  wie  die  ganze  Qvetäijvatara- 
Upanishad,  so  auch  die  ihr  2,1 — 5.  3,1 — 6.  4,1  eingeflochtenen 
Gebete  an  Savitar,  Rudra  und  Brahman  um  geistige  Erleuchtung. 


Kein  wis-  Die  bisher  dargestellte  Lehre,  nach  welcher  das  Brahman, 

Brahman  der  Ätman  erkannt  wird  durch  ein  (metaphysisches)  Wissen, 
wird  auf  dem  Boden  der  Upanishad's  selbst  durchbrochen 
durch  eine  andere  und,  wie  sich  nicht  leugnen  läfst,  tiefere 
Auffassung,  nach  der  es  vom  Ätman  als  dem  alleinigen,  in 
allem  vorhandenen  Wesen  der  Dinge  ein  Wissen  nicht  gibt 
und  nicht  geben  kann.  Denn  jedes  Erkennen  setzt  voraus 
ein  erkennendes  Subjekt  und  ein  erkanntes  Objekt,  mithin 
eine  Zweiheit;  der  Atman  aber  bildet  eine  absolute  Einheit. 
Wir  wollen  die  Entwicklung  dieses  Gedankens  kurz  an  der 
Hand  der  Texte  verfolgen. 


ö.  Nichtwissen,  Wissen,  Überwissen.  73 

Der  Quellpunkt  des  ganzen  Gedankens  von  der  Unerkenn- 
Toarkeit  des  Atman  liegt  in  den  Yäjnavalkyareden  des  Biihad- 
äranyakam,  und  die  Kühnheit  und  Schrofl'heit,  mit  der  er 
hier  auftritt,  sowie  die  originelle  Art  seiner  Begründung 
scheinen  für  einen  individuellen  Genius  als  Urheber  desselben 
zu  sprechen.  In  seinem  Gespräche  mit  Maitreyi  stellt  Yäjfia- 
valkya  Brih.  2,4,12  die  paradoxe  Behauptung  auf:  „nach  dem  Nach  dem 
Tode  ist  kein  Bewufstsein",  und  begründet  dieselbe  mit  den  kel^Be- 
Worten :  „denn  wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist  [in  Wahrheit  wu  stsein' 
ist  sie  nicht],  da  siehet  einer  den  andern,  da  riecht,  hört,  redet 
an,  versteht,  erkennt  einer  den  andern;  wo  aber  einem  alles 
zum  eignen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  er  da  irgendwen 
riechen,  sehen,  hören,  anreden,  verstehen,  erkennen?  Durch 
welchen  er  dieses  alles  erkennt,  wie  sollte  er  den  erkennen, 
wie  sollte  er  doch  den  Erkenner  erkennen?"  —  Genau  be- 
trachtet liegen  hier  zwei  Gedanken  vor:  1)  der  höchste  Atman 
ist  unerkennbar,  'weil  er  die  All-Einheit  ist,  während  jedes 
Erkennen  eine  Zweiheit  von  Subjekt  und  Objekt  voraussetzt; 
aber  2)  auch  der  individuelle  Atman  („durch  welchen  er  dieses 
alles  erkennt")  ist  unerkennbar,  weil  er  bei  allem  Erkennen 
das  Subjekt  des  Erkennens  (der  Erkenner)  ist,  mithin  niemals 
Objekt  sein  kann.  Im  Grunde  sind  diese  beiden  Gedanken 
einer :  denn  der  individuelle  Atman  ist  in  Wahrheit  der  höchste 
Atman,  und  in  dem  Mafse,  wie  wir  uns  zu  dieser  Erkenntnis 
erheben,  schwindet  die  Illusion  des  Objektes,  und  es  bleibt 
allein  das  objektlose  Subjekt  des  Erkennens  übrig,  welches, 
im  Wachen  wie  im  Traume,  die  Objekte  aus  sich  heraussetzt, 
—  „denn  er  ist  der  Schöpfer!"  (Brih.  4,3,10).  —  Derselbe  Ge- 
danke findet  sich  in  den  Reden  Yäjfiavalkya's  #noch  an  fünf 
weitern  Stellen,  die  wir,  teilweise  in  Verkürzung,  mitteilen. 
Brih.  3,4,2 :  „Nicht  sehen  kannst  du  den  Seher  des  Sehens,  Das  Subjekt 
nicht  hören  kannst  du  den  Hörer  des  Hörens,  nicht  verstehen  „ans  Ist  un- 
kannst  du  den  Versteher  des  Verstehens,  nicht  erkennen  kannst  erkenntar- 
du  den  Erkenner  des  Erkennens."  —  Brih.  3,8,11:  „Wahrlich, 
o  Gärgi,  dieses  Unvergängliche  ist  sehend  nicht  gesehen,  hörend 
nicht  gehört,  verstehend  nicht  verstanden,  erkennend  nicht  er- 
kannt. Nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein  Sehendes,  nicht  gibt 
es   aufser   ihm   ein   Hörendes,   nicht   gibt   es   aufser   ihm    ein 


74  I.   Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

Verstehendes,  nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein  Erkennendes."  — 
Dieselben  Worte  kehren,  fast  unverändert,  wieder  Brih.  3,7,23, 
am  Schlüsse  eines  Abschnittes,  der  wegen  der  Verknüpfung 
des  Weltfadens  und  des  innern  Lenkers  weniger  ursprünglich 
zu  sein  scheint.  —  Brih.  4,3,23 — 31  (vom  Tiefschlafenden): 
„Wenn  er  dann  nicht  sieht,  so  ist  er  doch  sehend,  obschon  er 
nicht  sieht;  denn  für  den  Sehenden  ist  keine  Unterbrechung 
des  Sehens,  weil  er  unvergänglich  ist ;  aber  es  ist  kein  Zweites 
aufser  ihm,  kein  andres,  von  ihm  verschiedenes,  das  er  sehen 
könnte."  Ebenso  weiter  vom  Riechen,  Schmecken,  Reden, 
Hören,  Denken,  Fühlen  und  Erkennen.  „Denn  [nur]  wo  ein 
andres  gleichsam  ist,  sieht  einer  das  andre,  riecht,  schmeckt, 
redet,  hört,  denkt,  fühlt  und  erkennt  einer  das  andre."  — 
Brih.  4,4,2  (vom  Sterbenden):  „Weil  er  eins  geworden  ist, 
darum  siehet  er  nicht,  wie  sie  sagen  [in"  Wahrheit  bleibt 
er  ewig  sehend],  weil  er  eins  geworden  ist,  darum  riecht, 
schmeckt,  redet,  hört,  denkt,  fühlt,  erkennt  er  nicht,  wie  sie 
sagen." 
Bribad-  Wenn  wir  die  Ursprünglichkeit,  feste  Geschlossenheit  und 

aranyakam  j.  o  j% 

als' letzte  (wie  wir  später  sehen  werden)  Übereinstimmung  mit  den 
übrigen  Anschauungen  Yäjnavalkya's  erwägen,  welche  der  Ge- 
danke an  allen  angeführten  Stellen  zeigt,  so  wird  uns  sehr 
wahrscheinlich,  dafs  alle  weiter  anzuführenden  Stellen,  und 
somit  die  ganze  Fortentwicklung  der  Lehre  von  der  Unerkenn- 
barkeit  des  Atman,  von  den  Gedanken,  vielleicht  auch  von 
dem  Texte  des  "Brihadäranyakam  abhängig  sind.  So  schon 
die  beiden  Chändogyastellen,  die  wir  anzuführen  haben.  Chänd. 
6,15,1 — 2  (vgl.  6,8,6):  „Um  einen  todkranken  Mann  sitzen 
seine  Verwandten  herum  und  fragen  ihn:  «Erkennst  du  mich? 
Erkennst  du  mich?»  —  Solange  noch  nicht  seine  Rede  ein- 
gegangen ist  in  das  Manas,  sein  Manas  in  den  Präna,  sein 
Präna  in  die  Glut,  die  Glut  in  die  höchste  Gottheit,  so  lange 
erkennt  er  sie.  Aber  nachdem  seine  Rede  eingegangen  ist  in 
das  Manas,  sein  Manas  in  den  Präna,  sein  Präna  in  die  Glut, 
die  Glut  in  die  höchste  Gottheit,  alsdann  erkennt  er  sie  nicht 
mehr."  Diese  Stelle,  so  selbständig  sie  auftritt,  scheint  doch, 
dem  Hauptgedanken  nach,  schon  von  der  zuletzt  angeführten 
Stelle  Brih.  4,4,2  abhängig  zu  sein,  da  das  Umgekehrte  sich 


6.  Nichtwissen,  "Wissen,  Überwissen.  75 

jedenfalls  nicht  annehmen  läfst.  Auch  die  Chänd.  6,9  und  6,10 
in  den  Bildern  von  den  Bienen  und  den  Flüssen  gelehrte  Un- 
bewufstheit  beim  Eingange  in  das  Seiende  scheint 
unter  dem  Einflüsse  der  oben  zuerst  mitgeteilten  Stelle  Brih. 
2,4,12  „nach  dem  Tode  ist  kein  Bewufstsein"  zu  stehen.  Und 
ebenso  klingen  die  (Brih.  2,4,14)  weiter  folgenden  Worte  wieder 
in  Chand.  7,24,1:  „Wenn  einer  [aufser  sich]  kein  andres  sieht, 
kein  andres  hört,  kein  andres  erkennt,  das  ist  die  Unbe- 
schränktheit  (bhumcm);  wenn  er  ein  andres  sieht,  hört,  er- 
kennt, das  ist  das  Beschränkte  (alpam).  Die  Unbeschränkt- 
heit  ist  das  Unsterbliche,  das  Beschränkte  ist  sterblich."  Das 
Plötzliche  und  Unvermittelte,  mit  dem  dieser  Gedanke  hier 
auftritt,  scheint  auf  eine  Abhängigkeit  von  dem  Gedanken- 
kreise des  Yäjnavalkya  zu  deuten. 

Dem  Einflüsse  dieses  Gedankens  wird  es  in  erster  Linie 
^zuzuschreiben  sein,  wenn  sich  weiterhin,  im  Gegensatze  zu 
der  allgemeinen  Tendenz  der  Upanishad's,  das  Wissen  vom 
Atman  zu  suchen  und  zu  lehren,  mehr  und  mehr  die  Theorie 
herausbildete,  dafs  der  Atman  (dessen  Unerkennbarkeit,  wie 
wir  später  sehen  werden,  schon  Yäjnavalkya  mit  seinem  neu 
neu  so  scharf  betont  hatte)  gar  kein  Gegenstand  des  Der  Atman 
Wissens  sei.  Jetzt  erschien  das  Wissen  vom  Atman,  welches  »tana  des 
ihn  als  Objekt  sich  gegenüberstehen  hat,  folglich  noch  mit  der 
Zweiheit  behaftet  ist,  als  ein  niederer  Standpunkt,  welcher  zu 
überwinden  ist,  um  zur  vollen  Einswerdung  mit  Brahman,  mit 
dem  Atman  zu  gelangen. 

Diese  Anschauung   tritt  zum   erstenmal   deutlich    hervor  Das  wissen 
in  dem  grofsartig  ausgeführten  Weltgemälde,  Taitt.  2.     Der  a  8stand-rer 
Verfasser  dieses  Textes  geht  aus  von  der  Verkörperung  des     pun  '" 
Atman  in  der  materiellen  Natur  und  im   menschlichen  Leibe, 
dem  nahrungsartigen  Selbst.     Von  diesem   als  blofser  Hülle 
gelangt  er,  tiefer  und  tiefer  in  den  Kern  des  hier  erscheinenden 
Wesens  eindringend,  zum  lebensartigen,  manasartigen  und  end- 
lich zum  erkenntnisartigen  Selbst,    dem  vijnänamaya  Atman. 
Aber  auch  dieser,  für  welchen  Brahman  ein  Gegenstand  der 
Erkenntnis  ist,  ist  eine  blofse  Hülle  des  wonneartigen  Selbstes, 
welches  sich  mit  Brahman  eins  fühlt.     Hier  wird   die  Frage 
aufgeworfen : 


7G  I-    Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

Ob  irgendein   Nichtwissender 
Abscheidend  geht  in  jene  Welt? 
Oder  ob  wohl  der  Wissende 
Abscheidend  jene  Welt  erlangt? 

Weder  der  eine  noch  der  andere,  so  lautet  die  aus  dem  Fol- 
genden zu  entnehmende  Antwort,  welches  schildert,  wie  das 
Brahman,  die  Welt  schaffend,  in  dieselbe  eingeht  als  Seiendes, 
Aussprechiich.es,  Gegründetes,  Bewufstsein,  Realität,  während 
es  seinem  eigentlichen  Wesen  nach  beharrt  als  Jenseitiges, 
Unaussprechliches,  Grundloses,  Unbewufstsein,  Nichtrealität. 
In  dem  Gefühl  der  Einheit  mit  dem  letztem  besteht  die 
Wonne:  „denn  wenn  einer  in  jenem  Unsichtbaren,  Unrealen, 
Unaussprechlichen,  Unergründlichen  den  Frieden,  den  Standort 
findet,  alsdann  ist  er  zum  Frieden  gelangt  (ahliayam  goto 
bJiavati,  wie  Janaka,  welchem  Yäjnavalkya  Brih.  4,2,4  zuruft: 
abhayam  vai,  Janaka,  pfäpto  'sü).  Wenn  aber  einer  in  jenem' 
einen  Zwischenraum,  eine  Trennung  [oder  „eine  wenn  auch 
kleine  Trennung"  zwischen  sich  als  Subjekt  und  dem  Atman 
als  Objekt]  annimmt,  dann  besteht  sein  Unfriede  fort;  es  ist 
aber  der  Unfriede  des,  der  sich  weise  dünket  [indem  er  Brah- 
man zum  Objekt  der  Erkenntnis  macht]".  Denn  zu  Brahman 
reicht  kein  Wort,  kein  Begriff: 

Vor  dem  die  Worte  umkehren 
Und  das  Denken,  nicht  findend  ihn, 
Wer  dieses  Brahman's  Wonne  kennt, 
Der  fürchtet  sich  vor  keinem  mehr. 

wie  kann  Aber,  wenn  Brahman  auf  dem  Wege  der  Erkenntnis  nicht 

ertaTst Ter-  erreichbar  ist,  wie  kann  dann  jene  Einswerdung  mit  ihm  be- 
werkstelligt werden?  Mit  dieser  Frage  beschäftigen  sich  die 
folgenden  Texte.     Ein  Schüler  wirft  Kena  3  die  Frage  auf: 

Das,  bis  zu  dem  kein  Aug'   vordringt, 
Nicht  Rede  und  Gedanke  nicht, 
Bleibt  unbekannt,   und  nicht  seh'n  wir, 
Wie  einer  es  uns  lehren  mag! 

Ihm  dient  zur  Antwort  (Kena  3  und  11): 

Verschieden  ist's  vom  Wifsbaren 

Und  doch   darum  nicht  unbewufst!    — 


den  V 


6.  Nichtwissen,  Wissen,  Überwissen.  77 

So  haben  von  den  Altvordern 
Die  Lehre  überkommen  wir. 

Nur  wer  es  nicht  erkennt,  kennt  es, 
Wer  es   erkennt,   der  weifs  es  nicht,   — 
Nicht  erkannt  vom  Erkennenden, 
Erkannt  vom  Nicht- Erkennenden! 

Unsere   Erkenntnis   ist  der   Aufsenwelt   zugewendet,    aber  es 
gibt  noch  einen  andern  Weg  (Käth.  4,1) : 

Auswärts  die  Höhlungen  der  Schöpfer  bohrte: 
Darum  sieht  man  nach  aufsen,  nicht  im  Innern. 
Ein  Weiser  wohl  inwendig  sah  den  Atman, 
In  sich  gesenkt  den  Blick,    das  Ew'ge  suchend. 

„In  sich  gesenkt  den  Blick",  wörtlich:  „das  Auge  umwendend'', 
ß/orittaedkshus  (vgl.  Jakob  Böhme's  „umgewandtes  Auge"). 

Hier,  im  eignen  Innern  wird  uns  die  Realität  des  Ätman 
zur  unmittelbaren  Gewifsheit  (Käth,  6,12 — 13): 

Nicht  durch  Reden,  nicht  durch  Denken, 
Nicht  durch  Sehen  erfafst  man  ihn : 
„Er  ist!"   durch  dieses  Wort  wird  er 
Und  nicht  auf  andre  Art  erfafst. 

„Er  ist!"  so  ist  er  auffafsbar. 
Sofern  er  beider  Wesen  ist, 
„Er  ist!"  wer  so  ihn  auffafste, 
Dem  wird  klar  seine  Wesenheit. 

Zunehmend  verschärft  sich  die  Polemik  gegen  das  Wissen.    Polemik 
So  in  dem  Brih.  4,4,10  später  eingelegten  Verse:  gwissen|is 

In  blinde  Finsternis  fahren, 
Die  dem   Nichtwissen  huldigen; 
In  blindere  wohl  noch  je:ie, 
Die  am  Wissen  genügten  sich. 

Dieser  Vers  wird  Icä  9 — 11   wiederholt  und   (mit  Anlehnung 
an  Kena  3)  weiter  ausgeführt: 

Anders  als,  wozu  führt  Wissen, 
Und  wozu  führt  Nichtwissen,  ist's! 
So  haben  von  den  Altmeistern 
Die  Lehre  überkommen  wir. 


78  I-   Die  Erkennbarkeit  des  Brahman. 

Wer  das  Wissen  und  Nichtwissen- 
Beide   [als  unzulänglich]  weifs, 
Der  überschreitet  durch  beides 
Den  Tod  und  hat  Unsterblichkeit. 

unter-  Hieran  schliefst  sich  die  Forderung,  die  uns  ein  falsches 

der  sinnen-  Wissen  vorgaukelnde  Sinnenerkenntnis  zu  unterdrücken.  Schon 
"'  Brih.  1,5,23  empfiehlt:  „darum  soll  man  nur  ein  Gelübde 
befolgen:  man  soll  [mit  Unterdrückung  der  andern  Sinnes- 
tätigkeiten] einatmen  und  ausatmen";  Chänd.  8,15  fordert, 
dafs  man  „alle  seine  Organe  in  dem  Atman  zum  Stillstande 
bringt";  Mundaka  verlangt  3,1,8  jnänaprasäda  „Stillstand  des 
Erkennens"  und  läfst  3,2,7  mit  den  Werken  auch  den  vijnäna- 
maya  ätman  (Taitt.  2,4)  in  dem  höchsten  Ewigen  einswerden; 
und  Maitr.  6,19  gibt  die  Anweisung,  das  Bewufstsein  mitsamt 
dem  feinen  Leibe  (Ungarn)  als  Träger  desselben  im  Unbe- 
wufsten  einzutauschen: 

Was  unbewufst  im  Bewufstsein 
Weilt,  undenkbar,  geheimnisvoll. 
Darin  Bewufstsein  eintauche 
Und  das  Liiigam,   des  Grunds  beraubt. 

Der  Yoga.  Alle  diese  Forderungen  gehören  schon  dem  Yoga  an,  welchen 
wir  weiter  unten  noch  als  eine  Praxis  kennen  lernen  werden, 
durch  die  man  hoffte,  jene  überintellektuelle  Einswerdung  mit 
dem  Ätman  durch  künstliche  Mittel  ins  Werk  zu  setzen. 


II.   Das  Suchen  nach  dem  Brahman. 

1.  Der  Ätman  (das  Brahman)  als  die  Einheit. 

Sueben  Nachdem  schon  in  den  Zeiten  des  Rigveda,  wie  wir  oben 

Einheit*  I,i,  S.  103 fg.  sahen,  die  Erkenntnis  der  Einheit  zum  Durch- 
bruche gekommen  war  und  in  Hymnen  wie  Rigv.  1,164.  10,129 
ihren  Ausdruck  gefunden  hatte,  war  und  blieb  es  die  weitere 
Aufgabe,  die  ewige  Einheit,  welche  allen  Erscheinungen  der 
Natur  zugrunde  liegt,  näher  zu  bestimmen.  Typisch  für  das 
Suchen  nach  derselben  ist  vor  allem  der  Hymnus  Rigv.  10,121, 
welcher  auf  die  neunmal  wiederholte  Frage:  „wer  ist  der  Gott, 
dafs  wir  ihm  opfernd  dienen?"  im  zehnten  Verse  die  Antwort 


1.  Der  Ätrnan  als  die  Einheit.  79 

gibt:  „Prajäpaii!  Du  bist  es  und  kein  andrer,  der  alles  dies 
Entstandene  umfafst  hält!"  (oben  I,  i,  S.  132  fg.).  Wir  haben 
oben  im  einzelnen  verfolgt,  wie  dieses  Suchen  durch  die  Zeit 
der  Brähmana's  sich  fortsetzt,  wie  Prajäpati  nach  und  nach 
durch  das  Brahman  verdrängt  wurde,  und  wie  man  schliefslich 
den  schärfsten  Ausdruck  für  das,  was  man  suchte,  in  dem  Be- 
griffe des  Atman  fand.  Der  Atman  ist  der  indische  Ausdruck  Der  Atman 
für  das,  was  wir  „Prinzip"  zu  nennen  pflegen  (oben  l,i,  b.  ofg.j,  suchte  eu 
und  unterscheidet  sich  von  diesem  nur  dadurch,  dafs  er  viel 
schärfer  und  treffender  als  irgendein  abendländisches  Ana- 
logon  das  eine  und  ewige  Problem  der  philosophischen  For- 
schung bezeichnet:  denn  er  fordert  uns  auf,  das  eigentliche 
Selbst  dos  Menschen,  das  Selbst  der  Welt  zu  ergreifen  und 
alles  vom  Menschen  und  von  der  Natur  abzulösen,  was  sich 
nicht  a^  dieses  Selbst,  als  das  eigentliche,  tiefste  und  letzte 
Wesen  der  Dinge  erweist.  —  Daneben  wird  oft  genug  das 
unbestimmtere  Brahman  für  unser  Prinzip  gebraucht ;  so  in  Brahman  ai» 
•den  sogleich  zu  besprechenden  Stellen  Brih.  2,1,1  (Kaush.  4,1).  rrTnzip1 
Thrill.  4,1,2—7.  Chänd.  5,11,1;  so  hebt  Qvet.  1,1  an  mit  der 
Frage:  „Was  ist  Urgrund,  was  Brahman?"  und  nochPragna  1,1 
sund  in  der  Ärsheya-Upanishad  (Ark'hi),  Up.  S.  853  fg.,  kommen 
weise  Männer  zusammen,  um  nach  dem  „Brahman"  zu  forschen. 

Beide  Ausdrücke,   Brahman  und  Atman,  bedeuten  somit  Atman  und 
•das  Prinzip   der  Welt   und  werden   in  diesem  Sinne  in  den 
Upanishad's  gewöhnlich  synonym  gebraucht,  wechseln  oft  in 
demselben   Texte   mit   einander  ab   oder   stehen    auch  neben 
einander,  wie  in  der,  Chänd.  5,11,1  aufgeworfenen,  Frage:  ~ko 
.na'  ätma,  Mm  brahma?  wo  Qankara  bemerkt,    dafs  Brahman 
•■das  definiendum  (vigeshyam)  und  Atman  das  defmiens  (vigesha- 
nam)  bedeute  (was  im  allgemeinen,  wenn   auch  nicht  gerade 
hier,  zutrifft),  dafs  durch  brahman  die  in  atman  liegende  Ein- 
schränkung auf  das  eigene  Selbst  aufgehoben  werde,  und  durch 
atman  der  Auffassung  des  brahman  als  einer  zu  verehrenden 
Gottheit  entgegengetreten  werde.    Aber  beide  Ausdrücke  sind, 
wie  schon  diese  Bemerkung  zeigt,  von  unbestimmtem  Inhalte:     Unhe. 
der  Begriff  des  brahman  ist,  wie  wir  oben  I,  i,  S.  240  fg.  sahen,  dieTe^Be-* 
:sehr  vieldeutig,  und  der  Begriff  des  atman  ist,  wie  gleichfalls     *"*•• 
oben  I,  i,  S.  286  fg.  gezeigt  wurde,  ein  relativer  und  negativer 


80  H.    Das  Suchen  nach  dem  Brahman. 

Begriff,  der  uns  mehr  sagt,  worin  wir  das  Wesen  des  Men- 
schen und  der  Welt  nicht  zu  suchen  haben,  als  dafs  er  uns 
über  dieses  Wesen  einen  positiven  Aufschlufs  gäbe.  Gerade 
hierin  liegt  sein  philosophischer  Wert:  denn  das  Wesen  der 
Dinge  bleibt,  seiner  Natur  nach,  ein  ewig  Unerkennbares,  und 
jeder  Versuch,  dasselbe  zum  Gegenstand  der  Erkenntnis  zu 
machen,  nötigt  uns,  ihm  Bestimmungen  aufzuheften,  die  aus 
der  unserm  Intellekte  allein  zugänglichen  Sphäre  der  empi- 
rischen Realität  erborgt  sind  und  dem  ansichseienden  Wesen 
versuche,  c]er  Dinge  nicht  zukommen.    Aus  dieser  realistischen  Tendenz 

dieselben  zu  0 

bestimmen,  entspringen  die  vielen  falschen  oder  unvollkommenen  Ver- 
suche, das  Brahman,  den  Atman  zu  erklären,  welche  von  den 
Lehrern  der  (Jpanishad's  selbst  verworfen  werden  und  die 
wir  jetzt  zu  besprechen  haben. 

2.  Die  Erklärungsversuche  des  Bäläki. 

Bdidki  Gär-  Nach  einer  in  zweifacher  Rezension,  Biih.  2,1  und  Kaush.  4, 

^taush.  4).  überlieferten  Erzählung  tritt  der  gelehrte,  berühmte  und  stolze 
Brahmane  Bäläki  Gärgya  vor  den  König  Ajätacatru  mit  dem 
Anerbieten:  „Lafs  mich  dir  das  Brahman  erklären."  Er  ver- 
sucht sodann  zwölfmal  (in  Kaushitaki  sechzehnmal)  nach  ein- 
ander das  Brahman  zu  definieren  als  den  Geist  (purusha)  in 
der  Sonne,  im  Monde,  im  Blitze,  im.  Äther,  im  Winde,  im 
Feuer,  im  Wasser  usw.,  worauf  der  König  die  Definition 
jedesmal  widerlegt,  indem  er  auf  die  untergeordnete  Stellung 
hinweist,  die  der  betreffende  Purusha  im  Ganzen  der  Natur 
Beiehrung  einnimmt.  Den  zum  Schweigen  gebrachten  Brahmanen  belehrt 
durch  Ajd-  er  sodann  an  dem  Beispiele  eines  Tiefschlafenden.  Dasjenige, 
worin  seine  Lebensgeister  (pränaty)  weilen,  und  woraus  beim 
Erwachen  sie,  und  mit  ihnen  alle  Welten,  Götter  und  Wesen 
hervortreten,  ist  der  Atman;  er  ist  das  von  Gärgya  vergebens 
zu  erklären  unternommene  Brahman.  —  Die  Erwartung  des 
Lesers,  näheres  über  das  Verhältnis  des  Brahman  zu  den 
Purusha's  des  Gärgya  zu  erfahren,  wird  in  beiden  Rezensionen 
nicht  erfüllt.  Beide  zeigen  nur,  wie  aus  dem  Atman  beim 
Erwachen  die  Präna's  (Rede,  Auge,  Ohr,  Manas)  und  durcli 
sie,  als  von  ihnen  abhängig,  alle  Welten,  Götter  und  Wesen 
hervorgehen. 


turtttru. 


3.  Die  Erklärungsversuche  des  Qakalya.  81 


3.  Die  Erklärungsversuche  des  ^äkalya. 

In  ähnlicher  Weise  unternimmt  es  Vidagdha  Qäkalya  nangdha 
Brih.  3,9,10 — 17.  26,  den  Purusha  zu  bestimmen,  welcher  den  Brih.  3,9. 
höchsten  Gipfel  alles  durch  das  Wort  Atman  Bezeichneten 
(sarvasya  ätmanah  paräyanam)  bilde;  indem  er  aber  dann  als 
den  Standort  desselben  achtmal  nach  einander  einseitig  die 
Erde,  die  Liebe,  die  Gestalten,  den  Äther  usw.  bezeichnet, 
erhält  er  durch  Yajnavalkya  die  Zurechtweisung,  dafs  das- 
jenige, was  er  für  den  höchsten  Gipfel  alles  durch  das  Wort 
Atman  Bezeichneten  erkläre  (sarvasya  ätmanah  paräyanam  yam 
ättha),  nicht  dieses,  sondern  nur  ein  untergeordneter,  in  der 
Körperlichkeit  der  Liebe,  der  Sonne,  dem  Hörbaren  usw. 
schaltender  Purusha  sei.  „Der  aber",  so  fährt  Yajnavalkya  ydjna- 
Brih.  3,9,2G  fort,  „diese  Purusha's  auseinandertreibend,  zurück-  Kritik.8 
treibend  (d.  h.  sie  zur  Tätigkeit  antreibend  und  von  ihr 
zurückrufend),  über  sie  hinausschreitet  (ihnen  überlegen  ist), 
nach  diesem  Purusha  der  Upanishadlehre  frage  ich  dich". 
Diesen  weifs  Qäkalya  nicht  zu  nennen  und  mufs  den  Frevel, 
einen  untergeordneten  Purusha  für  sarvasya  ätmanah  paräyanam 
ausgegeben  zu  haben,  mit  dem  Tode  büfsen.  (So  nach  der 
von  uns  angenommenen  Personenverteilung;  nach  der  tradi- 
tionellen, weniger  guten,  würde  Yajnavalkya  die  Frage  nach 
dem  sarvasya  ätmanah  paräyanam  aufwerfen  und  Erde,  Liebe, 
Gestalten,  Äther  usw.  als  seinen  Standort  bezeichnen,  und 
der  Frevel  des  Qäkalya  würde  darin  bestehen,  nicht  den  von 
Yajnavalkya  als  Antwort  erwarteten  Ätman,  sondern  nur  einen 
untergeordneten,  in  der  Körperlichkeit,  der  Liebe,  der  Sonne, 
dem  Hörbaren  usw.  schaltenden  Purusha  zu  nennen.) 


&.  Sechs  einseitige  Definitionen. 

Wie  Brih.  2,1  zwölf,  Kaush.  4  sechzehn,  Brih.  3,9,10 — 17  Sech8  Defi. 
acht,    so   werden    sechs    einseitige   (ekapäd)  Definitionen   des   BrihTi" 
Brahman    kritisiert  Brih.  4,1,    wo   Janaka  zum   Yajnavalkya 
kommt,  nachdem  er,  wie  der  Keisende  sein  Schiff  oder  seinen 
Wagen  verproviantiert,  seine  Seele  mit  Geheimlehren,  upani- 
shacVs,    ausgerüstet    hat   (Brih.  4,2,1).     Diese   „UpanishadV 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,n.  *  (3 


t^CT35 


82  II.   Das  Suchen  nach  dem  Brahman. 

bestehen  in  sechs  von  andern  Lehrern  aufgestellten  Definitionen 
des  Brahman  als  Rede,  als  Odem,  als  Auge,  als  Ohr,  als 
Manas,  als  Herz.  Alle  diese  Definitionen  lassen  sich,  wenn 
auch  nicht  immer  genau  so  und  unter  den  angegebenen  Namen, 
in  den  vorhandenen  Texten  noch  nachweisen;  vgl.  zu  vag  vai 
brahma  Pancav.  Br.  20,14,2  (oben  I,  i,  S.  206).  Chänd.  7,2,2;  zu 
präno  vai  brahma  oben  I,  i,  S.  297  fg.  Brih.  1,5,23.  3,7,1 — 2. 
Chänd.  4,3,3.  7,15.  Taitt.  3,3.  Kaush.  2,1.  2.  2,13.  Pracna  2,13; 
zu  cakshurvai  brahma  Chänd.  1,7,4.  4,15,1.  8,7,4.  Kaush.  4,17.  IS. 
Brih.  2,3,5.  5,5,4;  zu  grotram  vai  brahma  Taitt.  3,1.  Kaush. 
4,14;  zu  mano  vai  brahma  oben  I,  i,  S.  203.  206.  335.  Chänd. 
3,18,1.  Ait.  3,2;  zu  hridayam  vai  brahma  Chänd.  3,12,4.  8,3,3. 
Brih.  5,3;  vgl.  auch  im  allgemeinen  Chänd.  3,18,  wo  väc,präna. 
cakshuh,  grotram  die  vier  Füfse  des  Brahman,  und  Chänd.  4,8,3, 
wo  präna,  cakshuh,  grotram,  manas  den  einen  der  vier  Füfse 
des  Brahman  bilden.  Alle  diese  und  ähnliche  Definitionen, 
mögen  sie  nun  historisch  oder  zur  Charakterisierung  histo- 
rischer Richtungen  fingiert  sein,  entspringen  aus  dem  Be- 
streben, das  seiner  Natur  nach  Unerkennbare  zu  erkennen, 
wobei  dann  freilich  nichts  übrig  bleibt,  als  dafs  man  dasselbe, 
mit  bewufster  oder  unbewufster  Symbolik,  unter  der  Form 
irgend  einer  seiner  Erscheinungen  auffafst.  Die  Kritik,  welcher 
Ydjna-  Yäjnavalkya  die  genannten  sechs  Definitionen  des  Brahman 
Kritik,  als  vdc,  präna,  caJcshus,  grotram,  manas,  hridayam  unterwirft, 
besteht  darin,  dafs  er  sie  für  blofse  Sitze  (äyatana)  erklärt, 
mittels  welcher  sechs  entsprechende,  an  dem  göttlichen  Wesen 
angenommene  Bestimmungen  als  prajüä,  priyam,  satyam,  ananta, 
änanda,  sthiti  in  dem  allen  sechsen  als  Standort  (pratishtha  > 
gemeinsamen  Räume  zum  Ausdrucke  kommen.  Fragen  wir 
aber  weiter  nach  dem  Wesen  dieser  sechs  Bestimmungen,  so 
werden  wir  wieder  auf  jene  sechs  Manifestationen  derselben 
im  Räume  als  väc,  präna,  caJcshus,  grotram,  manas,  hridayam 
zurückgewiesen;  und  so,  zwischen  den  empirischen  Er- 
scheinungsformen und  den,  in  ihnen  zum  Ausdruck  kommen- 
den, empirischen  Bestimmungen  des  göttlichen  Wesens 
hin  und  her  geworfen,  begreifen  wir,  dafs  Erscheinungen  immer 
wieder  nur  durch  Erscheinungen  erklärt  werden  können,  und 
dafs  auf  diesem    Wege  dem  Wesen  der  Gottheit   nicht  bei- 


4.  Sechs  einseitige  Definitionen.  83 

zukommen  ist.  Einen  andern  Weg  schlägt  dann  (4,2)  Yäjna-  positive 
valkya  selbst  ein,  indem  er,  ausgehend  von  der  Frage,  was 
aus  der  Seele  nach  dem  Tode  werde,  zunächst  eine  Schilde- 
rung der  individuellen  Seele  entwirft,  wie  sie,  von  Adern  um- 
sponnen und  genährt,  im  Herzen  wohnt  und  in  den  beiden 
Augen  gleichsam  ihre  Fühlhörner  ausstreckt,  —  dann  aber 
plötzlich  diese  ganze  individuelle  Seele  wie  einen  verdeckenden 
Vorhang  hinwegzieht,  so  dafs  wir  vor  uns  und  um  uns  und  in 
uns  nur  die  eine,  allgegenwärtige,  höchste  Seele  sehen,  womit 
dann  jene  Frage  nach  dem  individuellen  Fortleben  der  Seele 
dadurch  beantwortet  wird,  dafs  ihr  der  ganze  Boden,  auf  dem 
sie  steht,  entzogen  wird,  und  sie,  als  keinen  Sinn  gebend, 
hinwegfällt.  —  Eine  bessere  Antwort  können  wir  auch  heute 
noch  nicht  geben. 


5.  Definitionen  des  Ätman  Vaigvänara. 

Wie  der  Begriff  des  Brahman,  so  war  auch  der  des  Atman,  sechs  ver- 
bei  der  Vieldeutigkeit  dieses  Wortes,  manchen  Mifsverständ-  Ytmaü  vl* 

cvdnara  zu 


nissen  ausgesetzt.    Eines  derselben  entsprang  daraus,  dafs  man  l^™^^ 

Chänd. 
5,11  fg. 


über  der  kosmischen  Bedeutung  des  Ätman  als  Weltprinzip 


seine  psychische  Bedeutung,  die  Verwirklichung  dieses  Prin- 
zips im  eignen  Selbst,  übersah.  Dies  ist  der  Fall  bei  den  fünf 
Brahmanen,  welche  Chänd.  5,11  zusammenkommen  und  die  Frage 
aufwerfen:  „was  ist  unser  Ätman,  was  das  Brahman?"  Sie  wen- 
den sich  mit  dieser  Frage  an  Uddälaka  Äruni,  von  dem  sie  wissen, 
dafs  er  eben  jetzt  den  Ätman  Vaigvänara,  d.  h.  den  Ätman  als 
das  allverbreitete  Weltprinzip  studiere.  Uddälaka  fürchtet  (wie 
seine  späteYe  Antwort  zeigt,  sehr  mit  Recht),  sie  nicht  be- 
friedigen zu  können,  und  alle  sechs  gehen  sodann  den  König 
Ac,vapati  Kaikeya  um  Belehrung  über  den  Atman  Vaicvänara 
an.  Der  König  befragt  zunächst  der  Reihe  nach  die  sechs 
Brahmanen,  was  sie  als  den  Ätman  „verehren".  Er  setzt,  wie 
dieser  Ausdruck  zeigt,  voraus,  dafs  die  ihn  um  Belehrung  er- 
suchenden Brahmanen  noch  in  dem  Irrtume  befangen  sind,  in 
dem  Ätman  einen  objektiv  aufser  ihnen  bestehenden  Gegen- 
stand der  Verehrung,  gleichsam  eine  neue  Art  von  Gottheit, 
zu  sehen.    Diese  Voraussetzung  bestätigt  sich,  sofern  die  sechs 

6* 


g4  II.   Das  Suchen  nach  dem  Brahman. 

Frager  der  Reihe  nach  den  Atman  für  den  Himmel,  die  Sonne, 
den  Wind,  den  Raum,  das  Wasser,  die  Erde,  mithin  für  etwas 
TcMer  Objektives  erklären.  Darauf  der  König:  „Ihr  alle,  wie  ihr 
Tuche"  da  seid,  fafst  diesen  Atman  Vaigvänara  auf,  als  wäre  er  ein 
von  euch  Gesondertes,  und  so  efst  ihr  die  Nahrung.  Wer 
aber  diesen  Atman  Vaigvänara  so  [die  ausgespannte  Hand  an 
seinen  Kopf  von  der  Stirn  bis  zum  Kinn  legend]  als  eine 
Spanne  grofs  an  Abmessung  (prädegamätram  abhivimänam ) 
verehrt,  der  ifst  die  Nahrung  in  allen  Welten,  in  allen  Wesen, 
in  allen  Selbsten.  Und  von  eben  hier  diesem  [als  eine  Spanne 
lang  am  eignen  Kopfe  gemessenen]  Atman  Vaigvänara  ist  der 
glanzvolle  [Himmel]  das  Haupt,  die  allgestaltige  [Sonne]  das 
Auge,  der  sonderpfadige  [Wind]  der  Odem,  der  vielfache 
[Raum]  sein  Rumpf,  sein  Leibesbestand,  der  Reichtum  [das 
Wasser]  seine  Blase,  die  Erde  seine  Füfse."  —  Die  von  uns 
ergänzten  Handbewegungen,  ohne  welche  die  Stelle  nicht  ver- 
ständlich ist,  sind  mit  Sicherheit  zu  entnehmen  aus  dem  Ori- 
ginal unserer  Stelle,  Qatap.  Br.  10,6,1,  wo  dieselben  noch  wirk- 
lich ausgeführt  werden  (vgl.  die  Übersetzung  in  den  Sechzig 
Upanishad's  S.  145).  Auch  sonst  besitzt  die  erwähnte  Original- 
stelle manche  Vorzüge,  namentlich,  sofern  es  sich  in  ihr  nicht 
um  den  Atman  Vaigvänara,  sondern  um  eine  symbolische  Deu- 
tung des  Agni  Vaigvänara,  des  ,,  all  verbreiteten  Feuers"  als 
Weltprinzip  handelt;  hierbei  sind  die  einseitigen  Antworten 
der  sechs  Mitunterredner  weit  begreiflicher,  als  wenn  sie,  wie  es 
in  der  Nachbildung  der  Chändogyastelle  der  Fall  ist,  von  vorn- 
herein nach  dem  Atman  als  „Brahman"  (Prinzip)  fragen;  diese 
Frage  und  das  Forschen  nach  dem  Atman  Vaigvänara  würde, 
streng  genommen,  solche  verfehlte  Antworten,  wie  sie  von 
allen  sechs  Brahmanen  gegeben  werden,  von  vornherein  aus- 
schliefsen. 

6.  Stufenweise  Belehrung  des  Närada. 

Nicht  immer  sind  es  Gegner  oder  Schüler,  welche  sich 
in  unrichtigen  oder  einseitigen  Auffassungen  des  Brahman  be- 
fangen zeigen.  Wiederholt  begegnen  wir  einem  Brahman- 
forscher,  welcher,  wie  Sanatkumära  Chand.  7  oder  Bhrigu 
Taitt.   3,     eine    Stufenfolge     unvollkommener    Anschauungen 


6.  Stufenweise  Belehrung  des  Närada.  85 

durchläuft,  um  sich  schrittweise  zu  reinerer  und  immer  reinerer 
Erkenntnis  des  Brahman  oder  Ätman  zu  erheben.  Das  aus- 
geführteste  Beispiel  dieser  Art  ist  Chänd.  7,  wo  Sanatkumära  stufenweise 

°  r  Belehrung 

seine  Belehrung  des  Närada  damit  beginnt,  dafs  er  die  Ge-  des  mrar/a, 

,      .  .,  ,  ...  ,T7-.  j...        Chänd.  7. 

samtheit  des  von  ihm  erworbenen  empirischen  Wissens  iur 
blofsen  Namen  erklärt.  Gröfser  als  der  Name  ist  die  Rede, 
gröfser  als  diese  das  Manas,  und  so  erhebt  sich  der  immer 
weiter  dringende  Forscher  vom  Bedingten  zum  Bedingenden, 
vom  Grofsen  zum  Gröfsern  durch  die  Stufen  der  Auffassung 
des  Brahman  als  näman,  väc,  manas,  samkalpa,  cittam,  dhyä- 
nam,  vijüänam,  balam,  annam,  äpas,  tejas,  äkäga,  smara,  ägä 
zum  präna  (der  individuellen  Seele)  und  von  diesem  zum 
bhtiman,  der  „Gröfse"  schlechthin,  der  „Unbeschränktheit", 
welche  nichts  aufser  sich,  alles  in  sich  hat,  alle  Welträume 
erfüllt  und  dennoch  mit  dem  Ich-Bewufstsein  (ahafikära),  mit 
der  Seele  (ätman)  in  uns  identisch  ist.  Die  Gröfse  dieses 
Schlufsgedankens  steht  für  unser  Gefühl  in  seltsamem  Gegen- 
satze zu  der  ermüdenden  Stufenreihe  von  Begriffen,  durch  zweck  der 
welche  wir  zu  ihm  emporgeführt  werden.  Dieselbe  war  wohl 
für  geduldigere  Leser  berechnet,  als  sie  am  Ende  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts  zu  finden  sind,  und  sollte  offenbar  dazu 
dienen,  durch  Übergang  von  dem  scheinbar  Gröfsten  zu  einem 
immer  noch  Gröfsern,  die  Spannung  bis  aufs  Aufserste  zu 
steigern.  Im  übrigen  kann  man  bei  diesem  Übergehen  vom 
Namen  zur  Rede,  von  dieser  zu  den  intellektuellen  Faktoren 
(Manas,  Entschlufs,  Gedanke,  Sinnen,  Erkenntnis),  von  diesen, 
durch  Vermittlung  der  Kraft,  zu  den  vier  Elementen  (Nahrung, 
Wasser,  Glut,  Weltraum),  und  von  diesen  durch  Gedächtnis 
und  Hoffnung  zum  Präna,  nicht  immer,  trotz  des  reichen 
poetischen  Schmuckes,  mit  dem  diese  Begriffe  ausgestattet  sind, 
einen  genügenden  Grund  für  diese  fortwährende  Selbstüber- 
bietung  erkennen,  und  die  Frage  ist  wohl  berechtigt,  ob  es 
wohl  dem  Verfasser  selbst  damit  voller  Ernst  gewesen  ist,  ob 
Dicht  diese  Begriffe  vom  Namen  bis  zum  Präna  hinauf  alle 
mehr  oder  weniger  als  blofse  Folie  dienen  sollen,  um  das  Ab- 
solute, Unbedingte,  Schrankenlose,  über  alles  Denkbare  Hinaus- 
liegende des  Ätman  in  um  so  helleres  Licht  zu  setzen.  Be- 
merkenswert ist  übrigens,  dafs  bei  allen  Vorstufen  des  Präna 


8(3  II.    Das  Suchen  nach  dem  Brahmau. 

demjenigen,  welcher  den  Namen,  die  Rede,  das  Manas  usw. 
„als  das  Brahman  verehrt",  reicher  Lohn  verheifsen  wird.  Der 
Verfasser  sieht  also  eine  Möglichkeit,  alle  diese  Dinge  „als 
Brahman  zu  verehren",  und  hei  vielen  derselben  mag  es,  mit 
mehr  oder  weniger  bewufster  Symbolik,  in  Wirklichkeit  ge- 
schehen sein.  Denn  der  gewöhnliche  Mensch,  an  seinem 
empirischen  Bewufstsein  wie  an  einer  Kette  liegend,  will  nicht 
erkennen,  sondern  verehren.  Hierzu  eignet  sich  nun  leider 
das  Absolutum  seiner  Natur  nach  ganz  und  gar  nicht.  Daher 
müssen  Symbole  für  dasselbe  eintreten,  welche  dann  unter  den 
Händen  der  Menge  sehr  bald  zu  Idolen  werden.  —  Merk- 
würdig ist  auch  die  Art,  wie  unser  Autor  vom  Präna,  der 
individuellen  Seele,  für  welche  die  Unterschiede  von  Subjekt 
und  Objekt  noch  bestehen,  zum  Bhüman,  der  höchsten  Seele, 
überleitet,  für  welche  diese  wie  alle  Unterschiede  keine  Be- 
deutung mehr  haben.  Wir  suchen,  sagt  er,  die  Wahrheit; 
diese  beruht  auf  dem  Erkennen,  dies  auf  dem  Denken,  dies 
auf  dem  Glauben,  dies  auf  dem  Eingewurzeltsein,  dies  auf 
dem  Schaffen,  dies  auf  der  Lust  (sükham,  gewöhnlicher  änanda, 
die  Wonne  genannt),  sie  besteht  in  der  Unbeschränktheit,  dem 
Bhüman.  So  werden  wir  aus  der  Sphäre  des  Intellektuellen, 
wo  die  Unterschiede  herrschen,  schrittweise,  durch  immer  zu- 
nehmendes Verfliefsen  von  Subjekt  und  Objekt,  zu  der  Region 
emporgehoben,  in  welcher  alle  Unterschiede  in  dem  All-Einen 
erlöschen. 

7.  Drei  verschiedene  Atman's. 

nie  drei  Der  Atman   ist,   wie   schon   öfter  hervorgehoben  wurde, 

chLTd!'  ein  vieldeutiger  Begriff;  das  Wort  bedeutet  nichts  weiter  als 
8'7— 12'  „das  Selbst",  und  es  kommt  alles  darauf  an,  was  wir  als  unser 
Selbst  ansehen.  Hier  sind  drei  Standpunkte  möglich,  je  nach- 
dem man  unter  dem  Atman  versteht  1)  das  körperliche  Selbst, 
den  Leib,  oder  2)  die  vom  Körper  freie,  aber  individuelle 
Seele,  welche  als  Subjekt  des  Erkennens  den  Objekten  als 
einem  andern  gegenübersteht,  oder  3)  die  höchste  Seele,  in 
welcher  Subjekt  und  Objekt  noch  nicht  auseinandergetreten 
sind,  oder,  nach  indischer  Auffassung,  welche  das  objektlose 
Subjekt  des  Erkennens  ist.    Zur  Illustration  dieser  drei  Stand- 


7.  Drei  verschiedene  Atman's.  87 

punkte  dient  die  Erzählung  Chand.  8,7 — 12.  „Das  Selbst 
(ätman),  das  sündlose,  frei  vom  Alter,  frei  vom  Tode  und  frei 
vom  Leiden,  ohne  Hunger  und  ohne  Durst,  dessen  Wünschen 
wahrhaft,  dessen  Eatschlufs  wahrhaft  ist,  das  soll  man  er- 
forschen, das  soll  man  suchen  zu  erkennen."  Von  dieser  Forde- 
rung getrieben  machen  sich  auf  von  den  Göttern  Indra  und 
von  den  Dämonen  Virocana  und  begeben  sich  zu  Prajäpati 
in  die  Lehre.     Seine  erste  Belehrung  lautet:   das  Selbst  ist  Das  mate- 

...  -ii-i  •!•«  •  riclle  Selbst. 

dasjenige,  was  man  sieht,  indem  man  sich  im  Auge  eines  an- 
dern, in  einem  Wasserbecken,  in  einem  Spiegel  betrachtet,  was 
sich  bis  zu  den  Härchen  und  Nägeln  im  Abbilde  widerspiegelt, 
was,  mit  schönen  Kleidern  geschmückt,  schön  erscheint,  mit 
einem  Worte:  der  Leib;  „das  ist  das  Selbst,  das  ist  das  Un- 
sterbliche, das  Furchtlose,  das  ist  das  Brahman".  Die  Ant- 
wort befriedigt  die  beiden  Schüler,  sie  ziehen  heim,  Prajäpati 
aber,  ihnen  nachblickend,  spricht:  „da  ziehen  sie  hin,  ohne 
das  Selbst  wahrgenommen  und  gefunden  zu  haben".  Virocana 
und  die  Dämonen  beruhigen  sich  bei  dieser  Antwort,  und  so 
alle  dämonischen  Menschen,  welche  im  Leibe  das  Selbst  sehen 
und  daher  noch  den  Leichnam  mit  allerlei  Plunder  schmücken, 
als  wenn  es  für  ihn  noch  ein  Fortleben,  eine  jenseitige  Welt 
gäbe.  Indra  hingegen,  in  der  Erwägung,  dafs  dieses  Selbst 
von  allen  Leiden  und  Gebrechen  des  Leibes  getroffen  wird 
und  mit  dem  Tode  untergeht,  fühlt  (was  jeder  fühlen  kann), 
dafs  alle  Veränderung,  welche  an  uns  vorgeht,  eben  darum 
nicht  uns  betreffen  kann,  und  kommt  zu  Prajäpati  zurück. 
Jetzt  erteilt  ihm  Prajäpati  die  zweite  Antwort:  das  Selbst  ist  Das  indi- 
dasjenige,  was  im  Traume  herrlich  umherschweift;  „das  ist  das  ifjbst? 
Unsterbliche,  das  Furchtlose,  das  Brahman".  Aber  auch  bei 
dieser  Antwort  kann  sich  Indra  nicht  beruhigen :  das  Traum- 
selbst wird  zwar  von  den  Schädigungen  des  Leibes  durch  die 
Objekte  nicht  betroffen,  aber  es  ist  doch,  als  wenn  es  davon 
betroffen  würde,  weil  es  fortfährt,  eine  objektive  Welt  sich 
gegenüber  vorzustellen.  Nun  folgt  die  dritte  Antwort  des  Das  höchste 
Prajäpati:  „Wenn  einer  so  eingeschlafen  ist  ganz  und  gar  und  - 
völlig  zur  Ruhe  gekommen,  dafs  er  kein  Traumbild  erkennt, 
das  ist  das  Selbst",  so  sprach  er,  „das  ist  das  Unsterbliche, 
das    Furchtlose,    das    ist    das    Brahman".    —    Ein    weiteres 


88  II.   Das  Suchen  nach  dem  Brahman. 

Bedenken  des  Indra,  dafs  dies  dem  Eingange  in  die  Vernichtung 
gleichkomme,  wird  von  Prajäpati  dahin  berichtigt,  dafs  das 
Aufhören  des  Unterschieds  von  Subjekt  und  Objekt,  wie  es 
im  Tiefschlafe  statthat,  vielmehr  ein  Eingang  in  das  höchste 
Licht  sei,  ein  Hervortreten  in  eigener  Gestalt  als  der  höchste. 
Geist,  welcher  als  das  Subjekt  des  Erkennens  in  uns  von 
keinem  Wandel  der  Organe  und  Objekte  berührt  wird.  — 
Der  Sinn  dieser  Erzählung  ist  klar;  auf  die  Frage:  was  ist 
das  Selbst?  gibt  es  drei  Antworten,  je  nachdem  man  auf  dem 
Standpunkte  des  Materialismus,  des  Realismus  oder  des  Idealis- 
SdtanMU"kt  mus  stenk  1)  Die  materialistische  (dämonische)  Antwort  lautet: 
riaiismus.  das  Selbst  ist  der  Leib  und  geht  mit  diesem  zugrunde. 
Die  Vedäntatheologen  verstehen  schon  hier  die  individuelle 
Seele,  indem  sie,  den  Text  vergewaltigend,  aus  dem  Manne, 
der  im  Auge  (sich  widerspiegelnd)  „gesehen  wird",  einen  sol- 
chen machen,  der  im  Auge  „sieht",  weil  sonst  Prajäpati  „ein 
Betrüger  sein  würde",  da  er  ja  schon  von  diesem  ersten  Selbst 
sage:  „das  ist  das  Unsterbliche"  usw.  Aber  Prajäpati  ist 
hier  der  Repräsentant  der.  Natur,  und  diese  lügt  nie  und  zeigt 
sich  doch  in  gewissem  Sinne  doppelzüngig,  sofern  sie  auf  die 
beiden  wichtigsten  Fragen,  die  wir  stellen  können,  auf  die 
Frage  nach  der  Freiheit  und  auf  die  Frage  nach  der  Unsterb- 
lichkeit, schon  dem  gemeinen  empirischen  Bewufstsein  je  zwei 
Antworten  gibt,  die  mit  einander  in  Widerspruch  zu  stehen 
scheinen :  blicken  wir  nach  aufsen,  auf  unsere  Handlungen,  so 
sehen  wir  sie  alle  aus  ihren  Ursachen  (Charakter  und  Motive) 
nach  dem  Kausalitätsgesetz  mit  Notwendigkeit  hervorgehen, 
und  dennoch  tragen  wir  in  uns  das  unversiegliche  Bewufst- 
sein der  Freiheit  und  Verantwortlichkeit  für  unsere  Hand- 
lungen; und  ebenso  in  der  Unsterblichkeitsfrage:  blicken  wir 
nach  aufsen,  so  sehen  wir  unser  ganzes  Selbst  als  Leib  ent- 
stehen und  vergehen,  und  dennoch  tragen  wir  in  uns  das  un- 
zerstörbare Bewufstsein  von  der  Ewigkeit  unseres  Wesens: 
scntimus  experimurque  nos  acternos  esse,  wie  Spinoza  sagt.  Auf 
diesem  Bewufstsein,  und  nicht  auf  egoistischen  Wünschen, 
beruhen  alle  Beweise  für  die  Unsterblichkeit  der  Seele,  und 
Standpunkt  dieses  Bewufstsein  eben  ist  es,  welches,  mit  empirischen  Formen 
8mue8a  1S" umkleidet,   2)  auf  dem  realistischen  Standpunkte   das  Selbst 


7.  Drei  verschiedene  Ätraan's. 


89 


als  individuelle  Seele  erscheinen  läfst,  auf  welche  sich 
die  zweite  Antwort  des  Prajäpati  bezieht.  Sehr  schön  illu- 
striert er  dieses  Bewufstsein  einer  vom  Körper  freien  und  den- 
noch realen  individuellen  Seele  durch  den  Traumstand,  als 
welches  der  einzige  in  der  Erfahrung  gegebene  Zustand  ist, 
in  dem  wir  die  von  der  Leiblichkeit,  nicht  aber  von  der  Indi- 
vidualität entbundene  Seele  beobachten  können.  Aber  diese 
ganze  individuelle  Seele  ist  ein  Unbegriff,  entspringend  daraus, 
dafs  man  die  intellektuellen  Anschauungsformen,  und  namentlich 
die  allgemeinste  derselben,  das  Objekt-für-ein-Subjekt-sein, 
überträgt  auf  ein  Gebiet,  auf  dem  sie  keine  Geltung  haben. 
Das  Bewufstsein  hiervon  leitet  3)  zum  idealistischen  Stand-  Standpunkt 
punkte  über,  welcher  nur  die  eine,  in  allem  vorhandene,  in  e8mus?13 
jedem  ganz  verkörperte  höchste  Seele  kennt.  In  ihr  ist 
keine  Zweiheit,  kein  Subjekt  und  Objekt  und  folglich  kein 
Bewufstsein  im  empirischen  Sinne;  insofern  kann  sie  dem 
tiefen,  traumlosen  Schlafe  verglichen  werden.  —  Wir  werden 
weiterhin .  über  Wachen,  Träumen  und  Tiefschlaf  hinaus  einen 
vierten  (tiiriya)  Zustand  der  Seele  kennen  lernen,  in  welchem 
jene  Einswerdung,  welche  im  Tiefschlafe  unbewufst  erfolgt, 
bei  vollem,  wenn  auch  nicht  empirischem,  auf  Objekte  aufser 
sich  gerichtetem,  Bewufstsein  stattfinden  soll. 


8.  Fünf  verschiedene  Atman's. 

Wie  die  eben  besprochene  Chändogyastelle  drei  Atman's, 
den  körperlichen,  individuellen  und  höchsten,  so  unterscheidet 
der  auf  einer  fortgeschrittenern  Stufe  der  Entwicklung  stehende 
Abschnitt  Taitt.  2  fünf  Atman's  (oder  Purusha's),  indem  er 
den  mittlem,  individuellen  Atman  noch  weiter  in  das  Lebens- 
prinzip, Willensprinzip  und  Erkenntnisprinzip  zerlegt.  So 
entstehen  der  annamaya,  pränamaya,  manomaya,  vijnänamaya 
und  änandamaya  Atman,  welche  im  Menschen  wie  in  der 
ganzen  Natur  zur  Erscheinung  kommen,  und  von  denen  die  vier 
ersten  als  blofse  Schalen  oder  Hülsen  (später  Jwgas  genannt) 
den  fünften  als  den  eigentlichen  Kern  umgeben.  Durch  schicht- 
weise Ablösung  dieser  Hülsen  gelangt  man,  schrittweise  tiefer 
dringend,  zuletzt  zum  innersten  Wesen  des  Menschen  und  der 


Die  füivf 
Atman1», 
Taitt.  2. 


9Q  IL   Das  Suchen  nach  dem  Brahman. 

rcr  anna-  Natur.  1)  Der  annamaya  Atman,  „das  nahrungsartige  Selbst", 
"""'"'  ist  die  Verkörperung  des  Ätman  im  Leibe  und  in  der  mate- 
riellen Natur;  die  Körperteile  sind  seine  Bestandteile.  2)  In^ihm 

Der  prdna-  steckt  der  prunamaya  Atman,  „das  lebenshauchartige  Selbst", 
der  Ätman  als  Prinzip  des  natürlichen  Lebens.  Seine  Bestand- 
teile sind  die  Lebenshauche  im  Menschen  (Einhauch,  Zwischen- 
hauch, Aushauch),  aber  auch  in  kosmischem  Sinne  ist  der 
ganze  Raum  sein  Leib,  die  Erde  sein  Fundament.  Wenn 
wir  auch  diesen  Ätman  als  Hülle  ablösen,   so  gelangen  wir 

Der  mano-  3)  ZUm  manomaya  Atman ,  dem  „manasartigen  (wunschartigen) 
Selbste",  als  dessen  Körperteile  die  vier  Veden  nebst  Bräh- 
mana's  (ädega)  bezeichnet  werden.  Nach  dieser  Bestimmung 
haben  wir  unter  ihm  das  in  den  Menschen  wie  in  den  Göttern 
verkörperte  Prinzip  des  Willens  (manas),  d.  h.  der  auf  egoi- 
stische Zwecke  gerichteten  Wünsche  zu  verstehen;  denn  dieses 
findet  von  menschlicher  Seite  her  seinen  Ausdruck  im  vedi- 

Der  tijuna-  sehen  Opferkultus.  4)  Höher  steht  der  vijnänamaya  Atman, 
„das  erkenntnisartige  Selbst",  welcher,  wie  der  angehängte 
Vers  besagt,  anstatt  der  Opfer  und  Werke  die  Erkenntnis 
darbringt,  indem  er  die  Gottheit  als  ein  ihm  gegenüberstehendes 
Wesen  erkennt  und  verehrt.  Daher  sind  Glaube,  Gerechtig- 
keit, Wahrheit,  Hingebung  und  Majestät  seine  Bestandteile. 
Aber  auch  diesen  Standpunkt  haben  wir  wie  eine  Schale  ab- 

Der  änanda-  zulösen,  um  endlich  5)  zum  änandamaya  Atman,  „dem  wonne- 
artigen Selbste",  als  innerstem  Kerne  des  Menschen  und  der 
ganzen  Natur  durchzudringen.  Dieser  wonneartige  Atman, 
„vor  dem  die  Worte  umkehren  und  das  Denken,  nicht  findend 
ihn",  ist  kein  Gegenstand  der  Erkenntnis  mehr;  er  ist,  im 
Gegensatze  zur  empirischen  Realität,  ein  Jenseitiges,  Unaus- 
sprechliches, Grundloses,  ein  Unbewufstsein,  eine  Nichtrealität. 
„Denn  er  ist  es,  der  die  Wonne  schaffet.  Denn  wenn  einer 
in  jenem  Unsichtbaren,  Unrealen,  Unaussprechlichen,  Un- 
ergründlichen den  Frieden,  den  Standort  findet,  alsdann  ist 
er  zum  Frieden  gelangt.  Wenn  aber  einer  in  jenem  einen 
Zwischenraum,  eine  Trennung  [zwischen  sich  als  Subjekt  und 
dem  Ätman  als  Objekt]  annimmt,  dann  besteht  sein  Unfriede 
fort;  es  ist  aber  der  Unfriede  des,  der  sich  weise  dünket 
[indem  er  Brahman  zum  Objekte  der  Erkenntnis  macht]." 


III.   Symbolische  Vorstellungen.    1.  Vorbemerkungen.  91 


III.  Symbolische  Vorstellungen  von  Brahman. 

1.  Vorbemerkungen  und  Anordnung. 

Unter  einem  Symbol  (cüpißoXov)  verstanden  die  Alten  *ö|*ß9Xoi«. 
das  sichtbare  Zeichen  eines  unsichtbaren  Gegen- 
standes oder  Verhältnisses,  mag  das  Wort  nun  von  dem 
Zusammenpassen  (öupißdXXst.v)  der  von  Gästen,  Boten  usw. 
zu  ihrer  Legitimation  mitgebrachten  Hälften  eines  zerbrochenen 
Ringes  oder  dergleichen  an  die  aufbewahrte  andere  Hälfte, 
oder  einfach  von  dem  Verabreden  (oujj.ßaXXstv)  herrühren,  auf 
dem  die  Wiedererkennung  an  diesem  sichtbaren  Wahrzeichen 
beruhte.  —  Ein  sehr  nahe  liegendes  Beispiel  für  den  Begriff 
des  Symbols  liefern  die  Worte  der  Sprache :  sie  sind  sämtlich 
anzusehen  als  die  sichtbaren  Zeichen  der  nicht  sichtbaren  Be- 
griffe, welche  sie  vertreten  (Elemente  der  Metaphysik  §  96. 
126),  daher  Aristoteles  (de  sensu  1  p.  437  a  14)  treffend  be- 
merkt: twv  5'  övojj-dxov  1'xacJTov  cüjjißoXov  e<mv,  und  (de  interpr.  1 
p.  16  a  3) :  laxi  [j.sv  oüiv  xb.  sv  ttj  9G)v?)  töv  iv  t-?]  4>uXY)  tcoc^t]- 
|j.axa)v  GUfj-ßoXa,  xal  xcc  Ypa96pt.eva  töv  Iv  ty)  90V7J.  —  Daher 
auch  die  Kirche  ihre  Sakramente  und  Bekenntnisformeln  Sym- 
bole nennt;  sie  sind  die  äufsern  Kennzeichen  der  Zugehörig- 
keit zu  ihrer  Gemeinschaft. 

Auf  einer  ähnlichen  Vorstellung  beruht  das  indische  Wort  prattkam. 
für  Symbol,  pratiham.  Es  bedeutet  ursprünglich  (von  prati- 
ahc)  die  uns  „zugewandte"  und  dadurch  sichtbare  Seite  einer 
im  übrigen  nicht  sichtbaren  Sache.  In  diesem  Sinne  ist  bei 
den  Vedäntatheologen  öfter  von  Symbolen  (pratikäni)  des 
Brahman  die  Rede.  Sie  verstehen  darunter  gewisse  Vor- 
stellungen des  Brahman  unter  irgend  einer  sinnlich  wahrnehm- 
baren Form,  z.  B.  als  Name,  Rede  usw.  (Chänd.  7),  als 
Manas  und  Äkäca  (Chänd.  3,18),  als  Äditya  (Chänd.  3,19), 
als  Verdauungsfeuer  (Brih.  5,9.  Chänd.  3,13,8),  oder  auch  als 
Om  (Chänd.  1,1),  welche  zum  Zwecke  der  Verehrung  als  Brah- 
man angeschaut  werden  und  sich  zu  diesem  verhalten  wie  die 
Götterbilder  (pratimä,  arcä)  zu  den  Göttern,  welche  sie  dar- 
stellen (vgl.  £ankara  zu  Brahmasütra  p.  147,14.  189,8.  217,10. 
835,9.  1059,6,  zu  Chändogya  p.  9,8.  10,1.  21,3).    Schon  Bäda- 


92  III.   Symbolische  Vorstellungen. 

räyana  (Sütram  4,3,15 — 16,  vgl.  4,1,4)  unterscheidet  die  Ver- 
ehrer des  Brahman  unter  solchen  Symbolen  von  den  Verehrern 
des  attributhaften  (saguna)  Brahman;  die  letztern  besitzen 
Erkenntnis  des  Brahman  und  gehen  daher  den  Devayäna,  der 
in  Brahman  führt,  während  den  Symbolverehrern  die  Einsicht 
in  Brahman  durch  das  Symbol  verdeckt  wird  (p.  1135,7,  pra- 
tika-pradhänatväd  upäsanasya),  daher  sie  als  Frucht  nur  die 
bei  jedem  Symbole  (z.  B.  Chänd.  7,1 — 14)  angegebene  Be- 
lohnung erhalten.  Konsequent  durchführbar  ist  diese  Schei- 
dung nicht;  die  Verehrung  des  Brahman  mittels  des  Om-Lautes, 
welcher  nach  Qankara  zu  Chand.  p.  9  fg.  ein  Symbol  des  Brah- 
man ist,  führt  nach  Pra§na  5,5  auf  dem  Devayäna  zu  Brahman, 
und  die  Verehrung  des  Brahman  als  Fräna  wird  in  der  Kegel 
zur  attributhaften  Wissenschaft  und  nur  ausnahmsweise  (z.  B. 
zu  Brahmasütra  4,1,5  p.  1063,2)  zu  den  symbolischen  Ver- 
ehrungen gerechnet,  mit  denen  sie  doch  nach  Stellen  wie  Brih. 
4,1,3  (jpräna  neben  vuc,  manas  usw.),  2,3,4  (neben  älcäga), 
Chänd.  3,18,4  (unter  manas,  neben  väc  usw.)  auf  einer 
Linie  steht. 

Den  Üpanishad's  fehlt  noch  der  deutliche  Begriff  des 
Symbols,  wie  denn  auch  das  Wort  pratikam  in  diesem  Sinne 
noch  nicht  in  ihnen  sich  findet.  Aber  wenn  in  den  im  vorigen 
Kapitel  besprochenen  Abschnitten  Brih.  4,1.  Chänd.  5,12 — 17. 
7,1 — 14  gewisse  konkrete  Vorstellungen  von  Brahman  als  un- 
zulänglich mifsbilligt  und  doch,  durch  Verheifsung  von  Lohn, 
als  verdienstlich  anerkannt  werden,  so  können  wir,  wie  bei 
so  vielen  spätem  Vedäntalehren,  die  erste  Entstehung  des 
Symbolbegriffes  an  Stellen  wie  den  genannten  beobachten. 
Symbol.  Wir  verstehen  in  weiterin  Sinne  unter  Symbolen  alle  zum 

Zwecke  der  Verehrung  unternommenen  Vorstellungen  des  an 
sich  unvorstellbaren  Brahman  unter  irgend  einer  seiner  Er- 
scheinungsformen, also  namentlich  als  präna  und  väyu,  als 
älcäga,  manas,  äditya,  als  Verdauungsfeuer  und  Omlaut.  An 
die  Besprechung  dieser  Symbole  im  gegenwärtigen  Kapitel 
werden  sich  weiter  noch  die  symbolischen  Umdeutungen  rituel- 
ler Begriffe  und  endlich  die  Ersetzungen  liturgischer  Bräuche 
durch  andere,  zur  Ätmanlehre  in  Beziehung  stehende,  zu 
schliefsen  haben. 


2.  Brahmau  als  Präna  und  Väyu.  93 

\   Brahman  als  Prana  und  Väyu. 

Keine  Erscheinung  der  Nafur  trägt  einen  so  rätselhaften  präna  und 
Charakter,  keine  scheint  so  unmittelbar  aus  dem  innersten  prd™a' 
Wesen  der  Dinge  zu  entspringen  und  von  ihm  Kunde  zu 
geben,  wie  das  Phänomen  des  Lebens,  welches  in  der 
Funktion  aller  Lebensorgane  (präna's),  mehr  aber  als  in.  allen 
andern  in  dem  das  Leben  selbst  bedingenden  Atmungsprozesse 
(prana)  sich  manifestiert.  Daher  sich  schon  die  Brähmanazeit 
(wie  wir  oben  I,  i,  S.  294 — 305  verfolgten)  vielfach  mit  der 
zentralen  Bedeutung  des  Präna  (Odem  oder  Leben),  sowie 
mit  einer  Superiorität  über  die  übrigen  Präna's  (Lebens- 
kräfte, wie  Auge,  Ohr,  Kede,  Manas)  und  seiner  Identität  mit 
Väyu,  dem  Windgotte  als  dem  Weltlebensodem,  beschäftigte. 
Alle  diese  Themata  finden  ihre  Fortsetzung  in  den  Upanishad's, 
namentlich  in  den  altern  Texten,  welche  noch  nicht  vermögen, 
das  Weltprinzip  anders  als  in  seinen  deutlichsten  Erscheinungs- 
formen zu  ergreifen,  bis  dann  der  Präna  mehr  und  mehr,  sei 
es  durch  Unterordnung  oder  durch  Identifikation,  hinter  dem 
Atman  zurücktritt  und  nur  noch  als  gelegentliches  Synonymon 
desselben  erscheint. 

Dafs  alle  (organischen)  Wesen  ihren  Leib  nur  so  lange  Der  Präna. 
besitzen  können,  wie  der  Präna  darin  weilt,  lehrt  eine  oft 
mifsverstandene  Stelle,  Chänd.  1,11,5:  sarväni  ha  vä'  imäni 
bhütäni  pränam  eva  abhisamviganti,  pränam  abhynjjihate.  Dies 
bedeutet  nicht,  wie  £ankara  und  viele  mit  ihm  erklären,  die 
Wesen  gehen  (beim  Tode)  in  den  Präna  ein  und  werden  aus 
ihm  wieder  neu  geboren,  sondern  vielmehr  umgekehrt:  „alle 
diese  Geschöpfe  ziehen  mit  dem  Odem  ein  [in  den  Leib],  und 
mit  dem  Odem  ziehen  sie  wieder  aus".  Die  beste  Illustration 
bietet  das,  möglicherweise  in  Erinnerung  an  unsere  Stelle 
Pracna  2,4  und,  abhängig  davon,  Brahma-Up.  1  (Up.  S.  680) 
allerdings  nicht  von  den  Wesen,  sondern  von  den  einzelnen  Or- 
ganen in  ihrer  Beziehung  zum  Präna  gebrauchte  Bild:  „gleich- 
wie die  Bienen  dem  Bienenkönige,  wenn  er  auszieht,  alle  nach- 
ziehen, und  solange  er  bleibt,  alle  bleiben,  also  auch  die  Rede, 
das  Manas,  das  Auge  und  das  Ohr".  —  Der  Präna  ist  unter 
den   sechzehn  Teilen,    aus   denen    der  Mensch    besteht,    der 


94  III.   Symbolische  Vorstellungen. 

fundamentale  und  unwandelbare;  dies  wird  mythologisch  Brih. 
1,5,14  an  Prajapati  veranschaulicht,  welcher  mit  dem  Ab- 
nehmen des  Mondes  jede  Nacht  ein  Sechzehntel  verliert;  „und 
nachdem  er  in  der  Neumondnacht  mit  jenem  sechzehnten  Teile 
in  alles,  was  da  Odem  hat,  eingegangen  ist,  so  wird  er  am 
darauf  folgenden  Morgen  [als  die  neue  Mondsichel]  geboren". 
Hier  besteht  Prajapati  nach  Verlust  seiner  fünfzehn  wandel- 
baren Teile  in  der  Neumondnacht  mit  seinem  sechzehnten 
„unwandelbaren"  (dhruva)  Teile  nur  noch  als  Präria  in  allem 
Lebenden  fort.  —  Physiologisch  wird  dieser  Gedanke  erläutert 
Chänd.  6,7:  der  Mensch  besteht  aus  sechzehn  Teilen,  von  denen 
nach  fünfzehn tägigem  Fasten  nur  noch  einer,  der  Präria,  übrig 
bleibt.  —  Eine  Aufzählung  dieser  sechzehn  Teile  unternimmt 
Pracna  6,3 — 4:  „Dieser  [Purusha]  erwog:  mit  wessen  Auszuge 
werde  ich  selbst  ausgezogen  sein  und  mit  wessen  Bleiben 
werde  ich  bleiben?  Da  schuf  er  den  Präna",  aus  welchem, 
wie  das  Folgende  ausführt,  die  übrigen  fünfzehn  Teile  ent- 
springen. Hier  ist,  der  spätem  Abfassungszeit  der  Stelle  ent- 
sprechend, der  Präna  abhängig  vom  Purusha,  d.  i.  dem  Atman, 
aber  doch  zugleich  der  empirische  Vertreter  desselben.  —  Als 
solcher,  als  der  empirisch  gewordene  (in  Subjekt  und  Objekt 
auseinandergetretene)  JBhüman  erscheint  der  Präna  auch  schon 
in  der  schönen  Schilderung,  Chänd.  7,15:  „Wie  die  Speichen 
eingefügt  sind  in  die  Nabe,  so  ist  in  dieses  Leben  (präna) 
alles  eingefügt.  Das  Leben  geht  von  statten  durch  das  Leben 
(den  Odem),  das  Leben  (der  Odem)  gibt  das  Leben,  gibt 
es  zum  Leben.  Das  Leben  ist  Vater  und  ist  Mutter,  das 
Leben  ist  Bruder  und  Schwester,  das  Leben  Lehrer  und 
Brahmane.  Darum,  wenn  einer  Vater  oder  Mutter  oder  Bruder 
oder  Schwester  oder  Lehrer  oder  Brahmanen  hart  anfährt,  so 
sagt  man:  Pfui,  über  dir;  du  bist  ein  Vatermörder,  Mutter- 
mörder, Brudermörder,  Schwestermörder,  Lehrermörder,  Brah- 
manenmörder!  Wenn  er  aber  eben  dieselben,  nachdem  das 
Leben  entflohen  ist,  mit  dem  Spiefse  zusammenstöfst  [auf  dem 
Scheiterhaufen]  und  sie  verbrennt  mit  Haut  und  Haar,  so  sagt 
man  nicht:  du  bist  ein  Vatermörder,  Muttermörder,  Bruder- 
mörder, Schwestermörder,  Lehrermörder,  Brahmanenmörder; 
denn    das    Leben    nur    ist    alles    dieses."    —    Der    hier    vor- 


2.  Brahman  als  Präna  und  Väyu.  95 

kommende  Vergleich  des  Präna  mit  der  Kadnabe,  in  der  alle 
Speichen  zusammenlaufen,  findet  sich  wieder:  1)  vom  Präna 
Pracna  2,6  in  dem  eingelegten,  aus  älterer  Zeit  stammenden, 
an  Väj.  Samh.  34,5  wie  auch  mehrfach  an  Atharvav.  11,4 
(oben  I,  i,  S.  301—305)  erinnernden  Hymnus  an  den  Präna; 
2)  vom  Präna,  der  aber  schon  sekundär  dem  Prajnätman 
gleichgesetzt  wird,  Kaush.  3,8  (dafür  das  Bild  vom  Prinzipal 
und  seinen  Leuten,  Kaush.  4,20);  3)  vom  Ätman  Brih.  2,5,15, 
vgl.  1,5,15,  Mund.  2,2,6.  Pracna  6,6;  ausgedeutet,  mit  An- 
lehnung an  Sänkhyavorstellungen,  Qvet.  1,4. 

Die  Superiorität  des  Präna  über  die  andern  Lebensorgane  d«  BaDg. 

*  •  "  streit  der 

(Auge,  Ohr,  Rede,  Manas  usw.)  wird  veranschaulicht  durch  Präna'a. 
die  Parabel  vom  Rangstreite  der  Organe,  welche  ein 
beliebtes  Thema  der  Upanishad's  bildet.  Um  zu  erproben, 
wer  von  ihnen  der  wesentlichste  ist,  ziehen  die  Präna's  (Auge, 
Ohr,  Rede  usw.),  einer  nach  dem  andern  aus  dem  Leibe 
aus,  welcher  darum  doch  fortbesteht;  aber  indem  der  Präna 
ausziehen  will,  werden  sie  inne,  dafs  sie  alle  ohne  ihn  nicht 
bestehen  können.  Diese  Erzählung,  bekannt  unter  dem  Namen 
pränasamväda,  findet  sich  Chänd.  5,1,6 — 12.  Brih.  6,1,7 — 13. 
Kaush.  2,14,  vgl.  3,3.  Ait.  Ar.  2,1,4.  Pracna  2,2—4.  (Eine 
weitere  Rezension,  nach  Webers  Angabe,  steht  Kaush.  Ar.  9. 
Über  Brih.  1,5,21  vgl.  weiter  unten.)  Die  ursprünglichste  Form 
ist  ohne  Zweifel  erhalten  Chänd.  5,1,6 — 12.  Die  Lebensorgane 
(aufser  dem  Präna  werden  nur  Rede,  Auge,  Ohr  und  Manas 
erwähnt)  kommen,  um  den  Vorrang  streitend,  zu  Prajäpati. 
Sein  Ausspruch  lautet:  „Derjenige  unter  euch,  nach  dessen 
Auszug  sich  der  Leib  am  allerübelsten  befindet,  der  hat  unter 
euch  den  Vorzug".  Darauf  ziehen  der  Reihe  nach  Rede,  Auge, 
Ohr  und  Manas  aus,  ohne  dafs  darum  der  Leib  zu  bestehen 
aufhört.  „Da  wollte  der  Präna  ausziehen,  aber  gleichwie  ein 
edles  Rofs  [wenn  es  sich  losreifst]  die  Pflöcke  der  Fufsfesseln 
mit  herausreifst,  also  rifs  er  die  andern  Lebenshauche  mit 
heraus.  Da  kamen  sie  alle  zu  ihm  und  sprachen:  „Ehrwürdiger,, 
sei  du  es!  Du  hast  den  Vorrang  über  uns,  nur  ziehe  nicht 
aus!"  Brih.  6,1,7—13  erzählt  die  Parabel  fast  mit  denselben 
Worten,  nur  dafs  statt  Prajäpati  das  Brahman  eintritt,  ein 
sechstes  Organ  zugefügt  und  die  Schilderung  des  Rosses  weiter 


96  ni.    Symbolische  Vorstellungen. 

ausgeschmückt  wird.  Alle  diese  Abweichungen  sprechen  für 
die  Ursprünglichkeit  der  Chändogyaversion.  Kaush.  3,3  bietet 
nur  eine  Argumentation,  welche  die  Erzählung  in  der  an- 
gegebenen Form  voraussetzt.  Kaush.  2,14  läfst  alle  Organe 
zugleich  ausziehen  und  dann  einzeln  zurückkehren.  Bei  der 
Rückkehr  des  Präna  wird  der  Leib  neu  belebt.  Hier  fehlt 
für  den  gemeinsamen  Auszug  das  Motiv.  Ait.  Ar.  2,1,4  bringt 
die  Frage,  wer  von  den  Präna's  UJäham  sei,  zweimal  zur  Ent- 
scheidung, durch  Ilinfall  des  Leibes  beim  Auszuge,  und  durch 
Wiederbelebung  desselben  beim  Wiedereinzuge  des  Prana. 
Hier  macht  beides,  die  Verdoppelung  der  Kraftprobe  und  die 
Verwendung  der  Parabel  zur  Verherrlichung  des  Ukihatn, 
einen  sekundären  Eindruck.  Pra§na  2,2 — 4  läfst  sofort  den 
über  das  Verhalten  der  andern  ungehaltenen  Prana  sich  zum 
Auszuge  anschicken,  worauf  Rede,  Manas,  Auge  und  Ohr  mit 
fortgerissen  werden  und  den  Prana  bitten,  zu  bleiben.  Dies 
ist  offenbar  eine  Verkürzung  der  ursprünglichen  Erzählung; 
neu  ist  nur  die  Ersetzung  des  Bildes  von  dem  Rosse  durch 
das  Bild  von  dem  Bienenkönig.  —  Diese  Verhältnisse  sind 
von  Interesse,  da  sie  für  die  Chronologie  der  betreffenden 
Texte  einen  Anhalt  geben. 
Der  Kampf  Verwandt    mit    dieser    Erzählung    vom    Rangstreite    der 

erund?as  Organe  ist  eine  andere  vom  Kampfe  der  Götter,  d.  h.  der 
Organe,  gegen  die  Dämonen.  Wir  beschränken  uns  auf 
eine  Vergleichung  der  beiden  Hauptversionen,  Brih.  1,3  und 
Chänd  1,2.  (Andere  Behandlungen  desselben  Themas  sind 
Talav.  Up.  Br.  1,60.  2,1—2.  2,3.  2,10—11.)  Von  diesen  beiden 
ist  die  ursprünglichere  Form  ohne  Zweifel  Brih.  1,3.  Um  die 
Dämonen  zu  besiegen,  beauftragen  die  Götter,  d.  h.  die  Organe, 
Rede,  Geruch,  Auge,  Ohr,  Manas  und  Prana,  einen  aus  ihrer 
Mitte,  den  UdgltJta  zu  singen.  Die  Rede  versucht  es,  wird 
aber  beim  Singen  von  den  Dämonen  mit  Übel  erfüllt.  Ebenso 
der  Reihe  nach  weiter  der  Geruch,  das  Auge,  das  Ohr,  das 
Manas.  Zuletzt  unternimmt  es  der  Prana,  und  an  ihm  zer- 
stieben die  einstürmenden  Dämonen,  wie  ein  Erdklofs,  wenn 
er  auf  einen  Stein  trifft.  Darauf  führt  der  Prana  die  andern 
über  das  Übel  und  den  Tod  hinaus,  wobei  die  Rede  zu  Agni, 
der  Geruch  zu  Väyu,   das  Auge  zu  Aditya,   das  Ohr  zu  den 


Dämonen. 


2.   Brahnian  als  Präna  und  Väyu.  97 

Himmelsgegenden,  das  Manas  zum  Monde  wird.  Alle  diese 
Gottheiten  gehen  sodann,  um  der  Nahrung  teilhaft  zu  werden, 
wieder  als  Rede,  Geruch,  Auge,  Ohr  und  Manas  in  den  Präna 
ein.  (Dieselbe  Idee,  adaptiert  an  die  Vorstellung  vom  Purusha 
als  Urmenschen,  Ait.  1,2.)  An  diese  Legende  schliefst  sich 
von  Brih.  1,3,19  an  eine  Verherrlichung  des  Präna  als  Ayäsya 
Aügirasa,  als  Briliaspati  und  BrahmanaspaM,  als  Säman  und 
auch  als  Udgitha.  Vorher  sang  er  den  Udgitha,  hier  ist  er 
der  Udgitha;  es  ist  wohl  klar,  dafs  hier  eine  Zusammenkittung 
zweier,  von  verschiedenen  Anschauungen  ausgehender  Texte 
vorliegt.  —  Jetzt  verstehen  wir  die  wunderliche  Version 
unserer  Erzählung  Chänd.  1,2,  wo  die  Götter  in  dem  Kampfe 
gegen  de  Dämonen  die  einzelnen  Organe  nicht  dadurch  ver- 
wenden, dafs  sie  den  Udgitha  durch  sie  singen  lassen, 
sondern  dadurch,  dafs  sie  dieselben  als  Udgitha  verehren. 
Der  Verfasser  dieses  Abschnittes  fand  die  Kampflegende  schon 
(ähnlich  wie  sie  in  Brihadäranyaka  noch  vorliegt)  gefolgt  von 
einer  Verehrung  des  Präna  als  Udgitha ;  beide  von  Haus  aus 
verschiedene  und  nur  zufällig  zusammenstehende  Stücke 
verschmolz  er  zu^  einem  Ganzen,  wodurch  dann  die  Erzählung 
ihren  ursprünglichen  Charakter  ganz  einbüfste,  wie  ich  dies  in 
den  Einleitungen  zu  meiner  Übersetzung  näher  dargelegt  habe. 

Schon  die  zuletzt  besprochene  Legende  deutete  darauf  Der  Präna 
hin,  dafs  der  Präna  ein  nicht  blofs  psychisches,  sondern  zu-  sehes 
gleich  auch  kosmisches  Prinzip,  dafs  er  nicht  nur  der  rmzip" 
Lebenshauch  im  Menschen,  sondern  zugleich  der  die  ganze 
Natur  durchwaltende  Weltlebensodem  ist.  Dieser  Übergang 
ist  ein  sehr  natürlicher.  Bei  den  verschiedensten  Völkern, 
vom  Purusha  des  Hymnus  Rigv.  10,90  bis  zum  Riesen  Ymir 
der  Edda,  begegnen  wir  der  Neigung,  den  Menschen  als 
Mikrokosmos  und  ebenso  umgekehrt  das  Weltganze  als  Makran- 
thropos  aufzufassen.  Dieser  Gedanke  beruht  zunächst  darauf, 
dafs  dasjenige,  was  sich  in  der  ganzen  Natur  mit  allen  ihren 
Erscheinungen  ausspricht,  seinen  deutlichsten  und  vollkommen- 
sten Ausdruck  im  Menschen  findet.  Aber  auch  im  einzelnen 
steht  der  menschliche  Organismus  in  mannigfachen  Beziehungen 
zur  Aufsenwelt.  Mittels  seiner  verschiedenen  Organe  und 
Funktionen  streckt  er  sich  gleichsam  den  umgebenden  Natur- 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  n.  7 


98  III.    Symbolische  Vorstellungen. 

erscheinungen  entgegen  und  pafst  sich  ihnen  an:  die  Er- 
nährungsorgane entsprechen  der  Beschaffenheit  der  Nahrung, 
die  Atmungsorgane  dem  Luftraum;  das  Auge  ist  dem  Licht 
verwandt;  der  Bau  der  Füfse  entspricht  der  Erde,  auf  der  sie 
wandeln  sollen,  in  der  Rundung  des  Hauptes  scheint  sich  die 
Himmelswölbung  zu  wiederholen  (Plat.  Tim.  p.  44  D). 

Auf  Wahrnehmungen  dieser  Art  mag  es  beruhen,  dafs 
schon  im  Purushaliede  Rigv.  10,90,13 — 14  bei  der  Umwand- 
lung des  Urmenschen,  in  das  Weltall  sein  Haupt  zum  Himmel, 
sein  Nabel  zum  Luftraum,  seine  Füfse  zur  Erde  werden,  dafs 
sein  Auge  zur  Sonne,  sein  Manas  zum  Monde,  sein  Mund 
zu  Indra  und  Agni  (Feuer),  seine  Ohren  zu  den  Himmels- 
gegenden und  sein  Präna  zum  Winde  werden  (oben  I,  i, 
S.  155  fg.).  In  dem  Mafse,  wie  man  dann  weiterhin,  wie  vorher 
ausgeführt,  im  Präna  das  Zentralorgan  des  Lebens  erkannte, 
mufste  sein  kosmisches  Analogon,  der  Wind,  zum  Lebens- 
prinzip der  Natur  werden,  mochte  man  dasselbe  nun  als  den 
die  ganze  Welt  durchwaltenden  Präna  betrachten,  wie  in  den 
schon  erwähnten  Hymnen  Atharvav.  11,4  (oben  I,  i,  S.  301  — 
305)  und  Pracna  2,5 — 13  (Upanishad's  S.  562)  oder  Väyu  und 
Präna  als  kosmisches  und  psychisches  Analogon  gegenüber- 
stellen, wie  in  den  folgenden  Stellen  geschieht. 
rröna  und  Brih.  1,5,21 — 23  erscheint  die  Erzählung  vom  Rangstreit 

äyu'  der  Organe  in  einer  neuen  Form,  sofern  neben  den  psychi- 
schen Organen,  Rede,  Auge,  Ohr  und  Präna,  auch  ihre  kos- 
mischen Äquivalente,  Feuer,  Sonne,  Mond  und  Väyu  im  Rang- 
streite mit  einander  auftreten.  Da  von  einem  Auswandern  aus 
dem  Leibe  bei  den  letztern  keine  Rede  sein  konnte,  so  kommt 
dieser  Zug  in  Wegfall,  und  an  seine  Stelle  tritt  bei  den  psy- 
chischen Organen  die  Ermüdung,  bei  den  kosmischen  das  zeit- 
weilige Zur-Rast-Gehen;  nur  Präna  und  Väyu  werden  nicht 
müde,  daher  die  übrigen  in  ihnen  Zuflucht  finden,  und  es  zum 
Schlufs  heifst,  dafs  die  Sonne  aus  dem  (kosmischen)  Präna 
aufgehe  und  in  ihm  untergehe.  —  Auf  einer  ähnlichen  An- 
schauung beruht  es,  wenn  Brih.  3,3,2  der  Wind  gepriesen 
wird:  „darum  ist  der  Wind  die  Besonderheit  (vyashti)  und 
der  Wind  die  Allgemeinheit  (saMiashti)".  —  In  einer  andern 
Version    derselben  Erzählung,   Brih.  3,7    (vgl.    die  Einleitung 


2.  Brahman  als  Präna  und  Väyu.  99 

dort)  wird  der  Wind  (kosmisch  und  psychisch)  als  der  alle 
Wesen  zusammenhaltende  Weltfaden  (sütram)  gefeiert:  ,, durch 
den  Wind,  o  Gautama,  als  Faden  werden  diese  Welt  und  die 
andre  Welt  und  alle  Wesen  zusammengebüschelt.  Darum 
nämlich,  o  Gautama,  sagt  man  von  einem  Menschen,  der  ge- 
storben ist,  «seine  Glieder  haben  sich  aufgelöst»;  denn  durch 
den  Wind,  o  Gautama,  als  Faden  werden  sie  zusammen- 
gebüschelt" (Brih.  3,7,2).  Wie  der  Präna  die  Dinge  von 
aufsen  zusammenhält,  so  regiert  dieselben  von  innen,  wie  das 
Brih.  3,7,3 — 23  Folgende  entwickelt,  der  Antaryämin  (innere 
Lenker),  d.  h.  der  Atman.  Die  Zusammenfassung  von  Präna 
und  Antaryämin  gehört  schon  zu  den  Versuchen,  von  der 
symbolischen  zur  eigentlichen  Vorstellungsweise  überzugehen, 
von  denen  weiter  unten  zu  reden  sein  wird. 

Nachdem  schon  Ait.  Br.  8,28  im  brahmanah  parimarah, 
dem  „Sterben  [der  Feinde]  um  die  [vom  König  gesprochene] 
Zauberformel  herum",  gezeigt  worden  war,  wie  die  Natur- 
erscheinungen, Blitz,  Regen,  Mond,  Sonne  und  Feuer,  im 
Winde  erlöschen  und  aus  ihm  wieder  hervorgehen,  so  lehrt 
Kaush.  2,12 — 13  den  daivah  parimarali  „das  [um  den  Präna] 
Herumsterben  der  Götter":  die  kosmischen  Gottheiten  (Feuer, 
Sonne,  Mond,  Blitz)  und  die  entsprechenden  psychischen  Gott- 
heiten (Rede,  Auge,  Ohr,  Manas)  sterben  nicht,  wenn  ihr 
Brahman  (hier:  ihre  Erscheinung)  aufhört;  nur  ihren  Glanz 
geben  sie  an  andere  Götter  ab,  während  sie  selbst  mit  ihrem 
Präna  eingehen,  die  kosmischen  in  den  Väyu,  die  psychischen 
in  den  Präna,  welche  im  Grunde  eins  sind:  „also  gehen  alle 
diese  Gottheiten  ein  in  den  Präna,  ersterben  in  dem  Präna; 
aber  sie  gehen  darum  nicht  verloren,  sondern  aus  ihm  erheben 
sie  sich  wieder".  Hier  erscheint  Väyu-Präna  als  das  eigent- 
liche Weltprinzip,  während  das  „Brahman"  nur  sein  Erscheinen 
in  den  Naturphänomenen  zu  bedeuten,  somit  noch  dem  Präna 
untergeordnet  zu  werden  scheint. 

Das  Eingehen  aller  Naturgötter  in  den  Väyu  und  aller 
Sinnengötter  in  den  mit  ihm  identischen  Präna  ist  auch  das 
Thema  einer  Betrachtung,  welche  mehrfach,  am  besten  und 
wohl  auch  am  ursprünglichsten  Qatap.  Br.  10,3,3,5 — 8,  sich 
findet.     Dort  wird  gefragt  nach  „dem  Feuer,   welches  dieses 

7* 


100  HI.   Symbolische  Vorstellungen. 

Weltall  ist",  und  die  Antwort  lautet:  „Wahrlich,  der  Präna 
(Odem,  Leben)  ist  dieses  Feuer.  Denn  wenn  der  Mensch  ein- 
schläft, so  geht  in  den  Präna  ein  die  Bede,  in  den  Präna  das 
Auge,  in  den  Präna  das  Manas,  in  den  Präna  das  Ohr;  und 
wenn  er  erwacht,  so  werden  sie  aus  dem  Präna  wieder  ge- 
boren. So  in  bezug  auf  das  Selbst.  —  Nun  in  bezug  auf  die 
Gottheiten.  Wahrlich,  was  diese  Rede  hier  ist,  das  ist  Agni, 
und  dieses  Auge  hier  ist  jener  Äditya,  und  dieses  Manas  ist  jener 
Mond,  und  dieses  Ohr  sind  die  Himmelsgegenden.  Aber  was 
dieser  Präna  (Odem)  ist,  das  ist  jener  Väyu  (Wind),  der  dort 
läuternd  weht.  Wenn  nun  das  Feuer  (Agni)  ausgeht,  so  ver- 
weht es  in  den  Wind;  darum  sagt  man,  er  hat  es  ausgeweht, 
denn  in  den  Wind  verweht  es;  und  wenn  die  Sonne  (Äditya) 
untergeht,  so  geht  sie  ein  in  den  Wind,  und  so  in  den  Wind  der 
Mond,  und  in  dem  Winde  sind  die  Himmelsgegenden  gegründet. 
Und  aus  dem  Winde  werden  sie  wieder  geboren.  Wer  nun, 
solches  wissend,  aus  dieser  Welt  abscheidet,  der  geht  mit  seiner 
Rede  ein  in  das  Feuer,  mit  seinem  Auge  in  die  Sonne,  mit  seinem 
Manas  in  den  Mond,  mit  seinem  Ohre  in  die  Himmelsgegenden, 
mit  seinem  Präna  in  den  Väyu;  denn  aus  ihnen  ist  er  ent- 
standen, und  von  diesen  Gottheiten,  welche  immer  er  hebt,  zu  der 
geworden  kommt  er  zur  Ruhe".  —  Diese  Betrachtung  wurde 
weiterhin  verbunden  mit  der  Legende  von  Qp.unaka  und  Abhipra- 
tärin,  welche  beim  Essen  von  einem  Brahmanschüler  angebet- 
telt werden,  der  ihnen  ein  darauf  bezügliches  Rätsel  aufgibt. 
In  dieser,  wie  es  scheint,  nicht  mehr  erhaltenen  Form  wurde 
dann  wieder  das  Stück  die  Vorlage  von  Talav.  Up.  Br.  3,1 — 2, 
wo  der  Text  in  sekundärer  Weise  weiter  ausgeschmückt  und 
erläutert  wird,  und  von  Chänd.  4,2 — 3,  welche  sich  näher  an 
die  ursprüngliche  Form  anzuschliefsen  scheint,  aber  die  ganze 
Betrachtung  nebst  Legende  durch  eine  zweite  Legende  einfafst, 
indem  (sehr  wenig  passend)  die  Betrachtung  nebst  der  Er- 
zählung vom  bettelnden  Brahmanschüler  dem  den  Jänacruti 
belehrenden  Raikva  in  den  Mund  gelegt  wird  (Upanishad's 
S.  117—120). 

Auf  Anschauungen  wie  den  dargelegten  beruht  es,  dafs 
■wir  in  den  Upanishad's  öfter  der  Erklärung  begegnen,  das 
Brahman,  dessen  Wesen  man  suchte,  sei  der  Präna,  der  den 


2    Brahman  als  Präna  und  Väyu.  101 

menschlichen  Leib  wie  das  Weltganze  durchwaltende  Lebens- 
hauch. So  in  der  von  Yäjnavalkya  für  unzulänglich  befun- 
denen Definition  Brih.  4,1,3  präno  vai  brahma,  oder  Brih.  5,13, 
wo  uktham,  yajus,  säman  und  Jcshatram  (d.  h.  wohl  die  vier 
Veden  als  die  Gesamtheit  dessen,  was  ursprünglich  mit  brah- 
man bezeichnet  wurde)  für  den  Präna  erklärt  werden.  Andern 
Stellen  dieser  Art,  in  denen  der  Präna  als  Prinzip  anerkannt 
und  zugleich  überschritten  wird,  wie  z.  B.  Chänd.  4,10,5  präno 
bralnna,  l;am  brahma,  Jcham  brahma,  werden  wir  weiter  unten 
noch  begegnen  und  wollen  hier  nur  noch  zwei  Stellen  er- 
wähnen, in  welchen  zu  einer  solchen  Überschreitung  ein  erster 
Anfang  gemacht  zu  werden  scheint,  Kaush.  2,1  und  2,2.  Beide 
Stellen  erklären,  die  eine  auf  die  Autorität  des  Kaushitaki, 
die  andere  auf  die  des  Paingya,  den  Präna  für  das  Brahman. 
Beide  leiten  daraus  den  Gedanken  ab,  dafs,  wer  sich  als  den 
allerfüllenden  Präna  weifs,  nicht  um  Speise  zu  bitten  braucht 
(na  yäcei,  ist  seine  „Upanishad") ,  da  er  in  allen  Wesen  die 
Nahrung  geniefst.  Bede,  Auge,  Ohr  und  Manas  sind  nach 
der  ersten  Stelle  die  Diener  des  Präna;  nach  der  zweiten  sind 
sie  um  ihn  herumgelagert,  die  Rede  um  das  Auge,  dieses  um 
das  Ohr,  dieses  um  das  Manas,  dieses  um  den  Präna;  aber 
auch  von  diesem  heifst  es:  er  ist  herumgelagert  (ärundhate). 
Um  was?  wird  nicht  gesagt,  aber  man  kann  darin  die  erste 
Andeutung  der  grofsen,  Taitt.  2,2  ausgesprochenen  Wahrheit 
finden,  dafs  auch  der  prdnamäya  ätman  nicht  Kern,  sondern 
immer  noch  erst  Schale  ist. 


8.  Andere  Symbole  des  Brahman. 

Aufser  dem  Präna  erscheinen  als  die  beiden  wichtigsten  Brahman 
Symbole,  unter  denen  man  das  Brahman  verehren  soll,  das^"^^ 
Manas  und  der  ATcdga.  Die  Hauptsteile  dafür  ist  Chänd.  3,18: 
„Das  Manas  soll  man  als  das  Brahman  verehren;  so  in  bezug 
auf  das  Selbst.  Nun  in  bezug  auf  die  Gottheit:  den  Äkäga 
(Äther,  Raum)  soll  man  als  das  Brahman  [verehren].  Damit 
ist  beides  gelehrt,  das  in  bezug  auf  das  Selbst  und  das  in 
bezug  auf  die  Gottheit."  Weiter  wird  auseinandergesetzt, 
wie  Brahman  als  Manas  die  psychischen  Organe,  Rede,  Odem, 


102  "  III.    Symbolische  Vorstellungen. 

Auge,  Ohr,  und  entsprechend  als  Akäga  die  kosmischen  Götter, 
Feuer,  Wind,  Sonne  und  Himmelsgegenden  als  seine  vier  Füfse 
hat.  —  Schon  ohen  I,  i,  S.  20ö  begegneten  wir  dem  vorüber- 
gehenden Versuche,  das  Manas  (den  Willen)  zum  Weltprinzip 
zu  erheben,  und  wiesen  I,  i,  S.  207  auf  den  Wert  dieses  Ge- 
dankens hin.  Leider  wird  er  nicht  weiter  ausgebildet,  sondern 
das  Manas  als  blofses  Symbol  des  Brahman  geduldet.  So, 
aufser  in  unsrer  Stelle,  Chänd.  7,3,  wo  das  Manas  als  drittes 
der  dort  aufgezählten  Symbole  vorkommt,  über  welches  hinaus 
es  noch  vieles  Höhere  gibt,  und  Brih.  4,1,6,  wo  die  Upanishad 
mano  vai  brahna  dem  Satyakäma  (nicht  in  Einklang  mit  der 
diesem  erteilten  Belehrung  Chänd.  4,9,3)  zugeschrieben  und 
Brahman  als  unzulänglich  behandelt  wird.  —  Neben  dem  Manas  be- 
au  Akä<;a.  zejcjine^e  fce  0-|)eil  angeführte  Stelle  als  Symbol  des  Brahman 
(denn  nur  symbolisch  kann  es  gemeint  sein,  wenn  zweierlei 
neben  einander  für  Brahman  erklärt  wird)  den  Akäc,a  (Äther, 
Raum,  genau:  den  als  materielles  Element  vorgestellten  Raum), 
ohne  Zweifel  wegen  der  Allgegenwart  des  Raumes,  wie  denn 
eine  von  Qankara  oft  zitierte,  aber  noch  nicht  nachgewiesene 
Stelle  (System  des  Vedänta  S.  33)  von  Brahman  sagt,  er  sei 
akägavat  sarvagatag  ca  nityah  „dem  Räume  gleich  allgegen- 
wärtig, ewig"  und  noch  Newton  den  Raum  als  das  sensorium 
Gottes  bezeichnete,  während  hundert  Jahre  später  Kant  den 
Gott,  dessen  sensorium  der  Raum  ist,  als  den  Verstand  (manas) 
in  unserm  eignen  Innern  nachwies.  In  altern  Upanishadtexten 
wird  öfter  der  Äkäga  (Raum)  für  das  Brahman  erklärt,  ohne 
dafs  noch  das  Bewufstsein  vorhanden  ist,  dafs  diese  Vor- 
stellung eine  blofs  symbolische  sei.  Chänd.  1,9,1 :  „der  Akaga 
ist  es,  aus  dem  alle  diese  Wesen  hervorgehen,  und  in  welchen 
sie  wieder  untergehen,  der  Äkäga  ist  älter  als  sie  alle,  der 
Äkäga  ist  der  letzte  Ausgangspunkt".  Mit  Recht  behauptet 
Bädaräyana  (Sütram  1,1,22:  äliägas  tal-Hügät),  dafs  hier  unter 
dem  Äkäca  das  Brahman  zu  verstehen  sei,  „weil  seine  Merk- 
male" vorkommen.  So  auch  Brih.  5,1  (im  Nachtragteile,  der 
viel  Altes  enthält):  „Om!  Die  Weite  ist  Brahman,  die  Weite, 
die  uranfängliche,  lufterfüllte  Weite!"  Und  ebenso  wohl 
noch  Chänd,  3,12,7 — 9:  „Was  nun  dieses  «Brahman»  Genannte 
ist,  das  ist  dasselbe,  was  jener  Raum  aufserhalb  des  Menschen 


3.  Andere  Symbole  des  Brahman.  103 

ist;  und  was  jener  Raum  aufserhalb  des  Menschen  ist,  das  ist 
dasselbe,  was  dieser  Raum  innerhalb  des  Menschen  ist;  und 
was  dieser  Raum  innerhalb  des  Menschen  ist,  das  ist  dasselbe, 
was  dieser  Raum  innerhalb  des  Herzens  ist.  Das  ist  das  Volle, 
Unwandelbare."  Bald  aber  erwacht  das  Bewufstsein,  dafs  die 
Vorstellung  von  Brahman  als  Akäca  nur  als  eine  sinnbildliche 
geduldet  werden  könne.  Dem  Gärgya,  welcher  Brih.  2,1,5 
(Kaush.  4,8)  den  Geist,  der  im  Raum  ist,  für  das  Brahman 
erklärt,  wird  erwidert  (mit  deutlicher  Polemik  gegen  die  Vor- 
stellung der  eben  erwähnten  Stelle  Chänd.  3,12,9),  derselbe 
sei  nur  „das  Volle,  Unwandelbare";  Chänd.  4,10,5  wird  spie- 
lend Ixham  (der  Raum)  mit  kam  (=  änanda,  Wonne)  identifi- 
ziert; Chänd.  3,18,1  wird,  wie  wir  sahen,  Akäca  nur  symbolisch 
neben  Manas  für  Brahman  als  Objekt  der  Verehrung  zu- 
gelassen; ebenso  erscheint  Chänd.  7,12  der  Akäga  als  blofses 
Symbol,  über  welches  hinaus  es  Gröfseres  gebe;  und  Chänd. 
8,1,1,  in  charakteristischem  Unterschiede  gegen  die  oben 
zitierte  Stelle  Chänd.  3,12,7 — 9,  handelt  es  sich  nicht  mehr, 
wie  dort,  darum,  den  Raum  im  Weltall,  den  Raum  im  Herzen 
als  Brahman  anzuschauen,  sondern  um  das,  was  in  diesem 
Räume  (tasmin  yad  antar)  ist.  Darum  können  wir  auch 
nicht  dem  Bädaräyana  beipflichten,  wenn  er  meint  (Sütram 
1,3,41),  dafs  in  dem  Schülersegen  Chänd.  8,14  unter  dem  Äkäga 
das  Brahman  zu  verstehen  sei;  vielmehr  heifst  es  dort,  viel- 
leicht mit  absichtlichem  Widerspruche  gegen  eine  solche  Mei- 
nung: „Der  Akäga  ist  es  [nur],  welcher  die  Namen  und  Ge- 
stalten auseinanderdehnt;  was  in  diesen  beiden  ist  (te  yad 
antarä),  das  ist  das  Brahman,  das  ist  das  Unsterbliche,  das 
ist  der  Atman".  Nämlich  zu  Namen  und  Gestalten  hat  sich 
nach  Chänd.  6,3,3  das  Brahman  ausgebreitet.  Am  deutlichsten 
aber  erklärt  sich  gegen  eine  Vermengung  von  Akä^a  und 
Brahman  Brih.  3,7,12:  „der,  im  Äkä§a  wohnend,  vom  Äkäca 
verschieden  ist,  den  der  Akäca  nicht  kennt,  dessen  Leib  der 
Akäc,a  ist,  der  den  Akäca  innerlich  regiert,  der  ist  deine  Seele, 
der  innere  Lenker,  der  unsterbliche".  Vgl.  auch  Brih.  3,8,11. 
4,4,17.  20.  — 

Schon  in   der   den  Upanishad's  vorausgehenden  Periode  Aduya  als 
lernten  wir  eine  Reihe  von  Versuchen  kennen,  das  Weltprinzip      Jmbo1' 


104  HI.    Symbolische  Vorstellungen. 

als  in  der  Sonne  (äclitya)  verwirklicht  anzuschauen,  zugleich 
aber  über  diese  Vorstellung  als  eine  blofs  symbolische  durch 
Umdeutungen  hinauszugelangen  (oben  I,  i,  S.  250 — 257).  Diese 
Bestrebungen  finden  ihre  Fortsetzung  in  den  Upanishad's. 
Kaush.  2,7  wird  eine  Zeremonie  gelehrt,  welche  durch  Ver- 
ehrung der  aufgehenden,  mittäglichen  und  untergehenden  Sonne 
von  allen  bei  Tage  und  bei  Nacht  begangenen  Sünden  befreit. 
Chänd.  3,19,1  fordert  dazu  auf,  die  Sonne  als  Brahman  zu 
verehren;  und  dafs  diese  Vorstellung  eine  blofs  symbolische 
ist,  ergibt  sich  aus  dem  Folgenden,  wo  die  Sonne  nicht  als 
das  schöpferische  Urprinzip,  sondern,  mit  Anlehnung  an  die 
oben  I,  i,  S.  253.  251  besprochenen  Vorstellungen,  als  das  Erst- 
geborene der  Schöpfung  behandelt  wird.  An  die  ebendaselbst  I,  i, 
S.  252  fg.  erwähnten  Versuche,  diese  Anschauungen  des  Brah- 
man als  Sonne  umzudeuten  und  in  dem  natürlichen  Lichte 
nur  ein  Symbol  des  geistigen  Lichtes  zu  sehen,  reiht  sich  vor 
allem  der  Abschnitt  Chänd.  3,1 — 11,  welcher  es  in  grofsartiger 
"Weise  unternimmt,  das  Brahman  als  die  Weltensonne,  und  die 
natürliche  Sonne  als  die  Erscheinungsform  dieses  Brahman  zu 
schildern  (vgl.  des  näheren  die  Einleitung  dort).  Als  einen 
weitern  Versuch,  über  das  Symbol  hinaus  zum  Wesen  durch- 
zudringen, dürfen  wir  es  betrachten,  wenn  in  einer  Reihe  von 
Der  Pwusha Stellen  nicht  mehr  die  Sonne,  sondern  der  Purusha  (Mann, 
und  luge.  Geist)  in  der  Sonne,  und  entsprechend  der  Purusha  im  Auge 
als  Brahman  geschildert  wird.  Chänd.  1,6 — 7  wird  in  einer 
Umdeutung  des  Udgitha  (den  der  Udgätar  zu  singen  hatte, 
oben  I,  i,  S.  169)  gesagt:  wie  über  Ric  und  Säman  der  Udgitha 
herrsche,  so  herrsche  über  die  kosmischen  Götter  „der  goldne 
Mann  (pumsha),  welcher  im  Innern  der  Sonne  gesehen  wird 
mit  goldnem  Bart  und  goldnem  Haar,  bis  in  die  Nagelspitzen 
ganz  von  Golde",  und  über  die  psychischen  Götter  „der  Mann, 
welcher  im  Innern  des  Auges  gesehen  wird";  jener  herrsche 
•  über  die  Welten,  welche  von  der  Sonne  jenseits  liegen,  und 
über  die  Wünsche  der  Götter,  dieser  über  die  Welten,  welche 
vom  Auge  diesseits  (also  im  Innern  des  Menschen)  liegen,  und 
über  die  Wünsche  der  Menschen.  —  Nach  Mahänär.  13  werden 
die  Ric's,  Säman's  und  Yajus'  (und  somit  das  im  Veda  ver- 
wirklichte Brahman)   dem  Sonnenkreis,   der  Flamme  in  ihm 


3.  Andere  Symbole  des  Brahman.  105 

und  dem  Purusha  in  dieser  Flamme  gleichgesetzt:  „als  diese 
dreifache  Wissenschaft  erglüht  er,  der  als  goldner  Purusha 
dort  in  der  Sonne  ist",  während  die  Identität  dieses  Purusha 
mit  dem  im  Menschen  schon  Taitt.  2,8  (und  3,10)  ausgesprochen 
worden  war:  „Er,  der  hier  im  Menschen  wohnt,  und  jener 
dort  in  der  Sonne,  die  sind  eins."  Weiter  entwickelt  wird 
dieser  Gedanke  Brih.  5,5,  wo  es  unter  anderm  heifst:  „Jener 
Mann,  welcher  in  der  Sonnenscheibe  ist,  und  dieser  Mann, 
welcher  im  rechten  Auge  ist,  diese  beiden  fufsen  auf  einander. 
Jener  fufst  durch  die  Strahlen  in  diesem,  dieser  durch  die 
Lebenshauche  in  jenem.  Dieser,  wenn  er  im  Begriffe  steht, 
auszuziehen,  erblickt  jene  Sonnenscheibe  rein  [von  Strahlen]; 
ihm  treten  jene  Strahlen  nicht  in  den  Weg."  Daher  fleht 
Brih.  5,15  (und  Iqä  16)  der  Sterbende  die  Sonne  an:  „zerteile 
deine  Strahlen,  schliefs  zusammen  deine  Herrlichkeit;  —  ja, 
ich  sehe  sie,  deine  lieblichste  Gestalt;  und  jener  dort,  der 
Mann  dort,  ich  bin  es  selbst".  Auf  einer  ähnlichen  An- 
schauung beruht  es,  wenn  Chänd.  4,11 — 13  die  drei  Opfer- 
feuer in  ihrer  Belehrung  des  Upakosala  sich  für  den  Mann 
in  der  Sonne,  im  Monde,  im  Blitze  erklären;  wozu  der 
Lehrer  nachher  berichtigend  bemerkt  (Chänd.  4,14,3):  „sie 
haben  dir  nur  seine  Welträume  gesagt,  ich  aber  will  dir  es 
selber  sagen;  .  .  .  der  Mann,  den  man  in  dem  Auge  siehet 
der  ist  der  Atman  —  so  sprach  er,  —  der  ist  das  Un- 
sterbliche, das  Furchtlose,  der  ist  das  Brahman".  Sonne, 
Mond  und  Blitz  sind,  wie  er  weiter  zeigt,  nur  die  obersten 
Stationen  des  Götterweges,  durch  welche  „der  Mann,  der 
nicht  ist  wie  ein  Mensch"  (purusha  'mänavali)  die  Seele 
zur  ewigen  Vereinigung  mit  Brahman  geleitet.  —  Wie  eine 
Kritik  gerade  dieser  Vorstellungen  sieht  es  aus,  wenn  Kaush.  4 
(vgl.  Brih.  2,1)  Gärgya  unter  seinen  sechzehn  Definitionen 
des  Brahman  den  Mann  in  der  Sonne,  im  Monde,  im  Blitze, 
im  rechten  Auge  vorbringt,  und  damit  von  Ajätagatru  ab- 
gewiesen wird. 

Prdna,   Manas,   AMga  und  Aclüya   sind   die   wichtigsten     Andere 
Symbole,  unter  denen  eine  Verehrung  des  Brahman  anbefohlen  %Ir*ahmane8 
wird.    Nach  der  Theorie  sind  freilich  alle  die  Chänd.  7,1 — 15 
aufgezählten  und  anerkannten  Objekte  der  Verehrung,  nämun, 


10G  HI.    Symbolische  Vorstellungen. 

väc,  manas,  samJcälpa,  cittum,  dhyänam,  vijnänatn,  bälam,  annam, 
apas,  tejas,  ähäga,  smara,  ägä,  prdna,  als  solche  zu  betrachten, 
und  auf  gleicher  Linie  mit  ihnen  dürften  die  Brih.  4,1  als  un- 
vollkommen behandelten  und  doch  auch  nicht  verworfenen 
Vorstellungsweisen  des  Brahman  als  väc,  präna,  cakshus,  gro- 
tram,  manas,  hridayam,  sowie  Taitt.  3,1  annam,  prdna,  cakshus. 
crotram,  manas,  stehen.  —  Als  Symbole  des  Brahman  gelten 
auch  noch  die  Körperwärme  und  das  Ohrensausen,  auf 
Grund  von  Chänd.  3,13,7 — 8,  wo  es  von  dem  Lichte,  das  jen- 
seits des  Himmels  und  "zugleich  inwendig  im  Menschen  ist, 
d.  h.  von  dem  Brahman,  heifst:  ,, Seine  Anschauung  ist,  dafs 
man  hier  im  Leibe,  wenn  man  ihn  anfühlt,  eine  Wärme  spürt ; 
seine  Hörung  ist,  dafs,  wenn  man  sich  so  die  Ohren  zuhält, 
so  hört  man  gleichsam  ein  Gesumme,  so  als  wäre  es  ein 
Sausen  wie  von  einem  Feuer,  das  brennet.  Dieses  soll  man 
verehren  als  seine  Anschauung  und  seine  Hörung."  Wie  der 
Abschnitt,  aus  dem  diese  Stelle  stammt,  in  eigentümlichem, 
noch  nicht  aufgeklärtem  Zusammenhange  mit  der  Lehre  vom 
Atman  Vaigvänara  und  dem  an  ihn  sich  anschliefsenden  Pränä- 
gnihotram  (Chänd.  5,11 — 24)  steht,  so  knüpft  an  die  parallele 
Lehre  vom  Agni  Vaigvänara  (Qatap.  Br.  10,6,1)  eine  verwandte 
Äufserung  Brih.  5,9  an,  welche  das  Ohrensausen  und  die 
Verdauung  (wie  Chänd.  3,13,7 — 8  das  Ohrensausen  und  die 
Körperwärme  auf  das  Brahmanfeuer  im  Menschen)  auf  das 
VaiQvänarafeuer  im  Menschen  zurückführt.  Beides  läuft  im 
Grunde  auf  dasselbe  hinaus,  da  nach  der  Pränägnihotra- 
lehre  (von  welcher  weiter  unten  zu  handeln  sein  wird)  die 
Verdauung  ein  Verzehren  der  Opferspeise  durch  das  Feuer 
des  Präna  ist,  den  wir  oben  als  ein  Symbol  des  Brahman 
kennen  lernten. 

Zu  den  Symbolen,  welche  das  übersinnliche  Brahman  für 
die  sinnliche  Wahrnehmung  repräsentieren,  wird  schliefslich 
auch  der  heilige  Laut  Om  gerechnet,  welcher  unter  allen 
Symbolen  das  wichtigste  und  folgenreichste  geworden  ist 
und  eng  zusammenhängt  mit  der  Praxis  des  Yoga,  einer  der 
eigentümlichsten  Erscheinungen  des  indischen  Kulturlebens, 
von  welcher  weiter  unten  im  Zusammenhange  zu  handeln 
sein  wird. 


i.  Umdeutung  der  Symbole.  107 


4.  Versuche,  die  symbolischen  Vorstellungen  von  Brahman  umzudeuten. 

Es  ist  ein  grofses  Wort,  dafs  man  nicht  den  neuen  Wein  Festhalten 
in  alte  Schläuche  fassen  solle.  Aber  diese  Forderung  ist  (wie  lieferten. 
so  viele  andere  Forderungen  Jesu)  zu  hoch  gegriffen,  zu  ex- 
zentrisch, zu  wenig  den  menschlichen  Verhältnissen  und  ihren 
Schwächen  Rechnung  tragend,  als  dafs  sie  mehr  als  annähe- 
rungsweise erfüllt  werden  könnte.  Denn  es  liegt  in  der  Natur 
der  Sache,  und  wir  wiesen  schon  oben  darauf  hin  (I,  i,  S.  180), 
dafs  ein  Fortschritt  auf  religiösem  Gebiet  sich  nie  rein  voll- 
ziehen kann,  dafs  vielmehr  neben  dem  Besseren,  Neuen  immer 
noch  das  Abgestorbene,  Alte,  weil  es  als  ein  Geheiligtes  er- 
scheint, beibehalten  werden  mufs.  Wir  werden  später  sehen, 
wie  sehr  auch  das  Christentum  genötigt  war,  seinen  neuen 
Wein  in  die  alten  Schläuche  zu  fassen.  Etwas  freier  verfährt 
die  Philosophie.  Aber  äufsere  Befreiung  ist  noch  nicht  innere 
Befreiung;  und  auch  bei  dem  Entwicklungsgang  der  Neuern 
Philosophie  von  Cartesius  bis  Kant  und  darüber  hinaus  (dem 
gröfsten  aller  Freiheitskriege,  welchen  die  Menschheit  je  ge- 
führt hat)  werden  wir  nur  zu  oft  an  die  Goethesche  Zikade  er- 
innert, „die  immer  fliegt  und  fliegend  springt,  und  gleich  im 
Gras  ihr  altes  Liedchen  singt". 

Nicht  anders  war  es  in  Indien.  Jene  symbolischen  Vor-  verschmei- 
stellungen  von  Brahman  als  Präna,  Akäc,a  usw.  hafteten  zu  Brahman 
fest  im  Bewufstsein,  als  dafs  man  sie  ohne  weiteres  hätte  über1111 
Bord  werfen  können.  Daher  eine  Reihe  von  Versuchen,  die 
Symbole  beizubehalten,  indem  man  sie  mit  einer  richtigeren 
Vorstellung  von  Brahman  verknüpfte.  Typisch  für  dieses 
Verfahren  ist  vor  allem  der  Abschnitt  Kaush.  3 — 4.  Die  grofse, 
namentlich  durch  Yäjnavalkya  vertretene  und  vielleicht  auch 
durch  ihn  zuerst  erfafste  Erkenntnis,  dafs  das  Brahman,  der 
Ätman,  vor  allem  zu  suchen  sei  im  Subjekte  des  Erkennens, 
d.  h.  im  Bewufstsein  (prajnä),  hatte,  wie  in  den  Sämaveda- 
schulen  (Chänd.  8,12,4.  Kena  1 — 8),  so  auch  in  den  Rigveda- 
schulen  Eingang  gefunden,  welche,  nach  Ait.  Ar.  2,1 — 2. 
Kaush.  2  zu  schliefsen,  besonders  fest  an  der  symbolischen 
Vorstellung  des  Brahman  als  Präna  hingen.  Aber  während 
derselben  bei  den  Aitareyin's  die  neue  Erkenntnis  des  Brah- 


108  HL    Symbolische  Vorstellungen. 

man  als  prajnä  (Bewufstsein)  unvermittelt  angeschlossen  wird 
(Ait.  Up.  3  —  Ait.  Ar.  2,6),  versucht  die  Kaush.  Up.  eine 
Verschmelzung  beider  vermittelst  der  Gleichung:  präna  = 
prajnä.  In  vortrefflicher  Weise  zeigt  Kaush.  3,  wie  die  Sinnes- 
objekte von  den  Sinnesorganen,  und  diese  wiederum  von  dem 
Bewufstsein  (prajnä,  prajhätman)  abhängig  sind;  aber  wie  ein 
falscher  Ton  geht  durch  das  Ganze  hindurch  die  immer  wieder 
und  wieder  vorgebrachte  Behauptung:  „was  aber  der  Präna 
ist,  das  ist  die  Prajnä,  und  was  die  Prajnä  ist,  das  ist  der 
Präna".  Als  einzigen  Grund  für  diese  verwegene  Identifika- 
tion finden  wir  ausgeführt  (Kaush.  3,4):  „denn  beide  wohnen 
vereint  im  Körper  und  ziehen  vereint  aus  ihm  aus".  —  Einen 
ähnlichen  Versuch,  den  Präna  und  den  Aleära,  beide  mit  dem 
Ananda,  der  Wonne,  zu  identifizieren,  welche  das  Wesen  des 
Brahman  ausmacht,  finden  wir  Chänd.  4,10,5:  „Brahman  ist 
Leben  (präna),  Brahman  ist  Freude  (kam  =  ananda),  Brah- 
man ist  Weite  (Tiliam  =  äJcäga)",  wozu  die  Feuer,  die  diese 
Belehrung  erteilen,  erläuternd  hinzufügen:  „«Wahrlich,  die 
Weite,  das  ist  die  Freude,  und  die  Freude,  das  ist  die  Weite». 
Und  sie  legten  ihm  aus,  wie  da  wäre  Brahman  das  Leben 
und  der  weite  Raum."  —  Eine  noch  umfassendere  Verschmel- 
zung der  Symbole  mit  der  Wesenheit  unternimmt  der  sehr 
komplizierte  Abschnitt  Brih.  2,3.  Hier  werden  „zwei  Formen" 
des  Brahman  unterschieden :  das  G  estaltete  (Sterbliche,  Stehende^ 
Seiende)  und  das  Ungestaltete  (Unsterbliche,  Gehende,  Jen- 
seitige). 1)  Das  gestaltete  Brahman  ist  die  materielle  Natur 
und  der  menschliche  Leib;  seine  Essenz  sind  Sonne  und  Auge. 
2)  Das  ungestaltete  Brahman  ist  Väyu  und  Akäca,  Präna  und 
der  Raum  im  Menschen;  seine  Essenz  ist  der  Purusha  in  Sonne 
und  Auge,  So  weit  wären  wir  also  im  Symbolischen.  Aber  über- 
schritten wird  dasselbe  jählings,  wenn  dann  weiter  der  Purusha 
mittels  der  berühmten  Yäjnavalkyaformel  ncti  neti  und  mittels 
der  aus  Brih.  2,1,20  entlehnten  Upanishad  saiyasya  satyam  dem 
unerkennbaren  überwesentlichen  Brahman  gleichgesetzt  wird. 
(Das  Nähere  in  der  Einleitung,  Upanishad's  S.  413.)  —  Auf 
eine  ähnliche  Verschmelzung  läuft  es  hinaus,  wenn  Brih.  3,7 
der  Väyu -Präna  als  der  Weltfaden  (sidram)  und  der  Ätman 
als  der  innere  Lenker  (antaryämin)  in  demselben  Zusammen- 


4.  Umdeutung  der  Symbole.  109 

hange  behandelt,  also  doch  wohl  gleichgesetzt  werden.  —  Be- 
merkenswert, weil  sich  darin  ein  vollkommen  deutliches  Be- 
wufstsein  der  symbolischen  Vertretung  des  Brahman  durch 
Väyu  ausspricht,  ist  das  Gebet  des  Schülers,  Taitt.  1,1  (und 
1,12):  „Verehrung  dem  Brahman!  Verehrung  dir,  Väyu! 
Denn  du  bist  das  sichtbare  Brahman,  dich  will  ich  als 
das  sichtbare  Brahman  bekennen."  —  In  spätem  Texten  ist 
Präna  gelegentlich  ein  Synonymon  des  Atman  geworden,  wie 
Käth.  6,2,  oder  er  wird  von  diesem  abhängig  gemacht,  wie 
Pragna  3,3,  wo  der  Präna  (vielleicht  nach  Bigv.  10,121,2. 
Käth.  3,1,  und  vorbereitend  für  die  „Spiegelung"  zwischen 
Seele  und  Organen  bei  den  Sänkhya's)  als  das  Abbild  oder 
der  Schatten  (chäyä)  des  Atman  bezeichnet  wird.  —  Dem 
reaktionären  Geiste  der  Maitr.  Up.  6,1 — 8  war  es  vorbehalten, 
Präna  und  Aditya  zu  rehabilitieren  und  ihre  Identität  sowie 
die  Art  ihrer  Verehrung  in  langgesponnenen  Betrachtungen 
zu  verfolgen. 

5.  Anhang:  Umdeutungen  nnd  Ersetzungen  ritueller  Bräuche. 

Der  Anschauung  des  Brahman  unter  Symbolen  ist  es  ver- 
wandt, wenn  in  den  ältesten  Teilen  der  Upanishad's  gewisse, 
allzufest  im  Bewufstsein  haftende  rituelle  Vorstellungen  und 
Bräuche  teils  im  Sinne  der  Brahmanlehre  umgedeutet,  teils 
auch  durch  neue,  dem  Geiste  der  neuen  Lehre  mehr  ent- 
sprechende Zeremonien  ersetzt  werden.  Wir  wollen  die 
Haupterscheinungen  nach  beiden  Seiten  hin  in  der  Kürze  vor- 
führen. 

In  dem  Charakter  des  indischen  Denkens,  welches  sich  umdeutung 
auf  die  höchsten  Probleme  richtete,  ehe  es  auch  nur  entfernt  vm°nie^ 
imstande  war,  dieselben  wissenschaftlich  zu  behandeln,  liegt 
es  begründet,  dafs  Indien  mehr  als  irgend  ein  anderes  Land 
das  Land  der  Symbole  ist.  Schon  in  den  Brähmana's  werden 
die  einzelnen  rituellen  Handlungen  vielfach  als  Symbole  be- 
handelt, deren  allegorische  Deutung  einen  breiten  Raum  ein- 
nimmt. Aber  der  eigentliche  Tummelplatz  dieser  allegorischen 
Auslegungen  sind  die  Äranyaka's.  Entsprechend  ihrer  vor- 
wiegenden Bestimmung,  dem  Vänaprastha  einen  Ersatz  für 
die  meist  nicht  mehr  ausführbaren  Opferhandlungen  zu  bieten, 


1 10  HI.    Symbolische  Vorstellungen. 

ergehen  sie  sich  in  mystischen  Andeutungen  derselben,  welche 
dann  in  den  ältesten  Texten  der  Upanishad's  ihre  Fortsetzung 
finden.  Hierbei  sehen  wir  schon  vielfach  die  Grundgedanken 
der  Atmanlehre  in  symbolischem  Gewände  auftreten,  und  man 
könnte  geneigt  sein,  in  derartigen  allegorischen  Betrachtungen 
den  ersten  Ursprung  der  Upanishadlehre  zu  sehen.  Dafs  dem 
nicht  so  ist,  dafs  die  Lehre  vom  Ätman  als  dem  alleinigen 
Wesen  der  Dinge  sich  ursprünglich  nicht  aus  rituellen  Vor- 
stellungen entwickelt  hat,  sondern  erst  hinterher  in  dieselben 
gekleidet  wurde,  haben  wir  oben  (S.  17  fg.)  aus  der  vielfach 
noch  in  den  Upanishad's  lebendigen  Erinnerung  ersehen,  dafs 
es  Könige,  also  Kshatriya's  waren,  von  denen  die  Brahmanen 
die  wichtigsten  Elemente  der  Atmanlehre  zuerst  überkommen 
haben,  welche  sie  dann  in  ihrer  Weise  sich  zu  eigen  machten, 
indem  sie  dieselben  mit  dem  so  völlig  heterogenen  Ritual- 
wesen allegorisch  verquickten.  Diese  Auffassung  findet  eine 
unerwartete  aber  um  so  wertvollere  Bestätigung  in  der  Art, 
wie  die  verschiedenen  Vedaschulen  zum  Begriffe  des  Ätman 
oder  des  Präna  als  seines  Vorläufers  gelangen.  Es  zeigt  sich 
nämlich,  dafs  dabei  jeder  Veda  von  der  ihm  eigentümlichen 
Leistung,  die  Rigvedin's  vom  Uläham,  die  Sämavedin's  vom 
Udgitha,  die  Schule  des  weifsen  Yajurveda  vom  AgvatnedJia, 
ausgeht,  um  durch  symbolische  Deutung  zum  Begriff  des  Präna 
oder  Ätman  zu  gelangen;  es  ist  aber  nicht  denkbar,  dafs  die 
Atmanlehre  auf  so  verschiedenen,  parallel  neben  einander 
laufenden  Wegen  ursprünglich  entstanden  sei,  während 
sich  der  Tatbestand  vollkommen  aus  der  Annahme  erklärt,  dafs 
die  Lehre  vom  Präna-Ätman  anderswoher  übernommen 
und  von  jeder  Schule,  so  gut  es  gehen  wollte,  mit  den  in  ihr 
herrschenden  rituellen  Vorstellungen  verknüpft  wurde.  Wir 
wollen  dies  durch  einige  Beispiele  belegen. 

Die  Hauptfunktion  der  Priester  des  Rigveda  ist  die  Re- 
zitation des  (Jastram  (Preisliedes),  welches  aus  den  Hymnen 
des  Rigveda  für  den  jedesmaligen  Zweck  ausgewählt  wurde. 
,,Das  schönste,  ruhmvollste,  kraftvollste  unter  den  Qastra's" 
(Kaush.  2,6)  aber  ist  das  UJctham.  Dieses  wird  von  den 
Aitareyin's  unter  mancherlei  Allegorien  dem  Präna  gleich- 
gesetzt   (Ait.    Ar.   2,1 — 3),    während    die    Kaushitakin's    das 


5.   Umdeutungen  und  Substitutionen.  111 

Uktham  mit  dem  (in  Ric,  Yajus,  Säman  verwirklichten)  Brah- 
man identifizieren  (Kaush.  2,6).  —  Wie  die  Rigvedapriester 
das  Uktham,  so  betrachten  die  Sämavedapriester  als  ihre 
höchste  Leistung  das  Singen  des  Udgitha,  welcher  dement- 
sprechend Chänd.  1  mit  der  Silbe  Om,  mit  dem  Präna,  mit 
der  Sonne,  mit  dem  Purnsha  in  Sonne  und  Auge  gleichgesetzt 
wird,  während  Chänd.  2  das  gesamte  Säman,  dessen  Höhe- 
punkt das  Singen  des  Udgitha  bildet,  mit  allerlei  kosmischen 
und  psychischen  Verhältnissen  in  Parallele  stellt.  In  ganz 
ähnlichen  Allegorien  bewegt  sich  in  seinen  ersten  Teilen  das 
der  Sämavedaschule  der  Talavakära's  angehörige,  die  Kena- 
Upanishad  einschliefsende  Upanishad-Brähmanam.  —  Eine 
analoge  Rolle  spielt  für  die  mit  der  Ausführung  der  heiligen 
Handlungen  betrauten  Yajurvedapriester  die  Opferhandlung 
selbst,  und  auch  hier  wieder  ist  es  die  höchste  aller  Opfer- 
leistungen, das  Rofsopfer  (agvamedha),  an  welches  Brih.  1,1 — 2 
anknüpft,  um  in  dem  Rosse  das  Weltall  zu  sehen,  in  welches 
Prajäpati  sich  umwandelt,  um  es  dann  wieder  sich  selbst  als 
Opfer  darzubringen.  Auch  Taitt.  Samh.  7,5,25  findet  sich  diese 
allegorische  Deutung  des  Opferrosses  als  Weltall,  und  Taitt. 
Up.  1,5  wird  in  anderer  Weise  der  Bann  des  Opferwesens 
durchbrochen,  indem  zu  den  drei  heiligen,  auf  Erde,  Luftraum 
und  Himmel  gedeuteten  Opferrufen  bhür,  bhuvah,  svar  als 
vierter  mahas  sich  gesellt,  welcher  das  Brahman  bedeuten  soll. 
Von  einer  andern  Seite  des  Kultus,  von  der  Schichtung  der 
heiligen  Feueraltäre  scheinen,  wie  aus  Käth.  1  und  Maitr.  1,1 
(vgl.  6,33)  abzunehmen,  die  anderen  Schulen  des  Yajurveda 
bei  ihren  allegorischen  Deutungen  ausgegangen  zu  sein.  Überall 
aber  sehen  wir,  wie  die  rituellen  Vorstellungen  nur  das  je 
nach  den  Vedaschulen  verschiedene  Mittel  sind,  durch  welches 
ein  allen  gemeinsamer  Gedanke  in  allegorischer  Einkleidung 
zum  Ausdrucke  gebracht  werden  soll. 

Von  andern  allegorischen  Umdeutungen  wollen  wir  nur 
noch  die  der  Gäyatri  erwähnen,  des  dem  Range  nach  ersten 
vedischen  Versmafses,  bestehend  aus  drei  Füfsen  (dreimal 
w_w_^_^_),  zu  welchen  noch  ein  vierter  imaginärer  kommt. 
Jn  dieser  vierfüfsigen  Form  ist  die  Gäyatri  ein  Symbol  des 
gleichfalls  vierfüfsigen  Brahman.      Von   dieser   Vierfüfsigkeit 


112  HI.    Symbolische  Vorstellungen. 

des  Brahman  und  ihrem  Zusammenhang  mit  den  vier  Seelen- 
zuständen,  Wachen,  Traum,  Tiefschlaf  und  Turiyam,  wird  noch 
später  zu  handeln  sein.  In  der  Symbolisierung  desselben 
durch  die  Gäyatri  gehen  die  beiden  Haupttexte  ganz  ver- 
schiedene Wege.  Während  nach  Chänd.  3,12  die  Vedarede  und 
alles  Gewordene,  die  Erde,  der  Leib,  das  Herz  und  die  Lebens- 
organe, alle  sechs  nur  den  einen,  sechsfachen  Fufs  der  Gäyatri 
ausmachen,  und  die  drei  übrigen  Füfse  (mit  Berufung  auf 
Rigv.  10,90,3)  unsterblich  im  Himmel  sind  und  als  Weltraum, 
Leibesraum,  Herzensraum  symbolisiert  werden,  sind  nach 
Brih.  5,14  gerade  umgekehrt  drei  Füfse  der  Gäyatri  als  Welten, 
Veden  und  Lebenshauche  verkörpert,  während  nur  der  vierte 
(turiya)  Fufs  transzendent  ist  und  symbolisch  in  Sonne,  Auge, 
Wahrheit,  Kraft  und  Leben  zur  Anschauung  kommt. 

—  In  dieser  Weise  suchte  man  beim  Aufkommen  der 
neuen  Lehre  die  überlieferten  rituellen  Erbstücke  zu  halten, 
indem  man  sie  zu  Symbolen  der  Ätmanlehre  machte.  Bald 
aber  ging  man  weiter  und  versuchte,  die  wichtigsten  der  über- 
kommenen Opferbräuche  dadurch  zu  beseitigen,  dafs  man 
Ersetzung  andere,  auf  die  Ätmanlehre  bezügliche  Zeremonien  an  ihre 
monien.  Stelle  •  setzte.  So  werden  Brih.  3,1  den  vier  Priestern  (Hotar, 
Adhvaryu,  Udgätar,  Brahman)  die  vier  kosmischen  und  die 
entsprechenden  psychischen  Erscheinungsformen  des  Atman 
(als  Feuer  und  Rede,  Sonne  und  Auge,  Wind  und  Odem, 
Mond  und  Manas)  substituiert,  und  an  Stelle  der  üblichen  Be- 
lohnungen tritt  die  Einswerdung  mit  dem  im  Weltall  ver- 
wirklichten Atman.  In  ähnlicher  Weise  tritt  Chänd.  4,16,2 
an  Stelle  des  Brahman  sein  Manas  und  an  Stelle  des  Hotar, 
Adhvaryu  und  Udgätar  die  in  ihnen  verkörperte  Väc. 

Ein  anderer  Versuch,  über  den  Opferdienst  hinauszuge- 
langen,  besteht  darin,  dafs  man  den  Menschen  selbst  und  sein 
Leben  als  eine  Opferhandlung  auffafste.  So  treten  Chänd.  3,16 
an  Stelle  der  drei  Somakelterungen  die  drei  Lebensalter  des 
Menschen,  und  in  anderer  Weise  werden  Chänd.  3,17  die  Haupt- 
akte des  Somaopfers  durch  die  Funktionen  des  Hungerns, 
Essens,  Zeugens  usw.  ersetzt.  Ins  Kleinliche  wird  dieser 
Gedanke  durch  Deutung  der  verschiedenen  Organe  und  Funk- 
tionen   auf    die    Requisite    und    Akte     des    Opfers     verfolgt 


5.  Umdeutungen  und  Substitutionen.  113 

Mahän.  64  und,   noch  weiter   gehend,   Pränägnihotra-Upani- 
shad  3 — 4. 

Übrigens  bleibt  es  in  vielen  der  aufgezählten  Fälle  zweifel- 
haft, ob  es  sich  dabei  um  eine  blofse  allegorische  Umdeutung 
des  noch  bestehenden  Opferkultus  oder  um  eine  Beseiti- 
gung desselben  und  Ersetzung  durch  physische  und  psychische 
Verhältnisse  handelt.  Das  Letztere  ist  entschieden  der  Fall 
bei  der  letzten  und  wichtigsten  Erscheinung,  die  wir  hier 
noch  zu  besprechen  haben,  bei  der  Ersetzung  des  Agnihotram 
durch  das  Präna- Agnihotram. 

Das  Agnihotram,  bestehend  in  einer  zweimaligen  Spende  Bas  Prdnd- 
von  gekochter  Milch,  welche  jeden  Morgen  vor  Sonnenaufgang 
und  jeden  Abend  nach  Sonnenuntergang  ins  Feuer  gegossen 
und  dadurch  den  Göttern  und  nebenbei  allen  Wesen  dar- 
gebracht wurde,  sollte  nach  Gründung  des  Hausstandes  das 
ganze  Leben  hindurch  (yävaj-jtvam)  betrieben  werden.  Nach- 
dem nun  an  die  Stelle  der  Götter  der  Präna  getreten  war, 
welcher  in  uns  allen  lebt,  suchte  man  das  Agnihotram  oder 
Feueropfer  zu  ersetzen  durch  ein  Präna-agni-hotram,  ein  im 
Feuer  des  Präna  gespendetes  Opfer.  Als  solches  konnte  einT 
fach  das  fortwährende,  zur  Erhaltung  des  Lebens  (präna)  er- 
forderliche Einatmen  und  Ausatmen  betrachtet  werden.  Eine 
erste'  Spur  dieser  Vorstellung  kann  man  in  den  Worten  Brih. 
1,5,23  finden:  „darum  soll  man  nur  ein  Gelübde  befolgen: 
man  soll  einatmen  und  ausatmen  und  wünschen:  «Möge  mich 
nicht  das  Übel,  der  Tod  packen!»"  (Vgl.  auch  Ait.  Ar.  3,2,6,8.) 
Entwickelter  und  mit  deutlicher  Ablehnung  des  Agnihotra- 
kultus  findet  sich  dieses  „innerliche  Agnihotram"  (äntaram 
agnihotram,  vgl.  auch  Kaush.  Ar.  10)  Kaush.  Up.  2,5:  „diese 
beiden  Opferungen  [des  Einatmens  und  Redens  d.  h.  Aus- 
atmens*]  sind  unendlich,  unsterblich;  denn  man  bringt  sie  das 
ohne  Unterlafs  im  Wachen  wie  im  Schlafe.  Hingegen  die 
andern  Opferungen  sind  endlich,  denn  sie  bestehen  aus  Werken. 
Darum  haben  die  alten  Weisen  [welche  in  den  Upanishad's 
auch   bei  neuen   Gedanken   so   gern   als   Autorität    angerufen 


*  Vgl.  Pra^na  4,4:   „Die  beiden  Opfergüsse  des  Ausatmens  und  Ein- 
atmens". 

Dbussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  n.  8 


114  III.   Symbolische  Vorstellungen. 

werden]  das  Agnihotram  nicht  geopfert".  —  Wie  hier 
das  Atmen,  so  konnte  auch  die  Ernährung  des  eigenen 
Leibes  als  ein  in  dem  (Brih.  5,9  dem  Agni  Yaicvänara  gleich- 
gesetzten) Verdauungsfeuer  dargebrachtes  Opfer  aufgefafst 
und  an  die  Stelle  des  überlieferten  Agnihotram  gesetzt  werden. 
Auch  hier  findet  sich  die  erste  Spur  des  Gedankens  Brih. 
1,5,2:  „denn  alle  Speise,  die  er  [der  solches  weifsj  verzehrt, 
die  reichet  er  [dem  Atman  und  durch  diesen]  den  Göttern 
dar".  Eine  ausgeführte  Darstellung  dieser  neuen  Art  von 
Agnihotram  findet  sich  zuerst  Chänd.  5,19 — 24.  Einer  beson- 
ders zubereiteten  Opfermilch  bedarf  es  nicht  mehr:  „was  ihm 
von  Speise  gerade  zur  Hand  kommt,  das  ist  zum  Opfer  taug- 
lich" (Chänd.  5,19,1).  Dieselbe  wird  in  dem  Ähavamya-Yeiiei 
des  Mundes  geopfert,  indem  die  fünf  Spenden,  aus  denen 
dieses  dem  Präna  dargebrachte  Opfer  besteht,  dem  Einhauch, 
Zwischenhauch,  Aushauch,  Allhauch,  Aufhauch  und  mittelbar 
durch  diese  den  entsprechenden  fünf  Sinnesorganen,  fünf 
Naturgöttern  und  fünf  Weltteilen  zugute  kommen.  (Näheres 
Upanishad's  S.  146  fg.)  In  einer  benachbarten  Stelle  wird 
das  vor  und  nach  dem  Essen  übliche  Mundausspülen  als  eine 
Bekleidung  des  Präna  mit  Wasser  aufgefafst  (Chänd.  5,2,2, 
vgl.  Brih.»  6,1,14).  Beide  Momente,  die  Ernährung  und  die 
Bekleidung  des  Präna,  werden,  mit  deutlicher  Berufung  auf 
Chänd.  5,24,  zusammengefafst  und  mit  entsprechenden  Sprüchen 
versehen  Maitr.  6,9.  Auch  nach  dieser  Stelle  scheint  das  ge- 
wöhnliche Agnihotram  durch  das  Pränägnihotram  überflüssig 
gemacht  zu  werden  (atman  eva  yajati),  während  in  dem  Nach- 
trage Maitr.  6,34  beide  neben  einander  bestehen,  indem  das  in 
seine  Rechte  wieder  eingesetzte  Agnihotram  als  das  „offenbar 
gemachte"  Pränägnihotram  aufgefafst  wird.  Eine  letzte  Stufe 
in  dieser  Entwicklung  bezeichnet  die  Pränägnihotra-Up.  1 — 2, 
welche,  wie  es  scheint  (vgl.  die  Einleitung  dort),  alle  vorher 
erwähnten  Stellen  voraussetzt,  das  gewöhnliche  Agnihotram 
für  überflüssig  erklärt  und  für  das  Pränägnihotram  ein  bis 
ins  Einzelne  ausgeführtes  Ritual  vorschreibt. 


\V.  Das  Brahman  an  sich.     1.  Vorbemerkung.  H5 


IV.   Das  Brahman  an  sich. 

1.  Vorbemerkung. 

Im  spätem  Vedänta  wird  das  Brahman  unter  Zusammen-   Brahman 
tassung   der   drei    ihm   wesentlichen   Bestimmungen   als   Sac-    ananda. 
cidänanda,  d.  h.   als   „Seiendes  (sat),   Geist  (dt)  und  Wonne 
(ananda)"  bezeichnet.    Dieser  Name  findet  sich  noch  nicht  in 
den  Upanishad's,  mit  Ausnahme  der  spätesten,   und  ist  auch 
bei  Bädaräyana  und  Qankara  noch  nicht  nachzuweisen.    Wohl 
aber  können  wir    in   den   Upanishad's   die   Stufen  verfolgen, 
welche  zu  ihm  geführt  haben,  sofern  sich  das  Nachdenken  über 
Brahman,  in  dem  Mafse  wie  es  sich  von  symbolischen  Vor- 
stellungen freimacht,  mehr  und  mehr  um  diese  drei  Begriffe 
konzentriert,  wie  denn  auch  hier  und  da  schon  eine  Zusammen- 
fassung derselben  versucht  wird.    So  erklärt  Yäjfiavalkya  am  Erste  sPu- 
Schlusse   seiner  grofsen  Disputation   mit  neun  Unterrednern,  NameiuTin 
indem  er  sich  an  sie  alle  wendet  (Brih.  3,9,28):  „Brahman  ist  deghYd'tm" 
Wonne  und  Erkenntnis"  (vijnänam  änandam  brahma);  und  im 
folgenden  Abschnitte    (Brih.  4,1),   wo   derselbe   Weise    sechs 
symbolische  Vorstellungsformen  auf  ihren  wahren  Wert  zurück- 
führt, erscheinen  als  Bestimmungen  der  göttlichen  Wesenheit 
neben  drei  andern  auch  satyam,  prajnä  und   ananda.     Noch 
mehr  dem  Charakter  der  später  üblichen  Formel  nähert  sich 
Taitt.  2,1,  wo  es  in  einem  an  die  Spitze  der  Entwicklung  ge- 
stellten Verszitate  heifst: 

Als  Realität,  Erkenntnis,  unendlich  (satyam,  jnänam,  anantam), 

Wer  so  das  Brahman  kennt, 

In  der  Höhle  [des  Herzens]  verborgen  und  im  höchsten  Räume, 

Der  erlangt  alle  Wünsche 

In  Gemeinschaft  mit  Brahman,  dem  allweisen. 

Da  hier,  zu  Eingang  der  Änandavalli,  eine  Hinweisung  auf 
Brahman  als  ananda  (Wonne)  sehr  am  Platze  sein  würde, 
während  kein  besonderer  Anlafs  war,  das  Brahman  gerade 
hier,  wo  sein  Wohnen  im  Herzen  besonders   hervorgehoben 


116  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

wird,  als  ananta  (unendlich)  zu  bezeichnen,  so  haben  wir  (Up. 
S.  225)  die  Vermutung  aufgestellt,  dafs  anantam  wohl  ein  ur- 
alter, nachmals  durch  die  Tradition  geheiligter  Fehler  für 
änandam  sein  möchte,  entstanden  daraus,  dafs  man  die  drei 
Prädikate  für  Nominative  hielt,  als  welcher  änandam  sehr  un- 
gewöhnlich- ist.'  Ist  dies  annehmbar,  so  würden  wir  hier  das 
älteste  Vorkommen  der  nachmaligen,  berühmten  Formel  haben. 
Abgeschwächt  wird  das  Gewicht  unserer  Gründe  allerdings 
dadurch,  dafs  wir  anscheinend  ein  Zitat  vor  uns  haben,  welches 
als  solches  nicht  so  genau  zu  dem  Inhalte^  des  Folgenden  zu 
stimmen  braucht;  auch  ist  schwer  zu  verstehen,  wie  bei  der 
Allgemeinheit  der  Lesung  anantam  sich  daneben  eine  Tradi- 
tion des  änandam  (in  Saccidänanda)  erhalten  haben  sollte.  — 
Eine  Zusammenfassung  aller  vier  erwähnten  Prädikate  findet 
sich  in  der  schon  ziemlich  späten  Upanishad  Sarvopanishat- 
sära,  No.  21  (Up.  S.  626),  wo  das  Brahman  als  „real,  Erkenntnis, 
unendlich,  Wonne"  (satyam,  jnänam,  anantam,  änandam  orahma, 
wofür  Kodex  cf{  mit  deutlicher  Bezugnahme  auf  Taitt.  2,1  und 
Brih.  3,9,28  liest:  satyam  jnänam  anantam  braluna,  vijnänam 
änandam  brahma)  definiert  wird.  Es  folgt  weiter  eine  Er- 
klärung dieser  vier  Begriffe,  und  dann  heifst  es:  „Dasjenige, 
dessen  Merkmal  diese  vier  Wesenheiten  [seiend,  Erkenntnis, 
unendlich,  Wonne]  sind,  und  welches  in  Baum,  Zeit  und  Kau- 
salität (dega-Mla-nimitteshu)  unwandelbar  besteht,  heifst  der 
[in  tat  tvam  asi]  durch  das  Wort  «das»  bezeichnete  höchste 
Erstes  vor-  Ätman  oder  das  höchste  Brahman".  —  So  sehen  wir  die  For- 
von  sacdd-  mel  Sac-cid-änanda  entstehen,  welche  als  solche  (von  Taitt.  2,1 
abgesehen)  zuerst  erscheint  Nrisinhottaratäp.  4.  6.  7  und  Bäma- 
pürvatäp.  92.  Rämottaratäp.  2.  4.  5  (Upanishad's  S.  787.  791. 
793;  817.  820.  823.  826)  und  in  der  Folge  unzähligemal  ge- 
braucht worden  ist.  Auch  wir  können  dieselbe  als  Fachwerk 
benutzen,  um  unter  den  Titeln:  Brahman  als  sat,  als  cit  und 
als  änanda,  die  wesentlichsten  Vorstellungen  der  Upanishad's 
zu  sammeln.  Hierauf  wird  in  diesem  Kapitel  noch  von  der 
widerspruchsvollen  Natur  des  Brahman  und  von  seiner  Un- 
erkennbarkeit  zu  handeln  sein. 


2.  Brahman  als  das  Seiende. 


117 


2.  Brahman  als  das  Seiende  und  das  Nichtseiende  (sat  und  asaif), 
als  die  Realität  nnd  die  Nichtrealität  (satyam  und  asatyam). 

Schon  Rigv.  10,129,1  (oben  I,  i,  121)  wird  mit  einem  für   B™h™*n 
iene   alte  Zeit  bewunderungswürdigen  Grade  philosophischer  seiend  noch 

0  .  °  °  r  x  nichtseiend. 

Besonnenheit  von  dem  Urzustände  der  Dinge,  dem  Urwesen, 
also  dem  Brahman  im  spätem  Sinne,  gesagt,  damals  sei  na 
asacl,  na  u  sad  „nicht  das  Nichtseiende,  noch  auch  das  Seiende" 
gewesen.  Ersteijes  nicht,  weil  ein  Nichtseiendes  niemals  ist- 
oder  gewesen  ist,  letzteres  nicht,  weil  die  empirische  Rea- 
lität und  mit  ihr  der  nur  aus  ihr  abstrahierte  Begriff  des 
„Seienden"  dem  Urwesen  abgesprochen  werden  mufs.  Da 
indes  die  Metaphysik  alle  ihre  Begriffe  und  Bezeichnungen 
der  empirischen  Realität,  auf  welche  der  Kreis  unserer  Vor- 
stellungen beschränkt  ist,  zu  entnehmen  und  nur  ihren  Be- 
dürfnissen entsprechend  umzuformen  hat,  so  ist  es  natürlich, 
dafs  wir  im  weitern  Verlaufe  das  Prinzip  der  Dinge,  das 
Brahman,  bald  als  das  (nichtempirisch)  Seiende,  bald  als  das 
(empirisch)  Nichtseiende  bezeichnet  sehen.  Letzteres  ge-  Brahman 
schah  schon  in  zwei  oben  (I,  i,  S.  199.  202)  vorgeführten  Schöp- 
fungsmythen; £atap.  Br.  6,1,1,1:  „Nichtseiend,  fürwahr,  war 
diese  Welt  am  Anfang.  Da  sagen  sie :  was  war  dieses  Nicht- 
seiende?" usw.,  und  Taitt.  Br.  2,2,9,1:  „Diese  Welt,  für- 
wahr, war  zu  Anfang  gar  nichts.  Kein  Himmel  war,  keine 
Erde,  kein  Luftraum.  Dieses  nur  nichtseiend  Seiende  tat 
einen  Wunsch:  ich  möge  sein!"  usw.  Ebenso  in  einigen 
Upanishadstellen;  Chänd.  3,19,1:  „Diese  Welt  war  zu  Anfang 
nichtseiend;  dieses  [Nichtseiende]  war  das  Seiende.  Dasselbige 
entstand.  Da  entwickelte  sich  ein  Ei",  usw.;  und  Taitt.  2,7, 
wo  der  Vers  zitiert  wird: 

Nichtseiend  war  dies  zu  Anfang; 

Aus  ihm  entstand  das  Seiende. 

Es  schuf  sich  seihst  wohl   aus  sich  selbst, 

Daher  dies  „wohlbeschaffen'.'  heifst. 

Wie  dies  zu  verstehen,  zeigt  klärlich  das  Vorhergehende,  wo 
zunächst  der  Vers  „nichtseiend  ist  der  gleichsam  nicht,  wer 
Brahman  als  nichtseiend  weifs"  zitiert  und  dann  weiter  ent- 
wickelt wird,  wie  Brahman  die  Welt  schafft  und  ihr  als  dem 


als  das 
Nicht- 
seiende. 


118  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

Seienden,  Realen  gegenübersteht  als  das  (empirisch)  Nicht- 
seiende,  Nichtreale.  „Nachdem  er  sie  geschaffen,  ging  er  in 
dieselbe  ein.     Nachdem  er  in  sie  eingegangen,  war  er 

Seiendes  und  Jenseitiges  (sat  und  tyat), 
Aussprechliches  und  Unaussprechliches, 
Gegründetes  und  Grundloses, 
Bewufstsein  und  Unbewufstsein, 
Realität  und  Nichtrealität. 

Als  Realität  ward  er  zu  allem,  was  irgend  vorhanden  ist; 
denn  dieses  nennen  sie  die  Realität  (tat  satyam  iti 
äcakshate)."  In  ähnlicher  Weise  unterscheidet  schon  Brih. 
2,3,1:  „Fürwahr,  es  gibt  zwei  Formen  des  Brahman,  nämlich: 

das  Gestaltete  und  das  Ungestaltete, 

das  Sterbliche  und  das  Unsterbliche, 

das  Stehende  und  das  Gehende, 

das  Seiende  und  das  Jenseitige  (sat  und  tyam)". 

Diese  Stelle  macht,  trotz  des  kompilatorischen  Charakters  des 
Kapitels,  dessen  Anfang  sie  bildet,  einen  altern  Eindruck,  und 
vielleicht  knüpft  die  Taittiriyastelle  an  dieselbe  an  und  ent- 
wickelt den  Gedanken  weiter,  indem  sie  in  klarer  Weise  der 
Welt  als  dem  Seienden,  Aussprechlichen,  Gegrün- 
deten, Bewufsten,  Realen  gegenüberstellt  das  Brahman 
als  das  Jenseitige,  Unaussprechliche,  Grundlose,  Un- 
bewufste,  Nichtreale.  Hiermit  wird  der  Streit  geschlichtet, 
der  damals  die  Gemüter  bewegen  mochte,  ob  die  Welt  aus 
dem  Seienden  oder  dem  Nichtseienden  entstanden  sei,  und  in 
welchen  die  (wohl  ältere)  Stelle  Chänd.  6,2,1  einen  Einblick 
Brahman  gewährt :  „Seiend  nur,  o  Teurer,  war  dieses  am  Anfang,  eines 
Seiende,  nur  und  ohne  zweites.  Zwar  sagen  einige,  nichtseiend  sei 
dieses  am  Anfang  gewesen,  eines  nur  und  ohne  zweites;  aus 
diesem  Nichtseienden  sei  das  Seiende  geboren.  Aber  wie 
könnte  es  wohl,  o  Teurer,  also  sein?  Wie  könnte  aus  dem 
Nichtseienden  das  Seiende  geboren  werden?  Seiend  also  viel- 
mehr, o  Teurer,  war  dieses  am  Anfang,  eines  nur  und  ohne 
zweites."  Entsprechend  dieser  Stellungnahme  wird  in  der 
folgenden  Entwicklung  Chänd.  6  das  Brahman  in  der  Regel 
sat  „das  Seiende"  oder  satyam  „die  Realität"  genannt. 


2.  Brahman  als  das  Seiende.  119 

Ähnlich  wie  sat  wird  auch  das  Wort  satyam  (Realität)  in  J™^*^ 
dieser  doppelten  Bedeutung  gebraucht.  Während  dasselbe  in 
dem  eben  erwähnten  Abschnitte  Chänd.  6  das  Brahman  be- 
deutet (so  namentlich  in  der  berühmten  Formel:  tat  satyam,  sa 
ätmä,  tat  tvam  asi)  und  in  eben  dieser  Bedeutung  auch  Brih.  5,4 
erscheint,  so  ist  hingegen  in  derselben  Upanishad  Brih.  2,1,20 
(  =  2,3,6)  satyam  die  empirische  Realität,  und  Brahman  ist 
im  Gegensatze  zu  derselben  satyasya  satyam,  dasjenige,  was  satyasya 
an  dieser  Realität  das  allein  wahrhaft  Reale  ist :  „Sein  Geheim- 
name (upanishad)  ist  odie  Realität  der  Realität»;  nämlich  die 
Lebensgeister  (pränäh)  sind  die  Realität,  und  er  ist  ihre  Rea- 
lität". Dieselben  Worte  kehren  wieder  Brih.  2,3,6;  dafs  sie 
hier  entlehnt  sind  (wie  wir  schon  Up.  S.  413  vermuteten),  er- 
gibt sich  auch  daraus,  dafs  die  Erwähnung  der  empirischen 
Realität  als  „die  Lebensgeister"  (pränäh)  nur  Brih.  2,1,20, 
nicht  Brih.  2,3,6  durch  das  Vorhergehende  gerechtfertigt  war. 
—  Ebenso  wie  in  diesen  Stellen,  bedeutet  satyam  die  empi- 
rische Realität.  Brih.  1,6,3:  „Dasselbige  ist  das  Unsterbliche, 
verhüllt  durch  die  Realität  (amritam  satyena  channam);  der  amritam 
Präna  nämlich  ist  das  Unsterbliche,  Name  und  Gestalt  sind  channam. 
die  Realität;  durch  diese  ist  jener  Präna  verhüllt".  Die  Worte 
amritam  satyena  channam  scheinen  eine  jener  altan,  von  ihrer 
Erklärung  begleiteten  Geheimformeln  zu  sein,  in  denen  wir 
schon  oben  (S.  20)  die  älteste  Gestalt  der  Upanishad's  ver- 
muteten. Da  der  Gegensatz  von  satya  (wahr)  gewöhnlich  anrita 
(unwahr)  ist,  so  ist  es  wohl  denkbar,  dafs  die  Formel  in  an- 
derer Überlieferung   die   Form   anritam  satyena  channam    an-    anritam 

°  •     ■     *      .  satyena 

nahm.  Diese  würde  das  sonderbare  Spiel  erklären,  welches  channam. 
Brih.  5,5,1  mit  dem  Worte  satyam  getrieben  wird:  „Dasselbige 
besteht  aus  den  drei  Silben  satyam;  die  eine  Silbe  ist  sa,  die 
andre  ist  U,  die  dritte  Silbe  ist  yam.  Die  erste  und  die  letzte 
Silbe  sind  die  Wahrheit  (satyam),  in  der  Mitte  ist  die  Un- 
wahrheit (anritam);  diese  Unwahrheit  ist  an  beiden  Seiten 
von  der  Wahrheit  eingefafst  (anritam  ubhayatah  satyena  pari- 
ijrihitam);  dadurch  wird  sie  zu  einem  wahrheitlichen  Sein" 
(durch  Brahman  erhält  die  Welt  ihre  Realität).  In  anderer 
Weise  werden  Chänd.  8,3,5  die  drei  Silben  sa  als  das  Unsterb- 
liche, ü  als  das  Sterbliche  und  yam  als  der  Zusammenschlufs 


120  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

(yam,  yacchati)  beider  gedeutet,  und  wieder  anders  wird 
Kaush.  1,6  in  dem  Worte  satyam  die  Silbe  -tyam  auf  die 
Götter  und  Lebenshauche  (die  äufsere  und  innere  Natur)  und 
die  Silbe  sat-  auf  das  von  Göttern  und  Lebenshauchen  ver- 
schiedene (über  sie  erhabene)  „Seiende"  bezogen. 

ü^ahman  j^r  die  spätem  Upanishad's  hat  die  Streitfrage,  ob  Bran- 

des und    man  das  (nichtempirisch)  Seiende  oder  das  (empirisch)  Nicht- 

des  erhaben,  seiende  sei,  keine  Bedeutung  mehr.  Das  Brahman  ist,  wie 
über  alle  Gegensätze,  so  auch  über  diesen  erhaben;  es  ist 
„nicht  seiend  noch  nichtseiend"  (Qvet.  4,18),  es  ist  „höher  als 
was  ist  und  nicht  ist"  (Mund.  2,2,1).,  es  befafst  in  sich  die 
empirische  Realität,  das  Reich  des  Nichtwissens,  und  die  ewige 
Realität,  das  Reich  des  Wissens,  Qvet.  5,1: 

Zwei  sind  im  ewig,   endlos,  höchsten  Brahman 
Latent  enthalten,  Wissen  und  Nichtwissen; 
Vergänglich  ist  Nichtwissen,  ewig  Wissen,    . 
Doch  der  als  Herr  verhängt  sie,  ist  der  Andre. 


3.  Brahman  als  Bewufstsein,  Denken  (cit). 

Irrtum  des  Der  Begriff  des   Atman  wies  darauf  hin,   dafs  man   das 

tellektua 
liamus. 


a"  Prinzip  der  Dinge  zunächst  und  vor  allem  zu  suchen  habe  im 


eignen  Innern.  Das  Innere  des  Menschen  ist  aber  nicht  in 
derselben  Weise  zugänglich  wie  sein  Aufseres.  Während  die 
äufsere  Erscheinung  als  der  Leib  mit  allen  seinen  Organen 
und  Funktionen  deutlich  vorliegt  und  sowohl  nach  der  äufsern 
Gestalt  wie  nach  dem  innern  Zusammenspiel  der  Knochen  und 
Bänder,  der  Sehnen,  Muskeln  und  Nerven  der  Betrachtung 
allseitig  offen  steht,  so  ist  die  Erkenntnis  unseres  Innern  eine 
sehr  beschränkte  und  einseitige.  Wir  können  nicht  den  Leib, 
wie  wir  ihn  von  aufsen  anschauen,  so  in  dem  ganzen  Bestände 
seiner  Organe  und  ihrer  Funktionen  von  innen  unmittelbar 
fühlen.  Vielmehr  gleicht  unser  Inneres  einem  grofsen  Hause 
mit  vielen  Abteilungen,  Gängen  und  Kammern,  von  welchem 
nur  ein  Teil  durch  das  im  obern  Stockwerke  brennende  Licht 
erhellt  wird,  während  alles  übrige  im  Dunkeln  bleibt,  aber 
darum  nicht  wfcniüer  real   und  vorhanden   ist.     Beim  ersten 


3.   Brahman  als  Bewufs-tsein.  121 

Eintritt  in  ein  solches  Haus  konnte  leicht  der  Irrtum  entstehen, 
dafs  das  Licht  den  Mittelpunkt  des  Hauses  bilde,  dafs  sich 
dessen  Räumlichkeiten  nur  so  weit  erstreckten,  wie  die  Beleuch- 
tung durch  jenes  Licht  reichte,  und  dafs  alles  Übrige,  da  es' 
nicht  sichtbar  war,  für  gar  nicht  vorhanden  gehalten  wurde. 
Hierauf  beruht  es,  dafs  der  philosophierende  Menschengeist  in 
Indien-,  Griechenland  und  der  Neuzeit  in  merkwürdiger  Über- 
einstimmung einem  Irrtume  verfallen  ist,  den  wir  am  kürzesten 
durch  das  Wort  Intellektualismus  bezeichnen  können,  und  wel- 
cher darin  besteht,  zu  glauben,  dafs  das  innerste  Wesen  des 
Menschen  und  der  Welt,  das  Brahman,  das  Prinzip,  die  Gott- 
heit, irgendwelche  Ähnlichkeit  oder  Analogie  oder  Identität 
haben  könne  mit  dem,  was  wir  als  Bewufstsein,  als  Gedanke, 
als  Geist  hier  „hinter  des  Menschen  alberner  Stirn"  vorfinden. 
—  Doch,  wie  man  auch  immer  über  den  Wert  dieser  Vor- 
stellung urteilen  mag,  jedenfalls  wird  die  ganze  philosophische 
Entwicklung  von  Piaton  und  Aristoteles  an  bis  auf  die  Gegen- 
wart mit  wenigen  Ausnahmen  beherrscht  von  dem  Gedanken, 
dafs  das  Wesen  der  Seele  und,  in  Zusammenhang  damit,  das 
Wesen  Gottes  als  etwas  dem  menschlichen  Denken  Verwandtes 
oder  Analoges,  als  Vernunft,  als  Geist,  als  Intelligenz  zu  denken 
sei.  Und  wie  in  der  abendländischen  Philosophie  der  Ursprung 
dieses  Gedankens  sich  bis  zu  Xenophanes  (ouXo?  6pa,  ouXos  5s 
vost,  cjXoc  5s  t'  dxcusi)  und  Parmenides  (toutöv  h\  ic~l  vosiv 
ts  xcd  oüvsxsv  iaxt  vpTjfxa)  zurückverfolgen  läfst,  so  ist  es  in 
Indien  Yäjfiavalkya,  an  dessen  Namen  sich,  wenn  nicht  die 
erste  Urheberschaft,  so  doch  die  hauptsächlichste  Vertretung 
ebendesselben  Gedankens  knüpft;  alle  seine  in  der  Brihadä- 
ranyaka-Upanishad  vorgetragenen  Anschauungen  konvergieren 
in  der  Überzeugung,  dafs  das  Brahman,  der  Ätman,  das  Sub- 
jekt desErkennens  in  uns  (und  eben  darum,  wie  wir  später  Der  Atman 

.  n  i  i        \  •  a'B  das  Sub- 

sehen  werden,  unerkennbar)  sei.  jekt  des  Er- 

So  wird  -er  Brih.  3,4  von  Ushasta  aufgefordert,  „das  im-  nachYa-^a- 
manente,  nicht  transzendente  Brahman,  welches  als  Seele  allem    va  kya' 
innerlich    ist"    zu    erklären.     Er  weist    als   Antwort  auf  die 
Seele  hin,  welche  durch  Einhauch,  Aushauch,  Zwischenhauch, 
Aufhauch  sich  als  Lebensprinzip  in   der  Erfahrung  betätigt. 
Auf  die  Einwendung,  dafs  damit  nur  auf  die  Sache  hingedeutet, 


122  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

nicht  aber  eine  Erklärung  derselben  gegeben  sei,  erwidert  er: 
,. Nicht  sehen  kannst  du  den  Seher  des  Sehens,  nicht  hören 
kannst  du  den  Hörer  des  Hörens,  nicht  verstehen  kannst  du 
den  Versteher  des  Verstehens,  nicht  erkennen  kannst  du  den 
Erkenner  des  Erkennens.  Er  ist  deine  Seele,  die  allem  inner- 
lich ist."  Und  zur  Bestätigung,  dafs  das  von  ihm  hier  ge- 
kennzeichnete Subjekt  des  Erkennens  nicht  nur  das  Wesen 
der  Seele,  sondern,  in  und  mit  ihr,  das  Wesen  der  Gottheit 
ausmacht,  fügt  er  hinzu:  „Was  von  ihm  verschieden,  das  ist 
leidvoll". 

Darum  beschliefst  er  Brih.  3,8,11  seine  Schilderung  des 
allmächtigen,  den  Raum  und  mit  ihm  die  ganze  Welt  in  sich 
tragenden  und  durch  walten  den  Wesens  mit  den  Worten : 
„Wahrlich,  o  Gärgi,  dieses  Unvergängliche  ist  sehend  nicht 
gesehen,  hörend  nicht  gehört,  verstehend  nicht  verstanden,  er- 
kennend nicht  erkannt.  Nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein  Sehen- 
des, nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein  Hörendes,  nicht  gibt  es 
aufser  ihm  ein  Verstehendes,  nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein  Er- 
kennendes. —  Fürwahr,  in  diesem  Unvergänglichen  ist  der 
Raum  eingewoben  und  verwoben,  o  Gargi."  (Er  haftet,  nach 
Kant,  dem  Subjekt  des  Erkennens  an.) 

In  seiner  Belehrung  der  Alaitreyi,  Brih.  2,4,11,  vergleicht 
Yäjnavalkya  den  Ätman  mit  dem  Ozean.  Wie  dieser  der 
Einigungsort  aller  Gewässer  ist,  so  ist  der  Atman  als  Auge 
der  Einigungsort  aller  Gestalten,  als  Ohr  aller  Töne,  als 
Nase  aller  Gerüche,  usw.  Für  die  Richtigkeit  unserer  Auf- 
fassung dieser  Stelle  mag  zunächst  Brih.  1,4,7  sprechen:  „als 
atmend  heilst  er  Atem,  als  redend  Rede,  als  sehend  Auge, 
als  hörend  Ohr,  als  verstehend  Verstand;  alle  diese  sind  nur 
Namen  für  seine  Wirkungen*';  —  sowie  Chand.  8,12,4:  „Wenn 
das  Auge  sich  richtet  auf  den  WTeltraum,  so  ist  er  der  Geist 
im  Auge,  das  Auge  [selbst]  dient  [nur]  zum  Sehen;  und  wer  da 
riechen  will,  das  ist  der  Ätman,  die  Nase  dient  nur  zum  Ge- 
rüche; und  wer  da  reden  will,  das  ist  der  Atman,  die  Stimme 
dient  nur  zum  Reden;  und  wer  da  hören  will,  das  ist  der 
Atman,  das  Ohr  dient  nur  zum  Hören;  und  wer  da  verstehen 
will,  das  ist  der  Ätman,  der  Verstand  ist  sein  göttliches  Auge; 
mit  diesem  göttlichen  Auge,  dem  Verstände,  erschaut  er  jene 


3.   Brahman  als  Bewufstsein.  123 

Genüsse  und  freut  sich  ihrer."  Wenn  man  erwägt,  dafs  dieser 
Gedanke  sich  hier  an  das  Vorhergehende  ziemlich  unvermittelt 
anschliefst  und  überhaupt  im  Gedankenkreise  der  Chändogya 
vereinzelt  dasteht,  während  er  für  Yajnavalkya  den  Mittel- 
punkt all  seines  Denkens  bildet,  so  wird  wahrscheinlich,  dafs 
er  von  dort  her  entlehnt  ist.  Dasselbe  dürfte  gelten  von  der 
ganzen  Entwicklung,  Kaush.  3,  welche  die  Abhängigkeit  der 
Sinnpsobjekte  von  den  Sinnesorganen  und  dieser  wiederum 
von  dem  (immer  wieder  aufs  neue  mit  dem  Präna  für  iden- 
tisch erklärten)  Prajnätman,  dem  „Bewufstseinselbst"  im  ein- 
zelnen durchführt,  wobei  es  Kaush.  3,4  in  nahem  Anklang  an 
obige  Stelle  heifst:  „Als  Auge  werden  in  ihn  alle  Gestalten 
hineingeschüttet,  durch  das  Auge  erlangt  er  alle  Gestalten;  als 
Ohr  werden  in  ihn  alle  Töne  hineingeschüttet,  durch  das  Ohr 
erlangt  er  alle  Töne"  usw. 

Am  grofsartigsten  entwickelt  Yajnavalkya  seine  Theorie 
von  dem  Ätman  als  dem  in  Wachen,  Traum,  Tiefschlaf,  Tod, 
Seelenwanderung  und  Erlösung  unwandelbar  beharrenden 
Subjekte  des  Erkennens  in  dem  unvergleichlichen  Ab- 
schnitte Brih.  4,3 — 4.  Hier  wirft  der  König  Janaka  zunächst 
die  Frage  auf:  „Was  dient  dem  Menschen  als  Licht?"  — 
Yajnavalkya  gibt  eine  ausweichende  Antwort:  die  Sonne 
dient  ihm  als  Licht.  —  Aber  wenn  sie  untergegangen?  —  Der 
Mond.  —  Und  wenn  auch  dieser  untergegangen?  —  Das  Feuer. 
—  Und  wenn  auch  dieses  erloschen?  —  Die  Stimme.  —  Und 
wenn  auch  diese  verstummt  ist?  —  „Dann  dient  er  sich  selbst 
(ätman)  als  Licht."  —  „Was  ist  das  für  ein  Selbst?"  —  „Es 
ist  unter  den  Lebensorganen  der  aus  Erkenntnis  be- 
stehende, in  dem  Herzen  innerlich  leuchtende  Geist." 
Weiter  wird  geschildert,  wie  dieser  Geist,  derselbe  bleibend, 
im  Wachen  und  Traume  diese  Welt,  im  Tiefschlaf  und  Tod 
die  Brahman  weit  durchwandert;  wie  er  im  Wachen  das  Gute 
und  Böse  dieser  Welt  schaut,  ohne  davon  berührt  zu  werden, 
„denn  diesem  Geiste  haftet  nichts  an"  (das  Subjekt  des  Er- 
kennens steht  allem  Objektiven  als  ein  Anderes  gegenüber); 
wie  er  im  Traume  sich  selbst  eine  Welt  aufbaut,  „denn  er  ist 
der  Schöpfer";  wie  er  endlich  im  tiefen,  traumlosen  Schlafe, 
von  dem  erkenntnisartigen  Selbste,  präjna  ätman,   d.  h.  dem 


124  IV»   Das  Brahman  an  sich. 

absoluten  Subjekte  des  Erkennens,  umschlungen,  kein  Bewufst- 
sein  von  Objekten  hat  und  doch  nicht  unbewufst  ist:  „wenn 
er  dann  nicht  sieht,  so  ist  er  doch  sehend,  obschon  er  nicht 
sieht;  denn  für  den  Sehenden  ist  keine  Unterbrechung  des 
Sehens,  weil  er  unvergänglich  ist;  aber  es  ist  kein  zweites 
aufser  ihm,  kein  anderes,  von  ihm  verschiedenes,  das  er  sehen 
könnte"  (Brih.  4,2,23).  Vgl.  die  verwandte  Stelle,  Brih.  2,1,17—20, 
nach  welcher  beim  Einschlafen  alle  Prana's  (Auge,  Ohr  usw.) 
in  den  Atman  eingehen,  und  beim  Erwachen,  wie  Funken  aus 
dem  Feuer,  alle  Lebensgeister,  Welten,  Götter  und  Wesen 
aus  ihm  wieder  entspringen.  —  Weiter  schildert  die  obige 
Stelle  Brih.  4,4,1  fg.,  wie  beim  Tode  alle  Lebenskräfte  sich 
um  das  Subjekt  des  Erkennens  scharen,  um  mit  ihm  zu  neuer 
Verkörperung  auszuziehen:  „weil  er  eins  geworden  ist,  darum 
siehet  er  nicht,  wie  sie  sagen"  (in  Wahrheit  bleibt  er  stets 
sehend);  und  wie  endlich  nach  erlangter  Erlösung  der  Leib 
wie  eine  Schlangenhaut  abgestreift  wird,  „aber  das  Körper- 
lose, das  Unsterbliche,  das  Leben  ist  lauter  Brahman,  ist  lauter 
Licht"  (d.  h.  Subjekt  des  Erkennens).  „Wahrlich",  heifst  es 
zum  Schlufs,  „dieses  grofse,  ungeborne  Selbst  ist  unter  den 
Lebensorganen  jener  aus  Erkenntnis  Bestehende."  — 
Ihren  schärfsten  Ausdruck  findet  diese,  den  Ideenkreis  des 
Yäjfiavalkya  beherrschende,  Identität  des  Brahman  mit  dem 
Subjekte  des  Erkennens  in  einer  (allerdings  späteren)  Modi- 
fikation des  (Brih.  2,4,12  in  ursprünglicher  Form  erhaltenen) 
Bildes  vom  Salzklumpen  Brih.  4,5,13:  „Mit  diesem  ist  es  wie 
mit  einem  Salzklumpen,  der  kein  [unterschiedliches]  Inneres 
oder  Aufseres  hat,  sondern  durch  und  durch  ganz  aus  Ge- 
schmack besteht;  —  also,  fürwahr,  hat  auch  dieser  Atman' 
kein  [unterschiedliches]  Inneres  oder  Aufseres,  sondern  besteht 
durch  und  durch  ganz  aus  Erkenntnis". 
Der  Atman  Wie  tief  dieser  Yäjnavalkyagedanke  von  Brahman  als  dem 

als  B^ken-  Subjekte  des  Erkennens  gewirkt  hat,  sehen  wir  daran,  dafs  er 
nepät«nh  ^e  £anze  folgende  Entwicklung  beherrscht,  wie  wir  noch  in 
Texten     (jer  Kürze  nachweisen  wollen. 

Zunächst  ist  hier  zu  erinnern  an  die  Bezeichnung  des 
Brahman  als  „das  Licht  der  Lichter"  (jyotishdm  jyotis,  Biih. 
4,4,16  und  von  dort  übernommen  Mund.  2,2,9.  Bhag.  G.  13,17); 


3.  Brahman  als  Bewufstsein.  125 

dieser  Ausdruck  ist  nichts  anderes  als  eine  Zusammenfassung 
des  oben  entwickelten  Gedankens,  dafs  der  Atman,  wenn 
Sonne,  Mond  und  Feuer  nicht  mehr  leuchten,  selbst  sein  Licht 
ist.  Hier  findet  auch  der  herrliche,  dreimal  bei  verschiedenen 
Schulen  (Käth.  5,15.  Qvet.  6,14.  Mund.  2,2,10)  vorkommende 
Vers  seine  Erklärung: 

Dort  leuchtet  nicht  die  Sonne,  nicht  Mond  noch  Sternenglanz, 
Noch  jene  Blitze,  geschweige  irdisch  Feuer. 
Ihm,  der  allein  glänzt,  nachglänzt  alles  andre, 
Die  ganze  Welt  erglänzt  von  seinem  Glänze. 

Seine  ursprüngliche  Stellung  ist  in  der  Käthaka-Upanishad 
(vgl.  Up.  S.  308.  289.  554),  welche  auch  sonst  mehrfach  (vgl. 
Käth.  4,3 — 5.  5,8)  ihre  Abhängigkeit  von  Brih.  4,3 — 4  be- 
kundet. —  Von  Chänd.  8,12,4  war  schon  oben  die  Rede; 
und  wenn  es  in  der  berühmten  Stelle  Chänd.  8,3,4  und  8,12,3 
(vgl.  Maitr.  2,2.  Brahma- Up.  1,  S.  681)  heifst,  die  Seele  im 
Tiefschlafe  erhebe  sich  aus  diesem  Leibe,  gehe  ein  in  das 
höchste  Licht  (param  jyotis)  und  trete  dadurch- hervor  in 
eigner  Gestalt,  so  dürfte  in  der  eigentümlichen  Bezeichnung 
des  Brahman  als  param  jyotis  eine  Rückerinnerung  an  den 
Gedanken  Yäjnavalkya's  von  dem  Atman,  welcher  als  Subjekt 
des  Erkennens  sein  eigenes  Licht  ist,  liegen. 

Naheliegend  und  auch  in  Indien  althergebracht  ist  die  Der  ewige 
Auffassung  der  göttlichen  Welt  als  eines  ewigen  Lichtreiches  Brahman. 
im  Gegensatz  zu  der  Finsternis  dieser  Erde  (vgl.  die  Brih. 
1,3,28.  Chänd.  3,17,6  zitierten  Sprüche).  Diese  Vorstellung 
verschmolz  weiterhin  mit  dem  philosophischen  Gedanken,  dafs 
der  Atman  als  Subjekt  des  Erkennens  sein  eignes  Licht  ist, 
zu  der  oft  vorkommenden  Anschauung  von  dem  ewigen 
Tage  des  Brahman.  So  vielleicht  schon  Chänd.  3,11,  wo 
geschildert  wird,  wie  die  Sonne  nach  Ablauf  von  einunddreifsig 
Weltperioden  „nicht  mehr  aufgehen  noch  untergehen,  sondern 
nur  und  allein  in  der  Mitte  stehen  bleiben"  wird,  wie  aber 
für  den  Wissenden  dieser  Zustand  schon  jetzt  erreicht  ist,  so 
dafs  es  für  ihn  ein  für  allemal  Tag  ist  (sakrid-divä  ha  eva 
asmai  ohavati).  Ferner  Chänd.  8,4,2,  wo  Brahman  einer  Brücke 
verglichen  wird:  „Darum,  fürwahr,  auch  die  Nacht,  wenn  sie 


126  IV-    Das  Brahman  an  sich. 

über  diese  Brücke  gehet,  wandelt  sich  in  Tag,  denn  einmal 
für  immer  licht  (salcrid-vibhäta)  ist  diese  Brahmanwelt"  (die 
im  Herzen  ist).  Hierauf  beruhen  die  folgenden  Stellen ;  Qvet. 
4,18:  „das  Dunkel  weicht,  nun  ist  nicht  Tag  noch  Nacht  mehr"; 
—  Maitr.  6,24:  „indem  man  die  Finsternis  [des  Nichtwissens] 
durchbohrt,  gelangt  man  zu  dem  nicht  mit  Finsternis  Be- 
hafteten; und  wer  so  das  mit  ihr  Behaftete  durchbohrt  hat, 
der  hat  geschaut,  einem  schimmernden  Funkenkreise  ver- 
gleichbar, das  sonnenfarbige,  krafterfüllte,  finsternisjenseitige 
Brahman,  welches  in  jener  Sonne,  sowie  im  Monde,  im  Feuer, 
im  Blitze  erglänzt";  —  Nädabindu  17:  die  Meditation  von 
Om  führt  zuhöchst  „zum  ew'gen  Tage  des  Brahman,  aus  dem 
der  Lichter  Ursprung  ist";  —  Kanthacruti  2  (Up.  S.  699): 
„für  ihn  (den  Sannyäsin)  gibt  es  nicht  Tag  und  Nacht; 
darum  ist  auch  von  dem  Rishi  gesagt  worden  (Chänd.  3,11,3) 
«denn  es  ist  ein  für  allemal  Tag»";  —  Gaudapäda  (zur 
Mändükya)  3,35:  im  Yoga  wird  der  Geist  „ganz  nur  Er- 
kenntnislicht, das  ew'ge,  schlaf-  und  traumlose,  das  ohne 
Namen  und  Gestalt,  mit  eins  <  aufleuchtend  (Chänd.  8,4,1), 
allwissend,  —  ihm  gilt  keine  Verehrung  mehr!"  —  und  ib. 
4,81;  „das  s'chlummerlose,  traumlose  Ew'ge  ist  dann  sich  selber 
Licht  (Brih.  4,3,14.  Käth.  5,15);  für  immer  Licht  (Chänd.  8,4,1) 
ist  dies  Wesen,  ist  diese  Wesenheit  an  sich". 

Dafs  der  Atman  das  Subjekt  des  Erkennens  in  uns 
und  somit  kein  Objekt  der  Verehrung  sei,  wird  auch  in  den 
Eingangsversen  der  Kena-Upanishad  eingeschärft.  Hier  wird, 
im  Anschlufs  an  einen,  in  zwei  sehr  abweichenden  Formen 
Brih.  4,4,18  und  Kena  2  vorliegenden  Vers,  welcher  fordert, 
dafs  man  das  Auge  nur  als  Auge,  das  Ohr  nur  als  Ohr  usw. 
erkennen  (Brih.  4,4,18)  und  als  blofse  Werkzeuge  dahinten 
lassen  solle  (Kena  2,  vgl.  zur  Erläuterung  Chänd.  8,12,4. 
Kaush.  3,8),  weiter  entwickelt,  dafs  Rede,  Gedanke,  Auge, 
Ohr  und  Geruchsinn  nicht  dazu  verhelfen,  das  Brahman  wahr- 
zunehmen, sondern  selbst  erst,  als  Objekte,  von  Brahman  als 
dem  Subjekt  wahrgenommen  werden  (Kena  2 — 8). 
Gleich-  Die  Überzeugung,  dafs  der  Atman  das  Subjekt  des  Er- 

prajnd  mit  kennens  sei,  hat  schliefslich  auch  in  den  Rigvedaschulen  Ein- 
gang gefunden,  wiewohl  dieselben  den  Atman  vorwiegend  als 


3.  Brahman  als  Bewufstsein.  127 

den  Präna  oder  Purusha  (im  Sinne  von  Rigv.  10,90)  zu  ver- 
herrlichen pflegen.  Hieran  schliefst  sich,  Ait.  3,  ziemlich  un- 
vermittelt, die  Lehre,  dafs  der  Ätman  nicht  dasjenige  sei,  womit 
man  sieht,  hört,  riecht,  redet,  schmeckt  (das  Sinnesorgan), 
sondern  nur  und  allein  das  Bewufstsein  (prajnä):  „Was 
dieses  Herz  und  Manas  ist,  das  Überdenken,  Ausdenken,  Be- 
denken, Erdenken,  Verstand,  Einsicht,  Entschlufs,  Absicht, 
Verlangen,  Leidenschaft,  Erinnerung,  Vorstellung,  Kraft,  Le- 
ben, Liebe,  Wille,  —  diese  alle  sind  Namen  des  Bewufst- 
seins".  Alle  Götter,  alle  Elemente,  alle  Wesen,  „dieses  alles 
ist  vom  Bewufstsein  gelenkt,  im  Bewufstsein  gegründet;  vom 
Bewufstsein  gelenkt  ist  diese  Welt,  das  Bewufstsein  ist  ihr 
Grund,  das  Bewufstsein  ist  Brahman". 

Etwas  anders  verfährt  die  zweite  der  Rigvedaschulen, 
Kaush.  3  und  4.  Hier  wird  die  hergebrachte  Anschauung  des 
Brahman  als  Präna  mit  der  neuen  Erkenntnis  des  Brahman 
als  Prajnätman  (Bewufstseinselbst)  dadurch  verschmolzen,  dafs 
in  einer  trefflichen  Nachweisung  der  Abhängigkeit  aller  Sinnen- 
dinge und  Organe  vom  Bewufstsein  immerfort  die  Behauptung- 
wiederholt  wird:  „was  der  Präna  ist,  das  ist  die  Prajnä,  und 
was  die  Prajnä  ist,  das  ist  der  Präna".  —  Diese  Gleichsetzung 
so  heterogener  Begriffe  scheint  zu  beweisen,  dafs  die  Lehre 
vom  Brahman  als  Subjekt  des  Erkennens  (prajnä)  bei  den 
Kaushitakin's,  und  so  wohl  auch  bei  den  Aitareyin's,.  auf  Ent- 
lehnung beruht  und  mutmafslich  aus  dem  Gedankenkreise  des 
Yäjfiavalkya  herübergenommen  ist. 

In   der  spätem  Philosophie  hat  diese  Lehre  sich  zu  der  Der  Ätman 
verbreiteten   Auffassung    des  Brahman   oder  Ätman    als    des  al3 ' 
„Zuschauers"  (säkshin)  gestaltet,  welche  sich,  vielleicht  im  An- 
schlufs  an  Brih.  4,3,32  (salila),  zuerst  findet  Qvet.  6,11  (sälcshin) 
und  Pragna  6,5   (paridrashiar);   weitere  Nachweisungen  sind 
im  Upanishad-Index  unter  dem  Worte  „Zuschauer"  gegeben. 

4>  Brahman  als  Wonne  (änanda). 

Es  ist  dem  tieferen  religiösen  Bewufstsein  wesentlich,  das  über  den 
irdische  Leben  nicht  als  Selbstzweck,  sondern  als  blofses  Mittel  PemüT.i3' 
anzusehen,   durch   welches   wir   unserer   wahren   Bestimmung 


128  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

entgegenreifen  sollen.  Daher  die  drei  grofsen  Religionen  der 
Menschheit,  Brahmanismus,  Buddhismus  und  Christentum,  wie 
auch  die  das  Christentum  in  seiner  reinsten  Gestalt  vertretende 
Philosophie  Schopenhauers,  übereinstimmen  in  der  Lehre,  dafs 
das  höchste  Ziel  unserer  Bestrebungen  die  Erlösung  aus  diesem 
Dasein  ist.  Diese  Anschauung  setzt  voraus,  dafs  das  Erden- 
dasein ein  Zustand  ist,  aus  dem  wir  einer  Erlösung  bedürfen, 
und  insofern  eine  Auffassung  desselben,  welche  man  kurz  und 
gut  als  den  Pessimismus  bezeichnet  hat,  —  wiewohl  sich 
neuerdings  die  Sensationsphilosophie  dieses  Wortes  bemächtigt 
und  damit  ein  so  frivoles  Spiel  getrieben  hat,  dafs  man  sich 
fast  scheut,  dasselbe  noch  weiter  zu  gebrauchen.  Berechtigt 
ist  die  pessimistische  Anschauung  des  Lebens  nur  insoweit, 
als  sie  die  Voraussetzung  der  Erlösungslehre  ist,  insoweit  also, 
als  sie  z.  B.  auch  dem  echten  und  ursprünglichen  Christentum 
eigen    ist:    6  xcay-oc,  okoQ  iv   tö    Tcovqpw   xstxai    (1  Job..  5,19). 

B?he  p^l'i-  ^n  diesem  Sinne  ist  der  Pessimismus  auch  die  stillschweigende 
mismus.  Grundanschauung  der  Upanishadlehre ;  und  die  später  aus  ihr 
hervorgegangenen  Systeme  des  Buddhismus  und  der  Sänkhya- 
philosophie,  wie  auch  schon  gewisse  jüngere  Upanishad's,  ver- 
weilen, wie  später  zu  zeigen  sein  wird,  mit  Vorliebe  bei  diesem 
Thema;  denn  die  Leute  hören  es  gern,  wenn  man  ihnen  von 
ihren  Leiden  erzählt.  Im  Gegensatze  zu  ihnen  begnügen  sich 
die  älteren  Upanishad's,  in  diskreter  und  sozusagen  keuscher 
Weise  gelegentlich  an  die  leidvolle  und  das  Verlangen  nach 
Erlösung  weckende  Beschaffenheit  des  Daseins  zu  erinnern, 
was  nirgendwo  besser  und  würdiger  geschieht,  als  durch 
die  sinnschweren,  eine  Welt  von  Erfahrungen  zusammen- 
drängenden Worte  (Brih.  3,4,2.  3,5,1.  3,7,23):  ato  'nyad  ärtam 
„was  von  ihm  verschieden,  das  ist  leidvoll".  —  Im  Gegensatze 
zu  allem  von  ihm  Verschiedenen  und  daher  Leidvollen  wird 

Das  Brah-  das  Brahman  an  einer  der  Stellen,  wo  diese  Formel  vorkommt, 

man  leidlos. 

bezeichnet  als  dasjenige,  welches  „den  Hunger  und  den  Durst, 
das  Wehe  und  den  Wahn,  das  Alter  und  den  Tod  über- 
schreitet" (Brih.  3,5,1),  oder,  nach  andern  Stellen,  als  „das 
Selbst  (ätman),  das  sündlose,  frei  vom  Alter,  frei  vom  Tode 
und  frei  vom  Leiden,  ohne  Hunger  und  ohne  Durst"  (Chänd. 
8,1,5.   8,7,1);   —   „sein   Name    ist    «Hoch»,    denn   hoch    über 


4.  Brahman  als  Wonne.  129 

allem  Übel  ist  er"  (Chänd.  1,6,7),  usw.  —  Alle  diese,  häufig 
wiederkehrenden,  Schilderungen  werden  zusammengefafst  in  der 
Bezeichnung  des  Brahman  als  änanda  „die  Wonne". 

Dafs  die  Götter,  im  Gegensatze  zu  der  leidenden  Menschen-  .  Brahman 

.  .  .  .  ist  änanda. 

weit,  eine  ungetrübte  Seligkeit  geniefsen,  ist  wohl  eine  allen 
Völkern  gemeinsame  Anschauung.  Im  Gegensatze  dazu  gilt 
in  den  Upanishad's  die  Wonne  nicht  als  eine  Eigenschaft,  ein 
Zustand  des  Brahman,  sondern  als  dessen  eigenstes  Wesen; 
das  Brahman  ist  nicht  änandin,  Wonne  besitzend,  sondern 
änanda,  die  Wonne  selbst.  Diese  Identifikation  von  Brahman 
und  änanda  wird  vermittelt  durch  die  Anschauung,  dafs  der 
tiefe,  traumlose  Schlaf  einerseits,  durch  die  Aufhebung  des 
Gegensatzes  von  Subjekt  und  Objekt,  die  in  ihm  stattfindet, 
eine  vorübergehende  Einswerdung  mit  Brahman,  anderseits  . 
aber,  wegen  der  Aufhebung  aller  Leiden  in  ihm ,  als  eine 
keiner  Steigerung  fähige  Wonne  bezeichnet  wird.  (Vgl.  Piaton,  Wonne  des 
Apol.  p.  40  D,  wo.Sokrates  von  der  Nacht  redet,  sv  fj  ouxu  scbiafes. 
xaxsSap^Tsv,  w?ts  (jlt]5'  ovap  Ihuv,  und  meint,  dafs  auch  der 
König  von  Persien  nicht  viele  Tage  und  Nächte  hätte,  die 
dieser  am  Glück  gleichkämen,  und  Shakespeare,  Hamlet  3,1: 
and  by  a  sleep  to  say  we  end  The  heart-ache  and  the  thousand 
natural  shocks  Thai,  flesh  is  heir  to,  —  His  a  consummation 
Devoutly  to  be  wisJi'd.)  Wir  wollen  jetzt  nachweisen,  wie  in 
diesen  Vorstellungen  die  Auffassung  des  Brahman  als  Wonne 
ursprünglich  wurzelt.  Auch  hier  nimmt  die  Führung  das 
Brihadäranyakam. 

Brih.  2,1,19:  „Aber  wenn  er  im  Tiefschlafe  ist,  wenn  er 
sich  keines  Dinges  bewufst  ist,  dann  sind  da  die  Hitäh  (die 
Wohltätigen)  genannten  Adern ,  deren  sich  zweiundsiebzig- 
tausend  vom  Herzen  aus  in  dem  Perikardium  verbreiten;  in 
diese  schlüpft  er  hinein  und  ruht  in  dem  Perikardium;  und 
wie  ein  Jüngling  oder  ein  grofser  König  oder  ein  grofser 
Brahmane,  ein  Übermafs  von  Wonne  (atighnim  änandasya) 
geniefsend,  ruht,  also  ruht  dann  auch  er".  —  Diese  Stelle  (wie 
auch  die  Parallelstelle  Kaush.  4,19)  scheint  zurückzugehen  auf 
die  ausführliche  Schilderung  des  Tiefschlafes  Brih.  4,3,19 — 33, 
welche  noch  nicht  die  Zahl  der  Adern  bestimmt,  in  der  Über- 
bietung  der  Wonnen  4,3,33  den  Schlüsse]   zu  dem   atighnim 

Dbussen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,n.  9 


130  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

änandasya  bietet  und  im  ganzen  (von  den  Interpolationen  ab- 
gesehen) den  Eindruck  höchster  Ursprünglichkeit  macht.  Hier 
wird,  nach  Bezeichnung  des  Tiefschlafes  als  des  Zustandes, 
„wo  er,  eingeschlafen,  keine  Begierde  mehr  empfindet  und  kein 
Traumbild  schaut",  und  nach  Erwähnung  der  Adern,  der  Über- 
gang von  dem  Traumbewufstsein  zu  dem  Tiefschlafbewufstsein 
—  von  dem  Bewufstsein,  dieses  und  jenes  zu  sein,  zu  dem 
Bewufstsein,  alles  zu  sein  (aham  eva  idam  sarvo  'smi),  wodurch 
Subjekt  und  Objekt  zusammenfallen  —  geschildert,  und  sodann 
heilst  es:  „Das  ist  die  Wesensform  desselben,  in  der  er  über 
das  Verlangen  erhaben,  vom  Übel  frei  und  ohne  Furcht  ist. 
Denn  so  wie  einer,  von  einem  geliebten  Weibe  umschlungen 
[der  ursprüngliche  Sinn  von  änanda],  kein  Bewufstsein  hat, 
von  dem  was  aufsen  oder  innen  ist,  so  auch  hat  der  Geist, 
von  dem  erkenntnisartigen  Selbste  [präjüena  ätmanä,  d.  i.  dem 
Brahman)  umschlungen,  kein  Bewufstsein  von  dem  was  aufsen 
oder  innen  ist.  Das  ist  die  Wesensform  desselben,  in  der  er 
gestillten  Verlangens,  selbst  sein  Verlangen,  ohne  Verlangen 
ist  und  von  Kummer  geschieden.  Dann  ist  der  Vater  nicht 
Vater  und  die  Mutter  nicht  Mutter,  die  Welten  sind  nicht 
Welten,  die  Götter  nicht  Götter,  die  Veden  nicht  Veden" 
usw.,  alle  Gegensätze  haben  aufgehört,  „dann  ist  Unberührt- 
heit vom  Guten  und  Unberührtheit  vom  Bösen,  dann  hat  er 
überwunden  alle  Qualen  seines  Herzens".  Dieser  Zustand 
wird  dann  weiter  geschildert  als  der  eines  reinen  Erkennens, 
objektlosen  Subjektseins  (vgl.  die  v6tj<ji,s  voVjffsoc) ,  und  dann 
heifst  es:  „Dieses  ist  sein  höchstes  Ziel,  dieses  ist  sein  höchstes 
Glück,  dieses  ist  seine  höchste  Welt,  dieses  ist  seine  höchste 
Wonne ;  durch  ein  kleines  Teilchen  nur  dieser  Wonne  haben 
ihr  Leben  die  andern  Kreaturen".  Zur  Erläuterung  dieses 
Satzes  (und  daher  hier  wohl  ursprünglich  und  Taitt.  2,8  von 
hier  entlehnt  und  noch  weiter  getrieben)  wird  schliefslich 
durch  eine  Steigerung  durch  sechs  (Taitt.  2,8  zehn)  Stufen 
hindurch  gezeigt,  wie  die  höchste  menschliche  Wonne  nur  ein 
Billionstel  (Taitt.  2,8  ein  Hunderttrillion stel)  von  einer  Wonne 
in  der  Brahmanwelt  (Taitt.  2,8  von  einer  Wonne  des  Brahman) 
ist;  „und  dieses  ist  die  höchste  Wonne,  dieses  ist  die  Brahman- 
welt" (die  im  Herzen  ist). 


4.  Brahman  als  Wonne.  131 

In  dieser  Brihadäranyakastelle  haben  wir  deutlich  die  Ent-  Der  Tief- 
stehung  der  Lehre  von  Brahman  als  Wonne  vor  Augen.  Die  Grund  der 
ganze  Stelle  handelt  vom  Tiefschlafe  und  schildert  denselben  BrahmTn 
einerseits  als  eine  Einswerdung  mit  Brahman,  anderseits  als  a 
einen  Zustand  höchster,  unüberbietbarer  Wonne,  bis  dann  in 
den  Schlufsworten :  „dieses  ist  die  höchste  Wonne,  dieses  ist 
die  Brahmanwelt"  die  Identifikation  von  Brahman  und  Wonne 
sich  vollzieht.  Denn  dafs  unter  der  „Brahmanwelt"  nicht  die 
Welt  des  Brahman,  sondern  Brahman  als  Welt  (nicht  brahmano 
lokali,  sondern  brahma  eva  lokah)  zu  verstehen  ist,  bemerkt 
schon  der  Kommentator  p.  81,5,5  und  915,7  mit  Recht.  Hier- 
nach scheint  die  ganze  Lehre  von  Brahman  als  Wonne  auf 
dieser  Stelle,  in  welcher  wir  ihre  Genesis  beobachten  können, 
ursprünglich  zu  beruhen  (dafs  alle  Götter  änanda- ätmänah 
seien,  wie  schon  Qatap.  Br.  10,3,5,13  gesagt  wird,  ist  doch 
noch  etwas  anderes),  und  die  Betrachtung  der  übrigen,  dies© 
Lehre  enthaltenden  Stellen  läfst  als  wohl  möglich  erscheinen, 
dafs  sie  alle  aus  unserer  Stelle,  Brih.  4,3,19 — 33,  geschöpft 
haben.  Von  Brih.  2,1,19  (und  Kaush.  4,19)  war  schon  oben 
die  Rede.  In  der  Chändogya-Upanishad  kommt  das  Wort 
änanda  nicht  vor;  aber  wenn  es  Chänd.  4,10,5  heifst:  „Brahman 
ist  Leben  (präna),  Brahman  ist  Freude  (Mm),  Brahman  ist 
Weite  (kham)",  so  steht  hier  kham  für  äkäga  und  Mm  für 
änanda,  und  die  auf  serliche  Gleichsetzung  der  drei  Begriffe 
präna,  änanda,  äMga  macht  den  Eindruck  eines  sekundären 
Vermittlungsversuches.  Auch  Chänd.  7,23,  wo  die  Lust  (su- 
kham,  hier  =  änanda)  'dem  Bhüman  gleichgesetzt  wird  (yo 
vai  bliümä  tat  sukham),  läfst  durch  die  folgende  Schilderung 
des  Bhüman  als  objektloses  Subjekt  des  Erkennens  eine  Ab- 
hängigkeit von  dem  Gedankenkreise  des  Yäjnavalkya  vermuten. 
—  Die  Kaushitaki-Upanishad  feiert,  wie  oben  besprochen, 
Brahman  als  den  mit  der  Prajfiä  gleichgesetzten  Präna  und 
gebraucht  das  Wort  änanda  dabei  nur  in  der  ursprünglichen 
Bedeutung  „Geschlechtslust".  Um  so  auffallender  ist  es,  dafs 
Kaush.  3,8,  nachdem  es  noch  soeben  hiefs,  man  solle  nicht 
nach  änanda  fragen,  sondern  nach  dem  änandasya  vijnätar, 
gleich  darauf  gesagt  wird:  „dieser  Präna  ist  aber  der  Prajnat- 
man,  ist  Wonne  (änanda),  ist  nichtalternd,   ist  unsterblich". 

9* 


132  IV.    Das  Brahman  an  sich. 

Hier  ist  die  Entlehnung  des  "Wortes  änanda  aus  einem  andern 
Gedankenkreise  wohl  unverkennbar. 
Der  dnanda-  Die  grofse  Hauptstelle  für  Brahman  als  Wonne  ist  die 
"*Taitt.  a?"'  Änandavalli,  Taitt.  2  (Taitt.  3  ist  nur  eine  Nachbildung),  wo 
der  annamaya,  pränamaya,  manomaya  und  vijnänamaya  Atman 
als  blofse  Schalen  abgelöst  werden,  um  zum  änandamaya  Atman 
als  Kern  durchzudringen.  Von  diesem  aus  "Wonne  bestehenden 
Atman  heifst  es  sodann:  „An  ihm  ist  Liebes  das  Haupt, 
Freude  die  rechte  Seite,  Freudigkeit  die  linke  Seite,  Wonne 
der  Rumpf,  Brahman  das  Unterteil,  das  Fundament".  Das 
Brahman,  welches  hier  als  Fundament  des  wonneartigen 
Selbstes  bezeichnet  wird,  ist  ursprünglich  ein  Nichtseiendes 
(d.  h.  nur  metaphysisch  Seiendes)  und  schafft,  wie  weiter  gesagt 
wird,  sich  selbst  aus  sich  selbst,  daher  es  ein  Wohlbeschaffenes 
heifst.  „Was  dieses  Wohlbeschaffene  ist,  fürwahr,  das  ist  die 
Essenz.  Denn  wenn  einer  diese  Essenz  empfängt,  so  wird  er 
wonnevoll.  Denn  wer  könnte  atmen,  wer  leben,  wenn  in  dem 
AMga  [dem  Leeren,  daraus  die  Welt  entstanden]  nicht  jene 
Wonne  wäre.  Denn  er  ist  es,  der  die  Wonne  schaffet.'  Denn 
wenn  einer  in  jenem  Unsichtbaren,  Unrealen,  Unaussprech- 
lichen, Unergründlichen  den  Frieden,  den  Standort  findet,  als- 
dann ist  er  zum  Frieden  gelangt."  Weiter  wird  davor  ge- 
warnt, den  Erkenntnisdrang  zu  weit  zu  treiben  und  in  dem 
wonneartigen  Selbste  noch  einen  Unterschied  von  Subjekt  und 
Objekt  zu  machen,  wodurch  man  wieder  dem  Bereiche  der 
Furcht  verfallen  würde,  und  dann  folgt  Taitt.  2,8  mit  dem 
Titel :  „Dieses  ist  die  Betrachtung  über  die  Wonne  (änandasya 
mimänsä)"  dieselbe  Potenzierung  der  Wonnen,  die  wir  schon 
aus  Brih.  4,3,33  kennen,  wo  sie  naturgemäfs  als  Erläuterung 
des  vorhergehenden  Satzes  steht,  während  sie  Taitt.  2,8  unter 
besonderm  Titel  und  ohne  solchen  Anschlufs  an  das  Vorher- 
gehende auftritt.  Dieser  Umstand,  sowie  die  Vermehrung  der 
Potenzierung  von  sechs  Gliedern  auf  zehn  und  manche  Einzel- 
heiten machen  es  wahrscheinlich,  dafs  beide  Texte  nicht  einer 
gemeinsamen  Quelle  entstammen,  sondern  dafs  Taitt.  2,8  direkt 
auf  Brih.  4,3,33  beruht.  Ist  dies  annehmbar,  so  dürfte  Taitt.  2 
als  polemisch  gegen  Brih.  4,3 — 4  gerichtet  sich  ergeben.  Denn 
der  Ausdruck  vijnänamaya  Atman  (PurusJia)  bedeutet  Brih.  4,3,7» 


4.  Brahman  als  Wonne.  133 

4,4,22  (vgl.  2,1,16)  das  objektlose  Erkenntnissubjekt  und  damit 
das  Höchste,  während  Taitt.  2,5  dieser  vijnänamaya  als  das  dem 
Objekt  gegenüberstehende  Subjekt  aufgefafst  und  gegen  Brih.  4.3 
zu  einer  blofsen  Vorstufe  des  änandamaya  herabgesetzt  wird. 

Alle  spätem  Stellen  beruhen  teils  auf  Brih.  4,3  (vgl.  Mund,     spätere 

•  '      \    o  •  •         Stelleu 

2,2,7.  Mänd.  5  mit  Gaudap.  1,3 — 4),  teils  auf  Taitt.  2,  wie 
z.  B.  Mahänär.  63,16.  Maitr.  6,13  6,23.  6,27.  7,3.  Tejobindu  8 
(änandam  nandana-atitam) ,  Sarvop.  9 — 13  usw.  Die  Bezeich- 
nung des  annamaya  usw.  als  „Hüllen"  (TcogcCs)  dürfte  zuerst 
in  dem  Verse  Maitr.  6,27  vorkommen.  Manche  der  Späteren 
fassen  dabei  den  änandamaya  (der  ursprünglichen  Absicht  ent- 
sprechend) als  innersten  Kern  auf;  andere  sehen  in  der  poetischen 
Schilderung  desselben  Taitt.  2,5  noch  Vielheitliches  (priyamy 
moda,pramoda,  änanda)  und  fassen  ihn  daher  als  fünfte  Hülle  auf, 
in  welcher  als  Kern  das  Taitt.  2,5  als  „Fundament"  bezeichnete 
brahman  stecke,  worüber  im  spätem  Vedänta  eine  grofse  Streit- 
frage bestand  (vgl.  darüber  System  des  Vedänta  S.  149 — 151), 

5.  Negative  Natur  and  Unerkennbarkeit  des  Brahman  an  sich. 

Wir  haben  gesehen,  wie  die  Bezeichnungen  des  Brahman  Negativer 
als  Sein,  Denken  und  Wonne  (sac- cid -änanda),  welche  im  der^TaheTi 
spätem  Vedänta  üblich  sind,  schon  in  den  alten  Upanishad's ge^g8enm" 
ihre  Wurzel  haben,  und  wie  sich  ihre  Aussagen  über  Brahman 
unter  diesen  drei  Begriffen  befassen  lassen.  Aber  hiermit  ist 
kein  positiver  Aufschlufs  über  die  Natur  des  Brahman  ge- 
wonnen. Denn  das  Seiende,  welches  Brahman  ist,  darf  nicht 
als  ein  Seiendes  verstanden  werden,  wie  wir  es  durch  die 
Erfahrung  kennen,  und  ist,  wie  wir  sahen,  im  empirischen 
Sinne  vielmehr  ein  Nichtseiendes.  Die  Schilderungen  des 
Brahman  als  das  erkennende  Subjekt  in  uns  sind  in  der  Regel 
von  der  Versicherung  begleitet,  dafs  dieses  erkennende  Sub- 
jekt, der  „Erkenner  des  Erkennens",  selbst  ewig  unerkennbar 
bleibe,  und  besagen  somit  nur,  dafs  dem  Brahman  jedes  objek- 
tive Sein  abzusprechen  sei.  Und  auch  die  Wonne,  welche 
als  Wesen  des  Brahman  bezeichnet  wird,  ist  nicht  eine  Wonne, 
wie  wir  sie  erkennen  oder  fühlen  können,  sondern  nur  eine 
solche,  wie  sie  im  tiefen,  traumlosen  Schlafe  herrscht,  wenn 
der    Unterschied    von    Subjekt    und    Objekt    und    somit    das 


134  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

Bewufstsein  aufgehört  hat.  Somit  sind  alle  drei  Bestimmungen 
des  Brahman  als  Sein,  Denken  und  Wonne  im  Grunde  nur 
negativ:  das  Sein  ist  die  Negation  alles  empirischen  Seins, 
das  Denken  die  Negation  alles  objektiven  Seins,  die  "Wonne 
die  Negation  alles  in  erkennendes  Subjekt  und  erkanntes  Ob- 
jekt auseinandergetretenen  Seins;  und  somit  ergibt  sich  als 
schliefsliches  Resultat  und  Hauptdogma  der  Upanishadlehre 
Unerkenn-  die  völlige  Unerkennb arkeit  des  Brahman  nach  seinem 

carkeit  des  ° 

Brahman.  eigentlichen,  ansichseienden  Wesen. 

Diese  Unerkennbarkeit  des  Brahman,  des  Ätman,  wird 
schon  von  den  alten  Upanishad's  auf  das  nachdrücklichste 
eingeschärft;-  Yäjfiavalkya  fafst  seine  Betrachtungen  über  den 
Ätman  nicht  weniger  als  viermal  (Brih.  4,2,4.  4,4,22.  4,5,15. 
3,9,26,  —  ein  fünftes  Vorkommen  Brih.  2,3,6  beruht  auf  Ent- 
lehnung) in  der  berühmten  Formel  zusammen:  „Er  aber,  der 
Ätman,  ist  nicht  so  und  ist  nicht  so  (neu,  neti).  Er  ist  un- 
greifbar, denn  er  wird  nicht  gegriffen;-  unzerstörbar,  denn  er 
wird  nicht  zerstört;  unhaftbar,  denn  es  haftet  nichts  an  ihm; 
er  ist  nicht  gebunden,  er  wankt  nicht,  er  leidet  keinen  Scha- 
den"; —  Brih.  4,4,25:  „Fürwahr,  dieses  grofse,  ungeborne 
Selbst  ist  nicht  alternd,  nicht  welkend,  unsterblich,  furchtlos, 
ist  das  Brahman";  —  Brih.  3,8,8:  „Es  ist  das,  o  Gärgi,  was 
die  Weisen  das  Unvergängliche  (ahsharam)  nennen;  es  ist 
nicht  grob  und  nicht  fein,  nicht  kurz  und  nicht  lang;  nicht 
rot  [wie  Feuer]  und  nicht  anhaftend  [wie  Wasser] ;  nicht 
schattig  und  nicht  finster;  nicht  Wind  und  nicht  Äther  [Raum]; 
nicht  anklebend  [wie  Lack];  ohne  Geschmack,  ohne  Geruch, 
ohne  Auge  und  ohne  Ohr,  ohne  Rede,  ohne  Verstand,  ohne 
Lebenskraft  und  ohne  Odem;  ohne  Mündung  und  ohne  Mafs, 
ohne  Inneres  und  ohne  Äufseres;  nicht  verzehret  es  irgend 
was,  nicht  wird  es  verzehrt  von  irgend  wem". 

Auf  diesen  Stellen  beruhen  die  Ausführungen  der  spätem 
Upanishad's.  So  Käth.  2,18,  wo  es  von  dem  „Seher"  {vipagcit, 
d.  h.  dem  Subjekt  des  Erkennens)  heifst: 

Nicht  wird  geboren  und  nicht  stirbt  der  Seher, 
Stammt  nicht  von  jemand,  wird  auch  nicht  zu  jemand. 
Von  ewig  her,  bleibt  ewig  er  der  Alte  (Brih   4,4,18), 
Wird  nicht  getötet,  wenn  den  Leib  man  tötet 


5.   Negative  Natur  und  Unerkennbarkeit.  135 

Ebenso  Mund.  1,1,5:  „Aber  die  höhere  [Wissenschaft]  ist  die, 
durch  welche  jenes  Unvergängliche  {aksharam,  Brih.  3,8,8)  er- 
kannt wird;  jenes,  welches 

Unsichtbar,  ungreifbar,  ohne  Stammbaum,  farblos, 
Ohn'  Aug'  und  Ohren,  ohne  Hand'   und  Füfse, 
Ewig,  durchdringend,  überall,  schwer  erkennbar, 
Jenes  Unwandelbare, 
Das  als  der  Wesen  Schofs  die  Weisen  schauen." 

Ferner  (Käth.  3,15): 

„Was  unhörbar,  unfühlbar,   unsichtbar  beharrt, 
Unschmeckbar  und  unriechbar,  unvergänglich  ist, 
Anfanglos,  endlos,  gröfser  als  Grofses,  ewig  bleibt, 
Wer  das  erkennt,  wird  aus  des  Todes  Rachen  frei." 

Und  (Icä  8)  : 

„Er  streckt  sich  ringshin,  körperlos  und  sehnenlos, 
Rein,  lauter,  unverwundbar,  frei  vom  Übel. 
Vorschauend,   durch  sich  selbst  nur,   allumfassend, 
Hat  jedem  nach  der  Art  die  Zwecke  er 

für  ew'ge  Zeiten  vorgezeichnet." 

Auf  Brih.  3,5:  „derjenige  (Ätman),  welcher  den  Hunger  und 
den  Durst,  das  Wehe  und  den  Wahn,  das  Alter  und  den  Tod 
überschreitet",  scheint  zu  beruhen  Chänd.  8,1,5  (=  8,7,1):  „das 
ist  der  Ätman,  der  sündlose,  frei  vom  Alter,  frei  vom  Tod 
und  frei  vom  Leiden,  ohne  Hunger  und  ohne  Durst",  während 
Chänd.  6,8 — 16  allerlei,  das  Denken  beschäftigende,  Natur- 
erscheinungen bis  zu  ihrer  unerkennbaren  Wurzel  zurück- 
verfolgt werden,  worauf  es  von  dieser  in  dem  berühmten, 
neunmal  wiederholten  Refrain  heilst:  „Was  jene  Feinheit 
(d.  h.  jenes  Unerkennbare,  animan)  ist,  ein  Bestehen  aus  dem 
ist  dieses  Weltall,  das  ist  das  Reale,  das  ist  die  Seele,  das 
bist  du  (tat  tvam  asi),  o  Qvetaketu!" 

Die  Unerkennbarkeit  des  Brahman,  welche  dazu  führte,  Daller  Bei- 
ihm  in  den  obigen  Stellen   alle   empirischen  Prädikate  abzu-  w|dfr8°re- 
sprechen,  kommt  in  poetischer  Weise  auch  dadurch  zum  Aus-  c^tfmmune 
drucke,  dafs  dem  Brahman  die  widersprechendsten  und  un-      gen- 
vereinbarsten  empirischen  Bestimmungen  beigelegt  werden,  wie 
folgende  beiden  Stellen  zeigen. 


136  IV.  Das  Brahman  an  sich. 

Er  sitzt  und  wandert  doch  fernhin, 

Er  liegt  und  schweift  doch  allerwärts, 

Des  Gottes  Hin-  und  Herwogen, 

Wer  verstände  es  aufser  mir?     (Käth    2,21.) 

Eins,  —  ohne  Regung  und  doch  schnell  wie  Denken,  — 
Hinfahrend,  nicht  von  Göttern  einzuholen,  — 
Stillstehend  überholt  er  alle  Läufer,  — 
Ihm  wob   schon  die  Urwasser  ein   der  Windgott. 

Rastend  ist  es  und  doch  rastlos, 

Ferne  ist  es  und  doch  so  nah! 

In  allem  ist  es  inwendig, 

Und  doch  aufserhalb  allem  da      (Igä  4 — 5.) 

Hier  werden  dem  Brahman  die  Gegensätze  der  Nähe  und 
Ferne,  der  Ruhe  und  Bewegung  in  solcher  Weise  beigelegt, 
dafs  sie  sich  gegenseitig  aufheben  und  nur  dazu  dienen,  die 
Unfafsbarkeit  des  Brahman  durch  alle  empirischen  Bestim- 
mungen zu  illustrieren. 

Am  schärfsten  aber  kommt  die  Unmöglichkeit,  Brahman 
zu  erkennen,  zum  Ausdrucke  in  der  schon  oben  erwähnten 
neu,  neta  Formel  des  Yäjnavalkya:  neti,  neti,  „es  ist  nicht  so,  es  ist 
nicht  so"  (na  iti,  na  üi).  Über  den  ursprünglichen  Sinn  der- 
selben kann  man  zweifelhaft  sein.  Nach  Hillebrandt  (in  einer 
Rezension  meiner  Upanishadübersetzung,  Deutsche  Literatur- 
zeitung 1897,  S.  1929)  soll  na  nicht  die  Negation,  sondern 
eine  affirmative  Partikel  sein  in  dem  Sinne  „fürwahr",  „es 
ist".  Oder  man  könnte  die  Formel  konstruieren  als  'na  iti 
na'  iti,  Brahman  „ist  nicht  nicht",  ist  die  Negation  der  Ne- 
gation, „ein  versagen  des  versagennes",  das  „nihteniht,  daz  e  was 
denne  niht",  wie  Meister  Eckhart  (ed.  Pfeiffer,  S.  322.  539) 
sich  ausdrückt.  Aber  diese  Auffassungen  haben  nicht  nur  den 
Zusammenhang  gegen  sich,  in  welchem  die  Formel  an  den 
vier  Steilen,  wo  sie  ursprünglich  steht  (Brih.  4,2,4.  4,4,22. 
4,5,15.  3,9,26),  zur  Erläuterung  von  einer  Häufung  negativer 
Prädikate  begleitet  wird  (agrihyo,  na  hi  grihyate  usw.), 
sondern  auch  alle  uns  bekannten  indischen  Erklärungen  der 
Formel.  Eine  solche  wird  schon  gegeben  Brih.  2,3,6:  na  hi 
etasmäd  —  iti  neti  —  anyat  param  asti  „denn   nicht  gibt   es 


5.   Negative  Natur  und  Unerkennbarkeit.  137 

aufser  dieser  [Bezeichnung],  dafs  es  nicht  so  ist,  eine  andre", 
oder  (weniger  gut) :  „denn  nicht  gibt  es  aufser  diesem  [Brah- 
man],  —  darum  heilst  es,  es  ist  nicht  so,  ein  andres  darüber 
hinaus".  Hiernach  steht  na  iti  für  na  evam,  wie  schon  Bäda- 
räyana  erklärt  (Sütram  3,2,22):  prahrüa-etävattvam  hi  prati. 
sJiedhaii  „denn  sie  [die  Stelle]  verneint  das  vorerwähnte 
(Brih.  2,3,6)  So-und-so  sein",  und  Qafikara  zu  diesem  Sütram 
(indem  er  beide  oben  mitgeteilte  Erklärungen  gibt)  bestätigt. 
Ebenso  schon  vor  ihm  Gaudapäda  (Mändükyakarikä  3,26): 

Das  Wort:  „es  ist  nicht  so,  nicht  so", 
Absprechend  alles  Sagbare, 
Kann,  wie  die  Unerkennbarkeit 
Zeigt,  auf  Ihn  sich  beziehen  nur. 


Wir  wissen  jetzt  durch  die  kantische  Philosophie,  dafs  Kant« 
alle  empirische  Ordnung  der  Dinge  den  Gesetzen  des  Baumes,  dogmananti- 
der  Zeit  und  der  Kausalität  (dega-Mla-nimitta,  wie  schon  in  ziPiert- 
einer  spätem  Upanishad,  Up.  S.  626,  und  wohl  ein  dutzendmal 
von  Qankara  gesagt  wird,  Syst.  des  Yed.  S.  341)  unterworfen 
ist,  und  dafs  das  Ansichseiende,  also  indisch  gesprochen  das 
Brahman,  im  Gegensatze  zur  empirischen  Weltordnung,  nicht, 
wie  sie,  im  Räume,  sondern  raumlos,  nicht  in  der  Zeit,  son- 
dern zeitlos,  nicht  dem  Gesetze  der  Kausalität  unterworfen, 
sondern  kausalitätlos  ist.  Dieser  Satz  müfste  nicht  die  ewige, 
für  alle  Zeiten  und  Völker  gleichmäfsig  gültige  Wahrheit  ent- 
halten, wenn  sich  nicht  Antizipationen  desselben  bei  allen 
Metaphysikern  der  Vergangenheit,  und  so  auch  schon  in  den 
Upanishad's  finden  sollten.  Wir  wollen  dieselben  hier  auf- 
suchen und  müssen  nur  noch  im  voraus  bemerken,  dafs  jene 
alten  Zeiten  vielfach  noch  nicht  vermochten,  den  Begriff  einer 
raumiosen,  zeitlosen,  kausalitätlosen  Existenz  in  seiner  ab- 
strakten Reinheit  aufzustellen,  sondern  nur  ein  empirisches 
Äquivalent  desselben  zu  erfassen;  unter  dieser  Voraussetzung 
erscheint  die  Raumlosigkeit  als  ein "  Entbundensein  des 
Brahman  von  den  Gesetzen  des  Raumes,  welcher  jedem  Dinge 
Grenzen  gibt  und  einen  bestimmten  Ort  und  keinen  andern 
anweist,  während  das  Brahman  als  allgegenwärtig,  alldurch- 


138  rV.  Das  Brahman  an  sich. 

dringend,  unbegrenzt,  unendlich  grofs  und  unendlich  klein 
beschrieben  wird;  ebenso  erscheint  die  Zeitlosigkeit  des  Brah- 
man als  Freiheit  von  den  Bestimmungen  der  Zeit,  als  anfang- 
lose und  endlose  Ewigkeit  und  wiederum  als  momentane,  keine 
Zeit  füllende  Dauer  (als  Blitz);  und  endlich  stellt  sich  ebenso 
die  Kausalitätlosigkeit  dar  als  Freiheit  von  allen  Gesetzen 
des  Werdens,  dessen  allgemeine  Eegel  eben  die  Kausalität  ist, 
als  Ursachlosigkeit,  Durchsichselbstsein  und  unwandelbares 
Beharren. 
Brahman  1)  Brahman  als  raumlos.     Brih.  3,8,7  heifst  es:  „Was 

3 'oberhalb  des  Himmels  ist,  o  Gärgi,  und  was  unterhalb  der 
Erde  ist  und  was  zwischen  beiden,  dem  Himmel  und  der  Erde, 
ist,  was  sie  das  Vergangene,  Gegenwärtige  und  Zukünftige 
nennen,  das  ist  eingewoben  und  verwoben  in  dem  Räume".  — 
„Aber  worin  ist  denn  der  Raum  eingewoben  und  verwoben?" 
—  Als  Antwort  folgt  eine  herrliche  Schilderung  des  Brahman 
als  des  Unvergänglichen  (aJcsharam),  und  zum  Schlufs  heifst 
es:  „Fürwahr,  in  diesem  Unvergänglichen  ist  der  Raum  ein- 
gewoben und  verwoben,  o  Gärgi".  —  Brih.  2,5,19:  „Dieses 
Brahman  ist  ohne  Früheres  und  ohne  Späteres,  ohne  Inneres 
und  ohne  Aufseres;  dieser  Atman  ist  das  Brahman,  der  all- 
vernehmende (oder  alldurchdringende,  sarvänubhü)"  —  Brih. 
4,2,4:  „Die  vordere  (östliche)  Himmelsgegend  sind  seine  vor- 
deren Organe,  die  rechtsseitige  (südliche)  Himmelsgegend  sind 
seine  rechtsseitigen  Organe,  die  hintere  (westliche)  Himmels- 
gegend sind  seine  hinteren  Organe,  die  linksseitige  (nördliche) 
Himmelsgegend,  sind  seine  linksseitigen  Organe,  die  Himmels- 
gegend nach  oben  sind  seine  oberen  Organe,  die  Himmels- 
gegend nach  unten  sind  seine  unteren  Organe,  alle  Himmels- 
gegenden sind  alle  seine  Organe".  —  Chänd.  7,25:  „Sie  aber 
(die  Unbeschränktheit,  der  ßltüman)  ist  unten  und  ist  oben, 
im  Westen  und  im  Osten,  im  Süden  und  im  Norden;  sie  ist 
diese  ganze  Welt.  —  Daraus  folgt  für  das  Ichbewufstsein 
(ahanlcära):  Ich  (aham)  bin  unten  und  oben,  im  Westen  und 
im  Osten,  im  Süden  und  im  Norden;  ich  bin  diese  ganze 
Welt.  —  Daraus  folgt  für  die  Seele  (ätman):  Die  Seele  ist 
unten  und  oben,  im  Westen  und  im  Osten,  im  Süden  und  im 
Norden;   die  Seele  ist  diese   ganze  Welt."     Vgl.  Maitr.  6,17: 


5.   Negative  Natur  und  Unerkeunbarkeit.  139 

„Das  Brahman,  fürwahr,  war  diese  Welt  zu  Anfang,  der  Eine, 
Unendliche;  unendlich  nach  Osten,  unendlich  nach  Süden,  un- 
endlich im  Westen,  unendlich  im  Norden,  und  nach  oben  und 
unten,  unendlich  nach  allen  Seiten.  Für  ihn  gibt  es  keine 
östliche  oder  sonst  eine  Himmelsgegend,  kein  in  die  Quere, 
kein  unten  oder  oben,"  —  Chänd.  3,14,3:  „Dieser  ist  meine 
Seele  (ätman)  im  innern  Herzen,  kleiner  als  ein  Reiskorn  oder 
Gerstenkorn  oder  Senfkorn  oder  Hirsekorn  oder  eines  Hirse- 
kornes Kern;  —  dieser  ist  meine  Seele  im  innern  Herzen, 
gröfser  als  die  Erde,  gröfser  als  der  Luftraum,  gröfser  als  der 
Himmel,  gröfser  als  diese  Welten".  —  Auf  Stellen  wie  diese 
ist  es  zurückzuführen,  wenn  Brahman  in  einem  Öfter  vor- 
kommenden Verse  (Käth.  2,20.  Qvet.  3,20.  Mahän.  10,1)  „des 
Kleinen  Kleinstes  und  des  Grofsen  Gröfstes"  genannt  wird, 
und  wenn  ihm  die  Epitheta  „allgegenwärtig"  (sarvaga  Qvet. 
6,17.  Mund.  3,2,5,  sarvagata  Qvet.  3,11.  21.  Mund.  1,1,6)  und 
^alldurchdringend"  (vibhu  Kath.  2,22.  4,4,  vyäpaka  Kath.  6,8) 
beigelegt  werden.  Auch  seine  Bezeichnung  als  „unteilbar" 
(mshJcala  Qvet.  6,19.  Mund.  2,2,9,  akala  Qvet.  6,5.  Pracna  6,5. 
Maitr.  6,15)  involviert,  da  alles  Räumliche  teilbar  ist,  die  Raum- 
losigkeit.  Da  ferner  alles  Räumliche,  weil  teilbar,  eine  Viel- 
heit einschliefst,  so  kommt  es  einer  Negation  der  Räumlich- 
keit gleich,  wenn  dem  Brahman  Kaush.  3,8  (no  dem  nänä), 
Brih.  4,4,19  und,  in  Erweiterung  dieses  Verses,  Kath.  4,10 — 11 
alle  Vielheit  abgesprochen  wird 

Was  hier  ist,  das  ist  auch  dorten, 
Was  dorten  ist,  das  ist  auch  hier; 
Von  Tod  in  neuen  Tod  stürzt  sich, 
Wer  hier  Verschied'nes  meint  zu  seh'n. 

Im  Geiste  soll  man  dies  merken: 
Nicht  ist  hier  Vielheit  irgendwie, 
Von  Tod  zu  neuem  Tod  schreitet, 
Wer  hier  Verschied'nes  meint  zu  seh'n. 

2)   Brahman    als    zeitlos.      Bestimmter    noch   als    der  Brahman 
Raum,  wird  dem  Brahman  die  Zeit  abgesprochen;  so  schon  in  als  zeitl0B- 
einigen  der  angeführten  Stellen.     Ferner  in  seinen  Bezeich- 
nungen als  „frei  von  Vergangnem  und  Künft'gem"  (Kath,  2,14), 


140  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

„Herr  des  Vergangnen  und  Künft'gen"  (Brih.  4,4,15.  Käth. 
4,5.  12.  13),  „Dreizeiterhaben"  (Qvet.  6,5),  zu  dessen  Füfsen 
die  Zeit  dahinrollt,  wie  es  in  herrlicher  Schilderung  Brih. 
4,4,16—17  heifst: 

Zu  dessen  Füfsen  hinrollend 
In  Jahr  und  Tagen  geht  die  Zeit, 
Den  als  der  Lichter  Licht  Götter 
Anbeten,  als  Unsterblichkeit. 

In  dem  der  Wesen  fünffach  Heer 

Mitsamt  dem  Raum   (Brih.  3,8)  gegründet  steh'n, 

Den  weifs  als  meine  Seele  ich, 

Unsterblich  den  Unsterblichen. 

Tiefer  noch  dringt  Maitr.  6,15:  „Fürwahr,  es  gibt  zwei  For- 
men des  Brahman,  die  Zeit  und  die  Nichtzeit.  Nämlich  was 
vor  der  Sonne  da  war,  das  ist  die  Nichtzeit,  und  was  mit  der 
Sonne  anfing,  das  ist  die  Zeit,  ist  das  Teilbare."  Vielleicht 
ist  dieser  Anfang  der  Zeit  zu  einer  bestimmten  Zeit  hier  wie 
bei  Piaton  (Tim.  p.  37  D  fg.)  nur  bildlich  zu  nehmen.  —  Wie 
die  Raumlosigkeit  des  Brahman  nicht  nur  als  unendliche 
Gröfse,  sondern  daneben  auch  als  unendliche  Kleinheit  (Chänd. 
3,14,3  kleiner  als  ein  Reiskorn  usw.,  des  Kleinen  Kleinstes 
Käth.  2,20,  einer  Ahle  Spitze,  den  zehntausendsten  Teil  einer 
Haarspitze  grofs,  Qvet.  5,8 — 9)  bildlich  vorgestellt  wird,  so  er- 
scheint seine  Zeitlosigkeit  einerseits  als  unendliche  Dauer 
(anädi,  anantam  Käth.  3,15.  Qvet.  5,13,  sanätana  Käth.  5,6. 
Kaivalya  8  usw.),  anderseits  als  unendlich  kleines  Zeitteilchen, 
wie  es  symbolisch  durch  die  momentane  Dauer  des  Blitzes 
oder  des  Vorstellungsbildes  im  Bewufstsein  repräsentiert  wird. 
So  schon  Väj.  Samh.  32,2  (oben  I,  i,  S.  292).  Die  Hauptstelle 
ist  Kena  29 — 30 :  „Über  selbiges  ist  diese  Unterweisung.  Was 
an  dem  Blitze  das  ist,  dafs  es  blitzt,  und  man  ruft  «ah!»  und 
schliefst  die  Augen,  —  dies,  dafs  man  «ah!»  ruft,  [ist  seine  Unter- 
weisung] in  bezug  auf  die  Gottheit.  —  Nun  in  bezug  auf 
das  Selbst.  Wenn  etwas  gleichsam  eintritt  in  den  Geist,  dafs 
man  dadurch  sich  erinnert  an  etwas  im  Augenblick,  dieses 
Vorstellen  [ist  seine  Unterweisung]."  Andere  Schilderungen 
des  Brahman  als  Blitz  finden  sich  Brih.  2,3,6.  5,7,1.  Mahän.  1,8; 


5.  Negative  Natur  und  Unerkennbarkeit.  141 

sie  bezwecken  sämtlich,  die  unendliche  Kleinheit  desselben  in 
der  Zeit,  d.  h.  in  bildlicher  Form  seine  Zeitlosigkeit  hervor- 
zuheben. 

3)  Brahman  als  kausalitätlos.  Die  Kausalität  ist  Brahman 
nichts  anderes  als  die  allgemeine  Regel,  nach  der  alle  Ver-  t&tios. 
änderungen  in  der  Welt  vor  sich  gehen.  "Wo  keine  Verände- 
rung ist,  da  ist  auch  keine  Kausalität.  Es  kommt  daher  einer 
Behauptung  der  Kausalitätlosigkeit  des  Brahman  gleich,  wenn 
demselben  schon  in  den  ältesten  Upanishadtexten,  wiewohl  sie 
den  Begriff  der  Kausalität  in  seiner  Abstraktheit  noch  nicht 
zu  fassen  vermögen,  jede  Veränderung  abgesprochen  wird. 
So,  wenn  Brih.  3,8  Brahman  als  das  „Unvergängliche"  (aksha- 
ram)  gefeiert  wird;  und  nur  von  diesem  kann  es,  wie  auch 
Piaton  lehrt,  ein  Wissen  geben,  während  es  von  allem  dem 
Flusse  des  Werdens  Unterworfenen  nur  eine  56£a,  wie  Piaton 
sagt,  nur  ein  Nichtwissen  gibt,  wie  es  Qvet.  5,1  heifst  (Jcsha- 
ram  tu  avidyä  hi,  amritam  tu  viäyä).  Sehr  bestimmt  wird  die 
völlige  Unwandelbarkeit  (d.  h.  Kausalitätlosigkeit)  des  Brahman 
ausgesprochen  an  Stellen  wie  Brih.  4,4,20: 

Als  Einheit  soll  man  anschauen, 
Unvergänglich,  unwandelbar, 
Ewig,  nichtwerdend,  nichtalternd, 
Raumerhaben  das  grofse  Selbst. 

Dafs  alles  Werden  die  wahre  Realität  nicht  berührt,  lehrt 
Chänd.  6,1,3:  „an  Worte  sich  klammernd  ist  die  Umwandlung 
(vikära),  ein  blofser  Name",  und  Käth.  2,14  fragt  nach  dem 
Brahman  als  demjenigen, 

Was  frei  von  Gutem  und  Bösem, 
Frei  von  Gescheh'n  und  Nichtgescheh'n, 
Frei  von  Vergangnem  und  Künft'gem,   — 
Was  du  als  solches  siehst,   —  sag'  an! 

Und  von  dem  „Seher"  (d.  h.  dem  Brahman  als  Subjekt  des 
Erkenn ens)  heifst  es  Käth.  2,18: 

Nicht  wird  geboren  und  nicht  stirbt  der  Seher, 
Stammt  nicht  von  jemand,  wird  auch  nicht  zu  jemand; 
Von  ewig  her  bleibt  ewig  er  der  Alte, 
Wird  nicht  getötet,  wenn  den  Leib  man  tötet. 


142  IV.   Das  Brahman  an  sich. 

Eine  scharfe  Bekämpfung  des  Werdens  enthält  die  von 
indischen  und  europäischen  Erklärern  mifsverstandene  Stelle 
tcä  12—14: 

In  blinde  Finsternis  eingeht, 

Wer  ein  Werden  zu  Nichts  geglaubt, 

In  blindere  wohl  noch  jener, 

Der  ein  Werden  zu  Etwas  glaubt. 

Verschieden  ist  es  von  Werdung, 
Von  Nichtswerdung  verschieden  auch, 
So  haben  von  den  Altmeistern 
Die  Lehre  überkommen  wir. 

Wer  Werden  und  Zunichtwerden 
Beide  [als  nicht  vorhanden]  weifs, 
Der  überschreitet  durch  beides 
Den  Tod  und  hat  Unsterblichkeit. 

Dafs  hier  unter  Sanibliüii  und  Asambliüti  das  Entstehen  und 
Vergehen  (statt  des  konträren  Gegensatzes  steht  der  kontra- 
diktorische) verstanden  werden  mufs  (Upanishad's  S.  527),  be- 
stätigt auch  Gaudapäda,  Mändükya-Kärikä  3,25: 

Durch  Bestreitung  der  Sambküti  (Icä   12) 

Wird  ein  Entstehen  abgewehrt; 

„Wer  könnte  ihn  hervorbringen?" 

Dies  Wort  (Brih.  3,9,28)  zeigt  ihn  als  ursachlos. 

Ebendaselbst  wird  eingehend  entwickelt  (4,11 — 31),  dafs  die 
Verhältnisse  von  Ursache  und  Wirkung  (Mranam  und  Icäryamj, 
Grund  und  Erfolg  ( hctu  und  plialam),  Wahrgenommenem  und 
Wahrnehmung  an  dem  Seienden  (Brahman)  undenkbar  sind. 
Kesuitat.  Als    Resultat    aller   Untersuchungen    des    gegenwärtigen 

Kapitels  über  das  Brahman  an  sich  ergibt  sich,  dafs  dasselbe 
seinem  eigentlichen  Wesen  nach  gänzlich  unerkennbar  ist  und 
bleibt.  Weder  als  das  (metaphysisch)  Seiende  (sat),  noch  als 
das  Subjekt  des  Erkennens  in  uns  (dt),  noch  als  die  im  Tief- 
schlafe nach  Aufhebung  des  Gegensatzes  von  Subjekt  und 
Objekt  herrschende  Wonne  (änanda)  ist  das  Brahman  der 
Erkenntnis  zugänglich.  Es  läfst  sich  daher  nicht  anders  cha- 
rakterisieren als  dadurch,  dafs  ihm  alle  empirischen  Prädikate, 
Bestimmungen   und   Verhältnisse   abgesprochen  werden:   neu. 


5.  Negative  Natur  und  Unerkennbarkeit.  143 

neti,  „es  ist  nicht  so  und  ist  nicht  so".  Insbesondere  ist  es, 
wie  wir  gezeigt  haben,  frei  von  allen  räumlichen,  zeitlichen 
und  kausalen  Bestimmungen,  welche  alles  objektiv  Gegebene 
und  somit  die  ganze  empirische  Realität  beherrschen. 

Dieses  Resultat  lag  keimartig  beschlossen  schon  in  dem 
ersten  Satze,  mit  dem,  wie  wir  oben  (I,  i,  S.  103 — 127)  sahen, 
im-Rigveda  die  indische  Philosophie  beginnt:  in  dem  Gedanken 
von  der  Einheit  des  Wesens  der  Dinge.  Denn  diese  Ein- 
heit schliefst  alle  Vielheit  aus  und  somit  alles  Nebeneinander- 
sein im  Räume,  alles  Nacheinandersein  in  der  Zeit,  alles  Aufser- 
einandersein  als  Ursache  und  Wirkung  und  alles  Gegenüber- 
stehen als  Subjekt  und  Objekt. 

Schon  oben  haben  wir  in  einem  andern  Zusammenhange 
(S.  72  fg.)  die  Stellen  besprochen,  welche  die  völlige  Unerkenn- 
barkeit des  Brahman  behaupten,  und  fügen  ihnen  hier  nur 
noch  eine  schöne  Erzählung  bei,  welche  Qankara  (zu  Brahma- 
sütra  3,2,17  p.  808,  S.  524  unserer  Übersetzung)  als  Qruti,  also 
vermutlich  aus  einer  verlorenen  oder  noch  nicht  nachgewiesenen 
Upanishad,  mitteilt: 

Als  Bähva  von  dem  Vashkali  befragt  wurde,  da  erklärte 
dieser  ihm  das  Brahman  dadurch,  dafs  er  schwieg,  wie  die 
Schrift  erzählt:  „Und  er  sprach:  «Lehre  mir,  o  Ehrwürdiger, 
das  Brahman».  Jener  aber  schwieg  stille.  Als  nun  der  andere 
zum  zweiten  Male  oder  dritten  Male  fragte,  da  sprach  er:  «ich 
lehre  dir  es  ja,  du  aber  verstehst  es  nicht;  dieser  Atman  ist 
stille»." 


V.   Das  Brahman  und  die  Welt. 

1.  Alleinige  Realität  des  Brahman. 

Das  Brahman  ist  der  Atman,  „das  Selbst",  d.  h.  dasjenige  am    Es  gibt 
Menschen  wie  an  allen  Dingen  der  Welt,  welches  übrig  bleibt,  au?8eCrhdem 
wenn  wir  alles  von  ihnen  in  Abzug  bringen,  was  an  ihnen  Nicht-     ^man. 
selbst,  ein  Fremdes,  ein  Anderes  ist.    Nun  gibt  es  aber  in  der 
ganzen  Welt,  im  Himmel  wie  auf  Erden,  nichts  andres  als  den 
Atman,  „es  ist  kein  Zweites  aufser  ihm,  kein  andres,  von  ihm 
verschiedenes"  (Brih.  4,3,23 — 30),  „nicht  ist  hier  Vielheit  irgend- 


144  V.   Das  Brahman  und  die  Welt. 

wie"  (na  ilia  nänä  asti  Jcincana,  Brih.  4,4,19.  Käth.  4,10 — 11),  und 
folglich  kann  von  einem  aufser  dem  Ätman  Bestehenden,  von 
einer  Welt  im  eigentlichen  Sinne  keine  Rede  sein.  Darum 
ist  alles  erkannt  dadurch,  dafs  man  den  Ätman  erkannt  hat: 
„fürwahr,  wer  den  Ätman  gesehen,  gehört,  verstanden  und 
erkannt  hat,  von  dem  wird  diese  ganze  Welt  gewufst"  (Brih. 
2,4,5),  so  wie  durch  Ergreifung  der  Trommel,  Muschel,  Laute 
alle  Töne  dieser  Instrumente  zugleich  schon  mit  ergriffen  sind 
(Brih.  2,4,7 — 9).  Die  Belehrung  über  den  Ätman  ist  jene 
Unterweisung,  nach  welcher  Chänd.  6,1,2  gefragt  wird,  „durch 
welche  [auch]  das  Ungehörte  ein  [schon]  Gehörtes,  das  Un- 
verstandene ein  Verstandenes,  das  Unerkannte  ein  Erkanntes 
wird";  der  Ätman  ist  „dasjenige,  mit  dessen  Erkenntnis  diese 
ganze  Welt  erkannt  worden  ist"  (Mund.  1,1,3).  Wie  durch 
einen  Tonklumpen  alles  was  aus  Ton  besteht,  durch  einen 
kupfernen  Knopf  alles  was  aus  Kupfer  besteht,  durch  eine 
Nagelschere  alles  was  aus  Eisen  besteht,  erkannt  ist,  „an 
Worte  sich  klammernd  ist  die  Umwandlung,  ein  blofser  Name", 
so  ist  mit  der  Erkenntnis  des  Ätman  alles  erkannt  (Chänd. 
6,1,3 — 5).  Verschwunden  ist  das  Feuersein  des  Feuers,  das 
Sonnesein  der  Sonne,  das  Mondsein  des  Mondes,  das  Blitzsein 
des  Blitzes,  an  Worte  sich  klammernd  ist  die  Umwandlung, 
ein  blofser  Name  (Chänd.  6,4,1 — 4);  dieses  wufsten  die  Alt- 
vordern, wenn  sie  sprachen:  „Nunmehr  kann  keiner  uns  etwas 
vorbringen,  was  wir  nicht  [schon]  gehört,  nicht  [schon]  ver- 
standen, nicht  [schon]  erkannt  hätten"  (Chänd.  6,4,5).  Darum 
Alien  an-  ist  für  den  Ätmanwisser  das  Unbekannte  nur  „gleichsam" 
„gieichBa^"  (iva)  ein  Unbekanntes  (Chänd.  6,4,7);  es  gibt  nur  „gleich- 
enden!" sam"  eine  Zweiheit  (dvaitam  iva,  Brih.  2,4,14),  „gleichsam"  ein 
Anderes  (Brih.  4,3,31),  „gleichsam"  eine  Vielheit  (nänä  iva 
Brih.  4,4,19.  Käth.  4,10  und  11),  und  es  geschieht  nur  „gleich- 
sam", dafs  der  Ätman  ein  Objekt  denkt  oder  zu  ihm  sich  hin- 
bewegt (dhyäyati  iva,  leläyati  iva,  Brih.  4,3,7).  Eigentlich 
sollte  ein  solches  „gleichsam"  oder  iva  jeder  Seite  und  jeder 
Zeile  angeheftet  werden,  in  der  die  Upanishad's  sich  mit  etwas 
anderm  als  dem  Ätman  beschäftigen.  Es  ist  aber  sehr  be- 
greiflich, dafs  dies  nicht  geschieht;  und  so  wie  ein  Parmenides 
und  Piaton,  ohne  sich  dadurch  mit  sich  selbst  in  Widerspruch 


1.   Alleinige  Kealität  des  Brahman.  145 

zu  setzen,  die  Welt,  deren  Realität  sie  leugnen,  dann  doch 
auch  wieder  von  dem  empirischen,  uns  allen  angebornen  Stand- 
punkte aus  so  betrachten,  als  wäre  sie  real,  ebenso  ist  kein 
Widerspruch  darin  zu  finden,  wenn  die  Upanishadlehrer  ge- 
legentlich von  dem  Standpunkte   des  Realismus,   der  A vidija  zuiässigkeit 

ö  .        ,,  -        ,    •  ,  des  Realis- 

aus,  auf  welchem  wir  alle  von  Haus  aus  stehen,  und  in  welchem  mus  unter 

.  .      n  111  11         diesem  Vor- 

alles  praktische  Leben  wurzelt,  die  Welt  als  real  betrachten  behalte, 
und  behandeln,  solange  dabei  im  Hintergrunde  des  Bewufst- 
seins  die  Überzeugung  von  der  alleinigen  Realität  des  Atman 
bestehen  bleibt  und  von  dort  aus,  wenn  auch  nur  stillschwei- 
gend, alle  Gedanken  beherrscht.  Wohl  aber  tritt  ein  Wider- 
spruch ein,  wenn  und  in  dem  Mafse  wie  die  uns  allen  durch 
die  Natur  unseres  Intellektes  eingepflanzte  realistische  An- 
schauung so  sehr  die  Überhand  gewinnt,  dafs  dadurch  der 
Grundgedanke  des  Vedänta  von  der  alleinigen  Realität  des 
Atman  verdunkelt  wird.     Überall,  wo   dieses  in  den  Upani-    schiieis- 

x  liehe  Ver- 

shad's  geschieht,  ist  der  ursprüngliche  Vedäntastandpunkt  auf-  dunkeiung 
gegeben,  und  es  macht  sich  ein   andrer  Standpunkt  geltend,  _  sprang- 
der  des  späteren  Sänkhyasystems,   dessen  erste  Genesis  wir    dankens 
eben  in  jener,  nie  ganz  zu  überwindenden,  realistischen  Ten-  Realismus. 
denz  des   denkenden  Menschengeistes  zu  suchen  haben,  und 
dessen  Aufkeimen  und  allmähliches  Erstarken  auf  dem  Boden 
der  Upanishadlehre  selbst  wir  in  einem  spätem  Zusammen- 
hange zu  betrachten  und  zu  verfolgen  haben  werden. 

Zunächst  sehen  wir  hiervon  ab  und  halten  mit  der  reinen  Anordnung. 
und  ursprünglichen  Upanishadlehre  daran  fest,  dafs  es  der 
Standpunkt  der  Avidyä  ist,  welchen  wir  betreten,  indem  wir 
jetzt  dazu  übergehen,  das  Brahman  in  seinem  Verhältnisse  zur 
Welt,  und  zwar  1)  als  kosmisches  Prinzip,  2)  als  psychisches 
Prinzip   und  3)  als  persönlichen  Gott  (vjvara)  zu  betrachten. 


2.  Das  Brahman  als  kosmisches  Prinzip. 

Das  Verhältnis  des  Prinzips  der  Dinge  zur  erschaffenen  Ein  uniös- 
Natur,  populär  gesprochen,  Gottes  zur  Welt,  ist  ein  Problem,      wem. 
welches  nie  völlig  gelöst  werden  kann,  weil  eine  Lösung  durch 
die    Beschaffenheit    unserer    Erkenntniskräfte    ausgeschlossen 
wird.     In  dem  Mafse  wie  wir  es  versuchen,  jenes  Verhältnis 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,u.  10 


146  V'   Das  Brahman  und  die  Welt. 

zu  erkennen,  d.  h.  es  in  den  Formen  unseres  Intellektes,  Raum, 
Zeit  und  Kausalität,  aufzufassen,  verfallen  wir  in  eine  unrich- 
tige, oder,  milder  gesagt,  bildliche  Vorstellung  von  der  Sache, 
—  und  in  dem  Mafse  wie  wir  uns  über  die  blofs  bildliche 
Vorstellung  zu  erheben  suchen,  müssen  wir  auf  ein  Begreifen 
verzichten.  Vier  Stufen  lassen  sich  in  der  Erkenntnis  jenes 
vier  stand-  Problems  unterscheiden,  welche  wir,  zunächst  im  allgemeinen 
und  vorbehaltlich  der  besondern  Anwendung  auf  Indien,  als 
Realismus,  Theismus,  Pantheismus  und  Idealismus 
bezeichnen  können. 

Realismus.  1)   Realismus.     Die  Materie  besteht   aufserhalb   Gottes 

und  von  Ewigkeit  her.  Gott  sinkt  zum  blofsen  Weltbildner 
(5tj!ju.oupy6s)  herab  oder  wird,  sofern  man  die  bildenden  Kräfte 
in  die  Materie  selbst  verlegt,  ganz  beseitigt,  wie  im  Sänkhyam. 

Theismus.  2)  Theismus.    Gott  schafft  aus  nichts  die  Welt,  welche 

dann  aber  aufserhalb  Gottes  als  real  besteht.  Dies  ist  der 
Standpunkt  des  Alten  Testamentes.  Sobald  man  mit  ihm 
Ernst  macht  und  das  Verhältnis  Gottes  zur  Welt  zu  begreifen 
sucht,  wird  Gott,  in  dem  Mafse  wie  dies  geschieht,  mehr  und 
mehr  in  die  Welt  hineingezogen,  bis  er  völlig  in  ihr  aufgeht 
und  verschwindet.  Der  Theismus  schlägt  in  Pantheismus  um, 
welcher  seine  notwendige  Konsequenz  ist.  Ein  Beispiel  bietet 
die  Neuere  Philosophie.  Nachdem  Descartes  versucht  hatte, 
den  mittelalterlichen,  auf  das  Alte  Testament  zurückgehenden, 
Theismus  logisch  zu  formulieren,  sehen  wir,  wie  unter  den 
Händen  seiner  Nachfolger,  Geulincx  und  Malebranche,  Gott 
mehr  und  mehr  in  die  Welt  hineingleitet,  bis  er  endlich  völlig 
mit  ihr  identifiziert  wird.  Dies  geschieht  im  Pantheismus  des 
Spinoza.  Es  ist  merkwürdig,  dafs  es  ein  Jude  war,  welcher  die 
definitive  Zertrümmerung  dieser,  aus  dem  Judentum  stammenden, 
biblisch-mittelalterlichen  Weltanschauung  herbeiführen  sollte. 

Pantbeis-  •  3)  Pantheismus.  Gott  schafft  die  Welt,  indem  er  sich 
selbst  in  die  Welt  verwandelt.  Sie  ist  der  offenbar  gewordene 
Gott.  Da  sie  real  ist  und  dazu  unendlich,  so  ist  für  Gott 
kein  Platz  aufserhalb  der  Welt,  sondern  nur  in  derselben. 
Die  Worte  Gott  und  Welt  werden  Synonyma,  und  der  Gottes- 
begriff wird  nur  beibehalten,  um  Anschlufs  an  die  Tradition 
zu  gewinnen. 


mus. 


2.  Brahman  als  kosmisches  Prinzip.  147 

4)  Idealismus.  Gott  allein  und  nichts  aufser  ihm  hat  Idealismus. 
Realität.  Die  Welt  nach  ihrer  räumlichen  Ausbreitung  und 
ihrem  körperlichen  Bestände  ist  in  Wahrheit  nicht  real;  sie 
ist  ein  blofser  Schein,  wie  man  früher  sagte,  blofse  Erschei- 
nung, wie  wir  heute  sagen.  Diese  Erscheinung  ist  nicht  Gott, 
wie  dem  Pantheismus,  sondern  das  Widerspiel  Gottes,  ist  eine 
Abirrung  von  dem  göttlichen  Wesen.  Nicht,  als  wäre  Gott 
jenseits  der  Welt  zu  suchen,  denn  er  ist  überhaupt  nicht  im 
Räume,  nicht  als  wäre  er  vor  ihr  da,  denn  er  ist  überhaupt 
nicht  in  der  Zeit,  nicht  als  wäre  er  die  Ursache  der  Welt, 
denn  das  Gesetz  der  Kausalität  hat  hier  jeden  Anspruch  ver- 
loren. Vielmehr:  —  sofern  die  Welt  für  real  gehalten  wird, 
ist  Gott  ohne  Realität;  dafs  er  real,  ja,  die  einzige  Realität 
ist,  werden  wir  nur  inne,  insoweit  als  es  uns  gelingt,  diese 
ganze  Welt  des  Scheines  theoretisch  und  praktisch  von  uns 
abzuschütteln. 

Alle   diese  Stufen  sind  in  der  Upanishadlehre  vertreten,  Vertretung 
wodurch  dieselbe  eine  sehr  mannigfache,  ins  Idealistische,  Pan-  a  stande-ser 
theistische,  Theistische  schillernde  Färbung  erhält,  ohne  doch  den  upln° 
eigentlich  widersprechend  zu  werden:  denn  der  Grundgedanke,     Bhad'8, 
der  auf  allen  Stufen  und  sogar  auf  der  untersten,  der  Materie 
ein  selbständiges  Dasein  vindizierenden,   wenigstens  noch  als 
Prinzip  festgehalten  wird,  ist  die  Überzeugung  von  der  allei- 
nigen Realität  des  Atman,  nur  dafs  neben  derselben  und  trotz 
derselben  dem  empirischen,  nie   ganz  abstreif baren  Bewufst-zu  erklären 
sein  von  der  Realität  der  Welt  mehr  oder  weniger  weitgehende  ''moaation*" 
Konzessionen  gemacht  werden,  wodurch  dann  die  durch  jene    "lachen1" 
idealistische  Grundanschauung  von  der  alleinigen  Realität  an^chä'uüng 
des  Ätman  geleugnete  Welt  doch  wieder  bedingterweise  re-  pl°i8dcah8e  eBe". 
habilitiert  wird,   sei  es  dafs  man  sie  p an theis tisch   als  Er-   wuf8tseil1- 
scheinung  des  allein  realen  Atman,  oder  theistisch  als  vom 
Atman  und  aus  ihm  erschaffen,  aber  doch  demselben  als  «ein 
anderes  gegenüberstehend,  oder  realistisch  als  dem  Parusha 
von  jeher  selbständig  zur  Seite  stehende  und  doch  noch  in 
gewissem  Sinne  von  ihm  abhängige  Prakriti  betrachtet.    Über 
die  theistische  und  die   das  Sankhyam   vorbereitende  rea- 
listische   Auffassung,    welche    beide    nur    gelegentlich    auf- 
treten, wird  in  späterem  Zusammenhange  die  Rede  sein;  hier 

10* 


mus. 


148  V.   Das  Brahman  und  die  Welt. 

wollen  wir  zunächst  an  die  idealistische  Grundanschauung 
anknüpfen,  um  zu  zeigen,  wie  sie,  durch  Akkommodation  an  das 
empirische,  die  Welt  für  real  haltende  Bewufstsein,  in  die 
pantheistische  Doktrin  übergeht,  welche  in  den  Upani- 
shad's  die  vorherrschende  ist. 
ideaii-  Streng  idealistisch  und  damit  den  eigentlichen  Geist  der 

stieclio 

Grundan-  Upanishadlehre  am  reinsten  zum  Ausdrucke  bringend  sind  die 
*  Stellen,  welche  erklären,  dafs  mit  Erkenntnis  des  Atman  alles 
erkannt  sei  (Brih.  2,4,5.  Chänd.  6,1,2.  Mund.  1,1,3),  und  dem- 
entsprechend eine  vielheitliche  Welt  leugnen  (na  iha  nana  asti 
Mncana,  Brih.  4,4,19.  Käth.  4,10 — 11).  Aber  mit  diesem  Ge- 
danken war  eine  Höhe  erstiegen,  auf  welcher  sich  auf  die 
Dauer  nicht  verweilen  liefs ;  daher  auch  derartige  Stellen  ver- 
hältnismäfsig  selten  sind.  Die  Welt  war  doch  irgendwie  da, 
sie  lag  vor  Augen.     Man  mufste  suchen,   einen  Rückweg  zu 

Pantheis-  ihr  zu  gewinnen.  Man  fand  ihn,  indem  man,  ohne  jenes 
idealistische  Grundprinzip  aufzugeben,  die  Realität  der  viel- 
heitlichen Welt  zugestand,  aber  daran  festhielt,  dafs  diese 
vielheitliche  Welt  in  Wahrheit  Brahman  sei  (sarvam  Main 
idain  brahma,  Chänd.  3,14,1).  So  ging  der  Idealismus  eine  Ver- 
bindung mit  der  uns  angebornen  realistischen  Anschauung  ein 
und  wurde  dadurch  zum  Pantheismus.  So  schon  in  der  De- 
finition des  Brahman  als  satyasya  satyam  „die  Realität  der 
Realität"  (Brih.  2,1,20).  Die  Welt  ist  die  Realität  (satyam), 
aber  das  Reale  an  ihr  ist  allein  Brahman.  Ebenso,  wenn 
Chänd.  6,1  fg.  die  Entstehung  der  vielheitlichen  Welt  aus  dem 
einen  Seienden  realistisch  entwickelt  wird  zugleich  mit  der 
wiederholten  Versicherung,  dafs  alle  diese  Umwandlungen  nur 
„auf  Worten  beruhend,  ein  blofser  Name"  seien.  Hieran 
schliefsen  sich  die  zahlreichen  Stellen,  welche  Brahman  als  das 
in  dem  ganzen  Universum  verwirklichte  Prinzip  feiern:  „All- 
wifkend  ist  er,  allwünschend,  allriechend,  allschmeckend,  das 
All  umfassend,  schweigend,  unbekümmert"  (Chänd.  3,14,2). 
„Der  Atman  ist  unten  und  oben,  im  Westen  und  im  Osten, 
im  Süden  und  im  Norden;  der  Atman  ist  diese  ganze  AVeit" 
(Chänd.  7,25,2;  nachgebildet  Mund.  2,2,11).  Aus  ihm  geht  die 
Sonne  auf  und  in  ihm  wieder  unter  (Brih.  1,5,23.  Käth.  4,9  und 
so  schon  Atharvav.  10,8,16,  oben  I,  i,  S.  321),  alle  Himmels- 


2.  Brahman  als  kosmisches  Prinzip.  149 

gegenden  sind  seine  Organe  (Brih.  4,2,4)?  die  vier  Weltgegenden 
(Osten,  Westen,  Süden,  Norden),  die  vier  Weltteile  (Erde, 
Luftraum,  Himmel,  Ozean),  die  vier  Weltlichter  (Feuer,  Sonne, 
Mond,  Blitz)  und  die  vier  Lebenshauche  (Odem,  Auge,  Ohr, 
Manas)  sind  seine  sechzehn  Teile  (Chänd.  4,4 — 9). 

Sein  Haupt  ist  Feuer,   seine  Augen  Mond  und  Sonne, 

Die  Himmelsgegenden  die  Ohren, 

Seine  Stimme  ist  des  Veda  Offenbarung. 

"Wind  ist  sein  Hauch,  sein  Herz  die  Welt,  aus  seinen  Füfsen  Erde, 

Er  ist  das  innre  Selbst  in  allen  Wesen  (Mund.  2,1,4). 

—  Aber  wie  ist  das  Verhältnis  des  Brahman  zu  seiner 
Ausbreitung  als  die  vielheitliche  Welt  zu  denken?  —  Wir 
würden  sagen:  als  Identität,  und  so  sagt  schon  der  spätere 
Vedänta,  indem  er  sich  auf  das  Wort  von  der  Anklammerung 
(Chänd.  6,1,3)  beruft  (Sütram  2,1,14:  tad-ananyatvam,  äram- 
bhana-gabda-ädibhyah).  Aber  dieses  Wort  ist  ein  blofser  Macht- 
spruch ;  es  bleibt  doch  immer  ein  grofser  Unterschied  zwischen 
dem  einen  Brahman  und  der  Vielheit  seiner  Erscheinungen^ 
und  zu  dem  Gedanken,  dafs  die  ganze  räumliche  und  zeitliche 
Ausbreitung  ein  bloi's  subjektives  Phänomen  sei,  vermochte 
jene  alte  Zeit,  und  alle  vorkantische  Zeit,  sich  noch  nicht  zu 
erheben.     Hier  mufste  dem  empirischen,   an  Raum,  Zeit  und    Kosmo- 

_  .  .  .  T7-  •  gonismus. 

Kausalität  gebundenen  Bewufstsem  eine  weitere  Konzession 
gemacht  werden:  man  betrachtete  Brahman  als  die  zeitlich 
vorhergehende  Ursache,  und  die  Welt  als  die  aus  ihr  hervor- 
gehende Wirkung;  die  innere  Abhängigkeit  der  Welt  von 
Brahman  und  ihre  Wesensidentität  mit  ihm  erschien  als  eine 
Schöpfung  der  Welt  durch  Brahman  und  aus  Brahman.  Wir 
stehen  an  dem  Punkte,  wo  wir  die  vom  Standpunkte  des 
Idealismus  der  Upanishad's  nicht  zu  begreifenden  Schöpfungs- 
theorien derselben  aus  einer  unbewuisten  Akkommodation  an 
die  Formen  unseres  Erkenntnisvermögens  begreifen.  Die  wei- 
tere Ausführung  der  Weltschöpfungslehre  wird  uns  im  kosmo- 
logischen  Teile  zu  beschäftigen  haben.  Hier  nur  einige  Stel- 
len, welche  die  Wesensidentität  der  geschaffenen  Welt  mit 
dem  Schöpfer  vor  Augen  stellen.  Brih.  2,1,20:  „Gleichwie 
die   Spinne   durch   den   Faden   aus   sich   herausgeht   (tantunä 


150  v".   Das  Brahman  und  die  Welt. 

uccaret),  wie  aus  dem  Feuer  die  winzigen  Fünklein  entspringen, 
also  auch  entspringen  aus  diesem  Atman  alle  Lebensgeister, 
alle  Welten,  alle  Götter,  alle  Wesen".  —  Seine  weitere  Aus- 
führung erfährt  das  Bild  von  der  Spinne  und  dem  Feuer 
Mund.  1,1,7  und  2,1,1: 

Wie  eine  Spinne  ausläfst  und  einzieht  [den  Faden], 

Wie  auf  der  Erde  spriefsen   die  Gewächse, 

Wie  auf  Haupt  und  Leib   des  Menschen,  der  lebt,  die  Haare, 

So  aus  dem  Unvergänglichen  alles,  was  hier  ist. 

Wie  aus  dem  wohlentflammten  Feuer  die  Funken, 
Ihm  gleichen  Wesens,  tausendfach  entspringen, 
So  geh'n,   o  Teurer,  aus  dem  Unvergänglichen 
Die  mannigfachen  Wesen 
Hervor  und  wieder  in  dasselbe  ein. 

Brahman  Dafs  auch  das  stoffliche  Wesen  der  Dinge  nur  aus  Brah- 

materiaiis.  man  stammt,  lehrt,  mit  Anknüpfung  an  das  Bild  von  der 
Spinne,  Qvet.  6,10,  wo  Brahman  bezeichnet  wird  als  der  Gott, 
„der  spinnegleich  durch  Fäden,  die  aus  ihm  als  Stoff  (pra- 
dhänam)  entsprungen,  sich  verbarg  nach  seinem  Sein"'.  Die 
letzten  Worte  besagen,  dafs  Brahman,  indem  es  nicht  (thei- 
stisch)  die  Dinge  aus  sich  heraussetzt,  sondern  (pantheistisch) 
sich  selbst  in  die  Dinge  umwandelt,  „sich  nach  seinem  Sein 
verborgen  habe"  (svabhuvato  .  .  .  svam  ävrinot).  In  diesem 
Sinne  hiefs  es  schon  Rigv.  10,81,1  (oben  I,  i,  S.  136),  Vicva- 
karman  sei  durch  sein  Eingehen  in  die  niedere  Welt  „ursprung- 
verhüllend" (prathamachad)  geworden.  Ebenso  sagt  Brih. 
1,4,7,  der  Atman  sei  in  diese  Welt  „eingegangen  bis  in  die 
Nagelspitzen  hinein,  wie  ein  Messer  verborgen  ist  in  einer 
Messerscheide  oder  das  allerhaltende  [Feuer]  in  dem  feuer- 
bewahrenden [Holze].  Darum  siehet  man  ihn  nicht:  denn  er 
ist  zerteilt;  als  atmend  heifst  er  Atem,  als  redend  Rede,  als 
sehend  Auge",  usw.  Der  Atman  ist  nach  Brih.  1,6,3  amritam 
satyena  channam,  „das  Unsterbliche,  verhüllt  durch  die  (empi- 
rische) Realität",  und  Brih.  2,4,12  heifst  es:  „Mit  diesem  ist 
es  wie  mit  einem  Salzklumpen,  der,  ins  Wasser  geworfen,  sich 
in  dem  Wasser  auflöst,  also  dafs  es  nicht  möglich  ist,  ihn 
wieder  herauszunehmen ;  woher  man  aber  immer  schöpfen  mag, 


2.  Brahman  als  kosmisches  Prinzip.  151 

überall  ist  es  salzig".  Denselben  Gedanken  entwickelt,  viel- 
leicht auf  Grund  unsrer  Stelle,  die  Erzählung  Chänd.  6,13. 
Dafs  aber  eine  solche  Vorstellungsweise  Anstofs  erregte,  be- 
weist die  Parallelstelle  Brih.  4,5,13,  wo  die  oben  mitgeteilten 
Worte  Brih.  2,4,12  in  folgender  Weise  abgeändert  werden: 
„Mit  diesem  ist  es  wie  mit  einem  Salzklumpen,  der  kein 
(unterschiedliches]  Inneres  oder  Äufseres  hat,  sondern  durch 
und  durch  ganz  aus  Geschmack   besteht"  usw.     In  ähnlicher  Integrität 

°  des  Brah- 

Weise  sind  andre  Stellen  bemüht,  zu  zeigen,  dafs  Brahman  man. 
durch  seine  Umwandlung  in  die  Welt  nichts  von  der  Fülle 
seines  Wesens  eingebüfst  habe.  Schon  Rigv.  10,90,3  (oben 
I,  i,  S.  156)  hiefs  es,  dafs  alle  Wesen  nur  ein  Viertel  von  dem 
Purusha  seien,  während  die  drei  andern  Viertel  unsterblich 
im  Himmel  bleiben.  Dasselbe  lehrt,  mit  Wiederholung  des 
Rigvedaverses,  Chänd.  3,12,6  und  ähnlich  der  Schlufsvers  Maitr. 
7,11,  während  nach  Brih.  5,14  ein  Fufs  des  (als  Gäyatri  vor- 
gestellten) Brahman  die  drei  Welten,  der  zweite  die  dreifache 
Wissenschaft  des  Veda,  der  dritte  die  drei  Lebenshauche  bildet, 
und  der  vierte,  erhaben  über  den  Staub  des  Irdischen,  als  Sonne 
glüht.  Deutlicher  lehrte  schon  Qatap.  Br.  11,2,3  (oben  I,  i, 
S.  259),  dafs  Brahman,  nachdem  es  die  drei  Welten  und  was 
noch  darüber  hinausliegt  erschaffen  habe,  selbst  „in  die  jen- 
seitige Hälfte"  eingegangen  sei.  Die  Unerschöpflichkeit  des 
Brahman  lehrt  auch  im  Anklang  an  Atharvav.  10,8,29  (oben 
I,i,  S.  322)  der  Vers  Brih.  5,1: 

Zieht  man  von  Vollem  ab  Volles, 
Bleibt  doch  das  Volle  übrig  noch. 

Näher  ausgeführt  wird  dasselbe  Thema  in  den  schönen  Versen 
Käth.  5,9—11: 

Das  Licht,  als  eines,  eindringt  in  den  Weltraum 
Und  schmiegt  sich  dennoch  jeglicher  Gestalt  an; 
So  wohnt  das  eine  innre  Selbst  der  Wesen 
Geschmiegt  in  jede  Form,  und  bleibt  doch  draufsen. 

Die  Luft,  als  eine,  eindringt  in  den  Weltraum 
Und  schmiegt  sich  dennoch  jeglicher  Gestalt  an, 
So  wohnt  das  eine  innre  Selbst  der  Wesen 
Geschmiegt  in  jede  Form,  und  bleibt  doch  draufsen. 


152  ^-   Das  Brahman  und  die  Welt. 

Die  Sonne,   die  des  ganzen  Weltalls  Auge, 
Bleibt  rein  von  Fehlern  aufser  ihr  der  Augen: 
So  bleibt  das  eine  innre  Selbst  der  Wesen 
Rein  von  dem  Leiden  aufser  ihm  der  Welten. 


3.  Das  Brahinan  als  psychisches  Prinzip. 

Brahman  Das  Brahman  ist  der  Atman :  das  Prinzip  aller  Dinge  ist, 

a  "ir/uns66  e  nicht  etwa  einem  Teile  nach,  sondern  ungeteilt,  voll  und  ganz 
gegenwärtig  in  dem,  was  ich  bei  richtiger  Erkenntnis  als  mein 
eignes  Selbst,  mein  Ich,  meine  Seele  in  mir  finde.  Über  den 
Wert  dieses  alle  Anschauungen  der  Upanishad's  beherrschen- 
den Gedankens  haben  wir  in  der  Einleitung,  oben  S.  37  fg., 
gehandelt.  Hier  wollen  wir  aus  der  grofsen  Anzahl  von 
Stellen,  die  ihn  ausdrücken,  nur  so  viele  auswählen  wie  nötig, 
um  zu  zeigen,  dafs  auch  dieser  Gedanke,  ganz  ebenso  wie  der 
von  Brahman  als  Weltprinzip,  seiner  ursprünglichen  Intention 
nach  idealistisch,  d.  h.  die  Vielheit  der  Weltausbreitung  negie- 
rend ist,  dafs  er  aber,  in  dem  Mause  wie  wir  versuchen,  ihn 
in  den  auf  den  Realismus  zugeschnittenen  Formen  unserer  Er- 
kenntnis zu  begreifen,  eine  stufenweise  zunehmende  realistische 
Färbung  erhält. 
iaeaii-  Yäjnavalkya  beginnt  Brih.  2,4  seine  Belehrung  der  Maitreyi 

Fofm  dilser mit  den  Worten:  „Fürwahr,  nicht  um  des  Gatten  willen  ist 
Lehre.  ^er  Qa^e  i je^ ?  sondern  um  des  Selbstes  (der  Seele,  ätman) 
willen  ist  der  Gatte  lieb".  Ebenso  sind  alle  Dinge  der  Welt, 
Gattin,  Söhne  und  Güter,  Brahmanenstand  und  Kriegerstand, 
Welträume,  Götter,  Wesen  und  das  ganze  Weltall  uns  lieb 
nicht  an  sich  und  um  ihretwillen,  sondern  nur  um  unseres 
eignen  Selbstes  willen.  Wie  dies  zu  verstehen  ist,  zeigt  der 
unmittelbar  folgende,  daraus  gezogene  Schlufs:  „Das  Selbst, 
fürwahr,  soll  man  sehen,  soll  man  hören,  soll  man  verstehen, 
soll  man  überdenken,  o  Maitreyi;  fürwahr,  wer  das  Selbst 
gesehen,  gehört,  verstanden  und  erkannt  hat,  von  dem  wird 
diese  ganze  Welt  gewufst".  Dies  besagt,  dafs  alle  Realität 
beschränkt  ist  und  bleibt  auf  unser  eignes  Selbst,  und  dafs 
wir  alle  Dinge  auf  der  Welt  nur  insoweit  kennen,  lieben 
und  besitzen,   als  sie  in  unserm  Bewufstsein  vorhanden  sind, 


3.  Brahman  als  psychisches  Prinzip.  153 

als  sie  von  unserm  erkennenden  Selbste  befafst  und  getragen 
werden.  Mit  diesem  Selbste  ist  alles  erkannt;  eine  Welt 
aufserhalb  des  Atman,  unseres  Selbstes,  unserer  Seele,  gibt 
es  nicht.  Dies  ist  der  Standpunkt  des  vollkommenen,  die 
vielheitliche  Welt  leugnenden  Idealismus,  wie  er  weiter  ver- 
treten wird  durch  Stellen  wie  Brih.  2,1,16  und  20,  wo  gelehrt 
wird,  dafs  aus  dem  erkenntnisartigen  Geiste  (vijnänammja 
punislia)  alle  Welten,  Götter  und  Wesen  wie  Funken  aus 
dem  Feuer  entspringen,  oder  Brih.  3,4  und  3,5,  wo  nach  dem 
„Brahman,  welches  als  Seele  allem  innerlich  ist",  gefragt  wird, 
und  die  Antwort  lautet:  „Es  ist  deine  Seele,  welche  allem 
innerlich  ist",  welche  als  Subjekt  des  Erkennens  unerkennbar 
bleibt  (3,4),  und  nach  deren  Innewerdung  alle  Welt,  Kinder, 
Besitz  und  Wissenschaft  in  das  Nichts  versinken,  welches  sie 
in  Wahrheit  sind  (3,5).  —  Schon  in  den  letzteren  Stellen  gibt  Pantheisti- 
sich  eine  Hinneigung  zu  dem  uns  allen  angebornen  Kealismus  biidun™ 
kund,  sofern  die  Existenz  der  Aufsenwelt  .nicht  geleugnet 
wird:  die  Dinge  sind  da,  aber  sie  sind  ihrem  Wesen  nach 
nichts  als  der  Atman  allein.  Ebenso  in  der  berühmten  Haupt- 
stelle, Chänd.  6,8 — 16,  wo  eine  Reihe  von  geheimnisvollen 
Erscheinungen  und  Verhältnissen  der  Natur  und  des  Lebens 
bis  zu  ihrem  unerkennbaren  Urgrund  zurückgeführt  werden, 
worauf  es  von  diesem  in  einem  neunmal  wiederholten  .Refrain 
heifst:  „Was  jene  Feinheit  (jenes  Unerkennbare,  animan)  ist, 
ein  Bestehen  aus  dem  ist  dieses  Weltall,  das  ist  das  Reale, 
das  ist  die  Seele,  das  bist  du,  o  Qvetaketu!" 

Die  Lehre  von  der  alleinigen  Realität  des  Atman,  der 
Seele  in  uns,  steht  in  Widerspruch  zu  dem  angebornen  und 
unabstreifbaren  Bewufstsein  von  der  Realität  der  uns  um- 
gebenden Aufsenwelt,  und  dieser  Widerspruch  wird  geflissent- 
lich hervorgehoben  in  einer  grofsen  Anzahl  von  Stellen,  welche 
mit  grofsartiger  Kühnheit  der  metaphysischen  Intuition  die  Identität 
Seele  in  uns  als  das  unfafsbar  Kleine  mit  der  Natur  aufser  ,3  weit. 
uns  als  dem  unfafsbar  Grofsen  identifizieren.  Chänd.  3,14,2: 
„Allwirkend  ist  er,  allwünschend,  allriechend,  allschmeckend, 
das  All  umfassend,  schweigend,  unbekümmert;  —  dieser  ist 
meine  Seele  im  innern  Herzen,  kleiner  als  ein  Reiskorn  oder 
Gerstenkorn,  oder  Senfkorn  oder  Hirsekorn  oder  eines  Hirse- 


154  V.    Das  Brahman  und  die  Welt. 

kornes  Kern;  —  dieser  ist  meine  Seele  im  innern  Herzen, 
gröfser  als  die  Erde,  gröfser  als  der  Luftraum,  gröfser  als  der 
Himmel,  gröfser  als  diese  Welten".  —  Chänd.  8,1,3:  „Wahrlich, 
so  grofs  dieser  Weltraum  ist,  so  grofs  ist  dieser  Raum  in- 
wendig im  Herzen;  in  ihm  sind  beide,  der  Himmel  und  die 
Erde,  beschlossen;  beide,  Feuer  und  Wind,  beide,  Sonne  und 
Mond,  der  Blitz  und  die  Sterne,  und  was  einer  hienieden 
besitzt  und  was  er  nicht  besitzt,  das  alles  ist  darin  beschlossen". 
—  Chänd.  3,13,7:  „Nun  aber  das  Licht,  welches  jenseits  des 
Himmels  dort  leuchtet  auf  dem  Rücken  von  allem,  auf  dem 
Rücken  von  jedem,  in  den  höchsten,  allerhöchsten  Welten,  das 
ist  gewifslich  dieses  Licht,  welches  inwendig  hier  im  Menschen 
ist".  —  Die  Seele  ist,  wie  diese  Stellen  lehren,  das  Weltall 
umfassend;  sie  ist  aber  zugleich  alldurchdringend,  sie  ist  in 
Der  Antar-  allen  Dingen  der  antaryamin,  der  „innere  Lenker",  Brih.  3,7,3: 
„Der,  in  der  Erde  wohnend,  von  der  Erde  verschieden  ist, 
den  die  Erde  nicht  kennt,  dessen  Leib  die  Erde  ist,  der  die 
Erde  innerlich  regiert,  der  ist  deine  Seele,  der  innere  Lenker, 
der  unsterbliche".  Dieselbe  Betrachtung  wird  dann  weiter  an 
mancherlei  kosmischen  und  psychischen  Verhältnissen  durch- 
geführt, und  zum  Schlüsse  heifst  es:  „Er  ist  sehend  nicht 
gesehen,  hörend  nicht  gehört,  verstehend  nicht  verstanden, 
erkennend  nicht  erkannt.  Nicht  gibt  es  aufser  ihm  einen 
Sehenden,  nicht  gibt  es  aufser  ihm  einen  Hörenden,  nicht 
gibt  es  aufser  ihm  einen  Verstehenden,  nicht  gibt  es  aufser 
ihm  einen  Erkennenden.  Er  ist  deine  Seele,  der  innere  Lenker, 
der  Unsterbliche.  —  Was  von  ihm  verschieden,  das  ist  leid- 
voll." Hiernach  ist  der  Antaryamin,  d.  h.  die  in  allen  Dingen 
wohnende  und  sie  regierende  Kraft,  ihrem  Wesen  nach  Be- 
wufstsein;  denn,  wie  es  Ait.  3,3  heifst,  alle  Götter,  alle  Ele- 
mente und  alle  organischen  Wesen,  „alles  dieses  ist  vom  Be- 
wufstsein  gelenkt,  im  Bewufstsein  gegründet;  vom  Bewufstsein 
gelenkt  ist  die  Welt,  das  Bewufstsein  ist  ihr  Grund,  das 
Bewufstsein  ist  Brahman". 

Obgleich  das  Weltprinzip  nach  diesen  und  vielen  andern 

sitz  des    Stellen   als   das   Bewufstsein,   als   Subjekt   des   Erkennens   in 

AH^rzenm  unserm  Innern  wohnt,   so  ist  doch  sein  Sitz  nicht  im  Kopfe, 

sondern  im  Herzen;   Brih.  4,4,22:    „Wahrlich,    dieses  grofse, 


3.  Brahma n  als  psychisches  Prinzip.  155 

ungeborne  Selbst  ist  unter  den  Lebensorganen  jener  aus  Er- 
kenntnis Bestehende  (vijnänamaya).  Hier,  inwendig  im  Herzen 
ist  ein  Kaum,  darin  liegt  er,  der  Herr  des  Weltalls,  der  Ge- 
bieter des  Weltalls,  der  Fürst  des  Weltalls;  er  wird  nicht 
höher  durch  gute  Werke,  er  wird  nicht  geringer  durch  böse 
Werke;  er  ist  der  Herr  des  Weltalls,  er  ist  der  Gebieter  der 
Wesen,  er  ist  der  Hüter  der  Wesen;  er  ist  die  Brücke,  welche 
diese  Welten  auseinanderhält,  dafs  sie  nicht  verfliefsen"  (Rück- 
beziehung auf  Brih.  3,8,9).  —  Auf  dieser  Stelle  dürfte  beruhen 
Kaush.  3,8:  „Er  ist  der  Hüter  der  Welt,  er  ist  der  Gebieter  der 
Welt,  er  ist  der  Weltenherr;  und  dieser  ist  meine  Seele,  das  soll 
man  wissen!"  —  Dementsprechend  feiern  zahlreiche  Stellen  spä- 
terer Upanishad's  das  Brahman  als  „in  der  Höhle  [des  Herzens] 
versteckt"  (nihito  guhäyäm,  zuerst  Taitt.  2,1;  dann  Käth.  1,14. 
2,20.^  3,1.  4,6—7;  Mund.  2,1,10.  3,1,7  usw.).  Die  Identität 
des  Atman  in  uns  mit  dem  Ätnan  im  Weltall  wird,  wie  durch 
das  tat  tvam  asi  der  Chänd.  Up.  6,8 — 16,  so  auch  durch  das, 
ihm  wahrscheinlich  nachgebildete,  etaä  vai  tad  „fürwahr  dieses 
ist  das"  ausgedrückt,  Brih.  5,4;  dieselbe  Formel  findet  sich 
Käth.  4,3 — 6,1  zwölfmal  in  Prosa  an  die  Verse  angehängt;  in 
dem  Bewufstsein  dieses  Gedankens:  „dieses  ist  das",  liegt 
nach  Käth.  5,14  die  höchste  Wonne.  Wir  zitieren  aus  diesem 
Zusammenhange  nur  Käth.  4,12 — 13: 

Zollhoch  an  Gröfse  weilt  mitten 
Im  Leibe  hier  der  Purusha, 
Herr  des  Vergangnen  und  Künft'gen, 
Wer  ihn  kennt,   ängstigt  sich  nicht  mehr,  — 
Wahrlich,  dieses  ist  das! 

Wie  Flamme  ohne  Rauch,  zollhoch 
An  Gröfse  ist  der  Purusha, 
Herr  des  Vergangnen  und  Künft'gen, 
Er  ist  es  heut'  und  morgen  auch 
Wahrlich,  dieses  ist  das! 

Wie  der  Purusha  hier  einer  Flamme  ohne  Rauch,  so  wird  er, 
wohl  in  Nachbildung  dieser  Stelle,  Qvet.  6,19  einem  Feuer, 
dessen  Holz  verbrannt  ist,  verglichen  (ebenso  Maitr.  6,34,  Up. 
S.  357;  Brahmavidyä  9;  Nrisinhott.  2,  Up.  S.  783),  während 


156  V.    Das  Brahman  und  die  Welt. 

Qxet.  5,9  den  Kontrast  des  Atman  in  uns  mit  dem  Atman  im 
Weltall  auf  die  (Dhyänab.  6  noch  überbotene)  Spitze  treibt: 

Spalt'  hundertmal  des  Haars  Spitze 

Und  nimm  davon  ein  Hundertstel. 

Das  denk'  als  Gröfse  der  Seele, 

Und  sie  wird  zur  Unendlichkeit. 

Die  Schilderung  des  Atman  als  einer  rauchlosen  Flamme  im 
Herzen  hat  sich  in  den  Yoga-Upanishad's  zu  dem  Bilde  von 
der  Spitzflamme  im  Herzen  fortentwickelt,  dessen  ältestes 
Vorkommen  Mahän.  11,6 — 12  sein  dürfte  (vgl.  Brahmavidyä  10. 
Yogacikhä  6.  Yogatattva  9—11.  Maitr.  6,30,  Up.  S.  352). 
Kosmo-  Wir  sahen  oben,  wie  die  Lehre  von  Brahman  als  kosmi- 

FortMi-  schem  Prinzip  in  Akkommodation  an  die  empirische  Anschauungs- 
weise sich  darstellte  als  zeitliche  Schöpfung  der  Welt  durch 
Brahman  als  Ursache.  Auf  derselben  Akkommodation  beruht 
es,  wenn  die  Lehre  von  Brahman  als  psychischem  Prinzip  die 
Form  annimmt,  dafs  Brahman,  nachdem  er  die  Welt  geschaffen, 
als  individuelle  Seele  in  dieselbe  eingeht.  Brih.  1,4,7:  „Die 
Welt  hier  war  damals  nicht  entfaltet;  aber  dieselbe  entfaltete 
sich  in  Namen  und  Gestalten;  ...  in  sie  ist  jener  [Atman] 
eingegangen  bis  in  die  Nagelspitzen  hinein;  .  .  .  darum  ist 
dieses  die  [zu  verfolgende]  Wegespur  des  Weltalls,  was  hier 
[in  uns]  der  Atman  ist;  denn  in  ihm  kennt  man  das  ganze 
Weltall"  usw.  Die  letzten  Worte  beweisen,  dafs  das  ge- 
schilderte Eingehen  des  Atman  als  Seele  in  die  von  ihm  ge- 
schaffene Welt  nur  eine  Form  ist,  um  die  gelehrte  Identität 
der  Seele  mit  dem  Weltprinzip  vorstellig  zu  machen.  Mehr 
und  mehr  verhärtet  sich  dann  dieselbe  weiter  zu  einem  wirk- 
lichen Kealismus,  wie  die  folgenden  Stellen  zeigen.  Brih. 
2,5,18:  „In  Burgen  ging  als  Vogel  er,  in  Burgen  er  als  Bür- 
ger ein".  —  Chänd.  6,3,3:  „Da  ging  jene  Gottheit  in  diese 
drei  Gottheiten  (die  drei  Elemente)  mit  diesem  lebenden 
Selbste  ein  und  breitete  auseinander  Namen  und  Gestalten".  — 
Taitt.  2,6:  „Nachdem  er  Kasteiung  geübt,  schuf  er  diese  ganze 
Welt,  was  irgend  vorhanden  ist.  Nachdem  er  sie  geschaffen, 
ging  er  in  dieselbe  ein".  —  Weiter  realistisch  ausgemalt  findet 
sich  diese  Vorstellung  schon  Ait.  1,11 — 12:  „Und  er  erwog: 
auf  welchem  Wege   soll  ich  in   dasselbe   eingehen?  ...  Da 


3.  Brahman  als  psychisches  Prinzip.  157 

spaltete  er  hier  den  Scheitel  und  ging  durch  diese  Pforte 
hinein".  —  Der  Realismus  wird,  je  später,  um  so  härter;  als 
Beispiel  mag  Maitr.  2,6,  Up.  S.  320,  dienen:  Prajäpati  schuf 
die  vielen  Geschöpfe;  „die  sah  er  hewufstlos  und  lehlos  wie 
einen  Stein,  regungslos  wie  einen  Baumstamm  dastehn.  Da 
hatte  er  keine  Freude.  Und  ^r  beschlofs :  ich  will,  um  sie  zum 
Bewufstsein  zu  erwecken,  in  sie  hineinfahren.  Da  machte  er  sich 
selbst,  wie  ein  Wind  ist,  und  wollte  in  sie  hineinfahren"  usw. 
So  sehen  wir  den  ursprünglichen  Idealismus  durch  die 
zunehmende  Akkommodation  an  die  Anforderungen  unseres  Er- 
kenntnisvermögens zu  einem  Realismus  erstarren,  welcher  dem 
semitischen  (Genesis  2,7)  nichts  nachgibt. 

4.  Das  Brahman  als  persönlicher  Gott  (igvara). 

Das  Bestreben,  die  idealistische,  eine  Welt  aufser  dem  Ursprung 
Atman  leugnende  Grundanschauung,  in  welcher  das  Denken  mus  der 
der  Upanishad's  wurzelt,  in  verständliche,  d.  h.  realistische  8hac?s" 
Formen  zu  kleiden,  führte  zunächst,  wie  wir  sahen,  zum  Pan- 
theismus, welcher  dem  empirischen  Bewufstsein  die  Realität 
der  Welt  zugesteht  und  daneben  die  Alleinheit  des  Atman  da- 
durch behauptet,  dafs  er  erklärt,  diese  ganze  Welt  sei  nichts 
anderes  als  der  Atman.  Diese  Behauptung  war  im  Grunde 
ein  Machtspruch  und  lief  darauf  hinaus,  dafs  die  Welt  als 
Erscheinungsform  des  Atman  dem  Atman  selbst  als  ein  Anderes 
gegenübertritt,  so  sehr  man  auch  durch  die  unermüdlich  wieder- 
holte Versicherung,  die  Welt  sei  mit  dem  Atman,  das  un- 
endlich Grofse  aufser  uns  mit  dem  unendlich  Kleinen  in  uns, 
identisch,  diesen  Gegensatz  auszugleichen  suchte.  —  Einen 
Schritt  weiter  in  derselben,  zum  Realismus  strebenden  Rich- 
tung bedeutet  es,  wenn  der  Atman  als  Prinzip  nicht  nur  der 
Welt,  als  welche  er  erscheint,  sondern  auch  dem  Atman  in  uns, 
mit  dem  er  ursprünglich  identisch  ist,  entgegengestellt  wird: 
so  entsteht  der  in  gewissen  spätem  Upanishad's  aufkommende 
Theismus.  Derselbe  ist  nicht  aus  dem  altvedischen  Poly- 
theismus entstanden,  sondern  tritt  erst  auf,  nachdem  dieser 
durch  die  Ätmanlehre  längst  überwunden  war;  der  Atman  ist 
nicht  ein  „Gott",  deva,  im  altvedischen  Sinne,  sondern  er  ist 
der    „Herr",    igvara.      Der    Unterschied    beider    Vorstellungs- 


158  V.   Das  Brahman  und  die  Welt. 

weisen  wird  deutlich  werden,  wenn  wir  zunächst  über  die 
Stellung  der  altvedischen  Götter  in  den  Upanishad's  die  wich- 
tigsten Data  zusammenstellen. 

Die  aitvedi-         Die  Existenz   der  altvedischen  Götter,  Agni,  Indra,  Va- 
schen Götter  .  ,  ,       TT       .  1     ,,  .  , 
in  den  upa- runa  usw.  r  wird   von   den    Upamshad  s   so  wemg   geleugnet, 

8  ^ 8'  wie  die  der  griechischen  von  Xenophanes.  Aber  wie  bei 
diesem  alle  andern  Götter  ebenso  wie  die  Menschen  dem 
einen  Gotte  untergeordnet  werden  {de,  ^zhe,  h  ts  ^eofot  xal 
dvj-pwTCoiC!.  ui-yiGTOs),  so  sind  in  den  Upanishad's  alle  altvedi- 
schen Götter  vom  Atman  erschaffen  und  von  ihm  abhängig. 
Aus  dem  Atman  gehen,  wie  die  Funken  aus  dem  Feuer,  alle 
Welten,  alle  Wesen,  und  so  auch  alle  Götter  hervor  (Brih. 
2,1,20);  in  ihm  fufsen  alle  Götter  (Käth.  4,9);  von  ihm  sind 
sie  als  die  Welthüter  erschaffen  worden  (Ait.  1,1,3);  „darum, 
wenn  die  Leute  von  jedem  einzelnen  Gotte  sagen,  «opfere 
diesem,  opfere  jenem!»  so  [soll  man  wissen,  dafs]  diese  er- 
schaffene Welt  von  ihm  allein  herrührt;  er  also  ist  alle 
Götter.  .  .  .  Diese  [Schöpfung]  hier  ist  eine  Überschöpfung 
des  Brahman.  Weil  er  als  höhere  [als  er  selbst  ist]  die  Götter 
schuf,  und  weil  er,  als  ein  Sterblicher,  die  Unsterblichen  schuf, 
darum  heifst  sie  die  Überschöpfung"  (atisrishti,  Brih,  1,4,6). 
Weiter  wird  (Brih.  1,4,11 — 13)  berichtet,  wie  der  Ätman  die 
göttlichen  Kshatriya's  (Indra,  Varuna,  Soma  usw.),  Vaicya's 
(die  Vasu's,  Rudra's,  Äditya's  usw.)  und  Qüdra's  (den  Pü- 
shan)  erschaffen  habe.  Nach  Brih.  1,3,12 — 16  sind  es  die 
Organe  des  Präna,  Rede,  Geruch,  Auge,  Ohr,  Manas,  welche 
von  ihm  über  den  Tod  hinausgeführt  werden  und  nun  als  die 
Götter,  Agni,  Väyu,  Aditya,  Himmelsgegenden  und  Mond, 
fortbestehen.  Die  Zahl  der  Götter  wurde  in  vedischer  Zeit 
in  der  Regel  auf  dreiunddreifsig  angegeben.  Das  Vage  und 
Willkürliche  dieser  Bestimmung  bringt  Yäjnavalkya  Brih.  3,9,1 
in  folgender  Weise  zum  Bewufstsein:  warum  drei  und  dreifsig? 
warum  nicht  drei  und  dreihundert?  oder  drei  und  dreitausend? 
oder  beide  zugleich  (3306)?  und  wenn  es  33  sein  sollen,  so 
kann  man  diese  ebenso  gut  auf  sechs,  auf  drei,  auf  zwei,  auf 
anderthalb,  auf  einen  zurückführen,  welches  der  Präna  ist. 
Alle  jene  Zahlen,  3306,  33,  6,  3,  2,  l1^,  gehen  als  mannig- 
fache Kräfte,  Teile  und  Organe  der  Natur  zuletzt  zurück  auf 


4.  Brahman  als  persönlicher  Gott.  159 

eine  Einheit,  „den  Präna,  so  sprach  er,  dieses  nennen  sie  das 
Brahman,  das  Jenseitige  (tyad)u.  —  Die  Abhängigkeit  aller 
dieser  Naturgötter  vom  Brahman  schildert  der  Mythus  Kena 
14 — 28:  Agni  kann  nicht  einen  Strohhalm  verbrennen,  Väyu 
nicht  einen  Strohhalm  fortwehen  ohne  den  Willen  des  Brah- 
man, welches  in  allen  Göttern  wirkt.  Brahman  wohnt,  nach 
Brih.  3,7,  als  der  innere  Lenker  (antanjämin)  in  allen  Teilen 
der  Welt  und  so  auch  in  allen  Göttern,  die  ihnen  entsprechen. 
Alle  Götter  vollbringen,  nach  einem  Taitt.  2,8  und  Käth.  6,3 
erhaltenen  Verse,  ihre  Tätigkeit  „aus  Furcht"  vor  Brahman, 
uiwl  auch  der  Seele  des  Brahmanwissenden  vermögen  nach 
Kaush.  1,5  Indra  und  Prajäpati,  die  Türhüter  der  Himmels- 
welt, den  Eintritt  nicht  zu  wehren  und  laufen  vor  ihr  davon. 
Und  wie  die  Macht  der  Götter  von  Brahman  abhängt,  so  ist 
auch  ihr  Wissen  kein  vollkommenes;  von  Haus  aus  besitzen 
sie  das  Brahmanwissen  nicht  (vgl.  Brih.  1,4,10.  4,3,33.  5,2,1. 
Taitt.  2,8.  Kaush.  4,20.  Käth.  1,21);  daher  sie  Chänd.  8,7  fg. 
den  Indra  absenden,  um  von  Prajäpati  das  Wissen  vom 
Ätman  zu  erlangen;  und  erst  nachdem  sie  es  erlangt  haben, 
verehren  sie  ihn  in  der  Brahmanwelt  als  das  Selbst;  darum 
besitzen  sie  alle  Welten  und  alle  Wünsche  (Chänd.  8,12,6). 
In  dieser  Beziehung  haben  die  Götter  vor  den  Menschen 
nichts  voraus:  „Wer  immer  von  den  Göttern  dieses  [«ich  bin 
Brahman»]  inne  ward,  der  ward  eben  zu  demselbigen;  und 
ebenso  von  den  Rishi's,  und  ebenso  von  den  Menschen.  .  .  . 
Und  auch  heutzutage,  wer  also  eben  dieses  erkennt:  «ich  bin 
Brahman!»  der  wird  zu  diesem  Weltall;  und  auch  die  Götter 
haben  nicht  Macht,  zu  bewirken,  dafs  er  es  nicht  wird.  Denn 
er  ist  die  Seele  (ätman)  derselben"  (Brih.  1,4,10). 

Diese  Stellen  kennzeichnen  die  Rolle,  welche  die  Götter 
in  den  ältesten  Upanishadtexten  spielen;  etwas  ganz  anderes 
und  nicht  damit  zu  verbinden  ist  es,  wenn  gelegentlich  ein- 
zelne Götter  als  symbolische  Vertreter  des  Ätman  erscheinen, 
wie  z.  B.  Indra  Brih.  1,5,12.  Ait.  1,3,14.  Kaush.  2,6.  3,1,  Va- 
runa  Taitt.  3,1,  oder  Prajäpati  Chänd.  8,7  fg. 

Nicht  aus  diesem  altvedischen,  noch  in  den  Upanishad's  Theistische 
nachklingenden  Polytheismus,  sondern  aus  ganz  andern  Voraus-  Z a  E 
Setzungen  hat  sich  der  Monotheismus  entwickelt,  dem  wir  in     „Sa" 


1G0  V.    Das  Brahman  und  die  Welt. 

einigen  spätem  Upanishad's  begegnen;  hierauf  weist  schon 
der  äufserliche  Umstand  hin,  dafs  der  persönliche  Gott  der 
Upanishad's,  in  der  Regel  und  von  Ausnahmen  (wie  Käth.  2,12. 21 . 
Qvet.  1,8  und  öfter)  abgesehen,  nicht  deva  (Gott),  sondern  ig, 
iga,  vcäna,  igvara  (der  Herr),  später  gewöhnlich  paru)>i<rv<tra 
(der  höchste  Herr)  genannt  wird.  Wie  schon  diese  Namen 
zeigen,  werden  wir  den  Ursprung  des  Upanishad- Theismus 
in  solchen  Texten  zu  suchen  haben,  welche  den  Atman  als  den 
,,innern  Lenker"  (antaryämin)  in  allen  Teilen  und  Kräften  der 
Natur  und  des  Menschen  feiern  (Brih.  3,7,3 — 23)  und  alle 
Wirkungen  in  der  Welt  auf  seinen  Befehl  (pragäsanam)  er- 
folgen lassen,  wie  Brih.  3,8,9:  „auf  dieses  Unvergänglichen 
Geheifs,  o  Gärgi,  stehen  auseinandergehalten  Sonne  und  Mond" 
usw.  Hier  ist  die  Eede  von  dem  „Unvergänglichen"  (ak- 
sharam,  Neutrum),  welches  für  den  Augenblick  poetisch  per- 
sonifiziert wird ;  dies  ist  noch  kein  Theismus,  sondern  nur  der 
erste  Anfang  dazu.  Ebenso  Brih.  4,4,22:  „Hier  inwendig  im 
Herzen  ist  ein  Raum,  darin  liegt  er,  der  Herr  des  Weltalls, 
der  Gebieter  des  Weltalls,  der  Fürst  des  Weltalls;  er  wird 
nicht  höher  durch  gute  Werke,  er  wird  nicht  geringer  durch 
böse  Werke;  er  ist  der  Herr  des  Weltalls,  er  ist  der  Gebieter 
der  Wesen,  er  ist  der  Hüter  der  Wesen;  er  ist  die  Brücke, 
welche  diese  Wesen  auseinanderhält,  dafs  sie  nicht  verfliefsen". 
Ahnlich  steht  es  mit  den  momentanen  Personifikationen  des 
Brahman  als  Liebeshort,  Liebesfürst,  Glanzesfürst  (Chänd. 
4,15,2 — 4);  und  auch  wenn  Icä  1  gefordert  wird,  das  Weltall 
„in  Gott  zu  versenken"  (igä  väsyam  idam  sarvam),  so  ist 
dies  noch  kein  Theismus,  denn  der  Gott,  von  dem  hier  die 
Rede  ist,  ist,  wie  das  Folgende  (Vers  6 — 7)  zeigt,  der  Atman 
in  uns.  Ein  persönlicher  Gott  und  mit  ihm  sogar  die  Präde- 
stination scheint  gelehrt  zu  werden  Kaush.  3,8 :  „Er  wird  nicht 
höher  durch  gute  Werke  und  wird  nicht  geringer  durch  böse 
Werke,  sondern  er  ist  es,  der  das  gute  Werk  den  tun  macht, 
welchen  er  aus  diesen  Welten  emporführen  will,  und  er  ist 
es,  der  das  böse  Werk  den  tun  macht,  welchen  er  abwärts 
führen  will.  Er  ist  der  Hüter  der  Welt,  er  ist  der  Gebieter 
der  Welt,  er  ist  der  Weltenherr,  —  und  dieser  ist  meine  Seele 
(atman),  das  soll  man  wissen".     Wie  der  letzte  Zusatz  zeigt,. 


4.   Brahman  als  persönlicher  Gott.  1(31 

ist  es  doch  wieder  nur  das  eigne  Selbst  (atman),  welches  den 
Menschen  zum  Guten  und  Bösen  determiniert,  und  somit  noch 
kein  Theismus.     Ein  solcher  ist  erst  da  zu  konstatieren,  wo  Erstes  Auf- 

a  treten  des 

der  Atman  nicht  nur  der  Welt,  sondern  auch  dem  Selbste  in  Theismus  in 
uns   als   ein   anderer   gegenübertritt.     Dies   scheint   in  klarer     shad's. 
Weise  zuerst  der  Fall  zu  sein  in  der  Käthaka-Upanishad,  wo  3,1 
die  höchste  und  die  individuelle  Seele  als  Licht  und  Schatten 
unterschieden  werden,  und  nach  2,23  die  Erkenntnis  des  Atman 
auf  einer  Art  Gnadenwahl  beruht: 

Nur  wen   er  wählt,  von   dem  wird   er  begriffen, 
Ihm  macht  der  Atman  offenbar  sein  Wesen. 

Ob  auch  Käth.  2,20  in  theistischem  Sinne  zu  interpretieren  ist, 
hängt  davon  ab,  ob  man  dhätuprasädäd  „durch  Beruhigung 
der  Elemente",  oder  dhdtuh  prasädad  „durch  die  Gnade  des 
Schöpfers"  (schaut  man  die  Herrlichkeit  des  Atman),  zu  lesen 
hat;  bei  seiner  Wiederkehr  Qvet.  3,20  und  Mahän.  10,1  ist  der 
Vers  jedenfalls  (vgl.  auch  £vet.  6,18  ätma-buddhi-prasädam) 
im  Sinne  des  Theismus  zu  deuten.     Dies  führt  uns  zur  Cvetä-     Qvetä- 

.  s  Qvatara  als 

(/vatara-Upamshad,  dem  Hauptdenkmale  der  theistischen  Upa-  Hauptdenk- 
nishadlehre,  in  welcher  Gott  und  Seele,  ohne  auf  ihre  Ursprung-  Theismus. 
liehe  Wesensidentität  zu  verzichten,  doch  deutlich  voneinander 
geschieden  werden.    So  heifst  es  (^vet.  4,6 — 7  (in  Umdeutung 
des  Verses  Rigv.  1,164,20,  oben  I,  i,  S.  113): 

Zwei  schönbeflügelte,  verbundene  Freunde 
Umarmen  einen  und  denselben  Baum; 
Einer  von  ihnen  speist  die  süfse  Beere, 
Der  andere  schaut,  nicht  essend,  nur  herab. 

Zu  solchem  Baum  der  Geist,  herabgesunken, 
In  seiner  Ohnmacht  grämt  sich  wahnbefangen; 
Doch  wenn  er  ehrt  und  schaut  des  andern  Allmacht 
Und  Majestät,  dann  weicht  von  ihm  sein  Kummer. 

Diese  Verse  kehren  wieder  in  der  Mund.  Up.  3,1,1 — 2,  die 
im  übrigen  einen  pantheistischen  Geist  atmet,  daher  sie  hier 
wohl  aus  der  theistischen  £vetäc,vatara  entlehnt  sind.  Aber 
auch  in  der  letzteren  bleibt  der  alles  aufser  dem  Ätman  für 
nichtreal    haltende    Idealismus    und    der    die   Welt    mit   dem 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,n.  11 


102  V.   Das  Brahman  und  die  Welt. 

Atman  identifizierende  Pantheismus,  welche  beide  aus  den 
früheren  Upanishad's  übernommen  wurden,  neben  dem  Theis- 
mus bestehen  und  machen  dadurch  die  Darstellung  vielfach 
widerspruchsvoll  und  philosophisch  unverständlich;  so,  wenn 
4,10  die  Welt  für  eine  vom  höchsten  Gott  hervorgebrachte 
Mäyä  (Täuschung)  erklärt  wird,  wiewohl  mit  der  Realität  der 
Welt  auch  die  Realität  Gottes  wegfällt  und  nur  der  Atman 
in  uns  als  real  übrig  bleibt;  —  oder  wenn  Qvet.  1,6  die  Schei- 
dung von  Seele  und  Gott  (dem  Schwan  und  dem  Treiber) 
für  einen  Wahn  erklärt  wird  und  daneben  die  Aufhebung 
dieses  Wahnes  als  eine  Gnade  des  durch  ihn  erst  der  Seele 
als  ein  anderer  gegenübergestellten  höchsten  Gottes  erscheint. 
Hierdurch  wird  die  Qvetäcvatara  ein  höchst  widerspruchsvolles 
Werk;  sie  gleicht  einem  Codex  bis  palimpseskts:  unter  den 
Schriftzügen  des  Theismus  gewahrt  man,  halb  erloschen,  die 
des  Pantheismus  und  unter  diesen  die  des  Idealismus.  — 
Ahnlich  wie  im  spätem  Vedänta  wird  schon  Qvet.  5,5.  6,4.  6,11. 
6,12  als  Hauptfunktion  des  Igvara  bezeichnet,  die  Werke  zur 
Reife  zu  bringen  und  ihre  Frucht  an  die  Seelen  zu  verteilen; 
ob  auch  ihr  diese  ganze  Vorstellung  des  Igvara  wie  später  im 
Vedänta  (System  des  Ved.  S.  292  fg.)  als  eine  blofs  exoterische 
gilt,  ist  aus  gvet.  3,7  (vgl.  Up.  S.  298  und  290)  nicht  mit 
Sicherheit  zu  entscheiden. 
Späterer  Aufgenommen  und  weitergeführt  wird  der  Theismus  der 

QvetaQvatara  von  spätem  Upanishad's,  welche  einen  Anschlufs 
an  die  Volksreligion  suchen,  indem  sie  den  Atman  der  Upa- 
nishadlehre  mit  dem  Kultus  des  Cka  (dessen  Genesis  man 
schon  in  Qvet.  Up.  beobachten  kann,  Up.  S.  290)  oder  des 
Vishnu  verbinden.  Aber  selbst  in  ihnen  bricht  der  ursprüng- 
liche, Welt  und  Gott  in  dem  Atman  aufhebende,  Idealismus 
durch:  so  Nrisinhottara-täpaniya-Up.  1  (Up.  S.  781),  wo  von  den 
drei  Zuständen  der  Seele  (Wachen,  Traum,  Tiefschlaf)  der 
„vierte"  und  höchste  Zustand,  der  Turhja  unterschieden  wird, 
welcher  als  der  Abgrund  der  ewigen  Einheit  erscheint,  in  dem 
alle  Unterschiede  des  Seins  und  Erkennens  verschwinden  und 
die  ganze  Weltausbreitung  ausgelöscht  wird,  „und  auch  der 
Igvara  (der  persönliche  Gott)  wird  verschlungen  von  dem 
Turhja  (dem  Vierten),  von  dem   Turhja ."' 


Des  Systems  der  Upanishad's  zweiter  Teil: 

Kosmologie 

oder  die  Lehre  von  der  Welt. 

VI.  Brahman  als  Weltschöpfer. 

1.  Vorbemerkungen  zur  Kosmologie. 

Die   Sütra's   des   Bädaräyana   (1,1,2)   definieren  Brahman    Brahman 

n  ■  -.  t  j      •   •  tt  alB  Schöp- 

als    dasjenige,  janma-adi   asya  yata    äi,    „woraus    Ursprung f er, Erhalter 
usw.  [d.  h.   Ursprung,   Bestand  und  Vergang]    dieses    [Welt-  nichter  der 
alls]  ist".    Diese  Definition  geht  zunächst  zurück  auf  Taitt.  3,1: 
„Dasjenige,  fürwahr,  woraus  diese  Wesen  entstehen,  wodurch  Bädaräya- 
sie,  entstanden,  leben,  worein  sie,  dahinscheidend,  wieder  ein-  "fUng  auf 
gehen,  das  suche  zu  erkennen,  das  ist  das  Brahman".    Indes 
ist  zu  bemerken,  dafs  in  dieser  Upanishadstelle  nicht,  wie  in 
dem  Sütram,  von  einem  Entstehen,  Bestehen  und  Vergehen 
des  Weltganzen,  sondern  nur  von  einem  solchen  der  einzelnen 
Wesen  die  Rede   ist.     Anders  würde   es,  wenn  wir  Qankara 
folgen  dürften,   mit  einer  noch  älteren  Stelle  stehen,   Chänd. 
3,14,1:   „Gewifslich  dieses  Weltall  ist  Brahman;   als  Tajjaldn 
soll  man  es  ehren  in  der  Stille".     Das  Wort  Tajjalän  ist  ein 
nur  hier  vorkommender  Geheimname  des  mit  Brahman  identi- 
fizierten Weltalls,  welcher  von  Qankara  zu  Chänd.  3,14,1  er-   fjaükara's 
klärt  wird  wie  folgt:    „Aus   diesem  (tad)  Brahman   ist  durch  auf  Tajja- 
die   Entwicklung   zu   Feuer,  Wasser,   Erde  usw.    das  Weltall    \u,i.n 
entstanden  (jan);  darum  heilst  es  taj-ja.    Ebenso  geht  es  auf 

11* 


lt>4  VI.   Brahman  als  Weltschöpfer. 

dem  diesem  Entstehungsgange  entgegengesetzten  Wege  in  eben- 
demselben Brahman  unter  (U),  d.  h.  es  verfliefst  mit  seiner 
Wesenheit;  darum  heifst  es  tal-la.  Und  ebenso  endhch  ist 
es  das  Brahman,  in  welchem  das  Weltall  zur  Zeit  seines  Be- 
stehens atmet  (an),  lebt,  sich  bewegt;  darum  heifst  es  tad- 
anam.  Somit  ist  es  in  den  drei  Zeiten  [Vergangenheit,  Gegen- 
wart, Zukunft]  nicht  von  der  Brahman -Wesenheit  verschieden, 
da  es  nichts  gibt,  was  über  diese  hinaus  läge"  (vgl.  die 
übereinstimmende  Erklärung  Qahkara's  zu  Brahmasütra  1,2,1 
p.  167,  S.  87  unserer  Übersetzung).  Wenn  Böhtlingk  (Be- 
richte der  Sachs.  Ges.  d.  W.  1896,  S.  159  fg.;  1897,  S.  83) 
diese  Erklärung  Qankara's  für  ungrammatisch  erklärt,  weil 
upäsita  ein  Objekt  haben  müsse,  und  sonach  den  Geheim- 
namen nur  in  Jalän  finden  will,  so  steht  dem  der  ganz  analoge 
Fall  Kena  31,  tadd  ha  Tad-vanam  ndma,  Tad-vanam  ity  upäsita- 
vyam,  entgegen;  übrigens  würde  dadurch  an  der  Sache  nichts 
geändert  werden.  Nach  Qankara's  Auffassung  hätten  wir  also 
schon  in  dem  Namen  Tajjalä»  (=  tad-ja-la-an)  eine  Zusammen- 
fassung der  drei  Eigenschaften  des  Brahman  als  Schöpfers,. 
Erhalters  und  Vernichters  der  Welt  vor  uns.  Ob  dies  richtig 
ist,  ob  in  einer  so  alten  Upanishad  schon  das  Dogma  von  der 
Weltvernichtung  anzunehmen  und  nicht  vielmehr  auch  hier 
blofs  an  eine  Vernichtung  der  einzelnen  Wesen  zu  denken 
vorbehält  ist,  wird  noch  später  zu  untersuchen  sein.  Inzwischen  wollen 
in  nunDg°r<  wir  nach  jenen  drei  Eigenschaften  des  Brahman  unsere  Dar- 
stellung der  Kosmologie  ordnen,  und  somit  der  Reihe  nach 
von  Brahman  als  Weltschöpfer,  als  Wrelterhalter  und  als  Welt- 
vernichter  handeln.  Wenn  übrigens  Qankara,  in  der  an- 
geführten Stelle  und  so  in  vielen  andern,  behauptet,  die 
ganze  Lehre  von  der  Schöpfung  sei  nicht  im  eigentlichen 
Sinne  zu  verstehen  und  solle  blofs  dienen,  um  die  Wesens- 
identität der  Welt  mit  Brahman  zu  lehren  (vgl.  System 
des  Vedänta,  Kap.  XIX — XX),  so  bedarf  auch  dies  noch 
einer  genaueren  Untersuchung  und  Erörterung  der  Frage,  in- 
wieweit vom  Standpunkte  der  Atmanlehre  eine  Weltschöpfung 
möglich  ist. 


2.  Die  Weltschöpfuug  und  die  Ätmanlehre.  165 

3.  Die  Weltschöpfung:  und  die  itmanlehre. 

Wir  haben  oben,  im  ersten  Teile  unseres  Werkes,  aus  Aitvedieche 
•den  Hymnen  und  Brähmana's  eine  Reihe  von  Beschreibungen  lehre. 
der  Weltschöpfung  kennen  gelernt  und  als  gemeinsamen  Typus 
bei  vielen  derselben  nachgewiesen,  dafs  1)  das  Urprinzip 
aus  sich  2)  die  Materie  schafft  und  dann  3)  als  Erst- 
geborenes in  dieselbe  eingeht.  Wir  wollen  die  Hauptstellen 
für  diese  Lehre  zunächst  hier  kurz  überblicken. 

Rigv.  10,129:  Zu  Anfang  ist  nur  „jenes  Eine"  (tad ekam); 
dasselbe  besteht  als  ein  von  einer  Hülse  umschlossenes  licht- 
loses Gewoge  (apraketam  snlilant),  aus  welchem  durch  Tapas 
jenes  Eine  als  Kämet  oder  Manas  (je  nach  der  Auffassung  von 
Vers  4)  zuerst  geboren  wird  (I,  i,  S.  122  fg.). 

Rigv.  10,121 :  Prajapati  erzeugt  die  Urwasser  und  geht 
aus  ihnen  als  goldner  Keim  (hiraitijcigurbha)  hervor  (I,  i,  S.  130). 

Rigv.  10,81 — 82:  Vicvakarman  schafft  die  im  Urschlamm- 
schmalz,  d.  h.  in  den  Urwassern  versunkenen  Welten  und 
geht  sodann  aus  diesen  Wassern  als  der  alle  Götter  bergende 
Urkeim  hervor  (I,  i,  S.  135  fg.). 

Rigv.  10,72:  JBrdhmanaspati  schafft  die  Aditi  (salilam, 
uttänapad,  sad)  und  geht  selbst  als  Daksha  aus  ihr  hervor 
(I,  i,  S.  144). 

Rigv.  10,125:  Die  Väc  ist  es,  welche  am  Anfang  den  Vater 
des  Weltalls  antrieb  und  dann  wiederum  in  Meeres  Wassern 
geboren  wird,  um  sich  über  die  Wesen  zu  verteilen  (I,  i,  S.  148). 

Rigv.  10,90:  aus  dem  Purusha  (als  Adipurusha,  Say.)  wird 
die  Viruj,  und  aus  dieser  wiederum  der  Purusha  (als  Näräyana, 
„Sohn  des  Purusha"  oder  „Sohn  der  Wasser",  d.  h.  als  Hira- 
nyagarbha)  geboren  (I,  i,  S.  153). 

Qatap.  Br.  6,1,1:  Der  Purusha  Prajapati  schafft  die  Wasser, 
geht,  um  aus  ihnen  geboren  zu  werden,  als  Ei  in  sie  ein  und 
ergiefst  sich  aus  ihm  als  das  Brahman  (I,  i,  S.  200). 

Atharvav.  11,4;  der  Präna  zeugt  das  Weltall  und  geht 
als  Erstgeborner  (als  apäm  garbha,  v.  26)  in  demselben  hervor 
(I,  i,  S.  301  fg.). 

Atharvav.  10,7,7 — 8:  Shambha,  in  welchem  Prajapati  der 
Welt  Ganzes  stützend  hegte,  geht  mit  einem  Teile  von  sich 
in  die  Welt  ein  (I,  i,  S.  315). 


1(J6  VI.   Brahman  als  Weltschöpfer. 

Taitt.  Ar.  1,23:  Prajapati,  die  Welten  bauend,  ging  als 
der  Ordnung  Erstgeborner  mit  dem  eignen  Selbste  ins  eigne 
Selbst  ein  (I,  i,  S.  198.  332). 

Väj.  Samh.  34,1 — 6:  der  Geist  (manas)  schliefst  alle  Dinge 
in    sich    und    verweilt    als    unsterblich    Licht    im    Menschen 
(I,  i,  S.  335). 
Motiv  Als  Motiv  der  in   allen  diesen  Stellen  herrschenden  An- 

Lehre, schauung  läfst  sich  bezeichnen,  dafs  man  das  Urprinzip  in  der 
ganzen  Natur,  [namentlich  aber  und  vor  allem  in  der  Seele 
(der  Weltseele  und  der  Einzelseele)  verwirklicht  sah.  Hieraus 
entsprang  die  Vorstellung,  dafs  das  Urwesen  die  Welt  ge- 
schaffen habe  und  dann  als  Erstgeborner  der  Schöpfung  in 
dieselbe  eingegangen  sei.  Diese  überkommene  Anschauung 
werden  wir  auch  in  den  Upanishad's  vielfach  auftreten  sehen, 
wider-  Aber  wie  ist  dies  möglich,   da  die   ganze  Lehre  von  der 

Standpunkt  Weltschöpfung  und  von  dem  Eingehen  des  Schöpfers   in  die 
"shad's™   von  ihm  geschaffene  Welt  mit  der  Ätmanlehre  der  Upanishad'sr 
streng  genommen,  in  Widerspruch  steht? 

Es  wird,  wie  wir  sahen,  von  den  Upanishad's  oft  aus- 
gesprochen und  liegt  schon  im  Begriffe  des  Atman,  dafs  er 
die  alleinige  Realität  ist,  und  dafs  es  aufser  ihm  nichts  geben 
kann,  dafs  somit  durch  seine  Erkenntnis  alles  erkannt  ist. 
Auf  diesem  Standpunkte  kann  eine  Schöpfung  der  Welt  aus 
dem  Atman  nicht  gelehrt  werden,  weil  es  keine  Welt  aufser 
Akkommo-  dem    Atman    gibt.      Aber    die    Höhe    dieser    metaphysischen 

dation  an  °  .  .    .  .  , 

das  empiri-  Anschauung  liefs  sich,  angesichts  des  empirischen,  eine  reale 
wnrsisein.  Welt  lehrenden  Bewufstseins  nicht  behaupten;  man  mufste  die 
Realität  der  Welt  einräumen  und  vereinigte   damit  das  idea- 
listische Dogma  von  der  alleinigen  Realität  des  Atman  dadurch, 
dafs  man  erklärte,  die  Welt  sei  da,  sei  aber  in  Wahrheit  nur 
der  Atman.    Auch  auf  diesem,  Atman  und  Welt  für  identisch 
erklärenden  Standpunkte  war  eine  Weltschöpfungslehre  nicht 
möglich.     Und  erst  indem  man  dem  empirischen  Bewufstsein 
eine  weitere  Konzession  machte  und  jene  nur  behauptete,  in 
Die  iden-   Wirklichkeit  aber  nicht  durchführbare  Identität  von  Atman 
aur  Kausa-  und  Welt  gestaltete  zu  einem  Verhältnis  der  Kausalität  zwi- 
schen dem  Atman  als  Ursache  und  der  Welt  als  seiner  Wir- 
kung,   —    erst   jetzt   konnte   und    mufste    man    eine   Theorie 


2.  Die  Weltschöpfung  und  die  Ätmanlehre.  167 

darüber  aufstellen,  wie  die  Welt  als  Wirkung  aus  dem  Ätman 
hervorgegangen  oder  erschaffen  worden  sei.  Dieser  Schritt 
hatte  noch  einen  weiteren  zur  notwendigen  Folge.  Nach  der 
Schöpfungslehre  war  die  Welt  aus  dem  Atman  als  ein  Anderes 
herausgetreten;  man  mufste  suchen,  ihn  wieder  in  dieselbe 
hineinzubringen,  wollte  man'  nicht  auf  das  ursprüngliche 
Grunddogma  von  der  alleinigen  Realität  des  Ätman  ganz  ver- 
zichten. Aus  diesen  Motiven  entsprang  die  Lehre,  dafs  der 
Atman  in  die  von  ihm  erschaffene  Welt  als  Seele  (Weltseele  Eingehen 
und  Einzelseele)  eingegangen  sei,  wie  wir  sie  in  den  *l  seine" 
Upanishad's  vorgetragen  finden.  So  wurde  es  den  Upanishad-  SchODfnns- 
lehrern  möglich,  neben  ihrer  idealistischen  Grundanschammg 
die  aus  dem  Rigveda  überkommene  Lehre,  wonach  das  Prinzip 
die  materielle  Welt  schafft  und  dann  als  Erstgebornes  in 
dieselbe  eingeht,  in  modifizierter  und  fortentwickelter  Weise 
festzuhalten.  Wenn  also  die  Vedäntalehrer,  Bädaräyana 
(Sütram  2,1,14),  Gaudapäda  (Mändükyakärikä  1,18.  3,15)  und 
Qankara  (zu  Brahmasütra  4,3,14,  p.  1126,  S.  744  unserer  Über- 
setzung, und  öfter),  behaupten,  die  Schrift  lehre  eine  Welt- 
schöpfung nur  aus  Akkommodation  an  die  menschliche  Fassungs- 
kraft, so  ist  dies  nicht  völlig  abzuweisen  und  nur  dahin  zu 
berichtigen,  dafs  es  nicht  eine  bewufste,  sondern  eine  un-  unbewufst- 
bewufste  Akkommodation   an  die,   eine  reale  Welt  nebst  Akkor 


mmo- 
dation. 


zeitlichem  und  kausalem  Nexus  fordernde  empirische  An- 
schauung ist,  wenn  auch  die  Upanishad's  trotz  ihrer  welt- 
vernichtenden Ätmanlehre  eine  Schöpfung  der  Welt  durch  den 
Atman  und  ein  Eingehen  desselben  in  diese  seine  Schöpfung 
lehren,  wie  die  folgenden  Stellen  zeigen. 

Brih.  1,4,7:   „Die  Welt  hier  war  damals  nicht  entfaltet;    Beispiele 
eben  dieselbe  entfaltete  sich  in  Namen  und  Gestalten;  ...  in 
sie  ist  jener  Atman  eingegangen  bis  in  die  Nagelspitzen  hinein, 
wie  ein  Messer  verborgen  ist  in  einer  Messerscheide  oder  das 
allerhaltende  [Feuer]  in  dem  feuerbewahrenden  [Holze]". 

Chänd.  6,2 — 3:  „Seiend  nur,  o  Teurer,  war  dieses  am 
Anfang,  eines  nur  und  ohne  zweites.  .  .  .  Dasselbige  be- 
absichtigte: ich  will  vieles  sein,  will  mich  fortpflanzen;  da 
schuf  es  die  Glut".  Weiter  geht  aus  der  Glut  das  Wrasser, 
aus  diesem  die  Nahrung  (d.  h.  die  Erde)  hervor.    „Jene  Gott- 


163  VI.    Brahman  als  Weltschöpfer. 

heit  beabsichtigte:  wohlan,  ich  will  in  diese  drei  Gottheiten 
[Glut,  Wasser,  Nahrung]  mit  diesem  lebenden  Selbste  [der 
individuellen  Seele]  eingehen  und  auseinanderbreiten  Namen 
und  Gestalten". 

Taitt.  2,6:  „Er  [der  Atman]  begehrte:  ich  will  vieles  sein, 
will  mich  fortpflanzen.  Da  übte  er  Kasteiung.  Nachdem  er 
Kasteiung  geübt,  schuf  er  die  ganze  Welt,  was  irgend  vor- 
handen ist.  Nachdem  er  sie  geschaffen,  ging  er  in  dieselbe  ein". 
Ait.  1,1:  „Zu  Anfang  war  diese  Welt  allein  Atman:  es 
war  nichts  andres  da,  die  Augen  aufzuschlagen.  Er  erwog: 
ich  will  Welten  schaffen.  Da  schuf  er  diese  Welten:  die 
Flut,  die  Lichträume,  das  Tote,  die  Wasser".  Weiter  1,3,11: 
„Er  erwog:  wie  könnte  dieses  [Menschengefüge]  ohne  mich 
bestehen?  Und  er  erwog:  auf  welchem  Wege  soll  ich  in  das- 
selbe eingehen?  .  .  .  Da  spaltete  er  hier  den  Scheitel  und 
ging  durch  diese  Pforte  hinein". 
chrono-  Was   das  relative  Alter  der  angeführten  Stellen  betrifft, 

logie.  .  ö 

so  dürfte  die  von  uns  gewählte  Reihenfolge  auch  die  histo- 
rische sein.  Am  wenigsten  entwickelt  ist  Brih.  1,4,7.  Ein- 
gehend schildert  Chänd.  6,2 — 3  den  Schöpfungsprozefs,  kennt 
aber  nur  drei  Elemente.  Taitt.  2,1  läfst  aus  dem  Atman  die 
fünf  Elemente  hervorgehen.  Ait.  3,3  erwähnt  die  fünf  Ele- 
mente und  bezeichnet  sie  zum  erstenmal  mit  dem  spätem 
Terminus  technicus  pancu  mahabhütäm;  auch  die  ausgemalte 
Schilderung,  wie  der  Atman  durch  die  Schädelnaht  in  den 
Menschen  hineinfährt,  Ait.  1,3,11,  läfst  diese  Stelle  unter  den 
angeführten  als  die  späteste  erscheinen. 


3.  Die  Schöpfung:  der  unorganischen  Xatur. 
organi-  In   der  ganzen  Natur  ist  keine  andere  Grenze   so  scharf 

sclies  und  ...  .       .  T.  ..  i.-\  1 

uuorgani-  gezogen,  wie  die  zwischen  Inorganischem  und  Organischem; 
und  diese  Unterscheidung  beherrscht  auch  die  Naturanschauung 
der  Inder,  sofern  sie  zwar  beides,  Unorganisches  wie  Organi- 
sches, aus  dem  Atman  ableiten,  jedoch  in  ganz  verschiedenem 
Sinne.  Alle  organischen  Wesen,  also  alle  Pflanzen,  Tiere, 
Menschen  und  Götter,  sind  wandernde  Seelen,  sind  also  im 
Grunde  der  Atman  selbst,  wie  er,  aus  Gründen  die  uns  noch 


Bches. 


3.   Die  Schöpfung  der  unorganischen  Natur.  1(31' 

"beschäftigen  werden,  in  diese  vielheitliche  Welt  als  wandernde, 
individuelle  Seele  eingegangen  ist.  Hingegen  sind  die  (wegen 
ihres  Umfanges  von  Ait.  3,3.  Maitr.  3,2.  Pränägnihotrop.  4 
an  mahäbhütäni  genannten)  unorganischen  Wesen,  d.  h.  die 
fünf  Elemente:  Äther,  Wind,  Feuer,  Wasser,  Erde,  wenn  sie 
auch  von  Brahman  regiert  werden  (Brih.  3,7,3 — 14)  und  unter 
dem  Schutze  besonderer  Gottheiten  stehen  (Brih.  2,1,5 — 8. 
2,5,1 — 10),  doch  nicht,  wie  alle  Pflanzen,  Tiere,  Menschen  und 
Götter,  wandernde  Seelen,  sondern  nur  der  von  Brahman  aus- 
gebreitete Schauplatz,  auf  dem  die  Seelen  ihre  Rolle  zu  spielen 
haben.  Ehe  wir  von  der  Entstehung  der  Elemente  aus  Brah- 
man und  sodann,  im  nächsten  Abschnitte,  von  dem  Eingehen 
des  Brahman  in  sie  als  Seele  handeln,  ist  noch  einiges  über 
die  Schöpfungsmythen  der  Upanishad's  vorauszuschicken. 

Wir  zeigten  oben  (Seite  166 — 168),  wie  es  den  Upanishad-  nie  Schöp- 
lehrern,  trotz  der  von  ihnen  vertretenen,  eine  Welt  aufserhalb  mythend« 
des  Atman  ausschliefsenden  Alleinslehre,  durch  unbewufste  shad's. 
Annäherung  an  die  empirische  Anschauung  möglich  wurde, 
sich  an  das  überkommene  Schema  der  Schöpfungsmythen  an- 
zuschliefsen.  So  wird  Chänd.  4,17,1 — 3  und,  in  kürzerer  Form, 
Chänd.  2,23  ein  Schöpfungsmythus  reproduziert,  den  wir,  in 
teilweise  wörtlicher  Übereinstimmung,  schon  qhen  (I,  i,  S.  183- 
189)  aus  Ait.  Br.  5,32  und  Qatap.  Br.  11,5,8  kennen  lernten- 
An  die  Vorstellung  von  dem  Weltei,  deren  ersten  Ursprung 
wir  in  dem  „Lebenskräftigen,  das  in  der  Schale  eingeschlossen 
war"  (Rigv.  10,129,3)  und  in  dem  „goldnen  Keime"  {hiranya-. 
gärbha  Rigv.  10,121,1)  nachgewiesen  haben  (oben  I,  i,  S.  123. 
130),  und  deren  Fortbildung  uns  bereits  (Map.  Br.  6,1,1  und 
11,1,6  begegnete  (I,  i,  S.  200.  195—196),  knüpft  ein  Schöpfungs- 
mythus an,  welcher  Chänd.  3,19  erhalten  ist:  „Diese  Welt  war  chänd.  3,19. 
zu  Anfang  nichtseiend;  dieses  [Nichtseiende]  war  das  Seiende. 
Dasselbige  entstand.  Da  entwickelte  sich  ein  Ei.  Das  lag 
da,  solange  wie  ein  Jahr  ist.  Darauf  spaltete  es  sich;  die 
beiden  Eierschalen  waren,  die  eine  von  Silber,  die  andre  von 
Gold.  Die  silberne  ist  diese  Erde,  die  goldene  der  Himmel 
dort"  usw.  (Auf  diesen  Vorgängern  beruht  die  Darstellung 
bei  Manu  1,9 — 13.)  — 

In   eioentümlicher  Verwebung   erscheint   die   Vorstellung 


170  VI.   Brahman  als  Weltschöpfer. 

von  dem  Weltei  mit  der  von  dem  vorweltlichen  Purusha 
(Rigv.  10,90,  oben  I,  i,  S.  150—158)  in  dem  Schöpfungs- 
mythus zu  Eingang  der,  dem  Rigveda  angehörenden,  Aitareya- 
Tpanishad.  ,,Zu  Anfang  war  diese  Welt  allein  Ätman;  es 
war  nichts  andres  da,  die  Augen  aufzuschlagen.  Er  erwog: 
ich  will  Welten  schaffen ! "  Nachdem  er  sodann  die  Erde  und 
den  Luftraum,  die  Wasser  darüber  und  die  darunter  geschaffen, 
holt  er  aus  den  Wassern  den  Purusha  hervor  und  formt  ihn. 
Indem  er  diesen  bebrütet,  spalten  sich,  „wie  ein  Ei",  Mund, 
Nase,  Augen  usw.  desselben,  woraus  die  acht  psychischen 
Organe  und  aus  diesen  sodann  Agni,  Väyu,  Äditya  usw. 
als  die  acht  Welthüter  hervorgehen,  welche  schliefslich  im 
Menschen  als  Rede,  Odem,  Gesicht  usw.  Wohnung  nehmen. 
Aber  trotz  dieser  Belebung  durch  die  aus  dem  Weltpurusha 
stammenden  Sinnesorgane  kann  das  Menschengefüge  erst  be- 
stehen, nachdem  der  Schöpfer  selbst  durch  die  Scheitelnaht 
(vidriti)  als  individuelle  Seele  in  dasselbe  eingegangen  ist.  — 
Die  Tendenz  dieses  Mythus  ist  deutlich :  der  Purusha,  welcher 
Rigv.  10,90  das  Urprinzip  gewesen  war,  wird  hier  zu  einer 
von  dem  Atman  abhängigen  Potenz;  und  dementsprechend 
werden  nur  die  Seelenorgane  des  Menschen  auf  den  Pu- 
rusha, die  Seele  selbst  aber  auf  den  Atman  zurückgeführt. 
Der  originellste  und  bedeutendste  Schöpfungsmythus  der 
Upanishad's  ist  die  Darstellung  der  Weltausbreitung  aus  dem 
Ätman,  Brih.  1,4.  Hier  erscheint  die  traditionelle  Form  des 
Schöpfungsmythus  nur  wie  ein  leicht  übergeworfenes  Gewand ; 
der  Zweck  ist  nicht,  eine  zusammenhängende  Schöpfungs- 
geschichte zu  erzählen,  sondern  vielmehr,  in  einer  Reihe  lose 
aneinandergereihter  Schöpfungsbilder  die  völlige  Abhängigkeit 
alles  Seienden  von  dem  Ätman  zu  lehren.  Daher  wird  immer 
wieder  von  neuem  an  den  Atman  angeknüpft,  um  zu  zeigen, 
wie  die  Spaltung  desselben  in  Mann  und  Weib  und,  durch 
Flucht  des  Weibes  vor  dem  Manne,  in  die  verschiedenen  Tier- 
geschlechter, —  die  Ausbreitung  von  Name  und  Gestalt  und 
das  Eingehen  des  Ätman  in  dieselben,  —  die  Schöpfung  der 
göttlichen  und  nach  ihnen  der  menschlichen  Kasten,  usw., 
—  dies  alles  nur  die  Selbstausbreitung  des  Ätman  zur  vielheit- 
lichen Welt  und  die  Wesensidentität  aller  ihrer  Erscheinungen 


3.  Die  Schöpfung  der  unorganischen  Natur.  171 

mit  dem  Ätman  bedeutet.  Durch  das  Bewufstsein  „ich 
bin  Brahman"  (aham  brahma  asmi,  1,4,10)  wird  der  Atman 
zum  Weltall,  „und  auch  heutzutage,  wer  also  eben  dieses  er- 
kennt: «Ich  bin  Brahman!»  der  wird  zu  diesem  Weltall;  und 
auch  die  Götter  haben  nicht  Macht,  zu  bewirken,  dafs  er  es 
nicht  wird.  Denn  er  ist  die  Seele  (atman)  derselben".  So 
wird  die  überkommene  Lehre  von  der  Schöpfung  nur  als  eine 
äufserliche  Form  beibehalten;  sie  dient  nur,  um  die  alleinige 
Realität  des  Atman  an  den  verschiedenen  Welterscheinungen 
aufzuzeigen. 

Von  der  Höhe  dieses  Standpunktes  sehen  wir  die  Upa- 
nishad's  immer  wieder  zum  angebornen  Realismus  zurück- 
kehren, um  eine  Schöpfung  der  Welt  und  der  Elemente,  aus 
welchen  sie  besteht,  im  einzelnen  zu  lehren. 

Wie  in  der  griechischen  Philosophie  Philolaos,  Piaton  und  Die  fünf 
Aristoteles,  so  unterscheiden  auch  die  meisten  indischen  Denker 
fünf  Elemente:  Äther,  Wind,  Feuer,  Wasser  und  Erde.  An 
eine  Abhängigkeit  der  griechischen  von  der  indischen  oder  der 
indischen  von  der  griechischen  Vorstellungsweise  ist  dabei 
nicht  zu  denken,  schon  deswegen,  weil  die  Reihenfolge  eine 
verschiedene  ist,  indem  bei  den  Griechen  zwischen  Äther  und 
Luft  das  Feuer,  bei  den  Indern  zwischen  Äther  und  Feuer 
die  Luft  steht.  Ferner,  weil  auf  beiden  Gebieten  unabhängig 
von  einander  die  einfache  Beobachtung  der  Natur  darauf  führte, 
die  fünf  Aggregatzustände  der  Materie,  das  Feste,  Flüssige, 
Gasförmige,  Permanent-Elastische  und  Imponderabile,  als  die 
fünf  Bestandteile  der  körperlichen  Welt  zu  betrachten,  denen, 
wie  wir  sehen  werden,  die  fünf  spezifischen  Energien  der 
Sinnesorgane  entsprechen.  Endlich  sehen  wir  auch  in  der 
griechischen  wie  in  der  indischen  Philosophie  die  Lehre  von 
der  Fünfzahl  der  "Elemente  aus  einfacheren  Vorstellungen  all- 
mählich sich  bilden. 

Bei  den  Indern  ist  das  älteste  Element  das  Wasser;  schon  Das  wasseß 
Rigv.  10,129,3  erschien  das  Urwesen  als  ein  „lichtloses  Ge- 
woge"  (a/prdketam  salilam):  Rigv.  10,121,9  erzeugt  Prajäpati 
„die  glanzreich  grofsen  Wasser";  ebendieselben  erscheinen 
Rigv.  10.,82,1  als  das  Urschlammschmalz,  in  welches  zu  An- 
fang Himmel   und  Erde   eingetaucht  waren;   Rigv.  10,72,4 — 6 


]  72  VI.   Brahman  als  Weltschöpfer. 

als  der  mit  Aditi  identische  „Wogenschwall"  usw.  Auch 
in  den  Upanishad's  lebt  noch  die  Vorstellung  von  den  Ur- 
wassern  fort;  Brih.  1,5,13:  .Jenes  Präna  Leib  sind  die  Wasser"; 
—  Chänd.  7,10,1:  „nur  dieses  Wasser,  in  festgewordenem  Zu- 
stande, sind  diese  Erde,  der  Luftraum,  der  Himmel,  die  Berge, 
die  Götter  und  Menschen,  die  Haustiere  und  Vögel,  die 
Kräuter  und  Bäume,  die  wilden  Tiere  bis  herab  zu  den  Wür- 
mern, Fliegen  und  Ameisen,  sie  alle  sind  nur  dieses  Wasser 
in  festgewordenem  Zustande";  —  und  Kaush.  1,7  (Up.  S.  28) 
sagt  Brahman  zu  der  sich  mit  ihm  als  identisch  erkennenden 
Seele:  „die  Urwasser,  fürwahr,  sind  meine  Welt  [als  Hiranya- 
garbha],  und  sie  ist  Dein!"  Auch  Käth.  4,6  wird  von  dem 
Purusha  gesagt,  dafs  er  schon  vor  den  Urwassern  da  war; 
und  ebendieselben  sind  im  folgenden  Verse  (vgl.  oben  Rigv. 
10,72,5)  unter  der  „zugleich  mit  dem  Leben  entspringenden 
Götterträgerin  Aditi"  zu  verstehen;  auch  sie  „weilt  in  der 
Herzenshöhle"  (in  welcher  nach  Chänd.  8,1,3  Himmel  und  Erde 
beschlossen  sind),  d.  h.  auch  die  Urwasser  sind  ein  Produkt 
des  im  Herzen  wohnenden  Atman.  Ihm  hat,  nach  I§ä  4, 
Mätarigvan  (d.  h.  wohl  der  Präna)  schon  die  Urwasser  ein- 
gewoben, er  hat,  nach  Mahänär.  1,4  durch  Wasser  die  Lebe- 
wesen auf  der  Erde  gesät.  Auch  die  Kosmogonie  Ait.  1,1 
erklärt  sich  hieraus.  Sie  scheint  speziell  an  Rigv.  10,82,1 
anzuknüpfen.  Dort  hiefs  es,  dafs  anfangs  die  Welten  im 
ghritam  der  Urwasser  versunken  gewesen,  und  dafs  der  Schöpfer, 
nachdem  er  zuerst  die  äufsersten  Enden  [die  nur  aus  den 
Wassern  bestehen  konnten]  befestigt  hatte,  zwischen  ihnen 
Erde  und  Himmel  ausgebreitet  habe  (oben  I,  i,  S.  137).  Hier- 
aus läfst  sich  Ait.  1,1  verstehen,  wo  es  heifst:  „Er  erwog:  ich 
will  Welten  schaffen!  Da  schuf  er  diese  Welten:  die  Flut, 
die  Lichträume,  das  Tote,  die  Wasser  (amhho,  maricir,  mcvram, 
äpas).  Jenes  ist  die  Flut,  jenseits  des  Himmels;  der  Himmel 
ist  ihr  Boden.  Die  Lichträume  sind  der  Luftraum.  Das  Tote 
ist  die  Erde.  Was  unter  ihr,  das  sind  die  Wasser".  Nach 
dieser  Darstellung  haben  wir  als  die  beiden  Enden  der  Welt, 
oberhalb  und  unterhalb  derselben,  Wasser,  zwischen  beiden 
aber  den  hellen  Luftraum  (daher  maridr)  und  die  dunkle 
(daher  tote)  Erde,  d.  h.  das  sürtavn  und  das  asürtarn  rajas  aus 


3.  Die  Schöpfung  der  unorganischen  Natur.  173 

Rigv.  10,82,4.  Aus  einer  Bezugnahme  auf  diese  Stelle  würde 
sich  die  übrigens  isoliert  dastehende  Konstruktion  der  Welt- 
teile Ait.  1,1  vollkommen  erklären.  Im  weitern  Verlaufe  zählt 
dieselbe  Upanishad  (Ait.  3,3)  schon  die  später  üblichen  fünf 
Elemente  auf. 

Ein  weiterer  Schritt  geschieht  Brih.  1,2,2,  wo  wir  das  eine  Feuer,  wad 
Element  der  Urwasser  in  drei  übergehen    sehen.     Auch  hier 
schafft  Prajäpati   durch  sein  Lobsingen  das  Wasser;   aus  der 
Butterung  desselben  entstellt  die  Erde,  aus  der  Anstrengung 
und  Erhitzung  bei  dieser  Tätigkeit  das  Feuer. 

Die  Hauptstelle  für  die  Dreizahl  der  Elemente  ist  Chänd. 
0,2.  Die  Wasser  sind  hier  nicht  mehr  der  Ausgangspunkt, 
sondern  nehmen  ihre  Stelle  zwischen  dem  feineren  Feuer  und 
der  gröberen  Erde  ein.  Die  Tendenz,  für  gewöhnliche  Dinge 
mystische,  dem  Uneingeweihten  unverständliche  Ausdrücke  zu 
wählen  (welche  in  den  Brahmasütra's  bis  ins  Komische  getrieben 
wird),  zeigt  sich  darin,  dafs  neben  dem  Wasser,  dessen  Benennung 
schon  feststand,  das  Feuer  als  tcjas  (Glut),  die  Erde  als  annam 
(Nahrung)  bezeichnet  wird.  In  systematischer  Form  wird  das 
Hervorgehen  dieser  drei  Elemente  aus  einander  und  zuhöchst 
aus  dem  Seienden,  d.  h.  dem  Brahman,  geschildert  und  be- 
gründet: „Dasselbe  beabsichtigte:  Ich  will  vieles  sein,  will 
mich  fortpflanzen!  Da  schuf  es  die  Glut  (tejas).  Diese  Glut 
beabsichtigte :  Ich  will  vieles  sein,  will  mich  fortpflanzen !  Da 
schuf  sie  die  Wasser  (äpas).  Darum  wenn  ein  Mensch  die 
Glut  des  Schmerzes  fühlt  oder  schwitzt,  so  entstehet  aus  der 
Glut  das  Wasser  [der  Tränen,  des  Schweifses].  Diese  Wasser 
beabsichtigten:  Wir  wollen  vieles  sein,  wollen  uns  fortpflanzen! 
Da  schufen  sie  die  Nahrung  (annam).  Darum,  wenn  es  regnet, 
so  entstehet  reichliche  Nahrung,  denn  aus  den  Wassern  eben 
entstehet  die  Nahrung,  die  man  isset."  Nachdem  sodann  das 
Eingehen  des  Seienden  als  individuelle  Seele  (jiva  ätman)  in 
die  drei  von  ihm  geschaffenen  Gottheiten,  d.  h.  in  die  Ele- 
mente, berichtet  worden,  so  folgt  weiter  die  Auseinander- 
setzung, wie  das  Seiende  die  von  ihm  erschaffenen  Elemente 
„dreifach  gemacht"  habe,  indem  es  jedes  derselben  mit  Bestand-  Die  Drei- 
teilen  der  drei  andern  versetzte.  So  wird  beispielsweise  an  machung. 
Feuer,  Sonne,  Mond   und  Blitz  nachgewiesen,   dafs  das  Rote 


174  VT.    Brahman  als  Weltschöpfer. 

an  ihnen  aus  Glut,  das  Weifse  aus  Wasser,  das  Schwarze 
aus  Nahrung  bestehe.  Sonach  sind  die  in  der  Natur  vor- 
kommenden Stoße  nicht  reine  Elementarstoffe,  sondern  Ge- 
mische, wobei,  wie  Bädaräyana  sagt  ( Sütrarn  2,4,22) :  vcneeshyät 
tu  tadvädas,  tadvädah,  was  man  ganz  wörtlich  wiedergeben 
kann  durch:  denominatio  fit  a  potiori.  —  In  dieser  Theorie 
von  der  Dreifachmachung  der  Urelemente  liegt  der  erste  Keim 
Die  tan-  der  spätem  Unterscheidung  von  Reinstoffen  (tanmätra)  und 
groben  Elementen  (dhülabhütäm).  Das  erste  Vorkommen  der- 
selben ist  Prac,na  4,8,  wo  unterschieden  werden:  „die  Erde 
und  der  Erdstoff  (prithivi  ca  prithivimäträ  ca),  das  Wasser 
und  der  Wasserstoff,  die  Glut  und  der  Glutstoff,  der  Wind 
und  der  Wrindstoff,  der  Äther  und  der  Ätherstoff".  Die  hier 
gebrauchten  Ausdrücke:  prithivimäträ,  apomäträ,  tejomäträ, 
väyumäträ,  akägamäirä,  werden  dann  später  zusammengefafst 
zu  dem  Terminus  Tanmätra  „aus  diesem  allein  bestehend", 
welcher  zuerst  sich  findet  Maitr.  3,2  und  weiterhin  Pränägni- 
hotrop.  4.  Mahop.  1.  (An  eine  Entstehung  aus  tanu-mätra, 
wie  wohl  behauptet  worden,  ist  nach  dem  Gesagten  nicht  zu 
denken.)  In  dem  (aufserhalb  des  Zusammenhangs  stehenden) 
Verse  Manu  1,27  werden  die  Tanmätra's  als  anvyo  mäirält 
erwähnt,  und  in  der  Saiikhyaphilosophie  spielen  sie,  wie  später 
zu  zeigen,  eine  wichtige  Rolle.  Bädaräyana  nennt  sie  nicht, 
und  Qankara  im  Kommentar  zu  2,2,10,  p.  514,14  erwähnt  sie 
nur  als  Sänkhyaterminus,  um  sie  abzuweisen,  vertritt  aber  in 
seiner  Lehre  von  dem  feinen  Leibe  (System  des  Vedänta 
S.  399  und  Anm.  127)  eine  verwandte  Vorstellung.  —  Nachdem 
man  von  den  drei  Elementen  zu  fünfen  übergegangen  war, 
machte    man    aus    der   Dreifachmachung    der   Elemente    eine 

Die  Fünf-  Fünffachmachung  {pantikaranam,  zuerst,  unseres  Wissens,  bei 
machung.  Qank.  zu  Chänd.  6,4,  p.  417,5),  welche  im  Vedäntasära  dahin 
präzisiert  wird,  dafs  von  jedem  der  fünffachgemachten  Ele- 
mente die  Hälfte  rein  und  die  andre  Hälfte  aus  den  vier 
übrigen  Elementen  zugemischt  ist,  so  dafs  z.  B.  das  in  der 
Natur  vorkommende  Wasser   aus    H,  Wasser  -f-   1/8  Erde  -f- 

Motive  die-  */8  Feuer  -f-  1fs  Luft  +  1S  Äther  besteht.  —  Als  Motive 
dieser  Dreifachmachung  oder  Fünffachmachung  darf  nicht  die 
Vedäntasära  §  128  (Böhtl.)  in  Verbindung  mit  ihr  vorgetragene 


3.  Die  Schöpfung  der  unorganischen  Natur.  175 

Theorie  betrachtet  werden,  nach  welcher  die  Erde  riechbar, 
schmeckbar,  sichtbar,  fühlbar  und  hörbar,  das  Wasser  schmeck- 
bar, sichtbar,  fühlbar  und  hörbar,  das  Feuer  sichtbar,  fühlbar 
und  hörbar,  der  Wind  fühlbar  und  hörbar  und  der  Äther  blofs 
hörbar  ist.  Diese  Theorie  setzt  nicht  die  gemischten,  sondern 
die  ungemischten  Elemente  voraus,  welche  bei  ihrem  Hervor- 
gehen aus  einander  die  Eigenschaften  der  Elemente,  aus  denen 
sie  hervorgegangen  sind,  beibehalten  (der  Wind  neben  der 
Fühlbarkeit  auch  die  Hörbarkeit,  weil  er  aus  dem  hörbaren 
Äther  hervorgegangen,  usw.).  Mit  der  Dreifach  machung 
oder  Fünffachmachung  hingegen  steht  diese  Theorie  in  Wider- 
spruch, da  z.  B.  der  fünffach  gemachte  Äther,  eben  wegen  der 
Zumischung  der  vier  andern  Elemente,  nicht  mehr  blofs  hörbar, 
sondern  auch  fühlbar,  sichtbar,  schmeckbar  und  riechbar  sein 
müfste.  Hingegen  wüfsten  wir  als  Motiv  der  Drei-  und  Fünf- 
fachmachung der  Elemente,  aufser  der  Wahrnehmung,  dafs 
in  allem  Spuren  von  allem  sind  (tcöcv  iv  icavxl  [xz^ly^ai,  Anaxa- 
goras  bei  Ar.  phys.  1,4  187  b  1),  nur  anzugeben,  dafs  der 
menschliche  Organismus,  obwohl  er  nur  einzelne  Stoffe  als 
Nahrung  aufnimmt,  doch  aus  ihnen  alle  drei  Elemente,  Nah- 
rung, Wasser  und  Glut,  entnimmt,  welche  nach  der  Schilde- 
rung, die  sich  an  die  Dreifachmachung  der  Elemente  Chänd.  6,5 
anschliefst,  zu  seinem  Aufbau  erforderlich  sind. 

Ein  grofser  Fortschritt  über  die  behandelte  Stelle  Chänd.  Fant  Eie- 
6,2  fg.  hinaus,  welche  aus  Brahman  nur  drei  Elemente,  Feuer, 
Wasser  und  Erde,  hervorgehen  liefs,  besteht  darin,  dafs  der 
Äther  (oder  Raum  akäga)  und  der  Wind  (väyic),  welche  in  der 
altern  Zeit,  wie  wir  sahen,  als  symbolische  Vertreter  des 
Brahman  selbst  gegolten  hatten,  weiterhin  als  die  beiden  fein- 
sten Elemente  zwischen  Brahman  und  das  Feuer  eingeschoben 
wurden.  Hierdurch  gelangte  man  zur  Fünfzahl  der  Elemente, 
welche,  mit  wenigen  Ausnahmen,  von  allen  spätem  Philo- 
sophen Indiens  angenommen  werden.  Die  erste  Stelle,  welche 
die  fünf  Elemente  nach  dem  Chänd.  6,2  vorliegenden  Schema, 
das  erste  aus  Brahman  und  jedes  folgende  aus  dem  jedesmal 
vorhergehenden,  hervorgehen  liefs,  findet  sich  (Aufzählungen 
wie  Brih.  4,4,5  kommen  nicht  in  Betracht)  Taitt.  2,1,  eine 
Stelle,  welche  in  der  indischen  Philosophie  eine  fundamentale 


mente. 


17G  VI-    Brahman  als  Weltschöpfer. 

Bedeutung  gewonnen  hat:  „Aus  diesem  Atman,  fürwahr,  ist 
der  Äther  [Raum]  entstanden,  aus  dem  Äther  der  Wind,  aus 
dem  Winde  das  Feuer,  aus  dem  Feuer  das  Wasser,  aus  dem 
Entspre-  Wasser  die  Erde".  —  Dieser  Fünfzahl  der  Elemente  entspricht, 
KTk^nmiirs-  wie  wir  später  sehen  werden,  die  Fünfzahl  der  Erkenntnis- 
sinne (Gehör,  Gefühl,  Gesicht,  Geschmack,  Geruch),  welche, 
wenn  nicht  die  erste  Aufstellung,  so  doch  die  definitive  Fest- 
haltung der  fünf  Elemente  veranlafst  hat.  Jedes  Element  hat 
seine  bestimmte  Qualität  (Ton,  Fühlbarkeit,  Farbe,  Schmeck- 
barkeit,  Riechbarkeit)  und  aufser  dieser,  wie  schon  oben  be- 
merkt, noch  die  Qualität  derjenigen  Elemente,  aus  denen  ein 
jedes  hervorgegangen  ist.  Spätere  Upanishad stellen,  in  denen 
die  fünf  Elemente  teils  aufgezählt,  teils  erwähnt  werden,  sind : 
Ait.  3,3  (noch  ungeordnet):  Qvet.  2,12.  6,2  (vgl.  auch  Kath. 
3,15);  Pracna  6,4,  Maitr.  3,2.  6,4.  Ätma  2.  Pinda  2.  Pränägni- 
hotra  4. 

4.  Die  organische  Natur. 

Eingehen  In  Akkommodation  an  das  menschliche,  auf  kausale  Zu- 

man  inline  sammenhänge  gerichtete  Erkenntnisvermögen  stellte  sich  die 
MotiÄsH  Wesensidentität  der  Welt  mit  Brahman  als  eine  Schöpfung 
Lehre.  ^er  -\yei^  durch  das  Brahman  dar.  Wie  das  indische  Wort 
für  Schöpfung,  srishti,  zu  verstehen  gibt,  ist  diese  zu  denken 
als  ein  Entlassen,  Loslassen,  Ausgiefsen,  somit  als  ein  Heraus- 
treten der  Welt  aus  Brahman,  welches  als  solches  mit  dem 
Grunddogma  von  der  alleinigen  Realität  des  Brahman  in 
Widerspruch  stand.  Daher  erforderte  die  Lehre  von  der 
Schöpfung  der  Welt,  sollte  diese  nicht  als  ein  Anderes,  ein 
Fremdes  dem  Brahman  gegenübertreten,  zu  ihrer  Ergänzung 
die  Vorstellung,  dafs  das  Brahman  selbst,  nachdem  es  die  Welt 
geschaffen,  in  dieselbe  als  Seele  eingegangen  sei;  Brih.  1,4,7: 
„in  sie  (die  Welt)  ist  jener  [Atman]  eingegangen  bis  in  die 
Nagelspitzen  ^hinein";  Chänd.  6,3,3:  „da  ging  jene  Gottheit 
(das  Brahman)  in  diese  drei  Gottheiten  (die  Elemente)  mit 
diesem  lebenden  Selbste  (jiva  atman,  der  individuellen  Seele) 
ein  und  breitete  aus  einander  Namen  und  Gestalten" ;  Taitt.  2,6 : 
„nachdem  er  sie  geschaffen,  ging  er  in  dieselbe  ein":  Ait. 
1,3,12:  „da  spaltete  er  hier  den  Scheitel  und  ging  durch  diese 


4.   Die  organische  Natur.  177 

Pforte  hinein".  Brahman  schafft  die  Organismen  als  Burgen 
(puras)  und  geht  dann  in  dieselben  als  Bürger  {purusha,  d.  h. 
als  die  Seele)  ein,  Brih.  2,5,18: 

Als  Burgen  schuf  Zweifüfsler  er, 

Als  Burgen  die  Vierfüfsler  auch; 

In  Burgen  ging  als  Vogel  er, 

In  Burgen  er  als  Bürger  ein. 

Solche  Wohnstätten,  in  welche  Brahman  als  individuelle  aub  Lebe- 
Seele  eingegangen  ist,   sind  alle  lebenden  Wesen,  also  alle  %  Seelen. 
Pflanzen,  alle  Tiere,  alle  Menschen  und  alle  Götter: 

Aus  ihm  die  Götter  vielfach  sind  entstanden, 
Und  Selige,   aus  ihm  Menschen,   Vieh  und  Vögel, 
Einhauch  und  Aushauch,  Beis  und   Gerste,  — _ 

wie  es  Mund,  2,1,7  mit  Anklang  an  Bigv.  10,90,8  und  Atharvav. 
11,4,13  (oben  I,  i,  S.  157.  303)  heifst.  Alle  lebenden  Wesen 
sind  demnach  Brahman,  Ait.  3,3:  „Dieses  (das  Bewufstsein, 
d.  h.  der-  Ätman)  ist  Brahman,  dieses  ist  Indra,  dieses  ist 
Prajäpati,  dieses  ist  alle  Götter,  —  ist  die  fünf  Elemente, 
Erde,  Wind,  Äther,  Wasser,  Lichter,  —  ist  die  Klein -Lebe- 
wesen und  was  ihnen  etwa  ähnlich,  —  ist  die  Samen  der  einen 
und  andern  Art,  —  ist  Eigeborenes,  Mutterschofsgeborenes, 
Schweifsgeborenes,  Sprofsgeborenes,  —  ist  Bosse,  Binder, 
Menschen,  Elefanten,  —  ist  alles  was  lebt,  was  da  geht. und 
fliegt  und  was  bewegungslos".  Unter  dem  „Bewegungslosen" 
(sthdvaram)  ist  die  Pflanzenwelt  zu  verstehen.  Zu  der  ganzen 
Stelle  bemerkt  Qankara :  „In  dieser  Weise  nimmt  in  allen  den 
speziellen  Körperhüllen  von  Brahman  bis  herab  zum  Grashalm 
(brahmäcU-stambajKü-yanteshu,  ein  später  viel  gebrauchter  Aus- 
druck) das  Brahman  diese  und  jene  Namen  und  Gestalten 
an".  Eine  Einteilung  der  organischen  Wesen  in  drei  Klassen:  Küssender 
„aus  dem  Ei  Geborenes,  lebend  Geborenes  und  aus  dem  Keim  orwesenhen 
Geborenes",  fand  sich  schon  Chänd.  6,3,1,  wozu  dann  obige 
(spätere)  Stelle  als  vierte  Klasse  das  „Schweifsgeborene"  (In- 
sekten und  dergleichen)  hinzufügt.  In  jeder  dieser  Erschei- 
nungen wohnt  das  ganze  Brahman;  der  Atman- heifst  Säman,  in  j6dem 
„weil  er  gleich  (sama)  ist  der  Ameise,  gleich  der  Mücke,  daes  g°nez'e 
gleich  dem  Elefanten,  gleich  diesen  drei  Welträumen,  gleich   Brahman 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,  n.  12 


178 


VI.   Brahman  als  Weltschöpf'er. 


Die 

Pflanzen. 


I)ie  Götter. 


Unbe- 
wufstes 
Hervor- 
gehen aus 
Brahman. 


Mythus  vom 
Entstehen 
der  Tier- 
geschlech- 
ter. 


diesem  Weltganzen"  (Brih.  1,3,22).  Ein  Beispiel  von  der  Be- 
seeltheit der  Pflanzen  liefert  Chänd.  6,11,1  an  dem  Baume, 
welcher  dasteht,  „durchdrungen  von  dem  lebendigen  Selbste 
(jiva  ätman,  der  individuellen  Seele),  strotzend  und  freude- 
voll"; dafs  dementsprechend  auch  die  Wanderung  der  Seelen 
bis  in  die  Pflanzenwelt  sich  erstreckt,  lehrt  Käth.  5,7 : 

Im  Mutterschofs  geht  ein  dieser, 
Verkörpernd   sich  zur  Leiblichkeit,   — 
In   eine  Pflanze   fährt  jener,   — 
Je  nach  Werk,  je  nach  Wissenschaft. 

Nach  oben  hin  erstreckt  sich  die  Seelenwanderung  bis  in  die 
Götterwelt  hinein,  Brih.  4,4,4:  „Wie  ein  Goldschmied  von 
einem  Bildwerke  den  Stoff  nimmt  und  daraus  eine  andere, 
neuere,  schönere  Gestalt  hämmert,  so  auch  diese  Seele,  nach- 
dem sie  den  Leib  abgeschüttelt  und  das  Nichtwissen  [zeit- 
weilig] losgelassen  hat,  so  schafft  sie  sich  eine  andere,  neuere, 
schönere  Gestalt,  sei  es  der  Väter  oder  der  Gandharven  oder 
der  Götter  oder  des  Prajäpati  oder  des  Brahman,  oder  andrer 
Wesen".  Das  Hervorgehen  der  Kreaturen  aus  Brahman,  nach- 
dem sie,  wie  die  Blumensäfte  in  den  Honig,  wie  die  Flüsse 
in  den  Ozean,  in  dasselbe  (im  Tiefschlaf  und  im  Tode)  ein- 
gegangen sind,  geschieht  in  unbewufster  Weise,  Chand.  6,10,2: 
„also,  fürwahr,  wissen  auch  alle  diese  Kreaturen,  wenn  sie 
aus  dem  Seienden  wieder  hervorgehen,  nicht,  dafs  sie  aus  dem 
Seienden  wieder  hervorgehen;  selbige,  ob  sie  hier  Tiger  sind 
oder  Löwe,  oder  Wolf,  oder  Eber,  oder  Wurm,  oder  Vogel, 
oder  Bremse  oder  Mücke,  was  sie  immer  sein  mögen,  dazu 
werden  sie  wiedergestaltet".  Vgl.  die  ähnliche,  und  vielleicht 
davon  abhängige,  Aufzählung,  Kaush.  1,2:  „Der  wird  hienieden, 
sei  es  als  Wurm,  oder  als  Fliege,  oder  als  Fisch,  oder  als 
Vogel,  oder  als  Löwe,  oder  als  Eber,  oder  als  Beifstier,  oder 
als  Tiger,  oder  als  Mensch,  oder  als  sonst  etwas,  an  diesem 
oder  jenem  Orte  wiederum  geboren,  je  nach  seinem  Werke, 
je  nach  seinem  Wissen". 

Eine  mythische  Schilderung  des  Entstehens  des  Menschen- 
geschlechtes und  der  Tiergeschlechter  bietet  Brih.  1,4,3 — 4. 
Der  Atman  ist  ursprünglich  weder  Mann  noch  Weib,  sondern 


■i.   Die  organische  Natur.  179 

(wie  in  dem  Mythus  des  Aristophanes  bei  Piaton  Synip. 
p.  189  C  fg.)  die  ungeschiedene  Einheit  beider,  welche  sich 
spaltet  und  in  der  Zeugung  zur  Wiedervereinigung  gelangt. 
Hierauf  entflieht  das  Weib  und  verbirgt  sich  der  Reihe  nach 
in  den  verschiedenen  Tierspezies  der  Kühe,  Pferde,  Esel,  Ziegen, 
Schafe  bis  herab  zu  den  Ameisen;  der  Ätman  aber  verfolgt 
sie  durch  alle  Formen  hindurch  und  zeugt  so  die  Individuen 
jeder  einzelnen  Tierart.  —  Man  könnte  versucht  sein,  diesem 
Mythus  einen  tieferen  Sinn  unterzulegen;  das  Männliche  wäre 
der  nach  seiner  Manifestation  verlangende  Wille,  das  Weib- 
liche der  Inbegriff  der  Formen  (der  platonischen  Ideen), 
welche,  obgleich  aus  dem  Willen  entsprungen,  ihm  doch  he- 
terogen sind,  vor  ihm  fliehen,  bis  der  schöpferische  Wille  sich 
ihrer  bemächtigt,  um  in  ihnen  allen  sein  Wesen  zum  Ausdruck 
zu  bringen.  —  Jedenfalls  besagt  der  Mythus  soviel,  dafs  alle 
Tierformen  mit  dem  Menschen  gleichen  Wesens  und,  wie  er, 
Verkörperungen  des  Atman  sind. 

Im  Folgenden  (Brih.  1,4,6.  11 — 15)  wird  geschildert,  wie  Schöpfung 
der  Ätman  über  sich  hinaus   die  verschiedenen  Götterklassen  Jne  über- 
schafft; „weil  er  als  höhere  [als  er  selbst  ist]  die  Götter  schuf   schöpfung- 
und  weil  er,   als  Sterblicher,   die  Unsterblichen  schuf,   darum 
heifst  sie  die  Überschöpfung  (atisrishti)".    Hierin  liegt  jeden- 
falls so  viel,  dafs  der  als  Mensch  verkörperte  Ätman  in  sich 
das  Prinzip  aller  höheren  Welten  und  Wesen  enthält. 


5.  Die  Weltseele  (Hiranyagarbha,  Brahmän). 

Wie  die  Einzelseele  zu  ihrem  Leibe,   so  verhält   sich  zu  Die  weit- 
dem  Weltleibe  die  Weltseele,  welche,   zum  Unterschiede  von  man,  m-^ 
dem  BrdJiman  (neutr.)  als  Urprinzip,  als  der  Brahmän  (mask.)  ^a9arbha)- 
oder   auch   als   der   Hiranyagarbha    bezeichnet  wird,    welcher 
nach  Rigv.  10,121,1  aus  den  von  dem  Urprinzip  geschaffenen 
Urwassern    als    der   Erstgeborne    der   Schöpfung    hervorging. 
Weil  es  das  Urprinzip  selbst  ist,  welches  in  seiner  Schöpfung 
als  Erstgeborner  erscheint,  darum  wird  auch  der  letztere,  mit 
Änderung   des    Genus   und   des   Akzentes,   als   der  Brahmän, 
gleichsam  als  das  persönlich  gewordene  Brahma»,  bezeichnet. 
In  den  altern  Upanishadtexten  ist  diese  Vorstellung  nur  wenig 

12* 


180  VI.   Brahman  als  Weltschopf  er. 

ausgebildet.  In  der  oben  zitierten  Stelle  Brih.  4,4,4  erschien 
als  Beispiel  einer  wandernden  Seele  neben  Prajäpati  und  den 
übrigen  Göttern  auch  der  Brahman  (ohne  Zweifel  als  Masku- 
linum aufzufassen).  Ait.  3,3  wird  an  der  Spitze  der  Lebe- 
wesen, als  welche  der  Ätman  zur  Erscheinung  kommt,  der 
Brahman  genannt  fauch  hier  ist  natürlich  esha  brahma  zu  lesen 
statt  esha  brahma,  wie  gedankenloserweise  Ait.  Ar.  2,6,1,5  p.  299,3 
gedruckt  ist;  vgl.  auch  die  unmittelbar  folgenden  Worte  des 
Säyana:  anena  pHl-liJxjena  brahmagabdena  e Hiranyägarbhdh 
samavartata  agre'  üy-ädi-gästra-prasiddhah  jpraihamah  gariri 
rivalcshitah).  Auch  Kaush.  1,  wo  dieser  persönlich  gedachte 
Brahman  die  im  Jenseits  ankommende  Seele  empfängt,  wird 
seine  Identität  mit  Hiranyagarbha  durch  die  Schlufsworte  1,7 
angedeutet:  „Die  Urwasser,  fürwahr,  sind  meine  Welt,  und 
sie  ist  dein!"  —  Sonst  wird  der  persönliche  Brahman  (oder 
an  seiner  Stelle  gelegentlich  Parameshthin,  Prajapati  Brih. 
2,6,3.  4,6,3.  6,5,4)  in  altern  Texten  nur  erwähnt  als  der  Träger 
der  göttlichen  Offenbarung  (wie  vordem  der  Vena,  oben  I,  i, 
S.  252  fg.)  und  ihr  Vermittler  an  die  Menschen:  'Chänd.  3,11,4. 
8,15.  Mund.  1,1,1 — 2  und  öfter  in  späteren  Upanishad's. 
Brahman  Ausgeführter  findet  sich  diese  Vorstellung  von  dem  Erst- 

garbhd)  ist  gebornen  der  Schöpfung  als  dem  Urquell  aller  Weisheit  erst 
rSSw  i/der  in  der  (überhaupt  zur  Personifikation  des  Göttlichen  neigen- 
'Up'  den)  Qvetäcvatara-Upanishad,  wo  derselbe  als  der  Brahman y 
als  Hiranyagarbha,  der  „Goldkeim",  oder  auch  einmal,  5,2,. 
mit  poetischer  Umschreibung  dieses  Wortes,  als  der  (wie  Gold) 
,,rote  Weise",  hapila  rishi,  bezeichnet  wird,  was  dann  viele  zu 
dem  Irrtum  verleitet  hat,  dafs  hier,  in  einer  vedischen  Upa- 
nishad,  als  der  Erstgeborne  des  Schöpfers  —  Kapila,  der 
Stifter  des  Sänkhyasystems,  genannt  werde!  Hätte  der  allem 
Dualismus  und  Atheismus  so  feindlich  gegenüberstehende  Autor 
unserer  Upanishad  diesen  gekannt  (was  wir  nicht  glauben), 
so  würde  er  ihn  wohl  mit  ganz  andern  Epithetis  charakterisiert 
haben.  Die  Meinung,  dafs  hier.Kapila  genannt  werde,  ist  nur 
möglich,  solange  man  die  Stelle  isoliert  und  ohne  Rücksicht 
auf  den  ganzen  Zusammenhang  der  Upanishad  betrachtet, 
welche  denselben  Gedanken,  der  hier  vorkommt,  noch  an  vier 
andern  Stellen  zum  Ausdruck  bringt.     Sie  feiert  den  Rudra 


5.  Die  Weltseele.  181 

(Qiva),  in  welchem  sie  das  Urwesen  sieht,  als  den  Urquell 
aller  Weisheit:  „aus  ihm  erflofs  das  Wissen  uranfänglich" 
(4,18,  vgl.  Brih.  2,4,10);  —  „er  heilst  der  Erstlings-Purusha, 
der  Grofse"  (agryah  pnrusho  mahän,  3,19,  vgl.  mahän  ätmä 
Käth.  3,10.  6,7);  —  er  ist  es,  „der  den  Gott  Brahmän  schuf 
zu  Anfang,  und  der  ihm  auch  die  Veden  überliefert"  (6,18); 
—  „der  vormals  den  Hiranyagarbha  zeugte"  (3,4),  —  „der 
selbst  entstehen  sah  den  Hiranyagarbha"  (4,12),  —  und  mit 
Hinweis  auf  die  letzteren  Stellen  heifst  es  dann  5,2:  „der  mit 
jenem  [3,4  und  4,12  erwähnten]  ersterzeugten,  roten  Weisen 
(kapüam  rishim)  im  Geist  ging  schwanger  und  ihn  sah  ge- 
boren". Das  zurückweisende  tarn  sowie  die  Worte  jäyamanam 
ca  pagyet,  verglichen  mit  4,12  pagyata  jäyamanam,  machen  wohl 
die  Rückbeziehung  auf  diese  Stelle,  und  somit  auf  Hiranya- 
garbha, unzweifelhaft. 

Aus  späteren  Upanishad's  ist  zu  erwähnen,  dafs  nach  Näräyana. 
Xäräyana  1  der  Brahmän  aus  Näräyana,  und  dafs  nach  Atharva- 
C,iras  6  aus  Budra,  nach  Mahä  3  aus  Näräyana,  das  Weltei 
und  aus  diesem  sodann  der  Brahmän  entsteht;  als  Quelle  des 
WTissens  wird  derselbe  bezeichnet  Pinda  1,  Gäruda  3,  und 
(unter  dem  Namen  Hiranyagarbha)  Mahä  4.  Im  Gegensatze 
zu  dem  ichbewufsten  Jiva  (der  individuellen  Seele)  wird 
Hiranyagarbha  als  „allichbewufst"  (sarvähammänin)  bezeichnet 
Nrisinhott.  9,  Up.  S.  798. 

Der  Stufenfolge  von  Urwesen,   Urwasser   und   Erstgebo-  Der  Mahdn 
renem  (Brahmän,  Hiranyagarbha)  entspricht  es,   wenn,   unter     Atnw' 
Abstreifung  der  mythologischen  Form,  Käth.  3,10—11.  6,7 — 8 
als  die  drei  obersten  Prinzipien  Purusha,  AvyaMam  und  Mahän 
Atmä  bezeichnet  werden.     Hier  ist,  im  Gegensatze  zum  indi- 
viduellen Atman,   der   Mahan  Atmä  (das  grofse  Selbst,   dem 
mahän  purusha  Qvet.  3,19  entsprechend)  die  Weltseele,  d.  h. 
der  allichbewufste  Hiranyagarbha.    Die  Buddhi  ist  Käth.  3,10 
noch  dem  Mahän  Atmä  untergeordnet.     Eine  Verschmelzung 
beider  führt  dann  weiterhin  zum  kosmischen  Intellekte  (mahän, 
buddhi)  der  Sänkhyaphilosophie.  —  Auf  andern  Gebieten  ent-  Analogien 
spricht  dem  kosmischen  Intellekte  als  Träger  der  Welt  (Hiranya-  sopMs^he 
garbha,   Mahän)  der  aus  dem  sv   emanierende  voO?  der  Neu-  Seservof- 
platoniker  sowie  das  „reine  Subjekt  des  Erkennens"  (das  ewige    8teUun«- 


Ig2  VI.   Brahman  als  Weltschöpfer. 

Weltauge)  der  schopenhauerschen  Philosophie.  Für  das  meta- 
physische Verständnis  der  Welt  ist  diese  Vorstellung  eine 
unentbehrliche.  Wir  wissen  es  (und  auch  die  Inder  wufsten 
es  schon,  Brih.  2,4,5),  dafs  die  ganze  objektive  Welt  nur  mög- 
lich ist,  sofern  sie  getragen  wird  von  einem  erkennenden  Sub- 
jekte. Dieses  Subjekt  als  Träger  der  objektiven  Welt  kommt 
zur  Erscheinung  in  allen  individuellen  Subjekten,  ist  aber 
keineswegs  mit  ihnen  identisch.  Denn  die  individuellen  Sub- 
jekte vergehen  (Brih.  2,4,12  „nach  dem  Tode  ist  kein  Bewufst- 
sein",  vgl.  Brih.  3,2,12),  die  objektive  Welt  besteht  aber  auch 
ohne  sie  weiter,  mithin  auch  das  ewige  Subjekt  des  Erkennens 
(Hiranyagarbha),  von  welchem  sie  getragen  wird.  Aus  diesem 
Subjekte  entspringen  Raum  und  Zeit;  darum  ist  es  selbst  in 
keinem  Räume  und  zu  keiner  Zeit,  also  empirisch  betrachtet 
überhaupt  nicht  vorhanden ;  es  hat  keine  empirische,  sondern 
nur  eine  metaphysische  Realität. 


VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

1.  Brahman  als  Welterhalter. 

in  aiiem  Da  in  Wahrheit  nur  der  Ätman  vorhanden  ist,   und  die 

Ätman.r  Welt,  sofern  sie  überhaupt  existiert  %  ihrem  Wesen  nach  nur 
Ätman  ist,  so  folgt,  dafs  die  Dinge  dieser  Welt  ihre  Realität, 
soweit  wir  ihnen  eine  solche  zugestehen  mögen,  nur  von  dem 
Ätman  zu  Lehen  tragen  können.  Sie  verhalten  sich  zu  ihm 
wie  die  Funken  zu  dem  Feuer,  aus  welchem  sie  entspringen 
und  welches  sie  ihrem  ganzen  Wesen  nach  sind;  Brih.  2,1,20: 
„wie  aus  dem  Feuer  die  winzigen  Fünklein  entspringen,  also 
auch  entspringen  aus  diesem  Ätman  alle  Lebensgeister,  alle 
Welten,  alle  Götter,  alle  Wesen";  vgl.  Kaush.  4,20.  Näher 
ausgeführt  findet  sich  dieses  Bild  Mund.  2,1,1: 

Wie  aus   dem  wohlentflammten  Feuer  die  Funken, 
Ihm  gleichen  Wesens,  tausendfach  entspringen, 
So  geh'n,  o  Teurer,  aus  dem  Unvergänglichen 
Die  mannigfachen  Wesen 
Hervor  und  wieder  in  dasselbe  ein. 


1.  Brahman  als  Welterhalter.  183 

Alle  Dinge  der  Welt  sind,  wie  diese  Stelle  besagt,  „ihm 
gleichen  Wesens"  (sarüpa,  oder  svarüpa  „seine  Gestalt  habend"), 
sind  der  Ätman  selbst,  und  er  allein  ist  es,  welcher  als  die 
ganze  Welt  ausgebreitet  vor  uns  liegt,  Mund-:  2,1,4: 

Sein  Haupt  ist  Feuer,  seine  Augen  Mond  und  Sonne, 

Die  Himmelsgegenden   die   Ohren, 

Seine  Stimme  ist  des  Veda  Offenbarung. 

Wind  ist  sein  Hauch,   sein  Herz  die  Welt,  aus  seinen  Füfsen  Erde, 

Er  ist  das  innre  Selbst  in  allen  Wesen. 

Wie  es  geschieht,   dafs  der  einheitliche  Ätman   sich  zur    Ausbrei- 
vielheitlichen  Welt  ausbreitet,   das  bleibt  ein  Geheimnis  und  Einheit  zur 
kann  nur  durch  Bilder  erläutert  werden.    So  läfst  Chänd.  6,12 
der  Lehrer  die.  Frucht  des  Nyagrodha-Baumes  (dessen  Zweige   Bna  vom 
nach  unten  wachsen  und  in  der  Erde  neue  Wurzeln  schlagen, 
so  dafs  aus  dem  Baume  ein  ganzer  Wald  wird)  herbeibringen 
und  öffnen,  und  nachdem  der  Schüler  in  ihr  nur  ganz  kleine 
Kerne  und  in  diesen  gar  nichts  weiter  gefunden  hat,   spricht 
zu  ihm  der  Lehrer:  „Die  Feinheit,   die  du  nicht  wahrnimmst 
o  Teurer,  aus  dieser  Feinheit,  fürwahr,  ist  dieser  grofse  Nyag- 
rodha-Baum  entstanden.    Glaube,  o  Teurer,  was  jene  Feinheit 
ist,  ein  Bestehen  aus  dem  (ein  dieses-als- Wesen-Haben,  aitad- 
ätmyam)   ist   dieses   Weltall,    das   ist   das  Reale,    das   ist   die 
Seele,  das  bist  du,  o  Qvetaketu!" 

Die  Ausbreitung  der  Einheit  als  Vielheit  wird  auch  er-   Biia  vom 
läutert  durch  das  vielfach  mifs verstandene  Gleichnis  Käth.  6,1 :     ^ 

Die  Wurzel  hoch,  die  Zweig'  abwärts 
Steht  jener  ew'ge  Feigenbaum. 

Alle,  welche  hier  mula  in  ürdhvamüla  als  Plural  fassen  und  „die 
Wurzeln",  Jhe  roots",  „les  racines"  u.  dgl.  übersetzen,  können 
den  Sinn  des  Gleichnisses  nicht  verstanden  haben,  welcher 
gerade  darin  besteht,  zu  zeigen,  wie  aus  dem  einheitlichen 
Brahman  als  Wurzel  die  Vielheit  der  Welterscheinungen 
entspringt.  So  gleicht  das  Weltganze  einem  Acvattha-Baume, 
bei  dem,  ähnlich  wie  bei  unsrer  Linde,  aus  der  einen  Wurzel, 
die  er  hat,  die  ganze  Mannigfaltigkeit  seiner  Aste  und  Zweige 
entspringt,  nur  dafs  bei  demjenigen  Acvattha,  welcher  die 
Welt  ist,  die  eine  Wurzel,  das  Brahman,  oben,  und  die  vielen 


184  "  VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

Zweige  seiner  Erscheinungen  hier  unten  auf  Erden  sind.  Ganz 
irreführend  ist  es,  hier  an  den  Nyagrodha-Baum  (ficus  indica) 
zu  denken,  der  seine  Zweige  in  die  Erde  schickt,  wo  sie  neue 
Wurzeln  schlagen.  Der  A^vattha  (ficus  religiosa)  ist  von  ihm 
nach  Wuchs  und  Blättern  völlig  verschieden.  — ,  Von  Interesse 
ist  es,  zu  sehen,  dafs  die  besprochene  Käthakastelle  allem  An- 
scheine nach  schon  Qvet.  3,9  (wie  auch  Mahänar.  10,20)  be- 
nutzt wird;  wenn  es  hier  heifst:  „als  Baum  im  Himmel  wur- 
zelnd steht  der  Eine"  (vgl.  auch  den  Weltbaum  Qxet.  6,6), 
so  findet  dies  in  der  Stelle  Käth.  6,1,  und  nur  in  ihr,  seine 
Erklärung. 
Aiigegen-  Aus    der    Allverbreitung    des    Atman    ergibt    sich    seine 

itman.  Allgegenwart  in  den  Erscheinungen  der  Welt,  wie  sie,  mit 
Benutzung  des  Verses  Rigv.  4,40,5,  geschildert  wird  Käth.  5,2 
(=  Mahänar.  10,6,  vgl.  die  weiteren  Nachweisungen  dort): 

Im  Äther  ist  Sonnenschwan  er,   Vasu  in   der  Luft, 

Hotar  am  Opferbette,  auf  der  Schwelle  Gast, 

Er  weilt  in  Mensch  und  Weite,   im  Gesetz,  im  Raum, 

Entspringt  aus  Wassern,  Rindern,  Recht,  Gebirg'  als  grofses  Recht. 

Mit  Anknüpfung  an  den  Vers  Väj.  Samh.  32,4  (oben  I,  i, 
S.  292)  schildert  die  Allgegenwart  Gottes  gvet.  2,16—17: 

Er  ist  der  Gott  in   allen  Weltenräumen, 
Vormals  geboren  und  im  Mutterleibe; 
Er  ward  geboren,  wird  geboren  werden, 
Ist  in  den  Menschen  und  allgegenwärtig. 

Der  Gott,  der  im  Feuer  ist,  im  Wasser, 

Der  in   die  ganze  Welt  ist  eingegangen, 

Der  in  den  Kräutern  weilt  und  in  den  Bäumen, 

Diesem  Gotte  sei  Ehre!  —  sei  Ehre! 


Alles  hat  -ALii     uei     üiigüg 

an  seiner 
Wonne  teil 


Auf  der  Allgegenwart  des  Atman  beruht  es,  dafs  alle 
Kreaturen  an  der  Wonne,  welche  sein  Wesen  ist  (oben 
S.  127  fg.),  teilhaben:  „durch  ein  kleines  Teilchen  nur  dieser 
Wonne  haben  ihr  Leben  die  andern  Kreaturen"  (Brih.  4,3,32) : 
—  „denn  wer  könnte  atmen,  wer  leben,  wenn  in  dem  Äkäca 
nicht  jene  Wonne  wäre!  Denn  er  ist  es,  der  die  Wonne 
schaffet"  (Taitt.  2,7).  Darum  wohnt  allen  Wesen  eine  Sehn- 
sucht nach  dem  Ätman  inne,  und  ebenso  nach  dem,  welcher 


1.    Brahman  als  Welterhalter.  185 

sich   als   den   Ätman   weifs;    „sein   (des   Brahman)   Name   ist 
«Nach-ihm-das-Sehnen » (tadvanam),  als  «Nach-ihm-das-Sehnen »  „Nach-ihm- 
soll  man  es  verehren.    Wer  selbiges  als  solches  weifs,  zu  dem      ^n". ' 
wohl   sehnen   hin   sich   die  Wesen   alle'"   (Kena  31,  vgl.  das 
aristotelische :  xwsE  5e  6?  sp«[j.evov). 

Alles  Wirken  in  der  Welt  ist  ein  solches  des  Ätman;  „er  Aiuvirk- 
ist  es,  der  das  gute  Werk  den  tun  macht,  welchen  er  aus 
diesen  Welten  emporführen  will,  und  er  ist  es,  der  das  böse 
Werk  den  tun  macht,  welchen  er  abwärts  führen  will" 
(Kaush.  3,8).  Auch  die  Götter  tun  ihr  Werk  nur  durch  die 
Kraft,  welche  er  ihnen  verleiht:  kein  Strohhalm  kann  von 
Agni  verbrannt,  von  Väyu  aufgehoben  werden  ohne  den  Willen 
des  Brahman  (Kena  17 — 23). 

Die   schönste  Schilderung  von   der  Allmacht    des  Unver-  Allmacht. 
gänglichen,   d.  h.   des  Ätman,   findet  sich,  in  teilweiser  An- 
lehnung an  den  Prajäpatihymnus  Rigv.  10,121  (oben  I,  i,  S.  132) 
in  dem  Gespräche  des  Yäjfiavalkya  mit  der  Gärgi,  Brih.  3,8,9: 

„Auf  dieses  Unvergänglichen  Geheifs,  o  Gärgi,  stehen 
auseinandergehalten  Sonne  und  Mond;  auf  dieses  Unvergäng- 
lichen Geheifs,  o  Gärgi,  stehen  auseinandergehalten  Himmel 
und  Erde;  auf  dieses  Unvergänglichen  Geheifs,  o  Gärgi,  stehen 
auseinandergehalten  die  Minuten  und  die  Stunden,  die  Tag' 
und  Nächte,  die  Halbmonate,  Monate,  Jahreszeiten  und  Jahre: 
auf  dieses  Unvergänglichen  Geheifs,  o  Gärgi,  rinnen  von  den 
Schneebergen  die  Ströme,  die  einen  nach  Osten,  die  andern 
nach  Westen,  und  wohin  ein  jeder  gehet;  auf  dieses  Unver- 
gänglichen Geheifs,  o  Gärgi,  preisen  die  Menschen  den  Frei- 
gebigen, streben  die  Götter  nach  dem  Opfergeber,  die  Väter 
nach  der  Totenspende." 

Diese  Stelle,  in  welcher  alle  räumliche  und  zeitliche  Ord- 
nung und  alles  Wirken  in  der  Natur,  alles  Begehren  der 
Menschen,  Götter  und  Manen  auf  den  Ätman  zurückgeführt 
wird,  hat  viele  Nachbildungen  erfahren.  So  beruht  es  wohl 
auf  dem  ersten  Teile  derselben  von  der  auseinanderhaltenden 
Kraft  des  Ätman,  wenn  der  Ätman  Brih.  4,4,22  (zitiert  Maitr. 
7,7)  einem  setu,  welches  Wort  nicht  nur  die  (verbindende) 
„Brücke",  sondern  auch  den  (auseinanderhaltenden)  „Damm" 
bedeutet,  verglichen  ward:   „er  ist  der  Herr  des  Weltalls,   er 


180  VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

ist  der  Gebieter  der  Wesen,  er  ist  der  Hüter  der  Wesen;  er 

ist   die  Brücke,   welche    (der  Damm,   welcher)    diese  Welten 

auseinanderhält,  dafs  sie  nicht  verfliefsen".    Die-  letzten  Worte 

Bnh.  4.4,22  kehren  wieder  Chänd.  8,4,1 :  „Der  Ätman,  der  ist  die  Brücke 

-wird  schon  . 

Chänd. 8,4,1  (der  Damm),   welche   diese  Welten  auseinanderhält,   dafs   sie 

benutzt  und     ".  n-     n  itt  i  i~  •  1 

mirsver-  nicht  verfliefsen".  Wenn  es  aber  dann  weiter  heilst:  „Diese 
Brücke  überschreiten  nicht  Tag  und  Nacht,  nicht  das  Alter, 
nicht  der  Tod  und  nicht  das  Leiden"  usw.,  so  wird  hier, 
mit  plötzlicher  Veränderung  der  Anschauung,  aus  dem  die 
Weltverhältnisse  trennenden  Damm  eine  das  Diesseits  mit  dem 
Jenseits  verbindende  Brücke;  und  in  diesem  Tatbestande 
liegt  wohl  ein  sicherer  Beweis  für  den  wichtigen  Schlufs,  dafs 
die  gleichlautenden  Worte  aus  Brih.  4,4,22  entnommen  und,, 
mit  Abgehen  von  ihrem  ursprünglichen   Sinne,   Chand.  8,4,1 

spätere  reproduziert  worden  sind.  Der  so  modifizierte  Gedanke  von 
der  Brücke  der  Unsterblichkeit  ist  dann  weiter,  allem  An- 
scheine nach  aus  Chand.  8,4,1,  von  Qvet.  6,19  und  Mund.  2,2,5 
herübergenommen  worden.  Der  ganze  vorhergehende  Ab- 
schnitt Mund.  2,1  ist  im  wesentlichen  eine  poetische  Ver- 
webung der  angeführten  Stelle  Brih.  3,8  mit  Rigv.  10,90  (oben 
l,i,  S.  156  fg.)  und  andern  Zutaten,  wie  in  unsrer  Über- 
setzung S.  550  fg.  nachgewiesen  ist. 


2.  Brahman  als  Weltregierer. 

\Venn  es  in  den  angeführten  Worten  aus  Brih.  4,4,22 
und  ebenso  (wahrscheinlich  in  Nachbildung  dieser  Stelle) 
Kaush.  3,8  heifst :  „er  ist  der  Hüter  der  Welt,  er  ist  der  Ge- 
bieter der  Welt",  so  liegt  darin  zweierlei:  1)  dafs  der  Ätman 
als  Welterhalter  die  Dinge  in  ihrem  Bestände  schützt,  worüber 
gehandelt  worden  ist,  und  2)  dafs  er  als  Weltregierer  die 
Wesen  bei  ihrem  Tun  lenkt.  Für  diese  letztere  Aufgabe 
kommt  neben  manchem,  was  schon  angeführt  wurde,  vor  allem 
Der  Anta,-  in  Betracht  das  Kapitel  Brih.  3,7,  welches  von  dem  Ätman 
r'"l\i. "  '  als  dem  Antaryämin,  d.  h.  dem  „inrrern  Lenker",  handelt. 
Seine  Belehrung  über  denselben  beginnt  Yäjfiavalkya  Brih. 
3,7,3  mit  den  Worten:  „Der,  in  der  Erde  wohnend,  von  der 
Erde  verschieden  ist,  den  die  Erde  nicht  kennt,  dessen  Leib 


2.  Brahman  als  Weltregierer.  187 

die  Erde  ist,  der  die  Erde  innerlich  regiert,  der  ist  deine 
Seele,  der  innere  Lenker,  der  unsterbliche".  Dasselbe,  was 
hier  von  der  Erde  gesagt  wird,  wird  dann  weiter,  unter  steter 
Wiederholung  der  gleichen  Formel,  von  elf  anderen  Natur- 
erscheinungen (Wasser,  Feuer,  Luftraum,  Wind,  Himmel, 
Sonne,  Himmelsgegenden,  Mond  und  Sternen,  Äther,  Finsternis 
und  Licht),  sodann  von  allen  Wesen  und  endlich  von  den 
acht  Organen  (Odem,  Rede,  Auge,  Ohr,  Manas,  Haut,  Er- 
kenntnis, Samen)  entwickelt;  alle  diese  Naturerscheinungen, 
Wesen  und  Organe  sind  sonach  der  Leib  des  Atman,  sind 
von  ihm  verschieden  (antaraj,  kennen  ihn  nicht  und  werden 
doch  von  ihm  innerlich  regiert.  —  Auch  diese  Stelle  ist  in 
der  Folge  vielfach  benutzt  worden.  So  namentlich  Mändükya  6 
und  in  den  Reproduktionen  dieser  Stelle  Nrisinhap.  4,1.  Nri- 
sihhott.  1.  Rämott.  3;  ferner  Brahmop.  1  undBäshkala  (Up.  S.  840). 
Eine  (wertlose)  Definition  des  Antaryämin  wird  gegeben 
Sarvopanishatsära  No.  19:  ,,Wenn  der  Atman,  als  die  Ursache 
der  Naturbeschaffenheit  der  mit  dem  Höchststehenden  (dem 
Bewufstsein)  usw.  ausgerüsteten  Vielheiten,  in  allen  Leibern, 
gleichwie  die  Schnur  durch  die  Menge  der  Perlen,  hin- 
durchgefädelt erscheint,  so  heifst  er  der  innere  Lenker  (an-' 
taryämin)" .  —  Im  Vedäntasära  §  43  wird  der  Antaryämin 
mit  dem  Igvara  gleichgesetzt.  Eine  ähnliche  Rolle  spielt  er 
im  System  des  Rämänuja. 

Dem  Antaryämin  Brih.  3,7  entspricht  in  der  „Honiglehre"    Der  tejo- 
Brih.  2,5  der  „kraftartige  unsterbliche  Geist"  (tejomaya  amrita-  amritamaya 
maya  purusha),  welcher  allen  kosmischen  und  psychischen  Er-    btülVs, 
.scheinungen  einwohnt  und  dadurch  ihre  Wirkung  auf  einander 
ermöglicht.     Auch  hier  wird  der  wertvolle  Grundgedanke  in 
eine  für  uns  wenig  anziehende  Form  gekleidet,  indem  dieselbe 
stereotype  Formel,  jedesmal  unter  Einsetzung  anderer  Begriffe, 
vierzehnmal  hinter  einander  wiederholt  wird.     „Diese  Erde", 
so  beginnt  der  Abschnitt,  „ist  aller  Wesen  Honig,  dieser  Erde 
sind  alle  Wesen  Honig;   aber  was  in  der  Erde  jener  kraft- 
volle, unsterbliche  Geist  ist,  und  was  in  bezug  auf  das  Selbst 
jener  aus  Körper  bestehende,  kraftvolle,  unsterbliche  Geist  ist, 
dieser  ist  eben  das,  was  diese  Seele  (äiman)  ist ;  diese  ist  das 
Unsterbliche,   diese  das  Brahman,   diese  das  Weltall".     Das- 


Stellen. 


135  VII.  Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

selbe,  was  hier  von  Erde  und  Leib,  wird  dann  weiter,  unter 
beständiger  Wiederholung  derselben  Formel,  von  Wasser*  und 
Samen,  Feuer  und  Rede,  Wind  und  Odem,  Sonne  und  Auge 
usw.  gesagt :  das  Auge  nährt  sich  (besteht)  durch  die  Sonne, 
und  die  Sonne  durch  das  Auge  (sie  wäre  nicht  da,  wenn  kein 
Auge  sie  schaute),  und  diese  gegenseitige  Abhängigkeit  ist 
nur  dadurch  möglich,  dafs  in  beiden  derselbe  kraftartige,  un- 
sterbliche Geist,  d.  h.  der  Ätman,  wohnt.  Schon  in  der  Ein- 
leitung zu  unsrer  Übersetzung  dieses  Abschnittes  (Up.  S.  420) 
erinnerten  wir  an  die  verwandte  Lehre  Kants  von  der  „Affinität 
der  Erscheinungen",  welche  nur  durch  die  „synthetische  Ein- 
heit der  Apperzeption",  d.  h.  durch  das  Subjekt  des  Erkennens, 
den  Ätman,  möglich  ist. 
Amiere  Neben  diesen  Hauptstellen  wird  es  genügen,  nur  kurz  zu 

erinnern  an  die  Brih.  2,1.  Kaush.  4  von  Bäläki  Gärgya  für 
das  Brahman  ausgegebenen  zwölf  oder  sechzehn  Purusha's, 
welchen  Ajäta^atru  den  Atman  als  denjenigen  gegenüberstellt, 
„der  der  Schöpfer  aller  jener  Geister  ist,  er,  dessen  Werk 
diese  Welt  ist"  (Kaush.  4,19);  —  sowie  an  die  Brih.  3,9,10— 
18.  26  von  Vidagdha  Qäkalya  für  den  Ätman  gehaltenen  acht 
Purusha's  (der  Körperlichkeit,  der  Begierde,  der  Sonne,  des 
Gehörs,  des  Schattens,  des  Spiegels,  des  Wassers,  des  Sohnes), 
welchen  Yäjnavalkya  den  „Geist  der  Upanishadlehre"  (aiqxnü- 
shada  purusha)  gegenüberstellt,  „der  diese  Geister  auseinander- 
treibend, zurücktreibend,  über  sie  hinausschreitet",  d.  h.  der 
sie  zu  ihrem  Tun  anspornt,  von  demselben  zurückruft  und 
ihnen  überlegen  ist  (Brih.  3,9,26). 

3.  Freiheit  und  Unfreiheit  des  Willens. 

Im  Anschlufs  an  die  Lehre  von  Brahman  als  Weltregierer 
wollen  wir  kurz  die  Frage  nach  der  Freiheit  und  Unfreiheit 
.  des  menschlichen  Willens  behandeln.  Da  die  ganze  Welt, 
upani"  soweit  sie  überhaupt  existiert,  nur  die  Selbstmanifestation  des 
Ätman  ist,  so  kann  von  einer  Freiheit  innerhalb  des  Natur- 
zusammenhanges in  den  Upanishad's  so  wenig  wie  bei  Spinoza 
die  Rede  sein.  Eine  solche  würde  zur  Voraussetzung  haben, 
dafs   der  Ätman  anders  wäre,  als  er  ist.     Demnach  ist  der 


Determinis 
raus  der 


shad's. 


3.   Freiheit  und  Unfreiheit  des  Willens.  189 

Standpunkt  der  Upanishad's  ein  strenger  Determinismus.  Brih. 
4,4,5:  „Der  Mensch  ist  ganz  und  gar  gebildet  aus  Begierde 
(kama);  je  nachdem  seine  Begierde  ist,  danach  ist  seine  Ein- 
sicht (kratu);  je  nachdem  seine  Einsicht  ist,  danach  tut  er 
das  Werk  (Jcarman)".  '  Vgl.  die  ähnliche  Aufserung  Qatap. 
Br.  10,6,3  und  Chänd.  3,14,1  (oben  I,  i,  S.  264.  336). a—  Brih. 
3,8,9:  „Auf  dieses  Unvergänglichen  Geheifs,  o  Gärgi,  preisen 
die  Menschen  den  Freigebigen,  streben  die  Götter  nach  dem 
( )pfergeber,  die  Väter  nach  der  Totenspende".  Sie  alle,  Men- 
schen, Götter  und  Väter,  können  nicht  anders  handeln,  als  es 
ihrer  Natur  gemäfs  ist.  Chänd.  8,1,5:  „Denn  gleichwie  hie- 
nieden  die  Menschen,  als  geschähe  es  auf  Befehl,  das  Ziel 
verfolgen,  danach  ein  jeder  trachtet,  sei  es  ein  Königreich,  sei 
es  ein  Ackergut,  und  nur  dafür  leben,  [so  sind  sie  auch 
beim  Trachten  nach  himmlischem  Lohne  die  Sklaven  ihrer 
Wünsche]". 

In  scharfem  Gegensatze  zu  dieser  Erklärung  stehen  die  Aber  der 
darauf  folgenden  Worte.  Ahnlich  wie  Kant,  nachdem  er  in  wer  sich sas 
den  stärksten  Ausdrücken,  durch  seinen  Vergleich  mit  der  astfrei.'8' 
voraus  zu  berechnenden  Sonnenfinsternis,  die  empirische  Un- 
freiheit des  Willens  proklamiert  hat,  sogleich  darauf,  in  der- 
selben Zeile  behauptet,  „dafs  der  Mensch  frei  sei"  (Kritik 
der  prakt.  Vernunft  S.  120  Kehrb.),  —  ähnlich  heifst  es  in  der 
angeführten  Stelle  Chänd.  8,1,6  weiter:.  „Darum,  wer  von  hinnen 
scheidet,  ohne  dafs  er  die  Seele  erkannt  hat  und  jene  wahr- 
haften Wünsche,  dem  wird  zuteil  in  allen  Welten  ein  Leben 
in  Unfreiheit;  wer  aber  von  hinnen  scheidet,  nachdem  er 
die  Seele  erkannt  hat  und  jene  wahrhaften  Wünsche,  dem 
wird  zuteil  in  allen  Welten  ein  Leben  in  Freiheit".  Vgl. 
die  verwandten  Äufserungen  Chänd.  7,25,2.  8,5,4.  Der  Sinn 
dieses  Gegensatzes  ist  klar:  als  Glieder  in  dem  Naturzusammen- 
hange sind  wir,  wie  dieser,  der  Notwendigkeit  unterworfen: 
aber  wir  sind  frei  von  derselben,  sobald  wir,  durch  Erkennt- 
nis unserer  Identität  mit  dem  Ätman,  aus  diesem  ganzen 
Zusammenhange  der  Natur  heraustreten.  Dafs  der  Ätman 
dem  Zwange  der  Kausalität  enthoben  ist,  haben  wir  oben 
(S.  142  fg.)  gesehen.  Ein  jeder  von  uns  ist  dieser  ewig  freie 
Atman;  wir  sollen  nicht  erst  der  Ätman  werden,  sondern  wir 


190  VII.   ürahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

sind  es  schon  jetzt,  nur  dafs  wir  uns  dessen  nicht  bewufst 
sind.  Somit  sind  wir  schon  jetzt,  trotz  der  ausnahmslosen 
Notwendigkeit  unserer  Handlungen,  in  Wahrheit  frei,  aber 
wir  wissen  es  nicht:  „gleichwie  einen  verborgenen  Goldschatz, 
wer  die  Stelle  nicht  weifs,  nicht  findet,  ob  er  wohl  immer 
wieder  darüber  hingehet,  ebenso  finden  alle  diese  Kreaturen 
diese  Brahmanwelt  nicht,  obwohl  sie  tagtäglich  [im  tiefen 
Schlafe]  in  sie  eingehen;  denn  durch  die  Unwahrheit  werden 
sie  abgedrängt"  (Chand.  8,3,2);  —  „darum  diejenigen,  welche 
diese  Brahmanwelt  durch  Brahmacaryam  (Leben  als  Brahman- 
schüler  in  Studium  und  Entsagung)  finden,  solcher  ist  diese 
Brahmanwelt,'  und  solchen  wird  zuteil  in  allen  "Welten  ein 
Leben  in  Freiheit"  (Chänd.  8,4,3).  Die  Unfreiheit  des  Wil- 
lens, so  unverbrüchlich  sie  gilt,  gehört  doch  nur  zu  der  grofsen 
Illusion  der  empirischen  Realität  und  schwindet  mit  dieser. 
Die  Erscheinung  ist  unfrei,  aber  was  in  ihr  erscheint,  der 
Atman,  ist  frei.  Das  Zusammenbestehen"  beider  Gesichtspunkte 
spricht  sich  in  den  Worten  aus :  „er  'ist  es,  der  das  gute  Werk 
den  tun  macht,  welchen  er  aus  diesen  Welten  emporführen 
will,  und  er  ist  es,  der  das  böse  Werk  den  tun  macht,  welchen 
späterhin  er  abwärts  führen  will"  (Kaush.  3,8).  Wie  dieser  Gedanke,  in 
und'p^ä-8  dem  Mafse  wie  der  Ätman  als  persönlicher  Gott  aufgefafst 
beide1  nur'  wird,  sich  zur  Prädestinationslehre  gestaltet,  ist  schon  früher 
sotensch.  ^g  -^ß-jj  g.ezejgt  Worden.  Aber  die  ganze  Prädestinationslehre 
ist  ebenso  wie  der  Theismus,  auf  dem  sie  beruht,  in  den 
Upanishad's  nur  ein  Versuch,  in  empirischen  Formen  aus- 
zusprechen, was  seiner  Natur  nach  denselben  fremd  ist.  Der 
ewig  freie  Atman,  welcher  unser  Tun  und  Lassen  determi- 
niert, ist  nicht  ein  andrer,  uns  Gegenüberstehender,  sondern 
unser  eignes  Selbst;  darum  heifst  es  vom  Atman:  „er  bindet 
sich  selbst  durch  sich  selbst  (nibadhnäti  ätmanä  ätmänam), 
wie  ein  Vogel  durch  das  Netz"  (Maitr.  3,2),  und  Praevia  3,3 
wird  auf  die  Frage,  wie  der  Atman  in  diesen  Leib  hinein- 
gehe, geantwortet:  „er  kommt  hinein  in  diesen  Leib  mano- 
kritena",  welches,  wenn  wir  dem  Qankara  Glauben  schenken, 
hier  bedeuten  würde  „durch  das  Werk  seines  Willens",  wie- 
wohl die  Grammatik  eine  andre  Auffassung  (als  mano-'hitena 
„unbewufsterweise")  fordert,  woran  (trotz  Rigv.  1,187,7)  schwer- 


3.  Freiheit  und  Unfreiheit  des  Willens.  191 

lieh  mit  einem  sanähir  ärshah  (wie  Änandajnäna  sagt)  vorbei- 
zukommen ist. 

4.  Brahman  als  Vorsehung. 

Die  Weltregierung  kann  auch  einem  unpersönlichen  (als      vor- 
ankirydmin  „innerer  Lenker"  wirkenden)  Prinzip  zugeschrieben  g"Sun 
werden,    eine   Vorsehung    hingegen   setzt   einen    persönlichen      ei8m 
Gott    voraus.      Dementsprechend    sehen    wir    in    den    altern 
Upanishad's,   wie   den   Theismus,    so   auch   den   Vorsehungs- 
glauben nur  hin  und  wieder  als  poetische  Darstellungsform  auf- 
treten;  erst  in  spätem  Upanishad's  gewinnt  mit  der  Personi- 
fikation des  Ätman  auch   der  Glaube  an  eine   göttliche  Vor- 
sehung festere  Gestalt.    Durchaus  mythisch  ist  die  Darstellung  Mythische 
Ait.  1,2,  wie  die  vom  Ätman  aus  dem  Purusha  ausgebrüteten  Vor8tufei 
Gottheiten    (d.  h.    die   Sinnesorgane   und   die    entsprechenden 
Naturgötter)  in  den  Ozean  stürzen,  Hunger  und  Durst  leiden 
und  dann  vom  Atman  den  Menschen  als  Wohnsitz  angewiesen 
erhalten,  in  welchem  sie  Nahrung  geniefsen  können,   die  sie 
dann  aber  mit  den  dämonischen  Mächten  des  Hungers  und 
Durstes    teilen    müssen.   —    Auch    die    „Wohlbeschaffenheit" 
(d.  h.  wohl:  Zweckmäfsigkeit),  welche  Taitt.  2,7  für  die  Essenz 
der  Welt  erklärt  und  (mittels  eines  Wertspiels  zwischen  sukrita 
und  svakHta)  daraus  abgeleitet  wird,   dafs  die  Welt  nur  eine 
Selbstmanifestation  des  aus  Wonne  bestehenden  Brahman  sei, 
kann  nur  als  erster  Keim  des  Glaubens  an  eine  nach  Zwecken 
lenkende  Vorsehung  betrachtet  werden.  —  Deutlicher  tritt  eine 
solche  schon  hervor  Käth.  5,13: 

Der,  als   der  Ew'ge  den  Nichtew'gen,  Freude, 
Als  Geist  den  Geistern,  schafft,  als  Einer  Vielen, 
Wer  den,  als  Weiser,  in  sich  selbst   sieht  wohnen, 
Der  nur  hat  ew'gen  Frieden,  und  kein  andrer. 

Die  Konzession  der  ersten  Hälfte  dieses  Verses  an  den  Theis- 
mus wird  in  der  zweiten  Hälfte  wieder  zurückgenommen,  und 
es  ist  charakteristisch,  dafs  bei  der  Reproduktion  dieses  Verses 
Qvet.  6,13  die  zweite  Hälfte  im  Sinne  des  Theismus  ab- 
geändert wird: 

Wer  dies  Ursein  durch  Prüfung  (sänfchyam)  und  Hingebung  (yoga) 
Als   Gott  erkennt,  wird  frei  von   allen  Banden. 


192  VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

I  Nach  einigen  würde  unser  Autor  hier,  zur  Begründung  seines 
Theismus,  —  sich  auf  das  atheistische  Sänkhyasystem  berufen.) 

Allmähliche  Bedeutend    fortentwickelt    im    Sinne    des   Theismus    und 

Ausbildung  .  ■ 

des  vor-  Vorsehungsglaubens  findet  sich  der  aus  Kath.  5,13  angeführte 
giaubens.  Gedanke  Icä  8,  wo  es  (wörtlich)  heifst :  „Der  Weise,  Denkende, 
Allumfassende,  durch  sich  selbst  Seiende  hat  -die  Zwecke 
yäthätathyäto  für  ewige  Zeiten  verteilt".  Das  (wie  das  Me- 
trum zeigt)  später  eingeschobene  yäthätathyato  bekundet  einen 
weitern  Fortschritt  über  den  ursprünglichen  Vers  hinaus :  „je 
nach  der  Beschaffenheit",  d.  h.  je  nachdem  (ijathä)  die  Werke 
der  einzelnen  Seelen  sind,  dementsprechend  (tathä)  hat  der 
Weise,  Denkende  (Tcavir  manishi)  die  Zwecke  (die  Frucht  der 
Werke,  das  Tun  und  Leiden  jeder  Seele)  voraus  bestimmt. 
Dies  ist  schon,  wenn  wir  nicht  zu  viel  in  den  Vers  hinein- 
gelegt haben,  die  Rolle,  welche  der  Igvara  im  spätem  Vedänta 
spielt:  die  Werke  der  Seele  sind  das  Samenkorn,  welches, 
genau  seiner  Beschaffenheit  entsprechend,  von  Gott  alä  dem 
Regen  zur  Entwicklung  gebracht  wird ;  wie  durch  das  Samen- 
korn die  Pflanze,  so  ist  durch  die  Werke  der  frühern  Geburt 
das  künftige  Leben  sowohl  nach  seinem  Leiden  wie  nach 
seinem  Tun  bestimmt.  Eine  deutliche  Scheidung  zwischen 
diesen  beiden  ist  auch  im  spätem  Vedänta  nicht  anzutreffen. 
—  Am  meisten  vorbereitet  ist  dieser  spätere  Vedäntastand- 
punkt  durch  die  Qvetäcvatara-Upanishad,  welche,  entsprechend 
ihrer  theistischen  Färbung,  den  Ätman  schildert  als  „den  Auf- 
seher der  Werke"  (6,11),  „den  einen  Freien,  der  den  einen 
Samen  vielfach  macht  vieler  von  Natur  Werkloser"  (6,12;  in 
Wahrheit  ist  die  Seele  werklos  wie  der  Ätman,  der  sie  ist), 
der  die  Beschaffenheiten  einzeln  verteilt  (6,4),  der  Recht  schafft, 
Bösem  wehrt,  Glück  austeilt  (6,6),  „der,  selbst  farblos,  viel- 
fach versehen  mit  Kräften,  die  vielen  Farben  verleiht  zu  be- 
stimmten Zwecken"  (4,1),  der  die  Werke  der  Seelen  zur  Reife 
bringt,  5„5: 

Wenn  seinem  Wesen  zureift  aller  Ursprung,   — 
Was  reifen  soll,   er  macht  es  alles  wachsen; 
Er  lenkt  als  einer  alles  hier  und  jedes, 
Verteilend  einzeln  alle  Sonderheiten. 


4.  Brahinan  als  Vorsehung.  193 

Aber   charakteristisch    für   diese   Upanishad   (welche   wir   Daneben 
oben  einem  codex  palunpsestus  verglichen)  ist  es,   dafs  durch   bestehen 
diese  ausgeprägte   theistische  Vergeltungslehre   immer  wieder 
der  alte  Upanishadgedanke  durchleuchtet,  vermöge  dessen  es 
Gott  selbst  ist,  der  als  Seele  sich,  entsprechend  den  begangenen 
Werken,  in  neue  und  wieder  neue  Gestalten  bindet,  5,12: 

Als  Seele  wählt  viel  grobe  und  auch  feine 
Gestalten  er,  entsprechend  seiner  Tugend; 
Und  was  ihn  band  kraft  seines  Werks  und   Selbstes 
In   diese,  bindet  wieder  ihn  in   andre. 

—  So  sehen  wir  die  Denker  der  Upanishad's,  nachdem  sie 
sich,  der  empirischen  Bestimmung  des  Intellektes  folgend,  in 
realistische  Vorstellungsformen  verirrt  haben,  immer  wieder 
zu  dem  ursprünglichen  Idealismus  zurückkehren. 


5.  Kosniographie  der  Upanishad's. 

Dürftig  und  wenig  zusammenhängend  sind  die  in  den 
Upanishad's  vorkommenden  Anschauungen  über  das  Weltganze 
und  seine  Teile. 

Was  zunächst  den  geographischen  Horizont  betrifft,  so  Geograpw- 
zeigt  sich  derselbe  im  wesentlichen  begrenzt  durch  die  Gebirge  aont. 
des  Himälaya  und  Vindhya  im  Norden  und  Süden  (Kaush.  2,13),  ' 
und  durch  die  Flufsgebiete  und  Mündungen  des  Indus  und 
Ganges  im  Westen  und  Osten ;  der  Tag  wird  geboren  in  dem 
Weltmeere  gen  Morgen,  die  Nacht  in  dem  Weltmeere  gen 
Abend  (Brih.  1,1,2):  „diese  Ströme,  o  Teurer,  fliefsen  im  Osten 
gegen  Morgen  und  im  Westen  gegen  Abend;  von  Ozean 
zu  Ozean  strömen  sie  [sich  vereinigend] ,  sie  werden  lauter 
Ozean"  (Chänd.  6,10,1;  ob  hier  mit  Qankara  ad  1.  an  eine 
Rückkehr  des  Meerwassers  durch  Wolken  und  Regen  in  die 
Flüsse  gedacht  werden  darf,  scheint  nach  dem  Wortlaute  des 
Textes  sehr  fraglich);  vgl.  Chänd.  2,4,1.  Was  über  diese 
Grenzen  hinaus  liegt,  scheint  unbekannt  zu  sein;  nur  in  einer 
ganz  späten,  auf  dem  Rämäyanam  fufsenden  Upanishad  wird 
Lanka  auf  Ceylon  (Rämapürvat.  43.  45)  und  Ahnliches  erwähnt. 
Aber  auch  das  Indusland  erscheint  als  fast  verschollen;  man 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,u.  lo 


namen. 


194  VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

bezog  von  dort  edle  Rosse  (Brih.  6,1,13),  sowie  vielleicht  das 
Hker-  Salz  (Brih.  2,4,12.  4,5,13,  vgl.  Maitr.  6,35);  das  Volk  der  Gan- 
dhära's  (westlich  vom  Indus,  im  Süden  von  Peshavar)  erscheint 
Chänd.  6,14  als  ein  fernes;  zu  den  Madras  (am  Hyphasis)  ge- 
langen die  Brahmanschüler  auf  ihrer  Wanderschaft,  Brih.  3,3,1. 
3,7,1.  —  Wie  als  die  gröfste  Persönlichkeit  in  den  Upanishad's 
Yäjnavalkya,  so  erscheint  als  der  Mittelpunkt  des  geistigen 
Lebens  der  Fürstenhof  des  ihm  geneigten  Janaka,  Königs  der 
Videlias  (nordöstlich  von  Patna),  wo  sich  Brih.  3,1,1  auch  die 
Brahmanen  der  (weiter  westlich,  zwischen  Gangä  und  Yamuna 
wohnenden)  Kurju's  und  Pancdlä's  zu  dem,  Brih,  3,1 — 9  ge- 
schilderten, grofsen  Wettkampfe  der  Reden  zusammenfinden. 
Daneben  erscheinen  die  Höfe  des  Ajätacatru,  Königs  der 
Kägts  (um  Benares)  Brih.  2,1.  Kaush.  4,  und  des  Jivala,  Kö- 
nigs der  Paiicälas,  Chänd.  5,3 — 10.  Brih.  6,2  (wofür  Kaush.  1 
Citra  Gängyäyana  eintritt)  als  Heimstätten  der  in  den  Upa- 
nishad's niedergelegten  Erkenntnisse;  dem  fernen  Nordwesten 
sollen  die  Kekayäs  (am  obern  Laufe  des  Hydraotes)  angehören, 
deren  König  Acvapati  (Map.  Br.  10,6,1.  Chänd.  5,11 — 24  den 
sechs  ihn  aufsuchenden  Brahmanen  die  Belehrung  über  den 
VaiQvänara  erteilt.  Abgesehen  von  ihnen  werden  Kaush.  4,1 
in  der  Aufzählung  der  Völker,  welche  der  berühmte  Veda- 
gelehrte  Gärgya  Bäläki  besucht  hatte,  wohl  alle  Stämme  ge- 
nannt sein,  welche  an  dem  geistigen  Leben  der  damaligen  Zeit 
einen  regeren  Anteil  nahmen;  es  sind  dies:  westlich  von  der 
Yamuna,  die  Uginara's,  Saivaris  und  Matsi/as;  zwischen  Ya- 
muna und  Gangä  die  Kuru's  und  Pancdlä's;  östlich  von  diesen 
die  Kägts  und  noch  weiter  im  Osten  die  Viäeha's.  —  Ein 
gemeinsamer  Name  für  die  Volksstämme  der  Arya's  oder  ihr 
Land  kommt  in  den  alten  Upanishad's  nicht  vor.  Erst  Näda- 
bindu  12  findet  sich  BMratam  varsham  als  Bezeichnung  des 
arischen  Indiens.  Die  „fünf  Fünfstämme"  (panca  pancajanäh 
Brih.  4,4,17,  vgl.  die  Anmerkung  dort)  scheinen  nur  die  un- 
bestimmte Vielheit  (vgl.  pancanadavn  oben  I,  i,  S.  73)  aller 
Menschenstämme  bedeuten  zu  sollen. 

Die  Erde  ist  von  Wasser  umgürtet,   Chänd.  3,11,6.     Sie 
wrttganie.  nat  nacn  einem  späten  Texte  Ozeane,  Berge  und  sieben  Inseln 
oder   Kontinente   (Nrisinhap.  1,2.  5,2).      Die   Vorstellung    von 


Die  Erde 


5.  Kosmographie  der  Upanishad's.  195 

Erde  und  Himmel  als  den  beiden  Hälften  des  Welteies  findet 
sich  Chänd.  3,19.  Eine  ähnliche  Anschauung  scheint  der  Kosmo- 
graphie Brih.  3,3  zugrunde  zu  liegen:  wie  die  verschiedenen 
Stoffe  in  einem  Ei,  so  sind  im  Weltganzen  konzentrisch  um 
einander  gelagert  1)  in  der  Mitte  die  (bewohnte)  Welt,  2)  um 
diese  herum  die  Erde,  3)  um  diese  herum  das  Meer.  Die 
Welt  ist  32,  die  Erde  64,  das  Meer  128  Tagereisen  des 
Sonnenwagens  breit,  wonach  der  Durchmesser  des  Welteies 
416  Sonnenbahnen  betragen  würde.  „Daselbst",  d.  h.  wo  Him- 
mel und  Meer  als  die  beiden  Schalen  des  Welteies  aneinander- 
grenzen,  „ist,  so  breit  wie  die  Schneide  eines  Schermessers 
oder  wie  der  Flügel  einer  Fliege,  ein  Raum"  (zwischen  den 
beiden  Schalen),  durch  welchen  man  dorthin  gelangt,  wo  die 
Darbringer  des  Rofsopfers  sind,  d.  h.  wohl  auf  den  in  andern 
Stellen  erwähnten  „Rücken  des  Himmels"  (näkasya  prisMkam) 
als  des  „Leidlosen"  [näkam  =  na  dkam,  Chänd.  2,10,5),  wo 
nach  Taitt.  Ar.  10,1,52  Vereinigung  mit  Brahman  {bralmia- 
salökatä,  vgl.  auch  Mahänär.  1,1.  10,21.  63,5),  nach.  Väj.  Samh. 
15,50  Vergeltung  der  guten  Werke  stattfindet,  welche  nach 
Mund.  1,2,10  (vgl.  Käth.  3,1)  eine  vergängliche  ist.  —  Un- 
vereinbar mit  der  erwähnten  Kosmographie  Brih.  3,3  ist  eine 
andre,  benachbarte  und  ebenfalls  von  Yäjfiavalkya  vorgetragene, 
Brih.  3,6,  nach  welcher  die  dem  Wasser  eingewobene  Welt 
noch  zehn  weitern  Schichten  „eingewoben  und  verwoben",  d.  h. 
von  ihnen  überragt  oder,  richtiger  wohl,  ganz  umgeben  ist. 
Diese  zehn  Schichten  (Windwelt,  Luftraumwelt,  Gandharva- 
welt,  Sonnenwelt,  Mohdwelt,  Sternenwelt,  Götterwelt,  Indra- 
welt,  Prajäpatiwelt,  Brahmanwelt)  erinnern  an  die  Wonnen- 
skala Brih.  4,3,33  und  Taitt.  2,8,  sowie  an  die  Stationen  des 
Götterweges  (Chänd.  4,15,5.  5,10,1 — 2.  Brih.  6,2,15  und  nament- 
lich Kaush.  1,3),  nur  dafs  bei  diesem,  wie  wir  später  sehen 
werden,  Zeitgröfsen  und  Raumgröfsen  koordiniert  nebenein- 
anderstehen, wie  solche  denn  auch  Chänd.  2,10,5  (vgl.  auch 
Brih.  1,1)  ohne  Bedenken  zusammen  addiert  werden. 

Die  vorherrschende  Anschauung  in  den  Upanishad's  ist  weiträume. 
die  überkommene,    nach  der  es  drei  Welträume,  Erde,  Luft- 
raum  und  Himmel,   gibt,    welchen   Agni,   Väyu,   Äditya    als 
ihre  Regenten  entsprechen  (Chänd.  1,3,7.  2,21,1/3,15,5.  Brih. 

13* 


196  VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

1,2,3.  1,5,4.  3,9,8.  Prac,na  5,7  usw.).  In  diesem  Sinne  ist 
auch  das  Chänd.  8,5,3  eingeflossene  Versfragment  (dafs  es  ein 
solches  ist,  zeigt  auch  Atharvav.  5,4,3)  zu  erklären:  triüyasyäm 
ito  divi;  es  ist  hier  nicht,  wie  sonst  öfter,  von  drei  Himmeln 
die  Rede,  sondern  die  Worte  bedeuten:  „im  Himmel,  welcher 
von  hier  aus  [gerechnet]  der  dritte  ist".  Nach  Ait.  1,1,2  be- 
finden sich  oberhalb  und  unterhalb  der  drei  Welträume  (Erde, 
Luftraum  und  Himmel)  die  Urwasser;  nach  Brih.  3,8,4  sind 
alle  drei  dem  Akäca,  wie  dieser  dem  Brahman,  eingewoben.  ■ — 
Sehr  oft  werden  Erde,  Luftraum  und  Himmel  durch  die  drei 
mystischen  Opferrufe  (vydhriWs)  bhür,  bhuvah,  sva/r  bezeichnet; 
zu  ihnen  kommt  als  vierter  Taitt.  1,5  mähas,  welcher  das  Brah- 
man bedeuten  soll.  Später  fügte,  man  über  diese  vier  hinaus 
noch  drei  höhere  Welten,  Janas,  tapas  und  satyam,  hinzu  und 
gelangte  so  zu  sieben  Welten;  ihre  erste  Erwähnung  ist  un- 
seres Wissens  Mund.  1,2,3,  ihre  erste  Aufzählung  Taitt.  Ar. 
10,27 — 28.  Spätere  Aufzählungen  derselben  sind  Nädabindu 
3 — 4.  Nrisiphap.  5,6.  —  Im  weitern  Verlaufe  unterschied  man 
von  Bhür,  Bhuvah,  Svar,  Mahas,  Jana(s),  Tapas,  Satyam  als 
den  sieben  oberen  Welten  die  sieben  unteren:  Atala,  Pdtdla, 
Vüalä,  Sidala,  Basätala,  Mahätala,  Talätala  (Aruneya-Up.  1, 
vgl.  Vedäntasära  §  129).  Auch  diese  Zahl  wurde  noch  über- 
boten, sofern  Atharvagiras  6  (Up.  S.  724)  neun  Himmel,  neun 
Lufträume  und  neun  Erden  gerechnet  werden. 
Himmels-  Auch   die  Zahl   der  Himmelsgegenden   wird   verschieden 

angegeben;  als  vier  (Osten,  Westen,  Süden,  Norden)  werden 
sie  gezählt  Chänd.  4,5,2;  als  fünf  Brih.  3,9,20 — 24;  als  sechs 
Brih.  4,2,4.  Chänd.  7,25;  als  acht  (vier  Pole  und  vier  Zwischen- 
pole) Maitr.  6,2.  Rämap.  71—72.  87.  89. 
Astronom;-  Die  astronomischen  Vorstellungen  in  den  Upanishad's  sind 

Stellungen,  nur  wenig  entwickelt.  Sonne  und  Mond  kommen  hauptsächlich 
in  Betracht,  sofern  sie  Stationen  auf  der  Reise  der  Seele  ins 
Jenseits  bilden,  worüber  später  zu  handeln  sein  wird.  Nach 
Chänd.  4,15,5.  5,10,2  zu  schliefseil,  wäre  uns  die  Sonne  näher 
als  der  Mond.  Das  rote,  weifse  und  schwarze  Aussehen  der 
Sonne  beruht  nach  Chänd.  3,1  fg.  auf  den  Säften  der  ver- 
schiedenen Veden,  die  in  ihr  zerflossen  sind.  Nach  Chänd. 
6,4,2 — 3  bestehen,  wie  alles  in  der  Welt,  so  auch  Sonne  und 


5.   Kosmographie  der  Upanishad's.  197 

Mond  aus  den  drei  Elementen :  das  Rote  an  ihnen  aus  Feuer, 
das  Weifse  aus  Wasser,  das  Schwarze  aus  Erde.  —  Die  Sonne 
zieht  im  Winter  und  Sommer  abwechselnd  sechs  Monate  nach 
Süden  und  sechs  nach  Norden,  Chänd.  4,15,5.  5,10,1 — 3.  Brih. 
6,2,15 — 16.  Sie  hat  die  Gestalt  einer  Scheibe  (rnandalam) 
Brih.  2,3,3.  5,5,2 — 3.  Mahänär.  13;  in  ihr  wohnt  der  Sonnen- 
purusha,  der  gewöhnlich  durch  die  Strahlen  verdeckt  wird, 
Brih.  5,5,2.  5,15.  Ic,a  16,  aber  durch  ebendiese  Strahlen  mit 
dem  Purusha  im  Auge  (Brih.  5,5,2),  oder  mit  den  Adern  des 
Herzens  (Chänd.  8,6,2),  in  Verbindung  steht.  —  Der  Mond  ist 
(wie  Rigv.  10,85,5)  der  Somabecher  der  Götter,  welcher  ab- 
wechselnd von  ihnen  ausgetrunken  und  wieder  gefüllt  wird 
(Chänd.  5,10,4);  anderseits  beruht  das  Zunehmen  und  Ab- 
nehmen des  Mondes  auf  dem  Ankommen  der  Verstorbenen 
auf  ihm  und  ihrem  Zurückkehren  (Kaush.  1,2.  2,8;  anders  2,9). 
Beide  Vorstellungen  verfliefsen  Brih.  6,2,16,  Nach  Brih.  1,5,14 
ist  der  Mond  Prajäpati  als  Präna,  dessen  fünfzehn  Teile  ab- 
wechselnd schwinden  und  sich  wieder  herstellen.  Bei  der  Mond- 
finsternis befindet  sich  der  Mond  im  Rachen  des  Rähu,  Chänd. 
•8,13,1.  Allnächtlich  steht  der  Mond  bei  seinem  Umlaufe  in 
einem  andern  Sternbilde  (nakshatram) ,  in  welchem  er  ruht 
wie  das  Säman  auf  der  Ric,  Chänd.  1,6,4.  Dieselben  27  Stern- 
bilder werden  nach  Maitr.  6,14  von  der  Sonne  auf  ihrer  jähr- 
lichen Reise  durchlaufen,  wobei  auf  jeden  der  zwölf  Monate 
27/12  Nakshatra's,  d.  h.  neun  Vierteile  (na/vängdkam)  derselben 
kommen  (das  Nähere  Up.  'S.  340).  —  Die  Planeten  (grahäh) 
werden  erst  Maitr.  6,16  erwähnt;  ihre  Zahl  wird  in  einem 
sehr  späten  Texte  (Rämottarat.  5)  auf  neun  angegeben,  wobei 
nebst  Sonne  und  Mond  auch  Halm  und  Ketu  (Drachenkopf 
und  Drachenschwanz)  zu  ihnen  gerechnet  werden.  Namentlich 
erwähnt  werden  Qßihra,  Venus  (Maitr.  7,3),  sowie  Qani,  Saturn, 
nebst  Halm  und  Ketu  (Maitr.  6,7).  —  Von  kosmischen  Kata- 
strophen erwähnt  Maitr.  1,4:  „Vertrocknung  grofser  Meere, 
Einstürzen  der  Berge,  Wanken  des  Polarsterns  (dhruva),  Reifsen 
der  Windseile  [welche  die  Sternbilder  an  den  Polarstern  binden]. 
Versinken  der  Erde,  Stürzung  der  Götter  aus  ihrer  Stelle". 

Als  naturwissenschaftliche  Kuriosa  wollen  wir  noch  er-  Naturwis- 
wähnen,   dafs  der  Regen   durch   die   Sonne   (Mahänär.  63,16.  seüohhe3ft" 


198  VII.   Brahman  als  Erhalter  und  Regierer. 

Maitr.  6,37,  vgl.  Manu  3,76)  entsteht,  indem  die  Glut  das 
Gewitter  und  den  Regen  veranlafst  (Chänd.  7,11,1),  wie  ja 
auch  beim  Menschen  die  Hitze  den  Schweifs  und  die  Glut 
des  Schmerzes  die  Tränen  hervortreibt  (Chänd.  6,2,3);  sowie, 
dafs  nach  Maitr.  6,27. „ein  in  die  Erde  vergrabenes  Stück  Eisen 
alsbald  zu  dem  Erdesein  eingeht".  —  Über  die  anatomischen 
und  physiologischen  Anschauungen  der  Upanishad's  werden 
wir  unten  (Kap.  XII,6,  Seite  255 — 266)  handeln. 

VIII.  Brahman  als  Weltvernichter. 

1.  Die  Kalpatheorie  des  spätem  Vedänta. 

vergeitungs-  Ehe   wir   die   Entwicklung   der   Lehre   von  Brahman   als 

thGoric  dos  ^^ 

vedänta.    Weltvernichter  in  den  Upanishad's  verfolgen,  wird  es  zweck- 
mäfsig  sein,  einen  Blick  auf  die  Theorie  des  spätem  Vedänta 
zu  werfen,  welche  das  Resultat  dieser  Entwicklung  ist.    Nach 
dem  Vedäntasystem  finden  die  Werke  jedes  Lebenslaufes  ihre 
genau  zugemessene  Vergeltung  in  dem  nächstfolgenden  Leben. 
Jedes    Leben    ist    sowohl    im    Tun    wie    im    Leiden    nur    die 
Frucht    der    Werke    einer    vorhergehenden   Geburt.      Hieraus 
folgt,  dafs  jedes  Dasein  immer  schon  ein  früheres  voraussetzt, 
dafs  mithin  kein  Dasein  das   erste   sein  kann,  und  dafs  der 
Wanderungslauf  (samsära)  der  Seelen  von  Ewigkeit  her   be- 
Daher  der  steht.    Die  Anfanglosigkeit  des  Samsära  (samsärasi/a  anäddtvam) 
anfaugios.  ist  somit  eine  notwendige  Konsequenz  der  Vedäntalehre,  welche 
nicht  nur  von  Gaudäpäda  (Mändükyakärikä  4,30)  vorausgesetzt 
und  von  Qankara  vertreten  wird,  sondern  auch  schon  in  den 
Sütra's  des  Bädaräyana  (2,1,35),   wie  auch  bereits  in  einigen 
späten  Upanishad's  (z.  B.  Sarvop.  23;  vgl.  die  drastische  Schil- 
derung Yogatattva  3 — 5)    vorkommt.      Diese  Anfanglosigkeit 
Verbindung  des   Kreislaufes   der   Seelenwanderung   steht  in   Widerspruch 
rie  mit  der  mit  den  zahlreichen  Schöpfungstheorien  der  Upanishad's,  welche 
iehrPefUde^-s  sämtlich  eine  einmalige  Schöpfung  der  Welt  lehren,  wie  schon 
shad'B-".     der  stets  wiederkehrende  Ausdruck  „am  Anfang"  (agre,  Ait. 
1,1,1.  Chänd.  3,19,1.  6,2,1.  Brih.  1,2,1.  1,4,1.  10.  17.  5,5,1.  Taitt. 
2,7,1.  Maitr.  2,6.  5,2)  beweist.    Um  die  vom  System  geforderte 
Anfanglosigkeit     des    Samsära    zu    behaupten    und    dennoch 


1.  Die  Kalpatheorie  des  spätem  Vedänta.  199 

die  Schöpfungslehre  der  Upanishad's  festzuhalten,  fassen  die 
Vedäntatheologen  die  Weltschöpfung  auf  als  einen  von  Ewigkeit 
her  periodisch  sich  wiederholenden  Vorgang:  die  von  Brahman 
geschaffene  Welt  besteht  eine  Weltperiode  (Kcdpa)  hindurch,  Die  Kaipa*. 
worauf  sie  in  Brahman  zurücktritt,  um  immer  wieder  neu  aus 
demselben  hervorzutreten,  da  bei  jedem  Weltuntergange  immer 
noch  Werke  der  Seelen  vorhanden  sind,  welche  zu  ihrer  Süh- 
nung ein  abermaliges  Dasein  und  somit  eine  Neuschöpfung 
der  Welt  erfordern;  Bhag.  G.  9,7  (vgl.  8,17—19): 

Alle  Wesen,   o  Kaunteya, 
Gehn  in  meine  Natur  zurück 
Am  Weltende;   am  Weltanfang 
Schaff'  ich  immer  sie  wieder  neu. 

Zum  Beweise  beruft  sich  Qankara,  wie  vielleicht  auch  schon 
Bädaräyana  (2,1,36),  auf  den  Vers  Rigv.  10,190,3  (oben  I,  i, 
S.  134): 

Stiryä-  candramasaa  dhätä  yathäpurvam  akälpayat, 

in  welchem  jedoch,  nach  dem  Zusammenhange  yathäpurvam 
nur  bedeutet  „eins  nach  dem  andern",  nicht,  wie  Qankara 
(p.  495,7)  will,  „wie  vordem".  Auch  die  andre  Stelle,  auf 
welche  er  seine  Theorie  stützt,  Chand.  6,3,2:  „ich  will  in 
diese  drei  Gottheiten  mit  diesem  lebenden  Selbste  eingehen", 
beweist  nicht,  wie  er  glaubt,  dafs  das  „lebende  Selbst"  schon 
vor  der  Schöpfung  bestanden  habe.  Dieser  ganze  Gedanke 
von  einer  periodisch  wiederholten  Weltschöpfung  und  Welt- 
vernichtung ist  den  altern  Upanishad's  noch  völlig  fremd.  Um 
seine  Genesis  zu  verfolgen,  werden  wir  zu  unterscheiden  haben 
1|  die  Rückkehr  der  Einzelwesen,  2)  die  des  Weltganzen  in 
Brahman. 

2.  Rückkehr  der  Einzelwesen  in  Brahman. 

Den  ersten  Ausgangspunkt  des  Gedankens  von  Brahman  Der  Tod  als 
als  Weltvernichter    bildete   wahrscheinlich    die    von   der  Er- 
fahrung dargebotene  und  das  Nachdenken  zu  allen  Zeiten  und 
so    auch   schon   in  jener   alten   Zeit   beschäftigende   Tatsache 
des  Todes.     Nachdem  man   sich  gewöhnt  hatte,  in  Brahman 


200  VIII.   Brahman.als  Weltvernichter. 

die  Kraft  zu  sehen,  welche  als  Präna  das  Leben  hervorbringt 
und  erhält,  so  lag  es  nahe,  es  auf  dieselbe  Kraft  zurück- 
zuführen, „wenn  er  es  müde  wird,  die  Last  zu  tragen",  und 
im  Brahman  als  Präna  „des  Todes  Ursach'  und  des  Lebens" 
zu  sehen  (Taitt.  Ar.  3,14,1 — 2.  Atharvav.  11,4,11,  oben  I,  i, 
S.  299—300.  303).  Darum  hiefs  es  schon  £atap.  Br.  11,3,3,1, 
„das  Brahman  überlieferte  die  Geschöpfe  dem  Tode",  und 
Qatap.  Br.  13,7,1,1,  „es_  opferte  in  allen  den  Wesen  sein  Selbst 
und  die  Wesen  in  seinem  Selbste"  (oben  I,  i,  S.  261.  260). 
Brahman   Dieser  Gedanke  wird  von  den  Upanishad's  weiter  ausgeführt. 

als  Vernich-  . 

ter  der  Ein- Bnh.  1,2,1  erscheint  „der  Tod,  der  Hunger"  (mrityur,  aganäyä), 
als  Weltschöpfer;  „alles,  was  er  immer  erschuf,  das  beschlofs 
er  zu  verschlingen;  weil  er  alles  verschlingt  (ad),  darum  ist 
er  die  Aditi  (die  Unendlichkeit)",  und  Brih.  1,5,3  schafft 
Prajäpati  die  alles  befassenden  Prinzipien,  Manas,  Rede  und 
Präna,  als  Nahrung  für  sich  selbst.    In  den  Worten  Käth.  2,25: 

Er,  der  Brahmanen  und  Krieger 
Beide  aufzehrt,  als  war'   es  Brot, 
Eingetaucht  in   des  Tod's  Brühe,  — 

scheint  ein  poetischer  Nachklang  derartiger  Stellen  vorzuliegen. 
Chänd.  1,9,1  heifst  es  vom  Äbaga  (Äther,  Raum,  als  Symbol 
des  Brahman,  oben  S.  101 — 103):  „der  Äkäca  ist  es,  aus 
dem  alle  diese  Wesen  hervorgehen,  und  in  welchen  sie  wieder 
untergehen";  und  Taitt.  3,1  findet  sich  als  Kriterium  des  Brah- 
man angegeben:  „dasjenige,  fürwahr,  woraus  diese  Wesen 
entstehen,  wodurch  sie,  entstanden,  leben,  worein  sie,  dahin- 
scheidend, wieder  eingehen,  das  suche  zu  erkennen,  das  ist 
das  Brahman".  An  allen  diesen  Stellen  ist  nur  von  einem 
Untergang  der  einzelnen  Wesen,  nicht  von  einem  solchen  des 
Weltganzen  in  Brahman  die  Rede.  Ebenso  Mund.  1,1,7,  wo 
Brahman  mit  der  Spinne  verglichen  wird,  die  den  Faden  aus- 
Iäfst  und  wieder  einzieht,  und  Mund.  2,1,1,  wo  es 'heifst,  dafs 
die  mannigfachen  Wesen  aus  dem  Unvergänglichen  hervor- 
und  wieder  in  dasselbe  eingehen.  In  demselben  Sinne  heifst 
es  Mänd.  1,6  von  dem  Ätman:  „er  ist  die  Wiege  des  Weltalls, 
denn  er  ist  Schöpfung  und  Vergang  der  Wesen",  und  Näräy.  1 
von  Näräyana:    „alle  Götter,  alle  Rishi's,  alle  Versmafse  und 


2.  Rückkehr  der  Einzelwesen  in  Brahman.  201 

alle  Wesen  entstehen  nur  aus  Näräyana  und  vergehen  in  Närä- 
yana".   Man  vergleiche  auch  die  schönen  Verse  (  ülikä  17 — 18: 

Dem   eingewoben   dies  Weltall, 
Was   sich  bewegt  und  nicht  bewegt, 
In  Brahman  auch  vergeht  alles, 
Wie  Schaumblasen  im  Ozean. 

In  ihm,   in  dem  die  Weltwesen 
Einmündend,  werden  unsichtbar, 
Vergehn   sie   und  entstehn  wieder 
Gleich   Schaumblasen  zur  Sichtbarkeit. 

Auch  diesen  Stellen  scheint  das  Dogma  vom  Weltuntergang 
in  Brahman  noch  fremd  zu  sein.  Und  so  werden  wir  Be- 
denken tragen' müssen,  dasselbe  mit  Qankara  in  dem  oben 
S.  163  fg.  besprochenen  Geheimnamen   TaijaJän  Chänd.  3.14,1    Wjaiä*, 

01  .  .-       ■  Chänd. 

zu  finden,  da  der  ganzen  übrigen  Upanishad  diese  Idee  noch      3,ui. 
fremd  ist,  und  der  Gedanke  von  Brahman  als  Grund  des  Ent- 
stehens, Bestehens  und  Vergehens  der  einzelnen  Wesen  hin- 
reicht, um  das  Wort  zu  erklären.     Noch  weniger  können  wir 
die  Worte  Väj.  Samh.  32,8, 

tasmin  ida/ai  sam-  ca  vi-  ca  eti  sarvam, 

mit  dem  Scholiasten  auf  Weltuntergang  und  Neuschöpfung 
beziehen;  sie  bedeuten  nach  dem  ganzen  Zusammenhange  nur, 
dafs  der  Vena  „Einheitspunkt  und  Ausgangspunkt  der  Welt" 
ist  (vgl.  unsere  Übersetzung  oben  I,  i,  S.  294).  Anders  hin- 
gegen steht  es  mit  der  Wiederholung  dieser  Worte  Qvet.  4,11 
(und,  davon  abhängig,  Mahanär.  1,2).  Hier  gewinnen  sie,  in 
Zusammenhang  mit  andern  Stellen  der  Qvet.  Up.,  eine  neue 
Bedeutung,  von  der  jetzt  zu  handeln  sein  wird. 

3.  Rückkehr  des  Weltg-anzen  in  Brahman. 

Zu  den  neuen  und  folgenschweren  Gedanken,   an  denen    weitver- 
die  Qvetägvatara-Upanishad  so  reich  ist,  gehört  auch  der  von    „ä'chTer 
der  periodischen  Vernichtung   und  Neuschöpfung   des  Welt-    (*vet  Up" 
ganzen  durch  Brahman.    Qvet.  3,2:   „Er  (Rudra  als  Personifi- 
kation des  Brahman)  weilt  in  den  Wesen,   und  wutentbrannt 


202  VIII.   Brahman  als  Weltvernichter. 

zur  Endzeit  zerschmettert  er  als  Herr  die  Geschöpfe  alle";  — 
4,1:  Er  ordnet  alle  Zwecke  der  Wesen,  „bis  endlich  das  All 
zergeht  in  ihm,  dem  Anfang";  —  und  so  werden  wir  auch  die 
oben  erwähnten  Worte  Väj.  Samh.  32,8,  wenn  sie  in  diesem 
Zusammenhange  Qvet.  4,11  wiederkehren,  ihm  entsprechend 
aufzufassen  haben:  Gott  ist  es,  „in  dem  die  Welt  zergeht 
und  sich  entfaltet"  (yasmin  idam  sam-  ca  vi-  ca  eti  sarvam). 
periodische  —  Aber  dieser  Prozefs  der  Weltschöpfung  und  Weltvernich- 

Wiederkehr  .  .  .    '  r  ° 

der  weit-  tung  ist  nicht  ein  einmaliger,  sondern  ein  stetig  sich 
tung.  wiederholender;  mit  einer  Spinne  (wie  Mund.  1,1,7,  vgl. 
Qvet.  3,1.  6,10)  wird  Qvet.  5,3  verglichen  „der  Gott,  der 
vielfach  ein  Netz  nach  dem  andern  im  Raum  ausbreitet 
hier  und  wieder  einzieht".  Auch  der  Grund  für  diese 
periodisch  wiederkehrende  Neuschöpfung  der  Dinge  wird  an- 
gedeutet Qvet.  6,3 — 4,  wo  es,  nach  Schilderung  des  Schöpfungs- 
werkes, heifst: 

Was  er  erschuf,  nimmt  dann  zurück  er  wieder, 
Zur  Einheit  wei'dend  mit  des  Wesens  Wesen; 
Um  dann   —    — 

Das  gunahafte  Werk  neu  zu   beginnen, 
Verteilend  einzeln   die  Beschaffenheiten. 

Dafs  es  nur  die  Werke  der  Seelen  sind,  welche  den  Schöpfer 
veranlassen,  dafs  er  „alle  Beschaffenheiten  einzeln  verteilt" 
(sarvän  bhävän  viniyojayet),  besagen  die  unmittelbar  folgenden 
Worte : 

Wo  sie  nicht  sind,   da  wird  das   Werk  zunichte, 
Hin  geht  er  werklos,  wesentlich  ein  andrer; 

d.  h.  wo  die,  den  empirischen  Charakter  ausmachenden  bkävcfs 
durch  die  Erkenntnis  aufgehoben  sind,  werden  die  Werke  zu- 
nichte, und  eine  Neuschöpfung  erfolgt  nicht  mehr. 
spatere  Aus  spätem  Upanishad's   sind  über  Brahman   als  Welt- 

vernichter  folgende  Stellen  bemerkenswert. 

Maitr.  6,17:  „Er  ist  es,  der,  wenn  das  Weltall  untergeht, 
allein  wach  bleibt;  und  er  ist  es,  der  dann  [wieder]  aus  diesem 
Welträume  das  Reingeistige  aufweckt". 

Atharva§iras  6:  „Wenn  Rudra  in  Schlangenringelung  da- 
liegt, dann  werden  die  Geschöpfe  in  ihn  hereingezogen.  Haucht 


3.   Rückkehr  des  Weltganzen  in  Brahman.  203 

er  aus,  so  entsteht  Finsternis,  aus  der  Finsternis  Wasser" 
usw.  Vgl.  vorher  Atharvachas  4:  „Er,  der,  alle  Lebens- 
kräfte verschlingend,  indem  er  sie  verschlingt,  als  Ewiger  sie 
zusammenfafst  und  wieder  ausbreitet"  usw.,  was  jedoch 
auch  vom  Schlafen  und  Wachen  (vgl.  Brih.  2,1,20)  verstanden 
werden  kann. 

Das  Weltuntergangsfeuer  (samvartdko  'qriih)  wird  erwähnt  Das  Weit- 

00  v         •  .  untergangs- 

Atharva^ikhä  1    und    in    den    beiden    Reproduktionen    dieser     feuer. 
Steile  Nrisinhap.  2,1.  Nrisinhott.  3  (Up.  S.  727.  761.  785.    Wir 
schliefsen  mit  dem  schönen  Verse  Kaivalya  19,  wo  der  sich  als 
den  Atman  Wissende  spricht: 

In  mir  entstand  das  Weltganze, 
In  mir  nur  hat  Bestand   das  All, 
In  mir  vergeht  es,  —   dies  Brahman, 
Das  zweitlose,  ich  bin  es   selbst! 


4.  Über  die  Motive  der  Lehre  von  der  Weltvernichtnng'  in  Brahman. 

Das  Brahman  ist  der  Mutterschofs,  aus  dem  alle  Wesen  vergehen 
hervorgehen,  und  es  lag  sehr  nahe,  anzunehmen,  dafs  dieselben   weiiEnt- ' 
im  Tode  in  das  Brahman  zurückkehren,  aus  dem  sie  gekommen,      ihm. " 
denn,  wie  schon  Anaximandros  sagt,  „woraus  die  Entstehung 
der  seienden  Dinge  ist,   darein   geschieht  auch  ihr  Vergehen 
nach  der  Notwendigkeit".    Daher  sehen  wir,  wie  oben  gezeigt, 
in  den   ältesten   Upanishadtexten    und    schon    vor    ihnen   die 
Lehre  von  Brahman  als  Vernichter  der  Einzelwesen  auftreten. 
Aus  ihr  hat  sich   erst  in   später  Zeit,   von  der  ^vetä^vatara-    übertra- 
Upanishad  an,   die  Lehre  von   der   periodischen   Vernichtung   weit  als 
des  Weltganzen  durch  Brahman  entwickelt,  ganz  ähnlich  wie 
die  heraklitische  Lehre  von  dem  Hervorgehen  der  Dinge  aus  Griechische 

Parallele. 

dem  Feuer  (656?  xaro)  und  ihrer  Rückkehr  in  dasselbe  (656? 
avw)  ursprünglich  einen  überall  in  der  Welt  bei  dem  Werden 
und  Vergehen  der  Einzeldinge  verbundenen  Doppelprozess 
bedeutete  (656?  avw  xaxo  ;j.w]),  dann  aber,  sei  es  von  Heraklit 
selbst,  sei  es  von  seinen  Nachfolgern,  den  Stoikern,  verallge- 
meinert wurde  zu  einem  periodisch  wiederkehrenden  Vergehen 
des  Weltganzen  im  Feuer  (sxTCupoci?)  und  Wiedererstehen  aus 


204 


VIII.    Brabman  als  Weltvcrnicbter. 


Wert  für 
die  Ver- 
geltungs- 
lehre. 


demselben  (&iax6cjjn)<jt£).  Über  die  Motive,  welche  in  der 
griechischen  Philosophie  zu  dieser  Verallgemeinerung  geführt 
haben  mögen,  erfahren  wir  nichts  Näheres.  In  Indien  kam 
dieselbe  der  Vergeltungslehre  in  hohem  Grade  zu  statten, 
indem  diese,  wie  gezeigt,  mit  der  überlieferten  Schöpfungs- 
lehre nur  vereinbar  war,  wenn  man  an  die  Stelle  der  in  den 
alten  Upanishad's  gelehrten  einmaligen  Schöpfung  einen  von 
Ewigkeit  her  sich  wiederholenden  Prozefs,  eine  nach  jedem 
Weltuntergang  statthabende,  den  Werken  der  Seelen  ent- 
sprechende Neuschöpfung  des  Weltganzen  setzte.  Schon  bei 
ihrem  ersten  Auftreten  ist  die  Lehre  vom  Weltuntergang  mit 
der  Vergeltungslehre  verbunden,  wie  die  oben  S.  202  an- 
geführten Stellen,  und  namentlich  Qvet.  6,4  („wo  sie  nicht 
sind,  da  wird  das  Werk  zunichte")  zeigen;  ob  aber  das  ur- 
U?icnüsg  sprüngliche  Motiv  der  Lehre  vom  Untergang  und  periodischen 
Motiv.  Neuentstehen  des  Weltganzen  in  dem  Wunsche  lag,  die  über- 
kommene Schöpfungslehre  neben  der  später  aufgekommenen 
Vergeltungslehre  in  der  Weise  des  jüngeren  Vedänta  auf- 
recht zu  halten,  oder  nur  in  dem  natürlichen  Bestreben,  das 
erfahrungsmäfsige  Vergehen  der  Dinge  zu  einem  Gesamt- 
vergehen ebenso  zu  verallgemeinern,  wie  die  ganze  Welt- 
schöpfungslehre ursprünglich  auf  einer  Verallgemeinerung  des 
beobachteten  Entstehens  der  Einzelwesen  beruht,  —  dies  zu 
entscheiden,  ist  nach  den  abgerissenen  und  mehrdeutigen  Aus- 
sagen der  Qvetägvatara-Upanishad  nicht  wohl  möglich. 


IX.   Die  Nichtrealität  der  Welt. 

1.  Die  Mäyälehre  als  Grundlage  aller  Philosophie. 

Kants  Als  Kant  bei  seiner  Untersuchung  des  menschlichen  Er- 

Grund- .  P       ■ 

ciogma,  so  kenntnis Vermögens  die  Folgerung  zog,   dafs   die  ganze  Welt, 

Philosophie,  wie  wir  sie  kennen,  nur  Erscheinung  und  nicht  Ding  an  sich 

sei,  da  hatte  er  nichts  schlechterdings  Neues  gesagt,  sondern 

nur  in  wissenschaftlicher,  auf  Beweise  gestützter  Form   eine 

Wahrheit  ausgesprochen,  welche  in  weniger  wissenschaftlicher 

Gestalt  lange  vor  ihm  vorhanden  gewesen  war,  ja,  als  intuitive, 

halb     unbewufste    Erkenntnis     von    jeher     aller.    Philosophie 


1.   Die  Mäyälehre  als  Grundlage  aller  Philosophie.  205 

zugrunde  gelegen  hatte.  Denn  wären  die  Dinge  der  Welt  nicht, 
wie  Kant  behauptete,  blofse  Erscheinungen,  sondern  ebenso, 
wie  sie  unserm  Bewufstsein  in  Raum  und  Zeit  erscheinen, 
auch  ohne  dieses  Bewufstsein  und  an  sich  vorhanden,  so  würde 
eine  empirische  Betrachtung  und  Erforschung  der  -Natur  die 
letzterreichbaren  und  vollgültigen  Aufschlüsse  über  das  Wesen 
der  Dinge  bieten.  Im  Gegensatze  zu  dieser  empirischen  Be- 
trachtungsweise hat  die  Philosophie  von  jeher  nach  dem 
eigentlichen  Wesen  oder,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  nach  dem 
Prinzip  der  Welt  gefragt,  und  diese  Frage  setzt  immer  schon 
das,  wenn  auch  noch  undeutliche,  Bewufstsein  voraus,  dafs 
dieses  Prinzip,  dieses  Wesen  der  Dinge  nicht  schon  in  den 
Dingen  selbst,  wie  sie  in  Raum  und  Zeit  vor  unsern  Augen  sich 
ausbreiten,  gegeben  ist,  dafs,  mit  andern  Worten,  der  ganze 
Inbegriff  der  äufsern  und  innern  Erfahrung  uns  immer  nur 
zeigt,  wie  die  Dinge  uns  erscheinen,  nicht  wie  sie  an  sich 
sind.  Diese  Erkenntnis  sehen  wir  denn  auch  auf  allen  Ge- 
bieten der  Philosophie,  je  bestimmter  dieselbe  sich  ihrer  eigent- 
lichen Aufgabe  im  Gegensatze  zu  den  empirischen  Wissen- 
schaften bewufst  wird,  um  so  deutlicher  hervortreten:  so  in 
der  griechischen  Philosophie,  wenn  die  empirische  Realität 
von  Parmenides  für  blofsen  Schein,  von  Piaton  für  einen 
blofsen  Schatten  (Rep.  VII,  1)  der  wahren  Wesenheit  erklärt 
wird,  so  in  der  indischen  Philosophie,  wenn  die  Upanishad's 
lehren,  dafs  diese  Welt  nicht  der  Atmcm,  das  eigentliche 
„Selbst"  der  Dinge,  sondern  eine  blofse  Mäyä,  ein  Trugbild,  eine6 j/4«. 
eine  Illusion  ist,  und  dafs  die  empirische  Erkenntnis  derselben 
keine  Vidyä,  kein  wahres  Wissen  gewährt,  sondern  in  der 
Aridyä,  dem  Nichtwissen,  befangen  bleibt.  Da  der  Ausdruck 
Mäyä  in  diesem  Sinne  erst  verhältnismäfsig  spät,  nämlich  Alter  dieser 
nicht  vor  Qvet.  4,10,  nachweisbar  ist,  so  hat  man  geglaubt,  in 
dieser  Lehre  nur  eine  sekundäre,  im  Verlaufe  der  Zeit  aus 
der  Weltanschauung  der  Upanishad's  sich  entwickelnde  An- 
sicht erkennen  zu  müssen.  Wir  wollen  jetzt  zeigen,  dafs  dem 
nicht  so  ist,  dafs  vielmehr  die  Upanishadtexte,  je  älter  sie 
sind,  um  so  schroffer  und  nachdrücklicher  jenen  illusorischen 
Charakter  der  empirischen  Realität  hervorheben,  nur  dafs 
dieser  exzentrische  und  scheinbar  verstiegene  Gedanke  selten 


206  IX.   Die  Nichtrealität  der  Welt. 

in  voller  Reinheit  zum  Ausdrucke  kommt  und  in  der  Regel 
in  Formen  auftritt,  welche  in  einer  Einkleidung  desselben  in 
die  uns  allen  angeborene  und  unverlierbar  anhaftende  empi- 
rische Erkenntnisweise  ihre  vollkommene  Erklärung  finden. 


o 


2.  Die  Mäyälehre  in  den  Upanishad's. 

Der  ideaiis-  Es  gibt  in  der  Literatur  der  Upanishad's  wenige  Texte, 

'yTjna6-1    welchen,  nach  allen  äufsern  und  innern  Kriterien,  ein  höheres 

valkyatexte"  Alter  zukäme  als  den  Abschnitten  der  Brihadäranyaka-Upa- 
nishad,  welche  die  Weltanschauung  des  Yäjnavalkya  entwickeln 
(Brih.  2,4  und  3,1 — 4,5).  Wir  werden  sehen,  wie  in  diesen 
Abschnitten  entschiedener  als  irgendwo  sonst  die  Lehre  von 
der  alleinigen  Realität  des  Atman  und  von  der  Nichtigkeit 
einer  vielheitlichen  Welt  aufser  dem  Atman  vorgetragen  wird. 
Vorher  aber  wollen  wir  zeigen,  wie  schon  in  der  altvedischen 
Philosophie  vor  den  Upanishad's  die  Keime  gegeben  waren, 
welche  von  Yäjnavalkya,  oder  wer  es  sonst  gewesen  sein  mag, 
zu  jenem  grofsen,  die  ganze  Folgezeit  beschäftigenden  Grund- 
gedanken der  Upanishad's  fortgebildet  wurden. 

Wir  sahen   (oben  I,  i,   S.  103 — 127),   wie   schon   in   den 

spätem  Hymnen   des   Rigveda  der  Gedanke   auftritt,  welcher 

hier  wie  überall  den  ersten  Schritt  in  der  Philosophie  bedeutet: 

Der  Ein-    der  Gedanke  von  der  Einheit  des  Seienden.    Er  involviert, 

heits-  . 

gedanke  als  wenn  auch  nur  keimartig  und  halb  unbewufst,  die  Erkenntnis, 
desselben,  dafs  alle  Vielheit  —  mithin  alles  Nebeneinander  im  Räume, 
alles  Nacheinander  in  der  Zeit,  alles  Aufsereinander- von  Ur- 
sache und  Wirkung,  alles  Gegeneinander  von  Subjekt  und 
Objekt  —  im  höchsten  Sinne  keine  Realität  hat.  Wenn  es 
Rigv.  1,164,46  (oben  I,  i,  S.  118)  heifst:  ekam  sa<l  viprä  bahudha 
vadanti  „vielfach  benennen,  was  nur  eins,  die  Dichter"  so 
liegt  hierin  implizite,  dafs  die  Vielheit  nur  auf  Worten  be- 
ruhend („an  Worte  sich  anklammernd",  wie.  es  später,  Chänd. 
6,1,3,  heifst),  und  dafs  nur  die  Einheit  real  ist.  Auch  bei  den 
Versuchen,  diese  Einheit  näher  zu  bestimmen,  wie  wir  die- 
selben durch  die  Zeit  der  Hymnen  und  Brähmana's  verfolgt 
haben  (oben  I,  i,  S.  127  fg.),  blickt  überall,  mehr  oder  weniger 
deutlich,  der  Gedanke  durch,  dafs  nicht  die  Vielheit  real  ist, 


2.  Die  Mäyälehre  in  den  Upanishad's.  207 

sondern  nur  die  Einheit,  „das  Eine,  aufser  dem  kein  Andres 
war"  (Rigv.  10,129,2),  „der  Eine,  eingefügt  der  ew'gen  Nabe, 
in  der  die  Wesen  alle  sind  gewurzelt"  (Rigv.  10,82,6),  und 
wenn  es  heifst:  „nur  Purusha  ist  diese  ganze  Welt,  und  was 
da  war  und  was  zukünftig  währt"  (Rigv.  10,90,2),  so  liegt 
hierin,  dafs  im  ganzen  Universum,  in  aller  Vergangenheit  und 
Zukunft  das  Reale  nur  und  allein  der  eine  Purusha  ist.  Aber 
die  Leute  wissen  das  nicht;  sie  sehen  als  das  Reale  nicht  den 
Stamm,  sondern  „das,  was  er  nicht  ist,  das  ihn  verdeckende 
Zweigwerk"  (asac-chdhhdfn  pratishihantim,  Atharvav.  10,7,21, 
oben  1,  i,  S.  316,  vgl.  auch  Dhyänab.  10)  an;  denn  dasjenige, 
„woran  die  Götter  und  Menschen  wie  Speichen  an  der  Nabe 
stehn",  die  „Blume  des  Wassers"  (d.  h.  Brahman  als  Hiranya- 
garbha)  „ist  durch  Zauberkunst  (niäyd)  versteckt"  (Atharvav. 
10,8,34,  oben  I,  i,  S.  323;  aufstellen,  wie  dieser  und  dem,  in 
ähnlichem  Sinne  schon  Brih.  2,5,19  gedeuteten,  Verse  Rigv. 
6,47,18:  indro  mäyabhih  pururüpa?  iyate,  mag  die  Qvet.  4,10 
erfolgende  Einführung  des  Terminus  mäya  in  die  Philosophie 
beruhen).  Zur  vollen  Deutlichkeit  erstarkte  dieser,  die  viel- 
heitliche Welt  leugnende,  Idealismus  durch  Einführung  und 
immer  tiefere  Erfassung  des  Begriffes  vom  Atman  oder  Selbste,  d«  Begriff 
Dieser  Begriff  ist,  wie  öfter  gezeigt,  wesentlich  negativ  und 
dazu  auffordernd,  alles  von  einer  Sache  abzulösen,  was  von 
ihr  ablösbar  ist  und  folglich  nicht  zu  dem  unveräufserlichen 
Bestände  ihres  Selbstes  gehört  und  daher  Nichtselbst  ist. 
Solange  nun  nur  von  dem  Atman  eines  Einzelwesens  die 
Rede  war,  konnte  dieses  Nichtselbst  ja  wohl  das  Selbst  eines 
andern  Einzelwesens  und  somit  real  sein;  sobald  man  sich 
aber  zu  dem  Begriff  vom  Atman  des  Weltganzen,  dem 
„grofsen  allgegenwärtigen  Atman"  (Taitt.  Br.  3,12,9,7,  oben  I,  i, 
S.  263),  welcher  „gröfser  als  Himmel,  Raum  und  Erde"  ist 
((^atap.  Br.  10,6,3,  oben  I,  i,  S.  264),  erhob,  war  dasjenige, 
was  als  Nichtselbst  vom  Atman  ausgeschlossen  wurde,  eben 
dadurch  vom  Weltganzen  und  mithin  von  der  Realität  aus- 
geschlossen. Aber  eben  dieser  kosmische,  keine  Realität  aufser 
sich  zulassende,  Atman  war  zugleich  „klein  wie  ein  Reiskorn" 
usw.  (Qatap.  Br.  10,6,3)  im  eignen  Selbste  ganz  und  un- 
geteilt vorhanden,   und  diese  Koinzidenz  des  kosmischen  und 


208  I-x-   Die  Nichtrealität  der  Welt. 

r»cr  Ätman-  des  psychischen  Prinzips  wurde  eben  durch  das  Wort  Atman 
Queiipunkt  immer  gegenwärtig  erhalten :  das  Selbst  in  uns  ist  der  Pfad- 
aes  idealis-  finder  des  grofsen  allgegenwärtigen  Ätman  (Taitt.  Br.  3,12,9,7, 
oben  I,  i,  S.  334),   und  gerade  dieser  Gedanke  ist  der  Quell- 
punkt der  Upanishadlehre,  wie  er  denn  zunächst  in  einem  der 
ältesten  Texte  Brih.  1,4,7   (der  auf  der  Autorität  des  Yäjfia- 
valkya  rufst,  Brih.  1,4,3)  fast  wörtlich  wiederkehrt:    „Darum 
ist  dieses  die  Wegespur  des  Weltalls,  was  hier  [in  uns]  'der  Ätman 
Erstes  Auf-  ist,  denn  in  ihm  kennt  man  das  ganze  Weltall;  . .  .  darum 
Idealismus  ist  dieses  teurer  als  ein  Sohn,  teurer  als  Reichtum,  teurer  als  alles 
mnishad'sa  andere;  denn  es  ist  innerlicher,  weil  es  diese  Seele  (ätman)  ist". 
Eine  weitere  Ausführung  dieses,  wie  gesagt,  wohl  schon 
auf  die  Autorität  des  Yäjnavalkya  zurückgehenden  (Brih.  1,4,3) 
Gedankens    liegt   vor    in    dem   Gespräche   Yäjnavalkya's    mit 
Yäjüa-     seiner  Gattin  Maitreyi,  für  dessen  hohes  Alter  neben  innern 
sprach  mit  Gründen   auch  das   doppelte  Vorkommen    desselben,   in   zwei 
i  rej  i.   ungrer  Upanishad  vorhergehenden  und  erst  später  zu  ihr  ver- 
einigten Sammlungen  (vgl.  Upanishad's  S.  376 — 378),  Zeugnis 
ablegt,  Brih.  2,4  und  Brih.  4,5.     Yäjnavalkya  beginnt  seine 
Belehrung  mit   dem  Satze:    „Fürwahr,   nicht  um  des   Gatten 
willen   ist    der   Gatte   lieb,    sondern    um    des   Selbstes   willen 
ist    der    Gatte    lieb".      Dasselbe    wird    dann,    unter    steter 
Wiederholung  dieser  Formel,  von  Gattin,  Söhnen,  Reichtum, 
Brahmanenstand,  Kriegerstand,  Welträumen,  Göttern,  Wesen 
und  Weltall   ausgesagt:    sie   alle   sind   nicht   um   ihretwillen,, 
sondern  um  des  Selbstes  willen   lieb.     Unter  dem  Selbste  ist 
hier,  wie  der  Schlufs  des  Abschnittes  (Brih.  2,4,14)  zeigt,  das 
Bewufstsein,  das  Subjekt  des  Erkennens  in  uns,  zu  verstehen, 
und  der  Gedanke  ist,   dafs  alle  Dinge  und  Verhältnisse  der 
Welt  für  uns  nur  vorhanden  sind,  gekannt  und  geliebt  werden 
können,   sofern  sie  in  unserm  alle  Dinge   der  Welt   in   sich 
fassenden  und  nichts  aufser  sich   habenden  Bewufstsein  auf- 
treten.    Darum  heifst  es  weiter:   „Das   Selbst,  fürwahr,   soll 
man   verstehen,   soll  inan  überdenken,    o  Maitreyi;   wer   das 
Selbst  gesehen,  gehört,  verstanden  und  erkannt  hat, 
von   dem    wird    diese   ganze  Welt    gewufst".      Wie   die 
Töne   einer   Trommel,    einer   Muschel,    einer    Laute    an    sich 
wesenlos  sind  und  nur  ergriffen  werden  können,  indem  man 


2.  Die  Mäyälehre  in  den  Upanisbad's.  209 

das  sie  hervorbringende  Instrument  ergreift,  so  werden  alle 
Dinge  und  Verhältnisse  der  Welt  von  dem  erkannt,  welcher 
den  Atman  erkennt  (Brih.  2,4,7 — 9).  Dem  Ätman  als  dem  verwandte 
Subjekte  des  Erkennens  ist  der  Raum  mit  allem  seinem  In- 
halt eingewoben  (Brih.  3,8,11.  4,4,17); 'alle  Himmelsgegenden 
sind  seine  Organe  (Brih.  4,2,4);  die  Welt  der  Namen,  Ge- 
stalten und  Werke,  „wiewohl  sie  dreifach  ist,  ist  eines,  näm- 
lich der  Ätman",  er  ist  das  Unsterbliche,  welches  durch  die 
(empirische)  Realität  verhüllt  ist  (amritam  satyena  channam, 
Brih.  1,6,3),  er  ist  die  Realität  der  Realität  (satyasyä  satyam, 
d,  h.  dasjenige,  was  an  der  Realität  das  wahrhaft  Reale  ist), 
aus  ihm  entspringen,  wie  Funken  aus  dem  Feuer,  alle  Lebens- 
geister, alle  Welten,  alle  Götter,  alle  Wesen  (Brih.  2,1,20), 
an  ihm  sind  alle,  wie  Speichen  an  der  Radnabe,  befestigt 
(Brih.  2,5,15);  er  übersteigt,  im  Schlafe,  diese  Welt,  die  Ge- 
stalten des  Todes"  (mrityo  rüpdni,  Brih.  4,3,7);  nur  „gleich- 
sam" sinnt  er  und  bewegt  er  sich  (Brih.  4,3,7),  nur  „gleich- 
sam" ist  eine  Zweiheit  (Brih.  2,4,14),  nur  „gleichsam"  ein 
Anderes  vorhanden  (Brih.  4,3,31);  er  steht  als  Schauender  allein 
und  ohne  Zweiten  (Brih.  4,3,32);  eine  Vielheit  gibt  es  in 
keiner  Weise,  Brih.  4;4,19: 

Im   Geiste   sollen  merken  sie : 
Nicht  ist  hier  Vielheit  irgendwie ! 
Von  Tod  zu  Tode  wird  verstrickt, 
Wer  eine   Vielheit  hier   erblickt. 

Die  angeführten  Stellen  gehören  fast  alle  zu  dem  Altesten,  Die  uPani- 

.     °  ö  .  '     shadlehre 

was  wir  in  der  Upanishadliteratur  besitzen,  und  so  begegnen  «*  «- 
wir,  nicht  erst  im  spätem  Verlaufe,  sondern  gleich  an  der  Idealismus. 
Schwelle  dieser  Literatur  einem  entschiedenen,  wohl  zusammen- 
stimmenden, an  den  Namen  des  Yäjnavalkya  geknüpften  Idealis- 
mus, nach  welchem  der  Ätman,  d.  h.  das  Subjekt  des  Er- 
kennens, der  Träger  der  Welt  und  die  alleinige  Qealität  ist, 
so  dafs  mit  Erkenntnis  des  Atman  alles  erkannt  ist. 
Dieser  in  den  Yäjnavalkyareden  des  Brihadäranyakam  zuerst  D 
auftretende  Gedanke  ist  nie  wieder  aufgegeben  worden  und  *" 
beherrscht,  allerdings  unter  gewissen  empirischen  Modifika-  ^ick] 
tionen,  von  denen  nachher  zu  handeln   sein  wird,   die  ganze 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,n.  14 


nius  be- 
rscht  die 
ganze  wei- 


210  IX.  Die  Nichtrealität  der  Welt. 

Entwicklung  der  Upanishadlehre  bis  zu  ihrem  Abschlüsse 
durch  Bädaräyana  und  Qankara  hin.  In  den  Upanishad's  sehen 
wir  ihn  oft  in  dieser  oder  jener  Form  auftreten.  So  beruht 
auf  ihm  die  Frage,  welche  an  die  Spitze  gestellt  wird  Mund. 
1,1,3:  „Was  ist,  o  Ehrwürdiger,  dasjenige,  mit  dessen  Er- 
kenntnis diese  ganze  Welt  erkannt  worden  ist?"  —  Aber  die- 
selbe, auf  Brih.  2,4,5  (und  1,4;7)  zurückgehende,  Frage  bildet 
auch  schon  den  Ausgangspunkt  eines  so  alten  Textes  wie 
(band.  6,1,2:  „hast  du  denn  auch  der  Unterweisung  nach- 
gefragt, durch  welche  [auch]  das  Ungehörte  ein  [schon]  Ge- 
hörtes, das  Unverstandene  ein  Verstandenes,  das  Unerkannte 
ein  Erkanntes  wird?"  Schon  die  hier,  in  derselben  Reihen- 
folge, wiederkehrenden  Ausdrücke  grutqm,  matam,  vijndtam 
legen  die  Ahnahme  einer  Abhängigkeit  dieser  Stelle  von  Brih. 
2,4,5  nahe.  Wir  glauben  aber  noch  auf  einem  andern  Wege 
diese  Abhängigkeit  recht  sehr  wahrscheinlich  machen  zu  können. 
Schon  oben  betrafen  wir  die  Chändogya-Upanishad  darauf, 
wie  sie  die  Stelle  von  dem  Ätman  als  Auseinanderhalter  der 
Welterscheinungen  Brih.  3,8,9,  wie  sie  zusammengefafst  war 
in  der  Bezeichnung  des  Ätman  als  „auseinanderhaltende  Brücke" 
(Brih.  4,4,22:  eslia  setur  vidharana'  eshäm  lölcätoäm  a£ambhedäy>a), 
wörtlich  reproduzierte  (Chänd.  8,4,2:  sa  setur  vidhritir  eshäm 
lokänäm  asambhedäya)  und  dabei  ihre  Abhängigkeit  von  der 
ersteren  Stelle  dadurch  verriet,  dafs  sie  den  Sinn  der  wieder- 
holten Worte  nicht  mehr  richtig  versteht,  indem  sie  unmittel- 
bar darauf  aus  der  die  Welterscheinungen  auseinander- 
haltenden Brücke  eine  das  Diesseits  mit  dem  Jenseits 
verbindende  Brücke  gemacht  hat.  Ganz  ähnlich  liegt  der 
Beweis,  dafs  Fall,  wenn  die  Aufserung  Brih.  2,4,5,  dafs  mit  Erkenntnis  des 

Chänd.  6,1,2     a  °        •  '     '    ' 

von  Brih.    Ätman  alles  erkannt  sei,  Chänd.  6,1,2  in  der  Frage  wieder  er- 

2,4,5  ab-  '    '  ° 

hängig  ist.  scheint  nach  der  Unterweisung,  durch  welche  auch  das  noch 
Ungehörte,  Unverstandene,  Unerkannte  ein  schon  Gehörtes. 
Verstandenes,  Erkanntes  werde.  Denn  offenbar  liegt  die  rich- 
tige Antwort  auf  diese  Frage  darin,  dafs,  wie  Brih.  2,4,5  und 
Mund.  1,1,3  übereinstimmend  sagen,  mit  Erkenntnis  des  Ätman 
alles  erkannt  sei.  Diese  Antwort  gibt  aber  der  Verfasser 
von  Chänd.  6,1  fg.  nicht,  sondern  entwickelt  statt  dessen  seine 
Theorie  von  den  drei  Urelementen,  Glut,  Wasser  und  Nahrung, 


2.   Die  Mäyälehre  iu  den  T'panishad's.  211 

mit  deren  Erkenntnis  alles  in  der  Welt,  weil  es  nur  eine 
Mischung  aus  ihnen  sei,  erkannt  sei  (Chänd.  (3,4),  und  auch 
in  den  drei  Gleichnissen  von  dem  (weifsen)  Ton,  dem  (roten) 
Kupfer  und  dem  (schwarzen)  Eisen  wird  —  sehr  verschieden 
von  den  Gleichnissen  Brih.  2,4,7  fg.  —  diese  Zurückführung 
■des  Weifsen,  Roten  und  Schwarzen  an-  den  Dingen  auf 
Wasser,  Glut  und  Nahrung  bereits  vorbereitet.  Der  Ver- 
fasser hat  also  den  Sinn  der  Frage  nach  dem,  mit  dessen  Er- 
kenntnis alles  erkannt  sei  (d.  h.  nach  dem  einen  Atman),  nicht 
mehr  richtig  verstanden,  oder  vielmehr  absichtlich  abgeändert, 
und  zwar  in  einem  Sinne,  welcher,  indem  er  das  Unwandel- 
bare nicht  nur  in  dem  „ Einen  ohne  Zweites",  sondern  ferner 
auch  in  seinen  drei  Zerlegungen  in  Glut,  Wasser  und  Nahrung 
sieht,  vom  Monismus  der  Upanishadlehre  abweichend,  zu  einer 
in  der  Einheit  befafsten  Dreiheit  unveränderlicher  Essenzen 
gelangt  und  damit  den  ersten  Grund  legt  zu  der  Sänkhya- 
lehre  von  der  Pralriti  und  den  drei  von  ihr  befafsten  Grunds. 
Im  übrigen,  und  abgesehen  von  dieser  Zerlegung  der  Einheit 
in  die  Dreiheit,  hält  er  an  dem  Grundsätze  des  Yajnavalkya 
fest  und  versichert,  dafs  alle  Umwandlung  „an  Worte  sich 
klammernd,  ein  blofser  Name"  sei,  und  dafs  es  in  Wahrheit 
nur  Glut,  Wasser  und  Nahrung  gebe  (Chänd.  6,4),  wiewohl 
auch  diese  nach  seiner  eignen  Theorie  (Chänd.  6,2)  schon  eine 
Umwandlung  des  „Einen  ohne  Zweites"  sind,  mithin  konse- 
quenterweise seinem  Verdikte,  „auf  Worten  beruhend  und  ein 
blofser  Name"  zu  sein,  ebenfalls  unterliegen  sollten.  —  Dies 
alles  weist  darauf  hin,  dafs  hier  der  monistische  Grundsatz 
des  Yäjnavalkya  durch  Tradition  übernommen,  aber  in  seiner 
Tragweite  nicht  mehr  völlig  verstanden  worden  ist. 

Demselben   Grundsatze   von    der    alleinigen   Realität    des    spätere 
Ätman   (des   Subjekts    des   Erkennens)   und   der   Nichtrealität  für^ueaiiei- 
alles  übrigen  begegnen  wir  weiterhin,  wenn  es  Taitt.  2,6  von  ni?ät  des  * 
der  empirischen  Realität  heifst:   „denn  dieses  nennen  sie  die     Atman- 
Realität",   wenn  Ait.  3,3    entwickelt  wird,    dafs   alle  Erschei- 
nungen der  Welt  „vom  Bewufstsein  gelenkt,  im  Bewufstsein 
gegründet"  seien,  und  wenn  Kaush.  3,8 'der  Satz  „noch  auch 
ist  dieses  eine  Vielheit"  dahin  interpretiert  wird,  dafs,  wie  die 
Speichen  an  der  Nabe,  die  „Wesenselemente  an  denBewufstseins- 

14* 


212  IX.    Die  Nichtrealität  der  Welt. 

elementen  befestigt,  und  die  Bewufstseinselemente  an  dem 
Präna  befestigt"  seien,  welcher  das  Bewufstseinselbst  (prajna- 
dtman)  und  die  Wonne,  nicht  alternd  und  unsterblich  sei. 

Aus  spätem  Upanishad's  führen  wir  an,  dafs  die  scharfe 
Leugnung  der  Vielheit  in  dem  angeführten  Verse  Brih.  4,4,19 
wiederholt  und  weiter  ausgeführt  wird  in  den  Versen  Käth. 
4,10 — 11,  und  dafs  endlich  Qvet.  4,10  der  aufkommende  Sänkhya- 
Realismus  durch  die  Erklärung  bekämpft  wird,  dafs  die  ganze 
Prahiti  eine  blofse  Mäyä  sei.  Treu  dem  Grundsatze  des 
Yajnavalkya,  fordert  uns  die  Igä-Upanishad  in  ihren  Anfangs- 
worten auf,  „in  Gott  das  Weltganze  zu  versenken",  und  fügt 
zu  der  Leugnung  der  Vielheit  Vers  12 — 14  die  Leugnung  des 
Werdens  hinzu;  Mund.  1,1,3  fragt,  wie  gezeigt,  nach  dem 
Atman  als  demjenigen,  mit  dessen  Erkenntnis  alles  erkannt 
sei,  Mändükya  7  schildert  den  Atman  als  „die  ganze  Welt- 
ausbreitung auslöschend,  beruhigt,  selig,  zweitlos";  und  auch 
die  späte  Maitr.  Up.  6,24  erläutert  den  Satz,  dafs  alle  Viel- 
heit blofser  Schein  sei,  durch  den  glänzenden  Vergleich  des 
Atman  mit  einem  alätacakram,  einem  Funken,  welcher,  im 
Kreise  geschwungen,  als  ein  feuriger  Kreis  erscheint;  eine 
Ausführung  dieses  Bildes  gibt  Gaudapäda  in  der  Mändükya- 
Kärikä  4,47 — 52,  wie  denn  überhaupt  dieses  ganze  Werk  eine 
beredte  Darlegung  des  auf  die  ältesten  Upanishadtexte  zurück- 
gehenden und  alle  Zeit  hindurch  festgehaltenen  Gedankens 
von  der  alleinigen  Bealität  des  Atman  ist. 

3.   Die  Mäyälelire  in  empirischen  Vorstellungsformell. 

Die  Philosophie  des  Yajnavalkya,  wie  er  uns  in  der 
Brihadäranyaka-Upanishad  entgegentritt,  läfst  sich  zusammen- 
fassen in  den  Satz:    der  Atman  ist   das  Subjekt  des  Er- 

üneikenn-  kennens  in  uns.  Hieraus  folgt  unmittelbar  1)  dafs  der 
aneTnige.   Atman,   als   das  erkennende  Subjekt,   selbst   unerkennbar  ist 

*eAtmandeS  und  bleibt,  2)  dafs  es  eine  Eealität  aufser  dem  Atman  (eine 
Welt  aufser  unserm  Bewufstsein)  für  uns  nicht  gibt  und  nie 
geben  kann.  Beide  Folgesätze  werden  von  Yajnavalkya  mit 
Klarheit  erkannt  und  ausgesprochen ;  beide  bedeuten  den  Höhe- 
punkt der  philosophischen  Anschauungen  der  Upanishad's,  der 


3.  Die  Mäyalehre  in  empirischen  Yorstellungsfornien.  213 

erste  für  die  Theologie,  der  zweite  für  die  Kosmologie,  — 
und  durch  beide  scheint  dem  philosophischen  Denker  jeder 
weitere  Weg  abgeschnitten  zu  werden.  Hierbei  aber  konnte 
der  forschende  Menschengeist  nicht  stehen  bleiben :  trotz  der 
Unerkennbarkeit  des  Atman  fuhr  er  fort,  den  Atman  (d.  h. 
Gott)  als  einen  Gegenstand  der  Erkenntnis  zu  behandeln;  — 
trotz  der  Nichtrealität  der  Welt  aufser  dem  Atman  fuhr  er 
fort,  sich  mit  der  Welt  als  einem  Realen  zu  beschäftigen. 
Hierdurch    entstehen    in    der   Theologie   die   mannigfachen  Empirische 

0     a  °  Theologie. 

bildlichen  Vorstellungsweisen  über  den  Atman,   welche,   aus 
einer  unzulässigen  Herabziehung  desselben  in  die  Sphäre  des 
menschlichen  Erkennens  entspringend,  das  anerkannte  Grund- 
dogma von  der  Unerkennbarkeit  des  Atman   umspielen   und 
sich  immer  wieder  in  dasselbe  auflösen;  —  und  auf  eben  dieser 
Anwendung  der  empirischen  Erkenntnisformen  über  die  Grenze 
ihrer  Berechtigung  hinaus  beruht  es,  wenn   in  der  Kosmo-  Empirische 
logie  die  überkommenen  pantheistischen,  kosmogonischen  und      logie. 
theistischen  Vorstellungen  auch  nach  der  Erkenntnis  der  allei- 
nigen Realität  des  Atman   sich  weiter  behaupten,   indem  sie 
das,    aus   der    empirischen   Naturanlage    des   Intellektes   ent- 
springende,   Festhalten    an    der    Realität    der    Aufsenwelt    in 
mannigfacher  Weise  mit  der  Grundlehre   von   der   alleinigen 
Realität  des  Atman  in  Einklang  zu  bringen  suchen.    Aus  der  Variationen 
Einkleidung  dieser  Grundlehre  in  die  uns   angeborenen  und  lehre  durch 
ihr  Recht  behauptenden   empirischen   Erkenntnisformen    ent-  düng  in  ein- 
springen,  in  stufenweise  zunehmender  Überwucherung  jenes    Formen, 
metaphysischen  Dogmas  durch  die  empirische  Erkenntnisweise, 
eine  Reihe   von  Anschauungen,  welche  wir   nach   dem,   was 
darüber  schon  früher  gesagt  wurde,   hier  zum   Schlüsse   als 
Umformungen  des  ursprünglichen  Idealismus  in  die  Theorien 
des  Pantheismus,  Kosmogonismus,  Theismus,  Atheismus  und 
Deismus  kurz  überblicken  wollen. 

1)  Idealismus.     Der  Atman   ist   das   allein   Reale;   mit  Erste stufe : 

.  Idealismus. 

seiner  Erkenntnis  ist  alles  erkannt;  es  gibt  keine  Vielheit 
und  kein  Werden;  die  mit  Vielheit  und  Werden  behaftete 
Natur  ist  eine  blofse  Illusion  (mäyä). 

2)  Pantheismus.     Die    idealistische    Grundanschauung,     zweite 
deren  Ursprünglichkeit  und  hohes  Alter  durch  die  Yäjnavalkya-   thefsmus!1" 


214 


IX.   Die  Nichtrealität  der  Welt. 


Dritte 

Stufe:   Kos- 

mogonis- 

imis. 


Vierte 

Stufe: 

Theismus 


texte  gesichert  ist,  verbindet  sich  mit  der  in  der  empirischen 
Anschauung  gegründeten  Überzeugung  von  der  Realität  der 
Aufsenwelt  zu  der  in  allen  Upanishad's  den  breitesten  Raum 
einnehmenden  Lehre:  die  Welt  ist  real,  und  doch  ist  der 
Atman  das  allein  Reale,  denn  die  ganze  Welt  ist  der 
Ätman.  Man  kann  diese  Theorie  als  pantheistisch  bezeichnen, 
wiewohl  sie  vom  modernen  Pantheismus  ihrem  Ursprünge 
nach  sehr  verschieden  ist.  Der  Pantheismus  der  Neuern  Philo- 
sophie hat  sich  aus  dem  Theismus  des  Mittelalters  als  dessen 
unvermeidliche  Konsequenz  entwickelt;  der  Pantheismus  der 
Upanishad's  wurzelt  in  dem  Bestreben,  die  Lehre  von  der 
alleinigen  Realität  des  Atman  gegenüber  der  sich  aufdrängen- 
den Realität  der  vielheitlichen  Welt  zu  behaupten.  Mit  be- 
sonderer Vorliebe  pflegen  die  Upanishad's  den  Ätman  als  das 
unendlich  Kleine  in  uns  mit  der  Welt  als  dem  unendlich 
Grofsen  aufser  uns  zu  identifizieren. 

3)  Kosmogonismus.  Die  Identität  des  Ätman  und  der 
Welt  war  und  blieb  eine  blofse  Behauptung.  Um  sie  ver- 
ständlich zu  machen,  mufste  man  einen  Schritt  weiter  in  der 
Übertragung  empirischer  Anschauungsformen  auf  das  Meta- 
physische gehen,  indem  man  an  die  Stelle  jener  stets  be- 
haupteten aber  nie  zu  begreifenden  Identität  das  aus  der 
Erfahrung  geläufige  Verhältnis  der  Kausalität  setzte  und  den 
Atman  als  Ursache  fafste,  welche  die  Welt  als  Wirkung  aus 
sich  hervorgebracht  hat.  So  wurde  es  möglich,  auf  die  alten 
Kosmogonien  zurückzugreifen  und  dieselben  auf  dem  Boden 
der  ihnen  ursprünglich  widersprechenden  Upanishadlehre  zu 
erneuern.  Nachdem  der  -Atman  die  Welt  geschaffen,  fährt 
er  als  Seele  in  dieselbe  hinein.  Durch  diese  Bestimmung 
brachte  man  die  Lehre,  dafs  der  Atman,  d.  h.  das  Selbst, 
die  Seele  in  uns,  mit  dem  Prinzip  aller  Dinge  identisch  sei, 
mit  der  Lehre  von  einer  Weltschöpfung  aus  dem  Ätman  in 
Einklang. 

4)  Theismus.  Die  Lehre,  dafs  der  Atman  die  Welt 
schuf  und  dann  als  Seele  in  dieselbe  einging,  ist  noch  nicht 
Theismus.  Sie  wird  es  erst,  indem  zwischen  dem  Atman  als 
Weltschöpfer  und  dem  in  der  Schöpfung  auftretenden  Atman, 
d.  h.  zwischen  der  höchsten  und  der  individuellen  Seele  unter- 


3.   Die  Mäyälelire  in  empirischen  Vorstellnngstornien.  215 

schieden  wird.  Beide  treten  in  Gegensatz,  zuerst  unmerklich, 
als  Licht  und  Schatten  (Käth.  3,1),  dann  immer  bestimmter 
bis  zum  vollendeten  Theismus  der  Qvetäevatara-Upanishad. 
Charakteristisch  für  dieses  Werk  ist,  dafs  neben  dem  ihm 
eigenen  Theismus  alle  jene  früheren  Stufen  als  unaufgehobene 
Momente  fortbestehen. 

5)  Atheismus.     Durch    diese   Trennung   von    Gott   und     Fünfte 

.  ~  _  Stufe: 

Seele  wurde  die  Existenz  Gottes  selbst  m  Frage  gestellt.  Die  Atheismus 
Seele  stand  im  Gegensatze  zu  ihm,  bestand  mithin  selbständig 
und  ohne  ihn:  für  Gott  blieb  nur  noch  die  Aufgabe,  als 
Schauplatz  der  Vergeltung  für  die  von  den  selbständigen 
Seelen  begangenen  Werke  die  materielle  Natur  auszubreiten. 
Man  brauchte  nur  die  hierzu  erforderlichen  Kräfte  in  die 
Materie  selbst  zu  verlegen,  und  Gott  als  Weltschöpfer  wurde 
überflüssig:  von  jeher  bestehen  nur  die  mit  ihren  Werken  be- 
lasteten, von  Geburt  zu  Geburt  Vergeltung  empfangenden 
Seelen  (purusha)  und  die  Urmaterie  (prdkrüi),  welche  aus  sich 
immer  wieder  aufs  neue  den  Schauplatz  für  diese  Vergeltung 
ausbreitet;  dies  ist  der  Übergang  von  der  Vedäntalehre  der 
Upanishad's  zum  Sänkhyasystem,  dessen  Entstehung  aus  der 
Upanishadlehre  im  nächsten  Kapitel  näher  darzulegen  sein 
wird. 

6)  Deismus.     Wenn    aus    Opportunitätsrücksichten    der     sechste 
atheistischen  Säiikhyalehre ,  rein  äufserlich  und  ohne  in  den    Deismus. 
Organismus   des  Systems   einzugreifen,   die  Lehre  von   einem 
persönlichen  Gott  angeheftet  wird,   so  geht    dieselbe  über   in 

das,  später  zu  behandelnde,  nicht  sowohl  theistische,  als  viel- 
mehr deistische  Yogasystem.  Dasselbe  unterscheidet  sich  vom 
Deismus  der  Neuzeit  dadurch,  dafs  dieser  bestrebt  ist,  den 
(nur  nominell  als  Weltursache  festgehaltenen)  Gott  aus  dem 
Naturzusammenhange  ohne  Gefahr  zu  eliminieren,  während  es 
sich  beim  Yogasystem  darum  handelt,  den  im  Sänkhyam  be- 
reits eliminierten  Gottesbegriff  einem  System,  welches  ohne 
ihn  gedacht  worden  war,  wieder  einzufügen.  Beide  Opera- 
tionen laufen  auf  dasselbe  Resultat  hinaus;  das  System  besteht 
durch  sich  selbst,  und  der  Gottesbegriff  bleibt  daneben  be- 
stehen, ohne  auf  seine  Lehren  einen  weiteren  Einflufs  aus- 
zuüben'. 


216  X.    Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 


X.  Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 

1.  Kurze  Übersicht  der  Sankliyalehre. 

Das  Die  Entstellung  des,  auf  die  Urheberschaft  des  durchaus 

system  eine  mythischen  Kupila  sich  zurückführenden,  Sänkhyasystems  ist 
desvTdäuu.  eines   der   schwierigsten   und   streitigsten  Probleme   auf  dem 
Gebiete  der  indischen  Philosophie.     Unsere  bisherigen  Unter- 
suchungen werden  es  uns  ermöglichen,  dieser  Frage  gegenüber 
den  richtigen  Standpunkt  zu  gewinnen.    Es  wird  sich  zeigen, 
dafs   die  Sankliyalehre  in  allen  ihren  Bestandteilen  aus  dem 
Vedänta' der  Upanishad's  .  erwachsen   und   nichts   anderes   ist 
als   eine   extreme  Durchführung  der   realistischen  Tendenzen, 
deren  Aufkommen  und  allmähliches  Erstarken  wir  schon  inner- 
halb der  Upanishadlehre  selbst  in  den  pantheistischen,  kosmo- 
gonistischen  und  th eistischen  Umformungen  der  ursprünglichen, 
idealistischen  Grundanschauung  verfolgt  haben.    Wir  schicken 
Haupt-     eine  Übersicht  über   die  Hauptpunkte   der  spätem  Sänkhya- 
Sunkhya-   lehre  voraus,    da   sie   zum  Verständnisse  des  Folgenden  un- 
entbehrlich ist. 
Der  Dualis-  Grundanschauung  und  letzte  Voraussetzung  des  Systems 

ist  der  Dualismus  von  Prdhrüi  (Natur)  und  Purushai  (Geist). 
Von  Ewigkeit  her  bestehen  neben  einander  und  in  einander 
zwei  völlig  verschiedene  Wesenheiten,  ohne  dafs  auch  nur  ein 
Versuch  gemacht  würde,  dieselben  aus  einer  höheren  Einheit 
abzuleiten  oder  auf  dieselbe  zurückzuführen: 

1)  der  schon  ursprünglich  in  einer  Vielheit  vorhandene 
Purusha,  das  Subjekt  des  Erkennens,  wie  es  von  allem 
Objektiven  losgelöst  ist  und  ihm  als  ein  anderes  gegenüber- 
steht, 

2)  die  Prdkfiti  (Pradhänam),  welche  alles,  was  nicht  Pu- 
rusha  oder  Subjekt  ist,  befafst,  mithin  alles,  was  nur  irgend- 
wie ein  objektives  Dasein  hat,  mag  dasselbe  nun  noch 
unentwickelt  (avyaktam,  natura  naturans)  oder  schon  entwickelt 
(vj/aJäam,  natura  naturata)  sein. 

Die  Leiden  Beide,  Purusha  und  Prakriti,   Subjekt  und  Objekt,   sind 

'  von  Ewigkeit  her  in  einander  verstrickt,  oder  vielmehr,  scheinen 

es  zu  sein,  und  auf  dieser  scheinbaren  Verstrickung  beruhen 


1.   Kurze  Übersicht  der  Sänkhyalehre.  217 

die  Leiden   des  Daseins,    deren  Hebung   das    Sänkhyasystem 
sich  als  seinen  eigentlichen  Zweck  vorsetzt. 

Erreicht  ist  dieser  Zweck,  sobald  der  Purusha  seine,  tat-  Aufhebung 
sächlich  von  jeher  bestehende,  aber  ihm  nicht  bewufste,  völlige  durch  den 
Verschiedenheit  (viveka)  von  der  Prakriti  erkennt;  denn 
nachdem  diese  Erkenntnis  eingetreten  ist,  sind  alle  Leiden  der 
AVeit  nicht  mehr  seine  Leiden;  sie  sind  aber  auch  nicht  mehr 
die  der  Prakriti,  da  all  ihr  Leiden,  sobald  es  nicht  mehr  im 
Purusha  „sich  widerspiegelt"  oder  von  ihm  „beleuchtet  wird", 
nicht  mehr  empfunden  wird,  folglich  nicht  mehr  Leiden  ist. 
In  dieser  Lösung  des,  von  jeher  nur  scheinbar  bestehenden, 
Bandes  zwischen  Purusha  und  Prakriti  liegt  die  Erlösung,  Wesen  der 
welche  für  den  Purusha  nur  darin  besteht,  dafs  er  die  Schmerzen 
der  Prakriti  nicht  mehr  beleuchtet,  für  die  Prakriti  hingegen 
darin,  dafs  ihre  Schmerzen  nicht  mehr  beleuchtet,  folglich  nicht 
mehr  empfunden  werden  und  mithin  aufhören,  Schmerzen  zu 
sein.  Die  Erlösung  ist  also  ein  Vorgang,  welcher  nicht  den 
Purusha  betrifft  (an  ihm  geht  nichts  vor),  sondern  die  Prakriti; 
daher  die  auf  den  ersten  Blick  befremdliche  Erklärung,  dafs 
„nicht  der  Purusha,  sondern  nur  die  Prakriti  gebunden  sei, 
umwandere  und  erlöst  werde"  (Sänkhya-kärikä  62). 

Dieser  Erlösungsprozefs  ist  als  ein  individueller  zu  denken.    Der  Er- 
Es   gibt   eine   von  jeher   bestehende  Vielheit   von   Purusha's.  pr'öze'rf  ein 
Von   ihnen   gelangen   die   einen   zur   Erkenntnis,   -die    andern     duener. 
nicht;  die  mit  den  einen  verbundene  Prakriti  gelangt  zur  Er- 
lösung;  die  mit  den  andern  verbundene  gelangt   nicht  dazu. 
Hieraus  folgt,  dafs  auch  für  die  Prakriti  der  Erlösungsprozefs 
nicht   ein  kosmischer,   sondern   ein  psychischer,   individueller 
ist.    Die  Vielheit  der  Purusha's  zieht  nach  sich  eine  Vielheit, 
wenn  nicht  der  Prakriti,  so  doch  dessen,  was  von  ihr  in  Ak- 
tion tritt.     Hinter  der  als   Lingam   individualisierten  Prakriti  individuelle 
steht  die  allgemeine,  kosmische  Prakriti,    ohne 'dafs  von  ihr  mische  pra- 
weiter  die  Rede  wäre.     Jedenfalls   ist  der  ganze  Prozefs,  den 
wir  jetzt  zu  schildern  haben,  als  ein  für  jeden  einzelnen  Pu- 
rusha sich  wiederholender,   somit  als  ein  psychischer,  indivi- 
dueller zu  denken. 

Die  Prakriti,   um  in  dem  Purusha  die  Erkenntnis  seiner 
Verschiedenheit  und   damit  ihre   eigene  Loslösung  von    dem- 


218 


X.   Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 


selben  zu  bewirken,   entfaltet  sich   immer  wieder  und  wieder 

Die  selbst-  vor  dem  Auge'des  Purusha.    Da  der  Purusha  individuell  ist, 

"de/priT-8  so  mufs  auch  die  bei  den  erlösten  Purusha's  nicht  mehr  statt- 

dävidueuTii  findende,  hingegen  bei  den  nichterlösten  sich  immerfort,   bis 

denken.     zur  Lösung,  wiederholende  Selbstentfaltung  der  Prakriti  als 

eine  individuelle  aufgefafst  werden.     Sie  besteht  darin,   dafs 

st.uen  ,ier  aus   der   Prakriti   hervorgeht    der    Mdhän    (die   Buddhi,    „der 

Grofse",   „das  Bewufstsein"),    aus  diesem  der  ÄhanMra  (der 

„Ichmacher"),  aus  diesem  einerseits  das  Monas  und  die  zehn 

Indriyd's    (die   Erkenntnisorgane    und   Tatorgane),    anderseits 

die  fünf  Tanmätrd's  (Reinstoffe),   aus  diesen   endlich  die  fünf 

Bhütd's  (Elemente).    Folgendes  Schema  mag  zur  Orientierung 

dienen : 


Prakriti 


||  Purusha 


Lin- 


Mahän  (Buddhi) 

I 
Ahankära 


-gam 


5   Tamnätra's       Marias  und  10  Indriyas 


5   Bluttat 


Das  Linnum. 


Die  18  ersten  Edukte  der  Prakriti,  Mdhän,  Ahankära, 
Marias,  Indriyd's  und  Tantnätra,&,  bilden  den  feinen  Leib, 
welcher  die  Seele  umhüllt  und  auf  allen  ihren  Wanderungen 
begleitet.  Er  heifst  Ungarn,  weil  er  das  „Kennzeichen"  ist, 
an  dem  man  die  verschiedenen  Purusha's  unterscheidet,  welche 
an  sich  sämtlich  blofse  Subjekte  des  Erkennens  und  nichts 
weiter  sind,  somit  völlig  identisch  und  ununterscheidbar  sein 
würden,  hätten  sie  nicht  alle  ihre  besondern  Linga's  (empi- 
rischen Charaktere),  welche  von  einander  verschieden  sind. 
Zwar  stammen  alle  Linga's  aus  der  einen  Prakriti,  diese  aber 
Die  drei  besteht  aus  den  drei  Guna's  (am  besten  als  „Faktoren"  zu 
übersetzen;  vgl.  gunayati  „multiplizieren"),  Saüvam  (das  Leichte, 
Helle,  Intellektuelle),  Bajas  (das  Bewegliche,  Treibende,  Leiden- 
schaftliche)  und    Tomas  (das   Schwere,   Dunkle,  Hemmende), 


1.   Kurze  Übersicht  der  Sänkhyalehre.  219 

und  auf  der  verschiedenen  Mischung  der  drei  Guna's  beruht 
die  ursprüngliche  Verschiedenheit  der  Linga's.  Das  Mischungs- 
verhältnis der  drei  Guna's  im  Lingam  scheint  ein  variables  zu 
sein,  wodurch  die  fünfzig  Bnäva's  oder  Zustände  des  Lingam 
entstehen. 

Jeder  Lebenslauf  ist  eine  neue  Selbstentfaltüng  der  Pra-  Der  Lebens- 

._  lauf. 

kriti  vor  dem  betreffenden  Purusha  vermittelst  des  Lingam. 
Aus  den  im  Lingam  enthaltenen  Tanmätra's  entspringen  (bei 
jeder  Selbstentfaltung,  jedem  Lebenslaufe  aufs  neue,  wie  wir 
annehmen  müssen)  die  Bhutans  oder  groben  Elemente  (Äther, 
Wind,  Feuer,  Wasser,  Erde).  Hieraus  folgt  1)  dafs  jeder 
Purusha,  wie  er  sein  eigenes  Lingam  hat,  auch  seine  eigene, 
aus  ihm  entspringende,  grobmaterielle  Welt  besitzt,  und 
2)  dafs  für  den  Purusha  im  Stande  der  Erlösung,  da  keine 
Entfaltung  des  Lingam  mehr  stattfindet,  auch  keine  grob- 
materielle Welt  mehr  existiert,  so  dafs  doch  auch  das  Sänkhya-  Das 
system  im  Grunde  idealistisch  ist,  so  sehr  auch  seine  Inter-  Bystem  im 
preten  den  Idealismus  der  Buddhisten  bekämpfen.  idealistisch. 

Allerdings  soll  hinter  den  individuellen  Entfaltungen 
von  Mdhan,  AKankära,  Manas  usw.  der  Prakriti  eine  ent- 
sprechende, allgemeine  Entfaltung  eines  kosmischen  Mahän,,  , 
ÄhanMra,  Monas  usw.  stehen;  doch  kommt  dieser  Gedanke 
nur  ganz  nebenbei  vor,  spielt  keine  Rolle  und  erscheint  wie 
eine  abgedrungene  Konzession  an  den  Realismus.  In  der  Tat 
sieht  man  nicht,  wozu  sie  dienen  soll,  da  jedes  Lingam  aus 
sich,  in  jedem  Lebenslaufe  wieder  neu,  die  fünf  groben  Ele- 
mente, mithin  die  materielle  Aufsenwelt,  heraussetzt. 

Die  ursprüngliche  Intention  des  Systems  scheint  eine  ursprüng- 
andre zu  sein.  Das  Eintreten  des  ÄliafiMra  oder  Ichmacher  tion. 
in  die  Entwicklungsreihe  weist  darauf  hin  und  ist  nur  dann 
verständlich,  wenn  in  ihm  der  Übergang  hegt  von  der  all- 
gemein-kosmischen zu  einer  psychischen  Evolution.  Kosmisch 
ist  ohne  Zweifel  die  allen  gemeinsame  Prakriti,  kosmisch  auch 
scheint,  wie  ihr  Name  Mahän  „der  Grofse"  zu  verstehen  gibt, 
die  Buddhi  zu  sein,  als  der  aus  dem  Unbewufsten  hervor- 
gehende Intellekt  als  Träger  der  Erscheinungswelt  (der  Hira- 
nyagarbha  des  Vedänta,  oben  Kap.  VI,  5,  S.  179  fg.),  nur  dafs 
eine  psychische  Abzweigung  desselben  als  individuelle  Buddhi 


msmuE. 


220  X-   Die  Genesis  des  !S;uikhyasystenis. 

in  das  Lifigam  hereingenommen  wird;  der  Kern  des  Lingam  ist 
dann  der  Ähankära,  als  Prinzip  der  Individuation,  aus  dem 
weiter  einerseits  der  individuelle  Intellekt  (Marias  und  Indriyä's  \- 
anderseits  die  Tanmäträ's,  und  aus  ihnen  die  groben  Elemente, 
für  jedes  Individuum  wieder  neu,  entspringen.  —  Wenn  end- 
lich die  Interpreten  die  Reihenfolge  von  Büddhi,  Ahaükära, 
Marias  damit  rechtfertigen,  dafs  das  Manas  die  Vorstellungen 
bilde,  der  AhanJcara  sie  sich  individuell  aneigne,  und  die 
JBuddhi  dieselben  zu  Entschlüssen  (adltyavasäya)  stempele,  so 
würde  daraus  eine  Abhängigkeit  der  JBuddhi  von  AharVcära 
und  Manas  folgen,  und  somit  gerade  die  umgekehrte  genea- 
logische Abfolge  zu  erwarten  sein. 
Das  Je  mehr  man  in  dieses  System  einzudringen  sucht,   um 

s'ystem  ein  so  mehr  wird  man  des  philosophisch  Ungeniefsbaren,  Unver- 
keüf  o?ga-  ständlichen  finden.  Verständlich  wird  das  Ganze  erst,  wenn 
wir  es  als  das  letzte  Resultat  und  die  Zusammenschmelzung 
sehr  heterogener  Vorstellungsreihen  ansehen,  welche  aus  älterer 
Zeit  überkommen  waren,  und  deren  Ursprung  wir  jetzt  im 
einzelnen  nachweisen  wollen. 


2.  Genesis  des  Dualismus. 

Der  Dualis-  Wie  es ,  populär  gesprochen,  nur  einen  Gott  und  nicht 

"Krankheit9  mehrere  geben  kann,  so  liegt  es  in  der  Natur  eines  philo- 
^soifhie.0"  sophischen  Prinzips,  eine  Einheit  zu  sein,  aus  welcher  die 
Mannigfaltigkeit  der  Welterscheinungen  abgeleitet  wird.  Dabei- 
ist der  natürliche  Standpunkt  für  die  Philosophie  der  Monis- 
mus, und  der  Dualismus,  wo  er  immer  in  der  Geschichte  der 
Philosophie  aufgetreten  ist,  war  immer  die  Folge  vorher- 
gehender, schwerer  Störungen  und  gleichsam  ein  Symptom 
der  Erkrankung  des  philosophierenden  Geistes,  wie  denn  der 
Dualismus  des  Empedokles,  Anaxagoras  und  Demokrit  ver- 
anlafst  war  durch  den  unversöhnbar  scheinenden  Konflikt  der 
Lehren  des  Parmenides  und  Heraklit,  und  der  Dualismus  des 
Descartes  seinen  letzten  Grund  hatte  in  der  schon  bei  Piaton 
und  Aristoteles  beginnenden,  naturwidrigen  Auseinander- 
reifsung  der  abstrakten  und  der  anschaulichen  Vorstellungen 
(cogitatio  und  eoctensiö).     In   ähnlicher  Weise   kann   auch  der 


2.   Genesis  des  Dualismus.  221 

Dualismus  der  Sähkhyalehre  schon  als  solcher  keine  ursprüng- 
liche Naturanschauung  sein  (denn  wie  kämen  zwei  bis  in  die 
Wurzeln  verschiedene  Prinzipien,  wie  Purusha  und  Prakriti, 
dazu,  sich  im  unendlichen  Räume  und  in  der  unendlichen  Zeit 
zu  finden  und  zu  ergreifen,  welch'  unerhörter  Zufall  fügte  es, 
dafs  sie  so  zu  einander  pafsten,  dafs  sie  sich  zu  einer  Welt- 
entwicklung verbinden  konnten?),  —  vielmehr  ist  er  aufzu- 
fassen als  die  Folge  einer  Selbstzersetzung  der  Upanishad- 
lehre,  wie  wir  jetzt  nachweisen  wollen. 

Der  Upanishadgedanke  in  seiner  pantheistischen  Form  ursprüng- 
besagte, wie  oben  gezeigt,,  dafs  Brahman  die  AVeit  geschaffen  msmus. 
hat  und  dann  als  Seele  in  dieselbe  eingegangen  ist  (tat  srishtvä, 
tad  eva  aniipvävicat,  Taitt.  2,6).  Die  individuelle  Seele  ist 
nicht  etwas  von  Brahman  Verschiedenes,  sondern  voll  und 
ganz  das  Brahman  selbst.  Die  Individualität  sowie  die  Viel- 
heit der  Seelen  ist  ein  blofser  Schein.  Aber  dieser  Schein 
verdichtet  sich,  in  dem  Mafse  wie  die  empirische  Erkenntnis- 
weise zur  Geltung  kommt,  zur  Realität :  der  Pantheismus  wird 
zum  Theismus,  nach  welchem  der  höchsten  Seele  die  indivi- 
duelle als  eine  eigene  Realität  gegenübertritt,  die  Folge  ist 
die  Vielheit  der  individuellen  Seelen,  —  das  erste  Vielheit  der 
Dogma,  wodurch  sich  das  Sänkhyam  vom  Vedänta  unter- 
scheidet, und  damit  die  erste  Absurdität  dieser  Weltansicht. 
Denn  die  Seele  bleibt  nach  wie  vor,  wie  schon  Yäjnavalkya 
gelehrt,  das  Subjekt  des  Erkennens.  Eine  Vielheit  von 
Subjekten  des  Erkennens!  Welcher  philosophische  Kopf  er- 
trägt diesen  Gedanken?  Das  Subjekt  des  Erkennens  ist  in 
mir  (aham  brahma  asmi)  und  nirgendwo  sonst,  denn  alles  aufser 
mir  ist  Objekt  und  darum  eben  nicht  Subjekt. 

Eine  weitere  Folge  des  Theismus  ist  der  Atheismus.    Die  Absterben 

a  ....  der 

Spaltung  des  Atman  in  individuelle  und  höchste  Seele  mufste  höchsten 
zum  Absterben  des  einen  Zweiges  —  der  höchsten  Seele  — 
führen,  da  sie  ihre  Lebenskraft  in  Wahrheit  nur  aus  dem  in 
mir  vorhandenen  —  allein  vorhandenen  —  Atman  geschöpft 
hatte.  Nachdem  dieser  sich  von  ihr  getrennt,  war  sie  schwer 
aufrecht  zu  halten.  Man  brauchte  nur  die  schöpferischen 
Kräfte  (die  Guna's,  Saitvam,  Hajos  und  Tamas)  in  die  Materie 
selbst  zu  verlegen,   und  Gott  wurde   überflüssig.     Vergebens 


222  X.    Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 

protestiert  gegen  die  einreifsende  realistische  Tendenz  die 
Qvet.  Up.,  vergebens  versichert  sie,  dafs  es  Gottes  Selbstkraft 
ist,  welche  sich  in  die  eignen  Guna's  hüllt  (1,3),  dafs  die 
Fäden  des  Pradhäna-  Gewebes  nur  aus  Gott  stammen  (6,10), 
ja,  dafs  die  ganze  Prakriti  nur  eine  von  Gott  hervorgebrachte 
Illusion  ist  (4,10  mäyäm  tu  prakritim  vidyäd,  mäyinam  tu  mahe- 
gvaram),  —  nachdem  Gott  nicht  mehr  durch  meinen  Atman 
bezeugt  wurde,  war  er  überhaupt  nicht  mehr  hinreichend  be- 
zeugt, um  nicht  von  dem  rücksichtslosen  Realismus  der  Sänkhya's 
über  Bord  geworfen  zu  werden,  wodurch  dann  aus  der  alten 
Dreiheit  (Gott,  Welt,  Seele),  die  in  Wahrheit  eine  Einheit 
war  ((j.'vet.  1,7.  12  etc.),  die  Zweiheit  von  Prakriti  und  Purusha 
wurde,  von  denen  man  nun  nicht  mehr  zu  sagen  wufste,  woher 
sie  gekommen,  und  wie  sie  so  zu  einander  passen  mochten, 
dafs  sie  als  der  starke  Blinde  und  der  sehende  Lahme  (Sänkhya- 
kärika  21)   sich  zum   gemeinsamen  Ziele  verbinden   konnten. 


3.  Genesis  der  Evolutionsreihe. 

Pwusha,  Schon   in  den   Kosmogonien   des  Bigveda   pflegt   an    der 

iMän?  Spitze  der  Weltentwicklung  eine  Dreiheit  von  Prinzipien  zu 
erscheinen,  sofern  1)  das  Urwesen  aus  sich  2)  die  Urmaterie 
hervorgehen  läfst  und  in  dieser  3)  als  Erstgeborner  der 
Schöpfung  (Hiranyagarblia,-  JBrahmdn)  selbst  entsteht  (oben 
S.  165  fg.  und  I,  i,  S.  143  fg.  153).  Diese  mehr  und  mehr  ty- 
pisch werdende  Reihenfolge  der  drei  obersten  Prinzipien  ist 
der  letzte  Grund  für  die  drei  obersten  Sänkhyaprinzipien, 
1)  Purusha,  2)  Prakriti,  3)  Maliän  (Buddln'),  nur  dafs  der 
Purusha,  infolge  seiner  Spaltung  in  höchste  und  individuelle 
Seele  und  dadurch  bedingten  Absterbens  der  ersteren  (des  Ur- 
wesens),  nur  noch  in  seinen  Absenkern,  den  individuellen 
Seelen,  fortbesteht,  welche  als  solche  nicht  mehr  oberstes 
Prinzip  sind,  sondern,  wie  im  vorigen  Abschnitte  gezeigt,  der 
Prakriti  als  nebengeordnet  gegenübertreten.  Ein  erstes  Auf- 
dämmern dieser  Anschauung  kann  man  schon  Brih.  1,4,6  finden, 
wenn  es  dort  heifst:  „diese  ganze  Welt  ist  nur  dieses:  Nah- 
rung und  Nahrungesser";  jedenfalls  werden  diese  Worte  auf 
Prakriti  und  Purusha  gedeutet  in  der  ältesten,  uns  bekannten, 


3.   Genesis  der  Evolutionsreihe.  .  223 

Darstellung  der  Sänkhyaphilosophie,  Maitr.  6,10,  einem  Ab- 
schnitt, welcher  durch  seine  unvermittelte  Gegenüberstellung  von 
Prakriti  und  Purusha  in  Widerspruch  tritt  nicht  nur  gegen  die 
Upanishadlehre,  auch  wo  sie  schon  dem  Sänkhyismus  zutreibt, 
sondern  auch  mit  den  übrigen  Texten  der  Maitr.  Up,,  z.  B.  5,2 
und  6,1 1 — 13.  Aus  diesem  Ursprung  der  drei  obersten  Sänkhya- 
begriffe  erklärt  sich  auch  die  sonst  nicht  verständliche  Er- 
scheinung, dafs  tlas  Intellektuelle,  nachdem  es  dem  Purusha 
(dem  Subjekte  des  Erkennens)  überwiesen  war  und  dadurch 
abgefertigt  schien,  dann  doch  auch  wieder  auf  der  objektiven 
Seite   erscheint   als   die   Buddln   oder   der  Mahän.    d.  h.  „der  ner  Mahän 

(che  auaam) 

Grofse";  dieser  letztere  Ausdruck  erscheint  (soweit  wir  sehen) 
an  allen  Stellen,  wo  das  Genus  bestimmbar  ist,  als  Masku- 
linum (meist  in  Komposition  als  mahad-ädi.  mahat-tattväm 
„die  Wesenheit  des  Grofsen")  und  taucht  schon  in  den  Upani- 
shad's  auf;  so  vielleicht  schon  in  dem  Verszitate  Kaush.  1,7 
als  rishir  brahmamayo  mahän]  dann  als  der  mahän  ätmd  Käth. 
3,10.  13  und  6,7,  als  der  agryah  purusho  mahän  (>et.  3,19, 
falls  derselbe  als  der  „erstentstandene,  grofse  Purusha"  auf- 
zufassen und  somit  zu  identifizieren  ist  mit  dem  Himnyagarbha 
3,4.  4,12,  dem  risJrih  Mpilah,  agre  prasütah  5,2,  dem  jnah  sar- 
mgäh  6,  17,  dem  Brahmän,  welchem  das  Urwesen  die  Veden 
überliefert  hat  6,18,  und  aus  welchem  das  uralte  Wissen  er- 
flossen  ist  4,18.  Es  ist,  wie  der  Vergleich  dieser  Stellen  zeigt, 
der  schon  Rigv.  10,121  als  erster  aus  den  Urwassern  geborne 
Hiranyagarbha,  das  intellektuelle  Weltprinzip,  der  Intellekt 
als  Träger  der  Erscheinungswelt,  welcher,  nach  Abstreifung 
der  mythologischen  Form,  bei  den  Sänkhya's  als  der  JSFalHot. 
als  die  kosmische  Buddhi,  aus  der  Prakriti  hervorgeht.  Dieser 
entläfst  dann  weiter  aus  sich   den  AhänJcära   als  Prinzip  der    "ie  wt>L- 

1  teren 

Individuation,  von  welchem  wiederum  die  individuellen  Er-  stufen! 
kenntnisorgane  (Monas  und  Ivdriya's)  und  ihre  Objekte  (Tan- 
mätra's,  Bhutans)  abhängen.  Durch  Hereinziehen  in  das  Lingam 
(den  psychischen  Organismus]  gewinnt  dann  auch  der  Mahän, 
die  Buddhi,  neben  der  ursprünglichen,  kosmischen  eine  psy- 
chische Bedeutung  als  Organ  der  Entscheidung  (adhyavasäya). 

Der  ganzen  Konstruktion   dieser  Stufenreihe  scheint  der  omud  die- 
Gedanke  zugrunde  zu  liegen,  dafs  das  Hervorgehen  aus  dem      reii.e. 


224  X.    Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 

I'rwesen  denselben  und  nur  umgekehrten  Weg  nimmt,  wie 
das  Zurückgehen  in  dasselbe.    Nun  lehren  die  Upanishad's 

stufen  des  ein  dreifaches  Zurückgehen  in  Brahman :  1)  im  Schlafe,  2)  im 
inBrahman.  Tode,  3)  im  Yoga ,  und  bei  Beschreibung  dieses  dreifachen 
Eingehens  in  Brahman  kommen  dann  nach  und  nach  alle  die 
Prinzipien  zum  Vorscheine,  welche  in  dem  Evolutionsschema 
der  Sänkhya's  zu  einem  Ganzen  vereinigt  sind.  Wir  wollen 
dies  an  einigen  Hauptstellen  nachweisen. 

Beim  riet-  1)  Beim  Tiefschlafe,  der  ein  Eingehen  in  Brahman  ist 

schlafe. 

gehen  nach  Chänd.  4,3,3  Rede,  Auge,  Ohr  und  Manas  ein  in 
den  Präna;  und  nach  Pragna  4  gehen  beim  Traumschlafe  die 
Indriya's  in  das  Manas,  und  beim  Tiefschlafe  dieses  mit  ihnen 
in  das  Tejas  ein;  im  Folgenden  (4,7)  wird  geschildert,  wie 
die  fünf  Bhüta's  und  die  fünf  Tanmätra's  sowie  die  fünf  Er- 
kenntnissinne und  die  fünf  Tatsinne,  ferner  Manas,  Buddhi, 
Ahankära,  Cittam,  Tejas,  Präna  und  die  ihnen  zukommenden 
Funktionen  in  den  Atinan  eingehen;  dafs  der  aufgezählten 
Reihenfolge  von  unten  nach  oben  das  sukzessive  Eingehen 
entspreche,  wird  nicht  ausdrücklich  gesagt,  ist  aber  nach  der 
Analogie  anderer  Stellen  wohl  annehmbar. 
Beim  2)    Beim   Sterben   geht   nach   Chänd.  6,8,6   (6,15,2)    die 

Rede  in  das  Manas,  das  Manas  in  den  Präna,  der  Präna  in 
das  Tejas,  das  Tejas  in  die  höchste  Gottheit  ein.  Wie  unter 
der  Rede  hier  alle  Indriya's,  so  scheinen  unter  Tejas  alle  drei 
Urelemente  (Tejas,  Apas,  Annam,  aus  denen  ja  nach  Chanel. 
6,5,4  Rede,  Präna  und  Manas  bestehen)  verstanden  werden  zu 
müssen,  welche,  wie  wir  später  sehen  werden,  zur  Prakriti 
mit  ihren  drei  Guna's  sich  fortentwickelt  haben. 
Beim  Yoga.  3)  Beim  Yoga  sollen  nach  Käth.  3,10 — 13  (und,  im  wesent- 

lichen übereinstimmend,  6,7 — 11)  die  Sinnendinge  und  Sinne 
im  Manas  absorbiert  werden,  dieses  in  der  Buddhi  (=jnäna? 
ätma  ==  sattvam),  diese  im  mahän  ätma,  dieser  endlich  im 
avyaktam  (=  räida  ätmä),  wodurch  der  Purusha  von  ihnen 
allen  isoliert  und  der  Erlösung  teilhaftig  wird.  Hiernach 
würden  wir  für  die  Rückkehr  in  das  Urprinzip  im  Tode, 
Yoga  und  Tiefschlafe  folgende  Stufenordnungen  (die  Reihen- 
folge bei  Pragna  4  problematisch)  gewinnen: 


3.   Genesis  der  Evolutionsreihe. 


225 


Beim  Sterben                    Beim  Yoga  Beim  Tiefschlafe 
(Chänd.  6,8,6):           (Käth.  3,10— 13.  6,7— 11):      -         (Pracna  4,7): 

pard  devatd                  purusha  dtman 

,  *  s  ,  *,        ,  (prdna 

t&fas  (apas,  annam)      avyaktam  (ganta7  atman)  \tej' 

,  *     *      .  (cittam 

imina                            {lum.  ychanlauc 


manas 
üäc  usw. 


manas 

arthdh  und  indriyäni 


buddhi 
manas 
tanmätra,  bhuta,  indriya. 


Mit    diesen    Stufen    der    (beim    Sterben,    Tierschlaf   und 
Yoga    stattfindenden)    Involution    in    das    Urwesen    .ver- 
gleiche   man    die    Stufen    der    Evolution    der    Dinge    aus    Entspre- 
dem   Urwesen,    wie    sie    zuerst    (noch    unabgeklärt    und    mit  wurde  das 
einigen  zweifelhaften  Punkten)  Mund.  1,1,8 — 9.  2,1,2 — 3,  und  geheTkon- 
in    abgeklärter    Form    im    spätem    Sähkhyam    (zuerst    wohl 
Maitr.  6,10)  erscheinen: 


Mund.  1,1,8—9.  Mund.  2,1,2—3. 

yah  sarvajüah,  sarvavid  purusha 

annarn  (=  avyäkritam,  aksharam 

Tank.) 

prdna  (=  Hiranyagarbfia,      prdna 

rank.) 


Späteres  Sänkhyam. 

)  prakriti      ||  purusha 


\  mahdn 
/  ahankdra 


satyam,  Jokdh,  karmäni 


manas  und 

Sinnesorgane 
die  Elemente 


tanmätra     manas  u.  indriya'1?, 
bhüta's. 


Der  Vergleich  dieser  Schemata  macht  es  sehr  wahrschein- 
lich, dafs  das  eigentliche  Motiv  für  die  Evolutionsstufen  der 
Sänkhyalehre ,  neben  der  aus  dem  Eigveda  überkommenen 
Trias  der  obersten  Prinzipien  (Urwesen,  Urmaterie,  Hiranya- 
garbha,  welche  zu  Purusha,  Prakriti,  Maliern  werden),  die  in 
den  Upanishad's  gelehrte  Stufenfolge  des  Eingehens  in  Brah- 
man  bei  Tiefschlaf,  Tod  und  Yoga  ist;  und  hierdurch  wird 
begreiflich,  dafs,  wenn  die  spätem  Sänkhya's  ihre  Stufenfolge 
.durch  den  psychologischen  Prozefs  beim  Erkennen  zu  recht- 
fertigen suchen,  dieses  nur  in  künstlicher  und  philosophisch 
nicht  befriedigender  Weise  geschehen  kann. 


Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,n. 


15 


226  X.   Die  Genesis  des  Sänkhyasysteins. 


4.  Genesis  der  Guualehre. 

nie  drei  Der  eigentümlichste  Bestandteil   des  Sänkhyasystems   ist 

die  Lehre  von  den  drei  Guna's,  welche  auf  dem  Gedanken 
beruht,  dafs  die  drei  im  psychischen  Organismus  sich  be- 
tätigenden Kräfte,  Sattvam,  Bajas  und  Tomas  (die  der  mo- 
dernen Unterscheidung  von  Sensibilität,  Irritabilität  und 
Reproduktion  nahe  kommen)  auch  schon  in  der  Prakriti 
vorhanden  sind  und  deren  ganzes  Wesen  ausmachen.*  So 
neu  auch  diese  Lehre  bei  ihrem  ersten  Auftreten,  in  der 
Qvetäcvatara-Upanishad  (1,3.  4,5.  5,7.  6,3 — 4.  6,11.  6,16)  er- 
scheint, so  beruht  doch  auch  sie  auf  altern  Voraussetzungen. 
Wir  gehen  dabei  aus  von  dem  Verse  Qvet.  4,5  (=  Mahänär.  10,5): 

Der  Vers  Die  eine  Ziege,  rot  und  weifs  und  schwärzlich, 

Ziege,  Wirft  viele  Junge,   die   ihr  .gleichgestaltet'; 

sVe  '    '  Der  eine  Bock  in  Liebesbrunst  bespringt  sie, 

Der  andre  Bock  verläfst  sie,   die  genossen. 

Dafs  dieser  Vers  den  Grundgedanken  der  Sankhyalehre  zum 
Ausdrucke  bringt,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Das  verschieden- 
artige Verhalten  der  vielen  Purusha's  zu  der  einen  Prakriti 
kann  gar  nicht  treffender  illustriert  werden  als  durch  das  ver- 
schiedenartige Verhalten  der  vielen  Böcke  zu  der  einen  Ziege. 
Unter  diesen  Umständen  ist  es  unvermeidlich,  die  Bezeichnung 
Beziehung  der  Ziege  als  „rot,  weifs  und  schwarz"  (lohita-guMa-lcrishna, 
GtmtfB.  nach  Qankara's  Lesung)  auf  die  drei  Guna's  zu  beziehen,  aus 
denen  die  Prakriti  besteht.  Zugleich  aber  weisen  diese  drei 
Ausdrücke  sowohl  durch  ihre  Namen  als  auch  durch  die 
Reihenfolge    derselben,    welche   nach   der   Sankhyalehre    eine 


*  Die  Prakriti  ist  im  Grunde  nur  die  Potentialität  (daher  avyäk- 
tarn),  d.  h.  der  Inbegriff  der  drei  Faktoren  (<iio.ni.  nach  dviguna,  triguna 
usw.  gebildet,  vgl.  -gunayati  ■ multiplizieren),  welche  in  allem  Existieren- 
den stecken,  und  aus  deren  mannigfachen  Durchdringungen  (awyowya- 
abhibhava- ägräya  -jatiana  -  miümna  )  alle  psychischen  Organismen 
(linga)  und,  als  deren  blofse  Folie,  die  materielle  Natur  (bhüia)  be- 
stehen. Alles  Seiende  ist  sonach  ein  Produkt  aus  sattvwm  (Freude,  cpüia), 
rajas  (Schmerz,  veixo?)  und  tamas  (Gleichgültigkeit,  Apathie). 


4.   Genesis  der  Gunalehre.  227 

andre  sein  müfste,  zurück  auf  Chänd.  6,4,  wo  alles  in  der  ursprüng- 
Welt  als  aus  den  drei  (aus  dem  einen  Seienden  hervorge gange-  Ziehung  auf' 
nen)  Elementen,  Glut,  Wasser  und  Nahrung,  bestehend  nach- 
gewiesen wird:  an  allen  Dingen  (als  Beispiele  dienen  Feuer, 
Sonne,  Mond  und  Blitz)  ist  das  Rote  (lohita)  Glut,  das  Weifse 
(gukla)  Wasser,  das  Schwarze  (Tcrishna)  Nahrung.  Die  Wieder- 
kehr derselben  Ausdrücke  und  in  derselben  Reihenfolge  in 
dem  Verse  Qvet.  4,5  beweist,  dafs  derselbe  ohne  Zweifel  mit 
Recht  von  Bädaräyana  und  Qankara  (Sütra  1,4,8 — 10)  auf 
Chänd.  6,4  bezogen  wird.  Ebenso  aber  müssen  wir  dem  bei 
Cankara  auftretenden  Opponenten  Recht  geben,  wenn  er  den 
Vers  mit  folgenden  Worten  auf  die  Sänkhyalehre  bezieht: 
„In  diesem  Verse  sind  unter  den  Worten  «rot  und  weifs  und 
schwarz»  das  Rajas,  Sattvam  und  Tamas  zu  verstehen.  Das 
Rote  ist  das  Rajas  (Leidenschaft),  weil  es  seiner  Natur  nach 
rot  macht  (in  Aufregung  versetzt,  ranjayati);  das  Weifse  ist 
das  Sattvam  (Wesenheit,  Güte),  weil  es  seiner  Natur  nach 
aufhellt;  das  Schwarze  ist  das  Tamas  (Finsternis),  weil  es 
seiner  Natur  nach  verdunkelt.  Es  ist  die  Gleichgewichtslage 
dieser  Guna's,  welche  hier  nach  der  Beschaffenheit  der  Teile, 
aus  denen  sie  besteht,  als  «rot  und  weifs  und  schwarz»  be- 
zeichnet wird.  Und  weil  diese  die  ursprüngliche  ist,  darum 
heilst  sie  ajä  (die  Ziege,  auch:  die  Ungeborne),  indem  die 
Sänkhya's  von  ihr  sagen:  «erschaffend,  nicht  erschaffen  ist  die 
Urnatur»  (Sänkhyak.  3).  .  .  .  Jene  Urmaterie  also  gebiert 
viele,  mit  den  drei  Guna's  behaftete,  Junge;  und  von  eben- 
derselben wird  gesagt,  dafs  der  eine  Ungeborne  (oder  Bock, 
aja),  d.  h.  der  eine  Purusha  sie  «in  Liebesbrunst » ,  in  Zu- 
neigung, Anhänglichkeit  «hege»  (bespringe),  indem  er,  zufolge 
des  Nichtwissens,  dieselbe  für  sein  eignes  Selbst  ansieht  und 
demgemäfs,  aus  Unvermögen  zu  unterscheiden,  sich  selbst  fin- 
den Träger  der  Lust,  Unlust  und  Verblendung  [welche  das 
Wesen  von  Sattvam,  Rajas  und  Tamas  ausmachen]  hält  und 
somit  in  der  Seelenwanderung  befangen  bleibt,  —  während 
hinwiederum  ein  andrer  « Ungeborner » ,  d.  h.  ein  Purusha, 
der  jene  Erkenntnis  der  Verschiedenheit  erlangt  hat  und 
nicht  mehr  an  ihr  hängt,  «sie»,  nämlich  die  Urmaterie, 
«verläfst»,    sie,    «die    genossen»,    deren    Geniefsen    zu    Ende 

15* 


kräfte. 


228  X.   Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 

gegangen  ist:   diese  also  verläfst  er,   das  heilst,   er  wird  von 
ihr  erlöst." 

In  dieser  Kontroverse,  haben  beide  Teile  recht:  der  Vedän- 
tist,  sofern  der  Vers  ohne  Zweifel  sich  auf  Chanel.  6,4  zurück- 
bezieht, und  der  Sankhyist,  sofern  die  drei  Grundstoffe,  welche 
nach  Chänd.  6,2  aus  dem  „Einen  ohne  Zweites"  hervorgehen, 
und  aus  denen  alles  in  der  Welt  durch  Mischung  entsteht, 
psychologisch  umgeformt  worden  sind  zu  den  drei  Guna's, 
£ie  drei  welche  ebenfalls  die  Grundstoffe  sind,  nur  dafs  jeder  dieser 
werden  zu  drei  Grundstoffe  zum  Träger  und  Ausdruck  einer  der  drei,  in 
dr'eTcirund"  unserm  Innern  herrschenden,  psychischen  Grundkräfte  ge- 
worden ist.  Da  das  Wort  Guna  (Faktor)  sowohl  auf  die 
Grundstoffe  als  auch  auf  die  Grundkräfte  passen  würde  (in 
ihm  liegt  nur,  dafs  alles  aus  dem  Urwesen  Stammende  „drei- 
fach", triy/tnam,  ist),  und  da  es  in  allen  Stellen  der  Qvet.  Up., 
in  der  es  zuerst  vorkommt  (1,3.  4,5.  5,7.  6,3 — 4.  6,11.  6,16), 
sehr  wohl  noch  als  Grundstoff  im  Sinne  von  Chänd.  6,2 
und  dem  daran  anknüpfenden  Verse  Qvet.  4,5  gefafst  werden 
kann,  so  würde  nichts  hindern,  anzunehmen,  dafs  jene  Um- 
formung der  drei  Grundstoffe  in  drei  Grundkräfte  —  oder 
vielmehr  jene  Auffassung  jedes  der  drei  Grundstoffe  als  Träger 
einer  bestimmten  Grundkraft  —  geradezu  in  Anknüpfung  an 
den  obigen  Vers  Qvet.  4,5  sich  erst  weiterhin  entwickelt  hat. 
Vollzogen  hat  sich  dieselbe*  mit  und  durch  Einführung  der 
Namen  Sattvam,  JRajas  und  Tomas,  welche  in  dem  hier  in 
Frage  kommenden  Sinne  nicht  vor  Maitr.  3,5.  5,2  usw.  nach- 
weisbar sind  (über  Atharvav.  10,8,43  vgl.  oben  I,  i,  S.  324). 


5.  Genesis  der  Heilslehre. 

Vedänta  und  Sänkhyam  proklamieren  beide  als  ihre  Grund- 
anschauung den  Satz:   durch  die  Erkenntnis    erfolgt  die 
Erlösung.    Dieser  Satz  pafst  durchaus  zu  den  Voraussetzun- 
gen der  Vedäntalehre,  nicht  aber  zu  denen  des  Sänkhyam. 
iioiisiehre  Nach  der  Upanishadlehre  ist  der  Atman   allein  real;   die 

8Vedänta' vielheitliche  Welt  ist  eine  Illusion;  diese  Illusion  wird  durch 
die  erwachende  Erkenntnis  durchschaut,  und  hierin  besteht 
die  Erlösung.     Hier  stimmt  alles  vollkommen  zusammen. 


5.   Genesis  der  Heilslehre.  229 

Anders   im  Sänkhyain.     Hier   ist   die  Materie   ebensogut  Heiuiehre 
eine  Realität  wie  die  Seele,   kann  folglich   nicht  von  ihr,  wie     khyam. 
im  Vedänta,   als  eine  Illusion   erkannt  werden.     Die  Illusion, 
welche  durchschaut  werden  mufs,  liegt  hier  nur  in  der  Ver- 
bindung zwischen  Prakriti   und  Purusha.     Aber   dieser  Ge- 
danke ist  philosophisch  nicht  durchführbar.     Denn  eine  Ver-    DaB  m- 
bindung   besteht  entweder  in  Wirklichkeit,   oder  sie   besteht    dem  sie 
nicht.     Ist  sie  real,   so  kann  alle  Steigerung   des  Erkennens 
nicht  zu  einer  Lösung  der  Verbindung  führen,  sondern  höch- 
stens zu  einem  deutlichen  Bewufstsein  der  Verbindung,  womit 
dieselbe   aber  noch  nicht  gelöst  ist.     Das  Binsenschwert  des 
Erkennens   kann   wohl   den   Nebel   einer  Illusion,   nicht   aber 
eine  realiter  vorhandene  Verbindung  durchschneiden.    Ist  hin- 
gegen die  Verbindung  zwischen  den  beiden  Realen,  Purusha  und 
Prakriti,  nicht  real,  so  besteht  sie  eben  gar  nicht:  es  ist  dann 
nicht  wahr,  dafs  der  Purusha  die  Prakriti  „beleuchtet",  nicht 
wahr,  dafs  die  Prakriti  im  Purusha  „sich  spiegelt",  und  diese 
Durchleuchtung  oder  Widerspiegelung  darf  nicht  benutzt  wer- 
den, um  das  Phänomen  des  Leidens  zu  erklären,  weil  sie  eben 
nicht  vorhanden  ist." 

Für  den  sekundären  Charakter  der  Heilstheorie  des  Sänkhya-   pessimis- 
systems    zeugt    auch    der    in    ihr    herrschende    Pessimismus.    T^ani-1 
Auch   die  alten  Upanishad's   erwähnen  gelegentlich   die  leid- 
volle Beschaffenheit  des  Daseins  (ato  'nyad  ärtam,  Brih.  3,4,2. 
.  3,5,1.  3,7,23),  auch  nach  ihnen  schwindet  mit  der  Illusion  des 
empirischen   Daseins    auch   die   Möglichkeit   des    in    ihr   ein- 
begriffenen Leidens  (tarati  gokam  ätmavid,  Chänd.  7,1,3),  aber 
dies  ist  doch  nur  eine  Nebenfrucht,  und  der  Hauptnachdruck 
liegt   auf  der   Befreiung   von    der   angebornen    Avidi/ä   durch 
Erkenntnis  des  Atman.     Anders  in  der  weitern  Folge.     Mehr 
und  mehr  tritt  die  pessimistische  Anschauung  in  den  Vorder- 
grund; sie  nimmt  einen  breiten  Raum  ein  schon  Käth.  1,  einen   Zunahme 
noch  breitern  in  den  Deklamationen  des  Brihadratha,  Maitr.  1.    migmu""- 
Ihren  Höhepunkt   erreicht   diese   pessimistische  Strömung   im 
Sänkhyasystem,  für  welches   die  ganze  Philosophie   nur  eine 
Forschung    nach    der    Ursache    der    Abwehr    der    dreifachen 
Schmerzen  ist  (Sänkhyakärikä  1).    Ein  solcher  Standpunkt  ist 
überall,  wo  er  in  der  Philosophie  auftritt,  ein  Symptom  der 


230  X.   Die  Genesis  des  Sänkhyasystems. 

Philosophie  Ermüdung.     Ursprünglich   wurzelt   die   Philosophie   in   dem 

dium,  ein   reinen  Triebe  nach  Erkenntnis  und  kennt  keinen  andern  Zweck 

de™Er^   als  die  Erforschung  der  Wahrheit.    Erst  nachdem  dieser  Trieb 

mudung.    er]ajim^  js^  wjr(j  ^ie  Philosophie  zu  einem  blofsen  Mittel  zum 

Zwecke,   zu  einem  remedium  der  Leiden   des  Daseins:    so  in 

Griechenland  in  den  nacharistotelischen  Schulen ;  so  in  Indien 

im  Sänkhyasystem  und  im  Buddhismus. 


Des  Systems  der  Upanisliad's  dritter  -Teil: 

Psychologie 

oder  die  Lehre  von  der  Seele. 
XI.  Die  höchste  und  die  individuelle  Seele. 

1.  Die  Anschauung:  des  spätem  Vedänta. 

Der  Vedänta  des  Qankara  und  seiner  Schule  unterscheidet    Höchste 
von  der  einen  höchsten  Seele  (paramätman)  eine  Vielheit  indi-    vidueiie 
vidueller  Seelen  (jiva  atman,  gdrira  atman).     Erstere  ist  all- 
wissend, allmächtig,  allgegenwärtig,  letztere  sind  nach  Wissen, 
Macht   und   räumlicher  Ausbreitung   beschränkt.     Erstere   ist 
weder    Täter    noch    Geniefser    und  "daher    von    jeher    erlöst, 
letztere  sind   handelnd   und   geniefsend   und  dadurch  in   den 
ewigen  Wanderungslauf  des  Samsära  verstrickt   und  der  Er- 
lösung bedürftig.      Dennoch    sind   die    individuellen  Ätman's  Die  inaivi- 
von  dem  höchsten  Atman  nicht  eigentlich  verschieden.     Jede  beruht  mir 

A  ff) 

von  ihnen  ist  voll  und  ganz  der  höchste  Atman  selbst,  wie  TtidyA, 
er,  seinem  wahren  Wesen  nach  durch  die  Upädki's  (Manas, 
Indriya's  usw.)  verhüllt,  zur  Erscheinung  kommt.  Diese 
Upädlns  können  sein  wahres  Wesen  nicht  ändern,  sowenig 
wie  die  Reinheit  des  Bergkristalls  durch  die  rote  Farbe  auf- 
gehoben wird,  mit  der  er  von  aufsen  bestrichen  ist.  Es  ist 
vielmehr  nur  die  Avidyä,  das  Nichtwissen,  welches  dem  höch- 
sten Atman  die  Upädhi's  aufbürdet  und  ihn  dadurch  als  indi- 
viduellen Atman  anschaut.     Somit   hat  die  ganze  individuelle 


232  XL   Die  höchste  und  die  individuelle  Seele. 

Dennoch  als  Seele  als  solche  keine  Bealität,  und  dennoch  kann  das  System 
jSebanaeit.  «s  nicht  vermeiden,   sie  als   eine  Realität  zu   betrachten  und 
von  ihren  Organen,  ihren  Zuständen,   ihrer  Wanderung  und 
sekundärer  endlichen  Erlösung  ausführlich  zu  handeln.    Dieser  im  System 
die'ser  gan-  liegende  innere  Widerspruch,  wie  auch  schon  die  Bezeichnung 
eone.  ^er  ]3ej(jen  verschiedenen  und  doch  auch  wieder   nicht  ver- 
schiedenen Wesenheiten   durch  das   eine  Wort  Atman  deutet 
darauf  hin,  dafs  die  ganze  Theorie  von  einer  zweifachen,  einer 
höchsten  und  einer  individuellen,  Seele  sekundären  Ursprungs 
ist.      Ihre   Genesis    haben    wir   jetzt    in    den   Upanishad's  "zu 
verfolgen. 


2.   Ursprünglich  nur  eine  Seele. 


mus  kennt 

nur  eine 

Seele. 


Der  ideaiis-  Die   ältesten   Upanishadtexte   kennen   nicht   zwei   Seelen, 

sondern  nur  eine.  „Es  ist  deine  Seele,  welche  allem  innerlich 
ist"  (Brih.  3,4J.  3,5,1).  Der  in  der  Erde,  dem  Wasser,  dem 
Feuer,  in  Luftraum,  Wind,  Himmel,  Sonne  usw.  wohnend, 
von  ihnen  verschieden  ist,  dessen  Leib  sie  sind,  der  sie  alle 
innerlich  regiert,  „der  ist  deine  Seele,  der  innere  Lenker,  der 
unsterbliche.  Er  ist  sehend  nicht  gesehen,  hörend  nicht  ge- 
hört, verstehend  nicht  verstanden,  erkennend  nicht  erkannt. 
Nicht  gibt  es  aufser  ihm  einen  Sehenden,  Hörenden,  Ver- 
stehenden, Erkennenden"  (Brih.  3,7,3 — 23).  Dieser  allein  vor- 
handene Atman  ist  das  Subjekt  des  Erkennens  in  uns,  welches 
als  solches  die  ganze  Welt  der  Vorstellung  trägt,  in  welchem 
alles  und  aufser  welchem  nichts  ist,  und  mit  dessen  Erkenntnis 
daher  alles  erkannt  ist  (Brih.  2,4,5).  Dies  ist  der  Standpunkt 
des  reinen  Idealismus,  welcher  eine  vielheitliche  Welt  und 
alles,  was  aufser  dem   erkennenden  Subjekte  wäre,  verneint. 

Ebenso  der  Er  wird  zum  Pantheismus,  indem  er  ein  relatives  Dasein  der 
mus  und    Welt  zugesteht,  diese  ganze  Welt  aber  mit  dem  Atman,  dem 

gonismus.  Subjekte  des  Erkennens,  identisch  setzt.  Eine  solche  Gleichung, 
so  oft  sie  wiederholt  wird,  ist  aber  und  bleibt  sehr  undurch- 
sichtig, und,  um  sie  dem  empirischen  Verständnis  näher  zu 
bringen,  wird,  mit  Zurückgehung  auf  die  alten  Kosmogonien, 
gelehrt,  dafs  der  Atman  die  AVeit  erschaffen  habe  und  dann 
als  Seele   in   dieselbe   eingegangen   sei:   änena  jivena   ätmanä 


2.   Ursprünglich  nur  eine  Seele.  233 

anupwvigya,  Chänd.  6,3,2.  Hier  hören  wir  zuerst  das  Wort 
jiva  ätnian,  welches  späier,  im  Gegensatze  zur  höchsten,  „die 
individuelle  Seele"  bedeutet.  Aber  auch  hier  noch  ist  kein 
solcher  Gegensatz  vorhanden;  es  ist  der  allein  vorhandene, 
weltschaffende  Atman  selbst,  welcher  als  jiva  ätman  in  die  von 
ihm  erschaffene  Welt  eingeht.  Weder  auf  dem  Standpunkte 
des  reinen  Idealismus,  noch  in  seinen  empirischen  Variationen 
als  Pantheismus  und  Kosmogonismus  besteht  ein  Gegensatz 
zwischen  der  höchsten  und  individuellen  Seele.  Er  tritt  ein  Erst  der 
erst  in  dem  Augenblick,   wo  der  weltschaffende  und  dann  in    scheidet 

o    i   ..     p  •  i  .  i     ■      .  r>  —,      •■  höchste  und 

seine  Scnopiung  eingegangene  Atman  als   eine  Zweiheit  ein-  individuelle 
ander  gegenübergestellt  werden;  diese  weitere  Akkommodation 
an   das  empirische  Bewufstsein  haben  wir  als  Theismus   be- 
zeichnet,  für   welchen   die   ursprüngliche   Einheit   des  Ätman- 
als  Gott  und  Seele  auseinandertritt. 


3.  Die  individuellen  Seelen  neben  der  höchsten. 

Alle  Upanishad's,  auch  die  ältesten,  wenn  sie  die  Zu-  nie  gebuu- 
stände  der  Bindung  im  Samsära  und  der  Erlösung  aus  dem-  und  die 
selben  behandeln,  untersqheiden  die  gebundene  Seele  von  der 
erlösten,  die  zur  Erlösung  eingehende  von  der,  zu  welcher  sie 
eingeht,  und  hierbei  kommt  es  oft  genug  zu  einer  poetischen 
Personifikation  beider  Zustände  als  der  im  Samsära  befangenen 
und  der  erlösten,  göttlichen  Seele,  wie  z.  B.  Chänd.  3,14,4  „zu 
ihm  werde  ich,  von  hier  abscheidend,  eingehen",  oder  Kaush.  1, 
wo  geschildert  wird,  wie  die  ins  Jenseits  gelangende  Seele 
vor  den  Thron  des  Brahmän  (mask.)  tritt  und  von  ihm  über 
ihr  Wissen  befragt  wird.  Aber  schon  die  Antwort,  welche 
sie  gibt  (Kaush.  1,6):  „eines  jeglichen  Wesens  Selbst  bist 
du,  und  was  du  bist,  das  bin  ich",  beweist,  dafs  diese  poe- 
tischen Gegenüberstellungen  durchaus  beherrscht  bleiben  von 
dem  Bewufstsein  der  Einheit  des  Atman.  Eine  wirkliche 
Scheidung  zwischen  der  individuellen  und  höchsten  Seele  findet 
sich  erst  in  denjenigen  Texten,  in  welchen  die  letztere  zum 
Begriffe  eines  der  Seele  gegenüberstehenden,  persönlichen 
Gottes  sich  verhärtet,  durch  dessen  „Gnade"  dann  die  Er- 
lösung  bedingt   ist.     Dies   geschieht,    wie   wir   früher   sahen, 


234  XL   Die  höchste  und  die  individuelle  Seele. 

Die  imiivi-  zuerst  in  der  Käthaka-Upanishad,  und  dem  entspricht  es,  dafs 
"Ina  die e  wir  die  erste  wirkliche  Unterscheidung  der  höchsten  und  der 


höchste. 


individuellen  Seele  Käth.  3,1  antreffen: 

Zwei,   Trinker  der  Vergeltung  ihrer  Werke 

Droben  im   Jenseits,  fuhren  in   die  Hohle; 

Schatten  und  Licht  nennt  sie,  wer  Brahraan's  kundig. 
Die  Einheit  der  beiden,  hier  unterschiedenen  Seelen  kommt 
darin  zum  Ausdruck,  dafs  das  „Trinken  der  Vergeltung", 
welches  nur  der  individuellen  Seele  zukommt,  beiden  zuge- 
-  schrieben  wird,  sowie  auch  darin,  dafs  die  höchste  Seele  als 
das  Licht  bezeichnet  wird,  welchem  die  individuelle  Seele  als 
blofser  wesenloser  Schatten  anhängt  (vgl.  Käth.  6,5).  Hierauf 
beruht  wohl  Pracma  3,3:  „Aus  dem  Atman  entsteht  dieser 
Präna;  wie  an  einem  Menschen  der  Schatten,  so  breitet  er 
sich  an  demselben  aus".  In  den  weiter  folgenden  Worten 
Käth.  3,4  begegnen  wir  auch  zuerst  der  Bezeichnung  der  indi- 
Der  „Ge-  viduellen  Seele  als  des  bhoktar,  des  „  Geniefsers",  welcher 
(bhoktar).  durch  den  ganzen  Lebenslauf  die  Frucht  der  Werke  des 
vorherigen  Lebens  zu  geniefsen,  d.  h.  abzubüfsen,  hat.  Dieser 
Geniefser,  die  individuelle  Seele,  entsteht  dadurch,  dafs  der 
Ätman  (die  höchste  Seele)  sich  mit-  den  Organen,  Manas  und 
Indriya's,  verbindet  (Käth.  3,4).  Die  Bezeichnung  der  indi- 
viduellen Seele  als  bhoktar  kehrt  wieder  Qvet.  1,8.  9.  12.  5,7. 
.  Die  Entlehnung  aus  Käth.  3,4  ist,  nach  dem  ganzen  Zusammen- 
hange beider  Werke,  wohl  zweifellos  (vgl.  Up.  S.  289).  Eben- 
daselbst, C>et.  4,6 — 7  (und  wohl  abhängig  davon  Mund.  3,1,1 — 2), 
wird  mit  lTmdeutung  des  Verses  Rigv.  1,164,20  (über  die  ur- 
sprüngliche Bedeutung  vgl.  oben  I,  i,  S.  112—113)  der  Gegen- 
satz zwischen  individueller  und  höchster  Seele  in  bedeutsamer 
Verschärfung  dargelegt: 

„Zwei  schönbefiügelte,  verbundene  Freunde 

Umarmen  einen  und  denselben   Baum; 

Einer  von  ihnen  speist  die  süfse   Beere, 

Der  andre  schaut,  nicht  essend,  nur  herab"   (Rigv.  1.164,20). 

Zu  solchem  Baum  der  Geist,  herabgesunken, 
In   seiner  Ohnmacht  grämt  sich  wahnbefangen; 
Doch  wenn   er  ehrt  und  schaut  des  andern   Allmacht 
Und  Majestät,  dann  weicht  von  ihm  sein   Kummer. 


3.  Die  individuellen  Seelen  neben  der  höchsten.  235 

Als  eine  weitere  Auslegung  dieses  Gegensatzes  dient  der  Der  levara 
ganze  Adhyäya,  Qvet.  5.  Hier  wird  zunächst  Vers  2 — 6  die  andere". 
höchste  Seele  geschildert,  wie  sie  zu  Anfang  als  Erstgebornen 
den  Hiranyagarbha  (hapila  rishi)  erzeugte,  wie  sie  das  Netz 
der  Weltaushreitung  immer  wieder  ausspannt  und  einzieht, 
wie  sie  als  der  Vergeltung  übende  I^vara  die  Frucht  aller 
Werke  wachsen  macht  und  zur  Reife  bringt.  Dann  folgt, 
Vers  7 — 12,  die  Schilderung  des  „Andern"  (der  Ausdruck 
knüpft  an  den  soeben  zitierten  Vers  4,7  an),  d.  h.  der  indi- 
viduellen Seele: 

7.  Bestimmheithaft,  fruchtreicher  Werke  Täter 
Und  eben  dessen,  was  er  tat,   Geniefser, 

So  wandert  er  als  Lebensherr  allformig, 
Drei-Guna-haft,  dreipfadig,  je  nach  seinem  Werk. 

8.  Zollhoch  an  Gröfse,   sonnenähnlich  leuchtend, 
Mit  Vorstellung  und  Ichheit  ausgestattet, 
Erscheint,  kraft  seiner'  Buddhi,   seines  Atman, 
Wie  einer  Ahle  Spitze  grofs   der  Andre 

9.    Spalt'   hundertmal  des  Haars  Spitze     ■ 
Und  nimm  davon  ein  Hundertstel, 
Das  denk'  als  Gröfse   der  Seele, 
Und  sie  wird  zur  Unendlichkeit. 

10.    Er  ist  nicht  weiblich,  noch  männlich, 
Und  doch  ist  er  auch  sächlich  nicht; 
Je  nach  dem  Leib,   den  er  wählte, 
Steckt  er  in  diesem  und  in   dem. 

11.  Durch  Wahn   des   Vorstellens,  Berührens,   Sehens, 
Fährt  er  als  Seele,  seinem  Werk  entsprechend, 
Durch  Essens,  Trinkens,  Zeugens  Selbsterschaffung, 
Abwechselnd  hier  und  dort  in  die  Gestalten. 

12.  Als  Seele  wählt  viel  grobe  und  auch  feine 
Gestalten  er,   entsprechend  seiner  Tugend; 

Und  was  ihn  band,  kraft  seines  Werks  und  Selbstes, 
In  diese,  bindet  wieder  ihn  in  andre. 

Im  Gegensatz  zur  allgegenwärtigen  höchsten  Seele  wird   Kleinheit 
hier  die  individuelle  Seele,  wie  sie  mit  Sanikalpa  (der  Tätig-  licheGrorse 
keit  des  Manas),  AhanJcära  und  Buddlä  behaftet,   die  Frucht 


236  XI.   Die  höchste  und  die  individuelle  Seele. 

ihrer  Werke  geniefst,  in  zunehmender  Steigerung  bezeichnet 
als  „zollhoch",  als  „einer  Ahle  Spitze  grofs",  als  so  klein  wie 
der  zehntausendste  Teil  einer  Haarspitze,  —  „und  sie",  heilst 
es  weiter,  „wird  zur  Unendlichkeit'-;  d.  h.  nach  Aufhebung 
des  Irrtums  der  empirischen  Realität  erkennen  wir  diese  un- 
endlich kleine  individuelle  Seele  als  identisch  mit  der  unendlich 
grofsen  höchsten  Seele.  Die  deutliche  Unterscheidung  und 
dann  doch  immer  wieder  behauptete  Identität  beider  ist  schon 
der  Standpunkt  des  spätem  Vedänta,  wie  wir  ihn  oben  zu 
Eingang  dieses  Kapitels  charakterisiert  haben. 

■i.   Grund  der  Verkörperung'. 

spätes  Auf-  Aber   wenn   die    individuelle    Seele    neben   der    höchsten 

kommen  .  .  .  .. 

dieser  em  blofser  Schein  ist,  wie  kommt  die  ewig  erlöste,  selige 
höchste  Seele  dazu,  diesen  Schein  anzunehmen  und  als  indi- 
viduelle Seele,  abgeirrt  von  ihrer  wahren  Wesenheit,  gebunden 
zu  werden,  zu  wandern  und  zu  leiden  ?  —  Diese  Frage  taucht 
erst  in  den  spätesten  Upanishad's  auf,  und  die  Antworten  auf 
sie  sind  sehr  unbestimmt-  und  ungenügend. 

Pracna  3,1  wird  die  Frage  aufgeworfen:  „Woher  entsteht 
dieser  Präna  (die  individuelle  Seele)?  Und  wie  kommt  er  in 
diesen  Leib  hinein?"  —  Die  Antwort  lautet:  „Aus  dem  Atnian 
(der  höchsten  Seele)  entsteht  dieser  Präna;  wie  an  einem 
Menschen  der  Schatten,  so  breitet  er  sich  an  demselben  aus. 
„manoiri-  Und  er  kommt  hinein  in  diesen  Leib  manökritena",  welches 
pragna  3,3.  Caiikara  erklärt  als:  nianali-swm]calpa-icchä-udi-nislipaHiH;i-l;arma- 
nimittena  „vermöge  seiner  aus  dem  Wrollen,  dem  Wünschen 
usw.  des  Manas  entsprungenen  Werke",  wonach  aus  dem 
freien  Willen  der  Seele  die  Werke  und  als  ihre  notwendige 
Konsequenz  die  Gebundenheit  in  dem  Samsära  erfolgt  wäre. 
Allerdings  ist  diese  Erklärung  grammatisch  anfechtbar,  da 
manohfitena  nur  als  mano-(a)hrii&na  aufgelöst  werden  kann 
und  bedeuten  würde:  ohne  Zutun  ihres  Willens,  gegen  ihren 
Willen  ist  die  Seele  dem  Samsära  verfallen. 
rtammZdha-  Eingehender   ist   die   Antwort,   welche   auf  die   nämliche 

m)  durch  Frage  Maitr.  3,2  unter  Anlehnung  an  die  später  im  Sänkhyam 


man 


dMailr'u'  herrschende  Terminologie  gegeben  wird.    Nachdem  der  Unter- 


4.   Grund  der  Verkörperung.  237 

schied  zwischen  dem  unsterblichen  (höchsten)  und  dem  natür- 
lichen (individuellen)  Atman  festgestellt  worden,  heifst  es  hier 
weiter:  „Zwar  besteht  sein  unsterblicher  Atman  [unvermischt] 
fort  wie  der  Wassertropfen  auf  der  Lotosblüte  [der  nur  schein- 
bar deren  Farbe  annimmt] ;  aber  doch  wird  dieser  Atman  über- 
wältigt von  den  Guna's  der  Prakiiti.  Nun  durch  diese  Über- 
wältigung gerät  er  in  eine  Verwirrung,  und  vermöge  dieser 
Verwirrung  erkennt  er  den  in  ihm  selbst  stehenden,  hehren, 
heiligen  Schöpfer  nicht,  sondern  vom  Strome  der  Guna's  fort- 
gerissen und  besudelt,  wird  er  haltlos,  schwankend,  gebrochen, 
begehrlich,  ungesammelt,  und  in  den  Wahn  verfallend  wähnt 
er:  «ich  bin  dieser!  mein  ist  dieses!»  und  bindet  sich  selbst  „mbadhnäti 
durch  sich  selbst,  wie  ein  Vogel  durch  das  Netz."  dtmdnam", 

.■  Maitr  3  '' 

Erwähnt  mag  endlich  noch  der  Vers  werden,  mit  welchem 
die  Maitr.  Up.  7,11  schliefst: 

Zu  schmecken  Wahrheit  und  Täuschung, 
Ward  zweiheitlich   das  grofse   Seihst. 

Hiernach  würde  die  individuelle  Seele  auf  dem  Wunsche  der   wünsch, 
höchsten  Seele  beruhen,  neben  der  ewigen  Wahrheit  auch  die  Täuschung 
Illusion  des  Weltlebens  kennen  zu  lernen.  Maito.  i*u-. 

—  So  hatte  schon  jene  alte  Zeit  mit  denselben  Schwierig- 
keiten zu  kämpfen,  welche  auch  uns  entgegentreten  wenn  wir 
nach  kausalen  Zusammenhängen  forschen  in  einer  Region, 
welche  ihrer  Natur  nach  dem  ganzen  Kausalitätsverhältnis 
entrückt  ist. 


XII.  Die  Organe  der  Seele. 

1.  Spätere  Ansicht. 

Auch  hier  wird  es  zweckmäfsig  sein,  die  Lehre  des  spä- 
tem Vedänta  vorauszuschicken,  um  sodann  die  Entwicklung, 
welche  zu  ihr  geführt  hat,  an  der  Hand  der  Upanishad's  zu 
verfolgen. 

Qankara    unterscheidet,    übereinstimmend    mit    den    An-  Einteilung, 
schauungen  der  modernen  Physiologie,  1)  manas  und  indriya's 
(die   Organe   der  Relation)  und   2)   die   fünf  präna's   (Organe 
der  Nutrition),  wozu  sich  als  begleitende  Upädlns  der  Seele 


238  Xu.   Die  Organe  der  Seele.. 

3)  sukshmam  ga/riram,  der  feine  Leib,  und  4)  ein  von  Geburt 
zu  Geburt  variabler  Faktor,   Jcarman,    die   "Werke   des  jedes- 
maligen Lebenslaufes,  gesellen. 
Manu»  und  ])  Dem  Gehirn  als  Zenftralorgan  und  seinen  beiden  Depen- 

dentien,  den  sensibeln  und  den  motorischen  Nerven,  entspricht 
das  Verhältnis  des  Manas  (Verstand  und  bewufster  Wille) 
zu  den  fünf  Jnänä-indriyd's  oder  Erkenntnissinnen  (nach  der 
Reihenfolge  der  fünf  Elemente,  denen  sie  gegenüberstehen: 
Gehör,  Gefühl,  Gesicht,  Geschmack  und  Geruch)  und  den 
fünf  Karma-hiäriyas  oder  Tatsinnen  (Rede,  Hände,  Füfse, 
Zeugungs-  und  Entleerungsorgan).  Die  Jnäna-indriya's  tragen 
die  Sinneseindrücke  dem  Manas  zu,  welches  dieselben  zu  Vor- 
stellungen (sanikalpa)  verarbeitet;  nach  dieser  Seite  entspricht 
es  unserm  „Verstand";  diese  Vorstellungen  werden  dann  von 
dem  auch  den  „bewufsten  Willen"  repräsentierenden  Manas 
zu  Entschlüssen  (samkalpä)  geformt  und  durch  die  fünf  Karma- 
indriya's  zur  Ausführung  gebracht.  Die  Aufstellung  eines  ge- 
meinsamen Organs  (Manas)  für  Verstand  und  bewufsten  Willen 
und  einer  gemeinsamen  Funktion  (samkalpa)  für  Vorstellen 
und  Entschliefsen,  entspricht  dem  physiologischen  Tatbestande, 
nach  welchem  das  Gehirn  sowohl  die  Eindrücke  der  sensibeln 
Nerven  zu  Vorstellungen  formt,  als  auch  diese  Vorstellungen, 
soweit  sie  zu  Willensentschliefsungen  werden,  durch  die  moto- 
rischen Nerven  zur  Ausführung  bringt.  Das  Manas  ist  nach 
Qahkara  das  einzige  Innenorgan  (äntahharanam).  Buddhi, 
Ahahkära  und  Cittam,  welche  vom  Sankhyam  und  Yoga  als 
besondere  Organe  behandelt  werden,  sind  nach  ihm  nur  Funk- 
tionen des  Manas  (zu  Sütram  2,4,6.  2,3,32,  p.  711,11.  666,5). 
Die  fünf  2)   Atmung,   Blutumlauf  und   Ernährung    sowie   die   Be- 

Prclna's.  . 

lebung  des  Organismus  sind  die  Aufgaben  des  Präna,  welcher 
in  seinen  fünf  Verzweigungen  als  Präna,  Apäna,  Vyäna, 
TJääna  und  Samäna  den  ganzen  Leib  durchzieht.  Nach  Qan- 
kara  (p.  723,1 — 4)  bewirkt  der  Präna  das  Ausatmen  (ucchväsa), 
der  A^äna  das  Einatmen  (nigväsa);  vgl.  zu  Chand.  1,3,-3;  yad 
vai  purushah  prdniti,  mulha-näsiJcäbhyäm  väyum  valiir  nihsä- 
rayati,  sa  präna-akhyo  väyor  vritti-vigesho ;  yad  apäniti,  apa- 
gvasiti,  tabliyäm  cva  antar  äkarshati  väyum,  so  päno,  päna- 
alihyä  vriüih  (anders  zu  Chänd.  3,13,3.  Pragna  3,5);  der  Vyäna 


1.   Spätere  Ansicht.  239 

trägt  das  Leben,  während  man  den  Atem  anhält;  der  Stimüit« 
ist  das  Prinzip  der  Verdauung;  der  Uddna  bewirkt  den  Auszug 
der  Seele  aus  dem  Leibe  beim  Sterben.  —  Nach  andern 
Lehrern  (z.  B.  Vedäntasära  §  94 — 98)  dient  der  Präna  der 
Atmung,  der  Apdna  der  Entleerung,  der  Vyäna  der  Belebung, 
der  Uddna  dem  Auszug,  der  Samdna  der  Assimilation  der 
Nahrung. 

3)  Ein  dritter  Begleiter  der  Seele  auf  ihren  Wanderungen    Der  feine 
ist  der  „feine  Leib"  (sukshmam  gariram);  d.  h.  „die  den  Samen 

des  Leibes  bildenden  Feinteile  der  Elemente"  (deha-vijdni 
bMta-sukshmdni).  Während  der  grobe  Leib  im  Tode  dahin- 
fällt,  zieht  der  feine  Leib  mit  den  Organen  aus;  zum  groben 
Leibe  verhält  er  sich,  wie  der  Same  zur  Pflanze,  oder  wie 
die  mit  der  Seele  ausziehende  Funktion  des  Sehens,  Hörens 
usw.  zu  dem  körperlichen  Auge  und  Ohr. 

4)  Aufser  diesem  elementaren  Substrate  (bhüta-dgraya),  Das  moraii- 
aus  welchem  in  der  folgenden  Geburt  der  Leib  erwächst,  wird  strat. 
die  Seele  endlich  noch  begleitet  von  dem  moralischen  Sub- 
strate (Jcarma-dgraya);  welches  die  Beschaffenheit  des  neuen 
Leibes  und  Lebens  bedingt.  Dieses  moralische  Substrat  wird 
gebildet  durch  die  in  dem  jedesmaligen  Lebenslauf  begangenen 
Werke,  ist  somit  für  jede  Seele  und  für  jeden  neuen  Lebens- 
lauf derselben  ein  verschiedenes.    Ohne  diesen  Faktor  würden 

die  Seelen  samt  ihren  Organen  nicht  von  einander  zu  unter- 
scheiden sein. 

2.  Der  Itiuan  und  die  Organe. 

Brih.  1,4,1 :  „Am  Anfang  war  diese  Welt  allein  der  Ätman  Das  ich  als 
in  Gestalt  eines  Menschen.  Der  blickte  um  sich:  da  sah  er  Gewi&heit. 
nichts  andres  als  sich  selbst.  Da  rief  er  zu  Anfang  aus:  «Das 
bin  ich ! »  Daraus  entstand  der  Name  Ich.  —  Daher  auch 
heutzutage,  wenn  einer  angerufen  wird,  so  sagt  er  zuerst: 
«Das  bin  ich!»  und  dann  erst  nennt  er  den  andern  Namen, 
welchen  er  trägt."  —  Nach  dieser  Stelle  ist  das  erste  Bewufst- 
sein  und  damit  der  Ausgangspunkt  und  Träger  aller  Gewifs- 
lieit  das  Ichbewufstsein  (Chänd.  7,25,1  dhankdra  genannt), 
und  zwar  für  die  höchste  ebensogut  wie  für  die  individuelle 
Seele,   denn   beide   sind   eins.     Erst   später,   nachdem    dieser 


240  XII.  Die  Organe  der  Seele. 

ursprüngliche  Idealismus  durch  den  zunehmenden  Realismus- 
verdunkelt und  ein  Unterschied  zwischen  höchster  und  indivi- 
dueller Seele  aufgestellt  worden,  erscheint  unter  den  Funktionen 
oder  Organen  der  letztern  (zuerst  Qvet.  5,8  und  Pracua  4,8, 
wie  dann  weiterhin  Maitr.  2,5.  3,2.  6,5.  Pränägnihotra  4.  Mahä  1 
und  im  Sänkhyam)  der  Äkankära,  —  als  wäre  der  welt- 
schaffende  Atman  etwas  anderes  als  das  Selbst  in  mir,  wel- 
ches, ebenso  wie  dem  Descartes,  auch  schon  den  Indern  als 
Anfang  und  letzter  Grund  aller  Erkenntnis  der  Wahrheit  galt. 
„Das  Selbst  ist  die  Basis  (ägraya)  für  die  Tätigkeit  des 
Beweisens,  und  mithin  ist  es  auch  vor  der  Tätigkeit  des 
Beweisens  ausgemacht.  Und  weil  es  so  beschaffen  ist,  deshalb 
geht  es  nicht  an,  dasselbe  in  Abrede  zu  stellen.  Denn  in 
Abrede  stellen  können  wir  eine  Sache,  die  [von  aufsen]  an 
uns  herankommt  (ägantuka),  nicht  aber,  die  unser  eigenes 
Wesen  ist.  Denn  wer  es  in  Abrede  stellt,  eben  dessen  eigenes 
Wesen  ist  es"  (Qahkara  zu  Brahmasütra  2,3,7,  p.  620,4  fg.). 
Dieser  Gedanke  findet  sich  in  den  Upanishad's,  aufser  der 
oben  angeführten  Stelle  Brih.  1,4,1,  auch  Qvet.  1,2  angedeutet, 
sofern  es  hier  heifst: 

Sind  Zeit,  Natur,  Notwendigkeit,  der  Zufall, 
Grundstoffe,  Geist,  ist  die  Verbindung  dieser 
Als  Urgrund  denkbar?  —  Doch  nicht!    Denn  ein  Selbst  ist!' 

Alle  diese  von  andern  Schulen  aufgestellten  Prinzipien,  Zeitr 
Natur,  Notwendigkeit  usw.,  sind  zu  verwerfen,  ätmabhävät, 
weil  als  Prinzip  der  Dinge  das  Selbst,  der  Atman  anzunehmen 
ist,  da  er  die  notwendige  Voraussetzung  von  allem  andern  ist. 
Eingehen  Dieser   in   einem  jeden   von    uns   wie    vor   Anfang    aller 

^"enLeib  Dinge  sich  als  das  Ich  erfassende  Atman  hat,  wie  die  Stelle 
Brih.  1,4  weiter  von  empirischem  Standpunkte  aus  darstellt, 
die  Welt  der  Namen  und  Gestalten  erschaffen  und  ist  dann 
selbst  als  Seele  in  sie  hineingegangen;  „bis  in  die  Nagelspitzen 
hinein"  erfüllt  er  den  Leib  und  ist  in  ihm  verborgen  wie  das 
Messer  in  der  Scheide  oder  wie  das  Feuer  in  dem  Brennholze. 
„Darum  siehet  man  ihn  nicht:. denn  er  ist  zerteilt;  als  atmend 
heifst  er  Atem,  als  redend  Rede,  als  sehend  Auge,  als  hörend 
Ohr,  als  verstehend  Verstand;  alle  diese  sind  nur  Namen  für 


uml  seine 

( Irwine 


2.  Der  Ätman  und  die  Organe.  241 

seine  Wirkungen"  (Brih.  1,4,7).  Er  ist  als  Auge  der  Eini- 
gungsort (elcäyanam)  aller  Gestalten,  als  Ohr  der  Einigungsort 
aller  Töne  usw.  (Brih.  2,4,11).  —  „Wenn  das  Auge  sich 
richtet  auf  den  Weltraum,  so  ist  er  der  Geist  im  Auge,  das 
Auge  [selbst]  dient  [nur]  zum  Sehen;  und  wer  da  riechen 
will,  das  ist  der  Ätman,  die  Nase  dient  nur  zum  Gerüche" 
usw.  (Chänd.  8,12,4).  Das  Auge  ist  nur  Auge,  das  Ohr  nur 
Ohr,  dies  erkennt  der  Brahman wisser  (Brih.  4,4,18)  und  läfst 
des  Hörens  Hören,  des  Denkens  Denken,  der  Rede  Eeden 
usw.  fahren,  um  denjenigen  zu  ergreifen,  von  welchem  Rede, 
Odem,  Auge,  Ohr  und  Manas  zu  ihren  Verrichtungen  ange- 
schirrt und  ausgesandt  werden  (Kena  1 — 2;  vgl.  die  Paraphrase 
dieser  Stellen  Maitr.  6,31).  Diese  Wesensidentität  der  Organe 
mit  dem  Ätman  erscheint  dann  in  empirischer  Auffassung  als 
eine  Schöpfung  derselben  aus  ihm:  ,,aus  ihm  entsteht  der 
Odem,  der  Verstand  und  alle  Sinne"  (Mund.  2,1,3);  nach 
Chänd.  6,5  sind  Manas,  Präna  und  Rede  das  feinste  Edukt  der 
aus  dem  Ätman  erschaffenen  Elemente,  Nahrung,  Wasser  und 
Glut.  —  Den  Organen  des  individuellen  Ätman  entsprechen  individuelle 
im  Weltganzen  die  Naturkräfte  (Naturgötter)  als  Organe  des  mische  or- 
kosmischen  Ätman.  In  Fortbildung  der  Vorstellungen,  die 
wir  aus  dem  Purushaliede  Rigv.  10,90,13 — 14  (oben  I,  i,  S.  157) 
kennen  lernten,  läfst  Ait.  1,1 — 2  aus  Mund,  Nase,  Augen, 
Ohren  usw.  des  Urmenschen  die  Götter  Agni,  Väyu,  Aditya, 
Die.  usw.  entstehen,  die  dann  als  Rede,  Geruch,  Gesicht, 
Gehör  in  den  individuellen  Menschen  hineinfahren.  Umgekehrt 
sind  es  nach  der  Brih.  Up.,  welche  überhaupt  ihren  Ausgangs- 
punkt vom  Individuellen  zu  nehmen  liebt  (vgl.  besonders 
Brih.  1,4,6  am  Ende),  die  individuellen  Organe,  Rede,  Geruch, 
Auge,  Ohr,  Manas,  welche  als  Kinder  des  Prajäpati  zuerst 
entstehen,  von  den  Dämonen  mit  Übel  erfüllt  und  dann  von 
dem  Präna  über  das  Übel,  den  Tod  hinausgeführt  werden, 
um  als  Feuer,  Wind,  Sonne,  Weltgegenden  und  Mond  fort- 
zubestehen (Brih.  1,3,11—16,  vgl.  Chänd.  1,2).  —  Auf  Vor- 
stellungen wie  diesen  beruht  die  spätere  Theorie  (z.  B.  Pracna 
3,8)  von  dem  Protektorate,  welches  die  Naturgötter  über  die  Protektorat 

i-i  rx  i  «■  •  i  -T.-T        (ler  Götter 

psychischen   Organe   ausüben,     feie   tritt   zuerst   hervor   Brih.    über  die 
4,4,1,  wo  geschildert  wird,  wie  beim  Tode  das  materielle  Auge 

DEUS6EN,  Geschichte  der  Philosophie.     I,n.  IG 


'     242  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

losgelassen  wird  (Brih.  4,3,36)  und  der  Geist,  der  im  Auge 
wohnte,  nach  auswärts,  zur  Sonne  zurückkehrt  (vgl.  die  Aus- 
führungen Brih.  3,2,13),  während  das  psychische  Organ  der 
Sehkraft  sich  im  Herzen  mit  den  übrigen  Organen  um  die 
Seele  schart,  um  mit  derselben  auszuziehen. 
Name  und  Benennung  und  Aufzählung  der  Organe  sind  in  den  altern 

Zahl  der  °  ,  °  ° 

Organe.  Texten  noch  schwankend.  Das  Wort  indriyam  bedeutet  Chänd. 
3,1,3.  Brih.  6,4,5  fg.  noch  „die  Kraft";  zur  Bezeichnung  der 
Organe,  als  der  psychischen  Kräfte  im  Menschen,  wird  es  in 
den  Upanishad's  erst  von  Kaush.  2,15.  Käth.  3,4  an  verwendet. 
In  den  altern  Texten  werden  sämtliche  Organe,  mittels  deno- 
minatio  a  potiori,  von  dem  das  Leben  bedingenden  Atmungs- 
organ (präna)  als  dem  wichtigsten,  Präna  s,  „die  Lebenshauche" 
genannt;  vgl.  Chänd.  5,1,15:  „darum  nennt  man  sie  nicht  die 
Reden,  die  Augen,  die  Ohren,  die  Verstände,  sondern  die 
Lebenshauche  (pränäh)  nennt  man  sie,  denn  der  Odem  (präna) 
ist  sie  alle".  —  Auch  über  die  Anzahl  der  Organe  besteht 
keine  Übereinstimmung.    Öfter  wird  erwähnt,  dafs  der  Mensch, 

Die  sech-   nach  dem  Vorbilde  des  als  Mond  aufgefafsten  Prajäpati  (Brih. 

Z6IJJ1     J.  6Ü6 

des  Men-  1,5,14),  aus  sechzehn  Teilen  bestehe;  so  in  der  Erzählung 
Chänd.  6,7,  vgl.  Mund.  3,2,7.  Pracna  6.  Wie  wenig  man 
wufste,  was  unter  diesen  sechzehn  Teilen  zu  verstehen  sei, 
zeigt  Qatap.  Br.  10,4,1,17,  wo  als  solche  die  sechzehn  Silben 
der  Worte  loman,  tuac,  asrij,  medas,  mänsam,  snävan,  asthi, 
majjä  (Haar,  Haut,  Blut,  Saft,  Fleisch,  Sehne,  Knochen,  Mark) 
gelten.  Pragna  6  werden  als  die  sechzehn  Teile  1)  Präna, 
2)  (Jraddhä,  Glaube,  3 — 7)  die  fünf  Elemente,  8)  Indriyam, 
die  Sinnesorgane  als  Einheit,  9)  Manas,  10)  annam,  Nahrung, 
11)  viryam,  Kraft,  12)  tapas,  13)  manträh,  14)  Jcarman,  15)  loMh, 
16)  näman  aufgezählt.  Ebendieselben  sind  nach  dem  Kom- 
mentar Qvet.  5,14  zu  verstehen.  Vermutlich  beruht  auf  dieser 
Sechzehnzahl  der  Teile  des  Menschen  die  spätere  Zusammen- 
fassung der  Organe  zu  den  zehn  Indriya's  nebst  Manas  und 
den    fünf   Präna's.   —   Unter    den    „sieben    Präna's"    Mund. 

Die  sieben  2,1,8  sollen,  wie  Qatap.  Br.  6,4,2,5  und  anderweit   (oben  I,  i, 

am Ha^te.  S.  296),    die    sieben   Öffnungen   am   Haupte   zu   verstehen 

sein;  diese  nebst  den  beiden  unterhalb  werden  Qvet.  3,18  und 

weiterhin  (z.  B.  Yoga^ikhä  4.  Yogatattvam  13.  Bhag.  G.  5,13) 


2.   Der  Ätman  und  die  Organe.  243 

als  die  neun  Tore  der  Leibesstadt  bezeichnet;  mit  Ein- 
rechnung  von  Nabel  und  Brahmarandhram  (Ait.  1,3,12)  werden 
sie  als  elf  gezählt  Käth.  5,1.  Ein  alter  Vers  (Atharvav.  10,8,9, 
oben  I,i,  S.  320)  schilderte  das  Haupt  als  eine  mit  der  Öff- 
nung nach  der  Seite  liegende  Trinkschale,  an  deren  Rändern 
(den  sieben  Öffnungen  am  Kopfe)  sieben  Rishi's  (die  sieben 
Sinnesorgane)  wohnen,  welche  mit  den  sieben  Welthütern 
identisch  sind.  Eine  Modifikation  dieses  Verses  Brih.  2,2,3 
nennt  als  achte  die  Rede,  daher  man  unter  dem  siebenten 
Rishi  (nach  Ohren,  Augen,  Nasenlöchern)  nochmals  die  Väc 
als  Organ  des  Geschmackes  verstehen  mufs,  worauf  auch  die 
Brih.  2,2,4  nachfolgende  Erklärung  hinweist. 

Die  genannten   sieben  Öffnungen  des  Kopfes   sind   ohne  Die  Organe 

.  .  entsprechen 

Zweifel  der  Ausgangspunkt  für  die  ursprüngliche  Aufstellung   ursprung- 
der  Sinnesorgane  gewesen,  wie  daraus  ersichtlich,  dafs  in  den  sieben  ös- 
ältern  Upanishadtexten  als  Sinnesorgane  (präna's)  in  der  Regel    nungen- 
nur   Rede,   Odem    (Geruch),   Auge,    Ohr   und   als   fünftes 
Organ    das   Manas    aufgezählt    werden.      So   Brih.  1,3,2 — 6- 
1,4,7.  2,2,3.  Chänd.  1,2,2—6.  2,7,1.  2,11,1.  3,18,1—6.  8,12,4—5. 
Kena  1.  4 — 8.    Wo  ihrer  weniger  sind,  da  pflegen  besondere 
Gründe  vorzuliegen,  wie  Brih.  3,1,3 — 6,  wo  eine  Vierzahl  ge- 
braucht wird,   oder  Chänd.  3,13,5.  5,23,2,  wo  die  auffallende 
Lücke  sich  vielleicht  daraus   erklärt,   dafs   der  Geruch  durch 
die  fünf  Präna's  schon  vorweggenommen  war  (vgl.  Taitt.  1,7). 
Wo  mehr  als  fünf  Organe  genannt  werden,  da  pflegen  sie  sich 
an  Rede,  Odem,  Auge,  Ohr,  Manas  als  die  ursprünglichen  an- 
zuschliefsen  oder  auch  vorherzugehen;  so  Brih.  2,5,1 — 7  (gart-   weiterer 
ram,  retas),  3,2,13.  3,7,16 — 23  (tvac,  vijnänam,  retas),  4,1,2 — 7 
(liridayam) ,   vgl.  Ait.  1,1,4.   Kaush.  3,5.   —   Eigentümlich    ist 
Brih.  3,2,2 — 9,  wo  acht  Sinnesorgane  als  die  acht  Graha's  oder  Graham  und 
Greifer  (Geruchssinn,  Rede,  Zunge,  Auge,  Ohr,  Manas,  Hände, 
Haut)  aufgezählt  werden,   welchen  als  Atigraha's   oder  Über- 
greifer ihre  Objekte  (Geruch,  Name,  Geschmack,  Gestalt,  Ton, 
Begierde,  Werk,  Berührung)  entsprechen.    Über  die  hier  vor- 
kommende Bezeichnung  des  Geruchssinns  und  Geruchs  durch 
präna  und   ajpäna  wird   weiter  unten  zu  handeln  sein.     Der 
Name  graha  (Greifer)  für  die  Sinnesorgane  soll  nach  Qankara 
(zu  Brahmasütra  2,4,6,  p.  713,11)  bedeuten,  dafs  durch  sie  die 

16* 


244  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

Seele   an   die    Objekte    gebunden  werde    (badlujafe    Icslutrajna 
.    'nenä  gruha-samjnakena  bandkänena,   iti).     Hierin    kann   man 
eine  Bestätigung  unserer,  Upanishad's  S.  430  aufgestellten,  Ver- 
mutung  finden,    dafs   auf  dieser  Stelle    oder   der  in  ihr  auf- 
Die  Knoten  tretenden  Anschauung  die  spätere  Vorstellung  von  den  „Knoten 

des  Herzens 

des  Herzens"  (zuerst  Chänd.  7,26,2,  dann  Käth.  6,15.  Mund. 
2,2,8.  3,2,9  und  als  „Knoten  des  Nichtwissens"  Mund.  2,1,10) 
beruht:  grdha  und  atigraha  schlingen  den  Knoten,  der  sich 
Manas  und  bei  der  Erlösung  auflöst.  —  In  der  Zeremonie  Kaush.  2,15 
begegnet  uns  zuerst  in  den  Upanishad's  für  die  Sinnesorgane 
der  Name  Indriya's;  als  solche  werden  nebst  Manas  die  zehn 
spätem,  bis  auf  eine  Ausnahme,  aufgezählt;  bei  der  Zusammen- 
fassung am  Schlüsse  werden  sie  wieder  mit  dem  alten  Namen 
Pränas  bezeichnet.  —  Die  älteste  Stelle,  welche  die  zehn 
spätem  Indriya's  vollständig,  mit  Zufügung  von  Manas  und 
Hridayam,  aufführt,  ist  Brih.  2,4,11  (--  4,5,12);  ohne  Hridayam 
mit  Manas  in  der  spätem  Elfzahl  erscheinen  sie  zuerst  Pracna 
4,2,  in  deutlichem  Gegensatze  zu  den  fünf  Präna's,  während 
im  weitern  Verlaufe  der  Stelle  (Pragna  4,8)  die  fünf  Elemente, 
fünf  Tanmätra's,  zehn  Indriya's  nebst  ihren  Objekten,  sowie 
Manas,  Buddhi,  Ahankära,  Cittam,  Tejas  und  Präna  aufgezählt 
werden.  Diese  Stelle  ist  gleichzeitig  der  Vorläufer  für  die 
Sechzehnzahl  der  psychischen  Organe  des  Vedänta  und  für 
die  fünfundzwanzig  Prinzipien  der  Sähkhya's. 


3.  Das  Manas  und  die  zehn  Indriya's. 

Erstes  vor-  Die  erste  Stelle,  in  welcher  wie  im   spätem  Vedänta  die 

von'XnL  Indriya's  als  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  zehn  aufgeführt, 

"ndwy«'"   dem  Manas   als  Zentralorgan  untergeordnet  und   mit   diesem 

mSTrdfX.  den  fünf  Präna's  als  den  auch  im  Schlafe  fortwirkenden  Kräften 

des  unbewufsten  Lebens  entgegengestellt  werden,  ist  Pracna 

4,2:  wie  die  Lichtstrahlen  beim  Sonnenuntergang  in  der  Sonne 

sich  sammeln,  „also  wird  auch  (beim  Einschlafen)  dieses  alles 

im  Manas  als  höchster  Gottheit  zur  Einheit;  daher  kommt  es, 

dafs  dann  der  Mensch  nicht  hört,  nicht  sieht,  nicht  riecht, 

nicht  schmeckt  und  nicht  fühlt,  nicht  redet,  nicht  greift,. 

nicht  zeugt,   nicht  entleert  und  nicht   hin  und  her  geht, 


3.  Manas  und  Indriya's.  245 

sondern,  wie  man  sagt,  schläft.  Dann  wachen  die  Pränafeuer 
(Präna,  Apäna,  Vyäna,  Samäna,  Udäna,  die  dann  weiter  er- 
klärt werden)  in  dieser  Stadt  (des  Leibes)".  Diese  Auffassung 
des  Manas  als  Zentralorgan  der  Erkenntnissinne  und  Tat- 
sinne, die  Kräfte  des  Wahrnehmens  und  bewufsten  Wollens, 
also  als  das,  was  wir  „Verstand"  und  „bewufsten  Willen" 
nennen,,  hat  sich  erst  allmählich  herausgebildet.  Ursprünglich 
ist  Manas  von  allgemeinerer  Bedeutung  und  entspricht  in  seiner  Uxsprüng- 

°  •  n  er  liehe  Bedeu- 

ünbestimmtheit  ungefähr  dem,  was  wir  als  „Gemüt",  „Sinn",   tung  von 

.  i/tünas. 

„Herz",  „Geist"  bezeichnen.  Als  solches  vertritt  das  Manas 
nicht  selten  das  Seelische  im  allgemeinen  und  wird  mitunter 
eine  Bezeichnung  des  Prinzips  der  Dinge,  des  Brahman  oder 
Atman;  vgl.  die  oben  I,  i,  S.  205 — 206  nachgewiesenen  An- 
sätze, Prajäpati  als  Manas  zu  fassen,  und  namentlich  das  schöne 
Lied  Väj.  Samh.  34,1 — 6  (übersetzt  oben  I,  i,  S.  335),  welches 
als  (Jivasamhalpa  vom  Oupnek'hat  auch  den  Upanishad's  ein- 
gereiht wird  (Upanishad's  S.  837).  Auch  in  den  Upanishad's 
finden  sich  gelegentlich  Bezeichnungen  für  das  Brahman  wie 
manömaya  „aus  Manas  bestehend"  (Chänd.  3,14,2.  Brih.  5,6,1. 
Taitt.  1,6,1.  Mund.  2,2,7),  und  das  Manas  ist  eines  der  Sym- 
bole, unter  denen  Brahman  verehrt  wird  (oben  S.  101 — 102). 
Auch  Ait.  3,2  erscheint  noch  das  Manas  unter  den  Funktionen 
oder  Modifikationen  des  als  „Bewufstsein"  (prajnänam)  ge- 
schilderten Brahman:  „was  dieses  Herz  und  Manas  ist,  das 
Überdenken,  Ausdenken,  Bedenken,  Erdenken,  Verstand,  Ein- 
sicht, Entschlufs,  Absicht,  Verlangen,  Leidenschaft,  Erinnerung, 
Vorstellung,  Kraft,  Leben,  Liebe,  Wille,  —  diese  alle,  sind 
Namen  des  Bewufstseins " ;  —  ja,  auch  in  dem  Abschnitte 
Kaush.  3,  wo  im  allgemeinen  das  Manas  in  seiner  spätem  Be- 
deutung als  Organ  neben  Rede,  Gesicht,  Gehör  erscheint 
(vgl.  3,3;  „man  lebt  auch  ohne  Manas,  denn  wir  sehen  Narren", 
und  so  im  Folgenden)  und  wie  diese  dem  „Bewufstsein" 
(prajnä  =  pv äna  =  brahman)  untergeordnet  wird  (3,8:  „nicht 
nach  dem  Manas  soll  man  fragen,  sondern  den  erkennen,  der 
da  denkt"),  auch  hier  wird,  im  Widerspruche  damit,  3,7  wieder 
Manas  in  der  alten  Weise  als  Synonymon  von  „Bewufstsein" 
.verwendet:  „denn  nicht  vermag,  von  der  Prajnä  (Bewufstsein) 
verlassen,   die  Rede  irgendeinen  Namen  Zum  Bewufstsein  zu 


246  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

bringen,  denn  man  sagt:  mein  Manas  (Geist)  war  anderswo 
(anyatra  nie  mano  'bhüt),  darum  bin  ich  mir  jenes  Namens 
nicht  bewufst  geworden";  dasselbe  wird  dann  weiter  ebenso 
von  den  übrigen  Organen,  Odem,  Auge,  Ohr,  Zunge  usw., 
gesagt,  bis  die  Reihe  an  das  Manas  kommt,  wo  dann,  um  den 
Widerspruch  in  dem  Doppelgebrauche  dieses  Worts  zu  Ver- 
ona« als  decken,  die  Formel  verwischt  wird.  —  In  seiner  zweiten, 
organ.  engeren  Bedeutung  als  das  psychische  Organ  des  Vorstellens 
und  Wollens  steht  das  Manas  ursprünglich  mit  den  Sinnes- 
organen auf  einer  Linie,  wie  die  oben  erwähnte,  häufig  vor- 
kommende Aufführung  der  Sinnesorgane  (präna's)  als  Rede, 
Odem,  Auge,  Ohr  und  Manas  beweist;  alle  fünf  sind  dem 
Ätman  untergeordnet,  Brih.  1,4,7:  „als  atmend  heifst  er  Atem, 
als  redend  Rede,  als  sehend  Auge,  als  hörend  Ohr,  als  ver- 
stehend Verstand  (manas);  alle  diese  sind  nur  Namen  für 
seine  Wirkungen";  alle  fünf  werden  Brih.  1,3,2 — 6  von  den 
Dämonen  mit  Übel  erfüllt  und  sodann  von  dem  Lebensodem 
im  Munde  (asanya  präna)  über  das  Übel  und  den  Tod  hinaus- 
geführt. —  Aber  die  richtige  Erkenntnis,  dafs  alle  Sinnes- 
wahrnehmung ein  Werk  des  Verstandes  (manas)  ist,  und  mit. 
Manas  als  ihr  die  Unterordnung  der  übrigen  Sinnesorgane  unter  das 
organ.  Manas  bricht  sich  schon  in  den  Upanishad's  Bahn  und  tritt 
zutage  in  dem  berühmten,  vielzitierten  (ein  Gegenstück  zu 
dem  Verse  des  Epicharmos:  voü?  6pf)  xat  voü?  dbcoäei,  xakla. 
xucpa  y.cd  xixpXdt,  bildenden)  Ausspruche  Brih.  1,5,3:  „«Ich 
war  anderswo  mit  meinem  Verstände  (Manas),  darum  sah  ich 
nicht;  ich  war  anderswo  mit  meinem  Verstände,  darum  hörte 
ich  nicht»,  so  sagt  man;  denn  nur  mit  dem  Verstände  sieht 
man,  und  mit  dem  Verstände  hört  man.  Verlangen,  Entschei- 
dung, Zweifel,  Glaube,  Unglaube,  Festigkeit,  Unfestigkeit, 
Scham,  Erkenntnis,  Furcht,  —  alles  dies  ist  nur  Manas. 
Darum,  wenn  einer  auch  von  hinten  berührt  wird,  so  erkennt 
er  es  durch  das  Manas."  Diese  schon  Maitr.  6,30  und  seitdem 
unzähligemal  reproduzierte  und  für  alle  Folgezeit  autorita- 
tive Stelle  besagt,  dafs  das  Manas,  obwohl  nur  Organ  des 
Ätman,  doch  das  Zentralorgan  des  ganzen  bewufsten  Lebens 
ist,  welches  nicht  nur  als  „die  erste  Wurzel  der  fünf  Er- 
kenntnissinne"  (panca-buddhi-ädimidam,   Qvet.  1,5)  die  Ein- 


3.   Manas  und  Indriya's.  247 

drücke  des  Gesichts,  Gehörs,  Geschmacks,  Geruchs,  Gefühls   samkaipa 

.  .  (Vorstellen 

zu  Vorstellungen  (samkaipa  =  „die  Bestimmung  eines  vor- und  wollen) 
gestellten  Objektes  als  schwarz,  weifs  usw.",  Qank.  zu  Brih.  üon  des 
1,5,3)  formt,  daher  man  „nur  mit  dem  Verstände  sieht  und 
mit  dem  Verstände  hört",  sondern  auch  weiter  diese  Vorstel- 
lungen zu  Willensentschlüssen  (samkaipa,  vgl.  Chänd.  7,4) 
stempelt,  so  dafs  im  letztern  Sinne  das  Manas  zum  Organ  der 
Wünsch«  und  ihrer  Ausführung  durch  die  fünf  Tatsinne 
(Reden,  Greifen,  Gehen,  Entleeren,  Zeugen)  wird;  Brih.  4,1,6: 
„denn  durch  das  Manas  läfst  man  sich  fortreifsen  zu  einem 
Weibe  und  zeugt  mit  ihr  einen  Sohn,  der  einem  ähnlich  ist"; 

—  Chänd.  7,3,1:  „und  wenn  einer  sein  Manas  darauf  richtet, 
die  heiligen  Lieder  und  Sprüche  zu  studieren,  so  studiert  er 
sie;  oder  die  Werke  zu  vollbringen,  so  vollbringt  er  sie;  oder 
sich  Söhne  und  Vieh  zu  wünschen,  so  wünscht  er  sie  sich; 
oder  sich  diese  Welt  und  jene  WTelt  zu  wünschen,  so  wünscht 
er  sie  sich".  Daher  auch  Taitt.  2,3  an  dem  aus  Manas  be- 
stehenden (manomaya)  Purusha  „das  Yajus  das  Haupt,  die 
Ric  die  rechte  Seite,  das  Säman  die  linke  Seite"  usw.  ist, 
weil  auf  den  Veden  der  Opferkultus  beruht,  der  in  den  egoisti- 
schen Wünschen  der  Götter  nach  Opfern,  der  Menschen  nach 
den  Segnungen  der  Götter  seinen  Grund  hat  (oben  I,  i,  S.  92). 

—  Die  Superiorität  des  Manas  über  die  Indriya's  wird  weiter 
entwickelt  Käth.  6,7  „höher  als  Sinne  steht  Manas",  und  Käth. 
3,3,  wo  an  dem  Wagen  des  Leibes   die  Sinne  als  die  Rosse, 

das  Manas  aber   als   deren  Zügel  vorgestellt   werden.     Noch     Manas 

.  .  .  .als  Zügel. 

mehr  zugunsten  des  Manas  verändert  wird  dieses  Bild  Maitr. 
2,6,  wo  die  Erkenntnissinne  (biiddlii-indriyäni)  die  fünf  Zügel, 
die  Tatsinne  (karma-indriy citri)  die  Rosse,  das  Manas  der 
Wagenlenker,   und   die  Prakriti  seine  Peitsche   sind.     Mittels     *<»•« 

&  .  .als  Wagen- 

ihrer  treibt  das  Manas  die  Tatsinne  (Reden,  Greifen,  Gehen,  lenker. 
Entleeren,  Zeugen)  zu  ihrer  Tätigkeit,  welche  dann  vom 
Manas  mittels  der  Erkenntnissinne  (Gesicht,  Gehör,  Geschmack, 
Geruch,  Gefühl)  gelenkt  und  kontrolliert  werden.  —  Spätem 
Stellen,  welche  das  Manas  neben  den  Buddliindriyäni  und 
Karmcndriyäin  aufführen,  sind  Garbha  4.  Pränägnihotra  4. 
Als  zehn,  mit  Manas  als  elftem,  werden  die  Indriyäni  erwähnt 
Mahä  1.     Ihre  zehn  Funktionen  werden    schon    in    der  oben 


248 


XII.   Die  Organe  der  Seele. 


aus  PräQna  4,2  angeführten  Stelle  genannt.  Eine  Aufzählung 
der  zehn  ihnen  entsprechenden  Organe  ist  uns  nicht  vor  Manu 
2,89  fg.  erinnerlich. 


Prdna, 
Odem, 
Leben. 


Der  Präna 

bleibt  im 

Schlafe 

wach. 


Anzahl  der 
präna's. 


4.  Der  Präna  und  seine  fünf  Verzweigungen. 

Wie  Manas  ist  auch  Präna  ein  sehr  vieldeutiges  Wort, 
welches  erst  allmählich  zu  seiner .  späteren  technischen  Bedeu- 
tung gelangt  ist.  Ursprünglich  ist  Präna  der  „Odem";  sodann 
das  an  den  Atmungsprozefs  geknüpfte  „Leben".  Als  dieses 
wird  der  Präna  häufig,  wie  wir  oben  sahen  (I,  i,  S.  295—305. 
I,  ii,  S.  101 — 102),  zu  einem  empirischen,  und  folglich  sym- 
bolischen, Vertreter  des  Ätman.  Wie  das  Leben,  werden  in 
der  altern  Zeit  (und  gelegentlich  auch  später,  z.  B.  Pragna  3,4) 
alle  Lebenskräfte  (Rede,  Odem,  Auge,  Ohr,  Manas  usw.) 
die  Präna's  genannt.  Erst  allmählich  sondern  sich  Manas  und 
Indriya's  als  die  Kräfte  des  bewufsten  Lebens  von  dem  Präna 
ab,  welcher  mit  seinen  fünf  Unterarten  in  Wachen  und  Schlaf 
unermüdlich  tätig,  somit  der  eigentliche  Träger  des  Lebens 
als  solchen  ist.  Beim  Schlafe  geht  das  Manas  in  den  Präna 
ein  (Chänd.  6,8,2),  läfst  die  Seele  „das  niedere  Nest  durch  den 
Präna  hüten"  (Brih.  4,3,12);  hierauf  beruht  vielleicht  die  spä- 
tere Auffassung,  dafs  im  Schlafe,  während  die  Sinnesorgane 
im  Manas  absorbiert  werden,  die  Präna-Feuer  in  der  Stadt 
des  Leibes  wach  bleiben  (Pracna  4,3).  Solcher,  im  Schlafe 
wachender,  Präna-Feuer  werden  ebendaselbst  fünf  aufgezählt:- 
Präna,  Apäna,  Vyäna,  Samäna,  Udäna,  und  eben  dieselben 
werden  früher  und  später  unzähligemal  neben  einander  ge- 
nannt und  zu  den  mannigfachsten  Allegorien  verwendet,  ohne 
dafs  es  doch  möglich  wäre,  eine  klare  und  übereinstimmende 
Erklärung  derselben  zu  gewinnen.  Mitunter  werden  nur  zwei 
derselben  (präna  und  apäna)  genannt  (Taitt.  Ar.  3,14,7  oben 
I,  i,  S.  300;  Atharvav.  11,4,13.  Ait.  Ar.  2,1;  Käth.  5,3:  Mund. 
2,1,7),  oder  drei  {präna,  apäna,  vyäna,  Brih.  3,1,10.  5,14,3* 
Chänd.  1,3,3.  Taitt.  1,5,3.  2,2),  oder  vier  (präna,  apäna,  vyäna, 
udäna,  Brih.  3,4,1),  gewöhnlich  aber  alle  fünf  (Brih.  1,5,3. 
3,9,26.  Cliänd.  3,13,1—5.  5,19—23.  Taitt.  1,7.  Pracna  3,5.  4,4. 
Maitr.  2,6.  6,4.  6,9.  6,33.  7,1—5.  Amritab.  34—35.  Pränägnih. 


4.  Der  Präna.  249 

1.  4.  Kanthacruti  1.  Nrisinhott.  9  usw.).  Überschritten  wird 
diese  Zahl  unseres  Wissens  nur  Sarvopanishats.  10  (Up.  S.  624), 
wo  von  vierzehn  Präna's  die  Rede  ist.  Zu  ihren  vierzehn  Na- 
men, welche  der  Scholiast  aufführt,  vgl.  Vedäntasära  §  93 — 104. 

So  häufig  die  fünf  Präna's  in  den  Upanishad's  aufgezählt 
werden,  so  selten  kommt  doch  dabei  etwas  vor,  was  zu  ihrer 
Erklärung  dienen  könnte.  Wir  wollen  versuchen,  die  einzelnen 
Begriffe,  soweit  dies  möglich  ist,  zu  bestimmen. 

1)  Präna  und  2)  Apäna.    Zunächst  steht  durch  die  S.  238  i)ivd»aund 

2)  Apäna. 

beigebrachten  Zeugnisse  fest,  dafs  nach  Qaiikara  zu  Brahma- 
putra p.  723,1 — 4  und  zu  Chänd.  1,3,3  Präna  das  Ausatmen, 
Apäna  das  Einatmen  bedeutet.  Es  fragt  sich,  wie  sich  dieses 
Resultat  entwickelt  hat.  Ursprünglich  bedeuten  Präna  und 
Apäna  wahrscheinlich  beide  dasselbe,  nämlich  Atem  (Ausatmen 
und  Einatmen  ungeschieden)  im  allgemeinen  (ob  mit  der  Nuan- 
cierung, dafs  pra-an  „anfangen  zu  atmen",  apa-an  „aufhören 
zu  atmen"  bedeutet,  wofür  Rigv.  10,189,2  angeführt  wird,  mag 
bei  der  Unsicherheit  dieser  Stelle  dahingestellt  bleiben).  In 
den  Präpositionen  liegt  nichts,  was  einen  Unterschied  be- 
gründete, da  pra  (ftp 6)  „vorwärts,  fort"  ganz  abgeblafst  ist 
und  apa  (obre,  von)  ebensogut  „von  innen  heraus"  als  „von 
aufsen  herein'«  bedeuten  kann.  Nur  ist  Präna  der  bei  weitem 
gewöhnlichere  Ausdruck,  daher  er,  wo  er  allein  steht,  oft 
genug  den  Geruchssinn,  mithin  das  Einatmen  bedeutet,  wie  Pm»aEm- 
in  der  von  Böhtlingk  angeführten  Stelle  Qatap.  Br.  10,5,2,15, 
oder  Brih.  1,3,3.  Chänd.  1,2,2.  Ait.  1,3,4.  Ebenso,  sehr  deut- 
lich, Kaush.  2,5:  yävad  vai  purasho  bhäshate,  na  tävat  pränitum 
qaknoti.  Wo  aber  Präna  und  Apäna  neben  einander  stehen, 
da  ist  (abgesehen  von  der  Auffassung  des  Apäna  als  Ver- 
dauungswind, wovon  nachher),  soweit  sich  ein  Unterschied 
erkennen  läfst,  Präna  der  Aushauch  und  Apäna  der  Einhauch.  Präna  Aus- 
So  wohl  schon  Chänd.  1,3,3,  weil  es  vorher  (1,3,2,  wo  nur  Apänavln- 
Präna  Subjekt  sein  kann,  da  Apäna  noch  gar  nicht  genannt 
wurde)  hiefs:  „heifs  ist  dieser",  und  „als  Klang  bezeichnet 
man  diesen".  Beide  Bestimmungen  passen  besser  auf  den 
Aushauch  als  auf  den  Einhauch.  —  Während  Brih.  1,3,3  und 
Chänd.  1,2,2  als  Träger  des  Geruches  der  Präna  in  seiner  all- 
gemeineren   Bedeutung    „Odem"    (Einhauch    und    Aushauch) 


250  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

erscheint,  so  tritt  in  der  Parallelstelle  Tal.  Up.  Br.  2,1,16  als 
solcher  der  Apäna  auf:  ,,sein  Übel  ist,  dafs  er  durch  den  Apdna 
den  Übeln  Geruch  einatmet"  (pupam  gandham  apäniti;  dies 
kann  nicht,  wie  Oertel  als  möglich  hinstellt,  »exhaling  bad  odor" 
bedeuten,  da  es  nachher  von  dem  Präna,  dem  Odem  im  Munde 
nach  den  Parallelstellen,  heifst:  na  päpam  gandham  apäniti). 
Hier  ist  also  Apäna  sicher  der  Einhauch.  Ebenso  Tal.  Up. 
Br.  1,60,5:  apänena  jighrati  „man  riecht  mit  dem  Einhauche", 
nicht  „ohe  smells  ivith  exhalation  (!)".  —  Hierzu  kommt  Tal. 
Up.  Br.  4,22,2 — 3:  die  weltschaffenden  Wasser  'huss1  iti  eva 
präcih  prägvasan;  sa  väva  präno  'bltavat.  Täh  pränya  apänan, 
Sa  vä  apäno  'bltavat.  Der  Ton  huss  und  der  Ausdruck  präcih 
prägvasan  weisen  wohl  unverkennbar  dem  Präna  das  Aus- 
hauchen, mithin  dem  Apäna  das  Einhauchen  zu.  —  Wir  kommen 
zu  der  Hauptstelle  Brih.  3,2,2:  präno  vai  graltah ;  so  apänena 
atigrahcna  grihito;  "pänena  hi  gandham  jighrati.  Dafs  hier  die 
Analogie  mit  dem  Folgenden  den  Geruchssinn  und  Geruch  er- 
forderte, sieht  jeder,  und  Böhtlingk  brauchte  mir  nicht  gerade 
vorzuwerfen,  dafs  ich  es  nicht  gesehen  hätte.  Er  durfte  an- 
nehmen, dafs  ich  andere  Gründe  hatte,  seinem  Vorschlag,  das 
Gewünschte  einfach  hineinzukorrigieren,  nicht  folgen  zu  können. 
Es  waren  diese,  dafs  hier  etwas  vorlag,  was  auf  den  Verfasser 
oder  Redaktor  der  Stelle  möglicherweise  eine  stärkere  An- 
ziehungskraft ausübte  als  Analogie  und  Konzinnität,  nämlich 
der  Reiz,  Präna  und  Apäna,  die  überall  zusammenstehen,  hier 
auch  als  graha  und  atigraha  zu  verbinden.  Dabei  stand  Apäna, 
der  Einhauch,  als  Träger  des  Geruches,  für  diesen,  und  der 
erklärende  Zusatz  (apänena  hi  gandham  jighrati)  wurde  benutzt, 
um,  nicht  wie  nachher  überall  die  Verbindung  zwischen  graha 
und  atigraha,  sondern  zwischen  atigraha  und  dem  Objekt, 
welches  er  vertrat,  zu  rechtfertigen.  Dafs,  wenn  Apäna  Ein- 
hauch ist,  Präna  daneben  nicht  (in  seiner  allgemeinen  Bedeu- 
tung „Odem")  gleichfalls  den  Geruchssinn  bedeuten  durfte,  wie 
sonst  so  oft,  wurde  dabei  ausser  Augen  gelassen.  Dafs  der 
erste  Urheber  des  Abschnittes  schon  diese  Konfusion  ange- 
richtet, möchte  auch  ich  nicht  glauben;  aber  der  Fehler,  wenn 
man  ihn  so  nennen  will,  ist  älter  als  die  Trennung  der  Känva's 
und  Mädhyandina's,   also  nicht  viel  weniger  als   dreitausend 


4.  Der  Plana.  251 

Jahre  alt  (vgl.  Upanishad's  S.  377),  und  gewifs  hätte  man  ihn 
nicht  alle  diese  Zeit  durch  ertragen,  wäre  nicht  schon  damals 
Apäna  der  Geruchssinn,  mithin  der  Einhauch  gewesen. —  Eben 
darauf  hin  führt  die  symbolische  Handlung  Brih.  6,4,10 — 11, 
wo  befohlen  wird,  wenn  Unfruchtbarkeit  gewünscht  wird, 
dbhipränya  apänyät,  wenn  Fruchtbarkeit,  apänya  abhipränyät. 
Das  Zurücknehmen  der  Lebenskraft  wird  durch  Einhauchen, 
das  Einflössen  derselben  durch  Aushauchen  symbolisiert.  Da 
nun  der  Nachdruck  nicht  auf  dem  Gerundium,  sondern  auf 
dem  Verbum  fmitum  liegt,  so  bedeutet  schon  hier  apänyät 
„er  hauche  ein",  abhipränyät  „er  hauche  aus".  (In  der  Über- 
setzung liefs  ich  mich  noch  verleiten,  es  umgekehrt  zu  halten.) 
—  Zweifelhaft  ist,  ob  Käth..  5,3,  ürddhvam  pränam  unnayaÜ, 
apänam  praiyag  asyati,  Ausbauen  und  Einhauch,  wofür  5,5 
sprechen  würde,  oder  nicht  vielmehr  schon  Odem  und  Ver- 
dauungswind zu  verstehen  sind.  Im  Gegensatze  nämlich  zu 
der  besprochenen  Auffassung  von  Präna  als  Aushauch,  Apäna 
als  Einhauch,  hat  sich  eine,  mit  der  Zeit  immer  stärker 
werdende,  Neigung  gebildet,  in  Präna  den  Odem  (Aushauch  Präna 
und  Einhauch)  und  in  Apäna  den^  im  Darm  wohnenden  Ver-  Apdna  ver- 
dauungswind  zu  sehen,  wofür  folgende  Stellen  eintreten.  Ait.  wind. 
1,1,4:  der  Präna  entspringt  aus  der  Nase,  der  Apäna  aus  dem 
Nabel  des  Urmenschen;  1,2,4:  dem  Präna  entspricht  Väyu, 
dem  Apäna  Mriiyu;  1,3,4.  10:  der  Präna  beriecht  die  Nahrung, 
der  Apäna  überwältigt  sie.  —  Ebenso  möglicherweise  in  der 
erwähnten  Stelle,  Käth.  5,3.  —  Pracna  3,5:  der  Präna  hat 
seinen  Sitz  im  Auge,  Ohr,  Mund  und  Nase,  der  Apäna  steht 
dem  Entleerungs-  und  Zeugungs-Organ  vor  (hingegen  ordnet 
Pracna  4,2 — 3  Entleerung  und  Zeugung  dem  Manas,  nicht  den 
Präna's  unter,  scheint  somit  der  erstbesprochenen  Auffassung 
zu  folgen).  —  Maitr.  2,6:  der  Präna  geht  nach  oben  hinaus, 
der  Apäna  nach  unten  und  nimmt  die  Exkremente  auf.  — 
Garbha  1  (Up.  S.  607):  der  Apäna  dient  der  Entleerung.  — 
Amritabindu  34  (Up.  S.  656):  der  Präna  weilt  im  Herzen,  der 
Apäna  im  Darm.  —  Sannyäsa  4  (Up.  S.  691):  der  Apäna  ist 
den  Hoden  benachbart.  —  Dieser  Auffassung  folgt  auch  der 
Vedäntasära  §  94 — 95  und  der  Kommentar  zu  Chänd.  3,13,3, 
während  ebenderselbe  zu  1,3,3  ^ankara's  Meinung  vertritt. 


252  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

3)  vyäna.  3)  Vyäna,  der  Zwischenhauch,  ist  „das  Bindeglied  zwischen 

Präna  und  Apäna"  (Chänd.  1,3,3).  Seine  Auffassung  richtet 
sich  nach  der  des  Apäna.  Ist  dieser  Einhauch,  so  ist  der 
Vyäna  der  Hauch,  welcher  das  Leben  trägt,  wenn  man,  z.  B. 
beim  Spannen  eines  starken  Bogens,  weder  einatmet  noch 
ausatmet  (Chänd.  1,3,5);  ist  hingegen  Apäna  der  Verdauungs- 
wind, so  ist  Vyäna,  die  Verbindung  desselben  mit  dem  Präna 
(Maitr.  2,6),  schaltet  in  den  Adern  (Pragna  3,6)  und  streicht, 
einer  Flamme  gleich,  durch  alle  Glieder  (Amritab.  35.  37, 
Up.  S.  656).     Ebenso  Vedäntasära  §  96. 

4)  samäna.  4j  j)er  ßamäna,  Allhauch,  heifst  so,  weil  er  nach#Prac,na 

4,4  Ausatmen  und  Einatmen  zur  Einheit  führt  (samafn  nayati); 
wohingegen  er  nach  Pra§na  3,5  und  Maitr.  2,6  die  Nahrung 
assimiliert  und  nach  Amritab.  34.  37  milchfarben  im  Nabel 
wohnt.     Vgl.  Vedäntasära  §  98. 

5)  üdäna.  5)  Der    JJdäna  oder  Aufhauch  führt   nach   der   gewöhn- 

lichen, auch  Pragna  3,7  vertretenen  Ansicht  die  Seele  beim 
Sterben  aus  dem  Leibe  hinaus,  während  er  nach  Pragna  4,4 
schon  beim  Tiefschlafe  in  das  Brahman  führt,  hingegen  nach 
Maitr.  2,6  „das  Getrunkene  und  Gegessene  entweder  wieder 
ausbricht  oder  herunterschluckt".  Nach  Amritab.  34  wohnt 
er  in  der  Kehle;  ebenso  nach  Vedäntasära  §  97,  wo  er  im  übrigen 
als  der  Wind  des  Auszugs  erklärt  wird. 


5.  Der  feine  Leib  und  die  moralische  Bestimmtheit. 

Als  weitere  Begleiter  der  Seele  auf  ihren  Wanderungen 
zählt  neben  Indriya's,  Manas  und  Präna's  der  spätere  Vedänta 
„das  elementare  Substrat"  (bhüta-ägraya),  d.  h.  den  feinen  Leib, 
und  „das  Werksubstrat"  (karma-ägraya),  d.  h.  die  den  künf- 
tigen Lebenslauf  bedingende  moralische  Bestimmtheit,  auf. 
Über  beide  können  wir  aus  den  Upanishad's  nur  weniges 
beibringen. 
Da«  Tejas,  Chänd.  6,8,6  (vgl.  6,15,2)  heifst  es  von  dem  Sterbenden: 

„Bei  diesem  Menschen,  o  Teurer,  wrenn  er  dahinscheidet,  geht 
die  Rede  ein  in  das  Manas,  das  Manas  in  den  Präna,  der 
Präna  in  die  Glut,  die  Glut  in  die  höchste  Gottheit".  Hier 
soll  nach  Qankara  (zu  Sütram  4,2,8),  wie  unter  der  Rede  die 


5.  Der  feine  Leib  und  die  moralische  Bestimmtheit.  253 

Gesamtheit  der  Indriya's,  so  unter  der  Glut  (tejas)  die  Ge- 
samtheit der  Elemente  zu  verstehen  sein,  wie  sie  den  feinen 
Leib  als  Träger  der  Organe  beim  Auszuge  der  Seele  konsti- 
tuieren. Aber  nach  den  Textworten  liegt  hier  nichts  weiter 
vor  als  der  Gedanke,  dafs  die  Organe,  Manas,  Präna  und 
Rede,  wie  sie  nach  Chänd.  6,5  vermittelst  Nahrung,  Wasser 
und  Glut  aus  dem  „Seienden  ohne  Zweites"  entstanden  sind, 
so  auf  ähnlichem  Wege  beim  Tode  sich  wieder  in  dasselbe 
als  die  höchste  Gottheit  auflösen. 

Deutlicher  kann  man  eine  Spur  der  spätem  Theorie  vom 
feinen  Leibe  wiedererkennen  in  dem  grofsen  Seelenwanderungs-  Die  Äpas\ 
texte  Chänd.  5,3 — 10  (Brih.  6,2),  wo  geschildert  wird,  wie 
die  Wasser,  indem  sie  fünfmal  nach  einander  in  den  Opfer- 
feuern der  Himmels  weit,  des  Regens,  der  Erde,  des  Mannes 
und  des  Weibes  als  Glaube,  Soma,  Regen,  Nahrung,  Same 
geopfert  werden,  „bei  der  fünften  Opferung  mit  Menschen- 
stimme redend  werden"  (Chänd.  5,3,3.  5,9,1).  Hier  kann  aller- 
dings unter  den  „Wassern",  welche  dann  als  „Glaube"  usw. 
geopfert  werden,  die  noch  ungeschiedene  Einheit  der  beiden 
Begleiter  der  Seele  gefunden  werden,  welche  später  als  der 
feine  Leib  und  die  moralische  Bestimmtheit  auseinandertrat 
(vgl.  unten,  Kap.  NIV,  5,  S.  300). 

Ebendasselbe  gilt  von  der  Hauptstelle  für   beide  Lehren,   Die  inva- 

B.,.._  n  •    1  i  i  •  riabeln  und 

im.  4,4,0,   wo  es  von  der  ausziehenden  und  zu  einer  neuen   variabel 

Geburt  eilenden  Seele  heifst:  „Wahrlich,  dieses  Selbst  ist  das  dergseeeie, 
Brahman,  bestehend  aus  Erkenntnis,  aus  Manas,  aus  Leben,     her- 
aus Auge,   aus   Ohr,   bestehend   aus  Erde,   aus  Wasser,   aus  b^iTm^. 
Wind,  aus  Äther,  bestehend  aus  Feuer  und  nicht  aus  Feuer, 
aus  Lust  und  nicht  aus  Lust,   aus  Zorn   und  nicht  aus  Zorn^ 
aus  Gerechtigkeit  und  nicht  aus  Gerechtigkeit,  bestehend  aus 
allem.     Je  nachdem  einer  nun  besteht  aus   diesem  oder  aus 
jenem,  je  nachdem  er  handelt,  je  nachdem  er  wandelt,  danach 
wird   er  geboren;    wer   Gutes   tat,    wird    als   Guter    geboren, 
wer  Böses  tat,  wird  als  Böser  geboren,  heilig  wird  er  durch 
heiliges  Werk,  böse  durch   böses."     Sehen  wir  ab  von   dem 
Zusätze  „und  nicht  aus  Feuer",   der  bei  den  Mädhyandina's 
fehlt,   und   dem   sich   nur   schwer   ein   brauchbarer  Sinn   ab- 
gewinnen läfst,    so  zählt  die  Stelle  als  ständige  Begleiter  <Jer 


254  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

Seele  die  Organe  und  fünf  Elemente,  als  variable  Faktoren 
die  moralischen  Qualitäten  auf;  wir  sehen  hier  die  Theorie 
vom  feinen  Leib  und  von  der  moralischen  Bestimmtheit  neben 
einander  erwachsen.     Angehängt  ist  der  Vers : 

Das  Ungarn.  Dem  hängt  er  nach,   dem  strebt  er  zu  mit  Taten, 

Wonach  sein  inn'rer  Mensch  (Ungarn)  und  sein  Begehr  (manas)  steht. 

Hier  begegnet  uns,  anscheinend  schon  als  Terminus,  das  Wort 
Ungarn,  mit  welchem  die  Sähkhya's  später  den  „feinen  Leib" 
(oben  S.  218)  zu  bezeichnen  pflegen.  In  derselben  Bedeu- 
tung ist  es  vielleicht  weiterhin  Käth.  6,8  zu  nehmen  sowie 
auch  £vet.  6,9,  wo  aufserdem  der  Atman  als  „Herr  des  Herrn 
der  Sinne",  d.  h.  als  Herr  des  feinen  Leibes,  bezeichnet  wird. 
Eine  ähnliche  Vorstellung  mag  der  Bezeichnung  des  Atman 
als  „höher  als  dieser  höchste  Komplex  des  Lebens"  (Pra^na  5,5), 
zugrunde  liegen.  Ganz  in  der  Weise  des  spätem  Sänkhyam 
erscheint  das  Ungarn  Maitr.  6,10,  namentlich,  wenn  wir,  nach 
unserm  Vorschlage  Up.  S.  337,  mit  Tilgung  des  Anusvära- 
punktes  maliad-ädi-avigesha-antain  Ungarn  lesen,  da  sich  der 
feine  Leib  vom  Mahän  an  nur  bis  zu  den  feinen  Elementen 
(avigesha),  nicht  bis  zu  den  groben  (vigesha)  erstreckt  (Sän- 
khya-K.  38 — 40).  Als  Träger  der  Organe,  Präna's,  Guna's 
und  moralischen  Bestimmungen  wird  das  Lingagariram  ge- 
schildert Sarvopanishats.  16  (Up.  S.  625)  und  dabei  mit  dem 
Herzensknoten  identifiziert,  über  welchen  wir  oben  (S.  244) 
im  Anschlufs  an  Brih.  3,2,1 — 9  eine  andre  Erklärung  auf- 
gestellt haben. 
Die  werke  Dafs  endlich  die  Werke  (der  spätere  Karma-agraya)  die 

gieiter.  Seele  ins  Jenseits  begleiten  und  für  die  Gestaltung  des  nächsten 
Lebenslaufes  bestimmend  sind,  wird  oft  in  den  Upanishad's 
hervorgehoben  und  später  näher  zu  erörtern  sein.  Haupt- 
stellen für  diese  Lehren  sind:  Brih.  3,2,13.  4,4,5 — 6.  Chänd. 
3,14,1.  Käth.  5,7.  19a  17  u.  a.;  vor  allem  Brih.  4,4,3:  „Dann 
nehmen  ihn  das  Wissen  und  die  Werke  bei  der  Hand  und 
seine  vorerworbene  Erfahrung".  Von  besonderer  Bedeutung 
sind  auch  nach  späterm  Glauben  (Bhag.  G.  8,6)  die  Vor- 
stellungen, welche  den  Menschen  in  der  Todesstunde  beschäf- 
tigen.    Dieser   Gedanke   findet   sich   angedeutet   Pracna  3,10 


5.  Der  feine  Leib  und  die  moralische  Bestimmtheit.  255 

(vgl.  auch  schon  Chänd.  3,14,1-  Brih.  4,4,5  und  das  Sterbegebet 
Icä  15—17  =  Brih.  5,15). 

6.  Physiologisches  aus  den  Upanishad's. 

Vom  feinen  Leib,  welcher  als  Träger  der  psychischen  Der  grobe 
Organe  die  Seele  auf  ihren  Wanderungen  bis  zur  Erlösung 
begleitet,  ist  zu  unterscheiden  der  grobe  Leib,  den  die  Seele 
beim  Tode  losläfst  wie  die  Mangofrucht  ihren  Stengel  (Brih. 
4,3,3(3).  Wir  wollen  hier  anhangsweise  von  dem,  was  die 
Upanishad's  über  den  Leib,  seine  Organe  und  Funktionen 
bieten,  das  Wesentliche  zusammenstellen. 

Der  Leib  ist  die  vom  Kopfe  überdachte  Behausung  des  Wesen  des 
Präna,  in  der  er  an  dem  Odem  als  Pfosten  mit  der  Nahrung 
als  Strick  angebunden  ist  (Brih.  2,2,1);  er  ist  der  „aus  Nah- 
rungssaft bestehende",  annarasamaya,  Atman,  in  welchem  der 
pränamaya,  wie  in  diesem  der  manomaya,  wie  in  diesem 
der  vijüänamaya,  wie  in  diesem  der  änandamaya  Atman  als 
innerster  eingeschlossen  ist  (Taitt.  2,1  fg.).  Erst  später  (von 
Maitr.  6,27 — 28  an)  wird,  wie  die  übrigen  genannten,  so 
auch  der  änandamaya  Atman  als  Hülle  (hoga)  der  Seele  be- 
zeichnet; vgl.  Sarvopanishats.  9  fg.  (Up.  S.  624),  wo  auch  der 
annamaya  noch  weiter  in  sechs  aus  Nahrung  gebildete  Hüllen 
(nach  dem  Scholiasten  der  Calcuttaer  Ausgabe:  Knochen, 
Mark,  Fett,  Haut,  Fleisch,  Blut)  zerlegt  wird.  —  Häufig 
ist,  seit  Brih.  2,5,18  und  namentlich  Chänd.  8,1,1,  die  Be- 
zeichnung des  Leibes  als  die  Stadt  des  Brahman  (bralima-  nie  Brah- 
puram),  die  himmlische  (Mund.  2,2,7),  liebliche  (Brahma-Up.  1) 
Brahmanstadt,  die  höchste  Brahman  wohn  ung  (Mund.  3,2,1), 
in  der  als  Haus  die  Lotosblüte  des  Herzens  steht  (Chänd. 
8,1,1;  Mahän.  10,23;  Näräy.  5;  Ätmabodha,  Up.  S.  750),  in  der 
beim  Schlafe  die  Pränafeuer  Wache  halten  (Pracua  4,3).  Diese 
Leibesstadt  hat  elf  (Käth.  5,1)  oder  gewöhnlicher  neun  Tore  Tore  der 
(Qvet.  3,18.  Yogac,.  4.  Yogat.  13.  Bhag.  G.  5,13),  nämlich  die 
neun  Offnungen  am  Körper,  zu  welchen  im  Falle  der  Elfzahl 
noch  der  Nabel  und  die  Brahmanöffnung  (brahmarandhram)  i„-a/,ma- 
kommen.  Letztere  ist  eine  fingierte  Öffnung  des  Schädels  am  "iniV" 
Scheitel,  durch  welche  Brahman  nach  Ait.  1,3,12  in  den  Leib 
einging,  und  durch  welche  die  Seele,  nach  gewöhnlicher  An- 


256  XII;   Die  Organe  der  Seele. 

nähme  nur  die  des  Erlösten  (Chänd.  8,6,6  ==  Käth.  6,16),  nach- 
dem sie  durch  die  101 8te  (später,   seit  Maitr.  6,21,    Sushumnä 
genannte)  Ader  emporgestiegen  ist,  zur  Vereinigung  mit  Brah- 
man  gelangt  (vgl.  Brahmavidyä  12  und  namentlich  Taitt.  1,6). 
Die  Vorstellung    ist  sonach  alt;    der  Name   Brahmmanährarn 
findet  sich  erst  Haiisa-Up.  3  in  Zusammenhang   mit  den  dort 
Körper-    erst  vorkommenden  sechs  mystischen  Kreisen  (Unterleibskreis, 
Sexualkreis,  Nabelkreis,  Herzkreis,  Halskreis,  Zwischenbrauen- 
kreis), die  man  am  Körper  annahm.     Ein  Vorspiel  derselben 
ist  es  vielleicht,  wenn  als  besondere  Wohnstätten  des  Purusha 
Ait.   1,3,12    (nach    den   Ergänzungen    des    Scholiasten)   Auge, 
Manas  und  Herzäther,  Brahma-Up.  4  Auge,  Kehle,  Herz,  Kopf, 
(Brahma- Up.  2:    Nabel,    Herz,    Kehle,    Kopf)    unterschieden 
werden.     Von    ihm,    der   das   Licht    inwendig    im   Menschen 
Körper-    bildet,  rührt  auch,  nach  Ghänd.  3,13,8,  die  Körperwärme  und 
ohr^n-     das   Ohrensausen  her.     Letzteres  sowie   die  Verdauung  wird 
^auungs-' "Brih.  5,y    auf    das   Feuer   Vaigvänara    im    Menschen   zurück- 
fener.     geführt,   was  im  Hinblick  auf  Qatap.  Br.  10,6,1  (Upanishad's 
S.  144)  auf  dasselbe  hinausläuft.    Auf  einer  Kombination  beider 
Stellen  beruhen  Mahän.  11,10.  Maitr.  2,6.  6,27.  6,31. 
Schilde-  Schilderungen  des  Leibes  und  seiner  Teile,   vorwiegend 

Leibes,  mit  pessimistischer  Färbung,  finden  sich  erst  in  späterer  Zeit. 
Maitr.  1,3:  „In  diesem  aus  Knochen,  Haut,  Sehnen,  Mark,. 
Fleisch,  Samen,  Blut,  Schleim,  Tränen,  Augenbutter,  Kot, 
Harn,  Galle  und  Phlegma  zusammengeschütteten,  übelriechen- 
den, kernlosen  Leibe,  —  wie  mag  man  nur  Freude  geniefsen !" 
Maitr.  3,4:  „Dieser  Leib,  aus  Begattung  entstanden,  erwachsen 
in  der  Hölle  [des  Mutterleibes]  und  herausgekommen  durch 
die  Pforte  des  Harns,  ist  eine  Ansammlung  von  Knochen,  mit 
Fleisch  überschmiert,  mit  Haut  umflochten,  mit  Kot,  Harn, 
Phlegma,  Mark,  Fett  und  Speck  und  dazu  mit  vielen  Krank- 
heiten angefüllt  wie  eine  Schatzkammer  mit  Schätzen".  — 
Eine  Definition  des  Leibes  gibt  Atma-Up.  1:  „Dasjenige 
Selbst,  an  welchem  Haut,  Knochen,  Fleisch,  Mark,  Haare, 
Finger,  Daumen,  Rückgrat,  Nägel,  Knöchel,  Bauch,  Nabel, 
Scham,  Hüften,  Schenkel,  Wangen,  Brauen,  Stirn,  Arme, 
Seiten,  Haupt,  Aderwerk,  Augen  und  Ohren  sind,  und  welches 
geboren  wird  und  stirbt,  das  heifst  das  äufsere  Selbst". 


6.   Physiologisches.  257 

Die  eingehendste  Beleuchtung  des  Leibes  und  seiner  Ver-   i>er  Leib 

„  --,.  .  ,  ,,  ^  nach  der 

hältnisse  liefert  die  späte  und  leider  sehr  korrupte  (jrarbha-  uarbha-up. 
Upanishad.  Sie  knüpft  ihre  Erörterungen  an  einen  Vers  an, 
den  wir,  mit  Einschaltung  der  ihm  folgenden  Erläuterungen, 
zitieren:  „Aus  fünf  (Erde,  Wasser,  Feuer,  Wind,  Äther) 
bestehend,  in  je  fünfen  (den  genannten  fünf  Elementen, 
oder  den  fünf  Erkenntnissinnen,  oder  Zeugungs-  und  Ent- 
leerungsorgan nebst  Buddhi,  Manas  und  Rede)  schaltend, 
auf  sechs  (den  süfsen,  sauern,  salzigen,  bittern,  beifsenden 
und  herben  Nahrungssaft)  gestützt,  sechs-Eigenschaft- 
behaftet  (wird  nicht  erklärt),  sieben-Grundstoff-haft 
(die  aus  dem  Nahrungssaft  gebildete,  weifse,  rote,  dunkle, 
rauchfarbige,  gelbe,  braune,  blasse  Flüssigkeit  im  Körper), 
drei-Schleim-haft  (nicht  erklärt,  wahrscheinlich  die  drei 
(losha,  humores:  väyii  AVind,  pittam  Galle,  Jcapha  Phlegma), 
zwei-erzeugt-haft  (aus  dem  väterlichen  Samen  und  dem 
mütterlichen  Blute),  vierfacher  Nahrung  (des  Gegessenen, 
Getrunkenen,  Geleckten,  Gesogenen)  teilhaft  ist  der  Kör- 
per". Über  die  Körperteile  und  ihr  Gewicht  äufsert  sich  die 
Upanishad  am  Schlüsse:  „Der  Kopf  hat  vier  Schädelknochen, 
und  an  ihnen  sind  [auf  jeder]  Seite  sechzehn  Zahnzellen.  [Am 
Leibe]  sind  hundertundsieben  Gelenke,  hundertachtzig  Fugen, 
neunmalhundert  Sehnen,  siebenhundert  Adern,  fünfhundert 
Muskeln,  dreihundertundsechzig  Knochen  und  vier  und  eine 
halbe  Kofi  (45  Millionen)  •  Haare.  —  Das  Herz  wiegt  acht 
Pala  (364  Gramm),  die  Zunge  zwölf  Pala  (546  Gramm),  die 
Galle  ein  Prastham  (728  Gramm),  das  Phlegma  ein  Adhakam 
(2912  Gramm),  der  Same  ein  Kudavam  (182  Gramm),  das 
Fett  zwei  Prastha  (1456  Gramm);  unbestimmt  ist  Kot  und 
Urin,  je  nach  dem  Quantum  der  Nahrung." 

Der  Kopf  wurde  in  einem  schon  oben  (I,  i,  S.  320)  aus  dh  Kopf. 
Atharvav.  10,8,9  übersetzten  Verse  mit  einer  seitwärts  geneigten 
Trinkschale  verglichen,  deren  Öffnung  durch  die  sieben  Öff- 
nungen der  Sinnesorgane  als  sieben  Rishrs  gebildet  wird. 
Derselbe  Vers,  mit  Hinzufügung  der  Rede  als  achten  Organs, 
wird  wiederholt  und  erklärt  Brih.  2,2,3;  hiernach  sind  die 
Augen  zwei  RishTs,  während  unmittelbar  vorher,  nicht  damit 
übereinstimmend,  das  Rote,  Schwarze,  Weifse  im  Auge  nebst 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  n.  17 


258  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

Augenstern,  Augenwasser  und  oberer  und  unterer  Wimper 
als  sieben  im  Dienste  des  Auges  stehende  Götter  geschildert 
worden  waren.  Von  dem  Purusha  im  Auge  als  Symbol  des 
Ätman  war  schon  oben  die  Rede  (S.  104 — 105).  Nach  Brih. 
4,2,2 — 3  wohnen  im  rechten  und  linken  Auge  Indra  und  Viräj; 
sie  werden  vom  Herzen  aus  durch  die  Adern  Hitdh  ernährt 
(vgl.  Maitr.  6,2)  und  sind,  vermöge  ihres  „Zusammenklanges" 
im  Äther  des  Herzens,  der  individuelle,  mit  dem  höchsten 
identische  Atman. 
zerspringen  Als  eine  eigentümliche  Strafe  für  Vermessenheit  im  Fragen 

ais  strafe,  oder  falschen  Wissensdünkel  kommt  in  den  Upanishad's  öfter 
das  Zerspringen  des  Kopfes  (besser  als  das  Abfallen  des 
Kopfes,  ri-pat  könnte' beides  bedeuten)  vor.  Sie  mag  ihren 
Grund  haben  in  der  Beobachtung  des  Gefühls,  als  wenn,  bei 
übermäfsigem  Blutandrang  nach  dem  Kopfe,  der  Kopf  zerspringen 
wollte.  Hierauf  deutet  auch  hin  Brih.  1,3,24,  wo  von  einem 
durch  den  Somagenufs  veranlafsten  Zerspringen  des  Kopfes 
die  Rede  ist.  In  der  Regel  wird  diese  Strafe,  nur  angedroht: 
Chand.  1,8,6.  8.  1,10,9—11.  1,11,4—9.  5,12,2.  Brih.  3,6.  3,7,1. 
Nur  einmal  erfolgt  sie  in  Wirklichkeit,  Brih.  3,9,26  (vgl.  Athar- 
vav.  19,28,4.  gatap.  Br.  3,6,1,23.  4,4,3,4.  11,4,1,9). 

Das  Herz.  Mehr  als  der  Kopf  beschäftigt  die  Denker  der  UpanishadV 

das  Herz.  In  ihm  sind  die  Lebenshauche  gegründet  (Chand. 
3,12,4);  nicht  nur  die  fünf  Prana's,  sondern  auch  Auge,  Ohr, 
Rede,  Manas  entspringen  aus  dem  Herzen  (Chand.  3,13,1— 5). 
Nicht  der  Kopf,  sondern  das  Herz  ist  der  Sitz  des  Manas 
(Ait.  1,2,4)  und  damit  auch  das  Zentrum  des  bewufsten  Le- 
bens; im  Herzen  weilen  die  Organe  der  Seele  beim  Schlaf«' 
(Brih.  2,1,17),  und  eben  dort  sammeln  sie  sich  beim  Sterben 
(Brih.  4,4,1);  „durch  das  Herz  erkennt  man  die  Gestalten" 
(Brih.  3,9,20),  durch  das  Herz  erkennt  man  den  Glauben, 
zeugt  man  den  Sohn,  erkennt  man  die  Wahrheit,  in  ihm  hat 
auch  die  Rede  ihren  Standort,  während  die  weitere  Frage, 
worin  das  Herz  seinen  Standort  habe,  mit  Entrüstung  ab- 
gewiesen wird  (Brih.  3,9,21—25).  Aber  nicht  die  Organe  allein, 
sondern  alle  Wesen  haben  ihren  Standort  und  Stützpunkt  im 
Herzen,  und  wenn  auch  die  Definition  des  Herzens  als  Brah- 
man  abgelehnt  wird  (Brih.  4,1,7),   so  ist   das  Herz   doch  der 


<5.   Physiologisches.  259 

empirische  Sitz  der  Seele  und  damit  des  Brahman:  „hier, 
inwendig  im  Herzen  ist  ein  Raum,  darin  liegt  er,  der  Herr 
des  Weltalls,  der  Gebieter  des  Weltalls,  der  Fürst  des  Welt- 
alls" (Brih.  4,4,22);  das  Herz  heifst  hridayam,  weil  „Er  im 
Herzen"  (hridi  ayam)  wohnt  (Chänd.  8,3,3),  grofs  wie  ein 
Reiskorn  oder  Gerstenkorn  (Brih.  5,6.  Chänd.  3,14,3);  zollhoch 
an  Gröfse  wohnt  der  Purusha  mitten  im  Leibe,  im  Herzen 
iils   das  Selbst  der  Geschöpfe   (Käth.  2,20.   4,12.    6,17   usw.). 

Auf  Grund  von  Chänd.  8,1,1  wird  in  spätem  Upanishad's 
häufig  das  Herz  mit  dem  herabhängenden  Kelche  einer  Lotos- 
blüte (Mahänär.  10,23;  När.  5;  Maitr.  6,2;  Brahmab.  15;  Ätmab., 
Up.  S.  751;  Hansa  6)  oder  auch  Bananenblüte  (Dhyänab.  14)  ver- 
glichen und  Mahänär.  11,8.  Dhyänab.  14 — 16.  Yogat.  9.  Mahä  3 
näher  beschrieben.  In  dieser  Lotosblüte  des  Herzens  ist  ein 
kleiner  Raum  (oder  Äther,  äkäga),  in  welchem  nach  Chänd. 
8,1,3  Himmel  und  Erde,  Sonne,  Mond  und  Sterne  beschlossen 
sind,  in  dem  „beschlossen  die  Weltlichter  glänzen"  (Mund. 
3,2,1),  welcher  „des  Weltalls  grofser  Stützpunkt"  ist  (Brahma- 
Up.  4,  Up.  S.  684).  In  diesen  Raum  geht  die  Seele  beim  Schlafe 
ein  (Brih  2,1,17),  in  ihm  weilt  der  unsterbliche,  goldene  Pu- 
rusha (Taitt.  1,6,1).  Er  ist  die  Höhle  (gnhä),  von  der  so  oft 
die  Rede  ist,  in  welcher  das  Brahman  versteckt  ist  (Taitt.  2,1. 
Käth.  2,12.  2,20.  3,1.  Qvet.  3,20.  Mund.  2,1,10  etc.),  und  aus 
welcher  es  in  der  Meditation  des  Yoga  hervortritt,  indem  es 
den  Herzensäther  beiseite  schiebt  (Maitr.  6,27)  oder  durch  ihn 
hindurchdringt  (Maitr.  6,38).    ' 

Über   die   aus  dem  Herzen   entspringenden  und  dasselbe  Die  Adem. 
umgebenden  Adern  finden  sich  mehrfache  Angaben,   die   in 
eigentümlicher,  schwer  bestimmbarer  Weise  zusammenhängen. 

Brih.  4,2,3:  die  Hitdh  genannten  Adern,  fein  wie  ein 
tausendmal  gespaltenes  Haar,  sind  im  Herzen  gegründet 
und  ernähren  die  individuelle  Seele.  Eine  besondere  Ader, 
welche  nach,  oben  verläuft,  ist  der  Pfad,  auf  dem  sie 
wandelt. 

Brih.  4,3,20:  die  Hitäh  genannten  Adern,  fein  wie  ein 
tausendmal  gespaltenes  Haar,  sind  angefüllt  mit  weifser, 
dunkler,  brauner,  grüner,  roter  Flüssigkeit.  Sie  sind  der  Sitz 
der  Seele  im  Tief  schlafe. 

17* 


2»i0  XII.    Die  Organe  der  Seele. 

Brih.  2,1,19:  die  Hitäh  genannten  Adern,  72000  an  Zahl, 
verbreiten  sich  vom  Herzen  aus  im  Perikardium  (puritat).  Sie 
sind  der  Sitz  der  Seele  im  Tiefschlafe. 

Diese  Stellen  stimmen  im  wesentlichen  zusammen.  Auf 
einer  Kombination  derselben  scheint  zu  beruhen  Kaush.  4,19: 
die  Hitäh  genannten  Adern,  fein  wie  ein  tausendfach  gespalte- 
nes Haar,  umziehen  das  Perikardium.  Sie  sind  der  Sitz  der 
Seele  im  Tiefschlafe.  Sie  sind  angefüllt  mit  brauner,  weifser, 
schwarzer,  gelber,  roter  Flüssigkeit.  Alles  dies  ist  wie  in  den 
Stellen  aus  Brih.,  nur  die  Farben  sind  nach  Reihenfolge  und 
Namen  (bis  auf  Tcrishna  für  nüa)  wie  Chand.  8,6,1. 

Chand.  8,6,1  verknüpft  die  Vorstellung  von  den  braunen, 
weifsen,  dunkeln,  gelben,  roten  „Adern  des  Herzens"  mit  der 
(durch  Chand.  3,1 — 5  vorbereiteten)  Anschauung  von  den 
gleichfalls  fünffarbigen  Sonnenstrahlen,  welche  die  Fortsetzung 
der  Adern  bis  zur  Sonne  hin  bilden  und  so  Herz  und  Sonne, 
wie  zwei  Dörfer  durch  eine  Landstrafse,  verbinden.  Im  Tief- 
schlafe ist  die  Seele  in  jene  Adern  geschlüpft  (Chand.  8,6,3) 
und  dadurch  mit  der  Glut  (tejas,  Chand.  6,2,3.  6,8,6.  6,15,2) 
eins  geworden.  Beim  Sterben  fährt  die  Seele  durch  Adern 
und  Sonnenstrahlen  empor;  die  Wissenden  gelangen  in  die 
Sonne,  die  Nichtwissenden  finden  den  Eingang  zu  ihr  ver- 
schlossen. 

Auf  dieser  Stelle  könnten  beruhen  die  Verse  Brih.  4,4,8 — 9 
von  dem  alten,  in  mich  hineinreichenden,  Wege,  der  zur  Himmels- 
welt emporführt,  der  weifs,  dunkel,  gelb,  grün,  rot  ist,  und 
auf  dem  die  Seele  des  Weisen  wandelt,  nachdem  sie  zu  Glut, 
taijasa,  geworden  ist.  Der  Ausdruck  taijasa  erinnert  an  die 
angeführten  Chändogyastellen  (vgl.  jedoch  auch  Brih.  4,4,7), 
die  Farben  sind  wie  in  Brihadäranyaka.  In  der  Hauptsache 
stimmen  alle  bisher  angeführten  Stellen  zusammen. 

Hingegen  scheint  einer  verschiedenen  Anschauung  anzu- 
gehören der  Chänd.  8,6,6  angehängte  und  Käth.  6,16  wieder- 
kehrende Vers  (der  vielleicht  auf  Brih.  4,4,2  beruht) : 

Hundert  und  eine  sind  des  Herzens  Adern. 
Von  diesen  leitet  eine  nach  dem  Haupte; 
Auf  ihr  steigt  auf,  wer  zur  Unsterblichkeit  geht. 
Nach   allen   Seiten   Ausgang  sind  die  andern. 


6.  Physiologisches.  261 

Nach  diesem  Verse  leitet  nur  eine  Ader  aufwärts  zur  Un- 
sterblichkeit, während  nach  der  vorhergehenden  Prosa  alle 
Adern  mit  den  Sonnenstrahlen  verbunden  sind  und  somit  zur 
Sonne  hinleiten,  wo  dann  erst  die  Scheidung  stattfindet. 

Alle  spätem  Stellen  beruhen  auf  einer  Kombination  der 
beiden  Theorien  von  den  72000  und  den  101  Adern.  So 
zählt  Pracna  3,6  auf  Grund  derselben  101  Hauptadern,  zu 
jeder  von  diesen  100  Zweigadern  und  zu  jeder  von  diesen 
72  000  Nebenzweigadern,  was  in  Summa  101  -f-  101  mal  100  + 
101  mal  100  mal  72000  =  727  210201  Adern  ergibt,  d.  h.  72 
Koti's,  72  Laksha's  und  10201,  wie  die  Glosse  (nach  der 
Lesart  der  Anandäcrama -Ausgabe)  richtig  herausrechnet.  — 
Nach  Maitr.  6,30  gehen  unzählige  weifse,  nichtweifse,  schwärz- 
lichgelbe, dunkle,  rotbraune  und  zartrote  Strahlen  vom  Herzen 
aus,  von  denen  einer  zur  Sonne,  hundert  zu  den  Götter- 
wohnungen und  die  andern  abwärts  zur  Werkwelt  führen.  — 
Kshurikä  15 — 17  erwähnt  die  72000  Adern,  von  denen  101 
die  vortrefflichsten  seien;  durch  alle  diese,  welche  um  die 
101 ste,  SusJiumnä  genannte,  Ader  wie  um  ein  Kissen  herum- 
gelagert sind,  dringt  der  Yogin  hindurch,  indem  er  auf  der 
Suslttmniü  in  Brahman  geführt  wird.  —  Ähnlich  schildert 
Brahmavidyä  11 — 12,  wie  der  Om-Laut  (d.  h.  der,  welcher  ihn 
meditiert)  auf  der  sonnenhaften  Kopfader  emporsteigt  und  die 
72000  Adern  und  das  Haupt  durchbricht,  um  sich  mit  Brah- 
man zu  vereinigen.  —  Diese  und  andere  Phantasien  beruhen 
auf  einer  Verknüpfung  der  aus  Brih.  Up.  angeführten  Stellen 
mit  dem  erwähnten  Verse  Chänd.  8,6,6  (=  Kath.  6,16). 

Der  Leib  besteht  nach  der  gewöhnlichen,  auf  Brih.  4,4,5  Leib  und 
zurückgehenden  Annahme  aus  den  fünf  Elementen  (Garbha  1). 
Auch  Chänd.  6;5,  wo  nur  drei  Elemente  (Nahrung,  d.  h.  Erde, 
Wasser  und  Glut)  angenommen  werden,  wird  gezeigt,  wie 
aus  den  gröbsten,  mittleren  und  feinsten  Teilen  derselben  der 
Leib  und  die  psychischen  Organe  nach  folgendem  Schema 
entstehen: 


Elemente. 


Gröbstes: 

Mittleres: 

F  e  i  n  s  t  e  s 

Nahrung: 

Faeces 

Fleisch 

Manas 

Wa  s  s  e  r : 

Urin 

Blut 

Präna 

Glut: 

Knochen 

Mark 

Rede. 

262  XIL  Die  Organe  der  Seele. 

Hierbei  gehen,  ähnlich  wie  bei  der  Milch,  wenn  sie  zu  Butter 
gequirlt  wird,  die  Feinteile  nach  oben  (Chänd.  6,6).  Als  Be- 
weis dafür,  dafs  das  Manas  aus  Nahrung,  der  Präna  aus 
Wasser  besteht,  wird  angeführt,  dafs,  wenn  man  sich  der 
Nahrung  enthält,  hingegen  Wasser  trinkt,  zwar  das  Leben 
(präna)  erhalten  bleibt,  aber  das  Gedächtnis  (manas)  schwindet 
(Chänd.  6,7).  Auch  Brih.  4,2,3  erwähnt,  dafs  die  individuelle 
Seele  durch  die  Blutmasse  im  Herzen  ernährt  werde,  und  dafs 
sie  darum  ,,eine  auserlesenere  Nahrung  habend"  (pravicildu- 
ahäm-tara)  sei,  als  das  körperliche  Selbst.  Hierauf  beruht 
die  Lehre,  dafs  der  wachende  Atman  „Grobes  geniefsend"- 
(stMdabhiij),  hingegen  der  träumende  „Auserlesenes  geniefsend" 
(praviviMabhuj)  sei  (Mändükya  3 — 4,  anders  verstanden  Ye- 
däntasära  §  120). 
Hunger  und  Hunger  und  Durst,  welche  nach  Ait.  1,2,5  als  dämonische 

Mächte  in  dem  Menschen  ihren  Standort  nehmen,  werden 
Chänd.  6,8  etymologisierend  daraus  erklärt,  dafs  beim  Hunger 
(aqanäyä)  die  Wasser  die  gegessene  Nahrung  (zum  Aufbau 
des  Organismus)  weggeführt  haben  (acitam  nayante),  während 
beim  Durste  (udahyä)  die  Glut  das  getrunkene  Wasser  (gleich- 
falls zum  Aufbau  des  Organismus)  hinwegführt  (udaham  nd- 
yate).  Indem  so  beim  Hunger  und  Durste  die  Nahrung  zu 
Wasser,  das  Wasser  zu  Glut  wird,  kehren  dieselben  nur 
zu  der  Wurzel,  aus  welcher  sie  nach  Chänd.  6,2  entsprungen 
sind,  zurück, 
wachen,  Über  die  Zustände  des  Wachens,  Träumens,  Tiefschlafens 

Traum,  '  ,       ' 

Tiefschiaf,  und  Todes  wird  in  den  nächstfolgenden  Kapiteln  zu  handeln 
sein.  Hier  wollen  wir  nur  noch  von  dem,  was  die  Upani- 
shad's  über  die  Entstehung  der  Organismen  (welche  sämtlich 
wandernde  Seelen  sind)  lehren,  das  Wichtigste  zusammenstellen. 

Einteilung  Die  Organismen  zerfallen  nach  ihrer  Entstehuno;  in  vier 

der  Orga-  °  '    .     c 

nismen.  Klassen,  als  Lebendgeborene,  Eigeborene,  Schweifsgeborene 
(Insekten  und  ähnliches)  und  Keimgeborene  (Pflanzen).  Diese, 
mit  einigen  Modifikationen  im  spätem  Indien  allgemein  an- 
genommene Einteilung  (Manu  1,43 — 48.  Mahäbh.  14,1136.  2543 
usw.;  vgl.  für  den  Vedänta:  Syst.  d.  Ved.  S.  259,  für  das 
Sänkhyam:  Garbe,  Sänkhyaphilosophie  S.  243,  für  den  Nyäya: 
<  olebrooke,  misc.  ess.  I,  p.  269  fg.)  beruht  nur  auf  folgenden 


6.  Physiologisches.  263 

beiden  Upanishadstellen;  Chand.  6,3,1 :  „fürwahr,  diese  Wesen 
liier  haben  dreierlei  Samen:  aus  dem  Ei  Geborenes,  lebend 
Geborenes  und  aus  dem  Keim  Geborenes".  —  Den  Eindruck, 
später  und  vielleicht  schon  von  dieser  Stelle  abhängig  zu  sein, 
macht  Ait.  3,3,  wo  mit  Hinzufügung  einer  vierten  Klasse  „Ei- 
geborene,  Mutterschofsgeborene,  Schweifsgeborene,  Sprofs- 
geborene"  aufgezählt  werden. 

Entsprechend  der  Seelenwanderungslehre  ist  die  Zeugung    Die  zeu- 

.  .  gung. 

nicht  ein  erstmaliges  Entstehen  der  Seele,  sondern  nur  eine 
Rückkehr  derselben  vom  Monde,  wo  sie  die  Frucht  der  Werke 
des  früheren  Daseins  genossen  hat.  Nach  dem  grofsen  Haupt- 
texte der  Seelenwanderungslehre  (Chand.  5,10,5 — 6.  Brih.  6,2,16) 
sind  die  Stationen,  welche  die  vom  Monde  zurückkehrende 
Seele  durchläuft :  Äther,  Wind,  Rauch,  Nebel,,  Wolke,  Regen, 
Pflanzen,  Same  und  Mutterleib.  Hierauf  beruht  die  Schilde- 
rung Mund.  2,1,5,  und  auch  die  Verse  Kaush.  1,2  (Up.  S.  25), 
in  welchen  die  vom  Monde  zurückkehrende  Seele  ihren  Durch- 
gang durch  den  väterlichen  und  mütterlichen  Leib  berichtet, 
schliefsen  sich  diesen  Vorstellungen  an.  Vielleicht  läfst  sich 
in  ähnlichem  Sinne  die  dunkle  Stelle  Pränägnihotra-Up.  2  (Up- 
S.  615)  erklären,  nach  welcher  das  Allsühnefeuer  „mittels  des 
Mondglanzes"  die  Zeugung  bewirkt.  (Anders  Näräyana  in  der 
Up.  S.  615,  Anm.  2  von  uns  mitgeteilten  Glosse.)  Der  letzte 
Träger  der  aus  dem  Jenseits  zu  neuer  Verkörperung  herab- 
steigenden Seele  ist  der  väterliche  Same;  er  ist  die  Essenz 
des  Menschen  (Brih.  6,4,1),  ist  „die  aus  allen  Gliedern  zu- 
sammengebrachte Kraft"  (Ait.  2,1;  zu  dem  Ausdrucke  sam- 
bhritam  tejas  vgl.  Meghadüta  Vers  43),  ist  die  Fortpflanzung 
selbst  (Brih.  6,1,6);  sein  Standort  ist  im  Herzen  (Brih.  3,9,22); 
als  Wohnstätte  desselben  hat  Prajäpati  das  Weib  erschaffen 
(Brih.  6,4,2);  in  dieses  ergiefst  der  Mann  sein  eigenes  Selbst 
und  macht  es  dadurch  geboren  werden:  „dann  geht  er  ein  in 
die  Selbstwesenheit  des  Weibes,  gleich  als  ein  Glied  von  ihr; 
daher  kommt  es,  dafs  er  ihr  keinen  Schaden  tut;  sie  aber, 
nachdem  dieser  sein  Atman  in  sie  gelangt  ist,  so  pflegt  sie 
ihn;  weil  sie  ihn  pflegt,  darum  ist  sie  zu  pflegen"  (Ait.  2,2 — 3). 
Hiernach  ist  es  die  Seele  des  Vaters,  welche  im  Kinde  wieder 
neu  entsteht,  während  nach  dem  oben  erwähnten  Haupttexte 


264  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

der  Seelenwanderungslehre,  Chand.  5,10,5 — 6,  das  Kind  eine 
vom  Monde  zurückkehrende  Seele  ist,  für  welche  mithin  das 
väterliche  Sperma  sowie  der  Mutterschofs  nur  Durchgangs- 
stationen sind.  Mit  keiner  dieser  beiden  Anschauungen  ver- 
einbar ist  der  auf  Yäjnavalkya  zurückgeführte  Mythus  Brih- 
1,4,3 — 4,  welcher  die  Zeugung  als  das  Verlangen  der  Wieder- 
vereinigung zweier  ursprünglich  zusammengehöriger,  durch 
Prajäpati  als  Mann  und  Weib  auseinandergespaltener  Hälften 
desselben  Wesens  erklärt.  Dieser  Mythus,  sowie  der  analoge 
im  platonischen  Symposion,  entfernt  sich  von  der  Wahrheit 
nur,  sofern  er  in  die  Vergangenheit  versetzt,  was  in  der  Zu- 
kunft liegt.  -Denn  das  aus  Mann  und  Weib  zur  Vereinigung 
strebende  Wesen  ist  eben  das  Kind,  welches  geboren  werden 
will  (Elemente  der  Metaphysik  $  153). 
Zeugung  als  Dje  Zeugung  erscheint  als  religiöse  Pflicht:  Taitt.  1,9  wird 

religiöse  o        o  o 

Pflicht,  sie  neben  dem  Lernen  und  Lehren  des  Yeda  anbefohlen;  oft- 
mals (Chand.  3,17,5,  5,8—9.  Brih.  0,2,13.  6,4,3)  wird  sie  alle- 
gorisch als  eine  Opferhandlung  beschrieben;  Taitt.  1,11  wird 
dem  aus  der  Lehre  entlassenen  Schüler  eingeschärft:  „nach- 
dem du  dem  Lehrer  die  liebe  Gabe  überreicht  hast,  sorge, 
dafs  der  Faden  deines  Geschlechts  nicht  reifse";  Mahän.  63,8: 
„wer  im  Leben  den  Faden  der  Nachkommenschaft  richtig  fort- 
spinnt, der  trägt  dadurch  seine  Schulden  an  die  Väter  ab; 
denn  eben  das  (Zeugen)  ist  eine  Schuldabtragung".  Durch 
den  Sohn  sichert  man  sich  das  Fortbestehen  in  der  Menschen- 
welt (Brih.  1,5,16),  er  tritt  ein  für  den  Vater,  die  heiligen 
Werke  zu  vollbringen  (Ait.  2,4),  „und  wenn,  von  ihm  irgend 
etwas  in  die  Quere  begangen  worden,  so  wird  sein  Sohn  das 
alles  sühnen;  daher  der  Name  «Sohn»  {pirfra,  weil  er  püra- 
nena  trayati  pitaram,  Qank.);  durch  den  Sohn  nämlich  bestehet 
er  fort  in  dieser  Welt"  (Brih.  1,5,17).  Eine  ausführliche  Be- 
lehrung darüber,  wie  zu  verfahren  sei,  um  einen  Sohn  oder 
eine  Tochter  von  bestimmter  Beschaffenheit  zu  erzeugen,  findet 
sich  Brih.  6,4;  dieses  Kapitel  bildet  den  Schlufs  der  Upariishad 
und  somit  wohl  den  Abschlufs  der  religiösen  Belehrung,  welche 
dem  aus  der  Lehre  scheidenden  Schüler  erteilt  wird. 
Verwerfung  jm  Gegensatze  zu  diesen,   die  Zeugung  in  den  Kreis  der 

.l.r  Zeu-  ö  '  ö        O  i-i 

gung.      religiösen    Pflichten    ziehenden,    Anschauungen     macht    sich 


6.  Physiologisches.  265 

allmählich  eine  asketische  Tendenz  geltend,  welche  die  Zeugung 
verwirft.  Brih.  1,4,17  werden  die  fünf  natürlichen  Ziele  des 
menschlichen  Strebens  (Selbst,  Weib,  Kind,  Reichtum,  Werk) 
ersetzt  durch  fünf  Erscheinungsformen  des  Atman  (Manas, 
Rede,  Odem,  Auge -Ohr,  Leib);  Brih.  3,5,1  heifst  es  von  den 
Brahmanen,  welche  den  Atman  erkannt  haben,  dafs  sie  von 
dem  Verlangen  nach  Kindern,  Besitz  und  Welt  abstehen; 
ebenso  Brih.  4,4,22,  wo  es  vorher  heifst:  ,, Dieses  wufsten  die 
Altvordern,  wenn  sie  nicht  nach  Nachkommenschaft  begehrten 
und  sprachen:  «Wozu  brauchen  wir  Nachkommen,  wir,  deren 
Seele  diese  Welt  ist!»".  Wenn  diese  Aufserungen  dem  Yäjna- 
valkya  in  den  Mund  gelegt  werden,  der  doch  selbst  zwei 
Weiber  hatte,  so  beweist  dies  nur  wieder,  wie  so  vieles  andre, 
•dafs  Yäjnavalkya  ein  blofser  Name  ist,  auf  welchen  die  höch- 
sten und  edelsten  Gedanken  der  Schule  der  Väjasaneyin's 
übertragen  wurden.  Ob  auch  der  Wunsch  Chänd.  8,14:  „nicht 
möge  ich,  der  Zierde  Zier,  eingehen  in  das  Graue  ohne  Zähne, 
—  das  ohne  Zähne,  Graue,  Schleimige",  von  einem  neuen  Ein- 
gehen in  den  Mutterschofs  (wie  der  Scholiast  will),  oder  nur 
als  ein  möglichst  langes  Bewahrtbleiben  vor  dem  Greisenalter 
und  seinen  Beschwerden  zu  verstehen  ist,  mag  dahingestellt 
bleiben.  Von  spätem  Stellen  nennen  wir  nur  Mahän.  62,7. 
11.  63,8.  13,  wo  die  Entsagung  höher  gestellt  wird  als  die 
Zeugung,  und  Pracna  1,13.  15,  wo  das  Prajäpativratam,  wo- 
fern es  nicht  bei  Tage  geübt  wird,  zwar  gestattet  bleibt,  die 
Brahmanwelt  aber  nur  denen  verheifsen  wird,  „die  sich  kasteien, 
in  denen  wahre  Keuschheit  festgewurzelt  ist".  Dafs  die  spä- 
tem Sannyäsa-Upanishad's  dieses  Geistes  voll  sind,  bedarf 
keiner  Ausführung;  das  Opfer  an  Prajäpati,  welches  dem  an- 
gehenden Sannyäsin  in  ihnen  Kanthagr.  4  (Up.  S.  701)  anbe- 
fohlen, hingegen  Jäbäla  4  (Up.  S.  709)  widerraten  wird,  scheint 
eine  symbolische  Loskaufung  von  der  Pflicht  der  Fortpflan- 
zung zu  bedeuten. 

Die  Dauer  des  Weilens  im  Mutterleibe  wird  Chänd.  5,9,1    Embryo- 
auf „zehn  [Mond-]  Monate,  oder  wie  lange  es  ist"  geschätzt. 
Eingehende   Mitteilungen   über  die  Entwicklung   des  Embryo 
gibt  Garbha-Up.  2 — 4  (Up.  S.  608  fg.):  „Aus  der  Verbindung 
des  Samens  und  des  Blutes  entwickelt   sich   der  Embryo.  .  .  . 


logie. 


266  XII.   Die  Organe  der  Seele. 

Aus  der  Paarung  zur  Zeit  der  Periode  entsteht  nach  einer 
Nacht  ein  Knötchen,  nach  sieben  Nächten  eine  Blase,  inner- 
halb eines  halben  Monates  ein  Klumpen,  innerhalb  eines  Mo- 
nates wird  er  fest,  nach  zwei  Monaten  entsteht  der  Kopf, 
nach  drei  Monaten  entstehen  die  Fufsteile,  im  vierten  Monate 
Fufsknöchel,  Bauch  und  Hüften,  im  fünften  das  Rückgrat, 
im  sechsten  Mund,  Nase,  Augen,  Ohren,  im  siebenten  wird 
der  Embryo  mit  der  Seele  (jiva)  ausgestattet,  im  achten  ist 
er  in  allen  Stücken  vollständig.  —  Beim  Überwiegen  des 
väterlichen  Samens  entsteht  ein  Mann,  beim  Überwiegen  des 
mütterlichen  Samens  ein  Weib,  beim  Gleichgewichte  des  Sa- 
mens beider  ein  Zwitter;  bei  Benommenheit  des  Gemütes 
entstehen  Blinde,  Lahme,  Bucklige  und  Zwerge.  Geht  der 
durch  die  beiderseitigen  Winde  eingeprefste  Same  entzwei,  so 
wird  auch  der  Körper  zweifach,  und  es  entstehen  Zwillinge. 
—  ...  Im  neunten  Monat  endlich  ist  er  in  allen  Stücken 
und  auch  in  der  Erkenntnis  vollständig;  dann  erinnert  er  sich 
[so  lange  er  noch  im  Mutterleibe  weilt,  wie  Vämadeva,  Ait.  2,4] 
an  seine  frühern  Geburten  und  hat  Erkenntnis  seiner  guten 
und  bösen  Werke ;  .  .  .  wenn  er  aber  sodann,  zu  den  Pforten 
der  Geschlechtsteile  gelangend,  durch  die  Einzwängung  ge- 
quält und,  unter  grofsen  Schmerzen  kaum  geboren,  mit  dem 
Vaishnava -Winde  [dem  Winde  der  Aufsenwelt]  in  Berührung 
tritt,  so  kann  er  sich  nicht  mehr  auf  seine  Geburten  und  Tode 
besinnen  und  hat  keine  Erkenntnis  seiner  guten  und  bösen 
Werke  mehr."  —  Auf  die  verwandten  Vorstellungen  in  der 
neueren,  abendländischen  Philosophie  bezieht  sich  die  Ver- 
spottung Voltaire's  (lettre  XIII  sur  les  Anglais),  welche  auch 
auf  den  indischen  Apriorismus  ihre  Anwendung  findet :  „je  ne 
suis  pas  plus  dispose  que  Locke  ä  imaginer  que,  quelques 
semaines  apres  ma  conception,  j'etais  une  äme  fort  savante, 
sachant  alors  mille  choses  que  j'ai  oubliees  en  naissant  et  ayant 
fort  inutilement  possede  dans  1'uterus  des  connaissances  qui 
m'ont  echappe  des  que  j'ai  pu  en  avoir  besoin  et  que  je  nai 
jamais  bien  pu  reprendre  depuis". 


XIII.   Die  Zustände  der  Seele.     1.   Die  vier  Zustände.  267 

XIII.  Die  Zustände  der  Seele. 

1.  Die  vier  Zustände. 

Wie  der  „zur  Leiblichkeit  sich  verkörpernde"  (gavtyatvüya  wachen, 
dekiri,  Käth.  5,7)  Ätman  räumlich  als  die  Vielheit  der  Or-  Tiefschiäf 
gane  den  Leib  „bis  in  die  Nagelspitzen  hinein"  erfüllt  (Brih.  U1 
1,4,7),  so  durchläuft  er  in  diesem  seinem  Individuaistande 
zeitlich  eine  Reihe  von  Zuständen,  in  welchen  sein  wahres 
metaphysisches  Wesen  schrittweise  immer  deutlicher  zutage 
tritt;  diese  sind:  1)  das  Wachen,  2)  der  Traumschlaf,  3)  der 
Tiefschlaf  (siisliupü),  d.  h.  der  tiefe  traumlose  Schlaf,  in  wel- 
chem die  Seele  vorübergehend  mit  Brahman  eins  wird  und 
eine  dementsprechende ,  unüberbietbare  Wonne  geniefst,  und 
4)  der  „vierte"  (caturtha.  turya,  turuja),  gewöhnlich  Turiya 
genannte  Zustand,  in  welchem  jenes  Aufhören  der  vielheit- 
lichen Welt  und  Eins  werden  mit  Brahman,  auf  welchem  die 
Seligkeit  des  Tiefschlafes  beruht,  nicht  wie  in  diesem  un- 
bewufst,  sondern  unter  vollem  Fortbestehen  des  Bewufstseins 
eintritt. 

Die  Theorie  von  diesen  vier  Zuständen  der  Seele  hat  sich 
erst  allmählich  ausgebildet. 

Zuerst  mochten  es  wohl  das  Erlöschen  des  Bewufstseins  Phänomen 
beim  Einschlafen  und  seine  Rückkehr  beim  Erwachen  sein, 
welche  das  Nachdenken  beschäftigten  und  solche  Fragen  auf- 
gaben wie  Brih.  2,1,16  (vgl.  Kaush.  4,19):  „Als  dieser  hier  ein- 
geschlafen war,  wo  war  da  jener  aus  Erkenntnis  bestehende 
Geist  (vijnänamayah  purushdh),  und  von  wo  ist  er  jetzt  [beim 
Erwachen]  hergekommen?"  Dieses  wundersame  Phänomen 
des  Schlafes  erklärte  man  dann  als  ein  vorübergehendes  Ein- 
tauchen der  Organe  (Rede,  Auge,  Ohr,  Manas)  in  den  Frau«. 
So  in  der  schon  oben  (I,  i,  S.  298)  mitgeteilten  Stelle  Qatap. 
Br.  10,3,3,6,  und,  fast  wörtlich  damit  übereinstimmend,  Chand. 
4,3,3:  „Denn  wenn  einer  schläft,  so  geht  in  den  Präna  ein 
die  Rede,,  in  den  Präna  das  Auge,  in  den  Präna  das  Ohr,  in 
den  Präna  das  Manas".  Eine  blofse  Ausmalung  dieser  Er- 
klärung des  Schlafes  (vielleicht  mit  Erinnerung  an  Brih.  4,3,19) 
ist  Chand.  6,8,2:    „Gleichwie  ein  Vogel,   der  an   einen  Faden 


268  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

gebunden  wurde,  nach  dieser  und  jener  Seite  fliegt,  und, 
nachdem  er  anderweit  einen  Stützpunkt  nicht  gefunden,  sich 
an  der  Bindungsstelle  niederläfst,  so  auch,  o  Teurer,  fliegt 
das  Manas  nach  dieser  und  jener  Seite,  und,  nachdem  es  ander- 
weit einen  Stützpunkt  nicht  gefunden,  so  läfst  es  sich  in  dem 
Prana  nieder,  denn  der  Präna,  o  Teurer,  ist  die  Bindungs- 
stelle des  Manas".  Von  einer  etwas  andern  Anschauung  gehen 
die  unmittelbar  vorhergehenden  Worte  Chänd.  6,8,1  aus:  „Wenn 
es  heifst,  dafs  der  Mensch  schlafe,  dann  ist  er  mit  dem  [vorher, 
Chänd,  6,2  fg.,  geschilderten]  Seienden,  o  Teurer,  zur  Vereini- 
gung gelangt.  Zu  sich  selbst  ist  er  eingegangen,  darum  sagt 
man  von  ihm  «er  schläft»  (svapiti),  denn  zu  sich  selbst  ein- 
gegangen (sra»i  apita)  ist  er." 
Traum-  Alle  diese   Stellen   enthalten   noch    keine  Unterscheidung 

Tiefsohiat.  zwischen  Traumschlaf  und  Tiefschlaf.  Eine  solche  findet  sich 
zuerst  Brih.  4,3,9—18.  19—33,  sodann  Brih.  2,1,18.  19  (Kaush. 
4,20)  und  endlich  Chänd.  8,6,3.  8,10.  11—12  (vgl.  8,3,4).  Diese 
Reihenfolge  dürfte  auch  die  historische  sein.  Brih.  4,3,9 — 33 
ist  die  Scheidung  noch  nicht  so  streng  durchgeführt  wie  Brih. 
2,1,18 — 19,  wo  auch  zuerst  der  (Brih.  4,3,9 — 33  noch  fehlende) 
Name  susJiupta  für  den  „Tiefschlafenden"  auftritt,  woraus  sich 
dann  weiter  sushuptam  (seit  Mänd.  5)  und  sushupti  (seit  Kai- 
valy.  13.  17)  für  „Tiefschlaf"  entwickelt  hat.  Am  spätesten 
und  schon  von  Brih.  4,3,9 — 33  abhängig  scheinen  die  Aus- 
führungen Chänd.  8  zu  sein;  denn  wenn  Chänd.  8,3,4  (==  8,12,3) 
der  Tiefschlaf  (nicht  wie  Chänd.  8,6,3  im  Anschlufs  an  Chänd. 
6,2,3.  6,8,6  als  ein  Einswerden  mit  dem  tejaS,  sondern)  als  ein 
Eingehen  in  das  höchste  Licht  und  dadurch  bedingtes 
Hervortreten  in  eigner  Gestalt  (param  jyoiir  upasam- 
padya  sventi  rüpena  abhinishpadyate)  geschildert  wird,  so  könnte 
diese  eigentümliche  Vorstellung  zwar  auch  auf  Chänd.  3,13,7 
zurückgehen,  aber  näher  liegt  es  doch  wohl,  in  ihr  eine 
Rückerinnerung  an  den  „aus  Erkenntnis  bestehenden,  in  dem 
Herzen  innerlich  leuchtenden  Geist",  Brih.  4,3,7,  zu  finden, 
welcher,  wie  dort  weiter  entwickelt  wird,  „vermöge  seines 
eigenen  Glanzes,  seines  eigenen  Lichtes",  in  Wachen,  Traum 
und  Tiefschlaf  „sich  selbst  als  Licht  dient".  —  Und  sicherlich 
sekundär  ist  es  auch,  wenn  das  Wort  scmprasäda,  welches  in 


1.   Die  vier  Zustünde.  269 

der  wohl  schon  interpolierten  Stelle  Brih.  4,3,15  (siehe  unsere 
Anm.  dort)  noch  die  „Vollberuhigung"  des  Tiefschlafes  be- 
deutet, Chänd.  8,3,4.  8,12,3  geradezu  für  „die  Seele  im  Tief- 
schlafe" gebraucht  wird. 

An  diese  altern  Stellen  schliefst  sich  die  kurze  Notiz 
Ait.  1,3,12,  wie  auch  die  Ausführungen  über  Traumschlaf  und 
Tiefschlaf  Pracna  4  auf  ihnen  beruhen. 

Neben  Wachen,  Träumen  und  Tiefschlafen  erscheint  als  Der  Turtya. 
vierter  und  höchster  Zustand   des  Atman  das  Caturtham,  Tu- 
rijam.  Turhjam  (sc.  sthdham)  oder  der  Turiya  (sc.  ätma)  zuerst 
Mänd.  7    (gegen   welches    die,    dem    Nachtrage    angehörigen, 
Stellen  Maitr.  6,19.  7,11  wohl  später  sind),  wo  auch  die  drei 
ersten  Zustände  mit  den  mystischen  Namen  Yaicjvänara,  Taijasa,  raigvänara; 
Prdjfia  bezeichnet  werden.     Hierbei  heifst  die  wachende  Seele     pTipa.' 
Vaigvänara,  vielleicht  weil  (wie  Heraklit,  bei  Plut.,  de  superst.  3, 
sagt)  im  Wachen  alle  Menschen  eine  gemeinsame  Welt  haben, 
während  im  Traume  jeder   seine  eigene  hat;   die   träumende 
Taijasa,  wohl  weil  dann  der  Atman  nur  sein  eigenes  Licht  ist 
{svena  bhasä,   svena  jyotishä  prasvapiti,   Brih.  4,3,9);   die   tief- 
schlafende Präjüa,  weil  im  Tiefschlafe  der  Ätman  nach  Brih. 
4,3,21  mit  dem  präjna  ätman,   d.  h.  dem  Brahman,   vorüber- 
gehend eins  wird. 

Der  Besprechung  der  vier  Zustände  im  einzelnen  mag  die   Definition 
Definition    vorangehen,    welche  Sarvopanishatsära   5 — 8    (Up.  stände  nach 
S.  623)  von  ihnen  gegeben  wird:  t- ™p' 

„Wenn  man  mit  den  von  Manas  anfangenden  vierzehn 
Organen  [Manas,  Buddhi,  Cittam,  Ahankära,  Erkenntnissinne 
und  Tatsinne],  welche  nach  aufsen  sich  entfalten  und  dabei 
von  Gottheiten  wie  Aditya  usw.  unterstützt  werden,  die 
groben  Objekte,  wie  Töne  usw.,  wahrnimmt,  so  heifst  dies 
das  Wachen  (jägaranam)  des  Atman." 

„Wenn  man,  von  den  Eindrücken  des  Wachens  befreit, 
mit  nur  vier  Organen  [Manas,  Buddhi,  Cittam,  Ahankära]  und 
ohne  dafs  Töne  usw.  vorhanden  sind,  auf  jenen  Eindrücken 
beruhende  Töne  usw.  wahrnimmt,  so  heifst  dies  das  Träu- 
men (svapnam,  hier  als  Neutrum)  des  Atman." 

„Wenn  man  infolge  des  Ruhens  aller  vierzehn  Organe 
und   des  Aufhörens   des  Bewufstseins   der  besondern  Objekte 


270  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

[ohne  Bewufstsein  ist],  so  heifst  dies  der  Tiefschlaf  (sushup- 
tam)  des  Atman." 

„Wenn,  unter  Wegfall  der  drei  genannten  Zustände,  das 
dem  Sein  als  Zuschauer  gegenüberstehende  Geistige  nur  noch 
selbst  als  eine  von  allem  Sein  befreite  Unterschiedlosigkeit 
besteht,   so  heifst  dieses  Geistige   das   Tunyam  (das  Vierte)," 

2.  Das  Wachen. 

Das  wa-  Mänd.  3:  „Der  im  Stande  des  Wachens  befindliche,  nach 

Mä'nd.  3.  aufsen  erkennende,  siebengliedrige,  neunzehnmündige,  das 
Grobe  geniefsende  Väigvänara  ist  sein  erstes  Viertel".  Der 
Atman  in  dem  ersten  der  vier  Stadien,  dem  des  Wachens, 
heifst  „siebengliedrig",  weil  er  als  Valgrcmara  nach  Chänd. 
5,18,2,  woher  dieser  Name  entnommen  ist,  aus  Himmel,  Sonne, 
Wind,  Äther,  Wasser,  Erde  und  (Opfer-)  Feuer  besteht  und 
dieses  sein  kosmisches  Wesen  mittels  seines  „neunzehnmündi- 
gen" (zehn  Indriya's,  fünf  Präna's,  Manas,  Buddhi,  Ahankära, 
Cittam)  psychischen  Wesens  erkennt.  So  geniefst  er  die  Welt 
der  „groben"  Objekte;  zur  Erläuterung  mag  Kaivalya  12  dienen: 

Wenn  seine   Seele  blind  ist  durch  die  Mäyä, 
Bewohnt  den  Leib   er  und  betreibt  die  Werke ; 
Durch  Weiber,   Speise,  Trank  und  viel  Genüsse 
Erlangt  er  Sättigung  im   Stand' des  Wachens. 

Wie  schon  diese  Stellen  andeuten,  ist  es  nur  sein  eignes 
Wesen,   welches  der   Väigvänara   beim  Wachen  als  die  Welt 
der  groben  Objekte  aus  sich  heraussetzt  und  geniefst.    Hierauf 
verwandt-  beruht   die   Verwandtschaft   des  Wachens   mit   dem   Traume, 
Wachens    welche  schon  Ait.  1,3,12  dadurch  angedeutet  wird,  dafs  dem 
Traume.    Atman    „drei    Traumstände"   (traijah  svapnah)    zugeschrieben 
werden,  unter  denen  nach  den  Kommentatoren  Wachen,  Traum 
und  Tiefschlaf  zu  verstehen  sind.     Auch  das  Wachen  ist  ein 
Traumstand,   weil  in   ihm,   wie  Qankara  zu  dieser  Stelle  be- 
merkt, „ein  Wachen  des  wirklichen  eignen  Selbstes  nicht  statt- 
hat und  man  eine  unwirkliche  Realität,  ähnlich  wie  im  Traume, 
anschaut".     (Über  andere   Äufserungen   Qankara's   in   diesem 
Sinne  vgl.  Syst.  d.  Ved.  S.  297.  299.  372.)    Diese  Verwandt- 


2.   Das  Wachen.  271 

schaft  des  Wachens  mit  dem  Traume  wird  besonders  eingehend 
von  Gaudapäda  in  der  Mändükyakärikä  behandelt:  wie  der 
Traum,  so  ist  auch  das  Wachen,  da  es  uns  eine  vielheitliche 
Welt  vorspiegelt,  eine  Täuschung  (2,5.  3,29);  die  Wahr- 
nehmungen des  Wachens  haben,  ebenso  wie  die  des  Traumes, 
ihren  Grund  nur  in  uns  (4,37)  und  bestehen  nirgendwo  anders 
als  im  Geiste  des  Wachenden  (4,66);  und  wie  die  Realität 
des  Traumes  durch  das  Aufwachen  widerlegt  wird,  so  wird 
umgekehrt  auch  die  Realität  des  Wachens  widerlegt  dadurch, 
dafs  sie  im  Traum  aufhört  (2,7.  4,32).  —  Denselben  Gedanken 
dürfen  wir  vielleicht  schon  Brih.  4,3,7  finden,  wo  zunächst  das 
Erkennen  und  Sichbewegen  des  Ätman  für  nur  scheinbar  er- 
klärt und  dann  als  Grund  dafür  angegeben  wird,  dafs  der 
Ätman  im  Traume  die  wesenlosen  Erscheinungen  des  Wachens 
übersteige:  „es  ist,  als  ob  er  sänne,  es  ist,  als  ob  er  umher- 
schweifte; denn  (sa  hi,  wofür  die  Mädhy.  sadMh  lesen)  wenn 
er  Schlaf  geworden  ist,  so  übersteigt  er  diese  Welt,  die  Ge- 
stalten des  Todes".  Wie  ein  Fisch  zwischen  zwei  Ufern 
dahinstreicht,  ohne  sie  zu  berühren,  so  der  Ätman  zwischen 
den  Zuständen  des  Wachens  und  Träumens  (Brih.  4,3,18); 
vom  Wachen  eilt  er  zum  Träumen  und  von  diesem  wieder 
„zurück  zum  Zustande  des  Wachens;  und  alles,  was  er  in 
diesem  schaut,  davon  wird  er  nicht  berührt;  denn  diesem 
Geiste  haftet  nichts  an"  (Brih.  4,3,16). 

3.  Der  Tranmsclilaf. 

Die  Hauptstelle,  von  der,  wie  sich  wahrscheinlich  machen  Der  Traum, 
läfst,  alle  andern  abhängen,  ist  Brih.  4,3,9 — 14:  4,3,9  fg. 

„Wenn  er  nun  einschläft,  dann  entnimmt  er  aus  dieser 
allenthaltenden  Welt  das  Bauholz,  fällt  es  selbst  und  baut  es 
selber  auf,  vermöge  seines  eigenen  Glanzes,,  seines  eigenen 
Lichtes;  —  wenn  er  so  schläft,  dann  dient  dieser  Geist  sich 
selbst  als  Licht.  Daselbst  sind  nicht  Wagen,  nicht  Gespanne, 
nicht  Strafsen,  sondern  Wagen,  Gespanne  und  Strafsen  schafft 
er  sich;  daselbst  ist  nicht  Wonne,  Freude  und  Lust,  sondern 
Wonne,  Freude  und  Lust  schafft  er  sich;  daselbst  sind  nicht 
Brunnen,   Teiche  und  Flüsse,   sondern  Brunnen,   Teiche  und 


272  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

Flüsse  schafft  er  sich,  —  denn  er  ist  der  Schöpfer.  Darüber 
sind  diese  Verse: 

Abwerfend  was   des  Leibes  ist  im   Schlafe, 
Schaut  schlaflos  er  die  schlafenden  Organe; 
Ihr  Licht  entlehnend  kehrt  zum  Ort  dann  wieder    , 
Der  gold'ge  Geist,  der  ein'ge  Wandervogel. 

Das  niedre  Nest  läfst  er  vom  Leben  hüten 

Und  schwingt  unsterblich  aus  dem  Nest  empor  sich, 

Unsterblich  schweift  er,  wo   es  ihm  beliebet, 

Der  gold'ge  Geist,  der  ein'ge  Wandervogel. 

Im  Traumesstande  schweift  er  auf  und  nieder 
Und  schafft  als  Gott  sich  vielerlei  Gestalten, 
Bald  gleichsam  wohlgemut  mit  Frauen  scherzend, 
Bald  wieder  gleichsam   Schreckliches  erschauend. 

Nur  seinen  Spielplatz  hier  sieht  man, 
Nicht  sieht  ihn  selber  irgendwer. 

Darum  heifst  es:  man  soll  ihn  nicht  jählings  wecken,  denn 
schwer  ist  einer  zu  heilen,  zu  welchem  er  sich  nicht  zurück- 
findet. —  Darum  sagt  man  auch:  der  [Schlaf]  ist  für  ihn  nur 
eine  Stätte  des  Wachens,  denn  was  er  im  Wachen  sieht,  das- 
selbige  siehet,  er  auch  im  Schlafe.  —  So  also  dient  daselbst 
dieser  Geist  sich  selbst  als  Licht." 

In  dieser  Stelle  laufen,  in  poetischer  Darstellung,  zwei 
Auffassungsweisen  des  Traumes  durch  einander:  nach  der  einen 
bleibt  der  Geist  wo  er  ist  und  schafft  aus  sich  selbst  heraus 
„vermöge  seines  eigenen  Glanzes,  seines  eigenen  Lichtes"  aus 
den  Materialien  des  Wachens  eine  neue  Welt  der  Gestalten, 
—  nach  der  andern  verläfst  der  Geist  im  Traume  den  Leib 
und  „schweift,  wo  es  ihm  beliebet",  wobei  er  dann  mitunter 
den  Kückweg  zu  seinem  Leibe  nur  schwer  findet. 
Abhängig  Diese  beiden,   nur   auf  der  dichterischen  Darstellung  be- 

■von  obiger  . 

steile  ist  ruhenden  und  nicht  eigentlich  differierenden  Auflassungen 
'  werden  Brih.  2,1,18  ernst  genommen  und  mit  einander  dahin 
verbunden,  dafs  der  Träumende  zwar  umherschweift,  jedoch 
nur  innerhalb  des  eignen  Leibes:  „Wo  er  dann  im  Traume 
wandelt,  das  sind  seine  Welten;  dann  ist  er  gleichsam  ein 
grofser  König  oder  gleichsam  ein  grofser  Brahmane,   oder  er 


3.   Der  Traumschlaf.  273 

gehet  gleichsam  ein  in  Hohes  und  Niederes  {uccävacani  nigac- 
chati,  nach  Brih.  4,3,13  uccävacam  iyamänäh).  Und  gleichwie 
ein  grofser  König  seine  Untergebenen  mit  sich  ^immt  und  in 
seinem  Lande  nach  Beheben  umherzieht  (Reminiszenz  an  Brih. 
4,3,37 — 38),  also  nimmt  er  jene  Lebensgeister  mit  sich  und 
ziehet  in  seinem  Leibe  nach  Belieben  umher."  Diese  wunder- 
liche, auf  keine  Naturanschauung  gestützte  Theorie  von  einem 
Umherziehen  im  Leibe  beim  Traume  erklärt  sich  als  ein  Ver- 
such, die  verschiedenen  Anschauungen  der  oben  angeführten 
Grundstelle  zu  vermitteln.  Auch  der  Vergleich  mit  dem 
grofsen  Könige  und  grofsen  Brahmanen  scheint  aus  der  Brih.   Übergang 

4.3.20  folgenden  Stelle  geschöpft  zu  sein,  welche  den  Über-  in  den  Tief- 

...  iT-i  />(•-!•  t     •  •        schlaf  nach 

gang  vom  traumenden  Bewulstsem,  dies  und  jenes  zu  sein,  Brih. 4,3,20. 
zum  Bewufstsein  des  Tiefschlafes,  alles  zu  sein,  in  folgender 
Weise  schildert:  „Wenn  es  nun  [im  Traume]  ist,  als  wenn 
man  ihn  tötete,  als  wenn  man  ihn  schünde,  als  wenn  ein  Ele- 
fant ihn  bedrängte  (vicchäyayati) ,  als  wenn  er  in  eine  Grube 
stürzte,  —  alles  was  er  im  Wachen  fürchtet,  das  hält  er  da- 
selbst in  seinem  Nichtwissen  für  wirklich,  —  oder  aber  wenn 
es  ist,  als  wäre  er  ein  Gott,  als  wäre  er  ein  König  — ,  wenn 
er  sich  bewufst  wird,  «ich  allein  bin  dieses  Weltall»,  —  das 
ist  seine  höchste  Stätte",  —  nämlich,  wie  das  Folgende  schil- 
dert, die  des  Tiefschlafes,  in  der  man  sich  eins  mit  dem  Weltall, 
d.h.  deniBrahman,  erkennf  und  daher  ohne  gegenüberstehende 
Objekte  und  mithin  ohne  individuelles  Bewufstsein  ist  (Brih. 

4.3.21  fg.).     Wenn  es  Chänd.  8,10,2  vom  Träumenden  heifst:  Hiervon  ab- 

.  .  hängig 

„aber  es  ist  doch,  als  wenn  er  getötet  würde,  es  ist  doch,  als  chänd. 
wenn  sie  ihn  bedrängten  (vicchayayanti),  als  wenn  er  Unliebes 
erführe,  und  es  ist,  als  wenn  er  weinte",  so  liegt  die  Ver- 
wandtschaft mit  der  angeführten  Stelle  Brih.  4,3,20  auf  der 
Hand.  Das  sinnlose  vicchädayanti  Chänd.  8,10,2  wurde  von 
M.  Müller  (dem  Böhtlingk  und  ich  hierin  folgten)  verändert 
in  viccliäyayanti.  Eine  fast  unumgängliche  Konsequenz  dieser 
Änderung  ist,  bei  der  grofsen  Seltenheit  dieses  Ausdrucks, 
die  Annahme,  dafs  Chänd.  8,10,2  von  Brih.  4,3,20  abhängig 
ist,  —  denn  der  umgekehrte  Fall  oder  auch  eine  Interpolation 
von  Brih.  4,3,20  aus  Chänd.  8,10,2    (woran   wir  Upanishad's 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  n.  18 


8,10,2. 


274  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

S.  464.  470   noch    dachten)    hat    hei   dem   ganzen   Charakter 
heider  Stellen  wenig  Wahrscheinlichkeit. 
Ebenso  Sicher  abhängig  von  Brih.  4,3  ist  Pracna  4,5,  wo,  nach- 

x  rn^iin  4,0.  g 

dem  geschildert  worden,  wie  heim  Schlafe  das  Manas  die  zehn 
Indriya's  in  sich  hereingezogen,  so  dafs  nur  die  Pränafeuer 
in  der  Leihesstadt  wachen,  der  Traum  wie  folgt  beschrieben 
wird:  „Alsdann  geniefst  jener  Gott  [nämlich  das  Manas]  Grofs- 
heit,  sofern  er  das  hier  und  da  Gesehene  nochmals  sieht,  die 
hier  und  da  gehörte  Sache  nochmals  hört,  das  inmitten  der 
Orte  und  Gegenden  einzeln  Wahrgenommene  wieder  und 
wieder  einzeln  wahrnimmt;  Gesehenes  und  Nichtgesehenes, 
Gehörtes  und  Nichtgehörtes,  Wahrgenommenes  und  Nicht- 
wahrgenommenes,  das  Ganze  schaut  er,  als  der  Ganze  schaut 
er  (sarvam  pagyati,  sarvah  pagyati  )"■  Namentlich  die  letzten 
Worte,  verglichen  mit  Brih.  4,3,20  (aham  eva  idam  sarvo  'smi, 
üi  manyate),  machen  die  Abhängigkeit  von  dieser  Stelle  wohl 
unzweifelhaft. 
spätere  Von   spätem  Stellen  führen  wir  nur  Mänd.  4  an,    wo  es 

nach  der  oben  mitgeteilten  Erklärung  des  Wachens  in  Pa- 
rallele damit  vom  Träumen  heifst :  „Der  im  Stande  des  Träu- 
mens  befindliche,  nach  innen  erkennende,  siebengliedrige,  neun- 
zehnmündige, das  Auserlesene  geniefsende  Taijasa  ist  sein 
zweites  Viertel".  Die  Ausdrücke  „siebengliedrig",  „neunzehn- 
mündig" werden  erklärt  wie  oben  beim  Wachen;  „das  Aus- 
erlesene geniefsend"  (praviviltiabJmj)  heifst  die  Traumseele 
ohne  Zweifel  mit  Bezug  auf  B.ih.  4,2,3,  wo  es  von  der  indi- 
viduellen Seele  heifst,  dafs  sie,  im  Gegensatze  zum  Leibe, 
„eine  auserlesenere  Nahrung  habend"  (praviviJäa-ähäratara)  sei. 
Eine  Besprechung  der  Illusion  des  Traumes,  zur  Erläute- 
rung der  Illusion  des  Wachens,  bietet  Gaudapäda  2,1  fg. 
4,33  fg.  (Up.  S  583.  597),  wo  schon  dieselben  Gedanken  auf- 
treten, die  später  seines  Schülers  Schüler,  £ankara,  weiter  aus- 
geführt hat  (System  d.  Ved.  S.  371). 

4.  Der  Tiefschlaf. 

Übergang  In  den  Tiefschlaf  geht  der  Traumschlaf  über,  wenn,  mit- 

V8°cIhiafe'in " tels  eines   stärkeren  Anlaufes  auf  die   andre  Welt  zu   (Brih. 

schlaf6"  4,3,9),  das  träumende  Bewufstsein,  dies  oder  jenes,  ein  Gott, 


4.   Der  TiefscMaf.  275 

ein  König  usw.  zu  sein,  übergeht,  wie  es  Brih.  4,3,20  schil- 
dert, in  das  Bewufstsein,  das  Weltganze  zu  sein,  welches,  da 
ihm  keine  Objekte  mehr  gegenüberstehen,  kein  Bewufstsein 
mehr  in  empirischem  Sinne,  sondern  eine  vorübergehende  Eins- 
werdung  mit  dem  präjna  ätman,  dem  ewigen  Subjekte  des 
Erkennens,  dem  Brahman,  ist.  Diese  Gedanken  werden  aus- 
geführt in  dem  wichtigsten  und  wohl  auch  ältesten  Texte,  der 
vom  Tiefschlaf  handelt,  Brih.  4,3,19 — 33:  „Aber  gleichwie  dort  »ex  Tief- 

schlaf  nach 

im  Lufträume  ein  Falke  oder  ein  Adler,  nachdem  er  umher-  Brih. 
geflogen  ist,  ermüdet  seine  Fittiche  zusammenfaltet  und  sich 
zur  Niederkauerung  begibt,  also  auch  eilt  der  Geist  zu  jenem 
Zustande,  wo  er,  eingeschlafen,  keine  Begierde  mehr  empfindet 
und  kein  Traumbild  schaut".  Weiter  heifst  es,  nach  einem 
Hinweis  auf  die  Adern  Hitäh,  in  denen  nach  Brih.  2,1,19 
usw.  die  Seele  im  Tiefschlafe  ruht,  und  nach  der  Schilde- 
rung des  Überganges  vom  Traume  in  den  Tiefschlaf:  „Das 
ist  die  Wesensform  desselben,  in  der  er  über  das  Verlangen 
erhaben,  vom  Übel  frei  und  ohne  Furcht  ist.  Denn  so  wie 
einer,  von  einem  geliebten  Weibe  umschlungen,  kein  Bewufst- 
sein hat  von  dem,  was  aufsen  oder  innen  ist,  so  auch  hat  der 
Geist,  von  dem  erkenntnisartigen  Selbste  (präjnena.  ätmanä, 
d.  i.  dem  Brahman)  umschlungen,  kein  Bewufstsein  von  dem, 
was  aufsen  oder  innen  ist.  Das  ist  die  Wesensform  desselben, 
in  der  er  gestillten  Verlangens,  selbst  sein  Verlangen,  ohne 
Verlangen  ist  und  von  Kummer  geschieden.  Dann  ist  der 
Vater  nicht  Vater  und  die  Mutter  nicht  Mutter,  die  Welten 
sind  nicht  Welten,  die  Götter  nicht  Götter"  usw.,  alle 
Gegensätze  sind  in  dem  Ewigen,  Einen  ausgelöscht,  „dann  ist 
Unberührtheit  vom  Guten  und  Unberührtheit  vom  Bösen, 
dann  hat  er  überwunden  alle  Qualen  seines  Herzens.  —  Wenn 
er  dann  nicht  sieht,  so  ist  er  doch  sehend,  obschon  er  nicht 
sieht;  denn  für  den  Sehenden  ist  keine  Unterbrechung  des 
Sehens,  weil  er  unvergänglich  ist;  aber  es  ist  kein  Zweites 
aufser  ihm,  kein  andres,  von  ihm  verschiedenes,  das  er  sehen 
könnte".  In  diesem  Fortbestehen  als  reines,  objektloses  Subr 
jekt  des  Erkennens,  welches  im  Tiefschlafe  eintritt,  besteht 
die  Wonne  dieses  Zustandes,  wie  weiterhin  in  einer  schon 
früher  (S.  130)  besprochenen  Ausführung  entwickelt  wird.  — 

18* 


276  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

Diese  Ge-   Als   eine  kurze  Zusammenfassung  der  Gedanken  dieses  Ab- 
de/resu"  Schnittes  dürfen  wir  wohl  Brih.  2,1,19  betrachten:  „Aber  wenn 
^l^if;   '  er  im  Tiefschlafe  ist,  wenn  er  sich  keines  Dinges  bewufst  ist, 
dann  sind  da  die  Hitäh  genannten  Adern,  deren  sich  zweiund- 
siebzigtausend  vom  Herzen  aus  in  dem  Perikardium  verbreiten; 
in  diese  schlüpft  er  hinein  und. ruht  in  dem  Perikardium;  und 
wie   ein   Jüngling   oder   ein    grofser   König   oder    ein    grofser 
Brahmane,    ein  Übermafs   von   Wonne    (atighnim    änändäsya, 
dieser  Ausdruck  fafst  die  Betrachtungen  Brih.  4,3,33  zusammen, 
oben  S.  129  fg.)  geniefsend,  ruht,  also  ruht  dann  auch  er". 
NachKaush.  Die  Einswerdung  mit  dem  Prent a   (der  mit  dem  Prajnä- 

ätman  gleichgesetzt  wird)  ist  das  Wesen  des  Tiefschlafes  auch 
nach  Kaush.  3,3:  „Wenn  ein  Mensch  so  eingeschlafen  ist, 
dafs  er  kein  Traumbild  schaut,  dann  ist  er  eben  in  diesem 
Präna  zur  Einheit  geworden;  dann  geht  in  ihn  die  Rede  mit 
allen  Namen  ein,  das  Auge  mit  allen  Gestalten  ein,  das  Ohr 
mit  allen  Tönen  ein,  das  Manas  mit  allen  Gedanken  ein". 
Eine  Kombination  der  beiden  zuletzt  zitierten  Stellen  ist 
Kaush.  4,19—20. 

Auch    die    Stellen    der   Chänd.  Up.   über    den   Tiefschlaf 
machen  durchweg  den  Eindruck,  sekundärer  Art  zu  sein.    Wir 
führen  sie  an,  indem  wir  auf  die  möglicherweise  als  Vorbild 
benutzten  Stellen  in  Parenthese  hinweisen. 
Nach  chänd.  Chänd.  8,6,3:  „Wenn  nun  einer  so  eingeschlafen  ist  ganz 

8,6,3. 8,n,i.  un(j  gar  un(j  VQV]jg  zur  Ruhe  gekommen,  dafs  er  kein  Traum- 
bild erkennt,  dann  ist  er  hineingeschlüpft  in  diese  Adern 
(Brih.  2,1,19:  «in  diese  schlüpft  er  hinein»);  darum  rühret  ihn 
kein  Übel  an  (Brih.  4,3,22:  «dann  ist  Unberührtheit  vom  Guten 
und  Unberührtheit  vom  Bösen»),  denn  mit  der  Glut  (Chänd. 
6,2,3.  6,&,6)  ist  er  dann  eins  geworden".  Chänd.  8,11,1:  „Wenn 
einer  so  eingeschlafen  ist  ganz  und  gar  und  völlig  zur  Ruhe 
gekommen,  dafs  er  kein  Traumbild  erkennt,  das  ist  das  Selbst, 
.so  sprach  er,  das  ist  das  Unsterbliche,  das  Furchtlose,  das  ist 
das  Brahman".  Hierauf  die  Einwendung:  „In  Vernichtung 
ist  er  dann  eingegangen;  hierin  kann  ich  nichts  Tröstliches 
erblicken"  (vgl.  die  Einwendung  der  Maitreyi,  Brih.  2,4,13: 
«damit,  o  Herr,  hast  du  mich  verwirrt,  dafs  du  sagst,  nach 
dem  Tode  sei  kein  Bewufstsein»),  worauf  mit  dem  Hinweis 


4.   Der  Tief  schlaf;  277: 

auf  Wind  und  Wolke,  Blitz  und  Donner  entgegnet  -wird, 
welche  aus  dem  latenten  Zustande  hervortreten  und  dadurch 
ihre  wahre  Wesenheit  offenbaren:  „so  auch  erhebt  sich  diese 
Vollberuhigung  (sampfasäda,  Brih.  4,3,15  «der  Tiefschlaf», 
hier  und  Chänd.  8,3,4  «die  Seele  im  Tiefschlafe »,  vgl.  Brih. 
4,3,7  sa  lii  svapno  bhuivä)  aus  diesem  Leibe  (Brih.  4,3,11: 
«abwerfend  was  des  Leibes  ist  im  Schlafe»),  gehet  ein  in  das 
höchste  Licht  und  tritt  dadurch  hervor  in  eigner  Gestalt  (Brih. 
4,3,9:  «wenn  er  so  schläft,  dann  dient  dieser  Geist  sich  selbst 
als  Licht»):  das  ist  der  höchste  Geist,  der  dort  umherwandelt 
(Brih.  4,3,12:  «unsterblich  schweift  er,  wo  es  ihm  beliebet»), 
indem  er  scherzt  und  spielt  und  sich  ergötzt,  sei  es  mit  Wei- 
bern (Brih.  4,3,13:  «bald  gleichsam  wohlgemut  mit  Frauen 
scherzend»)  oder  mit  Wagen  (Brih.  4,3,10)  oder  mit  Freunden, 
und  nicht  zurückdenkt  an  dieses  Anhängsel  von  Leib,  an 
welches  der  Präna  angespannt  ist  wie  ein  Zugtier  an  den 
Karren  (Brih.  4,3,35:  «wie  nun  ein  Wagen,  wenn  er  schwer 
beladen  ist,  knarrend  geht»)".  Auf  einem  Mifsverständnis  der 
Verse  Brih.  4,3,11 — 14  scheint  es  zu  beruhen,  wenn  hier,  wie 
schon  Brih.  4,3,15,  dem  Tiefschlafe"  beigelegt  wird,  was  nur 
dem  Traumschlafe  zukommt.  —  Als  ein  Einswerden  mit  der  Nach 
Glut  (tejas)  wird  der  Tiefschlaf,  wie  Chänd.  8,6.3,  auch  auf- 
gefafst  Pra^na  4,6:  „Aber  wenn  er  von  der  Glut  überwältigt 
ist,  dann  schaut  jener  Gott  keine  Träume,  und  dann  herrscht 
in  diesem  Leibe  jene  Lust". 

Ganz  aus  Reminiszenzen  zusammengestoppelt  ist  endlich  Nach 
die  Schilderung  des  Tiefschlafes  Mänd.  5:  „Der  Zustand,  wo 
er,  eingeschlafen,  keine  Begierde  mehr  empfindet  und  kein 
Traumbild  schaut  (Brih.  4,3,19),  ist  der  Tiefschlaf.  Der  im 
Stande  des  Tiefschlafes  befindliche,  einsgewordene  (Brih.  4,4,2), 
durch  und  durch  ganz  aus  Erkenntnis  bestehende  (Brih. 
4,5,13),  aus  Wonne  bestehende  (Taitt.  2,5),  die  Wonne  ge- 
niefsende,  das  Bewufstsein  als  Mund  habende  Präjüa  (Brih. 
4,3,21.  35)  ist  sein  drittes  Viertel.  Er  ist  der  Herr  des  Alls 
(Brih.  4,4,22),  er  ist  der  Allwissende  (Mund.  1,1,9),  er  ist  der 
innere  Lenker  (Brih.  3,7),  er  ist  die  Wiege  des  Weltalls 
(Mund.  1,1,6),  denn  er  ist  Schöpfung  und  Vergang  (Käth. 
6,11)  der  Wesen". 


Pracna  4,6.' 


Mänd.  5. 


278  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

5.  Der  Turiya. 

Noch  nicht  Wachen,   Traumschlaf  und  Tiefschlaf  sind  die   drei  Zu- 

ln  upani-erD  stände  des  Ätman,  welche  allein  in  den  altern  Upanishad's 
ihad'8.  vorkommen;  nach  ihnen  wird  im  Tiefschlafe  die  völlige  Eins- 
werdung  mit  Brahman  und  damit  das  Höchsterreichbare  er- 
reicht; Brih.  4,3,32:  „Dieses  ist  sein  höchstes  Ziel,  dieses  ist 
sein  höchstes  Glück,  dieses  ist  seine  höchste  Welt,  dieses 
ist  seine  höchste  Wonne".  Diese  vom  Tiefschlafe  gesagten 
Worte  schliefsen  den  Gedanken  an  einen  noch  höheren  Zu- 
stand aus. 
Der  Toga.  Erst  später,  mit  dem  Aufkommen  der  Yogapraxis,  lernte 

man  im  Yoga  einen  Zustand  der  Seele  kennen,  der  noch  höher 
steht  als  der  Tiefschlaf,  sofern  die  Einswerdung  mit  Brahman 
und  die  damit  verbundene  höchste  Wonne,  welche  im  Tief- 
schlafe ohne  Fortdauer  des  individuellen,  die  Erinnerung  daran 
auch  nach  dem  Erwachen  bewahrenden,  Bewufstseins  eintritt, 
im  Yoga  unter  vollem  Fortbestehen  des  wachenden,  indivi- 
duellen Bewufstseins  sich  verwirklicht.  Den  Yoga,  in  seinem 
Unterschiede  vom  Tiefschlafe,  schildert  sehr  klar  Gaudapäda 
Mändükya-K.  3,33  fg.: 

Als  ewig  wandellos  Wissen, 
Vom  Gewufsten  verschieden  nicht, 
Das  Brahman  wird  gewufst  allzeit,  — 
Vom  Ew'gen  Ew'ges  wird  gewufst. 

Dieser  Vorgang  besteht  darin, 
Dafs  zwangweis  alle  Regungen 
Des  Geistes  unterdrückt  werden,  — 
Anders  ist  es  im  tiefen  Schlaf. 

Der  Geist  erlischt  im  Tiefschlafe, 
Nicht  erlischt  er,   wenn  unterdrückt, 
Sondern  Brahman,   das  furchtlose, 
Wird  er,   ganz  nur  Erkenntnislicht. 

Diese  durch  den  Yoga  bewerkstelligte,  bei  vollem  Wachen 
eintretende  Unterdrückung  des  Bewufstseins  der  Objekte  und 
Einswerdung   mit   dem   ewigen   Subjekte   des   Erkennens   be- 


5.  Der  Turiya.  279 

zeichnete  man  neben  Wachen,  Träumen  und  Tiefschlafen  als  Der  Turiya. 
den  „vierten"  Zustand  des  Atman,  caturtha  (Mänd.  7)  oder, 
mit  der  altvedischen  und  daher  mehr  feierlichen  Form  für 
caturtha,  als  Turiya  (auch  Turya),  wobei  sowohl  „der  Turiya" 
(sc.  dtmd)  als  auch  „das  Turiyam"  (sc.  sthänam)  gesagt  wurde. 
Da  dieser  Zustand  der  Sache  nach  mit  der  Yogapraxis  zu- 
sammenfällt, so  werden  wir  ihn  bei  Betrachtung  dieser  in 
einem  spätem  Zusammenhange  näher  kennen  lernen  und  wollen 
hier  nur  die  Stellen  namhaft  machen,  in  denen  die  Lehre  vom 
Turiya  zuerst  auftritt.  Vorbereitet  ist  dieselbe  ohne  Zweifel 
durch  die  alte  Theorie  von  den  vier  Füfsen  des  Brahman  als 
Gäyatrl  (Chänd.  3,12.  3,18.  4,5 — 8.  Brih.  5,14,  wo  auch  schon 
der  Ausdruck  turiya  erscheint),  aber  die  ältesten  Stellen,  in 
welchen  der  Turiya  als  besonderer,  vierter  Zustand  des  Atman 
proklamiert  wird,  sind  erst  Mänd.  7  und  Maitr.  6,19.  7,11. 
Hierbei  dürften  die  Stellen  -aus  der  Maitr.  Up.  (Nachtrag)  die 
späteren  sein,  da  sie  den  Turiya-Zustand  bereits  als  bekannt 
voraussetzen,  was  Mänd.  7  nicht  der  Fall  ist,  wo  auch  noch 
Turiya  als  Terminus  fehlt  und  dafür  einfach  caturtha  gesagt 
wird.     Die  von  Spätern  vielbenutzte  Stelle  Mänd.  7  lautet: 

„Nicht  nach  innen  erkennend  und  nicht  nach  aufsen  er-    „NaJch„ 

Mänd.  7. 

kennend,  noch  nach  beiden  Seiten  erkennend,  auch  nicht  durch 
und  durch  aus  Erkenntnis  bestehend,  weder  bewufst  noch  un- 
bewufst,  —  unsichtbar,  unbetastbar,  ungreifbar,  uncharak-  ' 
terisierbar,  undenkbar,  unbezeichenbar,  nur  in  der  Gewifsheit 
des  eignen  Selbstes  gegründet,  die  ganze  Weltausbreitung 
auslöschend,  beruhigt,  selig,  zweitlos,  —  das  ist  das  vierte 
(caturtha)  Viertel,  das  ist  der  Atman,  den  soll  man  er- 
kennen". 

Die  beste  Auslegung  geben  die  zugehörigen  Strophen  des 
Gaudapäda  1,12 — 16: 

Nicht  der  Wahrheit  noch  Unwahrheit, 
Nicht  seiner  selbst  noch  anderer 
Ist  irgend  sich  bewufst  Präjna  (der  Tiefschlaf), 
Ewig  alles  der  Vierte  (turya)  schaut. 

Im  Nichterkennen  der  Vielheit 
Sind  der  Präjna  und  Vierte  gleich; 


280  XIII.   Die  Zustände  der  Seele. 

Doch  Prajiia  liegt  im  Keimschlummer, 
Der  Vierte  keinen  Schlummer  kennt. 

Traum  und   Schlaf  sind  der  zwei  ersten, 
Traumloser  Schlaf  des  Präjna  ist, 
Weder  Träumen  noch  auch  Schlafen 
Schreibt  dem  Vierten  zu,  wer  ihn  kennt. 

Der  Träumende   erkennt  irrig, 
Gar  nicht  erkennt  der  Schlafende; 
Beide  irren,  wo  das  schwindet, 
Da  wird  der  vierte  Stand  erreicht. 

In  anfanglosem  Weltblendwerk 
Schläft  die  Seele;   wenn  sie  erwacht, 
Dann  wacht  in  ihr  das  zweitlose 
Schlaf-  und  traum-lose  Ewige. 

NachMaitr.  Diese   Theorie   vom    Turiya    als    bekannt    voraussetzend, 

6  19    7  11. 

fordert  Maitr.  6,19  bei  Schilderung  des  Yoga  dazu  auf,  „die 
Präna  genannte  individuelle  Seele  in  dem,  was  Turyam  ge- 
nannt wird,  niederzuhalten",  und  verteilt  7,11  die  vier  Zu- 
stände des  Ätman  auf  die  vier  Füfse  des  Purusha  (deren  einen 
alle  Wesen  bilden,  während  drei  unsterblich  im  Himmel  sind, 
Rigv.  10,90,3,  oben  I,  i,  S.  156)  derart,  dafs  Wachen,  Traum 
und  Tiefschlaf  den  einen,  hingegen  der  Turiya  die  drei  andern 
Füfse  des  Brahman  bildet: 

Der  im  Auge  und  der  im  Traum, 
Der  im  Tiefschlaf  und  der  zuhöchst, 
Das   sind  seine  vier  Abarten, 
Doch  am  gröfsten  der  vierte  ist. 

Ein  Viertel  Brahman's  in  Dreien, 

In  dem  letzten  drei  Viertel  sind. 

Zu  schmecken  Wahrheit  und  Täuschung, 

Ward  zweiheitlich  das  grofse  Selbst. 

Spatere  Von  spätem  Stellen  über  den  Turiya  (vgl.  Brahma-Up.  2. 

steilen.  §^^^^1^  g.  Hansa-Up.  8)  wollen  wir  nur  an  die  Aus- 
führungen Nrisinhottaratäp.  Up.  2  und  8  erinnern,  wo  mit 
weiterer  Zuspitzung  des  Begriffes  auch  an  dem  Turiya  noch 


5.  Der  Turiya.  281 

vier  Grade  als  ota,  anujfiätri,  anujnä  und  avikalpa  (weltdurch- 
waltend,  geistdurchleuchtend,  Geistigkeit,  Indifferenz)  unter- 
schieden werden,  von  denen  die  drei  ersten  immer  noch  mit 
„Tiefschlaf,  Traum  und  blofser  Täuschung"  behaftet  sind,  und 
nur  ävikalpa^  die  völlige  Auslöschung  aller  Unterschiede,  von 
jedem  Weltgeschmack  gereinigt,  als  turiya-hiriya,  „der  Vierte 
des  Vierten",  absolut  reines  Denken  ist. 


Des  Systems  der  Upanishad's  vierter  Teil: 

Eschatologie 

oder  die  Lehre  von  der  Seelenwanderung  und  Erlösung 
sowie  von  dem  Wege  zu  ihr  (praktische  Philosophie). 

XIV.  Die  Seelenwanderung. 

1.  Philosophische  Bedeutung  der  Seelenwanderungslehre. 

Praktische  Was  wird  aus  dem  Menschen  nach  dem  Tode  ?  —  Diese 

des  Seelen-  Frage  führt  uns  zu  dem,  wenn  nicht  bedeutendsten,  so  doch 
rungse-  jedenfalls  originellsten  und  einflufsreichsten  Dogma  der  in- 
g  aindien.in  dischen  Weltanschauung,  zur  Lehre  von  der  Seelenwanderung, 
welche  von  den  Zeiten  der  Upanishad's  bis  auf  die  Gegen- 
wart in  dem  Vorstellungskreise  der  Inder  eine  dominierende 
Stellung  eingenommen  hat  und  noch  jetzt  von  der  gröfsten 
praktischen  Wirkung  ist.*  —  Der  Mensch,  so  etwa  äufsert 
sich  Qankara  (zu  Brahmasütra  2,1,34  und  öfter),  ist  wie  eine 
Pflanze :  wie  diese  entsteht  er,  entwickelt  sich  und  geht  schliefs- 
lich  wieder  zugrunde.     Aber  nicht  vollständig;    sondern   wie 


*  In  Jaypur  besuchte  mich  (Dezember  1892)  mit  andern  ein  alter, 
kaum  bekleideter  Pandit,  welcher  tastend  seinen  Weg  zu  mir  fand;  man 
bedeutete  mich,  dafs  er  vollständig  blind  sei.  Nicht  wissend,  dafs  ihm  die 
Blindheit  angeboren  war,  fragte  ich  teilnehmend,  durch  welchen  Unglücks- 
fall er  sich  sein  Gebrechen  zugezogen  habe?  Sofort  und  ohne  dadurch 
irgendwie  in  seiner  guten  Laune  beeinträchtigt  zu  werden,  war  er  mit  der 
Antwort  bei  der  Hand:  kenacid  aparädhena  pürvasmin  janmani  kritena 
,, durch  irgendein  in  einer  früheren  Geburt  begangenes  Vergehen". 


1.  Philosophische  Bedeutung.  283 

von  der  Pflanze  der  Same  übrig  bleibt,  so  bleiben  auch  beim 
Tode  des  Menschen  seine  Werke  als  ein  Same  bestehen,  wel- 
cher, aufs  neue  in  das  Reich  des  Nichtwissens  ausgesät,  genau 
entsprechend  seiner  Beschaffenheit,  ein  neues  Dasein  hervor- 
bringt. Jeder  Lebenslauf  ist  einerseits  mit  allen  seinen  Taten 
und  Leiden  die  unausbleibliche  Folge  der  Werke  einer  früheren 
Geburt,  und  bedingt  anderseits,  durch  die  in  ihm  begangenen 
Werke,  ein  nächstfolgendes  Leben.  In  dieser  Überzeugung 
liegt  nicht  nur  ein  wirksamer  Trost  in  den  Leiden  des  Da- 
seins, welche  sämtlich  als  selbstverschuldete  erscheinen,  son- 
dern auch  ein  kräftiger  Sporn  zum  sittlichen  Wohlverhalten, 
und  zahlreich  sind  die  Beispiele  aus  der  epischen  und  drama- 
tischen Poesie  der  Inder,  in  denen  ein  Leidender  die  Frage 
aufwirft:  was  mag  ich  in  einer  früheren  Geburt  verbrochen 
haben  ?  und  sogleich  daran  die  Reflexion  knüpft :  ich  will  doch 
nicht  wieder  sündigen  und  so  schweres  Leid  über  mich  in 
einem  künftigen  Lebenslaufe  bringen. 

Diese  Vorstellung,  so  mythisch  sie  ist,  enthält  doch  einen  Kern  PhUo- 
Kern  philosophischer  Wahrheit,  nur  dafs  derselbe  schwer  zu  Wahrheit. 
entwickeln  ist.  Denn  eigentlich  ist  die  ganze  Frage:  was 
wird  aus  uns  nach  dem  Tode?  eine  unstatthafte,  und  könnte 
uns  jemand  darauf  die  volle  und  richtige  Antwort  geben,  so 
würden  wir  diese  Antwort  gar  nicht  verstehen.  Denn  sie 
würde  eine  Anschauung  der  Dinge  ohne  Raum,  Zeit  und 
Kausalität  voraussetzen,  an  welche  als  Anschauungsformen 
unser  Erkennen  für  immer  gebunden  ist.  Entschliefsen  wir 
uns  aber,  der  Wahrheit  Gewalt  anzutun  und  das  Raumlose 
räumlich,  das  Zeitlose  zeitlich,  das  Kausalitätlose  unter  dem 
Gesichtspunkte  der  Kausalität  aufzufassen,  so  lassen  sich  auf 
die  Frage:  was  wird  mit  uns  nach  dem  Tode?  (die  schon  falsch 
gestellt  ist,  weil  sie  die  Form  der  Zeitlichkeit  hereinzieht) 
drei  Antworten  geben,  indem  wir  nur  die  Wahl  haben  zwi- 
schen  1)  Vernichtung,   2)  ewiger  Vergeltung  in  Himmel  und  ^\  **?«- 

}  °'        '  ö  O  ö  henkelten 

Hölle   und   3)  Seelenwanderung.     Gegen   die   erste   Annahme   nacn  dem 

'    .  •      .  &  Tode. 

sträubt  sich,  nicht  nur  der  Egoismus,  sondern  eine  uns  ein- 
wohnende, tiefer  als  alle  Erkenntnis  wurzelnde  Gewifsheit 
unserer  metaphysischen,  keinem  Entstehen  und  Vergehen  unter- 
worfenen Wesenheit;  die  zweite  Annahme,  welche  für  ein  so 


284  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

kurzes,  irrsames  und  allen  Zufälligkeiten  der  Erziehung  und 
Lebenserfahrung  unterworfenes  Dasein  ewigen  Lohn  oder 
ewige  Strafe  in  Aussicht  stellt,  richtet  sich  schon  durch  das 
unerhörte  Mifs Verhältnis,  in  dem  hier  Ursache  und  Wirkung 
zu  einander  stehen,  und  so  bleibt,  für  die  empirische  (streng 
genommen  unstatthafte)  Erwägung  des  Problems  nur  die  dritte 
Annahme  übrig,  dafs  unser  Dasein  nach  dem  Tode  in  andern 
Formen,  andern  räumlichen  und  zeitlichen  Verhältnissen  seine 
Fortsetzung  findet,  also  in  gewissem  Sinne  eine  Seelenwande- 
rung, und  auch  der  bekannte  Beweis  Kants,  welcher  die  Un- 
sterblichkeit auf  die  nur  in  unendlichem  Annäherungsprozefs 
erreichbare  Verwirklichung  des  uns  eingeborenen  Sittengesetzes 
gründet,  würde  nicht  für  eine  Unsterblichkeit  im  herkömm- 
lichen Sinne,  sondern  für  die  Seelenwanderung  sprechen. 
Die  wahr-  Sonach    ist    die    Seelenwanderungslehre    zwar    nicht    die 

taeit  im  Oe-  .  • 

wände  des  strenge  philosophische  Wahrheit,  jedoch  ein  Mythus,  welcher 
eine  für  uns  unfafsbar  bleibende  Wahrheit  vertritt  und  daher 
ein  schätzbares  Surrogat  derselben  ist.  Könnten  wir  von  ihm 
das  intellektuelle  Schema  von  Raum,  Zeit  und  Kausalität  in 
Abzug  bringen,  so  würden  wir  die  volle  Wahrheit  haben:  wir 
würden  dann  einsehen,  dafs  die  unaufhörliche  Wiederkehr  der 
Seele  nicht  in  Zukunft  und  in  andern  Räumen,  sondern  schon 
hier  und  in  der  Gegenwart  sich  verwirklicht,  dafs  aber  dieses 
Hier  allgegenwärtig  und  diese  Gegenwart  eine  ewige  ist. 

Diese  Anschauungen  stimmen  im  wesentlichen  überein  mit 
denen  des  spätem  Vedänta,  welcher  den  Glauben  an  die  Seelen- 
wanderung festhält,  jedoch  nur  für  die  exoterische  Anschauung 
der  aparä  vidyä;  für  die  esoterische,  parä  vidyä,  kommt  mit 
der  Realität  der  Wrelt  auch  die  Realität  der  Seelenwanderung 
in  Wegfall. 

Wir  wollen  jetzt  versuchen,  die  Genesis  dieses  merk- 
würdigen Dogmas  an  der  Hand  der  vedischen  Texte  zu  ver- 
verhütung  folgen.  Vorher  aber  müssen  wir  noch  einem  Mifsverständnisse 
verstand-  vorbeugen.  Wenn  es  gelegentlich  von  den  Vätern  heifst,  dafs 
sie  „einherziehen,  das  Aussehen  von  Vögeln  annehmend",  oder 
wenn  die  Seele  der  sterbenden  buddhistischen  Mutter  in  ein 
Schakalweibchen  eingeht,  um  ihren  reisenden  Sohn  vor  dem 
unheilvollen  Walde  zu  warnen,   wenn   die   Toten   in   ein  die 


1.  Philosophische  Bedeutung.  285 

Grabesstätte  der  Gebeine  umschwirrendes  Insekt  fahren,  wenn 
die  Väter  zu  den  Wurzeln  der  Pflanzen  hinschlüpfen  (Olden- 
berg,  Religion  des  Veda,  S.  563.  581.  582),  so  sind  dies  popu- 
läre Vorstellungen,  welche  mit  dem  Hineinfahren  des  Vetäla 
in  den  Leichnam  oder  dem  Beseelen  mehrerer  Leiber  durch 
den  Yogin  auf  einer  Linie  stehen,  mit  dem  Seelenwanderungs- 
glauben aber  nichts  zu  tun  haben,  —  so  wenig  wie  die  alt- 
ägyptische Vorstellung,  dafs  der  Tote  wiederkommen  kann, 
Gestalten  anzunehmen,  welche  er  will  (welche  von  Herodot 
2,123  mifsverständlich  auf  Seelen  Wanderung  gedeutet  worden 
zu  sein  scheint),  oder  die  sieben  Weiber  in  dem  Goetheschen 
Gedichte,  welche  des  Nachts  als  sieben  Werwölfe  erscheinen. 
Abergläubische  Vorstellungen  wie  diese  haben  bei  allen  Völ- 
kern und  zu  allen  Zeiten  bestanden,  sind  aber  kein  Seelen- 
wanderungsglaube und  haben  auch  diesen,  wenigstens  in  In- 
dien, nicht  hervorgebracht,  ja  auch  schwerlich  irgendwelchen 
Einflufs  darauf  geübt,  indem,  wie  wir  zeigen  werden,  die. 
Theorie  der  Seelenwanderung  beruht  auf  der  Überzeugung 
von  der  Vergeltung  der  guten  und  bösen  Werke,  welche  man 
zuerst  im  Jenseits  eintreten  liefs,  dann  aber,  aus  Gründen,  die 
uns  die  Texte  aufschliefsen  werden,  aus  jenem  imaginären 
Jenseits  ins  Diesseits  verlegte.  Wenn  dabei  diese  Vergeltung 
mitunter  sogar  zu  einem  tierischen  oder  pflanzlichen  Dasein 
führt,  so  ist  dies  nur  eine  nebenbei  sich  ergebende  Konsequenz, 
auf  welcher  durchaus  nicht  der  Nachdruck  liegt,  so  sehr  auch 
gerade  dieser  Umstand  den  Gegnern  der  Seelenwanderungs- 
lehre von  jeher  als  besonders  charakteristisch  erschienen  ist 
und  seit  den  Zeiten  des  Xenophanes  (Diog.  L.  8,36)  ihren 
Spott  hervorgerufen  hat. 

2-  Altvedische  Eschatologie. 

In  keinem  vedischen  Texte  vor   den  Upanishad's  ist  die     Keine 
Seelenwanderungslehre   nachzuweisen,    wiewohl    sie  von   den  Wanderung 
Upanishad's  selbst  schon  in  den  Rigveda  zurückverlegt  wird,     upanl- 
Aber  gerade  die  geflissentliche  Art,  mit  der  dies   geschieht,     sbad'8' 
spricht  dafür,  dafs  wir  es  mit  einem  neu  aufkommenden  Dogma 
zu   tun    haben,    für  welches    eine   Bestätigung  in    altheiligen 


286  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

Texten   gesucht   wurde.     Drei   Stellen   kommen    hier   in   Be- 
tracht. 
vermeint-  Brih.  1,4,10  wird  von   Vämadeva,   dem  Dichter  von  Rig- 

kommenlm  veda  IV,  gesagt,  dafs  er  (vermöge  einer  gästra-drishfi,  einer 
.lgveda.  mspinerten  Anschauung,  wie  Bädaräyana  1,1,30  bei  Erwähnung 
dieses  Falles  sagt)  sich  als  Brahman  erkannt  habe,  und  als 
Beweis  für  sein  Brahmanwissen  wird  das  Durchschauen  seiner 
früheren  Geburten  als  Manu  und  Sürya  angeführt:  „Dieses 
erkennend  hub  Vämadeva,  der  Rishi,  an  (Rigv.  4,26,1): 

Ich  war  einst  Manu,  ich  war  einst  die  Sonne". 

Deutlicher  noch  wird  Ait.  2,4  die  Autorität  des  Vämadeva 
angerufen,  um  zu  beweisen,  dafs  auf  die  erste  Geburt  (als 
Kind)  und  die  zweite  Geburt  (duroh  die  geistliche  Erziehung) 
eine  dritte  Geburt  nach  dem  Tode  erfolge:  „Nachdem  er  voll- 
bracht, was  zu  tun,  und  alt  geworden,  scheidet  er  dahin; 
dieser  wird,  von  hier  abscheidend,  abermals  geboren;  das  ist 
seine  dritte  Geburt.     Darum  sagt  der  Rishi  (Rigv.  4,27,1): 

Im  Mutterleibe  noch  verweilend,  hab'  ich 
Erkannt  alle  Geburten  dieser  Götter; 
Mich  hielten  hundert  eiserne  Burgfesten, 
Doch,  als  ein  Falke,  schnellen  Flugs,  entfloh  ich. 

Also  hat,  da  er  noch  in  dieser  Weise  im  Mutterleibe  lag, 
Vämadeva  gesprochen."  Das  Zitat  aus  dem  Vämadevahymnus 
hat  an  dieser  Stelle  nur  dann  einen  Sinn,-  wenn  man  unter 
dem  Falken  die  Seele  und  unter  den  eisernen  Burgfesten  die 
von  ihr  durchwanderten  Leiber  (vgl.  Brih.  2,5,18)  versteht. 

Dafs  beide  Vämadevazitate  mit  der  Seelenwanderungslehre 
nichts  zu  tun  haben,  bedarf  keiner  Ausführung.  In  dem 
ersten  rühmt  Indra  seine  Zaubermacht,  die  ihm  erlaubt,  allerlei 
Gestalten  anzunehmen  (vgl.  Rigv.  6,47,18:  Indro  mäyabhih 
pnrtirfijia'  tyate);  in  dem  zweiten  schildert  entweder  der  schon 
im  Mutterleibe  weise  Falke  des  Indra,  wie  er  seine  befestigten 
Wohnsitze  verläfst,  um  den  Soma  vom  Himmel  zu  holen,  — 
oder  es  ist  der  weise  Soma  selbst,  welcher  erzählt,  wie  er, 
aus  seinen  eisernen  Burgfesten  vom  Falken  entführt,  „als 
Falke"  (d.  h.  von  diesem  getragen)  auf  die  Erde  herabkommt. 


2.  Altvedische  Eschatologie.  287 

Mehr  scheint  es  auf  den  ersten  Blick  mit  einem  dritten 
Zitate  auf  sich  zu  haben.  In  dem  grofsen  Seelenwanderungs- 
texte heifst  es  hei  Erwähnung  des  Götterweges  Brih.  6,2,2: 
„Und  hast  du  wohl  auch  das  Wort  des  Weisen  nicht  ver- 
nommen, der  da  spricht: 

Zwei  Wege,  hört'  ich,  gibt  es  für  die  Menschen: 
Den  Weg  der  Väter  und  den  Weg  der  Götter. 
Auf  diesen  findet  alles  sich  zusammen, 
Was  zwischen  Vater  sich  und  Mutter  reget." 

Diese  Übersetzung  ist  richtig  im  Sinne  der  Upanishad,  nicht 
aber  im  Sinne  des  Originals,  welches  sich  (von  keinem  der 
bisherigen  Übersetzer  vermerkt)  Rigv.  10,88,15  findet  in  einem 
Hymnus,  der  den  Agni  in  seiner  doppelten  Rolle  als  Sonne 
bei  Tage  und  als  Feuer  bei  Nacht  feiert.  Nach  diesem  Zu- 
sammenhange kann  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dafs  unter  den 
beiden  Wegen,  welche  alles  vereinigen,  was  zwischen  Erde 
und  Himmel  sich  regt,  Tag  und  Nacht  zu  verstehen  und  dem- 
entsprechend zu  übersetzen  ist:  „Von  den  Vorfahren  hörte 
ich,  dafs  es  zwei  Wege  gibt  für  die  Götter  sowohl  wie  die 
Menschen".  Sie  alle  sind  den  Gesetzen  des  Tages  und  der 
Nacht  unterworfen. 

Die  Hymnen  des  Rigveda  wissen   somit  noch  nichts  von    Eschato- 
einer   Seelenwanderung,    sondern    lehren    für    die    Guten    ein    Hymnen 
Fortleben  unter  Führung  des  Yama  bei  den  Göttern  ■,  für  die    mana-s. 
Bösen  ein  nur  dunkel  angedeutetes  Fahren  in  die  Tiefe.    Dies 
ist  auch  der  Standpunkt  der  Atharvahymnen  und  Brähmana's: 
nur  dafs  sich  die  Vorstellung  einer  Vergeltung  der  Werke  im 
einzelnen  entwickelt.    Aber  diese  Vergeltung  liegt  immer  nur 
im  Jenseits,  und  erst  in  den  Upanishad's  wird  sie  ins  Dies- 
seits verlegt.     Ein   kurzer  Blick  auf  die  altvedische  Eschato- 
logie wird  dies  bestätigen. 

Das  unsterbliche  Fortleben  bei  den  Göttern   erscheint  in   Fortleben 

.  .  ....  nach  dem 

vielen,  namentlich  den  älteren,  Hymnen  des  Rigveda  als  eine       Tode, 
besondere  Gnadengabe  der  Götter,  um  deren  Verleihung  Agni 
(1,31,7),   die   Marut's   (5,ö5,4),   Mitra-Varuna   (5,63,2),    Soma 
(1,91,1)    und    andere   Götter    angefleht    werden,    und    welche 
namentlich  dem  freigebigen  Spender  in  Aussicht  gestellt  wird 


288  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

(yah  prinäti,  sa  ha  deveshu  gacchati  usw.  1,125,5 — 6).  Später- 
Yama.  hin  ist  es  Yama,  der  erste  Mensch,  welcher  für  viele  Nach- 
geborene den  Weg  zu  jenen  lichten  Höhen  gefunden  hat  und 
dort  als  Zusammenscharer  der  Menschen  (sanigamano  jandnäm) 
thront  (10,14,1  fg.).  Um  zu  ihm  zu  gelangen,  mufs  die  Seele 
des  Toten  glücklich  vorüberkommen  <an  den  beiden  bunt- 
scheckigen, vieräugigen,  breitnasigen  Hunden  des  Yama 
(10,14,10),  welche,  wie  es  scheint,  den  Eingang  zur  Himmels- 
welt bewachen  und  nicht  jedem  gestatten,  worin  wohl  die  erste 
Spur  eines  Totengerichtes  zu  finden  ist,  wie  es  in  der  spät- 
indischen Eschatologie  von  Yama  geübt  wird.  Nach  anderer 
Anschauung  (10,14,12)  haben  diese  Hunde  die  Aufgabe,  unter 
den  Menschen  umherzuwandern  und  die  ,zum  Sterben  Be- 
stimmten abzuholen.  Nach  10,165,4  ist  die  Taube  (Jcapota) 
der  Todesbote  des  Yama;  auch  von  der  FufssGhlinge  oder  dem 
Fangnetze  (padbtgam)  des  Yama  ist  10,97,16  die  Rede,  so  dafs 
er  schon  für  die  Sänger  des  Rigveda  auch  die  Schrecken  des 
Todes  repräsentiert.  Aber  überwiegend  ist  in  dieser  altern 
Zeit  die  Auffassung  des  Yama  als  des  Fürsten  im  Reiche  der 
Seligen,  wie  er  in  der  Ferne  (1,36,18),  mitten  im  Himmel 
(10,15,14),  im  Schofse  der  Morgenröte  (10,15,7),  im  höchsten 
Himmel  (Väj.  Samh.  18,51.  Atharvav.  18,2,48),  in  ewigem  Lichte 
(9,113,7)  thront.  Dort  sitzt  er,  mit  den  Göttern  zechend, 
Seligkeit  unter  einem  schönbelaubten  Baume  (10,135,1),  dort  scharen 
men.  sich  um  ihn  die  Abgeschiedenen,  um  den  Yama,  den  Varuna 
zu  schauen  (10,14,7);  sie  lassen  das  Unvollkommene  hinter 
sich  und  kehren  zu  ihrer  wahren  Heimat  zurück  (hitväya 
avaäyam  punar  astam  ehi,  10,14,8),  zu  der  Weideflur,  die  ihnen 
niemand  mehr  rauben  wird  (10,14,2),  wo  nicht  mehr  der 
Schwache  dem  Starken  tributpflichtig  ist  (Atharvav.  3,29,3), 
wo  sie  unsterblich  fortlebend  in  Gemeinschaft  mit  Yama,  mit 
den  Göttern  „am  Festmahl  sich  erfreuen"  (sadhamädam  ma- 
danti,  Rigv.  10,14,10.  Atharvav.  18,4,10  usw.).  Man  hat  sich 
mehrfach  beflissen,  den  sinnlichen  Charakter  hervorzuheben, 
den  die  altvedischen  Schilderungen  des  Fortlebens  im  Jenseits 
tragen.  Hierzu  ist  zu  bemerken,  dafs  ein  Vorstellen  der  himm- 
lischen Freuden  nach  Analogie  der  irdischen  dem  Menschen 
natürlich   und   (soweit   man    nicht    bei   der    blofsen   Negation 


2.   Altvedische  Eschatologie.  289 

stehen  bleiben  will)  unvermeidlich  ist,  dafs  auch  Jesus  sich 
das  Himmelreich  als  eine  festliche  Versammlung  vorstellt,  bei 
der  zu  Tisch  gegangen  (Matth.  8,11)  und  Wein  getrunken  wird 
( Matth.  26,29),  dafs  auch  ein  Dante  undMilton  nicht  umhin  konn- 
ten, dieser  irdischen  Welt  alle  Farben  zu  ihren  Gemälden  zu  ent- 
lehnen. Übrigens  zeigen  sich  in  den  altvedischen  Schilderungen 
des  Jenseits,  je  nach  der  Individualität  des  Dichters,  grofse 
Verschiedenheiten,  von  der  im  Gemeinsinnlichen  schwelgenden 
Phantasie  des  Dichters  von  Atharvav.  4,34  an  (der  seine  Ge- 
sinnungsweise schon  genugsam  bekundet  durch  die  Art,  wie 
er  seinen  Reisbrei  und  dessen  Schenkung  an  die  Brahmanen 
preist,  —  fast  möchte  man  das  Ganze  für  eine  Parodie  halten, 
doch  vgl.  oben  I,  i,  S.  209),  bis  hinauf  zu  der  mehr  geistigen 
Anschauungsweise  der  schönen  Verse,  Rigv.  9,113,7 — 11,  die 
wir  (mit  Auslassung  des  Refrains)  hier  übersetzen. 

7.  Das  Reich,  wo  unerschöpflich  Licht, 
Aus  dem  entspringt  der  Sonne  Glanz, 
In  dieses  Reich  versetze  mich, 

Das  ewige,  unsterbliche. 

8.  Dort,  wo   als  König  Yama  thront, 
Im  Heiligsten  der  Himmelswelt, 
Wo  Wasser  stets  lebendig  strömt, 
Dort  lasse  mich  unsterblich  sein. 

9.  Wo  Wandeln  ist  nach  Lust,  wo  sich 
Der  dritte,  höchste  Himmel  wölbt, 
Wo  lichterfüllte  Räume  sind, 

Dort  lasse  mich  unsterblich  sein. 

1 0.  Wo   Wünschung  und  Auswünschung,  wo 
Der  Sonne  andre  Seite  scheint, 

Wo  Labung  ist  und  Sättigung, 
Dort  lasse  mich  unsterblich  sein. 

11.  Wo  Wonne  ist  und  Seligkeit, 
Wo  Freude   über  Freude  wohnt, 

Wo   sich  der  Sehnsucht  Sehnen   stillt, 
Dort  lasse  mich  unsterblich  sein. 

Dort  wohnen  auch  die  ,, Väter"  zusammen  mit  den  Göttern;  steiiungder 
wie  diese,  werden  sie  angerufen,   herbeizukommen   und   das 

Dbtjssen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  n.  19 


290  XIV.   Die  Seeleiiwaiiderung. 

Opfer  zu  geniefsen;  wie  den  Göttern,  werden  auch  den  Vätern 
die  Wunderwerke  der  Schöpfung  (8,48,13),  das  Schmücken 
des  Himmels  mit  Sternen  (10,68,11),  das  Heraufführen  der 
Sonne  (10,107,1)  usw.  zugeschrieben.  So  stehen  sie  im  all- 
gemeinen auf  gleicher  Stufe  mit  den  Göttern,  und  wenn  auch 
gelegentlich  eine  Andeutung  von  verschiedenen  Aufenthalts- 
orten der  Väter  schon  im  Rigveda  (10,15,1 — 2)  sich  findet, 
so  ist  ihm  doch  eine  Unterscheidung  von  verschiedenen  Graden 
der  Seligkeit,  wie  sie  ein  späterer  Text  für  die  Väter,  die 
geborenen  Götter  und  die  Werkgötter  annimmt  (Brih.  4,3,33. 
Taitt.  2,8),  noch  fremd. 
Die  Bösen.  Über   das  Schicksal  der  Bösen   enthält  der  Rigveda   nur 

dunkle  Andeutungen.  Sie  sind  „prädestiniert  für  jenen  tiefen 
Ort"  {idam  padam  ajanata  gabMram,  4,5,5),  werden  von  Indra 
und  Soma  in  die  Höhle  (vavra),  in  bodenlose  Finsternis 
(unärambhartcun  tamas)  gestofsen  (7,104,3),  in  die  Grube  (harta, 
9,73,8),  in  die  äufserste  Finsternis  (10,152,4);  vielleicht  ist 
auch  „die  blinde  Finsternis"  (andham  tamas),  der  schon  nach 
Rigv.  10,89,15.  10,103,12  die  Feinde  verfallen  sollen,  hierher- 
zuziehen, ein  Ausdruck,  der  von  den  Upanishad's  öfter  ge- 
braucht wird  (Brih.  4,4,10  —  11.  ica  3.  9.  12,  vgl.  Käth.  1,3), 
nur  dafs  sie  unter  den  „freudlosen,  mit  blinder  Finsternis  be- 
deckten Welten",  in  die  der  Nichtwissende  nach  dem  Tode 
fährt,  nicht  mehr  eine  imaginäre  Hölle,  sondern  diese  Welt 
verstehen,  in  der  wir  leben. 
Fortent-  Die   eschatologischen   Anschauungen   des  Rigveda   treten 

dTe^'An-  uns,  weiter  entwickelt,  in  den  Atharvahymnen  und  Brähmanas 
8cha««ngen.  entgegen>     über  das  Schicksal   der  Guten  und  Bösen   finden 
sich  einige  nähere  Angaben.     Schon  an  die   spätem  Höllen- 
schilderungen erinnern  Verse  wie  Atharvav.  5,19,3.   13: 

Die  den  Brahmanen   anspieen, 
Auf  ihn  warfen  den  Nasenschleim, 
Die  sitzen  da  in  Blutlachen, 
Als  Nahrung  kauend   eignes  Haar. 

Die  Tränen,   die   herabrollten, 
Des  Jammernden,  Gequälten,   die 
Haben  Götter  als  Trinkwasser, 
Brahmanenquäler,  dir  bestimmt. 


2.  Altvedisihe  Eschatologie.  291 

Eingehender  schildern  die  Brähmana's  „die  Welt  der 
Werkfrommen''  {suteritäm  loJat,  ein  Ausdruck,  der  im  Rigveda 
nur  einmal,  10,16,4,  vorkommt,  dann  aber,  bezeichnenderweise, 
immer  häufiger  wird,  Väj.  Samh.  18,52.  Atharvav.  3,28,6. 
9,5,1.  11,1,17.  18,3,71  usw.).  Sie  erstehen  im  Jenseits  nach 
ihrem  ganzen  Leibe  mit  allen  Gliedern  und  Gelenken  (sarva- 
tanu,  sarvdnga,  sarvapams,  Atharvav.  11,3,32.  Qatap.  Br.  4,6,1,1. 
11,1,8,6.  12,8,3,31);  aber  dieser  Leib  ist  ein  verklärter,  und  je 
nach  dem  Grade  ihrer  Opferleistungen  brauchen  viele  Fromme 
im  Jenseits  nur  einmal  in  vierzehn  Tagen,  vier  Monaten,  sechs 
Monaten,  zwölf  Monaten,  hundert  Jahren  Nahrung  zu  sich  zu 
nehmen,  oder  sie  können  dieselbe  auch  ganz  entbehren  (Qatap. 
Br,  10,1,5,4).  So  leben  sie  in  ewiger  Gemeinschaft,  Welt- 
gemeinschaft, Wesensgemeinschaft  (säyujyam ,  salökatä,  sarü- 
patä)  mit  den  Göttern,  mit  Äditya  (Ait.  Br.  3,44.  Taitt.  Br. 
3,10,9,11),  mit  Agni,  Varuna,  Indra  (Qatap.  Br.  2,6,4,8),  oder 
auch  schon  mit  dem  unpersönlichen  Brähman  (Qatap.  Br.  11,4,4,2). 
Ja,  Qatap.  Br.  10,5,4,13  heifst  es  von  dem  Wissenden  schon: 
,, Selbiger  ist  frei  von  Verlangen,  im  Besitze  alles  Verlangten, 
nicht  [lockt]  ihn  das  Verlangen  nach  irgend  etwas.  Darüber 
ist  dieser  Vers: 

Durch   Wissen   steigen  sie  aufwärts 
Dorthin,  wo   das   Verlangen  schweigt; 
Nicht  Öpfergabe  reicht   dorthin, 
Nicht  Bufse   des  Nichtwissenden. 

Denn  nicht  kann  jene  Welt  durch  Opfergaben,  nicht  durch 
Askese  erlangen,  wer  solches  nicht  weifs.  Denn  nur  dem 
solches  Wissenden  gehört  jene  Stätte."  —  Hier  tritt  schon  an 
Stelle  des  Werkes  und  der  Askese  das  Wissen  und,  ent- 
sprechend, an  Stelle  der  himmlischen  Herrlichkeit  die  Er- 
lösung; diese  setzt  somit  die  Seelenwanderung  nicht  voraus 
(wie  Weber,  Zeitschr.  d.  D.  M.  G.  IX,  239,  annimmt),  denn 
von  Seelenwanderung  ist  vor  den  Upanishad's  noch  keine 
Rede.  Wohl  aber  liegen  die  Voraussetzungen  derselben  schon 
in  den  Brähmana's,  wie  wir  jetzt  nachweisen  wollen. 


19' 


292  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

3.  Die  Keime  der  Seelemvanderunjyslehre. 
Die  idee  Es  ist   der  Hauptzweck  der  Brähmana's,   rituelle  Werke 

der  Vergel- 
tung,     vorzuschreiben  und  für  deren  Vollbringung  mannigfachen  Lohn, 

mitunter  auch  für  die  Unterlassung  Schaden  und  Strafe  in 
Aussicht  zu  stellen.  Indem  sie  diese  Belohnungen  wie  auch 
Strafen  teilweise  ins  Jenseits  verlegen,  tritt  an  Stelle  der  alt- 
vedischen  Vorstellungen  von  einer  unterschiedslosen  Seligkeit 
der  Frommen  die  Idee  der  Vergeltung  und  damit  die 
Notwendigkeit,  den  Abgeschiedenen,  je  nach  ihrem  Wissen 
und  ihren  Werken,  verschiedene  Lose  im  Jenseits  in  Aussicht 
zu  stellen.  Wie  aber  die  älteste  Form  der  Strafe  bei  allen 
Naturvölkern  die  Bache  ist,  so  besteht  auch  diese  Vergeltung- 
ursprünglich  darin,  dafs  alles  Gute  und  Böse,  welches  wir 
hier  jemand  angetan  haben,  von  ebendemselben  im  Jenseits 
'  uns  wiederum  angetan  wird.  Einen  drastischen  Ausdruck 
findet  diese  Theorie  in  dem  Ausspruche  Qatap.  Br.  12,9,1,1: 
,,Denn  welche  Speise  der  Mensch  in  dieser  Welt  isset,  die- 
selbige  isset  ihn  ciafür  wieder  (joraty-atti)  in  jener  Welt". 
Einen  Beleg  dazu  bietet  die  Erzählung  Qatap.  Br.  11,6,1  von 
der  Vision  der  Strafen  im  Jenseits,  welche  dem  Bhrigu  zu- 
teil wurde,  und  wir  dürfen  Weber,  welcher  (Zeitschr.  d.  D. 
M.  G.  IX,  237  fg.)  diese  Fragen  zuerst  besprochen  hat,  wohl 
vollständig  beistimmen,  wenn  er  die  liturgische  Ausdeutung 
dieser  Vision  für  eine  sekundäre  Zutat  des  Brähmanaverfassers 
erklärt  (vgl.  unsere  analoge  Vermutung  bei  einem  andern 
Falle,  oben  I,  i,  S.  177).  Nach  Abzug  derselben  bleibt  als 
Kern  übrig,  dafs  Bhrigu  in  den  verschiedenen  Regionen 
schreiende  Männer  sieht,  von  welchen  andere  schreiende  Män- 
ner Glied  für  Glied  zerhauen,  zerschnitten  und  verzehrt  werden 
unter  den  Worten:  ,,so  haben  diese  uns  in  jener  Welt  getan, 
und  so  tun  wir  ihnen  in  dieser  Welt  wieder".  Der  Schlafs 
der  Vision  von  dem  schwarzen  Mann  mit  gelben  Augen  und 
dem  Richterstab  in  der  Hand,  zu  dessen  Seiten  die  schöne 
und  die  häfsliche  Frau  (die  guten  und  bösen  Werke)  stehen, 
läfst  über  deren  ursprünglichen  Sinn  wohl  keinen  Zweifel. 

Verschie-  x  °  ...,-, 

dene  Aus  der  primitiven  Vergeltungslehre,  wie  sie  dieses  durch 

Schicksale 

im  Jenseits.  Zufall    in    einem    spätem    Brähmanatexte   aufbewahrte   Stück 


3.   Die  Keime  der  Seelemvanderungslehre.  293 

zeigt,  mag  sich  dann  allmählich  der  Begriff  einer  ausgleichen- 
den Gerechtigkeit  entwickelt  haben,  wie  er  hervortritt  Qatap. 
Br.  11,2,7,33:  „Denn  auf  eine  Wage  legen  sie  es  [das  Gute 
und  Böse]  in  jener  Welt.  Und  welches  von  beiden  über- 
wiegen wird,  dem  wird  er  nachfolgen,  sei  es  dem  Guten  oder 
dem  Bösen."  Nicht  alle  finden,  nach  etwas  andrer  Anschauung, 
den  Weg  zur  Himmelswelt,  Taitt.  Br.  3,10,11,1:  „manch  einer 
vermag,  wenn  er  aus  dieser  Welt  dahinscheidet,  seine  Stätte 
nicht  aufzufinden,  sondern,  vom  Feuer  [bei  der  Leichenver- 
brennung] verwirrt  und  vom  Rauche  beklommen,  findet  ei- 
serne Stätte  nicht  auf".  Andre  werden  für  ihre  Missetaten 
auf  kürzere  oder  längere  Zeit  von  der  Väter  weit  ferngehalten, 
Taitt.  Sainh.  2,6,10,2:  „wer  einen  [Brahmanen]  bedroht,  der 
soll  es  büfsen  mit  hundert  [Jahren] ;  wer  sich  an  ihm  vergreift, 
mit  tausend;  wer  aber  sein  Blut  vergiefst,  der  soll,  so  viele 
Staubkörnchen  dasselbe  hervorströmend  benetzt,  so  viele  Jahre 
die  Väterwelt  nicht  finden ;  darum  soll  man  einen  Brahmanen 
nicht  bedrohen,  nicht  angreifen,  nicht  sein  Blut  vergiefsen, 
denn  um  eine  so  grofse  Versündigung  handelt  es  sich  dabei". 
Hier  scheint  die  „Väterwelt"  noch,  wie  im  Bigveda,  als  höch- 
stes Ziel  vorzuschweben;  mit  der  Zeit  aber  trat  ein  Unter- 
schied hervor  zwischen  dem  Götterwege  und  dem  Väterwege  Götterweg 

°  .  undVäter- 

(Atharvav.  15,12  usw.),  und  entsprechend  zwischen  der  weg. 
Götterwelt  als  dem  Aufenthalte  der  Seligen  und  der  Väter- 
weit  als  der  Stätte  der  Vergeltung.  Ähnlich  schon  wie  in 
der  spätem  Seelenwanderungslehre  heifst  es,  dafs  die  Pforte 
zur  Himmelswelt  im  Nordosten  (Qatap.  Br.  6,6,2,4),  und  die 
Pforte  zur  Väterwelt  im  Südwesten  sich  befindet  (Qatap.  Br. 
13,8,1,5),  eine  Bestimmung,  die  umsomehr  ins  Gewicht  fällt, 
weil  sie  sich  an  zwei  verschiedenen  Stellen  findet,  somit  nicht 
einer  gelegentlichen  Systematisierung  zuzuschreiben  ist.  Jeder 
Mensch  wird  in  der  von  ihm  erwirkten  Welt  geboren  (Qatap. 
Br.  6,2,2,27),  wir  hören  von  einer  „Unsterblichkeit",  die  nur 
hundert  Jahre  dauert  (Qatap.  Br.  10,1,5,4),  und  dafs,  wer  den 
Göttern  opfert,  „nicht  eine  so  grofse  Welt  erwirbt,  wie  der, 
welcher  dem  Ätman  opfert"  (Qatap.  Br.  11,2,6,14).  In  einem 
andern  Texte  wird  gesagt,  dafs  „Tag  und  Nacht  (die  Zeit)  in 
jener  Welt  bei  dem  solches  nicht  Wissenden  den  Schatz  [der 


2(J4  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

guten  Werke]  aufzehren"  (Taitt.  Br.  3,10,11,2),  und  Naciketas 
erbittet  als  zweiten  Wunsch  die  Nichtversiegung  (dkshiti)  der 
guten  Werke  (Taitt.  Br.  3,11,8,5,  oben  I,  i,  S.  176).  Beson- 
ders häufig  begegnen  wir  der  Befürchtung,  dafs,  im  Gegen- 
satze zu  der  erhofften  Unsterblichkeit  {awritatoam,  dem  „nicht- 
mehr-sterben-Können"),  dem  Menschen  in  der  jenseitigen  Welt 

Der wiedör- ein  abermaliges  Sterben  (jounarmrityn,  der  Wiedertod)  bevor- 
seits.  stehen  könne,  gegen  welches  dann  allerlei  Mittel  an  die  Hand 
gegeben  werden.  Taitt.  Br.  3,11,8,6  (oben  I,  i,  S.  176):  wer 
das  Naciketasfeuer  schichtet  oder  weifs,  der  wehrt  den  Wieder- 
tod ab;  —  Kaush.  Br.  25,1:  wer  den  Aquinoktialtag  feiert, 
der  überwindet  den  Hunger  und  den  Wiedertod;  —  Catap. 
Br.  2,3,3,9:  vom  Wiedertode  wird  erlöst,  wer  also  diese  Er- 
lösung vom  Tode  am  Agnihotram  weifs;  —  10,1,4,14:  der 
Yajamäna,  welcher  das  Feuer  schichtet,  wird  zur  Gottheit  des 
Feuers  und  überwindet  dadurch  den  Wiedertod;  —  10,2,6,19: 
wer  weifs,  wie  der  Hunger  vor  der  Nahrung  flieht,  der  Durst 
vor  dem  Tranke,  das  Unglück  vor  dem  Glück,  die  Finsternis 
vor  dem  Lichte,  der  Tod  vor  der  Unsterblichkeit,  vor  dem 
fliehen  diese  alle,  und  er  wehrt  den  Wiedertod  ab;  —  ebenso, 
wer  in  bestimmter  AVeise  das  Feuer  schichtet  (10,5,1,4),  ein 
bestimmtes  Opfer  bringt  (11,4,3,20),  i.i  bestimmter  Weise  den 
Veda  studiert  (11,5,6,9).  So  wird  „die  Abwehr  des  Wieder- 
todesu  schliefslich  zur  stereotypen  Formel  (10,6,1,4  fg.),  die 
gelegentlich  auch  da  verwendet  wird,  wo  sie  keinen  Sinn  zu 
geben  scheint  (12,9,3,11).  Auch  in  altern  Upanishadtexten 
begegnen  wir  ihr:  den  Wiedertod  wehrt  ab,  wer  weifs,  dafs 
der  Tod  sein  Selbst  ist  (Biih.  1,2,7),  dafs  die  Opfer  dem 
Ätman  gelten  (Brih.  1,5,2),  dafs  es  ein  Wasser  gibt,  das 
Feuer  des  Todes  zu  löschen  (Brih.  3,2,10),  dafs  der  Wind  die 
Besonderheit  und  Allgemeinheit  ist  (Brih.  3,3,2).  —  Dafs  dieser 

Der  wieder-  Wiedertod  von  einem  abermaligen  Sterben  im  Jenseits  zu  ver- 
rucht     stehen  ist,  lehren  besonders  zwei  Stellen;  Catap.  Br.  12,9,3,12: 

Wanderung,  „damit  bringt  er  seine  Väter,  welche  sterblich  sind,  zur  Un- 
sterblichkeitsstätte, sie,  die  sterblich  sind,  läfst  er  von  der 
Unsterblichkeitsstätte  aus  wiedererstehen;  wahrlich,  der  wehrt 
von  seinen  Vätern  den  Wiedertod  ab,  der  solches  weifs";  — 
£atap.  Br.  10,4,3J0:  „die  nun  solches  wissen  oder  dieses  Werk 


3.   Die  Keime  der  Seeleirwanderungslehre.  295 

tun,  die  entstehen  nach  dem  Tode  wieder,  und  indem,  sie 
wieder  entstehen,  so  entstehen  sie  zur  Unsterblichkeit;  die 
aber  solches  nicht  wissen  oder  dieses  Werk  nicht  tun,  die 
entstehen  nach  dem  Tode  wieder  und  werden  immer  wieder 
und  wieder  seine  Speise".  Aus  dem  Parallelismus,  den  diese 
Stelle  zwischen  Unsterblichkeit  und  Wiedertod  aufstellt,  er- 
gibt sich,  dafs  auch  der  letztere  nicht  als  Seelenwanderung, 
sondern  nur  von  einem  Wiedererstehen  und  Wiedersterben 
im  Jenseits  verstanden  werden  darf.  Man  brauchte  aber  nur 
jenen  Wiedertod  aus  dem  imaginären  Jenseits  ins  Diesseits 
zu  verlegen,  um  bei  der  Seelenwanderungslehre  anzulangen. 
Dies  geschieht  erst  auf  dem  Boden  der  Upanishad's,  und  die 
Gründe,  welche  zu  diesem  letzten  Schritt  veranlafsten,  werden 
sich  uns  nicht  verbergen.  Hier  sei  nur  noch  bemerkt,  dafs 
nicht  alle  Upanishadtexte  die  Seelenwanderung  kennen  oder 
anerkennen,  und  wenn  es  Brih.  1,5,16  heifst:  „die  Menschen- 
welt ist  zu  erwerben  nur  durch  einen  Sohn,  nicht  durch 
sonst  ein  Werk;  durch  das  Werk  wird  die  Väterwelt,  durch 
das  Wissen  die  Götterwelt  erworben",  so  weifs  auch  noch 
dieser  Text  nichts  von  Seelenwanderung,  wenn  er  nicht  gar 
als  ein  Protest  gegen  dieses  neu  aufkommende  Dogma 
aufzufassen  ist.  —  Ebenso  können  noch  Stellen  wie  Brih. 
1,4,15  (das  gute  Werk  wird  am  Ende  zunichte)  und 
sogar  o,8,10  (Opfer  und  Askese  bringt  nur  endlichen 
Lohn)  von  einer  Aufzehrung  des  Werkschatzes  im  Jenseits 
verstanden  werden. 


4.  Die  Genesis  der  Seeleimanderungslehre. 

Der  Haupttext  der  Seelenwanderungslehre,   von   dem   so  v^  Haupt- 

t    i  n       Vi    i  •         •  text,Cliänd. 

ziemlich  alles  r  olgende  abhängig  ist,  findet  sich  m  zweifacher,  5,3-10 
meist  wörtlich  übereinstimmender  Rezension  Chänd.  5,3 — 10 
und  Brih.  6,2  (£atap.  Br.  14,9,1).  Die  Inder  nennen  ihn  die 
Fünffeuerlehre  (pancägnividyä).  Er  ist,  wie  bereits  Upanishad's 
S.  137  fg.  gezeigt  wurde,  zusammengeschweifst  aus  zwei  ver- 
schiedenen Teilen,  der  Fun  ff  euer  lehre  (im  engern  Sinne) 
Chänd.  5,4,1—5,9,2  =  Brih.  6,2,9—6,2,14,  und  der  Zweiweg- 
lehre Chänd.  5,10  ==  Brih.  6,2,15 — 16.    Indem  wir  diese  beiden 


296  XIV.    Die  Seelenwanderung. 

Namen  für  die  beiden  Teile  reservieren,  wollen  wir  das  Ganze 
hier  und  in  der  Folge  kurzweg  'den  Haupttext  nennen. 

Brih. 6,2 nur  Auffallend  ist  zunächst,  dafs  dieser  für  alle  Folge  so 
trag,  hochwichtige  Text  sich  Brih.  6,2  nur  in  einem  Nachtragteile 
(khiläkändam)  findet,  nicht  in  den  beiden  Hauptteilen  dieser 
Upanishad,  dem  Madhukändam  Brih.  1 — 2  und  dem  Tdjnä- 
vcdkyakändam  Brih.  3 — 4.  Als  man  diese  beiden  sammelte  und 
weiterhin  mit  einander  verband,  mufs  er  wohl  noch  nicht  zu 
haben  gewesen  sein;  denn  warum  hätte  man  ihn  sonst  über- 
gangen, da  er  doch  später,  seiner  Wichtigkeit  entsprechend, 
Aufnahme  fand?  Schon  dies  weist  darauf  hin,  dafs  er  spät 
entstanden  und  ein  sekundäres  Produkt  ist.  Noch  mehr  sein 
Inhalt. 
Doppelte  Der  genannte  Haupttext  lehrt  eine  doppelte  Vergeltung, 

im  Haupt-  einmal  durch  Lohn  und  Strafe  im  Jenseits,  sodann  nochmals 


texte. 


durch  Wiedergeburt  auf  der. Erde.  Dies  ist  offenbar  se- 
kundär und  nichts  anderes  als  eine  Verschmelzung  der  im 
Veda  überkommenen  Vergeltung  im  Jenseits  mit  der  neu  auf- 
gekommenen Vergeltung  der  Seelenwanderungslehre.  Folglich 
werden  wir  die  ursprüngliche  Seelenwanderungslehre  da  zu 
suchen  haben,  wo  sie  für  sich  allein  und  ohne  Verknüpfung 
mit  der  altvedischen  Vergeltung  im  Jenseits  auftritt,  und  dies 
führt  uns  zu  den  Yäjnavalkyapartien  Brih.  3  und  4,  in  denen 
wir  nun  schon  so  oft  die  ursprünglichste  Form  der  Upanishad- 
lehre  gefunden  haben.  In  ihnen  können  wir  die  Genesis  der 
Seelenwanderung  mitsamt  den  zu  ihr  führenden  Motiven  noch 
beobachten.  Nach  einer  gleichfalls  schon  altvedischen,  neben 
der  gewöhnlichen  herlaufenden  und  mit  ihr  schwer  vereinbaren 
Auffassung  gehen  beim  Tode  des  Menschen  sein  Auge  zur 
Sonne,  sein  Odem  zum  Winde,  seine  Rede  zum  Feuer,  seine 
Glieder  in  die  verschiedenen  Teile  des  Universums  ein.  An 
diesen  schon  Rigv.  10,16,3  ausgesprochenen  und  Qatap.  Br. 
10,3,3,8  weiter  ausgeführten  Gedanken  knüpft  die  Stelle  an, 
die  wir  hier  in  extenso  mitteilen,  da  sie  zum  erstenmal. 
Erstes  vor- so  weit  wir  sehen,  und  noch  als  ein  grofses  Geheimnis  den 
Seelen-  Gedanken  der  Seelenwanderung  ausspricht  und  zugleich  die 
'  Motive  erkennen  läfst,  welche  zu  dieser  Verlegung  der  Ver- 
geltung aus  dem  Jenseits  ins  Diesseits  führten. 


4.   Genesis  der  Seelenwanderuugslehre.  297 

Brih.  3,2,13:  „«Yajnavalkya»,  so  sprach  er  (der  Sohn  des 
Ritabhäga),  «wenn  nach  dem  Tode  dieses  Menschen  seine 
Eede  in  das  Feuer  eingeht,  sein  Odem  in  den  Wind,  sein 
Auge  in  die  Sonne,  sein  Manas  in  den  Mond,  sein  Ohr  in 
die  Pole,  sein  Leib  in  die  Erde,  sein  Atman  in  den  Äkäc.a 
{Weltraum),  seine  Leibhaare  in  die  Kräuter,  seine^Haupthaare 
in  die  Bäume,  sein  Blut  und  Samen  in  das  Wasser,  — :  wo 
bleibt  dann  der  Mensch'?)'  —  Da  sprach  Yajnavalkya: 
«Fafs  mich,  Artabhäga,  mein  Teurer,  an  der  Hand;  darüber 
müssen  wir  beiden  unter  uns  allein  uns  verständigen,  nicht 
hier  in  der  Versammlung».  —  Da  gingen  die  beiden  hinaus 
und  beredeten  sich;  und  was  sie  sprachen,  das  war  Werk, 
und  was  sie  priesen,  das  war  Werk.  —  Fürwahr,  gut  wird 
einer  durch  gutes  Werk,  böse  durch  böses." 

In  den  letzten  Worten  wird  das  Motiv,  welches  dem  Motive  der 
Dogma  der  Seelenwanderung  zugrunde  liegt,  klar  ausge-  demngs- 
sprochen.  Es  ist  die  grofse,  von  Geburt  an  vorhandene,  mo- 
ralische Verschiedenheit  der  Charaktere,  welche  schon  den 
Sängern  des  Rigveda  zu  denken  gab  (10,117,9,  oben  I,  i,  S.  94), 
und  die  an  unsrer  Stelle  der  Philosoph  daraus  erklärt,  dafs 
der  Mensch  schon  vor  seiner  Geburt  einmal  da  war,  und  dafs 
sein  angeborener  Charakter  die  Frucht  und  Folge  eines  vorher- 
gegangenen Tuns  ist. 

Deutlicher  noch  spricht  sich  Yajnavalkya  in  der  berühmten 
Stelle  Brih.  4,4,2 — ß  aus,  wo  es,  nach  Schilderung  des  Aus- 
zuges der  Seele  aus  dem  Leibe,  unmittelbar  daran  anschliefsend 
heilst : 

„Dann  nehmen  ihn  das  Wissen  und  die  Werke  bei  der 
Hand  und  seine  vormalige  Erfahrung  (pürvaprajnä).  —  Wie 
eine  Raupe,  nachdem  sie  zur  Spitze  des  Blattes  gelangt  ist, 
einen  andern  Anfang  ergreift  und  sich  selbst  dazu  hinüber- 
zieht, so  auch  die  Seele,  nachdem  sie  den  Leib  abgeschüttelt 
und  das  Nichtwissen  [d.  h.  die  empirische  Existenz]  losgelassen 
hat,  ergreift  sie  einen  andern  Anfang  und  zieht  sich  selbst 
dazu  hinüber.  —  Wie  ein  Goldschmied  von  einem  Bildwerke 
den  Stoff  nimmt  und  daraus  eine  andere,  neuere,  schönere 
Gestalt  hämmert,  so  auch  diese  Seele,  nachdem  sie  den  Leib 
abgeschüttelt  und  das  Nichtwissen  losgelassen  hat,  so  schafft 


298  XIV.   Die  Seelenwauderung. 

sie  sich  eine  andere,  neuere,  schönere  Gestalt,  sei  es  der  Väter 
o'der  der  Gandharven  oder  der  Götter  oder  des  Prajäpati 
oder  des  Brahmän,  oder  anderer  Wesen.  ...  Je  nachdem 
einer  nun  besteht  aus  diesem  oder  jenem,  je  nachdem  er  han- 
delt, je  nachdem  er  wandelt,  danach  wird  er  geboren:  wer 
Gutes  tat,  wird  als  Guter  geboren,  wer  Böses  tat, 
wird  als  Böser  geboren,  heilig  wird  er  durch  heiliges 
Werk,  böse  durch  böses.  —  Darum,  fürwahr,  heilst  es  (vgl. 
Oatap.  Br.  10,(3,3,1.  Chänd.  3,14,1,  oben  I,  i,  S.  264.  336):  «Der 
Mensch  ist  ganz  und  gar  gebildet  aus  Begierde  (häma);  je 
nachdem  seine  Begierde  ist,  danach  ist  seine  Einsicht  (hratu), 
je  nachdem  seine  Einsicht  ist,  danach  tut  er  das  Werk  (Jtar- 
man),  je  nachdem  er  das  Werk  tut,  danach  ergehet  es  ihm». 
—  Darüber  ist  dieser  Vers: 

Dem  hängt  er  nach,   dem  streht  er  zu   mit  Taten, 
AVonach   sein  inn'rer  Mensch  und  sein  Begehr  steht: 
Wer  angelangt  zum  Endziele 
Der  Werke,   die  er  hier  hegeht, 
Der  kommt  aus  jener  Welt  wieder 
Zu   dieser  Welt  des   Werks   zurück. 

So  geht  es  mit  dem  Verlangenden  (kämayamäna)." 
Koch  keine  Diese  Stelle  kennt  noch  keine    doppelte  Vergeltung,  im 

Vergeltung.  Jenseits  und  wiederum  auf  Erden,  sondern  nur  eine  solche 
durch  Seelenwanderung:  sofort  nach  dem  Tode  geht  die  Seele, 
je  nach  ihren  guten  oder  bösen  Werken,  in  einen  neuen  Leib 
ein.  Dies  ergibt  sich  zur  Evidenz  nicht  nur  aus  dem  Bilde 
von  der  Raupe,  die,  sowie  sie  das  eine  Blatt  aufgezehrt  hat, 
sich  zu  einem  andern  hinüberzieht,  sondern  auch  daraus,  dal's 
das  Gebiet  der  Seelenwanderung  sich  durch  Menschenwelt, 
Vüterwelt  und  Götterwelt  bis  zu  Prajäpati  und  dem  persön- 
lichen Brahmän  hinauf  erstreckt,  dafs  mithin  Väterwelt  und 
Götterwelt  nicht,  wie  nach  der  spätem  Theorie,  für  eine  Ver- 
geltung neben  und  aufser  derjenigen  durch  Seelenwanderung 
verwendet  werden  können.  Anders  wäre  es,  wenn  wir  in  dem 
angehängten  Verse  präpya  antam  mit  Qankara  als  bhuktvä 
phalam  auffassen  müfsten:  „nachdem  er  (im  Jenseits)  die  Frucht 
der  W^erke  genossen,  kehrt  er  aus  jener  Welt  zu  dieser  Welt 


4.   Genesis  der  Seelenwanderungslehre.  299 

des  Werkes  zurück".  In  diesem  Falle  würde  der  Vers  (der 
jedenfalls  eine  spätere  Zutat  ist)  mit  dem  Vorhergehenden 
in  Widerspruch  stehen.  Er  kann  aber  sehr  wohl  auch  be- 
deuten: „Nachdem  er  mit  einem  Lebenslaufe  (wie  die  Raupe 
mit  ihrem  Blatte)  fertig  ist,  so  kehrt  er  nach  dem  Tode  zu 
einem  neuen  Lebenslaufe  wieder". 

Somit  kennt  die  Eschatologie  des  Yajnavalkya  (Brih.  1 — 5) 
noch  keine  doppelte  Vergeltung,  im  Jenseits  und  abermals 
durch  einen  neuen  Lebenslauf,  sondern,  wie  es  auch  natürlich 
ist,  nur  eine  einfache  durch  Wiedergeborenwerden  im  Reiche 
der  empirischen  Realität  (Menschenwelt,  Väterwelt,  Götter- 
welt); an  die  Stelle  der  altvedischen  Vergeltung  im  Jenseits 
ist  die  Vergeltung  durch  Seelenwanderung  getreten ;  von  dem 
Erlösten  heifst  es  nicht  mehr:  „er  wehrt  den  Wiedertod  ab", 
sondern:  „er  kehrt  nicht  wieder  zurück"  (Chänd.  4,15,6.  8,15. 
Brih.  6,2,15.  Pracna  1,10  etc.). 

5.  Die  Fortbildung  der  Seelenwanderungslehre. 

In  den  Religionen  pflegt,  wie  wir  schon  öfter  hervorhoben     Fortbe- 

^"^  stGliGO.  (Igt 

(obenl,  i,  S.  180.  I,  n,  S.  107  fg.),  neben  den  neu  aufkommenden  Vergeltung 
Gedanken  das  Alte  seine  durch  die  Tradition  geheiligten  Rechte  neben  der 
zu  behaupten.    So  sehen  wir  auch  hier,  wie  neben  dem  Glau-    wieder- 
ben  an  eine  Wiederkehr  zur  Erde  die  alten  Vorstellungen  von      kehr' 
einer  Vergeltung  des  Guten  und  Bösen  im  Jenseits  fortbestehen  . 
und  mit  der  Seelen  Wanderungslehre  eine  Verbindung  eingehen, 
so  dafs  nun  alle  guten  und  bösen  Werke  eine  doppelte  Ver- 
geltung erfahren,  einmal  im  Jenseits  und  wiederum  durch  ein 
neues  Erdenleben,  wodurch   das  bereits  voll  und   ganz  Ver-  Das  schon 
goltene  nochmals  vergolten,  und  eigentlich  der  ganze  Begriff  ^fhmaiT 
der  Vergeltung  aufgehoben  wird.    Dies  geschieht  in  dem  Haupt-  vers°lten 
texte  der  Seelenwanderungslehre,  Chand.  5,3 — 10  ==  Brih.  6,2. 
Wir  haben  aber,   wie   bereits  bemerkt   und   wie   Upanishad's 
S.  137  des  weitern  nachgewiesen,  in  diesem  Haupttexte  zwei  zwei  Teile 
Teile  zu  unterscheiden,  einen  altern  Teil  Chänd.  5,4 — 9  (Brih.  c  textes. 
6,2,9 — 14),   den  wir  als  Fünffeuerlehre  (im  engern  Sinne ). 
und   einen  Jüngern    Chänd.  5,10    (Brih.  6,2,15),    den    wir   als 
Zw  ei  weg  lehre    bezeichnen    wollen.      Auf    erstere    beziehen 


300  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

sich  zwei,  auf  die  letztere  die  drei  übrigen  der  zu  Eino-ano; 
gestellten  Fragen.  Die  Verschiedenheit  beider  Teile  ergibt 
sich,  neben  andern  Up.  S.  139  angeführten  Gründen,  schon 
zur  Evidenz  daraus",  dafs  der  Glaube,  graddhä,  nach  der  Zwei- 
weglehre  in  Brahman  ohne  Wiederkehr  führt,  während  er 
nach  der  Fünffeuerlehre  gerade  das  Vehikel  für  die  Rückkehr 
zur  Erde  bildet. 
i>ie  Fünf-  rjer  erste,  ältere  Teil,  die  Fünf  feuerlehre,  nimmt  allem 

feuerlehrc.  , 

Anscheine  nach,  ebenso  wie  die  angeführten  Aussprüche  des 
Yäjfiavalkya,  keine  Vergeltung  im  Jenseits  an,  sondern  schil- 
dert, wie  die  Seele,  nachdem  sie  bei  der  Leichenverbrennung 
„in  lichtfarbener  Gestalt"  (Brih.  6,2,14)  zum  Himmel  gefahren 
ist,  von  dort  sofort,  wie  es  scheint,  durch  die  drei  Weltgebiete, 
Himmel,  Luftraum,  Erde,  sowie  durch  den  väterlichen  und 
mütterlichen  Leib  als  fünf  Durchgangsstationen  zu  einem  neuen 
Erdendasein  zurückkehrt.  Dies  ist  die  Beantwortung  der 
zu  Eingang  gestellten  Frage:  „Weifst  du,  wie  bei  der  fünften 
Opferung  die  Wasser  mit  Menschenstimme  redend  werden 
(Chänd:  5,3,3.  Brih.  6,2,2)?"  Wie  bei  Yäjfiavalkya  als  ein 
grofses  Geheimnis  (Brih.  3,2,13,  oben  S.  297),  so  tritt  auch 
hier  noch  die  Seelenwanderungslehre  als  etwas  Neues,  nicht 
zu  Profanierendes,  in  mystischer  Verhüllung  auf.  So  nahe 
nämlich  den  Christen,  die  den  Leichnam  begraben,  der 
Vergleich  desselben  mit  dem  in  die  Erde  gesenkten  Samen- 
korn liegt  (1.  Kor.  15),  so  nahe  liegt  es  in  Indien,  wo  die 
Leiche  verbrannt  wird,  diese  Verbrennung  als  eine  Opferung 
aufzufassen.  Und  wie  der  ins  Feuer  gegossene  Opfertran k 
(Milch,  Soma  usw.)  in  vergeistigter  Gestalt  zu  den  Göttern 
aufsteigt,  so  steigt  das  Unsterbliche  des  Menschen  aus  dem 
Leichenfeuer  zum  Himmel  empor.  Dieses  Unsterbliche  hiefs 
bei  Yäjfiavalkya  Jcarman,  das-  Werk  (oben  S.  297),  in  imsrer 
Stelle  wird  es,  in  Analogie  mit  der  Opferflüssigkeit  als  „das 
Wasser"  und  weiterhin  als  „der  Glaube"  bezeichnet.  Diese 
mystisch  verhüllenden  Ausdrücke  machen  den  Vedänta- 
theologen  viel  zu  schaffen  (System  des  Vedänta  S.  401.  408), 
bedeuten  aber  im  Grunde  das  Nämliche,  sofern  die  eigentliche 
Essenz  und  sozusagen  die  Seele  des  als  Opferflüssigkeit  (äpas) 
emporsteigenden  Werkes  (Toarman)  der  Glaube  (graddha)   ist, 


5.  Fortbildung  der  Seelernvanderungslehre.  301 

mit  welchem  es  dargebracht  wurde.  Dieses  „Werk",  wie 
Yäjnavalkya,  dieser  „Glaube",  wie  unsre  Stelle  wohl  im  An- 
schlufs  an  ihn  sagt,  steigt  als  das  Unsterbliche  des  Menschen 
zum  Himmel  auf  und  wird  dort  von  den  Göttern  fünfmal 
hinter  einander  in  den  Opferfeuern  des  Himmels,  des  Luft- 
raums, der  Erde,  des  Mannes  und  des  Weibes  geopfert,  wo- 
durch es  der  Reihe  nach  aus  Glaube  zu  Soma,  aus  Soma  zu 
Regen,  aus  Regen  zur  Nahrung,  aus  der  Nahrung  zum  Sperma, 
aus  dem  Sperma  zum  Embryo  wird  und  so  zu  einem  aber- 
maligen Dasein  auf  der  Erde  führt. 

Viel  weiter  entwickelt  ist  die  zweite  Hälfte   des  Haupt- 
textes,  welche  wir  die  Zweiweglehre   nennen  wollen,    und  Die  Zwei- 

•    .  weglehre. 

welche,  die  altvedische  Eschatologie  mit  dem  Seelenwanderungs- 
dogma verknüpfend,  eine  doppelte  Vergeltung  (und  somit  eine 
Vergeltung  des  schon  Vergoltenen)  lehrt,  einerseits  im  Jen- 
seits und  dann  nochmals  durch  Rückkehr  zur  Erde.  Zu  diesem 
Zwecke  läfst  sie  die  Seele  des  Verstorbenen  auf  zwei  ver- 
schiedenen Wegen  aufsteigen,  dem  Devayäna  (Götterweg)  und 
Pitriyäna  (Väterweg),  welche  durch  manche,  zum  Teil  wunder- 
liche Stationen  hindurchführen,  die  sich  jedoch  aufhellen  lassen, 
wenn  man  die  Entstehung  der  Lehre  in  Betracht  zieht.  Schon 
im   Rigveda  und  in  den  Brähmana's  wird  oft   der  Devayäna  D  Der  Got- 

*  '  .     ,.  terweg. 

erwähnt,  ursprünglich  wohl  der  Weg,  auf  welchem  Agni  die 
Opfergabe  zu  den  Göttern  führt,  oder  diese  zu  derselben 
herabsteigen,  dann  aber  auch  der  Weg,  auf  welchem  die  ver- 
storbenen Frommen  zu  den  Göttern  aufsteigen,  um  in  ewiger 
Seligkeit  mit  ihnen,  an  deren  Stelle  später  das  Brähman  tritt, 
zu  leben.  Eine  nähere  Beschreibung  des  Götterweges  findet 
sich  Chänd.  4,15,5:  die  Seele  geht  bei  der  Leichenverbrennung 
in  die  Flamme  ein,  aus  dieser  in  den  Tag,  aus  diesem  in  die 
helle  Monatshälfte,  aus  dieser  in  die  helle  Jahreshälfte  (die 
Sommerzeit),  aus  dieser  in  das  Jahr,  aus  diesem  in  die  Sonne, 
aus  dieser  in  den  Mond,  aus  diesem  in  den  Blitz  und  so 
endlich  in  Brahman.  Dafs  hier  Zeitperioden  als  Raumgröfsen 
erscheinen,  kommt  auch  sonst  vor  (Qatap.  Br.  1,3,5,11.  Chänd. 
2,10,5)  und  ist  in  Indien  nicht  weiter  verwunderlich.  Der 
Sinn  des  Ganzen  ist,  dafs  die  Seele  auf  dem  Götterwege  in 
lichte  und  immer  lichtere  Regionen  gelangt,  wozu  dann  alles, 


;502  XIV.  Die  Seelenwanderung. 

was  hell  ist  und  leuchtet,  herangezogen  wird  als  Durchgangs- 
stufe zu  Brahman,  welches  ja   „der  Lichter  Licht"  (jyotishäm 
jyoiis)  ist. 
2)  Der  Nach   Analogie   mit   diesem    Devayäna    konstruierte    man 

^  äterweg.  * 

nun  weiter  den  Pitriyäna  oder  Väterweg;  wie  jenem  alles 
Helle,  Glänzende,  so  wies  man  .  diesem  das  entsprechende 
dunkle  Gegenstück  zu.  Hierbei  entstand  jedoch  die  Schwierig- 
keit, dafs  man  den  Mond,  der  schon  dem  Devayäna  angehörte, 
auch  hier  beim  Pitriyäna  nicht  entbehren  konnte.  Denn  nach 
einer  alten,  wenig  geklärten  Vorstellung  war  der  Mond  der 
Aufenthalt  der  Abgeschiedenen  (Kaush.  2,8),  wobei  man  dann 
weiterhin  (Brih.  6,2,16.  Kaush.  1,2,  aber  noch  nicht  Kaush.  2,9!) 
seine  Zunahme  und  Abnahme  mit  dem  Heraufsteigen  und 
Herabsteigen  der  Seelen  in  Verbindung  brachte.  Somit  den 
Mond  als  Endziel  des  Pitriyäna  festhaltend,  konstruierte  man 
diesen  im  übrigen  in  Analogie  mit  dem  Devayäna,  indem  die 
Seele  nicht  in  die  Flamme,  sondern  in  den  Rauch,  nicht  in 
den  Tag,  sondern  in  die  Nacht,  nicht  in  die  helle,  sondern  in 
die  dunkle  Monatshälfte,  nicht  in  die  Sommermonate,  sondern 
in  die  Wintermonate,  nicht  in  das  Jahr,  sondern  in  die  Väter- 
welt, nicht  in  die  Sonne,  sondern  in  den  Akäc,a  (nur  Chänd.), 
und  endlich,  wie  beim  Devayäna,  in  den  Mond  eingeht,  jedoch 
nicht  als  Durchgangsstation,  sondern  um  dort,  „solange  noch 
ein  Bodenrest  [der  guten  Werke]  vorhanden  ist"  (Chänd. 
5,10,5),  zu  verweilen.  —  Eine  Schilderung  der  vorübergehenden 
Seligkeit  auf  dem  Monde  wird  von  unserm  Texte  taktvoll 
umgangen;  an  ihre  Stelle  tritt  die  alte  Vorstellung  von  dem 
Somabecher  der  Götter,  welcher,  nachdem  sie  ihn  ausgetrunken, 
jedesmal  wieder  neu  gefüllt  wird  (Rigv.  10,85,5:  „wenn  sie, 
o  Gott,  dich  austrinken,  so  schwillst  du  darauf  wieder  an"); 
sofern  dies  Gefülltwerden  durch  die  Seelen  geschehen  soll 
(Kaush.  2,8.  1,2),  würden  diese  von  den  Göttern  genossen, 
was  dann  im  spätem  Vedänta  zu  einem  gegenseitigen  Ge- 
niefsen  der  Götter  und  Frommen  im  Umgange  mit  einander 
ausgedeutet  wird  (System  d.  Ved.  S.  393.  416).  Die  Seligkeit 
auf  dem  Monde  dauert  yävat  sampätam  „solange  ein  Boden- 
rest vorhanden"  (Chänd.  5,10,5),  worin  liegt,  dafs  die  Ver- 
geltung dort  eine  vollständige  ist;  dennoch  erfolgt  darauf  eine 


5.   Fortbildung  der  Seelenwanderungslehre.  303 

nochmalige  Vergeltung  auf  der  Erde.  Das  Herabsteigen  ist 
hier  nicht,  wie  in  der  Fünffeuerlehre,  ein  Durchgang  durch 
die  fünf  Opferfeuer  als  Glaube,  Soma,  Regen,  Nahrung,  Same, 
sondern  eine  allmähliche  Verdichtung  der  Seelenmaterie  zu 
Äther,  Wind,  Rauch,  Nebel,  Wolke,  Regen,  Pflanze,  Nahrung, 
Same,  worauf  der  Eingang  in  einen  neuen  Mutterschofs  und 
die  abermalige  Geburt  erfolgt.  —  Neben  dem  Götterweg,  3)  Der  dritte 
welcher  für  Wissen  und  Glauben  zu  einem  Eingange  in  Brah- 
man  ohne  Rückkehr  führt,  und  dem  Väter  weg,  welcher  für 
Opfer,  fromme  Werke  und  Askese  zum  Monde  und  von  da 
zurück  zur  Erde  leitet,  deutete  unser  Text  ursprünglich  nur 
dunkel  auf  den  „dritten  Ort"  als  Schicksal  der  Bösen  hin, 
welche  als  niedere  Tiere  wiedergeboren  werden. 

Einen   Schritt    weiter    in    der   Entwicklung    dieser   Ideen     wider- 
führen uns  die  Brih.  6,2,16  fehlenden  und  nur  Chänd.  5,10,7  S)zusätzeer 
eingefügten   Zusätze,   welche,   im  Widerspruche   mit   dem      5,10V 
ursprünglichen  Texte  der  Z wei weglehre ,  unter  denen,  die 
vom  Monde  zurückkehren,  solche  von  „erfreulichem  Wandel'' 
und  solche  von   „stinkendem  Wandel"  unterscheiden;  erstere 
werden    als    Brahmanen,    Kshatriyas,    Väicya's,    letztere    als 
Hunde,    Schweine  oder  Candala's  wiedergeboren.     Hierdurch 
wird  nun   der  „dritte   Ort"   neben   Götterweg   und  Väterweg 
überflüssig  und   sollte   ganz   wegfallen,    bleibt   aber   dennoch 
bestehen. 

Dieser  Widerspruch,  wie  auch  die  oben  besprochene  In-  Kaush.  i,a 
konzinnität,  dafs  der  Mond  dem  Väterwege  und  Götterwege  Ausgleichs- 
gemeinsam ist,  scheint  früh  bemerkt  worden  zu  sein.  Als  ein 
Versuch,  beide  Übelstände  zu  heben,  ist  Kaush.  1,2  anzusehen. 
Hier  wird,  unter  Beseitigung  des  „dritten  Ortes",  mit  Nach- 
druck erklärt:  „alle,  die  aus  dieser  Welt  abscheiden,  gehen 
sämtlich  zum  Monde".  Dort  aber  werden  sie  einer  Prüfung 
über  ihr  Wissen  unterworfen  und  gehen,  je  nach  Ausfall  der- 
selben, entweder  den  Devaycma  (Kaush.  1,3),  der  zu  Brahman 
ohne  Rückkehr  führt,  oder  (der  Name  Pitriydna  kommt  nicht 
vor)  sie  gehen  zurück  zu  einer  neuen  Geburt,  „sei  es  als 
Wurm,  oder  als  Fliege,  oder  als  Fisch,  oder  als  Vogel,  oder 
als  Löwe,  oder  als  Eber,  oder  als  Beifstier,  oder  als  Tiger, 
oder  als  Mensch,  oder  als  sonst  etwas".    Auch  diese  Aufzählung 


304  XIV.   Die  Seelenwanderung. 

scheint   eine   Nachbildung   der   Chänd.  6,9,3.    0,10,2    vorkom- 
menden zu  sein;    denn  dort  war  sie   durch   den  Zusammen- 
hang  berechtigt,   während   sie   hier   als    ziemlich    überflüssig 
erscheint. 
spatere  Von  spätem  Stellen,  welche  alle  nach  der  einen  oder  andern 

Seite  auf  dem  bisher  Entwickelten  beruhen,  wollen  wir  zum 
Schlüsse  nur  die  wichtigsten  nennen.  Käth.  2,10  wird  die 
Vergänglichkeit  des  Schatzes  der  guten  Werke  (gevadhi,  wie 
Taitt.  Br.  3,10,11,2)  gelehrt.  Weiter  heilst  es  in  betreff  der 
Rückkehr,  Käth.  5,7 : 

Im  Mutterschofs  geht  ein  dieser, 
Verkörpernd  sich  zur  Leiblichkeit,  — 
In  eine  Pflanze  fährt  jener,  — 
Je  nach  Werk,  je  nach  Wissenschaft. 

Deutliche  Abhängigkeit  von  Chänd.  5,3—10  zeigt  Mund. 
1,2,10: 

Auf  des  Werkhimmels  Kücken  genossen  habend, 
Geh'n  sie  zurück  in  diese  Welt  und  tiefer. 

Auf  die    fünf  Feuer    der    Pancägnividyä  (Chänd.  5,4  fg.) 
bezieht  sich  auch  Mund.  2,1,5: 

Aus  ihm  entsteht  das  Feuer,   dessen  Brennholz   die  Sonne  ist 

(Chänd.  5,4,1), 
Aus  Soma  wird  Regen  (Chänd.  5,5,2),  Pflanzen  aus  der  Erde, 
Der  Mann  ergiefst  den  Strom  in  die  Genossin  (Chänd.  5,8,2), 
Nachkommen  viele   sind  dem  Geist  geboren. 

Auf  Grund  von  Chänd.  5,10  werden  Väterweg  und  Götter- 
weg (unter  Mifsverstehen  des  Ausdrucks  „rraddhä  ta/pa'"  iti 
Chänd.  5,10,1)  geschildert  Pracna  1,9 — 10.  Zur  Bestätigung 
wird  auf  den  Vers  Rigv.  1,164,12  (oben  I,  i,  S.  111)  ver- 
wiesen, welcher  jedoch  mit  der  Sache  nicht  das  mindeste  zu 
tun  hat. 


XV.  Die  Erlösung.     1.  Bedeutung  der  Erlüsungslehre.  305 

XV.    Die  Erlösung. 

1.  Bedeutung  der  Erlösungslehre. 

Die  Liebe  zum  Leben  ist  von  allen  Trieben,  die  der  stärke  der 
menschlichen  Natur  eingepflanzt  sind,  der  stärkste.  Wir  bringen  LlLebenUm 
jedes  Opfer,  um  nur  das  Leben  zu  erhalten.  Ein  langes  Leben 
wünschen  wir  uns  und  den  Unsrigen;  wir  beglückwünschen 
die,  welche  es  erreichen,  und  beklagen  denjenigen,  welcher  vor 
der  Zeit  abberufen  wird;  und  der  Grund  unsrer  Trauer  um 
den  zu  früh  Verstorbenen  ist  (wenn  wir  uns  einmal  deutliche 
Kechenschaft  davon  geben)  nicht  sowohl,  dafs  er  uns  fehlt, 
als  vielmehr,  dass  wir  ihm  fehlen;  wir  bemitleiden  ihn,  weil 
ihm  das  Dasein,  als  wäre  es  ein  hohes  Gut,  zu  frühzeitig  ent- 
zogen wurde.  Wenn  wir  uns  über  den  Tod  eines  Angehörigen 
damit  trösten,  dafs  wir  uns  die  Leiden,  Gefahren  und  Nöte 
vergegenwärtigen,  denen  er  entronnen  ist,  so  ist  dies  die 
Stimme  der  Reflexion;  ein  reines  Naturgefühl  spricht  anders: 
es  sagt  uns,  dafs  der  Verlust  des  Lebens  das  Schlimmste  ist, 
was  den  Menschen  treffen  kann.  Die  höchste  Strafe  ist  und 
bleibt  die  Todesstrafe.  Ja,  so  stark  ist  in  uns  der  Trieb  zum 
Leben,  dafs  das  ganze  Dasein  nichts  anderes  als  eben  dieser, 
im  Eaum  als  Leib,  in  der  Zeit  als  Leben  sich  ausbreitende 
Trieb  selbst  ist. 

Wie  ist  es  unter  diesen  Umständen  möglich,  dafs  bei  der  wünsch  der 
Menschheit  im  Verlaufe  ihrer  Entwicklung  wiederholt  eine  vom  D^efn. 
Stimmung  aufkommen  und  sich  befestigen  konnte,  welche 
jenen  Drang  zu  leben,  auf  dem  unsre  ganze  empirische  Exi- 
stenz beruht,  als  etwas  empfindet,  was  eigentlich  nicht  sein 
sollte,  so  dafs  als  die  wahre  Aufgabe  des  Menschen  nicht  die 
Befriedigung  des  Naturtriebes,  sondern  seine  Aufhebung  er- 
scheint, und  somit  als  höchstes  Ziel  eine  Erlösung  (molcsha) 
vorschwebt,  und  zwar  eine  Erlösung,  nicht  aus  einem  be- 
stimmten Dasein,  wie  sie  der  Tod  bringt,  sondern  eine  solche 
von  dem  Dasein  überhaupt,  welche,  wie  ein  uns  eingeborenes 
Gefühl  bekundet,  nicht  ohne  weiteres  durch  den  Tod  zu  er- 
langen ist. 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,  n.  20 


306  XV.   Die  Erlösung. 

Die  Mee  der  Diese  seltsamste  aller  Stimmungswandlungen  läfst  sich 
nh-gends    nirgendwo  reiner  verfolgen  als  in  Indien,    wo   die  Erlösung, 

reiiudien.ln  ungetrübt  durch  das  Hineinspielen  zufälliger  Geschichts- 
begebenheiten, nicht  als  Loskaufung,  Genugtuung,  Versöhnung 
u.  dgl.  erscheint,  sondern  einfach  als  eine  Loslösung  von  dem 
empirischen  Dasein  mit  allen  seinen  Trieben,  welche  als  Fesseln 
(bandha,  graha),  als  Knoten  (grantln)  empfunden  werden,  die 
das  Herz  an  die  Sinnendinge  knüpfen.  Auch  in  Indien  war 
dies  nicht  immer  so,  und  es  hegt  ein  langer  Entwicklungs- 
gang, eine  ungeheure  Wandlung  zwischen  den  Sängern  des 
Rigveda,  die,  von  glühender  Lebenslust  erfüllt,  vor  dem  Tode 
sehaudern  (Rigv.  7,89)  und  sich  selbst  und  ihren  Nachkommen 
hundert  Jahre  zu  leben  wünschen,  —  und  zwischen  den  Worten, 
mit  denen  der  gröfste  Dichter  Indiens  sein  Meisterwerk  be- 
schliefst : 

Auch  mir  zunichte  mache  meine  Neugeburt 

Der  Gott,   der  sich  allmächtig  durch  sich  selbst  erschuf. 

—  Noch  oft  wird  die  Philosophie  der  Zukunft  ihren  Blick 
nach  Indien  wenden,  um  die  Erlösungslehre  in  ihrem  ur- 
sprünglichen Mutterlande  zu  studieren;  wir  wollen  jetzt  tun, 
was  wir  vermögen,  um  uns  die  Genesis  dieses  merkwürdigsten 
aller  Dogmen  verständlich  zu  machen. 

2.  Ursprung-  der  Erlösungslehre. 

Ableitung  Albrecht  Weber  hat  in  einer  sehr  beachtenswerten  Ausein- 

dau8Sedem    andersetzung  (Zeitschrift  der  D.  M.  G.  IX,  239)  die  Vermutung 
seeienwan-  ausgesprochen ,   dafs  die  Lehre  von  der  Erlösung  durch  das 

derungs-     .  o      .r  '  <=> 

glauben.  Dogma  von  der  Seelenwanderung  bedingt  sei.  Dem  milden 
Sinn  und  denkenden  Geiste  der  Inder  habe  die  Annahme 
widerstrebt,  dafs  für  die  Werke  dieses  kurzen  Lebens  ent- 
weder ewiger  Lohn  oder  ewige  Strafe  im  Jenseits  folgen  solle. 
Aus  diesem  Dilemma  habe  er  sich  zu  retten  gesucht  durch 
das  Dogma  der  Seelenwanderung,  in  Wahrheit  aber  sich  nur 
tiefer  verstrickt,  indem  zu  der  ewigen  Vergeltung  a  parte  post 
nun  noch  eine  solche  a  parte  ante  getreten  sei,  und  so  habe 
er  sich  schliefslich  durch  „ein  Zerhauen  des  Knotens''  geholfen, 


2.  Ursprung  der  Erlösungslehre.  307 

indem  er  in  der  Erlösung  die  ganze  individuelle  Existenz  zu- 
nichte werden  liefs,  so  dafs  jetzt  als  höchster  Lohn  alles  Stre- 
bens  erschienen  sei,  was  in  alter  Zeit  als  höchste  Strafe  ge- 
golten habe.  —  Aber  abgesehen  davon,  dafs  die  Erlösung  der 
vorbuddhistischen  Zeit  durchaus  keine  Vernichtung,  sondern 
vielmehr  umgekehrt  eine  Erhebung  über  das  in  sich  Nichtige 
ist,  so  entspricht  diese  ingeniöse  Konstruktion  dem  historischen 
Entwicklungsgang  auch  darum  nicht,  weil,  wie  wir  sehen 
werden,  das  Dogma  von  der  Erlösung  älter  ist  als  die  Seelen- 
wanderungslehre, mithin  nicht  eine  Folge  derselben  sein  kann. 

Von  andrer  Seite  hat  man  mehrfach  die  Sehnsucht  nach  Aus  der  ge- 
drückten 
Erlösung  aus   dem  Drucke  zu  verstehen  gesucht,   der  durch   Lage  des 

°  ,        .      .  Volkes. 

die  brahmanische  Lebensordnung  auf  dem  indischen  Volke 
gelastet  habe.  Demselben  sei,  so  meint  man,  infolge  der 
geistigen  Knechtung  durch  die  Brahmanen,  der  materiellen 
durch  die  Kshatriya's,  die  alte  Freude  am  Dasein  verdorben 
worden  und  abhanden  gekommen.  —  Aber,  nicht  zu  erwähnen, 
dafs  die  Lebensbedingungen  im  reichen  Gangestale  wohl 
schwerlich  schlechtere  als  vormals  im  Pendschäb  waren,  und 
dafs  die  Idee  der  Erlösung  sicher  nicht  im  Kreise  der  Be- 
drückten, sondern  vielmehr  der  Bedrücker  entsprungen  ist,  so 
ist  eine  pessimistische  Stimmung,  wie  sie  von  dieser  Theorie 
vorausgesetzt  wird,  den  Zeiten,  in  welchen  die  Erlösungslehre 
entsprang,  durchaus  noch  nicht  eigen  (oben  S.  128.  229). 
Allerdings  wird  durch  die  Erlösung  auch  das  Leiden  seiner 
ganzen  Möglichkeit  nach  aufgehoben,  aber  erst  der  Buddhis- 
mus hat  das,  was  eine  blofse  Folge  war,  zum  Grunde  ge- 
macht, und,  indem  er  die  Erlösung  als  eine  Flucht  vor  den 
Leiden  des  Daseins  äuffafste,  den  Egoismus  zur  Grundtrieb- 
feder der  Religion  gemacht,  —  wenn  auch  nicht  so  wie  später 
der  Islam,  welcher  nicht  müde  wird,  den  Leuten  die  himm- 
lische Herrlichkeit  und  die  Schrecknisse  der  Hölle  auszumalen. 

Die  Erlösung  kann  nicht   aus  diesen  oder  irgendwelchen  Die  Erw- 
andern im  Willen  liegenden  Motiven  abgeleitet  werden,  eben  als  Konse- 
weiT  sie,   und  zwar   schon  bei  ihrem   ersten  Auftreten,   eine  AtmTniehre. 
Aufhebung  alles  Wollens  ist  (yatra  Mmäh  parägatäh).    Somit 
bleibt  übrig,  dafs  ihr  ursprüngliches  Motiv  in  der  Sphäre  des 
Intellektuellen   zu   suchen    ist;    und    hier   wird    sich   uns    die 

20* 


308  XV.    Die  Erlösung. 

Erlösungslehre  so  sehr  als  die  notwendige  Konsequenz  und 
letzte  Krönung  der  Atmanlehre  erweisen,  dafs  sie  nur  als  eine 
persönliche  und  sozusagen  praktische  Anwendung  der  ganzen, 
von  uns  bisher  dargestellten  Weltanschauung  der  Upanishad's 
anzusehen  ist,  wie  wir  jetzt  beweisen  wollen. 

Eingang  zu  Es  ist  dem  Menschen  natürlich  und  kommt  auch  in  allen 

ais'ziei.  Regionen  der  Philosophie  zum  Ausdruck,  dafs  er  dasjenige, 
was  für  ihn  Prinzip  der  Dinge  und  Urgrund  der  Welt  ist, 
zugleich  als  das  höchste  Ziel  seines  persönlichen  Strebens  be- 
trachtet. Dieses  waren  in  der  alten  Zeit  die  Götter,  und  dem- 
entsprechend war  es  der  höchste  Wunsch  der  altvedischen 
Rishi's,  mit  den  Göttern  nach  dem  Tode  vereinigt  zu  werden, 
um  mit  Agni,  Varuna,  Indra,  Aditya  usw.  zur  Gemein- 
schaft (säyujyam),  Weltgemeinschaft  (salolcatä),  Wesensgemein- 
schaft (sarüpatä)  zu  gelangen  (oben  S.  291).  —  Weiterhin 
erhob  sich  über  die  Götter  das  (unpersönliche)  Brähman;  nun 

Eingang  zu  wurde  dieses  das  Endziel,  und  die  Götter  waren  nur  noch  die 
au  ziei.  Pforten,  um  durch  sie  zu  Brahman  zu  gelangen;  Qatap.  Br. 
11,4,4,1:  „Durch  den  Agni  als  die  Pforte  des  Brähman  geht 
er  ein;  indem  er  durch  den  Agni  als  die  Pforte  des  Brähman 
eingeht,  erwirbt  er  mit  Brähman  Gemeinschaft  (säyujyam), 
Weltgemeinschaft  (mlolmtä)".  —  Der  letzte  Schritt  war,  dafs 
man  das  weltschaffende  Prinzip  als  den  Atman,  das  Selbst, 
Eins-      erfafste,   und,   wie  zu  erwarten,  wurde  nun  Einswerdung  mit 

Jnltdem  dem  Atman  das  Ziel  alles  Strebens  und  Sehnens.  Dies  ge- 
*™iS. als  schah  schon,  als  man  noch  nichts  von  Seelenwanderung,  son- 
dern nur  von  einem  Wiedersterben  im  Jenseits  wufste,  wie 
folgende  Stellen  beweisen;  Väj.  Samh.  31,18:  „nur  wer  ihn 
(den  Purusha)  kennt,  entrinnt  dem  Reich  des  Todes;  nicht 
gibt  es  einen  andern  Weg  zum  Gehen";  —  Atharvav.  10,8,44: 
„wer  diesen  kennt,  der  fürchtet  nicht  den  Tod  mehr,  den 
weisen,  alterlosen,  jungen  Atman";  —  Taitt.  Br.  3,12,9,8:  „das 
Selbst  (ätnuot)  ist  sein  Pfadfinder,  wer  ihn  findet,  wird  durch 
das  Werk  nicht  mehr  befleckt,  das  böse".  Namentlich  die 
letzte  Bestimmung  zeigt,  dafs  hier  der  Gedanke  der  Erlösung 
schon  voll  und  ganz  vorhanden  ist.  Ebenso  in  folgender^ 
schon  oben  zu  anderm  Zwecke  angeführter  Stelle,  Qatap.  Br. 
10,5,4,15:    ,, Selbiger  (der  Ätman)  ist  frei  von  Verlangen,  im 


•2.  Ursprung  der  Erlösungslehre.  309 

Besitze  alles  Verlangten,  nicht  [lockt]  ihn  das  Verlangen  nach 
irgend  etwas.     Darüber  ist  dieser  Vers: 

Durch  Wissen   steige-n  sie  aufwärts 
Dorthin,  wo  das   Verlangen  schweigt; 
Nicht  Opfergabe  reicht  dorthin, 
Nicht  Bufse   des  Nichtwissenden. 

Denn  nicht  kann  jene  Welt  durch  Opfergaben,  nicht  durch 
Askese  erlangen,  wer  solches  nicht  weifs.  Denn  nur  dem 
solches  Wissenden  gehört  jene  Stätte".  Die  Abweisung  von 
Werk  und  Askese,  die  Betonung  des  Wissens,  die  Aufhebung 
aller  Wünsche  sind  Züge,  welche  beweisen,  dafs  diese  Stelle 
die  Erlösung  als  Einswerdung  mit  dem  Atman  im  Auge  hat. 
Aber  diese  Einswerdung  erscheint  nach  Analogie  mit  den  her- 
gebrachten Anschauungen  noch  als  ein  Emporsteigen  zu  himm- 
lischen Regionen,  —  als  wäre  der  Atman  anderswo  zu  suchen 
als  in  uns  selbst.  Ebenso  einige  Seiten  weiter  in  der  schon 
oben  (I,  i,  S.  264)  übersetzten  Stelle  Qatap.  Br.  10,6,3,  welche 
lehrt,  dafs  das  Schicksal  im  Jenseits  nach  der  Einsicht  (liratn) 
sich  richtet,  die  der  Mensch  hienieden  erworben,  und  dann  als 
höchste  Einsicht  die  Erkenntnis  des  Atman  mitteilt,  welcher, 
alle  Weiten  erfüllend,  alle  Welt  durchdringend,  gröfser  als 
Erde  und  Himmel  ist  und  doch  kleiner  als  ein  Reiskorn  oder 
Hirsekorn  im  innern  Selbste  wohnt.  Zum  Schlufs  heifst  es: 
,,er  ist  meine  Seele  (atman);  zu  ihm,  von  hier,  zu  dieser 
Seele  werde  ich  hinscheidend  eingehen".  —  Wer  fühlt 
nicht  den  innern  Widerspruch  dieser  Worte,  und  dafs  es, 
wenn  der  Atman  wirklich  meine  Seele  ist,  keines  Hingehens 
mehr  zu  ihm  bedarf! 

Hier  war  nur  noch  eine  dünne  Scheidewand  einzustofsen,  Diese  Eins- 

■.  i     p      -i       •        •  •  •  it    i  werdung  ist 

um  einzusehen,  dals  dasjenige,  was  man  immer  in  unendlicher  von  jeher 
Ferne  suchte,  uns  näher  als  irgendein  Anderes  ist,  und  dafs  wirwilht. 
die  als  Gottgemeinschaft,  Brahmangemeinschaft,  Atmangemein- 
schaft  ersehnte  Erlösung  nicht  erst  in  Zukunft  nach  dem  Tode 
erreicht  zu  werden  braucht,  sondern  tatsächlich  schon  jetzt 
und  hier  und  von  Ewigkeit  her  erreicht  ist,  —  für  den,  „der 
solches  weifs". 

Als  derjenige,  welcher  diese  letzte  Konsequenz  der  Atman- 


310  xv-  Die  Erlösung. 

lehre  zog,  tritt  uns  wieder  einmal  entgegen  der  Yajnavalkya 
des  Brihadäranyakam. 

3.  Das  Atmanwissen  ist  die  Erlösung. 

Die  Er-  Die  Erlösung  darf  nicht  angesehen  werden  als  ein  Werden 

lösung  ist  °  ° 

nicht  ein  zu  etwas,  was  vorher  nicht  war.  Erstlich,  weil  es  im  Kreise 
etwas,  der  metaphysischen  Phänomene,  zu  denen  die  Erlösung  gehört, 
überhaupt  (wie  alle  metaphysischen  Geister,  nicht  nur  in  In- 
dien, sondern  auch  im  Abendlande  von  Parmenides  und  Piaton 
an  bis  zu  Kant  und  Schopenhauer  hin  erkannt .  haben)  kein 
Werden,  sondern  nur  ein  Sein  gibt.  Die  Kausalität  be- 
herrscht alles  Endliche  ohne  Ausnahme,  aber  nichts,  was  dar- 
über hinaus  liegt  oder,  wie  die  Erlösung,  darüber  hinaus  führt. 
Aber  auch  darum  kann  die  Erlösung  kein  Werden  eines  vorher 
nicht  Vorhandenen  sein,  weil  sie  dann  nicht  sammum  honum 
sein  könnte.  Denn  alles  Gewordene  ist  vergänglich;  was  aus 
dem  Nichts  zu  einem  Etwas  wurde,  kann  auch  aus  dem  Etwas 
in  sein  Nichts  zurückkehren;  was  die  Welle  emporhob,  kann 
sie  auch  wieder  verschlingen;  to  \xrfih  de,  cüosv  gir.zi. 

War'   die  Erlösung  anfangend, 
Sie  könnte  nicht  unendlich  sein, 

wie  Gaudapäda  (Kärikä  4,30)  mit  Eecht  sagt,  könnte  nicht 
summum  bonum,  nicht  id  quo  malus  cogitari  nequit  sein,  denn 
als  höheres  Gut  liefse  sich  eine  solche  Erlösung  denken,  die 
nicht  geworden  und  daher  auch  nicht  der  Gefahr  ausgesetzt 
ist,  zu  vergehen. 
Die  Eric--  Somit  ist  die  Erlösung  (die  wir  nicht  nach  unserm  abend- 

i*°.  ländischen,  einseitigen,  aus  historischen  und  darum  engen  Ver- 
hältnissen erwachsenen  Begriffe  beurteilen  dürfen)  keine  eigent- 
liche Neuentstehung,  keine  xaiv-r]  xxtaic,  sondern  nur  die  Inne- 
werdung eines  von  jeher  Vorhandenen,  aber  bis  dahin  uns 
Verborgenen;  Gaudap.  4,98: 

Alle   Seelen   sind   ursprünglich 
Frei  vom  Dunkel  und  fleckenlos; 
„Urerweckt  schon  und  urerlöst, 
Erwachen   sie",   der  Meister   spricht. 


eung  keine 


3.  Das  Ätmanwissen  ist  die  Erlösung.  311 

Wir  alle  sind  schon  erlöst  (wie  könnten  wir  es  sonst  werden!), 
„aber  gleichwie  einen  verborgenen  Goldschatz,  wer  die  Stelle 
nicht  weifs,  nicht  findet,   ob   er  wohl  immer  wieder  darüber 
hingehet,   ebenso  finden  alle  diese  Kreaturen  diese  Brahman- 
welt   nicht,    obwohl  sie   tagtäglich   [im  tiefen  Schlafe]   in  sie 
eingehen;  denn  durch  die  Unwahrheit  werden  sie  abgedrängt1' 
(Chänd.  8,3,2).     Diese   Unwahrheit  wird   gehoben    durch   die 
Erkenntnis:  ,,Ich  bin  Brahman",  bin  in  Wahrheit  nicht  Indi- 
viduum, sondern  der  Ätman,  der  Inbegriff  aller  Realität,  bin 
das  Prinzip,  das  alle  Welten  schafft,  trägt  und  erhält.    „Und 
auch    heutzutage,    wer   also   eben   dieses    erkennt:    «Ich  bin 
Brahman!»  der  wird  zu  diesem  Weltall;  und  auch  die  Götter 
haben  nicht  Macht,  zu  bewirken,  dafs  er  es  nicht  wird.    Denn 
er  ist  die  Seele  (atman)  derselben"  (Brih.   1,4,10).     Kurz  und 
treffend  wird   dieser  Gedanke   zusammengefafst   Mund.  3,2,9: 
„Wahrlich,  wer  jenes  höchste  Brahman   kennt,   der  wird  zu 
Brahman",  oder  richtiger:  „der  ist  schon  Brahman"  (sa  yo  ha 
cai  tat  pa/ramäm  brähma   vecla,   braltma  cva  bhavati);   denn  die 
Erlösung  wird   nicht   erst   durch    die   Erkenntnis   des   Ätman 
bewirkt,   sondern  sie  besteht  in  dieser  Erkenntnis;   sie  ist 
nicht  eine  Folge  des  Atman wissens,   sondern   dieses   Ätman-  Das  Ätman- 
wissen selbst  ist  schon  die  volle  und   ganze  Erlösung.     Wer  TchoTdie 
sich  als   den  Atman,   als  das  Prinzip  aller  Dinge,   weifs,   der 
ist  eben  dadurch  frei  von  allem  Verlangen  (akämayamäna),    vemich- 
denn  er  weifs  alles  in  sich,  nichts  aufser   sich,  was  er  noch  Begehrens. 
verlangen  könnte;  aptakämasya  Ted  sprihä?  „was  kann  wünschen, 
wer 'alles  hat  (Gaudap.  1,9)?"  —  Und  ferner,  wer  sich  als  den    vemich- 
Atman  weifs,    den   „brennet  nicht,   was   er  getan   und  nicht    wfrke" 
getan    hat",    sei   es   Gutes   oder  Böses    (Brih.  4,4,22.   Chänd. 
8,4,1.  8,13.  Mund.  3,1,3.  Taitt.  2,9.  Kaush.  1,4.  3,1.  Mund.  3,2,9. 
Maitr.  2,7.    6,34  usw.),     seine    Werke    verflammen    wie    der 
Binsenhalm  im  Feuer  (Chänd.  5,24,3,  vgl.  Brih.  5,14,8),   und 
künftige  Werke  haften  nicht  an  ihm,  wie  das  Wasser  nicht 
am  Blatte  der  Lotosblüte  (Chänd.  4,14,3).    Seine  Individualität, 
den  Träger  aller  Werke,  hat  er  als  eine  Illusion  durchschaut, 
indem  ihm  das  Ätmanwissen  und  in  ihm  die  Erlösung  zuteil 
wurde.     Mund.  2,2,8: 


312  XV.   Die  Erlösung. 

Wer  jenes  Höchst- und -Tiefste  schaut, 
Dem  spaltet  sich  des  Herzens  Knoten, 
Dem  lösen  alle  Zweifel  sich, 
Und  seine  Werke  werden  Nichts. 

Das    Ätmanwissen    bewirkt    nicht    die    Erlösung, 
(UeseslGeS  sondern  ist  aie  Erlösung.    Fragen  wir  nach  dem  Ursprung 
dankens.    dieses    durch    die    ganze    Upanishadliteratur    sich    hindurch- 
ziehenden Gedankens,   so  werden  wir  auf  die  Brih.  3  und  4 
vorliegenden  Eeden  des  Yäjnavalkya   (aus  dessen  Gedanken- 
kreis auch  schon  die  oben,  S.  311,  zitierten  Worte  Brih.  1,4,10 
stammen,  vgl.  Brih.  1,4,3)  zurückgewiesen. 
Die  Er-  wir  beginnen  mit  Brih.  4,2.    Zum  König  Janaka,  den  wir 

loBungnach  c  .  o  j 

Brih.  4,2.  uns  als  auf  der  Höhe  des  damaligen  Wissens  (etwa  wie  Närada 
Chänd.  7,1)  stehend  zu  denken  haben,  spricht  Yäjnavalkya: 
„Dieweil  du  nun  also  reich  bist  an  Gefolge  und  Gütern,  die 
Veden  studiert  und  die  Geheimlehren  gehört  hast  (adhUaveda 
und  ukta-upanishatka  bist),  so  sage  mir,  wohin  wirst  du,  wenn 
du  einmal  von  hier  abscheiden  wirst,  gelangen?"  —  „Das  weifs 
ich  nicht,  o  Heiliger,  wohin  ich  gelangen  werde."  [Er  weifs 
es  nicht,  trotz  äevayäna  und  devalolca,  von  denen  gewifs  in 
seinen  Veden  und  Upanishad's  die  Kede  war;  ihre  Offen- 
barungen scheinen  bei  dem  König  keinen  vollen  Glauben  mehr 
zu  finden.]  —  Yäjnavalkya  versetzt:  „So  will  ich  es  dir  sagen, 
wohin  du  gelangen  wirst".  —  „0  Heiliger,  sage  es!"  —  Was 
werden  wir  zu  hören  bekommen  ?  Jedenfalls  etwas,  was  nicht 
stärker  als  durch  diese  Einführung  als  etwas  zu  damaliger 
Zeit  völlig  Neues  gekennzeichnet  werden  konnte. 

Zunächst  beschreibt  Yäjnavalkya  den  individuellen  Atman, 
wie  er  im  Herzen  wohnt,  Indra  und  Viräj  gleichsam  als  seine 
Fühlhörner  in  die  beiden  Augen  erstreckt  und  mitsamt  ihnen 
von  der  Blutmasse  des  Herzens  ernährt  wird.  Plötzlich,  indem 
in  so  grobmaterialistischer  Weise  vom  individuellen  Ätman 
die  Rede  ist,  hebt  es  sich  wie  ein  Nebel  von  unsern  Augen: 
„«Die  vordere  (östliche)  Himmelsgegend  sind  seine  vorderen 
Organe,  die  rechtsseitige  (südliche)  Himmelsgegend  sind  seine 
rechtsseitigen  Organe»"  usw.,  „«alle  Himmelsgegenden  sind 
alle  seine  Organe.  Er  aber,  der  Ätman,  ist  nicht  so  und  ist 
nicht   so.     Er   ist   ungreifbar,   denn   er   wird   nicht  gegriffen, 


3.  Das  Ätmanwissen  ist  die  Erlösung.  313 

unzerstörbar,  denn  er  wird  nicht  zerstört;  unhaftbar,  denn  es 
haftet  nichts  an  ihm;  er  ist  nicht  gebunden,  er  wankt  nicht, 
erleidet  keinen  Schaden.  —  0  Janaka!  du  hast  den  Frie- 
den erlangt!»  —  Also  sprach  Yäjnavalkya." 

Die  letzte  Äufserung  läfst  keinen  Zweifel  darüber,  dafs 
hiermit  die  höchste  Belehrung  erteilt  sein  soll,  in  welcher  wir 
die  Antwort  auf  die  Eingangsfrage:  „wohin  wirst  du,  wenn 
du  einmal  von  hier  abscheiden  wirst,  gelangen?"  zu  suchen 
haben.  Und  diese  Antwort  besagt,  dafs  die  Seele  nach  dem 
Tode  nirgendwohin  gehen  wird,  wo  sie  nicht  schon  von  jeher 
war,  und  nichts  anderes  sein  wird,  als  was  sie  von  jeher  war: 
der  eine,  ewige,  allgegenwärtige  Atman ! 

Die  Zweifel,  welche,  bei  der  abrupten  Form  des  Ab-  Die  Er- 
schnittes,  über  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  bestehen  Brih.  4,3— 4. 
könnten,  werden  völlig  beseitigt  durch  die  nicht  mifszuver- 
stehenden  Belehrungen,  welche  Yäjnavalkya  dem  Janaka  Brih. 
4,3 — 4  erteilt.  Nachdem  hier  als  Schicksal  des  Kämayqmäna, 
„des  Verlangenden"  (und  mithin  sich  noch  nicht  als  den  Atman 
Wissenden),  die  Rückkehr  zu  einem  neuen  Erdendasein  gelehrt 
worden,  so  folgen  Worte,  wie  sie  tiefer,  wahrer,  herrlicher  nie 
aus  Menschenmunde  ergangen  sind  (Brih.  4,4,6 — 7): 

„Nunmehr  von  dem  Nichtverlangenden  (akämayamäna).  — 
Wer  ohne  Verlangen,  frei  von  Verlangen,  gestillten  Verlangens, 
selbst  sein  Verlangen  ist,  dessen  Lebensgeister  ziehen 
nicht  aus,  sondern  Brahman  ist  er,  und  in  Brahman  geht  er 
auf.  —  Darüber  ist  dieser  Vers: 

Wenn  alle  Leidenschaft  schwindet, 
Die  nistet  in  des  Menschen  Herz, 
Dann  wird,  wer  sterblich,  unsterblich, 
Schon  hier  erlangt  das  Brahman   er. 

Wie  eine  Schlangenhaut  tot  und  abgeworfen  auf  einem  Ameisen- 
haufen liegt,  also  liegt  dann  dieser  Körper.  Aber  das  Körper- 
lose, das  Unsterbliche,  das  Leben  ist  lauter  Brahman,  ist  lauter 
Licht."  — 

Wir  wollen  zunächst  diese  Stelle  benutzen,  um  einige 
andere,  an  sich  dunkle,  Aussprüche  des  Yäjnavalkya  auf- 
zuhellen. 


3^4  XY.   Die  Erlösung! 

Brii..  3,2,11.  Brih.  -5,2,11 :  „«Yäjiiavalkya»,  so  sprach  er,   «wenn  dieser 

Mensch  stirbt,  wandern  dann  die  Lebensgeister  aus  ihm  aus 
oder  nicht?»  —  «Mit  nichten!»  sprach  Yäjiiavalkya,  «sondern 
ebendaselbst  bleiben  sie  versammelt:  er  schwillt  an,  er  bläht 
sich  auf,  aufgebläht  liegt  der  Tote»."  —  In  dieser  Stelle  liegt, 
wie  bereits  Upanishad's  S.  431  Anm.  bemerkt,  eine  Einschrän- 
kung auf  die  Erlösten  allerdings  nicht  vor,  wie  denn  auch  das 
Aufgeblähtwerden  durch  die  sich  entwickelnden  Gase  an 
jeder  Leiche  ohne  Unterschied  beobachtet  werden  konnte. 
Doch  werden  wir,  wie  schon  die  Mädhyandina's  zu  tun 
scheinen  (Up.  S.  431  Anm.),  die  Worte  nur  von  den  Erlösten 
verstehen  müssen,  wollen  wir  uns  nicht  mit  dem  Ausspruche 
des  Yäjiiavalkya  Brih.  4,4,2,  „ indem  das  Leben  auszieht,  ziehen 
alle  Lebensorgane  mit  aus",  in  unvereinbaren  Widerspruch 
setzen. 

Brih. 3,2,12.  Noch  dunkler  ist  das  Folgende,   Brih.  3,2,12:    „«Yäjiia- 

valkya», so  sprach  er,  «wenn  dieser  Mensch  stirbt,  was  ver- 
läfst  ihn  dann  nicht?»  —  «Der  Name»,  so  sprach  er,  «denn 
unendlich  ist  der  Name,  unendlich  sind  die  Vicve  deväh,  und 
die  unendliche  Welt  erwirbt  er  mit  diesem»."  —  Hier  müssen 
wir,  wie  Up.  S.  431  gezeigt,  unter  dem  Namen  die  unendliche 
„Welt  als  Vorstellung"  verstehen.  Indem  sie  fortbesteht, 
bleibt  das  sie  tragende  Subjekt  des  Erkennens  bestehen. 

„Nach  dem  Mit   dieser  Erklärung   stimmt  es  schön   zusammen,    dafs 

keineBe-  Yäjiiavalkya  Brih.  2,4,12  (=4,5,13)  der  Maitreyi  gegenüber 
behauptet:  „nach  dem  Tode  ist  kein  Bewufstsein",  und  dies 
dahin  erklärt,  dafs  der  unvergängliche,  unzerstörbare  (avinägin, 
amicchiUiähttrman,  4,5,14)  Ätman  nach  dem  Tode  doch  kein 
Bewufstsein  von  Objekten  mehr  habe,  weil  er  als  Subjekt  des 
Erkennens  alsdann  alles  in  sich,  nichts  aufser  sich  habe,  somit 
„keine  Berührung  mehr  mit  der  Materie  habe"  (matra-asam- 
sargas  tu  asya  bhavafi,  4,5,14  Mädhy.,  vgl.  Upanishad's  S.  485 
Anm.). 

Brii,.  3,2,10.  Auch  die  mystische  Äufserung  Brih.  3,2,10  von  dem  Wasser 

(der  Erkenntnis),  welches  das  Feuer  des  Todes  auszulöschen 
vermöge,  findet  hierin  ihre  befriedigende  Erklärung. 

Somit  hat  Yäjiiavalkya  schon  ganz  die  schopenhauersche 
Definition  der  Unsterblichkeit  als  einer  „Unzerstörbarkeit  ohne 


3.  Das  Atmanwissen  ist  die  Erlösung.  315 

Fortdauer"  (Elemente  der  Metaphysik  §  249)  antizipiert.  Wie 
es  für  den  Wissenden  keine  Realität  der  Welt  und  der  Seelen- 
wanderung mehr  gibt,  so  gehört  auch  die  Unsterblichkeit  als 
Fortleben  nach  dem  Tode  zu  der  grofsen  Illusion,  deren  Nichtig- 
keit er  durchschaut  hat. 

Von  den  zahlreichen  späteren  Upanishadstellen,  welche  in    jjjp**«*6 
ähnlicher  Weise  wie  die  bisher  besprochenen  Yäjnavalkyareden 
das  Atmanwissen   als  die  Erlösung  feiern,  mögen  hier  noch 
einige  folgen. 

Brih.  4,4,12—13.    15—17. 
Doch  wer  sich  als   das  Selbst  erfafst  hat  in  Gedanken, 
Wie  mag  der  wünschen  noch,   dem  Leibe  nachzukranken  ? 
Wem  in  des  Leib's  abgründlicher  Befleckung 
Geworden  ist  zum  Selbste   die  Erweckung, 
Den   als   allmächtig,  als  der  Welten  Schöpfer  wifst! 
Sein  ist  das  Weltall,  weil  er  selbst  das  Weltall  ist. 

Der  Mann,  der  als  sein  eigen  Selbst 
Gott  hat  geschaut  von  Angesicht, 
Den  Herrn   des,  das  da  war  und  wird, 
Der  fürchtet  und  verbirgt  sich  nicht! 

Zu  dessen  Füfsen  rollend  hin  in  Jahr'  und  Tagen  geht  die  Zeit, 
Den  Götter  als  der  Lichter  Licht  anbeten,  als   Unsterblichkeit, 
In  dem  der  Wesen  fünffach  Heer  mitsamt  dem  Raum  gegründet  stehn, 
Den  weifs  als  meine   Seele  ich,  unsterblich  den  Unsterblichen! 

Chänd.  7,26,2. 
Der  Schauende  schaut  nicht  den  Tod, 
Nicht  Krankheit  und  nicht  Ungemach; 
Das  All  nur  schaut  der  Schauende, 
Das  All  durchdringt  er  allerwärts. 

Taitt.  2,9. 
Vor  dem  die  Worte  umkehren 
Und  das  Denken,  nicht  findend  ihn, 
Wer  dieses  Brahman's  Wonne  kennt, 
Der  fürchtet  sich  vor  keinem  mehr. 

Kena  11—12. 
Nur  wer  es  nicht  erkennt,  kennt  es, 
Wer  es  erkennt,   der  weifs  es  nicht,   — 


316  XV.   Die  Erlösung. 

Nicht  erkannt  vom   Erkennenden, 
Erkannt  vorn  Nicht -Erkennenden. 

In  wem  es  aufwacht,   der  weifs  es 
Und  rindet  die   Unsterblichkeit; 
Dafs  er  es  ist,  gibt  ihm  Mannheit, 
Dafs  er  es  weifs,  Unsterblichkeit. 

Käth.  5,12.   6,12—15. 
Den  einen  Herrn  und  innres  Selbst  der  Wesen, 
Der  seine  eine  Form  ausbreitet  vielfach, 
Wer  den,  als  Weiser,   in  sich  selbst  sieht  wohnen, 
Der  nur  ist  ewig  selig,  und  kein  andrer. 

Nicht  durch  Reden,  nicht  durch  Denken, 
Nicht  durch  Sehen  erfafst  man  ihn: 
«Er  ist !  »     Durch  dieses  Wort  wird  er 
Und  nicht  auf  andre  Art  erfafst. 

«Er  ist!»   so  ist  er  auffafsbar, 
Sofern  er  beider  Wesen  ist, 
«Er  ist!»   wer  so  ihn  auffafste, 
Dem  wird  klar  seine  Wesenheit. 

Wenn  alle  Leidenschaft  schwindet, 
Die  nistet  in  des  Menschen   Herz, 
Dann  wird,  wer  sterblich,  unsterblich, 
Hier  schon  erlangt  das  Brahman  er. 

Wenn  alle  Knoten  sich  spalten, 
Die  umstricken   das  Menschenherz, 
Dann  wird,  wer  sterblich,  unsterblich    — ■ 
So  weit  erstreckt  die  Lehre  sich. 

I^a  6—7. 
Doch  wer  die  Wesen  hier  alle 
Wiedererkennt  im  eignen  Selbst 
Und  sich  in  allem,  was  lebet, 
Der  ängstigt  sich  vor  keinem  mehr. 

Wo  zu  den  Wesen  hier  allen  , 

Das   Selbst  ward  des  Erkennenden,  — 
Wo  wäre  Wahn,  und  wo  Kummer 
Für  ihn,   der  so   die  Einheit  schaut  V 


3.   Das  Atnianwissen  ist  die  Erlösung.  317 

gvet.  4,18. 

Das  Dunkel  weicht,  nun  ist  nicht  Tag  noch  Nacht  mehr; 
Nicht  seiend,  noch  nichtseiend,  —  selig  nur  ist  er! 
Er  ist  der  Om-Laut,   Savitar's  liebwertes  Licht, 
Aus  ihm  erflofs  das  Wissen  ur anfänglich. 

Maitr.  6,34  (Up.  S.  358). 
Wer,  durch  Nachsinnen  reingewaschnen  Geistes,  sich 
Versenkt  im  Atman,   was  für  Seligkeit  der  fühlt, 
Das  auszudrücken  sind  imstande  Worte  nicht, 
Das  mufs  im  innern  Herzen  man  erfahren  selbst. 

Mund.  3,2,2.   2,2,8.  3,2,8. 
Wer  Wünsche  noch  begehrt  und  ihnen  nachhängt, 
Wird  durch  die  Wünsche  hier  und  dort  geboren; 
Wer  aber  wunschgestillt,  wes  Selbst  bereitet, 
Dem  schwinden  alle  Wünsche  schon  hienieden. 

Wer  jenes  Höchst -und -Tiefste  schaut, 
Dem  spaltet  sich  des  Herzens  Knoten, 
Dem  lösen  alle  Zweifel  sich, 
Und  seine  Werke  werden  Nichts. 

Wie  Ströme  rinnen  und  im  Ozean, 
Aufgebend  Name  und  Gestalt,  verschwinden, 
So  geht,  erlöst  von  Name  und  Gestalt, 
Der  Weise  ein  zum  göttlich  höchsten  Geiste. 

Mändükya-Kärikä  1,16. 
Im  anfanglosen  Weltblendwerk 
Schläft  die  Seele;  wenn  sie  erwacht, 
Dann  wacht  in  ihr  das  zweitlose, 
Schlaf-  und  träum -lose  Ewige. 

Kaivalya  18 — 23.     (Der  Erlöste  spricht:) 
Was  als  Genufs,   Genufsobjekt, 
Geniefser  die  drei  Stände  kennt, 
Davon  verschieden,  Zuschauer, 
Rein  geistig,   selig  stets  bin  ich. 

In  mir  entstand  das  Weltganze, 
In  mir  nur  hat  Bestand  das  All, 
In  mir  vergeht  es,  dies  Brahman, 
Das  zweitlose,   ich  bin  es   selbst. 


318  XV.    Die  Erlösung. 

Des  Kleinen  Kleinstes   bin   ich.  und  nicht  wen'ger 
Bin  grofs  ich,  bin  das  bunte,  reiche  Weltall, 
Der  Alte  bin  ich,  bin   der  Geist,   der  Gottherr, 
Ganz  golden  bin  ich,  seliger  Erscheinung. 

Ohn'  Hand  und  Fufs  bin  ich,   unendlich  mächtig, 
Seh'   ohne  Augen,  höre  ohne   Ohren; 
Ich  bin  der  Wissende,  und  aufser  mir  ist 
Kein  andrer  Wissender  in  ew'gen  Zeiten. 

Durch  alle   Vede'n   bin  ich   zu   erkennen, 

Vedavollender  bin  ich,   Yedawisser, 

Vom  Guten  frei  und  Bösen,   unvergänglich, 

Geburtlos  bin  ich,   ohne  Leib  und  Sinne. 

Für  mich  gibt  es  nicht  Erde  und  nicht  Wasser, 

Nicht  Feuer,  nicht   den  Wind  und  nicht  den  Äther. 

charakte-  Auf  Grund   dieser   und    andrer   Stellen   wollen   wir    zum 

Erlösten8   Schlufs  hier  eine  kurze  Charakteristik  des  Erlösten  ver- 
suchen. 

Das  Ätmanwissen  bewirkt  nicht  die  Erlösung,  sondern  ist 
die  Erlösung;  denn  wer  es  besitzt,  der  hat  die  Existenz  der 
Welt,  die  Existenz  seiner  Leiblichkeit  und  Individualität  als 
eine  Illusion  (mäyä)  durchschaut.    Hieraus  folgt  alles  Übrige. 

vernich-  •  i)  Der  Wissende  ist  akämmjamäna ;  alles  Wünschen,  Be- 
Begehreus.  gehren,  Verlangen,  alles  Hoffen  und  Fürchten  hat  für  ihn  auf- 
gehört; denn  dies  alles  setzt  ein  Objekt  voraus,  auf  welches 
es  sich  bezieht.  Ein  solches  aber  gibt  es  für  den  Wissenden 
nicht  mehr.  „Wahrlich,  nachdem  sie  dieser  Seele  sich  bewufst 
geworden,  stehen  die  Brahmanen  ab  vom  Verlangen  nach 
Kindern  und  Verlangen  nach  Besitz  und  Verlangen  nach  der 
Welt  und  wandern  umher  als  Bettler.  Denn  das  Verlangen 
nach  Kindern  ist  Verlangen  nach  Besitz,  und  das  Verlangen 
nach  Besitz  ist  Verlangen  nach  Welt;  denn  alle  beide  sind 
eitel  Verlangen"  (Brih.  3,5).  „Dieses  wufsten  die  Altvordern, 
wenn  sie  nicht  nach  Nachkommenschaft  begehrten  und  sprachen : 
«Wozu  brauchen  wir  Nachkommen,  wir,  deren  Seele  diese  Welt 
ist!»"  (Brih.  4,4,22).  —  Kurz  und  trefflich  fafst  dies  Gaudapäda 
(1,9)  in  die  Worte  zusammen:  „Was  kann  wünschen,  wer  alles 

yemich-    hat?"  —  Darum  kennt  der  Wissende  auch  keine  Furcht  mehr. 

tung  der 

FnreM.    „Wer  dieses  Brahman's  Wonne  kennt,  der  fürchtet  nun  und 


3.   Das  Ätman wissen  ist  die  Erlösung.  319 

nimmer  sich"  (Taitt.  2,4),  „der  ängstigt  sich  vor  keinem  mehr" 
(Käth.  4,5.  12).  „Denn  wovor  sollte  er  sich  fürchten?  Denn 
vor  einem  Zweiten  ist  ja  die  Furcht"  (Brih.  1,4,2). 

2)  Die  Erkenntnis  des  Ätman  hebt  über  die  Individualität  Aufhebung 

'  .  des  Leidens. 

und  damit  über  die  Möglichkeit  des  Schmerzes  hinaus.  „Den 
Kummer  überwindet,  wer  den  Ätman  kennt"  (Chänd.  7,1,3). 
„Besessen  wird  der  Bekörperte  von  Lust  und  Schmerz,  denn 
weil  er  bekorpert  ist,  ist  keine  Abwehr  möglich  der  Lust  und 
des  Schmerzes.  Den  Körperlosen  aber  berühren  Lust  und 
Schmerz  nicht"  (Chänd.  8,12,1).  „Darum,  fürwahr,  wer  diese 
Brücke  überschritten  hat  als  ein  Blinder,  der  wird  sehend, 
als  ein  Verwundeter,  der  wird  heil,  als  ein  Kranker,  der  wird 
gesund"  (Chänd.  8,4,2). 

3)  „Und  seine  Werke  werden  Nichts"  (Mund.  2,2,8).  vemich- 
Alle  Werke,  die  guten  wie  die  bösen,  werden  bei  erlangter  ^frke" 
Erkenntnis  zunichte,   wie   oft  versichert  wird   (vgl.   die   oben 

S.  311  angeführten  Stellen).  Denn  die  Individualität,  welche 
sie  hervorbrachte,  ist  für  den  Wissenden  nur  ein  Teil  jener 
grofsen  Weltillusion,  die  er  durchschaut  hat. 

4)  Aus  demselben  Grunde  haften  ihm  künftige  Werke  Niehtauhaf- 
nicht  mehr  an,  wie  das  Wasser  nicht  am  Blatte  der  Lotos-  tigerwerke. 
blute   haftet   (Chänd.  4,14,3).     Dafs   er   Böses   tun   sollte,   ist 

durch  seine  Freiheit  von  allem  Verlangen  völlig  ausgeschlossen. 
„Darum,  wer  solches  weifs,  der  ist  beruhigt,  bezähmt,  ent- 
sagend, geduldig  und  gesammelt;  nur  in  sich  selbst  sieht  er 
das  Selbst,  alles  sieht  er  an  als  das  Selbst;  nicht  überwindet 
ihn  das  Böse,  er  überwindet  alles  Böse,  .  .  .  frei  von  Bösem, 
frei  von  Leidenschaft  und  frei  von  Zweifel,  wird  .er  ein  Bräh- 
mana,  er,  dessen  Welt  das  Brahman  ist"  (Brih.  4,4,23).  — 
„Wodurch  lebt  dieser  Brähmana  ?  Dadurch,  wodurch  er  lebet, 
wie  es  eben  kommt"  (Brih.  3,5).  Sein  künftiges  Verhalten 
der  Leiblichkeit  nach ,  die  er  wie  eine  Schlangenhaut  ab- 
gestreift hat,  ist  völlig  ohne  Belang;  Icä  2: 

Mag  immerhin,  sein  Werk  treibend, 
Hundert  Jahre   man  wünschen   sich ! 
Drum   steht's,   wenn   so   du,   nicht  anders; 
Werkbefleckuns   klebt  dir  nicht  an. 


320  -^v-    ^ie  Erlösung. 

Lösung  5)  „Wem  dieses  ward,  fürwahr,  der  zweifelt  nicht"  (Chänd. 

/.weife].  3,14,4),  „dem  lösen  alle  Zweifel  sich"  (Mund.  2,2,8),  „frei  von 
Zweifel,  wird  er  ein  Brähmana"  (Biih.  4,4,23).  „Weil  die  Er- 
kenntnis des  Ätman  nicht  auf  Reflexion  (tarka,  Käth.  2,9), 
sondern  auf  unmittelbarer  Innewerdung  (anubhava)  beruht, 
darum  kann  sie  durch  keinen  Zweifel  mehr  erschüttert  werden. 
Die  Täuschung,  nachdem  sie  durchschaut  ist,  kann  nicht  mehr 
täuschen.  Die  Frage  nach  der  Möglichkeit  eines  Rückfalls 
kann  nicht  erhoben  werden  und  wird  nicht  erhoben. 


4.  Die  Erlösungslehre  in  empirischem  Gewände. 

Drei  meta-  1)  Der  Ätman  ist  unerkennbar. 

PGyrund-e  2)  Der  Ätman  ist  die  alleinige  Realität. 

3)  Das  Innewerden  des  Ätman  ist  die  Erlösung. 
In  diesen   drei  Sätzen  liegt  die  metaphysische  Wahrheit 
der  Upanishadlehre.    Ihre  weitere  Ausgestaltung  besteht  darin, 
dafs  diese  metaphysische  Wahrheit  (ähnlich  wie  in  der  Grie- 
chischen   und    der    Neuern    Philosophie)    unberechtigterweise 
umkieidung  in  die  Sphäre   der  Erkennbarkeit  herabgezogen  und  mit  em- 
mit8empu  pirischen  Formen   umkleidet   wird.      1)   Der   Ätman   wird    zu 
Formtn.    einem  Objekt  der  Erkenntnis,   welches   er  in  Wahrheit  nicht 
ist.     2)  Der  Welt  wird  ihre  Realität  belassen,  und  der  hier- 
durch entstehende  Widerspruch  ausgeglichen  durch  die  immer 
wiederkehrende  Versicherung,  dafs  die  Wrelt  mit  dem  Ätman 
Die  Er-     identisch  sei.    3)  Die  Erlösung  endlich  erscheint  fälschlich  in 
ein'wwdin  der  Anschauungsform  der  Kausalität  als  ein  Wrerden  zu  etwas, 
zu  etwas.   wag   vorner   nicht   war,   und   in   den  Anschauungsformen   der 
Zeit  und  des  Raumes  als  die  Aufhebung  einer  zeitlichen  und 
räumlichen   Trennung  von  dem  Ätman,  welche  in  Wahrheit 
nie  bestanden  hat  und  daher  auch  nicht  aufgehoben  zu  werden 
braucht. 

Hieraus  entspringt  die  empirische  und  daher  irrige  Auf- 
fassung, dafs  die  Erlösung  (welche  in  Wahrheit  von  jeher  be- 
stand  und   schon   im   Augenblicke   des   Erkennens    uns   voll- 
Erst  nach  ständig    zum    Bewufstsein    kommt)    voll    und    ganz    erst    mit 
dTe^Jrk-e  Auflösung  des  Leibes  erreicht  werde.    Chänd.  3,14,4:  „zu  ihm 
Iicht*      werde  ich,  von  hier  abscheidend,  eingehen";  —  Chänd.  6,14,2: 


4.  Die  Erlösungslehre  in  empirischem  Gewände.  321 

„diesem  [Welttreiben]  werde  ich  nur  so  lange  angehören,  bis 

ich  erlöst  sein  werde,  darauf  werde  ich  heimgehen";  —  Käthe.  5,1: 

vimuMag  ca  cimucyute  „und  wenn  er  vom  Leibe  erlöst  worden 

I  oder :  nachdem  er  schon  durch  die  Erkenntnis  erlöst  worden), 

wird  er    [endgültig   erst  im   Tode]   erlöst".  —  Einer   spätem 

Zeit  gehört  das   Gleichnis  von   dem  Töpferrade  (dem  Leben)    Das  aus- 

an,    welches   zu   Ende   rollt,    auch   nachdem    das    Gefäfs    (die  Töpferrad. 

Erlösung)    schon    fertig    ist    (System  d.  Ved.   S.  459.    Garbe, 

Sänkhyaphilosophie  S.  182),  sowie  die  Unterscheidung  zwischen 

solchen,   die   erst  mit  dem  Tode   erlöst  werden  (videhamulcti), 

und   solchen,   die   es   schon   bei   Lebzeiten   sind   (jivanmuJcti).   mejivan- 

.  i     •        '         it  i     •    -\  i  milkt  i. 

Diese  Unterscheidung  und  jener  Vergleich  stammen  erst  aus 
der  realistischen,  dem  Sänkhyam  zutreibenden,  Periode  des 
Vedäuta.  Beide  sind  uns  in  den  Upanishad's  (mit  Ausnahme 
ganz  später)  nicht  begegnet  und  stehen  mit  dem  ursprüng- 
lichen Sinn  der  Erlösungslehre  im  Widerspruch.  Nach  dieser 
ist  jeder,  sobald  er  das  Ätmanwissen  besitzt,  ein  jivanmuMa; 
die  weitere  Fortdauer  oder  Nichtfortdauer  seiner  Leiblichkeit 
ist  ihm,  wie  alles  andere  in  der  Welt,  gleichgültig;  durch  den 
Tod  erlangt  er  nichts,  was  er  nicht  schon  vorher  besessen 
hätte,  und  wird  nichts  los,  was  er  nicht  schon  vorher  durch 
Erkenntnis  von  sich  gelöst  hätte. 

Wie  die  Theorie  der  VidehamuMi  nebst  den  sie  vor- 
bereitenden Upanishadstellen  auf  der  falschen  Annahme  ruht, 
als  wenn  zwischen  uns  und  dem  Ätman  eine  zeitliche 
Trennung  bestände,  so  ist  es  nicht  minder  falsch  und  auf 
einer  unberechtigten  Anwendung  der  empirischen  Erkenntnis- 
weise beruhend,  wenn  zwischen  beiden  eine  räumliche  Tren-   Der  Hin- 

7  gang  zum 

nung  angenommen  wird,  so  dafs  es  erst  eines  Hinganges  zu  Ätman  (zu 
dem  Atman  bedarf,  um  ihn  zu  erreichen.  Doch  ist  diese  An- 
schauungsweise, unter  Nachwirkung  der  alten  Vorstellungen 
eines  Hinganges  zu  den  Göttern,  zum  Brahman,  zum  Ätman 
(oben  S.  309),  auch  in  den  Upanishad's  nicht  selten.  Dafs 
die  dabei  zutage  tretenden  Vorstellungen  wenig  zusammen- 
stimmen, liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Wir  wollen  die 
wichtigsten  Stellen  in  der  Kürze  überblicken. 

Ganz  mythisch  (wiewohl  dem  Yäinavalkya  in  den  Mund    Wes  iiis 

"  v  d  V  _  .Jenseits. 

gelegt)  ist  Brih.  3,3  die  Beschreibung  des  Weges,  welcher  die 

Deussen,  Geschichte  der  Philosopliie.     I,ll.  21 


322  XV.    Die  Erlösung. 

Darbringer  des  Agvamedha  als  des  höchsten  Opfers  zwischen 
den  Schalen  des  Welteies  hindurch  ins  Jenseits  leitet,  wo  sie 
der  Wind  in  Empfang  nimmt.  Auch  die  am  Schlufs  ver- 
heifsene  Abwehr  des  Wiedertodes  für  den,  welcher  den  Wind 
als  Besonderheit  und  Allgemeinheit  (individuellen  und  kos- 
mischen Präna)  weifs,  zeigt,  dafs  dieses  Stück  noch  der  Zeit 
vor  der  Upanishadlehre  zuzuschreiben  ist.  —  Als  eine  Fort- 
setzung desselben  könnte  betrachtet  werden  Brih.  5,10,  wo 
geschildert  wird,  wie  die  Dahingeschiedenen  (ohne  Unterschied) 
im  Jenseits  vom  Winde  in  Empfang  genommen  und  dann 
durch  Sonne  und  Mond  zu  der  „Welt,  welche  ohne  Hitze 
und  ohne  Kälte  (agokam  dhimam,  d.  h.  ohne  die  Gegensätze 
des  Erdendaseins)  ist",  gelangen,  um  daselbst  „unaufhörliche 
Jahre"  zu  weilen.  —  Zur  Sonne  nimmt  seinen  Weg  auch  der 
Sterbende  Brih.  5,15  (Icä  15 — 18),  nur  dafs  er  sich  als  identisch 
mit  dem  Purusha  in  der  Sonne  erkennt,  worin  schon  ein 
Hineinspielen  der  Atmanlehre  und  eine  Einbettung  derselben 
in  die  überkommenen  mythologischen  Vorstellungen  gefunden 
werden  kann.  —  Dasselbe  gilt  von  Chänd.  3,13,  wo  zunächst 
die  fünf  Präna's  nebst  den  entsprechenden  fünf  Sinnesorganen 
und  fünf  Naturgöttern  als  die  fünf  „Götteröffnungen"  (deva- 
sushayas)  bezeichnet  und  als  „die  fünf  Dienstmannen  des 
Brahman  und  Türhüter  der  Himmelswelt"  beschrieben  wer- 
den, dann  aber  das  durch  sie  zu  erreichende  „Licht,  welches 
jenseits  des  Himmels  dort  leuchtet",  identisch  gesetzt  wird  mit 
dem  Lichte,  ,, welches  hier  inwendig  im  Menschen  ist".  — 
Auch  die  Eschatologie  von  Chänd.  8,1 — 6  zeigt  diese  Ver- 
mischung mythologischer  und  philosophischer  Vorstellungen, 
wenn  Chänd.  8,6,1 — 5  der  Weg  durch  die  Adern  und  die  mit 
ihnen  verbundenen  Sonnenstrahlen  zur  Sonne  hin  geschildert 
wird,  während  doch  vorher  8,3  die  Brahmanwelt  nicht  in 
transzendenten  Fernen,  sondern  im  Herzen  nachgewiesen 
worden  war.  Dafs  dabei  die  Grundanschauung  philosophisch, 
und  die  mythische  Ausmalung  spätere  Verbrämung  ist,  zeigt 
sich  recht  deutlich  daran,  dafs  8,5,3  aus  aranyam,  der  „Ein- 
samkeit", in  die  sich  der  Brahman  Suchende  zurückzieht, 
„zwei  Seen  in  der  Brahmanwelt,  im  dritten  Himmel  von  hier" 
mit  Namen  ara-  und  -nya  gemacht  werden.    Hieran  sind  noch 


4.  Die  Erlüsnngslehre  in  empirischem  Gewände.  323 

andere  Herrlichkeiten  der  Brahmanwelt  (das  Gewässer  Aira/m- 
maähjam,  der  Feigenbaum  Somasavana,  die  Burg  Aparäjita 
und  der  Palast  Prablmvimitam) ,  von  einer  spätem  Hand,  wie 
wir  Upanishad's  S.  188  gezeigt,  angefügt  worden.  —  Vielleicht 
schon  abhängig  von  dieser  Stelle  ist  die  noch  weiter  gehende 
Schilderung  der  Brahmanwelt  Kaush.  1,3,  wo  unter  anderm 
nicht  nur  der  Palast  Aparäjita m  (hier  neutr.)  wiederkehrt  und 
ein  Baum  11/ya  vorkommt,  sondern  auch  „der  See  Ära"  er- 
wähnt wird,  dessen  Name  eine  abgeleitete  Bildung  von  dem 
See  ara-  Chänd.  8,5,3  sein  dürfte,  somit  für  die  Abhängigkeit 
von  dieser  Stelle  beweisend  sein  würde.  —  Einer  andern  An- 
schauung als  Chänd.  8,6,1 — 5  gehört  der  Chänd.  8,6,6  an- 
gehängte und  Käth.  6,16  wiederkehrende  Vers  an,  welcher 
nicht  erst  beim  Eingang  in  die  Sonne,  sondern  schon  beim 
Austreten  aus  dem  Leibe  die  Aussonderung  der  durch  die 
I01ste  Ader  aufsteigenden  Erlösten  stattfinden  läfst.  —  Hier- 
mit verwandt  ist  der  Weg  der  Erlösten  durch  Kopfscheitel, 
Feuer,  Wind  und  Sonne  zu  Brahman  hinauf,  wie  ihn 
Taitt.  1,6  beschreibt.  —  Alle  diese  Stellen  stehen  unter  dem 
Einflüsse  des  Upanishadgedankens,  den  sie  in  empirische  For- 
men kleiden,  indem  sie  ihn  mit  den  hergebrachten  mytho- 
logischen Anschauungen  verquicken.  Recht  grell  tritt  dies  hervor 
Ait.  3,4:  Vämadeva,  nachdem  er  sich  als  den  Atman  erkannt, 
hat,  „aus  dieser  Welt  emporsteigend,  in  jener  Himmelswelt  alle 
Wünsche  erlangt  und  ist  unsterblich  geworden"  —  sehr  über- 
flüssigerweise, nachdem  er  sich  schon  mit  dem  Ätman,  dem 
Prinzip  aller  Dinge,  als  identisch  erfafst  hatte. 

Eine  Klärung  fanden  diese  Vorstellungen  durch  Aus-  Der  Dei"*- 
gestaltung  der  Theorie  vom  Devayäna,  wie  sie  Chänd.  4,15,5 
vorliegt,  und  Verknüpfung  derselben  mit  der  analogen  Kon- 
struktion des  Pitriywa  in  der  Fünffeuerlehre,  dem  grofsen 
Haupttexte  der  Seelenwanderungslehre,  den  wir  oben  be- 
sprachen. Wir  sahen  (oben  S.  301),  wie  man  die  Seelen  der 
Erlösten  durch  eine  Reihe  heller  Schichten  (Flamme,  Tag, 
helle  Monatshälfte,  helle  Jahreshälfte,  Jahr,  Sonne,  Mond  und 
Blitz)  bis  in  Brahman  hinein  gelangen  liefs,  von  welchem  „sie 
nicht  mehr  auf  dem  Rückwege  zu  diesem  menschlichen  Dasein 
zurückkehren".     Analog   dem   Devayäna   wurde   dann   weiter 

21* 


324  XV.    Die  Erlösung. 

mittels  der  entsprechenden  dunkeln  Schichten  (oben  S.  30:0 
der  Pitriyänä  konstruiert,  wobei  man  jedoch,  wie  gezeigt,  nicht 
vermeiden  konnte,  den  Mond  beiden  Wegen  gemeinsam  sein 
zu  lassen.  Diesen  Übelstand  sucht  der  Urheber  von  Kaush.  1,2 
zu  heben,  indem  er,  die  bis  zum  Monde  führenden  beider- 
seitigen Vorstufen  kassierend  oder  ignorierend,  alle  zum  Monde 
gehen,  von  dort  die  Nichtwissenden  zurückkehren  und  die 
Wissenden  den  Devayäna  antreten  läfst,  welchem  zum  Ersatz 
für  jene  unterdrückten  Stufen  eine  Keihe  neuer  Stationen 
(Mond,  Feuerwelt,  Windwelt,  Varunawelt,  Indrawelt,  Prajä- 
patiwelt,  Brahmanwelt)  gegeben  werden.  Diese  werden  dann 
von  spätem  Vedantisten  den  vormaligen  Stationen  des  Deva- 
yäna einfach  eingereiht  (System  des  Ved.  S.  475);  im  übrigen 
hat  die  Theorie  der  weniger  beachteten  Kaushitaki  nicht  ent- 
fernt die  Bedeutung  gewonnen  wie  die  von  der  Autorität  von 
Chänd.  5,3 — 10  und  Brih.  6,2  getragene  Pancägnividyä.  Auf 
ihr  beruhen  fast  alle  spätem  Darstellungen  des  Devayäna, 
wie  namentlich  die  Mund.  1,2,11.  3,1,6.  Pragna  1,10  vorkom- 
menden. Daneben  bleibt  der  Yäjnavalkyagedanke,  dafs  das 
Ätmanwissen  schon  die  Erlösung  ist,  zu  Recht  bestehen  und 
wird  oft  ganz  ungescheut  mit  der  Devayänatheorie  verbunden 
vorgetragen,  wodurch  dann  schroffe  Widersprüche  entstehen; 
man  vergleiche  z.  B.  Käth.  6,14 — 15  mit  Käth.  6,16,  oder  Mund. 
3,2,'2  mit  Mund.  3,1,10. 

Eine  Ausgleichung  dieser  Widersprüche  versucht  die  spätere 
Theorie  von  der  KramamuMi  oder  Stufenerlösung,  nach  welcher 
die  für  gläubige  Verehrung  auf  dem  Devayäna  zu  Brahman 
aufsteigenden  Seelen  zwar  noch  nicht  erlöst  sind,  da  ihnen 
das  volle  Wissen  noch  fehlt,  doch  auch  nicht  zurück  zur  Erde 
gehen  (denn  es  heilst:  „für  solche  ist  keine  Wiederkehr1 
Brih.  6,2,15.  Chänd.  4,15,5.  8,15),  sondern  in  Brahman's  Welt 
vor  dem  Ende  des  Kalpa,  wo  auch  sie  vergeht,  das  volle 
Wissen  und  somit  die  ewige  Erlösung  erlangen  (vgl.  System 
d.  Ved.  S.  430.  472).  In  den  Upanishad's  scheint  die  Krama- 
mukti  bereits  von  der  Qvet.  Up.  1,4.  1,11.  5,7  vertreten  zu 
werden  (vgl.  die  Anm.  dort);  noch  älter  aber  dürfte  der  Vers 
Mund.  3,2,6  (Mahänär.  10,22.  Kaivalya  3—4)  sein: 


iitukti. 


4.  Die  Erlösungslehre  in  empirischem  Gewände.  325 

Die   der  Vedäntalehre   Sinn   ergriffen, 
Entsagungsvoll,  die  Büfser,  reinen  Wesens, 
In  Brahman's  Welt  zur  letzten  Endzeit  werden 
Vom  Unzerstörbaren  erlöset  alle. 


XVI.    Die  praktische  Philosophie. 

1.   Vorbemerkung. 

Jede  theoretische  Weltanschauung  schliefst  in  sich  Urteile  Philosophie 

.  .  und  Mora- 

über  den  relativen  Wert  oder  Unwert  der  Dmge  und  gewinnt  ut&t. 
dadurch  einen  Einflufs  auf  unser  praktisches  Verhalten.  Darum 
hat  jedes  philosophische  System  eine  ethische  Seite,  mag  die- 
selbe nun  zu  einer  besondern  Ethik  ausgestaltet  sein  oder 
nicht,  und  gerade  auf  diese  Seite  legt  unser  Gefühl  ein  so 
grofses  Gewicht,  dafs  wir  geneigt  sind,  den  Wert  einer  philo- 
sophischen Weltansicht  abzuschätzen  nach  den  ethischen  Folge- 
rungen, die  sich  aus  ihr  ergeben  haben  oder  abgeleitet  werden 
können.  Wir  lassen  uns  dabei  leiten  durch  das  alte  Wahr- 
wort: „An  ihren  Früchten  sollt  ihr  sie  erkennen"  (Matth.  7,16). 
Indes  kann  auch  dieses  Wort  nicht  ohne  Einschränkung  gelten. 
Denn,  um  in  dem  von  Jesu  gebrauchten  Bilde  zu  bleiben,  es 
kann  geschehen,  dafs  ein  Baum  gut  ist  und  dennoch  keine, 
oder  keine  guten  Früchte  bringt,  —  etwa  weil  seine  Blüten 
zu  frühzeitig  von  dem  kalten  Eishauche  der  Erkenntnis  der 
Wahrheit  berührt  wurden. 

Und   dieser  Fall   dürfte   in  Indien   tatsächlich  vorliegen.  Ätmaniehre 

...  °  und  Ethik. 

Selten  hat  die  ewige  philosophische  Wahrheit  einen  schärferen 
und  treffenderen  Ausdruck  gefunden  als  in  der  Lehre  von  der 
erlösenden  Erkenntnis  des  Ätman.  Und  dennoch  ist  diese 
Erkenntnis  jenem  eisigen  Hauche  zu  vergleichen,  welcher  jede 
Entwicklung  hemmt,  jedes  Leben  erstarren  macht.  Wer  sich 
als  den  Ätman  erkannt  hat,  der  ist  zwar  allem  Begehren  und 
damit  der  Möglichkeit  eines  unmoralischen  Verhaltens  für 
immer  entrückt,  aber  zugleich  ist  ihm  jeder  Ansporn  zu  irgend- 
welchem Tun  und  Schaffen  genommen:  er  ist  aus  dem  ganzen 
Kreise  der  individuellen,  illusorischen  Existenz  herausgetreten, 
sein  Leib  ist  nicht  mehr  sein  Leib,   seine  Werke   sind  nicht 


326  XVI.  Die  praktische  Philosophie. 

mehr  seine  Werke;  alles,  was  er  weiterhin  noch  tun  mag  oder 
nicht  tun  mag,  gehört  mit  zu  dem  Bereiche  der  grofsen  Täu- 
schung, die  er  durchschaut  hat,  und  ist  daher  ohne  jeden  Belang. 
Darum  lebt  er  idriga'  eva  „wie  es  eben  kommt"  (Brih.  3,5,1;  er 
ist  yädricchihi,  Mändükya-K.  2,37.  Paramahansa-Up.  4),  und  Icä 
1 — 2  gestattet  ihm,  sich  hundert  Jahre  zu  wünschen,  zu  leben 
und  zu  geniefsen,  kein  Werk  wird  ihn  beflecken,  wird  dich 
beflecken,  evam  tvayi  „wenn  so  du",  d.  h.  wenn  du  das  Weltall 
in  dem  Abgrunde  der  göttlichen  Wesenheit  versenkt  hast. 
Nur  mühsam  und  künstlich  weifs  die  Bhagavadgitä  aus  diesen 
Voraussetzungen  die  Forderung  eines  heroischen  Handelns  ab- 
zuleiten, wie  wir  in  einem  spätem  Teile  unseres  Werkes  sehen 
werden.  Durch  das  erlangte  Ätmanwissen  wird  jedes,  und 
somit  auch  das  moralische,  Handeln  aus  den  Angeln  gehoben. 
Moiautät  Aber  auch  zur  Erlangung  der  erlösenden  Erkenntnis  kann 

als  Vor-  ' 

be.imgung.  das  sittliche  Verhalten  nur  indirekt,  nicht  direkt  beitragen. 
Denn  diese  Erkenntnis  ist  nicht  ein  Werden  zu  etwas,  das 
vorher  nicht  wäre  und  durch  geeignete  Mittel  bewirkt  werden 
könnte,  sondern  sie  ist  das  Innewerden  eines  schon  vorher, 
schon  von  Ewigkeit  her  Vorhandenen,  sie  wird  (schon  in  spä- 
tem Upanishad's)  verglichen  mit  dem  Erwachen  {prabodlm. 
Hansa-Up.  1.  Ätmaprabodha  1.  Gaudap.  1,14.  3,40.  4,92.  98; 
vgl.  pratibuddha  Brih.  4,4,13,  pratibodha  Kena  12,  jagrafa 
Käth.  3,14,  boddhum  ib.  6,4;  nityah,  guddho,  buddJiah  Nrisin- 
hott.  9)  und  erfolgt,  wie  dieses,  von  selbst  (Käth.  2,23)  und. 
nicht  durch  Vorsatz.     Mändükya-K.   1,16: 

In  anfanglosem  Weltblendwerk 
Schläft  die   Seele;  wenn   sie  erwacht, 
Dann  wacht  in  ihr  das  zvveitlose 
Schlaf-  und  träum -lose  Ewige. 

Die  Er-  — Erst  später,  als  die  empirische  Erkenntnisweise  sich  der 
ein8we8rdae'n  Erlösungslehre  bemächtigte  und  dieselbe,  wie  gezeigt,  unter 
der  Anschauungsform  der  Kausalität  auffafste,  erschien  das 
erlösende  Wissen  als  ein  Werden  zu  etwas,  als  eine  Wirkung, 
die  auf  bestimmte  Ursachen  erfolgte,  und  die  man  durch  Be- 
förderung der  Ursachen  glaubte  hervorbringen  zu  können. 
Hierbei   fafste   man,    wiederum    empirisch,    die   Erlösung   auf 


zu  etwas. 


1.   Vorbemerkung.  v  327 

nach   den   äufsern  Symptomen,   durch   welche  sie  in   die  Er- 
scheinung trat.    Dieser  Symptome  aber  waren  vor  allem  zwei :  zwei  sym- 

1)  die  Aufhebung  alles  Begehrens,  Erlösung. 

2)  die  Aufhebung  des  Eewufstseins  der  Vielheit. 
Diese  also   galt   es  hervorzubringen   oder  doch  nach  Kräften 

zu  befördern,  und  hieraus  entspringen  zwei  merkwürdige  Er- zwei  Mittel, 

'  r         °  °  sie  zu  be- 

scheinungen  der  indischen  Kultur,  welche  schon  in  den  alten     wirken. 
Upanishad's  wurzeln  und  in  einer  Reihe  späterer  Upanishad's 
ihre  Ausbildung  erfahren, 

1)  der  Sannyasa,  welcher  das  Begehren,  und 

2)  der  Yoga,  welcher  das  Bewufstsein  der  Vielheit 
durch  künstliche  Vorkehrungen  aufzuheben  und  damit  die  er- 
lösende Erkenntnis,  wenigstens  ihren  äufsern  Symptomen  nach, 
zu  erzeugen  bemüht  ist.  In-  diesen  beiden,  parallel  neben- 
einanderlaufenden und  vielfach  sich  berührenden,  Kultur- 
erscheinungen  liegt   die   praktische   Philosophie,   welche    aus  Die  praku- 

.    .  °  \  .      ■  ■  sehe  Philo- 

dem    (empirisch    aufgefafsten )     Upanishadgedanken     hervor-     sophie. 

gewachsen  ist,   und  von  der  wir,   nach  Mafsgabe   des  in   den 

Atharva-Upanishad's  vorliegenden  Materials,  noch  in  der  Kürze 

zu  handeln   haben.     Vorher  aber  wollen  wir  die  wichtigsten 

ethischen  Gedanken,  wrelche  in  den  Upanishad's  nicht  sowohl 

aus  der  Atmanlehre  als  vielmehr  neben  ihr  her  entspringen, 

hier  zusammenfassen. 

2.  Die  Ethik  der  Upanishad's. 

Die  Europäer,  praktisch  und  klug  wie  sie   sind,  pflegen  objektiver 
eine  verdienstliche  Handlung  vor  allem  zu  schätzen  nach  ihrem  uverVeV 
objektiven  Werte,  d.  h.  nach  dem  Nutzen,  den  sie  für  die  tei„ng.n  " 
Nebenmenschen,   für  viele,  für  alle  zur  Folge  hat.     Wer  in 
dieser  Richtung  die  gröfsten  Wirkungen   erzielt   hat,   gilt  für 
den   gröfsten   Mann   seiner  Zeit;    das   Scherflein    der   Witwe 
bleibt  immer  nur  ein  Scherflein.    Aber  dieser  objektive  Wert 
der  guten  Tat  ist  zu   sehr   von   der  Gunst  und  Ungunst  der 
Verhältnisse,  von  der  Einsicht,  der  Stellung,  den  Hilfskräften 
des  Handelnden  und  andern  Zufälligkeiten  abhängig,  als  dafs 
er  zumMafsstabe  der  moralischen  Würdigung  dienen  könnte. 
Diese  hat  sich  vielmehr  nur  an  den  subjektiven  Wert  einer 
Handlung    zu    halten,    welcher    besteht    in    der    Gröfse    des 


328  XVI    Die  praktische  Philosophie. 

persönlichen  Opfers,  welches  der  Handelnde  bringt,  oder,  genauer 
gesagt,  in  seinem  Bewufstsein  von  der  Gröfse  des  Opfers, 
welches  er  zu  bringen  glaubt,  und  somit  in  dem  Grade  der 
Selbstverleugnung  (topos)  und  Entsagung  (nyäsa),  der  in  der 
Handlung  sich  zeigt,  mag  sie  nun  übrigens  für  die  andern 
von  grofsem,  oder  geringem,  oder  auch  von  gar  keinem 
Nutzen  sein, 
objektive  Diese  Unterscheidung  mag  uns  davor  schützen,  in   eine 

und  subjek-  n 

tive  wert-  ungerechte  Beurteilung  zu  verfallen,  wenn  wir,  zunächst  mit 
der  Hand-  einiger  Befremdung,  bemerken,  wie  bei  den  alten  Indern, 
upanishad's. deren  Bewufstsein  von  der  menschlichen  Gesellschaft,  von 
ihren  Bedürfnissen  und  Interessen  nur  wenig  entwickelt .  war, 
der  Sinn  für  den  objektiven  Wert  der  moralischen  Hand- 
lung (d.  h.  nach  dem,  was  sie  für  andere  ist)  viel  weniger 
als  bei  uns  besteht,  während  ihre  Schätzung  nach  dem  sub- 
jektiven Wert  (d.  h.  nach  dem,  was  sie  für  den  Handeln- 
den selbst  bedeutet)  in  einer  Weise  vorhanden  ist,  von  der 
wir  wohl  noch  manches  lernen  können.  In  diesem  Sinne  be- 
schäftigt sich  die  Ethik  der  Upanishad's  wesentlich  mit  der 
subjektiven  Bedeutung  der  moralischen  Handlung,  weniger  mit 
ihren  Wirkungen  nach  aufsen  hin,  wiewohl  auch  diese  letztere 
Betrachtungsweise  nur  vor  der  erstem  zurücktritt,  keineswegs 
aber  fehlt,  wie  wir  zunächst  durch  einige  Beispiele  zeigen 
wollen. 

Chänd.  3,17  wird  das  Leben  allegorisch  als  eine  grofse 
Somafeier  betrachtet.  Hierbei  wird,  im  Vorbeigehen,  in  fünf 
Worten  eine  kleine  Ethik  eingeflochten,  indem  als  der  Opfer- 
lohn (daJcshindX  der  bei  dem  grofsen  Lebensopferfest  zu  spen- 
den ist,  bezeichnet  werden:  1)  topos  (Askese),  2)  dänam  (Mild- 
tätigkeit), 3)  ävjavam  (Rechtschaffenheit),  4)  aJiinsä  (Nicht-, 
verletzen)  und  5)  satyavaeänäm  (Wahrhaftigkeit). 

Taitt.  1,9  werden  zwölf  Pflichten  aufgezählt,  neben  jeder 
von  welchen  immer  wieder  das  „Lernen  und  Lehren  des  Veda" 
eingeschärft  wird.  Sie  sind:  Rechtschaffenheit  und  Wahr- 
haftigkeit; Askese,  Bezähmung  und  Beruhigung;  dazu  als 
Obliegenheiten  des  Hausvaters:  Feueranlegung  und  Agnihotrani, 
Gastfreundlichkeit  und  Leutseligkeit,  Kinderpflicht,  Gatten- 
pflicbt  und  Enkelpflicht. 


2.  Die  Ethik  der  Upanishad's.  329 

Wie  in  andern  Ländern,  glaubt  man  auch  in  Indien  die 
Stimme  des  moralischen  Gesetzgebers  (Prajäpati)  aus  dem 
Hollen  des  Donners  zu  vernehmen,  dessen  da!  da!  da!  in 
dem  Mythus  Brih.  5,2  als  damyata !  datta!  dayadhvam!  (be- 
zähmt euch,  gebt  Almosen,  habt  Mitleid)  gedeutet  wird. 

Eine  schöne  Sentenz  über  die  wohltätigen  .Wirkungen 
der  guten  Handlung  findet  sich  Mahänär.  9  (Atharva-Rez. 
8,2):  „Wie  von  einem  mit  Blüten  bedeckten  Baume  der  Duft 
weithin  weht,  also  auch  weht  weithin  der  Duft  einer  guten 
Tat". 

Auf  der  andern  Seite  findet  das  Böse  seine  scharfe  Mifs- 
billigung  in  dem  Chänd.  5,10,9  erhaltenen  Verse: 

Der  Dieb   des   Goldes  und   der  Branntweintrinker, 

Brahmanenmörder,   Lehrers  Bett  Beflecker, 

Die  vier  und  fünftens,  wer  mit  ihnen  umgeht,   stürzt. 

Wenn  hier  statt  des  allgemeinen  Verbotes  von  Diebstahl, 
Trunksucht,  Mord  und  Ehebruch  nur  spezielle  Fälle  angeführt 
werden,  so  weist  diese  noch  fehlende  Verallgemeinerung,  sowie 
auch  die  Seltenheit  solcher  Warnungen  in  der  Upanishad- 
Jiteratur,  darauf  hin,  dafs  derartige  Verbrechen  nicht  eben 
häutig  waren,  und  dafs  mancher  -indische  Fürst  sich  etwas  von 
dem  schönen  Zeugnisse  aneignen  konnte,  welches  Acvapati 
Kaikeya  seinen  Untertanen  Chänd.  5,11,5-  ausstellt: 

In  meinem  Reiche  ist  kein  Dieb, 
Kein  Geiziger,  kein  Trunkenbold, 
Kein  Opferloser,   Schriftloser, 
Kein  Buhler,  keine  Buhlerin. 

Dem  entspricht  auch  der  milde,  humane  Ton,  in  welchem 
wir  in  den  Upanishad's  Gatte  und  Gattin,  Vater  und  Sohn, 
Lehrer  und  Schüler,  Fürst  und  Untertanen,  mit  einander  ver- 
kehren sehen. 

Wo  die  Moral  nach  aufsen  so  wenig  zu  tun  fand,  da 
konnte  sie  sich  um  so  ungeteilter  dem  Innern  zuwenden,  im 
Bewufstsein  des  Spruches  (Bhag.  G.  6,ö) : 

In  dir  selbst  deinen  Freund  wisse, 
In   dir   selbst  wisse    deinen  Feind. 


330 


XVI.   Die  praktische  Philosophie. 


T<ip<is  and 

tif/äsa  als 

ethiBche 

(truml- 

nes;riffe. 


Die  vier 
Acrama'B. 


Entstehung 

der  A<;ia- 

ma'e. 


Die  Bekämpfung  dieses  innern  Feindes  ist  Topos  (Askese),, 
seine  Besiegung  Nyäso  (Entsagung),  und  hierin  sind  die  beiden 
Grundbegriffe  gegeben,  um  welche  sich  das  ethische  Denken 
in  den  Upanishad's  bewegt.  Über  Topas  wurde  schon  oben 
(S.  60 — 65)  eingehend  gehandelt,  und  wir  wollen  hier  nur 
noch  hinzufügen,  dafs  Mahänär.  8  sehr  richtig  alle  Tugenden 
für  Topas  erklärt  werden,  dafs  aber  nach  Mahänär.  02,11  „alle 
jene  niederen  Kasteiungen"  (als  welche  wiederum  eine  ähnliche 
Reihe  von  Tugenden  wie  Taitt.  1,9,  oben  S.  328,  und  Maha- 
nar. 8  aufgezählt  werden)  überragt  werden  durch  Nyäso,  die 
Entsagung.  Wichtiger  als  derartige  einzelne  Aufserungen  ist 
es,  dafs  mit  der  Zeit  zu  den  althergebrachten  Lebensstadien 
des  BraJimacärin  und  Grihastha  ein  drittes  und  viertes  hinzu- 
traten, in  denen  jene  beiden  höchsten  Tugenden,  das  Topos 
als  Vdnaprasiha  und  der  Nyäsa  als  Sannydsin,  gleichsam  ver- 
körpert sind.  Diese  vier  Stadien  des  Brahmanschülers,  Haus- 
vaters, Waldeinsiedlers  und  herumschweifenden  Bettlers,  in 
denen  nach  späterer  Anschauung  das  Leben  jedes  brahmani- 
schen  Inders  verlaufen  sollte,  werden  in  späterer  Zeit  (zuerst, 
unseres  Wissens,  Qvet.  6,21  atyägrämin,  dann  Maitr.  4,3  usw.) 
sehr  bezeichnend  AQrama's  d.  h.  „Kasteiungsstätten"  genannt: 
das  ganze  Leben  sollte  in  einer  Reihe  stufenweise  sich  steigern- 
der asketischer  Stadien  verlaufen,  durch  die  der  Mensch,  mehr 
und  mehr  von  allem  irdischen  Hang  geläutert,  seiner  „Hei- 
mat" (astam)  entgegenreifen  sollte,  als  welche  das  Jenseits  schon 
Rigv.  10,14,8  bezeichnet  wird.  —  Die  ganze  Geschichte  der 
Menschheit  hat  nicht  vieles,  was  an  Gröfse  diesem  Gedanken 
gleichkommt. 

In  den  altern  Upanishad's  ist  die  Theorie  von  den  vier 
Arrnmas  erst  in  der  Ausbildung  begriffen.  Chänd.  8,15  er- 
wähnt nur  den  Brahmanschüler  und  Hausvater  und  verheilst 
schon  diesem  für  Studium,  Kindererziehung,  Yogaübung,  Nicht  - 
schädigung  und  Opfer  ein  Hinscheiden  ohne  Wiederkehr. 
Chänd.  2,23,1  nennt  neben  diesen  als  dritten  „Zweig  der 
Pflicht"  das  Tapas  (des  Vänaprastha) ;  eine  Reihenfolge  besteht 
noch  nicht ;  vielmehr  scheinen  nach  dieser  Stelle  die  Brahman- 
schüler, soweit  sie  nicht  vorzogen  für  immer  im  Hause  des 
Lehrers  zu  bleiben,   sich   teilweise  dem  Hausvaterstand,   teil- 


2.  Die  Ethik  der  Upanishad's.  331 

weise  dem  Waldleben  zugewandt  zu  haben.  Hierzu  stimmt, 
dafs  Chänd.  5,10  unter  denen,  welche  sterben,  die  Einsiedler 
im  Walde  und  die  Opferer  im  Dorfe  neben  einander  erscheinen- 
Allen  drei  Zweigen  der  Pflicht  stellt  Chänd.  2,23,1  den  „in 
Brahman  Feststehenden"  gegenüber.  Ebenso  Brih.  4,4,22  sol- 
chen, welche  1)  Vedastudium,  2)  Opfer  und  Almosen,  3)  Büfsen 
und  Fasten  betreiben,  den,  welcher  den  Atman  erkannt  hat 
und  infolgedessen  ein  Muni  und  Pravräjin  (Pilger)  wird. 
Beide  haben  das  Atman  wissen  und  somit  das  Höchste  erreicht. 
(Hingegen  wird  in  der  verwandten  Stelle,  Brih.  3,5,  der  Bräh- 
mana  als  höhere  Stufe  noch  vom  Muni  unterschieden.)  Auch 
Brih.  3,8,10  wird  von  dem  Opfern  und  Spenden  (des  Haus- 
vaters) sowie  dem  Tapas-Üben  (des  Waldeinsiedlers)  das 
Atmanwissen  als  höchstes  Ziel  unterschieden.  Alle  diese  Stellen 
setzen  nur  die  drei  Stadien  des  Brahmanschülers,  Haus- 
vaters und  Einsiedlers  voraus  und  stellen  ihnen  die  Ätman- 
wisser  gegenüber;  diese  sind  ursprünglich  „über  die  (drei) 
Acrama's  erhaben"  (atyacramin,  wie  es  Cvet.  6,21.  Kaiv.  24 
heifst),  aber  eben  diese  Erhabenheit  über  die  Acrama's  wurde 
mit  der  Zeit  selbst  zu  einem  vierten  und  höchsten  Agrama, 
welchen  man  naturgemäfs  an  das  Ende  des  Lebens  verlegte, 
so  dafs  ihm  die  Schülerschaft  und  das  (ursprünglich  neben 
einander  stehende)  Hausvatertum  und  Einsiedlertum  als  zeit- 
liche Vorstufen  in  dieser  Reihenfolge  vorhergingen.  Aber 
noch  bis  in  späte  Zeit  ist  die  Scheidung  zwischen  dem  dritten 
und  vierten  Acrama,  zwischen  dem  Tapas  übenden  Väna- 
prastha  und  dem  zum  Nyäsa  durchgedrungenen  Sannyäsin, 
nicht  streng  durchgeführt.  Eine  Hiudeutung  auf  die  Vierzahl 
der  Acrama's  ist  vielleicht  schon  der  Vers  Mund.  2,1,7:  „Ka- 
steiung, Wahrheit,  Brahmanwandel,  Vorschrift".  Sonst  dürfte 
die  älteste  Stelle,  welche  alle  vier  A§rama's  in  der  richtigen 
Reihenfolge  nennt,  Jäbäla-Up.  4  sein:  „Hat  man  die  Brahman- 
schülerschaft  beendet,  so  werde  man  ein  Hausvater;  nachdem 
man  ein  Hausvater  gewesen,  werde  man  ein  Waldeinsiedler; 
nachdem  man  ein  Waldeinsiedler  gewesen,  ziehe  man  pilgernd 
umher". 

Die  weitere  Ausbildung  der  Theorie  von  den  vier  Acrama's 
gehört  erst  der  Periode  der  Dharmasütra's  und  Dharmacästra's 


332  XVI.   Die  praktische  Philosophie. 

au.      Hier   wollen   wir    nur    noch    das,    was    die   Upanishad's 
darüber  enthalten,  der  Hauptsache  nach  überblicken. 

1)  Der  Brahmacarin.  —  Chänd.  6,1,1 :  „Qvetaketu  war 
der  Sohn  des  [Uddälaka]  Äruni.  Zu  ihm  sprach  sein  Vater: 
«CVetaketu!  ziehe  aus,  das  Brahman  zu  studieren,  denn  einer 
aus  unsrer  Familie,  o  Teurer,  pflegt  nicht  ungelehrt  und  ein 
[blofses]  Anhängsel  der  Brahmanenschaft  zu  bleiben»".  Aus 
dieser  Bemerkung  scheint  zu  folgen,  dafs  das  Eintreten  als 
Brahmanschüler  damals  noch,  zwar  als  gute  Sitte,  aber  selbst 
für  Brahmanen  noch  nicht  als  allgemeine  Vorschrift  galt. 
Auch  das  Eintreten  des  Satyakäma  als  Brahmanschüler  er- 
scheint Chänd.  4,4,1  als  dessen  freiwilliger  Entschlufs.  Man 
konnte  bei  seinem  Vater  in  die  Lehre  treten,  wie  Qvetaketu 
Chänd.  5,3,1.  Brih.  6,2,1.  Kaush.  1,1,  oder  bei  andern  Lehrern, 
wie  (unvereinbar  damit)  CVetaketu  Chänd.  6,1,1.  Die  Bitte 
um  Aufnahme  mufste  rite  (tirthena,  vgl.  Mund.  1,1,3  vidhivat) 
erfolgen,  d.h.  nach  Brih.  6,2,7  mit  den  Worten:  upaimi  dham 
bhivantäm.  Als  Zeichen,  dafs  er  gewillt  sei,  dem  Lehrer  zu 
dienen,  insbesondere  die  heiligen  Feuer  zu  unterhalten,  nimmt 
der  Schüler  das  Brennholz  in  die  Hand,  Kaush.  4,19.  Chänd. 
4,4,5.  5,13,7.  8,7,2.  8,10,3.  8,11,2.  Mund.  1,2,12.  Pracna  1,1. 
Vor  der  Aufnahme  vergewissert  sich  der  Lehrer  über  die  Ab- 
stammung des  Schülers,  Chänd.  4,4,4,  doch,  wie  dieses  Beispiel 
zeigt,  in  sehr  toleranter  Weise.  Mitunter  wird  die  Belehrung 
auch  ohne  förmliche  Aufnahme  (anupaniya,  Chänd.  5,11,7)  er- 
teilt. Die  Dauer  der  Lehrzeit  ist  Chänd.  4,10,1  zwölf  Jahre, 
4,4,5  „eine  Reihe  von  Jahren";  auch  Qvetaketu  tritt  Chänd. 
6,1,2  zwölf  Jahre  alt  in  die  Lehre  und  bleibt  in  ihr  zwölf 
Jahre;  in  dieser  Zeit  hat  er  „alle  Veden  durchstudiert"  (Chänd. 
6,1,2),  nämlich  die  Rigverse,  Opfersprüche  und  Sämalieder 
(Chänd.  6,7,2),  also  wohl  nur  die  Samhitä's.  Übrigens  scheint 
vom  Studium  zunächst  keine  Rede  gewesen  zu  sein:  Upakosala 
hat  Chänd.  4,10,1 — 2  zwölf  Jahre  die  heiligen  Feuer  bedient,  und 
immer  noch  kann  sich  der  Lehrer  nicht  entschliefsen,  ihm  „die 
Wissenschaft"  zu  lehren;  Satyakäma  wird  zunächst  mit  der 
Kuhherde  des  Lehrers  in  die  Fremde  geschickt,  wo  er  eine 
Reihe  von  Jahren  verweilt,  Chänd.  4,4,5;  eine  weitere  Dienst- 
leistuno; des  Brahmacarin  besteht  darin,  dafs  er  für  den  Lehrer 


2.  Die  Ethik  der  Upanishad's.  333 

betteln  geht,  Chänd.  4,3,5;  auch  bei  feierlichen  Gelegenheiten 
finden  wir  ihn  im  Gefolge  des  Lehrers  und  dessen  Befehle 
erwartend,  Brih.  3,1,2.  Neben  und  nach  diesen  Dienstleistungen, 
„in  der  von  der  Arbeit  für  den  Lehrer  übrig  bleibenden  Zeit" 
(guroh  Jcarma-atigeshena)  wird  dann  der  Veda  studiert  (Chand. 
8,15).  Die  Folge  war  mitunter  mehr  Wissensdünkel  als  echtes 
Wissen  (Chänd.  6,1,2).  Auch  auf  der  Wanderschaft  finden  wir 
die  Brahmanschüler;  zu  berühmten  Lehrern  „  eilen  sie  von 
allerwärts  her",  wie  Wasser  zur  Tiefe,  Taitt.  1,4,3;  bis  zum 
Lande  der  Madra's  (am  Hyphasis)  wandern  sie,  „um  das  Opfer 
zu  erlernen",  Brih.  3,7,1.  3,3,1.  In  der  Kegel  aber  wohnen 
sie  als  anteväsin's  im  Hause  des  Lehrers,  und  manchen  sagte 
diese  Lebensweise  so  zu,'dafs  sie  sich  „für  immer  im  Hause 
des  Lehrers  niederliefsen"  (Chänd.  2,23,1).  Die  übrigen  wur- 
den am  Ende  der  Lehrzeit  entlassen  mit  Belehrungen  wie 
Brih.  6,4  und  Ermahnungen  wie  Taitt.  1,11:  „Nachdem  er  den 
Veda  mit  ihm  studiert  hat,  ermahnt  der  Lehrer  seinen  Schüler: 
Sage  die  Wahrheit,  übe  die  Pflicht,  vernachlässige  nicht  das 
Vedastudium.  Nachdem  du  dem  .Lehrer  die  liebe  Gabe  über- 
reicht hast,  sorge,  dafs  der  Faden  deines  Geschlechts  nicht 
reifse."  Weiter  folgen  Ermahnungen,  Gesundheit  und  Ver- 
mögen nicht  zu  vernachlässigen,  Mutter,  Vater,  Lehrer  und 
Gast  zu  ehren,  in  Werken  und  Wandel  untadelig  zu  sein, 
Höherstehende  zu  ehren,  in  der  rechten  Weise  Almosen  zu 
geben  und  in  allen  zweifelhaften  Fällen  sich  nach  dem  Urteile 
bewährter  Autoritäten  zu  richten. 

2)  Der  Grihastha.  —  Chänd.  8, 15 :  „Wer  aus  der  Fa-  2)Dere 
milie  des  Lehrers,  nach  vorschriftsmäfsigem  Vedastudium  in 
der  von  der  Arbeit  für  den  Lehrer  übrig  bleibenden  Zeit, 
nach  Hause  zurückkehrt,  im  [eignen]  Hausstande  in  einer 
reinen  [den  Brahmanen  zum  Aufenthalte  gestatteten]  Gegend 
das  Selbststudium  des  Veda  betreibt,  fromme  [Söhne  und 
Schüler]  erzieht,  alle  seine  Organe  in  dem  Ätman  zum  Still- 
stande bringt,  auch  kein  Wesen  verletzt,  ausgenommen  an 
heiliger  Stätte  [beim  Opfer],  —  der  fürwahr,  wenn  er  diesen 
Wandel  die  Dauer  seines  Lebens  hindurch  einhält,  geht  ein 
in  die  ßrahmanwelt  und  kehrt  nicht  wieder  zurück".  Nach 
dieser  Stelle   kann  der  Hausvater  lebenslänglich   ein   solcher 


334  XVI.   Die  praktische  Philosophie. 

bleiben,  ohne  Schaden  an  seiner  Seele  zu  nehmen.  Hingegen 
ist  nach  Chänd.  5,10  für  die,  ,, welche  im  Dorfe  mit  den 
Worten:  «Opfer  und  fromme  Werke  sind  unser  Tribut»  Ver- 
ehrung üben",  also  für  die  bis  zum  Ende  des  Lebens  im 
Hausvaterstand  Verharrenden,  die  vorübergehende  Belohnung 
auf  dem  Monde  und  Bückkehr  zu  einem  neuen  Erdenleben 
bestimmt.  Die  nächste  Pflicht  des  Hausvaters  ist,  eine  Fa- 
milie zu  gründen  und  einen  Sohn  als  Fortsetzer  der  Werke 
des  Vaters  zu  erzeugen,  worüber  schon  oben  S.  264  fg.  ge- 
handelt wurde.  Mehrere  Frauen  sind  erlaubt,  wie  denn  Yäjfia- 
valkya  selbst  deren  zwei  hatte  (Brih.  2,4.  4,5).  Als  weitere 
Pflichten  des  Grihastha  werden  genannt:  Opfer,  Vedastudium 
und  Almosengeben  (Chänd.  2,23,1.  8,5,1—2.  Brih.  4,4,22.  3,8,10). 
Inwieweit  die  Pflicht  zu  opfern  durch  den  Upanishadgedanken 
eine  Beeinträchtigung  erlitt,  wurde  schon  oben  S.  57 — 60 
besprochen. 
3)Der  väna-  3)  Der  Vänaprastha  und  4)  der  Sannyäsin  (Bhikshu, 

%a&e?san-  Pari vräj aka).  —  Eine  Scheidung  zwischen  diesen  beiden 
Stadien  hat  sich  erst  nach  und  nach  vollzogen.  Ursprünglich 
stand  das  Einsiedlerleben  im  Walde  als  besondere  „Berufsart" 
((Iharmaslcandka)  neben  dem  Hausvatertum  (Chänd.  2,23,1. 
5,10,1 — 3).  Später  mochte  es  Brauch  werden,  sich  erst  im 
Alter,  nachdem  man  den  Pflichten  des  Grihastha  genügt  hatte, 
in  die  Waldeinsamkeit  zurückzuziehen.  Ein  Beispiel  ist  Yäjna- 
valkya,  wenn  er  Brih.  2,4,1  (4,5,1 — 2)  zu  seiner  Gattin  Mai- 
treyi  spricht:  „Ich  werde  nun  diesen  Stand  [des  Hausvaters] 
aufgeben;  wohlan,  so  will  ich  zwischen  dir  und  der  Kätyäyani 
da  Teilung  halten".  Bei  Yäjnavalkya  bedeutet  dieser  Schritt 
die  praktische  Betätigung  dessen,  was  er  Brih.  3,5,1  lehrt: 
„Wahrlich,  nachdem  sie  dieser  Seele  sich  bewufst  geworden, 
stehen  die  Brahmanen  ab  vom  Verlangen  nach  Kindern  und 
Verlangen  nach  Besitz  und  Verlangen  nach  der  Welt  und 
wandern  umher  als  Bettler".  Hier  sind  der  dritte  und  vierte 
Stand  noch  nicht  geschieden.  Anders  verhält  es  sich  mit  dem 
Könige  Brihadratha,  welcher  Maitr.  1,2  sein  Königreich  auf- 
gibt, in  den  Wald  zieht  und  sich  den  höchsten  Kasteiungen 
hingibt,  in  die  Sonne  starrt  und  mit  emporgereckten  Armen 
dasteht,  und  doch  bekennen  mufs :  „Ich  bin  nicht  des  Atman 


2.  Die  Ethik  der  Upanishad's.  335 

kundig''.  Hier  hat  der  Einsiedler,  dessen  Aufgabe  es  ist, 
neben  der  Meditation  die  Askese  zu  üben  (Chänd.  2,23,1 ), 
noch  nicht  das  höchste  Ziel  erreicht;  wenn  einer,  ohne  den 
Ätman  zu  kennen,  ,, Askese  übt  viel  tausend  Jahre  lang,  dem 
bringet  es  nur  endlichen  [Lohn]"  (Brih.  3,8,10);  Askese  führt 
nur  zum  Pitriyana  (Brih.  6,2,16),  und  nur  bei  denen  steht  es 
anders,  welche  sprechen  können:  „unsere  Askese  ist  der 
Glaube"  (Chanel.  5,10,1);  Bufsen  und  Fasten  sind  nur  ein 
Mittel",  durch  welches  die  Brahmanen  den  Ätman  ,,zu  erken- 
nen suchen"  (vividishemti,  Brih.  4,4,22).  Nach  einigen  ist  das 
Tapas  als  Mittel  des  Ätmanwissens  unerläfslich  (Maitr.  4,3: 
na  atapaslcasya  atrnajnäne  \llugamah),  nach  andern  (Jabäla- 
Up.  4)  sowie  nach  der  Konsequenz  des  Systems  ist  es  ent- 
behrlich. Denn  solange  das  Ziel  ein  jenseitiges  war,  mochte 
man  hoffen,  durch  asketische  Abstumpfung  des  Hanges  zum 
Diesseits  diesem  Ziele  näher  zu  kommen;  ist  aber  die  Er- 
lösung das  Sichfinden  als  den  Ätman  und  somit  etwas,  was 
nur  als  vorhanden  erkannt,  nicht  als  zukünftig  bewirkt  zu 
werden  braucht,  so  wird  die  Askese  des  Vänaprastha  ebenso 
überflüssig  wie  das  Opfern  und  Vedastudium  (Brih.  3,5.  4,4,21) 
des  Grihastha;  der  Ätman  wissende  ist  atyäcramin  „über  die 
[drei]  Äcrama's  erhaben"  (Qvet.  6,21).  Er  hat  erreicht,  was 
der  Asket  nur  anstrebt,  die  volle  Loslösimg  von  seiner  Indi- 
vidualität und  allem,  was  zu  ihr  gehört,  wie  Familie,  Besitz 
und  Welt  (Brih.  3,5.  4,4,22);  weil  er  „alles  von  sich  wirft" 
(sani-ni-as),  heifst  er  Sannyäsin,  weil  er  heimatlos  „umher- 
schweift", Parivrdj,  Parivräjuka,  weil  er,  besitzlos,  nur  noch  • 
als  „Bettler"  lebt,  Bhiksfm, 

3.  Der  Sanni/asa. 

Der  Sannyäsa,  welcher  ursprünglich  nur  die  Aufhebung  Ursprung 
der  ganzen  brahmanischen  Lebensordnung  und  ihrer  drei  Äc,ra-  deutun^. 
ma's  ist,  wurde  mit  der  Zeit  zu  einem  vierten  und  höchsten 
Äcrama  gestaltet,  welcher  in  der  Kegel,  wenn  auch  nicht  not- 
wendig, erst  nach  Durchlaufung  der  Stadien  des  Brahmacärin, 
Grihastha  und  Vänaprastha  gegen  das  Ende  des  Lebens  folgen 
sollte.  Hierdurch  aber  gewann  er  eine  andere  Bedeutung. 
War  er  ursprünglich  eine  Folgeerscheinung  der  Erkenntnis 


336 


XVI.   Die  praktische  Philosophie. 


Vorbedin- 
gungen. 


des  Ätman,  so  wurde  er  jetzt  zu  einem .  letzten  und  sichersten 
Der  s«»-   Mittel,   durch   das   man    jene  Erkenntnis  zu  erlangen  hoffte, 

nydsa  als  .  ~  4 

Mittel  des  und  als  em  solches  Mittel  der  Atmanerkenntnis  und  Erlösung 
Wissens,  tritt  uns  der  Sannyäsa  in  einer  Reihe  späterer  Upanishad's 
(die  wichtigsten  sind:  Brahma,  Sannyäsa,  Aruneyi,  Kantha- 
gridi,  Paramahansa,  Jubäla.  Agrama)  entgegen,  aus  denen  wir 
versuchen  wollen,  ein  Bild  jener  absonderlichen  Erscheinung 
des  indischen  Kulturlebens  zu  entwerfen.  Bei  der  Gering- 
schätzung, welche  die  Sannyäsins  nach  dem  Vorbilde  des 
Yäjfiavalkya  (Biih.  3,5.  4,4,21)  gegen  die  vedLsche  Tradition 
hegen,  und  bei  dem  Mangel  einer  andern  Autorität  ist  es  be- 
greiflich, dafs  die  Regeln  und  Sprüche,  aus  denen  die  Sannyäsa- 
Upanishad's  sich  abgesetzt  haben,  im  einzelnen  voll  von  Wider- 
sprüchen sind. 

1)  Vorbedingungen  des  Sannyäsa.  Eine  klare  Unter- 
scheidung aller  vier  Acrama's  von  einander  finden  wir  nur 
Jäb.  4  und  Acr.  1 — 4;  letztere  Upanishad  unterscheidet  das 
dritte  und  vierte  Stadium  dadurch,  dafs  der  Vänaprastha  m 
allen  seinen  vier  Spielarten  immer  noch  das  Opfern  im  Walde 
fortführt,  während  die  vier  Arten  des  Sannyäsin  davon  ent- 
bunden sind.  Jäb.  4  empfiehlt,  erst  nach  Durchlaufung  der 
Stadien  der  Brahmacärin ,  Grihastha  und  Vänaprastha  zum 
Sannyäsa  überzugehen,  gestattet  aber  auch  einen  Übergang 
dazu  direkt  von  jedem  Stadium  aus.  Ebenso  wird  Kanth.  1 
empfohlen,  „in  der  richtigen  Reihenfolge"  der  Welt  zu  ent- 
sagen, während  Kanth.  2  auch  ein  Abweichen  von  ihr  gestattet 
wird.  Sanny.  1  wird  die  Entsagung  als  ein  „Hinausgelangen 
über  die  Lebensstadien"  (also  noch  nicht'  als  viertes  Stadium) 
bezeichnet;  nach  den  Schilderungen  Sanny.  2  und  Kanth.  4 
wird  direkt  vom  Hausvatertum  zur  Entsagung  übergegangen, 
sei  es  dafs  Grihastha  und  Vänaprastha  hier  noch  ohne  Suk- 
zession als  Vorstufen  der  Entsagung  nebeneinanderstehen  (wie 
Chänd.  2,23,1),  sei  es  dafs  Vänaprastha  und  Sannyäsin  noch 
nicht  (wie  ħr.  3 — 4  und  später)  bestimmt  geschieden  werden. 

2)  Der  Abschied  vom  Leben.  Der  Sannyäsa  erfor- 
dert ein  Aufgeben  alles  Besitzes  Kanth.  1,  ein  Verzichten  auf 
die  sieben  obern  und  sieben  untern  Welten,  welche  bei  dieser 
Gelegenheit  aufgezählt  werden,  Ar.  1,  ein  Verlassen  von  Söhnen, 


Abschied 
vom  Leben 


3.  Der  Sannyäsa.  337 

Brüdern,  Verwandten  Ar.  1,  von  Vater,  Sohn  und  Weib  Ar.  5r 
von  Lehrern  und  Verwandten  Kanth.  4,  von  Kindern,  Freun- 
den, Weib,  Verwandten  Par.  1,  ein  Zurücklassen  der  Familie 
Ar.  2;  nur  der  Vers  Sanny.  2,7  gestattet  auch,  dafs  der  Ent- 
sager von  seinem  Weibe  begleitet  werde.  Der  Sannyäsa  ist 
somit  ein  völliger  Abschied  vom  Leben,  daher,  wie  beim 
Sterben,  auch  hier  eine  Heiligung  (samskura)  durch  Sprüche 
und  Zeremonien  stattzufinden  hat,  Sanny.  1.  Insbesondere  hat 
der  zur  Entsagung  Übergehende  noch  zum  letztenmal  ein  Opfer 
darzubringen,  in  dessen  Schilderung  die  Texte  sehr  ausein- 
andergehen. Sanny.  1  schreibt  ein  Manenopfer  und  ein  Brahman- 
opfer  (brähmeshti)  vor,  —  von  nun  an  lebt  der  Entsagende 
ohne  Manenspende  und  Opfer,  Par.  4,  —  Kanth.  4  verlangt, 
dafs  zuerst  zwölf  Tage  lang  ein  Agnihotram  mit  Milch  ge- 
bracht werde,  während  welcher  Zeit  der  Opfernde  selbst  nur 
von  Milch  leben  soll;  dann  soll  er,  indem  er  alle  seine  bis- 
herigen Opferpriester  noch  einmal  wie  früher  wählt,  Kanth.  1, 
ein  Vaigoändro.- Opfer  (an  Agni  Vaigvänara,  wohl  zu  ver- 
stehen wie  Chänd.  5,19 — 24)  darbringen,  Kanth.  1  und  4,  be- 
gleitet von  einem  Mus  an  Prajäpati  (vielleicht  als  Loskaufen 
von  der  Zeugung)  und  einem  Kuchen  in  drei  Schalen  an 
Vishnu,  Kanth.  4.  Hingegen  wird  Jäb.  4  das  Opfer  an  Prajä- 
pati mifsbilligt  und  nur  das  an  Agni  als  Präna  (also  wohl 
das  Vaicvänara-Opfer)  gefordert,  nach  diesem  aber  noch  ein 
Traidhätaviya- Opfer  an  die  drei  Grundstoffe  Sattvam,  Eajas 
und  Tamas  verordnet.  Hierbei  wird  Jäb.  4,  entsprechend  der 
hier  durchgeführten  Unterscheidung  aller  vier  Stadien,  der 
zum  Sannyäsa  Übergehende  als  Vänaprastha  gedacht;  daher 
die  weiter  folgende  Verordnung,  das  Feuer  durch  den  Priester 
aus  dem  Dorfe  holen  zu  lassen;  ist  kein  Feuer  zu  haben,  so 
soll  man  im  Wasser  opfern,  „denn  das  Wasser  ist  alle  Gott- 
heiten" (vgl.  oben  S.  171  fg.).  Dieses  Opfern  geschieht  mit 
den  Worten:  nOm!  ich  opfere  allen  Gottheiten,  svähd",  wobei 
das  Wort  Om  alle  drei  Veden  involviert,  Jäb.  4 ;  hierauf  soll 
der  Opfernde  von  dem  Opferschmalz  und  der  heilsamen  Opfer- 
speise kosten,  Jäb.  4.  Nach  Kanth.  1  soll  er  auf  die  Opfer- 
geräte symbolisch  seine  Glieder  übertragen,  wodurch  er  sich 
derselben  entäufsert ;   nach  Kanth.  4  soll  er  seine  hölzernen 

Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,n.  22 


338  XVJ[-   Die  praktische  Philosophie. 

Gefäfse  ins  Feuer,  seine  irdenen  ins  Wasser  werfen  und  die 
metallenen  dem  Lehrer  schenken;  nach  Sanny.  1.  Kanth.  4 
die  Reibhölzer  ins  Feuer  werfen.  Hierauf  nimmt  er  sym- 
bolisch die  Feuer,  die  er  fortan  nicht  mehr  unterhalten  wird, 
in  sich,  Sanny.  1,  in  seinen  Leib  auf,  Sanny.  2,4;  die  Opfer- 
feuer nimmt  er  in  sein  Bauchfeuer  (in  dem  er  künftig  das 
Präna-Agnihotram  bringt,  oben  S.  113 — 114),  die  Gäyatri  (d.  h. 
den  Veda,  Chänd.  3,12,1)  in  sein  Redefeuer  auf,  Ar.  2.  Es  ist 
wohl  dieses  Aufnehmen  der  Opferfeuer  in  den  eigenen  Leib? 
welches  symbolisch  angedeutet  werden  soll,  wenn  der  Entsager 
nach  Kanth.  4,  die  Feuer  anredend,  von  der  Reibhölzerseite 
eine  Handvoll  Asche  zu  trinken,  nach  Jäb.  4  an  den  Feuern 
zu  riechen  hat.  —  Aufser  diesen  Zeremonien  ist  Sanny.  3  und 
Kanth.  5  noch  von  einer  besondern  Weihe  (Mkshä)  die  Rede, 
welche  mittels  des  Hymnus  Atharvav.  11,8  „Als  sich  Manyu 
eine  Gattin  aus  des  Samkalpa  Haus  erkor"  usw.  vollzogen 
werden  soll.  Da  dieser  Hymnus  sich  in  herabsetzender  Weise 
über  die  Entstehung  des  Leibes  ausläfst  (vgl.  die  Übersetzung 
oben  I,  i,  S.  270 — 277),  so  hatte  seine  Verwendung  vielleicht 
den  Sinn,  dafs  man  sich  dabei  von  der  eigenen  Leiblichkeit 
lossagte.  —  Nach  diesem  Abschiede  von  dem  Opferwesen 
folgt  eine  sehr  bedeutsame  Handlung,  die  daher  auch  von  allen 
Texten  immer  wieder  hervorgehoben  wird,  nämlich  das  Ab- 
legen der,  die  Zugehörigkeit  zum  brahmanischen  Religions- 
verbande anzeigenden,  Opferschnur  (Kanth.  2.  3.  5.  Ar.  1. 
3.  5.  Brahma  3)  und  der  auf  die  Familienabstammung  hin- 
deutenden Haarlocke  (g*Ma,  Kanth.  2.  3.  Ar.  1.  Brahma  3. 
Par.  1).  Von  nun  an  soll  nur  die  Meditation  als  Opferschnur 
.(Kanth.  2.  Brahma  3.  Par.  2)  und  das  Wissen  als  Haarlocke 
dienen  (Kanth.  2.  Brahma  3),  der  zweitlose  Atman  soll  dem 
Entsager  Opferschnur  und  Haarlocke  sein,  Par.  2.,  Nach  Kanth.  4 
wird  die  Opferschnur,  nach  Jäb.  6  auch  die  Haarlocke,  mit 
den  Worten  „der  Erde  sväkä"  im  Wasser  geopfert,  nach  Ar.  2 
soll  man  Opferschnur  und  Haarlocke  in  der  Erde  vergraben 
oder  im  Wasser  versenken.  Die  spätere  Systematisierung 
Acr.  4,  welche  vier  Rangstufen  von  Sannyäsin's  unterscheidet, 
läfst  den  Bahüdaka  mit  Haarlocke  und  Opferschnur,  den  Hansa 
ohne  Haarlocke   mit  Opferschnur  und  erst   den  Paramahansa 


3.  Der  Saunyäsa.  339 

als  höchste  Stufe  ohne  Haarlocke  und  Opferschnur,  wie  auch 
ohne  Kopfhaare  sein.  Auch  über  diese  besteht  Meinungs- 
verschiedenheit: Kanth.  2.  3.  4  fordert  Entfernung  der  Haupt- 
haare, Jäb.  5  Kahlköpfigkeit,  Kanth.  5  nur  eine  kleine  Tonsur, 
Sanny.  3  und  Kanth.  5  Entfernung  der  Haare  an  Scham  und 
Achselhöhle.  —  Zuletzt  von  allem  folgt  der  Abschied  vom 
Sohne,  der  den  Vater  noch  eine  Strecke  begleitet,  worauf 
unter  feierlichen  Sprüchen  beide  rechtsum  kehren  und  fort- 
gehen, ohne  sich  umzusehen,  und  ohne  dafs  der  Sohn  Tränen 
vergiefsen  darf,  Kanth.  2  und  3. 

3)  Kleidung  und  Ausrüstung.  Auch  über  diese  be-  Kleidung, 
stehen  grofse  Meinungsverschiedenheiten.  Das  Gewand  soll 
nach  Sanny.  3.  Kanth.  5  braunrot,  nach  Jäb.  5  farblos,  nach 
Kanth.  2  zerrissen  oder  aus  Baumbast,  nach  Sanny.  4  geflickt 
sein;  Ägr.  4  gestattet  dem  Bahüdaka  Lendentuch  und  braun- 
rotes Gewand,  dem  Paramahansa  nur  Lumpen  und  Lenden- 
tuch; Par.  4  verlangt  von  ihm,  dafs  der  Weltraum  sein  Kleid 
sei,  Jäb.  6,  dafs  er  „nackend,  wie  er  geboren"  leben  soll.  — 
Mit  Fell,  Gürtel  und  Opferschnur  müssen  die-,  gleichfalls  zur 
Unterscheidung  der  Kasten  dienenden,  Stäbe  aus  Paläga-,  aus- 
Bilva-  und  Agvattha-TLolz  abgelegt  werden,  Ar.  5.  An  ihre 
Stelle  tritt  der  aus  drei  Stäben  zusammengeflochtene  Dreistab 
(tridandam,  wohl  als  Zeichen  der  Ausgleichung  der  Kasten- 
unterschiede) Sanny.  4,  auch  dieser  wird  verboten  Kanth.  5. 
Jäb.  6.  Ar.  2;  an  seine  Stelle  tritt  der  Einstab  (Symbol  völliger 
Ausgleichung)  Par.  1,  der  Rohrstab  Ar.  3;  auch  ihn  verwehrt 
Par.  3  mit  der  Bemerkung,  dafs,  wer  nur  die  Erkenntnis  als 
Stab  trage,  mit  Recht  ein  Einstabiger  heifse.  Äcr.  4  bringt 
auch  hier  System  hinein,  indem  sie  dem  Bahüdaka  den  Drei- 
stab, dem  Hansa  den  Einstab  gestattet,  dem  Paramahansa 
jeden  Stab  verbietet.  Ebenso  wird  Sanny.  3  ein  Sieb,  Kanth.  5 
ein  Tuchfetzen  zum  Durchseihen  des  Getränks,  um  keine  Lebe- 
wesen zu  verschlucken,  gestattet,  hingegen  Jäb.  6  und  in  den 
Versen  Kanth.  5  auch  die  Tuchseihe  verboten.  Eine  Decke 
wird  Par.  1  gestattet,  jedoch  Par.  2  für  die  höchste  Stufe  ver- 
boten. Eine  Zusammenfassung  der  Gegenstände,  welche  eine 
mildere  Observanz  dem  Sannyäsin  erlaubt,  geben  die  Verse 
Sanny.  4: 

22*' 


340  XVI.   Die  praktische  Philosophie. 

Topf,  Trinkschale  und  Feldflasche, 
Die  Dreistütze,  das  Schuhepaar, 
Geflickter  Mantel,   Schutz  gebend 
Bei  Frost  und  Glut,   das  Lendentuch, 
Badehose  und  Tuchseihe, 
Dreifacher  Stab  und  Überwurf. 

Dieselben  Gegenstände  werden,  unter  Wiederholung  derselben. 
Verse,  Kanth.  5  dem  Sannyäsin  verboten,  womit  auch  die 
Aufzählung  in  Prosa  Jäb.  6  übereinstimmt.  Äcr.  4  gestattet 
sie  dem  Bahüdaka  und  verwehrt  sie  nur  dem  Paramahansa. 
Eigentümlich  ist  die  Vorschrift  Ar.  5,  dafs  sich  der  Entsager 
den  Omlaut  auf  die  Glieder  auftragen  soll. 
Nahrang.  4)   Nahrung.      Der    Sannyäsin    mufs    vom    Erbettelten 

leben,  Kanth.  5,  nur  Bettelbrot  und  Spaltfrüchte,  Sanny.  4,5^ 
Wasser,  Wind  und  Früchte,  Sanny.  2,4,  sollen  seine  Nahrung 
sein.  Das  Betteln  soll  nach  Kanth.  2  bei  allen  vier  Kasten, 
deren  Unterschiede  für  den  Sannyäsin  nicht  mehr  bestehen, 
betrieben  werden.  Ä^r.  4  unterscheidet  auch  hier  Stufen: 
die  Kuticara's  sollen  in  den  Häusern  ihrer  Kinder,  die  Bahü- 
daka's  in  wohlgesitteten  Brahmanenfamilien,  und  erst  die  Pa- 
ramahansa's  bei  allen  vier  Kasten  betteln.  Beim  Betteln  be- 
dient sich  der  Sannyäsin  nach  Ar.  4  eines  Tongefäfses, 
Gurkengefäfses  oder  Holzgefäfses,  wohingegen  nach  Kanth.  5. 
Jäb.  6  der  Bauch  sein  Gefäfs,  nach  Kanth.  2  die  Hand  sein 
Gefäfs,  nach  Ar.  5  der  Bauch  oder  die  Hand  sein  Gefäfs 
bilden  soll.  Nach  Kanth.  5  soll  der  Entsager  „Bettelbrot  essen, 
aber  kein  Almosen  geben",  Wiikshäci  na  dadyät,  wofür,  mit 
einer  ganz  geringen  Änderung,  bhikshägt  'shad  adyät  ,,er  soll, 
vom  Bettelbrot  lebend,  wenig  essen",  gelesen  werden  könnte. 
Dies  würde  zu  andern  Stellen  stimmen,  nach  denen  der  Ent- 
säger  das  Essen  nur  als  Arzenei  gebrauchen  soll,  Kanth.  2. 
Ar.  3,  nur  so  essen  soll,  dafs  sein  Fett  nicht  zunimmt,  und 
er  mager  bleibt,  Kanth.  2.  Doch  soll  er  diese  und  andere 
Entbehrungen,  wenn  er  sich  schwach  fühlt,  nur  so  weit  treiben, 
dafs  keine  Beschwerde  entsteht,  Kanth.  2;  ist  er  krank,  so 
soll  er  die  Entsagung  nur  im  Geiste  oder  mit  Worten  üben, 
Jäb.  5.  Mit  Erweiterung  der  Pränägnihotra -Theorie  (oben 
S.  113 — 114)  heifst   es  Kanth.  4:    „was  er  dann   des  Abends 


3.  Der  Sannyäsa. .  341 

ifst,  das  ist  sein  Abendopfer,  was  des  Morgens,  sein  Morgen- 
opfer, was  am  Neumond,  sein  Neumondopfer,  was  am  Voll- 
mond, sein  Vollmondopfer,  und  wenn  er  sich  im  Frühling 
Haupthaare,  Bart,  Körperhaare  und  Nägel  [aufs  neue]  schneiden 
läfst,  so  ist  das  sein  Agnishtoma  [eine  Art  Somaopfer]". 

5)  Aufenthaltsort.  Die  wesentlichen  Merkmale  des  Aufent- 
Entsagers  sind  schon  in  den  drei  Hauptnamen  enthalten,  alt8ort- 
welche  er  führt.    Als  Sannyäsin  soll  er  „alles  von  sich  werfen", 

als  Bliilishu  nur  als  „Bettler"  leben,  und  als  Parivräj,  Pari- 
vräjaka  heimatlos  als  „Pilger  (Vagabund)"  umherschweifen. 
Er  ist  an  keine  Ortlichkeit  mehr  gebunden.  Für  ihn  hat  es 
kein  Interesse  mehr,  in  Avimuktam  zu  sterben  (einer  Örtlich- 
keit bei  Benares,  welche  dem  dort  Sterbenden  die  sofortige 
Erlösung  sichert,  Upanishad's  S.  617.  706),  denn  er  trägt  die 
Varanä  und  die  Ast  (zwei  Flüfschen,  zwischen  denen  Benares 
liegt  und  von  welchen  es  seinen  Namen  Väränasi  führen  soll) 
als  den  Bogen  (varana)  der  Augenbrauen  und  die  Nase  (näsä) 
immer  mit  sich,  Jäb.  1 — 2.  In  der  Regel  wird  er  am  Ufer 
des  Wassers  Kanth.  2,  auf  Sandbänken  im  Flusse  oder  vor 
Tempeltüren  Sanny.  4.  Kanth.  5  verweilen,  und  auf  dem  Erd- 
boden sitzen  oder  liegen  Ar.  4.  Nach  Jäb.  6  soll  er  „in  einem 
öden  Hause,  einem  Göttertempel,  auf  einem  Grashaufen,  einem 
Ameisenhaufen,  an  einer  Baumwurzel,  in  einer  Töpferwerk- 
statt, bei  einem  Feueropfer,  auf  einer  Flufsinsel,  in  einer  Berg- 
höhle, einer  Schlucht,  einem  hohlen  Baume,  an  einem  Wasser- 
falle oder  auf  dem  Erdboden  heimatlos  weilen".  In  einem 
Dorfe  darf  er  nur  eine  Nacht,  in  einer  Stadt  nur  fünf  Nächte 
sich  aufhalten,  Kanth.  2  (nach  Äcr.  4  tritt  diese  Regel  erst 
auf  der  Stufe  der  Hansa' s  in  Kraft);  eine  Ausnahme  macht 
die  Regenzeit,  Kanth.  5;  während  der  vier  Regenmonate  (eine 
Glosse  macht  daraus  zwei,  Up.  S.  699)  darf  er  in  einem 
Dorfe  oder  in  einer  Stadt  bleiben,  Kanth.  2,  die  übrigen  acht 
Monate  soll  er  umherpilgern,  sei  es  allein  oder  zu  zweien, 
Ar.  4. 

6)  Beschäftigung.     Der  Sannyäsin  vollbringt,   wie  wir  BeBChä£ti- 
sahen,  keine  Opfer  mehr,  an  deren  Stelle  die  Ernährung  des 
eignen  Leibes  tritt,  Kanth.  4,  und  ebenso  lebt  er  fortan  ohne 
Vedastudium  Par.  1.  Ar.  1,  ohne  die  Vedasprüche  Ar.  2,  doch 


342  XYl.   Die  praktische  Philosophie. 

soll  er  „von  allen  Veden  das  Äranyakam  hersagen,  die  Upani- 
shad  hersagen",  Ar.  2.    Alle  Texte  verlangen  von  ihm  „Badenr 
Nachsinnen   und   Reinheit   durch    heiFge   Wasser"   Sanny.  4. 
Kanth.  5,  Waschungen  hei  Anbruch  der  drei  Tageszeiten  Ar.  2, 
Waschen  und  Mundausspülen,   „mit  dem  Wasser  als  Gefäfs" 
(d.  h.   ohne  Gefäfs)  Kanth.  2.     Besonders   empfohlen  werden 
ihm  aufserdem  noch  das  Schweigen  Kanth.  3,  die  Meditation 
Ar.  2  und  die  Yo^a-Ubung  Sanny.  4.    Als  seine  Haupttugenden 
werden   Ar.  3   „Keuschheit,   Nichtschädigung,   Besitzlosigkeit 
und  Wahrhaftigkeit"  genannt.     Er  spricht:    „vor  mir  haben 
Frieden  alle  Wesen,  denn  von  mir  ist  alles  erschaffen  worden" 
Ar.  3;  Gold  soll  er  nicht  annehmen,  nicht  anrühren,  ja  nicht 
einmal  ansehen,  Par.  4.     Alle  Lüste  hat  er  aufgegeben,   Er- 
kenntnis   ist    sein    Stab,    darum    heifst    er    mit   Recht    „Ein- 
stabiger"; wer  aber  zum  Holzstabe  greift,  weil  dieser  ihm  die 
Freiheit  verleiht,   „von  allem  zu  essen",   der  ist  ein  falscher 
Sannyäsin  und  fährt  zur  Hölle,  Par.  3.     Der  wahre  Entsüger 
verhalten,  hingegen    ,,soll   Liebe,   Zorn,   Begierde,   Verblendung,   Trug, 
Stolz,  Neid,  Selbstsucht,  Eigendünkel  und  Unwahrheit  fahren 
lassen",  Ar.  4.    Er  ist  „frei  von  den  sechs  Wogen  [des  Sam- 
sära:  Hunger,  Durst,  Kummer,  Wahn,  Alter  und  Tod],  indem 
er  Tadel,  Stolz,   Eifersucht,  Trug,  Hochmut,  Wunsch,  Hafs, 
Lust,    Schmerz,   Verlangen,   Zorn,    Habgier,   Wahn,    Freude, 
Ärger,  Selbstsucht  und  alles  dergleichen   dahinten  läfst;   und 
weil   von   ihm   sein   eigner   Leib   nur    als    ein   Aas   wird   an- 
gesehen,  so  wendet  er  sich  von  diesem  verkommenen  Leibe, 
welcher  die  Ursache  ist  von  Zweifel,  Verkehrtheit  und  Irrtum, 
für  immer  ab,  richtet  auf  jenes  [Brahman]  beständig  sein  Er- 
kennen, nimmt  in  ihm  selber  seinen  Stand  und  weifs  von  ihm, 
dem    Ruhigen,    Unwandelbaren:    jener    Zweitlose,    ganz    aus 
Wonne  und  Erkenntnis  Bestehende,  bin  ich  selbst,  er  ist  meine 
höchste  Stätte,  meine  Haarlocke,  meine  Opferschnur",  Par.  2. 
Er  freut  sich  nicht,   wenn  man  ihn  lobt,  flucht  nicht,  wenn 
man  ihn  schmäht,  Kanth.  5;  „er  lockt  nicht  an,  und  er  stöfst 
nicht   ab;   für  ihn   gibt   es   keine   Vedasprüche    mehr,    keine 
Meditation,   keine  Verehrung,   kein  Sichtbares  und  kein  Un- 
sichtbares,  kein  Gesondertes  und    kein   Ungesondertes,   kein 
Ich,  kein  Du  und  keine  Welt.".'.  .    Im  Schmerze  unentwegt, 


3.  Der  Sannyäsa.  343 

in  der  Lust  ohne  Verlangen,  in  der  Begierde  entsagend,  aller- 
wärts  weder  am  Schönen  noch  am  Unschönen  hängend,  ist  er 
ohne  Hafs  und  ohne  Freude.  Aller  Sinne  Regung  ist  zur 
Ruhe  gekommen,  nur  in  der  Erkenntnis  verharrt  er,  fest- 
gegründet im  Ätman",  Par.  4.  „Dann  mag  er  die  grofse  Reise 
antreten,  indem  er  sich  der  Nahrung  enthält,  ins  Wasser  geht, 
ins  Feuer  geht  oder  einen  Heldentod  wählt;  oder  auch  er  mag 
zu  einer  Einsiedelei  der  Alten  sich  hegeben",  Kanth.  4.  Jäh.  5. 


4.  Der  Yoga. 

In  dem  Bewufstsein  der  Einheit  mit  dem  Ätman  als  Prin-  Der  Y°9a  al3 

.  Konsequenz 

zip  aller  Dinge  besteht  die  Erlösung.  Sie  ist  ihrem  Wesen  der  Ätman- 
nach  einerseits  eine  Vernichtung  alles  Begehrens,  ander- 
seits eine  Vernichtung  des  Wahnes  der  vielheitlichen 
Welt.  Erstere  wird,  wie  wir  sahen,  vom  Sannyäsa  angestrebt; 
letztere  durch  künstliche  Vorbereitungen  hervorzubringen,  ist 
die  Aufgabe  des  Yoga.  Dieser  ist  daher,  von  Auswüchsen 
und  Übertreibungen  abgesehen,  eine  vollkommen  verständliche 
Konsequenz  der  Upanishadlehre.  Denn  wenn  in  dem  Sich- 
einswissen mit  dem  Ätman  das  höchste  Ziel  liegt,  warum  soll 
man  nicht  versuchen,  durch  geflissentliche  Loslösung  von  der 
illusorischen  Erscheinungswelt  und  durch  Konzentration  in 
dem  eignen  Selbste  dieses  Ziel  zu  erreichen?  Dafs  aus  den 
Übungen  des  Yoga  ein  Nutzen  für  die  Aufsenwelt  wenig  oder 
gar  nicht  abfliefst,  kommt  für  eine  tiefere  ethische  Beurteilung 
nicht  in  Betracht  (oben  S.  327);  das  einzige  wesentliche  Be-  Bedenken 
denken  gegen  die  in  Indien  zu  allen  Zeiten  hochgehaltenen  Yoga. 
und  noch  heute  weit  verbreiteten  Übungen  des  Yoga  (wie 
anderseits  gegen  die  geflissentlichen  Bufsübungen  des  Pietis- 
mus im  Abendlande)  liegt  darin,  dafs  sie  dasjenige  auf  künst- 
lichem Wege  hervorbringen  wollen,  was  nur  dann  ganz  echt 
ist,  wenn  es  von  selbst  und  ohne  Zutun  unseres  Willens  ent- 
steht; tout  ce  qui  nest  pas  naturel,  est  imparfait,  wie  Napoleon 
gesagt  haben  soll.  Übrigens  berühren  sich  die  Phänomene 
beim  Yoga  nicht  nur,  wie  oft  hervorgehoben,  mit  gewissen, 
auch  bei  uns  vorkommenden,  krankhaften  Zuständen  (Hypno- 


344  XVI.  Die  praktische  Philosophie. 

tismus,  Katalepsie  u.  dgl.,  worauf  wir  Dicht  eingehen,  da  das 
in  den  Upanishad's  vorliegende  Material  dazu  keine  Veran- 
lassung gibt),  sondern  auch  mit  der  durchaus  gesunden  und 
erfreulichen  Erscheinung  der  ästhetischen  Kontemplation:  die 
überirdische  Freude,  welche  wir  beim  Anschauen  des  Schönen 
in  der  Natur  wie  in  der  Kunst  empfinden,  beruht  auf  einem 
ähnlichen  Selbstvergessen  der  eignen  Individualität  und  Eins- 
werden von  Subjekt  und  Objekt,  wie  es  der  Yoga  durch 
künstliche  Mittel  anstrebt,  die  wir  jetzt  betrachten  wollen. 
DaTogt-eTe  ^n  nacnve(lischer  -Zeit  ist  die  Yogapraxis  zu  einem  förm- 

system.  liehen  System  mit  eigenem  Lehrbuche  (den  Sütra's  des  Pa- 
tanjali)  fortgebildet  worden.  Die  Entstehung  dieses  Systems  fällt, 
wie  schon  die  ersten  Anfänge  desselben  Käth.  3  und  6.  Qvet.  2. 
Maitr.  6  zeigen,  in  die  Zeit,  wo  der  ursprüngliche  Idealismus 
der  Upanishadlehre  bereits  anfing,  zur  realistischen  Sänkhya- 
philosophie  zu  erstarren.  Auf  dieser,  dem  ursprünglichen 
Yogagedanken  sehr  wenig  angemessenen  Grundlage  hat  sich 
das  spätere  Yogasystem  aufgebaut.  Daher  legt  dieses  System 
auf  die  äufserlichen  Mittel  (sääkana)  und  die  dadurch  erlangten 
äufserlichen  Zwecke  (vibhüti)  das  Hauptgewicht,  behandelt  die 
Einswerdung  mit  dem  allein  realen  Atman,  welche  das  ur- 
sprüngliche Ziel  des  Yoga  war,  als  eine  Isolation  (haiväl/yam) 
des  Purusha  von  der  Prakriti  und  läfst  die  eigentliche  Haupt- 
sache, die  Meditation  des  Atman  mittels  der  Silbe  Om,  ganz 
in  den  Hintergrund  treten.  Nur  der  Theismus  wurde,  im 
Widerspruch  mit  der  gewählten  Sankhyagrundlage,  aus  spätem 
Upanishad's  herübergerettet  und  dem  System  auf  serlich  auf- 
gepfropft, ohne  doch  rechtes  Leben  auf  diesem  ungeeigneten 
Boden  gewinnen  zu  können  (oben  S.  215).  Ein  merkwürdiges 
Zeugnis  für  diese  theistische  Modifikation  des  Sänkhyasysterns 
im  Dienste  der  Yogalehre  ist  die  Cülika-Upanishad,  welche, 
auf  dem  Boden  der  fünfundzwanzig  Prinzipien  des  Sänkhyam 
stehend,  diesen  rein  äufserlich  ,,als  sechsundzwanzigsten"  (oder, 
wohl  mit  Einrechnung  von  Cittam,  als  siebenundzwanzigsten) 
den  Igvara  anreiht  (Cül.  14)  und  seinen  Unterschied  von  den 
Purusha's  nur  in  der  Freiheit  sieht,  mit  welcher  er  an  den 
Brüsten  „der  Werdemutter  Mayä"  trinkt,  Cül.  6: 


i.  Der  Yoga.  345 

Die  Knäblein  freilich  sind  zahllos, 
Die  da  trinken  die  Sinnenwelt, 
Doch  einer  nur  als  Gott  trinkt  sie, 
Dem  eignen  Willen   folgend  frei. 

Im  folgenden  beschränken  wir  uns  auf  den  Yoga,  soweit  Die  acht 
wir  ihn  durch  die  Upanishad's  verfolgen  können,  und  ent- 
nehmen nur  als  Fachwerk  für  unsere  Darstellung  aus  dem 
nachvedischen  System  die  „acht  Artikel  (anga)u,  in  die  sich 
die  Yogapraxis  gliedert,  und  von  denen  die  fünf  letzten  (nebst 
Tarka  als  sechstem)  schon  an  zwei  Upanishadstellen,  wenn 
auch  noch  nicht  in  der  systematischen  Folge,  aufgezählt  werden 
{Maitr.  6,18.  Amritab.  6).  Die  spätem  acht  Anga's  sind: 
1)  yama  Zucht  (bestehend  in  Nichtschädigung,  Wahrhaftig- 
keit, Nichtstehlen,  Keuschheit,  Armut),  2)  niyama  Selbstzucht 
(Reinheit,  Genügsamkeit,  Askese,  Studium,  Gottergebenheit), 
3)  äsanam  Sitzen  (am  rechten  Ort  und  in  richtiger  Körper- 
haltung), 4)  pränäyäma  Regulierung  des  Atmens,  5)  pratyähära 
Einziehung  (der  Sinnesorgane),  6)  dhäranä  Fixierung  (der 
Aufmerksamkeit),  7)  dhyäriam  Meditation,  8)  samädhi  Absorp- 
tion (völlige  Einswerdung  mit  dem  Gegenstande  der  Medi- 
tation). 

Diese   Forderungen    sehen    wir   vereinzelt    schon    in   den      Vor- 

gesohiohte 

altern  Upanishad's  auftauchen.  So  den  Pratyähara,  wenn  des  Yoga. 
Chänd.  8,15  gefordert  wird,  „alle  seine  Organe  in  dem  Ätman 
zum  Stillstande  zu  bringen",  und  den  Pränäyäma,  wenn  Brih. 
1,5,23  als  „einziges  Gelübde"  befohlen  wird,  einzuatmen  und 
auszuatmen.  Hier  und  an  andern  Stellen  (oben  S.  113)  tritt 
an  Stelle  des  Opferns  das  geregelte  Atmen,  welches  dann  als 
symbolischer  Akt  von  hier  aus  in  den  Yoga  übernommen 
worden  zu  sein  scheint.  Das  Wort  Yoga  im  technischen  Sinne 
findet  sich  zuerst,  wenn  nicht  Taitt.  2,4,  so  doch  Käth.  2,12 
(aälnjätma-yoga).  6,11.  18.  Qvet.  2,11.  6,13.  Maitr.  6,18  etc. 
Die  richtige  Erklärung  desselben  als  „Anschirrung,  An- 
schickung" ergibt  sich  aus  dem  Mahänär.  63,21  und  Maitr.  6,3 
vorkommenden  Ausdrucke:  ätmänam  yunjita,  während  der 
Yoga  Maitr.  6,25  als  „Verbindung"  (zwischen  Präna  und  Om- 
laut)  gefafst  zu  werden  scheint.     Die   genannten  Upanishad's 


346  XYL   Die  praktische  Philosophie. 

enthalten  auch  die  erste  Theorie  der  Yogapraxis;  Käth.  3,13 
fordert  mit  Anlehnung  an  sänkhy  aartige  Vorstellungen,  dafs 
man  Rede  und  Manas  in  der  Buddhi,  diese  in  dem  von  ihr 
noch  unterschiedenen  Mahän,  diesen  im  Avyaktam  „hemmen 
solle"  (yacchetk  und  Kath.  6,10 — 11  verlangt  Fesselung  (clliä- 
rand)  der  Organe  (Sinne,  Manas,  Buddhi),  damit  man  den 
dadurch  von  ihnen  allen  isolierten  Purusha  aus  dem  Leibe 
herausziehen  könne,  wie  den  Halm  aus  dem  Schilfrohre  (6,17). 
Qvet.  2,8—15  behandelt  schon  die  Wahl  des  Orts  (2,10),  die 
Art  des  Sitzens  (2,8),  die  Regelung  des  Atmens  (2,9),  die 
Fesselung  von  Sinnen  und  Manas  im  Herzen  (2,8.  9)  und  be- 
spricht 2,11—13  die  Begleit-  und  Folgeerscheinungen  des 
Yoga.  Hieran  schliefst  sich  die  Empfehlung  des  schon  Chänd. 
1,1.  Taitt.  1,8  als  Symbol  des  Brahman  vorkommenden  Lautes 
Om  als  Vehikel  (älambanam,  Kath.  2,17)  der  Meditation,  als 
Reibholz  (^vet.  1,14.  Dhyänab.  20),  als  Bogen  (Mund.  2,2,4. 
Dhyänab.  19)  oder  als  Pfeil  (Maitr.  6,24),  um  die  Finsternis 
zu  durchbohren  und  Brahman  als  Ziel  zu  treffen.  Die  drei 
Moren  (a,  u,  m),  aus  denen  der  Laut  Om  besteht,  werden 
zuerst  erwähnt  Pracna  5.  Maitr.  6,3,  während  die  dreieinhalbte 
Mora  als  der  „moralose"  Teil  des  Wortes  Mänd.  12,  als  die 
„Spitze  des  Omlautes"  Maitr.  6,23  zuerst  vorkommt.  An  diese 
Anfänge  schliefsen  sich  die  Schilderungen  der  Yogapraxis, 
welche  Maitr.  6,18 — 30  und  in  den  Yoga-Upanishad's  des 
Atharvaveda  (die  wichtigsten  sind:  Brahmavidyä,  Kshurika, 
CdliM;  Nddabindu,  Brahmabindii ,  Amriiidiimhi ,  Dliyanabindu, 
Tcjobindu;  YogagiJehä,  Yogaiattva  und  Hansa)  vorliegen,  und 
auf  die  wir  unsere  Darstellung  gründen,  indem  wir  der  spätem 
Ordnung  der  acht  Artikel  (yama,  niyama,  äsanam,  prändyäma, 
/iratydhdra,  dhäranä,  dhyänam,  samädhi)  folgen. 
Vyamaund  l)  yanitt,  Zwang  und  2)  niyama,  Selbstzwang.  —Diese 

beiden  Glieder  kommen  bei  den  Aufzählungen  Maitr.  6,18  und 
Amritab.  6  noch  nicht  vor,  vermutlich  weil  sie  als  die  allge- 
meinen (objektiven  und  subjektiven)  Pflichten  stillschweigend 
vorausgesetzt  werden.  Hierherziehen  kann  man,  nebst  vielem 
andern,  die  Bemerkung  Yogat.  15,  dafs  der  Yogin  allen  Wesen 
Schutz  gewährt,  da  er  sie  als  sein  Selbst  weifs,  und  Warnungen 
wie  Amritab.  27 : 


4.  Der  Yoga.  347 

Yor  Furcht,  vor  Zorn  und  vor  Schlaffheit, 
Yor  zu  viel  Wachen,  zu  viel  Schlaf, 
Vor  zu  viel  Nahrung,  Nichtnährung 
Soll  der  Yogin  sich  hüten   stets. 

3)  äscmam,  das  Sitzen.     Gewicht  wird  zunächst  auf  die  3>  ««"""»• 
Auswahl  der  richtigen  Örtlichkeit  gelegt.     Schon   Qvet.  2,10 
schreibt  für  die  Yogaübung  vor: 

Rein  sei  der  Ort  und  eben,  von  Geröll  und  Sand, 
Yon  Feuer,  von   Geräusch  und  Wasserlachen  frei; 
Hier,  wo  den  Geist  nichts  stört,  das  Auge  nichts  verletzt, 
In  windgeschützter  Höhlung  schicke  man  sich  an. 

Maitr.  6,30  verlangt  „eine  reine  Gegend",  Amritab.  17  einen 
„ebenen Erdboden,  der  lieblich  ist  und  fehlerfrei";  nach  Yogat.  15 
soll  der  Yoga  „an  unverbotnem,  windstillem,  entlegnem,  stö- 
rungsfreiem Ort"  geübt  werden;  Kshur.  2.  21  verordnet,  dafs 
man  „einen  lautlosen  Ort"  wähle.  —  In  bezug  auf  die  Art 
des  Sitzens  fehlen  in  den  Upanishad's  noch  die  extravaganten, 
auf  Veräufserlichung  deutenden  Bestimmungen  des  spätem 
Yoga,  der  nicht  weniger  als  84  Sitzarten  unterscheidet.  Qvet. 
2,8  schreibt  nur  dreifache  Geradehaltung  (von  Brust,  Hals  und 
Kopf)  und  Ebenmäfsigkeit  des  Sitzens  vor;  Amritab.  18  betont 
die  Richtung  nach  Norden  (die  Region  des  Götterweges)  und 
empfiehlt  nur  drei  Sitzarten,  den  Lotossitz  (padmasanam,  das 
Sitzen  mit  untergeschlagenen  Beinen,  in  Indien  die  gewöhnliche 
Art  zu  sitzen),  den  Kreuzformsitz  (svastiTcam)  und  den  Glückes- 
sitz (bhadräsaiiam,  beide  wrenig  von  dem  ersten  verschieden); 
Yogac.  2  verordnet,  den  Sitz  nach  Lotosart  zu  wählen,  „oder 
wie  es  ihm  sonst  beliebt",  die  Nasenspitze  zu  fixieren  und 
Hände  und  Füfse  anzuschmiegen;  Amritab.  22  empfiehlt,  dafs 
der  Yogin  regungslos  und  fest  sitze,  „von  seitwärts,  oben  und 
unten  in  sich  zurückgesenkt  den  Blick";  Kshur.  2  betont  nur 
„des  Sitzens  rechte  Art",  Kshur.  4  spricht  von  einem  Hin- 
neigen von  Brust,  Hüften,  Angesicht  und  Hals  zum  Herzen 
hin.  Eine  besondere  Art  der  Körperhaltung  schildern  die 
Schlufsverse  Sanny.  4.  —  Wie  tiama  und  niyama  wird  auch  Die  sechs 
äscmam  in  den  Upanishad's  noch  nicht  als  Aüga  des  Yoga  y^j-  s,is. 
gezählt,  der  daher  noch  nicht,  wie  später,  acht,  sondern  sechs 


348 


XVI.   Die  praktische  Philosophie. 


4)  pranä- 
yäma. 


T>)  pratyd- 
hära. 


Glieder  hat  (shad-ango  Yoga  ucyatc  Amritab.  6  und  Maitr. 
6,18),  als  welche  Maitr.  6,18  aufgezählt  werden:  pränäyäma, 
pratyähära,  dhyänam,  dharanä,  iarka,  samädhi.  Dieselbe  Auf- 
zählung, nur  mit  Einschiebung  von  pränäyäma  an  dritter 
Stelle,  kehrt  wieder  Amritab.  6.  Auffallend  ist,  dafs  beide 
Aufzählungen  dhäranä  nicht  vor,  sondern  nach  dhyänam  haben, 
was  auf  einer  etwas  andern  Auffassung  dieser  Begriffe  als  der 
später  üblichen  beruhen  könnte.  An  fünfter  Stelle  erwähnen 
beide  Verzeichnisse  tarka,  Reflexion,  welches  Amritab.  16  als 
„Nachdenken,  das  der  Lehre  nicht  zuwider  ist",  definiert  wird, 
während  es  der  Kommentator  zu  Maitr.  6,18  p.  130,11  als 
Kontrollierung  des  dhyänam,  hingegen  p.  133,17  als  die  aus 
dem   dhyänam  hervorgehende   zweifelfreie  Erkenntnis   erklärt. 

4)  pfänäyämq,  Regelung  des  Atmens.  Sie  zerfällt  in 
recaka,  püraka,  kumbhaka  (auch,  was  Garbe  bestreitet,  in 
den  Yogasütra's  2,50  erwähnt,  indem  nur,  nach  einer  in  den 
Sütra's  beliebten  Manier,  andere  Namen  gewählt  werden,  als 
vdhya  -  aVhyanta/ra  -  stambha  -  vriÜi).  Nach  der  Hauptstelle 
Amritab.  10  fg.  ist  1)  recaka  das  Ausatmen,  welches  langsam  ge- 
schehen soll,  Kshur.  5,  2)  püraka  das  Einatmen,  beschrieben 
Yogat.  12,  nach  Amritab.  19  durch  das  eine  Nasenloch  unter 
Schliefsung  des  andern  mit  dem  Finger,  nach  Amritab.  13. 
Dhyänab.  21  durch  den  wie  ein  Lotosrohr  gespitzten  Mund, 
3)  kumbhaka  der  Einbehalt  des  Atems  in  der  Brust,  Amritab.  12. 
Yogat.  13,  von  wo  er,  wie  es  nach  Kshur.  4.  6  fg.  scheint, 
kraft  der  Meditation  alle  Glieder  des  Leibes  durchdringt.  Bei 
recaka  soll  man  an  Qiva,  bei  püraka  an  Vishnu,  bei  kumbhaka 
an  Brahmän  denken,  Dhyanab.  11 — 13.  Der  pränäyäma  hat 
die  Wirkung,  alle  Sünden  zu  verbrennen,  Amritab.  7—8. 

5)  pratyähära,  Einziehung  der  Sinnesorgane,  schon 
Chänd.  8,15  erwähnt.  Wie  die  Schildkröte  ihre  Glieder  ein- 
zieht, Kshur.  3.  Yogat.  12,  so  zieht  man  alle  Sinne  nebst  dem 
regsamen  Manas,  welche  nur  Ausstrahlungen  des  Atman  sind, 
Amritab.  5,  in  sich  zurück,  hemmt  sie,  Käth.  3,13,  schliefst  sie 
ein  im  Herzen,  Qvet.  2,8,  und  bringt  sie  dadurch  zum  Still- 
stande, Käth.  6,10.  Hierdurch  bringt  man  die  Sinnendinge  in 
sich  zur  Ruhe,  Maitr.  6,19,  und  die  Sinne  werden  nieder- 
gehalten wie  im  Schlafe,  Maitr.  6,25. 


4.  Der  Yoga. 


349 


6)  clhärßnä,  die  Fixierung,  betrifft  das  Manas,  welches  als  6)  dh&ranä. 
Organ  der  Wünsche   die  Erlösung  verhindert,  wenn  man  es 

nicht  hemmt,  im  Herzen  abschliefst,  zunichte  macht  und  so  zur 
Manaslosigkeit  gelangt,  Brahmab.  1 — 5.  Maitr.  6,34  (Up.  S.  357). 
Man  soll  daher  das  Manas  nach  aufsen  zurückhalten,  Maitr. 
6,19  (eine  höhere  Art  der  dhäranä  schildert  das  Folgende  6,20), 
allerwärts  zügeln,  Yogac,.  3,  in  dem  Selbst  versenken,  Amritab.  15, 
bis  dafs  es  ganz  in  sich  zergeht,  Nädab.  18.  Die  Einschliefsung 
des  Manas  im  Herzen  lehrt  auch  Kshur.  3,  während  im  übrigen 
diese  Upanishad  davon  den  Namen  hat,  dafs  sie  eine  LshiiriJcä 
dhäranä  lehrt,  eine  Fixierung  der  Aufmerksamkeit  des  Manas 
auf  die  einzelnen  Glieder  und  Adern  des  Leibes,  wodurch 
man  dieselben  mit  dem  Manas  als  Messer  (Jcshura)  sukzessive 
von  sich  abschneidet  und  dadurch  die  Freiheit  vom  Begehren 
erreicht. 

7)  dhyänam,     die    Meditation.      Wenn     auch    svädhyäya  7)  dhyänam, 
unter  den  Niyama's  (oben  S.  345)   vorkommt,   so  wird  doch 

im  allgemeinen  das  Vedastudium  von  dem  Yogin  mit  grofser 
Geringschätzung  behandelt.    Er  ist  nicht  stolz  auf  brahmanische  Verachtung 

ö  ö  _  .  ■        ■■    '  der  Gelehr- 

Abstammung,  nicht  auf  Erlösungsschriften  wüst,  Tejob.  13,  er  samkeit. 
hat,  nach  realer  Einsicht  suchend,  die  Bücher  durchforscht 
und  statt  Kornes  nur  Spreu  in  ihnen  gefunden,  Brahmab.  18 ; 
darum  wirft  er  die  Bücher  fort,  als  brennten  sie,  Amritab.  1; 
die  einzige  Wissenschaft  ist,  wie  man  das  Manas  im  Herzen 
zunichte  macht,  „das  andre  ist  gelehrter  Kram",  Brahmab.  5. 
An  Stelle  des  Vedawissens  tritt  die  Meditation  des  Wortes, 
das  schon  nach  Käth.  2,15  „alle  Yeden  uns  verkünden",  des 
Pranava,  d.  h.  des  heiligen  Lautes  Om.  Er  ist  die  beste  Stütze, 
Kath.  2,17,  ist  der  Bogen,  auf  dem  die  Seele  als  Pfeil  zu 
Brahman  fliegt,  Mund.  2,2,4,  ist  der  Pfeil,  der  vom  Leibe  als 
Bogen  abgeschnellt  wird,  um  die  Finsternis  zu  durchbohren, 
Maitr.  6,24,  das  obere  Reibholz,  das  mit  dem  Leibe  als  unterm 
Reibholze  das  Feuer  der  Gottschauung  entzündet,  Qvet.  1,14, 
das  Netz,  mit  dem  man  den  Pränafisch  herauszieht  und  im 
Ätmanfeuer  opfert,  Maitr.  6,26,  das  Schiff,  auf  dem  man  über 
den  Äther  des  Herzens  überfährt,  Maitr.  6,28,  der  Wagen,  der 
zur  Brahmanwelt  fährt,  Amritab.  2.  Seine  drei  Moren  a  u  m 
sind  Feuer,  Sonne  und  Wind,  Maitr.  6,3,   sind  der  Inbegriff 


Der   Om- 
Laut. 


Die  drei 
Moren. 


350 


XVI.   Die  praktische  Philosophie. 


Die  Halb- 
mora. 


Weitere 
Moren. 


Allego- 
rische Deu- 
tungen. 


Motiv  des 
Öm-Kultus 


aller  Dinge,  Maitr.  6,5;  wer  sie  meditiert,  gelangt  durch  eine 
Mora  zur  Menschenwelt,  durch  zwei  zum  Pitriyäna»,  durch  drei 
zum  Devayäna,  Pracna  5.  Aufser  den  drei  Moren  aber  hat 
das  Wort  einen  vierten  moralosen  Teil,  Mänd.  12,  der  die 
Spitze  des  Omlautes  bildet,  Maitr.  6,23,  und  der  weiterhin  als 
die  dreieinhalbte  Mora  bezeichnet  wird,  Nädab.  1.  Dhyanab.  17. 
Yogat.  7  usw.  Diese  Halbmora  ist  es,  welche  zum  höchsten 
Ziele  führt,  Yogat.  7.  Sie  wird  repräsentiert  durch  den  Punkt 
(h'nnlu)  des  Anusvära,  den  Kraftpunkt,  welchem  das  höchste 
Sinnen  gilt,  Tejob.  1,  und  klingt  nach  in  dem  Nachhall  (nada), 
dem  tonlosen  m- Laute  (asvara  makdra)  Amritab.  4,  welcher 
nach  Amritab.  24  vollkommen  lautlos,  ohne  Geräusch,  Kon- 
sonant, Vokal  und  Ton  ist,  hingegen  nach  Brahmavidyä  13 
wie  der  Nachhall  eines  angeschlagenen  Blechtopfes,  einer 
Glocke,  nach  Dhyanab.  18  wie  langgezogene  Öltropfen,  wie 
nachsummender  Glockenton  klingt,  nach  Hansa  10  auf  zehn- 
fache Art  hervorgebracht  werden  kann,  von  denen  die  letzte, 
wie  Donnerhall  tönende,  empfohlen  wird.  Vgl.  auch  über  die 
Aussprache  des  Nachhalls  Atharvacikhä  1  (Up.  S.  728).  Mit 
zunehmender  Überbietung  werden  dem  Omlaute  fünf  Moren, 
Amritab.  30,  drei  Moren  und  drei  Nachhalle,  Pranou  Up.  S.  863 
(2.  Aufl.  S.  868),  drei  Moren  nebst  Halbmora,  Anusvära  und 
Nachhall,  Rämott.  2,  drei  Moren  und  vier  Halbmoren,  Rämott.  5, 
ja  schliefslich  in  verschiedenem  Sinne  zwölf  Bestandteile  zu- 
geschrieben, Nädab.  8 — 11.  Kshur.  3.  Amritab.  23.  Nrisinhott.  2 
(Up.  S.  782  fg.).  —  Unermüdlich  sind  die  Upanishad's,  je  später 
um  so  mehr,  in  der  allegorischen  Deutung  der  drei  oder  drei- 
einhalb Moren  auf  Agni,  Väyu,  Sonne,  Varuna,  Nädab.  6 — 7, 
auf  die  drei  Welten,  drei  Veden,  drei  Feuer,  drei  Götter,  drei 
Tagzeiten,  drei  Metra,  drei  Guna's,  Brahmavidyä  4 — 7.  Yogat. 
6 — 7.  Atharvaciras  5.  Atharvacikhä  1  usw.,  wobei  dann  die 
Meditation  der  Halbmora  (des  Punktes  oder  Nachhalles)  als 
über  alle  diese  Dinge  hinausführend  gepriesen  wird. 

Im  Grunde  war  es  die  schon  früh  zum  Bewufstsein  ge- 
kommene Unerkennbarkeit  des  Weltprinzips,  des  Brahman 
oder  Atman,  und  seine  Unausdrückbarkeit  duroh  Worte,  Be- 
griffe und  Bilder  (netf,  neii !)  gewesen,  welche  dazu  getrieben 
hatte,  etwas  so  völlig  Sinnloses   und  daher  gerade  besonders 


4.   Der  Yoga.  351 

Geeignetes  wie  die  Silbe  Om  als  Symbol  des  Brahman  zu 
wählen.  Aber  dieselbe  Erwägung  trieb  dann  weiterhin,  auch 
über  den  Omlaut  hinauszugehen,  zunächst  zu  der  Halbmora, 
und  endlich  auch  über  diese,  Dhyänab.  4: 

i  Höher  ist  als  die  Grundsilbe 

Der  Punkt,  höher  als  er  der  Hall; 
Die  Silbe  mit  dem  Laut  schwindet,  — 
Lautlos   die  höchste  Stätte  ist. 

Diese  höchste  Stätte,  welche  durch  kein  Wort  noch  Wort- 
geflecht ausgedrückt  wird,  Tejob.  7,  kann  nicht  durch  Om, 
sondern  nur  lautlos  meditiert  werden.  Durch  den  Omlaut  soll 
man  den  Yoga  nur  „anknüpfen",  Brahmab.  7;  er  ist  der 
Wagen,  welchen  man  verläfst,  wo  der  Fahrweg  aufhört  und 
der  Fufsweg  anfängt,  Amritab.  3.  Om  ist  immer  nur  das 
„Wortbrahman",  über  welches  hinaus  noch  das  Höchste  liegt, 
Brahmab.  17.  „Hier  bedeutet  das  Wort  den  Laut  Om;  durch 
diesen  emporgestiegen ,  gelangt  man  in  dem  Nichtworte  zur 
Vernichtung",  wie  die  Blumensäfte  im  Honigseim,  Maitr.  (3,22. 
Hiermit  wird  die  achte  und  höchste  Stufe  des  Yoga  erreicht. 

8)  samädhi,   Absorption.     In  sie  geht   die   Meditation  s>  sam&dhi. 
über,   wenn  Subjekt  und.  Objekt,   Seele   und  Gott,   so  völlig 
in  einander  fliefsen,  dafs  das  Bewufstsein  des  eignen  Subjektes 
ganz  erlischt,  und  dasjenige  eintritt,  was  Maitr.  6,20 — 21  als 
nirätmaJcatvam  (Entselbstigung)  bezeichnet  wird.    Für  die  em-   Die  Em- 
pirische, lokalisierende  Anschauung  erscheint  diese  Eins  werdung,  "  EmPor-a 
im  Anschlufs  an  Vorstellungen  wie  Chänd.  8,6,5 — 6.  Taitt.  1,6,  demgLeibe8 
als  ein  Emporsteigen  des  Meditierenden  aus  dem  Herzen  durch 
die  Ader  Sushumnä  und  das  Brahniarandltram  zur  Vereinigung 
mit   dem  welterfüllenden   Brahman.     Dieser  Prozefs   wird   in 
mannigfacher    und    wenig    zusammenstimmender    Weise    be- 
schrieben.   Das  Herz  erscheint  als  Lotosblume,  eine  schon  seit  Der  Herz- 
Chänd.  8,1,1  geläufige  Anschauung  (oben  S.  259).    „Es  hängt, 
von  Adern  umsponnen,   herab  fast  (ä)  wie   ein  Blütenkelch", 
in  ihm  flammt  ein  grofses  Feuer,   aus  dessen  Mitte   sich  eine 
nach  oben  strebende  Spitzflamme  erhebt,  Mahänär.   11,8 — 12. 
Nähere    Beschreibungen     dieser    Herzlotosblüte    finden     sich 
Dhyänab.  14 — 16.  Hansa  8  und  öfter.    Nach  Yogat.  9 — 11  wird 


352  XVI.    Die  praktische  Philosophie. 

diese  Lotosblüte  bei  der  Meditation  des  a  leuchtend,  bei  a 
erschlierst  sie  sich,  bei  m  erklingt  sie  leise  und  wird  bei  der 
Halbmora  regungslos.  Nach  Yogac.  4 — 7  ist  im  Leibe  (im 
Herzen)  eine  Sonne,  in  dieser  ein  Feuer,  in  diesem  eine  Spitz- 
flamme, welche  der  höchste  Gott  ist.  Dieser  dringt  bei  der 
Yogameditation  durch  die  Herzsonne  hindurch: 

Sodann  schlängelt   er  sich  aufwärts 
Durch  der  Sushumnä  glänzend  Tor; 
Die  Schädelwölbung  durchbrechend, 
Schaut  er  schliefslich  das  Höchste  an. 

.  Nach  Maitr.  6,38  ist  im  Herzen  eine  Sonne,  in  dieser  ein  Mond, 
in  diesem  ein  Feuer,  in  diesem  das  Sattvam,  in  diesem  die 
Seele,  welche  alle  die  genannten  Kreise  durchdringt,  die  vier- 
netzige  Brahmanhülle  (annamaya, pränamaya,  manomaya,  vijndna- 
maya,  Taitt.  2)  zerreifst  (Maitr.  6,28.  38),  mit  dem  Schiffe 
Om  über  den  Äther  des  Herzens  überfährt  (Maitr.  6,28)  und  so 
schliefslich  zum  Schauen  des  Höchsten  gelangt.  Vgl.  auch  die 
Schilderung  des  Herzensäthers,  Maitr.  6,22,  und  seiner  Durch- 
stofsung,  Maitr.  6,27.  Hiernach  werden  wir  auch  Brahmavidyä 
8 — 10  den  ganJcha  nicht  mit  dem  Scholiasten  von  der  Hirn- 
muschel, sondern  von  der  Herzmuschel  zu  verstehen  haben;  in 
ihr  glänzt  nach  dieser  Stelle  das  a  als  Sonne,  in  dieser  das  u 
als  Mond,  in  diesem  das  m  als  Feuer,  darüber  die  Halbmora 
als  Spitzflamme. 
Das  Auf-  Auch  über  das  Aufsteigen  der  Seele  aus  dem  Herzen  sind 

dem  Herzen,  die  Vorstellungen  sehr  mannigfach.  Nach  Maitr.  7,11  bricht 
durch  die  Meditation  von  Om  das  Tejas,  d.  h.  die  individuelle 
Seele  (vgl.  den  zweiten  der  angehängten  Verse)  hervor,  steigt 
wie  quellender  Rauch  als  einzelner  Zweig  in  die  Höhe  und 
verbreitet  sich  dort  als  ein  Ast  nach  dem  andern  (ins  Un- 
endliche). Amritab.  26  läfst  mittels  des  lautlosen  Om  den 
Präria  „durch  Herzenspforte,  Windpforte,  die  Pforte,  die  nach 
oben  führt,  und  der  Erlösung  Pfortöffhung"  aufsteigen.  Nach 
Dhyänab.  22  zieht  die  Halbmora  als  Strick  aus  dem  Brunnen 
des  Herzlotos  durch  die  Aderbahn  das  Marias  empor,  bis  es 
zwischen  den  Brauen  sich  im  Höchsten  auflöst.  Brahmavidyä 
11 — 12  schildert,  wie  man  mittels  Om  die  Herzenssonne  und 


4.   Der  Yoga.  353 

die  72000  Adern  (Brih.  2,1,19)  durchbricht,  auf  der  Sushumnä 
(der  Carotis)  emporfährt,  das  Haupt  durchbricht  und  als 
Wesenheilbringer,  als  Weltalldurchdringer  bestehen  bleibt. 
Verwandt  ist  die  Vorstellung  Kshur.  8  fg.,  wonach  der  Präna 
schon  vom  Nabel  bis  zum  Herzen  an  der  Sushumnä,  wie  die 
Spinne  am  Faden  (das  Bild  auch  Maitr.  6,22),  emporklimmt, 
und  ebenso  weiter  vom  Herzen  aufwärts,  wobei  er  mit  dem 
Messer  der  Yogakraft  alle  Glieder  abschneidet,  die  72  000  und 
die  101  Adern  mit  Ausnahme  der  (1018ten)  Sushumnä  spaltet,  . 
in  dieser  seine  guten  und  bösen  Zustände  zurückläfst  und  auf 
ihr,  die  in  Brahman  mündet,  emporsteigt.  So  streift  der  Yogin 
nach  Maitr.  6,19  alles  Vorstellen,  alles  Bewufstsein,  den  ganzen, 
vorher  schon  von  der  Aufsenwelt  isolierten  psychischen  Apparat 
(das  Ungarn  nirägrayam,  vgl.  Sänkhya-K.  41)  von  sich  ab  und 
„geht  in  dem  höchsten,  wortlosen,  unoffenbaren  Brahman 
unter"  (Maitr.  6,22); 

Doch  die  Lust,   die  beim  Hinschmilzen 

Des   Geist's  sich  selbst  zum  Zeugen  nur 

Besitzt,  ist  Brahman,   rein,   ewig, 

Der  wahre  Weg,   die  wahre  Welt  (Maitr.  6,24). 

Wer  „auf  diese  Art  allezeit  den  Yoga  treibt  der  Ordnung  Frucht  des 
nach",  der  erlangt  nach  drei  Monaten  das  Wissen,  nach  vieren 
das  Schauen  der  Götter,  nach  fünfen  ihre  Stärke  und  nach 
sechsen  Absolutheit,  Amritab.  28  fg.;  ihm  wird  nach  sechs  Mo- 
naten „vollkommene  Yogakraft  zuteil",  Maitr.  6,28.  Durch  fort- 
gesetzte Meditation  der  Moren  wird  sein  Leib  in  stufenweiser 
Verfeinerung  erdartig,  wasserartig,  feuerartig,  windartig,  raum- 
artig, bis  man  zuletzt  nur  noch  durch  sich  und  in  sich  denkt 
(cintaycä  ätmanä  ätmcmi,  Amritab.  30 — 31). 

Der  weifs  nichts  mehr  von  Krankheit,  Alter,  Leiden, 
Der  einen  Leib   erlangt  aus  Yogafeuer. 

Behendigkeit,  Gesundheit,  Unbegehren, 
Ein  klares  Antlitz,   Lieblichkeit  der  Stimme, 
Schöner  Geruch,  der  Ausscheidungen  wenig,    — 
Darin  betätigt  sich  zuerst  der  Yoga  (Qvet.  2,12 — 13). 

Deüssen,  Geschichte  der  Philosophie.    I,u.  23 


354  XVI.   Die  praktische  Philosophie. 

Das  Yogadenken  befreit  von  allen  Sünden,  Yogat.  1,  wäre 
auch  die  Sünde  „gleich  Bergen  erstreckend  viele  Meilen  sich", 
Dhyänab.  3; 

Durch  Tausende  von  Geburten 

Wer  nicht  verzehrt  der  Sünde  Schuld, 

Erblickt  endlich  durch  den  Yoga 

Des   Sanisära  Vernichtung  hier  (Yogag.   10). 


XVII.    Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

1.  Vorbemerkungen. 

opfcrkuitus  §  1.     Die    Upanishad's   (von    den    späteren   und   weniger 

imdieAhK.an*  wichtigen  abgesehen)  sind  uns  überliefert  als  Veäänta  („Veda- 
Ende"),  d.  h.  als  die  Schlufskapitel  der  den  Opferkultus 
lehrenden  und.  allegorisch  ausdeutenden  BrähmamVs  und 
Äranyaka's,  stehen  aber,  je  älter  um  so  mehr,  zu  dem 
ganzen  vedischen  Opferbetriebe  in  schroffem  Gegensatze: 
Brih.  1,4,10:  „Wer  nun  eine  andre  Gottheit  [als  den  Atman, 
das  Selbst]  verehrt  und  spricht:  «Eine  andre  ist  sie,  und 
ein  andrer  bin  ich » ,  der  ist  nicht  weise ;  sondern  er  ist 
gleich  als  wie  ein  Haustier  der  Götter.  So  wie  viele  Haus- 
tiere dem  Menschen  von  Nutzen  sind,  also  ist  auch  jeder  ein- 
zelne Mann  den  Göttern  von  Nutzen.  Wenn  auch  nur  ein 
Haustier  entwendet  wird,  das  ist  unangenehm,  wie  viel  mehr, 
wenn  viele !  —  Darum  ist  es  denselben  nicht  angenehm,  dafs 
die  Menschen  dieses  wissen." 

Könige  ais  §  2.     Dieser  Gegensatz  der  Atmanlehre  gegen  den  Opfer- 

te*6 upan"  kultus  läfst  erwarten,  dafs  dieselbe  zunächst  bei  den  Brahmanen 

shadieiire.  auj>  "widerstand  stiefs.  Ein  Beispiel  dieser  Art  ist  uns  erhalten 
in  Yäjnavalkya,  welchem  Brih.  3 — 4  von  Seiten  der  Brahmanen 
Eifersucht  und  Widerspruch,  von  Seiten  des  Königs  Janaka 
begeisterte  Zustimmung  zuteil  wird.  Dieser  Widerstand  mag 
veranlafst  haben,  dafs  die  Atmanlehre,  obgleich  ursprüng- 
lich von  Brahmanen  wie  Yäjnavalkya  ausgegangen,  ihre  erste 
Pflege  und  Fortbildung  in  den  freier  denkenden  Kreisen  der 
Kshatriya's  fand,  vor  den  Brahmanen  hingegen  längere  Zeit  als 


XVII.   Rückblick.     1.  Vorbemerkungen.  355 

Geheimnis  (upanishad)  gehütet  wurde  und  so  denselben  vor- 
enthalten blieb.  Brih.  2,1  (Kaush.  4)  weifs  der  Brahmane 
Balaki  nicht,  dafs  das  Brahman  der  Atman  ist  und  wird  dar- 
über von  dem  König  Ajäta^atru  belehrt;  Chänd.  5,11 — 18 
lernen  sechs  Brahmanen  „von  grofser  Schriftgelehrtheit"  erst 
von  dem  König  Acvapati,  dafs  sie  den  Atman  Vaievänara  vor 
allem  in  sich  selbst  zu  suchen  haben;  ebenso  werden  Chänd.  7 
der  Brahmane  Närada  durch  den  Kriegsgott  Sanatkumära  und 
Chänd.  1,8 — 9  drei  Brahmanen  durch  den  König  Pravähana 
unterwiesen;  und  Chänd.  5,3 — 10  (Brih.  6,2)  belehrt  derselbe 
König  Pravähana  den  Brahmanen  Uddälaka  Äruni  über  die 
Seelenwanderung  mit  der  Bemerkung  (Brih.  6,2,8):  „diese 
Wissenschaft  ist  bis  auf  diesen  Tag  noch  nie  von  einem 
Brahmanen  besessen  worden". 

£  3.  Nach  diesen  Zeugnissen,  welche  umsomehr  ins  Aneignung 
Gewicht  fallen,  als  sie  uns  durch  die  Brahmanen  selbst  über-  Brahmanen 
liefert  sind,  hätten  die  Brahmanen  die  wichtigsten  Lehrstücke  rfscife  vor- 
der Atmanwissenschaft  erst  von  den  Kshatriya's  übernommen  dem^ftu^i! 
und  sodann  mit  der  Zeit  ihrem  vedischen  Lehrpensum  ange- 
gliedert, wodurch  dann  die  Upanishad's  zu  dem,  was  sie  jetzt 
sind,  zum  Vedunta,  wurden.  Der  Gegensatz  gegen  den  Opfer- 
kultus wurde  dabei  durch  allegorische  Umdeutungen,  bei  denen 
jede  Schule  ihren  besondern  Weg  einschlug  (oben  S.  110),  mehr 
verschleiert  als  überbrückt.  '  Dafs  die  Brahmanen  weiterhin  die 
Atmanlehre  als  ihr  Privilegium  mit  Prätension  in  Anspruch 
nahmen,  scheint  der  Vers  zu  besagen  (Taitt.  Br.  3,12,9,7):  „nur 
wer  den  Veda  kennt,  versteht  den  grofsen,  allgegenwärt'gen 
Atman".  Jedenfalls  hat  die  Fortbildung  und  schulmäfsige  Aus- 
gestaltung der  Atmanlehre  in  ihren  Händen  gelegen.  Als  letzter 
Niederschlag  dieser  Tätigkeit  sind  die  ältesten  der  vorhan- 
denen Upanishad's  zu  betrachten,  an  welche  sich  dann  mit  der 
Zeit  jüngere,  in  gleichem  Geiste  gehaltene  Produkte  anschlössen, 
welche  die  Namen  Upavdshad  und  Vedänta  mit  mehr  oder 
weniger  Recht  tragen.  Eine  schriftliche  Fixierung  erfolgte 
wohl  erst  viel  später.  Aus  Käth.  2,7 — 9:  „ohne  Lehrer  ist 
hier  gar  kein  Zugang"  scheint  zu  folgen,  dafs  die  altern  Upa- 
nishad's damals  noch  nicht  aufgezeichnet  waren. 

23* 


356  XVII.   Rückblick  auf  die  Upaniskad's  und  ihre  Lehren. 

Chronologie  £  4.     Eine  genaue  Chronologie  der  Upanishad's  läfst  sich 

shadtexte.  nicht  aufstellen,  da  jede  der  gröfsern  Upanishad's  ältere  und 
auch  jüngere  Texte  neben  einander  enthält.  Im  ganzen  und 
grofsen  aber  dürfte  die  von  uns  oben  S.  23 — 20  aufgestellte 
Klassifikation  und  Reihenfolge  auch  der  historischen  Abfolge 
entsprechen.  Die  nähere  Begründung  derselben  ist  aus  dem 
ganzen  Verlaufe  unserer  Darstellung  zu  entnehmen.  Von  be- 
sonderm  Gewicht  ist  der  von  uns,  wie  wir  denken,  erbrachte 
Nachweis,  dafs  Brih.  1 — 4  (nicht  der  Nachtrag  5 — 6)  nebst 
(j'atap.  Br.  10,6  älter  als  alle  übrigen  Texte  von  Bedeutung, 
namentlich  auch  älter  als  die  Chändogya-Upanishad 
sind,  welche  nicht  nur,  wie  bekannt,  von  Qatap.  Br.  10  (Chänd. 
3,14.  4,3.  5,11 — 18)  abhängig  ist,  sondern  auch  von  den 
Yäjnavalkyatexten  Brih.  3 — 4  nebst  1,4.  2,4,  wie  sich  daraus 
ergibt,  dafs  mehrfach  Gedanken  der  letztem  von  der  Chänd. 
Up.  reproduziert  und  dabei  mifs verstanden  werden  (vgl.  darüber 
oben  S.  185  fg.,  210  fg.,  90  fg.).  —  Hiernach  werden  wir  die 
ursprünglichste  Form  der  Upanishadlehre  vor  allem  in  den 
Yäjnavalkyareden  des  Brihadäranyakam  zu  suchen  haben. 

2.  Der  Idealismus  als  tirundanschauungr  der  Upanishad's. . 

£  5.  Schon  in  dem  Gedanken  der  Einheit,  wie  er 
sich  ausspricht  in  den  Worten  Rigv.  1,164,46:  ekam  sad  uiprä 
bahudhä  vadanti,  ,, vielfach  benennen,  was  nur  eins,  die  Dichter", 
lag  keimartig  der  Grundgedanke  der  ganzen  Upanishadlehre 
beschlossen.  Denn  dieser  Vers  würde,  in  voller  Strenge  ge- 
nommen, besagen,  dafs  alle  Vielheit,  mithin  alles  Nebeneinander 
im  Räume,  alles  Nacheinander  in  der  Zeit,  alles  Aufsereinander 
als  Ursache  und  Wirkung,  alles  Gegeneinander  von  Subjekt 
und  Objekt,  nur  auf  Worten  beruhend  (vadanü)  oder,  wie 
man  später  sagte,  „an  Worte  sich  klammernd"  (väaxranibhanar 
Chänd.  6,1,4),  und  dafs  nur  die  Einheit  in  vollem  Sinne  real 
ist.  Diese  Einheit  suchte  man,  wie  wir  dies  im  ersten  Teile 
unseres  Werkes  verfolgt  haben,  zunächst  zu  erfassen  in  dem 
mythologischen  Begriffe  des  Prajäpati,  sodann  in  dem  rituellen 
Begriffe  des  Brahman,  endlich,  ohne  diesen  fallen  zu  lassen 
und  durch  eine  blofse  Verschärfung  des  schon  in  ihm  liegenden 


2.  Der  Idealismus  als  Gruiidanschauung  der  Upanishad's.         357 

subjektiven  Momentes,  in  dem  philosophischen  Begriffe  des 
Atman,  Aber  auch  der  Atmanbegriff  ist  zunächst  noch  nicht 
rein  von  mythischen  (von  den  Göttern,  Prajäpati  und  Brahman 
ihm  angeerbten)  Bestimmungen.  So,  wenn  es  ^atap.  Br.  10,6,3 
(oben  I,  i,  S.  264)  von  dem  Atman,  nachdem  er  als  alle  Welten 
durchdringend  und  zugleich,  unfafsbar  klein,  im  eignen  Innern 
wohnend  geschildert  worden,  zum  Schlüsse  heifst:  „er  ist 
meine  Seele;  zu  ihm,  von  hier,  zu  dieser  Seele  werde  ich 
hinscheidend  eingehen".  Jeder  fühlt  den  Widerspruch 
dieser  Worte,  und  dafs  es  keines  Eingehens  nach  dem  Tode 
bedarf,  wenn  der  Atman  wirklich  „meine  Seele  ist".  —  Der 
erste,  welcher,  dies  erkennend,  den  Begriff  des  Atman  in  seiner 
vollen,  subjektiven  Schärfe  erfafst  und  damit  die  eigentliche 
Upanishadlehre  begründet  hat,  ist  der  (selbst  durchaus  mythische) 
Yajnavalkya  der  Brihadäranyaka-Upanishad. 

§  6.     Die  Lehre  des  Yajnavalkya  (was  sich  auch  immer  Die  Grund- 
hinter  diesem  Namen  verbergen  mag)  ist  ein  schroffer,  kühner,     Yäjna- 
exzentrischer  Idealismus   (vergleichbar  dem  des  Parmenides), 
welcher  in  drei  Sätzen  gipfelt: 

1)  Der  Atman  ist  das  Subjekt  des  Erkennens  in 
mir;  Brih.  3,8,11:  „Wahrlich,  o  Gärgi,  dieses  Unvergängliche 
ist  sehend,  nicht  gesehen,  hörend,  nicht  gehört,  verstehend, 
nicht  verstanden,  erkennend,  nicht  erkannt.  Nicht  gibt  es 
aufser  ihm  ein  Sehendes,  nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein 
Hörendes,  nicht  gibt  es  aufser  ihm  ein  Verstehendes,  nicht 
gibt  es  aufser  ihm  ein  Erkennendes.  Fürwahr,  in  diesem 
Unvergänglichen  ist  der  Kaum  eingewoben  und  verwoben." 
Hier  wird  der  obige  Grundsatz  klar  ausgesprochen;  zugleich 
aber  werden  zwei  weitere  Sätze  als  Folgerungen  aus  ihm  ge- 
zogen, die  in  anderen  Stellen  vielfache  Bestätigung  finden: 

2)  Der  Atman,  als  das  Subjekt  des  Erkennens, 
ist  selbst  unerkennbar;  Brih.  3,4,2:  „nicht  sehen  kannst 
du  den  Seher  des  Sehens ,  nicht  hören  kannst  du  den  Hörer 
des  Hörens"  usw.;  Brih.  2,4,14:  „durch  welchen  er  dieses 
alles  erkennt,  wie  sollte  er  den  erkennen,  wie  sollte  er  doch 
den  Erkenner  erkennen?" 


valkya. 


358  XVII.   Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

3)  Der  Ätman  ist  die  alleinige  Realität;  in  ihm 
ist,  nach  obiger  Stelle,  der  Raum  mit  allem,  was  er  enthält, 
eingewoben  und  verwoben;  Brih.  2,4,5:  „wer  den  Ätman  ge- 
sehen, gehört,  verstanden  und  erkannt  hat,  von  dem  wird 
diese  ganze  Welt  gewufst";  Brih.  2,4,6:  „das  Weltall  wird 
den  preisgeben,  der  das  Weltall  aufserhalb  des  Ätman  weifs"; 
Brih.  2,4,14:  nur  „wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist,  da  sieht 
einer  den  andern"  usw.:  Brih.  4,3,23:  „aber  es  ist  kein 
Zweites  aufser  ihm,  kein  anderes,  von  ihm  verschiedenes,  das 
er  sehen  könnte";  Brih.  4,4,19: 

Im   Geiste  sollen  merken   sie: 
Nicht  ist  hier  Vielheit  irgendwie; 
Von  Tod  zu  Tode  wird  verstrickt, 
Wer  eine   Vielheit  hier  erblickt. 


§  7.  Diese  drei  Gedanken  sind  der  Kern  der  Upanishad- 
lehre  und  mit  ihr  der  innerste  Kern  der  ganzen  religiösen  und 
philosophischen  Anschauung  Indiens  geworden  und  geblieben. 
Aber  dieser  Kern  wurde  im  Verlaufe  von  einer,  mit  der  Zeit 
immer  dicker  werdenden,  Schale  umgeben,  welche  ihn  vielfach 
entstellt  und  verdeckt,  bis  schliefslich  auf  der  einen  Seite  der 
Kern  ganz  abstirbt  und  nur  die  Schale  übrig  bleibt  (Sänkhya- 
system),  während  von  der  andern  Seite  eine  reinliche  Schei- 
dung beider  Elemente  durch  Unterscheidung  einer  esoterischen, 
höhern  (pürä  vidyä),  und  einer  exoterischen,  niedern  Wissen- 
schaft (aparä  vidyä)  versucht  wird  (Vedäntasystem).  Dieser 
Prozefs  ist  ein  sehr  begreiflicher.  Denn  die  auf  unmittelbarer 
Intuition  beruhenden  Yäjnavalkyagedanken,  indem  sie  in  dem 
Bewufstsein  der  Mitmenschen  und  der  Nachwelt  Eingang  ge- 
wannen, trafen  dieses  Bewufstsein  nicht  frei  an,  sondern  vor- 
weg eingenommen  durch  zwei  Elemente,  denen  sie  sich  anzu- 
passen hatten;  das  eine  waren  die  aus  der  Vergangenheit  über- 
kommenen Traditionen,  das  andere  war  die  uns  allen  von 
Natur  eigene,  empirische  Anschauung  der  Welt  und  ihrer 
räumlichen,  zeitlichen  und  kausalen  Ordnung.  Aus  einer  stufen- 
weise zunehmenden  Akkommodation  an  diese  beiden  Elemente 
erklärt  sich  der  ganze  folgende  Entwicklungsgang  mit  seinen 


2.  Der  Idealismus  als  Grundanschauung  der  Upanishad's.         359 

scheinbar  oft  nicht  zusammenstimmenden  Erscheinungen  voll- 
kommen, wie  wir  im  folgenden  an  den  verschiedenen  Teilen 
der  Upanishadlehre  in  der  Kürze  nachweisen  wollen. 

3.  Theologie  (Lehre  vom  Brahman  oder  Ätman). 

§  8.  Der  Atman  ist  das  Subjekt  des  Erkennens  in  uns;  Die  Aman- 
das erkennende  Subjekt  ist  „der  höchste  Gipfel  alles  dessen?  Täjäl°r 
was  als  Ätman  bezeichnet  werden  kann"  (tnrvasya  ätmanah  val  ya" 
paräyanam,  Biih.  3,9,10).  Zu  diesem,  in  den  Yäjnavalkya- 
lehren  erreichten  Gipfel  ist  das  indische  Denken,  mit  stufen- 
weiser Verschärfung  des  subjektiven  Momentes,  durch  die 
Begriffe  Purusha  (Mensch),  Präna  (Leben),  Atman  (Selbst) 
emporgestiegen,  an  welche  sich  noch  die  mehr  symbolischen 
Auffassungen  des  Weltprinzips  als  Äkäga  (Baum),  Manas 
(Wille),  Aditya  (Sonne)  u.  a.  anschliefsen.  In  diesen  Begriffen  be- 
wegt sich  das  Denken  vor  der  Zeit  der  Upanishad's  und  zum 
Teil  noch  in  diesen  selbst,  und  vielleicht  gelingt  es  mit  der 
Zeit,  diejenigen  Abschnitte,  welche  noch  vor  der  Erfassung 
des  Ätman  als  Erkenntnissubjekt  liegen,  zu  unterscheiden  von 
denen,  welche,  wie  alles  Folgende,  unter  dem  Einflüsse  der 
Yäjnavalkyagedanken  stehen.  So  ist  in  den  altern  Texten  das 
oberste  Prinzip  noch  der  Puruxlia- Präna  (Ait.  Ar.  2,1 — 3),  der 
Präna  (Brih.  1,1—3.  Chänd.  1,2—3.  4,3.  Kaush.  2),  Aditya 
(Chänd.  3),  der  Äkäga  (Chänd.  1,9,1:  „der  Äkäga  ist  es,  aus 
dem  alle  diese  Wesen  hervorgehen,  und  in  welchen  sie  wieder 
untergehen,  der  Akä^a  ist  älter  als  sie  alle,  der  Äkäga  ist  der 
letzte  Ausgangspunkt").  Auch  Zusammenfassungen  kommen 
schon  vor;  so  wenn  Qatap.  Br.  10,6,3  (Chänd.  3,14)  der  (noch 
transszendent  aufgefafste)  Atman  als  der  „pränasya  ätmä"  be- 
zeichnet und  als  mano-niaya,  präna-garira,  bhä-rupa,  äkägä- 
ätman  geschildert  wird;  oder  wenn  es  Chänd.  4,10,5  heifst: 
„Brahman  ist  Leben  (präna),  Brahman  ist  Freude  (kam  = 
änandä),  Brahman  ist  Weite  (kham  =  äkäga)". 

§  9.     Anders    in    den    spätem   Texten.      Jetzt    ist    nicht  Die  Ätman- 
mehr  der  Purusha  Prinzip,  sondern  der  ihn  aus  den  Urwassern   eYäj5aa-C 
ziehende  Atman  (Ait.  1,1),  nicht  mehr  der  Akäga,  sondern  das,     valkya- 


360  XVII.   Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

was  in  ihm  ist  (tasmin  yaä  antar,  Chand.  8,1 ;  te  yad  aritarä, 
8,14),  nicht  mehr  der  Prdna,  sondern  der  durch  fortgesetzte 
Vertiefung  in  dessen  Wesen  gewonnene  Shüman,  .,die  Un- 
beschränktheit",  d.  h.  das,  alles  in  sich,  nichts  aufser  sich 
wissende,  Subjekt  des  Erkennens:  „Wenn  einer  [aufser  sich] 
kein  anderes  sieht,  kein  anderes  hört,  kein  anderes  erkennt, 
•  das  ist  die  Unbeschränktheit;  wenn  er  ein  anderes '  sieht, 
hört,  erkennt,  das  ist  das  Beschränkte"  (Chänd.  7,15 — 24). 
Sehr  deutlich  tijtt  der  Umschwung  hervor,  wenn  Ait.  1  nicht 
mehr,  wie  vorher  (Ait.  Ar.  2,1 — 3),  als  oberstes  Prinzip  der 
Präna-Pürwsha,  sondern  der  Atman  auftritt,  und  dieser  sodann 
(Ait.  3)  als  das  alle  Dinge  in  sich  begreifende  Bewufstsein 
(jprajnä)  erklärt  wird,  —  noch  deutlicher  Kaush.  3 — 4,  wo 
immer  wieder  die,  nur  .aus  einem  Kompromifs  heterogener  Vor- 
stellungsreihen begreifliche,  Gleichung  „präna  =  prajnä"  ein- 
geschärft wird.  Alle  diese  Wandlungen  scheinen  schon  unter 
der  Einwirkung  des  Gedankens  erfolgt  zu  sein,  welcher  in 
erster,  ursprünglicher  Frische  in  den  Reden  des  Yäjnavalkya 
auftritt,  dafs  der  Ätman  das,  selbst  unerkennbare,  alle  Dinge 
als  Vorstellung  in  sich  tragende  Subjekt  des  Erkennens  ist. 
Wie  sehr  dieser  Gedanke  die  ganze,  weiter  folgende  Entwick- 
lung der  indischen  Theologie  beherrscht,  mögen  einige  Bei- 
spiele vor  Augen  stellen. 

Der  Atman  £  10.     1)   Der  Ätman   ist  das   Subjekt   des  Erken- 

nt des  Er-  nens.  Er  ist  „der  aus  Erkenntnis  bestehende  (vijnänamaya), 
in  dem  Herzen  innerlich  leuchtende  Geist"  (Brih.  4,3,7  fg.), 
das  Licht,  welches  leuchtet,  wenn  Sonne,  Mond,  Sterne  und 
Feuer  erloschen  sind  (Brih.  4,3,2—6),  das  „Licht  der  Lichter" 
(Brih.  4,4,16.  Mund.  2,2,9),  das  Licht,  „welches  inwendig  hier 
im  Menschen  ist"  und  zugleich  jenseits  des  Himmels,  in  den 
höchsten,  allerhöchsten  Welten  leuchtet  (Chänd.  3,13,7),  das 
„höchste  Licht",  in  welches  im  Tief  schlafe  eingehend,  die 
Seele  „hervortritt  in  eigener  Gestalt"  (Chand.  8,3,4.  8,12,3). 
Und  an  dieses,  allem  erst  die  Erkennbarkeit  verleihende  Licht 
des  Bewufstseins  haben  wir  auch  zu  denken,  wenn  es  heifst 
(Käth.  5,15.  gvet.  6,14.  Mund.  2,2,10) : 


3.  Theologie  (Lehre  vom  Brahman  oder  Atman).  361 

Dort  leuchtet  nicht  die  Sonne,   noch  Mond  noch  Sternenglanz. 
Noch  jene  Blitze,  geschweige  irdisch  Feuer. 
Ihm,   der   allein  glänzt,   nachglänzt  alles   andre, 
Die  ganze  Welt  erglänzt  von  seinem  Glänze. 

Dieses  allein  selbstleuclitende  Bewufstseinslicht  ist  der 
„Seher"  (vipagcit),  welcher  nach  Käth.  2,18  nicht  geboren  wird 
und  nicht  stirbt,  der  „Allschauende"  (paridrashtar),  Praciia  6,5, 
der  „Zuschauer"  (säkshin),  wie  der  Atman  von  Gvet.  6,11. an 
so  oft  in  spätem  Upanishad's  genannt  wird. 

£  11.  2)  Der  Atman,  als  Subjekt  des  Erkennens,  DerÄtman 
kann  nie  Objekt  für  uns  werden  und  ist  daher  selbst  erkennbar. 
unerkennbar.  „Nicht  sehen  kannst  du  den  Seher  des 
Sehens"  usw.  (Brih.  3,4,2).  Welche  Vorstellung  wir  uns 
auch  von  ihm  bilden  mögen,  immer  heilst  es:  neu,  neti,  „er  ist 
nicht  so,  er  ist  nicht  so"  (Brih.  4,2,4.  4,4,22.  4,5,15.  3,9,26. 
2,3,6).  Er  ist  dasjenige,  „vor  dem  die  Worte  umkehren  und 
das  Denken,  nicht  findend  ihn"  (Taitt.  2,4),  „nicht  erkannt 
vom  Erkennenden,  erkannt  vom  Nichterkennenden"  (Kena  11). 

Nicht  durch  Reden,   nicht   durch   Denken, 

Nicht  durch   Sehen    erfafst  man  ihn; 

,,Er  ist!"  durch  dieses  Wort  wird  er 

Und  nicht  auf  andre  Art   erfafst  (Käth.    6,12). 

Daher  ist  er  nur  durch  negative  Bestimmungen  charak- 
terisierbar. Er  ist  „nicht  grob  und  nicht  fein,  nicht  kurz  und 
nicht  lang,  nicht  rot  und  nicht  anhaftend,  nicht  schattig  und 
nicht  finster,  nicht  Wind  und  nicht  Äther,  nicht  anklebend, 
ohne  Geschmack,  ohne  Geruch,  ohne  Auge  und  ohne  Ohr, 
ohne  Rede,  ohne  Verstand,  ohne  Lebenskraft  und  ohne  Odem, 
ohne  Mündung  und  ohne  Mafs,  ohne  Inneres  und  ohne  Äufse- 
res"  (Brih.  3,8,8),  „unsichtbar,  ungreifbar,  ohne  Stammbaum, 
farblos,  ohn'  Aug'  und  Ohren,  ohne  Hand'  und  Füfse"  (Mund. 
1,1,6).  Auch  die  drei  Bestimmungen  als  „Sein,  Denken 
und  Wonne"  (sac-tid-änanda),  durch  welche  eine  spätere  Zeit 
den  Atman  charakterisierte,  und  die  sich  einzeln  schon  viel- 
fach in  den  altern  Upanishad's  nachweisen  lassen  (oben  S.  117 
— 133),   sind  im  Grunde  nur  negativ;   denn   das  „Sein"   des 


362  XVII.  Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

Ätman  ist  kein  Sein,  wie  es  die  Erfahrung  zeigt,  und  in  empi- 
rischem Sinne  vielmehr  ein  Nichtsein,  und  ehenso  ist  das 
„Denken"  nur  die  Negation  alles  objektiven  Seins,  und  die 
„Wonne"  die  Negation  alles  Leidens,  wie  sie  im  tiefen,  traum- 
losen Schlafe  besteht,  aus  dessen  Beobachtung,  wie  wir  zeig- 
ten (S.  129),  diese  Bestimmung  ursprünglich  geschöpft  wurde. 

Der  Ätman  &    12.      3)   Der    Ätman    ist    die    alleinige    Realität 

ist  das  ö  •  °  .    . 

allein  Reale,  (satyam,  satyasya  satyani);  denn  er  ist  die  m  aller  empirischen 
Mannigfaltigkeit  zur  Erscheinung  kommende  metaphysische 
Einheit;  diese  Einheit  aber  ist  nirgendwo  anders  zu  finden 
als  in  uns,  in  unserm  Bewufstsein,  welchem,  wie  in  herrlicher 
Ausführung  Brih.  3,8  zeigt,  der  ganze  Raum  mit  allem  seinem 
Inhalte,  mit  Erde,  Luftraum  und  Himmel,  „eingewoben  und 
verwoben"  ist.  Darum  ist  mit  Erkenntnis  des  Ätman  (es 
handelt  sich  hier  nicht  um  ein  Erkennen  in  empirischem  Sinne) 
alles  erkannt  (Brih.  2,4,5.  Chänd.  6,1,2.  Mund.  1,1,3),  wie' mit 
Ergreifen  des  Instrumentes  alle  Töne  ergriffen  sind  (Brih. 
2,4,7 — 9).  Der  ist  von  Menschen,  Göttern  und  aller  Welt 
verlassen,  welcher  die  Welt  aufserhalb  des  Ätman  weifs  (Brih. 
2,4,6).  Alles  aufser  ihm  ist  nur  „gleichsam"  (iva)  vorhanden; 
in  Wahrheit  gibt  es  keine  Vielheit  (Brih.  4,4,19.  Käth. 
4,10 — 11)  und  kein  Werden,  „an  Worte  sich  klammernd  ist 
die  Umwandlung,  ein  blofser  Name"  (Chand.  6,1,4 fg.,  vgl.  8,1,3). 
Denselben  Geist  atmen  die  spätem  Upanishad's;  Igä  1  fordert 
uns  auf,  das  ganze  Weltall  in  Gott  (d.  h.  in  den  Ätman) 
zu  versenken;  Qvet.  4,10  erklärt  die  Natur  für  eine  Mäyu 
(Illusion),  und  noch  Nrisinhott.  9  macht  die  treffende  Be- 
merkung, dafs  nie  ein  Beweis  für  das  Vorhandensein  einer 
Zweiheit  möglich,  und  dafs  nur  der  zweitlose  Ätman  (als 
Subjekt  des  Erkennens)  beweisbar  sei. 


4.  Kosmologie  und  Psychologie. 

pan-  §  13.    Pantheismus.    Die  metaphysische  Erkenntnis  be- 

Foit-c  ie  stritt  das  Vorhandensein  einer  Realität  aufserhalb  des  Ätman 


bildung. 


d.  h.  des  Bewufstseins ;   die  empirische  Anschauung  hingegen 
lehrte,  dafs  eine  vielheitliche  Welt  aufser  uns  bestehe.     Aus 


4.  Kosmologie  und  Psychologie.  363 

einer  Verbindung  dieser  Gegensätze  entstand  das  Dogma, 
welches  in  allen  Upanishad's  den  breitesten  Raum  einnimmt 
und  füglich  (obgleich  seinem  Ursprünge  nach  von  dem  euro- 
päischen Pantheismus  sehr  verschieden)  als  Pantheismus  be- 
zeichnet werden  kann :  die  Welt  ist  real,  aber  dennoch  bleibt 
der  Ätman  das  allein  Reale,  denn  die  Welt  ist  cler  Ätrnan. 
Diese  Identität  von  Welt  und  Atman  wird  schon  von 
Yäjnavalkya  (der  so  wenig  wie  Parmenides  es  vermeiden  kann, 
sich  vorübergehend  auch  wieder  auf  den  empirischen  Stand- 
punkt zu  stellen)  gelehrt,  wenn  er  Brih.  3,7  den  Atman  als 
den  Antaryämiii  feiert;  oder  wenn  er  Brih.  3,8,9  schildert,  wie 
der  Ätman  Sonne  und  Mond,  Himmel  und  Erde,  die  ganze 
Welt  und  ihre  Ordnung  trägt  und  erhält;  oder  wenn  er 
Brih.  4,2,4  das  erkennende  Subjekt  in  uns  sich  plötzlich  als 
die  Welt  um  uns  her  nach  allen  Seiten  ausbreiten  läfst. 
Zahlreich  sind  die  spätem  Stellen  und  brauchen  hier  nicht 
wiederholt  zu  werden,  welche  den  Atman  als  das  unendlich 
Kleine  in  uns  identisch  setzen  mit  dem  unendlich  Grofsen 
aufs  er  uns,  wobei  die  Identität  beider  Seiten,  des  Atman 
und  der  Welt,  unermüdlich  eingeschärft  wird,  wie  eine  Sache, 
welche  dessen  gar  sehr  bedürftig  ist. 

§  14.  Kosmogonismus.  Nichtsdestoweniger  blieb  die  Kosmo- 
Gleichung  „Ätman  —  Welt"  eine  sehr  undurchsichtige.  Der  8°Fort-c  e 
einheitliche  Ätman  und  die  vielheitliche  Welt,  so  oft  man  sie  llduns- 
auch  zusammenbrachte,  fielen  immer  wieder  aus  einander.  Es 
war  daher  ein  natürlicher  Schritt,  wenn  mit  der  Zeit  mehr 
und  mehr  an  Stelle  jener  nicht  zu  begreifenden  Identität  die 
empirisch  geläufige  Anschauungsform  der  Kausalität  trat, 
vermöge  deren  der  Ätman  als  die  zeitlich  vorhergehende  Ur- 
sache, und  die  Welt  als  seine  Wirkung,  seine  Schöpfung  er- 
schien, wodurch  ein  Anschlufs  an  die  altvedischen  Kosmo- 
gonien  möglich  wurde.  Ein  solcher  liegt  noch  nicht  vor  Brih. 
1,4,  wo  die  kosmogonische  Form  nur  dient,  um  die  Abhängig- 
keit aller  Welterscheinungen  vom  Ätman  zu  erläutern,  wohl 
aber  Chänd.  3,19.  6,2.  Taitt.  2,6.  Ait.  1,1  usw.  Charakte- 
ristisch ist  hierbei,  dafs  der  Ätman,  nachdem  er  die  Welt  aus 
sich  ausgebreitet,  selbst  als  Seele  in  sie  hineinfährt;  Chänd.  6,3,2: 


364  XVII.   Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

„Jene  Gottheit  beabsichtigte:  Wohlan,  ich  will  in  diese  drei 
Gottheiten  [Glut,  Wasser,  Nahrung]  mit  diesem  lebenden 
Selbste  eingehen";  Taitt.  2,6:  „nachdem  er  die  Welt  geschaffen, 
ging  er  in  dieselbe  ein";  Ait.  1,3,11:  „er  erwog:  wie  könnte 
dieses  ohne  mich  bestehen?  ...  Da  spaltete  er  hier  den 
Scheitel  uml  ging  durch  diese  Pforte  hinein."  Die  individuelle 
Seele  ist  und  bleibt  auch  auf  dieser  Stufe  noch  identisch  mit 
dem  Ätman;  sie  ist  nicht,  wie  alles  andere,  eine  Schöpfung 
des  Ätman,  sondern  sie  ist  der  Ätman  selbst,  wie  er  in 
die  von  ihm  geschaffene  Welt  eingeht.  Ein  Unterschied 
zwischen  höchster  und  individueller  Seele  besteht  auch  jetzt 
noch  nicht. 

Theistische  i<  15.    Theismus.    Eine. weitere  und  auch  zeitlich  spätere 

biidung.  Entwicklungsstufe  ist  der  Theismus,  welcher  erst  da  beginnt, 
wo  die  höchste  und"  individuelle  Seele  in  Gegensatz  zu  ein- 
ander treten.  Dies  wurde  vorbereitet  durch  Stellen  wie  Brih. 
4,4,22.  Kaush.  3,8  (Schlufs);  aber  erst  Käth.  1,3  und  weiterhin 
tritt  die  individuelle  Seele  mehr  und  mehr  deutlich  der  höchsten 
als  ein  „Anderer"  (Qvet.  4,6 — 7.  5,8  usw.)  gegenüber;  gleich- 
zeitig stellt  sich,  als  die  unvermeidliche  Konsequenz  des  Theis- 
mus, die  Prädestination  ein,  Käth.  2,23  (Mund.  3,2,3): 

Nur  wen   er  wählt,   von   dem   wird   er  begriffen: 
Ihm  macht   der  Ätman   offenbar  sein  Wesen. 

Das  Hauptdenkmal  dieses  Theismus  ist  die  Qvetäcvatara- 
Upanishad,  nur  dafs  alle  jene  früheren  Entwicklungsstufen,'  die 
idealistische,  pantheistische  und  kosmogonistische,  daneben  fort- 
bestehen, wie  ja  überhaupt  auf  religiösem  Gebiete  neben  dem 
Neuen  das  Alte  seine  geheiligten  Rechte  zu  behaupten  pflegt, 
wodurch  dann  leicht  tiefgehende,  innere  Widersprüche  entstehen. 

End.  £  16.     Atheismus  und  Deismus  (Sähkhya-  und  Yoga- 

ItSmiis  System).    Mit  der  Anerkennung  einer  realen  Welt  aufser  dem 
i.cismus.    Ätman   und   mit   der   Spaltung    des    letztern    in    die    höchste 
Seele  und   eine  Vielheit  individueller  Seelen   waren   die  Vor- 
bedingungen des  spätem  Sähkhyasystems  gegeben.    Denn  jene 
Spaltung  mufste  zum  Absterben  des   einen  Zweiges,   nämlich 


4.  Kosmologie  und  Psychologie.  365 

der  höchsten  Seele,  führen,  da  sie  in  Wahrheit  von  jeher  nur 
aus  der  Tatsache  der  individuellen  Seele  ihre  Lebenskraft 
geschöpft  hatte.  Indem  man  die  schöpferischen  und  bewegen- 
den Kräfte  in  die  Materie  selbst  verlegte,  wurde  Gott  über- 
flüssig, und  es  blieben  nur  die  Fräkriü  und  die  Vielheit  der 
individuellen  Piirusha's  übrig,  —  die  Voraussetzungen  des 
Sankhyasystems,  welches  sich  philosophisch  wohl  auf  keinem 
andern  als  dem  von  uns  betretenen  Wege  begreifen  läfst.  — 
Eine  Rehabilitierung  des  Theismus  erfolgte  im  Yogasysteme, 
welches  die  auf  der  Upanishadlehre  beruhende  Yogapraxis, 
seinem  spätem  Ursprung  entsprechend,  auf  der  sehr  wenig 
hierzu  geeigneten  Grundlage  des  Sankhyasystems  aufbaut,  und 
zwar  unter  Wiedereinführung  des  Gottesbegriffs,  welcher 
jedoch  auf  diesem  Boden  kein  rechtes  Leben  zu  gewinnen 
vermochte,  so  dafs  man  diese  Theorie  (der  Sache,  wenn  auch 
nicht  der  Entstehung  nach)  füglich  mit  dem  Deismus  der 
Neuern  Philosophie  in  Parallele  stellen  kann. 

5.  Escbatologie  (SeelenTvanderung  und  Erlösung). 

§  17.  In  dem  Mafse,  wie  an  Stelle  der  altvedischen  Die  Er- 
Götter das  Brahman  getreten  war  und  dieses  seine  Inter-  Einswerden 
pretation  in  dem  Begriffe  des  Atman  gefunden  hatte,  war  auch  Ttman. 
die  im  Rigveda  bestehende  Hoffnung,  nach  dem  Tode  zu  den 
Göttern  einzugehen,  mit  der  Zeit  zu  einer  solchen  geworden,  mit 
dem  Brahman,  und  weiterhin  mit  dem  Atman  „Weltgemein- 
schaft", „Lebensgemeinschaft"  zu  erlangen.  Hierbei  wurde 
auch  der  Begriff  des  Atman,  vermöge  der  Nachwirkung  dessen, 
was  er  verdrängt  hatte,  zunächst  noch  transszendent  gefafst, 
und  es  hiefs:  „er  ist  meine  Seele  (atman);  zu  ihm,  von  hier, 
zu  dieser  Seele  werde  ich  hinscheidend  eingehen"  (Qatap.  Br- 
10,6,3,2).  —  Aber  wenn  der  Atman  wirklich  meine  Seele, 
mein  Selbst  ist,  bedarf  es  keines  Hingehens,  sondern  nur 
dieser  Erkenntnis,  um  der  Erlösung  voll  und  ganz  teilhaft  zu 
werden.  Wer  erkannt  hat:  aham  brakma  asmi  „ich  bin  Brah- 
man", der  wird  nicht  erlöst,  sondern  der  ist  schon  erlöst; 
er  durchschaut  die  Illusion  der  Vielheit,  weifs  sich  als  das 
allein   Reale,    als    den   Inbegriff   alles   Vorhandenen    und    ist 


366  XVII.   Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

dadurch  alles  Begehrens  (hämo)  überhoben,  denn  „was  kann 
wünschen,  wer  alles  hat  (Gaudap.  1,9)?"  —  Auch  dies  lehrt, 
als  erster,  Yäjnavalkya  in  den  Worten  (Brih.  4,4,6) :  „Wer 
ohne  Verlangen,  frei  von  Verlangen,  gestillten  Verlangens, 
selbst  sein  Verlangen  ist,  dessen  Lebensgeister  ziehen  nicht  aus; 
sondern  Brahman  ist  er,  und  in  Brahman  geht  er  auf". 

Empirische  §  18.     Die  Erlösung  wird  nicht  durch  die  Erkenntnis  des 

Eriösungs-  Atman  bewirkt,  sondern  diese  Erkenntnis  selbst  ist  schon  die 


lehre. 


Erlösung.  Wer  sich  als  den  Atman  weifs,  der  hat  damit  die 
vielheitliche  Welt  und  das  durch  die  Vielheit  bedingte  Be- 
gehren als  eine  Illusion  erkannt,  die  ihn  nicht  weiter  mehr 
täuschen  kann.  Sem  Leib  ist  nicht  mehr  sein  Leib,  seine 
Werke  sind  nicht  mehr  seine  Werke;  ob  er  noch  fortfährt  zu 
leben  und  zu  handeln  oder  nicht,  ist,  wie  alles  andere,  gleich- 
gültig (Igä  2).  —  Aber  der  Schein  der  empirischen  Erkenntnis 
besteht  noch  fort,  und  auf  ihm  beruht  es,  dafs  die  Erlösung 
voll  und  ganz  erst  nach  Dahinfall  des  Leibes  erreicht  zu  werden 
scheint.  Und  ein  noch  weiter  gehender  Einflufs  der  empiri- 
schen Anschauungsweise  im  Verein  mit  den  Überlieferungen 
der  Vorzeit  bewirkte,  dafs  jene,  durch  das  erlösende  Ätman- 
wissen  vollbrachte,  innere  Befreiung  von  der  Welt  er- 
schien als  ein  Emporsteigen  aus  der  Welt  zu  transszen- 
denten  Fernen  hin,  um  dort  erst  mit  Brahman,  mit  dem 
Atman  vereinigt  zu  werden.  So  entstand  die  Theorie  des 
Götterweges  (devayäna),  welcher  nach  dem  Tode  den  Erlösten 
durch  eine  Anzahl  leuchtender  Schichten  zur  Vereinigung  mit 
Brahman  führt,  von  wo  „keine  Wiederkehr  ist"  (Chänd.  4,15,5). 

Wiedertod  §  19.     Aber  was  wird   aus   denen,   welche  sterben  ohne 

wandemng"  sich  als  Atman  erkannt  zu  haben?  Die  Brähmana's  stellten 
ihnen  für  ihre  guten  und  bösen  Werke  als  Vergeltung  Freuden 
und  Leiden  im  Jenseits  in  Aussicht.  Zu  den  letztern  gehörte 
auch  der  „Wiedertod"  (punarmrityu).  Im  Gegensatze  zu  der 
Unsterblichkeit,  amritatvam,  wörtlich  dem  „Nicht-mehr-sterben- 
können"  der  Vollendeten  bestand  für  die  übrigen  die  Möglich- 
keit, im  Jenseits  neben  anderm  Unheil  ein  „Abermals-sterben- 
müssen"   zu   erdulden,   welches,    da   es   sich   um   die   bereits 


5.  Eschatologie  (Seelenwanderung  und  Erlösung).  367 

Verstorbenen  handelt,  nicht  als  ein  körperlicher  Vorgang,  son- 
dern unbestimmt  als  eines  der  Leiden  zu  denken  ist,  welche  als 
Vergeltung  der  Übeltaten  im  Jenseits  bevorstehen.  Erst  die 
Upanishad's  —  und  wiederum  zuerst  durch  den  Mund  des 
Yäjnavalkya  —  verlegen  diesen  als  Vergeltung  drohenden 
Wiedertod  aus.  dem  imaginären  Jenseits  ins  Diesseits,  indem 
sie  ihm  ein  abermaliges  Erdendasein  vorausgehen  lassen.  So 
entsteht  die  Theorie  der  Seelenwanderung  (samsära),  welche 
nicht  beruht  auf  abergläubischen  Vorstellungen  von  einem 
"Wiederkommen  der  Toten  in  allerlei  Gestalten,  wie  solche 
sich  bei  allen  Völkern  und  auch  in  Indien  finden,  sondern, 
wie  die  Texte  ausweisen,  auf  der  Wahrnehmung  der  Verschieden- 
heit der  Charaktere  und  der  Schicksale  der  einzelnen  Menschen, 
welche  man  sich  erklärte  als  verschuldet  durch  die  Werke  in 
einem  frühern  Dasein;  Brih.  3,2,13:  „fürwahr,  gut  wird  einer 
durch  gutes  Werk,  böse  durch  böses";  Brih.  4,4,5:  „je  nachdem 
er  handelt,  je  nachdem  er  wandelt,  danach  wird  er  geboren; 
wer  Gutes  tat,  wird  als  Guter  geboren,  wer  Böses  tat,  wird 
als  Böser  geboren,  heilig  wird  er  durch  heiliges  Werk,  böse 
durch  böses.  ...  Je  nachdem  er  das  Werk  tut,  danach  er- 
gehet es  ihm." 

§  20.     Diese   Worte    des  Yäjnavalkya    (die   ältesten,   in   Kombma- 
denen  eine  Seelenwanderung  vorkommt)   setzen  an  die  Stelle  jenseitigen 
der  jenseitigen  Vergeltung  eine  diesseitige,  welche  durch  eine  diejenigen 
neue  Geburt  auf  Erden,  wie  es  scheint  sofort  nach  dem  Tode,  Ver°eltuns- 
stattfindet  (vgl.  das  Bild  von  der  Raupe  Brih.  4,4,3).     Indem 
diese  Theorie   Eingang   fand,   blieb    daneben   die   altvedische 
Vorstellung  einer  Vergeltung  im  Jenseits    für  alles  Gute  und 
Böse  gleichfalls  bestehen;  und  schliefslich  wurde  beides  kom- 
biniert, indem  man  eine  doppelte  Vergeltung  lehrte,   die 
erste  im  Jenseits,  welche  dauert  yävat  sampätam  „so  lange  ein 
Bodenrest  [der  Werke]  bleibt"  (Chänd.  5,10,5),  worauf  dann 
alles  nochmals  vergolten  wird  durch   ein  neues  Erdendasein. 
Diese  Vergeltung  des  schon  Vergoltenen  widerspricht  so  sehr 
der  ganzen  Idee  der  Vergeltung,   dafs   sie    unmöglich  anders 
als  aus  der  Verknüpfung  heterogener  Vorstellungen  verstanden 
werden  kann.     Sie  ist  der  Standpunkt  der  „  Fünffeuerlehre" 


368  XVII.   Rückblick  auf  die  Upanishad's  und  ihre  Lehren. 

( pancägnividyä) j  Chand.  5,3 — 10  (Brih.  6,2),  welche,  analog 
dem  in  Brahman  ohne  Wiederkehr  führenden  Götterweg 
(devayäna),  einen  zum  Monde  und  dann  zurück  zur  Erde 
führenden  Väterweg  (p/tni/äna)  konstruiert,  in  Kaush.  1  noch 
weiter  modifiziert  wird  und  die  Grundlage  für  die  ganze 
folgende  Entwicklung  geworden  und  gebliehen  ist. 

Ursprung  £  21.     Die  Einkleidung  der  Erlösungslehre  in  empirische 

und  des  Anschauungsformen  brachte  es  mit  sich,  dafs  man  die  Erlösung, 
als  wäre  sie  ein  Geschehen  in  empirischem  Sinne,  unter  dem 
Gesichtspunkte  der  Kausalität  als  eine  Wirkung  auffafste, 
welche  durch  geeignete  Ursachen  hervorgebracht  oder  doch 
befördert  werden  könne.  Nun  bestand  die  Erlösung,  nach 
ihrer  äufsern  Erscheinungsweise 

1)  in  der  Aufhebung  des  Bewufstseins  der  Vielheit, 

2)  in  der  notwendig  aus  ihr  folgenden  und  sie  begleiten- 
den Aufhebung  alles  Begehrens. 

Diese  beiden  Symptome  künstlich  hervorzubringen,  war 
der  Zweck  zweier  charakteristischer  Erscheinungen  der  spätem 
indischen  Kultur, 

1)  des  Yoga,  welcher  durch  Zurückziehung  der  Organe 
von  den  Sinnendingen  und  Konzentration  in  das  eigene  Innere 
die  vielheitliche  Welt  auszulöschen  und  dadurch  die  Eins- 
.werdung  mit  dem  Atman  zu  erreichen  sucht; 

2)  des  Sannyäsa,  welcher  durch  „Vonsichwerfen"  der 
Heimat,  des  Besitzes,  der  Familie  und  alles  dessen,  was  dem 
Begehren  Nahrung  gibt,  jene  Befreiung  von  allem  Erden- 
hange zu"  verwirklichen  bemüht  ist,  in  der  eine  tiefere  Lebens- 
auffassung auch  in  andern  Zeiten  und  Ländern  die  höchste 
Aufgabe  des  Erdendaseins  erkannt  hat  und  so  wohl  auch  in 
aller  Zukunft  erkennen  wird. 


INDEX. 


I.    Namen-  und  Sachverzeichnis. 

Die  Zahlen  verweisen  anf  die  Seiten  des  Werkes.     A.  Anmerkung. 


A. 

Abhipratärin,  Name  eines  Mannes,  100. 

Ägrama's,  die  vier  Lebensstadien  als 
Brahmacdrin,  Grihastha,  Väna- 
prastha,  Sannyäsin,  330  fg.  6.  60; 
ihre  Entstehung  330  fg.  Die  A.'s 
als  via  salutis  56;  ihr  Wert  56  fg. 

Agrama-Upanishad  11.  25.  33.  336. 

agvamedha,  Rofsopfer,  21.  110.  111. 
195.  322. 

Agvapati  Kaikeya,  König,  18.  66.  83. 
194.  322.  355. 

Agvattha,  Baum  (ficus  religiosa),  183. 
184. 

Adern  259  fg.  129.  257.  353. 

Adhvaryu,  einer  der  vier  Hauptpriester, 
112. 

Aditi,  „die  Unendlichkeit",  165.  172. 
200. 

Aditya,  Sonne,  Gott  der  Sonne,  96. 
100.  170.  158.  195.  241.  269.  291. 
308 ;  als  Symbol  des  Brahman  103  fg. 
91.  92.  105.  359. 

ÄdHya^s,  Götterklasse ,  158. 

Agni,  Feuer,  Gott  des  Feuers,  60.  96. 
98.  100.  158.  159.  170.  185.  195. 
241.  287.  291.  301.  308.  350;  als 
Präna  337. 

Agni  Vaigvänara,  „das  allen  Men- 
schen gemeinsame  Feuer".  Umge- 
deutet 84.  106.  114.  337. 

Agnihotram,  das  tägliche  Morgen-  und 
Abendopfer,  294.  328.  337.    Ersetzt 

Deussbn,  Geschichte  der  Philosophie.     I, 


durch  das  Einatmen  und  Reden  59r 
durch  dasPränägnihotram  113  fg.  59. 

Agnishtoma,  ein  Somaopfer,  umge- 
deutet 341. 

aham  brahma  asmi,  „ich  bin  Brah- 
man", 37.  171.  221. 

ahanlidra,  „das  Ichbewufstsein",  85. 
138.  239.  240;  Funktion  oder  Or- 
gan der  Seele  218  fg.  235.  238.  244. 
269.  270. 

AhavanTya,  .das  dritte  Opferfeuer, 
umgedeutet  144. 

Airammadiyam,  Gewässer  in  der  Brah- 
manwelt,  323. 

Aitareya-Upanishad  8.  23.  28.  29. 

Aitareyvi's,  Schule  des  Rigveda,  4.  6. 
8.  32.  107.  110.  127.  ' 

Ajdtagatru,  König  von  Kägi  (Benares), 
18.  80.  105.  188.  194.  355. 

Äkdga,  Äther,  Raum,  85.  91.  92.  102. 
132.  175.  184.  196.  297.  302.  359. 
Symbol  des  Brahman  101  fg.  105. 
106.  108.  200.  Letzter  Grund  der 
Dinge  .18. 

aldtacahram,  der  Funkenkreis,  212. 

Allsühnefeuer  263. 

Amritabindu-TJpanishad   11.  25.  346. 

amritam  satyena  channam  69.  119. 
150.  209. 

dnanda,  Wonne,  108  fg.  115.  116. 

Anandajndna,  Glossator  Cankaras, 
31.  191. 

dnandamaya  dtman  132  fg.  255. 
24 


370 


Index. 


ÄnandavaUi,  Name  für  Taitt.  Up.  2: 
32.  115. 

Anaxagoras  175.  220. 

Anaximandros  203. 

anga's,  die  „Glieder,  Artikel"  der 
Yogapraxis,  acht  345;  sechs  347. 

Angiras,  Upanishadlehrer  9.  Atharva- 
und  Angiras-Lieder  heifsen  die  Lie- 
der des  Atharvaveda  54. 

annamaya  ätman  255.  352. 

annarasamaya  ätman  255. 

Anquetil  Duperron,  Übersetzer  des 
Oupnek'hat  ins   Lateinische,  34  fg. 

antaryämin,  der  Atman  als  „der  in- 
nere Lenker",  186.  99.  108.  154. 
159.  160.  191.  363;  definiert  186. 

anubhava,  die  unmittelbare  Inne- 
werdung, 15.  320. 

apäna,  Atem,  Hauptstelle  249  fg.; 
ferner  238.  239.  245. 

Apardjitä,  Burg  in  der  Brahmanwelt, 
323. 

apard  vidyä,  die  niedere  Wissen- 
schaft, 55.  284.  358. 

dpas,  die  Wasser,  253. 

Ära,  See  in  der  Brahmanwelt,  323. 

ÄranyakcCs  (Waldbücher),  vedische 
Schriftengattung,  4  fg.  21.  23.  109. 
354;  nur  sie  dem  Sannyäsin  emp- 
fohlen 342. 

Aristophanes  179. 

Aristoteles  14.  39.  121.  171.  185.  220. 

Ärtabhäga,  Unterredner,  66.  297. 

Arthavdda,  Bestandteil  der  Brähma- 
na's,  3. 

Aruneya-Upanishad  11.  25.  336. 

Aruni,  Lehrername,  12.  22.  54. 

Äryä's  194. 

äsanam,  das  Sitzen,  in  der  Yoga- 
praxis 347.  345.  346. 

Askese  56.  291.  295.  303.  309.  328. 
335.  Als  Mittel  der  Brahman- 
erkenntnis 57.  60  fg.  Bedeutung  der 
Askese  60 fg.  Frühes  Auftreten  der 
Askese  in  Indien  61.  Beschränkter 
Wert  der  Askese  nach  den  altern 
Upanishad's  62  fg. ;  zunehmende 
Hochschätzung  in  den  spätem  Upa- 
nishad's 64. 


astronomische  Vorstellungen  in  den 
Upanishad's  196  fg. 

Atharvacikhd-Upanisliad  11.  25. 

Atharvacira'-Upanishad  11.  25. 

Atharvan,  Upanishadlehrer,  9.  Die 
Lieder  der  Atharvau's  und  Angiras' 
=  Atharvaveda  52.  54. 

Ätharvanika's  28. 

Atharva-Üpanishad's  9.  10.  25.  31.  32. 
33.  34.  52. 

Atharvaveda  3.  8.  20.  25.  26.  30.  31. 
32.  34.  53.  287.  290. 

Atheismus  213.  215.  221.  364. 

Atidhanvan,  Lehrername,  18. 

atigraha,  „Übergreifer",  acht  243.  250. 

Atmabodha-  Upanishad  11.  26. 

Ätman  10.  11.  14.  15.  18.  19.  20.  21. 
22.  30.  36  fg.  245.  246.  248.  254. 
262.  263.  265.  269.  270.  271.  278. 
279.  294.  297.  331.  333.  334.  335. 
336.  343.  344.  348.  350.  355.  - 
Die  individuelle  Seele  6.  73.  83. 
85.  161.  166.  167.  168.  169.  170. 
173.  176.  177.  178.  181.  207.  208. 
214.  221.  231  fg.  241.  258.  259.  262. 
274.  280.  312.  364.  365.  Die  höchste 
Seele,  die  Weltseele  6.  73.  83.  116. 
161.  166.  167.  207.  214.  221.  231  fg. 
241.  258.  364.  365.  —  Ätman  und 
Brahman  79  fg.;  Unbestimmtheit 
dieser  Begriffe  79  fg. ;  Versuche, 
dieselben  zu  bestimmen  80  fg.  Be- 
griff des  Ätman  207.  357.  Der 
Ätnianbegriff  als  Quellpunkt  des 
Idealismus  208.  Drei  verschiedene 
Ätman's:  materieller,  individueller, 
höchster,  86  fg.  Fünf  verschiedene 
Ätman's:  annamaya,,  pränamaya, 
manomaya,  vijnänamaya,  dnanda- 
maya  Atman,  89 fg.  132.  Der  Ätman, 
das  Subjekt  des  Erkennens  (120  fg. 

357.  36o),  ist  selbst  kein  Gegen- 
stand des  Wissens  75,  unerkennbar 
und  allein  real  73  fg.  212.  320.  357. 

358.  361.  362.  Der  Ätman  als  sdkshin 
127.  361;  als  prajnd  360;  als  sac- 
ciddnanda  361;  als  „der  innere 
Lenker"  (antaryamin)  363.  Götter 
als  symbolische  Vertreter  des  Ät- 


I.  Namen-  und  Sachverzeichnis. 


371 


man  159.  Der  Ätman  die  ganze 
Welt  138.  Es  gibt  nichts  aufser 
ihm  143  Mahdn  Ätmä  181.  Des 
Ätman  Allgegenwart  182.  184,  All- 
wirksamkeit 185,  Allmacht  185. 
Der  Ätman  als  die  Einheit  178  fg. 
Einswerdung  mit  dem  Ätman  als 
Ziel  308  fg.  Das  Ätmanwissen  ist 
die  Erlösung  310  fg.  Sitz  des  Ät- 
man im  Herzen  154.  Der  Ätman 
und  die  Organe  239  £g.  Eingehen 
des  Ätman  in  seine  Schöpfung  167, 
in  den  Leib  und  seine  Organe  240. 
Verwirrung  des  Ätman  durch  die 
Guna's  236  fg.  Das  Ich  als  Grund 
der  Gewifsheit  239.  Der  Ätman, 
und  wer  sich  als  ihn  weifs,  ist  frei 
189.  Ätmanlehre  und  Ethik  325  fg. 
Die  Ätmanlehre  vor  Yäjnavalkya 
359,  nach  Y.  359  fg.  —  Siehe  auch 
^  Brahman  und  Seele. 

Atman  Vaicvänara,  der  Ätman  als 
allverbreitetes  Weltprinzip,  83  fg. 
18.  106.     355. 

Atma-Upanishad  10.  25. 

aiixo  xai'   auTo  39. 

avatara's  (Menschwerdungen)  des 
Vishnu  11. 

avidyä,  das  Nichtwissen,  145.  178. 
205.  229.  231.  244.  297. 

aryaktam,  das  Unoffenbare,  181.  346. 

B. 

Bädaräyana,  Verfasser  der  Brahma- 
sütra's,  26  fg.  25.  49.  51.  115.  210. 

Bahüdaka,  Unterart  der  Sannyäsin's, 
338.  339.  340. 

Bähva,  Lehrername,  143. 

Benares  194.    341. 

Bezähmung  als  Mittel  der  Brahman- 
erkenntnis, 66.  67. 

Bhagavadgitä  326. 

Bhäratam-varsham  (das  Regengebiet, 
Land  der  Bharata's),  Indien,  194. 

bhäva'B,  Zustände  des  Lingam,  fünf- 
zig, Sänkhyaterminus,  219. 

bhilcshu,  Bettler,  synonym  mit  san- 
nyäsin,  parivräjaha,  6.  56.  334.  335. 
341. 


Bhrigu,  Rishi  der  Vorzeit,  64.  84.  292. 

Bhriguvalli,  Titel  von  Taitt.-Up.  3, 
234—240:  32. 

bhüman,  „Gröfse",  „Unbeschränkt- 
heit",  die  höchste  Seele,  85.  86.  94. 
131.  138.  360. 

bhür,  bhuvah,  svar,  die  drei  heiligen 
Rufe  (Vyähriti's),  111.  196. 

bhüta's,  die  fünf  Elemente  (Äther, 
Wind,  Feuer,  Wasser,  Erde),  218. 
219.  239. 

Bibel  .43.  44.  45.  46. 

biblisch-mittelalterliche  Weltanschau- 
ung 146. 

Böhme,  Jakob,  77. 

Brahmabindu-Upanishad  11.  25.  346. 

brahmacärin,  Brahmanschüler,  332  fg. 
6.  56.  190.  194.  330.  335.  336. 

brahmaearyam,  Brahmanwandel,  57. 
190. 

brahman  (Neutr.)  9.  12.  14.  15.  17. 
18.  19.  26.  27.  30.  36.  245.  252. 
255.  256.  261.  267.  269.  273.  275. 
278.  280.  291.  300.  301.  303.  308. 
311.  313.  315.  316.  317.  319.  321. 
322.  323.  331.  332.  342.  346.  350. 
351.  353.  356.  357.  359.  365.  366. 
368.  —  Brahman  =  Ätman  der 
Grundgedanke  der  Upanishad's  36fg. 
—  Erkennbarkeit  des  Brahman  5  lfg. 
Mittel  der  Brahmanerkenntnis  56  fg. 
Brahman  als  Gegenstand  des  Wis- 
sens 68.  Kein  Wissen  von  Brah- 
man möglich  72  fg.  —  Das  Suchen 
nach  dem  Brahman  78  fg.  Brah- 
man als  die  Einheit  78  fg.,  als  Name 
für  Prinzip  79.  —  Symbolische  Vor- 
stellungen von  Brahman  91  fg. :  Brah- 
man als  präna  200,  als  prdna  und 
väyu  92.  93  fg.,  als  äkäea,  manas 
92.  101  fg.,  als  Äditya  92.  103  fg. 
Verschmelzung  von  Brahman  und 
Symbol  107.  Zwei  Formen  des 
Brahman  108.  Attributhaftes  Brah- 
man 92.  —  Das  Brahman  an  sich 
115  fg.  Das  Brahman  als  saccid- 
änanda  115  fg.  133.  134.  142;  als 
das  Seiende  und  das  Nichtseiende, 
als  die  Realität  und  die  Nicht- 
24* 


372 


Index. 


realität  117  fg.,  über  Seiendes  und 
Nichtseiendes  erhaben  120;  als  Be- 
wufstsein,  Denken  120  fg.  245,  als 
Prajnätman  127.  Der  ewige  Tag 
des  Brahman  125  fg.  Brahman  als 
präna  127,  als  säkshin  127,  als 
Wonne  127  fg.  Das  Brahman  leid- 
los 128.  Negative  Natur  und  Un- 
erkennbarkeit  des  Brahman  an  sich 
133fg.  Brahman  als  raumlos  138 fg., 
als  zeitlos  139  fg.,  als  kausalitätlos 
141  fg.  —  Das  Brahman  und  die 
Welt  143 fg.  Alleinige  Realität  des 
Brahman  143  fg.  Das  Brahman  als 
kosmisches  Prinzip  145 fg.,  als  causa 
materialis  150  fg.  Integrität  des 
Brahman  151.  Das  Brahman  als 
psychisches  Prinzip  152  fg.;  idea- 
listische Form  dieser  Lehre  152  fg., 
pantheistische  Umbildung  153.  Das 
Brahman  als  persönlicher  Gott 
(icvara)  157  fg.  —  Brahman  als 
Weltschöpfer  163  fg.,  sein  Eingehen 
in  seine  Schöpfung  176  fg.  —  Brah- 
man als  Welterhalter  182  fg.;  als 
Weltregierer  186 fg.;  als  Vorsehung 
191  fg.  —  Brahman  als  Weltver- 
uichter  198  fg.  Rückkehr  der  Ein- 
zelwesen in  Brahman  199  fg.  Brah- 
man als  Vernichter  der  Einzelwesen 
200.  Rückkehr  des  Weltganzen  in 
Brahman  201  fg.  Über  die  Motive 
der  Lehre  von  der  Weltvernichtung 
in  Brahman  203  fg. 

Brahman  (Mask.)  1)  der  Gott  Brah- 
man, das  personifizierte  Brahman 
72.  177.  178.  222.  223.  233.  298. 
Träger  der  göttlichen  Offenbarung 
und  ihr  Vermittler  an  die  Menschen 
180.  Die  Weltseele  179  fg.  2)  Einer 
der  vier  Hauptpriester  112. 

brahmanah  parimarah,  Zeremonie,  99. 

brähmanam,  Gattung  vedischer  Schrif- 
ten, 3.  4  fg.  7.  23.  30.  44.  52.  54. 
79.  90.  109.  165.  287.  290  fg.  292. 
301.  354.  366. 

Brahmanaspati,  „Gebetesherr",  vedi- 
scher Gott,  165. 

Brähmanazeit  3  fg.  93.  206. 


Brahmane,  Angehöriger  der  ersten, 
der  Priesterkaste,  9.  17.  18.  19.  21. 
40.   55.   56.  66.   83.   94.   129.   152. 

194.  200.  208.  265.  290.  293.  303. 
307.  318.  319.  320.  331.  332.  333. 
334.  335.  354.  355. 

Brahmanismus  60.  128. 
Brahmanstadt  (der  Leib)  255. 
Brahmanwelt  70.  123.  126.  159.  190. 

195.  265.  311.  322.  323.  324.  325. 
333.     Brahman  als  Welt  131. 

brahmarandhram,  Öffnung  im  Schädel, 
durch  welche  die  Seele  auszieht, 
255.  243.  256.  351. 

Brahmasutra''s  des  Bädaräyana  26  fg. 
173. 

Bruluna-Upanishad  8.  11.  25.  336. 

Brahmavidya-TJpanishad  11.  25.  31. 
346. 

Brennholz  in  der  Hand  als  Zeichen 
der  Schülerschaft  65.  66.  332. 

Brihadäranyaka-  Upanishad  8.  23.  29. 
40.  121.  209.  212.  356. 

Brihadratha,  Name  eines  Königs,  13. 
229.  334. 

Brihannäräyana,  Name  für  Taitt. 
'Ar.  X:  32.  ' 

buddhi,  Bewufstsein,  218  fg.  181. 
Funktion  des  Manas  238.  Neben 
manas  als  besonderes  Vermögen 
244.  257.  269.  270.  346.  Als  Be- 
stimmtheit der  individuellen  Seele 
235. 

Buddhismus  und  Buddhisten  60.  128. 
219.  230.  307.  Idealismus  der 
Buddhisten  219. 

C. 

(Yikalya,  Name  eines  Mannes,  55. 
Qäkäyanya,  Name  eines  Weisen,  13. 
gäkhd  („Zweig"),  Vedaschule,  4.  5.  6. 

7.  8.  9.  18.  19.  21.  22.  23.  24.  25. 

28.  30.  32.  34.  107.  110.  111.  126. 

127. 
cakshuh,  Auge;  cakshur  vai  brahmaS2. 
Candäla's,  verachtete  Menschenklasse, 

303. 
Qändilya,  Lehrername,  21. 
£aw»,  der  Planet  Saturn,  197. 


I.     Namen-  und  Sachverzeichnis. 


373 


^ankara  (-dcärya),  Verfasser  des  Kom- 
mentars zu  den  Brahmasütra's  und 
zu  Upanishad's,  11.  25.  26  fg.  32. 
49.  67.  72.  79.  93.  103.  115.  137.. 
190.   210.  225.  231.  236.  237.  298. 

Qankardnanda ,  Verfasser  des  Kom- 
mentars zur  Kaushitaki-  und  zu 
vielen  Atharva-Upanishad's,  28.  34. 

Cantiformeln  28. 

fäiira  ätman  231. 

Qär'irakam  und  Qärirdka-mimähsä, 
die  Brahmasütra's  des  Bädaräyana, 

31.  51. 

gastram,  Preislied,  110. 

Qaunaka,  angeblicher  Begründer  einer 

Atharvavedaschule,  8.   25.   30.     (7. 

Ki'ipeya  100. 
£aunakhja''s,  eine  Schule  des  Athar- 

vaveda,  8. 
Ceylon  193. 
Chdndogya-Upanishad  8.  23.  28.  29. 

32.  40.  123. 

Christentum  43.  45.  107.  128. 

gikhd,  Haarlocke,  vom  Sannyäsin  be- 
seitigt, 338.  339.  342. 

Citra  Gängyäyana,  Name  eines  Opfer- 
herrn, 18.  54.  194. 
cittam  noch  besonders  neben  buddhi, 

ahatlkdra,    manas    224.    225.    238. 

244.  269.  270. 
Qim  11.  25.  181.  348.  Qivakultus  162. 

Qivaitischer  Symbolismus  10. 
Qivasamkalpa-  Upanishad  245. 
Qiva- Upanishad'' s  11.' 
Colebrookes  Liste  der  Upanishad's  8. 

31.  32.  33. 
grotram,    Ohr,    Gehör;     grotram   vai 

brahma  82. 
gruti,  die  Offenbarung,  der  Veda,  die 

(heilige)  Schrift,  143. 
Cudra,  vierte  Kaste,  ausgeschlossen, 

13.  68.     Göttliche  Qüdra's  158. 
tyikra,  der  Planet  Venus,  197. 
Cnliht- Upanishad  11.  25.  346. 
Qvetägvatara's,      angebliche      Veda- 

schule,  4. 
Qvetdgvatara-  Upanishad    8.    24.    28. 

29.  30.  32.  33.  215.  364. 


Qvetaketu,  Sohn  des  Uddälaka-Äruni, 
54.  135.  153.  183.  332. 

D. 

daivah  parimarah,  das  Herumsterben 
der  Götter,  99. 

Daksha,  Sohn  der  Aditi,  165. 

dakshinä,  Opferlohn  an  die  Priester, 
umgedeutet,  328. 

Dara  Schakoh,  Veranstalter  der  Oup- 
nek'hat-  Übersetzung,  34. 

Deismus  213.  215.  364. 

Demokrit  220. 

Descartes  107.  146.  220.  240. 

Determinismus  der  Upanishad's  188  fg. 

devaydna,  der  Götterweg,  301  fg.  92. 
105.  287.  293.  302.  303.  304.  312. 
323.  324.  350.  366.  368. 

dhärand,  Fixierung  der  Aufmerksam- 
keit' beim  Yoga,  349.  345.  346.  348. 

Dharmagästra's,  Lehrbücher  über 
Sitte  und  Recht,  331. 

Dharmasütra's,  über  die  Pflichten 
der  Kasten  und  Lebensstadien  han- 
delnd, 331. 

dhruva,  der  Polarstern,  197. 

dhydnam,  Meditation  beim  Yoga,  349. 
345.  346.  348. 

Dhyänabindu-Upanishad  11.  25.  346. 

Big  als  Gottheit  241. 

dikshd,  Weihe,  des  Sannyäsin  338. 

Disputationen,  öffentliche,  22. 

dreifache  Wissenschaft  des  Veda  151. 

Dritter  Ort  als  Schicksal  der  Bösen 
303. 

Dualismus  220  fg. 

E. 

Edda  97. 

Eigeborenes  177.  262.  263. 
Einheitsgedanke  143.  206.  356. 
Einstab  und  Dreistab  der  Sannyäsin's 

339. 
Elemente  225.  239;  drei  23.  156.  168. 

173  fg.    176.    197.    210.    227.   261; 

vier  85;  fünf  23.  168.  169.  171  fg. 

175  fg.    177.    238.    242.    244.    254. 

257.  261. 
Embryologie  265  fg. 


374 


Index. 


Empedokles  220. 

Entsagung  als  Mittel  der  Brahman- 
erkenntnis 66.  67. 

Epicharmos  246. 

Epiktet  14. 

epische  und  mythologische  Gedichte  53. 

Erde,  die,  und  das  Weltganze  194fg. 

Erlösung  123.  128.  228.  231.  232.  233. 
291.  326  fg.  335.  349.  —  Bedeutung 
der  Erlösungslehre  305  fg.  Wunsch 
der  Erlösung  vom  Dasein  305.  Ur- 
sprung der  Erlösungslehre  306  fg. 
Das  Ätmanwissen  ist  die  Erlösung 
310  fg.  365  fg.  Charakteristik  des 
Erlösten  318  fg.  Empirische  Form 
der  Erlösungslehre  320  fg.  366. 

Ersetzung  von  Zeremonien  11 2  fg. 

Eschatologie  der  Upanishad's  282 fg., 
altvedische  285  fg. 

etad  vai  tad  155. 

Ethik  der  Upanishad's  327  fg. 

F. 

Frauen,  mehrere  erlauht,  334. 

Freiheit  des  Willens  42.  43.  88.  Frei- 
heit und  Unfreiheit  188  fg. 

Fünf  feuerlehre  (Pancägnividya)  300. 
295.  299.  303.  304.  323.  324..  367. 

G. 

Gandhära,  Volksstamm  am  Indus,  66. 

194. 
Gandharven ,      Klasse      himmlischer 

Genien,    178.    298.    Gandharvawelt 

195. 
Ganges  193.  194.  307. 
Garbha-Upanishad  10.  25.  31.  257. 
Gärgi,  Unterrednerin,  63.  66.  73.  122. 

134.  138.  160.  357. 
Gärgya  Bälaki,  Lehrername,  15.  18. 

36.  80  fg.  103.  105.  188.   194.  355. 
Gäruda-  Upanishad  10.  25. 
Gandapäda,    Verfasser    der    Karikä 

zur  Mändukya-Upanishad,  28.  32. 
Gautama,  Familienname  des  Uddälaka 

Äruni,  18.  99. 
Gäyatra-säman  30. 
Gäyatri,    erstes    vedisches    Metrum, 


Symbol  des  Brahman,   111  fg.  151 
279. 

Geburt  266. 

Geduld  und 

Gemütsruhe  als  Mittel  der  Brahman- 
erkenntnis, 66.  67. 

Geulincx  146. 

Gnaden  wähl  (Prädestination)  161. 

Gopälatäpariiya- Upanishad's  33. 

Gopicandana-  Upanishad  33. 

Gott,  sein  Dasein,  42.  43.  Personi- 
fikation des  Brahman-Atman  315. 

Götter  124.  129.  130.  140.  152.  153.. 
165.  168.  169.  172.  177.  178.  180. 
185.  207.  208.  209.  247.  275.  287. 
288.  290.  291.  298.  300.  301.  302. 
308.  311.  353.  354.  357.  362.  Ver- 
ehrung der  Götter  15.  17.  21.  Stel- 
lung der  altvedischen  Götter  in  den 
Upanishad's  158  fg.  ttre  Zahl  158. 
Götter  änanda-ätmänah  131.  Pro- 
tektorat der  Götter  über  die  Or- 
gane 241. 

Götterweg  (devayäna)  63.  64.  195. 

Götterwelt  (devaloka)  178.  195.  293. 
295.  298.  299. 

graha  1)  die  acht  Organe  243.  250  \ 
2)  die  Planeten  197. 

grihastha,  Hausvater,  im  zweiten  der 
vier  Agrama's  stehend,  333 fg.  6. 
56.  57.  330  fg.  335.  336. 

guna,  Faktor.  Die  drei  Faktoren, 
Sattvam,  Bajas  und  Tamas,  aus 
denen  nach  der  Sänkhyalehre  die 
Urmaterie  und  alles  aus  ihr  Ent- 
wickelte besteht,  211.  218.  221.  222. 
237.  254.  350.  Genesis  der  Guna- 
lehre  226 fg. 

H. 

Hansa  (Gans,  Schwan,  Flamingo),, 
Unterart  der  Sannyäsin's,  338.  839. 
341. 

Hansa- Upanishad  11.  25.  346. 

Heilslehre  des  Sänkhyam,  Genesis  derv 
228  fg.  Heilslehre  des  Vedänta  228. 

Heraklit  71.  203.  220.  269. 

Herz  258  fg. 

Herz  als  Lotosblüte  259.  351. 


I.    Namen-  und  Sachverzeichnis. 


375 


Herzenshöhle  115.  155.  172.  259. 

Himälaya  193. 

Himmelsgegenden  97.  98.  100.  138. 
139.  148.  149.  158.  183.  187.  196. 
209.  312. 

hiranyagarbha,  „der  goldene  Keim", 
der  Erstgeborene  der  Schöpfung,  165. 
169.  172.  222.  223.  225.  Die  Welt- 
seele 179  fg. ;  der  kosmische  Intel- 
lekt als  Träger  der  Erscheinungs- 
welt 219.  235  (der  kapila  rishi). 

Hitäh  heifsen  die  72000  sich  vom 
Herzen  aus  im  Perikardium  ver- 
breitenden Adern,  in  denen  die 
Seele  im  Tiefschlafe  ruht,  258 fg. 
129.  275.  276. 

Homer  66. 

Hotar ,  Hauptpriester  des  Rigveda, 
112.  184. 

Hunger  und  Durst  262. 

Hydraotes  194. 

Hymnen  44.  165. 

Hymnenzeit  206. 

Hyphasis  194.  333. 

I. 

ig,  "iga,  igdna,  igva/ra,  „der  Herr", 
Gott,  160.  11. 157. 162..187. 192. 344. 

Igd-Upanishad  8.  24.  29. 

Idealismus  147;  Idealismus  der  Upa- 
nishads  148.  157.  161.  193.  207 fg. 
213.  232.  233.  210.  344,  des  Yäjna- 
valkya  206.  357;  der  Buddhisten 
219.  —  Erstes  Auftreten  des  Idea- 
lismus in  den  Upanishad's  208  fg. 
Die  Upanishadlehre  ist  ursprüng- 
lich Idealismus  209;  der  Idealismus 
die  ganze  weitere  Entwicklung  be- 
herrschend 209  fg. 

Ideen,  platonische,  179. 

Identität  von  Welt  und  Seele  153  fg. 
363. 

Uya,  ein  Baum  in  der  Brahmanwelt, 
323. 

individuelles  Fortleben  der  Seele  nach 
dem  Tode  83. 

Indra,  altvedischer  Gott,  13.  65.  87. 
88.  98.  158.  159.  177.  258.  286. 
290.  291.  308.  312. 


indriya's,  die  psychischen  Organe, 
nämlich  die  fünf  Erkenntnissinne 
(269;  buddhi-indriyuni  [247],  jhäna- 
indriyäni  [238] :  Gehör,  Gefühl,  Ge- 
sicht, Geschmack  und  Geruch)  und 
die  fünf  Tatsinne  (269 ;  karma-indri- 
yäni  [238.217]:  Organe  des  Redens, 
Greifens,  Gehens,  Zeügens  und  Ent- 
leerens) 238.  218  fg.  231.  234.  242. 
252.  270. 

Indus  193.  194. 

Intellektualismus  120  fg. 

Islam  307. 

üihäsah,  episches  Gedicht,  53. 

J. 

Jäbäla-Upanishad  9.  11.  25.  28.  29. 

336. 
Jaimimya's,  Schule  des  Sämaveda,  8. 
Jänagruti,  Name  eines  reichen  Mannes, 

13.  21.  58.  100. 
Janäka,  König   der  Videha's  13.  21. 

53.  66.  76.  81.  123.  194.  312  fg.  354. 
Jesus  12.  107.  289.  325. 
jiva,  lebend, -Jim  ätman,  „das  lebende 

Selbst",  die  individuelle  Seele,  231. 

232.   233.     Jiva   ohne   Zusatz,   die 

individuelle  Seele,  181. 
Jwdla,  König  der  Pancäla's,  194. 
j'ivanmukti ,   die   Erlösung   bei    Leb- 
zeiten, 321. 
jndnam,    Erkenntnis;    Brahman    als 

jndnam  116. 

K. 

Kdgi,  Volksstamm,  194. 
Kaivalya-Upanishad  11.  26. 
Käldgnirudra-Upanishad  11.  25. 
kalpa,   Weltperiode,   199.  324.     Die 

Kalpatheorie  des  spätem  Vedänta 

198  fg. 
Kthna    (Liebe),     Erstgeborener    der 

Schöpfung,  165. 
Kant  12.   38.  39.  41.  43.  45.  47.  66. 

68.  102.   107.  122.   137.   188.  189. 

204.  205.  284.  310. 
Kanthagruti-Upanishad  11.   25.  336. 
Känva,  Zweigschule  der  Väjasaneyin's, 

250. 


376 


Index. 


Kdpila,     Begründer     des     Sänkhya- 

systems,  180.  216. 
kapila  rishi,  „der  rote  Weise",  Brah- 

män,  180  fg.  223.  235. 
Mrikä  des  Gaudapäda  zur  Mändükya- 

Upanishad  10»  29.  31.  32.  ' 
karmakdndam,  der  Werkteil  des  Veda, 

44. 
karman,  Werk,    189.    225.   236.   237. 

242.  300.     Siehe  auch  Werk. 
Kasten,  vier,  170.  340. 
kategorischer  Imperativ  47. 
Katha's,  Schule  des  schwarzen  Yajur- 

veda,  8. 
Kdthaka's  4. 
Kd'thaka-Upanishad  8.  13.  24.  29.  30. 

32. 
Kdtydyam ,  Gattin  des  Yäjnavalkya, 

334. 
Kaunteya  199. 

Kaushitaki,  Lehrername,  101. 
KaushUakin's,  Schule  des  Rigveda,  4. 

8.  110.  127. 
Kaushitaki- Upanishad  8.  23.  28.  29. 

32. 
Keimgeborenes  262. 
Kekaya,  Volksstamm,  194. 
Kena-Upanishad  8.   23.  29.  32.  111. 
Ketu  (Drachenschwanz)  als  Planet  197. 
khilakdndam     der     Brihadäranyaka- 

Upanishad  296. 
Knoten  des  Herzens  244.  254. 
Kommentare  Cankaras  28. 
Könige  (Krieger)  weiser  als  Brahmanen 

und  diese  belehrend   17  fg.  66.  80. 

83.  194.  355;  Begründer  der  Ätman- 

lehre  17.  110.  354  fg. 
Kopf  257  fg.    Zerspringen  des  Kopfes 

258. 
Körperkreise  256. 
Körperwärme  256.    Symbol  des  Brah- 

man  106. 
Kosmogonien,    altvedische,  222.  232. 

363. 
Kosmogonismus  149  fg.  213.  214.  232. 

233.  363  fg. 
Kosmographie  der  Upanishad's  193  fg. 
Kosmologie   der   Upanishad's    163  fg. 

213. 


kramamukti,    Stufenerlösung,    324 fg. 

Krieger,  siehe  kshatriya's. 

Krishna- Upanishad  33. 

kshatram,  kshatriya's,  die  Krieger- 
kaste, 9.  17.  18.  21.  40.  52.  152. 
200.  208.  303.  307;  kshatram  für 
den  Präna  erklärt  101.  Kshatriya's 
als  Pfleger  der  Ätmanlehre  17. 354fg. 
Göttliche  kshatriya's  158. 

Kshurikd-  Upanishad  11.  25.  346. 

Kultusbräuche,  Substitutionen  für  die, 
59. 

Kiiru,  Volksstamm,  194. 

Kut'icara,  Unterart  der  Sannyäsin's, 
340. 

L. 

Lakshmispruch  der  Nrisinhaformel  13. 

Lanka,  Ceylon,  193. 

Lebendgeborenes  262. 

Lebensalter,  drei,  112. 

Leib,  feiner,  252 fg.,  siehe  auch  Ungarn. 
Grober  Leib  255  fg.  Sein  Wesen 
255,  Schilderungen  des  Leibes  256  fg. 
Leib  und  Elemente  261  fg. 

Ungarn,  der  feine  Leib,  218.  217 fg. 
(linga-Qarvram)  254,  der  innere 
Mensch  254. 

-Lohn  für  Werke  30. 

M. 

Mctdhava,  Schüler  des  Cankaränanda, 
28. 

madhukändam ,  Titel  von  Brihad- 
äranyaka- Upanishad,    1 — 2:    296. 

Mddhyandina's,  Zweigschule  der  Väja- 
saneyin's,  250.  253.  314. 

Madra,  Volksstamm,  194.  333. 

Mahüdeva,  Beiname  des  Qiva,  11. 

mahän  (=  buddhi),  der  kosmische  In- 
tellekt der  Sänkhyaphilosophie,  223. 
181.  218  fg.  254.  346.  Mahän  dtmd 
181. 

Mahändrä yana-  Upanishad  8.  24.  29. 
33. 

mahas,  vierter  Opferruf  (Vyähriti),  196. 

Mahd- Upanishad  11.  26. 

Mahegvara  (der  grofse  Gott),  Steige- 
rung von  Igvara,  222;  Beiname  Ci- 
vas  11. 


I.     Namen-  und  Sachverzeichnis. 


377 


Maitrdyamya%  Schule  des  schwarzen 
Yajurveda,  4.  8. 

Maiträyaniya-Upanishad  8.  24.  25. 
28.  33.  " 

Maitreyi,  Gattin  des  Ydjnavalkya, 
15.  66.  73.  122.  152.  208.  276.  314. 
334. 

Malebranche  146. 

»i«»rts,Zentralorgan  sowohl  der  buddhi- 
indriyäni  wie  auch  der  karma-indri- 
yäni,  238.  244,  in  ersterem  Sinne  das 
Vermögen  der  Wahrnehmung,  der 
Verstand  245fg.  238,  in  letz- 
terem Sinne  das  Organ  der  Wünsche, 
der  bewufste  Wille  238.  245. 
246.  90.  165.  251.  254.  349.  359. 
Ursprünglich  ist  Maltas  von  all- 
gemeinerer Bedeutung,  ,, Gemüt", 
„Sinn",  „Herz",  „Geist",  245.  59. 
60.  93.  95.  96.  100.  101.  127.  187. 
200.  218  fg.  231.  234.  235.  241.  242. 
243.  248.  252.  253.  256.  257.  258. 
261.  262.  265.  267.  268.  269.  270. 
276.  346.  348.  Das  Manas  als  Sym- 
bol des  Brahman  oder  Atman  15. 
64.  74.  82.  85.  91.  92.  101  fg.  105. 
106.  149.  245;  als  Urprinzip  166. 
In  kosmischem  Sinne  entspricht  ihm 
der  Mond  97.  98.  112.  158.  297. 
Manas  uud  Indriya's  Organe  der 
Relation  237  fg. 

Mdndükya-Upanishad  9.  10.  24.  25. 
29.'  31.  32, 

Mann  (Geist)  in  der  Sonne  104.  105; 
im  Auge  88.  104.  122.  Siehe  auch 
purusha. 

m«HOH!«2/rt(manasartig)  atman  54.  255. 
359,  brahman  245,  purusha  247. 

Mantra's,  Lieder  und  Sprüche  der 
Veden  (Gegensatz :  Brähmana's),  30. 
242. 

Manu  (Mensch),  der  Stammvater  des 
Menschengeschlechtes,  286. 

MaruVs  Götter  der  Winde,  287. 

Mdtarigvan,  der  Windgott.  Der  Präna 
172. 

Matsya,  Volksstamm,  194. 

mäya,  Zauberkunst,  Blendwerk.  Das 
Blendwerk  der  empirischen  Realität 


40.  41.  .43.  45.  68.  162.  270.  318. 
344.  362.  Die  Mäyälehre  als  Grund- 
lage aller  Philosophie  204  fg.  Die 
MäyälehreindenUpanishad's206fg., 
in  empirischen  Vorstellungsformen 
212  fg. 

Meister  Eckhart  136. 

Mensch,  der",  und  sein  Leben  als  Opfer- 
handlung aufgefafst  112. 

Mitra-Varuna  287. 

moksha,  Erlösung,  305. 

Monismus  220  fg.,  der  Upanishadlehre 
211. 

Mrityu,  der  Todesgott,  251. 

Muktikä-Upanishad  26.  Der  Kanon 
der  M.  33.  31.  34. 

Mundaka-Upanishad  10.  24.  25.  28. 
29.' 30.  32. 

Mundausspülen  342;  als  Bekleidung 
des  Präna  beim  Pränägnihotram  114. 

Muni,  der  vollendete  Weise,  56.  62. 
331. 

Mutterschofsgeborenes  177.  263. 

X. 

Naciketas,  Sohn  des  Väjarravasa,  13. 
294. 

Näciketafeuer  59.  294. 

Nddabiiidu-Upanishad    11.    25.    346. 

NaishtMka,  Brakmanschüler  auf  Le- 
benszeit, 56. 

nakshatram,  Sternbild,  197. 

Ndrada,  ein  Brahmane,  68.  70.  312; 
durch  den  Kriegsgott  Sanatkumära 
belehrt  18.  53.  85.  355. 

Näruyana  1)  der  Purusha  als  Erst- 
geborener 165.  Vishnu  11. 181.  200. 
2)  Upanishadkommentator  8.  31.  33. 
34.  263. 

Näräyana-Upanishad  11.  26. 

Naturwissenschaftliches  in  den  Upa- 
nishad's  197  fg. 

neu,  neu  17.  75. 108. 134. 136. 142.  350. 

Neuere  Philosophie  146. 

Neuplatoniker  181. 

Nichtrealität  der  Welt  204  fg. 

Nichtwissen  (avidyä)  68  fg.  Avidyä 
als  Falschwissen  69.  Avidyä  und 
Vidyä  71.     Siehe  auch  avidyä. 


378 


Iudex. 


NUarudra-Upanishad  11.  25.  33.  34. 
niyama,  Selbstzucht,  in  der  Yogapraxis 

346.  345.  347. 
Nrisinha,  Vishnu  als  „Mannlöwe",  11. 

Nrisinhapurvatäpam ya -  Upanishad 

11.  26.  32, 
Nrisihhottaratdpanhja-  Upanishad  11. 

26.  32. 
Nyaqroäha,  Baum  (ficus  Indica),  183. 

184. 
nyäsa,  Entsagung,  64.  328.  330.  331. 
Nyäya,  System  der  Logik,  262. 

O. 

Ohrensausen    256,     als    Symbol    des 

Brahman  106. 
Om,  heiliger  Laut.  Hauptstelle  349  fg. 

Ferner  10.  25.  57.  92. 106.  126.  261. 

317.  337.  340.  344.  345.  346. 

6'v,   TÖ,   TO    ÖVTW?    ö'v    39. 

Opfer  4.  6.  21.  32.  56.  63.  90.  109. 
112.  113.  264.  294.  295.  300.  303. 
309.  322.  330.  331.  333.  334.  335. 
337.  341.  —  Opfer  als  Mittel  der 
Brahmanerkenntnis  57  fg.  Für  Opfer 
nur  der  Pitriyäna  58.  Umdeutungen 
des  Opfers  59.  Bedingte  Anerken- 
nung des  Opfers  in  spätem  Texten 
59  fg. 

Opferfeuer,  drei,  59.  63.  105.  338. 

Opferkultus  247,  und  Atmanlehre  354. 

Opferschnur  338.  339.  342. 

Opposition  gegen  das  Ritualwesen  57. 

Organische  Natur  176  fg.  Einteilung 
der  Organismen  177.  262  fg. 

Onpnekliat,  persische  Übersetzung  von 
50  Upanishad' s,  34  fg.  31.  245. 


Paingala- Upanishad  9.  29. 
Paingya,  Vedalehrer,  101. 
Paippalddfs,  eine  Schule  des  Atharva- 

veda,  8. 
Paücdla's,  Volksstamm,  194. 
pancanadam,  das  Fünfstromland,  194. 
Pantheismus  146.  147.  148.  157.  162. 

213.  214.  221.  232.  233.  362  fg. 
Paramahansa,  höchste  Stufe  der  San- 

nyäsin's,  338.  339.  340. 


Paramahansa- Upanishad,  11.25.  336. 

paramätman,  der  höchste  Atman,  231. 

Parameshtliin,  Personifikation  des 
höchsten  Wesens,  als  Träger  der 
göttlichen  Offenbarung  und  ihr  Ver- 
mittler an  die  Menschen  180. 

parä  vidyd,  höhere  "Wissenschaft,  284. 
358. 

parivrdj,  parivräjaka,  heimatloser 
Pilger  (=  Sannyäsin)  6.  56.  334. 
335.  341. 

Parmenides  39.  41.  68.  121.  144.  205. 
220.  310.  357.  363. 

Patanjali,   Gründer   des   Yoga,   344. 

Paulus  46. 

PendscKäb  307. 

Perikardium   (purUat)   129.  260.  276. 

Pessimismus  127;  indischer  128;  der 
Upanishad's  229;  des  Sänkhyam  229. 

Philolaos  171. 

Physiologisches  aus  den  Upanishad's 
255  fg. 

Pinda- Upanishad  10.  25.  33. 

Pippaldda,  angeblicher  Begründer 
einer  Atharvavedaschule,  8.  25.  30. 

pitriyäna,  Väterweg,  302.  58.  63.  64. 
287.  293.  301.  303.  304.  312.  323. 
324.  335.  350.  368. 

Planeten  197. 

Piaton  12.  39.  41.  42.  68.  70.  121. 
141.   144.   171.  205.  220.  264.  310. 

Polytheismus,  altvedischer,  157.  159. 

Prabhuvimitam ,  Palast  in  der  Brah- 
manwelt,  323. 

PraQna-Upanishad  10.  24.  25.  28.  29. 
30.  32. 

Prädestination  160.  190.  364. 

Prajdpati,  altvedischer  Gott,  9.  13. 
159.  171.  178.  180.  298.  Personi- 
fikation der  Schöpferkraft,  Prinzip 
der  Welt  79.  95.  111.  157.  173.  200. 
241.  263.  264.  265.  337.  356.  357. 
Erstgeborener  der  Schöpfung  165. 
166.  AlsUrquell  der  Weisheit,  Ätman- 
wisser,  Lehrer  65.  87.  88.  95.  329. 
Zum  Mond  in  Beziehung  gesetzt  94. 
197.  242.  Prajäpati  =  Ätman  177; 
=  Manas  245;  =  Präna  197. 

Prajdpativratam  265. 


I.     Namen-  und  Sachverzeichnis. 


379 


prajnä,  prajndnam,  präjna  dtmau, 
prajnätman, Bewufstsein, das  objekt- 
lose Subjekt  des  Bewufstseins,  die 
höchste  Seele,  95.  107.  108.  115. 
123. 130. 131. 245. 275.  276.  Präjna, 
die  Seele  im  Tiefschlafe,  269.  277. 
279.  280.    Prajnä  ==  präna  126  fg. 

Prakriti,  die  Urmaterie  der  Sänkhya's, 
216  fg.  147.  211.  215.  237.  247.  344. 
365;  eine  mdyd  212.  Die  Selbst- 
entfaltung der  Prakriti,  als  indi- 
viduell zu  denken  218;  kosmische 
Prakriti  217.  219. 

praktische  Philosophie  der  Upani- 
shad's  325  fg. 

prdna  15.  30.  69.  74.  80.  82.  92.  158. 
165.  172.  200.  224.  225.  234.  238. 
239.  241.  242.  214.  245.  253.  261. 
262.  267.  268.  274.  277.  280.  322. 
337.  345.  352.  353.  359.  360.  — 
1)  Hauch,  Odem,  Atniungsprozefs. 
93.  248.  2)  Zentralorgan  des  Lebens, 
Leben  93  fg.  98.  248.  Identifiziert 
mit  Väyu  93.  98  fg.,  mit  Brahman  82. 
101,  mit  prajnä  107.  126.  131.  212. 
276;  Präna  und  Akäca  =  Änanda 
=  Brahman  107.  Der  Präna  als 
kosmisches  Prinzip  97  fg. ,  Symbol 
des  Brahman  92.  93  fg.,  105,  Syn- 
onymon  des  Ätman  109.  119,  die  in- 
dividuelle Seele  85.  86.  236.  Ver- 
herrlicht als  Aydsya  Angirasa,  Bri- 
haspati  und  Brahmanaspati,  Säman 
und  Udgitha  97.  Abhängig  vom 
Purusha  94.  —  Der  Präna  und  seine 
fünf  Verzweigungen  248  fg.  Der 
Präna  bleibt  im  Schlafe  wach  248. 

prdna''?,,  Lebenshauche,  Lebensorgane 
93  fg.  242.  243.  244.  246.  252.  254. 
255.  258.  270.  322.  Organe  der 
Nutrition  237.  238.  Ihre  Anzahl 
248.  Rangstreit  der  Präna's  95. 
Kampf  der  Präna's  und  der  Dä- 
monen 96. 

Prdndgnihotram  59. 106. 113.  338.  340. 

Prdndgnihotra-Upamshad  10.  25. 

prdnamaya  ätman  101.  255. 

Pranava,  der  Omlaut,  13.  349. 


prdndydma,  Regulierung  des  Atmens 
in  der  Yogapraxis  348.  345.  346. 

Pratardana,  ein  König,  von  Indra  be- 
lehrt, 13. 

prat'ikam,  Symbol,  91. 

pratydhära,  Einziehung  der  Sinnes- 
organe in  der  Yogapraxis  348.  345. 
346. 

Pravdhana  Jaivali,  König  der  Pan- 
cäla's,  '13.  18.  54.  355. 

Pravrdjin  =  Parivräjaka  331. 

Priester  (ritvij),  vier,  112. 

Psychologie   der  Upanishad's   231  fg. 

purdnam,  mythologisches  Gedicht,  53. 

purusha,  Mann,  Person,  Geist.  Na- 
mentlich 1)  der  kosmische  Purusha, 
aus  dem  die  Welt  geschaffen  ist, 
55.  81.  .94.  97.  98.  151.  165.  170. 
172.  181.  191.  207.  280.  308.  359. 
2)  Der  Purusha  im  Menschen  (zoll- 
hoch 155.  259),  die  Seele,  das  Sub- 
jekt des  Erkennens,  147.  215.  216  fg. 
256.  344.  346.  365.  Der  Purusha 
in  der  Sonne  197.  104  fg.  108.  322, 
im  Auge  104  fg.  108.  241.  242.  256. 
258.  —  Fünf  Purusha'  s  (annamaya, 
prdnamaya ,  manomaya ,  rijnäna- 
maya,  dnandamaya)   89,  acht  188. 

Pushan,  altvedischer  Gott,  158. 

Pythagoras  12. 

R. 

Bähu  (Drachenkopf)  als  Planet  197. 
Baikva,  Name  eines  Weisen,  13.  100. 
rajas  (Leidenschaft),  der  zweite  Guna 

der  Sänkhya's,  218.  221.  226  fg.  337. 
Bdmänuja,    Name    eines    berühmten 

Vedäntaphilosophen,  187. 
Bdmapürvatäpamya-  Upanishad     11. 

26. 
Bdmatirtha,  Kommentator  der  Maiträ- 

yaniya-Upanishad,  28. 
Bdmäyanam  193. 

Bämottaratäpaniya-Upanishad  11. 26. 
Rangstreit  der  Organe  95.  98. 
Realismus   145.   146.   152.   153.   157. 

171.  219.  222.  240. 
ric,  Vers  (des  Rigveda)  54.  104.  111. 

197.  247.  332. 


380 


Index. 


Bigveda  3.  4.  8.  9.  20.  21.  34.  52.  53. 
'  110.   111.   143.  167.  170.  206.  222. 

225.  285.   287.  288.  290.  291.  293. 

297.  301.  306.  365. 
Rigvedin's  110. 
Rishi,  Dichter   und  Sänger  vedischer 

Hymnen,  126.  159.  200.  308.  Sieben 

Rishi's  62.  (Sinnesorgane)  243.  257. 
Ritabhäga,  Vater  der  Ärtabhdga  Järat- 

kärara,  297. 
Rudra,  altvedischer  Gott,  9.  72.  180. 

181.  201.  202. 
Rudra's,  vedische  Götterklasse,  158. 


saccidänanda,  „Sein,  Denken  und 
Wonne",  Attribute  Brahmans,  115 fg. 
361. 

samädhi,  Absorption,  in  der  Yoga- 
praxis, 351.  345.  346.  348. 

säman,  Lied,  namentlich  des  Säma- 
veda,  21.  30.  52.  S4.  100.  104.  111. 
197.  247.  342. 

samäna,  einer  der  fünf  Lebenshauche, 
238.  239.  245.  252. 

Sämaveda  3.  5.  8.  9.  21.  34.  52.  53. 111. 

Sämavedin's  110. 

Samhitä's,  die  „Sammlungen"  vedischer 
Lieder  und  Spiüche,  3.  5.  7.  9.  10. 
32.  54.  332. 

Sammlung  als  Mittel  der  Brahman- 
erkenntnis, 66.  67. 

samsära,  der  Kreislauf  der  Seelen- 
wanderung, 198.  231.  233.  236.  237. 
354.  367,  anfanglos  198.  Siehe  auch 
Seelenwanderung. 

Sanatkumära,  der  Kriegsgott  Skanda, 
als  Lehrer,  18.  53.  84.  85.  355. 

sänkhyam,  Prüfung,  191. 

Sänkhya'z  109. 

Sänkhyasystem  128.  145.  146.  147. 
174.  180.  181.  192.  211.  212.  215. 
236.  238.  240.  244.  254.  262.  321. 
344.  316.  358.  364  fg.  —  Genesis 
des  Sänkhyasystems  216  fg.  Kurze 
Übersicht  der  Sänkhyalehre  216  fg. 
Das  Sänkhyasystem  eine  Entartung 
des  Vedänta  216.  Hauptpunkte  der 
Sänkhyalehre:  Dualismus  216.  Lei- 


den des  Daseins  216.  Aufhebung  der- 
selben durch  den  Viveka  217.  Wesen 
der  Erlösung^  217.  Der  Erlösungs- 
prozefs  ein  individueller  217.  Stufen 
der  Evolution  218.  Das  Sänkhya- 
system im  Grunde  idealistisch  219. 
Seine  ursprüngliche  Intention  2 19  fg. 
Das  Sänkhyasystem  ein  Aggregat, 
kein  Organismus  220.  Genesis  des 
Dualismus  220  fg.,  der  Evolutions- 
reihe 222  fg.,  der  Gunalehre  226  fg., 
der  Heilslehre  228  fg. 

Sannyäsa  335  fg.  10.  25.  327.  343. 
368.  Seine  ursprüngliche  Bedeutung 
335  fg.  Der  Sannyäsa  als  Mittel  des 
Atmanwissens  336.  Vorbedingungen 
336.  Abschied  vom  Leben  336  fg. 
Kleidung  .  und  Ausrüstung  339  fg. 
Nahrung  340.  Aufenthaltsort  341. 
Beschäftigung  341  fg.  Verhalten  342. 

Sannyäsa-Upanishad  11.  25.  336. 

Sannyäsa-UpanishcuVs,  des  Atharva- 
veda  11.  25.  64.  265.  336. 

sannyäsin,  der  besitzlos  umherwan- 
dernde  religiöse  Bettler,  6.  7.  11. 
56.  126.  265.  330  fg.  334.  335  fg. 
Siehe  auch  Sannyäsa. 

Sarvopanishatsära  10.  25.  26. 

Sattram,  Weisheit,  Güte.  In  kos- 
mischem Sinne  352.  Sänkhya- 
terminus,  einer  der  drei  Guna's, 
218.  221.  226  fg.  337. 

Satvan's,  Volksstamm,  194. 

SatyaMma,  Vedalehrer,  13.  102.  332. 

satyam,  Wahrheit,  Realität,  69.  115. 
116.  119.  196.  225. 

satijasya  satyam  17.  20. 108.  119.  148. 
209.  362. 

Savüar,  vedischer  Gott,  60.  72.  317. 

Savitarspruch  13. 

Säyana  4.  69.  165.  180. 

Schavank  (Qaunaka-Upanishad)  9. 

Schlaf  267. 

Schopenhauer  12.  35.  39.  41.  42.  45. 
66.  128.  182.  310.  314.  ■ 

Schöpfung  der  Götter  eine  Über- 
schöpfung 179. 

Schöpfungsmythen  der  Upanishad's 
169. 


I.  Namen-  und  Sachverzeichnis. 


381 


Schöpfungslehre,    altvedische,   165  fg. 

Schweifsgeborenes  177.  262.  263. 

Seele,  höchste  und  individuelle,  231  fg. 
Die  individuelle  Seele  beruht  nur  auf 
der  Avidyä  231;  dennoch  als  eine 
Realität  behandelt  232.  Ursprüng- 
lich nur  eine  Seele  (Idealismus,  Pan- 
theismus, Kosmogonismus)  232  fg.; 
erst  der  Theismus  scheidet  höchste 
und  individuelle  Seele  233.  Die 
individuellen  Seelen  neben  der  höch- 
sten 233  fg.  Die  gebundene  Seele  und 
die  erlöste  233.  Die  individuelle  Seele 
als  „Geniefser"  (bhoktar)  234.  Klein- 
heit und  unendliche  Gröfse  der  Seele 
235  fg.  Grund  der  Verkörperung 
der  höchsten  Seele  236  fg.  Die  Organe 
der  Seele  237  fg.  Die  Zustände  der 
Seele  267  fg.  —  Siehe  auch  dtman. 

Seelenwanderung  18.  66.  123.  178. 
198.  227.  232.  238.  263.  264.  306. 
308.  315.  355.  367.  282  fg.  Philo- 
sophische Bedeutung  der  Seelen- 
wanderungslehre 282  fg.  Praktische 
Bedeutung  des  Seelenwanderungs- 
glaubens in  Indien  282.  Keine 
Seelenwanderung  vor  den  Upani- 
shad's  285  fg.  Die  Keime  der  Seelen- 
wanderungslehre 292  fg.  Genesis 
der  Seelenwanderungslehre  295  fg. 
Erstes  Vorkommen  der  Seelen- 
wanderung 296  fg.  Fortbildung  der 
Seelenwanderungslehre  299  fg.  Mo- 
tive dieser  Lehre  297  fg. 

Skambha  (Stütze),  aus  Grama  und 
Tapas  als  Erstgeborener  entstanden 
61.    Umdeutung  des  Prajäpati  165. 

Soma  1)  ein  als  Opfertrank  dienender 
Pflanzensaft  60.  253.  258.  286.  287. 
290.  300.  301.  302.  303.  304.  341. 
Der  Mond  der  Somabecher  der  Götter 
197.     2)  Gott  Soma  158.  286. 

Somakelterungen,  drei,  umgedeutet  59. 
112. 

Somaopfer,  Somafeier  3.  14.  59.  112. 

Somasavana,  Baum  in  der  Brahman- 
welt,  323. 

Spinoza  88.  146.  188. 

Sprofsgeborenes  177.  263. 


Stoiker  203. 

sükshmam   gariram,    der   feine   Leib, 

238.  239. 
Sttrya,  Sonne,  Sonnengott,  286. 
siishmnnd,  die  Kopfader,  Carotis,  256. 

261.  351.  352.  353. 
Sütrd's,  Schriftengattung,  3. 

T. 

tadvanam,   „nach   ihm  das  Sehnen'', 

17.  20.  184. 
taijasa    heifst    die    träumende    Seele 

269.  274. 
Taittir1yaka,s,  Schule  des  schwarzen 

Yajurveda,  4.  6.  8.  17. 
Taittirlya-Upanishad  8.  23.  29. 
tajjalän,  Geheimname   des  Brahman, 

17.  20.  163.  200. 
Talavakära's,    Schule  des  Sämaveda, 

8.  111. 
Talavakära-  Upanishad  8. 
Tamas  (Finsternis),   der  dritte  Guna 

der  Sänkhya's,  218.  221.  226  fg.  337. 
Tändiri's,  Schule  des  Sämaveda,  8.  32. 
tanmätra's,  die  Reinstoffe;  fünf,  174. 

218  fg.  244. 
tapas,    Hitze,    Anstrengung,    Askese, 

Selbstverleugnung,   60  fg.  165.  168. 

196.    242.    328.    331.    335.    Tapas 

(Askese)  und  nyäsa  (Entsagung)" als 

ethische  Grundbegriffe  330.  —  Siehe 

auch  Askese, 
tarka,   Reflexion,   in  der  Yogapraxis 

345.  348. 
tat  tvam  asi,  „das  bist  du",  37.  116. 

119.  135.  155. 
tejas  (Glut)  als  Element  244.  252.  253. 

260.    277.     Eingang   in    das    tejas 

beim  Tief  schlaf  224.  225.  268;  beim 

Tode   224.   225.   252.     Die   indivi- 
duelle Seele  352. 
Tejobindu-Upanishad  11.  25.  346. 
tejomaya   amritamaya  parusha,  „der 

kraftartige  unsterbliche  Geist",  187. 
Testament,  Altes  44.  46.  146,  Neues 

43.  44.  46. 
Theismus    146.    190.    191.   192.   213. 

214.  221.  233.  364.     Ursprung  des 

Theismus   der   Upanishad's   157  fg. 


382 


Index. 


Theistische' Anklänge  in  den  altern 
Upanishad's  159  fg.  Erstes  Auf- 
treten des  Theismus  in  den  Upa- 
nishad's 161.  Cvetägvatara  als 
Hauptdenkmal  des  Theismus  161  fg. 
Späterer  Theismus  162. 

Theologie  der  Upanishad's  51  fg.  213. 

Tiefschlaf  274  fg.  268  fg.  88.  89.  112. 
123.  125.  133.  162.  178.  224.  225. 
252.  259.  260.  262.  267.  362.  Wonne 
des  Tiefschlafes  129  fg.,  als  Grund 
der  Lehre  von  Brahman  als  Wonne 
131  fg. 

Tod  123.  262.  266.  271;  als  Rückkehr 
der  Einzelwesen  in  Brahman  199. 

Trmdhätav'ti/a-Opier  337. 

Traumschlaf,  Traumhewufstsein  271  fg. 
268  fg.  89.  112.  123.  130.  162.  224. 
262.  267.  275  fg. 

iur'iya,  der  „vierte"  Zustand  (aufser 
Wachen,  Traum  und  Tiefschlaf), 
278  fg.  89.  112.  162.  267.  269. 

U. 

JJginara,  Volksstamm,  194. 

uddna,  einer  der  fünf  Lebenshauche, 

252.  238.  239.  245. 
Udaragänditya,  wird  belehrt  18. 
Uddälaka  Äruni,  Vater  des  Qvetaketu, 

¥!.  18.  83.  332.  355. 
Udgätar,  „Sänger",  Hauptpriester  des 

Sämaveda,  104.  112. 
udgitha   96.    104.    110.     Identifiziert 

mit  Om  17,   mit  Om,   dem  Präna, 

der  Sonne,   dem  Purusha  in  Sonne 

und  Auge  111,, 
uktham,  Hymnus,  21.  52. 110.  =  Präna 

96.  110.  =  Brahman  111. 
Umdeutung  von  Zeremonien  109  fg. 
unorganische  Natur,  ihre  Schöpfung, 

168. 
Unsterblichkeit  42.   43.  57.   88.  260. 

261.  284.  293.  294.  295.  314.  315. 

316. 
Unterdrückung  der  Sinnenerkenntnis 

78. 
'upädhi,  Bestimmung,  231.  237. 
Upakosala,   Schüler   des   Satyakäma, 

13.  62.  105.  332. 


upanatjanam,  Sakrament  der  Ein- 
führung des  Brahmanschülers,   65. 

Upanishad's,  Stellung  der  U.'s  in  der 
Literatur  des  Veda  3 — 16.  Die  U.'s 
der  drei  altern  Veden  7  fg.  Die 
U.'s  des  Atharvaveda  8  fg.  Bedeu- 
tung des  Wortes  upanishad  11  fg- 
Zur  Geschichte  der  U.'s  16  fg. 
Erster  Ursprung  der  U.'s  16  fg. 
Kshatriya's  als  erste  Pfleger  der 
Upanishadlehre  17  fg.  354  fg.  An- 
eignung durch  die  Brahmanen  und 
allegorische  Verwebung  mit  dem 
Ritual  18  fg.  355.  Die  vorhandenen 
Upanishad's  22  fg.  Die  alten  Prosa- 
U.'s  23;  die  metrischen  U.'s  24; 
die  Jüngern  Prosa-U.'s  24  fg.;  die 
spätem  Atharva-U.'s  25.  Die  U.'s 
bei  Bädaräyana  und  Caükara  26  fg. 
Die  wichtigsten  Upanishadsamm- 
lungen  31  fg.  Literaturkreis  der 
U.'s  52.  Der  Grundgedanke  der 
U.'s  und  seine  Bedeutung  36  fg. 
Das  System  der  U.'s  48  fg.  Theo- 
logie der  U.'s  51  fg.  359  fg.;  ihre 
Kosmologie  163  fg.  362  fg. ;  ihre 
Psychologie  231  fg.  362  fg.;  ihre 
Eschatologie  282  fg.  365  fg.;  ihre 
Ethik  327  fg.;  Naturwissenschaft- 
liches aus  den  U.'s  197  fg.,  Physio- 
logisches 255  fg.  Die  U.'s  noch 
nicht  „Veda"  53;  werden  zum  Ve- 
dänta  21.  55.  354.  355.  Idealismus 
als  Grundanschauung  der  U.'s  208  fg. 
356  fg.  Variationen  der  Grundlehre 
durch  Einkleidung  in  empirische 
Formen  213  fg.  Chronologie  der 
Upanishadtexte  356. 

Upanishad-Brähmanam  111. 

upasad,  Somavorfeier,  14. 

Urwasser  136.  165.  172.  173.  179.  180. 
181.  196.  223. 

Ushasta,  Unterredner,  121. 

V. 

vdc,  Rede,  53.  82.  85.  92.  112.  165. 
200.  225.  243.  Symbol  des  Brah- 
man 106. 

VaiQvänara  1)  agni,  das  „allverbrei- 


I.  Namen-  und  Sachverzeichnis. 


383 


tete"  Feuer,  106.  256.  2)  ätnian 
Vaicvänara  194.  270.  3)  Die  Seele 
im  Zustande  des  Wachens  269. 

Vaicya's,  die  dritte  Kaste,  303.  Gött- 
liche V.'s  158. 

Väjasaneyi>i's,  Schule  des  weifsen 
Yajurveda,  4.  8.  32.  265. 

Vdmadeva,  altvedischer  Bishi,  286. 
323. 

vänaprastha,  Waldeinsiedler,  im  drit- 
ten Äcrama,  334  fg.  6.  7.  56.  57. 
109.  330  fg.  335.  336.  337. 

Varadatäpaniya-  Upanishad  33. 

Varuna,  altvedischer  Gott,  64.  158. 
159.  288.  291.  308.  350. 

VasMali  143. .. 

Fasw's,  Götterklasse,  158. '184. 

Väsudeva-  Upanishad  33. 

Väter  178.  185.  189.  264.  284.  289  fg. 
294..  298. 

Väterwelt  293.  295.  298.  299.  302. 

Väyu,  Wind(-gott),  60.  96.  98.  158. 
159.  170.  175.  185.  195.  241.  251. 
350.  Symbol  des  Brahman,  92.  93  fg. 
108.  109.  Väyu-Präna  als  Welt- 
prinzip 99.  108. 

Veda  26.  43.  44.  45.  46.  104.  110. 
151.  183.  264.  294.  296.  318.  328. 
333.  334.  335.  341.  349.  355.  Der 
Veda  und  seine  Teile  3  fg.  Der 
Veda  als  Quelle  der  Brahmanwissen- 
schaft  51  fg.;  seine  Unzulänglich- 
keit 53.  Der  Veda  übermensch- 
lichen Ursprungs,  von  Brahman  aus- 
gehaucht 51,  untrüglich  52.  —  Veden 
6.  8.  9.  17.  25.  31.  32.  33.  34.  130. 
181.  196.  247.  312.  332.  342.  349. 
(drei  oder  vier;)  52.  (drei:)  350. 
(vier:)  70.  90.  101. 

Vedänga's,  sechs,  55. 

Vedänta  3.  5.  18.  23.  26.  29.  31.  34. 
37.  47.  53.  55.  66.  88.  91.  115.  133. 
145.  162.  167.  192.  198.  199.  204. 
215.  219.  221.  228.  231.  236.  237. 
244.  252.  262.  28  i.  300.  302.  321. 
324.  354.  355.  358.  System  des 
Vedänta  49,  seine  Hauptteile  49. 
—  Beine  Vedänta-Upanishad's  des 
Atharvaveda  10. 


Vena,  der  Seher,  der  Träger  der 
Offenbarung,  201. 

Verdauungsfeuer  114.  256. 

Vergeltung  204.  302.  303.  306.  Die 
Idee  der  Vergeltung  292.  Ver- 
schiedene Schicksale  im  Jenseits 
292  fg.  Noch  keine  doppelte  V. 
298.  Fortbestehen  der  V.  im  Jen- 
seits neben  der  durch  Wiederkehr 
299  fg.  Das  schon  Vergoltene  noch- 
mals vergolten  299  fg.  367. 

Verwerfung  alles  Schriftwissens  55. 

Vetäla,  Dämon,  der  in  Leichen  wohnt, 
285. 

ViQvaharman,  „Allschöpfer",  150. 165. 

Vigve  deväh,  Götterklasse,  314. 

Vidagdha  (7a&aZ?/rt,Vedalehrer,  81. 188. 

Videhä's,  Volksstamm,  194. 

Vidhi  (Vorschrift),  Bestandteil  der 
Brähmana's,  3. 

vidyä,  Wissen,  53.  205. 

vijnänamaya  ätman  75.  78.  132.  133. 
155.  255.  v.  purusha  153.  267.  360. 

Vindhya-Gebirge  193. 

Viräj,  Personifikation  der  Urmaterie, 
165.  258.  312. 

Virocana,  ein  Dämon,  13.  40.  87. 

Vishnu,  11.  26.  337.  348. 

vishnuitischer  Symbolismus  10. 

Vislinu-Kultus  162. 

Vishnu-  Upanislvad^  11. 

Völkernamen  194. 

Vollberuhigung  (samprasdda),  der  Tief- 
schlaf und  die  Seele  im  Tiefschlafe, 
268.  277. 

Vorsehungsglaube  und  Theismus  191. 
Allmähliche  Ausbildung  des  Vor- 
sehungsglaubens 192. 

vyäna,  einer  der  fünf  Lebenshauche, 
252.  238.  239.  245. 

vydhriWs,  die  drei  mystischen  Opfer- 
rufe bhür,  bhuvak,  svar,  196. 

W. 

Wachen.  270  fg.    89.   112.    123.    162. 

262.  267.  268.  269. 
Weiber  ausgeschlossen  13.  68. 
Welt  nur  Erscheinung  und  nicht  Ding 

an  sich  38  fg.  69. 


384 


Index. 


Welträume  195. 

Weltschöpfung  und  Ätmanlehre  165. 

Weltseele  (Hiranyagarbha,  Brahma u) 
179  fg. 

Weltuntergangsfeuer  203. 

Weltvernichtung,  periodische  Wieder- 
kehr der,  202. 

Werke  30.  90.  160.  178.  185.  189. 
190.  192.  193.  195.  198.  202.  209. 
215.  235.  236.  239.  247.  253.  263. 
264.  266.  270.  283.  285.  287.  291. 
292.  294.  295.  297.  298.  299.  300. 
301.  302.  304.  306.  308.  311.  317. 
319.  325.  326.  333.  334.  366.  367. 
Begleiter  der  Seele  ins  Jenseits  254. 

Wiedertod  im  Jenseits  294.  299.  308. 
322.  366  fg.  Der  Wiedertod  ist 
noch  nicht  Seelenwanderung  294  fg. 

Wissen  120.  254.  291.  295.  297.  303; 
309.  317.  324.  338.  353.  Brahman 
als  Gegenstand  des  Wissens  68. 
Kein  Wissen  von  Brahman  mög- 
lich 72.  Empirisches  Wissen  ein 
blofses  Nichtwissen  68.  Wissen 
durch  Offenbarung  72,  durch  Gnade 
72.  Das  Wissen  als  niederer  Stand- 
punkt 75.  Polemik  gegen  das  Wissen 
77  fg. 

X. 

Xenophanes  121.  158.  285. 

Y. 

Yajamäna,  der  Veranstalter  des  Opfers, 

294. 
Yäjnavalkya ,  berühmter  Vedalehrer, 

9.   13.   21.   22.  40.  53.   55.  58.  62. 

63.   66.   73.  74.  75.  76.  81.  82.  83. 

101.   107.  108.  115.  121.  122.  123. 


124.  125.  127.  131.  134.  136.  152. 
158.  185.  186.  188.  194.  195.  208. 
209.  211.  212.  213.  221.  264.  265. 
297.  299.  300.  301.  312  fg.  321.  334. 
336.  354.  357.  358.  359.  360.  363. 
366.  367. 

YäjnavaTkyakändam  ist  Brih.  3 — 4: 
296. 

Yajurveda  3.  4.  8.  9.  34.  52.  53.  110. 
111. 

yajus,  Opferspruch  (des  Yajurveda), 
52.  54.  101.  104.  111.  247.  332. 

Yama,  Todesgott,  288.  58.  287. 

yama,  Zucht,  in  der  Yogapraxis,  346. 
345.  347. 

Yamunä,  Flufs,  194. 

Ymir  97. 

yoga,  Hingebung,  191. 

Yoga,  eine  besondere  Praxis,  die  Eins- 
werdung  mit  dem  Atman  zu  ver- 
wirklichen, 343  fg.  10.  25.  78.  106. 
126.  215.  224.  225.  238.  259.  278. 
326.  330.  342.  364  fg.  Der  Yoga 
als  Konsequenz .  der  Ätmanlehre 
343.  Bedenken  gegen  den  Yoga 
343.  Vorgeschichte  des  Yoga  345. 
Das  spätere  Yogasystem  344.  Die 
acht  a%a's  345.  Die  sechs  anga's 
347  fg.     Frucht  des  Yoga  353. 

Yogaqikliä-Upanishad  11.  25.  346. 

Yogatattva-Upanishad  11.  25.  346. 

Yoga-Upanishad's  des  Atharvaveda  10. 
25.  156.  346. 

Yogin  261.  285.  346.  347.  349.  353. 

Z. 

Zeugung    263;    als    religiöse    Pflicht 

264;  verworfen  264  fg. 
Zweiweglehre  301  fg.  295.  299. 


II.    Verzeichnis  der  Zitate. 

A.  Anmerkung;  *  übersetzt. 


Acrama-Upanishad: 

1—4 

336 

3-4                           336 

Aitareya-Äranyakam : 

4 

339.  340.  341. 

2,1 

n 

248 

2,6                              108 

3,2,6,9 

12*.  65 

2,1,4 

9c 

►.  96 

2,6,1,5                        180 

5,3,3,4 

65. 

2,1—2 

107 

3,2,6                             59 

2,1—3 

110. 

360 

3,2,6,8                         113 

3,44 


291 


Aitareya-Brähmanam : 

5,32  169  |  8,28 


99. 


1,1 

1,1.1 

1,1,2 

1,1,3 

1,1,4 

1,1-2 

1,2 

1,2,4 


168* 


172.  173. 

359.  363 
198 
196 
158 

243.  251 
241 
191 

251.  258 


Aitareya-Upanishad: 

1,2,5 

1,3,4 

1,3,10 

1,3,11 

1.3.12 


1,3,14 
1,11- 
2,1 


262 

249.  251 

251 

168.  364. 

23. 176.  243.  255. 

256.  269.  270 

.  159 

12        156 

97.  263 


2,2- 

2,4 

3 

3,2 

3,3 


3,4 


-3  263 

264.  266.  286 

108.  127.  360 

82.  245 

23.  154.  168.  169. 

173.  177*.  180.  211. 

263 

323. 


Amritabindu-Upanishad 


l 

2 

3 

4 

5 

6 

7—8 

10  fg. 

12 


349 
349 
351 
350 
348 
345.  346.  348 
348 
348 


13 
16 
17 
18 
19 
22 
23 
26 


348  27 


348 
348 
347 
347 
348 
347 
350 
352 
346* 


28  fg. 

30 

30—31 

34 

34—35 

35 

37 


353 

350 

353 

251.  252 

248 
252 
252. 


Deussen,  Geschichte  der  Philosophie.     I,n. 


25 


386 


Index. 


Äruneya-Upanishad: 


1 

2 

196.  336.  337.  338. 

341 

6.  337.  338.  339. 

341.  342 

3  338. 

4  340. 

5  337.  338. 

339.  340 
341.  342 
339.  340. 

Atharvaci  kha  -  Upanishad : 

1                        203.  350. 

Atharvacira-  Upanishad : 

203  |5  350  |  6 


181.  196.  202. 


Atharvaparicishta : 


2,13 


33  A. 


Atharvaveda : 

3,28,6 

291 

10,7,38 

61     11,4  . 

95.  98.  165 

3,29,3 

288  ' 

10,8,9 

243.  257 

11,4,11 

200 

4,34 

289 

10,8,16 

148 

11,4,13 

177.  248 

5,4,3 

196 

10,8,29 

151 

11,8 

338 

5,19,3.  13 

290* 

10,8,34 

207 

15,12 

293 

9,51 

291 

10,8,43 

228 

18,2,48 

288 

10,7,7—8 

165 

10,8,44 

308 

18,3,71 

291 

10,7,21 

207 

11,1,17 

291 

18,4,10 

288 

10,7,36 

61 

11,3,32 

291 

19,28,4 

258. 

Ätma- 

Upanishad: 

1 

256 

*  j  2                                176. 

Ätmaprabodha  -Upanishad : 

255. 

259.  326. 

Bädaräyana 

Brahmasütra's: 

1,1,2 

163 

1,3,41 

103 

3,2,22 

137 

1,1,4 

26 

1,4,8—10 

28.  227 

3,3,1 

26 

1,1,12— 19  usw. 

27 

2,1,14 

149.  167 

3,3,16—17 

28 

1,1,22 

102 

2,1,35 

198 

3,3,25 

28 

1,1,30 

286 

2,1,36 

199 

4  14 

92 

1,2,32 

28 

2,4,22 

174     4,3,15—16 

92. 

Bäshkal 

a-Upanishad. 

187. 

IL   Verzeichnis  der  Zitate. 

Bhagavad-Gitä: 


387 


5,13 

242. 

255  1 

8,6                              254  J 

9,7 

199* 

6,5 

329*     8,17—19                     199  | 

13,17 

124.    ' 

Brahma  -Upanishad: 

1 

93.  125.  187.  255  l  3 

336 

2 

256.  280     4 

3  rahmabindu  -Upanishad : 

259 

1—5 

349  17                                351  ! 

17 

351 

5 

349     15 ■                              289 

18 

349. 

Brahmavidyä- Upanishad : 

4—7 

350  !  10                               156 

12 

256 

8—10 

352  !  11—12               261.  352  | 

13 

350. 

9 

155 

Bp  ihadäranyaka-  Upanishad : 

1— II 

296     III               66.  296.  312  j 

IV 

296.  312 

I— IV 

356     III— IV                       296  ! 

V— VI 

356. 

I— V 

I. 

299 

5,17 

4,3      .                208.  312 

264 

1 

195 

4,3—4                178.  264 

5,21 

95 

1,2 

193 

4,6       158*.  179. 222. 241 

5,21- 

-23 

98 

1—2 

111 

4,7       122. 150. 156. 167. 

5,23 

59.76 

5.  82.  113. 

1—3 

359 

168. 176.  208.  210. 

148.  345 

2,1 

198 

200 

241.  243.  246.  267 

6,3 

20A 

69.  119. 

2,2 

173 

4,10           37.  58*.  159*. 

150.  209. 

2,3 

196 

171.198.286.311*. 

2,7 

294 

312.  354*. 

II. 

3 

96 

4,11—13                     158 

1      15. 18. 19.  23.  36.  81. 

3,2—6 

213 

.  246 

4,11—15                     179 

105 

.188 

.  194.  355 

3,3 

249 

4,15                            295 

1,1 

79 

3,11—16 

241 

4,16                              59 

1,5 

20  A.  103 

3,12—16 

158 

4,17          20A.  198.  265 

1,5- 

8 

169 

3,19 

97 

5,2                      114.  294 

1,14 

65 

3,22 

178 

5,3           200.  246*.  248 

1,16 

133. 

153.  267 

3,24 

258 

5,4                              196 

1,17 

258.  259 

3,28 

125 

5,12                            159 

1,17- 

-20 

124 

4          15 

170.  240 

.256. 

5,13                            172 

1,18 

268.  272* 

363 

5,14             94.  197.  242 

1,19 

129* 

131.  260. 

4,1 

198.  239* 

.  240 

5,15                              95 

268 

275. 

276*.  353 

4,2 

319  i  5,16           58.  264.  295* 

1,20 

17.69 

108.  119. 

25* 

388 


Index. 


148. 149*.  153. 158. 

182.  203.  209 

2,1  255 

2.3  243.  257 

2.4  243 

3  108 
3,1            118* 

3.3  197 

3.4  92 

3.5  82 

3.6  17.  119.  134.  136. 

137.  140.  361 

4  62.  66.  152.  206. 

208.  334.  356 
4,1  334 

4.5  15  (und  A.).  40. 
68.  144.  148.  182. 

210.  232.  358.  362 

4.6  40.  358.  362 

4.7  fg.  40.  211 
4,7—9  70.144.209.362 

4.10  23.  52*.  181 

4.11  122.  241.  244 

4.12  73.  75. 124. 150*. 
151.  182.  194.  314 

4.13  .  276 

4.14  75. 144.  208.  209. 

357.  358 

5  187 
5,1—7  243 
5,1—10         169 

5.15  95.  209 

5.18  156. 177*.  255. 286 

5.19  138.  207 
6,3  180. 


III. 


1 

1,1 

1,2 

1,3—6 

1,10 

1—9 

1— IV,5 

2,1—9 

2,2 


59.  112 
194 
333 
243 
248 
194 
206 
254 
250 


2,2—9   '       243 

2.10  294.  314 

2.11  314* 

2.12  182.  314* 
2,13.    4.  66.  242.  243. 

254. 297*.  300. 367 

3  195.  321 

3.1  194.  333 

3.2  98.  294 

4  121.  153 

4.1  232.  248 

4.2  73. 128.  229.  357. 

361 

5  135. 153.  318.  319. 

331.  335.  336 

5,1    55*.  128. 229. 232. 

265.  326.  334 

6  195x.  258 

7  98. 108. 159. 186. 

187.  277.  363 

7.1  194.  258.  333 
7,1—2  82 

7.2  99* 

7.3  27.  154.  186 
7,3—14  169 
7,3—23  99.  160.  232 
7,12  103* 
7,16—23  243 
7,23  ■     74.  128.  229 

8  66.  141.  186.  362 

8.4  196 

8.7  138* 

8.8  27. 134M35. 361 
'8,9    155.  160.  185*. 

189.  363 

8.10  63*.  295.  331. 

334.  335 

8.11  73*.  103.  122*. 

209.  357* 
9,1  158 

9,6  58 

9,8  196 

9,10  359 

9,10—17  81 
9,10—18  188 
9,20  258 


9,20—24 

9,21 

9,21—25 

9,22 

9,26 


196 

5s 
258 
263 


9,28 


1 

1,2 

1,2—7 

1,3 

1,6 

1,7 

1—2 

2 

2,1 

2,2—3 

2,3 


2,4 


3 

3,1  fg. 
3,2-6 

3,7. 


3,7 
3,9 
3,9- 
3,9- 


55.  81. 134. 136. 
188.  248.  258.  361 
115.  116.  142. 

IV. 

81.  92.  106.  115 

23.  53 

79.  243 

92.  101 

102.  247 

258 

66 

83.  312 

53.  81 

258 

259.  262.  274 

76. 134. 136. 138*. 

149.196.209.361. 

363 

133.  274 

13 

360 

27. 132. 144.  209. 

268.  271.  277 

360 

274.  277 

271* 


269. 


3,9-33 

3,10 

3,11 

3,11—14 

3,12 

3,13 

3,14 

3,15 

3,16 

3,18 

3,19 

3,19—33 

3,20  ' 


73. 


268 

268 

277 

277 

277 

248.  277 

.  273.  277 

126 

269.  277 

271 

271 

267.  277 

129.131.268. 

275* 

259.  273.  274 


II.  Verzeichnis  der  Zitate. 


389 


3,21 

269.  277 

4,17 

103.  194.  209 

9 

91. 106. 114.  256 

3,21  fg. 

273 

4,18 

126.  134.  241 

10 

322 

3,22 

276 

4,19 

41*.  139. 144. 148. 

11 

63 

3,23 

124.  358 

209*.  212.  358*. 

12 

20 

3,23—30 

143 

362 

13 

101 

3,23—31 

74 

4,20 

103 

13 

112.  151.  279 

3,31 

144.  209 

4,21 

55*.  335.  336 

14,3 

248 

3,32   127.184.209.278 

4,22 

56*.  63. 133. 134. 

14,8 

311 

3,33   129.132.159.195. 

136.  154*.  160*. 

15 

105.  255.  322. 

276.  290 

185. 186.  210.  259. 

3,35 

277 

265.  277. 311.  318. 

VI. 

3,36 

242.  255 

331.  334. 335.  361. 

1,6 

263 

3,37—38 

273- 

364 

1,7- 

13          95 

3—4 

66. 

123.  125. 

4,23 

67.  319*.  320 

1,13 

194 

132.  313 

4,25 

134 

1,14 

114 

4,1 

241.  258 

5 

208.  334 

2 

18. 19.  23.  54. 194. 

4,1  fg. 

124 

5,1- 

2          334 

253.295.296.299. 

4,2    74.  260.  277.  314 

5,6 

27 

324.  355.  368 

4,2-6 

297* 

5,11 

25 

2,1 

332 

4,3 

254.  367 

5,12 

244 

2,2 

287*.  300 

4,3.  4 

70 

5,13 

124*.  151.  194. 

2,3 

54* 

4,4 

178*.  180 

277.  314 

2,6 

13 

4,5   36. 

175. 

189.  253*. 

5,14 

314 

2,7 

332 

255 

261.  367 

5,15 

134.  136.  361 

2,8 

19*.  355 

4,5—6 

254- 

6,3 

180. 

2,9- 

14         295 

4,6 

366 

2,13 

264 

4,6—7 

313* 

V. 

2,14 

300 

4,7 

260 

1 

102.  151* 

2,15 

63. 195. 299.  324 

4,S— 9 

260 

2 

329 

2,15- 

-16     197.  295 

4,8—21 

24 

2,1 

159 

2,16 

59.  63. 197.  263. 

4,10 

77* 

3 

82 

302.  303.  335 

4,10—11 

290 

4 

20.  119.  155 

3,12 

12*.  65 

4,11—12 

71* 

5 

105.  197 

4 

264.  333 

4,12—13 

315* 

5,1 

20A.  119*.  198 

4,1 

263 

4,13 

326 

5,2- 

3          197 

4,2 

263 

4,15 

140^ 

5,4 

82 

4,3 

264 

4,15—17 

315* 

6 

259 

4,5  fg 

242 

4,16 

124.  360 

6,1 

245 

4,10- 

-11        251 

4,16—17 

140* 

7,1. 

140 

5,4 

180. 

ad  Brahmas.: 
1,1,24  p.  147,14 
1,2,1  p.  167 


Cankara 

(p.  Seite  der  Calcuttaer  Ausgabe) : 

1,2,15  p.  189,8 
91  !  1,2,28  p.  217,10 
164  |  1,4,14  p.  375,3 


91 

2,1,9  p.  433,1 

29 

91 

2,1,34 

282 

29 

2,1,36  p.  495,7 

199 

390 


Index. 


2,2,10  p. 

514,14 

174 

4,1,5  p.  1063,2 

92 

ad 

Chänd. : 

2,3,7  p. 

320,4  fg. 

240* 

4,2,8 

252 

1,3,2 

238.  249 

2,3,32  p. 

666,5 

238 

4,3,14  p. 

1126 

167 

3,13,3 

23s 

2,4,6  p.  7 

11,11; 

713,11 

4,3,15  p. 

1135, 

7          92. 

3,14,1 

163* 

238. 

243 

, 

6,4  p.  417,5                174 

2,4,12  p. 

723,1- 

-4 

238. 

249 

ad  Bril 

.: 

6,10,1 
p.2 

193 
30* 

3,2,17  p 

808 

143 

1,5,3 

247 

p.  9  fg. 

92 

3,2,22 

137 

p.2,4 

11 

p.  9,8 

91 

3,2,33  p. 

835,9 

91 

p.4 

30 

p.  10,1 

91 

3,3,1  p. 

343 

29A.* 

p.  815,5 

131 

p.  21,3 

91, 

4.1,3  p. 

1059,6 

91 

p.  915,7 

131. 

Catapatha  -  Brähmanam 

1,3,5,11 

301 

10,3,3,8 

296 

11,2,6,14 

293 

2,3,3,9 

294 

10,3,5,13 

131 

11,2,7,33 

293* 

2,6,4,8 

291 

10,4,1,17 

242 

11,3,3,1 

200 

3,6,1,23 

258 

10,4,3,10 

294* 

11,4,1,9 

258 

4,4,3,4 

258 

10,5,1,4 

294 

11,4,3,20 

294 

4,6,1,1 

291 

10,5,2,15 

249 

11,4,4,1 

308* 

6,1,1 

165. 

169 

10,5,4,15 

291*.  30! 

11,4,4,2 

291 

6,1,1,1 

117 

10,6 

356 

11,5,8 

169 

6,2,2,27 

293 

10,6,1 

84. 

106.  194. 

11,5,6,9 

294 

6,4,2,5 

242 

256 

11,6,1 

292 

6,6,2,4 

293 

10,6,1,4  fg 

't 

294 

12,8,3,31 

291 

8,3,5 

119 

10,6,3 

36. 

189.  207. 

12,9,1,1 

292* 

10 

356 

309. 

357.  359 

12,9,3,11 

294 

10,1,4,14 

294 

10,6,3,1 

298 

12,9,3,12 

294* 

10,1,5,4 

291 

293 

10,6,3,2 

365 

13,7,1,1 

200 

10,2,6,19 

294 

11,1,6 

169 

13,8,1,5 

293 

10,3,3,6 

267 

11,1,8,6 

291 

14,9,1 

295. 

10,3,3,5- 

-8 

99* 

11,2,3 

69.  151 

Chändogya-Upanishad: 

I — II 

5 

in 

359 

VII   18.67.84.85.91.355 

II 

I. 

111 

IV 

118.  119 

VIII 
8,6.  8 

268. 

3,3        248.249.251.252 

258 

1 

91 

346 

3,5 

252 

8—9 

18.  355 

1,10 

17* 

3,7 

195 

9,1         2P 

.102*.  200. 359 

2 

96 

97 

241 

6,4 

197 

9,2 

19 

2,2 

249 

6,6 

27 

9,3 

18 

2,2—6 

243 

6,7 

129 

10,9—11 

258 

2—3 

359 

6—7 

104 

10-11 

58 

3,2 

249 

7,4 

82 

11,4—9 

258 

IL  Verzeichnis  der  Zitate. 


391 


11,5 

2 

7.  93 

15,5 

195 

V. 

12 

58. 

16 

59.  112 

!  1,6-12 

95 

17 

59.  112.  328 

1,15 

242 

II. 

17,5 

264 

2,2 

114 

4,1 

193 

17,6 

125 

3  fg. 

23 

7,1 

243 

18 

82.  91. 101.  279 

3,1 

332 

10,5 

195 

301 

18,1 

82.  103 

3,3 

253.  300 

11,1 

243 

18,1—6 

243 

3,4 

54* 

21,1 

195 

18,4 

92 

3,7 

13.  18* 

2:\ 

62.  63 

169 

19 

91. 169. 195.  363 

3-10 

18. 19.  54.  194. 

23,1 

56*. 

330. 

331. 

19,1 

104.  117.  198. 

253.295.299.304. 

333.  334.  335.  336. 

324.  355.  368 

IV. 

4,1-9,2 

295.299.304 

III. 

1-3 

58 

8-9 

264 

1%. 

196 

2 

13 

9,1 

253.  265 

1,3 

242 

2,1 

20 

10    295.  299.  304.  334 

1—5 

260 

2—3 

100 

10,1 

63.  304.  335 

1—11 

104 

3 

356.  359 

10,1—2 

195 

5,2 

12 

3,3 

82.  224.  267 

10,1—3 

197.  334 

5,4 

55 

3,5 

333 

10,2 

196 

11 

125 

4,1 

332 

10,3 

58 

11,3 

126 

4,4 

332 

10,4 

197 

11,4 

180 

4,5 

332 

10,5 

302.  367 

11,5 

12* 

65* 

4—9 

149 

10,5—6 

263.  264 

11,6 

194 

5,2 

196 

10,7 

303 

12 

112. 

279 

5-8 

279 

10,9 

329* 

12,1 

338 

8,3 

82 

11  fg. 

83 

12,4 

82. 

258 

9,3 

65.  102 

11,1 

79 

12,6 

151 

10 

62 

11,5 

329* 

12,7 

20  A. 

10,1 

332 

11,7 

65.  332 

12,7- 

•9 

102. 

103 

10,1—2 

332 

11—18 

.355.  356 

12,9 

103 

10,2 

13.  20 

11—24 

17.  19.  27.  59. 

13 

322 

10,2.  4 

62 

106.  194 

13,1- 

-5 

248. 

258 

10,5 

101.  103.  108*. 

12,2 

258 

13,3 

251 

131.  359 

12—17 

92 

13,5 

243 

11—13 

105 

13,7 

332 

13,7 

27. 154 

*.  268. 360 

11—14 

59 

18,2 

270 

13,7- 

-8 

106* 

14,3 

103.  311.  319 

19,1 

114 

13,8 

91. 

256 

15,1 

27.  82.  301 

19—23 

248 

14 

36. 

356. 

359 

15,2—4 

160 

19-24 

'  114.  337 

14,1 

17.27 

148. 

163. 

15,5 

195.  196.  197. 

23,2 

243 

189.201.254.255. 

323.  324.  366 

24 

114 

298 

15,6 

299 

24,3 

311. 

14,2 

148. 

153*. 

245 

16 

59 

VI. 

14,3 

139*. 

140. 

259 

16,2 

112 

1 

54 

14,4 

233. 

320 

17,1—3 

169 

Ifg. 

148 

392 


Index. 


1,1 

332* 

15,1—2 

74* 

3,3 

82.  25!» 

1,2 

148.  210.  332. 
362 

15,2 

224. 

252.  260. 

3,4 
3,5 

268.269.  277.  360 
20  A. 

1,2  fg. 

40* 

VII. 

4,1 

126.  186.  311 

1,3 

70. 141. 149.  206 

1 

53*.  312 

4,2 

125.  210.  319* 

1,4 

356 

1,2 

52.  68 

4,3 

190 

l,4fg- 

362 

1,2-3 

70 

5 

57 

1,3-5 

144 

1,3 

229.  319 

5,1—2 

334 

1 

23. 173.  211.  228. 

1,4 

23 

5,3 

322.  323 

262.  363 

1,13 

18 

5,4 

189 

2  fg. 

175 

1—14 

92 

6,1 

260 

2,1 

198 

1—15 

105 

6,1—5 

322.  323 

2,1—2 

118* 

2,1 

23 

6,2 

197 

2,3 

198.  260.  268. 

2,2 

82 

6,3 

260.  268.  276*. 

276 

3 

102 

277 

2-3 

167.  168.  196 

3,1 

247* 

6,5—6 

351 

3,1 

23.  177.  263 

4 

247 

6,6 

256.  260*.  261. 

3,2 

199.  233.  363 

7,1 

23 

323 

3,3 

163.  156.  176 

10,1 

172 

7,1 

15*.  40.  68.  128. 

4 

211.  227.  228 

H,l 

198 

135 

4,1—4 

144 

12 

103 

7,2 

332 

4,5 

144 

15 

82.  94 

7,4 

82 

4,7 

144 

15—24 

360 

7  fg- 

159 

5 

175.  253.  261 

23 

63.  131 

7—12 

87 

5,4 

224 

24,1 

75* 

8,4 

13.  40 

6 

262 

25 

138*.  196 

8,5 

53 

7 

94.  242.  262 

25,1 

239 

10,2 

273.  332 

7,2 

7.  332.  333 

25,2 

148.  189 

10,11- 

-12        268 

8 

262 

26,2 

67.  70. 

244.  315*. 

11,1 

276* 

8,1 

268* 

11,2 

332 

8,2 

248.  267* 

VIII 

11,3 

5 

8,6 

74.  224.  225.  252. 

1 

360 

12,1 

319* 

260.  268.  276 

1,1 

27. 103.  255.  259. 

12,3 

27.  125.  268. 

8,7  fg. 

37 

351 

269.  60 

8-16 

135.  153.  155 

1,3 

154*. 

172.  259. 

12,4 

107.  125.  126. 

9,3 

304 

362 

241 

10,1 

193 

1,5 

128 

135.  189 

12,4- 

5      122*.  43 

10,2 

178*.  204 

1,6 

189 

12,6 

159 

11,1 

178 

1-6 

322 

13 

311 

12 

83 

2,4 

125 

13,1 

197 

13 

151 

3 

322 

14 

27. 103. 265.  360 

14 

66*.  194 

3,1-2 

70 

15 

72.  78.  299.  324. 

14,2 

320 

3,2 

190.  311 

330. 333*.  345. 348. 

Cülikä-Upanishad: 


344*     14 


344     17—18 


201* 


II.  Verzeichnis  der  Zitate. 


393 


Cvetäcvatara-  Upanishad 

: 

I. 

2 

20 

7 

226. 

228.  234. 

1 

79 

4 

181.  223 

324 

2 

240* 

7 

162 

7—12 

235* 

3 

222 

226.  228 

9 

184 

8 

240.  264 

4 

95.  324 

11 

139 

8—9 

140 

6 

246 

18 

242.  255 

9 

156* 

6 

162 

19* 

181.  223 

12 

193* 

7 

222 

20. 

72.139.161.259 

13 

140 

8 

160.  234 

21 

139. 

14 

242. 

9 

234 

11 

324 

IV. 

VI. 

12 

222.  234 

1 

72.  192.  202 

2 

176 

14 

346.  349 

5 

226*.  227.  228 

3-4 

202*. 

226.  228 

15.  16 

64. 

6-7 

161*.  234*.  364 

4 

162 

192.  204 

II. 

i 

235 

5 

139.  140 

1—5 

72 

10 

40. 162.  205.  207. 

6 

192 

6—7 

60* 

212.  222.  362 

9 

254 

8 

346. 

347.  348 

11 

201.  202 

10 

150 

202.  222 

8—15 

346 

12 

181.  223 

11 

127. 162. 192.  226. 

9 

346 

18 

53A.  120.  126. 

228.  361 

10 

346^  347* 

181.  223.  317*. 

12 

162.  192 

11 

345 

13 

191*.  345 

11-13 

346 

v. 

14 

125*.  360 

12 

176 

16 

226.  228 

12—13 

353* 

1 

71.  120*.  141 

17 

139.  223 

16-17 

184*. 

2 
2—6 

180.  181.  223 
235 

18 

53  A. 

161.  181. 
223 

III. 

3 

202 

19 

139. 

155.  186 

1 

202 

5 

162.  192* 

21 

64.  330.  331.  335 

1—6 

72 

6 

12.  26 

22 

5. 12*.  26.  55.  67. 

Dhyänabindu  -  Upanishad 

3 

354 

14 

259 

19 

346 

4 

351* 

14—16 

259.  351 

20 

346 

6 

156 

17 

350 

21 

348 

10 

207 

18 

350 

22 

352. 

11—13 

348 

Garbha- Upanishad- 

251.  261      2—4  265*     4 


247. 


Gäruda- Upanishad: 

3  181. 


594 


Index. 


Gaudapäda,  Mändükya - Kärikä 


1,3—4 

133 

2,37 

326 

4,30 

198.  310* 

1,9 

311.  318 

366 

3,15 

29.  167 

4,32 

271 

1,12—16 

279* 

3,25 

142* 

4,33  fg. 

274 

1,14 

326 

3,26 

137- 

4,37 

271 

1,16 

29.  317* 

326 

3,29 

271 

4,47-52 

212 

1,18 

167 

3,33  fg. 

278* 

4,66 

271 

2,1  fg. 

274 

3,35 

126 

4,81 

126* 

2,5 

271 

3,40 

326 

4,92.  98  ■ 

326 

2,7 

271 

4,11-31 

142 

4,98 

310*. 

Hansa 

-Upanishad: 

1 

326 

6 

259 

10 

350. 

3 

256 

g 

280.  351 

fcä- Upanishad: 

1 

160 

362 

6—7 

160.  316* 

12—14 

142*.  212 

1—2 

326 

8 

24. 

135*.  192 

15-17 

255 

2 

319 

366 

9 

290 

15-18 

322 

3 

71* 

290 

9-11 

77* 

16 

105.  197 

4 

172 

12 

112.  290 

17 

254. 

4—5 

136* 

Jäbäla- Upanishad: 

1—2  341  I  5  339.  340 

4         265.  331.335.336.  !  6        338.339.340.341. 
337.  338 


3 

3-4 

s 


Kaivalya-Upanishad: 

26.  56     12  270*     19 

67.  324     13.  17  268     24 

140     18-23'  317* 


203* 
331. 


Kanthacruti  -  Upanishad : 

1  249.  336.  337     3  338.  339.  342  I  5 

2  126.  336.  338.  339.     4         265.  336.  337.  338.  I 

340.  341.  342  I  339.  340.  341 


338.  339.  340.  341. 
342. 


111.  229 


Käthaka  -Upanishad: 

III  344 


VI 


344. 


I. 

71.  290.  364 

14 
17 

155 
59 

20  fg. 
21 

13 
159. 

II.   Verzeichnis  der  Zitate. 


395 


1-6 

II. 

71* 

13 
14 

7—9 

72.  355 

15 

8 

66 

17 

9 

320 

10 

304 

12 

160.  259.  345 

1 

14 

139.  141* 

3—5 

15 

57.  349 

3— VI,1 

17 

346.  349 

4 

IS 

134*.  141*.  361 

5 

20 

72. 139. 140. 155. 

6 

161.  259 

6—7 

21 

136*.  160 

9 

22 

139 

10 

23 

55*.  72*.  161*. 
326.  364* 

10—11 

24 

67* 

11 

25 

27.  200*. 

12 

III. 

1  27.109.155.161. 
195.  215.  234*.  259 

2  59 

3  247 

4  234.  242 
10  181.  223 
10—11  181 
10—13  224.  225 


223.  346.  348 

326 

135*.  140.  176 

12. 

IV. 

77* 
125 
155 
139 
140.  319 
172 
155 
148.  158 
144 
41. 139*.  144. 
148.  212.  362 
144 
27.140.259.319 
12—13  155* 
13  140. 


V. 

1 

243.  255.  321 

2 

184* 

3 

248.  251 

5 

251 

6 

140 

8 

9-11 

12 

13 

14 

15 


125 

151* 

316* 

24.  191*.  192 

155 

125*.  126.  360. 


178*.  254. 267. 304* 


VI. 

1  27.  183.  184 

2  109 

3  159 

4  326 

5  234 

7  181.  223.  247 
7-8  181 
7—11  224.  225 

8  .  139.  254 

9  67 

10  256.  348 
10—11  346 

11  277.  345 

12  361 
12-13  77* 
12—15  316* 
14—15  324 

15  244 

16  260*264.323.324 

17  259.  346 

18  345. 


Kaushitaki  -  Äranyakam : 

95  I  10 


113. 


Kaushitaki 

-Brähmanam 

; 

25,1 

294. 

Kaushitaki  -  Upanishad : 

1 

18.  23.  54.  180. 

1,6 

120.  233 

2,7 

104 

194.  233.  368 

1,' 

172.  180.  223 

2,8 

197.  302 

1,1 

65.  332 

2 

107.  359 

2,9 

197.  302 

1,2 

178. 197.  263.  302. 

2,1 

82.  101 

2,12- 

-13 

99 

303.  324 

2,1—2 

16 

2,13 

82.  193 

1,3 

195.  303.  323 

2,2 

82.  101 

2,14 

95.  96 

1,4 

311 

2,5 

59.  113.  249 

2,15 

242.  244 

1,5 

159 

2,6 

110.  111.  159 

3 

23.108.123.127.245 

396 


Index. 


3,1 
3,2 

3,8 
3,4 
3,5 

3,7 
3,8 


1 
1—2 

1-8 
1-13 
2 
2—8 


13.  159.  311 

27 

95.  96.  245.  276* 

108.  123  3—4 
243  4 
245 
41.  95. 126. 131.  |  4,1 


139. 155. 160. 185. 

186. 190.  211.  245. 

364 

107.  360 

18. 19.  23.  36.  81. 

105. 127. 188.  355 


Kena-Upanishad: 


243-  3 

241  4  fg. 

107  4-8 

24  11 

126  !  11-12 

126  12 


76* 
15 


4,8        20  A.  103 
4,14  82 

4,17.  18  82 

4,19    27.  65. 129. 131. 
188.  267.  332 
4,19—20        276 


79.  194  4,20   95. 159. 182.  268. 


14—28 
17—23 


243  29—30 

76*.  361  31 

315  33 
326 


Kshurikä- Upanishad: 

347  5  348  15—17 

348.  349.  350  6  fg.  348  j  21 

347.  348  |  8  fg.  353  j 

Mahä-Upanishad: 

174.  240.  247  I  3  181.  259  4 


159 
185 

140* 

17.  164.  185 

55.  57.  64. 


261 
347. 


181. 


Mahäbhäratam : 

XIV,1136.  2543    262. 

Mahänäräyana-  Upanishad 


1,1 

195 

10,20                           184 

62,7 

265 

1,2 

201 

10,21                           195 

62,11 

64.  265.  330 

M 

172 

10,22         26.  56.  67.  324 

63,5 

195 

1,8 

140 

10,23                  255.  259 

63,8 

264.  265 

s 

330 

11,6—12                     156 

63,13 

265 

9 

329 

11,8                            259 

63,16 

133.  197 

10,1 

.72.  139.  161 

11,8—12                     351 

63.21 

345 

10,5 

226* 

11,10                         256 

64 

511.  113. 

10,6 

184* 

13                       104.  197 

Maiträyana-  Upanishad : 

1 

229 

2,2                              125 

2,7   .        . 

311 

1,1 

60.  111 

2,3                                26 

3,2       169. 

174. 176. 190. 

1,2 

13.  65.  334 

2,5                              240 

236*.  240 

1,3 

256 

2,6       157. 198.  247.  248. 

3,4 

256* 

1,14 

197 

251.  252.  256 

3,5 

228 

II.  Verzeichnis  der  Zitate. 


397 


4 

60 

6,18- 

-30                    346 

6,31 

241.  256 

4.3 

65. 

335 

6,19 

78.  269.  279.  280. 

6,32 

53 

5,2 

198. 

223. 

228 

348.  349 

6,33 

111.  248 

6 

344 

6,20- 

-21                     351 

6,34 

114. 

155.  198. 

6.1—8 

109 

6,21 

256 

311. 

317*.  349 

6,2 

196. 

258. 

259 

6,22 

351.  352.  353 

6,35 

194 

6,3 

345. 

346. 

349 

6,23 

133.  346.  350 

6,38 

259.  352 

6,4 

25. 

176. 

248 

6,24 

126.212.346.349. 

7,1—5 

248 

6,5 

25. 

240. 

350 

353* 

7,3 

133.  197 

6,9 

114. 

248 

6,25 

345.  348 

7,6 

J97 

6,10 

223. 

225. 

254 

6,26 

349 

7,7 

185 

6,11—13 

223 

6,27 

133.  198.  256. 

7,8—10 

60 

6,13 

133 

259.  352 

7,9 

71 

6,15 

139. 

140 

6,27- 

-28                     255 

7,11 

151. 

337.  269. 

6,16 

197 

6,28 

349.  352.  353 

279. 

280.  352. 

6,17 

138. 

202 

6,29 

12.  13*.  67 

6,18 

345. 

346. 

348 

6,30 

156.246.261.347 

Mändükya  -Upanishad : 

1,6 

200 

4 

274 

7 

212 

269.  279 

3 

25. 

270 

5 

133.  268.  277* 

12 

346.  350. 

3—4 

262 

6 

187 

Manu: 

1,9-13 

169 

1,43- 

-48                     262 

3,76 

198. 

1,27 

174 

2,89  fg.                        248 

Meghadüta: 

Vers 

43                     263. 

Mundaka-  Upanishad: 

1,1,1-2 

180 

2,1 

186 

2,2,5 

27.  186 

1,1,3 

144. 

148. 

210. 

2,1,1 

150*.  182*.  200 

2,2,6 

95 

212. 

232. 

262 

2,1,2- 

-3                      225 

2,2,7 

133 

245.  255 

1,1,5 

52.55 

.56. 

135* 

2,1,3 

241 

2,2,8 

244.  311*.  317*. 

1,1,6      27. 13S 

.277 

.361 

2,1,4 

53A.  149*.  183* 

319.  320 

1,1,7 

150*. 

200. 

202 

2,1,5 

263.  304* 

2,2,9 

124. 

139.  360 

1,1,8—9 

225 

2,1,7 

57.  177*.  248. 

2,2,10 

27.  125*.  360* 

1,1,9 

277 

331 

2,2,11 

148 

1,2,3 

196 

2,1,8 

242 

3,1,1-2 

161.  234 

1,2,8— IC 

> 

71 

2,1,9 

24 

3,1,3 

311 

1,2,10 

59*. 

195. 

304* 

2,1,10 

155.  244.  259 

3,1,6 

324 

1,2,11 

64. 

324 

2,2,1 

120 

3,1,7 

155- 

1.2,12 

65. 

332 

2,2,3- 

-4                       56 

3,1,8 

TS 

1,2,13 

67 

2,2,4 

346 

3,2,1 

255.  25!> 

398 


Index. 


3,2,2 

317* 

3,2,6          f>.  26.  56.  67. 

3,2,9 

244.  311 

3,2,3 

72*.  364* 

324 

3,2,10- 

-11 

67 

3,2,4 

64 

3,2,7                     78.  242 

3,2,11 

13*. 

3.2,5 

139 

3,2,8                          317* 

Nädabindu  -  Upanishad : 

1 

350 

8—11                          350 

17 

126 

3—4 

196 

11                                194 

18 

349. 

6—7 

350 

1,2 

1,3 


Näräyana- Upanishad: 

181      5 


255.  259. 


Nrisirihapürvatäpamya  -  Upanishad : 

194  !  2,1  203     5,2 

13*.  68  j  4,1  187  j  5,6 

Nfisinhoüaratäpaniya-  Upanishad 

162.  187  3  203  ;  8 


194 
196. 


12.  ISO 


155.  280.  350  4.  6.  7 


116  9  41.181.249.326.362. 


Paficavinca  -  Brähmanam : 

20,14,2  82. 

Paramahansa-  Upanishad : 

1  337.  338.  339.  341  I  3  339.  342 

2  338.  339.  342*     4        326. 337. 342. 343*. 


Pinda-Upanishad: 

1 

181  ]  2 

176. 

• 

Pracna-  Upanishad: 

• 

1,1 

65.  79.  332 

3,4 

248 

4,5 

274* 

1,9 

59 

3,5 

25.  238.  248,  251. 

4,7 

224.  225 

1,9—10 

304 

252 

4,8 

174.  240.  244 

1,10 

64.  299.  324 

3,6 

261 

5 

346.  350 

1,13.  15 

265 

3,7 

252 

5,5 

27.  92.  254 

2,2—4 

95.  96 

3,8 

241 

5,7 

196 

2,4 

93 

3,10 

254 

6 

242 

2,5—13 

98 

4 

224.  269 

6,3- 

-4                           94 

2,6 

95.  252 

4,2 

244*.  248 

6,4 

176 

2,13 

82 

4,2- 

■3                        251 

6,5 

127.  139.  361 

3,1 

236 

4,3 

248.  255 

6,6 

95. 

3,3 

109.  190.  234 

4,4 

113  A.  248.  252 

IL  Verzeichnis  der  Zitate. 


399 


Pränägnihotra- Upanishad : 


1 

249  1 

2                                 263 

4          169. 174. 

176.240. 

1—2 

114 

3—4                    59.  113 

247.  249. 

Rämäpürvatäpaniya-Upanishad : 

43.  45 

193  j 

84                         13*.  68 

89 

196 

71.  72 

196 

87                               196 

92 

116. 

Rämottaratäpaniya  -  Upanishad : 

2 

350  |  4 

116 

3 

187      5 

Rigveda: 

116.  197. 

1,31,7 

287 

X,14,7                        288 

X,90,S 

177 

36,18 

288 

14,8                288.  330 

90,13—14 

98.  241 

91,1 

287 

14,10                      288 

97,16 

288 

.121 

78 

14,12                       288 

103,12 

290 

125,5—6 

288 

15,1-2                   290 

107,1 

290 

164 

78 

15,7                         288 

109,4  . 

62 

164,12 

304 

15,14                      288 

117,9 

297 

164,20 

161 

.  234 

16,3                        296 

121         165. 

185.  223 

164,46 

356 

16,4                        291 

121,1 

169.  179 

187,7 

190 

68,11                       290 

121,2 

109 

1V,5,5 

290 

72                           165 

121,9 

171 

26,1 

286 

72,4—6                   171 

125 

165 

27,1 

286* 

72,5                         172 

129 

78.  165 

40,5 

184* 

1  81,1                  69.  150 

129,1 

117 

V,55,4 

287 

81—82                    165 

129,2 

207 

63,2 

287 

82,1                171.  172 

129,3 

169.  171 

VI,47,18 

207 

.  286 

82,4                        173 

135,1 

2b,s 

VII,89 

306 

82,6                         207 

136 

62 

104,3 

290 

85,5                197.  302 

152,4 

290 

VIII,48,13 

290 

88,15                     287* 

154,2 

62* 

IX,73,8 

290 

89,15                  "    290 

164,46 

206 

113,7 

288 

90           97.  127.  165. 

165,4 

288 

113,7—11 

289* 

170.  186 

189,2 

219 

X,14,lfg. 

288 

90,2                        207 

190,1 

61 

14,2 

288 

90,3    .   112.  151.  280 

190,3 

199. 

Sähkhya-Kärikä: 

1 

229     21                               222 

41 

353 

3 

227     38—40                       254 

Sannyäsa- Upanishad : 

62 

217. 

1               336. 

337 

.  338 

2,7                              337 

4        251.  T,30^ 

.341.342. 

2 

336 

3                        338.  339 

347. 

2,4 

338 

.  340 

400 

Index. 

Sarvopanishatsära: 

fj— 8 

269* 

9—13                          133 

19 

187* 

8 

280 

10                               249 

21 

116 

9fg. 

255 

16                               254 

Taittiriya -Äranyakam : 

23 

198. 

1,1,52 

195 

3,14,1-  2                    200 

10,27—28 

196. 

1,23 

166 

3,14,7                          248 

Taittiriya  -  Brähmanam 

2,2,9,1 

117* 

*  3,10,11,2            294.  304 

3,12,9,7       207.  208.  355 

3,10,9,11 

291 

3,11,8,5                       294 

3,12,9,8 

308*. 

3,10,11,1 

293* 

3,11,8,6                       294 

2,6,10,2 


Taittiriya -Samhitä: 

293*  |  7,5,25 


111. 


Taittiriya  -Upanishad : 


1,1 

109 

2 

75*.  89. 132. 133. 

2,7 

117*. 

184. 191 

.198 

1,3 

16 

352 

2,8 

105. 130. 132. 159. 

1,4,3 

333 

2,1 

23. 115*.  116. 155. 

195 

290 

1,5 

111.  196 

168. 175. 255. 259 

2,9 

311. 

315* 

1,5,3 

248 

2,2 

101.  248 

3 

84 

132 

1,6 

256. 

323.  351 

2,3 

54.  247 

3,1 

82. 106. 159. 163. 

1,6,1 

245.  259 

2,4 

55*.  78.  319.  345. 

200 

1,7 

20  A. 

243.  248 

361 

3,3 

82 

1,8 

346 

2,5 

27.  59. 133.  277 

3,9 

64 

1,9 

64.  264.  328.  Si 

2,6 

23.  27.  69. 156. 

3,10 

105. 

1,11 

333 

159. 168. 176.  211. 

1,12 

109 

Talava 

kära- 

221.  363.  364 

Upanishad  -Brähn 

lanam 

1,60 

96 

2,1- 

2                           96 

3,1—! 

1 

100 

1,60,5 

250 

2,3 

96 

4,22,2 

—3 

250. 

2,1,16 

250 

2,10- 

-11                       96 

Tejobindu-Upanishad : 

1 

350  I  8 

133 

7 

851  1  13 

349. 

Upanishadbrähmanam : 

1—3 

5. 

IL  Verzeichnis  der  Zitate. 


401 


Väjasaneyi-Samhitä: 


15,50 

195 

31,18 

308* 

32,8 

201 

202 

18,51 

288  l  32,2 

140 

34,1- 

-6 

166 

245 

18,52 

291  |  32,4 

184 

34,5 

95. 

Vedäntasära 

17—28 

67 

94—98 

239 

120 

262 

43 

187 

96 

252 

128 

174 

93-104 

249 

97 

252 

129 

196. 

94—95 

251 

Yogapikhä-  Upanishad : 

•) 

347  1  4                        242 

255  [  6 

156 

3 

349  f  4—7 

352*     10 

354*. 

Yogatattva  -  Upanishad : 

1 

354     7 

350 

12 

348 

3-5 

198  |  9 

259 

13 

242 

255 

6— 7 

350 

Aristoteles, 

9—11                 156 

351  |  15 

a  3 

91 

346. 

347. 

de  interpr.  1  p.  16 

de  sensu  1  p.  437 

a  14 

91 

phys.  1,4  p.  187  b 

1 

175 

Diogenes  Laertius  8,36 

285 

Herodot  2,123 

285 

Platon,  Apol.  p.  40  D 

129 

Phaedr.  p.  275  E 

12 

Rep.  VII,1 

205 

Symp.  p.  189  C  fg. 

179 

Tim.  p.  37  D  fg. 

140 

p.  44  D 

98 

Plutarch,  d 
G 

3  superst.  3 

157 

269. 

enesis  2,7 

1  Joh.  5,19 

128 

1  Kor.  15 

300 

15,47 

47 

- 

Matth.  7,16 

325 

8,11 

289 

26,29 

289 

Phil.  2,13 

46 

Römer  7,18 

4 

6. 

Druck  von  F.  A.  Brockhaus,  Leipzig. 


Werke  von  Paul  Deussen: 

Commentatio  de  Piatonis  Sophistae  compositione  ac 
doctrina.  (Bonn,  Marcus,  18G9.)  Leipzig,  F.  A.  Brockhans. 
Geh.  1  M.  20  Pf. 
Die  Elemente  der  Metaphysik.  Als  Leitfaden  zum  Gebrauche 
bei  Vorlesungen,  sowie  zum  Selbststudium  zusammengestellt. 
Nebst  einer  Vorbetrachtung  über  das  Wesen  des  Idealis- 
mus. Leipzig,  F.  A.  Brockhaus.  Sechste  Auflage.  1919.  8. 
Geh.   8  M. 

Elements  of  Metaphysies :  a  Guide  for  Lectures,  translated  by  C.  M.  Duff. 
London,  Macmillan  &  Co.,  1894.    6  s. 

Les  elements  de  la  metaphysique.    Traduction  du  Dr.  Ern.  Nyssens,  revue 
et  approuvee  par  l'auteur.    Paris,  Perrin  et  Cie.,  1899.    4  fr. 

Gli  Elementi  della  Metafisica,  con  introduzione  di  Luigi  Suali.  Pavia  1912. 

Elements  of  Metaphysies,  translated  into  Sanscrit  Verses  by  A.  Govinda 
Pillai.  Trivandrum  (S.  India)  1912. 

Das  System  des  Vedänta  nach  den  Brahma-Sütra's  des  Bäda- 
räyana  und  dem  Kommentare  des  Cahkara  über  dieselben,  als 
ein  Kompendium  der  Dogmatik  des  Brahmanismus  vom  Stand- 
punkte des  Cahkara  aus.  Leipzig,  F.  A.  Brockhaus,  1883. 
Zweite  Auflage  1906.    8.     Geh.  12  M. 

The  System  of  tlie  Vedänta,  transl.  by  Charles  Johnston,  Chicago  1912. 
Outline  of  the  Vedanta  System  of  Philosophy  according  to  Shankara.    Trans- 
lated by  J.  H.  Woods  and  C.  B.  Runkle.  New  York,  The  Grafton  Press.  1903.  $  1  net. 

Die  Sutra's  des  Vedänta  oder  die  Cäriraka-Mimäiisä  des  Bäda- 
räyana  nebst  dem  vollständigen  Kommentare  des  Cahkara.  Aus 
dem  Sanskrit  übersetzt.  Leipzig,  F.  A.  Brockhaus.  1887.  Geh. 
18  M. 

Der  kategorische  Imperativ.  Rede.  Zweite  Auflage.  Kiel, 
Lipsius  &  Tischer,   1903.     Geh.  50  Pf. 

On  the  Philosophy  of  the  Vedänta  in  its  Relations  to  Occi- 
dental Metaphysies,  an  address  delivered  before  the  Bombay  Branch 
of  the  Royal  Asiatic  Society,  Saturday,  the  25th  February,  1893. 
(Bombay  1893.   One  Ana.)   Leipzig,  F.  A.  Brockhaus.    Geh.  10  Pf. 

Zur  Erinnerung  an  Gustav  Glogau.  Gedächtnisrede,  ge- 
halten an  der  Christian- Albrechts-Universität  am  11.  Mai  1895. 
Kiel,  Lipsius  &  Tischer,  1895.     Geh.  50  Pf. 

Über  die  Notwendigkeit,  beim  mathematisch-naturwissenschaft- 
lichen Doktorexamen  die  obligatorische  Prüfung  in  der  Philo- 
sophie beizubehalten.    Kiel,  Lipsius  &  Tischer,  1897.    Geh.  50  Pf. 

Jacob  Böhme.  Über  sein  Leben  und  seine  Philosophie.  Zweite 
Auflage.  Mit  einer  Abbildung  des  Jacob  Böhme-Denkmals.  Leipzig, 
F.  A.  Brockhaus,   1911.     Geb.  1  M.   50  Pf. 

Vedänta  und  Piatonismus  im  Lichte  der  Kantischen  Philo- 
sophie.   Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,  1904.     Geh.  1  M. 

Sechzig  Upanishad's  des  Veda,  aus  dem  Sanskrit  übersetzt 
und  mit  Einleitungen  und  Anmerkungen  versehen.  Leipzig,  F.  A. 
Brockhaus,   1897.     Zweite  Auflage   1905.     [Vergriffen.] 

Erinnerungen  an  Friedrich  Nietzsche.  Mit  einem  Porträt 
und  drei  Briefen  in  Faksimile.  Leipzig,  F.  A.  Brockhaus,  1901. 
Geh.   2  M.  50  Pf. 

Discours  de  la  Methode  pour  bien  etudier  l'histoire 
de  la  Philosophie  et  chercher  la  verite  dans  les 
sy stemes.    Paris,  Armand  Colin,  1902. 


Erinnerungen  an  Indien.  Mit  einer  Karte  und  sechzehn  Ab- 
bildungen. Kiel  und  Leipzig,  Lipsius  &  Tischer,  1904.  Geh. 
5  M.    Geb.  6  M. 

My  Indian  Reminiscences,  transl.  by  A.  King,  Madras  1911. 

Vier  philosophische  Texte  des  Mahäbhäratam.  Sanatsu- 
jata-Parvan  —  Bhagavadgitä  —  Mokshadharma  —  Anugitä.  In 
Gemeinschaft  mit  Dr.  Otto  Strauss  aus  dem  Sanskrit  übersetzt. 
Leipzig,  F.  A.  Brockhaus,   1906.     Geh.  22  M. 

Outlines  of  Indian  Philosophy,  with  an  Appendix  on  the 
Philosophy  of  the  Vedänta  in  its  Relations  to  Occidental  Meta- 
physics..    Berlin,  Karl  Curtius,   1907.     Geh.  2  M. 

Die  Geheimlehre  des  Veda.  Ausgewählte  Texte  der  Upani- 
shad's.  Aus  dem  Sanskrit  übersetzt.  Leipzig,  F.  A.  Brockhaus. 
Fünfte  Auflage,  1919.     Geh.  7  M. 

Der  Gesang  des  Heiligen.  Eine  philosophische  Episode  des 
Mahäbhäratam.  Aus  dem  Sanskrit  übersetzt.  Leipzig,  F.  A. 
Brockhaus,  1911.    Geh.  3  M. 

Allgemeine  Geschichte  der  Philosophie  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Religionen.  2  Bände  in  6  Abteilungen. 
Leipzig,  F.  A.  Brockhaus.     Geh.  77  M. 

Erster  Band,  erste  Abteilung:  Allgemeine  Einleitung  und  Philo- 
sophie des  Veda  bis  auf  die  Upanishad's.  1894.  Dritte 
Auflage,  1915.     Geh.  7  M. 

Erster  Band,  zweite  Abteilung:  Die  Philosophie  der  Upanishad's. 
18-9.    Dritte  Auflage,  1919.    Geh.  16  M. 

The  Philosophy  of  the  Upanishad's.    Authorised  English  translation  by  Rev. 
A.  S.  Geden.    Edinburgh,  T.  &  T.  Clark,  1906.    10s.  6d. 

Erster  Band,  dritte  Abteilung:  Die  nachvedische  Philosophie 
der  Inder.  Nebst  einem  Anhang  über  die  Philosophie . der  Chinesen 
und  Japaner.     1908.    Zweite  Auflage,  1914.     Geh.  16  M. 

Zweiter  Band,  erste  Abteilung:  Die  Philosophie  der  Griechen. 
1911.    Zweite  Auflage,  1919.    Geh.  13  M. 

Zweiter  Band,  zweite  Abteilung:  Die  biblisch-mittelalterliche 
Philosophie.    1915—1919.    Geh.  11  M. 

1.  Hälfte:  Die  Philosophie  der  Bibel.    1913.    Zweite  Auflage, 
1919.    Geh.  7  M. 

Bibelns    Filosofi,    bemyndigad     överBättning    av    August     Carr.      Stockholm, 
Hugo  Gebers  Förlag,  1916. 

2.  Hälfte:  Die  Philosophie  des  Mittelalters.    1915.   Geh.  4  M. 
Zweiter  Band,  dritte  Abteilung:   Die  Neuere  Philosophie  von  Des- 

cartes  bis  Schopenhauer.     1917.     Geh.  14  M. 

Einzelausgaben  des  zweiten  Bandes: 

Erste  Abteilung  unter  dem  Titel:  Die  Philosophie  der  Griechen.    Geh.  13  M. 

Zweite  Abteilung,  erste  Hälfte,  unter  dem  Titel:  Die  Philosophie  der  Bibel. 
Geh.  7  M. 

Zweite  Abteilung,  zweite  Hälfte,  unter  dem  Titel:  Die  Philosophie  des  Mittel- 
alters.    Geh.  4  M. 

Dritte  Abteilung  unter  dem  Titel:  Die  Neuere  Philosophie  von  Descartes  bis 
Schopenhauer.     Geh.  14  M. 

Vedänta,  Piaton,  Kant,  nebst  einem  Anhang  über  Kultur  und 

Weisheit  der   alten  Inder.     Wien,  Verlag   der  Wiener  Urania, 

1917.     Geh.   1  M.  (1  K  30  h). 
Faustbüchlein,   ein  Leitfaden  zum  Verständnis  des  Goetheschen 

Faust.     Wien,  Verlag  der  Wiener  Urania,    1918.     Geb.  1  M- 

(1  K  30  h).     In  Vorbereitung. 


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