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Full text of "Allgemeine homöopathische Zeitung 128-129.1894"

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ALLGEMEINE 



ZEHlVft. 


12 )^ 2 ^ 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

Dr. med. MOSSA^STUTTGART. 


E1NHUNDERT-ACHTUNDZWANZIGSTER BAND. 

(128. Band.) 


+- 


LEIPZIG. 

VERLAG von WILLIAM STEINMETZ (A. MARGGRAF’S HOMÖOPATH. OFFICIN.) 

1894. 


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I. Inhalts-Verzeichniss 

zum 

128. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung. 


No 1. and 2. 8eite 

Dank.1 

Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. 

Vom derzeitigen Redacteur.1 

Etwas über senile Lungen-Entzündungen. Von 

Dr. H. Goullon . 2 

Kurzer Bericht über eine Häufung von Halsaffec- 
tionen am hiesigen Orte in den letzten zwei 
Monaten. Von E. Schlogel, prakt. Arzt in Tü¬ 
bingen .6 

Hypodermatische Anwendung homöopathischer 
Mittel. Von Neuschäfer, prakt. Arzt m Frank¬ 
furt a. M. . . ..9 

Ein Fall von Gesichtsschmerz. Von Dr. Mossa in 

Stuttgart.11 

Die diuretische Wirkung von Apocynum cannabi- 

num. Von Dr. Mossa in Stuttgart.13 

Characteristische Symptome.14 

Personalia.15 

Anzeigen.15 


No. 3 and 4. 


Erinnerung an Schönlein zu seinem hundertjährigen 
Geburtstage. (30. November 1893.) Von einem ho¬ 
möopathischen Arzte. 

Einiges über arzneiliche Verschlimmerungen. Von 

Dr. H. Goullon. 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg . 
Die Bedeutung der Diaphanie als Todeszeichen. 

Von Dr. Mossa. 

Lesefrüchte. 

Wie Professor Zlatarowich zur Homöopathie ge¬ 
kommen ist. 

Einige Kernsprüche von Paracelsus. 

Anzeigen. 


17 

21 

23 


27 

28 


BO 

30 

31 


No. 5 und 6. 


Paralysis nervi oculomotorii. Von Dr. Ch. van Royers, 

Utrecht. 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung). 

Einheimische Gewächse. Von Dr. Mossa .... 
Das Puhlmann’sche Handbuch der homöopathischen 
Praxis. Besprochen von Dr. W. Goullon . . . 

Ueber Hypnotismus und Hysterie. Vortrag von 

Prof. Jolly. 

Auszug aus Vorschriften über Einrichtung und Be¬ 
trieb der Apotheken etc. und Auszug aus An¬ 
weisung zur amtlichen Besichtigung der Apo¬ 
theken etc. 

Glycerin und Stuhlverstopfungen. 

Vom Btichertisch. 

Die zeitweilig herrschenden Heilmittel. 

Quittung über eingegangene Beiträge für das Ho¬ 
möopathische Kraidtemiaus zu Leipzig .... 


33 


34 

39 

40 

41 


43 

44 

45 

45 

46 


Seit« 

Quittung über eingegangene Beiträge für die Unter¬ 
stützungskasse homöopathischer Aerzte .... 47 

Anzeigen..47 


No. 7 and 8. 


Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier- 

Mainz. 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung). 

Ein merkwürdiger Fall von doppeltem und excen¬ 
trischem Sehen, durch 2 Gaben Sulfur geheilt. 

Von Dr. med. Th. Skinner-London. 

Einladung zum hygienischen Congress in Budapest 

Lesefrüchte. 

Zur Berichtigung. 

Professor von Zlatarowich. 

Eingosandt. 

Paralysis nervi oculomotorii. Druckfehler-Berich¬ 
tigung . 

Personalia. 

Anzeigen . . 


49 

57 


60 

61 

61 

62 

62 

63 

63 

63 

63 


No. 9 and 10. 


Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier- 

Mainz. 

Eine Discussion über Mittelfolge, Bedeutung ein¬ 
zelner Symptome. 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung). 

Sticta pulmonaria — Katarrhe nach Influenza. Von 
M. D. Youngman, Med. Dr., Atlantic City N. J. . 
Heilung eines mehrtägigen Singultus. Von Dr. 

Goullon. 

Incubationszeit und Dauer der Ansteckungsfähig¬ 
keit zymotischer Erkrankungen. 

Hypodermatische Einspritzungen von Teucrin bei 
mycotischen Erkrankungen. Von Dr. Mossa- 

Stuttgart. 

Lesefrüchte. 

Dank. 

Aufruf. 

Anzeigen. 


65 

68 

70 


72 


74 


75 


75 

76 
78 

78 

79 


No. 11 and 12. 

Nachklänge von Chicago. Vom Redacteur ... 81 

Aufforderung.84 

Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka 

in Prag-Karlsbad.84 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung).87 

Primi studi ai materia medica applicata secondo 
la legge dei Semilli. Pel Dott. G. Bonino-Torino 

1893. Besprochen von Dr. Mossa.91 

Zur Prüfung von Viscum album e pyro malo . • 93 

• 


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Seite 


Argentum nitricum in einem Falle von Enteritis 
pseudomembranacea. Von Dr. F. H. Pitchard . 93 

Nihil novi sub sole!.94 

Homöopathia involuntaria.94 

Lesefriichto.95 

Personalia.95 

Anzeigen.95 

No. 13 und 14. 

Ein rascher Erfolg. Mitgetheilt von Dr. Kunkel 

in Kiel.97 

lieber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka 

in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung).9S 

Innere Heilkunst bei sogenannten chirurgischen 
Krankheiten nach zahlreichen eigenen Beobach¬ 
tungen. Von Emil Schlegel. Besprochen von 

Dr. Mossa.99 

Offener Brief an Herrn Dr. Carl Köck in München 105 
Zur gefälligen Beachtung für die Arzneiprtifungs- 

gesellschaft.107 

Aufruf.108 

Die zeitweilig herrschenden Heilmittel .... 108 

Einkommen in 42jähriger ärztlicher Praxis . . 108 

Lesefrüchte.109 

Anzeigen.111 

No. 15 und 16. 

Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemanns . . 113 

Einladung zur Ordentlichen General-Versammlung 
des Vereins „Berliner Homöopathisches Kranken¬ 
haus“ .114 

Jacob Kafka. Ein Lebensbild. Von Dr. Lorbacher 114 
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung) .117 

Dr. Ludwig Mertens, gest. 4. März 1894 .... 124 

Lesefrüchte.125 

Anzeigen.127 

No. 17 und 18. 

Ueber Lebermittel. Von Dr. Kunkel in Kiel . . 129 

Leber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka 

in Prag-Karlsbad.131 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung).132 

Einige Bemerkungen über Kopfweh bei Kindern. 
Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathi¬ 
schen Aerzte in Chicago 1893. Von Dr. Georg 

Smith aus England.135 

Wie wird man in Amerika Arzt? Von Dr. med. 

Staads in Essex.138 

Die Gedächtnisfeier des 140. Geburtstages von 

Samuel Hahnemann.140 

Homöopathisches Spital München.140 

Personal-Nachrichten.141 

Lesefrüchte.141 

Personalia ..143 

Druckfehlerberichtigung.143 

Anzeigen.143 


No. 19 und 20. 

Heber Lebermittel. Von Dr. Kunkel inKiel. (Schluss) 145 
Ueber das Magongeschwür. Von Dr. Th. Kafka 
in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung).147 


Seite 


Die Behandlung der Ohrenkrankheiten. Von Dr. 

Mossa.149 

Entgegnung. Von Dr. Köck.152 

Die Homöopathie in Frankreich während des 
Jahres 1893. Von Dr. Francois Cartier . . . 153 

Zur Nachricht! Von Dr. Hengstebeck . . . . 154 

Ein Fall von Psoriasis mit Metastasen. Von 
Dr. Lambreghts jun. aus Antwerpen .... 155 

Vom 23. Chirurgen-Congress in Berlin .... 156 

Materia medica. Von Dr. A. R. Mc Michael . . 156 

Lesefrüchte..158 

Zur Meraner Anzeige.158 

Personalia.159 

Anzeigen.159 

No. 21 und 22. 

Acutes einseitiges Eczem bei einer phlegmonösen 
Otitis interna. Von Dr. Mossa-Stuttgart . . . 161 

Facialisparalyse als Complication von Mittelohr- 


Die Wirkungen der Kali- und Natron-Mittel auf 

das Ohr. Von Dr. H. D. Schenck.164 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung).166 

Aus Hahnemanns Aufenthalt in Molschleben . . 171 

Die nordamerikanischen homöopathischen Colleges 

und Spitäler.172 

Lesefrüchte.174 

Anzeigen.175 

No. 23 und 24. 

Einladung zum Abonnement.177 

Vorläufige Einladung zu der am 9. und 10. August 
zu Eisenach stattnndenden Generalversammlung 
des Homöopathischen Centralvereins Deutsch¬ 
lands .177 

Zweiter Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. 
Prüfung von Primula veris officinalis. Referent 

Dr. Schier, Mainz.17N 

Homöopathische Erfolge. Mitgetheilt von Dr. 

H. Goullon.186 

Vom Büchertisch.189 

Die Zahl der Aerzte in Deutschland.190 

Quittung des Homöopathischen Krankenhauses zu 

Leipzig.190 

Quittung der Unterstützungskasse für Wittwen 

homöopathischer Aerzte.191 

Personalia.191 

Anzeigen.191 


No. 25 und 26. 


Zeichen der Zeit. Von Dr. Bojanus sen., Samara 193 
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung).196 

Neuralgieen. Von Erastus Case, M. D.199 

Die nordamerikanischen homöopathischen Colleges 

und Spitäler. (Schluss).202 

Vom Chirurgen-Congress. Asepsis und Antisepsis 204 

Lesefrüchte.205 

Personalia.206 

Dr. med. Hermann Meyer in Osnabrück, gest. 

10. Juni 1894 . 206 

Anzeigen.206 


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T 


II. Sach-Register 

zum 

128. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung. 


Anacardium orientale bei Eczema pruriginosum. 153. 

Ansteckungsfähigkeit, Incubationszeit und Dauer der — 
zymotischer Erkrankungen. 75. 

Antipyrin-Wirkung. 28. 

Antisepsis und Asepsis. 204. 

Apocynum cannabinum, die diuretische Wirkung von —. 
13. 

Apotheken, Auszug aus Vorschriften über Einrichtung 
und Betrieb der — etc. und Auszug aus Anweisung 
zur amtlichen Besichtigung der — etc. 43. 

Argentum nitricum in einem Falle von Enteritis psoudo- 
membranacea. 93. 

Argyrie. 8. 

Arnica bei Pneumonia senilis. 4. 

Arsenik-Lähmung, acute. 61 

Arsen.-Fälle. 120. 

Arsen, bei Eczema chronicum. 153. 

Arzneiliche Verschlimmerungen, einiges über —. 21. 

Arzneiprtifungsgesellschaft, zur gefälligen Beachtung 
für die —. 107. 

Arzneiprüfungsgesellschaft, zweiter Bericht der —. 
Prüfung von Primula veris officinalis. 178. 

Atropin bei Neuralgia facialis. 12. 

Atrophie des Nervus opticus nach Jodoform. 126. 

Aufforderung. 84. 

Aufruf. 78. 

Aufruf zur Prüfung von Euphrasia. 108. 

Augen- und Ohrenkrankheiten — «Therapie —. Von 
Dr. Bruckner. 189. 


Cephalgia-Indicationen. 15. 

Characteristische Symptome. 14. 

Chelidonium — Lebermittel. 145. 

Chelidonium bei Eczema scroti. 154. 

Chenopodium anthelminth. bei Ohrenleiden. 151. 
China-Fälle. 135. 

Chirurgen-Congress, vom 23 — in Berlin. 156. 
Chirurgen-Congress, vom —. 204. 

Chirurgische Krankheiten, innere Heilkunst bei soge¬ 
nannten — nach zahlreichen eigenen Beobachtungen. 
Colleges und Spitäler, die nordamerikanischen homöo- 
thischen —. 172. 202. 

Congress, Einladung zum hygienischen — in Budapest. 
61. 

Croton tigl. bei Prurigo. 154. 
j Cuprum-Fälle. 135. 

Dank. 1. 78. 

1 Diabetes mellitus-Hystiologie. 109. 

Diaphanie, die Bedeutung der — als Todeszeichen. 27. 
Discussion, eine — über Mittelfolge, Bedeutung einzel¬ 
ner Symptome. 68. 

1 Diuretische Wirkung, die, von Apocynum cannabinuin. 
13. 

I Doppeltem und excentrischem Sehen, ein merkwürdiger 
Fall von —, durch 2 Gaben Sulfur geheilt. 60. 

I 

1 Eczem, acutes einseitiges — bei einer phlegmonösen 
Otitis interna. 161. 


Auszug aus Vorschriften über Einrichtung und Betrieb 
der Apotheken etc. und Auszug aus Anweisung zur 
amtlichen Besichtigung der Apotheken etc. 43. 

Behandlung, die, der Ohrenkrankheiten. 149. 

Bemerkungen, einige, über Kopfweh bei Kindern. Vor¬ 
trag bei dem Weltcongress der homöopathischen 
Aerzte in Chicago 1893. 135. 

Berichtigung, zur —. 62. 

Bericht, kurzer, über eine Häufung von HaisafFectionen 
am hiesigen Orte in den letzten zwei Monaten. 6. 

Bericht, zweiter, der Arzneiprüfungsgesellschaft. Prü¬ 
fung von Primula veris ofncinalis. 178. 

Berliner Homöopathisches Krankenhaus, Einladung zur 
Ordentlichen Generalversammlung des Vereins —. 114. 

Bleivergiftung von äusserlicher Anwendung. 127. 

Bothryocephalus latus — Menstrualstörungen. 158. 

Brief, offener, an Herrn I)r. Carl Köck in München. 105. 

Büchertisch, vom —. 45. 189. 

Calcarea carbonica-Fälle. 87. 

Cantharis bei Eczema rubrum. 153. 

Capsicum bei Ohren-Leiden. 151. 

Carbol. acidum bei Eczema hypertroph. 154. 

Carbol. acidum bei Psoriasis. 155. 


Eczema-lndicationen. 153. 

i Eigenes und Fremdes. 23. 34. 57.70. 87.117.132.166. 196. 

Eingesandt. 63. 

Einheimische Gewächse. 39. 

Einiges über arzneiliche Verschlimmerungen. 21. 

Einkommen in 42jähriger ärztlicher Praxis. 108. 

Einladung zum hygienischen Congress in Budapest. 61. 

Einladung, vorläufige, zu der am 9. und 10. August zu 
Eisenach stattfindenden Generalversammlung des Ho¬ 
möopathischen Centralvereins Deutschlands. 177. 

Einladung zur Ordentlichen Generalversammlung des 
Vereins „Berliner Homöopathisches Krankenhaus“. 
114. 

Enteritis pseudomembranacea, Argentum nitricum in 
einem Falle von —. 93. 

Entgegnung. 152. 

Erfolg, ein rascher —. 97. 

Erinnerung an Schönlein zu seinem hundertjährigen 
Geburtstage. (30. November 1893.) 17. 

Etwas über senile Lungenentzündungen. 2. 

Facialisparalyse als Complication von Mittelohr-Erkran¬ 
kungen. 162. 

Frankreich, die Homöopathie in — während des Jahres 
1893. 153. 


Carbol. acidum-Vergiftung: Essig als Antidot. 174. Fremdes, Eigenes und -. 23.34.57.70.87.117.187.196. 
Carduus mar. — Lebermittel. 146. 

Causticum bei Otitis interna. 165. Oedächtnissfeier, die, des 140. Geburtstages von Samuel 

Causticum bei Paralysis n. oculomotorii. 34. Hahnemann. 140. 

Centralvereins, vorläufige Einladung zu der am 9. und Gelsemium — wirksame Bestandteile. 110. 

10. August zu Eisenach stattfindenden Generalver- Gelsemium bei Facialparalyse. 163. 

Sammlung des Homöopathischen — Deutschlands. 177. Gesichtsschmerz, ein Fall von —. 11. 


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Gewächse, einheimische —. 39. 

Glonoin.-Indication. 72. 

Glycerin und Stuhlverstopfungen. 44 
Graphit.-Fälle. 153. 

Hahnemanns, Samuel, zum 140. Geburtstage —. 113. 
Halmemann, Samuol, die Gedächtnissfeier des 140. Ge¬ 
burtstages von —. 140. 

Hahnemanns, aus — Aufenthalt in Molschlebon. 171. 
Halsaffectionen, kurzer Bericht über ('ine Häufung von 
am hiesigen Orte in den letzten zwei Monaten. 6. 
Handbuch, das Puhlmann’sche — der homöopathischen 
Praxis. 40. 

Hepatin (Hepar vulpis) in Leber-Leiden. 146. 
Heilkunst, innere, bei sogenannten chirurgischen Krank¬ 
heiten nach zahlreichen eigenen Beobachtungen. 09. 
Heilmittel, die zeitweilig herrschenden —. 45. 108. 
Heilung eines mehrtägigen Singultus. 74. 

Herniae inguinales Rhus. 132. 

Homoeopathia involuntaria. 94. 

Homoepathic therapeutics of Haemorrhoids. 45. 
Homöopathie, die, in Frankreich während des Jahres 
1893. 153. 

Homöopathie, wie Professor Zlatarowich zur — ge¬ 
kommen ist. 30. 

Homöopathische Erfolge. 186. 

Homöopathischen Praxis, das Puhlmann’sche Handbuch 
der —. 40. 

Homöopathisches Spital München. 140. 
Husten-Indicationen. 153. 

Hyoscyamus-Fälle. 90. 

Hypnotismus, über — und Hysterie. 41. 
Hypodermatische Anwendung homöopathischer Mittel. 9. 
Hypodermatische Einspritzungen von Teuerin bei my- 
cotischen Erkrankungen. 75. 

Hysterie, über Hypnotismus und —. 41. 

Incubationszeit und Dauer der Ansteckungsfähigkeit 
zyraotischer Erkrankungen. 75. 

Influenza, Sticta pulmonaria — Katarrhe nach —. 72. 
Ipocacuanha-Fall. 123. 

Jodoform-Vergiftung. 125. 

Ischias-Mittel. 29. 

Arnica. Rhus. 

Kali bichromicum. Thuja. 

Silicea. 


Materia medica. 156. 

Mertens, Dr. Ludwig, gest. 4. März 1894. 124. 
Metastasen, ein Fall von Psoriasis mit —. 155. 
Mezereum bei Taubheit nach Flechten. 57. 

Mezereum bei Eczema scrophulos. 154. 

Mittelfolge, eine Discussion über —, Bedeutung einzel¬ 
ner Symptome. 68. 

Mittelohr-Erkrankungen, Facialisparalyse als Compli- 
cation von —. 162. 


Nachklänge von Chicago. 81. 
Nachprüfung von Vinca minor. 49. 65. 
Nachricht, zur —. 154. 

Natrum muriaticum-Fälle. 90. 
Neuralgieen. 199. 


Ärsenicum. 

Belladonna. 

Bryonia. 

Capsicum. 

China. 

Cinnabaris. 

Dulcamara. 

Magnesia carb. 

Neurasthenieen — ein objectives Zeichen. 
Nihil novi sub sole! 94. 


Magnes. phosph. 

Morcur. solub. 

Pulsatilla. 

Sabadilla. 

Spigelia. 

Stannum. 

Verbascum. 


77. 


Ohrenkrankheiten, die Behandlung der —. 149. 

Otitis interna, acutes einseitiges Eczem bei einer phleg 
monösen —. 161. 


Paracelsus, einige Kernsprüche von —. 30. 

Paralysis nervi öculomotorii. 33. 

Personalia. 15. 63. 95. 143. 159. 191. 206. 
Personal-Nachrichten. 141. 

Petroleum bei Eczema. 154. 

Phosphor-Fälle. 166. 

Pikrinsäure-Vergiftung. 95. 

Plantago bei Ohren-Leiden. 95. 

Platina-Fall. 97. 

Primi studi di materia medica applicata secondo la 
logge dei Semilli. 91. 

Prüfung, zur — von Viscum album o pyro malo. 93. 
Psoriasis, ein Fall von — mit Metastasen. 155. 
Psoricum bei Ohren-Leiden. 151. 

Pulsatilla-Fälle. 168. 


Kafka, Jacob. Ein Lebensbild. 114. 

Kali carb. zur Verhütung von Abortus. 133. 

Kali carb. als Leber-Mittel. 131. 

Kali bichromic. bei Mittelohr-Katarrhen. 164. 

Kali bromatum bei Ohrenschwindel. 166. 

Kalium chloratum bei Ausschwitzungen im Ohr. 166. 
Kernsprüche, einige — von Paracelsus. 30. 

Köck, Dr. Carl, offener Brief an Herrn — in München. 
105. 

Kopfweh, einige Bemerkungen über — bei Kindern. 
Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathischen 
Aerzte in Chicago 1893. 135. 

Lachesis als Leber-Mittel. 130. 

Lachesis-Fälle. 88. 

Lebermittel, über. 129. 145. 

Lesefrüchte. 28. 61. 76. 95. 109. 125. 141. 158. 174. 205. 
Lungen-Entztindungen, etwas über senile —. 2. 
Lycopodium-Fälle. 121. 

Lycopodium als Leber-Mittel. 130. 

Magengeschwür, über das —. 84. 98. 131. 147. 
Magnesia muriatica als Leber-Mittel. 136. 


Quassia amara als Leber-Mittel. 146. 

Quittungen. 46. 47. 190. 191. 

Ranunculus bulbosus bei Herpes zoster. 154. 

Rhus toxic, und vernix bei Eczem. 154. 

Schönlein, Erinnerung an — zu seinem hundertjährigen 
Geburtstage. (30. November 1893.) 17. 

Sepia-Fälle. 169. 

Serum-Therapie. 206. 

Spirituosa bei Pneumonieen. 6. 

Singultus, Heilung eines mehrtägigen —. 74. 

Sticta pulmonaria — Katarrhe nach Influenza. 72. 
Stuhlverstopfungen, Glycerin und —. 44. 
Sulphur-Fälle. 196. 

Symptome, characteristische. 14. 

Tellurium bei Ohren-Leiden. 151. 

Teucrin, hypodermatische Einspritzungen von — bei 
myco tischen Erkrankungen. 75. 

Tuberculin bei Knochen-Leiden. 156. 

Ulcus varicosum — Clematis. 154. 


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Wanderniere-Symptomatologie. 174. 

Venaesection bei Pneumonieen. 5. 
Vertigo-Indicationen. 14. 

Vinca minor. Nachprüfung von —. 49. 6h. 

Viscum album e pyro malo, zur Prüfung von — 

Wie wird man in Amerika Arzt? 168. 

Wirkungen, die, der Kali- und Natron-Mittel auf 
Ohr. 164. 


I Zahl, die, der Aerzte in Deutschland. 190. 

Zeichen der Zeit. 193. 

! Zinn-Vergiftung. 62. 

| Zlatarowich, wie Professor — zur Homöopathie ge* 
93. , kommen ist. 30. 

I Zlatarowich, Professor von —. 62. 

I Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemanns. 113. 
das | Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. 1. 


III. Mitarbeiter. 


Basset, E. F. 162. 

Bojanus 193. 

Bonino 91. 

Case 199. 

Chartier 153. 

Fischer 124. 

Gilbert 30. 

Göhrum 45. 95. 108. 

Gothardt 172. 

Goullon 2. 21. 40. 

Grünewald 65. 

Haedicke 29. 

Hengstebeck 84. 154. 

Hesse 23. 34. 57. 70. 87. 117. 132. 
166. 


Jolly 41. 94. 

Kafka 63. 84. 94. 98. 131. 147. 
Kallenbach 78. 

Kayser 
Köck 152. 

Kunkel 97. 129. 145. 

Lambreghts jun. 155. 

Leeser 105. 

] Lorbacher 78. 114. 

Luke 84. 


Olshausen 141. 

Pässler 127. 

Pitchard 93. 

Proeil 28. 61. 62. 125. 158. 

van Roijen 33. 63. 

Schenck 164. 

Schier 49. 65. 107. 

Schlegel 6. 99. 

Schröder 84. 

Skinner 60. 

Smith 135. 

Staads 138. 

Steinmetz 43. 

Youngman 72. 

I Zlatarowich 30. 62. 


1 Michael 156. 

I Mossa 1. 11. 13. 17. 27. 39. 45. 72. 
, 81. 91. 93. 99. 113. 149. 153. 161. 

| Müller, Koloman 61. 

i 

j Nagel 84. 


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Band 128. 


Leipzig, den 4. Januar 1894. 


ALLGEMEINE 


No. 1 n. 2 . 


HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 


Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath.Officln) in Leipzig. 


Erscheint litägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Ha&senstein AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 

Inhalt: Dank. — Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. Vom derzeitigen Bedactenr. — Etwas Uber senile 
Lungen-EntzUndungen. Von Dr. H. Goullon. — Kurzer Bericht Uber eine Hflufung von Halsaffectionen am hiesigen Orte 
in den letzten zwei Monaten. Von E. Schlegel, prakt. Arzt in Tübingen. — Hypodermatische Anwendung homöopathischer 
Mittel. Von Neuschäfer, prakt. Arzt in Frankfurt a. M. — Ein Fall von Gesichtsschmerz. Von Dr. Mossa in Stuttgart, — 
Die diuretieehe Wirkung von Apocynum cannabinum. Von Dr. Mossa in Stuttgart. — Characteristische Symptome. — 

Pereonalia. — Anzeigen. 

W Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


DANK. 

Nachdem die Herren DDr. Göhrum, Stifft und Haedioke die Redaction dieser Zeitung aus 
den in der letzten Nummer des 127. Bandes in ihrem Abschiedsworte angegebenen Gründen zu meinem 
Bedauern niedergelegt haben, nehme ich Gelegenheit, denselben an dieser Stelle öffentlich meinen 
Dank auszusprechen für ihre Thätigkeit im Interesse dieser Zeitung, und bitte sie, derselben und dem 
neuen Redacteure, Herrn Dr. Mossa, dauernd getreue Mitarbeiter bleiben zu wollen. 

Hochachtungsvoll 

Der Verleger: William Steinmetz. 

Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. Oberste Stelle, einnahm. Aber auch ohne diese 

Sanction wird es der Redacteur für seine heilige 
Vom erzeitigen Re acteur. Pflicht halten, ein treuer Hüter der homöopathischen 

Ein neues Jahr, eine neue Redaction, oder, wie Sache zu sein, auf das Wetter und die Gezeiten 
man jetzt auf gut Deutsch sagt, Schriftleitung — sorgsam zu achten und zur rechten Zeit die Wetter¬ 
soll damit etwa auch ein neuer Kurs von der alten und Sturmsignale zu geben. 

„Allgemeinen“ eingeschlagen werden? Der andere Theil unserer Aufgabe besteht in 

Nein; sie soll auch fernerhin auf das alte gute der Pflege, dem An- und Ausbau unserer homöo- 
Ziel lossteuern; sie kann dies jetzt bei einheitlicher pathischen Heilkunst nach der wissenschaftlichen 
Leitung noch entschiedener und bestimmter, und, 
wenn sie mehr Dampf bekommt, so wird das ihren 
Freunden erst recht erwünscht sein. 

Zweck und Ziel der Allgemeinen homöo¬ 
pathischen Zeitung ist und bleibt, den homöo¬ 
pathischen Aerzten deutscher Zunge ein Organ zu 
sein, das ihre specifischen, durch die Verhältnisse 
gegebenen Interessen würdig und kräftig wahr¬ 
nimmt, nach aussen hin vertritt, ihre zuständigen 
Rechte schützt und feindliche Angriffe energisch 
zurückweist. In diesem Ziele läuft sie mit dem 
des Central Vereins parallel, wie ja auch sonst ihre mit dem Hauptstrom — wir meinen eben das Aehn- 
Redaction im Vorstande dieses Vereins Sitz, ja lichkeitsgesetz — aufrecht erhalten bleibt. 

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wie practischen, klinischen Seite hin. Wie unse¬ 
ren Vorgängern im Amte, gilt uns das Aehnlich- 
keitsgesetz als Kern und Stern unserer Heilme¬ 
thode; dieses rechnen wir in erster Linie zu den 
Necessariis derselben, und in necessariis unitas! 
sonst fällt das Gebäude der Homöopathie auseinander. 
In diesem Bette fliesst ja auch unser Hauptstrom, der 
sich bereits über die gesammte, von Menschen be¬ 
wohnte Erde ergossen hat. Die aus demselben ab¬ 
gezweigten Nebenströmungen werden wir so lange 
als zu uns gehörig betrachten, als die Verbindung 











2 


Wir sind uns wohl bewusst, dass die homöo¬ 
pathische Heilkunst, wie alle menschliche Kunst* 
ihre Grenzen hat. Wenn wir auch, gleichwie die 
Vertreter der herrschenden inneren Medicin, ja viel 
mehr als diese, das Hinübergreifen der jüngsten 
operationslustigen Chirurgie auf das Gebiet der 
inneren Erkrankungen missbilligen, so können wir 
doch nicht umhin, auf Grund von Thatsachen zu 
constatiren, dass es Fälle giebt, wo die operative 
Thätigkeit der milden Macht der Homöopathie vor- 
oder nachzuarbeiten berufen ist. Das werden aber 
immer Ausnahmen von der Regel sein, und werden 
wir jede erfolgreiche Bemühung, die Anwendung 
des Messers durch die Wirkung homöopathischer 
Mittel fern zu halten, als einen Triumph unserer 
Heilkunst begrüssen. — Zu der physiatrischen Heil¬ 
methode, die Luft, Licht, Wärme, Wasser, Electri- 
cität, Massage, vor Allem die diätetische Lebens¬ 
weise benutzt, welche letztere die Homöopathie 
von ihren Ursprünge an als grossen Heilfactor alle¬ 
zeit erkannt hat, werden wir eine freundliche Stel¬ 
lung einnehmen, so lange sie nicht in masslose 
Ueberschätzung und Einseitigkeit ausartet. Es 
steht dem einzelnen Praktiker frei, sich jener Hülfs- 
mittel nach bestem Wissen zu bedienen; eine Ver¬ 
quickung der Homöopathie mit jener Methode 
können wir jedoch nicht das Wort reden. 

In rebus dubiis libertas. Hierzu müssen wir 
die Frage von der Mitteldosis, wie sie dermalen 
eben liegt, noch rechnen. Es steht zwar bei uns 
fest, dass die Verfeinerung des Stoffes in der Con- 
sequenz des Aehnlichkeitsprinzips liegt und die 
Potenzirung eine wirkliche Kraftentwickelung im 
Stoße involvirt, sowie auch, dass, je tiefer wir in 
der Mittelkenntniss fortschreiten, vom Simile zum 
Simillimum vordringend, wir zur Anwendung höhe¬ 
rer Potenzirungen getrieben werden; andererseits 
hat aber doch auch die Erfahrung gelehrt, dass 
wie mit den höheren, so auch mit den mittleren 
und niederen Potenzirungen gute Heilerfolge er¬ 
zielt werden können. Demgemäss halten wir die 
Frage von der justa dosis homoeop. noch für offen 
und werden Heilungsgeschichten unserer Praktiker, 
sei es, dass sie mit hohen oder mit niederen Po¬ 
tenzirungen arbeiten, gern einen Raum in unserer 
Zeitung gewähren, die sich nicht ohne Grund eine 
„allgemeine“ nennt Diesem ihrem Charakter zu 
entsprechen, werden wir auch mit der homöo¬ 
pathischen Literatur des Auslandes in beständiger 
Fühlung zu bleiben bemüht sein, und werden selbst 
auf die herrschenden Anschauungen, theoretische 
wie praktische Bestrebungen der alten Schule ein 
wachsames Auge haben. Wir wollen in ihr nicht 
eine durchweg böswillige Gegnerin sehen, sondern 
eine ältere missleitete Schwester, die noch nicht 
den rechten Weg zum Heilen gefunden hat, auf 


den sie jedoch schliesslich durch die Logik der 
Thatsachen und den Entwickelungsgang der Medicin 
nothwenig hingedrängt werden muss. Ist doch 
auch Professor Schulz in Greifswald nicht etwa aus 
besonderer Zuneigung für die Homöopathie, son¬ 
dern durch seine physiologischen, an gesunden 
Menschen (nicht bloss an Tliieren) unternommenen 
Mittelprüfungen auf eine Bahn geführt worden, die 
gegen die unsere convergirend zuläuft. 

Die Pflege der Materia medica, welche unser 
Schatz und Palladium ist, wollen wir uns ganz be¬ 
sonders angelegen sein lassen in der „Allgemeinen“. 
Da ist es uns nun eine Freude, constatiren zu können, 
dass uns das verflossene Jahr auf diesem Gebiete 
zwei schätzenswerthe Werke gebracht hat. College 
Faulwasser hat uns die Vergleichende Arzneimit¬ 
tellehre von Herrmann Gross, dieses eminente Er¬ 
zeugnis deutschen Forschergeistes und Fleisses, 
das freilich erst durch C. Hering seinen Boden in 
Amerika gefunden hatte, zugänglich gemacht. 

Sodann, an der Schwelle des neuen Jahres, be¬ 
grüssen wir die Vollendung der von Dr. Gisevius 
trefflich verdeutschten Condensed Materia medica von 
C. Hering, wodurch das Studium der Arzneiprü¬ 
fungen für Viele erheblich erleichtert werden wird. 
Welche Frucht die von Dr. Schier angeregte Prü¬ 
fung unserer einheimischen Gewächse zeitigen wird, 
müssen wir abwarten. — Auch in den ärztlichen 
homöopathischen Vereinen hat das verflossene Jahr 
eine lebhafte Thätigkeit zu Tage gebracht, und 
wird es uns sehr erwünscht sein, auch fernerhin 
Zeugnisse so regsamen Vereinslebens in unserer 
Zeitung bringen zu dürfen. Ist es nicht endlich 
ein erfreuliches Zeichen von der Lebenskraft der 
Homöopathie, dass sich im Laufe der letzten Jahre 
eine nicht unbedeutende Anzahl jüngerer Aerzte zu 
ihr bekannt hat? 

An diese nicht minder als an die älteren Herren 
Collegen, von denen uns schon ein gut Theil 
regelmässige Mitarbeiterschaft zugesagt hat, richten 
wir nun die Bitte, uns durch Einsendung von Be¬ 
obachtungen aus ihrer Praxis, sowie auch von 
theoretischen Mittheilungen freundlichst in unserer 
Arbeit unterstützen zu wollen. — So wollen wir 
denn unseres Amtes walten, den edlen Gütern der 
Homöopathie, und damit der Salus publica zu Nutz, 
den Freunden zu Schutz und den Gegnern zu 
Trutz, so lange uns der Arzt aller Aerzte Kraft 
und Frische angedeihen lässt! 


Etwas Uber senile Lungen-EntzUndungen. 

Von Dr. H. Ooullon. 

Am 21 Oktober besuchte ich mehr gelegent¬ 
lich Herrn D., einen am Vorabend seines 84. Gebnrts- 


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s 


tags stehenden Mann, welcher schon längere Zeit 
an Schwindel und Kopfschmerzen litt, hald mehr 
bald weniger. Er ist auch schon lange erblindet, 
erfreut sich aber sonst keiner schlechten Gesund¬ 
heit. Auf Rhus und Bryonia waren obige Be¬ 
schwerden besser geworden, wie denn gerade Rhus 
nach meinen Erfahrungen ein ausgezeichnetes Mittel 
gegen „Schwindel der Alten“ ist. (In hartnäckige¬ 
ren Fällen Zincum und event. noch Aurum „das 
Verjüngungsmittel“ par excellence). Ich verliess 
unseren Patienten in der Voraussetzung, dass er 
die nächsten Tage meiner nicht bedürfen würde. 
Alles schien in Ordnung zu sein, denn eine sehr 
belegte Zunge, die ich mir eigentlich ganz über¬ 
flüssiger Weise noch zeigen liess, hatte er habituell. 
Da geschah das Unerwartete, dass ich andern Tages 
schleunigst wieder gerufen wurde. Ohne irgend 
welchen nachweislichen Grund bekam nämlich Herr 
D. Nachts von Sonnabend auf den Sonntag einen 
Anfall heftigsten rechtsseitigen Seitenstechens, wel¬ 
ches ihm völlig den Athem benahm und die Ange¬ 
hörigen in die grösste Bestürzung und Rathlosig- 
keit versetzte. Ein applicirter Senfteig und Aconit- 
Gaben fruchteten nichts, und erst gegen Morgen 
trat etwas Beruhigung ein. Man stand wie vor 
einem Räthsel. Auch Fieber trat nun ein. Der 
Puls ist für gewöhnlich bei dem Patienten ganz un¬ 
gewöhnlich träge, kaum 60 Schläge die Minute. 
Die Auscultation ergab an der kritischen Stelle 
„unbestimmtes Athmen“, kein Bronohialathmen. 
Husten ist fast gar nicht vorhanden. Bei dem ge¬ 
ringsten tieferen Athmen heftige pleuritische Stiche. 
Für die Diagnose Lungen-Entzündung lag kein 
Grund vor, man konnte den Zustand nur als Pleu- 
resie oder Pleuritis bezeichnen, bis dahin ohne Rei- j 
bungsgeräusche. Doch war ich, durch analoge Fälle | 
gewitzt, auf den Eintritt pneumonischer Sputa , 
gefasst. Und so geschah es. Denn nach einigen ; 
Tagen, während unter dem weiteren Gebrauch von 
Aconit, bald aber von Bryonia und Kali carb. die 
pleuritischen Symptome sich sehr gemässigt hatten 
und ohne dass irgend welche Zeichen von Dyspnoe 
eingetreten wären, erfolgte in meinem Beisein der 
Auswurf eines charakteristischen Sputums, d. h. 
nicht des rostfarbenen, wo Blut und Schleim innig 
vermischt zu Tage treten, wohl aber das einer 
zähen Masse, in der hellrothes Blut mehr isolirt auf¬ 
trat. Diese Art des Sputums und die Spärlichkeit 
und Seltenheit desselben im Verlauf der ganzen 
Erkrankung sind bei Abwesenheit bedeutenderer 
Athemnoth eben für das aparte pneumonische 
Krankheitsbild pathognomonisoh, d. h. man hat es 
mit einem sehr beschränkten, in der Tiefe sitzen¬ 
den Heerd zu thun. 

Die Prognose war ja hier in Anbetracht des 
hohen Alters des Kranken nicht mit Sicherheit an- , 


zugeben. Aber, da das Fieber gering erschien, 
die Pflege musterhaft war und die Ernährung nicht 
ganz darniederlag, durch Bouillon, später Wein nach¬ 
geholfen werden konnte, so beging Patient schon 
seinen am 29. Oktober stattfindenden 84. Geburts¬ 
tag bei ganz leidlicher Stimmung. 

Nur die Zunge liess zu wünschen übrig. Man 
muss solch eine Zunge gesehen haben, um sie für 
möglich zu halten. Es ist schwer, ihr Aussehen 
zu beschreiben, aber unwillkürlich fragt man sich: 
Wie kann hier eine Restitutio ad integrum erfolgen? 
Ein dicker, schmutziger, bräunlich-gelber Pelz! Später 
fingen zuerst die Ränder an, ein frisches, natürliches 
Roth zu zeigen. 

Inzwischen erfolgte die Behandlung mehr 
weniger expektativ. Es trat eine 8 tägige Versto¬ 
pfung ein, der, da Nux und Bryonia sich als zu 
schwach erwiesen, mit Rhamnus frangula (Faulbaum- 
rinden-Thee) nachgeholfen wurde. Denn die Sorge 
um „offenen Leib“, welche in den Kliniken bald 
aufkommt, quält uns so lange nicht, als das Be¬ 
finden unserer Kranken ein den Verhältnissen ent¬ 
sprechendes ist, wie hier der Fall war. Blutige 
Sputa hatten schon längst aufgehört. Ein quälen¬ 
der Durst (Trockenheit der Mundhöhle) wurde mit 
verdünntem Weiss- oder Rc hwein, mit Weintrau¬ 
ben und Cacao zu bekämpfen gesucht. Wie die 
Krankheit selbst, so erschien eine vorübergehende 
Verschlimmerung in ursächlicher Beziehung völlig 
unaufgeklärt. Denn Aufregung bei Gelegenheit 
des Geburtstages war so wenig unwiderleglich nach 
zuweisen, wie eine etwaige Erkältung im Verlaufe 
der Nacht, wo der Kranke weniger sorgfältig über¬ 
wacht wurde. Also Patient klagt plötzlich über 
Stechen der anderen (linken) Seite, sehr tief — 
wie es rechts der Fall gewesen in der Gegend der 
falschen Rippen. Er verfällt wieder in mässigen 
Schweiss, der durch Aconit unterhalten wird, Bry¬ 
onia, Kali carb., Sepia bringen die Sache wieder 
in Ordnung und Patient schien vom 14. Tag an 
als Reconvalescent betrachtet werden zu können. 
Allein es sollte doch noch ein zweiter „Nachschub“ 
kommen. Es trat nämlich erneuter blutiger Aus¬ 
wurf ein und Druck über die vordere Brustseite. 
Der Auswurf war zähe, hing wie Leim in den da¬ 
zu benutzten Taschentüchern und wurde einen bis 
zwei Tage so reichlich, dass man Schlimmeres be¬ 
fürchten musste. Ich liess die Sputa in ein Glas 
werfen und sah, dass es zwar eine compakte klum¬ 
pige Masse war, aber ohne Eiter, denn es fiel nichts 
zu Boden und zogen sich auch keine dendritisch 
verzweigten Fäden herab, was bei Bronchitis charakte¬ 
ristisch erscheint. Allein bedenkt man, dass der 
alte Mann schon 8 Wochen immer auf dem Rücken 
lag, so musste eine hypostatische Pneumonie immer 
weitere Verbreitung gewinnen. Diese Verschlimme- 

!• 


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4 


rung wurde merkwürdiger Weise (aber eigentlich 
im Einklang mit meiner Theorie. S. w. u.) auf einen 
Versuch mit stärkerem Wein geschoben. Er trank 
etwa */ 4 Weinglas Ungarwein. Und unmittelbar 
darnach trat starke Hitze und grosses Unbehagen 
ein. Ich mochte aber doch eher die beständige 
trockene Ostluft anklagen, welche mich unwillkür¬ 
lich an die grosse Häufigkeit von Katarrhen, zu¬ 
mal acuten und subacuten Kehlkopfkatarrh mit blu¬ 
tigen Expectorationen und Heiserkeit erinnern, wie 
ich sie im Jahre 1889 an dem Gestade des Lac 
Leman zu beobachten Gelegenheit hatte. „Quand 
le soleil va d’etre Grise revient du pied de St. 
Maurice la Bise, la Bise, la mauvaise Bise-“ 

Sobald nämlich die gefürchtete Bise, das ist 
der scharfe, die Kehle austrocknende Ostwind, die 
Fluthen des Genfer Sees peitscht, tritt bei Alt und 
Jung diese Disposition zu Katarrh in die Erschei¬ 
nung. Ich selbst hatte, ohne sonst dazu zu neigen, 
darunter zu leiden und steigerte sich die Inflam¬ 
mation bis zu blutigen Sputis. 

Genug, auch bei uns in Weimar war jetzt derglei¬ 
chen epidemisch und trat die Grippe in mancherlei 
Gestalt dank jenem atmosphärischen Einfluss auf. 

Noch eines interessanten Umstandes muss ich nun 
gedenken, den ich noch nie im Verlauf von Lungen¬ 
entzündung beobachtet habe. Das war die innere 
Schälung des Kranken in der nun doch noch ein¬ 
tretenden vollständigen Reconvalescenz. Vorher 
möchte ich aber auf die heilkräftige Wirkung des 
zur Genesung führenden Mittels aufmerksam machen 
und den Modus seiner Anwendung. Ich that näm¬ 
lich 8 Tropfen Arnica-Tinctur, eines besonders kräf¬ 
tigen Präparates, das ich der Güte des Herrn Jacobi 
zu Magdeburg verdanke, in ein 5 Gramm Spiritus 
enthaltendes Gläschen, schüttelte es tüchtig und gab 
davon weitere 8 Tropfen in ein Weinglas Wasser. 
Daraus erhielt Patient 2stündlich 1 Theelöffel. Ich 
glaube auch, man kann gegenüber der Pneumonie 
alter Leute eher zur Tinctur herabsteigen, als zu 
hohe Potenzen wählen. Dem 80 Jahre alten Goethe 
wurde, als er schwer an Pneumonie darnieder lag, 
von seinem jungen Arzt Dr. Vogel, zu dem er 
grosses Zutrauen hatte — neben einem tüchtigen 
Aderlass — eine Tasse Arnica-Thee verordnet. Bei¬ 
des sollte sich glänzend erweisen. Denn Goethe 
genas darnach rasch. 

Auch unser Patient befand sich schon einen 
Tag nach der Arnica-Tinctur ganz anders, schlief 
gut, was die Nacht vorher nicht der Fall gewesen 
war, und nur die innere Trockenheit berührte ihn 
noch unangenehm. Da geschah nun eben etwas 
sehr Auffälliges. Die dicke, pelzige, hachelartig 
sich anfühlende, schmutzig-bräunliche Zunge, deren 
wir schon gedachten, bekam plötzlich ein anderes 
Aussehen. Wie wenn ein Vorhang weggenomraen 


wird oder das Eis im Frühjahr Risse bekommt, so 
ging fetzenweise der Zungenüberzug — eine wahre 
Pseudomembran — los: „fiel ab, wie mürber Zun¬ 
der“. Der Kranke fühlte aufs Lästigste diesen Des- 
quamationsprocess, 'indem die kleinen Fragmente 
hängen blieben und wie lauter kleine Fremdkörper 
im Munde reizten. — Aber noch mehr, diese Ab¬ 
häutung erstreckte*sich weiter bis nach dem Magen 
herab. Daher noch gar kein Verlangen nach festen 
Speisen, am 15. November (S 1 /, Woche der Krank¬ 
heit) ist der Regenerationsprocess, die Häutung, auf 
dem Höhepunkt angelangt, so dass Patient selbst 
keinen Wein mag, weil alles wie Feuer auf der 
jungen Haut brennt. Milch ist das Einzige, was 
ihn labt. Diese Wundheiten finden wir ähnlich 
in der Diphtheritis wieder, und manches Kind 
hungert und verhungert lieber, — denn bis zum 
Tod führende Inanitionserscheinungen bilden sich zu¬ 
weilen bei Schwächlingen dabei aus — als dass es 
den Schmerz mit in Kauf nimmt, den selbst das 
Schlingen sonst nicht für scharf oder reizend ge¬ 
haltener Speisen und Getränke verursacht. — Die 
Zunge unseres Kranken sah nach diesen Vorgängen 
glänzend roth aus, ganz ähnlich der jungen Haut, 
wie sie etwa bei Panaritien unter der runzeligen 
alten zu Tage tritt; auch war sie merklich kleiner 
in ihren Durchmessern geworden. 

Da das sonstige Befinden ein ausgezeichnetes ist, 
der Puls kräftig, der Stuhlgang wieder geregelt — 
einer nochmaligen Verstopfung von 8tägiger Dauer 
half wiederum Rhamnus frangula leicht ab — so 
konnte man jetzt von völliger Genesung reden. 

Uebrigens sah ich später auch die Innenfläche 
der Hand sich schälen, in Stücken wie im Verlauf 
von Scarlatina. 

Ganz anders verlaufen gewisse andere pneu¬ 
monische Erkrankungen der Greise und Greisinnen. 
Sie pflegen mit viel intensiverem Fieber einzusetzen 
und involviren die grösste Lebensgefahr. Mehr als 
ein halbes Dutzend solcher Pneumonieen stehen mir 
noch frisch im Gedächtniss und bieten dem Prak¬ 
tiker manche interessante Seite. In dem einen Fall 
handelte es sich um eine Complication mit Herz¬ 
fehler. Ich musste wegen der Unmöglichkeit, die 
Kranke zu sehen, sie einem mir befreundeten allo¬ 
pathischen Collegen zuweisen, der kein Hehl dar¬ 
aus machte, dass er wegen seiner spärlichen Ver- 
I Ordnungen der Schrecken der Apotheker sei. Das 
j passte mir um so mehr, als mir der „Collega oppo- 
nen8 w auch sonst als ein sehr umsichtiger, erfah- 
I rener Arzt bekannt war. Wenn ein Mittel dieser 
schwer Kranken geholfen hat (und ich zweifele 
| meinerseits nicht daran), so ist es Senega gewesen, 
i welches in fast homöopathischer Gabe — nämlich 
1 als Infusum im Verhältniss von 10 Gramm zu 100 
i verordnet wurde. Die Einfachheit der Ordination 


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5 


könnte sich mancher Homöopath, der, wie ich es 
leider oft zu sehen Gelegenheit hatte, mit 2, 3 und 
mehr Mitteln zu gleicher Zeit operiren zu müssen 
glaubt, falls er nicht gar vorzieht, ein Mischmasch von 
vielen ihm passend erscheinenden Arzneien zu ver¬ 
abfolgen, ad notam nehmen. 

Ein anderer, aber tödtlich verlaufender Fall er¬ 
innerte insofern an den Eingangs beschriebenen, 
als er auch mit heftigstem Seitenstechen, das bis 
zur Verzweiflung sich steigerte, begann und ein 
Alter von über 80 Jahren die Prognose beeinträch¬ 
tigte. Frau H. hatte überdies schon zweimal Lungen¬ 
entzündung überstanden, war durch und durch gich¬ 
tisch — rheumatisch, einige Male litt sie an Wochen, 
ja Monate lang währendem acutem Gelenkrheuma¬ 
tismus und namentlich äusserst hartnäckigen Knie- 
Gelenkaffectionen. Also ein vulnerabler, wider¬ 
standsloser Organismus bei aller sonstigen Zähig¬ 
keit. Denn bis dahin hatte sie sich immer wieder 
erholt. Jetzt aber trat die pneumonische, resp. 
pleuritisch-pneumonische Affection heftiger denn je 
auf. Eine ganz bedeutende Dyspnoe bestand Tag 
und Nacht. Schweisse brachten keine Erleichterung, 
unsere sonst bewährten Mittel, wie Phosphor, Bryonia, | 
Tartarus stibiat., Rhus, Acid. nitri (letztere angeblich 
besonders bei Pneumonieen der Greise gerühmt) 
prallte wirkungslos ab, wie Pfeile von einem Panzer¬ 
schiff. — Wenn ich nun das starke Fieber bedenke, 
den ungewöhnlich vollen, starken (synochalen) Puls 
bei einer an geistige Getränke gewöhnten Frau, so 
muss ich nachträglich die Frage aufwerfen: Sollte 
hier nicht ein Mittel ausnahmsweise gerechtfertigt 
erscheinen, welches in früheren Zeiten (und die 
Alten waren doch auch nicht auf den Kopf gefallen) 
unbedingt für indicirt gehalten wurde? Ich meine 
eine Venaesection. Wir wissen, dass Dr. Dyes in 
neuerer Zeit Bleichsüchtigen zur Ader Hess; die 
Folge war angenehmer Schlaf, kritische Transspira- 
tion, in Bälde Heilung. Dr. Dyes ging davon aus, 
dass nicht zu wenig, sondern zu viel und zu faser¬ 
stoffreiches Blut vorlag. Nun warum dürfte das 
Experiment in solchen desperaten, sonstigen Mitteln 
trotzenden Erkrankungen, wie die obige, nicht min¬ 
destens ebenso motivirt erscheinen? Man wird dabei 
trotzdem prinfcipieller Gegner vom Blutlassen sein 
und bleiben können, ohne zu wünschen, dass Broussais’ 
Zeiten wiederkehren, der lehrte: Das Oeffnen einer 
Vene eignet sich für sehr rasch sich ausbildende 
Entzündungen in parenchymatösen Organen, und: 
Eine Entzündung darf nicht erwartet werden. Man 
muss ihr Vorbeugen. Der alte Heim hat über 1000 
Aderlässe gemacht; sind sie alle überflüssig, keiner 
lebensrettend gewesen? Wir würden in den Fehler 
unserer Gegner verfallen, welche alle unsere oft 
durch mühsames Studium und Nachdenken erreichten 
homöopathischen Kuren stricte und ausnahmslos leug¬ 


nen, wenn wir obige Frage verneinen wollten. Wer 
solche Situationen am Krankenbett mit durchgemacht 
hat, wird mich verstehen. Notorisch besteht bei 
Vielen, selbst in hohem Alter eine grosse Toleranz 
für Blutverluste. Las man nicht kürzlich in den 
Tagesblättern eine frappirende Aeusserung, welche 
nach Fürst Bismarcks Aussage der alte Kaiser Wil¬ 
helm gethan haben sollte zu Gunsten unserer An¬ 
sicht? Derselbe habe scherzweise zu Bismarck gesagt: 
Der Attentäter NobiUng sei gescheiter gewesen als 
seine Aerzte, weil der ihm zugefügte Blutverlust 
schliesslich doch wohl zu seinem Besten gewesen 
sein müsse. Thatsächlich hat der alte verehrungs¬ 
würdige Herr noch viele Jahre nach dem scheuss- 
lichen Angriff auf sein Leben sich des besten Wohl¬ 
befindens erfreut. — 

Zufällig — Viele sagen, es giebt keinen Zufall — 
kommt mir die No. vom 4* Nov, d. J.,.der Allg. 
Med. L. Zeitung zu Gesicht, welche einen interessanten 
Artikel „Ueber die Ursache der Heilwirkung des 
Aderlasses bei Chlorose enthält. Dort wird zunächst 
auf Dietl’s bekanntes Experiment hingewiesen, der 
Pneumonieen mit und ohne Aderlass angeblich mit 
| demselben Erfolg behandelte. Auf Grund dieser 
Versuche wurde der Indicationskreis für den Ader¬ 
lass zum Segen der Menschheit wesentlich eingeengt 
und (ausser auf Apoplexie, Convexitätsmeningitis, 
Lungen-Hyperämie mit beginnendem acutem Odem 
bei kräftiger Herzaction nicht marastischer Kranken, 
Lungenblutung: bei kräftigen Personen mit hoch¬ 
gradiger Lungen-Hyperämie und starker Herzthätig- 
keit oder Stauungshyperämieen Herzkranker, wenn 
die Herzkraft nicht ausreicht, das Blut durch die 
Lungen zu treiben — und ausser auf Lungeninfarct 
und Endocarditis — Alles unter bestimmten, dort 
nachzusehenden Voraussetzungen) auf solche croupöse 
Pneumonieen beschränkt, bei denen Schmerz , Athem- 
noth und Beengung sehr hochgradig und die Unter¬ 
suchung eine starke Hyperämie der nicht erkrankten 
Lungenpartieen ergiebt. 

Nun, diese Bedingungen waren bei unserer 
80jährigen Greisin erfüllt, und wer weiss, ob die 
Vornahme einer früher für das grösste Mittel des 
antiphlogistischen Heilapparates gehaltene Venae¬ 
section sie nicht atri Leben erhalten hätte? Be¬ 
quemer ist esja, auf die Unfehlbarkeit einer Methode 
zu schwören und darauf los zu kuriren. 

Aus den Beobachtungen, welche Scholz bei 
echter Chlorose in Bezug auf den Aderlass gemacht 
hat, folgert der fragliche Artikel, dass eine relative 
Plethora anzunehmen sei, d.h. eine Flüssigkeitsmenge 
im Circulationsapparat, die im Verhältniss zur Ar¬ 
beitskraft des Herzens relativ zu gross ist, eine An- 
^ sicht, der man ohne Weiteres beipflichten darf.- 

Ganz anders urtheile ich aber über die so¬ 
genannten Reizmittel, durch die man „drohender 


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Herzlähmung“ oder auch Lähmung der Lunge ver¬ 
meintlich vorzubeugen sucht. Mitten in ein syno- 
chales Fieber hinein giebt man vielleicht nur, weil 
die Patienten hochbejahrt sind, die kräftigsten Weine, 
zwingt Eier, widerlich riechende concentrirte Fleisch¬ 
brühe, oft noch durch Zusatz von Fleischextracten 
künstlich verstärkt, auf und schont auch den Cham¬ 
pagner nicht. Da heisst es denn, die schon aufs 
Höchste angespannten natürlichen Heilbestrebungen 
vernichten durch Ueberreizung. Der zu straff ge¬ 
spannte Bogen bricht dabei entzwei. 

Zweier solcher verpfuschter Pneumonieen will 
ich hier noch gedenken. Beide betreffen eifrige 
Anhänger der Homöopathie. Wegen der grossen 
Entfernung konnte aber meinerseits in dem einen 
Fall nur ein , im anderen gar kein Besuch geschehen, 
und wurde die Behandlung unter Beibehaltung des 
betreffenden Hausarztes per Draht und brieflich ins 
Werk gesetzt. Eigenthümlich war die Einleitung 
der einen Erkrankung. Es hiess in dem am 20. April 
eingehenden Telegramm: „Cholerine heute vorüber, 
Gesammtbefinden ein wenig besser.“ Nun folgte erst 
ein Brief, aus dem ich ersah, dass Frau F. an In¬ 
fluenza gelitten, zu der sich unerwartet eine schwä¬ 
chende Cholerine gesellt hatte, welche auch die 
Prognose der sich anschliessenden Pneumonie sehr 
beeinflussen musste. Schon am 21. April hiess es: 
„Lungenentzündung zum Schlimmsten gestiegen. 
Grosse Engigkeit, kurzes Aus- und Einathmen, kein 
Blut im Auswurf, Herzlähmung zu befürchten.“ Auf 
dieses Telegramm hin depeschirte ich zurück: Arnica. 
Und der nächste Bericht lautete; „Arnica vorzüg¬ 
lich geholfen.“ Schon glaubte ich triumphiren zu 
können, aber der euphemistischen Beurtheilung der 
Arnica-Wirkung folgten die Worte: „Fieber noch 
stark. Schwäche gross,“ weshalb ich mich entschloss, 
ausser Arnica noch die alle Beachtung verdienenden 
Mittel Senega und China verabfolgen zu lassen. 
Das nächste Telegramm lautete; „Heute am 22. 
haben wir Ihre Verordnung vom 21. für die liebe 
Kranke ausgeführt, haben gegeben China, Arnica 
und Senega, so dass jedes alle 3 Stunden daran 
kam. Das Fieber zeigt immer noch 39 Urin 
braun, Bewusstsein kehrt heute etwas schneller aus 
dem Schlafzustande wieder. In der linken Brust¬ 
seite hinauf ein Stich, der ab und zu weh thut.“ 

Telegramm von der Nacht zum 22.: „Nacht ruhig, 
viel geschlafen. Puls früh 100, jetzt 116. Ther¬ 
mometer: 39,5. Schwäche noch gross, etwas Druck 
am Herzen. Ab und zu Stiche in der Lunge.“ — 

Am 23. meldet der Telegraph: Fieberhitze 40 
weniger 2 Striche (also 89,8) — Zunge dunkel¬ 
braun. Mehr Betäubung als Schlaf. Bedeutende 
Schwäche, ohne dass die Kranke bewusstlos wäre. 

Ich will den Leser nicht weiter ermüden mit den 
folgenden immer weniger Hoffnung auf Genesung 


gebenden Bulletins. — Den 25. April meldet man 
lakonisch: „Frau F. Nachts entschlafen.“ Dies der 
eine Fall, in welchem der starke Wein nicht allein 
nichts genützt, sondern nach meiner Auffassung 
mehr geschadet hat. Die hohe Temperatur sollte 
immer eine Contraindication sein, ebenso wie das 
Unbehagen, die steigende Hitze, über welche solche 
Kranke unter dem Einfluss der vermeintlichen Stär¬ 
kung zu klagen pflegen, noch mehr aber, wenn die 
von Fiebergluth gepeinigten Kranken sich hartnäckig 
gegen die erregenden Spirituosa, wie auch gegen 
die überconcentrirte Rinderbrühe sträuben. 

Dieselbe Erfahrung machte ich bei dem einige 
70 Jahre alten, von Pneumonie befallenen Herrn G. 
Hier erwies sich überdies Senega, welches zu meiner 
Genugthuung der sehr intelligente Hausarzt ver¬ 
ordnet hatte, ebenso wirkungslos, wie unsere oft 
über die Gebühr gerühmten Mittel, als Tartar, stib., 
Phosphor und die weiter oben in Anwendung ge¬ 
zogenen China, Senega und Arnica. Bei meinem 
einmaligen Besuch fand ich den liebenswürdigen, 
geduldigen Patienten nicht so schlecht, dass man 
unbedingt an einen schlechten Ausgang hätte glauben 
sollen. Er war ganz bei Besinnung, nur sehr fie¬ 
bernd, mehr trockene Hitze, die sich nach dem 
feurigen Portwein stets vermehrte, namentlich mun¬ 
dete ihm das zum Ueberfluss zugefügte Eigelb nicht. — 
Da die Erkrankung, wie schon oben angedeutet, 
lethal verlief, so bietet sie weiter kein Interesse, 
als dass sie eben einen Beitrag bildet zur Wider¬ 
legung des Vorurtheils, man könne in solchen Fällen 
durch kräftigende feste und flüssige Kost, nament¬ 
lich reizende aufregende Spirituosa die Lebens¬ 
gefahr abwenden. Bei vollem, frequentem Puls und 
hohen Wärmegraden des Körpers niemals! Hier 
schaden Reizmittel unberechenbar. 

Anmerkung des Redacteurs. Ehe der Kreis der 
unter solchen Umständen gebotenen homöopathischen 
Mittel noch nicht abgeschlossen ist (oft giebt eine 
interponirte Gabe Sulphur 30., oder auch Cuprum 
oder Opium einen entschiedenen Umschwung), würden 
wir die Venaesection nicht für zulässig halten, die 
übrigens auch Kafka in Bronchitis wie in Pneumo¬ 
nieen hei drohender Apoplexie, wo es sich um eine 
Indicatio vitalis handelte, anzuordnen für seine Pflicht 
hielt. 

Kurzer Bericht über eine Häufung von 
Halsaffectionen am hiesigen Orte in den 
letzten zwei Monaten. 

Von E. Sohlegel, prakt. Arzt in Tübingen. 

Am 19. Oktober d. J. Morgens wurde bei mir — 
wie auch bei den Herren Collegen — behördlich 
angefragt, wieviel Fälle von Diphtherie ich zur 


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7 


Zeit behandle, da das Gerücht von starker Ver¬ 
breitung dieser Krankheit sich öffentlich ausgespro¬ 
chen hatte. Ich antwortete der Wahrheit gemäss — 
wie auch der vor mir gefragte Dr. G. — mit „Null“. 
Der Krankenstand war bis dahin überhaupt gering 
und bot nichts Besonderes. Am gleichen Tage 
aber kamen noch mehrere Fälle in meine Behand¬ 
lung und es häuften sich Halsaffectionen unge¬ 
wöhnlich, sodass ein Bericht hierüber von epide¬ 
miologischem und pathologischem Interesse sein 
dürfte. Letzteres insofern, als sich auch diesmal 
herausstellte, dass zu Zeiten von Häufung dieser 
Anginen der pathologische Charakter der Einzel- 
fälle sich ganz verschieden gestaltet, wobei haupt¬ 
sächlich die individuelle Neigung der Befallenen 
massgebend ist, sodass also z. B. die zu Diphtherie 
erfahrungsgemäss Disponirten wieder Diphtherie be¬ 
kommen, die zu abscedirender Mandelentzündung 
Geneigten eine solche, die zu Angina follicularis 
Neigenden eben wieder diese Form. In derselben 
Familie sieht man zu gleicher Zeit diese verschie¬ 
denen Formen auftreten, man sieht sie auch — 
nach einem kurzen zweifelhaften Stadium, welches 
Diphtherie vortäuscht — in die ausgesprochene 
andere Form übergehen, für uns Homöopathen eine 
zusagende Erfahrung über den Werth der patho¬ 
logischen Formen und für die epidemiologische Auf¬ 
fassung der Krankheiten eine Ermunterung. In 
therapeutischer Hinsicht bieten aber meine Beobach¬ 
tungen nichts Erhebliches. Die Krankheitsfälle 
sind mit einer einzigen Ausnahme, die zum Tode 
führte, alle rasch und gut bei rein homöopathischer 
Behandlung, d. h. bei einer der Ausgestaltung des 
Einzelfalls in möglichster Aehnlichkeit entsprechen¬ 
den Mittelwahl, verlaufen. Die gebrauchten Mittel 
waren Apis, Belladonna, Mercurius solub., Merc. 
cyanatus, Hepar sulf., Pulsatilla, Nitri acidum, Thuja 
je nach Umständen. Einigen Fällen werde ich 
therapeutische Bemerkungen beifügen. — Es be¬ 
fänden sich unter den Erkrankungen auch eine 
ganze Anzahl von Laryngitiden, meist katarrha¬ 
lischen Charakters, auch entschieden croupöser Na¬ 
tur. Wie schon aus dem oben Gesagten hervor¬ 
geht, lege ich auf diese Unterscheidung ebenfalls 
keinen Werth; schliesslich fängt auch die böseste 
Kehlkopfdiphtherie mit den Erscheinungen katar¬ 
rhalisch entzündlicher Art an, und wenn es gelingt, 
sie in diesem Stadium festzuhalten und zur Rück¬ 
kehr zu zwingen, so ist sie eben einfach nicht 
weiter gekommen. Wo aber die Krankheitsneigung 
stark oder uncorrigirt nach der croupösen und diph- 
theritischen Form tendirt, da wird eine lebensgefähr- 
/ liehe Erkrankung daraus. 

1) Hermann B., 9 Jahre, erkrankt am 16. Okt. 
Diphtheritischer Belag an beiden Mandeln, 
am 19. schon in der Abstossung begriffen; 



5 ) 

6 ) 


7 ) 

S) 

9 ) 

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11 ) 


12 ) 


13) 

14) 


Krankheit erst bei meinem Besuche als Diph¬ 
therie erkannt, aber von der Mutter zweck¬ 
mässig homöopathisch behandelt. — Fieber 
war stark. Rasche Genesung. 

Töchterchen B., 10 J. alt, erkrankt am 18. 
Okt. Ziemlich ausgebreiteter Belag beider 
Mandeln. 

Frau B., 38 J. alt. Begann mit leichtem 
Belag, ging in Mandelabscess über, heilte 
nach Aufbruch. 

Söhnchen B., 4 J. Leichter diphtheritischer 
Belag; viel Ohrschmerz und Halsweh. Sehr 
anämisches Kind. Heilte rasch auf Rade- 
macher’s Eisentropfen. 

Frl. Sch., 18 J. Beiderseits leichte diphthe¬ 
rische Belage. 

Frau B., 30 J. Vor 3 Wochen mit enor¬ 
mem Blutverlust in der Nachgeburtsperiode 
geboren. Stillt trotzdem ihr Kind. Seit 
1. November Halsschmerz und beiderseits 
diphtheritischer Belag. Rasche Genesung. 
Anna St., 10 J. Starke, graugrüne Belage 
beiderseits, hohes Fieber, Rachenröllie. Nach 
4 Tagen Genesung. 

Luise H., 8 J. Sehr anämisches, erregtes 
Kind. Beiderseits rahmiger Belag. Krank¬ 
heitsdauer 8 Tage. 

Luise B., 12 J. Beiderseits leichte diphthe¬ 
rische Belage. Zuerst ambulatorisch behandelt, 
sodann ins Bett gebracht; Heilung inö Tagen. 
Pauline B., 15 J. (Schwester). Linksseitiger, 
nur linsengrosser Belag mit starken allgemei¬ 
nen und örtlichen Erscheinungen. Heilung 
rasch. 

Knabe Sch., 10 J. Am 7. Nov. übernommen. 
Seit 4 Tagen schwer erkrankt. Rachen- und 
Kehlkopfdiphtherie, Aphonie, mässige Stenose. 
Rachen und Zäpfchen stark belegt. Schon 
bedeutende reactive Röthung um die Belag¬ 
grenzen. Heilung in 4 Tagen, d. h. Herstel¬ 
lung bis zu Verschwinden der Diphtherie und 
jeder bedrohlichen Erscheinung. 

Johanna M. (dieselbe, über welche ich auch 
voriges Jahr in „Meine Hauspraxis“ berich¬ 
tete. Wieder an Diphtherie erkrankt seit 
9. November. Rachenröthe, rechts dunkler, 
mit leichtem, doch entschiedenem Belag. 
Krankheitsdauer 10 Tage. 

Ludwig B. Beiderseits ausgedehnter, doch 
dünnrahmiger Mandelbelag. 

Herr H. Abacedirendc Angina. Da Patient 
schon mehrere Nächte nicht geschlafen hat 
und ein sofort wirkendes starkes Mittel ver¬ 
langt, verordne ich ihm (aus seinem Geschäft) 
2 Tropfen conc. Salpetersäure in *| 4 L. Wasser 
zu nehmen, welcher Anordnung er mit bestem 


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Erfolg nachkommt. Starke Rachenröthe, leb- | 
hafte Schmerzen, Mnndgestank indiciren das I 
Mittel. 

15) Töchterchen H., 2 J. Folliculäre Angina. 

16) Anna Sch., 30 J. Beiderseits diphtheritische 

Membranen, bohnengross an Mandeln und 
Rachenrand. Krankheitsdauer 6 Tage. I 

17) Flaschnergeselle W., 18 J. Angina catarrha- 
lis mit lebhaften Beschwerden. 

18) Frau M., 70 J. Beiderseits Diphtherie der 
Mandeln über die ganze Fläche. Genesen 
binnen 6 Tagen. 

19) Verwaltungs-Beamter E., 24 J. Linksseitiger 
diphtheritischer Belag. Ambulatorisch. 

20) Töchterchen F., 10 J. Diphtheritischer Be¬ 
lag der rechten Mandel. Genesung in 3 Tagen. 

21) Conditor W. ? 34 J- Katarrhalische Angina, 
Schleimklumpen im Rachen; nachher Mandel- 
abscess. 

22) Frida B., 2 1 \ i J. Diphtherie beider Mandeln. 

23) Pauline B., 5 1 2 J. „ r „ 

sowie des Gnumensegelrandes und Zäpfchens, 
am 24. Nov. in Behandlung gekommen, am 
26. Nov. Morgens etwas heiser; dabei munter 
und Belag verringert. Rasch genesen. Die 
Kinder gehören einer armen Familie an, 
schlafen mit noch 3 Geschwistern in einer 
Stube. Keine weitere Erkrankung erfolgt. 

24) Sofie N., 17 J. Katarrhalische Angina mit 
Fieber und Schluckschmerzen. 

25—29) Laryngitis catarrhalis bei drei Knaben 
und einem Mädchen im Alter von 9—14 Jah¬ 
ren, in 5 verschiedenen Familien, alle in den 
Tagen vom 26.—28. November erkrankt mit 
Heiserkeit bis Aphonie, Schmerz im Kehlkopf, 
Crouphusten, doch ohne Stenose. Alle binnen 
4 Tagen genesen. Mit Aconit behandelt. 

30) Töchterchen W., 5 J. Diphtherie der linken 
Mandel. Massiger Belag. 

31) Friedrike Sch., 10 J. Erkrankte am 30. Nov. 
Abends. Benachrichtigt am 1. December, dass ; 
es das Kind im Hals habe, verordnete ich im | 
Drang der Arbeit Belladonna 30. Mein Be¬ 
such am 2. Morgens constatirte schweren 
Croup mit beträchtlicher Stenose. Rachen frei. 
Verordnung: Acon. In der folgenden Nacht 
werde ich Morgens *| 2 6 Uhr herausgeläutet, ] 
finde das Kind seit einer Stunde bewusstlos | 
mit Stenose und lautem Trachealrasseln, feuchte 
Haut, Cyanose, jagendem, kleinem Puls. So- | 
fort ein Bad bereitet, nachdem Carbo 30. auf 
die Zunge gegeben war. Noch ehe das [ 
warme Bad fertig, erwacht das Kind und 
spricht mit tonloser Stimme, verlangt zu trinken, 
bekommt etwas Wein und Wasser mit Auf¬ 
lösung von Cuprum; ins Bad werfe ich meinen 


Vorrath von Tartarus emet. 30. Ausserdem 
lasse ich sogleich in der Chirurg. Klinik an- 
fragen, ob man Patientin zur Tracheotomie 
bringen dürfe, was bewilligt wird. Das Bad 
bringt anscheinend Besserung; ich rathe ab¬ 
zuwarten, wenn selbe fortsch reitet, und gehe 
wieder nach Hause, erfahre aber Vormittags, 
dass das Kind bald nach dem Bade in er¬ 
neute Bewusstlosigkeit versunken und nach 
einer Stunde gestorben sei. 

Leider muss ich diesen bedauerlichen Ver¬ 
lust dem Umstande zuschreiben, dass ich selbst 
in diesen Tagen ernst erkrankt war und mich 
nur so herumschleppte, wobei gerade die 
höchsten Anforderungen durch Stadtpraxis und 
Sprechstunden an mich gestellt wurden Die 
Grippe hatte mich unter Fieber, Kopfschmer¬ 
zen und Brustkatarrh ergriffen. Der ge¬ 
wohnte Umstand keinerlei Vertretung am 
Platze zu haben, hielt mich in täglicher Ar¬ 
beit fest und gerade damals häuften sich auch 
Nachtbesuche, von denen ich keinen abge¬ 
schlagen habe. An dem betreffenden Mor¬ 
gen hatten wir 8° Kälte; trotzdem fühlte ich 
davon keinerlei verschlimmernden Einfluss auf 
meine eigene Krankheit; aber das energische 
Eingreifen bei dem Kinde kam jetzt zu spät; 
ich hätte am Tage vorher die Situation bes 
ser erfassen sollen. 

32) Lehrer Sch., 50 J., lässt mich in der Nacht 
des 3. December rufen wegen Erstickungs- 
noth. Patient ist pensionirt, wegen Schwer¬ 
hörigkeit, ist Trinker und hat riesige Struma. 
Beim Eintreten in seine Stube finde ich mich 
in dickem Rauch (mein eigener Hustenaus- 
wurf war am nächsten Tage ganz schwarz). 
Ich lasse schnell Thür und Fenster öffnen, 
bemerke aber, dass der Rauch dick zur Feue¬ 
rungsöffnung des Ofens herausströmt. Bei 
meiner Frage, ob die Ofenklappe geschlossen, 
zeigte sich, dass dies thatsächlich der Fall. 
Doch giebt Patient an, dass er schon Nach¬ 
mittags auf dem Spaziergang einen Er- 
stickungsanfall gehabt habe. Patient athmet 
schnell mit höchster Stenosegefahr, kann nur 
einzelne Worte herausbringen, erstickt schier 
im Husten. Aconit und Spongia in einem 
Glas Wasser gegeben, wird mit Mühe in 
kleinen Schlucken genommen, bringt aber so¬ 
fort Erleichterung. Am nächsten Tage ist 
Patient munter wie zuvor. 

33—42) Es folgen jetzt etwa 10 Fälle katarrhalische 
Angina mit starken Allgemeinerscheinungen, 
Geschwulst des Gaumensegels und insbeson¬ 
dere der Uvula, welche meist gedunsen und 
gekrümmt erscheint. In diesen Fällen, die 


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in der Woche vom 1.—8. December ver¬ 
laufen, nirgends Belag, aber bedeutende Hals- 
beschwerden. Inniger Zusammenhang mit der 
stark verbreiteten Influenza, sodass dieselbe, 
wenn auch vorwiegend die Zeichen des Brust- 
katarrhs bietend, doch auch häufig derartige 
Anginen als Theilerseheinung aufweist. Ein 
eigentliches Epidemicum zu finden ist mir 
nicht gelungen; Sabadilla hat diese Erschei¬ 
nungen in erwähnter Verbindung, doch konnte 
ich mich von einer vorzüglichen Heilwirkung 
derselben nicht überzeugen und es sind diese 
Fälle oft lästiger und langwieriger verlaufen, 
als manche Diphtheritis. 

48) Frl. Minna H., 17 J. Am 7. December er¬ 
krankt Linke Mandel zeigt oben dicken, 
linsengrossen Belag; rechts ist dünn ausge¬ 
breiteter Belag und am 2. Tag der Behand¬ 
lung ist das typische Bild einer folliculären 
Tonsillitis daraus geworden. Rascher, guter 
Verlauf. 

44) Andreas H., 2 J. Rahmiger, dünner Belag 
beider Mandeln; Heiserkeit. Rasche Gene¬ 
sung. 

45) Eugen B., 11 J. Am 9. December mit har¬ 
tem Husten erkrankt; in der Nacht Frost. 
Am 10. Nachmittags plötzliche Erstickungs- 
noth. Bei ruhigem Athmen Abends, wo ich 
Patient besuche, keine Beengung; dagegen 
bei Bewegung. Rachen frei. Kehlkopfschmerz, 
totale Heiserkeit. — Vorsichtig gemacht durch 
Fall 81 lasse ich dem an homöopathische 
Arzneireize stark gewöhnten Knaben Baun- 
scheidt’sclies Oel in die Vorderhalsgegend 
einreiben. Ausserdem gebe ich ihm etliche 
Korn Thuja, einer Ermahnung Wolfs (homöo¬ 
pathische Erfahrung) folgend, wonach dies 
Mittel in gewissen Influenzazuständen den 
sykotischen Grundcharakter des Uebels und 
damit dessen Widerstandsfähigkeit gegen die 
sonst besten Arzneien beseitigen soll. Sodann 
gab ich Acon. und Apis 80. abwechselnd 
alle 2 Stunden. Verlauf sehr gut, indem 
keine Erstickungsanfälle mehr auftraten und 
der Crouphusten sich nach einigen Tagen 
verlor. Der Vorderhals mit dem charakte¬ 
ristischen Ausschlag bedeckt. 

46) Carl M., 14 J. Angina catarrhalis. 

47) Rudolf S., 13 J. Drohender Croup; leichte 
Stenose. 

48) Paul S., 15 J. Angina catarrhalis. 

49) Max S., 11 J. 

50) Dienstmagd im gleichen Hause. Angina ca¬ 
tarrhalis. 

51) Luise K., 5 J. Vor 4 Tagen (am 19. De¬ 
cember) mit Erbrechen, häufiger Diarrhöe und 


viel Bauchschmerz erkrankt, auf Chamomilla 
gebessert; dann steigendes Fieber, seit gestern 
Scharlach; heute diphtheritischer Belag beider 
Mandeln. 

52) August W., 20 J., kommt heute, den 28. De¬ 
cember, in meine Sprechstunde, klagt Kopf¬ 
schmerz, Fieber, Halsweh. Beim Einblick in 
den Rachen zeigt sich dessen hintere und 
linke Wand im Winkel derart diphtheritisch 
erkrankt, dass daselbst eine aschgraue, völlig 
gangränöse Schleimhautstelle, nach oben 
breiter werdend, erscheint, die sich hinauf- 
wärts nicht bis zu ihrem Ende verfolgen lässt. 
Sie ist gegen das gesunde Gewebe scharf ab¬ 
gegrenzt, ein merkwürdiger Befund, der unter 
Umständen einen sehr ernsten Krankheitsfall 
einleiten dürfte und zeigt, wie hier der Krank¬ 
heitscharakter vom Anfang ab ein diphthe¬ 
ritisch mortificirender ist. Verordnung: Apis 
mit Merc. cyan. im Wechsel, 
ich schliesse diese Mittheilungen hier ab, be¬ 
merke aber noch, dass die diesmalige Influenza 
weniger Neigung aufzuweisen scheint, als die frühere, 
im Central- und peripheren Nervensystem sitzen zu 
bleiben (Psychosen, Neuralgieen). Sie neigt viel¬ 
mehr zu geweblichen Veränderungen greifbarerer 
Art; ausser den genannten sind es: Pneumonieen 
mit asthenischen, auch abortivem Verlauf, Brust¬ 
katarrhe mit Pleurareizung stärkerer Art, Blut¬ 
speien, Mittelohr-Entzündungen, Abortus. 

Tübingen, 23. December 1893. 


Hypodermatische 

Anwendung homöopathischer Mittet. 

Von Neuschäfer, pr. Arzt in Frankfurt a. M. 


Zur Zeit als das Koch’sche Tuberculin in allen 
öffentlichen Blättern besprochen wurde, machte ich 
mit unserem homöopathischen Specificum auch einen 
Inj ectionsv ersuch. 

Das Versuchsobject war ein Mädchen von 9 Jahren, 
welches 39 Pfd. wog und vom zweiten Jahre an 
scrophulös krank war, z. Z. einzelne Eiterflächen 
über den ganzen Körper vertheilt, von p. p. 
25 □ Centimeter, mit stinkender Jauchenabsonde¬ 
rung, hatte. Täglich musste dasselbe zweimal und 
auch Nachts noch einmal verbunden werden, um 
die brennenden Schmerzen zu mässigen. 

Ich injicirte Nachmittags eine Pravazspritze voll 
Thuja 3 Tropfen auf 100 Gr. Aqua destillata in 
den Rücken des Kindes. 

Anderen Morgen schon früh war ich zur Hand 
und erfuhr, dass das Kind die ganze Nacht ruhig 


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geschlafen' habe. Die Untersuchung ergab, dass 
sämmtliche über den Körper vertheilten Geschwüre 
über Nacht ganz trocken geworden waren. Das 
Kind befand sich überaus wohl. College Dr. Vil- 
lers, dem ich den Fall als Inserat für die Hörn. 
Zeitung zuschickte, scheute den weiten Weg nicht, 
um sich den Fall anzusehen und erklärte die Wir¬ 
kung der Injection als wahrhaft wunderbar. Leider 
war das Kind schon zu sehr heruntergekommen, 
es lebte trotz der wohlthätigen Wirkung der In¬ 
jection nur noch ein Jahr. 

Hiernach habe ich eine grosse Zahl scrophu- 
löser Augen kranker Kinder mit vorzüglich gün¬ 
stigem Erfolg hypodermatisch behandelt. 

Aber hiermit nicht zufrieden, injicirte ich bei 
erster Gelegenheit in einem Fall schwerster Diphthe- 
riti8 mit Kehlkopfscroup, wo das 12 Jahre alte 
Mädchen zu ersticken drohte, eine Temperatur von 
40 0 hatte und die Tracheotomie nur noch hilfreich 
erschien, die der Vater aber entschieden verwei¬ 
gerte, mit unserem Specificum gegen Diphtheritis — 
Mercurius cyanatus 30. Potenz eine Pravazspritze 
voll, etwa 3 Grm. zu 100 Aqua destillata, in den 
Rücken des Kindes. 

Das Kind hatte vor Mitternacht noch einen 
schweren Kampf nach Luft, nach Mitternacht kam 
aber ein ruhiger Schlaf, aus dem es sehr erleich¬ 
tert erwachte; des Morgens fand ich die Tempe¬ 
ratur auf 38° heruntergegangen und die Athmung 
ziemlich frei. Nach 8 Tagen ging das recht kräf¬ 
tige Kind in strenger Winterkälte schon wieder 
*/ 4 Meile weit zur Schule. Das war der erste 
Fall! 

An diesen reihen sich in meiner alten Heimath 
weitere 19 Fälle, ohne einen Sterbefall, während 
in der benachbarten Stadt 50°| o starben. 

Hier in Frankfurt habe ich bis jetzt 65 Fälle 
bei gleicher Behandlung mit nur 3 Sterbefallen. 

Der erste Sterbefall betraf ein sehr schwaches 
scrophulöses Kind ohne Widerstandsvermögen. 

Der zweite Fall war septische Bräune, wobei 
das Kind die Mutter ansteckte, welche nur mit 
Noth der Krankheit entrann. Der dritte Fall war: 
Am achten Tage, nachdem das Kind die Diphtherie 
glücklich durchgemacht, war es aufgestanden, hatte 
sich bei offenen Fenstern längere Zeit dem Luft¬ 
zug ausgesetzt, bekam infectiöse Nephritis und starb 
den 21. Tag an Herzschwäche. 

Hier in Frankfurt habe ich zur Injection die 
5. Potenz gewählt, welche gleich der 30. ihre 
Wirkung nicht versagt, nämlich neben ruhigem 
Schlaf, über Nacht die hohen Temperaturen von 
40 und mehr herabgesetzt hat bis auf 37. Dar¬ 
unter war ein Fall mit 42 T. und Croup, der gut 
geheilt wurde. 

Zur Unterstützung der Injection lasse ich den 


Merc. cyanatus innerlich in gleicher Potenz, mit 
Kaliutri chloratum VI. im Wechsel zweistündlich drei 
Tropfen nehmen. Diese Medication wird fortge¬ 
setzt und die Kinder lassen sich selten-über 8 Tage 
im Bette und Zimmer halten, stehen auf und er¬ 
scheinen bei gutem Wetter im Freien. 

Tritt erhöhtes Fieber äuf und will der Belag 
nicht weichen oder wird der Kehlkopf mitergriffen, 
so ist eine zweite Injection am Platze, die Besse¬ 
rung herbeiführt, der auch eine dritte in schweren 
Fällen folgen darf.. 

In sehr schweren Fällen, die bei meiner Be¬ 
handlung sehr selten Vorkommen, mit Ergriffensein 
des Kehlkopfs, unterstütze ich die Injection und 
die intern verabreichten Mittel, denen man als drittes 
Mittel frischbereitetes Bromium HI. (1:1000)und auch 
noch als viertes Mittel Kalium fluorieum Schüssler 
zusetzen kann, welche dann abwechselnd 1 / 2 - bis 
J | 4 stündlich gegeben werden dürfen, durch den uns 
bekannten, sehr hoch anzuschlagenden Apparat der 
Hydropathie, als da ist: Man legt fest ausgerungene, 
nasskalte Tücher um Hals und Unterleib des Kranken, 
ebenso zieht man nasskalte, baumwollene Strümpfe 
über die Füsse desselben. Die kalten Wickel resp. 
Strümpfe werden dann mit trocknen Tüchern resp. 
Strümpfen bedeckt und das Verfahren wird, je nach¬ 
dem die Temperatur-Verhältnisse bestehen, zwei¬ 
stündlich oder häufiger, so lange wiederholt, bis die 
Krankheit gebrochen ist. Hier ist, wie oben ge¬ 
sagt, eine Wiederholung der Injection erforderlich. 

Mit diesem Hülfsapparate nebst der Anwendung 
der hydrotherapeutischem Massnahmen habe ich in 
Homburg v. d. H. ein vom dortigen Arzt aufge¬ 
gebenes Kind, bei dem eine Stenose hohen Grades 
bestand, (das hydroth. Hülfsmittel wurde Tag und 
Nacht fortgesetzt) innerhalb 6 Tagen glücklich her¬ 
gestellt. 

Die Diät sei einfach. Reichlicher Milchgenuss 
ist anzurathen, nebenher einfache schleimige Suppen. 

Fleischbrühe, Wein und Mineralwasser lasse ich 
meiden. Erstere beiden nur bei längerer Dauer 
der Krankheit und hierdurch eingetretener Schwäche 
angewandt. Kalte Waschungen sind nach Verlassen 
des Bettes sehr zu empfehlen. 

Anmerkung der Redaction. Der Versuch 
des Collegen Neuschäfer, homöopathische, potenzirte 
Mittel subcutan anzuwenden, scheint uns beachtens- 
werth. Der Erfolg in dem Thuja-Fall ist schlagend. 
Weniger reine Experimente sind die bei Diphthe¬ 
ritis vorgenommenen subcutanen Injectionen von 
Mercur. cyanatus, da dasselbe Mittel auch innerlich, 
ja theilweise im Wechsel mit zwei, selbst drei an¬ 
dern homöopathischen Mitteln gebraucht wurde (was 
der Hahnemann’schen Regel zuwiderläuft) und noch 
überdies die Einwirkung der Hydrotherapie hinzu¬ 
kommt. 


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Damit wollen wir jedoch die Glaubwürdigkeit 
der erzielten guten Heilerfolge in keiner Weise 
antasten. 


Ein Fall von Gesichtsschmerz. 

Eine 34jährige Frau, blond, schlank, von fri¬ 
scher Gesichtsfarbe und lebhaft-beweglichen Tem¬ 
peraments, die, als Gastwirthin, häufigem Tempe¬ 
raturwechsel ausgesetzt ist, indem sie aus der Küche 
vom Feuer weg oder aus der heissen Gaststube 
plötzlich in die kalte Luft oder in den Keller 
muss, hat schon wiederholt an Zahn- und Gesichts¬ 
schmerzen gelitten. Sie hat sich auch schon einen 
Zahn, der besonders schmerzhaft war, ziehen lassen, 
der sich dann aber als gesund erwies. Seit vier¬ 
zehn Tagen ist sie wieder von ihrem Uebel be¬ 
fallen. Die Schmerzen kamen plötzlich, sind bei 
Nacht besonders heftig, verschwanden dann aber 
wieder stunden-, ja tagelang. In den letzten | 
Tagen haben sie ihren Charakter verändert. Früher 
in der rechten, treten sie jetzt in der linken Ge¬ 
sichtshälfte auf. Der Kopf ist dabei stark ergriffen. 
Es ist ihr, als ob eine schwere Last auf den Ober¬ 
kopf drückte, welche das Gehirn herunter und aus¬ 
einander treiben will. Sie fühlt im linken Schläfen¬ 
bein einen stechenden Schmerz, der sich von da j 
heftig zuckend durch das linke Ohr, die linke 
Wange hinunter bis in die Oberlippe hinzieht. Bis¬ 
weilen fahrt er wie ein Schuss durch den Kopf. 
Die linke Hälfte der oberen Zähne und das Zahn¬ 
fleisch, welches geröthet erscheint, thun weh; es 
reisst und sticht darin. Der Mund ist trocken, wie 
auch der Hals, und doch läuft ihr, wenn der Schmerz 
besonders heftig wüthet, ein dünner, wässeriger, 
nicht riechender Speichel in grosser, unaufhörlicher 
Menge, wie beim wahren Speichelfluss, aus dem 
Munde. Das Kauen vermehrt die Schmerzen, wes¬ 
halb sie feste Speisen ganz vermied und nur Flüs¬ 
siges zu sich nahm. Zu den obigen Symptomen 
ein krampfhaft zusammenziehender Schmerz im 
Epigastrium, der sich die Brust hinauf, diese zu¬ 
sammendrückend und beklemmend, erstreckte. Die 
sonst kräftige Frau war durch die heftigen Schmer¬ 
zen, die ihr den Nachtschlaf geraubt, in eine solche 
Hyperaesthesie gerathen, dass ihr das kleinste Ge¬ 
räusch beschwerlich fiel, weshalb ihre Kinder be¬ 
reits aus ihrem Schlafzimmer entfernt worden waren. 
Sie verlangte die vollständigste Buhe und Stille, 
lag selbst, wenn auch stöhnend und jammernd, ver¬ 
zweifelt, still im Bette. Einhüllung des Kopfes, 
des Gesichtes, überhaupt Wärme, that ihr wohler 
als Kälte. — So fand ich sie. Dabei klagte sie, 
dass auf der Höhe der Schmerzen, welche aber 
keine Intermission machten, sondern nur hier und 


da ab- Und Zunahmen, ein Kälteschauer sie durch¬ 
fahre. Sie sah sonst rothwangig, jetzt blass aus, 
war mehr kühl als heiss beim Befühlen. An den 
schmerzhaften Stellen liess sie keine Berührung zu; 
schon die Annäherung meiner Hand litt sie nicht 
gern. 

Was ihre sonstigen Functionen betraf, so war 
der Stuhl bisher normal gewesen. Die Menstrua¬ 
tion, früher regelmässig aller vier Wochen, kam in 
den letzten Monaten ungeordnet, in drei, ja in zwei 
Wochen wiederkehrend, fünf Tage anhaltend, aber 
von geringer Quantität, ohne besondere Beschwer¬ 
den. Sie hat drei Kinder geboren, beim letzten 
war die Placenta angewachsen und künstlich ent¬ 
fernt worden. Vor einem halben Jahre hatte sie 
tief unten im Unterleibe, wahrscheinlich vom Uterus 
ausgehende, herabdrängende Schmerzen gehabt, die 
sich bei Bewegungen vermehrten und von Urin¬ 
drängen begleitet waren, wobei der Urin dunkel¬ 
braun gewesen und ein oder zwei Mal griesartige 
Körnchen abgingen. Der Schmerz hatte sich vom 
Unterleibe in die linke Inquinalgegend verbreitet 
und als sie auf die letztere warme Umschläge 
machte, fiel es ihr auf, dass die Haut die Hitze 
derselben gar nicht empfand. Diese Anaesthesie 
bestand auch gegenwärtig noch, während die an¬ 
deren Beschwerden aufgehört hatten, wenn auch in 
geringerem Grade. 

Patientin hat bereits Mancherlei gebraucht, Ein¬ 
reibungen, Kopfdampf ä la Kneipp; auch hat ihr 
ein homöopathisirender Laien-Praktiker vielerlei 
Mittel in schnellem Wechsel gegeben, (zuletzt 
Glonoin und Silicea) und hierdurch die gereizten 
Nerven erst recht in Uebererregung versetzt. 

Diagnose. Eine Neuralgie verschiedener sen¬ 
sibler Fasern des N. trigeminus ist in diesem Falle 
unverkennbar, wenn auch der regelmässige Typus 
fehlte. (Beim Ramus infraorbitalis ist dies sogar 
die gewöhnliche Art.) Da, wie die Krankenge¬ 
schichte ergiebt, die Kranke trotz ihres sonst 
blühenden Aussehens und robusten, thatkräftigen 
Wesens, ausgesprochene Zeichen von Hysterie, sei 
es, dass diese vom Uterus oder von dem linken 
Ovarium ausgehen, an sich trägt, so wird uns der 
weitausgedehnte Reflex oder, wie man früher sagte, 
der Consensus der hier obwaltenden krankhaften 
Erscheinungen erklärlich. Es ist sogar möglich, 
dass die Trigeminus-Neuralgie nicht als primäre, 
sondern als Reflexerscheinung von der Affection der 
Genitalorgane her aufzufassen sei. 

Therapie . Das klinische Krankheitsbild in der 
Gesammtheit seiner objectiven wie subjectiven Er¬ 
scheinungen (bei derartigen Neuralgieen walten na- 
turgemäss die letzteren vor), die Oertlichkeit der 
Zeichen, sowie die begleitenden Umstände (Tages¬ 
zeit, Verschlimmerung und Besserung), die hysteri- 


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12 


sehe Hyperaeslhesie mit dem Verlangen nach Ruhe, 
AUes dies wies auf eins unserer grossen Polychreste, 
auf BeUadonna hin. - Ich verschrieb der Patientin 
Atropin 3. Dil., wovon sie alle 3 Stunden je 
2 Tropfen in 1 Löffel Wasser zu nehmen hatte. 
Es war gegen Abend am 18. October v. J., als 
sie einzunehmen begann. Sie bekam hiernach Ruhe 
von ihren Schmerzen, so dass sie 2 Stunden 
schlafen konnte. 

Dann kehrten sie aber wieder und hielten, wenn 
auch massiger, bis gegen 2 Uhr Morgens an, wo¬ 
rauf wieder Schlaf, wenn auch mit öfterem Auf¬ 
zucken, erfolgte. 

Morgens am 19./10. fand ich sie frischer und 
wohlgemuther. Sie trank ihre Milch mit Appetit. — 
Der in der Nacht gelassene Urin war dunkelgelb, 
hatte Brennen in der Urethra gemacht. — Ich liess 
6 Tropfen des Mittels in einem Glase Wasser lösen, 
wovon Patientin alle 3 Stunden 1 Theelöffel er¬ 
hielt. — Der Tag verlief gut unter stundenweisem 
Schlaf. Die Nacht vom 19. bis 20. war dies weniger. 
Sie hatte Hitze im Kopfe, klagte über Nacken¬ 
schmerz, das Oberkiefergelenk war empfindlich. Sie 
hatte weder Stuhl noch Urin entleert; als ich sie 
aber dringend dazu aufforderte, liess sie eine, wenn 
auch geringe Menge sehr dunklen Harns, der aber 
kein Brennen mehr verursachte. 

Die Wangen zeigten indessen wieder ein fri¬ 
sches Colorit. Der Appetit war erwacht, den sie 
aber aus Furcht vor Wiederkehr der Schmerzen 
nur mit Milch zu stillen wagte. Der Kopf war 
frei. — Jetzt Saccharum lactis. Die Besserung 
schritt stetig vorwärts. Die Cardialgie, der Speichel¬ 
fluss hatten mit der Neuralgie aufgehört. Sie ar¬ 
beitete wieder und blieb gesund. 

Warum Atropin und nicht Belladonna? möchte 
vielleicht Mancher fragen. Darauf erwidern wir, 
dass wir bei neuralgischen Schmerzen, die ohne 
congestive Erscheinungen (Hyperaemie, Röthe, An¬ 
schwellungen), ohne Fieber einhergehen, das Alka¬ 
loid von durchgreifender, prompterer Wirkung ge¬ 
funden haben, als die Stammpflanze. 

Dass Alter und Erfahrung nicht vor — Fehlern 
schützt, zeigte mir dieser Fall darin, dass ich die 
Dosis des Mittels zu stark gegeben und auch zu 
oft wiederholt habe. Die Kopfhitze und der Nacken- 
und Kiefernschmerz deuten auf eine überschüssige 
und daher überflüssige Wirkung der zu stark ge¬ 
griffenen Gabe hin. Zu meiner Vertheidigung habe 
ich doch Etwas auf Lager. Ich habe nämlich öfters 
beobachtet, dass hochpotenzirte Mittel bei nervösen 
Affectionen, wenn die Nerven durch falsch ge¬ 
wählte, schnell gewechselte, selbst in höheren Po¬ 
tenzen gegebene homöopathische Mittel in Ueber- 
erregung versetzt worden sind, nicht gut thun. Es 
zeigen sich Oscillationen danach, die zu keinem 


Heilerfolge kommen, der mit demselben Mittel in 
niederer Potenz weit eher zu erreichen ist. Viel¬ 
leicht haben wir eine Analogie hierzu in der Thäfr- 
sache, dass der neuralgische Schmerz durch leise 
Berührung erhöht, durch starken Druck aber be¬ 
schwichtigt werden kann. 

Wie steht die Erscheinung des Speichelflusses 
zu Belladonna oder Atropin? Von Seiten der 
herrschenden Schule hat man durch ziemlich massive 
Gaben von Atropin die Speichelabsonderung unter¬ 
drückt, wie man solches auch beim Thierexperiment 
beobachtet hat; man hat dem Atropin eine läh¬ 
mende Wirkung auf die nervösen Hemmungsappa¬ 
rate überhaupt zugeschrieben und so auch die nach 
Atropin eintretende aufgehobene Speichelabsonde¬ 
rung durch Lähmung der zu den Speichel abson¬ 
dernden Drüsen gehenden, sie regulirenden Hem¬ 
mungsnervenfasern erklärt. — Was ergaben die 
homöopathischen Prüfungen ? Hahnemann beobach¬ 
tete von Belladonna: Grosse Trockenheitsempfindung 
im Munde, dennoch ist Mund und Zunge feucht 
anzusehen, schleimiger Mund, besonders früh beim 
Erwachen; zäher Schleim, meist bei Gefühl von 
Trockenheit im Munde. — Die Mündung der 
Speicheldrüsen ist angefressen. — Speichelfluss. — 
Auch Böcker beobachtete bei einer Gabe von Belladonna 
1 (einige Tropfen der Tinctur Tags über) bei Anfangs 
von 2—3 in der Minute verzögertem Pulse eine 
vermehrte Schleimabsonderung der Schlingwerk¬ 
zeuge, beim Fortgebrauche des Mittels dagegen 
entstand Injection, Entzündung und Anschwellung 
dieser Theile mit einer Pulsbeschleunigung um 
4—5 Schläge in der Minute. Damit wird dann 
wohl auch die Speichelabsonderung abnehmen, aber 
nothwendig ist dies nicht, das sehen wir bei der 
Mercur-Tonsillitis. — Auch beim Tabakrauchen 
finden wir Trockenheit der Schlingorgane gleich¬ 
zeitig mit vermehrter Speichelabsonderung. — So 
viel geht aber aus diesen Beobachtungen hervor, 
dass eher eine vermehrte, als eine verminderte 
Schleim- oder Speichelabsonderung zu den ersten 
Wirkungen der Belladonna gehört, also eine an¬ 
fängliche Reizung der Drüsen im Munde statthat, 
auf welche dann erst die gehemmte Absonderung 
erfolgt. Wenn also unter der Einwirkung dieses 
Mittels ein Speichelfluss aufhört, so ist das eine 
Heilwirkung nach dem S. S. C., keine gewaltsame 
Suppression. 

Wie bei Kindern, so habe ich auch bei Er¬ 
wachsenen, wie auch in diesem Falle, die Beob¬ 
achtung häufig machen können, dass sie aus 
Schwäche des Körpers und Geistes, des Willens, 
das Uriniren (oder auch die Stuhlentleerung) unter¬ 
lassen. Als junger Praktiker kann man leicht unter 
solchen Umständen an eine suppressio urinae aus 
tieferen Ursachen zu denken verleitet werden. 


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Hfer ist dann feine Suggestion auf den Willens¬ 
schwächen Kranken am Platte; hei ganz kleinen 
Kindern kommt die Wärterin schon durch einen 
dem plätschernden Geräusch, der das Uriniren ver¬ 
anlasst, nachgeahmten onomatopoetischen Klanglaut 
(wie Pisch-Pisch) zum Zweck; bei Erwachsenen 
führt eine energische, dringende Aufforderung zum 
Ziel. Der Arzt muss darauf bestehen, dass das 
Geschäft geschieht, so lange er da ist; ist er wie¬ 
der fortgegangen, so unterbleibt es leicht. — Wir 
haben in unserer Literatur eine Anzahl wohlge¬ 
lungener Heilungen von Hemicranieen und Neural- 
gieen, zumal des N. trigeminus mittels Atropin. 
Man findet diese in Edwin M. Haies „neuen ame¬ 
rikanischen Heilmitteln“, bearbeitet von Dr. Oehme, 
zweckmässig zusammengestellt. Dr. Mossa. 


Die diuretische Wirkung von Apocynum 
cannabinum. 

Dr. Arthur Clifton giebt aus einer 15jährigen 
Erfahrung mit diesem Mittel, das er in einem 
Dutzend von Fällen von Ascites oder Anasarca, meist 
bei Patienten über fünfzig Jahre alt, gebraucht hat, 
in dem HomoeopathicalRecorder 1893 No. 3 Bericht. 

In einem Drittel der Fälle, bei denen die Wasser¬ 
sucht abhängig oder verursacht war durch Herz¬ 
oder Nierenleiden, zu denen eine consecutive Leber¬ 
erkrankung sich hinzugesellt hatte, that das Mittel 
wenig, wenn überhaupt etwas Gutes, d. h. hob die 
Wassersucht nicht auf. 

In den andern zwei Dritteln war passive Con- 
gestion und Vergrösserung der Leber die primäre 
Ursache des Ascites und führte zu Herzerweiterung 
und Unthätigkeit der Nieren — der Urin enthielt 
zwar geringe Mengen von Eiweiss, hatte aber nicht 
die Zeichen eines ausgesprochenen Morbus Brightii. 
Bei solchen Kranken erwies sich Apocynum hilf¬ 
reich, indem es die Nierensecretion anregte, so dass 
in 24 Stunden zwei Quart Urin entleert wurden, 
womit der Hydrops schwand. 

Wie Lebervergrösserung, so zeigte sich oft mehr 
oder wenig Gelbsucht mit blassen Stühlen, welche 
hn Ganzen mehr weich als verhärtet waren; der 
Ham war spärlich, hochgefärbt und reich an harn¬ 
sauren Salzen. 

Obwohl die Nieren so entschieden überreizt 
wurden, so hat Dr. Clifton beim Aussetzen des 
Mittels doch niemals den gegentheiligen Zustand 
beobachtet. Er gab es in einem concentrirten 
Decoct, alle 4 Stunden eine Portion von 3—10 
Gramm. Von der Tinctur, die er zu 5—10 Tropfen 
pro dosi gegeben, hat er keinen Erfolg gehabt. 


Dr. Alexander aus Plymouth berichtet, 4^88 er 
das Mittel seit Jahren mit dem besten Erfolge in 
Fällen von Oedema pedum, sowie bei Ascites In¬ 
folge von Herzschwäche gebraucht habe* Er tbeilt 
die diesfallsigen Patienten in 2 Klassen: 1. solche 
mit Klappenfehlern; bei diesen zeigte sich die gute 
Wirkung durch merklich gebesserte Diurese, Doch 
war die Besserung nicht immer von langer Dauer; 
es trat je nach der Schwere des Herzfehlers früher 
oder später ein Recidiv ein. 

2. Personen mit beginnender Herzerweiterung 
in Folge von geschwächter Thätigkeit des Muskels 
oder etwa von Fettablagerung. Hier waren die 
Erfolge dauernder. Er meint, die Drogue habe 
eine specifische Wirkung auf die Herzmuskulatur, 
und, wenn diese auch nicht entschieden eine ho¬ 
möopathische ist, so hält er es doch für ein sehr 
brauchbares und zuverlässiges Mittel in solchen 
Fällen. Auch er sah das Infus wirksamer als die 
Tinctur. 

Das Apocynum cannabinum ist bei uns wenig 
in Gebrauch, desto mehr in. Amerika, seiner Hei- 
math, wo es auch indian hemp, indianischer Hanf 
(nicht zu verwechseln mit dem indischen Hanf, 
cannabis indica!) genannt wird. Besonders ist die 
Wurzel wirksam, deren sich die Indianer Nord- 
Amerikas schon lange gegen alle Arten von An¬ 
schoppungen bedienen. Als das wirksame Princip 
hat man das Apocynin, einen widrigriechenden, 
sehr bitteren, rothbraunen, brüchigen, zerfliesslichen 
Stoff festgestellt. 

Die pulverisirte Wurzel bewirkt in Gaben von 
15—20 Gran Ekel und wiederholtes Erbrechen, 
danach reichliche, erst kothige, später wässerige 
Darmentleerungen, welche beim fortgesetzten Ge¬ 
brauche des Mittels anhalten. Zu gleicher Zeit be¬ 
deckt sich die Haut mit Schweiss, in vielen Fällen 
findet ausserdem reichliche Harnabsonderung statt, 
sicherer auf die Abkochung der Wurzel, während 
dabei das Erbrechen zurücktritt. 1—2 Gran mach¬ 
ten den Puls langsamer , und erleichterten den 
Schleimauswurf aus den Bronchieen. 

Farrington giebt in seiner Klinischen Arznei¬ 
mittellehre Indicationen für die hom. Anwendung 
dieses Mittels. Er sagt, wenn indicirt, verlange Ap. 
can. folgende Symptome: Verwirrung und Schwere 
im Kopfe, Schläfrigkeit und Schwäche oder ge¬ 
störten, unruhigen Schlaf. Die Functionen sind 
träge: Puls langsam. Die Därme verstopft, wenn 
auch die Faeces nicht hart sind (und doch macht 
das Mittel so leicht dünne, wässerige Stühle. Ref.). 
Die Nieren träge, der Harnabgang copiös (wie reimt 
sich das?), ja fast unwillkürlich wegen Erschlaffung 
der Sphincteren. - Nase und Hals mit dickem, 
gelbem Schleim erfüllt beim Erwachen; Druckge¬ 
fühl in Herzgrube und Brust, kann kaum Athem 


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schöpfen zum Sprechen, selbst nach ganz leichten 
Mahlzeiten. Der Eiranke hat ein Gefühl von 
Oppression auf der Brust; er muss häufige, tiefe 
Athemzüge thun. Der Puls ist unregelmässig, in- 
termittirend und zuweilen schwach, dann langsam. 
Das Herz schlägt regelmässig, dann flattert es und 
wird schwach, dann langsamer und mühsam, dann 
und wann setzt ein Schlag aus. 

Farrington hat ein wichtiges, von Bane sehr be¬ 
tontes Symptom weggelassen, die übermässige Reiz¬ 
barkeit, Hyperaesthesie, des Magens, die so gross 
ist, dass selbst ein Schluck kalten Wassers wieder 
erbrochen wird. Dann spricht er von Torpidität 
der Nieren mit gleichzeitigem, starkem Harnab¬ 
gänge — ein Zustand, der wohl selten vorkommt. 
Bane erwähnt bei Hydrothorax, der für Apocyn. 
passe, suppressio urinae; bei hydrops ascites einen 
trüben Urin, nebst Diarrhoe, Gedunsenheit des Ge¬ 
sichtes nach dem Niederlegeu, welche nach dem 
Aufsitzen vergeht. Für Hydrocephalus acutus giebt 
er folgende Zeichen, die mir aber et usu in morbis 
entnommen zu sein scheinen: Der Kopf ist gross, 
das Stirnbein hervorgewölbt, die Fontanellen weit 
offen; das Sehvermögen auf einem Auge ist voll¬ 
kommen verloren, auf dem anderen noch Empfind¬ 
lichkeit gegen Licht. — Stupor — beständige un¬ 
willkürliche Bewegungen eines Beines oder eines 
Armes — Convulsionen auf der rechten, Lähmung 
auf der linken Seite — Kälte der Haut — Gesicht 
blass, trotz des Sopors gieriges Trinken des dar¬ 
gebotenen Wassers — Greisenantlitz — Unwillkür¬ 
liche, dünne, grünliche Stühle. Der cri hydro- 
cephalique fehlt (bei Apis deutlich ausgesprochen). 

Zur Erläuterung und Ergänzung der Anfangs 
mitgetheilten, allgemeinen Bemerkungen wollen wir 
noch einige besondere Fälle wiedergeben. 

Ein Mädchen, das seit 8 Monaten an Hydrops, 
wahrscheinlich infolge einer Herzkrankheit, allopa¬ 
thisch ohne Erfolg behandelt war, bot folgendes 
Krankheitsbild dar: Athem sehr erschwert, Rücken¬ 
lage unmöglich, Wassersucht der Unterglieder und 
Bauchdecken; trockne Zunge, unmässiger Durst, 
sparsamer Harn, Percussionston dumpf, Respirations- 
geräusch im unteren Theile der Brust unhörbar. — 
Patientin erhielt von Tinct. Apocyni cannab. 2—5 
Tropfen in Wasser, dreistündlich ITheelöffel. — Nach 
4 Wochen völlige Heilung. Hirsch. N. G. 2. 174. Die 
klinische Diagnose sowohl als die Mitteldiagnose ist 
hier schwach bestellt, aber der Erfolg gut. 

Ein 64jähriger Mann, der mehrere Monate er¬ 
folglos an Hydrops, infolge organischer Herzkrank¬ 
heit, litt und bisher erfolglos behandelt worden war, 
zeigte hochgradige Athemnoth, Orthopnoe , muss im 
Bitzen von Anderen unterstützt werden. Der Magen 
ist in so gereiztem Zustande, dass kein Schluck 
halten Wassers hei ihm bleibt . Aengstlicher Ge¬ 


sichtsausdruck, Unterleib aufgetrieben. — Harn 
gänzlich unterdrückt. — Bedeutendes Oedem. Apo¬ 
cyn. wie oben. , Heilung in 14 Tagen. 

Ein 62 jähriger Mann bekam nach Typhus 
Bauch- und Hautwassersucht; der Unterleib sehr 
ausgedehnt und schmerzhaft. Puls schwach, un¬ 
regelmässig; Haut trocken, sich abschälend. Harn 
hochroth, spärlich; Harnen schmerzhaft; Athmen 
sehr erschwert. Apoc. heilte. 

Ein 8jähriger Knabe hatte nach Scharlach 
Brust- und Hautwassersucht; das Gesicht sehr ge¬ 
schwollen, ebenso Hals, Brust, Glieder; er schnappt 
nach Athem, kann kein Wort sprechen, nur durch 
Zeichen antworten. Sensorium ungestört. — Apoc. 
wie oben. Heilung. 

Ferner wurden zwei Fälle von Bauchwasser¬ 
sucht nach Cessatio mensium mit Blutandrang nach 
Leber und Pfortaderstockungen durch dasselbe Mittel 
in gleicher Weise geheilt. Dr. MOBSa. 


Characteristische Symptome. 

IgnaJda: Er sieht beim Lesen die Wörter, ohne 
ihnen aber einen Sinn beilegen zu können. 

Glonoin: Empfindung, als ob Flüssigkeiten durch 
die sinus longitudinales gespritzt würden, der Druck 
wird so stark, dass er Angst, Schweiss und Gesichts- 
röthe bewirkt; Druck von der Stirn nach dem 
Scheitel. 

Gefühl, wie wenn Wasser im Gehirn wäre: 
Acon., Bell., Digit., Helleborus, Hyoscy., Mercur., 
Stram. 

Gefühl, wie siedendes Wasser im Gehirn: Acon., 
Indigo. 

Gefühl, als ob Flüssigkeiten den Schädel auf 
und nieder wogten: Opium. 

Gefühl, als ob eine Flüssigkeit stossweise in ein 
kleines Blutgefäss hineingetrieben würde mit wüthen- 
dem Schmerz vom rechten Auge zum Schläfenbein 
oder einem anderen Körpertheil: Coecus cacti. 

Schwindel beim Schliessen der Augen, aufhörend 
beim Oeffnen derselben: Thuja. 

Schwindel nur beim Uriniren: Hyperic. 

Schwindel, wobei sich Alles im Kreise dreht: 
Sabadüla. 

Schwindel in der Luft: Merc. jod. flav. 

Schwindel, als ob man sich im Kreise drehte: 
Arg. niiri. 

Schwindel erfasst das Kind, wenn die Wärterin 
es herumträgt; es hält sich an diese, aus Furcht 
zu fallen: Geisern. Das Kind klammert sich an die 
Wärterin, wenn es in’s Bett niedergelassen wird — 
Borax. 


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Gefühl 'von einem Bälle in inneren Theilen: 
lgnalla. 

'Gefühl von einem Balle in der Blase: Lachem. 

Gefühl, als ob ein Theil bersten wollte: Ramme . 
‘bulb 08 H 8 . 

Gefühl einer enganliegenden Hand um Kopf und 
Stirn, als ob der Hut zu enge wäre; er muss ihn 
oft abnehmen, aber das bessert nicht: Sassaparilla. 
Er muss den Kopf reiben: Ver. alb. 

Kopfweb beginnt Morgens, bald nach dem Auf¬ 
stehen, in der Stirn, besser vom Daraufdrücken mit 
der Hand: Cinnabarvt. 

Kopfweh an einer kleinen Stelle über dem rechten 
Auge, diese wird roth und schmerzhaft, besser von 
Druck: Sanguin. 

Kopfweb, schlimmer vom Ticktack der Uhr, 
Geräusch, Bewegung, geht bis zum Augapfel, das 
Kopfkissen kommt ihm hart wie ein Stein vor — 
Amica. 

Kopfweh in der Stirn mit dem Gefühl, als ob 
ein kalter Wind darauf bliese: Laurocerasus. 

Kopfweh, besser nach starkem Urinabgang: Geisern. 

Kopfweh im Winter, Diarrhoe im Sommer: Aloe. 

Kopfweh linkerseits, mit blassem Gesicht auf 
dieser Seite, Hals und Brust zusammengeschnürt: 
Lach., Amyl. nitr. 

Kopfweh vom Fahren im Eisenbahnwagen: A miccu 

Kopfweh, besser, wenn der Kopf niedrig liegt: 

Gdc . c . 


, v ■* Kd£ftyfeh,‘ ! besser, wehn der Kopf hochgehobwi 
wird: China . 

Kopfweh,besser von geringwBswegung: Ferr.acet. 

Malaria-Kopfweh.: Tag.und Nacht heftig, schlim¬ 
mer während des spärlichen Schweisses; Schmerz 
in Knochen, als ob sie zerbrechen würden; gelbe, 
trockene Haut, galliges Erbrechen: Eupator. perföi. 

Kopfweh, geht nach dem Hinterhaupt herum, 
vorher die Ensoheinung eines gezahnten Bades vor 
den Augen mit Farbenspiel, der das Denken be¬ 
nimmt: Ignat. 

Kopfweh beginnt mit einer Macula vor den 
Augen; , arges Kopfweh jeden achten Tag, scharf, 
schneidend, oft die Stelle wechselnd: Iris vers. 

Kopfweh, arges, Torkel, Schwindel mit Erbrechen, 
Bewegung im Halbkreis und nach rückwärts, um 
die' Körperaxe herum: CöcCuius. 

Kopfweh mit mehr Schwindel als bei Ignatia, 
gleich starker Hyperaesthesie, weniger gemüthliche 
Erregung, gestörte Stimmung. = Ursache: Diät¬ 
fehler. Niix vom . 


Personalia. 

Herr Oberamtsarzt a. D. Dr. Fischer, bisher 
in Neuenbürg in Württemberg, hat wegen Krank¬ 
heit seine amtliche Stellung in Neuenbürg aufge¬ 
geben und sich nach seiner Pensionirung in Mann¬ 
heim als homöopathischer Arzt niedergelassen. 


Anzeigen. 


Homöopathische Arzneitabletten. 

Neueste und praktischste Form zum ganz gleich- 
mässigen Abtheilen bestimmter Quantitäten Arzneien 
als Einzelgahen —; zerdrücken sich nicht leicht mit 
der Hand, lösen sich aber sehr leicht auf der Zunge 
auf; bequemste Form zum Gebrauch der Arzneien 
auf Reisen und für die selbstdispensirenden Herren 
Aerzte zum Versenden in Briefen und zur Abgabe 
an Patienten, die noch an allopathische Arzneiformen 
gewöhnt sind. Dieselben können jetzt von jedem 
Mittel und in jeder Potenz sofort in jedem ge¬ 
wünschten, grösseren oder kleineren Quantum ange¬ 
fertigt und geliefert werden. Mit Ausnahme einiger 
theurer Mittel kosten 12 Stück in Cylinder 2 0 Pf., 
80 -Stück in Schachtel 75 Pf., grössere Mengen 
noch billiger. 

A.Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig. 


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pathischen Gesundheitskaffee als Getränke gestattet, 
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Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre : Es genügt n i cht all ei n, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'- 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter¬ 
scheiden nach allenSeiten des betreffendenMi ttels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch, Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen, 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


ReYisionsmässige Hausapotheken] 

Bei den Revisionen der Hausapotheken der eelbet- 
diepeneirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Vencna und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt, wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift>Schränkchen 

und 

Separanden-Schrän kchen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden,) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefässe. als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thüren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M. 

Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons k 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weist zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 Hfl. 

Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬ 
chen jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor- 
räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabteilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. MarggraFs homöopatb. Offlein in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moeea-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Pruck von Julias M&ser in Leipzig. 


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Band 128 


Leipzig, den 18. Januar 1894. 


No. 3 u. 4. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf’s homöopath. Offlein) in Leipzig. 


j/gQF* Erscheint 14tägigzu 2Bogen. 13Doppelnummern bilden einen Band. Preis JOM, 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln dbVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Jf. berechnet. 


Inhalt. Erinnerung an Schfinlein zu seinem hundertjährigen Geburtstage. (30. November. 1893) Von einem 
homöopathischen Arzte. — Einiges Ober arzneiliche Verschlimmerungen. Von Dr. H. Goullon. — Eigenes und Fremdes. 
Von Dr. Hesse-Hamburg. — Die Bedeutung der Diaphanie als Todeszeichen. Von Dr. Mossa. — LesefrQchte. — Wie 
Professor Zlatarowich zur Homäopathie gekommen ist. — Einige Kernsprüche von Paracelsus. — Anzeigen. 


W Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Erinnerung an Schönlein 
zu seinem hundertjährigen Geburtstag. 

(80. November 1893.) 

Von einem homöopathischen Arzte. 

Lucas Schönlein ist wie so manchem der älteren 
homöopathischen Aerzte so auch mein klinischer 
Lehrer gewesen, und das Band der Dankbarkeit 
knüpft uns an ihn. Der Ende vorigen Jahres ein¬ 
getroffene 100. Geburtstag dieses bedeutenden 
Mannes hat sein Bild wieder lebhaft in mir erweckt. 
Sein Leben und Wirken, sein Einfluss auf den Ent¬ 
wickelungsgang der deutschen Heilwissenschaft und 
-Kunst ist schon von competenten Federn darge¬ 
stellt und mehr oder weniger richtig gewürdigt 
worden. 

Für uns homöopathische Aerzte giebt es aber 
einige besondere Punkte, anziehender oder abstossen- 
der Art, in seiner Lehr- wie Heilmethode, die ich 
hei dieser Gelegenheit beleuchten möchte, wobei ich 
mich theils auf eigene Beobachtung, theils auf die 
von einem ihm nahestehenden Schüler Dr. Güter¬ 
bock herausgegebenen „Klinischen Vorträge Schön- 
lein’s“ stütze. 

Anziehend für uns war die Art, wie er als 
echter Naturforscher den Erkrankten beobachtete 
und seine Schüler zu beobachten lehrte. Er sagte 
hierüber einmal: ,,Sie sollen hier (am Krankenbette) 


! Krankheitsindividuen oder individuelle Krankheiten 
sehen und beobachten lernen, die Natur selber be- 
' fragen, und aus der Erkenntniss der Krankheit soll 
ihnen die Ansicht über die Heilung erwachsen. Da- 
I bei müssen Sie sich stets erinnern, dass es nur 
Krankheitsindividuen giebt, uud dass das, was Sie 
1 in den Lehrbüchern über die einzelnen Krankheiten 
, finden, nur aus einer grossen Anzahl von Beob¬ 
achtungen entnommen worden. Sie sollen aber 
auch noch ein Zweites würdigen lernen, dass, so 
verschieden auch die einzelnen Krankheitsindividuell 
i zu sein scheinen, bei allen sich doch etwas Ueber- 
i einstimmendes findet, gleichsam der rothe Faden, 

I der sie, wenn auch etwas dunkel, zu einer Einheit 
i verknüpft, zu dem, was die Aerzte den epidemischen 
^ Krankheitscharakter oder Krankheitsgenius genannt 
j haben. Gerade dieses eigenthümlich Recidivirende 
des Kranklieit8prozcsses, das so rückwirkend auf 
die Behandlung ist, soll liier womöglich berück¬ 
sichtigt werden, zumal da es sich nirgends besser 
als in grossen Krankenhäusern beobachten lässt.“ 
Zwar erkennen wir in dieser Aeusserung einen 
Fortschritt von der ontologischen Auffassung von 
Krankheiten, der Schönlein früher selber gar sehr 
gehuldigt, wie er ja auch Anfangs, nach dem Vor¬ 
gänge der grossen Botaniker des 18. Jahrhunderts, 
ein natürliches System aufzustellen bemüht ge¬ 
wesen ist, worin er die verwandten Krankheiten in 
Familien, Ordnungen, Arten gruppirte, — einen 


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i§ 


Fortschritt — indem er jede Krankheit als ein be¬ 
sonderer Individuum unterschied; alkin ^Habnematiqr 
ging darin doch noch weiter vorwärts, 'da er iiuEfaL 
das Kraiiklteils-Iitdividu um , sondern das erkrankte 
Individuum zum Gegenstände der ärztlichen Beob¬ 
achtung und Behandlung erhob. \ Das scbliesst daifam 
eo. ipso neben der Erforschung der objectiven patho- 1 
logischen Erscheinungen > auch die 4er mljectiven , 
die bei Schönlein zu kurz kommen, in sich. Wie 
er bestrebt gewesen ist, die objectiven Zeichen > 
durch die von den sich immer mehr vervollkomm- I 
nenden Hilfsdisciplinen dargebotenen Mittel möglichst I 
vollständig zu eruiren, wie er einer der ersten ge- | 
wesen, der die Auscultation und Percussion trotz I 
dem * grollenden Widerspruch -der- übereouservativen j 
Gegner ausgeübt uud eingeführt hat, das wollen J 
wir ihm nicht vergessen. 

Durch Heranziehung der Constitution des j 
Kranken zur Aetiologie wie zur Specialisirung des j 
Heilmittels wusste er übrigens der individuellen j 
Krankheit ein noch prägnanteres Gepräge zu ver- | 
leihen. — So machte Schönlein bei einem an einer | 
Lungenentzündung Erkrankten darauf aufmerksam, I 
dass dieser ein Jahr lang an einer Intermittens I 
tertiana gelitten, einem Process, der nicht ohne Rück¬ 
wirkung auf die Constitution des Kranken geblieben, 
wie man nach seinem Colorit urtheilcn darf, sodann 
auf die traumatische Ursache, eine mechanische 
Einwirkung, indem der Kranke einen heftigen Stoss 
mit dem Steuerruder auf die linke Brust erhielt 
mit eiuer solchen Gewalt, dass er in einen anderen 
Kahn geworfen wurde. ln solchen Individuen 
pflegen dann Krankheiten, namentlich entzündliche, 
in der Regel einen eigentliümlichen Gang zu nehmen, 
der schon in den Symptomen, noch mehr in den 
Krisen hervortritt: ,,Das ist ein Punkt von der 
grössten Wichtigkeit für den practisclien Arzt. 
Das ist dasselbe, was neuerdings die Botaniker in 
den heftigsten Kampf versetzt hat, ob der Boden , 
auf welchem die Pflanze wächst, sei er kalk- oder 
kieselhaltig, liege er im Schatten oder in der Sonne, 
eine Menge von Modificationen hervorruft, die man 
früher als Species der Pflanze betrachtet hat.** 
Wiederholt hat Schönlcin auf den Einfluss des 
scrophulosen Bodens auf die Modiflcation von Er¬ 
krankungen liingewiesen. So haben Schleimliaut- 
affection bei Scrophulosen grosse Neigung, in 
Blenorrhoeen überzugehen; die Gonorrhoe nimmt bei 
ihnen gern einen chronischen Charakter an (G. 
secundaria); Lungenentzündungen, ja selbst ein¬ 
fache Katarrhe, führen häufig zur Entwickelung 
der Lungenphthise. Bekannt ist ferner der Ein¬ 
fluss, den die scrophulöse, syphilitische, gichtische 
u. a. Diathese auf Augenentzündungen ausübt. 
(Das vergessen die Specialisten leider nur zu oft! 
Ref.) Derartige dyskrasische Erkrankungen kom¬ 


men aber auch in jedem anderen Organe vor; man 
hßt* i^nqp pur; nicht dieselbe Aufmerksamkeit ge¬ 
schenkt tvie/ iif der Ophthalmiatrik. Nur bei wenigen 
Entzündungen hat man dieses combinatorische Ver¬ 
mögen der verschiedenen Kräifkheitsprocesset,, atyf- 
.gefasst, wie z. ß; bei den Anginen. Etwas Acjpi- 
liches li*t Rust von den Geschwüren nachgewiesen. 

Auf leine auffallende Wteise zeigt sich jener Ein¬ 
fluss des Bodens selbst auf gewisse Entzündungs- 
producte; so sieht man oft, dass, wenn scrophulöse 
Individuen von einer Pleuritis oder Peritonitis be¬ 
fallen werden', die mit, Exfudation von plastischer 
Lymphe enden, diese in ihren Interstitien Tuba - 
ketmwtse abgelagert enthält“ — Öind dies nicht 
Anschauungen, -die* denen -unseres- Hahnerrraim * nahe 
kommen? Noch näher tritt ihm Schönlein in ‘der 
Annahme von Krätz-Nachkrankheiten, worüber er 
sich hei der Vorstellung eines an Dilatation des 
linken Ventrikels mit massiger Hypertrophie und 
Aftection der Aortenklappe Leidenden ausführlich 
ausgesprochen hat, bei dem sich in der Anamnese 
kein anderes Moment als vorangegangene Scabies 
nachweisen liess. ,, In den neuesten Tagen ist die 
Annahme von Krätznachkrankheiten, diesem alten 
medicinischen Dogma, nicht bloss schwankend, 
sondern verlassen und verhöhnt worden. Von den 
älteren Aerzten ist es besonders Antenrieth, der 
einen musterhaften Aufsatz darüber 1807 geschrieben 
hat, so dass es eine der grössten Unverschämtheiten 
ist, wenn Unhnemann der erste zu sein behauptet, 
welcher auf die Krätznachkrankheiten aufmerksam 
gemacht habe.“ — (Das behauptet er, so viel ich 
weiss, nirgends, er bezieht sich vielmehr zur Be¬ 
gründung seiner Lehre von der Psora, die er aller¬ 
dings tiefer und extensiver als seine Vorgänger aul¬ 
gefasst, auf eine Reihe nahmhafter Autoren. Ref.) — 
,,Die Auffindung der Krätzmilbe hat die ganze 
Sache in Frage gestellt. Sie ist sicher vorhanden; 
ich habe sie selbst oft genug gesehen ; dass aber 
das Vorhandensein der Krätzmilbe das alte Dogma 
von den Krätznachkrankheiten umstosse, das muss 
ich ableugnen. Ich will mich nicht auf die vielen 
alten Erfahrungen und Beobachtungen berufen, 
nicht darauf, dass, wenn nach dein Verschwinden 
der Krätze eine andere Krankheit auftrat, diese, 
sobald die Scabies wieder zuiu Vorschein kam, stille 
stand, oder gar zu Grunde ging. Ich will Sie nur 
auf das Terraiu der Gegner führen. Wie bildet 
sich die Krätze? — Es entstehen zuerst kleine 
| Papeln, aus denen sich die Krätzbläsehen und dann 
die Pusteln bilden. Es ist aber nicht nachgewiesen 
, worden, dass schon beim ersten Erscheinen der Papeln 
! die Milbe vorhanden; es wäre also hier der filius ante 
| patrem. Also hier schon ein offenbarer Wider¬ 
spruch! Ferner leugnen selbst Raspail’s Anhänger 
nicht, dass keineswegs alle Krätzbläsehen mit einem 


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ft 


Gaüge und einer Milbe versehen sind. Wäre das j 
lufiekt Ursache der Krankheit, Warum nicht an i 
jedem Bläschen ein solcher Gang, und in jedem 
Gange ein Insekt? Ferner ist es eine Thatsaclie, j 
dasa man das Insekt nur in der frischen Scäbies ge- i 
fanden, aber nicht mehr, wenn sie längere Zeit be- | 
standen. Die Einwendung, dass man durch Ein- 
impföng des Insekte Krätze erzeugen könne, ist 
kein schlagender Beweis; denn man könrite mit dem 
Insekt noch etwaä vom Oontagium Überträgen haben. 
Sollte der Versuch schlagend sein, so müsste man 
zuvor das mikroskopische Insekt gebadet und mit 
der Bürste gereinigt haben, denn Sie wissen, dass 
nicht ein Pfund, sondern welche kleine Quantität 
des Contagiums zu seiner Uebertragung nothwendig 
ist. — Ich muss gestehen, dass ich nach meinen 
•eignen und den vielen alten Beobachtungen Ver¬ 
trauen verdienender Aerzte gar keinen Zweifel über 
die Existenz von Krätznachkranklieitem habe. Es 
ist allgemein bekannt, dass besonders bei alten Leuten 
in Folge des Krätzauschlag es sich eine Ulceration 
der Haut hauptsächlich um die Knöchel der Unter- 
eairemitäten bildet, deren Secret contagiös , und der 
man den Namen Ulcus psoricum gegeben hat, (hier 
wird keiner behaupten, dass das Geschwür durch 
die Milbe so gestaltet sei), und dass, wenn man 
dieses Geschwür plötzlich austrocknet, innere Krank¬ 
heiten eigentümlicher Art entstehen, nicht bloss 
wie nach Austrocknung alter Abdominalgeschwüre, 
sondern eigentümliche Formen. Diese Thatsache 
scheint mir besonders schlagend für die Möglichkeit 
zu sprechen, dass die Unterdrückung der Krätze 
Nachkrankheiten hervorrufen können.“ 

So sehen wir, wie Schönlein, was die Psora be¬ 
trifft, im gleichen Fahrwasser mit Hahnemaim segelt, 
nur dass dieses bei letzterem viel tiefer, ihm selbst 
fast unergründlich erscheint. Wir wissen aber, mit 
welchem Eifer er gearbeitet hat, den auf dem Boden 
der Psora entsprossten Erkrankungen durch die von 
ihm geprüften Heilmittel, seine Antipsorica, an die 
Wurzel zu gehen und gründlich zu heilen. Hierin 
beruht eine seiner grössten Verdienste um die Heil¬ 
kunst. Von Schönlein haben wir solches nicht ge¬ 
lernt. In der Therapie bewegte er sich eben meisten- 
theils in den breitgetretenen Gleisen; die Anti- 
phlegose, obenan der Aderlass, diente ihm in Allem, 
was an Entzündung streifte, als der competente Heil- 
apparat. Wesshalb er im concreten Fall dieses oder 
jenes Mittel aus diesem Heilapparat herausgriff, in 
apodiktischer Machtvollkommenheit, das kam uns 
nicht zum Verst&ndniss; er gab nur selten darüber 
genügenden Aufschluss. Und doch war er unter 
den Vertretern der alten Schule kein gewöhnlicher 
Mittelkenner, wie er auch bei seiner eminenten Be¬ 
obachtungsgabe so manche feine, Andern entgangene 
Einwirkungen von Medicümenten erspürt hat. So 


hat er beobachtet, wie der lange fortgesetze Ge¬ 
brauch von China Rheumatismus ähnliche Erschei¬ 
nungen in den Gliedern hervorruft. 

Wie treffend ist seine Bemerkung über das Her¬ 
vortreten stärkerer Mercurialeinwirkung nach oder 
unter dem Gebrauch inuriatifccher Salze. „Wie es 
Mittel giebt,“ sagte er bei dieser Gelegenheit, ,,die 
gewisse Krankheitsprocesse antagonistisch bekämpfen, 
und somit Heilmittel werden (aber nicht minder 
nach dem Äehnlichkeitsgesetz. Ref.), so giebt es 
auch andere, welche, in den Organismus gebracht, 
die Entwickelung schlummernder Krankheitsprocesse 
befördern; so namentlich befördern die muriatischen 
Salze die Lastseuche und die Quecksilberkrankheit; 
ich sah sie beim Gebrauch von Salzquellen, z. B. 
von Ischl, zum Ausbruch kommen. Darauf gründet 
sich auch die sonderbare Erscheinung, dass an 
manchen Orten, wo eine mit Chlor geschwängerte 
Luft vorhanden ist, die Anwendung des Quecksilbers 
in der Lustseuche höchst nachtheilig wird. Ich sah 
diese Erscheinung in Venedig , wo durch die See¬ 
luft der Atmosphäre viel Chlor beigemengt ist; die 
Aerzte daselbst sind sehr unglücklich in der Be¬ 
handlung der Syphilis mit Quecksilber, und, wenn 
ein Venetianer sich von dieser Krankheit heilen 
lassen will, so muss er sich in die Hochlande der 
Lombardei begeben; daher sieht man nirgends so 
viel Leute ohne Nasen, -wie in der Lagunenstadt. — 
Aus demselben Grunde verabscheuen auch die eng¬ 
lischen Aerzte den Mercur bei Behandlung der Syphi¬ 
lis.“ — Herr College Kunkel wird uns über diesen 
Punkt aus seiner langjährigen Praxis in einer See¬ 
stadt ein Wort sagen können, dass eine feuchte, 
zumal kalte Luft, der Heilung der Syphilis wie auch 
der Wirkung des Quecksilbers nicht dienlich ist, 
wie ja auch die liydrogenoide Construction beiden 
nicht zusagt, sei hier nebenbei bemerkt. — Dass 
Colchicum (besonders die Tinetur und das Vinum 
seminum) wohl beim Rheumatismus der Gelenke, 
aber nicht dem der Muskeln, ausgezeichnet wirkt, 
hat Schönlein mit gutem Fug, weil auf Erfahrung 
begründet, ausgesprochen. 

Erwähnenswerth ist ferner seine Ansicht über 
das zeitweise Pausiren in der Medication. ,,Die 
älteren Aerzte haben für die Behandlung dies me - 
dicinales und dies intercalares festgesetzt. Es liegt 
dem die Wahrheit zu Grunde, dass in den Krank¬ 
heiten, den acuten wie chronischen, Ruhepunkte, 
Stasen Vorkommen, wo es das Heil des Kranken 
erfordert, dass man eine Pause, einen Feiertag in 
der Behandlung mache. Ich erinnere Sie an den 
Ausspruch eines der grössten Berliner Aerzte, Reifs: 
,,dass es guten Aerzten häufig, schlechten aber nie¬ 
mals begegne, dass sie keine Anzeige zur Verord¬ 
nung finden.“ Die Gründe für einen solchen dies 
intercalaris sind theils subjectiv , theils objectiv. 1 . sub- 

3* 


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20 


jectiv , indem der Arzt besonders bei complicirten 
Krankheiten auf einen Punkt stösst, wo er offen 
bekennen muss, jetzt stehe ihm der Verstand still, 
und nun wisse er nicht, welche Richtung er zu neh¬ 
men habe; er wolle nicht noch durch neue Medi- 
camentalWirkung eine Perturbation hervorrufen. Das 
ist ein Grund, der bei vielen Aerzten sich in ihrem 
Innern kund giebt, aber nicht nach aussen bekannt 
werden darf, weil sonst die Reputation dahin ist, 
und das bewegt sie, ihr Rp. zu machen. — 2. ob - 
jective Gründe sind noch viel häufiger, indem die 
gereichten Medicamente nachtheilig ein wirken, oder 
indem man auf einen gewissen Punkt in der Be¬ 
handlung vorgeschritten, nun besser ohne Arznei 
zum Ziele kommen kann.“ — Für uns liegt noch 
ein nicht unwichtiger Grund zum Pausiren darin, dass 
wir der Arznei zur völligen Entfaltung ihrer Wir¬ 
kungen und den durch sie hervorgerufenen Bewe¬ 
gungen im thätigen Organismus die erforderliche 
Zeit gönnen wollen, ja geben müssen. — Eine 
Nachwirkung des Arzneimittels hat Schönlein bei 
der Digitalis beobachtet, welchem Mittel man ja 
eine cumulirende Wirkung zuschreibt; sie wirkt 
eben noch längere Zeit fort, nachdem man ihren 
Gebrauch ausgesetzt hat. Auf diese Erscheinung, 
behauptete er nun, habe „Hahnemann und seine An¬ 
hänger ihre phantastische Theorie von der Nach¬ 
wirkung der in minimo gegebenen Arzneimittel ge¬ 
gründet. Diesem Unsinn liegt allerdings , li fügt er 
hinzu, ,,ein Sinn, eine Thatsache zu Grunde; diese 
Thatsache ist aber auch schon von den Allopathen 
beobachtet, und namentlich von den Badeärzten be¬ 
nutzt worden, welche, wenn ihr Brunnen während 
der Kurzeit nicht wirken will, die Kurgäste auf 
die nachkommende Wirkung zu vertrösten pflegen; 
auch die Allopathen sind in dem Charlatanismus 
hinter den Homöopathen nicht zurückgeblieben!“ 
Liegt aber der Annahme von der Nachwirkung eine, 
drüben wie hüben, constatirte Thatsache zu Grunde, 
wie Hahnemann überhaupt nichts ferner lag als 
grundlose Theorieen auszuklügeln, so ist in der Sache 
gar nichts Phantastisches. Wenn Schönlein bei 
dieser Gelegenheit Aerzte der alten Schule nicht 
weniger als die der neuen mit dem gleichen Schmäh¬ 
titel belegt, so werden ihm dafür die Einen so 
wenig Dank wissen als die Anderen. Er lässt über¬ 
haupt keine vorkommende Gelegenheit vorübergehen, 
ohne sich an die Homöopathie und deren Begrün¬ 
der zu reiben und ihr eins am Zeug zu flicken. 

So erinnere ich an eine Aeusserung des Mei¬ 
sters in einem Falle von Icterus mit sehr verlang¬ 
samtem Pulse , wo die Digitalis sehr günstig wirkte. 
„Die Wirkung, welche die Digitalis bei Icterischen 
auf die Pulsfrequenz hat, ist eine ausgezeichnete. 
Das wäre Oberwasser für die Homöopathen! Denn 
während sie bei den Gesunden den Puls rerlang- 


samiy beschleunigt sie hier den krankhaft verlang¬ 
samten Puls.* Wir sehen hierin in der That eine 
vorzügliche Bestätigung des Aehnlichkeitsgesetzes. 
Wie sucht aber Schönlein diese Digitalis-Wirkung 
zu erklären? „Wenn ich mich nicht sehr irre, „sagt 
er, „hängt die Sache auf eine andere Weise zusam¬ 
men, als die Homöopathen denken. Wir wissen 
aus den Versuchen von Thomson und Anderen, 
dass durch Einwirkung gewisser Stoffe auf die 
blossgelegte Arterie Retardation der Blutbewegung 
bewirkt wird; man hat Versuche mit verschiedenen 
Stoffen gemacht, namentlich mit bitteren, wie 
Quassia, ferner mit Ammonium, Kochsalz, Digi¬ 
talis u. a. Darin liegt, glaube ich, der Schlüssel 
zu obigem Räthsel. Bei Icterischen enthält näm¬ 
lich das Blut Gallentheile, und diese wirken retar- 
dirend auf die Pulsfrequenz. (Zunächst aufs Herz. 
Ref.) In demselben Verhältniss, als nun die Digi¬ 
talis die Diurese antreibt und dadurch die Entfer¬ 
nung der Gallenpigmente aus dem Blute bewirkt, 
nimmt auch die Pulsfrequenz wieder zu. Es ist 
also das Beschleunigtwerden des Pulses in diesem 
Falle infolge des Gebrauchs der Digitalis keine 
primäre, sondern eine secundäre Wirkung. Es ist 
somit hieraus keine Consequenz auf die Similia- 
similibus-Lehre zu ziehen.“ 

Dass die Wirkung der Gallensalze auf die Herz- 
thätigkeit und Pulsfrequenz nicht so ganz einfach 
ist, wie Schönlein behauptet, haben die vielen 
Versuche von Rörig, Landois und besonders von 
Traube u. A. dargethan. Ein äusserst verlang¬ 
samter Puls, der bei der geringsten Bewegung be¬ 
schleunigt wird, und ein solcher kommt gerade bei 
manchen Icterischen vor, ist von Hahnemann und 
seinen Anhängern als besonders charakteristisch für 
Digitalis gehalten, während die alte Schule den 
kleinen, schwachen, unregelmässigen Puls als haupt¬ 
sächliche Indication für dieses Mittel sonst immer 
aufgestellt hat. Wenn Schönlein in obigem Falle 
dennoch, in der Absicht die Diurese anzuregen, 
Digitalis verordnete imd damit eine so ausgezeich¬ 
nete Wirkung auf die Pulsfrequenz nicht bloss, 
sondern auf den gesammten krankhaften Zustand 
erzielte, so hat er, bildlich zu sprechen, indem er 
auf den Sack schlug, den Esel getroffen, wissen¬ 
schaftlich geredet eine Homoeopathia involuntaria 
begangen. Das Gesetz herrscht nun einmal über 
uns, selbst da, wo wir gar nicht nach ihm zu han¬ 
deln uns bewusst sind. 

Bei Vorstellung eines Patienten, der wegen 
Syphilis Mercur erhalten hatte und nun an Gelb¬ 
sucht litt, entfuhr unserm Schönlein das Wort: 
„Was die Therapeutik des vorliegenden Falles be¬ 
trifft, so ist das Hauptmittel gegen Leberkrank¬ 
heiten, der Mercur, hier nicht anwendbar, man 
müsste denn dem Hahnemann’sehen Grundsätze 


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21 


„similia similibus“ huldigen.“ Quecksilberaffectio- 
nen durch Quecksilber zu heilen (obgleich ich dies 
selbst unter Anwendung eines anderen Präparates 
mit Erfolg ausgeführt habe) liegt jedoch gar nicht 
mehr im Rahmen des S. S. C. 

Kurz, wir sehen, wie Schönlein, trotz so man¬ 
cher Annäherung, der Homöopathie weder Ver- 
ständniss noch irgend welche Sympathie entgegen¬ 
gebracht hat. 

Das soll uns aber nicht abhalten, seinen ausser¬ 
ordentlichen Gaben als klinischer Lehrer volle Ge¬ 
rechtigkeit widerfahren zu lassen. Seine theoreti¬ 
schen Anschauungen, die auf seine Praxis im 
Ganzen wenig influirten, waren ja in beständigem 
Flusse, so dass, wer ihn beim Kopfe zu fassen 
meinte, ihn kaum an den Füssen festhielt. Diese 
seine fortwährende Evolution und wissenschaftliche 
Häutung war wohl auch der Grund, wesshalb er 
keine schriftlichen Documente von seinem Denken 
und praktischen Thun der ärztlichen Welt übergab 
oder hinterliess. Er hatte eben kein festes System 
und bildete auch keine ihn überdauernde Schule. 

Einer für die Geschichte der Medicin interes¬ 
santen, von ihm ausgegangenen zeitweisen Be¬ 
wegung sei hier noch gedacht. Als es ihm 1838 
gelungen war, bei einzelnen Krankheiten der Haut 
und Schleimhäute im kranken Gewebe Fadenpilze 
zu entdecken, warf sich eine Zeit lang alle exacte 
Forschung auf das Auffinden von mikroskopischen 
Kryptogamen als Krankheitserregern. Er hatte bei 
den Exanthemen schon längst von Keim, Blüthe, 
Frucht und Fruchtboden der Krankheiten ge¬ 
sprochen, nun kamen die glücklichen Funde von 
Schmarotzerpflänzchen hinzu — und so hat nicht 
viel gefehlt, dass die Bacteriologie sich schon da¬ 
mals, freilich ohne Schönleins Sanction, vor Koch, 
eine Helena ante Helenam, der Medicin sich be¬ 
mächtigt hätte. 

Gedenken wir des persönlichen Eindruckes, den 
Schönlein auf seine Zuhörer machte, so tritt uns 
sein Bild als das eines klinischen Lehrers ersten 
Ranges wohlthuend vor die Seele. Des alten Schön¬ 
lein Stimme war zwar infolge eines hochgradigen 
Asthma, das seine Spuren auch seinem Gesichte 
aufgedrückt hatte, pustend, keuchend, schnaubend, 
doch das vergass man bei seinem geistvollen, bald 
mit attischem Salz, bald mit derbem, schwäbischem 
Humor gewürzten und durch treffende Citate aus 
den medicinischen Schriftstellern der ältesten wie 
neuesten Zeit frischbelebten Vortrage. Wie wusste 
er das durch sorgsame Untersuchung entwickelte 
Krankheitsbild in plastischen Zügen vor uns aufzu¬ 
stellen, wie meisterhaft die einzelnen Erscheinungen 
zu gruppiren und auf dem anatomischen Unterbau 
den physiologischen Zusammenhang derselben zu 
ergründen und zu begründen! So ein Vortrag ge¬ 


währte uns ebenso viel Genuss als Belehrung. So 
wird sein Bild im Gedächtniss seiner dankbaren 
Schüler fortleben, so auch in dem ineinigen, wenn 
ich auch vom homöopathischen Standpunkte aus 
ihm mehrfach als Opponent habe entgegnen müssen. 
Denn amicus Socrates, amicus Plato, sed magis 
amica veritas! Dr. Mossa. 


Einiges Uber arzneiliche Verschlimmerungen. 

Von Dr. H. Goullon. 

Wegen einer gewissen Schwäche in den Knochen, 
hatte ich für ein Kind, welches seinem Alter nach 
schon hätte laufen müssen, aber damit zum Kummer 
seiner Eltern noch im Rückstand blieb, Calcarea 
carbonica verordnet, ein Mittel, welches in dieser 
Beziehung für specifisch angesehen werden kann; 
denn nicht selten sah ich davon schon Erfolg nach 
8 Tagen. Ich bediene mich der 30. oder 12. 
Potenz. Zuweilen tieferer Gaben. Es genügt, täg¬ 
lich davon einmal zu verabreichen. 

Gewöhnlich sind solche Kinder mehr oder weniger 
scrophulös. — Das Mittel that auch in diesem Falle 
gut. 

Nun schrieb mir die Mutter eines solchen kleinen 
Patienten: 

„Eine grosse Schwierigkeit für die Calcarea- 
Kur hat sich eingestellt. Während das Kind näm¬ 
lich seit etwa 2 Monaten jeden Tag ohne Wasser¬ 
hilfe (Klystier) regelmässige Oeffnung hatte, trat 
schon nach den beiden ersten Gaben Calcarea carb. 
eine derartige Verstopfung ein, dass ich wieder zur 
Wasserhilfe greifen musste und auch dann ist der 
Stuhlgang noch recht hart. Könnte ich nicht viel¬ 
leicht ein anderes Mittel im Wechsel geben, welches 
die stopfende Wirkung von Calcarea aufhebt?“ 

Eine Täuschung war wohl hier kaum möglich, 
d. h., was allerdings nicht oft zur Betrachtung 
kommen wird, in diesem individuellen Falle trat 
auf homöopathische Gaben eines von einem Allo¬ 
pathen jedenfalls für höchst unschuldig und für in¬ 
different gehaltenen Stoffes positiv eine unbeabsich¬ 
tigte Wirkung ein. 

Man sollte meinen, dass solche Beispiele allen 
denen die Augen öffnen müssten, welche unseren 
Mitteln gern jeden Einfluss auf den Organismus ab¬ 
sprechen möchten. Wenn doch ein Virchow, ein 
Büchner oder Andere von solchen Wahrnehmungen 
Notiz nehmen wollten, die ihnen übrigens schon 
aus der Balneotherapie bekannt sein müssten. Denn 
unmöglich werden sie ignorirt haben, dass z. B. die 
abführenden Wässer von Carlsbad, welche ja auch 
nur homöopathische Verdünnringen darstellen (ge- 
wissermassen Dilutionen des Natrum sulphuricum), 


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bei nicht Wenigen in ihrer Erst Wirkung Verstopfung 
hervorrufen. Auch von Marienbad gilt ein Gleiches, 
so dass auf diese Erfahrung hin nicht selten, um 
die laxirende Wirkung zu erzwingen, noch drastische 
Nebenhilfen, Zusätze von abführenden Salden u. s.w. 
gemacht werden. 

Ifies führt uns zu dem interessanten Kapitel der 
arzneilichen Verschlimmerungen überhaupt, welche 
natürlich dem Begründer der Homöopathie selbst 
nicht unbekannt waren. In Hahnemann’s „Organon 
der Heilkun$t“ finden wir denn, auch mäuche hier¬ 
hergehörige Beispiele und Vorkommnisse verzeichnet. 

Er sagt § 154: f 

„Da sich die Gabe eines homöopathischen Heil¬ 
mittels kaum je so klein bereiten lässt, dass sie 
nicht die ihr analoge Krankheit bessern ; über¬ 
stimmen, ja völlig heilen und vernichten könnte, 
so wird es begreiflich, warum eine nicht kleinst- 
inögliche Gabe passend homöopathischer Arznei 
immer noch in der ersten Stunde nach der Ein¬ 
nahme eine merkbare homöopathische Verschlimme¬ 
rung zu Wege bringt.“ 

Hahnemann hat hier die Behandlung akuter 
Krankheiten im Auge. Bei chronischen braucht die 
Verschlimmerung, resp. das Auftreten von unerwar¬ 
teten arzneilichen Nebensymptomen nicht unmittelbar 
in die Erscheinung zu treten, man achte aber 
darauf, dass in unserem Falle auch schon nach den 
ersten 2 Gaben, also bereits nach 24 Stunden die 
Verstopfung eintrat. 

„Diese, einer Verschlimmerung ähnliche Er¬ 
höhung der Arzneisymptome“ fahrt Hahnemaim fort, 
„über die ihnen analogen Krankheitssymptome haben 
auch andere Aerzte, wo ihnen der Zufall ein homöo¬ 
pathisches Mittel in die Hand spielte, beobachtet. 
Wenn der Krätzkranke nach Einnahme des Schwefels 
über vermehrten Ausschlag klagt, so tröstet ihn der 
Arzt, der hiervon die Ursache nicht weiss, mit der 
Versicherung, dass die Krätze erst recht heraus¬ 
kommen müsse, ehe sie heilen könne; er weiss 
aber nicht, dass dies Schwefel-Ausschlag ist, der 
den Schein vermehrter Krätze annimmt.“ 

Jedermann weiss ja jetzt, dass die echte Krätze 
nicht denkbar ist ohne die Gegenwart der Krätz¬ 
milbe, allein Hahnemann hat doch insofern recht, 
als die Intensität des Krätzaussclilages von der in¬ 
dividuellen Disposition des Einzelnen abhängt. Die 
Milbe spielt nur die Rolle eines Krankheitserregers, 
und zwar hier eines Hautkrankheitserregers. Bei 
völlig gesunden Menschen kann — wie Virchow 
nachgewiesen hat — die vollständige Entwickelung j 
der Krätzmilbe auf der Haut vor sich gehen, ohne 
dass es zum Krätzausschlag kommt. Das ist sehr 
wichtig für die Beurtheilung des letzteren, wo er 
auftritt. Und er wird häufig, ja regelmässig auf- i 
treten, weil es vielmehr kranke, zu Hautkrankheiten 


disponirte Menschen gjeb^ als solche ohne. Anlage 
dazu. 

„Den Gesichts-Ausschlag*), den die Viola tricolor 
heilte, hatte sie beim Anfang ihres Gebrauches ver¬ 
schlimmert,“ wie Leroy versichert. Er wusste nicht, 
dass die scheinbare Verschlimmerung von der all¬ 
zugrossen Gab© des hier einigermassen homöo¬ 
pathischen Freisam-Veilchens herrührte. — Lysons 
[ sagt: „Die Ulmenrinde heile diejenigen Hautaus- 
Schläge am gewissesten, die sie beim Anfänge ihres 
| Gebrauches vennehre.“ Hätte er, folgert Hahne¬ 
mann, die Rinde nicht in der (tvas in der allopathi¬ 
schen Arzneikunst gewöhnlich ist) ungeheueren, 

I sondern, wie es bei Symptomen-Aehniichkeit der 
I Arznei, d. i„ bei ihrem homöopathischen Gebrauche 
I sein muss, in ganz kleinen Gaben gereicht, so hätte 
er geheilt, ohne oder fast ohne diese scheinbare 
I Krankheitserhöhung (homöopathische Verscblimme- 
I rung). 

! Bemerkensworth ist. was Hahnemann noch weiter 

i 1 

von der homöopathischen Verschlimmerung sagt. Er 
' nennt sie geradezu eine sehr gute Vorbedeutung, 
aus der hervorgehe, dass eine acute Krankheit meist 
von der ersten Gabe beendigt sein werde, 
i „Sie ist ganz in der Regel, da die Arznei¬ 
krankheit natürlich um etwas stärker sein muss, als 
das zu heilende Uebel, wenn sie letzteres über¬ 
stimmen und auslöschen soll, sowie auch eine ähn¬ 
liche natürliche Krankheit, nur wenn sie stärker 
als die andere ist, diese andere aufheben und ver¬ 
nichten kann.“ 

Selbstverständlich muss man sehr skeptisch sein, 
sobald man auf arzneiliche Verschlimmerungen zu 
stossen glaubt. Natürlich nur der Homöopath. Denn 
wenn den Patienten eines Allopathen nach dessen 
Salicyl- oder Chinin-Gaben Hören und Sehen ver¬ 
geht, wenn er nach Exalgin roth und blau wird 
und in Ohnmacht fällt, im Verlauf einer Jodkur 
herzleidend wird, ganze Körper-Organe schwinden, 
auf die es gar nicht abgesehen war, oder wenn ihm 
beim Me rcur-Ge brauch die Zähne ausfallen u. s. w. 
u, s. w., so kommen solche Arzneiverschlimmerungen 
ohne weiteres und unbedingt auf Rechnung der be¬ 
treffenden — Gifte. Dasselbe gilt auch von den 
im Verlaufe einer Jodkur eintretenden lebensgefähr¬ 
lichen Erstickungs-Anfallen, die auf Glottis-Oedem 
zurückzuführen sind und selbst die Tracheotomie 
erfordern! Gleichzeitig ein nettes Beispiel von den 
Consequenzen der allopathischen Kunst überhaupt. 

Homöopathischer Soits kann man öfters als un¬ 
beabsichtigte Arznei-Symptome harmloserer Art Er¬ 
brechen nach Pulsatilla, Blutungen beim Einnehmen 
von Acidum nitri, Weinen nach Aconit., Nieder¬ 
geschlagenheit und bis zu Selbstmordgedanken 

*) Loco citaü>. 


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fühi^tt^^'OtWtiüthßdeprfefesioti'von Aütoim (Bähr) be- heit dös Einzelnen Äarah Schuld hat. 'Es kann z. B. 
obachten. Endlichsind sögärwirkliche* Gewebs- die Erstiri&nüg (Hartleibigkeit) gan^ flüchtiger 
Veränderungen, d.-L pathologisch-anatomische Um- ! Natur gewesen seih. Aehnlich verhält es sich mit 
wandlungeh wülnfgenowime’n worden, z. B. Weicher- Digitalis, wOlOhe für Sehl* harntreibend gilt,' allein 
werden narbige» Stellen • uhd v. Grauvogl empfiehlt gute Be6bdchte*r'haben eine Vorübergehende'Unter- 
Thuja in ’SO, Potenz längere Zeit zu brauchen, drückung dcd Utiüs (ErstiviAttng) vorausgehen sehen, 

wodurch sich Zweifler der homöopathischen Itifini- Es sollte mich freuen, wenri diese Zeilen die 
tesimalgaben überzeugen könnten ; denn unter deni l Aufmerksamkeit auf das für uns schon aus politi- 
Gebraueh der Thuja solcher Gestalt würden die scliern 1 Grunde richtige Thema lenkten, d. h. aus 
Finger- und FUssnägel weich und die Flechsen et- dem Grunde unsere Gegner von der Thatsache zu 
langten eine eigentümliche Geschmeidigkeit. De&- überzeugen, dass kleinste Arznei gaben unter be- 
halb hielt genannter Autor Thuja für indieirt beim stimmten Voraussetzungen sehr 1 wohl zu w^sent- 
Vorhandensdin' bindegewebiger Darmstructnren. liehen Befindensveränderungen füllten können — 
Anders, wie gesagt, verhält es sich mit den nach VirchowV Erklärungsweise speciell für die 
weniger ein- und angreifenden Gaben der Homöb- homöopathische Wirkung— auf katalytischem Wege, 
pathie. Und da auch ohne Arznei sehr oft eine | Man kann ja dabei immerhin scharf unterscheiden 
Krankheit eine Steigerung erfahren kann, sei es I zwischen Steigerung schon vorhandener Krankheits- 
UÄter dem Einfluss der Witterung (tellurischc oder j Symptome und dem Eintritt eiiies neuen patholo- 
meteorologisehe Ursache), nach Gemüthserregung | gischen Geschehens, 
oder auch auf Grund des natürlichen Krankheits- I _ _ 

Verlaufes, so ist eben das Misstrauen gegenüber 
den vermeintlichen Arzneiverschlimineningeii nur I 

gerechtfertigt. Deshalb müssen aber auch solche ! EiQ6ll6S lind Fr6mdeS. 

Beobachtungen, wie unsere Eingangs geschilderte, | 

doppelten Werth beanspruchen. Denn liier handelt on r * 

es sich nicht sowohl um Steigerung schon vor- I In Nr. 32 der Harden’sehen ,,Zukunft“ finden 
handener Krankheits-Symptome nach hornöopathi- j wir folgende Stossseufzer eines Arztes über die mo¬ 
schen Infinitesimalgaben, als um den durch letztem deme Medicin: 

hervorgei'vfenen Eintritt einer vorher gar nicht vor- | „Vom todten Menschenkörper wissen wir etwas, 
handenen pathologischen Erscheinung, nämlich um vom lebenden und kranken wenig und von der 
eine hartnäckige, sonst unerklärliche Verstopfung, j Kunst des Heilens mitunter gar nichts, 
während 2 Monate hindurch das Kind ganz regel- 1 Man prahlt allerorten mit den Fortschritten der 

mässig functionirte. Medicin. Wo sind sie? Wer gab sie uns? Lehrte 

Man könnte einwenden, Calcarea carbonica findet uns die Wissenschaft die Heilkraft des Wassers 
in der Homöopathie vielmehr bei Weichleibigkeit kennen, gab uns die Wissenschaft Diätetik und 
(z. B. ist sie specifisch bei der Diarrhoe zahnender j Gymnastik? Sie hat sich bis zum Aeussersten gegen 
Kinder) Verwendung als gegen Obstraetionen. Das * jeden Fortschritt gewehrt. Der Ring der wissen¬ 
ist wahr, ändert aber an der Thatsache nichts, dass } schaftliehen Universitätslehrer hat von jeher die 
Calcarea carb. in seiner Erstwirkung dennoch die ' freien Köpfe geächtet und gebannt. Die Univer- 
pe.ristaltischen Darmbewegungen hemmt. So lesen j sität lehrt den Schwindel des Receptes, sie erhält 
wir denn bei Jahr über Calc. carb. (s. S. 208 der | die Schmach der Apotheken. Sie schützt die Lüge 
homöopathischen Heilmittel in der Gcsammthcit ihrer i und heiligt den Betrug. Sie misst den Arzt nach 
bekannten Erstwirkungen und Heilanzeigen) unter I seinen diagnostischen — nur zu oft uneontrolir- 
der Rubrik: Stuhl und After, und zwar an der j baren — Fertigkeiten, nicht nach seinen Heil- 
Spitze des Artikels: Stuhlverstopfung, auch hart- ] erfolgen. 

nackige, die ersten Tage. Stuhl nur alle zwei | Und sie darf es. Denn die Wissenschaft will 

Tage — vergebliches Nöthigen. Hartleibigkeit, j nicht heilen, sie will Kenntnisse sammeln. Die 
harter Stuhl u. s. w. Es sind die Worte mit Stern- | Medicin ist nicht für die Kranken da, die Kranken 
chen Versehen, das heisst bei Jahr: Diese Symptome I sind für die Wissenschaft da. 

haben sich ebensowohl bei Gesunden ergeben, welche ' Die Professoren unterrichten uns, wie man einen 
Calcarea carb. prüften, als auch als bewährte Heil- I Aortafehler von einem Mitralfehler unterscheidet; 
anzeigen. — Wenn nun später von „Weichleibigkeit I sie lehren uns Krankheiten erkennen, aber nicht 
und Durchfall“ dasselbe gesagt wird, so ist dies heilen. Dem Studenten giebt man kein Messer in 
nur eiri scheinbarer Widerspruch, in dem entweder die Hand; es ist genug, wenn er gesehen hat, wie 
die Nachwirkung (Reaction auf die Erstwirkung) ein Geheimrath den Mastdarmkrebs operirt. Ihm 
gemeint ist, oder aber die individuelle Beschaffen- zeigt man nicht die Massage, aber er weiss, welche 


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Formel das Phenacutin hat. Er lernt nichts von 
der Diätetik, aber er erfährt, wieviel Salzsäure im 
Magensaft vorhanden ist. Im Examen prüft man 
ihn nicht, ob er Kranken helfen kann. Man stellt 
ihn vor ein Bett, drückt ihm in die Rechte den 
Hammer und in die Linke den Kehlkopfspiegel und 
fragt: Was fehlt dem Manne?“ 

Dass die moderne Medicin mehr Gewicht legt 
auf das Erkennen, als auf das Heilen der Krank¬ 
heiten, ist wohl nicht zu bestreiten. Wie alle ärzt¬ 
lichen Anschauungen langsam ins Volk durchsickern, 
so ist es auch hiermit gegangen. Auch die Laien¬ 
welt legt ein Hauptgewicht auf die exacte Diagnose 
in der entschuldbaren, aber nicht richtigen Annahme, 
dass mit dem Erkennen der Krankheit oder Krank¬ 
heitsursache der wichtigste Schritt zum Heilen ge¬ 
macht sei, dass mit der Exactheit der Diagnose die 
Sicherheit der Therapie gleichen Schritt halte. 

Unsere allopathischen Collegen haben es ent¬ 
schieden mit der Therapie leichter wie wir. Mit 
der Diagnose ist ihre Therapie gegeben, dem Krank¬ 
heitsnamen entspricht ein specielles Mittel. Nur 
wechseln und schwanken diese Mittel so ausser¬ 
ordentlich, je nach den neuesten Veröffentlichungen: 
Die Apotheker wissen hiervon ein Lied zu singen. 
Ganze Schränke haben sie angefüllt mit Arzneien, 
die einstmals — und dies einstmals zählt nicht nach 
Jahrzehnten, sondern nach Wochen und Monaten — 
sehr in Gunst standen. Schneller, als in manchen 
Staaten die Minister, nutzen sich die Arzneien ab. 
Es heisst hier nicht: ,,Das Bessere ist der Feind 
des Guten,“ sondern das Neue ist der Feind des 
Alten und das Neueste der Feind des Neuen. In 
dieser Jagd nicht Zurückbleiben, heisst auf dem 
neuesten Standpunkte stehen. Ich erinnere mich 
noch, wie ich als Allopath mich einem Collegen 
gegenüber überlegen fühlte, weil er die neuesten 
Nummern der „Berliner Klinischen“ noch nicht ge¬ 
lesen und verschiedene neu empfohlene Mittel noch 
nicht kannte, während ich wieder von einer Dame 
übertrumpft wurde, welche durch ihren in der 
Grossstadt als Arzt lebenden Bruder meinem neuen 
Diphtheriemittel das neueste entgegenstellen konnte. 

Wir Homöopathen haben mehr Arbeit mit der 
Therapie, wir haben eine doppelte Diagnose zu 
stellen, die der Krankheit und die des Mittels. Beide 
decken sich nicht. 

Wir brauchen die exacte Diagnose der Krank¬ 
heit wegen der Prognose; wir brauchen sie; um 
nicht zu sprechen von dem allgemein wissenschaft¬ 
lichen Standpunkte, den College Villers in seinem 
Vortrage näher ausgeführt hat; wir brauchen sie, 
weil in einer kleinen Anzahl von Fällen die Dia¬ 
gnose Einfluss hat auf die Wahl der Arznei oder 
der Potenz; wir brauchen sie endlich für die all¬ 
gemeine Therapie. Der Kranke und seine Um¬ 


gehung verlangt die Diagnose und den Namen der 
Krankheit. Hahnemann bemerkt darüber in seinem 
Organon Seite 157 Anmerkung: 

„Glaubt man aber dennoch zuweilen Krankheits- 
namen zu bedürfen, um, wenn von einem Kranken die 
Rede ist, sich dem Volke in der Kürze verständlich 
zu machen, so bediene man sich derselben nur als 
Collectivnamen, und sage ihnen z. B.: Der Kranke 
hat eine Art Veitstanz, eine Art von Wassersucht, 
eine Art von Nervenfieber, eine Art kaltes Fieber 
(damit endlich einmal die Täuschung mit diesen 
Namen aufhöre); nie aber: er hat den Veitstanz, 
das Nervenfieber, die Wassersucht, das kalte Fieber, 
da es doch gewiss keine festständigen, sich gleich¬ 
bleibenden Krankheiten dieser und ähnlicher Namen 
giebt.“ 

Dies nur nebenbei. 

Wichtiger, als die Diagnose der Krankheit ist 
die des angezeigten Mittels. Zu dieser letzteren 
führt als sicherster Weg ein gutes Krankenexamen. 
Ueber diesen wichtigen Punkt äussert sich H. C. 
Allen, der Chefredacteur der „Medical Advance“ in 
einer Besprechung der englischen Ausgabe des 
„Taschenbuchs“ unseres von Boenninghausen folgen- 
dermassen: 

„Die 3 Punkte in unserer Praxis, welche von 
Boenninghausen’s Repertorium besonders erleichtert 
und auf welche der Arzt ein besonderes Gewicht legen 
muss, wenn er in der Behandlung der Kranken den 
grösstmöglichen Erfolg erzielen will, sind: 

1. Das Krankenexamen, die Aufnahme des Symp- 
tomenbildes. 

2. Die Totalität der Symptome als Basis der 
Verordnung. 

3. Der relative Werth der Symptome. 

1. Das Krankenexamen. Die erste Bedingung 
zum Heilen ist ein gutes Krankenexamen, ein voll¬ 
ständiges Zusammenfassen aller Symptome des 
Kranken. Hahnemann war der erste in der Ge¬ 
schichte der Medicin, der ein Naturgesetz aufstellte 
als Führer in der Wahl der Arznei, und sein erster 
Schritt in der correcten Anwendung dieses Gesetzes 
war die genaue und ausführliche Anleitung zum 
Krankenexamen. Ohne ein vollständiges Eruiren 
der klinischen Geschichte und Symptome eines 
Kranken ist es nicht möglich, ein Simile oder gar 
das Simillimum zu finden. Diesem sorgfältigen 
Krankenexamen gebührt grossentheils der Erfolg 
der Pioniere der Homöopathie in Europa und Amerika. 

Dunham sagt: „Das Krankenexamen ist der 
schwierigste Theil. Ist ein solches meisterhaft ge¬ 
lungen, dann ist die Wahl der Arznei relativ leicht.“ 
Zu ersterem ist aber unentbehrlich eine grosse 
Kenntniss der menschlichen Natur, der Krankheiten 
seihst und der Arzneimittellehre. Manche beschäf¬ 
tigte Aerzte erklären, dass diese Anleitung von 


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Hahnemann unausführbar sei wegen der dazu er¬ 
forderlichen Zeit. Das ist ein Irrthum. Nach einem 
Versuche beider Methoden — einer nicht aufge¬ 
zeichneten Geschichte des Krankheitsfalles mit 2 
oder 3 Mitteln im Wechsel und einer vollständigen 
geschriebenen Krankengeschichte mit einer einzigen 
Arznei — lehrt die Erfahrung, dass die letztere dem 
Arzte und dem Patienten viel Zeit erspart. Hierin 
wie in jeder anderen Beziehung haben wir Hahne- 
mann’s Methoden als ganz besonders practisch er¬ 
probt. 

Liegt der Fall einfach, wie oft bei acuten 
Krankheiten, mag die Wahl des indicirten Mittels 
leicht sein. 

Wenn aber die Symptome schwer zu eruiren 
sind, wenn sie durch die vorhergegangene, oft un¬ 
geeignete Behandlung verschleiert oder unterdrückt 
sind, dann wird das stricte Befolgen dieser Hahne- 
mann’schen Vorschriften am besten einen Misserfolg 
vereiteln. Wahrscheinlich wird die erste Consul- 
tation des Patienten auf diese Art mehr Zeit be¬ 
anspruchen; dieser Zeitverlust wird durch den Zeit¬ 
gewinn bei jeder nachfolgenden Consultation reich¬ 
lich aufgewogen werden. 

von Boenninghausen übte diese Methode mit 
einem Erfolge, der ihn weit über seine Zeitgenossen 
erhob. 

Dunham theilt uns mit, dass er im Jahre 1862 
bereits den 112. Band seiner Krankenjournale anfing. 

Diejenigen Aerzte, welche nicht wie von Boen¬ 
ninghausen vollständige Krankengeschichten führen, 
haben auch keinen Nutzen von seinem Taschen¬ 
buche, bei denen aber, welche getreu nach Hahne¬ 
mann, von Boenninghausen und Dunham practiciren, 
wird bedeutender Erfolg ihre Mühe lohnen. 

Individualisirung ist der rothe Faden, der sich 
durch das Organon und die ganze Homöopathie 
zieht. Sie unterscheidet die Homöopathie von den 
generalisirenden Methoden der anderen Schulen. 
Unseren allopathischen Collegen ist mit dem Begriff 
Pneumonie sofort die Behandlung und zwar stets 
die gleiche Behandlung gegeben. 

Wir behandeln den Kranken und nicht die 
Krankheit und suchen für jeden Kranken einzeln 
seine Arznei und zwar (nach § 153 des Organon) 
nach den ungewöhnlichen und characteristischen 
Symptomen, welche der Kranke uns bietet. 

Solche characteristische Zeichen sind z. B.: Die 
Angst und Ruhelosigkeit von Aconit; das schreck¬ 
liche Drängen beim weichen Stuhl von Alumen, 
Aloe und Causticum: Der Stuhl geht besser im 
Stehen ab; Calc. c. fühlt sich besser, wenn ver¬ 
stopft; die Verschlimmerung bei Bewegung von 
Bryonia und Sabina; die Besserung im Freien von 
Apis, Puls., Kal.-jod.; die Empfindlichkeit gegen 
Kälte von Baryta c., Hepar, Psorin.; die Reizbar¬ 


keit von Chamomilla; die hysterischen, stets wechseln¬ 
den, widerspruchsvollen Erscheinungen von Ignatia; 
die Verschlimmerung Nachmittags 4 Uhr von Coloc., 
Helleb., Lycop.; die Durstlosigkeit von Pulsat.; die 
Schmerzlosigkeit aller Beschwerden von Stramonium; 
die stets linksseitig beginnenden Halserscheinungen 
von Lach, und Sabad. 

Das sind einige wenige Beispiele von ungewöhn¬ 
lichen und characteristischen Symptomen. Sie die¬ 
nen zur Individualisirung, sind also für den Kli¬ 
niker von ganz besonderem Werthe. 

Lange Jahre praktischer Bestätigung von Hahne¬ 
mann’ s Methoden befestigten von Boenninghausen in 
der Ueberzeugung, dass ein Repertorium, arrangirt 
mit specieller Rücksichtnahme auf den relativen 
Werth der Symptome, unentbehrlich sei, um den 
§153 des Organon befolgen zu können. 

Und wer hätte ein solches Repertorium besser 
schreiben können, als der Homöopath von Münster, 
der als Arzneimittelkenner und erfolgreicher Thera¬ 
peut seines Gleichen nicht fand in Europa!“ 

So H. C. Allen in seiner begeisterten Lobrede 
auf von Boenninghausen. 

Ein solches Krankenexamen, wie Hahnemann es 
vorschrieb, von Boenninghausen es übte und Allen 
es empfiehlt, ist für den Ungeübten eine zeit¬ 
raubende und mühsame, manchmal unfruchtbar 
scheinende Aufgabe; jahrelange Uebung verbunden 
mit zunehmender Mittelkenntniss erleichtern diese 
Aufgabe ganz wesentlich. Die erste Consultation 
ist meist die wichtigste, das Mehr an Zeit, welche 
darauf verwendet werden muss, ist nicht verloren, 
und die obige Angabe Allen’s, dass in den nach¬ 
folgenden Consultationen durch Zeitersparniss dieses 
Plus an Zeit reichlich aufgewogen wird, kann ich 
voll bestätigen und Jeder, der Gewicht auf Kranken- 
exaraen und niedergeschriebene Krankengeschichten 
legt. 

Hahnemann giebt in § 84 des Organon den Rath, 
den Kranken und seine Angehörigen ruhig ausreden 
zu lassen und ihre Klagen zu notiren mit denselben 
Ausdrücken. 

Für eine Anzahl von Fällen ist der Rath gut 
zu verwerthen, andererseits giebt es genug Patien¬ 
ten, welche stundenlang erzählen können von ihren 
Leiden, ohne dass der langen Rede kurzer Sinn 
für die Wahl der Arznei Anhaltspunkte böte. 
Wieder andere Patienten sind ausserordentlich dürftig 
in ihren Angaben. In beiden Fällen ist die ge¬ 
schickte Fragestellung des Arztes die Hauptsache. 
Hierbei hat man sich besonders zu hüten vor dem, 
auch bei tüchtigen Mittelkennern, wie von Boenning¬ 
hausen hervorhebt, nicht seltenen Fehler, das Bild 
eines Arzneimittels künstlich aus dem Kranken 
herauszuexaminiren, was bei Lieblingsmitteln — 
und welcher Arzt hat nicht solche? — am leich- 

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testen passirt. Nebenbei bemerkt, ist das ein wei¬ 
terer Vorzug des Taschenbuchs von von Bo enning¬ 
hausen, dass es den Arzt davor bewahrt, sich auf 
Lieblingsmittel zu beschränken, den Kreis seiner 
Arzneien zu eng zu ziehen. Jeder weiss, dass 
Sulfur Verschlimmerung in der Bettwärme hat, im 
Taschenbuch sehen wir, dass nicht allein Sulfur und 
Mercur diese haben, sondern eine grosse Anzahl 
von Arzneien ausser diesen, Puls, hat Besserung im 
Freien, aber ausser Puls, noch viele andere. Wer 
für Besserung im Umhertragen nur Cham., für rothen 
Sand im Urin nur Lycopod., für Ekel gegen Fett 
nur Puls, und Carbo veg., für Würmer nur Cina, 
für Hämorrhoiden nur Nux vom. und Sulfur für 
Knocheneiterung nur Silicea kennt, kann im Taschen¬ 
buch sehen, wie der Kreis der betr. Arzneien viel, 
viel weiter gezogen werden muss. Es wird dadurch 
die Aufmerksamkeit auf Mittel gelenkt, von denen 
man vorher keine Ahnung hatte, dass sie in der¬ 
artigen Zuständen überhaupt zur Anwendung kom¬ 
men könnten, man ist genöthigt, den Symptomen- 
codex nachzuschlagen, kurz seine Arzneimittel- 
kenntniss zu erweitern und zu vertiefen. 

Für ein vollständiges Krankenexamen ist ein 
gewisses Schema, das sich Jeder machen kann, un¬ 
entbehrlich, um nicht wichtige Punkte zu über¬ 
gehen. Bei jedem Patienten — ich habe bei allen 
meinen Auseinandersetzungen in erster Linie chro¬ 
nische, complicirte Fälle im Auge; doch ist auch 
bei acuten Fällen ein Durchfragen und Notiren von 
grossem Nutzen — gehe ich das ganze Schema 
durch und habe es bisher nicht zu bereuen gehabt. 

Ich beginne, nachdem der Patient seine Be¬ 
schwerden vorgebracht, mit dem Schlaf: 

1. Wie ist der Schlaf? Einschlafen schwer oder 
leicht? Befinden nach dem Schlafe, nach dem Mittags¬ 
schlafe? Lage im Schlafe? Fiebererscheinungen 
im Schlafe, Frost, Hitze (Hitze in einzelnen Tbei- 
len, Kopf, Händen, Füssen), Sch weiss? Schläfrigkeit 
am Tage? Träume (stets von bestimmter Art, mit 
bestimmtem Inhalt)? 

2. Gehe dann über zu Appetit, Durst, Verlangen 
nach besonderen Sachen oder Abneigung gegen 
solche, Beschwerden nach dem Essen, Druck der 
Kleider, Stuhl, Urin. 

3. Zu fieberähnlichen Erscheinungen, Frost, 
Hitze (aufisteigende), Sch weiss mit besonderer Frage¬ 
stellung Schweiss an einzelnen Körpertheilen, 
Füssen, Handflächen, Achsel, Kopf? kalter oder 
übelriechender Schweiss? 

4. Die ausserordentlich wichtige Verschlimme¬ 
rung oder Besserung der Symptome nach den Um¬ 
ständen. Jahreszeit, Mondwechsel, Tageszeit, Wit¬ 
terung, Witterungswechsel, Temperaturwechsel, Zug, 
Wärme im Zimmer, Bewegung und Ruhe, Gemüths- 
bewegung, Essen und Trinken. 


Für diese Abtheilung ist in von Boenninghausen’s 
Taschenbuch massgebend Kap. VI 2. 3. 

5. Gemüthsstimmung. 

6. Eine Frage, die nie fehlen darf, nach der 
pathologischen Vergangenheit des Patienten. 

Es empfiehlt sich in allen schwierigen Fällen, 
sämmtliche Fragen durchzugehen. Eine anscheinend 
geringfügige Bemerkung auf eine anscheinend 
ebenso gleichgültige Frage lenkt oft urplötzlich die 
Gedanken des Fragenden auf ein Mittel, das ihm 
von vornherein für den vorliegenden Fall nie in 
deu Sinn gekommen wäre und welches, wie er dann 
mit einem Male übersieht, dem ganzen Symptomen- 
bilde entspricht: 

H. C. Allen bemerkt oben richtig, dass ein sorg¬ 
fältiges Krankenexamen dem Patienten und dem 
Arzte viel Zeit erspart. Je genauer und je tref¬ 
fender in den charakteristischen Zügen das erste 
Examen (und zwar ganz besonders das erste) ausfallt, 
auf desto sicherer Basis baut sich die Therapie auf. 

Ohne Arzneimittelkenntniss kein gutes Kranken¬ 
examen, ohne eingehendes Krankenexamen kein 
genügendes Fructificiren der Mittelkenntniss. 

Allerdings braucht der Homöopath, wenn er den 
Regeln Hahnemanns folgt, weit mehr Arbeit, als der 
Allopath; aber eine mehrfache Befriedigung belohnt 
ihn für die aufgewendete Mühe. Ausser den oft 
berührten Punkten, dass er durch seine Arzneien 
nie schadet, dass er manche Fälle heilt, die bei an¬ 
derer Behandlung ungeheilt bleiben, dass er die 
Kranken in kürzerer Zeit ohne besondere Belästi¬ 
gung, ohne sonstige äussere Hülfsmittel, ohne sonst 
für unvermeidlich gehaltene operative Eingriffe 
wiederhergestellt, möchte ich noch betonen, dass 
das von dem Allopathen gewöhnlich als eine un¬ 
fruchtbare Crux medicorum angesehene und ge¬ 
fürchtete Gebiet der chronischen Krankheiten für 
den Homöopathen ein ebenso interessantes wie dank¬ 
bares ist. 

Dann möchte ich noch einen Punkt hervorheben, 
der noch einen zweiten in sich schliesst: Bei dem 
Homöopathen wächst durchschnittlich der Erfolg der 
Therapie im gleichen Verhältnisse mit der aufge¬ 
wendeten Mühe und Arbeit (Arzneimittelkenntniss 
und Krankenexamen), etwas, was die Allopathie in 
der inneren Medicin nicht bietet. Und in diesem 
Punkte, der in der Einheitlichkeit unseres thera¬ 
peutischen Princips Similia Similibus begründet ist, 
beruht die ausserordentliche Anregung, uns in der 
Basis unserer Therapie, der Arzneimittellehre zu 
vervollkommnen. Wir fühlen, dass wir nie genug 
von dieser lernen können, dass ein gewöhnliches 
Menschenalter nicht ausreicht, neben unserer Praxis 
uns eine solche Kenntniss unserer Waffen, unserer 
Arzneien anzueignen, dass wir mit uns selbst zu¬ 
frieden sein können. 


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27 


Ich komme auf die einzelnen Punkte des 
Krankenexamens zurück, um in grossen Zügen zu 
demonstriren, wie praktisch wichtig die einzelnen 
Fragen der Differenzialdiagnose der Arzneien sein 
können. Es ist wohl überflüssig zu bemerken, dass 
ausser den Vorschriften Hahnemanns den theore¬ 
tischen Betrachtungen und den später folgenden 
praktischen Fällen stets das Taschenbuch von 
von Boenninghausen zu Grunde gelegt ist. Das im 
Krankenexamen erlangte Material soll zur Mittel- 
diagnose dienen. In den meisten Fällen kommen 
eine Anzahl Arzneien zur Wahl. Das Taschenbuch 
ermöglicht einerseits, den Kreis der überhaupt zur 
Wahl stehenden Mittel abzugrenzen, dass keines 
vergessen und keines überflüssiger Weise in diesen 
Kreis kommt und erleichtert ganz bedeutend die 
engere Wahl. 

Es ist nicht gut möglich, Hahnemanns Kranken¬ 
examen ohne Hülfe des Taschenbuchs durchzuführen 
und nutzbringend zu gestalten, von Boenninghausen 
sagt selbst, „dass der homöopathische Arzt in der 
Praxis irgend einer abgekürzten, leicht übersicht¬ 
lichen und das Charakteristische hervorhebenden Zu¬ 
sammenstellung der Symptome bedarf, tun seinem 
Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen, damit er im 
Stande sei, bei jedem concreten Krankheitsfalle 
unter den im Allgemeinen indicirten Mitteln das 
homöopathisch passendste Heilmittel mit Sicherheit 
und ohne grossen Zeitverlust zu finden.“ Hahnemann 
nannte die Idee von Boenninghausen’s eine „vortreff¬ 
liche und überaus folgenreiche. “ 

(Fortsetzung folgt.) 


Die Bedeutung der Diaphanie 
als Todeszeichen. 

Bekanntlich hat man die Diaphanie als ein 
sicheres Zeichen angegeben, um den Scheintod vom 
wirklich eingetretenen Tod zu unterscheiden. Han¬ 
delt es sich nämlich um einen Scheintodten, so wird 
man, wenn man dessen Hand mit ausgestreckten, 
sich eben gerade berührenden Fingern gegen ein 
starkes, künstliches Licht hält, eine scharlachfarbene 
Linie zwischen je zwei Fingern wahrnehmen. Es 
ist noch ein Rest des Blutkreislaufes in dieser Person 
thätig. Fehlt diese Linie, so hat das Leben auf¬ 
gehört; der Tod ist eingetreten. Der folgende, in 
der Lanoet berichtete Fall lehrt uns jedoch, mit 
welcher Vorsicht wir auch dieses, für sicher an¬ 
gegebene und sich in der That meist bewährende 
Zeichen benutzen müssen. 

Dr. Haward war zu einer alten Dame gerufen 
worden, die an chronischem Bronchialcatarrh litt, der 
sich unter seiner Behandlung bald besserte. — Nach 
drei Wochen beschied ihn aber wieder ein Bote 


schleunigst zu ihr; dieser berichtete, sie sei wie 
gewöhnlich zu Bette gegangen, müsse dann in der 
Nacht verstorben sein, aber sie sehe noch so lebens¬ 
voll aus, dass man angefangen habe zu zweifeln, 
ob der Tod wirklich eingetreten sei. Der Arzt fand 
kein Zeichen von Athem, Puls oder Herzschlag bei 
ihr, aber das Gesicht hatte das Aussehen einer 
lebenden Person, zumal die Augen offen und wie 
lebensvoll waren; die Hand war leicht flectirt und 
ziemlich starr, wie im Anfänge der Todtenstarre. — 
Ein naher Verwandter bekundete, sie sei schon 
früher einmal in einen todtenähnlichen Zustand, 
unter ähnlichen Symptomen, selbst bis zur Starre 
von Armen und Händen, verfallen. Man rief nun 
den Dr. Benj. Ward Richardson, der die Beweise 
für den Tod zu seinem Specialstudium gemacht, 
als Autorität herbei. Dieser constatirte bei der Prü¬ 
fung des Leichnams folgende Todeszeichen: 

1. Die Bewegung und Töne des Herzens fehlten 
vollständig, sowie auch jede Spur von Puls. 

2. Athemgeräusche und -Bewegungen ebenso. 

3. Die Körpertemperatur, im Munde gemessen, 
zeigte die Höhe der Zimmerwärme. 

4. Eine reine, glatte Nadel in das Fleisch des 
Biceps gestochen, zeigte beim Herausziehen 
keine Spur von Oxydation. 

5. Electrische Schläge von verschiedener Stärke, 
mittels Nadeln zu verschiedenen Muskelgruppen 
geleitet, blieben ohne jede Reaction. 

6. Ein Probeband, um die Venen des Armes 
gelegt, bewirkte keine Füllung derselben 
unterhalb des Bandes. 

7. Die Eröffnung einer Vene ergab, dass das 
Blut noch flüssig sei (während es beim Todten 
in der Regel geronnen ist). 

8. Die subcutane Einspritzung von Ammoniak 
(Merte Verdi’s Probe) bewirkte die schmutzig¬ 
braune Färbung als Zeichen eingetretener Blut¬ 
zersetzung. 

9. Bei Bewegung der Gelenke, des Unterkiefers, 
wurde die Todtenstarre constatirt, 

So verwiesen von den 9 angestellten Proben 
8 auf den Tod bin. Die Flüssigkeit des Blutes 
ist eine Erscheinung, die wohl von einer ausser- 
gewohnlichen Dissolution bei niedriger Temperatur 
herrührte. 

10. Es blieb noch die Probe auf die Licht- 
diaphanie übrig — und siehe! diese zeigte 
die Purpurlinie zwischen den Fingern so voll¬ 
kommen, wie bei einem Frischlebendigen. 

Nun wurde die Temperatur des Zimmers erhöht 
und der Leichnam auf Zeichen der Verwesung hin 
beobachtet, welche denn auch am folgenden Tage 
eintraten. Daraus geht hervor, die Diaphanie allein 
ist kein absolut sicheres, thanatologisches Zeichen. 

| Dr. Moisa. 

4 * 


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28 


LesefrUchte. 

Physiologische and pathogenetische 
Wirkungen einiger Mittel. 

1. Chloroform-Nachicirkuiigen. Von Dr. Luther. 
(Aus der Frauenklinik des Dr. Brennecke zu 
Magdeburg.) 

Die längere Zeit bei jeder Chloroform-Narkose 
fortgesetzte chemische und mikroskopische Harn- 
Untersuchung ergab, dass mit um so grösserer 
Sicherheit, je länger dieselbe dauert, im Harn sich 
Eiweiss und Cylinder (meist hyalene und gekörnte, 
seltener Epithel-Cylinder) finden, sowie Chloroform- 
Nachwirkungen (Ueblichkeit, Erbrechen, Icterus etc.) 
auftreten; fehlten Letztere, dann war auch im Harn 
nichts Abnormes nachweisbar. 

Bei schon vor der Narkose bestehende Albu¬ 
minurie treten sehr heftige Nachwirkungen ein, und 
diesen entsprechend auch schwere Nieren-Verände¬ 
rungen. Albuminurie und Cylindrurie gehen meist 
Hand in Hand und verschwinden erst in einigen 
Tagen, stets zugleich mit dem Nachlasse der üblen 
Nachwirkungen (Trockenheit der Lippen, Durst¬ 
gefühl, schlechter Geschmack, Nachgeschmack von 
Chloroform, Appetitlosigkeit). 

Daher ist der Harn des Kranken vor jeder 
voraussichtlich längeren Narkose zu untersuchen. — 
Nieren-Erkrankungen geben eine Contrain di cation 
für Chloroform-Narkosen ab (ganz besonders 
Ecclampsia gravidarum). 

(Münchener med. Wochenschrift 1893, Nr. 1.) 

2. Oedematöse Anschwellung des Praeputiums als 
Nebenwirkung des Antipyrin beobachtete Dr. Freu¬ 
denberg (Berlin) bei einem 30 Jahre alten Manne, 
der viel an Exanthemen leidet, nach dem Einneh¬ 
men von 0,5 gr. A. — Oedem des Pr. sowie der 
Glans und des Scrotums. Die Anschwellung und 
das gleichzeitige Jucken an den betreffenden Stellen 
verschwanden nach 8 Tagen. — Dasselbe Bild 
wiederholte sich, als dieser Kranke versuchshalber 
wieder dieselbe Dosis Antipyrin nahm. Die An¬ 
schwellung entstand schon wenige Stunden nach 
dem Einnehmen. (S. auch Moeller zur Kenntniss 
des Antipyrin-Exanthems.) 

(Th. Monatsschr. 1892, S. 380. — Centralblatt für 
klinische Med. 1893, Nr. 5. — Bock.) 

3. Muskatnuss- Vergiftung . 

Eine Frau, welche, um zu abortiren, 3 zer- 
stosscne Muskatnüsse genommen hatte, erbrach sich 
3 Stunden darauf heftig, verfiel dann in Delirien, 
schwatzte leise vor sich hin, stiess dann und 
wann in ein gellendes Gelächter aus, und hallu- 
cinirte andauernd. 

Die Behandlung bestand in Verordnung von 


Chloral und Calomel, worauf in 2 Tagen Genesung 
eintrat. Uterus-Contractionen waren nicht ausgelöst 
worden. 

(Therapeutic gazette 15. Sept. — Reunei't-Hamburg.) 

Dr. Proeil in Meran. 

Nachtheilige Wirkungen des electrischen Schweis- 
sens. — Verschiedene grosse Eisenwerke haben die 
Methode eingeführt, Eisen mittels Electricität zu 
schweissen, worunter aber die Arbeiter erhebliche Schä¬ 
digungen ihrer Gesundheit erlitten haben. In der 
grössten russischen Maschinenfabrik „Kolomna“ 
machte man hierüber folgende Erfahrungen: Die Augen 
der Arbeiter, anfangs nur durch dunkle Brillengläser 
geschützt, empfanden brennende Schmerzen während 
des Schweissens, nach 3—4 Stunden fingen sie an 
zu thränen, die entblösste Haut, welche auch bren¬ 
nend schmerzte, fing an zu schwellen; später färbte 
sie sich braun. Es traten allerlei Augentäuschungen 
ein, die 5 — 6 Stunden anhielten. Ausserdem ein 
trockner Husten. Sobald die allgemeinen Symp¬ 
tome nachliessen, schälte sich die Haut ab, was etw r a 
3 Tage dauerte — nach 6 Tagen waren sämmt- 
liehe Erscheinungen vergangen; nur war die neue 
Haut noch stark geröthet. — Man nimmt an, dass 
nicht allein die bei dem Schweissungsprocess ent¬ 
wickelte Hitze, sondern auch das intensive Licht 
hier gewirkt hätten (sollten die Metalldämpfe gänz¬ 
lich unbetheiligt sein? Ref.) — Als der beste Schutz 
für die exponirten Arbeiter hat sich in der Folge 
ein gelber, wachsleinener Anzug und eine Gesichts¬ 
maske betreffs der Haut, sowie rothe oder blaue 
Schleier für die Augen am zweckmässigsten erwiesen. 

(Ungarische Montan-Indusrie-Zeitg.). 

Ueber „ Somatosen “ und Albumosenpixipai'ate im 
Allgemeinen. Von R. Neumeister in Jena. 

Wie in seinem „Lehrbuche der physiologischen 
Chemie“, so stellt Professor Neumeister neuerdings 
in einem Aufsatze in der „Deutschen medicinischen 
Wochenschrift“ (Nr. 36, 1893) die Ernährung mit 
Peptonen und Albumosen in das rechte Licht, wenn 
er sie als einen „rohen Eingriff“ hinstellt und da¬ 
vor warnt. 

Unter dem Namen „Somatosen“ wird in neuerer 
Zeit von den Elberfelder Farbenfabriken (vorm. 
Friedr. Bayer & Co.) ein Albumosenpräparat in den 
Handel gebracht, über welches Dr. H. Hildebrandt 
(Elberfeld) auf dem diesjährigen Congress für innere 
Medicin berichtete. 

Nach Hildebrandt’s Angaben ist die Substanz 
direkt, das heisst mit Umgehung des Darmcanals, 
assimilirbar. Subcutan injicirte Lösungen des ge¬ 
nannten Präparates würden, ohne Ausscheidung von 
Albumosen oder Peptonen iin Harn, vertragen. Hier- 


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89 


nach müsste das Material im Organismus zurück- | 
behalten werden, und in der That will Hildebrandt ! 
bei der erwähnten Applicationsweise auch einen 
gewissen Nährwerth der Somatosen constatirt 
haben. 

Diese Angaben des genannten Autors stehen 
im direkten Widerspruch mit einer Reihe von 
Untersuchungen, welche seit zehn Jahren von 
anderer Seite ausgeführt sind. Aus ihnen hat sich 
übereinstimmend ergeben, dass die bis dahin be¬ 
kannten Albumosen und Peptone nicht einmal spur¬ 
weise direkt assimilirt werden. Brachte man sie 
auch in den geringsten Mengen mit Umgehung 
des Darmes in die Säftemasse, so verhielten sie 
sich hier wie Fremdkörper. Sie erschienen nicht 
nur prompt im Ham, sondern wirkten in grösseren 
Mengen durchweg schädlich. 

Nach Hildebrandt besteht das als „Somatosen“ 
bezeichnete Präparat „aus Deutero- und Hetero- 
albumosen der Hemigruppe, sowie aus der gesamm- 
ten Antigruppe. Die beiden anderen Bestandteile 
der Hemialbumosen (Protero- und Dysalbumosen) 
fehlen in dem Albumosenproducte der Farben¬ 
fabriken“. 

Diese Ausführungen Hildebrandt’s sind mir bis 
jetzt unverständlich. Dagegen kennzeichnet sich 
das Präparat der Elberfelder Farbenfabriken als 
eine durch die Wirkung gespannter Wasserdämpfe 
oder durch Papayotinverdauung aus Eiweissstoffen 
dargestellte Albumose, welcher etwas Pepton bei¬ 
gemischt ist. 

Ich habe diese Albumose vor einigen Jahren 
als Atmidalbumose beschrieben und gezeigt, dass 
sie bei ihrer direkten Einführung in die Säftemasse 
sich nicht anders verhält, als die gewöhnlichen Ver- 
dauungsalbumosen. 

Zum Ueberfluss unterliess ich nicht, einem 
grossen Kaninchen (2 kg) 0,1 g der „Somatosen“ 
subcutan beizubringen. Der nächste Harn des 
Thieres enthielt die Albumose, meinen früheren I 
Befunden entsprechend, unverändert. Sie lässt sich 
durch Sättigung der angesäuerten Flüssigkeit mit 
schwefelsaurem Ammoniak aussalzen und wieder 
darstellen. 

Den Angaben Hildebrandt’s muss ich demnach 
durchaus entgegentreten und kann vor einer sub- 
cutanen Application der „Somatosen“ zum Zwecke j 
der Ernährung von Kranken nicht dringend genug 
warnen. 

Dass die Albumosenpräparate, auf eine Reihe 
von Tagen gegeben, theilweisc oder auch gänzlich 
das native Eiweiss bei gesunden Menschen und 
Thieren zu ersetzen vermögen, ist nachgerade ge¬ 
nügend festgestellt. Zugleich aber haben ent¬ 
sprechende Versuche ergeben, dass bei längerer 1 
Verabreichung derartiger Präparate regelmässig , 


Symptome von erheblicher Reizung und Schädigung 
des Darmcanals eintreten. 

Muss schon von diesem Standpunkte aus die 
Verordnung von Albumosenpräparaten an Kranke 
kaum rathsam erscheinen, so ist eine derartige 
Massnahme doch offenbar nur dann gerechtfertigt, 
wenn sich durch die Albumosenpräparate wenig¬ 
stens für kurze Zeit eine bessere Ernährung er¬ 
zielen lässt, als durch die entsprechende Menge 
nativer Eiweissstoffe. 

Es ist auffallend, dass dieser Punkt bei den 
Empfehlungen der in Rede stehenden Präparate 
regelmässig ausser Acht gelassen ist Es wird 
immer nur darauf hingewiesen, dass die betreffende 
Substanz eine entsprechende Menge Eiweiss ver¬ 
treten könne. 

Nun ist es aber höchst wahrscheinlich, dass 
sich durch Albumosen- oder Peptonpräparate, sie 
mögen bereitet sein wie sie wollen, unter keinen 
Umständen eine bessere Ernährung erzielen lässt, 
als durch fein geschabtes Rindfleisch, wohl aber 
wird das Gegentheil stattfinden, sobald sich die 
oben erwähnten Reizungserscheinungen von Seiten 
des Darmes geltend machen. 

I Die Ernährung Kranker durch Albumosen- oder 
Peptonpräparate muss endlich geradezu als ein 
roher Eingriff erscheinen, wenn man bedenkt, dass 
| über die Ausdehnung und den Umfang der di- 
‘ gestiven Processe im Darmcanal unter den ver- 
1 schiedenen Ernährungsverhältnissen nichts bekannt 
1 ist. Gerade die Spaltung der Eiweissstoffe durch 
die Verdauungssäfte unterliegt offenbar einer be¬ 
stimmten Regulirung, welche es unter anderem nie 
dahin kommen lässt, dass sich grössere Mengen 
von Albumosen oder Peptonen im Darmcanal an¬ 
sammeln. 

Nach unserer Anschauung sind die Albumosen- 
und Peptonpräparate als Nährmittel für Kranke 
unter allen Umständen entbehrlich und daher zweck¬ 
los, dauernd in grösseren Mengen verabreicht durch¬ 
aus als schädlich anzusehen, womit auch die Er¬ 
fahrungen namhafter Kliniker übereinstimmen. 

Dr. Haedioke. 


Ischias. 

Folgende Symptome sind durch die klinische 
Erfahrung bei der Behandlung von Ischias-Fällen 
bestätigt worden. 

Amioa . Die Hüfte schmerzt wie zerschlagen; 
das Bett fühlt sich zu hart. 

Kali bichromicum. Weh im Rücken und die 
linke Seite hinunter bis in die Hüfte. Rheuma¬ 
tische (? Ref.) Schmerzen in den Hüftgelenken 
und Knieen bei Bewegung; beim Spazierengehen: 
Weh im Laufe des linken Nervus ischiadicus hinten 


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K 


am Trochanter major bis nur Ferse. (Hering’ s 
Condensed mat. med.) (Die ischiadischen Schmerzen 
können einer Erkältung des Kopfes folgen per 
metastasin). 

Silioea. Rechtseitige Ischias, besser bei Bewe¬ 
gung nnd von Wärme; schlimmer in der Ruhe oder 
in der Kälte; Verstopfung. 

(Rbus tox. wird bei Stuhlverstopfung nicht heilen.) 

Thuja . Schmerz im rechten N. ischiadicus, beim 
Aufsteben, beim Anfänge des Gebens, Vorwärts¬ 
beugen (Strumpfanziehen); leicht ermüdet vom 
Stehen an einem Pulte. — Vorausgegangene Go¬ 
norrhoe. 

(Aus dem homöopath. Physician. 1993, 6. — 
Dr. Gilbert). 


Wie Professor Zlatarowich zur Homöopathie 
gekommen ist. 

Zlatarowich, der seiner Zeit Professor der Arznei¬ 
mittellehre am Josephinum war, und den wir, nebst 
seinen Schülern als kühne, äusserst opferfreudige 
Mittelprüfer aus den Protokollen der in den vier¬ 
ziger Jahren von der so verdienstvollen österreichi¬ 
schen Zeitschrift für Homoeopathik veröffentlichten 
Nachprüfungen und Neuprüfungen wichtiger Arznei¬ 
mittel kennen lernen, hat seine merkwürdige Be¬ 
kehrung zur Homöopathie folgendermassen selbst 
erzählt: 

„Ich las gerade,“ sagt er, „über Mercur und 
seine physiologischen Wirkungen, als ich mit einem 
Male bemerkte, dass ich damit eine reguläre Be¬ 
schreibung der venerischen Krankheit gab, gerade 
der Krankheit, zu deren Heilung jenes Mittel sich 
besonders wirksam erweist. Dieser Gedanke zuckte 
wie ein Blitz durch meinen Geist, überwältigte und 
verwirrte mich in dem Maasse, dass ich mich genöthigt 
fand, mein Heft zusammenzufalten und meine Vor¬ 
lesung plötzlich abzubrechen, zur grossen Bestür¬ 
zung meiner Zuhörer. 

„Ich zog mich in mein Zimmer zurück, schickte 
jeden Besuch fort, um ungestört zu sein, und be¬ 
gann in einem Zustande lebhafter Erregung über 
die Entdeckung, die ich soeben gemacht, nachzu¬ 
denken. Ich war mit der Homöopathie nur sehr 
oberflächlich bekannt und hatte gegen sie die gewöhn¬ 
lichen Vorurtheile ihrer Gegner. Gleichwohl kam 
mir jetzt natürlich das Princip des Similia similibus 
in den Sinn und ich suchte in dieser Lehre die 
Erklärung und allgemeine Bestätigung für die be¬ 
sondere Thatsache, welche mich bei den Wirkungen 
des Mercur so betroffen hatte. Ich konnte für alle 
Heilstoffe die Wahrheit dieses wunderbaren Aehn- 


lichkeitsgesetzes, dieses allgemeinen und fundamen¬ 
talen Gesetzes der Heilkunst, bestätigen. Von die¬ 
sem Augenblicke an nahm ich die homöopathische 
Methode unbedingt an. u (Homoep. World. Mai 
1893.) 

Der blitzähnliche Umschwung in diesem Falle 
erinnert lebhaft an die Bekehrung des Paulus, ob¬ 
wohl Zlatarowich kein verfolgungssüchtiger Saulus 
gewesen war. Jedenfalls war er ein der Wahrheit 
zugänglicher und sie, wenn er sie erkannte, ener¬ 
gisch erfassender und sie festhaltender Charakter. — 
Ob er Professor beim Josephinum geblieben und 
über seine späteren Lebensverhältnisse und wissen¬ 
schaftliche Thätigkeit, könnte uns wohl einer der 
Wiener Herren Collcgen, die leider jetzt so wenig 
von sich hören lassen, Auskunft geben. Denn ein 
solcher Mann darf bei uns nicht der Vergessenheit 
anheimfallen. 


Einige KernsprUche von Paracelsus. 

1. 

Schwatzen, süss Reden, Blandiren ist des Maules 
Amt; Helfen aber, nutz sein, erspriesslich, ist des 
Herzens Amt. Im Herzen wächst der Arzt, aus 
Gott gehet er, des natürlichen Lichtes ist er, der 
Erfahrenheit. 

2 . 

Nun ist die Erfahrenheit von Jugend auf bis 
in das Alter und gar nahe bis in den Tod; nicht 
zehn Stunden bleibt einer ungelernt. 

3. 

Darum so ein Arzt auf einen Grund stehen soll, 
muss er in der Wiege gesäet werden, wie ein Senf¬ 
korn. 

4. 

Dafür danke ich Gott, dass ich ein deutscher 
Mann geboren und in Noth und Armuth aufge¬ 
wachsen bin und dass er mich zur Arznei geführt, 
dem Lichte der Natur. 

5 . 

Der Magnet zieht Eisen an sich, das er nicht 
thut als allein nur aus der Natur seiner Qualitas 
speciflca — also heilen die Aerzte alle Krankheiten 
durch die cura speciflca. Deren sind gewesen die 
Exp erimen tato res und die ihr von wegen eures Ge¬ 
spöttes nennt Empiricos. 

6 . 

So der Arzt die Anatomey (= Signatura) der 
Rosen oder Lilien weiss, so soll er danach wissen 
Anatomiam morborum, so findet er da eine Kon¬ 
kordanz, die sich zusammen vergleichen und ge¬ 
hören. Aus dieser Konkordanz dieser zwei Ana- 


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31 


tomeyen wachset der Arzt, und ohne die ist er 
nichts. Die Farben sind nur Objecte für die Augen, 
der Gustus nur ein Theil der Anatomey, der 
nichts anderes bedeutet, als zu seines Gleichen kom¬ 
men. Daraus folgt aller Glieder Austheilung 
solcher Gustus; damit das Süsse zu seinem Süssen 
komme, Bitteres zu seinem Bitteren, je nach dem 
die Gradus des Süssen, Säuern, Bittern, Herben 
darin enthalten sind. 

Wer ist der, der da suchen wollte der Leber 
ihre Arzeney in der Gentiana, Agarico, Colocynthis? 
kein Arzt. Gleich kommt zu seinem Gleichen, jedes 
in der Ordnung der Anatomey. — Nicht Kaltes 
wider Heisses, nicht Heisses wider Kaltes, sondern in 
der Treue der Anatomey. Es wäre eine wilde Ord¬ 
nung, so wir wollten im Widerspiel (Contrariis. Ref.) 
unser Heil suchen. — Gleichwie ein Kind, das gegen 
seinen Vater um Brod schreit, der giebt ihm nicht 
Schlangen für Brod: — Der Galle ihr Begehren, 
dem Herzen das Seine, der Leber das Ihre. Das 
soll eine Säule sein, darauf der Arzt stehen soll, 
zu geben in der Anatomey einem jeglichen Dinge 
das, was ihm zuvor vereinigt ist. Denn das Brod, 
so das Kind isset, das hat eine Anatomey, darum 
isset es seinen eigenen Leib, und so soll auch eine 
jegliche Arzeney die Anatomey ihrer Krankheit 
haben. 

Alles das, was unsere Nahrung ist, das ist das , 
tcas wir sind, also essen wir uns selbst, und so ist 
es auch in der Arzeney. Und so wir also uns selbst 


nicht essen, so schwindet unser Leib und was m 
uns ist. Darum, so du in der Anatomey erfahren 
und gegründet bist, so giebst du nicht Steine für 
Brod. Denn das musst du wissen, dass du der Vater 
der Krankheit bist, nicht der Doktor, darum so 
speise sie wie ein Vater sein Kind, und was der 
Vater seinem Kinde ist, nämlich ihm zu geben, 
was es selber ist, das sei auch der Arzt dem 
Kranken.“ 

Darum werden kraft dieser gegenseitigen Ana¬ 
tomey, die im Lichte der Natur gegründet ist, die 
Krankheiten billig nach dem Lichte und nicht nach 
der Finsterniss benannt. Das heisst, dass eine Ceder- 
Anatomey cedrische Krankheiten, Eisen Eisenkrank¬ 
heiten giebt, und so wird eine jede Krankheit ver¬ 
ständig und auch der Kunst bekannt. Irrig und 
unergründet heisst Febris Febris; dieser Name kommt 
von der Hitze des Fiebers, und diese ist nur ein Zeichen 
der Krankheit, und nicht der Materie nach Ursache, 
und der Name soll doch von dem Wesen ausgehen. 
Darum Febris ein solcher Name ist, der seines 
Meisters Thorheit anzeigt. 

(Ist das ein Wunder, dass aus diesen theilweise 
dunklen, bilderreichen Aussprüchen Rademacher 
seine Organ-Mittel abgeleitet hat, Andere darin das 
Aehnlichkeitsprincip finden wollen, ja selbst Schüss- 
ler’8 biochemische Therapie liegt darin embryo- 
nalisch eingebettet. Solch geistiges Wetterleuchten 
finden wir in Paracelsus Schriften sehr häufig. Ref.) 


Anzeigen. 


Ein Leidender, 

der seit 6 Jahren von Schwäche in den Beinen 
befallen, viele Aerzte ohne Erfolg consultirte, nun 
schon 8 Monate mit den Beinen ganz lahm ist, 
bittet die Herren Aerzte, welche bereits ähnliche 
Fälle mit Erfolg behandelten, oder diejenigen, i 
welche von einem gleichen Leiden geheilt wurden, 
ihm werthe Adressen unter H. H. 22 an Rudolf 
Mogse, Magdeburg zu senden. 

Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Collectionen vom 1. bis 127. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den 
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht, 
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen. 

A. Marggraf’8 Homöopath. Ofßcin in Leipzig. 


Prima entölten Homöopath. Cacao. 
Feinste Homöopath. Gesundheits-Chokotade. 

Bei homöopathischen Curen ausser dem homöo¬ 
pathischen Gesundheitskaffee als Getränke gestattet, 
empfehlen wir in reinsten und besten Qualitäten 
und in eigener Packung billigst: 

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k 2.80 ä 1.50 ä —.80 Mk. 

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in */ 4 Pfd.-Tafeln ä 50 Pf. 

Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack, 
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leichtester 
Verdaulichkeit. 

Homöopath. Centralapotheke 
YOn Täschner & Co. in Leipzig. 


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32 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer 
Offtoin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Au8 dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 
von 

Sanitätsrath Dr. med. Fanlwasser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre : Es genügt n i c h t a 11 e i n, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'- 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter¬ 
scheiden nach alle nS eiten des betreffendenMi ttels 
statt, soda88 Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch, Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Stark 1 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaming dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von J Bönninghausen, 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 



Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
i jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift-Sehränkchen 

und 

Separan den-Schränkchen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die da3 ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thilre 
und besonderen Schlüssel fiir sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefösse, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thtiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 W., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M. 

Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weise zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetreteuen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Separandeii-Schränk¬ 
chen jetzt auch in einem Schrank vereinigt , vor- 
rätliig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das I^ackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Maser in Leipzig. 


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Band 128 


Leipzig, den i. Februar 1894. 


No. 5 u. 6 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint 14t&gig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M, 60 Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloln ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M, berechnet. 


Inhalt. Paralysis nervi oculomotorii. Von Dr. Ch. van Royers, Utrecht. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse- 
Hamburg. (Fortsetzung.) — Einheimische Gewächse. Von Dr. Mossa. — Das Puhlmann’sche Handbuch der homöo¬ 
pathischen Praxis. Besprochen von Dr. W. Goullon. — (Jeher Hypnotismus und Hysterie. Vortrag von Prof. Jolly. — 
Auszug aus Vorschriften Ober Einrichtung und Betrieb der Apotheken etc. und Auszug aus Anweisung zur amtlichen 
Besichtigung der Apotheken etc. — Glycerin und Stuhlverstopfungen. — Vom Bachertisch. — Die zeitweilig herrschenden 
Heilmittel. — Quittung Uber eingegangene Beiträge fOr das Homöopathische Krankenhaus zu Leipzig. — Quittung aber 
eingegangene Beiträge für die Wittwenkasse homöopathischer Aerzte. — Anzeigen. 


99 " Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage 


Paralysis nervi oculomotorii. 

Von Dr. Ch. van Royers, Utrecht. 

Die Casuistik der Angenkrankheiten ist in der 
homöopathischen Literatur ziemlich dürftig. Die 
Fälle, welche Rückert in seinen Klinischen Er¬ 
fahrungen giebt, sind hei Weitem nicht alle brauch¬ 
bar, weil eine exacte Diagnose noch der heutigen 
Ophthalmologie fehlt. Ich darf daher einen Fall, 
wo dieser Fehler vermieden ist, nicht zurückhalten. 
Die Beobachtung kann genau sein, weil ich seihst 
der Kranke war. Ich hin 65 Jahre alt, mittel¬ 
gross, 53 Kilo, nicht muskelstark. Ich leide nicht 
an einer constitutionellen Krankheit, bekomme leicht 
Bronchialkatarrh, wo sehr oft Pulsatilla das passende 
Mittel ist. Meine Augen sind myopisch, rechts —1, 
links —2*| 2 ungefähr. Ich kann daher ohne Brille 
lesen; nur für die äugen verderbenden deutschen 
Buchstaben brauche ich eine Brille -f-1. Das 
Alter bringt die gewöhnliche Presbyopie mit. In den 
letzten Tagen des August bekam ich einen Magen¬ 
katarrh, passend für Bryonia, welche sehr guten 
Dienst leistete. 

Während dieser Krankheit beobachtete meine 
Frau, dass ich das linke Auge weniger öffne, als das 
rechte. Allmäklig ward das Oeffnen schwieriger, ich 
sah doppelt und schief und hatte einen unausstehlichen 
Schwindel, wenn ich mit beiden Augen sali. 


24. August. Heftige Ciliarneuralgie im linken 
Auge, Druck tief im Auge; der Schmerz verbreitet 
sich in die Schläfe, von da auf den Arcus superciliaris 
und weiter auf die ganze linke Seite des Kopfes. 
Cimicifuga genommen, wonach der Schmerz bald 
aufhörte. 

26. August. Das kranke Auge schmerzt wieder, 
jedoch weniger als am 24. Wenn es verdeckt wird, 
hört der Schmerz bald auf. Ich besuchte Dr. Straub, 
einen tüchtigen Augenarzt, den ich hat, die Augen 
zu untersuchen. 

Das Resultat war Folgendes: Correction Rechts: 
Myopie — 1; nach Correction mit einer Linse 
18 

— 1:sinus ^q- Presbyopie Links: Myopie fast —*\ % ; 

18 

nach Correction mit einer Linse —2 J | 2 : sinus 

Diese Bestimmungen sind geschehen mittels der 
Sn eilen’sehen Buchstaben auf 5 Meter Distanz. 
Opthalmoscopiscli: Rechts und links Retina,‘brechende 
Medien und Iris normal. 

Motorisch rechts normal, Links Ptosis, Strabismus 
divergens, Bewegung des Auges nach innen, oben 
und unten schwierig; verticale Gegenstände scheinen 
schief, oben nach innen. 

Diagnosis: Paralysis aller Muskeln, welche von 
dem N. Oculomotorius innervirt werden, ausgenom¬ 
men Iris. College Straub gab mir den Rath, das 

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linke Auge mittels einer schwarzen Brille zu decken, 
und später beim Lesen zu gebrauchen links -f- 1, 
rechts —|— 2 1 1 2 . Als Prognose stellte er sehr lang¬ 
same Besserung, wenn das Auge nur Ruhe hätte. 

27. und 28.. August. Die Paralyse wird schlim¬ 
mer; das Auge ist activ gar nicht, auch nicht ein 
Millimeter zu öffnen. Der Bulbus unbeweglich in 
Abductionsstellung. Am 28. wieder Ciliarneuralgie. 
Ausser einiger Mattheit und Schläfrigkeit durchaus 
keine weiteren Symptome zu finden, trotz sorg¬ 
fältiger Beobachtung. Ich nahm Spigelia, worauf 
der Schmerz bald aufhörte. Bis 7. September zwei¬ 
mal täglich Spigelia 4. D.; da kam wieder die Neu¬ 
ralgie. Ich consultirte Collegen Dr. Gruber, ohne 
ein Mittel zu nennen. „Das ist ja etwas für Spi¬ 
gelia.“ Als er hörte, dass ich dieses Mittel schon 
seit 10 Tagen genommen hatte, gab er den Rath, 
Argentum nitric. und später Zincum oder vielleicht 
Natrum muriaticum zu nehmen. 

7. und 8. September Argentum nitricum 6. D. 
Die Neuralgie hörte auf. 9. bis 15. September 
Zincum 6.D., Status quo ante; 16. bis 22. Septem¬ 
ber Natrum muriaticum 12. D. Die Kräfte wurden 
besser, das Auge blieb gleich. Am 20. September 
bekam ich einen leichten Bronchialkatarrh, welcher 
die Eigenthümlichkeit hatte, dass der Husten durch 
kaltes Trinken sich besserte. Da hatte ich glück¬ 
lich ein leitendes Symptom, denn bisher fehlte mir 
buchstäblich nichts, als die Augenkrankheit. 

Ich nahm mm Causticum 8. D., früh und Abends 
einen Tropfen. 28. September war das Auge, zwar 
mit Mühe, jedoch zum dritten Theil zu öffnen; der 
Bulbus war ebenfalls etwas beweglich geworden. 
So schritt die Besserung fort. 20. November die 
Ptosis verschwunden, nur noch etwas Schielen und 
dadurch noch Doppeltsehen. 26. November die 
schwarze Brille auf der Strasse abgelegt, nur beim 
Sehen in der Nähe war sie noch angenehm. 28. No¬ 
vember keine Spur der Paralyse mehr übrig. 

Dass die Heilung wirklich dem Causticum zu¬ 
geschrieben werden muss, folgt meiner Meinung 
nach daraus, das9 die Besserung gleich danach ein¬ 
trat und die Herstellung schnell geschah. College 
Straub, welchem ich am 28. November begegnete, 
erklärte die Heilung merkwürdig schnell. Diesem 
Manne, der seiner ophthalmologischen Untersuchungen 
wegen das Doctorat honoris causa erhalten hat, darf 
man wohl ein Urtheil Zutrauen.*) 

Die Wahl des Mittels war einem glücklichen 
Zufalle, einer anderen kleinen Krankheit zuzu¬ 
schreiben. Jahr’s Repertorium nennt 23 Mittel für 

*) Das niederländische Gesetz über die Ausübung der 
Heükunat fordert kein Doctorat. Nach Absolvirung be¬ 
stimmter Examina wird man „arts“. Es kann daher Je¬ 
mand Medic. Dr. sein, ohne Arzt zu sein und umgekehrt 
Arzt ohne Doctorat. 


schwieriges Oeffnen des Auges; dazu kommen noch 
einige Mittel, empfohlen im „Lehrbuche der hom. 
Therapie“ (Leipzig, bei Schwabe, 1887). Viele 
könnten gleich weggelassen werden; solche, wo 
Krampf oder entzündliche Zustände das schwierige 
Oeffnen veranlassen. Die Wahl bleibt dann immer 
noch gross genug; ja, wenn weiter keine Symptome 
da sind, zu gross. 

Mit dieser Mittheilung habe ich gewartet, bis 
ich sicher sein könnte, dass die Heilung bleibend 
wäre. Jetzt (22. December) sind meine Augen so 
gut als vorher. 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Hesse-Hamborg. 

(Fortsetzung.) 

1. Der Schlaf. Ruhiger Schlaf schliesst von 
vornherein Mittel wie Rhus, Arsen., Sulfur aus, 
Sepia schläft spät ein, Sulfur liegt unruhig und 
wirft sich bloss, auch im kalten Zimmer, Causticum 
wirft sich bei seinen rheumatischen Schmerzen oft 
von der einen Seite auf die andere, Calc. liegt gerne 
mit den Händen über dem Kopfe, wie Puls.; die 
höhere Lage des Kopfes unterscheidet dabei Puls, 
von Calc., Platina findet sich stets beim Erwachen, 
auch wenn man sich beim Einschlafen auf die 
Seite gelegt, auf dem Rücken mit gespreizten 
Kniccn, die Hände über dein Kopfe. Bell., Calc., 
Coloc., Puls., Stram., Ign. liegen gerne auf dem 
Bauch, Stannum liegt gern auf dem Rücken und 
hat die Eigenthümlichkeit, bei einzelnen Beschwer¬ 
den das eine Bein zu strecken, das andere heran¬ 
zuziehen (ich erinnere an den von Kunkel erzähl¬ 
ten Fall, wo diese Eigenthümlichkeit auf das mit 
Erfolg gegebene Stannum hinwies), Hyoscyamus 
kann mit dem Kopfe nicht niedrig liegen, weil 
sonst der Husten unerträglich wird, Puls, hält 
gerne die Hände auf den Leib, Arsen, und eine 
kleine Reihe anderer Arzneien können mit dem 
Kopfe nicht tief liegen, andere vertragen die Lage 
auf dem Rücken, auf der rechten oder linken Seite 
nicht. Die Verschlimmerung der Herzbeschwerden 
beim Rechtsliegen gab mir mehrmals Indication für 
Magn. muriat. (dazu noch Besserung in der Be¬ 
wegung), Zinc. hat im Bett Unruhe in den Füssen, 
Rhus ist mit den Beinen stets in Bewegung, be¬ 
sonders nach Mitternacht, wegen rheumatischer 
Schmerzen; Arsen, wird gegen Mitternacht durch 
Angst und andere Beschwerden aus dem Bett ge¬ 
trieben, Nachtwandeln kommt vor bei Bell., Bryon., 
Natr. mur., Sil., Sulf. Die sog. kalten Mittel, wie 
Prof. Kent sie nennt, Hepar, Sil., Nux vom. decken 
sich gerne warm zu, die entgegengesetzten ver¬ 
meiden warme Bedeckung, Sulfur sucht für Kopf 


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und Füsse kalte Stellen im Bett oder streckt die 
brennenden Füsse zum Bett heraus, Merc. wechselt 
ab, schwitzt im warmen Bett, deckt sich auf, friert 
und deckt sich wieder warm zu, Mang., Merc., 
Sulf., Led., Lycop., Cocc. vertragen keine Federn, 
bei Phosphor vermehrt Wolle das Hautjucken, 
Lach, schläft sich in Verschlimmerung hinein, Sepia 
wacht mit dumpfem Kopf auf, Nux vomica ist um 
3 oder 4 Uhr früh ganz munter, dagegen schlaff 
und unerquickt nach dem zweiten Schlaf. 

Eine Reihe von Mitteln hat Verschlimmerung 
gleich nach dem Niederlegen, Arsen, um 12 oder 
1 Uhr Nachts, Kali carb. und Thuja um 3 Uhr, 
Nux vom., Veratr. später, gegen 4 und 5 Uhr. 

Es sind dies nur einige wenige unvollständige 
Andeutungen, aber sie genügen, um die Wichtig¬ 
keit der Fragen darzuthun. Man wird selten bei 
einem Kranken Art und Lage des Schlafes durch¬ 
forscht haben, ohne irgend einen Gewinn für die 
Therapie — Einschränkung der in Betracht kom¬ 
menden Mittel auf eine mehr oder weniger be¬ 
grenzte Zahl — davon zu tragen. 

2 . In § 153 des Organon bemerkt Ilahnemann: 
„Die allgemeineren und unbestimmteren Symptome: 
Esslustmangel, Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger 
Schlaf, Unbehaglichkeit u. s. w. verdienen in dieser 
Allgemeinheit und Unbestimmtheit und wenn sie 
nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit, 
da man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krank¬ 
heit und fast von jeder Arznei sieht. u Danach ist 
Appetitlosigkeit also zu allgemein gehalten, dagegen 
beschränkt sich ausgesprochene Abneigung gegen 
Fleisch nach v. Bo enninghausen auf eine gewisse nicht 
grosse Anzahl von Arzneien, Verlangen nach Butter 
gab verschiedentlich die Indication für Merc. viv., 
nach fetten Sachen für Nux. vom. und Nitri acid., 
Verlangen von Kaffeebohnen bestimmte mich mehr¬ 
fach zu der erfolgreichen Wahl von China. Ver¬ 
langen nach sauren Sachen haben manche Mittel, 
nach Essig speciell („ich könnte die Essigflasche 
austrinken“) in erster Linie Sepia, dann noch Ar- 
nica und Hepar. Das Calc. carb. — Verlangen 
nach Eiern, werde ich später durch mehrere Bei¬ 
spiele illustriren. Die von v. Boenninghausen unter 
Verlangen nach Branntwein aufgeführten Mittel 
sind für Potatoren passend. 

Die blosse Angabe „Durst“ ist wenig brauch¬ 
bar, eher schon Verlangen auf kaltes Wasser 
(siehe v. Boenninghausen „Fieber“). Dass Arsen, 
oft und jedesmal wenig trinkt, ist bekannt, weniger, 
dass diese Eigenheit auch anderen Arzneien zu¬ 
kommt. Man würde also einen Fehler begehen, 
wenn man bei diesem Symptom sofort auf Arsen, 
allein schliessen würde. 

Die Kapitel in dem Taschenbuche: Geschmack, 
Aufstossen, Uebelkeit, Blähungen (für feuchtwarme 


nur Carbo veg., für kalte nur Con., für laute nur 
7 Mittel), Stuhlausleerung (der dick geformte Stuhl 
hat oft die Mittelwahl erleichtert). Die Beschaffen¬ 
heit des Harnes, Geruch, Trübung, Bodensatz, 
unterbrochener Harnabgang verdienen ein beson¬ 
deres Interesse im Krankenexamen. Der ammo- 
niakalische Geruch des Urins ist ein charakteristi¬ 
sches Zeichen, ebenso wie der stinkende, und wird 
relativ häufig gefunden. Geruch des Pferdeurins 
wird gefunden bei Salpeter- und Benzoesäure, Natr. 
carb. und Absinth; der Urin von Viola tric. riecht 
wie Katzenurin, nach Veilchen der von Terebinth., 
Copaiv., Lactuca, Phosphor und Nux mosch. Der 
milchige Urin weist ausser anderen stark auf Cina 
und Phosphorsäure hin. In Kunkels Krankenge¬ 
schichten spielt der graue Bodensatz des. Conium 
eine Rolle. Für dasselbe Mittel spricht der unter¬ 
brochene Harnstrahl, wobei man stets im Auge be¬ 
halten muss, dass noch andere Arzneien diese 
Eigenthümlichkeit haben. 

Für meine dritte Abtheilung: Frost, Hitze und 
Schweiss, ist unentbehrlich das Specialwerk v. Boen- 
ninghausen’s: „Versuch einer homöopathischen The¬ 
rapie der Wechsel- und anderer Fieber.“ In diesem 
sind nur die Beschwerden der Pyrexie verarbeitet, 
den zweiten Theil, die Apyrexie, behielt sich der 
Verfasser noch vor, Si qua fata sinunt, fügte 
v. Boenninghausen, der bei Umarbeitung der zwei¬ 
ten Auflage 1863 schon 79 Jahre alt war, hinzu: 
Die Fieber bieten der homöopathischen Therapie 
durchschnittlich ein günstiges Gebiet, auch wenn 
die ursprüngliche Fieberform durch allopathische 
Behandlung verdeckt ist, und zwar sind die Erfolge 
um so grösser, je genauer man die charakteristi¬ 
schen Merkmale des Fiebers und der Constitution 
des Patienten zu erforschen versteht. 

Am wichtigsten erschien mir immer die Zeit des 
Eintritts, die verschlimmernden und bessernden 
Umstände, und die begleitenden Erscheinungen bei 
und ausser dem Fieber. Das allopathisch vielfach 
ge- und missbrauchte Chinin ist nur dann für den 
Homöopathen indicirt, wenn der Durst vor und 
nach dem Frost sich einstellt, wenn Frost und 
Hitze selbst ohne Durst verlaufen. China hüllt 
sich warm ein beim Frost und setzt sich an den 
Ofen, aber die Wärme bessert den Frost nicht, 
während andere Mittel, Arsen., Nux vom., Ignatia 
an der Spitze, Besserung von äusserer Wärme 
haben. Ignatia hat Durst nur während des Frostes, 
Nux vom. bei der Hitze Verlangen nach Bier, 
Arsen, nach Saurem. • Nur bei 6 Arzneien, worunter 
namentlich Ars., Natr. mur. und Rhus, treten Bläs¬ 
chen an den Lippen auf bei der Hitze, einige we¬ 
nige Arzneien haben blaue Nägel beim Frost, bei 
Carbo veg. geht dem Frost Blau- und Kaltwerden 
der Hände und Füsse voraus. 

5* 


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Ueberhaupt wird man für die Fiebertherapie in 
dem gebannten Buche ein überraschend reiches 
Material finden, gut verwerthbar für den, welcher 
gewohnt ist, hier wie in jedem anderen compli- 
cirten Krankheitsfalle ein vollständiges Kranken¬ 
examen durchzuführen, hier doppelt mühsam, weil 
P^rexie und Apyrexie getrennt durchgenommen 
werden müssen. 

Ausserordentlich häufig notirt man übelriechen¬ 
den Fussschweiss bei Patienten, den v. Boenning- 
hausen nur bei 16 Mitteln verzeichnet; Calc. 
carb. hat das Gefühl, als ob man feuchte Strümpfe 
anhätte. Uebelriechender Achselschweiss, als par¬ 
tieller Schweiss durchaus nicht selten in der Praxis 
vorkommend, wird bei 11 Mitteln notirt, wozu noch 
Sil., Petrol, und vielleicht Lycop. treten. Halb¬ 
seitiger Gesichtsschweiss, den ich im Laufe der 
Jahre etwa viermal beobachtete, bei 6 Arzneien 
vorkommend, führte mich in Verbindung mit an¬ 
deren Symptomen meist auf Sulfur. Nicht zu über¬ 
sehen ist bei geschlechtlichen Abnormitäten, Schwäche¬ 
zuständen nach Onanie, Pollutionen, der Schweiss 
an den Genitalien, welcher auf Sepia, Thuja und 
andere Arzneien hindeutet. 

Das am meisten gebrauchte Kapitel im Taschen¬ 
buch ist dasjenige, was von der Verschlimmerung 
und Besserung nach Zeit, Lage und Umständen 
handelt. College Ide-Stettin, der sich der dankens¬ 
werten Mühe unterzogen hat (Berliner Zeitschrift 
Band V, 5; Allg. hom. Ztg. Band 124, Nr. 21 u. 
22), die Zeiten der Arzneien näher auszuführen, 
bemerkt sehr richtig in der Einleitung: 

„Die Beziehungen der Arzneien zu den Zeiten, 
das periodische Auftreten der Erscheinungen und 
Empfindungen wird, wie unsere Literatur zeigt, 
noch lange nicht in dem Grade beachtet und ver¬ 
wertet, wie ich es für nötig halte. Es scheint 
mir diese auffällige Thatsache, dass gewisse Arznei¬ 
symptome, ebenso wie gewisse Krankheitssymptome 
gern oder immer zu bestimmten Zeiten auftreten 
oder sich verschlimmern, verschwinden oder sich 
bessern, einen tiefen Grund zu haben, und von be¬ 
stimmten Naturgesetzen abhängig zu sein. Denn 
aus der aufmerksamen Beachtung dieses Verhält¬ 
nisses erstehen am Krankenbett die schönsten und 
überraschendsten Erfolge. Dabei ist der Vortheil 
nicht gering anzuschlagen, dass dadurch die oft 
schwankende Mittelwahl unterstützt und gesichert 
werden kann.“ 

Der letzte Punkt ist der wichtigste; Alles, was 
die Mittelwahl erleichtert, ist 'zu schätzen und zu 
benutzen und die Zeiten der Arzneien spielen hier 
keine geringe Rolle, weil erstens viele Patienten 
und viele Arzneien periodisch wiederkehrende gute 
und schlechte, Zeiten haben und weil zweitens sub- 
jective Täuschungen des Patienten, wovor der Arzt 


sich in seinem Krankenexamen so sehr zu hüten 
hat, bei den „Zeiten“ weniger oft Vorkommen, als 
bei den anderen Umständen. 

Wenige Andeutungen genügen, um die Wich¬ 
tigkeit dieses Gegenstandes zu zeigen. Auch der¬ 
jenige, welcher das Taschenbuch v. Boenninghausen’s 
nicht benutzt, verwerthet die Zeiten der Arzneien. 

Es giebt bestimmte Beschwerden, die je nach 
der Jahreszeit auftreten oder sich verschlimmern. 
Für Wechselfieber, regulär im Frühjahr erschei¬ 
nend, wird Lach, genannt, für Hautbeulen ebenso 
Bellad. Verschlimmerung im Frühjahr und Herbst 
wird manchmal die Wahl von Sulfur erleichtern, 
die Bleichsucht von Natr. muriat. beginnt fast aus¬ 
schliesslich im Frühjahr, Glonoin bevorzugt Sommer 
und Sonnenhitze, Rhagaden an den Händen, schlim¬ 
mer im Winter, sprechen mehr für Petrol. Neu- 
und Vollmond, zu- und abnehmender Mond finden 
zuweilen Verwendung; Mondscheinverschlimmerung 
deutet auf Ant. crud. Einige weniger practische 
Notizen bringt Ide unter Periodicität. Bei den 
einen Tag um den andern auftretenden Beschwer¬ 
den hat man die Wahl nur unter 8 Arzneien, bei 
den genau zu derselben Stunde wiederkehrenden 
unter 6 (nach Hering Ant. crud., Sabad., Cedron., 
Diadema, Ignat., Selen.). 

Jeder kennt die schlimme Zeit von Arsen. 
Jeder weiss, dass Thuja sich 3 Uhr Nachts (und 
3 Uhr Nachmittags) verschlimmert, Bellad. von (un¬ 
gefähr) 4 Uhr Nachmittags bis 3 Uhr Nachts, Ly¬ 
cop. (ausser andern!) von 4—8 Nachmittags, dass 
Sepia seine gute Zeit Nachmittags, Natr. muriat. 
Nachmittags und Abends hat. Bei Besprechung des 
Schlafes habe ich die Bedeutung der Lage schon 
erwähnt. 

Wohl zu verwerthen, aber im Examen sehr vor¬ 
sichtig zu handhaben, ist der Einfluss der Witte¬ 
rung. In Bezug auf letztere täuscht sich nach 
meiner Erfahrung der Patient am meisten. Hier 
in Hamburg, wo rauhe Ostwinde häufig sind, höre 
ich ausserordentlich oft als selbstverständlich, dass 
der Ostwind nicht vertragen wird. Bei näherem 
Eingehen auf die Sache bleibt nur übrig, dass ein 
früherer Arzt einmal vor Ostwinden gewarnt hat, 
dass in der That aber für das Leiden ein Unter¬ 
schied zwischen Ost- und Westwind nicht gemacht 
wird. 

Ueberhaupt lohnt es sich, den Antworten des 
Patienten ein gewisses Misstrauen entgegenzu¬ 
bringen und Angaben desselben, welche nicht ganz 
sicher erscheinen, die man aber zur Basis für die 
Mittelwahl benutzen muss, durch wiederholte, ver¬ 
änderte Fragen erst zu erhärten. 

Jahrelange Uebung und Erfahrung erleichtern 
das Examen ausserordentlich, kürzen es ab und 
lehren die Irrthümer möglichst vermeiden. 


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Besserung in der Bewegung trennt Rhus von 
Bryonia, Sepia von Natr. muriat. Kent’s sog. 
kalte Mittel lieben Wärme in jeglicher Form, war¬ 
mes Einhüllen, warmes Zimmer, warmes Wetter, 
im Gegensätze zu Lycop., Puls, und anderen. 

Eine Bemerkung im Farrington Seite 480 lässt 
die Wichtigkeit dieser Umstände scharf hervor¬ 
treten: „Arsenic. ist nützlich bei Gangrän, haupt¬ 
sächlich bei dem trockenen Brand alter Leute, mit 
vielem Schmerz und Brennen in dem afficirten 
Theil, mit Besserung durch warme oder heisse Um¬ 
schläge. Diese Modalität erleichtert Ihnen die 
Unterscheidung zwischen Arsen, und einem anderen 
wichtigen Gangrän mittel, Secale, welches nützlich 
ist bei Gangrän, die sich bessert durch kalte Um¬ 
schläge. u 

Nicht selten zu verwerthen ist die „Verschlim¬ 
merung in Gesellschaft“ von Bar. c., Sepia, Stram., 
im Gegensatz zu Ars., Phosph., Kali carb., welche 
nicht allein sein können. 

Bei Gemüthsaffectionen kann dies die Wahl der 
Arznei erleichtern. Verschlimmerung bei Gewitter 
begrenzt die Arzneien auf eine kleine Zahl, ebenso 
bei Handarbeit. Ich erinnere mich einer ausser¬ 
ordentlich hartnäckigen Gesichtsneuralgie, auf deren 
Heilung durch Silicea ich in erster Linie geführt 
wurde durch die Verschlimmerung bei Gewitter. 
Bei jedem Blitz schoss es scharf durch die kranke 
Gesichtsseite. Zudem noch Besserung durch äussere 
Wärme, Empfindlichkeit gegen Temperaturwechsel 
zum Kalten, Schlimmerwerden schon beim Eintritt 
in ein kälteres Zimmer. 

5. Nie ausser Acht zu lassen ist die Ueberein- 
stimmung des Gemütszustandes das Patienten mit 
dem der Arznei. „Dies geht soweit,“ sagt Hahne- 
mann in § 211 ff. des Organon, „dass bei homöopa¬ 
thischer Wahl eines Heilmittels der Gemütszustand 
des Kranken oft am meisten den Ausschlag giebt; 
als Zeichen von bestimmter Eigenheit, was dem 
genau beobachtenden Arzte unter allem am wenig¬ 
sten verborgen bleiben kann. 

Auf dieses Hauptingredienz aller Krankheiten, 
auf den veränderten Gemüts- und Geisteszustand 
hat auch der Schöpfer der Heilpotenzen vorzüglich 
Rücksicht genommen, indem es keinen kräftigen 
Arzneistoff auf der Welt giebt, welcher nicht den 
Gemüts- und Geisteszustand in dem ihn versuchen¬ 
den gesunden Menschen sehr merkbar veränderte, 
und zwar jede Arznei anders.“ 

Man wird daher nie naturgemäss, das ist, nie 
homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem, 
selbst acuten Krankheitsfalle zugleich mit auf das 
Symptom der Geistes- und Gemütsveränderungen 
siehet, und nicht zur Hülfe eine solche Krankheits- 
Potenz unter den Heilmitteln auswählt, welche 
nächst der Aehnlichkeit ihrer anderen Symptome 


mit denen der Krankheit, auch einen ähnlichen 
Gemüts- oder Geisteszustand für sich zu erzeugen 
fähig ist. 

So wird bei einem stillen, gleichförmig gelas¬ 
senen Gemüthe, der NapelkSturmhut selten oder 
nie eine, weder schnelle noch dauerhafte Heilung 
bewirken, ebensowenig, als die Krähenaugen bei 
einem milden, phlegmatischen, die Pulsatille bei 
einem frohen, heitern und hartnäckigen, oder die 
Ignazbohne bei einem unwandelbaren, weder zu 
Schreck, noch zu Aergerniss geneigten Gemüts¬ 
zustände. 

Durch die unerlässliche Rücksichtnahme auf den 
Gemütszustand lässt sich manche unrichtige Wahl 
vermeiden, schon gleich bei unserem viel miss¬ 
brauchten Aconit. Hahnemann verlangt für Aconit 
ausser Durst und schnellem Pulse „ängstliche Un¬ 
geduld, ein nicht zu besänftigendes Aussersichsein 
und agonisirendes Umherwerfen“ und Farrington 
sagt ebenfalls: „Aconit kann nicht das heilende 
Mittel sein, wenn nicht Angst, Unruhe und Todes¬ 
furcht vorhanden sind.“ 

Die Cina-Kinder sind nervös und eigensinnig, 
mit Cham, geht man meist fehl, wenn der Gemüts¬ 
zustand des Störrigen und Reizbaren nicht da ist 
(Farrington), mit dem Staphys.-Kranken „ist gar 
nicht auszukommen.“ Gerade dieser Gemütszu¬ 
stand führt auf Staph. als Heilmittel bei Ovarien- 
und Uterinleiden. Bekannt ist die ausserordentlich 
gedrückte Stimmung der Phosphorsäure-Patienten 
mit ihren alten Harnröhren- und Blasenleiden. Die 
Selbstüberhebung von Platina, die Verzweiflung und 
Todessehnsucht von Aurum. Niedergeschlagene 
Stimmung bei Schwindsüchtigen deutet auf Stan- 
num, Ignatia trägt den Kummer in sich und heim¬ 
lich, Pulsatilla dagegen spricht gerne über ihren 
Kummer und ist trostbedürftig, Natr. mur. weint 
öffentlich, wird aber wüthend bei gütlichem Zu¬ 
reden. 

Unzählig sind wohl die Fälle, wo zunächst 
durch den Gemüthszustand die Aufmerksamkeit auf 
das helfende Mittel gelenkt oder die Wahl des¬ 
selben erleichtert wurde. Wenn es angeht, frage 
ich auch die Angehörigen des Patienten nach 
seiner Stimmung. Oft erhält man von ihnen bes¬ 
seren Aufschluss in diesem Punkte, als vom Kranken 
selber. 

Ein nothwendiges Zeichen und oft das erste 
von der günstigen Einwirkung des Simile ist bes¬ 
sere Stimmung. 

6. Von hervorragender Bedeutung für die 
Mittelwahl in chronischen und oft auch in acuten 
Krankheiten ist die Erforschung der Vergangenheit 
des Patienten, nicht allein der schweren Krank¬ 
heiten, sondern auch der leichteren Abweichungen 
vom Gesundheitszustände, welch letztere der Kranke 


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oft gar nicht zu beachten pflegt, weil es eben 
„keine Krankheiten“ waren. 

Es vergeht in meiner Praxis kein Tag, wo 
nicht durch die aus der Vergangenheit eruirten 
Krankheitszustände die .Mittelwahl entweder ermög¬ 
licht oder gesichert wird. Die verschiedenen Krank¬ 
heiten eines Menschen, die ihn früher oder später 
befallen, sind oft nur Aeusserungen einer und der¬ 
selben Dyskrasie, welchen ein und dasselbe Mittel 
entspricht. Ein Mensch hat im ersten Lebensjahre 
Ausschlag am Haarkopf, im dritten bis sechsten 
scrophulöse Augenentzündung, vom 14. —18. Le¬ 
bensjahre Neigung zu Mandelentzündungen, Fu¬ 
runkeln und Bronchialkatarrhen, mit 30 Jahren 
Pneumonie, später Caries eines Unterschenkel¬ 
knochens. Der ganze Complex deutet auf den 
Schwefel und häufig genug sind die Fälle, wo 
Sulfur für jedes Glied der Kette, mag auch ein 
Jahrzehnt relativer Gesundheit zwischen den einzel¬ 
nen Leiden liegen, das Simile ist. Bei solchen 
Sulfur-Constitutionen wird der Schwefel dann jede 
Erkältung abkürzen, nach der Influenza den Appetit 
herschaffen und die Kräfte heben, stets hilfreich 
eingreifen und früher oder später die krankhafte 
Disposition umgestalten. 

Nach Kunkel sprechen für Sulfur: Ueberstan- 
dene Krätze, Exantheme aller Art, grosse Neigung 
zu Erkältungen, Schnupfen, Angina, Lungen¬ 
katarrhe, Lungenentzündungen, für Calc. carb.: in 
erster Kindheit dicker Bauch, langsames Schliessen 
der Fontanellen, englische Krankheit, Neigung zu 
Anschwellung der Drüsen (besonders der Cervical- 
drüsen hei Erkältung), zu Ozaena, zu Zahnschmer¬ 
zen, die durch Zug und Nässe hervorgerufen, durch 
Wärme und Einhüllen gebessert werden, zu Nasen¬ 
bluten. Ueberstandene Wochenbetten lassen, wenn 
das Leiden sich an diese anschliesst, an Kali carb. 
denken, Impfung und Gonorrhoe der Eltern, sowie 
selbstacquirirte Gonorrhoe an Thuja. Neigung zu 
Kopfschmerz von Jugend auf, besonders auch in 
den Schuljahren — das Kind kommt oft mit Kopf¬ 
schmerzen aus der Schule — Migräne der Eltern, 
überstandene Pleuritis, Flechten auf dem Hand¬ 
rücken, lassen an Sepia denken. 

Vor Jahren behandelte Kunkel in der Allg. 
hom. Zeitung das Capitel der chronischen Magen¬ 
leiden. Seine Rathschläge, die natürlich für jedes 
chronische Leiden gelten, laufen darauf hinaus, 
dem Patienten das für seine Constitution passende 
Mittel zu suchen. 

Hat man dieses Constitutionsmittel gefunden 
und durch den Erfolg als richtig bestätigt, so hat 
man in manchen Fällen damit nicht allein die 
Arznei in der Hand, welche für den Patienten in 
späteren Krankheiten das Simile ist, sondern oft 
das Constitutionsmittel für Eltern, Geschwister und 


Kinder des Patienten. Sepia beseitigt dann sowohl 
die Migräne der Mutter, wie die veitstanzähnliche 
Unruhe der Tochter, das pleuritische Exsudat des 
Sohnes; Sulfur ebenso die scrophulösen Ausschläge 
des Bruders, wie die Rhachitis und Drüsenschwel¬ 
lungen des Kindes. Diejenigen Constitutionen, 
welche sich nach meiner Erfahrung besonders oft 
vererben, sind die von Sulfur, Calc. carb., Sepia, 
Phosphor, Pulsatilla. Jedenfalls ist die Erforschung 
der überstandenen grossen und kleinen Krankheiten 
wichtiger und erspriesslicher, als manche Einzel¬ 
heiten des Status praesens, ob z. B. der Kopf¬ 
schmerz bohrend oder klopfend, der Magenschmerz 
drückend oder stechend sei. 

Nach meiner ganzen Auseinandersetzung scheint 
es wohl unnöthig, denjenigen, welcher die Mittel¬ 
wahl in dieser Weise betreibt, gegen den Vorwurf 
des Symptomendeckens in Schutz zu nehmen, als 
ob er mechanisch die Symptome des Patienten mit 
denen der Arznei decke. Es kommt eben darauf 
an, die charakteristischen Züge des Symptomen- 
bildes beim Patienten zu erfassen und dafür eine 
Arznei zu wählen, welche dieselben charakteristi¬ 
schen Merkmale aufweist. Eine innere Verwandt¬ 
schaft muss bestehen zwischen den beiden Symp- 
tomenbildern, wenn ich mir beide als Portraits 
denke, sozusagen eine Familienähnlichkeit. 

An Bedeutung hinter der Wahl des Mittels zu¬ 
rückstehend ist die Wahl der Potenz, eine Frage, 
die ich hier nur sehr kurz berühren will und zwar 
in Betreff der Hochpotenzen. Der Eine bezweifelt 
die Wirksamkeit, der Andere die Nothwendigkeit 
derselben. Beides lässt sich nur durch eigenes 
Prüfen entscheiden. v. Boenhinghausen selbst 
spricht sich folgendermassen darüber aus: „Ich kann 
mich nicht enthalten, die Versicherung zu geben, 
dass meine Erfahrungen sich fortwährend aufs Ent¬ 
schiedenste für die „Hochpotenzen“, für sehr langes 
Wirkenlassen und gegen die Wiederholungen ohne 
Zwischenmittel aussprechen. Selbst bei Knochen¬ 
leiden, wie z. B. Krümmungen des Rückgrats und 
Auswachsen von Schultern oder Hüften, habe ich 
nach Hochpotenzen in so kurzer Zeit die vollstän¬ 
digsten Heilungen erfolgen sehen, wie niemals 
früher bei Anwendung tieferer Dynamisationen. Ich 
kann daher aus meiner ziemlich ausgedehnten 
Praxis nur bestätigen, was unsere ächt-hahnemanni- 
schen Koryphäen darüber mitgetheilt haben und 
ich bin mit meinen Resultaten seit zweier Jahren, 
wo ich fast nur „Hochpotenzen“ reiche, noch weit 
besser zufrieden, als früher, obwohl der bei Wei¬ 
tem grösste Theil meiner Patienten von der Art 
ist, wie sie so häufig aus den Händen der Allo¬ 
pathen in die unserigen gelangen.“ 

Eine gewisse Bedeutung lässt sich dieser Er¬ 
klärung unseres grössten Kenners der Arzneimittel- 


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lehre nicht absprechen, ebenso wenig dem Um¬ 
stande, dass alle Hochpotenzier durch die tiefen 
Potenzen hindnrchgegangen sind, also den Vergleich 
zwischen der Wirkung hoher und tiefer Potenzen 
haben machen können. Dass manche erst in den 
späteren Jahren die Hochpotenzen bevorzugten, er¬ 
klärt sich ungezwungen aus der mit den Jahren 
wachsenden Mittelkenntniss. 

Unsere grössten Mittelkenner gebrauchen oder 
gebrauchten die Hochpotenzen entweder ausschliess¬ 
lich, oder mit Vorliebe. Hahnemannn gebrauchte 
zuletzt die dreissigste, v. Boenninghausen die 200. 
Potenz, C. W. Wolf mit Vorliebe die 30. Nach 
Prof. Kent’s brieflicher Mittheilung gab Farrington 
von der dritten bis 30., zuweilen auch höher, 
ebenso Lilienthal, Caroll Durhain 200., Hering 200. 
und höher, ebenso Gross, dieser auch 30., Guemsey, 
Lippe nur Hochpotenzen über 200., ebenso Kent. 

Ich will hiermit durchaus nicht den ausschliess¬ 
lichen Gebrauch der Hochpotenzen empfehlen, son¬ 
dern halte mich nach Kunkel’s Beispiel an die dritte 
Klasse Herings. In seinem Hausarzte theilt dieser 
die Aerzte nach ihrer Verordnungsweise in 3 Klassen 
und sagt: ,,Die dritte Klasse sind solche, die es 
mehr mit der zweiten halten (d. h. wenig und selten 
geben) aber doch behaupten, Fälle, wo Tincturen 
und Tropfen, oder Verreibungen besser wären, 
gäbe es auch, und sie Hessen sich mitunter be¬ 
stimmen. In der Mehrzahl der Fälle wären die 
hohen Potenzen besser, ja für den, der’s verstände, 
die allerhöchsten.“ 

(Fortsetzung folgt.) 


Einheimische Gewächse. 

ViscUDA album (die weisse Mistel). 

Unter den bei uns einheimischen Gewächsen ver¬ 
dient die Mistel, dieses seit Alters her als heilkräftig 
geltende Mittel, einer eingehenden Prüfung. Es 
ist eine Schmarotzerpflanze, welche bei uns häufig 
auf den Bäumen des Waldes (Buchen, Birken, 
Weiden, Linden), aber auch auf den Obstbäumen, 
besonders Aepfeln, ihren Standort hat. Obwohl man 
die Viscum album auch als Viscum quemum, Eichen¬ 
mistel, bezeichnet, so kommt jene gerade auf den 
Eichen selten vor; ja man hat die Eichenmistel 
als eine besondere Art, Loranthus europaeus, welche 
die bei den Alten angewandte Species gewesen sein 
soll, unterschieden; unsere Mistel gehört freilich 
auch in die Familie der Lorantheae (oder CaprifoU- 
aceae). 

Für unsere deutschen Vorfahren mit ihrem offe¬ 
nen Natursinn war es jedenfalls eine ausserordent- 
Hche Erscheinung, dieser Pflanze mit ihrem gabel¬ 


förmig geästeten Stämmchen, ihren weissen Beeren 
und den stumpflanzettförmigen, fleischigen Blättern 
hoch oben auf den Bäumen des Waldes und Feldes 
thronen zu sehen. Wo anders sollte der Samen 
dieses Pflänzchens herkommen, wenn nicht direct 
vom Himmel? Deshalb wurde dieses Himmelspflänz¬ 
chen für besonders heilig gehalten, zumal das auf 
Eichen, auf denen sie sich am kräftigsten entwickeln 
soll. Die Druidenpriester zogen in Procession mit 
dem in weissen Festgewändern gekleideten Volke 
zu dem Standort der Mistel und schnitten sie mit 
goldenem Messer ab. Es wurden Gesänge ange¬ 
stimmt, Gebete verrichtet und — Menschenopfer 
dargebracht. Man vertheilte dann die Pflanze unter 
das Volk, welches sie als ein Wundermittel gegen 
allerlei Krankheiten und böse Geister verehrte. 

Und doch ist die Abstammung der Mistel nichts 
weniger als himmlisch, wenn man sie auch über¬ 
irdisch, d. h. über der Erde, nennen mag. Die 
Beeren werden von Vögeln gegessen, besonders von 
den Misteldrosseln, und die unverdauten Samen 
von ihnen auf dem natürlichen Wege überall auf 
Bäumen deponirt und so ausgesät Lässt man da¬ 
her in einem Garten erst eine oder etliche Mistel¬ 
pflanzen auf einem Baume stehen, so werden bald 
die anderen Bäume auch solche tragen, und zwar 
zu ihrem grossen Schaden, denn die Schmarotzer 
saugen ihnen die Lebenssäfte aus. 

Indessen wie meist steckt auch hier im Aberglauben, 
eine wirkliche, wenn auch falsch gedeutete Thatsaclie. 
Das Viscum album hat unleugbar bestimmte heil¬ 
kräftige Eigenschaften bei gewissen krampfhaften 
Zuständen, zumal im weibHchen und kindüchen Or¬ 
ganismus. Es erfreute sich seit Alters eines hohen 
Rufes gegen epileptische Krankheitsformen, und 
nachdem das Mittel, wie so viele im Laufe der Zeit, 
„obsolet“ geworden war, rissen es im Anfang dieses 
Jahrhunderts glaubwürdige Männer, wie Baglivi und 
Colbacli, wieder aus der Vergessenheit. Man gab 
das Mittel beim Veitstanz, bei hysterischen Zuckungen, 
beim Magenkrampf, Krampfhusten (Pertussis), dann 
wiederauf seine vermeintliche adstringirende Wirkung 
hin bei profusen Haemorrhoidal- und Menstrual¬ 
blutungen und sogar bei beginnender Schleimschwind¬ 
sucht. Wie wenig rein aber diese klinischen Ex¬ 
perimente sind, ersehen wir aus "der Verordnung 
Hufeland’s, der allüberall als Autorität für die anti- 
epileptische, krampfstillende Wirkung der Mistel an¬ 
geführt wird, der gleichzeitig in einem Pulver¬ 
gemische, Viscum album, Radix Valerianae, Comu 
cervi und Lapides canerorum (also kohlen- und 
phosphorsauren Kalk) seinen Patienten gab. Wer 
kann da sagen, ob Viscum hier überhaupt etwas 
gewirkt habe? 

Eine kurze Prüfung am Gesunden giebt Allen in 
seiner Materia medica. Zwei Frauen nahmen Vis- 


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cum in der Absicht, Abortus hervorzurufen. Es 
zeigte sich jeder Muskel des Körpers, die Augen 
ausgenommen, paralytisch; der ganze Tractus ali- 
mentarius war gleichsam gelähmt: sie konnten weder 
sprechen noch schlucken, und beide starben inner¬ 
halb 8 Tagen des Hungertodes. Es erzeugt tau¬ 
melnden Schwindel und langsamen, stertorösen Athem 
mit Schläfrigkeit. — Ein Knabe, der acht Mistel¬ 
beeren genossen, bekam Schwindel, Injection der 
Conjunctiva; die Pupillen waren mässig erweitert 
und «tarr, die Lippen tivide, atertoröses Athmen, 
der Puls voll und hüpfend. 

Ein Arzt nahm 40 Tropfen der Tinctur: danach 
hatte er das Gefühl, als ob er niederstürzen müsste; 
eine Gluth überkam ihn von den Füssen bis zum 
Kopfe , es war ihm, als ob er im Feuer sei; zur 
selben Zeit war sein Gesicht sehr blass. Diese Em¬ 
pfindung, an eine Aura epileptica erinnernd, stellte 
sich während des Winters (nach 40 Tropfen) drei 
Mal bei ihm ein. Ferner hatte er auf dem Rücken 
der Unken Hand das Gefühl, als ob eine grosse Spinne 
darüber hinkröche (Aura epileptica). 

Bald danach zeigte sich dieselbe Erscheinung 
auf dem rechten Handrücken. 

Dr. Alfred Heath, der im Homoeopathic physi- 
cian 1893, No. 7, diese Thatsachen berichtet, fragt 
dabei: „Wenn am Aehnlichkeitsgesetz nichts ist, 
wie kommt es, dass ein Mittel wie Viscurn, das 
einen solchen Ruf in der Heilung von Epilepsie 
seit Alters erlangt hat, späterhin, bei seiner Prüfung 
am gesunden Menschen, Symptome, wie sie der Epi¬ 
lepsie eigen sind, hervorgebracht habe?“ 

Die Exacten haben gemeint, ein Mittel wie Vis- 
cum, in dem man kein wirksames Princip gefunden, 
könne nicht wirksam sein. Dagegen ist zu be¬ 
merken, dass dieser Grund nicht stichhaltig sei, 
abgesehen davon, dass die Chemie vielleicht doch 
später ein solches Princip entdecken möchte. In 
frischem Zustande haben Stengel, junge Zweige und 
Früchte einen eigenthümlichen, widrigen Geruch 
und bitteren, zusammenziehenden Geschmack; beides 
fehlt in den getrockneten Pflanzentheilen. Im Ge¬ 
rüche, im Aroma der Pflanze, ruht, wie Pro¬ 
fessor Jäger ganz richtig behauptet hat, die Seele, 
der Spiritus derselben; entfleucht dieser aber beim 
Trocknen, so heisst’s nach Schiller: ,,Zum T . . . . 
ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben.“ Da¬ 
mit ist aber nicht gesagt, dass nicht noch andere 
wichtige, wirksame Bestandtheile in einer Pflanze 
vorhanden sein können, die mitunter nicht im Wein¬ 
geist gelöst, sondern durch einen warmen Aufguss 
entwickelt werden müssen. 

Es liegen uns also Rudimente einer Prüfung 
von Viscurn album vor, die deutlich bekunden, die 
Ahnung der alten Germanen und Kelten war nicht 
ohne Grund. Vielleicht briugt eiuer ihrer Nach¬ 


kommen ihre Ahnung zur Evidenz durch eine regel¬ 
rechte Ausprüfung dieses merkwürdigen, parasiti¬ 
schen Gewächses. Dr. Koisa. 


Das Puhlmann’sche Handbuch der homöo¬ 
pathischen Praxis. 

Besprochen von Dr. W. Goullon. 

Eine schöne Weihnachtsbescheerung möchte ich 
das im December zur Ausgabe gelangte Puhlmann’¬ 
sche Werk nennen, dessen vollständiger Titel also 
lautet: 

Handbuch der homöopathischen Praxis. Anleitung 
zur klinischen Untersuchung Kranker und zu de¬ 
ren Behandlung nach homöopathischen lind diäteti¬ 
schen Grundsätzen,mit besonderer Berücksichtigung 
der in den Tropen vorkommendeu Krankheits¬ 
formen. Mit 136 in den Text gedruckten, zum 
Theil colorirten Abbildungen und zwei chromo¬ 
lithographischen Tafeln. In Verbindung mit 
mehreren Aerzten herausgegeben' von Dr. C. G. 
Puhl mann, literarisch. Director der homöopathi¬ 
schen Centralapotheke in Leipzig. Leipzig, 
Dr. Willmar Schwabe, 1894. 

Den meisten Lesern dürfte der immense Fleiss 
des Verfassers auf dem Gebiet der homöopathischen 
Literatur hinlänglich bekannt sein. Und unschwer 
erkennt man hier sowohl aus der Disposition und 
Beherrschung dieser gewaltigen Materie, als auch 
aus der knappen und doch erschöpfenden Bearbeitung 
der einzelnen Kapitel den form- und redegewandten 
Autor wieder. 

. Das schön ausgestattete Werk erbringt den Be¬ 
weis, dass es eine Homöopathie giebt, die innige 
Fühlung behält mit der fort und fort sich erweitern 
den medicinischen Wissenschaft. Und wie könnte 
es anders sein? Welcher Homöopath möchte auf 
das Prädicat wissenschaftlich verzichten? Und 
würde er es nicht thun, wenn er die Fortschritte 
der Wissenschaft, die klinischen Untersuchungsme- 
thoden ignoriren wollte. Chemie, Mikroskopie, patho¬ 
logische Anatomie, Bakteriologie werden daher in 
dem Handbuch der homöopathischen Praxis voll 
und ganz gewürdigt. Und selbst der allopathischen 
Therapie, der Anwendung ihrer äusseren und inneren 
Mittel, wird vielfach gedacht. So beispielsweise bei 
der mit grosser Sachkenntniss abgehandelten Dipli- 
theritis. In keinem homöopathischen Werke wird 
mit einer gleichen Gründlichkeit, Anschaulichkeit 
und Exactheit der pathologische und physiologische 
Theil wiedergegeben. Die einzelnen Kraukheits- 
bilder sind musterhaft geschildert worden und der 


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homöopathisch - therapeutische Theil fusst auf den 
reichen eigenen und besten fremden Erfahrungen, 
flahnemann selbst würde nicht nur erstaunt sein 
über die Reichhaltigkeit und den Zuwachs seiner 
Lehre, sondern er dürfte auch Verfasser volle An¬ 
erkennung zollen für die discrete Art und Weise, 
wie derselbe die Schwierigkeiten überwunden hat, 
neben den alten bewährten und ausgeprüften Mitteln 
neuen, viel versprechenden und zum Theil schon 
zu guten Resultaten führenden Eingang zu ver¬ 
schaffen. 

Der specifisch-homöopathische Theil des Buches: 
Das Arzneimittel-Verzeichniss mit kurzer Wirkungs- 
Charakteristik, bildet namentlich eine wahre Fund¬ 
grube für den Praktiker, zumal daselbst nach dem 
Vorbild von Hirschei (in dessen homöopathischem 
Arzneischatz am Krankenbett) bei jeder Indication 
auf den betreffenden Krankheitsabschnitt durch An¬ 
gabe der Seitenzahl verwiesen worden ist. Ein 
Blick in das Inhaltsverzeichnis sagt uns, dass Wesent¬ 
liches unmöglich vergessen worden sein kann. 

Der allgemeine Theil enthält Belehrungen aus 
dem Gebiete der allgemeinen Pathologie. Neu er¬ 
scheinen hier im Gegensatz zu den älteren Lehr¬ 
büchern die Kapitel über Sepsis, Neoplasie, Pigment- 
degeneration, Amyloid- und Colloiddegeneration. 
Auch die kalkige Degeneration findet man schwer¬ 
lich als selbständiges Krankheits-Genus in den früheren 
Patliologieen. 

Nun folgt die klinische Untersuchung: Das 
Krankenexamen und die objective Feststellung der 
Krankheitserscheinungen vom Allgemeinzustand des 
Patienten beginnend, mit den mikroskopisch-chemi¬ 
schen Untersuchungen schliessend. 

Natürlich durfte eine nähere Besprechung des 
Wesens der Homöopathie nicht fehlen, ehe sich 
Verf. zur Therapie selbst wendet, und gerade dieser 
Abschnitt ist höchst beachtenswerth, weil er den 
speciellen Standpunkt des Autors enthält und der¬ 
selbe hier gewissermassen sein privates homöopathi¬ 
sches Bekenntniss ablegt. Er steht demzufolge auf 
Seite des Professor v. Backody, der bekanntlich 
den staatlich gegründeten Lehrstuhl in Budapest 
seit länger als einem Decennium inne hat. Bio- 
logisch-medicinische Heilmethode sind Beiden syno¬ 
nymer Ausdruck für Hahn ernannt Homöopathie. 
Sehr nothwendig war der Hinweis, dass Hahnemann 
ein Heilgesetz, welches schon lange vor ihm be¬ 
stand und vielfach unbewusst als Richtschnur des 
therapeutischen Handelns diente (Paracelsus und A. 
v. Haller waren im Grunde genommen schon Ho¬ 
möopathen), nur kultivirte, oder, um einen modernen 
Ausdruck zu wählen, ausgestaltete. Verf. citirt in 
geschickter Weise auch A. Schopenhauer, ferner 
Preyer und vor allen Dingen Dr. Hugo Schulz in 
Greifswald und dessen Aufsehen erregende Schrift: 


Aufgaben und Ziel der modernen Therapie, als 
werthvolle Stützen zu Gunsten der homöopathischen 
Theorie wie Praxis. 

Ueber Einzelheiten der vielumstrittenen Posolo- 
gie oder Gabenlehre lässt sich ja eine allein gütige 
Norm nicht aufstellen; so werden Viele nicht, wie 
Verf. will, täglich 1—2 Gaben verabreichen in 
chronischen Krankheitsfällen. Uns genügt aber, zu 
wissen, dass Verf. Makrodosist ist und dies ent¬ 
spricht vollkommen der Tendenz des Buches, Propa¬ 
ganda zu machen unter der jüngeren Arzt - Welt. 
Hat Verf. die Erfahrung auf seiner Seite, so ist 
auch an seinem posologischen Standpunkt nichts 
auszusetzen. — Die Dosis ist aber von der aller¬ 
grössten Bedeutung für die Entscheidung zum Ueber- 
tritt zur Homöopathie, während sie in den Augen 
gewiegter homöopathischer Praktiker viel unwesent¬ 
licher erscheint. Denn sie wissen, dass sie bald 
mit hohen, bald mit niederen Potenzen ihr Ziel er¬ 
reichen können, falls nur das Mittel wirklich nach 
homöopathischen Grundsätzen gewählt und aus ver¬ 
lässiger Apotheke bezogen oder gar vom Arzt selbst 
hergestellt worden ist. 

Und steifte sich der Verfasser eines solchen 
Lehrbuches beispielsweise auf die dreissigste Potenz, 
während doch, wie gesagt, ceteris paribus hohe uud 
niedere Gaben gleicherweise helfen, so wäre der 
Liebe Mühe umsonst, dann würden diejenigen, für 
die so überzeugungsvoll und in regem Anschluss 
an die Lehren ihrer Universitätsprofessoren ge¬ 
schrieben worden ist, den Rubicon nicht überschreiten 
wollen; sie würden durch unnütze und excentrische 
Forderungen an ihre gewohnte Anschauungsweise 
abgeschreckt werden und der ehrlich gemeinten 
Aufforderung, sich die homöopathische Angelegen¬ 
heit etwas näher anzusehen, nicht nachkommen; 
durch die sonstige bestechende und gewinnende 
Sprache des vortrefflichen Handbuches vielleicht 
schon halb gewonnen, würden sie wieder Kehrt! 
machen mit der unbarmherzigen Festigkeit der 
Buttler’sehen Dragoner im Wallenstein. 

Ueber Hypnotismus und Hysterie. 

Vortrag von Prof. Jolly. 

Man hat geglaubt, wenn der Hypnotismus und 
die ihn begleitenden merkwürdigen Erscheinungen 
aus den Händen dilettirender Laien und Schausteller 
in die der berufenen Vertreter der Heilwissenschaft 
und -Kunst, zumal der klinischen Professoren, über¬ 
gegangen wäre — wie dies jetzt ja der Fall ist — 
diese durch exacte Beobachtungen und reine Ex¬ 
perimente Klarheit und Wahrheit in dies noch dunkle 
Gebiet bringen würden. Diese Erwartung hat sich 
indessen bisher nur theilweise erfüllt. Dies ist leicht 

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erklärlich, wenn man bedenkt, dass die Versuchs¬ 
personen, deren man sich hierbei meist bediente, 
Personen weiblichen Geschlechts, und zwar über¬ 
wiegend solche mit stark ausgesprochenen Zügen 
der Hysterie gewesen sind. Wenn man nun einem 
Meister, wie Charcot, der sich im Wesen der Hysteri- j 
sehen gewiss ausgekannt hat, naebgesagt hat, er 
sei von diesen Versuchspersonen hintergangen und 
irregefuhrt worden — so das am grünen Holze ge¬ 
schah, was erst am dürren? 

Diese Gedanken überkamen uns, als wir jüngst 
einen Artikel über „Hypnotismus und Geistesstörung u 
von Prof. Jolly, Psyehiatriker an der Berliner Uni¬ 
versität, in dessen Archiv lasen, worin er die von 
Prof. KrafhEbing im Laufe des vorigen Sommers 
gemachten hypnotischen Versuche, die selbst in den 
Tagesblättern Beachtung fanden, einer strengen 
Kritik unterwirft. Kraft-Ebing hat nämlich behauptet, 
dass es ihm gelungen sei, eine erwachsene Person, 
ein 38jfihrige8 Mädchen, durch Hypnose völlig in 
das Kindesalter zurückversetzt zu haben, so dass 
ihr Denken und Thun und Gehahren, kurz, ihr 
ganzes Wesen, das eines Kindes ward. — Prof. 
Jolly hat nun einen Control-Versuch an einem 19- 
jährigen, an hochgradiger Hysterie leidenden Mäd¬ 
chen in der Berliner psychiatrischen Klinik ange¬ 
stellt. Wir gehen die interessante 8childerung 
Jolly’a über den Verlauf des Experiments hier 
wieder. Nach Einleitung der Hypnose und einigen 
Vorversuchen stellt er an sie die Frage: Wie alt 
sind Sie? Antwort: 88 Jahre (sie ist aber 19 Jahre 
alt). Frage: Weshalb belügen Sie mich? Sie sind 
viel jünger; Sie sind ja noch ein Kind. Du bist 
erst sieben Jahre alt. Antwort: Ja, sieben Jahre bin 
ich alt. Frage: Kannst du lesen und schreiben? 
Antwort: Ich gehe ja schon in die Schule. Beim 
Vorhalten eines Buches liest sie langsam, buch- 
stabirend wie ein Kind. Aufgefordert, ihren Namen 
zu schreiben, thut sie dies umständlich, als ob sie 
etwas Schwieriges auszuführen hätte, nimmt die 
Feder ungeschickt in die Hand und schreibt sehr 
langsam, beschmiert die Finger mit Tinte; die 
Schriftzüge weichen aber nicht wesentlich von ihren 
sonstigen ah. „Hier hast du eine Puppe.“ (Es 
wird die Bewegung gemacht, als ob man ihr eine ' 
reichte.) Sie nimmt diese, freut sich darüber: „Ach, 
die schöne Puppe“ und trägt sie auf dem Arm 
spazieren. Nach Aufforderung zieht sie die Puppe 
aus und wieder an, beschreibt deren rothes Kleid i 
und erzählt auf Befragen, dass sie noch eine Puppe 
zu Hause habe. Sie wohne in X. bei ihrer Gross¬ 
mutter (bei der sie in der That ihre Kindheit ver¬ 
lebt hat). Erneute Frage: Wie alt sind Sie: Ant¬ 
wort: 7 Jahre. Befehlend: Nein, Sie sind ja eine 
alte Frau, die kaum noch gehen kann. Wie alt 
sind Sie? Antwort: Siebzig Jahre; ach, ich bin j 


so schwach und vergesslich. Trippelt gebückt wie 
eine Alte, in kleinen Schritten durch das Zimmer. 
Frage: Was fehlt Ihnen denn? Antwort: Die Beine 
sind so steif und die Brust so schwach. Frage: 
Können Sie Ihren Haushalt noch besorgen? Ant¬ 
wort t Nein, es geht nicht meht recht. Frage: Soll 
ich Ihnen Etwas schenken? Antwort : Ach, ich 
bitte sehr; ich habe es so nöthig. Sie nimmt das 
ihr durch eine Greste gereichte Almosen in gleicher 
Weise dankbar an. Es wird nun der Kranken 
mehrmals zugerufen: „Erwachen Sie!“ Sie reibt 
sich die Augen, sieht sich erstaunt um, nimmt 
ihren natürlichen Ausdruck an und erwidert auf 
die Frage, wo sie sich befinde? „In der Klinik,“ — 
was mit ihr vorgegangen sei? „Das weiss ich 
nicht; ich habe wohl geschlafen.“ 

Prof. Jolly wirft nun zunächst die Frage auf: 
„Wie hat sich die Kranke mit der Kinderrolle ab- 
gefunden?“ — Sie spielte sie nicht, antwortet er, 
wie eine Schauspielerin. Sie hat das Gebahren eines 
7 jährigen Kindes ungefähr in der Weise darge¬ 
stellt, wie das bei den meisten Menschen ohne 
Weiteres gelingen wird. Die Veränderung der 
Schrift war keine völlig kindliche; ihr Umgang mit 
der Puppe war ziemlich phantasielos. Aber sie hat 
diese ihre neue Rolle doch annähernd mit der Fertig¬ 
keit gespielt, wie vorher die oft geübte mit den 
Blumen, dem Wasser, dem Löwen, und ungefähr 
eben so gut hat sie auch die Rolle der alten Frau 
durchgeführt. 

Dr. Kraft-Ebing hatte Angesichts solcher Ver¬ 
suche die beiden alternativen Fragen aufgestellt: 
„Besteht hier wirklich eine Reproduktion früherer 
Ich-Persönlichkeiten, die im bewussten Geistesleben 
latent geworden sind, jedoch durch einen Kunst¬ 
griff, nämlich durch die Hervorbringung eines un¬ 
bewussten psychischen Ausnahmezustandes aus der 
Welt des latenten, unbewussten Geisteslebens re- 
producirt werden können? Oder handelt es sich 
hier wieder um eine durch Suggestion geschaffene 
ideale Persönlichkeit oder Rolle, gleichwie man ja 
bekanntlich in hypnotisch-somnambulem Zustand be¬ 
findliche Personen jede beliebige Rolle, ja sogar 
die eines Thieres ansuggeriren kann?“ Kraft-Ebing 
beantwortet die Frage im ersteren Sinne. Er nimmt 
an, dass durch die Hypnose der längst vergangene 
geistige Zustand der Kindheit zeitweilig ganz ge¬ 
treu wieder wachgerufen wird und meint, dass mit 
Hilfe dieser Versuche die empirische Psychologie 
sich werde beträchtlich erweitern lassen. — Dem 
widerspricht Jolly. Nach ihm enthält die neue 
Kraft-Ebing’sehe Versuchsreihe durchaus nichts, was 
nicht schon in der bisherigen Kenntniss der That* 
Sachen des Hypnotismus einbegriffen wäre. Vor 
Allem betont er, dass die Hypnotisirte die Rolle 
der Alten gerade eben so gut wie die des Kindes 


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gespielt habe, und bei jener könne doch von der 
Einwirkung eines latenten früheren Geisteszustandes 
nicht die Rede sein — und das Kinderspiel des 
Mädchens in der Hypnose sei nichts Absonderliches« 
„Bedarfes,“ sagt Jolly, „einer auch nur besonders 
gesteigerten Erinnerungsfähigkeit, um eine Anzahl 
von Handlungen vorzunehmen, die man als 7 jähriges 
Kind auch vorgenommen haben kann? Jedermann 
hat doch aus dieser Lebenszeit eine Anzahl von 
ganz deutlichen Erinnerungen, und die Meisten 
werden im Stande sein, anzugeben, wo sie die Zeit 
ihres ersten Schuljahres gelebt haben, oder sich an 
einzelne grosse oder kleine Leute zu erinnern, mit 
denen sie verkehrt haben. Da nun ausserdem jeder 
erwachsene Mensch gelegentlich siebenjährige Kinder 
sieht und ihr Treiben beobachten kann, so gehört 
durchaus keine hervorragende Intelligenz, sondern 
nur ein klein wenig Geschicklichkeit dazu, um das 
Benehmen eines solchen nachzuahmen.“ Weiterhin 
zieht Jolly Analogieen zu den in Rede stehenden 
Erscheinungen heran, wie sie in Träumen und 
in Krankheiten und traumartigen Zuständen Vor¬ 
kommen. Mancher, der längst in Amt und Würden 
sei, werde im Traume von Schul- und Examens¬ 
nöthen gepeinigt, obwohl er auch durch zwischen¬ 
durchfliegende Erinnerungen belehrt werde, dass die 
Examenszeit weit hinter ihm liege. Bewusstseins¬ 
zustände der Erinnerungen aus ganz verschiedenen 
Zeiten laufen imTraumewie in der Hypnose bald neben-, 
bald durcheinander her. — Jolly kommt schliess¬ 
lich auf folgende Folgerungen: Eine besondere Dis¬ 
position für die Suggestion ist eine krankhafte Er¬ 
scheinung. Gewohnheitsmässig Hypnotische unter¬ 
scheiden sich nicht wesentlich von den Hysterischen. 
Die Wunder des Hypnotismus erklären sich nach 
Jolly ausreichend aus dem Krankbeitsbildfe der 
Hysterie. Die Hysterischen täuschen sich selbst und 
leicht auch Andere. Die Hysterie iuvolvirt eine 
geistige Störung, in der die Neigung zur Erfindung 
theils in Form des Hineindenkens in Geschichten 
und Zustände, die dann dem Erfinder selbst als 
Wirklichkeit imponiren, theils in Form bewusster 
Lüge eine hervorragende Rolle spielt. Die hysteri¬ 
schen Wunder haben sich noch allemal als mehr 
oder weniger plumpe Täuschungen erwiesen, mag 
es sich um Stigmatisation im kirchlichen Sinne oder 
um spontan durch Suggestion erzeugte Brandmale, 
Blaseneiterungen und Blut aus der Haut gehandelt 
haben. Es lohnt in der That nicht, bogenlange 
Protokolle aufzunehmen und dicke Bücher zu schrei¬ 
ben über Kranke, von denen feststeht, dass sie Betrüge¬ 
reien der mannigfachsten Art, sei es bewusst, sei 
es unbewusst, bereits ausgeführt haben.“ Jolly 
warnt nachdrücklich vor der kritiklosen Anwendnng 
des Hypnotismus auch zu Heilzwecken; besonders 
verwirft er deren Ausübung durch Laien. 


Den Ausführungen Jolly’s über Kraft-Ebing’s 
besprochene Experimente und den daraus gezogenen 
Folgerungen können wir unsere Zustimmung nicht 
versagen. Mit der Verweisung der hypnotischen 
Eltscheinungen auf die des Hysterismus ist das Ver- 
ständniss und die Erklärung des ersteren aber wenig 
gefördert: wir kommen dann aus einer Camera ob- 
scura in eine andere, wenn uns auch mehr be¬ 
kannte Camera obscura. 


Den selbstdispensirenden homöopathischen Herren 
Aerzten erlaube ich mir, im Nachstehenden die 
neuesten das Dispaopirreeht und die Einrich¬ 
tung, der ärztlichen homöopathischen Hausapo- 

tbeken betreffenden Vorschriften des Ministers 
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegen- 
heiten, Herrn Bosse, vom 16. Dezember 1896, 
zur Kenntniss zu bringen. Zur Beschaffung alles 
in di«en Verordnungen Vorgeschriebenen bin ich 
stets gern bereit. 

Leipzig, 13. Januar 1894. 

William •tefmnetz. 

Aiäiif 

aus 

Vorschriften 

Aber Einrichtung und Betrieb der Apotheken, 
Zireig- (Filial-) Apotheken, Krankenhaus« 
apotheken (Dispensiranstalten) nnd ärztlichen 
Hausapotheken* 

D. Zweig-, Krankenhaus-, homöopathische Apotheken 
und ärztliche Hausapotheken jeder Art. 

§ 47. Für eine Zweig-, wie für eine Kranken¬ 
hausapotheke genügt eine vorschriftsmässig, ent¬ 
sprechend den örtlichen Verhältnissen eingerichtete 
Officin mit einem Vorrathsraume, in welchem auch 
kleinere Arbeiten vorgenommen werden können. 

§ 48. Sämmtliche Arzneimittel einer Zweig¬ 
apotheke müssen aus der Stammapotheke bezogen 
werden, deren Vorstand für die Beschaffenheit und 
Güte der Arzneimittel der Zweigapotheke verant¬ 
wortlich bleibt. 

Für Krankenhaus-Apotheken, in welchen kein 
approbirter Apotheker thätig ist, sowie für die ärzt¬ 
lichen Hausapotheken müssen sämmtliche Arznei¬ 
mittel aus einer Apotheke im Deutschen Reiche ent¬ 
nommen werden . 

§ 49. Für ärztliche Hausapotheken ist in einem 
besonderen tageshellen, nur für diesen Zweck zu 
verwendenden Raume ein verschliessbarer Schrank 
mit Fächern und Schiebekästen aufzustellen, welche 
die vorschriftsmässige Absonderung der sehr vorsichtig 
aufzubewahrenden Mittel ermöglichen; ausserdem 
I müssen sich hier befinden: das erforderliche Arbeits- 

6 * 


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geräth an präcisirten Waagen und Gewichten, 
Mörsern u. s. w., ein Arbeitstisch mit Schiebekästen, i 
sowie ein Handdampfkocher mit Zinn- und Porzel- | 
lan-Infundirbüchse. 

Ebenso müssen das Arzneibuch, die geltende % 
Arzneitaxe, die Bestimmungen über Hausapotheken, 
das Belagbuch und ein Tagebuch zum Einträgen i 
der Recepte nebst deren Taxpreisen, sowie die Ge¬ 
nehmigung zum Halten einer Hausapotheke und 
die Betriebsvorschriften vorhanden sein. 

Die Genehmigung zur Einrichtung einer Kranken¬ 
haus-Apotheke, sowie zum Halten einer ärztlichen 
Hausapotheke wird von dem Regierungspräsidenten 
auf Antrag nach Prüfung der Verhältnisse wider¬ 
ruflich ertheilt; derselbe stellt auch nach Anhörung 
des Regierungs- und Medicinalraths das Verzeich- 1 
niss der für eine ärztliche Hausapotheke zulässigen | 
Arzneimittel fest. 

E. Homöopathische Apotheken in Apotheken und 
ärztliche homöopathische Hausapotheken. 

§ 50. Wenn in Verbindung mit einer Apo¬ 
theke homöopathische Mittel in einem Schrank vor- 
räthig gehalten werden, so ist diese Einrichtung 
in einem besonderen, gut belichteten Raume auf¬ 
zustellen. 

Handelt es sich nach dem Ermessen des Re¬ 
gierungspräsidenten um eine vollständige homöo¬ 
pathische Apotheke, so muss dieselbe in einem nur 
für diesen Zweck zu verwendenden hellen Raume 
ordnungsmäs8ig eingerichtet sein. 

Die Urstoffe und Urtincturen, sowie Verreibungen 
und Verdünnungen bis einschliesslich der dritten 
Potenz müssen nach Maassgabe der Bestimmungen ! 
des Arzneibuchs über milde und vorsichtig aufzu¬ 
bewahrende Mittel (Tab. C) von einander getrennt 
aufgestellt, die Gifte (Tab. B) mit Giftwaage und 
Löffel in einem verschlossen zu haltenden, als 
solches bezeiclineten Giftbehältniss verwahrt werden; 
auch muss ein mit der Aufschrift „Gift“ oder | 
,,Tab. B“ oder „Venena“ bezeichneter Mörser vor¬ 
handen sein. Die Farbe der Bezeichnung der Stand- 
gefässe unterliegt den Bestimmungen für Apotheken. 

Ein Arbeitstisch und Dispensirgeräthe sind stets 
erforderlich. 

Die ärztlichen homöopathischen Hausapotheken , 
müssen ebenfalls in einem lediglich diesem Zwecke i 
dienenden, gut belichteten Raume aufgestellt sein. 
Eine homöopathische Pharmakopoe und die gesetz¬ 
lichen Bestimmungen über homöopathische Haus¬ 
apotheken, sowie ärztliche Approbation und Ge¬ 
nehmigung zum Halten einer homöopathischen Haus¬ 
apotheke müssen vorhanden sein. Der Arzt hat in 
seinem Krankentagebuch entsprechende Vermerke 
über Menge, Inhalt und Taxpreise der abgegebenen ! 
Mittel zu machen. i 


Schlussbestimmungen. 

§ 51. Die Functionen, welche in diesen Vor¬ 
schriften dem Regierungspräsidenten zugewiesen 
sind, werden innerhalb des der Zuständigkeit des 
Polizeipräsidenten zu Berlin unterstellten Bezirks 
von dem Letzteren ausgeübt. 

§ 52. Alle diesen Vorschriften entgegenstehen¬ 
den Bestimmungen werden hierdurch aufgehoben. 

Berlin, den 16. Dezember 1893. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und 
Medicinalangelegenheiten. 

Bosse. 

Auszug 

aus 

Anweisung 

zur amtlichen Besichtigung der Apotheken, 
Zweig- (Filial-) Apotheken, Krankenhaus-Apo¬ 
theken (Dispensiranstalten) und ärztlichen 
Hausapotheken. 

§ 26. Homöopathische Abtheilungen in Apo¬ 
theken, sowie ärztliche homöopathische Hausapo¬ 
theken werden auf Grund der bisher bestehenden 
Vorschriften und gemäss § 50 der Vorschriften 
über Einrichtung und Betrieb der Apotheken etc. 
besichtigt. 

Berlin, den 16. Dezember 1893. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und 
Medicinalangelegenheiten. 

Bosse. 


Glycerin und Stuhlverstopfungen. 

In dem „Lancet“ äussert sich ein Praktiker über 
die Wirkung von Glycerin in Klystier- und anderen 
Anwendungsformen bei Stuhlverstopfung. Zur Ein¬ 
spritzung per Klystier hat er in der Regel für 
Kinder 1 und für Erwachsene 2 Drachmen ge¬ 
braucht. — Der Erfolg trat gewöhnlich nach 15 
Minuten, in seltneren Fällen nach *| 2 Stunde, in 2 
(unter 100 Fällen) musste er die Einspritzung wieder¬ 
holen. Späterhin hat er diese Anwendungsform 
aufgegeben und das Medicament mittels Supposi- 
torien (Glyconien, Glyceroten) beigebracht, und zwar 
mit ebenso gutem Erfolge. Diese kleinen Stuhl¬ 
zäpfchen sind schmerzlos und leicht, selbst von 
Patienten, einzuführen. Wenn die Wirkung in 
5—20 Minuten ausbleibt, so kann man ein zweites 
einführen. — Sie verursachen niemals Leibweh. — 
Verfasser empfiehlt sie besonders bei alten Leuten 
mit chronischer Obstipation, wenn die verhärteten 
Faeces in dem unteren Theil des Darmcanals an- 
geliäuft sind, sowie auch bei schwangeren Frauen 


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vor der Entbindung, um eine schnelle Entleerung 
des Darmes zu bewirken. — Ref. ist von einer 
praktischen Frau mitgetheilt worden, dass sie das , 
Glycerin einfach auf Watte geträufelt und so eine 
Art Glycerin-Tampon sich hergestellt hat, der, in j 
den Anus applicirt, seine Wirkung nicht verfehlte. 

Wenn derartige palliative, äusserliche Hülfs- ( 
mittel von der homöopathischen Schule auf den 
Index der verbotenen Dinge gesetzt sind, so bringt 
das praktische Leben uns doch Fälle, namentlich 
solche wie die oben näher angegebenen, wo wir 
die mechanische Hülfe nicht gut entbehren kön¬ 
nen. — Wo es angeht, würden wir freilich immer 
noch lieber vom Wasser in niederen Temperaturen 
als vom Glycerin Gebrauch machen. 

Vom BUchertisch. 

The homoeopathio therapeutics of haemorrhoids 
by W. Jefferson Guernsey, M. D. 2. Aufl. Phila¬ 
delphia, Möricke & Tafel. 

Wir haben es in diesem Büchlein, das sich ho¬ 
möopathische Behandlung von Hämorrhoiden be¬ 
titelt, mit keiner langathmigen, zum tausendsten 
Mal wiederholten theoretischen Abhandlung über 
Entstehung und pathologisch-anatomische Verände¬ 
rungen u. dergl. zu thun. Der Verf. giebt uns viel¬ 
mehr eine Charakteristik der Arzneimittel, welche 
eine besondere eigenartige Beziehung zu den Hä¬ 
morrhoiden laut unserer Prüfungen besitzen, spe- 
cialisirt diese besonderen Beziehungen nach der ob- 
jectiven und subjectiven Seite hin. Indem er dann 
die einem jeden besprochenen Mittel zukommenden 
allgemeinen Erscheinungen, der begleitenden Um¬ 
stände, die bessernden oder verschlimmernden Ein¬ 
flüsse hinzufügt, erhält man concrete Bilder nicht | 
von Hämorrhoiden, sondern von Häm.-Kranken, i 
Die in einem Repertorium alphabetisch zusammen- I 
gestellten Krankheitszeichen, getrennt in subjective I 
und objective, sowie auch zusammengefassten ver- j 
bessernden oder verschlimmernden Umstände sind j 
für den Praktiker von Werth. So z. B. die Aus- , 
breitung der Beschwerden vom Rectum nach ver- | 
schiedenen Körpertheilen. So liefert uns der Verf. 
ein gutes Hülfsbuch zum Nachschlagen und Stu- j 
dium für die homöopathische Behandlung Hära.- 
Kranker — ein Hülfsbuch, wie es sich eigentlich 
ein Jeder selbst anfertigen sollte. Dass das hand¬ 
liche Buch bereits die zweite Auflage erlebt hat, 
spricht schon für dasselbe. Dr. Mossa. 

Die zeitweilig herrschenden Heilmittel. 

Kukulus-Stettin schreibt am 20.IXII. 93.: In den 
letzten Tagen des November fing die Heilgewalt 
von = Apis (Kali carb. Bell.) allmählich zu 


wanken an, dafür trat dann wieder = Euphras. 
(Natr. mur. -f- Iris) als Grundmittel für die Influenza 
in die Erscheinung. Nebenher gingen folgende Com- 
binationen: = Arnic. (Acid. muriatic. -f- Lach.) bei 
Husten („muss das Losgehustete herunterschlucken“), 
Trigeminusneuralgieen; ferner Acid. muriatic. -f- 
Nicot. oder -|- Coff. oder Hyosc.; mehrere Male 
bei Tonsillitis = Jod (Acid. fluoric. Badiaga). 

Dierkes-Paderborn hatte am 21.|XII. noch immer 
Coccus cacti. 

Schwarz-Baden-Baden theilt am 20.jXII. mit: 
Im Sommer und Herbst keine constanten Schmerz¬ 
punkte; eine Masernepidemie geht zur Neige; seit 
14 Tagen wieder Influenza, ziemlich mild: nicht 
sehr hohes Fieber, Schmerzen und Abgeschlagen- 
heit in allen Gelenken, Kopf- und besonders Nacken¬ 
schmerzen wie übermüdet, Rachenkatarrhe, Binde¬ 
hautkatarrhe, bei allen Fällen Bronchialkatarrh, ver- 
• einzelt capilläre Bronchitis und katarrhalische Pneu¬ 
monie. Anfangs sehr constant = Euphras. (Natr. 
mur. -f- Iris), vor einigen Tagen daneben = Rhus 
tox. (Baryt, carb. -{- Iris) bei 3tägigem, dichtem 
Nebel, -|-1 0 bis —2° Temperatur und Windstille; 
gestern Abend bei aufsteigendem Nebel angedeutet 
= Veratr. (137. 140.); heute früh ausschliess¬ 

lich = Veratr. bei Regen, SW.-Wind, Abends 
Sturm. — Die Fälle von Rhus fingen an unter 
Erscheinungen der Laryngitis crouposa, hier rasche 
Besserung mit Fortschreiten auf die Trachea und 
die Bronchien, wo an den tiefsten Stellen pneumo¬ 
nische Verdichtungen sich einstellten, die rasch 
wieder verschwanden. — Heute scheint sich = Kali 
bichromic. (Baryt carb. -j- Tone.) vorzubereiten bei 
den Residuen früher erkrankter Influenzapatienten 
mit schleimig-eitrigem Nasenkatarrh, Stirnhöhlen- 
schmerz etc. 

Kim-Pforzheim schreibt am 19. XII.: Seit dem 
15. immermehr = Euphras. (Natr. mur. -(- Iris); 
Krankenstand der höchste seit Jahren; (Influenza. 
Ref.); — am 8.jl.: Mit gleichmässigerer Witterung 
Influenza im Abnehmen; Kali nitric. ist vielfach an 
Stelle von Natr. nitric. als Blutmittel bei der In¬ 
fluenza getreten; gebe meist Kal. nitric. -J- Hyosc., 
gegen Influenzaschlaflosigkeit Ignat., bei Nieren¬ 
katarrhen Lycop.; viel Hämorrhoidalbeschwerden als 
Nachkrankheit; — am 15.1.: Seit dem 14. bei In¬ 
fluenza in zahlreichen Fällen 162. 185. = Kali 

nitric. (?); sonst neu = Tartar, stib. (Natr. mur. -|- 
Led.), hierbei meist schneeweisse Zunge, während 
bei den früheren Fällen die Zunge auffallend rein 
war; — am 17.|I.: Heute bei Influenza meist = 
Euphras., welches nach mündlicher Mittheilung am 
21. noch immer vorherrschte. 

Stiegele-hier theilte mir am 9.JJL. mündlich mit, 
dass er jetzt bei den Folgezuständen der Influenza 
mit Nierenkatarrh Coccus cacti angezeigt finde (wie 


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er laut seiner letzten Mittheilung richtig vermuthet | 
hatte, Ref.). Ein R&demacherianer im Norden | 
Deutschlands habe bei sich Ferr. -|- Card. mar. als j 
Heilmittel der Influenza verwendet. i 

Ich-hier hatte noch bis zum 4.jl. (vom 30.|XI. ! 
93 ab) vorherrschend = Euphras. bei Influenza 
und ihren Complicationen, wobei sich das Stärker- 
werden und Nachlassen der Epidemie stets an die 
Schwankungen in der Witterung zum Wärmer- 
resp. Kälterwerden hielt. Daneben kamen (oft mit 
= Euphras. zusammen) häufig folgende Combina- 
tionen vor: = Nux vom. (Kal. jod. -j- Canthar.), 
** Acid. phosphoric. (Baryt, carb. -|~ Lactuc. vir.), 
= Rhus tox. (Kal. jod. Led.), bei Laryngit., 
Tracbeitis und alten Leuten = Kali carb. (Acid. 
oxalic. -f- Bell.), = Tart. stib. (Natr. mur. -j- Led.), ] 
= KaL bichrom., = Mercur., bei zahlreichen ent- j 
zündlichen Processeu des Trommelfelles und Mittel¬ 
ohres = Euphras. = Pulsatill. (Hep. sulf. calc. 
-(- Ra tanh.), bei Pericarditis, die nicht selten die 
Influenza complicirte (mit rheumatischen, spannen¬ 
den Schmerzen in der Gegend der Herzspitze, des 
linken musc. pectoral. maj. und der linken Schulter 
als Hauptsymptom) =* Euphras. -|- Stib. arsenicos. 
-|~ Sabadill., bei Rippenfell- und Lungenentzün¬ 
dungen, meist linksseitig, die häufig von Beginn 
der Krankheit an die Influenza complicirten, aus¬ 
nahmslos = Euphras. = Bryon. (Kal. brom. -f- 
Canthar.). Mit dem Eintritt der starken Kälte An¬ 
fang Januar liess die Zahl der Neuerkrankungen 
sichtlich nach — vom 5.—17.1. war = Kal. carb. 
häufig, vom 18.—20. noch einmal = Euphras. vor¬ 
herrschend und seit dem 21. (eigentlich schon dem 
20. Nachm.) beherrscht = Coccus cacti die Situa¬ 
tion (Husten etwas krampfhaft, Auswurfj weiss¬ 
schaumig, meist fadenziehend), combinirt besonders 
mit ~ Acid. phospli. und =* Euphras. 

Sigmundt-Spaichinpen schreibt am 20.|I.: Bei 
der hin und wieder auftretenden Influenza, auf¬ 
fallend häufig complicirt mit Pleuritis sicca, ist 
Natr. nitric. -|- Card. mar. (R) das Hauptmittel. 

Hufa-Hermhut theilt am 16.|XH. mit: Acute 
Fälle sind fast ausschliesslich leichte Grippe mit 
vorwiegender Affection des Kehlkopfs oder der 
Bronchien, selteu der Lunge, auch einzelne leichte 
Ohraffectionen; Charakter gutartig. Vorherrschend 
blieb als Mittel Asar. europ. wechselnd -j- Tone, 
oder -|~ Tabac. oder -[- Baryt., in letzter Zeit auch 
-|- Acid. nitric. Auch bei chronischen Fällen trat 
in letzter Zeit Baryt, im Allgemeinen mehr zurück; 
dafür andere Constitutionsmittel: Calc., Acid. nitric., 
Kal. jod., Arsen. 

Zum Schltisse bitte ich aämmtlichc Herren 
Coüegen , mir güXipst ihre Erfahrungen über die 
Influenza mitzutheilen , damit ich eine kleine lieber - 
eicht zusammenstellen kann. Ich verspreche hiermit 


feierlich, dass kein einziger Bericht in den Papier¬ 
korb wandert, was bei der vom Collegen Villers 
veranstalteten Sammelforschung offenbar den meisten 
Einsendungen widerfuhr. 

Bis jetzt scheinen die Rademacherianer ziem¬ 
lich übereinstimmende Mittel gefunden zu haben; 
die Schüler Weihe’s hatten, mit Ausnahme des Col¬ 
legen Hafa, wieder wie vor 4 Jahren = Euphras. 
(Natr. mur. -}- Iris vers.) als Hauptmittel. 

Stuttgart, den 24. Januar 1894. 

Dr. med. H. Göhrum. 

Quittung. 

Für das „ Homöopathische Krankenhaus“ zu 
Leipzig sind in der Zeit vom 7. Octl893bis 19. Jan. 


1894 folgende Beiträge eingegangen: 

Für den Betriebsfond. Mark 

aus der Sammelbüchse bei Täschner & Co., 

Leipzig. 2.90 


von Herrn Dr. med. Paul Lutze, Cöthen, 

Jahresbeitrag pro 1892/93 . 100.— 

vom Sächsisch-Anhalt. Verein, Jahresbei¬ 
träge pro 1892/93 und 93/94 ä 50 M. 100.— 
,, Berliner Verein homöopath. Aerzte, 

Jahresbeitrag pro 1893 .... 800.— 

von Freifrau von der Malsburg, Cassel, 

Jahresbeitrag pro 1892|93 . . . 30.— 

vom Verein der homöopath. Aerzte Oester¬ 
reichs, Jahresbeitrag pro 1892(93 100.— 

von Herrn Dr. med. Villers, Dresden*) . 26*96 

„ Frau Rittergutsbesitzer Timmich, Wol¬ 
fersdorf . 3.— 

,, Herrn Dr. med. Herrn. Fischer, West¬ 
end, pro 1894 . . . 1000.— 


„ „ Wilh. Weymar, Mühlhausen, 

Jahresbeitrag .... 100.— 

„ ,, Prof. Kölsch 1 durch Frau Dr. Leun 1.60 

„ Frau Hippe J in Büdingen 5.— 

„ Herrn Dr. med. Kunkel, Kiel, Jahres¬ 
beitrag pro 1893)94 100.— 

„ Prinzessin A. Bentheim - Tecklenburg, 

Rudolstadt, Jahresbeitrag per 93(94 12.— 

,, 18 Centralvereinsmitgliedern, Jahres¬ 
beiträge ä M. 6.— . . 108.— 


Rmk. 1988.36 

Mit bestem Danke quittire ich noch öffentlich 
Namens des Curatoriums für diese gütigen Zuwen¬ 
dungen, und bitte auch fernerhin unserem Hause 
gleiche Gesinnungen bewahren zu wollen. 
Leipzig, den 19. Januar 1894. 

Hochachtungsvollst 
William Steinmetz, Apotheker, 
z. Z. Kassenverwalter. 

*) Mitarbeiterhonorar für die Allg. homöopath. Zeitung. 


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47 


Quittung. 

Für die Untersttttzungskosse für Witt wen 
homöopathischer Aerzte sind nachstehende Mit¬ 
arbeiterhonorare für die „Allgemeine homöopathi¬ 
sche Zeitung“ gütigst gestiftet worden: 

Von Herrn Dr. med. Leeser, Bonn . . M. 13.60 

„ „ Dr.med.C.Bojanus,sen.Samara „ 5.10 

„ „ Dr. med. Finkb, Brooklyn . „ 4.— 

„ „ Apotb. W. Steinmetz, Leipzig „ 7.70 

,, „ Dr. med. Kirn, Pforzheim . „ 2.56 

Rmk. 32.96 

Ausserdem sind für diese Kasse im Rechnungs¬ 
jahre 1893|94 bis jetzt folgende Beiträge einge¬ 
gangen : 

Von Herrn Dr. med. Mende-Ernst, Zürich, 

pro 1892193 . M. 28.— 

„ „ Dr. med. Streintz, Graz . . „ 3.84 

„ „ Dr. med. Proell, Gastein . . „ —.63 

Sammlung beim Festessen des Homöopath. 

Central-Vereins Deutschlands am 
10. August 1893 in Bonn „ 258.20 

von Herrn Dr. med. von Erdberg, Riga, 

pro 1892j93 . „ 20.— 

Sammlung vom Säolis.-Anhalt Verein beim 

Festessen in Leipzig am 9. Oct. 1893 „ 100.— 

Latus M. 410.67 



Transport 

M. 

410.67 

t von 

Herrn Dr. med. Villers, Dresden, pro 
1893(94 . . . 

n 

14.— 

i ” 

„ Dr. med. Groos, Barmen, pro 
1893(94 . . . 

n 

10.— 

i ” 

„ Dr. med. Knüppe), Magdebg. 

pro 1893|94 i 

n 

10.— 

n 

„ Dr. med. Kunkel, Kiel, pro 
1893|94 . . . 

» 

54.80 

1 ” 

I 

„ Dr. med. Wugk, Königsberg 
pro 1893|94 

ri 

20.— 

1 ” 

1 

„ Dr. med. Herrn. Fischer, West- 
eud .... 

n 

50.- 

i von 

i 

27 Centralvereinsmitgliedern, Jahres¬ 
beiträge ä M. 8. — . . . 

Yi 

216.— 


Rmk. 785.47 


1 Für diese erfreulichen Beiträge sage ich meinen 
I verbindlichsten Dank und bitte auch um fernere 
I gütige Zuweisungen, denn die Ansprüche, die an 
i diese Kasse gestellt werden, werden immer grössere, 
| und wir brauchen noch mehr, um den Wittwen 
homöopathischer Aerzte würdige Unterstützungen 
I gewähren zu können. 

• Leipzig, den 19. Januar 1894. 

William Steinmetz, Apotheker, 

z. Z. Kassenverwalter. 


Anzeigen. 


Aus dem Nachlasse eines schon vor längerer | 
Zeit verstorbenen Collegen sind noch eine Anzahl 
werthvoller älterer homöopathischer Werke vor¬ 
handen und damit jüngeren homöop. Aerzten Ge¬ 
legenheit geboten, für wenig Geld eine kleine 
homöop. Bibliothek zu erwerben. Hierauf Reflecti- 
rende wollen sich an den Centralvereinsbibliothekar 
Herrn Guenther-Leipzig, Sidonienstr. 44, wendeu. 

Dr. Lorbacher. 

Zu verkaufen: 

Allgemeine hom. Zeitung, Jahrgang 1833—93 , 
vollständig, gebd. in 120 Bd. um 75 M. 

Dr. Hiraohel, Zeitschrift L hom. Klinik, 1852—77 
vollständig, geb. in 22 Bd. um 35 M. 

Archiv d. hom. Ueilkunst, eine Serie deutscher 
Aerzte, 1822—90 in 20 Bd. nebst 2 Registern | 
um 40 M. 

Dr. Griesselich, Hygea, 1834—47 in 22 Bd. mit 
Generalregister um 50 M. 

Zeitschrift d. Berliner Vereins hom. Aerzte 

1890—93 in 3 Bd. ungeb. 20 M. 

Sämmtliche Werke befinden sich im besten Zu¬ 
stande. Gefl. Offerten an 

Frau Dr. Eberle, Nürnberg, Maxplatz 7. 


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Durch directe und verwandtschaftliche Beziehungen mit 
einem der ersten Häuser in Cognac bin ich in der Lage, 
allen Freunden eines vorzüglichen, echten französischen 
Cognaos eine zuverlässig echte und preiswerthe Waare 
anzubieten: 

Echt franz. Cognac * 1 Flac. M. S.50. 

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Treuen i. Voigtl. Ernst Bauer, 

Apotheker. 

Hauptniederlagen in Leipzig bei 

A. Marggraf s homöopath. Offlein 

und 

Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke. 


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48 


Im Verlage von A. MarggraPs homöopathischer 
Offlein in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 
von 

Sanitätsrath Dr. med, Faulwasser, Bernburg a. S. 

Gebunden 20 Mark. 

Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf her vor heben. 

Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielie Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'- 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 

scheidennach allenSeiten des betreffendenMi tteis 

statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen , 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
piere8 usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Revisionsmässige Hausapotheken! 

Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 

jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt } wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift-Schränkchen 

und 

Separanden-Schränkchen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), dajnit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschiiessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefasse, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thiiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M. 

Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0. 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weise zu signiren sind (siehe Rovisions-Ethjuetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬ 
chen jetzt auch iu einen Schrank vereinigt , vor- 
räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilimgen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt auf bewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppclschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. MarggraPs Homöopath. Offlcin in Leipzig. 



Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Ixdpzig. 

Druck von Julius Mtiser in Leipzig. 



Band 128 


Leipzig, den 15. Februar 1894. 


No. 7 u. 8 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITEN«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Yerlag von William Steinmetz (A. Marggraf*s homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint Utftgig zu2Bogen. 13Doppelnnmmem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Bachhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No.97desPost-Zeitung8-Verzeiohni8ses(prol8a2).— Inserate, welche an Haasenstein AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Äf. berechnet. 


Inhalt. Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier-Mainz. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse- 
Hamburg. (Fortsetzung.) — Ein merkwürdiger Fall von doppeltem und excentrischem Sehen, durch 2 Gaben Sulfur 
geheilt. Von Dr. med. Th. Skinner-London. — Einladung zum hygienischen Congrets in Budapest. — Lesefrüchte. — 
Zur Berichtigung. — Professor von Zlatarowich. — Eingesandt. — Paralysis nervi oculomotorii. 

Druckfehler-Berichtigung. — Personalia. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Nachprüfung von Vinca minor. 

Referent: Dr. Schier, Mainz. 

Auf die beiden Aufforderungen zur Wiederauf¬ 
nahme von Arzneiprüfungen, welche ich am 20. Juli 
und 12. Octoher in dieser Zeitung erliess, meldeten 
sich 2 Damen und 8 Collegen zur Theilnahme, 
nämlich Frau Dr. Haedicke, Frau Dr. Schier, die 
Herren stud, med. E. in Leipzig und F. in München, 
deren vollständige Namen zunächst nicht veröffent¬ 
licht werden, damit nicht ev. irgend ein von Wuth 
gegen die Homöopathie befallener Universitäts¬ 
professor den Herren im Examen den Dank ab- 
stattet für den Eifer, den sie bekundeten, und die 
Mühe, deren sie sich im Interesse der guten Sache 
unterzogen. Der Redaction ist der volle Name 
dieser beiden Herren bekannt. Die übrigen theil- 
nehmenden Collegen sind: Dr. Baltzer in Stettin, 
Dierkes in Paderborn, Grünewald in Frankfurt a. M., 
Haedicke in Leipzig, Roth und Stumpf in Mainz; 
der letztere College war wegen der hier in weitem 
Umfange aufgetretenen Influenza nicht im Stande, 
an der Prüfung des 1. Mittels sich zu betheiligen; 
es resultirten also hierfür in Summa mit mir zehn 
Prüfungspersonen. 

Allen Theilnehmem sage ich hiermit meiner¬ 
seits herzlichsten Dank und glaube auch im Namen 
derselben die Hoffnung aussprechen zu dürfen, dass 


unser Unternehmen, bei dessen Durchführung uns 
die Arbeiten der österreichischen Collegen zum Vor¬ 
bild dienen, nachhaltige Unterstützung finden möge 
bei allen jenen Collegen, welche über die Aufgaben 
und die Bedürfnisse der Homöopathie mit sich im 
Klaren sind, wenn auch manche aus irgendwelchen 
wichtigen Gründen an den Prüfungen selbst nicht 
mitthun können. Wir beabsichtigen ungeprüfte 
Mittel abwechselnd mit solchen, die oberflächlich 
bereits bekannt sind, zu untersuchen, hei deren 
Auswahl auf die Bedürfnisse der Praxis möglichst 
Rücksicht genommen werden soll durch Ausfüllen 
von Lücken in unserer Arzneimittellehre. Diesbe¬ 
zügliche Wünsche der Tlieilnehmer sowohl als 
sonstige Vorschläge werden gern so weit als mög¬ 
lich berücksichtigt. Von der Nachprüfung von 
Armoracia, welche College Schlegel vorschlug, muss 
zunächst Abstand genommen werden, weil die im 
17. Bande des Archivs mitgetheilten Ergebnisse 
einer früheren Prüfung ausserordentlich minim und 
wenig ermunternd sind. 

Jeder College, der sich jetzt noch meldet, ist 
hochwillkommen! Möge sich Niemand abhalten 
lassen durch die Rücksicht auf die Erwägung, dass 
er durch Theilnahme an unsem Prüfungen etwa 
schon die Anerkennung meiner Hypothese, an 
welcher ihm dies oder jenes nicht passt, bekunde; 
so lieb es mir im Interesse der Wahrheit ist, wenn 

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50 


diejenigen, welche meine Hypothese in ihrer Tota¬ 
lität oder doch den einen oder andern Punkt wider¬ 
legen zu können glauben, dies hier öffentlich $h^n, 
so erkläre ich doch hiermit, dass ich in der Theil- 
nahme an den Arzneiprüfungen nichts weiter sehe, 
als das Bekunden eines hohen Interesses an der 
Vervollkommnung unserer Arzneimittellehre. Daran, . 
dass nur einheimische Pflanzen geprüft werden, 
wird sich schwerlich Jemand' siosserf, dem es mit 
der Weiterbildung der Lehre Hahnemanns Ernst 
ist; es kann ja doch Niemand bezweifeln, dass 
unsere Volksmedicin noch einen gewaltigen Schatz 
von Heilmitteln birgt, den es sich wahrlich lohnt 
mit dem Lichte des Aelmlichkeitsgesetzes zum 
Besten der Menschheit nutzbar zu machen. Wenn 
das Gros namentlich der jungen Homöopathen nur 
einen kleinen Theil des idealen Eifers bekundete, 
welchen unser allverehrter College Lorbacher trotz 
seines beträchtlichen Alters und ohne selbstgefälligen 
Hinweis auf alles das, was er bereits für die gute 
Sache gethan, auch jetzt noch für unser Streben 
beweist, indem er uns mit seinem bewährten, stets 
dankbar angenommenen Rath hilfreich zur Seite 
stand, so hätten nicht 10, es hätten mindestens 
100 Theilnehmer sich gemeldet, und durch gleich¬ 
zeitige Prüfung mehrererMittel.es uns ermöglicht, 
em gutes Stück in der Arbeit vorwärts zu kommen. 
Gelingen wird unser Vorhaben auch so, wenn nur 
die bisherigen Theilnehmer der Sache treu bleiben 
und vielleicht der eine oder andere noch von der 
bis jetzt indifferenten Schaar der Collegen uns sich 
anschliesst. Möge sich keiner von den Prüfern die 
Mühe, welche er auf sich genommen, verdriessen 
lassen, keiner auch die mannigfachen Fragen und 
Monitorien, welche zum Zustandebringen eines 
brauchbaren Resultats nothwendig und, vielleicht im 
Gegensatz zu manchem Punkte meiner allgemeinen 
Veröffentlichungen, selbstverständlich in durchaus 
entgegenkommendem Tone gehalten sind, in allzu 
pessimistischem Lichte betrachten; jeder Prüfer hat 
auch persönlichen Vortheil von seiner Arbeit, denn 
daJt Mittel, welches er selbst mit Erfolg geprüft 
hat, kennt er gewiss und für immer. 

Als ideal ausgebildet, wenigstens der Tiefe nach, 
wäre unsere Arzneimittellehre wohl dann zu be¬ 
trachten, wenn etwa in einem künftigen Examen 
der Candidat in der Lage wäre, das von ihm — 
quasi unter Clausur — nachzuprütende Mittel mit 
►Sicherheit aus den gefundenen Symptomen zu dia- 
gnosticiren; der Mann könnte wohl von sich sagen, 
dass er seine Arzneimittellehre beherrsche und zum 
Wohl seiner Kranken positiv zu wirken verstehe. 
Obgleich dieses hohe Ziel niemals in der wünschens- 
werthen Ausdehnung zu erreichen sein wird, schon 
aus dem Grunde, weil eben bei manchem Prüfer 
die charakteristischen Erscheinungen gar nicht in 


der zur Diagnose nöthigen Vollständigkeit auftreten, 
so ist doch wohl hierin ein Massstab . vorhanden, 
an welchem jeder Prüfer genau zu messen vermag, 
in wie weit seine Prüfung vollständig und für die 
Praxis brauchbar sei; wie denn auch jeder homöo¬ 
pathische Arzt hiernach genau wird beurtheilen 
können, ob er die Arzneimittellehre genügend be¬ 
herrscht. Sollte aber unter den zur Zeit lebenden 
Homöopathen einer oder der andere sich finden, der 
eine Weiterbildung bez. Vertiefung unserer Kunst, 
die eben nur durch eine gewisse naturgemässe Ein¬ 
schränkung der anzuwendenden Mittel zu erreichen 
ist, für upnöthig halten wollte, so möge er durch das 
Anstellen des obigen Experimentum crucis uns von 
der Vollkommenheit seiner Kenntnisse überzeugen! 

Damit wir uns in die Art und Weise des Prü¬ 
fens überhaupt einarbeiteten, musste zuerst die 
Nachprüfung eines Mittels vorgenommen werden; 
an dem, was erfahrene Collegen vor uns constatirt, 
haben wir den besten Massstab zur Beurtheilung, 
was von unsern Symptomen auf Rechnung des 
Mittels zu setzen, was andererseits für suggestiv 
zu halten sei. Ganz ausschliessen lässt sich ja die 
Suggestion bei Arzneiprüfungen niemals; immerhin 
glaube ich sie auf ein Minimum beschränkt zu 
haben durch die Geheimhaltung des Namens un¬ 
seres Prüfungsmittels, der in der That allen Prü¬ 
fern, ausser mir selbst, unbekannt war. 

Der bisherige Mangel eines pflanzlichen Mittels 
gegen Diphtherie sowie die bezügl. Erfolge mit 
unserer Pflanze Seitens einer heilkundigen Münchener 
Apothekerswittwe, über welche uns u. A. schon 
College Moeser in Nr. 7(8 des 126. Bandes dieser 
Zeitung Genaueres mittheilte, waren die nächste 
Veranlassung zur Wahl der Vinca minor. Die 
Pflanze kommt recht häufig vor in Mitteldeutsch¬ 
land, wird aber doch dem grössten Theile der Col¬ 
legen unbekannt sein, da unser ganzer theoretischer 
Bildungsgang es mit sich bringt, dass wir bezüg¬ 
lich der practischen Pflanzenkenntniss mit dem un¬ 
gebildetsten Landbauern es kaum aufnehmen können. 
Dafür ist aber das 2. Prüfungsmittel die Essenz 
einer um so bekannteren Frühjahrspflanze! Vinca 
minor war bereits von 5 Personen geprüft und die 
Resultate jener Prüfung sind im 17. Bande des 
neuen Archivs für die homöopathische Heilkunst 
(Leipzig 1838) durch Dr. H. Rosenberg veröffent¬ 
licht worden; eine Zusammenstellung der Resultate 
findet sich auch in Noak und Trink’s Arzneimittel¬ 
lehre sowie in Heinigke’s Handbuch. Die botanische 
Beschreibung der Pflanze hat schon College Moeser 1. c. 
gegeben. Ich kann daher hier die Berichte der 
einzelnen Prüfer folgen lassen und bemerke nur 
noch, dass die Versuche mit der Essenz des Mittels, 
aus der Officin des Herrn Verlegers dieser Zeitung 
entnommen, angestellt wurden. 


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5t 


I. Frau Dr. HaediCkO in Leipzig. Personalia 
vacant. 

Kahm am 23. u. 24. Nov. je 10 Tropfen Abends 
in Wasser, am 25. u. 26. Nov. je 20 Tropfen, am | 
27., 28., 29. Nov., 1., 2. u. 3. Dec. je 30 Tropfen und | 
erkrankte am 27. Nov. an Halsschmerzen, Schluck- j 
beschwerden, leichtere Mandelentzündung, was sich 
ohne Medicamente in einigen Tagen verlor. 

College Haedicke ist der Meinung, diese Symp- j 
tome seiner Frau Gemahlin auf Rechnung der da- j 
mals weitverbreiteten Influenza setzen zu müssen. ' 
Die mehr oder weniger grosse Berechtigung dieser 
Annahme lässt sich wohl nur bei Berücksichtigung 
der Symptome der übrigen Prüfer taxiren. 

I 

H. Frau Dr. Schior in Mainz, 26 J. alt, von | 
mittelmässig kräftiger Constitution; Körpergewicht | 
52 Kilogr., Grösse 1.60 m, Temperament sangui¬ 
nisch, leidet zeitweilig an Herzklopfen und Migräne, 
letztere meist Morgens beginnend und beim Ein¬ 
schlafen Abends aufhörend; mit 6 Jahren über¬ 
stand sie eine Lungenentzündung und Keuchhusten, 
mit 17 Jahren einen Anfall von Diphtherie, im 
Sommer 1893 einen mehrwöchentlichen Dickdarm¬ 
katarrh. Die Lebensgewohnheiten sind sehr regel¬ 
mässig; schläft von 10 —6 Uhr, hat jeden Morgen 
Stuhl. Gesichtsfarbe blühend, Augen und Haare 
braun, Allgemeinbefinden gesund. 

Nimmt am 28. Sept. Vorm. 10 Uhr 5 Tropfen 
der Essenz — wie auch später in 1 Esslöffel Wasser: 
Nachmittags Uhr bei einem Spaziergange 

Trockenheitsgefühl in Pharynx und Nase, leichtes 
Brennen und Kratzen „wie bei Halsentzündung,“ 
anhaltend bis 7 Uhr Abends, allmählich schwächer 
werdend. 

Am 29. Sept. Vorm. 8 1 !* Uhr 5 Tropfen: Mor¬ 
gens 10 ^ Uhr Trockenheitsgefühl bloss rechts 
im Rachen und Nasenrachenraum. 

Am 30. Sept. Vorm. 9^ Uhr 10 Tropfen: Am 
Abend des 1. Oct. starkes Jucken im ganzen 
Rücken. 

Am 2. Oct. Vorm. 9 Uhr 15 Tropfen: Abends 
sowie auch an den folgenden Tagen starkes Jucken 
und Beissen am Kreuz. 

Am 4. Oct. Vorm. 11 Uhr 20 Tropfen: Nachm. 

3 1 Uhr Durchfall mit Schwächegefühl im Unter¬ 
leib, Uebelkeit, Knurren; 5 1 | 2 Uhr Uebelkeit mit 
Neigung zu Durchfall, der aber aus äusseren Grün¬ 
den nicht nachgegeben werden kann, Uhr ge¬ 
lindes Halsweh rechterseits beim Schlingen. 

Am 5. Oct. Vorm. 10 Uhr 20 Tropfen: Gleich 
nach dem Einnehmen Gefühl von Trockenheit auf 
der Zunge, wie wenn dieselbe mit einem Tuche 
abgewischt würde; 11 Uhr Spannen der Stirn- und 
Kopfhaut, Brennen der Augen, dumpfes Kopfweh. 
Brennen des Naseninnern. Kopfweh lässt nach um j 


1 Uhr. 3 Uhr Gefühl von Trockenheit, Brennen 
im Nasenrachenraum, vorwiegend rechts, Nachlass 
gegen 7 Uhr. Am 8 . Oct. Beginn der Regel, 
welche erheblich stärker ist als gewöhnlich; dabei 
abnorme Empfindlichkeit gegen saure Speisen, 
welche Durchfall nebst Bauchgrimmen hervorrufen. 
Am 11. Oct. sehr starker Blutverlust, so dass sie 
sich äusserst schwach fühlt und einer Ohnmacht 
nahe ist. Während der folgenden Tage Jucken 
und Beissen auf der Haut, zumal des Rückens. 

Am 14. Oct Vorm. 9 Uhr 20 Tropfen: Nachm. 
1 Uhr dumpfer Kopfschmerz in Stirn und Schläfe, 
Jucken auf der Haut des Rückens, beides anhal¬ 
tend bis Abends 9 Uhr. Am 15. Oct. von 4 —6 
Uhr Nachm. Reissen an der Ulnarseite des rechten 
Vorderarms bis in die Spitze des kleinen Fingers. 

Am 16. Oct. Vorm. 9 Uhr 30 Tropfen: Um 
12 Uhr sog. Flugfeuer auf der rechten Wange; 
sonst keine merklichen Erscheinungen bis Abends 
8*2 Uhr: binnen 1 | 4 Stunde zweimal hintereinander 
wässeriger Durchfall mit Kneipen oberhalb des 
Nabels und Brennen äm Anus; das Kneipen ver¬ 
schwindet erst gegen 10 Uhr. Nachts unruhige, 
schwere Träume. Am 16., 17. u. 18. Oct. Jucken 
auf der Haut, besonders des Rückens zwischen den 
Schulterblättern, wo kleine Pustelchen sich bilden. 
Nachts schwere Träume. 

Am 20. Oct. Vorm. 8 8 | 4 Uhr 40 Tropfen: Um 
10 ^3 Uhr Vorm. Kopfweh in der Stirn, Druck im 
Vorderkopfe, nachlassend gegen 2 Uhr. Um 1 Uhr 
Schwindel vor den Augen, als ob die Gegenstände, 
das Zimmer etc. sich drehten. Um 2 Uhr Flug¬ 
feuer auf der linken Wange mit 5 -Pfennigstüek 
grossem, weissem Flecke, 5 Minuten später auch auf 
der rechten Wange. Nachts schwere Träume. 
21. Oct. Trockenheitsgefühl im Rachen rechter¬ 
seits. Am 22. Oct. Brennen der Haut zumal des 
Gesichts mit Aufschiessen von hanfkorngrossen 
Efflorescenzen auf rothcm Untergrund am Kinn und 
auf den Wangen, Flugfeuer. Nachmittags zwischen 
3 und 4 Uhr J | 4 Stunde anhaltendes schmerzhaftes 
Schlucken rechterseits. 23. Oct. Morgens Flug¬ 
feuer und Brennen der Haut der Unterlippe. Auf¬ 
fallendes Strecken und Dehnen. 24. Oct. Zunahme 
des Ausschlags an der Unterlippe. Nachm, zwischen 
3 und 4 Uhr Druck und Kopfweh in der Stirn¬ 
gegend. Abends und Nachts Jucken und Beissen 
im Kreuz und auf dem Rücken. 25. Oct. abnorm 
starkes Strecken und Gähnen. 26. Oct. dito. 
Abends Jucken auf dem Rücken mit nachfolgen¬ 
dem Kältegefühl. In den folgenden Tagen Aus¬ 
schlag um die Mundwinkel, brennend, nach 2 Tagen 
verheilt; Aufspringen, Trockenheit und Wundsein der 
Lippen, 8 Tage dauernd; Reissen im linken Ober¬ 
schenkel an der Aussenseite von der Hüfte bis ans 
Knie, ebenso in den grossen Zehen beider Füsse 

7* 


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52 


und in den Fingerspitzen, Druckempfindlichkeit der 
Nägel, als ob das Nagelbett entzündet wäre. Trüb¬ 
sein vor den Augen; vom 4.— 9. Nov. nächtliches 
Schwitzen gegen Morgen. Am 9. Nov. Eintritt der 
Regel, welche nicht länger dauert, aber viel stärker 
als sonst ist; Abgang von Klumpen fest geronnenen 
Blutes „halb so gross wie Hühnereier,“ dabei ausser¬ 
ordentliche Schwäche, Neigung zu Ohnmacht und 
Frost. Nachträglich bemerkt die Prüferin noch, 
dass sie seit dem Einnehmen der ersten Dosis jede 
Nacht durch erfolgreichen Drang zum Urinlassen 
aufgeweckt wird, was sonst nicht der Fall war. 
Reissen in den Fingern am 12. Nov. 

Am 18. Nov. Vorm. 10 8 | 4 Uhr 5 Tropfen der 
2. D.-P.: Nachm. 1 Uhr Kitzeln im rechten Gehör¬ 
gang, Neigung zum Kratzen, darnach starkes 
Brennen durch 10 Minuten. 19. Nov. Vormittags 
8 Uhr beim Frühstück Schmerzen am Gaumen von 
vorne bis hinten, als ob er schwürig wäre; Trocken¬ 
heitsgefühl im hinteren Nasenraum, Leerheitsgefühl 
im Rachen, als ob alles hohl, „herausgerissen“ 
wäre, rothe Bläschen auf der Zunge, Ungeschick¬ 
lichkeit beim Schlingen, Gefühl, als ob die Rachen¬ 
wand unendlich lang wäre und der Bissen gar 
nicht in die Speiseröhre, gelangen könne; der 
Schmerz im Gaumen verschwindet nach l 1 ^ Stun¬ 
den; das Trockenheits- und Leeregefühl im Rachen 
dauert bis zum Einschlafen. Die Bläschen auf der 
Zunge kratzend bis Abends. Vormittags 9 Uhr 
Durchfall. Am 20. Nov. Vorm. 7 J j a Uhr beim 
Essen Schmerz am Gaumen und Ungeschicklichkeit 
beim Schlucken, Leeregefühl im Rachen wie gestern. 
Vorm. 9 Uhr dünnflüssiger Stuhlgang. Abends 
Ö 1 !* Uhr Lähmungsgefühl im rechten Vorderarm 
bis in die Fingerspitzen, schmerzhaft wie nach 
Uebermüdung, kann kaum den Mantel ausziehen; 
dabei Kriebeln in den Fingerspitzen wie von 
Ameisen resp. als ob der Arm „einschlafen“ wolle. 
Die rechte Hand ist kalt, die linke warm wie ge¬ 
wöhnlich, 21. Nov. Abends Kälte der Füsse bis in 
die Knöchel; 22.Nov.Vorm.6 J | a — 7 Uhr Beschwerden 
im Rachen beim Schlucken, linkerseits; Mittags zeigt 
sich an Kinn und Unterlippe juckender Ausschlag; 
Nachm, zwischen 2 und 3 Uhr kalte Füsse. 

Die in diesen Tagen einsetzende Influeuzaepi- 
demie, von der die Prüferin übrigens # verschont 
blieb, Hess ein weiteres Fortsetzen der Prüfung 
nicht räthlich erscheinen. 

in. Georg E. in Leipzig, stud. med., 19 1 * j., 
Körpergewicht 84 Kilo, Grösse 1.62 m, Tempera¬ 
ment phlegmatisch; zuweilen nervös und aufgeregt, 
Pulsfrequenz 72, Schlaf 8 Stunden ohne Unter¬ 
brechung, selten mit Träumen, Stuhlgang normal 
einmal täglich, Gesichtsfarbe gesund, Haare blond, 
Alcoholgenuss gering; leidet zuweilen an Ausschlägen 


und Magenindisposition, alle 6 Wochen ungefähr 
an Migräne, die zuweilen mit Erbrechen verbun¬ 
den ist 

Das Mittel wurde stets nüohtern genommen. 
Am 3L Oct. Vorm. 7 Uhr 5 Tropfen: Um 

10 Uhr Glieder wie zerschlagen, grosse Müdig¬ 
keit; die Augen werden nur mit Mühe offen ge¬ 
halten, Unlust zur Arbeit. Nachmittags plötzhcher, 
nicht lange andauernder, ziehender, rheumatischer 
Schmerz im rechten Oberarm, dann im linken Vor¬ 
derarm und Hand. Gefühl von Beklemmung auf 
der Brust. Zittern von Kopf und Thorax. 

Am 1. Nov. Vorm. 6 Uhr 10 Tropfen: l \ % Stunde 
später Schmerz in Arm und Fuss abwechselnd. 
Abends plötzHche starke Heiserkeit mit Kitzel im 
harten Gaumen. Zerschlagenheit der Glieder, na- 
mentlicli im Rücken und in der Wade. 

Am 3. Nov. Vorm. 8 Uhr 20 Tropfen: Keine 
Erscheinungen. 

Am 6. Nov. Vorm. 8 Uhr 30 Tropfen: Um 

8 | 4 9 Uhr momentaner Schmerz im Oberschenkel. 
Nachmittags Schmerz der Schultermuskulatur. Abends 
rheumatischer Schmerz der Nackenmuskeln. Allge¬ 
meines undefinirbares Uebelbefinden. Am 7. Nov. 
Abends derselbe Schmerz im Rücken, sowie Schwäche 
des Armes, das Schreiben behindernd. 

Am 8. Nov. Vorm. 8 Uhr 50 Tropfen: Schmerzen 
in fast sämmtHchen Muskeln, besonders im Nacken, 
so dass der Kopf nur schwer gedreht werden kann, 
den ganzen Tag andauernd. Ausserdem Schmerz 
in der rechten Brustseite. Kalte Hände und Füsse. 
Am 9. Nov. derselbe Zustand. 

Am 10. Nov. Vorm. 8 Uhr 60 Tropfen: Schmerz 
in verschiedenen Muskeln; Kältegefühl bei hoher 
Zimmertemperatur. Abends völlige Steifheit der 
Phalangen. Angst, zu viel Medicin genommen zu 
haben. Brustschmerz. 

Am 12. Nov. Vorm. 8 Uhr 80 Tropfen: Keine 
Erscheinungen. 

Am 14. Nov. Vorm. 6 ] | 2 Uhr 100 Tropfen: Nach¬ 
mittags Schmerz in der Wade. Hüfte und Bein 
wie gelähmt, obere Extremität und Rücken wie 
zerschlagen. Am 19. Nov. heftiger Kopfschmerz 
und Uebelkeit (vielleicht zufällig). Jucken am Arm 
ohne sichtbare Ursache, sehr heftig, kurz dauernd, 
durch Kratzen nicht gebessert. Ebenso am 20. Nov., 
auch ziehender Schmerz in Oberschenkel und Unter¬ 
arm. 

Am 2L Nov. Vorm. 8 8 | 4 Uhr 150 Tropfen: Um 

10 ^ Uhr beginnender heftiger ziehender Schmerz 
in sämmtHchen Extremitäten, den ganzen Tag 
dauernd. Jucken wie früher. Am 22. Nov. des¬ 
gleichen, nur schwächer. 

Von 5—150 Tropfen der 30. D.-P., welche 
l Herr E. in der Zeit vom 15. Dec. 1893 bis 13. Jan. 
I 1894 versuchte, verspürte er keinerlei Erschei- 


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53 


nungen. Am 13. Jan. schreibt derselbe: „Bei der 
Prüfung der Urtinctur, aber erst bei den grossen 
Dosen, empfand ich ein eigenthümliches Jucken der 
Haut. Von Gemüthssymptomen kann ich nichts 
auführen, da erstens die Zeit im November und 
December mir grosse Aufregungen brachte und ich 
iii der letzten Zeit durch die grosse Arbeitslast 
für das Tentamen physicum nur eine grosse Ab¬ 
spannung empfinde, die ich aber ausschliesslich der 
Arbeit zuschreibe. 

IV. Heinrich F., stud. med. in München, 24 J., 
von kräftiger Constitution, Körpergewicht 76 Kilo, 
Grösse 1.62 m; Temperament sanguinisch, Neigung 
zu reichlicher Aknebildung am ganzen Körper, über¬ 
stand Masern und Keuchhusten; Lebensgewohn¬ 
heiten regelmässig; schläft von 10—7 Uhr; Stuhl¬ 
gang jeden Abend, Gesichtsfarbe blass, Haare braun, 
Augen blau, Allgemeinbefinden normal. 

Nimmt am 1., 2., 3., 5., 6 u. 7. Oot. je 5 Tropfen 
und constatirt in den ersten Tagen eine vermehrte 
Speichelabsonderung. Vom 8.—12. Oct. incl. nimmt 
er je 10 Tropfen; es entwickelt sich ein grosser 
Furunkel im Nacken, der am 9. Oct. zu eitern be¬ 
ginnt und reichlich secernirt bis 12. Oct., dann 
vernarbt. 

Am 15. u. 16. Oot. je 15, am 17. Oot. 20, am 
18., 19., 20. u. 21. Oct. je 25 Tropfen. Es stellen 
sich am 18. Oct. Beschwerden beim Schlucken ein, 
besonders auf der linken Seite, die am 20. Oct. 
unter Röthung und Schwellung der Tonsillen und 
Uvula auch die rechte Seite ergreifen; am 21. Oct 
Abends 9 Uhr Schüttelfrost, Nachts imruhiger 
Schlaf, Scliweiss besonders gegen Morgen. Am 
22. Oct. desgleichen; am 23. Oct. Fieber, diphthe- 
ritischer Belag auf den Tonsillen und heftige 
Schluckbeschwerden; in den folgenden Tagen lassen 
die Erscheinungen allmählich nach. 

Während der ganzen Prüfungszeit besteht eine 
ausserordentlich melancholische Gemüthsstimmung, 
ferner verschwinden die Aknepusteln, die jahrelang 
vorher constant vorhanden gewesen. Auf specielle 
Anfrage theilt Herr F. mit, dass er zwar früher 
schon als Folge von Erkältung an Schluckbeschwer¬ 
den, verbunden mit Schnupfen, gelitten, dass diese 
Erscheinungen aber in keiner Weise mit der In¬ 
tensität der Prüfungsdiphtherie vergleichbar ge¬ 
wesen seien. 

Die im Deoember 1893 vorgenommene Prüfung 
der 3. D.-P. ergab keine Resultate. 

V. Dr. M. Baitzer in Stettin, 27 J., von kräf¬ 
tiger Constitution, starkem Knochenbau; Körper¬ 
gewicht 70 Kilo, Grösse 1.70 in, Temperament 
ruhig, Gesichtsfarbe blühend, Haare blond, Augen 
blau. Litt im Winter 1889190 2 Wochen an In¬ 


fluenza, im 12. Lebensjahre an schwerer Diphtherie, 
sonst stets gesund. Lebensgewohnheiten regel¬ 
mässig, Schlaf von 11—6 Uhr fest, selten mit 
Träumen, Stuhlgang täglich einmal Morgens. 

Nahm am 28. Sept. 3 Tropfen, am 29. Sept. 
6 Tropfen und am 3. Oct. 12 Tropfen des Prüfungs¬ 
mittels in \ Theelöffel Wasser, ohne eine Aende- 
rung in seinem Befinden zu bemerken; auf 18Tropfen, 
die er am 4. Oct. Vorm. 10 Uhr ohne Wasserzu¬ 
satz nahm, musste er gegen seine Gewohnheit gleich 
nach Tisch um V\ 2 Uhr, dann um 2 J | 4 und 2 J j 2 
Uhr jedesmal eine grosse Menge Urin lassen. 

Am 6. Oct. versuchte er es mit 20, am 8. Oct. 
mit 26, am 13. Oct. mit 30, am 26. Oct. mit 20, 
am 27. Oct mit 50, am 28. Oct. mit 80, am 1. Nov. 
mit 100, am 2. Nov. mit 150 und am 3. Nov. mit 
200 Tropfen des Mittels, ohne irgend ein Symptom 
bez. Aenderung in seinem Gesundheitszustand con- 
statiren zu können. 

Am 14. Nov. nahm er 10 Tropfen der 6. C.-P., 
am 24. Nov. 10 Tropfen der 10. C.-P., desgleichen 
am 1. Deo. dieselbe Dosis, wiederum ohne Erfolg, 
jedoch hatte der Prüfer sowohl bei der 6. als bei 
der 10. C.-P. noch deutlich „den unangenehmen, 
widerlichen Geschmack der Essenz.“ Zwischen 
dem 15. und 24. Nov. litt derselbe an zweitägigem 
Fieber, Gliederschmerzen, starkem Husten mit Hei¬ 
serkeit und Halsschmerzen, Symptome, die er einem 
Anfall der damals epidemisch in Stettin herrschen¬ 
den Influenza, nicht aber dem Prüfungsmittel zu¬ 
schreibt 

Obgleich also College Baitzer mit nichts weniger 
als „zimperlichen“ Dosen operirte, ist für ihn bei 
der ganzen Prüfung sozusagen gar nichts heraus¬ 
gekommen; die vermehrte Urinsecretion haben zwar 
auch einige andere Prüfer aufzuweisen, da indessen 
dieselbe nur am 1. Tage sich zeigte, ist die Wahr¬ 
scheinlichkeit, dass sie durch das Prüfungsmittel 
hervorgerufen sei, eine sehr minimale. 

VI. Dr. Dierk68, Paderborn, 36 J., Körper¬ 
gewicht 91 Kilo, Grösse 1.77 m, Temperament 
„aufgeregt, oft schnell handelnd nach augenblick¬ 
licher Eingebung.“ Geistige Getränke verträgt er 
nicht, desgleichen muss er im Tabakgenuss sehr 
massig sein. Vor 3 Jahren überstand er fc einen 
Lungenkatarrh, der nun völlig ausgeheilt ist; im 
Sommer 1893 litt er an einer Irritation des Plexus lum- 
balis, von der zur Zeit der Prüfung nur eine ge¬ 
wisse Steifheit noch zu bemerken ist. Leber und 
Nieren scheinen auch zeitweise in Unordnung zu 
sein. Stuhlgang täglich einmal, Morgens, selten 
auch Abends einmal, Durchfall sehr selten. 

Die Prüfung begann er am 1. Oot. 1893; Status 
praesens: Conjunctivitis palpebr. oculi dextr., rheu¬ 
matische Schmerzen in allen Gelenken der unteren 


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54 


Extremitäten, schlimmer nach der Ruhe. Zunge 
schwach bläulichroth mit hellrothen Papill. filiform., 
Puls 90. Um 11 Uhr Vorm. 7 Tropfen der Essenz 
in wenig destülirtem Wasser: Geschmack bitter 
aromatisch mit adstring. Gefühl auf Zungenwurzel 
und Schlund. 10 Min. später etwas duselig, wie 
nach Genuss schwachen Alkohols. 11 Uhr 20 Min.: 
adstring. Geschmack verliert sich, schwache Schmerzen 
der linken Ohrmuschel, dann auch der rechten Ohr¬ 
muschel. 

Um 12 Uhr wiederum 7 Tropfen: Geschmack 
wie vorhin; 12 Uhr 20 Min. steigende Eingenom¬ 
menheit in der Stirn, mehr Druck auf den Augen 
(Conjunctivitis!), 1 Uhr 30 Min. Druck auf dem 
Herzen. 

1 Uhr 30 Min. 8 Tropfen: Die gewohnte Ci¬ 
garre während der um 8 Uhr stattfindenden Reise 
nach L. schmeckt nicht; 6 Uhr Abends: Reich¬ 
licher Stuhl, prasselnd, ziemlich flüssig. Reiz in 
der Harnröhre und Druck auf den After. Bei der 
Rückfahrt um 8 Uhr einsilbig; Uebelkeit, Cigarre 
schmeckt nicht. Um 9 Uhr Stuhl reichlich, wässerig. 
Am 2. Oct.: Nach guter Nacht Schweiss nach dem 
Erwachen, Drang zum Stuhl, Kollern im Leibe, 
beim Aufstehen 7*| 4 Uhr Schmerz im linken Felsen¬ 
bein beim Auftreten, Kopfweh über der linken 
Schläfe und höher und mehr nach vorn, schlimmer 
beim Bücken. 7^ Uhr: Eiliger Stuhl, dünn, 
schaumig mit einzelnen härteren, scheinbar älteren 
Kotlimassen, beim Stuhl sehr viel Ham, trotzdem 
Abends zuvor nur 1 | 8 Liter Milchkaffee genossen. 
Puls 96, sehr aufgeregt, fieberhaft. Stimmung ver- 
driesslich, „verkehrt“. 8 Uhr: Stuhl dito, vorher 
Poltern und Kollern im Leibe und einmal quer 
durch den Nabel — wie ein 2 U Band breit — 
schmerzhaftes Gefühl. Schmerzempfindung in Leber 
und Milz, auch in beiden Hüftgelenken. Um 9 Uhr 
kleiner Stuhl derselben Qualität, vorher Kollern und 
dumpfes Leibweh. Nachher stets fühlbarer Bauch, 
wie wenn das ganze Bauchfell afficirt wäre, Puls 84. 
Um 10 ^ Uhr Leibweh ohne Stuhl, Bindehaut¬ 
katarrh besser. Um lO 1 ^ Uhr: Kopf und Augen 
werden wieder schmerzhaft. Um ll 1 ^ Uhr: Ge¬ 
fühl wie Flatus im After, war aber Irrthum — 
flüssiger Stuhl. Um 12 1 | a Uhr: Stuhl wie bisher, 
nach demselben Tenesmus; beim Mittagessen wenig 
Appetit, Puls 96. 3 Uhr Nachm.: Stuhl wie bis¬ 

her, Abends dito. Am 3. Oct. Morgens einmal 
Durchfall, später noch öfters Kollern im linken 
Hypochondr. ohne Stuhl. 

Am 8. Oct. Puls 78, Allgemeinbefinden sehr 
gut: 7 Tropfen der 10. D.-P. Davon deutlich bit¬ 
terer Geschmack: I j 4 Stunde später Eingenommenheit 
des Kopfes und Sensoriums — kann Alkoholwir¬ 
kung sein (von 7 Tropfen? Ref.), Nachgeschmack 
auf der Zungenwurzel, bitter, adstringirend, Er¬ 


regung der Armnerven. 12 Uhr: Aufsteigende 
Hitze zum Kopfe mit Gefühl des beginnenden 
Schwitzens; Schweiss kommt aber nicht zum Aus¬ 
bruch. 

12 Uhr wiederum 7 Tropfen; 1 |, Stunde später 
Eingenommenheit des Kopfes. 

12 Uhr 30 Min. 7 Tropfen: Geschmack wie 
oben, mehrmaliges Kollern im Bauche, einmal Auf- 
stossen. 

1 Uhr 7 Tropfen : Geschmack dito, Puls 90. 

2 Uhr 7 Tropfen: Geschmack dito; sofort ein¬ 
tretende Erwärmung des Kopfes, beim Lesen am 
Fenster Blendungsgefühl, trotzdem keine Sonne am 
Himmel. 

2 Uhr 30 Min. 7 Tropfen: Harndrang; Lassen 
von 250 Gr. normalgefärbten Harns. 

Gebeten, noch einen Versuch mit der unver¬ 
dünnten Essenz zu machen, schreibt College Dierkes 
am 5. Nov. 1893: „Ich habe die Prüfung nicht 
wieder aufgenommen, weil mich der Durchfall zu 
sehr herunterbrachte und ich in einem solchen Zu¬ 
stande keine Entbindung vornehmen kann. In der 
letzten Zeit habe ich gar keine Initiative mehr, 
bin beherrscht von dem Gefühle des Ruhebedürf¬ 
tigseins und ist mir daher das dolce far niente am 
allerliebsten. Ob dies nun Folge des Prüfungs¬ 
mittels ist oder der sommerlichen Badepraxis in 
Lippspringe oder des Magnetisirens oder öfteren 
Aergers, unnützer Sorgen etc., weiss ich nicht. 
Augenblicklich (9 Uhr 40 Min. Abends) habe ich 
wieder 90 Pulsschläge.“ 

Am 25. Nov., nachdem ihm der Name des 
Mittels bekannt gemacht, schreibt derselbe: „Ich 
habe nach Durchlesung der Beschreibung der Wir¬ 
kungsweise von Vinca minor bei Heinigke mehrere 
Symptome gefunden, die auch ich gefühlt, aber 
nicht mitgetheilt habe, weil ich glaubte, es sei 
keine Wirkung von Vinca minor. So habe ich so 
ziemlich Alles gehabt, was dort unter „Athmungs- 
organe“ angeführt ist. Den Stockschnupfen und 
Rachenkatarrh bin ich noch nicht ganz wieder los, 
Melancholie, Arbeitsunlust, Heftigkeit und leichte 
Erregbarkeit zeigen sich auch noch öfter.“ 

VII. Dr. Grünewald (in der nächsten Nummer). 

VHI. Dr. Haedicke in Leipzig. Personalia 
vacant. 

Nimmt am 23. u. 24. Nov. je 10 Tropfen, am 
25. u. 26. Nov. je 20 Tropfen, am 27., 28., 29. Nov. 
u. 1., 2., 3. Dec. je 30 Tropfen; bemerkte davon 
keinerlei Symptome ausser folgenden Beschwerden, 
die er auf Influenza zurückführt: „Am 27. Nov. 
über dem linken Auge eine leichte Trigeminus¬ 
neuralgie, woran ich nie litt. Es war ein leichter, 
heimlicher, Rohrender Schmerz, der sich in den 


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Nachmittagsstunden einstellte und am 29. Nov. 
wiederholte. Am 2. Dec. Stiche in der linken 
Axillargegend, die sich am 3. Dec. so verschlim¬ 
merten, dass ich das Zimmer hüten musste. Ein 
College constatirte Pleuritis sicca, deutliches pleu- 
ritisches Reiben; am 6. Dec. war ich wieder ge¬ 
sund. Da ich vom 18.—20. Jahre an tuberculöser 
Lymphdrüseneiterung erkrankt war und einer phthi- 
sischen Familie entstamme, so bin ich geneigt, 
diese Erkrankung nicht auf das Mittel zu schieben.“ 

IX. Dr. Friedr. Roth in Mainz, 28 % Jahre, 
von kräftiger Constitution, Körpergewicht 76 Kilo, 
Grösse 1.74 m; sanguin. Temperament, leidet an 
leichtem, chron. Schnupfen, Rachen- und Tuben¬ 
katarrh, reichlichem Kopfabschuppen, geringem 
Fussschweiss, massiger Aknebildung an verschie¬ 
denen Körperstellen; überstand Masern und Otitis 
media in öfteren Anfällen vom 3.—17. Lebens¬ 
jahre. Lebensgewohnheiten sehr regelmässig; Schlaf 
von 11—ö 1 ^ Uhr, Stuhl jeden Morgen, Tabak-, 
Alkohol- und Fleischgenuss gering, Gesichtsfarbe 
gesund, Haare braun, Augen graugrün, Allgemein¬ 
befinden normal. 

Nimmt am 23. Oet. 5 Tropfen : Abends im Bett 
kalte Fersen, warme Zehen; unruhiger Schlaf, 
ängstliche Träume. 

Am 24. Oot 5 Tropfen: —. 

Am 25. Oct. 10 Tropfen: Starkes Jucken an 
Anus und Scrotum. 

Am 26. Oot 10 Tropfen: —. 

Am 27. Oet 15 Tropfen: Ausfluss von viel 
wässerigem Schleim aus dem rechten Nasenloch, 
ohne Schnupfen. 

Am 29. Oct. 20 Tropfen: Hitze auf dem Scheitel, 
Druck in der Stirn, schlimmer bei Bewegung. An 
der Innenfläche des rechten Nasenflügels kleine An¬ 
schwellung, bei Berührung schmerzhaft. Schleim¬ 
absonderung wie am 27. und 28 Oct. 

Am 30. Oct. 25 Tropfen: In den folgenden 
Tagen Kalt« nur des linken Fusses, anhaltende 
Taubheit der Fingerspitzen der linken Hand, ausser 
dem Daumen. 

Am 3. Nov. 50 Tropfen: Starkes Jucken, bald 
hier, bald dort. Kälte und Taubheit der Finger¬ 
spitzen beider Hände, ausser dem Daumen. Wäh¬ 
rend der ganzen Zeit leeres Aufstossen, Flatulenz 
übelriechend, letzteres einige Wochen anhaltend. 

Die Prüfung der 3. D.-P. im Deoember 1893 
ergab keine Symptome. 

X. Dr. J. Schier in Mainz, 28 1 | 2 Jahre, von 
schwächlicher Constitution, Körpergewicht 69 Kilo, 
Grösse 1.72 m, Temperament sanguinisch, leidet 
seit dem 18. Jahre an Struma geringen Grades, 
die mit keinen subjectiven Beschwerden verbunden 


ist, ausserdem zuweilen an Coryza. Mit 6 Jahren 
überstand er die Masern, mit 26 Jahren die In¬ 
fluenza. Lebensgewohnheiten sehr regelmässig, 
einigemal wöchentlich auswärtige Sprechstunden; 
Schlaf von 10 — 7 Uhr, fest und traumlos, Stuhl im 
Allgemeinen regelmässig mit Tendenz zur Ver¬ 
stopfung, Nichtraucher, Alkoholgenuss sehr mini¬ 
mal. Gesichtsfarbe blass, Haare dunkelbraun. 

Das Mittel wurde, wenn nicht anders bemerkt, 
in 1 Esslöffel gewöhnlichen Wassers genommen. 

Am 28. Sept. Vorm. 10 Uhr 5 Tropfen der 
Essenz: Geschmack harzig, aromatisch, bitter, nicht 
gerade sehr unangenehm, das Aroma an »ange¬ 
gangene“ Birnen erinnernd. Nach einstündiger Be¬ 
wegung im Freien gegen 12 ] j 2 Uhr Mittags leichtes 
Kratzen im Pharynx, 1 Stunde hindurch. 

Am 29. Sept Vorm. 8 ] | 2 Uhr 5 Tropfen: In 
der Nacht vom 29.|o0. Vorm. 2 1 | 2 Uhr zu einem 
Patienten gerufen, empfindet er starkes Kratzen im 
Pharynx. 

Am 30. Sept. Vorm. Uhr 10 Tropfen: 

Abends 7—9 Uhr Kratzen im Pharynx. 

Am 2. Oct. Vorm. 9 Uhr 15 Tropfen: In der 
Nacht zum 3. Oct. um 4 Uhr Erwachen unter Er¬ 
scheinungen einer Angina acutissima, welche bis 
Morgens 9 Uhr gegen die Norm sozusagen völlig 
verschwunden sind; Fieber, Puls circa 90 — gegen 
72 im gewöhnlichen. Seit dem 30. Sept. eigen- 
thümlich melancholische Gemüthsstimmung gänzlich 
ohne äussern Anlass. 

Am 5. Oct. Vorm. 10 Uhr 20 Tropfen der 
Essenz: Um 12 Uhr Kitzeln im Kehlkopf *\ 2 Stunde 
anhaltend. Nachmittags und Abends Röthe und 
Brennen der Augenlider. In den letzten Tagen 
Morgens beim Erwachen auffallender Trieb zum 
Dehnen und Strecken der Extremitäten. 

Am 8. Oot Vorm. 9 Uhr 20 Tropfen: Um 
10 1 |j Uhr Trockenheitsgefühl im Nasenrachenraum, 
Neigung zum Schlucken, dabei Spannung an der 
oberen Rachenwand, bis 12 x | a Uhr gleichmässig 
anhaltend, dann allmählich nachlassend, um 6 Uhr 
Abends verschwindend. 10 s | 4 Uhr Bauchgrimmen 
im ganzen Unterleib, ähnlich wie vor Durchfall, 
nur einige Minuten dauernd; Nachmittags 4 Uhr 
wiederum Bauchgrimmen. Von 2 Uhr Nachmittags 
ab Beissen und Jucken am ganzen Körper, gegen 
7 Uhr Abends fast unerträglich werdend. Seit dem 
5. Oct. steigert sich dieses Gefühl von Tag zu 
Tag und weckt ihn zuweilen sogar Nachts aus dem 
Schlafe. 

Am 9. Oct Vorm. Uhr 25 Tropfen: Nach¬ 
mittags 2 Uhr dumpfer, ziehender Kopfschmerz, 
hauptsächlich um die Stirn, Schwindelgefühl, an¬ 
dauernd bis Abends 7 Uhr; Abends 10 Uhr Kratzen 
und Trockenheitsgefuhl im Hals durch einige Stun¬ 
den; Nacht unruhig, fieberhaft (Puls 90), Ein- 


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56 


schlafen erst gegen 4 Uhr Morgens. Jucken und 
Beissen der Haut. Am 10. Oct. Brennen und 
Beissen der Conjunctiven und Augenlider, in diesem 
Falle zweifelhaft, ob primäre Folge der Arznei 
oder secundäres Symptom infolge der schlechten 
Nacht; dasselbe gilt für das Oede- und Katerge- 
fülil am Morgen des 10. Oct. In den folgenden 
Tagen Jucken auf der Haut, zumal in der Achsel¬ 
höhle. 

Am 14. Oct. Vorm. S^Uhr 25 Tropfen: Vorm. 
11 Uhr dumpfes Kopfweh, 1\ 2 Stunde hindurch, 
im Freien verschwindend. Um 12 Uhr leichtes 
Kratzen in der oberen Rachenwand, 1 Stunde 
dauernd. Nachmittags Benommenheit in der Stirn; 
Abends 10 Uhr starke Trockenheit im Rachen, zum 
Schlucken zwingend, 1 2 Stunde anhaltend. Nacht 
unruhig. Am 15. Oct. den ganzen Tag Jucken auf 
der Haut, besonders am Rücken und in der Achsel¬ 
höhle ; Nacht nicht so ruhig wie sonst, unangenehme 
Träume. — Ich träume sonst fast nie; zur Charak¬ 
teristik dieser unangenehmen Traumbilder will ich 
hier erwähnen, dass z. B. im Traum ein Patient, 
den ich längere Zeit wegen Caries des linken Knie- 
und Sprunggelenkes behandelt hatte, (und zwar, 
wie leicht begreiflich, ohne durchgreifende Besse¬ 
rung), unter grässlichen Drohungen und Ver¬ 
wünschungen auf den beiden oberhalb der Knie¬ 
gelenke amputirten Oberschenkelstummeln gegen 
mich loshumpelte. — Am 16. Oct. Erwachen mit 
dem Gefühl, als sei eine feine Staubschicht über 
Rachen und Kehlkopf ausgespannt, Husten durch 
einige Minuten. 

Am 16. Oct. Vorm. d l \ A Uhr 36 Tropfen: Von 

10 Uhr. ab starke Kopfeingenommenheit und übler 
Geschmack im Munde, wie von Schleim im Rachen. 
Die Kopfeingenommenheit bessert sich im Freien, 
verschwindet aber nicht ganz; dagegen steigert sich 
das Gefühl von Trockenheit und Kratzen in der 
oberen Rachenwand hei Bewegung in der freien 
Luft bedeutend, es gesellen sich hinzu Stiche in den 
Ohren und Schläfen. Nachmittags Zunahme der 
Kopfeingenommenheit, Verschwinden der Halsbe¬ 
schwerden; von 4 Uhr ab Beissen am ganzen Kör¬ 
per. Von 5—7 Uhr hei Bewegung im Freien 
Wiedererscheinen der Halsbeschwerden, welche dann 
erst beim Einschlafen unmerklich werden. Nacht 
unruhig, schwere Träume. Am 17. Oct. Erwachen 
unter leichtem Kratzen im Rachen und Kehlkopf, 
Jucken der Haut und Augenlider. Nacht vom 17.il 8. 
unruhig. Am 17. leichtes Trockenheitsgefühl im 
Rachen. Im Gesicht, namentlich auf beiden Seiten 
der Oberlippe zeigen sich einzelne Efflorescenzcn. 

Am 20. Oct Vorm. Uhr 50 Tropfen: Um 
9 Uhr früh Gefühl leichten Kratzens im Gaumen; 
9 8 4 Uhr Durchfall mit geringem, kueipendem Schmerz 
in der Nnbelgcgend. Von 10 Uhr ab Brennen der 


Augen, Lider geröthet, Trockenheitsgefühl im Auge 
wie Sand. Um 11 Uhr Schwindel bei Bewegung, 
Sehen wie durch Schleier, Pfeifen im rechten Ohr. 
Nachmittags dumpfer Kopfschmerz in der Stirn und 
Schwindelgefühl. Um 4 Uhr Kriebeln in der Haut 
des Gesichts wie von Insecten oder Spinnweben. 
Tagsüber öfters leises Mahnen im Pharynx und 
Neigung zum Schlucken, schmerzhaft; viel Dehnen 
und Strecken mit Knacken der Gelenke. Nacht 
schlecht, unruhiges Hin- und Herwerfen, schwere 
Träume, Beissen am ganzen Körper. Am 21. Oct. 
früh 8 Uhr 30 Min. Durchfall, vorhergehend Knei¬ 
pen in der Nabelgegend: Brennen der Lider. Tags¬ 
über zuweilen Trockenheit und Kratzen im Rachen, 
Beissen und Kitzeln im Gesicht und an der Nasen¬ 
scheidewand. 

Am 22. Oct. Vorm. IO 1 !« Uhr 75 Tropfen: Um 

11 Uhr Stuhlgang, zuvor Kneipen in der Nabel¬ 
gegend. Nachm, von 2 Uhr ab dumpfes Kopfweh 
in Stirn und Schläfen mit Eingenommenheit. Von 
3 Uhr ab Kratzen und Trockenheitsgefühl im Halse; 
von 3 1 ;., Uhr ab Brennen der Lider und Augen 
mit Trockenheitsgefühl wie von Sandkörnern, Rö- 
tliung der Lidränder. Nacht unruhig. Am 23. Oct. 
Erwachen unter Kratzen im Pharynx und Kehlkopf. 

Am 23. Oct. früh 8 8 | 4 Uhr 100 Tropfen in 4 
Esslöffeln Wasser: Sofort Aufstossen mit Uebelkeit. 
Um 9\ 4 Uhr Kneipen in der Nabelgegend und 
Durchfall mit Uebelkeit. Um 9 , i>, 10, 11, 12 und 
1 J Uhr Urinlassen — sonst nur einmal in dieser 
Zeit — beim letzten Mal gleichzeitig Drang zum 
Stuhl, ebenso um 3 Uhr. Gleichzeitig Kopfbe¬ 
nommenheit und leichtes Kratzen im Pharynx. 
Abends starkes Brennen der Augen. Nacht schlecht, 
unruhig, fieberhaft, schwere Träume. Am 24. Oct. 
beim Erwachen Pfeifen und schmerzhaftes Ziehen im 
rechten Gehörgang. Mächtiges Dehnen und Recken« 
Um 9 Uhr Vorm. Gefühl wie von Spinnweben am Unter¬ 
kiefer, Hals und hinter den Ohrmuscheln; Jucken 
der Kopfhaut. Nachmittags Kopfbenommenheit, 
Kitzeln des Naseninnern, Jucken der Haut am 
ganzen Körper, Brennen der Augenlider, Trocken¬ 
heit im Pharynx. Nacht unruhig, Trockenheit im 
Hals, zum Schlucken nöthigend. Am 26. Oct. Er¬ 
wachen mit Trockenheit im Hals, Schwellung und 
Röthung der Mandeln und Brennen der Lider. 
Dehnen und Recken Morgens im Bett, — Jucken 
der Kopfhaut, Kitzeln an den Ohrmuscheln wie von 
Spinngewebe. Abends Brennen der Augen beim 
Lesen. Am 27. Oct. mit Schmerz im Pharynx, 
Stechen beim Schlucken, Gähnen und Strecken im 
Bette. Nach dem Frühstück Brennen der Lider. An 
den folgenden Tagen Nachm, von 4—8 Uhr Trocken¬ 
heit im Pharynx und Röthung nebst Schwellung der 
Mandeln bis incl. 6. Nov. Dabei merkwürdige Un¬ 
geschicklichkeit beim Essen von Suppe; dieselbe 


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S9 


läuft theilweise an de» Mundwinkeln wieder aus, 
auch geräth leicht ein wenig in den Kehlkopf. Am 
31. Oct. Ekzem an Stirn und Kinn, zum Reibe» 
und Kratzen nötWgend, nachher brennend, vertieilt 
erst am 8. Nov. Auch das Brennen der IAder er¬ 
scheint noch zuweilen, ebenso wie das Jueken am 
ganzen Körper bis zum 4. November. 

Am 20. Nov. früh 9 Uhr 5 Tropfen der 3. D.-P.: 
Nachmittags von 4 Uhr ab Trockenheit und Kratzen 
im Rachen, dabei Aufschiessen von schmerzhaften 
Bläschen am rechten vorderen Zungen r and e , das 
Sprechen erschwerend. Am 21. Nov. den ganzen 
Tag Siqgultus mk Pausen von *\ 9 —1 Stunde, das 
Sprechen und Essen erschwerend, in dieser oder 
ähnlicher Weise noch nie bei ihm eonstatiit. Ein¬ 
genommenheit in der Stirn und Brennen der Angen. 

Die in diesen Tagen mit Macht in ganz Hessen 
einsetzende Influenza machte eine Fortsetzung der 
Prüfung unmöglich. Die während der ganzen Prü¬ 
fungszeit andauernde makiachohscbe GemüthStim¬ 
mung maclke erst gegen Ende November einer nor¬ 
malen Gemütlisverfassung Platz. 


EiStnes und Fremdes. 

Von Dr. H et »«-Hamburg. 

(Fortsetzung.) 

Die nun folgenden Krankengeschichten sind 
theilweise von mir, theilweise der Medical Advance 
entnommen. 

Zunächst führe ich einige Fälle an, m denen 
das betr. Mittel deshalb gewählt wurde, weil es 
in einem früheren Leiden des Patienten indicirt 
war und hätte gegeben werden müssen. 

Eine gewisse Berühmtheit hat der Fall von 
Caroll Dunham, einem der besten Mittelkenner, er¬ 
langt. Eine Taubheit, welche 13 Jahre bestanden 
hatte, wurde von Dunham mit Mezeremm geheilt 
auf die Indication hin, dass der Patient gerade vor 
Beginn der Taubheit einen KopfausscUag batte, 
der nach Dunham dem Mezereum entsprach. 

Einen anderen Fall, den ich in der Literatur 
nicht wiederfinden kann, muss ich aus dem Ge¬ 
dächtnisse citiren. Ein Patient klagt über Impotenz, 
die seit Jahren vergeblich behandelt worden war. 
Wenn ich nicht irre, war es der äkere Lippe in 
Philadelphia, welcher herausfand, dass die Impotenz 
genau seit einer Halsentzündung bestand, für 
welche damals Lac. eaninum indicirt war, wie Lippe 
nach den Angaben des Patienten eruirte. Eine 
Dosis dieses Mittels genügte, um die jahrelange 
Impotenz zu heben* 

Der Fall wurde berichtet von denjenigen Arzte, 
welcher den Patienten lange vergeblich behandelt 


und dom zu Dn Lippe geschickt. Za solchen 
Combinationen gehört eine aussevordmdaehe Mktel- 
kenntniss, wie sie Lippe, einer der glücklichsten 
Therapeuten, besass. 

Aehnliches erzählt Dr. Pease in Chicago. 

Herr D. W. C., 56 Jahre alt, war seit Wochen 
in meiner Behandlung wegen chronischer Ohren¬ 
eiterung und chronischer Diarrhöe; wenn das Eine 
besser war, trat das Andere schlimmer auf. Der 
Patient war mit der Behandlung zufrieden, ich 
nicht. Zufttiig änsserte Jener eines Tages zu mir, 
dass er für seine Schmerzen in den Gelenken von 
Hand und Arm stets in einigen Minuten schon Erleich¬ 
terung fühle, wenn er eine Rosskastanie in der 
einen oder anderen Hand trage. Ausserdem erfuhr 
ich, dass beides, Ohrenfin6S wie Durchfall, vor 11 
Jahren nach einer Hämorrhoidalknotenoperation auf¬ 
getreten sei. Die Hämorrhoidalknoten entsprachen 
dem Bilde der Rosskastanie, dem Aesculus und aus 
dem Hering sah ich, dass die meisten der früheren 
und jetzigen Symptome des Krankem unter Aesculus 
zu finden waren. Ich gab ihm Aesculus in ver¬ 
schiedenen höheren Potenzen und in der Folge 
verschwanden Ohrenfluss, DurehfaH, rheumatische 
Steifheit in den Hüften, Schmerzen in den Hän¬ 
den, Taubheit, sowie auch ein starker Vorfall von 
Hämorrhoidalknoten, welcher bald nach der Arznei 
erschien und rak Scbeinarznei behandelt wurde. 

Dr. M’Neil in Sau Francisco: 

Am 20. Juli 1888 besuchte ich Frh C. D., 
eine blasse, abgemagerte, 20 jährige Dame. Vor 
7 Jahren hatte sie Typhus unter allopathischer 
Behandlung durchgemacht und war seitdem nie 
ganz wohl gewesen, hatte stets geklagt und ge- 
kriaikelt. 

Im vergangenen Winter bekam sie ausserordent¬ 
lich heftige Unterleibsschmerzen und Convubioaen, 
die gewöhnlich von 8 Uhr Abends bis 2 Uhr 
Morgens andauerten. Während dieser Zeit löste 
ein Krampfanfall den andern ab und die wenigen 
Zwischenpausen mit Bewusstsein wurden durch 
Leibschmerzen getrübt. Diese Anfalle dauerten 
jetzt ununterbrochen 2 Monate nnd waren mit 
Opiaten behandelt worden. Ich erfuhr noch, dass 
die Kranke in ihren besseren Zeiten viel über 
Schmerzen im ganzen Körper klagte, besser in Be¬ 
wegung, und über Fieberbläsehen an den Lippen. 

Zur Zeit der Menses war sie frei von Couvul- 
sionen und Leibschmerzen; die Regel war diesmal 
ausgeblieben. 

Ich sah die Kranke um 6 Uhr Abends, gab 
ihr zwei Pulver Rhus 200., eins sofort, das andere 
nach einer Stunde. Ich berekete die Mutter auf 
eine schlechte Nacht vor, da kein Opiat gegeben 
werden sollte. 

Am nächsten Tags härte ich, dass nur ein 

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leichter Anfall von Convulsionen dagewesen sei 
ohne Leibschmerzen. 

Die Patientin hatte fast die ganze Nacht ge¬ 
schlafen. In der folgenden Nacht schlief sie 
weniger und hatte mehr Schmerz. 

Sie erhielt Rhus in höherer Potenz, mehrere 
Pulver, und blieb bis jetzt, Januar 1889, voll¬ 
ständig gesund. 

Es ist aus der Anamnese dieses Falles klar, 
fügt M’Neil hinzu, dass in dem typhösen Fieber 
vor 7 Jahren Rhus das Heilmittel gewesen wäre. 
Rhus war ohnehin damals das epidemische Mittel. 

Ich habe diese Fälle vorangestellt, weil sie ein 
gewisses Interesse beanspruchen. 

Pastor G., 51 Jahre alt, aus N. kommt zu mir 
wegen Magenschmerzen, die ihn seit Jahren quälen. 

Ein furchtbar heftiger Druck weckt ihn gegen 
2 Uhr Nachts und treibt ihn aus dem Bett. 

Dabei Auftreibung des Leibes , Schleimerbrechen. 

Er presst bei heftigem Schmerz den Magen 
gegen die Sophaecke. 

Wochenlang geht es so jede Nacht. 

Besserung durch heisse Getränke, Vw'schlimme- 
mivg durch saure und blähende Speisen, Schwarz - 
Irrod. 

Stuldverstopfung. 

Trockner Östwind bringt leicht Heiserkeit. 

Patient kann viel Zimmerwärme vertragen. 

Linksliegen macht Stechen in der Herzgegend. 

Ich verordnete am 10. November j 891 X. Kali 
carbon., am 2. December Magn. phosph. 6., am 
22. December Natr. carb. X., Alles ohne Erfolg. 

Erst Nux vomica 3., Morgens und Abends 
1 Tropfen, gab befriedigende Besserung, die mit 
geringen Schwankungen bis jetzt angehalten hat. 

Ein jeder Laie hätte von vornherein Nux vo¬ 
mica gewählt, weil Nux das beste Mittel gegen 
Magenschmerzen ist. 

Mir passte für Nux vom. wohl die schlimme 
Zeit nach Mitternacht und die Besserung durch 
Heisses; was mich davon abhielt, war die Besserung 
durch äusseren Druck. In der Regel ist Nux vom. 
ja äusserst empfindlich gegen äusseren Druck, kann 
nicht einmal den Druck der Kleider vertragen; 
allerdings hat von Boenninghausen unter den Mit¬ 
teln, welche sich durch Druck bessern, auch Nux 
vom. stehen an dritter Stelle. 

Wenn man vom Patienten hört, dass er bei 
Magenschmerzen den Magen gegen einen harten 
Gegenstand presse, denkt man zunächst an Colo- 
cynthis, doch hat Coloc. weder die Verschlimme¬ 
rung Nachmitternacht, noch die Besserung durch 
Heisses; deshalb stand ich von diesem Mittel ab. 
Ich gab sofort niedrige Potenz, weil ich Nux vo¬ 
mica nicht für das Similliinum hielt, daher nur von 
der tiefen Potenz etwas Wirkung hoffte. 


Frau J., 48 Jahre alt, gross, dunkelhaarig, 
mässig genährt, consultirt mich wegen chronischen 
Magenleidens. 

Eine halbe Stunde nach jedem Essen treten 
Schmerzen auf, die durch Ruhe und Linksliegen 
besser werden. 

Wärme wird besser vertragen, als Kälte. 

Herzklopfen nach dem Essen und beim Steigen. 

Stuhlverstopfung. 

Ich verordnete am 9. Juni 1891 fünf Pulver 
Nux vom. X., jeden Abend ein Pulver. 

7. Juli. Das Befinden wurde sofort gut und 
blieb bis jetzt gut. Verordnung: dieselben Pulver 
jeden siebenten Abend (unnöthiger Weise). 

2. Mai 1892. Während der ganzen Zeit war 
der Magen gut gewesen und auch der Stuhl war 
regulär von selber gekommen, während vorher 
immer Abführmittel nöthig gewesen waren. 

Seit 8 Tagen wieder Magenbeschwerden nach 
dem Essen, mit Besserung durch Ruhe, Bettwärme , 
Lösen der Kleider. Ich verordnete wieder dasselbe 
Mittel mit demselben guten Erfolge, wie mir am 
16. Mai berichtet wurde. 

Frau B., 52 Jahre alt, leidet seit 6 Monaten 
an Husten und Kurzluftigkeit mit wenig Auswurf. 

Schlimmer von 5 Uhr Morgens an bis Nach¬ 
mittags, durch Gehen im Winde , Rechtsliegen . 

Ich gab am 30. September 1893 Nux vom. X. 
jeden Abend einen Tropfen. 

13. October besser. Verordnung dieselbe. 

28. October. Beschwerden fort. Sie verzichtet 
auf fernere Behandlung. 

Sehr wahrscheinlich handelte es sich um chro¬ 
nischen Katarrh der Bronchien, leider finde ich 
nichts von Untersuchung notirt. 

Dr. Howard Crutcher in Chicago: Herr H. sieht 
10 Jahre älter aus, als er ist; er hat stets gut, 
aber nicht ausschweifend gelebt. Vor 10 Jahren 
hat er Lungenentzündung durchgemacht, welche 
nach des Patienten Meinung durch starke Arznei¬ 
gaben in kurzer Zeit unterdrückt wurde. Seit 
dieser Zeit litt er an heftigem Asthma. Diese 
Asthmaanfälle wurden von Jahr zu Jahr schlim¬ 
mer und hatten ihn jetzt ganz zum Invaliden ge¬ 
macht. 

Während des Asthmaanfalles kann er nicht die 
leiseste .Berührung irgendwelcher Art vertragen, 
nicht einmal die Berührung des Leintuches. 

Im Allgemeinen ist der Patient schlimmer Vor¬ 
mittags , besonders der Kopfschmerz. Dagegen sind 
die asthmatischen Anfälle schlimmer nach dem Mittag¬ 
essen. 

Vor Jahren waren Hämorrhoiden da. 

Patient führt eine sitzende Lebensweise. 

Arbeitet zu viel geistig und bewegt sich zu 

wenig. 


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Stuhlgang abwechselnd verstopft und durchfällig . 

Der Patient bekam ein Pulver Nux vom. Hoch- 
potenz 18. September 1892. Nach diesem Pulver 
folgte eine stundenlange starke Verschlimmerung, 
dann ging vier Wochen lang die Besserung schnell 
und befriedigend vorwärts. Als die Besserung 
gegen Ende der fünften Woche stille stand, gab 
ich noch einmal dieselbe Potenz. 

Nach dieser traten in sehr milder Form pneu¬ 
monische Symptome auf, Seitenstechen, blutiger 
Auswurf. Von da an bis jetzt, 14. April 1893, 
ist, mit Ausnahme einer schweren Erkältung mit 
leichten asthmatischen Beschwerden, das Befinden 
des Patienten ein gutes gewesen. 

Ich glaube nicht, dass Herr H. vollständig frei 
bleiben wird von jeglichem Asthma, aber der 
Unterschied zwischen seinem damaligen Befinden 
und seinem jetzigen ist ein ausserordentlicher. Er 
hatte vorher jedes Klima und jede Art von Be¬ 
handlung ohne einen Schimmer von Erfolg versucht. 

Zu mir wurde Paul Tr. geführt, ein zehnjäh¬ 
riger, elend aussehender Knabe mit auffallend 
rothen Lippen. Er leidet seit 10 Tagen an Schüttel¬ 
frost, der alle halbe Stunden eintritt und ungefähr 
5 Minuten dauert. 

Schlimmer hei Bewegung , auch im Bett , und 
nach dem Essen. 

Der Zeit nach des Morgens schlimmer . 

Begleitet von starken Kopfschmerzen, Schmerzen 
in den Knieen, blassem Gesicht, Lichtempfindlich¬ 
keit. 

Starke Stuhlverstopfung. 

Appetit besser, als sonst; kein Durst; Ekd 
gegen Kaffee . 

Schlaf gut. 

Das Leiden fing an mit verdorbenem Magen; 
auch jetzt noch stösst es nach Allem auf. 

Sonst noch zu bemerken: 

Trockne, glänzende Flechte an Ellbogen und 
Unterschenkeln. 

Chronischer Schnupfen. 

Neigung zu Mandelentzündung und zu Schwel¬ 
lung der Halsdrüsen. 

17. Februar 1891 Nux vom. 6. jeden Abend 
5 Körner. 

20. Februar. Der Schüttelfrost ist sofort nach 
der ersten Gabe Nux ausgeblieben, Kopfschmerz 
ist fort, Stuhl regulär. 

Ich hatte vor, dem Patienten später noch das 
zur Besserung seiner Constitution nothwendige und 
jedenfalls indicirte Sulfur zu geben, hatte aber 
keine Gelegenheit dazu. 

1. Dr. E. E. Case in Hartford: Eine 52jährige 
Frau hat Wechselfieber . Seit drei Wochen nimmt 
sie Chinin in grossen Dosen, dabei nimmt das 
Fieber eher zu. 


Typus quoticlian, vorsetzend. Frost 4 Uhr Mor¬ 
gens , starker Schüttelfrost beim Frost. 

Blasses Gesicht , blaue Nägel , Rückenschmerzen , 
durch Druck gebessert; Verlangen nach Warmein - 
hüllen, aber nicht gebessert dadurch. 

Ausserordentlich empfindlich gegen die Luft; 
nicht einmal die Hand darf entblösst werden. 

Die Hitze kam 9 Uhr Vormittags mit Durst 
und Scheitelkopfschmerz, dauerte bis 4 Uhr Nach¬ 
mittags. 

Kein Schweiss. 

Guter Schlaf bis früh Morgens, wo wieder 
Schüttelfrost eintritt. 

Der Patient erhielt 5 Uhr Nachmittags ein 
Pulver Nux vomica Hochpotenz trocken auf die 
Zunge. 

Am folgenden Tage kam gar kein Frost, am 
zweiten etwas Frost zwischen 7 und 11 Vormit¬ 
tags, Kopfschmerz von 11 — 3 Uhr Nachmittags, 
seitdem keine Spur mehr von Fieber. 

Derselbe Autor berichtet über zwei andere Inter- 
mittens falle, welche ich hier des Gegensatzes halber 
gleich anschliessen will. 

2. Ein 43jähriger Patient hat Intermittens mit 
folgenden charakteristischen Zeichen: 

Tertiantypus, starker Schüttelfrost, 4 Uhr Nachts 
mit Frost im Rücken, Gliederschmerzen, Erbrechen 
und Erleichterung durch Einhüllen. 

Nach dem etwa 1 | 2 Stunde dauernden Frost 
kommt stundenlange Hitze. 

Schlaflosigkeit bei der Hitze. 

Kein Schweiss. 

In der fieberfreien Zeit äusserste Schwäche , 
Appetitlosigkeit und Kopfschmerz. 

Arsen, allein deckt sämmtliche Symptome. 

Ein Pulver Arsen. Hochpotenz. 

Am nächsten Abend leichte Hitze ohne Frost, 
profuser Schweiss 1 Uhr Nachts, dann ohne weitere 
Fieberanfälle schnelle Reconvalescenz. 

3. Ein 45jähriger Milchmann hat seit 14 Tagen 
täglich Fieberanfälle mit Kopfschmerzen, welche 
durch Hitze und Geräusch schlimmer werden. Bei 
den Kopfschmerzen Gefühl, als ob das Gehirn oben 
am Scheitel durch eine Spalte herausdringen wollte. 

Die Anfälle kommen 10 Uhr Vormittags und 
dauern bis 3 Uhr Nachmittags. 

Der Patient muss sich hinlegen und schlafen. 

Er hat viele Wechselfieber durchgemacht und 
viel Chinin genommen. 

Mit Rücksicht auf die Intermittensvergangen- 
heit und die Zeit des Anfalls bekam der Kranke 
ein Pulver Natr. mur. Hochpotenz trocken auf die 
Zunge und hatte nachher keine Spur mehr von 
Fieber noch von Kopfschmerzen. 

4. Dr. Beiding: 

Frau H., 52 Jahre alt, hatte in den letzten 

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5 Jahren verschiedene Anfälle von Wechselfieber 
unter allopathischer Behandlung. Seit mehreren 
Tagen hat sie x \ % 11 Uhr Vormittags Frost. Vor¬ 
her Durst mit Trockenheit von Mund, Kehle und 
Haut, reissende Sehmerzen in den Gliedern, Steif¬ 
heit in den Fingern und blaue Nägel. 

Dann beginnt der Frost m den Schultere, wird 
zum heftigen Schüttelfrost, bei dem sie heisses 
Wasser oder heissen Whisky trinkt. 

Sie deckt sich icarm zu , hat Schmerzen in Mitz 
und Leber beim Frost und nachher. 

Nach dem Frost leichte Hitze mit Schläfrigkeit, 
Hitze im Gesicht und in den Augen. 

Schweiss ist mässig und thut gut. 

Während Hitze und Sehweiss tritt Frost cm bei 
Bewegung; Ruhelosigkeit bei der Hitze; Bedürf¬ 
nis, die Lage zu wechseln. Das Bett kommt ihr 
zu hart vor. Das Umdrehen giebt ihr Erleichte¬ 
rung, aber um sich drehen zu können, muss sie sieh 
vorher erst aufrichten . 

Die Gelenke sind des Morgens steif, werden 
besser durch Warmteasserumschläge und Bewegung. 

Nach einem Pulver Nux vom. Hochpotenz kam 
kein Anfall mehr, dafür ein ausgezeichneter Ge¬ 
sundheitszustand . 

w (Fortsetzung folgt.) 


Ein merkwürdiger Fall ven doppeltem 
und excentrischem Sehen, durch 2 Gaben 
Sulfur geheilt. 

Von Dr. med. Th. Skinner-London. 

Ein Schweizer Kaufmann, der in London lebte, 
consultirte den Dr. Skinner am 18. Febr. 1893. 
Patient ist ein famoser Billardspieler, der seine 
Abende meist damit zubringt, dass er daheim mit 
Bruder und Freunden diesem Spiele obliegt. 

Er klagt besonders über das linke Auge, an 
dem er seit etwa 3 Jahren ab und zu Doppellsehen 
hat. Wenn er nämlich Billard spielt, so hat er 
Empfindung, als ob etwas im linken Auge sei, und 
wenn er, aufrecht stehend, nach den drei Bällen 
auf den Tisch sieht, so sieht er sie alle an der 
ihnen zukommenden Stelle. Sobald er aber sein 
Queue ergreift und sich bückt, um eine Carambo¬ 
lage zu machen oder einen Ball einzutreiben, so 
kommt es ihm vor, als ob des Gegners Ball sich 
in einer Richtungslinie bewege mit dem Balle, der 
carambolirt werden sollte. So oft dies geschieht, 
und es ist leider letzthin uur zu oft geschehen, so 
ist natürlich das Vergnügen aui Billard, so weit 
der Patient dabei betheüigt ist, vorbei. Wenn er 


dagegen wieder aufrecht steht, so sieht er die be¬ 
zügliche Stellung der BäHe so, wie sie sein soll. 

A ® Wp 

® 

i 

Dies rohe Diagramm soll einmal zeigen, was ge¬ 
schieht. A stellt den Ball des Patienten, B den 
seines Gegners und D den rothen Ball vor. So¬ 
bald er mit seinem Queue auf B zieh, noch bevor 
er A berührt hat, scheint sieh ihm B nach C be¬ 
wegt zu haben — eine Sache, die, wie er sagt, 
kein Fellah begreifen kann. Für den Abend ist 
ihm das Spiel verdorben. 

Er hat schon verschiedene Augenärzte befragt, 
aber AHes, was er von ihnen herauskriegen konnte, 
war eine gelehrte Erklärung, wie eine solche Sek- 
storung zu Stande käme. Alle stimmten darin über¬ 
ein, es sei ein seltener Fall! — „Ich möchte noch 
hinzufügen, sagt Dr. Skinner, dass die Farbe des 
Balles, roth oder weiss, auf die krankhafte Er¬ 
scheinung ohne Einfluss ist.“ „Ich gestehe auf¬ 
richtig, fährt er fort, dass ich ebenso auf dem 
Grunde festsass, wie die gelehrten und wissenschaft¬ 
lichen Augenärzte. Ich wusste mit dieser offenbaren 
Sehstörung nichts anzufangen. Ich konnte darüber 
nirgends — selbst nicht in Berridge’s Augen-Symp- 
tomen-Repertorium — etwas finden. So fragte ich 
denn den Kranken aus, ob ihm sonst nichts fehle 
oder gefehlt habe.“ 

Vorgeschichte. — Er hatte früher öfters eine 
Anschwellung des Nackens, recliterseits, Nachts und 
Morgens gehabt, welche von einem neuralgischen 
Schmerz in der linken Schläfe begleitet war, der 
sich in der letzten Zeit erheblich gesteigert hat, 
überhaupt immer dann arg war, wenn jenes excen¬ 
trische Sehen besonders störend auftrat Er halle 
auch einen Ausfluss von Eiter aus dem linken Ohre 
gehabt, der grünlich und ätzend war. Letzten Herbst 
bei einer Bergbesteigung in der Schweiz hatte er 
an sechs Stunden bis an die Hüften im Schnee ge¬ 
steckt, und er glaubt, das habe ihm nicht gut ge- 
than. — Endlich. — Der Ausfluss aus dem Unken 
Ohr ist durch örtliche Mittel unterdrückt worden; 
ferner hat er ein Gefühl von Oedigkeit (sinking) im 
Epigastrium, täglich um 11 Uhr Vormittags. 

18. Februar. Er bekommt eine Dosis Sulfur 
(Hochpotenz) trocken auf die Zunge und eine zweite 
beim Schlafengehen. 

15. März. Das Doppeltsehen vergangen. Die 
Billardbälle sieht er an ihrem Platze. Ebenso ist 
die Herzgrubenbeschwerde vorbei, statt deren viel 
, Aufstossen. Saccharum lactis ad libitum. 


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6. Juni. Seit Anfangs April fühlt er sich ganz 
wohl, hat sich seit Jahren nicht so frisch und munter 
gefühlt. Das ist der Erfolg einer constitutionellen 
Behandlung gegenüber örtlichen Mitteln, unter¬ 
drücktem Ausfluss. Sulfur war das Heilmittel. 

(Homoeopathic physician 1893, Nr. 7.) 

Einladung zum hygienischen Congress 
in Budapest. 

Geehrte Redaction! 

Ich beehre mich Sie zu ersuchen, die folgende 
Mittheilung in der nächsten Nummer Ihres geschätzten 
Journals veröffentlichen zu wollen. 

„Der VIII. internationale Congress für Hygiene 
utul Demographie wird bekanntlich im nächsten 
Jahre in Budapest abgehalten werden. Das Exe- 
cutiv-Comitö hat in seiner letzten Sitzung den Zeit¬ 
punkt und die Eintheilung des Congresses definitiv 
festgesetzt, u. s. w. in folgender Weise. Der üb¬ 
liche Begrüssungsahend fallt auf den 1. September; 
Eröffnung des Congresses am 2., Sections-Sitzungen 
am 3., 4., 5., 7. und 8., Schluss-Sitzung am 9. 
September. Der 6. September ist also Ruhetag, für 
jene kleine Ausflüge reservirt, welche in das Pro¬ 
gramm des Congresses aufgenommen wurden. Das 
wissenschaftliche Programm sammt den Detail-Fragen 
wurde bereits versendet, und der Erfolg des Con¬ 
gresses kann heute schon insofern als gesichert an¬ 
gesehen werden, als namentlich seit der Versendung 
des Programms Seitens der hervorragendsten Fach¬ 
männer des Auslandes die Anmeldungen der Vor¬ 
träge in überaus grosser Zahl erfolgen. Auch die 
im Anschluss an den Congress zu veranstaltende 
hygienische Ausstellung wird bereits vorbereitet; die¬ 
selbe wird sich von den bisherigen üblichen Aus¬ 
stellungen dadurch unterscheiden, dass sie keine 
Industrie-Ausstellung sein wird, sondern nur solche 
Gegenstände umfassen wird, welche zur Erklärung 
und zum Studium der in das wissenschaftliche Pro¬ 
gramm aufgenommenen und auf dem Congress zum 
Vortrag gelangenden Fragen dienen. Zu den wich¬ 
tigsten und interessantesten Berathungen wird die 
für den 4. Sitzungstag anberaumte grosse Diphihe- 
ritis-Debatte zählen. Diese Frage gelangt bekannt¬ 
lich im Sinne der Beschlüsse des Londoner Con¬ 
gresses zur Verhandlung und es wurde dieselbe 
durch das Executiv-Comite auf der breitesten u. s. w. 
auf internationaler Grundlage derart vorbereitet, 
dass in jedem Lande eine besondere Commission 
nach gründlichem Studium seine Vorschläge ver¬ 
fasst, welche in der vereinigten Sitzung der Sec- 
tionen für Bacteriologie, Prophylaxis und Kinder- 
Hygiene die Grundlage der Berathung bilden werden. 
Das Präsidium in diesen Commissionen haben in den 


einzelnen Ländern die folgenden Forscher über¬ 
nommen: in Deutschland Prof. Fr. Löffler (Greifa- 
waldj, in Oesterreich Prof. Wiederhofer (Wien), in 
England Dr. Eduard Scaton (London), in Bayern 
Prof. H. Ranke (München), in Belgien Dr. EM. Tor* 
deus (Brüssel), in Frankreich Dr. Roux (Paris), in 
Ungarn Dr. Kornel Chyzer (Budapest), in Italien 
L. Pagliani (Rom), in Schweden Prof. E. Almquist 
(Stockholm), in den Vereinigten Staaten Prof. Bil¬ 
lings (New-York), in Russland Prof. Nicolaus Filatow 
(Moskäti), in Serbien Dr. Paul Szteics, Ober-Physikus 
(Belgrad), in Spanien Prof. FVancis Criado y Aquilar 
(Madrid), in Rumänien Dr. D. Sergiu (Bukarest), 
in Schweiz Prof. Ed. Hagenbach-Burkhardt (Basel), 
in Dänemark Prof. S. T. Sörensen (Kopenhagen), 
in Norwegen Prof. Axel Johanessen (Christania). 

Der nach dem Congress zu veranstaltende Aus¬ 
flug naeh Konstantinopel wird durch den Umstand 
an Interesse gewinnen, dass die Mitglieder des Con¬ 
gresses im Anschlüsse an diesen Ausflug auch die 
Stadt Belgrad besuchen werden, von wo eine dies¬ 
bezügliche Einladung ergangen ist.“ 

Budapest, den 23. December 1893. 

Achtungsvoll 

einer löbl. Redaction ergebener 

Prof. Dr. Kolomau Müller, 

General-Secretär. 

Lesefrltohte. 

Acute Arsenik-Lfihmung. 

Patient 43 J. alt, aus Steiermark, bis vor zwei 
Monaten ganz gesund, gestand Selbstmordversuch 
mit Arsenik. Beginn mit Brechdurchfall, dann 
Kriebeln und Pamstigsein — lebhafte spontane 
Schmerzen (Akrodynien) in den 4, besonders in den 
2 unteren Extremitäten. Dann tritt rasch Tetraxie 
(resp. Parataxie) ein. Diese führt zu schlaffer, 
atrophischer, ungewöhnlich schmerzhafter Akropara - 
lyse in Form von Tetraplegie *und Paraplegie. 
Bald kommt Verlust P. d. R., sowie toxische Neu¬ 
ritis, vergesellschaftet mit cutanen, trophischen, 
vasomotorisch secretorischen Anomalieen. — Die 
elektrische Nerven- und besonders Muskel-Erregbar¬ 
keit ist gegen beide Stromarten beträchtlich herab¬ 
gesetzt. 

Die Diagnose ist demnach leicht zu steilen. — 
Im choleiifarmen Anfangsstadium wird man das 
Erbrochene, die E^aeces, den Ham chemisch auf 
Arsen, untersuchen. — Später (nach 1—2 Wochen) 
ist auch die Ham-Analyse unsicher, weil das Arsen, 
rasch durch die Nieren ausgeschieden wird. 

Meuchelmorde , Selbstmorde , Fruchtabtreiben durch 
Arsenik sind in Steiermark und den Nebenprovinzen 
häufig. 


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Die Vergiftung führt entweder unter cliolera- j 
ähnlichen Erscheinungen rasch zum Tode oder es i 
erfolgt nach einer Gastro -Enteritis toxica langsame i 
Heilung oder es treten auf (4—14 Tage vom Be¬ 
ginne der Intoxication gerechnet) nach Ablauf der 
gastroenteritischen Erscheinungen Ataxien und Para¬ 
lysen, die einige Zeit stationär hl eiben, um sich 
allmählig zurückzubilden. — Die Prognose der 
Arsenik-Lähmungen ist im Allgemeinen günstig , 
wenn auch manchmal 1-—2 Jahre (gewöhnlich 

4_12 Monate) bis zur Rückbildung vergeben. 

(Internationale klinische Rundschau 1893, VII. Jahr¬ 
gang, Nr. 31, Seite 1168.) 

Referent Dr. Proeil (Meran). 

Zinn-Vergiftung. 

Von W. Campbell. 

(Therapeut. Monatshefte. Sept. 1893, VII. Jahr¬ 
gang. S. 477.) 

Sechs in Einer Familie vorkommende Fälle, welche 
dysenterische Symptome darboten, und von denen 
der eine letal endete, lenkten die Aufmerksamkeit 
des Verfassers auf die genossenen Nahrungsmittel. — 
Er fand dabei, dass nur Diejenigen erkrankt waren, 
welche eingemachte Tomaten gegessen hatten, wäh¬ 
rend die Mutter und ein Kind, die nicht davon ge¬ 
nossen hatten, gesund geblieben waren. — Später 
ergab auch, dass die Dosen nicht gut geschlossen 
hatten, dass die Früchte desshalb öfter gekocht 
waren und hei dieser wiederholten Berührung mit 
Luft Zinn auf genommen hatten; denn die chemische 
Untersuchung einer noch vorhandenen Büchse ergab, 
dass die Früchte eine beträchtliche Menge des Me¬ 
talls enthielten. In 3 der Fälle fanden sich in den 
Stühlen reichlich Ascariden oder Oxyuren , was auf 
die bekannte anthelmintische Wirkung des Zinns zu 
beziehen ist. 

(Therapeutic Gazette . März 1893. Reunert, Hamburg). 

Referent Dr. Pröll-Heran. 


Zur Berichtigung. 

In einem anderen homöopathischen Blatte schreibt 
der Redacteur desselben unter Anderem: 

„Von einem Geschäfte, mit dem er seit ca. 
20 Jahren in Verbindung steht, hätte er wohl 
,etwas mehr JJiscretion' erwarten können.“ 

Dieser Schuldige bin ich. 

Meine ganze ,,Indiscretion“ (?) besteht jedoch 
darin, dass ich eine Postkarte dieses Herrn einem 
meiner Redacteure (Herrn Dr. H. in L.) zur Kennt- 
niss gegeben habe und auf dieser schreibt mir 
dieser Herr, dass mein anderer Redacteur (Herr Dr. 
G. in St.) ihm mitgetheilt habe, dass die Redaction 


meiner Zeitung die Aufnahme seiner Berichtigung 
abgelehnt habe, während er in seinem Blatte 
schreibt, die Redaction meiner Zeitung hätte 
ihm nicht einmal geantwortet! 

Also nach Ansicht dieses Herrn ist: 

1) eine Postkarte ein discretes Schriftstück! 

und 

2) darf ich eine die Redaction meiner Zeitung 
betreffende Mittheilung des einen meiner Redac¬ 
teure an einen Dritten, nicht dem anderen Re¬ 
dacteur meiner Zeitung zur Kenntniss geben? ohne 

indificret zu sein! 

Das ist neu! Von zwei Redacteuren eines und 
desselben Blattes darf also der eine nicht wissen, 
was der andere geschrieben hat. 

Jeder Leser wird hieraus schliessen können, wie 
unberechtigt dieser Angriff auf mein Anstandsgefühl 
ist; — besonders von einem Herrn, dem ich that- 
sächlich noch nie etwas in den Weg gelegt habe. 

Eher dankbar sollte dieser Herr sein, denn für 
seine Bestrebungen bin ich stets eingetreten, wie 
und wo es mir möglich gewesen, wofür am besten 
die von ihm seihst erwähnte 20jährige Geschäfts¬ 
verbindung mit meiner Firma spricht, die ich selbst 
schon seit 14 Jahren allein führe. 

Leipzig, den 8. Februar 1894. 

Der Verleger der „Allgem. Homöopath. Zeitung.“ 


Professor v. Zlatarowich. 

Ad vocem Prof. Zlatarowich (siehe No. 3|4 
d. Ztg.) hat uns der Herr College Dr. Th. Kafka 
in Prag folgende Berichtigung freundlichst eiuge- 
sandt: Bereits in No. 2 des 30. Bandes der Allg. 
hom. Ztg., p. 16, 1878, findet sich die Notiz von 
dem in Graz erfolgten Ableben des pensionirten 
Oberstabsarztes Prof. Dr. von Zlatarowich und 
p. 40 desselben Jahrgangs ein ziemlich ausführlicher 
Nekrolog desselben aus der Feder Dr. Kafka’s. Von 
seiner Bekehrung zur Homöopathie spricht ZI. in 
der Vorrede zu der von ihm redigirten Nachprüfung 
der Bryonia, der in der Oestr. Zeitschr. f. Hom., 
Jahrgang 1847, veröffentlicht worden ist. In jenem 
Nekrologe sagt College Kafka: ,,Trotzdem sich also 
ZI. offen als Homöopath bekannte, blieb er doch 
Professor, bis das Jahr 1848 mit dem Josephinum 
tabula rasa machte. ZI. zog sich darauf nach Graz 
zurück, dem Eldorado der österreichischen Pen¬ 
sionisten. Da man bei der Wiedererrichtung der 
erwähnten Lehranstalt auf ihn nicht mehr reflectirte, 
wurde ihm die Unannehmlichkeit erspart, abermals 
von seinem Posten abtreten zu müssen, da wie be¬ 
kannt diese österreichische Pepiniöre (denn eine 
solche war das Josephinum) im Jahre 1874 auf¬ 
gehoben wurde.“ 


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63 


Ferner ist in der im vorigen Bande der AHg. 
hom. Ztg. enthaltenen Notiz betreffs des Ablebens 
des Dr. med. E. von Hartung irrthümlich angegeben, 
dass dieser es gewesen, der seinerzeit den weiland 
Feldmarschall Graf Radetzky auf homöopathischem 
Wege von einer bösartigen Neubildung (im Auge) 
geheilt habe. Dies that aber nicht er, sondern sein 
schon längst verstorbener Vater, der Generalstabs¬ 
arzt von Hartung. Dr. Theodor Kafka. 


Eingesandt. 

Der üblichen Sitte entgegen, hat die Berliner 
Universität dem Dr Gruber in Utrecht zu seinem 
fünfzigjährigen Doctor-Jubüäum das einst von ihr 
ausgestellte Diplom nicht erneuert. Da die Uni¬ 
versität, resp. medicinische Facultät von jenem Er- 
cigniss rechtzeitig in Kenntniss gesetzt worden ist, 
tind kein anderer Grund sonst vorlag, so lässt sich 
ihr Verhalten nicht anders als aus dem Umstande 
erklären, dass der Jubilar sich zur Homöopathie 
bekennt. 

Ist dies der Fall, so hätte sich damit die Berliner 
Facultät ein eclatantes Zeugniss von Engherzig 
keit sowohl als von Beschränktheit ihres wissen¬ 


schaftlichen Horizonts ohne Gleichen ausgestellt, ja 
von einer Intoleranz, die man heutigen Tages kaum 
für möglich gehalten hätte. 

Paralysis nervi oculomotorii. 

Druckfehler-Berichtigung. 

^ In No. 5|6 d. Ztg., S. 33 u. 34, sind ein paar 
h ehler eingeschlichen, welche zu verbessern ich den 
geneigten Leser bitte. 

Seite 33 steht zweimal sinus; es soll heissen 
visus. 

Seite 34 steht viermal November, statt Oktober. 
Eben die schnelle Heilung in 4 Wochen zeigt, dass 
sie dem Causticum zugeschrieben werden muss. 

Utrecht. Dr. g. j # V an Roijen. 

Personalia. 

Herr Dr. med. L. Atzerodt hat sich am 
1. Februar 1894 in Duisburg, Feldstrasse No. 6, 
als homöopathischer Arzt niedergelassen. — Sani¬ 
tätsrath Dr. Stirn ist am 25.|12. 93 im 83. Lebens¬ 
jahre gestorben. — Dr. Niedieck ist von Höxter 
nach Halberstadt verzogen. 


Da Dr. Gustav Proeil, im Sommer stets Bade 
arzt zu Bad Gastein, in der Winter-Saison seit 
8 Jahren zu Meran homöopathischer Kurarzt, nun 
künftig wegen dringender Familienverhältnisse sich 
nach Graz zur Ausübung der homöopathischen 
Medicra - aber bloss für die Winter-Saison — be¬ 
geben will, wird die Niederlassung eines homöo¬ 
pathischen Arztes für die Winter-Saison zu Meran 
sehr gewünscht, besonders von der Aristokratie zu 
Ubermais bei Meran. 


Anzeigen. 


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spart jeder Consument und Händler, welcher von nach¬ 
stehender billigen Offerte Gebrauch macht. 

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als beste Bezugsquelle das Versandt-Geschäft von 
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sonders guten Ruf erworben. Ihr Geschäftsprinzip ist: 
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durchaus reeller Bedienung. Wir sind überzeugt, 
dass ein jeder Raucher nach einmaligem Versuch 
ein treuer Kunde der Firma wird. — Die Firma 
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lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine 
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht 
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen 
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oder Kinder) Rmk. 2.—. 

A. Marggrafs homoopath. Offlciu, Leipzig. 


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Im Verlage von A. MarggraPs homöopathischer 
OfAcin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 
von 

Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre : Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz- 
aeivorleeungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering - 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 

8 cheidennachallenSeiten des betreffenden Mi ttels 

statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Het'ing unter Beihülfe von Dr. 
Koch, Dr. Morgan, Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In An betracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interesairten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen , 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersicktlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Revisiousmässige Hausapotheken! 

Bei den Revisionen der Hausapotheken der splhst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gi ft-Schränkchen 

und 

Separanden-Sehränkchen 

anfertigen lassen und steho ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben 6chon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit nnd 
21 cm tief; unter einer Thiire, die das ganze Schränkchen 
versehliesst und mit dem Porzellanschild Vonena versehen 
ist, sind 8 Abteilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thiire 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thüren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildem ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M. 

Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschen grossen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubowahren, die laut Gesetz 
roth auf weiSS zu signiren siud (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬ 
chen jetzt auch in einen Sehrauk vereinigt, vor¬ 
rät hi g. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nassbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 641 H. 

A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mo3sa*Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mftser in Leipzig. 


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Band 138. 


Leipzig, den 1. März 1894. 


No. 9 u. 10 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


f/QT’ Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs- Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein A Vogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile nnd deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit J2 Af. berechnet. 


Inhalt. Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier-Mainz. — Eine Discussion Ober Mittelfolge, Bedeutung 
einzelner Symptome. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Sticta pulmonaria — Katarrhe 
nach Influenza. Von M. D. Youn^man Med. Dr., Atlantic City N. J. — Heilung eines mehrtägigen Singultus. Von 
Dr. Goullon. — Incubationszeit und Dauer der Ansteckungsffihigkeit zymotischer Erkrankungen. — Hypodermatische 
Einspritzungen von Teucrin bei mycotischen Erkrankungen. Von Dr. Mossa-Stuttgart. — Lesefrüchte. — Dank. -- 

Aufruf. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Nachprüfung von Vinca minor. 

Referent: Dr. Sohier, Mainz. 

(Nachtrag und Schlusswort.) 

(Arzneiprüfung mit Tinctur No. 1.) 

Dr. Grünewald in Frankfurt a. Main: Am 
24. October 1893: Früh nüchtern 7 l a Uhr 

5 Tropfen in Wasser. Keine aussergewohnlichen 
Erscheinungen. Nachmittags Erkältungseinfluss durch 
Witterungsverhältnisse, darnach starkes Kältegefühl; 
Abends leichter Durchfall. 

Am 25. October 1893: Früh nüchtern 5 Tropfen 
in 1 Schluck Wasser; keine Absonderlichkeiten. 
Nackensteifigkeit links, wohl in Folge des gestrigen 
Erkältungseinflusses, Darm normal in Function. 

Am 26. October 1893: Früh nüchtern 5 Tropfen 
in 1 Schluck Wasser. Nachmittags 5 Uhr 5 Tropfen 
ebenso; keine Erscheinungen. Nacken noch steif. 

Am 27. October 1893: Früh nüchtern 10 Tropfen 
in Wasser, Nachmittags 5 Uhr 10 Tropfen ebenso; 
Tag normal verlaufen, Abends wieder leichten 
Durchfall, diesmal ohne Erkältungseinfluss. 

Am 28. October 1893: Früh nüchtern 10 Tro¬ 
pfen, Nachmittags 7 Uhr 15 Tropfen. Zweimal des 
Tages sehr flotten Stuhl, kein ausgesprochener 
Durchfall. 


Am 29. October 1893: Früh nüchtern 20Tropfen, 
Nachmittags 7 Uhr 20 Tropfen. 1 | 2 Stunde nach 
dem Einnehmen: Kopf sehr eingenommen, Stirn¬ 
druckschmerz, Kälte und Druck bessern; mehrmals 
im Tage sehr dünnen, normal gefärbten Stuhl, Nach¬ 
mittags vorübergehend kolikartige Leibschmerzen. 

Am 30. October 1893: Früh nüchtern 30 Tropfen, 
Nachmittags Uhr 20 Tropfen; vorübergehend 
eingenommener Kopf, Abneigung gegen Rauchen; 
Stuhl wie in den letzten Tagen sehr flott. 

Am 31. October 1893: Früh nüchtern 3 5 Tropfen, 
Nachmittags 6 1 /* Uhr 25 Tropfen. Kein Durch¬ 
fall mehr, Stuhl gebunden, fest; Abdomen gespannt, 
leicht aufgetriehen, vermehrter Harnabgang; Abends 
nochmals breiiger Stuhl. 

Am 1. Novbr. 1893: Früh nüchtern 40 Tropfen, 
Abends 9 Uhr 30 Tropfen. Klopfender Kopf¬ 
schmerz, Leib gespannt, Stuhl normal. 

Am 2. Novbr. 1893: Früh nüchtern 45 Tropfen, 
Nachmittags 6 Uhr 35 Tropfen. Morgens sehr 
müde im Rücken, Stuhl normal. 

Am 3. Novbr. 1893: Früh nüchtern 50 Tropfen, 
Nachmittags nichts. Leichtes Ziehen und Reissen 
im Leih, Stuhl breiig, schmerzlos. 

Am 4. Novbr. 1893: Früh nüchtern 50 Tropfen, 
Nachmittags 5 Uhr 50 Tropfen. Keine Besonder¬ 
heiten. 

9 


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66 


Am 5. Novbr. 1893: Früh nüchtern 75 Tropfen 
in einem Schluck Wasser; keine Besonderheiten. 

Am 6. NoYbr. 1893: Früh nüchtern 75 Tropfen, 
Nachmittags 5 Uhr 75 Tropfen. Linksseitige Kopf¬ 
eingenommenheit, wie oben gebessert, Stuhl in den 
letzten Tagen retardirt. 

Mit der Gabe von 150 Tropfen im Tage schloss 
ich die Prüfung. Die Lebensweise war während 
derselben die gewohnte. 

Frankfurt a. M., 4. Febr. 1894. 

Dr. Grünewald. 

Schlusswort. 

Soweit die Berichte der Prüfer. Bei einem 
Theile derselben fiel die Prüfungszeit mit der In¬ 
fluenzaepidemie zusammen, so dass die letztere sich 
in recht störender Weise geltend machte. Berück¬ 
sichtigt man ausserdem, dass diese Prüfung unsere 
erste ist, dass wir uns also in die Art und Weise 
des Prüfens überhaupt erst einschulen mussten, so 
kann man wohl mit den Ergebnissen im Allgemeinen 
zufrieden sein; jedenfalls aber sind uns wohlgemeinte 
Rathschläge der Collegen sehr willkommen, insoweit 
sie uns auf vermeidbare Fehler aufmerksam machen 
und uns ermöglichen, ein vollkommenes Resultat zu 
erzielen. Die Empfindlichkeit der einzelnen Prüfungs¬ 
personen dem Mittel gegenüber ist eine ausserordent¬ 
lich verschiedene; die in dieser Hinsicht bestehende 
Maximaldifferenz zwischen den Collegen Baltzer 
einerseits und Dierkes andererseits giebt zu denken; 
ist die Möglichkeit, dass eine ähnliche Verschieden¬ 
heit der Erkrankten dem indicirten Arzneimittel 
gegenüber statthabe durchaus von der Hand zu 
weisen? 

Wenn es den Anschein hat, als ob meine eigene 
Prüfung eine der vollständigsten sei, so lässt sich 
daraus gewiss nicht der Schluss ziehen, dass die 
anderen Mitglieder der Prüfungsgesellschaft weniger 
Eifer auf die Sache verwendet hätten, da ich einer¬ 
seits ein in psychischer und physischer Beziehung 
sehr empfindliches Individuum bin, anderseits durch 
die Güte des Herrn Collegen Lorbacher — der 
mir die einschlägige Literatur, speciell die österr. 
Zeitschrift, zur Verfügung stellte — im Stande war, 
mich am genauesten über die Art und Weise des 
Prüfens zu orientieren. Da ich ferner allein den 
Namen des Mittels kannte, lag auch die Möglich¬ 
keit der Autosuggestion bei mir gewiss am nächsten; 
wiewohl ich die berufenen Kritiker auf diesen 
Punkt selbst aufmerksam mache, kann ich doch auf 
das Bestimmteste versichern, dass mein Bestreben 
dahin ging, mir möglichst wenig Symptome ein¬ 
zubilden und dass ich speciell nicht vor der Prüfung das 
Mittel genau studierte. Vergleicht man die gewonnenen 
Resultate mit den Ergebnissen de)' ersten Pnifung, 


I welche nur von 5 Personen angestellt worden war, 
so zeigt sich keine Zunahme der Symptome, wohl 
| aber eine Vertiefung und genauere Detaillirung ein- 
| zelner Erscheinungen; es ist daher eine nochmalige 
| Zusammenstellung derselben unnöthig. Mehrere 
I Symptome jener ersten Prüfung finden sich durch 
j die Nachprüfung nur andeutungsweise bestätigt, 

I z. B. ,,krampfhafter Husten“, theils gar nicht, z. B. 

; ,,Nasenbluten“ und „Entwicklung vielen Ungeziefers 
auf dem Kopfe“. Wie übrigens letzteres Symptom 
in Heinigke’s Zusammenstellung kommt, ist mir un- 
, klar, da in der Originalarbeit Rosenberg’s dasselbe 
nicht aufgeführt ist. Die Zumuthung, sich mit 
t einem „Lausbuben“ in Verbindung zu setzen, um 
• besagte Erscheinung ev. zu bestätigen, würde Seitens 
der Prüfer gewiss ein sehr berechtigtes Schütteln 
des Kopfes zur Folge haben; demgemäss ist auch 
! von einer „weichselzopfähnlichen Verfilzung der 
Haupthaare“ in keinem Bericht die Rede. Das in 
der Originalarbeit Rosenberg’s aufgeführte Symptom 
„Halsgeschwüre“ hat Ileinigke in seine Zusammen¬ 
stellung nicht aufgenommen; w r eshalb, ist mir un¬ 
bekannt. Bei keinem der Nachprüfer kam es zu 
j wirklichen „Erbrechen galliger Massen“, wiewohl 
einige mit grösseren Dosen experimentirten, als 
jene ersten Prüfer, die nur bis zu 60 Tropfen der 
Essenz stiegen. Auch die „verminderte Harnab¬ 
sonderung“ findet sich bei der Nachprüfung nicht 
bestätigt, eher das Gegentheil. Die Dane)' der 
Nachwirhtng beträgt mehrere Wochen; eine be- 
| sondere Empfindlichkeit des Mittels gegenüber' S iuren 
(saueren Speisen) scheint zu bestehen. 

Bei weitem das Hauptgewicht ist w r ohl auf die 
diphterieähnlichen Symptome zu legen, welche bei 
einigen Mitgliedern der Prüfungsgesellschaft, auch 
| bei den Damen, ganz eclatant sich zeigten; in 
dieser Hinsicht erscheint die empirische Anwendung 
Seitens jener Apothekerswittwe durchaus berechtigt. 
Auch auf Grund der günstigen Resultate, welche 
1 ich in einer ziemlichen Zahl von einschlägigen 
Fällen mit dem Mittel erzielte, glaube ich die 
| Hoffnung aussprechen zu dürfen, dass w ir in dieser 
| einheimischen Pflanze ein Medicament zu sehen 
| haben, welches dem Mercuriuscyanatusbei Diphtherie 
| nicht sowohl Concurrenz zu machen, als dessen 
Wirkung erfolgreich zu ergänzen vermag. Die 
1 Diagnose Diphtherie ist bekanntlich, zumal bei Be¬ 
ginn der Erkrankung, wn‘e kaum eine andere dem 
subjectiven Ermessen des Arztes anheimgestellt; ich 
pflege diese Diagnose nur dann zu stellen und dem¬ 
gemäss die in Hessen vorgeschriebene Anzeige bei 
der Behörde nur dann zu machen, w enn ein grauer, 
graugrüner oder graugelber Belag deutlich zu con- 
statieren ist und die Pulszahl des Patienten mindestens 
i 100 pro Minute beträgt, wie ich denn auf die 
, Kraft und Frequenz des Pulses überhaupt den 


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67 


grössten Nachdruck legen zu müssen glaube bei 
einer Krankheit, die ja vorzugsweise in Folge von 
Herzlähmung einen ungünstigen Ausgang nimmt. 
In den letzten 4 Monaten habe ich ca. 40 ein¬ 
schlägige Fälle, darunter etwa 10 mit echter Diph¬ 
therie in obigem Sinne, mit Vinca behandelt und 
davon 2 Fälle verloren; diese beiden Fälle be¬ 
handelte ich, da von vornherein wenig Aussicht auf 
Rettung vorhanden war und ich das Abweichen von 
der landläufigen homöopathischen Behandlung daher 
noch nicht riskiren wollte, mit Mercurius cyanatus — 
der übrigens hier auch indicirt war — und Vinca 
im Wechsel. Trotzdem und trotz aller nebenbei 
getroffenen Massnahmen — Wickel, Sitzbäder, Hals- 
umschläge, Bettdampfbad, Gurgeln — starben die 
beiden Geschwister, das eine 6, das andere 24 Stun¬ 
den, nachdem ich citirt worden war. Ich bin über¬ 
haupt weit entfernt zu glauben, dass nun mit Hilfe 
von jenen beiden Arzneien jeder Fall von Diphtherie 
zu einem günstigen Ausgang gebracht werden könne; 
diese Hoffnung ist selbst dann, wenn man sofort 
beim Beginn gerufen wird, durchaus unberechtigt 
bei einer Erkrankung, welche sehr oft nur den Ab¬ 
schluss einer durch langes Siechthum vorbereiteten 
Katastrophe darstellt. In obigen beiden Fallen kam 
als erschwerender Umstand noch hinzu, dass ich bei 
meinem ersten Besuch bereits keine Temperatur¬ 
steigung mehr finden konnte; die Haut der kleinen 
Patienten fühlte sich schon kühl an, was auch kaum 
zu verwundern ist, wenn man berücksichtigt, dass 
der Vater jener Kinder bereits 4 Tage vorher einen 
Belag constatirt, die schlummersüchtigen, zeitweise 
auch spielenden Patienten aber für nur leicht er¬ 
krankt gehalten hatte. 

Der Procentsatz der Geretteten ist also, wenn 
ich von den 30 leichteren Fällen absehe, vielleicht 
nicht sehr in die Augen fallend; besonders be- 
merkenswerth aber erscheint mir der durchschnittliche 
Verlauf der Erkrankung. Bereits am 2., nur aus¬ 
nahmsweise später als am 3. Tage war der Belag 
sowie das Fieber verschwunden, dafür aber in etwa 
s / 4 der Fälle ein Ekzem (Herpes) an den Lippen, 
zumal der Commissuren, erschienen; der Appetit 
stellte sich schon am 1. Tage oft wieder ein, und 
demgemäss war auch das Allgemeinbefinden nicht 
so hochgradig und so lange andauernd deprimirt, 
wie dies fast gewöhnlich zu bemerken ist; dagegen 
vergingen oft 8 Tage, zuweilen sogar mehrere 
Wochen, bis die Tonsillen auf ihren früheren Be¬ 
stand sich reducirt zeigten, einigemale verkleinerten 
sich die Mandeln überhaupt nicht mehr ganz. 

Wenn ich also, weniger mich stützend auf die 
Gesundung der relativ weniger von mir mit Vinca 
behandelten Patienten, als unter Hinweis auf die j 
Resultate der Prüfungsgesellschaft den Collegen an¬ 
empfehle, das Mittel ebenfalls in der Praxis zu ver¬ 


suchen und die erzielten Resultate bekannt zu 
geben, so brauche ich an dieser Stelle kaum noch 
einmal zu betonen, dass ich in Vinca minor nun¬ 
mehr nicht ein Universalmittel für Diphtherie eruirt 
zu haben glaube; ich weiss mich vielmehr durch¬ 
aus eins mit den Collegen in der Meinung, dass 
jeder, der mit Anpreisung einer niemals versagenden 
Arznei gegen diese mörderische Krankheit an die 
Oeffentlichkeit tritt, entweder aus Mangel an Kennt¬ 
nissen und Erfahrungen handelt oder aus anderen 
Motiven, die zu sehr am Tage liegen, als dass ich 
sie hier des Näheren zu erörtern brauchte. 

Die grosse Aehnlichkeit der Prüfungssymptome 
mit denen der Mercurpräparate fällt sofort in die 
Augen; die Differentialdiagnose zwischen Mercurius 
cyanatus und Vinca minor ist daher nicht immer 
leicht. Ich glaube nicht fehl zu gehen in der An¬ 
nahme, dass ersteres Mittel vermöge des Blausäure¬ 
gehaltes mehr für diejenigen Fälle passt, welche 
die Tendenz haben, die Schleimhaut des Kehlkopfes 
in Mitleidenschaft zu ziehen, während Vinca ausser 
der Rachenschleimhaut mehr diejenige des Nasen - 
rachenraumes , der Nase und ei\ der Augen afficirt. 
Ferner scheint Vinca mehr für den Anfang der Er¬ 
krankung zu passen, da deutliche Erscheinungen 
von Herzaffection nur sehr spärlich notirt sind, 
während der Blausäuregehalt des Mercur. cyan. ent¬ 
schiedene Zeichen von Herzlähmung zur Folge hat; 
es ist also w ohl Vinca keineswegs als ein vollwertiger 
pflanzlicher Ersatz für das metallische Specificum 
zu betrachten, hierzu fehlt vielmehr noch ein Mittel, 
welches auch die Erscheinungen der Herzlähraung 
prägnanter aufweist, also „giftiger“ ist denn Vinca. 
Die Hauterscheinungen, welche die letztere hervor¬ 
ruft, finden sich durchgängig auch bei Mercur., nur 
hat Vinca das nächtliche Jucken weniger vorwiegend. 
Obgleich sie bei den verschiedensten Witterungs¬ 
zuständen geprüft wurde, findet sich in keinem Be¬ 
richte die Erwähnung einer bessernden oder ver¬ 
schlimmernden Wirkung jener Einflüsse, wie ja auch 
das Auftreten der Diphtherie von der Witterung 
so gut wie gar nicht beeinflusst wird. Während 
Mercur. deutliches Angstgefühl hervorruft, verursacht 
Vinca eine mehr melancholische Geraüthsverstimmung. 
Grosse Schwäche und Hinfälligkeit findet sich bei 
beiden Mitteln und ist ja nur ein allgemeines Zeichen 
von Vergiftung. Einzelne Symptome von Vinca, 
die bei meiner Frau und bei mir selbst auftraten, 
sind vielleicht gar als Lähmungserscheinungen der 
Gaumen- und Schlundmuskulatur zu deuten, wie 
auch die vei mehrteHarnsecretion eineNierenaffection 
anzuzeigen scheint; leider war ich nicht in der 
Lage, den Harn auf Ei weiss zu untersuchen. 

Die sonst gegen Diphtherie empfohlenen Mittel 
können, sofern nicht Complicationen mit Erkran¬ 
kungen anderer Organe vorliegen, kaum mit jenen 

9* 


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68 


beiden concurriren. Manchem Anhänger der ältesten 
Richtung der Homöopathie mag es vielleicht un¬ 
wissenschaftlich Vorkommen, wenn ich für die oben 
charakterisirten gewöhnlichen Fälle von Diphtherie 
die allgemeine Anwendung von Vinca, ev. neben 
oder im Wechsel mit Mercur. cyanat., empfehle; 
meines Erachtens aber wird immerdar der ein 
Stümper bleiben, der den „Geist“ und das Wesen 
eines Mittels nicht erfasst und sich lediglich ab¬ 
müht, die Symptome möglichst genau zu decken. 
Von welchen Zufälligkeiten aber das Notiren dieses 
und jenes Symptoms, vielleicht nur Seitens eines 
einzigen Prüfers, abhängig sein kann, weiss wohl 
nur Derjenige genügend zu beurtheilen, der selbst 
Prüfungen angestellt hat. Auch ist gerade das 
Krankheitsbild der Diphtherie ein solch prägnantes 
und gleichförmiges, dass feinere Specialdiagnosen 
ebenso schwierig wie unnöthig erscheinen, zumal es 
sich ja oft um Kinder der ersten Lebensjahre handelt, 
bei denen eine detaillirte Untersuchung und Berück¬ 
sichtigung subjectiver Merkmale kaum möglich ist. 
Ich bin auch überzeugt, dass unter den deutschen 
Homöopathen wenige sind, welche nicht bei der 
Diagnose Diphtherie bisher sofort an Merc. cyanat. 
dachten und das Mittel anwandten, ohne sich um 
das Eruiren einer specifischen Symptomenähnlich- 
keit zu bemühen; die Möglichkeit der speciellen 
Indication eines homöopathischen Heilmittels weiss 
ich sehr wohl zu würdigen, bin aber der Meinung, 
dass manche Anhänger unserer Richtung hierin zu 
weit gehen. Im Uebrigen ist auch eine ganz ge¬ 
naue Specialdiagnose für Vinca möglich durch Zu¬ 
sammenstellen der Halserscheinungen mit den Symp¬ 
tomen Seitens des Darmes, der Haut und ev. des 
Uterus zu einem sehr prägnanten Constitutions¬ 
bilde. 

Dasselbe gilt für die Veneendung der Vinca minor 
bei Erkrankungen der letzteren Organe, also der Haut, 
des Darmes, des Uterus , deren Vielgestaltigkeit eine 
viel genauere Detaillirung erfordert, als die fast 
immer unter denselben einfachen Symptomen auf¬ 
tretende Diphtherie. 

Ceterum censeo, es sei räthlich, dass die Collegen 
unser erstes Prüfungsmittel möglichst ausgedehnt 
vor Allem bei Angina und Diphtherie praktisch ver¬ 
suchen, am besten auch mit gleichzeitigem äusser- 
lichen Gebrauch der verdünnten Essenz als Gurgel¬ 
mittel. 

Was die Dosis für die innerliche Anwendung 
betrifft, so richtet sie sich natürlich nach den für 
die Dosirung homöopathischer Mittel allgemein — 
oder vielmehr nicht allgemein — gültigen „Regeln“. 
In den oben erwähnten Fällen verabreichte ich von 
der 2. oder 3. D.-P. alle *1., oder 1 Stunde einige 
Tropfen. Ohne die Berechtigung höher potenzirter 
Gaben in Abrede zu stellen, verweise ich noch ein¬ 


mal bezüglich der Dosenfrage auf meine in No. 112 
und 3 4 des 126. Bd. ds. Ztg. aufgestellten Thesen. 
Durch Verabreichung relativ starker Gaben kommen 
wir den natürlichen Vorgängen am nächsten; in der 
so schwierigen Frage der menschlichen bez. thieri- 
schen Biologie aber gehört demjenigen Verfahren, 
welches die Natur am genauesten nachahmt, allemal 
die Zukunft. 

Zum Schlüsse erlaube ich mir noch einmal 
namentlich die jüngeren Collegen, womöglich mit 
ihren Damen — aber auch ältere sind willkom¬ 
men! — zur regeren Theilnahme an den Arznei¬ 
prüfungen einzuladen; mögen recht viele dazu be¬ 
hilflich sein, die deutsche Homöopathie aus ihrer 
Ruhe auf den von den Vätern ererbten Besitz zu 
frischem Leben und reger Thätigkeit aufzurütteln! 
Die Prüfungen stellen ja manche, nicht gerade im¬ 
mer geringe Anforderungen an den Einzelnen, stets 
und immerdar aber wird der Satz gelten: 

Ttjg dQtTtjg tÖQwra itQOJtaQOi&sv ilhjxavl 


Wir beglückwünschen den Herrn Collegen Schier 
mit grosser Genugthuung, dass es ihm gelungen 
ist, das so schwierige Werk der Nachprüfung eines 
einheimischen Mittels mit einer Prüfungsgesellschaft 
in verhältnissmässig kurzer Zeit und mit so gutem 
Erfolge zu Stande zu bringen. 

Wir denken im Sinne zunächst der deutschen 
Homöopathie zu handeln, wenn wir den opferfreudi¬ 
gen Prüferinnen und Prüfern unseren aufrichtigen 
Dank aussprechen, von dem ein gut Theil dem um¬ 
sichtigen, keine Mühe scheuenden Unternehmer und 
Dirigirenden des Ganzen, Herrn Dr. Schier, zukommt. 

Ein guter Anfang ist gemacht; vivat sequens! 

Die Redaction. 


Eine Discussion Uber Mittelfolge, Bedeutung 
einzelner Symptome. 

Aus einer Discussion während der Verhand¬ 
lungen des amerikanischen homöopathischen Insti¬ 
tutes ergaben sich Resultate, welche für die homöo¬ 
pathische Praxis von so allgemeiner Bedeutung sind, 
dass wir es für angemessen halten, den Inhalt der¬ 
selben den deutschen Collegen hier vorzulegen. 
Dr. E. E. Case hatte eine Arbeit eingereicht, die 
über einige Fälle von Unterdrückung von Haut¬ 
ausschlägen handelt. 

Dr. J. H. Allen. — Ich möchte gern Dr. Case 
fragen, weshalb er es nicht gewagt hat, Sulphur 
zu geben und statt dessen Psorinum verordnete. 

Dr. Case. — Aus dem Grunde, weil manche 
von unseren Autoritäten bestimmen, Sulphur solle 


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nicht 7 lach Calcarea gegeben werden. Mich dünkt, 
C. Hering giebt in seinen „Leit-Symptomen“ (gui- 
ding Symptome) eine solche Bestimmung. 

Dr. Pease . — Wie verfahren unsere besten 
Praktiker, wenn sie Calcarea-Symptome bei einem 
Kranken mit schwarzen Augen, dunklem Haar und 
blasser Haut finden? 

Dr. Case. — Ich für meinen Theil gebe in 
solchen Fällen Calcarea phosphorica. 

Dr. Clark . — Das ist die alte Idee in einer 
andern Form, wenn man eben nach einer anderen 
Regel als nach dem Aehnlichkeitsgesetz verordnet. 
Ich bin sicher, Dr. Lippe pflegte Sulphur nach 
Calcarea zu geben, und sie wirkten auch in dieser 
Folge gut. 

Dr. Reed. — Ich habe seit langer Zeit die Idee 
von der Aufeinanderfolge der Mittel aufgegeben, 
so wie auch die von der ausschlaggebenden Be¬ 
deutung der Antlitz-Zeichen bei der Mittelwahl. 
Es kann erforderlich sein, Calcarea einer sehr ma¬ 
gern Person mit dunklem Teint zu geben. Die 
magerste Person, die ich je sah, einer Patientin 
mit Schwindsucht, gab ich Calc. — und sie ist jetzt 
im besten Wohlsein. Es war nicht das Mindeste 
in der Patientin Bau, Antlitz, Gebühren, was auP 
Calcarea hinwies und doch forderten es die Symp¬ 
tome. — In Dr. Case’s Fall muss Psorin angezeigt 
gewesen sein, und nicht Sulphur. Ich kenne jenes 
als ein sehr wichtiges Mittel; ich habe damit Eczema 
geheilt, das die charakteristischen braunen Flecke 
an den Schädelkanten zeigte, sowie Rhagaden in 
den Gelenkbeugen, wenn Calc., Mercur oder Silicea 
nur palliativ, Sulphur nur zeitweise bessernd wirkte. 

Dr. H. C. Allen. — Die einzelne Thatsache, 
dass ein Patient über die Siebenzig hinaus, 
und ausgemergelt ist, giebt keine Gegenanzeige für 
Calcarea, sondern indicirt es vielmehr. Wir müssen 
unserem Gesetze gemäss verordnen, und jene con- 
stitutionellen Züge bilden einen Theil der Symp¬ 
tome des Falles. 

Dr. J. H. Allen . — Ich stimme den Coli egen 
Allen und Clark bei: Wenn ein Mittel dem Aehn¬ 
lichkeitsgesetz entspricht, so verordne ers, ohne zu 
fragen, welches vorangegangen ist, und achte wenig 
auf die Folge der Mittel. 

Dr. Pease . — Ich habe beobachtet, dass ein 
zu ängstliches Festhalten an die Diathese bei der 
Mittelwahl nicht immer verlohnt. Ich erinnere mich 
zweier Fälle, wo ich wegen des Umstandes, dass 
der Patient von dunklem Teint war, Calc. phosph. 
gab, während die Symptome auf Calc. carbon. hin¬ 
wiesen. Calc. phosph. hatte keine Wirkung, wäh¬ 
rend Calc. carb. einen schnellen Heilerfolg erzielte. 
So habe ich noch einen frischen Fall, in dem Puls, 
sehr nützlich war, obschon der Kranke brünett und 
schwarzhaarig war. Es handelte sich um eine chro¬ 


nische Störung infolge von Herzerweiterung. Ich 
zauderte lange, ehe ich ihm, in Anbetracht seines 
Temperaments, Puls, gab und wandte andere Mittel 
an... Erst als ich ihm Puls, in Hochpotenz verab¬ 
reichte, hatte ich ein gutes Resultat. Danach 
besserte er sich bald. 

Dr. Hm . We8seUweft . — Wenn wir von der Dia¬ 
these (ein Wort, das ich, beiläufig gesagt, hasse) 
eines Kranken sprechen, so suchen wir mit einem 
Wort seine Erscheinung, seinen Bau, Antlitz und 
Temperament auszudrücken. Diese Diathese sollte 
immer einfach als ein Symptom in dem Krankheits¬ 
fälle, und als nichts mehr, betrachtet werden. Der 
Gedanke, ein Mittel darum auszuscheiden, weil ein 
Kranker schwarzhaarig und mager ist, oder ein 
Mittel zu verordnen, weil die Kranke eine Blondine 
ist und leicht erröthet, ist ganz falsch. So dachte 
Hahnemann und seine Genossen nicht. Ihre Ab¬ 
sicht war, der ärztlichen Welt zu Nutz jene Tempe¬ 
ramente anzugeben, bei denen bestimmte Mittel 
sich am wirksamsten erwiesen oder von denen die 
Prüfer die charakteristischsten Symptome erlangt 
hatten. Es war nicht unrecht, wenn mein Vor¬ 
redner einer brünetten, schwarzhaarigen Person 
Puls. gab. Diese Zeichen sind als Symptome zu 
betrachten, die man nicht unter-, aber auch nicht 
überschätzen darf. — Wenn ein fettes, blondhaari¬ 
ges Mädchen in die Sprechstunde eines Homöopathen 
kommt und erröthet, sobald sie ihre Krankheitsge¬ 
schichte zu erzählen beginnt, so denkt er an Calc. 
und wird nach mehr Calc.-Symptomen suchen, aber 
es wäre falsch, wenn er kurzer Hand gleich Calc. 
verschreiben wollte. — Calc. mag trotz alledem 
nicht angezeigt sein in diesem Falle, trotz dem 
Teint und des leichten Erröthens. Ebenso falsch 
wäre es, Calc. abzuweisen, nur weil Patient mager 
und brünett ist. — Was die Aufeinanderfolge der 
Mittel betrifft, so ist hier noch, meine ich, viel zu 
lernen. Das ist ein Gegenstand, für den wir der 
Beobachtungen unserer fähigsten Männer bedürfen. 
Ich persönlich bin überzeugt, dass Sulphur nicht 
gut nach Calc. passt, sowie auch, dass Rhus nicht 
gut auf Apis folgt; ebenso thut Sulphur nach Lyco- 
pod. nicht gut. Andererseits steht es mir fest, 
dass Calc. mit Nutzen auf Sulphur folgt Ich bin 
völlig überzeugt, dass Rhus nach Apis in Erysipelas 
schreckliches Unheil angerichtet hat. Ich glaube, 
wenn wir in unseren Beobachtungen ganz redlich 
sind, so werden wir uns selbst und unseren Nach¬ 
folgern betreffs der geeigneten und nicht geeigne¬ 
ten Folge der Mittel einen schätzenswerthen Dienst 
leisten. 

Dr. H. C. Allen . — Hahnemann hat im Organon 
die Regel aufgestellt, dass wir einem einzelnen 
Symptom nur geringe Beachtung schenken sollen. 
Wir sollen nicht auf ein einzelnes Symptom hin ein 


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Mittel verordnen; ein einzelnes Symptom darf für 
die Wahl nicht entscheiden, die Gesammtheit der 
Symptome entscheidet. Wenn es auch wahr ist, 
dass Nux vomica, Calcarea, Pulsatilla, Sulphur, 
Capsicum und manche andere Mittel eine ganz be¬ 
sonders auffällige Wirkung auf Leute von gewissem 
Teint und bestimmter Constitution haben, so ist es 
ebenso wahr, dass diese Mittel angezeigt sein können 
bei Constitutionen, welche denen entgegengesetzt 
sind, in welchen jene gewöhnlich anwendbar sind. 
Ich habe ausgesprochenen Nux vom.-Teint und 
-Temperament mit Pulsat. geheilt. 

Dr. T. S. Hoyne. — Hahnemann hat aber auch 
bestimmt, auf die eigenartigen und charakteristi¬ 
schen Symptome ganz besonders Acht zu haben. 

Dr. Morgan . — Mit Dr. Allen und Wesselhoeft 
bin ich der Ansicht, dass Teint und Temperament 
einen Hinweis, aber keine Entscheidung für die 
Mittelwahl abgeben. 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Heste-Hamburg. 

("Fortsetzung.) 

5. Dr. Lowe: 

Eine sechzigjährige Frau litt seit Jahren an 
Malaria-Kachexie, begleitet von Leber- und Nieren- 
beseliwerden, heftigen Magenschmerzen und stürmi¬ 
scher, unregelmässiger Herzthätigkeit. Sie litt sehr 
an fast beständiger Hitze und Brennen in der Nieren¬ 
gegend und alle Symptome waren schlimmer, wenn 
die Urinmenge vermindert war. 

Lange Zeit war sie allopathisch behandelt worden 
unter Verschlimmerung des Zustandes, dann mit 
mässiger Besserung homöopathisch. Seit Monaten 
hatte Dr. Lowe sie in Behandlung ohne besondere 
Resultate, als er eines Tages schnell gerufen wurde. 
Starker Frost, Magenschmerzen und Erbrechen waren 
eingetreten mit anscheinend gänzlicher Unterdrückung 
der Urinsecretion. 

Ein Pulver Cantharis 200. erleichterte sofort. 
4 Monate später war nochmals dieselbe Arzneigabe 
nöthig. Dabei besserte sich ohne sonstige Arznei 
ihre Gesundheit soweit, wie man es nach ihrem 
Alter und den vorausgegangenen Krankheiten nur 
irgendwie verlangen konnte. 

6. Dr. Mc Neil in San Francisco hatte ein Baby 
vergeblich mit verschiedenen Arzneien an Inter- 
mittens behandelt, giebt mit sofortigem Erfolg Pulsat. 
auf das Symptom hin. ,,Das Baby will stets ins 
Freie getragen werden, fühlt sich wohl, so lange 
es im Freien ist.“ 

7. Dr. Mc Neil: 

Frl. G. hat Tertianfieber. 


Der Frost kommt 1 Uhr Nachmittags und dauert 
1 *| 9 Stunde, dann 4 Stunden Hitze mit Kopfschmerzen, 
Schmerzen in den Gliedern, die durch Bewegung 
schlimmer werden, Uebelkeit, Erbrechen, Fieber¬ 
bläschen an den Lippen. Bryonia 30. beendete so¬ 
fort das Fieber, nachdem vorher von anderer Seite 
starke Chinindosen vergeblich gereicht waren. 

8. Dr. Morrow: 

Bertie J., 5 Jahre alt. 

Frost jeden Morgen 8 Uhr. 

Vor dem Intermittensanfall massige, unverdaute 
Stühle, Durst des Nachts. 

Der Frost beginnt in Händen und Füssen. 

Nägel purpurfarben, Gesicht, Nase und Ohrenkalt. 

Gesicht sehr blass in der Apyrexie und auch 
wahrend des Fiebers . Beim Frost gern warm zu¬ 
gedeckt, Husten, Schlaf, kein Durst. 

Bei der Hitze Husten, Durchfall (sobald der 
Frost abzieht), Stühle wässerig, hervorstürzend; 
stechende Brustschmerzen, Hunger zugleich mit dem 
Durchfall; Durst in der Hitze; Gesicht heiss , aber 
| blass. 

Nach der Hitze kalter Schweiss auf Stirn und 
Händen. 

1 Apyrexie: Kind ist sehr reizbar, Gesicht sehr 
blass. Verlangen nach allen möglichen Sachen , die 
die das Kind aber zuräckiceist , wenn man sie ihm 
geben will. 

Obige 8 Fälle zeigen deutlich, dass unter dem 
Sammelnamen Intermittens sehr verschiedenartige 
Formen untergebracht werden, dass der Homöopath 
individualisiren, nicht die Krankheit, sondern den 
Kranken behandeln muss. 

In Fall 1 deutet die ausserordentliche Empfind¬ 
lichkeit gegen Entblössung unter den 11 Arzneien, 
welche v. Boenniughausen für „blaue Jfägel beim 
Frost“ anführt, auf Ars., Aur., Nux. vom., Silicea. 
Unter diesen vier kommen Ars. und Aur. weniger 
in Betracht, weil der vorliegende Fall charakteristi¬ 
sche Zeichen vermissen lässt, die diesen Mitteln 
eigen sind. Nux vom. verdiente vor Sil. den Vor¬ 
zug wegen des Anfangs um 4 Uhr Morgens. Wenn 
man den Fall 4 durchliest, wird die Aufmerksam- 
I keit sofort auf Nux vom. gelenkt durch ein eigen- 
| artiges Symptom, das man bei keinem anderen 
Mittel findet: „Der Kranke kann sich im Bette nicht 
umdrehen, ohne sich vorher aufzusetzen.“ Farring- 
ton, Hering, Guernsey erwähnen dieses Symptom. 

In dem Arsenfalle 2. fehlt nicht die äusserste 
Schwäche und die für dieses Mittel wichtige Zeit. 

3. Jeder, der Natr. mur. kennt, weiss auch von 
der Verschlimmerungszeit dieses Mittels von 9 oder 
10 Uhr Vormittags bis in den Nachmittag. 

4. v. Boenninghausen erwähnt unter seinen 
126 Fiebermitteln auch Cantharis und sagt sogar: 
„Es bedarf zum Schlüsse kaum der Erwähnung, 


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dass mit den in dieser kleinen Schrift namhaft ge¬ 
machten Heilmitteln keineswegs der ganze Cyclus 
derjenigen, welche bei Wechselfiebern überhaupt in 
Anwendung kommen können, abgeschlossen sein soll. 
Nur die am gewöhnlichsten Passenden und die in 
der Praxis bereits bewährt Gefundenen sollten hier 
eine Stelle finden.“ 

In der überaus grossen Anzahl von Arzneien, 
welche dem Homöopathen als bekannt zu Gebote 
stehen sollen, liegt das Schwierige seiner Kunst, 
aber auch zugleich seine Ueberlegenheit gegenüber 
der allopathischen Therapie, welche sich zur Er¬ 
leichterung des Arztes, aber nicht des Patienten in 
einem ausserordentlich engen Kreise von Arznei¬ 
mitteln bewegt. 

6. v. Boenninghausen bedarf zu den 4 Mitteln, 
welche er unter „Besserung des Kindes durch Tragen 
auf dem Arm“ nennt, noch des Zusatzes von Puls, 
und Ars. 

Das Puls.-Kind will langsam getragen werden, 
Ansen, hetzt den Tragenden zu immer schnellerem 
Gehen, Ant. tart. will sitzend getragen werden. 

In 7. war die Besserung der Gliederschmerzen \ 
in der Ruhe massgebend, in 

8. für Cina die Blässe des Gesichts bei der Hitze 
(eine ungewöhnliche Erscheinung, bei v. Boenning¬ 
hausen nur bei einer beschränkten Anzahl von j 
Mitteln bemerkt, besonders bei Ars., Cina, Crocus, 
Ipec., Lycop., Sepia), Hunger und Durchfall bei | 
der Hitze, ferner der kalte Stirnschweiss (Cina, Subli¬ 
mat, Staphysagria, Opium, Veratrum). Zuletzt die 
gereizte, widerwärtige Gemüthsstimmung. ,,Das Kind 
verlangt Alles, wirft es aber weg, wenn man es 
ihm giebt.“ Ein Symptom, welches in der Kinder¬ 
praxis verwerthbar ist und beobachtet wurde bei 
Cina, Cham,, Staph., Dulc., Rheum, Kreosot, Bryonia. 

Es kommen in der Praxis immer Fälle vor, wo 
Cina durch andere Mittel nicht zu ersetzen ist. 
Bohren in der Nase und milchiger Urin fehlen selten; 
ob Würmer vorhanden sind, ist gleichgiltig. 

Hahnemann sagt von Cina: ,,Es vermag viel in 
Keuchhusten und Wechselfieber, verbunden mit Er¬ 
brechen und Heissliunger. “ 

Farrington hält Cina für indicirt zuweilen bei 
Intermittens. Ich selbst gab Cina einmal bei Wechsel¬ 
fieber eines Kindes mit sofortigem Erfolg. Indicirt 
war es durch die widerwärtige Stimmung, Bohren 
in der Nase namentlich beim Fieber und milchi¬ 
gem Urin. 

Ueberhaupt habe ich Cina einige schöne Hei¬ 
lungen zu verdanken in Keuchhusten und Schleim¬ 
überfüllung der Lunge bei Kindern. 

Dr. E. Case: 

Frau J., 42 Jahre alt, leidet seit 6 Wochen an 
Hämorrhoiden . Diesen war Durchfall voraufgegangen. 

Behandlung bisher allopathisch ohne Erfolg. 


Der Stuhl selbst ist leicht und schmerzlos, aber 
nach dem Stuhle ist soviel Stechen und Wundsein 
in den herausgetretenen Knoten, dass das Sitzen 
unmöglich ist. Die Patientin muss nach dem Stuhl 
1 — 2 Stunden liegen. 

Dieselben stechenden Schmerzen belästigen auch 
Nachts. 

Die Knoten bluten stark nach dem Stuhl, 

Oefterer vergeblicher Stuhldrang . 

Saueres Aufstossen , besonders Morgens, 

Sie ist früh schläfrig , Abends, et*wacht aber schon 
gegen 3 Uhr früh. Geht sie später zu Bett, wacht 
sie mit dumpfem Kopfweh auf. 

Ein Pulver Nux vomica Hochpotenz in wässeriger 
Lösung bewirkte, dass die Blutung in 2 Tagen auf¬ 
hörte und die Knoten nach 14 Tagen verschwanden. 

Dr. Horace P. Holmes: 

Frau X., 44 Jahre alt, kam zu mir wegen Mi¬ 
gräne. Seit 2 Jahren litt sie daran, seit einem 
Jahre schlimmer, seit 8 Wochen hat sie alle 14 Tage 
einen Anfall, besonders in der Regelzeit und in der 
Mitte zwischen zwei Regelzeiten. 

Sie wacht Morgens mit dem Kopfweh auf, wel¬ 
ches bis Mittag zunimmt und bis Abends allmählich 
nachlässt. 

Es ist ein heftiger Schmerz und Druck im Scheitel 
und Hinterkopf. 

Sie hat ein Gefühl , als sei der Kopf zu gross 
und als wolle er bersten beim Bewegen. 

Sie muss den ganzen Tag liegen , allein im dunklen 
Zimmer. 

Geräusch , Geruch dev Speisen sind unerträglich , 
ebenso wie Helligkeit für die gerötheten Augen. 

Die Kopfhaut ist empfindlich gegen. Berührung. 

Mit Abnahme der Schmerzen tritt Herzklopfen ein. 

Die einzige Linderung ist warm Einwickeln des 
Kopfes, so dass nur die Nase frei ist. 

Nux vom. Hochpotenz that vorzügliche Dienste. 

Ueberdie Besserung von Warmein wickeln bei Nux 
vom. ist zu erwähnen, dass Kent angiebt, dass so¬ 
wohl bei Nux vom. als bei Arsen., also bei Mitteln, 
die viel Wärme im Allgemeinen nöthig haben, Kopf¬ 
schmerz und Schnupfen sich bessern durch Ent- 
blössen des Kopfes und im Freien, im Gegensätze 
zu dem sonstigen Verhalten der Arzneien. 

Das Gefühl, als ob der Kopf zu gross wäre, ist 
am meisten «ausgesprochen bei dem Sonnenstichmittel, 
dem Glonoin.; Hutdruck ist ausserordentlich lästig. 

H.: Vor l 3 j 2 Jahren behandelte ich einen Capt. 
a. D., 52 Jahre alt, der seit einem halben Jahre 
an Schwindel litt. Derselbe kam oft zweimal täg¬ 
lich, auch in* 8 tägigen Intervallen. 

Dem Schwindel ging Singen im rechten Ohr 
voraus. Wenn er bei diesem Singen den Finger 
in das rechte Ohr einbohrte, konnte er zuweilen 
dem Schwindel Vorbeugen. 


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Nach dem Schwindel behält er Tage lang dumpfen 
Kopf. 

Wärme am Kopf wie im Zimmer , Sommer- 
nnd Sonnenwärme, Kopfbedeckung sind unerträglich. 

Er hat das Gefühl\ als ob der Kopf viel dicker 
sei, als gewöhnlich. 

Ich verordnete am 14. November 1891 Glo- 
noin. X., wöchentlich ein Pulver. 

Am 18. Januar 1892 bezeichnet er sich als ge¬ 
sund. Er hat seit dem ersten Pulver nur zwei 
leichte Anfälle gehabt, einen sofort nach dem ersten 
Pulver und einen vor 3 Wochen bei körperlicher 
Anstrengung. 

Der Kopf ist viel freier und verträgt Hutdruck 
wie Zimmerwärme. Ich gab dieselben Pulver noch 
einmal. 

Mehrfach verwende ich Glonoin. bei Leiden, die 
auf die Hitze der Tropen zurückzuführen sind, mit 
Erfolg. 

Die hervorstechenden Kopfsymptome von Glonoin. 
in Verbindung mit den bei Hering angeführten 
Harnsymptomen: „Ham sehr eiweisshaltig, muss 
Nachts oft aufstehen, um ihn zu entleeren,“ fordern 
auf zur Anwendung des Mittels bei Morbus Brightii 
mit urämischen Erscheinungen. 

H.: G., ein 17jähriger, blonder, sehr gut ge¬ 
nährter Jüngling, leidet seit einem Jahre alle Woche 
an Kopfschmerzen mit Nasenbluten und Schwindel. 

Er schwitzt sehr leicht , besonders am Kopf. 

Oft Verstopfung der Nase. 

Husten, namentlich Nachts. 

Schlechte Zähne. 

Viel Schlafbedürfnis. 

Herzklopfen bei Anstrengung. 

Anstrengung überhaupt nicht vertragen. 

12. December 1891 Calc. carb. X., wöchentlich 
ein Pulver. 

25. Januar 1892 Kopfschmerz und Schwindel 
nicht mehr bemerkt, auch kein Husten; Nasenbluten 
einmal. 

(Fortsetzung folgt.) 


Sticta pulmonaria — Katarrhe nach Influenza. 

Von M. D. Youngman Med. Dr., Atlantic City N. J. 

Unter dem Schurr-Murr unserer hintangestellten 
Arzneimittel findet sich auch die Sticta pulmonaria. 
Die „Polychreste,“ getreu der allgemeinen und üblen 
Neigung unter den Dominirenden der Erde, haben sie 
in den Schatten dunkler Somnolenz getrieben, wo 
man sie nur, wie die Hexe von Endor, in der 
Stunde äusserster Noth befragt, wenn die Poly- 1 
chreste im Stiche gelassen haben. Verf. ist aber 


seit einer Reihe von Jahren immer mehr und mehr 
zu ihr, wie zu einem „guten Hausgeist“ gegangen, 
Anfangs nur halbgläubig oder halbschwankend, weil 
von diesem Mittel so wenig publicirt und so wenig 
Zeugnisse von ihm in den Uebersichten abgelegt 
worden sind. Es ist ihm aber ein vertrauens¬ 
würdiges Heilmittel geworden, zu dem er sich jetzt 
mit der Herzenswärme und der Erwartung — ja 
fast Zuversicht — wendet, die man zu einem er¬ 
probten Freunde hat. Es giebt sodann aus der Zeit 
von 1892, als die Influenza dort h errs ch e nd ge¬ 
wesen war, einige interessante Belege von ihrer 
Wirksamkeit. 

1892, 2. März. Ein 53jähriger Mann hatte im 
December 18’Jl die Influenza gehabt, von der er 
einen sehr quälenden Husten behielt mit etwas 
Dyspnoe und Auswurf eines eiweissartigen, dicken, 
zähen Schleimes, der Abends und im Anfänge der 
Nacht schlimmer war; beim Husten hatte er grossen 
Schmerz über die ganze Brust, besonders aber in 
den Achselhöhlen, so dass er die Brust mit den 
Händen zu halten bemüht war. Unter dem Brustbein 
war ein Gefühl von Hitze und Kratzen. Morgens 
kam auch etwas Blut im Auswurf. Die Temperatur 
war erhöht; er hatte zwanzig Pfund an Gewicht 
verloren, ward nervös und um seinen Zustand be¬ 
sorgt, schlief Nachts nur wenig. 

Er nahm damals Rumex. — Patient erhielt 
5 Tropfen Sticta pulm.-Tinctur in 60 Gramm 
Wasser, alle 2 Stunden 1 Theelöffel voll. In 24 
Stunden war der Husten besser, der Schlaf in der 
zweiten Nacht gut, und der Husten verschwand 
gänzlich innerhalb 8 Tagen nach dem ersten Be¬ 
such und damit alle anderen Beschwerden. 

2. März. — Ein oOjähriges Fräulein soll Pneu¬ 
monie gehabt haben (wahrscheinlich war es Bron¬ 
chitis capillaris), von der sie sich langsam erholte. 
Sie kam nach Atlantic City. Hier fand Dr. Young¬ 
man bei ihr einen schweren, krampfliaften, quälen¬ 
den Husten, der in heftigen Anfallen einsetzte und 
mit erstickendem Würgen und Niesen endete, wäh¬ 
rend dessen die höchste Dyspnoe eintrat, die Thrä- 
nen ihr aus den Augen stürzten und nachdem eine 
asthmatische Zusammenschnürung der Brust statt¬ 
fand. Sie schrieb diesen Rückfall des Hustens dem 
Klima des neuen Wohnortes zu. Arsenicum joda¬ 
tum, das sie in der Heimath bekommen, versagte 
hier seinen Dienst. Als am dritten Tage eine 
Ilaemophgsis mit hellrothem Blute hinzutrat, erhielt 
sie Millefolium, aber ohne Erfolg. Am vierten Tage 
Sticta pulmonaria 1. Dec.; dies hob bald alle Be¬ 
schwerden. 

6*. März. Ein 38jähriger Mann hatte Anfangs 
Februar die Influenza durchgemacht; die Wieder¬ 
herstellung zögerte. Patient litt an einem heftigen, 
trocknen, quälenden Husten, der anfallsweise kam, 


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73 


von 6 Uhr Nachmittags bis fast zum Morgen sich 
steigerte; der Schlaf war sehr gestört. Er hatte 
Neigung zu rheumatischen Beschwerden; der Husten 
hatte einen eigentümlichen, ihn sehr beunruhigen¬ 
den Kehlkopf-Ton. Der Hustenreiz sass an einer 
„kitzelnden Stelle in der linken Brustseite, 4 wo er 
beim Husten gern gekratzt hätte. Sticta-Tinctur 
6 Tropfen auf 60,0 Aq. des. heilte innerhalb 
8 Tagen. 

lö. März . Frau W. B. 0. hatte im Februar 
Influenza gehabt; sie litt jetzt an einem trocknen, 
quälenden, unablässigen Husten; der Auswurf war 
eiweissartig, reichleich mit Blut gestreift, trocknes, 
asthmatisches Schnieben auf der Brust; der Husten 
machte Kopfschmerz. Sticta I. Dil. l> Tropfen 
4 stündlich brachte grosse Erleichterung, nach 5 
Tagen Sulfur 6.; dies vollendete die Heilung. 

17. März . Ein 28jähriges Mädchen war nach 
überstandener Influenza sehr entkräftet und behielt 
einen heftigen, quälenden, in Paroxysmen, besonders 
Morgens, auftretenden Husten; Gefühl von Rohheit 
und Kratzen unter dem Brustbein und Schulter¬ 
blatt; Auswurf spärlich, gelblich; der Morgenhusten 
brachte oft Nasenbluten, das den Husten und das 
ihn begleitende Kopfweh erleichterte. 

Tinct. Stictae pulm. 5 Tropfen in 60 Gramm 
Wasser beschwichtigte alle Symptome und Patientin 
war in 2 Wochen gesund. 

21. März. Ein 50jähriger Mann hatte einen 
schweren Anfall von Influenza durchgemacht. Er 
litt jedes Frühjahr an Erkältung, jeden Sommer an 
Heufieber, im Herbst an Katarrh und im Winter 
folgte eine Erkältung der andern. Er war sehr 
abgemagert, hatte einen rauhen, trocknen, anstren¬ 
genden Husten mit geringem Auswurf, war um sich 
sehr ärgerlich, weil, wie er sagte, „er Alles zum 
Leben und keinen Grund zum Sterben hätte.“ 
Tinct. Stict. wie oben; man nöthigte ihn zum Essen, 
Inhalationen comprimirter Luft. Nach Verlauf eines 
Monats war er vom Husten befreit und in einem 
besseren Gesundheitszustand als seit mehreren Jahren. 

27. März. Eine 40jährige Frau hat im Januar 
eine Pneumonie gehabt. Jetzt zeigte sich: Dyspnoe, 
schlimmer beim Gehen, heftiger, trocken-klingender 
Husten, aber mit beträchtlichem, gelblichem Aus¬ 
wurf; kein Appetit, Schlaf gestört, Nachtschweiss; 
Arsenicum jodatum ward verordnet. Da ward bei 
dem zweiten Besuch eine pleuritische Ausschwitzung 
in der rechten Pleurahöhle entdeckt. Dies ward 
durch Aspiration entleert und erwies sich als eine 
strohfarbene Flüssigkeit in der Menge von 1 Pint. — 
Gegen alle Erwartung blieb Husten und Dyspnoe 
unverändert. * Bryon. 3. Dec. war erfolglos. Hierauf 
ward Sticta in Tinctur gegeben und die Inhalationen 
comprimirter Luft sorgsam fortgesetzt, und zwar mit 
nachfolgender guter Wirkung. 


29. März. Eine 42jährige Frau hat im Februar 
eine Bronchitis überstanden, welche einen rauhen 
quälenden Husten mit Schmerzhaftigkeit durch die 
ganze Brust zurückliess. Die Schleimhaut des 
Pharynx von schwammiger Beschaffenheit, blutete 
leicht. Früher mehrere Anfälle von Asthma, in 
jedem August Heufieber; die Hustenanfälle endigen 
oft mit krampfhaftem Niesen, was sie, wegen der 
danach folgenden asthmatischen Zufälle, fürchtet. 
„Sie fühlt die Erkältung erst im Kopfe, von wo 
sie in einem Tage etwas nach dem Halse und so¬ 
dann in die Brust hinuntergeht.“ Sticta - 1. Dec. 
besserte in 5 Tagen: Der Fortgebrauch dieses 
Mittels nebst dreimal täglichen Douchen von Natr. 
bic., in heissem Wasser gelöst, stellte sie soweit her, 
dass sie den Angriffen des Heufiebers fast gänzlich 
entging. 

Die Schlussfolgerungen, die Verf. hieraus zieht, 
sind: 

1. Sticta ist angezeigt in rauhem, quälendem, 
unablässigem Husten mit krampfhaftem Charakter. 

2. Es passt besonders für nervöse, rheumatische, 
gichtische Personen. 

3. Es ist besonders wertvoll in subacuten und 
chronischen Fällen. 

4. Es eignet sich vorzugsweise für das vor¬ 
gerückte Alter. 

5. Es mildert die Reizbarkeit, beschwichtigt das 
erregte Gewebe, hebt den überempfindlichen Zu¬ 
stand der Athmungsschleimhaut, und führt Schlaf 
herbei. 

6. Es möchte sich als ein Mittel für Keuchhusten 
bewähren. 

Diese Casuistik von der Wirksamkeit der Sticta 
pulmonaria verdanken wir den practischen Mitthei¬ 
lungen des Collegen Dr. Youngman (in Nr. 6 von 
The Hahnemann monthly 18^3). Referent hofft mit 
diesem Bericht den deutschen homöopathischen 
Aerzten einen guten Dienst zu erweisen, da auch 
ihnen sicherlich nach der Ende vorigen Jahres be¬ 
gonnenen und sich bis in den diesjährigen Januar 
erstreckenden Influenza-Epidemie eine grosse Anzahl 
von Patienten Vorkommen werden mit ähnlichen 
Leiden der Respirationsorgane, wie sie Dr. Young¬ 
man geschildert hat. 

Referent hat von der Sticta, in niederen Ver¬ 
dünnungen oder selbst in der Urtinctur, bereits 
früher gute Erfolge ebenfalls bei subacuten Ka¬ 
tarrhen während und nach der Influenza mit jenen 
krampfhaften, nicht enden wollenden, starkerschüt¬ 
ternden Husten bei einem schwerlöslichen, glasigen 
Sputum beobachtet, selbst wenn ein copiöser Aus¬ 
fluss aus Augen und Nase zugegen war, (die mit 
krampfhaftem Niesen endigenden Hustenanfälle 
können uns aber auch an Bell, erinnern). Mitunter 
hat ihm das Mittel auch bei dem so quälenden, 

10 


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n 


spasmodisclien Husten der Tuberculosen gute Dienste 
geleistet. 

Pharmakologisches . Die Hcrbae pulmonariae 
arboreae s. Lichen pulmonarius, Lungenmoos, die 
früher einmal selbst officinell gewesen sind, ent¬ 
stammen unserer Sticta pulmonaria (oder pulmona- 
rea). Sie enthält einen Bitterstoff, welchen man 
in Sibirien für das Bier benutzt, Stictina genannt, 
der dem Cetrarin des isländischen Mooses nahe ver¬ 
wandt ist. Wie das letztere, so wurde auch die 
Sticta in Abzehrungen, Schwindsucht der Lungen, 
Blutspucken, Gelbsucht, Diarrhoeen benutzt — das 
Mittel war jedoch völlig in Vergessenheit geratlien, 
bis im Jahre 1863 Dr. Bendick, im North. Am. 
Journal of Hom. XII. 202, eine fragmentarische 
Prüfung dieses Mittels nebst verschiedenen Hei¬ 
lungsgeschichten veröffentlichte. 

Besonders erwähnenswerth ist die von Dr. Boyce 
gemachte Mittheilung von einer 1864 im Frühjahr 
herrschend gewesenen Influenza-Epidemie. Diese, 
welche fast Jedermann befiel, zeichnete sich durch 
eine ungewöhnliche Trockenheit der Nasenschleimhaut 
aus , welche schmerzhaft wurde. Die Absonde¬ 
rungen der Schleimhaut trockneten so schnell ein, 
dass sie als harte Schorfe nur mit grösster Anstren¬ 
gung herausgeschafft werden konnten. Der weiche 
Gaumen fühlte sich wie trockenes Ted er an, so dass 
das Schlingen schmerzhaft wurde. Der Katarrh er¬ 
streckte sich oft bis in die Brust und Hess eine, oft 
wochenlang bestehende, Reizung zurück. — Dieses 
Trockenheitsgefühl nahm gewöhnlich gegen Abend 
zu und wurde schmerzhaft, während die Beschwer¬ 
den Morgens gering waren. Oder ein solcher 
Wechsel von Steigerung und Abnahme erfolgte selbst 
im Laufe eines Tages. Das Uebel nahm gern einen 
chronischen Verlauf an. Kein Mittel wirkte hier 
so entschieden, wie Sticta pulmonaria. 

In der kurzgefassten Arzneimittellehre von 
C. Hering-Gisevius findet sich eine kurze Prüfung 
dieses Mittels, doch ist wohl ein grosser Theil der 
Symptome der Heilungsgeschichten entnommen. Ein 
merkwürdiges, bei einem Frauenzimmer beobachtetes 
Symptom ist: sobald es dunkel wurde, hüpften und 
tanzten ihre Beine und Füsse, obgleich sie es nicht 
wollte; sie musste sie festhalten. Gefühl in den 
Beinen, als ob sie in der Luft schwebten; sie fühlte 
sich leicht und luftartig, ohne Empfindung davon, 
dass sie auf dem Bette ruhete. 

Auf die heilkräftigen Moose kommen wir später 
einmal zurück. Dr. Mossa. 


Heilung eines mehrtägigen Singultus. 

Singultus, Schluchzen oder Schlucksen, ist be¬ 
kanntlich ein Krampf des Zwerchfelles und zwar 


ein sogenannter klonischer Krampf, bei dem Zu¬ 
sammenziehen und Erschlaffung in rascher Aufein¬ 
anderfolge abwechseln. 

Es kann schon in den ersten Lebenstagen Schluck¬ 
sen erfolgen, und scheint dann dieser Krampf mit 
einer Magenschwäche zusammenzuhängen. Oft wird 
er hervorgerufen durch hastiges Trinken, über¬ 
mässige Zufuhr von Flüssigkeit (Milch) oder durch 
zu kaltes Getränk. Dann pflegen wohl Erwachsene 
zu dem alten Hausmittel zu greifen einen Schluck 
Wasser zu nehmen, wobei die Ohren — mit den 
Fingern verstopft werden sollen; oder es genügt 
ein Schlag auf den Rücken, der lästigen Reflexer¬ 
scheinung ein Ende zu machen. Schliesslich geht 
die Sache auch so vorüber. Ganz anders verhält 
es sich aber mit dem Schlucksen im Verlauf acuter 
Erkrankungen, zumal bei alten Leuten. Hier ist 
das Uebel oft ein ominöses Anzeichen und auf 
keinem Wege zu beseitigen. Man pflegt wohl dieses 
Schlucksen für sicheres Merkmal dafür zu halten, 
dass lethale Gangrän (Brand) im Anzug sei, zumal 
bei Kranken mit Magen- oder Lungenaffectionen. 
In solchen Fällen dauert der Schlucksen selbst 
wochenlang, bis die Gequälten marastisch zu Grunde 
gehen. Also war es geschehen in der Familie des 
Kranken, auf den ich gleich zu sprechen komme. 
9 Wochen hatte dort angeblich das Leiden ge¬ 
währt, ohne dass man im Stande gewesen wäre, 
ihm Einhalt zu thun. In einem anderen Fall half 
vorübergehend Ignatia, konnte aber den wenige 
Tage darnach eintretenden Tod auch nicht aufhalten. 
Aeussere Mittel, spirituöse Einreibungen, Senfpapier 
u. dergl. nützen dann auch nichts. 

Um so mittheilenswerther erscheint mir denn 
die gelungene Heilung von Schluchzen bei einem 
im 85. Jahre stehenden Mann, der eine Pneumonie 
überstanden hatte und nun schon Tage lang diesem 
Zwerchfell-Krampf mit nur kurzen Unterbrechungen 
in intensivster Weise ausgesetzt war. Derselbe war 
übrigens auch in gesunden Tagen sehr zu Singul¬ 
tus geneigt. Die Nachtruhe wurde jetzt selbstver¬ 
ständlich dadurch vereitelt und die Situation ge¬ 
staltete sich immer bedenklicher, zumal auch bei 
Nahrungszufuhr der den ganzen Körper erschüt¬ 
ternde Schlucksen eintrat. Ignatia hatte keine 
Wirkung, auch nicht die zuerst verabreichte Chamo- 
milla. Die homöopathische Litteratur bot mir keine 
neuen Anhaltspunkte. Da griff ich zu dem altbe¬ 
währten Krampfmittel /Amrum , und zwar schien mir 
ganz besonders geeignet das baldriansaure Zink, 
weil Baldrian an und für sich antispasmodischen 
Ruf hat. Also wurden 6 Pulver angefertigt, von 
denen jedes 0,01 baldriansaures Zink enthielt. Der 
Erfolg war ein sehr schöner, d. li. während des 
Gebrauches der Pulver in zweimaliger Dosis pro 
die verlor sich der bis dahin eher zu- als ab- 


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nehmende Schlucksen merklich und hörte endlich 1 
ganz auf, wenn auch leichte Anklänge noch recht 
lange bestanden; ja, es schien mir, dass wie beim 
Gähnen durch das blosse Reden davon das Schluck¬ 
sen wieder eingeleitet werden konnte.*) 

Dr. Goullon. 


Incubationszeit und Dauer der Ansteckungs- j 
fähigkeit zymotischer Erkrankungen. | 

Die Londoner klinische Gesellschaft hat ein | 
Comite mit der Erforschung der Incubationszeit 
und Dauer der Ansteckungsfähigkeit gewisser zy¬ 
motischer Erkrankungen betraut, und haben sich j 
hierüber auf dem Wege statistischer Zusammen¬ 
stellung folgende Resultate ergeben. I 

Was die Diphtherie betrifft, dass ihre Incuba- i 
tionszeit in der Regel nicht die Zeit von 4 Tagen 
überschreitet; sehr häufig tritt sie schon nach 
2 Tagen auf, während 7 Tage die äusserste 
Grenze bezeichnet. Sie ist unzweifelhaft während 
ihres ganzes Verlaufs übertragbar. Die Ansteck¬ 
ungsfähigkeit ist von verschiedener Dauer; als 
Regel hat sich aber herausgestellt, dass eine späte j 
Ansteckung hauptsächlich auf einem schon erkrank¬ 
ten Boden Platz greift. Während die Krankheit i 
gewöhnlich durch persönlichen Contact mitgetheilt | 
wird, sind doch viele Beispiele constatirt worden, I 
wo die Ansteckung durch Kleidungsstücke, Möbel 
oder Tapeten, zuweilen erst nach Jahren nach 
dem Originalfall erfolgt ist. 

Die Verhältnisse beim Typhus sind nicht völlig 
klargestellt. Seine gewöhnliche Incubationszeit be¬ 
läuft sich auf 12 —14 Tage. Die Grenzen mögen 
zwischen 9—23 Tagen liegen. Er ist während 
seines ganzen Verlaufs ansteckungsfähig, was etwa 
14 Tage nach der Genesung aufhört. Indessen 
können die Typhus-Stühle auch nach der Genesung 
des Patienten sicherlich noch weit später als nach 
2 Wochen den Ansteckungsstoff enthalten. 

Ueber die Ansteckungsfähigkeit der Influenza 
herrschte noch keine allgemeine Uebereinstimmung. 
Ihre Incubation scheint zwischen 1—4 Tagen zu 
liegen, die Regel ist 2—3 Tage. 

Bei den Masern hat man den Ausbruch des 
Exanthems als Ausgangspunkt genommen. Hier¬ 
durch würde die Incubationszeit um etwa 4 Tage 
. verlängert werden, die man sonst nach der Mehr- 


*) Beim Gähnen — tonischem Zwerchfellkrampf — führt 
dp Puhlmann’sche Handbuch der homöopathischen Praxis 
diese Erscheinung auf Autosuggestion zurück. Ich halte 
diesen Ausdruck nicht für gerechtfertigt. Denn Suggestion 
enthält doch immer den Begriff des Einredens, Einflüsterns, 
bez. sich nur Einbiidens unter fremdem oder eigenem (Auto¬ 
suggestion) Einfluss. 


zahl der Fälle auf 13, 14 und 15 Tage nach der 
Ansteckungs-Gelegenheit bestimmen kann. Aus¬ 
nahmsweise kann dieser Zeitraum sich auf 7 Tage 
oder am längsten auf 18 Tage belaufen. 

Die Masern sind ansteckungsfähig während ihres 
ganzen Verlaufs, und man weiss, dass’ das Conta- 
gium wirksam ist, sobald die catarrhalischen Symp¬ 
tome erscheinen. 

Parotitis hat eine sehr lange Incubationszeit und 
die Mehrzahl der Beobachtungen sprechen für 
3 Wochen, mit einer Grenze von 14 Tagen auf 
der einen und von 25 Tagen auf der andern Seite. 
Beim Beginne ist es am leichtesten übertragbar, 
und die Ansteckungsgefahr wird allmälig geringer, 
bis sie etwa 2 Wochen nach der Genesung ver¬ 
schwindet 

Bei der Scarlatina kann man die Incubation 
eher nach Stunden als nach Tagen bemessen. In 
der Mehrzahl der Fälle zeigt sich die Wirkung 
der Infection 24 — 72 Stunden nach der Ansteck- 
ungsgelegenheit; aber nicht wenige Fälle entwickeln 
sich innerhalb der ersten 24 Stunden, in manchen 
verspätet sich der Ausbruch auf 8 Tage hin. Die 
Ansteckung fängt mit den ersten Symptomen an 
und wird während der Abschuppung am intensiv¬ 
sten. Ein Abschluss (Quarantaine) sollte wenigstens 
8 Wochen dauern, solange in allen Fällen, als die 
Abschuppung währt. Diese Krankheit ist ganz be¬ 
sonders leicht übertragbar durch eine dritte Person, 
wahrscheinlich durch die Kleidungsstücke. Milde 
Fälle ohne Hautausschlag, mit leichter Halsaffection, 
verbreiten die Krankheit sehr häufig. 

Bestätigt hat sich die alte Beobachtung, dass 
die Incubationszeit der echten Pocken meist 12 Tage 
beträgt; die Grenzen schwanken zwischen 10—15 
Tagen. Die Ansteckungsfähigkeit reicht vom Be¬ 
ginn bis zum Verschwinden des letzten Schorfes, 
ist jedoch wenig zu befürchten, ehe die Krankheit 
sich gut entwickelt hat. 

Diese Angaben sind jedenfalls zuverlässiger, 
als die in unsern Handbüchern meist sehr vagen 
Data über Incubation und Ansteckungsfähigkeit. 


Hypodermatische Einspritzungen von Teucrin 
bei mycotischen Erkrankungen. 

Mosettig-Morhof in Wien hat, ausgehend von 
der Thatsache, dass die Erregung einer vermehrten 
biologischen Thätigkeit mit folgender activer Hyper¬ 
ämie und selbst entzündlichen Reizung oftmals eine 
heilsame Wirkung auf mycotische Erkrankungen 
ausübt, wie dies z. B. durch ein hinzutretendes 
Erysipelas geschieht, nach einem Mittel gesucht, 
welches, ohne zu schaden, eine solche künstliche 

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active Hyperämie hervorruft. Er glaubt dies in seinem 
Teucrin gefunden zu haben, einem Extract von 
Teucrium scordium. Er bedient sich desselben seit 
1888 und schreibt ihm eine rein vasomotorische 
Wirkung zu. Nach der Einspritzung tritt, nach 1 / 2 
oder spätestens 4 Stunden, Temperatursteigerung 
ein, welche sich in einer nicht festbestimmten Zeit 
bis zu 38,5—40° C. erhebt. Im besten Wohlbe¬ 
finden tritt Frostschauder ein; manchmal zeigt sich 
ein bald vorübergehendes scharlachähnliches Ery¬ 
them. Der Puls steigt proportional zum Fieber. 
Diese primären Erscheinungen erfolgen innerhalb 
8—10 Stunden. Die Urin- und Hautabsonderung 
ist nicht verändert. Bei einem an Lungen- 
tuberculose Leidenden nahm der Auswurf eine 
weissliche Farbe an, wie nach der Einspritzung von 
Tuberculinum Kochii. 

Die secundäre Wirkung ist localer Art. Beim 
Gesunden bemerkt man 2 Tage nach der Injection 
um die Einstichsstelle eine leichte rosenrothe Fär¬ 
bung der Haut; letztere etwas empfindlich bei Be¬ 
rührung. 

Diese unbedeutende Inflammation verschwindet 
nach 24 Stunden. Bei einem Kranken mit örtlicher 
Tuberculose zeigt sich, wenn das fungöse Gewebe 
in käsigem Zerfall ist, eine Ausstossung von Massen, 
wo nicht — ist eine Resorption möglich. 

Mosettig hat in 5 Jahren mehr als 200 Fälle 
von kalten Abscessen, welche er als das Prototyp 
des käsigen Vereiterungsprocesses betrachtet, durch 
subcutane Einspritzung von Teucrin in die Nach¬ 
barschaft jener Abscesse behandelt. 

Die Einspritzung erregt eine brennende Em¬ 
pfindung von kurzer Dauer; die Temperatur des 
Abscesses ist erhöht und 1 Tag nach der Injection 
hat er öinen entzündlichen Charakter angenommen. 
Er wird roth, heiss, schmerzhaft. Die Resorption 
des Flüssigen tritt ein. Oeffnet man den Abscess 
nach der dritten Injection, so zeigt sich immer der 
Eiter eingedickt, und, wenn man ihn entleert, so 
hört die Secretion gänzlich auf. Abscesse weicher 
Theile kamen in 8—10 Tagen zur Heilung, die 
in der That anhielt; bei solchen, die von Knochen 
ausgehen, machte sich eine Besserung zwar be¬ 
merkbar, doch ging die Heilung weniger regulär 
vor sich. Verfasser behauptet, die Heilwirkung 
des Mittels bestehe in einer entschiedenen Verän¬ 
derung in der Absonderung nach Quantität und 
Qualität; sie wird vermindert und verliert den tu- 
berculösen Charakter. — Bei Adenitis tuberculosa 
wirkt das Mittel gerade wie bei den kalten Ab- 
scessen. 

Dr. v. Kliegl behandelte einen Fall von Lupus, 
bei dem der Nasenknorpel zerstört und rhinopla- 
stisch ersetzt worden war, wo sich dann ein Reci- 
div an den Lippen und an der Zunge zeigte, mit 


Injection von Teucrin. Der Erfolg war günstig, 
ebenso in einem Fall von Actinomycosis. 

Bei Gelenktuberculose hat es Mosetig nicht ver¬ 
sucht, weil ihm hier die Jodoformbehandlung ge- 
j nügt. 

In der Allg. med. Centralzeitung ist ein Fall 
von Sarcoma faciei beschrieben worden, den Lindner 
für unheilbar hielt und des Versuchs halber mit 
Teucrin behandelte. Dabei wurde die Geschwulst 
um 1 | 8 ihres Volums verringert und die Ulcera- 
tionen heilten. Vier Wochen nach Aussetzen des 
Mittels zeigte die Geschwulst kein weiteres Wachs- 
I thum. 

j In der Regel spritzte Mosettig 3 Gramm mittels 
1 der Pravaz’schen Spritze ein, und zwar in mög- 
| lichster Nähe des Krankheitsheerdes. Da das Prä¬ 
parat sterilisirt ist, ist keine septische Infection zu 
befürchten. 

Die Herba Scordii von Teucrium Scordium L. 
wurde von den älteren Aerzten sehr geschätzt, 
j Quarin gab es in starkem Aufguss zu Bädern bei 
syphilitischen Hautkrankheiten; andere als Mund- 
und Gurgelwasser bei brandiger Bräune; frisch 
! zerquetscht mit Essig und Salz bei fauligen Ge¬ 
schwüren. Galen hielt das Scordium von Kreta 
I und Pontus (ob dies freilich mit Teucrium Scord. 

I ganz identisch ist, fragt sich) für so fäulnisswidrig, 

| dass man Leichen auf einem mit Scordium bewach¬ 
senen Schlachtfelde vor Verwesung geschützt 
| glaubte. — Bekannter ist uns das Teucrium ma- 
rum verum besonders in seiner Wirkung auf weiche 
Schleimpolypen der Nase. Dr. Mossa. 


Lesefruchte. 

Aus „Medico“ 1893. Nr. 39, pag. 362. 

Nachstehende Publikation liefert einen neuen 
I Beweis für die uns Homöopathen längst bekannte 
I Thatsache der Einwirkung des gonorrhoischen Gif- 
! tes auf den Gesammtorganismus: 

| Ueber Nierenerscheinungen bei Gonorrhoe . Von 
| F . BaXzer und H . Jacquinet. (La semaine medi- 
| cale 52/93.) 

Schon früher waren Verfasser aufmerksam ge¬ 
worden auf die Häufigkeit der Albuminurie bei 
j Gonorrhoe, so hatten sie diese Complication im Jahre 
' 1892 unter 777 Kranken 131 Mal angetroffen; 
ähnliche Beobachtungen haben auch andere Au¬ 
toren gemacht. Es ist von Wichtigkeit zu erwäh¬ 
nen, dass es sich dabei sehr oft um acuten Tripper 
handelt, nicht um Nierenaffectionen im Gefolge der 
chronischen Gonorrhoe. Als ätiologisches Moment 
I steht oben an die Complication mit Orchitis; in 
I zweiter Linie erst kommt die Cystitis. Aber auch 


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ganz uncomplicirte Gonorrhoe kann Albuminurie er¬ 
zeugen, soda8s man annehmen muss, dass die Er¬ 
krankung eine allgemeine Disposition für diese 
Niereuerkrankung erzeugt. Verfasser unterscheiden 
2 Formen von Albuminurie, 1) die durch locale 
aufsteigende Infection. Hierbei befällt die Er¬ 
krankung die Harnwege als Urethro-Cysto-Pyelo- 
Nephritis. Es ist das selten eine reine Gonococcen- 
infection, sondern secundär betheiligen sich das 
Bacterium coli, Streptococcus pyogenes, Staphy- 
lococcus pyogenes aureus ü.~"ä. 2) Albuminurie 

durch AUgemeininfection. Hierbei muss man an¬ 
nehmen, dass die Niere vom Kreisläufe aus ge¬ 
schädigt wird. Man hat die Balsamica angeschul¬ 
digt, dass sie Nephritis machen; nach den Erfah¬ 
rungen der Verfasser im Ganzen mit Unrecht. Bei 
unbehandelten Gonorrhoen mit Albuminurie vermehr¬ 
ten die Balsamica die Eiweissmenge nicht; sie wur¬ 
den fast stets mit Nutzen gegeben. Welches das 
schädigende Moment für die Nieren ist, muss da¬ 
hingestellt bleiben; vielleicht erzeugen die Gono- 
coccen Toxine, die in die Circulation gelangt, das 
Nierenepithel beeinträchtigen. Manchmal ist der 
Charakter der Nierenerkrankung ein gemischter, 
durch örtliche und allgemeine Infection bedingter. 
Was den klinischen Verlauf anbelangt, so beginnt 
die erste Form, die ,,aufsteigende Nephritis“, ge¬ 
wöhnlich mit schmerzhafter Cystitis, Tenesmus etc., 
manchmal unter Schüttelfrost und hoher Tempe¬ 
ratur. Nierenschmerzen können ein- oder doppel¬ 
seitig sein, fehlen aber auch manchmal. Es besteht 
ein schwerer Allgemeinzustand, öftere Fröste, Sta¬ 
tus gastricus. Dieser Zustand geht gewöhnlich in 
wenigen Tagen vorüber, der im Harn enthaltene 
Eiter vermindert sich schnell, aber der Process in | 
der Niere schreitet dennoch vorwärts. Bei der I 
Untersuchung auf Albumen und Cylinder muss man I 
mit aller Vorsicht vorgehen, um sich nicht durch | 
den Eitergehalt täuschen zu lassen. Der gewöhn¬ 
lich vermehrte Urin setzt sich meist in zwei Schich¬ 
ten ab; die untere enthält die oben genannten | 
Bacterien. Die Nephritis durch AUgemeininfection 
tritt zunächst latent auf, in den leichteren Fällen | 
würde sie ohne die vorgenommene Harnuntersuchung 
unbemerkt vorübergehen. Diese Formen laufen 
meist bei Bettruhe in acht Tagen ab. Bei der 
schwereren, gewöhnlich mit Orchitis complicirten 
Form zeigen sich zuerst gastrische Störungen, Kopf¬ 
weh und massiges Fieber; es können sich daraus 
typhusähnliche Erscheinungen entwickeln. Die Al¬ 
buminurie ist sehr reichlich. Die Krankheit dauert 
2 — 4 Wochen, worauf die Erscheinungen allmählig 
verschwinden. Endlich kann die Niere in der Form 
einer acuten parenchymatösen Nephritis befallen 
werden, mit nachfolgenden Oedemen, Hamvermin- 
derung, sehr starker Albuminurie. Verfasser sahen 


vier solche Fälle in mehreren Monaten zur Heilung^ 
kommen. Was die Diagnose anbelangt, so achte 
man bei Verdacht auf Pyelonephritis auf Schmerz¬ 
haftigkeit und Anschwellung der Nieren, die Pyurie, 
Polyurie und Albuminurie. Die Diagnose der Ne¬ 
phritis durch AUgemeininfection kann mau nur stellen, 
wenn man sich gewöhnt, beim Eintritt von Darm¬ 
störungen den Urin zu untersuchen. Die Prognose 
ist bei der letzteren Form günstig, wenn keine 
Nierenschrumpfung sich anschliesst, die Pyelone¬ 
phritis ist ernster. Die Behandlung derselben ist 
zunächst local, wie bei jeder Cystitis; ausserdem 
gebe man Milchdiät, und innerlich Salol 2—4 g 
pro die, oder Natr. salicyl., Natr. benzoicum. Auch 
die Balsamica, Copaiva, Terpentin etc. sind von 
Nutzen. Bei der Nephritis durch AUgemeininfection 
wende man Bettruhe, strenges Milchregime und von 
den Medicamenten in erster Linie die Balsamica an. 

,,Nach Dr. F. Hunt ist doppeltchromsaures Kali 
ein ausgezeichnetes Expectorans bei Kindern, das 
er bei capillärer Bronchitis mit Erfolg angewendet 
hat. Man giebt das Mittel in Dosen von 8 Milli¬ 
gramm mit Milchzucker vermischt. Die Tagesdosis 
für ein einjähriges Kind beträgt 15 MiUigramm.“ 

Also steht in den ,,Kleinen Mittheilungen“ der 
,,Wiener med. Presse“ 1893, Nr. 17, pag. 655 zu 
lesen. Die Kenntniss dieser neuen Heilwirkung des 
Kali bichromicum stammt sicher aus homöopathischer 
Quelle. 

Wohl aus derselben Quelle stammt die Em¬ 
pfehlung der Tinctura Thujae seitens Kaposi zum 
Betupfen der Warzen. („Allg. Wiener med. Zei¬ 
tung“ 1^93. Nr. 9.) 

Dr. Ströü-München empfiehlt die Behandlung der 
Diphtherie mit Myrrhentinctur innerlich, und will 
damit auch bei Kehlkopfdiphtherie guten Erfolg 
haben. 

(Nach ,,Wienermed. Presse“ 1893, Nr. 18, pag 695.) 

Dr. Latzko - Wien ist bezüglich der Thernpie der 
Osteomalacie auf Grund seiner Erfahrungen der 
Ansicht, dass das operative Verfahren gegenüber 
der internen Anwendung des Phosphors, des Chlo- 
ralhydrats und der Chloroformnarkose gänzlich in 
den Hintergrund zu treten habe. 

(Nach,,Wiener med. Presse“ 1893, Nr. 17, pag. 663.) 

Ein obyctives A uqensymptom der Neurasthenie . Von 
Dr. S. ßannas in Breslau. (Aus. d. Dr. Wolff- 
berg'schen Augenki. zu Berlin. Inaug.-Diss.) 

Bei Gelegenheit von Untersuchungen, die sich 
auf das Verhalten des Lidschlusses, so wie derselbe 
im Schlafe vor sich geht, bezogen, konnte Verf. ein 
objectives Symptom der Neurasthenie nachweisen, 
auf das schon Rosenbach vor 7 Jahren hingewiesen 
hatte, das jodoch nicht die ihm zukommende Be¬ 
achtung gefunden zu haben scheint. Bei der Viel- 


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78 


gestaltigkeit des klinischen Bildes der Neurasthenie I beobachtet wurden, nachgewiesen werden konnte. 


und der geringen Anzahl objectiver Symptome ver¬ 
dient die Beobachtung besonderes Interesse. Rosen- 
bach beschrieb das in Frage stehende Symptom 
folgendermassen: Giebt man neurasthenischen Per¬ 
sonen auf, in der zur Prüfung des Romberg’sehen Phä¬ 
nomens üblichen Stellung den Verschluss der Augen 
auszuführen, so fangen sie an zu blinzeln oder sie 
schliessen die Augen bis auf einen kleinen Spalt, 
um sie sofort wieder zu öffnen und sich ängstlich 
umzublicken. Je energischer man den Befehl 
wiederholt, desto krampfhaftere Anstrengungen 
machen sie, ihn auszuführen, aber ohne weiteren 
Erfolg, als dass sie noch stärker blinzeln oder die | 
heftigsten Contractionen der Stirn- und Gesichts- j 
muskeln produciren; im günstigsten Falle schliessen ! 
sie die Lider eben nur lose, ohne dass eine Fal¬ 
tung der Lidhaut, das sicherste Zeichen kräftigen 
Lidschlusses, hervortritt. In dieser Unvollkommen¬ 
heit des Lidschlusses, in der Unmöglichkeit, die 
Lider zuzukneifen, sieht R. ein sehr wesentliches 
Symptom der nervösen Erschöpfbarkeit. Warum 
schliesst der Neurasthenische nicht mit einem Ruck 
und für so lange Zeit, als es verlangt wird, die 
Augen? Erstens deshalb, weil er ängstlich und un¬ 
ruhig ist und hinter der Aufforderung etwas Be- I 
ängstigendes oder Gefährliches, eine vielleicht un- 


Einige Fälle von Neurasthenie mit dem Rosenbach’- 
schen Symptom zeigten Uebergänge zu Melancholie 
und vielleicht wirklichen Geisteskrankheiten. Von 
Interesse ist es auch, dass bei der traumatischen 
Neurose, von der etwa 20 Fälle zur Untersuchung 
kamen, keiner das in Frage stehende Phänomen 
zeigte. Ebenso fehlte dasselbe auch bei der so¬ 
genannten Migraine ophthalmique. 


Dank. 

Herr Kaufmann Otto Merhausen in Braunschweig 
hat, trotzdem er nach gerichtlicher Entscheidung 
nicht verpflichtet war, das von seiner Mutter dem 
homöopathischen Centralverein Deutschlands aus¬ 
gesetzte Legat zu zahlen, sich doch veranlasst ge¬ 
funden, genanntem Vereine die Summa von 1500 M., 

| von welcher ca. 550 M. für gehabte Gerichts- etc. 
Kosten abgehen, für das homöopathische Kranken¬ 
haus in Leipzig zu überweisen, sodass diesem eine 
Zuwendung von ca. 950 Mark zu Theil wurde. Für 
diesen Akt von Liberalität fühlen wir uns gedrungen, 
ihm hierdurch öffentlich unsern Dank auszusprechen. 

Leipzig, 17. Febr. 1894. 


angenehme therapeutische Manipulation vermuthet, 
zweitens weil er in der Erinnerung an seine 
Schwindelanfälle, an seine vermeintliche Unsicher¬ 
heit beim Stehen und Gehen bei geschlossenen 
Augen, umzufallen fürchtet, drittens weil er im 
allgemeinen überhaupt nicht im Stande ist, nament¬ 
lich auf Befehl, eine ungewohnte Bewegung, wie 
das Zusammenkneifen der Augen mit seinen „un- 
disciplinirten“ Muskeln sofort in gewünschter Weise 
auszuführen, viertens weil ihn die energische Con- 
traction der Muskeln sehr schnell ermüdet. Erst 


Der Vorstand 

des homöopathischen Centralvereins. 

I. A.: Dr. Lorbacher. 


Aufruf! 

Im Verhältniss zur Verbreitung, welche die Ho¬ 
möopathie in Holland bei dem Publikum hat, und 
zu dem Vertrauen, welches sie thatsächlich in sehr 


nach zahlreichen Versuchen und energischem Zu¬ 
reden gelingt zuweilen das so leicht auszuführende 
Manöver, nicht selten erst unter manifesten Zeichen 
der Abspannung und dem Eingeständnisse, dass die 
Procedur eine ermüdende und unangenehme sei. 
Auf Grund seiner damaligen Beobachtungen stand 
R. nicht an, in den vielen zweifelhaften Fällen, in 
welchen die Diagnose zwischen blosser Nervosität 
und beginnender organischer Erkrankung, nament¬ 
lich der Medulla spinalis, schwankte, das Vorhan¬ 
densein des oben beschriebenen Phänomens als 
wichtiges und ausschlaggebendes Moment für die 
Annahme der Neurasthenie zu verwerthen. In 
der That konnte Verf. das in Frage stehende Symp- 


vielen Kreisen findet, ist die ärztliche Vertretung 
dieser Heilmethode eine ausserordentlich geringe. 
Sind doch jetzt im ganzen Lande nur 6 homöo¬ 
pathische Aerzte, während in vielen Städten sehn¬ 
süchtig nach solchen ausgeschaut wird. Der über das 
ganze Land verbreitete ,,Verein zur Beförderung 
der Homöopathie in den Niederlanden,“ sucht 
jenem Umstande abzuhelfen, indem er jungen Aerzten 
die Gelegenheit giebt, auf seine Kosten die Homöo¬ 
pathie in Buda-Pest u. s. w. theoretisch und prak¬ 
tisch kennen zu lernen. Trotz dieser Bestrebungen 
ist in den letzten 4 Jahren nur ein ärztlicher Ver¬ 
treter gewonnen und damit die obige Zahl „6“ 
erreicht worden. In Rotterdam, wo der Unterzeich¬ 


tom niemals bei organischen Nervenleiden beobach- nete seit 37 Jahren ansässig ist, besteht bei dem 


ten, während dasselbe in 27 Fällen von typischer : homöopathischen Publikum und bei ihm selbst das 
Neurasthenie, die unter dem Krankenmaterial (4000 dringende Verlangen nach der Niederlassung eines 


Fälle) der Wolffberg’sehen l Augenklinik 1892|93 j zweiten Arztes. Es wird dies selbst zu einer Noth- 


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79 


wendigkeit, da Unterzeichneter häufig nicht allen 
an ihn gestellten Anforderungen entsprechen kann 
und mit der ernstlichen Absicht umgeht, sich die 
Mühen der Praxis zu erleichtern und diese selbst 
in wenigen Jahren zum grösseren Theil aufzugeben. 
Solches kann aber, so lange nicht ein zweiter Arzt 
zur Stelle ist, sicher nicht geschehen, ohne die 
Interessen unserer Sache hier schwer zu gefährden. 

In dem Streben nun, der baldigen Niederlassung 
eines Arztes allhier den möglichsten Vorschub zu 
leisten, ist von den hiesigen Anhängern der Homöo¬ 
pathie für zwei Jahre eine jährliche Garantie-Summe 
von Fl. 2000 (3300 M.) gezeichnet worden, so dass 
der eventuelle Reflectant sogleich eine gesicherte 
Existenz findet. 

Es darf indessen nicht verhehlt werden, dass ! 
für den Ausländer einige Schwierigkeiten zu über¬ 
winden sind, um die Berechtigung zur Praxis hier 
zu erwerben. Er muss nämlich dazu 1. medicini- 
sche Prüfungen, aber nicht, wie es in No. 23 
und 24 dieser Zeitung beim Berichterstatter über 
das 50jährige Jubelfest des Collegen Dr. Gruber 


heisst, sämmtliche theoretische und praktische, sondern 
nur die praktischen ablegen. Diese Erleichterung 
wird aber nur demjenigen gewährt, welcher bereits 
im Auslande nach dem Bestehen der dort vorschrifts- 
mässigen Prüfungen das Recht zur Ausübung der 
ärztlichen Praxis in ihrem gesammten Umfange er¬ 
langt hat. 2. Die Prüfungen müssen in der 
holländischen Sprache bestanden werden. 

Ohne Zweifel ist die Erfüllung der oben ge¬ 
nannten Bedingungen für einen Ausländer nicht ge¬ 
rade leicht, andererseits aber für einen thatkräfti- 
gen jungen deutschen Arzt, welcher das Staats¬ 
examen vor nicht allzu langer Zeit bestanden hat 
und überdies noch frei und ungebunden ist, auch 
keineswegs übermässig schwer zu nennen. 

Derjenige junge College, welcher auf Grund 
des Vorhergehenden etwa geneigt sein sollte, sich 
liier in Rotterdam niederzulassen, wird dringend er¬ 
sucht, sich behufs näherer Informationen schriftlich 
an den Unterzeichneten wenden zu wollen. 

Rotterdam, 6. Febr. 1894. 

Dr. Kallenbach. 


Anzeigen. 


Soeben ist bei J. Kocher in Ueutlingen er 
schienen und durch ihn, vom Verfasser und von 
allen Buchhandlungen zu beziehen: 

Innere Heilkunst gegen sogenannte chirurgische 
Krankheiten von E. Sehlegel, prakt. Arzt und 
Augenarzt in Tübingen, Specialist für inner¬ 
liche Behandlung sogenannter chirurgischer 
Krankheiten. 10 Bog. 8°. Preis 2 Mark. 

Die Schrift ist zugleich eine Erwiderung gegen 
die Angriffe des Herrn Medieinalrath Dr. von Burk¬ 
hardt in Stuttgart auf die Homöopathie. Zahlreiche 
Krankengeschichten eigener Beobachtung, insbe¬ 
sondere sogenannter chirurgischer Tuberkulose 
(Knochenkrankheiten) und von Krebsfällen. 


Homöopathischer Arzt gesucht. 


Wachenheimer Sect. 


Prämiirt in Leipzig 1892: 

Ehrenpreis der Stadt Leipzig 
und Goldene Medaille. 


Blau Etiquette . Mk. 2.— \ 
Monopole . . „ 2.50 | 

Weiss Etiquette . „ 3.— | 

Kaiser-Perle . . „ 4.— J 


incl. Kisten und 
Flaschen von 
12 bis 50 Stück. 


Mit 10% und 15% Rabatt. 


Hauptniederlage und Generalvertreter 

Eduard Krade, Leipzig, 

Plagwitzer Strasse 9. 

Wiederverkäufer und Exporteure Extra-Off. 


In einer niederrheinischen Fabrikstadt von circa 
106 000 Einwohnern, worin ein homöopathischer 
Arzt seit mehreren Jahren mit Erfolg practicirte, 
leider aber aus Gesundheitsrücksichten - die Stadt 
verlassen musste, um nach dem Süden zu ziehen, 
wird ein liebenswürdiger, wenn möglich verheiratheter 
Arzt mit Selbstdispensir-Recht baldigst gesucht. 

Nähere Auskunft über örtliche Verhältnisse etc. 
giebt der Vorsitzende des homöopathischen Vereins 
und wolle man sich dieserhalh an den Seidenwaaren- 
fabrikanten Herrn Herrn. Menne in Crefeld wenden. 


Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Collectionen vom 1. bis 127. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den 
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht, 
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen. 

A. Marggraf’s homöopath. Officin in Leipzig. 


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Die schönste Schlingpflanze der Weit dürfte die neu 
eingeführte 

„Kaiserwinde“ Ipomoea imperialis 

sein, deren Farbenpracht zu schildern kaum gelingen dürfte. 
Sie sind ein Produkt jahrelanger Zucht, sorgfältiger Wahl 
und gegenseitiger Befruchtung und stammen direct von den 
sogenannten „Huberwinden“ der Gärten ab. Sie ranken 
sehr hoch, lieben sonnige Lage und blühen sehr reich; 
das Laub ist grün, silberbunt, oder auch seltener gelb. 
Die Blüthen sind meist enorm gross, so zwar, dass sie an 
den Rändern gefranst erscheinen oder zusamraengefaltet 
und also den höchsten Grad von Vollkommenheit erreicht 
zu haben erscheinen. Die Farben sind grösstentheils neu, 
nicht nur bei dieser Prachtclasse von volubilis, sondern 
überhaupt theilweise an Blumen bisher neu und nicht da¬ 
gewesen. Man findet z B. aschgrau, broncefarben, braun, 
schieferblau und so seltsame Mischungen verschiedener 
Farben, für die wir keinen Ausdruck finden, die der Pinsel 
eines Malers ausfindig gemacht zu haben scheint. Uebri- 
gens bewegen sie sich vom schneeigsten Weiss und himmel¬ 
blau bis zu schwarzblau, vom zartesten Incarnat zum tiefsten 
Purpur und glänzendsten Roth. Sie sind geflammt und 
gestrichelt, gesternt und marmorirt und bunt bis zum 
Excess! Sie sind oft prachtvoll gerändert, z. B. leuchtend 
purpur mit breitem, weissem Saume; sie sind ein Natur¬ 
wunder! Ihre Kultur ist die einfachste der Welt! Frühe 
Anzucht, warmer, sonniger Stand und leichter, kräftiger 
Boden. Wer einen Garten oder Blumentopf hat, pflanze 
sich diese Prachtschlinger und es wird ihn nicht gereuen. 
Sie schlingt im Topfe wunderschön empor, namentlich wenn 
an Fenstergittern geleitet, wo sie alles umspinnt und in 
kurzer Zeit ein buntes Laub- oder Blumenfenster bildet. 

Echten Samen nur durch Albert Fürst in Sohmalhof, 
Post Vilshofen in Niederbajern, zu beziehen. 


Die Mairose der Mexikaner. 

Antigonon leptopus. 

Eine Schlingpflanze aus Mexiko aus der Familie der 
Polygoneen mit knollartiger Wurzel, von der der Reisende 
Berth. Seemann sagt, der sie auf einer Excursion von 31a- 
gatlau aus antraf, dass er bis jetzt keine so zierliche und 
schöne Pflanze in unseren Gewächshäusern kenne, als diese. 
In jener Gegend nennt man sie die Rosa de Mayilo, wegen 
der Fülle der dunkelrosenrothen Blüthentrauben, welche, 
von weitem gesehen, denselben Effect wie Rosen machen, 
wenn auch die Form der einzelnen Blüthen nicht die ge¬ 
ringste Aehnlichkeit mit dieser Blume hat. Das Antigonon 
ist durchaus keine zärtliche Warmhauspflanze, sondern ge¬ 
deiht im Sommer sehr gut im Freien und wächst dabei 
sehr üppig und robust. Die grossen nussartigen Samen 
keimen in 6—8 Tagen. In Töpfen blüht die Mairose, wenn 
einmal gut durchwurzelt, vom Juli angefangen, bis zum 
Herbst und dann jn's Zimmer gestellt, den ganzen Winter 
hindurch, und ein Fenster ist ott mit Hunderten von monat¬ 
rosenähnlichen Blumen bedeckt, was im Winter von höchstem 
Effect erscheint. Frischen Samen habe ich soeben aus 
Mexiko erhalten und erlasse die Portion für I M. 12 andere 
seltene Sorten Schlingpflanzen ä 1 Portion 3 31. 

A. Fürst, Kunstgärtnerei, Hchmalhof, 
Post Vilshofen, Niederbayern. 



Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift>Sehränkchen 

und 

Separanden-Schrän kchen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum- 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die da* ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abteilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Ge fasse, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thtiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildem ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandenecbränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle 3Iittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weist zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬ 
chen jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor¬ 
rätig. 

Die obere Abteilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abteilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabteilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewanrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggraf s homöopath. Offlein in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Nossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius M&ser in Leipzig. 


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Band 128. 


Leipzig, den 15. März 1894. 


No. 11 u. 12 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 

Herau8gegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlas von William Steinmetz (A. MarggraFs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


QtF** Erscheint 14tftgig zu 2 Bogen. ISDoppelnnmmern bilden einenBand. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasenstein AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagsbandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Oflloin in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 


Inhalt. Nachklänge von Chicago. Vom Redacteur. — Aufforderung. — lieber das Magengeschwür. Von 

Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Primi Studi di 
materia medica applicata secondo la legge dei Semilli. Pel Dott. G. Bonino-Torino 1893. Besprochen von Dr. Mossa. — 

Zur Prüfung von Viscum album e pyro malo. — Argentum nitricum in einem Falle von Enteritis pseudomembranacea. 
Von Dr. F. H. Pitchard. — Nihil novi sub sole! — Homöopathie involuntaria. — Lesefrüchte. - Personalia. — 

Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 'WS 


Nachklänge von Chicago. 

Vom Redacteur. , 

Die deutsche Industrie und Kunst hat auf der 
Weltausstellung in Chicago nach dem Urtheil aller j 
berufenen Stimmen eine hervorragende Stellung 
eingenommen; dass die Position der deutschen ' 
Homöopathie auf dem damals abgehaltenen homöo¬ 
pathischen Weltcougress eine gleich günstige ge- , 
wesen sei, können wir dagegen nicht behaupten. 
Wir hatten ja keinen Vertreter dort, und Dr. Villers j 
hat leider in seinem eingeschickten Vortrage „Ge¬ 
schichte der Homöopathie in Deutschland u das i 
Bild, das er den versammelten homöopathischen | 
Aerzten aus allen Völkern und Zungen von dem ! 
gegenwärtigen Zustande der deutschen Homöopathie 
vorgeführt hat, in einzelnen Punkten gar zu schwarz | 
gemalt. Ja, er hat in seinem Vortrage, wie er I 
uns jetzt in seinem „Archiv für Homöopathie“, j 
Januar 1894, vorliegt, einige Aeusserungeu gethan, i 
an denen Viele, wie uns mitgetheilt worden ist, 
Anstoss genommen haben, und, da wir selbst hierin 
mit ihm nicht übereinstimmen, so wollen wir einige 
Bemerkungen an seine Expectorationen knüpfen. 

1. Das Urtheil, das er über eine Anzahl jüngerer I 
deutscher homöopathischer Aerzte fällt, erscheint ' 


uns als ein gar zu schroffes, abfälliges, wegwerfendes. 
L. e. p. 7 heisst es: 

„Wohl aller in den letzten 10 Jahren zur 
Homöopathie übergetretenen jüngeren Aerzte haben 
dort (in der Dr. Schwabe’sehen Poliklinik) ihre 
homöopathische Ausbildung genossen oder sind 
wenigstens vorübergehend dort beschäftigt gewesen. 
Durch diesen äusserlichen Umstand ist es gekommen, 
dass die jüngeren Herren auch das im Schwabe’schen 
Verlage erschienene Buch als Leitfaden für ihre 
Studien genommen haben. 

Diesen Medieinern, denen noch die bequeme 
Formulirung der Therapie nach allopathischem 
Muster im Ohre klingt, hier die Krankheit, dort 
das Mittel, erscheint natürlich dieselbe Formulirung 
der therapeutischen Vorschriften auf homöopathi¬ 
schem Wege sehr ansprechend und anlockend Erst 
später, wenn sie mit einem homöopathisch gebildeten 
Arzte Zusammenkommen, der diese laienhafte Art 
perhorrescirt, beginnen sie zu ahnen, dass das 
Studium der homöopathischen Arzneimittellehre ein 
ganz anderes ist, und dass die grossen, von unsern 
Collegen anderer Richtung nicht erreichten Erfolge 
nur erzielt werden auf dem Grunde mühsameren, 
trockneren Symptomen-Studiums. 

So kommt es, dass eine gewisse Zahl der jetzt 

11 


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in Deutschland prakticirenden homöopathischen Aerzte 
gar nicht in der Lage ist, eine wissenschaftlich 
begründete Propaganda für ihre Kichtung zu treiben, 
und dass sie desshalb in der Vertretung ihrer An¬ 
schauung nicht wesentlich höher, als die von 
Enthusiasmus getragenen Laienanhänger unserer 
Richtung stehen. Das aber hat wieder zur Folge 
ehabt, dass unsere Collegen von der herrschenden 
chule gar kein Interesse für eine wissenschaftliche 
Richtung haben können, als deren Vertreter in der 
Oeffentlichkeit sie immer nur wieder Laien und 
Halbgebildete bemerken können.“ 

Bei dem notorischen Mangel an Bildungsstätten 
bei uns für einen jungen, der Homöopathie zuge¬ 
neigten Arzt kann es ihm — und auch uns — nur 
willkommen sein, wenn ihm die Schwabe’schen An¬ 
stalten freundlich aufgethan sind, wo sich ihm reich¬ 
lich Gelegenheit zu seiner Ausbildung darbietet. 
Ueberhaupt wird für ihn Leipzig, w r o ihm ausserdem 
die Poliklinik und das Krankenhaus des homöo¬ 
pathischen Centralvereins, wo unsere überaus reich¬ 
haltige Bibliothek zu Gebote stehen, für das 
theoretische und besonders praktische Studium der 
Homöopathie wohl der geeignetste Ort in Deutsch¬ 
land sein. — An der Spitze der Schwabe’sehen 
Poliklinik steht, so viel wir wissen, der Oberstabs¬ 
arzt a. D. Rohowsky, ein für die Homöopathie be¬ 
geisterter Mann, der sich mit der allgemeinen 
wissenschaftlichen Diagnose, so gewissenhaft er sie 
zu eruiren sucht, nicht begnügt, sondern das 
individuelle Krankenexamen mit aller Schärfe an- 
etellt und dem entsprechend in der Therapie mög¬ 
lichst zu individualisiren bestrebt ist. Da unter 
dem b 6 der jungen Aerzte ein gut Theil aus 
Preusseu sind und diese fast sämmtlich die staat¬ 
liche Prüfung zur Erlangung des Selbstdispensir¬ 
rechtes zu absolviren pflegen, so können sie sich 
auch dort auf bequeme Weise gute Kenntnisse in 
der homöopathischen Pharmakologie, in der Arznei- 
Bereitungs- und -Verordnungslehre erwerben. In¬ 
dem sich jene Prüfung aber nicht minder auf die 
homöopathische Materia medica erstreckt, so werden 
sie schon aus diesem äusseren Grunde genöthigt 
sein, sich mit unseren Mittelprüfungen zu befassen. — 
Selbst, wenn sie im Anfänge ihrer Praxis jenes 
incriminirte Lehrbuch der Homöopathie zu ihrem 
Leitfaden wählen sollten, obgleich w r ir nicht ein- 
sehen, warum sie nicht doch lieber sich an Kafka 
oder Bähr halten werden, so werden sie doch in 
der Folge, wenn sie einigermassen strebsame Geister 
sind, über die Eselsbrücke hinweg zu den Quellen 
der Materia medica hom. fortschreiten. Für den 
Anfang würden ihnen Hahnemann’s Prüfungen eine 
*u schwere, unverdauliche Speise sein. Mögen sie 
sich da an Heinigke, Farrington-Fischer oder an 
die uns jetzt erschlossene Condensed Materia medica 


0. Hering’s machen. Es fallt eben kein Meister 
vom Himmel, und ein homöopathischer erst recht 
nicht; wer kann sagen: ich bin einer? Sind wir 
nicht in einem das ganze Leben dauernden Werden 
begriffen? 

Kann man denn aber ein Verfahren, wie es 
Kafka und andere bedeutende Männer unter uns 
geübt haben, welche die Mitteldiagnose auf dem 
klinischen Krankheitsbilde mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der pathologisch-anatomischen Gewebs- 
verhältnisse zu begründen bemüht waren, und 
z. B. bei den Pneumonien je nach der besonders 
gearteten Form derselben ein entsprechendes Simile 
für angezeigt hielten (obwohl Kafka im concreten 
Falle zu individualisiren verstand), ein laienhaftes 
nennen? Fehlen nicht dem Laien schon zur Unter¬ 
scheidung dieser verschiedenen Formen eines Krank- 
lieitsprocesses die wissenschaftlichen Kenntnisse und 
die zur Untersuchung erforderlichen Fertigkeiten? 
Auf der Waage der schlichten Lehre Hahnemann’s 
mag jenes Verfahren als zu leicht erfunden w r erden, 
aber als laienhaft kann man es nicht stigmatisiren. 
Desshalb sehen wir keinen Grund, wesshalb ein 
wissenschaftlicher, exacter Arzt der alten Schule, 
der doch der Homöopathie gegenüber ein Nicht¬ 
wissender ist, jene Species jüngerer homöopathischer 
Aerzte, denen von der Schulweisheit noch zu viel , 
aber nicht zu wenig anklebt, als laienhafte, halb¬ 
gebildete , von Enthusiasmus getriebene Vertreter 
unserer Heilkunst verächtlich ansehen soll. — 
Uebrigens mögen wir auf das Laienthum, das, wie 
in jeder Kunst, so auch in der homöopathischen 
Heilkunst, ganz bedeutende Autoritäten aufzuweisen 
hat, wir erinnern nur an Männer wie Jahr und 
den ohne Zweifel genial angelegten Lutze, nicht 
gar zu tief herabblicken, wenn sie auch durch das 
Feuer der Staatsprüfung nicht geläutert worden 
sind. Dieses letzteren Vorzugs erfreuen sich nun 
aber gerade jene ft 6 , eines Vorzugs, kraft dessen, 
w r ie College ViIlers in seinem Vortrage gut be¬ 
merkt, „wir unseren Berufsgenossen anderer Rich¬ 
tung gegenüber nicht erst zu beweisen brauchen, 
dass w r ir wissenschaftlich gebildete Männer sind.“ — 
Nach alledem können w r ir nicht umhin, es auszu¬ 
sprechen, College Villers bewege sich diesen 
„jüngeren, modern geschulten und modern denkenden 
Kräften“ gegenüber in einem circulus vitiosus. 

2. Nun eine kleine oratio pro domo! 

Bei der Besprechung der homöopathischen Lite¬ 
ratur in Deutschland sagt College Villers: „Die All¬ 
gemeine homöopathische Zeitung hat kein Programm 
mehr, da sie nicht unter der Leitung eines einzelnen, 
sondern dreier verschiedener Redacteure steht, und 
in ihr finden auch die Bestrebungen eines kleinen 
Kreises Ausdruck, welche unter dem Namen 
Epidemiologische Gesellschaft sich zus&mmengethan 


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83 


hat, und welcher auf Grund der Lehren des 
Dr. Weihe eine Verbesserung der Homöopathie 
darin zu finden hofft, dass er zu den Syrtiptomen 
der einzelnen Mittel auch die Schmerzhaftigkeit 
einzelner Nervenpunkte hinzuzählt und überdies 
die alten Theorieen Raderaacher’s von den epidemisch 
herrschenden Heilmitteln zu fructificiren versteht. 4 

Dass die Schriftleitung der „Allgemeinen“ unter 
unseren drei Vorgängern im Amte keine einheit¬ 
liche gewesen, werden diese selbst zugestehen; das 
lag in der Natur der Sache wie der Personen. 
Insofern sie aber alle drei das Aehnlichkeitsgesetz 
als den Central- und Fundamentalpunkt der Homöo¬ 
pathie anerkannten, kann man ihre Leitung doch 
nicht so schlankweg programmlos nennen. — In¬ 
zwischen hat sich der damalige Status quo ver¬ 
ändert; die Redaction ruht wieder in einer Hand, 
und haben wir in der ersten Januarnummer unser 
Programm aufgestellt. Wir haben es jedoch gleich 
a limine aussprechen zu müssen geglaubt, dass wir 
nicht immer die Schneide des homöopathischen 
Prinzips festlialten werden, sondern dass wir, den 
Traditionen dieser Zeitschrift und auch unserer 
Anschauung gemäss, auch den von uns ausgehenden 
Richtungen, selbst wenn sie in manchen Punkten 
von Hahnemann’s Lehre abweichen sollten, das 
Wort einzuräumen gesonnen sind. Wie die „All¬ 
gemeine“ also früher zu der Schüssler’sehen, so 
wird sie jetzt zu der Weihe’schen Richtung eine 
freundliche, zuwartende Stellung einnehmen. Wir 
sollen und wollen den Geist nicht dämpfen, sondern 
das Gesetz der Evolution, wie das der Auslese an 
diesen Neubildungen (wir nehmen dies Wort hier 
im guten Sinne) am Stamme der alten Homöopathie, 
ohne, so lange es angeht, einzugreifen, walten 
lassen. Vorläufig geht unsere Meinung dahin, dass 
die Erleichterung, welche man durch die Weihe’schen 
Schmerz- oder Druckpimkte für das Auffinden des 
homöopathischen Heilmittels zu erlangen hoffte, 
dadurch in Frage gestellt wird, dass die Anzahl 
dieser Punkte, welche zum Theil auf einen engen 
Raum zusammengedrängt sind, sich bereits in kurzer 
Zeit in einer Weise vermehrt hat, welche an das 
Gedächtniss und das Erlernen der Technik über¬ 
mässige Forderungen stellt. Wenn diese Frucht¬ 
barkeit anhält, wo soll das hinaus? — Die Ober¬ 
herrlichkeit der nach Weihe jeweilig herrschenden 
Mittel ist sodann eine so kurze, oft so schnell 
wechselnde, kaum ephemäre, dass sie mit Rade- 
macher’s und auch Hahnemann’s epidemisch¬ 
herrschenden Mitteln nichts gemein haben, was ja 
auch die Anhänger dieser Richtung wiederholt be¬ 
tont haben. — Für einen jungen Anfänger in der 
Homöopathie wäre es aber geradezu ein Unsegen, 
wenn er, ohne in die Kenntniss unserer Heilmittel¬ 
lehre eingeweiht zu sein, sich sofort an die Druck¬ 


punkte machen wollte. Er käme dann gewiss auf 
keinen festen, sichern Grund, sondern geriethe bald 
an den Felsen der Scylla, bald in den Strudel 
der Charybdis. 

Schliesslich noch einige Worte über Villers 
Stellung zur Frage vom Selbstdispensiren der 
homöopathischen Aerzte. Mit seiner Forderung, 
dieselben sollten das Selbstdispensiren aufgeben, 
steht er, wie er selbst eingesteht, mit einem ganz 
kleinen Kreise von Freunden vereinsamt unter den 
Collegen da. — Dem ist in der That so, und dabei 
steht er hierin in einem schneidenden Gegensatz 
zu Hahnemann und seinen getreuesten Anhängern; 
denn diese beanspruchten das Anfertigen und Dis- 
pensiren der homöopathischen Arzneien nicht nur 
als ein Recht, sondern hielten es auch für eine 
wesentliche Pflicht eines homöopathischen Arztes. 
Nun kann man freilich entgegnen, dass sich die 
Verhältnisse seit Hahnemann’s Zeit verändert haben, 
und andere Zeiten — andere Sitten und Einrich¬ 
tungen ! Wir müssen mit Collegen Villers ein¬ 
räumen, dass „die Apotheken, die sich ausschliess¬ 
lich mit homöopathischen Arzneien beschäftigen, 
gut sind.“ Deren giebt es aber gar wenige. 

Misslicher ist es schon, wenn er sagt: „Homöo¬ 
pathische Abtheilungen von grösserer oder geringerer 
Vorzüglichkeit haben fast alle autorisirten (? Ref.) 
Apotheker Deutschlands, und es muss anerkannt 
werden, dass im Grossen und Ganzen der Apotheker¬ 
stand entsprechend seiner rühmlichst bekannten 
Zuverlässigkeit auch auf diesem, ihm zunächst fern¬ 
liegenden Gebiete Gutes zu leisten versucht.“ 
Hierauf erwidern wir: Wo die homöopathische 
Officin nur ein Appendix der allöopathischen Apo¬ 
theke ist, da wird sie meist auch als ein solcher, 
als Anhängsel, behandelt. Eine vollständige 
Trennung beider ist nicht immer durchgeführt, 
dasselbe Personal muss beide bedienen, und ist 
dieses in der Hauptapotheke stark beschäftigt, so 
wird es mit der Anfertigung homöopathischer Mittel, 
die man als Nebensache ansieht, oft genug nicht 
genau genommen werden. — Dazu kommt noch, 
dass, wie Villers richtig und kräftig sagt, es im¬ 
mer einzelne Fanatiker und unreife , grüne Jungen 
giebt, welche der ihnen unbequemen Richtung da¬ 
durch Hindernisse zu bereiten glauben, dass sie die 
verordneten homöopathischen Medieamente liederlich 
bereiten und abgeben.“ Wenn er dann hinzufügt: 
„Es muss aber betont werden, dass solche Ehr¬ 
losigkeiten selten Vorkommen,“ so sprechen leider 
die Resultate der vor mehreren Jahren in solchen 
appendiculären homöopathischen Officinen angestellten 
Controll-Vexir-Versuche nicht zu Gunsten dieser 
guten Meinung. — Ein Missstand liegt schon im 
häufigen Wechsel der Apothekergehilfen; kaum hat 
sich ein junger Mann in die Darstellungsweise där 

11 * 


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84 


homöopathischen Mittel, worüber er ja in seinem 
akademischen Unterrichte nichts gehört hat, prak¬ 
tisch eingearbeitet, so macht er wieder einem Neu¬ 
ling Platz. — Eine staatliche Revision der homöo¬ 
pathischen Officinen, so wichtig sie in vielen Be¬ 
ziehungen ist, kann uns leider über die Zuverlässig¬ 
keit der homöopathischen höheren Potenzirungen 
keine Garantie gewähren. So hängen wir, d. h. 
das Heil unserer Kranken, nicht bloss von der Ge¬ 
wissenhaftigkeit der Principale, sondern auch der 
Provisoren, ja des jüngsten Lehrlings ab. — Unter 
solchen Umständen bleibt also das Selbstdispensiren 
für den homöopathischen Arzt ein vitales Bedürfniss, 
und, wo man das Recht hierzu, wie in Preussen, 
legaliter erlangen kann, wird sich wohl kein Col¬ 
lege desselben freiwillig entäussem. Ja, es wäre 
in hohem Grade wünschenswerth, wenn sich die 
Medicinal-Gesetzgebung des deutschen Reiches die 
preussisclien Verhältnisse zur Richtschnur nehmen 
möchte: was freilich, das wissen wir, ein frommer 
Wunsch bleiben wird. — Wenn College Villers noch 
das Aufgeben des Selbstdispensirens aus partei¬ 
politischen Gründen empfiehlt, d. li. um die hier¬ 
durch zwischen den Aerzten der alten und der der 
homöopathischen errichteten Scheidewand aufzuheben 
und uin den Widerstand des Apothekergewerbes 
gegen die Homöopathie zu beseitigen, so meinen 
wir, diese Conformität wird unsern allopathischen 
Collegen wenig imponiren, und um die Gewogen¬ 
heit der Apotheker zu gewinnen, ein solches Opfer 
bringen? Was würde Hahnemann zu dieser Zu- 
muthung sagen? 

Doch Villers sieht noch einen anderen Weg zur 
Erreichung dieser Conformität offen: man erstrebe 
das Selbstdispensiren der Arzneimittel für alle Aerzte 
ohne Unterschied. Dieser Vorschlag erscheint dis- 
cutabel, wenn er nur nicht, unter den obwaltenden 
Umständen, gar zu utopisch wäre. 

Nach diesen sine ira et Studio geführten Aus¬ 
einandersetzungen gereicht es uns zur Genug¬ 
tuung, dass der Schluss des Villers’schen Vortrages 
in Chicago so freundlich und wohlthuend ausklingt, 
er für die Zukunft der deutschen Homöopathie ein 
so günstiges, verheissungsvolles Prognostikon stellt. 
Er sieht in ihrem Entwickelungsgange nach einer 
Periode mutlosen Niederganges jetzt deutliche 
Zeichen dafür, dass wir uns wieder im Anfänge 
einer aufsteigenden Linie befinden. — Dies ist für 
uns eine erfreuliche Thatsache, ja um so erfreu¬ 
licher, als wir in einer Zeitepoche leben, welche die 
Franzosen schlechthin als fin de siede (was wir 
etwa mit „schäbigem Rest des Jahrhunderts“ wieder¬ 
geben können), als unter dem Zeichen der Deca¬ 
dence, des Niedergangs und des Verfalls, stehend 
zu bezeichnen pflegen. In der That tritt dieser 
Niedergang auf vielen Gebieten mit erschrecklicher 


Deutlichkeit hervor, so auch auf dem der Medicin 
der herrschenden Schule. Doch sind wir nicht so 
i pessimistisch, um nicht auch neben den Entartungs- 
! strömen in derselben hier und da ein leises Zeichen 
einer beginnenden Regeneration wahrzunehmen, 
i' Um wie viel leichter würde diese Regeneration vor 
! sich gehen, wenn die herrschende Schule die in 
der Homöopathie, vermöge ihrer naturgesetzlichen 
Grundlage vorhandenen Kräfte ohne Widerstreben 
! auf sich einw r irken lassen wollte! 


Aufforderung. 

Die Unterzeichneten homöopathischen Aerzte, 
welche sich an der Poliklinik der Jh. SchwaHn? sehen 
Central-Apotheke in Leipzig zu Homöopathen aus¬ 
bildeten und sich mit Dank und Anerkennung an 
! die ihnen dort, gewordenen praktisch-nützlichen An- 
| regungen erinnern, beabsichtigen Protest gegen die 
| ihnen von Herrn Dr. Alexander Villers in Dresden 
I zugefügten, provocatorischen Verunglimpfungen zu 
! erheben. Letztere sind in einem Referate enthalten, 
welches der genannte Herr dem vorjährigen homöo- 
I pathischen Welt-Congresse über die deutsche Homöo- 
I pathie in ganz subjectiver Form erstattet hat. Die- 
j jenigen Herren Collegen, welche sich unserem 
| Proteste anschliessen wollen, werden ersucht, dem 
| mitunterzeichn eten Dr. Heng steheck in Remscheid , 
Weststrasse 15, recht bald hiervon Kenntniss zu 
geben. Der Protest selbst wird mit eingehender Be¬ 
gründung dem Präsidenten jenes Congresses, Herrn 
Professor Dr. Mitchell in Chicago . zugesandt werden 
Im Februar 1894. 

Dr. Heilgstebeck-Reiuscheid. 

Dr. Schröder-Elberfeld. 

Dr. Nagel-Elberfeld. 

Dr. Luke-Finnentrop. 

Dr. Ka t Vser-Saarbrücken. 


Ueber das Magengeschwür. 

Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. 

Gennain See in Paris*) theilt, um das Studium 
und die nähere Natur dieser Krankheit recht ver¬ 
ständlich zu machen, die Erkrankungen des Magens 
in folgende drei Gruppen, welche die ganze Patho¬ 
logie des Magens vom physiologischen und chemi¬ 
schen Standpunkte umfassen, ein. 

Die erste Gruppe umfasst die am besten präci- 
sirten Formen, denen allen als vorherrschender 
Charakter die Hypcrchlorhydrie, d. i. überschüssige 
Salzsäurebildung im Magensaft, zukommt. Neben 

*) „Le Bulletin Medical,“ 30 Sept. 1893. J. Kl. R. 


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85 


dieser eigentlichen Hyperchlorhydrie muss man 
in diese Gruppe noch einen andern Zustand hinein¬ 
bringen, der erst in der allerletzten Zeit erkannt 
wurde, nämlich die Gastromccorrhoe oder andauernde 
allgemeine Hypersecretion, die unter zehn Fällen 
neun Mal von Hyperchlorhydrie begleitet ist; in | 
diese Gruppe muss man auch das Ulcus Ventriculi j 
rechnen, welches in allen nicht complicirten Fällen j 
die Hyperchlorhydrie zum Ausgangspunkte nimmt, i 

Die zweite chemische Gruppe entwickelt sich j 
ausser der Hyperchlorhydrie auf dem Boden der j 
abnormen Gährungen mit oder ohne Bildung von j 
Gas; dieselbe wird unter dem Namen Gährungs- 
oder Gas-Dyspepsie den chronischen Katarrh, die , 
glandulären Gastritiden, die Cirrhosen, die Atro- | 
phieen der Schleimhaut und den Krebs zu umfassen I 
haben. I 

Die dritte Gruppe bezieht sich auf den neuro- 
motorischen Zustand, ohne — wenigstens primäre — | 
Störungen chemischer Natur. In dieselbe kann 
man die Magendilatationen hineinbringen, wenig¬ 
stens diejenigen Fälle, bei denen die Dilatation 
gut ausgebrochen ist; überdies gehören hierher ge¬ 
wisse Gastralgieen und endlich das primäre neuro- 1 
motorische Erbrechen. 

Anatomische Pathogenese des Ulcus. 

Nach diesen Prämissen wollen wir jetzt auf 
das Ulcus zurückkommen, das im Jahre 1830 von | 
GruveiUier zuerst genau studirt worden ist. 

Es handelt sich nämlich hier um eine nekro- | 
tische Affection, die zuerst an der Schleimhaut auf- j 
tritt und sich in die Tiefe verbreitet und oft die | 
GefUsse arrodirt, wodurch sich die Hämorrhagieen und 
die Perforationen des Organes erklären. Man hat 
das Ulcus oft Ulcus rotundum, Ulcus simplex und » 
Ulcus chronicum genannt; es ist in der That eine 
Seltenheit, wenn dasselbe eine ausgesprochen läng¬ 
liche Form hat, wenn sein Verlauf ein acuter ist 
und wenn es multipel auftritt; nichtsdestoweniger 
entdeckt man oft neben dem Ulcus noch Narben 
älterer Ulcera. 

Sein Lieblingssitz ist die Regio pylorica, die 
kleine Curvatur und die hintere Fläche. In diesem 
zuletzt genannten Falle kann die Arteria lienalis 
durch den Ulcerationsprozess in Mitleidenschaft ge¬ 
zogen werden. 

Das Ulcus präsentirt sich bei der Section unter 
dem Anblicke eines abgerundeten oder mehr oder 
weniger ausgezogenen Substanzverlustes mit senk¬ 
recht in die Tiefe verlaufenden oder trichterförmi¬ 
gen Rändern mit einer bald gesunden, bald an 
ihren Rändern indurirten oder sehr vorspringenden j 
Schleimhaut, die eine Schwellung von weinrother | 
Farbe darstellt. Der Grund des Ulcus kann aus 


einem grauen, pulpösen Magma bestehen. Häufig 
unterscheidet man an demselben die blossgelegten 
Muskelfasern und bisweilen eine klaffende kleine 
Arterie, welche die Quelle einer Hämorrhagie war. 

Die trichterförmige Anlage der Geschwürsränder, 
mit der die Beschaffenheit der Endigungender kleinen 
Arterien des Magens, die sich in Form von Kegeln 
verbreiten, in Beziehung zu stehen scheint, sowie 
die Theorieen der Thrombose und Embolie wurden 
lange Zeit für die Genesis des Ulcus ventriculi 
herangezogen. Man findet auf jeden Fall häufig 
den Zustand der Endarteritis obliterans oder Miliar¬ 
aneurysmen in den Gelassen der Region, in welcher 
das Ulcus seinen Sitz hat. Dies sind die anato¬ 
misch-pathologischen Charaktere des Ulcus, die es 
gestatten, das Ulcus von den hämorrhagischen Ero¬ 
sionen zu unterscheiden, die man in Fällen von 
Gastritis antreffen kann. 

Nach der Ansicht mancher Pathologen, wie 
Virchow und Mathie , können sich die Erosionen 
unter dem Einflüsse der corrosiven Wirkung des 
Magensaftes in Geschwüre umwandeln; aber es 
handelt sich in diesen Fällen um Ausnahmen; es 
ist nachgewiesen worden, dass die Erosionen nur 
selten in den Geschwürszustand übergehen. (Langer- 
hans.) Gei'hardt , der zahlreiche hämorrhagische 
Erosionen beobachtet hat, konnte nur einen einzi¬ 
gen Fall von Uebergang in Geschwür beobachten. 
Was dazu angethan ist, eine Verwirrung in dieser 
Angelegenheit hervorzurufen, das ist der Umstand, 
dass die hämorrhagischen Erosionen Symptome be¬ 
dingen können, welche denen des Ulcus analog sind 
und selbst den Tod durch Hämorrhagie bewirken 
können. Ein derartiger Fall wurde bei der Section 
von Hampeln im Jahre 1891 constatirt. 

Trotz seiner Tendenz, sich in die Tiefe auszu¬ 
breiten, ist das Ulcus ventriculi dennoch der Heilung 
zugänglich. 

Thatsächlich heilt dasselbe oft, wie es die Nar¬ 
ben, die man so häufig bei Autopsieen antrifft, be¬ 
weisen, besonders ist dies beim Weibe der Fall. 
Wenn somit der Kranke den gefährlichen Compli- 
cationen, die sich hier ereignen können, entgangen 
ist, und zwar zu einer Zeit, zu der sich das Ge¬ 
schwür noch in voller Thätigkeit befindet (Hämor- 
rhagien, Perforation des Magens mit darauffolgender 
Peritonitis, Darmfisteln usw.), so vernarbt das Ge¬ 
schwür; dennoch ist der Kranke von diesem Mo¬ 
mente an vor jeder Gefahr nicht geschützt, denn 
die Narbe kann durchbrechen, oder, wenn sie am 
Pylorus ihren Sitz hat, eine Verengerung desselben 
bewirken, die eine mechanische Dilatation des 
Magens mit allen ihren (Konsequenzen zum Ge¬ 
folge hat. 

Man sagt gemeinhin, dass der Kranke, der von 
einem Ulcus ventriculi ergriffen ist, in den meisten 


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Fällen früher an Magenbeschwerden gelitten habe; 
dies trifft zu, wenn man damit die Existenz einer j 
chemischen Störung, welche dem Geschwüre voran- I 
gegangen war, andeutet, aber diese Angabe ist j 
nicht mehr zutreffend, wenn man den Ulcerösen 
von der Bildung des Ulcus als von einer eigent¬ 
lichen Gastritis ergriffen betrachtet, oder wenn j 
man die Existenz des Ulcus derjenigen der mehr ! 
oder weniger ausgesprochenen nervösen Störungen 
unterordnet. 

Was die Gastritis betrifft, so ist es sicher, dass 
man häufig neben dem Ulcus folliculare Uleerati- 
tionen antrifft, welche dem Ulcus rotundum als 
Uehergangsformen dienen, aber diese Ulcerationen 
sind secundärer und nicht primärer Natur; sie 
sind das Resultat der Einmischung des „übersauren“ 
Magensaftes auf verschiedene umschriebene Stellen. 

Was die umschriebene Region des Geschwüres 
betrifft, so ist es sicher, dass sie der Sitz intersti¬ 
tieller und parenchymatöser Veränderungen sei, dass 
man eine Proliferation des interstitiellen Zellgewebes 
und diverse Affectionen des Drüsenepitheliums con- 
statirt; aber diese Veränderung, die man mit Un¬ 
recht als eine Gastritis bezeichnet hat, denn es 
handelt sich hier um einen degenerativen und nicht 
irritativen Process —ist ausserordentlich umschrieben. 
Ausser einer sehr kleinen Zone in der Umgebung 
des Geschwüres ist die Magenschleimhaut bei den 
Ulcerösen fast immer normal im Gegensätze zu 
dem, was man in den Fällen von Krebs beobach¬ 
tet. Kurz das einzige prodromale Stadium des 
Ulcus, das wir anerkennen, ist die Hyperchlor- 
hydrie; sie existirt vor und während der Ulcera- 
tionsperiode; sie stellt eine specifisch chemische 
Störung dar; sie nimmt weder aus einer anato¬ 
mischen Veränderung (Gastritis) noch aus einem 
nervösen Zustande ihren Ursprung. 

Es ist unmöglich, das erste Auftreten des Ulcus 
näher zu bestimmen, denn die Phänomene der Hy- 
perchlorhydrie, die ihm vorangehen, bieten natür¬ 
lich die grösste Analogie mit denen des Ulcus selbst. 

Zwei Hauptformen des runden Magen¬ 
geschwüres. Das blutende Ulcus und das 
einfache peptische Ulcus. 

In fünfzig Procent von Fällen von Ulcus ro¬ 
tundum (Ewald) tritt das Ulcus in der hämor¬ 
rhagischen Form auf, d. h. in der Form des Blut¬ 
brechens oder der Melaena. Diese häufig primäre 
Form tritt ohne irgend welche Vorboten zum 
Vorschein, ohne irgend welches andere Zeichen als 
das der Hämorrhagie, die das Resultat der Ein¬ 
wirkung des Magensaftes auf eine freiliegende kleine 
Arterie in dem trichterförmigen Geschwüre darstellt. 
Bisweilen ist der Blutverlust, der in einem graden | 


Verhältnisse zu den Dimensionen des arrodirten 
| Gefässes steht, ein so starker, dass er den Tod 
I durch Hämorrhagie oder durch Bluterguss in die 
; Magen-Darmhöhle nach sich ziehen kann. 

Der Kranke wird blass und von Syncope und 
von Schüttelfrösten ergriffen; bald darauf spürt er, 
dass eine heisse Flüssigkeit sich in seine Speise¬ 
röhre hinauf ergiesst und das Blut wird dann von 
dem Kranken in einer erschreckenden Art er¬ 
brochen. Das Blut ist in seiner Masse roth gefärbt 
und unterscheidet sich dadurch von dem schwarzen 
Erbrechen, dem kaffeesatzartigen Erbrechen, in 
Fällen von Krebs. 

Dennoch kann auch beim Ulcus ebenso ein 
schwarzes Erbrechen Vorkommen, nämlich, wenn 
das Blut in geringen Quantitäten an der Oberfläche 
der Schleimhaut liegen geblieben ist und der Ein¬ 
wirkung des Magensaftes ausgesetzt war, der das 
Hämoglobin zerstört hat. 

Die Hyperchlorhydrie findet sich thatsächlich 
ein wenig vor und ein wenig nach dem Erbrechen 
vor. Jaworski und Korczynski fanden die 
Acidität bedeutend erhöht, woraus der Schluss ab¬ 
zuleiten ist, dass sich das Ocy-hämoglobin schnell 
in salzsaures Hämatin umwandelt, welches dem Blute 
eine dunkelbraune Farbe verleiht. 

Die Hämorrhagieen mittlerer Intensität recidi- 
virien oft, weil der Thrombus, der das Gefäss ver¬ 
stopft, zerfällt, oft chemisch, und zwar durch den 
Magensaft; endlich tritt eine Obliteration ein — wenn 
das Organ geschont wird — durch die Narbe der 
Arterie. 

Aber früh oder spät, wenn das Ulcus nicht 
vollkommen geheilt ist, tritt die Hämorrhagie von 
neuem auf, häufig in Form einer Abweichung im 
gewöhnlichen Regime. 

Wenn das Blut durch den Mund entweder gar 
nicht oder nur unvollständig entleert wird, so ge¬ 
langt ein Theil in den Dünndarm, geht dort mit 
dem Chymus eine Emulsion ein und es resultiren 
daraus im Dickdarm, an der Stelle, an der sich die 
Fäces bilden, diese braunschwarz gefärbten Massen, 
die an der Oberfläche ein lackirtes Aussehen haben 
und deren Ursprung nicht zu verkennen ist. 

Im Allgemeinen findet diese innige Mischung 
von Fäcalmassen und von Blut nur bei den Hä¬ 
morrhagieen der oberen Theile des Darmes statt. 
Ueberdies ist noch zu bemerken, dass beim Darm- 
ulcus grosse Massen Blutes mit den Stühlen abgehen 
können, ohne dass Hämatemesis vorhanden sein 
würde; diese Fälle sind von geringem klinischen 
Interesse, denn diese Hämorrhagieen können, eben¬ 
so wie das Ulcus, unbemerkt vor sich gehen. Kleine 
Quantitäten Blutes, z. B. 100 Cubikcentimeter, können 
der Untersuchung entgehen, wenn das Blut noch 
keine ausgesprochen theerartige Farbe besitzt; hier 


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kann man die Diagnose nur durch die Untersuchung 
des Hämatins anstellen. 

Andererseits kann die schwarze Färbung der 
Fäcalmassen auf Rechnung von Eisen, Rhabarber, 
Kaffee in grossen Quantitäten, rothem Wein, Zimmt 
gesetzt werden. Wenn die Hämorrhagie nur einen 
geringen Grad erreicht, so tritt keine Hämatemesis 
auf, aber der Mageninhalt mischt sich mit dem Blute, 
welches, wenn die Massen zufällig ausgeworfen wer¬ 
den, durch die früher erwähnten Färbungen sich 
raanifestirt. Das Blut ist dann je nach dem Grade 
der Verdauung verändert, und zwar in dem Sinne, 
dass sich das Hämoglobin unter dem Einfluss der 
Salzsäure in eine Art von Globulin und Eisen¬ 
hämatin spaltet. Das Mikroskop zeigt dann braune 
Pigraentmassen, die wie Kaffeefragmente aussehen. 

Kleine Hämorrhagieen finden sich bisweilen im 
Darm unter der Form von färbenden Massen des 
Blutes oder von rotken Blutkörperchen in den Fäcal¬ 
massen. (Schmaus,) Diese Momente sind häufig 
das Zeichen von perniciöser Anämie. 

(Fortsetzung folgt) 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung.) 

Das ganze Bild ist ein für Calc. carb. so charak¬ 
teristisches, dass ich den Fall erwähne, trotzdem ich 
nur einmal von seiner Besserung berichten kann. 
Aber die Patienten, speciell die vom Lande, zeigen 
sich sehr selten, besonders wenn es besser geht. 
Oft höre ich erst nach Jahren durch die Patienten 
selbst oder deren Angehörige von der günstigen 
Wirkung eines Mittels. 

Unter meinen Notizen finde ich: 

Kopfschmerz alle 8 Tage: Sulf., Sil., Iris vers., 
Sang., Sabad.; alle 14 Tage: Ars., Sulf., Calc. 
carb., Nicc. 

Ein gewisser Anhaltspunkt ist dadurch gegeben, 
aber als oberster Grundsatz ist festzuhalten, dass 
das gesammte Symptomenbild das Mittel bestimmt, 
ganz gleich, ob in irgend einem Handbuch für die 
fragliche Krankheit dieses Mittel angegeben ist 
oder nicht. Der Name der Krankheit, die speciell 
hervorgehobene Beschwerde des Kranken ist nicht 
bestimmend. Ob der obige Jüngling über Kopf¬ 
schmerz speciell geklagt, oder ob er wegen Schwin¬ 
del oder wegen Nasenbluten, wegen Mattigkeit 
oder wegen Herzklopfen gekommen wäre: der ge¬ 
sammte Symptomen komplex war in jedem Falle aui- 
zunehmen und sprach in jedem Falle für Calc. carb. 

H.: Magdalena H., 19 Jahre alt, vom Lande, 
hat seit sechs Monaten Schmerzen äusserlich am 


Halse > die von den Sternocleidomastoidei zu den 
Schultern ziehen. 

Nachts wandert der Schmerz zu der Seite , auf 
* der sie nicht liegt 

Am Tage fühlt sie die Schmerzen auf beiden 
Seiten, namentlich beim Bewegen der Arme, beim 
Melken. 

Menses alle 14 Tage , zu lange und zu stark. 

20. Juli 1891 Calc. carb. X. wöchentlich ein 
Pulver. 

Wie mir am 23. März 1892 gelegentlich be- 
i merkt wird, ist noch während des Einnebmens der 
! Schmerz verschwunden, auch die Menses kommen 
regulär. 

Beim Kopfschmerz von Calc. carb. wird speciell 
erwähnt, dass er zu der Seite wandert, auf der 
| man nicht liegt. 

Bei zwei Kindern des Tischlermeisters R., 3 
I und 5 Jahre alt, kam im Abstand von einem Jahre 
1 ein der Tabes mesaraica ähnlicher Zustand zum 
Ausbruch, bestehend in fast continuirlichem Fieber 
von ungefähr 39°, Appetitlosigkeit, Durchfällen, 
Abmagerung, ohne jegliche Benommenheit des Sen- 
1 soriums. 

Durchfall 3- bis 4mal Tags und Nachts, nicht 
charakteristisch. Der Zustand hatte bei dem zuerst 
erkrankten Kinde schon mehrere Wochen bestanden, 

! ehe ich das Kind sah, da der Vater zuerst seine 
j Heilkunst versucht hatte. 

| Ich konnte keine besonderen Anhaltspunkte für 
die Mittelwahl gewinnen, ausser dass das Kind ein 
besonderes Verlangen nach Eiern hatte bei sonstiger 
Appetitlosigkeit. Dies bestimmte die Wahl von Calc. 
carb. In wenigen Tagen war der normale Zustand 
I wieder hergestellt mit Ausnahme von Schwäche, 

1 die schnell wich. 

| Als ein Jahr später das jüngere Kind unter 
' ganz ähnlichen Erscheinungen erkrankte, glaubte 
ich mit der Wahl desselben Mittels sofort das richtige 
I getroffen zu haben. Aber diesmal versagte Calc. 

| carb., dagegen half sofort der phosphorsaure Kalk, 

| den ich gab wegen ausgesprochener Neigung zu 
! Kartoffeln. 

Also bei beiden Kindern und einem ähnlichen 
Zustande half ein Kalkpräparat, nur bei jedem 
Kinde ein anderes. 

Diese anscheinenden Kleinigkeiten, welche die 
Mittelwahl bedingten, gehören zu den charakte¬ 
ristischen Zeichen, welche nach Hahnemann für die 
Mittelwahl am schwersten in die Wagschaale fallen. 

Das ausgesprochene Verlangen nach Eiern ist 
mehrfach für den kohlensauren Kalk bestätigt wor¬ 
den, so auch in dem nachfolgenden Falle: 

Dr. Tomhagen: 

Eddie D., 18 Monate alt, wird von seiner 
Mutter in die Sprechstunde gebracht. 


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Das Kind ist blass, schlaff und schwach, hat 
blaue Augen, blondes Haar. Seit 3 Monaten leidet 
es an Durchfall , der bisher nicht gestopft werden 
konnte. 

Die Mutter muss stets Etwas zum Essen dabei 
haben, da das Kind die ganze Zeit essen will. 

Besonders nach Eiern hat es Verlangen , aber 
sie bekommen ihm nicht, machen den Durchfall 
schlimmer. 

Jeden Monat einmal riecht das ganze Kind sehr 
schlecht; die Mutter hat das jetzt schon dreimal be¬ 
merkt und zwar jedesmal zur Zeit des Vollmonds . 

Wässeriger Schnupfen und Schleimrasseln auf 
der Brust. 

Das Kind erhielt am 30. October ein Pulver 
Calc. carb. Hochpotenz trocken auf die Zunge. 

14. November, ln jeder Beziehung Besserung, 
besonders der Stuhl; auch das Verlangen nach Eiern 
ist nicht mehr so ausgesprochen. 

9. December. Das Kind fängt an zu laufen, 
Schnupfen und Rasseln auf der Brust sind fort, 
Stuhl ist normal. 

Das Kind bleibt gesund. 

Dr. John Störer: 

Ich wurde am 6. Mai 1891 Nachts zu Willie 
D. gerufen, 5 Jahre alt, und fand ihn in einem 
schweren Anfalle von Asthma , dem er seit 3 Jahren 
regelmässig bei stürmischem Wetter unterworfen war. 

Ich eruirte folgende Symptome: 

Zähne und Laufenlemen erst mit 2 Jahren; 

Starker Kopf schweiss , das Kissen ringsherum 
nässend; 

Dünne Arme und Beine; 

Füsse kalt , Strümpfe fühlen sich feucht an; 

Leib auf getrieben; 

Schlechter Appetit , aber Verlangen nach Eiern; 

Unlust zum Spielen; 

Leicht erkältet, Athem laut und mühsam, Ras¬ 
seln auf beiden Lungen; 

Will nicht zugedeckt sein. 

Ein vollkommenes Calc.-Bild. 

Eine Gabe dieses Mittels in Hochpotenz. 

Am 7. Mai fand ich Besserung. Er war bald 
in Schlaf gefallen und hatte eine gute Nacht gehabt. 

Die Auskultation befriedigte. 

14. Mai. Viel besser. Appetit und Schlaf gut, 
kein Kopfschmerz mehr, Lust zum Spielen. 

Ist kräftiger; noch etwas Schleimrasseln. 

21. Mai. Besserung fortschreitend. 

27. Mai. Gesund und kräftig entlassen. 

Dieser Fall zeigt, sagt Dr. St. richtig, dass es 
für den Arzt wichtiger ist, die constitutionellen 
Symptome zu eruiren, als auf die das Hauptgewicht 
zu legen, weswegen er gerufen ist. 

Asthma haben viel Mittel, aber keins würde so 
geholfen haben, als das Simillimum. 


Dr. Howard Crutcher von Chicago bringt fol¬ 
gende drei Fälle von Calc. carb.: 

Im vergangenen Herbst bekam meine Tochter 
Helene, damals 16 Monate alt, den Keuchhusten . 
Er. trat gleich heftig auf und nahm in wenigen 
Tagen einen bedrohlichen Charakter an. 

Ich war thöricht genug, den Fall selbst zu 
behandeln und reichte ohne Nutzen verschiedene 
Mittel, bis ich meinen Freund, Dr. W. M. Johnson, 
bat, den Fall zu übernehmen. Als Dr. J. kam, 
fand er das Kind schlafend und setzte sich an das 
Bettchen. Nach einigen Minuten erwachte es, den 
Kopf nass von Schweiss, und die Hände im Munde, 
wo die Zähne sich schlecht entwickeln wollten. 

Das Bild ist doch ganz klar, meinte Dr. J. 
Wo hast du denn deine Augen gehabt? Sieh dir 
den Kopfschweiss an, dann das entzündete Zahn¬ 
fleisch, und riech einmal an dem Tuch, wo das 
Kind etwas Milch gebrochen hat. 

Eine Gabe Calc. veränderte den Zustand in 
wenigen Stunden. Ein heftiger Anfall kam über¬ 
haupt nicht mehr und überhaupt selten mehr als 
zwei leichte Anfälle täglich. 

Vor nicht langer Zeit Hess mich eines Morgens 
ein befreundeter College rufen, um an einem Kinde 
wegen Oedem des Pharynx und der Glottis die 
Tracheotomie zu machen. 

Ich raffte schleunigst meine Instrumente zu¬ 
sammen, eilte hin und fand ein neunmonatliches 
Kind, von der Mutter aufrecht im Arm gehalten. 
Wenn man das Kind hinlegte, drohte es zu er¬ 
sticken. Das Kind hatte nach Scharlach Schwel¬ 
lung der Halsdrüsen behalten. Um diese zu er¬ 
weichen, war ein Campherumschlag gelegt worden. 
Ob dieser nun das Oedem hervorgerufen, wage ich 
nicht zu entscheiden. 

Die Eltern verlangten eine Operation und zwei¬ 
felten an der Wiederherstellung des Blindes. 

In der vergangenen Nacht war Apis gegeben wor¬ 
den mit etwas Erleichterung, aber jetzt um 8 Uhr früh 
war der Zustand schlimmer denn je. Seit 3 Tagen 
war das Kind schlaflos im Arme gehalten worden. 

Der profuse Kopf sch treiss, das bleiche , skrophu- 
löse Aussehen , der auf getriebene Leib , das späte 
Erscheinen der Zähne , die schlechte Ernährung im 
Allgemeinen, die pulsivendm Fontanellen Hessen 
über das Simile keinen Zweifel. 

Statt der Operation gab ich eine Dosis Calc. 
carb. Hochpotenz. Nach einer halben Stunde schUef 
der kleine Patient ruhig. Der Schlaf, welcher einem 
tiefen Koma glich, dauerte viele Stunden. Warmer 
Schweiss brach aus, und das Resultat war eine 
schnelle und dauerhafte Heilung. 

Der befreundete College erklärte mir, dass er 
niemals eine so glänzende Bestätigung unseres thera¬ 
peutischen Gesetzes gesehen. 


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Das 3jährige Töchterchen eines Herrn W. hier 
hatte Diphtherie . Die lokalen Symptome waren nicht 
heftig, Tonsillen mässig geschwollen, Mundgeruch 
stinkend. 

Dagegen waren die constitutionellen Symptome 
sehr ausgesprochen: grosse Prostration, Verstopfung, 
Urin spärlich, faulriechend, schlechte Ernährung, 
Entwicklung der Knochen ärmlich; kolossaler Kopf- 
schweiss. 

Calcarea curirte das Kind, nicht schnell, sondern 
langsam; die Besserung der Constitution machte über¬ 
raschende Fortschritte. Diese Fälle von Crutcher 
wie manche andere unserer amerikanischen Collegen 
sind lehrreich, wie der Fall zu nehmen ist und wie 
die charakteristischen Merkmale des Patienten in 
Einklang zu bringen sind mit denen der Arznei. 

H.: L., 52 Jahre alt, consultirte mich selbst 
wegen Magen- und Darmbeschwerden; besonders 
plagte ihn seit Jahren Durchfall mit unverdauten 
Stühlen, der ungefähr alle o bis 4 Wochen auf 
mehrere Tage sich einstellte. 

3 his 4 dünnbreiige oder, bei schlimmerem 
Auftreten, wässerige Stühle Tags und Nachts mit 
Schneiden im Leib vorher. 

Viel Luftaufstossen. 

Ganz besonders schlecht werden Gurken vertragen. 

Sehr leicht Zittern der Hände bei Erregung. 

Der Anhaltspunkte gab es nicht viel hier; ich 
fand, dass Sulfur, acid. und Veratr. Verschlimme¬ 
rung von Gurken haben. Veratr. hat keinen un¬ 
verdauten Stuhl und nach meinen Reminiscenzen 
hatte die Schwefelsäure auch das Zittern der Hände. 
(Eigentlich hat es das Gefühl von Zittern.) 

Ich gab dem Patienten am 29. October 1891 
Sulfur, acid. X. wöchentlich ein Pulver. 

Am 12. Januar 1892 kam der Patient wegen 
anderer, acuter Beschwerden. Durchfall war nicht 
mehr dagewesen, auch hatte das Luftaufstossen 
nachgelassen. 

Ich sah den Patienten noch mehrmals später, 
auch in der letzten Zeit. Der Stuhl ist stets gut 
geblieben, also ist wohl anzunehmen, dass die 
Schwefelsäure damals günstig auf den Durchfall 
eingewirkt hat. 

H.: Am 8. September 1888 kam Frau P., eine 
ziemlich kräftig entwickelte Frau vom Lande, zu mir. 

Seit 8 Wochen hat sie jede Nacht, bald nach 
dem Einschlafen , Anfälle von Athemnoth. 

Die Brust wie zusammengeschnürt , sie muss auf- 
sitzen , zuweilen aus dem Bett heraus, höher hegen , 
als gewöhnlich. 

Morgens nass von Schweiss. 

Kurzluftig beim Gehen. 

Stets Gejühl, als sitze Etwas im Halse, aber 
nie beim Essen und Trinken . 

Lachesis X. jeden Abend einige Körnchen. 


Erst am 25. Mai 1891, als andere Beschwerden 
die Patientin wieder zu mir führten, erfuhr ich, 
dass damals bald Besserung eingetreten. 

Dr. A. Lippe gab einem Epileptiker , der regel¬ 
mässig nach dem Nachmittagsschlafe einen Anfall 
hatte, eine Gabe * Lach. Hochpotenz. Sofort setzte 
die Besserung ein und hielt an. 

Eine nicht uninteressante Heilung mit Lach, be¬ 
richtet Dr. Hearn in Toronto. 

Frl. M., 33 Jahre alt, eine nervöse Dame mit 
dunklem Teint, leidet seit ihrem zehnten Lebens¬ 
jahre an sehr heftigem nervösen Kopfweh , das vor¬ 
zugsweise die linke Kopfseite befällt, aufsteigend 
vom Nacken sich über den Kopf zieht und über 
dem linken Auge sich festsetzt. Sehr selten tritt 
der Schmerz rechtsseitig auf. 

8 Tage vor der (normalen) Regel kommt das 
Kopfweh. 

Der Vorbote besteht in Empfindlichkeit in der 
Gegend des linken Eierstocks , mit dem Gefühl , als 
ob diese Gegend mit einem Band zusammengeschnürt 
1 würde . 

i Sie muss die Kleider lockern . 

1 Druck in der Gegend oder Liegen so, dass 
diese Gegend auf ihren geballten Fäusten liegt, 
erleichtert. 

Dieser Schmerz ist begleitet von Frost, der den 
Rücken auf und ab läuft; Gefühl als wie mit kaltem 
Wasser übergossen. 

Kälte der Füsse. 

Sie sitzt beim Frost gerne am Ofen; äussere 
| Wärme erleichtert. 

Der Frost verliert sich allmählig und dann be¬ 
ginnen die Unterleibsschmerzen, welche allmählig 
steigen und fallen. 

Die Eierstockssymptome dauern 2 — 4 Tage und 
machen dann langsam dem Kopfschmerz Platz. 

Des Morgens wacht sie mit brennenden, klopfen¬ 
den Schmerzen auf, welche vom Nacken her über 
die linke Kopfseite nach vorn bis zum linken Auge 
ziehen. (Zuweilen ziehen die Schmerzen den um¬ 
gekehrten Weg.) 

Der Schmerz nimmt an Heftigkeit zu bis zum 
folgenden Tage mit Schmerz des linken Augenlides. 

Schwindel, Vergehen des Gesichts, dann Uebel- 
keit, heftiges Brechwürgen und Erbrechen von 
glasigem Schleim. 

Der Schmerz ist jetzt so häutig, dass die Pa¬ 
tientin glaubt, wahnsinnig zu werden. 

Massiger Druck und Wärme erleichtern etwas. 

Am dritten Tage, sobald das Menstrualblut 
ßiesst , verschwinden die Schmerzen schnell und es 
bleibt nur noch Röthe, Schwellung und Empfind¬ 
lichkeit der linken Kopf- und Gesichtshälfte. 

I Nach vielen fruchtlosen Versuchen hatte die 
l Patientin jede Hoffnung auf Besserung aufgegeben. 

9 


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90 


Eines Tages, als sie verzweifelnd in der Heftig¬ 
keit ihrer Schmerzen wieder einmal bei Dr. H. Hilfe 
suchte, gab ihr dieser ein Pulver Arg. und eins 
Lach. 200. Sie sollte zunächst Arg. versuchen, 
dann Lach. 

Arg. wirkte nicht, aber beim Nehmen von Lach, 
hatte sie das Gefühl, als wenn eine Hand über 
ihren Körper führe: die Schmerzen waren sofort 
verschwunden. 

Nach zwei Monaten hatte sie einen leichten 
Anfall, der nur wenige Stunden dauerte. Eine 
Gabe Lach. 200. wirkte wiederum günstig. Nach 
einigen Wochen war noch einmal dasselbe Mittel 
nöthig, diesmal in höherer Potenz. 

Seitdem ist die Dame, ausgenommen einige 
Ahnungen des alten Uebels, schmerzfrei geblieben. 

(Kritisiren und Bessermachenkönnen ist zwar 
immer leicht, wenn man den ganzen Fall kennt 
nebst der gegebenen Arznei; aber doch sollte man 
meinen, wäre die Indication für Lachesis deutlich 
hervorgetreten. 

Das Linksseitige der Kopfschmerzen sowohl, wie 
der Unterleibsaffection, das Befallensein des linken 
Ovarium, welches jedenfalls der Ausgangspunkt der 
ganzen Krankheit war, die Empfindlichkeit der 
Ovariengegend, wie auch der linken Kopf hälfte, 
die Besserung mit dem Fliessen der Menses, sind 
alles Punkte, welche kräftig für Lach, sprechen. 

Ein Mittel, welches ebenfalls linksseitige Kopf¬ 
schmerzen in Verbindung mit Unterleibskolik hat, 
ebenso Affection des linken Eierstockes — es wird 
für die auf Entzündung der Ovarien beruhende 
Kolik Puellae publicae empfohlen, mit dem ergän¬ 
zenden Mittel Staphys. — ist Colocynthis. 

Lachesis hat aber äusserste Empfindlichkeit gegen 
Druck, Colocynthis Besserung durch denselben. H.) 

H.: Zu mir kam am 23. Januar 1892 Herr H., 
68 Jahre alt, wegen eines Hustens, der ihn im 
Winter immer quälte, der jetzt aber besonders bös¬ 
artig aufgetreten war. Sofort nach dem Nieder¬ 
legen quält dev Husten namentlich. 

Hyoscyamus X. besserte den Husten in wenigen 
Tagen auffallend. 

Der Husten von Hyosc. ist schlimmer im Liegen, 
besonders im Liegen mit dem Kopf tief, beginnt, 
sobald der Kopf das Kissen berührt, bessert sich 
im Aufsitzen. Auch Beilad. und Bryonia müssen 
sich beim Husten aufrichten, aber, im Gegensätze 
zu Hyosc., bessert bei ihnen das Aufsitzen nicht. 

Kent heilte mit Hyosc. einen Strabismus, der 
als Folge unglücklicher Liebe jahrelang bestanden 
hatte. Nach seiner Darstellung passt das Mittel ganz 
besonders für den Strabismus, der besonders bei 
Kindern als Folge von Gehimcongestionen vorkommt 
und allmählig zunimmt. 

Ein etwas monotones Gepräge zeigen die Natr. 


; mur.-Fälle: Ein rother Faden zieht sich durch alle, 
die Verschlimmerung Vormittags, die Besserung 
gegen Abend, welches Characteristicum bei keinem 
Mittel so scharf ausgeprägt ist, wie beim Kochsalz. 
Diese schlimme Zeit, welche sich meist von 9 oder 
10 Uhr Vormittags hinzieht bis gegen 2 — 4 Uhr 
Nachmittags, betrifft alle Beschwerden, einerlei, ob 
es sich um Fieberzustände, Bleichsucht, oder sonstige 
Leiden aus dem sehr grossen, der Heilkraft des Natr. 
raur. unterworfenem Gebiete handelt. 

Diese charakteristische Verschlimmerungszeit des 
I Kochsalzes verdient um so mehr betont zu werden, 

| weil sie in sehr vielen Fällen im Krankenexamen 
! von vornherein auf das Mittel hindeutet. 

Natr. mur. kann sich des Morgens beim Auf- 
| stehen schon schlecht fühlen, häufiger noch ist das 
j Befinden in den ersten Stunden noch befriedigend, 
aber gegen 9 Uhr beginnen die Beschwerden, von 
denen gewisse, wie Mattigkeit, Schmerz in den 
Knieen beim Steigen, Kurzathmigkeit, Herzklopfen, 
Milzstechen, gedrückte Stimmung, Schläfrigkeit fast 
stereotyp sind, nehmen gegen Mittag zu, bleiben 
mehrere Stunden auf der Höhe und nehmen all- 
| mählig ab. Je mehr gegen Abend, desto wohler 
| fühlt sich der Patient. Vormittags ist er deprimirt 
; und weinerlich, Abends munter und oft aufgeregt* 
j Vormittags unlustig und unfähig zu geistiger und 
| körperlicher Arbeit, Abends sogar Anstrengungen 
gewachsen, Vormittags verschlafen, Abends nicht 
ins Bett zu bekommen. 

Oft versichern die Patienten, dass sie Abends 
ganz gesund sind, Morgens immer wieder sterbens¬ 
krank. 

In der Zeit unterscheiden sich Natr. mur. und 
i Sepia. 

Sepia wacht sehr oft mit Kopfschmerz und Ver¬ 
schlimmerung der Beschwerden auf, bessert sich 
aber, meist nach dem Waschen, dem Frühstück und 
wenn der Patient im Gange ist, besonders in frischer 
Luft. Das Befinden des Sepiakranken wird dann 
oft schon erträglich, wenn für Natr. muriat. die 
schlimme Zeit beginnt. 

Das Kochsalz ist hier in Hamburg sehr häufig 
indicirt im Allgemeinen, speciell in Bleichsucht, wo 
ihm Sepia als ergänzende Arznei zur Seite steht. 
Seltener treten noch Kali carb. oder Phosphor hinzu, 
um die Heilung zu vollenden. 

Kunkel, der beste Kenner der drei Heroen, 
j Natr. mur., Sepia und Thuja, giebt in seiner Schrift: 

„Der Curort Sylt in der Eigenthümlichkeit seiner 
| Wirkung etc. tt (Hamburg, G. W. Niemeyer Nachf.) 
eine ausführliche Schilderung des Symptomenbildes 
und Wirkungskreises dieses hervorragenden Mittels. 

In der letzten Influenzaepidemie hatte ich mehr¬ 
mals Gelegenheit, dieses anzuwenden. Oben habe 
ich noch vergessen zu erwähnen, dass manche der 


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91 


Beschwerden um 9 Uhr Vormittags wie Fieber¬ 
anfälle mit Frost einsetzen und dass die Patienten 
während der schlimmen Zeit sich wie fieberhaft 
fühlen. Bei einem Metzger zeigte sich die Influenza 
derart, dass zwischen 9 und 10 Uhr Vormittags 
Schmerzen auftraten in der rechten Gesichts- und 
Kopfseite, mit Schwellung und Rötliung der Seite, 
Empfindlichkeit des Auges gegen Licht, dabei hoch¬ 
gradiges Fieber mit Schläfrigkeit. Gegen 4 Uhr 
Nachmittags war der Anfall vorüber, Abends konnte 
der Patient aufstelien, Nachts kam Schweiss und 
am nächsten Vormittag derselbe Anfall. Natr. mur. 
half in wenigen Tagen. Eine Frau, bei der seit 
14 Tagen regulär um dieselbe Zeit, wie der eben 
erwähnte Patient, hochgradiges Fieber auftrat, be¬ 
kam ich aus allopathischer Behandlung. Hier be¬ 
seitigte dasselbe Mittel in 24 Stunden das Fieber. 

Für die acute, plötzlich mit starkem Fieber, 
intensivem Kopfschmerz, Röthe und anscheinende 
Schwellung des Gesichts, Trockenheit des Halses, 
Empfindlichkeit gegen Licht und Geräusch schien 
mir Bellad. das geeignetste Mittel, doch hatte ich, 
wenige Fälle ausgenommen, nicht das Gefühl, als 
ob Bellad. den Anfall besonders erleichtere oder 
abkürze. 

Weit wichtiger war die Behandlung der Nach¬ 
krankheiten, speciell der gefährlichen, schleichenden 
Pneumonieen. In mehreren Fällen half mir Lycop. 
über gefährliche Situationen hinweg, indicirt durch 
abendliche Steigerung des Fiebers, Verlangen nach 
kühlem Zimmer und hoher Lage des Kopfes. Bei 
einer Patientin trat regelmässig in den ersten Stunden 
nach Mitternacht eine so hochgradige Schwäche auf, 
dass die Angehörigen vor diesen Stunden Angst 
hatten. Nach Arsen, kam kein Schwächeanfall mehr. 

H.: Sch., eine 38jährige, kräftige Metzgersfrau, 
hat seit Jahren Kopfschmerzen in Stirn und Hinter¬ 
kopf, die regelmässig jeden Morgen zwischen 9 und 
10 Uhr beginnen und bis Nachmittags dauern. 

Dabei schwermüthig und beklommen ums Herz. 

Zu den schlimmen Stunden schläfrig. 

Vor langen Jahren hat sie an kaltem Fieber 
gelitten mit heftigen Kopfschmerzen. 

Stuhl jeden dritten Tag. 

Herzklopfen bei heftiger Bewegung . 

Am 19. März 1892 Natr. mur. X. jeden zweiten 
Abend ein Pulver. 

2. April. Sofort mit den ersten Pulvern trat 
Besserung ein. Zuerst stellte sich Ausfluss aus der 
Nase ein, damit verschwand der Kopfschmerz. Stuhl 
täglich. 

Ich entliess die Kranke mit Scheinpulvern und 
darf annehmen, dass die Besserung Stand hielt 

H.: Frau L., 31 Jahre alt, bemerkte den An¬ 
fang ihrer Beschwerden schon im Frühjahr 1892: 

Je länger sie schlief, desto müder. 


Vormittags schlechtes Befinden, gegen Abend besser. 

Besser in frischer Luft und Bewegung. 

Herzklopfen und Appetitlosigkeit. 

Jetzt ist sie ungemein schwach in den Knieen . 

Des Morgens hat sie Unruhe in Händen und 
Füssen. 

Schreiben geht sehr schwer. 

Warmes Zimmer schlecht vertragen. 

Täglich Stirnkopfschmerz, besser gegen Abend . 

Besserung in der Ruhe und, in frischer Luft. 

Herzklopfen beim Steigen. 

Appetit ziemlich; Durst . 

Abends fühlt sie sich regulär ganz gesund. 

13. December 1892. Natr. mur. X. jeden dritten 
Abend. 

29. December. Die Pulver haben gute Dienste 
gethan; sie befindet sich weit besser. Noch etwas 
Kopfschmerz. 

Die Pulver jeden vierten Abend. 

14. Februar 1893. In der Zwischenzeit hatte 
die Patientin einmal Veratr. erhalten mit Erfolg 
gegen heftigen Durchfall. 

Das Befinden ist anhaltend gut geblieben; das 
Schreiben geht viel leichter. Ich entlasse die Pa¬ 
tientin mit der Weisung, noch vorläufig jeden fünften 
Abend Natr. mur. X. zu nehmen. Noch vor einigen 
Wochen konnte ich mich von dem Wohlbefinden 
derselben überzeugen. 

H.: Martha L. aus K. leidet seit 4 Monaten an 
skrophulöser Entzündung der Augen und Augenlider. 

Letztere sind Morgens zugeklebt, Nase und 
Lippen geschwollen. 

Das ganze Kind ist Abends Ijesser und muntet'er. 

21. December 1892. Natr. mur. X. jeden dritten 
Abend. 

4. Januar 1893. Die Bulbi sind vollkommen 
frei, nur die Lider noch etwas geschwollen, aber 
nicht mehr wund. 

„Eigentlich ist sie gesund,“ bemerkt die Mutter. 

Ich gebe die Pulver noch jeden fünften Abend 
und verfolge das gute Befinden bis Mitte März. 

(Fortsetzung folgt.) 


Primi studi di materia medica applicata 
secondo la legge dei Semili. 

Pel Dott. G. Bonino-Torino 1893. 

Besprochen von Dr. Mossa. 

In der ersten Nummer dieses Jahres habe ich 
das rege Leben, das von homöopathischer Seite sich 
auf dem Gebiete der Materia medica kundgiebt, als 
eine Signatur der jüngsten Zeit constatirt. Es 

10 * 


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92 


handelt sich dabei weniger um grundlegende Arbei¬ 
ten, sondern um Schichtung und Sichtung des über¬ 
reichen Materials an vorhandenen Prüfungen von 
Hahnemann bis auf unsere Zeit herab, um über¬ 
sichtliche, praktische Bearbeitung des kaum noch 
zu überwältigenden Stoffes. Zum Tlieil hat die 
Autoren die Absicht geleitet, den jüngeren Aerzten 
der alten Schule eine zugängliche Brücke zu 
bauen, auf der sie zur Kenntniss unserer Arznei¬ 
mittellehre, sowie zu deren therapeutischer An¬ 
wendung an Kranken leicht gelangen können. Wenn 
diese jungen Aerzte, deren Ueberzeugung von der 
Wirksamkeit der Arzneimittel auf der hohen Schule 
wenig gefestet, von der Hochfluth immenser Ergüsse 
der arzneilosen Physiatriker, der promovirten oder 
self'-made man, vollends hinweggeschwemmt wird, 
müssen sie nicht in eine Stimmung gerathen, wo 
sie sich wie Faust der Magie ergeben möchten? 
Aber halt! wenn man ihnen das natürliche Licht 
von der Wirkung der Arzneimittel durch das Ex¬ 
periment am Gesunden, durch reine physiologische 
Prüfungen zeigen könnte — wie wird dies Zeichen 
auf sie wirken! 

Diesem Zwecke wollen und sollen auch die 
„ersten Studien der Matena medica und deren An¬ 
wendung nach dem Aehnlichkeitsqesetz “ von unserem 
hochgeehrten Kollegen und Freunde Dr. G. Bonino 
in Torino, einem tüchtigen Mittelkenner und homöo¬ 
pathischen Praktiker, dienen. Im ersten Kapitel 
bespricht und kritisirt der Verf. die Grundsätze und 
die praktischen Methoden der schulgerechten alten 
Medicin; die Bezeichnung derselben als Therapia 
classica klingt uns etwas fremdartig, weil wir beim 
Klassischen an das Mustergültige, Ideale denken, 
was weder Dr. Bonino noch wir dieser Therapie 
zuschreiben werden. Dies zeigt sich recht evident 
im 2. Kapitel, in dem Verf. die Principien der 
Vorzüge der Terapia omiopatica auseinandersetzt, 
das Experiment, die Prüfung der Mittel am Ge¬ 
sunden als die echt naturwissenschaftliche Basis der ! 
Homöopathie hinstellend. Um die Verwendbarkeit 
der so gewonnenen physiologischen, besser pathogene¬ 
tischen Wirkungen der Mittel nach dem Aehnlich- 
keitsgesetze zu therapeutischen Zwecken dem Studi- 
renden einleuchtender zu machen, stellt Verf. eine 
Reihe schlagender Beispiele aus der Praxis der 
alten Schule auf, in denen die pathogenetischen 
Wirkungen den krankhaften Erscheinungen ent¬ 
schieden parallel laufen (Ilom. involuntaria). L eber 
die Dosologie sagt Verf., dass diese, wie sich nach 
dem Aehnlichkeitsgesetze ergiebt, vom theoretischen j 
sowohl als praktischen Gesichtspunkte aus zu be- j 
trachten sei. „Dass die leidenden Theile des ! 
Körpers für einen Arzneistoff empfänglicher sind, 
welcher im Sinne des Leidens auf sie wirkt, als ; 
im gesunden Zustande, ist eine einfach aus der 


Erfahrung resultirende Thatsache, welche sich er¬ 
proben lässt. Sie ist auch von der herrschenden 
Schule anerkannt, wie z. B. Liebreich, indem er 
die Wirkung der Canthariden bespricht, zugiebt, 
dass die erkrankten Gewebe weit schwächere Dilu¬ 
tionen verlangen, als die gesunden. Es wäre deshalb 
ebenso irrational als grausam, auf die gewöhnlichen 
Dosen zu bestehen, die die Leiden zu steigern ver¬ 
mögen, ehe sie diese durch die darauf folgende 
Reaction aufheben. — Die Verkleinerung der nach 
dem Simile anzuwendenden curativen Dosen kann 
Angesichts ihrer krankmachenden Wirkung nicht 
a priori bestiriunt werden. Es gilt das approximative 
Mass zu finden, wo die pathogenetische Wirkung 
sich nicht mehr oder nur in geringem Grade ent¬ 
falten kann, indessen noch so viel Kraft besitzt, 
um eine heilsame Reaction hervorzurufen; das ist 
dal Exempel, dessen Lösung die Uebertreibungen 
zweier entgegenstehender Richtungen beeinträchtigt 
haben — nämlich die der transcendentalen Homöo¬ 
pathie und die der materialistischen, welche beide 
sich zu wenig um die Individualisirung gekümmert 
haben. Ich rede von einem approximativen Mass, 
insofern das Alter, das Temperament, die Reiz¬ 
empfänglichkeit, die Widerstandsfähigkeit, die an¬ 
geborenen Anlagen und die Aeuitat der Krankheit, 
die relative Kraftgrösst* des Mittels Bedingungen 
sind, welche eine Verschiedenheit in der Dosirung 
erheischen. — Desshalb ist der sicherste Weg be¬ 
sonders für den, der seine ersten Proben in der 
Anwendung des Simile macht, sich an solche Dosen 
zu halten, welche, unter Ausschluss jedweder Ge¬ 
fahr ernster pathogenetischer Störungen, eine posi¬ 
tive und entschieden wirkende Arzneikraft ent¬ 
halten.“ Hierin macht, sagen wir, Erfahrung auch 
erst den Meister. Sodann giebt Verf. eine kurze 
Uebersicht über unsere Arzneibereitung und -Ver¬ 
ordnung und bemüht sich, dem Neopliyten die 
Wirksamkeit der minimalen Dosen durch Analogieen 
aus dem Gebiete der Physik, der Chemie und der 
experimentellen Physiologie plausibler zu machen. — 
Einen Fernblick auf die Zukunft der Medicin 
werfend, sagt er: „Einst wird kommen der Tag, 
an welchem beide Schulen in eine einzige ver¬ 
schmolzen werden. Denn die Homöopathie ist nicht 
die ganze Medicin, sondern reflectirt nur die Thera- 
peutik: die dann herrschende Schule, mit grossem 
Unrecht in diesen Tagen Allopathie genannt, wird 
zielbewusster und mit besserer Methode die experi¬ 
mentelle Physiologie der Arzneimittel adoptiren, 
wird sie an wenden, wie sie erforscht sind, daher 
jedes für sich allein, wird in der Folge die Aehn- 
lichkeit zwischen Heilmittel und Krankheit zu ihrer 
allgemeinen Richtschnur in der Praxis anerkennen, 
wie sie schon sehr häufig unbewusst auf diese 
Methode gestossen ist, und schliesslich wird sie um 


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98 


eines schnelleren und schmerzlosen Erfolges willen 
die Gahengrösse auf einen verständigeren Punkt 
reduciren.“ — Ars longa, vita brevis. 

Die sich anschliessenden Charakteristiken un¬ 
serer wichtigsten Mittel zeichnen sich durch über¬ 
sichtliche Anordnung aus; der Hinweis auf gleich¬ 
artige Symptome verwandter Mittel ist sehr in- 
structiv. Die beigefügten therapeutischen Anwen¬ 
dungen führen den Studirenden alsbald von der 
Pathogenese auf das praktische Gebiet; und da sie 
immer am Schlüsse der Mittelprüfungen gegeben 
sind, so erscheinen sie als Bestätigungen derselben. 
Ein Repertorium für die Symptome, ebenso ge¬ 
ordnet wie in den Charakteristiken der Mittel, und 
ein nosologischer Index sind für den Anfänger ganz 
nützlich zum Nachschlagen. 

Möchten doch recht viele der jungen Aerzte 
Italiens diese Primi studi di materia medica un¬ 
seres werthen Collegen Dr. Bonino mit Fleiss und 
Nachdenken sich zu eigen machen, so wird ihnen 
das Buch sicherlich ein Licht in dem dunklen 
Wirrwarr der Theorie und eine Leuchte für die 
klinische Praxis werden! 


Zur Prüfung von Viscum album e pyro malo. 

In Nummer 5 und 6 dieser Zeitung haben wir 
nach dem Homoeopathio physician von einer Prü¬ 
fung der weissen Mistel von Seiten eines homöo¬ 
pathischen Arztes berichtet. Dieser Prüfer war 
College Dr. G. Proell, wie er uns selbst mitge- 
theilt hat. Er giebt hierüber noch folgende Details 
an: „Im Jahre 1851, als ich Assistent im Spitale 
der grauen Schwestern zu Linz war, wurde ich von 
Dr. Huber (dem homöopathischen Ordinarius des 
Spitals zu Steyr) aufgefordert, gemeinsam mit An¬ 
deren ein mir unbekanntes (erst später als Viscum 
album bezeichnetes) Mittel zu prüfen. Ich begann 
im Spätherbst damit. Jeden Morgen nahm ich, mit 
5 Tropfen beginnend, von der röthlich-braunen 
Tinctur, die einen bitterlich-aromatischen Geschmack 
hatte, von Tag zu Tag um 5 Tropfen steigend, 
vor dem Frühstücke ein. Bis 40 Tropfen empfand 
ich nicht die geringste Veränderung in meinem Be¬ 
finden. — Ich habe blaue Augen, damals (30 Jahre 
alt) kastanienbraune Haare, lebhaftes Colorit, kurz¬ 
gedrungene Statur. 

Eines Morgens, da ich 40 Tropfen genommen 
und nach dem Frühstück in die Praxis ging, wurde 
i$h plötzlich von Gluthhitze befallen, die von den 
Füssen bis ins Gesicht hinaufzusteigen schien, dabei 
war ich blass und gerieth in eine hochgradige 
Schwäche, dass ich in einen nahe gelegenen Bäcker¬ 


laden eilte, um mich mit Brod zu stärken. Aber 
dies half nicht. So ging ich denn noch eiliger in 
ein nahes Gasthaus; denn ich konnte es kaum er¬ 
warten, einen Trunk herzstärkenden Weines zu 
thun, der mich denn auch alsbald wieder voll¬ 
kommen herstellte. — Ich hörte nun mit der Prü¬ 
fung auf, aber die im Berichte von Dr. Mossa mit- 
getheilten übrigen Symptome stellten sich in den 
folgenden Tagen ein, nebst einem allgemeinen Haut¬ 
jucken: früher jedoch das Gefühl, als ob eine weit- 
beinige Spinne über der linken Hand krieche und 
späterhin über den rechten Fuss rücke.“ 

Wir danken Herrn Collegen Proell für diese 
interessante Ergänzung unseres Berichtes und hoffen, 
sie wird dem vom Herrn Collegen Schier bereits 
gegen uns ausgesprochenen Entschluss, Viscum 
album gründlich zu prüfen, erheblich kräftigen. 

Die Eedaetion. 


Argentum nitricum in einem Falle von 
Enteritis pseudomembranacea. 

Von Dr. F. H. Piteh&rd. 


I 

: 


Dr. Pitchard veröffentlicht in The Hahneman 
Monthly, Februar 1893, einen Fall von Enteritis 
pseudomembranacea (s. Crouposa), einer im Ganzen 
selten vorkommenden Krankheit, bei der Arg. 
nitricum sich als Heilmittel bewährte. 

Ein 7jähriges Mädchen, fleischig, blond, mit 
klarem Gesicht, war vorher von guter Gesundheit, 
von elterlicher Seite nicht belastet. Sie war von 
lebhaftem, thätigem Temperament, und einer lang¬ 
lebigen Familie stammend. Im November 1892 
erkrankte sie und war von einem homöopathischen 
Arzte ohne Erfolg behandelt worden. — Dr. Gitt, 
der nun gerufen ward, fand sie scheinbar wohl; 
nur wurde sie täglich, in unregelmässigen Inter¬ 
vallen, von einem Schmerze im Unterleibe ergriffen; 
beim Annahen des Anfalles verzerrte sich ihr Ge¬ 
sicht, schrie laut: „jetzt kommt es,“ legte sich auf 
das Sopha oder den Fusshoden, weint, wand und 
krümmt sich, um den Schmerz zu erleichtern. Diese 
Anfalle kamen bei Tage oder bei Nacht. Ihre 
Verdauung war ziemlich normal, jedoch wechselte 
leichte Diarrhöe öfters mit Verstopfung. Gas ging 
ging reichlich per anuin et os ab, aber ohne Er¬ 
leichterung. Beim Beginn des Anfalles stellte sich 
leichter Tenesmus vesicae ein, wobei sie sich furcht¬ 
sam umsah, als ob sie den Schmerz erwartete: die 
Zunge war nicht belegt. Der Unterleib zeigte sich 
empfindlich beim Druck, besonders in der Gegend 
des Colon descendens. Die Stühle enthielten kein 
Blut, waren aber zu der Zeit, wenn die charakte- 


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u 


ristischen bandartigen Stücke, die einem Bandwurm 
ohne Gliederung sehr ähnlich aussehen, abgingen, 
dünn und wässerig. Sie kamen aller 3—4 Tage, 
mit heftigem Leibweh und Unbehagen, hatten ein 
weissliches Aussehen und eine schleimig-faserige 
Consistenz. Nach verschiedenen vergeblich ange¬ 
wandten Mitteln ward Argent. nitric. gegeben, und 
zwar in der ersten Woche eine Tablette der 6. Dec.- 
Verreibung alle 3 Stunden. Dies brachte erheb¬ 
liche Besserung; es kam zu keinem ausgesprochenen 
Anfall, sondern nur dann und wann zu blossen An¬ 
deutungen. — Die folgende Woche erhielt sie nur 
ein Mal täglich und die dritte nur aller 2 Tage 
eine Tablette. Nach Verlauf von 4 Wochen war 
sie von all dem schmerzhaften Leiden befreit und 
blieb es auch. Sie ist wohl und munter, läuft, 
spielt und besucht die Schule regelmässig. 

Dr. Pitchard erwähnt aus unserer Literatur 
eines Falles, der hauptsächlich mit Mercurius corro- 
sivus mit Zwischengabe von Nux und Colocynthis 
und unter Beihilfe von Massage des Unterleibs, 
Electricität und eingeschränkter Diät hergestellt 
worden ist. Er meint, das geeignete Heilmittel 
müsse mit Rücksicht auf die pathologisch-ana¬ 
tomische Grundlage, d. i. eine exsudative Enteritis, 
als auf das schmerzhafte Element allein hin ge¬ 
wählt werden und zwar aus der Klasse von 
Mitteln, die, wie Argent. nitricum, Quecksilber¬ 
sublimat, Kali bichromicum croupöse Zustände be¬ 
wirken, denn obwohl man dieser Affection einen 
nervösen Ursprung zuschrieb, und den unbeträcht¬ 
lichen entzündlichen Process als Folgeerscheinung 
ansah, so ist die eigentliche Ursache dieser Krank¬ 
heit doch noch zu ermitteln. 


Nihil novi sub sole! 

Herr Dr. Werner aus Wüster in Holstein 
schreibt uns: 

Der in Nummer 7 und 8 der Allgemeinen 
homöopathischen Zeitung berichtete Fall von Into¬ 
leranz einer deutschen Universität steht nicht ver¬ 
einzelt da; bereits im Jahre 1892 lieferte die 
Kieler ein Seitenstück dazu. Damals feierte der 
allopathische Arzt Dr. Glasseck in Itzehoe , der 
freilich die Homöopathen, wie und wo er konnte, 
freundlich unterstützte, sein 50 jähriges Doctor- 
jubiläum. Der Jubilar, der in jener Stadt volle 
50 Jahre praktizirt und mehreren Generationen 
ungemein viel Gutes erwiesen hatte, ward von 
seinen Mitbürgern auf die ausgezeichnetste Weise 
gefeiert und geehrt. Herr Werner überreichte 
ihm im Namen des Sanitätscorps einen goldenen 
Lorbeerkranz — nur die Kieler Universität, ob¬ 


wohl sie von der Jubelfeier wusste, verhielt 
sich passiv. — Das verdross natürlich unseren 
lieben Alten sehr, und auch das Stadtverordneten- 
Collegium, dessen Mitglied er war, ward von dieser 
Rücksichtslosigkeit höchst unangenehm berührt, so 
dass man die Behörden auf die Thatsache aufmerk¬ 
sam machte. Das fruchtete aber nichts: die Facultät 
blieb tief in den Mantel der Schweigsamkeit ver¬ 
hüllt. 


Homöopathia involuntaria. 

Der Einfluss des Liquor testiculi tob Brown* 
Sequard auf Nervenkrankheiten. 

Von Jolly-Paris. (Journal d. Med. 1893. 20.) 
Besprochen von Dr. Kafka-Carlsbad. 

Verj . sucht den Grund der Wirksamkeit in dem 
Spermin , einem Alkaloid, das Poehl im Sperma, 
jedoch auch in anderen Organen entdeckt hat. Dieses 
soll ein in den Organen wirkendes, oxydircndes Fer¬ 
ment darstellen. 

Die durch Charcot im Blute der Leucämischen 
und anderen Krankheiten gefundenen Krystalle sind 
phosphorsaures Spermin. — Dieses soll nun in den 
Nervengeweben derart entstehen, dass die Glycerin - 
| phosphorsäure (^as Product der Leucethine), sich 
spaltet und die Phosphorsäure sich mit dem Spermin 
verbindet. — In der Annahme, dass der Phosphor¬ 
gehalt beider Substanzen, des Spermins und des 
Liquors, auf die vitale Energie des Neurasthenikers 
! wirkt, sind Einspritzungen mit 2°/ 0 Nati % on phos- 
phoricum (neutral) gemacht worden mit demselben 
Erfolg. — Die Phosphor - Therapie , wie selbe mittelst 
der 3 Substanzen in subcutanen Injectionen geübt 
wird, ist nur bei functionellen Nervenleiden an- 
I w r endbar. Byasson fand (1868), dass nach einer 
I angestrengten geistigen Arbeit die Menge der Phos¬ 
phate im Harne eine doppelte ist, als nach ange¬ 
strengter Muskelarbeit. 

Es handelt sich also bei den functionellen Neu¬ 
rosen, besonders der Neurasthenie, um ein Deficit 
an Phosphaten. — Dieses zu decken, schlägt Verf. 
das glycerinphosphorsaure Kalium vor, dessen täg¬ 
liche Gabe von 0,4 Gramm meist genügt. — Die 
Einspritzungen mit Spermin, Liquor Brown-Sequard’s 
Natron phosph. genügen nicht, da sie zu geringe 
Phosphordosen geben. — Speciell die Einspritzungen 
mit Liquor testiculi haben durchaus nicht den ihnen 
von Browu-Sequard zugeschriebenen Werth. 

Anmerkung des Beferenten Dr. Pröll. — Das 
phosphorsaure Kali und Natron bewährte sich bei 
Neurasthenie sehr oft, sowohl als Verreibung unter 
den Schüssler’schen Mitteln als auch im Gasteiner 
| Thermalwasser. 


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95 


Lesefruchte. 

Aus „Excerpta medica“ (II. Jahrg. No. 12): 
Korpus theilt einen Fall von Pikrimäurevergiftung 
aus der Nothnagelschen Klinik in Wien mit: 
45 Jahre alter Mann hatte zwei Stunden vor sei : 
ner Aufnahme in selbstmörderischer Absicht lOgr 
in Spiritus gelöster käuflicher Pikrinsäure genom¬ 
men (5,8 gr reine Pikrinsäure), wobei er sofort einen 
intensiv bittern Geschmack im Munde verspürte und 
gleich darauf Erbrechen gelbgefärbter Massen und 
stark brennenden Schmerz in der Magengegend be¬ 
kam. Im Laufe der nächsten zwei Stunden noch 
6—8mal Erbrechen. Patient suchte dann zu Fuss 
die Anstalt auf; ziemliches Wohlbefinden, nur Kla¬ 
gen über etwas Schmerzen im Magen, Mund und 
Schlund. Nach kurzer Bettruhe Ausbruch profusen 
Schweisses. Temperatur 37,6. Puls 104. Respi¬ 
ration 34. Druckschmerz im Epigastrium. Wieder j 
Erbrechen einer fast vollständig klaren, intensiv j 
gelben Flüssigkeit, in der Pikrinsäure nachweisbar 
war. Später Erbrechen von 200ccm einer röth- 
lichen, fleischwasserähnlicheu Masse, und etwas | 
später Entleerung von 20 ccm eines bräunlichen 
Urins, der eine geringe Spur Eiweiss enthält. Pi- j 
krinsäureprobe positiv. In der Nacht grosser Durst. 
Am nächsten Tage Mattigkeit, Magenbeschwerden; 
Gesicht, Sklerea, Rumpf und Extremitäten gelb ver¬ 
färbt; Farbe gleich der ikterischen, nur im Gesicht 
Stich ins Kupferrothe. Einige Barthaare intensiv 
kanariengelb, offenbar Wirkung des Erbrochenen, j 


Haut mit Schweiss bedeckt, Puls 102, Spannung 
bedeutend unter der Norm. Starke Dyspnoö: Re¬ 
spiration 84, Athemzüge vertieft, Hülfsmuskeln thätig. 
Urinentleerung stockt. Tags darauf 600 ccm Harn, 
rubinroth, klar, gelber Schaum, spec. Gewicht 1016, 
enthaltend Spuren von Albumen und Indican. Pi- 
krinsäurereaction. Blut makroskopisch und mikro* 
skopisch normal; im sedimentirten Blute erscheint 
das Serum gelb, es enthält Pikrinsäure. Am 5. Tage 
heftiges Hautjucken; Gelbfärbung geringer. Am 
8. Tage Haut nur noch leicht gelblich. Am 11. Tage 
ganz normal, nur Skleren noch etwas gelblich. Am 
13. Tage auch letztere normal, Urin hellgelb. Am 
17. Tage Pikrinsäure noch nachzuweisen, 2 Tage 
später nicht mehr. 32 Tage nach der Aufnahme 
verliess Patient die Anstalt, er blieb dauernd ge¬ 
sund. — Nach diesem Falle zu urtheilen, erscheint 
die Prognose der Pikrinsäurevergiftung relativ gün¬ 
stig; freilich scheint hier das baldige Erbrechen 
viel Bedeutung für die Heilung zu haben. Zurück¬ 
bleibende Störungen bisher nie beobachtet. 

(Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. XXII Heft 1/2.) 

Dr. Göhrum. 


Personalia. 

Dr. B e h m e -W e r 1 hat das Dispensirexamen be¬ 
standen.— Dr. Ludwig Mertens-Berlin, der Nestor 
der Ilomöo|)athen, ist am 4. März im 82. Lebensjahr 
gestorben. 


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oder Kinder) Kink. 2.—. 

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Bei den Ke Visionen der Hausapotheken der selbst« 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift>Sdiränkehen 

und 

Separanden-Sehränkehen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum- 
oder mabagoni* artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschrftnkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
eurialia, welche jede durch eiae besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thüren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandenschrftnkch6n ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschiid 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch fiir andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weise zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetreteuen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- nnd Separanden-Schränk¬ 
chen jetzt auch in einen Sehrank vereinigt, vor- 

räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, di£ doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggraf s homöopath. Offlein in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius M&ser ip Leipzig. 


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Band 138 


Leipzig, den 29. März 1894. 


No. 13 u. 14, 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Y er lag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 dos Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln dbVogler 
in Lelpsig and dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) za richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 


Inhaft. Ein rascher Erfolg. Mitgetheilt von Dr. Kunkel in Kiel. — Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. 
Kafka in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung.) — Innere Heilkunst bei sogenannten chirurgischen Krankheiten nach zahl¬ 
reichen eigenen Beobachtungen. Von Emil Schlegel. Besprochen von Dr. Mossa. — Offener Brief an Herrn Dr. Carl 
Köck in München. — Zur gefftllgen Beachtung für die Arzneiprüfungsgesellschaft. — Aufruf. — Die zeitweilig herr¬ 
schenden Heilmittel. — Einkommen in 42 jähriger ärztlicher Praxis. — Lesefrüchte. - Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•B 


Ein rascher Erfolg. 

Mitgetheilt von Dr. Kunkel in Kiel. 

Frau Z., 36 J., consultirte mich am 26. De- 
cember 1893. Sie leidet seit 10 Jahren an Kopf- 
und Magenschmerzen, die nichts besonders Charak¬ 
teristisches haben. Vor 1Jahren zum ersten Mal 
entbunden. Die Menses stellen sich nach 6 Wochen 
ein (sie stillt nicht). Seitdem fast unausgesetztes 
Zittern der Glieder, verbunden, wenn stark, mit 
Herzklopfen. Völlige Appetitlosigkeit, Stimmung 
veränderlich, Schlaf schlecht, nicht erquickend, Beine 
im Schlaf ausgestreckt, beim Sitzen oft schläfrig, 
Kriebeln in den Beinen und Fingerspitzen, grosse 
Mattigkeit. Wenn das Zittern heftig: Erbrechen 
mit Schweiss der Hände und Angst, Befinden im 
Zimmer und im Freien gleich, grosse Empfindlich¬ 
keit gegen Aerger, der sie auch körperlich sehr 
herunterbringt. Menstrualbut das vorletzte Mal ge¬ 
ronnen, das letzte Mal nicht. Ein paar Mal In- 
jectionen von Morph, ohne Erfolg. 

Wer mit der Pharmakodynamik der Platina 
einigermassen vertraut ist, wird mir einräumen, dass 
sich dieses Mittel vor allen anderen zur Wahl stellte, 
wenn auch ein Symptom fehlte, das ich selten ver¬ 
misst habe: krampfhaftes Gähnen (ohne eine Spur 
von Schläfrigkeit). 

Ich verordnete 6 Dosen Plat. 200, (Lehm.) mit 


der Weisung, jeden 7. Abend eine zu nehmen. Der 
Bericht am 20. Februar 1894 lautete: Kopfschmerz, 
Magenschmerz, Zittern der Glieder ganz verschwun¬ 
den, mag gern essen, hat Lust zu Allem; von 
Herzklopfen auch bei starken Bewegungen keine 
Spur, sie kann nichts Krankhaftes mehr entdecken 
und stellt es mir anheim zu entscheiden, ob sie 
fernerer Medicamente bedarf. Ich verordnete das¬ 
selbe Mittel alle 14 Tage 1 Dosis. 

Bei einer früheren Gelegenheit habe ich in 
diesen Blättern geäussert, es gehöre mehr als edle 
Dreistigkeit dazu (der Druckfehlerteufel oder Job. 
Ballhorn hatte daraus edle Opposition gemacht) — 
und ich kann es nur wiederholen, — die Wirkung 
der Hochpotenzen zu leugnen. Der vorliegende 
Fall scheint doch recht deutlich zu sprechen. Frei¬ 
lich, wenn Jemand hier meint: diese Krankheit 
wäre auch ohne diese Mittel in Genesung über¬ 
gegangen, so kann ich den strikten Gegenbeweis 
nicht liefern, weil wir uns auf einem Gebiete be¬ 
finden, wo ein solcher überhaupt nicht möglich 
ist. Aber Fälle wie der vorliegende giebt es in 
der homöopathischen Literatur genug. Wer diesen 
gegenüber ohne Nachprüfung seine Zweifel oder 
vielmehr seine Negation aufrecht erhält, von dem 
darf man viel dreister behaupten, dass seine Or¬ 
ganisation für Natur forsch ung überhaupt sich nicht 
qualificirt. 

13 


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98 


Ueber das Magengeschwür. 

Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. 

(Fortsetzung.) 

Symptome des blutenden Ulcus. 

Wir wissen, dass es ein foudroyantes, letales 
Ulcus giebt oder das Ulcus, welches nun einmal 
demaskirt worden ist, öffnet sich wieder durch ver¬ 
schiedene Ursachen, durch ein excitirendes Nahrungs¬ 
mittel, sehr heisse oder sehr kalte Getränke. Es 
kann sich auch ereignen, dass das Coagulum, das 
sich im Ulcus oder im Blutgefässe gebildet hat, 
sehr wenig adhärent ist und sich leicht ablösen kann, 
wenn die Herzaction das Normale überschreitet. 

Leichte Hämorrhagieen bewirken nur eine 
psychische Verstimmung, grosse Hämorrhagieen, 
namentlich wenn sie ziemlich schnell auf einander 
folgen, bedingen eine beträchtliche Anämie mit allen 
ihren Consequenzen, wie z. B. blasse, wachsgelbe 
Hautfarbe, kleinen, frequenten Puls, Ohrensausen 
und Schwindelanfälle mit Verlust des Bewusstseins, 
vorübergehende leichte Delirien, vollständige Ano¬ 
rexie, Sehnenzittem und kleine Convulsionen, wie 
nach Choleraentleerungen. 

Heilungsfähigkeit Trotz dieser Schwere und 
trotz dieser so grossen Gefahren der Anämieen in 
Folge von runden Magengeschwüren tödten die¬ 
selben nur selten, besonders im jugendlichen Alter. 
Charles Hood in London hat im Jahre 1891 in 
seiner Statistik aus dem Guy's Hospital betreffend 
die Zeit von 1870 bis 1890 nachgewiesen, dass 
die Mehrzahl der Erkrankungen des Magens und 
der Magengeschwüre, die unter dem 30. Lebens¬ 
jahre auftreten, die Weiber betreffen und dass 
unter diesen Umständen ein Todesfall in Folge 
von gastrischer Hämorrhagie kaum vorkommt. Von 
66 Fällen dieser Art hatten 29 noch nicht das 30. 
Lebensjahr erreicht und unter diesen fanden sich 
nur 2 Männer, während 21 Fälle im Alter von 
30—40 Jahren 11 Männer betrafen; alle genasen. 
Bei 7 andern Kranken, die als directe Folge der 
Hämorrhagie letal endeten, schwankte das Lebens¬ 
alter zwischen 33 und 53 Jahren. Es ist kaum 
anzunehmen, dass die Prognose der Hämatemesis 
gerade zur kritischen Zeit des Krankheitsverlaufes 
eine schwerere wird; es muss im Gegentheil be¬ 
merkt werden, dass bei den Hämorrhagieen in den 
Fällen junger Frauen keine schlechte Prognose 
vorhanden sei; bisweilen geben dieselben sogar eine 
gewisse Erleichterung mit Abnahme der schmerz¬ 
haften Symptome an und später constatirt man 
eine Verbesserung des Blutes, dessen rothe Blut¬ 
körperchen rapid von zwei auf drei und sogar auf 
vier Millionen steigen können, während zu gleicher 
Zeit der Hämoglobingehalt von 31 auf 51 Percent 
in die Höhe gehen kann. 


Wenn Exitus letalis eintritt, so ist dies zumeist 
die Folge eines Durchbruchs des Ulcus und einer 
Usur der Arteria lienalis oder der Arteria pancrea- 
tica, der Vena portarum oder des linken Herzens 
oder eines kleinen Aneurysmas der Arteria coronaria 
(Fowell). 

Diagnose des hämorrhagischen Ulcns. 

Allgemeines. 

Die Diagnose im Allgemeinen sollte mit der 
Sonde nicht vorgenommen werden von dem Momente 
an, in welchem sich auch die allergeringste Spur 
einer Hämorrhagie zeigt; schon seit langer Zeit 
wurde auf die Gefahr, die Hämorrhagie von neuem 
anzufachen oder eine Perforation zu verursachen, 
hingewiesen. 

I^eube hat auf diese Gefahr und die diesbezüg¬ 
liche Unerfahrenheit der Aerzte hingewiesen; die 
jungen Aerzte haben diese Lehre ins Lächerliche 
gezogen und es bedurfte, um diesen Uebermuth 
zu rächen, mehrerer Katastrophen, des Todes mehrerer 
Kranken. Seit jener Zeit hat man auf dieses bru¬ 
tale Vorgehen Verzicht geleistet. Diese Frage 
reducirt sich jetzt auf gewisse Schwierigkeiten, 
denen man in manchen Fällen begegnet, die aber 
selten Vorkommen: 

a) Wenn die Hämatemesis eine beträchtliche ist, 
so muss man an die Varices des Oesophagus denken 
in Folge von Lebercirrhose. Die Venen des Oeso¬ 
phagus stellen für das Blut der Pfortader ein Diver¬ 
tikel dar; wenn das Blut in den Magen zurück- 
fliesst, um dann ausgeworfen zu werden, so kann 
man eine veritable idiopathische Hämatemesis an¬ 
nehmen. Viele Autoren: Blume, Deboyc, Stony, 
Wilson, Sachs, Welkel und Ewald haben diesbe¬ 
zügliche Fehlgriffe beschrieben, die man durch die 
Untersuchung der Leber vermeiden kann. 

b) Veränderungen in den Gejässwänden . Diese 
Veränderungen geben zu Varices oder zu einer 
atheromatösen Degeneration der Gefässe des Magens 
oder zu einer amyloiden Degeneration Veranlassung, 
die eine Hämorrhagie heraufbeschwören können. 

Aber, wie eben Ewald bemerkt, wenn es sich 
um eine beträchtliche und ausgedehnte Atheroma- 
tose handelt, wie sie bei Greisen vorkommt, so 
führt dieselbe nicht zu gastrischer Hämorrhagie. 

Die Yaricen , die man bei Greisen, namentlich 
bei Potatoren beobachtet, können Hämorrhagieen 
des Magens bedingen. Diese fallen natürlich oder 
wenigstens oft mit den Oesophagusvaricen zu¬ 
sammen. 

Aneurysmen als Ursache für eine beträchtliche 
Hämatemesis wurden von Gallard und Sachs be¬ 
obachtet. 

c) Die wahre Schwierigkeit in der Diagnose 


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*9 


der Hämorrhagie bezieht sich auf den Krebs oder 
das krebsige Geschwür. 

Wir werden dieses Problem bei Gelegenheit des 
Ulcus pepticum simplex lösen oder discutiren. Das 
hämorrhagische Ulcus unterscheidet sich vom Car- 
cinom insoweit, als die Hämatemesis des Carcinoms 
im Allgemeinen eine wenig reichliche ist, das Blut 
ganz und stets zersetzt ist und eine kaffeeschwarze 
oder chocoladebraune Farbe besitzt. Diesbezügliche 
Ausnahmen giebt es nur für die Hämorrhagieen des 
Krebses der Cardia, der brüsk und heftig unter 
der Form einer letalen Hämorrhagie zum Ausdrucke 
kommt, analog der des Krebses des Oesophagus. 

d) Die menstruelle Hämatemesis muss ebenfalls 
in Betracht gezogen werden. 

e) Die foudroyante Anämie des Ulcus ähnelt 
bisweilen in einem gewissen Grade derjenigen des 
Krebses; man kann auf der Anämie keine Diagnose 
aufbauen. 

f) Das Oedem der Extremitäten nach Ermüdungen 
kommt beim Ulcus selten vor. 

g) Die Amaurose , die bei den intestinalen 
Hämorrhagieen aufltritt, denjenigen Hämorrhagieen, 
welche 65 Procent aller Hämorrhagieen bilden, die 
aber mit der Hämatemesis in keiner bestimmten 
Beziehung stehen; die Amaurose findet sich bei 
den Hämorrhagieen in Folge des Ulcus häufig, wird 
aber beim Krebs vermisst. 

h) Hämatemesis ohne Gefässveränderung , ohne 
Zeichen eines sicheren Ulcus. Es giebt endlich 
Blutbrechen, bei welchem es unmöglich ist, das Vor¬ 
handensein einer Gescliwürshämorrhagie mit Sicher¬ 
heit anzugeben. 

Man hat Hämorrhagieen häufig ohne Grund auf 
Ulcus bezogen. 

i) Traumatismus. Endlich kann die Hämorrhagie 
auf Rechnung eines Traumas kommen, wie z. B. 
Sturz auf den Boden ohne äussere Verletzung, das 
Eindringen eines spitzen Körpers, eine Contusion 
des Epigastrium. 

Wenn die Hämorrhagie ausgesprochen ist und 
nicht so weit gedeiht, um eine Hämorrhagie hervor¬ 
bringen zu können, so kann sie auf Rechnung einer 
glandulären Gastritis kommen und in diesem Fall 
handelt es sich um eine einfache Congestion, so 
wie man sie auch bei gewissen Krankheiten des 
Herzens findet, wo sie selten den grossen Typus der 
Hämorrhagieen erreicht. 

Zeichen und Diagnose des Ulcns pepticum 
oder Ulcus Simplex. 

Vier Hauptzeichen kennzeichnen das Ulcus 
simplex: 

1. Die Hyperchlorhydrie, welche bei allen Magen¬ 
geschwüren vorhanden ist, die man aber fast nur 
beim Ulcus pepticum constatiren kann. 


2. Der Schmerz und seine verschiedenen Formen. 

3. Das Erbrechen, das unter vielen Fällen ein¬ 
mal fehlt. 

4. Die Dyspepsie. 

Diese letztgenannten Phänomene sind häufig 
derart, dass man diese einfachen peptischen Ge¬ 
schwüre täglich mit hyperchlorhydrischen Geschwüren 
verwechselt. 

Das runde Magengeschwür verdient den Namen 
Ulcus pepticum, denn es rührt thatsächlich von 
einer Autodigestion einiger Stellen des Magens her. 


Innere Heilkunst bei sogenannten chirurgi¬ 
schen Krankheiten nach zahlreichen eigenen 
Beobachtungen. 

Von Emil Sohlegel. 

Besprochen von Dr. Mossa. 

Die Schlegel’sche Schrift, die uns hier vorliegt, 
ist bestimmt, die überaus wichtige Frage zu lösen, 
wie weit die innere Medicin, insbesondere die ho¬ 
möopathische, in Verbindung mit der Diätetik, im 
weitesten Sinne des Wortes, das Zeug hat, bei so¬ 
genannten chirurgischen Krankheiten, d. h. solchen, 
welche die herrschende Schule überwiegend nur 
durch operative Eingriffe behandeln zu müssen ver¬ 
meint, Hülfe und Heilung zu bringen. Freilich 
haben schon im Lager der alten Schule eine An¬ 
zahl hochangesehener Aerzte den Uebergriffen einer 
allzu operationslustigen Chirurgie auf das Gebiet der 
inneren Medicin ein energisches Halt zugerufen; 
aber diese selbst stecken die Grenzen der inneren 
Medicin gar sehr eng, viel zu eng für die die Homöo¬ 
pathie ausübenden Aerzte. Wir können eine strenge 
Trennung zwischen Leiden, die im Innern des 
menschlichen Körpers sich abspielen, und als solche 
der innern Medicin zugehören, und solchen, die an 
der Oberfläche des Körpers, an seiner Aussenseite 
erscheinen und als äusserliche, örtliche Affectionen der 
Chirurgie oder einer äusserlichen, einer localen Be¬ 
handlung anheimfallen, nicht anerkennen, sondern 
wir halten auch das, was von krankhaften Zustän¬ 
den äusserlich erscheint (wenn es nicht durch eine 
von aussen wirkende Ursache entstanden ist), für 
Aeusserungen eines im Gesammt-Organismus wur¬ 
zelnden Grundübels, einer inneren Ursache, und 
suchen deshalb durch innerliche Arzneimittel jenem 
scheinbar reinörtlichen Leiden zu begegnen, durch 
Arzneimittel, welche nach Hahnemann’s Lehre ge¬ 
wählt werden nach der Totalität der objectiven wie 
subjectiven Erscheinungen mit ganz besonderer Be¬ 
rücksichtigung der constitutioneilen Verhältnisse des 
Erkrankten, des Bodens, auf dem jene äusserliche 

13* 


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100 


Leiden gewurzelt sind. Demgemäss hat auch unsere 
Literatur einen reichen Schatz von diesbezüglichen, 
oft wirklich überraschenden Heilungen aufzuweisen. 

College Scblegel’s Verdienst ist es nun, dass er 
in seiner „innern Heilkunst bei sogenannten chirur¬ 
gischen Krankheiten“ das gesammte Gebiet der an¬ 
gedeuteten Krankheitszustände und Formen, die in 
ihrer Bedeutung für die Gesundheit und für das 
Lehen eine weite Skala vom Minimum bis zum Maxi¬ 
mum hin durchlaufen, unter dem oben besproche¬ 
nen Gesichtspunkte beleuchtet und durch eine aus 
seiner eigenen, reichen Erfahrung geschöpfte Casui- 
stik an lebensvollen Beispielen die Leistungs¬ 
fähigkeit der innern, insbesondere homöopathischen 
Heilkunst auf diesem immensen Gebiete klar und 
deutlich, und selbst für den Nichtarzt fasslich dar¬ 
gelegt und dargestellt hat. 

Wir begegnen in dieser Schrift manchem uns 
wohlbekannten Gedanken, aber in einer in dem 
Geiste des Verf. so eigenartig umgebildeten Gestalt, 
dass er uns erst in einer neuen, zeitgemässen Be¬ 
leuchtung erscheint. Wir citiren p. 17: „Darauf 
kommt es an, dass wir heilen und bessern , dass wir 
die Zusammenhänge des Lebens richtig erfassen und 
das individuelle Leben zur ungehemmten Entfaltung 
bringen, dass wir die erkennbaren und fassbaren 
Hindernisse der Lebensentfaltung und des Wohl¬ 
seins wegräumen. So entsteht Gesundheit, Ge¬ 
nesung! Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese 
leitenden Ideen, die an ihrer Fruchtbarkeit und an 
ihren Früchten zu erkennen sind, aufzunehmen, 
ihrer Begründung nachzuspüren, ihre Realisirung 
im Leben zu verfolgen, zu erklären, söfern es mög¬ 
lich ist. Die Wissenschaft spielt eine durchaus 
sekundäre Rolle gegenüber der Fähigkeit und der 
Kunst zu leben; ich kann mir nichts Eitleres und 
Tbörichteres zugleich denken, als pochende Be¬ 
rufung der Aerzte auf Wissenschaft! 

„Unter allen Männern, die in vergangenen und 
heutigen Tagen für die Heilkunst als wahre Aerzte 
gewirkt haben, nenne ich hier geflissentlich nur 
den Einen, Hahnemann. Er war Entdecker und 
Arzt zugleich, hatte den freien Blick eines Un- 
betheiligten und die Gelehrsamkeit und Kritik des 
Arztes und berühmten Schriftstellers seiner Zeit, 
In ihm waren das künstle)'Ische und icissenschaftliche 
Streben vereinigt und die von ihm in die Heilkunst 
eingeführten Ideen sind die praktisch und wissen¬ 
schaftlich fruchtbarsten. — Freilich werden diese 
Ideen noch bekämpft, aber eben von solchen, deren 
Specialität Ideenscheu und Ideendusel zugleich ist. 
Ideenscheu sind sie, weil sie es verschmähen, den 
blühenden Garten eines vermeintlichen Feindes zu 
betrachten, weil ihnen Wohlstand und Gedeihen auf 
dieser Seite ein Greuel ist, weil sie nun einmal 
lieber annehmen, dass gar nicht vorhanden ist, was 


| 


I 


ausserhalb ihrer Sphäre längst greifbare Gestalt 
angenommen hat. Und im Ideendusel leben diese 
Feinde der Homöopathie, weil sie trotzdem ver¬ 
borgenerweise systematische Grundsätze hegen, ihre 
Idole, die ihnen unter wissenschaftlicher Maske 
lockend genug Vorkommen und hinreichende prak¬ 
tische Erfolge gewähren, weil den leidenden Men¬ 
schen oftmals viel mehr an rasch sichtbaren, local 
erleichternden Effecten, als an gründlicher Gesundung 
gelegen ist. — Und so muss der Kampf zwischen 
den verschiedenen Richtungen ja doch wieder ent¬ 
brennen und endlich zum Austrag kommen. 4 

In der That können wir nur die Heilwissen¬ 
schaft als die echte anerkennen, welche den Weg 
vom Wissen zum Können bahnt, und das thut die 
auf naturgesetzlichem Grunde beruhende homöo¬ 
pathische, nicht aber eine falschgerühmte Schul¬ 
weisheit, die, je mehr sie anschwillt, die Kluft 
zwischen Wissen und Können um so mehr erwei¬ 
tert. Auf schnelle Effecte, möglichst baldige Ar¬ 
beitsfähigkeit, die von einer wirklichen, gründlichen 
Heilung häufig weit entfernt ist, zielt leider, in 
Folge der socialen Verhältnisse, die Behandlung der 
der Unfallversicherungs- oder Ortskranken-Kassen 
zugewiesenen Kranken, mehr als gut ist, hin, 
und auch beim Militär macht sich dieser Gesichts¬ 
punkt gar zu stark geltend. Was wird die Folge 
davon sein? Frühzeitige Invalidität, Verschlechte¬ 
rung der Volksgesundheit im Ganzen. 

Verf. sucht nun, auf sein Thema eingehend, 
die Aufgaben der Chirurgie näher zu bestimmen, 
ihr zu geben, was ihr zukommt — und da bleibt ihr 
noch immer ein grosses, segensvolles Feld. Er zeigt 
aber, dass selbst schon bei der „kleinen Chirurgie“ 
mancherlei Leiden Vorkommen, welche besser der 
innern Behandlung nebst zweckmässiger Hygiene 
überwiesen werden. So bei den Warzen. „Jede 
Warze,“ sagt er, „ist in der Körperconstitution des 
Besitzers begründet und bei homöopathischer Be¬ 
handlung lassen sich fast alle Warzen binnen einigen 
Monaten beseitigen; ähnlich verhält es sich bei den 
hängenden Hautlappen (Cutis pendula. Ref.), die 
manchmal zahlreich erscheinen.“ 

Es ist eine alltägliche, aber viel zu wenig be¬ 
achtete Thatsache, auf die Verf. daher mit Recht 
aufmerksam macht, dass „das Kindesalter seine be¬ 
sondere Neigung zur Hervorbringung kleiner, 
schmerzhafter Hautabstossungen an den Nagelrän¬ 
dern hat (Neid- oder Nietnägel nennt sie das Volk. 
Ref.), die reifere Jugend zur Bildung von Acne- 
pusteln im Gesicht neige. Im jugendlichen Alter 
treten auch die Panaritien der Finger besonders 
häufig auf. Späterhin entstehen mehr die Furunkel 
und Carbunkel, sowie die oft lästigen Entzündungen 
am Nagelbett der Zehen und sogenannte einge¬ 
wachsene Nägel. Bei den meisten dieser Gelegen- 


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101 


heiten greift die Chirurgie die leidende Körper¬ 
stelle äusserlich und örtlich an mit zum Th eil 
recht rohen Verfahrensarten. Wir Homöopathen 
achten dagegen auf den Wink der Natur, welche 
solche Zustände unter allgemeinen Einflüssen in 
gewissen Lebensaltern herbeiführt, und erforschen 
die genauem Umstände, welche im einzelnen Fall 
örtlich und constitutionell die Erkrankung aus¬ 
zeichnen .... Indem wir der kleinen oder auch 
bedeutenden örtlichen Affection von innen heraus, 
d. h. im Zusammenhänge mit den Ernährungs- und 
Functions Verhältnissen des Gesammtorganismus ent¬ 
gegentreten, treffen wir die Ursache ihrer Ent¬ 
stehung und beseitigen sie unter gleichzeitiger gün¬ 
stiger Aenderung des Gesammtorganismus. Dies 
ist doch eine naturgemässere Betrachtung und Be¬ 
handlung der genannten Störungen, als sie die 
Chirurgie uns bietet, die sich durch die äusserliche 
Sichtbarkeit einer Affection verleiten lässt, auch die 
Ursache derselben äusserlich zu vermuthen und den 
Heilversuch äusserlich zu bewirken.“ — (p. 20). 

Bei Besprechung der Brucheinklemmungen, die 
er zuweilen einer innerlichen Behandlung nebst An¬ 
wendung von Wasserumschlägen und Einreibung 
einer schwachen Belladonnasalbe zugänglich fand, 
ohne aber die oft das Leben rettende operative Be¬ 
handlung derselben zu verwerfen, hätte Verf. eine 
Warnung an die nichtärztlichen Leser einfliessen 
lassen können, nicht durch zu lange fortgesetzte, 
häufig unzweckmässige Reductionsversuche oder bloss 
rein innerliche Mittel den Zustand zu verschlimmern, 
sondern sich bei Zeiten an einen sachkundigen Arzt 
zu wenden. 

Wenn Verf. die operative Behandlung des 
Kropfes sowie auch die mit starken Gaben von Jod, 
namentlich wenn sie nur aus kosmetischen Rück¬ 
sichten vorgenommen wird, verwirft, so stimmen 
wir ihm hierin vollständig bei. Seine auf diesem 
Gebiete erzielten Heilerfolge, wie sie uns 1. c. 
p. 29 u. ff. vorliegen, sind ausgezeichnet zu nennen. 
College Schlegel liebt es, in derartigen Fällen die 
homöopathischen Mittel in höheren Potenzirungen, 
aber nach Peczöli’s Vorgang in immer zunehmender 
Dosis zu geben. Hierbei muss freilich der Patient 
wie auch sein Arzt eine unerschütterliche Ausdauer 
und Beharrlichkeit besitzen. Es giebt aber viele 
Patienten, die diese Eigenschaft nicht besitzen, oder 
auch nicht im Stande sind, die durch die Cumula- 
tion der Mittelgaben oft übermässig gesteigerte, 
sehr schmerzhafte Reaction zu ertragen. — Dem 
Ref. sind unter Anwendung des alten, berühmten 
Kropfmittels, das aus einer innigen Verreibung von 
Spongia maritima, Calcarea carb. und phosphorica 
mit Saccharum besteht, in Verbindung mit einer 
Massage massigen Grades, gar manche Heilungen 
von zum Theil sehr alten, verhärteten Kröpfen ge¬ 


lungen; indessen gilt es auch den Kropfkranken 
gegenüber zu individualisiren. 

Der p. 30 mitgetheilte Fall einer kropfartigen 
Halsgeschwulst, die schon hart an die Grenze der 
bösartigen Halstumoren streifte, ist so interessant und 
belehrend, dass wir sie hier gern wiedergeben. 

Am 15. December 1889 suchte ein Bauunter¬ 
nehmer die Hülfe des Autors nach. Vor 14 Tagen 
war er wegen einer am Halse links bemerkbaren, 
sehr harten Geschwulst zum Medicinalrath v. Burk¬ 
hardt in Stuttgart gegangen, wo ihm sofort der 
verdächtige und kaum mehr operative Zustand der 
Geschwulst klargelegt wurde. Er hat seitdem 
15 Gramm Jodkali verbraucht; eine Einwirkung auf 
die Geschwulst war indessen nicht bemerkbar. Die 
linke Halsseite in der Höhe des Ringknorpels ist 
von einer wenig verschieblichen harten Masse auf¬ 
getrieben. Körpergewicht des grossen, muskulösen 
Mannes 196 Pfund. Harn sauer, klar, eiweissfrei. 
Er klagt über Kopfweh und Herzklopfen, Kräfte¬ 
abnahme, Verdauungsstörung, kalte Füsse; (Jod¬ 
wirkung). 

Verordnung: Diät hinneigend zur vegetarischen, 
Jod sofort weggelassen: Hep. 30. und Bell. 30. 

Am 11. Jan. 1887 191 Pfund. Herzklopfen 
vermindert, Halsgeschwulst bretthart, nicht grösser. 
Hep. und Arsen. 30. 

28. Januar. 187 Pfund. Zunehmendes Wohl¬ 
befinden. Hals unverändert. Bis zum 5. August 
desselben Jahres blieb das Gewicht stationär, das 
Allgemeinbefinden besserte sich, trotzdem ist die 
Geschwulst in letzter Zeit langsam gewachsen. Sie 
geht ringförmig nun auch etwas über die Mittel¬ 
linie. — Vom October ab traten linksseitige Ge¬ 
sichtsschmerzen ein, am 8. November -wird auch 
zunehmende Beengung des Athems, besonders im 
Liegen, geklagt. Von hier ab lässt Verf. neben 
den jeweils angezeigten homöopathischen Mitteln 
die Mattei’schen Anticanceroso und Antiscrofoloso 
täglich gebrauchen. So geht es unter verschiede¬ 
nen Beschwerden bis in den Januar 1888. Die 
Gesichtsgeschwulst nimmt nicht mehr zu, aber 
Gesichtsneuralgien, Kopfschmerzen, linksseitige 
Augenentzündung, Schlaflosigkeit quälen den Kran¬ 
ken. Am 3. Februar verordnete Verf. Graphit 30. 
wegen gleichzeitiger hartnäckiger Verstopfung. 
Daneben die Mattei’schen Mittel fortgesetzt ge¬ 
braucht. — Am 31. März ist zum ersten Mal eine 
auffallende Verkleinerung der nun weicher und 
leichter verschieblich gewordenen Geschwulst er¬ 
kennbar. Patient giebt an, dass er seinen Hals¬ 
kragen binnen kurzer Zeit um 4 cm habe enger 
machen können! Also Triumph nach langer, 
trüber Zeit. Die Genesung schritt schnell vor und 
der Betreffende ist noch heute gesund. Hals 
normal. — Die Puristen unter uns werden es 


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tadeln, dass College Schlegel neben den homöopathi¬ 
schen Mitteln noch andere, hier Mattei’sche, in 
manchen Krebsfallen das von Mars in Umlauf ge¬ 
setzte, alle von mehr oder weniger unbekannter 
Herkunft, also Geheimmittel gebraucht. Er spricht 
sich hierüber zunächst 1. c. p. 32 so aus: „Kein 
gewissenhafter Arzt wird sie, die Geheimmittel, 
wählen, so lange er Naturkräfte kennt, welche 
Heilwirkung erwarten lassen, ohne mit dem Banne 
selbstsüchtiger und beschränkter Geheimthuerei um¬ 
gehen zu sein. Andererseits wird kein gewissen¬ 
hafter Arzt ein Menschenleben hingeben, ohne ein 
solches Mittel noch in Gebrauch gezogen zu haben, 
wenn er anders davon irgend etwas hoffen kann. 
Da ich nun infolge Erfahrungen früherer Jahre 
die betreffenden (Mattei’schen) Mittel als in manchen 
hoffnungslosen Fällen noch rettend erkannt habe, 
machte ich auch im gegenwärtigen davon Gebrauch 
und hatte es nicht zu bereuen. Man könnte nun 
die Frage aufwerfen: warum nicht öfter, nicht 
regelmässig nach einem solchen Erfolge? Antwort: 
weil Alles in Allem genommen diese Mittel keine 
besseren, ja nicht einmal die gewöhnlichen Durch¬ 
schnittsresultate der Behandlung mit bekannten 
homöopathischen Mitteln ergeben haben. Ich wage 
auch im vorliegenden Falle die Behauptung, dass 
durch die Graphitgaben die Heilung sehr gefördert 
worden ist, ohne Alattei’s Mittel wäre sie aber 
nicht gelungen.“ Wir meinen aber, dem Graphit 
gebührt der Löwenantheil an dem Heilerfolge, ob¬ 
wohl es immerhin misslich ist, beim gleichzeitigen 
Gebrauch mehrerer Heilfactoren zu bestimmen, 
was der eine oder der andere geleistet hat. Wir 
wollen aber durchaus nicht mit dem Verf. über 
sein Verfahren rechten, da auch uns das Heil 
des Kranken das oberste Gesetz ist, so gern wir 
auch in diesem Falle der reinen Homöopathie 
einen solchen Triumph gegönnt hätten. — Uebri- 
geus äussert sich Verf. p. 101 über solche Ge¬ 
heimmittel in einem Sinne, dem wir imsere Zu¬ 
stimmung nicht versagen können: „Wie in der 
Sphäre der medicinischen Schulrichtung, so hat sich 
auch, anlehnend an die homöopathische Medicin, 
von mehreren Seiten das Bestreben kundgethan, 
Geheimmittel auf den Markt zu bringen (Mattei, 
Zirapel, Dr. Tritschler, Pupier, Mars), ein Vor¬ 
gehen, welches auf unserem Gebiete desto weniger 
angemessen erscheint, als bei uns Homöopathen 
eben die Erkrankung nicht nach ihrem Namen, 
sondern nach ihren genau aufgenommenen Natur¬ 
erscheinungen in Beziehung zu den Heilmitteln 
gebracht wird, die wieder ihrerseits nur desshalb 
als homöopathische anerkannt werden, weil ge¬ 
gebenen Falles jenes Krankheitsbild mit ihrem 
Arzneiprüfungsbild übereinstimmt. — Der Arzt wird 
eine Pflicht darin erkennen, solche Geheimmittel 


zu umgehen, sofern er ebenbürtige andere Heil¬ 
mittel weiss. Zeigt sich aber eines dieser Geheim¬ 
mittel in einer gewissen Hinsicht bekannten Heil¬ 
kräften überlegen, so wird er wiederum jenes 
Princips willen nicht auf eine sonst unvollziehbare 
Heilung verzichten. —“ Das Material, das uns 
Verf. weiterhin in seiner Schrift über die inner¬ 
liche homöopathische Behandlung bei pleuritischen 
Exsudaten, Rippenabscessen, kalten Ahscessen, 
Kniegelenktumoren, Zellgewebsentzündungen, vari- 
cösen Unterschenkelgeschwüren, Hämorrhoidalleiden, 
Tripper- und Blasenaffectionen, dann bei der in 
den verschiedenen Geweben auftretenden Tuber¬ 
kulose (Haut-, Knochen- und Gelenk-, Drüsen- und 
Lungentuberkulose) darbietet, ist so reichhaltig, 
die erzielten Erfolge meist so hervorragend, die 
entwickelten Gesichtspunkte so original und für 
die Praxis fruchtbar, dass wir die Lectüre und 
das Studium des Gebotenen dringend empfehlen 
können. — Wir können es uns aber nicht ver¬ 
sagen, seine Charakteristik der tuberkulösen Krank¬ 
heitsformen und die diesen entsprechende Diätetik 
hier zu citiren, wie er sie 1. o. p. 64 giebt: „Die 
am meisten charakteristische gemeinsame Eigen¬ 
schaft alter tuberkulöser Krankheitsformen ist 
Schwäche , Schwäche der Lebensäusserungen im 
Ganzen oder im Einzelnen, Schwäche der Gewebe, 
welche sie verhindert, auf pathogene Reize kräftig 
überwältigend zu reagiren, Schwäche des Blut¬ 
umlaufs, häufig ihren Ausdruck findend in kleinem 
Herzen, engen Schlagadern. — Mit dieser Schwäche 
verbunden ist häufig eine bedeutende Leistungs¬ 
fähigkeit einzelner Organe und Functionen, eine 
Culturerscheinung, die mit ihrer Lebensgrundlage 
keineswegs im Widerspruche ist. Ebenso haftet 
jener Schwäche häufig die ungewöhnlich empfind¬ 
liche Reizbarkeit an, wiederum eine Eigenschaff, 
die der mangelnden Hauptreaction gegen Lebens¬ 
störung nicht widerspricht. Die Schwäche, welche 
in fortgeschrittenen Formen phthisischer Erkran¬ 
kungen so sehr auffallt und ihren gewöhnlichen 
Ausdruck in der Abmagerung zur Schau stellt, hat 
die Aerzte von jeher mit dem Impulse erfüllt: 
Stärke! und angesichts der Abzehrung ihrer Patien¬ 
ten empfanden sie die Aufgabe: Ernähre! Und 
so ist es denn zum Grundsatz der Schwindsuchts¬ 
frage vom diätetischen Standpunkte aus geworden, 
die Circulation zu heben, die Ernährung aufzu¬ 
bessern. 

Physiologische Forschungen haben unserer Zeit 
die Hauptgesichtspunkte des Stoffwechsels auf¬ 
gedeckt und so ward es zur Parole: möglichst ei¬ 
weissreiche Kost , während durch geeignete Reiz¬ 
mittel, insbesondere Wein, Cognac, Fleischbrühe, 
die Blutbewegung und damit die Versorgung der 
nothleidenden Gewebe gesteigert werden müsse. 


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108 


Dem entsprechend: reichlich Milch, Ei, Fleisch; ! 
mässiger Kohlenhydrate und die eiweissarme 
Nahrung, von der man wesentlich nur eine ent¬ 
behrliche Füllung der Verdauungsorgane erwartete. 

Auf diese Art sind zahllose Phthisiker beratlien 
worden und ich kann auf Grund reicher Erfahrung 
folgendes Urtheil abgeben: Wo die Erkrankten 
gleichzeitig zur Hautpflege abgeleitet werden, gute 
Buhe und Schonung geniessen, womöglich noch in 
einer höhern Luft, oder in sonstigen (günstigen. Ref.) 
Aufenthalt versetzt werden, da überwiegen meist 
die positiven Factoren und es tritt relative Besse¬ 
rung ein trotz jener Ernährungsweise, welche ohne¬ 
hin schon dem modernen Geschlecht zu nahe liegt, 
als dass sie wesentlich neu auf die Phthisiker 
wirken könnte. — Wird aber ein Tuberkulöser 
dem relativ neuen Regime in obigem Sinne unter¬ 
worfen, indem er nebenbei allen ungünstigen j 
Lebensverhältnissen überlassen bleibt, so wirkt die | 
eiweissreiche Kost in Verbindung mit Reizmitteln | 
geradezu verderblich; appetitstörend, Stuhlgang i 
hemmend und rascher Auflösung entgegenführend. 
Insbesondere den Genuss des Weines und Cognacs 
habe ich unter den angegebenen Verhältnissen 
schädlich gefunden. Theoretisch müssen wir ja 
dem Alkohol einen gewissen Verbrennungswerth j 
und damit Theilnahme an den wärmebildenden 
Kräften im Stoffwechsel zuschreiben. So unzweifel¬ 
haft sich dies auch für Gesunde bei grossen An- 1 
strengungen in dünner Luft (Bergtouren) als that- 
sächlich ergiebt, so fraglich ist aber dieses Ein¬ 
greifen unter anderen Umständen, sowohl indivi¬ 
duellen als pathologischen im Allgemeinen. So 
wirkt der Alkohol auf den ohnehin von einem zu 
schnellen Puls durcheilten Körper, wie die Peitsche 
aufs Pferd.“ 

Nicht schnellere Contractionen des kraftlosen 
Herzens bedürfe der tuberkulöse Organismus, son¬ 
dern ruhigere , ausgiebigere. Dazu sei die eiweiss - i 
reiche Kost aber nicht tauglich. Es fehlen ihr die 
erdenreichen Hülsenstoffe, welche die eiweissärmeren 
Nährfrüchte so sehr auszeichnen und eine so 
wichtige Rolle im Körperhaushalt spielen, um so 
mehr, weil auch das moderne Brot besonders frei 
von Kleie hergestellt und das Fleisch oft geschabt 
wird, um das kalk- und kieselreichere Bindegewebe 
zu beseitigen. Der starke Geschmack der Fleisch¬ 
speisen wirke abstumpfend gegen andere Nahrungs¬ 
mittel und damit appetitvermindernd. Dazu kommt, 
dass die so gewählte Kost wenig Koth bildet und 
Neigung zu Verstopfung veranlasst. — Die rein 
vegetabilisch ernährten Thiere zeigen die stärkste 
Entwicklung von Knochen, Muskeln und Fett und 
dabei eine Anlage zu Ruhe und Behagen, und 
gerade die leidenschaftlichen und zappeligen Phthi¬ 
siker sind darauf hingewiesen, die Massenzunahme 


der vegetativen Körpergewebe zu begünstigen und 
insbesondere ruhevoller zu werden. „So wird man 
denn zugeben müssen, dass die Grundbeziehung 
zwischen Ernährung und organischer Lebensentfal¬ 
tung uns Aerzte von diesem Gesichtspunkte aus 
viel mehr auf die eitoeissarme , als auf die eiweiss¬ 
reiche, und mehr auf die grobe, hülsenhafte, vege¬ 
tarische, als auf die verfeinerte Milch-, Ei- und 
Fleischkost bei den Phthisikern hin weist.“ Damit 
stimmen auch des Verfs. Erfahrungen überein. — 
Er will der Milch-, Ei- und Fleischkost ihren Nähr¬ 
werth nicht einseitig absprechen, denen er desshalb 
auf seinem Diätzettel für Phthisiker einen mässig 
bemessenen Platz einräumt, er will nur dem schäd¬ 
lichen Missbrauch derselben entgegentreten und 
den hohen Werth der Gewächsnährmittel in’s rechte 
Licht setzen. Werden Milch und Ei, sowie das 
leicht verdauliche, concentrirt eiweisshaltige Fleisch 
neben den vegetabilischen Speisen reichlich ge¬ 
nossen, so entnimmt der Organismus seinen Bedarf 
eher den animalen Nährstoffen und die vegetabili¬ 
schen gehen grösstentheils unverdaut ab, weil der 
Körper das Uebermass nicht verdauen kann. 

Ref. stimmt diesen Darlegungen im Ganzen zu. 
Die vegetarianische, oder wenigstens überwiegend 
vegetabilische Ernährungsweise wird uns oft bei 
mit animalischer Kost überfütterten Patienten 
grosse Dienste leisten, aber auch umgekehrt stossen 
wir oft auf Kranke, welche bei ärmlicher, mehr 
vegetabilischer Kost nicht gedeihen, sondern sehr 
heruntergekommen sind — und diesen werden die 
mehr animalen Nahrungsmittel wohl thun. Es gilt 
aber auch hier zu individualisiren. — Bei Phthisi¬ 
kern, deren Appetit ganz daniederlag, die Fleisch 
oder Fleischbrühe nicht einmal mehr riechen konn¬ 
ten, ist es ihm schon mehrfach gelungen, neben 
den homöopathischen Mitteln durch Gemüse und 
gekochtes Obst den Appetit anzuregen und die 
Kranken über eine oft sehr bedenkliche, kritische 
Lage hinwegzuhelfen. — Wo aber bereits die 
Darm Schleimhaut in den tuberkulösen Process 
hineingezogen ist, da fängt erst die Hauptnoth an 
und dürfte hier die Pflanzenkost die Diarrhöe noch 
mehr steigern, als die animale Diät. 

Doch wir haben noch eine der wichtigsten 
Provinzen zu betrachten, welche Verf. auf seinem 
Zuge durch die der Chirurgie meist zugewiesenen 
Krankheiten für die innere Medicin zu gewinnen 
bestrebt gewesen ist: wir meinen das horrende 
Gebiet der Neubildungen von den mehr gutartigen 
fibrösen bis zu den ausgesprochen bösartigen, dem 
Scirrhus und Carcinom. Verf. zeigt durch seine 
auch auf diesem Gebiete mittels innerer, homöo¬ 
pathischer Behandlung nebst geeigneter Diätetik 
errungenen, theilweise ausgezeichneten Erfolge, 
dass auch hier die innere Medicin der chirurgischen 


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104 


nicht bloss ebenbürtig, sondern vielfach selbst über- ; gedehnte Gewebsveränderungen in so kurzer Zeit 
legen sei. Das lasciate ogni speranza ist also hier j wieder zum Verschwinden bringt — und antwortet 
nicht absolut gültig. Am zugänglichsten haben i hierauf: „Nichts leichter als das; es handelt sich 
sich ihm jene Neubildungen erwiesen, die auf 1 dabei nur um den geeigneten therapeutischen An¬ 
syphilitischem Grunde erwachsen; aber auch beim i reiz. Sehen wir doch auch physiologische Vor- 
Krebse hat er merkwürdig gute Resultate aufzu- , gänge mit gewaltigen Massen fester und flüssiger 
weisen. Bei den Krebsgeschwülsten der weiblichen ! Gewebe arbeiten. Die mächtige Entwicklung des 
Brust, welche er nächst dem Schlundkrebs für die Uterus am Ende der Schwangerschaft findet ihre 
schwersten Formen hält, gesteht er zwar ein, Rückbildung in unglaublich kurzer Zeit. Was bei 
„dass diesem bösartigen Leidenszustande gegenüber der Reifung von Abscessen an Eiter producirt wird, 
die innerliche Behandlung noch sehr wenig mächtig bei Nasenkatarrhen an Schleim und Epithelzellen, 
sei, das Gleiche sei aber mit der Chirurgie der bei Bronchiectasien an Schleim und Eiter ist oft 
Fall. Diejenige Richtung derselben, welche jeden sehr bedeutend. Die Natur arbeitet ganz gewaltig, 
irgend verdächtigen Tumor sofort entfernt, handelt aber ihre Leistungen auf diesem Gebiete treten 
am klügsten — *in ihrem Interesse. Sie kann auf meist nur unter Krankheitsverhältnissen in die Er- 
relativ mehr Erfolge zurückblicken, denn manche scheinung. Wollen wir aber diese Analogieen nicht 
der ausgeschnittenen Geschwülste erweisen sich gelten lassen, so haben wir eben doch die That- 
nachher nicht als eigentlich bösartig und kommen Sachen der Rückbildung des atypischen Epithels oder 
demgemäss nicht wieder.“ Doch will Verf. nicht anderer bösartiger Geschwülste in all den erlebten 
läugnen, dass auch in manchen Fällen wirkliche j Heilungsfällen dennoch vor Augen. 

Brustkrebse nach der Operation ausbleiben. — Ist | An diese wunderbare Arbeit des Organismus 
denn aber, fragen wir, die Diagnose dieser Neu- ; gemahnt uns auch der p. 10 mitgetheilte Fall, der 
bildungen überhaupt so weit vorgeschritten, dass I für uns um so wichtiger erscheint, als er die Causa 
sie die bösartige von einer gutartigen Geschwulst \ occasionalis zur Abfassung dieser Schrift gewesen 
bis zur vollen Evidenz völlig sicher zu unter- ist. Es handelt sich hier um einen 20jährigen, 
scheiden vermag? Intra vitam gewiss nicht. — grossen, blühenden Menschen mit einer kindskopf- 
College Schlegel hat indessen eine Anzahl von grossen Geschwulst am unteren Ende des linken 
Geschwüren durch innere Medication zur Heilung Oberschenkels, welche sich hart anfühlte und von 
gebracht, welche von autoritativer, chirurgischer Seite normaler Haut überkleidet war. In der chirurgi- 
(Universitätsprofessor) als krebsartig gestempelt sehen Abtheilung des Tübinger Krankenhauses 
worden waren, und welche er auch selbst als solche hatte man nach achttägiger Beobachtung des Kran¬ 
hat erklären müssen. — So kommt auch ein ken die Geschwulst als eine bösartige, als ein 

Fall von Eierstockskrebs in seiner Schrift vor, der Osteosarkom, diagnosticirt und die Absetzung des 

erst, operativ behandelt, recidivirte und dann von Beines am Oberschenkel für nöthig erachtet. Da 
Schlegel mit dem Mars’schen Mittel zur Heilung sich sowohl der Vater als dessen Sohn nicht zur 
gebracht worden ist. Er sagt hierbei: „Ich habe Amputation entschliessen konnten, wollten sie es 
mit diesem Mittel etwa in 10 °/ 0 aller Krank- einmal mit einer anderen Kunst versuchen. Patient 
heitsfälle, in denen ich es an wandte, Besserung erhielt vom Verf. — es war im Juni v. J. — 

oder Heilung gesehen, und zwar waren es ganz dreimal täglich 5 Korn des Mars’schen Krebs- 

verschiedene Krebse und verschiedene Stadien der- mittels, wonach die Geschwulst bald eine Ver- 
selben. Das Mittel bestätigt durch dieses Ver- kleinerung zeigte. Dieser günstige Zustand zeigte 
halten die in der Homöopathie längst gewonnene sich auch im August. Am 25. November konnte 
Erkenntniss, dass der Krankbeitsname nicht mass- Verf. die fast gänzliche Rückbildung der Geschwulst 
gebend ist für die Erwartungen, welche man an constatiren. Schon im September war nämlich ein 
eine Arzneikraft knüpfen kann.“ Auf welche In- Eitererguxs erfolgt, dem ein weiterer vor einer 
dication hin kann man aber ein solches Mittel, Woche nachfolgte, jedesmal mit bedeutender Ver- 
dessen physiologische Wirkung man so wenig als kleinerung der Geschwulst verbunden. Am inneren 
seine pharmakologische Herkunft kennt, anwenden? Umfange des Oberschenkels über dem Knie zeigt 
Wenn Verf. die Gebärmutterkrebse, von wel- sich jetzt eine spärlich absondernde FistelöfFnung, 
eben er allerdings recht schwere Fälle zur Besse- der Knochen fühlt sich noch etwas aufgetrieben an; 
rung, ja zur Heilung geführt hat, zu den relativ Gehfähigkeit und Allgemeinbefinden vortrefflich. — 
günstigen rechnet, so stimmt das mit den bisherigen Es ist dies in der That ein höchst seltenes 
Erfahrungen wenig überein; dadurch würde sein Ereigniss, dass eine Geschwulst, welche deutliche 
Triumph aber um so glänzender. Merkmale eines Krebses an sich trägt (hier ging 

L. c. p. 103 wirft er sich selbst die Frage sie noch obenein vom Periost aus), in verhältniss- 
vor, ob es denn möglich sei, dass die Natur aus- mässig kurzer Zeit zum Stillstand, zum Rückgang 


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105 


und endlich auf dem Wege einer gutartigen Eite¬ 
rung zur Heilung kommt. Ganz unerhört ist 
dieser Verlauf doch nicht; denn wenn auch 
die Mehrzahl der Brustdrüsenkrebse durch jauchigen 
Zerfall tödtlich abschliesst, so kommt doch hier 
und da, unter Tausenden, einmal ein Fall vor, wo 
ein Scirrhus mammae durch Vereiterung und Ver¬ 
narbung zur Heilung gelangt. — Die Diagnose 
des obengeschilderten Falles war von autoritativer 
Seite gestellt und beglaubigt — und doch erfolgte 
gerade infolge dieser, in Schlegel’s Wegweiser zu¬ 
erst mitgetbeilten Heilungsgeschichte von einem 
namhaften Chirurgen ein nicht bloss College 
Schlegel, sondern die homöopathischen Aerzte 
kränkender Angriff: Ist der Angreifende über das 
Mass objectiver Kritik hinausgegangen, so wird 
er sich nicht beklagen können, wenn die Entgeg¬ 
nung des gekrankten Theils in theilweise schar¬ 
fem Tone, der an einzelnen Stellen freilich all zu 
schrill klingt, erfolgt ist. Jener beleidigte kalt¬ 
blütig, dieser replicirte mit vollem Pulsschlage, um | 
so mehr, da er sich bewusst war, der kranken I 
Menschheit zu dieneil, indem er sie auf unblutigem 
Wege in oft das Leben bedrohenden Krankheiten 
zur Gesundheit zu führen trachtete. Eine Polemik, | 
die den Hauptaccent auf möglichst vollgültige 
Thatbeweise legt, eine hohe, ideale Anschauung 
von der Aufgabe der inneren Heilkunst, die bei 
alledem den realen Boden festhält, und eine Diätetik ! 
und Hygiene, die sich nicht auf eine einseitige j 
chemische Theorie, sondern auf physiologische, 
biochemische Thatsachen stützt, das Leben in den 
Breiten der Gesundheit wie in den Deviationen der 
Erkrankungen immer als ein Ganzes erfassend — 
sind dazu wohl angethan, auregeud, belehrend, 
fruchtbringend auf den fortstrebenden Arzt zu 
wirken. 


! 


Offener Brief an Herrn Dr. Carl Köck , 
in München. 


Geehrter Herr College! 

In Nr. 2 des 3. Jahrgangs des Archivs für 
Homöopathie von Dr. Alexander Villers veröffent¬ 
licht der Herausgeber einen von Ihnen an Dr. Lor- 
bacher gerichteten Brief, ob mit oder ohne Ihre Ge¬ 
nehmigung, weiss ich nicht. Dieser Brief enthält 
Ihre Ansichten über die Weibe’sehe Methode, welche 
sich nach Aussage des Collegen Villers mit den 
seinigen decken. Sie sind nach 2 jährigen Versuchen 
zu dem Resultate gelangt, zu dem, wie College 
Villers mit einer gewissen behaglichen Genugthuung 
sagt, »wir Alle gekommen sind, die wir uns damit 
beschäftigt haben, dass die technische Seite der Me- 


I 

! 

i 


thode dieselbe als unpraktisch charakterisire, und 
dass die Mühe, welche damit verbunden sei, durch 
das Gefundene nicht belohnt werde.“ Ich will über 
diesen Satz, der eine grobe Entstellung der That¬ 
sachen, um nicht zu sagen, eine wissentliche Unwahr¬ 
heit enthält, nicht mit Ihnen rechten, denn derselbe 
entstammt der Viller’schen Feder, deren phantastische 
Uebertreibungen wir ja hinlänglich kennen. Zu 
denen, die sich mit der Weihe’schen Methode und 
zwar etwas eingehender als Sie, Villers und Haedicke 
beschäftigt haben, gehören noch eine Auzahl hoch¬ 
achtbarer Collegen, die gerade zu dem entgegen¬ 
gesetzten Resultate gelangt sind und zwar auf Grund 
sorgfältigster, eingehendster, mit eisernem Fleisse, 
mit Consequenz und richtig ausgeführter jahre¬ 
langer Versuche. 

Sie haben ja zweifellos das Recht, verehrter 
Herr College, Ihre Privatmeinung über die Weihe’sche 
Methode, sowohl schriftlich als mündlich in beliebiger 
Weise zu äussern; sobald aber diese Ihre Privat¬ 
meinung in die Oeffentlichkeit tritt, ob mit Ihrem 
Wissen oder durch eine Indiscretion Anderer, müssen 
Sie sich eine öffentliche Kritik gefallen lassen. 

Sie fassen am Schlüsse Ihres Briefes Ihr Ur- 
theil über die Weihe’sche Methode dahin zusammen: 
„Die Weihe’sche Methode ist ein Mischmasch von 
Unklarem, Unsicherem, ja Falschem, das nur dazu 
angethan ist, die Hahnemann’sche Therapie zu 
trüben, ihre Grundsätze zu entwerthen und unter 
ihre Anhänger den Zwietrachtsapfel hineinzuwerfen.“ 
Sie werden mir zugeben, dass eine schärfere Ver¬ 
urteilung der Weihe’schen Methode unmöglich aus¬ 
gesprochen werden kann; Sie hätten vielleicht sich 
noch etwas deutlicher dahin ausdrücken können, 
dass in Summa die Anhänger der Weihe’schen Me¬ 
thode ,,betrogene Betrüger“ seien, was ja lediglich 
eine Consequenz Ihres Urtheils gewesen wäre. Leider 
trägt der Brief kein Datum, was ich umsomehr be- 
daure, als Sie in Ihrem Schreiben an den Collegen 
Göhrum vom 4./G. 93, in dem Sie Ihren Austritt 
aus der ,,Epidemiologischen Gesellschaft“ anzeigen, 
und welches bei den Acten dieser Gesellschaft liegt, 
fast mit denselben Worten Ihr Urtheil über die 
Weihe’sche Methode äussern: „Die Weihe’sche Me¬ 
thode ist nicht bloss lückenhaft, sondern enthält 
viele unklare, zweifelhafte, um nicht zu sagen un¬ 
wahre Richtpunkte; ich meine eben, eine Ver¬ 
schmelzung der Rademacher’schen Schule und der 
Homöopathie ist principiell nicht möglich, es ist ein 
Mischmasch, es ist keine Rademacherei und keine 
Homöopathie, beide Methoden sind , verhunzt 4 .“ 
Ich nehme an, dass Ihr Brief an Collegen Lor- 
bacher neueren Datums ist, sonst hätte College 
Villers denselben wohl nicht veröffentlicht, nachdem 
ich in der „Allg. hom. Ztg.,“ Bd. 127, Nr. 11/12, 
meinen Vortrag: „Steht die Weihe’sche Methode 

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106 


innerhalb der Homöopathie ?“ sämmtlichen Collegen 
zugängig gemacht habe. Haben Sie nun jenen 
Artikel, der alles bisher Bekannte und Wissenswerthe 
über die Weihe’sche Methode nach Weihc’s eigenem 
Urtheil zusammenfasst, nicht gelesen, oder beharren 
Sie trotz der darin abgegebenen Erklärungen bei 
Ihrem Urtheil? Diese Frage möchte ich von Ihnen 
beantwortet wissen. 

Es liegen für mich nur folgende drei Möglich¬ 
keiten vor: 

1. Ihr Brief an Collegen Lorbacher ist vor 
dem Erscheinen meines Vortrags geschrieben. In 
diesem Falle hat Ihr Urtheil über die Weihe’sche 
Methode denselben Werth wie in dem Briefe an 
Collegen Göhrum, d. h. gar keinen, weil alle Ihre 
Einwände von Anfang bis zu Ende in dem ge¬ 
nannten Vortrage überzeugend widerlegt sind. Ihr 
Brief gehört dann also einfach in die Rumpel¬ 
kammer und es lohnt sich nicht, sich noch weiter 
damit zu beschäftigen. Die verspätete Veröffent¬ 
lichung desselben durch den Collegen Villers würde 
sich in diesem Falle auch dem Fernerstehenden als 
das qualificiren, was sie in der That ist, als ein 
Lufthieb gegen die Weihe’sche Methode. 

2. Ihr Brief ist späteren Datums als meine letzte 
Veröffentlichung vom 14.Sept. 1893, aber Sie hatten 
die letztere nicht gelesen, als Sie den betr. Brief 
schrieben. In diesem Falle müsste ich Sie, ver¬ 
ehrter Herr College, einer unverantwortlichen Leicht¬ 
fertigkeit zeihen, indem Sie ein Urtheil über eine 
Sache abgeben, ohne sich die Ihnen wie jedem 
Anderen zugängigen, unbedingt erforderlichen In¬ 
formationen verschafft zu haben. Dass Ihr Urtheil 
dann ebensowenig Werth beanspruchen dürfte, als 
im ersteren Falle, ist Ihnen klar und daher jede 
weitere Bemerkung überflüssig. 

3. Ihr Brief ist nach meiner Ihnen bekannten 
letzten Veröffentlichung geschrieben. Dann haben 
Sie meinen Aufsatz allerdings gelesen, aber — ver¬ 
zeihen Sie das harte Wort — nicht verstanden oder 
nicht verstehen wollen, und begeben sich mit diesem 
Zugeständnisse überhaupt der Qualification, über die 
Weihe’sche Methode zu urtheilen, es sei denn, dass 
Sie Alles in meinem Vortrage Gesagte bündig zu 
widerlegen im Staude wären, was Sie bisher nicht 
gethan haben. 

Somit wäre ich eigentlich mit Ihrem Briefe 
schon fertig. Um Ihnen aber zugleich zu zeigen, 
wie oberflächlich Sie — selbst den Fall angenom¬ 
men, dass Ihr Brief an Collegen Lorbacher früheren 
Datums als meine vielgenannte Veröffentlichung 
ist — sich mit der Weihe’schen Methode beschäf¬ 
tigt, und dass Sie sich noch nicht die Anfangs¬ 
gründe derselben zu eigen gemacht haben, will ich 
Sie nur auf einige grobe Schnitzer in Ihrem Briefe 
aufmerksam machen. 


Ganz davon abgesehen, dass Sie von einer „zeit¬ 
weilig herrschenden Methode“ sprechen, worunter 
Sie sich wahrscheinlich ebenso wenig gedacht haben, 
wie ich mir etwas darunter habe denken können 
(höchstens die allopathische Behandlungsweise), 
schreiben Sie wörtlich: „ich habe einmal jemand 
abgedrückt, der zwei schmerzhafte Punkte zeigte, 
was fangen Sie da an?“ Dieser Satz zeugt doch 
von einer schier unglaublichen Naivität; Jeder, der 
nur eine Ahnung von der Weihe’schen Methode 
hat, weiss, dass bei jedem Patienten mindestens zwei 
gleich .schmerzhafte Punkte zu finden sind, die zu¬ 
sammen erst auf das richtige Mittel hin weisen. Dann 
sagen Sie: „Es kam (soll wohl heissen Ihnen) vor, 
dass CuprumAconit = Platina, ein anderes Mal, 
dass Cuprum -|~ Aconit=Ignatia.“ Wo in aller Welt 
haben Sie denn diese letztere Entdeckung gemacht? 
Dass Cuprum-[-Aconit in ihrer Wirkung = Platina, 
finden Sie in unseren Veröffentlichungen überall be¬ 
stätigt, aber nirgends, dass Cupr.Aconit = Ignatia 
sei, was Ihnen auch Keiner von uns glauben würde, 
wenn Sie es auch tausendmal beschwören wollten. 
Wenn Sie aber unsere Veröffentlichungen studirt 
oder auch nur aufmerksam gelesen hätten, würden 
Sie sich gar nicht darüber wundern, dass Pulsatilla 
vier verschiedene Combinationen hat. Es hat so¬ 
gar, unter uns gesagt, deren 12, durch Arznei¬ 
prüfung an Gesunden bewiesene. Sie sagen darauf 
von Ihrem Standpunkte aus mit Recht: ,,So etwas 
geht über meinen Horizont, da spielt entweder Ein¬ 
bildung oder Willkür oder Täuschung oder ? eine 
grosse Rolle.“ Nur haben Sie vergessen, statt 
des ? das Wörtchen „Unwissenheit“ zu setzen, dann 
unterschreibe ich es. Wenn Sie mir, geehrter Herr 
College, nur noch erklären wollten, was Sie sich 
beim Niederschreiben des Satzes gedacht haben: 
„und auch bei Dr. Weihe geht es darauf hinaus, 
das richtige Mittel zu finden aus dem Vergleich 
der gemeinsamen Symptome der durch zwei Schmerz¬ 
punkte eruirten Mittel nach dem Aehnlichkeits- 
gesetz,“ so würde ich Ihnen sehr verbunden sein. 

Zum Schlüsse bitte ich Sie, verehrter Herr 
College, meine öffentliche Kritik Ihres veröffent¬ 
lichten Briefes nicht persönlich nehmen und mir 
nicht zur Last legen zu wollen, sondern sich für 
den Fall, dass dieselbe Ihnen ungelegen kommen 
sollte, sich bei den Herren Collegen Lorbacher und 
Villers zu bedanken, die ja bisher nie die Gelegen¬ 
heit verabsäumt haben, der Weihe’schen Methode 
etwas am Zeuge zu flicken. 

Mit unveränderter Hochschätzung 

Ihr ergebener College 

Dr. Leeser. 

Bonn, den 6. März 1894. 


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107 


Zur gefälligen Beachtung j 

für die Arzneiprllfungsgesellschaft. I 

Gemeldet haben sich zu der Prüfung noch Herr j 
College Villers in Dresden, ferner von 5 allo¬ 
pathischen Aerzten, denen die Sache schriftlich oder 
mündlich nahegelegt wurde, 4. Die Theilnahme 
dreier von letzteren Herren ist der rührigen Agi¬ 
tation des Herrn Collegen Roth hierselbst zu ver- | 
danken. Ein Theil der Mitglieder, welche die 
Prüfung des H. Mittels schon vor 1—2 Monaten 
abgeschlossen haben, ist bereits mit dem III. Mittel 
beschäftigt. Die Zusammenstellung der Resultate 
der II. Prüfung wird voraussichtlich im nächsten 
Monat erfolgen können. 

Aus verschiedenen Gründen — einmal, weil 
mehrere Prüfungsmitglieder von den ersten Mitteln 
nur sehr spärliche Symptome hatten, dann auch 
wegen erstmaliger Betheiligung der an starke 
Dosen und sehr deutliche Symptome gewöhnten 
allopathischen Collegen, — erschien es angezeigt, 
das HI. Mittel aus der Reihe der Giftpflanzen zu 
entnehmen. Die Giftigkeit desselben dürfte wohl 
reichlich derjenigen des Aconit oder der Belladonna 
entsprechen; ich empfehle daher noch einmal Vor¬ 
sicht bei der Prüfung und glaube, dass es, sobald 
überhaupt Symptome notirt werden können, un- 
nöthig ist, hei Giften bis zu sogenannten heroischen 
Dosen von 2—300 Tropfen zu steigen; bei un¬ 
giftigen Pflanzen, oder dann, wenn von geringen 
Gaben nichts verspürt wird, liegt die Sache ja 
anders. So selbstlos das Streben der Prüfungs¬ 
personen auch ist, welche derartig angreifende Dosen j 
versuchen, so kommt dabei doch, wie ich glaube, I 
für unsere Sache verhältnissmässig wenig heraus; j 
bei solchen nicht ungefährlichen Experimenten ver- j 
schwinden die feinen Specialsymptome, auf die es 1 
uns ja in erster Linie ankommt, so gut wie ganz 
hinter den allgemeinen Vergiftungserscheinungen, 
wie Durchfall, Erbrechen, allgemeine Depression 
des Nervensystems etc. 

Ferner dürfte es zweckmässig sein, nicht jeden 
Tag einzunehmen, sondern wenigstens einigemal i 
eine Pause zu machen, d. h. die Erscheinungen 
je einer Gabe so lange abzuwarten, bis sie voll- ; 
ständig ausgewirkt hat; die Symptome selbst sowohl, f 
wie auch die Wirkungsdauer der Mittel kommen 
auf diese Weise reiner zum Vorschein. Die allo¬ 
pathischen Anschauungen, zu denen in früher I 
Jugend der Grund gelegt wurde, sind eben so tief 
bei uns eingewurzelt, dass wir unbewusst und un¬ 
willkürlich — wie früher bei der Behandlung unserer j 
Patienten mit Maximaldosen — selbst in möglichst 
rascher Aufeinanderfolge so lange einnehmen, bis 
wir vollständig auf der Nase liegen, was bei dem 
IH. Mittel wohl leicht zu erzielen ist. Diese Selbst¬ 


verleugnung hat aber wohl, wie schon ausgeführt, 
nicht nur keinen besonderen Werth, sondern kann 
auch leicht zur Folge haben, dass einzelne Prüfer 
zum Schaden der Sache von weiteren Versuchen 
abgeschreckt werden; der Mittelweg ist eben, wie 
fast stets, auch hier der beste. Herr College Lor- 
bacher hält es für räthlich, dass möglichst alle 
Prüfungspersonen auch selbstgefertigte Potenzen bis 
zur 6. Dil. prüfen. 

Betreffs des II. Mittels habe ich mir erlaubt, die 
Mitglieder der Prüfungsgesellschaft auf einen spe- 
cifischen Geruch des Urins aufmerksam zu machen; 
dieses Symptom würde eben leicht übersehen und 
ist auch bei mir nur zufällig entdeckt worden. Um 
überhaupt möglichst zu verhüten, dass anscheinend 
nebensächliche Symptome, die aber zuweilen gerade 
für unsere Diagnose die wichtigsten sind, übersehen 
weiden, darf ich mir vielleicht gestatten, hier ein 
nach v. Gerhardt’s Handbuch zusammengestelltes 
kleines Schema zu veröffentlichen, das zwar auf 
Vollständigkeit durchaus keinen Anspruch machen 
will, dessen zeitweiliges Durchsehen aber das Ausser- 
achtlassen mancher Erscheinungen verhüten dürfte. 

1. Schmerzempfindungen (schabend, bohrend, 
nagend, ziehend, reissend, spannend, brennend, 
stechend, schneidend, juckend, beissend, drückend); 
vermehrt oder vermindert durch Kälte oder Wärme, 
in der Ruhe oder Bewegung, im Zimmer oder im 
Freien, Tags oder Nachts, durch trockenes oder 
nasses Wetter, bei Wind, Gewitter, Warmhalten 
oder Entblössen des leidenden Theiles, Liegen auf 
demselben, Bücken, Druck; 

2 . 'Gern üthsstimmung; 

3. Amleerungen: Speichel, Erbrechen, Thränen, 
Schnupfen, Auswurf, Schweiss, Stuhlgang, Urin; 
bei letzterem speciell, ob klar oder trüb (gleich 
beim Lassen oder später), Bodensatz, Farbe, Geruch; 
Regel pünktlich, stark oder schwach, hell, dunkel, 
stickig, Geruch, Dauer; Weissfluss, fortwährend 
oder zu bestimmten Zeiten, schlimmer vor oder 
nach der Regel, dünn- oder dickflüssig, Farbe, 
Geruch, mild, brennend, ätzend; 

4. Somtige Functionen: Appetit, besonderes Ver¬ 
langen nach bestimmten Speisen (Fettes, Saures, 
Fleisch, Brod, Leckereien), oder Abneigung davor; 
Durst, zu welcher Tageszeit, Verlangen, viel oder 
wenig auf einmal zu trinken, Zungenbelag, Geruch 
verändert oder nicht; Schlaf, Befinden nach dem¬ 
selben, Träume; ob eventuell Verletzungen rasch 
oder langsam heilen. 

Gerade bei der Prüfung des HI. Mittels, welches 
die Essenz einer an sumpfigen, feuchten Plätzen 
wachsenden Pflanze darstellt, ist die eventuelle Ein¬ 
wirkung der Witterung vielleicht besonders be- 
achtenswerth. 

Die Prüfungen sind durchaus nicht immer mit 

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Unannehmlichkeiten verbunden. Bezüglich des U. 
Mittels z. B. schreibt Herr College Dierkes am 
25. Januar: „Die ganz kleinen Gaben hatten bei 
mir eine deutliche Wirkung, die grösseren dagegen 
fast gar nicht, wenigstens keine unangenehme; im 
Gegentheil, ich fühlte mich nach dem Einnehmen 
immer wohler.“ 

Ferner bemerke ich, dass bei Herrn Cand. med. 
F. in München die seit vielen Jahren constant vor¬ 
handen gewesenen Aknepusteln während der Vinca- 
prüfung vollständig verschwunden sind und sich bis 
heute noch nicht wieder gezeigt haben. 

Mainz, 12. März 1894. Dr. Schier. 


Aufruf. 

Da mir die Aufgabe zufiel, auf der diesjährigen 
Centralvereinsversammlung in Eisenach über die 
Wirkungen der Euphrasia zu berichten, so ersuche 
ich sämmtliche Herren Collegen freundlichst, mir 
bei neuen Prüfungen dieses entschieden zu wenig 
beachteten Heilmittels behülflich zu sein. Ich bitte 
die verehrten Herren Collegen theils selbst an 
diesen Prüfungen theilzunehmen, theils geeignete 
Individuen ihrer Clientei zur Theilnahme hieran zu 
bewegen und deren Prüfungen zu überwachen. 

Um eingebildete Symptome möglichst zu ver¬ 
meiden, so werde ich bei dieser Serie von Prüfungen | 
ausser Euphrasia noch andere Heilmittel den betr. j 
Theilnehmern zugehen lassen, so dass ausser Herrn | 
Apotheker W. Steinmetz, der den Versandt besorgt | 
und persönlich überwacht, und mir Niemand weiss, 
was für ein Stoff ihm zur Prüfung vorliegt. Da j 
ich nicht bloss Urtinkturen zu verwenden beab¬ 
sichtige, sondern auch einige Verdünnungen, so 
werde ich jeder Sendung eine Gebrauchsanweisung 
beilegen, an welche übrigens die Theilnehmer nicht 
gebunden sind. - - Die Kosten der Arzneimittel 
und deren Versendung trage ich. 

Um recht zahlreiche, gefl. baldige Anmeldungen 
zur Betheiligung an diesen Arzneimittelprüfungen 
bittet im Interesse der Sache nochmals die verehrten 
Herren Collegen nebst etwaigen Clienten derselben 
freundlichst 

Stuttgart, den 6. März 1894. 


Oanzleistr. 20 II. 


Dr. med. H. Göhrnm. 


Die zeitweilig herrschenden Heilmittel. 

Spärlich sind die seit dem letzten Berichte ein- 
gclaufenen Nachrichten; über die Erfahrungen der 
diesjährigen Influenzaepidemie ist mir überhaupt 
nichts zugegangen. 

Leeser-Bonn hatte viel Wechsel; in letzter Zeit 
vorzugsweise Sepia mit ziemlich viel Gelenkrheu¬ 


matismen; am 2.IIII. Cupr. Ign.; seit dem 3. III. 
= Veratr. alb. (Acid. phosph. -{- Ign.). 

Khm-Pforzheim berichtete am 27.1.: Nux mo- 
schata bei Influenza alter Leute mit Darmkatarrh. 
Am 15.ill. schreibt er: am häufigsten Natr. mur. 
-|- Led. oder -|- Iris, auch Iris Led. Iris be¬ 
währt sich jetzt sehr bei rheumatischen Schmerzen 
aller Art, besonders auch Ischias. Die Influenza 
erzeugt immer schwerere Erkrankungen, selbst 
typhöse Processe. Am 23.JII.: seit 14 Tagen trotz 
der Kälte Krankheitsformen vorherrschend, wie sie 
meist nur im Sommer Vorkommen: Magendarm' 
katarrhe, Brechdurchfälle, Typhus, sämmtliche in 
schwerster Form; Typhus mit hauptsächlicher Be¬ 
theiligung des Centralnervensystems (Gehirntyphus). 
Nach Weihe finde ich Kreos. -j- Sabadill., nach H. 
Veratr. viride 3. angezeigt. 

St leg eie hier theilte mir Mitte Februar mündlich 
mit, dass er eine ganze Reihe sehr hartnäckiger, 
schwerer Bauchfellentzündungen habe, wie über¬ 
haupt alle Krankheiten sich durch langwierigen 
Verlauf auszeichneten. 

Buob-hier fand im Januar bei Influenzakatarrhen 
meist Bryon. indicirt; dabei zeigte sich häufig auch 
bitterer Mund und Verstopfung. 

Ich-hier kann die von College Stiegele berichtete 
Hartnäckigkeit der Krankheiten nur bestätigen; wenn 
man bei einem Bronchial-Katarrh und dergl. glaubt 
eine Heilung erzielt zu haben, so genügt ein Witte¬ 
rungsumschlag — zur Wärme oder Kälte ist gleich¬ 
gültig — die Krankheit von neuem wieder beginnen 
zu lassen. Meist waren 2 oder 3 Mittelcombinationen 
nach Schmerzpunkten zu gleicher Zeit indicirt, 
worunter schon den ganzen Winter sich dann sehr 
häufig eine Sulfur-Combination befand. Seit dem 
26.III. ist == Veratr. alb. (nach Borax -j- Bell, oder 
Natr. hypophosphor. Euphorb. off. oder Acid. 
phosph. Ign.) sehr häufig angezeigt, meist mit 
anderen Combinationen zusammen, von denen = 
Sulfur., = Tart. stib., = Kal. bichromic., = 
Euphras., Berber. -[- Sep., bei Zahnbeschwerden 
der Kinder = Rheum, bei den wieder häufigen 
Herzbeutelentzündungen Stib. arsenicos. -J- Sabadill, 
besondere Erwähnung verdienen. 

Sigmundt-Spaichingeii schrieb am 5.|HI., dass 
er im Februar häufig Cocc. cact. hatte, auch bei 
Keuchhusten. 

Stuttgart, den 7. März 1894. 

Dr. med. H. Göhrnm. 


Einkommen in 42jähriger ärztlicher Praxis. 

„Die „Med. Reform 44 teilt das nachfolgende auf 
sehr genauen Buchungen beruhende Verzeichniss 
der Jahreseinkommen eines im Jahre 1879 ver- 


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storbenen Arztes mit, (wohl Dr. N. in H.m) 

welcher nach 7 allopathischen Hungerjahren sich 
der Homöopathie zuwandte. Die Aufzeichnungen 
beziehen sich auf die homöopathische ausgedehnte 
Stadt-, Land- und Briefpraxis. 

Die Einnahmen betrugen im Jahre: 


1838—1247 

Thlr. 

1859—2630 Thlr. 

1839—1529 

n 

1860—2369 

r> 

1840—1610 

r > 

1861—2320 

n 

1841 — 1300 

r 

1862 — 2734 

n 

1842—1315 

n 

1863—2548 

n 

1843—1326 

w 

1864—2387 

n 

1844—1310 

n 

1865—2388 

r> 

1845—1807 

n 

1866 — 2398 

n 

1846 — 1827 

n 

1867— 2160 

n 

1847-1500 

n 

1868—2398 

n 

1848-1921 

n 

1869—2766 

r> 

1849—1846 

n 

1870—2159 

n 

1850—2061 

r> 

1871—2719 

V 

1851—1972 

n 

1872—2522 

n 

1852—1965 

n 

1873—3355 

n 

1853—2196 

n 

1874—3171 

n 

1854—1773 

n 

1875 — 3268 

„ = 9774 M. 

1855—2255 

n 

1876 — 

* 11829 „ 

1856—2232 

n 

1877 - 

n 9026 „ 

1857—2125 

V) 

1878 — 

n 9050 „ 

1858—2542 

n 

10 70 (v.l.Jan.bis 17.April, ona r 
lo/y dem Todestage) o7oo „ 

Die im 

ganzen 

stetige Steigerung des Ein- 


kommens erlitt Störungen durch äussere Verhält¬ 
nisse: 1847 war das bekannte Hungerjahr, 1867 
wirkte die Annexion, 1870 der Krieg. 

Der nur seiner Praxis lebende Arzt, der kaum 
einmal im Jahre vor Mitternacht zur Ruhe kam, 
befand sich durch die verhältnissmässig hohen Kosten 
für die Erziehung von vier Kindern und für das 
Fuhrwerk (Pferde und Kutscher) stets in einer ge¬ 
wissen Geldverlegenheit, so dass bei seinem Tode 
die von der Lebensversicherungsgesellschaft ge¬ 
zahlten 18 000 Mark das ganze Vermögen bildeten. 
Trotzdem wurde dieser homöopathische Arzt von 
den in derselben Provinzialstadt lebenden Collegen 
allgemein um die von keinem derselben erreichte 
Höhe seiner Einnahmen beneidet.“ 

Wir bemerken hierzu, dass man die ersten sieben 
Jahre Praxis bei unserem verstorbenen Collegen 
wohl nicht als Hungerjahre betrachten kann. In 
den Jahren 1838 —1844 musste eine Jahres-Ein- 
nahme von ca. 4000 Mark als eine verhältnissmässig 
hohe bezeichnet werden. Das Gehalt der Juristen, 
z. B. eines Königlichen Land- und Patrimonial- 
gerichts-Directors, also eines Mannes, der geraume 
Zeit Richter gewesen sein musste, betrug damals 
4500 Mk. jährlich; das Richtergehalt 2400 bis 
3000 Mark. Aber auch der Uebertritt zur Homöo¬ 
pathie allein kann die allmälige Steigerung des Ein¬ 


kommens auf circa 9000 Mk. p. a. nicht bewirkt 
haben. Das ärztliche Honorar hat vielmehr den 
gesteigerten Preisen der Lebensbedürfnisse ent¬ 
sprechend, ebenfalls eine allmälige Erhöhung er¬ 
fahren. Ausserdem ist die Wohlhabenheit der un¬ 
teren Klassen seit 2—3 Jahrzehnten im Steigen 
begriffen. Uns liegen ähnliche Aufzeichnungen eines 
Kreis-Physikus in der Provinz Sachsen über die 
40 er und 50er Jahre vor. Derselbe machte damals 
i Stadtbesuche für 50 Pf., bei ärmeren Leuten sogar 
für 25 Pf. Als Physikus hatte er 300 Thlr. Gehalt, 
und doch hinterliess er nach 30jähriger Praxis — 
ohne Homöopath geworden zu sein! — 20000 Thlr. 


| Lesefrlichte. 

Beiträge zur Frage von Diabetes mellitus. 

Hierüber liegt eine Reihe von Publicationen vor, 
von denen uns manche interessiren. So eine Arbeit 
über experimentelle Acetonämie von Andr6 und 
Baglai in Le midi mödical, October 1892: Be¬ 
kanntlich hat Professor Kussmaul die Theorie auf- 
| gestellt, dass das bei Zuckerhamruhr eintretende, 

| oft zum Tode führende Koma in Folge von Aceton- 
i Bildung im Blute (Acetonämie) sich entwickele. Um 
j die Wirkung des Aceton zu erforschen, haben obige 
Verfasser der Theorie damit Versuche gemacht, 
indem sie es ihnen theils durch die Athmungsluft, 
theils durch Einspritzung unter die Haut zuführten. 
Nach der Inhalation zeigte sich am constantesten 
eine hochgradige Dyspnoe , daneben Erschlaffung der 
Extremitäten , Anästhesie , Afuskelschwäche , welche 
Zeichen jedoch bisweilen fehlen. Gänzlich fehlten 
die Convulsionen und Contractur. Die Sehstörungen 
sind unbedeutend. — Nach der subcutanen Injec- 
tion des Aceton war die Dyspnoe geringer, erst 
bei starken Dosen kam sie den per Inhalationen 
gleich. Die örtliche Paralyse war deutlich markirt, 
Nystagmus kam selten vor. Das Koma ward nur in 
einem Falle, aber in sehr hohem Grade beobachtet. 
Die anfängliche Erregung ist dem Chloroformrausch 
ähnlich. Diese Unruhe des Körpers, heftige Dyspnoe, 
dann das Koma — das ist die Ordnung der Er¬ 
scheinungen beim experimentellen, wie beim diabe¬ 
tischen Koma, wozu bei beiden noch ein negatives 
Zeichen in dem Mangel an Convulsionen hinzutritt. 
Verfasser halten sich deshalb berechtigt zu schliessen, 
j dass bei einer grösseren Anzahl von Fällen das 
Koma diabeticum auf einer Aceton-Vergiftung be¬ 
ruhe. — Diese Folgerung will dem Referenten in¬ 
dessen nicht so ganz sicher erscheinen. R - r. 

Beitrag zur pathologischen Anatomie des Dia¬ 
betes mellitus von Dr. Wilhelm Sandmeyer. 

Während Baumei bei den Sectionen Diabetischer 
| das Pancreas stets erkrankt fand, beobachtete A. Martin 


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110 


einen Fall, bei dem das Pancreas in eine grosse 
Cyste umgewandelt war, und dennoch konnte kein 
Zucker — weder vor noch nach der Operation — 
uachgewiesen werden. Auch bei dem vom Verfasser 
mitgetheilten Fall, der ein 9jähriges nach 2jähriger 
Krankheitsdauer an Koma diabeticum verstorbenes 
Mädchen betraf, zeigte das Pancreas keinerlei Ano¬ 
malie. Wohl aber fand sich Verfettung der Epi- 
thelien und der Herzmuskulatur, sowie ein kleiner 
Degenerationsheerd im Halsrückenmark. (Deutsch. 
Arch. f. Kl. Medicin. 50, 381.) 

Hierzu ergänzend treten experimentelle 
Untersuchungen über den Diabetes mellitus nach Ex¬ 
stirpation des Pancreas von 0. Minkowski. 

Bei Hunden zeigte sich nach vollständiger 
Entfernung des Pancreas ein Diabetes mellitus 
schwerster Form; ebenso bei einer Katze und einem 
Schwein. Bei Vögeln (Tauben, Raben), sowie auch 
bei den Fröschen blieb aber die Zuckerausscheidung 
aus. — Bei Hunden, welche die Operation gut 
überstanden, und bei denen sicher kein Rest von 
functionirenden Pancreasgewebe zurückgeblieben 
war, kann sich die Zuckermenge längere Zeit auf 
einer mässigen Höhe erhalten. Dies zeigte sich 
zunächst darin, dass bei Ausschluss von Kohlen¬ 
hydraten aus der Nahrung die im Harn enthaltene 
Zuckermenge in einem bestimmten Verhältniss zu 
der ausgeschiedenen Stickstoffmenge stand, d. h. also | 
von der Menge des zersetzten Organ-Eiweisses ab- J 
hängig war. Doch wird auch das Glycogen hierzu 
verwandt; dieses verschwindet nach der Pancreas- 
Exstirpation sehr bald aus der Leber. 

Im späteren Stadium des Pancreas-Diabetes, 
wenn Kräfteverfall eiugetreten, nimmt die Zucker¬ 
menge wieder ab. Dies geschieht kaum durch 
vicariirendes Eintreten anderer Organe für das 
Pancreas, sondern eher aus einer Hemmung von 
Production oder infolge einer Zersetzung von Zucker 
im Organismus. 

Interessant ist die Beobachtung, dass unter die 
Bauchhaut transplantirte und eingeheilte Pancreas- 
Stücke das Zustandekommen des Diabetes nach 
Exstirpation des Pancreas zu verhindern vermögen, 
indem diese Stücke die Function der Drüse bei 
dem Zuckerverbrauch völlig erfüllen. — Uebrigens 
kann die Secretion des Pancreas fortbestehen, ohne 
dass der Diabetes mellitus sein Ende erreicht. 

Nach Exstirpation der Speicheldrüsen erscheint 
zwar auch Zucker im Harn, aber nur in geringer 
Menge, unbeständig, vorübergehend. Doch weder 
diese noch die Schilddrüse sind wesentlich bei dem 
Umsätze des Zuckers betheiligt. 

Der von Phloridzin hervorgerufene Diab. mel¬ 
litus scheint nicht durch Einwirkung dieses Stoffes 
auf das Pancreas zu Stande zu kommen, sondern 
vielmehr durch eine solche auf die Nieren. Das 


Phloridzin bringt selbst bei Thieren, bei denen 
| nach Exstirpation des Pancreas kein Diabetes ein- 
tritt (wie bei den Vögeln) eine Zuckerausscheidung 
hervor. Ein Unterschied liegt ferner darin, dass 
bei Pancreas-Diabetes der Zuckergehalt im Blute 
stets erhöht ist (0,3 bis 0,8°/ o ), während bei dem 
von Phloridzin der Zuckergehalt des Blutes stete 
abnorm niedrig ist. 

Zu bemerken ist noch die Thatsache, dass 
Sizygium jambolinum sich auf die Zuckerausschei¬ 
dung nach Pancreas-Exstirpation vollkommen un¬ 
wirksam erwiesen hat. 

(Archiv f. experimentelle Pathologie und Pharma- 
cologie. Bd. 31. 8. 85.) 

Die wirksamenBestandtJteile des Gelsemium (Bignonia 
sempervirens). A. R. Cusehny . 

Aus der Pflanze sind 2 Basen gewonnen wor¬ 
den, die Verfasser näher untersuchte. Die Eine , 
leicht krystallisirende bezeichnet er als Gelsemium — 
die Andere , amorphe, als Gelsemiran. 

Jedes zeigte sich für Säugethiere wirksam, bei 
Fröschen bewirkten Dosen von 18 mg schwere 
Vergiftungen, die besonders durch Steigerung der 
Reflexerregbarkeit nach Art der Strychninvergiftung 
sich auszeichnen; schliesslich kommt es zur Läh¬ 
mung, die aber nicht wie beim Strychnin vom 
Rückenmark ausgeht, sondern wie beim Curare die 
verschiedenen Nerven-Endigungen befällt. 

Viel wirksamer ist das Gelseminin\ dasselbe er¬ 
zeugt beim Frosch neben der Curare-artigen Wir¬ 
kung eine absteigende Lähmung des Centralnerven¬ 
systems ohne vorhergehende Erregung, sowie ein 
eigenartiges Zittern. Aehnliche Wirkungen treten 
auch bei Säugethieren ein. 

Der Tod erfolgt durch Athemlähmung. — Pu- 
! pillen - Erweiterung und Accomodations - Lähmung 
zeigen sich nur bei localer Anwendung. 

(Archiv für experim. Pathologie 1892. XXXI.) 

Anmerkung des Referenten Dr, ProelL Die 
| 3. Verdünnung von Gelsemium half in einigen 
Fällen von Amblyopia amaurotica in Folge von 
plötzlichem Aufhören der Regel in klimakterischen 
Jahren. 

Zur Behandlung varicöser Geschwüre durch 
Massage . Von Dr. Erdingei', (Sem. möd. 69j98. 
A. M. Ctrl. Ztg. 31. Jan. 94.) 

Bei Unterschenkel-Geschwüren istMassage bereits 
häufig angew andt worden, indessen figurirtsie meist als 
unterstützende Behandlungsweise neben Verbänden 
und localen, mehr oder weniger complicirten Ein¬ 
griffen. Nach den Untersuchungen Verfassers kann 
die Massage, wenn sie nur systematisch angewandt 
wird, (ine schnelle Heilung varicöser, selbst seit 


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111 


langer Zeit bestehender Geschwüre herbeiführen, I 
ohne dass sonstige locale Eingriffe, abgesehen von 
einem gewöhnlichen feuchten Borwasser-Verband, ‘ 
zur Verwendung gelangen. Verfasser verfährt fol- | 
gendermassen: Bei der ersten Besichtigung des j 
Patienten wird mit Hilfe von Seife und verschie- l 
denen antiseptischen Flüssigkeiten, besonders Sub- I 
limat, die Geschwürsfläche gereinigt. Hierauf be- j 
handelt man den Unterschenkel mit leichten Streich- | 
ungen; letztere sollen nicht mit der ganzen Hand, ! 
sondern nur mit der mit Borvaseline angefeuchteten 
Fingerkuppe ausgeführt werden. Diese Manipulation j 
gestattet, den Druck besser abzumessen und hat, 
wie es scheint, eine sedative Wirkung auf die ner- | 
vösen Endorgane. Man beginnt die Massage an | 
der unteren Partie des Unterschenkels und der Ge¬ 
schwüre, hierauf nähert man sich denselben succe- 
sive, indem man überall Streichungen von unten I 
nach oben in centripetaler Richtung ausführt. Diese 
Manipulationen sollen an Intensität mögl ichst wechseln, j 
ihre Dauer richtet sich nach dem Verhalten der 


Haut in der Umgebung des Geschwüres. Im Be¬ 
reiche der Geschwürsränder werden diese Streich¬ 
ungen in derselben Weise ausgeführt. Man beginnt 
am oberen Rande des Geschwüres, hierauf werden 
die unterhalb des Geschwüres belegenen Abschnitte 
der Unterschenkel-Oberfläche in ähnlicher Weise 
massirt. Die Dauer einer jeden Sitzung beträgt 
10 —15 Minuten; zuerst wird täglich je eine Sitzung 
abgehalten, später im Verhältnisse zur Besserung 
und Vernarbung der Wunde können die Intervalle 
zwischen den Sitzungen grösser werden. Nach Ver¬ 
lauf einiger Sitzungen (2—6) verschwinden die 
Schmerzen vollkommen; hierauf merkt man all- 
mählig auch einen Nachlass der Reizung, endlich 
beobachtet man ein schnelleres Vortreten der Ver¬ 
narbung, selbst vollständige Heilung wurde in den 
vom Verfasser beobachteten Fällen innerhalb 13 
Tagen bis 2 Monaten je nach der Ausdehnung des 
Geschwürs constatirt. Mehrere Kranke brauchten 
ihre Beschäftigung während der ganzen Dauer der 
Behandlung nicht aufzugeben. 


Anzeigen, 


Ich lasse mich demnächst in Crefeld am Nieder¬ 
rhein als homöopathischer Arzt nieder. 

Dr. Thom. 


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112 


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Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 

jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt, wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift^Sehränkehen 

und 

Separanden^Sehränkehen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon hei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig Iackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
eurialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verßchliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefasse, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen imd Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thüren Bind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildem ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandenschränkchfen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschüd 
Separanda versehen, eine Einrichtung flir 80 Flacons k 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weiss zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 


Fauna, 

anerkanntes und vorzüglich bewährtes 

Band warm mittel. 

Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum, 
direct von Natal in bester und frischester Qualität 
importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus¬ 
gedehntesten Anwendung und Anerkennung von 
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch¬ 
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine 
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht 
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen 
Bandwurmmittel. 

Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene 
oder Kinder) Rmk. 2.—. 


Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Sep&rsüdeü-Sohriak- 
clien jetzt auch in einem Schrank vereinigt, vor- 

räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist flir die Gifte und hat 4 
Unterabtheiluügen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abge trennt auf bewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
| tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
I sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
| gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
1 4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M* 


A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julias Mäser in Leipeig. 


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Band 128. 


Leipzig, den 12. April 1804. 


No. 15 u. 16. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint Ut&gig zu 2 Bogen. lSDoppelmimmern bilden einen Band. Preis 10 Af. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Poetanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitung*-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein «fc Vogl er 
in Leipzig und dessen F i 1 i a 1 e n oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Officln ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 13 Af. berechnet. 


Inhalt. Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemann’s. — Einladung zur Ordentlichen General-Versammlung des 
Vereins „Berliner Homöopathisches Krankenhaus“. — Jacob Kafka. Ein Lebensbild. Von Dr. Lorbacher. — Eigenes und 
Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Dr. Ludwig Mertens, gest. 4. März 1B94. — 

Lesefrüchte — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemann’s 

(10. April 1894). 


in einz’ger fester Punkt! Wie lang, wie lang 
War dies das Sehnsuchtsziel der Therapeuten! 
All, was ihr Denken, Meinen, Grübeln, Deuten 
Ersonnen, fiel bald heim dem Untergang. 



Und ob das Wissen Sieg auf Sieg errang, 

Die Heilkunst konnte nichts für sich erbeuten; 
Da ward sie zum Gespött den witz’gen Leuten — 
Und treuen Aerzten ward es weh und bang. 


Heil dem berufnen Meister! — Lasst sein Bild 
Mit frischem Lorbeer heute uns umranken — 

Dem Gott gesegnet Forschung und Gedanken. 

Heil ihm, der das Geheimniss uns enthüllt, 

Der das Gesetz entdeckt, das, treu erfüllt, 

Heilung verheisst dem Erdenkind, dem kranken! 

Dr. M. 


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114 


Einladung 

zur 

Ordentlichen General^Versammlung 

des 

Vereins „Berliner Homöopathisches Krankenhaus“ 

auf Sonnabend, den 28. April 1894, Abends 8 Uhr in der Poliklinik des Berliner Vereines 
Homöopathischer Aerzte zu Berlin, Charlottenstrasse 77. 

Tagesordnung: 

1. Vorlegung des Jahresberichtes pro 1893. 

2. Antrag auf Ertheilung der Decharge an das Curatorium. 

3. Besprechung verschiedener Grundstückofferten. 

Berlin, den 8. Apni 1894. Das Curatorium. 


Jacob Kafka. 

Ein Lebensbild. 

Wenn aus einem Kreise Einer geschieden ist, 
den man mit einem gewissen Stolze zu seinen Mit¬ 
gliedern zählte, wenn Einer, der mit uns für eine 
grosse, heilige Sache gekämpft und gearbeitet hat, 
und auf den man als einen Führer hinzublicken, 
den man als eine Säule zu betrachten gewohnt war, 
nicht mehr an seinem Werkplatze steht, dann ist 
es uns Bedürfniss, sein Bild uns noch einmal fest 
einzuprägen, seinen äusseren wie inneren Lebens¬ 
gang noch einmal an uns vorübergehen zu lassen, 
um dadurch uns zu weiterer Arbeit in seinem Sinne 
zu stärken. Ein solcher Mann war der im April v. J. 
heimgegangene College Jacob Kafka in Prag. 

Sein äusserer Lebensgang, welcher für uns in 
soweit in Betracht kommt, als er auf seine innere 
Entwickelung, seinen medicinischen Standpunkt von 
Einfluss gewesen ist, war kurz folgender. Geboren 
am 27. December 1809 als Sohn eines Kaufmanns 
in Wodnian, wuchs er nebst seinen 9 Geschwistern 
in den glücklichsten Verhältnissen auf. Doch kaum 
hatte er die unteren Gymnasialklassen durchgemacht, 
als sein Vater durch den hereinbrechenden öster¬ 
reichischen Staatsbankerott beinahe sein ganzes 
Vermögen verlor. Er war deshalb genöthigt, durch 
Stundengeben die Mittel zur Beendigung seines 
Gymnasial-Cursus sich zu erwerben. Nach Absol- 
virung desselben bezog er die Universität Prag, 
und nach Ablauf eines Jahres siedelte er nach 
Wien über. Dort vollendete er sein medicinisches Stu¬ 
dium und wurde im Jahre 1836 zum Doctor der Me- 
dicin promovirt. Trotz der vielfachen Entbehrungen, 


die er sich auflegen musste, um an sein Ziel zu 
gelangen, ging er doch ungebrochen aus dem 
Kampfe mit der Notb des Lebens hervor. Im Ge- 
gentheil, die ihm von Haus aus eigene Energie 
hatte einen Zuwachs erhalten. Im Kreise seiner 
Familie sprach er oft von dieser Zeit und es be¬ 
währte sich an ihm die oft gemachte Erfahrung, 
dass das Schwere und die Härte einer solchen bald 
vergessen wird, und nur der Gewinn, den sie uns 
gebracht hat, im Gedächtnisse bleibt. 

Ausgerüstet mit den nöthigen Kenntnissen be¬ 
gann er im Jahre 1836 mit gutem Mutbe seine 
praktische Tbätigkeit in der Stadt Mellnick in 
Böhmen. Es gelang ihm auch bald, sich dort eine 
Klientel zu erwerben, welche immer mehr an Aus¬ 
breitung gewann, sodass er während seiner lOjäli- 
rigen Wirksamkeit an diesem Orte sich den Ruf 
eines tüchtigen Arztes erworben hatte. Im Jahre 
1839 gründete er durch seine Verheirathung einen 
Hausstand. Jedoch konnte ihn alles dies nicht abhalten, 
im Jahre 1846 nach Prag überzusiedeln. Die 
praktischen Erfolge genügten ihm nicht. Er hatte 
das unermüdliche Streben, sich immer weiter zu 
bilden, und namentlich mit den Fortschritten der 
wissenschaftlichen Medicin auf dem Gebiete der 
Pathologie sich auf dem Laufenden zu erhalten. 
Und dazu war Prag der geeignetste Ort. Dort 
hatten sich damals eine Anzahl tüchtiger, jüngerer 
Kräfte zusammengefunden, welche von der Ueber- 
zeugung durchdrungen waren, dass es nur auf dem 
Wege des Experiments und der gründlichen ana¬ 
tomisch-pathologischen Untersuchung, wie sie von 
Rokitanski angeregt und cultivirt war, möglich 
sei, diesem Zweige der medicinischen Wissenschaft 


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116 


die nöthige feste Grundlage zu geben, wie Hahne- 
mann dies auf dem Gebiete der Therapie gethan. 
Ich will hier nur die Namen Hammernick und 
Oppolzer nennen. Hier erst fand er Befriedigung 
fiir seinen Wissensdrang und war im Stande, die 
Fortschritte und neuen Entdeckungen auf dem Ge¬ 
biete der wissenschaftlichen Pathologie zu verfolgen. 
Die praktischen Erfolge allein genügten ihm nicht. 
Er musste auch wissenschaftlich sie begründen und 
sich erklären können. 

In Prag gelang es ihm bald in Folge des 
Eifers und „der Energie, mit welchen er 6eine 
Praxis betrieb, sich eine gute Klientel zu erwerben. 
Mit Vergnügen erzählte er im Kreise seiner Fa¬ 
milie, dass er im Jahre 1848 manchmal über die Barri¬ 
kaden geklettert sei, um zu seinen Patienten zu 
gelangen. 

Im Jahre 1849 — 50 wurde er durch einen ehe¬ 
maligen Studiengenosseu, Dr. Lury, einem renom- 
mirten homöopathischen Arzt in Brünn, auf die 
Homöopathie aufmerksam gemacht und zu Ver¬ 
suchen mit derselben angeregt. Eine damals in 
Prag herrschende schwere Croupepidemie gab ihm 
Gelegenheit, die homöopathischen Mittel zu ver¬ 
suchen. Die guten Erfolge, welche er dadurch er¬ 
zielte, überzeugten ihn bald von der Vorzüglichkeit 
dieser neuen Heilmethode, und nachdem er sie noch 
weiter geprüft, entschied er sich voll und ganz 
für dieselbe und wurde von nun an einer der eif¬ 
rigsten Anhänger und Vertreter derselben. Doch 
liess er sich durch die ersten frappanten Erfolge 
nicht hinreissen, sondern prüfte und studierte ein 
ganzes Jahr lang, ehe er sich öffentlich und ent¬ 
schieden für die Homöopathie erklärte, um ihr sein 
ganzes Leben lang treu zu bleiben, sie zu fördern 
und sie zu vertheidigen. Möchte er in dieser Be¬ 
ziehung allen den jungen Aerzten, welche sich 
dieser Heilmethode zuwenden wollen, und von 
denen die Meisten meinen, dass ein 6—8 wöchent¬ 
liches Studium und der Besuch einer homöopa¬ 
thischen Poliklinik genüge, um als firme homöopa¬ 
thische Aerzte auftreten zu können, als Beispiel 
dienen. Die Flüchte seines ernsten Studiums 
blieben auch nicht aus. Seine glänzenden Erfolge 
machten ihn bald zu einem gesuchten Arzte. 

Die wöchentlichen, abwechselnd in der Wohnung 
der einzelnen homöopathischen Aerzte abgehaltenen 
Zusammenkünfte wurden durch ihn wesentlich belebt, 
und wirkten durch Austausch praktischer Erfahrung 
und Besprechung theoretischer Themata anregend 
und befruchtend auf jeden Theilnebmer. Wie dies 
auch nicht anders sein konnte, wenn Männer, wie 
ein Hirsch , Altschnl , Schalter , Teller , Seegen sen. 
und jun., Hoffrichter und Andere sich vereinigten. 
Man kann diese Zeit ohne Uebertreibung als die 
Glanzperiode der Homöopathie in Prag bezeichnen. 


I In dieser Zeit war es auch, wo zwischen Kafka und 
| dem damals in Prag lehrenden berühmten Chirurgen 
I v. Pitha ein engeres freundschaftliches, für das 
Leben ausdauerndes Verhältniss sich entspann. 
Ueberhaupt war es stets sein Bestreben, mit den 
Aerzten anderer Richtung auf einem anständigen 
Fusse zu stehen. 

Doch zeigte er auch, dass er den Kampf nicht 
scheute, und wo es galt, unberechtigte Angriffe 
zurückzuweisen, die Waffen zu brauchen verstand. 
Im Jahre 1857 hatte der damalige Redakteur der 
„Wien, medicinischen Wochenschrift,“ Wittelshoefer, 
es unternommen, in einigen Artikeln die Lehren 
Hahnemann’s herabzusetzen und lächerlich zu machen. 
Sofort trat Kafka in die Schranken und wies in 
der Wiener „Presse“ diese Angriffe mit Ent¬ 
schiedenheit und Glück zurück. Diese Polemik 

machte damals viel Aufsehen und machte seinen 
Namen weit und breit bekannt. So konnte es 
nicht fehlen, dass seine Klientel immer mehr wuchs, 
und er in schweren Fällen oft in weite Ferne, nach 
Ungarn, Galizien, Polen berufen wurde. Damit 
mehrte sich auch der Schatz seiner Erfahrungen, 
welche er jedoch nicht, wie wir es leider bei einer ganzen 
Anzahl unserer beschäftigten Praktiker erlebt haben, 
für sich behielt, sondern zum Nutz und Frommen 
unserer Sache, sowie seiner Collegen, der Oeffentlich- 
keit übergab. Davon zeugen die vielfachen Arbeiten 
von ihm in der „Allg. Hom. Ztg.,“ in Hirschers 
„Neuer Zeitschrift für die homöopathische Klinik“ 
j und Alt8chul’s „Monatsschrift“. Viele derselben können 
heute noch als Muster von Krankengeschichten 
gelten, namentlich in Bezug auf die Homöopathi- 
cität der angewandten Mittel, welche er niemals 
nachzuweisen unterliess. Dabei vernachlässigte er 
aber durchaus nicht die Diagnose, sondern war 
stets bestrebt, mit Hilfe aller ihm zu Gebote 
steihenden Untersuchungsmethoden dieselbe möglichst 
klar und scharf zu stellen, so dass der von un¬ 
seren Gegnern uns oft gemachte Vorwurf, dass wir 
es damit nicht genau genug nähmen, ihm gegen¬ 
über wenigstens keine Geltung hat. Wir glauben 
kaum, dass ein klinischer Professor seinen Schülern 
etwas Ueberzeugenderes hätte vortragen können. 

Es wäre nur zu wünschen gewesen, dass er 
Gelegenheit gehabt hätte, das ihm unzweifelhaft 
innewohnende Lehrtalent zu verwerthen. Denn 
das, was den Lehrer macht, ein auf Studium und 
praktische Erfahrung gegründetes reiches Wissen, 
verbunden mit Klarheit und logischer Schärfe, kann 
ihm Niemand absprechen. 

Doch blieb er nicht unthätig bei Veröffentlichung 
seiner klinischen Erfahrungen, sondern als ihm im 
1 Anfang der 60 er Jahre von der Eupel’sehen Ver- 
' lagsbuchhandhmg in Sondershausen der Antrag auf 
Abfassung einer homöopathischen Therapie gestellt 

15* 


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116 


wurde, ergriff er diese Gelegenheit, um in einem 
grösseren wissenschaftlichen Werke den reichen 
Schatz derselben seinen speciellen Collegen zu¬ 
gänglich zu machen und auch den anders denken¬ 
den Aerzten Gelegenheit zu geben, durch eigene 
Versuche sich die Ueberzeugung von der Wahrheit 
des Similia Similibus zu verschaffen und zugleich 
davon, dass die homöopathische Therapie sich sehr 
gut mit der wissenschaftlichen Medicin vertrage. 
Das Letztere veranlasste ihn auch,, sein Werk 
„Homöopathische Therapie auf Grundlage der physio¬ 
logischen Schule u zu betiteln. Es ist ihm von 
Seiten strenger homöopathischer Aerzte der Vor¬ 
wurf gemacht worden, dass er in diesem Punkte 
ein zu grosses Entgegenkommen gezeigt und die 
Homöopathie gewissennassen zu einem Anhängsel 
der physiologischen Schule gemacht habe. Doch 
kann sich jeder durch eigenes Studium überzeugen, 
dass er den homöopathischen Standpunkt stets fest¬ 
hält und in den wenigen Fällen, in denen er da¬ 
von abweicht, seine Handlungsweise hinlänglich 
motivirt. Dass es ihm ebensowenig wie anderen, 
welche gleiche Versuche gemacht haben, nicht ge¬ 
lungen, die zwischen alter und neuer Schule vor¬ 
handene Kluft zu überbrücken, liegt daran, dass 
principielle Verschiedenheiten sich eben nicht aus- 
gleichen lassen. 

Auf eine nähere Besprechung dieses seines 
Hauptwerkes einzugehen ist hier weder Ort noch 
Zeit. Ich verweise in dieser Beziehung auf meine I 
Besprechung desselben in Bd. 79 (von 1869) j 
Nr. 14—20 Fol. 110 u. folg, der „Allgem. Hom. 
Ztg.,“ in welcher ich ganz offen auch die meiner I 
Ansicht nach schwachen Seiten desselben hervor- 1 
gehoben habe. Ich kann es mir jedoch nicht ver- I 
sagen, es hier auszusprechen, dass er sich damit j 
ein Verdienst um unsere Sache erworben, und zu 
bedauern, dass es unter den homöopathischen I 
Aerzten doch nicht die Anerkennung und Benutzung * 
gefunden hat, die es verdiente. Bedenken wir I 
dazu noch, dass er die Zeit zu dieser Arbeit ge- 
wissermassen sich abstehlen musste, da er daneben 
noch seine ausgebreitete Praxis besorgen musste, 
so können wir nicht umhin, seinen eisernen Fleiss 
zu bewundern. Er benutzte dazu die frühen 

Morgenstunden. Die Gründlichkeit, mit der er 
arbeitete, beweist der Umstand, dass er zur Voll¬ 
endung seines Werkes 4 Jahre (1865—1869) 
brauchte. Dasselbe wurde sogar der Kaiserlichen 
Privatbibliothek einverleibt, sowie dem Ungarischen 
Ministerium vorgelegt und hat wahrscheinlich den 
Entschluss, an der Budapester Universität einen 
Lehrstuhl für Homöopathie zu errichten, mit zur 
Reife gebracht. 

Es erübrigt uns noch, ihm auf ein anderes Feld 
seiner unermüdlichen Thätigkeit zu folgen: den 


homöopathischen Central verein. Vom Jahre 1855 ab, 
wo er der ersten, zahlreich besuchten Versammlung 
in Wien beiwohnte, bis zu seinem Austritte im 
Jahre 1877, hat er beinahe keine Versammlung 
versäumt, beinahe regelmässig durch einen ge¬ 
diegenen wissenschaftlichen oder praktischen Vor¬ 
trag seine active Theilnahme bethätigt. Sein Amt 
als Preisrichter bei den s. Z. vom Centralverein 
gestellten Preisaufgaben, wozu ihn das Vertrauen 
der Mitglieder berufen hatte, verwaltete er mit der 
I ihm eigentümlichen Gewissenhaftigkeit und Un¬ 
parteilichkeit. Wenn er auch zuweilen durch all- 
| zu hohe Anforderungen und einen etwas zu stark 
zu Tage tretenden Formalismus den Aerzten die 
Lust zur Preisbewerbung verleidete, so zeugten 
I doch seine Gutachten nach Form wie Inhalt von 
1 dem Emst, mit dem er seines Amtes waltete. Die 
von ihm bis an sein Lebensende festgehaltenen 
Ideen, durch mit Hilfe des Centralvereins ins 
Leben gerufene Vorlesungen über Homöopathie 
in seiner Universitätsstadt Propaganda für unsere 
Sache zu machen, erwies sich als unausführbar, 
spricht aber dafür, dass er auf Förderung der¬ 
selben stets bedacht war. 

Im Jahre 1877 sah er sich zum Bedauern 
der meisten Central Vereinsmitglieder durch einen 
beklagenswerthen, durch gegenseitige Verbitterung 
und Reizbarkeit hervorgerufenen Conflict veranlasst, 
aus dem Central verein auszuscheiden. Doch war 
damit sein Interesse für unser Vereinsleben nicht 
erloschen. Dies bewies er durch öfteren Besuch 
der Versammlungen des Sächsisch-Anhaitinischen 
Vereins und seine Theilnahme an den von ihm an¬ 
geregten und durch kleine Vorträge eingeleiteten 
Discussionen. Dabei zeigte er trotz seines hohen 
Alters und der überstandenen Reisestrapazen noch 
eine beinahe jugendliche Frische. Im Jahre 1889 
von der Central Vereins-Versammlung in Cöln a|Rh. 
zum Vorsitzenden der wissenschaftlichen Sitzung 
der 1890 er Versammlung in Dresden erwählt, trat 
er wieder ein. Leider wurde die Freude, ihn wie¬ 
der in unserer Mitte zu sehen, durch eine in seiner 
Antrittsrede gefallene Aeusserung etwas getrübt 
Schliesslich sei noch seiner Thätigkeit als Redac» 
teur der,,Allg.Hom.Ztg.“gedacht. Er übernahm die¬ 
selbe nach dem Tode des ihm sehr befreundeten 
Dr. Veit Meyer im Jahre 1872, und zwar in einem 
durch Meyer’s längere Krankheit hervorgerufenen, 
etwas heruntergekommenen Zustande. Eine leere 
Redactionsmappe und die auf ein Minimum redu- 
cirte Zahl der Mitarbeiter schreckten ihn jedoch 
nicht ab. Er versuchte zunächst, durch eigene 
Arbeiten das Blatt wieder zu heben und neue 
Mitarbeiter zu gewinnen. Allein er musste zu der 
Einsicht kommen, dass die Leitung eines solchen 
Blattes bei einer ausgebreiteten Praxis wie die 


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peinige war, nicht möglich ist. Dazu kamen noch 
verschiedene äussere Unannehmlichkeiten, welche 
keinem Redacteur erspart bleiben, und schliesslich 
wurde noch von einer Seite darauf hingewiesen, 
dass nach dem deutschen Pressgesetze der Redac¬ 
teur einer *in Deutschland erscheinenden Zeitschrift 
seinen Wohnsitz im Inland haben müsse. Um auch 
in diesem Punkte allen Weiterungen aus dem 
Wege zu gehen, legte er mit Schluss des Jahres 
1876 die Redaction nieder. Doch stellte er damit 
seine literarische Thätigkeit nicht ein, wie eine, 
allerdings nach einer längeren Pause, in der ,,Allg. 
Hom. Ztg.“ erschienene Reihe von instructiven Auf¬ 
sätzen beweist. Wie er auch in seinem hohen 
Alter noch immer darauf bedacht war, die Homöo¬ 
pathie auch nach aussen hin zu fordern, dafür 
spricht die Porges’sche Stiftung, welche wir in 
erster Reihe seinen Bemühungen verdanken. 

Von den äusseren Erlebnissen in seinen letzten 
Lebensjahren ist noch zu erwähnen ein freudiges: 
die im Jahre 1886 erfolgte Feier seines 50jährigen 
Doctorjubiläums. Zahlreiche Ehrungen und Be¬ 
weise der Hochachtung, Dankbarkeit und Liebe 
von Seiten seiner Collegen, der Prager Universität 
und des Doctorencollegiums und des homöopathi¬ 
schen Centralvereins, sowie aus seiner weitverbreite¬ 
ten Klientel machten diesen Tag zu einem der 
schönsten seines Lebens. Neben den äusseren 
Ehrenbezeugungen ist aber jedenfalls die innere 
Befriedigung, mit der er auf eine 50 jährige, segens¬ 
reiche Wirksamkeit zurückblicken konnte, sein 
schönster Lohn gewesen. Doch blieb ihm auch 
das Leid nicht erspart. Im Jahre 1887 trennte 
der Tod seiner Gattin das Jahre lang bestehende 
Band einer innigen Lebensgemeinschaft, und war 
er verurtheilt, seine letzten Lebensjahre in einer 
gewissen Vereinsamung hinzubringen, da er keines 
seiner Kinder um sich hatte. Es war für ihn stets 
die angenehmste Zeit, wenn sein Sohn, unser 
College, der Badearzt in Carlsbad, Dr. Theodor 
Kafka, im Winter mit seiner Familie einige Wochen 
in Prag bei ihm verlebte. 

Trotz seines hohen Alters war er nicht zu be¬ 
wegen, seine Praxis ganz aufzugeben, sondern war 
stets bereit, bis an sein Lebensende Kranken 
seinen Rath zu ertheilen, soweit es seine Kräfte 
erlaubten. Er hat an seiner Person den Beweis 
geliefert, dass die Arbeit das beste Mittel ist, den 
Menschen geistig relativ frisch zu erhalten. Mit 
Vergnügen gedenke ich noch der letzten Versamm¬ 
lung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins in Dresden, 
an der er theilnahm Am Morgen von Prag ah- 
gereist und Mittags in Dresden angekommen, hielt 
er uns einen Vortrag über die Cheyne-Stoke’sche 
•Athmungserscbeinung, nahm an dem Diner Theil 
'und ging am Abend noch in das Theater. Diese, 


sowie die Theilnahme an der Versammlung des 
Centralvereins in Dresden 1890 sind für einen im 
Anfang der 8Oger Jahre stehenden Mann doch 
ganz respektable Leistungen. Aus seinen Briefen, 
die er in der Porges’sehen Stiftungsangelegenheit 
noch in seinem letzten Lebensjahre an mich richtete, 
i sprach immer noch ein warmes Interesse für unsere 
1 Sache. Erst sein in Folge von Schwäche nach 
einer überstandenen heftigen Bronchitis am 80. April 
1893 erfolgter Tod machte seinem thatenreichen 
Leben ein Ende. Seine Familie verlor in ihm den 
treusorgenden Vater und das würdige Oberhaupt, 
unsere Sache einen ihrer ersten und bedeutendsten 
Vorkämpfer und Förderer in wissenschaftlicher Be¬ 
ziehung, und seine Freunde einen treuen Freund, 
was ich, der ich mit kurzer Unterbrechung eine 
Reihe von Jahren in freundschaftlicher Beziehung 
zu ihm gestanden habe, am besten bezeugen kann. 
Ich hielt es desshalb auch für meine Pflicht, ihm 
diesen Denkstein zu setzen. Dass er als Mensch 
auch seine Fehler und Schwächen hatte, soll damit 
j durchaus nicht in Abrede gestellt werden. Doch 
vermindert dies den Werth dessen, was er für 
unsere Sache geleistet, nicht und kommt desswegen 
hier auch nicht in Betracht. Er hat uns gezeigt, 
dass man ein wissenschaftlicher Arzt und zugleich 
ein überzeugungstreuer Homöopath sein kann. Diese 
Ueberzeugung namentlich den jüngeren Aerzten, 
welche aus der alten Schule zu uns herüberkommen, 
j beizubringen, ist ein Hauptzweck dieser Veröffent¬ 
lichung, und würde dieser nur annähernd erreicht, 
so würde dies der schönste Lohn für meine Arbeit 
sein. Dr. Lorbaoher. 

Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Heaae-H&mbnrg. 

(Fortsetzung.) 

| H.: K., 25 Jahre alt, Schuhmacher, ist seit 
6 Wochen arbeitsunfähig. Seine Klagen sind: 

Stiche in der Hei'zgegend; 

Schwindel, Uebelbefinden, schlimmer Vonnittags; 

Von 4 Uhr früh an kein Schlaf; 

Kopfschmerz, besser Nachmittags und Abends ; 
i Stuhlverstopfung; 

j Das ganze Befinden Abends besser. 

29. November 1892. Natr. mur. X. jeden 
zweiten Abend. 

12. December. Nur noch etwas Stiche, sonst gut; 
I Verstopfung, Uebelkeit, Schwindel, Kopfschmerz sind 
I gehoben. Bemerkenswerthe Besserung trat mit dem 
dritten Pulver ein. Patient arbeitet wieder. 1 
j H^: H., Landmann in B., 32 Jahre alt, klagt, 
seit 8 Tagen, über Schmerzen in und über dem 


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rechten Auge . Der Schmerz ist beim Erwachen schon 
da, verschlimmert sich gegen 0 Uhr und dauert bis 
in den Nachmittag hinein. Er ist so heftig, dass 
Pationt das Bett hüten muss. 

5. Oct. 1892 Natr. mur. X. jeden Abend. 

Im Januar 1893 hörte ich, dass znr Beseitigung 
des Schmerzes nur drei Pulver nöthig waren. 

Seine Frau, 36 Jahre alt, Gravida, in meiner 
Behandlung wegen Krampfadern, klägt über Reissen 
in der Unken Gesichtshälfte, schlimmei' von 9 oder 
iO Uhr Vormittags bis in den Nachmittag , Abends 
besser . 

Appetit nicht gut, Abends Durst. 

21. Dec. 1892 Nafcr. mur. X. jeden Abend. 

21. Jan. 1893 Kopf damals sofort besser. 

H. : Frl. F. aus B., 34 Jahre alt, consultirte 
mich wegen Kahlköpfigkeit, die vor Jahren mit Aus¬ 
fallen der Haare an kleinen Stellen begonnen hatte. 
Auch die Augenbrauen lichten sich. Als die Per¬ 
rücke entfernt wird, zeigt sich der Kopf fast ganz 
kahl und glänzend, wie eine Billardkugel. 

Nur spärliche Rudera von Haaren sind hier und 
•ida sichtbar. Was an Haaren nachwächst, fallt 
wieder aus. 

10. Juni 1991 bis 24. Sept. wurde Phosphor., 
Kali oarb. und Lycopod. gegeben ohne Einwirkung, am 

24. Nov. 1891 Natr. mur. X. wöchentlich ein 
Pulver. 

11. Jan. 1892. Die Haare werden dichterund 
länger und gehen nicht mehr so aus. 

Trotzdem dies die erste günstige Nachricht war, j 
hielt ich das Ganze für Zufall, verordne Petrol, j 
ohne Erfolg. 

I. März 1892 und 6. April wieder Natr. mur., j 

diesmal 200. ! 

Am 24. Mai 1892 zeigte sich die Patientin wieder | 
einmal selbst und präsentirt einen ganz anständigen 
Haarwuchs, einige Stellen am Hinterkopf ausge¬ 
nommen. 

Die Patientin merkt die fortschreitende Besse¬ 
rung, braucht keine Perrücke mehr und verzichtet 
auf weitere Behandlung. 

Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich den 
Fall meinerseits ohne Hoffnung übernommen hatte. 
Ich war selbst erstaunt über diese günstige Ver- | 
Änderung, die ich dem Kochsalz zuschreiben muss: 

Erstens muss ich annehmen, dass eine der ge¬ 
gebenen Arzneien den Anstoss zur Besserung ge- i 
geben hat; warum sollte der Zustand, der vier i 
Jahre lang ohne jegliches Anzeichen der Besserung 
gedauert hatte, gerade in den Monaten der Be¬ 
handlung in spontane Besserung übergehen? 

Zweitens zeigte sich die erste günstige Verän- ! 
derung bei Natr. mur. und schritt bei derselben I 
Arznei voran. 

Da keine weiteren Symptome Vorlagen, wählte 


ich unter den Mitteln, die von Boenninghauscn für 
Haarausfallen in die erste Reihe stellt. 

H.: Frl. M., 19 Jahre alt, aus H., klagt seit 
langer Zeit über stetes Räuspern mit Versagen der 
Stimme; die Stimme wird durch Räuspern besser. 

Verschlimmerung bei Erkältung, Aufregung und 
des Morgens. 

Sonstige Beschwerden: 

Kopfschmerz , 

Schlaffheit und Schläfrigkeit , 

Träume beim lAnkslzegen , 

Gegen Abend tritt bedeutende Besserung des 
Halses und des ganzen Zustandes ein . 

17. Mai 1891 Natr. mur. X. jeden dritten Abend. 

5. Juni. Die bleichsüchtigen Beschwerden sind 
gebessert, die Stimme ist dieselbe. Natr. mur. 6. Tri- 
tur. Morgens und Abends. 

26. Juli gutes Befinden in jeder Beziehung. 

Die anhaltende Besserung wird mir später be¬ 
stätigt. 

H.: Frau W. aus H., 36 Jahre alt, bringt fol¬ 
gende Beschwerden vor: 

Kopfschmerz, bald rechts- bald linksseitig, sddim - 
■mei' Mittags , besser Abends . 

Appetit- und Durstlosigkeit, Verstopfung. 

Gedunsenes Gesicht 

Herzklopfen beim Linksliegen , übelriechemler 
Fluor. 

Brennen in der Brust: 

12. Juni 1892 Natr. mur. X. jeden dritten 
Abend. 

5. Juli Appetit und Kopfschmerz wesentlich ge¬ 
bessert. 

Scheinpulver. 

24. Juli. Alles gut (Fluor noch etwas), sie 
kann arbeiten und links liegen. 

Im Anschlüsse an diese letzte Bemerkung füge 
ich bei, dass eine gründliche Heilung nur dann an¬ 
zunehmen ist, wenn die Gemüthsstimmung eine 
gute geworden, wenn ferner ein Unterschied zwi¬ 
schen guten und schlimmen Zeiten nicht mehr ge¬ 
merkt werden kann, wenn endlich eine vorher be¬ 
merkte Empfindlichkeit gegen irgend welche Ein¬ 
flüsse, Gemüthsbewegung, Witterung, gewisse 
Speisen und Getränke, gegen irgend eine Lage, 
nicht mehr vorhanden ist. 

H.: Frau B., 36 Jahre alt, aus St., hat seit 
6 Monaten Schwellung und Schmerz im rechten 
Hand- und linken Kniegelenk. 

Das Allgemeinbefinden und die Lokal-Erschei¬ 
nungen sind schlimmer Vormittags ; Nachmittags und 
Abends kann sie auf dem Felde arbeiten. 

Seit langer Zeit trockner Husten und 5—6 
wässerige Stühle am Tage. 

13. Mai Natr. mur. X. jeden Abend 2 Tropfen, 

3. Juni Schwellung und Schmerz in beiden Ge- 


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m 


lenken weniger; sie kann jetzt des Vormittags 
schon auf’s Feld. 

Stuhl 2 — 3 mal täglich. Fortsetzung. 

28. Juni. Alles bedeutend 1 besser. Die Patientin 
zeigte sich nicht mehr. 

Dr. Waggoner in Kansas City: 

Gegen Ende September kam N. R., ein nied¬ 
liches, zart gebautes ISjähriges Mädchen, mit einem 
Gesicht wie Milch und Blut, zu mir. 

Sie hatte den ganzen Sommer gekränkelt, 
konnte höchstens zwei Tage nach einander die 
Schule besuchen: Die Schule machte ihr solche Kopf - 
schmerzen. 

Anfalleweise Weinen und Melancholie. 

Kopfschmerz fast beständig , Klopfen wie mit 
Hämmern, schlimmer in der Sonne und im warmen 
Zimmer. 

Wenig oder gar kein Appetit, starker Durst. 

Verlangen nach Salz und salzigen Sachen. 

Abwechselnd Fieber und Frösteln , den Rücken 
auf - und ablaufend. 

Zeitweilig ausserordentlich müde und hinfällig * 

Ich gab ein Pulver Natr. mur. Hochpotenz. 

Seit dem Pulver ist die Kleine gesund. 

(Der Schulkopfschmerz findet sich am häufigsten 
bei Sepia und Natr. mur. Auch Calc. carb. wird 
genannt; ist von mir weniger beobachtet worden; 
Nitr. acid. hat, seiner Verschlimmerung durch Hut¬ 
druck nach von Boenninghausen entsprechend, ein 
merkwürdiges Symptom: 

„Das Schulkind bekommt sofort Kopffcehmerzen, 
wenn es den Hut auföezt.“ 

Das Verlangen nach salzigen Sachen ist von 
v. Boenninghausen auch in der vervollständigten 
englisohen Ausgabe von T. F. Allen bei Natr. mur. 
nicht erwähnt, ist aber genügend constatirt. H.) 

Dr. Tomhagen in Burnside: 

Frau R. H., 21 Jahre alt, leidet seit einem 
Jahre an Fieber und hat viel Chinin genommen. 

Frost von ti> Uhr Vormittags bis l Uhr Mittags. 

Hitze von da an bis Abends. 

Kein Schweiss. 

Schmerzen in Knieen und Hüften vor dem 
Frost. 

Viel Durst beim Frost; das getrunkene Wasser 
wird erbrochen. 

Gegen Ende des Frostes bittres Erbrechen. 

Bei der Hitze kein Durst. 

Schmerz im Hinterkopf bei der Hitze. 

Der Frost beginnt in Händen und Füssen. 

Appetit gut. 

Abwärtsdrängen im Leib beim Heben. 

Kreuzschmerzen, als* ob das Kreuz breohen 
wollte. 

Ich gab am 21. April 1889* nach der Hitze 
Natr. mur. 


Hochpotenz in wässeriger Lösung. 

5. Mai bedeutend besser. Scheinpulver. 

24. Mai fortschreitende Besserung. 

16. Juni fühlt sich so wohl, wie jemals. 

Die Heilung hielt Stand: 

Es folgen einige Arsen.-Fälle: 

H.: Der 40jährige Tapezierer H. leidet seit der 
Influenza vor einem Jahre an Husten, 

schlimmer Nachts, besonders Naohmitternacht 
1 Uhr beginnend, schlimmer im Nordostwind, 
kurzluftig vor und nach den Hüstenanfällen , 
schaumiger Auswurf, der erleichtert, ebenso 
bessert Heissicassertrmken •. 

Seit 14 Tagen kann er die Nächte nicht im 
Bett zubringen, sondern muss auf dem Sopha, mit 
dem Kopf hoch , liegen. 

Die Untersuchung ergiebt Rasselgeräusche in 
den nntern Lungenpartien beiderseits* 

7. Mai 1891 Arsen. X. jeden Abend. 

7. Juni. Mit dem Einnehmen allmählige Besse¬ 
rung. Er musste nur noch zweimal aus dem Bett, 
kann mit dem Kopf tief liegen. 

Der Husten kommt einmal Nachts zu unregel¬ 
mässigen Zeiten. 

Kein Auswurf. 

Untersuchung normal. 

H.: Frau V., 33 Jahre alt, aus S., hat seit 
Pneumonie vor acht Monaten Asthmaanfällt, schlim¬ 
mer um Mitternacht. 

Sie muss Nachts stundenlang auf sitzen, über¬ 
haupt mit dem Kopf hoch liegen: 

Wenn sie Schleim herausbringt , ist' es besser. 
Sehr troohner Mund. 

Die Untersuchung ergiebt einen über beide 
Lungen verbreiteten Katarrh* mit spärlichem, zähem 
Schleim. 

Die Kranke hatte von mir am IT. Juli 1898: 
Lachesis bekommen ohne Erfblg auf ein ungenaues 
Krankheitsbild hin: 

Am 25. Juli konnte ich letzteres vervollstän¬ 
digen und verordnet© Arsen. 200. für die nächsten 
drei Abende. 

8. Aug. Die Nächte sofort ruhig ohne Anfälle. 
Kurzluftigkeit* besser. 

Untersuchung fast normal, Scheinpulver. 

H.: Meta R., 3 Jahre alt, aus F., hat seit 
8 Tagen: 

Schluokauf, Uebelkeit, Erbrechen. 

Mund sehr trocken, trinkt sehr oft, jedesmal 
wenig. 

Appetit schlecht, Abneigung gegen Fett und Süss. 
Von i Uhr Nachts an Verschlimmerung des Zu¬ 
standes. 

Im Bett sucht sie höhere Lage des Kopfed 
Etwas ikterisohe Färbung dbr Haut und der 
! Sclera. 


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Hitze, wenn eie ins Bett kommt. 

Vor dem Erbrechen matt und heisse Backen, 
nach dem Erbrechen eher besser. 

Ein schönes und deutliches Arsen-Bild. 

28. Dec. 1891 Arsen. 200. Morgens und Abends. 

80. Dec. Sofort die erste Nacht ruhig geschlafen. 

Erbrechen war nur noch einmal da. 

Appetit gut, kein Durst. 

Das gute Befinden hält an. 

Dr. Mc Neil in San Francisco: 

Senile Hypertrophie der Prostata. Diese Dia¬ 
gnose hatten der behandelnde Arzt und der als 
Consiliarius zugezogene Professor gestellt. Ich 
untersuchte den Kranken nicht weiter, in dem Ge¬ 
danken, ihm doch nicht viel nützen zu können. 

Im Sommer 1883 wurde ich zu einem Mulatten 
gerufen, der, 57 Jahre alt, Tag und Nacht im 
Sessel sitzend znbrachte, da Athemnoth ihn am 
Jsiegen hinderte. 

Ziemlich bedeutender Hydrops. 

Urin seit vier Wochen nur durch Katheter. 

Viel Durst, aber Erbrechen des Getrunkenen. 

Patient ist unruhig und ängstlieh, schläft wenig 
und ist sehr schwach. 

Ich gab Arsen. X. in wässeriger Lösung 24 
Stunden lang, dann Scheinarznei. 

Besserung setzte sofort ein und, so lange diese 
fortschritt, wurde keine Arznei gegeben; einmal, 
bei Stillstand derselben, ein Pulver Arsen, in höherer 
Potenz. 

Allmählich verschwand zunächst der Hydrops, 
dann die Athemnoth. Der Urin kam ohne Katheter. 

Ich behielt den Kranken im Auge, bis er wieder 
zu seiner Beschäftigung zurückkehren konnte. 

Dr. Fulton von Montreal: 

Am 21. Mai 1889 übernahm ich einen elf¬ 
jährigen Knaben aus anderer Behandlung. 

Er litt an Rheumatismus und Endocardids. 

Ich fand ihn im Bett aufrecht sitzend wegen 
Athemnoth: 

Schmerzen in der Herzgegend, viel schlimmer 
Nachts. 

Seit Monaten muss seine Mutter wohl zwanzig- 
mal aus dem Bett, um ihm heisse Tücher um die 
Brust zu legen, was lindert. 

Er ist schwer im Bett zu halten. 

Eine Gabe Arsen. Hochpotenz. 

Schon nach 24 Stunden waren seine Beschwer¬ 
den bedeutend erleichtert. In relativ kurzer Zeit 
konnte er sich auf der Strasse lierumtreiben. 

Weitere Arznei war nicht nothwendig. 

Sechs Jahre früher hatte ich einen ähnlichen 
Fall bei einem 12jährigen Mädchen. 

Ausser höchster Athemnoth , Herzklopfen und 
Herzschmerzen war grosse Schwäche und Hydrops 
vorhanden. 


Ebne Gabe Arsen. 200. vollendete die Heilung 
in 10 Tagen. 

Die Athemnoth verschwand in 10 Minuten nach 
dem Einnehmen des Pulvers. 

Dr. Adamy in Toronto: 

Frau C., eine gut genährte 40jährige Dame, 
konnte sich nach ihrem Typhus nicht wieder erholen. 

Vier Wochen, nachdem sie das Bett verlassen, 
bekam sie Schmerzen in den Füssen und Zehen. 
Der zweite und dritte Zehe an jedem Fusee, nament¬ 
lich rechtsseitig, schwollen an, wurden taub, ver¬ 
färbten sich dunkelroth. Diese Verfärbung ging 
weiter den Fuss hinauf in Hellroth über. 

Die Füsse wurden sehr empfindlich; eine Zeit 
lang konnte sie noch auf dem äusseren Fussrande 
humpeln, dann konnte sie das Bett nicht mehr ver¬ 
lassen. 

Drei Allopathen vermochten weiter nichts als 
die Diagnose auf Zehengangrän zu stellen. 

Ich erwähnte noch nicht die entsetzlich bren¬ 
nenden Schmerzen in den Zehen und deren Umgebung 
und die intensive Verschlimmerung, welche regel¬ 
mässig gegen Mitternacht auftrat. Von da bis gegen 
Morgen waren die qualvollsten Stunden. Am Tage 
war der Zustand einigermassen erträglich. 

Die Patientin fürchtete für ihr Leben und war 
noch mehr besorgt, ein Krüppel zu werden. 

Am 4. Nov. 1890 wurde ich gerufen und fand 
die Kranke in dem eben beschriebenen Zustande. 

Die einzige Erleichtenmg bestand in heissen Um¬ 
schlägen, aber nur so lange, als diese heiss waren. 
Abkühlung verschlimmerte ausserordentlich. 

Am 5. Nov. verordnete ich 3 Pulver Arsen. 
Hochpotenz. 

Die nächste Nacht war schon besser, nach 8 
Tagen hatte sie die erste gute Nacht und fühlte 
sich wie iin Himmel. 

Langsam verloren sich die Schwellung und Ver¬ 
färbung der Füsse; nach 14 Tagen machte sie den 
ersten Gehversuch; die Zehenspitzen behielten ein 
etwas verfärbtes Aussehen. 

Am 14. Januar gab ich noch einmal eine Gabe 
Arsen, wegen Schmerzen im rechten Arm. 

Weitere Arznei ist nicht gegeben worden. 

Dr. Hearn in Toronto: 

Frau L., eine 45jährige, robuste, anscheinend 
gesunde Dame, consultirt mich wegen folgender Be¬ 
schwerden : 

August vorigen Jahres bekam sie Durchfall, den 
sie erst gegen Weihnachten durch allopathische 
Arznei los wurde. Hiernach traten Verstopfung 
und Hämorrhoidalbeschwerden auf. 

Die herausgetretenen Hämorrhoidalknoten sind 
ausserordentlich empfindlich, mit viel Jucken und 
Brennen, schlimmer Nachts und durch Bewegung, 
gebessert durch Heisswassei'utnschläge. 


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1*1 


Dabei Ruhelosigkeit , 

abwechselnd gedrückte und reizbare Stimmung, 

Schläfrigkeit nach dem Essen, 

Kopfweh über den Augen. 

Alle Symptome schlimmer Nachts und vor dem 
Stuhl. 

Die Knoten bluten nicht, brennen wie Feuer und 
sind so schmerzhaft, dass weder Stehen, Sitzen noch 
Liegen erträglich ist. 

Ich gab zunächst Nux vomica, da ich voraus¬ 
setzte, dass von anderer Seite Opium gegeben wor¬ 
den war, dann Arsen. Hochpotenz, welches in we¬ 
nigen Tagen einen fast normalen Zustand herbei¬ 
führte. 

Vier Wochen später zeigte sich die Patientin 
wieder. 

Die damaligen Beschwerden waren ganz ver¬ 
schwunden, aber der anfängliche Durchfall harte 
sich wieder eingestellt. 

Er trieb früh am dem Bett; sie musste eilen, 
einen copiösen wässrigen Stuhl los zu werden. 
Dies wiederholte sich nach dem Frühstück und 
Abends. 

Eine Gabe Sulfur 200. genügte für diesen Durch¬ 
fall. 

Lycopodium gehört zu den interessantesten und 
am tiefsten eingreifenden Arzneien. 

H.: Zu mir kam am 23. März 1892 St., ein 
G5 jähriger, beweglicher Herr mit gesunder Gesichts¬ 
farbe, wegen Kurzluftigkeit, die seit zwei Monaten 
bestand. 

Die Untersuchung ergab einen gespannten, auf¬ 
getriebenen Leib und ein über beide Lungen ver¬ 
breitetes Schleimrasseln. 

Schmerz unter den Rippen , das Athmen be¬ 
hindernd, 

Erstickungsanfalle, besonders 3 Uhr Nachts, 
endigend mit der Expectoration von reichlichem, 
grauem, schaumigem Auswurf. 

Appetit schlecht. 

Jegliches Essen macht Beschwerden. 

Der Urin lässt rothen, festsitzenden Satz. 

Der Druck der Kleider wird nicht vertragen, 
ebenso keine Zimmencärme . 

23. und 31. März Kali carb. X. 

11. April Sepia X. 

20. April nochmals Kali carb. 

29. April Appetit gut, Schlaf besser. 

Stets Röcheln in Kehle und Brust, 

ungemeines Schlafbedürfuiss im Sitzen, 

am besten in der Ruhe. 

Morgens 4 oder 5 Uhr sehr munter, dagegen 
nach dem zweiten Schlafe schlechtes Befinden. 

Nux vomica X. jeden Abend. 

6. Mai ziemliche Besserung notirt und Fort¬ 
setzung der Arznei. 


13. Mai, kein Fortschritt. Nux vom. 3. Mor¬ 
gens und Abends. 

20. Mai. Die lästige Schwellung des Leibes mit 
der Empfindlichkeit gegen den Druck dei' Kleider 
j will nicht weichen. Lycopod. X. 5 Pulver, Mor¬ 
gens und Abends ein Pulver. 

31. Mai. Radikale Aenderung seit den letzten 
1 Pulvern. 

| Der Patient meldet sich gesund. 

I Schlaf gut, ebenso Appetit. Der Druck der 
Kleider nicht mehr lästig. 

Der jetzige Zustand des Athmens ist gar nicht 
zu vergleichen mit dem früheren. 

Kali carb. schien indicirt, leistete aber wenig, 
Sepia war ein Missgriff, Nux vom. besserte, Lyco- 
j pod. heilte. 

f Nux vom. war ein Simile, Lycop. das Simil- 
limum. Sofort gegeben, hätte Lycop. mir und dem 
Patienten Zeit gespart. 

H. S.: Frau W., 47 Jahre alt, hatte vor 9 
Jahren zum ersten Male, seitdem öfters, mehrfach 
i ein halbes Jahr andauernd, krampfhafte Schtnerzen 
| im Leib, von den Seiten gegen die Mitte zu, Tags 
i und Nachts unregelmässig stundenlang, besser durch 
Krummgehen. 

| Schwache im Kreuz. 

Untersuchung normal. 

; 25. Nov. 1892 Kali carb. X. 

5. Dec. keine Besserung. Der Leib ist nach der 
geringsten Menge Nahrung aufgebläht . 

Heisshunger. 

Gefühl eines Klumpens im Halse. 

. Alle Beschwerden mehr linksseitig, 

i Lycop. X. jeden zweiten Abend, 

j 16. Dec. Schmerzen bedeutend gebessert, aber 

| Leib noch aufgebläht, Lycop. jeden dritten Abend. 

| 2. Jan. 1893. Die Patientin bedankt sich und 

I verzichtet auf weitere Behandlung, obschon die 
Völle im Leib noch nicht ganz geschwunden war. 

Laches. hatte ich als Complement zu Lycopod. 
noch in Reserve, kam aber nicht dazu. 

H.: Frau Kl., 47 Jahre alt, leidet seit Jahren 
| an Magen - und Rückenschmerzen, welche meist ab- 
I wechseln und sich seit 3 Wochen verschlimmert 
! haben mit viel Gallerbrechen. 

3 Uhr Nachts wird sie durch die Schmerzen 
! aufgeweckt. 

Sie liegt am besten auf dem Rücken und hat im 
] Sitzen den Rücken angelehnt. 

Bei heftigen Schmerzen hat sie Linderung durch 
Krummsitzen . Gegen Druck der Kleider ist sie ern- 
| pfindlich. 

Bei der Untersuchung finde ich in der Gegend 
des Colon Ascendens, eine grosse, harte, empfind¬ 
liche Geschwulst, von der Leber abzugrenzen, also 
s wohl Fäcalmassen. 

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122 


1. Juni 1890 Kali carb. X. j 

5. Juni. Nachmittags gegen 5 Uhr Anschwellung 
des Magens mit Empfindlichkeit gegen den Druck der j 
Kleider und beständigem Duftaufstossen. i 

Nachts muss der Kopf höher liegen. 

Lycop. X. Morgens und Abends, im Ganzen | 
3 Pulver. | 

8. Juni bedeutende Besserung; Scheinpulver. 
15. Juni gut; die Geschwulst ist nicht mehr i 
fühlbar. I 

Am 3. Sept. 1892 sehe ich die Patientin wieder. 
Seit Tod des Mannes an Cholera vor 8 Tagen 
schlechtes Befinden. 

Wasserlassen schwierig und spärlich, i 

fester rother Bodensatz, j 

Appetitlosigkeit, Aufstossen, Wühlen im Leib. 
Alles schlimmer gegen Abend. 

Ich gab noch einmal Lycop., habe aber von 
dem Resultat noch nichts vernommen. 

Verschiedene Male, auch in letzter Zeit in einem 
noch nicht abgeschlossenen Falle, traf ich die Ver¬ 
schlimmerung 3 Uhr Nachts bei Lycop., so dass 
ich diese Verschlimmerung nicht mehr als Contra - 
indication gegen Lycop. ansehe. 

Dr. Alfred Heath in London heilte einen Durch - j 
fall mit Lycop.: I 

Frl. W., 36 Jahre alt, leidet seit einem halben , 
Jahre an Durchfall, welcher sich drei- oder vier¬ 
mal früh Morgens einstellt. 

Morgens fühlt sie sich krank. 

Sie hat 20 Pfd. an Gewicht abgenommen. 
Ausserdem hat sie Kurzluftigkeit, fächerartige 
Bewegung der Nasenflügel , kann nicht singen, weil 
sie nicht Luft genug bat. 

Athmen stossweise, als ob sie nur mit den 
oberen Lungenpartieen athme und die unteren nicht 
ausdehnen könne. 

27. Juni Lycop. 12. zweimal täglich. 

3. Juli ein geformter Stuhl täglich, Athmen 
normal, Fortsetzung. 

3. August gut geblieben. 

[Lycop. für Durchfall wird den Meisten wohl 
wunderlich klingen und doch nennt von Boenning- 
liausen unter schmerzlosem Durchfall Lycop. an 
hervorragender Stelle, auch Hering und Jahr er¬ 
wähnen dünne Stühle. 

Ich selbst kann mich unter zahlreichen Lycop. - 
Fällen nur eines erinnern, wo Durchfall vorhanden 
war und dieser unter Lycop. verschwand. In diesem 
Falle gab ich Lycop. nicht wegen des Durchfalls. 

Die Stühle haben nichts Charakteristisches, die 
Wahl des Lycop. muss auf anderen Zeichen be- j 
ruhen, wie in dem Falle von Heath auf der fächer- 
" förmigen Bewegung der Nasenflügel. 

Man würde indess irre gehen, wenn man dieses I 
letztere Symptom nur für Lycop. sprechen Hesse. 


Ich fand diese Bewegung der Nasenflügel bisher 
notirt bei 4 Mitteln: Lycop., Melid. majus (Farring- 
ton), Phosphor (Hering) und Ferrum; am meisten 
bekannt ist sie allerdings bei Lycopodium. 

Einen ganz interessanten Fall liefert Dr. Frank 
Kraft, der jetzige Lehrer der Materia medica am 
College de Cleveland: 

Am 31. Mai 18i>0 wurde ich telegraphisch nach 
Holland in Ohio gerufen, zu einem Kinde, das hals¬ 
leidend sein sollte, meiner früheren KUentel an¬ 
gehörig. 

Eine Woche vorher war das jetzt 18monatliche 
Kind krank geworden, hatte die Nahrung ver¬ 
weigert, schrie viel, schlief wenig und hatte neben 
Verstopfung viele Blähungen, nach oben und nach 
unten abgehend. Es fasste wohl die Brust an, Hess 
aber bald wieder los und würgte dann. 

Dieser letzte Umstand Hess zwei Allopathen die 
Diagnose auf Halsleiden und eine ungünstige Pro¬ 
gnose stellen. 

Ich fand ein zartes, bleiches Kind mit trüben, einge¬ 
sunkenen Augen. Am Halse fand ich nichts, auch 
im Halse nicht, ausser dass das Kind anscheinend nicht 
schlucken konnte. 

In den Windeln des Kindes fand ich die be¬ 
kannten rostbraunen Flecke (den rothen Satz der 
harnsauren Salze). 

Druck in der Nierengegend war schmerzhaft, 
Lage auf dem Bauche angenehm. Liegen auf der 
rechten Seite war dem Kinde unerträgHch, also 
auch das Trinken an der linken Brust. Vor dem 
Wasserlassen klägliches Schreien, eine constante Er¬ 
scheinung. 

Mehr Lycopod.-Symptome brauche ich wohl 
nicht anzuführen. 

Ich gab ein Pulver Lycop. Hochpotenz auf die 
Zunge und Hess mehrere solcher für den Nothfall 
zurück. Es war aber keines mehr nöthig. 

Das Ganze war eine Affection der rechten 
Niere. 

. Doch hatten nur die Symptome, nicht die Dia¬ 
gnose Einfluss auf die Mittelwahl. 

Ich selbst habe den rothen Sand in den Windeln 
des Kindes und das Schreien des Kindes vor dem 
Wasserlassen noch nicht beobachtet, aber es ist ein 
bekanntes und bestätigtes Symptom. Lycopod. hat 
im Allgemeinen: Schmerzen in der Nierengegend, 
nach dem Uriniren besser. Lithium carb. hat Herz- 
(und Blasen-) beschwerden, erleichtert nach Harn¬ 
abgang. Auch die Borax-Kinder schreien vor dem 
Harnen; hier fehlt aber der rotlio Sand, dafür ist 
der Urin scharf- und übelriechend, abgesehen von 
sonstigen Borax-Symptomen. H.] 

H.: Frau Kl., 40 Jahre alt, consultirte mich wegen 
eines unerträglichen Juckens am ganzen Körper, 
das sie seit 14 Tagen plagt. Das Jucken wechselt 


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beim Kratzen die Stelle, 'ist schlimmer nach dem In beiden Fällen konnte ich die Symptome 

Ausziehen, in der warmen Stube, nach dem Waschen, erst später nachlesen; ich vorordnete nach den 
Ich gab am 9. Januar 1892 Mezer. ohne Erfolg, eigenartigen Nebensymptomen. 

14. Januar. Das Jucken ist entschieden im H.: Kind St., 5 Jahre alt, ist im ersten Lebens- 
Bett und im Freien besser. Stete Unruhe in den jahre mit Erfolg geimpft worden; mehrere Monate 

Füssen , auch besonders Abends im Bett, wo sie nachher bekam es einen Blasenausschlag am ganzen 

dieselben nicht ruhig halten kann. Körper, der wochenlang anhielt mit schlechtem All- 

Dies brachte mich auf Zincum, wo ich in gemeinbefinden: Unlust, schlechter Schlaf, schlechter 

X. Potenz zwei Pulver gab, jeden Abend eins zu Appetit, oft Schmerzen beim Uriniren. 

nehmen. Dieser Blasenausschlag, welcher Narben hinter- 

24. Januar. Das Jucken ist nach dem zweiten lässt, kommt seit vier Jahren mit wochenlangen 
Pulver verschwunden und nicht zurückgekehrt. freien Intervallen immer wieder. 

Leider finde ich nicht notirt, ob auch* die 4. August 1890. Tuya X. ein Pulver. 

Unruhe in den Füssen nachgelassen hat. 19. Sept. Anfangs verschwand der Ausschlag, 

Zinc. passt nach seinen Symptomen vortrefflich: ist aber jetzt in Pockenform wieder erschienen. 

Ich fand im Jahr: Jucken am ganzen Körper, ohne Dabei ist aber das Allgemeinbefinden ausge- 

Ausschlag, nach Kratzen „sogleich an einer an- zeichnet. 

deren Stelle erscheinend.“ Aehnliche Symptome Rhus tox. 6., wöchentlich ein Pulver, 

finden sich allerdings bei vielen anderen Mitteln. 2. April 1891. Seit 14 Tagerr zeigt sich der- 

Ohne die charakteristische Unruhe wäre ich hier selbe Ausschlag etwas wieder. Sonst war er seit 
nicht auf das Simillimum gekommen. den letzten Pulvern fortgeblieben. Nochmals Rhus tox. 

Aehnlich ging es mir in folgendem Falle: H.: Lehrer Sp. aus W., 22 Jahre alt, zeigte 

H.: Frau H., eine stattliche Dame in den sich wegen eines hässlichen Ausschlags, der seit 
fünfziger Jahren, klagt seit 4 Monaten über Jucken 10 Tagen plötzlich zum Vorschein kam. Zuerst 
überalt am Körper , ohne dass äusserlich etwas rotlie Stellen, welche sich hoben und mit Eiter 
sichtbar wäre (so auch im vorigen Falle), schlimmer füllten. Jetzt bedeckt eipe dicke, gelbe Kruste 
Abends im Bett und durch Kaltwaschen. einen grossen Theil von Gesicht und Nacken. 

Es hat mit Uebelkeit (ohne Erbrechen) be- 27. Mai 1891. Rhus tox 3,, 5 Pulver, Morgens 

gönnen und ist jetzt noch mit viel Uebelkeit ver- und Abends zu nehmen. Am zweiten Tage begann 
bunden. die Besserung. Das Gesicht ist frei, die Besserung 

Je schlimmer das Jucken, desto mehr auch die scheint jetzt still zu stehen. 

Uebelkeit. Dieselben Pulver jeden zweiten Abend. 

5. Dec. 1892 Ipec.X. 5 Pulver, jeden Abend eins. 17. Juni. Im Nacken immer noch einige 

14. Dec. Jucken und Uebelkeit waren vom Krusten. 

Beginn des Einnehmens an verschwunden bis gestern, Rhus tox. 200. jeden dritten Abend. 

wo das alte Leiden wieder auftrat. Dieselben Pulver Gelegentlich wurde mir die völlige Heilung 

jeden zweiten Abend. mitgetheilt. 

28. Dec. Vom 14. Dec. an frei gewesen bis H.: Frau Sch., 53 Jahre alt, vom Lande, hat 

gestern. seit Jahren Schmerzen in beiden Fussgelenken, na- 

Dieselbe Arznei ohne Unterbrechung Morgens mentlich linksseitig, besser durch Ausstrecken der 
und Abends. Glieder . 

12. April 1893. Damals hat sie einige Wochen Schlimmer bei windigem Wetter , 

die Arznei fortgesetzt und dann mit dem Einnehmen 1 schlimmer durch Wüterungsänderung , 

aufgehört, da der Zustand gut wurde und auch im langen Sitzen. 

gut blieb. Auch leidet sie an Wadenkrämpfen, ebenfalls 

Seit einigen Tagen ist mit schwerer Erkältung gebessert durch Ausstrecken der Beine. 

Jucken und Uebelkeit wiedergekehrt, schlimmer Die einzig mögliche Lage ist die Rückenlage, 

denn je. 1 11. Mai 1890. Rhus 6., Morgens und Abends. 

Ich Hess kurze Zeit wieder Ipec. nehmen mit I 21. Juni besser, Fortsetzung, 

sofortigem Erfolge und seitdem ist die Dame frei 10. April 1891. Seit 8 Wochen wieder 

geblieben, abgesehen von zeitweiligen Spuren des ! schlimmer. In der Zwischenzeit war sie schmerz¬ 
alten Uebels, welche nur kurz andauerten und keine 1 frei gewesen. Dieselbe Arznei. 

Abhilfe verlangten. § H.: M., 39 Jahre alt, Maurer aus St., ist seit 

Jahr hat das Symptom: „Heftiges Jucken (an § 3 Wochen arbeitsunfähig wegen rechtsseitiger 

den reinen Armen und Schenkeln) bei der Uebel- I Ischias. 

keit; er muss kratzen, bis er sich erbricht.“ J Stechende Schmerzen im rechten Fuss- und 

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124 


Hüftgelenk, wenn schlimmer, das ganze Bein durch¬ 
ziehend, 

schlimmer in der Ruhe , im Sitzen und Liegen , 
schlimmer Nachts , er wandert fast die ganze 
Nacht umher; 

besser durch Ausstrecken des Beins , 
besser in fortwährender Bewegung. 

Das rechte Bein wird leicht kalt, heiss nur bei 
heftigen Schmerzen. 

Appetit schlecht, zugleich mit den Schmerzen 
ist heftiges Luftaufstossen gekommen. 

24. September 1892. Lycop. X. jeden zweiten 
Abend. 

80. September. Appetit und Aufstossen besser, 
Schmerzen dieselben. 

Rhus tox. Morgens und Abends. 

14. Okt. Nach mehrtägigem Einnehmen wurden 
die Nächte besser; er kann jetzt arbeiten und auch 
stundenlang sitzen. 

Im Ganzen ist erhebliche Besserung, doch ist 
stürmische Witterung noch zu merken. Dieselbe 
Arznei. 

Eine prägnant hervortretende Besserung durch 
Ausstrecken des Gliedes notirt von Boenninghausen 
nur bei wenigen Mitteln, hervorragend bei Rhus tox., 
Secale und Ant. tart., wovon die beiden ersteren 
sich wieder scharf trennen lassen durch ihr ver¬ 
schiedenes Verhalten gegenüber äusserer Wärme 
und Bewegung. 

Dr. Rushmore in Plainfield: 

Frl. H. hatte Schmerzen im linken Hüftgelenk , 
besonders beim Auf stehen vom Sitzen und Waden¬ 
krämpfe Nachts. Die Zehen schieben sich über¬ 
einander. 

Rhus tox., Hochpotenz, ein Pulver, beseitigte 
Alles. 

[Das krampfhafte Uebereinanderschieben der 
Zehen ist charakteristisch für Rhus tox. Ich kannte 
dies Symptom und traf es einmal bei einer jungen 
Dame, die ich an Bettnässen behandelte und noch 
behandele. Rhus beseitigte die Affection an den 
Füssen dauernd, besserte auffallend, aber nur vor¬ 
übergehend das Hauptübe]. H.] 

Dr. Tomhagen in Burnside: 

Frau Ellen C., 30 Jahre alt, gross, gut ge¬ 
nährt, dunkelhaarig, kinderlos, klagt über einen 
beständigen Schmerz, welcher von der linken Schul¬ 
ter aus sich zu Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger 
und Innenseite des Ringfingers der linken Hand er¬ 
streckt, 

schlimmer im Bett y 
besser durch Reiben und 
besser Bewegen des Armes. 

„Ich kann kaum kehren des Morgens,“ bemerkt 
sie, „wenn ich aber damit durch bin, kann ich Alles 
machen.“ 


Die betr. Finger sind steif . 

14. Oct. 1889 Rhus tox. Hochpotenz in wässe¬ 
riger Lösung. 

15. Oct. Dieses war die erste gute Nacht ge¬ 
wesen in dieser Woche. 

Scheinarznei. 

17. Oct Nur noch etwas unangenehmes Ge¬ 
fühl in den Fingerspitzen, das ohne weitere Arznei 
verschwand. 

Prof. Kent lehrt, dass,bei eintretender Besse¬ 
rung die Arznei ausgesetzt werden muss, weil sie 
dann den Charakter des Simile verliert, fügt Tom- 
hag&i hinzu. 

Mehrere bemerkenswerthe Fälle von Hernie , 
durch Rhus geheilt, bringt Dr. Mc Neil in San 
Francisco: 

Im Jahre 1871 kam John Davids, ein grosser, 
kräftiger Landmann, zu mir wegen Leistenbruchs. 
Derselbe war frisch, erst vor 8 Tagen durch schweres 
Heben entstanden. 

Ich legte ihm ein Bruchband an und wählte als 
Arznei, da der Patient Besserung in der Bewegung 
bemerkte, Rhus tox. X. 

Nach 8 Tagen sah ich letzteren wieder und 
hörte zu meiner Ueberraschung, dass die Hernie 
verschwunden war. 

(Fortsetzung folgt.) 


Dr. Ludwig Mertens 

f 4. März 1894. 


Wiederum ist ein Veteran der Homöopathie, 
einer unser Allerbesten, zur ewigen Ruhe ein¬ 
gegangen im 82. Jahr seines segensreichen Lebens. 

Am 17. October 1812 zu Havelberg geboren 
kam Mertens mit 14 Jahren auf das Gymnasium 
zu Stendal, verliess nach 6 Jahren dasselbe mit 
dem Zeugniss der Reife und studirte in Berlin ein 
Jahr lang Theologie; dann wandte er sich zur 
Medicin und lag diesen Studien in Berlin, Greifs¬ 
wald und Halle ob. Mit der Dissertation „In tegu- 
mentis salus“ erlangte er in Berlin am 1. Februar 
183'J die medicinische Doctorwürde und bestand 
gleich darauf die Staatsprüfung. Zuerst liess er 
sich als Arzt nieder in dem damals kleinen Moabit, 
das nun längst in Berlin aufgegangen ist; in be¬ 
scheidener und anspruchsloser Weise, die er bis 
zum Tode festgehalten hat, bezog er ein einfaches 
Dachstübchen; aber von diesem Dachstübchen aus 
verbreitete sich schnell der Ruf, dass dort ein sehr 


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tüchtiger Arzt hause, so dass, wenn er Morgens 
ans Fenster trat, er eine ganze Reihe von Wagen 
(„Kareten“ nannte er dergl.) erblickte mit Kran¬ 
ken, die seine Hülfe begehrten. Vom Beginn 
seiner Praxis an war er ein Feind der allopathischen 
Vielgemische und verschrieb fast nur Simplicia zum 
grössten Verdruss der Apotheker. Schon mit dieser 
Behandlungsweise hatte er vorzügliche Erfolge und 
wurde, weil seine Klientel sich immer mehr nach 
Berlin hin ausdehnte, genöthigt, nach Berlin über¬ 
zusiedeln, wo er dann zu den gesuchtesten Aerzten 
der Residenz gehörte. Mitte der 40er Jahre trat 
er ganz zur Homöopathie über, die er schon als 
Student bewundert und geliebt hatte. Als treuer 
Anhänger Hahnemann’s verordnete er mit Vorliebe 
die höheren Potenzen und erzielte damit glänzende 
Erfolge. Die neueren Homöopathen, die sich klüger 
als Hahnemann dünken und offen erklären, mit 
Hahnemann könne man jetzt keinen Staat mehr 
machen, ja die, obwohl Hahnemann gerade mit 
seinen Streukügelchen die Welt für die Homöo¬ 
pathie erobert hat, diese Streukügelchen ein Hinder¬ 
niss für die Ausbreitung der Homöopathie nennen, 
diese Homöopathen mit ihren grossen Tropfendosen 
tiefer und tiefster Potenzen waren ihm ein Gräuel. 
Mit seiner milden, sanften, wohlwollenden Weise 
fesselte er die Kranken an sich und war ihnen ein 
allzeit zuverlässiger Berather. In seiner hohen, 
idealen Art fasste er den ärztlichen Beruf als hehre 
Kunst auf, nicht als Mittel zum Broterwerb. Arme 
behandelte er nicht bloss umsonst, sondern gab 
ihnen noch obenein; Rechnungen schrieb er nie; 
selbst Wohlhabende haben ihn oft genug um sein 
wohlverdientes Honorar betrogen, weil er eben 
keine Rechnungen schickte; es belästigte ihn, wenn 
Reiche für wohlgelungene Kuren, ja für Lebens¬ 
rettungen ihm ein winziges Honorar sandten. 
,,Schnöder Mammon,“ wie er sagte, war ihm stets 
zuwider, als Quelle vieler Uebel. Verheirathet 
war er nicht, aber zahlreiche Verwandte, an denen 
er mit zärtlicher Liebe hing, und die grosse Zahl 
seiner Klienten bildeten eine Familie um ihn; 
manches Frauenauge hat mit Wohlgefallen und 
Liebe auf dem schönen, stattlichen Manne geruht. 
Vereinsleben liebte er nicht, weil es seiner ganzen 
Natur zuwider war; einmal gelang es, mir, ihn in 
einen Verein homöopathischer Aerzte mitzunehmen; 
gerade an dem Abend stellte einer in prahlender 
und selbstgefälliger Art einen Kranken vor, den 
er von Blindheit geheilt zu haben vorgab; Mertens 
prüfte abseits den vermeintlich Geheilten und fand, 
dass er ebensowenig sehen konnte, wie früher; 
das war dem guten Mertens denn doch zuviel; ent¬ 
rüstet über solche Unverschämtheit verliess er den 
Verein und ward nie mehr dort gesehen. Aeusser- 
liehe Ehrenbezeugungen verschmähte er; wieder- 


( holte Versuche, ihm Titel und Orden zu ver¬ 
schaffen, wusste er geschickt zu vereiteln, da er 
dergl. nicht brauche. Als sein 50jähriges Doctor- 
jubiläum herannahte, nahm er mir das bindende 
Versprechen ab, Niemandem auch nur das Geringste 
hiervon zu verrathen; so wurde denn der festliche 
Tag ganz im Stillen begangen. Wie wohlthuend 
und erquickend ist die Grösse dieses einfachen, 
edlen Charakters gegenüber Manchem, der nicht 
genug sich aufspreitzen kann und bei ähnlichem 
Anlass (unglaublich, aber buchstäblich wahr) sogar 
auf Bestellung sich lobhudeln lässt. Nomina sunt 
odiosa. 

Aber nicht bloss die ärztliche Praxis beschäftigte 
Mertens; im Jahre 1841 veröffentlichte er ein 
Schriftchen ,,Zur Physiologie in der Anatomie“', dem 
er 1845 ein anderes folgen liess: ,,Das Mark“. 
Beide Schriften sind im naturphilosophischen Sinne 
abgefasst und bekunden die allseitige Geistes¬ 
bildung des Verfassers. Auch etymologische Studien 
waren eine Lieblingsbeschäftigung von ihm. Höchst 
interessante Entdeckungen hatte er über die Stimm¬ 
bildung beim Menschen gemacht, die er beim 
Singen zu verwerthen strebte. Musik und nament¬ 
lich Mozart liebte er leidenschaftlich; unter den 
Dichtern war Goethe sein Ideal. 

Seit einer Reihe von Jahren hatte er die Fahr¬ 
praxis aufgegeben; aber im Hause wurde er 
immer noch von Vielen aufgesucht, denen sein 
Rath als der beste erschien. 

Harte, schwere Schicksalsschläge waren auch 
ihm nicht erspart; nächste Verwandte und theure 
Jugendfreunde sind ihm im Tode voran gegangen. 
Fast 40 Jahre waren wir beide miteinander in 
engster Freundschaft verbunden; manche bittre 
Stunde tiefsten Seelenschmerzes haben wir zu¬ 
sammen durchkämpft unter herzlichster Theilnahme 
des einen für den andern; ich betraure in ihm 
einen theuren, treuen Freund, den ich nie ver¬ 
gessen werde. Er war ein seltner Mann, reich 
gesegnet mit Geistesgaben und mit unendlicher 
Herzensgüte; ich glaube nicht, dass er jemals einen 
t Feind gehabt hat. 

J? Friede seiner Asche und Ehre seinem An- 

i denken! 

i Westend-Charlo ttenburg. 

Dr. Herrn. Fischer. 


Lesefrilchte. 

Ueber Massage der Prostata. Von Dr. M. Schliefka. 
Aus der v. Frisch’schen Klinik für Krankheiten der 
Harnorgane. (Ref. D. M. Z. 5. Febr. 94.) 

Bekanntlich kann die Gonorrhöe auf die Prostata 
übergreifen und zwar vor allem auf die Ductus 


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prostatici, welche dadurch in den Zustand des Ka¬ 
tarrhs versetzt werden. Von hier aus kann die 
gonorrhoische Entzündung auf das eigentliche Drüsen¬ 
gewebe übergehen. Die chronische Prostatitis kann 
entweder von vornherein schleichend beginnen oder 
sie ist der Endausgang einer acuten Entzündung; 
sie besteht in den meisten Fällen noch dann fort, wenn 
die Harnröhrenschleimhaut schon längst ad integrum 
restituirt ist. Dabei ist eine thatsächliche Vergrösse- 
rung des Organs keineswegs nothwendig; dagegen 
ist die Empfindlichkeit stets vermehrt. Die Dia¬ 
gnose der chronischen Prostatitis stützt sich gewöhn¬ 
lich auf die Anamnese der durchgemachten gonor¬ 
rhoischen Erkrankung, die höchst markanten Be¬ 
schwerden der Kranken und den objectiven Befund 
auf die localen Veränderungen. Die Kranken klagen 
über Reizerscheinungen, die sowohl die Harnent¬ 
leerung, als auch die sexuelle Sphäre und das all¬ 
gemeine Nervensystem betreffen. Hierher gehören 
das häufige Uriniren, der Harndrang bei leerer 
Blase, Verlorengehen des Wollustgefühls, Ejaculatio 
praecox, Impotenz, Prostatorrhoe, die sowohl beim 
Uriniren, als bei der Defacation erscheint und von 
den Kranken für Samenfluss gehalten wird, doch 
kommt es auch manchmal zu wirklicher Spermator- 
rhöe. Daneben bestehen Parästhesieen in der Harn¬ 
röhre, wie Hitzegefühl, Brennen, Kitzeln und Prickeln, 
namentlich in der Eichel, endlich Schmerzen im 
Perineum und am Anus. In schweren Fällen über¬ 
wiegen die nervösen Störungen, entweder in Form 
der Spinalirritation oder als allgemeine Nervosität 
unter dem Bilde der psychischen Depression, die 
in Melancholie übergehen und den Kranken zum 
Selbstmord treiben kann. Der Harn ist in fast 
allen Fällen entweder schon frisch gelassen durch 
Phosphate getrübt, oder er trübt sich erst beim 
Erhitzen. Die bisher gegen diesen Zustand aus¬ 
schliesslich geübte Therapie bestand hauptsächlich 
in localer Behandlung der Pars prostatica urethrae. 
Es wurden aufsteigend hohe Sondennummern ein¬ 
gelegt, Aetzungen des Caput gallinaginis vorge¬ 
nommen oder der Psychrophor eingeführt. Even¬ 
tuell werden hiermit Kaltwasserkuren verbunden, 
Electricität, Seebäder u. dergl. Der Werth aller 
dieser Proceduren ist, wie die Erfahrung gelehrt 
hat, ein sehr fraglicher. In keinem der gangbaren 
Lehrbücher ist bei Besprechung der Therapie der 
chronischen Prostatitis und ihrer nervösen Folge¬ 
zustände die Massage auch nur erwähnt. Erst in 
allerjüngster Zeit haben Thure Brandt und Eber¬ 
mann sich mit dem Gegenstand beschäftigt. Das 
überaus reichliche Material, das Verf. zur Verfügung 
hatte, gab Gelegenheit, eine Reihe von Fällen dem 
Versuch zu unterziehen. Der Erfolg war ein un¬ 
erwartet guter. Die ersten Sitzungen waren ge¬ 
wöhnlich resultatlos, nach der fünften bis sechsten 


jedoch begann der Harndrang abzunehmen, um 
nach einer einwöchigen Behandlung auf eine er¬ 
trägliche Frequenz herabzusinken. Patienten, die 
vorher 25 Mal bei Tage und 3—5 Mal während 
der Nacht uriniren mussten, hatten tagsüber nur 
noch 6 —9 Mal ihrem Bedürfnisse zu folgen und 
schliefen die Nacht ungestört durch. Die übrigen 
nervösen Beschwerden brauchten etwas länger zu 
ihrer Beseitigung; am längsten bleibt der Katarrh, 
die Prostatorrhoe, bestehen. Die oft ödematös ge¬ 
schwollenen Lappen der Drüse verkleinern sich wäh¬ 
rend der Behandlung und schwellen so ab, dass 
dem touchirenden Finger das Durchfühlen der harten 
musculären Bündel und des Parenchyms möglich 
wird. Die Empfindlichkeit bei der Massage variirt 
ausserordentlich; manche Kranke fühlen nur ein 
leichtes Spannen und Harndrang, andere zeigen 
eine excessive Schmerzhaftigkeit, aber alle gewöh¬ 
nen sich rasch daran. In den meisten Fällen ge¬ 
lingt es durch die Massage leicht, einen oder 
mehrere Tropfen einer milchig trüben, schleimigen 
Flüssigkeit auszupressen. Das Secret zeigt unter 
dem Mikroskop das bekannte, für Prostato- resp. 
Spermatorrhöe eigentümliche Bild: Epithelien, Leu- 
kocyten, vereinzelte rothe Blutkörperchen, amyloide 
Körperchen, spärliche oder zahlreiche todte und 
lebende Spermatozoen. Die Massage soll jeden 
zweiten Tag einige Minuten lang ausgeführt wer¬ 
den. Besonders günstig ist der Einfluss, den die 
milde und stets ungefährliche Methode der Massage¬ 
behandlung auf die Nervenerscheinungen ausübt. 
Auch der Harndrang erfährt eine rasche und an¬ 
haltende Besserung. 

Einen Fall von Atrophie des N. opticus in Folge 
einer Jodofoi'm-Intoxication berichtete Dr. Valude in 
der Societö d’Ophthalmologe. 

Ein Knabe , welcher eine ausgedehnte Ver¬ 
brennung sich zugezogen, und wurde mit Jodoform 
behandelt. Patient bekam bald Vomitus, der auf¬ 
hörte, nachdem man keinen Jodoformverband mehr 
aufgelegt hatte. — Gleichzeitig mit dem Erbrechen 
trat Amaurose auf. Bei der Untersuchung des 
Kranken nach Ablauf eines Jahres persistirt die 
Blindheit und man findet eine vollständige doppelte 
weisse Atrophie. 

War diese Atrophie eine Folge der Verbrennung 
oder der Jodoform-Intoxication? 

Dieser Zweifel ist gerechtfertigt. — Wenn man 
jedoch überlegt, dass die Amaurose im Anschlüsse 
an die Vergiftungssymptome sich gezeigt hat, und 
dass ferner die Jodoform-Intoxication ihre Wirkungen 
auf das Gehen soweit überträgt, dass man sogar 
meningeale Erscheinungen vor sich zu haben glaubt, 
dann kann man nicht umhin, die bei diesem Kranken 
mit Atrophie einhergehende Neuritis und die Jodo- 


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forravergiftung in einen causalen Zusammenhang 
zu bringen. 

(Le Bulletin medical 1893, No. 31.) 

Referent Dr. Proeil. 

Acnte Bleivergiftung bei Eczem in Folge 
äusserlicher Behandlung mit Diachylonsalbe. 

Mitgetheilt von Dr. Hane Pässler. 

Ein l 8 / 4 Jahre altes Kind, gut genährt und 
kräftig, litt seit 1 Jahre an einem über den ganzen 
Körper ausgebreiteten Eczem bei sonst ungestörtem 
Wohlbefinden. Man bepuderte Kopf und Rumpf 
und legte auf die Glieder Mullstreifen, die mit 
Diachylonsalbe messerdick bestrichen waren . . Be¬ 
festigung durch Binden. — 2 Tage später Er¬ 


neuerung des Verbandes. Nunmehr entwickelte sich 
: Stomatitis mit heftigem Speichelfluss und eine acute 
I hämorrhagische Nephritis mit anfänglich hoch- 
gradigerVerminderung der Harnabsonderung, starkem 
| Anasarka und geringen urämischen Erscheinungen. 

' Nach Beseitigung des Verbandes hörten die Ver- 
| giftungserscheinungen auf, das Eczem bestand dann 
! noch einige Zeit fort, bis es langsam verschwand. — 
! Verf. sagt: Eczema führen nur ganz vereinzelt zu 
| Nephritis; auch die Stomatitis spricht mehr für die 
Wirkung des Bleies. Letztere entsteht, besonders 
bei jugendlichen Personen, oft schon nach un¬ 
glaublich kleinen Dosen dieses Mittels, z. B. schon 
nach kurzen Ueberschlägen mit Bleiwasser auf eine 
umschriebene excoriirte Hautfläche. 

| (Münch. Mtd. Wochenschrift 1894. No. 2.) 


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Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt seine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter Gate, weise und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Probehisten, mit i0 j 1 oder 1 2 j i Flaschen, in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11. — bezw. Mk. 14.—. 

Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Collectionen vom 1. bis 127. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den 
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht, 
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen. 

A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig. 


Soeben erschien: 

i Die Heilung der 

Lungenschwindsucht 

durch homöopathische Arzneimittel 
von Ad. Alf. Michaelis. 

Preis 50 Pf. 

Jeder aufmerksame Leser wird aus der ge- 
sammten Darlegung schon den Eindruck erhalten, 
dass es sich hier um ein wohldurchdachtes, auf 
wissenschaftlicher Basis stehendes homöopathisches 
Heilsystem handelt. 

Gegen Einsendung des Betrages in Briefmarken 
I zu beziehen durch 

R. Michaelis Verlag, Leipzig-Reudnitz. 

Homöopathische Sohriften 

von 

Ad. Alf. Michaelis. 

1. Die physiologischen und therapeutischen 
Wirkungen des Jod nnd der Jodverbindungen. Eine 
Special-Arzneimittellehre zur Heilung vieler Krank¬ 
heiten. Preis 80 Pf. 

2. Anweisung, die Hämorrhoiden durch homöo¬ 
pathische Arzneimittel gründlich nnd sicher zu 

I heilen. Eine neue Methode zur Belehrung und 
Selbsthilfe. Preis 50 Pf. 

3. Die Verdauungsstörungen nnd ihre Heilung 
| durch homöopathische Mittel in neuer Methode 

populär dargelegt. Eine Specialtherapie für Magen¬ 
kranke. Preis 1 M. 20 Pf. 

4. Alltägliche Erkrankungsfälle. Eine all¬ 
gemeine homöopathische Therapie. Preis 1 M. 20 Pf. 

Zu beziehen durch 

R. Michaelis Verlag in Leipzig-Reudnitz, 

Koblgartenstrasse 45. 


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128 


Soeben ist erschienen die 6. Auflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur- 
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth. mit 
welcher Umsicht, Sachkenntnis« und Gründlichkeit der 

Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben niohts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und 

wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der ,,Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schützbarer grosser Freund zu 
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle 
Sympathie entgegenbringen. 44 

Bei der letzthin wieder vorgonommenen Durchsicht wurde 
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
Kinder, Verbrennungen, Blutungen. Hümorrhoidal-Leiden etc., 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein¬ 
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungon empfohlen. Auch wird 
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Vorfass er 
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er beherzigenswertbe Winke giebt. 

Der ; ,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art tibertroffen werden. Aber auch Solche, 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller- 
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben, versehen ist, wird den Freunden des 
,,Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrton Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig, im April 1894. 

A. Marggrafs Homöopathische Officin. 



Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift>Sehränkchen 

und 

Separanden^Sehränkchen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum- 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
I ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmftssig ßig- 
nirten Gebisse, als auch die entsprechend signirten Mörser, 

! Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
I Thüren sind mit vorschriftsmiissigen Porzellan schildern ver¬ 
seilen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandensohrönkchen ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellan Schild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flasciiougrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weise zu signiren sind (siche Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen au mich herangetretenon Wünschen ent- 
! sprechend, habe ich die Gift« uad Separanden-Schränk - 
| eben jetzt auch im eilen Sehr&ik vereinigt, ror- 

I räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabteilungen (in oben beschriebener WeiseU da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewanrt werden 
muss wie die Alcaloide. Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 ent 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
j gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum- 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Jnlius Mäser in Leipzig. 


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Band 128, 


Leipzig, den 26. April 1894, 


No. 17 u. 18. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Officin) in Leipzig. 


Erscheint Utägig zu 2 Bogen. 13Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 dos Post-Zeifcungs-Verzeiohnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet. 


Inhalt. Ueber Lebermittel. Von Dr. Kunkel in Kiel. — Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka in 
Prag-Karlsbad. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Einige Bemerkungen über 
Kopfweh bei Kindern. Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathischen Aerzte in Chicago 1893. Von Dr. Georg 
Smith auB England. — Wie wird man in Amerika Arzt? Von Dr. med. Staads in Essex. — Die Gedächtnisfeier des 
140. Geburtstages von Samuel Hahnemann. — Homöopathisches Spital München. — Personal-Nachrichten. — Lese¬ 
früchte. — Personalia. — Druckfehlerberichtigung. — Anzeigen. 


1W~ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. ^8 


Ueber Lebermittel. 

Von Dr. Kunkel in Kiel. 

Gegenüber anderweitigen Organerkrankungen 
bilden diejenigen der Leber eine dankbare Auf¬ 
gabe für die Therapie. Wir haben eine recht an¬ 
sehnliche Zahl von Mitteln, die zu der Leber in 
mehr oder weniger enger Beziehung stehen. Die 
Resultate, die wir mit denselben erzielen bezüglich 
des Verhaltens des Gesammtorganismus nach einer 
Heilung des genannten Organs durch diese Mittel, 
lässt uns die Schlussfolgerung ziehen, dass wir die 
Bedeutung der Leber für diesen Gesammtorganis- 
inus nur noch zura kleinsten Theile kennen. 

Was die Indicationen für die Wahl der Mittel 
im Einzelfall betrifft, so muss ich natürlich auf 
die Arzneimittellehre verweisen und werde nur ein¬ 
zelne markante Symptome erwähnen. Die vorwie¬ 
gend für acute Fälle passenden Mittel wie Acon., 
Bryon., Bellad., Rhus u. a. übergehe ich ganz. 

Sepia . Das Gesicht des Sepiakranken zeigt den 
bekannten rotlien oder gelben Sattel auf Nase und 
Wangen, gelbe Flecke um den Mund, ähnliche, öfter 
auch Pusteln, auf der Stirn. Die Sepiakrankheit 
lässt sich oft bis in die Kindheit zurück verfolgen. 
Die Kinder leiden an Kopfschmerz, besonders Mor¬ 
gens beim Erwachen, auch mit Uebelkeit oder Er¬ 


brechen, ferner beim Sitzen in der Schule, Mor¬ 
gens völlige Appetitlosigkeit. Nach der Evolution 
verlieren sich beim weiblichen Geschlecht diese Er¬ 
scheinungen recht oft. Statt derselben stellen sich 
dann oft Molimina menstrual. ein, Leih- oder Kopf¬ 
schmerz besonders vor der Periode, Leukorrhoe etc., 
um in den kliinaktersichen Jahren dann mehr 
continuirlich zu werden. Mit diesen Symptomen 
können Volumveränderungen der Leber Hand in 
Hand gehen, doch geschieht dies bei Weitem nicht 
immer, während ikterische Erscheinungen mit asch¬ 
farbenen oder weisslichen Stühlen auf die gestörte 
Function der Leber Hinweisen. Solche Kranke 
neigen zu profusen Schweissen hei geringer Be¬ 
wegung (auch oft Nachts) auf dem Rücken, zwischen 
den Schulterblättern, in der Achselgrube und zwischen 
den Mammae, vertragen elektrische Spannung der 
Luft nicht, befinden sich also schlecht vor Eintritt 
von Gewitter, auch schlecht hei Nebel, Ostwind, 
auch bei langem Sitzen, ferner nach Genuss von 
sauren und fetten Speisen. 

Wenn Sepia auch vorwiegend ein Frauenmittel 
ist, so findet doch dasselbe recht oft bei Männern 
Anwendung. Ich möchte hier besonders auf einen 
Punkt hinweisen, für den Sepia von der aller- 
grössten Bedeutung ist (neben einigen anderen, z. B. 
Lachesis, Lycopod. etc.), nämlich hei den Folgen von 

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130 


mit Quecksilber in grossen Dosen behandelter Lues. 
Im Einzelfall wird sich oft schwer entscheiden lassen, 
ob die vorliegende Leberaffection dem ersteren 
oder der Lues angehört. Die Berücksichtigung der 
Gesammterscheinungen wird uns den rechten Weg 
zeigen und in der Mehrzahl der Fälle den Beweis 
liefern, dass Hydrargyrose vorliegt. Hier werden 
wir in vielen Fällen die niederen Potenzen nicht 
entbehren können, dürfen uns aber nicht abhalten 
lassen, auch höhere täglich zu geben, wenn wir auch 
damit gegen die Regel verstossen, keine 2. Dosis 
zu geben, ehe die vorige ausgewirkt hat, welches 
letztere zu ermessen wohl kein Sterblicher vermag. 

In solchen Fällen kann oft eine Hochpotenz von 
Mercur, zeitweilig interponirt, von Erfolg sein, 
vorausgesetzt, dass die vorliegenden Symptome das¬ 
selbe indiciren. 

Ich übergehe dieses letztere Mittel (Mercur), wenn 
es auch nicht selten bei Leberleiden sich zur Wahl 
stellt, als jedem Anfänger bekannt, bemerke nur, 
dass man im letztgenannten Falle, wo es als Antidot 
gegen massive Gaben gegeben wird, die Nach¬ 
wirkung oft längere Zeit abwarten muss, gute 
Einwirkung und einigermassen sichere Indication 
vorausgesetzt. Es wäre entschieden verkehrt, eine 
solche Hochpotenz zu geben, ohne diese letztere 
und nur aus dem Grunde, weil roher Missbrauch 
getrieben war. 

Lycopodium. 

Die sog. Plethora abdominalis ist keine Krank¬ 
heit sui generis, sondern ätiologisch verschieden. 
DieFolge derselben sind Anschoppungen in den paren¬ 
chymatösen Organen des Abdomen und grössere 
oder geringere Functionsstörung. Wo das Gesagte 
von Leber und Nieren gilt, da müssen wir oft an 
Lycopodium denken. Wenn nun auch die letzteren 
uns hier direct nicht interessiren, so sei doch die 
Bemerkung erlaubt, dass, wo wir auffallende Flatu¬ 
lenz ündeu, wir wohl daran thun, den Nieren un¬ 
sere Aufmerksamkeit zu schenken. Griesbildung 
liegt dieser Flatulenz sehr häufig zu Grunde, und 
Lycop. ist in vielen Fällen das Heilmittel. 

Ausserdem ist es eins unserer wichtigsten 
Lebermittel. Gegen die Folgen mit Quecksilber 
behandelter Lues habe ich das Mittel schon nam¬ 
haft gemacht. 

Es eignen sich für Lycop. magere Individuen, 
mehr blondhaarige als mit dunklen Haaren, reiz¬ 
barer, verdriessliclier, herrsch süchtiger Stimmung. 
Schlaf oft ungenügend, besonders vor Mitternacht. 
Patient muss hoch und auf dem Rücken liegen 
(das Extrem: ganz flach ist selten). 

Das Leberleiden simulirt oft (wie auch bei an¬ 
dern Lebermitteln vorkommt) Cardialgie, d. h. 
Magenschmerzen, die in einem Gefühl von Vollsein 
bestehen, hervorgerufen oder verschlimmert durch 


wenige Bissen Speise oder durch kaltes Getränk 
(Lycop. ist von mir häufiger wie irgend ein an¬ 
deres Mittel gegen Magenleiden angewandt, die 
durch kalten Trunk veranlasst waren). Zuweilen 
tritt die Cardialgie erst 1 Stunde nach dem Essen 
ein. Verschlimmerung Nachmittags, auch von 
4—8 Uhr. Dumpfige Luft wird durchaus nicht 
vertragen. Besserbefinden im Freien, aber im 
Winde Verschlimmerung. Neigung zu Versto¬ 
pfung, doch auch zuweilen Durchfall. Gegen 
saures Erbrechen neben Calc. eins unserer Haupt¬ 
mittel. Kalte, oft nasskalte Füsse mitHitze desKopfes. 
Als Kinder litten die Betreffenden öfter an Kopf¬ 
ausschlag, besonders am Hinterkopf, mit übelrieclieu- 
dem Sccret, (Staphys. u. a.). 

Lachesis. Dieses Mittel ergänzt bekanntlich das 
vorige. 

Auch hier Cardialgie, die meist nicht gleich, 
sondern 1—2 Stunden nach der Mahlzeit eint ritt 
(Natr. mur., Sepia). Bei den Anfällen oft lähmungs¬ 
artiges Gefühl im linken Arm. Oft bei Icterus in- 
dicirt. Verschlimmerung beim Erwachen, bei war¬ 
mer Luft, besonders Gewitterluft, ferner bei tiefer 
Lage des Kopfes und im Winde hat Lach, mit an¬ 
dern Mitteln gemeinsam. 

Magnesia mur . kann indicirt sein bei Hydrops 
ascites in Folge von Leberleiden. Begleitende Er¬ 
scheinungen: Stuhlverstopfung mit knotigen („schaf- 
lorberartigen“) Stühlen oder Durchfall. Die Be¬ 
treffenden befinden sich besser im Freien als im 
Zimmer, besser bei Bewegung als in der Ruhe, ver¬ 
tragen die Lage auf der rechten Seite Nachts nicht. 

Kali carb. Bei Hydrops ascites in Folge von 
Leber- (und Nieren-) Leiden oft erfolgreich an¬ 
gewandt, besonders auch bei den Nachkrankheiten 
von Scharlach und Masern, nach Wochenbett, bei 
Ilämorrhoidalbescliwerden, besonders den im Wochen¬ 
bett erworbenen, mit den allerheftigsten Schmerzen 
bei und stundenlang nach dem Stuhl, der meist 
grossgeformt ist. Die schneidend-stechenden Car- 
dialgieen, die sich durch ihre Heftigkeit auszeichnen, 
befallen oft Nachts, etwa 2 Uhr. 

Die Kranken sind oft genöthigt, die sitzende 
Stellung zu wählen, aber vermeiden die gerade auf¬ 
recht sitzende, die verschlimmert, sitzen möglichst 
weit vornübergebeugt. Die Betreffenden wählen im 
Bett die Rückenlage, weil Seitenlage nicht ver¬ 
tragen wird. 

Grosse Empfindlichkeit gegen kalte Luft und 
Zugwind. 

Gedunsenheit des Gesichts Morgens beim Er¬ 
wachen, Schmerzen in der Reg. lumbalis oder in 
der Gegend der Schulterblätter, schneidend, ste¬ 
chend. (Fortsetzung folgt.) 


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Ueber das Magengeschwür. 

Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. 


(Fortsetzung.) 

Diese wird auch durch den Umstand bewiesen, 
dass das Geschwür nur dort entsteht, wo der Magen¬ 
saft seine Wirkung entfalten kann und zwar, um 
einen Erwcichungs- oder Zerstörungsproccss hervor¬ 
zurufen. 

Man hat zu allen Zeiten geglaubt, dass es die 
Alkalescenz des Blutes sei, welche die Einwirkung 
des sauren Magensaftes auf die Schleimhaut ver¬ 
hindert, und dass das Ulcus die Folge des Um¬ 
standes sei, dass die Einwirkung des Blutes auf die 
Schleimhaut aufgehoben wurde. 

Diese Annahme gilt heute als falsch und die 
Autodigestion während des Lebens muss in Zukunft 
der Auffassung einer speciellen Veränderung des 
Magensaftes der Hyperchlorhydrie oder der Hyper - 
secretion den Platz räumen. 

1. Hyperchlorhydrie . Im Jahre 1886 consta- 
tirte Riegel zum ersten Male in dem Magensafte 
einen Säuregrad von vier Theilen Salzsäure auf 
1000 Theile Magensaft. Dieser Befund wurde 
21 Mal an 8 Kranken angetroffen. Van der Velden 
erhielt dieselben Resultate. Riegel vervollständigte 
seine Beobachtungen an anderen Kranken, indem 
er die Hypersecretion betonte. Der Säuregrad er¬ 
reiche im Mittel 3 — 4 Procent ohne Spuren orga¬ 
nischer Säuren. 

Aber Gerhardt beobachtete im Jahre 1888, dass 
dieses Phänomen in 24 Fällen 7 Mal fehlte; Schöffer 
machte dieselbe Beobachtung und gleichzeitig be¬ 
merkte er ein Verschwinden des Albumins, welches 


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i 


wesentlich von der allgemeinen Hyperästhesie der 
Magenschleimhaut, die man oft bei Anämischen findet. 

Bei dieser Hyperästhesie folgt der Schmerz auf 
die Ingestion irgend welcher Art von Nahrung, 
sei es flüssige oder feste, und hält so lange an, 
bis die Nahrung in den Darm übergeht oder durch 
das Erbrechen herausbefördert wird. 

Ein anderer wichtiger Charakter des Schmerzes 
beim Ulcus ventriculi bezieht sich auf den Einfluss, 
den die Bewegungen und die Haltung des Kranken 
auf denselben ausüben. Bei Ruhe im Bett ver¬ 
schwindet er gewöhnlich, um während des Gehens 
wieder zu erscheinen. In der sitzenden Stellung 
ist der Schmerz häufig weniger heftig, als in der 
Rückenlage, besonders, wenn es sich um Geschwüre 
der hinteren Wand handelt. Natürlich hängen die 
verschiedenen schmerzhaften Variationen, welche aus 
den verschiedenen körperlichen Haltungen resul- 
tiren, vom mechanischen Zuge am Ulcus, von einer 
directen Reizung seiner Oberfläche durch den de- 
placirten Mageninhalt ab. 

Bei gewissen Haltungen des Körpers und zu 
gewissen Zeitmonienten, zum Beispiel während der 
Nacht, wenn der mit einem runden Magengeschwür 
behaftete Patient keine Nahrung zu sich genommen 
hat, empfindet derselbe keine Schmerzen, während 
der mit Krebs behaftete Kranke immer, gleichgiltig 
in welcher Zeit, leidet. 

Ein anderer Umstand, der für den Schmerz 
beim runden Magengeschwür charakteristisch ist 
und es gestattet, die Differentialdiagnose zwischen 
Ulcus und Gastralgie zu machen, betrifft die That- 
sache, dass man den Schmerz durch Druck ver¬ 
stärken kann; aus diesem Grunde können auch 


normaler Weise im Magensaft vorhanden ist. Hayem 
und Winter geben selbst die primäre Hyperchlorhydrie 
zu, wenn sie auch die Quantität von Salzsäure ge¬ 
ringer anschlagen. 

Der einzige ernste Einwand ist das Fehlen der | 
Acidität in einer gewissen Anzahl von Fällen, und [ 
diese Fälle beziehen sich bald auf die Anämie, die 


solche Kranke eng anliegende Kleider und na¬ 
mentlich das Mieder nicht vertragen. Dieser Schmerz 
auf Druck als constantes Zeichen des Ulcus findet 
sich namentlich in der Gegend des Processus xy- 
phoideus und hauptsächlich links. 

Der paroxysmale Schmerz bei den mit rundem 
Magengeschwür Behafteten dauert oft 2 bis 4 Stunden, 


im Gefolge der Hämatemese der Geschwüre auftritt j bisweiler viel länger. Er besteht in einer Sensa- 
und häufiger noch auf den Krebs, der sich oft auf tion von Umschnürung oder von Nagen im Epi- 
dem Boden der Geschwüre entwickelt. gastrium; es wird aber auch oft Schmerz im letzten 

2. Der Schmerz bietet oft einen paroxysmalen Rückenwirbel angegeben und nicht selten beobachtet 
Charakter dar. Er tritt kurze Zeit nach der In- man ausstrahlende Schmerzen in den Hypochondrien, 
ge6tion der Nahrung auf und ist in diesem Falle zwischen den Schultern und den Rippen, endlich 
die Folge einer mechanischen und chemischen Reizung erstreckt sich der Schmerz oft auf die Verzwei- 
der ulcerösen Wunde. Es besteht hier thatsächlich gungen des Vagus in der Lunge, woher auch das 
eine gewisse Beziehung zwischen der Qualität der Gefühl der Umschnürung in der Brust herrührt, und 
Nahrung und der Intensität des Schmerzes, so dass auf den Plexus brachialis (Traube), 
ein mildes Regime, wie z. B. die Milch, keine 3. Das Erbrechen manifestirt sich oft in den 
schmerzhafte Sensation auslöst, im Gegensätze zu schmerzhaften Paroxysmen und hört mit dem 
dem, was man bei der Verabreichung consistenter Schmerz auf, wenn man die Ursachen der Reizung 
und schwer verdaulicher Nahrung beobachtete. | (Ingesta), die auf die Nervenausbreitungen ihren 
Dieser Schmerz des Ulcus unterscheidet sich Einfluss ausüben, entfernt hat. 

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132 


Das Erbrechen tritt immer ein, wenn ein Diät¬ 
fehler begangen wird, der auch die Schmerzen 
bedingt. Das einzige besondere Characteristicum 
des Erbrechens der mit Ulcus rotundum Behafteten 
ist seine starke Acidität, die auf Rechnung der 
Anwesenheit einer grossen Menge von Salzsäure im 
Magen kommt. 

4. Die Verdauung gewisser Nahrungsmittel findet 
bei den in Rede stehenden Kranken statt; das 
Fleisch namentlich wird gut verdaut, wenn es ohne 
Fett und gut vertheilt bereitet wird. Die gut ge¬ 
kochten Eier werden gut verdaut und die Milch¬ 
diät, welche heute den Glaubensartikel der ver¬ 
zweifelten Aerzte bildet, wenn alle ihre anderen 
Hilfsquellen erschöpft sind, wird nicht immer von 
den an rundem Magengeschwür Leidenden ver¬ 
tragen. 

Der Appetit ist gewöhnlich erhalten, häufig 
sogar stärker als die Norma, und wenn er bisweilen 
fehlt, ist dies mehr durch die Furcht bedingt, dass 
die Ingestion der Nahrung Schmerzen auslösen könnte. 

Die Dauer der Digestion, die man für ver¬ 
mindert hielt, ist im Gegentheil in einer grossen 
Anzahl von Fällen eine grössere. — Hayern weist auf 
die Verzögerung der Verdauung hin; es ist dies 
auch die gewöhnliche Erscheinung und was diesen 
Umstand beweist, das ist das unbehagliche Gefühl — 
das man das stündliche (horäre) Unbehagen nennt 
(S6e) —, dasjenige Unbehagen, das fürs Gewöhn¬ 
liche vier Stunden nach Beginn der Mahlzeit 
auftritt. Dieses Unbehagen ist von unangenehmen 
localen Sensationen, von dem Gefühle des falschen 
Hungers begleitet, des Hungers, den die Ingestion 
der leichtesten und noch so geringen Nahrung be¬ 
friedigen kann. 

Differentialdiagnose des Ulcus pepticum. 

J. Ulcus und Cancer. Nur in der Untersuchung 
des Magensaftes findet man die Momente des zu 
lösenden Problems. Wir wissen, dass das chemische 
Characteristicum des Ulcus rotundum die Hyper- 
chlorliydrie sei, i. e. die Salzsäure-Hyperacidität, die 
man schon durch das calorimetrische Verfahren be¬ 
stimmen kann. Man bestimmt dieselbe durch Fär- 
bungsreagentien oder auch ebensogut mit Hilfe der 
acidimetrischen Dosirung: die Gesammtacidität 
erreicht am häufigsten oder überschreitet 2.5 bis 3 
auf 1000. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die 
Salzsäure nicht der einzige Factor sei, welcher die 
Gesammtacidität ausmacht. Im Gegensätze zu dem, 
was man zu Beginn der Untersuchungen über die 
Hyperchlorhydrie glaubte, kann man häufig in dem 
Magensafte der Hyperchlorhydrischen neben der 
Mineralsäure auch organische Säuren antreffen und 
tri fi t dieselben thatsächlich oft an. Dennoch ist es be¬ 


wiesen, dass der grösste Theil der letalen Acidität 
auf Rechnung der freien Salzsäure kommt. 

Das Unbehagen und der Schtnerz, die bei den 
Hyperchlorhydrischen mit und ohne Ulcus ventriculi 
einige Stunden nach der Mahlzeit auftreten, sind 
von der Hyperacidität des Mageninhaltes abhängig, 
die häufig erst 3 und 4 Stunden nach der In¬ 
gestion der Nahrung das Maximum ihrer Intensität 
erreicht. 

Das Herausbefördern des Magensaftes mit Hilfe 
der Sonde ist nur in dem Falle von Ulcus, der 
nicht mit Hämorrhagieen complicirt ist, gerecht¬ 
fertigt. 

Die chemischen Charaktere des Magensaftes in 
den Fällen von Cancer befinden sich in einem ab¬ 
soluten Gegensätze zu denen des Ulcus; hier spielt 
wieder die Anachlorliydrie, combinirt mit dem Vor¬ 
handensein von Gährungssäuren in grosser Quan¬ 
tität, die Hauptrolle. 

(Fortsetzung folgt.) 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung.) 

Natürlich war ich geneigt, dies auf das Tragen 
des Bruchbands zu schieben, hörte aber, dass das 
Bruchband nur auf dem Heimwege getragen worden 
war. 

Von diesem John Davids erfuhr mein Freund 
Dr. Campbell in North Vernon, der sich durch die 
Strapazen des Feldzuges, angestrengtes Reiten, einen 
doppelten Leistenbruch zugezogen hatte. 

Da auch sein Fall für Rhus passte, rieth ich 
ihm, dieses Mittel in X. Potenz bis zur Besserung 
zu nehmen. 

Auch seine Hernien verschwanden prompt und 
traten wenigstens ein Jahr lang, soviel ich weiss, 
nicht mehr heraus. 

Frau Hill, 50 Jahre alt, dick, hat harte Arbeit 
und einen Leistenbruch, der sie sehr belästigt. 

Auch sie hat Schmerzen im Körper und in den 
Gliedern, welche in der Ruhe verscldimmeri , in der 
Bewegung gebessert werden. 

Zwei Pulver Rhus tox. X. Hessen die Hernie 
wochenlang zurücktreten. Dann kam durch schwere 
Arbeit ein Rückfall. 

Darauf Rhus 2u0. ein Pulver, nach sechs Mo- 
nateu ein weiterer Rückfall, beseitigt durch Rhus 
Hochpotenz ein Pulver. 

Ein halbes Jahr nach diesem letzten Rückfall 
sah ich sie, frei von Leistenbruch; nur bei schwerem 
Heben trat er etwas hervor. 

[Hering empfiehlt besonders bei frischem Leisten- 

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1S3 


brach Rhus, auch bei v. Boennirighausen stellt unter 
Leistenbrucb Rhus an hervorragender Stelle.] 

H.: In meine Sprechstunde wurde Julius S., 
9 Jahre alt, vom Lande, geführt. In Folge scrophu- 
löser Augenleiden war er erblindet. Er hatte eine 
Anzahl Drüsenabscedirungen am Halse durchge¬ 
macht und diese Oeffnungen waren nicht ganz ver¬ 
heilt ; überall, von den Ohren bis zum Halse, war 
die Haut mit weissen, harten, fingerdicken Krusten 
bedeckt, unter denen im Frühjahr und Herbst 
etwas übelriechende Flüssigkeit hervorsickerte. 

Der Vater meinte, ob ich vielleicht die ent¬ 
stellenden Krusten zum Abheilen bringen könnte. 

Rhus 3. am 2. November 1891 half nichts, ich 
gab am 

19. April 1892 Graphit. X. wöchentlich ein 
Pulver. 

10. Juli 1893. Der Knabe ist besonders munter 
geworden. 

Seine Schorfe, die jahrelang bestanden haben, 
sind abgeheilt. 

Ich wählte Graphit., weil es in Schmelzung alter 
Narben einen gewissen Ruf hat, neben Silicea und 
Sulfur. 

Das Dicke und Harte der Krusten sprach unter 
diesen drei mehr mehr für Graphit. Farrington 
hebt diese Eigenschaft des Graphit, hervor. 

H.: Harry St., 7 Monate alt, hat Aufschlag auf 
dem Haar köpf mit klebriger Absonderung, Krusten 
fühlend. 

20. Mai 1891. Graphit. X. wöchentlich ein 
Pulver. 

28. Juni. Nach dem ersten Pulver starkes Her¬ 
vortreten des Ausschlags und sogar Ausdehnung 
desselben über das ganze Gesicht, dann nach jedem 
weiteren Pulver mehr Besserung; jetzt ist Alles 
trocken und im vollen Abheilen begriffen. 

Ich gab noch Scheinpulver. 

H.: Rudolf St., 9 Jahre alt, hat seit 8 Tagen 
Tag und Nacht Husten , zuweilen mit Erbrechen, 
schlimmer, wenn er ins Bett kommt, am schlimmsten 
jedesmal nach Mitternacht 3 Uhr, wo er unaufhör¬ 
lich eine Stunde lang hustet. 

Er schwitzt leicht am Kopf, hat sehr leicht 
Schnupfen und verstopfte Nase, liegt Nachts gerne 
auf dem Rücken und gerne warm zugedeckt. (Diese 
letzte Notiz habe ich mir gemacht, als Contra- 
indication gegen Sulfur. Dieser liegt nicht gerne 
auf dem Rücken, nicht gerne auf dem Hinterkopf 
und nicht gerne warm zugedeckt.) 

Bei der Untersuchung findet man über der 
ganzen rechten Lunge Rasselgeräusche. 

26. Juni 1891. Kali carb. X. 5 Pulver für 
5 Abende. 

10. Jul:. Mit dem letzten Pulver war der Husten 
vollständig geschwunden. Untersuchung normal. 


H.: Frl. A., 22 Jahre alt, blass, klagt über 
Magenschmerzen bei leerem Magen, durch Essen auf 
eine Stunde gebessert, ebenso durch Liegen und 
Geradesitzen . 

Handarbeit verschlimmert sehr. 

Schnellgehen und Steigen macht kurzlujtig . 

Tanzen bessert die Magenschmerzen. 

20. April 1891. Sepia X. 5 Pulver, jeden 
Abend ein Pulver. 

4. Mai. Im Ganzen besser. Der Schmerz sitzt 
jetzt mehr im Rücken und war mehrere Nächte, 
besonders nach Mitternacht , schlimm. 

Kali carb. X. Morgens und Abends, zwei Tage 
lang. 

25. Mai bedeutend besser, nur noch beim lange 
Nahen gemerkt. Kurzluftigkeit beim Schnellgehen 
wird betont. Natr. mur. X. 

8. April 1892. Seit 8 Tagen Rückenschmerzen , 
besser durch Rückenlage und Anlehnen des Rückens 
im Sitzen. 

Kal. carb. 200. an zwei Abenden. 

13. und 22. April besser und gut. 

Die Besserung der Magenschmerzen durch Tanzen 
veranlasste mich, zunächst Sepia zu geben; auch 
Natr. mur. hat diese Eigenthümlichkeit, aber in viel 
geringerem Grade. 

Alle drei Mittel haben Verschlimmerung durch 
Handarbeit, am hervorragendsten Natr. mur., spcciell 
bei Nähen und Stricken; bei Sepia ist es mehr das 
Gebücktsitzen, was nicht vertragen wird. 

H.: Am 16. November 1891 consultirte mich 
eine junge Frau wegen ihrer Neigung zu Fehlge¬ 
burten. Sie hatte in anderthalb Jahren bereits vier¬ 
mal Abortus gehabt. Krankhaftes konnte ich an 
ihr nicht finden. 

Ich finde nur notirt, dass die Rückenlage am 
besten vertragen wird und dass Nachts zwischen 3 
und 4 Uhr oft eine gewisse Unruhe auftritt. 

16. Nov. 1891. Kali carb. X. für die nächsten 
zwei Abende. 

Ich sah die Patientin erst wieder am 27. Juni 
1893. Sie hatte nach dem Einnehmen damals ein 
Kind ausgetragen, hat aber jetzt vor 3 Wochen 
wieder Abortus gehabt und leidet seitdem an Hämor- 
rhoidalbeschwerden und Oh’nmachtsanfkllen. 

Ich verordnete einige Pulver Kal. carb. 200., 
kann über den Erfolg noch nicht berichten. 

Ich bin weit entfernt, das Post hoc mit dem 
Propter hoc zu verwechseln, aber eine gewisse Be¬ 
deutung ist dem kohlensauren Kali in diesem Falle 
nicht abzusprechen. 

Ich erinnere mich der als allgemein aufgestellten 
Regel für Abortus im zweiten Monat Sabina, im 
dritten Kali carb., im fünften und siebenten Sepia 
zu geben. 

Auch hier bewahrt das Taschenbuch unseres 


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184 


v. Boenninghausen vor dem Fehler, nur an diese drei 
Mittel zu denken« v. Boenninghausen nennt an erster 
und zweiter Stelle eine ganze Anzahl Arzneien, wor¬ 
unter allerdings auch jene drei. 

H.: Frau St., 22 Jahre alt, hat noch kein Kind 
ausgetragen; es trat Abortus oder Frühgeburt ein 
im zweiten, siebenten und achten Monat. Sie kam 
aber nicht deswegen, sondern wegen Beschwerden, 
welche nach diesen Geburten zurückgeblieben waren. 

Stiche in der Gegend des Unken Eierstockes . 

Schicere Träume heim Linksliegen. 

Menses regulär eintretend, zu lange. 

Fluor gelb, dick, schmerzlos. 

Nachts 3 Uhr oft Leihschmerzen . 

Nachts urinirt sie grosse Mengen, wobei sie den 
Leib hochhalten muss. 

Stuhl sehr schmerzhaft , zu dick 9 mit Blut. 

24. Oct. 1892. Kali carb. X. an den nächsten 
fünf Abenden ein Pulver. 

7. Nov. Schmerzen und Schlaf besser, Stuhl 
noch ebenso. 

Scheinpulver. 

21. Nov. Stiche ganz fort, Nächte gut, das 
Uriniren Nachts hat aufgehört, Stuhl nicht mehr 
so dick, aber zuweilen noch schmerzhaft und mit 
Blut. 

Linksliegen gut vertragen. 

Fluor nur noch wenig mehr. 

Scheinpulver. 

12. December. Alles in Ordnung. Jetzt Gravida. 

Ob die diesmalige Schwangerschaft normal ver¬ 
laufen ist, darüber habe ich noch keine Nachricht. 
Ich möchte es nach der sichtbaren Einwirkung des 
Kali voraussetzen. 

Dr. Rushmore: Herr M. hat seit vielen Wochen 
Schmerz in der Herzgegend , dabei einen Puls, der 
oft jeden dritten Schlag aussetzt. Spigelia und 
ein anderes Mittel hatten für eine Zeitlang geholfen, 
versagten aber jetzt ihre Wirkung. 

Der Schmerz hatte sich geändert, ging bis zum 
linken Schidterblatt , und war stechend und leicht 
brennend. 

Kali carb. 2 Dosen Hochpotenz hoben den Schmerz 
definitiv, aber der Puls blieb intermittirend. 

(Mit einiger Aussicht auf Erfolg hätte Natr. 
mur. folgen können. Natr. mur. hat, ausser Acid. 
mur., den jeden dritten Schlag aussetzenden Puls. H.) 

Dr. R.: Frau H. klagt über Schmerz und 
Schwere im Kopf; letzterer neigt zur linken Seite 
und muss gestützt werden. Rothes Gesicht, Prickeln 
in Händen und Füssen des Morgens. Schwindel 
beim plötzlichen Drehen des Kopfes oder des Körpers. 

Zuweilen heftige Stiche in der Herzgegend. 

Leichte Schwellung älter und unter den Augen. 

Kali carb. Hochpotenz beseitigte sämmtliche Be¬ 
schwerden. 


H.: B., 57 Jahre alt, vom Lande, hat seit langer 
Zeit mit Schmerzen zu thun, die in der rechten Ge¬ 
sichts- und Kopfhälfte sitzen und bis in die Zähne 
gehen. 

Seit zwei Tagen sind diese Schmerzen durch 
Durchnässung der Filsse verschlimmert. 

Verlängerungsgefühl der Zähne. 

Ungünstig wirken ein kalt und warm im Munde 
und Beüicärme. 

7. Juli 1891. Merc. sol. 6. an fünf Abenden. 

14. Juli. Patient bedankt sich. Nachdem ersten 
Pulver wurden die Schmerzen unerträglich, dann 
besser. Jetzt ist nur noch Steifheit des Nackens 
und ein dumpfes Gefühl im Kopf vorhanden. Schein¬ 
pulver. 

Dr. Emory in Toronto: 

Frau D., 22 Jahre alt, hatte mehrere Tage 
nach ihrer, übrigens leicht verlaufeneu ersten Ent¬ 
bindung starken Frost bekommen, nachher Hitze 
und Frost abwechselnd stundenlang. Die ganze 
folgende Nacht war sie gequält von heftigen, bren¬ 
nenden und schneidenden Leibschmorzen. 

Der Leib ist tympanitisch aufgetrieben und sehr 
empfindlich gegen Berührung, Lochien sparsam und 
übelriechend, Milchsekretion unterdrückt, Zunge 
weiss belegt, dick und breit , hohes Fieber, Puls 160, 
Schmerz beständig, zeitweise profuse Schweisse. 

Der Schmerz wird in der Wärme und im Schiceiss 
heftiger , so dass das warme Bett lästig wird. Sobald 
aber die Bettdecke leichter gemacht oder entfernt wird , 
tritt Frost ein. 

Ruhelosigkeit die ganze Nacht, aber Angst sich 
zu bewegen, weil sonst Frost eintritt. 

Merc. sol. Hochpotenz, zweistündlich ein Pulver, 
stellte in 24 Stunden den normalen Zustand 
wieder her. 

II.: Ein zweijähriges Kind hatte die Masern 
durchgemacht. Als diese abzogen, zeigte das Kind 
eines Tages ängstliche Unruhe; es folgte eine 
schlaflose Nacht. Am nächsten Morgen kam ein 
schwerer Anfall: 

Das Kind klammert sich an dio Mutter an, 
ängstlich mit stieren Augen um sich blickend, bei 
jeder Bewegung der Thüre, jedem Geräusch, jeder 
Annäherung von Personen zusammen fahrend, leichen¬ 
blass, mit eiskalten Händen und Füssen. Die höchste 
1 Angst prägt sich in seinem Wesen aus. Die Anfalle 
wiederholen sich, stärker oder schwächer. 

Stramon.X. zwei Tage gegeben, blieb wirkungs- 
| los, dagegen kam nach der ersten Gabe Cuprum X. 

! kein Anfall mehr. 

Drei Mittel, Cuprum, Gels, und Borax haben 
die Eigenthümlichkeit, dass das Kind sich an die 
Mutter anklammert.. 

Gels, klammert sich an im Umhergetragenwerden, 
aus Furcht zu fallen. 


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135 


Borax klammert sich an beim Erwachen oder 
bei abwärtsgehender Bewegung, wenn das Kind in 
die Wiege gelegt oder die Treppe hinunterge¬ 
tragen wird. 

Cuprum klammert sich an aus Furcht vor der 
Annäherung Anderer. 

Auf meinen Fall passt, was Kent in einer Vor¬ 
lesung über Cuprum bemerkt: 

„Fürchtet jegliche Annäherung von Personen, 
Furcht zu fallen; das Kind klammert sich fest an 
die Wärterin an, wie Gels. Voll Furcht und Angst; 
(die Zunge geht wie bei einer Schlange schnell vor 
und zurück mit) Furcht .zu fallen, Furcht vor jeg¬ 
licher Annäherung — bei Kindern.“ 

Das anfallsweise Auftreten sprach in meinem 
Falle mehr für Cupr., als Gels. Stram. war eine 
V erlegenheitswahl. 

In derselben Vorlesung referirt Kent über einen 
Fall von Puerperalconvulsionen, für Cupr. passend 
und durch dieses Mittel geheilt. 

„Die Wehen begannen und Alles deutete auf 
einen günstigen Verlauf; auf einmal hörten die 
Wehen auf, die Frau blickte um sich und fragte, 
warum man kein Licht mache? Obgleich heller 
Tag war, ist ihr Alles dunkel vor den Augen. 

Eine Stunde nachher begannen Convulsionen, 
wie sie in den Prüfungssymptomen von Cuprum be¬ 
schrieben sind. Eine Dosis Cuprum wurde gereicht 
und es kam kein Anfall mehr. Zuerst verschwanden 
die Convulsionen, dann die Blindheit, dann kamen 
die Wehen wieder. Die Symptome verschwanden 
in der umgekehrten Ordnung, wie sie gekommen, 
so die Einwirkung des Mittels zeigend.“ 

Kurz ausgedrückt lautet das Characteristicum 
für Cuprum: „Plötzliche Blindheit, gefolgt von Con¬ 
vulsionen.“ 

Dr. Mc Neil beseitigte äusserst heftige Kolik¬ 
schmerzen im Magen und Leib sofort durch Cuprum, 
welche Arznei er wählte, weil im Beginne der Kolik 
heftige Wadenkrämpfe aufgetreten waren. 

H.: Frl. II., 18 Jahre alt, kam wegen Bleichsucht. 

Verdriesslich, Unlust zu Allem. 

Mattigkeit, sitzt am liebsten den ganzen Tag 
herum. 

Appetit sehr wechselnd, Durst. 

Menses seit Monaten fort. 

Einschlafen schwer, Morgens schläfrig. 

Aufgefallen ist der Mutter, dass die Tochter 
den ganzen Tag Kaffeebohnen kaut und nach Kaffee¬ 
satz gierig ist. 

Hier gab v. Boenninghausen keinen Anhalts¬ 
punkt, aber in meinen Notizen fand ich für dieses 
merkwürdige Verlangen China und Alumen ver¬ 
merkt. Ich wählte China, weil im Allgemeinen dem 
Falle mehr entsprechend. Auch fehlten für Alumen 
Stuhlverstopfung und sonstige Zeichen. 


31. Dez. 1890. China 200. ein Pulver. 

7. Febr. 1891. Viel besser. 

Die Regel ist sofort nach dem Pulver gekommen 
und seitdem schwach, aber regelmässig. 

Unlust fort, Mattigkeit besser. 

Appetit noch nicht gross. Durst fort. 

Das abnorme Verlangen noch etwas. 

China X. wöchentlich ein Pulver (eigentlich über¬ 
flüssig). 

27. Januar 1892. Die Patientin war die ganze 
Zeit wohl gewesen, bis vor vier Wochen die obigen 
Beschwerden wieder auftraten, zugleich mit schreck¬ 
lichem Verlangen nach Kaffeesatz und Kaffeebohnen. 
Der Appetit ist gut geblieben. 

China X. wöchentlich ein Pulver. Seitdem sah 
ich die Kranke nicht mehr. 

Dr. Dever in Clinton gab China mit Erfolg für 
Blutung beim Abortus. Er fand die Patientin kalt, 
ohnmächtig und pulslos. Die verlorene Blutmasse 
war grösser, als er je dachte, dass ein Mensch ver¬ 
lieren und doch mit dem Leben davon kommen 
könne. Das Blut roth mit grossen Klumpen. 

Die Patientin konnte kaum sehen und hören 
wegen Geräusch im Kopfe , das sie mit dem Lärm 
einer Dreschmaschine verglich. 

China 200., in wässeriger Lösung. Schon der 
erste Schluck besserte. (Fortsetzung folgt.) 


Einige Bemerkungen Uber Kopfweh 
bei Kindern. 

Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathischen 
Aerzte in Chicago 1893. 

Von Dr. Gerard Smith aus England. 

Die homöopathische Behandlung von Kopfweh 
bei Kindern ist mein Thema. Ich meine, dass in 
der therapeutischen Behandlung von Kopfweh so¬ 
wohl bei Erwachsenen als Kindern die Homöopathie 
der alten Schule überlegen ist. Bei den Er¬ 
wachsenen zeigt sich uns hierbei die hohe Bedeu¬ 
tung der subjectiven Symptome, doch laufen wir 
andererseits Gefahr, durch die Aussagen der 
Patienten über ihre subjectiven Empfindungen in 
die Irre geführt zu werden. Ich nehme an, ein 
Patient, der seinen Kopfschmerz mit allen be¬ 
gleitenden Erscheinungen genau beschreiben und 
localisiren kann, ist noch seltener als Jemand, der 
beim Prüfen eines Mittels einen treuen Bericht von 
seinen cephalgischen Empfindungen zu geben ver¬ 
mag. 

Bei Kindern liegt die Schwierigkeit darin, dass 
sie uns keine Schilderung ihrer Empfindungen zu 
geben ffchig sind. Sind die kleinen Patienten aber 


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alt genug, um sie anzudeuten, so finden wir, dass 
ihre Aussagen im Allgemeinen glaubwürdiger sind, 
als die erwachsener Kranken, weniger übertrieben, 
und oftmals pittoresk. So ist mir ein Fall in Er¬ 
innerung, in dem ein kleines Kind sagte: „Die 
Augen im Kopfe seien ihr von einem schweren 
Gewicht, wie von einer Ramme, gestampft“ und 
dieses Gewicht sei auseinander (aus den Fugen) 
und schabe innen an der Stirn. (Nun, die Kleinen 
wissen auch sehr wohl zu übertreiben, ein kleines 
Mädchen gestand einmal später, sie habe ihre 
Schmerzen als so schlimm angegeben, um die Mutter 
zu „ängsten“! Ref.) 

Als Regel indessen gilt, dass wir uns bei 
Kindern hauptsächlich an die objectiven Symptome 
halten, und ich gestehe, diese Thatsache erklärt, 
wesshalb wir in der Behandlung von Cephalgia 
infantilis verhältnissmässig oft Misserfolge haben. 
Wir kommen in die Versuchung, uns zu viel auf 
pathologische Theorien zu stützen, was in der 
Homöopathie sonst nicht unsere Sache ist. 

Ich will hier keine Classification von Kopfweh 
bei Kindern geben, eine solche würde nur will¬ 
kürlich und künstlich sein, sondern ich werde nur 
auf einige allgemeine Punkte hinweisen, deren Be¬ 
deutung ich durch die Erfahrung kennen gelernt 
habe. Ich bin, vielleicht aus zu schwachen Gründen, 
zu der Ansicht gekommen, dass die frontalen Kopf¬ 
schmerzen bei Kindern überwiegend die Folge einer 
entfernt liegenden Affection, oder einer constitu- 
tionellen oder circulatorischen Störung sei, während 
Hinterhaupts -Weh oft örtlicher Art ist, von Augen¬ 
leiden oder Verletzungen abhängig; anererbte Kopf¬ 
schmerzen scheinen geneigt zu sein, sich an einer 
umschriebenen Stelle, gewöhnlich auf einer Seite, 
auf der einen regio supraorbitalis oder temporalis, 
zu localisiren. 

Einer der Hauptgründe zu Fehlgriffen in der 
Therapie der besprochenen Erkrankungen Hegt 
(nach des Verfassers eigenen Erfahrungen) darin, 
dass man die Behandlung auf der Annahme gründet, 
dass das Kopfweh entweder von einer Hyperämie 
oder dem Gegentheil derselben, einer Anämie des 
Gehirns entspringe. Es kommen uns oftmals Kinder 
vor, die an Kopfschmerzen leiden, welche von einem 
gerötheten Gesicht, glänzenden Augen und un¬ 
ruhiger Beweglichkeit begleitet sind, und doch sind 
diese Bänder gewöhnlich blutarm — und meine Er¬ 
fahrung sagt mir, dass bei diesen Belladonna oder 
Aconit nicht gut thut, wogegen homöopathische 
Mittel, die ihrem constitutionellen Zustande ent¬ 
sprechen, wie Ferrum und Arsen., sich als hilfreich 
erweisen. 

Bei blutarmen Kindern mit scheinbar hyper- 
ämischen Kopfschmerzen werden in der Regel heisse, 
nahrhafte Speisen, wie heisse Milch und Suppe, das 


Weh erleichtern, während eine solche Diät bei w irk¬ 
lich hyperämischem Kopfweh den Schmerz wohl noch 
vermehren würde. 

Die Untersuchung des Urins ist unter solchen 
Umständen oft werthvoll; bei vielen anämischen 
Kindern wird man bei ihrem Kopfweh eine über¬ 
schüssige Entleerung von Phosphaten oder Uraten 
finden, woraus sich schätzbare Anzeigen für die 
Diät ergeben. 

Verfasser hatte unter seiner Behandlung ein 
Kind mit anhaltendem, sehr heftigem Kopfweh, und 
einem reichlichen* grosse Mengen von Phosphaten ent¬ 
haltenden Urin. Das Kipd war deprimirt und be¬ 
täubt, hatte arge Schmerzen in der Nierengegend, 
erbrach die Nahrung, das Gesicht war geröthet, 
die Augen lichtscheu; dazu Schwindel zum Taumeln. 
Nachdem verschiedene Mittel fruchtlos geblieben, 
erwies sich Helonias in der 6. Dil. als Heilmittel. 

Ein anderer, instructiver Fall, betraf ein neun¬ 
jähriges Kind, einen Knaben, der bei seinen Kopf¬ 
schmerzen Nasenbluten hatte, aber dieses letztere 
Symptom konnte nicht als ein Zeichen von Gehirn¬ 
hyperämie angesehen werden, denn da6 Kind war 
blass und wirklich blutarm. Der Schmerz sass am 
Wirbel, das Gemütli war herabgestimmt. Die Unter¬ 
suchung des Herzens ergab Palpitationen, eine 
Insufficienz der Mitralis. Hier half Lachesis 12. 
Verfasser erwähnt diesen Fall als ein Beispiel, wie 
falsch es ist, wenn man Symptome, die oftmals auf 
Gehirnhyperämie hindeuten, als allgemein geltendes 
Zeichen dieses Zustandes bei Kindern annimmt. 
Man sieht überhaupt in Nasenbluten zu oft einen 
Beweis für eine abnorme Blutfülle der Gehirnge- 
fasse. Bei Kindern brauchen wir nicht so leicht 
die Ursache einer Blutung in einem krankhaften Zu¬ 
stande der Gefässhäute zu suchen als bei Erwachsenen; 
eine Epistatis bei Kindern kann vielmehr selbst ein 
Zeichen von constitutioneller Blutarmuth oder einer 
passiven Congestion infolge eines Herzfehlers sein. 

Die Kopfschmerzen der Schulkinder bedingen 
eine grosse Verantwortlichkeit für uns; man beruft 
sich ja auf unser Urtheil in Bezug auf die Art und 
Ausdehnung der Erziehung und des Unterrichts, 
welche für manche Kinder zuträglich sind, und, 
wenn wir unrichtig entscheiden, so können wir den 
Kindern für die Zukunft ihres Lebens grossen 
Schaden bereiten. Es liegt eine grosse Verantwort¬ 
lichkeit für einen Arzt darin, zu bestimmen, ob 
ein Kind seinen Lectionen entzogen werden und 
so jener Lebensperiode verlustig gehen soll, in 
der das Gcdächtniss am frischesten und das Denken 
am leichtesten ausgebildet werden kann. Es sind 
aber auch nach der anderen Seite hin wieder er¬ 
hebliche Fehlgriffe geschehen: man hat das Schul- 
Kopfweh vernachlässigt, und damit des Kindes Ge¬ 
hirnkräfte durch Leiden untergraben und seine 


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von Natur glückliche Kinderzeit sehr elend ge¬ 
macht. 

Des Verfassers Erfahrung geht dahin, dass wir 
unter dem modernen Unterrichtssystera, welches, 1 
die Thatsache der ‘Evolution auf diesem Gebiete 
anerkennend, ein Kind stufenweise vom Spiel zum 
„Arbeitsspiel“, und so fortgehend anleitet, Gedächt¬ 
nis und Perception in kleinen und leichten Stationen i 
zu üben, das wahre „Schulkopfweh“ seltner beob¬ 
achten. Hierunter versteht er das Kopfweh, welches 
wirklich von einer Ueberanstrengung des Gehirnes 
herrührt — und doch leiden die Kinder in der 
Schule sehr oft an Kopfschmerzen. Nachdem die 
Missgriffe mit dem „Vollstopfen“ beseitigt und alle 
hygienischen Verhältnisse für Schulkinder der 
modernen Wissenschaft gemäss verbessert worden 
sind, so kommen uns derartige Fälle doch noch zu 
oft vor. Unsere Kinder, d. h. die englischen, gehen I 
manchmal sehr gern vor der Schlussstunde aus der 
Schule und, wenn sie zu dem Zwecke eine Unpass- I 
lichkeit als Mittel wählen, so sind sie klug genug, 
eine solche auszusuchen, die sich nur aus sub- 
jectivcn Symptomen erkennen lässt. Diese Klasse 
von Schulkopfweh haben wir zuerst in Betracht zu 
ziehen. — Es kommt gewöhnlich in den ersten 
Schulstunden, wechselt seine Stelle, und das Bürsch- 
lein ist im Stande, ausser der Schule amüsante Ge- j 
schichtenbücher zu lesen, oder sich mit anderen I 
Beschäftigungen abzugeben, welche eine betracht- | 
liehe Anspannung der Augen wie des Gedächtnisses j 
erfordern, ohne dass das Kopfweh wiederkehrt oder 
ßich erhöht. Verf. hat gefunden, dass es sich in ! 
solchen Fällen empfiehlt, das Kind aus seiner Schul- I 
klasse zu nehmen, ihm Bücher mit grosser Schrift 
zu geben, es aber zur Arbeit während der Schul¬ 
stunden anzuhalten. Krankseinwollende Kinder 
halten es nicht lange aus, von ihren Kameraden so j 
getrennt zu sein. — Es kommen aber in der That j 
oft genug Fälle von Schulkopfweh vor, die von 
Ueberanstrengung der Augen herrühren. Diese J 
haben nach dem Verf. ihren Sitz mehr im Hinter- j 
haupt, oder in der Stirn oder auf dem Scheitel. 
Hier leistet die Behandlung, wenn sie den gesammten 
Gesundheitszustand berücksichtigt, Bedeutendes, aber 
die sog. „stärkende“ Methode ist immer nur pal¬ 
liativ. Das Kopfweh kann verschwinden, so lange 
die künstliche Erregung anhält, wird aber wieder¬ 
kehren, sobald jene entfernt ist.^ Ist das Kind in 
ausnehmend guter Gesundheit, so kann das Kopf¬ 
weh, z. B. nach den Ferien, fehlen. Aber im Ver¬ 
laufe der Schulzeit kehrt es zurück. In solchen 
Fällen kann das Sehen normal sein, wenn nicht 
im Augenblicke der Untersuchung das Kind an j 
Schmerzen leidet. Ist es aber ermüdet, oder unter 
der Einwirkung von Atropin auf das Auge, so wird 
man die Reflexaction mangelhaft finden. Die Ac- 


commodation kommt unter gewöhnlichen Umständen 
durch eine dem Kinde unbewusste Anstrengung zu 
Stande; stellt man jedoch übermässige Forderungen 
an dasselbe, dehnt diese zu lange aus, kommt sonst 
noch eine Gesundheitsstörung hinzu, so wird diese 
Ueberanstrengung sich durch Kopfschmerzen kund¬ 
geben. 

Ein 12jähriges Mädchen litt an einem neural¬ 
gischen Nacken schmerz, der von den Halsnerven 
auf beiden Seiten des Halses nach unten aus¬ 
strahlte. — Das Leiden rührte durchaus von Augen¬ 
anstrengung her und ward durch den Gebrauch 
geeigneter Gläser gehoben. Dieses Hilfsmittel ist 
neben der homöopathischen Behandlung erforderlich, 
aber kein „Pince-nez “, welches bei einem empfind¬ 
samen Kinde durch Druck auf den Nasensattel 
Kopfweh hervorruft, sondern eine leichtgefasste 
Brille! — Es sind drei Mittel, die Verfasser unter 
solchen Umständen angewandt hat; zunächst Acid. 
picricum, das seiner Pathogenese nach sowohl auf 
das Kopfweh wie auf die Augensymptome hin weist. 
Er hat es in der 12.—30. Potenz gegeben. So¬ 
dann Arg. nitricum und Cimicifuga, letztere in 
niederen Verdünnungen. 

Es scheint ihm, als ob bei Mädchen, die sich 
der Pubertät nähern, das Kopfweh in unserer Zeit 
allgemeiner geworden sei. Die Mütter, welche 
dieses Uebel gut kennen, halten bei ihren Töchtern 
auf Ruhe, sind aber gar zu sehr geneigt, in all 
diesen Störungen Pulsatilla zu verabreichen. Das 
wirkt aber auf die Ovarien gar zu sehr, und bei 
den meisten Mädchen ist der Blutverlust in den 
ersten paar Menstruationen eher zu stark als zu 
schwach — und Pulsat. begünstigt die Tendenz 
dazu ungebührlich. — Hier ist Coflea und Ferrum 
oftmals heilsam. 

Das „ genitale Kopfweh a bei Knaben in der 
Pubertät macht oft viel zu schaffen, und sollte man 
bei allen schwer zu behandelnden Fällen von Kopf¬ 
weh bei Knaben dieses Moment wohl beachten. 
Es können aber auch Geschlechtsreize anderer Art 
bei Knaben Kopfweh wie noch manche andere 
nervöse Erscheinungen bedingen, wie z. B. eine 
Phimose, — Störungen, welche durch die Circum- 
cision beseitigt worden sind. 

Es kommen auch Fälle von Kopfweh, die von 
Fieber begleitet sind, das von Malaria herrührt, 
und in diesen ist das Kopfweh das massgebende 
Moment für die Mittelwahl. Derartige Cephalgien 
sind gewöhnlich intermittirend, wechseln entweder 
vage herumspringend ihren Sitz, oder tragen bis¬ 
weilen das neuralgische Gepräge, indem der Schmerz 
an einen oder den anderen Kopfnerven gebunden 
ist oder wenigstens dort an der Oberfläche be¬ 
sonders zur Empfindung kommt, wo die Nerven 
verlaufen, und hierbei ist die Regio supraorbitalis 

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wohl am meisten betroffen. Unter solchen Um- | 
ständen kann man an Chinin denken. i 

Verfasser behauptet, die wahre Migräne komme 1 
hei Kindern selten vor. Bei solchen Kindern, deren 
Eltern diesem Leiden unterworfen sind, beobachten 
wir zwar oft Kopfschmerzen, aber letztere sind ge¬ 
wöhnlich gastrischen Ursprungs, und ist Erbrechen 
dabei, so findet dies häufiger sein Heilmittel in 
Agentien, welche auf den Magen wirken, als in 
solchen, die wir in Rücksicht auf die cerebrale 
Ursache wählen. Er giebt zu, dass diese Rück¬ 
sichtnahme auf pathologische Voraussetzungen von 
Manchen als etwas der Homöopathie Fremdartiges 
angesehen wird, aber er meint, dass man in den 
meisten Fällen finden wird, wie ein vornehmlich 
auf Grund der gesammten Symptome gewähltes 
Mittel, wenn man näher zusieht, sich auch als ein 
der pathologischen Aehnlichkeit entsprechendes er¬ 
weisen wird. | 

Ferner giebt es Fälle von Kinder-Kopfweh, in | 
denen vor dem Erscheinen des Schmerzes ver- i 
schiedene Vorboten, wie Lichtaufflammen vor den 
Augen, oder Empfindungen von Verdunkelung des 
Sehens, oder manchmal temporäre Schwäche oder | 
Lähmung eines Armes oder eines Beins, sei es nach I 
der motorischen oder sensoriellen, oder nach beider¬ 
lei Richtung hin. Danach tritt dann der Schmerz | 
im Kopf, in der Regel auf eine Seite der Stirn : 
beschränkt, ein und ist von Erbrechen begleitet. 
Derartiges Kopfweh, wenn es in häufigen Anfällen 
erscheint, ist wahrscheinlich eine wirkliche Migräne, 
nicht secundär von gastrischen Störungen abhängig, 
und mag auf hereditärer Anlage beruhen. Vor 
Allem gilt es hier eine etwaige Augenüberanstrengung 
auszuschliessen, zumal eine solche häufiger die Ur¬ 
sache von Migräne ist, als man voraussetzt. In 
derartigen Fällen hat dem Verfasser Coffea 6. und 
Acidum carbol. 12. gute Dienste geleistet. 

Nicht zu übersehen ist der besondere Fall, wo 
der Schmerz in der Nähe der Jochbeine oder um 
das Ohr herum gefühlt wird, weil man dann an 
eine Erkrankung des Ohrs zu denken hat. Es 
handelt sich hier nicht nur um Kopfweh, obwohl 
man es allgemein als solches beschreibt. In wenig¬ 
stens dreien solcher Fälle hat er von verspätetem 
Herbeiziehen chirurgischer Hülfe sehr üble Folgen 
gesehen. Auch müssen wir allezeit auf der Hut 
sein, wo wir auf ernstliche nervöse Erscheinungen, 
wie Krampf der Nackenmuskeln, Muskellähmung, 
Rucke oder Zuckungen, in Verbindung mit Kinder¬ 
kopfweh stossen. Solche Zeichen eventueller Ge- 
hirnleiden, Tuberkel oder Tumoren, sind uns wohl 
allen bekannt. 

Schliesslich dringt Verfasser darauf, den Urin 
in allen Fällen von Kinderkopfweh regelmässig zu 
taitersuchen; denn, wenn dieses mit Urämie oder 


Albuminurie verbunden ist, so würden unsere Mittel, 
wenn wir sie nach der Totalität der Symptome an¬ 
ordneten, von keinem Nutzen sein. 


Wie wird man in Amerika Arzt? 

Von Dr. med. Staads in Essex. 

Ueber diese Frage sind die Meinungen in 
Deutschland meistens verwirrt; dieser glaubt, ohne 
Weiteres in Amerika als Arzt fungiren zu können, 
während ein anderer denkt, er w*erde für ein Heil¬ 
gehilfenexamen den Doctorhut erhalten, oder der 
„approbirte“ Fleischbeschauer sieht sich für mehr 
als vollgiltig für den Besitz der amerikanischen 
Aerzterechte an. Ja, ist’s nicht so? Und mancher, 
der dies glaubte, sah sich bitter enttäuscht, als ihm, 
in Amerika angekommen, die Vorschriften des 
„State Board of Health“ das Müthclien gekühlt 
hatten. 

Freiheit ist ja die Parole Amerikas in jedem 
Theile und Freiheit rühmt der doch Geknechtete! 
Auch Heilfreiheit bietet die neue und doch schon 
alte Welt insofern, als keine Heilmethode die staat¬ 
liche ist, sondern jede lässt man frei sich entfalten, 
sagt man, wenngleich die Allopathie doch das 
Schoosskind ist und man keine Gelegenheit unbe¬ 
nutzt vorübergehen lässt, den andern Zweigen der 
Heilkunst die Flügel zu beschneiden. — Doch, 
wie w r ird man Arzt? 

Es giebt zwei Wege, das Ziel zu erreichen: 
entweder man hat an einer Hochschule, die vom 
| „State Board of Health“ anerkannt ist, promovirt, 

, oder man besteht das Examen vor dem „State 
i Board of Health.“ 

Nicht alle medicinischen Hochschulen des Landes 
und nicht alle europäischen werden anerkannt, sei 
es nun desswegen, weil ein Verdacht gegen sie 
! vorliegt, oder weil der „State Board of Health“ 

I davon überzeugt ist, dass jene Hochschulen nicht 
I ein so scharfes Examen fordern, wie er. Es liegt 
! aber in den amerikanischen Verhältnissen, dass man 
Niemanden das Recht entziehen kann, eine Hoch¬ 
schule, hier College genannt, zu errichten, sondern 
sie werden einfach nicht anerkannt. Muss der 
in Deutschland approbirte Arzt sein Diploma 
der Ortsobrigkeit, Pliysicus oder Oberamtsart vor¬ 
legen, um unangefochten (im Sinne des gefühllosen 
Gesetzes) prakticiren zu können, so hat auch der 
amerikanische Arzt sein Diploma der Staatsregie¬ 
rung für Medicinalaugelegenheiten, dem sog. „State 
Board of Health“ vorzulegen, wogegen er laut mit- 
letournirtem ,,Certificate“ die Freiheit zur Praxis 
erhält, vorausgesetzt, dass ersteres für gut befun¬ 
den ist. 


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189 


Auch hier, wie in allen Dingen, heisst es, die ] 
Augen offen, will man nicht betrogen sein. Winkel- | 
Colleges giebt es nicht vereinzelte und weil man 
ihnen nicht den Garaus machen kann, zapfen sie 
ruhig weiter an der arglosen, betrogenen Schüler¬ 
zahl, durch eine verborgene Klausel sich schamlos 
deckend. 

Zum Eintritt in ein amerkanisches „Medical- 
College“ sind erforderlich: 

a) Verstehen der Landessprache, denn nur in 
dieser wird docirt, 

b) körperliche und geistige Gesundheit und 

c) das nöthige Kleingeld. 

Allerdings werden in den letzteren Jahren die 
Saiten straffer gezogen, man fordert oft auch Di- 
ploma von guten Vorschulen, ähnlich dem Reifezeug¬ 
nisse deutscher Gymnasien resp. Realschulen. 

Die Einrichtung amerikanischer Colleges ent¬ 
spricht ungefähr derjenigen deutscher Universitäten, 
nur übt man im Lande der Freiheit schärfere Con- 
trolle über den Musensohn aus, ja auch über die 
Musentochter. Ich bemerke für den mit hiesigen 
Verhältnissen Unbekannten, dass hier Lernfreiheit 
herrscht und recht viele Damen mit Eifer dem 
ärztlichen Studium obliegen. Freilich, ein nicht 
kleiner Procentsatz derselben erreicht nur die Stufe 
einer guten Hebamme, doch besitzt Amerika auch 
viele ausgezeichnete weibliche Aerzte. 

Die Dauer der medicinischen Studienzeit be¬ 
trägt meistens 8 bis 4 Jahre, und neuerdings haben 
die meisten der besseren Lehranstalten 4 Jahre 
als Forderung festgesetzt. Das Honorar der meist 
aus langen Winterkursen bestehenden Studienjahre 
ist recht verschieden und richtet sich nach dem 
qualitativen Gehalte des Lehrkörpers. 

Am meisten interessirt wohl über das Examen 
vor dem ,,State Board of Medicalexaminers“ zu 
hören, denn das ist ja neu in Deutschland. 

Wie in Deutschland das „Ministerium für Medi- 
cinalangelegenheiten“ das Aerzte wesen regulirt, so 
ist unsere höchste Instanz „The State Board of 
Health and Medicalexaminers. “ Von hier aus er¬ 
halten die Colleges ihre directen oder indirecten 
Vorschriften bezüglich Prüfung der Studenten und 
hier werden die Examina Nichtdiplomirter abgelegt. 
Jeder Staat hat seine eigene „State Board 4 * und 
die meisten Staaten haben auch eine „State Board 
of Medicalexaminers,* 4 die Aerzteprüfungscommission. 
Doch besitzen einige neuere Staaten diese Einrich¬ 
tung noch nicht und dulden auch mehr oder weniger 
die freie Praxis. Bezüglich der Schwierigkeit des 
ärztlichen Examens stehen wohl Jowa und Illinois 
obenan. 

Bei Anmeldung zum obengenannten Examen 
vor der „State Board of Medicalexaminers“ hat man 
unter Eid seine Personalien anzugeben und zu 


sagen, wo und wie man seine medicinischen Kennt¬ 
nisse erwarb. Man hat von 10 bis 25 Dollar für 
das Examen zu zahlen, und wird dann eventuell 
zur Prüfung zugelassen. Letztere ist in den meistei^ 
Staaten nur schriftlich und geschieht nur unter 
strenger Aufsicht. Es kommen gewöhnlich folgende 
Prüfungsfächer vor: 

Anatomie, 

Physiologie, 

Chemie, 

Materia Medica, 

Obstetrik, 

Chirurgie, 

Pathologie und Therapie, 

und werden in jedem Fache 10 oder 12 Fragen 
gestellt, welche oft wieder Unterabtheilungen auf¬ 
weisen. Ich führe hier einige Fragen aus jedem 
Fache an, wie sie mir gerade aus einem Jowa- 
Examen zur Verfügung stehen. 

Anatomie: 

1. Genaue Beschreibung der Schlundrauskulatur. 

2. „ ,, des Beckengerüstes. 

3. >f „ der Venen der unteren 

Extremität. 

4. Genaue Beschreibung der Venen der oberen 
Extremität. 

5. Genaue Beschreibung der Medulla oblongata. 

6. „ ,, der Varolsbrücke. 

7. „ ,, der Medulla spinalis. 

8. Durch welche Adern wird das Herz mit Blut 
versorgt? u. s. w. 

Physiologie: 

1. Beschreibung der Herzthätigkeit und des 
Blutkreislaufes. 

2. Giebt es Arterien, welche venöses Blut führen 
und umgekehrt, und welche? 

3. Wie functioniren die Nieren? 

4. Was versteht man unter Nutrition? 

5. Beschreibung des äussern und innern Ohres 
und wie der Schall aufs Gehirn fortgepflanzt 
wird. 

6. Was sind seröse Membranen? und nenne solche. 

7. Wodurch unterscheiden sie sich von den 
mucösen? u. 8. w. 

Chemie: 

1. Definition eines Oxydes. 

2. Welche Flecke macht Acid. nitr. in Kleidern? 

3. Wodurch löscht Wasser das Feuer? 

4. Warum wird Zink von Wasser weiss? 

5. Was sind und wodurch entstehen Tropfstein¬ 
gebilde? u. s. w. 

Materia medica: 

1. Definition des Unterschiedes zwischen Homöo¬ 
pathie und Allopathie. 

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140 


2. Charakteristische Symptome von Sulphur. 

3. „ „ » Aconit, nap. 

4. „ >, ,, Bryonia alba. 

5. ,, ,, ,, Veratrum alb. 

6. ,, ,, „ Rhus toxicod. 

7. „ ,, ,, Chamomilla. 

8. ,, ,, „ Arsenicum. 

9. „ „ „ Hepar sulpli. 

u. s. w. 

Obstetrik: 

1. Durchmesser des weiblichen Beckens und des 
fötalen Kopfes angeben. 

2. Beschreibung der Entwicklung einer Fleisch¬ 
mole. 

3. Symptome und Behandlung derPlacentapraevia. 

4. Woran erkennt man das Herannahen von , 
Convulsionen ? 

5. Geburtshülfliche Behandlung der Eclampsie. 

6. Was ist bei vorliegender Schulter zu thun? j 

7. Beschreibung der mucösen Uterusmembran. 

8. Beschreibung der Decidua. 

9. Symptome der puerperalen Septicämie und 
Mittel dagegen mit Symptomenangabe. 

Chirurgie: 

1. Symptome und Behandlung des Glaucoin. 

2. Amputation im oberen Drittel des Oberarm, 
sowie des Beines oben überm Kniegelenk, und 
welche Arterien sind zu unterbinden? 

3. Exarticulation im Fussgelenke. 

4. Unterbindung der Carotis communis. 

5. Dislocation im Hüftgelenke. 

6. Fractur am Fernurlialse. 

7. Ovarientumor. 

8. Phimosis. 

9. Ilernia crural. u. s. w. 

Pathologie und Therapie: 

1. Charakteristische Symptome der Cerebrospinal- 
Meningitis und Mittel mit Symptomenangabe. 

2. Differentialdiagnose zwischen Cerebrospinal- 
Meningitis, Apoplexie und Delirium tremens. 

3. Veitstanz und Heilmittel mit Symptomenan¬ 
gabe. 

4. Dasselbe von Eclampsie. 

5. Ebenso Diphtherie. 

6. Gleichfalls Pädatrophie. 

7. Differenzialdiagnose zwischen: Ascites, Gravi- 
ditas und Ovarientumor u. s. w. 

Es ist einleuchtend, dass dieses Schema nur als 
Beispiel dient und dass die Fragen bei jedem 
Examen wechseln. 

Ist das Examen bestanden, so erhält man das 
Arzt-Certificat und hat mit demselben sowohl das 
Recht zur uneingeschränkten Praxis im Staate, als 
auch zum Selbstdispensiren. Damit geht Hand in 


Hand die Uebernahme der Pflichten des Arztes 
den Behörden gegenüber, wie das Anmeiden von 
Sterbefällen, Geburten, sogenannte Infectionskrank- 
heiten etc. 

Die Stellung des Arztes in den Vereinigten 
Staaten gleicht der in Deutschland, doch ist der 
Arzt hier zu Lande nicht die Autorität wie in Eu¬ 
ropa, wenigstens nicht wie in Deutschland. Und 
das ist ein Nachtheil! Keine Heilmethode kann 
mit mathematischer Sicherheit rechnen, kein Arzt 
hat alle Weisheit auf Lager, oder ist von dem 
Glücksengel allein geliebkost und desswegen kommt 
ein gut Theil Vertrauen, Hoffnung und Respect 
dem Kranken immer wieder selbst zugute! 

Die Gedächtnissfeier des 140. Geburtstages 
von Samuel Hahnemann. 

Am Abend des 10. April d. J. hatten sich, wie 
alljährlich, die sämmtlichen hiesigen Collegeu mit 
ihren Damen zur Erinnerungsfeier von Samuel 
Hahnemanns Geburtstag im Weinrestaurant von 
Staake versammelt. Ausser einigen jüngeren Col- 
legen, welche hier die homöopathische Heilmethode 
studiren und gleichfalls eingeladen waren, hatten 
noch College Goullon von Weimar und Herr Stein¬ 
metz der Einladung Folge geleistet, sodass im 
Ganzen 17 Thcilnehmer erschienen waren. 

Das Fest verlief in der schönsten Weise. Nach 
Eröffnung der Festfeier durch den Vorsitzenden 
Dr. Lorbacher, der der Verdienste Hahnemanns 
gedachte und die Gäste begrüsste, würzten ernste 
und heitere Ansprachen das gemüthliche Beisammen¬ 
sein. Auch musicirt wurde und dabei das Festlied, 
so gut cs bei dem heterogenen Rhythmus ging, 
gesungen. Zu später Abendstunde erst trennten 
sich die Festtheilnehmer mit dem schönen Bewiisst- 
sein, ihrerseits zur Verehrung und Dankbarkeit gegen 
den grossen Meister beigetragen zu haben. 

Homöopathisches Spital München. 

Dasselbe hat im Jahr 1893 das erste Decenniuni 
seines Bestehens glücklich zurückgelegt und be¬ 
findet sich, dank der opferfreudigen Theilnahme von 
Freunden der Homöopathie und der umsichtigen 
Leitung seines Vorstandes, in gutem Fortgange. 
Den Bedürfnissen entsprechend hat letzthin eine 
Erweiterung des Spitals und manche Verbesserung 
stattgefunden. — Ambulatorisch wurden im verflos¬ 
senen Jahre daselbst von drei homöopathischen 
Aerzten 310 Kranke behandelt. — Der Stand der 
Finanzen ist ein günstiger. — Zu bedauern ist, dass 
aus unseren homöopathischen Krankenhäusern so selten 
ausführliche Krankheits- resp. Heilungsgeschichten 


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141 


mitgetheilt werden, was für unsere Heilkunst doch 
von erheblichem Interesse wäre. 


Personal-Nachrichten. j 

Am 1. April war es, wie uns von befreundeter 
Seite mitgetheilt wird, dem Herrn Collegen Dr. Her¬ 
mann Schwencke in Cöthen vergönnt, sein fünf- ; 
zigjähriges Doctor-Jubiläum zu feiern. Er blickt I 
auf eine reich gesegnete ärztliche Thätigkeit zu- j 
rück, die er grösstentheils in dem für die Homöo- j 
pathie so wichtigen Cöthen ausgeübt hat. Es ist ! 
uns eine angenehme Pflicht, ihm zu seinem schönen j 
Ehrentage unsere herzlichen Segenswünsche darzu¬ 
bringen. I 

Eine Deputation des homöopathischen Vereins | 
für Sachsen, Anhalt und Thüringen war zu dem 
Festtage erschienen und überreichte Sanitätsrath 
Dr. Faulwasser-Bernbürg dem Jubilar ein ehrendes 
Anschreiben und ein prächtiges Diplom als Ehren¬ 
mitglied des Vereins, und als Delegirter des 
homöopathischen Centralvereins begrüsste ihn Dr. 
Lorbacher-Leipzig, der ihm ebenfalls ein schön aus¬ 
geführtes Diplom übergab. Die Redaction. 

LesefrUchte. 

Argyrie nach äusserlicher Behandlung 
mit Höllensteinlösnng. 

Von Dr. H. D. Olshausen, Marine-Stabsarzt.*) 

In dem vorliegenden Fall von Argyrie handelt 
es sich weder um sogenannte Gewerbeargvrie, noch 
hat auch die Patientin innerlich Argentum nitricum 
erhalten; es kann vielmehr die Erkrankung nur 
auf die äusserliche Application von Höllenstein¬ 
lösung (l°/oo) zur Behandlung von Brandwunden 
zurückgeführt werden. Die betreffende 43 Jahre 
alte Patientin zog sich am 5. Juli 1892 aus¬ 
gedehnte Verbrennungen ersten und zweiten Grades 
an beiden Armen, in der linken Achselhöhle, am 
Hals und Rücken, an Nase und Lippen zu und 
suchte am 7. Juli 1892 die Charite auf; bis zum 
8. August, wo die Verbrennungen ersten Grades, 
die sich am Hals und im Gesicht vorfanden, ver¬ 
heilt waren, wurde Patientin nur mit Wismuth- 
verbänden behandelt, erst vom 8. August ab 
wurden die Brandwunden an den Armen und auf 
dem Rücken mit (1 °/ OÜ ) Höllensteinlösung behandelt. 

In der allernächsten Zeit entwickelte sich bei 
der Patientin eine schwere Stomatitis, bei der 
Streptokokken nachzuweisen waren, weshalb sie am 
2. September in das Institut für Infectionskrank- 

*) Aus der chirurgischen Abtheiluug des Herrn Ober¬ 
stabsarzt Dr. Köhler. .,Deutsche Medicinische Wochen¬ 
schrift“ Nr. 47. 


heiten verlegt wurde; auch hier ist die Behaadlung 
der Brandwunden dieselbe geblieben — besonders 
ist niemals örtlich die Mundschleimhaut mit Höllen¬ 
stein geätzt worden. Am 22. September wurde die 
Patientin zur Vornahme einer Transplantation zur 
chirurgischen Abtheilung des Herrn Professor Köhler 
zurückverlegt. Am 27. September wurde auf den 
ganzen rechten Vorderarm transplantirt, so dass vpn 
nun an, da auch die Brandwunden des Rückens 
verheilt waren, nur noch der linke Arm und der 
rechte Oberarm mit Höllensteinlösung (l°/ 0 o) ver ‘ 
bunden wurde. Anfangs October stellten sich die 
Symptome einer recidivirenden Stomatitis ein, und 
wurde vom 13. October ab die Höllensteinlösung 
gänzlich fortgelassen, da die Diagnose auf com- 
plicirende Argyrie gestellt wurde. Es zeigten sich 
auf der Schleimhaut der Wangen und auf der Gin¬ 
giva — besonders an den sich berührenden Stellen 
beider, also auf der Höhe der Alveolen — Buckel, 
blau schwärzlich verfärbte Stellen, die Umschlag¬ 
stelle der Wangenschleimhaut zur Gingiva war in 
ihrer ganzen Circumferenz frei, dagegen wies auch 
die Unterlippe eine blauschwärzliche, nach aussen 
hin sich gezackt vorschiebende Zone auf; in ein¬ 
zelnen Lakunen der Tonsillen blauschwärzliche Ein¬ 
sprenkelungen. Die Oberfläche der Zunge war frei; 
doch fanden sich auf der Unterfläche der Zunge 
zu beiden Seiten des Frenulum argyrotische Ver¬ 
färbungen. Die Behandlung mit Höllenstein wurde 
sofort ausgesetzt. Indessen verfiel die Patientin 
ausserordentlich schnell, das Recidiv der Stomatitis 
nahm zu, die verfärbte Wangenschleimhaut schwoll 
sehr stark an, es bildeten sich Geschwüre auf der¬ 
selben , die zur Ausstossung bläulich verfärbter, 
structurloser Membranen führten, es litt die Er¬ 
nährung schwer, und unter zunehmender blau¬ 
schwärzlicher Verfärbung der Mund- und Lippen¬ 
schleimhaut ging Patientin, nachdem sich noch 
schwere Durchfälle und Convulsionen eingestellt 
hatten, am 20. October zu Grunde. 

Die Obduction bestätigte die Farbe, Art und 
Anordnung der intra vitam in der Mundhöhle und 
auf den Tonsillen constatirten Verfärbungen; ferner 
fanden sich blauschwärzliche Flecke (drei bis vier) 
im Douglas’schen Raum und auf der hinteren 
Pharynxwand; das ganze Colon, besonders das 
Colon transversum, war dunkel verfärbt (Colitis 
ulcerosa chronica pigmentosa). Argyrotische Ver¬ 
färbungen auf der Haut des Körpers und an den 
Nägeln fanden sich nicht vor. 

Bei der chemischen Untersuchung auf Silber, die 
an zwei Stücken des Colon vorgenommen wurde, 
konnten Silberreactionen zur Darstellung gebracht 
werden, wenn auch die oben erwähnte Schwaj:z- 
färbung des Darms in der Hauptsache auf Schwefel¬ 
eisen beruhte. 


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142 


Für die mikroskopische Untersuchung wurde ein 
Theil der Unterlippe verwendet, und fanden sich 
zahlreiche kleinste schwarze Körperchen im Epithel, 
im Bindegewebe und in den Drüsen. Dass dies 
hier abgelagerte Pigment nicht vom Blut geliefert 
sein könne, ergab der Ausfall der auf Blutfarbstoff 
gemachten Reactionen. Im Bindegewebe sah man 
rundliche, schwärzliche Körper, deren längere Achse 
dem Zuge des Bindegewebes entsprach und die an 
ihrem Rande besetzt waren mit zahlreichen, radiär 
abgehenden Strichelchen; dies erscheint als das 
Bild der abgeschlossenen Silberablagerung. Be¬ 
trachtet man dagegen Stellen im Bindegewebe, wo 
die Einlagerung noch nicht so weit gediehen ist, 
so sieht man schwärzlich doppelt conturirte Züge, 
die alle in einer grösseren, breiteren, ebenfalls 
doppelt conturirten Stelle zusammen laufen; dies 
scheint das Bild der im Entstehen begriffenen Eiu¬ 
scheidung der Bindegewebselemente durch Silber¬ 
ablagerung zu sein. Es scheint demnach, dass die 
Ablagerung in der Zwischensubstanz des Binde¬ 
gewebes beginnt, sich von beiden Seiten her an 
die formirten Gewebselemente anlegend, so dass 
man also an Stellen der beginnenden Ablagerung 
nur eine schmale, schwärzliche Doppelcontur sieht; 
im fortschreitenden Process kommt es dann zur 
Bildung der vorher beschriebenen rundlichen Flecken. 
In den Drüsen finden sich die Ablagerungen als 
gebogene, dickere Conturen im Stroma der Acini. 
Zahlreiche kleine, schwärzliche Körperchen finden 
sich auf den Spitzen der Papillen. Im Epithel 
finden sich die Ablagerungen spärlich als dunkle, 
grössere Flecke, die sich nicht an die Configura- 
tion des Gewebes halten, und zwar ist dies in den 
tieferen Lagen der Fall, im obersten Epithelsaum 
findet sich eine Zone der Anhäufung feinster 
dunkler Pünktchen, wie auf der Spitze der Pa¬ 
pillen. Um dies gleich hier abzumachen, so scheint 
die oben erwähnte correspondirende Fleckenbildung 
zwischen Wangenschleimhaut und Gingiva, welche 
sich auf der höchsten Prominenz der Alveolen fand, 
die Folge dieses obersten Saujnes der Silbereinlage¬ 
rung zu sein. Dort also, wo Epithel am stärksten 
gegen Epithel drückte, kam es zur correspondiren- 
den Fleckenbildung, zu einer Uebertragung durch 
Contact. 

Die Argyrosis ist also in diesem Fall weder j 
auf Arbeiten mit Silber (Gewerbeargyrie), noch auf 
innerliche Darreichung von salpetersaurem Silber 
zurückzuführen, ebensowenig sind etwa zur Be¬ 
kämpfung des Stomatitis Höllensteinpinselungen an 
Ort und Stelle vorgenommen worden. Die Dia¬ 
gnose Argyrosis erscheint berechtigt erstens nach 
dem Leichenbefund: es fanden sich neben den 1 
Verfärbungen der Darm- und Mundschleimhaut ge- ' 
rade die für Argyrosis beschriebenen blauschwärz- j 


liehen Einsprenkelungen im Douglas’schen Raum, 
an der hinteren Pharynxwand und in den Lakunen 
der Tonsillen. Zweitens war chemisch mit Ver¬ 
wendung der dazu herausgenommenen Stücke des 
Colon, Reaction auf Silber nachweisbar. Drittens 
ergab die Untersuchung der Mundschleimhaut, dass 
es sich nicht um eine vom Blutfarbstoff gelieferte 
Ablagerung handeln könne, da die Reactionen auf 
Blutfarbstoff ausblieben, auch würde die Anord¬ 
nung der kleinen schwarzen Körperchen (Corpora 
argentea), wie sie sich mikroskopisch darbot, nicht 
einer vom Blutfarbstoff gelieferten Pigmentablage- 
rung entsprechen. Schliesslich, um die auch für 
Argyrosis sprechenden klinischen Symptome anzu¬ 
führen , stellten sich zuletzt heftige Durchfalle, 
Schwindelanfälle und Convulsionen ein. Dies alles 
zusammengenommen und erwogen, erscheint die 
Diagnose Argyrosis, und zwar nach äusserlicher 
Application von 1 °/ 00 iger Höllensteinlösung zur Be¬ 
handlung von Brandwunden, wohl berechtigt. Wes¬ 
halb in diesem Falle eine sonst bei Tausenden von 
Verbrennungen ungefährliche Behandlung so ver¬ 
derblich gewirkt hat, lässt sich wohl nur approxi¬ 
mativ beantworten. Verwendet sind doch nur ge¬ 
ringe Mengen des Silbersalpeters, denn dass bei 
einer Behandlung mit Höllensteinlösung (1°| 00 ) im 
Laufe weniger Wochen das sonst als toxische 
Minimalmenge geltende Quantum von 25—28 gr 
nicht zur Verwendung gekommen ist, liegt am 
Tage. Andererseits scheint bei der medicainentösen 
Verwendung von Metallen (wie z. B. Hg und Ag) 
die Art, resp. die Schnelligkeit der Resorption der 
an Ort und Stelle eingegangenen Eiweissverbin¬ 
dungen und die damit wohl in Verbindung stehende 
feinste Zertheilung des Metalls von Bedeutung zu 
sein. Wir wissen, dass, je feiner zertlieilt ein 
Pulver oder für den vorliegenden Fall ein Metall 
ist, desto grösser die Wirksamkeit ist. Die Re¬ 
sorptionsvorgänge in den Geweben sind nach dem 
jeweiligen Kräftezustand, in dem sich die Betreffen¬ 
den befinden, verschieden. Nach schweren Blut¬ 
verlusten treten im Fall der Infection septische 
Erkrankungen äusserst stürmisch auf. Dies kann 
mutatis mutandis auch bei der medicamentösen Ver¬ 
wendung von Metallen gelten. 

Um Concreta anzuführen: es ist ein Wagniss, 
einen Patienten, der sich bei der Ausreise nach 
den z. B. westafrikanischen Tropen kurz vor 
seinem erstmaligen Betreten der Tropen mit Luös 
inficirt hat, dort nun nach etwa drei bis vier 
Wochen, wenn 9 ich die ersten Symptome der all¬ 
gemeinen Infection zeigen, einer Injectionscur zu 
unterwerfen. Das tropische Klima bringt besonders 
die das erste Mal dorthin Kommenden in patho¬ 
logische Conditionen, namentlich in Ansehung der 
Resorptions- und Secretionsvorgänge; in mehr als 


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143 


einem Fall genügten bei der Behandlung einer 
frischen Lues in den Tropen zwei bis drei Injec- 
tionen ä 1 ccm von Solutio Hydrargyri bichlorati 
0*61100*0, Natrii chlorati 1*2, um das Bild des 
foudroyanten Mercurialismus bei sonst kräftigen 
Personen hervorzurufen. Des Ferneren möge als 
Beleg dafür, wie deletär die schnelle Resorption 
von Metallen, wie sich dieselbe hei Erschöpften 
einstellt, wirken kann, folgender Fall angeführt 
werden. 

Eine Frau kam im April 1898 zur Aufnahme, 
die an sehr heftigem Nasenbluten litt; dasselbe 
musste auf luetische Ulcerationen, besonders im 
Septum zurückgeführt werden. Nachdem durch 
eine ungefähr zweiwöchentliche Tamponade die 
immer wieder auftretendc Blutung zum Stillstand 
gekommen, fing Patientin an, sich von ihrer Er¬ 
schöpfung durch den langen Blutverlust zu er¬ 
holen, und wurde nach einiger Zeit, da Befund 
und Anamnese für Lues sprachen, eine Injections- 
cur begonnen; Patientin erhielt jeden sechsten Tag 
acht Theilstriche der Pravaz’schen Spritze von 
Hydrargyrum salicylicum 5., Paraffinum liquidum 50.; 
nach der dritten Injection war die Mercurvergif- 
tung deutlich, und ging Patientin ausweislich des 


Obductionsprotokolls an Colitis haemorrhagica zu 
Grunde. Alles dies auf den Fall von Argyrosis 
angewendet, so scheint, da die Ernährung der 
Patientin durch die Stomatitis schwer gelitten hatte, 
sich die Betreffende in einem Zustande befunden 
zu haben, der die verderbliche energische Resorp¬ 
tion von feinsten Silbertheilchen aus den an der 
Applicationsstelle eingegangenen Eiweissverbindun¬ 
gen begünstigte und so die Metallvergiftung herbei¬ 
führte. Ob man sich nun die verderbliche Ein¬ 
wirkung eines in feinster Vertheilung im Gewebe 
ausgeschiedenen und dort deponirten Metalls als 
einen katalytischen Vorgang oder anders vor¬ 
zustellen habe, gehört nicht hierher zu erörtern. 


Personalia. 

Herr Dr. Westhoff in Freckenhorst hat in 
Berlin das Dispensirexamen bestanden. 


Druckfehlerberichtigung. 

In No. 15/16, Seite 125, Zeile 22 von unten, 
muss es heissen „belustigte“ statt „belästigte.“ 


Anzeigen. 


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und 

Ka s tanienb lüthen-Tinct ur 

aus den frischen Blüthen bereitet, haben sich als 
thatsächlich gute Mittel zum Einreiben gegen 
Gicht und Rheumatismus schon seit langen 
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens 
empfohlen. 

Zu haben in jedem gewünschten Quantum, in 
Flaschen ä ÖOPfg. bis zu Flaschen ä Ko. = 4 M. 

Leipzig, A. Marggrafs Homöopath. Officin. 



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Soeben ist erschienen die 6. Anflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
leipziger Populären Zeitschrift fllr Homöopathie: 

„Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur- 
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntnis» und Gründlichkeit der 

Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wonn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und 

wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu 
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle 
Sympathie entgegenbringen.“ 

Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde 
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extract —, welches bei W r unden, Wundsein der 
Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc., 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein¬ 
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstehungsursaclien, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
ie und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er boherzigenswerthe Winko giebt. 

Der „Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche, 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller- 
grösstem Wert he und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1.50 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben versehen ist, w'ird den Freunden des 
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig, im April 1894. 

A. Marggrafs Homöopathische Officin. 



Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gi fGSehränkehen 

und 

SeparandennSehränkehen 

anfertigen lassen und steho ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
I verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
! curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
; und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
! diesen Abteilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
; nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thiiren sind mit vorsohriftsmassigen Porzellanschildern ver¬ 
sehen. 

! Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
j einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
j kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandenschränkch6n ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
; roth auf weiss zu siguiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich hcrangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gill* und Separanden-Scliränk* 
eben jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor¬ 
rätig. 

Die obere Abteilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abteilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
I sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
j gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 


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Band 128, 


Leipzig, den 10. Mal 1804, 


No. 19 u. 20c 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCH! ZEITH«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10M. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Posb-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein <feVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraPs homöopath. Offloln in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet. 


Inhalt. Uebor Lebermittel. Von Dr. Kunkel in Kiel. (Schluss.) — Ueber das Magengeschwür. Von 
Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung.) — Die Behandlung der Ohrenkrankheiten. Von Dr. Mossa. — Ent¬ 
gegnung. Von Dr. Köck. — Die Homöopathie in Frankreich während des Jahres 1893. Von Dr. Francis Cartier. — 
Zur Nachricht! Von Dr. Hengstebeck. — Ein Fall von Psoriasis mit Metastasen. Von Dr. Lambreghts jun. aus 
Antwerpen. —Personal-Nachrichten. —Vom 23.Chirurgencongress in Berlin. — Materia medica. Von Dr. A. K. Mc Michael. — 
Lesefrüchte — Zuf Meraner Anzeige. — Personalia. — Anzeigen. 


■W“ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 'WB 


Ueber Lebermittel. 

Von Dr. Kunkel in Kiel. 

(Schluss.) j 

Ich übergehe Mercur., das in Hochpotenz nach 
Missbrauch des Mittels in massiver Gabe oft grosse j 
Dienste leistet, ferner Phospli., der bekanntlich 
Fettleber erzeugt, und wende mich dem eigent¬ 
lichen Zweck dieser kleinen Arbeit zu. Dieser ist: 
die Aufmerksamkeit der Collegen auf die Rade- 
macher’schen Lebermittel zu lenken. Rademacher 
unterscheidet zwischen Urieiden und secundären 
Erkrankungen der Organe. Diese Unterscheidung 
ist durchaus in der Natur begründet, ebenso, dass 
diese letzteren zu Urieiden werden, eine gewisse 
Selbständigkeit erlangen können. Dieselben ent¬ 
ziehen sich dadurch der Einwirkung einer ätio¬ 
logischen Behandlung, die vielleicht in früheren 
Stadien der Krankheit erfolgreich gewesen wäre, 
und erfordern eine eigne Mittelwahl. Die Erschei¬ 
nung beschränkt sich nicht etwa auf die parenchy¬ 
matösen Organe der Brust- und Bauchhöhle, son¬ 
dern wir finden sie auch in den Centren des Nerven¬ 
systems, dem Gehirn und Rückenmark. Hier tritt 
sie, ein Product der verschiedensten Factoren, als 
Neurasthenie auf. Eineu recht instructiven Fall 
aus der neuesten Zeit will ich hier kurz berühren: 


Es war ein schwerer Fall von Neurasthenie, 
gegen den die verschiedensten Mittel ohne Erfolg 
aufgefahren waren. Ich hatte der Betreffenden, 
einer Frau von 30 — 31 Jahren, Ignat. 3. mit 
etwas Erfolg und dann Phosph. acid. verordnet nach 
Bericht des Mannes. Nach einiger Zeit konnte ich 
Patientin selbst sehen und untersuchen. Die Au- 
tecedentien der Krankheit sprachen für Sepia. 
Eine eigenthümliche und significante Erscheinung 
war die, dass Patientin zuweilen an Kopfschmerzen 
litt, wie auch früher. Dann war das Befinden stets 
ein besseres, so dass sie sich nach diesen Kopf¬ 
schmerzen förmlich sehnte. Die vorliegenden Er¬ 
scheinungen sprachen für Aurum. Ich verordnete 
dasselbe in der 30. Potenz C., jeden 7. Abend 
1 Dosis. Der Erfolg war nach 5 Wochen ein durch¬ 
aus günstiger, d. h. soweit es die tiefe Nerven- 
verstimmung betraf. In der ganzen Zeit aber be¬ 
standen die Kopfschmerzen fort. Ich war der An¬ 
sicht, dass diese der ursprünglichen Constitutions 
anomalie angehörten und nun erst recht in den 
Vordergrund traten. Ohne eine Spur von Ge¬ 
wissensbissen (man sieht, dass ich ein hartgesotte¬ 
ner Sünder bin), verordnete ich Sepia 200. Lebrm. 
und Aur. fol .200. Lehrm. im Wechsel, jeden 4. Abend 
1 Dosis. 

Ich hätte, wenn ich nur gewissen Sclilagworten 

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hätte Glauben schenken können, nun etwa Sepia 
allein verordnen und dann, wenn die Aurum indi- 
cirenden Symptome sich wieder zeigten, dieses 
Mittel wieder allein verordnen können. Allein ich 
erinnerte mich rechtzeitig deß Schicksals Dinteu- 
peters in den „Fliegenden Blättern“. Stud. D* war 
mit seinem Vermiether in Wortwechsel gerathen. 
„Mein Zimmer ist voll Rauch; ich kann es darin 
nicht auskalten.“ „Machen Sie doch das Fenster 
auf.“ „Dann wird es ja kalt.“ „Nun, dann machen 
Sie das Fenster wieder zu.“ „Dann ist ja das 
Zimmer voll von Rauch.“ „Dann machen Sie das 
Fenster wieder auf“ etc. etc. 

Der Erfolg war ein derartiger, dass Patientin 
fernerer Arznei nicht zu bedürfen glaubte und 
nichts von sich hören iiess; Kopfschmerzen und 
die tiefe Gemüthsverstimmung, die sie früher 
„Wahnsinn“ befürchten liess, waren verschwenden. 
Andeutungen eines Rückfalls führten sie mir wie¬ 
der zu. Dieselben Mittel mit demselben Erfolg. 

Kehren wir zu den Rademacher’sehen Leber¬ 
mitteln zurück. Präcise Indicationen für die An¬ 
wendung jedes einzelnen konnte Rademacher so 
wenig geben, wie seine Epigonen. 

Chelidonium. In den 50er Jahren erlebte ich 
eine Epidemie, (eine ähnliche hat auch Rademacher 
beschrieben,) die manches Eigenthümliche hatte. 
Wenn auch meines Wissens tödtlicher Ausgang 
selten war, so zog sich die Genesung oft recht 
lange hin. Eine Ausnahme bildeten die Fälle, wo 
sich eine Pneumonie entwickelte. Nach Ablauf 
dieser (in 6—7 Tagen [ein interessanter Beleg, wie 
die Natur sich durch Productbildung hilft]) war 
die ganze Krankheit gehoben. Wo dies nicht der 
Fall war, bot oft zuletzt der Kranke, abgesehen 
von der Temperatur, die man damals noch nicht 
als diagnostisches Mittel würdigte, das vollendete 
Bild des Typhus dar. Die Leber ragte oft über 
die Rippen hinaus, helle Fäces, kein Icterus, 
kein Gallenfarbstoff im Urin. Es wurde keine 
Galle gebildet. Chelidon. heilte gerade wie in der 
Rademacher’sehen Epidemie die Krankheit „in eben 
so viel Tagen, als sie sonst Wochen zu dauern 
pflegte.“ Keine Pneumonie mehr. 

Die chronischen Fälle, die ich später mit diesem 
Mittel behandelte, boten im Ganzen ein ähnliches 
Bild: mangelnde Gallenabsonderung etc. Andere 
Aerzte haben ikterische Erscheinungen beobachtet. 
Wir haben eine Prüfung von Buchmann , über die 
ich aus Mangel an Material mir ein Urtheil nicht 
anmasse. 

Quassia. Passt vielleicht besser als das vorige 
gegen chronische Fälle von Leberleiden und ihren 
Folgen, z. B. Durchfall wie Verstopfung, Hydrops 
ascites, Beingeschwüre. Auch bei Quassia asch¬ 
farbene oder weisse Fäces. Dass die Leber zu den 


Brustorganen besondere Beziehungen hat, lernen 
wir unter Anderem aus der Heilwirkung der Rade¬ 
macher’sehen (und anderer) Lebermittel. Von Carduus 
Mariae wird später die Rede sein. Was Quassia 
betrifft, so wird diese Thatsache erhärtet durch 
folgenden Fall. Eine junge Datae, die ich schon 
wiederholt behandelt, consultirte mich wegen Kurz- 
athmigkeit, die sich allmählig und ohne Fieber ge¬ 
bildet, und allgemeiner Körperschwäche. Der rechte 
Leberlappen war aufgetrieben und empfindlich; in 
der linken Thoraxhälfte befand sich ein pleuritisches 
Exsudat von beträchtlichem Umfang. Ich suchte 
vergebens nach Indicationen für die Wahl eines 
Medicaments, gab dann Quassia 2. C. und nach 
8 Tagen war das Exsudat verschwunden, das All¬ 
gemeinbefinden wesentlich besser. Wenn es unsere 
Aufgabe ist, Kranke zu heilen, nicht vorwiegend 
der Wissenschaft zu dienen, so dürfen wir nicht 
Mittel nur aus dem Grunde von uns fern halten, 
weil dieselben nicht genügend geprüft sind. 

Einen ferneren Beleg für die engen Beziehungen 
der Leber zu den Brustorganen bietet der Umstand, 
dass die Mehrzahl der Mittel, die wir gegen Asthma 
besitzen, zugleich Lebermittel sind. Nun, die Aus¬ 
breitung des N. vagus legt dieses schon nahe. 

Quassia ist oft recht wirksam bei Hydrops ascites, 
wobei ich die Angabe Rademachers, dass die Nieren 
oft eonsensuell ergriffen sind, nur bestätigen kann, 
ferner gegen Durchfall wie gegen Stuhlverstopfung. 
Ikterische Erscheinungen habe ich selten beob¬ 
achtet. 

Carduus Mariae. Im Ganzen passt dieses Mit¬ 
tel mehr für acute als chronische Zustände, wenn 
auch bei letzteren, wie Quassia, z. B. gegen Bein¬ 
geschwüre erfolgreich angewandt. Ausgezeichnet 
ist die Wirkung dieses Mittels bei Blutungen aus 
inneren Organen, Nasenbluten. Lungenblutungen, 
Blutbrechen, Hämorrhoidal- und Uterinblutungen, 
ferner bei frischen Pleuresien mit blutigen Sputis. 
In allen diesen Fällen ist die Leber bei Druck oder 
spontan schmerzend. 

Das Durand’sche Mittel, früher wohl ausschliess¬ 
lich gegen Gallensteine angewandt, fand bei Rade¬ 
macher eine umfangreichere Verwendung. Er än¬ 
derte die Zusammensetzung. Statt Ol. tereb. und 
Aether zu gleichen Theilen gab er Ol. tereb. 1. : 
Aether 16. Er wandte es gegen chronische Leber- 
leiden ohne genauere Indication an; und wir sind 
in dieser Hinsicht nicht weiter gekommen. 

Dasselbe gilt von Hepatin [Hepar vulpis). 

Die in ganz veralteten Fällen von Leberleiden 
oft hervorragende Wirkung habe ich wiederholt er¬ 
fahren. Ich habe es stets täglich 1 oder 2 Mal 
gegeben. Es kann zur Rückbildung des ver- 
grösserten Organs führen, beseitigt oft Jahre lang 
bestehende hartnäckigste Stuhlverstopfung. Die 


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Alten gebrauchten bekanntlich Fel tauri inspissatum 
zu demselben Zwecke. 

Von den genannten Mitteln, mit Ausnahme von 
Aqu. nuc. vom., habe ich mich in der letzten Zeit 
ausschliesslich der potenzirten Form bedient und 
bezüglich der Wirkung einen Unterschied zwischen 
dieser und der Rademach er'sehen nicht finden können. 

Ich wählte meist die 1.—3. Potenz C. Bei 
dem Durand’schen Mittel und Hepatin musste ich 
wiederholt bis 30. hinaufgehen, weil die Wirkung 
eine zu heftige war. 

Für die schmerzhaftesten Fälle schienen mir 
besonders Card. Mar., Kali carb. und Chelidon. zu 
passen. Bei letzterem Mittel ist das Eigentliüm- 
liche, dass der Schmerz nach verschiedenen Rich¬ 
tungen ausstrahlt. 

Quassia, Chelid., Kali carb., (Card. Mar.?), 
Magn. mur. schienen mir mehr auf den rechten 
Leberlappen zu wirken, das Durand’sche Mittel auf | 
den linken. Doch bin ich weit entfernt davon, j 
dieses zu behaupten. | 

Was endlich die Gabe der Mittel betrifft, so 
zeigt sich dem unbefangen Beobachtenden, dass uns 
die ganze Scala auch hier zu Gebote steht. Eine I 
Richtung, die das Individualisiren auf ihre Fahne 
schreibt und stolz ist auf dieses Vermächtniss Hahne- 
manns, sollte sich dieser Anschauuug nicht ver- 
schliessen. 

Was die Wiederholung der Gabe betrifft, so 
heisst es auch hier Individucdisirert . Auch hier 
kommen wir zuweilen aus mit Gaben, die in Zwischen¬ 
räumen verabreicht werden. 

Ich habe es in den letzten Jahren vorgezogen, 
täglich zu gebeu. Es tritt dann zuweilen Ueber- 
reizung ein, dann kann man höhere Potenzen oder 
das betreffende Mittel in Zwischenräumen geben. 

Zum Schluss noch die Bemerkung, dass es 
durchaus rationell erscheint und zum Ziele führt, 
wenn man neben dem Constitutionsmittel ein Organ¬ 
mittel giebt. 

Ueber das Magengeschwür. 

Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. 

(Fortsetzung.) 

Die Anachlorhydrie ist überdies nicht für den | 
Krebs allein charakteristisch, da man sie auch in j 
Fällen von Gastritis mucosa atrophica von amyloider ! 
Entartung u. s. w. antrifft. Das Carcinom, so weit 
es als Neoplasma in Betracht kommt, bedingt noch 
nicht notbgedrungen die Anachlorhydrie; es ereignet i 
sich bisweilen, dass man in einem Falle von sehr um¬ 
schriebenen Cancer ohne concomitirende Gastritis 
einen gewissen Grad von Salzsäureausscheidung an- 
trifft, wenn die Krankheit fortschreitet. 


I Die Diagnose wird sozusagen unmöglich, wenn 
• sich der Krebs auf dem Boden eines alteu Ge- 
| schwüres entwickelt. Rosenheim hat dargethan, dass 
I das Carcinom des Ulcus häufig complicirt und dass 
I dann die Salzsäureausscheidung eine normale oder 
j selbst eine erhöhte sei. Hansen' constatirte eine 
| epitheliale Proliferation in den benachbarten Drüsen 
j der Narben gewisser Ulcera. Nur in diesen Fällen 
I von Krebs persistirt die Salzsäure bis ans Ende; 
j sie kommt auf Rechnung des Ulcus. 

Ein anderes charakteristisches chemisches Merk¬ 
mal des Cancer ist die Anwesenheit einer grossen 
Menge vonGährungssäuren und namentlich von Milch¬ 
säure in grosser Menge in der Magenflüssigkeit. 

; Zweifellos finden sich die Säuren auch in einer ge¬ 
wissen Quantität anderer Fälle vor, aber niemals in 
so grosser Anzahl, wie beim Krebs. Diese That- 
sache wurde namentlich von Boas constatirt. 

Was die Peptone betrifft, so findet man deren 
Spuren selbst dann, wenn die Salzsäure gänzlich 
fehlt, was die Andauer einer geringen Ausschei¬ 
dung von Pepsin voraussetzen lässt. Nach Boas 
fehlt auch der Magenlab nicht vollständig. 

Die von den mit Ulcus behafteten Patienten er¬ 
brochenen Massen variiren je nach dem Falle: sie 
sind immer stark sauer, und man findet in ihnen 
die nicht verdauten Amylaceen. 

Die von den Krebskranken ausgeworfenen Massen 
verbreiten oft einen fötiden Geruch. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung weist in ihnen zahlreiche 
epitheliale Elemente nach. Man hat auch behaup¬ 
tet, dass man dann auch die Krebszellen unter¬ 
scheiden könnte; diese Behauptung von T.ebert wdrd 
heute mit Recht bestritten. 

Man hat der Abnahme des Harnstoffs im Urine 
und der Chloride bei gewissen Kranken eine grosse 
Bedeutung beigemessen, und man hat diese Ver¬ 
änderung als das Unterscheidungsmerkmal des 
Krebses betrachtet. In Wirklichkeit ist aber das 
Verhältnis« dieser Elemente eng mit dem Ernährungs¬ 
zustände dieser Kranken verknüpft; die Krebs¬ 
kranken, die eine genügende Menge Nahrung zu 
sich nehmen können, bieten keine sehr ausge¬ 
sprochene Verminderung des Harnstoffs und der 
Chloride dar, hingegen können die an Ulcus rotun- 
dum Leidenden eine solche Verminderung der Ele¬ 
mente im höchsten Grade darbieten, so dass hier von 
nichts, das für den Krebs charakteristisch sein 
würde, die Rede sein kann. 

Man hat gesagt, dass die Hyperchlorhydrie eine 
Verminderung der Chloride des Blutes zur Folge 
haben müsse, und dass somit eine mehr aus¬ 
gesprochene Ausscheidung der Basen durch den 
Urin stattfinden müsse, ln allen Fällen kann eine 
starke Alkalescenz des Urins und das Verschwin¬ 
den der Chloridreaction auf eine tiefgehende Ver- 

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Änderung der Functionen des Drüsenapparats des 
Magens hinweisen. Man hat auch aus der Unter¬ 
suchung des Blutes einige wichtige Anhaltspunkte 
für die Diagnose ableiten wollen. Die Leucocythen 
sind relativ und absolut vermehrt und das Blut in 
seiner Gesammtheit bietet in seiner Zusammen¬ 
setzung eine grosse Analogie mit dem Blute hei 
der Anämie und bei der Leukämie dar. Die Ab¬ 
nahme des Hämoglobingehaltes soll auch charakte¬ 
ristisch sein. 

Das Blut ist bei den Krebskranken verändert, aber 
nicht in einer specifischen Art, sondern ähnliche 
Veränderungen können sich auch beim Ulcus ven- 
triculi und bei gewissen kachektischen Zuständen, 
wie z. B. bei der Tuberkulose, vorfinden. 

2. Ulcus smvplex und Gallensteine . Es kann 
Schwierigkeiten bereiten, das Ulcus von der Chole- 
lithiasis zu unterscheiden, wenn kein Icterus vor¬ 
handen ist und wenn man zufällig keine Gallen¬ 
steine findet. Wenn aber hingegen der Icterus 
unter Schmerzen auftritt, so kann man sich mit 
aller Sicherheit gegen Ulcus simplex ventriculi aus¬ 
sprechen, aber nicht gegen das des Duodenum, wie 
man es oft genug beobachtet. 

Die Natur des Schmerzes hat für die Diagnose 
keinen grossen Werth; bei der Cholelithiasis hängt 
der Schmerz nicht von der Ernährung ab; überdies 
ist sein Sitz ein verschiedener; er erstreckt sich 
von der Medianlinie gegen die Lebergegend; in 
solchen Fällen giebt es keine schmerzhaften Punkte 
auf dem Dorsum. Der Schmerz kann den gastral- 
gischen Schmerz Vortäuschen und somit auch das 
Ulcus, wenn er die Magengrube zu seinem aus¬ 
gesprochenen Ausgangspunkte hat. 

3. Gastralgie. Dieselbe unterscheidet sich beim 
Ulcus durch das Fehlen der Hyperchlorhydrie, die 
leicht festgestellt werden kann und die an und für 
sich die diagnostischen Fehler gestattet, die man 
täglich auf Unkosten des Ulcus stellt, zu vermeiden. 

4. Chlorose. Hier ist die chemische Beschaffen¬ 
heit des Magensaftes eine sehr variable; bisweilen 
zeigt dieselbe Hyperchlorhydrie, bisweilen Hypaci- 
dität; man muss in diesem Falle die Momente, die 
sich aus der Diagnose der Beschaffenheit des Blutes 
ergeben, hereinziehen. 

Diagnose des Ulcus rotundum 
und der anderen Hyperchlorhydrieen. 

1. Die primäre Hyperchlorhydrie. Nach dem 
Studium des Ulcus pepticum und seiner Verwandt¬ 
schaft mit der primären Hyperchlorhydrie kann man 
die Analogie der Zeichen beider Krankheiten leicht 
errathen. Ich wünsche drei dieser Zeichen besonders 
zu betonen: a) Die Empfindung von Ziehen im 
Epigastrium mit Flatulenz zur regelmässigen Stunde 


am Ende der Magenverdauung, d. i. drei bis vier 
Stunden nach der Ingestion. Dieser Schmerz und 
dieser Tympanismus, die man auch ,,stündlich“ 
(horaire) nennen kann, sind so charakteristisch, dass 
man aus ihnen häufig vor der Extraction und der 
Analyse des Magensaftes die Diagnose der Hyper¬ 
chlorhydrie ableiten kann; dasselbe gilt auch vom 
Ulcus; b) aber die paroxysmellen und spiessartigen 
Schmerzen und c) namentlich das Erbrechen sind 
beim Ulcus pepticum viel häufiger und schwerer, 
als bei der Hyperchlorhydrie, welch’ letztere selten 
zu einer Gefahr Veranlassung giebt, wie dies beim 
Ulcus simplex, wenn es in noch so geringem Grade 
hämorrhagisch ist, der Fall ist. 

2. Anhaltende Hypersecretion oder Gast.rosuc- 
corrhöe. Es giebt eine Krankheit, welche vor zehn 
Jahren von Reichmann und später von Riegel 
studirt wurde, die in zehn Fällen siebenmal von 
Hyperchlorhydrie begleitet ist, nämlich Gastrosuc- 
corrhöe oder die anhaltende Hypersecretion; sie 
tritt sogar dann auf, wenn die Nahrung den Magen 
bereits verlassen hat. 

Der Magensaft selbst, wenn er die Nahrung 
nicht imprägnirt, reizt direct die Schleimhaut, 
namentlich wenn dieselbe ulcerirt ist, und dies er¬ 
klärt den Umstand, warum Kranke, die an an¬ 
dauernder Hypersecretion leiden, sich bei Nacht so 
schlecht befinden und über einen brennenden oder 
nagenden Schmerz klagen, der jedoch auf warme 
Getränke weicht, weil dieselben den zu sehr mit 
Säuren überladenen Magensaft auflösen; trotz der 
andauernden Reizung der Schleimhaut bilden sich 
keine Ulcera. Hayem hatte versucht, die Identität 
beider Affectionen darzuthun, aber Niemand hat 
Geschwüre im Gefolge dieser Gastrosuccorrhöen be¬ 
obachtet. Die consecutiven Schmerzen fehlen ent¬ 
weder ganz, oder sie sind von denen des Ulcus 
verschieden. Zwei polnische Aerzte, Korczynski 
und Zuworski , haben eine specielle Veränderung 
der Magendrüsen beschrieben; die Hauptzellen sind, 
wie sie angeben, degenerirt und geschwunden, 
während die Auskleidungszellen, i. e. die aus¬ 
schliesslich secretorischen Zellen, erhalten sind, sogar 
j hypertrophisch mit vollständigem Erhaltensein des 
! Kerns und des Protoplasmas. Hayem hat diese Ent- 
| deckung bestätigt; die hypersecretorische Krank¬ 
heit besitzt somit eine charakteristische anatomische 
| Läsion. Diese Läsion ist offenbar secretorischer 
| Natur; der Secretionsapparat unterliegt einer er- 
j höhten Reizung, bald darauf tritt eine Hypertrophie 
I ein, während die Hauptzellen einigermassen ver- 
1 daut werden, während die nach der Oberfläche der 
Schleimhaut ausgewanderten Leucocythen dem De- 
. tritus verfallen und der Ueberschuss an freier Salz- 
| säure den Katarrh der Schleimhaut hervorbringt, 
wodurch sich auch das Auftreten einer beträcht- 


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liehen Menge von Schleim in dem Erbrochenen er¬ 
klärt. Die Reizung der sensibeln Nerven durch 
die Salzsäure endigt damit, dass reflectorisch ein 
Krampf des Pylorus mit einer mehr oder minder 
anhaltenden Dilatation des Magens hervorgebracht 
wird, die aber nichts mit der primären Ektase zu 
thun hat. 

Bei allen diesen Zuständen und bei allen diesen 
Graden ist es leicht, durch die zu jeder Tages¬ 
oder Nachtstunde angestellte chemische Untersuchung 
die Hypersecretion zu erkennen, i. e. die Gastro- 
succorrhöe von Reichmann, die viel häufiger ist, 
als man glaubt, und die nicht bloss das Ulcus ca- 
checticum Vortäuschen kann, sondern auch die Atro¬ 
phie der ganzen Schleimhaut, sogar den Krebs* * 


Die Behandlung der Ohrenkrankheiten. 

Homöopath und Specialist. 

Im North American Journal of Homoeopathy 
(December 1893) hielt Dr. C. F. Stearling einen 
Vortrag über die Behandlung von Ohrenkrank¬ 
heiten, in dem er die Grenzlinien zwischen dem 
Wirkungsgebiete der Homöopathie und dem durch 
die specialistische Entwicklung der Ohrenheilkunde 
gegebenen therapeutischen Leistungsfähigkeit zu be¬ 
stimmen versucht hat. 

Er sagt: Der Hauptpunkt, auf den er die Auf¬ 
merksamkeit zu lenken wünscht, ist der, dass es 
keine therapeutische Behandlung (im streng medi- 
cinischen Sinne genommen) bisher giebt, welche 
an sich ausreicht, den täglich vorkoiriYnenden Er¬ 
krankungen des Ohrs zu begegnen. — Er will 
nicht behaupten, dass innerlich angewandte Mittel 
hier nicht am Platze wären, sie sind vielmehr von 
ausserordentlichem Werthe, sondern dass der, 
welcher, im eifrigen Glauben an die allwirksame 
Macht der Medicin und im Vertrauen auf seine 
eigene Fähigkeit, die Mittel allerwege treffend an¬ 
zuwenden, die Beihilfe der localen Behandlung 
vernachlässigt, bei Gehörleiden auf manche Zu¬ 
stände stossen wird, in denen die sorgsamste Ver¬ 
ordnung innerer Mittel den auf sie gesetzten Er¬ 
wartungen nicht entsprechen wird, während eine 
zweckmässige Anwendung örtlicher Massnahmen 
dem Arzt Genugthuung und dem Kranken Besse¬ 
rung bringt. 

So ist unsere Materia medica reich an Symp¬ 
tomen, welche sich auf Kopf und Augen beziehen. 
Wir haben in einem bestimmten Fall das völlige 
Simillimum gefunden. Das Mittel wird gegeben, 
aber ohne Erfolg. Wieder und wieder wählt man 
ein Mittel mit aller Sorgfalt nach der Totalität der 
Symptome, von der Urtinctur bis zu den höchsten 


Potenzen — vergeblich. Schliesslich wendet man 
sich an einen Ophthalmologen; dieser entdeckt 
einen Fehler der Refraction, verordnet die ge¬ 
eignete Brille, und siehe! alle Beschwerde ver¬ 
schwindet, aller Schmerz ist beschwichtigt. 

Analoge Verhältnisse bietet nun das Gebiet der 
homöopathischen Ohren-Therapeutik dar. 

So stellen sich wieder und wieder Patienten 
vor, die über Schwerhörigkeit und Ohrensausen 
klagen und wochenlang mit dem passenden homöo¬ 
pathischen Mittel behandelt worden sind, bei denen 
durch einfache Entfernung angehäuften Ohren¬ 
schmalzes nach zehn Minuten die Function wieder 
völlig hergestellt wird. Diese Hypersecretion des 
Cerumen ist allerdings ein krankhafter Zustand der 
Drüsen, der von einer inneren Ursache abhängen 
mag — und hierfür ist eine innerliche Behandlung 
angezeigt. Zunächst jedoch verlangt der Patient 
Befreiung von seinen Beschwerden, und diese er¬ 
langt er durch eine einfache locale Massnahme. 

Dr. Stearling citirt diese alltäglichen Dinge be¬ 
sonders darum, weil die Homöopathie von über¬ 
eifrigen Leuten zu leiden hat, die, davon ausgehend, 
dass das homöopathische Heilgesetz für jedweden 
krankhaften Zustand des Organismus ausreiche, mit 
Böswilligkeit und Beschimpfungen alle die verfol¬ 
gen, welche ihre Anschauungen nicht unterschreiben, 
und sie als Bastarde, Heuchler, die des Meisters 
Lehre fälschen etc., betiteln. 

Auf sein Thema näher eingehend, sagt Redner: 
Wir besitzen zwei Classen von Hilfsmitteln für die 
Affectionen des Ohrs, allgemeine und specifische. 
Zu den ersteren rechnet er alle örtlichen Mass- 
regeln (? Ref.), die Ernährung, Hygiene etc., zu 
den specifischen unsere Heilmittel. Wo nun dem 
Specialisten der alten Schule ausser: äusserlichem 
Schutz, warmen Bähungen, Lufteinblasen, Blut¬ 
entleerung , Paracentese des Zitzenfortsatzes nur 
Anodyna zur Stillung der Schmerzen zu Gebote 
stehen, hat der Homöopath in Aconit., Bell., Ferr. 
phosph., Mercur, Hepar, Sulph., Pulsat. u. a., je 
nach der Eigenart des Erkrankten und den Symp¬ 
tomen, einen werthvollen Schatz von Heilmitteln. 

Gesetzt nun, der krankhafte Zustand ginge in 
Eiterung aus, so wissen wir, dass in manchen Fällen 
die Entzündung hiermit ihren Höhepunkt erreicht 
hat und die Resolution darauf erfolgt. 

Damit ist aber in manchen Fällen der Vorgang 
nicht abgeschlossen; selbst wenn das Trommelfell 
wieder zur Norm hergestellt ist, so können doch 
Entzündungsproducte in der Trommelhöhle Zurück¬ 
bleiben, sich organisiren und das zarte Werk darin 
stören. Der Specialist kennt die Wichtigkeit des 
Luftspeculums und der Lufteinblasung, um die Bil¬ 
dung von Adhäsionen und die Verengerung der 
Tuba zu verhüten. Dafür besitzt die Homöopathie 


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wieder wirksame Mittel, wie Kalium chloratum, 
Merc., Pulsat., Calcarea, Hep. sulph., Silicea, um 
die Resorption der Residuen zu fördern, und so die j 
Schwellung und Infiltration zurückzuführen. 

Wenn nun aber die Resolution nach dem Eite* : 
rungsstadium doch nicht erfolgt, sondern eine chro- | 
nische Eiterung eintritt, da stellt sich uns ein 
neues, schweres Problem entgegen. 

Dann, in solchen Eiterungen des Ohrs, ist es 
nach Verf. in der Regel nutzlos, allein auf die 
innerliche Behandlung zu bestehen, obwohl es 
wohl wenige Zustände giebt, die eine Störung des 
Gesammtzustandes anzeigen und dringender zu einer 
constitutionellen Behandlung auffordern. Hier muss 
man den localen Bedingungen gerecht werden, und 
geschieht dies nicht, so wird die innere Medication 
wenig fruchten. 

Erst, wenn die eiternde Fläche gereinigt und 
in Ordnung gesetzt ist, werden solche Mittel, wie 
Aurum, Hep., Merc., Silicea, Sulph., Arsen., Lyco- 
podium, den constitutionellen Zustand so günstig 
beeinflussen, dass die Wirkung der örtlichen nun 
zum vollen Austrage kommen können. 

Auf diese gegenseitige Verbindung von localer 
und systematischer innerlicher Behandlung legt Verf. 
den Hauptaccent und hierin möchte er unseren, 
den homöopathischen, specialistischen Praktikern ihr 
geeignetes Arbeitsfeld anweisen. 

Wir sollen also wie bei der Otriatik so über¬ 
haupt auf dem ganzen Gebiete der Therapeutik die 
durch die vervollkommnete Technik gebotenen Hilfs¬ 
mittel in Verbindung mit dem passenden homöo¬ 
pathischen Medicamente zur Anwendung bringen. 
Verf. schliesst: 

Ernährung, klimatische und sanitäre Verhält¬ 
nisse, Hygiene, allgemeine wie örtliche, die Ent¬ 
fernung mechanischer Hindernisse durch mechanische 
Mittel sind zur vollen Wirkung unserer Mittel un- 
umgänglich erforderlich, und je eher unsere Schule 
diese Thatsache anerkennt und die gegenseitig 
mörderische Fehde wegen Grösse der Dosis, den 
Grad der Verdünnung, über das, was wahre und 
falsche Homöopathen seien, aufhört, um so eher 
wird der erwünschte Tag anbrechen, an dem das 
Aehnlichkeitsgesetz, auf die ihm zukommenden Be- 
Ziehungen und Grenzen gewiesen, von der Welt 
im Grossen anerkannt werden wird als das, von 
dem die leidende Menschheit die beste ärztliche 
Hilfe zu erwarten hat. 

Bei der hierauf erfolgenden Discussion hielt es 
Dr. Henry C. Houghton für seine Pflicht, die 
Leistungsfähigkeit der homöopathischen Mittel bei 
Gehör-Affectionen in den Vordergrund zu stellen. 

„So lange wir hohe oder niedere Potenzen ver¬ 
ordnen, werden wir einfache mechanische Beihilfe 
nicht entbehren können. Wie der fromme Moslem, 


als er sagte, er wolle sein Kameel fahren lassen 
und Gott vertrauen, von seinem Meister mit der 
Antwort zurückgewiesen wurde: ,,Halte dein Kameel 
fest und vertraue Gott!,“ so müssen wir alle Mittel 
benutzen, welche die moderne Wissenschaft uns an 
die Hand gegeben hat, und dazu den grössten 
vitochemischen Factor, das homöopathische Mittel, 
hinzu fügen. Und doch regt sich in mir die Frage, 
ob nicht die grössere Gefahr in Dr. Stearüng’s Rich¬ 
tung liege, insofern, als er bei ihr das Mechanische 
und Vitochemische in den Hintergrund drängt. Ich 
frage, ob wir heutzutage ebenso viele constitutio¬ 
neile Curen machen, als vor 25 Jahren. Gerade 
zu jener Zeit ging unser Streben dahin, die An¬ 
sprüche, welche in unserer Literatur an die homöo¬ 
pathische Behandlung specieller Krankheiten, wie 
der des Auges und des Ohrs, gemacht werden, 
durchweg zu bezeugen, als die Klinik des New- 
Yorker Augenspitals in unsere Hände gelegt wurde; 
und, ob es mir nicht für einen Augenblick ein¬ 
kommt, die Thätigkeit unserer Specialisten von 
damals oder von heute herabzusetzen, so glaube 
ich doch, dass etwa in den letzten zehn Jahren 
keine rückläufige Bewegung eingetreten ist. 

Meine Zuhörer könnten mich nun fragen: ,,Was 
verstehst du unter constitutionellen Curen? Sind 
nicht auch die der alten Schule constitutionell?“ 
Ja, gewiss. ,,Sind unsere besser?“ Nein, dann 
nicht, wenn ihnen das Element des Simile abgeht. 
Die Gefahr liegt darin, dass wir in Versuchung 
kommen, das Constitutionelle für das mehr Greif¬ 
bare, Materielle, Chirurgische hinzugeben. Manch¬ 
mal uns in der rechten Richtschnur haltend, sind 
wir dann aus Unwissenheit, entmuthigt, abgewichen, 
zur Flickarbeit gekommen, bis sich uns durch An¬ 
wendung des individuellen Heilmittels die Schwierig¬ 
keiten wie durch Zauber gelöst haben. 

Der Zauber, der mich für die Ausübung unserer 
Kunst nach dem Simile gewonnen hat, waren die 
physiologischen Indicationen. Jegliches Salz, jeg¬ 
liches Metall im Erdboden, jegliche Pflanze, welche 
die Salze der Erde sich zugeeignet und zu leben¬ 
digem Pflanzengewebe umgewandelt, jegliches Gift, 
welches die gesunde Thätigkeit der niederen Thiere 
zu ihrer Vertheidigung zubereitet, jegliches Gift, 
welches die abnorme Thätigkeit der höheren Thiere 
zu einem Heerde von Zerstörung gemacht — von 
diesen allen hat ein jegliches eine Wirkung, welche 
in ihrer Art einzig ist, dabei so merkwürdig für 
das einfache Studium, dass wir davon ganz ein¬ 
genommen werden, aber um so merkwürdiger, wenn 
wir die Möglichkeiten studiren, die sich hier vor 
uns eröffnen als Hilfsquellen für die Behandlung 
menschlicher Krankheiten. 

Enthusiasten? Ja, das sind wir. Sonderlinge? 
Gewiss, in dem Sinne, wie ein enthusiastischer Geo- 


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löge, Botaniker oder Chemiker als ein enthusiasti- | 
scher Sonderling betrachtet werden kann. „Was | 
haben wir der Welt zu bieten, was die fnechanische I 
oder constitutionelle Auffassung nach dem alten I 
Schulplan übertrifft?“ Viel jedenfalls. i 

Unter jenen Metallen, Salzen, Pflanzen etc., die I 
wir so reichlich gebrauchen, sind solche, die nicht j 
bloss allgemein, constitutionell, sondern durch Gottes | 
Schöpfermacht und Gnade, auch auf das Gehör, ja 
auf einzelne specielle Theile und specielle Func¬ 
tionen der Ohren. 

Hierin habe ich nicht allein einen Glaubens¬ 
grund als Arzt, sondern auch als ein Christ ge¬ 
funden, indem ich lernte, dass diese Welt nicht ein 
Ding des Zufalls ist 

So gestatten Sie mir denn, um meine Ansprüche 
zu rechtfertigen, einige Beispiele von dieser speci- 
fischen, oder, wenn ich den Ausdruck gebrauchen 
darf, dieser „electiven chemico-vitalen“ Wirkung | 
zu citiren. Nehmen wir 

Plantago. Nach Fr. Humphrey’s Prüfung hat j 
dies unscheinbare Mittel eine eigenartige Wirkung 
aut den Nervus trigeminus und die verwand¬ 
ten Ganglien. Die Schmerzen sind blitzähnlich, j 
zuckende Stiche, so dass Personen, welche bereits I 
eine Entzündung des Mittelohrs durchgemacht, sich | 
vor dem Wiedererscheinen einer solchen ängsteten. 
Das Trommelfell zeigt sich jedoch völlig frei von 1 
Hyperämie. Die Beziehung von Plantago zu den . 
dentalen Zweigen der Trigeminus, sowohl im Ober¬ 
ais Unterkiefer, ist deutlich ausgesprochen. Hum- 
phrey macht die Anmerkung: Seit mehreren Jahren 
habe ich die Plantago in verschiedenen Formen 
von Zahnweh erfolgreich gebraucht und bezweifle i 
nicht, dass diese Wirkung von allen Prüfern be¬ 
stätigt worden ist. 

Ich führe folgenden Fall an: Ein Fräulein kam 
zu mir, nachdem sie Tage lang an Ohrenweh ge¬ 
litten hatte. Ihr Bruder, ein Arzt, fürchtete, dass 
sich bei ihr eine Otitis interna entwickeln werde. 
•Die Inspection des Trommelfells ergab keine Spur 
von Congestion; das Gehör war normal, — und so 
glaubte ich das Leiden einem schadhaften Zahne 
zuschreiben zu müssen. Darüber lachte aber das 
Fräulein, weil ihre Zähne erst vor einigen Tagen 
von einem Dentisten in Ordnung gebracht worden 
iraren. Trotzdem untersuchte Dr. H. das Gebiss 
und fand, dass die Füllungen in zwei unteren Back¬ 
zähnen keine Spur von Reibung zeigten. Beim 
Beissen empfand Patientin vermehrten Schmerz im | 
Ohr — und das Lachen sprang nun auf die an¬ 
dere Seite des Hauses über. Alle Beschwerde wurde 
durch Entfernung der Füllungen gehoben. 

Plantago ist sehr heilsam bei örtlicher Anwen¬ 
dung, sei es im Ohr oder auf der Krone cariöser 
Zähne, von denen eine reflectorische Neuralgie aus¬ 


geht. Ein Arzt der alten Schule war fest daran, 
sich zum Studium und Ausübung der Homöopathie 
zu entschliessen, als ihn das flüssige Extract der 
Plantago, in das Ohr gethan, von heftigen Schmer¬ 
zen bei einer Otitis mit einem Schlage befreit hatte. 

Die verwandten Mittel sind Chamomilla und Pulsa- 
tilla; bei ersterer ist die hohe Unerträglichkeit gegen 
den Schmerz und die Reizbarkeit des Patienten, 
bei der letzteren die weinerliche und verzagte Ge- 
müthsstimmung charakteristisch. 

Capsicum. „Am Felsenbein, hinter dem Ohr¬ 
läppchen, eine harte, rothe, bei Berührung schmerz¬ 
hafte Anschwellung“ war das leitende Symptom für 
die Wahl des Mittels bei Erkrankungen des Pro¬ 
cessus mastoideus. Nach Prof. Allen eignet es 
sich für die ersten Stadien der Otitis catarrhalis 
oder suppurativa, und ist im Stande, den Patienten 
vor einer tiefliegenden Eiterung zu bewahren, 
welcher, wenn sie eintritt, Hepar und Mercur. ent¬ 
sprechen; aber selbst nach profuser Eiterung kann 
Caps, wirksam sein. 

Tellurium. Dunliam's Prüfung ergab sehr be¬ 
deutende Veränderungen an der Schleimhaut der 
Trommelhöhle wie auch am Trommelfell. 

Dr. H. berichtet über folgenden höchst inter¬ 
essanten Fall: 

Eine 21jährige Frau hatte von Kindheit an 
einen eitrigen Ohrenfluss. Der Kanal war gross, 
die Gewebe zerstört, das Trommelfell undeutlich, 
ein dünnes, wässriges, höchst übelriechendes Secret 
absondernd. Unter der Einwirkung von Psoricum 
veränderte sich der Ausfluss und nahm den charakte¬ 
ristischen Geruch von Fisch-Lake an. Unter Tel¬ 
lurium ward der Ausfluss allraählig geringer; es 
bildeten sich Schuppen, die sich abstiessen, und 
nun kamen die Contouren des durchbohrten Trom¬ 
melfells zum Vorschein; die Perforation heilte und 
das Gehör stellte sich ziemlich gut wieder her. Die 
Heilung erwies sich als dauernd. 

Redner hatte Anfangs ein starkes Vorurtheil 
gegen Psoricum; aber Erfahrungen in der Armen- 
Praxis bei jenen elenden, verkümmerten, vor der 
Zeit alten Kindern mit cadaverös riechenden Ohren¬ 
flüssen, stinkenden Diarrhöen, ja mit einem üblen 
Geruch der ganzen Person, der unbeschreiblich, aber 
Allen wohlbekannt ist, die mit solchen Fällen zu 
thun haben, haben ihn eines Besseren belehrt. 

Chenopodium A n thelmin tic um , bewirkt nach 
Allen: Taubheit für den Ton der Stimme , aber un- 
gemeine Empfindlichkeit für die Geräusche fahren¬ 
der Wagen. Das Rollen der Räder tönt im Ohre 
wieder wie das Krachen gewaltiger Kanonen. 

Während der ganzen Prüfungszeit nahm jene 
Schwerhörigkeit zu, so dass es schliesslich unmög¬ 
lich war, zu ihm zu sprechen. Dabei bestand je¬ 
doch die gleiche Ueberempfindlichkeit gegen an- 


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dere Geräusche, z. B., wenn die Essglocke er¬ 
schallte, so vernahm er sie im dritten Stockwerk, 
also drei Treppen von dem Ausgangspunkte des 
Schalles entfernt. 

Hier haben wir eine tiefgehende Einwirkung 
auf den Gehörnerven, und zwar keine aufgehobene, 
aber eine merkwürdig veränderte Function dessel¬ 
ben: Schwerhörigkeit für die Menschenstimme, aber 
Ueberempfindlichkeit sowohl für hohe als tiefe Töne. 
Klinisch hat sich das Mittel bewährt bei Ohren¬ 
geräuschen, wie die tiefen Töne einer Orgel, aber 
man sollte auch bei den fein- und hochtönigen, 
wie Klingen von Glöckchen, Pfeifen u. s. f. an 
dasselbe denken, sowie auch beim Zusammen fahren 
von tiefen Tönen, während die mittleren gut oder 
gar nicht empfunden werden. Ref. Dr. Mossa. 


Entgegnung. 

Die Verzögerung meiner Entgegnung auf den 
in No. Id und 14 dieses Bandes enthaltenen, an 
mich gerichteten offenen Brief des Herrn Dr. Leeser 
in Bonn Jiat nicht an mir gelegen, sondern an der 
meine Zeitschriften besorgenden Buchhandlung da¬ 
hier, von welcher ich erst gestern, den 16. April, 
die ausständigen 8 Exemplare der bisher schon er¬ 
schienenen „Allgemeinen homöopathischen Zeitung“ 
zur Hand bekam, in welchen ich sofort nach jenem 
Schriftstücke suchte, das mir mehrere in- und aus¬ 
ländische Collegen bereits in der letzten Zeit vom 
8.—10. April angezeigt, wo ich denn fand, dass 
Herr Dr. Leeser meinen an Herrn Dr. Lorbacher im 
Juli vorigen Jahres gerichteten Briefe, den sich Herr 
Dr. Villers zur Lectüre und eventuellen Veröffent¬ 
lichung, wenn es mir recht sei, erbat, benutzte, um 
mich zu interpelliren über mein Urtheil, das ich 
mir von der Weihe’schen Methode zu sagen er¬ 
laubte, was ihn aber leider sehr indignirt zu haben 
scheint, wesswegen er seiner Erbitterung gegen 
mich Luft machte in einer Weise, womit auch die 
mir befreundeten Collegen, wie aus ihren Zuschriften 
ersichtlich, nicht einverstanden sind. 

In meinem von Herrn Dr. Villers in der Fe¬ 
bruar-Nummer seines „Archivs“ citirten Briefe habe 
ich geschrieben: „eine epidemische Methode, oder 
später corrigirt: eine zeitweilig herrschende Methode 
ist die Heilmethode Dr. Weihe’s nicht.“ — Ich 
gestehe offen und ehrlich, dass ich von der Zeit 
an, da ich mir mein Urtheil über die Dr. Weihe’sche 
Methode nach zweijährigen Versuchen damit ge¬ 
bildet, und in Folge dessen meinen Austritt aus der 
epidemiologischen Gesellschaft erklärt hatte, keinen 
Artikel mehr las, welcher über diese Methode han- ' 
delte, so wenig ich mehr eine Lectüre über Matteis j 


Mittel, oder über die Peczely’sche Augendiagnose 
zur Hand nehme. Erst auf die in dem offenen 
Briefe an mich gerichtete Frage hin, ob ich 
Dr. Leeser’s Vortrag in Nr. 11 und 12 des 127. 
Bandes der „Allg. hom. Ztg.“ nicht gelesen habe, 
schlug ich noch gestern Abend das erwähnte Schrift¬ 
stück nach, und las darin zu meinem nicht geringen 
Erstaunen, dass der früher gebrauchte Name „ epi¬ 
demische Heilmethode “ jetzt gänzlich verlassen sei , 
und dass die Dr . Weihe'sehen Mittel keine epide¬ 
mischen Mittel im Sinne Rademachers seien, ob¬ 
gleich wir im Anfang erfuhren, dass Herr Dr. Weihe 
zur Richtschnur, zur Basis seiner Methode die nur 
bei Rademacher vorkommende Lehre von den Uni¬ 
versal- und Organmitteln nahm, welch’ beide vereint 
das epidemische Mittel bilden sollen; ebenso war 
mir neu, dass die jetzt als „zeitweilig oder zeitweise 
herrschend “ bezeichneten Mittel als „ individuell - 
specifische u publicirt wurden. 

Dieser Krebsgang, oder die Einsicht, dass die 
ganze Sache auf einer falschen Voraussetzung und 
Basis beruhte, freut mich jetzt um so mehr, als vor 
einem Jahre noch meine, einem für diese Sache 
sehr enthusiasmirten Collegen vorgebrachten Zweifel 
und Befürchtungen über die Richtigkeit der epide¬ 
mischen Methode sofort in den Wind geschlagen, 
und als grosser Irrthum von mir bezeichnet wurden. 

Herr Dr. Leeser wird nach dieser meiner ab¬ 
gegebenen Erklärung zufrieden sein, und damit die 
für ihn vorgelegenen drei Möglichkeiten mit sich 
ins Reine gebracht haben; er wird sich auch daher 
mit mir, wie er schon angedeutet, nicht weiter mehr 
beschäftigen. 

Indessen möchte ich mir erlauben, den verehr- 
lichen Lesern dieser Zeitung den in der Homöo¬ 
pathie verstandenen Begriff von epidemischen Mit¬ 
teln auseinanderzusetzen, indem ich die Sätze 
citire, welche Professer J. Büchner bei Gelegenheit 
seines Collegs über „das Adjekt der Krankheit* 
vom Genius epidemicus erwähnte: 

„Bei Rademacher und dessen Anhängern be¬ 
gegnen wir zuerst den epidemischen Mitteln; 
„wie politische, religiöse oder sociale Krankheiten 
„die Zeit färben, so drücken .auch die allgemein 
„nen krankhaften Einflüsse dem Organismus ein 
„bestimmtes Gepräge auf, was in Rademachers 
„Nitrum-, Ferrum- und Cuprum-Krasen oder -Con¬ 
stitutionen eine verständliche Bezeichnung ge¬ 
funden hat. Wir Homöopathen aber müssen 
„schärfer diagnosticiren als jene, die sich mit 
„Localisations- (Organ-) Heilmitteln behelfen, 
„müssen dasjenige Mittel Anden, das physiolo¬ 
gisch unserem therapeutischen Princip entspricht, 
„das in jedem Fall nur eins sein kann.“ 

Weiter fährt Büchner fort: 

„Was den, bei den Rademachianern so viel- 


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IBS 


„fach erwähnten und mit ihrer Lehre so eng 
„verflochtenen Genius epideraicus anlangt, den 
„auch die Homöopathie anerkennt, so ist es 
„sicher, dass derjenige, welcher in seine Herr¬ 
schaft fallt, in allen seinen Functionen mehr 
„oder minder depotenzirt wird; wir reden hier 
„nicht von der Cholera, die bei Herz- und Nie- 
„renleidenden immer ihre Opfer fordert, sondern 
„von den Entzündungen, welche epidemisch auf- 
„treten, was in jedem Organ Vorkommen kann. 
„Durch den Genius epidemicus wird das Blut 
„immer depotenzirt; dieses ist das constante 
„Merkmal einer Epidemie; keine epidemische Er¬ 
krankung ist fibrinös, daher nie ein fibrinöses 
„Mittel Anwendung findet; selbst beim stärksten 
„Fieber wird in epidemischer Entzündung eines 
„Organs der Aconit seine Wirkung versagen,“ 
was wir in München bei der Grippeepidemie vor 
3 Jahren bestätigt fanden, wo selbst bei einem 
Fieber von 40° C. Nux vomica das Heilmittel war. 

Im Jahre 1854 war in München Cuprum ace- 
ticum das epidemische Mittel in der Cholera, wie 
in der zu gleicher Zeit aufgetretenen Tussis con¬ 
vulsiva, Pneumonie, Otitis media etc. etc., im Jahre 
1858 Nux vomica und Causticum in der Grippe 
und gleichzeitig vorgekommenen Pneumonie und 
Gastritis; im Jahre 1873 im Winter herrschte hier 
epidemisch eine Leberaffection mit nebenlaufenden 
Dünndarm- und Nierencatarrh, wobei Natrum nitri- 
cum das Heilmittel bildete u. s. f. Id est: 

Ein epidemisches Heilmittel ist (abgesehen von 
dem Rademacher’sehen Genius epidemicus, der ein 
Blut- und Organmittel mit einander bekanntlich an¬ 
wendet:) dasjenige , unter dessen Herrschaft auch 
die neben der epidemischen Krankheit gleichzeitig 
auftretenden Affectionen stehen . 

München, am 17. April 1894. 

Dr. Köck. 


Die Homöopathie in Frankreich 
wahrend des Jahres 1893. 

Von Dr. Francois Cartier. 

Von Dr. Cartier findet sich im North American 
Journal of Homoeopathy, Febr. 1894, ein Bericht 
über die Verhältnisse der Homöopathie in Frank¬ 
reich während des verflossenen Jahres. Da sind 
besonders zwei Thatsachen erwähnenswerth: Es 
hat sich eine Gesellschaft zur Verbreitung der Ho¬ 
möopathie gebildet, zu der die Mehrzahl der ho¬ 
möopathischen Aerzte und viele begeisterte Laien 
gehören. Zweck dieser Gesellschaft ist, junge 
Aerzte, welche nach dem Hahnemann’sehen Princip 
zu prakticiren gewillt sind, zu unterstützen und 


andererseits die Grundsätze der Homöopathie dem 
Volke durch eine Reihe öffentlicher Vorträge dar- 
zuthun. Es haben denn auch regelmässige Ver¬ 
sammlungen, einmal wöchentlich, während eines 
Vierteljahres in einer Stadthalle zu Paris statt¬ 
gefunden, und mögen wohl zweihundert Leute jedes¬ 
mal anwesend gewesen sein. Ueber den etwaigen 
Erfolg lässt sich zur Zeit noch nichts sagen. Eine 
andere und zwar erfreuliche Thatsache ist die Er¬ 
weiterung des Hahnemann-Hospitals. 

Es giebt nämlich in Paris zwei homöopathische 
Krankenhäuser; das L’höpital St.-Jacques mit 
fünfzig Betten und L’höpital Hahnemann, das deren 
nur 15 hatte. Ausserdem befinden sich daselbst 
eine Anzahl Dispensir-Anstalten, von denen die für 
Kinder, von der Mutter des Collegen Dr. James 
Love gegründet, die bedeutendste ist. Im Juli d. J. 
soll das Hahnemann-Hospital nach dem Park von 
Neuilly verlegt werden. Das grössere und gut- 
ventilirte Gebäude kann leicht 25—30 Kranke 
fassen. Die Anzahl der poliklinisch behandelten 
Patienten ist oft sehr beträchtlich, zuweilen über 
hundert pro Tag. Die hier behandelnden Aerzte 
sind DDr. Simon, Vater und Sohn, Boy er, Chancerel, 
Vater und Sohn, Serrand, Charropin, Robillard und 
der Berichterstatter Dr. Fr. Cartier selbst. 

Die von ihm dargebotene Auslese aus den fran¬ 
zösischen Journalen giebt uns ein erfreuliches Bild 
von den Leistungen unserer französischen Collegen 
auf dem Gebiete der praktisch verwertheten Pharma¬ 
kodynamik. So führt er aus einem Artikel von 
Dr. Jean Paul Tessier (L’art Mödical, Sept. 1893) 
folgende Indicationen für die Behandlung des Ec¬ 
zema vor: 

Anacardium orientale . Seine äusserliche An¬ 
wendung erzeugt ein Eczema pruriginosum. Wesener 
berichtet den Fall einer Frau, die ein aoutes Ec¬ 
zema universale bekam, nachdem sie eine Scheibe 
von der Frucht von Anacardium Kopfschmerzen 
wegen auf die Schläfe gelegt hatte. 

Arsenicum ist besonders angezeigt in Eczema 
chronicum, wenn die Haut indurirt und verdickt 
und ein brennendes Beissen (Jucken) vorhanden ist. 

Bovista . Wir finden bei diesem Mittel: Die 
Hände sind bedeckt mit kleinen, trocknen Papeln; 
mehrere nichtjuckende Bläschen an der Dorsalseite 
der Hand zwischen Mittel- und Zeigefingern. Weisse 
Bläschen an der rechten Hand mit rothem Hof und 
starkem Beissen. 

Cantharis ist in Frankreich besonders bei Ec¬ 
zema rubrum und meisthin in acuten Fällen em¬ 
pfohlen worden. Das Mittel war innerlich und 
äusserlich, wenige Tropfen der Tinctur in 200 Gr. 
Wasser (als Waschwasser oder auf Compressen), 
mit Erfolg angewandt worden. 

Carbolicum acidum . Bekanntlich haben eine 

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Anzahl Chirurgen den Gebrauch der Carbolsäure 
bei Wunden wegen des von ihr hervorgerufenen 
Eczemas aufgegeben. 1886 hat Dr. Soustre, ordi- 
nirender Arzt im L’höpital St. Jacques, mit der 
6. Di lut. eine Frau geheilt, welche an einem trock¬ 
nen und allgemeinen Eczem (oder vielmehr Lichen? 
Ref.) litt, das ein Ectropium verursacht hatte. Um 
dieselbe Zeit veröffentlichte Dr. Imbert de la Touch, 
aus Lyon, einen Fall, der 12 Jahre gedauert und 
unheilbar schien, mit diesem Mittel aber in 4 Wochen 
gründlich geheilt worden ist. Dr. Noack in Lyon 
bestätigte die Heilkraft desselben (in der 3. Dil.) bei 
einem Eczema hypertrophicum, das die Unterlippe 
umgeworfen und dem Gesicht einen schrecklichen 
Anblick gegeben hatte. Im Londoner homöopathi¬ 
schen Krankenhause wird die Carbol säure bei Haut¬ 
krankheiten, besonders bei trocknen, schuppenartigen 
Formen, häufig angewandt. 

Chelutonium majus besonders bei hartnäckigem 
Eczema des Sero tum. 

Oroton beschwichtigt nach R. Hughes schnell 
das bei Eczema auf tretende Jucken. 

Mezereum. Dr. Cramoisy sagte 1877: „Ich habe 
mehr als 200 Fälle von scrophulösem Eczem mit 
diesem Mittel geheilt. Der Saft der Pflanze erzeugt 
heftiges Jucken. 

Petroleum. Ein Eczem auf dem Rücken der 
Hände, das mehrere Monate bestand, war mit Pe¬ 
troleum 12. innerhalb 14 Tage geheilt. 

Uhus toxicodendron und Uhus vemir in acuten 
Fällen. 

Zona (Zoster) und Ranunculus bulbosus von 
Dr. Gounard. Derselbe sagt: Gewisse Krankheiten 
gestatten uns durch ihre Einfachheit, ihre Symptoma¬ 
tologie und ihren beständigen Verlauf eine Speci- 
ficum zu erhoffen, so dass wir alle Repertorien von 
Medicamenten, die zugleich unsem Reichthum wie 
unsere Erschwerniss bilden, bei Seite setzen können. 
Eine solche Affection scheint mir die Zona und das 
erlesene Mittel für sie Ranunculus bulbosus zu 
sein. Ranunculus zeigt in seiner Pathogenese die 
beiden Haupterscheinungen von Zona, den charakte¬ 
ristischen Ausschlag und den Schmerz. Zur Be¬ 
stätigung führt Dr. G. folgenden Fall an: Ein 
41 jähriger Mann hatte vor 13 Jahren eine Zona 
am Rücken, die 3 Monate dauerte. Jetzt litt er 
wieder an diesem Uebel. Der Ausschlag nahm die 
linke Beckengegend ein und die Bläschen erstrecken 
sich von den Lenden bis zur Kniescheibe. Ranunc. 
bulbos. (2.) ward verordnet, äusserlich Stärke auf¬ 
gepudert, die beiden folgenden Nächte waren sehr 
schmerzvoll, indem sich der Bläschenausschlag 
haufenweise entwickelte. Die Heilung erfolgte unter 
Ranunculus bulbosus in 11 Tagen. — In einer 
Anzahl anderer Fälle war das Maximum 12 Tage. — 
(Dieser generalisireuden Behandlung können wir 


aber bei einem Leiden, dessen Aetiologie so ver¬ 
schiedenartig und dessen Symptomatologie doch 
auch nicht immer die gleiche ist, nicht zustimmen. 
Ref.) 

Derselbe Autor hat auch von Natron salicylicum 
in der I. Centesimal-Verreibung gute Erfolge in 

2 Fällen von acutem Gelenkrheumatismus bei einem 
6 und einem 11 Jahr alten Knaben beobachtet. 

Clematis ist eins der beliebtesten Mittel, das 
man in Frankreich bei varicösen Geschwüren an¬ 
wendet. 

Ein Mann hatte mehrere derartige Geschwüre 
seit 3 Jahren am linken Beine, ihre Grösse ging 
bis zu dem Umfange eines 25-Centstückes. Die 
ganze Fläche war entzündet und ödematös. Cle- 
matistinctur, 30 Tropfen auf 200 Gramm Wasser, 
wurde äusserlich in Umschlägen und Clem. 3. inner¬ 
lich gebraucht. Nach 8 Tagen war die Haut we¬ 
niger geröthet und weniger geschwollen, kein 
Schmerz mehr; die Geschwüre fingen vorn Rande 
an zu vernarben; 14 Tage später waren die Flächen 
völlig geheilt. Patient, ein Stubenmaler, hatte sein 
Geschäft nicht unterbrochen. 

Eine Knochenfistel in der Nähe der Orbita, 
welche von einem Abscess herrührte und seit 

3 Jahren bestand, wurde (nachdem Silicea 30. ver¬ 
sagte) mit Acidum fluoricum 3. Dil. geheilt. — Zum 
Schluss berichtet Dr. Cartier zwei eigene Beobach¬ 
tungen von merkwürdiger Einwirkung der BaptisiA 
bei spasmodischer (resp. hysterischer) Strictur des 
Oesophagus. 

So bietet uns dieser Jahresbericht einen erfreu¬ 
lichen Ueberblick über die wissenschaftliche wie 
praktische Rührigkeit unserer französischen Collegen 
auf dem Gebiete der Homöopathie. 

Dr. Hosta. 


| Zur Nachricht I 

Unsere Aufforderung in No. 5/6 dieser Zeitung: 

I sich einem Proteste gegen ein von Herrn Dr. Villers 
I nach Amerika gesandtes Referat über die deutsche 
Homöopathie anzuschliessen, hat einen so nachdrück¬ 
lichen Widerhall in den Kreisen der Herren Col¬ 
legen gefunden, dass sich bis jetzt bereits 42 zur 
Unterschrift bereit erklärt haben. Nachdem jedoch 
i von Seiten mehrerer älterer Herren Collegen der 
| freundschaftliche Rath an uns ergangen ist: dass 
i wir einer Angelegenheit, die keinem von uns irgend¬ 
welchen Schaden gebracht habe, noch bringen würde, 
und die weder der Person ihres Urhebers nach , 
noch in sachlicher Hinsicht irgendwelche Bedeutung 
| hätte , keinen so grossen Werth beilegen möchten; 

I und da ausserdem die Redaction der „Allgemeinen 
Homöopathischen Zeitung“ bereits Stellung zu 


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diesem Herrn genommen und ihm das Unmotivirte 
seiner Handlungsweise klargemacht hat, so glauben 
wir von der Absendung des Protestes Abstand 
nehmen zu können. Sollte die Mehrzahl der Unter¬ 
zeichner in diesem Punkte jedoch anderer Meinung 
sein als wir, so bittet der Unterzeichnete um Nach¬ 
richt, und der motivirte Protest wird dann zur 
Unterschrift circuliren. 

Remscheid. I. A. Dr. Hengstebeck. 


Ein Fall von Psoriasis mit Metastasen. 

Von Dr. Lambreghts jun. aus Antwerpen. 

In dem Septemberheft der Revue homoeo- 
pathique beige von 1892 besprach Dr. Martiny die 
Erklärungen von Gaucher auf dem Wiener Der- 
matologencongress hinsichtlich von Metastasen in 
der Psoriasis, und fügte folgende Bemerkung hinzu: 

,,Alle Homöopathen werden Gaucher’s Ansicht 
theilen. Die Psoriasis ist die deutlich ausge¬ 
sprochene Aeusserung einer Diathese, und wir haben 
häufig beobachtet, dass Kranke, welche an einem 
veralteten Asthma oder chronischen Verdauungs¬ 
störungen litten, von diesen Leiden befreit worden 
sind, wenn die Psoriasisflecke auf der Haut hervor¬ 
traten. Es handelt sich liier um das grosse Gesetz 
von der Zudrängung von Hautkrankheiten, welches 
von allen alten Klinikern anerkannt worden ist und 
welches auch Hahnemann klar vor Augen gehabt, 
als er sein Buch über chronische Krankheiten, worin 
er seine Ideen über die Psora entwickelt hat, ver¬ 
öffentlichte.“ 

Eine Bestätigung jener Ansichten bot sich dem 
Verf. in einem interessanten Falle, den er im ho¬ 
möopathischen Dispensarium zuAnvers beobachtet hat. 

Er betraf eine 35jährige Frau, Mutter von drei 
Kindern, von kräftiger Constitution, stark aus¬ 
gesprochenem biliösen Temperament, mit schwarzen 
Haaren und Augen und etwas gelblicher Gesichts¬ 
farbe. 

Mehrere Mitglieder ihrer Familie, so ihre Mutter 
und eine Schwester, waren von Hautkrankheiten 
befallen. Syphilisspuren waren nicht zu entdecken. 
Die Frau, sonst gesund, hatte vor einigen Monaten 
an der Aussenfläche der Kniee und Schenkel kleine 
Flecke bemerkt, die wie Wacliströpfchen auf rothem 
Grunde aussahen. Als diese immer zahlreicher 
wurden und ein lebhaftes Beissen hinzutrat, wandte 
sie sich an einen allopathischen Arzt, der ihr eine 
Pomade verschrieb, die sie in die kranken Theile 
einreiben sollte. (Wahrscheinlich war es Chryso- 
phansäure). Der Hautausschlag verschwand auch 
bald, aber nun stellten sich bei ihr die ersten Symp¬ 
tome einer acuten Dyspepsie ein. Da die Verord¬ 


nungen ihres Arztes fehlschlugen, wandte sie sich 
an die homöopathische Dispensir- Anstalt. Sie klagte 
über brennende Schmerzen im Magen und der 
linken Seite des Rückens, Brechübelkeit, Erbrechen 
des Genossenen nach jeder Mahlzeit; der Appetit 
war fast null, die Zunge mit einem gelblichen Belag 
bedeckt; grosse Müdigkeit und Schlaffheit; wenig 
oder gar kein Fieber, lebhafter Durst, Verstopfung, 
sedimentöser Urin. 

Auf der äusseren Seite der Schenkel der Kniee 
konnte man zahlreiche, in Rückbildung begriffene, 
Psoriasis;Flecke sehen; der Grund derselben war 
von einem blassen, etwas kupfrigen Roth; das 
Beissen hatte ganz aufgehört. 

Verf. verschrieb Arsenicum album und Bryonia. 
Der Arsen. schien ihm angezeigt durch die vor¬ 
handene Diathese, die brennenden Schmerzen im 
Magen und Rücken, der Durst, das Erbrechen, 
der Verfall der Kräfte. Bryonia ist andererseits 
das grosse Heilmittel bei Unterdrückungen und ent¬ 
sprach ebenfalls verschiedenen gastrischen Symp¬ 
tomen in diesem Fall. (Arsen, ist bei solchen unter¬ 
drückten Hauterkrankungen übrigens erst recht das 
oberste Mittel und hätte hier allein wohl ge¬ 
nügt. Ref.) 

Nach Verlauf von 4 Tagen liess sich eine ge¬ 
ringe Besserung beobachten. Die Schmerzen waren 
geringer und das Erbrechen seltner. Beim Fort¬ 
gebrauch der Mittel war nach 8 Tagen das Magen¬ 
leiden ganz beseitigt, aber nun hatte ein frischer 
Ausbruch von Psoriasflecken an den unteren Extre¬ 
mitäten mit etwas Beissen stattgefunden. 

Verf. verordnete jetzt Acidum carbolicum 
1. Dec. 8 Tropfen in 120 Gramm Wasser, von 
welchem Mittel er, sowie auch mehrere französische 
Aerzte, treffliche Dienste bei Psoriasis gesehen hat. 

Verf. sah die Patientin erst nach einem halben 
Jahre wieder. Von Psoriasis war keine Spur mehr 
vorhanden, aber seit einigen Tagen litt sie an einem 
sehr reichlichen und scharfen Weissfluss, sowie auch 
an heftigen Schmerzen in den Nieren und Unter¬ 
leib und einer solchen Taubheit in den Beinen, dass 
sie kaum gehen konnte. Ausserdem bestand Durst, 
Appetitlosigkeit, Verstopfung und Schlaflosigkeit. 

Sie erhielt Arsen, alb. und Sepia. 

Unter der Einwirkung dieser Mittel verschwan¬ 
den die uterinen Symptome nach 10 Tagen, wäh¬ 
renddem sich wieder einige Psoriasis-Flecke auf den 
Schenkeln zeigten. — Verf. verordnete aufs Neue 
Acid. carbol., und gebrauchte dieses Mittel vier 
Monate hindurch fort. — Nach Verlauf dieser Zeit 
war die Psoriasis völlig geschwunden, und hat sich 
auch innerhalb eines ganzen Jahres kein Recidiv 
mehr eingestellt. 

Die Existenz von Metastasen erscheint ihm, wie 
Verf. zum Schluss sagt, in diesem Fall ganz klar. 

20 * 


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Thatsächlich haben sich die* Zeichen der Verdau¬ 
ungsstörungen und der Uterinaffection entwickelt, 
je nach dem Masse als die Hauteruption zurück¬ 
wich und sich verzogen, sobald die Psoriasis-Flecke 
wieder zum Vorschein kamen. Derartige Erschei¬ 
nungen können nicht die Wirkung eines zufälligen 
Zusammentreffens sein. 

(Revue homoeop. beige. März 1894.) 


Vom 23. Chirurgencongress in Berlin. 

Den ersten Gegenstand der wissenschaftlichen 
Tagesordnung bildete ein Vortrag von Professor 
Bruns aus Tübingen „über die Ausgänge der 
tuberkulösen Hüftgelenkentzündung bei conserva- 
tiver Behandlung.“ Die Rede bewegt sich auf einem 
der schwierigsten Gebiete der Chirurgie. Bruns hat 
sich die Mühe nicht verdriessen lassen, über mehr 
als 600 in einem Zeiträume von 40 Jahren in der 
Tübinger Klinik behandelte Kranke Nachforschungen 
anzustellen, und hat es fertiggebracht, dass sich 
mehr als 200 zur Nachuntersuchung bei ihm ein- 
fanden, während über einen grossen Theil der 
übrigen durch Fragebogen Nachrichten eingezogen 
wurden. Der Erfolg spricht durchaus zu Gunsten 
der sogenannten conservativen (abwartenden) Me¬ 
thode im Gegensatz zur operativen Methode der 
Resection, die früher vielfach sofort iro Beginn des 
Leidens empfohlen wurde. Unter Umständen wird 
sich die Operation natürlich nicht vermeiden lassen, 
namentlich bei starken Eiterungen. Bei der neuen 
Behandlungsweise mit Jodoform-Glycerin wurden 
mehrfach glänzende Ergebnisse erzielt; doch sind 
die Fälle noch verhältnissmässig zu gering an Zahl, 
als dass man hieraus bindende Schlüsse ziehen 
dürfte. Die wesentlichsten Ergebnisse der Forschungen 
von Bruns sind folgende: 

Die tuberkulöse Hüftgelenkentzündung befällt 
fast ausschliesslich die beiden ersten Jahrzehnte 
des Lebens. In einem Drittel der Fälle bleibt sie 
frei von manifesten Eiterungen. Die conservative 
Behandlung ergiebt eine ziemliche Zahl Geheilte; 
die Heilung erfolgte durchschnittlich nach vier 
Jahren. In vielen Fällen erfolgte der Tod an 
Tuberkulose anderer Organe (Lungen, Gehirn etc.)? 
der Tod erfolgt im Durchschnitt nach drei Jahren. 
Die Vorhersage wird wesentlich beeinflusst durch 
das Eintreten beziehungsweise Ausbleiben von 
Eiterungen. Bei nicht eiternden Formen gelangen 
77 von Hüftgelenkentzündung, bei eiternden Formen 
nur 42 von Hüftgelenkentzündung zur Heilung. 
Von grossem Einfluss ist das Lebensalter: die Vor¬ 
hersage verschlechtert sich mit zunehmendem Lebens¬ 
alter. Bei einem (verhältnissmässig geringen) Theile 


der Geheilten besteht die Gefahr späterer Erkrankung 
an Tuberkulose anderer Organe. In der folgen¬ 
den ausserordentlich lebhaften Erörterung schliessen 
sich die Redner im Wesentlichen diesen Ausfüh¬ 
rungen an. Man darf also das Ergebniss kurz da¬ 
hin zusammenfassen, dass die Mehrzahl der deutschen 
Chirurgen für eine conservative, also zuwartende 
Behandlung der tuberkulösen Hüftgelenkentzün¬ 
dung ist. 


Materia medica. 

Husten-Symptome. 

Trockener Husten Morgens und den Tag über. 

Alumina. Langer Anfall von trocknem Husten jeden 
Morgen, endigend mit schwierigem Auswurf von 
etwas weissem Schleim. Dabei Trockenheit der 
Schleimhäute, Empfindung von einer losen Haut, 
die in den Hals herabhängt; verlängertes Zäpf¬ 
chen ; Splittergefühl im Halse. 

Ammonium carb. Heftiger, trockner Husten in den 
ersten Morgenstunden, gewöhnlich von 3 — 4 Uhr 
Morgens. Chronischer Husten alter Leute mit 
Kitzeln in dem Kehlkopf oder unter dem Brust¬ 
bein. 

Borax. Trockner Husten wie bei alten, kacbekti- 
schen Leuten, schlimmer Morgens beim Aufstehen 
und Abends beim Niederlegen. Dabei: Stiche 
in der rechten Brustseite bei jedem Hustenanfall 
und tiefer Inspiration. 

Euphrasia. Trockener Husten Morgens beim Auf¬ 
stehen, bis man sich wieder niedergelegt hat. 
Dabei: Nach dem trocknen Husten gewöhnlich 
ein loser mit reichlichem Auswurf. Nachts husten- 
frei. — Meist mit Influenza verbunden. 

Jodium. Trockner, rauher, croupähnliclier Husten 
Morgens von Kitzel im Kehlkopf und Schlund. 
Dabei: Schwieriges, sägendes Athmen mit Schmerz¬ 
haftigkeit des obern Brusttheils. — Heisshunger 
mit Abzehrung. 

Kali carb. Husten meist trocken oder weniger Aus¬ 
wurf; in den Morgenstunden von 3 — 4 Uhr 
schlimmer. Sticheln im Schlunde wie von einer 
Fischgräte. 

Lachesis. Trockner, hackender, krampfhafter Husten, 
beim Berühren des Halses, schlimmer nach dem 
Morgenschlaf. Dabei: Husten nervösen oder 
reflectoriscben Ursprungs bei äusserster Empfind¬ 
lichkeit der Luftröhre gegen äusserliche Be¬ 
rührung. 

Manganum . Trockner Morgenhusten bei heiserer, 
rauher Stimme, besser vom Niederlegen, schlim- 


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mer vom Lesen oder Sprechen. Ein schätzbares 
Mittel bei Knaben und Mädchen, wenn die 
Stimme wechselt und lange rauh bleibt. Phthisis 
laryngis mit rauher und sehr heiserer Stimme. 

Nux vomica. Trockner Husten von Mitternacht 
bis Tagesanbruch mit Rauheits- und Kratzgefühl 
in dem Kehlkopfe, welches der Husten hervor¬ 
ruft, besser von warmem Getränk. — Er erkältet 
sich beim geringsten Zugwind; fliessender Schnupfen 
Morgens, Nachts stockender. 

Rnmex. Trockner, rauher, krampfhafter, bellender 
Husten um 2 und 5 Uhr Morgens (bei Kindern). 
Kitzel hinter der obern Hälfte des Brustbeins 
und in der Kehlgrube. Schlimmer von dem ge¬ 
ringsten kalten Lüftchen. 

Senega . Hackender Husten von Reiz in dem Kehl¬ 
kopf, schlimmer Morgens beim Anziehen, vor 
dem Frühstück; der Husten endet oft mit Niesen. 
Dabei: Bronchialleiden im Alter bei kaltem Wetter; 
schwieriger Auswurf; plötzliche Heiserkeit beim 
Vorlesen; kurzathmig beim Treppensteigen. 

Trockner Abend- und Nacht-Husten. 

Aralia . Husten und Dyspnoe Abends beim Nieder¬ 
legen, von verlängertem Zäpfchen. Krampfhafter 
Husten bei Nacht nach dem ersten Schlaf. Da¬ 
bei: Kitzel im Halse; Asthma mit Athemnoth. 

Arnim . Trockner, hackender Husten mit Kitzel in 
der Brust, schlimmer bei Nacht, ohne ihn auf¬ 
zuwecken. Veranlasst von Weinen und Jammern 
der Kinder. — Keuchhusten mit Nasenbluten; 
das Kind weint vor den Anfallen. Zerschlagen¬ 
heitsgefühl auf der Brust. 

Arsen . Husten, Abends gleich nach dem Nieder¬ 
legen, wie von Schwefeldämpfen, so dass man 
aufsitzen muss. Trockner, kurzer Husten, zu¬ 
nehmend nach Mitternacht. Asthma um Mitter¬ 
nacht, so dass er aufspringen muss; kurzes, ängst¬ 
liches Athmen, schlimmer beim Liegen auf dem 
Rücken, 

Belladonna. Trockner Husten, beginnend 10 Uhr 
Abends, alle Viertelstunden oder noch öfter wieder¬ 
kehrend, in 3 — 4 schnell aufeinander folgenden 
Anfällen; vor demselben weinen die Kinder, — 
Peinliche Trockenheit des Kehlkopfes, Heiser¬ 
keit, besonders beim Schreien; Stechen und 
Kitzel in der Rückseite des Larynx. 

Bromium. Kratzendes Schaben in dem Kehlkopf, 
Abends, erzeugt trocknen Husten, schlimmer bei 

- tiefem Einathmen. — Heiserkeit, Verlust der 
Stimme, Empfindung, als ob das Kehlgrübchen 
gegen die Luftröhre gedrückt würde. Diphthe- 
ritischer Croup. 

Bryonia . Trockner Husten, wie vom Magen aus; 
hackender mit Empfindlichkeit der Bauchmuskeln; 


schlimmer bei Nacht, von Bewegung, beim Ein¬ 
tritt in ein warmes Zimmer. — Stiche in der 
Brust beim Tiefathmen, besonders rechterseits. 

Calc. carb. Trockner, hackender Husten Abends, 
im Bette, schlimmer nach Mitternacht, wie von 
Staub in der Brust. Schmerzlose Heiserkeit. 
Husten trocken bei Nacht, aber locker bei Tage; 
gelblicher Auswurf Morgens. 

Causticum. Trockner, hohler, anfallsweiser Husten 
mit einem schmerzhaften Strich längs der Luft¬ 
röhre, woselbst es bei jedem Anfall wehthut, 
besser von einem Schlückchen kalten Wassers; 
schlimmer Nachts und Morgens. Heiserkeit mit 
Kratzen im Halse. — Der Urin geht unwillkür¬ 
lich ab beim Husten. 

Conium. Eine trockene Stelle im Kehlkopf, wo es 
kitzelt, mit fast beständigem Reiz zu trocknem 
Husten, fast nur, sobald man sich niederlegt, 
bei Tage oder Abends. Er muss sich aufsetzen 
und abhusten, wonach er Ruhe hatte. — Quälen¬ 
der Nachthusten alter Leute, gewöhnlich trocken 
oder etwas Auswurf nach langem Husten. — Es 
scheint, als ob der Husten vom Unterleib aus- 
I ginge. 

Drosera . Anfallsweiser Husten, so dass er kaum 
I zum Athmen kommen konnte, meist schlimmer 
bei Nacht, bald nach dem Niederlegen, trocken, 
krampfhaft; endet oft mit Erbrechen. Kitzeln 
in dem Kehlkopfe wie von einer Feder. Husten 
wie vom Unterleib aus. Keuchhusten schlimmer 
; nach Mitternacht. 

Hyoscyamus. Trockner Nachthusten, der ihn auf- 
I weckt, fast unablässig beim Liegen, besser beim 
i Aufsitzen. — Verlängerung des Zäpfchens. Ner¬ 
vöser Husten junger Mädchen. — Reizhusten von 
Essen, Trinken, Reden oder Singen. 

| Ignatia. Trockner, hohler, krampfhafter Husten 
Abends, wie von Schwefeldampf oder Staub; je 
länger er hustet , desto stärker wird der Reiz 
zum Husten. — Kitzel in der Luftröhre, durch 
Husten nicht erleichtert. — Reflex-Husten. 

Phosphoras. Trockner Husten mit Weh im Kopf, 
als ob dieser bersten sollte. Hackender Nacht¬ 
husten, schlimmer vom Liegen auf dem Rücken 
oder auf der linken Seite. Schlimmer in der kalten 
Luft, vom Reden, Essen oder Lachen. Rauheit 
des ganzen Athmungstractus. — Kitzel in der 
Luftröhre abwärts, Druck auf der Brust, Heiser¬ 
keit. 

Pulsatilla . Trockner Husten, bei Nacht, bei Tage 
lockerer, von Kitzel und Kratzen in dem Kehl- 
| köpf; beständig Abends nach dem Niederlegen, 
besser vom Aufsitzen. — Nachthusten, als ob et- 
j was in der Brust losgerissen wäre. Keuchhusten 
| mit Stechen in der Brust und Erstickungsanfällen, 
mit starkem Drang nach frischer Luft. 


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Rximex. Trockner, krampfhafter Husten Abends | 
beim Niederlegen, von 10 — 12 Uhr Abends, von 
Kitzel hinter der obern Hälfte des Brustbeins, 
wie auch in dem Halsgrübchen. Brust empfind¬ 
lich, schlimmer von kalter Luft. Der Husten 
scheint von dem Halsgrübchen auszugehen; 
Nachts Schmerz hinter dem Brustbein. j 

Sangmnaria . Trockner, hackender Husten Abends j 
nach Schlafengehen von Kitzel im Halse, Kriebeln 
längs dem Brustbein herab. — Besser beim Liegen 
auf dem Rücken. — Laryngitis mit Schmerzhaftig¬ 
keit und Trockenheit; Oedema glottidis, Brust¬ 
schmerz, Stechen in der rechten Brustseite. 

Dr. A. B, Mc Michael. 
(North american journal of Homoeopatli. 

Febr. 1894.) 

LesefrUchte. 

Menstrnationsstörangen 
in Folge von Bothryoeephalns latus 

kommen nach Dr. Kahn häufig vor. Er theilt fol- i 
genden Fall mit: Ein löjähriges Mädchen, die im j 
17. Lebensjahre zuerst menstruirtc, war bis zum 
Juni 1892 gesund. Bis dahin war die Regel alle 
4 Wochen normal, 4 Tage lang, aufgetreten; von 
da ab ward sie allmählig stärker, bis dann alle 
2—8 Wochen, oder noch öfter, starke Blutungen, 
meist von 8tägiger Dauer, mit heftigen Unterleibs¬ 
schmerzen sich einstellten. Die Untersuchung per 
anum in der menstruationsfreien Zeit ergab: Gebär¬ 
mutter mässig vergrössert, druckempfindlich, von 
etwas weicherer Consistenz. Sonst nichts Abnormes, 
sichtbare Schleimhäute blass. Eisentherapie drei I 
Wochen lang ohne Erfolg. Da noch Klagen über ! 
Uebelkeit und Stuhlbeschwerden , Völle und Druck der I 
Theile hinzukamen, wurde Ol. Ricini gegeben, 
worauf ein */a Meter langes Stück eines Bothryo- j 
cephalus latus abging. —Nach Verodnung von Extr. 
Filicis maris kam noch ein 6 1 / 2 Meter langes Stück | 
sammt dem Kopfe heraus, worauf Patientin wie mit I 
einem Schlage von ihrem Leiden befreit war. Das j 
Krankheitsbild hatte den Eindruck einer Metritis 
acuta gemacht. Doch scheint hier der Reiz inner¬ 
halb des Darmkanals ursächlich gewirkt zu haben. — 
Von den Erscheinungen, die der breite Bandwurm , 
hervorruft, wird als beständig ein nagender Schmerz 
in der Nabelgegend , verbunden mit Volle und Druck 
im Leibe, Morgens *leichte Uebelkeiten und \ 

fader Mundgeschmack angegeben. Sonst noch: Pu¬ 
pillenerweiterung, Unregelmässigkeiten im Stuhl¬ 
gang, Erbrechen. Bei kräftigen Frauen sind die 
Symptome olt sehr gering, bei anämischen, schwäch¬ 


lichen, besonders nervösen, zeigen sich Krämpfe 
(Chorea, Epilepsie, hysterische Krämpfe). Kahn 
behandelte eine 28jährige Virgo mit maniacalischen 
Anfällen, auf welche hysterische Weinkrämpfe 
folgten. Nach Abgang des Parasiten Genesung. 
Auch diese Patientin zeigte Menstruationsstörungen. 
Deshalb soll man in Gegenden, wo der Bothryo- 
cephalus latus häufig auftritt, bei Menstruations¬ 
störungen auf das Vorhandensein des Parasiten 
achten und die Stuhlentleerungen sorgfältig unter¬ 
suchen. 

(St. Petersburger Med. Wochenschrift 1893. 47.) 


Differentielle Diagnose in Odontalgieen. 

Dr. J. Busch in Wien giebt folgende unter¬ 
scheidende Punkte für die Diagnose einer Pulpitis 
und einer Periodontitis an: Die Entzündung der 
Pulpa ist eine der häufigsten Ursachen von Zahn¬ 
weh. Kaltes Getränk vermehrt den Schmerz, 
während warmes keinen Einfluss auf ihn übt; 
gegen Druck besteht keine Empfindlichkeit. Der 
Schmerz strahlt gern nach den obern Zweigen des 
Trigeminus hin, in Schläfe, Auge, Ohr, ja nach 
dem ganzen Kopf und Nacken. Es ist oft mit 
rheumatischem Schmerz verbunden, geht leicht in 
Periodontitis über. Diese letztere Affection charak- 
terisirt sich durch ihr Verhalten gegen Warmes, 
dass den Schmerz steigert, während Kaltes ihn er¬ 
leichtert; der Zahn ist äusserst. druckempfindlich, so 
dass der Kranke den schmerzhaften Zahn genau 
augeben kann, während er bei Pulpitis nicht weiss, 
welcher, oder ob überhaupt ein einzelner Zahn der 
kranke ist. Die weichen Theile schwellen an, ge¬ 
wöhnlich am zweiten oder dritten Tage, und es 
kann zur Eiterung kommen. Bei reiner Pulpitis 
ist niemals Anschwellung, ebenso kommt bei dieser 
das Gefühl von Verlängerung der Zahnes nicht vor, 
wohl aber bei Periodontitis. Bei letzterer ist der 
Schmerz anhaltend oder remittirend; bei Pulpitis 
dagegen intermittirend. Was das zahnärztliche Ver¬ 
fahren betrifft, so greift man bei Periodontitis in 
der Regel zur Zange, weil man sonst kein Mittel 
hiergegen wirksam weiss; bei Pulpitis tödtet man 
durch eine Passe aus Arsen, und Morphium die 
Pulpe und kann so den Zahn füllen und erhalten. 

(Medicinische Neuigkeiten. 1893. 50.) 


Herr Dr. Pro 11 in Meran bittet uns um Auf¬ 
nahme des Nachstehenden: 

Zur Meraner Anzeige. 

Um Anfragen vorzubeugen, deren täglich viele 
einlaufen, muss ich mittheilen: 


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1. dass bereits ein homöopathischer Arzt hier 
mit Einrichtung angekommen ist; 

2. aber sich erst um die nothwendige öster¬ 
reichische Staatsbürgerschaft bekümmern 

3. und das Examen medicum rigorosum zu Inns¬ 
bruck ablegen muss; 

4. dass die hiesige homöopathische Clientele sehr 
unsicher und schwankend und klein, daher 

5. es nur einem reichen Arzte möglich ist, ab¬ 
zuwarten, da er von der homöopathischen 
Praxis allein, unter gegenwärtigen Verhält¬ 
nissen, nicht 8iande8gesmäs8 leben kann. 

Uebrigens beantwortet portofreie Retour-kn- 
fragen 

Meran, 28. April 1894. Dr. P. Pröll. 

(ab 15.|5. in Bad Gastein.) 


Personalia. 

Herr Sanitätsrath Dr. med. Paulwasser in Bern¬ 
burg ist von Sr. Hoheit dem Herzog von Anhalt 
zum „Geheimen Sanitätsrath“ ernannt worden. 

Laut Staatsanzeiger ist Herr Dr. Schwencke 
in Cöthen anlässlich seines 50jährigen Doctorr 
jubiläums zum Sanitätsrath ernannt worden. 

Es ging uns die Trauerkunde zu, dass der 
homöopathische ArztDr.Karl Hafen in Neustadt a.d. 

I Hardt nach kurzem Krankenlager unerwartet schnell 
' heimgegangen ist. Sein Andenken wird bei seinen 
Freunden in Ehren bleiben. Quiescat in pace! 

Herr Dr. med. Greenfield hat sich in Leipzig, 
Tauchaerstrasse 4, II., als homöopathischer Arzt 
i niedergelassen. 


Anzeigen. 


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empfehlen ihre luftdurchlässigen und 
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dieser Saison im Hause „Annaberg“, Marktplatz, 
knapp vor dem Hotel Hannover in Karlsbad. 


Ende dieses Jahres erscheint: 

The Universal Homoeopathic Annual 

(jedoch nur in englischer Sprache). 

Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬ 
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick 
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬ 
schen Werke. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Francois Cartier, Paris 

und seinen Mitarbeitern, einer Reihe hervorragendster 
Specialisten für Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, 
Frauen-, Kinder-, Geschlechts- etc. Krankheiten 
in Frankreich und Amerika. 

Preis 12 Mark. 

Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um¬ 
fassen und zerfällt in zwei Theile, die Arzneimittel¬ 
lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als 
nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass 
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt 
und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden 
mit den Anschauungen hervorragender Professoren 
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden 
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind. 

Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen 

A. Marggrafs homöopathische Offlein, 
Leipzig. 



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Soeben ist erschienen die 6. Auflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

naohdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

,,Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur- 
theilen versteht. Und es ist wirklich stannenswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntnis« und Gründlichkeit der 
Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustorgültige Schrift ausführlichere und 
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu 
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle 
Sympathie entgegenbringen.“ 

Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde 
das Werkclien in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hümorrhoidal-Leiden etc., 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein¬ 
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstohungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel worden in vielen Fällen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Müt ter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denon ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er beherzigenswert he Winke giebt. 

Der Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art Ubertroffen worden. Aber auch Solche, 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden in demselben manche gute AVinke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller- 
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert, nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben versehen ist. wird den Freunden des 
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer 
erwoisen. 

Leipzig, im April 1894. 

A. Marggrafs Homöopathische Officin. 


Im Verlage von k • Marggrafs homöopathischer 
Officin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf her vorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lerneu. (Differen- 
zielie Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz- 
neivorlesungen naeh gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'- 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Ilnter- 
scheidennach allen Seiten des be treffende nMi tiels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Work deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interes8irten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen , 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit deß Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipsig. 


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Band 138. 


Leipzig, den 24. Mai 1894. 


No. 31 n. 33. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

t 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag yoii William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint Ut&gig zu2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggr&Fs homöopath. Offlein in Leipzig) zn richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Itanm berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 


Inh-alt. Acutes einseitiges Eczem bei einer phlegmonösen Otitis interna. Von Dr. Mossa-Stnttgart. — Facialis- 
paralyse als Complication von Mittelohr-Erkrankungen. Von Dr. Charles F. Bassett. M. Dr., Chicago. — Die Wirkungen 
der Kali- und Natron-Mittel auf das Ohr. Von Dr. H. D. Schenck. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. — 
Aus Hahnemanns Aufenthalt in Molschleben. - Die nordamerikanischen homöopathischen Colleges und Spitäler. — 

Lesefrüchte. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Acutes einseitiges Eczem bei einer 
phlegmonösen Otitis interna. 

Von Dr. Mossa-Stnttgart. 

Ein junger 2 5jähriger Mann, dessen Anamnese 
eine lange Krankengeschichte abgeben würde, kam 
im Februar d. J. in meine Behandlung. Ein mehr¬ 
jähriger Aufenthalt in den Tropen hatte ihn mit 
Malaria inficirt, wogegen er starke Dosen Chinin 
gebraucht, die er dann als Prophylactieura weiter fort¬ 
gesetzt hatte. Dazu kam dann noch eine chroni¬ 
sche Gonorrhöe. Alles heilt bei ihm schwer, da er 
in den Kinderjahren mit Scrophulosis behaftet ge¬ 
wesen, die sich besonders durch einen Kopfaus- 
schlag und einen eitrigen Ausfluss aus dem linken 
Ohr geäussert hatte. Der letztere hat wenigstens, 
so weit er sich erinnert, vom sechsten Lebensjahre 
an bald mehr, bald weniger bestanden, war mehrere 
Jahre dann verschwunden und vor zwei Jahren, 
ohne nachweisliche Ursache, wieder erschienen. 
Dieses so viel belastete Menschenkind erkrankte 
im Februar v. J. an einer Influenza massigen Grades. 
Der Schnupfen freilich war sehr stark ausgesprochen, 
entleerte grosse Mengen eines wässerigen Secretes, 
und fühlte er sich doch so angegriffen, dass er 
einige Tage im Bett verbrachte. Davon kaum her¬ 
gestellt, bekam er bei einem Gange ins Freie während 
scharfen Windes heftige, stechende Schmerzen im 


I linken Ohre. Ich fand den Gehörgang dunkel ge- 
rötliet und durch Anschwellung so verengt, dass 
man von dem Trommelfell nichts sehen konnte. Die 
Eiterabsonderung war gehemmt oder wenigstens 
konnte sie nicht nach aussen dringen. Dabei Fieber, 
Schlaf gestört. Die Ohrmuschel war ebenfalls ge- 
röthet, bei Berührung empfindlich. 

Pulsatilla 6. Dil. innerlich, alle 3 St. 2 Tropf., 
äusserlich lauwarme Wasserumschläge, die Tag und 
| Nacht fortgesetzt wurden. Dabei wurde der Zu¬ 
stand erträglicher, noch besser wurde er, als am 
4. Tage eine furunculös zugespitzte Stelle der Ohr¬ 
schleimhaut sich abscedirte, und eine kleine Menge 
Blut und Eiter sich entleerte. 

| Die Schmerzhaftigkeit des Processus mastoideus 
bei Berühruug, sowie um die Gelenkfläche des Ober¬ 
kiefers und des kleinen Ohrknorpels, der jetzt sich 
einstellcnde verlangsamte, ziemlich volle Puls (56 
Schläge), Schlafmüdigkeit bei Tage, Nachts hier 
und da ein leichtes Delirium verkündigten nichts 
Gutes. Da inzwischen der Eiterausfluss eine grün¬ 
liche Färbung und üblen Geruch angenommen hatte, 
so hielt ich Bellad. 6. mit Mercurius sol. (3. Ver¬ 
reibung), je 2 stündlich im Wechsel, für angezeigt, 

I und Hess lauwarme Einspritzungen von einem 
i schwachen Kamillenthee in den Gehörgang machen. 

| Dass die Tuba Eustachii nicht frei war, zeigte 
i schon dies quatschende Geräusch, das Patient hei 


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Bewegung des Oberkiefers darin wahrnahm. Das 
Gehörvermögen auf dem linken Ohr war auf Null 
reducirt, ja auch die Knochenleitung erwies sich 
aufgehoben. — So verliefen mit geringer Auf¬ 
besserung des Zustandes etwa acht Tage. Die 
nächtliche Ruhe war weniger gestört, da die 
Schmerzen im Ohr geringer und nur zeitweise in 
plötzlichen Stichen auftraten; der Appetit hatte 
sich noch im Ganzen ziemlich gut erhalten und 
ward Anfangs fast nur mit Milch befriedigt, wozu 
ich später Gemüse und Obst hinzusetzen Hess; der 
Harn war eine Zeit lang dunkel und stark riechend 
gewesen, jetzt aber fast normal. Die Tagesschläf¬ 
rigkeit hatte abgenommen. Nun trat aber ein 
merkwürdiges Ereigniss ein. Die Hnke Gesichts- 
hälfte schwoll an, besonders machte sich ein vom 
Processus zygomaticus bis zum linken Nasen¬ 
flügel hervorragender Wall bemerklich, die Haut 
röthete sich, und unter Jucken und Brennen bil¬ 
dete sich ein ganz feinbläschenartiger Ausschlag. 
Am auffäUigsten zeigte er sich zuerst zwischen den, 
während der Krankheit stark entwickelten Haaren 
des Kinn- und Lippenbartes. Diese Bläschen son¬ 
derten ein erst dünnflüssiges, später mehr eitriges 
Secret ab, das zu honiggelben Krusten eintrocknete. 
Späterhin zeigte sich dieser Ausschlag auch unter¬ 
halb des linken Auges ebenfalls unter Anschwellung 
und Röthung der Haut. Schliesslich wurde auch 
noch der grosse Ohrknorpel, der dunkel geröthet 
und stark geschwollen war, ebenfalls Sitz der ge¬ 
schilderten Hauteruption. — Dieselbe brauchte zu 
ihrem Ablauf, d. h. bis die Absonderung nebst den 
entzündlichen Erscheinungen aufhörte und die Krusten 
sich abstiessen, wobei dann die Haut noch eine 
Zeit lang geröthet verblieb, über 8 Tage; das dem 
Patienten verabreichte Rhus toxicod. hatte darauf 
wohl wenig Einfluss. Das Befinden hatte sich 
währenddem aber erheblich gebessert; der Puls 
hatte sich der normalen Frequenz (64—68 Schläge) 
genähert, die Functionen des Organismus waren ge¬ 
ordnet. — Nur der Eiterausfluss aus dem linken 
Ohr fand, wenn auch in besserer Qualität, wieder 
reichlicher statt, und hielt ich es für angezeigt, 
Einspritzungen mit einer schwachen Lösung von 
Alumen pulveratum (0,5 : 100 Wasser) hiergegen an¬ 
zuwenden, um so mehr, da von Alumina entschiedene 
Wirkungen auf das Ohr in der Pharmacodynamik 
angegeben sind, wie Geschwulst und Eiterausfluss. 
Eine Perforation des linken Trommelfells zeigte sich 
jetzt deutlich, die Hörfähigkeit war zum Theil 
wiedergekehrt, wenn auch nicht in dem Grade, wie 
auf dem rechten Ohre. — Unter Sulfur, Calcarea, 
Lycopodium, in grösseren Zwischenräumen gereicht, 
ward die Eitersecretion immer geringer; völlig auf¬ 
gehört hat sie aber bis zur Stunde nicht. 

Was die Hauteruption betrifft, so war ich Anfangs 


geneigt, den ihr zu Grunde liegenden Krankheits- 
process für ein Erysipelas vesiculosum zu halten. 
Da die Bläschen aber so gar minimal waren und 
sich aus kleinen Papeln, den geschwollenen Haut¬ 
follikeln, entwickelten, so gehört die hier beobachtete 
Hautaffection weit eher zu der Form des phlegmo¬ 
nösen Eczera. Die Beschränkung desselben auf die 
linke Ge^chtshälfte weist deutlich auf seinen Zu¬ 
sammenhang mit dem erkrankten Ohre hin, der wohl 
durch vasomotorischen (oder trophischen) Nervenein¬ 
fluss vermittelt worden ist. Wenn dieses Zwischen- 
ereigniss in diesem so schweren Krankheitsfälle nicht 
gerade von kritischer, so war es doch von günstiger 
Bedeutung, wie wir ja so manchmal tiefgehende 
entzündliche Erkrankungen durch eine solche na¬ 
türliche Ableitung in eine gute Bahn, ad bonam, 
gelenkt sehen. — Wir haben hiermit keine muster¬ 
gültige homöopathische Heilungsgeschichte gegeben, 
dessen sind wir uns wohl bewusst, sondern nur 
einen Beitrag zu den bisherigen Erfahrungen, wie 
schwer derartige complicirte Ohrenkrankheiten der 
einfachen, innerlichen Behandlung zugänglich sind.— 
Wie hierbei ein nichthomöopathischer Specialist ge¬ 
fahren wäre, wer kann’s sicher sagen? Der ho¬ 
möopathische Ohrenspecialist wäre vielleicht leichter 
zum Ziele gekommen. 


Facialisparalyse als Complication 
von Mittelohr-Erkrankungen. 

Von Dr. Charles F. Bassett, M. Dr., Chicago. 

Wenn sich im Verlauf einer Entzündung des 
Mittelohrs eines Tags der Kranke mit verzogenem 
Gesicht, einem starrenden Auge und einem Grinsen 
statt Lächelns uns vorstellt, so möchte dieser Zu¬ 
stand ein ungewöhnliches Gefühl von Besorgniss und 
Mitleid erregen. Denn, obwohl nach Verletzung 
des Trommelfells in diesen Ohraffectionen häufig 
schwere Folgen Vorkommen, so sind diese Er¬ 
scheinungen nach der Abnahme des acuten Anfangs 
zu gelind und dunkel, als dass der Kranke hier¬ 
durch beunruhigt würde; ja, selbst wenn das Gehör¬ 
vermögen in der That beeinträchtigt wäre, so 
erscheint ihm dieses der Natur der Krankheit 
gemäss. Indessen eine Gesichtslähmung in Be¬ 
gleitung oder Nachfolge einer Ohraffection wird 
dem Kranken neue Besorgniss und dem Arzt ver¬ 
mehrte Verantwortlichkeit bringen. 

Die unmittelbare Ursache für die Erkrankungen 
des Nerven ist hier nicht immer klar. Wir müssen 
aber eingedenk sein, in welchen Beziehungen die 
Portio dura des Facialis zum N. acusticus steht. 
Sie hat ja fast denselben Ausgangspunkt mit letz 


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teren, steht mit ihm durch die Portio inollis, wenn 
sie in den Meatus auditorias-intemas einpassiren 
im Rapport, bleibt, wenn er seinen Zwillings- 
gefUhrten verlässt und in den CanaJis Fallopii ein- 
tritt, dem Tympanum nahe gelagert; dann geht 
ein starker Zweig vom Facialis quer durch die 
Trommelhöhle, und während seines Verlaufs durch 
den Fallopischen Canal befindet er sich in dichter 
Nachbarschaft zum Antrum mastoideum. Ziehen 
wir diese anatomischen Verhältnisse in Betracht, so 
kann es uns nicht befremden, wenn dieser Nerv, der 
Facialis, bei Gelegenheit eines Mittelohr-Katarrhs 
in Mitleidenschaft gezogen wird; im Gegentheil 
muss man sich wundern, dass es so selten geschieht. 

Die Heftigkeit des primären Leidens steht in 
keinem directen Verhältnis zu deren secundärer 
Complication; gerade wie beim Typhus milde Fälle 
in Darmperforation ausgehen können, so kann ein 
Ohrenkatarrh geringeren Grades von einer schweren 
Facialislähmung begleitet sein. Der Verlust der 
Muskelkraft kann zeitig im Laufe jenes Leidens 
eintreten oder aber sich mehrere Wochen ver¬ 
zögern. Ein Ergriffensein der knöchernen Theile 
ist auch nicht immer nothwendig, obschon sie schon 
bisweilen als eine Entzündung des Periosts des 
Os petrosum oder Os mastoideum vorhanden ist. 

Man tlieilt die Faciallähmungen in der Regel 
in zwei Klassen, in die centrale und periphe¬ 
rische. Die erstere ist bedenklicher und wird 
auch häufiger bleibend, als die letztere, zu welcher 
der hier besprochene Zustand gehört. Die elektrische 
Prüfung des Nerven und der Muskel wird oft die 
Prognose klarstellen, so dass man den geängsteten 
Patienten Mut einsprechen kann. Falls sich nämlich 
die Muskel unter dem Einfluss des Faraday’sehen 
Stromes zusammenziehen, so lässt sich ein guter 
Ausgang erwarten; reagirt der Muskel jedoch auf 
einen starken Faraday’schen Strom gar nicht, con- 
trahirt sich aber leicht unter einem schwachen galva¬ 
nischen, so ist der Zustand bedenklicher, und kann 
man sich auf eine längere Dauer desselben gefasst 
machen. Reagirt endlich der Muskel unter keinerlei 
Strom, macht sich also die Entartungs-Reaction 
geltend so heisst’s mit der Prognose sehr vorsichtig 
sein. 

Die Zeichen dieser Fälle von Gesichtslähmung 
sind die gleichen wie bei solchen aus anderen Ur¬ 
sachen und dem Grade nach sehr verschiedenartig. 
Häufig ist es mehr einer Parese als eine ausge¬ 
sprochene Paralyse. Der Augenschluss ist meist 
nur theilweise beeinträchtigt. Versucht aber Pa¬ 
tient die Lachmuskeln zu contrahiren, so ist die 
Wirkung eine wunderliche und unverkennbare: denn, 
da die Affection in der Regel einseitig auftritt, so 
gehorchen nur die Muskeln der gesunden Seite 
dem Willenseinfluss und geben, da die Antagonisten 


versagen, einen ungewöhnlichen Ausschlag, während 
die Züge auf der kranken Seite ruhig und un¬ 
verändert bleiben. 

Der Schmerz, welcher oft heftig ist und lange 
anhält, die Empfindlichkeit des Zitzenfortsatzes und 
des Canalis Fallopii, die Schwerhörigkeit und das 
Ohrengeräusch gehören dein primären Leiden an. 

Was die Behandlung betrifft, so wird die Parese, 
wenn sie frühzeitig im Laufe des acuten Katarrhs 
eintritt, zunächst gegen die bedeutenden Symptome 
des letzteren, denen wir zuerst entschieden begegnen 
müssen, zurücktreten. Ist aber in den ersten be¬ 
schwerlichen Symptomen Stillstand eingetreten, so 
wird sich unsere Aufmerksamkeit specieller auf 
die Wiederherstellung der verkümmerten Nerven- 
thätigkeit richten müssen. 

1 . Fall. Ein junges Mädchen litt seit mehreren 
Jahren in Folge von Scharlachfieber am linken 
Ohr. In letzter Zeit hatte kein Ausfluss stattge¬ 
funden; es waren aber zeitweise kleine Stückchen 
verhärteten Ohrenschmalzes herausgekommen. Dabei 
Ohrensausen; beide Trommelfelle waren eingesunken 
und leicht verdickt, aber von normaler Farbe. Sie 
klagt über heftigen Schmerz in und um das linke 
Ohr, der schon mehrere Tage anhielt. Das linke 
Ohrläppchen etwas empfindlich gegen Druck, das 
Jochbein schmerzfrei. Die Gehörweite verringert. — 
Ihre Gesichtszüge sind stark verzerrt; der Mund 
ist nach der rechten Seite verzogen; das linke 
Auge kann sie nicht schliessen; Zeichen einer links¬ 
seitigen Facialislähmung, welche plötzlich erschien. 
Die Reaction auf Faraday’sclie Reizung ist sehr 
gering, besonders in der Regio superciliaris. Pa¬ 
tientin erhielt Gelseminum 3. Dec. vier Mal täglich 
eine Gabe, und der Galvanische Strom ward mehrere 
Tage lang täglich vier Minuten auf die Nerven 
angewandt. — Der Schmerz dauerte fort, wenn auch 
schwächer, bis zum 3. October (Anfang der Kur 
am 7. September), wo er gänzlich verschwand, und 
sich im Gesicht eine deutliche Besserung zeigte. 
Sie konnte das Auge wieder schliessen. Ungeachtet 
einer starken Erkältung im October, welche be¬ 
trächtliche Congestion beider Trommelfelle und 
vermindertes Hörvermögen bewirkte, schritt die 
Genesung dennoch vorwärts und nach Verlauf von 
14 Tagen konnte die Behandlung beschlossen 
werden. 

2. Fall. Eine 24 jährige Frau hatte seit 
10 Jahren Ohrbeschwerden und hatte während der 
letzten drei Jahre zeitweise wegen eines acuten 
Ohrenkatarrhs unter ärztlicher Obhut gestanden. 
Die Hörweite war während jener Zeit herabgesetzt. 

Am 1. October klagte sie über heftigen 
Schmerz im rechten Ohr; da noch keine deutliche 
Hervortreibung des Trommelfelles bestand, so schien 
der Paracentese noch nicht angezeigt. Sie erhielt 

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Aconit, und soll die warme Ohrendouche ge¬ 
brauchen. Die Schmerzen nahmen nur wenig ab, 
bis zum Morgen des zweiten Tages, wo die Per¬ 
foration des Trommelfells dem Schmerz ein Ende 
machte; es ergoss sich eine sehr geringe Menge 
Eiters aus der Trommelhöhle. Einblasen ins 
Mittelohr zeigte, dass die Tuba Eustachii durch¬ 
gängig war. Ein schwacher Eiterausfluss dauerte 
bis zum 8. October, als Symptome einer Gesichts¬ 
lähmung offenkundig waren. Eine Reaction auf die 
Faraday’sche Reizung war noch vorhanden, schwand 
aber bald. Patientin erhielt Gelseminum und der 
Galvanische Strom ward täglich auf die kranken 
Nerven gerichtet. Nach Verlauf von zwei Tagen 
nahmen die Lähmungserscheinungen noch bedeutend 
zu und Patientin klagte über Schmerz im Auge, 
ein Ziehen, das Morgens weit schlimmer war, und 
über ein sehr belästigendes Ohrensausen. Am 
14. October zeigte sich Besserung in der Läh¬ 
mung, aber nicht im Hören. Bis zum 26. October 
hatte das Antlitz fast sein normales Aussehen 
wieder; das Hören gebessert und das Ohren¬ 
geräusch aufgehört. Letztere beiden Symptome 
traten im November in Folge einer starken Er¬ 
kältung wieder hervor, aber die Function des 
Facialis litt darunter nicht. Am 14. November 
war endlich alles in Ordnung. Das Trommelfell 
zeigte sich völlig geheilt, blieb aber zurückgezogen 
verdickt und dunkler als das normale; auch bestand 
noch ein Rest des Katarrhs der Tuba Eustachii. 

3, Fall . Patient, ein etwa 45jähriger Mann, war 
während des October in der Dispensiranstalt des 
National Homoeop. College behandelt worden. Er 
hatte einen 8 Wochen dauernden Ohrenkatarrh 
gehabt, der vor und nach einem typhoiden Zustande 
von dreiwöchentlicher Dauer bestand. Der Schmerz 
war fast beständig, zur Nachtzeit aber gesteigert, 
so dass der Schlaf sehr gestört wurde. Der Aus¬ 
fluss, der oft in Quantität wechselte, gab nur theil- 
weise Erleichterung. Der Processus mastoideus 
war geröthet von Umschlägen; die Regio mastoidea 
und zygomatica etwas empfindlich bei Druck. Der 
Canal enthielt Eiter und etwas Granulationen, die 
mit der Curette entfernt wurden. Verordnet wurde 
Mercur und äusserlich die warme Ohren-Douche. 
Bei seiner zweiten Consultation, acht Tage später, 
machten sich leichte Symptome von Facialislähmung 
bemerklich und ward Patient an die clectrotechnische 
Klinik verwiesen; er entzog sich aber der Be¬ 
obachtung. 

Verfasser machte folgende Schlussbemerkung: 

Wir haben keine Zeichen, die uns in den Stand 
setzen, den Anfang dieser Complication mit einiger 
Sicherheit vorherzusagen. Sie kann während der 
ersten Woche einer Ohr-Eiterung, oder auch in 
einem späteren Stadium eintreten. In all den hier 


mitgetheilten Fällen war heftiger Schmerz voran¬ 
gegangen, der in zweien anhielt, bis die Paralyse 
zum Stillstand kam. In einem Fall war während 
des ganzen Verlaufs kein Ausfluss; die Druck¬ 
empfindlichkeit war in keinem grösser, als sie in 
der Regel bei solchen Ohrenkatarrhen auftritt. Bei 
der ersten Patientin hatte eine Ohrstörung be¬ 
standen, „so lange sie sich erinnern konnte,“ 
während bei einem andern der beginnende Anfall 
als Parese erfolgte. Die Behandlung mit Gelsemi¬ 
num innerlich und localem Galvanismus äusserlich 
war bei Kranken, die sich einer genauen Beobach¬ 
tung unterzogen, von schnellen, für die Patienten 
erfreulichen und für den Arzt genugthuenden Er¬ 
folgen begleitet. 

(The Medical Current. Januar 1894.) 


Die Wirkungen der Kali- und Natron-Mittel 
auf das Ohr. 

Von Dr. H. D. Schenck. 

Aus The North American Journal of* Homoco- 
[>athy. April 1894. 

Die Kalisalze haben, wie sonst wo, so auch 
auf das Ohr einen weiteren Wirkungskreis als die 
Natronsalze. 

Kali bichromicum, das die Schleimhaut der 
Nase und des Schlundes stark afficirt, berechtigt 
zu der Erwartung, dass es auch im Mittel-Ohr mehr 
oder weniger Störung veranlassen wird. Die Symp¬ 
tome „Verstopfung des rechten Ohrs und Brennen 
in der Concha“ dazu „Ohrenschmerz am Abend,“ 
das sich bei Dr. Norton nach Vioo eines Grans 
nebst „ziehenden Schmerzen in den Ohren und im 
linken Unterkiefer“ einstellte, zeigen einen dahin 
gerichteten Effekt. Ebenso „der langsame Stich, wie 
ein Ziehen, durch den äussem Gohörgang, be¬ 
gleitet von einem Brausen im ganzen Kopfe, wie 
ein dumpfes, aus der Ferne gehörtes Geräusch.“ 
Mehrere Prüfer hatten stechende Schmerzen in den 
Ohren, nebst Schmerzen in den Halsdrüsen oder 
solchen, die sich von den Ohren nach dem Halse 
hin erstreckten. Die Arbeiter in Chrom-Werken 
leiden an Singen in den Ohren; so hatten auch 
manche Prüfer von stärkeren Dosen niedrigerer 
Verreibungen Brausen und Singen in den Ohren. 

Schwerhörigkeit ward nicht berichtet, und doch 
ist Kali bichrom. heilkräftig in acutem wie chroni¬ 
schem Mittelohr-Katarrh, sofern die obig8n Symptome 
vorherrschen, besonders wenn der Zustand der Nase 
und des Halses eine Hypertrophie mit zäher Ab- 


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sonderung darstellt. — Besonders angezeigt ist das 
Mittel bei eitriger Otitis media, zumal mit chroni¬ 
schem Charakter, bei verdecktem Gewebe und zäher 
Absonderung, von mehr schleimiger als eitriger 
Natur, sowohl aus Ohr wie aus Nase. — Man hat 
eine gesättigte Lösung von Kali bichr. in Wasser, 
oder verdünnter Schwefelsäure, äusserlich bei Po¬ 
lypen und wuchernden Granulationen angewandt, 
aber sie wirkt nicht besser als andere Caustica, 
hier. j 

Von Kalium jodatum hat ein Prüfer „Ohrenfluss | 
mit gelblicher, oftmals mit Blut vermischter Materie“ 
beobachtet. Ein anderer „heftig bohrenden Schmerz 
in den Ohren und ein Gefühl, als ob Etwas vor i 
das Ohr gefallen sei.“ Ausserdem schneidende, 
reissende, stechende Schmerzen, die zeitweise bis | 
in den Kopf gehen, sich auch bis in die Schläfen 
und das Gesicht ausbreiten. Schwerhörigkeit ist 
von verschiedenen Prüfern und in Vergiftungsfällen 
angegeben worden mit Läuten, Brausen, Summen 
in den Ohren. — Das Mittel bietet ein gutes Bild 
von acuter und chronischer Mittelohr - Entzündung 
dar, und wenn es auch bei derartigen Leiden auf 
einem speciellen Boden (Syphilis, Mercur-Missbrauch, 
Scrophulose) ganz besonders wirksam ist, so ist es 
hierauf nicht beschränkt. 

Es hat viel von dem Brennen, der Rauhheit 
und Rohheit im Schlunde, nebst den bei naso- 
pharyngealen Katarrhen begleitenden Symptomen. 
Bei alten, wuchernden Processen hat es die besten 
Dienste gethan. 

Von Kalium chloratum giebt es, abgesehen von 
Schüsslers allgemeinen Indicationen, wohl keine Prü¬ 
fung, und doch ist es von homöopathischen Ohren¬ 
ärzten mehr als irgend ein anderes Mittel, zu¬ 
mal in chronisch-katarrhalischer und suppurativer 
Ohrenentzündung, gebraucht worden. Dr. Houghton 
empfiehlt es da, wo eine chronische Entzündung 
der Schleimhaut des Ohrenkanals statthat, mit einer 
feuchten, übermässigen Abstossung der Epithelial¬ 
schicht, oder bei Geschwürigkeit mit weissem Eiter 
und Granulationen, im innern Drittel des Kanals und 
an dem Trommelfell. In chronischen Katarrhen ist 
es bei dem Gefühl von Verstopftheit mit subjec- 
tiven Geräuschen und Schwerhörigkeit, naso-pharyn- 
gealer Schwellung, Anstrengungen, die Fauces zu 
reinigen (durch Räuspern), bei granulärer Pha¬ 
ryngitis, verengter Tuba Eustachiae, bei einge- 
zogenem Trommelfell und atrophischen Wandungen 
des äussern Gehörganges angezeigt. Die Secretionen 
sind gewöhnlich übermässig; es vermag der Bil¬ 
dung von Adhäsionen nach einem Anfall acuten 
Katarrhs vorzubeugen, nach Dr. Stearling, der einen 
anämischen Zustand des Halses als Anzeige für das 
Mittel betrachtet. 

Referent hat im vorigen Winter bei einem ^jäh¬ 


rigen Knaben, der von väterlicher Seite her belastet, 
eine grosse Neigung zu Katarrhen des Halses, 
Rachens und der angrenzenden Theile hat, und bei 
dem nach einer heftigen Pharyngitis und Ton¬ 
sillitis ein acuter Katarrh des Mittelohrs rechterseits 
unter heftigen, stechenden Schmerzen und schliess¬ 
lich völliger Taubheit des rechten Ohrs, nachdem 
Pulsatilla und Mercur die entzündlichen Erschei¬ 
nungen gehoben, unter längerem Gebrauch von 
Kalium chlorat. 6. Verreibung die Residuen des 
acuten Processes, die Verstopfung der Tuba Eu¬ 
stachiae verschwinden sehen, und eine völlige 
Wiederherstellung des Gehörs constatiren können. 
Das Mittel ist zur Beförderung der Resorption rück¬ 
bleibender Exsudate entschieden wirksam. 

Kali phosphor. hat sich bei atrophischen Zu¬ 
ständen, wo die Gewebe trocken und schuppig 
waren, wie es bei alten Leuten der Fall ist, als 
sehr nützlich erwiesen; aber auch bei eitriger Otitis, 
wenn der Eiter wässerig, bräunlich, stinkend und 
schmutzig ist, bei böser Ulceration, die wenig Nei¬ 
gung zu gesunden Granulationen, soll es angezeigt 
sein. Dr. Stearling hebt die Nervosität der Patien¬ 
ten hervor, die immer über ein neues Symptom 
zu berichten haben, oder bei denen der Charakter 
der Ohrgeräusche beständig wechselt. 

Kali sulph. soll für Eiterungen passen, wenn die 
schleimig-eitrige Absonderung zäh und klebrig und 
von gelber Farbe ist (bei Kal. chlor, weisslich), und 
scharf werden will. 

Kali hydricum caustieum, unser Causticum, hat 
eine weitere und tiefere Wirkung auf das Gehör, 
als manche der vorigen Mittel. Seine subjectiven 
Symptome sind: „Kriebeln, wie von einem Insekt, 
Kitzeln im Ohr, das im Halse beginnt und sich 
längs der Eustachischen Röhre verbreitet.“ Rucke, 
Zusammenziehungen, Ziehen und Spannen wurde 
ferner am Ohr beobachtet, sowie auch das Wider¬ 
hallen der eigenen Worte und Tritte; letzteres 
mehrfach bestätigt. Die Stimme scheint aus den 
Ohren anstatt aus dem Munde zu kommen und 
tönt, als ob man in einem Gewölbe oder einer 
Tonne befindlich spräche. Herauspressende und 
reissende Schmerzen und Stiche mit bald Summen, 
bald Läuten in den Ohren und einem Gefühl von 
Benommenheit auf der affleirten Kopfseite. Dabei 
ein Gefühl von Rauhheit und Kratzen im Halse 
und hinten am Gaumen. Das sind Symptome, 
welche das Mittel für manche Fälle von Otitis media 
und interna qualificiren. 

Kali carbon. hat manche von den stechenden, 
bohrenden oder reissenden Schmerzen, wie sie sich 
bei den meisten Kalipräparaten vorfinden, sowie auch 
das Singen, Klingen, Brausen und Sausen, Kriebeln 
| und Kitzeln und das. Widerhallen der eigenen 
I Stimme im Kopfe als wie bei Causticum; desgleichen 


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die andern subjectiven Empfindungen, wie das 
letztere. 

Kalium bromatum. Nach starken Dosen dieses 
Mittels, welche erst auf die Ohren Einfluss haben, 
ist das Gehörvermögen stark beeinträchtigt. In 
einem Falle war ein Brausen in den Ohren, iso¬ 
chron mit dem Pulse, drei Tage lang — nach 
25 Gran. Die grosse Schwerhörigkeit in Verbin¬ 
dung mit der Verwirrung des Kopfes und dem 
eigenthümiichen Schwindel, als ob „ein leerer Ab¬ 
grund unter den Füssen sei,“ sowie der taumelnde 
Gang deuten auf eine Einwirkung auf das innere 
Ohr. Dr. Houghton berichtet die Heilung eines 
Ohren-Schwindels, der manche dieser Symptome 
zeigte, mittels Kal. brom. 

Kali nitricum (Nitrum). Auf Grund des von 
den Prüfern berichteten Schwindels, der verschie¬ 
denen Ohrgeräusche und der vorübergehenden und 
tiefen Schwerhörigkeit hält man dies Mittel in manchen 
Formen von Otitis interna für angezeigt. — Wo 
die von Jahr angegebene „anhaltende Taubheit von 
Lähmung des Gehörnerven “ herrührt, ist dem Ref. 
unbekannt. 

Von den Natron-Mitteln, die auf das Ohr wirken, 
haben wir zu erwähnen: 

Das Natron salicylicum. Dies brachte, in starken 
Dosen verabreicht, hervor: Schwindel, bei Erhebung 
des Kopfes sehr erhöht, Taubhaut, beständige Ohr¬ 
geräusche, Nausea mit Verlust der Knochenleitung. 
Die Gegenstände scheinen sich alle nach rechts hin 
zu bewegen. Dumpfes Kopfweh und Verwirrung 
der Gedanken. Bei Thieren hat man von massen¬ 
haften Dosen eine blutige Ausschwitzung in das 
innere Ohr beobachtet. Dr. Houghton hält das 
Mittel bei tieftönigen Ohrgeräuschen sehr wirksam. 
(Da beim salicylsauren Kali ähnliche Symptome er¬ 
scheinen, so ist wahrscheinlich die Salicylsäure, dort 
wie hier, das wirksame Princip.) 

Natrum muriaticum zeigte bei vielen Prüfern 
Ohrensymptome, so Anschwellung des Meatus und 
einen Ausfluss, wahrscheinlich von der Hautentzün¬ 
dung des Kanals. Manche hatten Verstopfungs¬ 
gefühl mit stechenden, ziehenden Schmerzen in und 
um die Ohren; dabei einige Schwerhörigkeit, sowie 
knackende, summende, klingende, rauschende, sau¬ 
sende und singende Geräusche. 

Abgesehen von manchen Störungen im Meatus 
hat man das Mittel bei Ohrenleiden wenig benutzt, 
und doch lässt sich nicht läugnen, dass man vom 
innerlichen wie äusserlichen Gebrauch der Koch¬ 
salzwässer oftmals Ausschwitzungen und Anschwel¬ 
lungen (nebst Schwerhörigkeit) im Kanal bei chro¬ 
nischen Schleimausflüssen aus den Ohren geheilt 
hat. Natrum mur. ist ja dem Natrum sulphuricum , 
dem Hauptmittel für v. Grauvogl’s hydrogenoröer 
Constitution, sehr nahestehend. Bei letzterem Mittel 


ist wie ein blitzschnelles, erschreckendes Stechen 
im rechten Ohr ein charakteristisches Symptom. 

Dr. Schenck schliesst mit der Bemerkung: 

Eine Vergleichung dieser Gruppen zeigt, dass 
die Verbindungen mit Natron in ihrer Wirkung auf 
das Ohr — wie auch auf die andern Organe — 
milder sind, als die mit Kali. Nur bei den Sali- 
cylaten ist die Wirkung eine tiefere und diese ist 
der Säure und nicht der Basis zuzuschreiben. — 
Die Kalipräparate dagegen erzeugen und heilen 
Affectionen des Ohres, von einer einfachen Haut¬ 
entzündung des Kanals an bis zu den tiefgehendsten 
Störungen im Nerven. Sie sind unsere Nothanker 
in manchen dieser Erkrankungen und die Ohren¬ 
ärzte würden ohne sie schwerlich auskommen. 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Fortsetzung.) 

In meiner Praxis beseitigte Phosphor, eine Neigung 
zu Lungenblutungen, welche seit 3 Jahren bestanden 
hatte. Die Patientin, eine lange , schmalbiustige, 
schwarzhaarige Frau, hatte täglich nach ihrer An¬ 
gabe mehrere Esslöffel voll Blut ausgeworfen. 

Staphys. in folgendem Falle. 

Der Frau B., 35 Jahre alt, Wärterin, waren 
beide Ovarien wegen cystöser Entartung vor andert¬ 
halb Jahren exstirpirt worden. Trotzdem leidet sie 
jetzt seit langer Zeit an Schmerzen im Unterleib, 
welche sie in ihrem Berufe hindern. 

Bei der Untersuchung ist die Gegend vom 
Uterus nach dem rechten Eierstocke, resp. wo 
dieser gesessen hat, ganz besonders empfindlich. 
Keine weiteren Symptome. 

27. Februar 1892 Staphys. Dritte Potenz, 
Morgens und Abends. 

Am 5. März wurde mir berichtet, es ginge 
besser. 

Am 23. März ergab die Untersuchung eine 
wesentliche Abnahme der Schmerzhaftigkeit. Die 
Patientin war zufrieden mit ihrem Befinden, bekam 
die Arznei noch einmal und im December v. J. 
erfuhr ich, dass die Besserung Stand gehalten. 

Noch in einem auderen Falle leistete mir 
Staphys. gute Dienste. 

Eine Dame, Anfangs der Dreissiger, litt seit 
länger als einem Jahrzehnt an sog. Schreibekrampf. 
Bei der geringsten Veranlassung standen beider¬ 
seits, besonders aber rechts, die Finger steif. Schreiben 
war fast ganz unmöglich. 

Wärme, warmes Zimmer, Gemüthsbewegungen 
wirken ungünstig ein, günstig dagegen Kaltwerden 


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167 


der Hände, Eintauchen derselben in kaltes Wasser. 
Die Dame trägt auch im kältesten Winter keine 
Handschuhe. 

Acht Tage vor den Menses oft Verschlimmerung. 

Ich behandelte die Patientin etwa anderthalb 
Jahre mit sehr mässigem Erfolge. 

Als ich eines Tages mich wiederum bemühte, 
weitere Anhaltspunkte für die Mittelwahl zu ge¬ 
winnen, erfuhr ich, dass kurz vor Beginn dieses 
Leidens Scorbut dagewesen sei, und dass die Pa¬ 
tientin seit dieser Zeit sehr viel mit dem Zahn¬ 
fleisch, Bluten, Geschwüren zu thun hatte, ein 
Umstand, den sie mir, als nicht zur Bache gehörig, 
bisher nicht mitgetheilt hatte. Darauf hin ver- 
ordnete ich Staphys. 6. in öfteren Dosen mit bleiben¬ 
dem Erfolge für Zahnfleisch und Hände. 

Das Mittel musste längere Zeit genommen wer¬ 
den, da beim Aussetzen das Uebel wieder schlimmer 
wurde. 

Seit einem Jahre ist keine Arznei mehr nöthig 

Im Moment, wo ich Staphys. gab, wusste ich 
nicht, ob Krampf der Finger unter den Symptomen 
des Mittels vorkommt; später fand ich bei Jahr: 
„Klamm in den Fingern.“ 

H.: Frau Sch., 39 Jahre alt. Seit Jahren klopfen¬ 
der Stirnkopfschmerz täglich, entweder Morgens 
bis Mittags oder Mittags bis Abends. 

Je mehr Kopfschmerz , desto mehr GesichterÖthe. 

Uebelkeit , welche nicht am Essen hindert . 

Menses alle 14 Tage bis 3 Wochen, acht Tage 
lang, stets milchiger Weissfluss. 

3. Februar 1892 Ferrum X. wöchentlich ein Pulver. 

11. März besser: Der Kopfschmerz nur drei 
bis viermal wöchentlich und schwächer, ohne Ge- 
sichtsröthe. Dieselben Pulver. 

22. Juli Kopfschmerz ganz fort, nur alle drei 
bis vier Wochen Spuren davon. Saures Aufstossen 
nach dem Essen; übelriechender, wundmachender 
Weissfluss, Menses wie früher. 

Ich gab Calc. carb., weiss aber über den Erfolg 
noch nichts. 

Man konnte zweifelhaft sein, ob nicht von 
Anfang an Calc. carb. indicirt sei. Die Art der 
Menses sprach dafür, auch Calc. hat klopfenden 
Stirnkopfschmerz und Neigung zu Gesichtsröthe. 
Aber es ist wohl von Ferrum, aber nicht von Calc. 
carb. bekannt, dass, je grösser die Schmerzen, 
desto röther das Gesicht wird. 

Ferner hat Ferrum eine Uebelkeit, welche nicht 
allein das Essen nicht hindert, sondern sogar durch 
Essen besser wird. 

Das Koch’sche Tuberculin, von Dr. Kunkel bis 
zur X. potenzirt, habe ich bei Phthisikern in einer 
Reihe von Fällen angewendet, ohne bemerkens- 
werthen Erfolg. Nur in vereinzelten Fällen von 
Knochenaffectionen sah ich Wirkung. 


Gustav A., 12 Jahre alt, aus F., den ich von 
seiner Chorea, die seit Wochen Tags und Nachts 
mit unaufhörlichen Zuckungen bestanden hatte, 
durch Cuprum 6. in acht Tagen geheilt hatte, blieb 
in Behandlung wegen einer Anzahl Fisteln, etwa 
sechs bis acht, die als Reste einer beiderseitigen 
eitrigen Coxitis seit 9 Jahren bestanden und bald 
mehr, bald weniger dünnen Eiter entleerten. 

Zeitweilig Fieber, zeitweilig geschwollene 
Drüsen. 

Appetit raässig. Schlaf gut. 

Blasses, kränkliches Aussehen. 

Der Patient bekam von mir von Ende März 1890 
bis Januar 1892 eine Reihe unserer antipsorisclien 
Arzneien, ohne dass ich während dieser langen 
Zeit eine Notiz in der Krankengeschichte finde, die 
von Besserung spricht nach irgend einer Richtung. 

Am 4. Januar 1892 gab ich versuchsweise 
Tubercul. X. wöchentlich ein Pulver. 

15. Februar besser. Die Fisteln secerniren 
weniger. Cont. 

16. Mai. Es geht sehr gut. Cont. (Ich setze 
genau her, was ich in der Eile in meinem Jour¬ 
nale notirt habe.) 

4. Juli. Es geht merkwürdig gut. Alle Fisteln, 
bis auf eine, sind geschlossen. Patient befindet 
sich sehr wohl. Der Vater, nicht in meiner Be¬ 
handlung, ist jetzt an Schwindsucht erkrankt. 

28. November. Der Körper des Patienten ent¬ 
wickelt sich mächtig. 

Auch im Jahre 1893 hatte ich Gelegenheit zu 
bemerken, dass aus dem blassen, schmächtigen 
Knaben ein stämmiger, frisch aussehender Junge 
geworden ist. 

Diese auffallend günstige Wendung ist nach 
meiner nüchternen, stets misstrauisch auf die Ver¬ 
meidung der Verwechselung des post hoc, ergo 
propter hoc gerichteten Beobachtung dem Tuber- 
culinum zuzuschreiben. 

Wo bei cariösen Processen andere Arzneien 
nicht streng indicirt sind, dagegen Verdacht auf 
Tuberculose in der Familie vorliegt, ist das Tuber¬ 
cul. des Versuches werth. 

H.: Minna L., 13 Jahre alt, ist seit acht Tagen 
in Folge heftigen Schnupfens schwerhörig. 

23. Mai 1892. Silicea, sechste Verreibung, 
zweimal täglich. 

7. Juni. Derselbe Zustand. Sie ist überhaupt 
leicht erkältet, hat sehr leicht Schnupfen und Ver¬ 
stopfung der Nase mit Heiserkeit. 

Ich gab daraufhin Sulf. X. an 5 Abenden. 

21. Juni. Keine Besserung. 

Dicke gelbe Absonderung aus der Nase. 

Die Patientin ist sehr gerne im Freien und 
hört draussen besser . 

Pulsat. X. an 5 Abenden. 


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168 


5. Juli. Seit den letzten Pulvern ist das Uebel 
wie weggeblasen, das Gehör gut, die Absonderung 
sehr wenig: Scheinpulver. 

Ein genaueres Examen hätte wohl schon früher 
die Sache abgekürzt. Die Luftdouche hätte das 
Gehör wahrscheinlich früher, wenn auch nur tem¬ 
porär, wieder hergestellt. Die homöopathische Be¬ 
handlung lässt in der für den Patienten angenehm¬ 
sten Weise sämmtliche Beschwerden verschwinden. 

H.: Frau W. aus 0., 39 Jahre alt, hat seit 
drei Monaten Magenbeschwerden , schlimmer gegen 
Abend*, besonders nach dem Abendessen und nach 
Fleischsuppe. 

10. November 1890. Puls. X. wöchentlich ein 
Pulver. 

21. September 1891. Da die früheren Be¬ 
schwerden damals sich so bald gebessert hatten, 
kam sie wieder zu mir, wieder wegen ihres Magens. 
Speiseerbrechen nach dem Essen, vorher Sod¬ 
brennen. 

Nach dem Erbrechen kann sie wieder essen. 

Ich gab ihr wieder Pulsat., weniger, weil es 
diesmal so gut passte, sondern weil es damals ge¬ 
holfen hatte. 

20. November 1893. Das Erbrechen war da¬ 
mals sofort gehoben. 

Seit 3 Wochen quälendes Erbrechen von 
warmen Speisen, besonders nach Fleischsuppe. 
Stuhl jeden zweiten oder dritten Tag. Appetit 
gut, kein Durst. 

Puls. 200., drei Pulver. 

Die Patientin sollte sich bald wieder zeigen, 
wenn nicht sofort Besserung käme, blieb aber aus. 

H.: Eine Dame der höheren Stände, Gravida, 
litt seit 10 Tagen an unerträglichen rechtsseitigen 
Gesichtsschmerzen, 

scldimmer gegen Abend, 

„ durch Kauen, 

„ im warmen Zimmer, 

„ durch niedrige Lage des Kopfes. 

Gegen diese Schmerzen waren selbst die modern¬ 
sten allopathischen Heilmittel vergeblich angewendet 
worden. 

Puls. 200. mehrere Pulver besserten sofort und 
Hessen in mehreren Tagen die Schmerzen spurlos 
verschwinden. 

Dr. Bushmore: 

Fräulein W. hat Schmerzen in der Gegend des 
Herzens , so scharf und heftig, dass sie weinen 
muss. 

Die einzige Erleichterung bringt ihr Knieen und 
Pressen des Kopfes auf den Fussboden. 

Die Regel ist kurz, spärlich, blass, begleitet von 
schrecklichen Krämpfen im Leib. 

Pulsat. Hoclipotenz ein Pulver. 1 

Acht Monate später vernahm ich von ihr, dass 


der Schmerz in weniger als zehn Minuten vorüber 
war und fortgeblieben ist. 

(In meinen Notizen finde ich notirt, allerdings 
als noch mehrfacher Bestätigung bedürfend: besser 
durch Knieen, bei Herzbeschwerden, Puls., bei Hä- 
morrhoidalbeschwerden: Aesculus. 

T. F. Allen in seinem Boenninghausen nennt 
dabei Euphorb. H.) 

Dr. Emmons in Richmond: 

Herr H., ein grobknochiger Herr in den mitt¬ 
leren Jahren, von erregbarem Temperament, mit 
dunklen Haaren, dunkler Gesichtsfarbe, war seit 
sieben Wochen allopathisch behandelt, aber ver¬ 
gebens, an einen continuirlichen Schmerz im Hinter - 
köpf, so heftig, dass dieser zeitweilig Krämpfe ver¬ 
ursachte. 

Schlimmer regelmässig von 4 bis 9 Abends. 

Besser durch äusseren Druck und Kälte. 

Der Patient ist sehr gedrückt, kann sich des 
Weinens nicht enthalten. 

Die Diagnose der bisherigen Aerzte lautete auf 
Basilarmeningitis. 

Drei Pulver Pulsat. Hochpotenz heilten in 
24 Stunden. 

Dr. Jennie Medlie in Philadelphia: 

Jane I. kann seit 8 Tagen nicht schlafen wegen 
heftiger neuralgischer Schmerzen , welche vom linken 
Auge über den Kopf zum linken Schulterblatt 
ziehen, durch nichts zu erleichtern. 

Seit derselben Zeit umherziehende Schmerzen , 
saures Aufstossen nach dem Essen, sehr gedrückte 
Stimmung. 

Puls. Hochpotenz besserte den Schmerz in 
einer halben Stunde und wirkte auch auf die an¬ 
deren Beschwerden günstig ein. 

H.: Der 29jährige Schlosser P. kommt wegen 
eines langwierigen Uebels. Seit Jahren erbricht 
er mehrmals täglich etwas Speise, nach vorherigem 
Wasserzusammenlaufen im Munde. 

Ekel gegen Fleisch. 

12. August 1893. Ferrum phosph. 6. Ver¬ 
reibung mehrmals täglich. 

19. August. Etwas Besserung. ,rCont. 

30. August. Kein Erbrechen mehr. Cont. 

23. September. Gutes Befinden. 

Die Heilkraft der Sepia, eines Mittels, das au 
Vielseitigkeit fast mit dem Schwefel auf einer 
Stufe steht, habe ich zuerst an mir selbst keunen 
gelernt. 

Vor ungefähr neun Jahren hatte ich mir durch 
Gemüthsbewegungen und Uebergang von fast steter 
Bewegung im Freien zu einer mehr sitzenden 
Lebensweise ein sehr quälendes chronisches Magen- 
leiden zugezogen. 

Schmerzhaftei' Druck im Magen. 

Luft- und saures Aufstossen. 


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Sitzen, Gebücktsitzen , Druck der Kleider ver¬ 
schlimmern. 

Besser unmittelbar nach dem Essen, durch Auf¬ 
rechteitzen. 

Bewegung, gymnastische Udmngen, Auf dessen, 
im Freien. 

Da ich mir nicht helfen konnte, wandte ich mich 
an Dr. Runkel) welcher mir Sepia X. anrieth. 

Sepia brachte in der That sofortige Besserang 
and aUfenählige Heilung. Von da an bemühte ich 
mich, dieses Mittel kennen zu lernen und muss ge* 
stehen, dass selten die aufgewandte Mühe besser 
belohnt worden ist. 

von Boenninghausen spricht von der Sepia, die 
unter unseren Polychresten jetzt schon (1860) eine 
so hervonragende Stellung einnimmt, u Hahnemann 
nennt sie ein „Hauptantipsoricum , u Farrington eine 
„Arznei von unschätzbarem Werthe.“ 

Carroll Dunhaxn sagt: „Sepia ist eine unserer 
wichtigsten Arzneien.“ Interessant war mir, aus 
den Vorlesungen von Dunhara zu erfahren, dass 
schon Hippokrate die Sepia hochgehalten hat als 
Mittel für Dysmenorrhöe und weibliche Leiden 
überhaupt. 

Oalen empfiehlt Sepia als Tonicum und Sto- 
maehicum, Marcellus für Nierengries und Sommer¬ 
sprossen, eine merkwürdige Vorahnung, sagt Dun- 
ham, von unseren auf der Basis des Aehnliehkeits- 
gesetzes ruhenden Deducthmen. 

Kunkel schildert die Sepia-Constitution in seiner 
knsppen, treffenden Weise. Individuen mit dunklen 
Haaren; Haut sehr zu Schweres geneigt , besonders 
auf dem Rücken, in der Achsel, zwischen den 
Mamanis, an den Gescldechtstheäen, blassgdbnn 
Gesicht , mit schmutzigen, gelbbraunen Flecken um 
den Mund und auf der Stirn , mit fliegender Geeichte • 
hitze, Neigung zu Newralgieen , Kopfschmerz , be¬ 
sonders Morgens beim Erwachen, oft nach dem 
Aufstehen vergehend , oft mit UebeUceü und Er¬ 
brechen, oder beim Erwachen Schwere des Kopfes, 
Umerquiektsem vom Schlaf 

Die Kopfschmerzen treten seltener täglich) meist 
alle 8—14 Tage auf. Bei den Anfüllen suchen 
sie Ruhe und Stillliegen. Sonst körperliche Un¬ 
ruhe, die sie zwingt, oft vom Stuhle auf zustehen 
und wnherzugeken. Klagen über Steifigkeit beim 
Aufstehen, können nicht in Gang kommen . 

Unerträgiiehkeit warmer Luft im Zimmer u'ie 
im Freien, von nebliger Luft, Nord- und Ostwind , 
sauren und fetten Speisen . 

In den letzten drei bis sechs Tagen vor Ein¬ 
tritt der Menses Leibschmerzen resp. Verschümme- 
Tung aller Symptome. 

Kunkel hebt, wie auch von Boenninghausen, In¬ 
dividuen mit dunklen Haaren als besonders geeignet 
fuv Sepie hervor. Doch wirkt Sepia, wenn indicirt, 


ebenso gut auf blondhaarige Personen, Männer wie 
Frauen, Beleibte wie Magere, Greise wie Kinder. 

Die charakteristische Unruhe bemerkt man oft 
schon in der Sprechstunde; die Kinder sind keine 
Minute ruhig zu halten, selbst den Erwachsenen 
füllt es trotz ihrer Selbstbeherrschung schwer, 
ruhig auf dem Stuhle sitzen zu bleiben. Etwas 
Hin- und Hergehen ist ihnen; Bedürfnis. 

Der Gang ist oft hastig, mehr ein Laufen, als 
ein Gehen zu nennen. Dann, eine charakteristische 
Eigenschaft fast aller Sepiabeschwerden: sie bessern 
sich in der Bewegung, im Gehen, Laufen, Tanzen, 
Turnen, gymnastischen Uebungen. Sepia steht in 
dieser Beziehung, was Besserung insbesondere durch 
schnelle Bewegung, Laufen, Tanzen anbetrifft, fast 
einzig da. Puls, hat Besserung durch langsame 
Bewegung, ebenso Ferrum. 

Rhus verträgt keine Ruhe, muss sich bewegen, 
dagegen verträgt es bei Weitem nicht die An¬ 
strengung in der Bewegung, wie Sepia. Je mehr 
S. und je länger Sepia läuft, desto wohler fühlt 
sich der Patient. Im Anfänge sind manche Be¬ 
schwerden da, sei es Herzklopfen, Magenbe¬ 
schwerden, Kurzluftigkeit, Ischias, die bei längerer 
Bewegung sich verlieren, aber in der Ruhe nach 
der Bewegung sich schlimmer einsteUen. 

Liegen ist verhältnissmässig erträglich. Sitzen 
ist das Schlimmste, besonders Krummsitzen bei 
Magen- und Athmungsbeschwerden. 

Ich heilte mit Sepia Kurzluftigkeit, wie Herz¬ 
klopfen, beides durch Laufen und Tanzen ge¬ 
bessert, Magenbeschwerden, im Laufen und Tanzen 
verschwindend, Schnupfen, durch Tanzen auf län¬ 
gere Zeit vergehend. 

Langes Sitzen überhaupt, den Roden Anderer 
zuhören ist lästig, lange Diners sind unerträglich, 
Goncert- und Theaterbesuch oft unmöglich wegen 
des langen Sitzens, der heissen, schlechten Luft und 
der vielen Menschen. 

Zwingen sich Kinder und Erwachsene zum 
ruhigen Sitzen, so haben sie doch das Bedürfhiss, 
die Beine zu bewegen, an den Haaren zn ziehen, 
mit den Händen an irgend einem Gegenstände zu 
spielen; sie sind schon erleichtert, wenn ein Theil 
des Körpers in Bewegung ist. 

Diese Unruhe grenzt an die pathologische Un¬ 
ruhe des Veitstanzes und in der That hat mir 
Sepia in der Chorea gute Dienste geleitest, ent¬ 
weder im Wechsel mit Stramonium oder zack 
diesem, um den Rest des Leidens zu tilgen. 

In der hiesigen Kaufmanns weit, wo die er¬ 
sehwerten Existenzbedingungen der Neuzeit und 
der Grossstadt Geist und Körper in steter auf¬ 
reibender Spannung halten, finde ich Sepia häufig 
indicirt für das moderne Uebel der Nervosität.“ 

Ein solcher Patient schläft schwer ein, wacht 


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unerquickt auf, isst hastig, geht hastig, arbeitet 
hastig. In der Hast der Geschäfte kommt er nicht 
zum Bewusstsein seiner Beschwerden, die sich in 
der Ruhe wieder melden. Gemüthsbewegungen 
greifen ihn ausserordentlich an. Unthätigkeit ist 
ihm grässlich, die Sonntage sind seine schlimmsten 
Tage. 

Wollte ich die Wirkungssphäre der Sepia er¬ 
schöpfend behandeln, müsste ich das ganze grosse 
Gebiet der Pathologie durchwandern. Die Sepia 
ist auf dem Felde der chronischen Krankheiten 
eine der gewaltigsten Waffen. 

H.: Der Lootse S. aus 0., 42 Jahre alt, klagt 
seit sechs Monaten über Magendruck , schlimmer 
Morgens beim Aufstehen, 
nach dem Kaffee und Abendessen, 
im ruhigen Stehen , 

Sitzen, besonders Gebücktsitzen , 

Fahren in der Pferdebahn, 
besser in Bewegung , durch Geradesitzen und 
Zimmergymnastik, 

Schweiss der Hände , 1 

oft OhnmachtsgefühL 

13. September 1892 Sepia X. fünf Pulver für 
fünf Abende. 

21. Januar 1893. Der Patient hielt damals 
das Wiederkommen für unnöthig, weil die Pulver 
gleich anschlugen. 

Er kommt jetzt aus anderer Veranlassung. 

H.: Den 14jährigen Friedo H. aus F. hatte ich 
seit fünf Wochen in Behandlung wegen Husten und 
Heiserkeit, 

Heiserkeit schlimmer Abends, 

Husten den ganzen Tag mit eitrigem Auswurf. 
Schlaf gut, Träume beim Linksliegen. 

Wenn auch die wiederholte Untersuchung stets | 
ein günstiges Resultat ergab, also die Prognose 
nicht schlecht vu stellen war, hatte die Mutter doch 
grosse Sorge, da der Patient sehr abgemagert war. 

Unter Phosphor X. ging zwar die Besserung 
langsam vorwärts, aber bei der relativ kurzen Dauer | 
des Leidens stellte ich an die richtig gewählte j 
Arznei doch andere Ansprüche. 

Ich suchte nach weiteren Anhaltspunkten und 
konnte am 18. Februar 1893 noch folgende No¬ 
tizen machen: 

Er hat vordem an einer merkwürdigen Beklem¬ 
mung beim Athmen gelitten mit Neigung zum Tief- 
athmen. Diese wurde besser im Freien, in Bewe¬ 
gung, bei der Arbeit, schlimmer in der Ruhe und 
Zimmerwärme. j 

Auch jetzt hat der Patient, trotz rauher Witte¬ 
rung, viel Sehnsucht nach frischer Luft und fühlt ! 
sich draussen am wohlsten . 1 

Daraufhin verordnete ich Sepia X. und die 
Mutter meldete mir, dass das Befinden nach den 


letzten Pulvern ein besonders gutes geworden, dass 
der Knabe wie umgewandelt sei. 

Sepia ist häufig bei Lungenleiden indicirt; 
von Boenninghausen nennt bei Husten im Allge¬ 
meinen Husten mit Auswurf, Husten ohne Auswurf, 
mit blutigem, blutstreifigem, eitrigem, gelbem, grün¬ 
lichem , stinkendem Auswurf, bei Schwindsucht 
überhaupt, die Sepia ganz hervorragend. Dr. Hansen- 
Kopenhagen brachte hierzu klinische Fälle, ohne 
jedoch die nöthige Sepia-Charakteristik dazu zu 
liefern. Kunkel wies die Wirksamkeit in niedriger 
Potenz bei pleuritischen Exsudaten nach. Aber zu 
allen diesen Fällen gehört die von Kunkel scharf 
gezeichnete Constitution der Sepia. 

H.: Ottilie W., vierzehn Monate alt, hat rothen, 
trockenen Ausschlag an der Backe, an und hinter 
dem rechten Ohre, in der linken Ellenbogenbeuge, 
trocknen Schorf am Kopf. 

Kopfschweiss, das Kissen nässend (die Zähne 
kamen leicht). 

Blossliegen, 

Jucken beim Warmwerden im Bett; nach Kratzen 
Feuchten. 

12. October 1891 bis 30. December Sulfur, 
Silicea und Graphit, ohne Einwirkung. 

Das Kind ist ein sehr unruhiges, will keinen 
Augenblick stille sitzen. Sepia 200., zwei Pulver. 

Erst am 3. Mai 1892 sah ich das Kind wieder. 
Nach den letzten Pulvern ist der Ausschlag überall 
verschwunden. 

Seit acht Tagen ist Eiterung des linken Ohres 
und Ausschlag unter dem linken Ohre aufgetreten. 
Sepia X. wöchentlich. 

L T nter dem Gebrauch dieser Pulver verschwand 
Beides, wie mir gelegentlich am 16. Januar 1893 
mitgetheilt wurde. 

In den Rubriken Ausschlag, Flechten, Ge¬ 
schwüre, Jucken, Wundwerden, steht Sepia bei 
von Boenninghausen meist mit in erster Linie. 

H.: Elise E., ein achtjähriges, blondes, roth- 
backiges, gut genährtes Kind, hat seit einem Jahre 
alle zwei bis vier Wochen epileptische Anfälle , mit 
Zuckungen und Bewusstlosigkeit . 

15. März 1893. Lach. X. 

29. März. Das Kind ist empfindlich gegen warme 
Zimmerluft , schlechte Luft , ist des Morgens ver¬ 
schlafen . 

Die Mutter hat an Migräne gelitten. 

Sepia 200. jeden dritten Abend. 

14. April Allgemeinbefinden besser, das Kind 
steht leichter auf des Morgens, klagt nicht mehr 
so oft über Schwindel. Scheinpulver. 

29. April und 30. Mai. In jeder Beziehung 
gutes Befinden, 

kein Anfall mehr seit 29. März. 

Für Ohren laufen nach Masern gab ich in der 


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171 


Zwischenzeit einmal Pulsatilla und sah das Kind 
wieder am 

5. August. Seit März war kein Anfall da¬ 
gewesen, aber jetzt waren die Eltern besorgt, es 
könne ein solcher wieder kommen, weil gewisse 
Anzeichen, Gähnen, Schwindel, Appetitlosigkeit, die 
früher mit den Anfällen verbunden waren, sich be¬ 
merkbar machten. Ich verordnete noch einmal 
Sepia 200. 

Das Taschenbuch nennt bei Fallsucht, ohne Be¬ 
wusstsein, Sepia als besonders mit angezeigt. 

H.: Frl. N., 30 Jahre alt, aus R., hat seit 
Jahren Magendruck 

schlimmer nach dem Essen, 
im Winter, 

vor und bei der Regel , 
besser im Umher arbeiten, 

Appetit wenig, Verlangen nach Saurem , 
zeitweilig Kopfschmerzen. 

22. März 1893 Sepia X. jeden vierten Abend, 
im Ganzen fünf Pulver. 

17. Juli. Während des Einnehmens der Pulver 
besserte sich der Magendruck und blieb gut. 

H.: Frau W., 25 Jahre alt, kommt wegen 
Kurzluftigkeit, die am Schnellgehen hindert, 

schlimmer beim Essen, im Zimmer, in schlechter 


Luft, 


besser beim Rechtsliegen, beim Aufrechtsitzen, 


Uebelriechender Achselscliweiss. 

Morgens oft Kopfschmerz , der nach dem Wa¬ 
schen vergeht. 

1. Februar 1893 Sepia X. wöchentlich ein Pulver. 

24. März im Ganzen besser. Sepia 200. ebenso. 

3. Juli Befinden nicht gut. Auch jetzt hat sie, 
wie früher oft schon, die Beobachtung gemacht, dass 
vieles Sitzen verschlimmert 

Sepia 200. drei Pulver an den nächsten drei 


Abenden. 

29. August besondere Besserung. Scheinpulver. 

Diese besondere Art von Beklemmung, Be¬ 
klommensein, Athemnoth, die von mir nicht selten 
beobachtet wird und bei der die Untersuchung stets 
ein negatives Resultat liefert, macht häufige Reci- 
dive, besonders durch vieles Sitzen, Gemüths- 
bewegungen, bessert sich aber regelmässig wieder 
auf dasselbe Mittel. 

H.: Frau M., 22 Jahre alt, consultirt mich 


wegen Stuhlverstopfung. 

Der Stuhl kommt seit vier Jahren jeden vier¬ 


ten oder fünften Tag. 

Sitzen unbehaglich, besser im Freien. 

Verlangen nach Saurem . 

Schläfrig am Tage. 

Opium X. ohne Erfolg. 

12. September 1892 Sepia X. fünf Pulver, 
jeden Abend ein Pulver. 


8. October. Seit 14 Tagen täglich Stuhl. Schein¬ 
pulver. 

In diesem Falle weiss ich nicht, ob die Besse¬ 
rung Stand gehalten. Das Nichterscheinen der 
Patientin spricht eher dafür, wie dagegen, aber in 
jedem Falle war es eine bemerkenswerthe Ein¬ 
wirkung. 

(Fortsetzung folgt.) 


Aus Hahnemann’s Aufenthalt in Molschleben. 

Molschleben ist ein Dorf im Herzogthum Gotha. 
Dr. Ortleb in Gotha hatte in Erfahrung gebracht, 
dass in jenem Dorfe unser Samuel Hahnemann eine 
Zeit lang verweilte, und in regem Interesse für 
den gefeierten Mann, dessen Fahne er stets hoch 
und in Ehren gehalten, setzte er sich mit dem 
Pastor von Molschleben in Verbindung. Der ent¬ 
gegenkommenden Freundlichkeit dieses Geistlichen 
verdanken wir nun den folgenden, an Herrn 
Dr. Ortleb gerichteten Brief.*) 

Der Inhalt desselben enthält zwar nichts auf 
die Homöopathie Bezügliches, allein immerhin ist 
es interessant, aus dem Privatleben des bedeutenden 
Gelehrten einige Notizen entgegenzunehmen. 

Der Brief lautet also: 

Geehrtester Herr Doctor! 

Um Ihnen die gewünschten Nachrichten über 
Halmemanns hiesigen Aufenthalt geben zu können, 
habe ich mich zunächst an unseren Herrn Bürger¬ 
meister Braun gewandt, welcher ziemlich alles, und 
zwar ganz genau, weiss, was sich in Molschleben 
während der letzten Jahrhunderte begeben hat. 
Derselbe sagte aus, Hahnemann habe im Jahre 1793 
10 Monate lang, vielleicht noch etwas länger, hier 
in dem sogenannten Karstädtschen, d. h. von einer 
Frau Karstadt in Gotha erbauten ganz städtischen 
Hause gewohnt; practicirt habe er hier nicht; ein 
Sohn sei ihm hier geboren worden, denn auf der 
ersten Conscriptionsliste 1813 habe auch Ernst 
Hahnemann gestanden, so viel er aber wisse sei dieser 
Sohn nicht näher zu ermitteln gewesen; ob Hahne¬ 
mann von hier nach Georgenthal oder von Georgen¬ 
thal hierher gezogen sei, wisse er nicht. Im Kirchen¬ 
buch habe ich darauf hin nachgeschlagen und unter 
den Taufnachrichten des Jahres 1794 gefunden; 
den 27. Februar geboren, den 1. März getauft: 
Ernst. V(ater): Chrn. Samuel Hahnemann, der Arznei- 
Gelahrtheit Doktor, M(utter): Fr(au) Johanna Henriette 

*) Frau Dr. O. hatte die Güte, mir denselben zu über¬ 
lassen. Und ich glaube ihn nicht für mich behalten zu 

dürfen. Dr - Goullon. 

22 * 


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172 


Leopoldine, geborne Küchler, Gv. (Gevatter): der 
Vater selbst. Hierbei bemerke ich, dass nach Er¬ 
zählung meines Vaters, der eine Reihe von Jahren 
Pfarrer in Georgenthal war, Hahnemann dort mehrere 
Kinder geboren worden und jedesmal der Vater 
selbst, und zwar in Schlafrock und Pantoffeln, bei 
der Haustaufe Gevatter gestanden hat. Da ich mich 
erinnerte, von einem in den achtziger Jahren 
stehenden Taglöhner gehört zu haben, dass sein Vater 
zu Hahnemann in einer Art dienenden Verhältnisses 
gestanden habe, so habe ich auch diesen — ausser dem 
Herrn Bürgermeister wohl einzigen Traditionsbe- 
wahrer — über Hahnemann ausgefragt, habe aber 
nichts weiter erfahren, als dass sein Vater für Hahne¬ 
mann öfters Briefe nach Gotha getragen, wobei 
Hahnemann die EigenthümJichkeit beobachtet habe: 
wenn er zu ihm gekommen sei, habe der Brief nebst 
Botengeld auf dem Tisch m der Stube gelegen, 
Hahnemann habe aber jedesmal die Bedingung ge¬ 
stellt, dass er, der Bote, binnen 3 Stunden wieder 
zurück sein müsse. 

Ferner hat dieser Bote öfters von der greulichen 
Unordnung in Hahnemanns Stube berichtet: Kleider 
und Geld habe in buntem Gemisch auf der Erde 
umhergelegen; ob nach Trinkgelagen oder in Folge ! 
gelehrter Zerstreutheit, das schien dem Sohn des 
Boten zweifelhaft {gewesen zu sein). Der Sohn des 
Boten meinte, von seinem Vater vernommen zu 
haben, dass Hahnemann von hier nach Sonders¬ 
hausen oder doch in die dortige Gegend gewandert 
sei; doch war er seiner Erinnerung nicht gewiss. 

Dass Sie möglicherweise in Georgenthal durch 
ganz alte Leute, vielleicht auch in Gotha durch 
den seit kurzem dort wohnenden alten Georgen- 
thäler, Herrn Steuerrath Heimberger, Interessantes 
über Hahnemanns Aufenthalt in Georgenthal er¬ 
fahren können, glaube ich doch, Ihnen mittheilen 
zu müssen. Mit den Angaben über die Molsch¬ 
iebener Episode im Leben Hahnemanns nehmen Sie 
fürlieb! 

Molschleben, 15. October 1877. 

Ergebenst grüssend 

H. Gothardt, Pf. 


Die nordamerikaniechen homöopathischen 
Colleges und Spitäler. 

Der im Verlage von Boericke & Tafel in Phila¬ 
delphia erschienenen „Homoeopathic Bibliography 
of the United States“ von Dr. Thomas Lindsley 
Bradford entnehmen wir folgende Mittheilungen 
über die in den Vereinigten Staaten bestehenden 


homöopathischen Colleges und Spitäler, und zwar 
nach dem Stande Ende des Jahres 1891. 

Die erste Academie dieser Art war die von 
Constantin Hering gegründete „North American 
Aeademy of the Homoeopathic Healing Art“ in 
Allentown Pa. Dieselbe wurde am 10. April 1835 
eröffnet und bestand bis zum Jahre 1842. An 
ihrer Stelle esistiron z. Z. in Pennsylvanien folgende 
Colleges: 

1. Das „ Hahnemann Medical College of Phila¬ 
delphia Pa.“ (North Broad Street Nr. 221/32), aus 
der Vereinigung mit dem „Homoeopathic College 
of Pennsylvania“ im Jahre 1869 hervorgegangen; 
mit dreijährigen medicinischen Cursen. Der Eigen¬ 
thum sw erth dieses Instituts beträgt 782000 Doll. 

2. ,, Philadelphia Port-Graduate School of Ho¬ 
moeopathic“ (Ridge Avenue Nr. 1317), gegründet 
13. December 1890. 

Zwei in den Jahren 1853/54 gegründete Aca- 
demieen in Pennsylvanien („Independent Medical 
School“ und „Penn. Medical University“) sind ein¬ 
gegangen. 

In Califotrnien besteht seit 1881: 

3. Das „ Hahnemann Hospital College of San 
Francisco“ (Haight Street Nr. 115), mit dreijährigen 
medicinischen Cursen. 

In Illinois ist die älteste homöopathische Acar 
demie das im Jahre 1851 gegründetem 

4. „ Hahnemann Medical College and Hospital 
of Chicago“ (Cottage Grove Avenue 283/89), mit 
vierjährigen medicinischen Cursen. 

5. 1} The Chicago Homoeopathic Medical College“ 
(Wood and York Street), gegründet 1876, mit vier¬ 
jährigen medicinischen Cursen. 

6. „l'he German American Homoeopathic Medical 
College of Chicago“ (Noble Street 512/14), eröffnet 
1891, mit vierjährigen medicinischen Cursen. (Ueber 
dieses Institut gab das Deutsche Consulat auf An¬ 
fragen von Deutschland her ganz merkwürdige 
Mittheilungen.) 

7. „ National Homoeopathic College“ in Chicago 
(North Halstead Street Nr. 541), eröffnet im Sep¬ 
tember 1891. 

8. In Jowa ist für die Homöopathie eine ba- 
sondere Abtheilung an der Staats-Universität zu 
Jowa City eingerichtet worden, und zwar im Jahre 
1877, mit dreijährigen medicinischen Cursen. 

In Maryland wurde am 1. October 189 1 er¬ 
öffnet: 

9. Das ,, Southern Homoeopathic Medical College 
and Hospital of Baltimore“ (Old Calvers Hall) mit 
dreijährigen Cursen. 

In Massachusetts besteht seit 1873: 

10. „ Boston University School cf Medüdne“ 
(Elast Concord Street), mit dreijährigen Cursen. 

In Michigan bestanden früher drei -Colleges fi** 


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Homöopathie. Jetzt ist seit 1875 die Homöopathie 
unter der Bezeichnung 

11. „ Homoeopatkic Medical College of the Uni - 
vereky of Michigan “ an der Staats-Universität in 
Asm Arbor vertreten. Dieselben Verhältnisse findet 
man in Minnesota, wo an der Staats-Universität in 
Minrwapolie die homöopathische Abtheilong die Be¬ 
zeichnung 

12. „The College of Homoeopathic, Medicine and 
Surgery“ führt. Dreijährige Gurse. Das früher 
dort vorhandene Prrvat-Institat , Minnesota Homoeo- 
pathic Medical College 44 kt seit 1888 eingegangen. 

In Missouri finden wir : 

13. „ The Homoeopathic Medical College of 
Missouri 1 “ in St Louis, eröffnet im Jahre 1868, mit 
dreijährigen Cursen. 

14. „The Homoeopatkic Medical Gollege u in 
Kansas City (West Seventh Street 504—6), er- 
öffnet 1868. 

Es bestanden in Missouri früher noch weitere 
acht homöopathische Colleges, darunter zwei für 
Frauen, welche nach Eröffnung des unter Nr. 18 ge¬ 
nannten Instituts allmähiig eingingen. 

In Nebraska ist eine besondere homöopathische 
Abtheüung bei der Staats-Universität; doch haben 
die Leiter derselben seit 1866 nichts publicirt. 

Im Staate New-York finden wir: 

15. „The New-York Homoeopatkic Medical - 
College gegründet 1860, welches sich Beit dem 
Januar 1800 Eastara Boulevard, 63/64 Streets, be¬ 
findet, mit dreijährigen Cursen. 

16. „The New York Medical College and Ho¬ 
spital for Women,“ Lexington Avenue 301, ge¬ 
gründet 1863, mit dreijährigen Cursen. 

In Ohio bestehen: 

17. „ The Cleveland Homoeopatkic Hospital 
College zu Cleveland, hervorgegangen aus der 
Vereinigungdes 1849 gegründeten „WesternCollege* 4 
und des 1868 eröffneten „Cleveland Homoeopathic 
College and Hospital for Women“, mit dreijährigen 
Cursen. 

18. „The Cleveland Medical College,“ eröffnet 
1890 in der Prospect Street Nr. 93. 

19. „ Palte Medical College of Cincinnati,“ er¬ 
öffnet 1872, mit dreijährigen Cursen. 

Die vorgenannten Colleges sind eingetragen 
(incorporated), also staatlich anerkannt, und die von 
ihnen ausgestellten Diplome, welche nur nach drei- 
bk vierjährigen Studien und einer Schlnsaprüfung 
ertheilt werden, sind in den Vereinigten Staaten 
gütig. Wenige Staaten im wilden Westen ausge¬ 
nommen, wird jetzt in den Vereinigten Staaten 
schon seit mehreren Jahren entweder das Diplom 
einer anerkannten medioinischen Schule oder eine 
eingehendere Prüfung vor einer besondern Prüfungs- 
Commksion des betreffenden Staates gefordert. 


Dr. Bradford referirt darüber in einem Capitel 
„Medical Legislation 14 des Näheren. Mit Ausnahme 
von Alabama, Süd-Carolina, Georgia, Kentucky und 
West-Virginia befinden sich in den Prüfungs-Com¬ 
missionen homöopathische Aerzte; in einzelnen 
Staaten bestehen sogar besondere Prüfungs- Com¬ 
missionen für Allopathen, Homöopathen und Eklek¬ 
tiker. Die Bewegung, welche die frühere Freiheit 
auf medicinisch-therapeutkchem Gebiete beschränkte, 
begann in den Ost-Staaten in den achtziger Jahren; 
doch wurde eine strengere Medicinal-Gesetzgebung 
erst in den letzten drei Jahren eingeführt. Die¬ 
selbe richtete sich auch gegen das dreijährige 
Studium. Einzelne Staaten fordern ein vierjähriges 
Studium, sodass ein diplomirter Arzt noch eine 
„Post Graduate School 44 besuchen muss, um zur 
Praxis zugelassen zu werden. Uebertretungsfälle 
werden mit Geldbusse von 10—25—50—100—200, 
ja sogar in einzelnen Staaten von 1000 Dollars ge¬ 
ahndet. Mit Einführung dieser Gesetze wurde eine 
Uebergangs-Periode für Jene geschaffen, welche 
praoticirt hatten, ohne im Besitz eines legalen 
Diploms zu sein. Gewöhnlich genügte ein Zeitraum 
von 10 Jahren Praxis für Letztere, um ihnen die 
Licenz zu gewähren; in Pennsylvanien 20 Jahre. 
Mag es auch im Allgemeinen jenseits des Oceans 
nicht so schwer sein, in Besitz eines Certificats als 
Arzt zu gelangen, wie in den europäischen Oultur- 
ländera, und zwar schon deshalb, weil dort nicht 
die Vorbildung gefordert wird, wie hier, um iri ein 
medicinisches College einzutreten, so gewähren die 
dort neuerdings geschaffenen Gesetze doch immer¬ 
hin einige Garantie für das Publicum, die in Deutsch¬ 
land fehlen. 

Nach Bradford exktiren folgende homöopathi¬ 
sche Spitäler und Asyle, wobei wir der Kürze 
halber das Gründungsjahr in Klammern angeben, 
während die am Schlüsse befindliche Zahl die der 
darin vorhandenen Betten bedeutet: 


A. California. 

San Francisco: Bahnemann Hospital, Page 
Street 312, (1887), 8. — Surgical and Gynaeco- 
logic&l Instituts (1872). — California Besoue Mission.; 
(Magdalenenstift, mit hom. Behandlung seit 1870). 

San Diego: Hospital of the good Samaritan 
(1889), 10. 

Los Angeles: State Reform School Hospital 
(1891), 10. — Los Angeles Sanitarhim (1889). 

Oakland: Homoeopathic Hospital and Dkpensary 
Association („Fabiola Hospital 44 1888), 42. — Calh 
fomia Deaf and Dumb Asylum (1886). 

Santa Barbara: Cottage Hospital (1891). 

Fruitvale: Alameda County, Poulson’s Homoeo¬ 
pathic Hospital and Water Cure (1891). 

Vaüegio: Home for Feeble-Minded Chüdren, 


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and the Institution for tbe Deaf, Dumb and Blind, 
(1884, homöop. Behandlung* seit 1888), 25. 

Sacramento City: Protestant Orplian Asylum, 
(1868, hom. Behandlung seit 1870). 

B. Connecticut. 

Noncich: Sheltering Arms (1878), 10. 

Netc-Haven: GraccHomoeopathicHospital (1889). 

Slamford: Home for Mental and Nervous Di¬ 
seases (1892). — Home for Inebriates and Opium 
Eaters, (1873), 10. 

C. Delaware. 

Delaware: Homoeopathic Hospital, (1889), 38, 


Lesefrllchte. 

Essig als Gegengift von Carbolsäure. 

Der homöopathische Arzt Dr. Carleton in New- 
York hatte sich bei einem chemischen Versuch 
mit Carbolsäure 60 Gramm dieser Säure über die 
Hände gegossen. Ein sofort angebrachter Strahl 
Wassers änderte nichts. Die Haut blieb weiss, 
anästhetisch, soweit die Säure eingewirkt hatte. Es 
that vorläufig weiter nichts, da ihm kein Antidotum 
bekannt war. Der Geruch der Carbolsäure war ihm 
aber sehr zuwider, und da sich in der Küche 
Essig-Cider (Weinessig) befand, so kam er auf den 
Gedanken, mit dem Geruch des Essigs den Carbol- 
geruch zu vertreiben. Der Essig that aber noch 
mehr: die weisse Entfärbung fing an zu vergehen 
und unter reichlichem Fortgebrauch dieses Mittels 
zeigte nach wenigen Minuten die Haut ihre natür¬ 
liche Farbe und normale Function. Diese Wirkung I 
des Essigs ist später von andern Collegen bestätigt ■ 
worden, ja der Essig hat sich, innerlich gebraucht, 
als ein schätzbares Mittel bei Carbolsäure-Vergif¬ 
tungen bewährt. So berichtet Dr. Spencer Kinney, 
Irrenarzt in Middletown, New-York, folgenden Fall: 
Er ward im August 1893 zu einem Manne gerufen, 
der etwas Carbolsäure verschluckt hatte. Lippen, 
Mund und Zunge, soweit die Säure sie berührt 
hatte, waren weiss belegt, und war starker Geruch 
nach Carbol zu bemerken. Patient erhielt sofort 
ein halbes Glas Essig, zu gleichen Theilen mit 
Wasser gemischt, und nach einigen Minuten eine 
gleiche Dosis. Danach trank er noch etwas Milch. 
Der Geruch und die weisse Entfärbung war bald 
beim Trinken des Essigwassers verschwunden, und 
als sodann die Magenpumpe angewandt wurde, 
konnte man bei der mit ihr aus dem Magen her¬ 
ausgehobenen Flüssigkeit keinen Geruch mehr wahr¬ 
nehmen. Nachdem der Magen sorgfältig ausge- | 


waschen war, ward Patient mehrere Tage mit Milch 
ernährt; weitere Symptome traten nicht ein. 
Dr. Kinney, der durch die erste Veröffentlichung von 
Dr. Carleton in dem Homoeopathic Recorder, Mai 1887, 
auf diese Wirkung des Essigs aufmerksam ge¬ 
worden war, hat, wie er schreibt, seitdem Gelegen¬ 
heit gefunden, davon in mehreren Fällen Gebrauch 
zu machen; er hat das Mittel immer als wirksam 
erprobt. In keinem Fall, wo der Essig innerhalb 
einiger Minuten nach geschehener Vergiftung an¬ 
gewandt worden ist, hat sich eine Eschara gebildet. 

Dr. Carleton steht nicht an, auszusprechen, dass 
der Weinessig das Antidotum zu Carbolsäure sei. 
Ref. meint, dass diese Frage noch nicht vollgültig 
entschieden sei in Bezug auf die innerliche Vergif¬ 
tung mit Carbolsäure; die Wirkung des'Essig auf die 
Haut und Schleimhaut ist unzweifelhaft Jedenfalls 
wird man das Gift so schnell als möglich aus dem 
Magen zu entfernen suchen. Dann wird das Mittel, 
wie auch bei den Vergiftungen mit Narcoticis 
(Opium, Belladonna, Hyoscyamus, Stramonium) 
wohlthätig wirken können. Seine belebende Wirkung 
bei Asphyxie durch Kohlendunst, Aicohol, wo er 
freilich meist in Klystieren beigebracht worden ist, 
ist, mit den hier beigebrachten Beobachtungen, 
dazu angethan, es jedenfalls bei Carboivergiftungen 
wohl zu beachten. — Der üble Einfluss, den die 
Spaltung der ärztlichen Welt und zwei, oft so un¬ 
wissenschaftlich gegeneinanderstehende Schulen auf 
den Fortschritt der Gesammtmedicin macht, zeigt 
sich bei dieser Gelegenheit wieder recht deutlich. 
Dr. Carleton und Dr. Kinney haben beide ihre 
Beobachtungen in homöopathischen Fachblättern ver¬ 
öffentlicht, und so sind sie den allopathischen Aerzten 
kaum bekannt geworden. Sonst hätte man von 
Seiten der letzteren, die mit Carbolsäure viel zu 
thun haben (wenn auch nicht mehr in dem Maasse, 
als vor Jahren), und deren Vergiftungen mit diesem 
viel zu leicht in die Hände des Publikums kom¬ 
menden Mittel nicht gar zu selten Vorkommen, wohl 
schon eine grössere Anzahl von Versuchen mit dem 
Weinessig als Antidotum gegen Carbolsäure Vergif¬ 
tungen angestellt und publicirt. 


Symptome bei Wandernieren. 

Dr. Mathieu in Paris fand bei einer Reihe von 
Untersuchungen, dass Schwangerschaft einen ent¬ 
schiedenen Einfluss auf die Entstehung der Wan¬ 
derniere ausübt; von 104 Nulliparae kam diese 
Affection nur im Verhältniss von 11,54 per Cent, 
bei 134 Uniparae oder Multiparae dagegen an 
33,8 p. C. vor. Gastrointestinale Störungen, meist 
leichter Art, sind bei 100 Frauen mit beweglicher 
Niere 68—69 Mal beobachtet worden. Eine be- 


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reite bestehende Neigung zur Dyspepsie wird durch 
diese* AfFection vermehrt. Es können sich Magen¬ 
schmerz, wiederholtes Erbrechen, gastrische Krisen, 
Zufälle, wie sie bei Tabes Vorkommen, hier eintreten; 
die Yerdauungsthätigkeit ist fast immer mehr oder 
weniger gestört. Hierzu gesellt sich oft Neura¬ 
sthenie^ mit vorherrschenden neuralgischen Unter¬ 
leibsschmerzen. Horizontale Lage oder Bauchbinde 


wirken erleichternd. — Verf. meint, dass oft chirur¬ 
gisches Eingreifen sich nothwendig erweise. Ref. 
dagegen hat, wie auch andere homöopathische Aerzte, 
von dem indicirten homöopathischen Mittel gegen 
die begleitenden Erscheinungen der Wanderniere 
nicht nur, sondern gegen das scheinbar rein örtliche 
Leiden selbst Hülfe beobachtet. 

(La France mödicale 1893. 50.) 


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mit den Anschauungen hervorragender Professoren 
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nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Br. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur- 
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntniss und Gründlichkeit der 

Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und 

wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der ,,Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Frmnd zu 
nennen, dem wir auch in seiner nenen Gestalt unsere volle 
Sympathie entgegenbringen.“ 

Bei der letethin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde 
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
Kinder.Verbrennungen, Blutungen, HämorrhoidaLLeiden etc., 
die treulichsten Dienste leastet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, welche Bich leider bei uns ein¬ 
zubürgern scheint nnd nicht mit Unrecht als ein änsserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäes mit g rösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Hiealmittel werden in vielen Füllen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besondere« Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er beherzigenswerte Winke giebt. 

Der r Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche, 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, Anden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬ 
grösstem Werthe nnd sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein angemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die nene Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben v ose eben ist, wird den Freunden des 
».Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als tssuer Bathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig, im April 1894. 


A. Marggrafs Homöep&tfciseto Qtfioia 


Im Vorlage von A. MavggreTü 
Offloin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslebre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanit&tsrath Dr. med. FanlWBMtr, Bernbürg a. S. 

Gebunden 20 Mark. 

Dieses nene Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, ÄitteMiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren» 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte engiisoher Zunge 
kannten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrmgfton sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre : Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, Bondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen w (Differen- 
zielle Mitteidiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz- 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so ffiidbt in den Qro89-Bermg > - 
schen Arznoidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
scheidennacb allenSeitendes betreffenden!!! ttels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 
i Dasselbe ist von Dr. C. Henna unter Beihülfe von Dr. 

Koch , Dr. Morgan , Dr. Wessdköft etc. wesentlich vermehrt 
j und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut- 
! sehen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
| vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
i für die deutsche Ansgabe so billig gestellt, dhss nur die 
> Hoffnung aafAnechafifang diesen Buches seihona aller horaöo- 
1 pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht nnhedeuten- 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen, 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ansgiefarg benutzt und 
| sind dessen Andeutungen ausgefiihrt, sowie dessen Körper- 
| seiten und Verwandtschaften, aodaas ee dasselbe in gewisser 
| Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Dmok von Julius Mäeer in Leipzig. 


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Band 128, 


Leipzig, den 7. Juni 1894, 


No. 23 u. 24 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 


Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und "Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offtein) in Leipzig. 



Vorläufige Einladung 

zu der am 9. und 10. August zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung 
des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands. 

Die Mitglieder des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands werden hierdurch zu der am 
9. und 10. August a. c. zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung eingeladen mit dem ergeben¬ 
sten Ersuchen, alle etwa beabsichtigten Anträge bis zum 1. Juli a. c. an das Unterzeichnete Leipziger 
Directorialmitgliedr gelangen zu lassen, damit dieselben in der den Mitgliedern statutenmässig vier 
Wochen vor der Versammlung zuzusendenden Einladung Aufnahme finden können, andernfalls würden 
sie nicht zur Discussion gestellt werden können. 

Ausserdem wäre es sehr erwünscht, dass die mit ihren Jahresbeiträgen noch im Rückstände 
befindlichen Mitglieder dieselben baldigst an den Kassirer, Herrn Apotheker Steinmetz (A. Marggrafs 
homöopathische Officin), Leipzig, einschickten, da einem früheren Beschlüsse gemäss die Rechnungs¬ 
abschlüsse bei der Einladung an die Mitglieder mit veröffentlicht werden sollen. 

Die Einzelheiten für die Versammlung werden später mitgetheilt werden. 

Leipzig, im Juni 1894. I. A.: 

Dr. med. A. Lorbacher. 


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II. Bericht der ArzneiprUfungsgesellschaft. 

Prüfung von Primula veris o&ficinalis. 

Referent Dr. Schier, Mainz. 

Entsprechend dem Wunsche einiger Mitglieder 
der Prüfungsgesellschaft, eine zur Zeit der Prüfung 
blühende und mehr bekannte Pflanze zum II. Ver- 
suchsmittel zu wählen, wurde die Essenz des obigen 
Mittels hierzu bestimmt; dieselbe stammt aus der 
Officin des Herrn Verlegers dieser Zeitung und ist 
hergestellt aus der ganzen frischen blühenden 
Pflanze incl. der Wurzel, welch letztere, nach den 
Berichten der Alten zu urtheilen, in ihrer arznei¬ 
lichen Wirkung von den übrigen Pflanzentheilen 
etwas differirt, so dass eventuell später eine geson¬ 
derte Nachprüfung der oberirdischen Pflanzentheile 
einerseits und der Wurzel andererseits am Platze 
wäre. Für uns erschien zunächst die Prüfung der 
officinelien homöopathischen Essenz angezeigt. 

Die wohl allbekannte Pflanze ist die Haupt¬ 
vertreterin der Familie der Primulaceen, zu welcher 
von unseren bisher bekannten Arzneipflanzen auch 
das Alpenveilchen, Cyclamen europaeum, gehört, 
sie wird 10 — 25 cm hoch, gedeiht vorzugsweise 
auf Hügeln, trockenen Wiesen und an Waldrändern 
und blüht, worauf wohl schon der Name hinweist, 
sehr zeitig im Frühjahr mit dottergelber Krone. 
Sie ist durchaus ungiftig im vulgären Sinne, und ich 
weiss mich noch aus meiner frühesten Jugend sehr 
wohl zu erinnern, dass ich die wohlriechenden, stark 
nach Honig schmeckenden Blüthen in keineswegs 
minimalen Quantitäten ohne Nachtheil zu mir nahm. 
Dass die Prüfung eines solchen wenig differenten 
Mittels viel mehr Aufmerksamkeit und Reactions- 
föhigkeit erfordert, also schwieriger ist als die einer 
Giftpflanze, liegt auf der Hand; es findet sich auch, 
wie Herr College Lorbacher mir mitzutheilen die 
Güte hatte, in den von Stapf herausgegebenen 
kleinen Schriften Hahnemanns die Bemerkung, dass 
die Primula eine unwirksame Pflanze sei. Freilich, 
Alles konnte ja Hahncmann auch nicht wissen, und 
er mochte, wenn er die Pflanze mit einer vielleicht 
geringen Zahl von schwer reagirenden Personen 
prüfte, sehr wohl ein negatives Resultat erhalten. 
Jedenfalls ist sie im Volke als heilsam bekannt und 
gehört auch zu den Kräutern, welche Herr College 
Schlegel als Volksheilmittel gegen Schlagflussläh¬ 
mungen in der Zeitschrift des „Berliner Vereins 
homöopathischer Aerzte“, Bd. XII, S. 220, aufzählt. 
Eine Reihe sehr werthvoller Notizen hat mir Herr 
College Mossa freundlichst zur Verfügung gestellt. 
Er schreibt mir am 3. März a. c.: „Vielleicht stecken 
in diesem Himmelsschlüsselchen wirklich grosse 
Kräfte, die das Yolk seit lange geahnt hat. So 
ganz umsonst wird die Wurzel doch nicht radix 
arthritica s. paralyseos heissen. In Altschul’s Real- 


I lexikon finden Sie ein wenig von der Vorgeschichte 
1 des Mittels, ^u der ich aus Strumpfs Systematischem 
Handbuch einen wahren thesaurus materiae medicae 
eine Ergänzung hinzufüge. Die wohlriechenden, citro- 
' nengelben Blumen der Primula officinalis, Schlüssel¬ 
blume, Himmelsschlüssel, Petersschlüssel, Giclit- 
baum, Wollkraut, ehemals Flores Paralyseos offi¬ 
cinalis, werden noch immer vom Volke geschätzt; 
indess besitzt die Wurzel, radix paralyseos s. para- 
disea, grössere Wirksamkeit. Sie riecht scharf ge- 
würzig, im frischen Zustande fast fenchel-knoblauch¬ 
artig, getrocknet mehr anisartig, schmeckt etwas 
i scharf, bitterlich. Hühnefeld und Saladin fanden 
| darin als vorwaltende Bestandteile: Ein gelbes 
! halbfestes Oel, Stearopten, Kratzstoff, Primulin, 

| Pectinsäure nebst apfelsaurem Kalk. Primulin kry- 
j stallisirt in kaum durchsichtigen farblosen Nadeln 
oder metallglänzenden Körnern, ist geruch- und ge¬ 
schmacklos, in Wasser und noch leichter in wasser¬ 
haltigem Alcohol (aber nicht in absolutem Wein¬ 
geist und Aether) löslich, schmilzt, verflöchtet sich 
bei hoher Temperatur. Nach Folchi’s Versuchen 
(Geigers Magazin XXXIV, 147) wirkt der kratzende, 
brennende Stoff (ähnlich dem Saponin und Senegin) 
ätzend zuerst auf die Schleimhaut des Magens, so¬ 
dann auf jene der Luftwege, auflösend bei chro¬ 
nischen Phlegmasieen der Lungenschleimhaut. Das 
Pulver erzeugt auf der Nasenschleimhaut Niesen 
und zeigt sich im Aufguss heilsam bei catarrhalischen 
Beschwerden. Boerhave und Linne rühmen ausser¬ 
dem ihre schmerzstillenden (daher bei Zahnschmerzelf) 
und schlafmachenden Kräfte, Chomel die krampf¬ 
widrigen und beruhigenden bei hysterischen Zu¬ 
fällen, schwierigem Menstruationseintritt, halb¬ 
seitigem Kopfweh, Schwindel. Der angeblichen 
Heilkraft bei Gicht und Paralysen verdankt sie den 
Namen radix arthritica s. paralyseos. Die von 
Unger gerühmte Heilsamkeit bei crusta lactea scheint 
nur auf bestimmte Fälle beschränkt. Das schwächere 
Kraut wurde, wie auch die Blumen, in denselben 
Krankheitszuständen besonders von Matthiolus ge¬ 
braucht, bei nervösem Kopfweh als Aufguss oder 
der ausgepresste Saft äusserlicb. Die Blätter wer¬ 
den überdies im Salat gegessen, namentlich bei Skor¬ 
but, die Blume im Aufguss mit Honig, oder mit 
Zucker und Hefe zur Darstellung eines eigenthüm- 
lichen Getränks (in England cowslip wine) verwendet.“ 
Dem „ausführlichen Kräuterbuch des Albertus 
Magnus“ (Reutlingen, Ensslin und Laiblin) ent¬ 
nehme ich folgenden einschlägigen Passus; S. 61 
1. c.: „Die Wurzel riecht frisch anisartig, wird zer¬ 
rieben als Niesemittel, Blätter und Blüthen gegeu 
, nervige Schwäche, Zittern der Glieder, Schwindel, 
Lähmungen, bei Nieren- und Hamblasenkrankheiten, 

! äusserlich bei Migräne, Gelenkschmerzen und 
Wunden angewendet, indem man sie in Wasser 


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179 


siedet und die betreffenden Theile darin badet oder 
wäscht und daneben Thee von den Blumen, 15 bis 
30 Gr. auf ein Paar Tassen, trinkt; letzterer ist 
ferner sehr schweisstreibend. Das Kraut sammt 
den Blumen aufgelegt stillt podagraische Schmerzen, 
zerstossen und als Pflaster heilt alle Wunden und 
vertheilt Geschwülsten. Runzeln, mit dem Saft der 
Blumen bestrichen, vertreibt dieselben.“ 

In Habnemanns Apothekerlexikon endlich finde 
ich (Bd. III, S. 243) nachstehende Daten über unsere 
Pflanze: „Erst in neueren Zeiten hat man diese 
Pflanze, die man ehedem mit der Primula elatior 
zusammen für eine Species hielt, richtig als eine 
besondere Art von letzterer unterschieden, welche 
nicht offlcinell ist. Diese, die Primula elatior, ist 
in allen Theilen grösser; von den bl&ssergelben 
Blumen mit flacher Mündung sind bloss die äusseren 
niederhängend, die Blumendecke ist enger und 
kürzer, und die Wurzel ist geruchslos. Zum Unter¬ 
schiede nennt man sie daher primula veris in der 
Londoner Pharmokopoe, indess der unserigen der 
Name Paralysis bleibt. Die wohlriechenden, bitter¬ 
lich schmeckenden Blumenkronen (flores paralyseos) 
hielt man ehedem für schmerzstillend und schlaf¬ 
bringend. Ebenso das ebenfalls nicht geruchlose 
Kraut (b. b. cum flor. paralyseos), dem man, vorzüg¬ 
lich als ausgepresstem Safte, doch auch als Absud, 
Kräfte in hartnäckigem Kopfweh, in Hysterie und 
Schwindel bleichsüchtiger Personen, ja selbst in 
Örtlicher Lähmung der Zunge und dem Stottern, 
auch wohl im Halbschlage, zugetraut hat, vermuth- 
lich allzu leichtgläubig. Die nach Anis riechende 
und zusammenziehend schmeckende Wurzel (radix 
paralyseos) erregt in Pulver Niesen und soll, wenn 
damit infundirter Essig in die Nase gezogen wird, 
ein hülfreiches Stillungsmittel der Zahnschmerzen 
sein. Die Alten empfahlen sie auch im Schwindel, 
gegen Spulwürmer, in Fiebern, im Nierengries und 
den Darmbrüchen; Empfehlungen, die schärferer 
Prüfung bedürfen.“ 

In den nunmehr folgenden Protokollberichten 
sind die Personalien derjenigen Prüfungsmitglieder, 
welche in dem Referate über die Vincaprüfung 
schon enthalten sind, nicht wiederholt. 

I. Frau Dr. Schier in Mainz. Nimmt am 5. Febr. 
Vorm. 10 1 i 2 Uhr 5 Tropfen der Essenz in einem 
Esslöffel Wasser, wie gewöhnlich: Geschmack er¬ 
innert an dürre Zwetschen. Abends zwischen 5 
und 6 Uhr Gefühl, als ob der linke Fuss geschwollen 
sei, Reissen und Ziehen in demselben. 

Am 7. Febr. Vorm. 10 Ä / 4 Uhr 5 Tropfen: Nach¬ 
mittags zwischen 3 und 4 Uhr ängstliches Gefühl, 
innere Hitze im ganzen Körper und Trieb, in 
einem kühleren Zimmer sich aufzuhalten resp. kalt 
zti baden — bei 14°R. Zimmertemperatur. Abends 


beim Zubettgehen Jucken in beiden Handflächen, 
zum Kratzen zwingend, bis zum Einschlafen dauernd. 

Am 8. Febr. Vorm. Brennen und Stechen in 
der Luftröhre mit Husten. 

Am 9. Febr. Vorm. 10 1 / 9 Uhr 10 Tropfen: 
10 8 / 4 Uhr klopfendes Kopfweh in beiden Schläfen, 
anhaltend bis 12 x j t Uhr bez. zum Mittagessen, ge¬ 
lindert durch Druck mit den Händen. Bemerkens¬ 
werth ist, dass die Prüferin auch sonst zuweilen an 
Kopfschmerzen ähnlicher Art leidet, die aber stets 
Morgens beginnen und vor Abend nie aufhören. 
Nachmittags 5 Uhr Reissen im linken Unter- und 
Oberschenkel, */ 4 Stunde lang. Am 10. Febr. Vorm. 
8—10 Uhr Spannen der Stirnhaut. 

Am 11. Febr. Nachm. 4 Uhr 10 Tropfen: Weeen 
eines Luftröbrencatarrhs 'sind Symptome in den 
nächsten Tagen nicht definirbar. 

Am 21. Febr. Vorm. 11 Uhr 20 Tropfen: Nach¬ 
mittags 2 Uhr plötzlicher, drückender Schmerz im 
Hinterkopf und über der Stirn, bei Kopfbewegung 
verschlimmert; lässt um 8 Uhr nach, verschlimmert 
sich wieder um 4 Uhr mit reissenden und stechen¬ 
den Schmerzen in Augenhöhlen und Schläfen, nach 
5 Uhr allmählich schwächer werdend. Deutlicher 
Geruch des Harns nach Veilchen , ebenso am 
22. Febr. Am 23. Febr. Nachmittags 7 — 8 Uhr 
Brennen auf der Kopfhaut rechts über der Schläfe 
an einer thalergrossen Stelle, desgleichen um 7 1 / 9 Uhr 
am Hinterkopfe hinter dem rechten Ohre. 

Am 27. Febr. Vorm. 9 1 /* Uhr 30 Tropfen: Von 
10*/ 2 Uhr ab vier Mal dünner Stuhlgang — gegen 
sonst ein Mal — bis Abends mit Uebelkeit, ohne 
Schmerzen. 11 Uhr Vorm, kalte Hände und Füsse, 
heisser Kopf mit dunkelrothen, umschriebenen fünf¬ 
markstückgrossen Flecken auf beiden Wangen; 
pochender, hämmernder Kopfschmerz in der rechten 
Schläfe mit dem Gefühl, als ob sie ohnmächtig 
würde und rücklings niederstürzen sollte, letzteres 
etwa 10 Minuten dauernd, die übrigen Symptome 
bis 2 Uhr Nachm, anhaltend. Am 28. Febr. Urin 
grünlich, trübe; Urin vom 1. März schwach nach 
Veilchen riechend. 

Am 2. März Vorm. 9 J /* Uhr 50 Tropfen in zwei 
Esslöffeln Wasser: Nachm. 1 Uhr Kopfschmerz 
drückend vorn über der Stirn, hämmernd und 
klopfend in beiden Schläfen, später auch im Hinter¬ 
kopf, mit umschriebener Wangenröthe, allmählich 
sich steigernd, zwischen 4 und 5 Uhr am inten¬ 
sivsten, durch Bücken und Bewegung verschlimmert; 
beim Bücken Gefühl, .als ob das Gehirn schwanke 
und austreten wolle. Spannen der Stirnhaut, welche 
auch objectiv gespannter und glatter wie gewöhn¬ 
lich aussieht und sich anfühlt. Zur Erleichterung 
der Kopfschmerzen macht sie einen Ausgang in 
die freie Luft, der auch die erwartete Linderung 
brachte; bei der Rückkehr nach Hause trat jedoch 

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wieder eine Verschlimmerung ein, erst nach dem 
Abendessen, gegen 8 Uhr, verschwanden die Schmer¬ 
zen völlig. Auffallend ist die trotz der heftigen 
Schmerzen vorhandene heitere Gemüthsstimmung. 
Beim Singen spät Abends ist die Stimme aus¬ 
nehmend rein, die hohen Töne sind viel leichter 
erreichbar; mit derselben Leichtigkeit, mit der sonst 
das zweigestrichene f erreicht wird, kann sie das 
zweigestrichene a singen. Abends 9 Uhr starkes 
Jucken an der linken kleinen Zehe. Ausserordent¬ 
liche Empfindlichkeit gegen Licht, Dunkelheit thut 
wohl, Nachts heitere Träume, während die sonstigen 
Träume gewöhnlich aufregender Natur sind. Urin 
riecht nicht nach Veilchen. Am 3. März Mittags 
12 Uhr umschriebene Wangenröthe, 1 J A Stunde lang. 
Um 1 Uhr Druck am Kopfe über der Stirn und 
Spannen der Stirnhaut wie gestern; Gefühl, als ob 
ein schweres Gewicht auf dem Kopfe läge, Klopfen 
im Kopfe. Von 2 1 / 2 —4 Uhr Nachm. Stechen in 
der linken Schläfe und Augenhöhle. Von 4—7 Uhr 
Nachm. Stechen in der Schilddrüse rechts beim 
Tiefathmen. Abends beim Essen Gefühl, ah ob 
die rechte Hälfte des Kehlkopfes , der Speiseröhre 
und der Zunge taub icäre. Am 4. März von 9 bis 
9 1 / 2 Uhr schwaches, klopfendes Kopfweh über der 
linken Schläfe mit Spannen der Stirnhaut wie gestern. 

Am 6. März Vorm. 10 V* Uhr 75 Tropfen in drei 
Esslöffeln Wasser: Gleich nach dem Einnehmen 
Neigung zu Erbrechen mit Speichelfluss. Nachm. 
1 , / t Uhr kommen Hände und Füsse plötzlich in 
Schweiss, im ganzen übrigen Körper Kältegefühl, 
bis 2 Uhr. 2 1 /« Uhr Hitze im Kopfe, das ganze 
Gesicht ist geröthet, Sausen und Klingen im linken 
Ohr, Flimmern vor den Augen, heftiger Schwindel, 
so dass sie sich aus Angst, rückwärts hinzufallen, 
aufs Sopha legen muss, bis nach 3 Uhr dauernd. 
Von da ab Kopfweh über dem linken Auge, Völle¬ 
gefühl im Kopf, das Kopfweh steigert sich fort¬ 
während bis 7 Uhr, das Gesicht ist aber von 5 Uhr ab 
ungewöhnlich blass, so dass es sogar dem Dienstmäd¬ 
chen auffällt. Nach dem Abendessen lässt der Kopf¬ 
schmerz etwas nach, verschwindet aber erst beim 
Einschlafen. In der Nacht auf den 7. März 4 Uhr 
Erwachen mit klopfendem Kopfschmerz über dem 
linken Auge, fieberhafter Aufregung und Gefühl 
des Krankseins, 1 Stunde lang. 10 Uhr Vorm. 
Brennen der Wangen mit umschriebener Röthe und 
leichtem, drückendem Kopfweh auf dem Scheitel, 
tagsüber zeitweilig Eingenommenheit. Am 8. März 
5 Uhr Morgens Erwachen mit klopfendem Kopf¬ 
weh über dem linken Auge, das beim Aufstehen 
verschwindet. 

Am 11. März Nachm. 6 Uhr 100 Tropfen in drei 
Esslöffeln Wasser. Sofort beim Einnehmen Wasser- 
zusammenlaufen im Mund. , j 2 Stunde später Ste¬ 
chen in der rechten Schläfe bis in die Augenhöhle, 


1 / 4 Stunde lang. Abends 8 Uhr Hitze im Kopfe 
mit deutlich umschriebener Wangenröthe, 1 |a Stunde 
lang. Nachts vier Mal erfolgreicher Drang zum 
Wasserlassen. Am 12. März Morgens 5 Uhr Drang 
zum Stuhl mit Uebelkeit. Um 6 Uiir Kollern im 
Leibe, das sie aus dem Bette treibt, und Stuhlgang 
von normaler Consistenz. Am 13. März Nachm, 
zwischen 3 und 4 Uhr Herzklopfen mit Schwäche¬ 
gefühl, so dass sie sich niederlegen muss. Nachts 
2 Uhr Erwachen mit Herzklopfen und Schwindel, 
als ob das ganze Zimmer sich im Kreise drehe. Am 
15. März Abends Geruch des Urins nach Veilchen. 

Am 17. März Vorm. 10 Uhr 25 Tropfen der 
2. D.-P. in einen Esslöffel Wasser: Nachm. 2 Uhr 
umschriebene Hitze auf der linken Wange, Stechen 
in der rechten Schläfe und Augenhöhle, kurz darauf 
Hitzegefühl im ganzen Körper, am meisten im 
Kopfe mit Klopfen und Angst, „als ob sie der Schlag 
treffen sollte,“ verschlimmert beim Bücken, ge¬ 
bessert durch frische Luft, Verlangen nach Kälte, 
nach r \ 4 Stunde nach lassend, nach Stunde ver¬ 
schwindend. Am IS. März zwischen 9 und 10 Uhr 
Frost mit nachfolgendem Schweiss, auch auf der 
Stirn, was sonst nie der Fall ist, ferner Zittern an 
Füssen und Händen, so dass Einfädeln einer Nadel 
nicht möglich ist. Am 19. März Mittags zwischen 
12 und 1 Uhr umschriebene Röthe auf beiden 
Wangen ohne Kopfschmerzen. 

Am 22. März Vorm. 10 Vs Uhr 25 Tropfen der 
6. D.-P. in einen Esslöffel Wasser: Keine Symptome. 

IL Georg E„ cand.med., in Leipzig: Am27.Pebr. 
1894 Prüh 7 Uhr 5 Tropfen, am 2. März 1894 Früh 
7 Uhr 10 Tropfen keine Wirkung. 

Am 12. März 1894 Früh 7 Uhr 20 Tropfen: Uni 

9 Uhr dumpfer Kopfschmerz, besonders über dem 
Auge. Im Laufe des Tages Schwere und Zer¬ 
schlagenheit der Glieder, besonders der Schultern. 
Uebelkeit, die vermehrt wird durch Druck auf den 
Kopf. Mittags und Abends brennender, rechtsseitiger 
Halsschmerz. Steifigkeit des Genickes rechts. Am 
13. März 1894: Der Halsschmerz dauert fort. 

Am 15 März 1894 Früh 7 Uhr 30 Tropfen: 

Keine Wirkung. 

Am 28. März 1894 Früh 7 Uhr 40 Tropfen: 

Steifigkeit des Nackens rechts. Kopfschmerz wie 
früher. 

Am 30. März 1894 Früh 7 Uhr 60 Tropfen: 

Abends J / 2 6 Uhr bohrender Schmerz im rechten 
Schultergelenk. Oberarm unmöglich zu bewegen, 
wegen zu starker Schmerzen. Der Schmerz wird 
im Bett bedeutend gebessert und verschwindet fast 
durch Liegen auf der kranken Seite. Geruch des 
Harns ganz eigenthümlicli, auf grössere Entfernung 
hin noch sehr intensiv. Vergleichen möchte er 
denselben mit demjenigen, welchen er beim Ab- 


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dampfeii grosse** Hammehgen im Laboratorium "wahr¬ 
genommen hat. Am 31. März und 1. April 1894 
dauert der SchmeVz in der Schulter fort “ und < ver¬ 
schwindet beim Massiren der Schulter und : des 
rechten Oberarms. 

Am 3. April 1894 Früh 7 Uhr 80 Tropfen, am 
5. April 1894 Früh 7 Uhr 100 Tropfen, am 7. April 
1894 Früh 7 Uhr 150 Tropfen: Keine Wirkung, 
nur Aufstossen nach dem Einnehmern Nacherschei¬ 
nungen treten bis 13. April nicht auf. 

m. Heinrich F., cand.med., in München prüfte 
die Essenz vom 5. bis 20. April 1894 in Dosen von 

5 bis zu 60 Tropfen, ohne irgend welche auf das 
Mittel zurückzufuhrende Symptome ausfindig machen 
zu können. 

IV. Dr. M. Baltzer in Stettin prüfte die Essenz 
vom 19. Dec. 1893 bis 7. Febr. 1894 in Dosen von 

6 bis zu 300 Tropfen, ohne die geringste Aende- 
rung in seinem Befinden entdecken zu können. 
Der Herr College besitzt offenbar eine ausserordent¬ 
lich schwer reagirende bez. wenig empfindliche 
Constitution, wird aber das UI. Mittel sicherlich 
nicht ohne Erfolg versuchen. 

V. Dr. Dierkes in Paderborn. 1. Prüfungstag, 
13. Januar 1894: Puls 72. Allgemeines Befinden 
gut. Nase, Rachen und Kehlkopf geringer Katarrh. 
Stuhl normal 6 Uhr 25 Min. 

6 Uhr 40 Min. a. 1. Einnehmen 5 gtt. ohne Wasser. 
Geschmack wie alte Lederabfi&lle in Leberthran. 

6 Uhr 45 Min. geringer Druck im linken Stirn¬ 
höcker. Magen macht sich bemerkbar. 

7 Uhr 6 Min. Stirnkopfweh nur zeitweise. Brennen 
im linken Auge. Aufstossen. Brennen im Magen. 
Müde in den Armen, besonders links. 

7 Uhr 10 Min. 2. Stuhl mehr Drang, als Erfolg.— 
Während des Stuhles zweimal Gänsehaut über den 
ganzen Körper, das zweite Mal mehr die Kopf¬ 
schwarte ergreifend. Brennen in dem oberen Th eil 
des Duodenum. Nach Stuhl Tenesmus im After 
und schmerzhafte Reizung der Harnröhre. 

7 Uhr 15 Min. 2. Einnehmen von 5 gtt. ohne 
Wasser. Geschmack intensiv, aber kürzere Zeit an¬ 
haltend. Brennen im Magen, Zunge ohne Belag, 
rechtsseitig bis nach vorn Zahneindrücken, Papilli 
am Rande sehr roth. 

7 Uhr 38 Min. Puls 75. 

7 Uhr 45 Min bis 8 Uhr 15 Min. Frühstück mit 
gutem Appetit. Empfindung, dass die Hosenschnalle 
zu locker ist. Stuhldrang-Flatus. 

9 Uhr 17 Min. 3. Einnehmen 10 gtt. Geschmack 
intensiv, aber sehr kurz; sofortige flüchtige Hitze 
im Gesichte (? Alkohol Wirkung?!). Stimme sehr hell, 
rein und stark. 


10 Uhr a. sehr gute Btimmung. • ' 

U Uhr lö Min. a. 4. Eihnehmen 20 gtt. Dia 
Tröpfen kamen dieses 'Mal riiehr vorh^kuf die-ZkngÖ* 
und hinter die Schneidezähne auf den Mundbö<|0fi; 
hier wurden ! sie stark brennend und bitter em- 1 
pfundes; T ebi^er ll angegebener Geschmack war 
nur von sehr kuri&er Daher/ — Allgemeines Be¬ 
finden, Stimmung gut. Puls 81/ Blutandrang zum 
Kopfe, später Stirnkopfweh. Schnupfen. . 

Nachmittags Euphorie, aber 1 leicht erregbar. 
Nachmittags 1, Abends 2 Öigärren mit Appetit ge¬ 
raucht, bei den letzteren 2 Stück 1 Schoppen leichten 
Rheinwein getrunken urirA stark gesungen (in Ge¬ 
sellschaft, wo -stärk geraucht wurde), beim Nach¬ 
hausegehen etwas unsicher auf den Füssen. 

In der Nacht gut geschlafen, aber Morgens noch 
sehr müde, Unlust ziim Aufstehen. 

14. Januar 1894.— 2. Prüfungstag. 

7 */ 4 Ühr a. Aufstehen. Beim Erheben und kurze 
Zeit nachher starkes Kopfweh entsprechend der Ge¬ 
hirnbasis. Im Stöben -1 Tasse Milchkaffee. 

9 tJhrai 1 Tasse, Milchkaffee, nur Schnitte 
Butterbrod. 

10 8 / 4 Uhra. Etwas eingenommener Kopf. Puls 78. 
Brennen in den Augen (Tabak wie gestern). Zunge 
wie gestern; aber auch linksseitig Zahneindrücke. 

1Ö Uhr 50 Min. 1. Einnehmen 20 gtt. Erster Ge¬ 
schmack intensiv. Nachgeschmack vorhanden, aber 
nicht stark und kurzdauernd. Sofort kräftige, laute 
(ungewohnt starke) Stimme. 

10 Uhr 54 Min. a. Aufstossen leeres. Puls 78. 

11 Uhr 13 Min. a. Lassen von normalen Mengen 
hellen Urins. 

11 Uhr 10 Min. a. 2. Einnehmen 30 gtt. Ge¬ 
schmack wie bisher. 

11 Uhr 25 Min. leeres Luftaufstossen. 

11 Uhr 40 Min. vorüberziehend Kopfschmerz 
im rechten Stirnhöcker. 

3. Prüflingstag. 

Euphorie — 10 8 / 4 Uhr a. 40 gutta-Einnehmen. 

Pulsfrequenz durch Aufregung begründet. 

Puls 90. 

Geschmack stark (bitter) adstringirend, Nachge¬ 
schmack wie gestern kurz und schwach. 

11 Uhra. Eingenommenheit des Kopfes, schwach. 

Nachtrag: „Die ganz kleinen Gaben hatten bei 
mir eine deutliche Wirkung, die grösseren dagegen 
fast gar nicht; wenigstens nicht unangenehm. Im 
Gegentheil, ich fühlte mich nach dem Einnehmen 
immer wohler, so dass ich zu der Ansicht kam, 
dass dieses Prüfungsmittel für mich ein spezifisches 
Heilmittel sein müsse.“ 

VI. Dr. Roth in Mainz. 

Nimmt am 19. Jan. 5, am 20. Jan. 10, am 
21. Jan. 15 Tropfen der Essenz und constatirt darauf 


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nur ein Prickeln im 4. und 5. Finger beider Hände, 
besonders Nachts beim Aufwachen. |facb4epi er 
am 28.—25. Jan. von 20 bis *n 10Q Tropfen ge¬ 
stiegen, empfindet er Nachts etwas Ziehen in den 
Daumen bis zum Vorderarm und in der grossen 
Zehe bis zur Wade. Auf 300 Tjwpfeji am 26. Jfm. 
findet er, dass der Urin intensiv nach Veilchen 
riecht. Bemerkenswerth erscheint ihm auch der 
Umstand, dass während der Prüfung die hohen 
Töne ihm auffallend leichter beim Singen erreich¬ 
bar sind als gewöhnlich. 

VIL Dr. H. in A. f 28 Jahre alt, mittelgross, 
kräftig (Gewicht 75 Kilo, Grösse 165 cm.), Tem¬ 
perament sanguinisch, nervös; Schlaf gut, Stuhl¬ 
gang normal, Verdauung gut, leidet aber leicht an 
nervösen Magenschmerzen und Schnupfen. Gesichts¬ 
farbe gesund, Haare blond, Augen graugrün; Al- 
cohol- und Tabakgenuss mittelmässig. Nahm im 
Zeitraum vom 11. bis 22. März täglioh 5, 10, 15 
Tropfen der Essenz, vom 22. März bis 12. April 
nichts, am 12. April 55 Tropfen und am 14. April 
100 Tropfen, ohne irgend eine Veränderung in 
seinem Befinden zu bemerken. 

VHL Dr. Alexander Villers-Dresden. 86 Jahre, 
102 Kilo schwer, untersetzt, Haar aschblond, Augen 
braun. Haut weiss, vereinzelte Naevi an Stellen 
dauernden Druckes, manchmal juckend. Neura- 
sthenische Müdigkeit. Neuralgische Schmerzen ent¬ 
sprechen spindelförmig verdichteten Stellen im Ver¬ 
laufe oberflächlich gelegener Nervenstämme. Stuhl 
normal, Urin in geringer Menge, enthält reducirende 
Bestandteile in Spuren. Sediment entweder lehm¬ 
farbig oder rothe, fest dem Gefäss anhaftende 
Krystalle. 

Prüfungsnotizen. Braungrünliche Flüssigkeit, 
dünnflüssig, von eigenartig aromatischem Geruch 
und Geschmack, der beim Eintrocknen bald ver¬ 
schwindet. 

1894. 

23. Febr. 9 Uhr 45 Min. a. m. 5 Tropfen rein 
genommen. 

10 Uhr 10 Min. Druck in der Nase, nahe der 
Wurzel, rechts stärker als links. Hohles Gefühl, 
weniger als Hunger im Magenmund. 

10 Min. 50 Min. Kurzdauernder punktförmiger 
Druck in der vorderen Axillarmuskulatur rechts. 

3 Uhr 30 Min. p. m. Kurzer intensiver Schmerz 
rechts neben dem Ansatz des Sterno-cleido. 

25. Febr. 9 Uhr 45 Min. a. m. 10 Tropfen rein 
genommen. 

4 Uhr p. m. leichtes brennendes Gefühl im rechten 
Handteller. 

27. Febr. 10 Uhr 10 Min. a. m. 15 Tropfen rein 
genommen. 


11 Uhr. Intensiver, aber kurzer Druck rechts 
neben Ansatz des Sterno-cleido. 

3 Uhr p. m. Plötzliches Durchfallsgefühl nach 
Genuss einer Tasse Thee. Abgang von geruch¬ 
losen Winden. Stuhl konnte 1—2 Stunden ver¬ 
halten werden, war breiig, grünbraun, mit starkem, 
nicht ekelhaftem Geruch. 

28. Febr. Der sonst stets bequeme Morgenstuhl 
war etwas breiiger als gewöhnlich, aber nicht 
so erfreulich, wie es sonst der erste Stuhl am 
Tage ist. 

Nachmittags viel schmerzloses Kollern im Leibe, 
bequem abgehende Winde, die nicht schmerzten. 
Häufiges Jucken auf Haarkopf, rechtem Achsel¬ 
haar, rechtem Unterschenkel. Letztere Beobachtung 
ist sehr zweifelhaft in ihrem Werthe, da er unver- 
muthet bei seinem Hunde Läuse entdeckt hatte und 
sich darüber geekelt hatte. 

2. März 10 Uhr 10 Min. a. m. 20 Tropfen rein 
genommen. 

Im Laufe dieses Tages setzte eine Erkältung 
mit ihren Folgen der Beobachtung ein Ende. 

Den characteristischen Uringeruch nahm er 
während der Prüfung nicht wahr. 

IX. Dr. Schier in Mainz. 

Nimmt am 11. Febr. Nachm. 4 Uhr 5 Tropfen 
der Essenz, wie immer in 1 Esslöffel Wasser: Ge¬ 
schmack nicht unangenehm aromatisch. Abends 
6 — 7 Uhr beim Schreiben Schwindelgefühl, als ob 
die Gegenstände sich im Kreise drehten. 

Am 13. Febr. Vorm. 10% Uhr 10 Tropfen: Am 
selben, sowie an den folgenden Tagen Kopfweh, 
besonders in der rechten Schläfe, bohrend, mit 
Schwindel, Nachmittags und gegen Abend schlimmer. 

Am 20. Febr. Vorm. 10% Uhr 25 Tropfen: Von 
11% Uhr ab bei klarem, kaltem Wetter während 
einer längeren Eisenbahnfahrt hämmerndes Kopfweh, 
vorwiegend in der rechten Schläfe; Gefühl wie ein 
Band um Stirn und Hinterkopf, muss die Kopf¬ 
bedeckung ablegen. Dasselbe ist derartig unan¬ 
genehm, dass von Suggestion auch nicht im ent¬ 
ferntesten die Rede sein kann, zumal Kopfschmerzen 
sonst beim Prüfer so gut wie nie Vorkommen. Im 
Freien verschwindet der Kopfschmerz, erscheint aber 
wieder beim Aufenthalt im Zimmer, wird bei Be¬ 
wegung verschlimmert, dauert an bis zum Ein¬ 
schlafen. Abends beim Lesen im Stehen Schwindel. 
Am 21. Februar von 12 Uhr ab dasselbe hämmernde 
Kopfweh in der rechten Schläfe, doch schwächer 
als am 20. Febr., mit kleinen Pausen anhaltend bis 
zum Einschlafen Abends. Desgleichen am 22. Febr. 
i Vorm. 8 Uhr beginnend. Auffällig ist seit dem 
Abend des 20. Febr. ein intensiver deutlicher Ge¬ 
ruch nach Veilchen, besonders am Urin, aber auch 
an der gesammten Körperhaut. Der Kopfschmerz 


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in der rechten Schläfe wird Nachmittags heftiger, ist I Am 22. März Vorm. 10 % Uhr 28 Tropfen der 
aber nicht mehr constant. Am 23. Febr. zeitweise i 5. D.-P. in 1 Esslöffel Wasser: Keine Symptome, 
im Tage derselbe Schmerz, Nachmittags und Abends 

stärker auftretend^ Desgl am 24. und 25. Febr. j Zusammenstellung der Symptome. 

Am 27. Febr. Vorm. 9% Uhr 30 Tropfen: Von j ® J F 

12 Uhr ab bei regnerischem Wetter hämmernder Kopf- Präparat: Essenz aus der ganzen Pflanze (incl. 

schmerz in der rechten Schläfe, tagsüber in Anfällen Wurzel) und Verschütlelungen. 
auftretend, doch nicht so stark wie am 20. Febr. | Wirksame Bestandtheile: Primulin? 

Desgl. am 28. Febr. In der Nacht vom 28. Febr. Wirkungsdauer: Am Gesunden einige Tage, 
auf 1. März heitere Träume. Nach Aussage meiner 

Frau habe ich mich — ohne dass ich selbst davon I Allgemeines: Klopfen, Reissen, Brennen und 
etwas weiss — mitten in der Nacht mit plötzlichem j Ziehen; Zittern der H&ade und Fasse. Besserung 
Ruck im Bett aufgesetzt und Anstalten gemacht, j der Beschwerden (seitens des Kopfes) im Freien, 
aufzustehen, bei offenen Augen, also eine Art Nacht- Verschlimmerung durch Bücken, Bewegen, im 
wandeln geübt. Am Abend des 28. Febr. und j Zimmer, Fahren im geschlossenen Wagen. 

1. März Geruch des Urins nach Veilchen. | Heitere Gemüthsstimmung und guter Schlaf mit 

Am 2. März Vorm. S^Uhr 50 Tropfen in 2 Ess- | heiteren Träumen. Allgemeinbefinden gut. 
löffeln Wasser: 1 Stunde später beim Aufstehen vom | Empfindlichkeit gegen Licht. Fieberhafte Auf- 
Schreibtisch leichter Schwindel, Nachmittags zeitweise | regung; Schwere und Zerschlagenheit der Glieder; 
Schwindel mit klopfendem, hämmerndem Kopfschmerz Eingenommenheit, 
in beiden Schläfen, bei Bewegung vermehrt, im Nervensystem: 

Freien fast verschwindend. Am 3. März desgl., in Hirn und Hirnnerven: Hämmerndes, bohrendes, 
schwächerem Grade. Urin riecht nicht nach Veilchen, klopfendes, auch dumpfes Kopfweh in beiden 
Am 6. März Vorm. 10 ^ Uhr 75 Tropfen in 3 Ess- Schläfen, im Hinterkopf und über der Stirn, vor¬ 
löffeln Wasser: Gleich nach dem Einnehmen Uebel- wiegend rechts in der Schläfe und Morgens, besser 
keit, Neigung zu Erbrechen und Wasseraufschwulken, durch Druck, schlimmer durch Bücken, Bewegen 
2 / 4 Stunde hindurch. Nachmittags von 2 Uhr ab leichter und während der Eisenbahnfahrt; besser im Freien, 
Schwindel beim Aufstehen mit dem Gefühl, als schlimmer im geschlossenen Raum. Gefühl wie ein 
müsse er rücklings fallen, und geringe Eingenommen- Band um Stirn und Hinterkopf, muss die Kopfbe- 
heit des Kopfes, letztere bis zum Einschlafen zu- deckung ablegen. Spannen der Stirnhaut; Brennen 
nehmend. Am 7. März dasselbe in leichterem Grade, und Jucken der Kopfhaut rechts über der Schläfe 
Am 8. März Abends auffallender Geruch des Urins und am Hinterkopfe. Gefühl, als ob sie ohnmächtig 
nach Veilchen. werden und rücklings hinstürzen würden; als ob 

Am 11. März Hachm. 6 Uhr 100 Tropfen in das Gehirn schwankte und austreten wolle, als ob 
8 Esslöffeln Wasser: Sofort Uebelkeit mit Aufstossen ein schweres Gewicht auf dem Kopfe läge. (Un- 
und Wasserzusammenlaufen im Mund, 5 Minuten sicher auf den Füssen?) flimmern vor den Augen, 
anhaltend. Abends Schwindel beim Aufstehen und heftiger Schwindel, als ob die Gegenstände sich im 
Gehen. Am 12. März Morgens im Bett Uebelkeit; Kreise drehten, Völlegefühl im Kopfe, Eingenom- 
Vorm. 10 Uhr Durchfall mit Uebelkeit. Abends menheit. Gefühl, als ob die rechte Hälfte des 
5—6 Uhr gelegentlich einer Eisenbahnfahrt hämmern- Kehlkopfes, der Speiseröhre und der Zunge taub 
des Kopfweh in der rechten Schläfe. Am 13. März wäre; brennender rechtsseitiger Halsschmerz, Stechen 
Vorm. II 1 /* — 1 Uhr bei Eisenbahnfahrt Schwindel in der Schilddrüse rechts beim Athmen. 
und hämmerndes Kopfweh in beiden Schläfen, be- Gesiohtsorgan : Reissende, brennende und ste- 
sonders rechts; Beginn des Schmerzes stets rechts, chende Schmerzen in den Augenhöhlen, Empfind- 
Beim Halten des Bahnzuges ist der Schmerz ent- lichkeit gegen Licht, Dunkelheit thut wohl, Flim- 
schieden nicht so stark wie während der Fahrt, mern vor den Augen. 

auch ist er im Ganzen nicht so bedeutend wie Gehörsorgan: Sausen und Klingen im linken Ohr. 

früher schon auf geringere Dosen des Mittels. Am Geruohsorgan: Druck in der Nase nahe der 

15. März schwacher Geruch des Urins nach Veilchen. j Wurzel, rechts stärker als links. 

Am 17. März Vorm. 10 Uhr 25 Tropfen der Rückenmarksnerven: Schwere und Zerschlagen- 
3. D.-P. in 1 Esslöffel Wasser: Am 18. März Vorm. | heit der Glieder, besonders der Schultern. Kurzer 
mehrmals vorübergehendes Kopfweh, Schwindelge- punktförmiger Druck in der vorderen Axillarmus¬ 
führ und Hämmern in der rechten, dann auch in kulatur rechts, kurzer intensiver Schmerz neben 
der linken Schläfe. Nachmittags gelegentlich einer dem Ansätze des rechten Sterno-cleido-mastoideus. 
längeren Eisenbahnfahrt klopfendes Kopfweh, haupt- Steifigkeit des Genicks rechts. Bohrender Schmerz 
sächlich in der rechten Schläfe, mit Schwindel. j im rechten Schultergelenk, kann daher den Ober- 


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184 


arm nicht bewegen, besser im Bett und durch 
Liegen auf dem kranken Theil. Zittern an Hän¬ 
den und Füssen, Prickeln im 4. und 5. Finger 
beider Hände, Jucken in den Handflächen. Ziehen 
im Daumen bis zum Vorderarm und in der grossen 
Zehe bis zur Wade. Brennen im rechten Hand¬ 
teller, in den Armen, besonders links. Reissen im 
linken Unter- und Oberschenkel. Gefühl, als ob 
der linke Fuss geschwollen sei, Reissen und Ziehen 
darin. Jucken an der linken kleinen Zehe, (dem 
rechten Achselhaar und rechten Unterschenkel?). 

Organe des Kreislaufs: Herzklopfen mit 
Schwächegefühl. Innere Hitze mit Angst, als ob 
sie der Schlag treffen sollte; Verlangen nach Kälte, 
Schweiss auf der Stirn, kalte Hände und Füsse, 
heisser Kopf mit umschriebener WangenrÖthe. 
Hände und Füsse schwitzen, der übrige Körper ist 
kalt, flüchtige Hitze im Gesicht, Blutandrang nach 
dem Kopf, Gesicht blass. 

Athmungsorgane; Husten mit Brennen und 
Stechen in der Luftröhre; Stimme auffallend rein, 
hell und stark, hohe Töne leichter erreichbar. Ge¬ 
fühl, als ob die rechte Hälfte des Kehlkopfes taub 
wäre. 

Verdauung 80 rgane: Dünnflüssiger Stuhl ohne 
Schmerzen mit Uebelkeit, letztere vermehrt durch 
Druck auf den Kopf. Neigung zu Erbrechen mit 
Speichelfluss. Kollern im Leibe, Drang zum Stuhl; 
Zunge ohne Belag, aber mit Zahneindrücken, Pa¬ 
pillen am Rande sehr roth. Leeres Aufstossen; 
Gefühl, als ob die rechte Hälfte der Zunge und 
Speiseröhre taub wäre. Hohlgefühl und Brennen 
im Magenmund und Duodenum. Während des 
Stuhlgangs Fieber (Gänsehaut über den Körper, 
besonders am Kopfe), Tenesmus im After nach dem 
Stuhl. Empfindung, als ob die Hosenschnalle zu 
locker sei. 

Harn- und Geschlechtsorgane: Urin ist grün¬ 
lich, trüb, riecht intensiv nach Veilchen oder nach 
grossen Mengen abgedampften Urins. Drang zum 
Urinlassen; schmerzhafte Reizung der Harnröhre. 

Anwendung bei Kranken: Zu berücksichtigen 
bei leichten Hirncongestionen (Vorboten von Schlag¬ 
anfällen?), die ohne psychische Depression einher¬ 
gehen, Migräne, Neuralgieen, Schwindelgefühl, 
(halbseitiger Lähmung?), geringen Fiebererschei¬ 
nungen, Nierenaffection, unreiner und schwacher 
Stimme, insoweit dies nicht durch organische Ver¬ 
änderungen bedingt ist. 

Einige Bemerkungen mögen zum Schlüsse noch 
vergönnt sein. Bei einem relativ bedeutenden Theil 
der Prüfungspersonen verliefen die Versuche re¬ 
sultatlos oder mit nur geringem Erfolg entsprechend 
der Ungiftigkeit des Mittels; es sind dies zum Theil 
dieselben, welche auch bei der Prüfung von Vinca | 


minor wenig oder gar nicht reagirten. Wollen 
daraus diejenigen Homöopathen, welche ein Symp¬ 
tom für werthlos halten, sofern es nicht bei allen 
Prüfern aufgetreten ist, den Schluss ziehen, dass 
die Primula überhaupt wirkungslos sei, so will ich 
ihnen das gewiss nicht verwehren, zumal wenn diese 
Herren die Consequenzen tragen und mindestens 
99°/ 0 unseres Arzneischatzes über Bord werfen; es 
wären dann eben nur die stärksten Gifte thera¬ 
peutisch verwerthbar, auch diese nur in recht spär¬ 
lichen Symptomen. Die Art und Weise der Ver¬ 
öffentlichung der meisten früheren Prüfungsresul¬ 
tate macht eineBeurtheilung unserer bisher bekannten 
Mittel nach dieser Richtung hin fast unmöglich. 
Andererseits wird ein einigermassen objectiv den¬ 
kender Kritiker von einem praktisch zu verwen¬ 
denden Symptom verlangen, dass es allermindestens 
bei 2 Prüfungspersonen constatirt wurde und dem 
Wesen des Mittels überhaupt entspricht. Dem¬ 
gemäss sind in der Zusammenstellung zwar alle 
protokollirten Erscheinungen aufgenommen, doch 
ist jedem Interessenten durch genaues Studium der 
einzelnen Protokolle die Bildung eines eigenen Ur- 
theils über den praktischen Werth eines jeden 
Symptoms ermöglicht. Wer z. B. die Primula bei 
„Neigung zu Erbrechen mit Speichelfluss“ allge¬ 
mein ohne gleichzeitiges Vorhandensein der meisten 
übrigen Symptome verwenden wollte, würde gewiss 
einen Misserfolg zu verzeichnen haben. Als das 
Idealbild für die Anwendung der Primula denke 
ich mir eine Persönlichkeit, welche an Congestionen 
nach dem Kopf leidet, die ihr indessen durchaus 
keine Besorgnisse machen, mit hämmerndem, klo¬ 
pfendem Kopfweh in den Schläfen, zumal rechter- 
seits; werden diese Beschwerden verschlimmert 
durch Bewegung und im Zimmer, sind sie mit ab¬ 
normen nervösen oder rheumatischen Sensationen 
an den Extremitäten verbunden, ist gar auch noch 
der charakteristische Uringeruch gleichzeitig vorhan¬ 
den, so dürfte der Erfolg mit dem Mittel zweifel¬ 
los sein. Auf die ungetrübte, heitere Gemüths- 
stimmung glaube ich besonders hin weisen zu müssen; 
diesem Punkt und der Ungiftigkeit des Mittels au 
sich entsprechend scheint es mir vorzugsweise in- 
dicirt bei leichteren, doch aber zuweilen recht lästi¬ 
gen Affectionen der beschriebenen Art, welche 
in die Lebensverrichtungen des Organismus nicht 
gerade zerstörend eingreifen. 

Mit diesem Bilde will ich indessen dem wohl 
objectiveren Urtheil der Collegen nicht vorgreifen; 
die Prüfungsberichte liegen ja vor und zeigen die 
wünschenswertheste und merkwürdigste Ueberein- 
stimmung mit dem, was die Alten über die Wirk¬ 
samkeit unseres Mittels wussten. Wie die letzteren 
zu ihren zuweilen recht vollständigen Kenntnissen 
über die Wirkungsweise der Heilkräuter kamen, 


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ist uns bis heute ein Räthsel; Herr College Roth 
hat im Archiv für Homöopathie (Nr. 4, 1894) auf 
diesen sehr wichtigen Punkt speciell hingewiesen, 
ln den alten Kräuterbüchern konnte er bis jetzt 
keine Andeutung darüber finden, blosse Empirie 
kann es nicht gewesen sein, die Prüfung am Ge¬ 
sunden dürfte sie aber schwerlich zu ihren werth- 
vollen Kenntnissen geführt haben. Sollte es, ab¬ 
gesehen vom Instincte, der gewiss der sicherste und 
natürlichste Führer ist, noch einen einfacheren 
Weg geben als die Prüfung am Gesunden? 

Der charakteristische Uringeruch erscheint bei 
vier Prüfungspersonen, aber nicht immer nach dem 
Einnehmen, auch nicht stets am ersten Tage dar¬ 
nach, sondern im weiteren Verlaufe der Versuche 
zuweilen erst am 8. oder 4. Tage; vielleicht ist 
zum Zustandekommen desselben ausser dem Prü¬ 
fungsmittel die Bildung eines Stoffes nöthig, der 
nicht immer im Körper vorhanden ist und zeit¬ 
weilig sich wieder ersetzt. Die Untersuchung des 
Urins auf Eiweiss blieb resultatlos. 

Die relativ kleineren Dosen ergaben auch bei 
diesem Mittel im allgemeinen die besten Resultate; 
die Erscheinungen seitens der Verdauungsorgane, 
welche nur auf die grossen Dosen zur Beobach¬ 
tung kamen, sind wohl nur ganz allgemeine Ver¬ 
giftungssymptome und therapeutisch nicht verwerth¬ 
bar. Die Zeichen der Halblähmung, wie sie bei 
meiner Frau auftraten, wären sehr wichtig, wenn 
sie wenigstens bei einem andern Prüfer sich noch 
fänden; von Einbildung kann zwar im vorliegenden 
Falle nicht die Rede sein, immerhin glaube ich 
Anstand nehmen zu müssen, aus dieser vereinzel¬ 
ten Erscheinung schon die Consequenzen für die 
Praxis zu ziehen. Erwähnenswerth erscheint mir 
auch die Thatsache, dass vorzugsweise bei einem 
der Prüfer, dem cand. med. Georg E. in Leipzig, die 
bei der zweiten Prüfung gefundenen Erscheinungen 
den in dem Protokoll der Vinca minor notirten 
Symptomen theilweise ausserordentlich ähnlich sind. 
Ob hieraus nun zu schliessen ist, dass diese Symp¬ 
tome nicht durch die Prüfungsmittel hervorgerufen 
seien oder aber, dass ein und derselbe Organismus 
gegenüber verschiedenen Mitteln, die gewisse Be¬ 
rührungspunkte in ihren Wirkungen bieten, fast 
auf gleiche sozusagen idiosynkrasische Weise rea- 
girt, überlasse ich dem Urtheil der Collegen. Ganz 
decken sich die Erscheinungen bei der ersten und 
zweiten Prüfung übrigens nicht. 

Von collegialer Seite, und zwar einer solchen, 
welche ich als eine in Sachen der Homöopathie 
sehr wohlunterrichtete bezeichnen darf, bin ich dar¬ 
auf aufmerksam gemacht worden, es wäre zur Er¬ 
zielung eines möglichst einwandfreien Resultats an¬ 
gezeigt gewesen, dass sämmtliche Prüfungspersonen 
vor Beginn der Versuche ein ganzes Jahr hindurch 


alle ihre Symptome und Empfindungen notirt hätten. 
Für jeden Hinweis auf vermeidbare Irrthümer bei 
den Prüfungen bin ich sehr dankbar, muss indessen 
diesen Vorschlag als kaum durchführbar bezeichnen 
und nehme heute Veranlassung, meine Ansicht über 
diesen sowie einen anderen mehrfach mir angedeu¬ 
teten Punkt hier darzulegen. Dass durch dieses uns 
empfohlene Vorgehen manches in Wirklichkeit nicht 
von dem Versuchsmittel herrührende Symptom, 
welches sich in die Prüfungsprotokolle einschleicht, 
auf seinen wahren Werth zurückgeführt werden 
könnte, ist gewiss nicht in Abrede zu stellen. 
Ebenso gewiss ist aber auch, dass manche Collegen, 
die jetzt mitthun, durch solche etwas langweilige 
Vorarbeiten von der Betheiligung abgeschreckt 
würden; gar so gross ist ja die letztere so wie so 
nicht. Im Uebrigen ist dadurch, dass nur die von 
mehreren Prüfungspersonen gewonnenen Beobach¬ 
tungen für die Praxis und die Darstellung des 
Wesens unserer Mittel verwendet werden, Irrungen 
schon ziemlich vorgebeugt; auch die Thatsache, 
dass nur academisch und physiologisch gebildete 
bez. unter unmittelbarer beständiger Aufsicht der 
| Ersteren stehende Personen mitprüfen, dürfte eine 
i gewisse Gewähr dafür bieten, dass nicht so leicht 
1 gelegentliche Krankheitserscheinungen in die Pro¬ 
tokolle aufgenommen werden. Solche gelegent¬ 
liche Katarrhe, Entzündungen, Indispositionen etc. 
kommen gewiss bei den meisten Prüfern vor; 10 
bis 20 ganz gesunde Personen aufzutreiben, ist 
eben sehr schwierig; der Versuch also, die Letz¬ 
teren unter etwa 500 homöopathischen Aerzten aus¬ 
findig zu machen, ist schon a priori fast aussichts¬ 
los, geradezu horrend aber wäre das Verlangen, 
dass diese 10—20 ganz gesunden Collegen nun 
auch noch genügend Zeit und idealen 8inn ha¬ 
ben sollten, um sich an Arzneiprüfungen zu be¬ 
theiligen. Ich kenne nicht alle Mitglieder der 
Arzneiprüfungsgesellschaft persönlich, die vor¬ 
stehende Berechnung indessen sowohl wie auch die 
Angabe der Personalien documentirt, dass sie nicht 
alle ganz gesund sein können. Ein jeder kennt 
i aber sein schwaches Organ und ist also in der 
I Lage, die davon ausgehenden Erscheinungen nur 
| mit Vorsicht in die Protokolle aufzunehmen oder, 
ebenso wie sonstige gelegentliche, ihm in ihrer spe- 
ciellen Art wohlbekannte Symptome als nicht durch 
das Prüfungsmittel verursacht ganz auszuschalten. 
Auch dadurch, dass bei derselben Prüfungsperson 
nach dem Einnehmen mehrerer Dosen stets an¬ 
nähernd dieselben Erscheinungen sich zeigen, gewinnt 
die Annahme, jene Symptome seien auf das Mittel 
zurückzuführen, bedeutend an Wahrscheinlichkeit. 

Es wäre sicherlich wünschenswerth, wenn die 
geschilderten Fatalitäten bei den Prüfungen ver¬ 
mieden werden könnten; wir müssen jedoch mit 

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den allgemeinen menschlichen Schwächen rechnen 
und dürfen die Anforderungen nicht gar so hoch 
stellen, weil sonst überhaupt nichts erzielt würde. 
Das ist stets so gewesen und wird auch in Zukunft 
so bleiben. Was die Schüler Hahnemann’s fertig 
brachten, das, denke ich, dürfte auch uns bei ent¬ 
sprechender Ausdauer gelingen, zumal wir nebenbei 
noch über deren Erfahrungen verfügen. Hier dürfte 
in der That Goethe’s Ausspruch: „Nur die Lumpe 
sind bescheiden“ am Platze sein; denn allzu grosse 
Bescheidenheit in solchen Dingen ist häufig nur 
der bequeme Deckmantel der Indolenz. 

Betreffend der Prüfung des III. Mittels, an 
welcher sich mehr Personen betheiligen als an der I 
vorgeführten, darf ich wohl noch Einiges hervor¬ 
heben. Dasselbe ist, wenn nicht das scheusslichste, 
so doch eines der niederträchtigsten Pflanzengifte, 
über welche die deutsche Flora verfügt; seine Wir¬ 
kung erstreckt sich auf mehrere Wochen und ich 
ersuche daher noch einmal, eine oder mehrere 
Dosen ganz auswirken zu lassen, bevor eine neue 
Gabe versucht wird. Erst wenn etwa 2 ganze 
Wochen hindurch keine Symptome mehr notirt 
werden können, möge der Prüfer von neuem ein¬ 
nehmen. Im Uebrigen aber bitte ich die Prüfung 
im Interesse der Sache möglichst zu beschleunigen; 
die Ansicht, dass wenige aber intensiv durchge¬ 
führte Prüfungen mit sicheren und genauen Re- 



oberflächlicher Versuche, deren wir ja zur Genüge 
besitzen, wird gewiss in unsern Reiben nirgends 
auf Widerspruch stossen ; ebenso sicher aber wissen | 
wir alle aus unserer eigenen Lebenserfahrung, dass i 
in den grossen Ferien am seltensten die wenigen 
Ferienarbeiten fertig werden. Wer da glaubt, es 
sei immer noch Zeit, wird eben nie fertig werden. 
Drum immer frisch an die Arbeit sofort beim Ein¬ 
treffen des Mittels, es sei denn, dass eine vorüber¬ 
gehende körperliche Indisposition besteht! Da das j 
HI. Mittel auch entschiedene Verwandtschaft zum 
Hautorgan besitzt, empfehle ich auch äusserliche 
Versuche, z. B. das Aufpinseln der Essenz auf eine 
unversehrte Hautstelle. Doch ist hier Vorsicht 
geboten, namentlich bei einem Prüfer mit empfind¬ 
licher, vulnerabler Haut! 


Homöopathische Erfolge. 

Mitgetheilt von Dr. H. Goullon. 

L 

Ein homöopathischer College theilte mir Folgen¬ 
des mit. 

Eine von seinem Wohnort sehr entfernt wohnende 
Dame ist lebcrleidend. Namhafte Autoritäten be¬ 


handeln und untersuchen sic, finden bedeutende Ver¬ 
härtung, und Professor L. erklärt die pathologischen 
Vorgänge für Krebs, also für unheilbar. Ent¬ 
sprechend dieser erbaulichen Prognose und Diagnose 
ist auch der therapeutische Erfolg. Die gewiss 
nicht kärglich bemessenen und ebenso sicher der 
exakten Wissenschaft vollkommen entsprechenden 
Mittel geben keinerlei Besserung. 

Da wenden sich die besorgten Angehörigen 
brieflich an genannten Collegen, und zu ihrem Er¬ 
staunen geht es schon nach 8 Tagen besser, und 
nach 14 Tagen, als die Herren Allopathen aus 
Nah und Fern sich zu einer neuen Consultation ein¬ 
finden, sind sie höchlich erstaunt über den Befund, 
die harte Geschwulst ist verschwunden und sie müssen 
wohl oder übel ihr voreiliges Urtheil zurücknehmen 
und ihre Diagnose als eine verfehlte betrachten. 

Der Fall ist — trotz seiner sonstigen fragmen- 
! tarischen Beschaffenheit — um so belehrender, als 
| nur ein Mittel in Betracht kommt, welches dem 
Symptomen-Complex homöopathisch vollkommen ent¬ 
sprochen haben muss, nämlich Lycopodium, wovon 
Abends und früh eine Gabe in mittlerer Potenz 
verabreicht werden ist. Gesehen hatte unser Helfer 
die Kranke in dieser Erkrankung nicht. 

II. 

Auch der nun zu beschreibende Krankheitsfall 
resp. dessen Heilung bildet einen Triumph gegen¬ 
über der herrschenden Schule. Denn auch hier 
hatten sich drei tüchtige Allopathen vergeblich be¬ 
müht, der Erkrankung Herr zu werden, was nicht 
allein nicht gelang, sondern das verabreichte Mor¬ 
phium — welches ja nie heilen kann, sondern nur 
in der zu oft vergeblichen Absicht die Schmerzen 
zu stillen gegeben wird — hatte den Zustand der 
Art verschlimmert, dass der Vater des Kindes, um 
das es sich handelt, nun beschloss, bei der Homöo¬ 
pathie Hilfe zu suchen, obgleich er von Weimar 
viele Stunden w r cit entfernt wohnte. 

Wenigstens in Umrissen will ich diesen schon 
„vorn klinischen Standpunkt“ interessanten „Fall“ 
wiedergeben. 

Der Patient ist ein Knabe von 12 Jahren. Er 
ist zweimal das Opfer der Impfung geworden. Im 
ersten und zweiten Jahre kränklich, wird er erst 
I im dritten Lebensjahre geimpft. Darauf bekommt 
er einen fürchterlichen Ausschlag. Es wird so 
scharfes Sekret abgesondert, dass die Berührung 
mit demselben an den Stellen neue Krusten mit 
; nachheriger Narbenbildung erzeugt. Eine solche 
Narbe sieht man heute noch auf der Haut des 
Unterleibes. Auch die Revaccination brachte das Kind 
| sehr herunter; der Appetit verlor sich sofort, die 
; alten Ausschläge kommen wieder; 6 Wochen wurde 
! es „blind“ und in unmittelbarem Zusammenhang 


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187 


mit der Wiederimpfung steht die jetzige schwere 
Erkrankung. Diese ist von den bisherigen Aerzten 
als Gallenstein-Affection bezeichnet worden. Und 
wirklich ähnelten die höchst schmerzhaften Zufälle 
und Anfälle der Gallensteinkolik. 

Der Knabe ist aber nicht ikterisch gewesen; der 
Urin enthält keine Gallenfarbstoffe oder den ent¬ 
sprechenden orangefarbenen Ring. Noch weniger 
konnten Steine oder Gallenconcremente nachgewiesen 
werden. Bemerkenswerth ist die bis über 8 Tage 
währende Verstopfung. Erfolgt Stuhl, so zeigt er 
die nach längerem Verweilen von Fäcalmassen im 
Darmrohr charakteristischen harten Kugeln („wie 
Schaf lorbern“; aber grösser). — In Folge der Stuhl¬ 
verhaltung traten dann wohl die höchst schmerz¬ 
haften Darmkrämpfe (Enteralgie) ein. Das Dümmste, 
was nun geschehen konnte und w'as dem selbst¬ 
verständlichen obersten ärztlichen Grundsatz: „Nur 
nicht schaden ! u ins Gesicht schlagen hiess, bestand 
offenbar darin, die bestehende hartnäckige Ver¬ 
stopfung noch steigern! — und doch brachte dies, 
wie schon oben gesagt, die Allopathie fertig durch 
ihr heilloses Morphium. Was Wunder, wenn sich 
die Symptome steigerten. 

Der Appetit schwand bei dieser Behandlung 
gänzlich, während noch nach Monaten der Vater 
des Knaben hervorhebt, dass unmittelbar nach Dar¬ 
reichung der ersten homöopathischen Mittel resp. 
des ersten Mittels der Appetit sich wieder einstellte. 
Patient verlangt zum ersten Mal seit langer Zeit 
wieder zu essen. 

Ging nun auch die Heilung dieser offenbar 
schweren und lebensgefährlichen Erkrankung tuto 
et jucunde vor sich, so lag es nicht in der Natur 
des Leidens, eine schnelle Wiederherstellung zu 
ermöglichen. Gleichwohl zeigten die Eltern über 
den Verlauf wiederholt ihre aufrichtige Genug- 
thuung und Zufriedenheit. Sie waren verständig 
genug nicht mehr zu verlangen, als menschen¬ 
möglich erschien. 

Bei meinem ersten Besuch am 5. Oktober traf 
ich den abgezehrten Knaben in einem jämmerlichen 
Zustand. Die Untersuchung des Unterleibes ver¬ 
ursachte ihm arge Schmerzen, diese dauerten fast 
continuirlich und verloren sich so allmählig, dass sie 
nach Angabe des Sohnes, als er mich am 15. Febr. 
dieses Jahres unerwartet selbst besuchte, noch 
*/ 4 Stunde im Laufe des Tages kamen. Dabei sah 
aber nun Patient so wohl genährt aus, war so 
heiterer Stimmung, dass von Krankheit gar keine 
Rede mehr sein konnte. Den Weg zu mir hatte 
er zu Fus8 zurückgelegt, was mit der Rückreise 
ca. 1 Stunde ausmachte. Er hatte tüchtig zuge¬ 
nommen, hatte respektabeln Appetit und die Ver¬ 
dauung war eine durchaus geregelte. — Hier lag 
das Alpha und Omega des ganzen Zustandes. So 


fand ich z. B. bei meinem zweiten Besuch am 
22. Nov., also etwa 7—8 Wochen nach dem ersten, 
dass die Ausleerung durchaus noch ein pathologisches 
Aussehen hatte. Dieselbe war zwar geformt, aber 
ungemein fest, wie polirt und bot zum Theil immer 
noch diese eigenthümlichen Kugeln, wenn auch von 
beträchtlichem Umfang; mit einem Wort, eine nicht 
genau bestimmbare Verhaltung im Darm hatte statt¬ 
gefunden. Damals lag Patient meistens noch zu 
Bett. Er neigte sehr zu Frost und kann von Glück 
! sagen, den theilweise sehr strengen Winter über- 
| standen zu haben ohne irgend welche Verschlimme- 
: rung, die Genesung erfolgte vielmehr, wie schon 
| angedeutet, stetig. 

Die Hauptschmerzhaftigkeit bei Berührung be¬ 
traf nicht eine einzige Stelle, sondern mehrere, so 
allerdings die der Gallenblase entsprechende Gegend; 
aber ebenso schmerzhaft bei Berührung ist Monate 
lang eine Stelle rechts und unterhalb vom Nabel. 

Der Vater beschreibt die Schmerz-Paroxysmen 
| so, dass sie allmählig gekommen und allmählig ge- 
I gangen seien, gleichwohl auch zuweilen einen so 
1 jähen Abschluss gefunden hätten, dass „sie icie 
! mit einem Rucke zu Ende waren. u 
| Der periodische Eintritt der Anfälle konnte ver- 
\ leiten an ein Wechselfieber zu glauben, zumal die 
I dumpfe Parterre-Wohnung unweit des Wassers, wenu 
i auch keines stagnirenden, sondern der breit vorüber¬ 
rauschenden Saale, lag. Ebenso konnte man an 
eine selbstständige Erkrankung eines grösseren zur 
Verdauung in Bezug stehenden Nerven - Plexus 
denken. Endlich erinnerten die subacuten Er¬ 
scheinungen sehr an Bleiintoxication, speciell an 
Bleikolik. Doch bot die Anamnese keine Anhalts¬ 
punkte hierfür. Ich führe nun die in Anwendung 
I gezogenen Mittel an in der Reihenfolge, wie sie 
j verabreicht worden sind und im Verein endlich vom 
schönsten Erfolg begleitet waren: 

Thuja Graphites 

Nux vomica Lycopodium 

Ipecac. Sepia 

Colocynthis Plumbum aceticum 

Sulphur Calc. carb. 

Chinin Alumina 

Wegen eines intercurrirenden Augenleidens Bella» 
I donna und Acidum nitri. 

Bei offenbarer Besserung blieb ich länger bei 
ein und demselben Mittel; oder es wurde, sobald 
sich die dafür passenden Indicationen wieder ein- 
, stellten, nochmals kürzere oder längere Zeit gegeben. 

Um eine noch bessere Einsicht in diesen unge¬ 
wöhnlichen, diagnostisch nicht völlig aufgeklärten 
Krankheitsfall zu ermöglichen, lasse ich noch Bruch¬ 
stücke aus den einzelnen Berichten in chronologischer 
Reihe folgen: 

24* 


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188 


Am 18. Okt. — 8 Tage nach meinem Besuch 
und der Darreichung einer Gabe Thuja heisst es: 
„Die Nase, welche seit langer Zeit trocken war, 
ist jetzt feucht und fängt an abzusondem. Die 
Zunge, Spitze und Ränder, blassroth, in der Mitte 
schmutziggelb belegt. — Appetit bessert sich jetzt. 
Es tritt Verlangen nach Nahrung ein. Beim Ein- 
tritt der Schmerzen Seitenstechen, links über der 
Hüfte nach vorn zu bis an die Rippen. — Schwitzen 
der Hände nach innen und Schwitzen der Fuss- 
sohlen und Kniekehlen (das Schwitzen ist vorher 
schon eingetreten). Wasserlassen nach wie vor 
reichlich. Der Stuhl wie bisher knotig, mit röth- 
lichen Streifen umzogen. Die Schmerzen, welche 
andauerten von */ 2 7 Uhr Morgens bis 8 Uhr, dann 
von 1 / it 9 Uhr bis 10 Uhr, dann von Voll Uhr bis 
1 / 4 1 Uhr haben sich jetzt in eins verzogen ohne 
Pause. — Kein Fieber. Schlaf Nachts gut.“ 

Den 28. Okt. — nachdem Nux vom., Ipecac. 
und Colocynthis gegeben und für den einzelnen 
Paroxysmus Atropin, sulpli. 4. D. bestimmt waren, 
heisst es: „Es folgte“ — auf Atropin, s. — „beim 
Stuhlgehen nicht mehr, wie früher, Kugeln und 
harte Ausleerung, sondern dickgeformter weicher 
Stuhl und am Ende dünn. Der dickgeformte sah 
grünlichgrau aus, der dünne gelblich. Bei dem Aus¬ 
leeren heftiges Poltern, Windumgehen mit heftigen 
Schmerzen in der Herzgrube und den beiden schmerz¬ 
hatten Stellen (s. o.), Müdigkeit bei den Schmerzen. 
Stets Kopfschmerzen. Urin mehr, als er trinkt“ 
(dies kann man ja auch bei anderen Krampfzuständen, 
z. B. in der Migräne, beobachten). „Kalte Füsse 
und innerlicher Frost, Schwitzen der Handteller und 
Gelenke. — Appetit bessert sich von Tag zu Tag; 
jetzt tritt auch Hunger ein.“ (Wäre wohl bei fort¬ 
gesetzter Morphium-Kur auch nicht der Fall ge¬ 
wesen). 

Der folgende Bericht vom 12. November lässt 
trotz mancher weiteren Attacken doch unverkennbar 
die stetig fortschreitende Besserung wakmehmen. 1 

„Seit Freitag am Oberarm, Brust, Gesicht und , 
Fingern Ausschlag, aber bis jetzt vereinzelt. Der j 
Stuhl ist wieder kugelförmig, aber seit der ver¬ 
gangenen Woche regelmäßig alle Tage. Es gehen 
jetzt auch wieder Winde ab, was früher nicht der 
Fall war, vielmehr bildeten sich Knoten über der 
Leistengegend“ (krampfhafter Darm Verschluss und 
Aufblähung durch die verhaltenen Darmgase!). — 

Nun schreibt der Vater zwar: Die Schmerzen, 
welche zum Schreien nöthigen, dauern jetzt länger, 
von früh 8 Uhr bis Abends 8 Uhr mit einer Pause 
von 2—3 Uhr, fügt aber gleichwohl hinzu: „ Die 
Schmerzen sind im Ganzen genommen viel schwächer 
als früher.“ Also bezieht sich die Intensität nur 
auf eine kurze Zeit. Am heftigsten sind sie von 
11 bis 12 Uhr und von 5 bis 6 Uhr und meistens 


von 7 bis 8 Uhr. „Der Schlaf ist gut und un¬ 
gestört.“ 

Auf Colocynthis folgte nun Sulphur wegen der 
Tendenz des Organismus, auf der Hautoberfläche 
kritische Exantheme zu erzeugen, was in Hinblick 
auf die Accidentien (eine wahre Vaccinosis auf sy- 
kotisch-skrophulöser Basis) sehr wichtig erschien. 

NachGraphit undLycopodium „sind dieSchmerzen 
wieder so ziemlich ins alte Gleis getreten, also 
schwächer geworden“ (Bericht vom 27. November). 
Aus diesem Berichte interressirt auch die Stelle: 
i „Ich möchte Sie aufmerksam machen auf die Ohren. 

| Von innen steigt hier eine Art Hitze oder Wärme 
auf. So am rechten Ohr und red der Wange. Das Ohr 
wird roth und dick und dann färbt sich die Wange 
mit roth. w Wer dächte hierbei nicht an die para¬ 
lytische Form der Migräne, welche mit Lähmung ge¬ 
wisser Sympathicusfäsern zusammenhängt und neben 
Temperatur-Erhöhung starke Rötbung der leidenden 
Kopf hälfte im Gefolge hat.— 

„Das linke Ohr ist kalt. Diese Erscheinung 
ist öfters zu beobachten und bleibt, bis die Schmerzen 
vorüber sind.“ 

Es war nun auch nicht schwer, unter den zur 
Wahl sich stellenden Mitteln auf Sepia zu verfallen, 
welche ganz besonders jenes eigenthümlicheVerhalten 
hat: Einseitige oder halbseitige Affection des Kopfes, 
in specie Migräne. 

Darnach konnte am 14. December berichtet 
werden: 

„Die Schmerzen verändern sich, sie sind jetzt 
so stossweise und nicht mehr so heftig; die Stösse 
sind von kurzer Dauer und dann ist er oft von 
5 Minuten bis zu einer halben Stunde ruhig.“ — 

Einer eigenthümlichen Erscheinung thut der 
Brief noch Erwähnung. Patient klagt, dass der 
Speichel wie Koth riecht. Man hat wohl bei hart¬ 
näckiger Verstopfung Kothgeruch aus dem Munde 
wahrgenommen, fauliger Geruch des Athenis bei 
Magenkatarrh und, wenn die Gase den natürlichen 
Weg nach unten verschlossen finden; aber speciell Koth¬ 
geruch des Speichels wird selten beobachtet werden. 

„Haut des Nachmittags heiss über den ganzen 
Körper. Beim Austreten aus dem Bett Frost (Er 
ist in der Stube); Zunge in der Mitte etwas gelb¬ 
lich belegt. Befinden im Allgemeinen soweit gut.“ 

Stuhl ist wieder eingetreten. Dieses „wieder“ 
bezieht sich auf eine Nachricht vom 5. December, 
wo es hiess: „Die Entleerung ist immer noch kugelig 
und hart, was mir Sorge macht, weil er seit Frei¬ 
tag keine Neigung zum Stuhl hat.“ 

Seit 14 Tagen bekommt er Plumbum acet. 4. D., 
ein Mittel, auf das ich hätte eher verfallen sollen, 
zumal die hartnäckige Verstopfung und die Inten¬ 
sität der Enteralgie, wie schon oben gesagt wurde, 
an Bleikolik erinnerten. 


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189 


Um den Leser nicht zu ermüden, citire ich nur 
noch aus dem Bericht vom 12. December einige 
Stellen, weil daraus die Heilwirkung von Plumb. 
aceticum ersichtlich wird. 

„Nach den jetzigen Pulvern haben die Schmerzen 
um einige Stunden abgenommen, er hat des Vor¬ 
mittags 1—2 Stunden, wo er keine Schmerzen hat 
und des Nachmittags ebenfalls 2 Stunden. Es ist 
die Zeit von 11—1 Uhr und Nachmittags von 4—6 Uhr, 
wo die Schmerzen nach diesen Pulvern abgenommen 
haben; er fühlt sich auch in diesen Stunden ganz j 
glücklich. Nach dem ersten Pulver schon regelte 
»ich der Stuhl, die Knoten sind jetzt nicht mehr, 
er ist sozusagen gesund. — Urin nicht mehr 
so oft wie früher. Appetit gut, gchlaf gut. — , 
Ehe die Schmerzen angehen, muss er stets Hose 
und Weste aufknöpfen, damit der Leib Platz ge¬ 
nug hat.“ — , 

Nun, der Leser weiss bereits, dass Patient wieder 
wohl genährt und gesund aussehend, als Genesener 
mich besuchen konnte, und der Vater, der übrigens j 
den Namen des Gründers der Homöopathie trug, 
weshalb besonderer Segen auf der Kur ruhen mochte, 
hatte jetzt nur die eine Sorge, dass seinem Sohne | 
nichts mehr passen wollte, Hose und Rock zu eng 
wurden. 


Vom Büchertisch. 

Die homöopathische Behandlung der Augenkrank¬ 
heiten sowie der Ohrenkrankheiten nach den 
Erfahrungen der homöopathischen Specialisten 
DDrr. Vilas , Norton und Hovghton zum Ge¬ 
brauche für practische homöopathische Aerzte. 
Bearbeitet von Dr. Th. Bruckner, homöopathi¬ 
scher Arzt in Basel. O 1 ^, Druckbogen. 8°. Preis 
gut geb. Mk. 3.—, brosch. Mk. 2.50. (Verlag 
von A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig). 

Durch die Erfindung des Augenspiegels hat be¬ 
kanntlich die Augenheilkunde in Bezug auf die 
Diagnose der Krankheiten des innern Auges un¬ 
geheure Fortschritte gemacht. Ebenso ist auch die 
Erkenntniss der Krankheiten des Gehörorgans 
wesentlich vervollkommnet worden durch den Ohren¬ 
spiegel; obschon die Veränderungen im innern Ohre 
der Erforschung mit den Speculum unzugänglich 
geblieben sind. 

Leider hat die Therapie der Augen- sowohl als 
der Ohrenärzte mit den Fortschritten der Diagnostik 
nicht Schritt halten können, weil die allopathische 
Schule sozusagen keine direct oder specifisch auf 


| pathie. Für diese wurde durch die Erkenntniss 
der Veränderungen im Innern des Auges, welche 
der Augenspiegel uns enthüllt hat, ein ganz neues 
Wirkungsgebiet eröffnet. Allerdings boten dem 
homöopathischen Specialisten die bisherigen Mittel¬ 
prüfungen unserer Materia medica keine genügen¬ 
den Anhaltspunkte zu einer sichern Mittelwahl nach 
dem Aehnlichkeitsgesetze. 

Die Arzneien zur Heilung der verschiedenen, 
durch den Augenspiegel erkennbar gewordenen 
pathologischen Veränderungen im Innern des Auges 
mussten erst entdeckt und an Kranken erprobt werden. 

Durch das seit mehr als einem Vierteljahr¬ 
hundert in New*-York bestehende homöopathische 
Augen- und Ohrenspital, welches seine Entstehung 
der grossartigen Schenkung einer Gönnerin dieser 
Heilmethode verdankt, ist der Homöopathie die 
Möglichkeit, auf diesem Gebiete die nöthigen Er¬ 
fahrungen sich zu sammeln, bedeutend erleichtert 
worden. Der homöopathische Specialist Amerikas 
ist jetzt seinem allopathischen Rivalen, der von einer 
Behandlung durch innere specifisch wirkende Mittel 
nichts w eiss und nichts wissen will, bedeutend über¬ 
legen, da er neben der chirurgischen Behandlung, 
die er so gut kennt und anzuwenden versteht, als 
der allopathische Specialist, durch die rechtzeitige 
Anwendung innerer Mittel in vielen Fällen seine 
Kranken ohne Operation zu heilen im Stande ist, 
und selbst wenn dies nicht möglich sein sollte, so 
wird die Operation durch eine sorgfältige homöo¬ 
pathische Behandlung vor und nach dem chirur¬ 
gischen Eingriff viel seltener misslingen, weil da¬ 
durch die der Operation so oft nachfolgende Ent¬ 
zündung beinahe sicher verhütet werden kann. 
Diese grossen Vorzüge der Behandlung durch ho¬ 
möopathische Specialisten werden in Amerika von dem 
Hilfe suchenden Publicum immer mehl anerkannt. 

Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass 
ein tüchtiger homöopathischer Specialist sich auch in 
Europa bald eine gute Clientele erwerben könnte. 
Aber w r o sollten solche homöopathische Specialisten 
in Europa herkommen? Wie viele Studirende der 
Medicin giebt es, welche als Studenten schon den 
Vorsatz gefasst haben, nach vollendeten Studien 
und glücklich bestandenem allopathischem Examen 
sich auf das Studium der Homöopathie zu legen? 

Unsere homöopathischen Aerzte haben meist 
Jahre oder Jahrzehnte lang allopathisch practicirt, 
bevor dieselben (wohl meist durch auffallende Hei¬ 
lungen) auf die Homöopathie aufmerksam gemacht 
| wurden und sodann selbst mit homöopathischen 
Mitteln Versuche angestellt haben. Solche Aerzte 


einzelne Theile wirkenden Mittel kennt oder die- , können aber nicht leicht nochmals anfangen, ein 
gelben wenigstens nicht als Heilmittel, sondern hoch- I Specialfach zu studiren. Dagegen müsste wohl 


stens zu palliativen Zwecken zu verwenden versteht. 
Ganz anders verhält es sich mit der Homöo- 


jedem practischen Homöopathen ein Leitfaden will¬ 
kommen sein, in welchem er sich über die alltäglich 


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190 


vorkommenden Augen- und Ohrenkrankheiten Auf¬ 
schluss verschaffen und die von erfahrenen homöo¬ 
pathischen Specialisten erprobten Mittel und Heil¬ 
verfahren nachsehend vergleichen könnte. Ebenso 
wichtig ist es auch für den homöopathischen Arzt, 
zu wissen, welche Augen- und Ohrenkranke er an 
den Specialisten zu weisen bat. Das kleine Werk- 
chen über die homöopathische Behandlung der 
Augen- und Ohrenkrankheiten hat sich die Aufgabe 
gestellt, den homöopathischen Arzt in den Stand zu 
setzen, sich über die wichtigsten Augen- und Ohren¬ 
krankheiten orientiren zu können, insoweit dies 
ohne specialistisches Studium möglich ist. 

Wir begrüssen das Werkchen mit lebhafter 
Freude und Genugthuung, umsomehr, als ein ähn¬ 
liches in unserer Literatur noch nicht existirt und 
wünschen demselben die möglichst grösste Ver¬ 
breitung in den homöopathischen Kreisen. F. 

Die Zahl der Aerzte in Deutschland. 

Nach Ausweis des Reichsmedicinalkalenders hat 
sich im Jahre 1893 die Anzahl der Aerzte im 
deutschen Reichsgebiet wieder vermehrt; sie ist von 
20,500 auf 21,621 gestiegen. Auf Preussen kom¬ 
men 12,851 (ein Plus von 777), Bayern 2431 (-{- 86), 
Sachsen 1563 (-)- 40), Baden 855 (-[- 44), Würt¬ 
temberg 739 (-f- 28), Elsass-Lothringen 632 (-{- 33), 
Hamburg 429 (-)- 8); in den übrigen Staaten bleibt 
die Zahl unter 2ü0. Eine Abnahme haben Sachsen- 
Altenburg (von 74 auf 70), Waldeck (von 31 auf 
30) und Schauraburg-Lippe (von 19 auf 18) er¬ 
fahren. Im Verhältniss zur Einwohnerzahl kommen 
im Durchschnitt im ganzen Reich auf je 10,000 
Einwohner 4,37 Aerzte, gegen 4,15 im Jahr 1892.— 
Die Zahl der Apotheker stieg von 4964 auf 4989, 
davon in Preussen von 2726 auf 2777. Sie fiel 
in Bayern von 650 auf 641, in Württemberg von 
267 auf 264, Baden von 215 auf 202, Hessen von 
111 auf 100. 

Quittung. 

Für das Homöopathische Krankenhaus zu 

Leipzig sind eingegangen in der Zeit vom 19. Jan. 
bis 18. Mai folgende Beiträge bei Herrn Apotheker 
William Steinmetz , Leipzig: 

1. Für dm Betriebsfonds: Mark 

vom Homöopath.Centralverein Deutschlands, 

Jahresbeitrag pro 1893 ! 94 . . . 500.— 

von Prinzessin Bentheim-Tecklenburg, Ru¬ 
dolstadt, Jahresbeitrag pro 1893j94 12.— 

„ Herrn Dr. med.Theuerkauf, Magdeburg 

(durch Herrn Dr. Groos) . 100.— 

Latus Mk. 612.— 


Transport Mk. 612.— 
von Herrn Dr. med. Kafka, Carlsbad*) . 18.27 

,, „ Dr. med. Kallenbach, Rotterdam, 

Jahresbeitrag pro 1893|94 . 12.— 

,, ,, Herhausen, Braunschweig, aus 

dem Nachlasse seiner Mutter 954.05 

„ ,, Dr. med. Oberholzer, Zürich, 

Jahresbeitrag pro 1893|94 . 100.— 

,, Frau Aschenberg, Barmen, Jahresbei¬ 
trag pro 1893;94 .... 20.— 

,, Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwasser, 

Bernburg, Jahresbeitrag pro 

1893 94 . 60.— 

„ ,, Dr. med. Windelband, Berlin, 

Jahresbeiträge pro 1891192 
und 1892|93 ä M. 30.— . 60.— 

„ ,, Dr. med. Hammerschmidt, Elber¬ 
feld, Jahresbeitragprol893 94 15.— 

„ „ Dr. med. Hendrichs, Cölna. Rh., 

Jahresbeitrag pro 1893|94 . 20.— 

,, ,, Dr. med. Henze, Halle, Jahres¬ 
beitrag pro 1893|94 . . . 10.— 

,, ,, Restaurateur Baumeyer, Halle, 

(durch Herrn Dr. Henze) . 3.— 

,, ,, Dr. med. Meschlin, Basel, Jahres¬ 
beitrag pro 1893,94 . . . 8.90 

„ „ Dr. med. Heyberger, Protivin, 

Jahresbeitrag pro 1893194 . 3.— 

„ ,, Dr. med. Göhrum, Stuttgart, 

Jahresbeitrag pro 1893 94 . 10.— 

,, Frau Anna Dörge, Leipzig . . . 20.— 

,, Herrn Dr. med. Paul Lutze, Göthen, 

Jahresbeitrag pro 1893 94 . 100.— 

„ ,, Professor Berlin, Hamburg, 

Jahresbeiträge pro 1892|y3 
und 1893)94 ä M. 20.— . 40.— 

,, ,, Stadtrath Dr. W. Schwabe, Leip¬ 

zig, Jahresbeitrag pro 1893(94 1000.— 
,, „ Stadtrath Dr.W. Schwabe, Leip¬ 

zig , bei ihm eingegangene 


• Beiträge. 

Legat der verstorbenen Frau Sanitätsrath 
Dr. Bürkner, Dessau .... 
von Herrn Dr. med. Groos, Magdeburg, 

Jahresbeitrag pro 1898|94 . 
„ ,, Staatsrath Dr. Walz, Frank¬ 

furt a. Oder, Jahresbeitrag 

pro 1893)94 . 

,, ,, Dr. med. Loeck, Stettin, Jahres¬ 
beitrag pro 1893(94 . . 

Ertrag der öffentlichen Sammlung in Leipzig 
von Frau Dr. Brausch, Büdingen . 


142.80 

900.— 

10.— 

100 .— 

10.— 

801.30 

5.— 


,, Ludwig Klein, 


Büdingen 

Latus Mk 


5035.32 


*) Mitarbeiterhonorar von der Allg. homöopath. Ztg. 


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191 


Transport Mk. 5035.32 
von Frau Medicinalrath N. N. in N. . . 5.— 

von Centralvereinsmitgliedern, 74 Jahres¬ 
beiträge ä M. 6.—. 444.— 


2. Für den Bau/onds: Mk ' 5484 ’ 32 

i Täschner & Co., Leipzig (durch 

Dr. med. Frey tag), pro 1. April 1894 500.— 


3. Für die Bibliothek: 
von Frau Alex. Aschenberg, Barmen 
sehe Monatshefte. 


Mk. 5984.32 
Westermann- 


Für alle diese gütigen und reichlichen Zuwen¬ 
dungen sage ich im Namen des Curatoriums den 
verbindlichsten Dank. Ich bitte auch ferner um 
freundliche Unterstützung unseres Hauses und vor 
Allem um gefl. baldige Einsendung der noch rück¬ 
ständigen Jahresbeiträge. 

Leipzig, den 18. Mai 1894. 

Hochachtungsvoll 

William Steinmetz, Apotheker, 
z. Z. Kassenverwalter. 


Quittung. 

Für die Unterstützungskasse für Wittwen 
homöopathischer Aerzte sind in der Zeit vom 
19. Januar bis 18. Mai folgende Beiträge einge¬ 
gangen : 

von Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Sick, 

Stuttgart*).M. 4.20 

„ ,, Dr. med. Kallenbach, Rotter¬ 
dam, pro 1893|94 . . . „ 12.— 

n „ Dr. med. Oberholzer, Zürich, 

pro 1893|94.„ 21.65 

„ „ Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwas¬ 
ser, Bernburg, pro 1893|94 „ 10.— 

_ Latus Mk. 47.85 


von 

Herrn 

Transport 

Dr. med. Streintz, Graz, pro 

Mk. 47.85 

n 

n 

1893(94 . 

Dr. med. Baltzer, Stettin*! . 

r 3.80 
„ 2.40 

n 

n 

Dr. med. Hammerschmidt, El- 


w 

n 

berfeld, pro 1893(94 . . 

Dr. med. Kafka, Carlsbad, pro 

n 15 — 

» 

n 

1893(94 . 

Dr. med. Heeremann de Hun- 

„ 6.43 

n 

r> 

dermark, Paris, prol893|94 
Dr. med. Henze, Halle, pro 

„ 30.85 

V) 

77 

1893(94 . 

Dr. raed. Heyberger, Protivin 

n 11 — 

r> 

n 

pro 1893(94 . 

Dr. med. Jahn, Berlin, pro 

„ 2.97 

7) 

V 

1893j94. 

Dr. med. Groos, Magdeburg, 

„ io— 

von 

pro 1893(94 . 

Central Vereinsmitgliedern: 73 Jahres- 

, io— 


beitrage pro 1893(94 4 M. 8. — . 

r 584.- 



Rmk. 724.30 


Mit bestem Danke quittire ich über diese neuen 
reichlichen Zuwendungen und bitte auch um fernere 
gütige Unterstützung dieser guten Sache, — vor 
Allem um gefl. baldige Einsendung der noch rück¬ 
ständigen Jahresbeiträge. 

Leipzig, den 18. Mai 1894. 

Hochachtungsvoll 

William Steinmetz, Apotheker, 

z. Z. Kassenverwalter. 


Personalia. 

Dr. Döge-Cammin hat das Dispensirexamen 
bestanden. 


*) Mitarbeiterhonorar von der Allg. bomöopath. Ztg. 


*) Mitarbeiterhonorar von der Allg. bomöopath. Ztg. 


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Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moesa-Stnttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mitoer in Leipaig. 


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Band 128 


Leipzig, den 21. Juni 1894. 


No. 25 u. 26. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Heransgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggr&rs homöopath. Offlein) in Leipzig. 

gPgr** Erscheint UtÄgig au 2 Bogen. 13 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10M. 30 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Poetanstalten nehmen Bestellungen An. No. 97 des Post-Zeitungs- Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstetn dbVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offloln ln Leipzig) zu riohten 
sind, werden mit 30 P /pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 


Inhalt. Zeichen d«r Zeit. Von Dr. Bojanus sen., Samara. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 
(Fortsetzung.) — Neuralgieen. Von Erastns Gase, M. D. — Dis nordamerikanisehen homüopathieehen Celleges ued 
Spitaler. (Schluss.) — Vom Chirurgen-Congress. Asepsis und Antisepsis. — Lesefrllchte. — 

Personelle. — Dr. med. Hermann Meyer in Oenabrflek, gest. 10. Jnni 1894. — Anzeigen. 

•W“ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. "Wl 


Zeichen der Zeit. 

Von Dr. Bojanni sen., Samara. 

Vor ein paar Monaten wurde mir von Dr. Galla* 
vardin in Lyon, dem Verfasser von ,,Alcoolisme 
et criminalitö“ (siehe Allgem. Homöopath. Ztg. 
Bd. 120, pag. 6 u. f.) ein Schriftchen: „L’Aiimenta* 
tion qui procure le plus de chaleur et le plus de 
force musculaire intellectuelle et morale“ mit der 
Bitte zugeschickt, ich möchte doch über dasselbe 
ein Referat in die ,,Allgemeine“ einrücken. Ich thue 
dieses um so mehr mit Vergnügen, da es, wie über¬ 
haupt auch Früheres von dem Verfasser Gelieferte, 
obgleich nicht als abgeschlossen betrachtet werden 
kann, dennoch reichen Stoff zum Nachdenken und 
Untersuchen bietet. Wie der Titel des Schriflchens 
besagt, ist der Gegenstand, dem er gewidmet, von 
höchster Wichtigkeit und erheischt daher auch 
näheres Eingehen. 

Es zerfkllt in 9 kurze Abschnitte, von denen 
der 9., als letzter, die Schlussfolgerungen enthält. 
In dem 1. und 2. ist die Rede davon, dass jede 
nicht praktisch verwerthbare Wissenschaft durchaus 
diesen Namen nicht verdient, dass man aber in 
Frankreich nicht das Zeug dazu habe, eigene Er¬ 
findungen praktisch auszunützen, und führt als 
Beispiel Duchenne de Boulogne, die Nähmaschine, 
das Telephon und die Dampfmaschine als Erfin¬ 
dungen an, die erst nach Amerika au 9 wandern 
mussten, um bearbeitet und allgemein nützlich ge¬ 


staltet wieder heimzukehren. (Denselben Vorwurf 
muss sich auch Deutschland besonders der Homöo¬ 
pathie und in specie Gross „Vergleichenden Arznei¬ 
mittellehre“ gegenüber gefallen lassen. Ref.) Er 
selbst sieht sich als ein Opfer dieses nationalen 
Indifferentismus an, denn während seine Schriften 
Anklang und praktische Verwerthung in Amerika 
fanden, verharren sie in Europa noch im Zustande 
des todten Materials. Umsonst hat er sich bemüht, 
dfcs Verhältniss der Medicin zur psychischen und 
plastischen Sphäre des Organismus und ihre Stel¬ 
lung zur Diät, d. h. also nicht allein zur Nahrung, 
sondern zur gesammten Hygiene zu beleuchten. 

Die im Organismus erzeugte chemische Wirkung 
gebiert als solche Wärme und körperliche Kräfte: 
Thatsachen, die trotz dem von Robert Mayer ent¬ 
deckten Gesetze der Erhaltung der Kraft und dem 
von Joule entdeckten, demzufolge die Gesetze der 
Bewegung gleich sind, sowohl für belebte als auch 
für unbelebte Körper, noch lange nicht gebührender¬ 
weise praktisch verwerthet wurden. Hier führt er 
als Illustration das Benehmen der Lyoner Aca- 
demie an, die es für überflüssig hielt, eine Com¬ 
mission zu ernennen, um den Fahrten des Marquis 
Claude de Jouffroy d*Abbans auf dem Douhs Jbeizu- 
wohnen; mehr noch: Die Academie hat drei bis vier 
ihrer Mitgliedergenerationen durchgemacht und erst 
nach einem Jahrhundert hat sie die Existenz „des von 
ihr geleugneten Magnetismus" anerkennen müssen. 

Nach Massgabe des Sinkens der Lufttemperatur 


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194 


wird der Organismus in die Noth Wendigkeit ver¬ 
setzt, auch mehr Wärme zu erzeS^fe, was aber 
nicht nur den Versuchen Liebigp * und Milne 
Edwards an Hühnern und Hunden, sondern auch 
der Beobachtung und Erfahrung nach nur durch 
Assimilation von Fett und der Kohlenhydrate, Cerea¬ 
lien, Leguminosen, Zucker und den ei weisshaltigen 
Stoffen, Fleisch, bewerkstelligt werden kann. Die 
Bewohner der Polarländer leben fast nur von Fisch- 
thran, was aber nicht nur von den Bewohnern der 
Polarländer, sondern auch von den die Steppen 
Asiens, in denen beJ^gintlich ein überaus strenger 
Winter herrscht, bewohnenden Baschkiren und Kal¬ 
mücken gilt, die massenhaft Hammeltalg und meist 
nur fettes Hammelfleisch geniessen; ich selbst war 
Zeuge davon, wie ein Baschkir ein Gefass, welches 
mindestens 1 1 / 2 Flaschen geschmolzenen Hammel¬ 
talg enthielt, auf einmal, ohne abzusetzen, mit 
Wohlgefallen lehrte. (Ref.) Ferner aber haben die 
Versuche von Milne Edwards nachgewiesen, dass 
die den Stoffwechsel verlangsamenden Stoffe: Spiri- 
tuosa, Thee, Kaffee, die Körpertemperatur herab¬ 
setzen und dass das Gefühl von grösserer Wärme¬ 
entwickelung ein nur scheinbares und auf Reiz 
des Gehirns, des Herzens und der Respiration be¬ 
ruhendes ist. In den folgenden, 4., 5. und 6., Ab¬ 
schnitten beweist er, gestützt auf die Experimente 
von Milne Edwards, Marvaud, Bouchard, Picard, 
Frankland und Liebig, dass nicht durch Fleisch die 
meiste Muskelkraft, sondern abermals durch die 
Kohlenhydrate, Fett und Knochenmark, welche alle 
sieben Mal mehr Wärme produciren als mageres 
Fleisch, erzeugt wird. Es sei daher, heisst es im 
5. Abschnitte, das Urtheil Michel Levys, Milne 
Edwards und Beclards, als habe sich die Arbeits¬ 
kraft der bei dem Bau der Eisenbahn von Paris 
nach Rouen beschäftigten Arbeiter erhöht, nachdem 
sie auf Fleischdiät gesetzt wurden, insofern irrig, als 
dabei ausser Acht gelassen, dass das ihnen gereichte 
Fleisch 12 °/ 0 Fett enthielt und dass die erhöhte 
Muskelkraft diesem und nicht dem Fleische zu¬ 
geschrieben werden müsse. Nun entwickelt er im 
7. und 8. Abschnitte, dass, je mehr Wärme ein 
Nahrungsstoff erzeugt, desto mehr Kraft verleiht 
er; dieser Satz ist von Lichtenfels und Fröhlich 
bewiesen. Nach einer aus Fleisch bestehenden 
Mahlzeit tritt beschleunigte Herzaction schneller 
ein, als nach einer Mahlzeit aus Kohlenhydraten; 
diese hält dafür aber auch länger an. Auf den 
Unterschied der Wirkungsweise dieser Nahrungs- 
sfofte gestützt, spricht sich Dr. Leven, Verfasser des 
Buches über die Neurosen, dahin aus, dass Fleisch, 
Spirituosa, Kaffee und Thee nicht Nahrungs-, sondern 
Reizmittel des Hirnes und der Nervencentren seien; 
dasselbe gilt auch von der Fleischbrühe (Bouillon), 
wie dieses Bouchardat nachgewiesen hat. 


Die Nahrungsstoffe nun, welche die meiste in¬ 
tellectuelle Kraft, sind auch wieder die, welche am 
meisten Wärme .und Muskelkraft erzeugen, während 
die Alkoholika sowohl die Muskel- als auch die* 
intellectuelle Kraft herabstimnien. Als Beleg für 
diese Ansicht fütfft er 'die Erfahrungen von Pärketa 
und Henri de Parville an,, ferner auch noch den 
Ausspruch Senecas aus seinem Briefe an Lucius, f in 
welchem er, nachdem er längere Zeit nur Vegeta- 
bilien genossen, sagt: „Agiliorem mihi animum esse 
credebam,“ dann auch noch das diesem ähnliche Be¬ 
kenntnis von dem Schriftsteller Sarcey, und kommt 
schliesslich zu der Ansicht, dass Ausschluss des 
Fleisches aus der Nahrung eih Schutzmittel gegen 
Hirn- und Mastdarm - Blutungen, ja sogar gegen 
Ruptur von Aneurismen sei und fügt hinzu, dass-er 
in Folge dieser Diät Leute im heissen Klima von 
allen dort — im Senegal — herrschenden Krank¬ 
heiten geschützt habe, und zwar auf Grund fol¬ 
gender Thatsachen: 1. Die Mitglieder einer Pro¬ 
testantengemeine in Philadelphia, die weder Fleisch, 
noch Fisch, noch Alkoholika geniessen, blieben 
von Cholera und gelbem Fieber, die dort ein 
ganzes Jahr lang herrschten, verschont. 2. Alle 
Mönche des Ordens La Trappe blieben frei, nicht 
allein von Cholera, sondern auch von Diphtherie 
und Dysenterie, die in den, dem Kloster benach¬ 
barten, Gebäuden herrschten. Wenn nun, fährt 
der Verfasser im 8. Abschnitte fort, die Nahrungs¬ 
stoffe, welche am meisten Wärme, daher denn auch 
erhöhte Muskelkraft und ebenfalls intellectuelle zu er¬ 
zeugen vermögen, so werden sie dasselbe auch im Be¬ 
reiche der moralischen Thätigkeit zu Wege bringen, 
und er stimmt vollkommen mit dem Ausspruche des 
Aristoteles, in dessen Abhandlung von der Seele, 
überein, dass weder Geist, noch Phantasie, sondern 
das Gefühl die menschliche Thätigkeit in Bewegung 
setzt, was auch Fredault fast in derselben Weise 
ausdrückt, indem er sagt: Das Gefühl ist die Ini¬ 
tiative der That. Sind nun aber diese Aussprüche 
etwa nicht im Einklänge mit den Wiener Physio¬ 
logen, welche dargetban haben, dass die hier in 
Frage stehenden Nahrungsstoffe die sind, welche 
am meisten die Activität des Herzens anregeu und 
unterhalten, welches Blut und Leben im ganzen 
Organismus verbreitet? Schliesslich macht er noch 
einen Zusatz zu der Ansicht des Professor Regnault, 
welcher darauf hin weist, dass Fleischkost den Ge¬ 
schlechtstrieb erhöht, indem er seinen Erfahrungen 
zu Folge dasselbe vom Fisch und den Alkoholicis 
sagen kann. 

Aus allem Vorhergegangenen stellt er nun in 
seinen Schlussfolgerungen folgende Diätregeln auf: 

1. Wir müssen von Kindheit an unsere Ver¬ 
dauungsorgane an alle fetten Stoffe ge¬ 
wöhnen. 


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195 


2. An alle stärke* *und mehlkaltigen. 

3. An alle zuckerhaltigen. 

4. Es muss so wenig Fleisch als möglich ge- 
uossen werden. 

5. Die Vegetarianer thun Unrecht, dass sie das 
Fleisch gänzlich aussclilicssen, da es aus 
zwei Theilen, dem Fett und der Muskel¬ 
faser besteht. 

6. Fett-, zucker-, stärke- und mehlhaltige Stoffe 
sind die wahren, den Stoffwechsel verlang¬ 
samenden oder, wie er sie nennt: „Alimonts 
d’epargne.“ 

7. Im heissen Klima muss man Fettes nicht 
ganz ausschliessen, da es Hunger und Durst 
beschwichtigt; eine Erfahrung, die viele, 
namentlich Afrikareisende, gemacht haben; 
ferner aber sind die fetten Stoffe Heil- und 
Schutzmittel bei Rhachitis und dürfen auch 
im heissen Klima nicht ausgeschlossen werden. 

So interessant und theilweise auch verwerthbar 
das von dem Herrn Verfasser Gebotene ist, so kann 
es doch nicht als etwas Abgeschlossenes betrachtet 
werden, und zwar aus dem Grunde nicht, weil wir 
es doch nur mit Individuen zu thun haben, und 
da diese unendlich sind, so dürften sich allgemeine 
Regeln nicht überall aufstellen lassen. Um dieses 
klarer und anschaulicher zu machen, wenden wir 
uns an Analoga im Thierreiche: Wir sehen die 
aufs Höchste entwickelte Muskelkraft bei den Affen, 
den Thieren also, welche hauptsächlich Vegetarianer 
sind, wir sehen aber auch zugleich eine ähnlich 
entwickelte Muskelkraft bei Thieren, die haupt¬ 
sächlich Fleischfresser sind, und hier wieder einen 
Unterschied zwischen denen, die von lebendem — 
Löwe, Tiger u. s. w. — und die von todtem (Cadavern) 
Fleische — Hyäne u. s. w. sich nähren. Ferner 
ist es bekannt, dass ausscMiesslich Fleischfresser 
sich sehr schwer mästen lassen, was bei Herbivoren, 
Rind u. s. w., und bei Omnivoren, Schwein, sehr 
leicht gelingt. Dasselbe beobachten wir bei den 
Vögeln. Raubvögel sind nie fett, während Enten, 
Schnepfen u. s. w. oft von Fett triefen, und auch 
hier stossen wir auf Ausnahmen — die Pinguinen 
zum Beispiel. Um das auf das Menschengeschlecht 
anzuwenden, müssen wir da nicht eingestehen, dass 
wir auch hier Aehnlichem begegnen? Es giebt 
eine Menge Menschen, die bei verhältnissmässig 
geringer Nahrungszufuhr fettleibig, andere wieder, 
die bei verhältnissmässig reichlicher Nahrungszufuhr 
dennoch mager sind und mager bleiben, ferner 
müssen wir uns auch noch an eine, freilich nicht als 
Wissenschaft anerkannte, von Vielen bekrittelte, 
namentlich aber von Lichtenberg ins Lächerliche 
gezogene Beobachtungsreihe — wir dürfen sie nicht 
Wissenschaft nennen, das wäre gegen den guten 


Ton und eine Beleidigung der „hohen Wissen¬ 
schaft“ gegenüber, welche beispielsweise die Tuber¬ 
culosis und die jüngst erneuerte Cholera-Therapie 
schuf — die Physiognomik, wenden, doch ohne 
auch weiter an diese Appell zu machen denken 
wir nur an den verschiedenen, sprüchwörtlich ge¬ 
wordenen Ausdruck der Augen: Luchs-, Fuchs-, 
Kalbs-, Glotzaugen, kluge Elephantenaugen; frage 
sich ferner Jeder selbst, ob ihm denn nie Katzen-, 
Löwen-, Adler-, Eulen-, Stier- und andere Physio- 
gnomieen vorgekommen sind. Nun aber noch die 
Geberden! Wem sind nicht Leute begegnet mit' 
graeiösen Katzen-, mit komischen Affen-, mit schwer¬ 
fälligen Behemot-Bewegungen vorgekommen? Ferner 
beobachte man, wie manche Leute essen, und man 
wird das Raubtliier, den Wiederkäuer, den gierigen 
Wolf und das schmatzende Schwein u. s. w. heraus¬ 
sehen. Dieses Alles zusammeugenommen und mit 
der unabweisbaren Aehnlichkeit, die manche Men¬ 
schen mit Katzen, Löwen, Rindern, Schweinen, 
Affen, Raub- und Singvögeln in ihrem Antlitz 
führen, so gewinnt die Physiognomik, besonders 
wenn sie sich an die Phrenologie anschliesst, eine 
wahrhaft wissenschaftliche Unterlage. Daran wer- 
l den viele „Männer der Wissenschaft“ zweifeln, 
das gehört in der „Wissenschaft“ zum guten Ton, 
und das Nichtanerkennen dessen, was man nicht 
wahr haben will, zu noch besserem. Zweifeln, 
leugnen und verwerfen ist sehr leicht, das kann 
Jeder, auch der Dümmste, kritisiren natüi^ighgr- 
weise auch, aber besser machen, das verstellen nur 
Wenige, von diesen kann man nur Einzelne zählen, 
während jene schockweise zu haben sind. 

Die eben besprochenen Aelinlichkeitsbeziehungen 
aber nicht sehen, heisst das nicht gar keinen Sinn 
für Aehnlichkeit haben? oder wie die Franzosen 
sagen: „Avoir au lieu de la bosse, la cavite.“ Denkt 
man nun noch ferner an die Nuancen, die zwischen 
diesen Typen liegen, und vergisst man dabei nicht 
an die Mischlinge zu denken, so ist der Blick in 
die Unendlichkeit der Verschiedenheit nicht schwer. 
Dass das Alles aber nicht auf eine und dieselbe 
Diät gestellt werden kann, wer wollte das wohl be¬ 
streiten? 

Wir werden also vorab, was den hier behandelten 
Gegenstand anlangt, uns mit dem begnügen müssen, 
was Hausmann vor 27 Jahren aussprach: 

„Wenn die organische Chemie erst so weit ge¬ 
diehen sein wird, um über die wahre Zusammen¬ 
setzung der organischen Stoffe aus unzweifelhaft 
] feststehenden zusammengesetzten Radikalen als Ver- 
i tretern von chemischen Elementen endgiltig ent- 
j scheiden zu können, dass dann den vorausgegaugenen 
fünf Büchern ein sechstes wird hinzugefügt wer¬ 
den müssen mit der Aufschrift: Sechstes Krank¬ 
heitsmerkmal, die Nährmittelreactionen — versteht 

25* 


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196 


sich auf den kranken Leib und vice versa —, und 
dass darin erst die sondernsten, die bestimmenden 
Kennzeichen der Krankheit gegeben sein werden.“ 
(Siehe „Ursachen und Bedingungen der Krankheit,“ 
pag. 860.) 

Während wir hier in diesem Schriftchen aus 
dem südlichen Frankreich das Bestreben sehen, 
durch prophylactische Massregeln den Menschen 
zu verbessern, sehen wir in Amerika dasselbe Be¬ 
streben auftauchen, nur mit dem Unterschiede, 
dass der Hebel an eine andere, ungleich wichtigere 
Stelle gelegt wird. Wir meinen den, auf dem 
Weltcongress in Chicago, gehaltenen Vortrag von 
einer Dr. Millie Chapmann über die Behandlung 
der Kinder vor ihrer Geburt („Prenatal Education“). 
Gestützt auf die Erfahrungen mancher Beobachter, 
unter Anderen auch denen Grauvogls, dass Hydro- 
cephalus, dem alle Kinder einer Familie unter¬ 
lagen, durch Verabreichung von Calcar. carb., 
Phosph. und Sulphur während der Schwangerschaft 
die Entwickelung dieses Uebels verhindert, geht 
Frau Millie Chapmann weiter und findet in. den 
socialen und moralischen, besonders ehelich zer¬ 
rütteten, odör durch Verführung und Betrug herbei¬ 
geführten Verhältnissen Schwangerer die Ursache 
zu geistigem und moralischem Verkommen des 
demnächst zur Welt kommenden Kindes, auf dessen 
geistige Anlagen der verzweiflungsvolle, unglück¬ 
liche Zustand der Mutter während ihrer Schwanger¬ 
schaft einen so perniciösen Einfluss ausübt, dass 
ihm die Anlage zu Menschenhass, Zerstörungssinn, 
Mordlust u. s. w. angeboren wird, welche alle nicht 
unterlassen, unter den in- diesem Falle stets ob¬ 
waltenden günstigen Momenten, sich mächtig zu 
entwickeln. — Wer denkt da nicht an manche Gift¬ 
mischerin, welche gleichsam aus Liebe zum Hand¬ 
werk dasselbe systematisch trieb; denkt man an die 
Massenmorde der Anarchisten, denkt man an die, 
besonders in neuerer Zeit, so locker und zweideutig 
sich gestaltenden Eheverhältnisse, so gewinnt die 
ausgesprochene, sich übrigens auf Beobachtungen 
und Thatsachen gründende Ansicht festen Boden. 

Das Licht des Geistes ist ein Quell der Tugend, 

Das Laster stammt aus Finsterniss und Nacht. 

Viele, namentlich die „Männer der Wissenschaft“ 
in Europa, werden lachen und ausrufen: „Unsinn! 
Faselei! — in Amerika wurde nicht gelacht, im Gegen- 
theil, man empfing den Vortrag von Dr. Millie 
Chapmann mit grosser Zustimmung und viele von 
den Anwesenden theilten einschlägige Fälle von er¬ 
folgreicher Behandlung vor der Geburt aus eigener 
Praxis mit. 

Sollten die Menschen in Amerika gescheidter 
und vernünftiger sein, als in Europa? — Fast 
sieht es so aus. 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. HeMe-H&mbnrg. 

(Fortsetsung.) 

H.: Der 26 Jahre alte W. leidet seit 13 Wochen 
an Magendruck, der nach heftigem Aerger gekommen. 

Besser im Gehen und eher besser wie schlechter 
nach dem Essen. 

Schwindel beim Gehen im Freien . 

Appetit schlecht. Unruhe im Körper . 

7. Sept. 1892. Sepia X. an drei Abenden. 

10. Sept. Mit jedem Pulver besser. Appetit 

gut, Schwindel und Unruhe gebessert. Der Patient 
hielt es nicht mehr für nöthig, sich zu zeigen. 

Für langwierige Magenbeschwerden nach Aerger 
fand ich sehr häufig Sepia angezeigt, nach kalten 
Genüssen Lycopod. 

H. : Schlosser L., 32 Jahre alt, aus F., schwarz¬ 
haarig, mässig genährt, klagt seit Jahren über sehr 
lästigen Druck und Beklemmung in der Brust. 
(Befund normal.) 

Er kann trotzdem seine schwere Arbeit ver¬ 
richten, fühlt sich sogar wofder in der Arbeit , 
während ihm in der Ruhe die Beschwerden fühl¬ 
barer werden. 

Er hat früher lange an Durchfall gelitten, doch 
konnte ich bei diesem keine charakteristischen Zeichen 
entdecken. 

25. Mai 1888. Sepia sechs Pulver, wöchent¬ 
lich ein Pulver. 

30. Juni. Bedeutend besser, hat seitdem keine 
Beklemmung gehabt. Dieselben Pulver. 

20. August. Befinden nicht so gut. Cont. 

2 i. Jan. 1889. Seit einiger Zeit Drücken in 
der linken Brust, jetzt auch nach dem Essen. 

Die Untersuchung normal. Wieder Sepia X. 

I. Nov. 1889. Im Januar sofort gut geworden. 

Jetzt Schmerz in der linken Seite. 

Schwindel mit Kopfschmerz über den Augen 

und Schwarzwerden vor den Augen. Besser' durch 
Rauchen. 

Sep. X. fünf Pulver, Morgens und Abends 
ein Pulver. 

27. Nov. Sepia X. wöchentlich. 

8. Febr. 1890. Seit Influenza wieder Schmerz 
in der linken Brust. Sepia X. 

21. Nov. 1891. Morgens Husten und AuswurJ. 

Herzklopfen beim LinksUegen . 

Wenn er nicht arbeitet Gefühl der Völle, wie 
von Blähungen; die Arbeit bessert. 

Kohl und blähende Speisen verschlimmern. 

Schmerz in der linken Seite, aber umherziehend. 

Tagelang Kopfschmerz. 

Sitzen in der Stube gar nicht vertragen , am 
besten draussen in der Znift, oder in der Werkstatt 
bei der Arbeit Sepia X. 


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197 


H. : L. aus L., ein Mann in den mittleren Jahren, I 
consultirt mich wegen eines eigenthümlichen, ner¬ 
vösen Schwindels , der ihn mehr belästigt, wenn er ! 
Zeit hat, seinen Gedanken nachzuhängen. | 

Schlimmer im langen Stehen, j 

schlimmer in der Sommerhitze , j 

besser in der Beschäftigung\ besomlers im Freien. 
Der Kopf ist ihm wie betrunken. 

Schlimmer Morgens und Abende , 
leicht beklommen im Zimmer , 
langes Sitzen verträgt er schlecht ; er hat kein 
Sitzfleisch . 

Früher hat er an Asthma gelitten bei Ostwind. 
4. April 1892. Sepia X. jeden dritten Abend. 
27. April. Seit dem Einnehmen hat sich sein 
Zustand so sehr gebessert, dass er anfragt, ob er 
überhaupt noch Etwas nehmen soll. 

Gerade bei Sepia musste mir oft eine kleine 
Andeutung genügen zur Mittelwahl, so die Unruhe 
im Sitzen, das Beklommensein im Zimmer, die 
Verschlimmerung im Müssigsein. 

So auch im folgenden Falle. 

Eine jetzt etwa zwanzigjährige junge Dame 
bekam im vierten Lebensjahre Caries der Fuss- 
wurzelknochen beiderseits. Ich bekam sie vor 
5 Jahren in Behandlung, als sie schon 11 Jahre 
im Rollstuhl zugebracht hatte. 

Beide Füsse hatten ihre ursprüngliche Form 
verloren, waren unförmliche Klumpen geworden, 
aus denen durch etwa acht bis zehn Oeffnungen 
bald mehr, bald weniger Eiter sich entleerte. 

Das Allgemeinbefinden war stets ein gutes und 
weder hieraus, noch aus der Vergangenheit der 
Patientin konnte ich etwas für die Mittelwahl ver- 
werthen. Ich musste unter den antipsorischen 
Arzneien umhertappen, stets ein unbehaglicher Zu¬ 
stand, und erzielte auch in den ersten 3 Jahren 
der Behandlung keine Besserung. Im Frühjahre 
kamen regelmässig neue Schwellungen und neue 
Stellen zum Durchbruch, während alte Fisteln zu¬ 
heilten. 

Die gelegentliche Bemerkung der Patientin, 
dass es ihr leicht zu warm würde im Zimmer (und 
zwar im nicht zu warmen Zimmer), veranlasste 
mich, ihr Sepia zu geben. Seit dieser Zeit wurden 
die Füsse besser. Seit zwei Jahren bekommt sie 
ununterbrochen Sepia X. und 200. in wöchent¬ 
lichen Gaben. Es kamen keine neuen Fisteln mehr, 
die Füsse flachten sich allmählig ab und wurden 
menschlicher. Momentan ist an jedem Fusse noch 
eine Fistel mit wenig Secretion. Beide Füsse 
stecken in ganz annehmbaren Stiefeln, die gelegent¬ 
lich verändert werden müssen wegen des Dünner¬ 
werdens der Füsse. Die Patientin vermag auf den 
Füssen zu stehen und in zunehmendem Grade zu 
gehen. Der Rollstuhl, den sie fast 15 Jahre hat 


benutzen müssen, ist in Ruhestand versetzt. Sie 
bewegt sich mit Hilfe eines oder zweier Stöcke in 
der gegründeten Aussicht, auch diese später ent¬ 
behren zu können. Kurz, es ist ein Zustand, wie 
er weder von der Patientin, noch von ihren Eltem- 
noch gehofft worden war. Der günstige Um¬ 
schwung muss der Sepia zugeschrieben werden. 

Bei Eiterung des Knochens setzt v. Boenning- 
hausen die Sepia an hervorragende Stelle. 

Es mögen einige Sulfur-Fälle folgen: 

Th., Vorsteher einer Schule, consultirte mich 
am 23. März 1892 wegen einer Halsaffection, die 
seit 15 Jahren bestand und ihm in seinem Berufe 
sehr hinderlich war. 

Er litt sehr häufig an Mandelentzündungen mit 
weissen Flecken auf den Mandeln, 

Schmerz im Halse bei jedem Schlingen, be¬ 
sonders beim Leerschlingen, 

Trockenheit im Halse, 

Stimme sehr oft rauh, fast heiser. 

Ist ausserordentlich leicht erkaltet. 

Dies waren seine directen Klagen, ausserdem 
fand ich: 

Er schwitzt leicht, 

leidet im Sommer an übelriechendem Fussschweiss, 
im Winter an kalten Füssen. 

Westwind wird als schädlich empfunden , trockener 
Ostwind ist ihm nicht unangenehm. 

Er erhielt von mir Sulfur 200., fünf Pulver, 
jeden Abend ein Pulver. 

Ara 6. April berichtet er über sein Befinden: 
Es war seit Jahren nicht so gut, wie jetzt. Schein¬ 
pulver. 

27. April. Fortschreitende Besserung. Sprechen 
geht gut, noch etwas Schmerz beim Schlucken. 

Am 10. Juni gab ich ihm wegen stille stehender 
Besserung noch einmal Sulfur X. wöchentlich ein 
Pulver. 

Sein Befinden blieb, wie ich höre, seitdem ein 
gutes. 

Die grosse Erkältliehkeit, die Neigung zu 
Mandelentzündungen lenkt von vornherein den 
Blick auf Sulfur. 

H.: Emil E., 7 Jahre alt, hat seit einigen 
Wochen Husten, der seit 8 Tagen echten Krnch- 
Atistew-Charakter zeigt. 

Oeftere krampfhafte Anfälle, jedesmal mit 
Speiseerbrechen, vorher Schmerzen in der Brust. 
Zu erwähnen noch: 

Wunde Nase und stetes Blossliegen . 

4. Juli 1892. Sulfur X. drei Pulver für die 
nächsten drei Abende. 

11. Juli. Bedeutende Besserung. Anfälle wenig 
und unbedeutend, ohne Erbrechen. Es zeigt sich 
ein krustiger Ausschlag auf der rechten Backe, der 
alle Vierteljahre sich einstellte. 


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m 


Der Knabe bekam Scheinpulver und die Mutter | 
hielt weitere Behandlung für überflüssig, doch er- i 
fuhr ich, dass der Husten bald ganz verschwunden ist. | 

Der Husten hatte nichts Charakteristisches, das 
stete Blossliegen und die wunde Nase bestimmten 
mich für Sulfur. 

Wunde Nase, Geschwürs- und Krustenbildung 
in„ der Nase, chronischer Schnupfen deuten auf 
Sulfur in erster Linie, dann noch auf manche 
andere Mittel hin. 

Wichtiger ist das stete Blossliegen. Dieses ist 
bei Kindern ein starker Hinweis auf den Schwefel. 
Ich unterlasse bei kranken Kindern niemals die 
Frage nach diesem Symptom. Doch muss man sich 
vergewissern, dass das Blosswerfen auch im Winter 
in der kalten Stube geschieht. Dies ist die Un¬ 
erträglichkeit der Bettwärme beim Schwefel. Die 
Kinder können kein Bett über sich leiden, haben 
stets die Beine oben, so oft man sie auch zudeckt. 
Befestigt man das Bett so, dass die Beine nicht 
heraus können, so ist der Schlaf um so unruhiger. 

Manchmal wird man finden, dass das Kind nach 
Sulfur die Beine unter der Decke hält. 

Ein diesem analoges Symptom findet man bei 
Erwachsenen: Brennen der Füsse oder Fusssohlen 
Nachts im Bett; er muss die Füsse herausstrecken. 

Kent bemerkt in einer Vorlesung über Cupr. 
metall. über die Schnelligkeit der Tussis-Heilung: 

„Verbreitet ist immer noch die alte Ansicht, 
dass der Keuchhusten den ganzen Winter dauert, 
wenn er im Herbst kommt, im Frühjahr aber nur 
zwölf Wochen. Das ist für allopathische Behand¬ 
lung richtig, dagegen ist es bei homöopathischer 
Behandlung nicht ungewöhnlich, dass die ganze 
Krankheit in wenigen Tagen verschwindet. Zu 
solchen Erfolgen gehört grosse Mittelkenntniss. 
Manchmal ist es allerdings schwer, charakteristische 
Symptome zu erhalten. In solchen Fällen geht es 
natürlich langsamer.“ 

Der letztere Umstand ist für manche Krank¬ 
heitsfälle erschwerend, doch muss ich auch hier 
betonen: Je eingehender das Krankenexamen und 
je ausgedehnter die Arzneimittelkenntniss des Arztes 
ist, desto häufiger wird er Anhaltspunkte für die 
Mittelwahl finden, auch in anscheinend ganz öden 
und kahlen Fällen. 

Wie der Keuchhusten, so wird auch bei anderen 
Krankheiten, wie croupöser Pneumonie und Typhus 
abdom., der Lauf so regulär, wie er sonst nach 
Tagen und Wochen abgegrenzt zu werden pflegt, 
durch das passende homöopathische Mittel abgekürzt 
und erleichtert. Man merkt die günstige Arznei¬ 
wirkung an dem, im Vergleich zu der schweren 
Erkrankung und den starken localen Erscheinungen, 
ungemein günstigen Allgemeinbefinden. Ich er¬ 
innere mich einer schweren doppelseitigen Pneu¬ 


monie, welche unter Kali carb., indicirt durch die 
charakteristische Verschlimmerung 3 Uhr Nachts 
und die gezwungene Rückenlage, ausserordentlich 
günstig verlief. 

Dr. Kunkel und Waszily berichten von den 
schweren Diphtheriefallen in Kiel, wo unter Ein¬ 
wirkung des epidemischen Mittels das Allgemein¬ 
befinden sehr gut war, trotz massenhafter Mem¬ 
branen auf den Mandeln. 

H. : Minna H., 2 1 / 2 Jahre alt, hat seit 5 Wochen 
skrophidöse Entzündung beider Augen , an der sie 
vor 8 / 4 Jahren schon einmal gelitten. Diese be¬ 
gann mit einem krustigen Ausschlag um Nase und 
Mund . 

Blossliegen . 

Zuckungen in den Händen im Schlaf. 

Appetit sehr wechselnd, Verlangen nach Schwarz- 
brod, Durst. 

Urin stinkend, oft unwillkürlich abßiessend, be¬ 
sonders beim Zahnen. 

Heisser Kopf, heisse Hände hei kalten Füssen , 
besonders im Bett . 

6. Febr. 1892. Sulfur 200., zwei Pulver, an 
den nächsten zwei Abenden zu nehmen. 

17. Febr. 1892. Die Augen haben sich sofort 
nach dem ersten Pulver gebessert; kein Durst; 
Schlaf ruhiger; Geruch und Abfluss des Urins besser. 

Die kleine Patientin erhielt Schcinpulver und 
zeigte sich nicht wieder, doch habe ich Grund, an¬ 
haltende Besserung anzunchmen. 

H.: Heinrich K., 7 1 j 2 Jahre alt, ein blonder 
Junge von gesundem Aussehen, hat seit 14 Tagen 
einen krustigen Ausschlag auf Oberlippe, Nase und 
rechter Backe. 

Er hat sehr leicht Schnupfen und Husten; letzterer 
ist in der BettwCmnc schlimmer . 

Er ist Nachts sehr unruhig, wirft sich stets bloss. 

Appetit wenig. 

Tagsüber ist der Kleine faul, legt sich gerne hin. 

Die Schwester ist von mir früher an demselben 
Leiden behandelt worden. 

I. Oct. 1888. Sulfur 200., ein Pulver. 

18. Oct. Der Ausschlag ist sofort abgeheilt 
unter Abgang einer Masse von kleinen Würmern. 
Das Befinden ist gut. 

23. Dec. 1891. Seit Monaten schlechtes Aus¬ 
sehen, Ringe um die Augen; er wühlt furchtbar 
Nachts im Bett; Blossliegen. 

Appetit unregelmässig; kann nicht essen, ohne 
zu trinken. 

Klagt viel über kalte Füsse. 

Sulfur 200. ein Pulver. 

Der Patient kam bis jetzt nicht wieder, aber 
ich kann auch hier annehmen, dass ich von ihm 
gehört hätte, wenn das Pulver ohne nachhaltige 
Wirktmg blieb. 


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H.: Frau M., 59 Jabre alt, leidet seit Jahren 
an Magenbeschwerden, die seit fünf Monaten täg¬ 
lich kommen. 

Erbrechen zuerst der Speisen, dann von Galle. 

Das Erbrechen erfolgt leicht, bald sofort, bald 
später nach dem Essen. 

Stets Magendruck; die Kleider dürfen nicht 
eng anliegen über dem Magen. 

Stets bitterer Geschmack. 

Die Patientin fühlt sich besser nach dem Er¬ 
brechen. 

Das Erbrechen kommt öfter im Liegen und 
Bücken. 

Sauer und Fett schlecht vertragen. 

Stuhl jeden dritten Tag. 

Zwehncd hat die Patientin Lungenentzündung 
gehabt, ausserdem vor 19 „Jahren nasse Flechte , 
welche Narben hinterlassen hat. 

20. Sept. J892. Sulfur X. jeden Abend ein 
Pulver. 

29. Sept. Speisen wurden nicht mehr, Galle 
seltener erbrochen, 

bitterer Geschmack besser, ebenso der Magen¬ 
druck. 

Dieselben Pulver jeden dritten Abend. 

13. Oct. Ausgenommen etwas AufWossen völlig 
normaler Zustand, der am 3. Nov. bestätigt wird 
und anhielt. 

Die Vergangenheit der Patientin gab hier den 
Ausschlag für die Arzneiwahl. Ohne die mehr¬ 
malige Lungenentzündung und die nasse Flechte 
wäre ich hier nicht auf das Simillimum, den 
Schwefel, gekommen. (Fortsetzung folgt.) 


Neuralgieen. 

Von Erastus C&se, M. D. 

Dr. Gase hielt in der Jahresversammlung 
(Mai 1893) der homöopathischen Gesellschaft von 
Connecticut einen Vortrag über die Behandlung von 
Neuralgieen und gab darin eine Anzahl inter¬ 
essanter He i 1 ungsgeschi eilten. 

In den ersten Jahren seiner Praxis nahm er, 
wenn ihm die homöopathischen Mittel versagten — 
und das kam nicht selten vor, wenn er die Mittel 
einzeln oder im Wechsel in massiven Dosen gab — 
zu äusserlichen Hilfsmitteln seine Zuflucht, um den 
Schmerz bei Neuralgieen zu heben. Er verordnete 
oftmals Chinin, Ferrum oder Zincum valerian. 
Namentlich war das letztere Präparat, in Pillen der 
1. Dec.-Verreibung, sehr wirksam. Die Patienten 
beklagten sich aber oft über den widerlichen Ge¬ 
ruch dieses Mittels. Ein alter Herr fragte den 
Arzt einmal: „Doctor, was für eine Art von Guano 


haben Sie mir da gegeben? Ich kann nicht ent¬ 
scheiden, ob es Fisch oder Vogel ist.“ 

Während der letzten 5 Jahre hat Dr. Case vou 
allen äusserlichen Anwendungen abgesehen, und 
nur das einfache Mittel in Dynamisatiosen ge 
geben — und der Erfolg war gut. Er versichert, 
dass das homöopathische Heilmittel nicht nur eine 
dauernde Heilung herbeiführt, sondern auch dem 
Kranken weit schneller Erleichterung giebt, als 
irgend eine sonstige Behandlungsweise. 

I. Arsenicum album. 

Eine 27jährige Brünette, welche ihre Mutter in 
einer schweren Krankheit gepflegt hatte, bekam 
eine Neuralgie, welche trotz allopathischer Be¬ 
handlung zwei Monate lang in unveränderter Hef¬ 
tigkeit gedauert hatte. Die bisherigen Mittel waren: 
Cocain, Antipyriu, Phenacetin, Morphium und 
schliesslich eine aus Strychnin, Ferrum und Chinin 
zusamraengesetze Mischung, daneben äusserliche 
Manipulationen usque ad nauseam. 

Anfangs war der Schmerz auf der rechten Ge¬ 
sichtsseite, jetzt ist er auf der linken localisirt. 
Sie beschreibt ihn als brennend wie von einem 
glühenden Eisen. Er beginnt am Foramen stylo- 
mastoideum und folgt den Verzweigungen des 
Trigeminus über das ganze Gesicht. Schlimmer 
bei Nacht , besonders nach Mitternacht — und von 
kältet' Luft. — Besser von hevtsen Umschlägen. 
Sie ist die ganze Zeit über frostig. — Am Morgen 
hat sie ein Gefühl von leerer Oedigkeit im Ma¬ 
gen. — So schwach, dass geringe Bewegung sie 
erschöpf!. 

Ref. Vier Pulver Arsen. 1. M., alle 3 Stunden 
ein Pulver trocken auf die Zunge. 

Die Besserung begann alsbald und schritt 
stetig vor. Die völlige Heilung war im Laufe 
einer Woche erreicht. 

H. Belladonna. 

Ein 87jähriger Mann, lang und dünn, der immer 
mässig gelebt^ litt an einer Neuralgie. Der Schmerz 
kam in häufigen, plötzlichen Stichen vom äusseren 
Ohr linkerseits aufwärts nach dem Kopf und war 
so heftig, dass er Verzerrungen des Gesichts und 
Stöhnen verursachte. — Ein Pulver Bell. im. (F.), 
trocken auf die Zunge, heilte ihn. 

III. Bryonia alba. 

Eine kräftige, brünette Frau, im achten Monat 
Gravida (zum dritten Mal), hatte seit mehreren Tagen 
ein beständiges Weh in der linken Schläfe, das 
sich bis nach dem Gesichte herab verbreitete. 
Schlimmer von .9 Uhr Abends bis in die Nacht , 
ausserordentlich gesteigert selbst von geringer Be¬ 
wegung . Die schmerzhafte Stelle empfindlich bei 
Berührung. 


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200 


Bryou. 30. in wässriger Lösung, stündlich 1 
Theelöffel bis zur Besserung. — Einige wenige 
beschwichtigten den Schmerz und er kehrte nicht 
wieder. 

IV. Capsicum. 

Ein 53jähriger, magerer Mann litt seit 2 Wochen 
an einem Gesichtsschmerz trotz der homöopathi¬ 
schen Mittel, die er, ein sonst geschickter Laien¬ 
praktiker, sich selbst verordnet hatte. 

Der Schmerz charakterisirt sich durch Stiche, 
die sich vom rechten Jochbein nach Auge, Nase 
und Oberzähnen hinziehen. Diese Theile sind schon 
gegen leichte Berührung empfindlich. Er hat das 
Gefühl, als ob glühende Fäden durch die schmerz¬ 
haften Theile gezogen würden. Jene Wange hat 
während der Schmerzen eine umschriebene Röthe. — 
Es kommen täglich mehrere Anfälle, aber ohne 
regelmässigen Typus. 

Capsic. 200., 1 Pulver trocken, jeden Abend. — 
Das erste Pulver brachte grosse Erleichterung, das 
zweite brachte heftige Verschlimmerung hervor. — 
Der Patient, der ein intelligenter Anhänger der 
Homöopathie war und ihre Philosophie besser inne 
hatte als sein Doctor zu seiner Zeit, verstand die 
Bedeutung der erhöhten Schmerzen — und nahm 
deshalb nichts mehr von der Arznei und ward ge¬ 
heilt. — Dies ist der erste Fall einer homöopa¬ 
thischen Verschlimmerung, bemerkt Dr. Case, dessen 
er sich erinnere und für welche Beobachtung er 
seinem Kranken Dank schuldig sei. Seitdem habe 
er deren eine ganze Anzahl gesehen, manche zu 
seinem Leidwesen, da sie den Patienten ernstliche 
Unbill bereiteten. 

V. China. 

Ein 86jähriger, hagerer, ausgemergelter Mann 
hatte seit mehreren Tagen an scharfem, stechen¬ 
dem, von einer Schläfe zur andern durchziehendem 
Schmerz gelitten. Schlimmer vom geringsten Luft¬ 
zug, am Vormittag, wo ein dumpfes Kopfweh und 
Schlafbetäubung hinzukomrat. — Schlaflos in dem 
ersten Theile der Nacht. — Das Gesicht ist blass¬ 
gelb. — Er hatte mehrere Anfälle von Wechsel¬ 
fieber, die mit Chinin behandelt worden sind. — 
China 12., 4 mal täglich 5 Globuli. — Am dritten 
Tage meldete er sich gesund. 

VI. Cinnabaris. 

Ein 26jähriger Farmer mit kastanienbraunem 
Haar, von scrophulöser Anlage, hatte seit einer Woche 
täglich mehrere Anfälle einer Neuralgie, in der 
Dauer von 1—3 Stunden. 

Es ist ein heftiger Schmerz, der sich vom in¬ 
neren Winkel des linken Auges zum äusseren hin 
erstreckt. — Verschlimmert von Licht. — Besser 
vom harten Druck. 


Cinnabaris 200., ein Pulver stündlich zur Besse¬ 
rung. Zwei Pulver wurden nur gebraucht. — Der 
Schmerz kehrte nicht wieder. 

VH. Dulcamara. 

Ein 43jähriger Mann, eben falb scrophulös, mit 
röthlichem Haar, hatte stechende Schmerzen auf 
der linken Seite des Gesichts, des Kopfes, die fort¬ 
während ihre Stelle wechselten. 

Vor 20 Jahren, da er bei offenem, nach Nor¬ 
den gerichtetem Fenster (Anfangs März) schlief, 
hatte ihn ein kalter Regensturm aus Nordost ge¬ 
troffen. Morgens erwachte er mit einer Lähmung 
der linken Gesichtsseite und Schmerzen, die unter 
allopathischer Behandlung wochenlang anhielten. 
Seitdem hatte er häufige Anfälle von Gesichta¬ 
schmerz, besonders bei feuchtem Wetter. 

In Rücksicht auf die entfernt liegende Ursache 
bekam er das Mittel, das ihn wahrscheinlich bei 
dem ersten Anfalle geheilt haben würde, d. h. Dul¬ 
camara 1 Pulver c. M. (F.) trocken auf die Zunge. 
Dies half ihm schnell. Er konnte am nächsten 
Tage, der regnerisch war, ausgehen, ohne den ge¬ 
wöhnlich bei solchem Wetter sonst eintretenden 
Schmerz. — Es ist fernerhin auch kein neuer An¬ 
fall der Neuralgie aufgetreten. 

VHI. Magnesia oarboniea. 

Eine 21jährige schlanke Blondine, im siebenten 
Monat der ersten Schwangerschaft, hatte Schmerz 
in den Ober- und Unterzähnen, immer schlimmer 
nach dem Essen. — Die Zähne sind so empfind¬ 
lich, dass sie selbst von Berührung der Zunge 
weh thun. Magn. carb. 1. M., 1 Pulver, so oft 
der Schmerz ankoramt. — Schon das erste Pulver 
gab sofortige Erleichterung, nach Verbrauch noch 
einiger Gaben verschwand die Empfindlichkeit der 
Zähne, sodass sie beschwerdefrei essen konnte. 

IX. Magnesia phosphorica. 

Ein 41 jähriger Mann, ein alter Raucher, klagt 
über stechenden Schmerz im Gesicht, Kopf, Rücken 
und der Bauchwandungen, immer umherspringend. 
Der einzige besondere Umstand, den dieser Fall 
bot, war die Erleichterung der Schmerzen durch 
äusserliche Hitze. Dies führte auf Magnesia ph., 
wovon Patient 4 Pulver der 200. Potenz, 4stünd¬ 
lich je eins, trocken erhielt. Dies heilte schnell. 

X. Merc. solubilis. 

Eine 26jährige, dunkelhaarige, schwarzäugige 
Frau hatte juckende (grumbling) Schmerzen durch 
die beiderseitigen Gesichtsknochen, sowie auch durch 
die Ober- und Unterzähne. Schlimmer zur Nacht; 
die Zähne wie verlängert und empfindlich. — Der 
Speichel ist reichlich und fliesst, beim Schlafen 


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201 


aus dem Munde. — Vier Pulver Merc. sol. 200., 
alle 2 Stunden je eins, trocken auf die Zunge, von 
Morgens früh an. — Heilung erfolgte alsbald. 

XI, Pul&atUla. 

Eine 40jährige Frau mit braunem Haar und 
grauen Augen, freundlich und wohlbeleibt, klagte 
über Schmerzen, welche über Kopf, Stirn, Wirbel, 
Hinterhaupt, mitunter bis zum Gesicht, herum- 
wanderten. Schlimmer gegen Abend, im Hause, in 
der Luft besser; sie weint beim Schmerz. Der Kopf 
ist durchweg empfindlich. — Abneigung gegen 
Wassertrinken. 

4 Pulver Puls. 200., alle 3 Stunden je eins. 
Es erfolgte eine dauernde Heilung. 

XH. S&bftdilla. 

Eine 27jährige Frau hatte vor 6 Jahren wäh¬ 
rend'ihrer Schwangerschaft mehrere Monate an einer 
Neuralgie gelitten, welche seitdem mehrere Anfälle 
gemacht. Bisher immer unter allopathischer Be¬ 
handlung. Der letzte Anfall kam vor 5 Wochen: 
bisherige Behandlung erfolglos. 

Symptome: 


1. 

Stechende 

Nacken. 

Schmerzen an Kopf, Gesicht 

2. 

Schlimmer 

im Hause. 

3. 

n 

von Bewegung. 

4. 

>) 

gegen Abend. 

r»; 

i» 

von nervöser Aufregung. 


6. „ wenn sie an ihr Leiden denkt. 

7. Aussergewöhnliche Neigung zu süssen Speisen. 

8. Die Haut der Hände ist trocken und dick. 

Hier rivalisirte Pulsatilla mit Sabad.; letztere 

deckte aber auch die 3 letzten Symptome, welche 
der Pulsat. abgehen. 

Patientin erhielt also Sab. 1. M. 4 Pulver, zwei¬ 
stündlich je e4ns. Die Schmerzen Hessen bald 
nach. — Nach 1 Monaten ein Rückfall in Folge 
Ueberanstrengung beim Kleidernähen. 1 Gabe Tab. 
c. Al. (F.) trocken auf die Zunge genügt zur Hei¬ 
lung. 

XIII. Spjgelia anth. 

Eine 41jährige Brünette, nervös, seitdem sie 
vor 9 Jahren eine Meningitis cerebrospinalis über¬ 
standen, litt seit 14 Tagen an einem Schmerz, der 
aussen am linkeu Ohr beginnt und sich über die 
ganze, linke GesiethhseUe ausbreitet. Schlimmer hei 
Nacht, besser von tiu.ssei'et' Warme und vom Druck . 
Die Zähne sind empfindlich und thun besonders 
beim Kaum der Speisen weh. 

Spigel. 200. in Lösung, stündlich 1 Theelöffel 
voll bis zur Besserung. — Sie hatte nur 3 Gaben 
nöthig gehabt. Nach J» Tagen aber ein Recidiv. 
4 Pulver Spig. 11 M., 4stündlich je eins, Morgens 
anzufangen! Damit wurde die Heilung völlig erreicht. 


XIV. Stannum metallicum. 

Ein 50jähriger Mann, mit dünnem Haar, Ver¬ 
dacht auf Tuberculose, hatte seit 10 Tagen einen 
Schmerz, der sich vom Foramen supraorbitale dex- 
trum nach der Stirn hin verbreitete. Er beginnt 
gewöhnlich Morgens früh und dauert bis Mittag, 
allmählig zunehmend, bis er den Höhepunkt erreicht 
und von da aber wieder allmählig abnehmend, bis 
er verschwindet. ScliUrmner: vom Nieder bücken; 
besser: von äusserlicher Wärme. — Dabei ein leichter 
Husten, erregt von Trockenheitsgefübl in der Luft¬ 
röhre, schlimmer Nachts und vom Sprechen . 

Ein Pulver Stannum 39. M. (F.), trocken auf 
die Zunge Nachmittags gegeben, heilte die Neu¬ 
ralgie und beschwichtigte den Husten. 

XV. Verbascum thapsus. 

Eine 45jährige Frau, brünett, nervös, ver- 
driesslich, verzagt, hat im linken Jochbein 
einen Schmerz, ab ob dies gequetscht würde. Im 
linken Ohr beständiges Weh mit dem Gefühl, als 
ob dies verstopft wäre; dabei fahren Stiche durch 
das innere Ohr, so oft sie den Kiefer bewegt. 
4 Pulver Verb. 1. M., zweistündUch je eins. — 
Heilung sofort. — Da der Herpes zoster seinem 
Wesen nach neuralgischer Natur ist, so hält es Verf. 
für ziemlich zweckmässig, zwei Fälle, die ihm letzt¬ 
hin zur Behandlung gekommen, mitzutheilen. 


XVI. Arsenicum album. 

Eine 33jährige Frau zeigte Herpesbläschen auf 
der rechten Schulter und Brust, sowie auch auf 
derselben Seite des Halses. Sie bestehen seit 
2 Wochen. Patientin hatte eine Zinksalbe äusserlich 
und innerlich ein Mittel in Tabletten, aber erfolg¬ 
los, gebraucht. — Der Schmerz ist in den afficirten 
Theilen, als ob heisse Nadeln durch diese ge¬ 
stochen werden; schlimmer nach Ermüdung, vor 
Mitternacht; er wird stechend, brennend von der 
Luft oder warmen Umschlägen. — Die Salbe wird 
bei Seite gesetzt. — Arsen. 1. M. 4 Pulver, zwei¬ 
stündlich je eins. Es stellte sich alsbald Besserung 
ein. Innerhalb 8 Tagen waren die Bläschen und 
der Schmerz vergangen. 

XVU. Arsenicum albüm. 

Ein 56jähriger Mann hatte seit 2 Monaten so 
heftig an einem Herpes zoster, unter allopathischer 
Behandlung, gelitten, dass er den grössten Theil 
dieser Zeit arbeitsunfähig war. Der Ausschlag 
nahm eine ungewöhnliche grosse Ausdehnung an. 
Die Bläschen bedeckten vollständig die linke Kör- 
perseitc von der Achsel bis zum Knie, sowie auch 
die hintere Oberfläche der rechten Seite, Gesäss 
und Hüfte. Er beschreibt den Schmerz ald bren¬ 
nend-stechend und juckend; er ist schlimmer von 

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Bewegung, um 7 Uhr Nachmittags und nach Mitter¬ 
nacht. 

Der Gebrauch der Salbe ward untersagt. Da¬ 
gegen protestirte der Patient, indem er sagt, das 
sei das einzige Mittel, von dem er eine Linderung 
seiner brennenden Schmerzen bekommen habe. Er 
könne es ohne dieses nicht aushalten. — Dr. Case 
erklärte, wenn er es nicht aufgebe, wollte er ihn 
nicht behandeln. 

Patient erhielt ein Pulver Arsen, c. M. (F.) 
trocken auf die Zunge. — Am andern Tage be¬ 
richtete der Kranke, er habe in der vergangenen 
Nacht zwar erheblichen Schmerz, aber doch seit 
2 Monaten den besten Schlaf gehabt. 

8 Tage später hatten die Schmerzen aufgehört, 
die Bläschen waren vergangen. — Der einzige, 
unangenehme, Ueberrest war ein Jucken, wenn er 
von Bewegung warm wurde. — 

Diese, im Novemberheft 1893 der Zeitschrift 
The North American Journal of Homoeopathy mit- 
getheilten Beobachtungen legen ein sehr be¬ 
redtes Zeugniss von der Leistungsfähigkeit der 
Homöopathie auf dem Gebiete der Neuralgieen und 
Neurosen ab. — Die krankhaften Zustände der 
einzelnen Patienten sind gut gezeichnet; die charakte¬ 
ristischen Zeichen, in deren Auffindung durch sorg¬ 
fältiges Examen Dr. Case wirklich gross dasteht, 
geben frappante Leitmotive zur Mittelwahl. 

Die Dosis bewegt sich durchweg in Hoch¬ 
potenzen, von denen die 30. noch die niedrigste 
war, steigt aber bis in die Fink’sclien c. M. Die 
Erfolge hiermit sind wahrhaft glänzend zu nennen, 
cito, tute und jucunde, hier und da eine Ver¬ 
schlimmerung abgerechnet. Bemerkenswerth ist 
auch Dr. Case’s echt Hahnemann’sches Verfahren, 
die Medication bei beginnender Besserung sofort ab¬ 
zubrechen. — Nach all diesen Richtungen geben uns 
diese Krankheits- und Heilungsgeschichten guten 
Stoff zum Denken und zum — Lernen. 

Ref. Dr. Mossa. 


Die nordamerikanischen homöopathischen 
Colleges und Spitaler. 

(Schluss.) 

D. District of Columbia. 

Washington: National Homoeopathie Hospital, 
E-Street 304, (1881), 50. — Institution for the 
Aged (1870). 

E. Florida. 

Jackson rille: Homoeopathie Department of 
St. Luke’s Hospital (1878). — Orphanage and Home 
for the Frietidless ij890). 


F. Illinois. 

Chicago : Baptist Hospital, Nord Halstead Street 
Nr. 541, (1891), 25. — Hahneraann Hospital, Grove- 
land Avenue 2815, (1870), 80. — Streeter’s Privat- 
Hospital, 25 Street Nr. 25 — 27, (1890). — Found- 
lings’ Home, South Wood Street Nr. 114, (1874), 
65. — Nursery and Half-Orphan Asylum, North 
Halstead Street Nr. 855 and Burling Street Nr. 175, 
(1861, mit homöopathischer Behandlung seit 1864), 
170. — Home for the Friendless, (1860). — Lin¬ 
coln Park Sanitarium (1890). 

G. Indiana. 

lndianopolü : Perry Surgical Home (?). 

H. Jowa. 

lies Maines: Hospital and Institute of Homoeo,- 
pathy, Lyon Street 613, (1891). — Dr. Runnel’.s 
Privat-IIospital, (1890), 10. — National Homoeo- 
patliic Sanitarium, North Meridian Street Nr. 92, 
(1889), 30. 

lhdmgnc Ja.: Remedial and Surgical Institute, 
Main Street Nr. 970—85, (1874). 

Jowa City: Hahnemann-Hospital (1886), 8. 

I. Kansas. 

r Toj)eka: Kansas Surgical Hospital (1882). 

Wichüa: Homoeopathie Hospital (1889). 

Atclmon: Home of dependent Children of Kan¬ 
sas, (seit 1890 mit homöopathischer Behandlung). 

K. Louisiana. 

Neu' Orleans: Homoeopathie Hospital (1892). — 
Protestant Orplmn Asylum, (1853, seit 1858 mit 
homöopathischer Behandlung), 16. — 

L. Maine. 

Portland: Maine Homoeopathie Hospital (1891). 

Hallowell: Homoeopathie Sanitarium (?)• 

M. Maryland. 

Baltimore: Homoeopathie Hospital, North Paca 
Street Nr. 323, (1890), 25. 

N. Massachusetts. 

Boston : Homoeopathie Hospital, East Concord 
Street (1855, bezw. 1876), 200. — Boothby’s 
Hospital, Worcester Square Nr. 1—5, (1891), 31.— 
Murdoch’s Free Surgical Hospital for Women, Hun- 
tingdon Avenue (?) 100. —Newton Cottage Hospital, 
Washington Street, (1886), 25. — Baldwin Place 
Home for little Wanderers (1865). — Consumplives 
Home, Vernon Street Nr. 4, (1864). — House of 
the Angel Guardian (1864, mit homöopathischer 
Behandlung seit 1866). — Woman’s Temporary 
Home of the New England Moral Reform Society, 
Shawmut Avenue Nr. 476, (?) 12. 


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203 


Maiden : Hospital (halb allopathische, halb ho¬ 
möopathische Behandlung, 1889). 

Tounton : Morton Hospital (1889). 

Quincy: Hospital (1890). 

Loicell: Home for young Women and Children, 
John Street Nr. 9, (?). 

Westbor ough: Asylum for the Insane, Staats- 
Anstalt (1886), 471. 

Sandtmch : White’s Private Asylum for the 
Insane (1891). 

West Neicton : Newton Nervine, Privatspital 
(1892). 

O. Michigan. 

Ann Arbor : Homoeopathic Hospital of the 
University of Michigan (1878), 50. 

Detroit : Grace Hospital (1888, aus freiwilligen 
Beiträgen, darunter 100,000 Doll, von Mr. James 
Mc Millan und John S. Newberry, errichtet und 
1888 eröffnet), 142. 

Jackson: Hospital of the Michigan State Pri- 
son, (seit 1859 in den Händen der Homöopathen). 

Jonia : Asylum for Insane Criminals Staats- 
Anstalt mit homöopathischer Behandlung(1855), 122. 

Ausserdem besteht ein Hospital of the Grand 
Rapits Union Benevolent Home seit 1891 mit zum 
Th eil homöopathischer Behandlung. 

P. Minnesota. 

Afinneapolis: Homoeopathic Hospital, 25 Street 
and fourth Avenue, (1883), 75. — Maternity Hospi¬ 
tal, Fourtli Avenue Nr. 2529, (1886), 20. — Me¬ 
dical and Surgical Institute, Privat-Spital, (1890). — 
Still water Homoeopathic Hospital (1881). — St. 
Paul Homoeopathic Hospital, Agate Street Nr. 800, 
(1887), 25. — Church Home for Babies (1885), 
12. — Sheltering Arms (1883), 30. 

Fergus Falls : Tliird Minnesota Hospital for the 
Insane, (Staats-Anstalt mit homöopathischer Be¬ 
handlung seit 1890), 150 Betten, doch ist Raum 
für 1200 Kranke. 

Faribault: Minnesota State Deaf and Dumb 
Asylum (1858). 

Q. Missouri. 

St. Lauts: Good Samaritan Hospital (1861), 
75. — Children’s Hospital (1880), 75. — Women’s 
Homoeopathic Hospital of Missouri (1891). — Alton 
Sanitarium (25 Meilen nördlich von St. Louis am 
Mississippi gelegen). 

Kansas City: Homoeopathic Hospital (1889), 20. 

R. New Jersey. 

Camden: Homoeopathic Hospital and Dispensary 
Association (1888), 20. 

New Jersey{ Home and Hospital for Invalid 
Soldiers and Sailors, (?). 


Newark: Old Ladies’ Home, (?). — Orphan 
Asylum, (1849, mit homöopathischer Behandlung 
seit 1875), 100. 

Txikewood: Winter Sanitarium, (?). 

Ptainfield: Brookside Retreat, Privat-Spital (1890). 

S. New York. 

New York: Hahnemann Hospital, East 55 Street 
Nr. 307, (1870), 70. — Helmouth House, East 
12 Street Nr. 41, Privat-Spital (1886), 20. — House 
of the Good Samaritan Deaconesses, (seit 1889 mit 
dem Hahnemann-Hospita! vereinigt). — The Laura 
Franklin Free Hospital for Children, Madison Avenue, 
111 Street, (1888), 52. — Hospital of ^he New 
York Medical College for Women, West 54 Street 
Nr. 213, (1863), 24. — New York Ophthalmie 
Hospital, 4 Avenue, 23 Street, (1852), 55. — 
Hospital of the Protestant Half-Orphan Asylum 
(1835, seit 1847 mit homöopathischer Behandlung).— 
New York Homoeopathic Charity Hospital, Ward’s 
Island (1875), 570. — American Female Guardian 
Society and Home for the Friendless, (mit homöop. 
Behandlung seit 1866). — New York Homoeo¬ 
pathic Sanitarium, W. 34 Street Nr. 137, (Privat- 
Spital 1890). — Children’s Hospital of the Five 
Points House of Industry (1887), 55. — Florence 
i Hospital of New York City (1890). — New York 
j Free Homoeopathic Hospital, verbunden mit dem 
j New York Medical College, Eastern Boulevard, 63 
I und 64 Str., (1890). — Isabella Helmuth Hospi- 
| tal, für chronisch Kranke (1889). 

! Albany: Homoeopathic Hospital and Dispen¬ 

sary (1872, bezw. 1875), 45. — Albany House of 
Shelter (1868), 30. 

j Brooklyn: Homoeopathic Hospital, Cumberland 

j Street and Myrthe Avenue (1852, reconstruirt 1870, 
bezw. 1890), 100. — Homoeopathic Lying — in 
Asylum, Laurence Str. Nr. 88 (1870), seit 1873 
Brooklyn Homoeopathic Maternity genannt, 50. — 
The Brooklyn Nursery (1887), 13. — Invenile 
i House of Industry (1857). — Orphan Asylum 
(1833, mit homöopathischer Behandlung seit 1859). 

Binghampton: New York State Asylum for the 
Chronic Insane (1881), Staats-Anstalt mit 1325 
Betten. — Temple Home for Women, Privat-Asyl. 

Buffalo: Homoeopathic Hospital, Washington 
Street 343, (1872, bezw. 1885), 50. — Ingleside 
Home and Hospital, Thirteenth and Vermont Str. 
(1869). 

Middletovm: Homoeopathic Asylum for the In¬ 
sane (1874), 525. 

Mount Vemon: Wartburg Orphans’ Farm 
School (1866). 

Owego: Gienmary Home for Women, Privat- 
Anstalt (1889). 

26* 


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JRoehesier : Hahnemann Homoeopathic Hosjutal | 
(1889). — Homoeopathic Hospital (1889), 30. 

Syracuse: Onondaga County Orphan Asylum j 
(mit homöopathischer Behandlung seit 1847). 

Tarry toten ; Riverside Sanitarium (1889), 25. 

TJtica: Faxton Hospital (1875), 30. — St. Luke’s 
Home and Hospital. — House of the Good Shepherd 
for Destitute Children (1872), 40. 

T. Ohio. 

Cleveland : Protestant Homoeopathic Hospital, 
Huron Str. Nr. 66 , (1873), 70. — Maternity Home, 
Huron Str. Nr. 62, (1891). 

Cincinnati : Ohio Hospital for Women and Chil¬ 
dren (1881), 20 . 

Toledo : Protestant Hospital (1876), 30. 

U. Pennsylvania. 

Allegheny: Christian House for Women (1872, 
40. — Colored Orphan Asylum (1879). — Home 
for the Agad Poor (1872), 95. — Protestant Home 
for ‘Boys (1886), 36. 

Erie: Harnst Hospital (1881), 25. — St. Vin¬ 
cent Hospital (1875), 30. 

Gemiantown: Rosine Asylum, (mit homöopathi¬ 
scher Behandlung seit 1882). 

Philadelphia: Homoeopathic Hospital of the 
Hähnemann Medical College (1887, bezw. 1890), 
135. — Childrens Homoeopathic Hospital, North 
Broad Street Nr. 914, (1877), 50. — Medical, Sur- 
gical and Maternity Hospitals of the Women’s Ho¬ 
moeopathic Association of 'Pennsylvania, Susque- 
lianna Avenue (1882), 60. — Bethesda Children’s 
Christian Home. — Old Ladies’ Home, Frankford 
Avenue (1888). 

PUttburgh : Protestent Home for Iucurables (1884), 
65. — Home for the Aged Poor, Penn Avenue, 
(1884), 95. — Homoeopathic Medical and Surgical 
Hospital and Dispensary (1866, bezw. reconstr. 1884), 
200 . 

Ptadln g: Ridgewood Sanitarium (1887), 32. — 
Homoeopathic Hospital (1891). 

V. Rhode Island. 

Providence: Homoeopathic Hospital (1878), 24. 

W. Texas. 

San Antonio: Protestant Home for Destitute 
Children (1887). — Fabiola Infirmary (1891). 

X. Wisconsin. 

Afilteankte: Baby’s Home (1884), 13. — Or¬ 
phan Asylum (1852), 7. — St. John’s Old Ladies’ 
Home 1 I 868 ). 

Es bestehen also nach Bradford’s Angaben in 
den Vereinigten Staaten 139 Krankenhäuser und 


Asyle mit homöopathischer Behandlung. 78 hiervon 
haben die Zahl der zur Verfügung stehenden 
Betten angegeben, mit insgesammt 6471. Nicht 
angeführt haben wir jene Häuser, deren es na¬ 
mentlich im Staate New-York verschiedene zu geben 
scheint, in denen gemischte (allo-homöopathische) 
Behandlung stattfindet. Dr. Pohlmann. 


Vom Chjrurgen-Congreso. 

Asepsis und Antisepsis. 

Herr Messner (München): Experimentelle Studien 
über die Wundbehandlung hei injicirten Wunden. 

Vortragender hat durch Experimente an Kanin¬ 
chen festzustellen gesucht, ob es mit Hilfe unserer 
gebräuchlichen Antiseptica (namentlich des iLysol 
und der dreiprocentigen Carbolsäure) gelingt, mit 
Eitercoccen inficirte Wunden, die, wenn sie nicht 
antiseptisch behandelt werden, Neigung haben, in 
progrediente Phlegmonen überzugehen und den Tod 
des Versuchsthiers herbeizuführen, durch Ausspü¬ 
lungen mit dreiprocentigen Lysol- und Carbolsäure- 
lösungen und antiseptische Nachbehandlung zu des- 
inficiren, respective den progredienten Charakter 
der Eiterung zu verhindern. Messner hat an 23 
Kaninchen in der Weise experimentirt, dass er immer je 
zwei Kaninchen von einem Wurf, einer Farbe, Grösse 
und Gewicht in derselben Weise inficirte und dann 
nach einigen Stunden bei beiden Thieren die inficirten 
Wunden sorgfältig auswusch und zwar bei dem einen 
Thier mit 3 / 4 procentiger sterilisirter Kochsalz¬ 
lösung, bei dem anderen mit dreiprocentiger aut* 
37° erwärmter Lysol- und iCarboisäurelösung. Bei 
dem letzteren Thier wurde die Wunde nach der 
Desinfection mit nasser Carbolgaze locker ausge¬ 
stopft und darüber ein nasser Carbolumschlag ge¬ 
macht, während bei dem erstgenannten aseptiseh 
behandelten Thier die * Wunde trocken aseptisch ver¬ 
bunden wurde. Der Infectionsmodus war der, dass 
bei den Thieren am Vorderbein eine circa 2 cm 
lange Weichtheilwunde angelegt wurde, -die durch 
die Haut, Fascie und M.usculatur ging. Durch Ein¬ 
gehen mit der Fingerkuppe bildete man sich eine 
Tasche, in welche der Infectionsstoff (entweder 
frisch entleerter menschlicher virulenter Eiter oder 
zwei Tage alte Eiterbouilloncultur, welche ‘bei 37° 
im Brutofen aufbewahrt werden war) in der Quan¬ 
tität von 2 ccm gebracht wurde. Darüber wurde 
ein trockener aseptischer Verband angelegt, der 
bei je zwei Thieren immer gleich lange (bis zu 
18 Stunden) liegen blieb. Alsdann wurden nach 
Abnahme des Verbandes die Wunden in der oben 
angegebenen Weise ausgewaschen, wobei die Wund¬ 
ränder mit scharfen Haken auseinander gehalten 


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und die Wunde nötigenfalls mit dem Meßser dila- 
tirt ^rurde, um alle Buchten gut auswaschen und 
außreiben zu kennen. Der Erfolg der verschiedenen 
Behandlungsmethoden war der, dass alle aseptisch 
behandelten Thiere (zehn Stück) mit Ausnahme 
eines einzigen in den nächsten 8—14 Tagen nach 
der Operation an progredienten Phlegmonen zu 
Grunde gingep, während alle antiseptisch behandelten 
Thiere (zehn) mit Ausnahme eines einzigen am 
Leben ,bUeben und deren Wunden ausheilten. 
Bei ^wei der antiseptisch behandelten Thiere heilten 
die Wunden pfope Eiterung, bei den anderen acht 
stellte sich geringe Eiterung ein, die aber stets den 
lokalen Charakter bewahrte. Nur ein T^ner dieser 
Kategorie ging an progredienter PJilegmone zu 
Grunde. Während der Eiter der aseptisch behan¬ 
delten Thiere höchst virulent war, so dass alle da¬ 
mit geimpften Controlltbiere in ein bis zwei Tagen 
zu Grunde gingen, war der Eiter der antiseptisch 
behandelten Thiere. die am Leben blieben, gar 
nicht virulent, upd sämmtlicbe mit diesem Eiter ge¬ 
impften Controllthiere blieben vollkipppien gesund. 

Es geht aus diesen Experimenten zur Evidenz 
hervor, dass es beim Kaninchen gelingt, inficirte 
Wunden, die bei aseptischer Wundbehandlung Nei¬ 
gung haben in progrediente Eiterung überzugeben 
und den Tod des Versuchsthieres herbeizuführen, 
durch Ausspülung mit dreiprocentiger Lysol- und 
Carboisäurelösung und streng antiseptische Wund¬ 
behandlung zuwcilep noch nach 18 Stunden nach 
Beginn der Infection zu desinficiron respcctivc eine 
progrediente Phlegmone und den Tod des ,T!iieres 
zju verhindern. 

In zweiter Linie stellte Messner Versuche dar¬ 
über an, ob die dreiprocentige Carbolsäure, wie 
die modernen radialen t \septiker behaupten, das 
thicrißehe Gewebe in seiner vitalen Energie gegen 
die Mib r °U r gUidsm 9 n zu schädigen und dps Gewebe 
zur Eiterung zu prädispopiren vermöge. Zunächst 
machte Messner das Herniann’ßcbe Experiment in 
der Weise piodificirt pach, dass er statt 1 ccm von 
drciproceptiger Carbolsäure 1 ccm 8 / 4 procentige 
sterilisirte .Kochsalzlösung einem Kaninchen unter 
die Rüqkpnhaut spritzte und nach einer Stunde an 
dieselbe Sfelje 0,1 ccm einer zwei Tage alten Eiter- 
bopijdeuculfur von Staphylococcus albus, von welcher 
nach permann’s Angabe mindestens 1 ccm dazu 
gehörte, ,mn bei einem Kaninchen, unter die Haut 
gespritzt, Eiterung zu erzeugen. Wenn Hermann 
ajher 1 Stunde vorher 1 ccm dreiprocentiger Carbol¬ 
säure an dieselbe Stelle unjter die Haut gespritzt 
hatte, .so trat s^hon b?i einer I)osis von 0,1 ccm 
Staphylococcenreincultur Eiterung bei dem Thier 
ein, während bei dem Controllthier diese kleine 
Dosis keine Eiterung zu erzeugen vermochte und 
auch die Carbolsäure allein keinen Abscess machte. 


Bei Messnpr’s Experimenten stellte sich nun eben¬ 
falls Eiterung ein bei den Thieren, depen er qu¬ 
erst 1 ccin a / 4 proeentige sterilisirte Kochsalzlösung 
und nach einer Stunde. 0, l ccm Staphylococcenrein¬ 
cultur an dieselbe Stelle unter die Haut gespritzt 
hatte, und es geht daraus hervor, dass es gar nicht 
die .Carbolsäure an sich ist, welche das Gewebe zur 
Eiterung prädisponirt, sondern vielmehr das rein 
physikalische Moment der Durchtränkung des Ge¬ 
webes mit einer sei es auch ganz indifferenten 
Flüssigkeit, welche den oben genannten Effect her¬ 
vorbringt, eine Thatsaelie, die durch Experimente 
von Gärtner (Heidelberg) bestätigt wird. Messner 
hat alsdann in anderer Weise eine Schä4igung des 
Gewebes durch Carbolsäure hervorzubringen ge¬ 
sucht : er legte bei einem Kaninchen eine Wunde 
am Vorderbein in der oben angegebenen Weise an, 
irrigirte diese W un de mit dreiprocentiger Carbol¬ 
säure und stopfte sie alsdann mit nasser Carbol- 
gaze fest aus und legte einen nassen Carbolpm- 
schlag darüber. Nach 18 Stunden wurde der Ver¬ 
band entfernt, die nasse Carbolgaze aus der Wunde 
herausgenommen, und nun wurde die Wunde jn 
der oben geschilderten Weise inticirt und ein trocke¬ 
ner aseptischer Verband angelegt. Nach sechs 
Stunden wurde der Verband abgenommen, die 
Wunde tüchtig mit dreiprocentiger Carbolsäure aus¬ 
gewaschen und darauf trocken aseptisch verbunden. 
Das Controllthier wurde in derselben Weise ipheirt, 
ohne dass vorher die Wunde mit Carboisäureaus¬ 
waschungen und Carbolsäureuinschlag vorbehandelt 
worden war und nach sechs Stunden wurde bei 
dem Controllthier nach Abnahme des Verbandes die 
inficirte Wunde mit */ 4 procentiger sterilisirter Koch¬ 
salzlösung (37°) ausgewaschen und dann trocken 
verbunden. Das Controllthier starb nach acht Tagen 
an progredienter Phlegmone, während das mit Car¬ 
bolsäure vorbehandelte Thier am Leben blieb und 
seine Operationswunde kaum eiterte. Gauz derselbe 
Erfolg war bei einem zweiten Paar Kaninchen zu 
constatiren, welches auf dieselbe Weise behandelt 
worden war. Nach diesen Experimenten vermag 
also die Anwendung der dreiprocentigen Carbolsäure 
beim Kaninchen das Gewebe in seiner vitalen Ener¬ 
gie im Kampfe gegen die Mikroorganismen weder zu 
schädigen noch das Gewebe zur Eiterung zu prä- 
disponiren, es scheint vielmehr eher das Qegentheil 
der Fall zu sein. 

(Deutsche medieinisehe Wochenschrift. Mai 1894,) 


Lesefrüchte. 

Leber eine Modißcation der Waltuctisehen Holz¬ 
verbände . ( Gypsjeimverband .) Von Stabsarzt 

Dr. Albers in Berlin. (Berl. Kl. Wocli. 5. Febr. 94.) 


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206 


Die namentlich von Waltuch in die Praxis ein¬ 
geführten Holzverbände zeichnen sich durch ausser¬ 
ordentliche Leichtigkeit und gutes Federn aus, 
Eigenschaften, die sie, neben ihrer Form, sehr viel 
länger, als die aus Gyps und Wasserglas her¬ 
gestellten Apparate behalten. Auf der Klinik 
v. Bardelebens sind seit einiger Zeit Versuche mit 
Herstellung ähnlicher Holzverbände gemacht wor¬ 
den, bei denen Verf. zu einer Modification ge¬ 
langte, die ihm besondere Beachtung zu verdienen 
scheint. Der „Gypsleimverband“ bewährte sich bei 
der Behandlung früher Knochenbrüche der unteren 
Extremität zur Herstellung von Gehverbänden. Die 
Technik der Herstellung gestaltet sich, wie folgt. 
Zunächst wird ein dünner Gypsverband in etwa 
5—Lagen angelegt, welche direct auf die leicht 
geölte Haut zu liegen kommen Hierbei kommen 
6 tn lange, 12 cm breite, aus Verbandmull her¬ 
gestellte Gypsbinden zur Anwendung; Umschläge 
werden nicht gemacht, läuft die Binde nicht, so 
wird sie abgeschnitten. Jede angelegte Lage wird 
sorgfältig mit der angefeuchteten Hand glatt ge¬ 
strichen. Nach Anlegung der letzten Lage ist 
dieser Gypsverband gewöhnlich noch so weich, dass 
eventuell nöthig gewordene Correcturen des Gliedes 
nachträglich leicht ausgeführt werden können. 
Dann wird das Glied sorgfältig in der gewünschten 
Lage bis zum Erstarren des Gypses erhalten. Nach 
Ablauf von 24 Stunden pflegt der Gypsverband 
trocken zu sein und nun wird über den Gyps ein 
Leimverband angelegt. Dazu wird der Gypsver¬ 
band zunächst mit braunem Tischlerleim bestrichen 
und hierauf mit einer 3 cm breiten Cambricbinde 
umwickelt, die nach der Anlegung geleimt wird. 
Auf diese Schicht werden Hobelspäne in longitu¬ 
dinaler Anordnung gelegt, durch einige weitläufige 
angelegte Cambricbindentouren befestigt und dann 
geleimt. Endlich folgt eine unter leichtem Zug 
cxact angelegte Flanellbinde, die ebenfalls mit Leim 
getränkt wird. Nach 12 Stunden ist auch dieser 
zweite Verband trocken, so dass der Patient dann 
aufstehen und Gehübungen machen kann. Diese 
Gypsleimverbände sind ausserordentlich leicht und 
sehr haltbar. Die Verbände sind so dünn, dass 
selbst die feineren Contouren der Glieder deutlich 
hervortreten. Die Anlegung macht keine beson¬ 
deren Schwierigkeiten, der hart gewordene Gyps¬ 
verband gestattet ein kräftigeres Anziehen der 
Binden bei Anlegung des Leimverbandes und sichert 
den guten Sitz. Später kann der Verband der 
Länge nach aufgeschnitten werden und dann als 
Kapsel- oder Schienenverband wieder angelegt wer¬ 
den, so lange ein Contentivverband erforderlich er¬ 
scheint. Auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen 
kann Verf. den Gypsleimverband namentlich zur 
Herstellung von Gehverbänden bei Brüchen der 


unteren Gliedmassen empfehlen, sowie für Ver¬ 
bände, wie sie bei der Plattfussbehandlung und an¬ 
deren orthopädischen Massnahmen gebraucht wer¬ 
den. Im Felde wird auch die Ersparung von Gyps 
eine willkommene sein. 


Mit den Bacillengiften*) — das Mitzutheilende 
gilt u. A. auch vom Wundstarrkrampf und vom 
Typhus — stellte man im Laufe der letzten Jahre 
an Thieren Versuche an, welche zu den denk¬ 
würdigsten und für die Heilkunde hoffnungsvollsten 
Ergebnissen geführt haben. Wir fassen dieselben 
(so weit Diphtherie in Frage kommt) in folgenden 
Sätzen zusammen: 

1 . Die Diphtherie ist eine nicht bloss den 
Menschen zukommende, sondern auch bei vielen 
Thiergattungen, kleinen Vögeln, Kaninchen, Meer¬ 
schweinchen, Katzen, Hunden und Schafen anzu¬ 
treffende Krankheit, wogegen andere Thiere, wie 
z. B. Ratten und Mäuse, ihr durchaus widerstehen 
(immun bleiben). 

2 . Das von den Bacillen abgeschiedene Gift 
kreist in der gesammten Blutmasse und haftet ins¬ 
besondere auch an allen Atomen des von seinen 
festen Elementen befreiten Blutes, dem Blutserum. 

3. Impfung mit dem Blutserum erkrankter 
Thiere kann die gleiche Krankheit bei anderen 
für sie empfänglichen Thieren hervorrufen. 

4. Impfung mit Serum von der Infection ge¬ 
heilter Thiere kann bei gesunden, der Krankheit 
zugänglichen, die Empfänglichkeit tlajur auf heben, 
und vermag zugleich dem Erkranken nicht bloss 
vorzubeugen, sondern auch 

5. bereits erkrankte zu heilen. 

6 . Das Serum aus dem Blut unempfänglicher 
Thiere kann empfängliche widerstandskräftiger 
machen, selbst wenn jenen vorher der Ansteckungsstoff 
in sonst tödtlicher Menge einverleibt worden war. 

Die neue Serumtherapie hat bereits ihre Probe 
auch bei der Menschendiphtherie bestanden. Man 
konnte das Diphtherieserum unbedenklich anwen¬ 
den, da dasselbe auch in stärkster Concentration 
bei Gesunden sich vollkommen unschädlich erwiesen 
hat — eine Eigenschaft, die man dem Tuberculin 
bekanntlich nicht nachrühmen kann. Im Berliner 
Institut für Infectionskrankheiten wurden im März 
1893 zum ersten Male diphtheriekranke Kinder 
durch Einspritzungen von Serum aus dem Blute 
giftfest gemachter Schafe behandelt. Von 11 Kin¬ 
dern starben nur 2, bei allen schwanden die Be¬ 
läge der Maudeln, wie überhaupt die örtlichen 


*) Siehe den interessanten Aufsatz ?on D. Dyrenfurth 
im Daheim, No 14. 1894: Geschichte und Bekämpfung 
der Diphtherie. 


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207 


Kraukheitserscheinungeu sehr schnell, auch der 
ganze Verlauf war ein aussergewöhnlich milder. 
Auf diesen UmstAnd muss Gewicht gelegt werden, 
da aus ihm die Wirksamkeit des neuen Mittels 
gegen die eigentliche Diphtheriekrankheit hervor¬ 
geht. Denn leider wird in vielen Fällen die Heilung 
durch die gleichzeitige Anwesenheit noch anderer 
Pilzunholde, der Streptokokken, erschwert, gegen 
welche ein Verfahren bis jetzt noch nicht versucht 
worden ist. 

Mit Spannung sieht die ärztliche Welt der 
weiteren Entwickelung der Serumfrage entgegen. 
Bewährt sich die neue Methode, so wird Behring’s 
Name mit gleichem Glanze, wie der von Jenner in 
der Geschichte strahlen. — Vielleicht erleben wir 
es noch, dass den Kindern zum Schutze gegen die 
Diphtherie allgemein Schafblutserum eingeimpft 
wird, wie jetzt Kälberlymphe gegen die Pocken! 
Kann doch ein Schaf im Laufe eines Jahres 2 , /. 2 
Liter und somit den nöthigen Stoff für 5000 Kin¬ 
der hergeben.*) G. 


*) Behring hat jene Versuche bewerkstelligt, von denen 
oben die Rede war, während wir Löffler in Greifswalde 
„Die Grossthat der Entdeckung dos Diphtherie-Bacillus“ 
verdanken. Auch stellte er zuerst das Diphtherie-Gift 
dar. — Was die Ueberiinplung von Sehafsernm betrifft, so 
hat man meines Wissens nichts wiedor davon gehört, 
obgleich ja der Nachweis der Berechtigung, d. i. der Bo- 
weis einer factischen Herstellung der Immunität gegen 
Diphtherie äusserst leicht und einfach zu erbringen wäre. 

Ref. 


Personalia. 

Sauitätsrath Dr. Faulwasser in Bernburg ist 
I zum Geheimen Sauitätsrath und Dr. Schwencke 
in Cöthen zum Sanitätsrath ernannt worden. — Am 
I 10. Juni a. c. entschlief sanft in Folge eines Herz- 
| Schlages Morgens 8 Uhr der homöopathische Arzt 
| Herr Dr. med. C. H. Meyer in Osnabrück. 


Am 10. d. Mts. starb in der Nacht ganz 
unerwartet 

Herr Dr. med. Hermann Meyer in Osnabrück 

am Herzschlage im Alter von 71 Jahren. Im 
Jahre 1847 bestand er sein medicinisches Staats- 
Examen, ein Jahr später das homöopathische 
Dispensir-Examen, und ist seitdem ununter¬ 
brochen in der Ausübung der homöopathischen 
Heilmethode zum Wohle der leidenden Menschen 
in erfolgreichster, aber auch aufopferndster 
Weise thätig gewesen. Nur selten gönnte er 
sich eine Erholung. Sein Name ist weit über 
Osnabrück und seine Umgebung hinaus bekannt 
und geehrt; als Arzt wie als Mensch war er 
gleich geachtet und geliebt, sein ganzes Leben 
ging in seinem Berufe auf und mitten in seinem 
ärztlichen Wirken ist er plötzlich verschieden. 
Viele, ja sehr viele danken ihm Gesundheit 
und Leben und werden ihm auch allezeit ein 
ehrendes Andenken bewahren. 


Anzeigen. 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Offlein 
in Leipzig ist soeben erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

Ohrenkrankheiten 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Arzt, in Basel. 

9 Vs Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—, 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe 
No. 28/24 dieser Zeitung. 


Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt Beine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter Güte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Probekisten, mit 10 h oder l2 / x Flaschen, in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—• 


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desshalb allein zweckmässigen 

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aus Seide, Wolle oder Baumwolle. | 

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sind gesund und angenehm, und 

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in Krepp- and Zellenstoff. 

Prospecte postfrei za Diensten. 


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208 


Soeben ist erschienen die ff. Auflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zn dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

„Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser* aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkos in Krankheitsfullen am besten zu beur- 
tlieilen versteht. Und es ist wirklich stannonswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntnis und Gründlichkeit der 

Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schrift, ausführlichere und 

Wissenschaft liehe Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der „Kloine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schützbarer grosser Freund zu 
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle 
Sympathie entgegonbringen.“ 

Bei der letzthin wieder vorgonommenen Durchsicht wurde 
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hämorrlioidal-Leiden etc., 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein- 
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein üusserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemüsfl mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Dio Entsteliungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Füllen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist, für junge Mütter die Belehrung über Ernührung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er beherzigenswerthe Winke giebt. 

Der j,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ühnlicher Art übertToflen werden. Aber auch Solche, 
die sich schon lüngere Zeit mit-der Homöopathie beschäftigt 
haben, Anden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬ 
grösstem Werth® und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man dio schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben versehen ist, wird »len Freunden des 
,,Kleinen homöopathischen Hausfreundes** ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derstdbo auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sieh viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig, im April 1894. 


A: Marggrafs Homöopathische Offioin. 


Im Vorlage von A; Marggrafs bomftopathlsotter 
Offioin in Leipzig ist erschienen: 


Die vergleichende 



von 


Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering, 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. F&nlw&sser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der* 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf her vor hohen. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, al»er 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gbroes-Hering'- 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
8chei den nacli allenSeiten des betreffendenMi ttels 
statt, soda88 Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch , Dr. Morgan, Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das ,,Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen, 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mosea*Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officio) in Leipzig. 

Droak von Julias Mfcsei in lA.ip«tg. 


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ALLGEMEINE 


HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

Dp. med. MOSSA-STÜTTGART. 


EINHUNDERT-NEUNUNDZWANZIGSTER BAND. 

(120. Band.) 

+ 

LEIPZIG. 

VERLAG von WILLIAM STEINMETZ (A. MARGGRAF8 HOMÖOPATH. OFFICIN.) 


1894. 


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I. Inhalts-Verzeichniss 

zum 

129. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung. 


NO. 1 Und 2« Seite 

. . 1 

Dia- 
Win¬ 
ters 1893|94 nebst Bemerkungen über Typhus¬ 
behandlung überhaupt. Von Ober-Medicinalrath 

. Dr. von Sick.2 

Der Meni^re’sche Schwindel, vertigo ab aure laesa 13 

Berichtigung.15 

Anzeigen.15 

No. 3 und 4. 


Einladung zu der am 9. August zu Eisenach statt¬ 
findenden Generalversammlung der Epidemio¬ 
logischen Gesellschaft . 17 

Bekanntmachung.17 

Zum Ausgleich. Von Dr. Lorbacher in Leipzig . 18 

Homöopathische Heilungen von Starrkrampf (Te¬ 
tanus). Aus dem Pacific Coast Journal of He- 
moeopathie vom Januar 1894 übersetzt von 

Dr. Th. Bruckner.. . 21 

Die homöopathische Arzneimittel-Lehre. Eine kri¬ 
tische Studie von Dr. Arthur Sperling-Berlin. 

Besprochen von Dr. Mossa-Stuttgart.24 

Merkwürdige Heilung durch Graphit. 30. Mitge- 

theilt von Dr. Paul Lutze-Köthen.28 

Lesefrüchte.28 

Personalia.31 

Druckfehler-Verbesserung.31 

Anzeigen.31 


No. 5 und 6. 

Einladung zu der am 9. August zu Eisenach statt¬ 


findenden Generalversammlung der Epidemio¬ 
logischen Gesellschaft.33 

Bekanntmachung. 33 

In bonis et voluisse sat est. Von Dr. Kallenbach- 

Rotterdam .34 

Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Schluss) . ..37 

Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka- 

Prag. (Schluss).42 

Zur Gabenfrage. Von Dr. Kunkel in Kiel ... 43 
Ophthalmie diseases and the^apeutics. Von Dr. A. 

B. Norton. Besprochen von Dr. Mossa-Stuttgart 45 
Retropharyngeal-Abscess. Von Dr. Proeil, Bad 

Gastein.46 

Lesefrüchte.46 

Anzeigen.47 


No. 7 und 8. 

Bericht über die 62. Generalversammlung des Ho¬ 
möopathischen Centralvereins Deutschlands zu 
Eisenach am 9. und 10. August 1894 .... 49 


Bekanntmachung. 

Die Typhus-Epidemie in der evangelischen 
konissenanstalt in Stuttgart während des 


Seite 

Zur Typhusbehandlung. Von Dr. Kimpel-Legau 


(Bayern).51 

Einzelne Fälle aus der Praxis mit Randbemerkungen 

von Dr. med. Waszily-Kiel.52 

Ein Fall von Capsicum-Vergiftung.54 

Calcarea carbonica in der Gallensteinkolik ... 55 
L’omiopatica in Italia. Von Dr. Mossa .... 56 

Regeln des collegialen Anstandes.58 

Vom Büchertisch.60 

Lesefrüchte.62 

Personal-Nachrichten.63 

Anzeigen.63 


No. 9 und 10. 

Zur 62. Generalversammlung des Homöopathischen 


Centralvereins Deutschlands zu Eisenach am 9. 

und 10. August 1894 65 

Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel ... 68 

Psychische Heilkunst. Von Dr. Gallivardin in 

Lyon.70 

Das fünfzigjährige Jubiläum des American Instituts 

of Homoeopathy. Von Dr. Mossa.71 

Eine Studie über die pathogenetische Wirkung von 

Kali bichromicum auf die Nieren.73 

Vom Büchertisch.75 

Diabetes mellitus bei Kindern ........ 77 

Lesefrüchte.78 

Bekanntmachung.79 

Danksagung.79 

Anzeigen.79 


No. 11 und 12. 

Ansprache des Dr. Weber-Köln, Vorsitzender bei 
der wissenschaftlichen Sitzung der 62. General¬ 
versammlung des Homöopathischen Centralvereins 
Deutschlands zu Eisenach am 10. August 1894 . 81 

Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel. (Fort¬ 
setzung) .84 

Nachtrag. Von Dr. med. Waszily.87 

Von der 62. Generalversammlung des Homöopathi¬ 
schen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach 
am 9. und 10. August 1894. Festivalia ... 88 

Das Album des Homöopathischen Centralvereins 
Deutschlands. Von William Steinmetz .... 90 

Die Anwendung des Wassers in der Behandlung 
des Typhus abdominalis. Von Dr. Knüppel- 

Magdeburg .90 

Diabetes mellitus bei Kindern. (Schluss) .... 91 

Prostata-Neurosen.93 

Lesefrüchte.94 

Homöopathische Hilfstabellen.95 

Anzeigen. .... j.... 95 

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rv 


Ko. 13 und 14. Seite 

Einladung zur Herbstversammlung des Sächsisch- 
Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte 97 

Correspondenz aus Kimberlev (Süd-Afrika). Von 

Dr. Th. van den Heuvel.97 

Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel. (Fort¬ 
setzung) . 99 

Heilmittel bei Leber-Krankheiten. Von T. S. 

Hoyne, M. D . . . . . . . ... . . .101 

Zur Physik der Homöopathie. Von Emil Schlegel 

in Tübingen...104 

Calculi pulmonales. Von Dr. Mossa-Stnttgart . . 106 

Vom Büchertisch ..108 

Anzeige..111 

Personalia.111 

Anzeigen.111 


No. 15 nnd 16. 

Einladung zur Herbstversammlung des Sächsisch- 
Anhaltmischen Vereins homöopathischer Aerzte 113 
Zur Gabenfrage. Von Dr. Mossa-Stuttgart . . .113 

Die gastrischen und hepatischen Symptome von 

Anacardium. Von Dr. T. Laird . . . . .118 

Referat über die Versammlung schweizerischer ho¬ 
möopathischer Aerzte am 8. und 9. September 
1894 in Baden (Canton Aargau). Von S.Luginbühl 119 
Dermatitis herpetiformis. Von Dr. Washington 

Epps-London '.121 

Internationaler homöopathischer Congress 1890 . 125 I 

Auch ein Boykott.126 i 

Lesefrtichte. 126 

Druckfehler-Berichtigung . ..127 

Anzeigen. 127 


Seite 


Bedenken gegen die Serum-Therapie. Von Dr. H. 

Gotillon.151 

Herbstversammlung des sächsisch - anhaltinischen 
Vereins homöopathischer Aerzte in Magdeburg . 157 
Zum internationalen homöopathischen Congress in 

London 1896 157 

Aufforderung zur Subscription auf v. Boenning- 
hausens Therapeutisches Taschenbuch . . . .158 

Quittung des Homöopathischen Krankenhauses zu 

Leipzig.158 

Quittung der Unterstützungskasse für Wittwen ho¬ 
möopathischer Aerzte.159 

Beglückwünschung.159 

Anzeigen.159 

No. 21 und 22. 

Zum 50jährigen .Jubiläum des Dr. med. Arnold 
Heinrich Lorbacher am 25. November 1894 . .161 

Klinische Beobachtungen über Silicea, Mercurius 
praecipitatus ruber, Aurum muriat.-natronatum 
und Ipecacuanha. Von Dr. med. Stifft .... 162 
VII. Herbstversammlung des Vereins der homöo¬ 
pathischen Aerzte Württembergs am 24. Octo- 

ber 1894 . 166 

TII. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nach¬ 
prüfung von Ranunculus sceleratus. Referent 

Dr. Schier-Mainz.169 

Zu „Schlegels Physik der Homöopathie“ .... 174 

Lesefrüchto.175 

Anzeigen . . 175 


No. 23 nnd 24. 


No. 17 and 18. 


Ein Fall von Tuberculose, hauptsächlich durch Tu- 
berculin (Heath) geheilt. Von Dr. John H. Clarke, 

Arzt am homöopathischen Krankenhaus© zu Lon¬ 
don . 129 

Bericht über die 66. Versammlung deutscher Natur¬ 
forscher und Aerzte in Wien. Von Dr. Elb- 

Dresden .130 

Zur Pathogenese von Thyroidin.132 

Vom Myxödem. 136 

Neue homöopathische Literatur in Amerika . . .138 

Therapeutisches Taschenbuch für homöopathische 

Aerzte von v. Boenninghauson.141 

Das Hahnemann-Denkmal in Amerika. Von Dr. 

Kafka . ..141 

Lesefrüchte . 141 

Personalia ........ .143 

Anzeigen . 143 

No. 19 und 20. 

Carbo vegetabilis von Professor Kent. Von Dr. 

Hesse-Hamburg.145 

Bericht über die freie Vereinigung der homöo¬ 
pathischen Aerzte Schleswig-Holsteins und der 
Hansastädte. Von Dr. med. Waszilv .... 149 


Abonnements-Einladung.177 

VII. Herbstversammlung des Vereins der homöo¬ 
pathischen Aerzte Württembergs am 24. Oeto- 

| her 1894 (Schluss).177 

III. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nach¬ 
prüfung von Ranunculus sceleratus. Referent 

Dr. Schier-Mainz (Fortsetzung).1$0 

Personalia.190 

Vom Büchertisch.190 

I Lesefrüchte.190 

I A womans international provers association . . . 191 

Anzeigen.191 

I No. 25 und 26. 

Die Homöopathie und die Schulmedicin. Uebersetzt 

von Dr. Haedicke in Leipzig.193 

III. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nach¬ 
prüfung von Ranunculus Bceleratus. Referent 

Dr. Schier in Mainz. (Fortsetzung).206 

Bildung von Kothsteinen in Folge von anhalten¬ 
dem Gebrauch von Magnesia und Wismuth . .211 

Lesefrüchte.213 

Fest-Bericht. 213 

Noch ein ÖOjähriges Doctorjubiläum.215 

Stellung für jnnge Landw^rthe ohne Vermögen . 215 
Anzeigen.215 


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V 


II. Sach-Register 

znin 

129. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung. 


Acidum arsenicosum bei Cholera. 29. 
Acidum ^icricum-Wirkung 119. 

bei Neurasthenie. 119. 
bei Tabes dorsualis. 119. 
Aconit-Wirkung. 168. 
Aetherbehandlung bei Brucheinklem¬ 
mungen. 141. 

American Institute of Homoeopathy, 
50jähriges Jubiläum des. 71. 
Anacardium — Gastralgie. 118. 
Arsen, bei Ataxia locomotrix. 57. 
Arsen., Hautverfttrbung. 79. 

Arsen, bei Diabetes mellitus. 178. 
Arsen, äusserlich bei Ulcus cancro- 
sum. 179. 

Asthma: 

Carbo vegetabilis. 148. 

Nux vomica. 148. 

Lycopodium. 148. 

Ataxia locomotrix — erste Zeichen. 
29. 

Ausgleich, zum. 18. 

Bacteriologie und Klinik. 128. 
Beitrag zur Kenntniss der Aconit- 
Wirkung. 168. 

Calcarea carbonica in Gallenstein¬ 
kolik. 55. 

Calculi pulmonales. 106. 

Calomel — Leberscirrhose. 142. 
Capsicum-Vergiftung. 54. 
Causal-Therapie. 26. 

Carbo vegetabilis-Indicationen 146. 
bei Keuchhusten. 146. 
bei Dyspepsie. 147. 
bei Asthma hormidorum. 148. 
Carcinomatöse Geschwüre. 180. 
Thuja, Sulphur, Mercur. 
Calcarea jodat., Kalium jodatum. 
Conium. — Actaea spicata und 
Calcarea oxalica. 

Causticum — Ischias. 68. 
Chelidonium mit Arsen, bei Diabetes 
mellitus. 178. 

Chininum sulphuricum . bei Ohren¬ 
leiden. 120. 

Chloroform-Wasser bei Typhus. 51. 
179. 

Cocain bei Ohrenleiden. *29. 
Coccionella: 

bei harnsaurer Diäthese. 44. 
bei Nephritis desquamativa. 114. 
Conjunctivitis phlyctaenularis: 

Aurum, Ipecacuanha. 166. 
Crocus bei Metrorrhagie. 150. 

Barmgeschwulst-Heilung. 42. 
Dermatitis herpetiformis: 

Antimon, tartaricum. 121. 


| Deutsche Naturforscher- und Aerzte- 
versammlung in Wien. 130. 
Diabetes mellitus. 178. 

| Sizygium jambolinum: 

im Wechsel mit Arsen., 
im Wechsel mit Chinawein. 179. 
Chelidonium mit Arsen. 178. 
Diätetisch-symptomatisches Heilver¬ 
fahren im Typhus. 9. 

Enteritis pseudomembranacea: 

Arg. nitricum. 94. 

Ferrum picricum in Gicht. 120. 
und Ohrenleiden. 1 *20. 

Gabengrösse. 113. 

Galvanische Strönie, minimale. 24. 
Graphit-Heilung. 28. 

Gelenkleiden bei Gicht und Scro- 
phulose. 163. 

Silicea. 163. 

Thuja. 163. 

Causticum. 163. 

Hamamelis bei Phlegmonia alba 
dolens. 149. 

Hämorrhoidalknoten. 149. > 

Herniae incarceratae. — Aether. 141. j 
Homöopath. Arzneimittellehre. Kriti- I 
sehe. Studie von Dr. Sperling. 24. t 
Homöopathische Literatur, neue, in 1 
Amerika. 138. 

Hydrocephalus chronicus, Fall von. 
160. 

Influenza: 

Sticta pulmonaria. 67, 68. 

I Nux vom., Pulsat., Arsen., Mer¬ 

cur., Fluoric. acidum, Kali c., 
Euphrasia. — Tart. stibiat. — 

| Veratr., Camphora. 

| Influenza-Epidemie mit Mumps. 98. 
Internationaler homöopath. Congress 
1896. 125 

I Internationales homöopath. Jahr- 
1 buch von Villers. 190. 

Jod bei Tuberkulose. 199. 

! Isopathie. 202. 

I Kali bichromicum bei Angina folli- 
| cularis. 54. 

1 Wirkung auf die Nieren. 73. 

Kneipp und seine ärztlichen An¬ 
hänger. 75. 

Kothsteine von Magnesia und Wis- 
muth. 211. 

! Landkartenartige Zunge. 94. 

I Arsen., Natrum mur., Kali bi¬ 

chromicum, Taraxacum, Ranun- 
; cul. sceler. 


Leber-Krankheiten und deren Heil¬ 
mittel. 100. 

Leber - Scirrhose, hypertrophische, 
geheilt mit Calomel. 142. 
Lippenkrebs — Lycopodium. 180. 
Lysol als Wundheilmittel. 179. 

Magengeschwür. 42. 

Magnesia — Kothsteine. 211. 
Magnetismus, animaler. 196. 
Meniere’scher Schwindel. 13. 
Meningitis spinalis subacuta. 180. 
Mercurielle Schleimhautentzündun¬ 
gen. 190. 

Motorische Störungen bei Prolapsus 
uteri. 30. 

Myocarditis-Formen. 213. 

Myxoedem. 136, 202. 

Nachprüfung von Ranunculus scele- 
ratus. 169. 

Necrose der Tibia. 39. 

Nicotin-Wirkung auf das Gehör. 29. 
Nux vom., verglichen mit Carbo 
vegetabilis. 146. 

Ophthalmiae scrophulosa. 165. 

Merc. praecipit. ruber. 

Argent. nitricum. 

Opium 30. bei Obstipatio im Ty¬ 
phus. 9. 

Ovaritis. 120. 

Ovariotomie. Anlass zu Extra-Ute- 
rinalschwangerschaft. 47. 

Parotitis epidemica. 29. 

Parotitis post scarlatinum. 175. 
Peritonitis chronica — Sulfur. 40. 
Pertussis — Carbo vegetab. 146. 
Phellandrium aquaticum bei Diar- 
rhoea tuberculosa. 150. 
Phlegmasia alba dolens. 149. 
Hamamelis. 

Physik der Homöopathie. 104. 
Praktiker, Auszug aus dem. 108. 
Prostata-Neurosen. 94. 

Kalium bromatum. 

Camphora monobromat. 

Geisern ium. 

Hyoscyamus. 

Spiraea ulmaria. 

Radfahren, schädliche und heilsame 
Wirkungen. 179. 

Ranunculus sceleratus: 

Nachprüfung. 169. 

Svmptomen - Zusammenstellung. 
210 . 

Regeln des collegialen Anstandes. 

58. 

Retropharyngeal-Abscess. 46. 

Apis. 


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VI 


Salicylsäure bei Meni£re’schem 
Schwindel. 14. 

Schweizer Aerzte-Versammlung. 116. 

Scirrhus pylori-Heilung. 40. 

Sepia bei einem Tumor in der 
Achselhöhle. 68. 

Serum therapie-Bedenken. 151. 

Sizygium jambolinum hemmt die 
Zuckerausscheidung im Diabetes 
mellitus. 178. 

Staphysagria—Gesichtsausschlag.68. 

Sticta pulmonaria bei Krampfhusten 
in Morbillis. 149. 

Strumaheilung durch Lycopod. und 
Spongia 57. 


Andries 184. 

Billig 214. 215. 
Boernaave 200. 

Bonino Fulvio 56. 
y. Bönninghausen 141. 
Bouchard 202. 

Brand 9. 

Brown 56. 

Bruckner 21. 


Carey 130. 

Clarke John 129. 
Crookes 204. 

Dewey 140. 
Dufresne 180. 


Elb 130. 

Epps 121. 

Ettinger 141. 

Farrington 170. 

Faulwasser 97. 

Fischei 175. 

Förg 143. 

Fournier 29. 

Gallivardin 70. 

Giseyius 111. 

Göhrum 50. 68. 120. 180. 
Goullon 75. 151. 
y. Grauvogl 114. 

Griesinger 9. 
Groos-Magdeburg 68. 
Groos-Barmen 190. 
Grubenmann 119. 

Haedicke 67. 157. 186. 190. 
Hesse 37. 111. 145. 149. 150. 
Heuvel, van den 97. 
Hochecker 31. 
Hoffmann-Sydenham 79. 


Tetanus-Heilungen. 21. 

Nux vomica. 22. 

Physostigma ven. 22. 

Lachesis. 22. 

Hypericum perforatum. 22. 
Angustura. 22. 

Cicuta virosa. 28. 

Thuja bei pustulösem Ausschlage. 58. 
bei Magenleiden nach unter¬ 
drückter Gonorrhöe. 58. 
Thyroidin. 132. 

Trachom mit Pannus: 

Nitri acid., Arsen. 57. 

Typhus. — Epidemie. 2. 
Chloroform-Wasser. 51. 


III. Namen-Register. 


Holcombe 60. 

Hoyne 101. 139. 

Hughes 55. 

Jacond 138. 

Jenner 201. 

Jde 63. 

Kafka 42. 

Kallenbach 37. 

Kent 145. 

Kimberley 97. 

Kleinwftchter 46. 

Kirn 168 179. 

Knüppel 90. 

Kramer 143. 

Krapf 170. 

Kray zell 159. 

Kröner 67. 89. 

Kunkel 45. 64. 84. 99. 175. 

Kyri 30. 

Laird 118. 

Lay er 169. 

Leeser 63. 67. 

Lippe 139. 

Löffler 127. 

Lorbacher 17. 18. 49. 79. 161. 
Lorenz 168. 179. 

Luginbühl 121. 

Lutze-Köthen 28. 67. 
Lutze-Hamburg 149. 

Lux 203. 

Mattes 179. 

Mende 120. 

Mesmer 196. 

Metteuheimer 212. 

Morton 45. 

Mossa 24. 45. 58. 68. 71. 109. 114. 
125. 130. 190. 

Oberholzer 119. 


Hydrotherapie. 90. 
Rademacher’sche Mittel. 179. 
Tuberculin-Wirkungen. 99. 129. 

Yeratrin bei Cholera. 28. 

Wadenkrämpfe: 

Frühzeitiges Symptom bei Dia¬ 
betes. 62. 

! Wismuth, salpetersaures: 
j Aeusserlich bei Brandwunden. 

i 3L 

i Woman international provers asso- 
| ciation. 191. 


| Paracelsus 198. 
1 Pasteur 201. 
Pfänder 128. 
Plenck 170. 
Polli 171. 
Pritchard 73. 
Pröll 46. 


Raibmayer 108. 
Richardiere 78. 
Roth 187. 
Rothmann 94. 


Schier 169. 207. 

Schier, Frau 180. 

Schlegel 106. 136. 169. 174. 178. 
Schnütgen 89. 

Schönebeck 149. 

Schulz, H., Prof. 28. 

Secondari 57. 
v. Sick 2. 167. 169. 

Siegmund 179. 

Spechtmann 94. 

Sperling 24. 

Staads 140. 

Stacv Jones 138. 

Stahl 199. 

Stiegele 177. 

Stifft 162. 


Tessier 19<>. 
Tostlöwe 143. 
Trousseau *200. 


Yariot 126. 
Villers 126. 


Waszily 30. 52. 88. 151. 
Weber (Köln) 67. 82. 
Weber (Hessen) 202. 
Werner 206. 

Wertheim er 29. 
Windelband 50. 66. 88. 


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Band 129. 


Leipzig, den 5. Juli 1894. 


No.l u.2. 


ALLGEMEINE 



Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf”s homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint Utttgig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanfftalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein «fcVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein. ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf\ pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 


Inhalt. Bekanntmachung. — Die Typhusepidemie in der evangelischen Diakonissenanstalt in Stuttgart während 
des Winters I893|94 nebst Bemerkungen über Typhusbehandlung überhaupt. Von Obermedicinalrath Sick. — Der 
Meniöre’sche Schwindel, vertigo ab aure laesa. — Berichtigung. — Anzeigen. 

■8“ Schluss der Schriftleitun?: Freitag vor dem Erscheinungstage. "•B 


n . ... . Bekanntmachung. 

Die diesjährige 

62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 

wird am 9. und 10. August in Eisenach abgehalten werden. 
Tagesordnung für beide Tage: 


am 9. August: 


am 10. August: 


Geschäftssitzung pünktlich Abends 7 Uhr 
im Saale des Hotels zum Kronprinzen. 

1. Abstimmung über die zur Aufnahme Augemeldeten. 

2. Geschäftsbericht 

a) des Central Vereins-Vorstandes, 

b) des Curatoriums des Krankenhauses, 

c) des derzeitigen dirigirenden Arztes, 

d) des Vorstandes der Berathungsanstalt. 

3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Er- 
theilung der Entlastung auf Grund der von dem 
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der 
Kasse und der Rechnungsablage. 

4. Neuwahl resp. Bestätigung des Kassen Verwalters. 

5. Neuwahl resp. Bestätigung des Institutsarztes. 

6. Bericht über die Vereinsbibliothek. 

7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungsortes. 

Antrag des Vorstandes: 

Antrag auf Genehmigung des Neudruckes der 
Statuten und deren Ausführungs-Bestimmungen 
in der zur Vorlage kommenden Form. 


Wissenschaftliche Sitzung Morgens pünktlich 
9 Uhr in demselben Saale. 

Thema: 1. Die Influenza. 

Ref. Dr. Windelband, Berlin. 
2. Euphrasia als Arzneimittel. 

Ref. Dr. Göhrum, Stuttgart. 
Vorsitzender; Dr. Kallenbach, Rotterdam. 


Nach der wissenschaftlichen Sitzung: 

I 1 !., Uhr gemeinschaftliches Mittagsessen 

in demselben Lokale. 

5 Uhr Fahrt nach der Wartburg. 

Ausser genanntem Hotel „zum Kronprinzen“ 
empfehlen wir das Hotel „zum goldenen Löwen“ 
am Eingänge des Marienthaies, und den am Bahn¬ 
hofe gelegenen „Grossherzog von Weimar.“ 

Es würde sich jedoch empfehlen, die Wohnung 
8 Tage vorher zu bestellen, da Eisenach um diese 
Zeit immer noch sehr besucht ist. 

Der Vorstand: 

Dr. med. Lorbacher-Leipzig. 

Dr. med. Wiüdelband-Berlin. 


Dr. med. Weber-Köln a. Rh. 


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2 


Die Typhusepidemie in der evangelischen | 
Diakonissenanstalt in Stuttgart 
während des Winters I893|94 nebst Bemerkungen | 
Ober Typhusbehandlung überhaupt. 

Von Obermedicinalrath Dr. von Sick. 

Der Grund für nachstehende Veröffentlichung 
liegt nicht etwa darin, dass ich den erfahrenen 
Amtsgenossen etwas Besonderes oder gar etwas be¬ 
sonders Günstiges mitzutheilen hatte, ich bin viel¬ 
mehr zu derselben dadurch veranlasst, dass ich 
über die obengenannte Seuche, welche Aufsehen 
erregte, in dem Jahresbericht der Anstalt eine Dar¬ 
stellung zu bringen habe. Hierdurch ohnedem 
dazugeführt, mich eingehender mit der Sache zu 
beschäftigen, erscheint es mir nicht ganz unange¬ 
messen, die bei der genannten Epidemie gemachten 
Erfahrungen auch in diesen Blättern wissenschaftlich 
zu verwerthen. Schwere Typhusfälle stellen dem 
Arzte doch immer ernste Aufgaben, bei dem un¬ 
zweifelhaft Seltenerwerden der Epidemieen in den 
letzten 20—30 Jahren*) kommen sie überdiess dem 
nicht an einem Krankenhause angestellten Arzte ver- 
hältnissmässig nicht häufig zur Beobachtung. Hieraus 
möchten weitere Gründe zu entnehmen sein, welche 
diese Mittheilungen als gerechtfertigt erscheinen 
lassen, zumal der Verfasser nun bald auf 40 Jahre, 
in denen er Typhuskranke beobachtet und be- ! 
handelt bat, zurückblickend, aus einigermassen ab¬ 
geklärter Erfahrung heraus reden kann. 

Es war im Juli 1893, als eine zugereiste 
Spanierin wegen schwerem Unterleibstyphus in dem 
Stuttgarter städtischen Krankenhause, dem Katha¬ 
rinenhospital, Aufnahme fand. Sie wurde daselbst 
von unseren Diakonissen gepflegt und genas. Eine 
unserer jungen Probeschwestem 

1) R. J., 22 Jahre, betheiligte sich bei der 
Pflege insbesondere auch mit Nachtwachen und er¬ 
krankte Ende Juli. Ihr Leiden wurde im genannten 
Spitale sofort als Typhus erkannt und sie bekam 
behufs Abortiv-Behandlung die daselbst üblichen 
Galomel-Gaben. Da die Krankheit trotzdem fort- 
schritt, wurde sie Ende der zweiten Woche (am 
10. August) in das Mutterhaus verbracht mit Abend¬ 
temperatur von 41 in der Achselhöhle, starkem 
Blutandrang nach dem Kopfe, heftigen Delirien, 
wenn sie bei sich war über Kopfschmerzen klagend. 
Da ich abwesend war, fiel die Behandlung aus- i 
schliesslich College Lorenz zu. Es wurden sofort 

*) Typhusepidemieen wie vor etwa 15 Jahren in Zürich, 
vergangenes Jahr in Pforzheim, erregen jetzt Aufsehen, in 
den ersten 2 Dritteln unseres Jahrhunderts waren solche 
Epidemieen an der Tagesordnung. Wie in München Typhus- 
Erkrankungen und Typhustodesfalle in der obengenannten 
Zeit abgenommen haben, ist allgemein'’ bekannt. 


Bäder, anfänglich 24, später bis 21° R. herab und 
Eisbeutel auf den Kopf angewendet. Als am fol¬ 
genden Tage starker Durchfall eintrat Arsenik 6. 
2stündlich 3 Tropfen gegeben, daneben Priessnitz’sche 
Leibumschläge zwischen die Bäder. Da der Zu¬ 
stand sich am 12. nicht gebessert hatte, bekam die 
Kranke Kali phosphor. 6. und am 14. Baptisia 6. 
Fieber und Durchfall wenig verändert, täglich 
1—2 Bäder. Als am 17. das Fieber wieder nahezu 
41 erreicht hatte, die Delirien so wild geworden 
waren, dass die Kranke keinen Augenblick allein 
gelassen werden konnte, wurde Ferr. phosph. 6. im 
Wechsel mit Baptisia gereicht. Es zeigte sich zum 
ersten Mal eine Wärmeermässigung bis auf 39,6, 
aber am 19. schon steigerte sich unter Ausbruch 
eines furchtbaren Schweisses die Wärme wieder; 
es wurde noch ein Mal zu Kali phosph. 3. zurück¬ 
gegriffen, aber unter Andauer des Schweisses nahm 
die Schwäche bei vollständiger Bewusstlosigkeit so 
zu, dass mit den Bädern ausgesetzt werden musste. 
Die letzte Wärmemessung am 20. August, Nachts 
2 Uhr, zeigte 41,9 0 C. Bald darauf starb die 
Kranke. Bei der Leichenöffnung fand sich ausser 
den Zeichen des Typhus ausgesprochene acute 
Hirnhautentzündung. Auffallend war ein in der 
2. Woche auf seiner Höhe befindliches Typhus- 
Exanthem, wie es sonst nur bei echtem Fleckfieber 
vorkommt, fast über den ganzen Leib verbreitet, 
am stärksten am Rumpfe. Es scheint mir diess auf 
den exotischen Ursprung dieser so schweren In- 
fection hinzuweisen. Bei zweien der aller Wahr¬ 
scheinlichkeit nach aus Anlass der Pflege von R. J. 
angesteckten Schwestern 2) und 3) war es in gleicher 
Weise vorhanden; in diesen letzteren Fällen sah ich 
es selbst. 

2) K. H., 23 Jahre, ebenfalls Probeschwester, 
besorgte Nachtwachen bei der vorigen. Erkrankte, 
nachdem einige Tage wenig beachtete Störungen 
des Befindens vorangegangen waren, am 8. September 
schwer mit Abendtemperatur in der Achselhöhle von 
40,6. Es wurde Aconit. 6. und Nux vom. 6. im 
Wechsel gegeben, vom 10. an auch Leibwickel. 
Als am 11. September die Abendwärme immer 
noch über 40 war und sich Durchfall einstellte, 
wurde Aconit, durch Ferr. phosphor. 6. ersetzt und 
2 stündlich mit diesen Mitteln gewechselt. Am 
15. September sah ich die Kranke zum ersten Mal 
und ordnete, da die Abendtemperaturen immer noch 
i über 40 waren, Arsenik 30. in einigen Gaben an. 
Die grösste Noth bei dieser Kranken machte von 
Anfang an die Ernährung, sie verweigerte nahezu 
Alles, zwang man ihr das Geringste auf, so folgte 
Brechen, auch mit dem Weine war diess der Fall, 
am (‘besten ertrug sie noch echten Champagner. 
Auf die genannten Arsenikgaben liess vom 19. Sep¬ 
tember an das Fieber entschieden nach, die Abend- 


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3 


temperatur bis zu 38,6, die Morgentemperatur bis 
zu 37,5 sich senkend. Es schien, da auch der 
Durchfall aufhörte, die Krankheit zum Guten sich 
zu wenden. Doch blieb die Abneigung gegen das 
Essen, namentlich gegen Schleimsuppen, Milch mit 
Thee u. dgl., auch stellten sich zeitweise Bauch¬ 
schmerzen ein, gegen welche ein Mal eine Gabe 
Bryonia 6. und eine Gabe Colocynthis 6. gereicht 
wurden. Am 26. oder 27. September wurde der 
Kranken, um ihrem Wunsche nach Wechsel der 
Nahrung wenigstens in etwas nachzukommen, eine 
gut verkochte Sagosuppe gereicht. Sofort stieg 
aber die Abend temperatur wieder auf 40, und 
hielt sich trotz Anwendung von Arsenik 6. und 
Baptisia am 29., von wo an ich die Behandlung 
bleibend übernahm, ziemlich auf dieser Höhe. Als 
auch Phosphor. 30. keine Aenderung im Zustand 
zu Wege brachte, schritt ich am 4. October zu 
Halb-Bädern von 24° R. und einem Abguss der 
oberen Leibeshälfte mit 25°. Diesen Eingriff be¬ 
antwortete der Organismus damit, dass am 5. (in ano ge¬ 
messen, wie von jetzt an stets*) Abends die Wärme 
auf 41 stieg. In den folgenden Tagen blieb sie aber 
meist unter 40, um den 11. October zeitweise auch 
unter 39 sinkend. Die Bäder waren der Kranken 
angenehm, sie wurde, bis dahin stets ziemlich theil- 
nahmlos und mürrisch, frischer, freundlicher, aber 
im Wesentlichen war doch die Sache unverändert, 
fast keine Nahrung, längere Zeit nur Kefir, auch 
Wein nur in mässigen Mengen, Durchfall hat auf¬ 
gehört, nicht aber der von Anfang vorhandene, 
aber bis dahin stets mässige Husten, Abmagerung 
rasch fortschreitend. Arzneien wurden wenig ge¬ 
reicht, je ein Mal Lachesis 6., Sulphur 30., Se- 
nega 3., Jod. 30. ohne sichtliche Aenderung des 
Zustandes, jedoch’ unter zunehmenden Brustbe¬ 
schwerden, als deren Ursache sich bei wiederholter 
Untersuchung eben nur der dem Typhus an sich 
zugehörige, verbreitete Bronchialkatarrh erwies. Erst 
am 29. October waren HO. beiderseits klingende 
Rasselgeräusche zu hören und damit musste wohl 
das Schicksal der Kranken als entschieden be¬ 
trachtet werden. Wiederholte Anwendung von 
Jod, China 30., Phosph. 30., Lycopodium 30. hatten 
keinen Erfolg, im Gegentheil zeigte die Fieber¬ 
kurve immer mehr die starken Unterschiede zwischen 
Morgen und Abend, wie sie der Lungenschwind¬ 
sucht zukommen. Die Bäder, deren die Kranke eine 
sehr grosse Anzahl erhalten hatte, wurden vom 
8. November an, da sich der Husten immer mehr 


*) Die Wärme wird in der Diakonissenanstalt der 
Regel nach in der Achselhöhle bestimmt. Bei Schwer¬ 
kranken aber, wo häufig gemessen werden muss, ziehe ich 
die für den Kranken viel weniger anstrengende, für die 
Pflegerin viel rascher auszufuhrende und für den Arzt viel 
sicherere Messung im Mastdarm vor. 


steigerte, aufgegeben; Ferr. phosph., Natr. nitric., 
Kali bichrom., Cuprum, Hyoscyamus, Stannum, 
Sulphur., Calcarea, Cimicifuga hatten keinen nennens- 
werthen Erfolg, ebensowenig Phellandrium 3., län¬ 
gere Zeit gegeben, und Silicea 30.*). Es stellte 
sich neben den anderen Erscheinungen starker eitrig¬ 
schleimiger Auswurf ein, kurz, die Kranke bot 
in ihren letzten Lebenswochen das uns bei den 
Schwestern leider nur zu bekannte Bild der Lun¬ 
genschwindsucht , der sie denn auch endlich am 
13. Februar 1894 erlag. Sie war in der ge¬ 
nannten Hinsicht erblich belastet und ihr zartes, 
blasses Aussehen hatte von Anfang an Zweifel er¬ 
weckt, ob sie den Anstrengungen des Berufes ge¬ 
wachsen sei. 

3) F. H., 24 Jahre, eine grosse, breitschultrige, 
kräftige Probeschwester. Hatte bei der Pflege 
von 1) ebenfalls Dienste geleistet. Meldete sich am 
16. September krank, nachdem sie auch schon seit 
etwa 8 Tagen sich unwohl gefühlt hatte. Erste 
Abendtemperatur 39, zweite 39,4; gegen Ende der 
zweiten Krankheitswoche einige Mal 40,3. Heftige 
Kopfschmerzen, deshalb Aconit und Gelsemium 
anfangs, daneben Fusswickel, die bei den höheren 
Fieberwärmen durch ganze Wickel (Priessnitz’sche 
Einpackungen von kurzer Dauer) ersetzt wurden. 
Milzschwellung und Durchfall mässig, dagegen, 
wie schon oben erwähnt, ungemein heftige Roseola. 
Den eben genannten Mitteln folgten auf der Höhe 
der Krankheit einige Gaben Bryonia 30., haupt¬ 
sächlich wegen der Brustbeschwerden, sodann Nux 
vomica 30. Vom 30. September an, genau mit 
Ablauf der dritten Krankheitswoche, ziemlich rascher 
Wärmeabfall, vom 2. October an Abendtemperatur 
nie mehr erheblich über 37. Konnte schon am 
28. October auf unsere Erholungsstation Ober¬ 
esslingen entlassen werden, wo sie sich bei der 
günstigen Herbstwitterung in der Landluft rasch 
erholte. Noch vor Weihnachten war sie im Stande, 
wieder einen Posten als Krankenpflegerin zu über¬ 
nehmen. Also mittelschwerer, den typischen Ver¬ 
lauf des Typhus rein darbietender Fall. 

4) L. K., 30 Jahre, gesunde, kräftige, tüchtige 
Schwester, in der Gemeindepflege Esslingen an¬ 
gestrengt arbeitend. An letzterem Orte Anfang 
October erkrankt, kam sie mit Beginn der 3. Krank¬ 
heitswoche ins Mutterhaus, nachdem sie in Esslin¬ 
gen Calomel und Chinin in grossen Gaben ohne 
ersichtlichen Einfluss auf die Krankheit erhalten 
hatte. An ihrem Einlieferungstage, 16. October, 
Abendwärme 40,2, 17. October 40,5. Bekam bei 


*) Manche Leser werden vielleicht unter obiger Reihe 
von Arzneimitteln Kreosot vermissen. Ich kam wahr¬ 
scheinlich nicht darauf wegen der ohnedem gänzlich dar¬ 
niederliegenden Verdauung. Vielleicht wäre es aber gerade 
deswegen, in homöopathischen Gaben, angezeigt gewesen. 

1 * 


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4 


Vorwalten der Erscheinungen seitens der Verdau¬ 
ungswerkzeuge Baptisia 6., bei heftigem Kopfweh 
Gelsemium, daneben kalte Abwaschungen des gan¬ 
zen Leibes. Als die (in ano gemessene) Tempera¬ 
tur in den nächsten Tagen aber stets über 40 blieb, 
am 19. Abends 40,6 erreichte, wurden Halbbäder 
mit 25 und Uebergiessungen mit 23° R. gegeben 
und diese Wasseranwendungen, da die Kranke 
selbst das Verlangen nach kühlerem Wasser hatte, 
zuletzt mit 21 und 18°, 3—4 Mal in 24 Stunden, 
angewendet. Eine sichtbare Wirkung auf das Fieber 
hatte aber die Wasseranwendung nicht, auch Mor¬ 
gens über 40, Abends bis zu 40,9. Nun wurden 
neben den Bädern nach Hahnemann’s Vorschrift 
Bryonia 30. und Rhus 30. im Wechsel gegeben. 
Das Fieber liess etwas nach, vom 27. October an 
kamen Morgentemperaturen bis zu 39,6, am 28. 
aber erstmals blutiger Stuhl, dem in der nächsten 
Zeit massenhafte weitere Blutausscheidungen folgten. 
Mit den Bädern wurde sofort ausgesetzt, rasch ge¬ 
wechselte Eiswasserüberschläge über den Bauch und 
Arsenik 30., später 6. gegeben. Die Kranke fiel 
rasch in dem Maasse zusammen, dass wir öfter 
Abends im Zweifel waren, sie Morgens noch lebend 
zu treffen; sie war äusserst blass, schlummersüchtig, 
kaum einer Bewegung fähig, die Füsse schwollen 
ödematös bis zu den Knieen an. Selbstverständ¬ 
lich wurde mit Champagner und starkem spani¬ 
schem Weine der zu erlahmen drohenden Herzkraft 
möglichst Vorschub geleistet, auch verweigerte die 
Kranke kräftige Fleischbrühe u. dgl. zu nehmen 
nicht. Am 30. October wurde Arsen, mit Acid. 
phosph. 6. vertauscht. Am 31. waren noch vier 
blutige Stühle, am 1. November nur noch einer. 
Die Leibeswärme hielt sich seit der Blutung 
zwischen 39 und 40. Eine allmälilige Besserung, 
eine kleine Zunahme der Kraft war in den näch¬ 
sten Tagen nicht zu verkennen, die Stühle setzten 
ganz aus und als am 4. November zum ersten Mal 
wieder ein Stuhl kam, war er geformt und ohne 
Blut. Die wassersüchtige Anschwellung der Beine 
nahm auch sichtlich ab. Am Abend des 4. No¬ 
vember war die Wärme auf 38,1, am Morgen des 
8. auf 38,0 gefallen, als an diesem Tage ganz un- 
vermuthet ein Schüttelfrost eintrat, der die Wärme 
Abends wieder auf 40 brachte und sich noch 
einige Male mit demselben Erfolge wiederholte. Ein 
greifbarer Grund für diese Schüttelfröste war vor¬ 
erst nicht aufzufinden. Acid. phosph. wird fort¬ 
gegeben. Am 14. November steigt die Wärme 
zum letzten Mal auf 39,4, fällt bis zum nächsten 
Abend auf 37,0 und bleibt von da in den gesund¬ 
heitlichen Grenzen. Was die Schüttelfröste zu be¬ 
deuten hatten, trat am 22. November zu Tage. 
Das rechte Bein zeigte sich in seiner ganzen Aus¬ 
dehnung geschwollen, etwas bläulich gefärbt und 


schmerzhaft, also Venenthrombose. Leibeswärme 
unverändert; gegen die Schmerzen des Beins schien 
Dulcamara 6., in mehrfachen Gaben, hilfreich zu 
sein. Bald nahm auch die Schwellung wieder ab, 
die allgemeine Erholung hatte ihren Fortgang. 
Unterbrochen wurde diese nur noch Anfang Januar 
1894, wo ohne besondere Veranlassung unter 
Steigerung der Fieberwärme bis zu 39,6 Mittelohr¬ 
entzündung mit sehr heftigen Schmerzen eintrat 
Die Kranke bekam je eine Gabe Aconit. 6., Pulsa- 
tilla 30., Belladonna 3ü., Ol. Terebinth. 3., Hep. 
sulph. calc. 30. In wenigen Tagen war die Sache 
vorüber und die Kranke konnte schon am 17. Januar 
in die Erholungsstation entlassen werden, wo, wie 
bei der Schwere der Erkrankung nicht anders zu 
erwarten, die Kräftigung langsam fortschritt, so 
dass sie erst im Frühjahr wieder einen Posten über¬ 
nehmen konnte. 

5) G. W., 43 Jahre, eine unserer leitenden 
Schwestern, war den Sommer vorher durch viele 
Arbeit und daneben Unlust in Folge bedeutender 
baulicher Veränderungen im Hause überangestrengt. 
Hatte auf ihrer Abtheilung den weiter unten noch 
genauer zu erwähnenden Typhuskranken. Sie legte 
sich am 16. October, nachdem sie schon einige Zeit 
vorher gekränkelt, mit Fieber, Verdauungsstörun¬ 
gen, Bronchialkatarh und Milzschwellung. Die 
Leibes wärme stieg nie erheblich über 39, zeigte sich 
aber dafür um so hartnäckiger erhöht, so dass die 
Krankheit, ohne dass sie zu ernsteren Besorgnissen 
führte, sich sehr in die Länge zog. Die Schwester 
bekam die gewöhnlichen Mittel Nux, Bryon., 
Geisern, u. s. w. je nach den vorwaltenden Er¬ 
scheinungen, ohne dass im geringsten ein Einfluss 
derselben auf die Gesammtkrankheit zu beobachten 
gewesen wäre. Erst am 17. »Janiar war sie so 
weit hergestellt, dass sie, der ärztlichen Aufsicht 
nicht mehr bedürfend, auf die Erholungsstation 
abreisen konnte. Die Kräftezunahme war, wie zu 
erwarten, eine sehr langsame, doch ist die Schwester 
seit April wieder auf ihrem Posten. 

6) M. K., 20 Jahre, Vorprobeschwester, erst 
einige Monate im Hause. Hatte sich hauptsächlich 
mit Nachtwachen an der Pflege der Typhus¬ 
schwestern betheiligt. Erkrankte am 27. October 
mit unbestimmten Erscheinungen. Doch am 28. 
schon 39,3 Abend wärme. Aconit, und, als stärkere 
Kopfschmerzen auftraten, Gelsemium 6. schienen 
günstig zu wirken, indem am 3., 4. und 5. No¬ 
vember die Morgentemperaturen auf 37,6, die 
Abendtemperaturen auf 38,2—4 sanken. Am 6. aber 
trat rasche Steigerung ein, Morgens 39,4, Abends 
40,2 (in ano gemessen, wie von jetzt an immer). 
Es wurden kalte Abwaschungen und zwischen hinein 
Leibwickel angeordnet und Bryonia 30. gegeben. 
Als keine Aenderung eintrat vom 8. an Ferr, 


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phosphor. 6. stündlich, später Kalium chlorat. ebenso. 
Am 11., wo die Abendwärme auf 40,6 gestiegen 
war, wurden starke Schmerzen beim Wasserlassen 
geklagt. Eine sofort vorgenommene Untersuchung 
ergab diphtheritischen Belag der Innenseite beider 
kleiner Schamlippen. Nun wird Mercur. cyanat. 6. 
mehrmals täglich gereicht, Reinigung mit Wasser 
unter Zusatz reinen Weingeists, mit letzterer 
Mischuug getränkte Leinwandfleckchen in die Vulva 
eingeschoben, Rumpfwickel fortgesetzt. Hatte die 
Diphtherie kritische Bedeutung oder griff das Cyan¬ 
quecksilber wirklich in den Gang der Krankheit 
ein, die Macht der letzteren war von jetzt an ge¬ 
brochen, die Temperaturen kamen nie mehr über 
40 und am Morgen des 20. (ziemlich genau mit 
Beginn der 4. Woche) war 87,0 erreicht; an den 
Lippen kein Belag mehr, nur reine, oberflächliche 
Geschwüre; Mercur., der in den letzten Tagen 
immer seltener gegeben wurde, fiel nun weg. Vom 
24. an aber hoben sich wohl im Zusammenhänge 
mit Gemüthsbewegungen (Geburtstagsfeier), sowie 
mit Fortbestehen eines tiefgreifenden Bronchial- 
katarrhs die Temperaturen wieder, Abends zeitweise 
bis gegen 40. Es wird Belladonna t». gereicht, 
und da es ohne Eindruck blieb, auf Arznei ganz 
verzichtet, bei höherem Fieber nur Einpackungen 
mit darauffolgendem Halbbad und Abwaschung an¬ 
gewendet, meist täglich nur einmal; als die Abend¬ 
temperaturen später um 89 blieben, einfache kalte 
Abwaschungen. Am 5. December war zum ersten 
Mal wieder 37 erreicht. Doch hob sich vom 9. 
bis 14. December die Temperatur noch einmal bis 
zu 39,9, um vom 15. an definitiv unter 88 auch 
Abends zu bleiben. Des Bronchialkatarrhs wegen 
war aber noch im Januar die Anwendung von 
Spongia 3. nothwendig, am 17. konnte jedoch die 
Uebersiedelung auf die Erholungsstation erfolgen. 
Die Kräftezunahmo fand verhältnissmässig rasch 
statt, die Schwester trat bald wieder in die Arbeit, 
ist jetzt ungleich kräftiger und blühender, als bei 
ihrem Eintritt in das Haus; eines der nicht seltenen 
Beispiele, dass überstandener Typbus entschieden 
bessernd auf die Gesammtconstitution wirkt. 

7) C. M., 21 Jahre, Vorprobeschwester, auf die 
gleiche Weise wie die vorhergehende und ziemlich 
zu gleicher Zeit angesteckt. Hatte schon am Abend 
des 30. October 39,2, am Abend des 81. 40,1. 
Die hervorstechendste Erscheinung war Kopf¬ 
schmerz, desshalb Aconit., und Belladonna im 
Wechsel und als keine entschiedene Besserung ein¬ 
trat Gelsemium 6. Vom 30. October an fiel die 
Körperwärme, am Morgen des 6. Novembers war 
Morgens 37,2, Abends 38,7, am 7. schon 37,0 und 
37,4 (Beginn oder vielleicht schon Ende der 
3. Krankheitswoche). Erholung sehr rasch, so 
dass die Schwester im December wieder eine Ab- | 


tbeilung übernehmen konnte bei guter Leibesernäh¬ 
rung und blühendem Aussehen. Ein schon vor 
der Krankheit bestehender und auswärts schon 
specialistisch behandelter Mittelohrkatarrh beider¬ 
seits mit Trübung des Trommelfells und erheblicher 
Gehörverminderung besteht fort; dazu gesellte sich 
nach der Krankheit eine mässige aber tief zwischen 
Luftröhre und Brustbein sitzende Anschwellung der 
Schilddrüse mit nicht unerheblichen Athem- und 
Schlingbeschwerden, so dass es zweifelhaft er¬ 
scheint, ob die Schwester bleibend die Kranken¬ 
pflege wird ausüben können. 

8) A. V., 27 Jahre, erst vor wenigen Monaten 
eingetreten, eine hochaufgeschossene, blutarme, 
nervöse frühere Lehrerin. War der gleichen An¬ 
steckungsmöglichkeit ausgesetzt wie 5), hatte aber 
schon während des ganzen Sommers geringe Ess¬ 
lust. Legte sich am 81. October mit Abendtem¬ 
peratur von 89,4. Schon am 3. December (von 
da an in ano gemessen) 40,9, am 4. 41,0, dabei voll¬ 
ständig bewusstlos, auf Anrufen nur für ganz kurze 
Zeit klar, fortwährende Unruhe, aus dem Bette 
springen u. s. w., so dass man im Hause den Fall 
so schwer ansah wie 1), auf Grund der nervösen 
Constitution hielt ich aber stets die Aussichten für 
nicht so ungünstig. Die Verdauung auch schwer- 
stens gestört, fast nichts Nahrhaftes beizubringen, 
Brechen, häufige unwillkürliche Entleerungen, bald 
Harnverhaltung, die längere Zeit hindurch das 
zwei Mal tägliche Anlegen des Katheters nöthig 
machte. Die Kranke bekam anfangs Aconit., Gel¬ 
semium, Bryonia, später Baptisia und Arsenic. 
Im Hinblick auf die Blutarmuth und Nervosität 
stand ich von stärkerer Wasseranwendung ab und 
beschränkte mich auf Leibwickel. Vom 7. De¬ 
cember, also wohl vom Beginn der 3. Woche an, 
blieb die Wärme unter 40, ohne dass mehr Klar¬ 
heit des Bewusstseins und grössere Ruhe eintrat. 
Nun bekam die Kranke einige Gaben Ignatia, wie 
es schien mit deutlichem Erfolge hinsichtlich der 
letztgenannten Erscheinungen. Da aber das Fieber 
stets noch über 39 blieb, wurde vom 10. an Ferr. 
phosph. 6. 2stündlich 3 Tropfen gegeben, bei 
dessen Anwendung dann zwischen dem 13. und 
15. December (Beginn der 4. Woche) Wärmeabfall 
eintrat, der Bestand hatte. Hiermit besserten sich 
alle Krankheitserscheinungen verhältnissmässig sehr 
rasch, nur wegen fortbestehender Harnbeschwerden 
waren später noch einige Gaben Oantharis 6. nöthig. 
Am 7. Januar hatte die Schwester sich so weit er¬ 
holt, dass sie auf einen rascheste Besetzung erfor¬ 
dernden Posten im Katharinenhospital entsandt 
werden konnte, jedoch nur für kurze Zeit, da sie 
schon Ende dieses Monats eine leichte Lungen- 
I blutung daselbst bekam und mit Dämpfung über 
j der rechten Lungenspitze, vermindertem Einath- 


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mungs- und verstärktem Ausathmungsgeräusch wieder 
ins Mutterhaus aufgenommen werden musste. Bei 
Anwendung von Aconit., Arsenik, Spongia (rauher, 
trockener Husten), Hyoscyamus (krampfhafter Husten 
Nachts) und einer Gabe Calcarea SO. verlor sich 
die Sache rasch. Die Schwester kam bald in die 
Erholung und kann seit April einen nicht ganz 
leichten Posten in einer Augenklinik versehen. All¬ 
gemeinbefinden verhältnissmässig gut, Wiederkehr 
der Lungenerscheinungen jedoch zu befürchten. 

9) J. W., 21 Jahre, Probeschwester. Seit 
einigen Monaten in der Gemeindepflege zu Tübin¬ 
gen, wo sie bei Typhuskranken thätig war. Kam 
am 21. November ins Mutterhaus, nachdem sie in 
Tübingen 2 Tage gelegen hatte, also etwa zu Ende 
der 1. Krankheitswoche. Die Temperaturen (in 
ano gemessen) sofort hoch, am 22. 40,5. Ausser 
den Unterleibsstörungen waren Kopfschmerzen die 
Hauptbeschwerde, desshalb Gelsemium 6. 2 Mal 
täglich 3 Tropfen. Es schien günstig zu wirken. 
Am Morgen des 25. war die Wärme 38,0, Abends 
vorher 39,5. Vom 28. an aber wieder entschiedene 
Zunahme des Fiebers, das von da an 6 Tage an¬ 
haltend über 40 blieb, am 29. Abends 40,9. Fer¬ 
rum phosph. im Wechsel mit Gelsemium bezw. 
Baptisia half nichts, darum vom 29. an Halbbad 
mit Uebergiessung meist 2 Mal täglich, zuerst 23 
und 21°, und da die Kranke diess nicht gut ertrug 
25 bezw. 26, Ueberguss 23 bezw. 24. Hierbei 
fiel die Temperatur am 4. December zum ersten 
Mal wieder unter 39, doch blieben die Abendtera- 
peraturen noch hoch bis zum 8., am 9. schon war 
die Wärme Morgens auf 37,1 gesunken, Abends 
an diesem und dem folgenden Tage noch 88,2, 
von da an normal. Entscheidungszeit also Mitte 
der 4. Woche. Während der zweiten schweren 
Fieberperiode wurde ausser den Bädern nur eine 
Gabe Arsenic. 30. angewendet. Die Reconvales- 
cenz der sonst ganz gesunden und kräftigen 
Schwester war rasch. Am 17. Januar kam sie auf 
die Erholungsstation, im März wieder nach Tübingen. 

10) K. R., 34 Jahre, kräftige, im Wesentlichen 
gesunde Schwester, hatte im städtischen Spitale zu 
Besigheim Typhuskranke gepflegt. Kam am 1. De¬ 
cember zu uns, muthmasslich auch gegen Ende 
der 1. Krankheitswoche mit Abendwärme von 39,4, 

2. 39,9, 4. und 5. 40,2. Sie bot kein schweres 
Krankheitsbild, auch hinsichtlich der Baucherschei¬ 
nungen nicht, klagte aber über äusserst heftiges Kopf¬ 
weh. Desshalb ausschliesslich Gelsemium 6. Mor¬ 
gens und Abends 3 Tropfen. Vom 6. December 
an fielen die Temperaturen allmählig, aber ganz 
regelmässig, ab, so dass am 11. December der ge¬ 
sundheitliche Zustand erreicht war (Mitte der 

3. Woche). Konnte schon am 7. Januar genesen 
auf ihren früheren Posten entlassen werden. 


11) Chr. C., 33 Jahre, kam am 16. November 
aus dem Bezirkshospitale Reutlingen in abgearbeite¬ 
tem, körperlich weit heruntergekommenem Zustande. 
An der Btreckseite des kleinen Fingers der linken 
Hand hatte sie eine erhsengrosse, granulirende, von 
dickem Oberhaut walle umgebene äusserst empfind¬ 
liche Wunde, die schon 9 Wochen mit Jodoform, 
Aetzungen, Sublimatlösung u. dgl. behandelt worden 
war., ohne dass sie zur Heilung hätte gebracht 
werden können. Ich behandelte sie unter zeit¬ 
weiser Abtragung des Epidermiswalles mit der 
flachgebogenen Scheere ausschliesslich mit Priess- 
nitz’sehen Umschlägen, 4 Mal täglich mit frischem 
Wasser und reiner Leinwand angelegt. In weniger 
als 14 Tagen war sie vollständig geheilt. Beiläufig 
bemerkt habe ich den ersten oft erprobten Theil 
des Verfahrens von Virchow gelernt, der im Winter 
1859/60 einem Studenten, der ihm einen solchen 
alten Schaden aus dem Seciersaale vorwies, sagte: 
Da müssen Sie vor allem die umgebende Epidermis 
stets wieder abtragen, solche Wunden lieben die 
Oeffentlichkeit. — Die Wunde war also geheilt, mit 
nichten aber die Schwester. Bei ihr stellte sich 
vielmehr deutlicheres Fieber ein mit vollständiger 
Appetitlosigkeit, Durchfällen von charakteristischer 
Art, Bauchauftreibung und Milzschwellung. Die 
Wärme, vom 28. November an gemessen, bewegte 
sich Abends um 39. Da die sonstigen Erscheinun¬ 
gen, namentlich Frostigkeit und Durstlosigkeit, auf 
Pulsatilla wiesen, bekam sie diess, jedoch ohne Er¬ 
folg; am 6. December war die Abendwärme sogar 
auf 39,7 (in der Achselhöhle) gestiegen. Nun wird 
Phosphor. 30. gegeben; am 11., wo die Abend¬ 
wärme stets noch über 39, Arsenik 30., und am 13., 
wo sie sogar wieder 39,7 erreicht hatte und 
stärkeres Kopfweh sich bemerklich machte, Gelse¬ 
mium 6. Diess schien zu wirken; am 16. schon 
war sie auf 38 gefallen, von da an Fieherlosig- 
keit und langsame Erholung. Der Temperaturab¬ 
fall mag aber mit Ende der 3. bezw. Anfang der 

4. Woche zusammenfallen, für eine Wirkung der 
Arznei demnach nichts beweisend. Man könnte 
Zweifel hegen, ob die fieberhafte Erkrankung nicht 
mit der Wundinfection Zusammenhänge. Es war aber 
nicht das geringste Zeichen einer Weiter Verbreitung 
der Ansteckung von der Wunde aus zu bemerken, 
keine Rose, keine Phlegmone, keine Lymphgefäss- 
erkrankung. Ueberdem hatte das Fieber in keiner 
Weise septischen Charakter, stimmte vielmehr voll¬ 
ständig, wie auch die übrigen Erscheinungen, mit 
einem lentescirenden Typhus. Die Schwester kam 
am 17. Januar auf die Erholungsstation und genas 
rasch und vollständig. 

12) M. B., 19 J., Vorprobeschwester. Auf 
der Abtheilung, auf welcher die typhuskranken 
Schwestern lagen, längere Zeit beschäftigt. Legte sich 


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am 8. Februar 1894 nach mehrtägigem Unwohl- i 
sein mit einer Abendwärme von 40,2, Kopfschmerz | 
und den übrigen Erscheinungen eines beginnenden [ 
Typhus. Sie bekam Aconit, und Belladonna im 
Wechsel, später des vorwiegenden Kopfschmerzes 
wegen Gelsetnium 6. Die Wärme hielt sich fort¬ 
während um 40 bis zu 40,5. Als sie am 12. (um 
das Ende der 1. Krankheitswoche) auf 40,3 wieder 
gestiegen war, wurde Bryonia 80., eine Gabe von 
2 Tropfen gereicht, worauf bis zum Morgen des 
14. die Wärme auf 88,8 fiel. Am gleichen Tage 
zeigte sich leichte Bachendiphtherie, was eine Gabe 
Merc. cyan. 6. veranlasste. Die Wärme stieg aber 
wieder bis zu 40,2 am Abend des 15., deshalb 
Arsenik 30., worauf am Morgen des 17. 38,3. Von 
da an mehrere Tage Temperaturen zwischen 39,5 
und 87,5. Am 21. aber wieder 40,1, worauf 
eine Gabe Bhus 80., als aber am 23. und 24. die 
Wärme trotzdem Abends gegen 40 stieg, einige 
Gaben Ferr. phosph. 6. Unter Gebrauch dieses 
Mittels trat am 27. Februar (Beginn der 4. Woche) 
der bleibende Fieberabfall ein und es schien die 
Krankheit rasch in die Erholungszeit überzugehen, 
als ohne bekannte Veranlassung am 6. März Abends 
die Wärme auf 89,3, am 7. sogar auf 40,6 stieg, 
um aber schon am 8. Abends auf 38,0, am 9. Abends 
auf 37,1 zu fallen, demnach eine Fieberkurve fast 
wie bei einer Koch 1 sehen Einspritzung. Als Ursache 
derselben liess sich eine leichte Ausschwitzung in 
der Brusthöhle links nachweisen. Als Arzneimittel 
war allein wieder Ferr. phosphor. 6., zuerst stünd¬ 
lich 3 Tropfen, dann seltener, in Anwendung ge¬ 
kommen. Nach einigen Tagen hoben sich die 
Abendtemperaturen noch zwei Mal auf 38,2, dann 
aber trat ungestörte Beconvalescenz ein. Nach 
kurzem Erholungsaufenthalt konnte die Schwester 
wieder in die Arbeit gehen. Da mit Ausnahme 
der ersten Tage die Temperatur nie anhaltend hoch 
war, insbesondere bald starke Morgenremissionen 
zeigte, auch die gereichten Arzneimittel den Gang 
der Krankheit günstig zu beeinflussen schienen, 
wurde in diesem Falle von Wasserbehandlung voll¬ 
ständig Abstand genommen. 

13) E. S., 26. J. Früher hitziges Glieder¬ 
weh, davon ein Herzfehler (an der Spitze der 
erste Herzton unrein) zurückbehalten. Hatte auf 
ihrem letzten Posten strenge gearbeitet und daneben 
gemüthlich manches Schwere durchzumachen ge¬ 
habt. Kam mager, blass, hustend in die Krank¬ 
heit, deren erste 8 Tage sie im Katharinenhospital j 
hier durchmachte und daselbst AntipyTin und Calo- 
mel in starken Gaben erhielt. Als keine Besserung 
eintrat, wurde sie am 12. Februar ins Mutterhaus 
verbracht, wo besonders der starke Husten auffiel. 
Bei der Brustuntersuchung erwies sich der obere 
Theil der linken Lunge verdichtet (Dämpfung des 


Percussionsschalls mit verlängertem lautem Aus- 
athmungsgeräusch). Die Kranke bekam deshalb 
Natr. nitric. 6., und als die Hitze nicht nachliess 
und die Temperatur allmählig gegen 40 stieg, 
Bryonia 30. Am 16. Februar (Ende der 2. Krank¬ 
heitswoche) war sie auf 40,1 gestiegen, am Mor¬ 
gen des 17. 40,4, Abends 40,5. Nun wird Arsenik 80. 
gereicht, daneben Bumpfwickel, alle 2 Stunden 
frisch. Als bis zum 20. keine Besserung und die 
Morgentemperatur 40,8, wird Bhus 30. gegeben 
und am 12., wo die Morgentemperatur sogar 41,0 
(Achselhöhle) betrug, Phosph. 80. Die Schwere 
des Falls äusserte sich besonders auch darin, dass die 
Fieberkurve unentwegt stieg und die Morgenwärme 
meist die höchste war. Mit jener hohen Mor¬ 
genwärme traten rasch unter Zunahme der Schwäche 
und Schwinden des Bewusstseins Blutungen aus 
verschiedenen Körpertheilen ein, Nase, Darm, um¬ 
fangreiche Blutunterlaufungen unter die Haut, 
welcher allgemeinen Blutzersetzung gegenüber selbst¬ 
verständlich alle namentlich zur Stärkung der Herz¬ 
kraft angewendeten Mittel erfolglos waren. Bei 
sinkender Leibeswärme tritt in der Nacht vom 24. 
bis 25. Februar der Tod ein, Ende der dritten 
Krankheitswoche. 

14) D. M., 23 J., Probeschwester. Beschäftigt 
in der Gemeindepflege zu Crailsheim. Lag an 
letzterem Orte 4 Tage und wurde mit AntipyTin 
und Phenacetin behandelt. Wurde am 14. Februar 
(also wohl mit Beginn der 2. Krankheitswoche) 
ins Mutterhaus verbracht. Ausgesprochen Typhus, 
Milzschwellung, Roseola, dünne, hellgelbe Stühle, 
etwa 4 Mal in 24 Stunden. Abendtemperatur 
gegen 40, Morgens selten unter 39,5. Zunächst 
bekommt die Kranke Arsenik 30. und als am 20. 
die Morgentemperatur rasch auf 40,8 stieg, 
Rbus 30. 2 Tropfen; Abends 41,0, 21. Morgens 39,0, 
Abends 40,4 jetzt Bryonia 30. In der Nacht aber 
der erste blutige Stuhl, dem während des 22. noch 
10 weitere folgten, in der folgenden Nacht noch 
einmal 3 solcher Stühle. Daraufhin Lachesis 6. und 
als die Temperatur hoch blieb, Arsenik 6. Jetzt 
sank die Wärme am Morgen des 24. bis auf 38,6; 
nach dreitägiger Pause wird auf eine Einspritzung hin 
reichlicher, wenig Blut enthaltender Stuhl entleert, 
dagegen nimmt Schwäche, Buhelosigkeit, zeit¬ 
weises Irrereden überhand. China 80. 2 Tropfen 
ohne Wirkung, Temperatur wieder über 40. Carb. 
veget. 30. 2 Tropfen, und als darauf keine nach¬ 
haltige Besserung Camphora 2., später Moschus 3. 
Die nervöse Unruhe bei ziemlich klarem Be¬ 
wusstsein und allmählig bis um 88 sinkender 
Temperatur wird immer grösser, Puls sehr rasch 
und klein, über 130, Athem rasch und etwas 
rasselnd. Gegen die Aufregung erweist sich Zinc. 
acet. 2. Verdünnung in wiederholten stärkeren 


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Gaben entschieden hilfreich. Die Kranke wird 
ruhiger, vollständig klar, schläft auch etwas, aber 
die herannahende Lungen- und Herzlähmung ist 
nicht zu verkennen, trotzdem dass selbstverständlich 
mit starkem Wein, Champagner u. dergl. geschieht, 
was geschehen kann. Die Kranke ist sich ihres 
Zustandes vollständig bewusst, freut sich auf den 
Tod, ist rührend dankbar für alles, was an ihr ge- 
than wird und stirbt vollständig bei Bewusstsein 
unter stets schwerer werdendem Athem am 6. März, 
von allen aufs Tiefste bedauert als frühes Opfer 
ihres Dienstes der Nächstenliebe. Die letzte Mes¬ 
sung am Morgen des Todestages hat 36,1 ergeben. 

16) A. S., 28 J., Probeschwester, die vorzugs¬ 
weise Pflegerin der beiden Gestorbenen. Hochaufge¬ 
schossenes, blasses Mädchen, zu Husten geneigt, 
welch letzterer auch während der ganzen Krank¬ 
heit dasjenige Symptom war, das vermöge seiner 
Hartnäckigkeit und Heftigkeit am meisten Besorg- 
niss einflösstc. Wurde nach dem Tode der beiden 
Vorhergehenden sofort zur Erholung aufs Land 
geschickt, kehrte auch anscheinend gesund zurück, 
legte sich aber schon am 13. März. Anfangs hielt 
sich die Wärme zwischen 38 und 39 und es 
konnten der Reihe nach gegen die katarrhalischen 
Erscheinungen Gelsemium, Belladonna, Bryonia, Saba- 
dilla, gegen das Fieber daneben Ferr. phosph. und 
Natr. nitr. zur Anwendung kommen. Am 22. März, 
Anfang der 2. Krankheitswoche, hob sich aber das 
Fieber rasch auf 40,6 Abends, und damit war auch 
wieder ernster Stand der Dinge gekennzeichnet, 
doppelt ernst nach den vorausgegangenen trüben 
Erfahrungen. Es wird nun regelmässige Badebe¬ 
handlung neben Darreichung starken spanischen 
Weines eingeleitet, mit Vollbad von 24° R. be¬ 
gonnen, dasselbe aber, da die blasse, hustende, 
frierende Kranke dringend darum bat, auf 28, 
bald sogar auf 30° erhöht. Gebadet wurde, so oft 
die Temperatur in der Achselhöhle 39,0 überstieg, 
meist 4 Mal in 24 Stunden. Trotzdem stieg die 
Wärme in den nächsten Tagen noch vielfach über 
40, selbst bis zu 40,8, doch stellten sich nur 
massig häuhge dünne Stühle ein, die Zunge blieb 
feucht, Esslust nicht ganz geschwunden, Harn 
eiweissfrei. Gegen den Husten wurde neben den 
Bädern zeitweise Hyoscyamus und Bryonia gegeben. 
Ala aber bis zum 28. März (Anfang der 3. Woche) 
die Abendtemperaturen immer noch, trotzdem dass 
die Bäder wieder mit 26 und 24° gegeben wurden, 
um 40,5 betrugen, wurde Bryonia und Rhus toxic. 30. 
in wiederholten Gaben abwechslungsweise gereicht. 
In den ersten Tagen des April stieg die Abend¬ 
wärme noch nahe bis zu 40, am 4. trat aber rascher 
Abfall ein (Anfang der 4 Woche), nachdem binnen 
12 Tagen 55 Bäder gegeben worden waren. Von 
da an ungestörte Erholung mit vollständigem Auf¬ 


hören des Hustens und rascher Kräftigung. Behufs 
völliger Herstellung, namentlich auch Kräftigung 
der Lunge, wurde die Kranke Mitte Mai in das 
Erholungshaus nach Freudenstadt geschickt. 

16) F. B., 50 J., eine unserer älteren Schwestern, 
vorübergehend im Katharinenhospital beschäftigt, 
erkrankte dort an den Erscheinungen eines gast¬ 
rischen Fiebers, bekam aber doch, da sich die 
Krankheit durch 14 Tage in die Länge zog, Calo- 
mel und Phenacetin. Kam am 11. März mit 
Abendtemperaturen über 39,0 ins Mutterhaus. Be¬ 
kam ausser einigen Gaben Gelsemium 6., je einer 
Gabe Bryonia 30. und Rhus 30. nichts. Vom 
16. März an langsamer Wärmeabfall, vom 20. an 
(Anfang der 4. Woche) normale Temperatur. 
Rasche Erholung, ist längst wieder in der Arbeit. 

17) Der einzige Typhuskranke während des 
ganzen Winters auf der als Öffentliches Krankenhaus 
dienenden Abtheilung der Diakonissenanstalt war 
der am 19. Sept. 1893 aus Amerika zugereiste 
33 Jahr alte W. D. Er kam fiebernd in sehr 
erschöpftem Zustande mit so starkem Brechdurchfall, 
dass zunächst an einen acuten Darmkatarrh aus 
anderer Ursache gedacht und Aconit und Ipecacuanha 
gegeben wurde. Bald waren aber die Zeichen 
des Typhus unverkennbar und es wurde vom 
21. September an Arsenik 6. zweistündlich 3 Tropfen 
gereicht. Die Abendtemperaturen erreichten zwar 
öfter 40, überschritten es aber nur ein Mal, auch 
zeigte sich die verhältnissmässige Gutartigkeit der 
Erkrankung in meist erheblichen Morgenremissionen. 
Als aber nach achttägiger Behandlung noch kein 
entschiedener Nachlass des Fiebers zu erkennen 
war, wurde ein Mal täglich Vollbad mit 27 und 
innerlich Acid. phosph. 6. 3 Mal täglich 3 Tropfen 
gereicht. Verbreiteter Bronchialkatarrh mit starkem 
Schleimrasseln machten zeitweise die Anwendung 
von Tart. stibiat. 6., Harnbeschwerden die von 
Canthar. 6. nothwendig. Am 10. Oktober trat ziem¬ 
lich rasch die Entfieberung ein (4. Woche). In 
den folgenden Tagen mehrfach subnormale Tempe¬ 
raturen bis zu 35,6 (Achselhöhle). Am 20. Oktober 
trat vielleicht in Zusammenhang mit einem Diätfehler 
(vorsichtiger Versuch, festere Speisen zu geben) 
wieder etwas Fieber bis zu 38,6 ein. Vom 24. an 
war aber auph dieses überwunden und von da an 
rasche Erholung. Wie schon früher angedeutet, 
Hessen sich auf diesen Krankheitsfall einige An¬ 
steckungen bei Schwestern zurückführen, ein 
Insasse der Krankenabtheilung selbst aber wurde 
nicht angesteckt; es blieb, wie schon gesagt, trotz 
starker Ueberfüllung der Abtheilung während des 
ganzen Winters bei diesem einen Falle, ein voll¬ 
gültiger Beweis für den guten hygienischen Zustand 
unseres Hauses. 

Wie für den Sachverständigen solbstverständ- 


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9 


lieh, war der Kern schwerer Erkrankungen von I 
Schwestern, die den Hauptgegenstand unserer Dar- j 
Stellung bildeten, umgeben von einer Zone leichterer j 
Befindensstörungen anderer Schwestern, auf die ! 
wir aber, da der Nachweis eines thatsächlichen 
Zusammenhangs mit der Typhusendemie unmöglich 
und damit auch das therapeutische Interesse ge¬ 
ringer ist, nicht näher eingehen. Ja selbst bei 
einzelnen schweren Erkrankungen war man im 
Zweifel, sollten sie hierher gezogen werden oder nicht. 1 
So erkrankte K.H., 28 J., diejenige Schwester, welche 
die eingangs erwähnte Spanierin, von der alles 
Unheil ausging, der Hauptsache nach zu pflegen 
gehabt hatte, im Katharinenhospital an einer fieber¬ 
haften Erkrankung, die sich vom Typhus namentlich 
dadurch unterschied, dass starke Bauchschmerzen 
in der Ileocöcalgegend vorhanden waren, wie sie 
der eigentlichen Blinddarmentzündung zukommen. 
Als sie Anfang August ins Mutterhaus schon in 
gebessertem Zustande kam, war aber nicht die 
geringste Anschwellung in der genannten Gegend 
vorhanden, was bei heftigerer Perityphlitis doch 
anzunehmen gewesen wäre. Für die Vermuthung, ! 
dass es sich um tiefgreifende Typhusgeschwüre 
nahe der Ileocöcalklappe mit Betheiligung des 
Bauchfells gehandelt hatte, Hess sich auch manches 
anführen, namentlich auch der gleichzeitig be¬ 
stehende Bronchialkatarrh. Die Schwester war 
damals nur bis 21. August im Hause, ging dann 
in die Erholung, kam hierauf in die Küche des 
Bürgerhospitals, wurde hier aber bald wieder von 
Unterleibsbeschwerden befallen. Von da kam sie 
Mitte November wegen fortdauernder Bauch¬ 
beschwerden, namentlich schneidende Schmerzen 
Vormittags und Durchfall, mangelnde Esslust, viel 
Durst, ambulatorisch in meine Behandlung. Sie 
erhielt eine Gabe Sulphur 30., worauf Schmerzen und 
Durchfall sich sofort minderten, der Appetit sich 
besserte. Nun trat aber starke Verstopfung ein, 
die gegen Ende d. M. wieder mit Durchfall 
wechselte. Da das Befinden nun Abends und Nachts 
schlimmer war, viel Frieren bestand, eine Gabe 
Pulsatilla 30. Darauf Anfang Deceraber ent¬ 
schiedene Besserung des Gesammtzustandes. Stuhl j 
regelmässig. Die Sache war aber nicht von Dauer 
und die Schwester musste am 14. December wieder j 
ins Krankenzimmer aufgenommen werden, da die j 
Schmerzen wieder Zunahmen und starke Verstopfung . 
sich einstellte; in der Ileocöcalgegend nichts nach- | 
zuweisen, als leichter Schmerz bei Druck. Es j 
wurde einige Tage abgewartet, um den Ein- | 
flus8 strenger Diät und Bettruhe festzustellen, j 
Die Schmerzen besserten sich wohl, aber die j 
Verstopfung steigerte sich so, dass sie auch | 
mit grossen Darmeingiessungen kaum mehr zu be- j 
w&ltigen war. Nun Opium 30. eine Gabe von | 


2 Tropfen. Schon am andern Tage freiwilliger 
Stuhl und von da an die Verstopfung vollständig 
beseitigt. Kam Anfang Januar in das Erholungs¬ 
haus Oberesslingen, wo, wie bei Ortsveränderungen 
so häufig, der Stuhl wieder etwas stockte, doch 
ohne Eingriff sich wieder regelte. Im März konnte 
die Schwester wieder Krankenpflege über/iehmen, 
in der sie seither thätig ist. — Ein weiterer zweifel¬ 
hafter Fall war folgender: R. R., 20 J., Vorprobe¬ 
schwester, bei den Typhuskranken im Hause be¬ 
schäftigt, erkrankte auf der Höhe der Epidemie 
am 18. October. Abendtemperatur 39,4. Neben 
gastrischen Störungen ein Roseola-Ausschlag über 
den ganzen Körper, am stärksten am Rumpfe. An 
den folgenden Tagen Abendtemperatur bis zu 39,5, 
Morgentemperatur bis zu 88,8. Es wird nur 
Aconit. 6. gereicht. Links vom After entwickelt 
sich ein grosser Abscess, der rasch reift und spontan 
auf bricht. Hiermit sofort Temperaturabfall (am 
25. October) und rasche Genesung. — 

Soll ich meinen Standpunkt in der Typhus¬ 
therapie kurz bezeichnen, so ist es derselbe, den 
mein längst verstorbener hochgeehrter Lehrer 
Griesinger schon um die Mitte unseres Jahrhunderts 
kennzeichnete mit den Worten: sorgsamste Leitung 
der Aussenverhältnisse des Kranken bei ruhigem 
Abwarten des Gangs der Krankheit selbst, dem 
wir doch machtlos gegenüberstünden, darum „keine 
riskirten Eingriffe, nil nocere.“ Also die diäte¬ 
tische bezw. diätetisch-symptomatische Heilmethode. 
Nur in zwei Stücken unterscheide ich mich bedeut¬ 
sam von meinem Lehrer. Einmal in der ergiebigen 
Anwendung des Wassers. Diese war in jener 
Zeit noch so gut wie unbekannt, die Wasserärzte, 
entsprechend der Begründung der neueren Wasser¬ 
heilkunde durch den Bauern Priessnitz, hatten sich 
fast nur in chronischen Krankheiten versucht. Bei 
Typhus brach erst Brand Bahn, und auf seine Ver¬ 
öffentlichungen hin wandte ich Bäder und Ueber- 
giessungen bei schweren acuten Krankheiten seit 
Mitte der sechziger Jahre an. So auch bei der 
letzten grossen Typhusepidemie Stuttgarts im Jahr 
1868 und dann bei den Typhen des Kriegsjahres 
1870 71. Ich folgte damals streng den Brand’sehen 
Regeln, liesö alle 2 Stunden, sowie die Hitze wieder 
stieg, baden und zwar mit kaltem Wasser bis auf 
8° R. herab. Ich kann nicht anders sagen, ich 
hatte damals ausgezeichnete Erfolge*), die Epidemieen 
brachten eine grosse Zahl junger, kräftiger Leute 
zur Behandlung, vielfach, nachdem sie schon eine 
geraume Zeit von anderen Aerzten mit inneren 

*) Man bezieht solche Dinge gern auf den Genius 
epidemicus. Ich will das Recht hierzu auch in keiner 
Weise bestreiten. Nur dünkt mich hier in vielen Fällen das 
Wort Goethes anwendbar: Was die Herren den Geist der 
Zeiten heissen, ist oft der Herren eigener Geist. 

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1 « 


Mitteln behandelt worden waren, wobei dann die 
sofortige, günstige Wirkung der Wasserbehandlung 
augenscheinlich zu Tage trat: die bewusstlosen, 
im Bett herabrutschenden Kranken wurden binnen 
24 Stunden klar, munter, kräftig, die schwarze, 
dürre Zunge roth und feucht, es trat Esslust und 
Wohlbehagen ein, sie klagten eigentlich nur —- 
über das Bad. Unter dem verhältnissmässig noch 
frischen Eindruck dieser Erfolge ist der Abschnitt 
über Typhus in meiner „Homöopathie am Kranken¬ 
bette erprobt, Stuttgart 1879, S. 64 ff.“ nieder¬ 
geschrieben. Die Verheissung Brands und seiner 
unmittelbaren Anhänger, den Typhus durch die 
Kaltwasserbehandlung zu einer fieberlosen und 
damit völlig ungefährlichen Krankheit zu machen, 
den Complikationen desselben zuvorzukommen u. s. f. 
erwiesen sich mir aber mit der Zeit doch 
ab zuweitgehend. Ich bekam einzelne Fälle von 
Erkrankungen bei sonst gesunden, kräftigen, jungen 
Leuten in meine Behandlung, bei denen trotz 
rigorosester Anwendung des Wassers der Tod ein¬ 
trat, die nach Brand hätten eigentlich nicht sterben 
dürfen. Andererseits erwies sich diese Behand¬ 
lung bei blutarmen, schwächlichen Leuten eben, 
man verzeihe den Ausdruck, doch zu barbarisch, und 
von den guten Wirkungen derselben war bei 
solchen auch viel weniger zu erkennen. Im Gegen¬ 
satz zu den eigentlichen Typhusepidemieen, bei 
denen unterschiedslos Starke und Schwache er¬ 
griffen werden, sind den mehr sporadischen Er¬ 
krankungen gerade Blutarme und zarte Geschöpfe 
meiner Beobachtung nach in besonderem Masse 
ausgesetzt. Seit Mitte der siebziger Jahre sind 
aber diese sporadischen Fälle, wenigstens hier in 
Stuttgart, die weit überwiegenden und hierzu gehören 
die stets das grösste Contingent zu meinen Typhus¬ 
kranken stellenden Diakonissen, die vielfach von 
anstrengenden Pflegen weg in einem abgearbeiteten, 
oft geradezu erschöpften Zustande von der Krank¬ 
heit befallen werden. In diesen Beobachtungen und 
Erwägungen ist der Schlüssel gegeben, warum ich 
jetzt, wie wohl die Mehrzahl der erfahrenen Aerzte, 
von der strengen Kaltwasserbehandlung abge¬ 
kommen bin und in milderen Anwendungsweisen, 
Abwaschungen, theilweisen oder ganzen Ein¬ 
packungen, lauen bis warmen Bädern, das Heil 
meiner Kranken suche und dabei, wie ich glaube, 
ihnen nicht schlecht diene. Ein ganz wesent¬ 
licher Gesichtspunkt bei Einleitung der Wasser¬ 
behandlung ist mir jetzt das eigene Gefühl des 
Kranken. Ist dem letztem, zumal wenn er schwäch¬ 
licher Natur, das verordnete Bad unangenehm, zu 
kühl, so lasse ich es unter Umständen bis zu 30° 
nehmen, umgekehrt ist dem Kranken Kühlung er¬ 
wünscht, wenigstens nicht widerwärtig, oder ist er 
gar bewusstlos und dabei heiss und kräftig, so 


lasse ich die Wärme der Bäder mit jedem nächst¬ 
folgenden um 1—2° vermindern, bis der Erfolg 
erreicht ist oder der Kranke selbst in entschiedener 
Weise sich ausspricht. Bekommen wir auf diese 
Weise zwar weder die rasch eintretenden, erregen¬ 
den Wirkungen des kalten Wassers auf das 
Nervensystem noch auf die Wärmeminderung, so 
sind doch die anderen guten Folgen der Bäder, 
Entfernung der auf der Haut ausgeschiedenen 
Krankheitserreger und Krankheitsproducte, An¬ 
regung der Thätigkeit der ersteren überhaupt, 
ungeschmälert und in vielen Fällen ist der be¬ 
ruhigende Einfluss, den die warmen Bäder auf 
das Nervensystem haben, von hervorragend 
günstigem Einfluss. Die unmittelbar wärmeherab¬ 
setzende Wirkung des kalten Bades hat das warme 
allerdings nicht, aber auch beim kalten ist dieselbe 
bekanntlich nur eine sehr vorübergehende; als 
Nachwirkung des kalten Bades ist sogar vermehrte 
Wärmeerzeugung im Leibe nachgewiesen und es 
fragt sich desshalb, wie seine Wirkung überhaupt 
theoretisch zu erklären ist. Dieser nur vorüber¬ 
gehenden Wirkung des kalten Bades will bekannt¬ 
lich die neuere Schule, namentlich auch Lieber¬ 
meister, durch gleichzeitige Darreichung von Anti- 
pyreticis, namentlich Chinin, zu Hilfe kommen. Ich 
habe letzteres in schweren Typhusfällen mit hohem, 
durch kalte Bäder nur kurz herabzuminderndem 
Fieber zeitweise auch in Gaben von 1 Gramm 
versucht, aber keine wesentlich andere Wirkung, 
als vom kalten Bade, wahrgenommen und desshalb 
auf weitere Versuche damit verzichtet. 

Der zweite Unterschied zwischen dem Verfahren 
meines Lehrers Griesinger und dem meinigen bei 
Typhus beruht darin, dass, wofern einzelne be¬ 
sonders lästige oder gefährliche Erscheinungen — 
abgesehen vom Fieber — das Eingreifen des 
Arztes erheischen, von ihm speciell-symptomatische 
Mittel in grossen Gaben, von mir dem Gesammt- 
zustand des Kranken möglichst entsprechende, 
dem Aehnlichkeitsgesetze gemäss gewählte Arz¬ 
neien in sehr kleinen, sog. homöopathischen Gaben 
verabreicht werden. Eins dürfte in dieser Hinsicht 
klar und unbestritten sein: das „non nocere“ wird 
durch letzteres Verfahren am sichersten erreicht. 
Aber auch noch eine andere Erwägung wird mir 
wohl als richtig zugegeben werden müssen, die Er¬ 
wägung nämlich, dass, wenn es gelingt mit einem 
auf Grund möglichster Uebereinstimmung zwischen 
Arzneibild und Krankheitsbild gewählten und in hoher 
Verdünnung, mit anderen Worten in möglichster 
Verfeinerung, mit möglichster Entbindung der 
Molekularkräfte gereichten Arzneimittel ein Krank¬ 
heitssymptom (z. B. die heftigen Kopfschmerzen 
der ersten Typhuswoche} zu bessern; damit 
der Kranke nach seinem Gesammtzustand einen 


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11 


ungleich grösseren Gewinn haben muss, als 
wenn das betreffende Symptom mit Gewalt durch 
ein nicht auf den Gesammtzustand wirkendes 
Mittel in grossen Gaben unterdrückt wird. Das 
nach Aehnlielikeit mit dem Gesammtzustande ge¬ 
wählte Mittel regt die ohnedem in dieser Richtung 
schon thätigen Heilungsyorgänge, jedoch in anderer 
Weise als die Krankheit selbst, an und, denselben 
seinerseits keinen erheblichen Widerstand entgegen¬ 
setzend, trägt es damit wesentlich zur Ausscheidung 
der Krankheitsursache bei. Diese Anschauungen 
habe ich aber auch nicht Griesinger, sondern viel¬ 
mehr den Errungenschaften Hahnemanns zu danken, 
wenn sie auch mit des Letzteren Theorie über 
Krankheit und Heilung nicht übereinstimmen. Und 
in Bezug auf die Kleinheit der Gabe erlaube ich 
mir an die für die Gesichtspunkte der Therapie zu¬ 
erst von Hugo Schulz verwertheten Pflüger’schen 
Zuckungsgesetze des Nerven hinzuweisen, nach 
denen auf den ermüdeten (erkrankten) Nerven, wo¬ 
fern bei demselben überhaupt noch eine Thätigkeit 
ausgelöst werden soll, viel schwächere Reize ange¬ 
wendet werden müssen, als der gesunde Nerv 
bedarf. 

Man wird mir einwenden, die in diesen Aus- i 
führungen von mir in Anspruch genommene Ueber- 
legenheit der homöopathischen Arzneien über die 
in üblicher Weise angewendeten symptomatischen 
Mittel scheine nun aber aus den mitgetheilten 
Krankheitsgeschichten nicht im Mindesten hervor- j 
zugehen. Das ist allerdings unbestreitbar und 
stünde mir nicht die Wirksamkeit homöopathischer i 
Mittel aus jahrzehntelanger Erfahrung und na¬ 
mentlich auf Grund von an mir selbst gemachter 
Beobachtungen*) fest, diese Krankengeschichten 
hätten mich auch nicht davon überzeugt. Unter 
17 Typhusfällen 4 Todte, oder, wenn wir den mit j 
Lungentuberkulose endenden weglassen, unter 16 
Typhusfällen 3 Todte (fast 19 °/ 0 !) ist wahrhaftig 
nichts Ermuthigendes. Es sei aber die Bemerkung 
gestattet, dass in meiner nunmehr dreissigjährigen | 
Thätigkeit an der evangelischen Diakonissenanstalt 
in Stuttgart mir bis zu diesem Winter nicht 
Eine Schwester an Typhus oder einer anderen 
acuten, heilbaren Krankheit (also abgesehen von 
acuter Miliartuberkulose, acuten Verschlimmerungen 
achon lange bestehender schwerer Brustleiden u. dgl.) 
gestorben ist,* so dass, wenn ich die Sache in um¬ 
fassenderer Weise bearbeiten wollte, doch andere 
Zahlen zu Tage kämen. 

Ebensowenig wie auf eine ausgedehntere sta¬ 
tistische Untersuchung kann ich hier auf die Frage 

*) Biese Arbeit dürfte dem geneigten Leser, der mich 
sonst nicht kennt, vielleicht doch die Vermuthung nahe 
egen, ich möchte zur Autosuggestion nicht in besonderem 
Masse befähigt sein. 


nach der Berechtigung, zwischen Arzneiwirkung 
und Krankheit überhaupt wesentliche Aehnlichkeiten 
aufzustellen, hier eingehen. Denjenigen, der in 
dieser Hinsicht meine Ansichten kennen lernen will, 
erlaube ich mir auf meine oben angeführte Schrift 
S. 26 ff. zu verweisen, wo besonders auch die pa¬ 
thologisch - anatomischen Aehnlichkeiten zwischen 
Arzneiwirkungen und Krankheiten hervorgehoben 
werden. Das aber, was ich oben schon kurz ange¬ 
deutet, muss ich hier noch ein Mal ausdrücklich 
betonen und erklären, ein homöopathisch-specifisches 
Mittel gegen den Typhusprozess als solchen kenne 
ich nicht. Ich weiss, dass ich mich damit im 
Gegensatz zu manchen in ihren Anschauungen 
sonst mir näher stehenden Collegen befinde. Na¬ 
mentlich die mit den Rademacher’schen Erfahrungen 
und Heilmitteln vertrauten, unter ihnen besonders 
d§r verstorbene Rapp, haben gelegentliche Angaben 
darüber gemacht, dass sie bei einzelnen Typhus- 
epidemieen ein Mittel oder eine Zusammenstellung 
von Mitteln, in grossen oder auch in homöopathisch 
verdünnten Gaben gefunden hätten, das im Anfang 
gegeben die Krankheit abschnitt, im späteren Ver¬ 
laufe derselben gereicht, sofort eine günstige Wen¬ 
dung und rasche Beendigung derselben zur Folge 
gehabt habe. Als unmöglich möchte ich das Vor¬ 
handensein und die Wirksamkeit eines solchen Spe- 
cificums in keiner Weise bezeichnen. Liegt ja doch 
der Anwendung des Calomels, wie sie von vielen 
Aerzten im Anfang der Krankheit geübt wird, 
eine solche Anschauung zu Grunde, man will 
damit „umstimmen, u für die ganze Krankheit einen 
leichteren Verlauf erzielen.*) Beiläufig bemerkt 
haben zwei der gestorbenen Diakonissen, ehe ich 
sie übernahm, auswärts Calomel bekommen, alle 
3 Gestorbene Antipyretika, keine derselben hatte 
ich vom Beginn der Krankheit an in Behandlung. 
Also ein Specificum gegen Typhus habe ich nie 
gefunden, es mag diess aber auch sich erklären 
daraus, dass, wie schon oben bemerkt, die Epide- 
mieen seltener werden und ich die Fälle vielfach 
erst nach einiger Zeit in Behandlung bekomme. 
Bei der Wichtigkeit der Sache für Leben und Ge¬ 
sundheit sollten aber die Collegen, welche bewei¬ 
sende Beobachtungen in dieser Hinsicht gemacht 
haben, mit Veröffentlichung derselben nicht zurück¬ 
halten. Das, was ich mit Arzneien gegen Typhus 
auszurichten glauben darf, bewegt sich entschieden 
auf symptomatischem Gebiete, allerdings auf dem 
generell-symptomatischen, wie es schon der Grund- 


*) Jetzt sagt man „desinficiren. 4 ' Die Calomelbehandlung 
war aber lange vor Entdeckung des Typhusbazillus üblich 
und ob das gereichte Calomel auf diesen, soweit er schon 
innerhalb des Körpers ist, irgend welchen Einfluss hat, 
darüber wären beweisende Beobachtungen und Versuche 
erst anzustellen. 

2 * 


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satz ßimilia similibus mit sich bringt. Die Beseiti¬ 
gung oder Besserung des einzelnen, hervorstechenden 
Symptoms kommt eben auch dem Gesammtzustaude 
zu Gute, weil das nach der Gesammtähnlichkeit 
gewählte Mittel eben auch auf diesen wirkt. Soll 
ich in dieser Hinsicht einige der am meisten von 
mir gebrauchten Mittel namhaft machen, so habe 
ich für den allerersten Anfang der Krankheit viel 
Vertrauen auf die Zusammenstellung von Aconit 
und Nux voraica. Auch Mercur. habe ich in dieser 
Zeit, wenn die Erscheinungen, namentlich Schweisse, 
darauf hinweisen, nicht selten mit Nutzen gegeben. 
Bei hervorstechenden Kopfsymptomen, namentlich 
Schmerzen, gebe ich seit Jahren mit Vorliebe 
Gelsemium, dessen Charakter man wohl am ein¬ 
fachsten mit Belladonna -j- typhöses Fieber be¬ 
zeichnen kann, es nützte augenscheinlich besonders 
dann, wenn die nähere Art der Kopfschmerzen 
mit den Prüfungsergebnissen übereinstimmten. Bei 
vorwiegend gastrischen Erscheinungen, namentlich 
ekelerregendem Mundgeschmack, schlechtem Geruch 
in der Nase etc. habe ich in einzelnen Fällen von 
Baptisia rasche Besserung gesehen. Nun kommen 
die alten Hahnemann’schen Mittel Bryonia und 
Rhus, die ich theils in Einzelgaben, Bryonia bei 
Verstopfung, Rhus bei Durchfällen in hohen oder 
niederen Verdünnungen, theils im regelmässigen 
Wechsel nach der ursprünglichen Hahnemann’schen 
Vorschrift (auf Grund einer von ihm in dieser 
Weise mit Glück behandelten Typhusepidemie) 
gegeben habe. In einzelnen Fällen scheinen diese 
Mittel entschieden rasche Besserung und Abkür¬ 
zung des Krankheitsverlaufes zu bringen, in 
vielen anderen aber auch nicht. Dann kommt 
der Arsenik, den ich meist dann anwende, wenn 
die vorhergehenden Mittel nicht durchgegriffen 
haben und die Krankheit einen ernsteren Charakter 
annimmt. Von seiner Wirkung und Anwendungs¬ 
weise kann ich ungefähr das Gleiche sagen, wie von 
den vorhergehenden Mitteln. Einer weiteren Stei¬ 
gerung der Krankheit mit vorwiegender Schwäche 
und drohender Blutzersetzung entspricht Phosphor, 
bezw. Kali phosphoricum, während Acid. phosph. 
und Ferr. phosph. früheren Stadien entsprechen; 
letzteres Mittel hat vermöge seines Eisengehalts 
vorwiegend erethischen Charakter. Nun kommt 
noch Carbo vegetabilis 30. bei drohendem Er¬ 
löschen der Lebenskraft. In dem schweren Falle 
von 13) hat es wohl augenscheinliche Besserung, 
aber keine bleibende Wendung gebracht. Bei an¬ 
deren Krankheiten hat es sich mir schon besser 
bewährt. Zur Anwendung der Constitutionsmittel 
Sulphur, Calcarea, Sepia etc. bleibt bei Typhus 
gewöhnlich keine Zeit, bei sich in die Länge 
ziehendem Prozesse habe ich sie aber nicht selten 
mit dem Erfolge einer entschiedenen Wendung 


zum Besseren verabreicht. Diess in kurzen und 
unvollständigen Strichen mein Rüstzeug gegen 
diese schwere Krankheit. Es könnte Niemand 
mehr freuen als mich selbst, wenn diese meine 
Veröffentlichung Andere veranlassen würde, uach- 
zuweisen, dass sie bessere Mittel haben oder die 
auch von mir benutzten in besserer Weise anzu¬ 
wenden verstehen. — Von der Wasserbehandlung 
habe ich schon oben geredet; soll ich nun noch 
mit kurzen Worten den relativen Werth der Wasser- 
und Arzneibehandlung des Typhus, wie er sich mir 
aus der Erfahrung ergeben hat, bezeichnen, so 
halte ich die Wasserbehandlung für um so wirksamer 
und um so energischer anzuwenden, je mehr die 
Gefahr von anhaltendem, hohem Fieber ausgeht, 
die Arzneibehandlung aber für aussichtsreich, wenn 
bei mässigem Fieber die Gefahr durch bestimmte 
Localisationen des Leidens irgend welcher Art 
hervorgerufen wird; im letzteren Falle nehme ich 
nöthigenfalls nur die örtlichen und allerleichtesten 
allgemeinen Anwendungen des Wassers in Anspruch. 
Bezüglich der Darreichung des Weines lasse ich mich, 
so lange die Kranken beim Bewusstsein sind, am 
liebsten von deren Instinkte leiten, nehmen sie den 
Wein gerne, bekommt er ihnen augenscheinlich gut, 
so erhalten sie, so viel sie wollen, mehr als eine, 
höchstens zwei Flaschen in 24 Stunden werden 
nicht leicht gereicht. Die Schwestern, die an reich¬ 
liche Verabreichung von Wein an Kranke von an 
deren Aerzten gewöhnt sind, zeigen sich eher zu 
viel für denselben eingenommen, als zu wenig. In 
gleicher Weise überlasse ich die Wahl der Art 
des Weines, Rothwein, Weisswein, stärkere süd¬ 
liche Weine, Champagner, meist dem Geschmacke 
und dem Befinden des Einzelnen. Auf der Höhe 
der Krankheit bei mangelndem Bewusstsein, wenn 
die Kräfte schwinden, wird selbstverständlich zu 
den stärkeren Weinarten gegriffen, sind sie ja in 
solchen Fällen vielfach fast das Einzige, was dem 
Kranken zur Stärkung noch beigebracht werden 
kann. 

Der Eindruck, den mir meine nun bald 40jäh- 
rige Beschäftigung mit Typhuskranken hinterliess, 
war — von den diätetischen Massnahmen abge¬ 
sehen — doch der, dass Aerzte und Kranke übel 
daran wären, wenn ihnen nicht die Vis medicatrix 
naturae zu Hilfe käme. Mit mehr oder we¬ 
niger Recht gilt das übrigens von der Mehrzahl 
der acuten Krankheiten und zumal von den 
typisch verlaufenden. Hieran wurde ich unlängst 
auch wieder gemahnt durch eine unter Li Ober¬ 
meister*) erschienene Dissertation über Scharlach 
Unter 74 in den Jahren 1882 bis Ende 1892 in 


*) R. Meyer, zur Prognose und Therapie dee Scharlachs, 
Tübingeu 1393. 


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13 


der Tübinger medicinischen Klinik behandelten 
Scharlachkranken aus allen Altersstufen starb nur 
einer. Naturgemäss kamen in die Klinik nur die 
schwereren Fälle. Die Behandlung bestand, abge¬ 
sehen von allgemein-diätetischen Massnahmen, in 
vorsichtiger Anwendung von kühlen Bädern und 
noch vorsichtigerer Anwendung von Antipyreticis. 
Nun ist gerade der Scharlach eine derjenigen 
Krankheiten, an der ich mir die ärztlichen Sporen 
verdient und die Wirkung homöopathischer Mittel 
in allererster Linie erprobt habe. Hierzu gab mir 
die schwere Scharlachepidemie, welche Anfang der 
sechziger Jahre in Stuttgart und namentlich auch 
in der mir damals als Armenarzt befohlenen Vor¬ 
stadt Heslach herrschte, reichliche Gelegenheit. 
Allerdings hatte ich damals die Kranken, und zwar 
ausschliesslich Kinder, nicht in einem klinischen 
Institute, sondern in den Wohnungen der niedersten 
Bevölkerung selbst zu behandeln, also unter hygie¬ 
nisch sehr ungünstigen Bedingungen. In dieser 
Epidemie waren nun parenchymatöse Nephriten 
mit nahezu aufgehobener, blutiger Harnausschei¬ 
dung, Wassersucht und urämischen Erscheinungen 
an der Tagesordnung. Aber gerade in diesen 
schweren Fällen bewährte sich mir damals Phosphor 
in hohen Verdünnungen, auf den ich anlässlich 
eines meist gleichzeitig vorhandenen tiefgreifenden 
Bronchialkatarrhes kam, ohne dessen Wirkung auf 
die Nieren, die bekanntlich vollständig das Bild 
einer parenchymatösen Nephritis bietet, aber in 
jener Zeit erst gefunden wurde, zu kennen. Selbst¬ 
verständlich hatte ich in jener Epidemie mehr 
Todesfälle als 1—2 °/ 0 , aber wenn ich auch die 
ungleich schwierigeren Verhältnisse, die mir gegen¬ 
überstanden, voll in die Wagschale lege, so muss 
ich doch sagen, günstigere therapeutische Ergeb¬ 
nisse, als sie in jener Dissertation von Tübingen 
vorliegen, hatte ich sicherlich nicht und werden 
auch sonst nicht wohl zu finden sein. Nun war 
aber die Behandlung, wie sie in Tübingen und wie 
sie von mir geübt wurde, doch eine sehr verschie¬ 
dene, welchem andern Umstande soll aber das 
trotzdem ungefähr gleiche Ergebniss zugeschrieben 
werden, als der allen Heilmethoden zu Hilfe kom¬ 
menden Naturheilkraft? 

Es erübrigt mir, noch einige Worte hinzu¬ 
zufügen über die Massregeln, welche gegen die 
Weiterverbreitung der Krankheit in der Diako¬ 
nissenanstalt getroffen wurden. Dass von der 
Krankenhausbevölkeruncf derselben Niemand an¬ 
gesteckt wurde, dass sich also die gesundheit¬ 
lichen Verhältnisse des Hauses im Allgemeinen 
aufs Beste bewährten, wurde schon hervor¬ 
gehoben. Aber die Ansteckung der Schwestern. 
Ueberblicken wir noch einmal die Reihe der Er¬ 
krankungen von 1-—16, so finden wir, dass nahezu 


ausschliesslich ganz junge Schwestern, vorzugsweise 
solche, welche noch in der Vorprobe stehend nur 
wenige Monate im Hause aufgenoramen waren, er¬ 
krankten. Bei diesen kamen aber zweierlei die 
Ansteckung begünstigende Umstände in Betracht: 
einmal ihr durch Versetzung in völlig veränderte 
Verhältnisse gestörter Allgemeinzustand und damit 
ihre geringere Widerstandsfähigkeit gegen Schäd¬ 
lichkeiten, ihr Nichttrainirtsein, wenn ich mich so 
ausdrücken darf, dann aber auch ihre Unvorsichtig¬ 
keit bei Behandlung der Ausleerungen von Typhus¬ 
kranken. So sehr in dieser Hinsicht auf regel¬ 
mässige Desinfectien gesehen und von der leitenden 
Schwester die nöthigen Belehrungen ertheilt wurden, 
zeitweise und besonders Nachts waren die jungen 
Dinger doch sich selber überlassen. Als sich daher 
die Erkrankungen unter ihnen mehrten, wurden zur 
Typhuspflege ausschliesslich wohlgeschulte, erfahrene, 
ältere Schwestern bestimmt, was den Kranken wie 
den Pflegerinnen zu Gute kam, von letzteren er¬ 
krankte keine. Uebrigens war nur die Hälfte der 
Typhusfälle im Hause angesteckt worden; aus dem 
Katharinenhospital kamen drei, aus Esslingen, Reut¬ 
lingen, Tübingen, Besigheim, Crailsheim, also aus 
den verschiedensten Theilen des Landes, je eine. 
Nach dem Grundsatz: Solamen socios hahuisse 
malorum blicke ich mit einiger Genugthuung auf 
die Aerzte, denen die Beaufsichtigung dieser aus¬ 
wärtigen Schwestern oblag und die eine Ansteckung 
derselben auch nicht haben verhindern können. 

Glänzen kann ich mit vorstehender Schilderung 
meiner Erlebnisse und meiner Anschauungen in 
keiner Weise. Das ist mir selbst nur zu gut be¬ 
wusst. Die Sache geht mir aber über die Person 
und noch höher als die Sache, d. h. das System, 
steht mir das Heil des Kranken. Gebe ich durch 
diese meine Arbeit einem älteren oder jüngeren 
Amtsgenossen den Anstoss, bessere Ergebnisse zu 
veröffentlichen, oder dient dieselbe dazu, die jünge¬ 
ren in die Schwierigkeiten ernster Typhusfälle ein¬ 
zuführen, ihnen nahezulegen, wie man es machen 
oder wie man es nicht machen soll, dann scheinen 
mir die Stunden, welche ich auf die Arbeit ver¬ 
wendet, doch nicht nutzlos gewesen zu sein. 


Der Meniöre’sche Schwindel, 
vertigo ab aure laesa. 

Unter plötzlicher Entwickelung von Ohrenge¬ 
räuschen, oder einer auffallenden Steigerung schon 
vorhandener, tritt der Meniöre’sche oder Labrinth- 
Schwindel in die Erscheinung. Bald ist es ein Ge¬ 
räusch wie das Pusten einer Locomotive, bald ein 
solches, wie man einen mit Nägeln gefüllten. Sack 


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stark schüttelt, oder wie von Gewehrfeuer (Fusi- 
lada) oder einem prasselnden Feuerwerk, und tritt 
dasselbe entweder ausschliesslich oder mit ganz be¬ 
sonderer Stärke auf dem einen Ohr hervor. An¬ 
fangs macht es Intermissionen; früher oder später 
aber, wenn der Fall schwer ist, wird es bleibend 
und bildet höchstens leichte Intervalle, wo das Ge¬ 
räusch schwächer, oder Brausen oder unangenehmes 
Ohrtönen, erscheint. 

Das afficirte Ohr zeigt bald eine mehr oder 
weniger geschwächte Gehörfähigkeit, die sich bis 
zur Taubheit steigern kann. 

Krankhafte Vorgänge im Gehörorgan fehlen 
kaum; so gesellt sich jener Schwindel zu einer 
Otitis labyrinthi idiopathica, zur Otitis media sclere- 
matosa, mit Ankylose der Gehörknöchelchen, die 
sich auf das Vestibulum des Labyrinths fortgepflanzt 
hat, ja selbst zum einfachen Ohrkatarrh. 

Selbst ein einfacher Druck auf das Trommel¬ 
fell, der bis zum Labyrinth hingelangt, genügt, um 
die Symptome des Meniöre’sehen Vertigo zu er¬ 
zeugen. Die Art dieses Schwindels kennzeichnet 
sich durch das Gefühl, als ob der Körper von vorn 
nach rückwärts geschoben werde, mit der Neigung 
nach hinten oder vorn hin zu fallen; wenn sich 
hierzu ein Gefühl von Drehen um eine transver¬ 
sale Achse gesellt, so kann es zu einem wirklichen 
Purzelbaum oder sogar Seiltänzersprung kommen. 
Bisweilen scheint die Drehung jedoch um eine ver¬ 
tikale Achse stattzufinden, von rechts nach links 
hin oder umgekehrt. Es giebt Kranke, welche bei 
den verschiedenen Anfällen bald die eine, bald die 
andere Art der Rotation zu verspüren meinen. Es 
handelt sich hier aber um subjective, ins Gebiet 
derHallucinationen fallende Bewegungsvorstellungen, 
die sich in der Wirklichkeit durch einen Satz (Auf¬ 
sprung), eine Ueberraschungs-Bewegung, äussern, 
wobei Patient getrieben wird, sich an einen festen 
Gegenstand anzuklammern, um nicht hinzustürzen, 
oder sich niederzusetzen. 

Es kann aber auch geschehen, dass der Patient 
wirklich zu Falle kommt, heftig zur Erde nieder¬ 
stürzt, und zwar in der Richtung der Schwindelem¬ 
pfindung. So stürzte eine Frau, die immer das Gefühl 
hatte vornüber zu fallen, in der That ein Mal schwer 
auf das Gesicht und zerbrach sich das Nasenbein. 

Das Bewusstsein bleibt bei dem Anfall ungestört , 
und wenn derselbe vorüber ist, weiss der Kranke 
Alles, was mit ihm vorgegangen ist. 

Brechübelkeit und Erbrechen bezeichnet fast 
immer das Ende des Anfalls; währenddem ist das 
Gesicht blass, die Haut kalt und mit Schweiss be¬ 
deckt (mehr an das Bild einer Ohnmacht, als eines 
Blutschlags erinnernd). Zuweilen vorübergehende 
Kopfschmerzen; niemals eine Aura. 

Anfänglich bei seinen ersten Anfällen kommt 


der Meniere’sche Schwindel in Auftritten von kurzer 
Dauer, unterbrochen von freien Zwischenzeiten, in 
denen sich die örtlichen Ohraffectionen mehr geltend 
machen. Später rücken die Anfälle immer näher, 
verschmelzen, so dass es zu einem vertiginösen 
Zustande kommt, der dann von zeitweisen Paroxys- 
men durchbrochen wird. Das Thierexperiment hat 
gezeigt, dass man durch verschiedenartige Ver¬ 
letzungen der Canales semicirculares ähnliche An¬ 
fälle erzeugen kann. — Die Ohrgeräusche ver¬ 
schwinden im Verlauf dieser Krankheit, aber es 
bleibt oft Taubheit zurück. 

Bei Katarrhen der Trommelhöhle weicht der 
Schwindel, wenn jenes Leiden gehoben ist, so auch 
nach Oeffnung eines Abscesses im innern Ohr. 

Als Heilmittel hat die alte Schule, hauptsächlich 
Charcot, bei diesem Leiden das Chininum sulphuriCum 
in Anwendung gebracht. Sehr richtig giebt Char¬ 
cot an, wie dieses Mittel mehr oder weniger starkes 
Sausen und Brausen in den Ohren hervorrufe; 
Referent fügt dem noch hinzu: Schwindel und zwar 
drehender, so stark, dass man keinen Schritt gehen 
kann, Schwerhörigkeit bis zur Taubheit. — Er¬ 
brechen. — Symptome, die uns beim Meniere’schen 
Schwindel begegnen. Dass Chin. sulph. hier nach 
dem Gesetze der Aehnliclikeit wirkt, ist desshalb 
unzweifelhaft: Davon weiss oder will Charcot aber 
nichts wissen. Er sagt nur: man solle dies Mittel 
lange genug und es in solchen Dosen anwenden, 
dass es dauernde Veränderungen in den Functionen 
des Nervus auditorius zu erzeugen fähig sei. So 
gab er es bei einer Patientin in täglichen Gaben 
von 0,50—0,1, dritthalb Monate lang, mit einge¬ 
schalteten Pausen von mehreren Tagen. Nach fünf 
Wochen konnte Patientin sich in ihrem Bette auf¬ 
richten, aus einem Bette ins andere, ohne beson¬ 
deres Angstgefühl, gebracht werden. Das Ohren¬ 
geräusch war schwächer, und verschwand zuletzt 
gänzlich, ebenso die Schwindelanfälle. Sie konnte 
selbst ohne Schwindelgefühl gehen. — 

Farrington macht in seiner Klinischen Arznei¬ 
mittellehre bei diesem Leiden noch aufmerksam auf 
Salicylsäure, welche Meniäre’sche Krankheit erzeugt 
und geheilt hat; auch Schwefelkohlenstoff ist zu 
vergleichen. Mit Causticum ist es demselben ge* 
lungen, einen Fall zur Heilung zu bringen. Dieses 
Mittel bringt ja, wie bei Besprechung der Kali¬ 
präparate auf das Gehörorgan letzthin in diesem 
Blatte wieder in Erinnerung gebracht worden ist, 
ein intensives Ohrentönen hervor; die Töne hallen 
unangenehm im Ohre wieder. Eine Stimme von 
gewöhnlicher Stärke klingt laut und hallt un¬ 
angenehm wirr wieder im Ohr. Gleichzeitig be¬ 
steht eine Pharyngitis, die sich bis in die Tuba 
Eustachii fortpflanzt. — Der Schwindel zürn Fallen 
ist mit Schwäche im Kopfe und Aengstlichkeit be*- 


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15 


gleitet, rauschähnlich; nach Niedersitzen, beim Sehen 
in die Höhe tritt er besonders hervor; aber auch 
beim Stehen. Es ist der Richtung nach ein herum¬ 
drehender , oder zum Fallen nach vorwärts und 
seitwärts. 


Berichtigung. 

Im Inhaltsverzeichnis des 128. Bandes wird 
gebeten zu der Ueberschrift Mitarbeiter noch das 
Wort Namen-Register hinzuzufügen. 


Vorläufige Einladung 

zu der am 9. August a. c. Nachmittags 3 Uhr zu Eisenach stattfindenden 

Generalversammlung der Epidemiologischen Gesellschaft. 

Tagesordnung: 1) Geschäftlicher Theil. 

2) Wissenschaftlicher Theil: Erzeugung von Schmerzpunkten an Gesunden durch 
Arzneien. 

Etwaige Anträge sind bis zum 9. Juli an den Unterzeichneten einzureichen. 

Das Local wird später noch bekannt gegeben. 

Bonn, den 26. Juni 1894. Der Vorsitzende: 

Dr. Leeser. 


Anzeigen. 


Arzt-Gesuch. 

In Krefeld, einer der schönsten niederrheini¬ 
schen Industriestädte, mit über 105,000 Einwohnern, 
ist die Niederlassung eines homöopathischen Arztes 
mit Dispensirrecht dringendes Bedürfniss. Derselbe 
findet hier, wie sein Vorgänger, der wegen schwerer 
Erkrankung wegzog, einen sicheren und lohnenden 
Wirkungskreis. Anfragen, betreffs näherer Aus¬ 
kunft, wolle man richten an den ersten Vorsitzenden 
des homöopathischen Vereins Hernfl. Meflflö. 


Mez & Söhne, Freiburg, Baden 

empfehlen ihre luftdurchlässigen und 
desshalb allein zweckmässigen 

Netz-und Zellenstoff-Unterkleider 

aus Seide, Wolle oder Baumwolle. 

Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide 

sind gesund und angenehm, und 

Dr. med. Walsers Chinagras-Wäsche 
in Krepp* and Zellenstoff* 

Prospecte postfrei zu Diensten. 


Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt seine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter GQte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Prol>eki8t6n, mit 10 / 1 oder 12 h Flaschen., in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11. — bezw. 14.—. 


Aufforderung. 

Die geehrten ärztlichen homöopathischen 
Vereitle werden erneut höflichst gebeten, die 
Allgemeine Homöopathische Zeitung in unbeschränk¬ 
tester Weise zur Erledigung und Veröffentlichung 
ihrer Vereinsangelegenheiten (Einladungen zu Ver¬ 
sammlungen, Berichte über dieselben, Mittheilungen 
ihrer wissenschaftlichen Berathungen und Discussio- 
nen etc.) zu benutzen, wodurch nicht nur für diese 
Vereine selbst eine Erleichterung im Verkehr mit 
und unter ihren Mitgliedern ermöglicht, sondern 
auch sicher vielen ausserhalb dieser Vereine stehen¬ 
den Herren Aerzten so manches Interessante und 
Belehrende zur Kenntniss gebracht wird. 

Die Redaction wird bereitwilligst alle diesbezüg¬ 
lichen Wünsche entgegennehmen und bestens er¬ 
ledigen. 

Hochachtungsvoll 

William Steinmetz. 

Expedition u. Verlag der Allg. Hom. Zeitung. 


Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Colleetionen vom 1. bis 128. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den 
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht, 
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen. 

A. Marggraf s homöopath. Officin in Leipzig. 



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16 



Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst- 
dispensirendeit homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich ftir die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift-Schränkchen 

und 

Separanden^Schränkehen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. I 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschrftnkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thtiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 12Q cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandenschrfinkch6ii ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen ver8chliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Soparaada versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weiSS zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
befte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- nnd Separanden-Schränk- 
chen jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor- 
räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis einefc solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig. 


Im \prlage von A. Marggrafs homöopathischer 
Offlein in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Fanlw&sser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


I Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
| Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre : Es genügt nich t al 1 ein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering - 
sehen Arzueidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
scheidennach allenSeiten des betreffendenMi ttels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hin weist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compondien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — ira neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen , 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeftihrt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julins M&aer in Leipzig. 


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Band 129. 


Leipzig, den 10. Juli 1894. 

ALLGEMEINE 


No.3u.4. 


HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Yerlag ron William Steinmetz (A. MarggraEs homöopath.Officin) in Leipzig. 


Erscheint, I4t&gig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis JOM. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Post&nstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzoichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln <fc Vogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit SO Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 

Inhalt. Einladung zu der am 9. August zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung der Epidemiologischen 
Gesellschaft. — Bekanntmachung. — Zum Ausgleich. Von Dr. Lorbacher in Leipzig. — Homöopathische Heilungen von 
Starrkrampf (Tetanus). Aus dem Pacific Coast Journal of Homoeopathie vom Januar 1804 übersetzt von Dr. Th. 
BmckneT. — Die homöopathische Arzneimittel-Lehre. Eine kritische Studie von Dr. Arthur Sperling-Berlin. Besprochen 
von Dr. Mossa - Stuttgart. — Merkwürdige Heilung durch Graphit. 30. Mitgetheilt von Dr. Paul Lutze-Köthen. — 
Lesefrüchte. -- Personalia. — Druckfehler-Verbesserung. — Anzeigen. 

■^" Schluss der Schriftieitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Einladung 

zu der am 9. August, Nachmittags 3 Uhr im Hotel zum Kronprinzen zu Eisenach stattfindenden 

dritten Generalversammlung der Epidemiologischen Gesellschaft. 

Tagesordnung: 

A. Geschäftlicher Theil: 1) Bericht des Schriftführers über das abgelaufene Jahr nebst Rechnungsablegung. 

2 ) Neuwahl des Vorstandes. 

B. Wissenschaftlicher Theil: 1) Erzeugung von Schmerzpunkten an Gesunden mittelst Hochpotenzen. 

2 ) Discussion über Gabengrössen in chronischen Krankheiten. 

Die Theilnehmer werden gebeten, Hochpotenzen, die sie geprüft wissen wollen, selbst mitzubringen. 

Gäste sind willkommen. * Der Vorsitzende: 

Bonn, 14. Juli 1894. Dr. Leeser. 


Bekanntmachung. 

Die diesjährige 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 

wird am 9* und 10. August in Eisenach abgehalten werden. 

Tagesordnung für beide Tage: 


am 9. August: 

Geschäftssitzung pünktlich Abends 7 Uhr im Saale 
des Hotels zum Kronprinzen. 

1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemeldeten. 

2. Geschäftsbericht: a) des Centralvereins-Vorstandes, b) des 
Curatoriums des Krankenhauses, c) des derzeitigen diri- 
girenden Arztes, d) des Vorstandes der Berathungsanstalt 

3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Ertheilung der 

* Entlastung auf Grund der von dem vereideten Revisor vor¬ 
genommenen Revision der Kasse und der Rechnungsablage. 

4. Neuwahl resp. Bestätigung des Kassenverwalters. 

-5. Neuwahl resp. Bestätigung des Institutsarztes. 

6. Bericht über die Vereinsbibliothek. 

7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungsortes. 

Antrag des Vorstandes: 

Antrag auf Genehmigung des Neudruckes der Statuten und 
deren Ausführungs-Bestimmungen in der zur Vorlage 
kommenden Form. 


am 10. August: 

Wissenschaftliche Sitzung Morgens pünktlich 9 Uhr 
in demselben Saale. 

Thema: 1. Die Influenza. Ref. Dr. Windelband, Berli n. 
2. Euphrasia als Arzneimittel. 

Ref. Dr. Göhrum, Stuttgart. 
Vorsitzender: Dr. Kallenbach, Rotterdam. 

Nach der wissenschaftlichen Sitzung : 

IV 2 Uhr gemeinschaftliches Mittagsessen 

in demselben Lokale. 

5 Uhr Fahrt nach der Wartburg. 

Ausser genanntem Hotel „zum Kronprinzen“ empfehlen 
wir das Hotel „zum goldenen Löwen“ am Eingänge des 
Marienthaies, und den am Bahnhofe gelegenen „Grossherzog 
von Weimar.“ 

Es würde sich jedoch empfehlen, die Wohnung 8 Tage 
vorher zu bestellen, da Eisenach um diese Zeit immer noch 
sehr besucht ist. 


Dr. med. Weber-Köln a. Rh. 


Der Vorstand: 

Dr. med. Lorbacher-Leipzig. 

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Dr. med. Wlndelb&nd-Berlin. 


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18 


Zum Ausgleich. 

Von Dr. Lorbacher in Leipzig. 

In unserem Lager ist in neuerer Zeit wieder 
eine Fehde entbrannt, welche wegen des in unserer 
Zeit beinahe unvermeidlichen persönlichen Charak¬ 
ters, den sie gleich vom Beginn angenommen, sehr 
unerquicklich und wegen des Schadens, welchen sie 
unserer Sache bringen muss, sehr bedauerlich ist. 
Es scheint mir desswegen geboten, der Sache ein¬ 
mal ordentlich auf den Grund zu gehen, und wie 
es für einen ordentlichen Arzt sich gehört, durch 
eine eingehende Untersuchung den Sitz und die 
Quelle dieser krankhaften Erscheinungen fest¬ 
zustellen. Selbstverständlich müssen dabei alle 
Persönlichkeiten ausser dem Spiele bleiben, um ein 
reines Krankheitsbild zu erhalten. 

Es ist eine bei allen grossen reformatorischen 
Bewegungen beobachtete Erscheinung, dass, so 
lange es noch gilt, die neuen Ideen gegen die 
Gegner zu vertheidigen und sie zu verbreiten, die 
Anhänger derselben fest zusammenstehen, ihre et¬ 
waigen Bedenken und aufkeimenden Zweifel unter¬ 
drücken. Sobald jedoch die Lebensfähigkeit des 
reformatorischen Gedankens nachgewiesen, er seine 
Wirkung geltend gemacht, und die Angriffe der 
Gegner nachgelassen haben, auch der anfängliche 
Enthusiasmus der Anhänger verflogen ist, dann 
treten auch die im eigenen Lager vorhandenen ver¬ 
schiedenen Ansichten resp. Auffassungen schärfer 
hervor. Ich verweise in dieser Beziehung auf die 
grosse kirchliche Reformation. Es ist dies bei 
näherer Betrachtung auch nichts Widernatürliches. 
Es liegt im Wesen einer Reformation, dass die ihr 
zu Grunde liegende Idee in bestimmten Grund¬ 
sätzen (resp. Dogmen) ihren Ausdruck findet, deren 
Festhalten zu ihren Lebensbedingungen gehört. 
Es ist zunächst Aufgabe des Reformators, sie so 
zu fassen, dass sie leicht verständlich und praktisch 
verwerthbar sind. Dann hat er sie zu begründen 
und den Nachweis zu führen, dass sie mit den be¬ 
stehenden Naturgesetzen nicht in Widerspruch 
stehen, nicht ein Produkt der Phantasie, sondern 
durch die Entwickelung der betreffenden Disciplin 
hervorgerufen sind. Dass bei dieser Beweisführung 
Dies und Jenes mit unterläuft, was einer strengen 
Kritik nicht Stand hält, falsche Auffassungen und 
Irrtlnimer Vorkommen, auch der Einfluss der gerade 
die Zeit beherrschenden Ideen sich geltend macht, 
kann keinem Kenner auffällig sein. Jede Refor¬ 
mation trägt, soweit sie Menschenwerk ist, den 
Stempel der Unvollkommenheit an sich. int An¬ 
fänge wird sie von Allen, welche sich von ihr eine 
Heilung anerkannter und gefühlter Schäden ver¬ 
sprechen, mit Begeisterung aufgenommen. Es i 
herrscht kein Zweifel an dem von dem Reformator | 


aufge9tellten Grundsätzen und ausgesprochenen An¬ 
sichten. Die hauptsächlichsten Anhänger findet jede 
Reformation unter der jüngeren Generation, welche 
allein noch eines wahren Enthusiasmus und einst* 
unbeschränkten Hingabe an eine Sache 'fähig ist. 

Doch „Begeisterung ist keine Hkringswaare, die 
man einpökeln kann für viele Jahre.“ Es tritt 
nothwendiger Weise eine Ernüchterung ein, be¬ 
sonders wenn ältere, erfahrnere Männer der Sache 
näher treten. Sie haben die Ueberzeugung von 
der Nothwendigkeit und Berechtigung der refor¬ 
matorischen Bewegung, von der Wahrheit der ihr 
zu Grunde liegenden Ideen gewonnen. Allein sie 
sind nicht im Stande, die von dem Reformator auf- 
gestellten Sätze ohne alle Kritik zu unterschreiben. 
Es kann nicht aus bleiben, dass sich da Manches 
findet, was vor einer etwas strengeren Kritik nicht 
Stand halten kann. 

Hier liegt der Scheidepunkt. Es bilden sieh 
zwei Parteien, von denen die eine an den ursprüng¬ 
lichen Satzungen streng festhält, kein Jota von 
den Aussprüchen des Stifters preisgeben will, wäh¬ 
rend die andere auch auf sie die wissenschaftliche 
Kritik angewendet wissen, von dem, was bis dahin 
„als feststehend“ gegolten hat, nicht Alles über 
Bord werfen, sondern den Fortschritten der Wissen¬ 
schaft überhaupt Rechnung tragen und deren Re¬ 
sultate für die betreffende Disciplin verwerthet 
wissen will. Beide Richtungen, von denen ich die 
eine als die conservative, die andere als die fort¬ 
schrittliche bezeichnen möchte, haben bestimmt ihre 
Berechtigung, sind sogar nothwendig, wenn kein 
Stillstand in der Entwickelung eintreten soll. 

Der im Vorstehenden kurz geschilderte Ent¬ 
wickelungsgang jeder reformatorischen Bewegung 
hat auch in der durch die Lehre Hahnemanns her¬ 
vorgerufenen medicinischen seine Bestätigung und 
seinen Ausdruck gefunden. 

Als Hahnemann, der als Gelehrter und Arzt 
unter seinen Zeitgenossen in Ansehen stand, zuerst 
mit seinen neuen Ideen hervortrat, fand er keine 
günstige Aufnahme. Und doch war das allgemeine 
Gefühl, dass es in der bisherigen Art und Weise nicht 
fortgehen könne, das Verlangen nach einer Aen- 
derung resp. Besserung, welches jeder Reformation 
voranzugehen pflegt, auch zu seiner Zeit vor¬ 
handen. Der Boden war zur Aufnahme des neuen 
Samens gelockert, und die Saat schoss auch, eine 
gute Ernte versprechend, empor. 

Allein wie durch ungünstige Witterungs Verhält¬ 
nisse die gehegten Hoffnungen oft noch zu Schan¬ 
den werden, so erging es auch mit Hahnemanns 
Lehre. Statt der gehofften Anerkennung und ver¬ 
langten Prüfung erhob sich, als man die dem alten 
Besitze und der bisher ziemlich unangefochtenen 
Autorität drohende Gefahr erkannte, eine immer 


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heftiger werdende Opposition, kurz, Hahnemann i 
stand bald allein im Kampfe gegen einen mäeh- j 
tigen Feind. Es bedurfte der ganzen ihm eigenen 
Energie und der festen Ueberzengung von der 1 
Wahrheit seiner Lehre, um nicht zu wanken resp. ! 
zu unterliegen. Schliesslich fand er doch über- j 
zeugte Anhänger und Mitarbeiter in einer Anzahl i 
junger Aerzte. Es waren dies Hartmann, Stapf, 
Franz, Gross, Hornburg, Langhammer, die beiden 
Bückert, Hartlaub I. und Wislicenus. Ihnen war | 
jedes Wort des Meisters noch ein Evangelium, 
an dem zu zweifeln sich keiner beikommen Hess. 

Doch dauerte diese Begeisterung nur so lange, 
als bis ältere, erfahrenere Aerzte, klare Köpfe und 
scharfe Denker, mit einem umfassenden medicini* , 
sehen Wissen ausgestattet, zu der neuen Lehre 
sich bekannten. 

Als Repräsentanten dieser Richtung möchte ich 
Moritz Müller*Leipzig, Paul Wolf und Trinks-Dres- 
den und vor Allem Ludwig Griesselich-Carlsruhe, ; 
von Späteren noch Vehsemeyer, Noack und Watzke- ; 
Wien nennen. ! 

Es war zunächst die ultradynamische Richtung, | 
welche bei Hahnemann immer stärker hervortrat 
und zu der Vorschrift von der Anwendung nur 
eines Senfsamen grossen Streukügelchens, ja sogar , 
von dem blossen Riechenlassen an befeuchteten 
Streukügelchen, zu der Lehre von der immer mehr | 
sich steigernden Arzneikraft durch fortgesetztes Po- | 
tenziren führte, welche bei den genannten Männern 
Opposition hervorrufen musste. Hahnemann hatte , 
mit diesen Aufstellungen, welche nicht als noth- < 
wendige Consequenzen des SimiHa simiHbus aner- 
könnt werden konnten, den festen Boden des na- 1 
turwissenschaftiichen Experiments, welchen er in j 
seinen Arzneiprüfungen mit soviel Erfolg betreten 
hatte, wieder verlassen und damit war wieder der j 
von ihm mit Entschiedenheit verworfenen Hypo- ; 
fcbese Thür und Thor geöffnet. Die Erkenntniss j 
von der Gefahr, welche dadurch der Entwickelung j 
der neuen Lehre drohte, trieb zunächst dazu, dem 
entgegenautreten. 

Dazu kam noch, dass eine grössere Anzahl von 
strikten Anhängern Hahnem&nns, gestützt auf seine 
berechtigte Verwerfung von dem Kuriren nach 
foankhetonamen und auf Grund eines hypothe¬ 
tischen. Krankheitswesens, seine Forderung bei der | 
Erforschung der Krankheiten zum Zwecke der Auf- j 
Stellung eines möglichst genauen Krankheitsbildes j 
alle uns zu Gebote stehenden Hilfsmittel zu brau- ! 
chen, soweit sie sich auf objective Beobachtung 
gründen, dahin verstanden, dass Alles, was auf dem | 
Gebiete der Pathologie, pathologischen Anatomie, j 
Chemie etc. von der medicinischen Wissenschaft 
erforscht und beobachtet worden war, ziemUch über- | 
flüssig sei. Damit wäre die Homöopathie ausser j 


allem Zusammenhänge mit der allgemeinen medi¬ 
cinischen Wissenschaft gekommen und sie hätte 
des zum Gedeihen nothwendigen belebenden, frischen 
Zuflusses entbehrt. Es war die Gefahr vorhanden, 
dass sie in Folge dessen verkümmerte. 

Als weitere Veranlassungen zu einer Opposition 
dienten noch zwei Erscheinungen auf dem Gebiete 
der Homöopathie, die Isopathie und die Jeriichen'sehen 
Hochpotenzen. 

Die erstere von dem Thierarzt M. Lux in 
Leipzig beruht auf der mehrfach von ihm ge¬ 
machten Erfahrung, dass ansteckende Krankheiten 
ihr Heilmittel in ihrem Producte finden (Isopathie 
der Contagionen). 

Die zweite war eine Consequenz des von 
Hahnemann aufgestellten Satzes, dass durch fort¬ 
schreitende Potenzirung die Heilkräfte der Arz¬ 
neien immer mehr entwickelt würden. Um den 
Beweis für die Wahrheit desselben zu liefern, 
setzte Stallmeister Jenichen in Wismar seine Gesund¬ 
heit und sein Leben an die Herstellung der so¬ 
genannten Hochpotenzen. 

Beide neue Entdeckungen wurden von einer 
ganzen Anzahl strikter Anhänger Hahnematm’s mit 
Enthusiasmus ausgenommen, als ein gewaltiger Fort¬ 
schritt, ja sogar als eine Krönung der Homöo¬ 
pathie proklamirt. Es blieb auch nicht aus, dass 
mit deren Hilfe Wunderkuren vollbracht wurden. 
Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, 
dass in Beiden ein Körnchen Wahrheit enthalten 
ist, (ich erinnere nur an das Koeh’sche Tuberculin,) 
lag doch die Gefahr nahe, dass die einfache, klare 
Lehre Halmem&nn’s in einen immer dicker wer¬ 
denden mystischen Nebel eingehüllt würde, aus dem 
sie nicht wieder zum Vorschein käme und Sachen 
in sie hineingetragen würden, welche nichts mit ihr 
zu thun haben. 

Dem entgegenzutreteu fühlten sich bei aller Ver¬ 
ehrung Hahnemann’s und Anerkennung seiner Ver¬ 
dienste die obengenannten Männer, an der Spitze 
Griesselich, berufen; die von dem letzteren heraus¬ 
gegebene „Hygiea“ und später Vehsemeyer’s „Jahr¬ 
bücher“ waren ihre Organe. Auf der anderen Seite 
standen Hahnemann selbst und seine strikten An¬ 
hänger. Stapfs „Archiv“ und die „Allgem. homöo¬ 
pathische Zeitung“ dienten ihnen zum Kampfplatze. 
Damit hatte der Kampf im eigenen Lager be¬ 
gonnen, wie er noch keiner reformatorischeu Be¬ 
wegung erspart geblieben, und wie er auch notli- 
wendig ist, wenn dieselbe nicht Stillstehen und ver¬ 
kommen soll. 

Dieser Kampf hat seitdem nicht geruht, wenn 
auch die Kampfesweise und die Waffen zu ver¬ 
schiedenen Zeiten gewechselt haben. Wenn sich 
auch im Laufe der Zeit eine ziemlich starke Mittel- 
partei gebildet, und es auch nicht an mehr oder 


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3* 

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20 


minder erfolgreichen Vermittelungsversuchen zwi¬ 
schen den streitenden Parteien gefehlt hat, so ist 
der Friedensschluss doch noch weit entfernt. Im 
Gegentheile ist der Streit in der neuesten Zeit 
wieder um so heftiger entbrannt. Es zeigt sich, 
wie auf politischem und kirchlichem Gebiete, auch 
hier die unserer Zeit charakteristische Erscheinung, 
dass die Gegensätze immer schärfer hervortreten 
und die extremen Parteien sich immer heftiger be¬ 
kämpfen. Die zum Frieden mahnenden Stimmen 
werden im Getümmel des Kampfes überhört. Durch 
Gründe, die Streitenden von dem Verderblichen und 
Nutzlosen ihres Kampfes überzeugen zu wollen, 
ist vergebliche Mühe. Er wird immer erbitterter, 
schliesslich artet er in Persönlichkeiten aus. Es 
ist namentlich in unserer Zeit eine beliebte Fechter¬ 
weise, man könnte sie beinahe Finta nennen, die 
Persönlichkeit der Führer dadurch zu discreditiren, 
dass man irgend welche Vorkommnisse in ihrem 
Leben, welche einen Schatten auf sie werfen können, 
mögen sie mit der Sache etwas zu thun haben oder 
nicht, hervorsucht und aufbauscht. Es ist dies 
dasselbe Verfahren, welches man Luther und Hahne- 
mann gegenüber angewendet hat. Man rechnet dabei 
auf die Urtheilslosigkeit der Menge, sowie darauf, 
dass jede Behauptung, mag sie noch so wider¬ 
sinnig sein, wenn sie nur immer und immer wieder, 
mag dagegen gesagt werden, was man will, vor¬ 
gebracht wird, schliesslich ihre Anhänger findet. 
Beispiele davon anzuführen, halte ich für über¬ 
flüssig, da gerade die neuere und neueste Zeit deren 
in hinreichender Menge gebracht hat. 

Man hat unsere Zeit eine Uebergangszeit ge¬ 
nannt, und die genannte Erscheinung als eine 
solchen Perioden eigenthümliche bezeichnet. Der 
Vergleich mit einer Gährung wäre hier auch nicht 
ganz unpassend insofern, als bei einer solchen doch 
viele unbrauchbare und unreine Stoffe abgestossen 
werden. 

Dass die Homöopathie in ihrer Entwickelung 
sich diesen Einflüssen der Zeit nicht hat entziehen 
können, ist natürlich. Wenn dieser Kampf bei 
uns, Gott sei Dank, noch nicht die oben geschil¬ 
derte Heftigkeit angenommen hat, so droht er dies 
doch jetzt zu werden. Wenn er auch, wie schon 
oben bemerkt, seine Berechtigung hat, so kann 
er, wenn er ausartet, der Sache nur Schaden bringen. 
Wohin er führt, das sehen wir in Amerika. Auf 
der Seite des Fortschrittes hat er einen förmlichen 
Abfall von der Lehre Hahnemanns zu Wege ge¬ 
bracht. Die Vertreter dieser Richtung erkennen das 
Similia similibus nicht mehr als das allein Massgebende 
an und haben in Consequenz dessen den Namen 
Homöopathen abgelegt, während der andern, con- 
servativen oder, wenn man lieber will, reactionä- 
ren, orthodoxen Partei alle im „Organon“ und andern 


Schriften niedergelegten Lehren und Aussprüche 
Hahnemanns unantastbar sind, von denen auch 
nicht ein Titelchen aufgegeben werden darf. Un¬ 
duldsamkeit und Ketzerriecherei sind die natür¬ 
lichen Consequenzen. Was die allgemeine Wissen¬ 
schaft auf ihren verschiedenen Gebieten Neues, Brauch¬ 
bares zu Tage gefördert hat, ist für diese Herren 
nicht vorhanden. Sie meinen unter Anderem, eine 
ordentliche und gründliche Untersuchung des Kran¬ 
ken, wie sie die Neuzeit mit Recht von jedem 
Arzte, welcher auf den Namen eines wissenschaft¬ 
lich gebildeten Anspruch macht, fordert und wie 
sie mit den Vorschriften Hahnemanns durchaus 
nicht in Widerspruch steht, entbehren zu können. 

Die mechanische Symptomendeckerei ist ihr 
die Hauptsache. Und diese kann doch dem wahren 
Arzte, welcher sich der Gründe seines Handelns 
stets bewusst sein soll und will, nicht genügen. 
Selbst gerade die von Anhängern dieser Richtung 
gemachten Wundercuren sind nicht im Stande, einen 
modernen Arzt zu Nachversuchen zu bestimmen, 
namentlich in unserer dem Materialismus huldigen¬ 
den Zeit, in welcher man was man nicht sehen, 
riechen und schmecken kann, als nicht existirend, 
als Irrthum oder Täuschung erklärt, und schnell, 
wenn man einer nicht wegzuleugnenden Thatsache 
gegenübersteht, mit dem sehr bequemen Schlag¬ 
wort „Suggestion“ bei der Hand ist. 

Die im Vorstehenden geschilderten Consequenzen, 
wie sie sich bei einseitigem Vorgehen bis zur äussersten 
Grenze ergehen müssen auf der fortschrittlichen Seite, 
in ihrem Bestreben die Homöopathie immer mehr dem 
neueren Standpunkte der medicinischen Wissenschaft 
anzupassen und sie den Anhängern derselben mund¬ 
recht zu machen, führen dahin, dass das Similia 
similibus mit seinen Consequenzen immer mehr in 
den Hintergrund tritt, und schliesslich der Usus 
in morbis und nicht das Similia similibus das Mass¬ 
gebende ist, und damit ist man glücklich wieder 
in dem Hafen der Schulmedicin angelangt. Eines 
ernsten und gründlichen Studiums der Arzneimittel¬ 
lehre bedarf es dabei nicht. Es genügt ja zu 
wissen, dass sich dies und jenes Mittel in dieser 
oder jener Krankheit bewährt hat. Höchstens werden 
noch einzelne auffälligeErscheinungen berücksichtigt. 
Die für den Arzt, welcher die Homöopathie im 
Geiste Hahnemanns ausübt, wichtigen begleitenden 
Erscheinungen, verschlimmernden und bessernden Um¬ 
stände, Reihenfolge der Arzneimittel, ihr ergänzen¬ 
des wie antidotarisches Verhältnis werden als nutz¬ 
lose Spielereien ohne allen Werth angesehen. Kurz, 
die von Hahnemann aufgestellte und noch in der 
alten Schule in neuerer Zeit mehr zur Geltung 
gekommene Forderung des Individualisirens wird 
nicht beachtet und damit ein Hauptvorzug der 
Heilmethode aufgegeben, und ist es daher nicht 


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zu verwundern, wenn unsere Gegner unsere Existenz¬ 
berechtigung bestreiten. 

Die Gefahr, welche unserer Sache von der 
anderen Partei droht, ist die, dass sie nicht bloss 
conservativ bleibt, sondern orthodox resp. re- 
actionär zu werden droht, d. li. nicht bloss die von 
Hahnemann aufgestellten Grundsätze, auf welchen 
seine ganze Lehre beruht, festhält, sondern auch 
keinen Buchstaben von dem, was er im ,,Organon“ 
und anderen Stellen ausgesprochen hat, preisgeben, 
Behauptungen, welche durch neuere Forschungen 
als unhaltbar nachgewiesen sind, aufrecht erhalten 
will. Es gelangt dadurch ein Dogmatismus zur 
Herrschaft, welcher keinen Fortschritt möglich macht, 
ein Stillstand, welcher nothwendiger Weise zum 
Untergang führt. Die freie Forschung erträgt ein¬ 
mal keinen Zwang. 

Doch wie sollen die im Vorhergehenden geschil¬ 
derten, der Homöopathie von beiden Richtungen 
zweifellos drohenden Gefahren abgewendet werden? 
Soll man den jetzt entbrannten heftigen Kampf 
.austoben lassen in der Hoffnung, dass bald eine 
Ermüdung eintreten und man auf beiden Seiten 
zu der Einsicht gelangen werde, dass man auf 
dem eingeschlagenen Wege das im Auge gehabte 
Ziel nicht erreiche? Ich zweifle, dass dies sobald 
eintreten werde* Dazu sind beide Parteien noch 
zu sehr von der alleinigen Richtigkeit ihres Stand¬ 
punktes überzeugt und allen unparteiischen und 
ruhigen Vorstellungen unzugänglich. ,,So kann es 
nicht fortgehen“ ist das Wort, welches man gegen¬ 
über den beinahe auf allen Gebieten des politischen 
und wirtschaftlichen Lebens stattfindenden Kämpfen 
in unserer Zeit so häufig hört und welches jeden¬ 
falls in dem Gefühle, dass wir in einer Uebergangs- 
zeit leben, seinen Grund hat. Eine Reaction wird 
und muss kommen, das ist meine feste Ueberzeu- 
gung. Diese Kämpfe sind gewisserraassen nur ein 
Process, bei dem das Echte von dem Unechten, 
das Wahre von dem Falschen, das Bleibende von 
dem Vorübergehenden (Tagesmeinuugen) geschieden 
wird. Unsere Aufgabe kann es meiner Ansicht nach 
zunächst nur sein, dahin zu wirken, dass dieser 
Process ungestört sich vollziehen kann, gegen die 
Ausartung des Kampfes in einen persönlichen mit 
Entschiedenheit aufzutreten. Ist derselbe erst wie¬ 
der auf das sachliche Gebiet zurückgeführt, dann 
ist auch eine unsere Sache fördernde Aussprache 
und Einigung möglich. Ich bin überzeugt, dass 
Jeder, der sich mit Recht homöopathischer Arzt 
nennt und das richtige Verständniss für die Lehre 
Hahnemanns erlangt hat, sich darüber klar ist, dass 
das Festhalten an dem Similia similibus und den 
daraus sich ergebenden nothwendigen Cousequenzen 
unbedingt erforderlich ist, wenn dieselbe überhaupt 
eine Zukunft haben soll. Damit wird jedoch nicht 


ein blinder Glaube, ein Schwören in verba magistri 
verlangt. Es muss Jedem die Freiheit bleiben, selbst 
zu prüfen und zu versuchen, und das dadurch ge¬ 
wonnene Resultat in der Praxis zu vcrwerthen. 
Er wird dann auch die Grenzen, früher zu weit, 
jetzt zum Theil zu eng gezogen, erkennen, bis 
zu welchen die homöopathische Heilmethode aus¬ 
reicht. Dann kann er auch ohne Bedenken die 
Hilfsmittel, welche die neuere Medicin ihm bietet, 
anwenden. Streben wir vor Allem dahin, bei den 
jungen Aerzten, welche zu uns herüberkommen, 
den Respect vor der Autorität, welcher ihnen auf 
der Universität eingebläuet wird, auszutilgen und 
sie auf eigne Füsse zu stellen. Das wird das beste 
Mittel sein, sie vor einer einseitigen Richtung zu 
bewahren. Dazu sollten alle überzeugungstreuen 
Homöopathen mithelfen. Dies würde zur Förderung 
und Geltendmachung unserer Lehre viel mehr bei¬ 
tragen, als alle theoretischen Auseinandersetzungen 
und als die wohlgemeinten aber bis jetzt stets 
vergeblich gewesenen Versuche, durch Concessionen 
uns die Anerkennung als wissenschaftliche Heil¬ 
methode zu erringen. 

Es würde jedenfalls den jungen Aerzten viel 
mehr imponiren, wenn sie sehen, dass wir in den 
Hauptgrundsätzen vollständig einig sind, in den 
Neben- und zweifelhaften Dingen aber einem Jeden 
vollständige Freiheit lassen und durch fortgesetzte 
Arbeiten und Versuche Licht in die noch dunkeln 
Partieen zu bringen suchen. 

Auf diesem Wege allein ist es möglich, einen 
Ausgleich zwischen den beiden oben beschriebenen 
Richtungen zu Stande zu bringen und uns die Achtung 
unserer Gegner, welche durch ein Schauspiel, wie 
es in unserer Journalistik in neuester Zeit zum 
Besten gegeben, wahrlich nicht zunehmen kann, 
zu erwerben. 

Möchte man dies von allen Seiten bedenken, und 
Alle, welchen das Wohl und Wehe unserer Sache 
am Herzen liegt, mit vereinten Kräften dahin wir¬ 
ken, dass bald Frieden in unsern Reiben einkebre. 


Homöopathische Heilungen von Starrkrampf 
(Tetanus). 

Aus dem Pacific Coast Journal of Homoeopatliie 
vom Januar 1894 
übersetzt von Dr. Th. Bruckner. 

Heilung mit Nwc vom. 1. Fall: Ein kräftiger 
Knabe erlitt eine Verletzung der rechten Stirnhälfte 
durch einen Stein. 

Am 10. Tage nach der Verletzung trat Kinn- 
backenkrampf ein und allgemeine Krämpfe alle 


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1 / 2 —1 Stunden mit Streckung der Glieder und 
nach einwärts gebogenen Händen und Füssen, Kopf j 
und Rücken waren nach rückwärts- gebogen, die 
Brust starr mit angehaltenem Athem, bis das Ge¬ 
sicht purpurroth wurde und krampfhafter Husten 
sich einstellte. Jede Berührung oder Bewegung 
oder das Schlucken von Flüssigkeit verschlimmerte. 
Das Bewusstsein war ungetrübt, die Wunde füllte 
sich mit einem schwärzlichen Schorf. Beilad. hatte 
keinen Erfolg. Nux vom. 30. heilte den Knaben. 

Heilung mit Physostigma venetu 2. Fall: 
Eine junge Lady erlitt eine leichte Verletzung der 
inneren Handfläche durch einen kleinen Glassplitter. 
In Folge davon traten so heftige Krämpfe der 
Kiefermuskeln ein, dass schon ein leiser Luftzug, 
verursacht durch das Vorbeigehen einer Person, ge- ! 
nügte, diese Krämpfe hervorzurufen. 

Physostigma ven. 10 Tropfen der Tinctur in 
*/a Glas Wasser, 2—3stündlich 1 Gabe, besserte 
rasch und die Kranke genas, aber die Genesung 
war eine sehr langsame. (Hellmuth, Trans. N. Y. i 
Society 1874.) 

Heilung mit Lachesis . 3. Fall: Ein Kind litt 

an einer erfrorenen Zehe, welche eiterte. Eine 
Woche später Frost mit schiessenden Schmerzen im 
Rücken und Starrkrampf (Opisthotonus) und nach 
24 Stunden auch Kinnbackenkrampf. Nachlass der 
Krämpfe von Mitternacht bis Mittag. Nach Mitter¬ 
nacht profuser Schweiss und unruhiger Schlaf. Der 
Hals sehr empfindlich gegen Berührung und Schlin¬ 
gen schmerzhaft. Nach Lachesis trat die Ver¬ 
schlimmerung jeden Tag um eine Stunde später ein 
und war weniger heftig bis zum Eintritt der Ge¬ 
nesung. (J. Herber Smith, N. E. Med. Gazette 1873.) 

Heilung mit Hypericum perfobatum. 4. Fall: 
Frau, T., 40 J. alt, trat beim Aufstehen aus dem 
Bette auf ein Papier voller Stecknadeln, das am 
Boden lag. Etwa ein Dutzend Nadeln drangen 
tief in die Fusssohle ein in der Richtung von der 
grossen Zehe nach dem Fersen zu. Sie wurden 
schnell herausgezogen. Bald nachher jedoch traten 
Schmerzen ein im rechten Fusse, die durch das 
Glied nach dem Rückenmarke und nach dem Nacken 
und Gesichte sich verbreiteten. Die Muskeln des 
Nackens und des Kiefers, hauptsächlich auf der 
rechten Seite, wurden steif und auch diejenigen 
des Unterleibs und des Brustkastens erschienen ge¬ 
spannt. Die Verabreichung von Chloralhydrat von 
Seite eines allopathischen Arztes brachte eine 
vorübergehende Erleichterung, aber am folgenden 
Tage war alles wieder beim Alten. Von Nux, Ignatia 
und Belladonna liess die Heftigkeit der Anfälle all- 
raählig etwas nach. Aber erst als Hypericum ge¬ 
geben wurde, bemerkte die Kranke, dieses scheine 
ihr direct auf die kranken Theile heilend zu 
wirken. Drei Wochen später konnte die Kranke 


wieder auf dem Fuss stehen. (J. W. Hocking im 
Ohio Med. and Surg. Reporter 1873.) 

Heilung eines traumatischen Tetanus durch La¬ 
chesis. 5. Fall: Ein Zimmermann, 40 J. alt, litt 
in geringem Grade an Kinnbackenkrampf mit 
Steifigkeit und Schmerz in den Muskeln des Nackens 
und des Rückgrats; er hatte das eigentümliche 
Aussehen eines an Starrkrampf Leidenden. — Die 
Ursache seines Leidens war eine Wunde an der 
| Spitze der grossen Zehe, welche durch das Rad 
eines Wagens in der Mite der ersten Phalanx ihm 
war abgequetscht worden. Neun Tage nachher 
zeigten sich die ersten Symptome von Starrkrampf. 
Die Weichtheile der Zehe waren in einem Zu¬ 
stande brandigen Absterbons. Auf Lachesis 30. 
zeigte sich eine langsame Besserung, der aber 
wieder Verschlimmerung folgte. Auf Lachesis 6. 
trat wiederum Besserung ein und unter dem Fort¬ 
gebrauche des Mittels genas der Kranke. (Dr. Sircar 
in Calcutta in Hom. World.) 

Heilung mit Angmtura. 6 . Fall: Eine Dame 
rannte sich eine Nadel in den Fuss. Nach zwei 
Wochen traten heftige Schmerzen ein, welche von 
der verletzten Stelle nach der Ferse und dann auf¬ 
wärts nach dem Rücken zu sich erstreckten mit 
Symptomen von Starrkrampf. Sie hatte krampf¬ 
hafte, lancinirende Schmerzen vom Nacken nach 
den Kiefern auf beiden Seiten und Steifigkeits¬ 
gefühl ohne eigentlichen Kinnbackenkrampf. Die 
Schmerzen wurden furchtbar heftig. Angustura 3. 
alle l j 9 Stunden besserte die Schmerzen innerhalb 
einer Stunde und die Kranke genas innerhalb 
4 Tagen. (Hubbard, Med. Investigator.) 

Heilung mit Belladonna. 7. Fall: Ein Mann 
von ca. 60 Jahren war vor 14 Tagen in einen 
Nagel getreten. Seine Kiefer waren fest ge¬ 
schlossen, alle Beugemuskeln krampfhaft afficirt, 
auch die Bauchmuskeln brettartig gespannt, Schlin¬ 
gen sehr erschwert. Ein plötzliches Geräusch, eine 
Berührung, ein Versuch sich zu bewegen, zu 
sprechen oder zu trinken brachte einen Krampf¬ 
anfall. Der verletzte Fuss war ziemlich geschwollen, 
die Wunde war geheilt, nur ein schwarzer Fleck 
war sichtbar, der sehr empfindlich war. Nach Er¬ 
öffnung der Stelle entleerten sich bloss wenige 
Tropfen dunkeln Blutes. Belladonna 30. heilte in 
8 Tagen. (Angell, Hoyne’s Clin. Therap.) 

Heilung mit Angustura. 8. Fall: Wundstarr¬ 
krampf in Folge einer Verletzung in der Gegend 
der rechten oberen Augenlidnerven. Die Krämpfe 
bestehen aus einem theilweise nach vorwärts und 
theilweise wieder nach rückwärts biegenden Starr¬ 
krampf (Emprosthotonos und Opisthotonos). Die Kiefer 
konnten nicht genügend geöffnet werden, um einen 
Löffel einzubringen, wesshalb Patient mit Fleisch¬ 
brühe und anderen Flüssigkeiten ernährt werden 


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musste. Angustura 200. heilte in 10 Tagen. 
(Dr. Bayliss.) 

Heilung mit Oicuta virosa. 9. Fall: Ein Kind 
von 12 Jahren, ein Patient von Dr. Beekwith, 
zeigte alle Symptome von Trismus. Hände und 
Füsse gebogen, aber starr, der Unterleib auf¬ 
getrieben mit sehr gespannten Muskeln, alle 
1 / 2 Stunden ein Krampfanfall. Am 8. Tage, nach¬ 
dem verschiedene Mittel ohne Erfolg angewandt 
worden waren, wurde Dr. Earnest hinzugezogen, 
welcher Cicuta virosa verordnet© nach folgenden 
Indicationen: Die Zungenränder sind von kleinen 
Geschwiirchen bedeckt und von einer weisslichen 
Schicht umgeben, tonische Krämpfe im Schlunde 
mit blassem Gesichte während der Krampfanfalle. ; 
Besserung zeigte sich innerhalb 12 Stunden und 
hielt an bis zur völligen Genesung des Knaben. 
(Hoyne’s Clin. Therap.) 

Diesen von amerikanischen und englischen 
Aerzten veröffentlichten Starrkrampfheilungen wollen 
wir noch einige von deutschen Homöopathen ver¬ 
öffentlichte Heilungen beifügen. 

Heilung mit Angustura. 10. Fal 1: Von Dr. Hering j 
im Archiv (VII. 1. 89) veröffentlichter Fall. Hering | 
sagt, dass der Starrkrampf nach Verwundungen bei 
Negern mit Mercur. behandelt werde bis zum 
Speichelflüsse, kommt es zu diesem, so sind sie 
gerettet 

Ich kam zu einer an diesem Uebel leidenden 
Negerin, bei welcher kein Speichelfluss zu Wege 
zu bringen war. Die Krankheit bestand in einzel¬ 
nen Anfällen des heftigsten Kinnbackenkrampfes 
und Zuckungen der Rückenmuskeln, so dass sie 
gewaltsam nach hinten gebogen wurde. Ich gab 
ihr eine äusserst kleine Gabe Angustura. Es stellte 
»ich nach einigen Minuten ein Anfall ein, dann 
aber erfolgte Besserung und ohne Eintritt von 
Speichelfluss erfolgte bald die vollständige Heilung 
zur grössten Verwunderung Aller. 

Heihmg mit Oicuta . 11. Fall: Ein Knabe von 

18 Jahren hatte eine bedeutende Kopfverletzung 
erlitten durch ein Wagenrad. Die Heilung ging 
bei Anwendung der Arnica aufs beste von statten, 
aber nach stattgefundener Erkältung entwickelte 
»ioh folgender Zustand: 

Symptome: Anfangs Fieberhitze, Gesichtsröthe, 
Kopfweh, unruhiger Schlaf, heisst sich in die 
Zunge. — Später blasses Aussehen, Gesicht und 
Hände kalt. Verschlossener Mund, so dass kaum 
di© Spitze der Zunge zwischen den Zähnen durch¬ 
geht. Sitzt meistens schlafend in einem Winkel 
mit herabhängendem Kopfe, erwacht dann nur 
nach mehrmaligem Anrufen, weint alsdann unter 
fast lächerlicher Gesichtsverziehung, antwortet kaum 
und kurz, starrt unverwandt auf eine Stelle hin 
und hält den Kopf immer steif und nach vorwärts 


gebogen. Alle Bewegungen geschehen zitternd. 
Beim Gehen, was mit steifem Körper und steifen 
Beinen geschieht, klagt er über Schwindel und 
Ziehschmerz in Schenkeln und Waden. Beim Sitzen 
öfter Zusammenschütteln und Rucke, wie elektrische 
Schläge durch Kopf, Arme und Beine. 

Früh im Bette tetanische Steifheit des Körpers. 
Nachts viel Schweiss und kein Schlaf. Kleine 
schmerzhafte Geschwüre am Zungenrande und innen 
an den Lippen; Gleichgültigkeit — Traurigkeit. 

Ordin.: Cicuta 15. 1 Tropfen. Schon die nächste 
Nacht war ruhiger und früh keine tetanische Steif¬ 
heit des Körpers mehr vorhanden, kann den Mund 
weiter öffnen, die Zunge weiter herausbringen, ant¬ 
wortet ohne besondere Anstrengung und sieht 
freundlicher aus, auch das Zucken und Rucken in 
den Gliedern ist seltener geworden. Am 3. Tage 
konnte er ohne Anhalten gehen und am 5. Tage em¬ 
pfand er bloss noch etwas Schwere und Mattigkeit 
in den Beinen. (Messerschmidt.) 

12. Fall: Mädchen von 17 Jahren, noch nicht 
menstruirt, bekam nach Erhitzung und Erkältung 
zuerst Stechen in der Brust, gastrische Beschwer¬ 
den u. a. in., später zog sich das Leiden nach der 
Herzgrube und dem Rücken und es erfolgte ein 
krampfhafter Zustand. 

Symptome: Mund fast gänzlich verschlossen, 
trotz unauslöschlichem Durste kann sie nur wenig 
schlucken. Die schmerzhaften Anfälle von rück¬ 
wärtsbiegendem Starrkrampf traten fast alle Minuten 
ein, dabei verdrehte sie die Augen und verzog das 
Gesicht auf eine grässliche Weise und stiess ein 
durchdringendes Geschrei aus. Diese schrecklichen 
Anfälle wiederholten sich hei jeder Berührung, ja 
selbst wenn nur die Stubenthür wie gewöhnlich 
geöffnet wurde, oder wenn jemand in der Stube 
laut sprach. Sie konnte nicht das mindeste Ge¬ 
räusch ertragen, ohne sofort aufzuschreien. Die 
Sprache war undeutlich, mehr lallend, Körper und 
Glieder waren steif wie Holz bei gänzlicher Schlaf¬ 
losigkeit. Bei den Anfällen versetzte es ihr auf 
kurze Zeit den Athem, so dass sie nach Luft 
schnappen musste. Es kommt ein jählinger Stoss 
in der Tiefe der Herzgrube, welcher von da aus 
schnell wie der Blitz in den Rücken fährt und sie 
nach hinten unter grossen Schmerzeu zusammen¬ 
zieht. 

Bell. 8., dann 24., dann Stramon. 3. hatten 
wenig Erfolg. Cicuta 3. und 6., abwechselnd alle 
12 — 36 Stunden, besserten mit jedem Tage bis 
zum Eintritt der völligen Genesung. Doch konnte 
die Kranke erst nach mehreren Wochen die Glieder 
wieder ordentlich gebrauchen, woran freilich die 
elende Kost viel schuld war. (Bethmann.) 


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Die homöopathische Arzneimittel-Lehre. 

Eine kritische Studie von Dr. Arthur Sperling-Berlin. 

Besprochen von Dr. Mossa-Stuttgart. 

Es dämmert, der Morgen naht, es wird Licht! — 

Wir haben es schon wiederholt ausgesprochen, 
dass die vorurtheilslosen Forscher und Aerzte der 
herrschenden Schule durch die Evolution der Me- 
dicin, sowie durch die Logik der Thatsachen dahin 
gedrängt werden, der homöopathischen Heilmethode 
die ihr gebührende Anerkennung zu zollen und 
bei ihrer klinischen Thätigkeit in Anwendung zu 
bringen. Ein offenes Votum, das uns sehr sympa¬ 
thisch berührt hat, liegt uns in der jüngst ver¬ 
öffentlichten Abhandlung des, bisher unserer Partei 
nicht angehörigen, Dr. Arthur Sperling „Die homöo¬ 
pathische Arzneimittel-Lehre. Eine britische Stndie u 
vor. Wir müssen gestehen, dass uns seit der im 
Jahre 1832 von Dr. Joh. Heinrich Kopp, hessischem 
Oberhofrath, veröffentlichten Schrift über Homöo¬ 
pathie, welche den ganzen zweiten Band seiner 
„Denkwürdigkeiten in der ärztlichen Praxis“ ein¬ 
nimmt, kein so tiefgehendes Werk von einem 
Nicht-Homöopathen über die homöopathische Heil¬ 
kunst zu Gesicht gekommen ist, als diese kritische 
Studie von Dr. Sperling. Beide prüfen sie nach 
ihrer theoretischen Seite hin, beide haben sie am 
Krankenbett auf ihre Leistungsfähigkeit hin unter¬ 
sucht, nachdem sie sich mit grossem Fleisse und be¬ 
harrlicher Ausdauer mit der homöopathischen Arznei¬ 
prüfung vertraut gemacht hatten; beide haben an dem 
System Manches auszusetzen, aber der Heilmethode 
müssen beide zustimmen. — Für Kopp war die Speci- 
ficität der Mittelwirkung der Anknüpfungspunkt; 
bei Dr. Sperling die Wirksamkeit kleiner und 
kleinster Gaben — also gerade der Punkt, der 
sonst die allopathischen Aerzte am meisten zurück- 
stiess — zog ihn ganz besonders zum Studium der 
Homöopathie hin. Er sagt hierüber im Vorwort 
zu seiner Studie: „Vor etwa 5 Jahren gelang 
es mir nachzuweisen, dass minimale galvanische 
Ströme von 0.5 M. A. noch therapeutische Wirk¬ 
samkeit besitzen. — Es Hess sich bald nachweisen, 
dass auch 0.2 und 0.1 M. A. in geeigneten Fällen 
ebenfalls therapeutisch etwas leisten, ja, bei in¬ 
timerer Beschäftigung mit der Sache schienen mir 
gerade diese ganz geringen Ströme den andern 
grobem und stärkern an Leistungsfähigkeit so sehr 
überlegen, dass ich mich in der Praxis fast aus¬ 
schliesslich ihrer bediene und die Erfahrung ge¬ 
macht zu haben glaube, dass, wenn sie im Stich 
lassen, der Fall überhaupt für elektrische Behand¬ 
lung ungeeignet sei.“ 

„Wenn ein galvanischer Strom von 0.1 M. A. 
unter geeigneten Verhältnissen die biologischen Be¬ 
dingungen des kranken menschlichen Körpers zu 


ändern vermag, so müssen dies auch andere Fac- 
toren thun, die ebenso winzig scheinen, wie jene. 
Der Gedanke lag nahe. Die minimalen chemischen 
Substanzen in den Mineralwässern, welche mit 
grösstem Erfolge zu Trink- und Badecuren ver¬ 
wandt werden, bildeten den willkommenen Ueber- 
gang zu der Idee, dass die Dosen, in welchen die 
gebräuchlichen Arzneimittel von den Aerzten ver¬ 
ordnet zu werden pflegen, im Allgemeinen zu gross 
sind, und dass eventuell ihre Leistungsfähigkeit 
vermehrt werden kann, einerseits durch Verringe¬ 
rung der Dosis, andrerseits durch sorgfältige Wahl 
des für einen jeden Kranken ganz individuell 
passenden Mittels. 

„Dies waren die Ideen, welche mir die Beschäf¬ 
tigung mit der homöopathischen Arzneimittellehre 
aufnöthigten, von welcher ich bisher nicht viel mehr 
wusste als dieses, dass die kleinen Arzneidosen ihr 
Hauptprincip waren. Auch dieses Wissen stellte 
sich alsbald als Irrthum heraus, so dass ich es 
kaum noch besonders hervorzuheben brauche, dass 
meine „Elektrotherapeutischen Studien/ ‘ in welchen 
z. B. die Darstellung der ersten und zweiten Re- 
action gewisse Aehnlichkeit mit Hahnemann’s von 
der „Erstverschlimmerung“ durch Arzneiwirkung 
besitzt, ohne jegliche Kenntniss der Homöopathie 
geschrieben worden sind. Ich freue mich sagen 
zu können, dass meine elektrotherapeutischen Be¬ 
obachtungen in einer Zeit gemacht worden sind, in 
welcher ich die Homöopathie und das Getriebe der 
Homöopathen mit gleicher souveräner Verachtung 
ansah, wie es auch heute noch die Mehrzahl meiner 
Coli egen thut. Das erhöht meiner Ansicht nach 
den Werth meiner Beobachtungen; sie hätten lange 
nicht den Werth besessen, wenn sie von einem mit 
homöopathischen Ideen durchtränkten Arzt gemacht 
worden wären.“ 

Verf. schildert dann die Schwierigkeiten, welche 
das Studium der homöopathischen Arzneimittel-Lehre 
einem Nicht-Homöopathen ohne persönliche Unter¬ 
weisung durch einen homöopathischen Arzt bereitet. 
„Die homöopathische Literatur, sagt er, ist ent¬ 
weder von Erz-Homöopathen gemacht oder von 
Erz-Feinden der Homöopathie. (Kopp hat er nicht 
gekannt. Ref.) Es existirt keine homöopathische 
Arzneimittel-Lehre, welche als Brücke zwischen den 
feindlichen Lagern angesehen werden dürfte, welche 
die Verschmelzung der Ideen beider anbahnte und 
die schroffsten Gegensätze durch passende Erklä¬ 
rungen minderte.“ (AltschuTs Reallexicon nimmt 
eine solche vermittelnde Stellung schon ein. Ref.) 

Sehr drastisch stellt er die Anziehung und Ab- 
stossung dar, die man beim Herantreten dieses Stu¬ 
diums durch die neuen Ideen erfährt, bis man end¬ 
lich so weit vertraut ist mit den homöopathischen 
Mittelprüfungen, um die Mittel am Krankenbett 


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zu prüfen, wie er es an den Patienten seiner Poli¬ 
klinik und aus seiner Privatpraxis gethan hat. Die 
hierbei gewonnenen guten Resultate erfreuten ihn 
nicht bloss als praktischen Arzt, sondern als Mann 
der Wissenschaft, indem sie ihm durch die Gewalt 
der Thatsachen die Werthschätzung der homöo¬ 
pathischen Lehren aufdrängten. — Dies ist ein 
schönes Zeugniss eines aufrichtigen, die Wahrheit 
suchenden und anerkennenden Geistes! 

Der Weg, den College Sperling hei Auseinander¬ 
setzung der homöopathischen Arzneimittel-Lehre ein- 
schlägt, ist ein ganz praktischer. Er beginnt mit 
unserer Arznei-Bereitung, bespricht die Darstellung 
der Verdünnungen, Potenzen, wie er sie gleich¬ 
zeitig nennt, und zeigt dabei, wie viel an wirk¬ 
samer Substanz von dem betreffenden Mittel in der 
Einzeldosis von 2, resp. 5 Tropfen vorhanden ist. 
Er hält sich an die Decimal-Scala. Er kann nicht 
umhin, die Vorzüge der Homöopathie hierin anzu¬ 
erkennen und weiss den Gegnern den Horror vor 
den minimalen Gaben geschickt zu benehmen. 

Was Verf. über die verschiedenartige Wirkung 
kleiner und grosser Arzneigaben beibringt, ist für 
Jedermann einleuchtend und bezieht er sich hier¬ 
bei vielfach auf Prof. Hugo Schulz’ Deductionen. 
Von van Swieten führt er (nach Schulz) folgende 
Aeusserung über die Wirkung des Opium an: ,,Der 
Mohnsaft, der in geringer Menge genommen die 
angenehmste Empfindung, die man sich vorstellen 
kann, verursacht und fast wie das Nepenthes der 
Helena alle Uebel vergessen macht, verursacht in 
grösserem Masse Schlaf, in allzustarker Menge 
aber endlich einen Schlagfluss,“ wozu Schulz er¬ 
klärend hinzufügt: „Das heisst mit andern Worten 
einfach: Kleine Mengen Opium emegen die Thätig- 
keit gewisser Theile des Gehirns, grössere rufen 
Ermüdung hervor, die bei stärksten Dosen zum 
Tode führen kann.“ 

Mit Recht führt er hier auch das Pflüger’sche 
Zuckungsgesetz als Beleg an, welches von Prof. Arndt 
in Greifswald als „biologisches Grundgesetz“ aner¬ 
kannt und so formulirt worden ist: „Schwache 
Reize fachen die Lebensthätigkeit an, mittelstarke 
fordern sie und stärkste heben sie auf.“ — Die 
Medicin ist daher darauf hingewiesen, sich den 
Wirkungskreis der Arzneistoffe, ja aller therapeu¬ 
tischen Factoren überhaupt, in doppelter, ja vielleicht 
sogar in dreifacher Weise zu Nutze zu machen. — 
„Und doch beherrscht, sagt Verf., das Princip „viel 
hilft viel,“ welches durchaus der symptomatischen 
Therapie entlehnt ist, noch immer die Aerzte. Bis 
auf Weiteres wird mit den intensiven Eingriffen 
durch Massage, Electricität, Wasser, mit den un¬ 
sinnig grossen Gaben von schmerzstillenden und 
schlafmachenden Mitteln immer weiter geschadet 
werden. Das Publicum hat den Schaden bereits 


am eigenen Leibe bemerkt und lässt sich lieber 
von Curpfuschem mit Wasser und Dampf als mit 
schlechtschmeckenden Arzneien umbringen. Der 
wissenschaftliche Thurm, von dem die Aerzte herab¬ 
sehen, ist so hoch, dass sie diese Wandlung nicht 

erkennen.nur in einigen Köpfen beginnt 

es zu dämmern.“ Bisher habe man immer die 
Maximal-Dosis festzustellen gesucht, warum nicht 
auch die noch wirksamere Minimal-Dosis? Das 
habe Hahnemann gethan unter der Voraussetzung, 
dass der Arzneikörper auch wirklich das passende 
Mittel, das Similimum sein müsse. Dies führt den 
Verf. nun zur Besprechung des Similia similibus 
als des Grundprincips der homöopathischen Arznei¬ 
mittel-Lehre, wie er sich ausdrückt. Er umschreibt 
den Hahnemann’schen Gedanken so: „Eine jede 
Krankheit äussert sich durch subjective und ob- 
jective Symptome, welche darauf hinweisen, dass 
ein bestimmtes Organ der Sitz, oder wenigstens der 
Ausgangspunkt, der Nährboden (nach Prof. Schulz) 
der Krankheit ist. Das Gleiche thut ein Arznei¬ 
mittel, welches dem gesunden Organismus in ent¬ 
sprechender Dosis eingegeben wird: es ruft eben¬ 
falls gewisse Symptome hervor, deren Gesammtbild 
wir als „Arzneikrankheit“ bezeichnen, d. li. jedes 
Arzneimittel besitzt die Eigenschaft, ganz bestimmte 
Organe und zwar in gewisser Reihenfolge zum An¬ 
griffspunkt zu wählen, durch deren Störung eben 
jene Arzneisymptome hervorgerufen werden. Um 
die Erkrankung eines Organs zu heilen, braucht 
man ein Arzneimittel, welches erfahrungsgemäss 
gerade zu diesem Organ in besonderer Beziehung 
steht, welches so „specifisch“ wirkt, dass seine 
Stofftheilchen mit Vernachlässigung aller am Wege 
liegenden Organe gerade zu diesem Organe hin¬ 
stürzen, um die Bewegung seiner Zellen, seiner 
Protoplasmakörnchen zu beeinflussen.“ — 

„Solche Substanzen mit der genannten Eigen¬ 
schaft giebt es in der That, wir könneu sie wegen 
ihrer Eigenschaft als organspecifisch bezeichnen, 
und um sie aufzusuchen, müssen wir die von 
Alters her erprobten und die guten neuerwor- 
beneu Mittel an gesunden Menschen prüfen.“ 
Verf. fährt fort: „Hahnemann deducirt zwar noch 
ganz richtig weiter, dass, um ein krankes, „in ge¬ 
reiztem Zustande“ befindliches Organ zu treffen, 
eine verhältnissmässig sehr kleine Dosis des „organ- 
specifischen“ Mittels gehört, denn das kranke Organ 
befindet sich in einem Reizzustande; seine Moleküle 
sind aus der Ruhe gebracht, sie bewegen sich ab¬ 
norm und folgen leichter als beim gesunden Organ 
jedem weiteren Bewegungsanstoss. Daher, im All¬ 
gemeinen die Anwendung sehr kleiner Arzneigaben 
in der Homöopathie. Wie aber kommt Hahnemann 
zu dem Schluss, dass dieses „organspecifische“ 
Mittel jene Bewegungsstörung zur Norm zurück- 

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führt und zu einem Heilmittel wird? — Hier liegt 
nach Verf. eine Lücke, eine Kluft in der Lehre 
Hahnemann’s, die er selbst später auszufüllen ver¬ 
sucht hat. — Hat aber nicht Dr. Sperling, fragen 
wir, den Standpunkt Hahnemann’s verrückt, indem 
er, freilich in der wohlgemeinten Absicht, die 
Lehre des Meisters seinen modern denkenden Colle- 
gen fasslicher, zugänglicher zu machen, ihm An¬ 
schauungen moderner Art unterlegt und so ein 
Verquickungsbild geschaffen, das dem Originale 
nur noch im Ganzen, aber nicht im Einzelnen 
ähnlich ist? Die Idee des „Organspecifischen,“ die 
der Lehre Rademachers eher entspricht, ist der 
ursprünglichen Hahnemann’s fremdartig. — Wenn 
er pag. 18 noch einmal die Frage aufwirft: „Wie 
kommt Hahnemann zu der Annahme, dass eine 
Krankheit durch das Arzneimittel geheilt wird, 
welches bei Gesunden die jener ähnlichsten Symp¬ 
tome hervorruft? Auf dem Wege logischer De- 
duction ist dieses Princip nicht gefunden worden; 
sie muss ein Product der Inspiration sein und hat 
durch die Erfahrungen Kranker ihre Bestätigung 
gefunden,“ so antworten wir, dass Hahnemann das 
Aehnlichkeitsgesetz zunächst auf dem Wege der 
Induction und des Experiments und dann mittels 
des logischen Instruments der Deduction gefunden 
hat, wie es die Strenge der Naturwissenschaft er¬ 
fordert. Er hat dann freilich sich auch bemüht, 
es mit den seiner Zeit bekannten physiologischen 
Thatsachen in Einklang zu bringen, es theoretisch 
zu begründen. Von dem Satze ausgehend, dass, 
wenn ein Theil des Organismus von zwei (zumal 
ähnlichen) Reizen getroffen wird, nur der stärkere 
Reiz zur Wirksamkeit kommt, indem er den 
schwächeren verdrängt, suchte er die Heilwirkung 
des Arzneireizes plausibel zu machen, wodurch er 
jedoch zu der Hypothese genöthigt wurde, dass 
der arzneiliche Reiz, und selbst in der minimalsten 
Gabe, unter allen Umständen mächtiger sein müsse 
und auch sei, als der morbide, um letzteren aus¬ 
zulöschen und so den normalen Zustand wieder¬ 
herzustellen. 

Dr. Sperling nimmt, um die Heilungsvorzüge 
nach dem Simile zu erklären, zu der orgavspeci- 
finahen Wirkung der Mittel noch eine causalspeci- 
fische und die molekularen Bewegungen hinzu. — 
,,Wir sehen, dass die Krankheitserreger (das Cho¬ 
lera-, Ruhr-, Diphtlieritisgift), die krankmachenden 
Ursachen, eine ebenso intime Beziehung zu ganz 
bestimmten Organen haben, wie die Arzneimittel. 
Während nun Professor Schulz behauptet, dass die 
durch die verschiedenen Krankheitsreize in den 
Organen, resp. Geweben, Zellen bewirkten Ver¬ 
änderungen (Hyperämie, Entzündungen) in ihrer 
Qualität nicht verschieden, sondern gleichartig seien, 
macht Dr. Sperling geltend, dass es nicht un¬ 


statthaft sei, anzunehmen, dass jeder besondere 
Krankheitsreiz eine eigenartige Reizung hervorrufen 
müsse. Es sei nicht glaubhaft, dass eine Reizung 
der Ganglienzellen durch Freude, durch Angst, 
durch Trauer, durch Trauma, durch Chloral oder 
durch Arsen die gleiche Molekularbewegung hervor- 
rufe, was freilich das Mikroskop nicht nachweisen 
könne. ,,Praktisch legt uns diese Differenzirung 
den Zwang auf, bei der Wahl des Mittels nicht 
nur auf die „Organspecificität“ desselben Acht zu 
geben, sondern auch zuzusehen, dass es zu dem 
ätiologischen Moment specifisch ist („ätiologisch- 
specifisch“). Dieser Anforderung genügt die Ho¬ 
möopathie, wenn sie z. B. bei Traumen, Quetsch¬ 
wunden Amica, Calendula, Hamamelis, nach Säfte¬ 
verlusten China; Nux vomica, Pulsatilla, Ipeca- 
cuanha nach Indigestionen, das erstere besonders 
in Folge von Genuss alkoholischer Getränke, also 
bestimmte Mittel bei bestimmten Krankheitsursachen, 
für indicirt erklärt und erprobt hat. 

,,Causal - und Organ-Therapie, das sind die 
beiden Ziele, sagt Verf. pag. 21, welcher die mo¬ 
derne medicinische Wissenschaft und Kunst zu¬ 
zustreben hat.“ 

Für die Organ-Therapie und die ihr dienenden 
Mittel geben die Prüfungen der Arzneikörper an 
Gesunden die ausreichenden Indicationen. — 

Um die Causal-Therapie klarzulegen, sieht sich 
Verf. genöthigt, in die Tiefen der Molekular- 
Theorie hinabzusteigen, wobei ihm von Grauvogl, 
den er aber nicht gekannt zu haben scheint, ein 
wegeskundiger Führer hätte sein können. Sein 
Gedankengang ist im Allgemeinen folgender: 

Er geht von Virchow’s Definition des Lebens 
als einer eigenartigen Bewegung aus, die sich 
innerhalb des menschlichen Körpers in den aller¬ 
kleinsten Theilen, in den Zellen, Protoplasma¬ 
körnchen, in den Molekülen vollzieht. — Wird der 
Körper durch einen auf ihn ausgeübten zu starken 
Reiz krank, so hört diese Bewegung entweder auf 
oder sie vollzieht sich zu stark oder zu schwach. 
Die Rückkehr zur normalen Bewegung nennen wir 
Heilung. Die Art der Bewegungsstörung ist ab¬ 
hängig von der Krankheitsursache und von dem 
erkrankten Organ (Individualität der Krankheit), 
bezw. der vor der Erkrankung stattgehabten Mole¬ 
kularbewegung (Individualität des Kranken). 

Wenn nun ein Heilmittel die Fähigkeit haben 
soll, eine gestörte Molekularbewegung, die wir 
Krankheit nennen, zu beseitigen, wenn es im Stande 
sein soll, in einem so complicirten Vorgänge, den 
wir aus chemischen und physikalischen zusammen¬ 
gesetzt erkannt haben, wirksam einzugreifen, so 
muss es nothwendiger Weise Eigenschaften be¬ 
sitzen, welche jene Processe zu ändern, umzuge¬ 
stalten im Stande sind. Ref. will es kurz in den 


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87 


Worten condensiren: Das kurative Mittel muss sich 
als adäquater Reiz verhalten. So muss, sagt Verf., 
ein in der Bewegung seiner Moleküle gestörter 
Nerv von einem adäquaten Reiz getroffen werden, 
wenn diese abnorme Bewegung in den Normal¬ 
zustand zurückgeführt werden soll. Nachdem Verf. 
auseinandergesetzt, wie gerade die homöopathische 
Arznei-Bereitung dazu angethan ist, die molekulare 
Bewegung der medicamentosen Stoffe zu ermög¬ 
lichen und zu begünstigen, kommt er zu dem 
Schluss: „Die theoretische Annahme, dass Mittel in 
solcher Form, wie die Homöopathie sie darstellt, 
einen adäquaten Reiz für die Körpergewebe bilden, 
und dass sie krankhafte Störungen heilen können, 
stösst auf keine Schwierigkeit. Ja, es lässt sich 
sogar annehmen, dass sie desshalb, weil sie eben 
adäquate Reize zuführen, viele Krankheitszustände 
besser heilen, als die Mittel in den Formen, welche 
wir (die alte Schule. Ref.) anzuwenden gewohnt 
sind. 4 * 

Praktische Beispiele für das, was man als adä¬ 
quate Reize aufzufassen habe, giebt Verf. pag. 22: 
„Der magnetische Stab wird unmagnetisch, wenn 
die Umkreisung des elektrischen Stromes aufhört, 
wenn ein daran gehängtes Gewicht plötzlich ab- 
reisst, oder wenn er einer mechanischen Erschütte¬ 
rung ausgesetzt wird. — Der neuralgische Nerv 
kehrt zur normalen Bewegungsform seiner Moleküle 
zurück, was sich durch Aufhören der Schmerzen 
documentirt, wenn der Kranke die bisherige feuchte 
Wohnung verlassen und ein trockenes Klima auf¬ 
gesucht hat; wenn er den üblichen Cigarrengenuss 
von 12 auf 2 Stück herabsetzt, nach einer ge¬ 
ringen Dosis Chinin, Ferrum oder Arsen., nach 
Galvanisation, in Folge einiger warmer oder Dampf¬ 
bäder etc. — 

„Wie die praktische, tägliche Erfahrung lehrt, 
dass es für ein krankes Organ mehrere adäquate 
Reize giebt, von denen freilich bei genauerer 
Prüfung der eine vor dem anderen den Vorzug 
verdient, so muss auch die Annahme berechtigt 
sein, dass allen diesen genannten Heilmitteln ein 
Moment innewohnen muss, welches allen gemein¬ 
schaftlich ist und als „der adäquate Reiz an sich M 
bezeichnet werden kann. w 

Verf. hat sich redlich bemüht, seinen Collegen 
die Prävalenz der in homöopathischer Weise ge¬ 
reichten Arzneimittel zur Einleitung solcher adä¬ 
quater Reize darzuthun, dass wir nur wünschen 
können, er möge den damit beabsichtigten Zweck 
bei ihnen erreichen. — 

„Die Hahnemann’ßche Auffassung über das 
Wesen der Krankheiten und die Wirkung der 
Heilmittel ist einer der wundesten Punkte der 
Homöopathie. Und doch, was hat Hahnemann im 
schlimmsten Fall gethan? Eine falsche Theorie 


für Thatsachen aufgesucht, an deren Erklärung 
das Wissen der heutigen Zeit ebensowenig heran¬ 
reicht, wie das der damaligen. Hahnemann’s Ver¬ 
dienst, Thatsachen an’s Licht der Welt gezogen 
zu haben, die sich bisher dem menschlichen Blicke 
entzogen hatten, wird darum in nichts geschmälert. 
Viel bedauerlicher ist es, dass die medicinische 
Wissenschaft ohne Rücksicht auf diese Thatsachen 
weiter geschritten ist und in Ermangelung des 
weiten Ueberhlicks über das grosse Ganze so viele 
Fehler in der Rechnung gemacht hat, die nur durch 
die Nichtberücksichtigung dieser Factoren ihre Erklä¬ 
rung findet.“ Diesen Satz unterschreiben wir gern. 

Verf. hat sich durch zahlreiche Versuche von der 
Wirksamkeit homöopathischer Mittel an Kranken 
überzeugt; er giebt auch einige seiner klinischen 
Erfahrungen zum Besten. Er ist allmählig zu der 
Ueberzeugung gelangt, dass, eine richtige Anwen¬ 
dung des richtigen Mittels vorausgesetzt, diese 
Mittel schneller, in gewissem Sinne intensiver und 
nachhaltiger wirken, als die vom Standpunkt der 
symptomatischen Therapie in massigen Gaben an¬ 
gewandten. „Unsere Pharmakologen, sagt er, 
mögen nachprüfen, bis zu welchem Grade der Ver- 
theilung der wirksamen Substanz, bis zu welcher 
Potenz man gehen kann, um noch wirksame Stoff- 
theilchen in der verordneten Dosis zu haben. Die 
Prüfung des Verhältnisses zwischen Individualität 
des Kranken und Individualität der Krankheit einer¬ 
seits und der zweckmässigen Potenz andererseits 
wird noch weitere umfassendere Studien erfordern.“ 

Der Verfasser berührt dann noch manche für 
die Homöopathie wichtige Punkte, auf deren Be¬ 
sprechung wir aber hier verzichten wollen; lässt 
er sich doch selbst über die Schüssler’sche und 
Weihe’sehe Methode aus, sowie über die Ver¬ 
breitung unserer Heilkunst. — Die kritische Studie 
Dr. Sperlings ist in der Sammlung medizinischer 
Abhandlungen, für praktische Aerzte und Studirende 
in Max Merten’s Verlag (Wien und Leipzig) er¬ 
schienen, und werden seine Collegen hoffentlich 
das, was er in diesem compendiösen Schriftchen 
über die homöopathische Arzneimittellehre, über 
die Praxis und Theorie der homöopathischen Heil¬ 
kunst ihnen dargeboten hat, nicht von sich weisen. 
Wir aber sprechen dem Verfasser für seine ver¬ 
dienstliche Arbeit unsere Anerkennung aus und, 
wenn er sich auch nicht Homöopath nennen und 
so genannt sein will, so drücken wir ihm doch 
collegialiter die Hand, um so mehr, da er um 
unserer Sache willen schon ein Stückchen Martyrium 
erfahren hat. — Wir empfehlen die Lectüre dieser 
kritischen Studie den homöopathischen Aerzten an¬ 
gelegentlichst, zumal sie für die Apologetik unserer 
Heilmethode manchen neuen Gesichtspunkt eröffnet. 


4 * 


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Merkwürdige Heilung durch Graphit. 30. 

Mitgetheilt von Dr. Paul Lutze-Köthen. 

Am 27. Mai 1893 begehrte ein 17jähriges 
Fräulein aus F. in Anhalt meine ärztliche Hilfe 
wegen eines hartnäckigen Ausschlags an einem 
ihrer Finger. Das Uebel bestand schon seit 2 Jahren 
und stellte sich als ein weissliclier, kleienartiger, 
rauher Ausschlag am rechten Zeigefinger dar, der 
nur dann und wann ein wenig nässte und die eine 
ganze Seite des betreffenden Fingers einnahm. Seit 
14 Tagen zeigte er Neigung, sich auf den Daumen 
und Mittelfinger auszubreiten. Letzterer Umstand 
hatte wohl die Mutter des Mädchens veranlasst, ho¬ 
möopathische Hilfe in Anspruch zu nehmen, da die 
allopathische Behandlung bis jetzt ganz erfolglos 
geblieben war. 

Jucken bestand nicht. 

Das eigenthümliche und im Ganzen seltene Aus¬ 
sehen des Uebek erinnerte etwas an Lepra. Ich 
habe letztere zwar nur einmal als Kliniker im 
Leipziger Jacobshospital an einem aus Süd-Amerika 
herübergekommenen Kinde gesehen und auch nur 
in geringster Ausdehnung, denn die kranke Haut¬ 
stelle war nicht grösser, als eine Kirsche, dennoch 
steht mir das Bild dieses Ausschlags, dieser schreck¬ 
lichen Plage der Menschheit, noch so deutlich vor 
Augen, als hätte ich es gestern gesehen. Wegen 
dieser Aehnlichkeit trug ich auch in mein Krauken- 
buch ein: Eczema leproides. An eine echte Lepra 
konnte ich selbstverständlich schon aus ätiologischen 
Gründen nicht glauben, da das junge Mädchen 
weder in dem heissen Klima je zuvor war, noch 
mit Menschen aus dieser Gegend verkehrt hatte. 

Im Ganzen mit schwerem Herzen ging ich an 
die Behandlung heran. Wegen des Sitzes in der 
Nähe der Fingergelenke verordnete ich Graphit. 30. 
Potenz 2 Pulver, von dem jede Woche eins ge¬ 
nommen werden sollte. Ausserdem gab ich noch 
2 Scheinpulver und bestellte die Kranke nach Ver¬ 
lauf von 4 Wochen wieder in meine Sprechstunde, 
nicht ohne sie darauf aufmerksam zu machen, dass 
das Leiden nach den bisherigen Erfolgen als ein 
hartnäckiges anzusehen sei, und dass wahrschein¬ 
lich lange Zeit zur Heilung nöthig sein würde. 

Am 21. Juni erschien meine Kranke wieder 
und aus meiner an diesem Tage eingetragenen 
Aufzeichnung: ,,Scheint besser zu sein, Ausschlag 
schilfert ab,“ ersehe ich, dass in der That Besse¬ 
rung eingetreten war, jedoch muss sie so gering 
gewesen sein, dass ich damals den Fortschritt in 
der Besserung noch nicht sicher erkannt habe, und 
vorsichtiger Weise eintrug: scheint besser zu sein. 
Ich verordnete nunmehr 4 Scheinpulver ebenso ein¬ 
zunehmen, wie die ersten, um die günstige Wir¬ 
kung der Arznei durch keine Häufung der Arznei 


und dadurch vielleicht entstehende Erstverschlim¬ 
merung zu stören (an welche viele unserer jüngeren 
Jünger bekanntlich nicht glauben). 

Als ich den Finger am 12. Juli wieder be¬ 
sichtigte, war der Fortschritt der Besserung schon 
deutlicher wahrnehmbar, denn: „wesentliche Besse¬ 
rung“ ist heute der Vermerk im Buche. Verord¬ 
nung ebenso, d. h. 4 Scheinpulver auf gleiche 
Weise einzunehmen. Wer aber beschreibt mein 
freudiges Erstaunen, da das junge Mädchen nach 
etwa 6 Wochen wieder bei mir erscheint und mir 
ihren Finger zeigte, und ich die Haut daran ganz 
rein und glatt erblicke, als ob sie niemals einen 
Ausschlag getragen hätte. 

Und dies alles mit 2 Pulvern Graphit in der 
30. Verdünnung innerhalb von drei Monaten. — 
Das mache uns einmal ein Allopath mit seinen 
„höllischen Latwergen“ nach! 


LesefrUchte. 

Prof. Dr. H. Schulz (Greifswald) räth bei 
den Collapszmtänden der Cholera nicht Campher 
subcutan zu appliciren, da wir ja nicht wissen, 
wie sich bei einer, die vitalen Functionen so ge¬ 
waltig beeinflussenden Affcction die Resorption ge¬ 
staltet, sondern vielmehr das Mittel per os zu ver¬ 
abreichen, am besten in spirituöser Lösung, also 
Spirit, camphorat. Auch andere Excitantia, be¬ 
sonders starker schwarzer Kaffee in wiederholten 
kleinen Gaben empfehlenswerth. Von wesent¬ 
licherer Bedeutung die Behandlung des primär er¬ 
krankten Organes, des Darmes. In der Praxis als 
typische Darmmittel am meisten bewährt haben 
sich Veratrin und Arsen. Ersteres, als solches oder 
als Tinct. Veratrin., passt vorzüglich im Anfangs¬ 
stadium der Ch., wenn vorhanden sind: Erbrechen 
und Durchfall, kalter Schweiss, Gefühl von innerer 
Kälte, Muskelkrämpfe. Man verordne z. B. die 
1884 von Bloedau empfohlene Form: 

Rp. 

Veratrin. 0,005 

Spir. dilut. 

Aq. dest. aa 50,0 
M. D. S. */ 2 stdl. 1 Esslöffel. 

oder von einer Tinctur, dargestellt aus 1 Theil 
Rhiz. Veratr. auf 4 Theile Alkohol, wie sie 1857 
Hubony anwandte: 

Rp. 

Tct. Veratr. gtt. U. 

Aq. dest. 120,0 

Syr. Aurant. 30,0 

Hiervon gebe man je nach der vorhandenen Gefahr 
alle 15—20 Minuten oder 1—2—3 stdl. u. s. w. 


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29 


/ 


Erwachsenen 1 Esslöffel, Kindern ITheelöffel voll. — 
Auch Arsen wirkt sehr gut, es ist ein mächti¬ 
ges Stimulans für den Darm. Man ordinire: 

Rp. 

Acid. arsenic. 0,0005 
Aq. dest. 200,0 

oder: 

Rp. 

Sol. Kal. arsenic. 0,05 
Aq. dest. 200,0 

und lasse zunächst alle 15 — 30 Minuten, später 
langsamer 1 Theelöffel nehmen. 

(Deutsche medic. Wochenschrift 1892, No. 36.) 


Die ersten Zeichen Ton Ataxia locomotrix. 

Diese sind nach Prof. Fournier: 

1. Westphal’s Zeichen: Verschwinden des Knie¬ 
reflexes, fast in 2 / 8 aller Fälle. 

2. Rossberg’s Zeichen: Schwanken hei geschlos¬ 
senen Augen, und mit Gefahr, zu fallen, 
wenn die Krankheit etwas vorgeschritten ist. 

3. Das Treppen-Symptom: eins der ersten 
beim Beginn der Krankheit, die Schwierigkeit 
beim Hinabsteigen von Treppen. Der Kranke 
fürchtet, beim Niedersteigen derselben zu 
fallen. 

4. Beim Kreuzen der Beine hebt der an Ataxie 
Leidende das Bein, welches er über das an¬ 
dere legen will, höher als nöthig ist, beschreibt 
mit demselben einen weiten Bogen. 

5. Befiehlt man dem Kranken, wenn er sitzt, 
schnell aufzustehen und umherzugehen, so 
wird er nach dem Aufstehen eine Weile 
zögern, als ob er erst das Gleichgewicht 
suche, ehe er sich in Bewegung setzt. Soll 
er beim Gehen plötzlich Halt machen, so wird 
sich sein Körper, dem Impuls folgend, vorn¬ 
überbeugen, als ob er grüssen wollte, oder 
aber, im Gegentheil, sich rückwärtswerfen, 
um dem Impulse nach vorn entgegenzu¬ 
wirken. 

6. Man befiehlt dem Patienten, auf einem Bein 
zu stehen. Bei offnen Augen wird er sich 
damit abmühen, ehe es ihm gelingt, und wird 
instinctiv bald den andern Fuss zu Hilfe 
nehmen, um nicht zu fallen. Bei geschlossenen 
Augen wird er es kaum für einen Augen¬ 
blick fertig bringen, und, wenn man ihn nicht 
festhält, schwer auf den Boden fallen. 

Diese Zeichen beginnender Bewegungs-Ataxie 
werden nicht allemal beisammen Vorkommen; man 
soll aber daraufhin untersuchen, um einem ver¬ 
hängnisvollen Irrtlium in der Diagnose vorzubeugen. 


Cocain-EintrRuflung bet Ohren-Affection. 

Dr. A. Hecht erkrankte nach dem Genuss einer 
starken Cigarre unter Symptomen einer leichten 
Nicotinvergiftung; zugleich wurde er auf dem 
linken Ohre gänzlich taub , so dass er selbst in un¬ 
mittelbarer Nähe das Ticken der Uhr nicht wahr¬ 
nehmen konnte. Nur Knochenleitung erhalten. 
Ohrgeräusche von zischendem Charakter , namentlich 
Nachts heftig. Er diagnosticirte: Hyperämie des 
Trommelfelles, event auch der Paukenhöhle . Acute 
Otitis media schloss er aus, weil der chronische 
Rachenkatarrh, an dem er litt, ihm zur Zeit keine 
Beschwerden machte. Die ersten 2 Tage kleine 
Eisblase auf den Warzenfortsatz, Verstopfung des 
Gehörgangs durch einen eingeölten Wattepfropf, 
Laxantia. — Nachher wiederholte Einpinselungen 
mit T. Jodi auf der Proc. mastoideus, Einträufelung 
von Adstringentin. — Keine Bessei'ung. Jetzt 
Cocain (5°/ 0 ) lauwarm eingeträufelt. Unmittelbar 
darnach eher Verschlechterung des Gehörvermögens, 
nach H Minuten jedoch eclatante Besserung , so dass 
er die Uhr in der Entfernung einer Armeslänge 
ticken hörte. Ohrensausen verschwunden! — Noch¬ 
mals einige Tropfen eingeträufelt, wonach aber¬ 
mals erst Verschlimmerung , dann aber Gehör so¬ 
fort normal . In den nächsten Tagen beim Kauen 
und Gähnen feinblasiges Rasseln im Ohr, das aber 
spontan verschwand. Seitdem Alles normal. 

(Münch, med. Wochenschrift 1893, 37.) 

Ref. ist der Ansicht, dass diese Wirkung des 
Cocain auf das Gehörorgan, welche schon von ver¬ 
schiedenen Ohrenärzten bei Affectionen des äussem, 
mittlern und innern Ohres mit Hyperämie der Ge¬ 
webe, bestätigt worden ist, als eine specifische an¬ 
zusprechen ist, umsomehr, als die Erstverschlimmc- 
rung hier so deutlich auftritt. 


Parotitis epidemica. 

SubmaxiUarer Mumps , also eine P., wo der 
Infectionsstoff nicht die Parotis, sondern die Glan¬ 
dula submaxillaris getroffen hat, ist schon öfters 
beobachtet worden. Dr. Wertheimber (München) 
behandelte nun wieder drei solcher Fälle und be¬ 
schreibt den markantesten von ihnen: 8 1 / 2 jähriger 
Knabe mit einer Geschwulst vom Umfang einer 
1 grösseren Haselnuss am inneren unteren Rande des 
' Unterkiefers rechterseits. Dieser Tumor ist die 
I vergrösserte Submaxillardrüse. Parotisgegend bei- 
| derseits frei von jeder Anschwellung. Leichtes 
I Erythem der Mund- und Rachenschleimhaut. Allge- 
j meinbefinden wenig gestört. In den nächsten Tagen 
! allmählige Zunahme der weichen, ödematösen Ge- 
j schwulst; Haut darüber blass, glänzend. Durch 
| die Geschwulst hindurch Drüse als kugelförmiger, 


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nicht sehr derber Körper fühlbar. Druckempfind¬ 
lichkeit nur mässig erhöht. Oeffnen des Mundes, 
Kauen und Sprechen etwas erschwert. Am zweiten 
Krankheitstage Temperatur (in recto): Morgens 38,8, 
Abends 39,3. Am dritten, vierten und fünften 
Tage Morgentemperaturen zwischen 39,6 — 40,0, die 
Abendtemperaturen zwischen 40—40,3 schwankend. 
Dabei Appetitmangel, Kopfschmerz, Apathie, hohes 
Schwächegefühl, Schlaflosigkeit, Unruhe, hin und 
wieder leichte Delirien. Vom sechsten Tage ab 
allmähliges Sinken der Temperatur und bald dar¬ 
auf Abnahme der Geschwulst. Am achten Tage 
kein Fieber mehr und nach kurzer Zeit auch Ge¬ 
schwulst verschwunden. Am dritten Tage war 
auch Anschwellung der linken Submaxillardrüse zu 
constatiren, aber weniger stark und von kürzerer 
Dauer. Am 15. Tage nach Erkrankung des Kin¬ 
des erkrankt die Mutter an typischer Parotitis! 
Ausserdem von Interesse das hohe Fieber und die 
schwere Allgemeinstörung bei relativ unbedeuten¬ 
der Localaffection! — Auch Dr. Wacker hat einen 
Fall von „contagiöser Schwellung der Glandula 
maxillaris“ beobachtet: 5 Jahre altes Kind erkrankt 
mit Appetitlosigkeit, Kopfschmerz, Schluckbeschwer¬ 
den. Fieber 38,6°. Leichte Schwellung der Sub¬ 
maxillardrüse. Innerhalb 24 Stunden beträchtliche 
Zunahme der letzteren. Parotis frei. Nach ö Tagen 
Geschwulst — Therapie: nur Priessnitz’sche Um¬ 
schläge, — ganz verschwunden, schon am dritten 
Tage vollkommene Euphorie. Zwei Tage nach 
dieser Erkrankung war auch die vierjährige 
Schwester, einige Tage später noch die beiden 
anderen Geschwister an der gleichen Affection er¬ 
krankt. Endlich bekam die Mutter wieder ein 
paar Tage später eine reguläre P., wobei die Paro¬ 
tis beiderseits ergriffen wurde. In demselben Hause 
erkrankten dann noch 3 Personen an charakte¬ 
ristischem Mumps. Also bewiesen, dass das infec- 
tiöse Agens der P. nicht an die Parotis als Infec- 
tionsherd gebunden ist, sondern ebenso gut andere 
Drüsen afficiren kann. 

(Münchener medic. Wochenschrift 1893, No. 35.) 


Pruritus von Kaffee-Genuss. 

Nach Brown-Söquard steht der Pruritus in 
manchen Fällen mit dem Kaffee-Genuss im Zu¬ 
sammenhänge. So beobachtete er dies Leiden in 
hartnäckiger Form bei einem Manne. Nachdem 
dieser sich des Kaffees enthalten, verschwand die 
Affection nach 2—3 Wochen gänzlich; als er nach 
einiger Zeit wieder dies Getränk zu sich nahm, 
kehrte auch das alte Leiden wieder zurück. 

(Tlierap. Monatshefte. 1892. No. 8.) 


Motorische und trophische Storungen in Yer- 
bindung mit Prolapsus uteri. 

Dr. Kyri hat den Faradayschen Strom benutzt 
für die electrische Untersuchung der Beckenmuskel, 
insbesondere der Levator ani. Die normalen Muskel¬ 
bewegungen zeigten sich in folgenden Hauptformen: 

1. Schnelle, mässig starke Contractionen. 

2. Peristal tische Contractionen, welche am Cervix 
uteri beginnen und sich weiter ausbreiten. 

3. Unregelmässige, partielle Contractionen an 
einer oder mehreren Stellen in der Vagina. 
Die Vagina selbst kann eine gewisse Con- 
traction zeigen. 

Die Hauptformen der von ihm beobachteten 
motorischen Störungen: 

1. Allgemeine Hypertrophie der Muskeln mit oft 
hochgesteigerterallgemeinerErregbarkeit;über- 
mässig unregelmässige Bewegungen ohne aus¬ 
dauernder Kraft. 

2. Dünnwandige, atrophische, erschlaffte Vaginal¬ 
wandungen mit sehr schwachen Contractionen, 
oder gänzlichem Mangel derselben. 

3. Partielle Störungen der ersten oder zweiten 
Art. 

Alle diese Formen kommen bei den verschie¬ 
denen Arten des Prolapsus uteri vor. — Man kann 
wohl annehmen, dass ähnliche motorische Störungen, 
Hypertrophie mit Muskel-Erregbarkeit und Atrophie 
und mit Paralyse, in anderen Theilen mit glatten 
Muskeln Vorkommen werden. 

Da die normalen vaginalen Bewegungen sowohl 
als ihre Reflexe auf diesen Reiz des Nervensystems 
fortbestehen, so geht daraus hervor, dass die Inner¬ 
vation selbst geschädigt ist in der Gegend, welche 
vom Ganglion cervicale beherrscht wird; die patho¬ 
logischen Zeichen im Nervensystem selbst sind 
unbedeutend. 

Die motorischen Störungen, die trophischen Ver¬ 
änderungen in den Muskelfasern, und die Störungen 
des Nervensystems selbst sprechen dafür, dass wir 
es mit trophischen Nervenstörungen zu thun haben. 
Sie bieten ganz klar die klinischen Bilder von 
Hypertrophie, Atrophie, motorischer Reizbarkeit 
und Zeichen der Paralyse. Man kann schwerlich 
sagen, dass das Herabdrängen, Ziehen und Er¬ 
schlaffen von Geweben einer mechanischen Ursache 
allein zuzuschreiben seien. Sie weisen vielmehr auf 
tiefsitzende Störungen im Nervensystem hin. Der 
Beweis hierfür liegt in der Thatsache, dass das 
Nervengebiet für die Fascien, das vom Ganglion 
cervicale beherrschte Gebiet, in jenen Fällen zu¬ 
nächst afficirt ist, wo diese Affectionen zur Paralyse 
führen, und es muss also auch primär mit afficirt 
sein, wo eine Zerreissung des Periueum oder des 
Levator zu Prolapsus führt. 


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31 


Eine der wichtigsten Zeichen in Nervener¬ 
krankungen ist am wenigsten beachtet worden, die 
trophischen Störungen im Bindegewebe. Es ist 
sicher, dass bei Verletzungen nicht allein das Binde¬ 
gewebe gezerrt und zerrissen ist, sondern auch die 
Nerven direct zerstört sind. Auch ist es wohlbe¬ 
kannt, dass in manchen Infections-Krankheiten und 
Entzündungen das Nervensystem direct afficirt ist. 
Diese Läsionen der Nerven endigen nothwendig 
mit solchen trophischen Erscheinungen in dem 
ganzen von den Nerven beherrschten Gebiete an 
den glatten oder gestreiften Muskeln, Drüsen, und 
seihst am Bindegewebe. 

Progressive, trophische Nervenstörungen, wahr¬ 
scheinlich von progressiven Erkrankungen des 
Sympathicus abhängig, können auch nach Erkran¬ 
kungen der Sexual-Organc Vorkommen. Eine solche 
erfolgt auch nicht selten nach Affectionen des Athmungs- 
und Darmtractus und allgemeiner infectiöser Er¬ 
krankungen, deren Endresultate man jüngst Enterop- 
tosis genannt hat. 

(Centralblatt für Gynäkologie No. 2, 1894.) 

Die mittels homöopathischen Mitteln bereits viel¬ 
fach auch bei Prolapsus Uteri erzielten Heilerfolge 
sind ein guter Beleg für die von Dr. Kyri hier 
vorgetragene Lehre, welche mit Recht auf den 


auch hei diesen scheinbar rein localen Erscheinungen 
den Einfluss des Nervensystems als causales Moment 
betont. Ref. 


Brandwunden. 

Dr. Spisharny behandelte einen Fall, in dem 
4 / 5 der Körperfläche verbrannt war, nach Barde¬ 
leben mit Bepudem von reinem salpetersaurem 
Wismuth, mit gutem Erfolge. 

Autor rätli,. ähnlich den Gypsbinden, Wismuth- 
binden stets für solche Fälle vorräthig zu halten. 

(St. Petersburger med. Wochenschrift 1893. 38.) 


Personalia. 

Dr. med. Waszily-Kiel undDr. med. Waelter- 
Wiedenbrück haben das Dispensirexamen bestan¬ 
den. — Herr Dr. Hochecker-Hildesheim ist, wie 
wir erst jezt erfahren, am 1. Januar a. c. gestorben. 


Druckfehlerverbesserung fttr Nr. 1/2. 

Seite 3 Zeile 19 v. o. 27 statt 24. 

,, 5 ,, 6 v. u. 31. statt 30. 

„ „ ,, 3 v. u. Beginn der 3. oder viel¬ 

leicht schon Ende der 2. Krankheitswoche. 


Anzeigen 


Stadt Wildbad. 

Erledigte Arztstelle. 

Die Stelle des hiesigen Stadtarztes ist durch Tod 
in Erledigung gekommen. Fixer Gehalt incl. der 
Belohnungen der Krankenkassengelder ca. 1000 Mk. 

Sollte diese Stelle durch einen bereits hier an¬ 
sässigen Arzt besetzt werden, so ist eine Distrikts¬ 
arztstelle dahier mit einem fixen Gehalt von ca. 
2000 Mk. aus den Bewerbern zu besetzen. Be¬ 
fähigte Aerzte werden eingeladen, ihre Meldungen 
mit Nationalliste und den erforderlichen Zeugnissen 
belegt, hinnen 14 Tagen hierher einzureichen. 

Den 6. Juli 1894. Stadtschultheissenamt. 

Bätzner. 

Arzt-Gesuch. 

In Krefeld, einer der schönsten niederrheini¬ 
schen Industriestädte, mit über 105,000 Einwohnern, 
ist die Niederlassung eines homöopathischen Arztes 
mit Dispensirrecht dringendes Bedürfniss. Derselbe 
findet hier, wie sein Vorgänger, der wegen schwerer 
Erkrankung wegzog, einen sicheren und lohnenden 
Wirkungskreis. Anfragen, betreffs näherer Aus¬ 
kunft, wolle man richten an den ersten Vorsitzenden 
des homöopathischen Vereins Horm. Menne. 


Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt seine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter Güte, weiss und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Probekisten, mit l0 j t oder l2 /, Flaschen, in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—. 


Mez & Söhne, Freiburg, Baden 

a em; elilen ihre luftdurchlässigen und 
desshalb allein zweckmässigen 

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aus Seide, Wolle oder Baumwolle. 

K&ttenkr&pß-Unterkleider aus Schappseide 

sind gesund und angenehm, und 

Dr. med. Walsers Chinagras -Wäsche 
in Krepp- und Zellenstoff. 

Prospecte postfrei zu Diensten. 


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32 


Im Verlage von A. Harggrafs homöopath. Offlein 
in Leipzig ist soeben erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

so wie der 

Ohrenkrankheiten 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Arzt in Basel. 

9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—, 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe 
Bd. 128, No. 23/24 dieser Zeitung. 


Kastanienblüthen^Oel 

und 

Kastanienblüthen-Tlnctur 

aus den frischen Blüthen bereitet, haben sich als 
thatsächlich gute Mittel zum Einreiben gegen 
Gicht nnd Rheumatismus schon seit langen 
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens 
empfohlen. 

Zu habeu in jedem gewünschten Quantum, in 
Flaschen ä SOPfg. bis zu Flaschen ä 1 / 2 Ko. = 4 M. 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


Panna, 

anerkanntes und vorzüglich bewährtes 

Bandwurm m ittel. 

Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum, 
direct von Natal in bester und frischester Qualität 
importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus¬ 
gedehntesten Anwendung und Anerkennung von 
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch- ■ 
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine 
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht 
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen 
Bandwurminittel. 

Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene I 
oder Kinder) Rink. 2.—. 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


Soeben ist erschienen die 6. Auflage des 


Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 


nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

„Genanntes Werkohen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu bour- 
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntnis und Gründlichkeit der 
Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und 

wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

| # Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in 

| Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu 
! nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle 
| Sympathie entgegenbringen.“ 

| Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde 
1 das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
■ und bereichert. 

1 So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
j Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
| Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc., 

1 die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung, 
j Ferner ist die Influonza, welche sich leider bei uns ein- 
1 zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den nenesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
; homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver- 
| fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
I je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Hecht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er beherzigenswerte Winke giebt. 

Der } ,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung m die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art übertroflfen werden. Aber auch Solche 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬ 
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben verseilen ist, wird den Freunden des 
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbe auch in seiner neuen vormehrten Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuor Eathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig, im April 1894. 


A. Marggrafs Homöopathische Officin. 



Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 


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Band 129, 


Leipzig, den 2. August 1894. 


No. 5 u.6 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITHG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Vertag von William Steinmetz (A.Marggraf’s homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint MtAgig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homdopath. Offlein ln Lelpolg) zu richten 
sind, werden mit SO Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet. 

Inhait. Einladung zu der am 9. August zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung der EpMemiologiselten 
Gesellschaft. — Bekanntmachung. — In bonis et voluisse sat est. Von Dr. Kallenbach-Rotterdam. — Eigenes und 

Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Schluss.) — lieber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka-Prag. (Schluss.) — 
Zur 6abenfrage. Von Dr. Kunkel in Kiel. — Ophthalmie diseases and therapeutics. Von Dr. A. B. Norton. Besprochen 
von Dr. Mossa-Stuttgart. — Retropharyngeal-Abseess. Von Dr. Proeil, Bad Gastein. — Lesefrüchte. — Anzeigen. 

Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. *'•8 


Einladung 

zu der am 9. August, Nachmittags 3 Uhr im Hotel zum Kronprinzen zu Eisenach stattindenden 

dritten Generalversammlung der Epidemiologischen Gesellschaft. 

Tagesordnimg: 

A. Geschäftlicher Theils 1) Bericht des Schriftführers über das abgelaufene Jahr nebst Reehnungsablegung. 

2 ) Neuwahl des Vorstandes, 

B. Wissenschaftlicher Theil: 1) Erzeugung von Schmerzpunkten an Gesunden mittelst Hocbpoteazei». 

2) Discussion über Gabengrässen in chronischen Krankheiten. 

Die Theilnehmer werden gebeten, Hochpotenzen, die sie geprüft wissen wollen, selbst mitzubnngen. 

Gäste sind willkommen. Q er Vorsitzende: 

Bonn, 14. Juli 1894. Lenser. 


Bekanntmachung. 

Die diesjährige 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 

wird am 9« and 10. Amgast In Eisenach abgehalten werden. 

Tagesordnung für beide Tages 


am 9. Augusts 
Geschäftssitzung pünktlich Abends 7 Uhr im Saale 
des Hotels zum Kronprinzen. 

1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemeldeten. 

2. Geschäftebericht: a) des Central Vereins-Vorstandes, b) des 
Coratoriums des Krankenhauses, c) des derzeitigen diri- 
girenden Arztes, d) de9 Vorstandes der Berathungsanstalt. 

3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Ertheilung der 
Entlastung auf Grund der von dem vereideten Revisor vor¬ 
genommenen Revision der Kasse nnd der Rechnungsablage. 

4. Neuwahl resp. Bestätigung des Kassen Verwalters. 

5. Neuwahl resp. Bestätigung des Institutsarztes. 

6. Bericht über die Vereinsbibliothek. 

7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungsortes. 

Antrag des Vorstandes: 

Antrag auf Genehmigung des Neudruckes der Statuten und 
deren Ausführungs-Bestimmungen in der zur Vorlage 
kommenden Form. 


am 10. August: 

Wissenschaftlich« Sitzung Morgens pünktlich 9 Uhr 
in demselben Saale. 

Thema: 1. Die Influenza. Ref. Dr. Windelband, Berli n. 
2. Euphrasia als Arzneimittel. 

Ref. Dr. Göhrum, Stuttgart. 
Vorsitzender: Dr. Kallenbach, Rotterdam. 

Nach der wissenschaftlichen Sitzung: 

I 1 /, Uhr gemeinschaftliches Mittagseseen 

in demselben Lokale. 

5 Uhr Fahrt nach der Wartburg. 

Ausser genanntem Hotel „zum Kronprinzen“ empfehlen 
wir das Hotel „zum goldenen L5wea u am Eingänge des 
Marienthaies, und den am Balmhofe gelegenen „Grosdierzog 
von Weimar.“ 

Es würde sich jedoch empfehlen, die Wohnung 8 Tage 
vorher zu bestellen, da Eisenach um diese Zeit immer noch 
sehr besucht ist. 


Der Vorstand: 

Dr. med. Web«r*Köln a. Rh. Dr. med. Lorbacher-Leipzig. Dr. med. Wlndelband-Berlin. 


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84 


In bonis et voluisse sat est.*) 

Unter diesem Motto, das den homöopathischen 
Aerzten bei ihren unausgesetzten Bestrebungen, 
ihrem Heilgesetze bei der Gegnerschaft Anerken¬ 
nung und in der Praxis Erfolge zu verschaffen, 
wohl recht häufig gegenwärtig sein wird, wünsche 
ich im Folgenden wieder einmal einen schon oft 
gehörten Schmerzensschrei auszustossen, der daher 
auch bei vielen Lesern gleichgestimmte Saiten an¬ 
klingen lassen wird. 

Unausgesprochen lastet noch immer wie ein 
Alp auf uns das Bewusstsein, von der officiellen 
Wissenschaft nicht als vollwerthig anerkannt oder 
gar als ausserhalb derselben stehend betrachtet zu 
werden. Noch immer glauben die Meisten unserer 
Collegen der alten Schule, mögen sie sich hoch oder 
niedrig auf der Stufenleiter der Gelehrsamkeit be¬ 
finden, unbedenklich das Recht zu haben, über 
die Homöopathie geringschätzend die Achseln zu 
zucken, sie im besten Falle als eine grosse Ver¬ 
irrung zu bezeichnen und ihre ärztlichen Vertreter 
zu verspotten oder gar einer wissentlichen Fäl¬ 
schung zu zeihen. Ein ansehnlicher Theil des 
Publikums, der unter dem Einfluss dieser von seinen 
Vertrauensärzten ausgehenden ungünstigen Beur¬ 
teilung steht, regelt darnach mehr oder minder 
sein Verhalten den Homöopathen gegenüber. Möge 
alles dies in verschiedenen Ländern und Städten 
auch in recht verschiedenem Grade in die Erschei¬ 
nung treten, im Ganzen und Grossen sind wir doch 
überall, am wenigsten freilich in Nordamerika, noch 
in einer etwas bedrängten Lage und empfinden 
den Rückschlag davon auf manchen Gebieten in 
. wenig erquicklicher Weise. 

Mit elementarer Gewalt drängt sich uns immer 
von Neuem die Frage auf, wird denn das niemals 
anders werden? ist denn gar keine Aussicht zu 
einer baldigen Annäherung, zu einem Ausgleich 
zwischen den Parteien vorhanden? Schon oftmals 
ist von den verschiedensten Seiten auf einzelne 
Erscheinungen aufmerksam gemacht worden, aus 
denen hervorgehen solle, dass am wissenschaftlichen 
Horizonte unserer Gegner das Licht der Homöo¬ 
pathie zu tagen begönne, dass die Materialien zu 
einer Ueberbrückung der die Parteien trennenden 
Kluft sich ansammelten und dass endlich unserer 
Lehre der ihr im Sonnenschein gebührende Platz 
eingeräumt werden würde. Ich muss gestehen, 

*) Diese kleine Arbeit, welche nichts Neues zu bringen 
beansprucht, sondern nur eine durch meine Brille be¬ 
trachtete Uebersicht einiger die Homöopathie betreffenden 
Fragen enthält, war eigentlich bestimmt, als Einleitungs- 
Vortrag von mir als designirtem Ehrenpräsidenten der 
diesjährigen Central Vereins -Versammlung in Eisenach ge¬ 
halten zu werden, wird aber nun hier abgedruckt, da ich 
leider meinem Amte nicht obwalten kann 


dass ich mich durch solche Worte nie habe blen¬ 
den lassen, und ich glaube, dass wir nicht be¬ 
rechtigt sind, auf Grund einzelner gegnerischer 
Anerkennungen der Heilbeziehung zwischen Krank¬ 
heit und ähnlicher Mittelwirkung uns viel versprechen¬ 
den Erwartungen hinzugeben. Wenn die herr¬ 
schende Richtung der Uni versitäts-Wissenschaft 
empirischen Beweismitteln überhaupt zugänglich 
wäre, so hätte das nun bald hundertjährige Be¬ 
stehen der Homöopathie, ihre zunehmende Aus¬ 
breitung, ihre unleugbaren Erfolge, die unzähligen 
von uns unermüdet angeführten Beispiele von Ho- 
moeopathia involuntaria, die Wirksamkeit der soge¬ 
nannten specifischen Mittel, alles dies hätte schon 
längst mit unwiderstehlicher Hebelkraft die ge- 
sammte therapeutische Anschauung der officiellen 
Schule aus den Angeln heben müssen. Nichts 
davon ist geschehen. Jene fahrt fort, wie sie 
immer gethan hat, und, wie es scheint, in fana¬ 
tischer Verblendung und Opposition gegen die sich 
stets mehrenden Beweise der Wahrheit des Aehn- 
lichkeitsge8etzes, je länger desto eifriger und un¬ 
verdrossener auf Erklärung der Lebensvorgänge 
und deren inneren Zusammenhanges ihre Therapie 
aufzubauen und in der Beherrschung, Beschwich¬ 
tigung und Unterdrückung einzelner hervorragen¬ 
den pathologischen Erscheinungen ihr Heil zu 
suchen. Wie Pilze schiessen immer neue Mittel 
mit unsicheren Heilanzeigen, mit unmöglichen Namen 
und in nicht mehr zu übersehender Menge aus den 
Laboratorien auf; hei manchen glücklichen und 
schätzenswertlien Funden, die aber entweder haupt¬ 
sächlich der allen Schulen gemeinsamen Chirurgie 
mit ihren specieilen Abzweigungen zu Gute kom¬ 
men oder zur Kategorie der Palliative gehören, 
wird ein stets grösser werdender nutzloser Ballast 
angehäuft, und die therapeutische Zerfahrenheit 
nimmt zu, weil der leitende Faden fehlt, weil der 
Ausgangspunkt, die Begründung des Heilplanes 
auf das Erklären wollen der Lebensvorgänge selbst, 
eine Wahnvorstellung bleiben und zu Täuschungen 
führen muss. 

Wenn wir diesen Bestrebungen die Bündigkeit 
unseres Heilgesetzes, die Unveränderlichkeit der 
dadurch gegebenen Anzeigen, den bleibenden Werth 
unserer einmal ausgeprüften Mittel, die Einfachheit 
der Arzneigabe, und, last not least, die Hoch¬ 
potenzenlehre gegenüberstellen, welche die ge- 
sammte Molekulartheorie als Basis der Natur¬ 
wissenschaften über den Haufen wirft, so sind da¬ 
mit so grosse fundamentale Unterschiede zwischen 
den beiden Schulen gegeben, dass ein Ausgleich 
in absehbarer Zeit für mich wenigstens ausge¬ 
schlossen scheint. Nirgends noch ist eine Annähe¬ 
rung unserer Gegner und nur ganz vereinzelt ein¬ 
mal die Neigung bemerkbar, unsere Lehre gründ- 


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85 


lieh zu prüfen, was denn doch erstes Erforderniss 
sein müsste, und auf medicinischen Congressen, 
in wissenschaftlichen Versammlungen und in ge¬ 
lehrten Abhandlungen wird noch stets die Homöo¬ 
pathie vornehm ignorirt und höchstens einmal ihrer 
gedacht, um sie als unwissenschaftlich und abge- 
schmackt hinzustellen und ihre Erfolge auf jede 
andere Weise, nur nicht durch das Simile zu erklären. 
Und ob nun auch die Heilwirkung des Cyanqueck¬ 
silbers gegen Diphtheritis, des Chinin gegen Ge¬ 
sichtsneuralgie, des Veratrum gegen Cholera, des 
Phosphor gegen rhachitische Zustände etc. auf 
Grund der diesen Erkrankungen ähnlichen Prü¬ 
fungsergebnisse der genannten Mittel durch ein¬ 
zelne mehr erleuchtete Geister in absichtlich dazu 
angestellten Experimenten bestätigt worden sind, 
die Homöopathie wird dabei todtgeschwiegen, und 
auf die Grundanschauungen des neuen Entdeckers 
dieser uns längst bekannten Wahrheiten übt dies 
gleichwohl keinen sie stutzig machenden Einfluss 
aus, während die grosse Masse der übrigen Aerzte 
sich nicht im mindesten dadurch aus der Fassung 
bringen lässt. Auch die freimüthigen Zugeständ¬ 
nisse, die in neuerer Zeit Dr. Sperling an die Ho¬ 
möopathie gemacht hat, werden an dieser Sach¬ 
lage nichts verändern, denn seine Stimme wird 
wieder gleich der des Rufers in der Wüste unge- 
hört verhallen und die Arztwelt darüber zur ein¬ 
fachen Tagesordnung übergehen. Wie schwach 
unsere Stellung, in Europa wenigstens, aber auch 
noch immer bleibt, wie wenig sie in der Öffent¬ 
lichkeit noch Würdigung findet, zeigt die be¬ 
trübende Wahrnehmung, dass unsere einzige Uni¬ 
versitätsfakultät in Buda-Pest, deren Erhaltung für 
die Homöopathie in der Zukunft, wie ich kürzlich 
erfuhr, überhaupt sehr fraglich ist, ausser einzelnen 
Ausländem kaum noch Zuhörer hat, dass ferner 
unser mit Mühe zu Stande gebrachtes Leipziger 
Krankenhaus nur eben sein Dasein fristet, dass die 
Geburt des Schmerzenskindes unserer tüchtigen 
Berliner Aerzte, des in der Reichshauptstadt zu 
gründenden homöopathischen Krankenhauses noch 
immer nicht über die vorbereitenden Wehen hin¬ 
ausgekommen ist, dass endlich noch andere kleinere 
Unternehmungen der Art keineswegs grünen und 
blühen. Wenn man solchen Erfahrungen gegen¬ 
über sieht, dass in einem so kleinen Lande wie 
Holland mit nur 6 homöopathischen Aerzten kühne 
Streber schon lustig in das Hospitalhom blasen, 
so weiss man wahrlich nicht, soll man ihren Muth 
oder ihre Kurzsichtigkeit mehr bewundern? 

Wir können es billiger Weise unseren vorur- 
theilsvollen Gegnern gar nicht so sehr verdenken, wenn 
sie sich durch die Homöopathie nicht sehr ange¬ 
zogen fühlen. Denn welcher Theil derselben 
sollte sie verlocken ? Schon gleich unser Similia 


similibus curantur ist ihnen der grosse Stein des An- 
stosses, da die Wissenschaft von dem Standpunkte aus¬ 
geht, dass gegenüber der unendlichen Mannigfaltig¬ 
keit der pathologischen Erscheinungen und ihres 
ursächlichen Verbandes die Aufstellung eines ein¬ 
zigen Heilgesetzes unzulässig ist. Sind etwa unsere 
für den Unkundigen beinahe abschreckenden und 
kaum verständlichen Symptomen-Versammlungen, 
die wir Arzneimittellehre nennen, so sehr ver¬ 
führerisch? Könnte es die haarspalterische Schema- 
tisirung der Symptome sein, wie sie in der ver¬ 
gleichenden Arzneimittellehre von Gross-Hering 
niedergelegt ist. Vielleicht unsere Erfolge? Als 
oh sich mit Erfolgen nicht alles und nichts be¬ 
weisen Hesse; als ob die in unserem kasuistischen 
Material verzeichneten vielfach nicht mangelhaft 
begründet und wenig geeignet wären, um Bekehr- 
linge zu machen! Soll die Gabenlehre mit ihren 
Auswüchsen der 1000. und 50000. Potenz sie 
verleiten? Vielleicht die Aussicht, mit den nase¬ 
weisen Wuchergebilden des medikasternden Laien¬ 
thums in eine wenig schmeichelhafte Concurrenz 
zu kommen? Oder gar die Gewissheit, aus der 
Phalanx der officiellen Wissenschaft ausgestossen 
und obendrein ausgelacht zu werden? Der Schritt 
von drüben zu uns ist eben ein überaus schwerer 
und jetzt in weit höherem Grade noch als früher, 
wo die grossen Gebrechen der Heilkunde auch 
von deren Anhängern selbst eingesehen und in den 
grellsten Farben geschildert worden sind, und wo 
die heutigen Fortschritte in der Erkenntniss der 
Lebensprocesse, die mehr als je zu der Begrün¬ 
dung der Therapie auf sie verleiten können, noch 
nicht gemacht waren. 

Bei dieser Lage der Verhältnisse müssen wir 
als Bekenner und Märtyrer einer zwar unvergäng¬ 
lichen aber von der Majorität noch unverstandenen 
Wahrheit vorläufig noch in gemeinsamer Arbeit 
geduldig ausharren, bis eine ungewisse Zukunft, die 
nicht allein in unserem, sondern auch im Interesse 
der Heilkunst und damit in dem der ganzen 
Menschheit liegende Einigung der dissentirenden 
therapeutischen Schulen herbeiführt. Um aber 
zur Erreichung dieses Zieles auch unsererseits pro 
virili parte beizutragen, müssen wir in erster Reihe 
tüchtige, durchgebildete, wissenschaftliche Aerzte 
sein, damit wir im gegebenen Falle entscheiden 
können, wo Raum und Anzeige für die Anwen¬ 
dung des homöopathischen Heilgesetzes vorhanden 
ist, auf dass die Missachtung der Warnung: „qui 
trop embrasse mal etreint“ sich nicht an uns und 
dem guten Namen unserer Lehre räche. Wir wer¬ 
den also der, Vielen lieb gewordenen, Gewohnheit 
entsagen müssen, das Similia similibus als ein all¬ 
gemein gültiges Heilgesetz anzusehen, und ihm 
nur die Tragweite zuerkennen, die ihm wirklich 

5 * 


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36 


zukommt, da» ißt seine durchgreifende Wahrheit 
auf dem Wege des Heilens durch Arzneimittel. 
Man braucht, ganz abgesehen von der operativen 
Chirurgie und von den rein mechanischen Hilfs¬ 
mitteln, nur die verschiedenen Heilpotenzen zu 
nennen, als da sind: Diät, Luft-, Wasser-, Trink- 
und Badekuren, die Abarten der Gymnastik, Mas¬ 
sage, Magnetismus, Elektricität, Hypnotismus etc., 
um dadurch schon auszusprechen, dass die auf 
diesen Wegen erzielten Heilungen entweder über¬ 
haupt gar nicht oder höchstens nur zum geringen 
Theile in geschraubter Weise durch das Simile-Ver¬ 
hältnis« erklärt werden können. Es giebt freilich 
zwischen den heterogensten Dingen noch Aelmlich- 
keits-Beziehungen. Während aber die Verfechter 
der Allgemeingültigkeit des Gesetzes doch als gute 
Homöopathen sogleich mit voller Emphase betonen 
werden, dass bei unserem Wahrspruch die Aehn- 
lichkeit eine sowohl äusserliclie wie innerliche und 
der Form, der Richtung uud dem Wesen nach 
anwesend sein muss, ersparen sie sich in anderen 
Fällen gern den Nachweis dieser Kriterien, nehmen 
vielmehr von vornherein die Allgemeingültigkeit 
als bereits bewiesen an und begnügen sich mit 
irgend einer in die Augen springenden Aehnlich- 
keits-Beziehung zur Stütze ihrer These, machen 
sich also einer verwerflichen Petitio principii schul¬ 
dig. Ihre Genügsamkeit würde indessen sofort 
Schiffbruch leiden, wollte man ihnen zumuthen, 
gegebenen Falles ihre Praxis durch einen Allo¬ 
pathen versehen zu lassen, weil zwischen diesem 
und einem Homöopathen als Menschen, studirten 
Männern, Collegen etc. ja doch bedeutende Ärm¬ 
lichkeiten stattfänden. 

In nächster Instanz erscheint es mir sehr 
wünschenswert, dass, wie solches schon längst in 
den Vereinigten Staaten von Nordamerika, dem 
Eldorado der Homöopathie, der Fall ist, die wissen¬ 
schaftlichen Vertreter unserer Lehre sich weit mehr 
als bisher, den chirurgischen Disciplinen und den 
so hoch entwickelten Specialfachem der höheren 
Sinnesorgane widmeten, um der Gegnerschaft nicht 
nur den Beweis von unserem Wissen und Können, 
sondern auch von der Leistungsfähigkeit der Ho¬ 
möopathie auch auf diesen sonst mehr als exclusiv 
angesehenen Gebieten zu liefern. Dadurch würden 
wir auch je länger desto sicherer in unserem Ur¬ 
teile über die Tragweite des Simile-Gesetzes wer¬ 
den können. 

Weiterhin müssen wir uns in der praktischen 
Thätigkeit einer strengen Selbstkritik befleissigen, 
um nicht überall da Kunstheilerfolge zu sehen, wo 
nach Darreichung von unseren Mitteln Kranke ge¬ 
sund geworden sind. Ein voll gerütteltes Mass 
von gerechtem Scepticismus ist für uns um so mehr 
geboten, als wir, überzeugt den einzig wahren Heil¬ 


weg zu beschreiten, die gegnerische Therapie für 
verfehlt und schädlich halten, trotzdem aber auch 
bei derselben den heilbaren Theil der kranken 
Menschheit oft genug wieder gesund werden sehen. 
Liegt da nicht der Schluss nahe, dass auch die 
palliative Methode, wenn auch auf Umwegen, häufig 
zur Heilung führen kann oder vielmehr, dass der 
Vis medicatrix naturae ein noch grösseres Gebiet, 
als man vielleicht zu thun geneigt ist, eingeräumt 
werden muss? Diese eine zu grosse Vertrauens¬ 
seligkeit ernüchternde Betrachtung sollte uns in 
der praktischen Thätigkeit immer gegenwärtig «ein. 
Zugleich müssten wir, wo es nur immer möglich 
ist, mehr darnach trachten, unseren Kranken¬ 
geschichten und mitgetheilten Heilerfolgen bei aller 
Berücksichtigungder homöopathischen Kriterien durch 
strengeres Feststellen der objectiven Symptome den 
Stempel der Wissenschaftlichkeit aufzudrücken. 

Abgesehen von den eben erwähnten allgemeinen 
Gesichtspunkten haben wir nichts Anderes zu thun, 
als unbeirrt durch das Gebahren des Gegners 
viribus unitis die Satzungen unserer Lehre weiter 
auszubauen und zu befestigen. Hauptsächlich 
müssen wir es uns angelegen sein lassen, unsere 
Arzneimittellehre, den reichen Born, aus dem wir 
fort und fort unsere Lebenskraft schöpfen, zu ver¬ 
tiefen und von dem Schlamme zu befreien, der 
seine Durchsichtigkeit und Brauchbarkeit noch be¬ 
einträchtigt. Bezüglich der Kennzeichnung und 
Unterscheidung der subjectiven Symptome sind wir 
nach meiner Meinung doch wohl an einer Grenze 
des Virtuosenthums angekommen, über welche hin¬ 
aus die Kunst des Heilens nicht mehr gewinnen 
kann. Zuweit gehende Betrachtung der Einzel¬ 
heiten trübt den Blick auf das Ganze und hemmt 
die pathologische Erkenntniss. War es zu Hahne- 
mann’s Zeit eine geniale Grossthat, in analytischer 
Weise die Arznei Wirkung nach ihren feinsten 
Nuancen zu erforschen und darauf eine neue The¬ 
rapie aufzubauen, jetzt, wo wir einen so grossen 
Schatz von werthvollen Bausteinen besitzen, könnten 
wir mehr noch, als bisher schon in Werken über 
Arzneimittellehre geschehen ist, darnach trachten, 
synthetisch die zusammengehörigen Verbandstücke 
aneinander zu fügen, das Tragende in ein rich¬ 
tiges Verhältnis zu dem Getragenen zu bringen, 
die vorhandenen Stylformen hervorzuheben, mit 
einem Worte, die Krankheitsprocesse nach den 
Symptomen noch schärfer zu charakterisiren. Hierzu 
müsste noch eine Lücke ausgefüllt, nämlich der 
Erforschung der objectiven pathologischen Erschei¬ 
nungen, welche die Arzneien erzeugen könnten, 
besser Rechnung getragen werden. Eine der wich¬ 
tigsten Ergänzungen dürfte dann wohl das Fest¬ 
stellen der chemischen und mikroskopischen Ver¬ 
änderungen des Harns in Folge von absichtlichen 


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und unabsichtlichen Prüfungen der tiefer in die 
Oekonomie des Körpers eingreifenden Arzneien 
und Gifte sein. Was soll man beispielsweise mit 
einem Patienten beginnen, der kaum irgend welche 
brauchbaren Symptome für die Wahl eines homöo¬ 
pathischen Mittels darbietet, dessen Harn-Analyse 
aber die folgende ist: 


Farbe normal 
Reaction neutral 
Spec. Gewicht 1,022 


Viel Indikan 

Phosphate 

Viel Oxalas Calcis 

Eiterkörperchen 

Schleimkörperchen. 


Wo ist, frage ich, ein Mittel in unserer Arznei¬ 
mittellehre, welches zu diesen auf nicht unbedeu¬ 
tende Ernährungsstörungen weisenden Harnbestand- 
theilen ein Simile andeutet?*) 

Ferner müssen wir, überzeugt wie wir sind, 
nur im Zeichen des Simile siegen zu können, und 
eingedenk des Wortes: „Ne pestis intret vigila“ 
den sogenannten Verbesserern und Neuerern mit 
Argusaugen scharf auf die Finger sehen, damit nicht 
durch Einschmuggelung fremdartiger Elemente die 
klassische Einfachheit unserer Lehre verdorben werde. 

Könnten wir schliesslich noch die Extravaganzen 
und mystischen Anklänge der Hochpotenzen von 
uns abschütteln, ohne uns dabei des unentbehr¬ 
lichen, wenn auch immerhin noch anarchistischen 
Theiles derselben zu entäussem, so würden wir 
damit dem erstrebten Einigungsprocesse zweifellos 
Vorschub leisten. Und hierzu möchte ich rufen: 
„Quot deus bene vertat!“ 

Das Facit aus dem Vorstehenden ziehe ich in 
folgenden Strophen: 

Lasst fest uns steh’n und halten treu zusammen 
Und zeugen laut von uns’rem Edelstein, 

Dem Simile, der stets bei seinem Flammen 
Uns bringt aufs neu der Wahrheit Wiederschein! 
Und ob uns Feindschaft werde d’raus geboren, 

Ob Wissenschaft misskenn' uns spät und früh. 

Des Heilens Fahne, der wir zugeschworen, 

Muss ewig sein die Homöopathie! 

Dixi et salvari animam raeam. 

Dr. Kallenbach. 


Eigenes und Fremdes. 

Von Dr. Hesse-Hamburg. 

(Schluss.) 

H.: Clara Th., ein schmächtiges, 16jähriges 
Mädchen, hat seit langen Jahren stinkenden gelben 
Ohraßuss und ebensolchen Ausßuss aus der Nase, 

*) Anmerkung der Bedaction. Würde eine solehe Er¬ 
nährungsstörung, eine Art Oxalurie, wirklich ohne be¬ 
deutsame subjective und objective Symptome am Kranken 
bestehen? Schon das dabei oft vorhandene hartnäckige 
saure Aufstossen und der saure Mundgeschmack 
dürfte auf eine Säure (Schwefel-, Salpeter- oder Benzoe- 
Säure) hindeuten. 


Stinkender Fusssduceiss im Sommer , hatte Fasse 
im Winter, 

Juckender Schirm auf dem Kopf. 

Ueberstanden hat sie Lungenentzündung und * 
verschiedene Male Rachenbräune . 

24. Oct. 1892. Sulfur X. wöchentlich ein Pulver. 

29. Nov. Seit dem zweiten Pulver jegliche 
Absonderung fort, nur der Kopfschinn ist noch da. 
Scheinpulver. 

13. März 1893. Wegen bleichsüchtiger Be¬ 
schwerden N&tr. muriat. Ueb er die früheren 
Beschwerden wurde nicht mehr geklagt. 

Dr. King in Chicago wurde von einem Patien¬ 
ten wegen Schlaflosigkeit consultirt 

Das genaue Krankenexamen ergab: 

Kopfschmerz auf dem Sdseitel. 

Schwere im Hinterkopf. 

Impotenz. 

Jucken am Perineum, Brennen nach dem Kralzen . 

Schweiss bei geringer Anstrengung. 

Rückenlage unmöglich; sie scheint ihn zu er¬ 
sticken und bewirkt Ohnmacht. 

Sehr unruhig Nachts, in steter Bewegung. 

Die Fasse brennen des Nachts so sehr, dass er 
beständig halle Stellen für sie sucht, sie in ein nass¬ 
kaltes Tuch einschlägt, oder sie ganz aus dem Bett 
herausstreckt. 

Dieses Symptom und die Schlaflosigkeit hat er 
seit 20 Jahren. 

Dr. King gab ihm am 1. Sept. 1892 drei 
Pulver Sulfur Hochpotenz, jeden Abend eines zu 
nehmen. 

Am 4. Sept. sind seine brennenden Füsse und 
die Nächte noch dieselben, aber im Ganzen fühlt 
er 6ich bedeutend wohler. Kopfschmerz, Müdig¬ 
keit, Unlust sind verschwunden. 

Acht Tage später war die Impotenz gebessert 
und eine leichte Besserung im Schlaf und in der 
Hitze der Füsse bemerkbar. 

14 Tage später meldete sich der Patient als 
völlig gesund. 

(Dieses Brennen der Füsse Nachts im Bett, so 
dass man sie herausBtrecken muss, wird auch bei 
den Natronsalzen bemerkt, Natr. muriat, Natr. sul- 
furic., weist aber fast ausschliesslich auf Sulfur hin. H.) 

Dr. van Alta in Fellwridge berichtet über einen 
Fall, welcher ebenso merkwürdig ist durch die 
Reaction eines langjährig siechen Körpers auf eine 
Gabe Arznei, wie durch das geduldige Warten des 
Arztes auf die Wirkung dieser einen Gabe. 

Am 19. September 1891 sah ich Freddie W., 
8 Jahre alt. 

Drei Jahre vorher hatte er die Masern und sich, 
ehe er wieder völlig wohl war, eine Erkältung zu¬ 
gezogen, welch’ letztere von seiner Familie für die 
Ursache seines jetzigen Leidens gehalten wurde. 


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38 


Bald nach den Masern begannen seine Füsse 
zu brennen und zu jucken und die Haut sprang 
auf, besonders um die Zehengelenke. Die Risse 
vertieften sich, das Fleisch löste sich buchstäblich 
ab von den Knochen. Vier Zehen gingen in dieser 
Weise verloren; die Stümpfe heilten mit Hilfe von 
Salben und dann wurden die Fusssohlen ergriffen. 

Als ich ihn sah, waren in jeder Sohle Löcher 
von der Grösse eines halben Dollar, einen halben 
Zoll tief, und von hier aus liefen tiefe Risse nach 
allen Richtungen hin. Eine fettige, stinkende 
Flüssigkeit wurde abgesondert, die Fusssohlen waren 
so dick und hart, dass sie mehr Horn wie Haut 
schienen. 

Einstellen in kaltes Wasser war das Einzige, 
was das. Brennen und Jucken der Füsse etwas 
lindern konnte. 

Bei Tage konnte das Kind schlafen, die Nächte 
waren seit 8 Jahren ruhelos gewesen durch das 
unaufhörliche Bitten des Kleinen, die Eltern möchten 
ihm die Füsse kratzen. 

Der Knabe hatte in meiner Gegenwart Stuhl¬ 
gang und ich sah bei dieser Gelegenheit den 
schlimmsten Mastdarm Vorfall, der mir je vor¬ 
gekommen. Der Mastdarm kam über vier Zoll 
heraus und mass der Vorfall im Umfange am After 
acht Zoll. Nach dem Stuhl brachte der Junge 
selbst den Mastdarm zurück, der dann bis zum 
nächsten Stuhlgang drinnen blieb. 

Der kleine Patient hatte das Aussehen eines 
alten Mannes mit gefurchtem Gesicht. Er war so 
frostig, dass weder Fenster noch Thüre offenbleiben 
durften, dagegen durfte an seine Füsse nicht die 
geringste Wärme kommen, sonst wurde das Jucken 
und Brennen unerträglich. Fernere Symptome: 

Chronische Diarrhöe, oft unwillkürlich, zeitweise 
so arg, dass der Patient gar nicht sauber zu 
halten war. 

Des Nachts vier bis fünf Stühle, und zwar trieben 
ihn die Stühle immer früh Morgens aus dem Bett . 

Appetit gefrässig , nie satt; mehr Verlangen nach 
Tjeckereien , als nach kräftiger Nahrung. Er trinkt 
tnel Was8er. 

Das Jucken der Füsse schlimmer Nachts, wenn sie 
warm werden , besser von Kratzen und Entblössen. 

Der Junge ist so verdriesslich, dass mit ihm gar 
nicht auszukommen ist; er weint und schimpft den 
ganzen Tag, während er von Natur gutmüthig ist. 

Ich gab ihm am 29. September eine Gabe Sulfur 
Hochpotenz. 

Im October keine Aenderung. 

15. November Schlaf, Durchfall, Stimmung 
besser. Mastdarmvorfall derselbe; die Füsse sehen 
eher schlechter aus. 

10. December viel besser. Der Mastdarm fällt 
nicht mehr so oft und so weit vor. Schlaf gut, eine 


besondere Erleichterung für die Eltern. Die Füsse 
sehen besser aus. 

4. Januar 1892. Stuhl gut. Die Löcher in 
den Sohlen heilen und das Hornartige der Sohlen 
blättert ab. 

Die Heilung schritt schnell voran und im März 
konnte der kleine Patient die Schule besuchen. 

H.: Lehrer M. aus R., 46 Jahre alt. Seitdem 
er die Influenza vor einem Jahre durchgemacht, 
leidet er an Kopfschmerzen , anscheinend rheuma- 
! tischer Natur, von einem Punkte zum anderen 
| überspringend oder langsam übergehend. Ebenso 
lästig ist seit derselben Zeit ein umherziehender 
Schmerz im linken Arm. 

| Die Schmerzen sind schlimmer bei Witterungs - 
\ Wechsel, 

etwas besser in frischer Luft. 

Ausserdem Stockschnupfen , saures Aufstossen, 
besonders Nachts stinkender Fussscliweiss. 

15. October 1891. Sepia X. an zwei Abenden. 

7. November. Derselbe Zustand. Sulfur X. 

ebenso. 

16. December. Die Kopfschmerzen und der 
Schmerz im linken Arm sind in den ersten acht 
Tagen langsam aber vollständig verschwunden, 
ebenso die Magen säure und der Stockschnupfen. 
Gebessert sind der Fussschweiss und die Kälte der 
Füsse. Dem Patienten kommt es vor, als ob jetzt 
ein Stillstand in der Besserung eingetreten sei. Ich 
gab deshalb ein Pulver Sulfur 200. 

13. Februar 1892. Er war so wohl, wie noch 
nie im Leben. Seit 14 Tagen fühlt er Spuren der 
alten Schmerzen. Sulfur X. wöchentlich ein Pulver. 

Am 4. Juli 1892 wurde noch einmal das völ¬ 
lige Wohlbefinden constatirt. 

Sepia war falsch gewählt. Das Aufstossen 
Nachts passt für Sulfur, aber nicht für Sepia. 

H.: Eine Nekrosis der Tibia bei dem Pferde¬ 
bahnschaffner H. Derselbe Hess mich im Herbst 
1891 rufen wegen einer Erkrankung des rechten 
Schienbeins, wegen welcher ihm die Amputation 
vorgeschlagen worden war. Vor Jahren hatte er 
ein ähnliches Leiden an demselben Beine durch¬ 
gemacht, aber in weit geringerem Umfange. Vor 
einiger Zeit war Schwellung und Schmerzhaftigkeit 
! des rechten Unterschenkels eingetreten und der 
Arzt hatte, da Eiteransammlung bemerkbar wurde, 

I incidirt. Ich fand eine Nekrose der Tibia vor, eine 
künstliche Hautwunde in der Länge von etwa 12 cm, 
die Absonderung war nicht gutartig, dünn, eitrig¬ 
blutig. 

Das Allgemeinbefinden schlecht, schlaflose 
Nächte, in denen die Schmerzen immer schUmmer 
wurden. 

Bettwärme unerträglich. Appetitlosigkeit, zu- 
| nehmende Schwäche, Nachtschweisse. 


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S9 


Ich muss hier aus dem Gedächtnisse berichten, 
da mir die Notizen des Falles abhanden gekommen 
sind. 

Aber das eine weiss ich bestimmt, dass sowohl 
die Vergangenheit des Kranken, als auch die mo¬ 
mentanen Symptome auf den Schwefel hinwiesen. 

Ich gab Sulfur X. fünf Pulver, Morgens und 
Abends ein Pulver. 

Zwei Tage nachher kam die Frau des Patien¬ 
ten in die Sprechstunde, die Schmerzen des Nachts 
wären unerträglich geworden. 

Anstatt nun, wie es richtig gewesen wäre, auch 
für die Annahme einer Erstverschlimmerung, Schein- 
arznei zu geben, verordnete ich, da ich den Patienten 
an diesem Tage nicht besuchen konnte, Mercur X.; 
Am nächsten Tage, nach einer ebenso schlechten 
Nacht, sah ich ihn, überzeugte mich noch einmal 
von der Richtigkeit der ersten Wahl und gab Sulfur 
200. für einige Tage, dann Scheinpulver. 

Was sich zunächst besserte und zwar in den 
ersten Tagen, war das Allgemeinbefinden. Die 
Schmerzen Hessen nach, die Nächte wurden ruhiger, 
der Appetit hob sich, die Schweisse verschwanden, 
der Kräftezustand hob sich ebenfalls, allerdings 
sehr langsam. Der lokale Process besserte sich 
allmählig insofern, als sowohl die Quantität des 
Eiters reichlicher als die Qualität besser wurden. 

Die Erkrankung des Knochens war fast auf das 
ganze Schienbein ausgedehnt. Oberhalb und unter¬ 
halb der grossen Incisionswunde brach sich der 
Eiter neue Oeffnuhgen. 

Im Laufe der Monate entleerte sich eine grosse 
Anzahl kleinerer und grösserer abgestorbener 
Knochentheile bis zur Grösse eines grossen Tauben¬ 
eies. 

Ich sah den Kranken von Zeit zu Zeit, con- 
statirte stets ein vortreffliches Allgemeinbefinden 
und einen günstigen Verlauf des lokalen Processes. 
Die Behandlung war sehr erschwert dadurch, dass 
theilnehmende Verwandte und Bekannte immer 
wieder versicherten, ebenso wie die beiden früheren 
Aerzte, dass ein solches Leiden ohne Operation 
überhaupt nicht heilen könne. Ich selbst hatte 
vordem allerdings auch noch keine spontane Hei¬ 
lung einer Nekrose in diesem Umfange gesehen, 
aber ich nahm nicht von vornherein die absolute 
Unmöglichkeit einer solchen an. 

In den ersten Monaten 1892 Hess allmählig 
die Ahstossung der nekrotischen Knochentheile 
nach, ebenso die Eiterung, die grosse Oeffnung 
verkleinerte sich. 

Im Frühsommer ging der Patient, der mit Hilfe 
eines Stockes sich wieder so ziemHch bewegen 
konnte, aufs Land zur Erholung; einige grosse 
Fistelöffnungen waren noch am Unterschenkel, die 
wenig Eiter absonderten. 


Im Herbst sah ich ihn wieder mit einer sehr 
kleinen, tiefgehenden Fistel, welche fast nichts ab¬ 
sonderte, aber leicht blutete. Der Kranke wollte 
sich bedanken und von jetzt an leichteren Dienst 
machen. 

An Arznei waren zunächst ausser dem, nach 
meiner Meinung nicht passenden und wirkungslos 
gebliebenen Mercur. die fünf Pulver Sulfur X. und 
drei Pulver Sulfur 200. gegeben worden, dann 
wenigstens vier Monate lang gar keine Arznei. 
Das Allgemeinbefinden war so vorzüglich und der 
lokale Process verlief so günstig unter Production 
reichlichen gutartigen Eiters und steter Ahstossung 
nekrotischer Knochentheile, dass ich gar keine 
Handhabe und keine Indication fand, mit Arzneien 
einzugreifen. 

Nur einmal, als mir die Besserung stille zu 
stehen schien, gab ich, etwa vier Monate nach 
Sulfur, sechs Pulver Silicea X., wöchentlich ein 
Pulver. Ob sie nöthig oder nützlich waren, ist 
zweifelhaft. 

Ich habe mir später mehrfach die Frage vor¬ 
gelegt, ob durch häufiges Wiederholen oder öftere 
Gaben niedriger Potenzen nicht vielleicht ein 
schnellerer Erfolg hätte erzielt werden können. 
Diese Frage habe ich mir immer verneinen müssen. 
Ich kann bei einem so ausgedehnten Processe, der 
fast das ganze Schienbein umfasste, keinen gün¬ 
stigeren Verlauf verlangen, als den ich erreichte. 

Ferner war zu überlegen: Operation, d. h. 
operative Lösung des Sequesters oder nicht? Wenn 
ich annahm, dass das schlechte Befinden des Kran¬ 
ken, die Abnahme der Kräfte, die Nachtschweisse etc. 
von dem Aufenthalte des Sequesters in der Höhle 
herrührten, und mit der Entfernung desselben und 
dem Reinhalten der Höhle sich verlieren würden, 
so war von vornherein die Operation angezeigt. 

Hielt man aber die fehlerhafte Constitution, die 
schlechten Säfte, wie der Volksmund sich ausdrückt, 
die Dyskrasie für das Primäre, als Vorbedingung 
für die Entwickelung der Nekrose, so lag es nahe, 
zunächst auf die Verbesserung der ersteren hin¬ 
zuarbeiten un<J abzuwarten, was für den Operateur 
noch zu thun übrig blieb. 

Das Grenzgebiet zwischen dem Operateur und 
dem inneren Kliniker ist ein viel umstrittenes und 
wechselndes und wird stets ein solches bleiben. 
Es ist eine bekannte Thatsache, dass wir Homöo¬ 
pathen dem Operateur engere Grenzen ziehen, als 
unsere Collegen von der Schulmedicin. Aber es 
ist oft ausserordentlich schwer, in den zahlreichen 
zweifelhaften Fällen, welche uns als letzte Instanz 
anrufen, den richtigen Weg zu treffen. 

H. : Im Frühjahr vorigen Jahres wurde ich zu 
dem achtjährigen W. gerufen. Schon vier Monate 
vorher hatte seine Mutter bemerkt, dass der Leib 


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dicker wurde, und der Hausarzt constatirte Peri¬ 
tonitis mit reichlichem Exsudat. Als durch Zu¬ 
nahme des letzteren Athembeschwerden auf¬ 
traten, entleerte der hinzugezogene Operateur durch 
einfache Punktion etwa zwei Liter einer mit Eiter 
gemischten Flüssigkeit. Diese Procedur musste etwa 
vier Wochen später wiederholt werden. In der 
Zwischenzeit wurde versucht, auf andere Weise auf 
den Krankheitsprocess einzuwirken, so auch durch 
Injectionen Koch’scher Lymphe, aber ohne Erfolg. 
Der Chirurg erklärte das Leiden für eine tuber¬ 
kulöse Peritonitis und als sowohl er wie der Haus¬ 
arzt eine ungünstige Prognose stellten, erklärte 
sich der Vater als verpflichtet, anderweitige Hilfe 
zu suchen, entweder bei der Hydropathie oder 
Homöopathie, worauf ihn der Hausarzt an mich 
(wahrscheinlich als das kleinere Uebel) verwies. 

Ich fand einen abgemagerten Knaben, bei dem des¬ 
halb der aufgetriebene Bauch umso stärker hervortrat. 

Der Leib war ausserordentlich gespannt, die 
reine Trommel, der Nabel herausgetrieben, * überall 
leerer Schall bei der Percussion, mit Ausnahme der 
Magengegend. 

Die sonstigen Notizen über meinen ersten Be¬ 
such lauten: 

Krfiftezustaud nicht schlecht 

Nach der hn zweiten Lebensjahre erfolgten 
Impfung sind Kopfawschlag und Abscesse in der 
Achselgegend aufgetreten. 

Bettnässen und Nasenbluten waren früher oft da. 

Seit der Krankheit Durchfall , besonders in den 
Frühstunden , drei bis vier dünne, hellgraue Stühle, 
stets begleitet von Leibschinerzen. 

Oft Leibschmerzen, lästiger gegen Abend. 

Gegen Abend tritt Hitze auf mit Klagen über 
zu warmes Zimmer. 

Die Busse sind ihm ofl zu heiss ; er streckt sie 
zum Bett hinaus. 

Fast writinuirUches Fieber, zwischen 38° und 39°. 

Schlaf unruhig. 

Stimmung ärgerlich. 

Wie Jeder sieht, liegt ein prägnantes Schwefelbild 
vor, wo Vergangenheit und Gegenwart sich ergänzen. 

Alles, Kopfausschlag, Bettnässen, Nasenbluten, 
der Durchfall in den Frühstunden, die grauen 
Stühle, die heissen Füsse im Bett mit Verlangen, sie 
herauszustrecken, Alles ist charakteristisch für Sulfur. 

Um direct auf den lokalen Proeess, das Ex¬ 
sudat ein zu wirken, verordnete ich dreimal täglich 
zwei Tropfe® der dritten Potenz. 

Gleich in den nächsten Tagen zeigte sich der 
Einfl u ss des Mittels auf den Stuhlgang, welcher 
normal wurde, auf Stimmung und Schlaf, welche 
von da an nichts zu wünschen übrig liessen. Der 
Appetit wurde besser. 

Langsamer verschwanden Fieber, Leibschmerzen ' 


und die Schmerzhaftigkeit des Bauchs bei der Per¬ 
cussion. Dazu waren ungefähr vier Wochen nöthig. 
Ich ging später auf die zweite Decimale des 
Schwefels über. 

Noch langsamer ging die Abnahme des Exsu¬ 
dats, doch liess sie sich von Woche zu Woche con- 
statiren. Je mehr jene fortschritt, desto mehr 
liessen sich unebene, höckerige Stellen im Leib 
nachweisen, jedenfalls al^esackte Exsudate, die auch 
allmählig verschwanden. Bei der letzten Vorstel¬ 
lung des Kranken im August vorigen Jahres con¬ 
statirte ich zunächst ein ausgezeichnetes Allgemein¬ 
befinden, dann lokal: Der Leib ist immer noch 
etwas aufgetrieben; allerdings behauptet die Mutter, 
er habe stets einen stärkeren Leib gehabt, als die 
anderen Kinder. 

Mit Ausnahme einer kleinhandgrossen Stelle 
unterhalb der Milzgegend überall tympanitischer 
Klang; der Leib ist weich, ohne Unebenheiten, 
mit Ausnahme der betreffenden Stelle. 

Das Resultat hat mir viel Freude gemacht: ein. 
schwerer Fall mit anderweitig ungünstig gestellter 
Prognose, ein klares Arzneibild, Behandlung mit 
nur einem Mittel, ein günstiger Ausgang, der auf 
das Mittel bezogen werden muss. 

Ob hier einfache oder tuberkulöse Peritonitis 
Vorgelegen, erschien anfangs zweifelhaft. Nie- 
meyer sagt: „Die Tuberkulose des Bauchfells kommt 
fast niemals primär vor, sondern gesellt sich ent¬ 
weder zu einer Tuberkulose der Lungen oder des 
Darms oder zu einer Tuberkulose der Harn- und 
Geschlechtsorgane. In anderen Fällen ist sie Theil- 
erschemung der acuten Miliartuberkulose/ 4 Alles 
dies lag nicht vor, wenn man nicht den Durchfall 
als Darmtuberkulose auffasst, eine wohl etwas 
willkürliche Annahme. Es bleibt also einfache 
und, will man sie rubriciren, die sog. rheumatische 
Peritonitis übrig, welche, wie Niemeyer sagt, selten 
auftritt und fast niemals bei vorher gesunden Indi¬ 
viduen, in Folge von Erkältungen oder von un¬ 
bekannten atmosphärischen Einflüssen. 

Sulfur, das „göttliche Mittel“ nach von Bocnning- 
hausen, ist die in chronischen Krankheiten am häu¬ 
figsten indicirte Arznei. Die Sulfur-Constitution ist 
so verbreitet, dass der Rath gegeben worden ist, 
die Behandlung jeder chronischen Krankheit damit 
einzuleiten. 

Die Reihe der Fälle will ich schliessen mit 
einem interessanten Falle von G. W. Winterburn 
in New-York, an den ieh einen von mir beobach¬ 
teten noch anreihen werde. 

Ein für unheilbar erklärter Scirrhus des Pi/lorus. 

R. S. M., 50 Jahre ah, KutscheT seines Zei¬ 
chens, war zwei Jahre vordem, dass ich ihn sah, 
von seinem Sitz heruntergefallen und von seinem 
eigenen Wagen überfahren worden; die Bäder 


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gingen diagonal über seinen Körper, von der 
rechten Schulter zur linken Hüfte. 

Mehrere Rippen waren gebrochen und sonstige 
Verletzungen vorhanden. 

Im Bellevuespitale blieb er drei Monate. 

Vier Monate später, also sieben Monate nach 
dem Unfall, stellten sich bei ihm krampfhafte 
Magenschmerzen ein, die allmählig heftiger wur¬ 
den. Nach Verlauf mehrerer Monate begann er die 
Speisen mehrere Stunden nach dem Essen zu er¬ 
brechen. In dem Erbrochenen zeigten sich kaffee¬ 
satzartige Massen. Hinzu traten äusserst heftige, 
bohrende Schmerzen in der Gegend des Pylorus. 

Nachdem er allopathisch behandelt und Magen¬ 
krebs diagnosticirt worden war, kam er zuletzt ins 
Manhattanspital auf meine Klinik. 

Gegenwärtiger Zustand: 

Sehr abgemagert. 

Haut gelb und trocken , rauh und gerunzelt 

Gesichtsausdruck verzagt, Stimmung trübe und 
reizbar. 

Die Reizbarkeit schlimmer nach festen Speisen , 
die wie ein Stein im Magen liegen. 

Zunge trocken , dunkelbraun . 

Viel Durst; heisser Kaffee, heisse Milch be- ! 
kommen gut für eine Zeit lang. 

Appetit gefrässig, aber er traut sich nicht zu 
essen wegen der Schmerzen. 

Leib eingesunken, die Pulsation der Aorta des- 
cendens deutlich bemerkbar. 

Gerade über dem Nabel etwas nach rechts eine 
harte, unregelmässige Geschwulst von der Grösse 
eines Enteneies. Diese Geschwulst ist beweglich 
und liegt nach dem Essen deutlich tiefer und 
weiter nach links. 

Erbrechen nach dem Essen von ganz- oder 
halbverdauten Speisen, von kaffeesatzähnlichen 
Massen, von eiweissartiger Flüssigkeit. 

Bohrender Schmerz in dem Tumor, schlimmer 
nach dem Essen. 

Kollern in den Eiugeweiden. 

Stuhl abwechselnd verstopft und durchfällig; der 
verstopfte Stuhl ist trocken , hart und spärlich , der 
Durchfall scharf und wässerig. 

Oedem der Beine. 

Sehr schwach; die Kniee zittern; er kann kaum 
gehen vor Schwäche. 

Grosse Müdigkeit, schlimmer durch Bewegung; 
Beine wie Blei. 

Ruheloser, nicht erquickender Schlaf. 

Allgemeinbefinden schlimmer im Zimmer, besser 
im Freien. 

Hier handelte es sich offenbar um Krebs in 
einem vorgeschrittenen Stadium. Die Prognose 
schien hoffnungslos, auch der Patient glaubte nicht, 
dass für ihn noch etwas geschehen könne. 


Wegen der vorausgegangenen allopathischen 
Behandlung gab ich zunächst Nux vomica 6., in 
neun Stunden drei Dosen, und dann am vierten 
Tage Bryonia X., alle sechs Stunden ein Pulver 
trocken auf die Zunge. 

In 48 Stunden hörte das Erbrechen auf, wieder¬ 
holte sich wenigstens nur in grossen Zwischen¬ 
räumen. 

Nach acht Tagen deutete sein ganzes Befinden 
auf Besserung; der Schmerz in dem Tumor war 
fast fort. 

Nach sechswöchentlicher Behandlung vertrug 
er ohne Beschwerden Ochsenfleisch und Kohl; der 
Tumor war viel kleiner geworden. 

Nach vier Monaten war der Tumor verschwunden. 
Das Körpergewicht hatte um 20 Pfd. zugenommen; 
Stuhl regulär, Haut normal. 

Es war völliges Wohlbefinden vorhanden, aus¬ 
genommen allein, dass zuweilen ohne ersichtlichen 
Grund etwas halbverdaute Speise erbrochen wurde. 

H.: Im Beginn des Winters 1892 wurde ich 
zu einer Frau - anfangs der sechziger Jahre ge¬ 
rufen. Ihre besondere Klage war ein fast unauf¬ 
hörliches Drängen zum Stuhl Tags und Nachts, 
so dass sie alle viertel bis halbe Stunden den Ver¬ 
such zur Stuhlentleerung machen musste. Dünn 
geformte Fäces gingen nur ein bis zwei Mal 
täglich ab, bei dem öfteren Drängen nur etwas 
weisser Schleim. Der Drang war von unerträg¬ 
lichen Schmerzen begleitet, die auch nach der 
Entleerung von Schleim oder Koth nur auf Minu¬ 
ten nachliessen. Eigentlich konnte sie, meinte die 
Kranke, immer auf dem Becken sitzen. 

Belegte Zunge, Appetitlosigkeit. 

Schwäche und Abmagerung. 

Die Untersuchung per Rectum ergab nichts 
Abnormes, soweit der Finger Vordringen konnte. 
Bei der äusseren Untersuchung fand man in der 
linken Unterbauchgegend über dem Poupart’schen 
Bande eine wurstförmige, etwa zwölf Centimeter 
lange, höckerige, auf Druck schmerzhafte Ge¬ 
schwulst. Diese gehörte dem Darmkanal an, denn 
die Consistenz wechselte je nach der Contraction 
des Darms. Contrahirte sich der letztere bei dem 
heftigen Drängen zum Stuhle, so wurde die Ge¬ 
schwulst steinhart; bei Nachlass der Contraction 
wurde sie weicher, war aber immer in ihrer Wurst¬ 
form, und beim Weicherwerden in den einzelnen 
Höckern deutlich durchzufühlen. 

Zwei allopathische Collegen hatten vor mir die 
Diagnose eines Darmcarcinoms gestellt und zur Er¬ 
leichterung der Beschwerden die Bildung eines 
künstlichen Afters vorgeschlagen. Letzteres wurde 
verweigert. Ich konnte nicht anders wie mich der 
Diagnose anscliliessen und auch die Prognose recht 
ungünstig stellen. 

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Von meinen ersten Verordnungen hatte nur 
Nux vomica den Erfolg, dass der Drang eine 
Kleinigkeit gebessert wurde. 

Der qualvolle Tenesmus brachte mich auf Subli¬ 
mat, den ich in sechster Potenz alle paar Stunden 
mehrere Tropfen gab. 

Mit diesem Mittel trat zunächst eine langsam 
steigende Besserung des Tenesmus ein. Doch 
kamen dazwischen immer wieder recht qualvolle 
Tage und Nächte vor. Insbesondere jeder Versuch, 
statt dieses Mittels ein anderes zu nehmen, z. B. 
Nitri acid. nach der Art der Schmerzen, die mir 
als im Mastdarm aufwärts stechende beschrieben 
wurden, rächte sich auf so unangenehme Art durch 
tagelange bösartige Verschlimmerung des Tenesmus, 
dass ich zuletzt beim Sublimat blieb. Die Aenderung 
in der Ordination versuchte ich deswegen, weil der 
Tenesmus nachliess, aber der Schmerz im Mastdarm 
fortdauerte, für den ich dann ein wirksameres Mittel 
suchte. Aber allmählig besserten sich sowohl der 
quälende Drang, wie dieser Schmerz. Der Drang 
kam nur mehrmals am Tage, die Zunge wurde 
reiner, der Appetit hob sich. Die Geschwulst 
wurde allmählig kleiner und weicher und war 
zuletzt nur noch an den schlimmen Tagen deutlich 
hervortretend. Mitte* Januar 1893 war von der 
Geschwulst nichts mehr nachzuweisen, Ende Januar 
wurde mir berichtet, dass die alte Frau sich gut 
erhole und keine besonderen Klagen mehr habe. 

Verschweigen will ich nicht, dass die Patientin 
ausser dem Sublimat häufig noch Nux vom. da¬ 
zwischen genommen hat. Sie bat selbst sehr 
darum, weil sie von Nux die erste Linderung 
ihres Dranges gefühlt hatte. Tiefergehende Wir¬ 
kung kann ich dagegen der Nux in diesem Falle 
nicht beilegen, weil Nux, eine Zeit lang allein ge¬ 
geben, nur eine leichte Abschwächung des Tenes¬ 
mus bewirkt hatte und weil jedes Aussetzen des 
Sublimat sich strafte, ganz gleich, ob Nux vom. 
neben dem neuen Mittel weiter gebraucht wurde. 

Das Resultat der Behandlung überraschte sowohl 
die Angehörigen, wie mich selber. 

Kurze Zeit darauf wurde ich ersucht, für einen un¬ 
heilbaren Patienten auf dem Lande etwas zur Linde¬ 
rung zu verordnen. Bei diesem, einem Manne Ende 
der Vierziger, war ärztlicherseits die Diagnose Mast¬ 
darmkrebs gestellt und wegen des unerträglichen 
Drängens zum Stuhl ebenfalls die Bildung eines 
künstlichen Afters vorgeschlagen worden. Die 
letzten Lebenstage des Kranken wurden durch 
Sublimat und Nux vomica im Wechsel wesentlich 
erleichtert, indem der Tenesmus nach Ablauf von 
vierzehn Tagen fast verschwunden war, nach den 
mir gegebenen Berichten. 


Ueber das Magengeschwür. 

Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. 

(Schluss.) 

Behandlung des Magengeschwürs. 

Bei frischen Geschwüren ist, wenn irgend mög¬ 
lich, die sogen. „Ruhecur“ zu empfehlen. Die¬ 
selbe besteht in permanenter Bettruhe, Darreichung 
einer äusserst milden, reizlosen Kost, drei Wochen 
nur Milch, l J / 2 — 3 Liter täglich, Leube-Rosen- 
thaFsche Fleischsolution, weicher Zwieback, Cakes, 
weiche Eier, später consistente, leicht verdauliche 
Fleischspeisen und Kohlenhydrate, die enthalten 
sind in grünem Gemüse: jungen Schoten, Spinat, 
Blumenkohl, Grünkohl, jungen Mohrrüben, Spargel, 
Pilzen und Schwämmen, ferner altes und geröstetes 
Weissbrod, Maccaroni, Nudeln, Reisbrei, Griesbrei, 
gekochtes Kern- und Steinobst. (Roggenbrod, Schrot- 
brod, auch das sogen. Grahambrod, Hülsenfrüchte 
sind zu meiden.) 

Farrington, der grosse Arzneimittelkenner, macht 
vom Magengeschwür eine Erwähnung beim Phosphor , 
den er „bei jenem gefährlichen Leiden“, dem Magen¬ 
geschwür, indicirt findet durch den Schmerz, das 
Erbrechen von Speisen gleich nach dem Hinunter¬ 
schlucken und durch die erbrochenen Massen, 
welche eine dunkle, grumöse, halbfeste Substanz ent¬ 
halten, die wie Kaffeesatz aussieht. 

Sehen wir nun, was mein lieber dahingeschie¬ 
dener Vater in seiner „Homöopathischen Therapie 
auf Grundlage der physiologischen Schule“ gegen 
das Magengeschwür angezeigt findet. Es sei uns 
gestattet, dass ich bei dieser Gelegenheit bemerke, 
dass es weiland Dr. J. Kafka an Anerkennung 
für seine grosse Arbeit nicht gefehlt habe. Der 
jetzige Dr. L6on Simon pöre (damals fils) wollte 
durchaus die Therapie ins Französische übersetzen, 
von der er einige Stellen im Auszug veröffentlichte 
(in Chargö’s Bibliothöque homoeop.). Dr. S. Lilien¬ 
thal machte meinem Vater den Antrag, dieselbe 
ins Englische zu übersetzen; leider hatte mein 
Vater aber nicht das Recht dazu, das sich die Ver¬ 
lagshandlung Vorbehalten hatte: diese (Anfangs 
Eupel, später Bolhoevener, dann Günther in Langen¬ 
salza) gab nicht die Einwilligung dazu, vielleicht 
aus Besorgniss, dass deshalb die deutschen Exem¬ 
plare nicht genug Absatz finden würden; zwei 
Jahre nach dem Erscheinen der Therapie war 
schon die ganze Auflage vergriffen. Dr. Hempel 
in Amerika gab ein Handbuch der homöopathischen 
Therapie heraus „with numerous hints out of 
Kafka etc.“ (mit zahlreichen Winken aus dem 
Werke Kafka’s etc.), wie am Titelblatte bemerkt ist. 

Als ich im Jahre 1882 in England weilte, er¬ 
suchte mich der alte Dr. Blackley in Manchester, 
der Verfasser der gediegenen Abhandlung über 


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43 


das Heufieber, ihm ein Exemplar zu verschaffen. 
Ich konnte nirgends, auch nicht antiquarisch, eins 
auftreihen und jetzt noch kommen Anfragen nach 
dem Werk von einheimischen «und auswärtigen 
Collegen, die jeden Preis dafür zahlen würden. 

Dr. Jacob Kafka sagt hei der Therapie des 
chronischen Magengeschwürs: Leitende Momente 
sind für uns das Aussehen und der Kräftezustand 
des Kranken, der Grad seiner Erregbarkeit,’ die 
Art des Schmerzes und ihre Ausstrahlung, die Er¬ 
scheinungen, welche sich während derselben ein¬ 
stellen, die Beschwerden, von welchen sie begleitet 
werden, der Gemüthszustand, welchen sie hervor¬ 
bringen, die Zeit, in welcher die Schmerzen am 
häufigsten erscheinen, die Umstände, unter welchen 
sie entstehen oder sich verschlimmern, und unter 
welchen sie sich bessern. 

Haben wir eine Mittelwahl eingeleitet, welche 
allen diesen Momenten Rechnung trägt, so sind 
wir auch grösstentheils des Erfolges gewiss! Wir 
brauchen keine Narcotica, um die heftigsten 
Schmerzen zu beheben, kein Argent. nitric., um 
die Vernarbung des Geschwürs, welche sehr frag¬ 
lich ist, zu bewerkstelligen. Die genaueste Aehn- 
lichkeit der Erscheinungen, welche bei den ein¬ 
zelnen Mitteln sehr umfassend aufgezeichnet sind, 
mit den Erscheinungen, welche der jeweilige Krank- 
heitsprocess bietet, ist unsere vorzüglichste Richt¬ 
schnur, welche uns in den schwierigsten Fällen 
zum glücklichen Erfolge verhalf. 

Durch viele Beobachtungen, welche wir in dieser 
Krankheitsform sorgfältig gesammelt haben, sind wir 
zur Ueberzeugung gelangt, dass das chronische 
Magengeschwür zur Heilung kommt, sobald mau 
der Cardialgie Herr geworden ist; hat diese auf¬ 
gehört, so regelt sich nach und nach die Ver¬ 
dauung, das Aussehen wird besser, die Kräfte 
nehmen zu und das Geschwür heilt, auch wenn 
es Jahre lang bestanden hat. Nur wenn Narben 
vorhanden sind, welche die Bewegungen an einer 
bestimmten Stelle hemmen, und wenn die Magen¬ 
wand durch Anlöthung des Magens an benach¬ 
barte Organe gezerrt wird, pflegt die Heilung 
eine unvollkommene zu sein, indem die Cardialgieen 
sich oft erneuern. Den zauberähnlichen Erfolg, den 
die Allopathen so oft nach der Anwendung von 
Morphium beobachtet haben, sehen wir gewiss 
noch viel häufiger nach richtig gewählten homöo¬ 
pathischen Mitteln selbst da eintreten, wo das viel¬ 
gepriesene Morphium und andere sogenannte 
Antispastica die Wirkung versagten. Wer kennt 
nicht die wunderbaren Erfolge der Nux vomica, 
des Atropin, der Holzkohle, des Opium, des Jod etc. 
nach dem Aehnlichkeitsgesetze gewählt ? Es ist 
den Zweiflern Gelegenheit geboten, sich von der 
oft überraschenden Wirkung der homöopathischen 


Mittel zu überzeugen, und zwar in dieser Krank- 
heitsform um so mehr, als jeder praktische Arzt 
weiss, dass dieselbe grösstentheils nur auf künst¬ 
lichem Wege zur Heilung gelangen kann. 

Lilienthal empfiehlt in seiner „Therapie“ gegen 
das runde Magengeschwür mit Empfindlichkeit gegen 
Druck: Ars., Bell., Bry., Kal. bichr., Phos.; mit ver¬ 
minderter Empfindlichkeit: Bismuth., Arg. intr., Carb. 
veg., Phos. ac.; mit übermässiger Säure: Calc., Nux 
v., Pho., Sulph.; mit übermässiger Flatulenz: Carb. 
veg., Chin., Nux v., Pho.; Status pituitosus: Puls., 
Sulph.; Verlust des Appetits: Ars., Nux v.; Bulimie: 
Calc. carb. und jod., Jod, Nux vom., Phos.; Syncope: 
Ars., Jod, Pho., Ver.; rundes Magengeschwür am 
Ende des Pförtners: Ars.; am Magenmund: Kali 
bichr. — 

Dass die alkalischen Glaubersalz Wässer, nament¬ 
lich aber Karlsbad, bei allen Formen des Magen¬ 
geschwürs angezeigt sind, ist eine allbekannte 
Thatsache, an der sich nicht mäkeln lässt. Ich 
habe sehr viele Fälle hier behandelt und einige 
bereits im Jahrgang 1878 dieser Zeitschrift, einige 
andere in einem spätem Jahrgang geschildert. Einen 
Fall will ich noch besonders erwähnen, wo eine 
junge anämische Dame aus M. in Folge der ihr 
von ihrem allopathischen Arzte verordneten grossen 
Dosen Eisens ein Magengeschwür acquirirte und 
mich hier consultirte, weil ihre Eltern aus C. mich 
zum Arzte hatten. Das Fräulein hatte zu Hause 
heftige Magenblutungen gehabt, hier ging es ihr 
beim Gebrauche der kühlem Quellen immer besser: 
sie kam im nächsten Jahre wieder; die Magen¬ 
blutung hatte sich nicht wiederholt. Noch einen 
Fall will ich anführen von einem Gutsbesitzer, der 
hier ein heftiges Bluterbrechen bekam. Das Er¬ 
brochene war hellroth gefärbt, reines Blut, keine 
schwarzen Blutgerinnsel. Ich reichte Hamamel. 
8 Dil. 6 Tropfen auf ein halbes Glas Wasser, stünd¬ 
lich zwei Theelöffel. Dann liess ich den Patienten 
Sprudel trinken; bei frischen Blutungen finde ich 
immer die heissem Quellen angezeigt; der Patient 
erholte sich zusehends, nahm zu, obgleich er 
eine fast absolute Milchdiät beobachtete. Er hat 
nie wieder Blut gebrochen. Das Magengeschwür 
war vollständig geheilt. 


Zur Gabenfrage. 

Von Dr. Kunkel in Kiel. 

Einem hiesigen Herrn von 75 Jahren kenne ich 
von Kindesbeinen an und behandle denselben, so 
lange ich Arzt bin. In der Kindbeit erfreute sich 
derselbe einer guten Gesundheit, stammte von ge¬ 
sunden Eltern, hatte aber oft mit Zahnschmerzen 
zu kämpfen, so dass mehrere Zähne entfernt wurden. 

6 * 


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44 


Ferner litt derßelbe bis zum 6. oder 7. Jahre 
an Enureßis noct., einer Erscheinung, die ohne 
Zweifel auf „harnsaurer Diathese“ beruhte, die An¬ 
fangs unbeachtet in den zwanziger Jahren sich 
durch häufige Ausscheidungen harnsaurer Verbin¬ 
dungen raanifestirte. Wohl gleichzeitig, was mit 
Sicherheit nicht zu ermitteln, traten Symptome 
eines chronischen Dickdarmkatarrhs hervor, häufige, 
nicht erleichternde spärliche Stühle mit viel Schleim¬ 
abgang, deprimirter oder verdriesslicher Stimmung, 
Afterjucken, Andeutung von Hämorrhoidalknoten, 
ohne dass es jemals zur Blutung gekommen wäre. 
Schon früh stellte sich Schlaflosigkeit ein, eine Er¬ 
scheinung, die ich später recht oft bei der „harn¬ 
sauren Diathese“ bemerkt habe. Ich war Anhänger 
Rademacher’s, als ich den Genannten in Behand¬ 
lung nahm. Was lag näher, als demselben Coccus 
cacti zu geben, ein Mittel, das ja nach Kissel ein 
Specificum gegen „harnsaure Diathese“ sein sollte, 
(ß. selbst empfiehlt dasselbe nicht gegen bestimmte 
Erkrankungsformen.) Der Erfolg befriedigte meine | 
Erwartungen nicht. Ich sah zuweilen Erfolg, aber 
stets nur vorübergehend. Etwas besser schien 
die Aqua calcis zu wirken, doch befriedigte mich 
auch dieses Mittel nicht. Ohne gleichzeitige Ein¬ 
wirkung auf die übrigen Erscheinungen, den Dick¬ 
darmkatarrh (beides sah ich als Symptome einer 
Plethora abdominalis an), durfte ich nicht hoffen, 
weiter zu kommen. 

Patient wurde nach Carlsbad geschickt, ge¬ 
brauchte die Kur 3 Jahre nach einander mit 
günstiger Einwirkung auf den Dickdarmkatarrh. 

Eine Kaltwasserkur von 2—3 Monaten hatte 
schon vorher für eine Zeit lang sehr günstig ge¬ 
wirkt, aber ohne Bestand. Schlaflosigkeit nach 
wie vor. Allinählig stellten sich allerlei arthritische 
Gelenkaffectionen, besonders der Kniegelenke, ein, 
dabei zeitweise Abgang von harnsauren Salzen mit 
dem Urin, wobei folgende Erscheinungen beobachtet 
wurden: Je reichlicher dieser Abgang, desto besser 
wurde der Schlaf, desto mehr verlor sich ferner 
eine gewisse Steifigkeit der Glieder, die sich und 
besonders beim Anfang der Bewegung geltend 
machte. Der Stuhl war seit der Karlsbader Kur 
mehr regulirt, doch stellten sich in längeren und 
kürzeren Zwischenräumen Durchfälle ein, wie sic 
ja bei Nierenleiden öfter Vorkommen. Sie gaben 
jedesmal etwas Erleichterung, wahrscheinlich weil 
sie einen hyperämischen Zustand der Nieren, oder 
wenn man will, eine Stagnation in den Nieren vor¬ 
übergehend minderten. 

Eine vierwöchentliche Kur in Asmannshausen 
hatte eine starke Ausscheidung von Harnsäure im 
Gefolge; im darauf folgenden Jahr war ein fernerer 
Erfolg nicht sichtbar. Das arthritische Leiden der 
Kniegelenke verschlimmerte sich. Eine vierwöchent¬ 


liche Kur in Wiesbaden hatte, wie die in Asmanns¬ 
hausen, das erste Mal guten Erfolg, im nächsten 
Jahr keinen. 

Da fiel mir eine Broschüre über die Kronen¬ 
quelle in Obersalzbrunn in die Hände. Ich gab 
dem Patienten bei dem erfahrungsgemäss die Mineral¬ 
wässer, wie auch manche Speisen, leicht durch¬ 
schlugen, jeden Vormittag */ a Bierglas und zwar 
so warm, als es getrunken werden konnte. Der 
Erfolg war der, dass die Anschwellung des linken 
Kniees, die schon eine solche Höhe erreicht hatte, 
dass Patient sich auf der Strasse nur schwer fort¬ 
bewegte, in etwa 3 Wochen fast verschwunden 
war, und Patient sich ohne Gene wie früher be¬ 
wegen konnte. 

Allmählig hörten etwa vor 3—4 Jahren die 
Ausscheidungen von harnsauren Verbindungen auf, 
ohne dass im Allgemeinbefinden sich eine Ver¬ 
schlimmerung eingestellt hätte. Nur trat die Schlaf¬ 
losigkeit wieder stärker hervor und Durchfälle 
schienen häufiger einzutreten und zuweilen recht 
heftig und schwächend. Vor Eintritt eines solchen, 
der sich besonders heftig zeigte, machte Patient, 
der sich gut beobachtete, die Bemerkung, dass er 
14 Tage vorher einen förmlichen Widerwillen gegen 
Fleisch gehabt. Wie es scheint, ein Wink der Natur. 
Schon die alten Aerzte warnten bei Griesbildung vor 
reichlichem Fleischgenuss, so dass er sich vorwiegend 
an Suppen hielt, eine Beobachtung, die er vorüber¬ 
gehend öfter gemacht. Die mitgetheilten Er¬ 
scheinungen brachten mich zu der Ueberzeugung, 
dass die Harnsäure noch vorhanden sei, aber nicht 
ausgeschieden werde. Aber was thun, um diese 
Ausscheidung zu Wege zu bringen? Es musste 
ein Versuch gemacht werden, auf die Harnorgane 
einzuwirken. Ich hatte schon manchen Erfolg von 
den potenzirten Rademacher’schen Mitteln gesehen, 
hatte auch Calc. carb. in verschiedenen Potenzen 
gegeben mit Anfangs ausgezeichnetem Erfolge, 
später noch öfter in längeren Zwischenräumen ohne 
jeden Erfolg verordnet. Hier lagen nur zwei Mög¬ 
lichkeiten vor. Entweder es war ein anderes Mittel 
indicirt, oder es lag ein anatomisches Hinderniss 
vor, das durch Calc. nicht beseitigt werden konnte. 
Eine Indication für ein anderes Mittel konnte ich 
trotz alles Studiums nicht finden. Ich war auf ein 
Organ-, auf ein Nierenmittel angewiesen und gab 
Cocc. cacti X. C., aus MarggraPs homöopathischer 
Officin bezogen, Morgens und Abends 1 Tropfen. 
Von da an änderte sich der ganze Zustand. AU- 
mählig stellte sich Schlaf ein, es fanden fast tägliche 
Ausscheidungen von harnsauren Salzen statt, auch 
in Kugel form und zwar umfangreicher als der 
gröbste Schrot der Jäger, die Durchfälle hörten auf, 

| der Stuhl regulirte sich vollständig, die Arbeitslust 
j des thätigen Mannes, er war Beamter, steigerte sich 


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45 


noch mehr. Die Kniegelenke sind freilich nicht 
ganz frei und Bewegungen zuweilen mit etwas 
Schmerz verbunden, doch ist auch hier Fortbesserung 
bemerkbar. Noch habe ich zu bemerken, dass ich 
Cocc. cacti 002. und 003. (2. und 3. Cent.-Potenz) 
wiederholt erfolglos angewendet hatte — eine Er¬ 
scheinung, die demjenigen, der davon ausgehen 
zu müssen glaubt, dass jedes Medicament stofflich 
nachweisbar oder doch vorhanden sein müsse, un¬ 
fassbar erscheinen muss. Dass bei 0030., zumal 
eines unlöslichen Körpers, von Stoff nicht die Rede 
sein kann, scheint auf der Hand zu liegen. 


Ophthalmie diseases and therapeutics. 

Von Dr. A. B. Norton. 

Besprochen von Dr. Mossa. 

Die Entwickelung der Homöopathie in Nord- 
Amerika hat die merkwürdige Thatsache mit sich 
geführt, dass dort den Praktikern der homöo¬ 
pathischen Heilkunst Krankenhäuser für einzelne 
Specialfacher zugewiesen worden sind, sei es von 
Seiten opferfreudiger Gönner unserer Sache oder 
ganzer Communen, noch ehe diese Zweige nach 
homöopathischer Richtung hin eine umfassende 
Pflege genossen hatten. Es hatten sich wohl 
manche homöopathische Aerzte bereits specialiter 
mit der Augenheilkunde befasst, aber nunmehr 
zu dirigirenden Aerzten solcher ophthalmologischen 
Kliniken berufen, fühlten sie sich doppelt gedrungen, 
an die Ausbildung dieses Specialfaches Hand anzu¬ 
legen, um so mehr, wenn hier, wie Dr. Geo. 
S. Norton und Dr. T. F. Alien, welche, an der Spitze 
des New Yorker Ophthalmie Hospital stehend, noch 
den klinischen Unterricht an dem mit diesem 
Spital verbundenen Colleg zu geben hatten. In 
der von diesen beiden Aerzten gemeinsam ver¬ 
fassten ersten Auflage des „Ophthalmie therapeutics“, 
aus dem das oben angegebene Werk hervor¬ 
gegangen ist, sagt der Autor: „Das Material zu 
diesem Werk haben wir seit mehreren Jahren ge¬ 
sammelt, insbesondere seit der Annahme der homöo¬ 
pathischen Methode von dem New York Ophthalmie 
Hospital. — Als wir unsern Sitz in jenem Institut 
erlangten, da gab es wenige Indicationen für 
Mittel, die bestimmten Affectionen des Auges ent¬ 
sprachen; wir diagnosticirten unsere Fälle und 
forschten dann sorgfältig nach allen Punkten nach 
Indicationen für das Heilmittel; so gelangten wir 
allmählig zu Gruppen von Mitteln, welche mit 
bestimmten Affectionen verbunden waren, und ge¬ 
wannen charakteristische locale Indicationen. 

„Diese localen Indicationen schienen bisweilen 
rein klinisch oder empirisch zu sein, aber sie 


haben sich immer, oder nahezu immer, als gleich¬ 
zeitig mit positiven und reinen Symptomen dos 
Mittels vorhanden herausgestellt. Insofern sie in¬ 
dessen oft unabhängig von dem letzteren Vor¬ 
kommen, so beanspruchen sie häufig eine relativ 
grössere Bedeutung. (? Ref.) 

„Unsere Kenntniss von den reinen Wirkungen 
der Mittel auf das Auge ist leider dürftig, oft 
ganz unbestimmt und ungenügend, dennoch haben 
wir es versucht, dem Princip getreu zu bleiben 
und uns nur dann empirisch 'zu verfahren erlaubt, 
wenn dazu guter Grund vorhanden zu sein schien. 

„Die sämmtliche in diesem Werke gegebene 
Symptomatologie ist in der Praxis bestätigt worden; 
manche Beobachtungen mögen schlecht begründet 
sein; manche, das sind wir sicher, werden sich als 
stichhaltig beweisen und zur Erhaltung und Wieder¬ 
herstellung des Sehvermögens beitragen.“ 

Dem fügt Dr. Allen in der zweiten Auflage hinzu: 

„Während kein Zweifel besteht, dass die be¬ 
sonderen Zustände des Auges, in einer Erkrankung 
dieses Organes, einen äusserst wichtigen Factor in 
der Wahl des Heilmittels bilden, dürfen wir doch 
nicht vergessen, dass Augenkrankheiten oft, viel¬ 
leicht durchweg, der Ausdruck einer allgemeinen 
Kachexie sind, für welche das Mittel nur durch 
eine genaue Untersuchung des ganzen Individuums 
gefunden werden kann. Die Kenntniss von Heil¬ 
mitteln für irgend eine Erkrankung des Auges ist 
im Anfänge lediglich durch ein Studium des ganzen 
Falls gewonnen worden, und, wenn es sich gezeigt 
hat, dass für bestimmte pathologische Zustände 
nur einige wenige Arzneistoffe geeignet sind, so 
müssen wir doch im Auge behalten, dass neue 
Mittel noch aufzufinden sein werden und dass ein 
Fall ein bisher zu seiner Heilung noch nicht ge¬ 
brauchtes Mittel erfordern kann. Unter die glän¬ 
zendsten pathologischen Generalisationen in der 
Augenheilkunde mag man wohl zählen den Ge¬ 
brauch von Gelsemium für intra-oculäre Entzün¬ 
dungen, die durch seröse Exsudationen charakterisirt 
sind; Rlius tox., für eitrige intra-oculäre und orbi¬ 
tale Entzündungen; Bryonia für plastische Exsuda¬ 
tionen — wozu wir noch das amerikanische Aconit. 
(A. uncinnatum) für ciliäre und periorbitale Neu¬ 
ralgie hinzufügen. Kein Arzt wird jedoch sich damit 
begnügen, seine arzneilichen Hilfsquellen in einer 
der oben angegebenen Erkrankungen auf die er¬ 
wähnten Mittel einzuschränken. So kann Pilocarpin 
anstatt Gelsemium, Silicea anstatt Rhus, Phyto- 
lacca statt Bryonia, oder Spigelia anstatt Aconit, 
erforderlich sein. Wie sollen wir uns entscheiden? 
— und die Wahl muss sorgfältig und schnell ge¬ 
schehen, denn beim Auge mehr als sonst irgendwo 
ist Verzug gefährlich: Die Symptome müssen alle - 
zeit studirt werden ! u 


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Auf diese Weise ist den Anforderungen, welche 
die homöopathische Behandlung stellt, möglichst 
Rechnung getragen worden in diesem Werk, das 
Dr. A. B. Norton grösstentheils gemeinsam mit seinem 
Bruder Geo. neu durchgearbeitet und nach dessen 
Tode allein herausgegeben hat unter dem Titel 
Ophthalmie diseases and therapeutics. Dasselbe 
ist bestimmt, für den Studirenden sowie für den 
nichtspecialistischen Praktiker ein Handbuch über 
das Gebiet der Ophthalmologie zu sein, und ist 
desshalb der reiche Stoff so condensirt und concen- 
trirt als immer möglich gegeben worden. Die 
Anatomie der Gewebe, soweit sie zum Verständ- 
niss ihrer Erkrankungen nöthig ist, der Pathologie, 
Symptomatologie, Verlauf, Ursache, Diagnosis, Pro¬ 
gnosis und Therapie der einzelnen krankhaften Zu¬ 
stände sind in gedrängter Bündigkeit im ersten 
Theil abgehandelt. — Dass bei der Therapie neben 
der homöopathischen Behandlung auch die localen 
und operativen Massnahmen gehörig gewürdigt 
worden sind, war um so mehr geboten, als ja viele 
Studirende in Amerika ihre ganze modicinische 
Ausbildung sammt und sonders auf homöopathischen 
Collegs empfangen. Ein Ophthalmologe, der aber 
jede äusserliche, operative, Behandlung der Augen¬ 
kranken von sich weisen, und ein Unterricht, der 
sich damit nicht befassen wollte, könnte sich viel¬ 
leicht (obwohl wir es auch kaum glauben) vor 
seinem Gewissen, aber nicht vor dem Forum der 
Wissenschaft und Heilkunst und auch vor dem 
des Rechts rechtfertigen. 

Der zweite Theil des Buches, Ophthalmie thera¬ 
peutics, interessirt uns ganz besonders. Er bietet 
eine Materia medica ophthalmiatrica, d. h. er be¬ 
handelt die einzelnen Mittel in ihren objectiven 
wie subjectiven die Augen speciell betreffenden 
Symptomen, giebt dann ihre klinische Indication 
an und erläutert dieselbe in einzelnen concreten 
Fällen, in denen das Mittel sich bewährt hat. Aus 
dieser Casuistik einzelner mehr oder weniger 
ausführlicher, gut charakterisirter Beobachtungen 
bekommen wir einen guten Ueberblick über die 
Leistungsfähigkeit homöopathisch gut gewählter 
Mittel auf dem Gebiete der Augenheilkunde, so 
dass wir wohl behaupten können, dass ein mit den 
Hilfsquellen der homöopathischen Heilkunst gut 
vertrauter Augenarzt einem gewöhnlichen Specia- 
listen sicherlich den Rang ablaufen werde. — Die 
zahlreichen Illustrationen und chromolithographischen 
Bilder erhöhen noch die Brauchbarkeit des gut 
ausgestatteten Buches, das 1892 bei Boericke & I 
Tafel in Philadelphia erschienen ist — Wir wollen | 
dem Leser gelegentlich einige Auszüge aus dem- | 
selben darbieten. ! 


Retropharyngeal -Abscess. 

Von Dr. Proeil, Bad Gastein. 

Am Sylvesterabend 1871,10 Uhr, wurde ich schnell 
zu einem mir bekannten Redakteur (in Nizza) geholt, 
mit der Nachricht, er fürchte zu ersticken. Der 
Patient, 37 Jahre alt, mit schwarzen Augen und 
Haaren, sitzt auf dem Sopha mit vorwärts gebeugtem 
Kopf — das Gesicht drückt die höchste Angst aus; 
die Augäpfel hervorstehend — Wangen blauroth — 
der Mund kann nur mit grösster Mühe geöffnet 
werden — die Zunge dick weiss belegt. — Der 
Hintergrund enorm verschwollen, die einzelnen 
Theile — Mandeln und Uvula kaum zu unter¬ 
scheiden, obwohl die Schleimhaut nach vorn ge¬ 
drängt ist, und man sieht nur halbkugelige, dunkel- 
rothe, glatte, pralle Anschwellungen. Die Farbe 
ist mehr blassroth (Rosa) — Schleimsecretion, aber 
ausspucken — reden — schlucken unmöglich — 
Kurzathmigkeit — krampfartige Erstickungs-An¬ 
fälle. — Pfeifendes Athmen. — Grosse Trockenheit 
des Mundes — Puls sehr schnell und krampfhaft — 
Urinverhalten und Stuhl ebenso —— Angstschweiss. 

Ich gab sogleich, nachdem ich anbefahl, zu¬ 
erst den Urin zu lassen, Apis 6. Verdünnung 
6 Tropfen in 12 Esslöffeln gekochten, kalten Wassers, 
Va stündlich ein Kaffeelöffel voll davon in Mund 
zu nehmen und dort so lange als möglich zu be¬ 
halten ; dann auszuspucken oder vielmehr ausfliessen 
zu lassen. — Sonst nichts , weder innerlich, noch 
äusserlich. — Als ich Nachts 12 Uhr wiederkam, 
fand ich schon den Patient mit freudigem Gesicht 
vor, die Scene war ganz verändert. — Man zeigte 
mir eine grosse Schale von Schleim und Eiter mit 
Blut gemischt. Der Abscess war 1 Stunde nach 
dem ersten Ein nehmen langsam aufgegangen; alle 
Minuten sickerte jene gemischte Flüssigkeit heraus; 
und das war ein Glück, denn wenn es auf einmal 
aufgegangen war, so wäre er vielleicht erstickt. — 
Nun liess ich mit lauem Wasser ausspülen, Apis in 
der 15. Pot. nur mehr alle 2 Stunden auf obige Art 
nehmen. — Am 3. Tage war er ganz gesund. — 
Apis zeigte sich glänzend als Surrogat des un¬ 
sicheren Messers. — Zur Stärkung Ausspülen mit 
kaltem Gasteiner Thermal-Wassers. (Niemals ein 
Rückfall mehr.) 


LesefrUchte. 

Die Rückwirkung der aseptischen Gynäkologie 
und Geburtshilfe auf der Pathologie. 

(Wiener Med. Pr. 27. 1894.) 

Prof. L. Kl ein Wächter in Innsbruck ist, wie 
noch manche andere Gynäkologen, zu der Ueber- 
zeugung gelangt, dass, seitdem sich die Asepsis 
und Antisepsis eingebürgert und zu operativen Ein- 


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griffen auf dem Gebiete der Gynäkologie geführt 
hat, die man vor kaum 20 Jahren als chirurgische 
Morde würde bezeichnet haben, consecutive patho¬ 
logische Vorgänge beobachtet wurden, die vor der 
jetzigen Zeitperiode unbekannt waren. So kommen 
bei Frauen, die früher normal oder rechtzeitig ge¬ 
boren, nach einer wegen gynäkologischen Leidens 
vorgekommenen Laparatomie mehrere Aborte oder 
Frühgeburten vor, weil die nach der Operation 
gesetzten Adhäsionen oder Pseudomembranen der 
neuerdings geschwängerten Gebärmutter nicht mehr 
gestatten, sich entsprechend zu vergrössern, bis sie 
nach längerer Zeit endlich resorbirt oder so weit 
gedehnt werden, dass die Gravidität ein normales 
Ende erreichen kann. Die gleichen Folgen treten 
auch bei Ventrificatio uteri ein, wenn solche wegen 
fixirter Retroflexion unternommen worden war. — 
Dass eine in den drei ersten Monaten ausgeführte 
Ovariotomie nach 3—4 Wochen einen Abort nach 
sich zieht, ist begreiflich. 

Fritsch ist der Ansicht, dass, wenn man bei 
einer Ovariotomie in dem wegen eines Tumor ent¬ 
fernten Eierstockes einen gesunden Rest zurücklässt, 
man hierdurch ein ätiologisches Moment für Extra- 
uterinalschwangerschaft schaffe. — Wenn auch die 
Periode der antiseptischen Vielthuerei des Wochen¬ 
bettes, in der der gesunde puerperale Uterus keine 
Stunde vor antiseptischen Bespülungen sicher war, 
vorüber sei, so kommen doch, namentlich seitdem 
das Sublimat die Carbolsäure abgelöst, künstlich 
erzeugte Intoxicationen im Wochenbett vor, welche 
der vorantiseptischen Zeit unbekannt waren. 

Die Zeit wird uns lehren, ob uns die tiefen 
Cervixscheidendammschnitte Dührsen’s, sowie die 


wieder eingeführte Symphysectomie nicht neue 
pathologische Bilder schaffen werden. — 

Die bis vor Kurzem beliebten Ausätzungen der 
Uterushöhle, zumal des Cervicalkanals, mit scharfen 
Säuren, brachten hochgradige Verengerungen mit 
darauf folgenden dysmenorrhoischen Beschwerden 
mit sich, die schwer zu beseitigen waren. 

Die Ventralhernie, ein Folgezustand der grossen 
gynäkologischen Operationen, war vordem kaum 
bekannt; ebenso die Darmacclusion, die nach Ava- 
riotomien nicht gar selten eintritt. — Sehr misslich 
sind auch die nach Amputatio uteri durch den ge¬ 
zerrten Stumpf und die Narben hervorgerufenen 
schmerzhaften Beschwerden, Blasen-Störungen, Cervi- 
calfisteln etc. — Auch die nach Entfernung der 
Ovarien und des Uterus sich einstellenden Störungen 
und Veränderungen in den leiblichen und geistigen 
Functionen des Weibes, die intermenstruellen Be¬ 
schwerden, die vasomotorischen Störungen, die 
psychischen Alterationen, werfen sie nicht einen 
tiefen Schatten auf jene Operationen? 

Selbst die so sehr vervollkommnete Unter¬ 
suchungstechnik bringt oft genug Schaden für die 
Frau. Verf. ist geneigt, anzunehmen, „dass diese er¬ 
wähnten Kehrseiten eine weit grössere Rolle spielen, 
als man vielleicht gemeinhin glaubt, und dass sich 
hieraus ein Fingerzeig ergebe, warum wir heute Peri- 
und Parametriden, sowie deren Residuen häufiger zu 
sehen bekommen, als es früher der Fall war.“ — 

Diese offenen Geständnisse eines Gynäkologen 
von Fach sind wohl geeignet, den Eifer seiner allzu 
operationslustigen Kollegen zu dämpfen und die 
„glänzenden“ Resultate der modernen Gynäkologie 
ins rechte Licht zu setzen. Ref. 


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Ein tüchtiger homöopathischer Arzt 

(Süddeutscher, ev.) wünscht sich in einem Ort, wo 
ihm für gute Praxis garantirt wird, niederzulassen. 

Gefl. Anträge an Kaufmann P. Bontel, Eppingen, 
Baden. 


Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt seine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter Güte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Probekisten, mit l0 /i oder l2 /i Flaschen, in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—• 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Offlein 
in Leipzig ist soeben erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

Ohrenkrankheiten 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Aret in Basel. 

97t Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—^ 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe 
Bd. 128, No. 23/24 dieser Zeitung. 


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48 


Im Verlage von k. Marggrafs Homöopath isolier 
Offlein in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und berausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arznei vergleiche, Mitteldiagnosen, welche j 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der- | 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese rergleioHende Arzneiwirkungslohre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'- 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
scheidennach allenSeiten d es betreffenden Mit tels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfo von Dr. 
Koch, Dr. Morgan, Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das ,,Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen . 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgefiihrt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres U8w. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Soeben ist erschienen die 6 . Auflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exomplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

,,Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur- 
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntniss und Gründlichkeit der 
Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und 
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schützbarer grosser Freund zu 
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsero volle 
Sympathie entgegenbringen.“ 

Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde 
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand dos ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
KinderjVerbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc., 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, wolche sich leider bei uns ein¬ 
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein änsserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar. Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Mutter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Rocht einen hohen Wertli auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er behorzigenswerthe Winke giebt. 

Der j,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche, 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller- 
grösstem Wort ho und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer 
Biographie desselben versehen ist, wird den Freunden des 
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ olino Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbo auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sich viele Freunde allorortcn erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig» ira April 1894. 


A. Marggrafs Homöopathische Officin. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 


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Band 129 


Leipzig, den 16. August 1804. 


No. 7 u.8 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Heransgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. Marggrar» homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint litägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnununem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf» (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Yerzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein <fc Vogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggraf*s homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf\ pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Äf. berechnet. 


Inhalt. Bericht Ober die 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach 
am 9. und 10. August 1894. — Zur Typhusbehandlung. Von Dr. Kimpel-Legau (Bayern). — Einzelne Fälle aus der 
Praxis mit Randbemerkungen. Von Dr. med. Waszily-Kiel. — Ein Fall von Capsicum-Vergiftung. — Calcarea carbonica 
in der Gallensteinkolik. — L’omiopatica in Italia. Von Dr. Moasa. — Regeln des collegialen Anstandes. — 
Vom BQchertisch. — Lesefrüchte — Personal-Nachrichten. — Anzeigen. 


wr Schluss der Schriftleitungr: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Bericht Uber die 62. Generalversammlung 
des Centralvereins homöopathischer Aerzte 
Deutschlands 

zu Eisenach am 9. und 10. August 1894. 

Zu der diesjährigen Generalversammlung des 
Centralvereins hatte sich ausser dem Stamm der 
Alten eine ziemliche Anzahl jüngerer Mitglieder 
eingefunden. Der Vorstand war vollständig ver¬ 
treten und es war eine wirkliche Freude, den 
Collegen* Lorbacher wieder seines Amtes als Vor¬ 
sitzender walten zu sehen. Wir hatten gehofft, 
dass bei der örtlich-günstigen Lage Eisenachs und 
der Aussicht, unsere von Naturschönheit, Geschichte, 
Sage und Dichtung so verherrlichte Wartburg ein¬ 
mal zu sehen oder wiederzusehen, der Zustrom der 
Mitglieder reichlicher sein würde. 

Die Liste der Anwesenden ergab am Abend 
des 9. August folgende 24 Mitglieder: 

Dr. Lorbacher-Leipzig , Dr. Windelband- Berlin, 
Dr. Weidner- Breslau, Dr. ScAnö^z-Münster, Dr.i/q/ü- 
Hermhut, Dr. /de-Stettin, Dr. 3/att^-Ravensburg, 
Dr. Stumpf- Mainz, Dr. Villers- Dresden, Dr. Stifft- 
Leipzig, Dr. Göhrum-Stuttgart, Dr. iWossa-Stuttgart, 
Dr. Sander- Bork, Dr. Leeser- Bonn, Dr. Dünninghatis- 
Siegen, Dr. Lutze- Köthen, Dr. Haedicke- Leipzig, 
Dr. Fi^A-Breslau, Dr. Roliowsky-Leipzig, Apotheker 
W. Steinmetz-Leipzig , Dr. Groos-Magdeburg, Dr. Krö- 
ner-Potsdam, Dr. Weber- Köln. 


Am 10. August erschienen noch Dr. JaAw-Berlin 
und Dr. Wislicenus- Eisenach. 

Die geschäftliche Sitzung ward unter Vorsitz 
von Dr. Lorbacher Abends 7 Uhr im Saale des 
Kronprinzen eröffnet. Es hatten sich 10 homöo¬ 
pathische Aerzte unter Aufstellung der erforderlichen 
je zwei Gewährsmänner zur Aufnahme in den Central¬ 
verein angemeldet, welche denn auch bei der er¬ 
folgenden Abstimmung, bis auf einen, bedingungs¬ 
los angenommen wurden. Die Namen derselben 
sind: Dr. Waszily-hLiei, Dr. Schiei'- Mainz, Dr. 
Jacobs- Iserlohn, Dr. Grünfeld- Leipzig, Dr. Coleman- 
Dortmnnd, Dr. Sandm-Bork (Dortmund), Dr. Dierkes- 
Paderbom, Dr. Junge-l\ei&e (Holstein), Dr. Kanth- 
Stettin, Dr. Baltzer- Stettin und Dr. Kernlei'- Wein¬ 
garten. 

Verstorben sind im verflossenen Jahre die Herren 
DDr. Eberle, Glitsch , Hajen, Jacobi , Kranz senior 
und Hochecker , zu deren ehrendem Angedenken. die 
Mitglieder sich von ihren Plätzen erhoben. 

Es erfolgte nun der Geschäftsbericht des Central¬ 
vereins, der manche Lichtpunkte zeigte, wie Zu- 
• Wendungen für das homöopathische Krankenhaus 
| in Leipzig. Die Stellung der officiellen Medicin, 
hauptsächlich der Universitäts-Facultätsprofessoren, 
an unseren deutschen Universitäten zu der homöo¬ 
pathischen Schule ist leider im verflossenen Ge¬ 
schäftsjahre eher schlechter als besser geworden; 
dafür sprach z. B. die Verweigerung des goldnen 


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50 


Doctordiploms an mehrere homöopathische Aerzte 
und die Verfolgung und Drangsalirung derjenigen 
Examinanden beim Staatsexamen, deren Hinneigung 
zur Homöopathie irgendwie bekannt geworden war. 
Man verlangte Abschwörung dieser Grundsätze und 
Unterwerfung der Regeln unter die Schulautorität, 
als ob es sich um ein Ketzergericht handelte. — 
Trotzalledem hat sich die Zahl der homöopathischen 
Aerzte bei uns erfreulicher Weise vermehrt. 

Der Bericht des dirigirenden Arztes vom homöo¬ 
pathischen Krankenhause in Leipzig, Dr. Stifft , 
giebt ein deutliches Zeugniss von dem Gedeihen 
dieses Instituts. Die Krankenzahi sowohl in den 
Privatklassen als auch in der sogenannten dritten 
Klasse (Saalkranke) hat entschieden zugenommen. 
Es wurden behandelt im verflossenen Betriebsjahre 
insgesammt 189 Kranke in 6478 Verpflegungs¬ 
tagen; es begann mit einem Bestände von 15 und 
schloss mit einem solchen von 33 Kranken. Das 
Verhältniss der acuten zu den chronischen Kranken 
zeigt sich im Steigen; die Zahl der ersten betrug 
51, die der letzteren 138. Zu erwähnen ist, dass 
die Ortskrankenkasse Leipzigs 64 Männer und 
20 Frauen unserem homöopathischen Krankenhause 
zur Behandlung überwiesen hat. Einige inter¬ 
essante Krankheitsfalle sollen hier späterhin ver¬ 
öffentlicht werden. 

An der homöopathischen Poliklinik in Leipzig 
waltet Dr. Lorbaclier nach wie vor in Treue und 
Hingebung seines Amtes und giebt auch den jungen 
hospitirenden Medicinern bereitwilligst Anweisungen 
für das Studium unserer Arzneimittellehre und 
praktische Belege dafür. Die Rechnungsablage 
über das Vermögen des Homöopathischen Central¬ 
vereins von Seiten des Herrn Apotheker Steinmetz 
gab ein im Ganzen günstiges Bild über das Be¬ 
triebsjahr; die Vorlagen sind gewissenhaft geprüft 
und dem Kassenverwalter daraufhin Entlastung er- 
theilt worden. — Auf Antrag des Dr. Windelband 
ward Herrn Steinmetz für seine so opferfreudige 
Verwaltung seines schweren Amtes der Dank der 
Versammlung ausgesprochen. — Durch allgemeine 
Zustimmung wurden die Aerzte, sowie der Kassen¬ 
verwalter in ihrem Amte bestätigt. 

Die Vereinsbibliothek ist in stetigem Wachs¬ 
thum begriffen, wird aber im Ganzen noch zu 
wenig in Anspruch genommen. 

Bei der Wahl zum Versammlungsort des Central- 
verejns für das Jahr 1895 wurde, nach Ablehnung 
von Münster, Kassel und Hannover, Hamburg fast 
einstimmig angenommen. Sollte die Cholera um 
die Versammlungszeit dort herrschen, so ist die 
Verlegung nach Kiel dem Vorstande anheim¬ 
gestellt. — Zum Ehrenpräsidenten wird Dr. Kunkel - 
Kiel einhellig erwählt. 

Auf Antrag des Vorstandes, den Neudruck der 


Satzungen des Central Vereins betr., wurden manche 
kleine Aenderungen in den Ausführungsbestimmun¬ 
gen, zum Theil nur solche, die sich auf die 
Fassung derselben bezogen, angenommen. — Als 
etwas Neues müssen wir eine an den Vorstand des 
Vereins von den Geschäftsführern der Versamm¬ 
lung deutscher Aerzte und Naturforscher in Wien 
eingegangene Einladung hervorheben. 

Wissenschaftliche Sitzung am 10. August. 
Vormittags 9 Uhr. 

Da der zum Ehrenvorsitzenden im vorigen 
Jahre ernannte Dr. Kallenbach leider nicht er¬ 
scheinen konnte, so übernahm Dr. Weber-YLo\n die 
Leitung der Sitzungen. Er eröffnete dieselbe mit 
einer an Dr. Kallenbach'$ (in der Allg. hom. Ztg. 
veröffentlichten) Vortrag anknüpfenden Ansprache, 
worin er in kernigen Worten die Aussichten, 
Kämpfe nach aussen wie nach innen, den ver¬ 
kümmerten Zustand der heutigen Therapie der 
alten Schule aus dem Munde eines competenten 
Kritikers in der „Zukunft,“ sowie den Kernpunkt 
unserer Heilmethode selbst zeichnete. 

Hierauf hielt Dr. Windelband den von ihm 
übernommenen Vortrag über „Influenza,“ den er 
später ausführlich veröffentlichen wird. Die sich 
an denselben anschliessende lebhafte Discussion 
brachte für das Thema nach der therapeutischen 
Seite hin manche interessante und werthvolle Ge¬ 
sichts- und Anhaltspunkte. 

Dr. Göhr um bekam sodann das Wort zum Vor¬ 
trag über die Euphrasia als Arzneimittel, und hat 
er sich seiner Aufgabe, die pharmakologische, phar- 
makodynamische und therapeutische Stellung dieses 
Mittels zu einer klaren und deutlichen Darstellung 
zu bringen, mit grossem Fleisse und in kritischem, 
aber nicht hyperskeptischem Sinne erledigt. Beiden 
Vortragenden wurde vom Vorsitzenden der Dank 
der Versammlung ausgesprochen. — Damit war 
die wissenschaftliche Sitzung beendet und fand 
hierauf nach einer Pause das übliche Festmahl 
statt, das durch eine Reihe theils ernster, theils 
humoristischer, geist- und witzreicher Trinksprüche 
geistige Würze empfing. Die Wogen der Fröhlich¬ 
keit, belebten Unterhaltung stiegen von Stunde zu 
Stunde, und war die unter starkem Regen und 
Donner und Blitz beim Besuche der hohen Wart¬ 
burg eingetretene Abkühlung der Temperatur von 
aussen auch für den inneren Menschen sehr wolil- 
thuend. Noch am Abend fand sich ein kleiner 
Kreis von Männern und Frauen in dem hübschen 
„Waldhause“, einer sommerlichen, schöngelegenen 
Filiale des „Hotel zum Kronprinzen“, in dem 
die Meisten abgestiegen waren, in trautem Ge¬ 
spräch beisammen. — So verlief die 62. General¬ 
versammlung unseres Centralvereins in freundlicher, 


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51 


freudenreicher, harmonischer Stimmung der Fest¬ 
genossen, und schied man unter kräftigem Händedruck 
mit dem wohlgemeinten Wunsche: „auf Wieder¬ 
sehen in Hamburg!“ welcher Wunsch ganz be¬ 
sonders unserem hochverehrten Vorsitzenden, un- 
serm Nestor, Dr. Lorbacher, galt, zumal dieser 
1895, so Gott will, sein 50jähriges Jubiläum als 
Mitglied des Centralvereins begehen wird. 


Zur Typhusbehandlung. 

Von Dr. Kimpel in Legau (Bayern). 

Der Aufsatz des Herrn Obermedici nalrathes 
Dr. von Sick über eine Typhusepidemie in der 
evangelischen Diakonissenanstalt in Stuttgart und 
seine Aufforderung an die Aerzte, ihre Erfahrungen 
bei Typhusbehandlung zu veröffentlichen, veranlasst 
mich zum Schreiben folgenden Artikels: 

Seit meiner 13 jährigen Thätigkeit als Arzt habe 
ich wohl über 300 Typhuskranke in Behandlung 
gehabt, Patienten jeden Alters und Geschlechtes, 
die meisten in Privathäusern bei Landwirtschaft 
treibender Bevölkerung, unter oft sehr misslichen 
äusseren Verhältnissen. Meine Erfahrungen nun 
in der Typhus-Therapie gipfeln in folgenden 
Punkten: 

1. Der Typhuskranke soll so früh als möglich 
in ärztliche Behandlung kommen. 

2. Es herrsche Reinlichkeit, und zwar der Luft, 
des Zimmers, der Bett- und Leibwäsche, des Kranken 
selbst. 

3. Der Kranke muss fleissig trinken, nicht viel 
auf einmal, aber oft; im Getränk ist fleissig zu 
wechseln; Bier und Weissbier ist stets verboten, 
Wein meistens gestattet, oft notwendig. 

4. Der Kranke darf nur flüssige Kost gemessen, 
nur, was man durch einen Federkiel trinken könnte, 
so lange Fieber vorhanden ist; nach Autoren des 
Fiebers ist noch ein paar Monate lang grosse Vor¬ 
sicht in der Auswahl der Speisen notwendig. 

5. Der Kranke ist gut zu lagern, fleissiger, 
aber behutsamer Wechsel der Lage, um Decubitus, 
Hypostasen, Thrombosen zu verhüten. 

6. Um den Kranken hat Ruhe zu herrschen, 
daher keine Besuche, keine freudigen und keine 
traurigen Nachrichten; der Kranke ist liebevoll zu 
pflegen. 

7. Kaltes Wasser zu Bädern bei sehr robusten 
Individuen, und wo die äussem Verhältnisse es ge¬ 
statten, sonst kalte Wicklungen, kalte Waschungen, 
kalte Umschläge auf den Kopf, auf den Unterleib 
sind anzuwenden, wie es die einzelnen Symptome, 
hohes Fieber, heisse trockene Haut, Kopfschmerz, 
Meteorismus etc., verlangen. 


8. Medicamentöse Behandlung, und hierüber will 
ich mich etwas ausführlicher äussem: 

Calomel 0.5, Sacch. alb. 2.0, Mfpulv. Div. in 
part. aequ. Nr. V. S. stündlich 1 Pulver in einem 
Löffel voll Milch zu geben, hat mir in vielen Fällen 
(bin selbst einer davon) den Typhus coupirt, wenn 
es gegeben werden kann vor Eintritt eines merk¬ 
lichen Frostes, wenn die Typhuskeime erst im 
Darmkanal und noch nicht in den Mesenterialdrüsen 
und im Blute sich befinden, wenn sie also theils 
durch das abgeschiedene Sublimat vernichtet, theils 
mechanisch durch die laxirende Wirkung des Calo- 
mels aus dem Darmkanal entfernt werden können. 
Später nützt es nichts mehr. Wo mit Calomel 
nichts mehr zu machen war, habe ich wohl in der 
Hälfte der Fälle die meisten empfohlenen allo¬ 
pathischen Medicamente gegeben und bin zu der 
Ueberzeugung gekommen, dass sie wohl manche 
Symptome günstig beeinflussen können, aber auf 
den Verlauf des Typhus und auf das Endresultat 
sehr wenig Einfluss haben. (Ueber Lactophenin 
habe ich noch keine Erfahrung.) 

Der Umstand, dass von den meisten allopa¬ 
thischen Aerzten die Behandlung des Typhus mit 
den modernen und alten antipyretischen Mitteln etc. 
verlassen worden und der medicinische Nihilismus 
stark eingerissen ist, sagt mir, dass meine Erfah¬ 
rung auch die Anderer ist, und dass sich die Sache 
wirklich so verhält. 

Dann habe ich in sehr vielen Fällen die meisten 
homöopathischen Medicamente gegeben in verschie¬ 
denen Potenzen und Wiederholungen und habe 
damit auch nicht viel mehr Freude erlebt, als mit 
den allopathischen. 

Ich habe mit einem hervorragenden Homöo¬ 
pathen und sehr gediegenen Mittelkenner ge¬ 
sprochen und der hat mir versichert, seine Erfolge 
mit homöopathischen Mitteln im Typhus hätten ihn 
auch nicht zur Homöopathie bekehrt. 

Wir haben eben bisher noch kein „Simile“ für 
Typhus gehabt. 

Nun las ich in der Münchner medicinischen 
Wochenschrift Jahrgang 1889 Nr. 8, dass Dr. Stepp 
in Nürnberg das Chloroform-Wasser innerlich im 
Typhus empfiehlt. Wie das Chloroform wirkt, sei 
nicht zu erklären, die desinficirende Kraft des 
Chloroform-Wassers könne es unmöglich sein. Er 
legt die Annahme nahe, dass sich das Chloroform 
im Körper spalte und die Spaltungsproducte ent¬ 
weder die Krankheitserreger selbst beeinflussen, 
oder dass sie mit den Endproducten derselben, den 
Ptomainen, dortselbst eine Verbindung eingehen 
und sie für den Organismus unschädlich machen, 
dass also auf die eine oder andere Weise der Or¬ 
ganismus gegenüber der Infection in eine günstige 
Lage gebracht werde. 


7 * 

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52 


Ich fing nun an, meine Typhuskranken mit 
Chloroform-Wasser zu behandeln und bin damit, wie 
Dr. Stepp, ausserordentlich zufrieden. Die Kranken 
nehmen die Medicin sehr gerne; das Fieber fällt 
in ein paar Tagen prompt und bleibt niedrig und 
alle Erscheinungen der schweren Krankheit mildem 
sich, das Bewusstsein bleibt ungetrübt, die Krank¬ 
heit wird entschieden abgekürzt; unangenehme Er¬ 
scheinungen, die dem Chloroform zugeschrieben 
werden müssen, habe ich gar nie beobachtet. Ich gab 
immer 8—9—10 Tropfen Chloroform mit 200 Gramm 
Wasser innig gemischt mit oder ohne Syrup-Zusatz, 
alle 2 Stunden 8 Löffel voll, so dass die Medicin 
24 Stunden reicht. 

Und nun die Frage: Wie wirkt Chloroform? 

Antwort: Weil es ein „Simile“ im Typhus ist. 
Chloroform unverdünnt in grossen Dosen per os 
gegeben bewirkt Brennen, Blasen- und Geschwürs - 
bildung, Gastro-Enteritis, die sehr hartnäckig sein 
soll. Inhalirt erzeugt es Hustenreiz und dann die 
bekannten 3 Stadien der Narkose: 1. Das der 
Willkür mit einer sich über den ganzen Körper 
verbreitenden Wärme, Kriebeln und Prickeln in 
den Extremitäten etc. 2. Das Stadium der Exci- 
tation, sich kennzeichnend durch Delirien der ver¬ 
schiedensten Art, Steigen der Temperatur, aufge¬ 
hobenes Bewusstsein, aber Bestehen der Reflexe. 
3. Das Stadium der Toleranz, Bewusstlosigkeit, Auf¬ 
hören der Reflexe, Paralyse der Muskeln, Sinken 
der Temperatur und schliesslich Collaps. 

Das Typhusgift erzeugt im Körper ähnliche 
Erscheinungen wie Chloroform: Magen-Darmkatarrh 
mit Geschwürsbildung, erhöhte Temperatur, Be¬ 
nommenheit des Sensoriums, Delirien der ver¬ 
schiedensten Art, endlich Somnolenz, Sopor, Collaps. 

Die Stadien der Chloroform-Wirkung wickeln 
sich in einigen Minuten und Stunden, die Stadien 
des Typhus in Tagen und Wochen ab. 

Chloroform-Narkose wie Typhus bestehen Kinder 
bis zu 12 Jahren sehr leicht, die markantesten Er¬ 
scheinungen treten bei beiden im mittleren Lebens¬ 
alter auf, alte Leute ertragen beide schlecht. Wie 
ähnlich ist ein im 2. Stadium Chloroformirter einem 
Typhuskranken im furibunden Delirium, wie ähnlich 
ein schwerer Typhuskranker im Coma einem Chloro- 
formirten im Stadium der Toleranz. 

Die nämlichen nervösen Central - Organe, die 
durch das Typhusgift specifisch geschwächt und 
gelähmt werden, werden durch das als Reizmittel 
wirkende verdünnte Chloroform zum Widerstand 
gewappnet. — Mögen nun andere Aerzte, Allopathen 
wie Homöopathen, das Chloroform-Wasser im Typhus 
erproben, möge aber kein Allopath das Chioro- 
formium purum tropfen- oder (mehr hilft mehr!) 
löffelweise geben oder gar die Chloroform-Narkose 
einleiten, möge auch kein Homöopath im Hand¬ 


umdrehen die 2000. Potenz von Chloroform sich 
bereiten, damit Streukügelchen befeuchten und dem 
Patienten eines auf die Zunge legen — in medio 
est virtus! 

Anmerkung der Redaction. Wir haben dem 
Herrn Dr. Kimpel gern das Wort gestattet, um 
auf den Appell des Herrn Obermedicinalraths Dr. 
von Sick hin, seine Erfahrungen in der Typhus¬ 
behandlung hier darzulegen. Er nimmt für die 
Therapie das Gute, wo er es findet und huldigt 
also einem Eklekticismus, der aber ein weites Ge¬ 
biet umspannt, und doch scheint er der Homöopathie 
besonders zugeneigt zu sein, da er die Wirkung 
des Chloroforms, des Mittels, welches in sehr 
mässiger Dosis ihm bei seinen Thyphuskranken die 
besten Dienste geleistet, dem Aehnlichkeitsgesetze 
unterzuordnen bestrebt ist. Die guten Erfolge, die 
sich ihm hiermit ergeben haben, erkennen wir gern 
an, gestehen auch zu, dass wir bei manchen Typhus¬ 
kranken ein Krankheitsbild antreffen werden, welche» 
vom homöopathischen Standpunkte aus auf Chloro¬ 
form hindeutet, obwohl dies Mittel bisher von un¬ 
serer Schule, wie überhaupt, so auch in diesen 
Fällen unbeachtet geblieben ist. Fraglich erscheint 
es uns jedoch, ob die gesammte Wirkung des 
Chloroforms nach ihren objectiven und subjectiven 
Erscheinungen hin und die Wirkung des Typhusgift» 
durchweg parallel laufen. Das individuelle Moment 
dürfen wir keinesfalls übersehen. Oder sollte das 
Chloroform sich vielleicht dem Typhusprocess gegen¬ 
über in ähnlicher Weise verhalten, wie die Salicyl- 
säure zum acuten Gelenkrheumatismus? Es mag 
dieses eine Art allgeinein-specifischer Wirkung sein, 
die wir unsererseits nicht ableugnen, wenn wir sie 
auch nicht nach dem Simile zu erklären befugt 
sind. Herr College Kimpel würde uns zu ganz 
besonderem Danke noch verpflichten, wenn er uns 
einige detaillirte, unter der Anwendung des Chloro¬ 
forms verlaufene Krankheitsfälle mittheilen wollte. 


Einzelne Fälle aus der Praxis 
mit Randbemerkungen. 

Von Dr. med. Waszily, prakt. Arzt in Kiel. 

1) Am 23. Sept. 1893 befragte mich Frau G. in K. 
wegen ihrer fünfjährigen Tochter Fr. Ich finde Fol¬ 
gendes darüber aufgezeichnet: Pustviöser Ausschlag 
über den ganzen K.örper, Eiterpusteln zeitweise sehr 
gross, zuerst aufgetreten im Alter von kaum einem 
Jahr, Quaddeln im Frühjahr und Herbst; Appetit¬ 
losigkeit von klein auf, zeitweise Heisshunger , z. B. 
auf Schwarzbrot, belegte Zunge, Mundgeruch, viel 
Durst, Stuhl sehr hart, von wechselnder Form, oft 
mit Schmerzen, Lnn wird öfter gelassen , auch Nachts 
und jedesmal wenig , unruhiger Schlaf, Blosswälzen, 


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Schweis» besonders an den . 'unbedeckten Kotier- 1 
theilen 9 sehr verdriessliche und mürrische Stimmung, 
zeitweise aber ausgelassen heiter und wild. Die 
Mutter ist vor der Verheirathung stets gesund ge¬ 
wesen, nachher krank geworden, hat dieses Kind 
genährt, der Mann hat dreimal Gonorrhoe früher ge¬ 
habt. Diagnose: Sycosis hereditaria. Die Aufstellung 
dieser nicht von modern pathologisch-anatomischer 
Grundlage ausgehenden Krankheitsbezeichnung hatte 
für mich grossen Werth; es war das der Gesichts¬ 
punkt, von welchem ich bei der Wahl der in Frage 
kommenden Heilmittel ausging. Nach dem Ge- 
sammtbild der Symptome stellte ich meine Arznei¬ 
mitteldiagnose auf Thuja. Verordnung: Thuja 
C. 200. in Körnchen, drei Gaben, jeden Abend 
eine zu nehmen. Die Nachwirkung sollte ruhig ab¬ 
gewartet werden. 

Am 18. Mai 1894 kommt die Mutter wieder 
mit dem Kind und berichtet, dass dasselbe seit 
vorigeü Herbst, nachdem es die 3 Pulver ein¬ 
genommen, „ein ganz anderer Mensch geworden 
sei, wie umgewandelt.“ Der Anfang der Besse¬ 
rung hat sich in der Veränderung der Stimmung 
gezeigt, der Pustelausschlag ist allmählig ver¬ 
schwunden und nicht wiedergekehrt. Jetzt hat es 
Keuchhusten, wogegen ich Natr. mur. angezeigt 
finde, doch will ich hier darauf nicht weiter eiu- 
gehen, sondern nur noch darauf aufmerksam 
machen, dass ich die Ueberzeugung habe, dass ich 
mit Thuja in einer Tiefpotenz gar nichts oder sehr 
wenig in diesem Fall würde ausgerichtet haben. 
Ich gehöre zu den sog. „homöopathischen Höchst- 
potenziem“, verordne die passende Arznei von der 
Tinctur und den ersten Verdünnungen bis zur 
500. Potenz und hoch darüber hinaus, — hier 
nicht mehr Verdünnung, sondern Potenz —, wie 
es mir in dem gerade vorliegenden Fall angezeigt 
erscheint. Krankheit ist eine Störung in den Be¬ 
wegungen in den allerkleinsten Theilen des mensch¬ 
lichen Körpers; in unseren Hochpotenzen ist kein 
chemischer Stoff, sondern eine Bewegung das wir¬ 
kende Agens. In obigem Fall war nicht ein ein¬ 
zelnes Organ der Sitz der gestörten Bewegung, 
sondern der ganze Körper; zur Umstimmung konnte 
daher nicht ein Heilmittel angewandt werden, 
welches durch seine chemische Beschaffenheit, oder 
als Organmittel, oder als sog. Specificum wirken 
sollte, sondern nur ein solches, das durch die ihm 
speciell innewohnende Bewegung eine Heilwirkung 
erzielen sollte. Die Thatsache der Wirkung kann 
Niemand, der sie sieht, ableugnen, das „Wie“ der 
Wirkung mag sich ein jeder nach seiner Weise er¬ 
klären. 

2) Am 14. Nov. 1893 erhielt ich von einem Ver¬ 
wandten, der wohl ein Jahr lang von Specialisten 
und Nichtspecialisten behandelt worden war, dann 


die letzten Monate jede Behandlung aufgegeben 
hatte, ohne sich zu einer homöopathischen Behand¬ 
lung entschliessen zu können, folgenden Bericht: 
„Seit August habe ich mein Leiden schon, an¬ 
fangs nicht so heftig, mit der Zeit aber immer zu¬ 
nehmend. Meine Schmerzen bestehen in fürchter¬ 
lichem Wühlen oder Bohren im Magen, auch habe 
ich Schmerz bei äusserlichem Druck, Morgens eine 
belegte Zunge und einen sehr schlechten Geschmack, 
obwohl ich meinen Mund Öfters ausspüle. Zum 
öfteren habe ich Kopfschmerz oder mehr ein 
dumpfes Gefühl im Kopfe, so dass ich ganz 
schwindlig bin, aber nur Abends. Der Stuhlgang 
ist unregelmässig, oft dick, oft dünn, mitunter drei¬ 
mal des Tages, mitunter gar nicht; beim Stuhlgang 
keine Schmerzen, aber beim Harnlassen zuweilen 
ein Brennen oder gleich nachher, dann habe ich 
aber öfters Drang zum Uriniren. Zuweilen schlafe 
ich Nachts gut, zuweilen gar nicht. Wenn ich 
Nachts Schmerzen habe, schlafe ich natürlich nicht, 
bin den ganzen Tag unwohl, friere und habe Kopf¬ 
schmerzen. Es ist jetzt 5 Uhr Abends und die 
Magenschmerzen stellen sich wieder ein; es kann 
in einer Stunde vorüber sein, kann aber auch bis 
12 Uhr dauern, oft sind die Schmerzen nicht zum 
Aushalten. Morgens bin ich manchmal so ver¬ 
gnügt und frisch, wie nur ein Mensch sein kann, 
aber nachher ändert sich bald die Stimmung, dann 
bin ich ausserordentlich mürrisch und verdriesslich. 
Hoffentlich etc. etc.“ Ich bemerke dazu, dass der 
Kranke früher stets gesund gewesen, sich im Alter 
von 22 Jahren eine Gonorrhoe und einmaliges Re- 
cidiv erworben und deswegen fortgesetzt behandelt 
war. Die Gonorrhoe war sehr hartnäckig gewesen, 
schliesslich war es doch einem Collegen gelungen, 
die Sache mit Einspritzungen zu ,, heilen “ mit den 
modernsten und wissenschaftlichsten Mitteln. Ich 
verordnete jetzt Thuja C. 200., 3 Gaben zu 3 Korn, 
jeden Abend eine zu nehmen. Am 25. December 
1893 erhielt ich folgenden Brief, welchen ich 
wörtlich anführe: „Ich muss nun wohl einen Be¬ 
richt über den Verlauf meiner Krankheit erstatten: 
So merkwürdig die Geschichte auch klingt, mit 
mir ist es viel besser, aber auch wieder schlechter 
geworden. Zuerst bekam ich nach dem Pulver 
sogar Nachts gehörigen Durchfall, Blut, Schleim, 
alles ging weg. Dabei ein fürchterliches Brennen 
in der Harnröhre, welches aber bald nachliess. Am 
zweiten Tag lief aus der Harnröhre etwas ganz 
klarer, weisser Schleim und am dritten Tag war 
es, als ob ich einen Tripper hätte; sonderbarer 
Weise ward mir immer wohler dabei. Leibschmerzen 
habe ich in den letzten 8 Tagen gar nicht gehabt, 
ebenso das dumpfe Gefühl im Kopfe ist nur noch 
verschwindend wenig; und obwohl die Geschichte 
noch immer läuft, keine Schmerzen in der Harn- 


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rohre, auch keinen Drang zum Wasserlassen, Stuhl¬ 
gang regelmässig, fest und leicht, Appetit gut, ja 
ich esse sogar viel. Wie ich aber jetzt zu dem 
Tripper komme, weiss ich mir nicht zu erklären; 
mein Wort, ich habe in dem letzten */ 4 Jahr kein 
Mädchen besucht. Kann die Sache auch von den 
Pulvern herrühren? Sonderbarer Weise bin ich 
dabei so viel besser zu Muth als vorher. Der Aus¬ 
fluss wird in den letzten Tagen scheinbar dünner 
und flüssiger, am Ende hört er von selber wieder 
auf etc. etc.“ Dass nach den 3 Gaben der 200. Po¬ 
tenz obige Erscheinungen auftraten, wunderte mich 
nicht, ich bin „so leichten Herzens , von einer sol¬ 
chen Hochpotenz Heilerfolge zu erwarten .“ Ich habe 
täglich Gelegenheit, Thatsachen und Beweise zu 
sehen; wer da sagt: post hoc, non ergo propter 
hoc, den bemitleide ich; wer aber sagt, ich habe \ 
die 200. Potenz nicht angewandt, weil ich mit 
Tiefpotenzen befriedigende Erfolge sah, oder weil 
ich die Schwierigkeit bei deren Anwendung in der 
Praxis: „dass man nur zu genau (las specifische 
Mittel finden müsse “, nicht überwinden kann oder 
will, zu dem sage ich: aude sapere. — Genug, 
der Kranke ward durch solche Hochpotenz geheilt, 
theoretische Spitzfindigkeiten kümmern ihn nicht. 

3) A. G., ein zwölfjähriges, echtes Pausbacken¬ 
mädel, ist am 19. April 1894 an heftiger Halsent¬ 
zündung erkrankt. Der ganze Pharynx und die 
Tonsillen sind geröthet und geschwollen , Speichel¬ 
sekretion sehr vermehrt , Schnupfen mit reichlicher 
Schleimabsonderung. Die Nacht vorher ist das 
Kind sehr unruhig gewesen, ist durch Chamillen- 
thee in Sch weiss gebracht, hat viel über Hals- und 
Stirnkopfschmerzen geklagt. Temperatur 38,9°. 
Ohne lange zu überlegen, verordnete ich Mercur. 
solub. C. 3., 3stündlich von der Wasserauflösung 
einen Löffel zu nehmen. Nach 2 Tagen wurde 
mein Besuch gewünscht, wo ich das Kind schon 
besser wähnte. Davon war jedoch keine Spur. In j 
den beiden Nächten war die Kranke recht unruhig 
gewesen, war besonders nach Mitternacht aus dem I 
Schlaf aufgefahren, hatte delirirt; Kopf- und Hals¬ 
schmerzen waren nach dem Erwachen schlimmer , 
an den Tonsillen zeigte sich ein käsiges Exsudat , 
welches ich beim ersten Anblick für diphtlieritische 
Membran hielt, Mundgeruch , ferner ein Gefühl, als 
läge ein Haar auf dem hinteren Thed der Zunge , 
welches durch Essen oder Trinken nicht zum Ver- ' 
schwinden gebracht werden konnte; Stuhlgang 
durch Klystier, Urin dunkel und spärlich. Verord¬ 
nung: Kali bichrom., glob. VHI. in 1 / 2 Glas Wasser | 
aufgelöst, davon 3stündlich einen Theelöffel voll 
zu nehmen. Am nächsten Mittag Besserung in 
jeder Beziehung, die subjectiven Symptome hatten 
sich schon nach dem zweiten Einnehmen gebessert. 
Temperatur 38,0°. Die Verordnung blieb dieselbe ; 


bis zur völligen Wiederherstellung. Die Wahl von 
Kali bichrom. gegen diese Angina follicularis ge¬ 
schah lediglich auf das Symptom hin: „ Empfin¬ 
dung eines Haars auf der Zunge “; hätte ich gleich 
zu Anfang etwas genauer nachgefragt, so hätte ich 
mich nicht erst mit Mercur. aufzuhalten brauchen. 
Dieser und jener würde freilich auf dieses subjec- 
tive Symptom nichts gegeben haben. Wenn aber 
jemand, der unsere Arzneimittellehre kennen will, 
ein Symptom wie dieses nach Art des Herrn 
Dr. Puhlmann in der „Populären“ als lächer¬ 
lich u. s. w. hinstellt, so stellt er sich damit ein 
trauriges Armutszeugnis aus. Nach meiner Ueber- 
zeugung und meinen Beobachtungen sind derartige 
Symptome oft für eine individuelle Arzneimittel¬ 
diagnose gerade die werthvollsten. Soeben ist eine 
kleine Schrift erschienen, wieder einmal eine kleine 
Paulusgeschichte, in welcher ich manchen Anklang 
an meine Anschauungen fand: „Die homöopathische 
Arzneimittellehre. Eine kritische Studie von 
Dr. Arthur Sperling“ — einem auf elektrothera- 
peutischem Gebiet thätigen Forscher und Mit¬ 
herausgeber der Zeitschrift für Hypnotismus _ # 

Verlag von Max Merlin, Wien-Leipzig 1894. Neben 
der Erörterung der Wirkung minimaler Dosen wird 
darin auch dieser Punkt unserer Arzneimittellehre 
berührt. Verfasser greift Lycop. heraus, charak- 
terisirt es nach Feilenberg-Ziegler und bemerkt 
dazu pag. 28: „Dem Arzt unserer Schule muss es 
sehr befremdend Vorkommen, dass auf diese Dinge 
Werth gelegt wird und er lacht, wenn er unter 
Lycop. liest: „Der eine Fuss kalt, der andere warm.“ 
Sicherlich ist dieses Symptom lächerlich, wenn man 
es einzeln betrachtet; eingereiht jedoch in den 
Complex der Symptome kann es von Wichtigkeit 
sein“ etc. — Wenn ein frei und ehrlich forschender 
und denkender Gegner das anerkennt und in einer 
populären homöopathischen Zeitschrift homöopathische 
Aerzte lächerlich gemacht werden, weil sie auf 
solche Symptome Werth legen, was soll man dazu 
sagen ? 


Ein Fall von Capsicum-Vergiftung. 

Eine 39jährige Frau, welche in einer Fabrik 
arbeitete, wo Capsicum-Pflaster hergestellt wurden, 
bekam folgende Symptome: 

Sie empfand zuerst plötzliche und sehr hoch¬ 
gradige Schwäche mit sehr intensiver Kälte. Wenn 
sie sich ans Feuer stellte, so ward diese besser; 
doch kehrte sie bald zurück, sobald sie sich davon 
entfernte. Diese letztere Steigerung schien sowohl 
von der verminderten Hitze als auch von der Be¬ 
wegung abzuhängen. Die Kälte concentrirte sich 
im Rücken. Sie hielt, von heftigem Schütteln 
(Schüttelfrost) begleitet, etwa V/ 2 Stunden an, 


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worauf Kälteschauer folgten, die anhaltend die 
Wirbelsäule hinabliefen, mit einer Empfindung, als 
ob Wasser die Vorderfläche der Brust an der Fossa 
suprasternalis abwärts herabriesele. Durst äusserst 
heftig, aber der geringste Schluck Wassers brachte 
heftigen Schauder hervor. Sie hielt trotzdem bei 
ihrer Arbeit aus und nach 2—3 Tagen entwickelte 
sich ein starker Schnupfen. Dr. Fr. Calkins Bunn 
sah sie erst vier Tage danach — sie hatte in¬ 
zwischen die Arbeit ausgesetzt — und die Symp¬ 
tome, welche er bei seinem Besuche constatirte, 
waren folgende: 

Gemüth . Grosse Ruhelosigkeit und Reizbarkeit. 
Redselig — sie spricht fortwährend über ihre Be¬ 
schwerden. Sehr geschwätzig. 

Kopf. Kopfweh in Schläfen und Stirn mit 
grosser Hitze. Sie möchte den Kopf schlagen und 
zerstossen. Dabei grosse Unruhe, vollständige 
Schlaflosigkeit; Kopfweh schlimmer von Bewegung 
und Licht. 

Augen . Heftiges Brennen, mit heisser, reich¬ 
licher, stark reizender Absonderung. Die Lidbinde¬ 
haut und die Lider selbst sehr roth und entzündet, 
aber die Conjunctiva oculi nicht afficirt. Die 
Pupille erweitert und sehr lichtscheu. Die Augen 
ungewöhnlich glänzend. 

Nase . Die Schneider’sche Membran stark con- 
geßtionirt, von ganz besonderm Glanz, dunkelroth. 
Reichlicher, sehr heisser und ätzender Ausfluss 
von wässerigem Aussehen. 

Angesicht blass, besorgt. 

Lippen sehr glänzend dunkelroth — wie die 
Nasenschleimhaut. 

Zunge geschwollen, glänzend dunkelroth, den 
Eindruck der Zähne zeigend, kann nur ein wenig 
vorgestreckt werden, als ob sie sich der An¬ 
schwellung wegen an dem Gebiss stiesse. 

Mund kann nur wenig geöffnet werden wegen 
heftigen Schmerzes und Krampf im Kiefernwinkel. 
Man konnte deshalb keinen Einblick nach dem 
Pharynx gewinnen. Grosse Hitze im Mund und 
Halse. 

Gastrisches . Vollständige Appetitlosigkeit. Frost¬ 
schaudern und Uebelkeitsempfindung beim Versuch 
zu essen. — Intensiver Durst, aber der geringste 
Schluck Wasser verursacht heftigen Frostschauder. 

Stuhl . Hartnäckige Verstopfung; diese ist aber 
bei ihr gewöhnlich. 

Blase . Heftige Strangurie, häufiges Uriniren 
unter sehr heftigem Brennen, begleitet von starkem 
Schüttelfrost im Rücken. 

Kehlkopf Zeitweise krampfartige Zusammen¬ 
ziehung wie zum Ersticken. Die Stimme bald sehr 
rauh und barsch, bald normal. Trockner, krampf¬ 
artiger, gewaltsamer Husten. 

Brust . Stechender Schmerz im unteren Theil 


der linken Brusthälfte vom Rücken her. Kein 
Zeichen einer Lungen- oder Bronchial-Affection. 
Empfindung, als ob Wasser vom am Brustkasten 
herabriesele. 

Rucken. Heftiger Schmerz über die Nieren¬ 
gegend. Anhaltende, den Rücken herabkriechende 
Kälte. Die heftigen Frostanfälle beginnen im Rücken. 

Unterglieder schmerzhaft. Der Frost fährt vom 
Rücken in die Hüften hinab. 

Schlaf Gänzliche Schlaflosigkeit, wie sie sagt, 
wegen der Kopfschmerzen und des beständigen 
Frostes. — Hyperästhesie der Haut über die ganze 
Körperoberfläche — eine Steigerung des bei ihr 
sonst bestehenden Zustandes. Die geringste Be¬ 
rührung ist ihr empfindlich. (Dr. Frank Calkins 
Bunn.) M. 

(North American Journal of Homoeopathy. Juni 1894.) 


Calcarea carbonica in der Gallensteinkolik. 

A kingdon for a horse! ein Heilmittel, das die 
furchtbaren Schmerzen und Beschwerden cito, tute 
et jucunde zu lindern und zu heben vermag, welche 
den von einer Gallensteinkolik Betroffenen oft bis 
zur Unerträglichkeit quälen, — ein solches Mittel 
zu besitzen, ist wohl ein sehnlicher Wunsch jeden 
Praktikers gewesen. Von den bisherigen Mitteln, 
welche dem homöopathischen Arzte zu Gebote 
standen, ist wohl die Belladonna (resp. Atropin) 
dasjenige gewesen, das, selbst wenn es der Ge- 
sammtheit des bei einem Patienten dieser Art 
hervortretenden Symptome nicht völlig entsprach, 
dennoch das Meiste geleistet hat. Aber auch unter 
seiner Wirkung war dem Patienten ein oft viele 
Stunden andauernder Schmerzkampf nicht erspart. 
Zum Morphium habe ich mich kaum je entschliessen 
können, zumal die verstopfende Nachwirkung dem 
Abgänge der Gallensteine so hindernd in den Weg 
tritt; dabei ist es auch nicht immer von schlagender 
Wirkung. 

Unter solchen Umständen wird man gern zu 
einem Mittel greifen, das, obwohl es beim ersten 
Anblick uns hier gar nicht angezeigt scheinen 
möchte, doch das Zeugniss guter, glaubwürdiger 
Beobachter auf seiner Seite hat. Wir meinen Cal¬ 
carea carbonica. Wer es zuerst bei Gallenstein¬ 
kolik angewandt hat, ist uns nicht bekannt. In 
den letzten Jahren mehren sich aber die für das¬ 
selbe günstig lautenden Beobachtungen, und, wenn 
ein Mann, wie Dr. Hughes, der unter uns einer 
der Exaktesten von den Exakten ist, von ihr sagte: 
„Die Wirkung dieses Mittels war (in dem besproche¬ 
nen Krankheitszustande) etwas Merkwürdiges; es 
hat mir niemals versagt,“ so muss sicher Etwas 
daran sein. Referent hat bisher nur ein Mal bei 


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einer Frau, die schon mehrfach an sehr heftigen 
Gallensteinkoliken gelitten, im letzten Anfalle dieser 
Art, nach Atropin freilich, Calc. carb. angewandt. 
Das Mittel war hier um so mehr angezeigt, als 
Patientin an hoher Fettsucht leidet. — Wenn er 
auch nicht etwas Magisches von demselben gesehen 
hat, so doch eine erhebliche Abkürzung der klini¬ 
schen und namentlich subjectiven Erscheinungen. 

In dem Medical Century, vom 1. April 1894, 
begegneten wir einer von Dr. S. G. A. Brown be¬ 
richteten interessanten Beobachtung über das hier 
besprochene Thema. 

Ein 49 jähriger Arbeiter, von kräftiger Constitu¬ 
tion, ward plötzlich, zwei (englische) Meilen von 
seiner Heimat, von, wie er sagte, Krämpfen be¬ 
fallen. Ein Freund gab ihm drei Drachmen Lau- 
danum, die er auf 1 Mal nahm. Dann machte er 
sich auf nach Hause, musste aber alle 500 Ellen 
erbrechen. In S. gaben ihm seine „Freunde“ ein 
Glas Whisky, das er ebenso hinunterstürzte. Da¬ 
nach kam sofort ein ganz furchtbarer Anfall, so dass 
man schnell nach dem Arzte sandte. Dieser liess 
ihn nach Hause bringen, und da seine Symptome 
Colocynthis abspiegelten, so erhielt er von diesem 
Mittel mehrere Gaben, und zwar von der Stamm- 
tinctur. 

Da dies nicht beschwichtigte, so ward Morphium 
zu J e Vs Gran, alle 10 Minuten, eine Stunde 
lang, subcutan injicirt. (Das war doch etwas 
stark! ßef.) Trotzdem dauerte der Schmerz in 
höchstem Grade an, so griff Dr. Brown zu Chloro- 
form-Einathmungen, in der Hoffnung, auf diese 
Weise den Patienten zu erleichtern, bis der Gallen¬ 
stein — denn ein solcher musste wohl da sein — 
in das Duodenum gelangt wäre. 

Alle halbe Stunden liess man den Patienten 
zum Bewusstsein kommen, aber sein Leiden war 
unverändert. 

Dieser Zustand zog sich 12 Stunden hin, auch 
die heissen Umschläge auf den Unterleib hatten 
keinen Erfolg, so dass der Doctor unruhig wurde. 
Er ging nach Hause und fand beim Nachschlagen 
in Gattchell’s Keynotes: „Calcarea carb.“ Gieb 
alle fünfzehn Minuten eine Dosis, während des An¬ 
falls, um den Schmerz zu beschwichtigen! — Zum 
Patienten zurückkommend fand er diesen wie einen 
Wahnsinnigen rasen. 

Dr. Brown that 10 Tropfen Calc. carb. 30. in 
ein halbes Glas Wasser und gab ihm hiervon einen 
Theelöffel voll. Die Wirkung war zauberhaft. 
Innerhalb 10 Minuten ward er ruhig. Er bekam 
eine zweite Gabe und er würde nach 5 Minuten 
eingeschlafen sein, hätte Dr. Brown es zugelassen. 
(Warum geschah dies? Ref.) Aller Schmerz war 
vergangen, es blieb nur etwas Empfindlichkeit des 
Leibes zurück, für das Nux vom. gegeben wurde. — 


Bei einem Besuch 6 Stunden später fand Dr. Brown 
in den inzwischen entleerten Fäcalien 3 Gallen¬ 
steine, welche gross und ziemlich rauh, von un¬ 
regelmässigen Contouren, waren. 

Etwa acht Tage darauf hatte Dr. Brown Ge¬ 
legenheit, bei einer an der gleichen Krankheit 
leidenden Frau die Wirkung der Calc. carb. (in 
Wasser) mit einem ebenso günstigen Erfolge zu 
geben. — 

Der Patient, von dem zuerst die Rede war, 
bekam nach längerer Zeit einen starken Rückfall 
der Kolik. Er bekam Calc. c. in gleicher Weise; 
nach 20 Minuten kam er in Schlaf, aus dem er 
nach zwei Stunden schmerzfrei erwachte, abgesehen 
von etwas Empfindlichkeit im rechten Hypochondrium. 
Es wurde noch drei Tage lang von dem Mittel 
verabreicht; bei den Entleerungen gingen dann 
mehrere Steine ab. (Dr. Brown.) M. 

(Medical Century. April 1894.) 


L’omiopatia in Italia. 

Das XXII. Heft der genannten Zeitschrift, 
Organs der Instituto omiopatico Italiano, das un¬ 
serem Centralverein etwa entspricht, giebt uns wie¬ 
der erfreuliche Kunde über den Fortgang der 
Homöopathie in Italien; doch scheint die missliche 
Finanzlage einen leichten Schatten auch nach dieser 
Seite hin geworfen zu haben. — Die von dem In¬ 
stitut ins Leben gerufenen Polikliniken (Dispen¬ 
sarien) in Rom, Turin, Mailand und Venedig er¬ 
freuen sich eines immer zunehmenden Zuspruchs, 
ein Zeichen, welche sociale Bedeutung die Homöo¬ 
pathie gerade für die Armen und Aermsten im 
Volke hat. Dazu kommen noch einige kleinere 
Hospitäler, wie das in Turin und Venedig. — Aus 
der Klinik des Türmer Spitals theilt Dr. Fulvio 
Bonino folgenden interessanten Fall mit, den er 
als eine Myelitis bezeichnet. 

Ein 64 jähriger Tapezierer, weder Trinker, noch 
Raucher, auch nicht syphilitisch gewesen. Seine 
Mutter, im 72. Lebensjahr gestorben, war an den 
Händen gelähmt. — Patient selbst hatte in der 
Jugend an einer Pleuritis, an Schwindel und Tinea 
gelitten. 

Im October vorigen Jahres bemerkte Patient, 
dass seine Beine schwer und steif wurden, unter 
schmerzhafter Empfindung von Reissen und Zu¬ 
sammenziehung; diese Erscheinungen nahmen in 
dem Grade zu, dass er nicht gehen konnte. Gleich¬ 
zeitig Schwäche in den Armen mit Taubheitsgefuhl 
in den Fingerspitzen, begleitet von Anästhesie der 
Haut. Er bekam damals Kalium jodatum. 

Am 20. November kam er in das Ospidale di 
S. Giovanni, wo man ihn elektrisch behandelte, 


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auch gab man ihm Bäder und subcutane Strychnin- | 
Einspritzungen. Demungeachtet wurden die zu- ^ 
sammenziehenden Schmerzen in den Untergliedern 
immer heftiger, sodass er weder Tag noch Nacht 
Ruhe hatte. Am 28. December wurde er dann in 
das homöopathische Spital getragen. 

Ausser den oben geschilderten Symptomen con- 
statirte Dr. Bonino hier: Atrophie der Glieder (ins¬ 
besondere der Beine) mit Abnahme der Muskel¬ 
kraft. Die Anästhesie an den Händen in dem 
Grade, dass sie keinen Gegenstand zu unterschei¬ 
den vermöge, während die Fingerspitzen der Sitz 
einer schmerzhaften Hyperästhesie sind, mit der 
Empfindung von elektrischen Schlägen bei schlichter 
Berührung. Die thermische Sensibilität ist erhalten. 
Die Kniereflexe sind aufgehoben, die Sphincteren 
normal und die anderen Systeme zeigen nichts Be- 
merkenswerthes. Die Schmerzen in den Unter¬ 
gliedern gestatten ihm, wie gesagt, keine Ruhe; 
um etwas Erleichterung zu haben, ist er genöthigt, 
sich auf dem Bette hin und her zu schwingen; 
unter diesen schnell und ganze Stunden lang 
fortgesetzten Schwingungen (Schaukelbewegungen) 
scheinen sich die Schmerzen zu vertheilen und an 
Heftigkeit zu verlieren. Patient erhielt Carbonicum 
bisulphurat. (Carburetuin sulphuris Schwefelkohlen¬ 
stoff) eine Woche lang, aber mit geringem Erfolg. 
Sodann in Anbetracht des brennenden Charakters 
der Schmerzen, ihrer nächtlichen Steigerung, sowie 
der durch Bewegung bemerkten Erleichterung ward 
Arsenicum verabreicht (in niederen Dosen bis zu 
einem Milligramm pro die). Der Kranke fühlte 
hiervon bald eine wohlthuende Wirkung, die sich ; 
von Tag zu Tag deutlicher markirte, so dass er 
fast die ganze Nacht schlafen konnte. 

Nach 15 Tagen der Arsenbehandlung fing er 
an, sich auf den Füssen zu halten, ja mit Hilfe von 
Krücken konnte er einige Schritte machen. Die 
Schmerzen haben sich in ein peinliches Gefühl von 
Müdigkeit in der Knie- und Fussbeuge umgesetzt. 
In den folgenden Tagen konnte er sich auf den 
Füssen halten und ohne Stelzen durch das Zimmer 
gehen. 

Am 12. Februar d. J. verliess er das Spital 
in folgendem Zustande: Die Schmerzen sind völlig 
geschwunden, die Beine sind schwach und schwer¬ 
fällig mit leichtem Gefühl von Muskelcontractur 
t bei Bewegung. Die Zuckungen in den Händen 
sind viel geringer, die Muskelkraft und das Tast¬ 
gefühl erhöht, die Hyperaesthesia dolorosa ver¬ 
schwunden, der Muskelschwund merklich gebessert. 
Aber inzwischen haben sich neue Erscheinungen 
gezeigt, welche der Krankheit ein anderes Gepräge 
gaben. Der Kranke zeigte eine beginnende, gut 
gezeichnete Ataxie, das Romberg’sche Phänomen 
tritt charakteristisch hervor. Indessen fehlen die 


anderen, der Tabes dorsualis eigenthümlichen Zeichen 
(das Augen-Phänomen, die schmerzhaften, gastrischen 
Anfälle etc.), so dass es aus den gegenwärtigen, 
verschiedenartigen Zeichen schwer fällt, den anato¬ 
mischen Sitz des Spinal-Leidens mit Bestimmtheit 
festzustellen. — Aber das war auch nicht die Auf¬ 
gabe, welche sich Verf. bei Abfassung dieses (wie 
er es nennt) ziemlich dürftigen und unvollständigen 
pathologischen Gemäldes stellte; er wollte vielmehr 
darin hervorheben, wie der Arsen in diesem Falle 
eine prompte und entschiedene Wirkung geäussert 
habe, als ein Mittel, das den am Kranken vorhan¬ 
denen Symptomen vollständig entsprach. 

Seitdem hat sein Zustand unter Anwendung 
passender Mittel (so Secale cornutum und Alumina) 
langsame, aber stetige Fortschritte zum Bessern 
gezeigt, so dass eine Wiederherstellung zu erhoffen 
ist. — Uns interessirt in diesem Falle die Gaben¬ 
grösse ; diese bewegte sich in den niederen Dosen 
bis zu 1 Milligramm als Tagesgabe, also nach 
homöopathischen Begriffen eine starke. Es mag sich 
hier um Gewebsveränderungen handeln, die ja, 
auch nach Kunkel, stärkere Arzneidosen oft er¬ 
fordern. 

Aus der Dispensiranstalt zu Rom berichtet Dr. 
G. Secondari eine Anzahl interessanter Krankheits¬ 
geschichten und Heilerfolge. So der Fall von einem 
18jährigen Handelscommis, der, schlank und behende, 
seit 4 Jahren an chronischem Nasenbluten litt und 
mit Calc. c. 6. und 30. innerhalb 2 Monate geheilt 
wurde. 

Ein 23jähriges Dienstmädchen mit einem col- 
loiden Kropf von Pomeranzengrösse, der ihr Druck 
auf die Luftröhre und Dyspnoe verursachte, ward 
in 6 Monaten mittels Lycopod. und dann Spongia 6. 
und 30. völlig geheilt. 

Ein 48jähriger Bedienter, seit 10 Jahren an 
Trachom und Pannus leidend, von einer oculi- 
stischen Celebrität der Hauptstadt als unheilbar er¬ 
klärt, suchte im homöopathischen Dispensarium 
Hilfe. Er zeigte Ekzeme am linken untern Augen¬ 
lide, Brennen im linken Auge und Neuralgie über 
und unter der Orbita. Am 25. Mai bekam er 
Arsen. 6., später Ars. 30. Am 7. Juni Schmerz 
im Augapfel, besser vom Schliessen der Augen. 
Nitri acid. 6. Danach eine Keratoconjunctivitis und 
Brennen, wogegen Ars. 200., danach besser. Ars. 200. 
repetirt, dann Sacch. lactis, am 15. Juli als ge¬ 
heilt entlassen. — Verf. macht auf die von Acid. 
nitric. hervorgerufene Verschlimmerung aufmerk¬ 
sam. — Eine solche wissen die Oculisten durch 
Jequirity auch zu erregen. Dies war beim Patient 
in der That angewandt worden, es hatte aber den 
Zustand in dem Masse verschlimmert, dass man 
das Sehvermögen für unrettbar erklärt hatte, was 
ihn dann zu seinem Glück zur Homöopathie trieb. 


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Im Türmer Dispensarium sind im Laufe vorigen 
Jahres 1468 Kranke behandelt worden, die Zahl 
der Verordnungen belief sich auf 5825. In Venedig, 
wo leider die Tuberkulose und Scrophulose in der 
armen Bevölkerung sehr stark verbreitet ist, suchten 
in dem Semester vom November 1893 bis April 
1894 an 852 Kranke im homöopathischen Dispen¬ 
sarium Hilfe, davon wurden geheilt 275, gebessert 
88, es blieben in der Behandlung 39. 

Dr. Mossa, 


Regeln des collegialen Anstandes. 

Medicus medicum odit. So verbreitet diese 
Redensart auch ist, so ist doch glücklicherweise die 
durch dieselbe zum Ausdrucke gebrachte Thatsache 
keine gar häufige. Uns Aerzte verbindet ja das 
Band der Collegialität, d. h. des Bewusstseins, 
Jünger der Wissenschaft und Adepten einer Kunst 
zu sein, deren Förderung die Förderung der sie 
Ausübenden verlangt, Mitglieder eines Standes zu 
sein, dessen Ansehen die Summe jenes Ansehens 
ist, dessen sich die einzelnen Standesgenossen er¬ 
freuen. 

Allgemeine Geltung besitzt aber der Satz: Medi¬ 
cus medico invidet, besonders heutzutage, wo für 
die ärztliche Ansiedelung als Illustration des viel¬ 
berufenen Aerztemangels das Gesetz herrscht, dass, 
wo ein Arzt zu leben hat, sicherlich ihrer zwei oder 
drei wohnen. Damit nun die Invidia nicht in 
Odium umschlage, damit ein freundschaftliches oder 
leidlich freundschaftliches Verhältniss sich heraus¬ 
bilde, damit wenigstens die Collegialität, das Be¬ 
wusstsein der Zusammengehörigkeit, erhalten bleibe, 
ist es unbedingt nöthig, dass der Kampf um’s Dasein 
nicht rücksichtslos geführt werde, sondern dass man 
sich eine gewisse Selbstbeschränkueg auferlege, 
welche je nach Umständen eine verschieden ge¬ 
artete sein kann. 

Für den Verkehr am Krankenbette giebt es 
aber gewisse Regeln, deren Beobachtung stets 
Pflicht ist. In Nr. 48 und 49 des letzten Jahr¬ 
ganges bringt das „Journal de mödecine de Paris“ 
eine Zusammenstellung solcher Regeln, wie sie 
Prof. Grasset in Montpellier in seinem Buche: 
„Consultations mädicales sur quelques maladies fre¬ 
quentes“, Montpellier 1894, anführt und welche 
fast durchwegs als bindend anzuerkennen sind: 

Niemand darf in seiner Eigenschaft als Arzt 
ein Haus betreten, wenn er dessen nicht sicher ist, 
dass nicht bereits ein anderer Arzt daselbst be¬ 
handelt.*) 

•) In dieser Fassung vielleicht zu rigoros; der Bedin- | 
gungssatz wäre wohl besser positiv zu formuliren, also: | 
wenn er weiss, dass ein anderer Arzt daselbst behandelt. j 


Ist jedoch Gefahr im Verzüge und befindet man 
sich gerade in der Nähe, oder ist sonstwie Hilfe 
dringend nöthig und der gewöhnlich behandelnde 
Arzt nicht zu Hause oder verhindert, so hat man 
den Kranken zu besuchen und das Nöthige zu 
veranlassen. 

Man darf aber nur diese einzige Dringlichkeits¬ 
visite machen; man darf auch nicht wieder kommen, 
selbst bloss, um zu fragen , wie es dem Kranken 
gehe , ausser man wäre von dem behandelnden Arzt 
formell eingeladen worden, den Kranken nochmals 
mit zu besuchen. 

Die Familie des Patienten ist zu beauftragen, 
den behandelnden Arzt von der gemachten Dring¬ 
lichkeitsvisite und den getroffenen Anordnungen in 
Kenntniss zu setzen. Ist Verdacht vorhanden, dass 
die Visite dem behandelnden Arzt verschwiegen 
oder nicht wahrheitsgemäss mitgetheilt würde, so 
hat man diesen selbst mündlich oder schriftlich zu 
verständigen. Es erfordert die Höflichkeit, dass 
dann der behandelnde Arzt den Collegen, welcher 
die Dringlichkeitsvisite gemacht hat, an einem der 
nächsten Tage einlädt, den Kranken nochmals mit 
ihm zu besuchen; doch ist dies keine absolute 
Pflicht Der behandelnde Arzt hat auch darauf zu 
sehen, dass dem Collegen für seine Aushilfe das 
Honorar entweder vor oder wenigstens gleichzeitig 
mit dem eigenen gezahlt werde. 

Ist der gewöhnlich behandelnde Arzt erkrankt, 
so kann man dem Rufe zum Kranken folgen und 
diesen während der Dauer der Krankheit des 
Collegen behandeln. 

Es ist zwar nicht dringend nöthig, aber doch 
gut, den kranken Collegen zu verständigen und, 
falls es sich um einen interessanten Fall handelt, 
öfter mit ihm über denselben zu sprechen. 

Sobald der gewöhnlich behandelnde Arzt wieder 
genesen ist, so hat man ihm den Kranken in einer 
gemeinsam gemachten Visite wieder zu übergeben. 
Der stellvertretende Arzt bat das Honorar in der 
Regel auch dem vertretenen Arzt ganz zu über¬ 
lassen, doch ist dies keine stricte Pflicht. 

Ist der gewöhnlich behandelnde Arzt temporär 
abwesend, so kann man die Behandlung über¬ 
nehmen und fortführen, muss ihm dieselbe jedoch 
nach seiner Rückkehr in einer gemeinschaftlichen 
Visite wieder übergeben. 

Wenn ein Kranker seinen Arzt wechseln will, 
so hat dies keine Schwierigkeiten, wenn es sich 
um eine noch nicht behandelte Krankheit handelt, 
oder wenn der frühere Arzt gestorben ist, oder 
wenn es sieb um eine bisher an einem anderen 
Ort behandelte Krankheit handelt: man folgt ein¬ 
fach dem Rufe. 

Handelt es sich jedoch um eine Krankheit, 
welche bereits von einem Collegen behandelt wird. 


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59 


so hat man, ehe man die Behandlung übernimmt, 
zu verlangen, dass der bisher behandelnde Arzt in 
unzweideutiger Weise von dem Arztwechsel ver¬ 
ständigt werde. (Dieser stellt dann seine Besuche 
natürlich sofort ein.) 

In gewissen Fällen kann man vor Uebemahme 
der Behandlung verlangen, dass dem bisher behan¬ 
delnden Arzt das Honorar zuvor bezahlt werde. 

Hat man Verdacht, dass die Familie den Sach¬ 
verhalt verhehlen oder falsch darstellen will, so 
verständigt man den früheren Arzt selber münd¬ 
lich oder schriftlich. 

Unter allen Umständen hat man sich jeder, der 
offenen und der versteckten Kritik des Arztes, den 
man vertritt oder dem man folgt, zu enthalten; 
die Anordnungen trifft man nach eigenem Ermessen. 

Da die Familie der Patienten häufig aus Un- 
kenntniss oder bösem Willen den Sachverhalt ver¬ 
hehlt oder entstellt, so darf man niemals einem 
Collegen vorwerfen, dass er sich gegen diese Regeln 
der Collegialität vergangen habe, ehe man sich 
überzeugt hat, dass er von der Sachlage aus¬ 
reichende Kenntniss hatte. 

Consiliarii. 

Wenn ein Consilium vom behandelnden Arzte 
oder der Familie verlangt wird, so kann ersterer 
den Consiliarius vorschlagen; wünscht die Familie 
jedoch einen anderen, so soll ihn der Arzt accep- 
tiren, auch wenn der Vorgeschlagene an Alter, 
Rang oder Stellung hinter ihm zurückstände, voraus¬ 
gesetzt, dass die persönliche und Standesehre un- 
bezweifelt sind. 

Man kann auch ein Consilium mit einem Ho¬ 
möopathen abhalten, jedoch nur unter der Bedin¬ 
gung, dass sich die Discussion auf die Diagnose 
beschränke und dass das therapeutische Schluss- 
ergebniss den Regeln und den Dosen der classischen 
Medicin gemäss ausfalle.*) Niemals darf man ein 
directes oder indirectes Consilium mit einem Cur- 
pfuscber abhalten.**) 

Während und nach der Untersuchung des 
Kranken und in Gegenwart der Familie darf der 
Consiliarius weder etwas sagen, noch eine An¬ 
spielung machen, woraus seine .Diagnose zu er- 
rathen wäre, insbesondere dann nicht, wenn er von 
der Ansicht des behandelnden Arztes abweicht; 
ebensowenig darf er vor der Besprechung mit 
diesem Bemerkungen bezüglich der Behandlung 
fallen lassen. 

*) Referent wäre nicht so unduldsam; die freiheitliche 
Wissenschaft gewährt auch dem ehrlichen Homöopathen das 
Recht, Achtung vor seiner Ueberzeugung zu verlangen. 
Ueber etwa entstehende Schwierigkeiten würde mit einigem 
guten Willen in den meisten Fällen wohl hinwegzukommen sein. 

**) Selbst hier Hessen sich Ausnahmen denken, obwohl 
zugegeben werden muss, dass da Connivenz sehr prekär ist. 




Die Besprechung hat stets unter vier Augen 
stattzufinden, das Resultat derselben ist der Familie 
im Namen beider Aerzte mitzutheilen; wird diese 
Mittheilung schriftlich verlangt, so ist sie von beiden 
Aerzten zu zeichnen. 

Besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen 
den Aerzten, so trifft der Consiliarius die Anord¬ 
nungen nach seiner Ueberzeugung, ohne der 
Kameraderie oder sonstigen Rücksichten Zugeständ¬ 
nisse zu machen; ist er im Gegentheil vollständig 
der Ansicht des behandelnden Arztes, so soll er es 
leicht über sich bringen, sich zurückzuziehen, ohne 
etwas Neues zu verordnen. 

Vor der Familie jedoch darf der Consiliarius 
die Meinungsverschiedenheit nicht kundgeben, ebenso¬ 
wenig, dass die nunmehr einzuschlagende Behand¬ 
lungsweise etwas Neues sei, er hat vielmehr die 
Sache so darzustellen, als ob sie nur ein Corollar 
oder eine Folge der früheren Behandlung sei oder 
aus Indicationen erflösse, welche früher noch nicht 
bestanden hätten. 

Ist die Verschiedenheit der Meinungen unter 
den berathenden Aerzten eine tiefgehende und un¬ 
ausgleichbare und ist es der ausgesprochene Wille 
des behandelnden Arztes, so verständige der Con¬ 
siliarius in delicatester Weise und nicht in Gegen¬ 
wart des Kranken die Familie, dass sich die be- 
rathenden Aerzte nicht haben einigen können, und 
dass die Zuziehung eines dritten Arztes erwünscht sei. 

Ist der nunmehr gerufene zweite Consiliarius 
der Meinung des ersten, so hat sich der behan¬ 
delnde Arzt zu fügen oder die Behandlung abzu¬ 
geben. Ist im Gegentheil der zweite Consiliarius 
der Meinung des Behandelnden, so hat sich selbst¬ 
verständlich der Consiliarius darein zu ergeben. 
Der Consiliarius darf die Krankenstube ohne den 
Behandelnden nicht wieder betreten, aueb nicht der 
blossen Erkundigung halber, ausser der Behandelnde 
hätte ihn dazu ausdrücklich ermächtigt. 

Niemals darf ein Arzt Behandelnder werden, 
wo er als Consiliarius fungirt hat (einzige Aus¬ 
nahme gestattet der Tod des bisher Behandelnden). 
Der Patient kann jedoch seinen Arzt wechseln und 
dann kann der frühere Consiliarius neuerdings als 
ConsiÜarius fungiren. 

Findet sich der behandelnde Arzt nicht beim 
Consilium ein, sei es, dass ihm keine Verständi¬ 
gung von Beite der Familie zukam oder dass er 
selbst verhindert war, so hat sich der Consiliarius 
wieder zurückzuziehen, ohne den Kranken unter¬ 
sucht zu haben, vorausgesetzt, dass das Consüium 
im Domicile des Consiliarius stattzufinden hat. 
Wurde er aber zu einem Consilium ausserhalb seines 
Wohnortes gerufen, so kann er den Kranken auch 
in Abwesenheit des Behandelnden untersuchen; 
aber er darf weder eine Ansicht aussprechen, noch 


s* 

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«0 




etwas verordnen, sondern er hat diesbezügliche 
Mittheilungen nur dem behandelnden Arzte zu 
machen. 

Das Ordinationszimmer des Arztes ist ein 
neutraler Boden, auf welchem jedem Kranken Rath 
ertheilt werden kann, gleichviel, wer behandelnder 
Arzt ist.*) 

Jedoch hat man den Kranken im eigenen Inter¬ 
esse derselben und aus Schicklichkeitsrücksichten 
zu empfehlen, niemals die Ordination eines ande¬ 
ren Arztes aufzunehmen, ohne vorher den eigenen 
Arzt davon verständigt zu haben. 

Desshalb soll der consultirte Arzt auch stets 
fragen, wer Hausarzt des Kranken sei, ob derselbe 
nicht einige Zeilen mitgegeben habe und schliess¬ 
lich dem Kranken einschärfen, die erhaltenen 
Weisungen dem sonst behandelnden Arzte mitzu- 
theilen und nichts ohne dessen Zustimmung zu thun. 

Sträubt sich der Kranke dagegen, so muss man 
ihm Vorhalten, dass nichts schädlicher und un¬ 
vernünftiger sei, als mehrere Aerzte nacheinander 
zu befragen, um sich dann jene Ordination auszu¬ 
suchen, welche am besten gefällt. 

Ist der behandelnde Arzt von der Absicht des 
Kranken, die Ordination eines anderen Arztes auf¬ 
zusuchen, in Kenntniss gesetzt, so soll er für 
diesen je nach Umständen einen ausführlichen Be¬ 
richt oder nur einige wenige Zeilen mitgeben. 

Der consultirte Arzt giebt dann die Gutachten 
schriftlich und theilt womöglich gleich eingangs die 
genaue Diagnose mit und zwar ohne Umschweife, 
nur das Wichtigste in eine oder zwei Zeilen fassend. 
In vielen Fällen, die anzuführen überflüssig sind, 
ertheilt er dem Kranken bloss seine detaillirten 
Rathschläge und schreibt dann selbst an den be¬ 
handelnden Arzt, was die Diagnose und Prognose 
angeht und was ihm sonst mittheilenswerth erscheint. 

Um dem Patienten zu erkennen zu geben, dass 
man die Intervention des hehandelnden Arztes für 
unumgänglich hält und in keiner Weise an dessen 
Stelle treten will, versieht man jede solche schrift¬ 
liche Ordination mit der Fussnote, dass sie dem ge¬ 
wöhnlich behandelnden Arzte vorzulegen sei. 

Der Letztere besorgt die Ausführung der 
Weisungen und überwacht die Anwendung der 
Heilmittel. Sind die Weisungen seinen eigenen 
Anschauungen zuwider, so kann er die Ausführung 
unter irgend einem Vorwände aufschieben und sich 
in der Zwischenzeit mit dem consultirten Arzt in 
schriftlichen Verkehr setzen. 


*) Dies gilt offenbar nur für grössere Städte. In 
Heineren Orten mit wenig Aerzten ist die Einmischung in 
die Behandlung eines Collegen auch in der Hausordination 
unstatthaft, ausser man würde seine Meinung nicht dem 
Kranken selbst, sondern nur dem Ordinarius mittheilen. 


Unter allen Umständen behält der Ordinarius da« 
Recht, die Dosen und das Medicament nach den 
jeweiligen Anzeigen zu ändern. 


Vom BUchertisch. 

The truth about Homoeopathy. By Dr. Wm. H. Hol- 
combe. Philadelphia 1894. Boericke & Tafel. 

Das „Wahre an der Homöopathie“ ist der Titel 
einer kleinen, aber inhaltvollen Schrift, welche mau 
unter den Papieren des jüngst verstorbenen Dr. Hol- 
combe fertig und zum Druck bereit vorgefunden 
hat. Es war zu einer Entgegnung auf ein von 
dem allopathischen Arzt Dr. Browning gegen die 
Homöopathie geschriebenes Pamphlet bestimmt, und 
während das Pamphlet bald in Vergessenheit ver¬ 
sunken sein wird, hat Dr. Holcombes Werk einen 
bleibenden Werth. 

Wie kam Dr. Browning zu seinem Angriff? 
Ein Dr. Geo. M. Gould aus Philadelphia, an dessen 
Respectabilität wohl kaum zu zweifeln ist, hatten 
einen Preis von hundert Dollars für die beste 
Schrift gegen die Theorie und Praxis der homöo¬ 
pathischen Heilkunst ausgesetzt. Er wollte etwas 
Klares, Kräftiges und Praktisches, das den Irrthum 
und die Thorheit der homöopathischen Ansprüche 
auseinandersetzen, eine Schrift, welche die allo¬ 
pathischen Aerzte mit Eclat unter ihren Gönnern 
vertheilen könnten, „um klarere Ansichten über 
diesen Gegenstand zu verbreiten,“ die aber in der 
That, meint Dr. Holcombe, den praktischen Zweck 
haben sollte, die Berufsgenossen der alten Schule 
enger aneinander zu binden und sie abzuhalten, 
die Vorzüge des neuen Systems zu erforschen. 

Der Preis war dem Dr. W. W. Browning von 
Brooklyn zuertheilt. Dieser nennt sich auf dem 
Titelblatt Baccalaureus der Künste, B. der Juris¬ 
prudenz und Doctor der Medicin, — und man 
kann wohl annehmen, dass er alle seine auf dem 
Gebiete der Literatur, der Rechtskuude und Me¬ 
dicin erworbenen Kenntnisse auf den einen Punkt, 
die Vernichtung der Homöopathie, zur Verwendung 
gebracht haben wird. 

Die Broschüre betitelt sich: „Moderne Homöo¬ 
pathie. — Ihre Absurditäten und Unhaltbarkeit.“ 
Es ist nichts von Dynamit darin, sagt Dr. Holcombe, 
es ist harmlos, abgesehen von solchen Leuten, 

I welche durch die Darlegung getäuscht und irre¬ 
geführt werden. Ich bin bereit, dem aufrichtigen 
Leser zu zeigen, dass es sich hier um eine An¬ 
klageschrift handelt, in der man dem Inculpaten 
einen falschen Namen beigelegt hat. Der Titel 
i dieser Preisschrift müsste vielmehr lauten: „Di® 
Fälschungen und Missverständnisse des Dr. W. 

| W. Browning in Bezug auf die Homöopathie und 
I die homöopathischen Aerzte.“ 


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61 


„Advocatus diaboli ist eine sonderbare, alte, 
juristische Phrase für Jemand, der an seinem 
Gegner den kleinsten Makel oder Fehler entdeckt 
und aufdeckt, das, was er Gutes an ihm findet, 
ignorirt oder verschweigt, seinen Charakter ent¬ 
stellt, seine Motive missdeutet, und Jegliches, was 
nur immer einer falschen Auslegung fähig ist, falsch 
auslegt. Parteiische Zeitungsschreiber, Rechtsanwälte, 
Doctoren und Theologen spielen häufig die Rolle 
des „Teufels-Advocaten.“ Dr. Browning ist ein 
glänzendes Specimen dieser Species." — 

Nun, Dr. Holcombe weiss ihm gut heimzu¬ 
leuchten, davon wollen wir einige Proben geben. 

„Die Homöopathie, sagt Dr. Browning in seinem 
Pamphlet, hat nun drei Viertel eines Jahrhunderts 
vor dem Richterstuhl der Weltjury gestanden. 
Wenn die Hälfte von dem, was ihr Begründer von 
ihr behauptet, wahr gewesen wäre, so hätte sie 
schon seit Jahren alle Heilmethoden beseitigt, aber 
im Gegentheil, das System selbst ist praktisch todt, 
und nur der Name lebt noch fort.“ Hierauf ant¬ 
wortet Dr. Holcombe: „Die Homöopathie als System 
beruht auf drei Fundamentalideen: der Prüfung 
der Mittel am Gesunden, dann dem Heilgesetz 
Similia similibus und dem Erfahrungsgesetze, dass 
bei der Behandlung nach diesem Princip sehr 
kleine oder selbst infinitesimale Dosen der Mittel 
zum Heilzweck ausreichen. Diese drei Ideen, 
welche durch zahllose und immer zunehmende That- 
sachen der Beobachtung und des Experimentes 
bewahrheitet und bestätigt worden sind, unter¬ 
scheiden unser homöopathisches System vor allen 
anderen. Alle Ideen sind lebendige Kräfte zum 
Guten oder zum Bösen. Die drei Ideen der 
homöopathischen Schule sind Kräfte von unzer¬ 
störbarer Energie und haben die Homöopathie zu 
dem gemacht, was sie heutzutage in den Vereinig¬ 
ten Staaten ist. Und welches ist hier ihre wirk¬ 
liche Lage? Es giebt jetzt in unserem Lande 
sechzehn homöopathische ärzt&ohe Collegs (Hoch¬ 
schulen) mit vollzähliger Körperschaft der Pro¬ 
fessoren, welche lehren und verbreiten die homöo¬ 
pathischen Ideen, jenes homöopathische System, 
welches Dr. Browning für praktisch todt erklärt hat. 

Es giebt dreissig medicinische, der Homöopathie 
gewidmete Zeitschriften. 

Es giebt fünfundfünfzig homöopathische Dis¬ 
pensatorien. 

Es giebt vierzig allgemeine und neunund- 
dreissig specialist ische homöopathische Kranken¬ 
häuser. 

Es giebt drei nationale, dreissig einzelstaatliche 
Gesellschaften, einundachtzig Ortsvereine und drei¬ 
undzwanzig homöopathisch-ärztliche Clubs. 

Es giebt volle 12,000 promovirte und ap- 
probirte homöopathische Aerzte. 


Zehn Millionen von der Bevölkerung der Ver¬ 
einigten Staaten begünstigen das homöopathische 
System. — Die Zahlen, welche den thatsächlichen 
Fortschritt der Homöopathie anzeigen, haben sich 
alle 12 oder 15 Jahre verdoppelt, seitdem sie in 
dies Land eingeführt worden ist. In den nächsten 
Generationen wird sie die Hälfte des ärztlichen und 
Laien-Publikums umfassen. 

Wenn wir diese Thatsachen der Behauptung 
von Dr. Browning, das homöopathische System sei 
praktisch todt, gegenüberstellen, so sind wir zu dem 
Schluss berechtigt, dass wir in seiner Schrift „Mo¬ 
derne Homöopathie“ eher alles Andere, nur nicht 
die Wahrheit entdecken werden.“ 

Erschreckt über das rapide Wachsthum der 
Homöopathie in Amerika, findet Dr. Browning 
grossen Trost in dem Umstande, dass ihr Fortgang 
in Europa langsam und zeitweise selbst gehemmt 
ist. Dies erklärt sich leicht, meint Dr. Holcombe. 
Alte conservative Körperschaften, bei denen blenden¬ 
der Nimbus, sowie traditionelle, verbriefte Rechte 
und Vorrechte allmächtig sind, fühlen das Peinliche 
neuer Ideen tief und setzen sich jeder Neuerung 
gegen lange bestehende Gewohnheiten und Mei¬ 
nungen mit Hand und Fuss entgegen. Dies gilt 
leider selbst bei einigen der langsam fortschreiten¬ 
den oder sogar stehenbleibenden Theilen unseres 
Landes. Giebt es doch hier noch Plätze, in welche 
die Homöopathie mit ihren Segnungen noch nicht 
eingedrungen ist. Es lohnt der Mühe nicht, bei 
Dr. Browning’s antiquirter Statistik und ungünstigen 
Folgerungen bezüglich des Zustandes der Homöo¬ 
pathie auf der andern Seite des Erdtheils zu ver¬ 
weilen. 

Wir wissen, dass sie in allen Theilen Europas all- 
mählig fortschreitet, steigend oder etwas fallend in der 
Achtung des Publikums je nach den Launen oder Vor¬ 
urteilen von königlichen oder adligen Herrschaften. — 
Wir sind stolz und zufrieden, dass sie hier in Blüthe 
steht. Unser eigenes geliebtes Land ist der natür¬ 
liche Blumengarten für das Gedeihen jeder neuen 
Wahrheit. Denn hier allein ist volle Freiheit für 
Gedanken, Wort und Thätigkeit, die sich mit den 
Rechten unserer Nebenmenschen vertragen, in Ver¬ 
bindung mit einem intelligenten und unabhängigen, 
in der alten Welt nur seltenen Forschergeist.“ 
(Nun, den Forschergeist haben wir wohl, ein 
Deutscher hat ja wie das Pulver, so auch die 
Homöopathie entdeckt; was uns fehlt ist der Sinn 
der Amerikaner für das Praktische, die gemein¬ 
nützige Verwerthung der von unsern Denkern und 
Forschern zu Tage geforderten Ideen! Ref.) — 

Die Grenzen der homöopathischen Heilkunst 
will er nicht ableugnen. „Wo es sich urti eine 
Ossification von Arterien handelt, eine krebsige 
Ablagerung, eine fettige Gewebsentartung, Tuberkel- 


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62 


Bacillen, ein kalkiges Concrement, eine Darmver¬ 
schlingung, Hirnerweichung, oder einen anderen 
krankhaften Zustand, den bisher kein Arzneistoff 
erzeugt hat oder je wird erzeugen können, da 
wird die Befolgung des homöopathischen Gesetzes 
unmöglich. Hier stehen wir vor ihren gegen¬ 
wärtigen Schranken; was ist hier zu thun? Soll 
der Arzt seinen Patienten verlassen, indem er 
sagt: „Ich kann als Homöopath hier nichts thun; 
mein System hat diese Provinz noch nicht erobert.“ 
Oder soll er sich auf seine Rechte als ein Arzt 
stellen und seinen Kranken allopathisch, anti- 
pathisch, elektrisch, empirisch oder sonst auf einem 
Wege behandeln, der ihm Gutes verspricht? Gewiss, 
wird er den letzten Weg einschlagen, und um 
dieses möglichen Falles Willen bereitet er sich in 
jedem Zweige der Heilkunst vor. Unter diesen 
Umständen beschuldigt uns die allopathische Schule 
der Inconsequenz und des Rückgreifens auf die 
Mittel des alten Systems. Mag es so sein! Wir thun 
es und im Allgemeinen ist dieses Zurückgreifen 
ein verzweifeltes, nichtiges, hoffnungsloses Ding.“ 

Im Anschluss an diese werthvolle Schrift von 
Dr. Holcomhe, die er wenige Tage vor seinem 
Tode vollendet hatte, befindet sich eine Biographie 
dieses Mannes, der mit hohen Gaben des Geistes 
und grossen Eigenschaften des Charakters ausge¬ 
zeichnet war. — Was ihn zur Homöopathie hin¬ 
zog waren vor Allem die guten Erfolge, die er bei 
einer Cholera-Epidemie durch die homöopathische 
Heilmethode erzielte. Grosse Anerkennung fand 
er durch die erfolgreiche Behandlung des gelben 
Fiebers während der grossen Epidemie von 1853 
zu Natchez. In Folge dessen ernannte der Vor¬ 
stand des Mississippi-Staat-Hospitals ihn und den 
älteren Dr. Fr. Davis, den Pionier der Homöopathie 
in Pennsylvanien, zu Aerzten und Chirurgen für 
jenes Institut auf das folgende Jahr 1854. Die 
Allopathen in jenem Staat waren hierüber durch¬ 
weg unwillig und schickten manchen Protest an 
die gesetzgebende Körperschaft, worin sie im Namen 
der ärztlichen Genossenschaft (!) die Entfernung 
jener „irregulären“ Aerzte aus einem vom Staate 
erhaltenen Krankenhause verlangten. 

Die Legislatur sandte ein Comitö nach Natchez, 
um diese Angelegenheit zu. untersuchen. Dieses 
berichtete, dass der Vorstand die Doctoren Davis 
und Holcomhe erwählt habe auf Grund einer Ab¬ 
stimmung von 12 gegen 4, und zwar deshalb, weil 
diese Herren die Sterblichkeit des gelben Fiebers 
von 20 per Cent auf 6 per Cent nach sicherem 
Zeugniss herabgesetzt haben und in der Ueber- 
■eugung, man könne für die armen Leute, die das 1 
Hospital benützten, nichts Besseres thun, als ihnen 
die Aerzte geben, welche sie für die geschicktesten 
und massgebenden halten und die sie selbst in | 


ihren eigenen Familien gebrauchten. — Die Legis¬ 
latur unterstützte den Vorstand und liess die beiden 
homöopathischen Aerzte in unbestrittenem Besitz 
ihrer Stellen und lehnte es somit ab, die allo¬ 
pathische Schule als die reguläre und einzige Ge¬ 
nossenschaft anzuerkennen, welche das ausschliess¬ 
liche Recht habe, in medicinalen Angelegenheiten 
zu bestimmen. — 

Dr. Holcomhe war ein fruchtbarer Schriftsteller, 
sein Stil ist voll Kraft und Saft, anziehend und be¬ 
lehrend. Einige Jahre war er der Herausgeber des 
bedeutenden „North American Journal of Homoeo- 
pathy“; er schrieb ein Werk „The Seiende Basis 
of Homoeopathy.“ Wenn wir von ihm hören, dass 
er ein entschiedener Anhänger der Lehren Tweden- 
borg’s gewesen, so denken wir an einen welt¬ 
flüchtigen Mystiker — aber mit Unrecht. Diese 
Lehre gab ihm erst recht den Impuls zu einem 
liehethätigen, praktischen Christenthum. In einer 
30jährigen Thätigkeit zu New-Orleans ward er zu 
einer wohlbekannten Persönlichkeit, gross und ge¬ 
bietend in seinem Auftreten, aber mit aller Freund¬ 
lichkeit und Leutseligkeit, die aus einem wahren 
christlichen Herzen entspringen, ein Freund, Helfer 
und Tröster der Armut. Interessant ist für uns 
schon der Titel seiner Werke, die das religiöse, 
philosophische Gebiet berühren: „Unsere Kinder 
im Himmel,“ „Das andere Leben,“ „In beiden 
Welten,“ „Die verloren gegangenen Wahrheiten 
des Christenthums,“ „Das Ende der Welt,“ „Das 
neue Leben“ u. a. Auch als Dichter nimmt er in 
der Literatur der Südstaaten eine hervorragende 
Stelle ein. — 

Hier interessirt uns aber ganz besonders das 
besprochene Schriftchen „The truth ahout Homoeo¬ 
pathy,“ sein Vermächtniss für die ihm am Herzen 
liegende Sache der Homöopathie. 1L 


LesefrUchte. 

Wadenkrämpfe als frühzeitiges Symptom . 
des Diabetes. 

San.-Rath Dr. Unschuld-Neuenahr lenkt in 
der Beri. kl. Wochenschrift 28, 1894, die Aufmerk¬ 
samkeit auf Wadenkrämpfe als ein frühzeitiges 
Symptom bei Diabetikern. In 26°/ 0 der von ihm 
beobachteten Fälle ist es auf Nachfrage angegeben 
worden. — Die Wadenkrämpfe stellen sich ge¬ 
wöhnlich Morgens heim Erwachen ein, oft erwecken 
sie den Kranken, oder stellen sich in der Nacht, 
jedesmal beim Bedürfniss zu uriniren, ein; seltener 
kommen sie bei Tage nach längerem Ruhen auf 
dem Sopha oder nach einem Bade. — Wenn also 
Wadenkrämpfe bei einer Person Morgens auftreten, 
bei Müdigkeit bei oder nach dem Aufstehen, so soll 


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63 


man den Urin auf Zucker untersuchen. — Man I 
sollte meinen, dass diese Krämpfe hauptsächlich 
beim neurogenen Diabetes vorkämen, oder sich bei 
solchen einstellen, die zugleich an Ischias leiden, 
wo die bestehende Muskelspannung leicht in Krampf 
übergehen könnte. Dies ist aber nicht so. Verf. hat 
die Krämpfe vielmehr in allen Formen des Diabetes 
beobachtet, nur noch nicht bei jugendlichen Personen. 

Auf den Verlauf der Krankheit haben diese 
Krämpfe keinen Einfluss. Durch Gehversuche, 
festes Auftreten, Frottiren, Massiren werden sie bald 
gehoben; aber in einzelnen Fällen sind sie äusserst 
schmerzhaft und hartnäckig. 

Die physiologische Deutung dieses Symptoms 
ist schwierig. Erb hält dieselben durch die Wasser¬ 
verarmung des Blutes bedingt (also analog den 
Wadenkrämpfen bei Cholera. Ret.) Dagegen spricht, 
dass Verf. sie wiederholt im Anfangsstadium der 
Krankheit beobachtet hat, wo von einer solchen 
noch nicht die Rede sein kann; andererseits hat er 
sie in 6 Fällen von Diabetes insipidus, wo man 
jenes Moment voraussetzen konnte, kein einziges 
Mal gesehen. Nach ältern Beobachtungen . ist bei 
Diabetes die Zuckungsform des Muskels überhaupt I 
verändert; demgemäss könnten die Krämpfe durch 
die den Diabetes veranlassende Grundursache be¬ 
dingt sein, etwa durch einen directen Reiz ver¬ 
mittels eines durch gestörten Stoffwechsel erzeugten 
Giftes (Diabetes-Toxine?) Ernährungsstörungen in 
den betreffenden Muskeln in Folge von Kreislauf¬ 
hemmungen in den kleinen Gefässen, welche ja bei 
Diabetes häufig genug Vorkommen (siehe die Gangrän 
und Phlegmonen), dürften hier als wirksame Ur¬ 
sachen auftreten; damit stimmt auch, dass diese 
Wadenkrämpfe ebenso selten bei jugendlichen Per¬ 
sonen Vorkommen, als die gangränösen und phleg¬ 
monösen Processe. — 

Ob das Symptom des Wadenkrampfes bei Dia¬ 
betikern für die Wahl des homöopathischen Mittels 


bedeutungsvoll sein wird, kann erst die Erfahrung 
lehren. Von den bei Diabetes bereits erfolgreich 
angewandten Mitteln hat Arsen, dies Symptom in 
ausgesprochener Weise, wie ja überhaupt unsere 
obersten Choleramittel, wie Kampher und Kupfer, 
so auch Veratrum alhum. Bei Arsen, finden wir: 
Klamm in der Wade beim Gehen (nach 2 Stunden). 
Die Wade wird hart und breitgedrückt, mit uner¬ 
träglichem Schmerz, worüber sie 1 1 / 2 Stunden schrie; 
der ganze Fuss war steif, sie konnte ihn gar nicht 
rühren, dabei kalt und anästhetisch; es blieb 
Spannen in der Wade und eine Art Lähmung im 
Oberschenkel zurück (nach 50 Stunden). Klamm 
in den Waden (und Fingern) oft, vorzüglich Nackte 
im Bette . Nachts Wadenklamm finden wir ferner 
bei Nux, Rhus, Chamomilla, China, Ledum; Sta- 
pfusagria hat: Ein imerträglicher Klamm in der 
Wade und Fusssohle, des Beines, auf dem er liegt, 
weckt ihn aus dem Nachmittagsschlafe. — Beim 
Erwachen aus dem Schlafe Wadenklamm, der 
weder durch Ausstrecken noch Biegen des Schenkels 
zu mildern ist, durch Denken an den Schmerz, 
wenn er sich schon vermindert hat, gleich 
wieder sich steigert und empfindlicher wird (nach 
6 Stunden). 

Stannum: starker Wadenklamm fast die ganze 
Nacht. 

Dass Secale comutum dieses Symptom in 
hohem Grade besitzt, ist bekannt; bei diesem Mittel 
haben wir dann noch die Gangrän. 


Personal-Nachrichten. 

Der homöopathische Arzt Dr. Ide-Stettin ist 
zum königlich preussischen Sanitätsrathe ernannt 
worden und dem homöopathischen Arzt Dr. Leeser- 
Bonn das Offleierkreuz des Ordens der Rumänischen 
Krone verliehen worden. 


Anzeigen. 


Aufforderung. 

Die Herren Collegen in Schleswig-Holstein, 
Hannover und Mecklenburg, welche sich einer Ver¬ 
einigung anschliessen wollen, deren Ziele sind: 

1) Gegenseitige Förderung durch Mittheilungen 
aus der Praxis; 

2) Gemeinsame Vertretung gemeinsamer Inter¬ 
essen; 

3) Nicht Laien, sondern Aerzte sollen in der 
Homöopathie das herrschende Element bilden, 

wollen mir diesbezügliche Mittheilung machen. 

Dr. med. Waszily in Kl fl, 
prakt. Arzt u. Assistenzarzt von Dr. Kunkel. 


Ich suche einen 

Assistenzarzt. 

Näheres nach Uebereinkunft. 

Dr. med. Hesse-Hamburg, 
_ Fischmarkt No. 12. 

Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt seine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter Gote, weise und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Probekisten , mit 10 /, oder Flaschen, in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11. — bezw. 14.—. 


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64 


Im Verlage von 1 , Marggrafs homöopathischer 
Offlein in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 

Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bemburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. ° 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering 1 - 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
schei den nach allenSeiten des betreffendenMi ttels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch, Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen , 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Soeben ist erschienen die 6. Auflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

Auflage*vergriffenst.^ Bhren *“ ™ verausgabt* 

,. Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: * 

Pr^f^? a ^! ftnntG8 i^S rkchen kat kGinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien 
v 8 ^S en ? 0 ?/’ der die Bedürfnisse und Verlegen^ 
des \ olke8 T \ n Krankheitsfällen am besten zn b^nr- 
welcw'nmtloiv U <? d i e i! 18 Vwirküch staunenswert, mit 
Vorfasaer^zu S Werke 5 geht 6nn * niss Gründlichkeit der 

, -P? £ at demselben nichts ferner gelegen, als der Ge- 

dl £! e ’ wt l nn ft ? c . h no °h so gediegene und für 
1 ^ t A 1 iV 1S i tergültlge Schritt ausführlichere und 
wissenschaftliche Werke entbehrlich zn machen 

w -. der ...Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
n ab ® r ? QS schätzbarer grosser Pnani zn 

Sympat'hi6^ntg*egenbringen^ 6 '. *!°**^** VolU 

le ^ eth i n w jeder vorgenommenen Durchsicht wurde 
und^her^chert 111 eiuzelnen Punk ten noch wesentlich verbessert 

( l ÄS f U8 ß ezei ehnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelis-Extruct —, welches bei Wunden, Wundsein der 
* Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc* 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

“? er * 8t d\ e Influenza, welche sich leider bei uns ein¬ 
zubürgern scheint^ und nicht, mit Unrecht als ein äusserst 
ri^^ C ^ 18C u e8 L ?fden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grosserer Ausführlichkeit behandelt 

* Di ? Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung 
iä^S G1 l tGn Kra ? kh f^ n 8lnd kurz und klar, Jedermann ve * 
W?K hch *Y, ZU £ D ^ s tf n ? n & gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Füllen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wü*d 
'lf r u ?d_ “ann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Mütter die Belehrung über Ernährung 
k Tr me tr KlI ? C J ei . , i . denen ein besonderes Kapitel ge^ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 

^lS? Cht i e i nGn ^ Grth auf die GesunSeitspflege, be¬ 

züglich welcher er beherzigenswerte Winke giebt/ * 

i’ K1 r in ? homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ern¬ 
ährung m die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
AH dhertroffen werden. Aber auch Solche, 
schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden m demselben manche gute Winke. 

frÄ11 J5 Ur Geistli ?he, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Hans- 
WG 5 n ^ Gm . Arzt ““ °rte wohnt, von aller- 
grösstem \\ erthe und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ms Auge, der Preis ein ungemein bil- 

l T C1 - Ca 12 i B ° g i en 8tarke Buch kostet broschiert nur 

Lü k -V ? Leinwand gebunden 1,60 Mark. Dass die neue Anf- 

BiotrTnbiI ei ö I or f , rait des VGrfass . er8 geschmückt und mit einer 
Biogrephie desselben vorsehen ist, wird den Freunden des 

F^ude e gereichen. PathlSChen Haut,fr eundeH“ ohne Zweifel zur 

Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
^ V 0 *® 11 Ta e° n ala treuer Hathgeber und zuverlässiger Helfer 

viW 0180H. 

Leipzig, im April 1894. 


A. Marggrafs Homöopathische Officin. 



Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa- Stuttgart. 

Geschäftsstelle imd Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 


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Band 129 


Leipzig, den SO. August iS94c 


No. 9 u. 10 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUC. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf*s homöopath.Offlciu) in Leipzig. 


Erscheint UtUgig zu 2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis JOAf. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post>Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln <fcVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet. 


Inhalt. Zur 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach am 9. und 
10. August 1894. — Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel. — Psychische Heilkunst. Von Dr. Gallivardin in 
Lyon. — Das fünfzigjährige Jubiläum des American Instituts of Homoeopathy. Von Dr. Mossu. — Eine Studie über 
die pathogenetische Wirkung von Kali bichromicum auf die Nieren. — Vom Büchertisch. — Diabetes mellitus bei 
Kindern. — Lesefrüchte. — Bekanntmachung. — Danksagung. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage, 


Zur 62. Generalversammlung des Homöo¬ 
pathischen Centralvereins Deutschlands 
in Eisenach am 9. und 10. August. 1894. 

Anknüpfend an den in der vorigen Nummer 
gegebenen allgemeinen Bericht, liefern wir hiermit 
einige Details und Ergänzungen, welche für die 
nicht dagewesenen Mitglieder, sowie für die homöo¬ 
pathischen Kreise überhaupt von Interesse sein 
werden. 

Im Ganzen war die jüngere und mittlere Gene¬ 
ration stärker vertreten als die alte, für die ja das 
Reisen doch trotz seiner Schnelligkeit und Bequem¬ 
lichkeit nicht leicht ist. Indessen freuen wir uns, 
dass ein rühriger, arbeitsfreudiger Nachwuchs uns 
erblüht ist! 

Wir begrüssen es auch als ein günstiges Zeichen, 
dass die Theilnahme an unserem Centralverein im 
Wachsen begriffen ist, wofür die Anmeldung und 
Aufnahme von 11 neuen Mitgliedern deutlich spricht. 
Freilich wäre es wünschenswert, dass sämmtliche 
homöopathische Aerzte Deutschlands und der Nach¬ 
barländer sich diesem Mittelpunkte anschlössen, weil 
der Centralverein dann die Ziele und Zwecke der 
homöopathischen Sache kräftiger verfolgen und 
leichter erreichen könnte. Dahin rechnen wir, nicht 
in letzter Linie, die gemeinsame Mitwirkung für 
das homöopathische Krankenhaus in Leipzig, das 
sich gottlob gedeihlich entwickelt hat, das wir 


aber gerne auf festem, sichern Fuss gestellt sehen 
möchten. Könnten wir den dirigirenden Arzt desselben 
so stellen, dass er die Zeit hat, daselbst auch Vor¬ 
träge über unsere Arzneimittellehre und Therapie 
zu halten, so hätten wir hierin ein gutes Bildungs¬ 
mittel für junge Aerzte, die sich unserer Schule 
anscliliessen wollen, gewonnen. Denn die Anstellung 
eines Docenten für diese Fächer an einer Hoch¬ 
schule wird bei uns noch auf viele Jahrzehnte 
hinaus ein frommer Wunsch bleiben. 

So wäre es auch dringend zu wünschen, dass 
die dem Central verein unterstellte Unterstützungs¬ 
kasse für Wittwen homöopathischer Aerzte durch 
allgemeinen Beitritt der Aerzte zu dem Verein in 
den Stand gesetzt werde, ihre Leistungen noch ex- 
und intensiver zu gestalten. Die Anforderungen 
an diese Spenden sind grösser, als man gemein¬ 
hin annimmt. Im verflossenen Jahre hat z. B. 
die Kasse an regelmässigen vierteljährlichen und 
aussergewöhnlichen Unterstützungen an 15 Wittwen 
1380 Mark gewährt. Obwohl dem Princip nach, 
das auch bei der Berathung über die Ausführungs¬ 
bestimmungen unserer neu zu druckenden Statuten 
festgehalten wurde, bei mehreren Bewerberinnen 
diejenigen zuerst berücksichtigt werden sollen, deren 
Männer Mitglieder des Centralvereins gewesen sind, 
feo ist die Praxis doch stet» milder gewesen. Der 
Satz: Galenus dat opes ist für unsere Zeitverhält¬ 
nisse nur noch als Ausnahme von der Kegel 


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66 


gültig. Also auch von diesem Gesichtspunkte aus 
tritt an die homöopathischen Aerzte die Mahnung 
zum Anschluss an das Ganze, zur Bethätigung an , 
dem Centralverein, sehr gebieterisch heran. 

Wir wollen nicht unerwähnt lassen, dass bei der 
Berathung über den Versammlungsort im nächsten 
.Jahre, wozu schliesslich Hamburg fast einstimmig er¬ 
wählt worden ist, von Seiten des Vereins die Erwartung , 
ausgesprochen worden ist, dass die Berufsgenossen 
an den gewählten Versammlungsorten keinerlei Ver¬ 
anstaltungen auf eigene Kosten treffen mögen; doch 
heisst es auch in diesem Punkte volenti non fit i 
violentia. 

Was die wissenschaftliche Sitzung am 10. August | 
betrifft, so erwies sich die Einrichtung, dass ein ! 
Vortrag über eine besondere Kran kheitsfoinn und 
sodann ein zweiter über ein einzelnes Arznei¬ 
mittel nach dessen pathogenetischer wie thera¬ 
peutisch-erprobter Wirkung vornweg festgestellt 
wurde, als zweckmässig; doch ergab sich für die 
Zukunft die Lehre, dass man das pathologische Thema 
möglichst engumgrenzt, nicht zu allgemein, wählen ! 
müsse. So zeigte sich auch das von Dr. Windelband 
übernommene Thema über Influenza, wie er selbst 
eingestand, als ein kaum zu bewältigender Stoff. 

Vortrag des Dr. Windelband über Influenza. 

Redner hat in der grossen Epidemie von 1889/90 
eine überaus grosse Zahl von Influenzakranken be¬ 
handelt, war aber im Sturm und Drang jener Zeit 
nicht im Stande, sich Aufzeichnungen von den 
einzelnen Patienten zu machen. — Dass die epide¬ 
mische Influenza von der landläufigen Grippe eine 
wesentlich verschiedene Krankheitsart sei, ist all¬ 
seitig anerkannt; wie es sich um ihren bakterio¬ 
logischen Ursprung verhalte, darüber herrscht noch 
Unsicherheit. Im frischen Sekret, so wie im 
Blut der Influenza-Kranken hat Pfeifer Bacillen 
nachgewiesen; man hat solche aber weder im Boden 
noch im Wasser, auch nicht im getrockneten Sekret 
entdecken können. Es existirt aber keine Dauer¬ 
form derselben; sie werden durch Chloroform, 
Hitze von 60° C. zerstört. Die überaus schnelle, 
blitzartige Verbreitung der Epidemie über weit von 
einander entfernte Gegenden zeigt auf eine ausser¬ 
ordentliche Flüchtigkeit des Contagiums hin. — Ob 
man die Influenza als ein durch die gemässigten 
Klimate modificirtes Sumpffieber (Dengal) auffassen 
darf, ist doch noch fraglich; die Neuralgieen, die 
hochgradige Prostration, Schlaflosigkeit, Appetitver¬ 
lust, Exantheme sind zwar beiden gemein, aber doch 
nicht pathognomonisch genug. 

Das Krankheitsbild der von Influenza Befallenen 
ist ein sehr wechselvolles; wenn man aber alle Er-.i 
kranklingen, die während einer solchen Epidemie I 
Vorkommen und selbst solche, die erst nach vielen | 


Jahren auftreten, damit in causalen Zusammenhang 
bringen will, so geht man zu weit. 

Bei manchen Kranken brachte jeder Tag neue 
Erscheinungen. Besonders ist dem Redner eine Er¬ 
scheinung aufgefallen, das Vorkommen von Lungen¬ 
blutungen, deren anatomischer Sitz nicht nachzu¬ 
weisen war, was ihn an die bei Pocken so oft 
vorkommenden Hämorrhagieen erinnerte. Auch Ge¬ 
lenkexsudationen, (linksseitige) pleuritische und peri- 
carditische Ausschwitzungen hat er mehrfach beobach¬ 
tet, die unter dem Gebrauch von Bryonia, Spigelia, 
Phosphor., ohne Residua zu hinterlassen, zur Heilung 
kamen. — Erschwerende Umstände waren das hohe, 
aber auch das kindliche Alter, Herzfehler; der Tod 
durch Herzschwäche war nach der Statistik kein 
seltener. Bei jungen Kindern hat Redner um 
jene Zeit mehrfach eine tuberculöse Meningitis mit 
schleichendem Verlaufe gesehen. — Das Heer der 
Naclikranklieiten im Gefolge der Influenza w r ar ein 
sehr zahlreiches. 

Die Therapie anlangend, so gab der Vortragende 
zunächst, als abschreckendes Beispiel könnte man 
sagen, die von Professor 1 ''ürbringer im Sammel¬ 
werke des Vereins für innere Therapie in Berlin 
statistisch zusammengestellte Behandlungsweise der 
alten Schule in der Influenza zum Besten. Die¬ 
selbe machte Gebrauch von specifischen, indiffe¬ 
renten, antifebrialen Mitteln, oder verhielt sich ei- 
spectativ, oder verstieg sich bis zur Drusen-Latwerge. 
Vom Antiperin sagt Fürbringer , es sei unsicher, 
selten nützlich, ja in grossen Gaben erzeuge es 
Herzschwäche und sei selbst ein gefährliches Gift. 
Mit Nachdruck brandmarkt er die aus den chemischen 
Fabriken, ohne bestimmte Kenntniss ihrer Wirkungen 
hingenommenen und angewandten Produkte. — Ueber 
die Contagiosität der Influenza geht das Urtheil der 
Aerzte, wie die Statistik erweist, nicht minder aus¬ 
einander wie in der Therapie. Dr. Windelband 
suchte in der Behandlung seiner Influenza-Kranken 
dem Simile gerecht zu werden. Bei der Gleichartig¬ 
keit vieler Fälle stellte sich aber doch ein typisches 
Verfahren heraus. So gab er meist im Anfänge 
der Erkrankung Acon. und Bryonia, die Diaphorese 
herbeiführten und damit oft den weiteren Vorlaut 
abschnitten. Ein Prophylacticum hat er nicht ge¬ 
funden. — Bei diffuser Bronchitis that Phosphor., 
bei Greisen und Kindern Tartarus stibiat. gute 
Dienste; ebenso erwies sich bei der katarrha¬ 
lischen Pneumonie das Phosphor, als Heilmittel, bei 
Neuralgieen war es Rhus; bei Gelenkaffectionen 
Bryon., zumal wenn es sich um seröse Aus¬ 
schwitzungen handelte; bei der croupösen Pneu¬ 
monie Kalium jodatum. In den Fällen, wo jene 
Hämoptoeen, ohne physikalischen Nachweis, auf¬ 
traten, machte er von Secale eornutum (das durch 
nächtliches Ausziehen mittels Salzsäure hergestellt 


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«7 


war) erfolgreichen Gebrauch. Bei Nierenentzün¬ 
dungen dienten ihm Cantharis, und, wo reichlicher 
Eiweissgehalt im Urin constatirt war, Plumbum ace- 
ticum. — In der Meningitis tuberculosa der Kinder 
blieben alle Mittel (Bell., Kal. jod., Sulphur etc.) 
erfolglos. — Das Hauptmittel für die Reconvales- 
centen war China. — Im Ganzen hatte er drei 
Todesfälle notirt, die in Folge von Herzschwäche 
(Ernährungsmangel) eintraten. 

Es erfolgte nun, nachdem der Vorsitzende 
Dr. Weber dem Redner für seine Arbeit gedankt, 
eine lebhafte Discussion über das besprochene 
Thema. 

Dr. Alossa machte darauf aufmerksam, dass die 
Pneumonie bei den Influenzakranken im Ganzen 
selten genuiner Art seien, sie entwickeln sich 
meist von einer Bronchitis aus, also als Broncho- 
pneumonieen; doch würde die Pleura häufig in den 
Process hineingezogen, und komme es mitunter, viel¬ 
leicht seltener unter homöopathischer Behandlung, 
zur Bildung von Empyem. 

So ward Redner zu einer Patientin gerufen, 
die nach der Entbindung von einer Influenza be¬ 
fallen worden war, bei der sich linkerseits eine 
Pleuropneumonie entwickelt hatte. Sie war bisher 
in allopathischer Behandlung gewesen. Die Unter¬ 
suchung ergab ein pleuritisches Exsudat, L. 0., 
das sich bis in die linke Axillargegend erstreckte. 
Patientin litt an einem sehr heftigen, erschütternden 
Husten, besonders bei Nacht, der ein grünliches, 
eitriges Sputum mühsam entleerte. Dabei hektisches 
Fieber mit Nacht sch weissen, hochgradige Anorexie. 
Stannum 30. brachte nächst Sticta pulmonaria 1. Dil. 
die meiste Erleichterung. Es war kein Zweifel, 
dass das Exsudat eitriger Natur war; aber weder 
Mercur. noch Hepar, sulfuris leistete etwas. Endlich 
bildete sich unter der linken Mamma ein Abscess, 
aus dem sich nach Anwendung hydropathischer Um¬ 
schläge eine Menge übelriechenden Eiters entleerte. 
Damit hörten Fieber, Husten und die anderen 
schweren Symptome auf und erfolgte allmählig 
völlige Genesung. 

Ein Symptom, das ihm so häufig bei Influenza¬ 
kranken begegnete, dass er es für charakteristisch 
halten möchte, war das intensive, lange anhaltende 
Frostgefühl, besonders im Rücken, das ihn in 
einigen Fällen bestimmte, Camphora o., 3 stündlich 
wiederholt, anzuwenden. 

Ueber die gute Wirkung, die Redner von der 
Sticta bei dem während oder nach der Influenza 
auftretenden hartnäckigen, krampfhaften, unab¬ 
lässigen Husten beobachtete, hat er bereits in dieser 
Zeitschrift gesprochen. 

Dr. Lutze- Köthen hat etwa 00 Fälle zu be¬ 
handeln gehabt, welche meist katarrhalischer Art 
waren, wobei ihm Nux vom. die besten Dienste 


leistete, auch beim Vorhandensein jenes Frost¬ 
gefühls. Bei Otitis media war Pulsatilla angezeigt, 
und, wenn der Verlauf ein bösartiger war, Arsen. — 
Bei einer 63jährigen Frau, obenein an einer Mi- 
traliusufficienz leidend, hatte sich bei schleppendem 
Verlaufe der Influenza Oedema und Herzschwäche 
hohen Grades eingestellt. Arsen, blieb ohne Er¬ 
folg, Acidum fluoricum 6. Dil. wirkte entschieden 
günstig auf die Herzthätigkeit, blieb aber ohne 
Einfluss auf die Lunge, so dass der Fall tödtlich 
verlief. 

Dr. Leeser hat in der Epidemie von 1889 an 
694 Fälle behandelt. Anfangs, wo die gastrischen 
Symptome vorwalteten, war Bryon. das Heilmittel. 
Sie verliefen alle günstig, kein Todesfall; selbst eine 
84jährige Frau mit altem Bronchialkatarrh kam 
glücklich durch. — Später, als die Gehirnerschei¬ 
nungen vorherrschten, war Chelidonium das ange¬ 
zeigte Mittel. Am Ende der Epidemie, wo er selbst 
an einem Schnupfen litt, der sich durch ein Gefühl 
von Rauhheit und Trockenheit in den Choanen bis 
in den Rachen hinunter auszeichnete, bei leichter 
Röthung der Conjunctiva, so dass er drei Nächte 
nicht schlafen konnte, erwies sich Euphrasia (auch 
den Schmerzpunkten gemäss) als das Heilmittel. — 
Dieses Mittel, nebst Tartar, emeticus bei ausge¬ 
bildeter Pneumonie, hat er auch vor 3 Jahren bei 
der Influenza-Epidemie in Bonn als die epidemischen 
Heilmittel gefunden und erprobt. 

Dr. ÄVöner-Potsdam hat von der homöopathischen 
Behandlung gute Erfolge gesehen, obwohl die Com- 
plicationen oft sehr erschwerende Momente bilden 
und die Reconvalescenz sich hierdurch in die Länge 
zieht. — In zwei Fällen hat er, bei allopathischer 
Behandlung, eine von den Füssen aufsteigende Pa¬ 
rese, ja fast völlige Lähmung beobachtet. — Er hat 
völlig genuine Pneumonieen bei seinen Kranken ge¬ 
sehen, die aber meist günstig, wenn sie auch lange 
andauerten, verliefen (also per lysin nicht per 
crisin). — Auch er fand Nux vom. häufig aii- 
gezeigt, zumal bei Kreuz- und drückenden Kopf¬ 
schmerzen. Die Reconvalescenz erforderte Nux vom. 
oder Chinin arsenicosum 3. und 4. Camphora hat 
er bei adynamischem Pulse und Herzschwäche an¬ 
gewandt. 

Dr. Haedicke-heijizig hat bei einem 16jährigen 
Jüngling ebenfalls eine Hämoptoe ohne nachweis¬ 
baren anatomischen Befund beobachtet, wogegen 
er die Phosphor-Tinctur hilfreich fand. Nach zwei 
Jahren litt derselbe Patient an einer croupösen 
Pneumonie, welche gut verlief. Vor 1 / 2 Jahre hat 
sich bei ihm die Phthisis entwickelt. — Bei der 
Behandlung der im Verlaufe von Influenza auf¬ 
tretenden Otitis konnte er kein ausschlaggebendes 
Mittel auffinden. Welche Mittel Dr. Leeser hierbei 
angewandt habe? 


9* 

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f?8 


Dr. Leeser erwidert, dass intercurrente Er¬ 
krankungen besondere Mittel erfordern, wobei man 
auf die constitutioneilen Momente zu achten 
habe. 

Dr. Go^/irum-Stuttgart hat auch bei Trommelfell¬ 
entzündung intra Influentiam Euphrasia resp. Sa¬ 
bina -j- Nicotiana als Heilmittel bewährt gefunden. 

Dr. Groos-Magdeburg hält Veratrum album bei 
jenem vorwiegenden Kältegefühl angezeigt. — Es 
kam ihm eine Frau in Behandlung mit hektischem 
Fieber, bei der sich an und unter dem Schulter¬ 
blatt eine exquisite Dämpfung zeigte, so dass an 
einem abgesackten pleuritischen Exsudate kein 
Zweifel war. Es entleerte sich schliesslich auch eine 
reichliche Menge Eiter mit Besserung des Zu¬ 
standes. — Bei Kindern war der Verlauf der In¬ 
fluenza ein leichter (Ref. sah bei manchen nach 
Erbrechen die ganze Krankheit in wenigen Stunden 
beendet). Er hat bei denselben häufig Exantheme 
beobachtet, die dem Scharlachausschlag ähnlich 
waren. Ein Kind, das ebenfalls ein solches Ery¬ 
them zeigte, hatte einige Wochen vorher schon 
Scharlach gehabt. 

Dr. Windelband hat Nux vom. gleichfalls oft 
indicirt gefunden; bei Otitis media böser Art hat 
er Mercur. corrosivus angewandt. 

Dr. Villers-DresAen hat von 202 homöopathischen 
Aerzten Berichte über die von ihnen bei den In¬ 
fluenza-Kranken eingeschlagene Therapie erhalten. 
Sie gingen in der Mittelwahl aber so auseinander, 
dass er eine Gruppirung derselben nicht für zu¬ 
lässig fand. 

Dr. Mattes- Ravensburg hat bei Herzschwäche 
und gleichzeitigem Hydrops Kali carbon. als wirk¬ 
sam erprobt; bei dem Frostgefühl Sabadilla (dies 
ward bei dem heftigen nächtlichen Husten von 
einigen Collegen erfolgreich angewandt. Ref.). Bei 
unstillbarem Erbrechen Cuprum mit Nicotiana, bei 
Nierenerkrankung Coccionella. 

Es sprachen dann noch einige Collegen über 
die Art und Natur des Contagiums. Dr. Weber ist 
der Ansicht, dass man bei der blitzschnellen, weit¬ 
ausgedehnten Verbreitung der Influenza eher an 
ein kosmisches, in der Atmosphäre verbreitetes, 
durch die Athmungsorgane aufgenommenes Gift 
als an Bacillen zu denken habe. Dem stimmte 
Dr. Roliowsky bei, indem er auf die Thatsache 
hinwies, wie ein auf einer Beobachtungsstation im 
Hochgebirge einsam wohnender Mann von Influenza 
befallen worden sei (früher hat man schon auf die 
übermässige Menge von Ozon beim Erscheinen von 
Influenza-Epidemieen die Aufmerksamkeit gelenkt. 
Ref.). Wogegen Dr. Kröner geltend machte, dass 
das Blut Influenza-Kranker so überaus reich an 
Bacillen befunden worden sei. — Der alte Streit¬ 
punkt von Miasma und Contagium ist eben noch 


nicht bis zur völligen Klarheit und Sicherheit ge¬ 
schlichtet. — 

Dr. Goehrwris Vortrag über Euphrasia wird 
später veröffentlicht werden. 

Als Themata für die nächstjährige Generalver¬ 
sammlung in Hamburg sind vorgeschlagen und an¬ 
genommen worden: Otitis media mit besonderer 
Berücksichtigung des Catarrh sec., und als Arznei¬ 
mittel Kali bichromicum, und haben sich Dr. Weber 
für das erstere und Dr. Ide für das letztere als 
Referenten erboten. Dr. Mom&. 


Aus der Praxis. 

Von Dr. Kunkel iu Kiel. 

1) M., Techniker, 36 J., leidet seit seinem 
16. Jahr an einem pustulösen Ausschlag des Ge¬ 
sichts (Wangen und Stirn). Wiederholt ,, ge¬ 
schält,“ war er dann 5—6 Wochen ,,glatt.“ Von 
einem Specialisten mit einer heissen Nadel ge¬ 
brannt. Alles erfolglos. Vor 8 Jahren Magen- 
erweiterung, 2 Mal gepumpt, was nach 1 9 Jahr 
wiederholt wurde. Mangel an Stuhldrang und nach 
dem Stuhl Gefühl unvollständiger Entleerung. Die 
Pusteln erscheinen in Gruppen von 4—5 Stück. 
Vor der Eruption Brennschmerz im Gesicht. 
Zimmerluft und freie Luft, Kälte oder Wärme, 
Sitzen oder Bewegung haben keinen Einfluss. 
Früher viel an kalten Füssen gelitten, durch heisse 
Fussbäder beseitigt. Ferner lange Zeit Morgens 
nach Schlaf Schleimrachzen. Viel Kopfjucken, 
Schuppen („Schinn“) des behaarten Kopfs, durch 
äussere Mittel beseitigt. Rothwein ruft Verstopfung, 
Bier Durchfall hervor. Stimmung oft ärgerlich; 
Gemütsbewegungen, besonders Aerger , wirken nach¬ 
teilig auf sein Gesammtbefinden. 

Am 8. Aug. 1891 verordnete ich Staph. X. C., 
jeden 7. Abend 1 Dosis. 

2. Octob. Patient hat sich sehr gut befunden. 
Das Brennen stellt sich nur bei rascher Bewegung 
und bei Schreck ein, dauert aber nicht lange. Die 
Pusteln erscheinen nur spärlich und einzeln, früher 
wie erwähnt in Gruppen. Dieselbe Medicin. 

11. Novb. Pusteln erscheinen immer spärlicher, 
Befinden gut. Verordn.: Staph. 40., jeden 9. Abend 
1 Dosis. 

15. Jan. 1892. Bericht: Bei Gebrauch der 
ersten 2 Pulver vennehrte Eruption, offenbar in 
Folge von Influenza, von welcher Patient befallen 
wurde. Gleichzeitig die Magenverschleimung wie 
früher. Verordn.: Antimon, crud. X. im Wechsel 
mit Staph. — Leider erfuhr ich über den ferneren 
1 Verlauf nichts. 

I 2) H., 36 Jahr, Hotelbesitzer, Inhaber eines 
I umfangreichen, aufregenden Geschäfts, leidet seit 
| 2 Jahren an Schmerzen im rechten Hypochondrium. 


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69 


Er kann weder die Art der Schmerzen, noch deren 
Sitz genau bestimmen. Der Schinerz tritt in An¬ 
fällen auf, aber nur Tags und unter verschiedenen 
Verhältnissen. Appetit ist einigermassen, auch das 
Allgemeinbefinden, während er früher viel an 
„innerem Angstgefühl “ gelitten. Der Schlaf ist 
nach Mitternacht oft unterbrochen. Schwarzbrod 
und Fettes werden nicht vertragen. Zuweilen An¬ 
deutungen von Asthma , Ostwind wird nicht ver¬ 
tragen. Zuweilen Harndrang. Kein Bedürfnis 
hoch mit dem Kopf zu liegen, kein Durst. Er ist 
sehr „nervös“ aufgeregt, reizbar. Bromkali ohne 
nennenswerthen Erfolg. 

Verordn.: 30. März 1894 Arsen. 200. (Lehm.), 
jeden 7. Abend 1 Dosis. 

27. Mai 1894. Bericht: Alle krankhaften Er¬ 
scheinungen sind beseitigt 

3) Frau Lehrer Dds., 42 Jahr, consultirte mich 
am 20. Decbr. 1893. Seit Sommer desselben Jahres 
hat sich eine ,,Drüse“ in der rechten Achselgrube 
gebildet, über deren anatomische Structur ich nicht 
mit mir einig werden konnte. Der Tumor zeigt 
eine gewisse Resistenz, meist grösser als ein 
Taubenei, übrigens Umfang verschieden. Brennende 
Schmerzen im Tumor beim Kaltwerden des Körpers. 
Patientin hat viel an Kopfschmerz gelitten, be¬ 
sonders beim Erwachen Morgens, auch mit Uebel- 
keit verbunden. Seitdem der Tumor da, keine 
Kopfschmerzen mehr. Empfindlichkeit des Tumor 
gegen Druck. Fliegende Gesichtshitze, besser bei 
Bewegung, Schweisse etc. Verordn.: Sepia 200., 
6 Gaben, jeden 7. Abend eine. 

29. Jan. 1894. Bis zum 3. Pulver vermehrte 
Anschwellung, dann Abnahme derselben, unempfind¬ 
lich gegen Druck, fühlt sich im Allgemeinen besser 
als früher. Verordn.: Sepia 200., jeden 9. Abend. 

20. März. Hat sich in der letzten Zeit nicht 
so gut befunden. Sie klagt über Schmerzen im 
rechten Arm, sowohl, bei schwerer Arbeit als beim 
Stillsitzen. Der Arm ermüdet viel leichter als 
früher. Die Geschwulst ist weicher und kleiner 
geworden, aber auch in der linken Achselgrube 
haben sich Schmerzen eingestellt. Patientin be¬ 
findet sich schlechter bei „harter Luft,“ bei „ Nord - 
und Ostwind. u Verordn.: Caustic. 200., 6 Gaben. 

80. April: Allgemeinbefinden gut; die Schmer¬ 
zen, die durch die linke wie rechte Achselhöhle 
hindurch zogen, sind so gut wie verschwunden, die 
Schwäche des rechten Arms vollständig. Vom 
Tumor nur eine Andeutung, die völlig unempfind¬ 
lich ist. Ich liess noch einige Gaben Caustic. 200. 
in immer längeren Zwischenräumen nachgebrauchen. 

Das Alterniren der Krankheitsformen, wie hier 
das der Kopfschmerzen mit dem Erscheinen des 
Tumor, ein Alterniren, was wir ja täglich beob¬ 
achten, zeigt uns deutlich, wie wenig die specielle 


Pathologie zur Grundlage einer Therapie sich 
eignet. 

4) K., 42 Jahr, hat im Mai 1893 Influenza 
überstandeu, consultirte mich am 22. Aug. wegen 
einer Ischias, die sich bald nach der Influenza ge¬ 
zeigt. Der Schmerz ist rechts, zieht beim Husten 
in den Fuss herab. Bei Anstrengung Verschlim¬ 
merung der Schmerzen mit Lahmheitsgefühl in der 
kranken Extremität und im Kreuz. Einschlafen 
vor Mitternacht schwierig , Unruhe. Muss Nachts 
auf der kranken Seite liegen. Seit ein paar Tagen 
Zahnschmerz rechts, durch kalte Umschläge wesent¬ 
lich gemindert. Schmerz ziehend, reissend. Verordn.: 
Caust. X., 8 Pulver, jeden 5. bis 7. Abend 1 Pulver. 

6. Octb. Hat sich „sehr schön“ befunden, 
schon nach dem 2. Pulver. Aber das Hüftgelenk 
ist noch nicht ganz frei, schmerzt noch beim Auf¬ 
stehen vom Sitzen, ermüdet nicht mehr so leicht. 
Ich entliess Patientin mit einigen Dosen Caust. 200. 
und der Weisung wiederzukommen, wenn nach 
Verbrauch das Leiden nicht ganz beseitigt. Er er¬ 
schien nicht wieder. 

5) H., Maler, 68 Jahr, consultirte mich am 
25. Aug. 1891. Er leidet seit einem Jahr an 
Ischias links. Schmerzen beim Gehen und im Ver¬ 
hältnis der Anstrengung. Sitzt er dann eine 
Minute, so verliert sich der Schmerz. Nachts warm 
zugedeckt und in der Ruhe frei von Schmerz. 
Allgemeinbefinden recht gut. Schlaf auf der rech¬ 
ten, gesunden Seite. Verordn.: Caustic. X., jeden 
7. Abend 1 Dosis. 

14. Octb. Wesentliche Besserung, kann schon 
recht weit gehen, wenn er langsam geht. Verordn, 
dieselbe Medication. Noch vor Verbrauch des 
Mittels war das Leiden gänzlich beseitigt. 

6) Frau J., 38 Jahr, consultirte mich am 
4. April 1893. Dieselbe leidet seit Sommer 1892 
an heftigen Kopfschmerzen, reissend bald hier, bald 
da. Zuerst Verschlimmerung gegen Abend be¬ 
merkbar, später oft die ganze Nacht mit völliger 
Schlaflosigkeit. Bettwärme und Bettlage (des Kör¬ 
pers) durchaus keinen Einfluss. Seit vorigem 
Sommer hartnäckige Verstopfung. Verschlimmerung 
der Schmerzen, wie überhaupt Verschlechterung 
des Befindens bei „hartem WetterOst - mul 
Nordwind. Nachtschweisse. Kräfte schwach, leichtes 
Ermüden, Steifheit des Nackens seit der „Krank¬ 
heit,“ Schlaf auf der linken Seite, weil die 
Lage auf der rechten unbequem. Gelbe Gesichts¬ 
farbe, auch Magendruck, besonders bei körperlicher 
Anstrengung , der bald in der Ruhe vergeht . Verordn.: 
Caustic. X., jeden 7. Abend 1 Gabe. 

10. Mai. Kopfschmerz minder, wie auch der 
Magendruck, die gelbe Gesichtsfarbe hat sich ver¬ 
loren, Schlaf „schön,“ Kräfte besser. 6 fernere 
Dosen Caustic. 200. stellten Patientin völlig lei 


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70 


7) Fräulein M., 43 Jahr, consultirte mich am 
22. Decbr. 1891. Magenschmerzen seit mehreren 
Jahren, mit Unterbrechungen, mit Uebelkeit, Er¬ 
brechen und gleichzeitigem Rücken schmerz. Der 

Schmerz ist ziehend, reissend im Epigastrium und 
den Hypochondern. Vollsein und saures Erbrechen 
nach dem Essen. Auch Nachts hat sie Schmerzen 
und zwar vor Mitternacht. Stuhl jeden zweiten 
Tag, nicht hart. Schlaf meist auf der linken Seite, 
nicht hoch. Besserbefinden in der Wärme als in 
der Kälte. Zuweilen Verschlimmerung der Schmer- j 
zen bei körperlicher Anstrengung. Impuls des j 
Herzens ausserordentlich schwach. Verordn.: Na- 
trum mur. X., jeden 7. Abend 1 Gabe. 

4. Febr. 1892. Der Magenschmerz hat sich , 
verloren, aber es haben sich Rückenschmerzen 
zwischen den Schultern eingestellt und Schmerzen 
in der linken Brust, die Patientin nicht näher be¬ 
zeichnen kann. Uebelkeit Nachmittags gleich nach 
dem Essen. Menses ausgeblieben, auffallende Steif¬ 
heit des Körpers; Schlaf nach wie vor links, weil | 
Rechtsliegen unbequem. Verordn.: Caustic. X., 
jeden 7. Abend 1 Gabe. 

Erst am 29. Octb. erschien Patientin wieder. 
Von ihrem Leiden völlig befreit, glaubte sie, auf ! 
fernere Medication verzichten zu können, bis sich 
dasselbe ganz in alter Weise einfand. Vom 4. April 
Verordn.: wieder Caustic. 40., jeden 7. Abend 
1 Dosis, und am 15. Dec. Caustic. 50. (beide Po¬ 
tenzen von mir selbst bereitet). 

Am 13. April 1893 erschien Patientin noch 
einmal. Nach gutem Befinden und bei normalem 
Kräftezustand hatte sie vor ein paar Tagen etwas 
Uebelkeit gespürt und sich beeilt, etwaiger Ver¬ 
schlimmerung vorzubeugen. Sie bekam einige 
Gaben Caustic. 200. und erschien nicht wieder. 

(Fortsetzung folgt.) i 


Psychische Heilkunst. 

Von Dr. Gallivardin in Lyon. 

Ein höchst merkwürdiger Artikel unter dem | 
Titel „Psychische Medicin: Causticum, das Heil- | 
mittel für Anarchisten; Mercurius vivus, das Heil- i 
mittel für Unzufriedene und Revolutionäre“ von 
dem namhaften französischen homöopathischen Arzt 
Dr. Gallivardin in Lyon ist uns in der The Ho- 
moeopathic World, April 2, 1894, aufgestossen. 

Als Einleitung sagt der Autor: „Einer von \ 
meinen Correspondenten schrieb mir neulich: „Die 1 
katholische Facultät der Medicin zu Lille ist eben | 
so materialistisch als ihre Rivalin in derselben j 
Stadt.“ Mein Correspondent hätte das ebenso gut I 
sagen können von der katholischen Facultät zu ( 


Louvain (Belgien), ja von allen medicinischen Fa- 
cultäten der Welt — 1 allopathischen, homöopa¬ 
thischen, eclectischen; denn in all diesen Schulen 
lehrt man noch übt man irgend etwas Besseres 
als eine Art von Thierheilkunde, angewandt auf 
den Menschen. In der That, sie behandelt in 
ihnen das thierische (animale), materielle Wesen 
(abgesehen von dem Falle eines Geisteskranken), 
niemals das sittliche und intellectuelle Wesen. So, 
ich wiederhole es, üben die 180,000 Aerzte der 
civilisirten Welt nur eine Art von auf den Men 
sehen angewandter Thierheilkunde. Nachdem ich 
nun vierzig Jahre prakticirt habe, habe ich seit 
zwanzig Jahren auf diese ausschliessliche veteri¬ 
näre Medicin verzichtet, um mich der wahren 
menschlichen Medicin zu widmen, indem ich gleich¬ 
zeitig meine Behandlung auf das leibliche, sittliche 
und intellectuelle Wesen richte. So kam es, 
dass ich seit 8 Jahren, besonders in meiner Dienstag- 
Morgens Poliklinik, in die Lage kam, abgesehen 
von Consultationen für somatische, körperliche 
Krankheiten, siebentausend Consultationeu für 
psychische oder sittliche und intellectuelle Krank¬ 
heiten zu ertheilen. Hierbei hatte ich letzthin Ge¬ 
legenheit ein Mittel zu entdecken, das sich gegen 
die Anarchistcn-Epidemie, welche jetzt die Ge- 
müther socialer Leute aus den niedern, ja zum 
Theil selbst aus den herrschenden Klassen er¬ 
griffen hat, wirksam erweist. Ich will es durch 
Mittheilung von zwei Heilungsgeschichten bekannt 
geben. 

1, Fall . Ein 20 jähriger Arbeiter, weder Trinker 
noch Wollüstling, sonst gutgeartet, kam aber seit 
zwei Jahren in einen aufgeregten Zustand, seit¬ 
dem er die Versammlungen der Anarchisten be¬ 
suchte. Seine Verwandten, welche fürchteten, er 
möchte den für jeden Franzosen obligatorischen 
Militärdienst verweigern, consultirten den Dr. Galli¬ 
vardin am 19. Januar 1892, mit der Bitte, den 
Charakter ihres Sohnes umzustimmen. Er gab 
ihnen sechs oder sieben Globuli von Causticum 200., 
die sie ihm ohne sein Wissen beibringen sollten. 
Sie lösten die Globuli in 4 Theelöffel kalten 
Wassers; dann thaten sie zwei am folgenden 
Morgen in die Suppe, der Rest sollte ihm zehn 
Tage später in gleicher Weise gegeben werden. 

Am 9. Februar berichteten sie, der junge 
Mann sei weniger exaltirt, und ginge seltner in 
die anarchistischen Versammlungen. Caustic. 200. 
in derselben Dosis innerhalb drei Wochen wieder¬ 
holt. 

Am 8. März kam der Bericht, er ginge gar 
nicht mehr in jene Versammlungen. Um aber die 
Heilung zu einer festen zu machen und einem 
Rückfalle vorzubeugen, erhielt Patient wieder 
Caustic. 200. zwei Gaben auf zwanzig Tage. 


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71 


Er hat seitdem sein erstes Militärjahr gelehrig 
absolvirt, als ob er niemals anarchistischen Ideen j 
gehuldigt hätte. 

2. Fall, Seit dem 13. October 1892 behandelte 
Dr. Gallivardin mit zunehmendem Erfolge einen 
damals 45jährigen Landmann, wegen seines Hanges 
zur Eifersucht, Melancholie, Böswilligkeit und 
Jähzorn. Indem er an den Versammlungen theil- 
nahm, die der Deputirtenwahl (im August 1893) 
vorausgingen, wurde er unzufrieden und Anarchist. 
Am 23. Mai 1893 veranlasste Dr. Gallivardin 
seine Freunde, ihm Causticum 200., drei Dosen in 
drei Wochen, zu geben und vom 14. Juli 1893 
bis 30. Januar 1894 jeden fünften Abend vor 
Schlafengehen je eine Dosis. 

Nach und nach trat das Anarchistenthum bei 
ihm zurück; er ward von einem activen, streiten¬ 
den Anarchisten allmählig ein platonischer. Er 
lobte noch seine Collegen, welche Bomben warfen, 
aber er selbst, sagte er, wünsche keine zu werfen. 
Dr. Gallivardin setzt die Behandlung noch fort J 
und hofft die letzte Spur des anarchistischen 
Geistes bei ihm noch zu verwischen. 

Causticum ist nach Dr. Gallivardin angezcigt 
gegen den exaltirten Geist in politischen Dingen, 
den tadelsüchtigen (spitzfindigen) Geist und bös¬ 
willigen Charakter, bei Trinkern, Ausschweifenden, 
bei mürrischen, missgestimmten Leuten, bei solchen, 
die leicht gerührt werden und die Augen bald voll 
Thränen haben, sowie bei solchen, die sehr lief- | 
tigen Enttäuschungen ausgesetzt sind. (Das ist 
eine bunte Reihe. Ref.) I 

3) Mercurius vivus ist angezeigt bei zucht- , 
losen Personen, die streitsüchtig, nuzufrieden mit 1 
Jedermann und jeder Sache, über ihre Familie, j 
ihre Freunde, ihre Regierung sich beklagen, keine 
Autorität, selbst die Gottes nicht anerkennen, des 


religiösen Gefühls baar sind; bei Aufrührern , Re- 
volutionären , bei Trinkern und Spielern. 

Ein homöopathischer Arzt in Paris während der 
Jahre von 1846 bis 1870, gab Merc. vivus Tau¬ 
senden von Menschen gegen syphilitische Krank¬ 
heiten — und hat niemals gehört, dass einer von 
diesen an den Revolten, Aufständen und Revolu- 


ab schlug sie ihre Mutter nicht mehr, sondern 
wurde vielmehr gegen sie sehr zugethan und voll 
zarter Aufmerksamkeit. — So kann dies Mittel, 
meint Dr. Gallivardin, wie wir sahen, dazu bei¬ 
tragen, Frieden und Eintracht in Familien und 
in Gesellschaft wieder herzustellen.“ — „Seit zwan¬ 
zig Jahren, schliesst Dr. Gallivardin, habe ich fest¬ 
gestellt, dass homöopathische Mittel, in der Mehr¬ 
zahl der Fälle, Leidenschaften, Laster, Fehler im 
Charakter und in der Intelligenz beseitigen können. 
Demzufolge bilden sie ein wirkliches Agens der 
sittlichen und intellectuellen Cultur. Wenn die 
vierzehntausend jetzt thätigen homöopathischen 
Aerzte sie zu diesem Zwecke verwenden möchten, 
so würden sie, ich wiederhole es, den Familien und 
der Gesellschaft einen grossen Dienst erweisen und 
so darthun, welche wichtige Rolle die Homöo¬ 
pathie berufen ist vom socialen Gesichtspunkte 
aus zu spielen. Das würde auoh ein Mittel für 
die Verbreitung der Homöopathie sein.“ 

In der Tliat, wenn Dove’s Panzer nach aussen 
und Gallaverdin’s Mittel nach innen das leisten, 
was ihre Autoren verheissen, so kann der Völker- 
Frühling nicht mehr fern sein! 


Das fünfzigjährige Jubiläum des American 
Institute of Homoeopathy. 

Von Dr. Mossa. 

Das amerikanische Institut der Homöopathie, 
eine Gesellschaft oder ein Verein, der im Allgemei¬ 
nen unsertn Central verein homöopathischer Aerzte 
Deutschlands entspricht, hat am 14. Juni d. J. in 
Denver (Colorado) sein fünfzigjähriges Jubiläum 
gefeiert, und halten wir es ebenso für einen Act 
collegialer Sympathie als dankbarer Anerkennung, 
wenn wir unseren transatlantischen Berufsgenossen 
zu diesem freudigen Ereigniss unsere herzlichsten 
Glück- und Segenswünsche zurufen. Die Feier 
fand statt in einer Kirche zu Denver unter dem 


tionen, die während dieser Zeit häufig genug 
waren, theilgenommen hätte. 

Ein junges Mädchen, gut erzogen und gut ge¬ 
bildet, hatte vollen Grund mit Allem unzufrieden 
zu sein, denn, nachdem sie von einer hochstehen¬ 
den Persönlichkeit verführt und dann verlassen 


Vorsitz des derzeitigen Präses Dr. James H. M. 
M’Clelland, an dessen Seite eine Anzahl der frühe¬ 
ren Präsides, lauter Männer von gutem Klange in 
der homöopathischen Welt Nord-Amerikas, ihre 
Ehrenplätze eingenommen hatten. Nach guter, alt- 
amerikanischer Sitte ward sie mit einem Gebet, 


worden war, war ihr eine ehrenhafte Ehe unmög¬ 
lich gemacht. So war sie zänkisch und mürrisch, 
unlenksam für ihre brave Mutter geworden, die 
sie sogar schlug. Dr. Gallivardin gab ihr, ohne 
ihr Wisseu, in verschiedenen Zwischenräumen eine 
Gabe Mercur. vivus 200. auf ein Mal. Von dem 


von einem Dr. theolog. gesprochen, und Musik er¬ 
öffnet. — Hierauf begrüsste der Gouverneur des 
Staates Colorado die Gesellschaft, in der auch die 
Frauen reichlich vertreten waren, mit einer An¬ 
sprache, deren Inhalt für uns Continentalen inter¬ 
essant ist. 


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72 


„Es ist eigentlich verwunderlich, sagte er, dass 
der Gouverneur eines Staates wie dieser seine herz¬ 
lichen Grüsse einer mediciniscben Gesellschaft ent¬ 
bieten soll, da doch Colorado ein grosses Sanatorium 
ist, das den Kranken, deren Gesundheit hier durch 
die Natur wieder hergestellt wird, Heil und Leben 
bringt. Die Masse unserer Bevölkerung ist frei von 
angeerbten Vorurtlieilen gegen die verschiedenen 
mediciniscben Schulen. Aber wir wissen die medi- 
cinische Gesellschaft wohl zu schätzen, die den 
menschlichen Körper nicht zu einem Magazin 
schlechtriechender Medicamente macht und von 
ihren eigenen Mitteln so wenig eingiebt. Wir 
wissen auch die ärztliche Gesellschaft wohl zu 
schätzen, welche die erste war, die den Frauen 
alle Vortheile der Männer in Ertlieilung von Di¬ 
plomen eingeräumt hat. Sie gaben den Frauen 
ihre Rechte betreffs der Ausbildung und Ausübung 
der Medicin; wir geben ihnen die bürgerlichen 
Rechte nach dem Maasse ihrer Pflichten und Steuern. 
Wenn Sie, meine gelehrten Herren, nach Hause 
heimkehren, mögen Sie das Gleiche thun. — Colo¬ 
rado bietet reine Luft und eine grossartige Sce- 
nerie. Wir haben felsenwandige, dunkel zerklüftete, 
schneebedeckte Berge. Unsere Quellen enthalten 
Heilkräfte für manche Beschwerden, und sind so 
mannigfach als die Gerüche vom ambrosianischen 
Nektar bis zu den Mischdüften de» berühmten Köl¬ 
nischen Wassers. Unsere Eisenbahnen werden Sie 
von den tiefsten Klüften zu der Spitze des Dike’s 
Peak tragen, dem Himmel näher zu, als mancher 
von Ihnen sonst auf irgend eine Weise dahin ge¬ 
langt. — Colorado liegt vor Ihnen völlig offen da; 
mögen Sie sich hier, unter Leitung der Vorsehung, 
einen Ruheplatz auswählen! 

Auf diese mehr reservirte, zum Theil mit 
einem eigenthümlichen Humor gewürzte Ansprache 
folgte dann die Begrüssung des Mayor (Bürger¬ 
meister), der seiner freundlichen, auf gute Erfah¬ 
rungen gegründeten Zuneigung für die Homöopa¬ 
thie einen kräftigen Ausdruck gab. 

Auf beide Reden erwiderte der Präses in höchst 
geistvoller Weise. 

Aus den die fünfzigjährige Geschichte des In¬ 
stituts behandelnden Berichten heben wir Folgendes 
hervor: Der ursprüngliche Zweck, den die Begrün¬ 
der, darunter unser Landsmann C. Hering, im Auge 
hatten, war einmal die Pflege und Vervollkomm¬ 
nung der homöopathischen Arzneimittellehre, sodann 
einen Schutz und Trutz gegen die unsauberen Ele¬ 
mente zu errichten, welche, ohne die nöthige Aus¬ 
bildung und ohne den erforderlichen sittlichen 
Charakter unter der Flagge der Homöopathie zu 
prakticiren trachteten. — In der That hat das In¬ 
stitut in diesem Zeitraum von fünfzig Jahren nach 
beiden Richtungen hin sehr Bedeutendes geleistet; 


es gab ja den Impuls zu den Amerikanischen Arz¬ 
neiprüfungen. Die bei den alljährlichen Versamm¬ 
lungen eingereichten, verlesenen, discutirten und 
publicirten Arbeiten enthalten sehr schätzbares Ma¬ 
terial für die Pathogenese und therapeutische Ver- 
werthung der homöopathischen Mittel. Sein Ein¬ 
fluss erstreckte sich aber weiter: auf die Ausbildung 
sämmtlicher Zweige der Medicin, auf die Einrich¬ 
tungen von homöopathischen Lehranstalten (Colleges) 
und Hospitälern; sodann auf die Regelung der ärzt¬ 
lichen Diplome, der Prüfungen und Promotionen, 
auf die medicinische Gesetzgebung in Nordamerika. 
Es hat darauf energisch hingewirkt, dass die Stel¬ 
lung der homöopathischen Aerzte daselbst eine le¬ 
gale, das Verhältnis» derselben unter einander ein 
collegiales geworden ist. Es war in der That der 
Mittelpunkt aller Förderungen auf homöopathischem 
Gebiete und, wie alles Organische, in allmähligem, 
aber stetem Wachsthum. Anfangs zählte das In¬ 
stitut kaum 100 Mitglieder, nach Verlauf der ersten 
25 Jahre war ihre Zahl auf 700 gestiegen, nun, 
am Schlüsse des verflossenen Jahres, umfasst es 
1500 active Mitglieder. Für die, welche 25 Jahre 
ununterbrochen dem Institute treue Theilnahme er¬ 
wiesen, hat es eine Ehren-Stellung geschaffen; diese 
bilden einen Senioren-Senat, sind von Abgaben frei 
und bilden ein Ehrengericht bei streitigen Punkten, 
besonders ethischen Collisionen unter den Mitglie¬ 
dern. Dieser Senat zählt zur Zeit 150 Senioren, 
unter denen sich noch einer von den ursprüng¬ 
lichen Gründern der Gesellschaft befindet. — Wie 
wir schon aus der Ansprache des Gouverneurs er¬ 
fahren, hat das Institut auch auf die Zulassung 
und Anerkennung von Aerztinnen hingearbeitet, 
und so finden wir 200 Frauen als Mitglieder des¬ 
selben verzeichnet. 

Der Stand der Finanzen war immer ein guter, 
d. h. man kam ohne Schulden aus; die Jahresein¬ 
nahme beträgt jetzt 8000 D., und doch hat man 
damit die nicht unbedeutenden Kosten, die dem 
Institut in Folge seiner vielseitigen Thätigkeit er¬ 
wachsen, bestreiten können. 

Nach alledem hat sich das Institut für die Sache 
der Homöopathie in Nordamerika ausserordentliche 
Verdienste erworben und steht zur Zeit auf einer 
blühenden Höhe — und doch kann sich Dr. Ludlam 
aus Chicago, der einen gediegenen Vortrag über 
„Die Zukunft des Amerikanischen Instituts und die 
Homöopathie,“ ein Abstractum, wie er ihn nennt, 
eine Art Vision, aber mit offenen Augen möchten 
wir sagen, gehalten, nicht enthalten, seine warnende, 
mahnende und rathende Stimme zu erheben. Wir 
gedenken diesen Vortrag, da er so manche für die 
gesammte Entwicklung der Homöopathie wichtige 
Punkte berührt, in extenso wiederzugeben. 

Die sich an die Feier anschliessenden Versamm- 


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78 


lungen und Verhandlungen des Instituts (vom 14. 
bis 22. Juni) gaben des Interessanten gar Manches, 
multa, wenn auch nicht durchweg mul tum. 


Eine Studie Uber die pathogenetische Wirkung 
von Kali bichromicum auf die Nieren. 

In The Hahnemann Monthly vom Juni d. J. 
finden wir von Dr. F. H. Pritchard eine werthvolle 
Studie über die Einwirkung von Kali bichrom. auf 
die Nieren. 

Während unsere Lehrbücher der Materia medica 
und die Therapie die Einwirkung dieses Mittels auf 
die Respirations- und Verdauungs-Organe wohl be¬ 
achtet haben, haben sie der auf das uropoetische 
System gar wenig Aufmerksamkeit geschenkt. 

Burt, in seiner physiologischen Materia medica, 
Chicago 1883, giebt an, es bringe eine intensive 
Congestion und Entzündung, sowie völlige Zer¬ 
störung der Tubuli hervor; der Urin wird mit 
Eiter gemischt oder völlig unterdrückt. Es ist 
demnach, sagt er, von grossem Nutzen bei der 
Suppressio urinae in asiatischer Cholera und beim 
Nierenkatarrh. — Bei der acuten Vergiftung mit 
Kali bichrom. zeigt sich, abgesehen von den an¬ 
deren Symptomen, besonders im Verdauungscanal, 
die Nierengegend empfindlich, der Urin spärlich 
und enthält Blut und Eiweiss, sowie auch Epi- 
thelien in grosser Menge. Das Mikroskop wie9 
post mortem nekrobiotische Veränderungen in dem 
Tubuli contorti und gelegentlich Ausschwitzungen 
in den Kapseln der Glomeruli nach; so hat man 
bei Kaninchen einen sehr acuten und stark aus¬ 
gesprochenen croupösen Process in den Nieren be¬ 
obachtet. Je länger die Vergiftung andauert, 
desto deutlicher entwickeln sich die Symptome einer 
parenchymatösen Nephritis, die dann in solche einer 
interstitiellen übergehen. Die Schleimhaut der Blase I 
hat man beim Menschen injicirt, ecchymotisch, und | 
selbst eitrig und geschwürig gefunden. 

Bei der chronischen Vergiftung mit Kali bichrom. ! 
per 08 kann es leicht zu einer interstitiellen Ne- | 
phritis und selbst Nierenschrumpfung mit ihren 
bedenklichen Folgen kommen. — Bei Thieren | 
haben Gergens und Priestley fast beständig Ne- | 
phritis gefunden und sie meinen, die so häufig bei I 
mit diesem Mittel vergifteten Menschen beobachtete | 
Urinunterdrückung beruhe auf der reizenden Wir¬ 
kung desselben auf die Nieren. | 

Dr. Pritchard sagt von der Wirkung kleiner, 
allmählig steigender Dosen des Kali bichrom., es 
führe zu einer Reizung der Nieren, des secerniren- 
den Epitheliums, der Corticalsubstanz, zu Aus¬ 
schwitzung in die Glomeruli, Entartung und Zer- | 


Störung des Epithels, zur Bildung von Hyaline und 
Abstossung von Epithelialzellen, Leucocytlien und 
Blut, rotlien Blutkörperchen in jene Tubuli, kurz 
zu dem Bilde einer desquamativen epithelialen 
Nephritis croupöser Natur, wie sie nach Diphtheri- 
tis, Scharlachfieber, Erkältung etc. erfolgt, oder 
möglicherweise einer solchen, die durch Aus¬ 
breitung einer Entzündung in das Nierenbecken zu 
Stande kommt. 

Die Prüfer, welche nur schwache Dosen nahmen, 
oder in mildern Vergiftungsfallen, klagen über 
Schmerz in den Lenden, in der Nierengegend; 
der Urin ist hochgeftirbt, lässt einen körnigen Nie¬ 
derschlag, Phosphate, fallen. — In Dr. Drysdale's 
Prüfungen, wo von einer Lösung von 5 Gran 
in 1 Unze Wasser 5, 20, 60 und 100 Drachmen 
genommen wurden, bekam ein Prüfer, als er auf 
60 Drachmen angelangt war, heftigen Schmerz in 
der Lendengegend, der sich in das Kreuzbein 
hinabzog. Der Schmerz gestaltete sich als ein Taub¬ 
heitsgefühl, war schliesslich aber so hochgradig, 
dass der Prüfer sich kaum vom Stuhl erheben 
konnte. Er hielt drei Tage an, allmählig ab¬ 
nehmend. Dabei blieb die Verdauung ungestört. 
Sein Urin war spärlich und hochgefärbt mit weiss¬ 
körnigem Sediment. — Dies ist ein Beispiel vom 
ersten Grade von Nierenreizung, die sich beim 
Wegfall des Mittels bald wieder verlor. 

Dr. Walker, 29 J. alt, von biliös-sanguinischem 
Temperament, nahm von der 3. Dec. eine Woche 
lang. Danach: häufiges Uriniren mit leichtem 
Brennen danach, mit der Empfindung, als ob ein 
Tropfen Urins weit hinter der Urethra sich be¬ 
fände, den er gern entleeren wollte, aber nicht 
konnte. — Als er mit der obenerwähnten Lösung 
bis auf 30 Drachmen gestiegen war, bekam er 
rheumatische Schmerzen etc. und ein Kältegefühl 
im Rücken mit dem Verlangen, nahe am Feuer zu 
sitzen. — Dr. Pritchard gab vor Jahren einem 
Manne mit acuter Bronchitis von der 2. Dec.-Dilut. 
zweistündlich. Er bekam hierauf einen schreck¬ 
lichen Schmerz im Rücken, schwärzlichen, spär¬ 
lichen Urin und das dringende Verlangen, sich in 
die Nähe des Feuers zu setzen. Er wollte den 
Rücken am liebsten gegen ein Dampfrohr lehnen — 
er war Maschinist in einer Fabrik — bis es eine 
Blase zog, um sich Erleichterung zu verschaffen. 
Beim Uriniren etwas Brennen, im Urin weissliche 
Sedimente, Epithelialzellen und Phosphate. Schies¬ 
sende, peinliche Schmerzen im Rücken. 

Schelling bekam bei der Herstellung einer 
Verreibung des Mittels Schmerz, der ebenfalls von 
Hitze erleichtert aber nicht gehoben wurde. (Allg. 
hom. Zeitung.) Ein 18jähriger Arbeiter in einer 
Fabrik von Kali bichrom. wird von einem Schmerz 
ergriffen, als ob ein Messer durch die Lenden 


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74 


ginge; er kam plötzlich am Nachmittage, so dass 
er kaum gehen, nur mit fremder Hilfe nach Hause 
kommen konnte; hielt die Nacht an, so dass er 
nur eine Stunde schlafen konnte, selbst im Still¬ 
liegen , aber weit schlimmer bei Bewegung oder 
Umdrehen. Urindrang, mit wenig, röthlichem Urin. 
Besser durch eine Gabe Nitrum, so dass er am 
nächsten Tag zur Arbeit gehen konnte; es hielt 
jedoch Rückenschmerz und der spärliche Urin noch 
14 Tage an. 

Ein Fall von Vergiftung mit einer grossen 
Dosis. Ein Mann verschluckte in einem Wuth¬ 
anfall die Lösung eines Stückes von Bichromat. 
Es erfolgt Uehelkeit und Erbrechen; nachdem sein 
Magen entleert war, fühlt er sich wohl, ass sein 
Abendbrod und verbrachte eine ruhige Nacht. Am 
anderen Morgen fühlte er beim Aufstehen eine 
solche Schwäche, dass er sich wieder hinlegen 
musste. Der Unterleib weder geschwollen noch 
schmerzhaft, Puls ruhig aber klein. Er fühlte 
schiessende Schmerzen im Rücken und in der 
Nierengegend, konnte Flüssiges zu sich nach Be¬ 
lieben nehmen, hatte mehrere normale Stuhlent¬ 
leerungen, aber Hess keinen Tropfen Urin . Die 
zweite Nacht etwas gestört; am nächsten Morgen 
noch schwächer; er konnte sich kaum erbeben, 
zitterte beim Versuche dazu in hohem Grade, aber 
ohne Zunahme der Schmerzen. Die Schwäche 
nahm zu, Besinnung ungestört. — Es ging kein 
Urin ab. Er starb, ruhig schlafend, 54 Stunden 
nach dem Nehmen des Gifts, wie aus reiner Er¬ 
schöpfung. Einige Stunden vor dem Tode beob¬ 
achtete man krampfhafte Zuckungen der Hände. 
Bei der Section fand man die Nieren, beim Ein¬ 
schneiden, stark marmorirt, roth, gross, mit 
schaumigem Blute gefüllt. (Hugh’s Cyclopaedia of 
Drug Pathogenesy p. 206.) 

Die chronische Vergiftung kann das Bild einer 
chronischen Pyelitis getreu darstellen, wie folgender 
Fall zeigt, den Roberts in seiner Urinary und 
Renal Diseases p. 385 berichtet: 

Im Mai 1857 ward ein Mann im Zustand grosser 
Abmagerung, mit hektischen Symptomen aufgenom¬ 
men. Der Urin enthielt eine reichliche Menge Eiter, 
reagirte sauer, nicht mehr Eiweiss, als auf die 
Rechnung des Eiters zu setzen war. Patient gab 
an, sein Urin sei seit länger als einem Jahre 
milchig gewesen, seit welcher Zeit es mit seiner 
Gesundheit auch allmählig bergab gegangen sei. 
Nierensand oder Nierenkolik war nicht dagewesen; 
auch sei der Urin niemals blutig erschienen. Er 
führte sein Leiden auf sein Geschäft, die Arbeit 
in einer Fabrik von Kali bichrom. zurück. — Er 
starb 11 Tage nach seiner Aufnahme im Kranken¬ 
hause. — Bei der Nekropsie zeigte sich die Schleim¬ 
haut der Blase etwas injicirt, aber nicht verdickt. 


Beide Ureter waren fast ums Doppelte erweitert 
und mit Eiter angefüllt. Die Nierenbecken und 
die Infundibula erweitert, ihre auskleidende Mem¬ 
bran verdickt und mit Eiter überschwemmt. Die 
Nieren selbst wenig verändert; die Papillae flach, 
gelblich, als ob sie Eiter in ihren Gängen enthiel¬ 
ten. In den Becken ward kein Fremdkörper ent¬ 
deckt und die Passage des Urins durchweg frei. 
Der Tod konnte nur der langwierigen Eiterabsonde¬ 
rung, gegen die bis vor 11 Tagen vor seinem 
Ende nichts geschehen war, zugeschrieben werden. 

Das Mittel mag bei einer Person, die unter 
dem Einfluss einer chronischen Vergiftung steht, 
wenn der Organismus sich aber in einem gewissen 
Grade an das Mittel gewöhnt hat, eine solche 
Pyelitis erzeugen, wie diese nach Roberts auch 
unter der Einwirkung von Hyperdosirung reizender 
Diuretica (Terpenthin, Cantharis) zu Stande kommt. 
Französische Homöopathen haben Cantharis bei 
Pyelitis calculosa nach dem Simile angewandt. 

Wir ziehen also den Schluss, dass Kali bichrom. 
bei der homöopathischen Behandlung von Pyelitis 
calculosa bei Schmerzhaftigkeit in der Nierengegend, 
vermehrt durch Druck, bei dumpfem Schmerz in 
den Lenden, besser von äusserlicher Wärme, röth- 
licbem Urin von Nutzen sein kann. Dazu häufiger 
Urindrang, hartnäckiger rheumatischer Schmerz, 
der den weniger tiefwirkenden Mitteln nicht weichen 
will, vielleicht auch gichtische Diathese, dumpfe, 
schiessende oder ziehende Schmerzen in verschiede¬ 
nen Körpertheilen. Der Urin enthält Epithelial¬ 
zellen, Schleim, Eiter oder Blut. Zweitens kann 
es angezeigt sein in acuter desquamativer Nephritis 
bei Gegenwart von Epithelialzellen, Schleim, Phos¬ 
phaten, späterhin Blut oder Eiter im Urin. Anurie, 
mehr oder weniger ausgesprochen, oder Verminde¬ 
rung des Urins, der dunkel, röthlich, mit einem 
ziegelmehlartigen Niederschlag, bei rheumatischer 
oder gichtischer Anlage. Uriniren häufig mit 
brennendem Schmerz (aber nicht so stark wie bei 
Cantharis) Der Schmerz in der Nierengegend ist 
dumpf, quälend, durch starke Hitze erleichtert, aber 
nicht beseitigt. Es wird Albuminurie mit hyalinen 
Ausschwitzungen bei Allen, später epitheliale 
Abstossungen wahrscheinlich zugegen sein. Ana- 
sarca wird sich in Folge der Veränderung und 
Zerstörung des Nierenepithels wohl entwickeln, ob¬ 
gleich keine der kurzzeitigen Prüfungen es ge¬ 
zeigt haben oder zeigen können, da der Ausgleich 
bei diesen schnell geschieht. 

Es mag erwähnt werden, dass ein Arzt der 
alten Schule Kali bichrom. als ein wirksames Mittel 
in der Behandlung jener so gefährlichen Krank¬ 
heit, der Hämatochylurie, gefunden hat. Er bat 
es in mehreren Fällen mit Erfolg angewandt, indem 
er sieb einer Lösung von 1,0 auf 240,0 Wasser 


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bediente. — Der milchige Urin ward in einem Ver¬ 
giftungsfall beobachtet. (Acidum phosphoric. ist 
in solchen Fällen von homöopathischer Seite erfolg¬ 
reich gebraucht worden. Ref.) 

Drittens kann das Mittel nach seiner Patho¬ 
genese in Betracht kommen bei chronischer paren¬ 
chymatöser Nephritis, wie solche nach Scharlach¬ 
fieber, nach Alkoholmissbrauch folgt; oder sich aus 
der acuten, in Folge von Erkältung oder Schwanger¬ 
schaft entstandenen, herausbildet. Noch geeigneter 
möchten wir das Mittel jedoch bei der chronisch¬ 
interstitiellen Form, der Gicht-Niere, halten. Osler, 
in seiner Practise of Medicine p. 750, giebt an, 
dass in dieser Krankheitsform eine Wucherung des 
Bindegewebes, Entartung und Atrophie der secer- 
nirenden Structuren, der Glomeruli und Tubuli, 
sowie epitheliale Veränderungen in letzteren Vor¬ 
kommen. Die Arthritis, Syphilis und Alkoholmiss¬ 
brauch führen dazu hin. 

Der auf syphilitischer Grundlage beruhende 
Rheumatismus entspricht dem Mittel insbesondere. 
Plumbum concurrirt bei derartigen Leiden mit Kali 
bichrom. Dr. Ch. Gatchell hat eine beginnende 
Nieren-Cirrhose mit Plumbum in der 6. Verreibung 
geheilt. Wie bereits oben erwähnt, haben die Ex¬ 
perimente an Thieren bestimmt ergeben, dass Kali 
bichrom. parenchymatöse Nephritis erzeugt, welche 
in die interstitielle Form übergeht und schliesslich 
in Schrumpfniere endet. Kobert, der diese Beob¬ 
achtungen in seinem „Lehrbuch der Intoxicationen** 
anführt, will desshalb den innerlichen Gebrauch 
dieses Mittels gesetzlich verboten haben, aus Be- 
sorgniss vor so verhängnissvollen Folgen! Dr. Prit- 
chard schliesst: Wenn dieses Mittel einen solchen 
Zustand erzeugen kann, so wird es sicher bei der 
Behandlung desselben, in den früheren Stadien, 
von Nutzen sein. M. 


Vom BUchertisch. 

Kneipp und seine ärztlichen Jünger, eine Kritik 
der neuen Wassermode. Zugleich eine Antwort 
auf Dr. Baumgartens Schrift über die medici- 
nische Berechtigung der Kneipp’schen Heil¬ 
methode. Von Dr. med. Clemens Niemann, 
pract. Arzt in Fürstenau i. H. Frankfurt a. M., 
Verlag von Joh. Alt. 1894. 

Besprochen von Dr. H. Gonllon. 

Man hat gesagt, Kneipps Stern sei im Sinken 
begriffen, weil er in Rom Fiasko gemacht hat. 
Dieser Ansicht sind wir nicht. Wer die Schwierig¬ 
keiten würdigt, mit denen der Pfarrer von Wöris- 
hofen dort zu kämpfen hatte, der wird auch be¬ 


greifen, weshalb er nicht reüssirte. Eine Haupt¬ 
schwierigkeit aber bestand in der Ungeeignetheit des 
Krankheitsfalles überhaupt zu einer Wasserkur. 
Seine Heiligkeit der Papst verträgt einfach solche 
Proceduren nicht. Aber es schmeichelte der Eitel¬ 
keit des Herrn Pfarrers zu sehr, hier Lorbeeren 
zu pflücken, als dass er auf Vornahme seiner The¬ 
rapie verzichten mochte. 

Da Kneipp sich auch mit Homöopathie be¬ 
schäftigt hat, anfangs günstig und vorurtheilslos 
sich über dieselbe äusserte, später missgünstig und 
feindlich gegen dieselbe auftrat, so geziemt es sich 
wohl für die Vertreter der homöopathischen Lehre, 
die Kneipp-Literatur zu berücksichtigen. Von 
diesem Standpunkt aus bin ich denn auch gern 
der Aufforderung der Redaction der ,,Allgemeinen“ 
nachgekommen und habe mich mit der Lectüre 
der Niemann’schen Schrift befasst. 

Nach einigen Vorbemerkungen und Einblick in 
die Entstehung, Natur und Wirkung des Kneipp- 
schen Heilverfahrens, wendet sich Verfasser zu den 
Verordnungen des Wasserapostels selbst, zu dem 
Krankenmaterial und den örtlichen Anwendungen. 
Der Krankheitsauffassung wird ein besonderes Ka¬ 
pitel gewidmet, ebenso wie der Ernährung, Klei¬ 
dung und Abhärtung, als einer rationellen prophy¬ 
laktischen Massnahme. 

Nun folgt, gewissermassen die Quintessenz des 
Buches, die Wirkung der Kneipp’schen Heilmethode 
auf die Krankheiten und Kneipp als Arzt. Dazu 
gehört natürlich: die Eigenart des Kneipp’schen 
Systems. 

Besonders interessiren muss die Wirkung der 
Kneipp’schen Methode auf bestimmte Krankheits¬ 
gattungen. Denn nur so gelangt man ja zu einer 
stricten Indication und verfallt nicht dem Schlen¬ 
drian der Verallgemeinerung der fraglichen Kur¬ 
methode. 

Der der Selbstbehandlung gewidmete Abschnitt 
wird uns schon deshalb nicht gleichgiltig sein, 
weil doch diese auch einen Angriffspunkt bildet 
für die ärztlichen Gegner der Homöopathie. Wir 
kommen darauf zurück, wollen nur noch der Stel¬ 
lung des Kneipp’schen Systems zur Chirurgie und 
Wundbehandlung, sowie der praktischen Brauch¬ 
barkeit des Systems als besonderer Abschnitte des 
Buches gedenken, womit wir dem Leser zugleich 
eine knappe Uebersicht des gesammten Inhaltes 
gegeben haben. Im Schlusswort aber bekennt sich 
Verfasser ungeschminkt als Kneipps radicalen 
Widersacher, und da seine Worte Widerhall finden 
werden bei einer erdrückenden Majorität der Arzt¬ 
welt, so mögen dieselben hier eine Stelle finden. 

„Nicht hochmüthiger , Korpsgeist* — sagt 
Dr. Niemann — ,,ist es, was die Aerzte abhält, 
die Heilmethode eines ,einfachen Pfarrers* an- 


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7ft 


zuerkennen, sondern ihre wissenschaftliche Ueber- 
zeugung von deren Unwerth. 

Wenn übrigens angesichts der Reden und 
Schriften Kneipps in den Aerzten das Gefühl des 
Unwillens aufsteigen sollte, wer wollte ihnen das 
verdenken? Denn der ,einfache Pfarrer 4 be¬ 
schränkt sich nicht darauf zu behaupten, dass er 
ein neues, grosse Erfolge erzielendes Heilsystem 
erfunden habe, sondern er verurtheilt eine Wissen¬ 
schaft, die er nie studirt hat, die Schulmedicin in 
Grund und Boden; er sitzt zu Gericht über Me- 
dicamente und Heilquellen, deren chemische und 
physiologische Wirkung er gar nicht kennt; er 
giebt Urtheile über alle medicinischen Frageu ab 
mit einer apodiktischen Sicherheit, die in umge¬ 
kehrtem Verhältniss steht zu dem Mass von Ein¬ 
sicht, die er dabei bekundet. So sind ihm, um 
nur ein Beispiel anzuführen, alle Mineralwässer 
verwerflich, weil viele Kranke an den Badeorten 
sterben. (Meine Wasserkur S. 62 und 63.) Für¬ 
wahr ein Grund, womit er die Ausrottung aller 
Krankenhäuser motiviren könnte.“ 

Gerade an der Schroffheit, mit der Reforma¬ 
toren ä la Kneipp auftreten und der Anmassung, 
mit der sie die Wissenschaft Andersdenkender zu 
verkleinern suchen, scheitert die Verbreitung und 
vernünftige Ausnutzung ihrer zum Theil wohlbe¬ 
rechtigten Ideen. 

Sehen wir uns nun Einzelnheiten der Niemann- 
schen Philippica an. Ihre Entstehung verdankt 
dieselbe dem Umstand, dass es Verfasser nicht 
vergönnt wurde, einen Dr. Baumgarten öffentlich 
zu widerlegen. Die Bachem’sche Verlagsbuch¬ 
handlung kürzte Dr. Niemann den Raum, welchen 
er beanspruchte in einer von jener Buchhandlung 
herausgegebenen Zusammenstellung von Aufsätzen 
in der Köln’schen ,,Volkszeitung“ für und wider 
Kneipp. Dr. Baumgarten aber durfte in beliebiger 
Breite die Segnungen der Kneippkuren der stau¬ 
nenden Welt verkünden. Es kühlte Dr. Niemann 
zunächst die flammende Begeisterung für Kneipp, 
indem er einfach nachwies, dass die Wiege Kneipps 
in Gräfenberg zu suchen sei und Kneipp nur auf 
den Schultern des Bauern Priessnitz steht. Ja 
selbst das Barfusslaufen zu Kurzwecken gehörte 
zur Priessnitz’schen Methode, und wenn man nicht 
den Gassenjungen und Bettelkindern die Priorität 
dieses für Kranke der besseren Stände oft ganz 
verkehrten Verfahrens einräumen will, so muss 
man sie immer noch eher Priessnitz als Kneipp zu¬ 
erkennen. 

Das Nicht-Abtrocknen hält Verfasser mit 
Recht für ein thörichtes, nur etwa bei Gesunden 
zu verantwortendes Mittel, zu heilen. Originell 
mag es sein, nachahmenswerth erscheint es aber 
vernünftig Denkenden nicht. 


Kneipp umgiebt sich mit einem Stab studirter 
Aerzte, welche dem Prälaten die Diagnose mit¬ 
theilen, womöglich „auf altfränkisch“, worauf die 
Art und Weise der Wasserbehandlung zudictirt 
wird. Auch dies findet Verfasser mit Recht an- 
stössig, trotz der starken Ahnungskraft, mit der 
der Herr Pfarrer ausgestattet sein soll. — Komisch 
nimmt sich aus, dass Kneipp für Leinenhemden 
schwärmt (,,die Leinenfaser saugt die Absonderung 
der Haut am leichtesten auf“ — Dr. Baumgarten), 
während Professor Jäger bekanntlich durch seine 
Wollehemden seuchen- und wetterfest machen 
will. Wessen Ring ist nun der echte? Der, dessen 
Gesundheitslehre nach Äfassgabe der Einzelver¬ 
hältnisse Vorschriften giebt. 

Und so verhält es sich mit den Kneipp’schen 
Wassermanipulationen überhaupt: Lernt iudividuali- 
siren! Dem Einen nützt, was dem Anderen scha¬ 
det. Deshalb ist auch die schabloneninässige Be¬ 
handlung der Influenza ä la Kneipp: „stündlich 
eine kalte Ganzwaschung“ ebenso falsch, wie 
Kneipps, des verblendeten Wasser-Enthusiasten 
Ausspruch: „Wer die Wasserkur gebraucht, be¬ 
kommt überhaupt keine Influenza. 44 

In dem Abschnitt: Kneipp als Arzt, kommt 
derselbe recht schlecht weg, indem Verfasser nichts 
darauf zu geben vermag, dass Kneipp überhaupt 
ein Arzt von Gottes Gnaden sei, welcher auch 
ohne Rigorosum diagnostischen Scharfblick ent¬ 
wickele, denn sonst würde er nicht Hornhaut¬ 
flecken für grauen Staar halten und „als sicherstes 
und oftmals für das Vorhandensein der Schwind¬ 
sucht ausschlaggebendes Zeichen ansehen, dass der 
Kranke recht gern Gesalzenes ass, Salz auf Brod 
streute, Fleisch in Salz tauchte, mit Vorliebe nach 
Säuren und Gewürz haschte.“ 

Was Verfasser von der „Eigenart des Kneipp- 
schen Systems“ hält, geht am besten aus dem 
diesen Betrachtungen vorausgeschickten Lessing- 
schen Motto hervor: 

„Ein Quidam sprach: ,Ich bin von keiner Schule, 

Kein Meister ist’s, mit dem ich buhle. 4 

Das heisst, wenn ich ihn recht verstand, 

Er war ein Narr auf eigne Hand. 44 

Sehr beachtenswerth und den Nimbus der 
Kneipp’schen Kuren stark compromittirend sind die 
folgenden Reflexionen, wie sie Dr. Niemann an¬ 
stellt bei Besprechung der Wirkung jener Methode 
bei bestimmten Krankheitsgattungen: 

50 °/ 0 der Wörishofener Kranken sind Neu¬ 
rastheniker, d. h. solche, die an reizbarer Schwäche 
des Nervensystems leiden. In dieser Thatsache 
liegt der Schlüssel zu den Erfolgen Kneipps. 
Denn dass solche Patienten in Wörishofen eine 
entschiedene Besserung zeigen, ist eigentlich selbst¬ 
verständlich. Aber ist dieser Erfolg dem Wasser 


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zuzuschreiben? Keineswegs. Der stubenhockende 
Gelehrte, der sich geistig überarbeitet hat, der 
Grosskaufmann, den das aufregende Börsentreiben 
und das grossstädtische Genussleben nervös gemacht 
haben, beide von Dr. Baumgarten selbst geschil¬ 
derte Typen der Wörisbofener Neurastheniker, was 
thut ihnen Noth? Aufgeben ihrer nervenzerrütten¬ 
den Thätigkeit, Ruhe des Geistes, vernünftiges 
Leben in gesunder Luft. Vielleicht ist dieses beides 
von ihrem Hausarzt schon längst angerathen worden, 
aber die Verhältnisse sind oft stärker, als die 
Menschen. „Es ist unmöglich, ich kann mein Ge¬ 
schäft, meinen Beruf doch nicht vernachlässigen,“ 
so lauten meistens die jedem Arzte bekannten Ein¬ 
wände, welche denselben zwingen, sich auf eine 
symptomatische Behandlung zu beschränken. Seine 
Rathschläge, betreffend Aenderung der Lebensweise, 
werden vielleicht einige Tage befolgt, und dann ver¬ 
fällt man wieder dem alten Schlendrian. Verschlimmert 
sich aber das Leiden mehr und mehr, dann heisst es 
nur zu oft: Mit der Medicin ist es nichts, vielleicht 
kann Kneipp mir helfen! Also auf nach Wörishofen! 

So entrinnt dann der Kranke endlich dem Banne 
seiner Gewohnheiten und dem Zwange seiner Ver¬ 
hältnisse; er geniesst die erquickende Ruhe des 
Landaufenthaltes, geht fleissig spazieren, erhält ein¬ 
fache Kost und führt ein geregeltes Leben. Was 
Wunder, wenn er jetzt entschieden Besserung fühlt. 
Das hätte er aber überall auf dem Lande finden 
können. Die Güsse und das Wassertreten werden 
ihm nicht viel schaden, ja, vielleicht haben sie ge¬ 
rade bei dieser Krankenkategorie einen günstigen 
Einfluss durch — Autosuggestion, deren in Wöris¬ 
hofen besonders hervortretende Wirkung ja auch 
Dr. Baumgarten anerkennt. Die felsenfeste, von 
Kneipp durch tägliche Vorträge gekräftigte Ueber- 
^eugung, dass die dortige Kurmethode die einzig 
naturgemässe und richtige ist und die Absonder¬ 
lichkeit vieler Proceduren werden ihren Einfluss 
namentlich auf harmlose Gemüther nicht verfehlen. 

In all dem hat Verfasser vollkommen recht, 
allein er vergisst einen wichtigen Factor, welcher 
dem Wörishofer Laien-Doctor schaareuweise die 
Patienten zuführt, das ist der zunehmende Abscheu 
vor der zunehmenden Bereicherung des allopa¬ 
thischen Heilapparates mit den abenteuerlichsten, 
unreifen, d. h. nur ganz oberflächlich geprüften 
Mitteln aus den chemischen Fabriken. — Beson¬ 
ders entwickelt die in Höchst bei Frankfurt a. M. 
darin eine fieberhafte Thätigkeit. — Und wenn 
Kneipp von diesem Gesichtspunkt aus der Schul- 
medicin gegenüber von V privüegirter Giftmischet'ei“ 
redet, so müssen wir ihm vollkommen beipflichten 
und bezeichnen, heute überzeugter als je, mit ihm 
diese Allopathie als „ gemeingefährlich u . 


Diabetes mellitus bei Kindern. 

Aetiologie. Die erbliche Belastung bildet in der 
Zuckerharnruhr der Kinder ein wichtiges Moment, 
demnächst kommen vorangegangene tiefgehende Er¬ 
krankungen, besonders gastrische Katarrhe. Auch 
nach Typhus und Purpura haemorrhagica hat man sie 
beobachtet. Ferner hat man Ueberanstrengungen, 
Erkältung auf starke Transpiration, die tägliche 
Einwirkung von Nässe und Kälte, kalte Bäder, 
sowie auch Fall und Schlag auf den Kopf als ur¬ 
sächliche Factoren angegeben. 

Die erbliche Belastung zeigt verschiedene Wege. 
Es kann das Nervensystem die Vermittlerin sein, 
indem epileptische oder nervöse, hysterische (neu- 
rasthenische) Eltern ihren Kindern die traurige An¬ 
wartschaft auf Diabetes vererben. Die Eltern selbst 
können auch diabetisch gewesen sein. Nach manchen 
Autoren ist es besonders die Syphilis der Erzeuger, 
welche bei den Kindern die Anlage zu Diabetes über¬ 
mittelt. Dass Verletzungen, namentlich an Kopf- 
und Rückenmark, einen Einfluss ausüben, bezeugt 
die Thatsache, dass bisher mild verlaufene Fälle 
beim Hinzutritt eines Trauma einen gefährlichen 
Charakter annahmen. 

Was das Alter betrifft, so beobachtete Stern 
unter 117 Fällen infantiler Diabetes 6 unter 1 Jahr, 
bei '1 anscheinend von der Geburt an; 7 über 
1 Jahr alt, 3 über 2 Jahre, 7 über 3 Jahre, 6 

über 4, 5 über 5, 1 über 6 Jahre, 6 über 

7 Jahre, 2 hatten das 8. Jahr vollendet, 8 waren 

9 Jahre alt, 6 waren 10, 9 waren 11, 8 waren 

12, 9 waren 13, 5 waren 14, 4 waren 15 Jahre; 
bei 28 fehlt die Altersangabe. Sie gehörten alle 
den besseren Klassen an — von jüdischer Abkunft 
nur 1 Fall. — Im Ganzen hat man die Krankheit 
vor dem 10. Lebensjahre seltener beobachtet. — 
Bemerkenswerth ist die Beobachtung, dass Mädchen 
von Diabetes häufiger befallen werden, als Knaben. 
Dagegen behauptet Tompson, dass das Verhältniss 
bis zum zehnten Lebensjahre bei beiden Ge¬ 
schlechtern gleich, dass von da an aber das männ¬ 
liche vorwiegt. 

Symptome und Complicationen. Die Diabetes 
äussert sich bei Kindern zuweilen in Bettnässen; 
man sollte daher, wo dies Symptom sich zeigt, 
immer den Urin auf Zucker untersuchen. Bei 
Säuglingen ist Abmagerung, Verlust an Fleisch, oft¬ 
mals das erste, bemerkenswerthe Symptom. Sonst 
zeigen sich die dieser Krankheit eigentümlichen 
Erscheinungen, wie Polyurie, Polydipsie, Hunger, 
ja Heisshunger, Abmagerung, beständiger Zucker 
gehalt des Urins. Dazu kommen als Complicationen 
Coma, Albuminurie, phlegmonöse und gangränöse 
Processe, Erysipelas, Pruritus, Eczema, Sehstörungen, 
Blasenentzüudung u. a. 


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78 


Fichtner sah bei einem diabetischeü Mädchen 
von zehn Jahren Verlust des Kniereflexes und 
diffuse Retinitis. 

Nach Litten tritt bei jungen Diabetikern öfters 
plötzliche Erblindung ein. In keiner Krankheit 
zeigen sich so oft Störungen des Sehorgans als in 
Diabetes. Alle Gewebe des Auges, die Hornhaut, 
die Iris, die Linse, der Glaskörper, die Netzhaut, 
die Muskeln etc. können afficirt werden; am meisten 
machen sich aber Veränderungen der Linse bei 
Diabetes geltend. — Die Ursache der diabetischen 
Cataracta führt ’Seegen auf die Anhäufung von 
Zucker im Blut und die diabetische Kachexie zurück. 
Sie ist bei Kranken unter 20 Jahren meist doppel¬ 
seitig, bei Erwachsenen aber oft unilateral. 

Litten beobachtete zwei Fälle, wo der Staar 
sich mit verblüffender Schnelligkeit entwickelte und j 
zwar innerhalb weniger Stunden. Bei einem Mädchen 1 
von 17 Jahren, bei dem die Zuckerausscheidung in 1 
24 Stunden beiläufig 12 Unzen betrug, in kacliek- 
tischem Zustande, war das Sehvermögen des rechten 
Auges ganz verloren, das des linken unvollkommen. 
Sie ward operirt, indem die Linse in der vordem 
Kammer entfernt wurde, wo sie bald absorbirt 
worden ist. Seitdem hatte sich das Sehen erheblich 
gebessert. In dem zweiten Fall wurde nicht operativ 
eingeschritten, Patient kam zur vollen Erblindung. 

Das diabetische Coma kommt bei Kindern häufiger 
vor als bei Erwachsenen; man hat dabei plötzliche 
Todesfälle beobachtet. Die frühzeitige Erkenntrtiss 
dieses Zustandes ist sehr schwierig, in manchen 
Fällen unmöglich; im Allgemeinen kann man aber 
sagen, dass jede plötzliche Besserung im Verhalten 
des Urins und objectiver Erscheinungen, die nicht 
von Seiten des Kranken durch die subjectiven be¬ 
stätigt werden, den Arzt zur Vorsicht mahnen 
sollen. Das Zurückgehen des übermässigen Hungers 
z. B. unter das Durchschnittsraass, unerwartete und 
unerklärte Weichleibigkeit, während vorher Ver¬ 
stopfung die Regel war, absonderlicher Aceton- 
Geruch des Atheras, wie etwa von einer Mischung 
von Chloroform und Essigsäure; saures Aufstossen 
und Brechübelkeit mit oder ohne Erbrechen; allge¬ 
meine Hinfälligkeit und Widerwille gegen Bewe¬ 
gungen; Neigung zum Schlaf selbst bei Tage mit 
deprimirter, verzagter Stimmung; Schwindelanfälle, 
Stirnkopfweh, neuralgische Schmerzen; beschleunigter 
Puls mit oder ohne Erhöhung des Arterienumfangs 
sind mahnende Vorboten. Denn nach einem un¬ 
bestimmten Zeitraum derartiger Symptome wird der 
Kranke über Depression klagen, wird schlaflos, isst 
nichts, hat kolikartige Schmerzen, erbricht reines 
Wasser, öfters mit Acetongeruch; es stellt sich ein i 
die Brust beengendes Gefühl ein, das zum Tief- j 
athmen nöthigt. Die cerebralen Erscheinungen vari- 
iren von Ueberreizung zu wilden, geschwätzigen | 


Delirien, abwechselnd mit schlaftrunkenen oder be¬ 
täubten Intervallen. 

Die Reihenfolge der Symptome im diabetischen 
Coma ist oft folgende: Dyspnoe, grosse, wilde Erregt¬ 
heit, Benommenheit der Sinne, Coma. — Ein plötzlicher 
Tod kann sich unter folgenden Umständen ereignen: 
Der Zucker im Urin weder durch Diät noch Me- 
.dication beeinflusst; der Kranke ausserordentlich ge¬ 
schwächt; die unteren Extremitäten ödematös; die 
Zunge rotli, rauh, wie polirt; Mund und Hals mit 
aphthösen Flecken bedeckt, unstillbare Diarrhöe; 
acute Affectionen der Lungen sind zugegen oder 
chronische Pneumonie hat vorher bestanden. 

DerUrin im diabetischen Coma zeigt in 24Stundcn 
eine geringere Menge an Flüssigkeit, wie auch au 
Zucker. Er ist höchst sauer, kann auch nach Aceton 
riechen. Albumin enthält er gewöhnlich in geringem 
Masse. 

Der Einfluss von Ge müths erregungen auf Diabetes 
ist evident und zeigt sich im folgenden Falle in 
merkwürdiger Weise: Ein 7jähriger, zarter Knabe, 
mit erblicher Anlage zu Diabetes, wurde von dieser 
Krankheit befallen; bei angemessener Diät war der 
Zucker, der Anfangs 4 per Cent betrug, auf 
0,35 per Cent herabgegangen und schliesslich ganz 
verschwunden. Bald hiernach wurde er von eiuem 
Hunde angegriffen, der auf ihn sprang; er fiel auf 
den Boden, wo er halb bewusst in Schrecken lag. 
Man brachte ihn nach Hause und ins Bett. Hier 
lag er zuerst zitternd und sprachlos einige Stunden, 
ehe er etwas ass, während er wiederholt nach 
Getränk verlangte. Am nächsten Tage fand sich 
3,3 per Cent Zucker im Harn, dessen Menge zu¬ 
genommen hatte. Unter eingeschränkter Diät nahm 
der Zucker wieder ab, bis er nach Verlauf von 
8 Tagen wieder völlig verschwand. 

Prognose. Die Prognose des Diabetes im kind¬ 
lichen Alter ist im Allgemeinen schlecht. 75 per 
Cent starben in den von Stern beobachteten Fällen. 
Von 77 Fällen, deren Ausgang er beobachtet, wurden 
14 hergestellt, 7 gebessert, 4 blieben ungebessert, 
und 52 starben. Indessen hat sich das Mortalitäts- 
verhältniss in neuerer Zeit, da man die Krankheit 
besser zu diagnosticiren und zu behandeln gelernt 
hat, doch günstiger gestaltet. In der Regel verläuft 
die Krankheit um so rapider, je jünger das Kind ist. 

(Schluss folgt.) 


LesefrUchte. 

Veränderung des Hautpigments beim chro¬ 
nischen Gebrauch des Arsen. 

Dr. Richardtere stellte eine Kranke vor, bei 
welcher der Gebrauch der Solutio Fowleri inner- 


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79 


halb von nur vier Wochen eine sehr ausgespro¬ 
chene bräunliche Verfärbung der Haut herbei¬ 
geführt hat. 

Die Kranke, welche an Adenie (Lymphdrüsen- 
geschwulst? Ref.) litt, hatte das Mittel in diesen 
vier Wochen in immer steigenden Dosen erhalten; 
am achtzehnten Tage der Behandlung fing die 
Pigmentation an sich zu zeigen und nahm in 
wenigen Tagen ausserordentlich zu; gegenwärtig 
ist sie in der Abnahme begriffen, so dass die Epi¬ 
dermis ihre natürliche Färbung wieder zu gewinnen 
strebt. 

Die Verfärbung ist über die ganze Hautober¬ 
fläche verbreitet, während die Schleimhäute ganz 
verschont bleiben; in einzelnen Gegenden tritt sie 
stärker hervor, wo die schwärzliche Färbung über 
die allgemein verbreitete bräunliche hinausgeht. 
Diese Gegenden sind: die Achseln, der Hals, die 
Rückseite der Finger und Zehen. Ausserdem be¬ 
merkt man eine ziemlich grosse Anzahl von linsen¬ 
förmigen Pigmentflecken, da, wo die Haut durch 
Wanzenstiche, Aufreibungen oder subcutane Ein¬ 
spritzungen verletzt worden war. Die Pigmentation 
war überdies von Entfärbung der Haare und tro- 
phischen Störungen der Glieder begleitet. Sic war 
das Hauptzeichen der Uebersättigung mit Arsen. 

Als das Mittel bei Seite gesetzt wurde, zeigte 
sich etwas Diarrhöe und Schwäche in der rechten 
unteren Extremität. Gastrische Störungen waren 
nicht vorhanden. (France medicale.) 


Bekanntmachung. 

Ich bringe hierdurch zur Kenntniss der Central¬ 
vereinsmitglieder, dass mir von den Geschäftsführern 
der vom 24.—30. September d. J. in Wien tagen¬ 
den Versammlung deutscher Aerzte und Natur¬ 
forscher eine specielle Einladung für dieselbe zu¬ 
gegangen ist. Es wäre sehr wünschenswerth, dass 


dieser Einladung von unserer Seite, wenn auch 
nur von Einigen, Folge geleistet und diese erste 
entgegenkommende gehörig gewürdigt würde. Es 
wäre dies vielleicht eine Gelegenheit, um An¬ 
knüpfungspunkte zu gewinnen. Ich bin gern be¬ 
reit, jede etwa gewünschte Auskunft zu geben. 

Leipzig, 21. August 1894. 

Dr. med. A. Lorbacher, 

z. Z. Vorsitzender des Central Vereins. 


Danksagung. 

Mit dem Ausdrucke unserer Freude und des 
herzlichsten Dankes bringen wir hierdurch zur öffent¬ 
lichen Kenntniss, dass ein homöopathischer Arzt 
Norddeutschlands, dessen Namen wir zu unserem 
Bedauern nicht nennen dürfen, in unserem Kranken¬ 
hause ab 1. Juli a. c. 

2 neue Freibetten 

gestiftet und zu deren Unterhaltung sich ver¬ 
pflichtet hat, alljährlich 1000 Mark zu spenden, 
von denen die erste Zahlung bereits eingegangen 
ist. Nach seinem Tode soll uns testamentarisch 
das entsprechende Kapital zur weiteren Erhaltung 
dieser Freibetten zufallen. 

Auf diese Weise haben wir nun schon 7 Frei¬ 
betten : 3 von Herrn Baron A. von Hoffmann- 
Sydenham, 2 von Herrn Dr. med. Herrn. Fiseher- 
Wcstend und diese 2 neuen. 

Für diesen Act edler und uneigennütziger 
Nächstenliebe und Wohlwollens für unser Haus 
sagen wir unseren aufrichtigsten und besten Dank; 
möge er weitere Nachahmer zum Heile unserer 
guten Sache finden. 

. Leipzig, im August 1894. 

Das Curatoriiim 
des liomöopath. Krankenhauses. 

Dr. Lorbacher. 


Anzeigen. 


Für Altere Dame, aus best. Kreis., vermögend, 

sehr wirtsch., ang. Aeussere, wird die Bekanntsch. e. Herrn 
v. ebenfalls angen. Aeusseren, gross. Statur u. gutem Ein¬ 
kommen, d. s. eine glückl. Häusl, gründen will, gesucht. 
Off. sub H. 24119 an Haasenstein & Vogler, A.-G., Breslau. 

Friedr. Hanzo 

Kreuznach 

empfiehlt seine selbstgekelterten 

Weine 

anerkannter Bote, weiss und roth, in Flaschen und Gebinden. 

Probekisten, mit 1W / 1 oder l2 /j Flaschen, in 
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas 
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—. 


Für Aerzte zur Vorbereitung auf das 
Dispensirexamen (in Berlin) 

empfiehlt: 

Drogensammlungen ä 20 Mark 
Herbarien ä 18 Mark 

Diese sind extra für das Dispensirexamen zusammen¬ 
gestellt und enthalten alle Drogen und Pflanzen, 
die in diesem vorgelegt werden und in Frage 
kommen können. 

Hierzu Dr. Lorbacher’s Anleitung zum metho¬ 
dischen Studium der Homöopathie, brosch. 2 Mark, 
geh. 2,50 Mark. 

A. Marggrafs homiiopath. Offlein in Leipzig. 


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80 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer 
Offlein in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 


Ende dieses Jahres erscheint: 

The Universal Homoeopathic Annual 

(jedoch nur in englischer Sprache). 

Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬ 
schen Literatur der ganzen Welt und ein Ueberblick 
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬ 
schen Werke. 


Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 
von 

Sanitätsrath Dr. med. Fanlwasser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, (leim nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arznei vergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering 1 - 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
scheidennach allen Seiten des betreffenden Mi ttels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬ 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisscs — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen, 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Herausgegeben von 

Dr. med. Francois Cartier, Paris 

und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof. Timothy-Field 
Allen-New-York, Pierre Jousset-Paris, A. B. Norton- 
New-York, Löon Simon-Paris, Seiden Talcott-New- 
York, Alphonse Teste-, Henry C.Houghton-New-York, 
W. B. Van Lennep-Philadelphia, Burford-London, 
Kippax-Chicago, Hurndall-London, Giuseppe Bonino- 
| Turin, einer Reihe hervorragendster Specialisten für 
I Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-, 
j Geschlechts- etc. Krankheiten in Frankreich und 
Amerika. 

| Preis 12 Mark. 

Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um- 
■ fassen und zerfällt in zwei Theile, die Arzneimittel- 
| lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als 
| nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass 
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt 
I und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden 
i mit den Anschauungen hervorragender Professoren 
i und praktischer Aerzte, von denen im laufenden 
I Jahre Veröffentlichungen erschienen sind. 

I Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen 

! A. Marggrafs homöopathische Officio, 

i Leipzig. 

I ' I — .- 

, Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Offlcin 
i in Leipzig ist soeben erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

• der 

Augenkrankheiten 

I sowie der 

1 Ohrenkrankheiten 

nacli den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

j zum Gebrauche für practische Aerzte. 

i Bearbeitet von 

! Dr. Th. Bruckner, 

! homöopathischer Arzt in Basel. 

! O 1 /^ Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—, 

* broscli. M. 2.50. 

| Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe 
i Bd. 128, No. 23/24 dieser Zeitung. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Jnlins Müs er in Leipzig. 


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Band 129. Leipzig, den 13. September 1834. No.ll U. 12 

ALLGEMEINE 


HOMÖOPATHISCHE ZEITIM«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle lind Verl«? von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnuxnmern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97desPost-Zoitangs-Verzeichnisse8(pro 1392). — Inserate, welche an Haasenstein AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offtein in Leipzig) zn richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Banm berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet. 


Inhalt. Ansprache des Dr. Weber-Köln, Vorsitzender bei der wissenschaftlichsn Sitzung der 62. Generalver¬ 
sammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach am 10. August 1894. — Aus der Praxis. Von 
Dr. Kunkel in Kiel. (Fortsetzung.) — Nachtrag. Von Dr. med. Waszily. — Von der 62. Generalversammlung des 
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands in Eisenach am 9. und 10. August 1894. Festivalia. — Das Album des 
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands. Von William Steinmetz. — Die Anwendung des Wassers in der Be¬ 
handlung des Typhus abdominalis. Von Dr. Knüppel-Magdeburg. — Diabetes mellitus bei Kindern. — Prostata-Neurosen. — 

LesefrQchte. — Homöopathische Hilfstabellen. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Ansprache des Dr. Weber-Köln, 

Vorsitzenden bei der wissenschaftlichen Sitzung 
der 62. Generalversammlung des Homöopathischen 
Centralvereins za Eisenach am 10. August 1894. 

Zu unserem Leidwesen hat unser, für die 
heutige Versammlung erwählter Vorsitzender, Herr 
Kallenbach aus Rotterdam, seines Ehrenamts nicht 
walten können. Wenn an seiner Stelle ich als 
Mitglied des Vereinsvorstandes heute die Leitung 
unserer wissenschaftlichen Tagfahrt übernommen 
habe, so wollen Sie dies für nichts Besseres an- 
sehen, als dass aus der Notli eine Tugend gemacht 
wurde. Herr Kallenbach hatte die Anwesenden 
mit einer Ansprache bedacht, die er zwar durch 
die Allgemeine Homöopathische Zeitung schon ver¬ 
öffentlichen liess, die aber leider die Beigabe des 
persönlichen Eindruckes, der vom Redner ausge- 
gangen wäre, entbehren musste Wenn ich heute, 
so gut ich kanu, die Lücke ausfülle, so dürfen 
von diesem Platze aus Kallenbach’s Worte doch 
nicht ganz ungehört bleiben. Wir hoffen, dass 
unser geehrter Herr College und Freund ein an¬ 
deres Mal in der Lage sein werde, einem erneuten 
Rufe zu folgen. Wir haben bisher ihn fast regel¬ 
mässig zu unserer Freude unter uns gesehen. 

In seiner geistdurchwehten Ansprache hat er 


einen, wie er sagt, schon oft gehörten Schmerzens¬ 
schrei ausstossen wollen. 

Allzuschlimm allerdings haben wir uns die Pein, 
die ihn gebar, nicht auszumalen. Desto ernster und 
volle Beachtung gebietend ist sein Inhalt. Dieser 
knüpft an die unserer Ueberzeugung nach ganz 
verdrehte Stellung an, in der die auf die Lehr¬ 
körper der Universität angewiesene medicinische 
Wissenschaft und die von dort her von dem Aerzte- 
corps bezogenen Lehrmeinungen über arzneiliche 
Heilkunst der Homöopathie gegenüber standhaft ver¬ 
harren und nach der auch ein entsprechend grösserer 
Theil des Publicums uns und den Herren Collegen 
gegenüber sein Benehmen zu regeln beliebe. Es 
sei darum bei der anscheinend fanatischen Ver¬ 
blendung und Opposition gegen die sich stets meh¬ 
renden Beweise der Wahrheit des Aehnlichkeits- 
gesetzes trotz einzelner vielversprechender Erschei¬ 
nungen innerhalb des gegnerischen Gebietes eine 
grundsätzliche Anerkennung sobald nicht zu er¬ 
warten. 

Die alte Schule fahre fort in ihrem Bestreben, 
auf die oberflächlichsten Vorstellungen der Lebens¬ 
vorgänge hin therapeutische Gesetze zu schaffen, 
und in der Beherrschung, Unterdrückung oder Be¬ 
schwichtigung einzelner pathologischer Erscheinungen 
ihr Heil zu suchen, trotzdem sie es auf diesem 


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82 


Wege weder gefunden habe, noch je finden 
werde. 

Allerdings habe — ganz abgesehen von der 
Abneigung gegen die Anerkennung eines einzigen 
Heilgesetzes — das Studium der Homöopathischen 
Arznei-Mittel-Lehre für die vorurtheilsvolle Gegner¬ 
schaft nichts Verlockendes. Weder die schwer zu 
übersehenden „Symptomen-Versammlungen“ lüden 
dazu ein, noch die haarspaltenden Unterscheidungen 
der Vergleichenden Arznei-Mittel-Lehre, noch auch 
die Einführung der 50,000. Potenz. 

Wir hätten also vorläufig noch als Bekenner 
einer unvergänglichen Wahrheit in gemeinsamer 
Arbeit zu harren auf einen zum Heil der Mensch¬ 
heit und der Parteien sich anbahnenden Ausgleich. 
Inzwischen — und nun folgen beherzigenswerthe 
Worte — sollten wir fortgesetzt an unserer eigenen 
Rüstung weiter arbeiten. Insbesondere und vor 
allem zur Entscheidung von Fall zu Fall, wo Raum 
und Anzeige für die Anwendung des homöopa¬ 
thischen Heilgesetzes vorhanden sei, unter Be¬ 
schränkung seiner Tragweite auf seine durchgreifende 
Wahrheit auf dem Wege des Heilem durch Arznei¬ 
mittel. — Abgesehen von der Chirurgie und der 
mechanischen Therapie im Allgemeinen gebe es 
noch zahlreiche wahrhaftige Heilpotenzen im Reiche 
der Naturkräfte, die mit Homöopathie nichts zu 
schaffen hätten, die wir wohl gebrauchen, aber 
nicht der Homöopathie zusprechen dürften. 

Nicht minder sollten wir uns eines vollgerüttelten 
Maasses gerechten Skepticismus befleissigen, um so 
mehr, als wir unter erschwerenden Umständen, also 
auch bei schädlicher Therapie, Menschen wieder 
gesunden sehen, und darum auch die Frage im 
Auge behalten, ob nicht der Naturheilkraft ein 
grösserer Spielraum bei der Heilung zugestanden 
werden müsse. 

Mit anderen Worten: da nur auf den Wegen 
naturgesetzlicher Lebensvorgänge eine Genesung 
oder Heilung vor sich gehen kann, so sollen wir 
uns fragen nach dem Maasse des Antheils, welchen 
wir durch unser Zuthun für die Heilung in An¬ 
spruch nehmen können. Ohne die Lebenskraft, in 
welche unsere Arzneikräfte sich einzuschalten haben, 
ist weder Genesung noch Heilung denkbar. 

Weiter habe unsere fortgesetzte Arbeit zu 
gelten der Vertiefung und Reinigung des uner¬ 
schöpflichen Borns der Arznei-Mittel-Lehre, einer¬ 
seits zur schärferen Bestimmung der in den Arznei- 
Symptomen angedeuteten Krankheitsprocesse, an¬ 
dererseits zur Ausfüllung der noch klaffenden 
Lücken in den, objective, stoffliche und Stoffwechsel- 
Vorgänge unmittelbar veranschaulichenden Arznei¬ 
zeichen, um auch dadurch die therapeutische Ver¬ 
knüpfung von Krankheit und Heilmittel brauch¬ 
barer zu gestalten. 


Da haben Sie in kurzen Umrissen den Ueber- 
blick über die wissenschaftlichen Anforderungen 
eines conservativen Homöopathen, der durchglüht 
von der Wahrheit der Homöopathie, in langjähriger 
erprobter Arbeit den Kopf sich kühl gehalten hat 
und frei von den unfeinen Dünsten wohlfeiler 
Selbstberäucherung. Ihm sei dafür an dieser Stelle 
unser Dank ausgesprochen. 

Wenn auch nicht Alle von uns ihre eigene per¬ 
sönliche Vorstellung von der Stellung und der Auf¬ 
gabe der Homöopathie dadurch für erschöpft halten, 
so werden doch überall gleichgestimmte Saiten mit 
angeklungen haben. Die abweichenden oder er¬ 
gänzenden Besonderheiten sind bei uns Einzelnen 
wohl nur in der Gestaltung der Abgrenzungslinien, 
nicht in dem Kern des Wiedergegebenen zu suchen. 
Diese fliessenden Grenzen sollen wir uns jedenfalls 
von jedem Bekenntnisszwang freihalteu. Die Trag¬ 
weite der arzneilichen Leistungsfähigkeit der Ho¬ 
möopathie auch im Wettstreit mit anderen wahr¬ 
haftigen Heilpotenzen, wozu auch die ohne unser 
Zuthun sich geltend machende Naturheilkraft ge¬ 
hört; die Gabengrösse, die Lehre von der Poten- 
zirung und die damit verknüpften Fragen nach 
der Aufschliessung der Molekularkräfte, und nach 
den Grenzen der Atomisirung; die Deutung der 
Arzneizeichen, ihre Vergleichung und Unterschei¬ 
dung; der Weg von der Bindung der Indicationen 
an die klinische Form bis zur völligen Lossagung 
vom anatom-pathologischen Schema und Rückkehr 
zur Halinemann’sehen Casuistik — für diese Dinge 
sind je nach der Erfahrung, Begabung und Ge 
lehrsamkeit des Einzelnen die Grenz«'n verschieden 
gesteckt. 

Aber gerade aus ihnen treiben die Fortsätze 
aus zur Aufschliessung und Festlegung neuer Ge¬ 
biete fruchttragender Beziehungen zwischen körper¬ 
lichen Systemen, Organen, Gewebsarten, Schmerz- 
Örtern, Zeitläuften einerseits und Arzneiwirkung 
andererseits, gleich Fühlfäden, die suchend und 
tastend an die Grenzen unerforschter, dunkler Ge¬ 
biete der innersten Lebensvorgänge herantreten, 
wartend, ob sich von jener Seite her nicht ein 
wahrnehmbares Zeichen als Antwort vernehmen 
lassen werde. 

Wir wollen solche Fühler nicht zu rasch Aus¬ 
wüchse nennen, von denen die reine Lehre befreit 
werden müsse. Solche reine Lehre hat es nie ge¬ 
geben in einer auf Versuchen und Erfahrungen 
gegründeten Wissenschaft, die in fortwährendem 
Flusse aufnimmt und ausscheidet. Die Läuterung 
vollzieht sich gewiss rascher und vollkommener 
durch unser Zuthun, jedenfalls aber unaufhaltsam. 
Was fremd ist und fremd bleibt, wird abgestossen 
werden, das Echte und Innerlichzugehörige in 
organischem Anschluss unsere Lehre bereichern. 


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83 


Wir gebrauchen nicht allein Hüter, wir bedürfen 
auch der Mehrer des Schatzes Hahnemann’scher 
Lehre. Auch sind wir bis jetzt noch lange nicht 
so weit gekommen, dass wir das alte, uns alle 
verknüpfende Band zu zersprengen brauchten, um 
neuen Errungenschaften Platz zu schaffen. 

Nur sollten alle auseinanderfahrenden Rich¬ 
tungen durch gegenseitige Achtung sich ihr eigenes 
Recht auf Duldung und Achtung sichern. In dieser 
Hinsicht bleibt bis in die neueste Zeit hinein noch 
Mauches zu ändern und zu bessern, was durch die 
Druckerschwärze gesündigt wurde. 

Die Forschungsfreiheit, die allein den organi¬ 
schen Fortschritt in der Wissenschaft ermöglicht, 
soll grundsätzlich innerhalb des weiten Gebietes der 
Homöopathie bei einem Jeden unter uns als unan¬ 
tastbares Gut gelten, er gebrauche sie mit Geschick 
oder Ungeschick, wenn wir nur überzeugt sein 
können, dass ernste nach dem Licht der Erkennt¬ 
nis drängende Bemühung den Anstoss gab. 

Einen anderen ärztlichen Weckruf und Schmer¬ 
zensschrei aus dem gegnerischen Lager, der einen 
fast schauerlichen Eindruck zu machen im Stande 
ist, kann ich hier nicht ungehört verhallen lassen. 
Er ist um so eindrucksvoller, als er nicht in eine 
raedicinische Zeitung innerhalb der Fach wände der 
Zunft eingefangen verendete, sondern mit Hilfe 
des Schallbodens der weitgelesenen Wochenschrift 
,,Die Zukunft“, die den Aufsatz aufnahm, die 
Frage in die weite Welt hineinrufen konnte: 

Giebt es noch Heilmittel? 

Die Antwort lautet: 

Jetzt sei auch für die Heilkunde die Zeit ge¬ 
kommen, eine irrthümliche Vorstellung zu zer¬ 
stören, weil diese von einer Minderheit in ihrem 
Interesse, wenn auch in gutem Glauben, benutzt 
werde, einem grossen Theil der Menschheit Scha¬ 
den zuzufügen. 

Der alte Köhlerglaube an die Heilkraft der Arze- 
neien sei jetzt nicht mehr so harmlos, weil nicht mehr 
mit harmlosen Pflanzen, sondern fortdauernd mit aller¬ 
lei Giftkörpem der Grossindustrie die kranke Mensch¬ 
heit traktirt werde und eine wahre Hochfluth von 
symptomatischer Kurirerei und methodischer Arznei¬ 
vergiftung von Seiten der medicinischen Wissen¬ 
schaft hereingebrochen sei. Hochmüthig, wie auf 
Kurpfuscher, sehe man herab auf die Vertreter 
der Gegenströmung, die von dem Grundsätze aus¬ 
gingen, dass wir nichts Anderes thun könnten, als 
die Heilbestrebungen der Natur zu unterstützen. 

Trotz aller Chemie und Mikroskopie herrsche 
doch nur eine ganz oberflächliche Vorstellung von 
den Vorgängen im lebenden Körper. Die Zellen¬ 
ernährung, die Auswahl der passenden Stoffe seitens 
der Zelle, die automatische Regulirung der körper¬ 
lichen Vorgänge, Wärme, Ernährung, Ausscheidung, 


Wachsthum, Zeugung und Senescenz — über alles 
lagere tiefes Dunkel und es gehöre der ganze 
plumpe unwissenschaftliche Geist der meisten mo¬ 
dernen Naturforscher dazu, sich der Einsicht in 
die Lebensvorgänge zu rühmen und darauf eine 
Therapie aufzubauen. Aus solcher Unrichtigkeit 
stamme die Fiebertherapie, die Herabzwängung der 
Temperatur, obschon das Fieber doch das einzige 
Moment sei, was die Heilung ermögliche. Und 
nun wird an dem Quecksilber, Chinin, Salicyl, Brom, 
Kalium, Morphium und anderen Stoffen durch Aus¬ 
sprache von Autoren nachgewiesen, was für Unheil 
damit angerichtet sei. Unterdrückung, Vertuschung, 
Palliation der Krankheitsvorgänge seien an der 
Tagesordnung: der reinste Gegensatz zu einer 
wirklich causalen, auf Hygieine beruhenden ver¬ 
ständigen Therapie. Man solle doch das falsche 
Priesterthum, die Auguren Jacke, wie vor 50 Jahren 
schon Griesinger gesagt habe, abstreifen und offen 
aussprechen, dass wir vom Heilen eben nicht viel 
verstehen. 

Der alte Kohl werde immer aufs Neue aufge¬ 
wärmt und schliesslich ein Stand gezüchtet, der an 
innerer Unwahrheit kranke. Wenn man dortseits 
nicht bald ablasse von der Züchtung falscher Illu¬ 
sionen, so werde der Stand bald von der opposi¬ 
tionellen Fluthwelle fortgeschwemmt werden. 

Das ist etwas mehr als das Ergebniss eines 
wunderlichen Kopfes. Wir fühlen heraus, dass der 
Verfasser auf den therapeutischen Wegen der 
medicinischen Wissenschaft, an denen ihr Gift¬ 
pflanzen blühten, woraus sie kein Heilkraut zu 
schaffen vermochte, sich wie ein unwürdig Genarrter 
vorkommt und mit Abscheu und Verachtung deu 
Glauben an jedwede arzneiliche Heilkunst preis- 
giebt. 

Allerdings wird diess — wir geben darin 
Dr. Kallenbach recht, — noch keine offene Re¬ 
volution erzeugen. Denn die alte Schule hätte 
keinen sofortigen Ersatz für das Abgeworfene zur 
Stelle. Lassen Sie in Gedanken die überlieferte 
Therapie auf einmal verschwinden: das Vacuum 
würde wegen seiner Unerträglichkeit, Undankbar¬ 
keit sofort mit ähnlicher Fülluug anderwärts be¬ 
zogen ausgestopft werden. Auch hier herrscht die 
Naturgesetzlichkeit, welche nur eine Entwickelung 
an dem Vorhandenen kennt, ein Wachsen durch 
Anfügung und einen Ersatz durch Auswechselung 
ähnlichen verwandten Bildungsstoffes. Die Ab- 
stossung von Lehrmeinungen vollzieht sich wie die 
Häutung einer Schlange. Erst muss das neue Fell 
fertig sein, bevor das alte sich abstreift. Aber uns 
zum Tröste giebt es auch ein Gesetz der Erhaltung 
der Kraft und ihrer Fortzeugung in belebten Or¬ 
ganismen. Dies gilt auch für die Bekenner der 
Homöopathie, die so lange als Propheten in der 


11 * 

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84 


Wüste gegolten haben. Kein wahrer Prophet hat 
vergebens verkündigt. Er sah nur früher, was 
kommen musste. Auch unsere Worte schienen in 
alle Winde zu zerfliessen. Wir gewahrten lange 
nicht die Anstösse und Erschütterungen, die durch 
Wort, Schrift und That von uns ausgingen. Ver¬ 
loren aber sind sie nicht gewesen. 

Wo sie verhallend zu ersterben schienen, hatten 
sie schon schlafende Gedanken aufgeweckt, die 
nun weiter sich regten, todtliegenden Brennstoff 
entzündet, der weiter glimmen musste, Gewissen 
aufgerüttelt, die sich zu neuen Entschlüssen auf¬ 
rafften. 

In dieser Hoffnung, die an unseren Versamm¬ 
lungstagen uns besonders lebendig vor die Seele 
tritt, treten wir jetzt in unsere Tagesordnung ein. 


Aus der Praxis. 

Von Dr. Kunkel in Kiel. 

(Forteetzun^.) 

8 ) K., Frau eines Bahnwärters, Vierzigerin, con- 
sultirte mich am 18. Juli 1891. Sie war erfolglos 
auf der hiesigen Klinik mit Eisumschlägen und 
Massage behandelt worden. Das Leiden besteht 
seit Januar desselben Jahres. Sie ist früher ge¬ 
sund gewesen, beschuldigt Anstrengung (sie ist 
Brodträgerin gewesen) und Erkältung, ferner Ein¬ 
zug in ein feuchtes Haus (?) als die Ursachen. 

Die Untersuchung ergab Anschwellung des Bi- 
ceps des rechten Armes mit stechenden Schmerzen. 
Letztere haben sich auch im linken Arm eingestellt. 
Lahmheitsgefühl, Ziehen und Reissen in den Armen 
werden in der Bettwärme gemindert. Hat früher 
an Asthma gelitten, welches besonders bei Ostwind 
hervortrat. Schlaf, auch so lange sie gesund war, 
stets rechts. Verordn.: Caustic. 3. C., Morgens und 
Abends 1 Tropfen. Erst am 22. April 1893 sah 
ich Patientin wieder. Die Schmerzen hatten sich 
nach Caustic. sofort verloren, der Muskel und die 
Muskelkraft waren bald zur Norm zurückgekehrt. 
Sie klagt wieder über Stechen in Schulter und 
Nacken, Schwindel beim Bücken, Niederlegen, 
raschem Umdrehen. Sie hatte früher, wie erwähnt, 
hei Ostwind an Asthma gelitten, jetzt wurde sie 
davon befallen, wenn sie sich dem Rauche aussetzte 
und dem Staube. Verordn.: Caustic. 200. (Lehrm.) 
jeden 7. Abend 1 Dosis. Die Heilung trat sofort 
ein und war wenigstens bis Ende des Jahres dauernd, 
wie ich constatiren konnte, da ich so lange die 
Tochter behandelte. 

Causticum hat entschiedenen Einfluss auf die 
Innervation der Muskeln. Ich habe das Mittel recht 
oft mit gutem Erfolge gegeben jungen Leuten, die 


als Lehrlinge in ein Geschäft eintraten, wo sie 
länger stehen mussten. Auch bei Talipes planus 
kann man das Mittel mit Nutzen geben. Ein recht 
charakteristisches Symptom ist das rasche Ver¬ 
schwinden des Gefühls der Erschöpfung, der Er¬ 
lahmung nach verhältnissmässig kurzer Ruhe. 

9) J., Landmann, 51 J., in geringem Grade 
skoliotisch, bis vor 4—5 Jahren gesund, leidet 
seitdem an Asthma, das an Intensität immer zu¬ 
nimmt. Verschlimmerung Nachts bis Mitternacht 
stetig zu-, nach Mitternacht abnehmend. Gegen 
Morgen Schlaf. Staub verschlimmert, Sitzen in 
vornübergebeugter Stellung mindert die Athemnoth. 
Intensität des Asthmas zu verschiedenen Zeiten ver¬ 
schieden. Nach heftigem Auftreten stellte sich öfter 
schmerzlose Diarrhöe ein. Bei körperlicher An¬ 
strengung stellt sich auch am Tage Asthma ein. 
Oefter Schnupfen. Füsse kalt. Zug wird recht 
gut vertragen, Ostwind und Lage auf der rechten 
Seite nicht Verordn. 9. Dec. 1890: Caustic. X. 
6 Pulver, jeden 7. Abend eins. 

9. März 1891. Allgemeinbefinden wesentlich 
besser, Athemnoth tritt nur nach Sattessen zuweilen 
hervor, kann rechts liegen etc. Dieselbe Medica- 
tion. Später traten andere Krankheitsersclieinungeu 
in den Vordergrund, die andere Medicamente er¬ 
forderten. Es war hier nur die Aufgabe, die In- 
dication für die Mittelwahl festzustellen. 

10) H., Landmann, 39 J., consultirte mich am 
7. April 1891. Derselbe hat vor 3 Jahren */ 4 Jahr 
hindurch an Ischias gelitten, auf welcher Seite finde 
ich nicht bemerkt. Jetzt ist er seit 2 Monaten 
damit behaftet. Im vorigen Herbste heftiger Hexen¬ 
schuss, so dass er sich nicht bewegen konnte. In 
der Ruhe und Wärme frei von Schmerzen, doch 
nur wenn er auf der schmerzenden Seite liegt; er 
schläft daher stets auf der letzteren. Allgemein¬ 
befinden gut, aber Appetit ungenügend. Sofort 
beim Gehen ist er mit Schweiss bedeckt und der 
Schmerz nimmt im Verhältniss der Muskelanstren¬ 
gung zu, in der Ruhe sich sofort verlierend. Ver¬ 
ordn.: Caust. X., jeden 7. Abend 1 Dosis. 

26. Mai. Wesentliche Besserung, nur bei ausser- 
gewöhnlicher Anstrengung noch Schmerz. Dieselbe 
Medication. 

10. Juli. Noch immer nicht ganz frei. Verordn.: 
Calc. X. und Caust. X. im Wechsel jeden 4. Abend. 

28. Aug. Bericht: Durchaus gesund. 

11) K., Fischer, 35 J., hat sich in seinem Be¬ 
ruf im Monat October dem Zuge ausgesetzt und 
ist seitdem unwohl. Er will früher geistig über¬ 
angestrengt worden sein. Jetzt muss er jeden 
Morgen beim Erwachen Schleim herauswürgen. Bei 
Bewegung oft sofort in Schweiss und dann gleich 
wieder kalt. Zug , Anstrengung , Ostwiwl, Liegen 
auf der reckten Seite nicht vertragen. Verordn.: 


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Caustic. X., jeden 7. Abend 1 Dosis (8. Dec. 1891). 
Erst am 

3. November 1892 erschien Patient wieder. Sein 
Leiden war durch Caustic. sofort gehoben. Jetzt 
Recidiv. Verordn.: Caustic. 200. Lehrm., jeden 
7. Abend 1 Dosis. Seitdem habe ich von dem Be¬ 
treffenden nichts wieder gehört. 

12) Frau Sch., 42 J. Seit 4 Jahren „Rheu¬ 
matismus u im rechten Fuss, rechten Arm, rechter 
Schulter. Ijeicht Vertreten , leicht Ermüden , her¬ 
petischer Ausschlag am rechten Unterschenkel, hinter 
beiden Ohren. Bei der Arbeit erlahmt der rechte 
Unterarm nebst Handgelenk leichter als der rechte. 
Allgemeinbefinden gut. Verordn, am 31. Mai 1898: 
Caust. X., jeden 7. Abend 1 Dosis. 

5. Juli. Besser. In den letzten 14 Tagen Be¬ 
finden „wunderschön,“ nicht so schwach. Dieselbe 
Medication. Patientin kam nicht wieder. 

13) G., Mädchen von 24 Jahren, leidet seit 
4—5 Wochen an Zahnschmerz, in den letzten 8 
bis 14 Tagen besonders am Tage; früher auch zu¬ 
weilen Nachts. Der Schmerz hat seinen Sitz in der 
Seite, sowohl Ober- als Unterzähnen, ist reissend, 
ergreift aber nicht bloss die Zähne, sondern 
auch die ganze rechte Seite des Kopfes. Ver¬ 
schlimmerung im warmen Zimmer, zuweilen schon 
beim Erwachen eintretend. Appetit und Allgemein¬ 
befinden recht gut, Zunge rein. Bücken und Niedrig¬ 
liegen des Kopfes werden nicht vertragen, rufen 
die Schmerzen hervor. Verordn. 23. Dec. 1889: 
Spig. X. 6 Pulver, jeden 7. Abend eins. 

Patientin erschien erst wieder am 9. Febr. 1891. 

Sie sei nicht wieder erschienen, weil der Schmerz 
sofort beseitigt worden sei. Jetzt genau dieselben 
Erscheinungen. Der Schmerz zuweilen auch Nachts. 
Allgemeinbefinden recht gut, „wenn sie den Schmerz 
nicht hätte, würde ihr nichts fehlen.“ 

Dieselbe Medication mit der Weisung, eventuell 
wieder zu kommen, was nicht geschah. 

14) Die Frau des Arbeiters H., 49 J., leidet 
seit Jahren an Kopfschmerz, consultirte mich am 
16. Aug. 1890. Vom 30. Mai an bedeutende Ver¬ 
schlimmerung, brennende Schmerzen, hat 17 Tage 
den Kopf mit Eis gekühlt, dazu 90 Pulver ein¬ 
genommen. Gefühl von eiskalten Stellen auf dem 
Kopf besonders auf der Seite, jetzt auch links, 
besonders aber auf dem Scheitel. Zuweilen sind 
die Schmerzen reissend. Früher grosse Empfind¬ 
lichkeit gegen Wind, so dass sie im Freien den 
Kopf einhüllte. Schweiss des Kopfes bald kalt, 
bald warm. Früher oft Zahnschmerz, stets Auf- 
getriebenheit des Epigastriums mit Cardialgie. Die 
verordnete Calc. c. X., jeden 7. Abend 1 Dosis, 
hatte den Erfolg, dass der Kopfschmerz an Inten¬ 
sität verlor, das Kältegefühl aber blieb. Flatulenz 
plötzlich kommend und vergehend. Zahnschmerz 


mit Kopfschmerz altemirend, am Besten im Freien 
und bei Bewegung. Monses schon nach 14 Tagen. 
Bücken nicht vertragen. Verordn.: Sepia X., ebenso 
unter Verschlimmerung der Erscheinungen; daun 
wieder Calc. X. 

20. Dec. Kopfschmerz auf dem Scheitel der¬ 
selbe, das Kältegefühl mit Zahnschmerz alternirend, 
Bücken und Niedrigliegen nicht vertragen. Nachts 
und Morgens Befinden am besten. Verordnung: 
Spig. X. 6 Gaben, jeden 7. Abend eine. Erst am 

26. Sept. 1891 stellte sich Patientin wieder vor. 
Sie hat sich in der ganzen Zeit durchaus wohl be¬ 
funden. Da trat der Tod eines Kindes ein und 
mit ihm wieder die Kopfschmerzen. Dieselben wer¬ 
den durch Denken an den Gegenstand ihres Kum¬ 
mers sofort hervorgerufen. Sie muss mit dem Kopf 
ganz hoch liegen. Besser, wenn sie eine Zeit lang 
im Bett gelegen. Dabei Appetit recht gut. Ver¬ 
ordn.: Spig. X. ebenso. 

Am 6. Febr. 1892 erschien Genannte wieder, 
Wieder hat sie den Verlust eines Kindes zu be¬ 
klagen, hat seit 3 Tagen wieder Kopfschmerzen 
mit Zittern und Frost, muss sehr hoch liegen. 
Wieder Spig. X. 

Farrington legt anscheinend Gewicht darauf, 
dass der der Spig. entsprechende Nervenschmerz 
mit der Sonne erscheint und mit ihr wieder ver¬ 
schwindet. Dies ist nach meinen Erfahrungen zu¬ 
weilen der Fall, aber verhältuissmässig nicht oft. 

Man sieht aus diesem Beispiel, wie wichtig es 
ist, das Constitutionsmittel im Auge zu behalten 
und nicht einseitig auf die Aetiologio sich zu stützen. 
Der Anfänger, noch nicht gewohnt sich streng an 
den Symptomencomplex zu halten, hätte in Ver¬ 
suchung kommen können ein anderes Mittel, z. B. 
Ignat., zu geben. In tieferer Potenz verabreicht 
würde es vielleicht eine günstige Wirkung geäussert 
haben. Das directe Heilmittel war es aber nicht. 

15) K., 79 J. Rechtsseitiger Gesichtsschmerz, 
wie lange ist nicht bemerkt; 2 Mal ohne Erfolg 
operirt. Der Schmerz ist reissend, wird bei körper¬ 
licher Anstrengung und im Ostwinde. Muss stets 
links schlafen, früher rechts; muss hoch mit dem 
Kopf liegen; viele Träume. Hoher Grad von 
Schwäche. Verordn.: Caustic. X., jeden 7. Abend 
1 Dosis. 

10. Mai. Keine Aenderung. Verordn. 2. April 
1890: Sulph. X., jeden 7. Abend 1 Dosis. Patient 
erschien erst am 

20. Dec. 1892. Bis vor einigen Wochen völlig 
frei, stellte sich das alte Leiden wieder ein bei 
übrigens durchaus gutem Befinden. Verordn.: wie¬ 
der Spig. X., ebenso mit der Weisung event. wieder 
zu kommen, was nicht geschah. 

Für Spig. sprach das Bedürfniss des Patienten, 
hoch mit dem Kopf zu liegen. Alle übrigen Symp- 


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tome sprachen mehr für Caustic., das nach meinen 
wiederholten Erfahrungen das Symptom hat: Niedrig¬ 
liegen mit dem Kopfe wird nicht vertragen. 

Hier konnte ein Extrem vorliegen, und nur der 
Versuch konnte entscheiden. 

Spigelia hat Verschlimmerung beim Liegen auf 
der linken Seite, Verschlimmerung im Winde über¬ 
haupt, während Caustic. Verschlimmerung speciell 
im Ostwinde hat. Wie so oft lag hier wohl eine 
Ungenauigkeit in der Aussage des Kranken vor. 

16) Die Frau des Gastwirths E., 33 J., consul- 
tirte mich am 2. Juli 1892. Sie war, nach ihrer 
Angabe, vor 3 Jahren von mir mit Erfolg be¬ 
handelt an Gesichtsschmerzen, die mit Unterleibs¬ 
schmerzen alternirten. Seit 1 Woche leidet sie 
wieder an Gesichtsschmerzen links, plötzlich auf¬ 
tretend, mit aufsteigender Hitze, meist Abends 
schlimmer, doch auch Morgens und am Tage ein¬ 
tretend. Sie ist nie ganz frei. Kann den Mund 
nicht ganz öffnen. Am Besten in der Ruhe, Ver¬ 
schlimmerung im Winde und beim Bücken. Sonst 
Alles gut. Verordn.: Spig. X. jeden 7. Abend 
1 Dosis. 

4. Juli 1893. Bis jetzt gesund und frei von 
Schmerzen. Jetzt gleichzeitige Schmerzen in beiden 
Hypochondrien, zuerst gegen Abend schlimmer, 
jetzt selbst auch Nachts, zuweilen den ganzen Tag. 
Wenn der Schmerz schlimmer, gleichzeitig Husten. 
Die genannten Schmerzen alterniren mit halbseitigen 
Kopfschmerzen und Schmerzen im rechten Fuss. 
Schmerzen reissend, stechend, Verschlimmerung der 
Schmerzen beim Niesen , Schneuzen. Trockne Haut, 
nur Achselschweiss, Menstr. alle 3 Wochen, Fluor 
albus vorher. Schmäle Luft , Zug, Wind, Bücken 
wirkt verschlimmernd auf die Schmerzen. Verordn.: 
Spigel. X. wie früher und dieselbe Wirkung. Achsel¬ 
schweiss hat Spigel. wohl selten. 

17) Frau M. (Alter nicht bemerkt, 12 Kinder 
selbst gestillt) leidet seit 2 Jahren an Augenent¬ 
zündung. Lidränder und beide Conjunctivae ge- 
röthet. Dabei Reissen in der Nase nach der Stirn, 
um die Augenhöhlen herum nach den Ohren hin, 
besonders rechts. Thränen der Augen, besonders 
im Winde. Verordn. 23. Jan. 1893: Spigel. X. 
jeden 7. Abend 1 Gabe. 

21. Febr. Nach dem ersten Pulver war Ver¬ 
schlimmerung 1 Woche hindurch. Anschwellung 
der Mundschleimhaut. Reissen im Kopf etc. Stuhl 
hart, nach dem 2. Pulver Besserung, die regel¬ 
mässig fortschreitet. Verordn.: dasselbe in immer 
längeren Zwischenräumen. 

Der Patientin war mit stets nur vorübergehendem 
Erfolg 2 Jahre hindurch Calomel ins Auge gestreut 
worden. 

18) v. M., 16 J., halbseitige Kopfschmerzen 
rechts, von vorn nach hinten durch das rechte Auge 


ziehend. Vor 4 Jahren Kopfschmerz in Folge 
geistiger Ueberanstrengung. Allgemeinbefinden un¬ 
verändert. Verschlimmerung beim Reiten und beim 
Gehen. Freie Luft und Zimmerluft haben keinen 
Einfluss. Schwindel beim Bücken. Verordnung 
12. März 1894: Spig. X. 8 Pulver mit der Weisung, 
nicht mehr einzunehmen, wenn der Schmerz be¬ 
seitigt. So weit ich von den Eltern verstanden, be¬ 
durfte es nur 1 Dosis. 

19) Frau B., Landmann, 41 J., hatte in der 
Kindheit viel an Wechselfieber gelitten. Gegen 
Symptome, die ich als dem noch vorhandenen Mala¬ 
riasiechthum angehörig deutete, hatte sie von mir 
Natr. mur. X. und 3. ohne Erfolg erhalten. Offenbar 
in Folge der wiederholten Wechselfieberanfälle hatte 
sich nun Insufficienz der Mitralklappe ausgebildet 
mit nachfolgender Hypertrophie des rechten Ven¬ 
trikels. Ausserordentliche Kurzathmigkeit, Unfähig¬ 
keit, ihren häuslichen Obliegenheiten zu genügen. 

Sie bekam am 28. October 1891 Spig. 3. mit 
Natr. ra. 3. im Wechsel 2 Mal täglich von jedem 
Mittel 1 Dosis. 

Erst am 28. October erschien Patientin wieder. 
Sie habe sich wesentlich besser befunden, die systo¬ 
lischen Geräusche noch vorhanden. Erst am 

6 . August 1892 stellte sich Patientin wieder 
vor. Fühlte sich im Allgemeinen besser. An¬ 
strengendes Gehen noch nicht vertragen. Herz¬ 
töne rein. 

Am 13. Januar 1894 zeigte sich Patientin 
wieder. Erträgliches Befinden. Zuweilen Reissen 
in der linken Schulter, Lahmheit des rechten Ar¬ 
mes. Viele Träume. Lage im Bette nicht sehr 
hoch. Verordn.: Kalmia latifol. 3. Morgens und 
Abends. 

23. April. Die Schmerzen in der linken Schul¬ 
ter und die Lahmheit des rechten Armes so gut 
wie verschwunden. Puls noch unregelmässig, Im¬ 
puls des Herzens noch verstärkt. Verordn.: Kal¬ 
mia 2. C. 

Seitdem habe ich Betreffende noch nicht wieder¬ 
gesehen. 

Eine genauere Untersuchung des Falles, zu 
welcher es mir an Zeit gebrach, in Verbindung 
mit der nöthigen Aufmerksamkeit von Seiten der 
Patientin hätte denselben interessanter und instruc- 
tiver machen können. Ich habe den Fall mitge- 
theilt, um auf eine Erscheinung aufmerksam zu 
machen, die von mir häufiger beobachtet worden. 
Das hier so häufige Malariasiechthum, also das 
Natrum muriat., ruft Herzhypertrophieen ohne Klap¬ 
penfehler hervor. Natr. m. ist in solchen Fällen, 
wie auch hier, nicht das Heilmittel. Die Klappen¬ 
fehler treten aber in vielen Fällen im Laufe der 
Zeit hinzu, und hier tritt die Spigelia in ihr volles 
Recht. Die Wirkung in frischen Fällen, z. B. von 


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Gelenkrheumatismus ist überraschend und nach 
meinen Erfahrungen fast ausnahmslos heilend. Ich 
erinnere mich nur eines Falles, wo Arsen, indicirt 
war und heilte. Wie haben wir uns das Erkran¬ 
ken der Klappen in genannten Fällen zu erklären ? 
Wäre Natr. m. als pathogenes Agens die directe 
Ursache, so müsste es als Heilmittel in dem ge¬ 
nannten Falle sich erweisen. Dies war, wie wir 
sahen, nicht der Fall. Es war der Spigelia Vor¬ 
behalten, auf die Klappen günstig einzuwirken. 

Dass der Herzmuskel nach Jahre langem krank¬ 
haftem Funktioniren selbst erkranken muss, wird 
Niemand in Abrede stellen können. Die Annahme, 
dass dieser krankhafte Process sich auf die Herz¬ 
klappen durch Continuität übertragen kann, dürfte 
durchaus gerechtfertigt sein. 

20) Frau K., Landm., 56 J., consultirte mich 
am 28. Mai 1887. Sie leidet seit länger an 
Schmerzen im Munde, deren Sitz sie nicht genau 
angeben kann, zum Tlieil im Zahnfleisch, stets links. | 
Vorher durch längere Zeit Appetitlosigkeit, die noch 
jetzt andauert. Der Schmerz ist ziehend, reissend, | 
tritt zuweilen plötzlich auf. Zuweilen Hustenanfalle. j 
Niedrigliegen und Wind nicht vertragen. Func- ' 
tionen normal. Verordn.: Spig. X., jeden 7. Abend I 
2 Pulver. Erfolg günstig, so dass sie im Gebrauch ! 
der Medicamente zuweilen Pausen machte, weil sie 
sich völlig geheilt glaubte. 

Am 2. August 1888 erschien sie wieder. Der 
Schmerz hatte sich wieder eingestellt, wieder im 
Zahnfleisch links. Erwachte constant von den 
Schmerzen Nachts mit Trockenheit des Mundes und 
der Lippen. Zuweilen Nacht sch weisse, grosse Em¬ 
pfindlichkeit gegen Zug. Kali carb. X. beseitigte 
den Schmerz völlig und wie es scheint dauernd, 
da Patientin sich nicht wieder meldete. 

21) Frau Pb., 24 J., consultirte mich am 
12. April 1887. Sie stillt seit 2 Monaten. Seit 
*/ 4 Jahr Reissen im Os zygomaticum und vor den 
Ohren bald rechts, bald links. Der Schmerz tritt 
plötzlich ein und dauert 10—15 Min. Erregende 
kalte Umschläge lindern, ebenfalls Hochliegen mit 
dem Kopf. Wind und Liegen auf der linken Seite 
verschlimmern. 

Verordn.: Spig. X., jeden 7. Abend 1 Dosis. 
Erst am 17. Febr. erschien Patientin wieder. Seit 
4—5 Wochen Reissen im Os zygomaticum bald 
rechts, bald links, auch Nachts im Bette. Ver¬ 
schlimmerung bei hoher Lage des Kopfes , „befindet 
sich am besten, wenn sie fast auf dem Kopf steht. u 
Urin ganz dunkel, trübe . Schwindel beim Stehen , 
schreckliche Träume , sieht Gestalten, Schläfrigkeit 
am Tage, nur nicht mit erhöhtem Kopfe. Empfind¬ 
lichkeit gegen kalte Luft. Verstimmt, nieder¬ 
geschlagen. Befinden nach Schlaf recht gut, wenn 
sie einigermassen geschlafen. Verordn.: Conium X., 


jeden 7. Abend 1 Dosis mit sofortigem Erfolg. — 
Auch Colchicum hat Besserung beim Bücken, aber 
trotzdem Verschlimmerung, wenn tiefere Lage des 
Kopfes im Bette. 

22) Eines Falles aus dem Jahre 1886, der 
ähnliche Erscheinungen wie Patientin Nr. 19 dar¬ 
bot, erwähne ich nur kurz. Sie hatte zuerst mit 
wenig Erfolg Natr. mur. und Spig. im Wechsel, dann 
Spig. 3. C., später Spig. 2., im Jahre 1888 Spig. 
erhalten. Es fand eine regelmässige Fortbesserung 
statt. Die Arznei wurde täglich 2 Mal gegeben, 
und das Endresultat war, dass die Herztöne bei der 
Entlassung völlig rein waren, der Herzstoss, der 
in Folge der Hypertrophie des rechten Ventrikels 
sehr wuchtig war, zuletzt die normale Stärke hatte. 

(Fortsetzung folgt.) 


Nachtrag. 

In meiner Kali bichrom.-Krankengeschichte in 
Nr. 7 8 d. Ztg. ist die Heilung erfolgt unter An¬ 
wendung der 30. Centesimalpotenz, was zu er¬ 
wähnen vergessen. Bezüglich der Wahl des Mittels 
bei dieser Angina follicularis sei noch bemerkt, 
dass das Gefühl eines Haares noch folgende Mittel 
haben: Arsen., Lycop., M. austr., Natr. mur., Pulsat., 
Ran. bulb., Silic., Sulph.; v. Boenninghausen nennt 
von diesen in erster Linie Arsen, und Sulph. Des 
Letzteren Taschenbuch ist mein täglich Brot, daneben 
benutze ich die Arzneimittellehren, insbesondere die 
Hering’sche, worin unter Kali bichrom. steht: 
„Empfindung, als nässe ein Haar am hinteren Teil 
der Zunge und am Gaumensegel; durch Essen und 
Trinken nicht gebessert.“ Dass ein zwölfjähriges 
Mädchen nichts vom Gaumensegel sagt, ist doch 
nicht wunderbar, ich glaube nicht, dass viele Mäd¬ 
chen in dem Alter vom Gaumensegel was wissen; 
wenn es aber von selber damit kommt, es hätte 
das Gefühl eines Haars auf dem hinteren Theil der 
Zunge, so ist das gewiss beachtenswerth und für 
den individuellen Fall charakteristisch. Von Hysterie 
wird hier wohl kaum jemand reden, und wenn 
auch. Jedenfalls passte nach den anderen Er¬ 
scheinungen von den übrigen Mitteln, die das Ge¬ 
fühl eines Haares haben, dieses am besten; dass 
es Simillimum war, lehrte der Erfolg. Uebrigens 
kommt es meiner Meinung nach nicht darauf an, 
dass ein Symptom wörtlich mit dem Niedergeschriebe¬ 
nen des ersten Prüfers übereinstimmt, als vielmehr 
darauf, dass es möglichst ähnlich ist. Was den 
Punkt anlangt, ob ein Symptom beobachtet ist auf 
Einwirkung des Urstofls, einer niederen oder Hoch¬ 
potenz, so habe ich schon einmal früher darauf 
hingewiesen, dass die mit höheren Potenzen er¬ 
zielten Symptome für eine individuelle Arzneimittel- 


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Diagnose oft werthvoller sind als die viel all¬ 
gemeineren mit Tiefpotenzen oder dem UrstofF er¬ 
haltenen; ich sagte schon damals, dass, wer alles 
über die 14. Potenz hinaus streichen will, derselbe 
der homöopathischen Materia medica oft der werth¬ 
vollsten Symptome beraubt und sich selbst der 
schönsten Heilerfolge. Ich erinnere nur an die 
Nachprüfung der Thuja von C.W.Wolf. Sapienti sat. 

Kiel, den 22. August 1894. 

Dr. med. Waszily. 


Von der 62. Generalversammlung 

des 

Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 
in Eisenach am 9. und 10. August 1894. 

Festivalia. 

Da ein College uns daraufhin befragt hat, 
wer denn die Trinksprüche beim Festmahl aus- 
gebracht und wem diese gegolten haben, so wollen 
wir denn als gewissenhafte Berichterstatter dem be¬ 
reits Gemeldeten noch diesen Nachtrag aus dem 
Stadium der „Gemütblichkeit“ nachsenden, dem 
freilich kein Protokoll zu Grunde liegt. 

Das Festmahl fand, wie auch unsere Sitzungen, 
im grossen Saale des Hotel zum Kronprinzen statt 
und hatte der zuvorkommende Wirth durch einen 
humoristischen Speisezettel den Festgenossen schon 
einen guten Vorgeschmack von den in der That 
trefflichen Speisen (die Getränke waren aber auch 
nicht schlecht) dargeboten. Den Reigen der Trink¬ 
sprüche eröffnete der Vorsitzende, Dr. Weber , mit 
einem Hoch auf den ,,Landesfürsten,“ indem er 
ausführte, dass, wenn wir Deutschen bei solchen 
Gelegenheiten unsere Fürsten jetzt hoch leben 
Hessen, dies keine mit Lüge getünchte Höflichkeit 
sei, sondern dass wir nach der hergestellten Einig¬ 
keit unseres deutschen Vaterlandes uns in der That 
mit ihnen eins fühlten in dem Bestrehen, die Wohl¬ 
fahrt und das Gedeihen unseres Volkes nach allen 
Kräften zu fördern. Was die Fürsten von Weimar 
für die Pflege von Kunst und Wissenschaften, zumal 
in unserer klassischen Zeit, geleistet haben, werden 
wir allezeit dankend anerkennen müssen. 

Dr. Windelband brachte in kurzen, zündenden 
Worten sodann ein Hoch auf die Manen Hahne- 
mann’s und sein Werk, die Homöopathie. Sein , 
Spruch gelte auch einem Fürsten, aber einem sol- | 
dien im Reiche des Geistes, dessen Verdienste um 
die Menschheit so anerkannt seien, dass es nicht 
vieler Worte bedarf, um sie zu schildern. Unser 
bester Dank sei, wenn wir sein Werk, die homöo- ! 
pathische Heilkunst, nach allen Kräften zu erhalten, 
zu verbreiten und zu fordern suchten. 


Dr. Mo88cüs Trinkspruch galt den Frauen. 
Aesculap, unser Urmeister, werde immer als ein 
sehr ernster, langbärtiger Mann dargestellt, wie 
man ja auch die Medicin keine heitere Kunst 
nennen könne, sein Schlangenstab deute auf die dem 
Arzte in der Praxis so erforderliche Klugheit, ihm 
zur Seite stehe aber seine blühende, holdselige, 
heiterlächelnde Tochter Hygiea — und sie, die Ge¬ 
sundheit, sei ja aller Heilkunst und Heilkünstler 
hochverehrtes und erstrebtes Ideal. An sie ge¬ 
mahne uns heute der unser Festmahl schmückende 
Kranz von Frauen. — Wenn das American In¬ 
stitute of Homoeopathy, das im Juni d. J. sein 
50jäbrige8 Jubiläum gefeiert, es sich zum hohen 
Verdienste anrechne, die erste ärzthehe Körper¬ 
schaft gewesen zu sein, welche den Frauen Mittel 
und Wege zur Ausbildung und Ausübung der ärzt¬ 
lichen Kunst geboten habe, so wollen wir ihm das 
nicht schmälern, aber wir sehen doch weit lieber 
die Frauen als Arztes Gattinnen denn als Aerztinnen. 
Die Frau des Arztes habe neben den häuslichen 
Pflichten noch so ganz besondere Aufgaben. Ist 
bei allen Ständen heutzutage der Kampf ums 
Dasein ein gar heisser, schwerer, so kommt beim 
Arzte noch der Umstand hinzu, dass sein Gemütli 
durch den beständigen Ringkampf mit den Uebeln 
und Leiden, ja mit dem Todfeind alles Lebens, 
fort und fort in starke Erregung und weil er, der 
Arzt, sein ganzes Wissen und Können, alle Kräfte 
Geistes und Leibes daransetzt und doch nicht 
immer den heissgewünschten Erfolg erreiche, ab¬ 
gesehen von so manchen Reibereien und Zusammen- 
stössen mit Menschen und Verhältnissen, oft in 
tiefen Unmuth versetzt wird. Da ist es denn die 
Gattin, welche durch ihr geraüthvolles, heiteres 
Wesen und den freundüchen, ethischen wie ästheti¬ 
schen Hauch, den sie über Haus und Familie aus¬ 
breitet, dem Doctor die Stirn glättet und das 
Gleichgewicht, seine Seelenruhe, wiederherstellen 
hilft. Die Gattin des homöopathischen Arztes kann 
ihm überdies in den geschäftlichen Th eilen seines 
Berufes in manchen Stücken behilflich sein. — 
Nicht weil wir die Concurrenz mit den Aerztinnen 
scheuen, sondern weil wir den Frauen gern die 
ihrer Natur voll angemessene und am meisten dien- 
Hche Stellung wünschen, ihnen nicht die hohe Ver¬ 
antwortlichkeit des ärztlichen Berufes aufgebürdet 
sehen möchten, mögen wir ihnen die Pforten zum 
Heiligthum des Asklepias nicht verlockend weit 
aufthun. Wir bringen unseren Frauen unsere Hul¬ 
digung lieber als Schwestern der Hygiea dar, ein¬ 
gedenk des Dichterwortes: 

Möge jeder (und jede) stillbeglückt 

Seiner Freuden (Gabe und Aufgaben) warten; 

Wenn die Rose selbst sich schmückt, 

Schmückt sie auch den Garten. 


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89 


Für dieses Frauenlob brachte Dr. Schnütgen 
als Stellvertreter der anwesenden Damen, in deren 
Gemüthsstimmung, Stimme, Gebahrung er sich mit 
grossem Geschick zu versetzen verstand, ein äusserst 
komisch wirkendes Dankesvotum dar. 

Dr. Kröfier gedachte dann in anerkennender 
Weise des Vorstandes des Centralvereins, der den 
ihm obliegenden, oft nicht unbedeutenden Pflichten 
und Aufgaben stets mit Gewissenhaftigkeit, un¬ 
ermüdlichem Eifer und praktischer Klugheit erfüllt 
habe. Ein besonderes Verdienst habe sich der 
Vorsitzende durch die Leitung der Sitzungen er¬ 
worben. Wie der weise Meister im Sängerwett¬ 
streit auf der vor uns emporragenden Wartburg 
habe unser Vorsitzender die hier und da aufblitzen- 
den Funken eines mehr persönlichen Zwistes stets 
zur rechten Zeit, mit dem rechten Wort, in weiser 
Mässigung zu löschen gewusst. In einem kräftigen 
Hoch auf den Vorstand gab die Versammlung diesen 
allen aus der Seele gesprochenen Worten den ent¬ 
sprechenden Aus- und Nachdruck. 

Doch was wäre ein Verein ohne den Nervus 
rerum, was der Centralverein ohne den rechten 
Mann bei der Verwaltung seiner Kasse? Dieser 
Gedanke bewog den Dr. Lutze unserem Kassen¬ 
verwalter, Herrn Apotheker Steinmetz, den Tribut 
der Anerkennung zu zollen. Sein Hoch galt dem 
Manne, der so trefflich das Aurum metallicum des 
Centralvereins hüte und verwalte und die an dieses 
edle Metall sich anschliessenden vielfachen Geschäfte 
und Manipulationen unverdrossen, ohne je sauer zu 
reagiren, zum Besten der Sache Jahr ein Jahr aus 1 
mit praktischer Energie besorge. Worauf Herr 
Steinmetz dankend erwidert, dass er es immer für 
seine Aufgabe gehalten, dahin zu wirken, dass die 
Apotheker mit den homöopathischen Aerzten Hand 
in Hand gehen und ihnen durch Herstellung guter | 
Mittel in der Ausübung ihres Berufes zur Seite , 
stehen sollten. 

Das war, wenn auch nicht dem Worte, so dem i 
Sinne nach der Inhalt der bei dem Festmahl in 
Eisenach gehaltenen Reden, da das Amt des 
Dr. Haedicke als Schriftführer sich nur auf die 
ernsten Verhandlungen, am Abend und Morgen, sich 
bezog. — Zwischenhinein fiel dann noch wie eine, 
Heiterkeit anrichtende, Bombe ein von Dr. Kallen¬ 
bach in Versen verfasster „Katechismus der Ho¬ 
möopathie,“ den Dr. Weber zum Vortrag brachte. 
Auch diese Kette von Versen wollen wir dem theil- 
nelnnenden Leser nicht vorenthalten. 

Katechismus des Homöopathen. 

Von Dr. Kallenbach. 

Der Wissenschaft Entdeckungsflug 

Du folgen sollst stets Zug um Zug, I 

Dass auf der Höh’ du bleibst genug. 


Und jede Waffe weiset zu schwingen, 

Mit der es könnte noch gelingen, 

Die schweren Uebel zu bezwingen! 

Nur so lang’ bist Homöopath, 

Als unentwegt du folgst dem Pfad’, 

Den Hahnemann erschlossen hat. 

Was sein Genie dir konnte bieten, 

Das sollst als heiTgen Schatz Du hüten! 
Kein Neu’rer Bess’res wird erbrüten! 

Ueb’ immer treu die Aehnlichkeit, 

Weich’ ab auch keinen Finger breit 
Vom Weg’ der Mittel-Einfachheit! 

Dein’ Mittelkenntniss hab’ kein Schranken, 

So wirst dem Simile verdanken 
Du viel Erfolge bei den Kranken. 

Erhalt' Dir’s wie Dein Lebensblut, 

Das Simile, Dein köstlich Gut, 

Worauf Dein’ Macht und Glück beruht! 

Mit ihm Du feiern wirst Triumphe! 

Palliren fuhrt zur Heilkunst Sumpfe 
Im Flitterglanz nur hoher Trumpfe. 

Der Wissenschaft so heilig Licht 
Zum Heilen schafft Dir ’s Wissen nicht. 
Wenn’s Heilsymptomenbild entbricht. 

Du kannst in Deiner Dosen Styl 
Der Neigung folgen, dem Gefühl, 

Missachten selbst das Molekül! 

Doch wehe, wenn Du losgelassen 
Dich stürz st in Hypothesen-Gassen, 

Dein Handeln jenen anzupassen! 

Nein, zügle Deine Phantasie 
Und speculire lieber nie, 

Grau, Freund, ist alle Theorie! 

Beobacht’ stets mit Ernst und Fleisse, 
Erfahrungen sind Kampfbeweise, 

Und steh'n als Grund nicht hoch im Preise. 

Beim post hoc-Schluss prüf jeder Stund’, 

Ob denn der Kranke wohl auf Grund 
Vom propter hoc auch ward gesund. 

Wohl ist der Kampf der Wahrheit nütze, 
Doch hüt’ Dich vor des Streites Hitze, 

Der zum Verderben schleudert Blitze! 

Lass an die Schoss’ von Deinem Rock 
Nie hängen einen neuen Block, 

Denn schwer genug schon trägt Dein Stock. 

Den edlen Wein in Deinen Fässern 
Sollst trachten stets Du zu verbessern, 

Doch hüte Dich vor dem — Verwässern! 

Geh’ aufrecht Deines Wegs fürbass, 

Wo ’s Simile Dir zeigt den Pass, 

Nicht aus dem Aug’ die Gegner lass! 

Und wenn sie thöricht auf sich blähen, 

Sei’s Dich, sei’s Deine Lehre schmähen. 

Lass nie es ungestraft hingehen! 

So, alternd in dem Lauf der Zeit, 

Gewinn Dein Wirken Dir noch Beut’ 

Bei der Bilanz von Freud’ und Leid. 

Manch’ Heilung wird Frucht Deines Strebens, 
Und nahest dem Ziele Du des Lebens, 

So hast gelebt Du nicht vergebens! 


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Des Dankes Zoll (Trum weihe dann 
— So gut wie er’s doch Keiner kann! — 

Den Manen stets von Hahnemann! 

Die unter Führung von Herrn Dr. Schnütgen 
von Frl. Windelband freundlichst unternommene 
übliche Sammlung für unsere Wittwenkasse ergab 
das erfreuliche Resultat von 237 Mark. 

Unser Ein- und Aufzug auf die hohe Wartburg ge¬ 
schah zwar nicht unter den Klängen des Wagner’sehen 
Festmarsches aus dem Tannhäuser, aber die gewaltigen 
Donnerschläge und das Rauschen des Regens, welche 
hereinbrachen, als wir die herrlichen Säle beschau¬ 
ten, waren die nicht auch eine grossartige Natur¬ 
musik? Ja, eine unendliche Melodie liegt darin, 
die zum Glück immer ein rechtzeitiges Ende erreicht. 

Nach alledem wird man es begreiflich finden, 
wenn wir sagen, die 62. Generalversammlung des 
Central Vereins in Eisenach hat bei allen, die daran 
Theil genommen, einen sehr erfreulichen, Geist und 
Herz erquickenden Eindruck hinterlassen. Noch 
lebendiger wird die Erinnerung an diese schönen 
Tage bei den Festgenossen werden, wenn sie sich 
daheim die Photographien anschauen, welche die 
Damen und Männer, je in einem Gruppenbilde ver¬ 
eint, darstellen. Von denen, die das Similia simili- 
bus curantur als gemeinsames Gut hochhalten, kann 
man auch mit Fug und Recht sagen: Similes 
similibus gaudent, und sei’s auch in effigie. 

Zur Notiz. Den verehrten Theilnehmerinnen 
und Theilnehmern an der Versammlung zur ge¬ 
fälligen Kenntnissnahme, dass die Bilder in ca. 
8 Tagen zur Versendung kommen werden. So 
lange wollen Sie sich noch freundlichst gedulden. 
Der Photograph schreibt, dass er zur jetzigen 
Jahreszeit ausserordentlich stark beschäftigt sei, die 
Bilder aber von seinen besten Mitarbeitern machen 
lassen wolle und somit nicht schneller liefern könne. 
Nach den dieser Tage empfangenen Probebildern 
kann jedoch schon jetzt die Versicherung gegeben 
werden, dass die Bilder durchweg vorzüglich aus¬ 
gefallen sind und der Besitz eines solchen grosse 
Freude bereiten und eine dauernde schöne Erinne¬ 
rung sein wird. 


Das Album 

des 

Homöopathischen Centralvereins Deutschlands. 

Der im October 1892 an die Mitglieder des ge¬ 
nannten Vereins erlassene Aufruf, durch Einsen¬ 
dung ihrer Photographien das Album zu vervoll¬ 
ständigen, hat bei so Manchem Beachtung gefunden, 
und auf den letzten beiden Generalversammlungen 


hat das ausgelegte Album allen Anwesenden viele 
Freude bereitet. Allein es fehlen noch sehr viele 
Bilder und es ist doch so angenehm, sich nicht 
nur dem Namen nach, sondern — ist es auch 
nicht möglich persönlich — doch auch nach dem 
Bilde zu kennen. Es ergeht daher die Bitte an 
alle werthen Mitglieder, ihre Bilder einzusenden, 
soweit dies noch nicht geschehen, oder die älteren 
durch neue zu ersetzen. Durch Anschaffung eines 
zweiten Albums, für welches beim Festessen der 
letzten Generalversammlung die erforderlichen Gelder 
durch die Herren Dr. JFeiV/ner-Breslau und Dr. Ro- 
how8ky-Leij)z\g nebst Gattinnen gesammelt wurden, 
ist auch für grössere Bilder in Cabiuetformat ein 
würdiges Unterkommen geschaffen, da in das ältere 
Album nur kleine Bilder eingereiht werden können. 

Zur Entgegennahme von Bildern — auch von 
verstorbenen Herren — ist der Unterzeichnete gerne 

bereit. . 

Hochachtungsvollst 

Leipzig, August 1894. 

William Steinmetz. 


Die Anwendung des Wassers 
in der Behandlung des Typhus abdominalis. 

Von Dr. Knüppel-Magdeburg. 

In dem lesenswerthen Aufsatz des Herrn Col- 
legen von Sick in No. 1|2, Bd. 129 dieser Zeitung 
spricht er auch über die verschiedenartige Anwendung 
des Wassers bei der Typhusbehandlung von den 
8 °/ 0 -Bädern nach Brandt und kalten Uebergiessungen 
bis zu Bädern von 30°/ 0 , nasskalten Einpackungen etc. 

Mir war es vergönnt, während des Krieges 
1870]71 eine grössere Anzahl*) von Typhusfallen 
zu behandeln und will ich meine dabei gemachten 
Erfahrungen, was die hydropathischc Behandlung 
anbetrifft, mittheilen. 

In den ersten Monaten konnte ich aus äusseren 
Gründen keine Bäder anwenden. Ich musste mich 
auf kalte Einschlagungen beschränken. Diese wurden 
in der Weise gemacht, dass auf einer Matratze 
resp. Strohsack nach Auflegung einer wasserdichten 
Unterlage ein leinenes Laken, welches in Wasser 
von 12 —15°/ 0 R. ausgerungen war, ausgebreitet 
wurde. Auf dieses Laken legte man den ganz 
entblössten Kranken und schlug nun das Laken 
fest um den Körper, liess den Kranken ohne weitere 
Bedeckung oder gar Einwicklung in diesem Laken 


*) Leider habe ich keine Notizen für mich gemacht, 
kann daher keine Zahlen anführen, sondern nur nach dem 
Gedächtniss referiren. 


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10 Minuten liegen. Nach Ablauf dieser Zeit wurde 
der Kranke leicht abgetrocknet und in sein zurecht 
gemachtes Bett gebracht. Diese Einpackung hatte 
regelmässig einen Temperaturrückgang von 1 / 2 — 1 °/ 0 
zur Folge, wenn auch nicht auf mehrere Stunden. 
Der Kranke fühlte sich nachher erfrischt, holte 
tiefer und kräftiger Athem und war weniger so¬ 
porös. Diese Einschlagungen wurden nach Bedürf¬ 
nis 2—4 Mal des Tags und in der Nacht wieder¬ 
holt, je nachdem die Hitze des Kranken anstieg 
und der meist damit verbundene Sopor sich wieder 
einstellte und zunahm. 

Die Sterblichkeit blieb leider nicht unbedeutend, 
woran aber zu einem grossen Theil äussere Um¬ 
stände mit Schuld waren, welche hier auseinander¬ 
zusetzen zu weit führen würde. Anders stellte 
sich die Mortalität, als ich Neujahr 1871 als 
Chefarzt ein Kriegslazareth übernahm mit grössten- 
theils Typhuskranken, welches in einem grossen, 
leerstehenden Alumnat untergebracht war. Da zögerte 
ich nicht, statt der von meinem Vorgänger belieb¬ 
ten Chlorwasserabwaschungen abgekühlte Bäder an¬ 
zuwenden, wie sie Ziemssen und Immermann in 
ihrem im Frühjahr 1870 erschienenen Buche „Die 
Kaltwasserbehandlung des Typhus abdominalis“ em¬ 
pfohlen batten. Diese Methode, welche ich im Grossen 
und Ganzen befolgte, war folgende: 

Wenn die Morgentemperatur eines Kranken, 
in der Achselhöhle gemessen*), 89°/ 0 überstieg, 
wurde ein Bad von 24°/ 0 verordnet. Während 
der Kranke im Bade sass, wurde durch Zugiessen 
von kaltem Wasser am Fussende der Wanne und 
allmähliges Umrühren des Wassers die Temperatur 
des Bades auf 16°/ 0 abgekühlt, doch so, dass der 
Kranke bei diesen erniedrigten Graden höchstens 
5 Minuten noch im Bade verweilte. Hatten wir 
es mit sehr anämischen, vielleicht durch profuse 
Di&rrhöeen oder Darmblutungen geschwächten Sub- 
jecten zu thun, so blieb der Kranke bei der nie¬ 
drigeren Temperatur nur 2 — 8 Minuten im Bade. 
Nach dem Bade wurde der Kranke leicht abge¬ 
trocknet und in sein Bett gebracht. Es trat meist 
eine Temperaturermässigung von l*/ 2 —2°/ 0 ein. 
Stellte sich während des Bades oder gleich nachher 
Frösteln ein oder geringe Zeichen von Collaps, 
dann wurde etwas schwerer Wein gereicht. 

Ein solches Bad wurde in den Abendstunden 
wiederholt, wenn die Temperatur wieder über 

39% stieg. 

Ausserdem bekamen die Kranken regelmässig 
ihre Priessnitz’sehen Umschläge, je nach dem Be¬ 
finden häufiger oder seltner wiederholt. 


*) Seit Einführung der Maximalthermometer messe ich 
die Körperwärme nur im Mastdarm. 


Diejenigen Patienten, deren Morgentemperatur 
39°/ 0 nicht überstieg, bekamen nur eine kalte Ein- 
schlagung, die nach Bedarf wiederholt wurde, auch 
wohl in der Nacht bei den Kranken angewendet 
wurde, welche stärker fiebernd bei Tage gebadet 
waren und in der Nacht schneller aufsteigende 
Temperaturen zeigten. Eigentlich hätten sie alle 
gebadet werden müssen; aber bei der Ueberfüllung 
des Lazareths musste ich Rücksicht auf das Warte¬ 
personal nehmen. Es war eben nicht möglich, 
allen Typhuskranken die Wohlthaten der abge¬ 
kühlten Bäder zukommen zu lassen. Und eine wirk¬ 
liche Wohlthat bildeten diese Bäder für die stärker 
fiebernden Patienten. Der Temperaturnachlass hielt 
meistens einige Stunden an, es trat eine Art von 
Euphorie ein, die Patienten fühlten sich erfrischt, 
die Athmung war ausgiebiger, der Herzschlag 
kräftiger, der Sopor wich grösstentheils, es kam 
viel weniger zu Lungenhypostasen und Decubitus. 
Der Appetit regte sich eher und was die Haupt¬ 
sache war, die Sterblichkeit wurde sehr bald be¬ 
deutend geringer. Dieser günstige Umschwung 
im Verlauf und Ausgang des Typbus fiel sehr 
bald meinen 4 Assistenzärzten auf, die sich freuten, 
diese Methode kennen zu lernen. Ich habe sie 
seitdem in den verbältnissmässig wenigen Fällen, 
die sich mir in den 23 Jahren in meiner Praxis 
darboten, neben der Darreichung der möglichst 
passend ausgewählten homöopathischen Mittel, mit 
gutem Erfolg weiter angewendet, wo eben sich 
die Möglichkeit darbot. Und dies ist der einzige 
Fehler, welchen diese Methode hat: man kann sie 
in der Privatpraxis nicht überall anwenden und 
durchführen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, 
in Ermangelung eines Bessern, sich mit den nass¬ 
kalten Einschlagungen zu behelfen. Man kann auch 
in den Fällen, bei denen jedesmal nach der auf 
16°/ 0 erfolgten Abkühlung des Wassers Schüttel¬ 
fröste oder gar Collaps eintreten sollte, dadurch eine 
Modification eintreten lassen, dass man die Ab¬ 
kühlung nur bis 18 °/ 0 oder 20 °/ 0 vornimmt. Es 
wird aber nur selten nothwendig sein, vielleicht bei 
sehr blutarmen, schon vor der Erkrankung schwäch¬ 
lichen Personen. 


Diabetes mellitus bei Kindern. 

(Schlugt*.) 

Therapie. Die Diätetik spielt beim Kinde, das 
an Diabetes leidet, eine eben so wichtige Rolle, 
als beim Erwachsenen. Sie ist beim Kinde, dessen 
ohnehin schwacher Wille unter dem Einfluss der 
Krankheit noch mehr herabgesetzt ist, weit schwe- 


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rer durchzuführen, um so mehr, als gerade diabe* 
tische Kinder ganz besonders leckerig auf Süssig- 
keiten sind und sich diese oft mit grosser Schlau¬ 
heit zu verschaffen wissen. 

Die stricte Diät darf man nur im Verhältniss 
zum Zuckergehalt des Harns und der subjectiven 
Symptome durchzuführen suchen; man muss ihre 
Wirkung genau überwachen und sie mildern, wenn 
plötzlich nervöse Erscheinungen einsetzen. — Der 
anhaltende Fleischgenuss bringt bei Kindern viel 
eher noch als bei Erwachsenen Widerwille, Ekel 
hervor; man wird hierin also mässig sein, überhaupt 
an Abwechslung denken müssen. — Da man jetzt 
von Seiten der Gegner der Fleischnahrung den 
hohen Ernährungswerth der Nüsse hervorgehoben 
hat, so wird man den Kindern mit Hasel-, Wall-, 
Cocos- und Brasil-Nüssen, nebst Mandeln den Speise¬ 
zettel auf eine ebenso angenehme als nahrhafte 
Weise mundgerecht machen können. 

Von Arzneimitteln ist bei diabetischen Kindern 
Arsen, oftmals angezeigt. Die charakteristischen Symp¬ 
tome sind: Abmagerung, grosser Hunger und Durst, 
Blässe, Kraftlosigkeit, Neigung zu Gangrän, Trocken¬ 
heit des Mundes und des Halses, wässerige Diar¬ 
rhöe, Dyspnoe bei geringster Anstrengung. 

Lithium hat sich bei Erwachsenen hilfreich ge¬ 
zeigt , wenn heftige rheumatische Schmerzen in 
Verbindung mit hochsaurem Urin und harnsauren 
Sedimenten zugegen sind. Man hat es als Lithium 
benzoicum oder in Selterser Wasser gegeben. — 
Bei Kindern hat man es noch nicht erprobt. 

Für Kreosot spricht Schwere, Schlaftrunkenheit, 
Depression des Geistes; der Kopf ist verwirrt und 
betäubt: sehr heftige chronische neuralgische Be¬ 
schwerden. 

Fhosphoris acidimu wenn die Erkrankung ent¬ 
schieden nervösen Ursprungs ist, bei flüssigen Ent¬ 
leerungen; Patient ist gegen Alles gleichgültig. — 
Doch gilt auch hier das Individualismen, wonach 
sich ergeben wird, dass unter Umständen Bryonia, 
Acidum laeticum, Podophyllum, Aurum muriaticum, 
Acid. nitricum, Mercurius solub., Graph, angezeigt 
sein können. 

Wir haben dieseu Artikel aus The Hahneman- 
nian Monthly, März 1894, entnommen, woselbst ihn 
Dr. Clifford Mite hall, Professor der Nierenkrank¬ 
heiten an dem Homoeop. Medical College zu Chi¬ 
cago, veröffentlicht hat, ohne uns aber an eine 
wörtliche Uebersetzung gebunden zu haben. Mit 
Hecht bemerkt der Verfasser, dass dem Diabetes 
im kindlichen Alter noch nicht die ihm zukommende 
Aufmerksamkeit zugewandt worden ist. So hat 
man Fälle von Coma diabeticum wohl meist gar 
nicht, oder selten bei Kindern richtig erkannt und 
gewürdigt. Es ist daher wohl zweckmässig, den 


ganzen Verlauf dieser Krankheit wenigstens in 
einem concreten Falle (Verf. citirt deren mehrere) 
zu verfolgen. 

Dr. C. W. Purdy berichtet nun folgenden 
Fall: 

Er betrifft einen 4 Jahre und 3 Monate alten 
Knaben. Seine Mutter bemerkte im August, dass 
er sehr häufig urinirte, hei Nacht das Bett nässte . 
Dabei stellte sich um dieselbe Zeit ein starker 
Durst bei ihm ein. In der letzten Zeit hat er be¬ 
deutend an Gewicht verloren. Sorgsame Nachfor¬ 
schung ergab, dass in der Familie kein Diabetes, 
wohl aber Tuberculosis vorherrschend war. — Der 
kleine Patient hatte vordem keine ernstliche Krank¬ 
heit gehabt; aber er war, kurz bevor der gegen¬ 
wärtige Zustand eintrat, auf der Flur auf einen 
Wagen gefallen und hatte sich dabei eine starke 
Contusion an dem Kopfe zugezogen. Er klagte 
über Schwäche und Müdigkeit; liess alle halbe 
Stunden Urin. Am 31. Dec. 1888, wo der Arzt 
ihn besuchte, war der Urin klar, von schwach 
grünlich-gelber Farbe und saurer Reaction; spec. 
Gewicht 1033, und enthielt 20 Gran Zucker auf 
die Unze, aber kein Eiweiss. — Es wurde ein 
Ragout aus Milch, Fleisch und etwas grünem Ge¬ 
müse angeordnet. Keine Arznei. 

3. Januar 1889. Urin hat spec. Gewicht von 
1025; 12 Gran Zucker auf die Unze. 

4. Febr. Urin spec. Gewicht 1030; 10 Gran 
Zucker auf die Unze; kein Eiweiss. Die Diurese 
und der Durst erheblich vermindert; Nachts harnt 
er nicht mehr. — Der Hausarzt übernahm dann 
bis zum 14. Oct. 1889 die Behandlung, wo danu 
Dr. Purdy wieder an seine Stelle trat. Er, Patient, 
zeigte äusserste Abmagerung, grossen Durst und 
starke Diurese. Man hatte hier eine gemischte 
Kost mit Einschluss von allen Früchten und meh¬ 
ligen Stoffen gestattet, wonach das Uebel schnellen 
Schrittes zugenommen hatte. Urin war hell, rea- 
girte sauer; spec. Gew. 1038; Zucker gegenwärtig 
25 Gran auf die Unze; Phosphate im Ueberschuss; 
kein Albumin. Patient erscheint abgemattet, schwach, 
schlaflos, hat wenig oder gar keinen Appetit. Er 
ward auf Milch mit etwas Brot gesetzt und bekam 
drei Mal täglich Chinin 0,05. 

18. October. Appetit etwas besser; Patient 
scheint weniger schwach. Urin klar, sauer, spec. Gew. 
1033; 25 Gran Zucker auf die Unze; überschüssige 
Phosphate. Diät ganz auf Milch eingeschränkt. — 
Chinin fortgesetzt. 

21. October. Urin 4 Pinten; spec. Gew. 1029; 
18 Gran Zucker auf die Unze. — Medication rep. 

28. October. Grosse Schwäche; Appetit gering; 
Urin spec. Gew. 1033; Zucker 16 Gran auf die 
Unze. 


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1. November. Urin spec. Gewicht 1029; klar, j 
sauer; Zucker 12 Gran auf die Unze; Phosphate i 
sehr reichlich. Milchdiät mit wenig Brot und etwas 
grünem Gemüse. 

12. November. Urin spec. Gew. 1024, sauer; 
10 Gran Zucker auf die Unze. Patient ist schwach, 
hat an den Speisen wenig Geschmack, wird von 
einem leichten Husten belästigt. 

24. November. Husten besser; der Kranke 
scheint im Ganzen etwas kräftiger. Urin 5 Pinten; 
spec. Gew. 1028; Zucker 10 Gran auf die Unze; 
kein Eiweiss. 

18. December. Patient klagt über Schmerzen 
im Magen und Unterleib, wird bei Tage etwas 
schlafsüchtig. Das Athmen ist ein wenig beschleu¬ 
nigt. — Ein warmes Bad, warme Krüge an die 
Glieder gelegt, lOgränige Dosen von Natron bi- 
carb. stündlich. 

19. Dec. Patient ist heute noch mehr betäubt; 
schläft die meiste Zeit. Die Zahl der Athemzüge 
war auf 40 in der Minute gestiegen; die Tempe¬ 
ratur ist 101° F. Die Bauchschmerzen dauern fort. 

Gegen Abend nahm die Benommenheit noch 
mehr zu; er weist alle Nahrung zurück. 

21. Dec. Patient starb in einem comatösen Zu¬ 
stande, ohne Krämpfe. M. 

(The Hahnemann Montlily, März 1894.) 


Prostata-Neurosen. 

In Medical Century, einer in Chicago erschei- | 
nenden, gut geleiteten Monatszeitschrift für Homö- 
pathie und Chirurgie, spricht Dr. E. M. Haie aus 
Chicago (December 1893), gestützt auf Dr. Peyers 
Darstellung, über Neurosen der Prostata, ein Thema, 
das viel Interesse für uns hat. 

Dr. Peyer unterscheidet drei Arten von Pro¬ 
stata-Neurosen: 1. eine Hyperästhesie des gan¬ 
zen Organs, 2. eine excessive Hyperästhesie der 
Pars prostatica urethrae und 3. die nervöse Reiz- j 
barkeit des muskulären Theils der Drüse, der den i 
Sphincter vesicae bildet. Von diesen drei Arten ist 
die dritte die am meisten bekannte; am seltensten 
kommt die erste Art vor. In der Hyperästhesie * 
zeigt sich ein fast beständiges Gefühl von Reizung j 
in der Prostata, das oft zu heftigem Schmerze j 
steigt. Beim Stuhlgange ist oft eine sexuelle Em- I 
pfindung zugegen, die bisweilen von einer Sensation J 
in anderen Theilen, z. B. in der Hand- oder Fuss- i 
fläche begleitet ist. Jede angenehme Geschlechts- ' 
empfindung reflectirt sich auf die Prostata. Der Schlaf j 
ist mühsam und unruhig, die Muskeln ermüden bald; 


es findet sich häufig Congestion nach dem Kopf, 
sowie auch Herzklopfen. — In der Hyperästhesie 
der Pars prostatica urethrae, die gewöhnlich als 
Neuralgie des Blasenhalses beschrieben ist, sind die 
Bedingungen anderer Art. Jene Affection ist in 
der Regel nicht bloss ein Zeichen allgemeiner 
Neurasthenie, sondern sie ist bedingt durch einen 
chronischen Reizungszustand in der Schleimhaut 
der Portio prostatica und steht mit der Neurasthenie 
in causalem Zusammenhänge. Hier findet sich jene 
charakteristische Empfindlichkeit der Nerven gegen 
die Anlegung des Katheters oder der Sonde, welche 
sich beim häufigen Gebrauche des Instruments leicht 
vermindert oder abstumpft. 

Die dritte Form, die nervöse Reizbarkeit der 
muskulären Elemente der Prostata, zeigt sich in 
der Regel als ein leichter, schnell vorübergehender 
Krampf des Schliessmuskels. Patienten mit diesem 
Leiden können nicht Wasser lassen in Gegenwart 
Anderer, auch nicht im Eisenbahnwagen oder bei 
Nacht, wenn sie übermüdet oder schlaftrunken sind. 
Bei Manchen ist dieser Krampf des Sphincter chro¬ 
nisch geworden, so dass sie einfach dem Drange 
zum Urinlassen nicht sofort genügen können. Sie 
müssen immer erst eine Zeit lang ruhig stehen, 
wobei sie ihre Aufmerksamkeit auf etwas Anderes 
richten und jede Anstrengung und Anspannung 
zum Uriniren vermeiden. Andere erreichen ihren 
Zweck, indem sie sanft an der Urethra ziehen, bis 
der Spasmus nachlässt. Das Ausströmen des Harns 
beginnt langsam, es kommen erst wenige Tropfen, 
und wird erst allmählig kräftiger. Nach Civiale 
liegt die Veranlassung hierzu häufig in Masturbation 
oder übermässigem Coitus. 

Doch kann auch Gonorrhöe zu Grunde liegen. — 
Wenn allgemeine Nervenschwäche vorhanden ist, 
so ist eine angebrachte Kur zur Stärkung des gan¬ 
zen Nervensystems erforderlich. Wenn örtliche Ur¬ 
sachen deutlich vorliegen, so ist die Einlegung der 
Sonde — wöchentlich 1 Mal — in der Dauer von 
20—30 Minuten heilsam Locale Behandlung spielt 
nach Dr. Peyer bei einer Hpyerästliesie der Portio 
prostatica urethrae die Hauptrolle. Nach der Sonde 
leisten oftmals Einträufelungen von Lösungen sal¬ 
petersauren Silbers sehr gute Dienste. In allen 
Fällen ist die Regelung der Leibesöffnung und des 
geschlechtlichen Lebens äusserst wichtig. Weite 
Spaziergänge und Reiten sind zu verbieten, starke 
Weine, Kaffee und Thee zu vermeiden. Bäder und 
Wasserkuren geben oft gute Resultate; von der 
Electricität hat Verf. niemals eine günstige Wir- 
kung gesehen. 

Dr. Peyer’s Rath, „nicht zu pressen,“ ist zu 
beherzigen. Wenn ein Spasmus des Sphincter ve¬ 
sicae oder der Prostata vorhanden ist, so wird der 


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krampfhafte Zustand durch Anstrengung nur ver¬ 
mehrt. Besteht ein prostatischer „Wall“ am Blasen¬ 
halse, so steigert Anspannung das Hinderniss des 
Urinabganges, indem der mittlere Lappen hierdurch 
gegen das Orificium gedrängt wird. Man lehre 
vielmehr den Patienten, den Penis mit Finger und 
Daumen hinter der Eichel zu fassen, um so dem 
Urin zu gestatten, die Harnröhre in ihrer vollen 
Ausdehnung zu füllen. Dies mag wohl einige Zeit 
kosten, denn der Urin tröpfelt nur langsam über 
die Barriöre. Hat sich die Harnröhre vollständig 
ausgedehnt, so lasse man im Druck auf dieselbe 
nach, so wird der Urin Vordringen und eine Weile 
in vollem Strom fliessen. Geschieht letzteres nicht, 
so wiederhole man obiges Verfahren. Dies wirkt 
in folgender Weise: Hat sich die Harnröhre voll¬ 
ständig ausgedehnt, so drückt der Urin auf die 
Barriere und drängt diese vom Orificium hinweg, 
welches jene fast verschlossen hatte, so dass nun 
der Urin ungehindert aus der Blase strömen kann. 
Verf. versichert, dass manche Fälle von Krampf 
der Urethra, Prostata und Blasenhals durch dies 
Verfahren gehoben werden können. 

Die Hauptmittel für diese Prostata-Neurosen 
sind: Kalium bromatum, Mono-Bromid von Campher, 
Hyoscyamus, Gelseminum, Spiraea ulmaria, Nux 
moschata, Ignatia und Belladonna. Besondere Symp¬ 
tome können noch andere Mittel indiciren. — Sehr 
günstig wirkt auch das prolongirte warme Halbbad. 

M. 


LesefrUchte. 

Landkartenartige Zunge. 

Dr. 0. Spechtmann berichtet über 22 Fälle 
dieser eigentümlichen, landkartenartigen Beschaffen¬ 
heit der Zunge bei Kindern; sie besteht in einer 
wandernden Abstossung des Zungenepithels in chro¬ 
nischem Verlaufe und hat viel Aehnlichkeit mit 
manchen syphilitischen Zungenaffectionen, besonders 
der Psoriasis linguae syphil. (Münchner medic. 
Wochenschrift 1893, Nr. 46.) —Von homöopathischer 
Seite ist man auf dieses Zeichen, wobei einzelne 
Stellen der Zungenschleimhaut entblösste, rothe 
Flecken darstellen, während der übrige Theil be¬ 
legt ist, schon seit längerer Zeit aufmerksam ge¬ 
worden. Es ist immer ein ernstes Zeichen, indem 
es bei Stomacace, sowie in manchen Fällen von 
Diphtherie, Typhus oder Scorbut vorkommt. Dies 
Symptom finden wir bei Natrum muriaticum, Arsen., 
Rhus toxicod., Kali bichrom., Taraxacum, Ranun- 
culus sceleratus. Letzteres hat dabei ein hoch¬ 
gradiges Brennen und Rohheitsgefühl, stärker als 
bei den übrigen Mitteln ausgesprochen, v. Bönning¬ 
hausen wurde in einem schweren Falle von Typhus 


durch dieses charakteristische Symptom auf Tara¬ 
xacum geführt, an das man bei Typhus wohl nicht 
so leicht denken würde. — Auch bei Lachesis und 
Acidum nitricum finden wir ein flächenweises, um¬ 
schriebenes Auftreten des Zungenbelags: Diese 
Mittel, wie auch Kali bichrom., würden, wenn eine 
syphilitische Grundlage besteht, stark in die Wahl 
fallen. — Ref. 


Enteritis psendomembranacea. 

Dr. Rothmann- Berlin hat die bandartigen Ent¬ 
leerungen bei pseudomembranöser Enteritis histio- 
logisch untersucht. Cornil fand bei einem ähnlichen 
krankhaften Zustand von Schweinen fibrinöse Pfropfe 
in den Oeffnungen der Intestinaldrüsen. In einem 
Falle dieser Erkrankung, die mit Krebs an der 
Gehirnbasis combinirt war, fand Rothmann Gelegen¬ 
heit, die Intestina mikroskopisch zu untersuchen. 
Er zieht aus dem Befunde folgende Schlüsse: 

1. Die pseudomembranöse Enteritis oder besser 
mucöse Colitis ist eine Affection des Colon. 

2 . Sie ist abhängig von einer vermehrten Schleim¬ 
absonderung der Drüsen zellen, in Folge chronischer 
Verstopfung. 

3. Diese leichte, entzündliche Erkrankung der. 
Mucosa ist Folgeerscheinung einer anderen Affec¬ 
tion, in der Regel der Hysterie oder Neurasthenie. 

4. Die bandähnlichen Massen bestehen aus 
Schleim. 

Bei der Discussion statuirte Professor Ewald eine 
nervöse Form, welche häufig, aber nicht constant, 
von Verstopfung begleitet ist, sondern auch von 
einem normalen oder selbst diarrhöeischen Stuhl. 
Es giebt indessen auch eine entzündliche Varietät. 
Die nervöse Form wird oft Monate lang erfolglos 
behandelt; in manchen Fällen verschwindet sie von 
selbst. — Dr. Boas constatirt, dass man die Krank¬ 
heit hauptsächlich bei nervösen Personen findet, 
obwohl sie auch von palpablen Veränderungen be¬ 
gleitet sein kann. Das Colon ist manchmal er¬ 
weitert, vorgefallen oder aus seiner Lage gerückt, 
wie man es bei Anfüllung mit Wasser oder Luft 
erweisen kann. Die Behandlung ist von geringem 
Erfolg; Abführmittel sind zu vermeiden. Die Re¬ 
gelung der Diät leistet noch das Beste. — Die 
Krankheit soll auch bei Kindern vielfach beob¬ 
achtet sein. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1893, Nr. 49.) 

(Die Therapie bietet bei homöopathischer Be¬ 
handlung bessere Aussichten, so haben wir in diesen 
Blättern einen Fall berichtet, in dem Arg. nitric. 
Heilung gebracht hat. Ref.) 


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95 


Homöopathische Hilfstabellen. 

Die homöopathische Central-Apotheke von 
Täschner & Co. in Leipzig hat soeben ein Verzeich¬ 
niss herausgegeben, welches alle bei der Abgabe 
homöopathischer Arzneimittel in Betracht kommen¬ 
den Fragen beantwortet und deshalb für Diejenigen, 
welche sich mit der Bereitung homöopathischer Po¬ 
tenzen befassen, unentbehrlich ist, weil es in ge¬ 
wisser Beziehung zugleich eine homöopathische 
Pharmakopoe ersetzt. 

Das Verzeichniss giebt zunächst an, in welchem 
Verhältniss die Crtinctur zum Ausgangsstoffe steht, 
ferner welches die im Handverkauf gebräuchlichste 
Potenz ist; dann folgen Angaben, welche Mittel ] 
ohne ärztliche Verordnung nicht stärker als in 
vierter Decimalpotenz abgegeben werden dürfen, 
und eine weitere Spalte giebt die Stärke des Al¬ 
kohols an für Herstellung der Verdünnungen von 


der ersten bis zur zwölften Decimalpotenz. Nament¬ 
lich das letztere ist das, was in der Praxis am 
häufigsten Schwierigkeiten bereitet; zwei Beispiele 
mögen dieses erläutern: Belladonna ist bereitet aus 
gleichen Theilen frisch ausgepresstem Saft und 
starkem Spiritus; es ist deshalb zu verwenden zur 
ersten Verdünnung 6(5 proc., zu den weiteren 90 proc. 
Alkohol. Wollte man zu den niedrigeren Potenzen 
bereits starken Alkohol verwenden, so würde man 
natürlich ein trübes Gemisch erhalten. Capsicum 
ist dagegen mit starkem Alkohol hergestellt und 
sämmtliche Verdünnungen sind deshalb auch mit 
solchem zu bereiten etc. 

Eine Anlage führt die nach Lutze’s Chiffre- 
Schrift zur Bezeichnung von homöopathischen Mit¬ 
teln üblichen Zahlen und Buchstaben auf. 

Der Preis ist bei sauberster Ausführung, deut¬ 
lichem Druck und starkem Papiere, = 1 Mark, 
ein sehr geringer. 


Anzeigen. 


Aus dem Nachlasse meines vor mehreren Jahren 
verstorbenen Vaters, des Homöopathen Dr. med. 
J. C. Kayser, verkaufe ich eine Reihe 

homöopathischer und anderer Werke, 

deren Verzeichniss ich Nach fragenden gratis zusende. 

Frl. Elise Kayser, Halle a. d. Saale, 

Sophienstr. 41, I. 

Kastanienblüthen^Oel 

und 

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thatsächlich gute Mittel zum Einreiben gegen 
Gicht und Rheumatismus schon seit langen 
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens 
empfohlen. 

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Flaschen ä 50 Pfg. bis zu Flaschen ä 1 / 9 Ko. = 4 M. 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 

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Preisen. 

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anf Verlangen gratis und franco verschickt. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin. 


Im Verlage der Homöopathischen Central- 

Apotheke von Täschner & Co., Leipzig, und 
A. Marggrafs homöopathischer Officin, Leipzig, 

sind folgende empfehlcnswerthe homöopathische 

Bücher und Schriften erschienen: 

Gross-Hering, Vergleichende Arzueiwirkungslehre. 
1. Aufl. 1893. geb. M. 20.—. 

Bruckner, Homöopath. Behandlung der Angen- und 
Ohrenkrankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50. 
geb. 3.—. 

Kleiner homöopath. Hausfreund. 6 . Aufl. 1894. 
brosch. 1. — . geb. 1.50. 

Homöopath. Volksschriften, Nr. 1 — 27, in diversen 
(1.—7.) Auflagen, ä 10 Pfg. 

Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch, 2. Aufl. 
1888, —.30. Holland., 1. Aufl., —.50. 

Allgemeine homöopath. Zeitung. 129. Band. (2. Halb¬ 
jahr 1894.) Halbjährlich 10.50. 

Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, 
geb. 1.50. Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, 
geb. 2.50. 

Homöopath. Allerlei 1890. brosch. 1.—, in Par- 
thien für Agitationszwecke billiger. 

La Curaoion y Profilaxia per el Tratamiento Ho- 
meop&tico de Las Principales enfermedades 
Infeooiosas. 2. Aufl. 1893. brosch. 1.20. 

Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner 
Krankheiten, ä 20 Pfg. 

Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. 
cart. 3. —, geb. 3.75. 

— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 
1 .20, geb. 1.60. 

Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt 2 . Aufl. 
1888. geb. 1.50. 


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96 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer 
Offlcln in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. G. Hering. 


Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Paulwasser, Bernburg a. S. 
Gebunden 20 Mark. 


Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren keino Concurrenz machen, denn nach 
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von 
ihnen. — Es bringt Arznei vergleiche, Mitteldiagnosen, welche 
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬ 
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung 
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬ 
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬ 
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge 
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬ 
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner 
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein 
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen- 
zielie Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬ 
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber 
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering 1 - 
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter- 
seheidennaeh allenSei ten des be treffenden Mi ttels 
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen ( 
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei- j 
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und I 
England vielfach geworden ist. 

Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr. 
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt 
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬ 
schen Fleisscs — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück. 

In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt 
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark 
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die 
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬ 
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten 
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬ 
den Kosten decken kann. i 

Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen. 
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und 
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬ 
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser , 
Beziehung zu ersetzen geeignet ist. 

Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, ! 
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa- 
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau 
angepasst. 


Ende dieses Jahres erscheint: 

The Universal Homoeopathic Annual 

(jedoch nur in engliacher Sprache). 

Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬ 
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick 
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬ 
schen Werke. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Francois Cartier, Paris 

und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof.Timothy-Field 
Allen-New-York, Pierre Jousset-Paris, A. B. Norton- 
New-York, Löon Simon-Paris, Seiden Talcott-New- 
York, Alphonse Teste-, Henry C.Houghton-New-York, 
W. B. Van Lennep-Philadelphia, Burford-London, 
Kippax-Chicago, Hurndall-London, Giuseppe Bonino- 
Turin, einer Reihe hervorragendster Specialisten für 
Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-, 
Geschlechts- etc. Krankheiten in Frankreich und 
Amerika. 

Preis 12 Mark. 

Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um- 
! fassen und zerfallt in zwei Theile, die Arzneimittel- 
I lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als 
! nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass 
| jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt 
j und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden 
mit den Anschauungen hervorragender Professoren 
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden 
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind. 

Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen 

A. Marggrafs homöopathische Offlein 

_ Leipzig. _ 

Im Verlage von A. Marggrafs homÖopath. Officin 
in Leipzig ist soeben erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

Ohrenkrankheiten 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Arzt in Basel. 

9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—, 
hrosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches in 
No. 23/24 des 128. Bandes dieser Zeitung. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs Homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mitoer in Loipzig. 


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Band 129 


Leipzig, den 27 . September 1894. No. 13 11.14 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATIHSCHE ZEITH«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A.MarggraPs homöopath.Offlcin) in Leipzig. 


Erscheint Ht&gigzü 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeiohnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasensteln AVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraFs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet. 


Inhalt. Einladung zur Herbstversammlung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte. — 
Correspondenz aus Kimberley (Süd-Afrika). Von Dr. Th. van den Heuvel. — Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in 
Kiel. (Fortsetzung.) — Heilmittel bei Leberkrankheiten. Von T. S. Hoyne, M. D. — Zur Physik der Homöopathie. 

Von Emil Schlegel in Tübingen. — Calculi pulmonales. Von Dr. Mossa-Stuttgart. — Vom Büchertisch. — Anzeige. — 

Personalia. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Einladung« 

Zur Herbstversammlung des Sächsisch-Anhaltinisehen Vereins 

homöopathischer Aerzte 

welche Sonntag, den 14. October a. c«, Mittags 1 Uhr in Magdeburg im Central-Hotel, 

dem Kahnhof gegenüber, stattfindet, werden die Mitglieder des Vereins, sowie der Verabredung ge¬ 
mäss die geehrten Berliner Collegen ganz ergebenst mit der Bitte eingeladen, ihre Theilnahme Herrn 
Dr. GroOS- Magdeburg spätestens bis 13. October Nachmittags gefälligst mitzutheilen. Alles Nähere 
durch Postkarten. 

Tagesordnung. 

1. Geschäftliches. 

2. Para- und Perimetritis und Exsudate, sowie deren Behandlung. 

3. Mittheilung praktischer Beobachtungen und Discussion. 

Der Vorstand des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte. 

Gell. Sanitätsrath Dr. Faulwasser, Vorsitzender. Dr. Villers, Schriftführer. 


Correspondenz aus Kimberley (Sild-Afrika). 

Von dem homöopathischen Arzte Dr. med. van 
den Ileuvel ist der Redaction der folgende inter¬ 
essante Brief zugegangen, den wir hiermit (er ist 
französisch abgefasst) deutsch wiedergeben: 

Gestatten Sie mir in Betreff der Bemerkung, 
welche Sie in dem Artikel „Parotitis epidemica“ 
(cf. Allgemeine homöopathische Zeitung No. 3 und 4 
d. Bd.) gemacht haben: „Also bewiesen, dass das 


infectiöse Agens der Parotitis nicht an die Parotis 
als Infectionsheerd gebunden ist, sondern ebenso 
gut andere Drüsen afficiren kann,“ Ihnen meine 
Erfahrungen vom Juli und August d. J. mitzutheilen. 

Wir haben liier eine Influenza-Epidemie, die 
sehr ansteckend, aber — wenigstens in meiner 
Praxis — meist mit gutem Ausgang verlief und 
als besondere Eigentliümlichkeit eine Art von sub- 
maxillarer Parotitis darbot. Hier ist der Tliat- 
bestand: 


13 

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98 


Am 15. Juli wurde ich zu einem Kinde ge¬ 
rufen und nach der Untersuchung erklärte ich das 
Leiden für „Mumps“ oder „Parotitis“. Indem ich 
aber tiefer auf die Sache einging, sähe ich, dass 
die Affection vorzugsweise in den Submaxillar- 
Drüsen sitzt, und zwar auf beiden Seiten. Die 
Mutter des Kindes machte, indem sie meine An¬ 
sicht hörte, sofort die Bemerkung: „Sieh da, ich 
und die Nachbarin, wir haben immer zum Dr. F. 
gesagt, dass es „Mumps“ wäre, aber der Doctor 
sagte: Nein, und hat Cataplasmata und Compressen, 
warm und feucht, auflegen lassen und hat so den 
Zustand meines Kindes verschlimmert.“ 

So erfuhr ich, dass Dr. F., ein allopathischer Arzt, 
das Kind seit 8 Tagen behandelt und wegen Abscesses 
der Unterkieferdrüsen feuchtwarme Umschläge ge¬ 
macht hatte. Er hatte noch einen Collegen zur 
Consultation herbeigerufen und beide hatten ver¬ 
sichert, ohne Operation könne das Kind nicht ge¬ 
heilt werden. 

Indem die Eltern aber von dieser Behandlungs¬ 
weise nichts wissen wollten, hatten sie mich ge¬ 
rufen. — Ich selbst glaubte indessen einen grossen 
diagnostischen Irrthum begangen zu haben, indem ich 
das Leiden für Mumps erklärte, das doch in den 
Submaxillar-Drüsen und nicht in der Parotis seinen 
Sitz hatte, und der Dr. F. hatte, als er meine 
Diagnose erfuhr, zum Vater gesagt: „Sagen Sie 
Ihrem Homöopathen, dass er von seiner Kunst 
nicht das ABC versteht.“ — Indessen, ich lei¬ 
tete meine Behandlung alsbald der Art ein, dass 
ich Sulphur. und Aconit, gegen die Infection der 
Influenza, und sodann Rhus und Apis wegen der 
„Mumpse“ gab. 

Am Abend befand sich das Kind besser, und 
die Drüsengeschwülste, sowie die Athmungs- 
beschwerden verschwanden gegen den 17./7. 

Am 17. und 18. Juli kam etwas Anderes hin¬ 
zu. Es zeigten sich heftige Symptome von Croup, 
oder Laryngitis acuta, non membranacea, ein Lei¬ 
den, das hier sehr häufig ist. Acon., Spongia, 
Sanguinaria — nacheinander gegeben — nebst 
Umschlägen mit heissem Essig auf die Kehle — 
um die Erstickungsan falle zu verhindern — waren 
hinreichend, um diese Art Croup zu heilen. Ich 
liess das Bett des Kindes in ein anderes Zimmer 
verbringen. 

23. Juli. An diesem Tage constatirte ich hef¬ 
tiges Fieber, starke Röthe der linken Wange, 
katarrhalischen Husten. Die physikalische Unter¬ 
suchung ergab Anschoppung der linken Lungen¬ 
spitze, Pneumonie dieser Seite. Schon als ich. die 
Affection sich von der Parotis auf den Larynx 
hatte fortpflanzen sehen, hatte ich die Eltern vor¬ 
weg darauf aufmerksam gemacht, wie leicht sich 
die Infection auf die Lunge werde ausbreiten 


können. Das war nun eingetroffen. Ich verord- 
nete Aconit., Sulphur., Bryonia, Phosphor., Antimon, 
tartaricum — aber Alles fruchtlos. Die Entzün¬ 
dung ergriff auch die rechte Lunge. Das Kind 
starb am 29. Juli. 

Die Bemerkung, die ich hierbei zu machen 
habe, ist, dass meine allopathischen Collegen die 
Eigenart der Krankheit verkannten, und ich selbst, 
ich habe an derselben gezweifelt, weil ja das Lei¬ 
den in den Unterkieferdrüsen localisirt war anstatt 
in der Parotis. Ihre Behandlung vermehrte, wäh¬ 
rend die meinige die Anschwellung der Drüsen 
bald herabsetzte. 

Ferner zeigt der Fall, dass sich Mumps als 
Complication zur Influenza hinzugesellen kann, 
ebenso gut als Lungen- und Luftröhrenentzündung, 
und dass, um ihn mit Erfolg zu behandeln, man 
zuerst die Einwirkung der Influenza (in der dor¬ 
tigen Epidemie mit Aconit. 6. und Sulphur. 6.) und 
sodann die Parotitis zu neutralisiren habe (Rhus, 
Bell.). In meinen Augen ist die Parotitis eine 
ernste, schwere Affection, und um so schwerer, 
wenn die Glandulae submaxillares geschwollen sind. 

Hier folgen drei Fälle, wo diese Unterschiede 
sich deutlich abzeichnen. 

Ein 12 jähriger Knabe war an einer wirklichen 
Parotitis, in der Ohrspeicheldrüse localisirt, erkrankt: 
er erhielt am 27. Juli Aconit, ohne Erfolg, sodann 
am 28. und 29. Rhus, darnach entschiedene Besse¬ 
rung und völlige Heilung. 

Ein 3jähriges Mädchen hatte erst Influenza, 
dann einen starken Scharlachausschlag (ohne Com¬ 
plication des Halses); sie genas in 4 Tagen unter 
Aconit, und Bell. Am 2. August zeigt sich unter 
erneutem Fieber Geschwulst und Schmerz in bei¬ 
den Parotiden und Submaxillardrüsen. Rhus re- 
ducirte das Fieber und die Drüsenaffectionen in 
4 Tagen. — Die Genesung begann vom 7. August. 

Nun noch ein merkwürdiger Fall: 

Am 10. August wurde ich zu einer 23jälirigen 
Frau, von lymphatischer Constitution, die seit 
7 Monaten schwanger war, gerufen. — Sie war 
wegen Influenza seit 14 Tagen in Behandlung. 
Der allopathische College erklärte die Krankheit 
für unbedeutend, da aber die Frau im Sterben zu 
liegen schien, so holte mich ihr Vater herbei. Ich 
fand zu meinem Erstaunen eine Kranke mit keu¬ 
chendem Athem, glänzenden Augen, pfeifender 
Stimme, die reines, mit Schleim gemischtes Blut 
erbrach. Da gleichzeitig die beiden Submaxillar- 
Drüsen beträchtlich geschwollen, steinhart waren, 
aber ohne Schmerz und ohne Betheiligung der 
Parotiden, so untersuchte ich die Brust und fand 
auf der rechten Seite, über der Leber, einen pneu¬ 
monischen und hämorrhagischen Heerd. Fieber 
war vorhanden, aber der Puls schwach, herabge- 


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99 


drückt. Ich sah die Kranke um 2 Uhr, und um 
4 Uhr war sie todt, nachdem sich noch Cyanose 
gezeigt hatte, die auf Rechnung des Blutver¬ 
lustes und des Drucks des Croups auf den Larynx 
zu setzen war. 

Es war dies, meiner Meinung nach, eine Wie¬ 
derholung des ersten, oben mitgetheilten Falls, 
eine mit Parotitis submaxillaris complicirte Influenza, 
was der College wahrscheinlich verkannt hatte. 
Denn als ich erklärte, die Frau litte in erster 
Linie an „Mumps“, widersprach deren Mutter, weil 
der vorige Arzt behauptet habe, es sei „Nichts“! 
Und doch hatten die Glandulae submaxillares bei¬ 
derseits die Grösse eines Eies! 

Ich bin also geneigt, mit Dr. Wertheimer, dem 
Verfasser jenes Artikels in der Münchener Wochen¬ 
schrift, anzunehmen, dass die Infection sich noch 
in anderen Drüsen, als allein der Parotis, locali- 
siren kann. Für uns ist Rhus hier das am meisten 
angezeigte, wirksamste Mittel und müssen wir die 
Krankheit im Sturm zu nehmen suchen, womög¬ 
lich vom ersten Tage an. Denn das parotitische 
Virus ist in seiner Wirkung und seiner Verbrei¬ 
tung auf die Schleimhaut des Kehlkopfs und die 
Lungen von heftiger Gewalt. 

Das unterscheidet es vom Virus des Erysipelas, 
welches die Haut zu seiner Ausbreitungsstelle wählt 
(die äussere, aber auch die serösen Häute. Ref.). 

Merkwürdig ist die Thatsache, dass der Pharynx 
und die Mandeln, abgesehen von etwas Röthe und 
Schwellung, hierbei so wenig Veränderung zeigen. 

Die Temperatur, die allgemeinen wie localen 
Symptome verhielten sich in den hier citirten Fällen 
ähnlich den in der Münchener Wochenschrift mit¬ 
getheilten. 

Kimberley, den 12. August 1894. 

Dr. Th. van den HeuveL 


Aus der Praxis. 

Von Dr. Kunkel in Kiel. 

(Fortsetzung.) 

Wirkungen von Tnberculin. 

Die nachfolgenden Mittheilungen machen nicht 
auf den Namen „Krankengeschichten“ Anspruch, 
können nicht zur Charakteristik des verwandten 
Mittels dienen. Hier müsste, wie es mir bei der 
Abfassung der Mittheilungen recht klar wurde, stets 
die Prüfung am Gesunden vorhergehen. Die In- 
dication war hier vielmehr: Verdacht auf tuberku¬ 
löse Diathese oder nachweisliche Tuberkulose. 

Diese Mittheilungen haben nur den Zweck, den 
Leser von der durchgreifenden Wirkung des Tuber- 


culins zu überzeugen. Hoffentlich wird die Prüfung 
des genannten Mittels nicht zu lange auf sich 
warten lassen, wenn wir auch auf eine solche dies¬ 
seits des Oceans nicht hoffen dürfen. 

College Windelband hat ebenfalls mit dem Mittel 
Versuche gemacht und ähnliche Resultate gewonnen 
wie ich, als ich mich der 6. Potenz bediente, ja 
ich habe nicht nur keine günstigen Resultate, son¬ 
dern Verschlimmerung beobachtet. Wenn er den 
Schluss zog, dass, weil die 6. Potenz nicht half, 
die 60. auch nicht wirken würde, so kann ich die 
Berechtigung einer solchen Schlussfolgerung nicht 
unterschreiben. Wir haben Beispiele genug, dass, 
wo eine niedere Potenz nicht half, eine höhere Er¬ 
folg hatte und umgekehrt. Ich habe mieh dann 
der 80., später aber der 50. und 100. bedient. 
Ich hätte von vornherein mich erinnern sollen, dass 
üopathische Mittel in hoher Potenz gegeben werden 
müssen , wenn man Wirkung davon sehen will. 
Wenn wir Hydrargyrose bekämpfen wollen, geben 
wir Mercur. in Hochpotenz, vorausgesetzt, dass dieser 
und nicht ein anderes Mittel durch den Symptomen- 
complex indicirt ist. 

Die hier mitgetheilten Fälle sind nur ein Theil 
der von mir mit dem betr. Mittel überhaupt be¬ 
handelten und diese ferneren werden vielleicht später 
Berücksichtigung finden. 

Die vorliegenden Mittheilungen haben nur den 
Zweck, Collegen zur Nachprüfung zu veranlassen. 
Welche Bedeutung die Sache sowohl für den Aus¬ 
bau als die Verbreitung der Homöopathie haben 
wird, wenn wir auf diesem Wege zu Resultaten 
gelangen, die jeder anderen Methode unerreichbar 
sind, liegt auf der Hand. 

In der grösseren Zahl der von mir mit Tuberc. 
behandelten Kranken habe ich Resultate nicht ge¬ 
sehen, die besten noch in solchen, wo erbliche An¬ 
lage nachweisbar, aber nicht ausnahmslos. 

Wie es scheint, werden ja auch die Fälle immer 
häufiger, wo die Tuberkulose in Familien eindringt, 
die bisher frei davon waren. Demnach scheint die 
Widerstandskraft gegenüber dem Tuberkelbacillus 
abzunehmen. 

Ich weiss sehr wohl, dass die Gelehrten der 
Laboratorien nur den letzteren als eigentlichen 
Störenfried anerkennen und eine erbliche Disposition 
leugnen. Dass die Resultate der dortigen Unter¬ 
suchungen sich aber nicht ohne Weiteres auf das 
Gebiet ausserhalb des Laboratoriums übertragen 
lassen, zeigt sich hier deutlich genug. Man frage 
die Landärzte und die Aerzte der kleinen Städte, 
und man wird bei Keinem einen Zweifel an der 
Erblichkeit der Phtisis tuberculosa und der Tuber¬ 
kulose überhaupt begegnen. In den Grossstädten 
wird man aus naheliegenden Gründen sich schwer¬ 
lich ein genügend begründetes Urtheil bilden können. 


13 * 

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100 


23) Frl. G., 20 J., war mit Unterbrechungen j 
seit ungefähr 2 Jahren an allerlei scrophulösen Er¬ 
scheinungen von mir behandelt worden. Sie hatte, 
zumTheil mit vorübergehendem Erfolg, Sulph., Natr. 
m., Sepia, Kali, Rhus, Puls, erhalten. Ich über¬ 
gehe die Einzelheiten, bemerke nur, dass sie von 
Kindheit an ein ausserordentlich starkes und resi¬ 
stentes Abdomen hatte. Keines der verordneten 
Medicamente hatte in dieser Richtung einen nach¬ 
weisbar wohlthätigen Einfluss geäussert. Am 25. Sptb. 
1892 verordnete ich derselben Tuberculin X., jeden 
7. Abend 1 Dosis; am 13. Novb. dasselbe Mittel 
wegen der auffallend günstigen -Wirkung. 

Erst am 12. Juli 1894 stellte sie sich mir wie¬ 
der vor, aber nicht wegen ihrer früheren Erschei¬ 
nungen. Sie hat sich durchaus wohl gefühlt, bis 
sie vor ein paar Wochen von Zahnschmerz heim¬ 
gesucht wurde. Der Bauch hat einen normalen Um¬ 
fang und ist iceich. Der Vater ist kränklich und 
leidet oft an Stechen in der Brust. Ich hatte keine 
Gelegenheit, denselben näher zu untersuchen. 

24) Frau S., 57 J., hat einen Bruder und eine 
Schwester an Lungenschwindsucht verloren. Sie 
consultirte mich am 19. Decb. 1891 wegen eines 
Hydrops genu 1. mit bedeutender Auftreibung des 
Knochens. Allgemeinbefinden ist erträglich, wenn 
sie im Bett liegt. Weiter finde ich nichts bemerkt. 

Verodn.: Tuberculin X., jeden 7. Abend 1 Pulver. 

21.Deceraber. Das Knie wird weicher, an der Innen¬ 
fläche eine Geschwulst von mässigem Umfang, übri¬ 
gens unempfindlich und anscheinend Abscedirung 
nicht einleitend. Nach der ersten Dosis schlief sie 
die ganze Nacht, was sic bisher nicht konnte, nach 
dem 2. und 3. Pulver profuser Scliweiss, dann 
nicht mehr. Eine umschriebene weiche Stelle hat 
sich jetzt an der Innenfläche des Knies gebildet. 

Verordn.: Jeden 9. Abend eine Dosis. Im Januar 
1892 wurde Patientin von Influenza befallen, der 
sie bald erlag. Ihr Wohnort war weit von hier 
und ich erfuhr nicht, unter welchen Erscheinungen 
sie gestorben. 

25) Str., Beamter, kräftiger Mann von 37 Jahren, 
hat als Kind Leberthran gebraucht, Mutter phthisisch, 
leidet seit dem 14.—15. Jahr an einer harten Ge¬ 
schwulst an der rechten Seite des Halses von der 
Grösse einer Wallnuss. Bei Witterungswechsel, be¬ 
sonders bei Uebergang zu Regen, Schlingbeschwer¬ 
den in Folge Drucks des vergrösserten Tumor. 
Leidet oft an Zahnschmerz, leicht Schweiss des 
Kopfes, kalte Hände. 

W T citere Anhaltspunkte für die Mittelwahl lagen 
nicht vor. Verordn.: Calc. c. X. jeden 7. Tag eine 
Gabe. Am 29. Januar 1891 bekam derselbe, da 
eine wesentliche Veränderung nicht eingetreten war, 
Sulph. X. in derselben Weise; am 13. März dasselbe 
Mittel. Allgemeinbefihden ist getrübt, fühlt sich 


nervös erregt (muss oft spät Abends arbeiten). 
Dennoch fühlt er sich im Allgemeinen besser als 
früher, hat auch keine besondere Klage ausser 
Afterjucken, das den Schlaf stört. Spirit, sulph. 3., 
Baryt. X. ohne Erfolg (26. Juni). Am 26. August er¬ 
hielt er Nitri. acid. X. mit demselben negativen 
Erfolge. Der Schlaf ist schlecht, oft sehr schwie¬ 
riges Einschlafen etc. Am 21. Novb. bekam Pa¬ 
tient Tuberculin X., 6 Gaben, jeden 7. Abend eine. 

5. Februar 1892. Die Wirkung der ersten Gabe 
war heftig: allgemeine Kraftlosigkeit und Erschlaffung, 
oft auch die örtlichen Unbequemlichkeiten am Halse, 
Schlingbeschwerden mehr hervortretend; von da an 
wesentliche Besserung in jeder Richtung. Patient 
fühlt sich leichter und frischer. Nur das Aflter- 
jucken ist zeitweilig vermehrt, von Zeit zu Zeit 
Blutabgang per anum. 

Ich verordnete Tuberc. 50., 5 Gaben, jeden 
9. Abend eine, mit der Weisung wiederzukommen, 
wenn eine wesentliche Fortbesserung nicht bemerk¬ 
bar. Patient erschien nicht wieder, was gegenüber 
seiner Furcht vor der Operation, die vorgeschlagen 
war, günstig zu deuten sein möchte. 

26) W., Mädchen von 12 Jahren, deren 2 Ge¬ 
schwister an „Hirntuberkeln“ gestorben. Sie leidet 
an einem Ekzem des Hinterkopfes ohne Jucken 
und einem Ulcus am linken Unterschenkel, etwas 
Herpes an Ober- und Unterlippe. Sonst keine Ano¬ 
malie zu entdecken, als etwa ziemlich starker Durst. 
Verordn. 29. Decb. 1891: Tuberc. 50., jeden 7. Abend 
eine Dosis. 

5. Februar 1892. Nach den ersten 2 Pulvern 
wesentliche Vermehrung des Ausschlags, dann Besse¬ 
rung, Lippen völlig verheilt, Ulcus am Unter¬ 
schenkel wie das Ekzem am Hinterkopf neigen zur 
Heilung. Herzklopfen beim Niederlegen ins Bett. 
Verordn.: Tuberc. 50., alle 14 Tage eine Gabe. 

6. April. Ausschlag spurlos verschwunden; klagt 
über Durst, Stiche im linken Hypochondr. Lahmt 
das Bein zeitweilig etc. etc. und sonstige Symp¬ 
tome, diö unzweideutig Natr. mur. indicirten. Sie 
bekam das Mittel in 30. Potenz mit sofortigem Er¬ 
folg, dann 40. Der Ausschlag ist nicht wieder¬ 
gekehrt. 

27) M., Arbeiter, consultirte mich am 14. Mai 
1892. Er ist von seinen Aerzten für schwindsüchtig 
erklärt worden. Von Kindheit an leichtes Erkälten, 
dann Husten, der in der Bettwärme nicht ver¬ 
ändert wird. Rechts in der Reg. subclavicul. Dämpfung 
und abgeschwächtes Respirationsgeräusch. Brust¬ 
schmerzen. Verordn.: Tuberculin X., jeden 7. Abend 
eine Gabe. 

1. Juli. Zuerst Besserbefinden, jetzt wieder 
nicht so gut, doch „würde er sich ziemlich gut füh¬ 
len, wenn die Schmerzen in der Brust nicht wären.“ 
Verordn.: Tuberc. 50., jeden 7. Abend eine Gabe. 


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101 


21. August. Zuweilen ganz schmerzfrei, so dass 
er glauben könnte, ,,er wäre ganz gesund.“ Dann 
kehren die Schmerzen wieder. Schläfrigkeit am 
Tage und eine gewisse Unlust zur Beschäftigung. 
Verordn.: Natr. mur. 50. und Tuberc. 50. jeden 
7. Abend ein Pulver im Wechsel. 

20. October. Er hat sich ausserordentlich ge¬ 
bessert, fühlt sich aber noch recht schwach. Verordn.: 
Dieselbe Medication. 

14. December. Brustschmerzen haben sich ganz 
verloren. Befinden durchaus gut. Zunahme der 
Kräfte. Noch etwas Dämpfung. Respirationsgeräusch 
rechts fast so deutlich als links. Verordn.: Die¬ 
selbe Medication. 

13. März 1893. Regelmässige Fortbesserung und 
Zunahme der Kräfte. Dieselbe Medication. 

16. April. In Folge einer Erkältung wieder 
Brustschmerzen und Appetit minder. Die Erschei¬ 
nungen sprachen für Sepia, das ich schon für die 
Dauer mehrerer Wochen verordnete. Seitdem habe 
ich den Patienten nicht wieder gesehen. 

28) Friedrich Th., 14 J., wurde mir am 4. Juli 
1891 vorgestellt Er stammt aus einer Familie, 
deren mehrere Glieder an Schwindsucht gestorben. 
Er selbst ist mit allerlei scrophulösen Symptomen 
behaftet. Anschwellung der Tonsillen schon von 
Geburt an, jetzt Ozaena etc. etc. Eine nähere Auf¬ 
zählung der Symptome, sowie des anfänglichen 
Verlaufes der Krankheit ist für unseren Zweck 
ohne Bedeutung und wird daher unterlassen. 

Er bekam am 4. Juli Sepia X. ohne Erfolg, 
dann 9. August Sulph. X. mit demselben nega¬ 
tivem Erfolge; 5. November Natr. m. X. und 17. De¬ 
cember dasselbe Mittel, beide Male mit Erfolg, dann 
Calc. c. X., Sil. X., Caustic. X., am 27. Juli 
Tuberc. X. im Wechsel mit Caustic., dann am 
10. Septb. Sulph. und Tuberc. X. im Wechsel. Am 

l. Novb. wurde er mir wieder vorgestellt. Er ist 
den ganzen Sommer hindurch nicht bettlägerig ge¬ 
wesen, was sonst oft der Fall, und hat vom 1. Mai 
bis 1. Octb. 8 Pfund gewonnen. Verordn.: Natr. 

m. 50. und Tuberc. 50., jeden 5. Tag im Wechsel, 
am 27. Decb. dieselbe Medication. 

Am 28. Febr. 1893 dieselbe Medication, jeden 
7. Abend eine Gabe, am 13. Mai dasselbe. Nach 
Verbrauch der letzten Mittel wurde mir berichtet, 
dass er immer grösser und kräftiger geworden und 
dass Krankhaftes nicht mehr zu entdecken sei. Er 
war bisher in der Entwickelung zurückgeblieben. 

Man wolle beachten, dass Natr. mur. unter den 
früher gebrauchten Mitteln das einzige war, was 
einen mehr als rasch vorübergehenden Erfolg hatte. 
Ich bin der Ansicht, dass hier eine Complication 
von Malaria- und Tuberkelsiechthum vorlag. College 
Schlegel sagt in seiner Schrift „Innere Heilkunst“ etc. 
in Bezug auf letztere Kachexie, dass mit derselben 


eine ausserordentliche körperliche Schwäche Hand 
in Hand gehe. Ich kann, gestützt auf eine Reihe 
von Beobachtungen, dies nur bestätigen. Jahre, 
oft viele Jahre, ehe es zur Localisation des Lei¬ 
dens kommt, klagen die Patienten über diese ausser¬ 
ordentliche Schwäche bei sonst guter Ernährung. 
Es versteht sich von selbst, dass dieses der gün- 
stigsteZeitpunktfürjedeTherapie ist. Freilich müssen 
wir damit auf eine striktere Beweisführung ver¬ 
zichten und uns mit einer Wahrscheinlichkeits¬ 
rechnung begnügen. Wiederholte Untersuchungen 
der Brust hatten in dem vorliegenden Falle ein 
negatives Resultat ergeben. 

29) Frieda D., 3 J., wurde mir am 25. März 
1892 vorgestellt. Sie leidet seit längerer Zeit an 
einem Katarrh des rechten Thränensacks. Allgemein¬ 
befinden durchaus gut und keine Anomalie zu ent¬ 
decken. Nur Schweiss der Handteller; ging 1 1 / i 
Jahr alt. Verordn.: Calc. c. X., jeden 7. Abend 
eine Dosis. 

13. Mai. Keine Aenderung. In Erwägung, dass 
der ältere Bruder, der mit scropbulösen Geschwüren 
bedeckt war, durch Tuberculin vollständig geheilt 
wurde (im August 1894 konnte ich mich wieder 
davon überzeugen), verordnete ich Tuberc. X., jeden 
7. Abend eine Gabe. 

12. Juli. Das Leiden ist vollständig beseitigt. 

30) M., Sohn einer an Ozaena leidenden 37 jäh¬ 
rigen Frau, dessen „stets blutarme“ Schwester an 
„Brustkrankheit“ gestorben, consultirte mich am 
22. April 1892. Derselbe leidet seit dem 6. Jahre 
mit Unterbrechungen an Husten, früher auch an 
Nasenbluten; jetzt nicht mehr. Befinden recht gut, 
alle Functionen normal, Tonsillen geschwollen. 
Sputa geschmacklos, oft sich schwierig lösend. Ver¬ 
ordn.: Tuberc. X., jeden 7. Abend eine Gabe. 

31. Mai. Besser. Der Husten hat sich wesent¬ 
lich gebessert, die Expectoration der Sputa erfolgt 
leicht. Dieselben zuerst faul schmeckend, sind jetzt 
geschmacklos. 

3. August. Fortbesserung, die Tonsillen schwülen 
nur bei Erkältung an. Der Husten hat sich ganz 
verloren; der Nachtschweiss, dessen ich zu erwähnen 
vergessen, fast ganz. Verträgt Nasswerden der 
Füsse nicht. Verordn.: Sulph. und Tuberc. im 
Wechsel und Weisung, falls nach Verbrauch noch 
Krankhaftes vorläge, wiederzukommen, was nicht 
geschah. (Fortsetzung folgt.) 


Heilmittel bei Leberkrankheiten. 

Von T. S. Hoyne, M. D. 

Weil mein Thema mir bei der letzten Zusammen¬ 
kunft unserer Vereinigung (Materia medica-Club) 
gegeben wurde, b.edarf es wohl keiner weiteren 


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102 


Auseinandersetzung bezüglich dessen Charakters. Ich 
habe, so kurz wie möglich, das Gebiet dargestellt 
in Uebereinstimmung mit den Wünschen der damals 
versammelten Aerzte. 

Die vereinte Erfahrung der Mitglieder der 
homöopathischen Schule zeigt, dass mehr als 30 
Heilmittel empfohlen worden sind in der Behand¬ 
lung der verschiedenen Krankheiten der Leber. 

Aconitum steht an der Spitze der Liste gegen 
acute Congestion, oder acute gelbe Atrophie, gegen 
Affectionen während der Schwangerschaft und bei 
Neugeborenen. Die allgemeinen charakteristischen 
Symptome sind Ihnen bekannt und werden daher 
nicht aufgezählt. 

Aesculus Hipp, ist bei Congestion der Leber 
empfohlen, dabei Schmerz zwischen den Schultern 
oder unter der Scapula. Der Patient ist verzagt, 
trübe gestimmt, verdriesslich und leicht von Hämor¬ 
rhoiden geplagt, mit dem Gefühl von Splittern oder 
fremden Substanzen im Rectum. Dies ist eine Arznei 
von beschränktem Nutzen. 

Amica sollte bei Verletzungen der Leber nicht 
vergessen werden. 

Arsenic. palliirt oft die Symptome von Leber¬ 
krebs, falls es nicht heilt. Wenn diese Arznei an¬ 
gezeigt ist, so sind die Symptome verschlimmert 
von Mitternacht bis 3 Uhr Morgens und von 9 Uhr 
Vormittags bis Mittag. Bei Hepatitis mit schwarzem 
Stuhle, schwarzem Erbrochenen und dem charakte¬ 
ristischen Durste ist Arsenic . werthvoll. 

Belladonna hat oft acute Entzündung und gelbe 
Leberatrophie geheilt. Bell, ist bei Frauen und 
Kindern besonders nützlich. Wenn indicirt, findet 
man wohlausgesprochene Cerebralsymptome mit Kopf¬ 
schmerz über den Augen, Schlaflosigkeit, spasmo¬ 
dische Zuckungen. Der Schmerz in der Leber ist 
von Druck verschlimmert, ebenso von Husten, tiefen 
Inspirationen und von Liegen auf der rechten Seite. 
Verschlimmerung der Symptome 3 Uhr Nachmittags 
und wieder ungefähr um Mitternacht. 

Bryonia hat Spannen, Brennen und stechenden 
Schmerz in der Leber und Schmerzhaftigkeit der¬ 
selben bei Betasten. Der Schmerz in der rechten 
Schulter, der harte, trockene Stuhl, das biliöse Er¬ 
brechen nach dem Essen, die beschleunigte Respi¬ 
ration, die Verschlimmerung von Bewegung und 
der charakteristische Bryonia-Duxst vervollständigen 
das Bild. In acuter gelber Atrophie, complicirt mit 
typhoiden Symptomen, hat es sich als heilsam er¬ 
wiesen. 

Calcarea carbon. ist gelegentlich nützlich gegen 
Störungen der Leber bei scrophuiösen oder lym¬ 
phatischen Constitutionen. Heftiger ausstrahlender 
Schmerz von der rechten zur linken Seite, Perspira¬ 
tion hervorrufend; Leber beim Befühlen schmerzhaft; 
Alles schmeckt sauer. Milch wird nicht vertragen. 


Chamomilla ist das grosse Heilmittel sowohl für 
Kinder, als Erwachsene, wenn der Anfall durch 
Aerger und Verdruss hervorgerufen ist. Die Schmer¬ 
zen sind pressenden Charakters, paroxysmenartig, 
durch Bewegung etwas gebessert. Der Patient ist 
über sensitiv gegen Schmerz. 

Chelidonium ist ein ausgezeichnetes Heilmittel 
für Leberleidende mit Schmerz unter dem rechten 
Schulterblatte und schiessendem Schmerz von der 
Leber in den Rücken. Essen bessert den Schmerz. 
Ebenso bessern heisse Getränke, welche der Patient 
vorzieht, den Schmerz. Stuhl wie Schafkoth. Die 
charakteristischen Kopfschmerzen sind ziehend, drü¬ 
ckend, stechend, von der linken Hinterkopfseite bis 
in den Vorderkopf gehend. Dr. Buchanan empfahl 
es bei Gallensteinen. 

China war gleichwohl Dr. Thayer’s Heilmittel 
bei Gallensteinen, und nach langjähriger Erfahrung 
glaube ich auch, dass es das beste Mittel ist. Wenn 
Leberbeschwerden lange anhaltender Kränklichkeit 
oder excessivem Verluste animalischer Säfte folgt, 
so sollte es nicht vergessen werden. Die Schmer¬ 
zen sind stechend und drückend mit Geschwulst 
und Härte der Leber. Der Stuhl ist dunkel oder 
schwarz und der Durchfall schmerzlos, Nachts 
schlimmer. Grosse Schwäche und Hinfälligkeit. 

Digitalis ist ein Heilmittel, welches ich in der 
Behandlung von Leberleiden nie anwendete, weil 
ich nie dem charakteristischen Symptome, das es 
indicirt, begegnete — ein sehr langsamer Puls. 
Der Geruch von Speisen erregt Uebelkeit; Be¬ 
wegung ruft Erbrechen hervor und grosse Schwäche; 
die Stühle sind grau oder aschfarben, der Urin zu 
spärlich. 

Geisern, ist gelegentlich bei Entzündung der 
Leber indicirt, wenn dabei hohes Fieber ohne Durst 
ist. Dumpfer, schwerer Kopfschmerz, zumal im 
Hinterhaupte; Schwindel wie wenn berauscht; Zit¬ 
tern und Schwäche der Glieder; trüber, schwer- 
müthiger Blick. Geisern . ist ähnlich Aconit, in der 
Wirkung, hat aber den charakteristischen Durst 
derselben nicht. 

Hepar sulphur. ist das Heilmittel par excellence 
gegen Leberabscesse und für Falle, welche allo¬ 
pathisch mit Mercur. behandelt waren. Der Patient 
isst und trinkt hastig. 

Ipecacuanha . Raue empfiehlt diese Arznei gegen 
acute gelbe Leberatrophie, gegen Bluterbrechen und 
blutige Darmentleerungen. 

Ignatia ist das Damenheilmittel bei Leberleiden 
durch Aerger, Zorn oder Gemüthsqualen. Zucken 
eines Muskels zur Zeit; Frauen mit profuser, irre¬ 
gulärer Menses, leicht erschreckt und leicht be¬ 
leidigt; Frauen, welche keinen Tabaksgeruch oder 
! irgend welche starke Gerüche vertragen und hyste- 
| rische Individuen. 


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103 


Kali carbon. ist das grosse Lebermittel, wel¬ 
ches Stiche als das Hauptsymptom hat. Patient 
kann nicht auf der linken Seite liegen; die Stiche 
sind im Freien schlimmer. Stiche in der Leber nach 
acuter Hepatitis sind von diesem Mittel gebessert. 

Kali muriat. gegen Trägheit der Leber mit 
Schmerz in der rechten Seite und blasse, gelbe 
Evacuationen. Migräne. 

Lachem entspricht Leberleiden der Trinker und 
der Frauen in der Klimaxis. Verträgt an der Taille 
nichts Festanliegendes; excessiv stinkender Stuhl; 
Urin dunkel, fast schwarz; Drängen vor dem Stuhl, 
ähnlich wie hei Nua. vom., aber der constante 
Schmerz ist verschlimmert bei dem Versuch zur 
Entloerung und der Patient ist gezwungen, aufzu¬ 
hören. Leberahscess. Die Verschlimmerung der 
Symptome nach Schlafen ist deutlich ausgesprochen. 

Laurocerasus. Raue spricht von diesem Mittel 
bei der atrophischen Form der Muscatnussleber. 
Distension der Leberregion mit Schmerz wie von 
subcutaner Ulceration, oder als ob ein Abscess bersten 
wollte; erdfarbenes Gesicht; gelbliche Flecke im 
Gesichte. 

Leptandra ist gelegentlich werthvoll bei Schmerz 
in der Leber, gelber Zungenbelegtheit; Uebelkeit 
und Erbrechen; schwarzem Stuhl und dunklem, 
braunem Urin. Ausnahmsweise Delirium und com- 
plete Prostration. 

Lycopodium , obgleich zweckdienlich in acuten 
Processen, passt doch besser bei chronischen Uebel- 
ständen der Leber. Wundheitsschmerz in der Leber¬ 
gegend, von Druck verschlimmert; Bluterbrechen; 
schäumender Urin mit röthlichem Sediment; chro¬ 
nische Constirpation oder solche Diarrhöe; Ver¬ 
schlimmerung von 4—8 Uhr Nachmittags. Ver- 
driesslich beim Erwachen vom Schlafen. Der Lyco- 
podium-Patient ist aufgeweckt und aufmerksam. 

Mercur. war und ist das grosse allopathische 
Heilmittel für Leberkrankheiten. Solche, welche in 
der homöopathischen Schule Krankheiten nach Namen 
behandeln, folgen der allopathischen Richtung. Es 
ist gelegentlich das Mittel bei schwarzem Stuhl wie 
Pech, oder bei blutig-schleimigem Stuhl mit mehr 
oder weniger Tenesmus. Die Zunge ist weiss und 
schlaff, den Eindruck der Zähne reizend, und ist 
feucht; grosser Durst; profuser Speichelfluss; gelb¬ 
licher Gesichtsteint. Es ist am besten angewendet 
bei lymphatischen und scrophulösen Personen. 

Nur moschata entspricht Leberleiden nach Inter- 
mittens oder nach Erkältung. Die Leber ist ver- 
grössert, mit Schweregefühl in ihrer Region, und 
die Stühle sind blutig. Raue empfiehlt es gegen die 
atrophische Form der Muscatnussleber. 

Natrum mlphur. gegen Gelbsucht nach Ver¬ 
druss und Congestion der Leber, mit scharfen, stechen¬ 
dem Schmerz und Schmerz bei Betasten. 


Nur vomica hat man, gemäss oder ohne das Simile, 
gegen Hepatitis und andere Leberleiden gebraucht. 
So viele Fälle sind das directe Resultat allopathischen 
oder falschen Medicinirens, dass es oft erforderlich 
ist. Ebenso nach Missbrauch von Kaffee, Likör und 
Gewürzen passt es. Erregbarkeit, nichts passt dem 
Kranken; er hat Stiche, drückenden, pochenden 
Schmerz in der Leber, Verschlimmerung durch 
Druck und früh Morgens. Der Patient erwacht 
3 Uhr Morgens und kann dann nicht mehr ein- 
schlafen. Die Symptome des Magens und Intestinal¬ 
kanals, als Constirpation und saures, bitteres Er¬ 
brechen, sollten immer berücksichtigt werden. Man 
sollte keine zu tiefe Potenz wählen, falls eine per¬ 
manente Kur erwünscht ist 

Nitri acid. ist werthvoü nach dem Missbrauch 
des Mercur . in chronischem Derangement der Leber. 
Der Urin hat einen sehr strengen Geruch; zerren¬ 
der Schmerz im Rectum, noch lange nach dem 
Stuhle anhaltend; Stuhl meist verstopft. Personen 
mit dunkler Haut sind für dieses Mittel am besten 
passend. 

Plumbum . Bleivergiftung ruft heftig schneiden¬ 
den Leberschmerz hervor mit Galleerbrechen und 
blassgelber Gesichtsfarbe, Gelbheit der Augen und 
schwarzen Fäces, folglich heilt Plumbum diese 
Symptome. 

Podophyllum, oft als vegetabilisches Quecksilber 
bezeichnet, ist nützlich bei Torpidität der Leber, 
mehr als bei Congestion oder acuter Entzündung. 
Völlegefühl, Wundheitsschmerz und Stechen in der 
Leber; schwarzer oder grüner und wässeriger Stuhl. 
Heisse, sehr saure Blähungen; Aufstossen, wie faule 
Eier schmeckend; dunkler, brauner Urin. Zu oft 
ist diese Arznei volksthümlicherweise benutzt (in 
Amerika. D. Ueb.). 

Pho8phorus. Bähr behauptet im Allgemeinen, 
dass dieses eines der wichtigsten Leberheilmittel 
gegen entzündliche Krankheiten ist und besonders 
gegen acute gelbe Atrophie und Fettleber. Die 
Erfahrung zeigt gleichwohl, dass dieses Mittel an¬ 
dern schon genannten weit untergeordnet ist, be¬ 
sonders in diesem Lande (Amerika). 

Puhatilla ist weit nützlicher, besonders bei Frauen 
und Kindern. Der Patient ist ängstlich, frostig und 
durstlos; hat Durchfall mit wechselndem Stuhl, nicht 
zwei sind sich gleich; fette Substanzen schmecken 
unangenehm, sind zuwider, verursachen Unterleibs¬ 
schmerzen. Der Patient erkältet sich leicht und hat 
gewöhnlich irgend eine Sorte von Katarrh. 

Der S^wa-Patient hat dunkles Haar, eine dünne, 
zarte Haut und klagt oft über Leerheitsgefühl in 
der Magengrube; hat Schmerz in der Leber bei 
Fahren im Wagen; gelben Sattel überm Nasen¬ 
grund, gelbe Farbe der Sclerotica und um den 
Mund. Der Leberschmerz ist bisweilen anhaltend 


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104 


und pochend; es sind braune Flecke auf dem Unter¬ 
leibe und der Stuhl ist verstopft. Ist es eine weib¬ 
liche Patientin, so hat sie sicher Leucorrhöe oder 
Uterinleiden irgend welcher Art. 

Stlicea, neben ihrem Nutzen bei Leberabscess, 
sollte immer bei Härte und Distension in dieser Re¬ 
gion gegeben werden; der Stuhl ist hartnäckig ver¬ 
stopft, das Rectum scheint alle expulsive Kraft ver¬ 
loren zuhaben. Der Se7/cra-Patient hat eingewachsene 
oder verdickte, missgeformte, spröde Nägel und ist 
geneigt zu stinkenden Fussschweissen. 

Sulphur ist indicirt in fast allen Krankheiten, 
welche sich aufs menschliche Fleisch vererbt haben 
und so auch in Hepatitis. Es folgt gut nach Mercur, 
besonders bei psorischen Personen, mit oder ohne 
Härte und Geschwulst der Leber; Morgendiarrhöe 
mit schwarzem, lehmfarbenem Stuhl, von Tenesmus 
und Kolik begleitet; oder es mag vorhanden sein: 
oftes erfolgloses Drängen zum Stuhl mit Pressen 
aufs Rectum; der Patient hat Kälte und Fieber, 
oft hectisches, mit reichlichem Morgenschweiss. Er¬ 
brechen des Genossenen oder von Blut ist nicht 
ungewöhnlich. 

Zincum beendet natürlich die Liste. Dr. Hering 
heilte einen Fall von Verhärtung und Vergrösse- 
rung der Leber mit Fussgeschwulst und zwar mit 
der 30. Potenz dieses Heilmittels. Es ist ein Mittel, 
welches bei Leberkrankheiten verhältnissmässig selten 
erforderlich ist. 

(Aus „The Medical-Visitor“ übersetzt von 
Dr. med. Staads.) 


Zur Physik der Homöopathie. 

Der verehrte College Kunkel in Kiel hat uns 
mit einer kleinen Schrift in zweiter Auflage be¬ 
schenkt, welche den Titel führt: „Sind Stoff und 
Kraft Ursache und Wirkung? a Der hochgeschätzte 
Verfasser meint, dass die neuere Naturanschauung 
verschiedene Gebiete in der „Einheit des Lebens“ 
confundire, indem sie den Organismus als einen, 
wenn auch sehr complicirten Mechanismus ausein¬ 
anderzulegen versuche. Diese Ansicht verschulde, 
meint er, eine Reihe von Missverständnissen mit, 
unter welchen die Homöopathie zu leiden habe, 
speciell komme es bei den erfahrungsgemässen Heil¬ 
wirkungen hochpotenzirter Arzneistoffe gar nicht 
auf die allerdings verschwindend geringen Stoff¬ 
massen, sondern nur auf die besonderen Bewegungs¬ 
formen an, welche durch dieselben erregt und auf 
das Nervensystem übertragen werden. Bei fort¬ 
schreitender Verminderung des Stoffes werde die 
specifische Bewegung durch mechanische Arbeit 
Mes Schütteins und Verreibens) immer mehr frei 


gemacht, „das Medicament nimmt diejenige Form 
an, welche dem Nervensystem allein entspricht, die 
der Bewegung.“ Die Antwort auf oben gestellte 
Frage, ob Stoff und Kraft Ursache und Wirkung 
seien, lautet demgemäss: „Dei* Stoff ist nur insofern 
Ursache der Kraft , als ihm gewisse Bewegungen 
inneu'ohnm, die sich in Form von Aetherschwingungen 
anderen Körpern , so auch den Nerven miUheüen 
lassen . Der Stoff als solcher steht den Nerven in¬ 
different gegenüber.“ 

Wir schliessen uns dieser Anschauung als einer 
sehr beachtenswerthen Hypothese an und erklären 
damit unser weitgehendes Einverständniss. Schon 
in der weiland Internationalen homöopathischen Presse , 
Jahrgang 1876, habe ich einen Aufsatz „Zur Physik 
der Homöopathie“ veröffentlicht, in welchem ich 
für ganz ähnliche Ideen eingetreten bin, bezw. 
meine Fragestellung entsprechend formulirt habe 
und unter Anderm darauf hinwies, dass es einer 
Aufklärung bedürfe, wohin die beim Verschüttein 
der Hahnemann’schen Potenzen aufgewendete mecha¬ 
nische Arbeit gerate. Schon in den Sechziger 
Jahren hat Dr. Gustav Sclieve in einer Schrift 
„Die Zukunft der Medicin“ vom Kunkel’schen 
Standpunkte aus für die Homöopathie Partei ge¬ 
nommen. Er meint z. B., dass das Wildbader Wasser, 
dem wirksame Bestandtheile im gewöhnlichen Sinne 
abgehen, keineswegs arzneilicher Eigenschaften er¬ 
mangle. Dieselben Bestandteile könnten durch 
eine mitgetheilte Bewegung ganz andere Eigen¬ 
schaften annehmen, wie z. B. eine aus Domino¬ 
steinen gebildete Figur durch einen Stoss, oder wie 
das Eisen durch übertragenen Magnetismus. Col¬ 
lege Kunkel führt nun sehr zahlreiche und spre¬ 
chende Beispiele für seine der Homöopathie so sehr 
zusagende Ansicht ins Feld, besonders auch aus 
dem Gebiet der Heilquellenlehre, der allgemein an¬ 
erkannten Arzneiwirkungslehre und der Metallo- 
therapie, die durch Charcot’s Eingreifen für die 
Wissenschaft gerettet wurde. — Ob es zu diesem 
Zwecke aber notwendig war, tiefe metaphysische 
Fragen aufzuwerfen, also die Frage nach dem Ver¬ 
hältnisse von Stoff und Kraft überhaupt, scheint 
mir zweifelhaft. Ich bin weit entfernt, dem ver¬ 
ehrten Collegen eine Berechtigung in dieser Hin¬ 
sicht absprechen zu wollen, auch verkenne ich nicht 
eine gewisse Kluft zwischen belebten und un¬ 
belebten Wesen; dennoch habe ich mich in meinem 
eigenen Denken immer an die Einheit gewisser 
Erkenntnisse diesseits und jenseits der Homöopathie 
gebunden gefühlt und in dieser Richtung möchte 
ich mir erlauben darauf hinzuweisen, dass uns nach 
meiner unmassgeblichen Meinung die Thatsachen des 
homöopathischen Sonderbewusstseins nicht zwingen, 
z. B. das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und 
Gegenwirkung in seiner Geltung auf organischem 


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105 


Gebiete zu bestreiten. Dieses Gesetz ist ein ein¬ 
faches Axiom, welches mit zwingender Gewalt jede 
unserer Betrachtungen meistert; es wäre ein Miss- 
verständniss, wenn man dieses Gesetz nicht nur 
für einen Organismus, sondern auch für jedes mecha¬ 
nische System sine grano salis, d. h. ohne die viel- 
gliedrige Bedeutung eines Systems zu bedenken, 
ohne weiteres zur Anwendung bringen wollte. Das 
Gesetz gilt immer, aber es tritt nicht in die Er¬ 
scheinung, ausser unter ganz einfachen mechanischen 
Verhältnissen. 

Man braucht gegen den unverständigen Ein¬ 
wurf: „also muss ja unter unausgesetzter mecha¬ 
nischer Arbeit die Heilkraft der Medicamente in 
demselben Verhältniss vermehrt werden ,“ nicht zu 
dem Kunkel’schen Gegenargument zu greifen: „aus 
demselben Grunde nicht, aus welchem kein orga¬ 
nisches Wesen in seinem Wachsthum im geraden 
Verhältniss zur Wärmeerzeugung gefördert werden 
kann.“ Hier genügt schon das Beispiel der Dampf¬ 
maschine, deren Leistungen sich auch nicht nach 
Belieben durch Heizmaterial weiter treiben lassen. 
Ausserdem haftet Ha ’/kraft an sich keinem Stoffe 
an. //«'/kraft setzt schon eine Relation zu einem 
geschädigten Organismus voraus und kann nicht in 
der unorganischen Welt in Betracht kommen, son¬ 
dern bedarf eben der Synthese mit Lebendem, um 
überhaupt zu sein. Die organische Welt ist die 
Stätte indirecter Kräftewirkungen, der „ Auslosungen 
wie ich dies auch wiederholt in mehreren Schriften 
für die Gebiete der homöopathischen Naturerschei¬ 
nungen in Anspruch genommen habe. Weniger 
verwickelte Auslösungen giebt es auch schon auf 
unorganischem Gebiet; die verwickeltsten auf dem 
Gebiete des Nervenlebens. Wir können dadurch sehr 
viel erklären, ohne das „Quantitätsgesetz“ zutangiren. 

Solche Auslösungen organischer Kräfte sind es 
nach meiner Ansicht auch, welche zunächst durch 
die sehr kleinen aber specifisch gearteten Bewegungs¬ 
mittheilungen durch homöopathische Einflüsse be¬ 
wirkt werden. Das Weitere ergiebt sich im Getriebe 
des Organismus von selbst. 

Gustav Jaeger hat, ähnlich wie Kunkel, speci- 
fische Bewegungen als Grund der Heilwirkung der 
Stoffverdünnungen angesehen. Meines Erinnerns 
stellt er die Ansicht auf, dass die Schüttelarbeit in 
latente Wärme des Molekels umgewandelt werde 
und dass durch Stoffrarefaction die Molekeldistanzen 
sich riesig ausdehnten und übermächtige Schwin¬ 
gungen sich ergäben, eine Ansicht, welche sich 
theilweise deckt mit derjenigen von Crookes, dessen 
„Strahlende Mateide“ bei ungeheurer Verdünnung 
von Gasen durch ungestört geradlinige Fortbewegung 
(unter elektrischen Einflüssen) zu Stande kommen 
soll. Der grosse Unterschied in den Anschauungen 
besteht nun darin, dass Kunkel dem Stoff als solchen 


selbst schliesslich die Bedeutung abspricht, von ihm 
eine Aetherbewegung ausgehen lässt, die sich auf 
unsere Arzneikörper und auf unsere Leiber über¬ 
trägt, während Jaeger den Stoff als Kern der Arznei¬ 
wirkung beibehält und die Molekel mit künstlicher 
Schwingungsamplitude (Potenzen) selbst zur Heilung 
benützt. Darin giebt sich eben eine Differenz von 
sehr tiefgehender Bedeutung zu erkennen, die ich 
nicht erwähnt hätte, wenn nicht Kunkel selbst die 
Frage von Stoff und Kraft an die Spitze seiner 
Abhandlung gestellt hätte. 

Es ist bezeichnend, dass Kunkel schliesslich die 
Bewegung als den dem Nervenleben allein ent¬ 
sprechenden Factor bezeichnet, dass er am Stoff 
nichts von einer Kraftursache findet, als dass ihm 
gewisse Bewegungen innewohnen, während er selbst 
den Nerven indifferent gegenübersteht. So scheint 
der Stoff als eine taube Hülse, nachdem er seine 
Bewegungen abgegeben hat, wie wir diesen Process 
bei Herstellung von Arzneipotenzen vollführen. Es 
ist am Stoff nichts zweckentsprechend, als seine 
Bewegung. 

Was bleibt aber dann noch übrig, wenn der 
Stoff nicht die Ursache gewisser Bewegungen ist, 
die von ihm ausgehen? In welchem Verhältniss 
steht die ausgegangene Bewegung zu ihrem Kern 
oder zu ihrer Hülse? Ich meine, dass ein solcher 
Dualismus unhaltbar sei. Alles, was wir am Stoff 
überhaupt kennen und brauchen können, sind seine 
Bewegungen, seine Wirkungen. Der Umstand, dass 
solche immer wieder von neuem aus einem kleinen 
Stoffmittelpunkt hervorgehen, so lange dieser als 
solcher existirt, nothigt uns, diesem Centrum eine 
causale Rolle zuzuschreiben und so ist im physi¬ 
kalischen Sinn allerdings der Stoff Ursache der 
Kraft. Untersuchen wir aber die Sache genau, so 
lässt sich das Verhältniss auch von einer anderen 
Seite her beleuchten. Wenn nämlich, wie schon 
hervorgehoben, vom Stoff nichts übrig bleibt, als 
emanirende Kraft besonderer Art, d. li. ein ganz 
bestimmtes Bewegungselement und dessen unzer¬ 
störbare Constanz, so können wir gerade so gut den 
früheren Satz umkehren und sagen: Die Krajt ist 
die Ursache des Stoffs , nämlich desjenigen räum¬ 
lichen Erscheinungscomplexes, welchen wir eben 
Stoff zu nennen berechtigt sind. Es sind lauter 
Kräfte, in die sich schliesslich der Stoffbegriff auf¬ 
löst, z. B. die Widerstandskraft, welche für uns 
sinnlich fühlbar wird. Ilintei * den Kräften steckt 
nichts mehr als die Thatsache ihrer Centrirung in 
sehr kleinen Gebilden, d. h. die Sammlung und Be¬ 
grenzung in Einheiten. Hinter den Stoffen steckt 
aber sehr viel, was man ihnen nicht ansieht, wie 
wir Homöopathen recht gut wissen. „Wer weiss, 
w r as da im Raume spukt?“ hat ein geistvoller Mathe¬ 
matiker gesagt und hat damit den Stoff gemeint. — 


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106 


Auch für Kunkel sptikt es noch etwas im Ramne, 
indem er dem Stoff lieben der Kraft ei ne gewisse 
Existenz übrig lässt. Es ist besser, wir lassen den 
Stoff, d. h. den Spük direct verschwinden und 
definiren die Molekel mit netteren Philosophen als 
Kraftpunkte, besset Kraft wesen, Krafbcentren. Diese 
leisten alles, was die Wissenschaft und das Leben 
von ihnen verlangen mögen. Auf den Namen der 
Sache kommt es ja nicht an, doch ist Klarheit an- 
zustreben, Wenn die Fragen einmal aufgeworfen sind. 
Wer sich daran gewöhnt hat, stets an KraftcOntren 
zu denken, wenn von Stofftheilchen die Rede ist, 
der operirt viel leichter damit; anfangs allerdings ist 
es ungewohnt und man glaubt sich von einem ge- j 
wissen Stoffmassiv nicht trennen zu können, obwohl 
sich dieseB bei denkender Betrachtung leicht in 
lauter Kräfteerscheinungen uberführen lässt. 

Ob man schliesslich die zu Grunde liegende 
Weltanschauung materialistisch oder spiritualistisch 
nennen möge, ist wieder ganz nebensächlich und 
fast ein Wortstreit, wenn sich nicht Gedanken an¬ 
dersartiger Tragweite gerade hieran festknüpfen. 
Der naive Materialismus erscheint allerdings bei 
tieferem Eindringen in die Natur sehr in seiner 
Blosse, aber man kann auch auf andere Hypothesen 
eine Weltanschauung aufführen, die schlechter ist 
als gar keiue. 

Wenn es nun aber mit den kleinen Kraftwesen, 
Atome oder Molekel genannt, so steht, dass ausser 
Bewegungssystemen nichts hinter ihnen zu suchen 
ist, so haben wir mit der Thatsache des natürlichen 
Aufbaues und der Functionen der organischen Welt 
insofern zu rechnen, als wir den Kraftcentren, ge¬ 
rade wie den stofflich gedachten Atomen, die Fähig¬ 
keit zuschreiben müssen, in die verwickeltsten und 
höchsten Systeme einzugehen, bei denselben als 
Kraftquellen (stofflich ausgedrückt als „Bausteine“) 
mitzuwirken; etwa auch — wie dies bereits in der 
unorganischen Welt stattfindet — das eigene Be¬ 
wegungssystem mit andern entgegenkommenden Sy¬ 
stemen zu combiniren, zu modiffciren, doch unbe¬ 
schadet der Fähigkeit bei Zerfall des höheren Ge¬ 
bildes wieder auf seine ursprüngliche Bewegungs¬ 
form (Molekelbeschaffenheit) zurückzukehren. — 
Wenn der „Stoff“ so mit den von ihm getragenen 
Bewegungen identificirt wird, oder (anders ausge¬ 
drückt), wenn die Bewegungen so untrennbar mit 
ihrem constanten Schwerpunkten verbunden gedacht 
werden, so fragt es sich: Können wir uns Be¬ 
wegungen von den Kraftpunkten losgelöst und auf 
andere Systeme übertragen denken? Man kann 
dies insofern für unmöglich erklären, als unter diesen 
Voraussetzungen das Molekel nicht mehr nach de¬ 
finitiver Abgabe einer Kraftportion hülsenhaft fort- 
bestelicn könnte; sein „Selbst“ wäre angetastet oder 
vernichtet. 


Betrachten wir aber jedes kleine Molekel oder 
Atom als Dynamid von endloser Dauer und uner¬ 
schöpflicher Arbeitskraft, so erblicken wir in ihm 
ein Perpetuum mobile, welches unaufhörlich innere 
und äussere Klüfte geltend macht und, sobald es 
unter geeignete Aussenbedingungen tritt, Stösse, 
Verschiebungen, Schwingungen in anderen Gebilden 
hervorruft, die ihrerseits wieder nicht ohne Einfluss 
auf benachbarte Gebilde und Systeme bleiben. Es 
scheint demnach also nicht unbedingt nothwendig, 
dass unsere höheren Arzneipräparate den „Stoff“ 
noch selbst enthalten, nachdem es als möglich ge¬ 
dacht werden kann, dass sie nur von der „Kraft“ 
beeinflusst worden sind, während die Dynamide 
selbst anderwärts verweilen. — Es wäre mir er¬ 
wünscht, hierüber die Anschauungen anderer Col- 
legen zu hören. 

Tübingen. lSmil Schlegel. 


Caleuli pulmonales. 

Ein 4 5 jähriger, kräftiger Mann mit hochblonden 
Haaren, Kutscher und Ausreiter der Pferde, der 
vor mehreren Jahren eine Lungenentzündung über¬ 
standen und späterhin öfter an Bronchialkatarrhen 
gelitten hatte, bekam Anfangs September d. J. 
einen ziemlich heftigen Husten, bei dem zeitweise 
ein mit Blut gemengtes schleimiges Sputum abging; 
das Blut war erst dunkel, späterhin heller. — Als 
ich zu ihm gerufen wurde, hatte er einen fort¬ 
währenden, in kurzen Stössen auftretenden Husten, 
der sich mitunter zu heftigen, fast krampfhaften 
Anfällen steigerte und zeitweise jenen oben an¬ 
gegebenen Auswurf herausbeförderte. Beim Husten, 
aber auch beim tiefen Athmen hat er Stiche in der 
rechten Brusthälfte zwischen der 6.—8. Rippe. Die 
Percussion ergiebt keine Abnormität; beim Aus- 
cultiren hört man ein ziemlich grossblasiges Ras¬ 
seln sowie Pfeifen und Schnurren über die rechte 
Brust, besonders in der oberen Hälfte verbreitet; 
Fieber ist nicht vorhanden. Der Appetit gut, der 
Stuhl retardirt (während er vor Jahren an lang¬ 
wierigen Diarrhöeen gelitten). — Dyspnoö beim 
Gehen. Patient erhielt Ipec. 8. dil. 3 Mal täglich 
5 Tropfen. Hiernach liessen die Athembeschwerden 
etwas nach; der Husten kam seltener mit Blut- 
abgang. — An der schmerzhaften Stelle empfindet 
er ein Kratzen wie von einem scharfen Körper, der 
beweglich schien. Da bekam er am 12. October 
in den Morgenstunden einen äusserst heftigen, 
krampfhaften Hustenanfall mit suffocatorischer Athem- 
noth. Es kam wieder ein mit Blut gemischtes Spu¬ 
tum und endlich nach langer Anstrengung ein ring¬ 
förmiges, an der Oberfläche vielfach zerklüftetes, 
härtliches Kalkconcrement von mehr als Erbsengrösse. 
Das Loch desselben war mit blutigem Schleim gefüllt. 


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107 


Nachdem dies Corpus delicti zu Tage gefördert 
war, hörten die meisten Beschwerden sofort auf. 
Der Mann fühlte sich wie von einer Last befreit 
und ist derselbe seither, ohne irgend ein Residuum 
jenes Leidens, vollständig gesund geblieben. 

Dieses ist der zweite Fall von talkartigem 
Auswurfe, der bisher zu meiner Beobachtung ge¬ 
langt ist. 

Andral spricht sich in seiner Clinique mödicale, 
Bd. II, p. 106 u. ff. sehr ausführlich über die kalk¬ 
artigen Sputa aus, insbesondere aber über solche, 
welche bei Tuberkulösen gefunden worden sind. 
Er hat sie in der Mehrzahl bei jungen Personen 
beobachtet, von der Grösse eines Hirsekorns bis 
zu der einer Bohne (letztere freilich selten). In 
den Acten der Kopenhagener Akademie liest man 
die Geschichte einer Frau, welche in einem heftigen 
Hustenanfall einen Calculus von der Dicke der ersten 
Daumenphalanx auswarf. 

Morgagni berichtet von einem, der die Grösse 
eines Pfirsichkerns gehabt. Der Kranke versicherte, 
er habe deutlich gefühlt, wie dieser Stein auf der 
rechten Lunge in die Luftröhre gestiegen sei. 

Shenkins sah einen nussgrossen Calculus, den 
ein 14jähriges Mädchen entleerte. 

Andral beobachtete den Abgang von Kalk- 
concrementen in den verschiedensten Stadien der 
Lungentuberkulose. So sah er, wie ein junger 
Mann (ein Grieche) kleine Kalkstückchen auswarf, 
als sich die ersten Anzeichen einer Phthisis bei 
ihm offenbarten — das sei aber der seltenere Fall. 
Sonst geschieht es in der Regel*erst in dem vor¬ 
gerückten Stadium dieser Krankheit. So bei einem 
18jährigen Mädchen, die im letzten Zeitraum des 
Marasmus (bei grossen Lungencavernen) zwei Tage 
vor ihrem Tode ein Kalkstück von unregelmässiger 
Oberfläche, bohnengross, auswarf. Ein absonder¬ 
liches Symptom zeigte sich weder vor noch nach 
der Expectoration dieses Calculus. 

Was die Anzahl der ausgeworfenen Kalkconcre- 
mente betrifft, so ist sie um so häufiger, je kleiner 
diese sind. Das Dictionnaire des Sciences mödicales 
berichtet von einem Phthisiker, der während seiner 
letzten acht Monate mehr als 200 kleine Sternchen 
ausgehustet hat. — Die Bibliothöque mödicale von 
1820 theilt die Krankheitsgeschichte eines jungen 
Mädchens mit, welches in 3 Monaten 22 Concre- 
mente ausgeworfen hat, von denen das grösste den 
Umfang einer Kirsche hat. — Portal erzählt von 
einer Person, welche 500 Calculi entleert habe, von 
denen die ersten die Grösse eines Hirsekorns, spä¬ 
tere die einer Erbse hatten. Doch das sind Aves 
rarae. 

Die Formen der Lungensteine, ihre Farbe und 
sonstigen physikalischen Eigenthümlichkeiten sind 
sehr variabel. Bald sind es kleine, sandförmige 


Massen, zerreiblich, ähnlich angefeuchtetem Gypse, 
lassen sich unter dem Fingerdruck leicht zerquetschen, 
bald sind sie von grösserer Härte, wie Fragmente 
von härtestem Kiesel. Ihre Gestalt ist eiförmig, 
oder cyliadrisch oder globulös; bisweilen zeigen sie 
Verästelungen, als ob sie sich in mehreren kleinen 
Bronchialästchen gebildet hätten. Oefters ist ihre 
Oberfläche maulbeerartig. — Die chemische Analyse 
hat in ihnen bisher überwiegend phosphorsauren, 
nur selten kohlensauren Kalk nebst etwas minera¬ 
lischer Substanz nachgewiesen. 

Wie entstehen nun diese ausgeworfenen Calculi? 

In welehem Theil der Lunge haben sie ihren Sitz? 

Ein Theil derselben bildet sich sicher in den Bronchial¬ 
ästchen, wie ihre baumartige Form beweist, welche 
an die mancher Nierensteine erinnert, welche zu¬ 
gleich im Becken und in mehreren Kelchen der 
Nieren ihren Sitz hatten, und entwickeln sie sich 
aus dem Schleim der Bronchien. Dies mag der 
Fall sein bei den in grosser Anzahl innerhalb kür¬ 
zerer oder längerer Zeit entleerten, welche weder 
vor oder während oder nach ihrer Ausstossung be¬ 
sondere Störungen der Gesundheit zeigen. — So 
hat schon Aretaeus bemerkt, dass manche Personen 
kleine Concremente in ihrem Auswurfe hätten, ohne 
dass diese an besonderen Zufällen gelitten, und 
Oläus Borrichius erzählt von einem seiner Freunde, 
der seit 12 Jahren von Zeit zu Zeit heim Husten 
kleine Sternchen expeetorirte, ohne erheblich er¬ 
krankt gewesen zu sein. So verhielt es sich auch 
in dem oben nach Portal citirten Falle. 

Indessen giebt es Thatsachen, die dafür sprechen, 
dass solche Concremente, wenn auch aus den Bron¬ 
chien stammend, doch nichts Anderes seien als 
Fragmente ossificirter Bronchialknorpel. Hierher 
gehört folgender von Andral beobachteter Fall: Ein 
40jähriger Mann starb an der Schwindsucht in 
einem Falle von Hämoptysis, von der er aber früher 
schon mehrere Anfälle gehabt. Bei der Eröffnung 
der Bronchien ward Andral von dem Volumen und 
der Consistenz der diehten Knorpelsegmente der 
Bronchiolen frappirt. Zwei von ihnen, von der 
sonst ulcerirten Schleimhaut entblösst, waren so 
beweglich, dass man sie leicht mittels einer Pin- 
oette in die Höhle des Bronchus bringen konnte. 

Es ist nicht irrational, anzunehmen, sagt Andral, 
dass eine solche Loalösung spontan bei Lebzeiten 
des Patienten hätte eintreten können; das Knorpel¬ 
segment hätte sich dann in eine kalkige Concretion 
umgewandelt, die der Kranke später beim Expecto- 
riren ausgeworfen haben würde. So hat man ja 
auch bisweilen frei bewegliche Knochencremente 
im Lumen einer Arterie, losgelöst von deren Wan¬ 
dungen, angetroffen. 

In anderen Fällen können die ausgeworfenen 
Calculi direct aus einer Tuberkelhöhle stammen, 

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108 


der Stätte ihrer Entstellung. Zwei Mal fand An- 
dral in der That in weiten, mit Eiterflüssigkeit ge¬ 
füllten Cavernen eine missgrosse, harte und solide 
Kalkconcretion, deren Oberfläche von zahlreichen 
Rauhigkeiten bedeckt war. Diese Cavernen stan¬ 
den durch weite Oeffnungen mit den Bronchien in 
Verbindung, und es ist wahrscheinlich, dass die 
Kranken, wenn sie länger gelebt, diese Concremcnte 
beim Husten nach aussen geworfen hätten. 

Endlich giebt es Calculi, und zwar nicht weniger 
zahlreiche, welche sich im Lungengewebe selbst zu 
bilden scheinen. Wenn man indessen die baum¬ 
artige Form derselben berücksichtigt und ihre Con- 
figuration mit der der Blindsäckchen vergleicht, in 
welche die Bronchien endigen, so kommt man auch 
hier wieder zu der Ansicht, auch diese Concremente 
seien in den letzten Endigungen des Bronchial- 
baumes, also in den Lungenbläschen, ansässig. 
Hinsichtlich dieser letztangeführten Concremente ist 
noch eine andere Thatsache bemerkenswerth: sie 
sind fast immer mit Massen von tuberkulöser Materie 
untermengt. Ja, eine aufmerksame Beobachtung 
zeigt, dass eine Anzahl solcher Kalkconcremente 
ursprünglich Tuberkel waren, die sich nach und 
nach erhärtet, versteinert haben. In einer Lunge, 
wo man mehrere Calculi in der Mitte oder Nach¬ 
barschaft von Tuberkeln findet, sieht man, wie an 
anderen Punkten der Tuberkelstoff sich von den 
Charaktereigenthümlichkeiten des gewöhnlichen Tu¬ 
berkels zu entfernen beginnt; jener gleicht dann 
einem mit Wasser getränkten, stark erweichten 
Gypse. Wir haben kleine, zerreibliche, durch eine 
mehr flüchtige Substanz geschiedene Körner vor 
uns. Die Analyse ergiebt schon in dieser Varietät 
der Tuberkel etwas Kalkphosphat in einer grossen 
Menge Wasser und animalischer Substanz. Infolge 
längerer Austrocknung verdunstet das Wasser, die 
Moleküle nähern sich dichter, und diese noch halb¬ 
flüssige Masse nimmt schliesslich eine steinige Be¬ 
schaffenheit an.Diese allmählige Verkalkung 

des Tuberkels lässt sich in den Lungen in zahl¬ 
reichen Fällen sicherlich verfolgen. ... — Hieraus 
wird es erklärlich, wie das Expectoriren kalkiger 
Concremente so häufig von den Symptomen der 
Lungenschwindsucht begleitet ist. — Andral fasst 
zum Schlüsse die aus seinen Beobachtungen gezoge¬ 
nen Folgerungen in folgenden Sätzen zusammen: 

1. Eine Anzahl von Calculi pulmonales kann 
ihren Ursprung haben in den verschiedenen Ver¬ 
ästelungen des Bronchialbaumes. Dies zeigt post 
mortem der anatomische Befund. Während des 
Lebens kann man es annehmen, wenn vor oder 
nach der Entleerung der Calculi keine Zeichen von 
Phthisis pulmonalis bemerkbar sind. 

2. Die ernsten Symptome, welche der Expecto- 
ration von Calculi vorausgehen, sie begleiten oder j 


ihr folgen, hängen weit weniger von der Gegenwart 
derselben im Lungengewebe ab, als von dem gleich¬ 
zeitigen Vorhandensein von Tuberkeln. — Wir 
kennen nur sehr wenig Fälle, wo die Symptome 
von Phthisis sich infolge der Gegenwart einfacher 
Calculi in den Lungen gezeigt hätten. Bayle hat 
nur einen einzigen Fall citirt, und in diesem ist es 
nicht ausgemacht, ob nicht gleichzeitig Tuberkel¬ 
masse neben den Kalkconcrementen in dem Lungen¬ 
gewebe vorhanden gewesen sei. Die Phthisis cal- 
culosa Bayle’s ist jedenfalls eine sehr seltene Krank¬ 
heit, deren Existenz immerhin möglich, wenn auch 
nicht sicher erwiesen ist. 

3. Die Prognose in den Fällen von Kalkconcre¬ 
menten im Auswurf richtet sich nach der Consti¬ 
tution des Patienten, nach den anamnestischen Ver¬ 
hältnissen, sowie nach der Art der Erscheinungen 
während oder nach dem Auswurf der Calculi. 

Soweit der Altmeister Andral, dessen Clinique 
mädicale schon wegen seiner zahlreichen, gewissen¬ 
haften Beobachtungen einen bleibenden Werth für 
uns hat. — Die Obliteration von Tuberkeln durch 
Verkalkung hat er ebenfalls mehrfach bestätigen 
können; ob bei den Individuen, wo dies stattgehabt, 
besondere Neigung zu kalkigen Expectorationen 
vorhanden gewesen, ist klinisch nicht festgestellt. — 
Einer Quelle von solchen Sputis können wir noch 
erwähnen; wir meinen die Verkalkung von Bron¬ 
chialdrüsen. Wenn die Umgebung derselben er¬ 
weicht, so können die verkalkten Massen sich ab- 
lösen, durch die Athembewegungen in die Bronchien 
gelangen und schliesslich ausgeworfen werden. So 
findet sich in der Sammlung des pathologisch-ana¬ 
tomischen Instituts zu Strassburg, nach v. Reckling- 
hausen’s Angabe, ein Präparat, in dem ein scharf¬ 
kantiges Kalkstück aus einer Bronchialdrüse nicht 
nur durch die perforirte Wand des Bronchus hin¬ 
durch in diesen eingetreten war, sondern auch noch 
die gegenüberstehende Wandung desselben einge- 
schuitten hatte. Hier werden die durch die örtliche 
Reizung bedingten Störungen gewiss noch weit be¬ 
deutender gewesen sein, als in dem von uns beschrie¬ 
benen Falle, wo schon ein so kleines Kalkfragment 
sich so unangenehm bemerklich gemacht hat. 

Dr. Mossa. 


Vom BUchertisch. 

Der Praktiker. Von Dr. Albert Beibmayr. Leipzig 
und Wien, Franz Dentike. 1893. 4 Mark. 

Eine sehr günstige Recension des Collegen 
Kröner in der „Zeitschrift des Berliner Vereins 
homöopathischer Aerzte“ veranlasste mich zum An¬ 
käufe des obigen Buches, und ich muss gestehen, 
dass ich selten ein Buch mit mehr Genuss und 
auch Nutzen gelesen habe. Es ist, wie der Ver- 


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109 


fasser sich selbst ausdrückt, „nach heutigen Be¬ 
griffen ein recht unwissenschaftliches Buch,“ aber 
in dem Kampfe gegen die Schablone der Schul- 
medicin ruht der Werth des Buches. 

Einzelne herausgegriffene Sätze und Sentenzen 
werden den Leser am besten in den Geist des 
Buches einführen. 

„Der grösste Fehler eines jungen Arztes ist 
seine Unsicherheit, die er meist nicht im Stande 
ist zu verbergen und die dem Patienten das Ver¬ 
trauen schwächt oder nimmt. Dem Patienten geht 
es wie ganz kleinen Kindern, die auch unruhig 
werden, wenn sie von ängstlichen, zimperlichen 
Frauenzimmern auf die Arme genommen werden. 

Diese Unsicherheit entspringt meist aus der Un¬ 
sicherheit der Diagnose und dem, wenigstens für 
die Praxis, falschen Glauben, dass bei nicht richtiger 
JHagnose auch die Therapie nicht richtig sein könne . 
Das ist aber ein ganz falscher Satz. 

Erstens kurirt die Natur ja immer richtig und 
der Pationt ist also, auch wenn man sich in einem 
Falle nicht auskennt und mit seiner Therapie noch 
nicht im Reinen ist, nicht ohne Hilfe. 

Zweitens geht es ja in vielen Fällen den besten 
Aerzten so, und in solchen Fällen behandelt man 
eben symptomatisch; damit wird man selten ein Un¬ 
heil stiften. Wir haben ja keine specifischen Mittel 
und werden keine finden, daher wird unsere Be¬ 
handlung in der Mehrzahl der Fälle immer eine 
symptomatische bleiben. 

* * * 

Der Arzt ist ein Künstler, und wie jeder Künst¬ 
ler, will er ein echter Künstler sein, das wirklich 
Schöne in der Mannigfaltigkeit im Einfachen suchen 
und auf diese Weise eine individuelle Art und 
Weise zu arbeiten sich erwerben muss, so soll auch 
den echten Heilkünstler eine individuelle Manier 
zu kuriren auszeichnen. 

* * * 

Es führen viele Wege nach Rom und viele 
Methoden zur Gesundheit, nur sicher und unbeirrt 
von anderen Methoden muss mau seinen eigenen ein¬ 
fachen Weg wandeln , dabei aber immer zwei grosse 
Prinzipien im Auge haben, das eine heisst: 

Natura sanat, medicus curat, 
das andere: Nil nocere! 

* * * 

Ein Diener bist du der Natur und nicht ihr 
Herrscher sollst du und kannst du sein. Ja, je 
ein besserer Diener der Natur du bist, desto mehr 
scheinst du über sie zu herrschen. Der Arzt muss 
in dieser Ehe, die er als Arzt mit der Natur ein¬ 
geht, es machen wie kluge Frauen, die auch durch 
Nachgiebigkeit und zartes Anschmiegen die stärk¬ 
sten und charaktervollsten Männer zu beherrschen 


scheinen und auch bis zu einem gewissen Grade 
immer beherrschen.“ 

* * * 

„Mir kommt die heutige medicinische Schule, 
besonders an grossen Universitäten, wie eine 
Schwimmschule vor, wo die Schüler, auf schönen 
Blöcken gelagert, die Schwimmbewegungen ein¬ 
lernen; dann wirft man sie ins Wasser und kümmert 
sich nicht weiter, ob einer nun schwimmen kann 
oder ob er ersäuft.“ 

Humanität. 

Ein echter Schüler der heutigen medicinischen 
Methode setzt „den grössten Stolz in die Stellung 
einer richtigen Diagnose, die Heilung ist ihm so 
ziemlich Nebensache. Er ist lieber inhuman, als 
dass man auf den Glauben käme, er hätte die 
Diagnose nicht stellen können. 

Daher hat sich durch diese Richtung die Me¬ 
thode eingestellt, dass heutzutage den Patienten die 
fürchterlichsten Diagnosen , die nichts Antieres sind 
als Todesuriheile, ganz ruhig ins Gesicht gesagt 
werden . 

Das oberste Princip für den Praktiker muss 
immer bleiben: 

Primum est humanitas. 

Secundam scientia. 

Zunftgeist 

Keine Wissenschaft hätte mehr Ursache, etwas 
duldsamer gegen von aussen kommende Meinungen 
und Heilmethoden zu sein, als gerade die heutige 
Medicin, die fast, kann man sagen, zum nicht ge¬ 
ringen Theile von Ideen von Laien lebt. Da ist 
die Wasserbehandlung von Priessnitz eingeführt, 
da ist die Massage und schwedische Heilgymnastik 
von Lingg und Mezger, die Hypnose vom Laien 
Messmer eingeführt. Ebenso wurden die Diätcuren 
vom Laien Schroth wieder angeregt. 

* * * 

„Wenn die armen Patienten immer darauf warten 
müssten, bis es uns gelingt, zu einem Erfolg die 
wissenschaftliche Erklärung und Begründung zu 
finden, da wäre es schlecht um die Heilkunst be¬ 
stellt. Der Patient will, wie Billroth sehr richtig 
sagt, nicht die abstracte Wissenschaft consultiren, 
er will einfach geheilt werden, ob die Methode, 
nach welcher er geheilt wird, wissenschaftlich be¬ 
gründet ist, oder ob ihr dieser wissenschaftliche 
Stempel fehlt, ist ihm ganz gleichgiltig; im Gegen- 
theil, das Volk hat eigentlich heute noch immer 
einen instinctiven Widerwillen vor allen wissen¬ 
schaftlich begründeten Heilmethoden und geht ein¬ 
fach dem sicheren Erfolge nach und hat eigentlich 
dabei sehr recht.“ 


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110 


Temperatur und Puls. 

„Es ist für den Praktiker viel wichtiger, den 
Puls zu beobachten, als die Temperatur, die häufig 
zu prognostischen Irrthümem verleitet. Mir will 
scheinen, als wenn die moderne Medicin den Puls 
und seine Qualitäten zu sehr vernachlässigt und 
zu viel auf die Auscultation und Percussion giebt, 
deren Resultate viel schwerer zu beurtheilen und 
zu leicht zu Irrthümem führen, wenn man die Puls¬ 
qualitäten zu wenig berücksichtigt. 

Das richtige Pulsfühlen ist eine grössere Kunst, 
als man gewöhnlich glaubt und wer das gut ver¬ 
steht, ist gewiss ein guter Praktiker.“ 

Diät 

„Man kann das Princip auf stellen, dass für alle 
Menschen die Kost und die Speisen , die sie von 
Jugend auf gewöhnt sind, in der Regel auch die 
leichtverdauliclisten sind , wenn sie auch bei anderen 
den Ruf der schweren Verdaulichkeit für sich 
haben.“ 

„Nie schroffe Uebergänge in der Diät und nie 
für lange Zeit eine einseitige Diät.“ 

lieber den Werth der anbjeetiren Gefühle des 
Patienten. 

„Es ist unzweifelhaft ein grosser Fehler der 
heutigen Medicin, dass sie den objectiven Befund 
viel zu hoch schätzt und die snbjectiven Gefühle 
der Patienten zu wenig aehtet. Da wir Aerzte uns 
leider noch sehr häufig irren, so ist ein Factor, der 
sich, wenn man ihn zu deuten versteht, viel seltener 
irrt — das subjective Gefühl des Patienten — doch 
nicht zu vernachlässigen, im Gegentheile, dasselbe 
ist als ein sehr wichtiger und dem Arzte, der diesen 
Factor zu benützen versteht, als ein sehr verläss¬ 
licher Factor in der Prognose und Therapie der 
Krankheiten zu betrachten.“ 

* * * 

Wehe jenen Kranken, deren Arzt sich nicht 
als Diener der Natur, sondern als deren Herrscher 
dünkt. 

* * * 

Sicher ist das kein guter Arzt, der auf seinen 
Beruf schimpft. 

* * * 

Lerne vor allem Geduld haben, das rechnet dir 
der Kranke hoch an. 

* * * 

Sei nie aus Zeitmangel oberflächlich, es rächt 
sich jedes Uebersehen dreifach. 

* * * 

Man versuche einem Kranken eine Krankheit 
nie auszureden, sondern kurire sie weg. Eis giebt 


keine eigentlich eingebildete Krankheit, sondern nur 
falsche Diagnosen der Patienten. 

* * * 

Rede mit dem Patienten nur die Krankheit Be¬ 
treffendes; zeige aber auch für scheinbar Neben¬ 
sächliches Interesse. Das für den Patienten schein¬ 
bar Nebensächliche ist für dich oft die Hauptsache. 
* * * 

Der kluge Arzt individualisirt und wird dadurch 
zum Künstler; der schlechte liebt die Schablone 
und ist darum ein Handwerker. 

* * * 

Das erste Krankenexamen ist das wichtigste, auf 
dieses kommt meist alles an, hier zeigt sich die 
wahre Kunst des richtigen Praktikers. Ob lang oder 
ku?z, gründlich muss es sein, und die Art und 
Weise des ersten Examens bestimmt oft mehr den 
Ruf eines Arztes, als man meint 
* * * 

Wenn einer lange krank gewesen, wird er seihst 
ein Arzt. 

* * * 

Diese Proben mögen genügen. Der Verfasser 
verwirft in der Chirurgie die Schneidigkeit, in der 
Blutarmuth die schablonenhafte Eisentherapie. — 
„Ich glaube, dass sehr kleine, ja homöopathische 
Dosen hier vor allem am Platze sind, denn auf 
diese Weise schaden wir wenigstens nicht oder nicht 
viel und ist ja von vornherein klar, dass zuerst die 
Blutkörperchen da sein müssen, um das Eisen zu 
binden, also die Rücksicht auf die Ernährung die 
Hauptsache ist; dann kommt der Sauerstoff in Frage 
und zuletzt erst das Eisen, wenn man es über¬ 
haupt braucht“ — Er verwirft den Impfzwang, die 
Vielgeschäftigkeit in der Geburtshilfe, die einseitige 
Diät bei Behandlung des Diabetes und der Fett¬ 
leibigkeit, die einseitige Bekämpfung des Fiebers 
als solches. — »Das Fieber ist ein Heilmittel der 
Natur, welches diese grosse Heilkünstlerin selbst 
erregt, um in der Fieberhitze die in den Körper 
eiugedrungenen Schädlichkeiten, seien es nun Ba¬ 
cillen oder andere Gäbrstoffe, von denen wir die 
meisten noch nicht kennen, unschädlich zu machen 
und zu verbrennen.“ 

R. ist kein Homöopath; er beschäftigt sich spe- 
ciell mit Massage und Hydrotherapie. Wir legen 
als Homöopathen ein ganz anderes Gewicht auf 
die arzneiliche Behandlung wie er; aber abgesehen 
von diesem abweichenden Standpunkte bietet sein 
Buch eine Fülle des Interessanten und Belehrenden, 
und es ist durch seine Darlegung der allgemeinen 
Therapie, Betonung der Diätvorschriften, der Rege¬ 
lung von Einfuhr und Ausgaben des Körpers ge¬ 
eignet, einer Vernachlässigung dieses Gebietes von 
Seiten der Homöopathen entgegenzuarbeiten. 


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in 


l)or Anhang „Ausgewählte Aphorismen des 
Hippokrates“ machen das Buch noch werthvoller. 

Ich unterschreibe das Schlusswort des Collegen 
Kröner: „Keiner wird das Buch ohne Vergnügen 
und auch keiner — ohne Nutzen lesen. “ 

Dr. Messe-Hamburg. 

Perseaalia» 

Herr Dr. med. Gisevius jun. in Berlin hat das 
Dispensirexamen bestanden. 


Anzeige. 

Auf Wunsch des Herrn Dr. Kunkel in Kiel 
halte ich die von ihm bereiteten 0050. und 00100. 
Tuberculin-Potenzen auf Kügelchen übertragen für 
diejenigen Herren Aerzte, welche Nachprüfungen 
vornehmen wollen, zu Diensten und versende die¬ 
selben gratis gegen Portovergütung. 

Leipzig. 

A. Marggrafs homöopathische Officio. 


Anzeigen. 


Aufforderung. 

Das Therapeutische Taschenbuch für homöopa¬ 
thische Aerzte von Bönninghausen fehlt seit 
Jahrzehnten im Buchhandel nnd soll in wesentlich 
vermehrter, die Mittel bis auf die neueste Zeit 
umfassender, verbesserter Auflage neu erscheinen 
unter der Bedingung, dass die nicht unbedeutenden 
Kosten für die Herausgabe dieses Werkes durch 
Subscription gedeckt werden. Von einer allseitigen 
Theilnahme an dieser Subscription wird das Er¬ 
scheinen dieses, von Dr. Allen Und vielen ande¬ 
ren homöopathischen Aerzten für die Mittelwahl 
am Krankenbette nnd zum fruchtbaren Studium 
unserer Arzneimittellehre dem Praktiker unentbehr¬ 
lichen Werkes abhängen, Und werden deshalb 
die homöopathischen Aerzte ersucht, sich recht 
zahlreich an derselben zu betheiligen. Das Buch 
soll, wie früher, in Ocfcavformat erscheinen und 
wird ca. 30 Bogen stark werden. Der Preis des¬ 
selben stellt sich gebunden auf 10-—12 Mark. 

Die Subscription erfolgt und wird erbeten bei 
der Verlags- und Geschäftsstelle der „Allg. Homöo¬ 
path. Zeitung“, A. Marggrafs Homöopath. Officin, 
Leipzig, in deren Verlag auch eventuell dieses 
Buch erscheinen wird. 

Prima entölten horaöopath. Cacao. 
Feinste Homöopath. Gesundheits-Chokotade. 

Bei homöopathischen Curen ausser dem homöo¬ 
pathischen GesundheitskafFee als Getränke gestattet, 
empfehlen wir in reinsten und besten Qualitäten 
und in eigener Packung billigst: 

Entölten Cacao in Blechbüchsen 
4 1 Pfd. 4 % Pfd. 4 Va Pfd - 
4 2.80 4 1.50 4 —.80 Mk. 

Gesundheits-Chokolade 4 Pfd. = 2 Mark, 
in */ 4 Pfd.-Tafeln 4 50 Pf. 

Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack, 
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leichtester 
Verdaulichkeit. 

Homöopath. Centralapotheke 
von Täschner & Co. ln Leipzig. 


Gebildeter Ijale, 

Assistent (Hausapofkeker, Brlef^Corresp.) eines ho- 
möopath. approfb. Arztes, früher Kaufmann, sucht 
sieh, seinen Kenntnissen entsprechend, zu verändern. 
Offerten an die Exp, ü. Bl. sab A. Z. 15. 

v Diejenigen Herren * 

Homöopathen 

welche die grossen Wirkungen der 

dectrjtechen Behandlung 

namentlich bei chronischen Krankheiten beobachtet 
haben, bitte ich, als einer der leistungsfähigsten 
Fabrikanten electrischer Maschinen, sich mit mir in 
Verbindung zu setzen. Ein gutes Nebeneinkoramen 
ist ihnen gesichert. 

Gustav von Mayenburg, Dresden-Neustadt. 


Der Diabetes mellitas 


and seine 


von Dr. Theodor Kafka, 

Brunnenarzt in Carlsbad, 

Preis broschlrt 1,60 Mark, 
ist als Separstahdruck aus der Allg. homöopath. Ztg. er¬ 
schienen und wird in empfehlende Erinnerung gebracht. 
Zu beziehen durch 

A. Marggrafs Homöopath. Offlein, Leipzig. 

Homöopathische Mittel 

in Tabletteaform , 4 0,85 (9 ramm Gewicht. 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Ärzneigabe.) 

Besonders auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch. 

1 Cylinder a 12 Stück = 3 Gramm . . . Mk. —.20 


1 

(Flacon od. 
(Schachtel 

4 24 

91 

= 6 

99 

.-.30 

1 

v 

4 30 

99 

- 7,5 

*9 

. . . „ -.35 

1 


4 40 

99 

= 10 

99 

. . . „ —.45 

i 

>i 

a 50 

u 

= 12,5 


. . . „ —.55 

l 


4 60 

99 

= 15 

9* 

. . . „ -.65 

l 


4 80 

99 

= 20 

9* 

. . . „ —.75 

l 


4 100 

99 

= 25 

|9 

. . . „ —.00 

t 


4 120 

5 j 

= 30 

9 9 

. . . 1.10 

l 


a 150 

JJ 

= 37,5 

99 

. . . „ 1.35 

l 


a 200 


= 50 

99 

. . . „ 1.80 

l 

n 

4 400 

9? 

=100 


. . . ., 3.50 


A. Marggrafs homöopath. Offlein, Leipzig. 


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112 



Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst* 
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden 
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich 
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben 
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker. 

Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte 
kleine praktische 

Gift>Schränkchen 

und 

Separanden^Schränkchen 

anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. 

(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen 
vollste Anerkennung gefunden.) 

Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum- 
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern, 
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬ 
weitigen Zimmereinrichtung passen. 

Ein Giftschrftnkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und 
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen 
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen 
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer- 
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre 
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In 
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig- 
nirten GefUsse, als auch die entsprechend signirten Mörser, 
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier 
Thüren sind mit vorschriftemässigen Porzellanschildem ver¬ 
sehen. 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit 
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch, 
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M. 

Ein Separandenschrfinkcheit ist 70 cm hoch, 50 cm 
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬ 
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild 
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons k 15,0, 
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem 
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz 
roth auf weiss zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten- 
hefte). 

Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M. 

Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬ 
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Selirftnk- 
chen jetzt auch In einen Schrank vereinigt, vor- 
räthig. 

Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für 
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die 
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4 
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch 
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden 
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia. 

Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm 
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht 
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht 
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬ 
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann 
4 M. theurer). 

Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M. 

A. Marggraf g homöopath. Offlein in Leipzig. 


im Vorlage der Homöopathischen Central- 
Apotheke von Täschner & Co., Leipzig, und 
A. Marggraf 8 homöopathischer Offlcin, Leipzig, 

sind folgende empfehlenswerthe homöopathische 

Bücher und Schriften erschienen: 

Gross-Hering, Vergleichende Arzaeiwirkongslehre. 
1. Aufl. 1893. geb. M. 20.—. 

Bruckner, Homöopath. Behandlung der Angen- und 
Ohrenkrankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50. 
geh. 3.—. 

Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. 
brosch. 1. — . geb. 1.50. 

Homöopath. Volksschriften, Nr. 1 — 27, in diversen 
(1. —7.) Auflagen, k 10 Pfg. 

Hendriclis, Zahnschmerzen. Deutsch, 2. Aufl. 
1888, —.30. Holland., 1. Aufl., —.50. 

Allgemeine homöopath. Zeitung. 129. Band. (2. Halb¬ 
jahr 1894.) Halbjährlich 10.50. 

Hüller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, 
geb. 1.50. Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, 
geb. 2.50. 

Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.—, in Par- 
thien für Agitationszwecke billiger. 

La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Ho- 
meop&tico de Las Principales enfermedades 
Infecoiosas. 2. Aufl. 1893. brosch. 1.20. 

Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner 
Krankheiten, k 20 Pfg. 

Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. 
cart. 3. —, geb. 3.75. 

— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 
1.20, geb. 1.60. 

Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt 2. Aufl. 
1888. geb. 1.50. 


Zur Zuckerbestimmung im Harn, 

qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste 
uud Praktischste die 

Limonsin’schen Tropfenzähler 

mit genauer Gebrauchsanweisung und Berechnungstabelle 
ä Paar = Mk. 3.50. 

Die dazu gehörige Fehltng’sche Lösung, stets ganz 
frisch, wird in Glasstöpselgläsem ä 30,0 = 50 Pf. incl. 
Flasche abgegeben. 

Zur Eiweissbestimmung im Harn, 

qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste 
und Praktischste die 

Esbach’schen Albuminimeter 

mit genauer Gebrauchsanweisung k Mk. 3. 

Die dazu gehörige Lösung von Citronon- u. Picrinsäure 
gebe ich in jedem Quant, (ä 100,0 = 30 Pf. ohne Flasche) ab. 

A. Marggraf s homöopath. Offlcin in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Prunk von Julius Milsnr in Pnipzijg. 


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Band 129 


Leipzig, den ii. Oetober 1894 


No. 15 u. 16 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATIHSCHE ZEITEN«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig. 













114 


Wirkung erst dann eintrat, als er es in Substanz 
und zwar in ziemlich starker Dosis anwandte, wäh¬ 
rend es in der 3. Dilution nichts geleistet hat. 

Wir finden dieses interessante Gegenstück zu 
Dr. Kunkel’s Fall in v. Grauvogl’s „Lehrbuch der 
Homöopathie,“ 2. Bd., pag. 84, woselbst v. Grauvogl 
seine Beobachtung folgendermassen berichtet: 

„Eines Tages zu einem armen Patienten ge¬ 
rufen, dessen Arzt ihn schon seit 3 Tagen ver¬ 
lassen hatte, unter der Versicherung, es werde 
schon von selbst besser werden, fand ich einen 
Jüngling von 19 Jahren und von sehr kräftigem 
Körper. Er klagte über nächtliche unerträgliche 
Leihschmerzen, weshalb ihm sein Arzt allgemeine 
und örtliche Blutentziehungen gemacht, zum Ab¬ 
führen und auch Chamillenthee nebst einer weissen 
Arznei und warmen Ueberschlägen über den Leib 
gegeben hatte. Die Arznei war, wie ich fand, eine 
Oelmixtur mit Gummi arabic. und hatte natürlich 
ebenfalls nichts zum Besseren gewendet, im Gegen- 
theil, es hatten sich die nächtlichen Schmerzen 
derart gesteigert, dass Patient mit höchster Angst 
den Anbruch eines jeden Tages erwartete. Allein, 
da den Tag über und zur Zeit des ärztlichen Be¬ 
suches wenig zu klagen war, so schenkte der Herr 
Doctor wahrscheinlich diesen Aussagen keinen Glau¬ 
ben mehr. Als Ursache wurde eine Erkältung an¬ 
gegeben, erzeugt durch Schlafen in einer Wirths- 
stube, auf Stroh; es war Monat Januar, nach einem 
starken Marsche zu Fuss. Die gegenwärtige Klage 
lautete über ßrichtige Stiche in der Lendengegend; 
Harndrang; Schmerzen in den Gliedern; allgemeine 
Mattigkeit; wenig Appetit; siisslichen Geschmack; 
ihirst und Kopfschmerz in der Stirn und in den 
Schläfen . Die Untersuchung ergab auffallend ge- 
röthetes Gesicht, nichts Krankhaftes in den Brust¬ 
organen; Puls 100; Unterleib weich; Leber-, Milz- 
und Blasengegend frei. Schon das nächtliche Auf¬ 
treten dieser Schmerzen liess auf eine Nierenent¬ 
zündung schliessen, und ein tiefer Druck auf die 
linke Nierengegend wurde mit lautem Aufschreien 
vor Schmerz beantwortet, auch die rechte Nieren - 
gegend schmerzte ebenso sehr. Der Harn war dunkel, 
miss farbig, hatte ein zollhohes weisses Sediment, und 
über ihm lag eine von Blut stark geröthete granu - 
Urte Schicht von 1 / 2 Zoll — so dass über die Dia¬ 
gnose einer acuten desquamativen Entzündung bei¬ 
der Nieren kein Zweifel mehr war, wie dieselbe 
hernach auch durch meine mikroskopische Unter¬ 
suchung dieser Schichten bestätigt wurde, von denen 
die erstere aus Uraten, die letztere aus Blut und 
Faserstoffcylindem bestand. 

Die Therapie der physiologischen Schule, deren 
Anhänger jener Arzt war, hatte sich bereits als 
nicht entsprechend erwiesen. 

Nach der differentiellen Diagnose der Homöo¬ 


pathie war der Fall ein solcher, welcher die Indi- 
cation für die Anwendung von Coccus cacti ent¬ 
hielt. Von der dritten Verdünnung liess ich stünd¬ 
lich 5 Tropfen in Wasser nehmen, und den an¬ 
dern Tag erfuhr ich, dass die ganze Nacht ebenso 
schlaflos vor unsäglichen Schmerzen verlief, wie 
seit bereits sechs Tagen. Gewohnt, in acuten Fällen 
nach wenigen Stunden auf meine Ordinationen 
wenigstens wesentliche Erleichterung zu finden, galt 
mir diese Nachricht als ein Zeichen der absoluten 
Wirkungslosigkeit dieses Arzneikörpers. Nachdem 
unter dem Gebrauche noch einiger Heilmittel, die 
ich ferner, obwohl nicht so charakteristisch, für in- 
dicirt erachtete, der Kranke endlich von Kräften 
kam, die Schmerzen die qualvollsten wurden, schlug 
ich alle zu Gebote stehenden Erfahrungen aus allen 
Schulen nach, und konnte nach homöopathisch- 
differentieller Diagnose kein anderes der vielen 
Arzneimittel für angezeigt anerkennen als, und zwar 
auch nach Rademacher, ebenfalls die Cochenille . — 
Nun vermochte keine Skepsis und kein Dogma mich 
abzuhalten, Coccus cacti in Substanz aus der allo¬ 
pathischen Apotheke in Pulverform bereiten und 
dem Kranken davon stündlich einen Theelöffel voll 
reichen zu lassen. Meine Mühe wurde belohnt, in¬ 
dem die folgende Nacht die Schmerzen bedeutend 
geringer waren, die nächste Nacht noch mehr und 
am dritten Tage der Anwendung von Cocc. cacti 
auch kein Blut mehr im Urin zu finden war. Die 
nun folgende Nacht brachte seit 11 Tagen zum 
ersten Male wieder einige Stunden Schlaf, und 
Patient war in wenigen Tagen darauf von seinen 
Schmerzen, seiner Schlaflosigkeit etc. befreit.“ 

Wie kam das? fragt v. Grauvogl und ant¬ 
wortet: Offenbar nicht nur nach dem Gesetze der 
hier vorhanden gewesenen specifisclien Beziehung 
des Coccus cacti zu der Qualität dieser Nierenent¬ 
zündung, sondern auch aus der gegebenen Quan¬ 
tität des Mittels und diese Quantität besteht, wie 
fast das ganze Insect, aus Tyrosin, einem orga¬ 
nischen Stoffe, der so wenig wie das Pepsin in 
solchen Fällen höchstens für sehr sensible Subjecte 
und beschränkte Erkrankungen in einer Verdünnung* 
mit Erfolg anwendbar ist. Dieser Paragraph be¬ 
weist , dass , die Anwendung traditioneller Dosen 
nicht dogmatisch verwehrt werden kann. „Allein 
die Hauptsache ist — wenn auch in traditioneller 
Dosis gegeben, so geschah es zugleich nach dem 
Aehnlichkeitsgesetzej welches dem Arzt für alle zwei¬ 
felhaften Fälle die einzige leitende Maxime ist und 
bleibt.“ 

Ob v. Grauvogl Coccus cacti mit vollem Recht 
in eine Linie mit dem Pepsin setzte, scheint uns 
fraglich, wir möchten eher dies von der Schildlaus, 
Coccus cacti, einem zur Ordnung der Hemiptera ge¬ 
hörigen Insect gewonnene Präparat der Cantharis 


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115 


vesicatoria oder der Blatta an die Seite stellen. 
Doch, wie dem auch sei, wichtiger für die uns hier 
beschäftigende Frage ist eine Thatsache, welche 
sich bei den von den österreichischen Acrzten mit 
Coccus cacti vorgenommenen Prüfungen ergeben 
hat, dass nämlich gerade die höheren Föten zirungen j 
desselben bei einer Anzahl von Prüfern weit ent¬ 
schiedenere und deutlichere Wirkungen auf die Nieren, 
wie auf die Harnorgane überhaupt, hervorgerufen 
haben als die massiveren Gaben. Um dies zu be¬ 
gründen, wollen wir hier aus den im IV. Bande, 
3. Heft der ,,Oesterreichischen Zeitschrift für Homöo¬ 
pathie“ niedergelegten Prüfungsprotokollen einige 
bezügliche Belege beibringen. 

Die Mehrzahl der Prüfer bedienten sich bei 
ihren Versuchen einer Tinctur, die zu gleichen 
Theilen des Arzneistoffes und des Lösungsmittels 
dargestellt worden war, so dass also die 100. Ver¬ 
dünnung, mit der sie vielfach anfingen, der 15. 
Hahnemann’s entspricht. — Da finden wir bei No. XV. 
die von dem Dirigenten der Prüfungsgesellschaft 
Dr. Cajetan Wachtel mitgetheilten Ergebnisse: 

Am ersten Tag, wo er 3 Unzen der 100. Ver¬ 
dünnung genommen, bemerkte er eine ,,auffällige 
Sättigung des Urinsam zweiten Tage war er zu 
öfteren Ausscheidungen ungewöhnlich gesättigten 
Urins veranlasst. Bei 3 Unzen der 60. Verdünnung 
nahm der Harn ein trübes, wolkenartiges Aus¬ 
sehen an. 

12. Verdünnung: Druckschmerz in der Nieren¬ 
gegend. 

6*. Verdünnung: Die Menge des Harns schien 
nicht vermehrt, wohl aber war derselbe seit einigen 
Tagen dunkler, trüber und von penetrantem , am - 
hajlem Gerüche . 

IH. Verreibung. Druck auf die Nierengegend. 

II. „ dasselbe. 

I. „ Häufiger Drang zum Harnen. 

/ (Nachmittags.) 

Dann findet sich noch im Register als ein No. XV 
angehöriges, wichtiges Symptom, das ich aber ge¬ 
rade im Protokoll vermisse: Lebhaft, langgedehnte 
Stiche von den Nieren ausgehend und längs der 
Harnleiter sich in die Blase erstreckend. 

X. Dr. Ad. Marenzeller begann mit 10 Tropfen 
der 100 . Filution am 28. Januar, worauf aber keine 
nennenswerthen Erscheinungen folgten. Erst bei 
Wiederholung der gleichen Gabe 5 Tage später 
bekam er in der Nacht, um 5 Uhr Morgens er¬ 
wacht, in der rechten Niere einen ziehenden Schmerz, 
der sich in der Richtung des Harnleiters bis zur 
Blase zog. Gleichzeitig einzelne Stiche und einen 
anhaltenden dumpfen Druckschmerz in der Harn¬ 
röhre, in der Gegend der Fossa navicularis. 

Tags darauf: Den ganzen Tag hindurch einen 
dumpfen Druckschmerz in beiden Nieren, vorzüg¬ 


lich aber in der rechten, der bei äusserlichem Druck 
und bei Bewegung des Oberleibes noch deutlicher 
fühlbar wurde und erst gegen Abend verschwand. 

2 Tage später nach wiederholter gleicher Gabe: 

Der obige Druckschmerz kehrte abermals und zwar 
I heftiger zurück, der mit dem in die Blase sich 
ziehenden abwechselte. — Unwiderstehlicher Draug 
zum Harnen; der Harn wurde in ungewöhnlich 
grosser Menge und in dickem Strahle ausgeschie¬ 
den. Er erwachte Nachts 2 Mal über Drang zum 
Harnen, was jedesmal erst nach längerem Anhalten 
und mit Anstrengung (Harnzwang) erfolgte. 

6 Tage später 20 Tropfen der 100. Dil.: Den 
Tag darauf mehrmals plötzlicher Drang zum Harnen, 
Druckschmerz in der Nieren- (auch Herz-) Gegend. 

2 Tage später: Nachmittags ruhig sitzend, wird 
er plötzlich von einem ausserordentlich heftigen 
Schmerz in der Nierengegend, von beiden Seiten 
ausstrahlend, ergriffen. Dieser Schmerz hat etwas 
Krampfartiges, etwa wie der bei einer leichten 
Hodenquetschung entstehende, und milderte sich durch 
rasche Bewegung, Zusammenkrümmuug, Reiben des 
Unterleibes unter Blähungsabgang. 

Die beiden folgenden Tage wiederholte sich dieser 
1 Schmerzanfall, aber in geringerem Grade, und ebenso 
kamen in den nächsten 4 Tagen, wo er ohne Arznei 
blieb, noch kurz dauernde Anfalle dieser Art Nieren¬ 
kolik ; dabei reichliche Harnabsonderung und dumpfer 
Druckschmerz in der Harnröhre. 

Am 25. Februar nahm er 10 Tropfen der 60. 
Dilution. 

Nachts darauf: Erwacht um 5 Uhr mit unge¬ 
stümem Drang zum Harnen. 

Nach einer fast monatlichen Unterbrechung der 
Prüfungen begann er sie wieder am 25. März mit 
10 Tropfen der 12. Dilut. 

Am 26. Februar Morgens fühlt er wieder den 
Druck in der Nierengegend beider Seiten und eine 
kurze Mahnung an die früher beschriebene Nierenkolik. 

Am 28. Februar 20 Tropfen der 12. Dilut. 

Heftiger Drang zum Uriniren; die Menge des 
ausgeschiedenen Harnes erwies sich grösser als die 
des genossenen Wassers. Druck und Krampf in 
den Nieren, aber seltener als früher. 

Am 3. März heftiger Harndrang, worauf Aus¬ 
scheidung einer ungewöhnlich grossen Menge Harns, 
zuweilen mit Schmerz in der Harnröhre, als läge 
ein Hindemiss vor. 

Am 5. März 30 Tropfen der 12. Dil. 

Die vorerwähnten Symptome in den Harn¬ 
organen, besonders der Schmerz in der Harnröhre 
beim Uriniren, der jetzt heftiger, brennend und 
mit dem Gefühle verbunden war, als ob ein kleines 
Steinchen die Harnröhre hinabgleiten würde. Diese 
Beschwerden wiederholten sich. Nach Schluss der 
Versuche schwinden die Erscheinungen bald. 

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XI. Dr. J. 0. Müller nahm am 28. Januar (bei 
neblig-thauigem Wetter, bei -f- 3° R.) 20 Tropfen 
der 100. Dil. in 2 Unzen Wasser. Danach zeigten 
sich an diesem Tage die Harnausscheidungen selten 
und spärlich; der Harn war von dunklerer Farbe 
und roch ungewöhnlich ammoniakalisch und schien 
stark gesättigt. 

Am 19. Februar (dritter Versuch), 30 Tropfen 
der 60. Dilut.: Er musste den ganzen Tag hin¬ 
durch stündlich eine zwar nicht grosse, aber für 
ihn ungewöhnliche Menge blassen Urins lassen, der 
sich geruchlos und von dünnwässeriger Consistenz 
erwies. In der Nacht vom 21./22. Februar, sowie 
auch Morgens zeitig, musste er zum Uriniren auf¬ 
stehen (was sonst nicht der Fall war). Dumpfes 
Schmerzgefühl in den Lenden, genau der Lage der 
Nieren entsprechend. 

Am 26. Februar 40 Tropfen der 60. Dil. in 
4 Unzen Wasser: 

Harnfluss; stumpfer Schmerz in der rechten 
Nierengegend. Dieser hielt bis zum 6. und 7. Tage 
dieses Versuches an, begleitet von vermehrten Harn¬ 
ausscheidungen. 

Ein Versuch mit der 30. Dil. brachte nichts 
Bemerkenswerthes. Nach lOtägiger Pause 30 Tropfen 
der 3. Dil., am 22. März: Hiernach wieder starke 
Diurese; er musste fast jede halbe Stunde eine 
verhältnissmässig reichliche Menge eines schwach¬ 
gefärbten, alkalisch riechenden Harns entleeren. Am 
3. Tage danach minderte sich die Häufigkeit der 
Harnausscheidungen, überstieg aber noch immer 
das normale Maass, obgleich er fast kein Bedürfniss 
zum Trinken hatte. Auch zeigte sich wieder der 
dumpfe Schmerz in der rechten Nierengegend. 
Diese Erscheinungen hielten noch bis zum dritten 
Tage nach dem Einnehmen an. 

Während diese Prüfer, die mit Dilutionen der 
Cochenille von der 100. — 3. Dil. herab operirten, 
Einwirkungen dieses Mittels auf die Nieren- und 
Harnapparate überhaupt, der eine mehr, der andere 
weniger deutlich an sich wahrnahmen, wurden die 
Anderen, welche sich der Verreibungen bedienten, 
nach dieser Richtung hin auffallend wenig berührt. 
So zeigte sich an den Versuchen des Prof. Zlata- 
rowich (Nr. XVHI), welcher vom 18. Februar bis 
7. Juli, mit Ausnahme weniger Tage, jeden Morgen 
10 Gran der ersten Verreibung (im Verhältniss 
von 10 : 90) in einem halben Trinkglase Wasser 
nahm, nichts Besonderes, als dass er in einer Nacht 
ungewöhnlich wenig Urin liess — was vielleicht 
gar noch eine Heilwirkung gewesen sein mag? 

Nur bei XXIII, einem 25jährigen Mann, der 
am 20. und 21. Januar Morgens nüchtern eben¬ 
falls 10 Gran jener Verreibung nahm, finden wir 
angemerkt: sein Urin enthielt am Morgen des 24. 
einen ziegelrothen Niederschlag (von Phosphaten? 


Ref.), der sich beim Schütteln des Gefösses leicht 
erhob und der gesammten Flüssigkeit beimengte — 
eine Erscheinung, die sich am 25. wiederholte, wo 
der Harn, Nachmittags gelassen, bis zum Abend 
das gleiche Sediment absetzte, was bis zu Ende 
des Monats fortdauerte. Hier hätten wir denn eine 
durch eine niedere, materielle Dose der Coccus 
cacti bewirkte palpable Veränderung im Urin und 
also auch Einwirkung auf die Nieren. 

Aeltere Aerzte wollen beim Gebrauch der 
Cochenille Blutabgang im Urin beobachtet haben; 
da aber der Farbstoff des Mittels, das rothe Pig¬ 
ment, durch die Nieren ausgeschieden, dem Harn 
eine dunkelrothe Farbe verleiht (was auch beim 
Genuss der indischen Feige, Cactus Opuntia, der 
Lieblingspflanze der Coccus cacti, stattfindet), so 
mag das, was man im Harn für Blut gehalten hat, 
eben nur Coccus-Roth gewesen sein. Vielleicht 
war aber gerade dieser Umstand für die Alten 
eine Signatur zur Anwendung der Cochenille iu 
der Haematurie, wie ja auch Rademacher und. 
Kissel dieses Mittel in manchen Arten dieses 
Leidens als heilkräftig erprobt haben. 

Ob nun der lange fortgesetzte Gebrauch dieses 
Heilstoffes in massiver Dosis bei Gesunden schliess¬ 
lich eine wirklich ausgebildete Nephritis desqua- 
mativa mit blutigen Ausscheidungen, wie sie der 
Grauvogl’sche Fall darstellt, zu erzeugen vermag, 
ist durch die bisherigen Experimente nicht er¬ 
wiesen: aber das homöopathische Verfahren verlangt 
ja auch nicht, dass das Heilmittel genau dieselben 
anatomisch-pathologischen Veränderungen als wie 
die Krankheitsursache hervorbringen soll, sondern 
nur eine wesentliche Uebereinstimmung in den 
charakteristischen Erscheinungen des krank¬ 
machenden und heilenden Virus — und insofern 
hat Grauvogl recht, wenn er im Wirkungsbilde 
der Coccionella charakteristische Züge, die mit den 
bei seinen Kranken beobachteten übereinstimmen, 
erkannt und das Mittel also als homöopathisch an¬ 
gezeigt gefunden hat. Um so auffälliger muss es 
erscheinen, dass das Mittel erst in massiver Gabe 
der rohen Drogue seine heilkräftige Wirkung aus¬ 
geübt, da wir ja aus den Prüfungsprotokollen er¬ 
sehen haben, dass die höheren Verdünnungen ent¬ 
schieden kräftiger und deutlicher auf die Nieren 
eingewirkt haben als die niederen, massiveren 
Gaben. — Coccus cacti scheint, wenn wir von den 
in unserer Literatur veröffentlichten Krankheits¬ 
geschichten einen Schluss ziehen dürfen, von 
homöopathischen Aerzten im Ganzen wenig an¬ 
gewandt worden zu sein. Am meisten noch hat 
man es bei Kindern mit Keuchhusten gebraucht, 
zumal wenn die kleinen Kranken Morgens mit 
einem fast sufficatorischen Hustenanfall erwachen, 


bei dem sie einen hellen, klebrigen, in langen 

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117 


Strähnen sich dehnenden Schleim erbrechen oder | hat sich in Hunderten von Fällen gezeigt, dass die 
losräuspern müssen. In solchen Fällen hat das höheren Verdünnungen (6—15) einen heilenden Ein- 
Mittel in höheren Potenzen, gewöhnlich gab man fluss bei Kranken hatten. Bei den meisten Fällen 
die dreissigste, sich entschieden heilkräftig bewährt, waren Wiederholungen nötliig und in einigen wurden 
Ich selbst habe cs mehrfach im Keuchhusten ge- mit grossem Vortheile immer höhere Potenzen gegeben, 
braucht, wenn dabei eine Nierenaffection bestand, Die Hochpotenzen sind noch nicht versucht worden, 
die sich in verminderten Ausscheidungen eines ausser zum Abschneiden der Gichtanfälle.“ 
trüben, anUraten reichen, auch Eiweiss enthaltenden Wir sehen hieraus, dass, ähnlich wie die Coccionella, 
Urins äusserte. Ich habe es dann meist in der sich die Benzoesäure in niedrigen Gaben der rohen 
dritten Verreibung gegeben und die Wirkung war Drogue, sowie in mittleren, hohen, ja Hoch¬ 
eine deutliche, in kurzer Zeit heilende. Von einem Potenzen unter Umständen als heilkräftig erwiesen 
Collegen, der gern nach Rademacher verfährt, weiss hat und erweisen kann. Wie Dr. Kunkel in seinem 
ich, dass er mit ziemlich starken Gaben der rohen Fall bei mangelnder Wirkung der mittleren Poten- 
Drogue bei ausgesprochener Nephritis desquamativa zirungen die höheren erfolgreich fand, so erwähnt 
oder, was ja dasselbe besagt, frischem Morbus ' C. Hering das stufenweise Aufsteigen von niederen 
Brightii, der sich zum Keuchhusten gesellte, recht I zu höheren Gaben als in manchen Krankheitsfällen 


günstige Erfolge erzielt hat. — 

Uebrigens hat College Kunkel und andere 
homöopathische Aerzte mit manchen der Rade- 
macher’schen Organmittel, für welche die diffe¬ 
rentielle Diagnose auf Grund des Simile theilweise 
noch nicht völlig festgestellt ist, auch in höheren 
Potenzirungen Heilerfolge beobachtet. — Und 
treffen wir denn nicht auch bei der Benzoesäure, 
einem nicht minder hervorragenden Nieren - Mittel 
als die Coccionella, ein der letzteren sehr analoges 
Verhalten an? „Die Benzoesäure, sagt C. Hering 
in der Einleitung zu den Prüfungen dieses Mittels, 
heilt nach Jeans Erfahrungen sehr viele Krankheits¬ 
fälle, wo der Harn von gesättigter Farbe und sehr 
starkem Harngeruch ist, einerlei, ob dies von harn¬ 
sauren Niederschlägen begleitet ist oder nicht, ja 
vielleicht weniger, wenn dies stattfindet — und 
zwar in Gaben , zu gering , als dass diese Wirkung 
chemisch könnte erklärt werden“ Und, was hierbei 
noch höchst sonderbar ist, diese Säure bewirkt beim 
Gesunden nicht einmal solchen Urin, wie beschrieben, 
sondern vielmehr einen aromatischen. An einer 
anderen Stelle fügt Hering hinzu: Der Einfluss 
dieser Säure auf die Nieren ist nicht nur , wie bei 
vielen Stoffen, deren Uebermass durch die Nieren 
fortgeschafft werden muss, ein, ich möchte sagen, 
äusserlicher , sondern muss einer sein auf die Ver¬ 
richtung der Nerven , welche die Nierenthätigkeit 
bestimmen, also ein mehr innerlicher . Die kleinsten 
Gaben ändern den Harn in so kurzer Zeit und 
so entschieden, und so auffällig, wie wir es nur 
bei wenigen anderen Mitteln und auch nur an¬ 
nähernd wiederfinden. — Was die Gabengrösse 
betrifft, so heisst es bei Hering: „Zu den gedachten 
Aenderungen des Harns sind Va* 7io> 7ao Gran 
der unveränderten Säure hinreichend, wie sich mit 
der grössten Entschiedenheit herausgestellt hat. 
Giebt man mehr, so setzt es sich um, aber diese 
Umsetzung in Hippursäure ist es nicht, welche die 
Wirkung macht. Mit ebenso grosser Bestimmtheit 


sehr vorteilhaft. 

Unter welchen Umständen aber wir bei einem 
Kranken, bei dem dieses oder jenes Mittel homöo¬ 
pathisch (oder als Organmittel) angezeigt ist, die 
niederen, mittleren, höheren oder gar allerhöchsten 
Gaben anzuwenden haben, hierüber erhalten wir 
keinen Aufschluss. Was soll nun hier den Ent¬ 
scheid geben? Nun, das klinische Experiment, 
die individuelle Reaction des einzelnen Kranken. 
Mau darf eben nicht das Heil des Kranken ä tout 
prix auf eine aus besonderen theoretischen Er¬ 
wägungen gewählte Gabengrösse setzen, sondern^ 
bei ungenügendem Erfolge in der Dosenscala, sei 
es auf-, sei es niedersteigen. Die ganze Scala 
steht dem homöopathischen Arzte offen; es giebt 
für ihn keine officinelle Dosis. Bei der differentiellen 
Wahl des homöopathisch angezeigten Mittels können 
und müssen wir auf den uns gebotenen Prüfungen, 
den pathogenetischen Wirkungen eines Heilkörpers 
fussen, obwohl uns auch hier oft die klinische 
Probe erst die Richtigkeit des Exempels zeigt. Bei 
der Wahl der für einen gegebenen Fall erforder¬ 
lichen Gabengrösse, der individuellen Justa-dosis, 
sind wir erst recht auf dieses Experiment hin¬ 
gewiesen. Dieses allein kann auch nur für die 
Grenze der Wirksamkeit unserer Mittel entscheiden; 
die Makrodosisten dürfen den Hochpotenzen, und 
wenn sie bei deren Höhe auch von einem Schwindel 
befallen werden und eine wissenschaftliche Gänse¬ 
haut bekommen, a priori ihr Recht nicht ab¬ 
sprechen, aber andererseits sollen die Hochpotenzier 
von ihrem erhabenen Standpunkte aus die Kunst¬ 
genossen, die sich lieber in der mittleren oder mit¬ 
unter gar in der niederen Sphäre des unveränder¬ 
ten Heilstoffes bewegen, nicht verächtlich ansehen; 
nam et heic dei, d. h. Heil wir klangen unter ge¬ 
wissen Umständen! — Schiedlich — friedlich 
mögen sie unter dem Dache der Homöopathie 
wohnen und ihres Berufes zum Wohle der Mensch¬ 


heit walten! 


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118 


Die gastrischen und hepatischen Symptome 
von Anacardium. 

Von Dr. T. L&ird. 

Vortrag in der Homoeopathic Medical society 
des Staates New-York. 

In der Behandlung der atonischen Dyspepsie 
ist, sagt Redner, kein Mittel von ihm öfter ver¬ 
wendet worden als Anacardium — und doch zeigt 
sich bei Durchmusterung unserer Literatur, dass 
der Werth desselben von den meisten Aerzten noch 
nicht genügend gewürdigt wird. Lilienthal hält 
es angezeigt „bei Dyspepsie mit Flatulenz bei be¬ 
ständigem Verlangen zu essen, das augenblicklich 
erleichtert, aber der Hunger ist niemals gestillt, 
und Schmerz und Beschwerde kann wieder durch 
Essen beschwichtigt werden — er muss selbst bei 
Nacht etwas essen.“ Er deutet darauf hin, dass 
diese Symptome gemeinhin von geistiger Ueber- 
anstrengung bedingt sind — was aber nach Dr. 
Laird’s Erfahrung nicht der Fall ist, da die Mehr¬ 
zahl der Anacardium erfordernden Patienten nicht 
unter den Kopfarbeitern gefunden wird, der Ana¬ 
cardium-Patient weit entfernt vom nervösen Ban¬ 
krott ist. 

Farrington sagt: „Sie werden bemerken, dass 
# der Kranke die meiste Zeit hungerig ist; er fühlt 
sich besser beim Essen, aber schlechter nach dem 
Essen . . .“ Es ist sonderbar, dass diese feinen 
Beobachter das von Allen und C. Hering hervor¬ 
gehobene Charakteristikum übersehen haben sollen: 
„Während des Mittagessens verschwinden fast alle 
Symptome; zwei Stunden danach kehren sie aber 
wieder.“ 

Es handelt sich meist um chronische Fälle mit 
wenigen, aber wohl ausgesprochenen Zeichen: Etwa 
zwei Stunden nach jeder Mahlzeit ist ein Schwäche¬ 
gefühl, ein Gefühl von Hinsein, im Magen, ver¬ 
bunden mit einem dumpfen Schmerz, der sich bis 
zum Rücken bin erstreckt — in manchen Fällen 
ist dieser Schmerz im Rücken stärker als im Epi- 
gastrium. Im Unterleib zeigt sich mässige Gas¬ 
anhäufung, aber nicht jene unleidliche Spannung 
und Ausdehnung, wie wir sie bei Argentum nitric., 
Carbo veg. und Lycopodium etc. finden. Es findet 
ein häufiges, meist geschmackloses, selten saures Auf- 
stossen statt. Die Herzthätigkeit ist oft unregelmässig 
und aussetzend; gelegentlich eine kleine Uebelkeit. 
Alle diese Erscheinungen werden durch Essen erleich¬ 
tert, kehren aber nach Verlauf von zwei Stunden 
wieder und dauern mit allmählig zunehmender Hef¬ 
tigkeit, bis Patient wiederum isst. Dies Programm 
wird mit unveränderlicher Regelmässigkeit den gan¬ 
zen Tag und einen Theil der Nacht festgehalten. 
In der That, die einzige Zeit, wo der Magen nicht 


nach „mehr“ schreit, ist während der zweistündigen 
Pause nach dem Essen und während des Schlafes. 
Demzufolge ist der typische Anacardium-Patient 
kein gewinnbringender Kostgänger, sondern ein 
wahrer „ Frühstücks-Wärwolf.“ 

Dabei kommen häufige An falle von Magen¬ 
krampf, und zwar gewöhnlich bei Nachtzeit, vor. 
Der Schmerz beginnt im Magen und zieht sich 
nach dem Rücken, zwischen die Schultern, beglei¬ 
tet von dem schon beschriebenen opigastrischen 
Schwächegefühl; gebessert wird er durch Aufsitzen 
im Bette, durch starkes Reiben des Rückens, durch 
starkes Aufstossen und Essen. 

Der Unterleib kann normal functioniren oder 
verstopft sein — und diese Verstopfung ist dann 
charakterisirt durch einen häufigen und heftigen 
Drang mit der Empfindung, als ob ein fremder 
Körper im Mastdarm sässe; sobald der Kranke zum 
Nachtstuhl geht, geht jedoch der Stuhldrang vorüber. 

Die Gemüthssymptome sind weder beständig 
noch charakteristisch. Manche Patienten sind hei¬ 
ter, andere verzagt und missmuthig; hier und da 
finden wir etwas Gedankenverwirrung und Gedächt¬ 
nisschwäche; aber die tiefe Gemüthsveränderung, 
welche diesem Mittel eigentümlich ist, ist in jener 
Art von Dyspepsie nicht zugegen. 

Wir können hier nun einige Arzneien einer 
kurzen Vergleichung mit Anacard. bei dieser Er¬ 
krankung unterziehen. Kali carb., Natrum carb., 
Phosphor, Sepia und Sulphur haben ebenfalls jenes 
Schwächegefühl im Epigastrium, während Chelid., 
Graphit., Mezereum und Petroleum dem Anacard. in 
der Besserung der gastrischen Störung durch Essen 
ähnlich sind; es unterscheidet sich jedoch leicht von 
allen diesen durch die regelmässige Wiederkehr 
der Symptome, mit dem Glockenschlag in zwei 
Stunden nach dem Essen. Kali phosphoricum hat 
auch jene Gasanhäufung im Unterleib, häufiges 
Aufstossen, Schwäche und Hinsein-Gefühl im Ma¬ 
gen und Erleichterung durch Essen; der Kali 
phosph.-Patient zeigt indessen grössere Abspannung 
und Erschöpfung und mehr ausgesprochene Zeichen 
von Neurasthenie. 

Natrium phosph. steht Anacard. noch näher, 
denn es hat nicht bloss dieselbe Schwäche und 
Schmerzhaftigkeit im Magen, sondern selbst das 
Auftreten der Symptome zwei Stunden nach dem 
Essen und ihre Fortdauer bis zur nächsten Mahl¬ 
zeit Was es unterscheidet, ist die vorherrschende 
saure Beschaffenheit der Se- und Excretionen, 
Wasserschwulken, Brennen im Epigastrium, über¬ 
mässig saures Erbrechen. 

In der Pathogenese von Anacardium ist kein 
Anzeichen, dass es specifisch auf die Leber wirke; 
der folgende Fall zeigt jedoch, wie es unter Um¬ 
ständen bei Leberaffectionen nützlich sein kann: 

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119 


Ein ca. 3 5 jähriger, gesund aussehender Farmer 
consultirte Dr. Laird wegen eines dumpfen Schmer¬ 
zes im rechten Hypochondrium, der trotz allopa¬ 
thischer Behandlung und patentirter Mittel seit 
mehr als einem Jahre bestanden hat. Dieser 
Schmerz, immer durch Essen erleichtert, kehrte 
immer zwei Stunden danach wieder, wurde allmäh- 
lig stärker, um bei der nächsten Mahlzeit auf eine 
kurze Frist zu pausiren. Der rechte Leberlappen 
erwies sich bei der Untersuchung vergrössert und 
druckempfindlich. Kein anderes, weder objecti- 
ves noch subjectives Symptom war aufzufinden. 
Eine Indication für ein Lebermittel war nicht ge¬ 
geben, und so gab Dr. L. Anacardium, 3 mal täg¬ 
lich (welche Dosis? Ref.) des Versuchs wegen. In 
sechs Wochen war Schmerz, Schwellung und Em¬ 
pfindlichkeit gänzlich verschwunden. 

Ein oder drei Jahre später stellte sich ein 
leichtes Recidiv ein, aber jedesmal brachten wenige 
Gaben desselben Mittels bald Hilfe. — Die letzten 
zwei »Jahre blieb das Leiden ganz aus. 

(North American Journal of Homoeopathy. 

Angust 1894.) 


Referat Uber die Versammlung der 
schweizerischen homöopathischen Aerzte 
am 8. und 9. September 1894 in Baden. 

1. Eröffnung der Sitzung durch Präses Dr. 
Grubenmann; er bewillkommt die anwesenden Mit¬ 
glieder, dankt den geehrten auswärtigen Gästen für 
ihre Anwesenheit, sodann geht er über zu einem 
flüchtigen Rückblick auf den Zustand der Homöo¬ 
pathie in der Schweiz und in Deutschland, streift 
dann die neuesten, auf die Homöopathie bezüg¬ 
lichen literarischen Erzeugnisse im Lager der Allo¬ 
pathie: Schulze , Arndt, Sperling , Robert. 

2. Anwesende: Grubenmann (St. Gallen), Mende , 
Fries , Oberholzer (Zürich), Meschlin , Sigrist (Basel), 
Mitzinger (Arau), Pfänder , Luginbühl (Bern): 

Als Gäste: Göhrum (Stuttgart), König (Andels¬ 
buch-Vorarlberg), Kernen' (Weingarten), Pfeifer (Eber¬ 
hardzell). Also im Ganzen 13 Anwesende. 

Ihre Abwesenheit entschuldigen: Bruckner (Basel), 
Bataxdd (Genf), Bek (Monthey), Buchhalter (Thun), 
Greusing sen. (Feldkirch). 

3. Der Protokollführer verliest das Protokoll 
der letzten Zusammenkunft, 8. September 1893 am 
Rheinfall bei Schaffhausen. 

4. Dr. Oberholzer trägt vor eine Abhandlung 
über Add. picric. und Ferr. picricum. 

Da diese Arbeit wahrscheinlich nicht gedruckt 
wird, der Gegenstand jedoch manchem unter den 


Lesern nicht so genau bekannt sein dürfte, so wird 
etwas ausführlicher darüber referirt. 

Die Veranlassung, diesen Arzneistoff zu be¬ 
handeln, lag in der Thatsache, dass Ferr. picricum 
ein wichtiges Mittel ist in gewissen Fällen von 
Schicer hörig keil und Ohrensausen . Der wirksame 
Bestandtheil ist wohl die Picrinsäure: der Abhand¬ 
lung zu Grunde liegen die Arbeiten von Farrington, 
Cooper (Cowperthwaite). 

a) Add. picricum. 

Wirkungssphäre: Blutzersetzend, daher in psori- 
rischen Affectionen verwendet. —r Hirn und ver¬ 
längertes Mark (Erweichungsprocesse), Rückenmark 
(Paresen). Gemüth und Intelligenz: Gleichgültigkeit, 
Willensenergie herabgesetzt, Erschöpfungsgefühl. 
Kopfweh, Schwindel. 

Verschlimmerung: Bücken, Aufstehen, im ge¬ 
schlossenen, warmen Raume. — Besserung: Festes 
Umbinden, von kalter Luft. 

Der Kopfschmerz strahlt aus vom Hinterkopf 
und Nacken nach dem Rückgrat. 

Augen: Grosse Trockenheit, Funken vor den 
Augen, Nebel, wie ein Schleier. 

Ohren: Brennen der Ohrmuschel, Summen, 
Zischen. 

Nase: Tendenz zu Blutung, mit Schleim an¬ 
gefüllt. 

Mund: Voll klebrigen Speichels, dicker Schleim 
auf den Tonsillen. — Kaltwasser-Durst, Halserschei¬ 
nungen, schlimmer links, nach Schlaf; besser nach 
Essen. 

Unterleib: Gespannt, scharf stechende Schmerzen. 

Stuld: Oelig, von starkem Geruch, Brennen im 
After. 

Männliche Genitalien: Nächtliche heftige Eree- 
tionen, eigentlicher Priapismus. 

Weibliche Genitalien: Schmerzen im 1. Ovarium, 
vor der Menstruation Pruritus vulvae. 

Ä 6 «p 2 rafoonsor^an 0 :TrockenerHu 8 ten,Zusammen- 
schnürungsgefühl (Cactus), Herzthätigkeit flatternd. 

Rücken: Ziehend brennende Schmerzen. 

Schiceiss: Kalt und klebrig. 

Allgemeines: Verschlimmerung der Symptome 
nach geistiger und körperlicher Anstrengung, nach 
Schlaf, nach Bewegung. — Besserung: kalt Wasser, 
Ruhe, frische Luft 

Klinische Indicaüonen: In Folge der unzweifel¬ 
haften Einwirkung auf das Centralnervensystem 
bei Erweichungszuständen (nach Apoplexie?); Er¬ 
schöpfungszustände nach Geistesanstrengung, Ge¬ 
hirnerschöpfung nach Typhus. — Neurasthenie 
(Verschlimmerung bei der geringsten Anstrengung). 
Hysterie (Schmerz im 1. Ovarium). — Leukorrhoe 
vor der Menstruation. Chronische Taubheit nach 
lang dauerndem Kopfweh. 

Sidmcuie und chronische Nephritis: Als Anti- 


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120 


psoricum bei Disposition zu Acne und Furunkeln 
im Nacken und hinter den Ohren. 

Analoge Mittel: Phosphor hat mehr Reizbarkeit 
gegen äussere Einflüsse. Phosphor acid. Oxalsäure 
(Schmerz im Rücken auf einzelnen Stellen). Arg. 
nitr. Silic. 

b) Ferrum picricum. 

Dieser Arzneistoff ist etwas bekannt nur durch 
Anwendung bei Kranken, nicht durch methodische 
Prüfung an Gesunden. Beobachtet wurde er nach 
, / 50 bis Vioo Gran: Nächtliche Schweisse, grosses 
Angstgefühl nach dem Aufwachen. Zahnneuralgie, 
nach den Ohren und Augen ausstrahlend. Ver¬ 
stopfung, Kopfschmerz, nach Essen gebessert. Ure¬ 
thralschmerz. 

Angewendet bei chron. Gicht mit folgenden 
leitenden Symptomen: Schwäche der Stimme, Schwere¬ 
gefühl in der Lebergegend, Stauungserscheinungen 
der Leber, Congestives Kopfweh. In allerlei hart¬ 
näckigen Krankheiten des Gehörorganes: Chronische 
Schwerhörigkeit, Tinnitus aurium, wenn diese Ge¬ 
hörleiden mit gichtischer Diathese verbunden sind. 
Es werden hier 2 Formen der gichtischen Ohren¬ 
erkrankung unterschieden: 

1. Ohrmuschel steif, hart, Meatus trocken. Hier 
passt Ferr. picricum. 

2. Mehr entzündliche Form: Ohrmuschel ist 
hypertrophirt, viel Cerumen. Trommelfell röthlich 
und verdickt. Vorsicht bei Ausspritzungen, indem 
dieselben oft verschlimmern. Hier passt Chinin, 
sulf. 6. —12. Potenz. 

Dr. (Hierholzer gab in einem Falle bei einer 
alten Dame wegen Ohrensausen und Schwindel 
Ferr. picr. 04. mit raschem Erfolg. In einem an¬ 
deren Falle gab er gegen ein ähnliches Leiden zuerst 
Ferr. acet. 02. ohne, dann Acid. picric. mit Erfolg. 

In der daran sich auknüpfenden Diskussion be¬ 
merkt Gruhenmann , dass auch Bruckner in seiner 
Arbeit über Gehöraffectionen der Picrinsäure Er¬ 
wähnung thut. Von den Ohrenausspritzungen hat 
er in einer langjährigen, ziemlich frequenten Ohren¬ 
praxis keine Nachtheile gesehen, wohl aber vom 
Wasserschnupfen und von den nicht richtig aus¬ 
geführten Nasendouchen. 

Pfänder wendete Acid. picric. 12.—30. an bei 
Neurasthenie, allgemeiner Ermüdung, mit Erfolg 
und Froes macht aufmerksam als erprobt Calcar. 
picrata 03. in Furunkulose (Amica), Carbunkeln, 
beginnendem Abscesse. Hier steht das Mittel weit 
über Hepar, Silic., dagegen hat er Acid. picr. bei 
Neurasthenie mit wechselndem Erfolg gegeben. 

Mende kennt Ferr. picr. als gutes Mittel bei 
Nasenbluten. 

Referent: Picric. acid. von Charge gegeben auf 
Grund von Augenxymptomen in einem Fall von 
Tabes dorsualis im Anfangsstadium. 


Zwingenberg gab Kali picronitr. 02—03. in 
Icterus simplex. 

6 . Tractandum: Mende verliest seine Arbeit über 
Ovaritis; diese aus der vollen Praxis herausge¬ 
schriebene klare Abhandlung wird in einer Zeit¬ 
schrift erscheinen. In der folgenden Diskussion er¬ 
wähnt Pfänder eines Falles von rechtsseitiger Ovaritis 
bei einem 18 jährigen Mädchen. Apis hatte keinen 
Erfolg. Lachesis brachte Besserung. — Sigrist macht 
aufmerksam auf Cimicifuga und bei gleichzeitiger 
Stuhlverstopfung auf Podophyllum. Hydrastis da¬ 
gegen hat mehr Beziehung zum Uterus. 

Meschlin erwähnt das Aur. mur. natr. bei vor¬ 
handenen Reflexerscheinungen auf den Magen, ähn¬ 
lich Pulsatilla. Sigrist hat nach Anwendung von 
Aurum vorübergehend Melancholie eintreten sehen. 
In einem Fall von empfindlichem Uteru9 tumor, 
wo er gegen die stechenden Schmerzen mit gutem 
palliativem Erfolg Cimicifuga gab, trat nach Ver¬ 
abreichung von Aurum, Graphit., Sulfur., Apis, 
Lycopod. das gänzliche Verschwinden des Turner ein. 

Angeregt durch eine Zwischenfrage nach den 
Erfahrungen über Wirksamkeit der Bäder bei 
Ovaritis kam diese noch immer in Diskussion sich 
befindende Frage zur Sprache, nämlich, wie ist die 
Wirkung der Bäder, insbesondere der Soolbäder zu 
erklären. 

7. Göhrum-Stuttgart verliest einen Aufsatz über 
die sog. Weihe’sche Methode. Es war uns allen 
sehr lehrreich, aus dem Munde eines Mannes be¬ 
lehrt zu werden, der mitten in dieser mühevollen 
Arbeit steht. Gegenwärtig scheinen die epidemischen 
Verhältnisse, die so sehr schwanken, wegen der 
Complicirtheit der Druckpuncte für das Studium 
des Anfängers nicht günstig zu sein. Da hoffent¬ 
lich auch diese Arbeit in der „Allgemeinen“ er¬ 
scheinen wird, so wird hier nur der Eindruck be¬ 
richtet, den der Vortrag auf die Anwesenden 
machte. 

Angenommen, dass äussere Einflüsse, seien es 
klimatische, atmosphärische, oder seien es in den 
Körper eingeführte Stoffe, wie die Arzneien, eine 
bestimmte Wirkung auf den menschlichen Organis¬ 
mus ausüben, so ist diese anfänglich sehr feiner , 
man möchte sagen, fast seelischer Natur; der erste 
Eindruck geschieht aufs Nervensystem. 

Wenn nun schon die bisherige physiologische 
Forschung uns manche wunderbare Beziehungen 
der einzelnen Nervencentren zu der Peripherie des 
Körpers dargethan hat, so ist die Constatirung der 
Weihe’schen Druckpunkte, wenn sie sich als eine 
constante, gesetzmässige Erscheinung bestätigen, 
ein ebenso feines wie nützliches Reagenzmittel für 
die atmosphärischen (epidemischen) und arzneilichen 
Einflüsse. Nützlich besonders für denjenigen 
Praktiker, der auf dem Standpunkte des Simile steht. 


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m 


Wir haben dem Vortrag die Ueberzeugtmg ent¬ 
nommen, dass, seit dem diese Methode auf experi¬ 
mentellen Boden (durch Göltrum) gestellt worden 
ist, die Weihe’sche Methode einen grossen Schritt 
vorwärts für die Homöopathie bedeutet, denn 

1. Es wird eine genauere Kenntniss der Arznei¬ 
mittel verschafft, namentlich objeetive Symp¬ 
tome betreffend. 

2. Die verwandtschaftliche Beziehung der ein¬ 
zelnen Mittel und Mittelgruppen wird klarer 
dargethan; so ist z. B. Phosph. acid. nicht 
mit Phosph., sondern mit Lactuca virosa 
wirkungsverwandt. 

3. Wir können durch diese Forschungen er¬ 
warten, Licht zu bekommen in den so 
schwierigen posologischen Fragen. 

4. Auch über die Wirkungsdauer der Arznei¬ 
mittel im allgemeinen und bei den einzelnen 
Individuen erhält man Aufschluss. 

5. Endlich dient eine Arzneimittelprüfung, nach 
Weihe’s Methode vorgenommen, dazu, die 
Reinheit der Arzneipraparate zu constatiren. 

Wir sind Herrn Göhrvm nicht erst dankbar für 
seine mühevolle Forschung und für seine Mit¬ 
theilungen, möge er und seine Genossen die wobh 
verdiente Anerkennung und Unterstützung von 
Seiten seiner Collegen finden. 

Der beschäftigte Praktiker jedoch müsste sich 
sagen, dass die Mitteldiagnose nach Weihe derzeit 
noch nicht anwendbar, weil zu zeitraubend ist: 
qui verra, vivra. 

Hiermit waren unsere Tractanden erschöpft. Es 
blieb nur noch übrig, die nächste Versammlung zu 
bestimmen und zwar wurde diese auf II. Sonntag 
September 1895 nach Zürich festgestellt und als 
Tractanda 1. Nephritis, Ref. Meit de , 2. Terebinthina, 
Pfänder angenommen. 

Zürich wurde hauptsächlich gewählt, um wo¬ 
möglich noch mehr persönliche Berührung zu er¬ 
halten mit unseren süddeutschen Collegen. 

Der Hauptwerth solcher jährlichen Zusammen¬ 
künfte liegt nicht sowohl in Behandlung einzelner 
wissenschaftlicher Fragen, als vielmehr im freund¬ 
schaftlichen collegialen Austausche von Ansichten 
und Erfahrungen; da lässt sich Manches sagen und 
hören, was nicht geschrieben und nicht gelesen 
werden kann. Der Referent: S. Luginbtihl. 


Dermatitis herpetiformis. 

Vortrag des Dr. Washington Epps, dirigirendem 
Arzt in dem London Homoeopathic Hospital, in der 
British homoeop. Society. Februar 1894. 

Die in Rede stehende Hautkrankheit, welche 
man gegenwärtig als Dermatitis herpetiformis oder 


Hydroa herpetiforme bezeichnet, kommt selten vor; 
der englische Dermatologe Crocker stellt fest, dass 
sie unter 1000 Fällen von Hautkrankheiten ein 
Mal vorkommt. 

Geschichtliches . Diese Hautaffection ist den älte¬ 
ren Dermatologen wohl bekannt gewesen, aber, 
erst in neuerer Zeit hat man sie als eine beson¬ 
dere, umschriebene Species erkannt und classificirt. 
Willan nannte sie Pompholyp pruriginosas, Hardy 
Pemphigus pruriginosus, Hebra Impetigo herpeti¬ 
formis, Unna und Crocker rangiren sie unter die 
Hydroa herpetiforme, s. Pruriginosum, und Duhring 
in Philadelphia unter Dermatitis herpetiformis. 

Wir gehen gleich auf die Beschreibung des 
von Epps beobachteten Falles los, um ein concretes 
Bild der Krankheit zu gewinnen. 

Eine 55 jährige Frau hatte als Erwachsene 
fast durchweg in Indien, besonders im hochgelegenen 
Theile, gelebt. Sie hatte vier Kinder, das letzte 
nach einer Zwischenzeit von 14 Jahren. Ihre Eltern 
hatten niemals an einer Hautkrankheit gelitten. 

Im Mai 1890 hatte sie eine sehr heftige In¬ 
fluenza epidemica zu bestehen; sie lebte damals in 
dem Flachlande, wo die Hitze jenes Jahres uner¬ 
träglich war. Nach einigen Wochen begab sie sich 
per Bahn nach Simla; sie war sehr leicht ge¬ 
kleidet, führ in der Richtung des Zuges, um den 
durch diesen veranlassten frischen Luftzug recht 
zu gemessen. Dabei zog sie sich nun eine starke 
Erkältung zu. 

Im December 1890 bemerkte sie zuerst das 
Hautleiden. Es zeigte sich zuerst als ein kleiner 
Fleck auf der linken Gesichtsseite. Nach einiger 
Zeit erschienen mehrere runde Flecken, wie Ring¬ 
flechten, auf den Armen und später längliche 
Flecken an den Handgelenken. Seit December 
1890 hatte Patientin vier Mal solche Eruptionen ge¬ 
habt; der Ausschlag war aber in der freien Zeit 
nie vollständig verschwunden. — Während der 
2 1 /» Jahre, seitdem das Hautleiden bestand, hatte 
sie schon verschiedene Behandlungsweisen erfahren. 
Davon waren die hauptsächlichsten: 

1. Eine fünfwöchentliche Badekur in der Schweiz, 
die ihr für eine Zeit gut zu thun schien. 

2. Ein berühmter Londoner Dermatologe liess 
sie fünf Wochen im Bette liegen, den ganzen Körper, 
von Kopf bis zu den Füssen, mit Carbol-Oel ein¬ 
feuchten, gab aber keine innerliche Medicin. — 
Diese örtliche Behandlung schlug ganz fehl. 

3. Zwei andere Londoner Autoritäten, die das 
Leiden als ein neurotisches auffassten, verordneten 
vier Monate lang Arsen., wovon Patientin drei Mal 
täglich */ 4 Gramm, nach der Mahlzeit, einnahm. 

Status praesens am 8. Juni, wo sie Epps zum 
ersten Mal sah: 

Das Allgemeinbefinden der Patientin war sehr gut, 


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abgesehen von gelegentlichen Bronchial-Katarrhen. 
Ihre Verdauung, trotz dem langen Arsengebrauch, 
ungestört. Puls 72, Temperatur normal, blieb es 
auch selbst während jener Hauteruptionen. — 
Zunge weiss, mit Schleim dick belegt. Der Urin 
liochgeröthet, specifisches Gewicht 1018, ohne 
Eiweiss oder Zucker. 

Der Ausschlag bedeckte die ganze Körperober¬ 
fläche, weniger deutlich an den Wangen und an 
der Stirn. Er bestand in Flecken, welche im All¬ 
gemeinen rund oder oval, von der Grösse eines 
Schillings bis zu der einer Hand, stellenweise zu- 
sammenliefen und unregelmässige geschlängelte 
Flächen bildeten. Die Flecken waren von dunkel- 
rother Farbe, zeigten in der Mitte eine hellere 
Schattirung, während die Ränder, qtwas erhaben, 
dunkler waren. Die Haut über den* Flecken war 
weich, abgesehen von den Rändern, wo sich zahl¬ 
reiche Bläschen, von der Grösse eines Punktes bis 
zu der eines Senfkornes, erhoben. Diese Vesi- 
culae waren, wenn frisch entstanden, halbdurch¬ 
scheinend und enthielten eine klare, schwach alka¬ 
lische Flüssigkeit; die älteren erschienen gelblich 
oder bräunlich. — Wo die Haut dünn war, wie 
an den Beugeseiten der Achseln, der Leisten und 
Ellbogen, erschienen die Blasen grösser, Bullae, 
bis zur Grösse eines halben Hülmer-Eies. Diese 
grossen Blasen waren zum Theil weiss oder bräun¬ 
lich, oder, wo eine Blutextravasation in ihnen statt- 
gefundeu, in’s Blutrothe spielend. An Stellen, wo 
diese Bullae geborsten, waren dünne Schuppen oder 
Krusten. 

An anderen Stellen sah die Haut, wie nach 
einer Quetschung, bläulich, grünlich oder gelblich 
aus, oder sie zeigte sich stark pigmentirt, sei es 
in Folge eines subcutanen Blutergusses oder von 
Kratzen. 

Man traf die Flecke in allen Stadien der Ent¬ 
wickelung, sodass sie hier das Bild der Tinea mar- 
ginata, dort mehr das einer acuten Urticaria oder, 
wenn auch in schwachen Zügen, das eines Zona 
oder eines Pemphigus darstellten. Die allerjüngsten 
ähnelten der Urticaria; diese juckten sehr stark, 
was sich in den Blutstriemen oder Punkten zeigte, 
welche die Nägel beim Kratzen hervorgebracht 
hatten. 

Bei der ersten Untersuchung befanden sich die 
jüngsten Flecken über dem Epigastricum; zwei 
ovale Flecken, etwa 7 Zoll lang und 3 Zoll breit, 
bemerkte man, mit deutlichen Contouren, einen über 
dem andern in der Taillen-Höhe. Diese waren ganz 
dunkelrotli, flach, die Ränder ausgenommen, wo die 
Haut verdickt, erhoben und mit Vesiculae besetzt 
war. Einige Tage zuvor hatten sich an den Hän¬ 
den und Oberschenkeln äusserst empfindliche Flecke 
gezeigt. Bei diesen, wo die Farbe dunkelroth, die 


Bläschen grösser und deutlicher waren, ging das 
Welken, Verschwinden, vom Centrum aus. 

Thei'apie . Rhus venenata 3.; die Haut wurde 
mit warmem Kleien-Wasser gewaschen, und wenn 
der Hautreiz gar zu stark war, so wurden die reiz¬ 
baren Theile mit einer Lotion von Rhus ven. 3. 
Dec. 9,0, Spiritus 90,0 und Aq. d. 150 betupft. 
Dabei völlige Ruhe im Bette. 

Dieses geschah vom 8.—24. Juni. Die Spiri¬ 
tuose Lotion hatte die Reizbarkeit beschwichtigt, 
sonst hatte die Behandlung keinen weiteren Erfolg. 
Der Ausschlag hatte um diese Zeit erheblich an 
Heftigkeit zugenommen. In der Achsel-, Hüft- und 
Ellbogenbeuge, sowie in den Zwischenräumen der 
Zehen waren die Blasen sehr gross, ihr Inhalt 
eitrig und von äusserst widrigem Geruch. An zwei 
Stellen war das Aussehen sehr ähnlich dem von 
erweichten, niedergedrückten, zusammenfliessenden 
Variola-Pusteln. 

Dieses pustulöse Aussehen in Verbindung mit 
dem Geruch erinnerten den Verfasser lebhaft an 
einen sehr schweren Fall von confluirenden Pocken 
bei einem ungeimpften Mädchen, das er vor etwa 
zwanzig Jahren erfolgreich mit Tartarus stibiatus 
behandelt hatte. Ueberdies hatte Patientin die für 
Antimon, charakteristische Zunge, auch sprach der 
vesiculäre und pustulöse Charakter der schlimmsten 
Stellen für dieses Mittel. Er verordnete also An¬ 
timon. tartaricum in der dritten Verreibung, drei 
Mal täglich 4 Gran. Gleichzeitig wurde Patientin 
ganz und gar mit heissem Wasser abgewaschen 
und zwar 2—3 Mal täglich, eine Salbe von Bor¬ 
säure an den übelsten Stellen und sonst Oliven-Oel 
an den anderen eingerieben. — Die Kranke musste 
sich ganz ruhig und angenehm warm im Bette 
halten und erhielt eine flüssige, aber nahrhafte, 
von allen Reizmitteln freie Kost. 

Am 26. Juni befand sich Patientin in der Besse¬ 
rung; die Zunge hatte sich gereinigt., die Oeffnung, 
welche mangelte, war durch ein Lavement erzielt 
worden. Die Haut ward weicher und feuchter. 
Neue Flecken waren seit zwei Tagen nicht auf¬ 
getreten, die Blasen trockneten ein, die, in den 
Beugen und zwischen den Zehen waren trockner 
und hörten auf abzusondern. — Die Flecken an 
dem Stamm hatten noch ihre erhöhten Ränder. An 
beiden Beinen war die Haut nach aussen von den 
Schienbeinen glänzend und ödematös. — Dies 
Mittel wird fortgegeben. 

Nach wieder zwei Tagen wurde Hammel, Fische, 
Gemüse und Früchte dem Diätzettel zugesetzt. 

Ihr Schlaf war jetzt viel besser. Die Haut 
reinigte sich schnell, da das Jucken immer mehr 
abnahm. Die Hüften, Hände und Zehen waren 
ganz frei von Blasen. Nur tief in der Gegend 
der Glut.een zeigten sich noch mehrere grosse Bullae, 


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so gross wie kleine Kirschen, die auf einem hyper- 
ämischen Grunde sassen und mit einer milchigen 
Flüssigkeit gefüllt waren. Einige von diesen Bullae 
waren geplatzt und gaben den gleichen Pocken¬ 
geruch von sich. Rep.: An tim. tart. mit heissen 
Abwaschungen und trocknem Stärke-Pudern. 

Der Zustand der Haut besserte sich stetig: an 
grossen Stellen der Glieder und des Rumpfes 
zeigte sich ein gesundes Aussehen, und die zu- 
rückbleibeuden Flecke hatten den erhabenen Rand 
verloren. Die Blasen an dem Gesass waren alle 
eingetrocknet. An den Zehen und über den 
Schienbeinen und Fussgelenken schuppte sich die 
Haut ab. 

Am rechten Beine in der Nähe des Fussgelenkes 
und in der linken Achsel fanden sich zwei kleine 
frische Vesiculae; das an der ersten Stelle aus 
gedrückte Serum reagirte entschieden alkalisch, 
während der Achselschweiss saure Reaction zeigte. — 
Rep. idem. 

Am 4. Juli ging alles gut, nur ein leichtes 
Recidiv des Ausschlages am Stamm. Die Gesäss- 
gegend war jetzt völlig heil, so dass Patientin eine 
Stunde sitzen konnte. 

Am 10. Juli konnte sie täglich sieben Stunden 
sitzen. Am rechten Arm einige frische Bläschen. 
Wenn sie einige Zeit stand, so nahm der an den 
Füssen noch bestehende Ausschlag eine rothbläu- 
liche Farbe an. — Die Herztöne waren normal, 
aber schwach. — Zeitweise war der Pruritus noch 
ziemlich stark, liess sich aber schnell durch Ab¬ 
waschen mit heissem Wasser beschwichtigen. 

Am 15. Juli fortschreitend besser; aber am 
linken Arcus pharingis zeigte sich eine Bulla. 
Patientin erwähnte nun, dass sie auch bei den 
früheren Attacken mehrere Bullae am Pharynx und 
unter der Zunge gehabt, sowie auch diarrhöeartige 
Entleerungen mit Blut. Diese Haemorrhagien rührten 
wahrscheinlich, nach des Verfassers Ansicht, von 
Bullae her, die sich auf der Schleimhaut das Rectum 
gebildet hatten. — Ant. tart. in der 6. Verreibung. 

Bei der letzten Visite, am 19. Juli, war das 
Allgemeinbefinden gut; sie hatte einen Ausflug ge¬ 
macht. Die ganze Oberfläche der Haut war ge¬ 
sund und heil, mit Ausnahme eines oder zweier 
winzigen Bläschen an den Armen, die aber bald 
bräunlich wurden und eintrockneten. Sie sass jetzt 
auf. Die Füsse waren nach mehrstündigem Nieder¬ 
hängen cyanotisch und kalt geworden. Die Bulla 
am Pharynx war völlig geschwunden, es hatte sich 
aber eine neue am Zungenbändchen gebildet, wo 
sich noch ein leichter Schleimhautdefect zeigte. 

In der Epikrise giebt Verfasser eine unter¬ 
scheidende Diagnose des beschriebenen Hautleidens 
am Pemphigus, Urticaria und Erythem. 

Beim Pemphigus ist die hohe Irritabilität nicht 


vorhanden, der Ausschlag tritt einfach auf, auch 
fehlt bei seinem Anfang fast jede Hyperaemie um 
die Blasen. In der pruriginösen Form des Pem¬ 
phigus ist jedoch ein intensives Jucken zugegen 
und desslialb wird die vergleichende Diagnose 
schwieriger; da aber entscheidet der Mangel der 
hyperaemischen Area und der einfache Charakter 
des Ausschlags die Frage. 

Bei der bullösen Form der Urticaria sind die 
für Dermatitis herpetiformis sprechenden Zeichen: 
die Symmetrie des Ausschlags und die Neigung 
desselben, die kreisrunde (circinate) Form anzu¬ 
nehmen. Vom Erythem ist die Gegenwart von 
Vesiculae öder Bullae schon bald nach wenigen 
Tagen, sowie die intensive Pruritus unterscheidende 
Zeichen. 

Was die Behandlung betrifft, so empfiehlt sich 
Ruhe und angemessene, reizlose aber nahrhafte 
Kost. Da der Verfasser den Fall anfangs für eine 
Urticaria bullosa gehalten, so hatte er zunächst 
Rhus venenata (3. Dil.), welches Mittel den Symp¬ 
tomen der Patientin so völlig zu entsprechen schien. 
Er ward daher stark enttäuscht, als unter diesem 
Mittel nach sechszehn Tagen keine Besserung sich 
zeigte; im Gegentheil, der Zustand hatte sich ver¬ 
schlimmert. Der Ausschlag hatte an In- und Ex¬ 
tensität zugenommen, war pustulös geworden und 
dazu noch der widrige Pockengeruch der geplatzten 
Blasen: — Antimon, tartaricum erwies sich als 
weit hülfreicher. Und doch war die Heilung noch 
keine vollständige, denn es trat späterhin doch wie¬ 
der ein Rückfall ein. 

Bei der hierauf erfolgenden Discussion bemerkte 
Dr. Galley Blackley: 

Alle neurotischen Hautausschläge scheinen die 
Neigung zu haben, bestimmte begrenzte Formen 
anzunehmen, so die kreisrunde, wie in diesem Fall 
von Dermatitis herpetiformis, oder eine lineäre oder 
gürtelförmige bei Herpes zoster, oder eine schuppen- 
förmige bei Psoriasis. Was die Behandlung be¬ 
trifft, so weist seine 20jährige Erfahrung im Ho¬ 
möopathischen Hospital darauf hin, dass man in 
der Therapie der neurotischen Hautaffectionen noch 
viel zu lernen habe. Die jetzt (in der alten Schule) 
vorherrschende Neigung geht mehr und mehr auf 
die Anwendung von antiseptischen oder äusser- 
lichen Mitteln hin. Dem widerstreitet seine eigene 
Erfahrung schnurstracks; er glaubt, dass die An¬ 
wendung der antiseptischen und anderen äusseren 
Mittel nicht das Mindeste nützt, wenn sie auf die 
Diathese keinen Bezug haben. Das ist die Haupt¬ 
sache, und die neurotischen Affectionen sind nach 
Allem Symptome der Diathese. Ein neurotisches 
Hautleiden springt nicht so in einem Augenblicke 
in’s Dasein; die Diathese ging voran, dann kam 
eine Erkältung, wie in dem besprochenen Fall, und 


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nun erstkommt die Hauterkrankung zum Ausbruch. — 
Ein Bacillus oder eine Toxine mag auch hier wirk¬ 
sam sein; und zu diesem hin muss das Mittel Be¬ 
ziehung haben. 

Dr. Blake führt den letzten Gedanken weiter 
aus. Dr. Samuel West hält das besprochene Lei¬ 
den für eine septische Einwirkung. Dr. Blake 
meint, dass auch die Dame, als die Hautkrankheit 
begann, wahrscheinlich mit Influenza-Toxinen be¬ 
laden war, die zu den bei ihr schon vorhandenen 
Ptomainen und Auswurfstoffen hinzutraten. Die 
Erkältung auf der Eisenbahnfahrt hat die Aus- 
stossung der Schlacken durch die Hautkanäle plötz¬ 
lich zurückgedrängt. Hiervon die schwere, toxische 
Dermatitis, welche anderen toxischen Formen des 
Hautkatarrhs, wie der des Jod und Giftsumach, so 
überaus ähnlich ist. Die Influenza-Toxinen sind 
geneigt, Neuritis besonders des dritten Dorsal* 
Nerven, in dessen vorderen Ausbreitungen, zu ver¬ 
anlassen. So ist ein hierher gehöriger Fall von 
Herpes an beiden Ohren infolge von Influenza 1S93 
in dem „Lancet“ veröffentlicht worden. Dr. Fox 
theilt ihm mit, dass 75 Proc. von Kindern, die im 
Findelhause an Influenza erkrankten, eine toxische 
Dermatitis hatten. Gürtelrose war häufig in Rei- 
gate, ehe man dort Drainage ins Werk setzte; 
jetzt ist sie daselbst selten. — Dr. Blake sah 
jüngsthin einen Fall von Zona, die dem Verlaufe 
des N. musculo-spinalis, einem ganz speciellen toxi¬ 
schen Localisationsheerde, folgen, und zwar vier 
Tage nach einer Contusion gegen den Rand des 
M. Supinator longus. — Unna in Hamburg hat 
gezeigt, dass Hautkrankheiten locale Katarrhe neu¬ 
rotischen Ursprungs seien, die in der Regel durch 
im Körper erzeugte Gifte und zwar, wenn die 
Haut verletzt ist, durch bakterielle Einwanderung 
hervorgerufen werden. Wir müssen feststellen 

1. dass verschiedenartige Krankheits - Agentien 
eine Art von Hautausschlag hervorbringeu können; 

2. dass ein Agens bei verschiedenen Personen ganz 
verschiedene Ausschläge erzeugen kann. 3. Wir 
finden oft ein Gemisch verschiedenartiger Ausschläge 
bei derselben Person, wobei wahrscheinlich nur 
eine Ursache vorliegt. Daher soll man die so sehr 
ins Einzelne differenzirten Bezeichnungen aufgeben, 
und einfach sagen: Dermatitis mercurialis oder 
septica. — Er empfiehlt besonders Cocain, muriat. 
und Ichthyol zu äusserliclier Anwendung bei dem 
heftigen Pruritis. — 

Dr. Epps sagt zum Schluss, die Dauer der be¬ 
treffenden Krankheit erstrecke sich von mehreren 
Monaten bis zu dreizehn Jahren. In ein oder zwei 
Fällen von dem von ihm in einer Tabelle vorge¬ 
legten 23 Fällen fand nur ein Recidiv statt. In 
einem von Dr. Mackenzie beobachteten Falle, der 
4 Vs Jahr dauerte, und in mehreren aufeinander¬ 


folgenden Attacken auftrat, erzielte Patient selbst 
seine Heilung durch Einreibung einer Scbwefel- 
salbe, wonach er, soweit bekannt, 3 J / 2 Jahr gesund 
blieb. Auch in einem andern mit Schwefelsalbe 
geheilten Fall war die Heilung dauernd. — 

Referent erlaubt sich zu dem vorstehenden 
interessanten Vortrage einige Bemerkungen zu 
machen. 

Wir haben vor der Richtung, welche der Vor 
tragende wie die British Homoeopathical society 
überhaupt, vertritt, um mit der allgemeingültigen 
medicinischen Wissenschaft in lebendiger Fühlung 
zu bleiben, alle Hochachtung. — Doch will es 
uns nicht Zusagen, dass sich bei ihm die morpholog- 
anatomische Auffassung von Hautkrankheiten gar 
zu sehr in den Vordergrund tritt. — Die Schwierig¬ 
keit, welche derartige schwere Hauterkrankuugen 
auch der stricte nach Halinemann geübten Behand¬ 
lung entgegensetzen, ist uns wohl bekannt. Den¬ 
noch kann das Forciren des gewählten Mittels, 
erst der Rhus venenata, dann des Antim. tartaricum 
unsere Billigung nicht finden; man kann auf diese 
Weise, wenn man nicht nützt, wirklich dem Kranken 
schadeu. — Mit gutem Fug hat bei der Discussion 
Dr. Blackley auf die den Hautkrankheiten zu Grunde 
liegende Diatbese Nachdruck gelegt; der constitu- 
tionelle Boden darf entschieden nicht unberücksich¬ 
tigt bleiben. — Mit der Psora Hahnemann’s würde 
man freilich den „Wissenschaftlichen“ nicht unter 
die Augen treten dürfen — und doch, ist die heu¬ 
tige Toxine etwas Anderes, als das Psoragift bei 
Hahneraann? — Merkwürdig ist die von Dr. Epps 
mitgetheilte Thatsaclie, dass bei zwei Patienten der 
Gebrauch des Schwefels in Salben form eine längere 
(vielleicht anhaltende?) Heilung des schweren Haut¬ 
übels zu Stande gebracht hat. — Dies erinnert 
mich an einen schlimmen Fall von einer Art Kc- 
zema impetiginoüles (oder Scabies) bei einem — vier¬ 
beinigen Patienten, einem schwarzen Spitz, bei dem 
die äusserliche Anwendung von Schwefel mitge¬ 
wirkt hat. — 

Der besagte „Spitzer“ litt schon seit mehreren 
Jahren an einem Hautausschlage. Derselbe äusserte 
sich in kleinen Bläschen, welche barsten und eine 
klebrige Flüssigkeit entleerten, welche zu Krusten 
erhärteten; unter diesen nässte die Haut aber weiter 
fort, und so war der Körper an den verschiedensten 
Stellen mit kleinen Geschwüren bedeckt. Dabei 
litt das Thier an einem unausstehlichen Jucken, 
so dass es, wie seine Herrin sagte, ganz „nervös“ 
davon geworden sei; er musste sich in einem fort 
reiben und schaben, wobei die Haare ausfielen. 
Es bildeten sich dann eine grosse Anzahl kahler 
Stellen, die von weisslichen Schuppen bedeckt waren. 
Wenn der Ausschlag an einer Stelle sich besserte, 
so trat er dagegen an einer andern auf. Von den ge- 


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125 


schwürigen Flächen aus entwickelte sich ein höchst 
widriger Geruch. — Man hatte schon verschiedene 
Heil versuche angestellt; der Hund war auch bereits 
in der Thicrarzneischule behandelt worden, wo man 
ihn in Kreosot-Wasser gebadet hatte, aber ohne den 
erwünschten Erfolg. Nun, ante carniticein wollte 
man noch einen Versuch mit der Homöopathie 
machen. Was die Diagnose betrifft, so haben wir 
es mit jenem bei Hunden, aber auch Pferden und 
Schafen, nicht selten vorkommenden Hautausschlage 
zu thun, den man gemeinhin Räude nennt; eine 
Art Scabies, bei der man auch Milben nachgewiesen 
hat, ob aber gerade den Acarus s. sarcoptes des 
Homo sapiens, ist mir nicht bekannt. Wie von 
Thier zu Thier (zunächst einem derselben Gattung) 
ist dieser parasitäre Ausschlag aber auch auf den 
Menschen übertragbar. 

Da der Hund bereits früher Sulphur ohne er¬ 
sichtlichen Erfolg erhalten, so verzichtete ichauf dessen 
innerlichen Gebrauch, und wählte Mercur und zwar 
den rotlien Präcipitat in der 3. Verreibung, wovon 
der „Spitzer“ 4 Tage lang Morgens und Abends 
je eine kleine Messerspitze voll erhielt, dann 4 Tage 
Pause, sodass er auf diese Weise 5 Gramm all- 
mählig verbrauchte. — Um aber dem Pruritus hor- 
ridus Einhalt zu thun, licss ich die kranken Stellen 
zweimal täglich mit Schwefelblüthe (Sulphur depu- 
ratum) aus einem feinen Gazebeutelchen bepudern. 
Damit dies uugestört auf die Haut, resp. auf die 
Parasiteu wirken könne, wurde der Hund jetzt 
nur zweimal wöchentlich gebadet. In der That 
Hess das Jucken bald nach, sodass der Hund auch 
wieder ruhigen Nachtschlaf bekam. — Im Verlaufe 
mehrerer Wochen waren die Krusten abgefallen, 
die eiterige Secretion hatte aufgehört; es traten 
keine nouen Nachschübe mehr ein. Die krank ge¬ 
wesenen Stellen bekamen ein gesundes Aussehen, 
ja sie bedeckten sich wieder mit Haar, das aber 
hier und da, besonders oben am Brustkasten, nicht 
schwarz, sondern röthlich, fuchsig, aussah. — Ab¬ 
gesehen von diesem „Schönheitsfehler“ erfreute sich 
mein Patient, so lange ich ihn beobachten konnte, 
eines trefflichen Zustandes, zumal auch der lange 
mangelhaft gewesene Appetit sich zur normalen 
Höhe entwickelt hatte. — Prof. Nothnagel sagt 
zwar in seinem hochgeschraubten Skepticismus: 
Sulphur. dep. hat auf die Milbe gar keine nach¬ 
theilige Einwirkung; das mechanische Reiben sei 
nur von Effect. — Hier ist aber gar nicht gerieben 
worden. Ein so guter Beobachter wie Rademacher, 
abgesehen von anderen Erfahrungen, hat cs auch 
gesehen, welche Wirkung selbst der äusserlich an¬ 
gewandte Schwefel auf das Hautorgan ausübt. 

Dr. Mossa. 


Internationaler 

i homöopathischer Congress 1896. 

| Die Wiederkehr des alle 5 Jahre abzuhaltenden 
| internationalen homöopathischen Congresses steht im 
Jahre 1896 bevor, und zwar soll derselbe diesmal 
in England stattfinden. Das im Jahre 1891 vom 
britischen homöopathischen Congress hierfür ein¬ 
gesetzte Comite ist der Angelegenheit bereits näher 
getreten und empfiehlt in einem Rundschreiben 
I den homöopathischen Aerztcn aller Länder folgende 
I Punkte zur Beachtung: 

1. Der Congress wird in London tagen, Zeit 
I und Dauer desselben wird später festgesetzt werden. 

2. Diese Versammlung, welche an Stelle des 
jährlichen britischen Congresses tritt, tagt unter 
dem Vorsitz der im vorjährigen Congress erwählten 
Beamten; es steht dem internationalen Congress 
jedoch frei, Ehren-Vicepräsidenten aus den fremden 
Gästen, welche er zu ehren wünscht, zu ernennen. 

3. Die Kosten der Versammlung werden durch 
eine Subscription der homöopathischen Aerzte Gross¬ 
britanniens bestritten. 

4. Die Druckkosten der Verhandlungen werden 
durch eine Subscription aller Derjenigen bestritten, 
welche ein Exemplar des Werkes der Verhand¬ 
lungen zu besitzen wünschen. 

5. Der Congress steht Allen offen, die in ihrem 
Ileimatlande zur Praxis befugt sind. 

6. Die Theilnehmer mögen Namen und Adresse 
sowie ihre Qualification angeben und, wenn dem 
Vorstande des Congresses unbekannt, sich durch 
eine diesem bekannte Person einfüliren lassen oder 
Empfehlungsbriefe von einem homöopathischen Ver¬ 
ein oder bekannten Vertreter der Homöopathie vor¬ 
legen. 

a) Mitglieder des Congresses können Gäste zu 
den Versammlungen einfuhren. 

7. Das Comite ist autorisirt, mit Aerzten in der 
Heimat oder im Auslande in Verbindung zu treten, 
um zu erlangen: 

a) einen Bericht aus jedem Lande, als Ergän¬ 
zung zu dem bereits früher dem fünfjährigen Con¬ 
gress eingercichten, der über Alles Auskunft giebt, 
was, seit dem letzten Bericht, in der homöopathi¬ 
schen Sphäre Interessantes sich ereignet hat. 

b) Mittheilungen und Arbeiten aus den ver- 
| schiedenen Zweigen der homöopathischen Theorie 

und Praxis, die zur Discussion in den Versamm¬ 
lungen sowie zur Veröffentlichung in den gedruck¬ 
ten Verhandlungen kommen werden. 

8. Alle Arbeiten müssen bis zum 1. Januar 
1896 eingeschickt sein und werden einem Censoren- 
Comitö unterbreitet, das sie prüft, ob sie zu obigem 
Zwecke geeignet sind. 

9. Die so geprüften Arbeiten werden vorläufig 


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gedruckt und an die Mitglieder des Congresses ver¬ 
theilt, welche sie verwenden wollen. 

10. Die Arbeiten werden einzeln oder gruppen¬ 
weise nach ihrem Hauptinhalt, der vom Vorsitzen¬ 
den in Kürze analysirt wird, zur Discussion gestellt. 

11. Ein Mitglied des Congresses (oder zwei, 
als Vertreter zweier Ansichten über einen Gegen¬ 
stand, wie in der Dosenfrage) wird vor dem Be¬ 
ginne der Versammlung bestimmt, um die Debatte zu 
eröffnen, wozu ihm zehn Minuten gestattet sind; die 
nun folgenden Redner erhalten je fünf Minuten Zeit. 

12. Der Vorsitzende ist befugt die Discussion 
zu schliessen, wenn er sieht, dass sich die Debatte 
über einen Gegenstand so weit ausdehnt, dass für 
andere wichtige Arbeiten die Zeit fehlen werde. 

13. Wenn der Verfasser einer Arbeit zugegen 
ist, so soll er über den discutirten Gegenstand das 
letzte Wort erhalten. 

14. Ein Rundschreiben soll gedruckt und an 
alle Herausgeber von Journalen, Vereinssecretäre, 
Universitätsdecane innerhalb der homöopathischen 
Welt gesandt werden, um ihr Interesse und ihre 
Mitwirkung für den Congress anzuregen. 


Auch ein Boykott. 

(Eingesandt) 

„Boykott an allen Ecken und Enden!“ riefen 
wir unwillkürlich aus, als uns kürzlich folgendes 
drollige Vorkommniss erzählt wurde: Da lässt sich 
in unserer Stadt — Osnabrück ist ihr Name — 
ein neuer Arzt nieder. Derselbe hat sowohl das 
medicinische Doctor- wie auch Staatsexamen ent¬ 
sprechend den andern Aerzteu regelrecht bestanden, 
müsste also auch in aller Form „Herr College“ von 
diesen angeredet werden. Aber der gute Mann 
hat es auch gewagt, noch ein weiteres Examen zu 
machen, nämlich das durch Reglement vom 20. Juni 
1843 und Instruction vom 23. September 1844 für 
den Bereich der preussischen Monarchie ebenfalls 
staatlich vorgesehene Examen zur Erlangung des 
Selbstdispcnsir-Rechles nach homöopathischen Grund¬ 
sätzen. Was thun nun die Herren „Collegen“ im 
ärztlichen Verein? Sie treten eiligst zusammen und 
fassen den heroischen Beschluss, dass keiner mit 
dem Doctor der drei Examina verkehren und dessen 
Besuche erwidern dürfe — sintemal alldieweil, 
fragte ein Witzbold, sie selbst nur zwei Examina 
gemacht und von den in dem dritten Examen ge¬ 
forderten Kenntnissen keine Ahnung haben? Nein, 
das nicht, sondern um mit einem hörbaren Ruck 
von dem Manne wegzurücken und ihren Abscheu 
vor dessen abweichender Heilmethode öffentlich zu 
bekunden. 

Ohne irgend ein Urtheil über Werth oder Un¬ 


werth der Homöopathie abzugeben, muss man 
solchen Terrorismus verurtheilen. Daher kommen 
doch nicht die Namen: „wissenschaftliche Toleranz“ 
und „freie Forschung“. Wenn die verehrten Osna- 
brücker Herren aber glauben, mit solchen Mitteln 
ihr Ansehen bei dem Publikum zu begründen, dann 
sind sie sehr schief gewickelt. Wir schreiben ihnen 
deshalb folgende Sätze aus einem Artikel über „die 
heutigen Strömungen in der wissenschaftlichen 
Medicin“, entnommen der ,,Allgem. Wiener Medic. 
Ztg.“, No. 23, ins Stammbuch: ,,Man klagt all¬ 
gemein darüber, dass das Ansehen der Acrztc bei 
dem Publikum eine bedeutende Einbusse erlitten 
habe. Es ist kein Zweifel, dass die Aerzte selbst 
daran schuld sind. Das Publikum sucht Heilung, 
wo es sie findet. Dem Publikum nützt die schönste 
Diagnose und die schönste Färbung der Bactericn 
nichts, denn die ärztliche Wissenschaft hat die 
Heilung und nicht nur die Bestimmung der Krank¬ 
heiten zum Zweck. Dem Botaniker kann es genug 
sein, wenn er die ihm begegnenden Pflanzen er¬ 
kennt und vom Astronomen erwartet man nichts 
Anderes, als die Berechnung der Bahnen und die 
Entdeckung ungekannter Himmelskörper. Vom 
Arzte verlangt man thatkräftiges Eingreifen, aber 
nicht bloss das Eingreifen mit dem Ferrum und dem 
Ignis, sondern das Eingreifen in die Lebensgewohn- 
heiten und die Lebensführung. Es ist kaum zu 
bezweifeln , dass die nächsten Jahve eine vollständige 
Umwälzung in der Medicin mit sich bringen werden.*“ 
So sprechen sich Leute aus, die ganz auf der Höhe 
der medicinisclien Wissenschaft stehen. Man sollte 
meinen, dass bei den Jüngern solcher Wissenschaft 
aus naheliegenden Gründen einer sehr motivirten 
Bescheidenheit Toleranz gegen ,,Andersgläubige“ 
sehr am Platze wäre. • 


LesefrUchte. 

Variot’s (Paris) Bemerkungen über die auf 
die klinischen Studien der Diphtherie ange¬ 
wandten bacteriologischen Untersuchungen. 

Verf. machte bereits früher darauf aufmerk¬ 
sam, dass bei Kindern pseudomembranöse Anginen 
Vorkommen, welche ganz dasselbe Aussehen, die¬ 
selbe Entwickelung und Verbreitung des Exsudats 
in die Luftwege, dieselben Allgemeinerscheinungen 
und denselben tödtliclien Ausgang haben, wie die 
diphtheritischen Halsentzündungen, ohne dass man 
bei ersteren den vor 4 Jahren von Löffler entdeckten 
Bacillus gefunden hätte, welcher für den specifischen 
Diphtheriebacillus gehalten wurde. Variot hebt be¬ 
sonders den Fall eines Kindes hervor, welches an 
einer Diphtherie des Schlundes, Kehlkopfes und 
I der Lippen erkrankte, und bei welchem sich die 


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12 ? 


dicken Pseudomcmbranen trotz Pinselungen und und 8 Mal Staphylococcen. Nach Baginsky können 
Irrigationen immer wieder bildeten, sodass das Streptococcen eine lebhafte Diphtherie bewirken. 
Kind der Krankheit erlag. Hier konnten die Der Arzt darf daher aus der Gegenwart dieses 
Löffler’schen Bacillen weder bei Lebzeiten noch oder jenes Keimes nicht die Diagnose oder Pro- 
nach dem Tode gefunden werden. Man hatte ge-, gnose einer Angina diphtorit. bestimmen wollen, 
meint, dass die Gegenwart dieser Pilzspecies un- sondern er muss den Zustand des Rachens und 
zweifelhaft eine echte Diphtherie mit wahrschein- den allgemeinen Zustand des Kranken in Betracht 
lieh üblem Ausgange bedeute, während eine An- ziehen. Die Bacteriologie hat in der Diagnose der 
gina, in deren Ausschwitzungen nur Streptococcen Diphtherie der Klinik noch das letzte Wort lassen 
und andere Keime Vorkommen, im Allgemeinen müssen. — (Journal de clinique et de thörapeutique 
eine günstige Prognose zulasse. Es hat sich aber infantiles. No. 2^.) 

herausgestellt, dass auch Anginen mit Löfller’schen - 

Bacillen gutartig sein, sich begrenzen und heilen 

können. Die Anwesenheit von Streptococcen oder DPUCkfehlerberichtiflUnfl. 

Staphylococcen sollen dagegen die Giftigkeit der 

Löffler’schen Bacillen bedeutend erhöhen. — Wethe- In No. 11,12 dieser Zeitschrift, pag. 85, Zeile 5 
red fand bei 26 Fällen von Diphtherie 15 Mal den von unten soll es statt Natrum mnr. ist in solchen 
Klebs-Löffler’sehen Bacillus, 3 Mal Streptococcen Fällen: Spigelift heissen. _ 


Anzeigen. 


Verschiedenen an mich ergangenen Wünschen entspre¬ 
chend habe ich für die Inserate den Preis für die ein¬ 
mal gespaltene Petitzeile und deren Raum auf 20 Pfennige 
herabgesetzt und berechne für Beilagen in Zukunft nur 
5—6 Mark. 

Leipzig, den 1. October 1894. 

A. Marggrafs Homöopath. Orflcm. 


Diejenigen Herren 

Homöopathen 

welche die grossen Wirkungen der 

electrischen Behandlung 

namentlich hei chronischen Krankheiten beobachtet 
haben, bitte ich, als einer der leistungsfähigsten 
Fabrikanten electrischer Maschinen, sich mit mir in 
Verbindung zu setzen. Ein gutes Nebeneinkommen 
ist ihnen gesichert. 

Gustav von Mayenburg, Dresden-Neustadt. 


Der Diabetes mellitus 

und seine 

homöopathische und balneologisciie Behandluno 

von Dp. Theodor Kafka, 

Brunnenarzt in Carlsbad, 

Preis brosohlrt 1,60 Mark, 

ist als Separatabdruck aus der Allg. homöopath. Ztg. er¬ 
schienen und wird in empfehlende Erinnerung gebracht. 
Zu beziehen durch 

A. Marggrafs Homöopath. Offlein, Leipzig. 

Im Selbstverläge des Verfassors ist erschienen und durch 
die Verlagshandlung dieser Zeitung kann bezogen werden: 

Allopathie und Homöopathie. 

Von 

Dr. B. Westhoff, Osnabrück. 

Preis nur 20 Pfennige. 


Aufforderung. 

Das Therapeutische Taschenbuch für homöopa¬ 
thische Aerzte von Bönninghausen fehlt seit 
Jahrzehnten im Buchhandel und soll in wesentlich 
vermehrter, die Mittel bis auf die neueste Zeit 
umfassender, verbesserter Auflage neu erscheinen 
unter der Bedingung, dass die nicht unbedeutenden 
Kosten für die Herausgabe dieses Werkes durch 
Subscription gedeckt werden. Von einer allseitigen 
Theilnahme an dieser Subscription wird das Er¬ 
scheinen dieses, von Dr. Allen und vielen ande¬ 
ren homöopathischen Aerzten für die Mittelwahl 
am Krankenbette und zum fruchtbaren Studium 
unserer Arzneimittellehre dem Praktiker unentbehr¬ 
lichen Werkes abhängen, und werden deshalb 
die homöopathischen Aerzte ersucht, sich recht 
zahlreich an derselben zu betheiligen. Das Buch 
soll, wie früher, in Octavformat erscheinen und 
wird ca. 30 Bogen stark werden. Der Preis des¬ 
selben stellt sich gebunden auf 10—12 Mark. 

Die Subscription erfolgt und wird erbeten bei 
der Verlags- und Geschäftsstelle der „Allg. homöo- 
path. Zeitung“, A. Marggrafs homöopath. Officin, 
Leipzig, in deren Verlag auch eventuell dieses 
Buch erscheinen wird. 

Reeeptur-Tarirwaagen. 

Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir- 
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren 
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter 
50-60 Mark zu haben sind, so habe ich billige und für 
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempol 
versehene und geaichte Reeeptur-Tarirwaagen auf einfachem 
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur 
24 Mark offeriren kann. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin. 


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128 


Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend. 


Auf häufig vorkommende Anfragen tlieile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei 
selhstdispensirenden homöopathischen Aerztcn bisher Folgendes verlangt haben. 


1. Den Approbationsschein. 

2. Das Zengniss Aber das in Berlin bestandene 
Dispensirexamen. 

3. Eine Sammlung aller das Selbstdispensircn der 
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen¬ 
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die 
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/0 der Allg. 
homöopnth. Ztg., 128. Bd.). 

4. Ein Journal Aber die abgegebenen Arzneien mit 
Namen der Patienten, Datum etc. 

(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien¬ 
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem j 
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen 
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- f 
weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere 
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) 

5. Rerisionsmässige Einrichtung der Hausapotheke. 

Dazu gehört: 

a) Ein separates Zimmer. 

b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. j laut 

(Giftschrank) I meinen 

c) 1 ., „ „ Separanda, Tab. C.i früheren 

(Separanda8chrank) I Offerten. 

d) 1 „ „ ,, Nicht-Separanda 

e) Alle in Lorbachers Anleitung angegebenen 52 Mittel 
in D. 1. bez. C. 1. flüssigen Potenzen oder Ver- . 
reibungen (in einfachen Gläsern mit Korkstöpseln 
oder in solchen mit Glasstöpseln, — Quantitäten 

ä 15,0 genügen). i 

[Alle Venena — Tab. B. — Urstoffe. Ur- I 
tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen . 
müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und I 
„weiss auf schwarz“ signirt sein. 

Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, j 
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und I). 3. ' 
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im . 
Separandaschranke aufbewahrt werden und ,.roth I 
auf weiss“ signirt sein. 

Alle ütfleht'Separanda und die weiteren i 
Potenzen der Venena und Separanda von 1 
D. 4. (inclusive) aufwärts müssen ausserhalb der 
Gift- und Separandaschränke in einem dritten 
Schranke aufbewahrt werden und „schwarz auf 
weiss“ signirt sein. — Manche Revisoren gehen 
soweit, für die äusserlichen Mittel Signaturen 
„weiss auf rotli“ zu verlangen; eine derartige 


Reichs Verordnung ist mir jedoch nicht bekannt 
und bin ich der Ansicht, dass man sich diesem 
Wunsche nicht zu fügen hat. Sind die äusser¬ 
lichen Mittel sonst richtig signirt — „schwarz 
auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je nachdem 
sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und 
in sechseclngen Gläsern, so sind sie vorschrifts- 
mässig eingereiht. 

Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Of¬ 
ferten alle hier zu haben.] 

f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel 
für die Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit ent¬ 
sprechender Signirung, analog den Vorschriften, 
die unter e) genannt sind. 

In manchen Regierungsbezirken verlangt man 
nur: 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“ 
signirt. 

In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, 
Alcaloide, Mercurialia und Phospliorus, je 1 Waage, 
1 Mörser und 1 Löffel, separat nnd besonders 
signirt. 

(Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch ge¬ 
liefert.) 

g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, 
die von Aerztcn fast nie gebraucht wird nnd sehr 
theuer ist. (Unter 50—60 Mark sind sio nicht 
zu haben; ich habe daher solche in einfachster 
Ausführung, auf einfachem Brette, für Revisions¬ 
zwecke genügend, hersteilen lassen, die ich zum 
Preise von 24 Mark offerireu kann.) 

h) Die sonstigen Utensilien zur Bereitung von Po¬ 
tenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der 
Arzneien, als: Mörser, Löffel, Trichter, Men- 
surirgläacheu, Fläschchen, Schachteln, Korke, 
Beutel etc. etc. 

i) Iu einigen Regierungsbezirken wünschen die 
Herren Revisoren von allen in den ärztlichen 
Hausapotheken vorhandenen Mitteln Hie 1. Poten¬ 
zen vorräthig zu sehen, während meistens nur die 
unter e) angeführten 52 Mittel in solchen ver¬ 
langt worden. 

k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch 
ein Waaren-Eingangsjournal mit Angabe der Be¬ 
zugsquellen und Aufführung jedes einzelnen be¬ 
zogenen Mittels, wozu ich als Belege ganz spe- 
cificirte Rechnungen liefern muss, auf denen jedes 
Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und Preis 
einzeln aufgeführt ist. 


Alles hier Aufgeführte liefere ich nacli früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu 
Diensten stehe, bestens und billigst. 

Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen 
gemachten Erfahrungen obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt 
worden sind, damit man endlich einmal in die Lage kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte An¬ 
gaben machen zu können, w r as bisher bei der verschiedenen Handhabung in den einzelnen Regierungs¬ 
bezirken nicht möglich war. 

A. Marggrafs homöopathische Offlein, Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius MA«»er in Leipzig. 


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Band 129 


Leipzig, den 25. Oetober 1894. No. 17 U. 18 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschiiftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggr&rs Homöopath. Officin) in Leipzig. 


Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummorn bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf» (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No.97desPost-Zeitungs-Verzeiclinissos(prol892).—Inserate, welche an Haasenstein AVogler 
in Leipzig und dessen Fi 1 ialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Officin ln Leipzig) zu richten 
Rind, werden mit 20 Pf» pro einmal gespaltene Potitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6 — S Af. berechnet. 


Inhalt. Ein Fall von Tuberculose, hauptsächlich durch Tuberculin (Heath) geheilt. Von Dr. John H. Clarke. 
Arzt am homöopathischen Kran len hause zu London. — Bericht Über die 66. Versammlung deutscher Naturforscher und 
Aerzte in Wien. Von Dr. Elb-Dresden. — Zur Pathogenese von Thyroidin. — Vom Myxödem. — Neue homöopathische 
Literatur in Amerika. — Therapeutisches Taschenbuch für homöopathische Aerzte von v. Boenninghausen. —• Das 
Hahnemann-Denkmal in Amerika. Von Dr. Kafka. — Lesefrüchte. — Personalia. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung-: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Ein Fall von Tuberculose, hauptsächlich durch ; 
Tuberculin (Heath) geheilt. 

Von Di*. John H. Clarke, Arzt am homöopathischen 
Krankenhause zu London. 

i 

James K., ein Kärrner, 40 Jahre alt, ward am j 
17. Oetober 1892 im homöopathischen Kranken¬ 
hause in London aufgenommen. In der Familie 1 
ist keine Schwindsucht vorgekommen. Die gegen- i 
wärtige Krankheit des Patienten datirt von einer I 
Influenza, die er vor drei Jahren bestanden, auf | 
welche Husten, Auswurf, Nachtschweisse und Ab- § 
magerung gefolgt war. Diese Symptome hielten 
ein Jahr lang an, bis der Patient, der noch sehr 
schwach war, endlich ein wenig das Bett verlassen 
konnte. Er war damals sechs Wochen lang in dem i 
North London Hospital; aber in den darauf folgen¬ 
den sechs Wochen trat schnell Verschlimmerung 
ein unter zwei heftigen Anfällen von Hämoptysis. 
Beim Eintritt in das homöopathische Krankenhaus 
war er abgemagert, litt an Dyspnoe und Appetit¬ 
mangel. Er hatte einen kurzen, reizenden Husten, 
mit wenig Auswurf, aber das Sputum enthielt 
Tuberkel-Bacillen. Ueber der rechten Lungenspitze 
zeigte die Percussion das Geräusch des gesprunge¬ 
nen Topfes, die Auscultation bronchiales Athmen 
und reichliches rauhes Crepitiren. In der Regio 


infraclavicularis etwas Dämpfung mit verlängerter 
Expiration und feines Crepitiren; hinten hörte man 
verlängerte Expiration und Crepitiren über die ganze 
Lunge. Auf der linken Lungenspitze verlängerte 
Expiration. Die Herztöne waren klar; Puls 110.— 
Patient klagte über ein Gefühl von Schwere in der 
rechten Brustseite, Schlaflosigkeit und Husten, be¬ 
sonders über Stuhlverstopfung. 

Am 9. November, als er noch über jenes Druck¬ 
gefühl klagte, bekam er Tuberculinum (Heath) 
100 dil. 3 Tropfen auf die Zunge, und diese Gabe 
ward in der Woche darauf wiederholt. 

Am 20. November konnte eine Gewichtszunahme 
von l 1 ^ Pfund constatirt werden; das Druckgefühl 
in der Brust war geringer; er hatte sehr wenig 
Husten, keinen Auswurf, keinen Nachtschweiss, war 
aber von Flatulenz ziemlich stark belästigt. 

Tuberculinum wurde am 30. November wieder¬ 
holt, und ebenso am 10. December; um diese Zeit 
hatte er wieder um 1 1 | 2 Pfund an Gewicht zu¬ 
genommen. 

19. December. Er klagt über Schmerzen in 
den Gelenken (die aber nicht geschwollen waren); 
Schweisse und Husten kehren wieder und weisse, 
schaumige Sputa. Unter Mercur. vivus 12. ver¬ 
schwanden die rheumatischen Symptome. 

Tuberculin. wurde am 4. und 25. Januar wieder¬ 
holt. Am 2. Februar wird notirt, dass er seit dem 


17 

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130 


18. Januar um 4*j 4 Pfund zugenommen hatte; 
Husten war nicht da; er fühlte sich ganz wohl. 
An der rechten Lungenspitze nahm man verlänger¬ 
tes expiratorisches Murmeln wahr, sowie vermehrten 
Fremitus vocalis und erhöhte Resonanz; an der 
linken Lungenspitze aber kein abnormes physi¬ 
kalisches Zeichen. — (The Journal of the British 
Homoeopathic Society. Juli 1893.) 

Es ist uns leider nicht bekannt, in welcher Art 
dies Heath’sche Präparat von Tuberculin dargestellt 
wird. — Angesichts der letzthin von College Dr. 
Kunkel in dieser Zeitschrift veröffentlichten Tuber- 
culiu-Heilversuche gewinnt der hier mitgetheilte Fall 
erhöhtes Interesse. Mossa. 


Bericht Ober die 66. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien. 

Von Dr. Elb-Dresden. 

Zu dem diesjährigen in den Tagen vom 24. bis | 
29. September abgehaltenen Congress war an die 
Mehrzahl deutscher Aerzte allopathischer und homöo¬ 
pathischer Richtung eine persönliche Einladung zur 
Betheiligung ergangen. Ebenso waren die be¬ 
kannteren wissenschaftlichen Vereinigungen, und j 
unter diesen auch unser Centralverein mit einer 
Einladung bedacht worden. 

Einer mir vom verehrten Vorsitzenden des 
Centralvereins homöopathischer Aerzte zugegangenen 
Aufforderung, die Vertretung des Vereins in Wien 
zu übernehmen, bin ich sehr gern nachgekommen, 
umsomehr, als eine etwaige Nichtvertretung leicht 
zu Missdeutungen hätte Anlass geben können. 

Vor Beginn der wissenschaftlichen Sitzungen 
stellte ich mich dem Herrn Geschäftsführer als 
Delegirter des homöopathischen Central Vereins vor, 
und wurde ausserordentlich zuvorkommend empfan¬ 
gen. Ich erklärte hierauf meinen Eintritt als Mit¬ 
glied in die Gesellschaft deutscher Naturforscher und 
Aerzte. 

Es fanden drei allgemeine Sitzungen statt, von 
denen die zweite wohl Anspruch hatte als die be¬ 
deutendste zu gelten durch den ungemein geist¬ 
vollen und interessanten Vortrag des Professor 
Forel-Tiixcich. über „Gehirn und Seele.“ Derselbe 
ist in den meisten Tagesblättern in grösserem Aus¬ 
zug erschienen und dessen Inhalt darf nunmehr 
wohl als bekannt vorausgesetzt werden. 

Sectionssitzungen füllten die übrige Zeit aus. 
Ich trat der Section für interne Medicin bei, wohnte 
jedoch der am 25. September stattfindenden ver¬ 
einigten Sitzung der 31. und 32. Section (Hygiene 


und Medicinalpolizei) bei, in welcher die Herren 
Behring -Halle und Ehr lieh -Berlin über das Diphtherie¬ 
heilserum höchst interessante Mittheilungen machten. 
Behring sprach, nach einer historischen Schilderung 
der Blutserumtherapie und der wissenschaftlichen 
Thatsachen, welche denselben zu Grunde liegen, 
über die aus der Entdeckung des Diphtherieheil¬ 
serums resultirenden praktischen Ergebnisse. In 
mehreren Hunderten von Fällen von Diphtherie, deren 
Diagnose durch die bacteriologische Untersuchung 
sichergestellt war, ergab sich ein Fallen der in den 
betreffenden Krankenhäusern beobachteten Mortali¬ 
tät von ca. 50 auf lü°j 0 . 

Ehrlich sprach alsdann über die Resultate der 
Serumtherapie in dem Institut für Infectionskrank- 
heiten in Berlin. Von 89 Diphtheriekranken, welche 
in den letzten Monaten daselbst aufgenommen 
wurden, starben im Ganzen 12. Von diesen wurden 
5 nicht mit dem Heilserum behandelt, weil sie be¬ 
reits moribund dem Krankenhaus übergeben worden 
waren. Von den übrigen 84 Fällen starben sieben, 
entsprechend einer Mortalität von 8 0 0 ; vier dieser 
Fälle boten bereits bei ihrer Aufnahme eine absolut 
infauste Prognose. Frische Fälle, bei welchen die 
Heilserumtherapie am ersten oder zweiten Tag ein¬ 
geleitet wurde, genasen ausnahmslos, und zwar 
meist unter der Form der kritischen Heilung. Je 
später die Behandlung mit Heilserum eintreten 
konnte, um so weniger sicher war die Wirkung. 

Das Heilserum wurde ferner auf das Wärmste 
als Prophylacticum empfohlen und ist als solches 
in zahlreichen Fällen bei Personen, besonders Kin¬ 
dern, angewendet worden, in deren Familie Diphtherie 
aufgetreten, oder welche mit an Diphtherie Erkrank¬ 
ten in nachweislich nahe Berührung gekommen 
waren; derartig Behandelte blieben ausnahmslos 
gesund. Beide Redner betonten, dass stets die 
genügende Dosis Serum, sei es bei bereits Er¬ 
krankten, sei es bei der Schulimpfung, zu ver¬ 
wenden sei, und empfehlen bei Anwendung des 
Heilserums vorläufig das in den Höchster Fabriken 
dargestellte zu verwenden, da anderweitig bezogene 
Präparate sich als nicht gleich wirksam erwiesen 
hätten. 

Hierauf trug Dr. Wassermann -Berlin seine Be¬ 
obachtungen vor über das Blutserum solcher Indi¬ 
viduen, die nie an Diphtherie gelitten haben. Es 
ergab sich, dass dasselbe ausgesprochene Diphtherie- 
gift zerstörende Eigenschaften besitze. Die Häufig¬ 
keit des Vorkommens solchen Serums nimmt mit 
steigendem Alter zu; dies erklärt die Seltenheit 
der Diphtherie im höheren Alter, resp. deren leich¬ 
teren Verlauf, fernerhin das Vorkommen von 
Diphtheriebacillen bei Gesunden, die Verschieden¬ 
heiten bezüglich der Schwere und Leichtigkeit der 
Erkrankungen bei Personen, welche der gleichen 


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131 


Ansteckung ausgesetzt waren. Es ist möglich durch 
Blutuntersuchung festzustellen, ob ein Individuum 
für Diphtherie empfänglich ist und wurde dies für 
Wartepersonal, das viel mit Diphtheriekranken zu 
verkehren hat, besonders empfohlen. Ferner wäre 
bei empfänglichen Individuen, sobald sie der An¬ 
steckung mit Diphtheriegift ausgesetzt sind, die 
Schutzimpfung vorzunehmen. 

Die in dieser Sitzung mitgetheilten Beobach¬ 
tungen zeigen eine Uebereinstimmung mit den 

Thesen, welche vor Kurzem Escherich- Graz auf¬ 
gestellt hatte. Derselbe bestritt, dass die ver¬ 

schiedenen Verlaufs weisen und Ausgänge der Diph¬ 
therie allein auf die wechselnde Virulenz der Diph¬ 
theriebacillen zurückzuführen seien und behauptet 
1) dass zum Zustandekommen der diphtherischen Er¬ 
krankung ausser dem Bacillus und der Möglichkeit 
seiner Invasion noch das Vorhandensein einer spe- 
cifisclien Empfänglichkeit Seitens des zu inticiren- 
den Organismus erforderlich sei und 2) dass das 

Verhalten der örtlichen und allgemeinen Disposition, 
erst in zweiter Linie die grössere oder geringere 
Virulenz des Bacillus, massgebend sind für den 
Verlauf der Einzelerkrankung. 

Allerdings bestätigt Escherich die Behauptung 
von Roux, dass bei schwer verlaufenden Fällen in 
der Regel auch hochvirulente Bacillen vorhanden 
sind, während ebensolche nicht selten auch bei 
ganz leicht verlaufenden Vorkommen. 

In einer gemeinsamen Sitzung verschiedener Ab¬ 
theilungen, welche an demselben Nachmittag unter 
von Bergmann'8 Vorsitz abgehalten wurde, sprach 
von i?ruws-Tübingen über Behandlung der Strumen 
mittels Schilddrüsenfütterung. Seine Versuche er¬ 
gaben, dass der Schilddrüsensaft (von Hammel oder 
Kalb) auf reine Adenome der Schilddrüse eine 
specifische Heilwirkung besitzt und eine rasche Ver¬ 
kleinerung oder vollständige Beseitigung derselben 
bewirkt. 

von Brune empfahl bei Erwachsenen eine 
wöchentliche Gabe von 10 gr. frischer Schilddrüse, 
die mit oder ohne Salz genossen werden kann; bei 
Kindern gab er die Hälfte. 

Eulenburg -Berlin hielt darauf einen längeren 
Vortrag über Morbus Basedowii, wobei auch er er¬ 
wähnte, dass er in einigen Fällen jener Krankheit 
durch den Genuss frischer Schilddrüse sehr günstige 
Resultate erzielt habe. 

Aus der Section für innere Medicin erwähne ich 
zunächst den Vortrag von Professor Aionte-München 
über das Verhalten flüssiger und breiartiger Sub¬ 
stanzen im menschlichen Magen. Moritz hat durch 
Versuche festgestellt, dass von allen Substanzen am 
schnellsten das Wasser aus dem Magen entleert 
werde und dass bei gleichzeitiger Aufnahme von 
Wasser und festen Speisen die Aufnahme der 


letzteren die Entleerung des Wassers erheblich 
verzögerte. 

Ferner berichtete Dr. Hammerschlag über eine 
neue Methode zur quantitativen Bestimmung des 
Pepsins im Magensaft. 

Dr. 2?oa$-Berlin wies darauf hin, dass bei Magen- 
carcinom die Eiweissverdauungskraft fehlt und be¬ 
tont das Vorhandensein von im Magen gebildeter, 
freier Milchsäure bei genannter Krankheit. Boas 
hat nun eine einfache Methode zum Nachweis der 
Milchsäure im Magen angegeben, sodass jetzt die 
Frühdiagnose auf Magencarcinom wesentlich er¬ 
leichtert wird. Es ist nun zu hoffen, dass eine 
Operation in den ersten Stadien der Krankheit mit 
grösserer Aussicht auf Erfolg gemacht werden kann. 
Auf diese Weise wird dann der Procentsatz der 
Recidive nach der Operation wohl wesentlich herab¬ 
gedrückt werden können. 

In einer der nächsten Sitzungen sprach Professqr 
Posnei '-Berlin über kryptogenetische Cystitis und 
Pyelitis. Der Vortragende berichtet über seine Ver¬ 
suche von Unterbindung des Darmes und der Ure¬ 
thra bei Kaninchen, aus denen hervorgeht, dass 
bei vollständigem Darmverschluss Bacterien — 
speciell Bact. coli — den Darm verlassen, mög¬ 
licherweise durch das Peritoneum hindurch, in den 
Kreislauf aufgenommen werden und von da aus in 
den Urogenitalapparat gelangen. Er hielt für mög¬ 
lich, dass auf diese Weise eine Zahl der als 
„kryptogenetisch“ zu bezeichnenden Entzündungen 
der Harnwege entstehen, ohne dass Infection von 
aussen stattfand. 

Von den übrigen Vorträgen, die ich noch ge¬ 
hört habe, will ich hier nicht weiter sprechen, da 
sie zu wenig allgemeines Interesse besitzen. 

Mit dem Congress war eine Ausstellung medi- 
cinischer und naturwissenschaftlicher Instrumente 
und Apparate in den Räumen der Universität ver¬ 
bunden. 

Für die Unterhaltung der Theilnehmer war in 
reichem Maasse Sorge getragen worden. Den Glanz¬ 
punkt der Festlichkeiten bildete der Empfang in 
der kaiserlichen Hofburg, zu dem allerdings nur 
eine beschränkte Anzahl Einladungen ergangen 
war. Ich war so glücklich, zu denen zu gehören, 
die mit einer solchen bedacht wurden. 

Ausserdem fand zu Ehren des Congresses im 
Rathhaus eine glänzende Festlichkeit statt, wobei 
der Bürgermeister die Theilnehmer im Namen der 
Stadt Wien begrüsste. Ein Ausflug nach dem 
Semmering, an dem Theil zu nehmen ich leider 
verhindert war, bildete den Abschluss der Ver¬ 
sammlung. Als nächstjähriger Versammlungsort ist 
Lübeck gewählt. 


17* 

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182 


Zur Pathogenese von Thyroidin. 

Das Thyroidin, ein aus der Schilddrüse des 
Schafs gewonnenes isopathisches Mittel, spielt gegen¬ 
wärtig in der Therapie der herrschenden Schule eine 
so bedeutende Rolle, namentlich bei der Behand¬ 
lung der Basedow’schen Krankheit (Struma mit 
Exophthalmus und Herzaffectionen), sodann auch 
bei dem weniger bekannten Myxödem, dass 
wir von diesem Heilmittel Notiz nehmen müssen. 
Da sind wir nun dem Dr. John H. Clarke, dem 
Herausgeber von The Homoeopathic World, zu Dank 
verpflichtet, dass er sich der Mühe unterzogen hat, 
aus dem vorhandenen Material die diesem Heil¬ 
stoffe eigenthiimlichen Wirkungen zusammenzustellen 
und zwar in der letzten Mai-Nummer der ange¬ 
gebenen Zeitschrift p. 202 u. ff. Er hat hierzu 
die in der allöopathisclien Praxis von diesem Mittel 
bei Patienten nicht bloss erzeugten, sondern auch 
geheilten Symptome berücksichtigt. Er giebt des¬ 
halb zu, dass die so gewonnene Pathogenese keine 
reine ist; er hält aber gleichzeitig daran fest, dass 
jedes, sei es an einer kranken oder gesunden Per¬ 
son erzeugte Symptom insofern nützlich ist, als es 
die Wirkungskraft des Mittels darthut, wie auch 
jedes gutbestimmte, durch ein Mittel beseitigte 
Symptom die Wirkungskraft desselben nicht weniger 
darthut. Wenn die nämlichen Symptome, bei an¬ 
dern Kranken auftretend, als Indicationen für das 
fragliche Mittel genommen werden und bei An¬ 
wendung desselben eine Heilung erzielt wird, so 
sind diese Symptome, behauptet Dr. Clarke, ob sie 
nun beim Kranken erzeugt oder geheilt worden 
sind, ebenso vollgültig, als wenn sie bei einer ge¬ 
sunden Person bemerkt worden wären. 

(British Med. Jour. August 27. 1892.) 

1. Murray. Es wurde vom Extract der Thyroi- 
dea mit Glycerin aus 1 cc. einer 6°/ 0 . Lösung von 
Carbolsäure in die Regio interscapalaris eingespritzt.— 
Darauf unmittelbar Röthe, Nausea, und stechend¬ 
bohrende Schmerzen in der Lumbargegend einige 
Minuten. 

Verlust des Bewusstseins und allgemeiner 
tonischer Muskelkrampf für einige Sekunden. 

Harte Schwellung an der Injectionsstelle, indo¬ 
lent; Geschwulst auf der Seite der Einspritzung, 
worauf ein sich langsam entwickelnder Abscess 
folgte. 

Am Tage der Einspritzung Uebelbefinden, besser 
beim Liegen im Bette. 

Die harte Schwellung an der Injectionsstelle 
verging ohne Eiterung. 

Beim Versuch einen Hügel hinaufzugehen, starb 
Patientin plötzlich an Herzlähmung. — Die Kranke, 
62 Jahr alt, litt an Herzschwäche, die sich unter 
der Behandlung etwas gebessert hatte. Früher 


schon war bei Anstrengung cardiale Dyspnoe vor¬ 
handen. 

Eine andere 64 jährige Kranke ward beim 
Bücken, um die Schuhe auszuziehen, ohnmächtig 
und starb nach einer halben Stunde. (Früher hatte 
sie schonAnfälle vonOhnmacht, Athemnoth, schwachem 
und aussetzendem Pulse. Kein Herzgeräusch.) 

Ref. kann in diesen Fällen nichts Charakte¬ 
ristisches für die Wirkung des Thyroidin finden. 

2. Eine 33jährige Frau bekam nach der zweiten 
Entbindung 1882 Puerperal-Manie und brachte sich 
eine Wunde in den Hals bei. (Ob sie die Schild¬ 
drüse verletzt hat?) Im Februar 1888, vier Mo¬ 
nate nach der dritten Entbindung, wurde sie hin¬ 
fällig und stellte sich bei ihr ein Myxödem ein. 
Dabei Stupor, grosse Muskelresistenz, hochgestei¬ 
gertes Kniephänomen, die Herzthätigkeit schwach. 
Ruhelose Melancholie. — Zeitweise konnte man sie 
nicht zum Sprechen bringen, sie lag mit starren 
Gliedern auf dem Boden. Zu andern Zeiten mochte 
sie weinen und sich die Kleider ausziehen. Bis¬ 
weilen lebensgefährlich für andere Kranke^ denen 
sie ihre Arme so fest um den Hals legte, als ob 
sie diese ersticken wollte. 

9. April 1892 begannen die Einspritzungen. 

15. April. Die Menstruation trat ein. 

19. April. Ein kleiner Abscess an der Stelle 
der vierten Einspritzung. Menstrualfluss profus. 

20. April. Zwei Mal Ohnmacht (derartige An¬ 
fälle hatte sie seit der Scarlatina im 17. Lebensjahre). 

Pat. ward als geheilt entlassen. Die Geistes¬ 
störung war in diesem Falle zuerst aufgetreten, doch 
war diese „ohne Zweifel von der allgemeinen Con¬ 
stitution abhängig, wie ja bei Psychopathieeu der 
Phthisiker die cerebralen Störungen sich vor den 
Symptomen der Phthisis oftmals zeigen.“ — Sie 
war bei ihrer Entlassung frei von der Psychopathie 
sowohl als von dem Myxödem. 

3. Dr. Hearn warnt vor zu rapiden Einspritz¬ 
ungen. Eine seiner Patienten zeigte nach der 
Injection folgende aussergewohnliche Erscheinungen: 

Die Haut wurde livid, ja fast blauschwarz. 
Dann folgte Zittern, Beben der Glieder, und völ¬ 
lige Bewusstlosigkeit, die etwa V 4 Stunde anhielt. 

Die Kranke brauchte eine Woche, um sich von 
diesen Folgen zu erholen, wonach sie aber erheb¬ 
lich gebessert war. 

4. Verschiedene Extracte von verschiedenen 
Drüsen brachten, bei Kaninchen eingespritzt, Ent¬ 
artung des Herzmuskels hervor. 

5. Hector Mackenzie. Frischer Extract von 
frischen Drüsen durch den Mund beigebracht. 

Das Extract von 2 Schilddrüsen auf ein Mal 
tingegeben: 

Nausea, geriuges Erbrechen. 

Vermehrte Pulsfrequenz (116). 


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133 


Gesteigerte Temperatur (100° F.). 

Gesichtsröthe. — Schmerzen verschwunden. 

Nacli fünf Einspritzungen erbrach die Patientin, 
eine 39jährige Frau, jedes Mal dies Mittel. 

Die Haut an Händen und Füssen schälte 
sich ab. 

6. Eine 4 6jährige Frau bekam das Glycerin- 
Extract ein Mal wöchentlich. Durch Missverständ¬ 
nis nahm sie innerhalb vierzehn Tagen zwei Mal 
wöchentlich die zerhackte Drüse, mit dem Resul¬ 
tate , dass sie selbst die schnelle Abnahme der 
Kräfte an sich wahrnahm; es trat bei der geringsten 
Bewegung Schweiss ein; sie konnte weder gehen 
noch feststelien. 

7. Eine ledige Frau, 50 Jahre, litt seit 8 Jahren 
an Geistesstörung und Myxödem. — Nach der In- 
jection hatte sie immer das Gefühl von Hitze, so¬ 
wie Uebelbefinden. Ein systolisches Herzgeräusch 
wurde schwächer. — Es trat Besserung ein sowohl 
nach geistiger wie leiblicher Seite. 

8. Eine 48jährige, verheirathete Frau litt seit 
15 Jahren an der Krankheit (Morb. Basedowii). 

(British Med. Journal. Octbr. 28. 1893.) 

Starke Abschuppung der Haut, besonders an 
Hand- und Fussfläche. — Heileffect. 

Ein 18jähriges Mädchen, Kautschuk-Arbeiterin, 
litt seit 16 Monaten an Fsoriasis . Der Ausschlag 
zeigte sich an der Vorder- und Rückenseite des 
Rumpfes, Haarkopf, stark ausgesprochen an den 
Armen, weniger am Gesicht und Hals, Hohlhand 
und Sohlen frei. An manchen Stellen war er roth 
und entzündet, die Krusten dunkelroth; die Haut 
hinter den Ohren feuchtend und aufgesprungen, 
Pat. etwas anämisch, sonst gesund. 

4. Februar 1893. Ein Viertel einer Schild¬ 
drüse roh, feingehackt und in Reispapier gehüllt, 
täglich gegeben. 

10. Februar. Röthe und Stechen (Jucken) we¬ 
niger markirt. 

14. Februar. Der Ausschlag auf dem Rücken 
schält sich in grossen Schuppen ab, von denen 
einige einen Zoll im Durchmesser haben; die Haut 
darunter sieht blass und gesund aus. 

16. Februar. Das böse, entzündete Aussehen 
ist völlig geschwunden. 

1. März. Die nassen Stellen hinter den Ohren 
heilen. 

11. April. Die Besserung steht still. Arsen, 
anstatt der Schilddrüse gegeben. Der Ausschlag 
tritt sofort wieder hervor. 

14. April. Arsen, weggelassen, 15 m. von 
Brady und Martin’s Extract, täglich eine Dosis. 

Die Eruption verschwand schnell; kam am Ell¬ 
bogen etwas wieder, als die Behandlung aufhörte. — 
Pat. nahm an Gewicht erheblich zu. 

Eine 38jährige verheirathete Frau hat seit 


7 Monaten einen schweren, ausgedehnten Psoriasis- 
Ausschlag. 

Rothes, gereiztes, aufgesprungenes Aussehen 
der Haut wie bei einer Dermatitis exfoliaus. Fünf 
Tropfen von Brady-Martin’s Extract am 10. Mai. 

Verlust des Appetits. 

11. Mai. Die Arme sind weniger steif und 
schmerzhaft. Die Schwellung verringert. Die 
Krusten lösen sich, hinterlassen eine schwachge- 
röthete Haut. Der Ausschlag nicht so schmerzhaft. 

18. Mai. Dosis verdoppelt. 

Eine 57jährige Frau. Symmetrischer Psoriasis¬ 
ausschlag an der Vorder- und Hinterfläche und den 
Seiten des Abdomen und der angrenzenden Th eile 
von Brust und Schenkeln. Beide Handflächen be¬ 
deckt mit einem trocknen, schuppigen Ausschlag; 
die Beugeflächen der Arme afficirt, in den Achsel¬ 
höhlen ein symmetrischer Fleck; Ellbogen und Knie 
frei. Dauer 6 1 /« Jahr. Der Ausschlag dunkel mit 
glänzenden Schuppen; die Ränder sind hoch und 
verdickt. 5 Tropfen vom Extract täglich. In 
6 Wochen sehr viel besser. 

(Brit. Med. Journal. Januar 27. 1894.) 

Psoriasis syphilitica. 49 jährige Frau. Ein Ge¬ 
schwür innen an der linken Backe. — Iritis. — 
Die Nackendrüsen geschwollen. Von Juli bis Sep¬ 
tember 1893 Cauterisation mit Höllenstein, Jod¬ 
kalium innerlich. Dann erschien Psoriasis an Hand- 
und Fussfläche. Arsen, neben Jodkalium, Einreiben 
von Chrysoplian-Salbe. — Eine Woche Medication 
ausgesetzt. — November 11. Thyroid-Extract be¬ 
gonnen. Die Psoriasis war über den Körper aus¬ 
gebreitet: Haarkopf, Gesicht, Ober- und Unterglie¬ 
der; einige Flecke auch an Händen und Sohlen. 
Die Streckseite war besonders afficirt. Ausschlag 
vereinzelt, schmutzig-graue Schuppen auf hyper- 
ämisch-infiltrirtem Grunde. An der Streckseite bei¬ 
der Ellbogen, über den oberen Theil beider Sca¬ 
pulae und am Nacken starke Abschuppung; Ulce- 
ration an der linken Backe neben dem Mund¬ 
winkel. 

18. November. Geringe Besserung. 

25. November. Entschiedene Besserung. Die 
Schuppen fast gänzlich verschwunden, die Hyper¬ 
ämie des Grundes sehr vermindert; die Haut 
zwischen den Flechtenstellen weicher und elastischer. 
Pat. fühlt sich „zehn Jahre jünger“. 

3. December. Psoriasis völlig vergangen; braun- 
gelbe Färbung da, wo der Ausschlag gesessen. Haut 
weich, gut genährt. 

December 20. Das Extract ausgesetzt. Psoriasis 
kehrt nicht zurück. — Die allgemeine Besserung 
nicht angehalten. Pat. klagte über ein Uebelbe¬ 
finden, und Schmerz in Armen und Beinen. 

(Lancet Februar 17. 1894.) 

Beadles spricht über „Thyroid-Behandlung von 


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Myxödem mit Geistesstörung.“ „Alle Fälle vorge¬ 
schrittener Myxödems zeigen etwas geistige Stö¬ 
rung, die zur Demantia hinneigt, gewöhnlich mit 
fixen Ideen, namentlich in Form von Argwohn und 
Verfolgungswahn. Mitunter kommt es zur ausge¬ 
sprochenen Manie oder Melancholie.“ 

Eine Frau, bei der das Myxödem 12 Jahre be¬ 
standen, ward plötzlich von acutem Wahnsinn be¬ 
fallen. Unter dem Gebrauch des Thyroidin ward 
sie leiblich und geistig wieder hergestellt. 

Eine 51 jährige Frau litt seit 1884 an Myxödem, 
wozu sich seit 1887 Geistesstörung gesellt hat. 
Es kommt bei ihr zu heftigen furibunden Anfällen, 
mit Intervallen von Depression und mürrischem 
Wesen. Nach 7 monatlicher Behandlung mit roher 
Schilddrüse als Speise und dem Glycerin-Extract 
des Mittels konnte sie hergestellt aus dem Asyl 
entlassen werden. 

(Medical Press. Februar 21. 1894.) 

Eine Frau, 8 Jahre an Myxoedema leidend, ward 
mit rohen Schilddrüsen ernährt. 

19. November. Erste Gabe: 2 Schilddrüsen¬ 
körper. Am nächsten Tage: Temperatur stieg 
auf 100° F. und erhielt sich mehrere Tage so. 

Diurese trat ein. 

Prickelndes Gefühl in den Beinen. 

Myxödem verringert. 

In den folgenden Tagen: 

Schlaflosigkeit, Kopfweh, Schmerz in den Beinen, 
grosser Durst. 

Der Puls stieg auf 112, Temperatur blieb bei 
100° F. 

Spuren von Eiweiss im Urin. 

Man setzte deshalb die Behandlung einstweilen 
aus und fing sie drei Wochen später wieder an in 
der Gabe von einem Schilddrüsenlappen aller zwei 
Tage. Nach dem siebenten Tage kehrten Kopf¬ 
weh und die übrigen Symptome mit erneuter Hef¬ 
tigkeit wieder, sodass man mit dieser Ernährungs¬ 
weise wieder aufhören musste. Vom 11. Januar an 
gab man alle 5 Tage zwei Drittel von dem Lappen 
einer Drüse, was keine Beschwerden verursachte. 

Myxödem verschwand, ebenso der Stumpfsinn 
und das schreckliche Alpdrücken. 

(Lancet. März S. 1894.) 

„Die toxischen Symptome, welche man in manchen 
Fällen von Myxödem infolge von Einspritzung des 
Schilddrüsengewebes beobachtet hat, vergegenwär¬ 
tigen so entschieden gewisse bei Struma exoph- 
thalmica vorhandene Störungen, dass man zu der 
Frage gedrängt wird, ob der Morbus Basedowii 
nicht in der That auf einer Hyperthyroidisation 
beruhe. Die Herzbeschleunigung (Tachycardia), 
die Temperatursteigerung, Schlaflosigkeit, Unruhe, 
Polyurie, der Eiweissharn, unvollständige Para¬ 
plegie, das Hitzegefühl, der Schweissausbruch und die 


Diarrhöe — diese Folgeerscheinungen der Schild- 
drüsen-Behandlung sind sehr charakteristische Symp¬ 
tome bei Personen mit Struma exophthalmica. 

(Homoeopathic World. März 1894.) 

Dr. Clarke. Ein Fall ward geheilt mit der 
3. Dec.-Verreibung, drei Mal täglich zu 2 Gran. 
Ein nervöses Mädchen von 17 Jahren, welches 
zeigte: 

Niedergeschlagene, verzagte Gemüthsstimmung. 

Par esc der unteren Extremitäten. 

Beständiges Kopfweh. 

Schmerzen im Hinterhaupt und Scheitel. 

Rückenweh. 

Schmerz und Druckempfindlichkeit in der Ge¬ 
gend des linken Eierstockes. 

Vollheitsgefühl in der Brust. 

Hervortretende Augen. 

Beschleunigter Puls, mit Unmöglichkeit im Bette 
zu liegen. 

Gefühl von Hüpfen des Herzens. 

Verstopfung. 

(L’Art mödicale. März 1894.) 

Eine 74jährige Frau verlor im 48. Jahre die 
Menses, wonach sie an Anwandlungen von Kälte 
und Hitze litt, die 7—8 Mal täglich eintraten. 
Im 65. Lebensjahr schmerzhafte Empfindungen in 
den Händen, mit Kälte zur Winters- und Hitze 
zur Sommerszeit nebst reichlichen Schweissen. Im 
70. Lebensjahr hatte sie Anfalle von Tachycardic. 
Gegenwärtig hatte eine leichte Anschwellung der 
Backen und der Regio subliyoidea, die Röthung 
und Spannung der Stirnhaut, welche die Runzeln 
ausgleichen, die Entwickelung der Brüste, dieser 
Matrone von 74 Jahren ein verhältnissmässig junges 
Aussehen gegeben.“ Gleichzeitig besteht eine 
geistige Stumpfheit, Furchtsamkeit und verkehrte 
Ideen. 

Sie ward erheblich gebessert durch subcutane 
Einspritzung von Extr. thyroid., aber bei der Steige¬ 
rung der Gaben klagte sie über: Schwindel, Un¬ 
behagen, Verdauungsstörungen, anhaltende Neigung 
zum Schlaf, und, da sie sich so unwohl fühlte, 
verweigerte sie, die Behandlung fortzugebrauchen. — 
Sie ward nun reizbar und missgestimmt. 

(Brit. Med. Journ. März 31. 1894.) 

Dr. Bodilly schreibt: „Mein ältestes Kind be¬ 
kam ein Eczema von hartnäckiger und schwerer 
Art auf Kopf und Gesicht beim Zahnen; ein krank¬ 
hafter Zustand war nicht vorangegangen. Ich 
versuchte alle möglichen von meinen Collegen an- 
| gerathenen Mittel: Eisen und Arsen., Leberthran 
innerlich und äusserlich. Dann ward sie auf den 
Rath eines hervorragenden Specialisten ganz auf 
Milch und eine mehr oder weniger vegetabilische Diät 
gesetzt, aber alles ohne Erfolg. Zuletzt gab ich 
verzagt alle Behandlung auf — und der Ausschlag 


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135 


verschwand, nachdem die Zähne bei ihr alle durch- 
gebrochen waren, obwohl er, wenn auch in sehr 
gemässigter Form, wieder erscheint, sobald die Haut 
dem Winde, der Kälte oder übermässig heisser 
Luft ausgesetzt wird. — Mein zweites Kind bekam 
ebenfalls ein solches Eczem und in einer noch 
schlimmern Form, an Gesicht, Kopf, Kniescheibe, 
Knöcheln, wogegen sich die Therapie auch erfolg¬ 
los erwies, bis ich vor sechs Wochen anfing, 
von dem Extr. thyroid. gland. zu geben: zuerst 2, 
dann 3 und nun 4 Minim.-Dosen, 3 Mal täglich. 
Die Wirkung war merkwürdig: das Eczem ist gänz¬ 
lich vergangen an Kopfhaut und Gesicht, und ver¬ 
schwindet schnell von den anderen Theilen des 
Körpers; das Kind ist entschieden gesünder, nimmt 
an Fleisch und Kraft zu und obwohl kürzlich zwei 
Zähne durchgehrochen sind, hat der Ausschlag 
dabei wenig zugenomraen.“ 

(L’Art medical. April 1894.) 

Einem idiotischen Mädchen, 9 Jahr alt, wurde 
im Juli 1890 Thyroidin-Einspritzung mit darauf¬ 
folgender Besserung gemacht. Am 12. Februar 
1894, und drei Wochen darauf, erhielt sie täglich 
8 Gramm von Thyroidin mit der Nahrung. Nach 
18 Tagen ward sie eine grollende Zänkerin, zum 
Zorn geneigt, ängstlich; am 21. Tage zeigte sich 
der Puls beschleunigt, leichtes Fieber, Congestion 
der Haut. Am 34. Tage war die Haut weich und 
dicht. Der Geisteszustand gebessert. 

(British Med. Journ. April 14. 1894.) 

Ein 16 8 / 4 jähriges Mädchen litt an einem aus¬ 
gedehnten, entstellenden Gesichtdupus, der im sie¬ 
benten Lebensjahr an einer kleinen braunen Stelle 
unterhalb des rechten Kieferwinkels begonnen 
batte. Nach einem Ausbruch von Ery sipelas, das 
auf Einspritzungen von Kocli’s Tuherculin gefolgt 
war, hatte sich der Zustand gebessert. (Sie hatte 
schon vorher Erysipelas gehabt.) Späterhin ward 
sie wieder der Koch’schen Behandlung unterzogen, 
und blieb danach besser; dann aber kam ein Re- 
cidiv, zum dritten Mal trat die Rose auf, wonach 
der Lupus zeitweise gebessert erschien. Dann aber 
ging es mit ihr schlechter als zuvor. 13. Februar 
1893 begann die Behandlung mit Thyroidin; erst 
erhielt sie von der rohen Schilddrüse, später vom 
Extract, schliesslich in Tabletten form. Vom 18. Fe¬ 
bruar hob die Besserung an und nach 12 monat¬ 
licher Behandlung hatte sich eine erhebliche Ver¬ 
änderung ad meliorem parten bewerkstelligt. 

Am Tage nach der begonnenen Behandlung: 

Gefühl von Ermüdung und Siechheit. 

Die Enge, Hitze, Röthe, das böse Aussehen des 
Gesichts erheblich besser. 

Am 20. September. Sie sieht blass aus, fühlt 
sich krank. Schmerz im Unterhauch, Kopfweh, 
Uebelbefinden.— (Diese Symptome kehrten ziemlich 


regelmässig jeden Monat wieder und Dr. Bram well, 
der sie beobachtete, schreibt sie den Molimina 
menstrualia zu, zumal Pat. bisher noch nicht roen- 
struirt war. Hierin hat er wohl recht; indessen 
kommt diese Störung gleichzeitig auf Rechnung der 
Thyroid-Behandlung, wenn man erwägt, dass dies 
Mittel bei andern Patientinnen die Wirkung gezeigt 
hat, den Menstrualfiuss wieder herzustellen. Dr. J. 
Clarke.) 

In der Regel sind Wangen und Gesicht blass, 
aber dann und wann, ohne ersichtliche Ursache, 
wird die Narbe weit stärker injicirt und die Lupus¬ 
knötchen, die noch da sind, treten mehr hervor. 
Anämie und Hinfälligkeit („Die deutliche Besse¬ 
rung im allgemeinen Zustand der Kranken, die sich 
zwischen dem 20. Januar und 3. Februar einstellte, 
als die Mittelgabe herabgesetzt wurde, scheint da¬ 
für zu sprechen, dass die Anämie und Hinfällig¬ 
keit zum Theil dem zu lange fortgesetzten Gebrauch 
des Mittels zuzurechen ist“) Arsen, und Eisen be¬ 
wirkten eine solche Steigerung der Fiebererschei- 
nungen, dass man sie weglassen musste; Strychnin 
und Chinin thaten nicht gut. 

Wir fügen als Ergänzung noch einige Beobach¬ 
tungen deutscher Aerzte hinzu: 

Dr. Rehn in Frankfurt a. M. hat auf dem 
XII. Congress für innere Medicin über Myxödem 
im Kindesalter einen Vortrag gehalten. Das Myxödem 
im Kindesalter (der Sporadic cretenism der Eng¬ 
länder) ist mit dem bei Erwachsenen identisch, es 
kommt dort aber noch als weiteres Symptom die 
Wachsthumshemmung hinzu. 

Die Kinder zeigen eine trockne, rauhe, schil¬ 
fernde Haut mit gelblicher Färbung, trocknes, 
struppiges Haupthaar, Aufpolsterung der Haut, be¬ 
sonders des subcutanen Zellgewebes an den Lidern, 
Lippen, über der Jochbeingegend, über den Schlüssel¬ 
beinen, hinten auf der Schulterhöhe, längs der 
Rückenstrecken, auf der Gesässgegend, wie auch 
an den Extremitäten. Die Intelligenz, die Willens¬ 
äusserungen sind herabgesetzt, die Sprache ver¬ 
langsamt, der Gang träge, Schweiss fehlt fast gänz¬ 
lich. Appetit meist gering, Stuhl sehr angehalten. 
Das Wachsthum bleibt um 1 | 4 und noch mehr hinter 
der Norm zurück. 

Verfasser stellte 2 Kinder, Mädchen, von 4 und 
7 Jahren (aus verschiedenen Familien) vor, welche — 
bei Fehlen der Schilddrüse — das angegebene 
Symptomenbild in ausgesprochener Weise zeigten. 
Nach 8 wöchentlicher innerlicher Behandlung mit 
Schilddrüsen-Glycerin-Extract war eine auffallende 
Besserung zu constatiren. Die Haut ist glatt ge¬ 
worden, von fast normaler Färbung, die Kopfhaut 
weicher, die myxödematöse Infiltration nahezu ge¬ 
schwunden. (Lider, Lippen fast normal.) Die Kin¬ 
der sind lebhafter, munterer, sprechen deutlicher, 


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136 


ihr Gang ist elastischer, rascher, Appetit gut, der 
Stuhl geregelt. Es traten wieder Schweisse auf. 
Beide sind in der angegebenen Zeit um etwa 3 cm 
gewachsen. — Sie haben innerhalb der 8 Wochen 
von den nach White bereiteten Extract täglich je 
10 Tropfen genommen, im Ganzen das Extract von j 
2 resp. 2 1 [ 8 Drüsen — ohne störende Erschei- j 
nungen, nur dass sie während dieser Medication j 
erheblich an Gewicht abgenommen haben. I 

Bei einem 14jährigen Mädchen, das an den¬ 
selben Symptomen gelitten, hatte der Bruder des 
Redners ein Stück Schilddrüse vom Menschen in 
der Regio thyroidea mit Erfolg implantirt. Bei 
der Operation zeigte sich die Schilddrüse des 
Mädchens in einen bindegewebigen Strang ver¬ 
wandelt. Auch dieses Verfahren hatte einen gün¬ 
stigen Einfluss auf das Myxödem, doch war die 
Besserung keine so eclatante, wie bei den beiden 
mit dem Extract behandelten Kindern. — In einem j 
von Hoffmann mitgetheilten Falle war die Gewichts¬ 
abnahme beim Einnehmen des Extracts bis zur 
Kachexie vorgeschritten, sodass das Mittel ausge¬ 
setzt werden musste. 


Vom Myxfidem. 

Während seit mehreren Jahren in der medici- 
nischen Tagesliteratur das Myxödem einen stehen¬ 
den Artikel bildete, von dem auch in den homöo¬ 
pathischen Zeitschriften Amerikas und Englands 
viel die Rede gewesen ist, sowie von der sich daran 
anschliessenden therapeutischen Verwendung des 
Thyroidin, haben die homöopathischen Blätter 
deutscher Zunge von diesem Gegenstände kaum 
Notiz genommen. — Dasselbe gewinnt für uns aber 
eine hohe praktische Bedeutung insofern, als sich 
herausgestellt hat, dass sich das Myxödem, wie eine 
Anzahl glaubwürdiger Beobachter dargethan, bei 
Patienten vielfach ausgebildet hat, denen die ver- 
grösserte, entartete Schilddrüse auf operativem Wege 
vollständig entfernt worden ist, also nach totaler 
Exstirpation eines Kropfes, Struma. Der operirte 
Kranke verliert nach einiger Zeit die Haare, die 
gesammte Haut kann infolge von wässeriger Exsu¬ 
dation anschwellen; er wird niedergeschlagen, ge¬ 
dankenlos, stumpfsinnig bis zum Blödsinn. (Vergleiche 
Schlegel’s „Innere Heilkunst,“ p. 28.) 

Um dieser „Kachexia strumipriva“ vorzubeugen, 
lassen die Operateure jetzt meist ein Stück der 
Thyroidea zurück, da man sich der Thatsache nicht 
verschliessen konnte, dass diese Drüse denn doch 
eine lebenswichtige Bedeutung haben müsse. Diese 
Annahme wurde dadurch bestätigt, dass das, man 
kann wohl sagen, küustlich erzeugte Leiden erheb¬ 


lich gebessert wurde, wenn man dem Kranken die 
Substanz thierischer Schilddrüsen zu essen gab. 

Ob nun das Myxödem allemal auf diese Ur¬ 
sache zurückzuführen oder ob es überhaupt 
immer im causalen Zusammenhänge mit der Schild¬ 
drüse steht, diese Frage ist noch nicht einmal auf¬ 
geworfen worden. 

Geschichtliches. Das Myxödem ist eine Krank¬ 
heitsform, auf welche man erst seit den letzten 
20 — 25 Jahren aufmerksam geworden ist — und 
doch scheint es uns fraglich, ob wir es hier wirk¬ 
lich mit einem Genus novum morbi zu thun haben. — 
Der erste, der sie beschrieb, war Wm. Gull 1873. 
Dr. Ord lenkte die Aufmerksamkeit auf diese Krank¬ 
heit als identisch mit der früher als „cretinöser 
Zustand bei erwachsenen Frauen u beschriebenen. 
Seitdem sind in England, wo man auch ein Comite 
zur Erforschung dieses Gegenstandes niedersetzte, 
eine Anzahl hierher gehöriger Fälle beobachtet 
worden. 

Krankheitsbihl. 

Die meist bei erwachsenen Frauen beobachteten 
Fälle liefern folgende Erscheinungen: 

Der ganze Körper ist von Anasarca geschwollen. 
Die Haut hat ein wachsfarbenes, anämisches Aus¬ 
sehen. Selbst die Augenlider, das untere wie das 
obere, und beide Lippen sind ödematös. Beim 
Druck entsteht keine Grube, oder eine nur flache ; 
während die Haut meist eine gleichmässige Farbe 
zeigt, findet sich im Gesicht bisweilen eine Röthe 
der Wangen. Dieses hat einen schwerfälligen, un¬ 
beweglichen Ausdruck, die Augen stehen ziemlich 
weit offen, die Brauen sind in die Höhe gehoben, 
wie um die oberen Lider offen zu halten. Die 
Nase ist verbreitert, die Nasenflügel weit gezogen 
der Mund verlängert, die Lippen dick, besonders 
die untere, die nach aussen gekehrt und dunkel- 
roth erscheint. Das Haar geht stark aus, wird auch 
rauh und zäh wie Draht. Die Hände sehen breit 
und dick aus, ebenso sind die Finger ganz dick, 
so dass die Hände spatenähnlich erscheinen. Von 
der Schilddrüse entdeckt man nichts; die Haut liegt 
um den Hals in Falten, während die Schlüsselbein - 
gruben ausgefüllt, wenn nicht aufgetrieben sind. 
Die Temperatur ist gewöhnlich subnormal. 

Man hat das Myxödem unter die Erkrankungen 
des Nervensystems gestellt, und manche Symptome 
sprechen auch dafür. Die Kranke hat schmerz¬ 
hafte, eigenartige Empfindungen, theilweise Anä¬ 
sthesie, unangenehme Geräusche in den Ohren, 
Stumpfsinn. Die Sprache ist langsam, bedächtig, 
die Worte sind mühsam aber sehr gewählt. Die 
Stimme ist eintönig, ermüdend für den Hörer. Die 
Zunge ist dick, ungelenk. Alle willkürlichen Be¬ 
wegungen geschehen langsam und bedächtig; die 
Erhebung des Körpers aus der liegenden Stellung 


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187 


ist schwierig; die Fortbewegung beim Gehen ist 
einseitig, indem die Coordination unvollkommen er¬ 
scheint und der Körper sich sehr mühsam hin¬ 
schleift. • 

Dr. Ord meint, dass die nervösen Symptome 
von dem durch das ödematöse Gewebe auf die 
Endigungen der peripheren Nerven ausgeübten 
Druck abliängen können. In dem Maasse als pro¬ 
gressive Veränderungen in den Geweben statt¬ 
finden und die Gchirnsubstanz mit hineingezogen 
wird, tritt die geistige Schwäche stärker hervor; I 
die Krankheit schreitet gern zur Dementia fort. ' 

Eine Aehnlichkeit des Myxödem mit sporadischen I 
Cretinismus ist nicht zu leugnen; manche gehen 
so weit zu behaupten, es sei eben nichts anderes 1 
als ein Cretinismus adultorum. — Es erinnert auch I 
lebhaft an den krankhaften Zustand, der bei Thieren | 
entsteht, wo man des Versuches wegen, und bei 
Menschen, wo man eines Struma halber, die Schild- i 
drüse entfernt hat. i 

Bei einem der so behandelten Schafe blieb nach 
Entfernung der Drüse der beschriebene Zustand 
15 Monate aus, als aber das Thier nun geschoren 
wurde und unerwartet kalte Witterung eintrat, er¬ 
schien bei ihm plötzlich das Myxödem und verlief 
in 14 Tagen tödtlich. — Wärme ist bei solchen 
Kranken sehr dienlich; manche ihrer Symptome 
bessern sich im Sommer. 

Aetioloc/if. Alcohol, Syphilis, Wechselfieber 
sind, nach den bisherigen Beobachtungen, bei der 
Aetiologie des Myxödem ausgeschlossen. — Die 
Krankheit erscheint bei Frauen im Verhältnis von 
5 zu einem Mann, und sind bei diesen übermässig 
langes Kindersäugen, heftige Hämorrhagien und 
acuter Rheumatismus als prädisponirende Momente 
angegeben worden. 

Pathologische Anatomie. 

Es sind erst wenige Autopsien bisher gemacht 
worden — und hat man das Bindegewebe in allen 
Theilen des Körpers hypertrophisch und degenerirt 
gefunden. Veränderungen in der Schilddrüse sind 
constant. Eine Wucherung feinen fibrösen Ge¬ 
webes erstickt anderes Drüsengewebe in der Thyroi- 
dea und durchsetzt auch die Nervencentra, Blut¬ 
gefässe und Nieren. 

Therapie . Da spontane Hautausdünstung den 
Patienten grosse Erleichterung verschafft, so hat 
man auf diesen Wink der Natur hin Jaborandi und 
sein Alkaloid, das Pilocarpin, als Heilmittel bei 
Myxödem angewandt; doch ist der Erfolg wohl 
kein gründlicher. j 

Später hat man ein quasi isopathisches Ver- i 
fahren eingeschlagen, indem man die Schilddrüse 
selbst, namentlich von Schafen oder Kälbern, als 1 
Heilmittel verwendet hat. Zuerst inplantirte man 
ein Stück von der Schilddrüse eines lebenden 


Schafes an einer Stelle in das submucöse Zell¬ 
gewebe des Erkrankten; sodann hielt man es für 
wirksamer, den Saft der Thyroidea, oder ein aus 
der macerirten Drüse genommenes Extract in 
Glycerin subcutan einzuspritzen. — Schliesslich 
kam man aber dahin, dieses Extract oder ein ge¬ 
pulvertes Präparat der Drüse per os einzuführen 
und am Ende zog man es vor, dem myxödematösen 
Kranken die Schilddrüsen als einen Theil seiner täg¬ 
lichen Nahrung zu verabreichen, und will man ge¬ 
rade bei der letzten Gebrauchsart die besten Erfolge 
beobachtet haben. -Die meisten Versuche dieser 
Thyroidaltherapie sind in England und Amerika 
gemacht worden, und wimmelte es letzthin in den 
amerikanischen homöopathischen Zeitschriften von 
Mittheilungen über derartige Beobachtungen. 

Dr. Ellen L. Keith berichtete in einem Vortrage 
vor der Boston Homoeopathic Medical Society (dem 
wir zum Theil die obigen Notizen entnommen haben) 
über drei hierhergehörige Fälle. 

1. Fall. Frau A. B., 29 Jahre alt, kam im 
Juni 1888 mit Dementia secundaria in das kleine 
Hospital zu Boston. Sie war seit mehreren Monaten 
geistig gestört, und zeitweise lärmend, aufgeregt 
und gewaltthätig. Nach der Aufnahme war sie 
immer ruhig, erschien zuerst blöde, beantwortete 
Fragen langsam und zögernd; die Haut der ganzen 
Körperoberfläche war rauh und sclnlferig. Auf der 
Kopfhaut zeigte sich ein dicker, gelber, schwer ab¬ 
zuwaschender Schorf. Nachdem sie achtzehn Mo¬ 
nate im Spital war, verbrannte sie sich einen 
Fingerknöchel der rechten Hand recht arg am 
Radiator. Sic will das aber nicht eher bemerkt 
haben, als bis sie den Finger vom Radiator weg- 
gezogen hatte. Um diese Zeit ward die Diagnose 
auf Myxödem gestellt, sowie auch Schwindsucht, 
da die Sputa Tuberkel-Bacillen enthielten. Die Zeichen, 
welche für Myxödem sprachen, waren nach dem 
Redner: die beständige Rauhigkeit der Haut, die 
Erscheinung von Hydrops ohne Flüssigkeit, die Ab¬ 
schuppung der Kopfhaut und das Haarausfallen, 
sowie die Gefühllosigkeit in der Hand, dazu die 
psychischen Symptome. In etwa drei Wochen starb 
die Patientin an acuter Phthisis. Die Brandwunde 
hatte gar keine Neigung zu heilen gezeigt. 

2. Fall. Ein 37jähriges Fräulein wurde am 
2. März 1892 im Krankenhause aufgenommen. Im 
12. Lebensjahre hatte sie Chorea, genas aber voll¬ 
ständig, und war bis zum 30. Jahre arbeitsfähig; 
seitdem hatte sie mannigfache widerige Empfin¬ 
dungen, die ihre Aerzte für mehr oder weniger 
hysterische hielten. Ihre Sprache ist sehr langsam, 
im Ausdruck äusserst gewählt und scharf bestimmt, 
für den Hörenden wegen ihrer Eintönigkeit er¬ 
müdend. Ihr Haar, früher sehr dicht und weich, 
ist jetzt dünn und drahtartig, am Scheitel fast ganz 


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ausgegangen. Die Schädeldecke ist dick, trocken, 
mit Schorf bedeckt. Die Haut ist blassgelb, 
schuppig und aufgedunsen, aber nicht ödematös, 
auf den Wangen oft dunkelroth. Die Zähne sind 
schlecht, Zunge gross und geschwollen. Die Schild¬ 
drüse ist nicht zu fühlen; die Regio supraclavi- 
cularis stark ausgefüllt, die Augenlider geschwellt, 
und zeigt sich allgemeine Anschwellung des Rumpfeft, 
der Glieder, der Füsse. Doch wechselt dies, indem 
die Hände, noch eben aufgedunsen und gespannt, 
infolge von Temperaturwechsel arg zusammen¬ 
schrumpfen. In den Füssen »fühlt sie Schwere, 
kann sie zeitweise kaum aufheben. Nach einem 
Bade kommt ihr der ganze Körper auf 24 Stunden 
aufgetrieben und aufgedunsen vor. Sie hat ein 
Gefühl von Druck rechterseits vom Scheitel den 
Kopf hinab, dann werden die Glieder, dem Gefühle 
nach, heiss und es steigt eine brennende Empfin¬ 
dung von den Füssen aufwärts; gegen kühle Luft 
ist sie sehr empfindlich, bei gesteigertem Druck¬ 
gefühl. Beim Umdrehen Schwindel nach der rechten 
Seite und Schwierigkeit beim Auftreten. Die Menses 
zeitweise unregelmässig, oft geht ihnen Nasenbluten 
voran. Sie bekommt Massage, kann nach Belieben 
ausgehen und nach Wunsch liegen oder auf sein. 

Verordnung: Kali phosphor. 3. X. 

20. Juli. Seit Mitte Mai trat eine Gebärmutter¬ 
blutung ein, die verschiedenen Mitteln bisher Trotz 
bot, nur einige Tage nachliess; auf Geist und 
Körper scheint dieser Blutfluss wohlthuend zu 
wirken. Patientin ist nicht mehr so besorgt, weniger 
nervös; ihr Fleisch fühlt sich weicher an, gelegent¬ 
lich Schweiss, der seit Monaten selten gewesen 
war. 

8. November. Den Sommer über ging es besser, 
aber mit dem kühleren Wetter zeigte sich wieder 
Rauhheit der Hände und Schwäche der Glieder. 
Von Zeit zu Zeit Metrorrhagie, welche die Kranke 
an’s Bett fesselte, aber um diese Zeit war ihr der 
Kopf jedesmal klarer. Hautausdünstung war nur 
einige Male während der heissesten Tage eines 
sehr heissen Sommers eingetreten und that ihr sehr 
wohl. 

8. Mai. 1893. Der geistige Zustand hat sich 
gebessert, das Gemüth ist weit ruhiger, die Sprache 
weniger langsam; sie kann ihre Gedanken leichter 
ausdrücken. Ihr Gang ist schneller, aber einseitig, 
die eine Körperseite scheint schwächer zu sein. 
Bettruhe thut ihr sehr wohl, dann kann sie lesen, 
schwätzen, und etwas nähen; aber die Anstrengung, 
welche ihr das Aufsein kostet, nimmt soviel Kraft 
in Anspruch, dass für andere Muskelthätigkeit nur 
wenig übrig bleibt. Das Zahnfleisch ist schwammig 
und wächst über die Basis der Zähne hervor, ist 
aber beweglich. Sie hat seit mehreren Wochen 
Calc. carb. 30. X. genommen. 


Dr. Keith hat sich bemüht, eine Ursache für 
diesen Fall zu erforschen. Die Anamnese ergab, 
dass Patientin 1875 eine Peritonitis und 1878 
Periostitis der Tibia überstarrden hat, doch scheint 
sie sich von beiden völlig erholt zu haben. — 1883 
machte sich übermässige Nervenaffection und körper¬ 
liche Ueberanstrengung deutlich bemerkbar. Ihre 
Stellung als Buchhalter in einem Geschäft, das eine 
halbe (englische) Meile von ihrer Wohnung entfernt 
war, brachte es mit sich, dass sie zweimal täglich 
diesen Weg über sehr steile Hügel zu machen 
hatte. Sie giebt an, dass sie unter dein Einfluss 
eines uncontrollirbaren Dranges diese Hügel Mittags 
und Abends ungestüm hinaufgestürmt sei; auch er¬ 
innert sie sich, wie sie einmal bei eisigem Wetter 
gerade vor der Regel fast eine Meile schnell ge¬ 
laufen sei, seit welcher Zeit die Menstruation dann 
unregelmässig wurde. Als Reaction auf jene geistige 
Ueberspannung erfolgte dann grosso Nervenschwäche, 
so dass sie bald ausser Stande war, irgend welche 
regelmässige Arbeit zu verrichten. — Etwa zwei 
Jahre später — 1886 — begann die Schwellung 
der Glieder, die in den Schenkeln so gross war, 
dass diese sich oben einander scheuerten und das 
Gehen beeinträchtigten. Um jene Zeit ward es ihr 
schwer, sich im Gleichgewicht zu halten, was sie 
damals für Rückenschwäche hielt, während sie es 
jetzt als einen Theil ihrer gegenwärtigen Krankheit 
ansehen muss. 

3. Fall. Eine 36jährige Frau ward im No¬ 
vember 1891 aufgenommen — und Wahnsinn mit 
Sinnestäuschungen diagnosticirt. Nach mehnnonat 
licher Beobachtung stellte sich das Leiden als 
Myxoedema heraus. Eine Zeit lang war die Haut 
an ihren Händen sehr dick und rauh. Dies rührte 
wohl von ihrer Gewohnheit her, die Hände immer 
ein gut Theil nass zu halten und wich der Behand¬ 
lung; aber in letzter Zeit wiesen das Dünnwerden 
der Haare, die Schwellung der Augenlider, ohne 
Oedem, und die Auftreibung der Glieder auf das 
Vorhandensein eines myxödematösen Zustandes hin. 

(New England Gazette, August 1893.) 


Neue homöopathische Literatur in Amerika. 

The Bee Line Repertory by Stacy Jones, M. D, 

Philadelphia, Boericke & Tafel. 1894. Price 
Doll. 1.00. 

Ein 210 Seiten starkes Repertorium in Taschen¬ 
format und in biegsamem Lederband. In rein 
alphabetischer Anordnung bespricht Verfasser die 
am meisten vorkommenden Krankheiten, so dass 
man am Krankenbette einen für die meisten Fälle 
ausreichenden Führer hat. Doch muss gleich hier 


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gesagt werden, dass Verfasser kein homöopathisches 
Repertorium geliefert hat, sondern er mischt Haus¬ 
mittelpraxis und Homöopathie sehr zusammen. Die 
Angabe der bei den einzelnen Kapiteln genannten 
Mittel ist eine sehr unzureichende. So z. B. bei 
Gonorrhoe sagt er: Jacaranda tinct. 5 drops. (See 
Viuegar, Potasl)., See Male.) Meningitis: Cic., Gels., 
Cimic., Ox. ac., Ipec. 2 gr., 3 h. (See Lime, Sweat.) 
u. s. w. 

Es muss ausserdem als ein Missgriff bezeichnet 
werden, dass in einem Repertorium, welches zum 
schnellen Auffinden des Gewünschten bestimmt ist, 
bei fast jedem Artikel Verweisungen auf andere 
Stellen des Buches gemacht werden. Man sollte 
doch kurz und bündig alles gleich an den be¬ 
treffenden Platz hinschreiben, selbst wenn dadurch 
eine Wiederholung des einmal Gebotenen eintreten 
müsste. 

Die so rührige Verlagsfirma würde sich ein 
weit grösseres Verdienst sichern, wenn sie Reper¬ 
torien wie das von Boenninghausen’sche, neu 
drucken liesse, z. B. die Capitel der Verschlimme¬ 
rung und der Besserung und etwa noch das der 
Empfindungen. Diese Capitel, von einem Allen , 
Kunkel oder Hesse vermehrt und in Taschenformat 
herausgegeben, würde sicher einen reissenden Ab¬ 
satz haben und weit mehr für die Ausbreitung 
reiner Homöopathie und das Wohl der leidenden 
Menschheit thun, als das immerhin gutgemeinte 
„Bee Line Repertorium“. 

Veneral and TJrinary Diseases by Temple 8. Hoyne, 

A. M., H. D., etc. Halsey Brothers. Chicago. 

1894. Second Edition. 

Dr. Hoyne ist „Clinical Professor of Skin and 
Veneral Diseases in Hering Medical College and 
Hospital of Chicago“ und als solcher wohl be¬ 
sonders befähigt, dieses Buch zu schreiben. Mit 
kurzen Zügen schildert er die einzelnen Krankheits¬ 
zustände und giebt nachher eine wirklich meister¬ 
haft geordnete Mittelübersicht, die hauptsächlich 
die alten ausgeprüften Mittel darstellt. 

Die verschiedenen Capitel heissen: 

Veneral Diseases . Primary Syphilis. Secondary 
Syphilis. Terciary. Hereditary Syphilis. 

Gonorrhoe and Gleet. Gonorrhoe. Gleet. 

Repertory . Gonorrhoe and Gleet of men. 
Gonorrhoe of Women. Complications of Gonorrhoea. 
Impotence. Onanism. Spermatorrho ea. 

Urinary JHseases. Diseases of the Kidney. 
Albuminuria. Cystitis. Diabetes. Dysuria. Enuresis. 
Hematuria. Retention of Urine. Stone Calculus. 
Stranguria. Suppression of Urine. Urging to 
Urinate. Condition of the Stream. 

Index . 

Es ist ein reichhaltiges Buch für jeden Arzt 


und ganz besonders für den Specialisten, dem es 
manche Operation ersparen würde bei rechtem 
Studium desselben. Das Werk von 133 Seiten, 
gut gebunden, kostet nur Doll. 1.00. 

Bepertory to the more Characteristic Symtoms of 
the Materia Medica Arranged by Constantine 
Lippe, A. M. M. D. Second Edition. Price 
Doll. 2 75 to Doll. 5. 

Unter den amerikanischen Repertorien nimmt 
dieses von Lippe doch einen hervorragenden Platz 
ein, denn es ist ein ziemlich vollständiges und 
wohlgeordnetes Werk. Dr. Lippe dedicirte es dem 
alten Hering, von dem er es ja eigentlich empfangen 
hatte durch seine Vorlesungen. 

In systematischer Anordnung bespricht Verfasser 
die verschiedenen Symptome auf 822 Seiten, deren 
jede einmal gespalten ist, sodass man dadurch und 
durch den engen Druck ein sehr inhaltsreiches 
Werk hat. 

So gut aber der Inhalt auch ist, so viel lässt 
der Druck zu wünschen übrig. In einem Privat¬ 
briefe theilt mir die Wittwe des leider verstorbenen 
Verfassers mit, dass sie daran unschuldig ist und 
sie wird dafür sorgen, dass eine neue Auflage 
tadellos erscheint. 

The Bioohemio System of Medioiu eto. by Geo. W. 
Carey, M. D. St. Louis. F. A. Luyties. 1894. 

Schüsslers Biochemie hat bekanntlich in Amerika 
eine begeisterte Aufnahme gefunden und auch 
haben manche kräftige Arbeiter sich gefunden, die 
diesen Zweig der Heilkunde weiter ausführten. So 
sind ja genaue symptomatische Anzeigen für die 
Wahl -des Mittels ganz besonders von Amerika aus¬ 
gegangen. Auch obiges Werk ist dazu angethan, 
die Biochemie in weitere Kreise einzuführen und 
wird jedenfalls manchen Arzt und Laien dem 
Schosse der Alloeopathie entreissen. 

In Part. 1 giebt Verfasser eine Darstellung 
der Biochemie, in Part. 2 führt er die Materia 
Medica der 12 Gewebsmittel vor, Part. 3 stellt in 
alphabetischer Anordnung die Therapie dar und 
giebt viele klinische Fälle, während Part. 4 das 
Repertorium enthält. 

Es hat dieses Buch aber auch viel Staub auf¬ 
gewirbelt im eigenen Lager, denn vor ca. einem 
Jahre veröffentlichten Boericke & Tafel die dritte 
Auflage desselben Werkes, welches von den Drs. 
Boericke und Dewey bearbeitet ist Dieses Werk 
wurde zuerst von jenen beiden Aerzten im Jahre 
1888 veröffentlicht, erlebte 1890 die zweite und 
1892 die dritte Auflage, ist also gewissermassen 
das Original. Da nun das obengenannte Werk von 
Carey genau dieselbe Eintheilung hat, viele ähnlich«' 
Stellen im Texte bietet, so behauptet die Firma 


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des älteren Werkes, dass Carey gestohlen habe, 
wogegen dieser und seine Verlagsfirma sich aller¬ 
dings energisch verwahren. 

Wie weit die eine oder die andere Firma im 
Rechte ist, das zu entscheiden ist wohl nicht so 
leicht, denn es ist ja ebensogut möglich, dass die 
respectiven Verfasser dieselben Gedanken gehabt 
haben. So viel ist aber sicher, dass wer das eine 
Werk besitzt, der braucht sich das andere nicht 
zuzulegen, denn er dürfte darin doch kaum etwas 
neues von Bedeutung finden. Beide Werke sind 
mit ganz besonderem Fleisse verfasst und sehr 
brauchbar, zumal sie ausgezeichnete klinische Fälle 
bieten und die ganze Anlage das ist, was man 
gerade gebraucht, eine gute, bestimmte Therapie. 

Der Preia ist für beide gleich, nämlich 
Doll. 2.50. Carey’s Werk hat 444 Seiten, Boericke 
und Tafel’s nur 384, ist dafür aber enger ge¬ 
schrieben. 

Essentials of Materia Medica etc. by W. A. Dewey, 

M. D. Philadelphia, Boericke & Tafel. 1894. 

Price Doll. 1.50. 

Es ist wohl kein besseres Werk über diesen 
Gegenstand erschienen, welches in möglichster 
Kürze so viel bietet, wie gerade Dr. Dewey’s vor¬ 
liegendes Buch. Auf 269 Seiten bringt Verfasser 
in Form von Fragen und Antworten das No tb- 
wendigste über die homöopathische Materia Medica 
in anziehendster Form. Capitel 1 bespricht in aller 
Kürze das Wesen der Homöopathie. Capitel 2 
bringt die Grundsätze der homöopathischen Pharmacy. 
Capitel 3 behandelt in charakteristischer Weise die 
Symptomatologie der vegetabilischen Arzneien. 
Capitel 4 die der animalischen, Capitel 5 die der 
Nosoden oder der animalischen Producte und 
schliesslich Capitel 6 die der Mineralien. 

Um zu zeigen, was das Werk bietet, wolle man 
mir gestatten, dass ich hier den Abschnitt über 
unsere Chamomilla hinschreibe. 

Charnomilla. Wo erhalten wir diese Arzenei? 
Sie wächst in Europa und unsere Tinctur ist von 
der ganzen blühenden Pflanze gemacht. 

Welche ist die allgemeine Wirkung der Ih'ogue? 
Chamomilla scheint auf die vom Rückenmarke aus¬ 
gehenden Empfindungsnerven einzuwirken, ein 
Stadium excessiver Hyperaesthesie erzeugend. Diese 
Ueberempfindlichkeit ist von einem entsprechenden 
Gemüthszustande begleitet, einer mürrischen, 
schnippischen Erregbarkeit. Sie wirkt auch her¬ 
vorragend auf die Verdauungsapparate und ist be¬ 
sonders passend für Kinderbeschwerden während 
der Zahnperiode. 

Was ist das hervorragend Charakteristische der 
Arznei? 1. Der Gemütszustand, Unerträglichkeit 

der Schmerzen etc. 2. Verschlimmerung durch 


Wärme. 3. Verschlimmerung des Abends und des 
Nachts. 

Welches sind die charakteristischen Geistessymptome 
der Arzenei? Verdriesslichkeit und Erregbarkeit. 
Das Kind ist ungeduldig und ruhelos, wünscht um¬ 
hergetragen und geschmeichelt zu werden; verlangt 
Dinge und schreit, wenn es sie nicht bekommt, 
wirft sie aber von sich, wenn es sie erhält; es 
ist besonders empfindlich gegen Schmerz, schnippisch, 
kurz angebunden und kaim nicht höflich sein; 
Folgen von Aerger. 

Nenne zwei andere Mittel gegen die sddimmen 
Folgen von Aergerf Staphisagria und Bryonia. 

Gieb die Indicationen für Chamomilla in Schlaf¬ 
losigkeit der Kinder . Auffahren im Schlafe, die 
Muskeln der Hände und des Gesichtes zucken; es 
mag Kolik vorhanden sein und das Gesicht, be¬ 
sonders eine Backe, ist rotli. 

Was sollte gegeben werden , wenn ausserdem 
Delirien vorhanden sind? Belladonna. 

Was ist das Charakteristische der rheumatischen 
Schmerzen? Sie treiben den Patienten aus dem 
Bette und nöthigen ihn, umher zu gehen und der 
Schmerz macht ihn fast wahnsinnig. 

Drei andere Arzeneien , Rhus toxFeer, met. 
und Veratrum alb ., haben Besserung der Schmerzen 
durch Bewegung; wie sind sie von Cham, zu unter¬ 
scheiden? Sie alle haben nicht die Fieberliaftigkeit, 
Aufregung und Reizbarkeit. 

Welches sind, die Naseusymptome von Chamo¬ 
milla? Verstopfte Nase mit wässerigem Ausfluss; 
Niesen und Unmöglichkeit schlafen zu können. 
Ein trockner Kitzelhusten hält das Kind wach, 
oder ein rasselnder Husten, als ob die Bronchi 
voller Schleim wären. 

Art welche andere Arzeneien muss gedacht 
werden bei Erkältung der Kinder mit verstopften 
Nasenlöchern? Nux vom., Sambucus und Sticta. 

Welche Diarrhöe hat Chamomilla? Stuhl gelb¬ 
lich-grün, schleimig, wie gehackte Eier aussehend, 
oder wie Spinat, vom Geruch fauler Eier, bei 
zahnenden Kindern, oder nach Erkältung begleitet 
von Kolik und wundem Anus, verursacht durch den 
heissen Stuhl. 

Wann sollte Charnomilla. unter der Geburtsarireit 
gegeben werden? Wenn die Wehen im Rücken 
beginnen und durch die Innenseite der Schenkel 
| abgehen und wenn der Patient intolerant gegen 
I den Schmerz ist, macht viel Lärm, ist ungeduldig 
| und boshaft, das Os rigid. 

I Wann ist Chamomilla in Unterdrückung der 
j Milch angezeigt? Wenn sie eine Folge von 
| Aerger ist. 

Dr. med. Staads. 


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Therapeutisches 

Taschenbuch für homöopathische Aerzte 

von v. Boenninghausen. 

Die von der Marggraf sehen Officin angekündigte 
neue Auflage dieses am Krankenbette unentbehr¬ 
lichen Werkes ist ein Ereigniss, und zwar ein 
hochwillkommenes, seit langer Zeit herbeigesehntes 
Ereigniss. Wie zum Kriegführen Geld und wieder 
Geld nöthig ist, so zur erfolgreichen homöopathischen 
Behandlung die Arzneimittellehre und immer wieder 
die Arzneimittellehre. Jedes Hilfsmittel, das an¬ 
scheinend unübersehbare Gebiet der Arzneien und 
ihrer brauchbaren Symptome zu bewältigen, muss 
benutzt werden und das beste, auch von Hahne- 
mann selbst anerkannte und freudig begrüsste 
Repertorium ist das unseres Münsteraner Alt¬ 
meisters. Ueberall, wo die Homöopathie Eingang 
fand mit dem Organon und der reinen Arznei¬ 
mittellehre, ist auch das Taschenbuch vorgedrungen 
als unzertrennlicher Begleiter. 

„Der homöopathische Arzt bedarf in der Praxis 
irgend einer abgekürzten, leicht übersichtlichen und 
das Charakteristische hervorhebenden Zusammen¬ 
stellung der Symptome, um seinem Gedächtnisse zu 
Hilfe zu kommen, damit er im Stande sei, bei 
jedem concreteu Krankheitsfalle unter den im All¬ 
gemeinen indicirten Mitteln das homöopathisch 
passendste Heilmittel mit Sicherheit und ohne 
grossen Zeitverlust zu finden.“ (v. Boenn.) 

Wenn der Arzt in einem Krankheitsfalle con- 
statirt hat, dass die Lage auf der linken Seite ver¬ 
schlimmert, ist er da berechtigt, nur zwischen 
Phosphor, Pulsatilla und Natr. muriat. zu wählen, 
von denen er zufällig weiss, dass sie diese Ver¬ 
schlimmerung haben? Nein, er soll seine Wahl 
treffen unter sämmtlichen Mitteln, welche dieses 
Symptom haben und diese wiederum findet er in 
obigem Taschenbuche und zwar geordnet nach der 
Häufigkeit und Bedeutung des betreffenden Symp¬ 
toms für das einzelne Mittel. 

Vor einigen Tagen consultirte mich eine Frau 
vom Lande wegen einer linksseitigen chronischen 
Conjunctivitis und Blepharitis, beides, sowie der be¬ 
gleitende Kopfschmerz, verschlimmert durch Links¬ 
liegen , was Herzklopfen hervorruft, niedrige Lage 
des Kopfes und Bücken. Verschiedene Arzneien, 
worunter Sulfur, hatte ich ohne bleibenden Nutzen 
vorher verordnet und schwankte jetzt zwischen 
Phosphor und Spigelia. Beim Nachschlagen in dem 
Taschenbuch fand ich unter „Lidränder“ Phosphor 
gar nicht, Spigelia hervorragend genannt; dadurch 
wurde die Wahl für Spigelia entschieden. 

In jedem Krankheitsfalle, wo das Mittel nicht 
klar auf der Hand liegt, wo es gilt, zu suchen, 
das eine Mittel gegen das andere abzugrenzen und 


abzuwägen, bewährt sich unser Taschenbuch. Ob 
Hoch-, ob Tiefpotenzier, beide brauchen es, denn 
beide sollen und wollen das Simile finden. Die 
Amerikaner, bei denen das Buch in hohem An¬ 
sehen steht, haben vor Jahren schon ciue neue 
englische Auflage veranstaltet. 

Mögen die deutschen homöopathischen Aerzte 
durch ausnahmslose Subscription das Unternehmen 
ermöglichen. Dr. Hesse-Hamburg. 


Das Hahnemann-Denkmal in Amerika. 

Wir lesen im „North American Journal of 
Homoeopathy“ : 

Diejenigen, die noch einen Zweifel an dem Zu¬ 
standekommen eines Standbildes Hahnemanti’s hegen 
mochten, werden nicht mehr lange zu warten 
brauchen, um ihren Zweifel gründlich behoben zu 
sehen, denn bald wird das Project auch wirklich 
ausgeführt werden. Das American Institut of Ho- 
moeopathy hat sich grossartig dafür eingesetzt. Die 
Zustimmung der Mitglieder der letzten Jahres¬ 
versammlung zum Vorschläge des Comitös war eine 
vollständige und enthusiastisch-einstimmige. Die alten 
Herren machten den Anfang und subscribirten 
4000 Dollars (20000 Mk.). In der folgenden Vor¬ 
mittagssitzung wurden 10000 Dollars (50000 Mk.) 
subscribirt. Mehr als 20000 Dollars sind dem 
Comitö zugesichert und es kann daher kein Zweifel 
mehr an der Ausführung des Entwurfs bestehen. 

Iin nächsten Jahre — in New-York — wird 
man noch Alles Zusammenhängen, was zur Deckung 
der etwa noch erübrigenden Kosten fehlt. Die An¬ 
lagen für das Monument, das 50000 Dollars — 
250000 Mk. kosten wird, sind bereits vollendet. 

Ref. Dr. Kafka. 

Lesefruchte. 

Beitrag zur Aetherbehandlung bei ein¬ 
geklemmten Brüchen. 

Von Dr. Ettinger, Spitalarzt in Galatz. 

Im Jahre 1891 publicirte Dr. Finkeistein über 
93 Fälle eingeklemmter Hernien, bei denen eine 
Reduction entweder spontan oder nach voraus¬ 
gegangener Berieselung der Bruchgeschwulst mit 
Schwefeläther erfolgt war. Gewiss ein glänzender 
Erfolg, der zur Nachahmung aufforderte. 

Dr. Ettinger theilt nun drei auf solche Art von 
ihm behandelte Fälle mit: 

1. Herrda ingwnalü sinistra . Der Leistenbruch 
war bei einem 23jährigen Manne jetzt zum ersten 


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Mal, beiin Heben eines schweren Mehlsackes, lier- 
vorge treten. Patient versuchte den Bruch zurück¬ 
zubringen, indem er alle möglichen Gewichte darauf- 
logte, aber ohne Erfolg. 

Seit dem ersten Tage der Einklemmung ist 
kein Stuhl erfolgt; am zweiten Tage begann Er¬ 
brechen , was noch in Gegenwart des Arztes 
geschah. Das Vomirte riecht faculant. Patient ist 
gut und kräftig gebaut; Puls klein und beschleu¬ 
nigt; die Extremitäten mit Schweiss bedeckt. Das 
Abdomen aufgetrieben, tympanitisch. In der linken 
Inguinalgegend bemerkt man einen Tumor von 
der Grösse einer Orange, von harter Consistcnz, 
sehr schmerzhaft und irreductibel. Nachdem weder 
nach einem warmen Bade, noch einem Taxis-Ver¬ 
suche irgend eine Veränderung bemerkbar ist, eine 
Operation verweigert wird, schreitet Verfasser zur 
Aetherbehandlung. Zu dem Zwecke wird Patient 
in Rückenlage mit erhöhtem Kreuz gebracht, die 
Beine flectirt, das Scrotum durch ein kleines Kissen 
gehoben. Nachdem die ganze Schamgegend rasirt, 
die Genitalien sowie der Anus und die benachbar¬ 
ten Partieen durch Einölen mit Ol. olivarum (oder 
Vaseline) geschützt waren, giesst Verfasser sowohl 
auf die Geschwulst als besonders auf den ein¬ 
klemmenden Ring von 10 zu 10 Minuten zwei 
Löffel Schwefeläther. Nach zweistündiger Fort¬ 
setzung dieses Verfahrens war der Tumor nicht 
mehr so hart noch so schmerzhaft als vorher. Sechs 
Stunden nach Beginn der so regelmässig fort¬ 
gesetzten Berieselung konnte die Hernie auf 
leichten Druck hin völlig reponirt werden. — 
Andern Tags hatte Patient einen reichlichen Stuhl. 
Er ist jetzt noch, beim Tragen eines guten Bruch¬ 
bandes, völlig gesund. 

2. Hemia inguinalis dextra incarcerata. Ein 
10jähriges Kind leidet seit seinem vierten Jahre 
an einem Bruch, der aber immer leicht zurückging. 
Vor sechs Tagen bei einem Sprunge trat der Bruch 
heraus und konnte seitdem nicht reponirt werden. 
Am dritten Tage beginnt Erbrechen, Singultus 
und ausserordentliche Unruhe. Seit sechs Tagen 
kein Stuhl. 

Am sechsten Tage Allgemeinbefinden des Kin¬ 
des schlecht; Puls klein, beschleunigt, Gesicht ein¬ 
gefallen, mit kaltem Schweiss bedeckt, Leib auf¬ 
getrieben, tympaniti8ch. In der rechten Inguinal- 
gegend eine Geschwulst in der Grösse eines Gänse¬ 
eies, die hart und druckempfindlich ist. Die Haut 
darüber geröthet. Mit Rücksicht auf den elenden 
Zustand des Kindes stand Verfasser von allen 
weiteren Repositionsversuchen ab, um so mehr da 
er annehmen musste, dass die Hernie (der Behaup¬ 
tung der Eltern entgegen) eine angeborene war, 
wobei die Taxis widerrathen wird. 

Um 2 Uhr begann Verfasser die Ueberrieselung 


der Geschwulst mit Schwefeläther von 10 zu 10 
Minuten; nach 5 Stunden war der Tumor merklich 
kleiner und weniger schmerzhaft. Auf einen ge¬ 
ringen Druck gelang es nun endlich, das ersehnte 
Geräusch des zurückgleitenden Darms zu hören. 
In der darauffolgenden Nacht hatte das Kind zwei 
Stühle und fühlte sich bedeutend besser; am näch¬ 
sten Tage noch einen Stuhl. Das Kind stand nach 
einigen Tagen völlig gesund auf und blieb es. 

3. Hemia ingidnalia dextra incarcerata . Ein 
7 4 jähriger Mann will von der frühesten Jugend¬ 
zeit an einem doppelseitigen Leistenbruch gelitten 
haben; er trug ein Bruchband und hatte nie Be¬ 
schwerden gehabt. In der Nacht vom 8.|9. März 
1892 stand er des Stuhlganges wegen auf, presste 
dabei stark und bemerkte, als er sich wieder zu 
Bette legte, dass der linksseitige Bruch zurückging, 
der rechtsseitige aber nicht zurückzubringen war. 
Um 8 Uhr früh, etwa 5 Stunden nach erfolgtem 
Austreten des Bruches, machte Dr. E. die Taxis, 
15 Minuten lang, ohne Erfolg. Nun ein warmes 
Bad. Die zwei Stunden später wiederholte Taxis 
der inzwischen grösser gewordenen Bruchgeschwulst 
war wieder erfolglos. Nun liess er durch seinen 
Assistenten die Berieselung der Geschwulst in 
obiger Weise vornehmen. Nach 4*1* Stunden ge¬ 
lang die Reposition schmerzlos nach zwei Minuten 
langer Taxis. 

(Betz’ Memorabilien, 1892, p. 36.) 


Die Calomelbeh&ndlung in einem Fall yod 
hypertrophischer Leberscirrhose. 

Von Dr. L. Sior. 

Dr. Sior theilt einen Fall von hypertrophischer 
Leberscirrhose bei einem 30jährigen Manne mit, 
bei dem nach mehr als 3 | 4 jähriger erfolgloser Be¬ 
handlung sich Calomel von entschiedener Heil¬ 
wirkung zeigte. Schon am dritten Tage nach An¬ 
wendung dieses Mittels war Patient lieber- und 
schmerzlos. Die ikterische Färbung war bis auf ein 
ganz leichtes gelbliches Colorit von Haut und Sklera 
verschwunden. — Die gesammte Ernährung und 
der Kräftezustand des Mannes haben sich bedeutend 
gehoben, nachtheilige Mercurialerscheinungen nicht 
eingetreten. — Die Leber zeigte anfänglich keine 
Abnahme des Umfanges, trotz der eingetretenen 
Besserung, doch trat im Laufe der dreimonatlichen 
Calomelbehandlung eine sehr merkliche Verkleine¬ 
rung des Organs ein, und zwar beträgt diese Ab¬ 
nahme, wenn man den unteren Leberrand durch 
Palpation bestimmt, in der Mammillarlinie 6, in der 
Parasternallinie 4 1 .,, in der Mittellinie 5 cm. Auch 
die Milzdämpfung hat eine entsprechende Ver¬ 
kleinerung erfahren. 


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Verfasser gab das Calomel in Einzeldosen von 
0,05 sechs Mal täglich in zweistündigen Pausen, 
und zwar immer drei Tage lang, dann drei Tage 
Pause und so fort im Wechsel im Ganzen vier 
Wochen lang. Von da ab erhielt Patient nur noch 
vier Mal täglich 0,05 auf drei Tage, dann drei 
Tage Pause. Andere Mittel kamen nicht in Ge- ! 
brauch, nicht einmal ein Mundwasser, und trotzdem 
wurde me eine Spur von Stomatitis beobachtet 
während des dreimonatlichen Calomelgebrauches. 
Einmal trat etwas Durchfall ein, und zwar am 
ersten Tage einer Pause, aber so gering, dass man i 
nicht dagegen einzuschreiten brauchte; nur wurde 
die betreffende Pause Vorsicht halber auf fünf 
Tage verlängert. ' 


(Ob Syphilis zu Grunde lag, ist nicht an¬ 
gegeben. Ref.) 

(Betz’ Memorabilien, 1892.) 


J Personalia. 

Der homöopathische Arzt Dr. TostlOwe in Grimma, 
Seminararzt daselbst, ist am 22. Juli d. J., 64 Jahr 
alt, verstorben. — Dr. T. Kramer ist von Bremen 
nach Karlsruhe uud Dr. Förg von Ludwigsburg 
, nach Neustadt a. d. Hardt übergesiedelt. — Dr. 
Gustav Pröü prakticirt jetzt vom Oktober ab in 
den Wintermonaten in Graz (früher in Meran). 


Anzeigen. 


Verschiedenen an mich ergangenen Wünschen entspre- | 
chend habe ich für die Inserate den Preis für die ein¬ 
mal gespaltene Petitzeile und deren Raum auf 20 Pfennige 
herabgesetzt und berechne für Beilagen in Zukunft nur 
5—8 Mark. 

Leipzig, den 1. Ootober 189t. i 

A. Marggraf 8 Homöopath. Officin. 


Diejenigen Herren 

Homöopathen 

welche die grossen Wirkungen der 

electrischen Behandlung 

namentlich bei chronischen Krankheiten beobachtet 
haben, bitte ich, als einer der leistungsfähigsten 
Fabrikanten electrischer Maschinen, sich mit mir in 
Verbindung zu setzen. Ein Tgutes Nebeneinkommen 
ist ihnen gesichert. 

Gustav von Mayenburg, Dresden-Neustadt. 


Durch die Liebenswürdigkeit de^ Herrn Dr. Kunkel 
soeben in den Besitz von 

Behring’schem Diphtherie-Serum : 

gekommen, offerire ich dieses Mittel den homöopathischen i 
Aerzten zu Versuchen in 1 

001.—0030. Potenzen (flüssige und Verreibungen). 

Auf Wunsch fertige auch noch höhere Potenzen an. 

Leipzig, den 19. October 1894. 

A. Marggrafs Homöopath. Officin. j 

Reeeptur-Tapirwaagen. j 

I)a neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir- j 
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren 
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter ] 
50-60 Mark zu haben sind, so habe ich billige und ftir 
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel | 
versehene und geaieilte Receptur-Tarirwaagen auf einfachem 
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur 
24 Mark offerireu kann. | 

Leipzig. A. Marggrafs Homöopath. Officin. 


Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Collectionen vom 1. bis 128. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den 
letzten zehn Bänden, so weit der Vorratb reicht, 
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen. 

A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig. 



Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig 

(Sidonienstrasse No. 44) 

eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopathischen 
Central verein 8 Deutschlands, nach Muster der besten und 
ersten Krankenhäuser und nach den neuesten Erfahrungen 
eingerichtet, wird den Anhängern und Freunden der Homöo¬ 
pathie sowohl zur Benutzung in schweren Krankheitsfällen 
als auch zur wohlwollenden Unterstützung aufs Wärmste 
empfohlen, damit auch Unbemittelten der Segen der homöo¬ 
pathischen Heilmethode zu Theil werden kann. Beiträge 
jeder Art, auch die kleinsten, nimmt der KaasenVerwalter, 
Apotheker W. Steinmetz, in Firma A. Marggrafs homöo¬ 
pathische Officin in Leipzig, jederzeit dankbarst entgegen. 

Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des mit 
einem Krankenpensionate L und II. Klasse verbundenen 
homöopathischen Krankenhauses hierselbst können sowohl 
von der Direction dessel)>eii, wie am-li von uns bezogen 
werden. 


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144 


Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend. (Vervollständigt.) 


Auf häufig vorkommende Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei 
selbstdispensirenden homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben: 


1. Den Approbatlonssohein. ! 

2. Das Zengnlss über das ln Berlin bestandene | 

Dlspenslrexamen. i 

3. Die Genehmigung zum Halten einer homöopa- | 

thlschen Hausapotheke. (Diese wird von dem Re¬ 
gierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Ver¬ 
hältnisse widerruflich ertheilt.) 

4. Eine Sammlung aller das Selbstdlspenslren der 
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen¬ 
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die 
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg. 
homöopath. Ztg., 128. Bd., oder die neuesten Apotheker¬ 
gesetze von Medicinalassessor Feldhaus, Münster i. W.). 

5. Ein Journal über die abgegebenen Arzneien (Men¬ 
gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der 
Patienten, Datum etc. 

(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien¬ 
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem 
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen 
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwenduogs- 
weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere j 
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) 

6. Eine homöopathische Pharmakopöe. (Es ist nicht | 
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von ' 
Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel- 
Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.) 

7. Revlslonsmässlge Einrichtung der Hausapotheke. 

Dazu gehört: 

a) Ein separates Zimmer. 

b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. 1 laut I 

(Giftschrank) I meinen 

c) 1 „ ,, „ Separanda, Tab. C.f früheren I 

(Separandaschrank) | Offerten. . 

d) 1 „ „ Nicht-Separanda 

e) Alle in Lorbachers Anleitung angegebenen 52 Mittel 

in D. 1. bez. C. 1. flüssigen Potenzen oder Vor- | 
reibungen (in einfachen Gläsern mit Korkstöpseln 
oder in solchen mit Glasstöpseln, — Quantitäten I 
ä 15,0 genügen). , 

[Alle Venena — Tab. B. — Urstoffe, Ur- 
tincturen und ihre 1). 1., D. 2. und D. 3. Potenzen ' 
müssen im Giftschranke auf bewahrt werden und 
„weiss auf schwarz“ signirt sein. 

Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, 1 
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D 3. 
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im ; 
Separandascbranke aufbewahrt werden und ,.roth 
auf weis8“ signirt sein. 

Alle Hftcht-Separanda und die weiteren 
Potenzen der Venena und Separanda von 
D. 4. (inclusive) aufwärts müssen ausserhalb der 
Gift- und Separandaschränke in einem dritten 


Schranke aufbewahrt werden und „schwarz auf 
weiss“ signirt sein. — Manche Revisoren gehen 
soweit, für die äusserliehen Mittel Signaturen 
„weiss auf rotli“ zu verlangen; eine derartige 
Reichs Verordnung ist mir jedoch nicht bekannt 
und bin ich der Ansicht, dass man sich diesem 
Wunsche nicht zu fügen hat. Sind die äusser- 
liehen Mittel sonst richtig signirt — „schwarz 
auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je nachdem 
sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und 
in sechseclagen Gläsern, so sind sie vorschrifU- 
mässig eingereiht. 

Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Of¬ 
ferten alle hier zu haben.] 

0 Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel 
für die Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit ent¬ 
sprechender 8ignirung, analog den Vorschriften, 
die unter e) genannt sind. 

ln manchen Regierungsbezirken verlangt man 
nur: 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“ 
signirt. 

In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, 
Alcaloide, Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 
1 Mörser und 1 Löffel, separat und besonders 
signirt. 

(Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch ge¬ 
liefert.) 

g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, 
die von Aorzten fast nie gebraucht wird und sehr 
theuer ist. (Unter 50—60 Mark sind sie nicht 
zu haben; ich habe daher solche in einfachster 
Ausführung, auf einfachem Brette, für Revisions- 
Zwecke genügend, hersteilen lassen, die ich zum 
Preise von 24 Mark offeriren kann.) 

h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur 
Bereitung von Potenzen, Verreibungen etc. und zur 
Abgabe der Arzneien, als: präcisirte Waagen, Ge¬ 
wichte, Mörser, Löffel, Trichter, Mensurirgläschen, 
Fläschchen, Schachteln, Korke, Beutel etc. etc. 

i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die 
Herren Revisoren von allen in den ärztlichen 
Hausapotheken vorhandenen Mitteln die 1. Poten¬ 
zen vorräthig zu sehen, während meistens nur die 
unter e) angeführten 52 Mittel in solchen ver¬ 
langt werden. 

k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch 
ein Waaren-Eingangsjoumal mit Angabe der Be¬ 
zugsquellen und Aufführung jedes einzelnen be¬ 
zogenen Mittels, wozu ich als Belege ganz spe- 
cificirte Rechnungen liefern muss, auf denen jedes 
Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und Preis 
einzeln aufgeführt ist. 


Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu 
Diensten stehe, bestens und billigst. 

Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen 
gemachten Erfahrungen obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt 
worden sind, damit man endlich einmal in die Lage kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte An¬ 
gaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung in den einzelnen Regierungs- 

bezirken nieht möglich war. A . M arggra f s homöopathische Offlcin, Leipzig. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Vorlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlcin) in Leipzig. 

Druck von Julius MRkpt in Leipzig. 


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Band 139. 


Leipzig, den 8. November 1894. No. 19 U. 30. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITÜG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Yerleg von William Steinmetz (A.Marggrars homöopath. Offlein) in Leipzig. 


Erscheint Utftgig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. 60 Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97des Post-Zeitungs-Verzeiohnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasenstein db Vogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf . pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet. 


Inhalt. Carbo vogotabilis von Professor Kent. Von Dr. Hesse-Hamburg. — Bericht Ober die freie Vereinigung 
der homöopathischen Aerzte Schleswig-Holsteins und der Hansastädte. Von Dr. med. Waszily. — Bedenken gegen die 
Serum-Therapie. Von Dr. H. Goullon. — Herbstversammlung des sächsisch-anhaltinischen Vereins homöopathischer 
Aerzte in Magdeburg. — Zum internationalen homöopathischen Congress in London 1896. — Aufforderung zur Subscrip¬ 
tion auf v. Boenninghausen's Therapeutisches Taschenbuch. — Quittung des Homöopathischen Krankenhauses zu Leipzig. — 
Quittung der Unterstfltzungsaasse für Wittwen homöopathischer Aerzte. — Beglückwünschung. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage 



Carbo vegetabilis von Professor Kent. 

Von Dr. Hesse-Hamborg. 

Die hervorragende Bedeutung, welche Kent der 
Holzkohle in der Behandlung des Keuchhustens zn- 
misst und die Ueberzeugung, dass dieses Mittel zu 
den unentbehrlichsten unseres Arzneischatzes ge¬ 
hört, von dem man nie zuviel lesen und hören 
kann, veranlassen mich, eine Vorlesung von Kent 
über Carbo veg. wiederzugeben und, zur Ergän¬ 
zung, in Klammern andere Autoren zu Worte kom- I 
men zu lassen. ! 

„Ein näheres Studium des Keuchhustens einer¬ 
seits, der Holzkohle andererseits, wird Ihnen sagen, 
meine Herren, dass beide zusammengehören. Carbo 
veg. heilt den Keuchhusten nicht immer, aber oft. 

Ein charakteristischer Zug dieses Mittels, den 
Sie bei Asthma, Bronchitis, Keuchhusten finden wer¬ 
den, ist der unaufhörlich quälende Morgenhusten, 
welcher den Kranken nach dem Frühstück zwingt, 
alles, was im Magen ist, auszubrechen. 

Sie werden später nicht selten in den Fall 
kommen, dass eine Botschaft aus der Vorstadt oder 
vom Lande erscheint. Sie sollen für Johnnie 
etwas verschreiben; Johnnie hat den Keuchhusten. 
Nun wissen Sie ja, dass wir kein Mittel gegen 
den Keuchhusten haben, so allgemein gesprochen , 


Nun entspricht aber Carbo veg. so sehr der 
i Natur des Keuchhustens, dass Sie dieses Mittel 
ruhig geben können, wenn Sie nicht die Möglicli- 
| keit, haben, den Fall zu sehen. Ich habe niemals 
gesehen, dass Carbo veg. einen solchen Fall ver¬ 
hunzt hat. Carbo veg. heilt sehr viele, sogar bei 
j dieser oberflächlichen Verordnungsweise, und modi- 
ficirt und vereinfacht die anderen Fälle. Zum 
Keuchhusten scheint Carbo in einem ähnlichen Ver¬ 
hältnisse zu stehen, wie Sulphur zu manchen psori- 
schen Erscheinungen: beide Mittel klären den Fall. 

Wenn ich also nicht weiss, was geben beim 
Keuchhusten, gebe ich vier nummerirte Pulver, 
von denen No. 1 Carbo veg. enthält (Kent ist 
exclusiver Hochpotenzier) und treffe die Anordnung, 
dass ich das Kind sehen muss, wenn nach Ver¬ 
brauch der vier Pulver keine bedeutende Besse¬ 
rung eingetreten. (Kent giebt nicht an, in welchen 
Zwischenräumen die Pulver genommen werden 
sollen, aller Wahrscheinlichkeit nach täglich ein 
Pulver.) 

Sie werden nach dieser Verordnung gewöhnlich 
das Kind in einer vortrefflichen Verfassung finden, 
wo eine kurzwirkende Arznei, wie Drosera, passt. 
Drosera ist complemenfcär zu Carbo veg. und wird, 
wenn es passt, den Rest des Hustens in längstens 
acht Tagen wegnehmen. 


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146 


(Dieser Hinweis von Kent auf Carbo veg. bei 
Keuchhusten, £ falls andere Symptome fehlen, ist 
um so bemerkenswerther, als Kent sonst ausser¬ 
ordentlich scharf individualisirte; v. Boenninghausen 
sagt von Carbo veg.: „Dies ist eines unserer besten 
Keuchhustenmittel, besonders im Anfänge der Krank¬ 
heit, welches in manchen Epidemieen, besonders bei ' 
nasskalter Witterung, oder bei kaltem Frostwetter 
häufige Anwendung findet. Es passt oft nach Vera- | 
trum, nachher China odef Drosera.) j 

Carbo veg. afficirt speciell das venöse System, i 
.Wir bemerken, dass die Natur bei ihren Heil- I 
versuchen gewöhnlich von innen herausheilt. Da 
das Blut gleichsam die Quelle des Lebens und die < 
Venen weiter nach aussen, oberflächlicher liegen, ' 
als die Arterien, so sehen wir die Venen öfters j 
krankhaft afficirt als die Arterien. Wie bei kranken 
Individuen, so herrscht auch bei einzelnen Arzneien 
das Bestreben, die Krankheitsstoffe abzuwerfen, bei | 
den einen auf Haut und Schleimhaut, bei den an¬ 
dern auf das venöse System. [ 

Hamamelis, Pulsatilla und Carbo veg. afficiren , 
besonders die Venen. Carbo veg. afficirt die Haut 
nur durch die Venen. Was folgt hieraus für die 
Stellung von Carbo veg.? 

Die acuten Miasmen haben ihren bestimmten 
Lauf und Ablauf, aber, entweder durch schlechte 
Behandlung oder Mangel an Behandlung kommen 
jetzt psorische Erscheinungen. Die Natur versucht 
auch diese zu eliminiren, aber die geschwächte 
Lebenskraft vermag sie nur bis in die Venen zu 
bringen und dann bekommen wir venöse Con- 
gestionen, Stauung, Varicen, Blutungen wegen 
Brüchigkeit der Gefässwände. Da ist die Holzkohle 
am Platz. 

Sobald wie Ihnen die Mutter klagt: „Mein Kind 
ist krank seit den Masern“ oder: „Meine Tochter 
ist seit dem Keuchhusten nie ganz wohl gewesen“ 
oder: „Seitdem ich das Fieber hatte, fehlt mir 
immer etwas,“ dann wissen Sie, womit Sie es zu 
thun haben: es sind Ausbrüche von Psora, zurück - 
datirend auf das acute Leiden. 

An der Spitze der für diese Fälle passenden 
Arzneien steht Carbo veg. 

(Nach jeder acuten Krankheit kann ein solcher 
Zustand der Schwäche und Reactionslosigkeit ein- 
treten. Besonders häufig sah ich ihn in den In- 
fluenzaepidemieen. Die Influenza besitzt hervorragend 
die Eigenschaft,alteKrankheitsstoffe aufzuwühlen, die 
latente Psora zu wecken. Kent stellt Carbo veg. j 
an die Spitze der hierher gehörigen Mittel. I 

Es kann aber jede unserer tief eingreifenden 
Arzneien am Platze sein, welche jedesmal? Das | 
würde sich ergeben aus dem Symptomenbilde, wie 1 
es sich aus Gegenwart und insbesondere Vergangen¬ 
heit des Patienten zusammensetzt. | 


Einzelne Zeichen der Constitution wird man 
aus dem Vorleben, andere aus dem gegenwärtigen 
Zustande entnehmen können. Am häufigsten schien 
mir in solchen Fällen der Schwefel indicirt Nach 
dem Hinweise von Kent würde man Carbo veg. 
nicht ausser Acht lassen dürfen. Wenn die Holz¬ 
kohle passend ist, werden einzelne charakteristische 
Symptome nicht fehlen, wie: dick belegte Zunge, 
Mundgestank, Appetitlosigkeit mit Ekel gegen Fleisch 
und Fett, Flatulenz.) 

Die Holzkohle zeigt, charakteristisch für die 
meisten Fälle der venösen Blutstockung, Schwer¬ 
fälligkeit des Geistes, träges Denken, langsame 
Fassungskraft. Der Patient erwacht in der Frühe 
mit starker Verschlimmerung der Kopfbeschwerden; 
die meisten Symptome von Carbo veg. haben mehr 
oder weniger Verschlimmerung des Morgens; je 
länger er schläft, desto müder wacht er auf. Das 
Gesicht ist gedunsen, dunkelroth oder bläulich, die 
Venen des Auges injicirt. 

Wir finden Leberbeschwerden, da wir wissen, 
welch ein venöses Organ die Leber ist. In Folge 
der venösen Stockung haben wir Hämorrhoiden. 

Der träge Rückstrom des venösen Blutes xum 
Herzen bringt mit sich Varicen der unteren Extre¬ 
mitäten. Speciell bei Individuen n)it sitzender 
Lebensweise treffen wir die Carbo veg.-Con¬ 
stitution. Sehr gerne legen jene die Füsse hoch, 
auch bei Tage. 

(Carbo veg. ist ein echtes Katermittel und 
concurrirt hier mit Nux vomica. Beide sind leicht 
von einander zu trennen. Nux v. hat reizbare, 
Carbo träge, torpide Natur; Nux v. hat Verlangen 
nach fetten Speisen, Carbo v. Ekel gegen solche, 
Wärme, warme Speisen und Getränke, Bettwärme 
bessern bei Nux vom., verschlimmern bei Carbo v.) 

Wenn wir künstlich einen solchen, der Holz¬ 
kohle eigentümlichen Zustand erzeugen wollten, 
müssten wir den Patienten stets stark gewürzte 
Speisen vorsetzen, ihm reichlich Wein und wenig 
körperliche Bewegung geben; isst er dabei noch 
zuviel, so würden wir obigen Zustand erreichen. 

Für Personen, die zu gut leben, passt die 
Holzkohle. 

Jene leiden an lästiger Flatulenz; der Leib 
ist ausgedehnt von Winden mit viel Unbehaglich¬ 
keit und Schmerz. Viel Aufstossen und Blähungs¬ 
abgang, was erleichtert, im Gegensätze zu China. 
China hat keine Erleichterung durch Abgang der 
Gase nach oben oder unten. 

(Guemsey bemerkt bei Carbo veg. Beschwerden 
von „versetzten Winden“, wo Kopfschmerzen, 
Schmerzen in der Herzgegend oder an anderen 
Stellen durch Blähungsabgang erleichtert werden. 
Fast täglich hört man die Klage von Patienten, 
wenn sie an irgendwelchen Stellen des Körpers 


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« 

streichen, kommen sie zum Aufstossen. Hier passen 
am meisten Lycopodium und Carbo veget. je nach 
den Symptomen. Farrington sagt bei der Vergleichung 
dieser beiden Mittel: „Lycop. verursacht mehr Fla¬ 
tulenz des Magens, Carbo v. mehr der Därme. w 
Lycop. hat Verschlimmerung von 4—8 Nachmit¬ 
tags, Carbo v. Morgens und Vormitternacht. Das 
Stinkende der Ausscheidungen fehlt bei Lycop.) 

Schwindel beim Aufstehen. Früh braucht er eine 
ziemliche Zeit, um unter Gähnen, sich Strecken, 
sich Schütteln zu einem klaren Gedanken zu kom¬ 
men und sich zur täglichen Arbeit aufzumuntern. 
Jeden Morgen fühlt er sich schlecht; sein Magen 
ist faul, wie sein Geschmack im Munde; saures, 
ranziges Aufstossen. 

(„Kein Mittel hat so viel dyspeptische Beschwer¬ 
den, so stark ausgeprägten Widerwillen gegen 
Speisen, besonders gegen fette, keines so dick be¬ 
legte Zunge. Uehelriechende Ausscheidungen, Harn, 
Stuhl, Schweiss, übler Geruch aus dem Munde.“ 
(Kunkel.) 

Bei Carb. veg. treten die Verdauungsbeschwer¬ 
den stark hervor: 

Grosse Abneigung gegen Fleisch und Fett. 

Salziger Geschmack; die Speisen schmecken 
versalzen (Sepia). 

Langwieriges Aufstossen des Genossenen, be¬ 
sonders des Fetten. 

Magenkrampf mit der Empfindung des brennen¬ 
den Drückens mit vielen Blähungen, Auftreibung 
und grosser Empfindlichkeit der Magengegend. 

Kann den Druck der Kleider nicht um die 
Hypochondrieen vertragen; Druck in der Leber¬ 
gegend. 

Abgang vieler stinkender Blähungen.) 

Carbo veg. bewirkt Stauung in den Gehirn¬ 
venen, besonders an der Gehimbasis, daher auch 
Kopfschmerz an der Gehirnbasis mit starkem 
Klopfen. 

Bei den Beschwerden der Respiration, Asthma, 
Keuchhusten, wo die Holzkohle angezeigt ist, fin¬ 
den wir häufig diesen Kopfschmerz. 

Bekanntlich ist Keuchhusten keine Erkrankung 
des Respirationstractus. Der Keuchhusten ist ein 
nervöses Leiden und sein Ausgangspunkt liegt an 
der Basis des Gehirns; die Erscheinungen auf der 
Brust sind sekundärer Natur. 

Carb. veg. greift das Leiden an seinem Ur¬ 
sprünge an, wenn die Symptome stimmen . 

Die Holzkohle ist nützlich beim Grindkopf. 

Die Kopfhaut ist sehr empfindlich, ein charakte¬ 
ristisches Symptom vieler Prüfer. (Empfindlichkeit 
gegen den Druck des Hutes wegen Empfindlichkeit 
der Kopfhaut bei Carb. veg. wie bei Silicea; Lycop. 
hat Unerträglichkeit des Hutdrucks, weil der Kopf 
frei sein will, keine Wärme verträgt; Nitri acid.: 


„Sobald das Schulkind den Hut aufsetzt, Kopf¬ 
schmerz.“ Valeriana: „Eiskalte Empfindung auf 
dem Scheitel durch beständigen Hutdruck. “ Glonoin. 
darf hier nicht vergessen werden: Empfindung, als 
ob der Kopf grösser ist; jede Kopfbedeckung lästig.) 

Brennen ist charakteristisch für Carb. veg. 

Bronnen in den Augen mit Thränen; Brennen 
mit blutig-wässeriger Absonderung. Hierbei kann 
man an Arsen, denken, aber die meisten Symptome 
von Carb. veg. werden schlimmer im warmen Zim¬ 
mer. Der Patient will im Kühlen sein; er ist 
wohl frostig, aber die warme Stube belästigt ihn. 
Er schläft gerne kühl, ist gerne in frischer Luft, 
auch wird da sein Kopfschmerz besser. 

Geschwüre mit blutiger Absonderung, skorbu- 
tische Beschaffenheit des Zahnfleisches. 

Weiche, leicht blutende varicöse Geschwüre 
überall vorkommend, besonders aber an den unteren 
Extremitäten. 

Wenn Sie ein varicöses Geschwür vor sich 
haben mit stechenden und brennenden Schmerzen, 
blutig-wässeriger Absonderung, zackigen, unter- 
minirten Rändern, schwarzen Stellen wie Arsenic., 
denken Sie an Carbo veg. Oefters ergreift der 
Geschwürsprocess eine kleine Vene; es giebt pro¬ 
fuse Blutung. 

Blutungen sind ganz gewöhnlich bei der Holz¬ 
kohle; Blutungen aus allen Theilen, aus Augen 
und Ohren; blutiger Speichel; Blutbrechen; blutiger 
Stuhl, blutiger Urin, langwierige Blutungen der 
Gebärmutter: Alles venöse Blutungen, dem venösen 
Charakter der Holzkohle entsprechend. 

(Farrington: „Wir finden das Mittel indicirt bei 
Hämorrhagieen, und zwar bei solchen sehr schwerer 
Art. Daher geben wir es bei Nasenbluten, wenn 
das Gesicht blass und eingefallen und fast hippo¬ 
kratisch ist. Das Blut fliesst unablässig Stunden, 
vielleicht Tage lang.“ Farrington fügt hinzu, dass 
solche Blutungen hei Diphtherie Vorkommen (wobei 
Phosphor zu vergleichen wäre), ferner bei alten 
und heruntergekommenen Personen. Carbo veg. 
passt überhaupt für heruntergekommene, in ihrer 
Lebenskraft geschwächte Individuen, geschwächt 
durch Alter, Säfteverlust, acute oder chronische 
Leiden.) 

Ein anderes Charakteristicum der Holzkohle ist 
die faule Beschaffenheit der Ausscheidungen, übel¬ 
riechender Athem, übelriechende Absonderung der 
Nase, reichlicher Auswurf beim Husten, faul 
schmeckend, faul riechend, stinkender Ohrenfluss, 
blutig-schleimige, entsetzlich riechende Stühle, übel¬ 
riechender Urin, ebensolches Menstrualblut. 

Ausscheidungen, die nicht stinken, sind eine 
Ausnahme bei Carbo veg. 

DerCarbo veg.-Patient hat fast immer Schnupfen; 
er ist ausserordentlich häufig erkältet; die Erkältung 


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148 


fängt stets mit Schnupfen an, mit viel Niessen und 
Thränen der Augen, und geht dann auf den Kehl¬ 
kopf über. 

Wenn der Patient auch keinen Schnupfen hat, 
Niessen hat er doch immer (bei Arsen., Carh. veg., 
Allium Cepa, Euphrasia steigt die Erkältung ab¬ 
wärts: es giebt zuerst Schnupfen, dann Husten; 
bei Phosph. befällt die Erkältung sofort den Kehl¬ 
kopf und die Luftröhre). 

Carbo veg. hat Bettnässen. Auf dieses Symp¬ 
tom allein hin können Sie kein Mittel verschreiben, 
denn es ist auch unter den Arzneien so verbreitet, 
dass Sie unbedingt nach weiteren Anhaltspunkten 
forschen müssen. Sepia hat Bettnässen im ersten 
Schlaf, aber viele Kinder nässen das Bett im ersten 
Schlaf, ohne dass Sepia ihnen hilft. Eine Menge klei¬ 
ner zarter Mädchen werden durch Pulsatilla geheilt. 

Der Fall von Bettnässen, für den Carb. veg. 
passt, ist schlimmer Morgens nach dem ersten Schlaf; 
er ist voll Blähungen; seine Mutter lässt ihn Alles 
essen, was er will; alle Bedingungen sind günstig, 
um eine Carb. veg.-Constitution heranzubilden: Fette, 
träge Jungen; zu faul, um aufzustehen, nässen sie 
das Bett. Carbo veg. heilt solche Kinder. Aber 
die Beschwerde des Bettnässens, die einzige, wegen 
derer Sie consultirt wurden, und welche in der 
That bei der Wahl der Arznei die unrichtigste 
war, wird wahrscheinlich spät verschwinden, zu 
allerletzt, nachdem der ganze Körper erst zu einem 
normalen wurde. 

Das nächste, für Carbo veg. wichtigste Bild ist 
das des sog. „feuchten Asthmas.“ 

Sie werden zu einem Patienten mit Asthma ge¬ 
rufen: Der Patient sitzt im Bett, Liegen ver¬ 
schlimmert seine Athemuoth, seine Nase ist spitz 
geworden, das Gesicht hippokratisch, mit kaltem 
Schweiss bedeckt; die Fenster stehen weit offen, 
auf jeder Seite des Bettes sitzt Jemand fächelnd. 
Hier brauchen Sie keine Frage zu stellen, hier 
passt Carbo veg. (Carbo veg. und China verlangen 
gefächelt zu werden.) 

Ferner Ergriffensein der Bronchien. Zuweilen 
hört man schon das Schleimrasseln durch das ganze 
Zimmer, ein Zeichen, dass die Bronchien mit Schleim 
angefüllt sind. Die Patienten erholen sich von 
dem asthmatischen Anfalle und fühlen sich ganz 
wohl; bald kommt eine neue Erkältung: Niessen, 
für wenige Tage wässerige Absonderung der Nase, 
dann wieder ein Asthmaanfall. Manchmal sind 
diese Anfälle sehr schwer, manchmal p^sst Carb. 
veg. für den acuten Anfall. * 

Können Sie aber mit Carb. veg. warten bis 
zum Ende des Anfalls und geben es dann in Hoch¬ 
potenz, wird der nächste Anfall viel leichter ver¬ 
laufen. Am Ende dieses Anfalls folgt wieder eine 
Hochpotenz des Mittels. 


Müssen Sie dieselbe Arznei während des An¬ 
falls geben, so wählen Sie eine andere Potenz, als 
die nach dem Anfall. 

Versäumen Sie es, die Hochpotenz später folgen 
zu lassen, wird der nächste Anfall nicht viel 
leichter sein.“ 

Soweit Professor Kent. 

Farrington erwähnt Carbo veg. als besonders 
indicirt bei „ Asthma als Reflex von Blähungsan¬ 
sammlung im Bauch.“ An anderer Stelle deutet 
er für diese Art Asthma auf Nux vom., Lycop. 
und Carbo veg. Einen in diese Kategorie ge¬ 
hörigen, durch Lycopod. geheilten Fall habe ich 
früher veröffentlicht: 

Ein 65jähriger beweglicher Herr mit gesunder 
Gesichtsfarbe leitet seit 2 Monaten an Kurz¬ 
luftigkeit. 

Die Untersuchung ergab einen aufgetriebenen 
Leib und ein über beide Lungen verbreitetes 
Schleimrasseln. 

Schmerz unter den Rippen, das Athmen be¬ 
hindernd. 

Erstickungsanfälle, besonders 3 Uhr Nachts, 
endigend mit der Expectoration von reichlichem, 
grauem, schaumigem Auswurf. 

Jegliches Essen macht Beschwerden. Appetit 
schlecht. 

Der Urin lässt rothen, festsitzenden Satz. 

Der Druck der Kleider wird nicht vertragen, 
ebenso keine Zimmerwärme. 

Morgens 4 oder 5 Uhr sehr munter, dagegen 
nach dem zweiten Schlaf schlechtes Befinden. 

Nux vomica hoch und niedrig besserte, X. Lycop. 
5 Pulver heilten radical. 

Dieser Fall ist typisch für eine ganze Reihe 
von Fällen, die ich im Laufe der Jahre mit Lycop. 
heilte. Der erste dieser war vor 8 Jahren ein er¬ 
wachsenes älteres Fräulein, das jahrelang an dieser 
Art Asthma gelitten und auf jedes Pulver X. Lycop. 
mit einer starken Verschlimmerung sämmtlicher Er¬ 
scheinungen reagirte. 

Kunkel: „Carbo veg. ist eins unserer bestell 
Kehlkopfmittel, Hauptmittel bei Heiserkeit in Folge 
Kekikopfkat&rrh, besonders auch bei dem chro¬ 
nischen Katarrh der Sänger.“ 

Kunkel: „Bei Diphtherie für Carb. veg. charak¬ 
teristisch der ausserordentlich üble Mundgeruch 
(anders wie bei den für Mercur passenden Fällen); 

| Faeces sehr stinkend, dick belegte Zunge (in der 
' Mitte gelblich-bräunlich), trockne, mit schwärzlichem 
I Belag bedeckte Lippen. 

j Verschlimmerung Morgens und Vormitternacht. 

Begleitend: gastrische Erscheinungen, übler 
| Geschmack, dick belegte Zunge, Aufstossen, Fla¬ 
tulenz, Widerwille gegen fette Speisen.“ 

Besonders charakteristisch für die Holzkohle: 


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149 


„Eiskalte Knie im Bett,“ „Füsse bis zu den Knieen 
eiskalt.“ 

Bei Collaps ist Carbo veg. eins der wichtigsten 
Mittel, wenn folgende Symptome auftreten (Farring- 
ton): „Der Körper scheint eisig kalt zu sein, 
besonders an den Extremitäten; der Athem ist kalt, 
der Puls fadenförmig, kaum fühlbar und intermit- 
tirend. Die Lippen sind bläulich von Cyanose. 
Der Athem ist sehr schwach und oberflächlich; der 
Kranke bei Bewusstsein oder bewusstlos. 

Gerade in solchen Fällen nun tritt Carbo veg. 
als heilend auf und rettet manchen Fall, der sonst 
zu Grunde gehen würde.“ 

Farrington erwähnt das Symptom nicht: „Ver- j 
langt, gefächelt zu werden,“ doch bezeichnen es , 
eine Anzahl Autoren als charakteristisch für die j 
Holzkohle. t 


Bericht Uber die freie Vereinigung 
der homöopathischen Aerzte Schleswig-Holsteins 
und der Hansastädte. 

Anfang August dieses Jahres begründeten Dr. 
Hesse, Dr. Mau und Apotheker Otte mit dem Unter¬ 
zeichneten obige Vereinigung, um in quartalsweisen 
Zusammenkünften Wissenschaft und gegenseitige 
Interessen zu fördern. Für dieses Quartal war die 
Versammlung am 7. October Die geschäftliche 
und wissenschaftliche Sitzung begann 5 Uhr c. t. 
unter Vorsitz Dr. Hesse's. Anwesend waren: Dr. 
//««^-Hamburg, Dr. Junge- Heide i. H., Dr. Lätze - 
Altona, Dr. Xutee-Hamburg, Dr. J/at/-Itzehoe, Dr. 
Scltiynebeckr&oXtsMi , Apotheker Otte- Hamburg und 
Dr. Waszily- Kiel. Dr. Kunkel war leider durch 
Unwohlsein am Erscheinen gehindert. Als Vereins¬ 
organ ward die „Allgemeine homöopath. Zeitung“ 
festgesetzt, ferner wurden die Collegen aufgefor¬ 
dert zur Subscription auf das neu erscheinende 
„Therapeutische Taschenbuch“ von Boenninghausen 
bei Marggraf. Als nächster Versammlungsort ward 
Hamburg gewählt. Die von Dr. Hesse und Apo¬ 
theker Otte angeregte Verlegung der nächsten 
Centralvereinsversammlung von Hamburg nach Kiel 
fand nur beim Berichterstatter Zustimmung. Es 
soll zu gleicher Zeit ein internationaler homöo¬ 
pathischer Laiencongress daselbst stattfinden. Nach 
einer von Apotheker Otte vorgelegten Hamburger 
Zeitungscorrespondenz muss man ällgemein glauben, 
dass es sich um einen Aerztecongress handelt 

Die Reihe der Fälle eröffnete Schönebeck mit 
folgendem: 

Zu einem Mädchen mit hohem Fieber, benom¬ 
menem Sen8orium und Dämpfung unten hinten, 
gerufen, diagnosticirte er Pleuritis und gab Bryo- 


nia 8.; nach drei Tagen war die Dämpfung ge¬ 
schwunden, und er stellte jetzt die Diagnose auf 
Bronchitis, zwei kleine gelbliche Flecke, welche 
aufgetreten waren, bestimmten ihn, Sulphur 6. zu 
geben. Am anderen Morgen war ein Masernexan¬ 
them zu Tage getreten und damit das ganze All¬ 
gemeinbefinden ungleich besser. Die Masern ver¬ 
liefen jetzt sehr gut und schnell ohne Complication. 
Bei der Discussion, wo bei dem Sulphur die günstige 
Wirkung auf den endlichen Ausbruch des Aus¬ 
schlags und den Weiterverlauf zuerkannt ward, 
wurde die allgemeine Frage lebhaft ventilirt, ob 
und in wie weit Infectionskrankheiten durch unsere 
Mittel abgekürzt resp. coupirt werden können. 
Dr. Hesse sprach sich dahin aus, dass bei manchen 
Krankheiten, wie Keuchhusten, eine Abkürzung 
durch passende Mittel sicher sei, im Allgemeinen 
seien aber durch unsere Mittel Complicationen kaum 
zu verhüten, so habe er zuweilen bei der Gonorrhöe 
eine Orchitis trotz Suspensorium etc. nicht ver¬ 
meiden können, ein leichterer Verlauf werde aber 
doch entschieden bewirkt. Berichterstatter räumte 
unseren Mitteln mehr ein; es käme eben alles 
darauf an, das Simillimum zu treffen. Schönebeck 
machte noch aufmerksam auf Sticta pulmon. 3. als 
Mittel gegen den trockenen, quälenden Masern- 
Nachhusten, wenn keine anderen Indicationen vor¬ 
lägen. Bei der Frage des Berichterstatters wie 
hoch? ward der leidige Streit über Hoch- oder 
Tiefpotenz berührt. Lutze und Schönebeck beton¬ 
ten, wozu eine Hochpo.tenz, da man beispielsweise 
mit der 3. oder 6. alles erreiche, was zu erreichen 
sei, während Referent darauf hinwies, dass in 
manchen Fällen nur durch die einer Hochpotenz 
innewohnende lebendige Kraft eine solche Um¬ 
stimmung hervorgebracht werden könne, wie sie 
zur Aenderung des Krankheitszustandes nöthig sei. 
Er gäbe bei acuten Krankheiten oder localen Pro¬ 
cessen meist tiefe Potenzen oder Tincturen, er 
halte sich stets die ganze Scala 0 bis 5000 offen. 

Der nächste Fall des Collegen Schönebeck be¬ 
traf eine Phlegmasia alba dolens, welche er durch 
Hamamelis zur Heilung gebracht; als Gegenstück 
dazu berichtete Referent über einen Fall von 
Thrombophlebitis der ganzen linken Schenkelvene 
nach einer durch einen bekannten Chirurgen aus¬ 
geführten Operation, wo dasselbe Mittel ausgezeich¬ 
nete Dienste geleistet und der Mann, trotz zwei¬ 
maliger Lungenembolie, unter Nebengebrauch anderer 
Mittel genas. Die Einzelheiten dieses interessan¬ 
ten Falles werden gelegentlich gebracht werden. 
Lutze rühmte die Wirkung der Hamamelissalbe bei 
Hämorrhoidalknoten. Nach Schönebecks Beobach¬ 
tungen ist für Hamamelis charakteristisch: ge¬ 
schlängelte Temporalarterie. Die viel gerühmte 
Wirkung der Hamamelis bei Unterschenkelgeschwü- 


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150 


reu ward von den Collegen im Allgemeinen in 
Abrede gestellt, dafür u. A. Arsen., Carb. veg., 
Laelies. empfohlen, für letzteres ward als Charak- 
teristicum der schmutzige Untergrund und grosse 
Empfindlichkeit gegen Berührung hervorgehoben. 
Dann kam folgender Fall zur Beurtheiluug: Der 
College war zu einem zweijährigen Kind gerufen, 
welches plötzlich Krämpfe bekommen hatte — vorher 
nie krank — mit sehr stupidem Aussehen, Läh¬ 
mung der Sprache und rechten Hand, Drüsen¬ 
schwellungen, Speichelfluss; die Krämpfe kamen 
Tag und Nacht. Verschiedene Mittel waren ohne 
jeden Erfolg angewandt. Hesse rieth zu Sulphur, 
Hochpotenz, in der Annahme, dass es sich um eine 
abgelaufene linksseitige Meningitis handele. Bericht¬ 
erstatter erzählte dazu einen von ihm behandelten 
Fall von chronischem Hydrocephalus mit Lähmung 
der rechten oberen Extremität und torpiden Ge¬ 
schwüren auf dem Handrücken, wo Sulphur 200., 
Calc. carb. 200. und Sepia, in langen Zwischen¬ 
räumen gegeben, sehr schöne Besserung brachten. 
Sepia heilte nicht nur die Geschwüre auffällig 
rasch, sondern bewirkte active Beweglichkeit der 
Extremität bis auf den Daumen. Hesse betonte im 
Anschluss daran die speciellen Beziehungen der 
Sepia zu Affectionen auf dem Handrücken. Junge 
berichtete von einer Lähmung nach Krämpfen mit 
Phosphorheilung, leider fehlten die speciellen In- 
dicationen. Als Specificum gegen Tuberkulose 
empfahl Lülze das Jod, und zwar im Verhältniss 
1:1000 mit Aqua dest., Morgens und Abends einen 
Theelöffel voll in warmem Wasser, wobei er be¬ 
sonders hervorhob, dass Jod so in Dampfform auf¬ 
genommen würde. Hesse und Berichterstatter glaub¬ 
ten aber von dieser generellen und schematischen 
Anwendung absehen zu müssen. Letzterer machte 
dafür auf das Tuberculin, wie’s jetzt nach Kunkel 
bei Marggraf zu Versuchen zu haben sei, aufmerk¬ 
sam und theilte Fälle mit, die aber später erst ge¬ 
sammelt veröffentlicht werden sollen. Er beabsich¬ 
tigt das Behring’sehe Diphtherie-Heilserum in 
gleicher Weise anzuwenden. Als geeignetes Mittel 
gegen Diarrhöeen und profuse Schweisse bei vor¬ 
gerückter Phthise ward von Schönebeck Phellan- 
drium gerühmt. Man referirte dann über eine von 
ihm behandelte Metrorrhagie mit dunklem, stückigem, 
übelriechendem Blut, wo Crocus 30. innerhalb drei 
Stuuden besserte. Er wollte dabei Nebenwirkungen 
von Crocus gesehen haben, dieselben waren aber 
nicht als solche aufzufassen. Dagegen berichtete 
Junge von einer interessanten Nebenwirkung des 
Schwefels, indem er bei einer Drüsentuberkulose 
Sulphur gegeben und nach jeder Gabe der 30. ein 
Ekzem beobachtet hatte. Im Anschluss an den 
Mau' sehen Fall berichtete der Referent über eine 
in der Klinik vergeblich behandelte atonische Uterus¬ 


blutung nach Abort im zweiten Monat, wo Mille- 
folium eine ausgezeichnete Heilwirkung that. Blu¬ 
tung war zuerst intermittirend gewesen, nach den 
klinischen Untersuchungen etc. unausgesetzt, stark, 
dunkel, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen mit Pul¬ 
sieren der Arterien, Schwindel und zeitweiser Be¬ 
nommenheit. — Hesse theilte folgende Fälle mit: 
Nach Rückkehr von seiner Sommerreise erkrankte 
er selber an einer Diarrhöe, die Morgens 5 Uhr 
aus dem Bette trieb mit solcher Gewalt, dass er 
kaum Zeit hatte zum Orte zu gelangen und auch 
Menschliches passirte. Weil er ein enormes Unsicher¬ 
heitsgefühl im After hatte, wusste er manchmal 
nicht, ob Flatus oder Faeces abgingen; vor dem 
Stuhl Kneipen und Rumpeln im Leib, beim Stuhl 
Tenesmus, daneben Blähungsabgang. Sulphur half 
nicht, dagegen Aloe sofort. Für letzteres Mittel 
sprach noch, dass der übrige Körper in keiner 
Weise betheiligt war. — Ferner: Ein 50jähriger 
Mann hatte in Folge Durchnässung Magenschmer¬ 
zen bekommen mit Bläschen an den Lippen und 
quälendem, erfolglosem Stuhldrang: Nux vom. blieb 
ohne Wirkung, Rhus hatte gleich Erfolg. Im An¬ 
schluss daran erwähnte Berichterstatter einen Fall 
von chronischem Darmkatarrh nach allopathisch be¬ 
handeltem Typhus mit morgendlichem Durchfall — 
an einzelnen Tagen bestand Verstopfung — und 
häufigem erfolglosen Drängen bei einer schlan¬ 
ken, dunklen, sehr cholerischen Frau in den mitt¬ 
leren Jahren, wo Nux vom. 200. in kurzer Zeit 
heilte. Der dritte Fall Hesse's betraf ein elfjähriges 
Mädchen, welches stets in der Schule Nasenbluten 
bekam und durch Sepia 200. davon befreit ward. 
Jetzt, nach drei Jahren, war dieselbe Geschichte 
aufgetreten und Sepia heilte wieder; Nebenerschei¬ 
nungen waren Kopfschmerzen, auch in der Schule 
schlimmer, und Gier nach Saurem. Junge theilte 
einen Milzbrand an der rechten Hand und gleich¬ 
zeitiger Anschwellung der ganzen Extremität mit, 
den er durch Amica 3. zur Heilung gebracht. 
Leider konnte er keine Indicationen geben, son¬ 
dern hatte Amica nach v. Grauvogl gegeben. Be¬ 
richterstatter erwähnte dann noch kurz eine Sepia¬ 
geschichte von einem jungen Mädchen, das nach 
Hypnotisirung durch den dänischen Schaustellungs- 
Hypnotiseur Hansen an krampfartigen Zuckungen 
litt, wo obiges Mittel nach den übrigen Symptomen 
angezeigt war und sehr schön besserte. Ferner 
zwei Kali bichrom.-Fälle, der eine betraf eine Go¬ 
norrhöe, wobei der grünlich gelbe Ausfluss sehr 
zähe und strähnig war, Urin übelriechend, leichtes 
Schwitzen, Schweiss stark und übelriechend, schlank 
gewachsener Mann mit dunklen Haaren und Augen, 
Gefühl eines Fremdkörpers hinten auf der Zunge; 
Heilung in 12 Tagen durch Kali bichrom. 30.; der 
andere betraf einen schon Monate lang bestehenden 


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151 


Husten bei einer 51 jährigen Frau, wo wenig sein- 
zäh und strähniger Auswurf vorhanden war, sehr 
scharfer Urin, „er frisst,“ Conjunctivitis catarrh. 
chron. mit scharfer Thränenabsonderung, corro- 
dirende Leukorrhoe etc.; Kali bichrom. brachte in 
wöchentlich einer Gabe der 200. Heilung in ca. 
5 Wochen. — Hesse erwähnte noch bei der An¬ 
wendung von Kali bichrom. bei Diphtherie: Ver¬ 
schlimmerung in den Frühstunden und sehr gelbes 
Aussehen des Exsudats. — Um 8 Uhr ward die 
wissenschaftliche Sitzung geschlossen, die Anwesen¬ 
den blieben mit ihren Damen in heiterem Geplauder 
bei einem Töpfchen Bier zusammen, bis häusliche 
Mutterpflichten oder das dampfende Ross den Auf¬ 
bruch veranlassten. Auf Wiedersehn im nächsten 
Jahr! Dr. med. Waszily. 


Bedenken gegen die Serum-Therapie. 

Von Dr. H. Goullen. 

Motto: „Puissions — nous n‘avoir aucnne 
d6s ülueion ä cet ^ard!“ 

Alle Welt hat die Empfindung, dass man der 
sogenannten Serum - Therapie nicht mit dem En¬ 
thusiasmus begegnen dürfe, wie s. Z. der Koch’- 
schen Entdeckung des Tuberculins. Noch kenne 
ich nicht das Urtheil Prof. Jägers über die Serum- 
Therapie, allein es will mir bedünken, dass derselbe 
auch dieser Entdeckung nicht sympathisch gegen¬ 
übertreten wird und sein gleich im Anfang abge¬ 
gebenes vernichtendes Urtheil über Koch, dessen 
Fiasco sich als ein so eclatantes herausgestellt hat, 
würde nun um so schwerer in die Waagschale 
fallen« 

Von vornherein involvirt jede Serum-Therapie, 
<L h. mag man nun Scharlach oder Diphtherie oder 
sonst eine ansteckende Krankheit „wegspritzen“ 
wollen, etwas Abstossendes, Widerwärtiges, um 
nicht zu sagen: Irrationelles. Die heutige Medicin 
steht nun aber einmal im Zeichen der Pravatz’- 
schen Spritze, ja noch mehr, sie scheut nicht zu¬ 
rück vor den ekelerregendsten Dingen und Proce- 
duren. Schon vor Decennien las man den allen 
Ernstes gemachten Vorschlag, gewisse hartnäckige 
Ophthalmieen durch künstliche Einverleibung gonor¬ 
rhoischen Secretes in acute, d. i. die vorher mehr 
oder weniger schleichende Entzündung in eine rasch 
verlaufende zu verwandeln (die sogenannte substi¬ 
tutive Methode, welche andere Male in Gestalt der 
Calomel - Einblasungen sich bemerkbar macht). — 
Wie unästhetisch sind ferner die Messungen der 
Temperatur mit Benutzung des Rectums, wobei 
man gewärtig sein muss, dass das nächste Mal dem 
Unterzungenraum der Vorzug gegeben wird. Und 
war die Darstellung resp. Verabreichung des Tuber¬ 


culins nicht ebenfalls das Unappetitlichste, was mau 
sich denken kann? Man wird jetzt überall an die 
Bestandteile der mittelalterlichen „Dreck-Apotheke“ 
erinnert, wie sie Prof. W. Marshall in seinem sach- 
gemäss abgefassten Arzneibüchlein zusamraengetragen 
hat. Freilich ist, wenn man die Isopathie als ein 
Anhängsel der Homöopathie betrachten will, auch 
intra muros homoeopathicos gesündigt worden und 
Kuren mit Anthracin, Psorin und anderen von Dr. 
Lux zu Heilzwecken eingeführten Substanzen wären 
dann von obigem Gesichtspunkt aus ebenfalls zu 
kritisiren und zu verwerfen. (Bei der 30., 50., 
100. Potenzirung dieser Substanzen hört das Un¬ 
ästhetische indessen auf. Anmerkung der Redaction.) 

Wir wollen also den Stab über Niemand brechen 
und speciell den Erfahrungen auf dem Gebiete der 
neuen Serum - Therapie freien Lauf lassen. Ganz 
enorm würde ins Gewicht fallen, wenn tatsächlich 
diese Heilmethode im Stande wäre, die Gefahren 
des (diphtheritischen) Croups zu beseitigen. Denn 
diese, die Tödtlichkeit der Diphtheritis fast aus¬ 
schliesslich bedingende Complication oder richtiger 
diesen Krankheitsausgang vermögen auch unsere 
Mittel, sei es Cyanmercur oder andere Merkurialien, 
wie M. praecip. ruber oder Jodmercur, oder Acidum 
nitri, oder Brom und Jod — nicht immer zu be¬ 
seitigen. Erstaunen muss man übrigens, mit wel¬ 
cher Naivität namentlich von Seiten der Leiter 
allopathischer Hospitäler die bisherigen Mortalitäts¬ 
verhältnisse in Bezug auf Diphtheritis, in specia des 
Croups zugegeben und zum Besten gegeben werden. 
Und während Privatärzte mit einem so einfachen 
Mittel, wie Kali chloricum — so Dr. Goetke in 
Gohlis, wenn ich nicht irre — oder Homöopathen 
mit den oben genannten Mitteln, wozu bei den 
Berlinern noch Apis tritt — ganz erstaunlich gute 
Resultate, d. h. Sterblichkeitsprocente von 2, 3 
oder etwas darüber erlangt haben, hält man es in 
Krankenhäusern, wie wir gleich sehen werden, für 
eine grosse Errungenschaft, wenn dank der Serum- 
Therapie von 100 Diphtheritis-Croup-Kindern nur 
noch 28 (anstatt wie früher 60!) zu Grunde gehen. 

Eine recht klare, allgemeinverständliche Ab¬ 
handlung über unseren Gegenstand entnehmen wir 
einer deutschen Zeitschrift. Da diese sowie zwei 
andere Referate den Ausgangspunkt unserer später 
aufzustellenden Erörterungen bilden, so geben wir 
alle drei in extenso wieder, wegen einiger unver¬ 
meidlicher Wiederholungen um die Nachsicht des 
Lesers bittend. Das Thema verlangt aber eine 
gewisse Ausführlichkeit und Gründlichkeit, sowie 
Beleuchtung von verschiedenen Gesichtspunkten. 

„Die Blutserum-Therapie. 

Was versteht man eigentlich unter Blutserum - 
Therapie? Diese Frage hört man jetzt vielfach 


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152 


stellen angesichts der grossen Erfolge, welche man 
dem neuen Verfahren gegen eine so heimtückische 
Krankheit, wie Diphtheritis, bereits verdankt. Es 
dürfte daher eine kurze Darlegung über das Wesen 
und die Entwickelung jener Therapie am Platze 
sein. 

Dass „Blut ein ganz besonderer Saft“ ist, weiss 
man schon längst. Fodor stellte zuerst 1887 fest, 
dass die Säfte des normalen lebenden Körpers, 
namentlich das Blut, bakterienvernichtende Eigen¬ 
schaften besitzen. Gleiche experimentelle Beobach¬ 
tungen machten Nuttall im Institut von Flügge, 
Behring und H. Büchner. Es ergab sich, dass die 
bakterienfeindliche Eigenschaft des Blutes auch dem 
daraus gewonnenen Blutserum zukommt. 

Was ist aber Serum? fragen viele. Nun, wenn 
das Blut aus der Ader gelassen wird und gerinnt, 
so scheidet es sich in zwei Tlieile, in den rothen 
Blutkuchen, die Plazenta, und in das klare, schwach¬ 
gelb gefärbte Blutwasser, das Serum. Büchner er¬ 
mittelte 1889, dass den Ei weisskörpern im zellen¬ 
freien Serum die bakterienvernichtende Wirkung 
beizumessen sei. Es wurde also festgestellt, dass 
Substanzen in den normalen Säften für die Bak¬ 
terien Gifte sind, für den tbierischen Körper aber 
nicht. Hieran schlossen sich nun die epochemachen¬ 
den Forschungen Behrings und seiner Mitarbeiter. 
Diese Untersuchungen ergaben eine ganz gesetz- 
mässige Eigenschaft des Blutserums künstlich immu- 
nisirter (unempfänglich gemachter) Individuen. Das 
Blut und das hieraus dargestellte Serum hat durch 
die Immunisirung*gegen eine bestimmte Infections- 
krankheit die Fähigkeit erlangt, den Zustand der 
Immunität gegen dieselbe Krankheit auf ein dafür 
sonst empfängliches Individuum beliebiger Art zu 
übertragen, wenn das Serum in genügender Menge 
dem Organismus einverleibt wird. Das ist das 
fundamentale „Behring’sche Gesetz.“ 

Die erste Mittheilung, die Behring und Kitasato 
1890 machten, bezog sich auf den Tetanus (Wund¬ 
starrkrampf). Es war den Forschern gelungen, 
Kaninchen gegen Tetanus (Starrkrampf) zu immu- 
nisiren und mit dem Serum die sonst ausserordentlich 
für die Krankheit empfänglichen Mäuse zu schützen. 
Tetanus sowohl wie Diphtherie sind Krankheiten, 
welche durch sogenannte toxische Bakterien verursacht 
sind. Darunter versteht man Bakterienarten, welche 
durch die von ihnen erzeugten specifischen Gifte 
wirken. Behring erklärte nun, dass das zellenfreie 
Blutserum die Kraft besitze, jene toxischen (giftigen) 
Substanzen, die zunächst von den Tetanusbacillen 
hervorgebracht werden, unschädlich zu machen. Die 
künstliche Tetanusimmunität beruhte also auf gift¬ 
zerstörender, antitoxischer Wirkung des Serums. 
Diese Eigenschaft zeigte sich auch, wenn die Ein¬ 
führung des Serums iu einen tetanuskranken Thier¬ 


körper erfolgte; es heilte somit eine sonst tödtliche 
Erkrankung. Hieraus sind die hochbedeutsamen 
Untersuchungen hervorgegangen, welche das Serum 
für Heilzwecke dienstbar gemacht haben. Es hat 
sich gezeigt, dass das Behring’sche Gesetz überall, 
namentlich bei den Erkrankungen des Menschen, 
zutrifft. Aber nur das Serum künstlich Immunisirter 
hat eine derartige Wirkung, während die von Natur 
Immunen in ihrem Blutserum keine immunisirenden 
Substanzen besitzen. 

Vor allen Dingen hat'auch bei Diphtherie das 
Serum künstlich immunisirter Individuen sich als 
antitoxisch wirksam erwiesen. Prof. Ehrlich hat 
sodann den wichtigen Nachweis geführt, dass das 
Behring’sche Gesetz auch auf Gifte Anwendung 
findet, die nicht durch Bakterien gebildet sind, so 
z. B. auf Ricin, Abrin etc. Das Serum immunisirter 
Thiere steht nun in seinem „Immunisierungswerth“ 
um so höher, je grösser der Immunitätsgrad des 
blutliefernden Individuums ist. Und zwar kommt 
es hierbei nicht auf den absoluten Grad, sondern 
auf die Differenz zwischen dem künstlich erreichten 
und dem ursprünglich vorhandenen Grade an. Die 
Blutserum-Therapie beruht nun darauf, dass das 
schützende Serum auch bei ausgebrochener Krank¬ 
heit Heilung zu bewirken vermag. Es hat sich er¬ 
geben, dass für Heilerfolge sehr erheblich viel mehr 
Serum nöthig ist, als zur Immunisirung. Ferner ist 
unter sonst gleichen Bedingungen desto mehr Serum 
erforderlich, je weiter vorgeschritten der Krankheits- 
process bei Beginn der Behandlung ist. Und weiter 
haben die Heilversuche mit aller Sicherheit die 
gänzliche Unschädlichkeit des Mittels ergeben. 

Zur allgemeinen Anwendung der Thetapie war 
es natürlich nothwendig, grosse Mengen äusserst 
wirksamen Serums darzustellen. Es mussten also 
grosse Thiere, namentlich Hammel, immunisirt 
werden, die leicht die Entziehung einer grösseren 
Quantität Blutes vertragen und die vor der Itnmu- 
nisirung für Diphtherie hochgradig empfänglich 
waren. Selbstverständlich müssen die Thiere auch 
vollkommen gesund sein. 

Vom Reichsgesundheitsamt ist bereits bei der 
Regierung die Verstaatlichung des Heilserumver¬ 
triebes angeregt worden. Indes dürfte die An¬ 
regung aus rein praktischen Gründen wenig Ent¬ 
gegenkommen finden; dagegen soll dem Parlament 
eine Vorlage, betreffend die Dotirung aller staat¬ 
lich geleiteten Krankenhäuser und Kliniken mit den 
erforderlichen Mitteln zum Ankauf des neuen Diph¬ 
theriemittels, zugehen. Auch in Berliner Stadt¬ 
verordnetenkreisen beschäftigt man sich bereits mit 
dem Gedanken eines Antrages behufs Schaffung des 
Heilserums für die städtischen Heilanstalten.“ 

Ehe wir nun einen sehr lesenswerthen Artikel 
der „Annales politique et littäraires 4 * — vom 7. Ok- 


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153 


tober d. J. — in Uebersetzung wiedergeben, wollen zur Serum-Therapie äussert sich die „Medicinische 
wir eine Auslassung des „Braunschweiger Tage- Reform“: „Die kommenden Monate werden die 


blattes“ vorausschicken, welches besonders auf einen 
für dasselbe Ausschlag gebenden Einzelfall zu j 
sprechen kommt. 

Es heisst also in dem fraglichen Artikel des 
genannten Blattes: 

„Wir sind in der Lage, unseren Lesern einige 
interessante Mittheilungen über die erste praktische 
Anwendung des neuen Diphtherieheilmittels, des 
Behring*sehen Antitoxins, in Braunschweig machen 
zu können. Der Sachverhalt ist folgender: In einer 
hiesigen Arbeiterfamilie erkrankte vor etwa sechs 
Wochen ein Kind sehr schwer an Diphtheritis und 
starb an der mörderischen Krankheit. Dieser Tage 
wurde nun in derselben Familie ein zweites Kind 
von Diphtherie in ihrer bösartigen Form befallen. 
Als der zur Hilfe gerufene Arzt erschien, musste 
er sich hinsichtlich des muthmasslichen Verlaufs 
eine ungünstige Prognose stellen; einerseits gab 
dazu die augenblickliche Schwere und Intensität 
der Krankheit, andererseits der an sich ungemein 


Früchte zeitigen müssen, die den Congressen der 
Forscher entspriessen. Wir Aerzte sind seit den 
Tagen flammender Begeisterung und darauf folgen¬ 
der tiefer Depression in Sachen des Tuberculins 
vielleicht skeptischer geworden, als noth thut. Hier 
ist nicht der Ort, die wissenschaftliche Debatte 
weiter auszuspinnen; aber unerwähnt kann der 
mächtige Einfluss nicht bleiben, den die Serum- 
Therapie, eventuell auch bei anderen Infections- 
krankheiten zur Geltung gebracht, auf die ganze 
Stellung der Aerzte ausüben muss. Wehe uns 
praktischen Aerzten, wenn die jetzt allgemein ge¬ 
hörte Behauptung von der völligen Unschädlichkeit 
des Mittels sich nicht bewahrheiten sollte. Schon 
jetzt tritt in jedem Diphtheriefall das Publikum an 
uns mit der Frage heran: „Herr Doctor, wollen 
Sie nicht spritzen?“ — Aber leider nur zu oft 
müssen wir antworten: „Woher nehmen und nicht 
stehlen?“ Wenn selbst ein so reich dotirtes Kranken¬ 
haus wie das Kaiser und Kaiserin Friedrich-Kranken¬ 


schwächliche Körperzustand des kleinen Patienten, 
eines fünfjährigen Knaben, leider allen Anlass. Mit 
Genehmigung der Eltern des Kindes brachte der 
Arzt an demselben sofort das Bcliring’sche Anti¬ 
toxin in Anwendung und zwar injicirte er dem 
Kinde am ersten und am dritten Besuchstage je eine 
zehn Kubikcentimeter haltende Dosis der qualitativ 
schwächsten Lösung, ohne dass bei dem Kranken 
irgendwelche örtliche oder allgemeine Reaction sich 
bemerkbar machte. Im Gegentheil. Schon nach 
der ersten Einspritzung schien sich das Allgemein¬ 
befinden bedeutend zu bessern und der Appetit zu 
heben. Dazu gewann sofort die Rachenschleimhaut 
ihr normales feuchtes Aussehen wieder. Die zweite 
Einspritzung hatte noch am selbigen Tage ein 
Sinken der Fiebertemperatur von 41.1 auf 38 Grad 
zur Folge, das sich am Tage darauf um 0.5 Grad 
verstärkte. Ferner gingen nach der zweiten Ein¬ 
spritzung die rasenförmigen Beläge im Rachen, die, 
von schmutzigem Aussehen, sich auch ganz auf 
den weichen Gaumen erstreckten, in rapidester 
Weise zurück. Neben der Injectionsbeliandlung 
gelangten Gurgelungen mit Kreolinlösung und 
Verabfolgung von Tränken starker Spirituosen zur 
Anwendung. Unter Berücksichtigung der ganzen 
Verhältnisse darf man sagen, dass die neue Be¬ 
handlung dieses sehr schweren, von vornherein 
denkbar ungünstig liegenden Diphtheriefalles merk¬ 
würdig schnell und günstig verlaufen ist und dass 
der Fall beweiskräftig für die Heilkraft des neuen 
Mittels erscheint. Jedenfalls ist die neue Diphtherie¬ 
behandlung mittelst Antitoxin durchaus geeignet, 
zur Anstellung fernerer praktischer Anwendung der¬ 
selben anzuregen. — Ueber die Stellung der Aerzte 


haus sich an die öffentliche Mildthätigkeit wenden 
muss, um weiter das neue Verfahren zu üben, wie 
soll die Familie eines kleinen Beamten, Krämers, 
einer armen Wittwe die Mittel zur Impfung des er¬ 
krankten und zur Immunisirung der noch gesunden 
Kinder erschwingen? Sollte das „Gold“ der 
Behring’schen und Aronson’schen Erfindung, um 
mit Heubner zu sprechen, in Scheidemünze für den 
praktischen Arzt umzuwandeln sein, dann muss es 
recht bald viel wohlfeiler werden, oder der Staat 
bezw. die Communen müssen für Verbilligung 
sorgen.“ Die Aerzte begegnen sich hier voll¬ 
kommen mit den Ansichten der weitesten Kreise. 

Treten wir nun dem Serum-Therapie-Artikel 
der „Annales politique et litteraires“ näher. 

Mit einem gewissen Enthusiasmus — heisst es 
dort — spricht man seit einiger Zeit von der Mit¬ 
theilung, welche Herr Roux vom Institut Pasteur 
auf dem hygienischen Congress zu Pest über die 
Behandlung der Diphtherie gemacht hat. Und in 
der Tliat geht aus den Roux’schen Versuchen so¬ 
wie aus denen anderer Experimentatoren hervor, 
dass die neue Behandlung wenigstens die Hälfte 
der armen kleinen Kranken, der Opfer des Croups, 
zu retten vermag. Und dieser Procentsatz der 
Sterblichkeit wird sicher noch weiter heruntergehen. 
Er betrug sonst im Allgemeinen 60 Procent; bei 
der Serum-Therapie beträgt er nur 28, ja 20 und 
selbst nur 15 Procent. Und das ist doch erst der 
Anfang! Die Diphtherie ist eine Erkrankung, deren 
Schwere jeder hinlänglich kennt. Lange Zeit hielt 
man die Diphtherie für eine Localerkrankung und 
dementsprechend versuchte man es mit localen Ein¬ 
griffen, Sublimat-Irrigationen, Jod-Petroleum-Irri- 


20 

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154 


gationen etc. Zuweilen schien das Mittel zu wirken 
und man glaubte an seinen Einfluss; in Wirklich¬ 
keit war es ohne Einwirkung. Es handelte sich 
um eine leichte Affection und die Heilung wäre 
auch so erfolgt, war eine Naturheilung. 1888 nun 
zeigte zuerst Roux (?), dass die Diphtherie eine 
wirkliche Allgemeinerkrankung, eine allgemeine 
Vergiftung des Organismus darstelle. Die Diphtherie 
verdankt ihre Entstehung einem von Klebs und 
Loeffler entdeckten Mikroorganismus (ä un microbe). 
Er gedeiht in den Pseudomembranen. Diese Mi¬ 
kroben scheiden während ihrer Entwicklung ein 
giftiges Princip, ein Toxin, aus, ein wirkliches 
chemisches Gift, welches den ganzen Haushalt in- 
ficirt und allgemein den Tod des Befallenen nach 
sich zieht. Roux konnte dieses Gift sammeln, in¬ 
dem er in dazu geeigneter Fleischbrühe die Mi¬ 
kroben züchtete. Er präparirte davon beträchtliche 
Mengen und konnte damit bei Kaninchen, Hunden 
u. s. w. eine richtige Diphtherie hervorbringen. 

Die Ursache des Leidens der Diphtherie ist 
also das von den Mikroben hervorgebrachte Gift. 
Jedes Gift besitzt im Allgemeinen ein Gegengift. 
Sollte sich das Gegengift des Diphtheritis-Toxins 
nicht finden lassen? Roux, Yersin u. a. erkannten, 
dass man Thiere leicht impfen konnte gegen das 
Gift, indem man ihnen täglich kleine Dosen davon 
injicirte. Der Organismus gewöhnt sich bekanntlich 
an ein Gift. Roux und Voillard impften darnach 
ziemlich rasch, indem sie das Toxin mit seinem 
Volumen Jod vermischten. So erfolgte die Ge¬ 
wöhnung in einigen Wochen. Und die so behan¬ 
delten Thiere erwiesen sich als absolut geschützt 
vor dem Diphtheritis-Gift. Es war unmöglich, sie 
diphtheritisch zu machen. 

Man würde offenbar so nicht gegen die Angina 
oder den Croup die Kranken impfen können. Das 
Verfahren würde viel zu lang währen und eben 
wegen seiner Langsamkeit kein Heilmittel darstellen. 
Das Uebel entfaltete sich vielmehr rascher als die 
Impfwirkung. Glücklicherweise erkannte man, dass 
das Blutserum der so geimpften Thiere sich be- 
merkenswerther antitoxischer Eigenschaften erfreue. 
Dieses Serum verhindert nun, wie Roux nachge¬ 
wiesen hat, mag es in einem Gefäss eingeschlossen 
oder im thierischen Gewebe sein, die Wirkung des 
Toxins; es hebt sie vollständig auf. 

Richet und Hericourt machten ebenfalls in Be¬ 
zug hierauf beweiskräftige Versuche. Aus ihren 
Beobachtungen folgt, dass das Serum ein Gegengift 
liefert, welches rasch auf den durch den diphthe- 
ritischen Bacillus Vergifteten seine Heilwirkung 
ausübt; es genügt, in zwei- bis dreimaliger Wieder¬ 
holung entsprechende Gaben des antitoxischen Se¬ 
rums zu injiciren, um dem Uebel Einhalt zu thun. 
In Berlin experimentirten Behring und Kitasato mit 


demselben Erfolg mit dem vorher durch Im¬ 
pfung immunisirten Serum. Von den Thieren gingen 
sie dann zum Menschen über. Und sie konnten 
die Sterblichkeit der an Croup behandelten Kinder 
im Verhältniss von 60 zu 28 herabsetzen, d. h. die 
Hälfte der kleinen Kranken retten, die hei ge¬ 
wöhnlicher Behandlung gestorben wären. Damit 
war die Serum-Therapie begründet. 

Die ersten Versuche von Behring, welcher der 
Begründer dieser Methode bleibt, soweit sie die 
Diphtheritis betrifft, schienen nicht einwandfrei. In 
Berlin selbst blieb das medicinische Urtheil schwan¬ 
kend. Und ist das wohl ein Heilmittel, welches 
nur 50 Procent der Kranken rettet? Ein wirk¬ 
liches Heilmittel müsste fast bis auf Null die Zahl 
der Todesfälle herabmindern. Erst die Roux’sche 
Mittheilung auf dem Pester Congress hat die etwas 
stockende Zustimmung der Physiologen und Medi- 
ciner in Fluss gebracht, indem Roux, der berühmte 
Mitarbeiter Pasteur’s die Gründe darlegte, weshalb 
bis dahin der Erfolg noch so oft ausblieb. 

Roux, Martin und Chaillon haben im Hopital 
des Enfants-Malades zu Paris die Behandlung über¬ 
nommen seit 1. Februar bis 24. Juli. Bei 448 
Kindern betrug die Mortalität*) — wie in Berlin — 
27, 28 Procent. Aber Roux hat sehr eingehend 
jeden einzelnen Fall studirt und nach weisen können, 
dass in den reinen Diphtherie- und in den reinen 
Croup-Formen, also ohne Complicationen mit an¬ 
deren Krankheiten, das Serum ganz kräftig war; 
die Sterblichkeit war auf 1.66 Procent gesunken. 
Somit ist die Methode absolut sicher. In den 
anderen Fällen war die Krankheit complicirt; 
zum Diphtheritisclien kamen andere Mikroben und 
das Secret dieser konnte durch das Gegengift des 
diphtheritischen Serums nicht vernichtet werden. 

Allerdings haben viele Kinder den Croup und 
gleichzeitig Masern, Scharlach, Tuberkulose, Lungen¬ 
entzündung. Diese sind nicht am Croup gestorben, 
sondern an den ihn begleitenden Krankheiten. Man 
kann deshalb vorausschicken, dass die Behandlung 
in einem beträchtlicheren Verhältniss wirksam sein 
würde, falls nicht die anderen Krankheiten ihrer¬ 
seits in Action treten. Wie soll man in der Praxis 
sie ausscheiden? Indem man die Kranken dieser 
Art in besonderen Sälen isolirt. Dann wird sich 
ein grösserer Procentsatz von Heilungen ergeben. 
Später wird die Serum-Therapie gestatten, noch 
heilsameres Serum hervorzubringen, welches auch 
den complicirenden Affectionen entspricht. Indem 
man das Gegengift-Serum für mehrere Krankheiten 
gleichzeitig anwendet, wird man endlich über das Gift 
der Mikrobenerkrankungen den Sieg davon tragen. 


*) Euphemistisch ausgedrückt: le benefice procure par 
la serotherapie. 


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155 


Für den Augcublick kann das Verfahren schon 
ungeheuer grosse Dienste erweisen, und man be¬ 
greift die Begeisterung, mit welcher es vom Publi¬ 
kum aufgenommen worden ist. Die Serum - In- 
jectionen sind nicht schmerzhaft und die Larynx- 
Häute im Verlauf eines Croups stossen sich in 24 
Stunden ab. Roux hat das Serum des iinmunisirten 
Pferdes benutzt. Im Pasteur’sehen Institut hat man 
eine Anzahl Pferde immun gemacht, denen man am 
Hals zur Ader lässt, um so das Serum zu gewinnen. 
Das Pferde-Serum ist reichlich vorhanden. Man 
kann dem Pferd ohne Nachtheil öfters Blut ent¬ 
ziehen. Das Blut gerinnt langsam und das Thier 
ist leicht zu immunisiren. 

Gegenwärtig lässt man in Paris im Pasteur’schen 
Institut den Aerzten kleine Fläschchen mit 20 ccm 
Pferde-Serum ab. Dieses Serum hält sich Monate 
lang in seinen Eigenschaften. Man kann es noch 
darstellen in Körnerform (en forme de grains). Dank 
der Subscription, zu der der „Figaro“ die Initiative 
ergriff, und dank anderer Dotirungen, wird das 
Pasteur’sehe Institut in der Lage sein, eine grosse 
Anzahl von Pferden zu immunisiren. Dazu braucht 
man aber mindestens zwei Monate. Nach dieser 
Zeit darf man hoffen, dass alle Aerzte der Provinz 
sich mit antidiphtheritischem Serum versorgen 
können. Warum, fragt man sich, sollten nicht in 
den Hauptofficinen Niederlagen bestehen können? 
Alsdann würde die Serum-Therapie Gemeingut und 
könnte eine grosse Zahl armer Kinder gerettet 
werden, die bis dahin einem fast sicheren Tode 
ausgesetzt waren. 

Möchten wir keine Enttäuschung erleben in 
dieser Beziehung! Aronson in Berlin hat seiner¬ 
seits in Hunderten von Fällen seiner Privatpraxis 
reüssirt. Die Behandlung geschieht also mit grosser 
Wahrscheinlichkeit des Gelingens. Alles spricht 
dafür, dass das Serum über eine schreckliche Land¬ 
plage triumphiren wird; alsdann aber wollen wir 
nicht vergessen, dass alle diese grossen Ent¬ 
deckungen auf dem Gebiete der Bacteriologie, 
welche unserem Zeitalter zur Ehre gereichen, ihren 
Ausgangspunkt nehmen vom Laboratorium Pasteur’s. 
„Noch einmal werden wir diesen grossen Namen 
zu verherrlichen haben, der bereits so viel Glanz 
unserem Lande verlieh und der Menschheit so 
grosse Dienste erwiesen hat.“ 

Also schliesst etwas pomphaft, aber im Sinne 
der grossen Nation, die sogar an der Spitze der 
Civilisation einherschreiten möchte, jener, abgesehen 
von einigen Ungenauigkeiten, die der Leser leicht 
verbessert haben wird, beachtenswerthe Artikel.*) 

*) Bezeichnend ist, dass die Pariser Presse als den 
Entdecker der Serumbehandlung den Professor Roux über¬ 
schwänglich feiert. Roux selbst lehnt die ihm aufge- 
nöthigten Lorbeem ehrlich ab und weist auf Kitasato und 


I Wir von unserem homöopathischen Standpunkt 
j aber dürfen getrost den Ausgangspunkt dieser 
Therapie, mag sie zum Ziele führen oder nicht, 
j auf einen anderen Gelehrten zurückführen, der das 
Similia similibus zum therapeutischen Leitstern er¬ 
koren hat. Und selbst Jenner’s Entdeckung muss 
sich jenem grossen Gesetze unterordnen, steht und 
fällt mit demselben. — Die Serum-Therapie ist 
unmöglich so zu verstehen, dass Bakterien gegen 
Bakterien ins Feld geführt werden, das injicirte 
I Serum ist vielmehr als eine Simile-Arznei aufzu¬ 
fassen ; die stickstoffhaltigen Eiweisskörper im Serum 
' sollen das eigentlich wirksame antidotarische Prin- 
cip enthalten, jedenfalls aber in infinetesimaler, un¬ 
chemischer und imponderabiler Weise. Es kann 
I also, wie bei unseren homöopathischen Verdünnungen, 

| nur von einer dynamischen Wirkung, eben auf 
Grund des Aehnlichkeitsgesetzes die Rede sein. 

Meine Bedenken fasse ich auf Grund der bis¬ 
herigen Bekanntmachungen und klinischen Beobach¬ 
tungen dahin zusammen: 

1. Wir dürfen deshalb noch nicht triumphiren, 
weil erfahrungsmässig es schon zu oft geheissen 
hat, das und jenes Mittel sei specifisch und unfehl¬ 
bar gegen Diphtheritis. Der Genius epidemicus 
und die individuelle Constitution sind aber zu ver¬ 
schieden, als dass mit Wahrscheinlichkeit es über¬ 
haupt ein Verfahren geben sollte, das zu allen 
Zeiten allen Indicationen gerecht wird. 

2. Gar oft begegnen wir in den Heilungen 
Beihilfen, welche au fond ebensogut als allein helfend 
angesehen werden können. Leider wird auch in 
der Homöopathie, d. i. bei Veröffentlichung von 
homöopathischen Heilungen ganz unverfroren solche 
„Beikost“ mit als etwas ganz Nebensächliches auf¬ 
geführt. Da lässt der Eine gleichzeitig „Packungen“ 
ausführen, der Andere neben seinen homöopathischen 
Arzneien Massiren, Elektrisiren, allerlei „Species“ 
trinken, auch wohl Morphium als etwas Harmlos- 
Unvermeidliches verabreichen oder injiciren, ein 
Euphorbiumpflästerchen appliciren und Gott weiss, 
was sonst noch vornehmen. Auch in dem Beispiel, 
welches als massgebend die „Braunschweiger Zei¬ 
tung“ bringt, gelangen „neben der Injections- 
behandlung Gurgelungen mit Kreolinlösung und 
Verabfolgung von Tränken starker Spirituosen“ 
(nota bene bei 41.1 Grad Temperatur!) zur An¬ 
wendung. Damit ist aber das Experiment durchaus 
nicht einwandfrei, im Gegentheil darf es mit Recht 
angefochten werden. 

Dasselbe gilt von allen sonstigen angestellten 
oder noch anzustellenden serum-therapeutischen Be- 

Behring als die Urheber der Methode hin. Die Blätter 
schweigen jedoch diese Verwahrung todt und bleiben uner¬ 
schütterlich dabei, dem gewaltigen Siege französischer 
Wissenschaft Pindarische Hymnen zu singen. 


20 * 

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156 


h&ndlungen überhaupt und speciell der Diph¬ 
therie. 

v. Grauvogl legte bekanntlich den grössten 
Werth auf Spiritus-Gurgelungen (verdünnter Weiu- 
geist) als kräftiges antidiphtheritisclies Mittel. 

3. Die Technik des suhcutanen Injicirens ist 
zwar leicht zu erlernen, allein unbegreiflich erscheint, 
dass man hier Verletzungen der Haut so gering 
anschlägt, während sonst bei jedem Hautritz das 
Gespenst der Blutvergiftung herauf beschworen und 
mit allen möglichen, oft recht heroischen Desinfec- 
tions-Mitteln und Antisepticis vorgegangen, auch 
sicher oft genug mehr Schaden angerichtet als Hilfe 
gewährt wird. Gerade Läsionen Diphtheritischer 
wurden bisher für sehr bedenklich gehalten. Auch 
bei der Einführung der Thermometer scheut man 
sich nicht — im Widerspruch mit dem antisep¬ 
tischen Princip — von einer Achselhöhle zur an¬ 
dern (von einem — Anus in den andern) zu wan¬ 
dern. Ich will nicht reden von dem unangenehmen 
Eindruck, den die Vornahme solcher Injectionen 
auf ein ängstliches, fieberndes Kind machen müssen, 
dem der gefürchtete Doctor vielleicht vom Impfakte 
her noch in unliebsamer Erinnerung steht. 

4. Es heisst zwar, dass das antidotarische Serum 
keine schlechten Nebeneigenschaften habe, allein 
von welchen pharmaceutischen Errungenschaften 
der Neuzeit, von welchem der zahllosen auf „in w 
endigenden, nicht auf Wald und Wiese wachsen¬ 
den, sondern in den chemischen Laboratorien aus¬ 
geheckten Producte hätte man nicht ein Gleiches 
gesagt! Sobald ein neues auftaucht, da erfahrt 
man erst von den ,,Schlechtigkeiten“, welche der 
ephemäre Vorgänger angerichtet hat. Wir brauchen 
nur an die thatsächlichen vergiftenden Nebeneigen¬ 
schaften des Antipyrins, Phenacetins, Salipyrins, 
Exalgins etc. etc. zu erinnern. 

Mit den Schlafmitteln ist es ebenso. Gewöhn¬ 
lich folgen dann erst ,,Verbesserungen“, bis auch 
diese sich als Danaergeschenke ausweisen. 

5. Einen den Nimbus der Immunisirung ab¬ 
schwächenden Eindruck macht die folgende Publi- 
cation: 

„Die Forschungen über die Diphtherie-Antitoxine 
sind mit der Gewinnung des Blutserums künstlich 
immunisirter Thiere keineswegs abgeschlossen, son¬ 
dern gehen auch in anderer Richtung vorwärts. 
Soeben veröffentlichen Professor Paul Ehrlich und 
Dr. A. Wassermann in der Zeitschrift für Hygieine 
und Infectionskrankheiten eine Abhandlung, welche 
neue bedeutsame Perspectiven eröffnet. Neben dem 
Blutserum scheint nämlich mit der Zeit auch die 
Milch zu therapeutischen Zwecken herangezogen 
werden zu können. Professor Ehrlich hat den 
Nachweis geführt, dass nicht nur in das Blut, son¬ 
dern auch in die Milch künstlich immunisirter 


Thiere die Schutz- und Heilkörper in erheblicher 
Menge übergehen. Bei diesen Versuchen wurden 
Schafziegen (hornlose Ziegen) verwandt, weil diese 
einerseits sehr empfänglich für die meisten Bakterien¬ 
gifte sind, andererseits aber eine grosse Wider¬ 
standsfähigkeit besitzen, welche sie selbst recht 
starke lmmunisirungseingriffe überstehen lässt.“ 

Weiter oben lasen wir noch, dass die Immuni¬ 
sirung sich ausser auf das diphtheritische Gift auf 
noch ganz andere heterogene giftige Agentien er¬ 
strecken soll. Das muss doch Misstrauen erwecken, 
ebenso wie die Virchow’schen ,,Wenn“’s. Virchow 
ist in der wirklichen Diplomatie zwar nur Laie, 
aber wiederholt hat er sich in heikligen Fragen 
diplomatisch auszudrücken verstanden. Ehrlich da¬ 
gegen klingt die Antwort, welche er gab, als er 
die plötzlich wachsende Mortalität unter den diphthe- 
ritischen Kindern des ihm unterstellten Hospitals 
auf den veränderten Genius epidemicus schob und 
nicht auf den Umstand, dass das immunisirende 
Serum ausgegangen war. 

Sein Urtheil über unsern Gegenstand lautet: 

„Ich kann meine Ansicht über das Serum da¬ 
hin zusammenfassen, dass es eine starke schützende 
Wirkung auf Wochen, vielleicht auf Monate, sagen 
wir drei, vier Monate ausübt. Ob diese Wirkung 
von immerwährender Dauer ist, muss ebenso ab¬ 
gewartet werden, wie die Lösung der Cardinal frage, 
ob es wirklich möglich ist, die Diphtherie mit diesem 
Mittel zu heilen. Aber es ist schon viel erreicht, 
wenn es z. B. gelingt, in einer Familie, wo drei 
oder vier Kinder an der Diphtherie erkrankt sind, 
auch nur eines mit dem Serum immun zu machen, 
d. h. zu schützen. Für diese Wirkung des Mittels 
spricht alle Wahrscheinlichkeit.“ 

Man achte auf das Hinterthürchen der schwanken¬ 
den Dauer der Immunität. Anderswo heisst es: 
Je später immunisirt wird, also je weiter die 
Diphtheritis fortgeschritten ist, desto mehr braucht 
man Serum. 

Schliesslich kann es nichts schaden, und auch 
vom Standpunkt der sachlichen Unparteilichkeit aus 
erscheint es uns geboten, Publicationen, wie die 
folgende, festzunageln, um event. darauf zurück¬ 
kommen zu können und alsdann unsere heutigen 
Bedenken bestätigt oder — widerlegt zu sehen. 

Wie die „Berliner Börsen-Zeitung“ mittheilt, 
liegen jetzt bereits aus den Berliner Krankenhäusern 
ziffernmässige Beweise vor, angesichts deren die 
günstige Wirkung der Serum-Therapie auch von 
Zweiflern nicht mehr bestritten werden kann. Wie 
bedeutsam diese Wendung der Dinge ist, ergiebt 
sich aus der Erinnerung an die Thatsache, dass 
noch vor 10 Jahren beim Preisausschreiben der 
Kaiserin Augusta die Heilbarkeit der Diphtherie 
in weiter Ferne zu liegen schien. Und heute wird 


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157 


aus dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-Krankenhause 
berichtet, dass bei 169 Patienten unter den frühzeitig 
behandelten kein einziges Kind gestorben ist. In 
der Charite und im Elisabeth - Krankenhause sind 
zuletzt 89 Kranke mit Serum behandelt worden. 
Die Zahl der Sterbefalle betrug 12—18,5 Procent. 
Bringt man 5 agonale Fälle, die schon in den 
ersten 24 Stunden starben, in Abzug, so erhält 
man eine Mortalität von 8 Procent. Unter den 
7 Todesfällen war bei 4 die Prognose von vorn¬ 
herein ganz trostlos. Es kann nicht oft genug be¬ 
tont werden, dasg die Wirkung um so sicherer ist, 
je schneller die Serumbehandlung einsetzt, und dass 
am ersten oder zweiten Tage der Krankheit die 
Kinder dadurch fast ausnahmslos geheilt werden. 
In keinem Fall# wurde ein Ansteigen des Processes 
beobachtet, und bei vielen Kranken, bei denen 
bereits schwere Stenosen bestanden, konnte die 
Tracheotomie, der Luftröhrenschnitt, dank derSerum- 
behandlung, umgangen werden. Aus dem Elisabeth- 
Krankenhause hatte Dr. Schubert schon vor einiger 
Zeit berichtet, dass unter 34 Kindern 82,4 Pro¬ 
cent geheilt wurden, darunter 14 tracheotomirte. 
Im städtischen Krankenhause am Urban wurde über 
60 Fälle berichtet. Davon waren 80 schwere, 
16 mittelschwere und 14 leichte. Von den 30 
schweren wurden 50 Procent, von den 16 mittel¬ 
schweren 81 Procent, von den 14 leichten alle 
geheilt. Unter den tracheotomirten genasen 45 Pro¬ 
cent, das sind 20 bis 25 Procent mehr als sonst. 


Herbst-Versammlung 

des sächsisch - anhaltinischen Vereins homöo¬ 
pathischer Aerzte in Magdeburg. 

Am 14. d. M. fand zur festgesetzten Stunde 
im Central-Hötel zu Magdeburg unter dem Vorsitz 
des Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwasser-Bern¬ 
burg die diesjährige Herbst-Versammlung des 
sächsisch-anhaltinischen Vereins homöopathischer 
Aerzte statt Anwesend waren: Geh. Sanitätsrath 
Dr. Faulwasser-Bemburg, Dr. Groos-, Dr. Knüppel 
Dr. Studentkowsky-Magdeburg, Oberstabsarzt Dr. 
Rohowsky -, Dr. Stifft-, Dr. Haedicke- Leipzig , Dr. 
Vülers-Dresden , Dr. JJankei't- Halle, Dr. Kröner - 
Potsdam als Gast, Dr. Lutze- Cöthen. Wir bedauern 
herzlich, dass die Berliner Collegen, mit Ausnahme 
des Collegen Dr. Kröner aus Potsdam, unserer 
freundlichen Einladung zu einer gemeinsamen 
Sitzung nicht Folge leisten konnten, da es unmög¬ 
lich war, ihrem Wunsche gemäss die Versammlung 
zu einer späteren Stunde zu eröffnen. 

Nach Erledigung geschäftlicher und litterarischer 
Angelegenheiten, worunter wir die Wahl Dessaus 


zur Frühjahrsversammlujig und die Anzeige einer 
erneuten verbesserten Auflage des „Therapeutischen 
Taschenbuchs von Dr. C. von Boenninghausen“ er¬ 
wähnen, erhielt College Haedicke das Wort zum 
Vortrage über,,Peri- und Parametritis. u An der Hand 
anschaulicher Abbildungen aus den mitgebrachten 
Werken 1) von Dr. A. Auward, deutsch von Dr. 
A. Rosenau, 100 illustrirte Fälle aus der Frauen¬ 
praxis, Leipzig, Abel, 2) Krankheiten der Frauen 
von Prof. Dr. Heinrich Fritsch, Braunschweig, 
Wreden, zeigte derselbe Sitz und Ausbreitung der 
betreffenden Erkrankungen, besprach deren Symp¬ 
tome und Verlauf, Diagnose, Differentialdiagnose 
und Prognose, wobei er als wichtiges differential¬ 
diagnostisches Merkmal für Parametritis, in eigner 
Praxis zu wiederholten Malen bestätigt, die prall- 
I elastische und unverschiebbare Beschaffenheit der 
Schleimhaut erwähnte, ungefähr so, als wenn man 
ein gespanntes Tuch mit dem Finger eindrückt. 

Zur Behandlung sei die Anwendung von Eis 
nicht durchaus nothwendig, wohl aber die Priess- 
nitz’schen Umschläge, womöglich um das ganze 
Becken herumzuschlagen; bei heftigen Schmerzen 
könne man nicht ohne Morphium auskommen. Ueber 
letztere Ansicht erhob sich eine längere Aussprache, 
ohne von Allen getheilt zu werden. Von Arznei¬ 
mitteln kommen in Betracht Sulph., Bryon, be¬ 
sonders empfehlenswerth, Ars. und Merc. Dr. Stifft- 
Leipzig erwähnte eines interessanten Falls aus dem 
homöopathischen Krankenhause mit zeitweisen 
Temperaturen bis 43 Grad C. bei verhältnissmässig 
niedrigem Pulse, wo er zur Zeit der grössten 
Schmerzhaftigkeit mit auffallendem Erfolge Phosph. 
C. 3. verabreichte, dessen Anwendung er gleich¬ 
zeitig zu begründen suchte. 

Nach Schluss der Versammlung fand ein ge¬ 
meinsames Festessen mit den zahlreich erschienenen 
Damen statt. Gegen Ende des Festmahls, das in 
heiterer, ungezwungener Weise verlief, hatte eine 
der jüngsten Frauen die Liebenswürdigkeit, für die 
Wittwenkasse einzusammeln, die durch die Frei¬ 
gebigkeit der Collegen um den ansehnlichen Be¬ 
trag von 40 Mk. bereichert wurde. Dr. St. 


Zum internationalen homöopathischen Congress 
in London 1896. 

Die Leitung des Congresses rechnet auch auf 
eine rege Betheiligung der homöopathischen Aerzte 
Deutschlands an diesem Congress, und zwar nicht 
bloss durch persönliches Erscheinen derselben, son¬ 
dern auch durch literarische Arbeiten, welche die 
Verhältnisse der Homöopathie in unsern Landen 
betreffen oder praktische oder theoretische Themata 


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158 


behandeln. — Wir werden im Laufe des nächsten 
Jahres noch öfter auf diese wichtige Angelegen¬ 
heit zurückkommen, da wir eine würdige Vertre¬ 
tung Deutschlands auf dem Congrcss dringend 
wünschen. 

Der Secretär des Congresses, Dr. Hughes in 
Brighton, England, ist bereit, etwa gewünschten 
Aufschluss zu geben, sowie alle eingesandten Ar¬ 
beiten in Empfang zu nehmen. Die Redaction. 


Aufforderung zur Subscription 

auf eine zweite durch die neueren amerikanischen 
Mittel ergänzte und bereicherte Auflage des 

v. Boenninghausen’schen 
Therapeutischen Taschenbuches 

in deutscher Sprache. 

Die projectirte neue Ausgabe des r. Boenning• 
hausen'schen Therapeutischen Taschenbuches in deut¬ 
scher Sprache (von Dr. Fries-Zürich ) sollte fürwahr 
bei homöopathischen Aerzten keiner weitern Em¬ 
pfehlung bedürfen, da der Mangel eines, auch die 
neueren Mittel enthaltenden Repertoriums gewiss 
von jedem homöopathischen Arzte oft und sehr 
schmerzlich empfunden wurde. Besonders fühlbar 
wird dieser Mangel bei der Behandlung chronischer 
Leiden, da dieselben ohne ein solches Nachschlage- 
buch nicht wohl mit Aussicht auf Erfolg behandelt 
werden können. 

Das im Jahre 1846 erschienene Original hat 
sich jedem gewissenhaften Jünger Hahnemann’s 
sowohl für die Praxis, als auch für das ver¬ 
gleichende Mittelstudium, als ein so unentbehr¬ 
liches und unersetzliches Werk erwiesen, dass das¬ 
selbe seit Jahren im Buchhandel vergriffen ist. Eine 
neue Ausgabe dieses so werthvollen Buches, welches 
in der Bibliothek keines homöopathischen Arztes 
fehlen sollte, entspricht umsomehr einem dringenden 
Bedürfniss, als seit dem Erscheinen des Originals 
eine grosse Zahl von neuen Heilmitteln, meisten- 
theils amerikanischen Ursprungs, unserem Arznei¬ 
schatze einverleibt worden sind. 

In der neuen amerikanischen Auflage des 
v. Boennitighausen*sehen Taschenbuchs vom Jahre 
1891 hat der eminente Mittelkenner Dr. AUen die 
neuern Mittel dem ursprünglichen Texte beigefügt 
und durch zeitgemässe Zusätze dem gegenwärtigen i 
Standpunkte der homöopathischen Arzneimittellehre 
entsprechend gestaltet. 

Um nun dieses in seiner Art einzig dastehende 
Buch, durch welches der Arzt in den Stand gesetzt 
wird, unter den wohlgeprüften und bewährten 


Arzneien die dem Similia similibus am besten ent¬ 
sprechenden herauszufinden, den homöopathischen 
Aerzteu deutscher Zunge ebenfalls zugänglich zu 
machen, bedarf es der allgemeinen Betheiligung 
bei der eröffneten Subscription, da ohne Garantie 
der Deckung der Druckkosten kein Verleger zu 
finden ist. 

Hoffentlich werden die deutschen Homöopathen 
den Werth und die Nothwendigkeit der Heraus¬ 
gabe dieses Werkes einsehen, denn es wäre in der 
That ein trauriges Testimonium paupertatis, wenn 
das Buch in Folge mangelnder . Betheiligung un¬ 
gedruckt bleiben müsste. 

Wir bitten somit alle homöopathischen Aerzte, 
denen das Wohl und der Fortschritt der Homöo- 
1 patliie am Herzen liegt, ihre Unterschrift baldigst 
I an A. Marggrafs homöopathische Offloin in Leipzig 
einzusenden, damit die Bearbeitung und Heraus¬ 
gabe des Werkes so schnell als möglich gefördert, 
werden kann. 

Basel, im October 1894. 

Dr. Th. Brnckner. 


Quittung. 

Für das homöopathische Krankenhaus zu 
Leipzig sind eingegangen in der Zeit vom 18. Mai 
bis 20. October a. c. bei Herrn Apotheker William 
Steinmetz , Leipzig: 



Für den Betriebsfonds: 

Mark 

von 

Herrn Dr. med. Puhlmann, Leipzig, 



Honorar für Allg. liorn. Ztg. 

25.60 

n 

„ Geh. San.-Rath Dr. med. Faul- 



wasser, Bernburg .... 

500.— 

rt 

„ Dr. med. X. in Y. für 2 Frei- 



betten pro 2. Halbjahr 1894 

500.— 

n 

„ Dr. med. X. in Y. zur Weih- 



nachtsbescheerung für die 
Kranken 1894 . 

100.— 

n 

Centralvereinsmitgliedern 26 Jahres¬ 



beiträge ä 6 Mk. 

156.— 

n 

1 Centratvereinsmitglied 1 Jahresbei¬ 



trag ü 10 Mark. 

10.— 


MkT 

1291.60 


Mit dem herzlichsten Danke für diese neuen 
Gaben verknüpfen wir die Bitte um ferneres gütiges 
Wohlwollen. 


Leipzig, den 20. October 1894. 

Hochachtungsvollst 

William Steinmetz, 

z. Z. Kassenverwalter. 


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159 


Quittung. 

Für die Unterstfitzungskasse für Wittwren 
homöopathischer Aerzte sind in der Zeit vom 
18. Mai bis 31. October a. c. nachstehende Beiträge 


eingegangen: Mark 

von Herrn Dr. med. Lorbacher, Honorar 

für AUg. homöopath. Ztg. 11.20 

n „ Dr. med. Herrn. Fischer, West¬ 
end, desgleichen .... 3.52 

n n Dr. med. Mende, Zürich, Jah¬ 
resbeitrag pro 1893/94 . . 20.— 

Sammlung beim Festessen des homöopath. 
Centralvereins Deutschlands in Eisenach 

am 10. August 1894 . 237.— 

Sammlung beim Festessen des Säclisisch- 
Anlialtin. Vereins in Magdeburg am 

14. October 1894 40.— 

von Centralvereinsmitgliedern an Jahres¬ 
beiträgen: 25 ä 8 Mk. 200.— 

von Herrn Professor Dr. med. Heeremann 

de Hundermark, Paris 23.10 

„ „ Carl von Ronay, Kaschau . 6.— 

Sammlung beim Festessen des Vereins 

Württembergischer homöopath. Aerzte . 100.— 


Mk. 640.82 


1 Für diese gütigen Zuwendungen sagen wir 
unsern herzlichsten Dank, denn der Unterstützungs- 
I bedürftigen werden immer mehr und die Beiträge, 
die auf die Einzelnen fallen, sind noch klein. Wir 
bitten daher um weitere freundliche Gaben. 

Leipzig, den 20. October 1894. 

Hochachtungsvollst 

William Steinmetz, 

z. Z. Kassenverwalter. 


Beglückwünschung. 

Der homöopathische Arzt Herr Dr. med. Aurel 
Krayzell in Eperjes in Ungarn ist seit 33 Jahren 
in amtlicher Stellung thätig. Von 1861—1871 als 
Honorar-Physicus, seitdem als Wirklicher Ober- 
Phyöikus des Saroser-Comitates, und hat Se. Maje¬ 
stät der Kaiser mit allerhöchster Entschliessung vom 
9. August a. c. geruht, in Anerkennung seiner er¬ 
worbenen Verdienste als Comitats-Oberphysicus ihm 
den Titel eines „Königlichen Rathes“ taxfrei zu 
verleihen. 

Wir beglückwünschen ihn hierzu aufs herzlichste, 
zumal nur selten derartige Auszeichnungen und 
Anerkennungen in unsere Kreise kommen. 


Anzeigen. 


Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Kunkel 
soeben in den Besitz von 

Behringsthem Diphtherie-Serum 

gekommen, ofterire ich dieses Mittel den homöopathischen 
Aerzten zu Versuchen in i 

001.—0030. Potenzen (flüssige und Verreibungen). | 
Auf Wunsch fertige auch noch höhere Potenzen an. 
Leipzig, den 19. October 1894. | 

_ A. Marggrafs homöopath. Officin. i 

Homöopathische Arzneitabletten. : 

Neueste und praktischste Form zum ganz gleicli- 
mässigen Abtheilen bestimmter Quantitäten Arzneien 
als Einzelgaben —; zerdrücken sich nicht leicht mit 
der Hand, lösen sich aber sehr leicht auf der Zunge 
auf; bequemste Form zum Gebrauch der Arzneien 
auf Reisen und für die selbstdispensirenden Herren 
Aerzte zum Versenden in Briefen und zur Abgabe 
an Patienten, die noch an allopathische Arzneiformen 
gewöhnt sind. Dieselben können jetzt von jedem 
Mittel und in jeder Potenz sofort in jedem ge¬ 
wünschten, grösseren oder kleineren Quantum ange¬ 
fertigt und geliefert werden. Mit Ausnahme einiger 
theurer Mittel kosten 12 Stück in Cylinder 20 Pf., 
80 Stück in Schachtel 75 Pf., grössere Mengen 
noch billiger. 

A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig« 


Den Herren Aerzten empfehle sämmtUcke Artikel 
zur Krankenpflege: 


Verbandstoffe, 

ärztliche und sonstige Instrumente, 
Instrumententaschen 


und Wundverband-Apotheken 

in allen Grössen, in bester Qualität und zu billigsten 
Preisen. 

Ausführliche, speciell chirurgische Preislisten werden 
auf Verlangen gratis und franco verschickt. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin. 
Homöopathische Mittel 

in Tablettenform, ä 0,25 firamm Gewicht. 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.) 

Besonders auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch. 


1 Cylinder ä 


(Flacon od. 
(Schachtel 


12 Stück 
24 


30 
40 
50 
60 
ä 80 
ä 100 
ä 120 
ä 150 
ä 200 


3 Gramm 
0 „ 


- 7,5 
= 10 
== 12,5 
= 15 
= 20 
= 25 
= 30 
= 37,5 
= 50 


Mk. —.20 
—.30 
-.35 
—.45 
—.55 
—.65 
—.75 
—.90 
1.10 
1.35 
1.80 


1 „ k 400 „ =100 „ . . . „ 3.50 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


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160 


Ende dieses Jahres erscheint : 

The Universal Homoeopathic Annual 

(jedoch nur in englischer Sprache). 

Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬ 
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick 
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬ 
schen Werke. 

Herausgegeben von 
Dr. med. Francois Cartier, Paris 
und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof. Timothy-Field 
Allen-New-York, Pierre Jousset-Paris, A. B. Norton- 
New-York, Leon Simon-Paris, Seiden Talcott-New- 
York, Alphonse Teste-, Henry C.Houghton-New-York, 
W. B. Van Lennep-Philadelphia, Burford-London, 
Kippax-Chicago, Hurndall-London, Giuseppe Bonino- 
Turin, einer Reihe hervorragendster Specialisten für 
Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-, 
Geschlechts- etc. Krankheiten in Frankreich und 
Amerika. 

Preis 12 Mark. 

Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um¬ 
fassen und zerfallt in zwei Theile, die Arzneimittel¬ 
lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als 
nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass 
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt 
und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden 
mit den Anschauungen hervorragender Professoren 
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden 
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind. 

Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen 

A. Marggrafs homöopathische Officin 

Leipzig. 

Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Officin 
in Leipzig ist soeben erschienen: 

Oie homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

OhrenkrankheiteD 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Arzt in Basel. 

9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—, 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches in 
No. 23/24 des 128. Bandes dieser Zeitung. 


In empfehlende Erinnerung bringe ich den selbst- 
dispensirenden Herren Aerzten zur revisionsmässigen Ein¬ 
richtung ihrer Hausapotheken meine hierzu extra zusammen- 
gesteliten, in neuer, wesentlich vermehrter und vervoll¬ 
ständigter Auflage erschienenen 

Vollständigen Collectionen 

von 

Revisions-Etiquetten 

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Separanda und Yenena. 

(Druck: roth auf weiss und weiss auf schwarz.) 

Jede Collection enthält alle vorkommenden Mittel, 
die gangbarsten Namen 10mal, und zwar 545 Namen in 
2222 Etiquetten, zum alten Preise von 3 Mark. 


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mit revisionsmässigen Etiquetten 

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Nicht-Separanda. 

(Druck: schwarz auf weiss.) 

235 Namen in 600 Etiquetten zum alten Preise von 
nur 1.50 Mk. 

Diese Etiquettenhefte sind so praktisch eingerichtet, 
dass man jede beliebige Etiquettc ausschneidcn kann, 
ohne dass andere dadurch gelockert werden und heraus¬ 
fallen können. 

Jeder einzelne Name ist auch in grösseren Mengen zu 
haben und zwar: 

ä 100 geschnitten u. gumrairt (Druck schwarz auf weiss) 25 Pf. 
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck roth auf weiss) 40 Pf. 
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck weiss auf schwarz) 50 Pf. 

(Bei letzteren beiden Sorten jedoch nur so weit die Yor- 
räthe reichen.) 


Ausserdem empfehle die bei Revisionen jetzt ver¬ 
langten: 


Revisionsmässigen Hand-Waagen (mit Hom- 

oder Porzellan-Schaalen). 

„ Horn- u. Porzellan-Löffel, 

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mit eingebrannter und eingepresster Schrift für: Alcaloide, 
Arsenicalia. Cyanata, Mercurialia und Phosphor zu nach¬ 
stehenden billigsten Preisen: 

n ljn( i WQO<rfin I mit Hornschaalen M. 5.50 

Handwaagen j ^ Porzellanschaalen (Phosphor) „ 6.50 

T öflY.l j von H oru „ —.75 

^ l „ Porzellan (Phosphor) „ 1.25 

Mörser mit Pistillen, 13 cm äusserer Durchmesser 
und mit Ausguss „ 3.50 

Gewichtssätze von 0,001—20,0 nebst Pincette ä „ 7.50 


A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Milser in Leipzig. 


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Band 129 


Leipzig, den 25. November 1594. No* 21 U. 22 


ALLGEMEINE 

nOMÖOPATHISCDE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A.MarggraPs homöopath. Officio) in Leipzig. 


Erscheint Utägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 />/“. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97desPost-Zeitungs-Verzeiohnisses(prol892).—Inserate, welche an Haasensteln & Vogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Jlf. berechnet. 


Inhalt. Zum 50jährigen Jubiläum des Dr. med. Arnold Heinrich Lorbacher am 25. November 1894. — Klinische 
Beobachtungen Ober Silicea, Mercurius praecipitatus ruber, Aurum muriat.-natronatum und Ipecacuanha. Von Dr. med. 
Stift. — VII. Herbstversammlung des Vereins der homöopathischen Aerzte Württembergs am 24. October 1894. — 
III. Bericht der ArzneiprOfungsgesellschaft. NachprOfung von Ranunculus sceleratus. Referent Dr. Schier-Mainz. — 
Zu „Schlegels Physik der Homöopathie.“ — LesefrOchte. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '“•8 


Zum 50 jährigen Jubiläum 

des 

Dr. med. Friedr. Arnold Heinrich Lorbacher 

am 25. November 1894. 

Am 25. November feiert unser werthgeschätzter 
College Dr! Lorbacher das Fest seines 50 jährigen 
Jubiläums als Doctor der Medicirt 

Ist dieser nun ein Freuden- und Ehrentag zu¬ 
nächst für den Jubilar selbst, so ist er es nicht 
minder für uns, seine Berufsgenossen, ja, für alle 
Freunde der Homöopathie in den weitesten Kreisen. 

Hat die ihm vor 50 Jahren von der Universität 
Greifswald verliehene Würde eines Doctors der Me- 
dicin, Chirurgie und Geburtshilfe ihm, so hat der 
Jubilar dem Titel Ehre gebracht. Uns ist College 
Lorbacher aber noch weit mehr als das. Hätten 
wir die Befugniss, Jemand zum „Doctor der Ho¬ 
möopathie“ zu ernennen, so gebührte ihm dieser 
Ehrentitel mit vollem Fug und Recht. Ist er doch 
über ein Menschenalter ein überzeugungstreuer Be¬ 
kenner und Ansüber der homöopathischen Heilkunst 
gewesen und hat, mit einer guten medicinischen 
Ausbildung, scharfen Beobachtungsgabe und gründ¬ 
lichen Mittelkenntniss ausgerüstet, eine an Erfolgen 
reiche ärztliche Tliätigkeit entfaltet. Aber auch 
als Schriftsteller hat er auf dem Gebiete der Ho- 


I mÖopathie Hervorragendes geleistet, und ist ihm ins¬ 
besondere die Allgemeine homöopathische Zeitung 
zu grossem Danke verpflichtet. In sie hat er seit 
vielen, vielen Jahren bis auf die neueste Zeit dem 
grössten Tlieil seiner literarischen Arbeiten nieder- 
gelegt. Hier hat er uns eine grosse Reihe von 
gediegenen Artikeln geboten, welche theils theore¬ 
tische Fragen, theils praktische, aus seinen eigenen 
Erfahrungen geschöpfte Heilungsgeschichten, be¬ 
trafen; letztere waren für uns um so werthvoller, 
als sie der Leistungsfähigkeit unserer Heilkunst 
auch in den schwierigsten Fällen auf Grund des 
Aehnlichkeitsgesetzes , in treuer , wenn auch nicht scla- 
vischer Beobachtung der Vorschriften Hahnemami'$, 
und gerade oft bei Anwendung höherer Potenzen, 
einen prägnanten, höchst lehrreichen Ausdruck, 
gaben. — Als langjähriger Redacteur dieser Zei¬ 
tung (von 1877—1889 der Bände 94—120) ist 
Dr. Lorbacher bestrebt gewesen, auf der Höhe der 
medicinischen Wissenschaft stehend, dennoc h das 
eigenartige Wesen der Homöopathie festzuhalten, 
und indem er zu den bei uns, namentlich in der 
Gabengrösse, herrschenden Strömungen eine ver¬ 
mittelnde Stellung einnahm, Frieden und Eintracht 
in unserm Lager möglichst zu wahren. So hat er 
noch jüngst, im hohen Alter von 76 Jahren, durch 
den in No. 8/9 des laufenden Bandes dieser Zeit¬ 
schrift veröffentlichten Artikel „Zum Ausgleich“ 


ns 

t 


Diese Nnmmer erscheint anlässlich des Dr. Lorbacher’schen Jnbilänms am Jubilänmstage, 

den 25. November 1894. 








162 


seine Stimme mahnend, beschwichtigend und ver¬ 
söhnend in dem Streite der Parteien erhoben. — 

Hiermit ist indessen seine Wirksamkeit im 
Dienste und zum Heile unserer Sache noch lange 
nicht erschöpft. 

Es ist uns Allen ja wohlbewusst, was der 
Jubilar in seiner mehr als 20 Jahre umfassenden 
Stellung als Vorsitzender unseres Centralvereins, 
was er als dirigirender Arzt der homöopathisohen 
Poliklinik in Leipzig geleistet hat. Wie er, ein 
Hüter auf der Warte, die Angriffe von aussen tapfer 
abgewehrt, das weiss die ältere Generation unter 
uns sehr wohl, und w f ie er andererseits als Mehrer 
unseres Reiches und seiner Güter mit rastlosem 
Eifer zur Gründung des homöopathischen Kran¬ 
kenhauses in Leipzig hingewirkt und als Vor¬ 
sitzender im Curatorium dieser Anstalt bis auf 
diesen Tag dies sein Lieblings-, manchmal frei¬ 
lich auch Schmerzenskind mit väterlicher Sorge ge¬ 
hegt und gepflegt hat, das ist noch in frischester 
Erinnerung auch bei den Jüngeren. 

Hat sich der Jubilar durch diese Verdienste um 
unsere Sache nicht ein Monumentum aere perennius 
unter uns gegründet? 

Ja, wahrlich, wenn wir ihm zu seinem Ehren¬ 
tage unsere herzlichsten Glück- und Segenswünsche 
dprbringen, so sind wir gleichzeitig von einem tiefen 
Gefühl des Dankes und der Anerkennung Alles 
dessen erfüllt, was er in seiner langen, gesegneten 
Wirksamkeit für die Homöopathie und so für uns 
gethan hat. 

Möge ein gütiges Geschick unsern alten Lor- 
bacher uns noch lange erhalten, wir bedürfen eines 
solchen Nestors; möge ihm ein heiterer, erquicken¬ 
der Lebensabend beschieden sein, worin er das, 
was er in den Jugendtagen gewünscht, im Mannes¬ 
alter erstrebt, nun als Senex in vollgereifter Gestalt 
als lebendige Wirklichkeit schauen darf. 

Der Redacteur. 


Klinische Beobachtungen 

über 

Silicea, Mercurius praecipitatus ruber, Aurum 
muriat-natronatum und Ipecacuanha. 

Von Dr. med. Stifft. 

Zur Jubelfeier unseres hochverehrten Coli egen 
Lorbacher erlaube ich mir in Nachfolgendem auch 
meinerseits eine kleine Gabe darzubringen, indem 
ich eine Anzahl Beobachtungen aus Poliklinik und 
Krankenhaus heute der Oeffentlichkeit übergebe, 
deren Heilerfolge auf therapeutische Reflexionen 
zurückzuführen sind, die ich in letzter Linie der 


Unterweisung und Anregung durch unseren Jubi- 
laren zu verdanken habe. Ich trage hiermit zu¬ 
gleich einen Theil meines Dankes ab, den ich als 
jüngerer College dem erfahrenen Praktiker für die 
stets liebenswürdige und collegiale Unterweisung 
und Belehrung auf dem Gebiete der homöopathi¬ 
schen Praxis schulde. Seit dem Jahre 1888 ist es 
mir vergönnt gewesen, in steter geistiger Berührung 
mit demselben zu bleiben, von ihm zu lernen, neben 
ihm zu wirken. Wie manche Anregung, wie man¬ 
chen Wink für praktisches Handeln, wie manche 
Aufklärung in schwierigeren Fragen verdanke ich 
der liebenswürdigen Collegialität des verehrten Col- 
legen! Stets werde ich dankbar für dieses schöne, 
mir so werthvolle collegiale Verhältniss sein. 

Wenn wir in das Studium der Homöopathie ein¬ 
getreten sind und uns aus unseren Lehrbüchern 
mit ihren leitenden Principien, mit der Charakte¬ 
ristik der Arzneimittel und ihren Indicationen 
bekannt gemacht haben, um unsere so erlangten 
Kenntnisse nun therapeutisch zu verwerthen, so er¬ 
geht es uns wie dem Wanderer, der zum ersten 
Male eine ihm bis dahin nur aus dem Reisehand¬ 
buche bekannte Gegend betritt. Er kennt wohl 
die breitesten Strassen, die gewöhnlich richtige 
Route, die er wandern muss, um am meisten von 
seinem Marsche zu gemessen und zu seinem schö¬ 
nen Endziel am sichersten und bequemsten zu ge¬ 
langen, aber er kennt noch nicht die mannigfachen, 
weniger bekannten kleineren Wege und Neben¬ 
routen, die ihn bei gewissen Anzeichen und unter 
aussergewöhnlichen, veränderten Verhältnissen besser 
und mit mehr Erfolg nach demselben Ziele hin¬ 
führen. Trifft er nun aber sogleich einen mit der 
Gegend wohlbekannten und getreuen Führer, der 
ihm zur Richtschnur seines Weges sichere, prak¬ 
tische Winke zu geben versteht, so wird er vor 
mannigfachen Enttäuschungen bewahrt bleiben, ein 
rascheres und besseres Urtheil über Land und Leute 
bekommen und am vollkommensten die erhoffte 
Befriedigung von seiner Reise erlangen. So geht 
es auch dem jungen homöopathischen Therapeuten. 
Die Lehrbücher können nur in grossen Zügen die 
Therapie vorzeichnen; die richtige Ausführung im 
Einzelnen bleibt ihm allein überlassen, seiner Be¬ 
obachtung, seiner sich mehrenden Erfahrung, — 
wenn ihm nicht das Glück zu Theil wird, einen 
erfahrenen Berather zur Seite zu haben. Ein sol¬ 
cher Berather ist mir unser verehrter Jubilar stets 
gewesen. In mannigfachen Gesprächen hat er mich 
aus dem Schatze seiner Erfahrungen auf dieses 
und jenes klinische Symptom, auf diese und jene 
Mittel Wirkung aufmerksam gemacht; manchen prak¬ 
tischen Wink verdanke ich ihm für die Anwendung 
von Arsen., Phosphor, Silicea, Mercurius praecipi¬ 
tatus ruber, Thuja, Causticum und anderer Mittel, 


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163 


den ich dann in der Praxis erprobt gefunden habe.*) | habe ich sie beobachtet. Die Gelenke sind verdickt, 
Zwei aus der Hand Lorbachers hervorgegangene nicht durch Synovial-Erguss geschwellt, in ihrer 
Silicea-Heilungen, die ich lange Zeit mit ihm be- i Bewegungsfahigkeit behindert, die sie bildenden 
obachtet habe, haben mich von der Anwendbarkeit Epiphysen aufgetrieben. Es besteht Schmerzhaftig- 
des Mittels auch in hohen Potenzen überzeugt. keit auf Druck. Der Kranke hat in der befallenen 
Nach seinem Allgemeincharakter ist Silicea ein Extremität das Gefühl von Kälte und Abgestorben- 
hochwichtiges Mittel bei allen sogenannten dyskra- \ sein. Ausser diesen Erscheinungen findet man nun 
sischen Zuständen, sowohl denjenigen, die sich in I in der Umgebung des Gelenkes, vorzüglich auf der 
einer Alteration der nutritiven Vorgänge bestimm- 1 Dorsalseite, an den Kniegelenken einwärts vom 
ter Gewebe erkennen lassen, als auch in solchen, | präpatellaren Schleimbeutel, eine eigenthümliche 
die nur in nervösen Er- Geschwulstbildung, die der 

scheinungen ohne orga- Umgebung des Geien¬ 
nische Gewebsveränderun- kes aufsitzt und den Ein¬ 


gen in die Erscheinung 
treten, erethische Scrophu- 
lose, nervöse Dyspepsie. 
Beide Formen betrachten 
wir bei Kindern und Er¬ 
wachsenen (Rhachitis, Scro- 
phulose — Rheumatismus, 
Gicht). In allen diesen 
Fällen kann Silicea mit 
den Calcarea- und Phos¬ 
phor - Präparaten concurri- 
ren. Die allgemeineren 
Unterscheidungsmerkmale 
setze ich als bekannt vor¬ 
aus. Für einige Formen 
von Gicht, Rheumatismus 
und den von der bakte¬ 
riologischen Schule als 
tuberkulös erkannten Kno¬ 
chen- und Gelenkaffectio- 
nen will ich einige für Si¬ 
licea sprechende Symptome 
anführen, die ich Lor- 
bacher verdanke und de¬ 
ren Kenntniss mich in den 
nachfolgenden Kranken¬ 
beobachtungen speciell zur 
Anwendung von Silicea 
geführt haben. 

Bei Formen des chro¬ 



Dr. med. Friedr. Arnold Heinrich Lorbacher. 


druck einer Granulations¬ 
geschwulst macht. Sie ist 
durchaus nicht zu ver¬ 
wechseln mit der gich¬ 
tischen Entzündung der 
Schleimbeutel, die zur Ab¬ 
lagerung von Uraten führt, 
oder mit gelegentlichen 
entzündlich - Ödematösen 
Schwellungen. Im Gegen¬ 
satz zu diesen ist sie auf 
Druck nicht gerade 
schmerzhaft, nicht geröthet 
und zeigt normale Haut¬ 
temperatur. Sie ist gegen 
die Umgebung abgegrenzt, 
kann die Grösse eines Fünf¬ 
markstückes erreichen; 
manchmal sah ich sie mul¬ 
tipel auftreten. Sie kann 
zerfallen und zu einem 
Granulationsgeschwür 
oder zur Fistelbildung füh¬ 
ren. Das Erstere sah ich 
in einem Falle von neu¬ 
rotischer Dystrophie, das 
Letztere in einem solchen 
von rheumatischer Gicht. 
Hier war sie ein Jahr vor¬ 
her an dem rechten Hand¬ 


nischen Rheumatismus und 

der auf diesem Boden sich mit Vorliebe etabliren- 
den Gicht, aber auch bei scrophulöser Dyskrasie 
beobachtete ich mehrfach eine eigenthümliche Ver¬ 
änderung an den befallenen Gelenken. Sie betrifft 
meist das Hand-, Knie- und Sprunggelenk, aber 
auch an den Carpo-metacarpal- und Dorsalgelenken 

*) Es ist ungeheuer schwierig, das Gesammtbild auch 
nur unserer bekanntesten Mittel nach ihren Symptomen 
richtig im Gedächtniss festzuhalten und, will man da nicht 
nach einzelnen Symptomen wählen, so sind empirisch gewon¬ 
nene klinische Erscheinungen zur Mitteiwahl wülkommene 
und sichere Anhaltspunkte. 


gelenk aufgetreten und 
mit den übrigen Gelenkerscheinungen auch wieder 
verschwunden, dann trat sie auf der Dorsalfläche 
des linken Fusses auf, wurde zuerst als tendo-. 
vaginitische Entzündung, dann als tuberkulöse Ge¬ 
schwulst angesehen und sollte mit Jodoform-Injectio- 
nen behandelt werden. Sie zerfiel, führte zur 
Fistelbildung und heilte vollkommen bei dem Ge¬ 
brauch von Silicea. Bei den rheumatisch-gichtischen 
Erkrankungen habe ich in den Lehrbüchern diese 
Art der Bildung von Granulationsgeschwülsten in 
der Umgebung der befallenen Gelenke noch nicht 
beschrieben gefunden, denn mit der Bildung der 


21 * 

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164 


bekannten Gichtknoten haben sie nichts gemein, 
mögen aber wie diese schon zu den ebenfalls be¬ 
kannten hartnäckigen Gichtgeschwüren geführt 
haben; bei scrophulös-tuberkulösen Dyskrasieen ist 
sie neuerdings bekannter geworden und giebt Ver¬ 
anlassung, an dieser Stelle Jodoform-Injectionen zu 
machen. Ich glaube, dass in beiden Erkrankungs¬ 
zuständen die Entstehungsursache für die Geschwulst 
dieselbe ist, ein Reiz auf das umliegende Gewebe, 
hier durch Invasion von Tuberkelbazillen (?), dort 
durch Ablagerung von harnsauren Salzen. Dass 
aber dieser Reiz ein Mal derartig wirkt, ein ande¬ 
res Mal nicht, das liegt in der specifisch-krankhaften 
Eigenthümlichkeit des Falles, und diese stand in 
den von mir beobachteten Fälleu unter der Heil¬ 
gewalt der Silicea. — Nach Silicea gab ich mit 
Erfolg Thuja, die auch von Farrington als com- 
plementär zu Silicea betrachtet wird, und — Causti- 
cum, wenn die nervösen Depressionszustände, lan- 
cinirende Kuochen- und Gelenkschmerzen und das 
Kältegefühl nicht weichen wollten. 

I. Fall: M. T. aus L. (J.-No. 850), 12 Jahre 
alt, Beginn der Behandlung 25. Oct. 1893. Ab¬ 
gemagertes, scrophulöses Kind. Seit 6 Monaten 
Entzündung des linken Kniegelenks. Gelenk nach 
heftiger, fieberhafter Entzündung abgeschwollen, in 
starker Flexionsstellung fast fixirt. Nach voraus¬ 
gegangener Jodoform-Einspritzung heftige Schmer¬ 
zen, so dass Resection anempfohlen wurde. An 
der Innenseite des Gelenks schwammige Geschwulst. 
Extremität kalt und atrophisch. Ord.: Silicea 0.6. 
Schon nach 8 Tagen Gelenk schmerzfrei, so dass 
das Kind selbst passive Bewegungen macht. Nach 
4 Wochen Geschwulst verschwunden. Allgemein¬ 
zustand kräftiger. Das Kind ist noch in Beobachtung, 
erhielt später Thuja, Causticum und Phosphor. Es 
besteht zwar noch starke Flexionsstellung, aber das 
Kind kann doch mit Hilfe eines Stockes gehen, 
ist kräftiger und stärker; das Gelenk, wenn auch 
stark contract, so doch völlig reactionslos. 

II. Fall: E K. aus M. (J.-No. 737), 10 Jahre 
alt, Beginn der Behandlung 1. Juni 1894. Pastöse 
Form der Scrophulose. Seit 4 Monaten Auftreibung, 
Spannung und Bewegungsbehinderung im linken 
Kniegelenk. Entwickelung schleichend, bei Ge¬ 
brauch des Beines Schmerzen, daher ein Schienen- 
Apparat zur Entlastung des Gelenkes benutzt. Ver¬ 
lauf fieberlos. Au der Innenseite des Gelenks 
schwammige Geschwulstbildung. Aehnliche Ver¬ 
änderungen in geringerem Maasse auch rechts. Ap¬ 
petit sehr gut. Lungen ganz gesund, dagegen 
recidivirende scrophulose Conjunctivitis. In den 
letzten Monaten waren wiederholt Jodoform-Injectio¬ 
nen gemacht worden, die jedesmal Schmerzen für 
mehrere Tage verursachten. Ord.: Silicea 0.6. Bei 
der Entlassung aus der Anstalt am 14. Juli 1894 


war die Schwellung fast geschwunden, das Kind 
konnte ohne Apparat wenige Schritte gehen. Augen 
blieben gesund. Im September Schwellung ganz 
geschwunden, Gelenk noch verdickt, aber ohne jede 
Reaction und gebrauchsfähig. Ord.: Calc. jodata 0.3, 
jeden Abend eine Gabe Phosphor 0.5. Bei einer 
Untersuchung im laufenden Monate am Gelenk 
Status idem. Kind blühender aussehend, geht ohne 
Apparat. 

III. Fall: O. M. aus O. (J.-No. 696), 19 Jahre 
alt, Beginn der Behandlung 20. März 1894. Dieser 
Fall ist besonders interessant durch Anamnese und 
Verlauf. Vou 6 Geschwistern sind 3 gesund, die 
beiden ältesten und das jüngste Kind, 3 in der¬ 
selben Weise erkrankt. Eltern gesund. Im dritten 
Lebensjahre begann bei dem pastösen, sonst ge¬ 
sunden Knaben symmetrisch schwammige Auftrei¬ 
bung der Zehengelenke mit Ausgang in Nekrose 
und Abstossung der peripheren Theile. Der gleiche 
Process allmählig auch an den Händen, so dass an 
den Füssen die Zehen, an den Händen die Mehr¬ 
zahl der Phalangen fehlen. Theilweise vorgenom¬ 
mene Exarticulationen führten nicht zur Heilung. 
Der Process schritt weiter. Mit klumpig aufgetrie- 
nen Füssen, von seinem Vater auf dem Rücken 
getragen, kam der Kranke in die Anstalt. Am 
Malleolus internus des rechten Beines grosse schwam¬ 
mige Auftreibung, die bereits im Zerfall begriffen 
war, linker Fuss an der Ferse exulcerirt. Man 
musste zunächst an Lepra gangraenosa denken, 
doch sprach dagegen die Anamnese. Auch war 
bereits erfolglos auf chirurgischen Kliniken nach 
Leprabazillen gesucht worden. Ich begnügte mich 
daher mit der Annahme einer dyskrasischen Tropho- 
neurose. Silicea 0.6, später 0.10, brachte in sechs 
Wochen die Ulcerationen zur Heilung, die Schwel¬ 
lungen gingen zurück. Allgemeinbefinden sehr gut. 
Patient verliess, in Filzschuhen gehend, die Anstalt. 
In der Nachbehandlung wurden bis jetzt Thuja, 
Phosphor und Arsenicum jodatum gegeben. Der 
Kranke ist noch in brieflicher Behandlung. 

IV. Fall: Frau W. K. aus R. (No. 834), 54 J. 
alt. Beginn der Behandlung 6. September 1898. 
Hagere Frau aus dem Arbeiterstande. Rheumatisch¬ 
gichtische Allgemeinaffection. An den Handgelen¬ 
ken, auf der Dorsalseite, schwammige Granulations¬ 
geschwülste, schmerzlos; Gelenke verdickt und ziem¬ 
lich steif. Patientin in der Jugend scrophulös ge¬ 
wesen, später häufig rheumatisch erkrankt. Ord.: 
Silicea 0.6, Abends 5 Tropfen Thuja 0.8. Nach 
4 Wochen die schwammigen Geschwülste ziemlich 
beseitigt, Gelenke gebrauchsfähiger. Kältegefühl 
und Schwäche in der Hand bestanden fort, besserten 
sich aber auf Causticum 0.6 so, dass Patientin nach 
weiteren drei Wochen aus der Behandlung treten 
konnte. 


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165 


V. Fall: Frau F. aus L. (J.-No. 740), 50 Jahre 
alt. Beginn der Behandlung 1. Juni 1894. Patientin, 
früher gesund, erkrankte in* den Vorjahren häufiger 
an rheumatischen AfFectionen. Im Herbst 1893 
Steifigkeit des rechten Handgelenks, mit schwam¬ 
miger Auftreibung des umgebenden Gewebes, die 
sich aber wieder verloren. Im Frühjahr d. J. 
Schmerzhaftigkeit des linken Fusses mit Unmöglich¬ 
keit, zu gehen. Allmählig Schwellung der Dorsal¬ 
fläche, erst schwammig, dann an einer Stelle Röthung 
und Hitze, worauf Incision gemacht wurde; danach 
blieb eine Fistel bestehen und über den ganzen 
Fuss verbreitete sich ein nässendes Ekzem. Man 
nahm zuerst eine Tendovaginitis, dann eine tuber¬ 
kulöse Knochenaffection an und rieth zu Jodoform- 
injectionen. Nun trat Patientin in unsere Anstalt. 
OrcL: Silicea 0.6, äusserlich Bleiwasser-Umschläge, 
worauf das Ekzem schnell abheilte. Die Fistel 
schloss sich, aber noch zweimal brach sie unter 
Röthung und Schwellung wieder auf und entleerte 
fleckig-weissliche Massen und Serum; dann heilte sie 
definitiv. Zur Nachbehandlung bekam die Kranke 
noch Phosphor 0.5 und Thuja 0.3, und wurde mit 
strengem Regime geheilt entlassen. Vor Kurzem 
erstattete sie auf Wunsch wieder Bericht über ihr 
Wohlbefinden. 

Ich will nun noch einige Beobachtungen über 
Augenerkrankungen anfügen, bei denen die Heil¬ 
wirkung wohl mit Recht auf die angewandten 
Mittel zurückzuführen war. 

Skrophulöse Augenerkrankungen gehören zu den 
täglichen Erscheinungen in unserer Poliklinik — j 
seltener sind die blennorrhoischen — aber nur selten ( 
erleben wir die Freude einer vollkommenen Heilung. 
In zahlreichen, dazu passenden Fällen hatte ich 
hier schon Merkurpräparate angewandt, aber kaum 
einmal eigentlich deutliche Heilwirkung davon ge¬ 
sehen. Da machte mich Lorbacher auf Mercurius 
praecipitatus ruber aufmerksam, das er oft mit sehr 
gutem Erfolg in 00.3 ter Potenz gegeben habe und 
das ihm unter den Merkurpräparaten in diesen 
Fällen am passendsten erscheine. Er giebt es bei 
Erkrankungen der Conjunctiva und Cornea skro- 
phulösen und blennorrhoischen Ursprungs. Die 
Schmerzen sind heftig mit Zunahme des Abends 
(Lampenlicht); das Secret ist dünn-eiterig, wohl 
durch reichliche Beimischung von Thränenflüssig- ! 
keit, und wundmachend, Conjunctiva stark geschwellt ■ 
und hochrothy benachbarte Lymphdrüsen intumescirt | 
und schmerzhaft. Lichtscheu sehr stark. Lider 
ödematös. Bei AfFectionen der Hornhaut ist die- j 
selbe mässig injicirt, getrübt, auch ulcerirt. ! 

I. Fall (1892, J.-No. 329): R. P. aus L. f 
35 Jahre alt. Beginn der Behandlung 7. Sept. 
1892. Heftige Augenblennorrhöe in Folge gonor¬ 
rhoischer Infection. An der Cornea nur an dem 


Rande Gefässinjection. Beginn vor 5 Tagen. Ord.: 
Merc. praec. rub. 00.3, und fleissige Reinigung des 
Auges durch Ueberträufeln lauwarmen, reinen, ab- 
gekochten Wassers. Schon in den nächsten Tagen 
Besserung. Am 10. Oct. vollkommene Heilung, 
nachdem in den letzten 14 Tagen wegen des hyper¬ 
trophischen Conjunctivalkatarrhes neben Merc. praec. 
rub. noch Thuja 0.3 gegeben worden war. Diese 
Beobachtung wurde mir besonders interessant, als 
ich im Frühjahr dieses Jahres eine Abhandlung 
eines hiesigen sehr bekannten Augenarztes, des 
Herrn Dr. Lamhofer*), las, der auf Grund von 
300 so behandelten Fällen jede energische äussere 
Therapie, speciell die Höllenstein-Einträufelungen, 
verwirft, denen er nur prophylaktischen (bei ein¬ 
maliger Anwendung!) Werth, diesen aber mit fast 
absoluter Sicherheit, zugesteht. Auch 6 Erwachsene, 
die er so behandelte, genasen schnell. Allerdings 
giebt Lamhofer, der Allopath ist, innerlich gar nichts! 
Um so mehr erstaunte ich, als ich von Vilas und 
Norton das Argentum nitricum auch bei ausge¬ 
brochener Erkrankung sowohl zu äusserer als 
innerer Anwendung wieder als hauptsächlichstes 
Mittel empfohlen fand. 

II. Fall (1893, J.-No. 356): R. Sch. aus L., 
9 Jahre alt, Beginn der Behandlung 26. Sept. 1893. 
Conjunctivitis scrophulosa. Ord.: Merc. praec. rub. 
00.3. Bereits in der ersten Woche Besserung. 
Dann wegen stark hypertrophischer Beschaffenheit 
der Bindehaut, die nicht zurückgehen wollte, neben¬ 
her Thuja 0.3 gegeben. Heilung 20. Oct. 189$. 

III. Fall (J. 1893, No. 397): W. M. aus L., 
3 Jahre alt, Beginn der Behandlung 27. Oct. 1893. 
Conjunctivitis et Keratitis scrophulosa. Ord.: Merc. 
praecipitatus rub. 00.3, 8 stündlich eine Gabe. Schon 
in der ersten Woche nehmen Lichtscheu und pro¬ 
fuse Secretion ab; die Cornea, vorher ulcerirt und 
stark getrübt, klärt sich. Die Conjunctiva schwillt 
langsam ab. Es wird deshalb später nebenher 
Thuja 0.3 und in der Nachbehandlung auch Cal- 
carea jodata 0.3 gegeben. Heilung 1. Dec. 1893. 

IV. Fall (J. 1894, No. 227): E. F. aus L., 
9 Jahre alt, Beginn der Behandlung 15. Juni 1894. 
Conjunctivitis et Keratitis scrophulosa wie in Fall HL 
Ord.: Merc. praec. rub. 00.8, später Thuja, Cal- 
carea carbonica und dazwischen Sulfur. Heilung 
5. Aug. 1894. 

Es sind nur wenige Beobachtungen, die ich mit¬ 
theilen konnte, doch mögen sie bei den bekannten 
Schwierigkeiten, mit denen wir bei der Behandlung 
der scrophulösen Ophthalmieen zu kämpfen haben, 
immerhin genügen, um gelegentlich die Aufmerksam¬ 
keit auf das besprochene Merkurpräparat zu lenken. 

*) Schmidts Jahrbücher der gesammten Medicin. Bd. 
CCXLH, p. 172. 


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166 


Zum Schlüsse will icli nun noch drei Beobach¬ 
tungen über Conjunctivitis und Keratitis phlyctaenu¬ 
losa aus jüngster Zeit berichten, in denen ich die 
Empfehlung von Aurum und Ipecacuanha glänzend 
bestätigt gefunden habe. Der eine Fall, der jetzt 
durch die genannten Mittel seit einem Monate eben¬ 
falls geheilt ist, stand bereits seit Beginn dieses 
Jahres in meiner Behandlung, besserte sich, schien 
ab und. ziv kürzere Zeit geheilt, recidivirte aber 
immer wieder. Vilas und Norton*) geben für diese 
Mittel folgende Indicationen. Für Aurum sprechen: 
Starke Gefässinjection auf Cornea und Conjunctiva, 
starke Lichtscheu, grosse Reizbarkeit des Kranken, 
profuser, heisser Thränenfluss. Die Schmerzen 
gehen von aussen nach innen. Für Ipecacuanha 
sprechen: phlyktänuläre und pustulöse Conjunc¬ 
tivitis und Keratitis, Thränenfluss, Lichtscheu, 
Schmerzen variiren, sind aber meist bedeutend. 

In den von mir beobachteten Fällen bestanden: 
Lichtscheu, starker Thränenfluss beim Oeffnen des 
Lides, aber nicht heiss und scharf, ohne grosse 
Schmerzempfindlichkeit, Secretion rein serös , 
Conjunctiva palpebralis und Conjunctiva Sclerae, 
sowie die Randzone der Cornea zeigen starke Ge- 
fässinjection, ohne dass die Schleimhaut stark ge¬ 
schwellt wäre; die Gefässe sind daher auffallend 
deutlich sichtbar. Die Phlyktänen zeigten wasser¬ 
hellen Inhalt oder waren milchig getrübt, barsten, 
wurden aber in keinem Falle pustulös. Eine Ver¬ 
klebung der Lidränder, wie man sie sonst bei 
scrophulösen Ophthalmieen nach dem Schlafe so oft 
beobachtet, fand in keinem Falle statt. Bei der 
einen Beobachtung mit den häufigen Recidiven barst 
stets die klare Phlyktäne und heilte bald bei reinem 
G esch würsgrun d e. 

I. Fall (1894, J.-No. 841): A. Gr. aus A., 
11 Jahre alt, Beginn der Behandlung 28. Aug. 
1894. Conjunctivitis phlyctaenulosa. Cornea mit 
starker Raudzonen-Gefässinjection ohne Phlyktäne. 
Ord.: Aur. mur. natron. 0.3, Ipecacuanha 0.3. Hei¬ 
lung 15. Sept. 1894. 

H. Fall: A. M. aus L., 3 Jahre alt, Beginn 
der Behandlung 20. Sept. 1894. Conjunctivitis et 
Keratitis phlyctaenulosa, bestehend seit 3 Tagen. 
Allgemein scrophulöses Kind. Ord.: Aur. mur. natron. 
0.3, Ipecac. 0.3. Vollkommene Heilung 12. Oct. 
1894. 

HI. Fall: E. B. aus W., 14 Jahre. Recidi- 
virende phlyktänuläre Conjunctivitis und Keratitis 
seit 8 / 4 Jahren. Scrophulöse Drüsenschwellungen, 
scropliulöse Rhinitis. Letztes Recidiv am 15. Sept. 
1894. Am 18. Oct. Beginn der Behandlung. Ord.: 


*) Die homöopathische Behandlung der Augenkrank¬ 
heiten. Bearbeitet von Dr. Th. Bruckner. Leipzig, A. Marg- 
grafs Officm. 


j Aur. mur. natron. 0.3 -J- Ipecac. 0.3. Heilung 
; vollkommen 1. Oct. 1894, welche bis jetzt dauernd 
i geblieben ist; auch def lästige Nasenkatarrh ist 
I geschwunden. 

' Statt Aurum gebe ich stets das sehr wirksame 
Doppelsalz, das mir die Goldwirkung vorzugsweise 
I zu entfalten scheint. Ich gebe Morgens und Abends 
eine Dose von 0,25 Gramm, von Ipecacuanha zwei 
Mal täglich 5 Tropfen. 

In den drei letzten Fällen habe ich, wohl über¬ 
legt, Doppelmittel gegeben, von denen mir das 
I eine auf die constitutioneile, das andere auf die 
akut-lokale Krankheitserscheinung zu wirken scheint 
Aurum und seine Salze wirken constitutionell, 
während wir von Ipecacuanha die specifische Ein¬ 
wirkung auf die Gefässe, speciell der Schleimhäute, 
kennen; nebenher geht die Einwirkung auf die 
pneumogastrischen Nerven (Asthma, Erbrechen). 
Schon das Pulver der Ipecacuanhawurzel ruft lokale, 
heftige Conjunctivitis mit auffallender Gefäss¬ 
injection hervor, während durch Fütterung mit 
Emetin bei Thieren hochgradige Hyperämie der 
Lungen künstlich erzeugt worden ist. 


VII. Herbstversammlungl 

des Vereins der homöopathischen Aerzte 
Württembergs 
am 24. October 1894. 

Der Verein der homöopathischen Aerzte Würt¬ 
tembergs hielt seine diesjährige Versammlung am 
24. October zu Stuttgart. Dieselbe war zahl¬ 
reicher denn je besucht, nur die Collegen aus 
Frankfurt a. M. waren diesmal ausgeblieben, ebenso 
die eingeladenen Vorarlberger und Schweizer; 
für diese war die Jahreszeit zuweit vorgeschritten 
und das Wetter zu schlecht. Mehrere sandten 
einen Grass per Telegraph oder Brief. Die Liste 
ergab am Schlüsse die stattliche Zahl von 26 An¬ 
wesenden und zwar: Dr. Becker- Aalen, Dr. Gramer- 
| Karlsruhe, Dr. />om*er-Stuttgart, Dr. Endriss- Göp- 
* pingen, Dr. Fröhling-Ue'übronn, Dr. Glöckler-Kirch- 
heim a. T., Dr. Göhrum- Stuttgart, Dr. Hahnle- 
Reutlingen, Henner, Wund- und Geburtsarzt in 
Reutlingen, Dr. Huggw- Gmünd, Dr. Jäger- Hall, 
Dr. Kemler -Weingarten, Dr. K w*n-Pforzheim, Dr. 
i Lager- Schorndorf, Dr. Lager- Heidenheim, Dr. Lo- 
miz-Stuttgart, Dr. J/a/tes-Ravensburg, Dr. Mossa- 
| Stuttgart, Dr. Pfeifer- Eberhardzell, Dr. Schlegd- 
Tübingen, Dr. Schwarz- Baden-Baden, Dr. v. Siek , 
Obermedicinalrath, Stuttgart, Dr. Siegmund f Ober¬ 
amtsarzt, Spaichingen, Dr. Stemmer -Stuttgart, Dr. 
Stiegele , Geh. Hofrath, Stuttgart, Dr. Wem- 


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167 


Gmünd. — Die Gesammtzahl der ordentlichen I durchdrungenen jungen Arzt überlassend, so 
Mitglieder des Vereins beträgt nunmehr 34, könnte die Stellung desselben an jenem Orte 
29 Württemberger, 5 aus den benachbarten Tbeilen sehr erschwert, ja unhaltbar werden. Ein er- 
des Reichs. fahrener älterer homöopathischer Afzt werde wohl 

Um 4 J /t Uhr eröffnete der seitherige Vorsitzende, im Stande sein, die Zeit, wo die innerliche Be- 
Herr Obermedicinalrath r. Sick, die Sitzung nach I handlung der operativen weichen müsste, zu er- 
Begrüssung der Anwesenden mit einer interessan- kennen. Fehlt aber die nöthige Erfahrung, und 
ten Ansprache. Württemberg ist, sagte er, der ist man gar zu vertrauensselig, so werden schwere 
erste deutsche Staat gewesen, welcher eine ge- Enttäuschungen, ja in so zweischneidigen Fällen 
setzliche Regelung des homöopathischen Apotheker- eigene und fremde Anklagen nicht ausbleiben. 
wesens angeordnet hat. Hierzu gehört auch die j Nach diesen Schatten wieder ein Lichtpunkt! 

regelmässige Besichtigung der homöopathischen i Als ein erfreuliches Ereigniss, wie für die ganze 
Apotheken durch einen homöopathischen Arzt in homöopathische Gesellschaft so auch für uns, be- 
Gemeinschaft mit einem staatlich angestellten | zeichnet Redner die nach langen Unterbrechungen 
Pharmaceuten. Indem nun Redner nebst dem im Laufe dieses Jahres wieder aufgenommenen 
Professor Schmidt vom Stuttgarter Polytechnicum Arzneiprüfungen. Zu den bereits von Dr. Schier 
seit einer Reihe von Jahren diese Revisionen vor- veröffentlichten komme nun noch vom September 
nehme, habe er dabei auch immer die Gelegen- d. J. ein Beitrag zur Kenntniss der „Aconit- 
heit wahrgenommen, mit den homöopathischen Wirkung,“ den uns ein in Greifswald promovirter 
Collegen, namentlich den jüngeren, in Fühlung Doctor in seiner Dissertationsschrift dargeboten hat. 
zu treten und zu bleiben. So auch bei seiner Von dieser Abhandlung gab Redner nun eine 
diesjährigen Besichtigungsreise, wobei er, zumal Uebersicht, aus der wir Folgendes hervorheben, 
in Oberschwaben, überall gute Eindrücke em- Hinsichtlich der Thierversuche sagt der Autor, 
pfangen habe. Mit besonderer Genugthuung habe dass, wenn wir sie für die physiologische Er- 

er die Stellung des Collegen Kernler als dirigiren- klärung der Angriffsweise vieler Arzneimittel nicht 

den Arzt des schönen städtischen Krankenhauses entbehren können,* wir mit ihnen für die The¬ 
in Weingarten bcgrüsst, da es ja den homöo- rapie nicht ausreichen. Wir müssen vielmehr noch 
patliischen Aerzten so überaus selten vergönnt ist, die Wirkung der Mittel auf den Menschen erfah- 
an communalen oder staatlichen Anstalten zu wir- ren und erforschen. Er erkennt Hahnemann’s 
ken. Hier und da sei er freilich auch auf einen Verdienste auf diesem Gebiete an, bemängelt 
dunklen Punkt gestossen, so auf das uneinige Ver- jedoch die „Heerschaaren“ unbedeutender sub- 

hältniss zweier an einem Orte prakticirender homöo- jectiver Symptome in seinen Prüfungen. Er sagt 

pathischer Aerzte, während es doch gerade uns, die von ihm: Hahnemann, der Begründer der homöo- 
wir von anderer Seite manches Odium zu tragen pathischen Schule, war der erste, welcher darauf 
haben, ganz besonders gezieme, in collegialer Ein- hinwies, dass ein Arzneikörper auf den kranken 
tracht zu leben und zu wirken. Ein anderer, nament- Organismus in gleicher Dosis viel intensiver ein- 
lich für junge Homöopathen wichtiger Punkt, den 
Redner berührte, betraf den Umstand, dass man 
bei mangelnder Erkenntniss von den Grenzen der 
homöopathischen Heilkunst leicht in unliebsame 
• Collisionen gerathen könne. Handelt es sich z. B. Gabe auf den durchschnittenen Sympathicus noch 
um eine Brucheinklemmung. Der junge homöo- wirkt, während es auf den gesunden (in dieser 
pathische Arzt ist bestrebt, im Vertrauen auf die Gabe) keinen Eindruck mehr macht. Ebenso Hugo 
Leistungsfähigkeit der Homöopathie, die vor- Schulz mit Hinweis auf das Pflüger’sche Zuckungs¬ 
liegenden Erscheinungen mit nach dem Simile gesetz. 

gewählten Mitteln zu beseitigen. Es vergeht Von den Aconitprüfungen am gesunden Men- 
Stunde auf Stunde, aber der Zustand wird oft sehen führt Autor vorzugsweise die von Schroff 
nicht besser, im Gegentheil immer schlimmer, be- veröffentlichten an, weist aber auf die Nach¬ 
denklich, ja sehr bedenklich. Da wird ihm denn prüfungen des Mittels von Seiten der österreichi- 
doch bange und er sieht sich genöthigt, den am sehen homöopathischen Aerzte und auf die Vor- 
Orte vorhandenen allopathischen Collegen zur treffliche Monographie von Keil hin. Im II. Theil 
Consultation herbeizurufen. Gesetzt nun, letzterer seiner Arbeit kommt er auf die von ihm selbst 
fände den günstigen Zeitpunkt zu der Operation und zweier seiner Collegen auf seine Veranlas- 
des Bruches bereits verstrichen und erklärte diese sung unternommenen Prüfungen des Aconits. Sie 
Ansicht in Gegenwart des Kranken und der An- | nahmen hierzu die nach Vorschrift der deutschen 
gehörigen, den Fall dem von peinlichstem Gefühl j Pharmakopoe aus den Wurzelknollen der Pflanze 


wirke, als auf den gesunden Menschen — eine Er¬ 
fahrung, welche dann, ganz unabhängig von ihm, 
von vielen Forschern bestätigt worden ist. So 
i wies Reith nach, dass Strychnin in kleinster 


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168 


dargestellte weingeistige Tinctur, die er im Ver¬ 
hältnis von 1 : 10 (Weingeist) verdünnte. Von 
dieser 1. Dec.-Dilution sollten anfangs zweimal 
5 Tropfen genommen und dann allmählig mit 
der Dosis gestiegen werden. Die Lebensweise 
der Prüfer blieb unverändert, doch unter Ver¬ 
meidung hygienischer Ausschreitungen. Um ein 
möglichst reines Resultat zu erlangen, beobachtete 
Verfasser folgende Vorschriftsmassregeln: 1. Seine 
Mitprüfer wurden mit dem zu prüfenden Mittel 
nicht bekannt gemacht. 2. Dieselben wussten auch 
nichts von einander, so dass sie sich nicht gegen¬ 
seitig suggeriren konnten. 3. Er selbst, der Doc- 
torandus, war, wie er eingesteht, so wenig von 
der Wirksamkeit jener (für ihn. Ref.) hohen Ver¬ 
dünnung überzeugt, dass er vielmehr glaubte, es 
würden keine Erscheinungen eintreten; auch hütete 
er sich, sich damit viel in der Literatur zu be¬ 
schäftigen. Selbstverständlich unterliess er auch 
jedes Andiagnosticiren von Symptomen seinen beiden 
Collegen gegenüber. „Wenn sich nun trotzdem 
Veränderungen im Befinden einstellten, welche zu 
dem oben mitgetheilten Bilde der Aconitwirkung 
(besonders nach Schroff. Ref.) passten, wenn die 
Erscheinungen gewissermassen aufdringlich waren 
und mit Nehmen und Aussetzen «der Tinctur kamen 
und gingen; wenn sie bei allem Spielraum, welchen 
verschiedene Individualitäten auch Arzneimitteln 
gegenüber in Anspruch nehmen, in sämmtlichen 
drei Fällen etwas ungezwungen Uebereinstimmendes 
hatten, dann war wohl die specifische Wirksam¬ 
keit jener Gaben von Aconitum einwurfsfrei ge¬ 
währleistet. Die Protokolle sollen selbst entschei¬ 
den, ob die Bedingungen erfüllt worden sind. u 
Und diese Protokolle, welche Verfasser gewissen¬ 
haft Tag für Tag aufgenommen und in seiner 
Arbeit vorlegt, sprechen in der That deutlich genug. 

Uns interessiren von den aufgezeichneten Symp¬ 
tomen mehr als die gemeinsamen, die je nach 
der Individualität der Prüfer beobachteten, die 
individuellen. So beim ersten Prüfer. Dieser litt 
seit seiner Studienzeit fortwährend an einem (ner¬ 
vösen) Herzklopfen, das nach Gemütsbewegun¬ 
gen, körperlichen Anstrengungen selbst geringen 
Grades, nach Genuss geistiger Getränke, sowie 
nach Tabakrauchen immer auftrat — und siehe! 
gerade dieses Symptom wird regelmässig nach 
dem Einnehmen der Aconitgabe beschwichtigt, 
um freilich nach Auswirkung derselben wieder zu 
kommen. (Also eine entschiedene Erst-, und wenn j 
auch nur vorübergehende Heilwirkung.) < 

Beim zweiten Prüfer tritt uns sehr deutlich 
die nach vorgängiger mässiger Steigerung der 
Pulsfrequenz erfolgte Pulsverlangsamung, und zwar 
nach dem Aussetzen der letzten verhältnissmässig I 
starken Gabe, entgegen. . 


Aus dem Protokoll des Verfassers selbst heben 
wir folgende Erscheinung hervor: */ 4 Stunde nach 
einer grossen Gabe von 40 Tropfen kommt es 
bei ihm, während er ganz ruhig im kühlen Zimmer 
lesend sitzt, plötzlich zu einem starken, mehrere 
Minuten anhaltenden Schweissausbruch. Darauf 
mässiges Frösteln. Der Schweiss ist dem Gerüche 
nach concentrirter Art. — Die Einwirkung auf 
Schlingorgane und N. trigeminus macht sich bei 
den ersten beiden energischer geltend. 

Dass Professor Hugo Schulz dem Autor bei 
der Arbeit vielfach mit Rath zur Seite gestanden 
hat, erkennt er selbst dankbar an. 

Hatten diese Mittheilungen des Vorsitzenden 
die Anwesenden in hohem Grade interessirt, so 
steigerte sich dieses Interesse zu voller freudiger 
, Sympathie, als sie vernahmen, dass der Doctoran- 
■ dus und jetzt rite promovirte Doctor niemand 
anders sei, als sein eigener Sohn, Dr. Paul Sick, 
der die letzten Semester in Greifswald studirte. 
Natürlich wurde diese Kunde freudigst begrüsst 
und allseitig der Wunsch ausgesprochen, der junge 
Doctor, dessen Erstlingswerk eine klare Neigung 
zur Homöopathie ausdrückt, möge ein auf dem 
Boden des Simile stehender, überzeugungstreuer, 
tüchtiger, homöopathischer Arzt werden! Der Vor¬ 
sitzende preist es als ein gutes Zeichen, dass wir 
in Greifswald wenigstens eine, ja die einzige hohe 
Schule besitzen, wo ein Student mit dem akademi¬ 
schen Lehrer auch über Fragen, welche die ho¬ 
möopathische Schule betreffen, als innerhalb der 
wissenschaftlichen Gesammtmedicin stehende ver¬ 
handeln könne. An die Erscheinung von Männern 
wie Schulz, Arndt in Greifswald, Sperling in Berlin, 
so sympathisch sie uns sind, dürfen wir indessen 
nicht gar zu grosse Erwartungen knüpfen. Wir 
dürfen überhaupt nicht erwarten, dass das homöo¬ 
pathische Heilgesetz als das einzig gültige in der 
Medicin zur Herrschaft gelangen werde, sondern 
die auf die Indicatio causalis und selbst sympto- 
matica fussende Methode werde bleiben, selbst wenn 
das Simile als das Centrum aller Therapie zur An¬ 
erkennung käme. — So waren wir durch die Aus¬ 
führungen des Vorsitzenden ungezwungen mitten 
in das wissenschaftliche Gebiet hineingeführt worden, 
und stimmten wir, nachdem wir ihn wie die ande¬ 
ren Vorstandsmitglieder, Collegen Göhrutn als Schrift¬ 
führer und Lorenz als Schatzmeister unter all¬ 
gemeiner Zustimmung für’s nächste Jahr wieder¬ 
gewählt hatten, seinem Vorschläge gern bei, sofort 
den wissenschaftlichen Theil unserer Tagesordnung 
in Angriff zu nehmen und uns zunächst mit der 
Arbeit über Aconit zu beschäftigen. 

II. Kirn bemerkt, an den von Sick junior an 
sich beobachteten starken Schweissausbruch an¬ 
knüpfend, dass, wenn er auch, wie die meisten, 


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Aconit hauptsächlich bei fieberhaften Zuständen 
mit trockner Haut anwende, er von ihm doch 
auch bei den Nachtschweissen von Schwindsüchti¬ 
gen gute Wirkungen gesehen habe. 

Schlegel : Hahnemann habe den „englischen 
Schweiss,“ Schweissfieber, mit Aconit geheilt. 

Ref. kennt eine diesbezügliche Stelle bei Hahne¬ 
mann nicht; das epidemische Schweissfieber ist seit 
Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr aufgetreten. 
Bei dem Scharlachfriesel (Purpura rubra, miliaris), 
wo der Kranke nur an den mit Frieseln besetzten 
Körperstellen schwitzte, hat Hahnemann Aconit als 
Heilmittel erprobt. 

Stiegele hält Aconit im Allgemeinen nicht an¬ 
gezeigt bei Fieber mit Schweiss. 

Sick hält den Schweiss für keine Contra- 
Indication: nicht bloss die Erst-, sondern auch 
die Nach- oder Wechselwirkung seien ja bei 
vielen Mitteln indicirende Zeichen. Wenn un¬ 
zweifelhaft die trockne Hauthitze erste und wesent¬ 
lichste Veranlassung für uns sei, Aconit zu geben, 
so beständten doch nicht selten Fälle, wo gleich 
im Anfang acuter Erkrankungen, z. B. von Lungen¬ 
entzündung, Hauthitze mit Schweiss vorhanden 
sei. Hier verliere sich der Schweiss nicht selten 
rasch und unter allgemeiner Besserung auf An¬ 
wendung von Aconit. Sei aber letzterer bei 
trockner Hauthitze gegeben worden und habe 
sich Schweiss eingestellt ohne Besserung des Ge- 
sammtzustandes, dann sei von Aconit nichts weiter 
zu erwarten, er verschlimmere vielmehr, und es 
sei ein anderes Mittel, meist zunächst Belladonna 
oder Bryonia, angezeigt. 

Ref .: Bei Hahnemann ist überwiegend trockne 
Haut, doch auch gelinder, sauer riechender Schweiss 
über den ganzen Körper, selbst Schweiss mit Fieber¬ 
schauder kommt vor. — Störck beobachtete an 
sich nach Extr. Aconiti zu 6 Gran regelmässig 
profuse Schweisssecretion. 

Schlegel macht geltend, dass des Autors Aeusse- 
rung, dass die Mittel in kleinen Dosen auf den 
kranken Theil resp. Organismus intensiver wirken 
als auf den gesunden, nur dann zutreffe, wenn 
zwischen dem Mittel und dem kranken Theil eine 
bestimmte, specifische Beziehung bestehe. Fehlt 
diese, so wird das Kranke auf den Reiz nicht 
stärker reagiren als das Gesunde. 

Ijayei' (Schorndorf) stellt die Frage, ob es für 
junge, der Homöopathie sich zuwendende Aerzte 
nicht heilsamer wäre, wenn sie sich nicht gleich 
nach abgelegter Staatsprüfung in die Praxis stürz¬ 
ten? Wäre nicht eine tiefere Ausbildung für sie 
zu ermöglichen, damit ihnen nicht solche Vorfälle, 
wie sie der Vorsitzende oben geschildert, zu- 
stossen? 

Sick: Im Allgemeinen genüge die Ausbildung 


auf der Hochschule, die Erfahrung reift mit der 
Zeit. Wenn eine Anzahl junger Aerzte sich der 
Homöopathie bei uns zugewendet hat, wobei die 
Hahnemannia-Stiftung wesentlich mitgewirkt, so sei 
dies eine erfreuliche Thatsache. 

Schlegel verwahrt sich dagegen, als habe er 
durch sein Buch „Die innerliche Heilkunst chirur¬ 
gischer Krankheiten“ die Meinung verbreitet, dass 
das operative Verfahren bei eingeklemmten Brüchen 
gänzlich zurückzuweisen oder überflüssig sei. Wenn 
er auch bei diesen Leiden die homöopathische Be¬ 
handlung bis zu einem gewissen Grade für an¬ 
gezeigt hält und selbst ausübt, so habe er doch 
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man den 
richtigen Zeitpunkt, wo die Operation einzutreten 
habe, wohl beachten solle. 

Weise hat immer den Rath Strohmeyer’s be¬ 
folgt, man solle die Sonne über einem eingeklemm¬ 
ten Bruch nicht untergehen lassen, d. h. wenn 
innerhalb zwölf Stunden die Taxis nicht gelungen, 
operiren. 

Ref. möchte an die guten Erfolge der Aether- 
behandlung erinnern; cf. Nr. 18/19 der „Allg. 
homöopath. Zt9chr., w Lesefrüchte! 

(Schluss folgt.) 


III. Bericht der ArzneiprUfungsgesellschaft. 

Nachprüfung von Bannncnlns sceleratus. 

Referent Dr. Schier-Mainz. 

Nachdem bei den zwei ersten Prüfungen sich 
herausgestellt hatte, dass ein Theil der Prüflings¬ 
personen gegenüber ungiftigsn Stoffen gar nicht 
oder nur ganz geringfügig reagire, schien es an¬ 
gezeigt, zu den weiteren Prüfungen wenigstens 
theilweise recht energisch wirkende Pflanzen zu 
wählen. Ein regelmässiger Misserfolg würde auch 
dem geduldigsten Prüfer zweifellos bald den Muth 
genommen haben, an weiteren Versuchen sich zu 
betlieiligen, und das musste im Interesse der 
Sache verhütet werden. Die Wahl für das 
ni. Prüfungsobject fiel daher auf Ranunculus 
sceleratus, eine in Deutschland ziemlich verbreitete 
Pflanze, deren Wirkung auf den gesunden mensch¬ 
lichen Körper kaum an Deutlichkeit und Energie 
etwas zu wünschen übrig lässt. Herrn Collegen 
Mossa verdanke ich die nachfolgende Zusammen¬ 
stellung des Wichtigsten, was unsere Literatur 
über das Mittel und dessen nächste Verwandte 
enthält: 

„Die Familie der Ranunculaceen hat von 
Seiten der homöopathischen Schule die ihr ge¬ 
bührende Achtung in vollem Maasse erfahren. 


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170 


Welche wichtige Arzneipflanzen hat sie uns aber 
auch geliefert! Obenan steht unser Aconit, so¬ 
dann Helleborus niger, Clematis erecta, Paeonia, 
Pulsatilla, Hydrastis, Staphisagria, Actaea race- 
mosa (Cimicifuga), Actaea spicata und am Ende, 
at last, but not at least, Ranunculus bulbosus 
und Ranunculus sceleratus. Diese letzten beiden, 
welche die eigentlichen Hauptrepräsentanten dieser 
grossen, an Varietäten reichen Familie darstellen, 
sind zwar auch bereits von homöopathischen und 
anderen Aerzten geprüft, für die Therapie jedoch 
noch bisher nicht genügend gewürdigt worden, so 
dass die neue Prüfung die grosse Wirksamkeit 
eines Mittels, wie Ran. sceleratus, uns wieder 
lebendiger vorführen wird. 

Die Ranunculaceae zeichnen sich durch einen 
sogenannten scharfen Giftstoff (ein Acre) aus, dem 
sie wohl mehr oder weniger ihre arzneilichen Kräfte 
verdanken. Dieses Acre ist bei ihnen in allen 
Theilen verbreitet, nur nicht gleichmässig, da bei 
manchen sich mehr die Blätter oder Stengel, bei 
anderen die Wurzeln überwiegend wirksam zei¬ 
gen; von November bis März tritt dieser Stoff 
ganz zurück, bei den auf schattigem, feuchtem 
Boden gewachsenen ist er stärker, als bei den auf 
sonnigen Plätzen. Es lässt sich durch Maceration 
die Pflanze in Oel, Essig, Weingeist oder durch 
Destillation mit Wasser erhalten, aber sonst nicht 
isoliren, und deutet weder auf eine freie Säure, 
noch auf ein Alkali, noch auf ein ätherisches Oel. 
Durch das Trocknen geht der scharfe Stoff gänz¬ 
lich verloren, so dass die Pflanzen selbst zum Vieh¬ 
futter tauglich werden, während auf der Weide kein 
Thier, ausser Ziegen und Schafen, sie anrührt; in 
manchen Gegenden dient sogar der Ran. sceleratus, 
nachdem er gekocht worden ist, dem Menschen zur 
Speise. 

Die Wirksamkeit der Ranunc. war schon den 
griechischen Aerzten bekannt. So gebrauchten 
hippokratische Aerzte von einer Ranunkel, deren 
Art wir aber nicht bestimmen können, die Blätter 
und Blumen mit Wein bei Schmerzen des Uterus, 
besonders wenn Krebs vermuthet wurde. Deos- 
korides erkannte die den Ranunc. gemeinsame 
Schärfe und zählt von ihnen 4 Arten auf. — 
Ein grosses Verdienst hat sich um die Kenntniss 
dieser Pflanzenklasse C. Krapf durch seine Schrift 
erworben: „Experimenta de nonnullorum ranun- 
culorum qualitate, horum externo et intemo usu. u 
Wien 1766. — Von homöopathischer Seite war 
es besonders Dr. Franz , ein Schüler Hahnemann’s, 
der über die pathogenetischen Wirkungen von 
Ranunculus sceleratus und bulbosus wichtige Ex¬ 
perimente angestellt und im (alten) „Archiv für 
Homöopathie, M Bd. VH, drittes Heft, veröffent¬ 
licht hat. Hierzu kommen noch mancherlei Thier¬ 


versuche, insbesondere die von OrfiLa , siehe seine 
Toxicologie, mit Ranunculus acris angestellten. 

Die Autoren halten selten die Wirkungen der 
einzelnen Varietäten genau auseinander, und in der 
That sind diese im Ganzen auch sehr ähnlich, und 
doch zeigt die Prüfung an Gesunden wieder bei 
einzelnen ganz eigenthümliche Erscheinungen. So 
wirkt schon bei der äusseren Anwendung der 
R. bulbosus nicht so schnell ein als der R. sce¬ 
leratus, aber anhaltender, und erzeugt gefähr¬ 
lichere Veränderungen an Zunge, Gaumen und 
Zahnfleisch. Der R. sceleratus erzeugte Risus sar- 
donicus, welches der bulbosus selbst in sehr grosser 
Dosis nicht hervorbrachte. Der R. acris, der ge¬ 
meine Hahnenfuss, findet sich bei uns überall auf 
Wiesen, Weiden und Feldern, der sceleratus da¬ 
gegen in Sümpfen und Morästen, der bulbosus auf 
Aeckern und Triften. 

Plenck berichtet, dass der Saft von R. scele¬ 
ratus bei einem Hunde Aengstlichkeit, Erbrechen, 
Verzerrungen und eine grosse Unruhe bewirkt 
habe, worauf der Tod erfolgte. Das Innere des 
Magens zeigt sich stellenweise roth und corrodirt, 
der Pylorus war geschwollen, braunroth. 

Krapf 1. c. theilt mit: Er empfand nach dem 
Genüsse einer einzigen Blume, die er zerrieben 
hatte, sehr heftige Schmerzen und convulsivische 
Bewegungen im Unterleibe. Zwei Tropfen des 
aus dieser Pflanze gepressten Saftes brachten, 
ausser den obigen Symptomen, einen brennenden, 
krampfhaften Schmerz der ganzen Länge des 
Schlundes nach. Bei einem anderen Versuche, 
als er die dicksten und saftreichsten Blätter dieser 
Pflanze kaute, füllte sich der Mund mit Speichel; 
die Zunge wurde entzündet, die Oberhaut ab- 
gestreift; die Wärzchen (Papillen) hoben sich und 
waren lebhaft roth, der Geschmack unterdrückt. 
An der Spitze war sie etwas geborsten. Zugleich 
empfand Krampf zuweilen Reissen an den stumpf 
gewordenen Zähnen, auch blutete das stark ge- 
röthete Zahnfleisch bei der geringsten Berührung. 

Farrington spricht von einzelnen von Haut 
entblössten Flecken an der Zunge, während der 
übrige Theil der Zunge belegt ist (Landkarten- 
Zunge), einem Zustande, wie er ähnlich bei Na¬ 
trium mur., Arsen., Rhus und Taraxacum beob¬ 
achtet worden ist. Das Gefühl von Brennen und 
Rohheit sei aber bei R. sceleratus am intensivsten. 
Sehr auffallend ist die Wirkung des Mittels bei 
äusserer Application auf die Haut. Es bringt 
daselbst Jucken, schmerzhaftes Brennen, Röthe 
hervor und erhebt sich die Epidermis in Form 
einer Blase. Diese Blasen füllen sich mit einer 
dünnen, scharfen, gelblichen Jauche, welche all- 
mählig dick und eiterartig wird. Oeffnet man 
die Blasen nicht, so trocknen sie ein, während 


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171 


nach und nach der rothe Umkreis verschwindet 
Es bilden sich an den berührten Stellen oft anch 
Geschwüre, die sehr hartnäckig sind, nach Krapf 
1. c. allen consolidirenden Mitteln widerstehen: nur 
Perubalsam leistet hier etwas. 

Giovanni Poli , der über die hautreizende Wir¬ 
kung der Ranunkeln zahlreiche Versuche angestellt 
hat, unterscheidet 4 Wirkungsgrade, 

Der i, Grad , durch Hautröthe mit lebhaftem, 
doch nicht schmerzhaftem Jucken ausgezeichnet, 
stellt sich 12—24 — 48 Stunden nach der Anwen¬ 
dung des Mittels ein und hält ohne sonstige Er¬ 
scheinungen 3—4 Tage an, worauf die Hautröthe 
unter leichter Abschuppung verschwindet. 

Der 2 . Grad , Röthe mit einem örtlichen Ge¬ 
fühl von Hitze, nebst elastischer und empfindlich 
juckender Geschwulst, erscheint 10—12 Stunden 
nach der Anwendung und vergeht nach 5 bis 
6 Tagen. Während dieser Zeit bildet sich auf 
der gereizten Haut ein zusammenfliessender Aus¬ 
schlag aus kleinen Bläschen, die, ohne sich zu 
öffnen, austrocknen, worauf Abschuppung erfolgt. 

Der 3, Grad erscheint als lebhafte Hautröthe, 
verbunden mit heftiger Hitze und Geschwulst, 
auf welcher sich fr—8 Stunden post applicationem 
eine mit gelblicher Flüssigkeit gefüllte Blase er¬ 
hebt. Um diese herum bilden sich andere, mit 
einem breiten, rothen Kreise eingefasste Bläschen, 
auch mitunter kleine schmerzhafte Blutgeschwüre. 
Die Blase steht einige Zeit unverändert, schwitzt 
dann S —4 Tage lang eine seröse Flüssigkeit 
aus, öffnet sich darauf unter Erguss von etwas 
Eiter, während die Haut eine weisse oder blass- 
rothe Farbe annimmt* 

Im 4. Grade zeigt sich Bildung kleiner Blasen, 
nächstdem ein oberflächliches Absterben der Haut. 

Poüi behauptet, diese verschiedenen Wirkungs¬ 
weisen hingen von dem gebrauchten R.-Präparate 
ab. Während ausgepresster Ranunkelsaft und 
das weingeistige Extract unwirksam bleiben (was 
aber den Berichten anderer Autoren ganz zuwider¬ 
läuft. Ref.), veranlasst das durch 6 tägige Mace- 
ration der Pflanze mit Olivenöl und nachheriger 
Erwärmung b» auf 60° C. bereitete Ranunkelöl 
die Erscheinungen des ersten Entzündungsgrades. 
Der Ranunkelessig bedingt die des zweiten, die 
kaltbereitete Weingeisttinctur die des dritten Grades. 
Das aus den frischen Pflanzen dargestellte destil- 
lirte Wasser macht den vierten Grad. 

Die Schmerzen dieser Hautentzündung sind 
überall geringer als bei der von Canthariden ver¬ 
anlagten, indessen beschränkt sich die Reizung 
nicht auf die Applicatwnssteüe , sondern verbreitet 
sich über den ganzen Körper; der Pulsschlag wird 
schwächer, der Kopf schwer und wie betäubt, als 
gh ein narkotisches Mittel in kleiner Dosis ge¬ 


nommen worden sei. — Die meisten therapeuti¬ 
schen Erfolge erzielte Poüi mit der äusseren An¬ 
wendung der Ranunkeln bei chronischer Gereizt¬ 
heit der Schleimhaut in den Athmungsorganen 
und dem Darmkanal, sowie bei schmerzhaften 
Neurosen der Glieder, besonders bei langwierigem 
Hüftweh, wobei er die Tinctur oder das destil- 
lirte Wasser auf die Ferse brachte (unter Schutz 
der benachbarten Theile). 

Die Bettler, Meister aller Kunstgriffe, legen, 
wie Ch'ßla berichtet, diese Pflanze auf einen Theil 
des Körpers, um durch die Geschwüre und die 
Schmerzen, welche sie verursacht, das Mitleid zu 
erregen. 

Früher waren die Folia Ranunculi palustris s. 
aquatici, von R. sceleratus, offlcinell, sind auch 
wohl jetzt noch hier und da als Thee bei katar¬ 
rhalischen Brustbeschwerden im Hausgebrauch. 
Aeltere Aerzte verordneten den ausgepressten 
Saft, mit Wasser verdünnt, bei Luugengeschwü- 
ren und Krankheiten der Harnwege. Er soll 
nach Kropf diuretisch wirken. In manchen Fällen 
von Asthma, Phthisis, Blaseneiterungen, Icterus 
soll er Gutes geleistet haben. 

Aeusserlich hat man den R. sceleratus, wie 
auch die anderen Ranunkelarten, als Blasenpflaster 
angewandt und soll er die heftigsten rheumati¬ 
schen oder gichtischen Kopfschmerzen geheilt 
haben. In Pflasterform auf die Herzgrube ge¬ 
legt soll er, nach van Swieten und Sennert , bei 
intermittirenden Fiebern den Anfall verhindert 
haben. Die Pathogenesie des Mittels (und des 
R. bulbosus) spricht dafür, dass diese Mittheilun¬ 
gen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind. — 
Es wirkt ja nicht bloss als Rubefaciens oder Vesi- 
cans derivatorisch von der Haut aus, sondern 
seine Wirkungen breiten sich von der Applica- 
tionsstelle auf den gesammten Organismus aus 
(was wir selbst bei den Cauthariden beobachten 
können); je ähnlicher nun seine pathogenetischen 
Wirkungen den krankhaften im concreten Fall 
sein werden, um so eher werden wir auch von 
der Haut aus seine heilende Action erwarten 
dürfen. Doch ist für uns die innerliche Anwen¬ 
dung die näher liegende, besser zu handhabende 
und zu controllirende. 

Unter den Gegenmitteln der zu starken Wir¬ 
kung des Hahnenfusses hat sich nach Franz 
öfteres Riechen an Kampher am hilfreichsten er¬ 
wiesen, zum Theil auch reichliches Wassertrinken. 
Als homöopathische Antidota leisten Bryonia und 
Rhus, wohl auch Pulsatilla (oder eine Varietät 
der Ranunkeln gegen eine andere, ihr nahe¬ 
stehende. Dr. Mossa.) am meisten. Mineralsäuren, 
Weinessig, Wem, Alkohol, Honig, Zucker ver¬ 
mehren, nach Kropf, die (locale?) Wirkung des 


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Mittels. Sauerampfer, Rumex acetosa, Johannis¬ 
beeren nützen etwas gegen seine kaustische 
Schärfe. Auch Franz sah durch Wein und Arrak, 
in geringen Mengen genossen, die Wirkung nicht 
gestört, im Gegentheil die Kopfbeschwerden eher 
verschlimmert. Wenn sich diese Angaben, nament¬ 
lich die von Franz gemachten, in specie auf den 

R. bulbosus, den er trefflich geprüft hat, beziehen, 
so werden sie demnach wohl auch für den R. 
sceleratus giltig sein.“ 

Soweit Herr College Mossa. Auch im neuen 
Archiv für die homöop. Heilkunst, Bd. IH, Heft 3, 

S. 183flg., findet sich eine recht interessante frag¬ 
mentarische Prüfung des letzteren von Dr. Sekreter . 
Im Archiv für die homöop. Heilkunst, Bd. XIII, 
Heft 2, veröffentlicht ein Anonymus, für den sich 
Stapf verbürgt, eine sorgfältige Prüfung des Ra- 
nunculus sceleratus, worin es u. A. S. 166 heisst: 
„Verschiedene, besonders chronische, Brust- und 
Leberleiden, acute und chronische Gicht, bösartige 
Geschwüre an den Extremitäten und Wechsel¬ 
fieber — eine mehr oder weniger regelmässige 
Periodicität ist in den Erscheinungen des Ranun- 
culus sceleratus vorherrschend — scheinen es 
vorzüglich zu sein, welche in unserem Ranunculus 
ihre Heilung finden werden. Die Wirkungsdauer 
desselben ist chronisch; einzelne Symptome zeig¬ 
ten sich noch nach 5—6 Wochen. Die meisten 
und lästigsten Symptome entwickelten sich nach 
den kleinen Gaben; die 12 und 15 Tropfen af- 
ficirten dann gar wenig.“ 

Dieser Prüfungsbericht ist in Noak?s und 
Trink?s Arzneimittellehre abgedruckt, ein Auszug 
davon auch in der kurzgefassten Arzneimittellehre 
von Hering. Wie Herr Günther , der Bibliothekar 
des Central-Vereins, mir mittheilt, ist in Nr. 18 
und 33 (1858) der Wiener Zeitschrift, welche 
leider nicht aufzutreiben ist, noch eine Prüfung 
des Sceleratus von Prof. Julius Claras -Leipzig 
enthalten. Erwähnenswerth ist auch, namentlich 
bezüglich des wirksamen Agens der Pflanze, das, 
was Hahnemann in seinem Apothekerlexikon, 
Bd. H, S. 358, über den „Gifthahnefuss“ schreibt: 
„Der beim Zerquetschen, sowie der beim Kochen 
des frischen Krautes aufsteigende Dunst ist höchst 
scharf und erregt einen sehr heftigen Reiz in der 
Nase und den Augen, Zuckungen in den Augen¬ 
muskeln und Betäubung des Kopfes. Das davon 
destillirte Wasser ist daher sehr scharf, weil es 
den scharfen Stoff in Gestalt einer Art Salz mit 
herüberbringt, welches in einiger Zeit daraus an- 
schiesst, mit bläulicher Flamme verbrennlich, in 
Weingeist unauflöslich ist.“ Hierher gehört eben¬ 
falls, was Leurin in seiner Toxicologie, S. 342, 
sagt: „Die zu der Familie der Ranunculaceen ge¬ 
hörigen Anemonearten und wahrscheinlich auch 


die Ranunkelarten wirken durch die gleichen Be¬ 
standteile. Aus Anemonen lässt sich beim De- 
stilliren derselben mit Wasser und Schütteln des 
Destillats mit Aether eine hellgelbe, ölartige Sub¬ 
stanz gewinnen, die, auf der Oberhaut und 
Schleimhäuten energisch reizend, selbst blasen¬ 
ziehend wirkt. Aus diesem öligen Stoffe bildet 
sich spontan beim Stehen der unter dem Einflüsse 
von Wasser Anemonin oder Pulsatillenkampher 
(das „Salz“ Hahnemann's? Ref.) und Anemon- 
säure.“ Jedenfalls besteht aber zwischen Pulsa- 
tilla und Ranunculus therapeutisch ein erheblicher 
Unterschied, wenn sie auch beide Anemonin als 
Basis enthalten sollten. 

Bezüglich der botanischen Eigenschaften des 
Ranunculus sceler. ist zu bemerken, dass die 
Pflanze 15—60 cm hoch wird, von Mai bis Oc- 
tober mit kleiner, hellgelber Krone blüht und in 
Gräben, Sümpfen und an sonstigen feuchten Stellen 
gedeiht. Sehen wir nun, was die Nachprüfung 
des Mittels, welche mit der officinellen, aus der 
Apotheke des Herrn Verlegers dieser Zeitung ent¬ 
nommenen Essenz angestellt wurde, zum Vor¬ 
schein gebracht hat. Von mehreren Prüfungs¬ 
personen konnte ich ein Protokoll nicht erhalten. 
Die 3 ersten Berichte rühren von Damen her, 
deren Namen mir nicht bekannt sind, und wurden 
von Herrn Dr. A. Villers in Dresden eingeschickt. 
Nur die Personalien derjenigen Prüfungspersonen, 
welche in den beiden ersten Prüfungsberichten 
nicht zu finden sind, werden hier angeführt. 

Prüfungs - Berichte. 

1. Prüferin B. Personalia: 44 Jahre alt, ver- 
heirathet, 3 Entbindungen, Neigung zu langan¬ 
dauernden Bronchialkatarrhen. Nervös empfindliche, 
aber nicht hysterische Frau. Endometritis chronica 
mit mässiger Secretion, altes Exsudat im linken 
Parametrium. Periode stark, nur mit Unbehagen 
und etwas Senkungsgefühl im Leibe. Stuhl nor¬ 
mal. Etwas Harndrang. 

Prüfung mit 6. D. 23. Mai, 5 Tropfen. Eine 
halbe Stunde nach dem Einnehmen Ziehen im Kreuz, 
wie sonst bei Eintritt der Periode. Druck im Leibe 
links. 

Eine Stunde nach dem Einnehmen in den Augen 
ein Gefühl von Schwere beim Lesen, als stünden 
die Buchstaben nicht fest. Wiederholtes Ziehen 
im Kreuz. Vormittags 8 Uhr Druck im Leibe rechts, 
gespannt innerlich, und immer wieder schmerzhaftes 
Ziehen im Kreuz. 

1 / 1 10 Uhr mehrmalige Stiche im Herzen, die den 
Athem versetzten, das Ziehen im Kreuz bleibt, in 
den Augäpfeln ein eigentümliches Gefühl, Brennen, 
das Bewegen thut geradezu weh. Brennender 
Schmerz in der linken Ferse. 


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f 


17S 


24. Mai. Keine Tropfen genommen, weil die 
Schwere im Unterleib immer noch vorhanden war, 
ebenso das zeitweise Ziehen im Kreuz. Häufiges 
Urindrängen. Urin trübe mit Hautstückchen. Ferse 
schmerzt. 

25. Mai, 10 Uhr, 10 Tropfen. Eine halbe 
Stunde darauf Uebelkeit mit Kopfschmerzen. 12 Uhr 
grosse Müdigkeit, nach Schlaf Kopf besser. Ziehen 
im Kreuz. Die Empfindung bleibt fortwährend, wie 
bei Eintritt der Periode, dabei bald rechts, bald 
links wie ein schweres Stück im Unterleibe mit 
Druck und Spannen, als wollte dieses Gebilde 
platzen. Das merkwürdige Flimmern in den Augen 
und die Empfindlichkeit des Augapfels und Brennen 
desselben gesteigert. Schön ist das nicht, hatte 
nur halben Genuss im Don Carlos. Stiche im Ge¬ 
nick und Herzen. 9 Uhr Abends. Die bald mehr 
bald woniger andauernden Gefühle von Fülle am 
Herzen, das Drängen nach unten gesteigert. 11 Uhr 
Nachts. Schlingbeschwerden, muss immerdar schlucken, 
als wenn etwas drin stecke. 

26. Mai. Kopf benommen, der Druck im Leib 
und das Ziehen im Kreuz dauern fort. 10 Uhr 
nahm ich 15 Tropfen. Eine Viertelstunde darauf 
vermehrtes Ziehen im Kreuz bis in die Schenkel, 
beinahe wehenartig, in dieser Stärke aber nur einige 
Minuten andauernd, aber im Leib dieselben Schmer¬ 
zen. 10 Uhr Abends Fingerspitzen eiskalt, Kribbeln 
in denselben, ln den Ohren Hitze und Geräusch, 
als hörte ich Heimchen zirpen. 

27. Mai. Uebelkeit, Kopf benommen. Die 
Symptome im Unterleib noch immer vorhanden. 
Urin trübe, wie mit einer Haut oben, wenn ein 
Weilchen gestanden. Im Ganzen fühle ich mich 
sehr angegriffen. 

27. Mai, 10 V* Uhr, 20 Tropfen: Nach 10 Minu¬ 
ten Beängstigung und Drücken in der Nierengegend. 
12 Uhr wieder starke Schmerzen bis in die Schenkel, 
wehenartig. 1 j i l Uhr Stiche im linken Ohr. Mir 
ist schauderhaft zu Muthe. Gegen 1 / % 2 Uhr besser. 
Fortwährend unangenehmer Drang zum Uriniren, 
dabei ein peinlicher Schmerz von Mitte des Leibes 
nach unten. Das schwere Organ fortwährend fühl¬ 
bar; Druck, Spannung, Fülle. Abends 11 Uhr 
Stiche. Ich bin ganz matt. Kribbeln in den 
Fingerspitzen. Herzstiche, doch nicht anhaltend, 

5 Minuten; dann wieder stundenlange Pause. 

28. Mai. Heute wie auch gestern Morgen gegen 

6 Uhr Herzdruck mit zersprengender Angst. 

Morgens Uebelkeit. Kreuzschmerzen in der 
Nierengegend, wo ich mir dieselbe vorstelle. (Ge¬ 
meint war die Gegend des IL Lumbarwirbels.) 

9 Uhr 20 Tropfen. 9*/ t Uhr Sausen im Ohr, 
Schlingbeschwerden, muss immer schlucken. Flimmern 
vor den Augen, der Druck nach unten unaussteh¬ 
lich. Im Ganzen Hessen die Symptome bis Mittag 


| nach, nur der Druck bleibt unvermindert und im 
Kreuz der Schmerz. Herzstiche Abends und am 

29. Mai früh 6 Uhr. 

Abgebrochen wegen zu grossen Uebelbefindens. 

Dr. Villers hat die Dame zweimal untersucht, 
um eine Veränderung des Genitalbefundes zu suchen, 
aber durchaus nichts constatiren können, als viel¬ 
leicht eine grössere Succulenz der Vaginalschleimhaut. 

31. Mai. In der Nacht unter argen Schmerzen 
nach zehnwöchentlicher Pause Periode bekommen. 
Fühlt sich jämmerlich zerschlagen. Sonst sehr von 
Obstruction gequält, neigt seit Einnehmen der 
Tropfen fast zum Gegentheil, nur gingen dabei 
auch merkwürdige weisse, schleimige Stoffe ab. 

I. Juni. Fatale Kopfschmerzen, Uebelkeit, 
Ziehen im Kreuz, Schwere im Unterleib, Periode 
anhaltend, aber schwach gefärbt. 

Dieser Zustand hat bis zum 8. Juni angehalten, 
bald mit mehr, bald mit weniger Schmerzen. Die 
nächste Woche ist nur die Zunge des Morgens beim 
Erwachen so dick belegt, dass sie abgekratzt werden 
muss. Der Belag hat sich bald nach Anwendung 
des Mittels eingestellt. 

II. Prüferin W. Personalia: Unverheiratete 
Dame von 40 Jahren, schlank, graciler Knochen¬ 
bau, normaler Fettansatz, Neigung zu Bronchial¬ 
katarrhen, in der Familie vereinzelte Tuberkulosen¬ 
fälle, alle Functionen normal, nach eignem Empfin¬ 
den und nach Ansehen gesunde Frau. 

26. Mai, 5 Tropfen: Am Nachmittag eine halbe 
! Stunde lang Kopf etwas eingenommen. 

29. Mai, 20 Tropfen: Erhöhte Empfindung im 
Kreuz, welches seit Influenza empfängliche Stelle, 
und etwas Gespanntheit im Unterleib. 

30. Mai, 20 Tropfen: Sehr lebhafte, abscheu¬ 
liche Träume, die sie weckten, unangenehme Em¬ 
pfindung im Unterleib und Kreuz, nach dem Auf¬ 
stehen heftiges Aufstossen mit etwas Uebelkeit. 
Diese Symptome gehen der Periode voraus, traten 
aber erhöht auf. 

Wegen Reise ausgesetzt, Schlaf besser, ohne 
Träume, schwächere Kreuzschmerzen. 

Hierauf wieder 20 Tropfen: Dieselben Erschei¬ 
nungen. Dann nur 15, dann wieder 20 Tropfen: 
Dieselben weckenden Träume und Aufstossen. 

7. Juni ganz aufgehört. 

Stuhlgang blieb geordnet. Urin war abwechselnd 
bell und dunkel. 

HI. Prüferin Z. Personalia: Unverheiratet, 
84 Jahre alt, mittelgross, graciler Knochenbau, 
mittlere Muskulatur, Elephantiasis des linken Fusses 
und sonstige Hauterscheinungen, die auf hereditäre 
Lues deuten. Sonst gesund* Periode reichlich, mit 
schwierigem Durchtritt, mit Kopfschmerz und 
Rückenschmerz. 


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174 


. Prüfung mit 6. D. 

23. Mai, 8 a. m., 5 Tropfen: 9 a. m. Ziemlicli 
heftiges Herzklopfen. 

24. Mai, 8 a. m., 10 Tropfen: Den ganzen Vor¬ 
mittag Unterleibsziehen, Kreuz- und Kopfschmerzen, 
wie bei drohendem Periodeneintritt, der aber erst 
in 5 Tagen zu erwarten ist. 

25. Mai, 15 Tropfen: Abends Schmerzen im 
Kreuz, vorübergehendes Schmerzen und Brennen 
im Gelenk des rechten kleinen Fingers. 

26. Mai, 20 Tropfen: 4 p. m. Brennen und 
Schmerzen im rechten Ohrläppchen. 

27. Mai, 20 Tropfen: Nachts 12 Uhr sehr hef¬ 
tiger wie zusammendrückender Kopfschmerz, Brennen 
der rechten Wange und im Unterleib, Frost. 

28. Mai, 20 Tropfen: Erwachte mit brennendem 
Halsschmerz, der nach ca. einer Stunde verging, 
dann nach Elinnehmen der Prüfungstropfen auf 
2 Stunden wiederkehrte. 

29. Mai, 20 Tropfen: In der Nacht vorher Ein¬ 
tritt der Periode mit den gewohnten Empfindungen. 
Am Tage sehr heftiges Halsweh. 

30. Mai, 20 Tropfen: Periode auffällig schwach. 

31. Mai, 20 Tropfen: Periode hat schon auf¬ 
gehört, was sonst erst nach 4 Tagen zu erwarten 
ist. Mehrfach am Tage Jucken in den Lippen. 

1. Juni, 20 Tropfen: Ganz kurzes Brennen im 
linken Ohrläppchen. Abbruch der Prüfung wegen 
Abreise. (Fortsetzung folgt.) 


Zu „Schlegels Physik der Homöopathie.“ 

In Nr. 13/14 der „Allg. hoin. Zeitung“ findet 
sich eine Besprechung meiner kleinen Schrift: 
„Sind Stoff und Kraft Ursache und Wirkung“ 
von Schlegel, zu welcher ich Folgendes bemerke. 

Der verehrte College hat den Satz „der Stoff 
als solcher steht dem Nerven indifferent gegenüber,“ 
durchaus missverstanden, und zwar in Folge in- 
correcten Ausdrucks von meiner Seite. Unter dem 
Stoff als solchem verstand ich den seiner etwaigen 
„dynamischen“ Attribute entkleideten, das Ding, 
welches einen Raum einnimmt; diese Entkleidung 
natürlich nur gedacht , da eine factische Trennung, 
abgesehen von der Bewegung, die sich mittheilen 
lässt, nicht möglich. Ich wollte damit nur den 
Gegensatz zwischen mechanischer Berührung als 
einem indifferenten Eltwas und den Aetherschwin- 
gungen als dem adäquaten physiologischen Reiz 
hervorheben. Efe konnte mir nicht einfaüen, die 
längst festgestellte physiologische Bedeutung der 
Salze, des Eisens, des Phosphors etc. einfach zu 
ignoriren. Ich hätte consequenter Weise nie tiefere 
Potenzen geben dürfen, was bei mir, acuten Krank-. 


heiten gegenüber, mehr Regel als Ausnahme ist. 
Um die Wirkung der Hochpotenzen zu erklären 
war nur diejenige Eigenschaft der Materie ver¬ 
wendbar, die getrennt von der ursprünglichen 
Quelle für sich bestehen konnte, die einzige, so 
weit erkennbar: die Bewegung. 

Auf diese letztere dürfen wir schliessen aus 
der Wirkung der Metallplatten — auch aus einer ge¬ 
wissen Entfernung — auf den menschlichen Körper, 
auf die Nerven, vermittelt durch den Aether; aus 
der Verschiedenheit der Wirkung je nach der 
unter den Metallen getroffenen Wahl auf Ver¬ 
schiedenartigkeit der Bewegungen (etwa der Ge¬ 
schwindigkeit), sowie die Verschiedenartigkeit der 
Farben durch verschiedene Geschwindigkeit der 
Aetherwellen bedingt werden. 

Der verehrte College meint, dass ich mich, 
indem ich die Frage nach dem Verhältniss zwischen 
Stoff und Kraft aufs Tapet bringe, auf das Gebiet 
der Metaphysik begeben habe. Nichts liegt mir 
ferner. Die beregten Vorgänge sind doch die Re¬ 
sultate directer Sinnenbeobachtung. Wenn ich ver¬ 
suche, aus diesen Abstractionen zu ziehen, so 
betrete ich damit doch nicht das Gebiet der Meta¬ 
physik — des Uebersinnlichen. Der Annahme 
dieser Aetherschwingungen steht nichts im Wege. 
Ich kann, um etwaigen Einwürfen zuvorzukommen, 
mir gut denken, dass diese Wellen in dem „poten- 
zirten“ Medicament durch das betreffende Vehikel 
(Alkohol, Zucker) gebunden werden, wie die Stein¬ 
kohle die Wärme wellen gebunden erhält, die sie 
im früheren Stadium ihres Werdens als Baum etc. 
in Sonnen wärmestrahlen in sich aufgenommen. 

Die von mir aufgestellte Hypothese lehnt sich 
an Thatsächliclies an. Ganz anders verhält es sich 
mit den verschiedenen Molekularhypothesen, soweit 
sie zur Wirkungserklärung der Hochpotenzen dienen 
sollen. Kann in der 30. Centesimale noch von 
Stoff die Rede sein? Können wir annehmen, dass 
selbst bei löslichen Medicamenten noch in jedem 
Streukügelchen Moleküle vorhanden sind? Und 
nun gar die unlöslichen, z. B. die Metaüverreibun- 
gen. Die mikroskopischen Untersuchungen haben 
ergeben, dass in den höheren Potenzirungsstufen 
die Einzeltheile wohl seltener, aber nicht oder 
wenig kleiner werden, wie ich mich selbst bei 
Untersuchungen von Goldverreibungen überzeugen 
konnte. Wo der Stoff aufhört, sind die Molekular¬ 
hypothesen von selbst hinfällig. Dass aber dieser 
sehr bald auf hört, scheint eine weitverbreitete 
Ansicht zu sein. Man würde es sonst nicht ver¬ 
stehen, wie das wissenschaftliche Gewissen so viele* 
Aerzte nicht gestattet, in Betreff der höheren 
Potenzen Fragen an die Natur zu richten. Also 
steht die Frage so: Wie erklärt sich die heilende 
Wirkung eines Medicaments, in welchem vom ur- 


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sprünglichen Stoff nichts mehr vorhanden? Um 
diesen heissen Brei dürfen wir nicht umher¬ 
schleichen, sondern ihm gegenübertreten nach dem 
alten Wort: „Wer den Teufel bannen will, muss 
ihm ins Angesicht schauen.“ 

Ich wiederhole, was ich in meiner kleinen 
Schrift sagte: Ob die aufgestellte Hypothese der 
Wirklichkeit entspricht, ist gleicbgiltig. Der Ver¬ 
such sollte die Möglichkeit von Heilungen auch 
da, wo von dem ursprünglichen Stoff uichts vor¬ 
handen, näher bringen, sollte mit dazu beitragen, 
das übermachte Erbe Hahnemann’s nach allen 
Richtungen auszubeuten. Ich kann mich von der 
Ueberzeugung nicht trennen, dass dieses in höho- 
rem Maasse, als bisher geschehen, möglich ist. 

Kiel, den 12. October 1894. 

_ Dr. C. Kunkel. 

Lesefruchte. 

Parotitis post pnenmoniam. 

E. Fischei theilt in der Prager medicinischen 
Wochenschrift, 1893, No. 7, einen Fall von meta¬ 
statischer Parotitis nach Pneumonie mit, welcher 
beweist, wie lange die Pneumonie-Erreger auch 


bei geschwächter Virulenz in der Mundbühle lebens¬ 
fähig bleiben und ihre Wirkung zu entfalten ver¬ 
mögen. Während in den bisher beobachteten Fällen 
die Parotitis sich unmittelbar an die Lungenent¬ 
zündung anschloss, entstand sie hier am 19. Tage 
nach erledigtem kritischen Abfall. Der aus dem 
Ausführungsgang der Parotis entnommene Speichel 
enthielt Pneumokokken, was auch durch den vor¬ 
genommenen Culturversuch bestätigt wurde. 
Autor empfiehlt deshalb dringend, die Mundhöhle 
des Pneumonikers häufig ausspülen zu lassen. 

Während in der Nummer 13 und 14 dieser Zeit¬ 
schrift mitgetheilten Krankengeschichte die Pneu¬ 
monie erst nach der Parotitis erfolgte, ist hier das 
Umgekehrte der Fall. — Uebrigens kann die Fort- 
, pflanzung der parasitären Krankheitserreger auch 
sehr wohl durch den Blutkreislauf geschehen 9ein. — 
1 Dadurch gewinnt die Lehre von den Metastasen, 
die ja gerade bei der Parotitis eine bedeutende 
Rolle spielen, eine naturwissenschaftliche Grundlage. 
Indessen können ja, wie die Pneumonie-Erreger, 
und die von ihnen erzeugten Toxine, ebenso die 
des Scharlach, Typhus, Pest, Variola, aber auch 
selbst die der Masern, zu einer Parotitis Anlass 
und Ursache werden. (Ref.) 


Anzeigen. 


Ein Apotheker norddeutscher Grossstadt wünscht ) 
zwecks Niederlassung mit einem homöopathischeu Arzte in I 
Verbindung zu treten. 

Offerten unter 159 an die Expedition dieser Zeitung. 


Der Diabetes mellitus j 

und seine 

Mopatbische und balneolooische Behandlung , 

von Dr. Theodor Kafka, i 

Brunnenarzt in Carlsbad, , 

Preis brosetairt 1,60 Mark, 

ist als Separatabdruck aus der Allg. homöopath. Ztg. er¬ 
schienen und wird in empfehlende Erinnerung gebracht. ! 
Zu beziehen durch I 

A. Marggrafs Homöopath. Officio, Leipzig. 1 


Kastanienblüthen^Oel i 

und I 

Kastanienbllltlien-TInetar 

aus den frischen Blütben bereitet, haben sich als | 
thatsächlich gute Mittel zum Eilireiben gegen | 
Gicht nnd Rheumatismus schon seit langen 
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens i 
empfohlen. 

Zu haben in jedem gewünschten Quantum, in I 
Flaschen ä ÖOPfg. bis zu Flaschen ä */$ Ko.=«4 M. I 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


Arzt-Gesuch. 

In einem Orte der Provinz Sachsen, mit guter Um¬ 
gebung (Magdeburger Gegend), wo lange Jahre ein homöo¬ 
pathischer Arzt segensreich wirkte, wird, da der jetzige 
allopathische Arzt nicht beliebt ist, baldigst ein tüchtiger, 
liebenswürdiger homöopathischer Arzt gesucht, der aber zu 
gleicher Zeit tüchtiger Geburtshelfer sein muss. Derselbe 
findet hier einen sicheren, lohnenden Verdienst. 

Zu näherer Auskuuft ist gern bereit der Maurer- und 
Zimmermeister Carl Hoiwaim in Barby. _ 

Die heutige Nummer bringt eine Beilage der Adalbert 
Fischer’schen Verlagshandlung in Leipzig über das Werk: 

Vom tropischen Tieflande zum ewigen Schnee. 

Von Professor Anton Goering. 

Den in dieser Beilage gebrachten günstigen Besprech¬ 
ungen kann ich mich nur voll und ganz anschliessen und 
dieses Buch jedem Freunde von Naturschönheiten, beson¬ 
ders der neuen Welt, zur Anschaffung empfehlen. Es wird 
uns in demselben eine höchst angenehme, den Geist an¬ 
regende und in jeder Hinsicht lehrreiche Lectüre geboten; 
unstreitig bietet auch das Bach im wahren Sinne des Wortes 
einen werthvollen Zimmerschmuck, auch für die feinsten 
Salons. In Anbetracht der hoch eleganten, künstlerischen, 
dabei äusserst soliden Ausstattung ist der Preis ein höchst 
bescheidener zu nennen und es wird Jedermann dadurch 
leicht gemacht, nicht nur ein Prachtwerk von dauerndem 
Werthe zu erwerben, sondern auch deutschen Fleiss und 
deutsche Kunst zu unterstützen. 

Das Weihnachtsfest naht; Vielen wird daher eine solch« 
wirklich herrliche Gabe willkommen sein. Aufträge nimmt 
gern entgegen 

A. Marggrafs homöopathische Offlein 
und Buchhandlung, Leipzig. 


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176 


Soeben ist erschienen die 6. Auflage des 

Kleinen 

Homöopathischen Hausfreundes 

nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte 
Auflage vergriffen ist. 

Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬ 
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der 
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: 

„Genanntes Werkchen bat keinen gelehrten Doktor oder 
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien, 
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬ 
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur- 
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit 
welcher Umsicht, Sachkenntnis« und Gründlichkeit der 

Verfasser zu Werke geht. 

Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬ 
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für 
ihren Standpunkt mustergültige Schritt ausführlichere und 

wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen. 

Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in 
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu 
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle 
Sympathie entgegenbringen.“ 

Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde 
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert 
und bereichert. 

So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel — 
Hamamelifl-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der 
Kinder .Verbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc., 
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung. 

Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein- 
zubürgem scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst 
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬ 
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt. 

Die Entstehungsurzachen, Vorbeugung und Behandlung 
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬ 
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der 
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬ 
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird 
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster 
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung 
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser 
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬ 
züglich welcher er beherzigenswerthe Winke giebt. 

Der j,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬ 
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem 
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche, 
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt 
haben, finden in demselben manche gute Winke. 

Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬ 
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬ 
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen. 

Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so 
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬ 
liger. Das ciroa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur 
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,60 Mark. Dass die neue Auf¬ 
lage mit dem Portrait des Verfassers gesohmüokt und mit einer 
Biographie desselben versehen ist, wird den Freunden des 
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur 
Freude gereichen. 

Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage 
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten 
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer 
erweisen. 

Leipzig, im April 1894. 


In empfehlende Erinnerung bringe ich den selbst- 
dispensirenden Herren Aerzten zur revisionsmftssigen Ein¬ 
richtung ihrer Hausapotheken meine hierzu extra zusammen¬ 
gestellten, in neuer, wesentlich vermehrter und vervoll¬ 
ständigter Auflage erschienenen 

Vollständigen Collectionen 

I von 

Revisions-Etiquetten 

für 

Separanda und Venena. 

(Druck: roth auf weiss und weiss auf schwarz.) 

Jede Collection enthält alle vorkommenden Mittel, 
die gangbarsten Namen 10mal, und zwar 545 Namen in 
2222 Etiquetten, zum alten Preise von 3 Mark. 

Hierzu kommen 

Ergänzungshefte 
mitrevisionsmässigen Etiquetten 

für 

Nicht-Separanda. 

(Druck: schwarz auf weiss.) 

235 Namen in 600 Etiquetten zum alten Preise von 
nur 1.50 Mk. 

Diese Etiquettenhefte sind so praktisch eingerichtet, 
dass man jede beliebige Etiquette ausschneiden kann, 
ohne dass andere dadurch gelockert werden und heraus¬ 
fallen können. 

Jeder einzelne Name ist auch in grösseren Mengen zu 
haben und zwar: 

ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck schwarz auf weiss) 25 Pf. 
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck roth auf weiss) 40 Pf. 
& 100 geschnitten u. gummirt (Druck weiss auf schwarz) 50 Pf. 

(Bei letzteren beiden Sorten jedoch nur so weit die Yor- 
räthe reichen.) 

Ausserdem empfehle die bei Revisionen jetzt ver¬ 
langten: 

Revisionsmäs8igen Hand-Waagen (mit Horn- 

! oder Porzellan-Schaalen). 

„ Horn- u. Porzellan-Löffel, 

| „ Porzellan-Mörser, 

j mit eingebrannter und eingepresster Schrift für: Alcaloide, 
Arsenicalia, Cyanata, Mercurialia und Phosphor zu nach- 
J stehenden billigsten Preisen: 

tt an tt aarrnr, J Hornschaaleii M. 5.50 

nanawaagcn j ^ Porzellanschaalen (Phosphor) „ 6.50 

von Horn „ —.75 

„ Porzellan (Phosphor) „ 1.25 

Mörser mit Pistillen, 13 cm äusserer Durchmesser 
und mit Ausguss „ 3.50 

Gewichtssätze von 0,001—20,0 nebst Pincette ä „ 7.50 

A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig. 


A. Marggrafs Homöopathische Offiein. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart, 

Geschäftestelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offiein) in Leipzig. 

Drack von Jolins Mäser in Leipzig. 


Hierzu eine Beilage über das Professor Anton Oöring’scbe Werk: Tom tropischen 









Band 129 


Leipzig, den 6. December 1894. No. 23 U. 24. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath.Of&ein) in Leipzig. 


Erscheint 14t&gigcu2Bogen. ISDoppelnummem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892).—Inserate, welche an Haasenstein dbVogler 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zn richten 
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Bi. berechnet. 


Inhalt. Abonnements-Einladung. — VII. Herbstversammlung des Vereins der homöopathischen Aerzte Württem¬ 
bergs am 24. October 1894. (Schluss.) — III Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nachprüfung von Ranunculus 
sceleratus. Referent Dr. Schier-Mainz. (Fortsetzung.) — Personalia. — Vom Büchertisch. — Lesefrüchte. — A womans 

international provers association. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Einladung zum Abonnement. 

Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬ 
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 130 (1. Halbjahr 
1895) höfliebst ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete Verlagä- 
handlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe- 


nummern stehen stets unberechnet und portofrei zu 
Leipzig, im December 1894. 


VII. Herbstversammlung 

des Vereins der homöopathiechen Aerzte 

Württembergs ) 

am 24. October 1894. 

(Schluss.) ! 

Nun ergriff Stiegels das Wort über homöopa¬ 
thische Behandlung von Diabetes mellitus. Diese ! 
sei kein Glanzpunkt für uns; er selbst habe früher | 
ebenfalls in Krankheitsfällen dieser Art wenig aus- , 
gerichtet. Freilich liege ein grosser Uebelstand ! 
darin, dass die Kranken, wenn man sie über ihr 
Leiden aufgeklärt, gern hinter dem Rücken des 
Arztes den Urin von einem Chemiker oder Pharma- 
ceuten auf Zucker untersuchen lassen. Fällt nun ! 
der Procentsatz des Zuckers nicht schnell genug, | 
so laufen sie zu einem anderen Arzt. — Anfangs 


Diensten. 

Hochachtungsvoll 

die Verlagshaiidlung von William Steinmetz 
(i. Fa. A. Marggrafs Homöopath. Offlein.) 


bediente er sich vorzüglich des Arsen, und Kreosot; 

Arsen, entspricht den meisten, Kreosot nur wenigen 
Fällen. Ende der 80er Jahre kam die Mittheilung, 
Sizygium jambolinum sei ein Mittel, das die Zucker¬ 
ausscheidung hemme, ein Arzt habe an sich selbst 
hiermit den Diabetes geheilt. Nun machte Redner 
hiermit Versuche, wobei er zu dem Resultate kam, 
Sizygium setze wohl den Procentsatz des Zuckers 
beim Diabetiker herab, bessere aber das Allge¬ 
meinbefinden nicht, während Arsen, das letztere 
bessert, aber ohne den Zuckergehalt zu verringern. 
Angesichts dieser Thatsachen kam Stiegele zu dem 
Schluss, dass eine Verbindung beider Mittel das 
Richtige sei. So gab er denn seinen Kranken seit¬ 
dem Arsen, (i. Cent, mit Sizygium jambol. 3. Dec., 
und zwar als Doppelmittel, in Form von Streu¬ 
kügelchen (Globuli) in Zuckerpulvern. Redner theilt 
sodann eine Anzahl Fälle von Diabetes mell, aus 

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178 


seiner Praxis der letzten 2 Jahre mit, hei denen 
er dieses Doppelmittel angewandt hat. Die Diät 
wurde, abgesehen vom Verbot des Süssen, gar 
nicht verändert. 

Wir geben die Fälle in summarischer Uebersicht: 

1. Fall. Oeconom, 70 Jahre alt, seit Herbst 
1892 krank. Er erhielt das Doppelmittel 3 Mal 
täglich 1 Pulver. 

17. April 1893. Zucker 6°j 0 . 

13. Mai 1893. Zucker 2° 0 . Allgemeinbefinden 
besser. 

5. Juni 1893. Zucker 0,4°, o . Allgemeinbefinden 
sehr gut. 

11. Juli 1893. Zucker 0°| 0 . Anhaltend gut. 

2. * Fall. Mann, 48 Jahre alt, Leberanschwellung 
seit 1 Jahre, Füsse Abends geschwollen, Haut 
bläu, Gangrän der rechten Fusssohle. 

17. Mai 1893. Zucker 7°| 0 . Doppelmittel. 

13. Juni 18£i3. Bedeutend besser, Geschwür 
kleiner. Zucker 0°| 0 . 

19. Sept. 1893. Ganz gut, Leber unverändert. 
Zucker 0° 0 . 

20. Januar 1894. Desgleichen. 

3. Fall. Mann, Schlaganfall, Sommer 1892. 

17. Nov. Zucker 7°| 0 . Doppelmittel. 

25. ,, Befinden besser. 4°, 0 . 

30. Dec. Noch besser. Spuren von Zucker. 

3. März 1894. 0°| o . 

29. Sept. 1894. Schwindel. 0° o . 

4. Fall. Pat. 56 Jahre alt, seit 1 Jahr leidend. 

18. Sept. Zucker 4,75 °j 0 . Doppelmittel. 

2. Oct. Zucker 0,55°| 0 . 

10. Nov. Zucker 0,4, später 0° o . 

5. Fall. Mann, 60 Jahre alt, seit 1 .» Jahr krank. 

4. Januar. Zucker 5,5°| 0 . 

14. Februar. Zucker 0,72, später 0,48. 

28. Mai. Zucker 0,1. 

18. Oct. Zucker in Spuren. Er trinkt viel Bier. 

6. -Fall. Mann, 46 Jahre alt, seit 1 A Jahr krank. 

ß. Mai 1894. Zucker 3,4°l 0 . 

28. Juni 1894. Zucker 0°j 0 . 

•September 1894 alles gut, obwohl Spuren von 
Zucker. 

Zu erwähnen ist noch, dass Stiegele im Anfänge 
jedem Patienten eine Hochpotenz Sulphur giebt. 

Donner hat Sizygium jamb. und zwar die reine 
Tinctur in mehreren Fällen gegeben, ohne wesent¬ 
liche Aenderung der Diät. In einem Falle (ohne 
Durst) war der Zuckergehalt 5,5° 0 ; dieser sank 
in 14 Tagen auf 0,5 u o . Nach Aussetzen des 
Mittels stieg er in drei Wochen wieder auf 0,1° 0 , 
sank unter Sizygium wieder auf 0,5° 0 . ln einem 
andereu Falle blieb das Mittel erfolglos: so bei 
gastrischen Störungen, wo Kreosot eher einwirkte. 
Auf den Kräftezustand schien ihm Sizygium keinen 
Einfluss zu haben. 


Schlegel hält es für wichtig, auch auf die Menge 
j des Urins zu achten; er lässt gern die saure, ge- 
j standene Milch trinken. Er giebt Kreosot in der 
| 3. Dil. und auch höher, ein Mittel, das er in 
I chronischen Magenkatarrhen oftmals hilfreich ge¬ 
funden hat. 

| Sick macht darauf aufmerksam, dass Kreosot 3. 
j noch einen starken Geruch hat. 

Göhrum erwähnt einen Fall von Diabetes bei 
einem Patienten mit Leberleiden, einem runden, 
bösartigen Geschwüre am Unterschenkel und einer 
brandigen Stelle am Fuss. Hier erwies sich Cheli- 
donium 6. mit Arsen. 30. Dec. im Wechsel hilf¬ 
reich. Nach 8 Jahren war das Leberleiden ater 
wieder erheblich verschlimmert; es war Ascites 
hinzugetreten, dann Hämoptoö, Phthisis, woran der 
Kranke zu Grunde ging. 

2. Ein Lehrer hatte sich ein diabetisches Leiden 
zugezogen; bei strenger Kost betrug der Zucker¬ 
gehalt nach 14 Tagen 8° l0 . Göhrum gestattete ge¬ 
wöhnliche Kost und gab nach Weihe Platina -|- 
Ignatia (= Sanguinaria). Danach ging es ihm 
:, 4 Jahr besser. Späterhin trat jedoch eine Magen¬ 
blutung mit tödtlichem Ausgange ein. 

3. Vor 14 Tagen ward Göhrum zu einem l s 4 
Jahr alten Kinde gerufen, das an heftigem Durst 
litt, viel Urin Hess. Im Urin war 8,4 ü l0 Zucker. 
Es bekam Arsen. 30. Morgens und, da es mit an 
den Hals griff, Lachesis 30. AbendB. Am dritten 

, Abend war das Kind bewusstlos, Koma trat ein 
und der Tod. Die Section ergab Leber, Nieren, 

| Pancreas verfettet. 

Mossa berichtet hierauf über einen chronisch 
) verlaufenden Fall von Diabetes bei einem Manne, 

! den er seit 1889 beobachtet hat. Der damals 
• 45jährige Mann, von robuster Constitution, war auf 
j seinen Reisen (er war Handelsreisender in Tabak' 

| und Fleischwaaren) allen Unbillen des Wetters und 
der Wirthshausküche ausgesetzt, rauchte und trank 
viel und zu Hause machte ihm die zanksüchtige 
Frau viel Aerger und ein Sohn viel Sorge und 
Kummer. Er hat vor mehreren Jahren nach Aus¬ 
sage seines Arztes an Leber, Milz und Gallen- 
i steinen gelitten, wovon er im Ganzen hergestellt 
j war. Im Jahre 1889 klagte er viel über Trocken- 
f heit im Halse, auch bei es ihm auf, dass seine 
| Haut, die früher viel geschwitzt, jetzt trocken war 
i und auch im Bette selbst nicht dünsten wollte. 

| Appetit war schlecht, Mundgeschmack bitter, Stuhl 
hart und schwer. Flatulenz, Urin dunkelbraun. 

! Oefters Schwindel. In den letzten drei Wochen etwas 
abgemagert. 

Nux vomica 6., Sulphur 30. in dreitägigem 
Wechsel. Das war im August. - 

Am 19. October. Die Trockenheit des Mundes- 
und Schlundes erheblich gesteigert, so dass er 


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179 


Nachts 3 Schoppen Wasser leerte, bei Tage reich¬ 
lich Bier. Er liess dem entsprechend auch viel Urin. 
Geschlechtstrieb ungeschwächt. Obwohl er jene 
Trockenheit zum Theil auf starkes Rauchen schob 
und behauptete, dass er schon als Knabe immer 
viel Wasser getrunken habe, kam dem Arzte die 
Sache bedenklich vor. Die Untersuchung des Urins 
ergab denn auch in der That eine beträchtliche 
Menge Zucker, gegen 4°| 0 . 

Pat. bekam Acidum nitricum I. Dil. 5,0 3 Mal 
täglich 5 Tropfen in Wasser, das mit Pausen längere 
Zeit fortgegeben wurde. 

17. Dec. Pat. hat seit 4 Monaten am Körper¬ 
gewicht 16 Pfund eingebüsst; es beträgt dies jetzt 
138 Pfund. Schwäche in den Gliedern. Seit acht 
Tagen förmlicher Heisshunger riebst starkem Durst. 
Sizygium jambol. I. Dec. 2 Mal täglich 5 Tropfen. 

April 1890. Die Abmagerung schreitet fort, 
obwohl der Procentsatz des Zuckers abgenommen. 
Er wiegt jetzt 133 Pfund. Er trinkt, trotz War¬ 
nung, noch immer reichlich Bier, weil das den 
Durst am besten löscht. Die Diät bestand über¬ 
wiegend in Fleischkost, doch war ihm grünes Ge¬ 
müse daneben empfohlen. Brod mässig. Er hat 
aber wohl, da er inzwischen wieder von Hause ab¬ 
wesend war, sich wenig an eine strenge Diät halten 
können. 

12. Mai. Neben Sizygium Burk's Chiuawein 
3 Mal täglich 1 Esslöffel voll. Nun erst ward der 
Zustand, bis dahin sehr bedenklich, allmählig besser. 
Das bis auf 128 Pfund herabgesunkene Körperge¬ 
wicht blieb jetzt längere Zeit stationär, bis es dann 
allmählig wieder stieg. Das Allgemeinbefinden ward 
besser, indem Durst und Hunger sich der Norm 
näherten. Er war mit diesem Zustand so zufrieden, 
dass er sich erst 1892 wieder beim Arzte sehen 
liess. Er klagte über Schwäche und Reissen in 
den Beinen, besonders in den Knieen, sowie zeit¬ 
weisen Schwindel. Der Urin enthielt immer noch 
etwas Zucker. Er erhielt Kali phosph. 6. Dil. und 
später wieder Chinawein. 1893 bestand er die In¬ 
fluenza, ohne dass diese auf seinen Zustand erheb¬ 
lich verschlimmernd eingewirkt und erfreut er sich 
seitdem einer befriedigenden Gesundheit. 

Wenn Redner auch nicht den Zuckergehalt so 
regelmässig constatirt hat, wie College Stiegele, so 
möchte er doch seiner Beobachtung zustimmen, dass 
Sizygium zwar den Zucker verringere, aber den 
Allgemeinzustand nicht bessere; dies hat hier China 
(hei Stiegele Arsen.) im Wechsel mit Sizygium ge¬ 
leistet. 

Nunmehr hielt Kim einen Vortrag über die 
diesjährige Typhus-Epidemie in Pforzheim, der 
später in dieser Zeitung veröffentlicht werden wird. 
Ausser den nach dem Simile angezeigten Mitteln 
hat er die Hydrotherapie angewandt; wo das kühle 


Wasser nicht ertragen wurde, liess er Weingeist¬ 
eiureibungen machen. 

Stiegele: Bei Patienten, denen das kalte Wasser 
unangenehm ist, ist Secale angezeigt. 

Rejerent; Nach Farrington passt Secale, in specie 
bei Gangrän, wo kalte Umschläge bessern, während 
Arsen. Besserung durch warme hat. 

Lorenz hat letzthin von dem von Dr. Kimpel 
(Allgemeine Homöopathische Zeitung, No. 7/8) em¬ 
pfohlenen Chloroform-Wasser in einem Falle gün¬ 
stige Wirkung gesehen, indem danach die Tempe¬ 
ratur herunterging und die Gehirnerscheinungen 
sich mässigten. 

Mattes hat früher von den Radeinacher'schen 
Mitteln, Ferrum, Cuprum nebst Chelidonium, beim 
Typhus gute Erfolge gesehen. 

Schlegel verlas einen Ausschnitt aus einer Zeit¬ 
schrift über die schädlichen Wirkungen des Rad¬ 
fahrens. 

Stiegele , der an sich selbst die heilsame Wirkung 
des Radfahrens erfahren, schiebt die üblen Fol¬ 
gen auf den Missbrauch, Uebertreibungen (Sport); 
bei den Neurasthenikern sei es ein vorzügliches 
Mittel. 

Mattes hat davon gute Wirkungen bei Emphysem 
(so an sich seihst) beobachtet; bei Sch windsuch ts- 
candidaten, Herzleidenden sei es nachtheilig. 

Sodann berichtet Schlegel über ein merkwür¬ 
diges Schriftchen von Dr. Vopelius in Degerloch 
bei Stuttgart, dass von einer neuen, vom Verfasser 
Carcinosis genannten, Krankheit handelt. Dieser 
(allopathische) Arzt heilt alle nur möglichen Krank¬ 
heiten, die er alle von Mikroben im Blute ableitet, 
durch Lysol, Creosol oder Creosot, und zwar in 
so starken Dosen, dass die Kranken meist noch 
Magenleiden davontragen. Auch gegen die ver¬ 
meintliche Carcinosis, deren Anlage durch Bacillen 
im Sperma und Ovulum von den Eltern auf die 
Kinder übergeht und sich bei letzteren als Scrophu- 
lose, Neurasthenie, schliesslich als Carcinom äussert, 
soll Lysol das Hauptmittel sein. 

Sigismund hat das Lysol, in 1 | 2 —1° |0 . Lösung 
äusserlich angewandt, als ein treffliches Wundheil¬ 
mittel erprobt. 

Ferner berichtet Schlegel über Mitchell s (Chicago) 
Behandlung von carcinomatösen Geschwüren mittels 
äusserlicher Anwendung von Arsen, in der 2.-r3. 
Verreibung. Es hemmt die septische Zerstörung 
und beseitigt den Gestank. Am schwersten erweisen 
sich die Brustkrebse, leichter die an den Lippen. 
Burnett lässt in solchen Fällen, wo die Kranken 
sehr heruntergekommen, erst das Levico (arsen¬ 
haltige) Wasser innerlich als Tonicum trinken, bei 
vor er Arsen, in Potenzen innerlich giebt. Mitchell 
hält den operativen Eingriff für absolut verschlimmernd 
bei Careinomen; so weit geht* Schlegel nicht, der 


23* 


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180 


in einem Fall nach der Exstirpation eines Lippen- 
carcinom seit Jahren kein Recidiv hat eintreten 
sehen. Er hält Burnett’s Verfahren für das idealste. 
Dieser gebraucht niedere Verdünnungen, um eine 
locale Wirkung zu erzielen und giebt dazwischen 
die entsprechenden Constitutionsmittel in hohen Po¬ 
tenzen: Thuja, Sulphur, Merc., Calcarea. Er citirt , 
Burnett’s Ausspruch: „Wo ich eine Krebsheilung 
erreicht habe, ist es allemal auf Grund einer Theorie 
geschehen/ d. h. indem er den Wurzelkrankheiten 
llalinemanns (Psora, Sycosis, Syphilis) gemäss das 
Mittel gewählt habe. 

Mitchell hielt Kal. jodatum bei Carcinom auf 
syphilitischem Grunde indicirt, wenn das Geschwür 
auf der einen Seite heilt, auf der andern dagegen 
weiter frisst. Bei mehr harten Formen Calc. jodata, 
Coniurn nur im Anfänge. — Nächst Arsen, sei Car- 
bolöl ein mächtiges Mittel bei Carcinomen. Hydrastis 
canad. passe für leichtere Fälle von Brustkrebs, 

1.— 2. Dil. innerlich. 

Stiegele: Actaea spicata und Calcarea oxalica j 
habe er beim Krebs als das beste schmerzstillende 
Mittel kennen gelernt. 

Mattes hält die äusserliche Anwendung von 
Arsen, durchaus nicht für heilsam, da die Wuche¬ 
rungen danach erst recht stark hervorsprossen. Man i 
solle auch bei Krebskranken mehr individualisiren; 
er habe bei zwei Fällen von Lippenkrebs nach 
dem Simile mit Lycop. 200. geheilt. 

Hier trat nun eine willkommene Intermission 
des wissenschaftlichen Theils durch ein gemein¬ 
sames Abendessen ein, das durch manche Tri^k- 
sprüche und Humoristisches geistige Würze er¬ 
hielt. — Danach wurde im Wissenschaftlichen 
fortgefahren. 

Mossa hielt einen Vortrag über einen subacuten I 
Fall von Meningitis spinalis bei einem Kinde, der 
auch später in extenso hier mitgetheilt werden soll, i 
Eine Discussion erfolgte nicht, und ging man nun 
zum Geschäftlichen über. 1 

III. Von Göhrum lag ein Doppelautrag vor, dahin¬ 
gehend, 1. dass der Verein der homöopathischen 
Aerzte Württembergs auf Wunsch der Schweizer 
Aerzte seine Versammlung an einem der Schweiz 
nahe gelegenen Orte abhalten möge, und 2. dass 
wir diese Versammlung künftig auf einen Sonntag ! 
(statt wie bisher Mittwoch) verlegen möchten. — j 
Gegen No. 1 wurde geltend gemacht, dass, so er- , 
wünscht der Anschluss der Schweizer Collegen sei, j 
bei der Wahl eines an der Peripherie von Schwaben 
(wie z. B. Friedrichshafen) gelegenen Ortes die Ge- ' 
fahr nahe liege, ein grosser Theil der Württem- i 
berger Collegen würde ausbleiben; für diese sei | 
Stuttgart das leicht erreichbare Centrum, während j 
eine Reise nach Friedrichshafen fast zwei Tage er¬ 
fordere, und so lange könnte man zur Herbstzeit ] 


von den Patienten nicht abwesend sein. Es fand 
denn auch dieser Antrag, sowie der auf Ver¬ 
legung der Versammlung [bei der Abstimmung 
keine Majorität. Es bleibt vorläufig bei der alten 
Ordnung. 

Ein von Donner gestellter Antrag, der, auf 
Grund localer Verhältnisse Stuttgarts, die Sache 
unserer Wittwen betraf, hatte insofern einen prak¬ 
tischen Erfolg, als er die Anreguug zu einer Samm¬ 
lung für unsere Central-Wittwen-Kasse in Leipzig 
wurde, welche die hübsche Summe von 77 Mark 
ergab, die auf 100 Mark aus der Vereinskasse ab¬ 
gerundet, unserem trefflichen Kassirer gewiss er¬ 
freulich sein wird. 

Das war nun der wohlthuende Abschluss dieser 
an Gaben für Kopf, Geist und Gemüth, für das 
Wissen und Können wirklich reichen Hauptver¬ 
sammlung ! Dr. Mossa. 

III. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. 

Nacliprüfung von Ranunculus sceleratns. 

Referent Dr. Schier-Maint- 

(Fortsetzung.) 

IV. Frau Dr. Schier-Mainz nimmt am 5. April 
Vormittags 10 1 / a Uhr 20 Tropfen der VI. D.-P.: 

Geschmack scharf, an Essigsprit erinnernd. Gleich 
darauf Kratzen im Kehlkopf und Drang zum 
Räuspern \ 4 Stunde lang. II 1 ,., Uhr Flimmern 
vor den Augen, Sehen von Zacken und spitzen 
Curven r A Stunde hindurch. I 1 .,—3 Uhr klopfen¬ 
des Kopfweh in der Stirne beiderseitig; Abends 
nach dem Essen sehr acuter Fliessschnupfeu ohne 
vorausgegangene Erkältung. Nachts 5 Uhr Kitzeln 
im Kehlkopf mit Husten 10 Minuten lang. 

Am 6. April Vormittags 9 Uhr drückendes 
Leibweh unter dem Nabel und leichte Uebelkeit 
mit liellgcfarbtem Durchfall. Oft wiederholtes Niesen 
mit Fliessschnupfen und leichtem Brennen, Kitzeln 
der Nasenschleimhaut. 

Am 7. April Vormittags 6 1 * Uhr Hustenreiz 
im Kehlkopf und kneipende Schmerzen im ganzen 
Unterleib mit Neigung zu Durchfall, der aus dem 
Bett schleunigst heraustreibt, dabei Uebelkeit ohne 
Zungenbelag. 9 3 | 4 Uhr Vormittags Taubheit auf 
dem rechten Ohre, bald darauf auch auf dem linken 
Ohre, gleichzeitig Leibschmerzen mit Kollern und 
Stuhldrang. 11 Uhr Vormittags starke, ziehende 
Schmerzen an der Aussenseite des rechten Beine« 
vom Fussgelenk bis zur Hüfte, nachher desgleichen 
am linken Beine, weniger heftig, und im Kreuz 
1 |o Stunde lang. 

Am 8. und 9. April Morgens mehrmals Durch¬ 
fall, der sie aus dem Bett treibt, mit Uebelkeit und 
Kneipen im Unterleib. 


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181 


Am 9. April Vormittags 9 ! | 2 Uhr krampfartiger 
Husten mit Reiz im Kehlkopf. Am 10. April Vor¬ 
mittags 8 und 12 Uhr Durchfall ohne Beschwerden; 
desgleichen am 11. April 11 r 2 Uhr. 

Am 10., 11. und 12. April Ohrensausen mit 
Taubheitsgefübl auf beiden Ohren. Seit 11. April 
Schwellung der beiden oberen Augenlider, bis zum 
12. April dauernd. Am 12. und 14. April Gefühl, 
als ob der Zungengrund geschwollen wäre. 

Am 20. April Vormittags IO 1 '., Uhr 20 Tropfen 
der IV. D.-P. 

Ain 21. April Vormittags 11 Uhr Stechen uud 
Brennen in der Blase, bei und nach dem Harn¬ 
lassen vermehrt. Nachmittags 5 Uhr kolikartige 
Schmerzen in und unter der Magengegend. Starkes 
Beissen tief im rechten Ohre, zum Jucken reizend, 
den ganzen Abend anhaltend; 3 Mal breiiger Stuhl. 
Leichter Schnupfen mit wiederholtem Niesen auch 
am 22. April; am selben Tage Brennen und Jucken 
der Augen, zum Reiben veranlassend. Abends beim 
Singen Umschlagen der Stimme und Ungeschicklich¬ 
keit beim Clavierspielen (Zittern und Verfehlen der 
Tasten). 

Am 28. April Durchfall, aus dem Bett treibend, 
ohne Schmerzen; von 8 Uhr ab Uebelkeit und 
Kolikschmerzen in und unter dem Magen, ll 1 ^ Uhr 
Durchfall mit Schwftchegefühl. Um dieselbe Zeit 
Trockenheits- und Rauhigkeitsgefühl der Zunge, 
Beissen derselben wie nach Zwiebelgenuss. 12 , | f Uhr 
Durchfall; Kolikschmerzen Nachmittags allmählig 
nachlassend, aber doch bis Abends andauernd. 

Am 24. April Morgens beim Aufstehen Beissen 
im rechten Ohre. Schleimiger Weissfluss, nur des 
Morgens (sonst nie vorhanden). 

Am 25. April Schmerzen im Magen Abends; 
ebenso am 26. April mit Durchfall früh und 
8 Uhr. 

Am 1. Mai Jucken auf dem Rücken in der 
Gegend der Schulterblätter; Schwere und grosse 
Müdigkeit in beiden Beineu. 

Am 2. Mai bei kaltem, regnerischem Wetter 
Ohrensausen wie das Summen einer Dreschmaschine 
mit Schwerhörigkeit, wie wenn die Ohren verstopft 
wären, auf beiden Ohren, bald rechts stärker, bald 
liükdsobald Os rechts stärker saust, ist es links 
schwächer und umgekehrt; fürchtet taub zu werden 
oder an einem langwierigen Ohrenleiden zu er¬ 
kranken, hört starke Geräusche wie aus weiter 
Ferne, die elektrische Klingel im Hausflur zuweilen 
gar nicht. Dabei ausserordentliche Reizbarkeit. 

Vom 24. April ab Kratzen im Kehlkopf, manch¬ 
mal den ganzen Tag, manchmal in Pausen auf¬ 
tretend. Am 2. Mai 3 Mal Durchfall ohne Schmer¬ 
zen; Nachmittags 4 1 | a —5 Uhr plötzlicher, sehr 
starker Schwindel ohne Blutandrang, kann nicht 
allein gehen. Am 3. Mai ist das Ohrensausen auf 


dem rechten Ohre fast ganz verschwunden, auf dem 
linken auch schwächer als am 2. Mai. Trübes, 
feuchtes Wetter, Morgens Zittern an Händen und 
Füssen ohne Frost, Durchfall, aus dem Bett treibend; 
beim Aufsetzen im Bett plötzlicher Schwindel und 
Gefühl, als ob sie aus dem Bett fallen müsse oder 
herausgezogen werde. Mittags 1 Uhr bilden sich 
ganz akut kleine Bläschen bez. Knötchen, halb so 
gross wie ein Stecknadelkopf, auf der Haut des 
rechten Unterkiefers und Jochbeins, stark juckend 
und die Haut röthend, fast bläulich förbend. Bald 
darauf Gefühl, als ob etwas vom Rücken die Wirbel¬ 
säule entlang in den Kopf stiege, was sich im Kopfe 
als Schwindel geltend macht. Abends 5—7 Uhr 
klopfendes Kopfweh in der Stirn, durch Druck ge¬ 
bessert. Vormittags ll 1 ^ Uhr Durchfall, Nach¬ 
mittags 3 Uhr Stuhlgang von normaler Consistenz. 
Den. ganzen Tag Ohrensausen mit Taubheitsgefühl, 
auch am 4. Mai; am letzteren Tage hatte sie 
Morgens das Gefühl, als ob ein Schleier über das 
rechte Auge gezogen wäre, den sie wegreiben 
müsse, eine Stunde hindurch. Morgens einmal 
dünnflüssiger Stuhlgang. An der rechten Halsseite 
bis in die Gegend des Ohres schiessen kleine, gelb¬ 
liche, kaum stecknadelkopfgrosse Bläschen des Mor¬ 
gens auf unter Röthung der Haut, welche furcht¬ 
bar jucken, auch am 5. Mai noch nicht verschwun¬ 
den sind. 

Am 5. Mai zweimal Stuhlgang Morgens und 
Abends und Taubheit auf beiden Ohren, ebenso am 
6. Mai; an diesem Tage Durchfall, aus dem Bett 
treibend, um 5 8 j 4 und 6 Uhr Vormittags mit Uebel¬ 
keit und Leibschmerzen, darauf Mattigkeit und 
starke Schlafsucht. 

Am 9. Mai Morgens zwischen 8 und 9 Uhr 
viermal hintereinander hellgeffcrbter Durchfall mit 
Magendrücken. 

Am 10. Mai Abends und 11. Mai Morgens 
Schwerhörigkeit auf beiden Ohren, in der Nacht 
vom 10. auf 11. Mai beim Erwachen Sausen im 
linken Ohre. 

Am 10. und 11. Mai Morgens 8 Uhr breiiger 
Stuhl mit Uebelkeit. 

Am 12. Mai in den Morgenstunden schleimiger, 
nicht schmerzhafter, starker Weissfluss mit viel 
Müdigkeit in den Beinen, welch letztere schon seit 
einigen Tagen sich geltend macht. 

Am 13. Mai Morgens binnen 5 Minuten ca. 
20 Mal wiederholtes Niesen; Vormittags 8*1* und 
9 Uhr breiiger Stuhl ohne Schmerzen. Nachmittags 
zwischen 4 und 5 Uhr herumziehende, zwickende 
Schmerzen im Kreuz und im Unterleib, drei Mal 
mit dem Gefühl, als ob sie Stuhl bekomme, sodass 
sie den Abort aufsuchte, aber vergeblich. 

Am 14. Mai Vormittags 9 Uhr breiiger, hell- 
gefkrbter Stuhl ohne Schmerzen. 


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182 


• Am 15. Mai Vormittags 8^ Uhr breiiger Stuhl, 
eine halbe Stunde später Uebelkeit und herum- 
ziehende Leibschmerzen, als ob wieder Stuhl er¬ 
folgen sollte. 

Am 13. Juni Vormittags U 1 * Uhr 5 Tropfen 
der II. D.-P.: Nachmittags 3 Uhr hämmerndes Kopf¬ 
weh auf dem Scheitel, Gefühl, als ob das Gehirn 
schwanke, nach dem Abendessen besser. Nachmittags 
4 Uhr plötzliches, oft wiederholtes Niesen mit 
Schnupfen. Nachts schwere Träume. 

Am 14. Juni Vormittags Schnupfen und drei 
Mal Stuhlgang, 7, 8 1 !* und Nachmittags 3 Uhr. 
Abends Ziehen im Unterleib (Dünndarm). 

Am 15. Juni Nachts 3 Uhr krampfartiges Magen- 
uud Leibweh im ganzen Unterleib, in Pausen von 
mehreren Minuten aüftretend, allmählig seltener 
werdend, wässeriger, brennender Durchfall um 7, 
7* l9 und 8 Uhr; der Drang zum Stuhl kommt so 
schnell, dass sie kaum den Abort erreichen kann. 

Seit dem Nachmittag des 13. Juni hier und da 
starker Weissfluss, nicht scharf. 

Am 15. Juni Morgens Leeregefühl im Magen, 
dabei gänzliche Appetitlosigkeit mit Mattigkeit und 
Frost; Nachmittags beständig Zucken der Gesichts¬ 
muskeln, bis zum Schlafengehen anhaltend. Nach¬ 
mittags 3 und 3 J | 2 Uhr Durchfall mit Frieren. Nach¬ 
mittags 4 1 | 2 —5 Uhr bei einem Ausgange Athern- 
noth, wie wenn jemand mit beiden Händen schwer 
auf Brust und Hals drücke. Den ganzen Tag. 
Brennen und Jucken der Augen, sodass sie be¬ 
ständig reiben muss. Harn von den Nächten zum 
15. und 16. Juni klar, aber stark röthlich gefärbt, 
als ob er Blut enthielte. Der Schnupfen ist seit 
dem 13. Juni noch nicht verschwunden. 

Am 16. Juni Morgens milder Weissfluss. Morgens 
10 und Nachmittags 3 Uhr Durchfall ohne Schmerzen. 

Am 17. Juni Beissen der Augen den ganzen 
Tag. An der Oberlippe bilden sich Schrunden, die 
Epidermis schuppt sich ab. 

Am 18. Juni Nachmittags Weissfluss. Abends 
beim Schlafengehen in der Gegend der unteren 
Rippen hinten rechts Gefühl, als ob sich ein Räd¬ 
chen drehte, nachher stechende Schmerzen an der¬ 
selben Stelle beim Tiefathmen und bei Bewegung, 
wie von Messern. 

Am 20. Juni Morgens stark juckende, steck- I 
nadelkopfgrosse, helle Bläschen, wie mit Wasser 
gefüllt, auf der Haut des Halses unter dem rechten | 
Ohre von 8 1 —9 Uhr, dann allmählig verschwindend. I 
Nachmittags von 3 Uhr Trockenheit in Nase und 
Rachen mit Niesen; Jucken auf der Haut der Nase, 1 
die Epidermis schält sich ab. 1 

Am 21. Juni stecknadelkopfgrosse, wie mit 
Wasser gefüllte Bläschen auf der Stirn rechts und 
am Kinn links, juckend. Nachmittags von 4 Uhr | 
ab Trockenheit und Brennen der Nasen- und Rachen¬ 


schleimhaut mit Neigung zum Schlucken, anhaltend 
bis zum 21. Juni Abends, nur rechtsseitig. Am 
21. Juni zwischen 4 und 5. Uhr krampfartige 
Schmerzen im Unterleib, vom Magen ausgehend. 

Am 24. Juni starker Fliessschnupfen und Bil¬ 
dung einer erbsengrossen, gelblichen, wenig jucken¬ 
den, spannenden Blase in der Mitte der Unterlippe. 
Nachmittags zwischen 4 und 4*1* Uhr Ohrensausen 
rechtsseits. 

Am 25. Juni starker Fliessschnupfen und Röthe 
der Conjuctiven in den Commissuren. 

Am 26. Juni dauert der Schnupfen noch an: 
die am 24. Juni entstandene Blase an der Unter¬ 
lippe verheilt allmählig, dafür bilden sich in der 
Mitte der inneren Schleimhautfläche der Unterlippe 
zwei brennende, dunkelrothe, stecknadelkopfgrosse 
Bläschen. Nachmittags und am 27. Juni tagsüber 
zuweilen Beissen im ganzen Gesicht, die Epidermis 
schuppt sich leicht ab. Am 26. und 27. Juni 
Abends beim Zubettgehen Stechen in der Gegend 
der unteren Rippen beiderseitig und des rechten 
Schulterblattes, vermehrt beim Tiefathmen und Be¬ 
wegen. 

Am 28. Juni Morgens Brennen im rechten Gc- 
hörgang, als ob eine ätzende Flüssigkeit ausliefe« 
Jucken im Gesicht, Aufschiessen kleiner, steek- 
nadelkopfgrosser, wie mit Wasser gefüllter Bläschen. 
Die Bläschen an der Lippenschleimhaut schmerzen 
noch, ebenso die Conjunctiva in den Commissuren, 
beides verschwindet am 29. Juni; an letzterem 
Tage bilden 6ich juckende Bläschen im Nackeu, 
die nach einigen Stunden bereits abheilen. Nach¬ 
mittags hat sie einige Minuten hindurch auf der 
rechten Wange in der Jochbeingegend das Gefühl, 
als ob eine Ameise unter der Haut sich bewege; 
ferner im rechten Gehörgang Jucken und Brennen, 
als ob eine scharfe Flüssigkeit herausfliesse. Seit 
etwa 14 Tagen hat sie jeden Morgen zwischen 
ll* o und 11 8 | 4 Uhr Heisshunger und Knurren im 
Magen, sowie drückendes Kopfweh über dem rech¬ 
ten Ohre, letzteres erst nach dem Mittagessen ver¬ 
schwindend. 

Am 23. Juli Vormittags 10 Uhr 5 Tropfen der 
I. D.-P. 

Am 24. Juli Nachmittags 2 Uhr Magendrücken, 
5 Minuten anhaltend. 

Am 25. Juli Nachmittags 5 Uhr Schleiman¬ 
sammlung im Kehlkopf mit Zwang zum Räuspern 
J | 4 Stunde hindurch. 

Am 26. Juli Nachmittags 7 Uhr desgleichen 
5 Minuten anhaltend; am selben Abend 9 Uhr 
Trockenheit der Conjunctiva, kann die Lider schwer 
bewegen, Gefühl, als ob sie nicht leicht hin und 
her glitten wegen der Trockenheit. 

Am 27. Juli Nachmittags 5—6 Uhr Kolik mit 
Stuhldrang und Luftaufstossen, Bangigkeit und Enge- 


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geffthl auf der Brust, als ob sie zu fest geschnürt 
w&re. 

Am 28. Juli Nachmittags 5 Uhr Kolik im Magen 
und Darm ohne Stuhldrang einige Minuten hindurch. 
Abends 10 Uhr Jucken in den Handflächen wie 
von Insectenstichen und Reissen im linken Daumen. 

Am 2. August Nachmittags 5 — 7 Uhr beim Aus¬ 
gehen Athemnoth, wie wenn etwas schwer auf die 
vordere Brustwand drücke, mit Angst. 

Am 6 . August Vormittags 9 Uhr starkes Reissen 
an der Innenseite des linken Oberschenkels und 
bohrender Schmerz im Kreuz. 

Am 9. August Vormittags 10 Uhr wird die Haut | 
des linken Oberarms an einer zweimarkstückgrossen 
Fläche mit der unverdünnten Essenz bestrichen; eine j 
Reaction der Haut kann nicht constatirt werden. | 
Am 15. August Vormittags 11 Uhr wird die Haut 
des linken Vorderarms an einer v % cm langen Stelle 
mit einer Nadel geritzt , bis ein Blutstropfen zum 
Vorschein kommt, und auf diese Stelle werden 
einige Tropfen der unverdünnten Essenz mittels eines 
kleinen Korkes eingerieben . Es stellt sich sofort ein 
starkes Brennen ein, das aber nach 1—2 Minuten 
nachlässt und wohl durch den Alkoholgehalt allein , 
bedingt ist. 5 Minuten später empfindet sie ein 
Stechen wie von Nadeln; um 12 Uhr Mittags sieht ! 
die wunde Stelle und deren Umgebung in Grosse 
eines Zehnpfennigstückes stark geröthet aus und zeigt 
in der Mitte eine leichte blasige, gelblich gefärbte 
Erhöhung, der Schmerz ist weniger stechend, mehr 
brennend, ganz ähnlich wie nach einer Verbrennung. 
Nach zwei Stunden ist Schmerz, Rothe und 
Schwellung verschwunden und es zeigt sich keine 
weitere Reaction mehr. 

Am 20. August, Vormittags 10 Uhr, 3 Tropfen I 
der unverdünnten Essenz : Sogleich nach dem Ein¬ 
nehmen Trockenheitsgefühl auf der Zunge und an I 
der Rachenwand. Nachts unruhiger Schlaf mit ! 
schweren Träumen. j 

Am 21. August, Vormittags 11 Uhr, starkes 
Wasserzusammenlaufen im Mund mit Uebelkeit und 
saurem Geschmack. Nachmittags von 5 Uhr ab 
drückender, bohrender Schmerz in der Herzgrube, 
andauernd bis zum Schlafengehen, mit öfterem Auf- 
stossen, welches momentan Erleichterung bringt. 
Nachmittags 3 Uhr breiiger Stuhl trotz des nor¬ 
malen morgentlichen Stuhlganges. 

Am 22. August, Vormittags von 7 Uhr ab 
schmerzhafter Druck im Magen wie von einem Stein, 
Zunge nicht belegt, Appetit gut, Aufstossen von 
Luft ohne Geschmack. Vormittags 10—12 Uhr j 
stechender Schmerz in der linken Schläfe bis in l 
die Augenhöhle. Nachmittags 3*j 9 — 5 Uhr des- | 
gleichen. Abends 8 —10 Uhr Stechen in der vor- i 
deren und hinteren Brust wand rechtsseits in der ' 
Gegend der vierten Rippe. Nachts unruhiger Schlaf, ; 


öfteres Aufwachen, kann dann lange nicht ein- 
schlafen. 

Am 23. August, Abends S 1 ^—Ö^Uhr, stechen¬ 
der Schmerz tief unter dem Magen nach dem Rücken 
zu (Pancreas?), sodass sie sich krümmen muss. 
Die folgende Nacht schläft sie unruhig. 

Am 24. August kleines, schmerzhaftes Geschwür 
in der rechten Nasenöffnung, beim Schneuzen Thrä- 
nen der Augen. Abends von 6 Uhr ab Athemnoth 
mit Herzklopfen und Gefühl, als ob ihr Jemand mit 
der Hand den Hals zudrücke, sieht sehr blass und 
angegriffen aus. 

Am 25. Aug. und an den vier vorhergehenden 
Tagen Morgens im Bett Druck in Magen- und Leber¬ 
gegend, anhaltend bis zum — jedesmal breiigen •*— 
Stuhlgang. 

Am 26. August, 6 — 7 Uhr Vormittags, Brennen 
in beiden Gehörgängen, als ob eine scharfe, ätzende 
Flüssigkeit darin befindlich wäre. 

Am 27. August Flimmern vor dem rechten Auge, 
so dass sie mit diesem fast nichts sehen kann. Nach¬ 
mittags 1 —2 Uhr. 

Am 31. August, Morgens 10 Uhr, krampfartiger 
Schmerz im Magen einige Minuten hindurch, des¬ 
gleichen Abends 8 * 3 —9 Uhr. 

Am 2. September, Abends 9 Uhr, Magendrücken 
5 Minuten lang. 

Am 3. September den ganzen Tag und die 
Nacht zum 4. September starker, reissender Schmerz 
im linken Bein von der Fussspitze bis zur Hüfte. 

Am 3. September Abends Magendrücken 5 Mi¬ 
nuten lang. 

Am 4. September tagsüber Reissen im linken 
Bein, weniger stark als am 3. September, durch Be¬ 
wegung verschlimmert. Abends beim Schlafengehen 
Druck unter den letzten linken Rippen, vom bei 
Bewegung verschlimmert. 

Am 6 . September, Abends 8 —11 Uhr, schmerz¬ 
hafter Druck unter den letzten Rippen links hinten, 
bei Bewegung schlimmer. 

Am 7. September von —2 Uhr grosse Mü¬ 

digkeit in den Beinen, stechende Schmerzn im Kreuz, 
wie sonst wohl vor Beginn der Periode, jedoch be¬ 
deutend stärker. Die Periode vom 2 .— 5. Sep¬ 
tember war regelmässig, dürfte vielleicht um 1 1., Tag 
kürzer verlaufen sein als normal. 

Am 8 . September Kolik und Durchfall um 
10 Uhr Vormittags, 2, 3, 5 und 9 Uhr Nachmit- 
tags. Den ganzen Tag über stechendes Kopfweh 
in der linken Schläfe und über dem linken Auge, 
beim Schliessen der Augen gebessert, durch Sehen, 
Lesen und dergleichen verschlimmert. Nachmittags 
von 3 Uhr ab Stechen auch in der rechten Schläfe. 

Am 9. September Morgens Beissen und Jucken 
im Haarkopf. Um 8 *[3 und 10 Uhr Vormittags, 
l 1 !*, 2 * 2 , 4^ und 5 Uhr Nachmittags hejlgefkrbter 


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184 


Durchfall mit vorhergehendem Zwicken im Leibe 
das nach dem Stuhl verschwindet. Nach dem Stuhl¬ 
gang um 10 Uhr drückender Sehmerz im Mastdarm 
in der Höhe des Steissbeins. Gegen Abend Zer¬ 
schlagenheitsgefühl im Genick, den Schulterblättern 
und im Kreuz, ähnlich wie nach zulange fortge¬ 
setztem Stillen des Kindes. 

Am 10. September Vormittags 8 und 11 Uhr 
hellgefärbter Durchfall mit grosser Müdigkeit, welch 
letztere die ganze Woche bis zum 15. September 
anhält. In den letzten Wochen war die Gemüths- 
stimmung vorwiegend melancholisch. 

V. Dr. P. Andries, Astronom, z. Z. in Llig&VlO 
(Tessin). 

Personalien: 56 Jahre alt, von schwächlicher 
Constitution; Körpergewicht ca. 55 Kilo, Grösse 

l. 70 in. Kleidet sich seit 14 Jahren nach dem 
Jaegerschen Wollregime; seit 6 Jahren strenger 
Vegetarier, d. h. auch den Genuss der vom leben¬ 
den Thiere stammenden Nahrungsmittel perhorres- 
cirend. Temperament sanguinisch; leidet zeitweilig 
an Nasen- und Bronchialcatarrh; überstand im Alter 
von 22 Jahren die Masern, mit 28 Jahren ein 
gastrisches Fieber, mit 40 Jahren mehrere sich 
länger hinziehende Malariaanfälle in Wilhelmshafen. 
Die Lebensgewohnheiten sind sehr regelmässig; 
schläft von 11—7 Uhr fast ununterbrochen und 
traumlos, hat jeden Morgen Stuhl von normaler 
Consistenz. Nichtraucher sejt 1 Jahre, im Alkohol¬ 
genuss sehr mässig, Gesichtsfarbe blass, Augen 
grau, Haare dunkelbraun. Allgemeinbefinden nor¬ 
mal, physische Leistungsfähigkeit reducirt. 

Der Prüfer, ein Onkel von mir (Referent) und 
mir daher sehr genau bekannt, ist in der Physio¬ 
logie des Menschen so bewandert, dass ich für die 
Correctheit seiner Protokolle ebenso wie für die 
eines Collegen bürgen kann. 

Nimmt am 10. Mai Vorm. 9 Uhr 5 Tropfen 
der IV. D.-P. in 1 Esslöffel Wasser: Nachts stark ver¬ 
mehrte Harnabsonderung, bis 11. Mai Mittags an¬ 
haltend. Am 11. Mai Morgens breiiger Stuhl mit 
Stuhldrang. Am 12. Mai stark vermehrte Harn¬ 
absonderung in den ersten Morgenstunden, ohne 
dass vorher absonderliche Quantitäten getrunken 
worden wären; desgL am 18. und 14. Mai. 

Am 18. Mai Nachm. 4 Uhr 10 Tropfen der 

m. D.-P. In den folgenden Nächten bis zum 
26. Mai starke Vermehrung der Urinsecretion mit 
Harndrang, ohne besonders starken Flüssigkeits¬ 
genuss. Am 23. Mai Morgens gleich nach dem 
Aufstehen flotterer Stuhlgang als gewöhnlich. Am 
24. und 25. Mai Benommenheit des Kopfes. 

Am 26. Juni Vorm. 11 Uhr 5 Tropfen der 
II. D.-P.: In der Nacht vom 29. zum 80. Juni 
Vorm. 2 ®/ 4 Uhr heftiger Stuhldrang mit Stuhl. 


Am 9. August nüchtern 30 Tropfen der II. D.-P.: 

Am folgenden Tage bildet sich ein schwacher 
Schnupfen aus, der jedoch auf Rechnung einer vor¬ 
hergegangenen Erkältung gesetzt werden könnte. 

Am 31. August 10 Tropfen der I. D.-P.: Kein 
Resultat. 

Am 19. Sept. 30 Tropfen der L D.-P. : In den 

3 folgenden Nächten erwachte er aus tiefem Schlaf 
mit sehr heftigem Stuhldrang, dem er kaum schnell 
genug willfahren konnte; die Faeces waren von 
breiiger Beschaffenheit; dabei verschob sich die 
Zeit des Eintritts so, dass derselbe sich verspätete 
und in der 3. Nacht am frühen Morgen stattfand. 

VI. Dr. M. Baltzer in Stettin: 

16. Februar 1894. 3 gtt. der unverdünnten 
Essenz um 10 Uhr Vorm. 

19. Februar 1894. 6 gtt. mm V,l» Uhr Vorm 

26. Februar. 10 gtt. um 1 I 4 10 Uhr Vorm. 

5. April. 10 gtt. um ^lO Uhr Vorm. 

6. April. 15 gtt. um 9 Uhr Vorm. 

9. April. 20 gtt um 9 Uhr Vorm. 

Am 10. April von 5 Uhr Nachm. Schmerz in 
der ganzen rechten Gesichtsseite mit Gefühl des 
Auges als eines runden Körpers im Kopfe. Geht 
um 7 Uhr allmählich auf die linke Seite über mit 
demselben Gefühl am linken Auge. Um 1 / 2 8 Uhr 
rechte Seite völlig schmerzfrei. Der Schmerz der 
linken Gesichtshälfte dauert bis gegen 9 Uhr. 
Nachts gut geschlafen. Erwachen Morgens mit 
Schwere im Kopf, > im Freien, aber wiederkeh- 
rend im Zimmer nach beendetem Morgenspaziergang. 

Vormittags beim Gehen grosse Schwere in den 
unteren Extremitäten von den Knieen an, grosse 
Müdigkeit und Mattigkeit. Die Besuche bei seinen 
Patienten werden ihm sehr schwer zu machen, 
während er sonst selbst bei grösseren Entfernungen 
und grösseren Anstrengungen in Bezug auf das 
Gehen nichts von Müdigkeit verspürt. 

19. April. 20 gtt. um 9 3 / 4 Uhr Vorm. 

J / 4 9 Uhr Abends kurze Zeit Schmerz in der 
linken Gesichtshälfte. 

26. April. V 4 10 Uhr Vorm. 25 gtt. 

Vormittags dumpfer Stirnkopfschmerz im Freien, 
während er Krankenbesuche machte. Zuweilen 
Schmerz der ganzen linken Gesichtsseite. Beim 
Gehen grosse Schwere in den unteren Extremitäten, 
< bei Treppensteigen. 

1. Mai. 8 / 4 10 Uhr Vorm. 30 gtt. 

Nachmittags 3 Uhr Schmerz an der rechten 

Seite des Halses > beim Schlucken. 

Abends 7 Uhr: Aus beiden Nasenlöchern tröpfelt 
klares Wasser, nicht wundmachend. 

2. Mai. Auch heute noch Tröpfeln klaren 
Wassers aus der Nase, welches zu häufigem Ge¬ 
brauch des Taschentuches uöthigt. 


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Auch schon am 26. April nach Einnehmen von 
25 gtt. hatte er dasselbe: auch damals lief aus 
seiner Nase einige Tage lang klares Wasser. Er 
hat es damals aber nicht notirt, weil er es für einen 
durch Erkältung entstandenen Schnupfen und nicht 
für Arzneiwirkung hielt. Jetzt aber glaubt er es 
sicher der Arznei zuschreiben zu müssen, da für 
eine Erkältung kein Grund vorliegt. 

Abends 9 Uhr nach einem warmen Bade mit 
darauffolgender kalter Douche Schmerzen in der 
rechten Schulter. Dieselben dauerten auch nach 
dem Zubettegehen 11 Uhr an, > durch Liegen auf 
der rechten Seite, < durch Bewegung, namentlich 
bei Bewegung des Armes nach hinten. In der 
Nacht wiederholtes Erwachen wegen der Schmerzen. 

8 . Mai. Heute Schmerzen bei längerer Bewe¬ 
gung des Armes nur noch unbedeutend. 

Laufen klaren Wassers aus dem linken Nasenlocke. 

4. Mai. Auch heute noch kommt Feuchtigkeit 
aus dem linken Nasenloche. 

21. Mai. 9 Uhr Vorm. 30 gtt. 

Seit ca. 5 Wochen bemerke er ein starkes Aus¬ 
fallen der Haare, Morgens nach dein Kämmen ist 
der Kamm jedesmal voller Haare. 

Am 24. Mai schreibt derselbe: „Ich will jetzt 
erst einige Wochen ab warten, da mir das Auftreten 
des Symptoms „Haarausfallen 14 wenig augenehm 
ist.“ Und bei Uebersendung des Berichtes über 
die äusserliche Anwendung, welche unten folgt, 
schreibt er am 5. August 1894: „Das Haaraus¬ 
fällen hat seit ungefähr 3 Wochen wieder völlig 
aufgehört, und wächst das Haar jetzt wieder ebenso 
stark, wie ich es von früher gewohnt bin.“ 

11. Juni. Einreiben des PrtLfungsmittels inten¬ 
siv auf einer ca. 5-Markstückgrossen Fläche des 
rechten Unterarmes. 

20. Juni. 3 Mgr. mit Pravatz’echer Spritze 
um * 4 10 Uhr unter die Haut des linken Unter¬ 
armes injieirt. Momentan sehr schmerzhaft, aber 
nach wenigen Secunden hört der Schmerz auf. 

Vormittags Schmerzen an der Injectionsstelle < bei 
der Bewegung der Hand. < bei Berührung. 1 Uhr 
ca. thalergrosse harte Geschwulst, an der Injections¬ 
stelle stete Schmerzen < bei Bewegung, < bei Druck. 

Die Schmerzen an der Injectionsstelle währten 
den ganzen Tag an. 

Abends wiederholt unangenehmer Druck auf 
die Blase, beim Uriniren nur wenig Urin entleert, 
jedesmal. Nachts Erwachen wegen deR Druckes 
auf die Blase und Urinentleerung. 

21. Juni. Injectionsstelle: nur noch wenig Ge¬ 
schwulst (— welche jedenfalls nur dem mecha¬ 
nischen Insult zuzuschreiben). Schmerz daselbst 
nur noch bei Berührung. 

22. Juni. Injectionsstelle nur noch bei stärkerm 
Druck empfindlich. 


VII. Gg. E., Cand. med. in Berlin: Nimmt am 
27. April 1894, 11 Uhr Abends, 2 Tropfen der 
VT. D.-P. Sofort Kopfschmerzen, dann bald starke 
Athembesclileunigung. Puls dicrot. Krampf im 
linken Oberarm. 

29. April 1894, 11 Uhr Abends, 5 Tropfen der 
VI. D.-P. Keine Wirkung. 

1. Mai 1894, 11 Uhr Abends, 10 Tropfen der 
VI. D.-P. 

2. Mai. Während des ganzen Tages starke 
stechende Kopfschmerzen in der Mitte des Seiten- 
w’andbeines und in der Gegend des Tuber frontale. 

3. Mai. Sehr matt. Wunsch allein zu sein. 
Puls sehr dicrot. Glieder zerschlagen. Augen glän¬ 
zend. Schlafbedürfnis. 

6. Mai 1894,11 Uhr Abends, 15 Tropfen der VI. D.-P. 

7. Mai. Puls dicrot. Kopfschmerz wie am 
2. Mai. Starker Durst. 

9. Mai 1894, 11 Uhr Abends, 20 Tropfen der 
VI. D.-P. 

10. Mai. Kopfschmerz wie am 2. Mai. 

i 11. Mai 1894, 11 Uhr Abends, 25 Tropfen der 
VI. D.-P. 

12. Mai. Zittern des linken Annes, nicht zu 
beruhigen gegen 2 Uhr Mittags. Hals verschleimt, 

| Stimme belegt. Husten ohne Auswurf. 

| 13. Mai. Rheumatischer Schmerz in der Tliorax- 

I musculatur und bis zum 19. .Mai stechender Schmerz 
* im Kehlkopf. Husten schmerzhaft. Auswurf grün, 
} iu festen Ballen. 

i 15. Jfai 1894, 11 Uhr Abends, 30 Tropfen der 
VI. D.-P. Kopf benommen. 

Während der ganzen Zeit des Einnelnnens war 
die Stuhlentleerung bedeutend reichlicher und häu¬ 
figer. 

5. Juni 1894, 1 2 9 Uhr früh, 2 Tropfen der 
j III. D.-P. Vormittags bohrender Schmerz im rechten 
Knie. 

7. Juni 1894. Einreiben der Urtinetur in die 
gesunde Haut bleibt reactionslos. 

11. Juni 1894, 1 |.,9 Uhr früh, 2 Tropfen der 
Urtinetur. Vormittags Schmerz im linken Meta- 
carpophalangealgelenk. 

Bis zum 23. Juni 1894 empfand er zeitweilig 
| abwechselnde Schmerzen in beiden Kniegelenken. 

In der Zeit vom 27. Juni bis 15. Juli nahm er 
1 5, 6, 8 und 10 Tropfen der unverdünnten Essenz, 

j ohne irgendwie zu reagiren. 

I 

VUI. H. F., Cand. med. in Würzburg. ltn 
Laufe des Sommer-Semesters begann er mit 5 Tropfen 
und gelangte, täglich um 5 Tropfen steigend, bis 
zu 45 gtt. Symptome konnte er nicht constatiren. 

' Im August nahm er ein: 

I. 20 gtt., II. 30 gtt-, III. 40 gtt Ohne Symp- 
, tome. 

24 

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IV. 60 gtt., V. 60 gtt, VI. 7ö gtt. Hier 
stellten sich täglich 2 —3 Mal ganz plötzlich kolik¬ 
artige Leibschmerzen mit heftigem Stuhldrang und 
darauffolgendem dünnen, stückigen Stuhlgang ein. 
Die Leibschmerzen waren von kurzer Dauer, 3 bis 
4 Minuten; nach dem Stuhlgang waren sie ver¬ 
schwunden. Dies dauerte noch 2—3 Tage nach 
der letzten Dosis; dann wieder normal. 


IX. Dr. M. Haedicke in Leipzig. Personalia: j 

34 Jahre alt, von kräftigem Körperbau, Körper¬ 
gewicht 90 Kilo, Grösse 1,85 m, Temperament | 
sanguinisch, von normaler Gesundheit. Mit acht 1 
Jahren leichter Typhus, vom 18. bis zum 20. Jahre j 
linksseitige eitrig-tuberkulöse Drüsenentzündung, die ; 
nach viermalig vergeblicher Operation (Geheime | 
Sanitätsrath Dr. Wilke, Professor Volkmann und , 
Kraske in Halle, Professor Ried in Jena) dthlie9s- 
lich nach jähriger Behandlung durch den homöo- j 
pathischen Arzt Dr. Kirsten in Leipzig geheilt 
wurde. Seitdem stetes Wohlbefinden, auch während 
eines 2jährigen Aufenthaltes in den Tropen und 
in anderen überseeischen Klimaten. Der Vater und 
ein Bruder starben an Lungenschwindsucht, weshalb j 
periodisch Constitutionsmittel in Hochpotenz ge- 
nommen werden, noch niemals an irgend einer I 
Lungenaffection oder Influenza erkrankt. Im letzten I 
Winter während der Prüfung von Vinca minor lief- I 
tige stechende Schmerzen in der linken Seite (leichte j 
Pleuritis sicca), die nach Aussetzen des Mittels ver- j 
schwanden. Post hoc ergo propter hoc? Lebens¬ 
gewohnheiten regelmässig, Schlaf von 11—8 Uhr, 
fest, traumlos, Stuhl regelmässig. Raucher, mässiger 
Biergenuss, früh Gesundheitskaffee, Gesichtsfarbe 
wechselnd ohne Ursache, Haare und Pupillen dunkel¬ 
braun. Viel Obstgenuss und Pflanzenkost, weniger 
Fleisch — Jägerianer. 

Die Prüfung des III. Arzneimittels, einer dunkel- j 
grünen, bitteren, als giftig ihm bekannten Flüssig- J 
keit, begann er 

am 28. Mai Abends mit 1 Tropfen in wenig 
Wasser. 

Am 29. Mai früh und Abends je 1 Tropfen in 

wenig Wasser. 

Am 30. Mai 3 Mal je 1 Tropfen in wenig , 

W asser. 

Am 31. Mai 3 Mal je 2 Tropfen in wenig 

Wasser. 

Am 1. Juni 3 Mal je 3 Tropfen in wenig j 

Wasser. 

Vom 2.-4. Juni verreist, Prüfung ausgesetzt. 1 

Am 5. Juni leichter Schnupfen. ! 

Am 6. Juni keinerlei Beschwerden, weshalb die 
Prüfung wieder mit 3 Mal 4 Tropfen aufgenommen 
wird. 

Vom 5 bis 9. Juni 4 Mal täglich 4 Tropfen: 


Am 9. Juni heftige, reissend-ziehende Schmerzen 
in der rechten Schulter hei hellem, klarem Wetter. 

Am 10. Juni keine Arznei, die Schmerzen 
zeigten sich Vormittags nochmals in geringem Maasse. 

Am 11. Juni Wohlbefinden und 4 Mal 4 Tropfen, 
desgleichen am 12. und 13. Juni. 

Am 12. Juni regnerisches Wetter, am Tage 
wieder die heftig-reissenden Schmerzen in der 
rechten Schulter, die früher nie aufgetreten und 
durch keine begleitenden Umstände näher charak- 
terisirt waren. 

Am 13. Juni Nacht schmerzfrei, am Tage an¬ 
fallsweise dieselben reissend - ziehenden Schmerzen 
in der linken Schulter, überspringend aufs linke 
Ellbogengelenk. 

Am 14. Juni sehr guten Appetit, wie seit langer 
Zeit nicht, keinerlei Beschwerden. 3 Mal täglich 

5 Tropfen 

Am 15. Juni Vormittags einstündlich 5 Tropfen. 

Am 16. und 17. Juni verreist, keine Arznei, 
keine Beschwerden, sehr guten Appetit. 

Am 18. Juni 6 Mal 6 Tropfen, desgL am 19. JunL 

Am 19. Juni oft Harndrang mit stechenden 
Schmerzen in der Gegend der Pars prostatica, be¬ 
sonders gleich nach dem Wasserlassen, ziehende 
Rückenschmerzen, Urin klar. Das Einschlafen wird 
verhindert durch einen penetranten ammoniakalischen 
Geruch, der hei näherem Nachforschen vom Urin 
herrührte, weshalb das Nachtgeschirr weggesetzt 
wurde. Nacht gut, kein Harndrang. 

Am 20. Juni. Die Reaction dieses wie Am¬ 
moniak riechenden Urins war schwach sauer, Urin 
klar, dunkelgelb, am Tage vorher keine Abweichung 
von der sonstigen Lebensweise. Beim Aussetzeu 
der Arznei verlieren sich in den nächsten Tagen 
die Beschwerden vollständig. 

Am 26. Juni 4 Mal 6 Tropfen. 

Am 27. Juni 4 Mal 8 Tropfen. 

Am 28. Juni 4 Mal 10 Tropfen. 

Am 28. Juni Wiederauftreten der obigen Be¬ 
schwerden, die am 29. Juni auch nach Aussetzen 
der Medicin noch in derselben Weise auftreten. 
Besonders der starke Geruch und die Strangurie 
sind bemerkenswerth, grosse Müdigkeit. 

Nach 2 Tagen Befinden völlig gut, Prüfung 
abgebrochen. 

Am 21. Oct. schreibt derselbe nachträglich: 

„Auf Veranlassung des Herrn Dr. Schier, noch¬ 
mals einzunehmen und eine Untersuchung des Harns 
auf Zucker zu machen, da möglicherweise das 
Mittel bei Diabetes mit Erfolg angewendet werden 
könnte, nahm ich von dem Mittel am 15., 16. und 
17. Sept früh Morgens und Abends je 15 Tropfen 
in Wasser ein. Am 16. und 17. Sept. hatte ich 
geringe ziehende Schmerzen in Rücken- und Brust¬ 
muskeln, die sich durch Reiben und Belegung 


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187 


bald besserten, in der Nacht vom 16.j 17. Sept. 1 
sehr unruhiger Schlaf, vom 17. bis 19. Sept. ein¬ 
genommenen Kopf, tösiges Gefühl im Gehirn, so jdass 
ich nur mit Mühe die Sprechstunden ahhalten konnte. 

Am 20. Sept. Wohlbefinden bis auf eine links- t 
seitige Occipitalneuralgie, die einige Tage in milder 
Form anhielt und an der ich nur erst ein einziges 
Mal, im Jahre 1888 in den Tropen, gelitten hatte. 

Der schon früher beobachtete charakteristische, 
ammoniakalische Geruch wurde auch dieses Mal 
wieder beobachtet. ! 

Die Untersuchung des Urins auf Zucker wurde 
mit dem Nylander 1 sehen Reagens*) angestellt, das 

*) „Das Nylandet 'sehe Reagens wird in der Weise bereitet, , 
dass man 4 Gramm Seignettesalz in 100 cc. einer Natron- j 
lauge auflöst, welche 10,3 Proc. Natronhydrat enthält (oder 
das specifische Gewicht 1,119 besitzt). In diese auf dem 1 
Wasserbade erwärmte Flüssigkeit werden 2 Gramm Bismut. j 
subnitr. eingetragen. Zur Ausführung der Probe fügt man I 
in einer möglichst hohen Eprouvette, welche in einen Halter 
eingespannt ist, zu 5*> cc. Harn 0,5 cc. der Ai/ZawJer’schcn 1 
Lösung und hält das Gemisch nach erfolgtem Aufkochen j 
noch mindestens 2 Minuten dicht neben der Flamme des 
Bunsenbrenners, wodurch das lästige Stossen der Flüssigkeit 
vermieden wird und leicht ein ruhiges Sieden zu erzielen j 
ist, besonders wenn man noch einen spiralig gewundenen i 
Platindraht in die Flüssigkeit giebt. Enthält der betreffende 
Harn wenigstens 0,1 Proc. Zucker, so gewinnt der anfäng¬ 
lich rein weisse Erdphosphatniederschlag allmählich eine 
tief schwarze Färbung, während sich derselbe bei einem 
Zuckergehalt von 0,05 Proc. noch deutlich braun färbt. 
Hält man die angegebenen quantitativen Verhältnisse bei 
der Anfertigung des Reagens sowie bei der Ausführung der | 
Operation sorgfältig inne, so besitzt die Nylander'sche 
Probe die grösste Zuverlässigkeit, ist wegen der normalen j 
Zuckerepuren eines jeden Barns nicht übermässig empfind- , 
lieh und bietet namentlich gegenüber den alkalischen Kupfer¬ 
lösungen den eminenten Vortheil, dass ausser dem Zucker I 
kein andererHambestandtheil bekannt ist, welcher im Stande 
wäre, die vorschriftsmässig bereitete Wismuthlösung zu redu- | 
oiren, so dass eine Täuschung kaum möglich ist. Doch ist i 
es auch hier nothwendig, das etwa im Harn vorhandene ! 
Eiweiß» durch Coagulation und Filtriren vorher zu entfernen, j 
da sich im andern Falle beim Kochen mit der alkalischen i 
Flüssigkeit leicht braunes Schwefelwismuth bildet. Endlich 
stören die Probe, indem sie das Wismuthsalz wie Traubon- 1 
zucker reduciren, die Umwandelungsproducte eine Reihe j 
von eingenommenen Arzneimitteln, wie dies namentlich nach 
der Verabreichung von Rheum, Senna, Antipyrin, Antifebrin, I 
Terpentin, Xairin, Chinin, Tinct. Eucalypti, Natr. benz., t 
Salol, Tannin und der Salicylsäure festgestellt ist. Eine ! 
Medication muss also vor der Anstellung der Nylander sehen | 
Probe durchaus vermieden werden. Hier liegt der springende 
Punkt. Denn als ich genau in der hier beschriebenen Weise 
die Untersuchung auf Zucker anstellte, erhielt ich zwar eine , 
schwarze Färbung des Urins, aber Zucker war es nicht, ! 
sondern Stoffwechselprodncte, die wie Traubenzucker das i 
Wismuthsalz reduciren. Dieses Ergebniss ist wohl zu be¬ 
achten und muss vor allem denen vorgehalten werden, die 
der Ansicht sind, dass durch eine Arzneiprüfuug wirklicher 
Zucker im Ham zur Ausscheidung gelangen könnte/* 

Diese Schlussfolgeruug des Herrn Collegen Haedicke 
scheint mir (Referent) nicht ganz genügend begründet zu sein, 
da doch bis jetzt von der Essenz des Ranunculus nicht durch 
olt wiederholte Versuche bekannt ist, dass Wismuthsalzo durch 
ihre Umwandlungsproducte wie durch Traubenzucker reducirt 


am wenigsten Uebung erfordert und daher für den 
praktischen Arzt am meisten zu empfehlen ist. 
Diese Angaben verdanke ich Herrn Dr. Neumeüter, 
Professor der physiologischen Chemie an der Uni¬ 
versität Jena, z. Z. in Leipzig, welcher dieselben 
demnächst im 2. Theile seines Lehrbuches der 
physiologischen Chemie veröffentlichen wird.“ 

X. Dr. Fr. Roth in Mainz. 

25. Februar 1894 12 Uhr 5 Tropfen: 

Vermehrter Harndrang, ohne besonders reich¬ 
liche Entleerung von Urin. Müdigkeit und 
Schläfrigkeit. 

Z x \ 2 Uhr 5 Tropfen. 

Abends 7 Uhr: Ausfluss wässeriger Flüssigkeit 
aus dem linken Nasenloch. 9 Uhr: Drückender, 
ziehender Stimkopfschmerz links und geringe 
Hitze in der Stirn. 

Nachts 3 Uhr: Druck im Epigastrium wie von 
einem Stein; bei jedem Umdrehen im Bett Gefühl, 
als wollte Alles im Leib nach dieser Seite fallen, 
mit Uebelkeit, die sich bald verliert, aber bei jedem 
Umdrehen ebenso wiederholt. Dabei Aufstossen 
von Luft und Blähungsabgaug mit Erleichterung 
des Magens. Leichter Druck der warmen Hand 
erleichtert den Magenschmerz. Geringes Bauchweh 
im ganzen Unterleib, Knurren im Leib. 

26. Februar Morgens 8 Uhr: Beim Gähnen 
Knacken des linken Kiefergelenks. Stuhl normal. 

10 Uhr 7 Tropfen: Druck im Epigastrium hielt 
an bis Mittag und verschwand dann. Appetit gut. 

Abends 6 Uhr 10 Tropfen. Druck im Epi¬ 
gastrium kehrt Abends wieder und zieht zuweilen 
bis zum linken Rippenbogen. Abends vor dem 
Schlafengehen Jucken am Rücken an mehreren 
Stellen, ebenso an der linken Wange. An den 
betreffenden Stellen kleine, rothe Knötchen. Kratzen 
erleichtert wenig, darauf Brennen. Nachts wieder 
Leibschmerz und Magendruck wie gestern Nacht, 
mit denselben Begleiterscheinungen. 

27. Februar früh im Bett öfters momentane 
leise Druckschmerzen in der linken Stirnhälfte. 

würden; meine eigenen diesbezüglichen mit demselben Reagens 
angestellten Versuche ergaben z. B. keine Spur von Schwarz¬ 
färbung, vielmehr gründet sich meiue Vermuthung, dass der 
sceleratus bei Diabetes ev. sich wirksam zeigen könne, auf die 
sonstige Gesammtähnlichkeit der Symptome. Auch liegt 
a priori kein Grund gegen die Annahme vor, dass eben 
so gut ein specifisch auf Pancreas und Leber wirkender 
Arzneistoff Zuckerausscheidung bewirken könne, wie künst¬ 
liche Albuminurie durch viele Mittel, z. B. Kali bichromi- 
cum und Bleisalze, unzweifelhaft hervorgerufen wurde. Ob 
wir allerdings von einem nach homöopathischen Grundsätzen 
bei Diabetes zu verwendenden Mittel verlangen müssen, dass 
es beim Gesunden Zuckerausscheidung bewirke, ist eine 
andere Frage. Dr. Schier. 

(Vergleiche auch das Taschenbuch der medicinisch- 
klinischeu Diagnostik von Müller und Seifert . Wiesbaden 
1 SSO. S. (>'*>. Referent.) 


24* 


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188 


Beim Aufstehen noch leichter Druck im Epigastrium, 
durch das Frühstück nicht beeinflusst. 

10 Uhr 12 Tropfen: Mittags stärkerer Druck im 
Epigastrium. Abends 7 Uhr: Rasches Zucken, bald 
rechts, bald links in Stirn und Schläfen. Gefühl 
von Schwüle. Leises Bauchgrimmen. Auf Wange 
und Brust kleine, juckende Knötchen, wie Acne 
im Entstehen. 

28. Februar. Etw'as dünner Stuhl ohne Schmerz, 
Appetit gut. 9 Uhr 25 Tropfen. Mittags Müdigkeit. 

1. März 1894 Abends 5 Uhr 30 Tropfen: Neiguug 
zu Tiefathmen. Schlechter Geschmack der in 
Wasser genommenen Tropfen. 9 Uhr Abends 
leichter Stirnkopfschmerz links, Ziehen uud Drücken; 
leichtes Stechen im weichen Gaumen, besonders 
links, leichtes Ziehen in den Ohren; Druck im Epi¬ 
gastrium, raässig. In der Kreuzbeingegend Schwäche¬ 
gefühl und Ziehen; Druck in der Lendenwirbel¬ 
gegend. Ziehen in den Zähnen unten rechts. 

2. März früh dünner Stuhl, leichter Leibschmerz. 

12 Uhr: Ziehen in der Herzgegend. Müdig¬ 
keit und Gähnen bis 4 Uhr. 

3. März. Leichter Druck im Epigastrium, der 
Lendenwirbelsäule und rechts und links vom Kreuz¬ 
bein. Stuhl breiig, mit geringem Leibschmerz ver¬ 
knüpft, Ziehen in den Zähnen unten rechts. 4 Uhr 
Abends. Ausfluss geringen wässrigen Schleimes aus 
dem rechten Nasenloch. Abends Ziehen in der 
rechten Brustseite von der Warze bis zur Achsel¬ 
höhle, in dem linken Jochbein bis zum Ohr, am 
linken, inneren Fussrande. Afterjucken. Ziehen 
in den verschiedenen Körperstellen abwechselnd. 

4. März früh: Ziehen in verschiedenen Körper- 
steilen, Unbehaglichkeit im Abdomen, Bauchgrimmen, 
Druck im Epigastrium, muss aus dem Bett und 
entleert einen breiigen Stuhl, worauf das Bauch¬ 
grimmen aufhört, dagegen der Druck im Epigastrium 
noch fortbesteht. Juckeu an verschiedenen Körper¬ 
stellen, besonders der Nasenspitze. 

Abends 7 Uhr. Unbehaglichkeit im Abdomen, 
Uebelkeitsgefühl, Ziehen im Abdomen, besonders 
links, Ziehen im linken Vorderarm, nahe am Rücken 
des Handgelenks, Ulnarseite. Ziehen in dem Vorder¬ 
kopf links, in den Zähnen links und Druck an der 
Spitze des linken Schulterblattes. Appetit vermindert. 
Neigung zum Tiefathmen; Jucken in der Oberlippe, 
besonders liuks. Magen durch Aufstossen erleichtert; 
Schleimausfluss aus der Nase rechts und links. 

5. März. Morgens: Rückenschmerz in Kreuz- 
und Lendentheil, besonders beim Bücken, spannend. 
Schleim aus dem linken Nasenloch. 12 Uhr. 
Nase läuft noch. Müde und schläfrig. Jucken hier 
und dort. Abends: Nase läuft weiter, Kriebeln an 
ihrer Spitze. Gefühl, wie von einem Haar am harten 
Gaumen. Beim Zubettgehen Druck im Rücken 
links in der Höhe des Rippenbogens. 


6. März. Morgens: Leibschmerz, muss aus dem 
Bett; breiiger Stuhl, danach hört der Leibschmerz 
auf. Nachts: Mageudruck gering. 

7. März. Guter Stuhl ohne Leibschmerz. Zahn¬ 
fleisch seit Beginn der Prüfung wund und schmerz¬ 
haft. Nase tropft oft. 2 Uhr: Zucken der Muskeln 
zwischen Mittelhaudknochen des Daumens und Zeige¬ 
fingers. Abends 8 Uhr. Leichter Magendruck, 
Unbehaglichkeit im Abdomen. Aufstossen von Luft 
mit Brechneigung. Augstgefühl. Schwäche im 
Magen. Nach Aufstossen Erleichterung. Leiser 
Kopfschmerz, Drücken rechts und links in der Stirn. 
Abends 9 Uhr. Muskelzuckung wie um 2 Uhr. 

8. März. Früh im Bett Leibschmerz, besser 
nach Entleerung eines breiigen Stuhles. Abends 
8 Uhr. Leichter Magendruck mit Uebelkeit, durch 
Aufstossen gebessert. Blähungen. Druck in der 
Kreuzbeingegend. Ziehen in der Herzgegend. 
Rechter Ellbogen (Condyl. internus) wie gestossen, 
lange anhaltender Schmerz. Tropfen der Nase, fort¬ 
während. Ziehen, rasch wechselnd, in den Augen, 
Vorderarm, Hüftgelenk, Oberschenkel. Müdigkeit 
über den Augen. Nachts schreckhafte Träume von 
Leichen. 

9. März. Zahnfleisch wund und schmerzhaft, 
besonders bei Berührung durch Speisen. 

10. März. Früh: Leichter Leibschmerz, kurze 
Zeit. 10 Uhr. Geringes Reissen im rechten Ober¬ 
arm. Abends: Längere Zeit Druck in der Lenden¬ 
wirbelsäule, in wechselnder Stärke ; Juckeu, bald 
hier, bald da. Beim Nachtessen fallen die Augen 
vor Müdigkeit zu; Kauen schmerzhaft am Zahnfleisch. 
Trockenheitsgefühl in der Nase. 

11. März. Morgens: Leibschmerz im Bett und 
breiiger Stuhl, mit Besserung danach. Trockenheit 
der Nase. Abends: Ziehen im linken Ohr und Schläfe. 

12. März. Morgens: Geringes Bauchgrimmen, 
danach breiger Stuhl. Zahnfleisch wund. 6 Uhr. 
Mageudruck, gering; Aufstossen bessert; Nase tropft. 

13. März. Morgens: Bauchgrimmen und breiiger 
Stuhl. Nase trocken. 

14. März. Morgens: Bauchgrimmen, breiiger 

Stuhl. 12 Uhr: Nase tropft. 

15. März. Leichtes Bauchgrimmen Morgens 
im Bett, breiiger Stuhl. 12 Uhr: Nase tropft. 

16. März. Ebenso. 

Druck in der rechten Axillarlinie 7.—8. Rippe 
eine viertel Stunde lang; durch Athmung und Druck 
unbeeinflusst. 

17. März. Bauchgrimmen, breiiger Stuhl Mor¬ 
gens. Abends 8 Uhr. Stechen oberflächlich, über 
dem Nabel; Ziehen in verschiedenen Körpertheileu. 
Nase tropft. 

18. März. Abends 6 Uhr. Brecherlich und 
schwach, bald vorübergehend, bald wiederkehrend. 
Aufstossen und Windeabgang erleichtern. 


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Goc e 



189 


19. März. Stiche in der Herzgegend, besonders 
beim Ai Innen und Gehen; Ziehen in einzelnen 
Körpertheilen. Dumpfer Schmerz, wie voll und ver¬ 
stopft, von den Armen bis in die Hände, besonders 
beim Stützen auf die Ellbogen. Hände wie dick 
und geschwollen, besonders beim Faustmachen. Nase 
tropft; Aufstossen von Luft. 

Abends 10 Uhr. Jucken der Nase stark und 
Tropfen. Taubheit und Kriebeln der Finger der 
linken Hand und Schwere des rechten Oberarmes. 
Ziehen im linken Auge, schläfenwärts. Verstopfung 
der Nase und öfteres Niesen (Schnupfengefühl). 
Stiche in der Herzgegend. 

20. März. Morgens im Bett Stiche und Ziehen 
in der Herzgegend. Etwas Leibschmerz, nach 
Aufstossen und Windeabgang verschwunden. Ver¬ 
stopfung der Nase wie bei Schnupfen; tropft dabei 
und juckt an der Spitze. 

21. März. Nase tropft. 4 Uhr Abends: Links 
drückender und ziehender Stimkopfschmerz bis zum 
Schlafengehen; Ruhe bessert. 

22. März. Links leichter Stirnkopfschmerz wie 
am 21. März. 

28. März. Breiiger Stuhl. 1 Uhr: Im Freien 
plötzlich starkes Kratzen im Kehlkopf wie von Staub, 
trocken, zum Husten reizend, kurze Zeit; Flatulenz. 

24. März. Leibschmerz, gering; nach breiigem 
Stuhl verschwunden. Abends 8 Uhr: Leichtes 
Ziehen in den linken unteren Backenzähnen. Nach 
dem Niederlegen starke Stiche an der Vereinigungs¬ 
stelle der 3. linken Rippe mit dem Sternum. 

25. März. Morgens 8 Uhr: Gurren im Leib 
beim Aufstossen. 10 Uhr: Kratzen im Hals wie 
von Staub, trocken, oft zum Husten reizend. Nasen¬ 
scheidewand rechts innen etwas geschwollen und 
schmerzhaft bei Berührung, Nase verstopft, tropft. 
Abends 6 Uhr: Blutiger Speichel. 8 Uhr: Starkes 
Stechen links oberhalb des Kehlkopfs. 10 Uhr: 
Druck links und rechts in der Mitte der Schulter¬ 
blätter, stärker beim Athmen. Jucken und Quaddel¬ 
bildung am Kinn. Läuten in den Ohren, auch in 
den vorhergehenden Abenden bemerkt. Im Bett 
Ziehen in dem rechten Knie und der linken Schläfe. 

26. März. Breiiger Stuhl, Gurren im Abdomen. 
Zucken in den Nackenmuskeln links; Nasenscheide¬ 
wand rechts noch sehr schmerzhaft. Ziehen über 
dem rechten Auge bis zur Schläfe. 

27. März. Geringer Leibschmerz nach dem 
After zu im Unterbauch; breiiger Stuhl, stark 
riechend. Ziehen über dem linken Auge zur Schläfe. 
Am rechten oberen ersten Mahlzahn bemerke ich 
heute zum ersten Male starken Schwund des etwas 
geschwollenen Zahnfleisches der äusseren Fläche. 
Alle übrigen Zähne nebst Zahnfleischbekleidung 
sind tadellos. Dabei keine Schmerzempfindung. 
Druck in der linken Stirnhälfte. 2 Uhr: Schmerz¬ 


haftigkeit des Rippenbogens bis zur hinteren 
Axillarlinie und der unteren Rippen besonders 
rechts, links weniger. Druck sehr empfindlich. 
Schmerz der Muskulatur rechts oberhalb des Kniees 
beim Gehen. Ziehen in der Herzgegend. Nasen¬ 
scheidewand noch geschwollen und schmerzhaft; 
Borken darauf. Zucken der Muskeln des Zwischen- 
handinterstitiums I und n. 6 Uhr: Ziehen in den 
Muskeln oberhalb des linken Kniees. 8 Uhr: 
Ziehen im linken Oberschenkel; Ziehen in der 
linken Stirnhälfte. Rechtes Nasenloch sondert 
Schleim ab, der heute dick und gelb ist, wie reifer 
Schnupfen, später viel wässrige, milde Flüssigkeit. 
Ziehen und Zucken in der rechten Achsel Gefühl 
von Uebelkeit und Unbehagen. Aufstossen bessert. 

28. März. Noch Schmerz bei Druck auf den 
Rippenbogen. 12 Uhr: Zuckendes Reissen im 
Nacken. Muskelzucken am Daumen (wie oben). 
5 Uhr: Ziehen im linken Schienbein von der 
Hüfte aus. 8 Uhr: Zuckendes Reissen in ver¬ 
schiedenen Körpertheilen. 9 Uhr: Nach dem 
Nachtessen sofort Reissen im Unterleib, besonders 
rechts und links in den Flanken; durch Aufstossen 
und Windeabgang vorübergehend gebessert; dann 
reichlicher dünner, breiiger Stuhl mit Erleichterung. 
Hierauf Frösteln und starkes Schlaf bedürfhiss. 
Nachts: Unruhe, abenteuerliche Träume. 

29. März. Morgens geringer breiiger Stuhl; 
etwas Druck im Epigastrium. 6 Uhr: Gefühl wie 
von Staub im Hals. 

30. März. Geringer Leibschmerz; breiiger 
Stuhl. 10 Uhr: Zucken der Muskulatur des linken 
Daumens (wie oben). 12 Uhr: Ebenfalls. Urin 
roch Morgens nach frisch gegohrenem Aepfelwein. 
4 Uhr: Muskelzuckung am Daumen. 5 Uhr: Ebenso. 
Nasengeschwür schmerzt und sondert Blut und 
Serum ab. Aufstossen von Luft und Windeabgang. 

31. März. Breiiger Stuhl. Rechter Nasenflügel 
zeigt innen ebenfalls eine schmerzhafte, geschwollene 
Stelle. 12 Uhr: Müdigkeit, Gähnen. Den ganzen 
Tag oft Zuckungen der Muskeln am linken Daumen 
(wie oben). 10 Uhr Abends: Ziehen im linken 
Oberschenkel bis zum Knie. 

1. April. Breiiger Stuhl. Zucken in der 
linken Hand und im Handgelenk. 

2. April. Breiiger Stuhl. 3 Uhr: Kratzen im 
Hals, wie von Staub, beim Sprechen. 

3. April. Im Bett etwas Leibschmerz; breiiger 
Stuhl. 

4. April. Breiiger Stuhl, jedoch dicker als 
seither. Ziehen hier und dort. 

5. April. Normaler Stuhl. 

6. April. Ebenfalls. Nase geheilt. 

7. April. Ebenfalls. 

Bis hierher hat er jedes Symptom gewissenhaft 
notirt und gegen Schluss ein langsames Abklingen 


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der Stärke bemerkt. De die letzte Dosis des j 
Mittels, am 1. März 1894 genommen wurde, so 
hielt die Wirkung ca. 5 Wochen vor. Nach dieser 
Zeit wurde er anderweitig stark in Anspruch ge¬ 
nommen, so dass seiner Aufmerksamkeit vielleicht 
einige noch folgende feinere Symptome entgehen 
konnten. Stärkere Erscheinungen sind aber jeden¬ 
falls nicht mehr aufgetreten. j 

Die Prüfungen mit Potenzen , wozu er zunächst 
die 3. Qecimale benützte, haben ebensowenig, wie 
die äussere Applikation der Tinctuv , die er auf 
Hautstellen verschiedener Dicke aufstrich, ein be¬ 
stimmtes Resultat gezeitigt. (Forts, folgt.) 


Personalia. 

Am 1. November feierte Dr. Groos das 
25jährige Jubiläum seiner ärztlichen Thätigkeit in 
Barmen. Dieser festliche Tag gab den Familien, 
deren Arzt er seither gewesen, sowie den Freunden 
der Homöopathie dem verehrten Jubilar ihre 
freudige Anerkennung auf die mannigfachste Weise, 
in Adressen, Glückwünschen und in hübschen, 
sinnigen Ehrengeschenken zum Ausdruck zu bringen. 
Wir heben unter diesen eine von mehr als 50 der 
angesehensten Familien Barmens ihm überreichte 
Adresse, sowie die Beglückwünschung des Ober¬ 
und Unter-Barmer homöopathischen (Laien-) Vereins 
hervor. 

Auch wir senden ihm, wenn auch erst post 
festum, unsere herzlichsten Segenswünsche zu 
diesem Ehrentage. Der Redacteur. 


Vom Bllohertisch. 

Internationales homöopathisches Jahrbuch. Von 
Dr. Alexander Villen. Dresden 1894. 

Der zweite Band des von Collegen Villers im 
Selbstverläge herausgegebonen internationalen Jahr¬ 
buchs liegt jetzt vor uns als ein stattliches, volumi¬ 
nöses Werk mit reichem, jeden homöopathischen 
Arzt interessirenden Inhalt. Da ist zunächst das 
Adressbuch, welches uns die Namen, das Nationale 
sämmtlicher auf dem weiten Erdenrunde vorhandener 
homöopathischer Aerzte, nach den Ländern gruppirt, 
giebt, in der Weise wie unsere Medicinalkalender, 
die aber nur Deutschland allein betreffen; es bringt 
aber auch die Specialföcher und die Sprechstunden. 
Willkommen ist uns dann das Verzeichniss der 
homöopathischen Apotheken, der homöopathischen 
Krankenhäuser und Dispensarien (Polikliniken), so¬ 
wie das der homöopathischen Vereine und Gesell¬ 
schaften. Dass diese Data relativ, d. h. für eine 


gewisse Zeit nur zutreffen, liegt in der Natur der 
Sache; hier ist ja Alles in beständigem Flusse. Aber 
für diese Zeit sollen sie richtig sein. Im Allge¬ 
meinen ist dies auch der Fall; im Speciellen laufen 
indess noch so manche Fehler mit. So ist uns 
aufgefallen, dass der treffliche Dr. Aegidi, welcher 
längst das Zeitliche gesegnet, wieder als in Freien¬ 
walde prakticirend angeführt wird, während anderer¬ 
seits eine Anzahl lebender und prakticirender Aerzte 
fehlt. Wenn wir dies bemängeln, so wollen wir 
freilich nicht verkennen, wie schwierig es für den 
Verfasser ist, das nöthige Material zu sammeln und 
zu sichten, zumal die Saumseligkeit so mancher 
schreib unlustiger Collegen als ein erschwerender 
Umstand mitwirkt. Eine gründliche Durchmusterung 
des Materials wäre aber doch dringend nöthig ge¬ 
wesen, um das Ideal, das dem Verfasser vorschwebt, 
zu erreichen. 

Der H. Theil des Jahrbuches liefert eine Biblio¬ 
graphie, ein Verzeichniss der von 1891 — 93 er¬ 
schienenen homöopathischen Schriften, Abhandlungen, 
Monographieen etc. nebst Register der Autoren. Da 
dieser Theil späterhin wegfallen wird, indem ihn 
Verfasser dem von Cartier in Paris herausgegebenen 
Universal Homöopathie Annual anheimgiebt, so wird 
Villers dann seine volle Kraft auf die möglichste 
Vervollkommnung des Adressbuches epneentriren 
können, eines Hülfsbuches, das auf dem Arbeits¬ 
tische keines homöopathischen Arztes fehlen darf, 
der sich einen Ueberblick über die Verbreitung der 
Homöopathie verschaffen will. Dr. Kose*. 


Lesefrüchte. 

Uebrr die Pathogenese der Scbleirahsut- 
enlziinduugen nach Quecksilbergebraach. 

Maurel hat beobachtet, dass die Leukocyten 
gegen Quecksilber sich sehr empfindlich verhalten; 
sie verlieren in demselben schnell ihre Lebensfähigkeit. 
Im Anschluss hieran hat er sich mit der Frage be¬ 
schäftigt, ob die Stomatixis mercurialis nicht darin 
begründet sei, dass die Leukocyten der Mund¬ 
schleimhaut durch das Hg. die Fähigkeit einbüssen, 
gegen die Mikroben, welche gleichfalls in dar 
Mundhöhle Vorkommen, gehörig reagiren zu können. 
Zur Lösung dieser Frage hat er folgende Versuche 
angestellt: Er studirte zunächst die beim Kaninchen 
in der Nasenhöhle gewöhnlich vorkommenden, nicht 
pathogenen und pathogenen Mikroben und iqercu- 
rialisirte dann gesunde Kaninchen mittels suheutaner 
Sublimatlösungen. Zum Menstruum nahm er ein 
Secret der Nasenschleimhaut. So lauge die Suhli- 
matdosis nicht 5 mg pro kg Thier überschritt, 
blieben diese Einspritzungen wirkungslos; war die 
Dosis stärker als 1 cg pro kg Thier, so bildeten 


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191 


sieb stets Abscesse. Aebnliche Resultate wurden 
für die Darmmucosa erhalten. — Er schloss dar¬ 
aus, dass Scbleimbautentsündungen bei der Hg-Ver¬ 
giftung infectiösen Ursprungs und häufig auf Mikro¬ 
organismen zurückzuführen seien, welche auch auf 
den normalen Schleimhäuten leben. Während diese 
Keime aber sonst durch die mikrobenfeindliche Eigen¬ 
schaft der Leukocyten verhindert werden, pathogene 
Eigenschaften zu entwickeln, entstehen dadurch, 
dass während die Hg-Vergiftung die mikroben- 
tödtende Energie der Leukocyten herabgesetzt, bez. 
vernichtet ist, sehr leicht infectiöse Entzündungen, 
indem nunmehr dieselben Mikroben in der Betliä- 
tigUng ihrer Virulenz nicht mehr gestört werden 
können. 

(Acadömie de medicine zu Paris 24-/8. 1894.) 


A womans international provers association. 

Während des homöopathischen Weltcongresses 
zu Chicago hat sich eine internationale Frauen- 
Prüfungsgesellschaft gebildet, an deren Spitze 
Dr. Martha Canfield steht. Es hat sich eine nicht 
unbeträchtliche Anzahl von Aerztinnen an den 
Prüfungsarbeiten hetheiligt. Zunächst wurde für 
das erste Jahr Conium maculatum gewählt, und 
wurden die Prüfungen mit der 30. x, 3. x, 1.x und 
Urtinctur vorgenommen. In der Jahresversammlung 
zu Denver lagen die Protokolle von 7 Prüfungen 
vor. — Es waren besonders zwei Symptome, die 
von der Mehrzahl derselben, bei allen Potenzen, 
beobachtet und stark betont werden: „Dumpfer 
Hinterhauptsschmerz beim Aufstehen, Morgens, der 
den Tag über anhält“ oder „dumpfes Weh in der 
Lumbar- oder Sacral-Gegend“. 


Anzeigen. 


Ein Apotheker norddeutscher Gressstadt wünscht 
zwecks Niederlassung mit einem homöopathischeu Arzte in 
Verbindung zu treten. 

Offerten unter 159 an die Expedition dieser Zeitung. 

Günstige Offerte. 

Prima deutscher und frauzös. Cognac. 

Durch directe und verwandtschaftliche Beziehungen mit 
einem der ersten Häuser in Cognae bin ich in der Lage, 
allen Freunden eines vorzüglichen, echten französischen 
Cognacs eine zuverlässig echte und preiswerthe Waare 
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Apotheker. 

Hauptniederlagen in Leipsig bei 

A. Marggraf s homoopath. Officin 

und 

T&8chner k Co., Homöopath. Central-Apotheke. 

Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Collectionen vom 1. bis 129. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und so weit 
der Vorrath reicht, auch einzelne Nummern zu 
billigsten Preisen. 

A. Marggraf 8 homöopath. Officin in Leipzig. 


Aret-Gesucb. 

I In einem Orte der Provinz Sachsen, mit guter Um- 
I gebung (Magdeburger Gegend), wo lange Jahre ein homöo¬ 
pathischer Arzt segensreich wirkte, wird, da der jetzige 
1 allopathische Arzt nicht beliebt ist, baldigst ein tüchtiger, 
liebenswürdiger homöopathischer Arzt gesucht, der aber zu 
gleicher Zeit tüchtiger Geburtshelfer sein muss. Derselbe 
findet hier einen sicheren, lohnenden Verdienst. 

Zu näherer Auskuuft ist gern bereit der Maurer- und 
Zimmermeister Carl Homann in Barby. 

Ein tüchtiger homöopathischer Arzt, christl. Con- 
fession, findet m einer grösseren Stadt am Rhein gute 
Praxis; es ist zwar schon ein homöopathischer Arzt am 
Orte, doch wird auch ein zweiter lohnende Praxis 
finden, da einer allein nicht auskommt. Das Haus des 
früheren homöopathischen Arztes daselbst kann über¬ 
nommen werden. Offerten erbeten sub R. L. 687 an 
die Expedition dieses Blattes. 

Im Verlage von Adalbert Fischer in Leipsig ist er¬ 
schienen : 

Vom tropischen Tieflande zum ewigen Schnee. 

Von Professor Anton Goerlng. 

Den in dieser Beilage gebrachten günstigen Besprech- 
l ungen kann ich mich nur voll und ganz anschliessen und 
i dieses Buch jedem Freunde von Naturschönheiten, beson¬ 
ders der neuen Welt, zur Anschaffung empfehlen. Es wird 
uns in demselben eine höchst angenehme, den Geist an¬ 
regende und in jeder Hinsicht lehrreiche Lectüre geboten; 
unstreitig bietet auch das Buch im wahren Sinne des Wortes 
einen werthvollen Zimmerschmuck, auch für die feinsten 
Salons. In Anbetracht der hoch eleganten, künstlerischen, 
dabei äusserst soliden Ausstattung ist der Preis ein höchst 
bescheidener zu nennen und es wird Jedermann dadurch 
leicht gemacht, nicht nur ein Prachtwerk von dauerndem 
Werthe zu erwerben, sondern auch deutschen Fleiss und 
deutsche Kunst zu unterstützen. 

Das Weihnachtsfest naht: Vielen wird daher eine solche 
wirklich herrliche Gabe willkommen sein. Aufträge nimmt 
gern entgegen 

A. Marggraf 8 homöopathische Officin 
| und Buchhandlung, Leipzig. 


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. 192 


Bekanntmachung. 

Der Vorstand des Homöopathischen Central vereine hat, um die durch Vermehrung der Central Vereinsbibliothek nöthig 
gewordene Anschaffung eines neuen Schrankes aus Sparsamkeitsrücksichten und aus Mangel an Platz für die Auf¬ 
stellung desselben zu vermeiden beschlossen, eine Anzahl drei- und vierfach vorhandener, theilweise schon vergriffener oder 
seltener älterer Werke an Collegen abzugeben. Der Erlös aus denselben ist zu Neuanschaffungen für die Bibliothek bestimmt. 

Collegen, welche auf eins der in vorstehender Liste verzeichneten, mit Preisangabe versehenen Werke refle*- 
tiren, wollen sich an den Bibliothekar, Herrn C. Günther, Leipzig, Sidonienstr. 44, wenden. 


Leipzig, L9. November 1894. 

Mark 

100.— Allgem. Homöop. Zeitung. Bd. 1—72. geh. od. 
brosch. 

3.— Altsohul, Systematisches Lehrbuch d. theoretischen 
und praktischen Homöopathie. Sondershausen 
1858. geb. 

2.— Argentl, Homöopath. Behandlung verschiedener 
Krankheiten. Pest 1860. geb. 

1.— Arnold, Das rationell - specifische oder idiopath. 
Heilverfahren. Heidelberg 1851. geb. 

1.50 Attomyr , Primordien einer Naturgeschichte der 

Krankheit. 1.—2. Bd. Wien 1851. brosch. 

2.50 Bähr, Digitalis purpurea in * ihrer physiologischen 

u. therapeutischen Wirkung. Ijeipzig 1859. geb. 
(Gekrönte Preisschrift) 

5.— — Die Therapie nach den Grundsätzen der 
Homöopathie. 1.—2. Bd. Leipzig 1862. geb. 

1.— Banmann, Das alte und neue Heilverfahren mit 
Medicin. Memmingen 1857. geb. u. brosch. 

1. — —Mosaikvon Bernstein. 1.— 3.Tafel. Leipzig 1857. 
2.50 Bönninghansen, y.. Versuch einer homöopathischen 

Therapie der Wechsel- und anderer Fieber. 
Ijeipzig 1864. geb. 

—.25 — Homöopathische Therapie der Wechsel lieber. 
Münster 1833. 

2.50 Braun, Die Medicin unserer Tage in ihrer Vervoll¬ 
kommnung durch das homöopath. Heilsystem j 
Leipzig löte, brosch. 

5.— GraiYOgl, Y., Die Grundgesetze der Physiologie, | 
Pathologie und homöopath. Therapie. Nürnberg 
1860. brasch. 

70.— Griesselleh, Hygea. 1.—23. Bd. geb. 

37.— Hahnemann, Keine Arzneimittellehre. 3. Autl. 
1830. geb. 

9. — —- Organon der Heilkunst. 4. Aull. 1829. geb. | 

2. — — chronische Krankheiten. 1.—2. Bd. Iieipzig. ; 

1847. geb. ! 

12.— Hartlaub und Trinks, Annalen der homöopath. i 
Klinik. Eine Sammlung von Beobachtungen und l 
Erfahrungen im Gebiete der homöopath. Heil¬ 
kunde. 1.—4. Bd. Leipzig 1830. I 

3. — Hartmann, Spezielle Therapie acuter und chroni- ; 

scher Krankheiten. 1.—2.Bd. Leipzig 1847. geb. 

2. — — Therapie acuter Krankheitsformen, l.u. 2. Thl. 

Leipzig 1834. geb. 

3. — — Compendium der speciellen Pathologie und 

Therapie. Frankfurt 1859. geb. 

10.— Hausmann. Ueber die Ursachen und Bedingungen 
der Krankheiten. Leipzig 1867. geb. 

12.— Hering, Amerik. Arzneiprüfungen. 1857. geb. 

3.— Hirsch, Der homöopath. Arzt in der Kinderstabe, 
Leipzig 1865. brosch. 

3. — Hirsehel, Die Homöopathie. Eine Anleitung zum 

richtigen Verstäudniss. 1851. geb. 

4. — — Compendium der Homöopathie. Wien 1864. 

brosch. 


I. V.*. Dr. med. Lorbacher. 

Mark 

Jahr, Repertorium der homöopath. Arzneimittel¬ 
lehre. 1.—2. Bd. Leipzig 1848. 

.25.— — Gedrängte Total-Uebersicht aller zur Zeit eiu- 

geführten homöopath. Heilmittel. Düsseldorf 
1834. geb. 

7. — — Klinische Anweisungen zur homöopath. Be¬ 

handlung der Krankheiten. Leipzig 1849. geb. 

3. — — Rationelle Gesundheitslehre für Jedermann. 

Leipzig 1870. 

4. — — Alphabetisches Repertorium der Hautsymp¬ 

tome und äusseren Snhstan/.^nändernngen. 
Iieipzig 1849. 

15.— —Handbuch der Haupt-Anzeicheu für die rich¬ 
tige Wahl der homöopath. Heilmittel. Düssel¬ 
dorf 1835. 

4. - — Allgemeine und speoieUe Therapie der Geistes¬ 

krankheiten und SeelenBtömngen. Iieipzig 1855. 
3. — Jörg, Materialien zu einer künitigen Heilmittel¬ 
lehre, durch Versuche der Arzneien an gesunden 
Menschen. Leipzig 1825. 

35.— Kafka. Die homöopathische Therapie. 1. -2. Bd. 
Sondershausen 1865. geh. 

3. — Koch, Die Homöopathie physiologisch, pathologisch 

u. therapeutisch begründet. Karlsruhe 1846. geh. 
25.— Müller, Clotar, Internationale Horaöop. Presse, 
brosch. 

45.— — Homöopath. Vierteljahrssehrift. 1.—16. Bd. geb. 
6.— Oesterreich Ische Zeitschrift für Homöopathie. 
1.—4. Bd. geb. 

25.— Rückert, Klinische Erfahrungen der Homöopathie 
1.—4. Bd. Leipzig 1854. geb. 

4 — — Grundzüge einer künftigen speciellen homöop. 
Therapie etc. 1/eipzig 183tf. geb. 

8. — — Systematische Darstellung aller bis jetzt ge¬ 

kannten homöopath. Arzneien etc. 1.—2. Bd. 

Leipzig 1835. 

2.— Bammel, Die Homöopathie in ihrer Licht- und 
Schattenseite. Leipzig 1827. geb. 

1. — Schmid, Das Choleragift Ijeipzig 1870. brosch. 

5. — Schneider, Handbuch der reinen Pharmakodyna¬ 

mik. Magdeburg 1853. geb. 

2. — Sehrön, Die Naturheilprocesse und die Heil¬ 

methoden. 1. —2. Theil. 1837. 

4. — Sorge, Der Phosphor ein grosses Heilmittel. Leip¬ 

zig 1862. geb. 

9. — Stapf, Kleine Medicinische Schriften v. S. Hahne¬ 

mann. 1829. geb. 

70.— — Archiv. 1.—23. Bd. geb. 

6. — Thorer, Praktische Beiträge im Gebiete der 

Homöopathie. 1.-4. Bd. Ijeipzig 1834. geb. 
20.— Trlnks , Handbuch der Homöop. Arzneimittel¬ 
lehre etc. 1.—3. Bd. Ijeipzig 1834. geb. 

4. — Wlslicenus, Entwicklung eines wahrhaft physio¬ 

logischen Heilverfahrens. Leipzig 1860. geb. 

5. — Wurmb, Homöop.-klin. Studien. Wien 1852. geb. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle.und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Ofticin) in Leipzig. 

Druck von Julius M&str in Lsipsif. 


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Band 129. 


Leipzig, den 20. December 1804. No. 25 11. 26. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITEN«. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von Will iain Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlcin) in Leipzig. 


Erscheint Utägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af, 00 Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasensteln £ Vogler 
in Leipzig und dessen Fi 1 ialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraPs homöopath. Offlcin in Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf . pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet. 


Inhalt Die Homöopathie und die Schulmedicin. Uebersetzt von Dr. Haedicke in Leipzig. — III. Bericht der 
Arzneiprüf ungsgesellschaft. Nachprüfung von Ranunculus sceleratus. Referent Dr. Schier in Mainz. (Fortsetzung.) — 
Bildung von Kothsteinen in Folge von anhaltendem Gebrauch von Magnesia und Wismuth. — Lesefrüchte. — Fest- 
Bericht. — Noch ein 50jähriges Doctorjubiläum. — Stellung für junge Landwirthe ohne Vermögen! — Anzeigen. 

Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Die Homöopathie und die Schulmedicin. 

Uebersetzt von Dr. Haedicke in Leipzig. 

In der französischen Zeitschrift „L’art medicale“ 
ist ein Vortrag von Dr. J. Tessier veröffentlicht 
worden, den wir in nachstehender Uebersetzung 
auch unseren Collegen zur Kenntniss bringen wollen. 

„Wer von Ihnen uns die Ehre erwies, den letzten 
Versammlungen beizuwohnen, der hat sich auch 
ein Bild machen können von der Art und Weise, 
die wir in unsere Verhandlungen einzuführen uns 
bestrebten. Dank dieser Methode ist es uns ge¬ 
lungen, uns einen Ueberhlick über die therapeu¬ 
tische Reform zu verschaffen, die wir dem Geiste 
Samuel Hahnemanns verdanken. Betrachten wir 
heute nur kurz die Geschichte unserer Lehre und 
lassen Sie mich dann Ihnen die Bande zeigen, die 
uns mit der medicinisclien Tradition in der Ver¬ 
gangenheit und der augenblicklichen wissenschaft¬ 
lichen Bewegung verknüpfen. 

Das 18. Jahrhundert endete in dem Getöse der 
politischen und militärischen Kämpfe. Die franzö¬ 
sische Revolution triumphirte und brachte durch 
die Ausbreitung ihrer Gewalt die Throne und 
Dynastieen des durch diese Fortschritte erschreckten 
Europa ins Wanken. Die Kanonaden von Valmy 
und Jemappes waren das Vorspiel für Kriege, die 
zwanzig Jahre lang Fürsten und Völker in Athem 
halten sollten. Und in all diesem Aufruhr, was 
konnten da die Gelehrten tbun, wer interessirte 


sich für ihre Entdeckungen? Geistige Arbeit, 
Literatur und Wissenschaft können ja nur dort 
gedeihen, wo Schutz ist vor Sturm und dem Brau¬ 
sen des Unwetters. Und trotzdem war es möglich, 
dass in diesem unaufhörlich durch schreckliche 
Kämpfe mit einem gefährlichen Nachbar beun¬ 
ruhigten Deutschland ein einfacher, bescheidner 
Mann in der Stille, Zurückgezogenheit und Ver¬ 
borgenheit an dem Ausbau eines therapeutischen 
Systems arbeitete, welches bestimmt sein sollte, die 
medicinisclie Welt in zwei Lager zu spalten, die 
trotz fast hundertjährigen Kampfes noch immer 
nicht gewillt scheinen, die Waffen niederzulegen. 
Wer war denn der Mann, der vom betretenen Pfade 
abwich, angezogen von Gemarkungen die bis dahin 
unbekannt waren, der das seltene Glück hatte, 
Generationen von begeisterten Schülern nach sich 
zu ziehen? Unerhört fürwahr in der Geschichte 
des Wechsels der medicinischen Lehren, die im 
Laufe der Zeit einander folgten, ein Wunder, wie 
man es nie vorher gesehen und niemals fürder 
sehen wird! 

Der Gründer einer Schule, dessen Schüler sich 
in den Erdkreis theilen, und ihre Lehre, die sie 
durch unzerstörbare Bande einigt, wie in den be¬ 
völkertsten Centren, so auch in den einsamsten 
Gegenden verbreitet haben. Man hat Ihnen, meine 
Herren, das Lehen dieses Mannes geschildert, und 
Ihnen seine Kämpfe und Triumphe erzählt, sowohl 
den Beginn als die Ausbreitung seiner medicinischen 


25 

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Reform vorgeführt, so dass es für meinen Theil 
unnütze Zeitverschwendung wäre, nocli einmal dar¬ 
auf zurückzukommen. Andrerseits ist dieses lange 
und wohl angewendete Leben, welches für uns, 
seine ehrfurchtsvollen Schüler und glühenden Be¬ 
wunderer, ein steter Gegenstand der Betrachtung 
sein soll, das Leben der meisten grossen Männer. 
Schwere Anfangskämpfe, die Mittel so knapp, dass 
der junge Gelehrte gezwungen ist, sich Nachts mit 
Uebersetzungen französischer und englischer Werke 
zu befassen, um seine Bedürfnisse bestreiten und 
seine Studien fortsetzen zu können. Sobald er 
Doctor geworden, widmet er sich mehrere Jahre 
dem Studium der Mineralogie und Chemie; in 
letzerem Fache wird er bald Meister und macht 
werthvolle Entdeckungen, von denen ich nur den 
Mercurius solubilis oder Mercurius Hahnemannius 
nennen will, ein Name, den die Bücher dem Queck¬ 
silbersalze gegeben haben, welches man seinen 
Untersuchungen und Forschungen verdankt. 

Später, aber immer noch jung, lässt er sich in 
Dresden nieder, wo sein Verdienst ihm den Platz 
als Oberarzt der Hospitäler verschafft, während die 
wissenschaftlichen Gesellschaften von Leipzig und 
Mainz ihn zu Ehrenmitgliedern ernennen. Jetzt 
beginnt er die Früchte seines Lebens zu gemessen: 
aus allen Gegenden eilen die Kranken zu ihm, 
die grossen Herren wenden sich an seine Einsicht, 
er geniesst die Achtung und den Ruf, die er sich 
durch rastlose Arbeit mühsam erworben hat. Und 
diese glänzende Stellung, diese Ehren, dies Ansehen, 
dies Glück lässt er plötzlich liegen und verzichtet 
trotz seiner zahlreichen Familie mit 11 Kindern 
auf alle Annehmlichkeiten dieses Lebens und be¬ 
ginnt wieder ein Leben von Sorgen, Opfern und 
Entbehrungen. Und wozu dies alles? Um der 
Stimme eines sorgsamen und unruhigen Gewissens 
zu gehorchen, welches ihm sagt, dass die Kunst, 
die er ausübt, ungenügend und trügerisch ist! Er 
will nichts mehr von einer ärztlichen Praxis wissen, 
in der ihn nur engbegrenzte Erfahrung und blinde 
und allgemeine Vorschriften leiten. 

„Er hatte keinen Glauben mehr an die Medicin, u 
sagt Dr. Leon Simon senior, „für ihn war die Heil¬ 
kunst eitel und unfruchtbar in ihren Versprechungen 
und Erfolgen. Sein Gewissen empörte sich da¬ 
gegen, an eine Beschäftigung gefesselt zu bleiben, 
die stets etwas verspricht, was sie nie halten kann. 
Aus Pflichtgefühl und Abscheu verlässt er sie.“ 

Als er dann seine häusliche Arbeit wieder auf¬ 
nimmt, findet er zu seinem Erstaunen beim Ueber- 
setzen der Werke des Engländers Cullen eine 
Thatsache berichtet, die sowohl ihm, als auch der 
Aufmerksamkeit der anderen Aerzte entgangen war. 
Er sieht nämlich, dass die China, welche doch 
das Fieber aufhebt, in gewissen Fällen auch Ficber- 


erscheinungenhervorrufenkann. Diese einfache Beob¬ 
achtung war für ihn der erste Fingerzeig. Ebenso wie 
Newton beim Anblick eines fallenden Apfels den 
genialen Gedanken vom Gesetz der Anziehung und 
der Schwerkraft der Körper, dem Grundgesetz der 
ganzen Physik, bekam, ebenso fand Hahnenmnn in 
dieser einfachen Bemerkung Cullens das grosse 
Princip der Therapie, ein Gesetz, welch'es frei¬ 
willig oder nicht sämmtliche Arbeiten der modernen 
Wissenschaft lenkt und leitet. Eine Thatsache, 
welche die grosse Mehrheit der Menschen nicht be¬ 
merkt oder für unbedeutend hält, fällt nur dem 
geistig hervorragenden Menschen auf, und von 
diesem Eindrücke eines solchen Geistes gehen dann 
die Lichtstrahlen aus, die zukünftigen Geschlechtern 
als Leuchte dienen. Uebrigens hält sich Hahne- 
mann nicht au diese eine Thatsache. Er erinnerte 
sich auch, dass viele früher empirisch gegebene 
Heilmittel nur dadurch günstige Erfolge erzielt 
hatten, dass man sie gegen Krankheiten und Symp¬ 
tome angewandt hatte, die sie selbst im Stande 
waren hervorzurufen. Er sah z. B., dass Murray 
besonders Schwindel, Brechreiz und Angstgefühl 
als die Hauptsymptome des Tabakgenusses be- 
zeichnete, während Diemerbroeck sich gerade diese 
Erscheinungen durch den Gebrauch der Pfeife vom 
Halse schaffte. Er beobachtete, dass, während Hof¬ 
mann die Schafgarbe bei vielen Hämorrhagieen sehr 
empfahl, während Stahl, Buchwald und Loeseke dies 
Mittel bei zu starken Hämorrhoidalfluss anwendeten, 
während Guerin und andere von Hämatemesis 
sprachen, die sie damit geheilt hatten, während 
schliesslich Thomasius und Haller sie mit Erfolg 
bei Metrorrhagieen anwendeten, die Pflanze andrer¬ 
seits im Stande war, den Abfluss des Blutes, 
Hämaturie, und sogar Nasenbluten hervorzurufen. 

Wenn der Augentrost, sagt Hahnemann weiter 
im „Organon,“ woher ich alle diese Beispiele nehme, 
wenn der Augentrost nach Murray das Augentriefen 
und den Bindehautkatarrh heilt, hat er dieses Re¬ 
sultat anders herbeiführen können, als durch die 
von Lobei beobachtete Fähigkeit, eine Entzündung 
der Augen hervorzurufen? 

Wie würde man, fährt er fort, mehr als ein¬ 
mal den Blutfluss mit Ipecacuanha haben aufhalten 
können, wie Baglivi, Barbeyrac, Gianella, Dalberg, 
Bergius und andre erzählen, wenn dieser Stoff 
nicht die Fähigkeit besässe, Hämorrhagieen zu ver¬ 
ursachen, wie es Murray, Scott und Geoffroy be¬ 
obachtet haben? Wie könnte es beim Asthma hei¬ 
lend wirken, besonders beim spasmodischen Asthma, 
wenn es nicht die Fähigkeit besässe, ohne eine 
Ausleerung anzuregen, doch Asthma im Allge¬ 
meinen und Asthma spasmodicum im Besonderen 
auszulösen? 

Ich könnte noch für eine grosse Menge Stoffe 


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die günstige Wirkung verfolgen, indem ich gleich | sich noch glücklich preisen müssen, wenn man sie 
Hahnemann zeigte, dass sie unbewusst auf dem ' nicht als Charlatane oder Ausbeuter der Leicht- 
Cullen’schen Gesetz beruht, doch würde mich dies I glänbigkeit des Volkes bezeichnet, 
hier zu weit führen: andrerseits ist cs leicht, Bei- Immer noch vergleicht man sie an Universitäten 
spiele in dem berühmten Kapitel aus dem „ Organon w und Privatlehranstalten mit den Feldscheerem, Amu- 
zu finden, welches überschrieben ist: Homöopathische i lettverkäufern, Hexenmeistern, ich hätte beinahe ge- 
Heilungen durch Zufall. Um aber die Wirkung sagt, Magnetiseuren, doch ist diese letztere Be- 
der Medicamente genau zu kennen, musste man sie Zeichnung nicht mehr schlimm heutzutage. Wer 
am gesunden Menschen erproben. wüsste denn nicht, dass der Magnetismus zwar erst 

Der Mechaniker, der seine Maschine aufstellt, von Seiten der Facultäten und Academieen in 
muss ihren Bau und den Zusammenhang ihres Räder- gleicher Weise verdammt und verflucht wurde, wie 
werks kennen; der Maler, der ein Bild malen will, diejenigen, welche vor Kurzem erst als Gegner der 
muss wissen, in welchem Verhältniss er seine Far- Blutcirculation und des Antimon auftraten, dass er 
ben mischen muss, um die Mannigfaltigkeit und j aber jetzt seinen Platz an der Sonne erobert hat 
Harmonie der Töne zu erhalten, durch die er die und Dank dem Ansehen bedeutender Professoren 
Augen des Publikums entzücken will; der Arzt j heutzutage endgültig anerkannt und selbst von 
muss gründlich die Wirkungen und Eigenschaften denen angenommen worden ist, die ihn noch vor 
der Stoffe kennen und verstehen, die er anwenden ' kurzer Zeit mit ihrem Spott und ihrer Verachtung ver- 
will, sonst arbeitet er blindlings. Es wurden da- j folgten? Es ist überhaupt interessant zu sehen, 
her so zu sagen die Medicamente ohne Steuer und | wie es die Schulwissenschaft versteht, im gegebc- 
Compass bis zu dem Tage angewendet, wo Hahne- | nen Augenblick eine Schwenkung zu machen, ohne 
mann als Erster nachwies, wie nöthig es sei, ihre j dabei etwas von Ansehen und Würde einzubüssen, 
Wirkung erst am gesunden Menschen zu studiren. und die ausserhalb ihrer Sphäre gemachten Ent- 
In wenigen Jahren hatte er, unterstützt von treu- deckungen sich aneignet, indem sie sich selbst an 
ergebenen Freunden, hundert Medicamente aus- die Stelle der weniger glücklichen Autoren zu 
probirt und diese riesige Arbeit mit einer solchen setzen weiss. Von Mesmer und Cagliostro über 
Genauigkeit, einer solchen wissenschaftlichen Glaub- Marquis Puysegur, Abbe Faria, Baron von Potet bis 
haftigkeit ausgeführt, dass alle neueren Unter- zur Donato, um nur wohlbekannte Namen zu 
suchungen über die Wirkungen der Medicamente nennen, haben alle, die sich mit dem Magnetismus 
nur Hahnemanns Behauptungen bestätigen können; beschäftigten, gewisse Mittel in Anwendung go- 
keine einzige aber steht im Widerspruch mit den bracht, wie Verschlingen der Arme, Berührungen, 
immer zahlreicher erscheinenden Arbeiten, welche Fixircn des Blicks und andre technische Hülfs- 
die Kenntnisse der medicinischen Welt in diesem mittel, deren Aufzählung schwierig und unnütz ist. 
grossen und bisher wenig erforschten Gebiete der Durch diese verschiedenen Kunstgriffe ist man 
Arzneiwissenschaft erweitern wollen. im Stande, den magnetischen Schlaf, dann den 

Es hat sich also, wie man Ihnen in den Fallsuchts-Zustand und das zweite Gesicht hervor¬ 
letzten Sitzungen schon sehr klar dargelegt hat, zurufen, mit einem Wort, verschiedenartige und 
und wie ich es Ihnen jetzt nur mit wenigen stark beunruhigende Erscheinungen sind die Fol- 
Worten ins Gedächtniss zurückrufen möchte, die gen dieser Methode. So lange die Magnetiseure 
Arzneireform Hahnemanns der gelehrten Welt in allein standen in der Anwendung dieser Mittel, be- 
zwei Hauptgesetzen gezeigt: Das Gesetz der Aehn- haupteten die gelehrten Körperschaften, dass es 
lichkeit der Wirkungen der Arzneimittel und Die sich um einen Act gröberer Charlatanerie handele 
Wirkung der Medicamente heim gesunden Menschen . und ihre Erfolge seien ganz gewöhnlichen Kunst- 
Zur Unterstützung dieser Gesetze erschienen be- kniffen zuzuschreiben, die ihrer Beachtung nicht 
deutsame Arbeiten des Reformators, aus denen klar werth seien. Als dann die Mediciner, welche sich 
hervorgeht, dass er keineswegs leichtsinnig seine bescheiden die Fürsten der Wissenschaft nannten, 
Lehre aufgestellt hat. Anstatt nun aber mit Wohl- dieselben Erscheinungen hervorzubringen versuch¬ 
wollen, oder wenigstens mit der Nachgiebigkeit teil und dabei stets zu den gleichen Resultaten 
aufgenommen zu werden, welche jede ernsthafte, kamen, verlangte man, dass die Ausübung des 
wissenschaftliche Entdeckung verdient, wurde die Magnetismus den Händen unwissender Empiriker 
Homöopathie vielmehr mit Misstrauen, Verachtung, j entzogen werde, um nach der strengen Methode, 
ja einer Feindseligkeit ohne Gleichen behandelt. Gesetzmässigkeit und Würde ausgeübt zu werden, 
Man ist betroffen angesichts der Vorwürfe und des ! die nur die »Wissenschaft verleihen könne. Erst dann 
Hasses, die bis heute die neue Heilmethode und j konnte man, ohne roth werden zu müssen, den 
ihre Anhänger verfolgen. Man behandelt letztere i Namen Magnetismus aussprechen und ihm ein wenig 
als Unwissende, Ueberspannte, Geistesschwache, die von der Beachtung schenken, die ihm fehlte, als 


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er noch den Händen unerfahrener Adepten über¬ 
lassen war. Beachte inan nun noch, dass die Herren 
Fürsten der Wissenschaft in allen Punkten das Vor¬ 
gehen der Magnetiseure imitirten. Dieselben Ver¬ 
schlingungen, dieselben Blicke, dieselben Berüh¬ 
rungen waren es, und hatten natürlich dieselbe 
Wirkung. Nur ein Wort ward geändert: anstatt 
den magnetischen Schlaf hervorzurufen, erfand man 
den Hypnotismus, und mittelst dieses Wortes, dessen 
Synonymität allen denen klar sein dürfte, die noch 
einige Erinnerungen an die Sprache Homers haben, 
gelang es, eine Entdeckung, die nichts weniger 
als academisch war, zum Nutzen einiger officieller 
Gelehrter zu pachten. Und doch muss ich es hier 
wiederholen: Wenn Mesmer inmitten einer angst¬ 
vollen pienge in Lila-Seide gekleidet auf und nieder 
ging, ^in Eisenstäbchen in der Hand haltend, mit 
dem er die Körper seiner Patienten oder ihre 
kranken Partieen berührte; oder wenn er sie, ohne das 
Stäbchen, mit den Augen magnetisirte, indem er den 
Blick fixirte, oder ihnen seine Hände auf Hypo- 
chondrium oder Unterleib legte, that er da etwas 
anderes, als unsere Aerzte von der Salpetrige und 
den anderen Krankenhäusern, die auf das Ovarium 
einer Kranken drücken, um eine hysterische Krise 
auszulösen oder zu verhindern? 

Und wenn er seinen Patienten gegenüber sass, 
Fuss an Fuss und Knie an Knie und dann lang¬ 
sam die Hände über den ganzen Körper gleiten 
Hess, wandte er da nicht die Mittel an, welche man 
heute in den Kliniken benutzt? 

Rief er nicht bei seinen Kranken nervöse Krisen 
hervor, die der Beschreibung nach auf die Zeichen 
der Hysterie hindeuten, ebenso wie es in der Sal- 
petriere und den zahlreichen sonstigen Kliniken ge¬ 
schieht, wo der Hypnotismus in Ehren steht? 

Doch gehen wir nicht weiter, meine Herren, 
denn wir schweifen von unserem Gegenstand ab, 
und erkennen wir nur an, dass die Bezeichnung 
Magnetiseur heute weniger beschimpfend geworden 
ist, und dass man sie uns ruhig ersparen kann. 
Doch ist darum, wie ich Ihnen bereits sagte, die 
Homöopathie nicht weniger den heftigen Angriffen 
der Schulen und Academieen ausgesetzt. Doch 
widerspricht sie nicht, wenn man sagt, dass ihre 
Lehren von der Scliulmedicin aufgenommen seien, 
und wenn sie widerspricht, dann geschieht es sicher 
nicht deswegen, weil ihr in der Vergangenheit be¬ 
rühmte Vorläufer fehlten. Denn die Wissenschaft 
schreitet ebenso wenig wie die Natur sprungweise 
vorwärts. Natura non facit sallus ist ein Axiom 
der scholastischen Philosophie, welches man sehr 
gut hierauf anwenden könnte. 

Alle, oder fast alle Entdeckungen genialer Ge¬ 
lehrten haben ihren Keim in den Arbeiten ihrer 
Vorgänger; sie kommen nicht so unerwartet und 


unvorhergesehen aus ihrem Geiste, wie Minerva be¬ 
waffnet dem Haupte Jupiters entstieg. Sie wurden 
vorbereitet durch Generationen von Arbeitern und 
Vorläufern, die hier und dort den Samen ausstreuten, 
bis dass ein synthetisches Genie kam, welches alles 
zu einem Bündel vereinte, mit Kunst und Methode 
ordnete, so dass es leuchtend klar wurde. Die homöo¬ 
pathische Lehre macht keine Ausnahme von dieser 
Regel, und wenn ich daher die Absicht habe, Ihnen 
hier die engen Beziehungen zur jetzigen Sehul- 
medicin auseinanderzusetzen, so halte ich es für an¬ 
gebracht, Ihnen erst noch schnell die Bande zu 
zeigen, die uns mit den ältesten medicinischen 
Ueberlieferungen verknüpfen. 

Es gehört zu den natürlichen Bestrebungen des 
menschlichen Geistes, die Gesetze der Vorkomm¬ 
nisse zu untersuchen, die er beobachtet, zuerst, 
um ihre Entstehung zu begreifen, später, um sie 
selbst wieder erzeugen zu können, je nach den 
Forderungen seiner Lust oder seiner Bedürfnisse. 

Von diesen beiden Gesichtspunkten aus mussten 
natürlich auch die medicinischen Ereignisse den 
Forschungsgeist der Aerzte besonders berühren; so 
sehen wir denn auch, seit der Wiege der Arznei¬ 
wissenschaft, zwei therapeutische Gesetze, die uns 
Hippocrates gegeben hat. 

Nur durch zahlreiche und peinliche Beobach¬ 
tungen war es wohl möglich, dass der Vater der 
Medicin uns die beiden aphoristischen Sätze hinter¬ 
lassen konnte: Contrario contrarm curantur und 
similia ximilibm curantur . Was uns aber bei der 
Betrachtung dieser Gesetze zuerst überrascht, das ist 
der Umstand, dass sie sich gegenseitig auszuschliessen 
scheinen, so dass es schwer, um nicht zu sagen 
unmöglich, ist, sie unter einen Hut bringen zu 
wollen. 

Die Tradition in der Schulmedicin hat die 
Wahl zwischen beiden Gesetzen zu Gunsten des 
Ersteren getroffen. Doch sehen wir das zweite 
im Laufe der Jahrhunderte wiederkehren, und 
zwar finden wir diejenigen, welche die Aufmerk¬ 
samkeit ihrer Zeitgenossen auf seinen Werth ge¬ 
lenkt haben, zu unserem Glücke fast stets unter 
den grössten und berühmtesten Meistern unserer 
Kunst. Ihnen folgend, nur bedingungsloser, hatHahne- 
mann dies Gesetz der Vergessenheit entrissen, in¬ 
dem er es als das Grundgesetz der Arzneiwissen¬ 
schaft hinstellte und die Anwendung des anderen 
Gesetzes sich nur für seltene Ausnahrasfälle vor¬ 
behielt. 

Es ist von hohem Interesse zu erfahren, auf 
wessen Seite das Recht ist, ob auf Habnemanns, 
oder auf der der Tradition. Die Zuverlässigkeit 
einer Therapie hängt von der Andeutung des Ge¬ 
setzes ab, nach dem ihre Medicamente verarbeitet 
werden. Die Klagen aber, welche die Tradition 


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unaufhörlich über die Unzuverlässigkeit und Un¬ 
gewissheit der Indication hören liess, zeugen nicht 
gerade zu Gunsten des Gesetzes, welches sich bis¬ 
her stets des Vorrechts erfreute. 

In seinen Vorschriften zur Heilung der Krank¬ 
heiten durch das Gegenmittel sagt Hippocrates in 
seinen berühmten Aphorismen: „Die Krankheiten, 
welche von Ueberfüllung entstehen, werden durch 
Entleerung geheilt; die von Leerheit kommen, durch 
Anfüllung, kurz gesagt: Contrario, contrarius,“ 

In seinem „ Buch der Blähungen u kommt er auf 
diesen Ausspruch zurück und führt ihn noch weiter 
aus: „Einer der Punkte, wo man irre wird, ist 
die Frage darnach, was die Ursache der Krank¬ 
heiten, was der Ursprung und die Quelle der Uebel 
ist, die den Körper peinigten. Denn wenn man die 
Ursache der Krankheit kennen würde, würde man 
im Stande sein das Richtige anzuwenden, indem 
man aus dem Entgegengesetzten sich das Heilmittel 
sucht. Und ist diese Indication nicht ganz natur- 
gemäss? Der Hunger z. B. ist doch eine Krankheit, 
denn man nennt doch Krankheit, was den Menschen 
peinigt: was ist denn nun das Mittel gegen den 
Hunger, das, was ihn stillt? Die Nahrung ist es, 
man heilt also eines mit dem andern. So wird 
durch den Trunk der Durst geheilt: durch Fülle die 
Leere, durch Ruhe die Ermattung von der Arbeit, 
durch Arbeit die Trägheit vom Nichtsthuu; kurz 
Gegensätze durch Gegensätze.“ 

Das sind aber die Vorschriften, die die Tradition 
angenommen hat, indem sie das Gesetz der Gegen¬ 
sätze vorzog, ohne sich die Mühe zu nehmen, zu 
prüfen, ob sie auch mit dem übereinstimmen, was 
die gewöhnliche Vernunft bei einem so wichtigen 
Gegenstand ein Recht zu fordern hat. Müsste man 
sich nun aber nicht fragen, wenn man Hippocrates 
wiederholt die Forderung aufstellen sieht: Gegen¬ 
satz mit Gegensatz zu behandeln, ob es sich um 
die Krankheiten oder um deren Ursachen handelt? 
Die Lösung dieser ersten Frage ist wohl der Mühe 
wertb, doch wird man in den Worten des Vaters 
der Medicin nichts darüber finden. Seine Sätze 
enthalten nichts als Beispiele von Krankheitsur¬ 
sachen: Fülle, Leere, Hitze, Kälte etc. haben stets 
nur als Krankheitsursachen gegolten, und nie haben 
diese pathogenetischen Umstände Aufnahme in einem 
Krankheitsregister gefunden. 

Wenn aber das traditionelle Gesetz der Gegen¬ 
sätze sich darauf beschränkt, die Medicamentirung 
in Rücksicht auf die Ursachen der Krankheiten 
einzurichten, dann ist es von sehr geringem Wertlie, 
denn es weiss jeder Patholog, jeder Beobachter, 
dass mehrere Ursachen zusammen wirken können 
bei Entstehung einer Krankheit. Der Patient be¬ 
kommt durch eine Erkältung einen Lungenkatarrh, 
oder einen Rheumatismus; die Erkältung ist sicher 


| die Ursache beider Krankheiten, es sind jedoch 
| prädisponirende Verhältnisse dagewesen, die in 
einem Falle den Katarrh, im anderen den Rheu¬ 
matismus begünstigten. Eine allzureichliche Mahl¬ 
zeit hat bei einem Individuum cerebrale Erschei¬ 
nungen zur Folge, beim anderen einen Gastrointesti- 
| nalkatarrh: die Ueberfüllung des Magens ist beide 
. Male die Ursache, prädisponirende Verhältnisse 
| aber führen bei beiden Patienten zu verschiedenen 
Krankheiten. Diese zwei Beispiele genügen, um 
zu beweisen, dass zwar dieselbe Ursache verschie¬ 
dene Wirkungen haben kann, dass man aber ein 
causales Heilmittel nicht anwenden darf, um zwei 
ganz verschiedene Krankheiten zu bekämpfen. — 

, Wenn wir nun die ursächlichen Gegensätze ver- 
j lassen, um die Gegensätze der Krankheiten zu be- 
, trachten, stossen wir auf noch viel grössere Schwie- 
j rigkeiten. Wir alle wissen z. B., dass die Aus- 
1 Strömungen der Sümpfe das intermittirende Fieber 
| hervorrufen: was ist nun der Gegensatz zu diesen 
I Ausströmungen, so wie Hitze zu Kälte, Fülle zu 
Leere? Ein sehr geschickter Mann, der uns dies 
' sagen könnte! Was dürfte denn der Gegensatz zu 
einer Pneumonie, einem Erysipel, oder einem Ty¬ 
phus sein? Der Geist wird ihn vergebens suchen, 
er ist sicher, ihn nie zu finden. Moralisch ist Ver¬ 
schwendung das Gegentheil von Geiz, Muth von 
Feigheit, Sanftmuth von Heftigkeit, physikalisch ist 
trocken der Gegensatz von nass, kalt von warm, 
hell von dunkel; doch handelt es sich dabei nur 
um isolirte Eigenschaften. Pathologisch aber haben 
wir complicirte Phänomene, deren Gegensatz zu 
finden unmöglich ist, höchstens wenn man ein ein¬ 
zelnes Symptom oder Phänomen nimmt, wie der 
«Durchfall, dann ist das Gegentheil die Verstopfung. 

Sonst ist die Krankheit als eine Verneinung zu 
bezeichnen, deren Gegentheil nur eine Bejahung 
sein kann, und zwar ist dies die Gesundheit. Das 
berühmte Gesetz der Tradition drückt also nur 
folgende naive Wahrheit aus: dass die Krankheit 
durch das zu heilen ist, was die Gesundheit ver¬ 
schafft. Es hat also nicht den geringsten Werth für 
den Arzt bei der Auswahl der Stoffe, mit denen er 
heilen will, denn es kann ihm nie sagen, welches 
die Beziehungen sind zwischen der Verneinung Krank¬ 
heit und den Mitteln, an ihre Stelle die Bejahung 
Gesundheit zu setzen. 

Der Irrthum des Hippocrates bestand also darin, 
dass er Hunger und Durst, also rein physiologische 
Empfindungen mit Krankheiten, und Speise und 
Trank mit Heilmitteln verglich. Es ist unbegreif¬ 
lich, wie ein so augenscheinliches Sophisma das 
traditionelle therapeutische Gesetz stützen konnte, 
anstatt allenthalben seinen Unwerth klar zu 
machen. — Ich gehe noch weiter: Der Vergleich 
von Hunger und Durst mit einer Krankheit und 


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von Speise und Trank mit Heilmitteln ist nicht 
bloss ein Verstoss gegen die Logik, nein, es ist so¬ 
gar ein grober Fehler, wenn man ihn zur Unter¬ 
stützung des Gesetzes der Gegensätze verwenden 
will. Wer kann denn zu behaupten wagen, dass 
die Nahrung dem Hunger entgegengesetzt ist? 
Doch niemand; denn wenn es sich um Speise oder 
Trank handelt, ist doch nur die Sättigung das 
Gegentheil. 

Kommen wir nun auf die Aehnlichkeitslehre. 
Gleich nach der oben bei Gelegenheit der Gegen¬ 
satztheorie zugeführten Stelle fährt Hippocrates in 
seinem Buche folgendermassen fort: „Durch Aehn- 
liches entsteht die Krankheit und durch Aehnliches, 
was man ihm darreicht, wird der Patient wieder 
gesund: das, was den Harnzwang, der nicht vor¬ 
handen ist, hervorruft, hebt ihn auch auf, wenn er 
da ist; Husten und Harnzwang werden durch gleiche 
Ursachen verursacht und aufgehoben; das Fieber 
wird durch das gehoben, was es hervorruft, und her¬ 
vorgerufen durch das, was es unterdrückt; giebt 
man einem Menschen, der bricht, Wasser in grosser 
Menge, so befreit man ihn durch Erbrechen von 
dem, was ihm zum Brechen zwang; Erbrechen hebt 
also das Brechen auf.“ 

Constatiren wir nun noch nach den folgenden 
Bemerkungen, dass Hippocrates für keines der bei¬ 
den von ihm ausgesprochenen Gesetze irgendwie 
Partei nimmt. Die Beispiele, die er anführt, um 
eines von ihnen zu bekräftigen, geben uns volle 
Freiheit, unser Urtheil über den beiderseitigen 
Werth zu bilden. Beim ersten Gesetze haben wir 
nun gesehen, dass nur unannehmbare Beispiele an¬ 
gegeben sind, denn physiologische oder hypothetische 
Krankheitsvorgänge sind die Beispiele, die er an¬ 
führt, um die Wahrheit des ersten Gesetzes zu be¬ 
weisen. — Anders ist es bei dem Gesetz: Similia 
similihus. Hier versucht es der grosse Hippocrates 
gar nicht, Beispiele anzuführen; er erklärt einfach, 
dass das, was den Harnzwang hervorruft, ihm, wenn 
er vorhanden ist, auch aufhebt; dass der Husten, 
ebenso wie der Harnzwang, durch gleiche Ursachen 
entsteht und gehoben wird; dass das Fieber durch 
das, was es verursacht, gehoben wird und durch 
das verursacht wird, was es hebt. Da braucht es 
keine physiologischen Phänomene, wie Hunger, 
Durst, Buhe und Arbeit, um diese Behauptung zu 
unterstützen. Die Behauptung ist absolut, nur 
durch Erfahrung kann sie als unrecht erwiesen 
werden, denn sie ist die Frucht der Erfahrung. 
Denken wir so über die Worte nach, durch die 
Hippocrates uns das grosse therapeutische Gesetz 
der Aehnlichheit gegeben hat, müssen wir dann 
nicht staunen über die Gleichgültigkeit, der es bei 
den Aerzten begegnet, hei denen doch sonst die 
Schriften des Vaters der Medicin stets hohe Ach¬ 


tung und bedeutendes Ansehen genossen haben? 
Die Sätze: Das, was den nicht vorhandenen Harn¬ 
zwang hervorruß, hebt ihn auf, wo er da ist , und: 
Das Fieber wird durch das gehoben , icas es ver¬ 
ursacht , schliessen eine klare Lehre in sich ein, 
durch die wir in den Stand gesetzt werden, die 
Medicin auf die hohe Stufe practischer Vollkommen¬ 
heit zu bringen. Die Worte sagen, welcher Stimme die 
Wissenschaft folgen muss, um die Heilmittel zu 
entdecken, die gegen die verschiedenen Leiden, 
welche die Menschheit peinigen, wirksam sind. 

Wenn man sagt, das Fieber wird durch das 
gehoben, was es hervorruft, beweist man damit nicht, 
dass der Versuch mit den Medicamenten am gesunden 
Menschen der richtige Weg ist, um ihre Heilwir¬ 
kungen zu erproben? 

Wollt ihr, scheint Hippocrates zu sagen, die ver¬ 
schiedenen Krankheiten, die ihr beobachtet, heilen, 
dann sucht durch Experimente zu erfahren, welche 
Stoffe die Eigenschaft haben, die Krankheit her¬ 
vorzurufen! Und so sehen wir denn heute, dass 
schon damals, als es erst in der Heilkunde zu 
tagen begann, die zwei Grundgesetze der Homöo¬ 
pathie : das Aehnlichkeihgesetz und die Arzneimittel¬ 
prüfung am gesunden Menschen von unseren be¬ 
rühmtesten Vorfahren erkannt und sozusagen for- 
mulirt worden sind. 

Vielleicht, meine Herren, habe ich mich etwas 
zu weit über die Beziehungen zwischen der Lehre 
des Hippocrates und der Homöopathie ausgelassen, 
doch möge mir zur Entschuldigung dienen, dass 
man stets froh ist, wenn man Leute als Zeugen 
und Bürgen hat, vor deren Geist sich unstreitig 
jeder beugt. Kürzer will ich mich fassen, indem 
ich Ihnen von den Meistern der Schulmedicin die¬ 
jenigen nenne, die eine erste Erkenntniss oder Vor¬ 
ahnung von unserer Lehre gehabt und dies mehr 
oder weniger deutlich in ihren Schriften und ihrem 
Unterricht gezeigt oder formulirt haben. 

Sie alle haben von Paracelsus reden hören. Ein 
Zeitgenosse der Reformation verstand es Paracelsus, 
dieser kühne Revolutionär, hochgebildet und talent¬ 
voll, dabei aber auch frech und unverschämt, wie 
er war, indem er die Kniffe der Alchimisten und 
Astrologen zu Hülfe nahm und sogar in Gaukler- 
und Marktschreierweise dabei vorging, die während 
des Mittelalters eingeschlafene Schulmedicin wieder 
zu erwecken. Er zog auf den Märkten umher, 
lockte die Menge durch wenig empfehlenswerthe 
Reclame an und verkündete, dass er die Lehre 
Galens Umstürzen wolle, da sie total falsch sei: 
Galenits stolidus . Er wagte es, die damals in Ehren 
stehende Lehre von den vier Elementen in Rauch 
und Asche aufgehen zu lassen: quatuor elemenia 
absuvda ; ja sogar an Aristoteles und seine Logik 
wagte er sich und erklärte sie für thöricht und un- 


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brauchbar: Aristoteles contemnendm , logiea inutilis et 
absnrda. 

Man muss sich in jene Zeit versetzen, wo die 
blinde Ehrfurcht vor der Ueberlieferung und dem 
Worte des Meisters noch ungetheilt herrschte, um 
sich einen Begriff von dem Sturm machen zu können, 
den derartige Aeusserungen erregten. Trotzdem 
zogen seine Erfolge als Neuerer, seine neuen 
Theorieen, sein unbestreitbares Genie, ja sogar 
die Empörung, die sich über seinen Charlatanismus 
erhob, all diese Gründe, trotz ihrer gänzlichen Ver¬ 
schiedenheit, ihm eine Menge von Aerzten zu, die 
begierig waren, den so lange bisher eingeschlage¬ 
nen Weg zu verlassen. Vor dieser durch seine 
Beredtsamkeit und seine nicht wegzuleugnende Bil¬ 
dung verführten Menge, vor diesem Haufen von 
Neugierigen und Bewunderern, predigte Paracelsus 
das therapeutische Aehnlichkeitsgesetz und wandte 
dann dies Gesetz auch auf die Constellationen der 
Sterne an, indem er empfahl, Venus mit Mercur, 
Hebe mit Mars etc. zu behandeln. Lassen wir 
diese astrologischen Gaben bei Seite, die uns heut¬ 
zutage nur ein Lächeln abnöthigen können, die 
aber im sechzehnten Jahrhundert eine ebenso that- 
sächliche, wie schwer begreifliche wissenschaftliche 
Popularität genossen; es ist schon gut, wenn wir 
uns bei Anwendung der Heilmittel nach dem Ge¬ 
setze richten. Paracelsus also verwarf die Lehre 
Galens und stellte als Grundsatz folgenden Aphoris¬ 
mus auf, der seine Ansicht in therapeutischer Be¬ 
ziehung enthält: 

Neque unquam idlus morbus calidus 'per frigida 
sanatus fuit , nee frigidus per calida , simile autem 
8uum simile frequenter curavit. 

Wir haben längst die Theorie der kalten und 
heissen Krankheiten verlassen, wie sie vor 300 
Jahren bestand, halten aber trotzdem an dem Prin- 
cip des Paracelsus fest, dass das Heisse, d. h. die 
Entzündung, durch Medicamente bekämpft werden 
muss, welche die Entzündungserscheinungen hervor- 
rufen, und das Kalte, d. h. Anämieen, Kachexieen 
etc., durch die Mittel, deren Anwendung die Er¬ 
scheinungen der Schwäche und Abzehrung her¬ 
vorruft. 

Ueberspringen wir nun ein Jahrhundert, meine 
Herren, so treffen wir auf Stahl, den Gründer der 
vitalistischen Schule, den Mediciner der starren, ab¬ 
soluten, glaubenseifrigen Religiosität, das Gegenstück 
des Paracelsus, so wie man es ähnlich nicht auf 
medicinischem, sondern auf dem Gebiete heutzutage 
antrifft, welches am wenigsten mit der Medicin zu 
thun hat. 

Stahl ist eine der grossen Gestalten der Medicin 
und war — ich will dies für die bemerken, die 
unserem Fache fern stehen — mit Hoffmann der 
Führer jener kleinen Universität zu Halle, die der 


damalige Kurfürst von Brandenburg, Friedrich I., 
in einer Laune in der unbedeutenden Stadt gegrün¬ 
det hatte, die aber durch den Ruf ihrer Lehrer 
bald alle andern damaligen Facultäten verdunkel¬ 
ten. Ich will Ihnen seine sonstigen Lehren nicht 
auseinandersetzen, die noch kürzlich von der Facul- 
tät in Montpellier vertreten wurden, sondern ich be¬ 
schränke mich darauf, seine Ansichten in thera¬ 
peutischer Beziehung klarzulegen. Er sagt: Die 
von der Medicin angenommene Regel, die Krank¬ 
heiten durch Mittel zu heilen, welche im Gegen¬ 
satz zu den Wirkungen stehen, die sie hervorrufen, 
(contraria contrariis) ist ganz falsch und thöricht. 
Im Gegentheil, ich bin überzeugt, dass die Krank¬ 
heiten durch Stoffe weichen, welche eine ähnliche 
Affection veranlassen — similia similibus; Verbren¬ 
nungen durch ein Feuer, das man heranbringt; 
Erfrierungen durch Anwendung von Schnee und 
kaltem Wasser; Entzündungen und Contusionen 
durch Application von Spirituosen. 

„So ist es mir gelungen, die Disposition zur 
Hyperacidität des Magens durch ganz kleine Dosen 
von Schwefelsäure zu vertreiben, nachdem vergebens 
eine Menge Alkalien zur Absorption gegeben worden 
waren.“ 

Man kann demnach, wie Sie sehen, Stahl mit 
vollem Recht einen Vorläufer der Homöopathie 
nennen: er wendet ihren Grundsatz an, ohne seine 
Anwendung jedoch ganz erkannt zu haben und 
andrerseits war er viel zu sehr mit seinem Unter¬ 
richt und seinen philosophischen Streitigkeiten be¬ 
schäftigt, als dass er viel Zeit für die Praxis ge¬ 
habt hätte. Trotzdem er nun von sich selbst ge¬ 
sagt hat, er predige in der Wüste — ego sum vox 
rauca in deserto, — sind wir doch glücklich und 
stolz, wenn wir beim Nachsuchen in seinen heut¬ 
zutage gänzlich unbekannten Werken schon eine 
Ahnung unserer Lehre finden, und zwar nicht nur 
im Princip, sondern auch in Bezug auf die Ver¬ 
minderung der Dosen. Denn in der That hatte 
Stahl erkannt, dass man nach dem Aehnlichkeits¬ 
gesetz die Medicamente nur in sehr verdünnten 
Dosen geben darf, wenn man nicht Gefahr laufen 
will, das Uebel durch das Heilmittel zu ver¬ 
schlimmern. 

Dies geht aus der Stelle hervor, wo er sagt, 
dass er mit Erfolg kleinste Dosen Schwefelsäure 
gegen die Hyperacidität des Magens angewendet 
habe, während die grossen Dosen von Alkalien, die 
man nach dem Princip der Gegensätze gab, voll¬ 
ständig erfolglos blieben. 

Diese Art der Anwendung von Medicamenten 
in kleinen Dosen finden wir auch in den Werken 
eines anderen grossen Mannes angegeben, eines 
Rivalen und Zeitgenossen Stahls, der vielleicht noch 
berühmter als dieser ist, — ich meine Boerhaave. 


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200 


Während Stahl durch seinen Unterricht die kleine 
Universität Halle berühmt machte, warf Boerhaave 
einen nach helleren Glanz auf Leyden, wo er 
Männer, wie Haller, Haen, van Swieten zu Schü¬ 
lern hatte, die das achtzehnte Jahrhundert mit dem 
Ruhme ihres Namens füllten. Er war so berühmt, 
dass es nach einer Erzählung genügte, an ihn zu 
schreiben: An Boerhaave in Europa, und unver¬ 
züglich kam der Brief an seinen Bestimmungsort! 

Seine Popularität stand seinem Ruhme nicht 
nach, denn als er im Jahre 1712 einen Gicht- und 
einen Schlaganfall durchgemacht, die ihn zwangen 
seinen Unterricht auszusetzen, da war dann die 
ganze Stadt geschmückt und beleuchtet, als er 
nach einer Ruhepause von einigen Monaten seine 
Vorlesungen wieder beginnen konnte. — Aller¬ 
dings hat Boerhaave, um die Wahrheit zu sagen, 
iitcht das Aehidichkei t sg e s e tz gelehrt, deck war er 
ein unbedingter Anhänger der Verdünnung der 
Dosen, wie es folgende Stelle beweist, die ich 
seiner Abhandlung über die Eigenschaften der Me- 
dicamente entnehme: „Medicamina dividi possunt 
in partes adeo minutas, ut imaginationis vim paene 
eludant, quae tarnen retinebunt vires!“ Was ist das 
denn nun für eine Dosis, die der Geist nicht be¬ 
greifen kann, wenn es nicht eine unendlich kleine 
ist? Und doch behält diese Dosis nach Boerhaave 
die Eigenschaften und Tugenden des Stofles, aus 
dem sie entsteht: Quae tarnen retinebunt vires! 
Glücklicher als Halmemann konnte der berühmte 
Führer der Leydener Schule diesen Grundsatz ver¬ 
künden, ohne als überspannter Träumer behandelt 
zu werden. 

Dies, meine Herren, und ich habe nur die Be¬ 
rühmtesten erwähnt, sind die Vorläufer, welche die 
Homöopathie mit gutem Recht für sich in Anspruch 
nehmen darf und auf die sie mit gutem Grunde 
stolz sein kann. Es genügt uns aber nicht, Vor¬ 
läufer gehabt zu haben, sondern wir wollen auch 
unsern Einfluss auf die Zeitgenossen zeigen und 
beweisen, dass alle Fortschritte der modernen 
Schulraedicin, weit entfernt davon, unsere Lehre zu 
vernichten oder zu zerstören, vielmehr deren Rich¬ 
tigkeit und Brauchbarkeit immer deutlicher be¬ 
wiesen haben. 

Der Einfluss der Homöopathie auf das Studium 
und die Anwendung der Arzneimittel beim Kranken 
muss allen unparteiischen und denkenden Geistern 
ins Auge springen. Wenn man sich in die medi- 
cinische Praxis von vor ungefähr 30 Jahren zu¬ 
rückversetzt und mit der heutigen vergleicht, dann 
wird man sehen, welche gewaltigen Veränderungen 
durch die neue Methode eingetreten sind. Da ist 
zuvörderst das Aufgeben des Aderlasses bei Ent¬ 
zündungen: als die Aerzte sahen, dass die Homöo¬ 
pathen ihre Kranken heilten, ohne zum Messer zu 


greifen, da steckten sie das ihre auch ganz all* 
mählig in ihre Tasche, so dass heutzutage viel¬ 
leicht den ganzen Tag in einer Stadt wie Paris, 
kein einziger Aderlass ausgeführt wird. Zum Un¬ 
glück aber haben unsere Collcgen, als sie den 
Aderlass aufgaben, doch unsere Lehre nicht ange¬ 
nommen, und zwar aus folgender Ueberlegung: 
Die Krankheiten heilen alle von selbst, denn die 
Mittelchen der Homöopathen sind nur Fabelei, und 
ist es deshalb thöriclit, sie anzuwenden, lassen wir 
die Natur ruhig wirken, sie wird die Kosten der 
Heilung tragen. Daher kam das exspectative Ver¬ 
fahren, dies unheilvolle Verfahren, dessen Fehler 
und Gefahren die Statistiken deutlich zeigen. — 
Ich will Ihnen nur diejenigen von unseren Medi- 
camenten ins Gedächtniss rufen, die allgemach in 
die allgemeine Praxis übergegangen sind. Fast 
alle Aerzte gebrauchen jetzt Aconit, Hamamelis, 
Drosera, Pulsatilla, Hydrastis und dergl. Medica- 
mente noch, obwohl sie nicht dieselben Resultate 
erhalten, die sie unter Berücksichtigung unserer 
Regeln und Grundsätze erhalten könnten, da sie 
die Mittel ohne Methode und Unterschied verordnen. 
Dieses Gebiet ist jedoch von geringerer Wichtig¬ 
keit und habe ich mich dabei nur aufgehalten, um 
es kurz zu kennzeichnen. Viel wichtiger und sehr 
beachtenswertli ist die Art und Weise, wie man 
heute die Arzneistoffe prüft. Hahnemann stellte 
als Grundsatz auf, dass man die Medicaraente am 
gesunden Menschen prüfen müsse, gerade wie ich 
oben sagte, dass man, um ein Instrument benützen 
zu können, seinen Mechanismus kennen müsse. 
Und doch hatte vor unserem Meister, mit Ausnahme 
von Storck, nie jemand versucht, die Eigenschaften 
und Wirkungen der Arzneimittel kennen zu lernen. 
Heute studiren alle Aerzte die Wirkung der Mittel 
an Thieren und Menschen, und es erscheint klar, 
dass es sinnlos wäre, die Anwendung von Stoffen 
vorzuschreiben, deren Eigenschaften man nicht 
kennt. Und doch will Niemand Hahnemann das 
Verdienst zuschreiben, diese so natürliche und ein¬ 
fache Wahrheit verkündet zu haben, ja es scheint 
sogar, als wolle man behaupten, dass dieses Vor¬ 
gehen schon immer stattgefunden habe. Erklären 
wir daher laut, dass unsere Schule das Verdienst 
beanspruchen kann und dass ohne Hahnemann die 
Arzneimittel immer noch nach der blinden, empiri¬ 
schen Praxis seiner Vorgänger angewandt werden 
würden. 

Der berühmte Lehrer an der Facultät in Paris, 
Professor Trousseau, erkannte sehr gut die Wich¬ 
tigkeit der Homöopathie, da er aber seine Beliebt¬ 
heit nicht aufs Spiel setzen und den Zorn seiner 
Collegen nicht erregen wollte, hatte er eine Sub¬ 
stitutionsmethode erfunden, eine sehr mangelhafte 
Zusammenfassung der llahnemann’schen Reform, 


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mit deren Hülfe er aber im Stande war, nach dem 
Gesetz von similia similibns vorzugehen, ohne all¬ 
zusehr gegen die herrschenden Vorurtheile zu ver- 
stossen. 

Fortwährend studirte er in Halmemanns „Ma- 
teria mediea“ und hatte das kleine homöopathische 
Handbuch des Dr. Jahr stets bei sich. Ich muss 
offen hier bekennen, dass sein Benehmen gegen 
Aerzte unserer Schule eine Zuvorkommenheit und 
eine Liebenswürdigkeit zeigte, die wir sonst leider 
sehr wenig gewohnt sind. 

Dieser berühmte Mann sagt in der Vorrede 
seiner Abhandlung über Arzneischatz und Therapie, 
dass man bei der Homöopathie drei Hauptpunkte 
beobachten müsse: erstens eine neue Idee von der 
Arznei, zweitens eine neue Methode zur Zusammen¬ 
stellung des Arzneischatzes und drittens eine all¬ 
gemeine Heilkunde, die aus gewissen sicheren Be¬ 
ziehungen zwischen der Natur der Krankheit und 
dem Heilmittel abgeleitet worden ist; nachdem er 
dann dies alles aufgezählt hat, bespricht er es lang 
und ernsthaft, so dass man ihn ja nicht mit den 
leichtfertigen Geistern vergleichen darf, die nie ein 
homöopathisches Buch geöffnet, nie ein homöopathi¬ 
sches Mittel versucht haben, und doch in thörichtem 
und strafbarem Unfehlbarkeitsglauben, ohne den 
geringsten Widerspruch zu dulden, über die Ho¬ 
möopathie ihr Urtlieil sprechen. 

Weiter sagt Troasseau in der Einleitung seiner 
Abhandlung über die Heilkunde: „Die Wichtig¬ 
keit, die sich für uns in Bezug auf die homöopa¬ 
thische Lehre aus mehreren bemerkenswerthen 
Werken ergiebt, die seit unserer letzten Ausgabe 
erschienen sind, zwingt uns, diese Lehre von einem 
neuen Standpunkte aus zu betrachten.“ Ich habe 
diese Zeilen der Vorrede der achten Auflage ent¬ 
nommen und ich widme sie der grossen Menge von 
Medicinern, die, ohne im geringsten den Werth 
und das Ansehen Trousseaus zu besitzen, sich doch 
erlauben, über die Homöopathie mit einer Unum- 
wundenheit und einer Leichtigkeit zu urtkeilen, ; 
wie selbst jener grosse Mediciner es sich nicht zu | 
thun erlaubt hatte. 

Nachdem ich nun vom bedeutendsten französi¬ 
schen Kliniker des 19. Jahrhunderts gesprochen, 
gestatte man mir die Worte Graves zu citiren, den 
England mit Recht als den bedeutendsten seiner Aerzte 
der Jetztzeit ansieht. Die folgenden Sätze sind 
einer Nachschrift seiner klinischen Vorlesungen, 
jedoch der französischen Uebersetzung des Prof. 1 
Jaccond, eines unserer bedeutendsten Lehrer, ent- j 
nommen: 

„Falsch angewendet kann Quecksilber Caries 
der Knochen verursachen, besonders der Nase und 
das Gaumens. Seit langer Zeit weiss man, dass 
gewisse energische Medicamente Affedionen zu 


Wege bringen, die timen ganz analog sind, die sie 
sonst heilen: Mercur, Belladonna, Strychnin, Chmm 
und andere beweisen uns diese specielle Wirkung 
auf den Körperhaushak. Kurz, meine Herren, es 
ist schwer begreiflich, wie ein Arzneimittel Affec- 
tionen gewisser Gewebe heilen soll, wenn es nicht 
einen bestimmten Einfluss auf sie ausübt; von 
diesem Gesichtspunkte ans haben wir hiermit eine 
Darstellung des homöopathischen IMnoips, similia 
similibus curantur .“ 

Wenn wir nun die gewöhnliche Praxis 4er 
Heilkunst verlassen, um die Strömungen zu stu- 
diren, die heute die raedrctnischo Wissenschaft auf 
einen an Entdeckungen fruchtbaren Weg zu leiten 
scheinen, so werden wir sehen, wie viel die neuen 
Lehren sich den unsrigen nähern. Sie alle wissen, 
dass nach den prächtigen Arbeiten von Pasteur 
man heutzutage die Krankheiten mit Impfstoffen 
zu verhüten oder zu heilen sucht, die nichts sind, 
als verdünnte Krankheitsproducte. Da sehen wir 
deutlich das Aehnlichkeksgesetz, welches allen diesen 
Arbeiten und Forschungen zu Grunde liegt, wie in 
gleicher Weise die Verdünnung der Dosen bei An¬ 
wendung des neuen Vorgehens in Ehren steht. 

Jenner ist es, der zuerst dem Menschen die 
Kuhpocken einimpfte, um ihn vor Variola zn 
schützen. Sie alle wissen, welche glücklichen Er¬ 
folge seine Entdeckung gehabt hat, sodass er 
seinen Platz unter den Wohlthätern der Menschheit 
einnimmt. 

* Diese Entdeckung, homöopathisch ihrem Wesen 
nach, blieb lange allein, bis Hahnemann und seine 
Schüler das Gebiet der Heilkunst umzuarbeiten be¬ 
gannen und dabei erkannten, wie reich an Conse- 
quenzen die Entdeckung Jenners sei. Diese Ent¬ 
deckung, die er fast dem Zufell verdankte, hatte 
Jenner die Augen nicht über das Aehnlichkettsge- 
setz geöffnet, obwohl es entschieden eine seiner 
schönsten Anwendungen ist Die Homöopathen 
hingegen begriffen ihren ganzen Werth und ihre 
Folgen, und haben schon 50 Jahre vor Pasteur, wie 
ich vor ungefehr 10 Jahren in meiner Bro¬ 
schüre: „Die Vorläufer Pasteure“ gezeigt habe, die 
Verwendung der Krankheitsproducte zur Heilung 
der Krankheiten angepriesen. Zum Unglück blieb 
ihre Stimme ohne Widerhall, während es die un¬ 
seres berühmten Landsmannes verstand, sich auf 
dem ganzen Erdkreis Gehör zu verschaffen, jedoch 
bedauern wir dies nicht etwa, sondern wir wollen 
nur unsere Pflicht thun und nach weisen, dass die 
Entdeckungen Pasteurs und seiner Schüler schon 
längst von den Schülern Hahnemanns empfohlen 
worden sind. Um dies zu beweisen, brauche ich 
Ihnen nur Thatsachen anzuführen! 

Im Jahre 1823 glaubte der homöopathische 
Thierarzt Dr. Lux zu erkennen, dass die Gifte, die 

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er an wandte, um die passenden Präparate, d. h. die 
verdünnten Lösungen herzustellen, im Stande seien, 
die Krankheiten zu heilen, unter deren Einflüsse 
sie sich im Körper entwickelten, dass also jede 
Krankheit in sich selbst ihr Gegengift enthielte. 
Er gab eine Broschüre heraus mit dem Titel: Iso - 
pathie der Contagim , in welcher er Beispiele sam¬ 
melte von Krankheitsheilungen durch Anwendung 
der Producte eben dieser Krankheiten selbst, und 
nannte seine Lehre Isopathie, indem er sie für 
einen Zweig der Homöopathie ansah. 

1884 schrieb einer unserer bedeutendsten Lehrer, 
Dr. Stapf, Folgendes: „Ich zweifle nicht, dass die 
fast gleichzeitig von Lux, Gross und Hering ge¬ 
machte Entdeckung in Betreff der Wirksamkeit 
der contagiösen Stoffe auf die Krankheiten, welche 
jene erst hervorbrachten, eine der bedeutendsten 
Entdeckungen ist, die seit Beginn unserer Lehre 
aufgetaucht ist. Es scheint mir diese einen grösse¬ 
ren Grad der Vollkommenheit durch Einführung 
der contagiösen Agenden erlangt zu haben, da 
diese noch ähnlicher sind.“ 

Ungefähr gleichzeitig schrieb Dufresne (Genf) 
im UI. Band der homöopathischen Bibliothek, dass, 
da die Verwendung der contagiösen Stoffe als Heil¬ 
mittel ein an practisehen Erfolgen reicher Gedanke 
sei, der Glaube wohl berechtigt sei, dass ihre An¬ 
wendung in Fällen von Krankheiten, die den 
durch sie hervorgerufenen ähnlich seien, (natürlich 
in Hahnemann’schen Präparaten) dazu führen könne, 
die hauptsächlichsten epidemischen Plagen wirksam 
zu bändigen und den furchtbaren Epidemieen ein 
Ziel zu stecken, welche die Menschheit decimiren. 
1836 verwerthete Dr. Weber, hessischer Hofrath, 
Leibarzt des Fürsten von Lieh und Hohensohn und 
Herausgeber eines klassischen Werkes über die 
Homöopathie, diese Principien und liess die Milz 
von Thieren, die an Milzbrand gestorben waren, 
präpariren, indem er dabei das System der Ver¬ 
dünnung der homöopathischen Pharmakopoe befolgte. 
Er wendete diese Lösungen des Virus bei milz¬ 
brandkranken Thieren an und zwar mit grossem 
Erfolge. Man findet in der Weber’schen Mono¬ 
graphie die Einzelheiten in Bezug auf Anwendung, 
Dosirung und Wiederholung angegeben. Seine 
Versuche tragen stets den Charakter grösster 
Glaubwürdigkeit, sie sind mehrere Jahre hindurch 
an einigen Hundert Thieren bei über 80 mit Namen 
angeführten Landwirthen ausgeführt worden, und 
haben die ersten Autoritäten im Lande schriftlich 
bezeugt, dass sie die Wahrheit dieser Thatsachen 
selbst beobachtet hätten. — Gleichzeitig verwen¬ 
dete Dr. Dufresne (Genf) mit gleichem Erfolg Milz¬ 
blut in 6. homöopathischer Verdünnung gegen die 
pustula maligna beim Menschen, und veröffent¬ 
lichte dann darüber eine sehr detaillirte Beobach¬ 


tung des Heilungsvorganges im sechsten Bande 
seiner Zeitschrift. Lux verkündete seinerseits die 
Heilbarkeit der Rotzkrankheit vermittelst der der 
Hahnemannschen Präparation unterworfenen Infec- 
tionssäfte. 

All diese schönen Entdeckungen, all diese 
neuen Heilmittel, die sich auf ein Princip stützten, 
die einer bestimmten Methode ihren Ursprung ver¬ 
dankten, hätten die Bewunderung der Gelehrten 
erregen müssen. Doch war dem nicht so, denn 
ausserhalb unserer Schule kümmerte sich kein 
Mensch um die beachtenswerthen Kuren, ja es 
mussten 40 Jahre vergehen, bis Davaine, Bouley, 
Pasteur diese Versuche von Neuem aufnahmen, 
und sie in die allgemeine Praxis einführten, um 
sich dadurch mit einem allerdings wohl verdienten 
Ruhm zu bedecken, obgleich, wenn es nach Recht 
ginge, ein Theil dieses Ruhmes auf ihre Vorläufer 
fallen müsste, die nur zur Zunft der Academiker 
und officiellen Aerzte hätten zu gehören brauchen, 
um die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich 
zu ziehen und ihre Bewunderung zu erregen. 
Pasteur hat das Problem der Impfung gegen 
die Tollwuth gelöst, sein Ruhm ist unzerstörbar, 
und doch waren es Homöopathen, DDr. Hering, 
Trinks und Hermann von Thalgan, die vor bereits 
40 Jahren erklärten, dass das Specificum gegen 
die Tollwuth sich in den Säften der mit dem Toll- 
wuthkeim inficirten Thiere befinde; Rapou (Lyon) 
fügte noch hinzu, dass es nicht genüge, die 
Verdünnung der Keime zu bewundern, sondern 
dass man practisch die Impfung ausführen müsse. 
Wenn man doch, unter dem enthusiastischen Bei¬ 
fall, den man dem greisen Pasteur schenkt, ein 
wenig erkenntliche und bewundernde Erinnerung 
für seine unberühmten, aber thatsächlichen Vor¬ 
läufer bewahren und aufhören wollte, eine Lehre 
gering zu achten, der bewusst oder unbewusst alle 
unsere grossen Gelehrten der Jetztzeit in all ihren 
Forschungen und all ihren Arbeiten gefolgt sind, 
zum mindesten in denen, welche die Heilung oder 
Verhütung von Krankheiten nach einer positiven, 
wissenschaftlichen Methode, d. h. durch Verdünnung 
der Krankheitsstoffe und deren Anwendung nach 
dem Aehnlichkeitsgesetz zum Ziele hatten. Höre 
man doch endlich auf, die Homöopathie die Medicin 
überspannter Träumer zu nennen, denn wir brau¬ 
chen unsere Verächter nur auf Davaine, Bouley, 
Pasteur, Brown-Söquard, Richet, Bouchard zu ver¬ 
weisen, die heute alle dm Vorsckriftm und der Me¬ 
thode Samuel Hahnemanns folgen. 

Soll ich Ihnen von den Versuchen sprechen, 
die mit dem Safte der Schilddrüse bei der Behand¬ 
lung von Myxoedem gemacht wurden, von der In- 
jection des Nierensaftes bei Alburainurieen, und von 
vielen andern Versuchen, die noch zu neu und zu 


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203 


wenig zahlreich sind, als dass man schon sichere 
Schlüsse daraus ziehen könnte? Es genüge uns zu 
constatiren, dass all diese Experimente auf der 
Behandlung des Aehnlichen mit dem Aehnlichen 
beruhen. Man will es nicht zugestehen, und doch 
ist similia similibus heute Sieger. 

Allerdings ist die Frage der unendlich kleinen 
Dosen für viele ehrenwerthe, aber beschränkte 
Geister der Stein des Anstosses und die Kugel, 
welche Hahnemanns Schule am Fusse nach sich 
schleppt, und doch hat das Studium der Mikroben 
und Fermente die Schulmedicin gezwungen, sich 
mit der unendlichen Kleinheit zu befassen. Ich 
kann in einer einzigen Sitzung Ihnen nicht die 
complicirte, weitläufige und schwierige Geschichte 
der ganzen mikroskopischen Welt vorführen, die 
seit 15 Jahren den ganzen Witz einer Menge unter¬ 
richteter und erfahrener Arbeiter auf die Probe 
stellt. Die erlangten Erfolge sind schon beträcht¬ 
lich, doch versprechen sie noch viel wichtiger zu 
werden, nicht allein für die Medicin, sondern für 
alle Arten menschlicher Thätigkeit. Ich will nur 
darauf hin weisen, welche Fortschritte der Land¬ 
wirtschaft durch die Kenntniss der Fermente und 
Mikroorganismen bevorstehen, sei es, dass es ge¬ 
lingt die als schädlich erkannten zu zerstören, sei 
es die nützlichen zu verwerten, mit deren Hülfe 
es ja auch schon gelungen ist, die Fabrikation von 
Bier, Wein, Käse, kurz aller der Produkte zu ver¬ 
bessern, die wir der Bodenkultur und den vom 
Boden abhängenden Industrieen verdanken. 

Berücksichtigen wir von dieser Kenntniss der 
Mikroben nur das, was unsere Wissenschaft direct 
berührt, und wir werden sehen, welch eine mini¬ 
male Dosis, ich will nicht sagen von Mikroben, 
sondern von Secreten der Mikroben genügt, um 
ein Thier zu impfen, d. h. seinen Körper unem¬ 
pfindlich gegen eine Krankheit zu machen. Ich 
entnehme das folgende Beispiel Professor Bouchard, 
dem doch niemand Schwäche oder Sympathie gegen¬ 
über Hahnemanns Lehre vorwerfen kann. Herr 
Bouchard stellt mit einer sterilisirten Staphylococcen- 
Kultur Lösungen von 1:100, 1:200, 1:1000, 
1:10000 her. Von dieser Lösung injicirt er Ka¬ 
ninchen einige Kubikcentimeter und bewirkt da¬ 
durch eine vollständige oder relative Immunität 
gegen die Impfung einer virulenten Kultur des 
Staphylococcus-Bacillus. Ich lasse nun die Schluss¬ 
folgerungen Dr. Bouchards folgen, ohne ein Wort 
zu ändern: 

„Wenn man bedenkt, dass ein Tausendstel eines 
Kubikcentimeters der Kultur nicht wirkungslos ist, 
und dass die Kulturen in der Spargellösung Bacte- 
rienstoffe nur im Verhältnis 5:1000 enthalten, von 
denen wieder 7 | 8 aus Ammoniak bestehen, welcher 
keine Impfwirkung hat, so kommt man zu dem 


Schlüsse, dass die Impfstoffe auch in solchen Dosen 
noch wirksam sind, die nur einen minimalen Bruch- 
theil eines Milligramms darstellen.“ 

Da haben wir eine Bestätigung der Wirkung 
der unendlich kleinen Dosen, und zwar durch einen 
der bedeutendsten medicinischen Professoren; das 
lässt uns hoffen, dass sie mehr Gewicht haben wird 
bei den Aerzten, als unsere Erklärungen, obwohl 
diese bald 100 Jahre alt sind. Doch das schadet 
schliesslich nichts, wer die Wahrheit verkündet, 
wenn diese Wahrheit nur endlich triumphirt. 

Bei Gelegenheit der Frage der unendlich klei¬ 
nen Dosen, die für mich so verführerisch ist, dass 
sie über die Grenzen menschlicher Erkenntniss hinaus¬ 
lockt, um noch unbekannte Regionen zu durch¬ 
wandern, möge es mir vergönnt sein, Ihnen die 
kürzlich gemachten Experimente Herrn Crookes über 
die strahlende Materie ins Gedächtniss zu rufen. 
Dieser geschickte Chemiker, der das Thallium ent¬ 
deckt, dieser bedeutende Physiker, der den Radio¬ 
meter erfunden, hat den erstaunten Augen eines 
aus Mitgliedern des Institut de France zusammen¬ 
gesetzten Auditoriums gezeigt, welche Kraft der 
Stoff besitzt, wenn er in unendlich kleine Theile 
getheilt, oder soweit verdünnt ist, dass man kaum 
noch glauben könnte, von einem Stoffe reden zu 
dürfen. 

Sie alle wissen, dass die Gase aus unendlich 
kleinen Theilen bestehen, die in fortwährender Be¬ 
wegung sind; da jedoch ihre Anzahl eine ganz un¬ 
geheure ist, so wird ein jeder unaufhörlich durch 
die Nachbartheilchen gestört, die an ihn anstossen 
und ihn aus seiner ursprünglichen Richtung bringen, 
so dass er hur in chaotischer Folge vorwärts kommt, 
um in verschiedenster Richtung zurückzukommen. 

Wenn es nun aber gelingt, in einem ge¬ 
schlossenen Raume die Zahl der Theilchen so zu 
verringern, dass man sie auf die geringste Ziffer 
brächte, dann könnte jedes Theilchen seinen ge¬ 
raden Weg gehen, ohne durch den Stoss der Nach¬ 
bartheilchen stets von seinem Wege gedrängt zu 
werden. Um nun die Gase auf den Zustand zu 
bringen, wo die Theilchen einander nicht mehr 
stören, erzeugt Crookes in einem Glasgefäss eine 
derartige Luftleere, dass der Luftdruck auf den 
millionsten Theil einer Atmosphäre herabgedrückt ist. 

Man könnte nun glauben, dass in solcher Ver¬ 
dünnung die Gasmenge, die zurückbleibt, ganz un¬ 
wesentlich sei; doch würde dies, sagt Crookes, ein 
schwerer Irrthum sein, der darauf beruht, dass unser 
schwacher Geist nicht im Stande ist, so grosse 
Zahlen zu begreifen. 

Nach den besten Quellen enthält ein Glasballon von 
ca. 13,5 cm im Durchmesser mehr als eine Quadril- 
lionMolecüle (1,000,000,000,000,000,000,000,000). 
Wenn wir nun den Luftdruck auf ein Millionstel 


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Atmosphäre herabdrücken, enthält der Ballon immer 
noch eine Trillion Molecüle, eine Anzahl, die mich 
wohl berechtigt, dem im Ballon verbliebenen Gase 
den Namen Materie zu geben. 

Crookes fügt nun hinzu, dass, wenn man Gas 
auf ein Millionstel Atmosphärendruck verdünnte, 
man es soweit vom gasförmigen Zustand entfernt, 
wie dieser vom flüssigen entfernt ist; er hält es 
daher für richtig, einen vierten Aggregatzustandanzu' 
nehmen und gebraucht dafür den Ausdruck straA- 
lende Materie. 

Im Anschluss hieran hat Crookes wunderbare 
Experimente gemacht und ist es dem gelehrten 
Physiker, indem er mit Böhren arbeitete, in denen er 
eine bisher unbekannte Leere erzeugte, gelungen, 
neue Wirkungen hervorzurufen, die nie Jemand 
hätte vorauasehen können. 

So gelang es ihm mit dem elektrischen Strom, 
die strahlende Materie in Bewegung zu setzen, 
wobei ihre Theilchen sich geraden Weges vom ne¬ 
gativen Pole wegwendeten. Am negativen Pole ist 
die Bohre dunkel, während auf der andern Seite 
das Glas in Folge des Stosses der Molecüle hell 
wird und zu phosphoresciren beginnt. Die Theil¬ 
chen der strahlenden Materie können nämlich, da 
sie in Folge ihrer geringen Anzahl nicht zusammen- 
stossen, an die Wand der Bohre anschlagen. 

Die unter solchen Umständen hervorgerufene 
Erscheinung der Phosphorescenz wird noch glän¬ 
zender, wenn man in die Bahn der strahlenden 
Materie einen Diamanten einschiebt. Der Diamant 
bekommt eine prächtige gelbe Färbung und beginnt 
so stark zu phosphoresciren, dass er Licht giebt, 
dessen Stärke der einer Kerze vergleichbar ist. 

Crookes bringt einen beachtenswerthen Beweis 
für den geradlinigen Weg der Theilchen. In einer 
Bohre, wie im vorigen Falle, bringt er in die Bahn 
der strahlenden Materie einen kleinen Schild aus 
Glimmer in Form eines Maltheserkreuzes. Wenn 
sich dann unter dem Einfluss des electrischen Stro¬ 
mes die Molecüle in Bewegung setzen und dabei 
vom negativen Pol sich wegbewegend das Bestreben 
haben, das Ende der Bohre am positiven Pol zu 
erreichen, wird eine Anzahl von ihnen durch den 
Glimmerschild aufgehalten: ein correspondirender 
Tbcil auf der andern Seite wird durch den Schild 
vor dem Stoss der Molecüle geschützt, kann daher 
nicht phosphorescirend werden und bleibt dunkel. So 
kommt es, dass man thatsächlich auf dem erleuch¬ 
teten Grunde sich ein Maltheserkreuz schwarz ab¬ 
zeichnen sieht. 

Auch ein anderer Versuch zeigt, dass die elektri- 
sirten Molecüle sich in gerader Linie bewegen, 
während in den Gessler’schen Böhren das Licht allen 
Ausbuchtungen der Glasröhren folgt, die die Kunst 
des Bläsers in ihren tausenderlei Formen erdenkt 


Nehmen wir eine Bohre mit strahlender Materie 
in Form eines V, so sehen wir, wie unter dem Ein¬ 
fluss des elektrischen Stromes die Molecüle von dem 
am oberen Ende des einen Schenkels des V sitzen¬ 
den negativen Pol fortwandern und an das untere 
Ende anstossen, ohne jedoch in den andern Schen¬ 
kel überzugehen, an dessen oberen Ende der posi¬ 
tive Pol sich befindet. Der erste Schenkel wird 
hell, der zweite bleibt dunkel. 

Ein zweites Experiment, nur iu anderer Form, 
zeigt den geradlinigen Weg der Molecüle der strah¬ 
lenden Materie und den Unterschied dieser Erschei¬ 
nungen von denen der elektrischen Ströme. Die 
letzteren strömen von Pol zn Pol; wechselt man 
dann in einem gewöhnlichen Glasballon die Stellung 
der Pole, so wechselt der Strom des elektrischen 
Lichtes den Platz nach der Bichtung der Pole; bei der 
strahlenden Materie ist dem nicht so: die Molecüle 
entfernen sich vom negativen Pol und gehen ge¬ 
raden Wegs auf die Wand des Ballons zu, ohne 
irgendwie abzuweichen, mag man den positiven 
Pol ändern, so viel man will. 

All diese Thatsachen zeigen, dass die von Croo- 
ke& beobachteten Erscheinungen von den gewöhn¬ 
lichen elektrischen Erscheinungen ganz verschieden 
sind und dass man die Strömungen der strahlenden 
Materie nicht mit den elektrischen vermengen darf, 
wenn es auch Molecüle einer elektrisirten Materie 
sind. Ein letzter Versuch mag alle Zweifel heben. 

Man weiss, dass zwei gleichartige elektrische 
Ströme sich anziehen, dass aber gleichartig elektri- 
sirte Molecüle sich abstossen. Richten wir eine der¬ 
artig luftleere Bohre so ein, dass sich am einen 
Ende zwei negative Pole, am andern Ende ein 
positiver Pol befindet und bringen dann die Molecüle 
in Bewegung, dann sehen wir, dass sich die beiden 
Lichtstrahlen von einander entfernen, sich abstossen, 
ein entschiedener Beweis für ihre stoffliche Natur. 

Nun führt der grosse englische Physiker mit 
einer unwiderstehlichen Logik seine Schlüsse, auf 
die ihn seine erste Hypothese gebracht, weiter aus, 
und kommt auf seltsame Besultate, denen man sein 
Staunen nicht versagen kann. 

Da die Theilchen der strahlenden Materie die 
Phosphorescenz durch ihren Stoss auf die Wand der 
Glasröhren, auf den Diamant, Bübin u. s. w. hervor - 
bringen, müssen sie doch auch Bewegung verur¬ 
sachen können, und allerdings ist dies der Fall. 

In einer Bohre von ca. 10—12 cm befindet sich 
ein kleines Bad mit thönerner Axe und Glimmer¬ 
schaufeln, welches auf zwei Glasschwellen ruht. 
Setzt man nun die strahlende Materie durch den 
electrischen Strom in Bewegung, so entfernen sieb 
die Molecüle vom negativen Pol, schlagen an die 
Schaufeln, so dass das Bad sich mit einer beträcht¬ 
lichen Schnelligkeit zu drehen beginnt, während es 


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205 


gleichzeitig auf den Schienen fortrollt. Wenn es 
am Ende der Röhre angekommen ist, wechseln wir 
den Strom und die Reise geht in entgegengesetzter 
Richtung durch den Stoss der Molecüle vor sich, 
bis das Rad an seinem alten Platze ist 

Das ist ein wunderbares Schauspiel, und wem 
es vergönnt war, die Versuche alle zu beobachten, 
der stimmt mit ein in den sich erhebenden stür¬ 
mischen Beifall. 

Weiter zeigt Crookes, dass die Molecüle von 
ihrem Wege durch Annäherung eines Magneten ab¬ 
gelenkt werden: anstatt gerade weiter zu gehen, 
beschreiben sie eine Curve und schlagen an die 
Seitenwand der Röhre an. Hierdurch gelingt auch 
der Beweis, dass die strahlende Materie ebenso gut 
Wärme entwickelt, wie sie Bewegung hervorruft. 

Es genügt, die eine Seite der Röhre mit einer 
Schicht Wachs zu bedecken, und mit Hülfe eines 
Magneten den Strom der strahlenden Materie auf 
diese Seite zu lenken: nach kurzer Zeit schmilzt 
das Wachs, dann beginnt das Glas selbst weich zu 
werden, bis es schliesslich selbst schmilzt. Es ge¬ 
lingt sogar dem Stoss der electrisirten Molecüle, eine 
ungeheure Wärme zu entwickeln, da sie eine ganz 
beträchtliche Schnelligkeit besitzen, deim es ge¬ 
lingt in wenigen Secunden einen Platindraht zu 
schmelzen, obwohl der Schmelzpunkt des Platins 
ungefähr 2200° beträgt. 

Die Materie erlangt also, wie Sie sehen, wenn 
sie den Grad der Vertheilung erreicht hat, den 
Crookes den strahlenden Zustand nennt, neue Eigen¬ 
schaften, die sich so vom gasförmigen Zustand unter¬ 
scheiden, wie dieser vom flüssigen und dieser wie¬ 
der vorn festen verschieden ist. 

In jeder seiner Formen gewinnt und verliert 
der Stoff gewisse Eigenschaften. Beim Wasser z. B. 
sehen wir, dass es im festen Zustand als Eis die 
gewaltigsten Lasten trägt, ohne sie durchzulassen, 
es besitzt alle Eigenschaften der festen Körper, 
kurz, es ist widerstandsfähig. Im flüssigen Zustand 
ist es durchlässig, sucht sein Niveau nach Zerstö¬ 
rung sofort wieder herzustellen; in einem ver¬ 
schlossenen Gefäss ist sein Druck auf alle Theile 
des Recipienten gleich; doch brauche ich ja nicht 
alle die Eigenschaften der flüssigen Körper aufzu¬ 
zählen, die man in jedem Elementarlehrbuch der 
Physik verzeichnet findet. In Dampfform wird seine 
Expansivkraft eine ungeheure, so dass es durch 
Ueberführung einer eingeschlossenen Wassermenge 
in Dampfform gelingt, die Eisenbahn mit der be¬ 
kannten gewaltigen Schnelligkeit in Bewegung zu 
setzen. Ein Schritt weiter, das Wasser wird Gas, 
enthält die Eigenschaften von Sauerstoff und Wasser¬ 
stoff, wirkt oxydirend, vermag zu verbrennen, ver¬ 
liert aber gleichzeitig die Eigenschaften des Eises 
oder der festen Körper, seines flüssigen ebenso wie 


seines Dampfzustandes; es sind also die Körper mit 
verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften, je 
nach ihren verschiedenen Zuständen versehen. Im 
Zustand der moleeülären Trennung, im Zustand der 
unendlichen oder homöopathischen Verdünnung ver- 
lieren die Körper, oder um auf medicinischem Ge¬ 
biete zu bleiben, die Heilmittel, die medicamen- 
tösen Stoffe, gewisse Eigenschaften, die sie im festen 
Zustand besassen, gewinnen jedoch auch neue, die 
unsere Erfahrung, d. h. in Summa die Erfahrung 
von ungefähr 20,000 Aerzten in mehr als 50 Jahren 
ausdauernder und fteistigeor Beobachtung, ab posi¬ 
tiv und sicher hinstellt. 

Meine Herren, die Homöopathie hat einen 
grossen Fehler begangen. Der Fehler ist der, dass 
sie fast ein Jahrhundert zu zeitig auf die Welt ge¬ 
kommen ist. Das habe ich schon manches liebe 
Mal gesagt und will es auch beweisen. Jede Wahr¬ 
heit, die nicht gegen die herrschenden Ideen ver- 
stossen will, muss zu ihrer Stunde kommen, d. h. 
zu der Stunde, wo die Geister bereit sind, sie auf¬ 
zunehmen. Am Ende unseres Jahrhunderts, wo 
sich der Horizont der Wissenschaft wunderbar er¬ 
weitert hat, wo der Mensch in die dunkelsten Ge¬ 
heimnisse der Analyse der Körper eingedrungen ist, 
wo Mikroskop und Spectralanalyse ihm die Be¬ 
obachtung der Stoffe in einem Zustande der Thei- 
lung ermöglicht haben, wie man es nie geahnt hatte, 
da würde die Anzeige von der Wirkung der un¬ 
endlich kleinen Dosen die Gelehrten nicht gestört 
haben. Das Studium der Krankheitsstoffe und der 
Mikroben, die Erkenntniss der unmessbaren und un¬ 
greifbaren Wirkungen der Electricit&t und des 
Magnetismus würde sie genügend vorbereitet haben, 
um auf Untersuchungen der Wirkung von unend¬ 
lich kleinen Mengen der Stoffe einzugehen. So 
aber steht eine lange Reihe von Verleugnung, Spott 
und Hohn vor ihnen als unübersteigbares Hinder¬ 
niss und Urtheile, die als unwiderruflich angesehen 
werden, halten sie von der Umkehr von ihren ver¬ 
alteten Ansichten ab. 

Wenn man sieht, wie eine Kultur von Asper¬ 
gillus niger, jenem Mikroorganismus, der sich mit 
unglaublicher Schnelligkeit in einem seiner Fort¬ 
pflanzung günstigen Medium entwickelt, augen¬ 
blicklich und Schritt für Sehritt in ihrer Entwick¬ 
lung durch den blossen Contact mit einem Stück 
Silber, einem unlöslichen Metall, aufgehalten wird, 
kann man nicht leugnen, dass eine unendlich kleine 
Dosis eines Stoffes ganz beträchtliche Wirkungen 
im lebenden Organismus und zwar durch blosse Be¬ 
rührung hervorbringen kann, obwohl zweifellos noch 
vor Kurzem die sogenannten homöopathischen Dosen 
in der Schulmedicin nicht einmal das Recht der 
Erwähnung erlangt hatten. Leider haben Hahne- 
mann und seine ersten Schüler den Triumph ihrer 


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206 


Entdeckung nickt mehr sehen können, indem sie 
wieder einmal ein Beispiel für die Wahrheit des 
Satzes des berühmten Arago abgaben, den ich Ihnen 
am Schluss der heutigen Sitzung ins Gedächtnis» 
zurückrufen will: 

„Der geniale Mensch wird immer verkannt, wenn 
er seiner Zeit zu weit vorausgeeilt ist, in welchem 
Fache es auch sei.“ 


III. Bericht der ArzneiprUfungsgesellschaft. 

Nachprüfung ton Rannncnlns sceleratns. 

Referent Dr. Sohier-Hainz. 

(Fortsetzung.) 

XI. Dr. Georg Werner, Arzt in Schaidt (Pfalz) 
bei Weissenburg. 

Personalien: 29 Jahre alt, von kräftiger Con¬ 
stitution, Körpergewicht 90 Kilo, Grösse 1.84 m, 
Temperament sanguinisch, war bisher, abgesehen 
von zeitweiser Dyspepsia acid. und Furunculosis im 
Nacken und äusseren Gehörgang, immer gesund; im 
28. Lebensjahr an Masern erkrankt. Lebensgewohn¬ 
heiten sehr regelmässig, täglich Abmachen der länd¬ 
lichen Praxis zu Fuss. Schlaf durchschnittlich 
lO 1 ^—7^ Uhr ruhig und traumlos; Stuhlgang 
regelmässig Morgens 8 Uhr mit geringen Ausnahmen 
(Neigung zur Diarrhöe). Mässig im Tabak- und 
Alcoholgenuss. Gesichtsfarbe frisch, Haare braun. 

10. März 1894. Trübes, feuchtes Wetter (nass¬ 
kalt). Morgens 9 Uhr 5 Tropfen in 1 Esslöffel 
Wasser. 1 l 2 10 Uhr: metallischer Geschmack auf der 
Zunge, ähnlich wie wenn man Tinte auf der Zunge 
gehabt hat; 10 Uhr vermehrte Speichelabsonderung, 
vermehrtes Schluckbedürfniss, welches den ganzen 
Vormittag anhält. 12 Uhr: leichtes Kratzen im 
Schlund, Öfteres Räuspern. Im Allgemeinbefinden 
keine Aenderung; guter Schlaf. 

11. März. Trockenes Wetter, bewölkter Himmel, 
Westwind. 9 Uhr Morgens 10 Tropfen ohne be¬ 
sondere Erscheinungen. 

13. März. Scharfer Südwestwind, trockenes 
Wetter, milde Temperatur, zeitweise Sonnenschein. 
Morgens 8 Uhr Stuhlgang. 9 Uhr 20 Tropfen. 
1 | 2 10 Uhr: ziehende Schmerzen im rechten Bein, 
eingenommener Kopf (in der Luft besser). Stuhl¬ 
drang. 10 Uhr: mässige Leibschmerzen, dünnbrei¬ 
iger Stuhl. Danach zeitweises Zwicken im Leib, 
wandernde Schmerzen in den Gliedern, besonders 
in den Gelenken; Gehfaulheit (Gefühl in den Beinen 
wie nach einem anstrengenden Marsch). Puls: 60 
(sonst 70—80). Uebermüdungsgefühl in den Augen 
(Brennen und leichtes Thränen). 1 | 2 11 Uhr: Kopf 
angegriffen (wie bei Katzenjammer). 12 Uhr: Mü¬ 
digkeit in den Beinen nimmt zu. 1 Uhr: Schmerzen 


im Rachen (Kratzen und Hustenreiz). Puls: 100. 
1 l tt 8 Uhr: stechende Schmerzen in der Herzgegend, 
die 1 | 4 Stunde anhalten. Nachts schlechter Schlaf. 

14. März. Noch starke Müdigkeit in den Beinen. 

10. März. Leichter Nordwind, kühle Tempe¬ 
ratur, zeitweise Sonnenschein. 

Mittags l | 2 2 Uhr 25 Tropfen. 1 | 2 3Uhr: Stechen 
im Leibe, Eingenommenheit des Kopfes. Pulsver¬ 
langsamung. 4 Uhr: Trockenheit und Kratzen im 
Hals, etwas Hustenreiz. Brennen in den Augen. 
Ziehende Schmerzen in den Gelenken, Kriebeln und 
Brennen in den Fingern und im Gesicht, Jucken. 
Schlaf gut. 

18. März. Leichter Nordwind, bedeckter Him¬ 
mel, kühle Temperatur. 

Mittags 2 Uhr 40 Tropfen. 3 Uhr: Kratzen im 
Hals, leichte vorübergehende Schmerzen in den Glie¬ 
dern, etwas Müdigkeit. 4 Uhr: Leibschmerzen. 5 bis 
6 Uhr: Stuhldrang. , | 2 7 Uhr Stuhl. Schlaf gut. 

19. März. Helles, sonniges Wetter, leichter Nord¬ 
wind. 

Morgens 1 | 2 9Uhr 60 Tropfen. 1 ] 4 10 Uhr: Stechen 
in der rechten Schulter und im Nacken. Zwicken 
im Leib. 1 | 2 10 Uhr Müdigkeit, Schmerzen im Hinter¬ 
kopf, Jucken und Brennen in den Händen, Ohren 
und im Gesicht. Leichtes Kratzen im Hals. Stira- 
druck. *1*211 Uhr Hustenreiz, Ziehen im rechten 
Bein. Puls: 60. Brennen in den Augen. Schlaf 
und Appetit sehr gut. 

20. März. Bewölkter Himmel, Windstille, milde 
Temperatur. 

1 | 2 9 Uhr Morgens 80 Tropfen. 9 Uhr: leichter 
Kopfschmerz und Lcibschmerzen. 10 Uhr: Brennen 
und Jucken am ganzen Körper, besonders in den 
Augen und im Gesicht. 1 | 9 11 Uhr: leichter Schnu¬ 
pfen, der im Laufe des Tages wieder verschwindet. 
12 Uhr: starker Harndrang, obwohl er weiter keine 
Flüssigkeit zu sich genommen hatte, als den Morgen¬ 
kaffee, wie sonst auch. Kopfschmerz; Jucken dauert 
fort. 4 Uhr heftiger Schmerz in der linken Schläfe, 
welcher 20 Minuten anhält. 5 Uhr: Leibschmerzen. 
6Uhr: Jucken und Brennen im Gesicht wird stärker, 
ebenso die Leibschmerzen. Puls: 64. 7 Uhr: Leib¬ 
schmerzen hören allmählig auf. 

2L März. Klares, sonniges Wetter, Nordost¬ 
wind. 

3 i4 9 Uhr 100 Tropfen. 

1 | 2 10 Uhr: Stechen im Rücken links (tief). Etwas 
Zwicken im Leib. 10 Uhr: Jucken am ganzen 
Körper; Druck in der Stirne, leichtes Brennen in 
den Augen. Puls: 68. Mittags etwas Müdigkeit 
in den Beinen. Die übrigen Symptome verlieren 
sich allmählig und weicht das Allgemeinbefinden 
vom gewöhnlichen nicht ab. 

1. April. Morgens ^OUhr 10Tropfen. 1 | 2 10Uhr: 

Beissen im Gesicht, an den Ohren und in der 


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207 


Nase. Puls: 64, unregelmässig. 1 | s llUhr: Müdigkeit, 
ziehende Schmerzen in den Armen, auch im Rücken, 
besonders rechts. Leichtes Kratzen im Hals mit 
Hustenreiz; etwas Druck auf der Brust. 1 | i 12 Uhr: 
Kratzen wird stärker, ebenso der Druck und Be¬ 
klemmung auf der Brust. Kopfschmerzen halten 
den ganzen Mittag an. 

2. April. Zeitweise leichter Kopfschmerz, sonst 
keine auffallenden Symptome. 

6. April. Morgens *| 9 9 Uhr 15 Tropfen. Helles 
Wetter. 9 Uhr: sehr starkes Jucken auf der Brust, 
welches bis 1 j 2 10 Uhr anhält. 10 Uhr: Beissen an 
der Stirne und im Gesicht. Trockenheit im Hals, 
Räuspern. Brennen in den Augen, starke Licht¬ 
empfindlichkeit und Thränenfluss. 1 | 4 11 Uhr: all- 
mählig stärker werdender Kopfschmerz, besonders 
in der Stirne. Etwas Müdigkeit und Unsicherheit 
(Taumeln) heim Gehen. Puls: 72, unregelmässig. 
11 Uhr: Kratzen im Hals wird stärker; zeitweise 
Schmerzen in der rechten Mandel, welche ins rechte 
Ohr ausstrahlen. Schmerzen in der Stirn, Schwere 
des Kopfes. Leichter Schnupfen, öfteres Niesen. 
Puls immer noch sehr unregelmässig: 75. Mittags 
noch Kopfschmerz und Müdigkeit. Gegen Abend 
(5 Uhr) wieder starker Juckreiz. 

7. April. Noch etwas Abgeschlagenheit und 
Empfindlichkeit der rechten Mandel beim Schlucken. 
Sonst keine auffallenden Symptome. 

8. April. Rechte Mandel schmerzfrei. Dagegen zeigt 
die linke Mandel stark dunkle Röthung, etwas Schwel¬ 
lung und ist heim Schlucken empfindlich. Müdigkeit. 

9. April. Linke Mandel stark geschwollen, Schluck¬ 
beschwerden sehr stark, so dass sogar Flüssigkeiten 
nur unter heftigem Schmerz den Schlund passiren. 
Im Allgemeinen Wohlbefinden. 

10. April. Schmerzen in der linken Mandel noch 
vorhanden, aber nur noch schwach. 

15. ApriL Abends erneute Schmerzen beim 
Schlucken und zwar diesmal auf der rechten Seite. 
Trübes, feuchtwarmes Wetter, Südwind. 

10. April. Regen, kühle Temperatur. Uhr: 
Schmerzen beim Schlucken stärker als gestern. 

9 Uhr 2 Tropfen von der Urtmetur. Im Laufe 
des Tages werden die Schmerzen immer weniger, 
Abends sind dieselben ganz verschwunden. 

19. ApriL j | 2 9 Uhr 15 Tropfen. 9 Uhr Brennen 
und Jucken in der linken Backe, vorübergehender 
Schmerz im rechten Auge, Lichtscheu und Schwere 
in den Augenlidern; 1 | o 10 Uhr wandernde Schmerzen, 
bald in der linken Schulter, bald im Kreuz, bald 
in den Armen. Unsicherheit im Gehen. Einge¬ 
nommenheit des Kopfes. Beklemmung auf der Brust, 
Bangigkeit. Leichtes Kratzen im Hals, Jucken im 
ganzen Gesicht. 

20. April. Die Erscheinungen von gestern ver¬ 
schwinden allmählig. 


30. April. Kühler, regnerischer Tag, Nord¬ 
ostwind. 

3 | 4 9 Uhr 20 Tropfen. 1 2 10 Uhr beginnender 
Kopfschmerz; Druck in den Augen, Müdigkeit und 
Unsicherheit im Gang. 11 Uhr Trockenheit und 
Kratzen im Hals. 12 Uhr Harndrang. Im Laufe 
des Mittags nehmen Müdigkeit, Harndrang, Kopf¬ 
schmerz und Kratzen im Hals noch zu. 

1. Mai. Erwachen mit heftigen Schmerzen in 
der linken Mandel, besonders beim Schlucken. Die¬ 
selbe ist dunkelroth gefärbt und geschwollen. Die 
Schluckbeschwerden und der Kopfschmerz nehmen 
im Laufe des Vormittags so zu, ebenso die Müdig¬ 
keit, dass er sich einige Stunden zu Bett legen 
musste. Puls: 108, Temperatur: 88,0. Urin blass, 
klar, frei von Eiweiss. Unmöglichkeit, feste Speisen 
zu schlucken. Nachts unruhiger Schlaf. 

2. Mai. Morgens 7—8Uhr: Schweiss am ganzen 
Körper. Schmerzen beim Schlucken etwas weniger 
als gestern. Dagegen sehr starke Müdigkeit und 
näselnde Sprache. Temperatur normal. Abends 
starke Schmerzen in den Fersen, die ihm das Gehen 
fast unmöglich machen. 

3. Mai. Schmerzen beim Schlucken fast ganz 
geschwunden; dagegen ist die Müdigkeit besonders 
in den Knieen und die Schmerzen in den Fersen 
noch stärker als gestern. Noch etwas Kopfschmerz. 

4. Mai. Allgemeines Wohlbefinden. 

9. Mai. Impfung am rechten Vorderarm mit 
Essenz, verläuft ohne alle Erscheinungen. 

XII. Dr. Schier-Mainz. 

Nimmt am 5. April 1894 Vormittags 10 1 | 9 Uhr 
20 Tropfen der V. D.-P, und am 13. April lach- 
mittags 5 x | 2 Uhr 10 Tropfen der m. D.-P. in je 
1 Esslöffel Wasser, ohne irgendwelche Reaction. 

Am 20. April Vormittags lO 1 ^ Uhr 20 Tropfen 
der UI. D.-P., wie gewöhnlich in 1 Esslöffel 
Wasser. 

Am 21. April Morgens 7 Uhr Erwachen mit 
Leibschmerzen, Druck unter dem Magen, durch 
Abgang von Blähungen erleichtert Brennen der 
Augen, Kitzeln in der Nase, später wiederholtes 
Niesen mit Fliessschnupfen. 10 Uhr Kolik mit 
breiigem Stuhl. Von 11—12 1 | Ä Uhr Kolik. Nach¬ 
mittags mehrmals Niesen, 8—4 Uhr stechende 
Schmerzen in der rechten unteren Brustgegend, 
durch Druck gebessert, durch Bewegung und Tief- 
athmen verschlimmert. Abends 9—10 Uhr kolik¬ 
artige Schmerzen unter dem Magen, Appetit wie 
gewöhnlich, auch Zunge nicht belegt 

Am 22. April Morgens im Bett leichte kolik¬ 
artige Schmerzen; Augenlider entzündet, sehen aus 
wie bei Schnupfen. Vormittags 10 Uhr Kolik- 
schraerzen unter dem Magen, durch Blähungen er¬ 
leichtert. 10 1 !* Uhr breiiger Stuhlgang. 


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m 


Am 23. April Schimpfen. 

Am 24., 25. und 26. April wiederholt Niesen 
mit leichtem Schnupfen. Am 25. April Abends 
Druck in und unter dem Magen. Am 26. April 
desgleichen Morgens mit Durchfall 8*| 9 Uhr. 

Am 26., 27. und 28. April Appetitlosigkeit 
mit Schwächegefühl im Magen, will gähnen, kann 
aber nicht; mehrmals hellgefärbter Durchfall an 
jedem der drei Tage. In der ganzen Woche Behr 
unangenehme, gänzlich ungewohnte Benommenheit, 
als ob etwas auf den Vorderkopf drücke, mit 
Flimmern vor den Augen, namentlich Morgens. 

Am 1. und 2. Mai viel Niesen, Brennen der 
Augen — könnte event. Erkältung sein, manifestirt. 
sich aber anders, nicht so constant, wie sonst wohl 
nach Erkältung — und in Pausen von mehreren 
Stunden auftretender Fliessschnupfen. Stuhlgang 
breiig, auch am 3.—7. Mai. 

Am 8. Mai kein Stuhlgang. 

Am 9. Mai zweimal dünnbreiiger Stuhl mit 
Druck in der Magengegend, namentlich Morgens 
im Bett, wie wenn ein Stein im Magen läge. 

Am 10. Mai Morgens 9 Uhr breiiger Stuhl, 
Abends 10 Uhr hellgeftlrbter Durchfall mit Kolik¬ 
schmerzen. 

Am 11. und 12. Mai breiiger Stuhl des Vor¬ 
mittags. Vom 13. Mai ab macht eine durch das 
bekannte „Mailüfterl“ verursachte Erkältung der 
weiteren Beobachtung zunächst ein Ende. 

Am 13. Juni Vormittags 10' 9 Uhr 10 Tropfen 
der II. D.-P.: Nachmittags 5—Uhr Athemnoth, 
wie wenn ein schweres Gewicht auf die vordere 
Brustwand drückte. 

Am 14. Juni Morgens im Bett Magendrücken 
wie von einem Stein, beim Aufsetzen gebessert. 
Um 10 Uhr Vormittags Durchfall mit Kneipen im 
Leib und Magendrücken. In Nase, Augen und 
Rachen Gefühl, als ob ein Katarrh im Anzug 
wäre. 

Am 15. Juni Morgens im Bett Magendrücken, 
Zunge nicht belegt, gegen 10 Uhr Vormittags all- 
mählig verschwindend. 

Am 16. Juni desgleichen, auch Nachmittags. 

Am 18. Juni Abends beim Schlafengehen 
stechender, schneidender Schmerz in der Gegend 
des Schwertfortsatzes und der angrenzenden Rippen, 
bei Bewegung und durch Tiefatlimen verschlimmert, 
10 Minuten dauernd. 

Am 19. Juni Morgens im Bett Druck im Magen, 
beim Aufstehen verschwindend, 10 s j 4 Uhr Vor¬ 
mittags dünner, flotter Stuhlgang. Von 11—2 Uhr 
Athemnoth, Gefühl, wie wenn ein Gewicht auf die 
Brust drücke. Abends von 5 Uhr ab Stechen und 
Schneiden in der vorderen rechten Brustwand, bei 
Bewegung und Tiefatlimen gesteigert. 

Am 20. Juni Morgens im Bett Magendrücken. 


i Augenlider entzündet; tagsüber öfters Kneipen und 
Zwicken im Unterleib. Nachmittags 3 — 6 Uhr 
Athembeschwenden, Gefühl, als ob etwas Schweres 
auf die vordere Brustwand drücke, kann nicht tief 
athmen. 

| Am 21. Juni Morgens im Bett Magendrücken. 
Nachmittags 4 — 7 Uhr Druck auf der Brust, Schwer- 
athmen. 

Am 22. Juni Morgens im Bett Magendrücken, 
tagsüber Brennen der Augen. 

Am 23. Juni Morgens im Bett Magendrücken, 
Stuhlgang 9 Uhr flotter als gewöhnlich. 

Am 24. Juni dito, lO 1 ^ Uhr Durchfall. 

Am 26. und 26. Juni Magendrücken Morgens 
im Bett. 

Am 28. Juni Morgens Schnupfen und Brennen 
der Augen. 

Am 23. Juli Vormittags 10 Uhr 5 Tropfen dar 
I. D.-P.: Geschmack der hellgelblichen Flüssigkeit 
kratzend (im Rachen). 

Am 24. Juli Nachmittags 3—8 Uhr Schmerz 
(wie 8cliwürig) in der linken unteren Rippengegend 
seitlich und hinten bis zur Wirbelsäule sich er¬ 
streckend, anscheinend in der Muskulatur; bei Be¬ 
wegung verschlimmert, Verlangen nach Druck auf 
die betreffende Stelle, welcher lindert. 

Am 25. Juli Morgens im Bett Magendrücken, 
nach dem Aufstehen verschwindend. 

Am 26. Juli Trockenheit und leichter Schmerz 
im Rachen — Röthung der Uvula und hinteren 
Rachenwand. 

Am 27. Juli wiederholt heftiges Niesen. 

Am 1. August Morgens im Bett Magendrücken 
wie von einem Stein, beim Aufstehen verschwindend; 
Vormittags 9 J | 2 Uhr Stuhldrang mit Kolik, Stuhl 
flotter wie sonst. 

Am 3. August desgleichen. 

Am 9 . August Vormittags 10 Uhr toird die Haut 
des linken Vorderarms an einer Zweimarkstück - 
grossen Stelle mit der unverdünnten Essenz be¬ 
strichen- Abgesehen von einer leichten Kälte¬ 
empfindung direct nach dem Aufstreichen der Essenz, 
welche aber wohl lediglich von dem Verdunsten 
des Alkohols herrührt, findet keinerlei Reaction 
statt. 

Am iö. August Vormittags 11 Uhr wird die 
Epidermis des Huken Vorderarmes mit einem Scal- 
pell an einer etwa *| f qcm grossen Flächt abge¬ 
schabt, überdies ein kleiner Einschnitt gemacht und 
auf die blutige Stelle werden einige Tropfen der 
unverdünnten Essenz eingerieben . Das sofort — 
wohl durch den Alkoholgehalt der Essenz — ent¬ 
stehende Brennen hält nur 1—2 Minuten an, die 
kleine Wunde verheilt in den nächsten Tagen ohne 
jegliche Reaction. 

Am 20. August Vormittags 10 Uhr 5 Tropfen 


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209 


dar unverdünnten Essenz; Sofort nach dem Ein¬ 
nehmen fühlt sich Zunge und Rachen wie pelzig 
an. Nachmittags 3*| 9 Uhr flotter Stuhl trotz der 
normalen morgentlichen Entleerung. In der folgen¬ 
den Nacht hat er nach Aussage seiner Frau eine 
Viertelstunde lang schwer geathmet und mit den 
Zähnen geknirscht. 

Am 21. August Morgens 11 Uhr flotterer Stuhl 
als gewöhnlich. Brennen der Augen. Nachmittags 
5 — 6 Uhr Athemnoth, Druck auf der vorderen 
Brustwand mit Schwächegefühl, Druck unter den 
letzten Rippen rechterseits in der Lebergegend. 
Dabei grosse Müdigkeit, namentlich in den unteren 
Extremitäten, so dass er sich beim Untersuchen von 
Patienten setzen muss. Abends starkes Jucken 
auf dem Haarkopf. 

Am 22. August Morgens früh Jucken im Haar¬ 
kopf, Vormittags 10 Uhr breiiger, hellgelber Stuhl 
mit Kneipen im Unterleib. Nachmittags von 4 Uhr 
ab Stechen und Wehegefühl in der rechten Brust¬ 
wand unten vorn, seitlich und hinten, sowie in der 
Lebergegend, durch Aufdrücken mit der Hand ge¬ 
bessert. Abends Jucken im Haarkopf. 

Ara 23. August Morgens Jucken im Haarkopf, 
im Bett Druck im Magen wie von einem Stein, 
Stechen in der Lebergegend. Müde, wie wenn er 
die ganze Nacht nicht geschlafen hätte, Brennen 
der Augen. Mittags Kolik mit hellem, breiigem 
Stuhl. Nachmittags 4—6 Uhr Gefühl, als ob die 
ganze Leber- und untere Lungenpartie rechterseits 
gesellwürig k wäre. 

Am 24. August Morgens starkes Jucken auf 
dem Kopf, Magendrücken im Bett, beim Aufstehen 
nachlassend, Zunge nicht belegt. Nachmittags 
Jucken in der Nase. 

Am 25. August Morgens im Bett Drücken im 
Magen, in der Leber und Milz; starke Müdigkeit, 
wie wenn er die ganze Nacht nicht geschlafen 
hätte, bald nach dem Aufstehen verschwindend. In 
den letzten Tagen bat er sehr häufig die Sensation, 
als ob kleine weisse und schwarze Hunde oder 
Katzen um ihn herumhuschten, jeder auf dem 
Boden sich bewegende Lichtschein kommt ihm be¬ 
lebt vor. Von 11 Uhr Vormittags ab Gefühl, als 
ob alles Blut in der Herzgrube zusammen ströme 
und hin und her walle, mit Angst, besonders beim 
Setzen und Bücken, Pulsfrequenz normal. 

Am 26. August Morgens und Nachmittags 
5 Uhr breiiger Stuhl. Nachmittags S 1 ^ Uhr 
schmerzhaftes, krampfhaftes Reissen und Zucken 
in der rechten unteren Extremität, besonders in der 
Wade. Die folgenden vier Tage einmal Morgens 
breiiger Stuhl. 

Am 30. August Morgens im Bett Druck in 
Magen- und Lebergegend; in den letzten Tagen 
Morgens im Bett Harndrang, zum Uriniren Stunde 


I früher wie gewöhnlich zwingend. In der Nacht 
zum 31. August wird eine ganz abnorm grosse 
1 Harnmenge ohne besondere äussere Veranlassung 
entleert, der Harn hat einen ungemein scharfen 
Geruch. 

Am 31. August Morgens im Bett Druck in der 
Magengegend. 9 Uhr Vormittags Kolik und bell* 
gefärbter Durchfall. 

Am 1. Sept. Morgens 7 Uhr Erwachen mit 
Druck auf die Blase und in der Lebergegend, es 
wird eine abnorm grosse Menge Urin entleert, die 
Leber fühlt sich an wie ein Klotz. 

Am 2. Sept. Abends Druck im Magen und 
Unterleib wie von Steinen, durch Abgang von 
Blähungen erleichtert. In der Nacht zum 3. Sept« 
Erwachen unter schwerem Druck auf die Blase, 
Uriniren mitten in der Nacht, was sonst nie 
vorkommt, und zwar der doppelten Hanpnqnge 
als bei normalem Uriniren. Die Untersuchung 
des Harns auf Eiweiss und Zucker bleibt resul¬ 
tatlos. 

Am 3. Sept. Morgens Drupk in Magen- und 
Lebergegend. Vormittags 10—12 Uhr Athemnoth, 
Gefühl, als ob Jemand von hinten mit einem ge¬ 
spannten Handtuch die vordere Brustwand drücke, 
dabei Mattigkeit mit Schlafbedürfnis. |n den 
letzten 8 Tagen Nachmittags und Abends starkes 
Jucken und Beissen im After. 

Am 4. Sept. Vormittags schmerzhafter Druck 
an der hinteren unteren Partie der linken Lunge, 
Gefühl, als ob sie angewachsen und geschwollen, 
compact sei, nach dem Stuhlgang 10 1 |, Uhr ge¬ 
bessert. 

Am 6. Sept. Erwachen mit schwerem Druck 
in Magen- und Lebergegend und im ganzen Unter¬ 
leib, durch Abgang von Blähungen erleichtert, da¬ 
bei Leib nicht aufgetrieben, sondern bretthart, flach. 
Zugleich sehr starke Müdigkeit, so dass er nur mit 
äusserster Willensanstrengung ein Glied rühren 
kann, trotz guten, festen Schlafes in der vorher¬ 
gehenden Nacht; nach dem Aufstehen gebessert. 
Brennen der Augen. Abends Stechen in den 
unteren Partieen beider Lungen vorn und hinten, 
beim Tiefathmen verschlimmert. 

Am 7. Sept. Morgens Magendrücken. Nach¬ 
mittags 1*| 2 Uhr Durchfall, trotz normalen Stuhl¬ 
gangs am Vormittag. Nachmittags und gegen 
Abend Brennen und Jucken der Augen. 

Am 8. und 9. Sept. Morgens im Bett schmerz¬ 
hafter Druck in der Lebergegend. Am 8. Sep¬ 
tember Nachmittags und Abends Reissen in der 
vorderen linken Thoraxmuskulatur, durch Druck 
gebessert. 

Am 12. und 16. Sept. Morgens im Bett Druck 
in der Leber- und Blasengegend, nach vermehrter 
Ausscheidung klaren Urins gebessert. 

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210 


Zusammenstellung. 

Präparat: Essenz aus dem im October gesammel¬ 
ten frischen Kraut. 

Wirksamer Bestandteil: Ein scharfer, flüchtiger, 
kampherartiger Stoff. 

Wirkungsdauer: Bei Gesunden bis zu sechs 
Wochen. 

Allgemeines: Müdigkeit, Angegriffenheit, Zer¬ 
schlagenheitsgefühl in allen Gliedern, Schlafbedürf¬ 
nis, Zittern an Händen und Füssen, Gefühl von 
Schwüle, geringes Fieber, Frost, Zähneklappern, 
Unsicherheit beim Gehen, Taumeln. Blasses Aus¬ 
sehen ; Periodicität mancher Symptome. Verschlimme- 
rung bei Bewegung. Starker Durst; Appetit gut, 
vermindert, Gähnen, Heisshunger. 

Schlaf unruhig, öfteres Aufwachen, kann dann 
lange nicht einschlafen, schreckhafte Träume. 

Gemüthsstimmung melancholisch, Wunsch allein 
zu sein; Reizbarkeit des Gemüthes, Angstgefühl. 

Haut: Beissen und Jucken im Gesicht, auf den 
Lippen, an den Ohren, der Stirn und im Haar¬ 
kopf, besonders Abends und Morgens, mit Bildung 
kleiner, rother Knötchen oder Quaddeln oder steck¬ 
nadelkopfgrosser, gelblicher, wie mit Wasser ge¬ 
füllter Bläschen; die Epidermis schuppt sich leicht 
ab. Starkes Haarausfallen, nur bei einem Prüfer 
beobachtet. Bildung stark juckender Knötchen auf 
der Brust und dem Rücken, nach dem Kratzen 
brennend. Brennen und Jucken am ganzen Kör¬ 
per, Schweiss am ganzen Körper. 

Nervensystem. 

Hirn und Himnerven: Schwindel mit Unsicher¬ 
heit beim Gehen; Schwindel, als ob sie aus dem Bett 
falle. Gefühl, als ob das Gehirn schwanke. Ein¬ 
genommenheit wie bei Katzenjammer. Sehr leb¬ 
hafte, abscheuliche Träume, aus dem Schlaf weckend. 
Schwere des Kopfes, in der Luft und nach Schlaf 
besser. Kopfweh nach Schliessen der Augen ge¬ 
bessert, durch Sehen und Lesen schlimmer. Sen¬ 
sation, als ob kleine weisse und schwarze Hunde 
oder Katzen um ihn herumhuschten, jeder auf dem 
Boden sich bewegende Lichtschein kommt ihm be¬ 
lebt vor. Kopfschmerzen wie bei Beginn der 
Periode. Kopfschmerzen besonders in der Stirn, 
wie zusammendrückend; geringe Hitze in der Stirn. 
Druck im Vorderkopf. Klopfendes Kopfweh in der 
Stirn beiderseitig, hämmerndes Kopfweh auf dem 
Scheitel. Schmerzen im Hinterkopf, in der Schläfe, 
stechende Schmerzen in der Mitte des Seitenwand¬ 
beines und der Tubera frontal. Schmerz in der 
ganzen rechten und dann in der linken Gesichts¬ 
seite mit Gefühl des Auges als eines wunden Kör¬ 
pers im Kopfe. Brennender Schmerz in beiden 
Ohrläppchen und Wangen, Gefühl auf der rechten 
Wange, als ob eine Ameise unter der Haut sich 


bewege. Zucken der Gesichtsmuskeln. Knacken 
des linken Kiefergelenks beim Gehen. Ziehen in 
den Zähnen des rechten Unterkiefers, im linken 
Jochbein bis zum Ohr, in den Zähnen links. 
Knirschen mit den Zähnen. 

Auge: Gefühl von Uebermüdung, Schwere in 
den Augen, als stünden die Buchstaben nicht fest; 
Sehen von Zacken resp. spitzen Curven. Gefühl 
eines Schleiers über dem rechten Auge. Flimmern 
in den Augen, starke Lichtempflndlichkeit und 
Thränenflu8s; brennendes, juckendes Gefühl in den 
Augäpfeln, das Bewegen derselben thut weh. Augen 
glänzend. Gefühl, als ob die Augenlider nicht 
leicht hin und her glitten wegen Trockenheit der 
Conjunctiva Conjunctivitis. Schwellung der beiden 
oberen Augenlider. Augenlider entzündet, Em¬ 
pfindung, als ob ein Katarrh im Anzug wäre. 

Ohr: Hitze und Geräusch, als ob Heimchen 
zirpten, Sausen, Ziehen, Läuten in den Ohren, 
Taubheit auf dem rechten, dem linken, beiden 
Ohren. Schwerhörigkeit, wie wenn die Ohren ver¬ 
stopft wären, bald rechts, bald links stärker, hört 
starke Geräusche wie aus weiter Ferne. Brennen 
im Gehörgang, als ob eine ätzende Flüssigkeit aus- 
! liefe. Beissen tief im rechten Ohr; Stiche im 
linken Ohr. 

Nase : Leichter Schnupfen, Beissen, Kitzeln, 
Jucken in der Nase, Niesen, Fliessschnupfen (mild), 
Jucken der Nasenspitze. Trockenheit der Nase. 
Nasenscheidewand geschwollen und schmerzhaft, 
mit Borken besetzt. Nasengeschwüre; Gefühl, als 
ob ein Katarrh im Anzug wäre. 

Rückenmark: Stiche im Genick, Gefühl, als 
ob etwas der Wirbelsäule entlang auf dem Rücken 
zum Kopf steige, was sich im Gehirn als Schwindel 
geltend macht. Ziehende Rückenschmerzen, be¬ 
sonders rechts, rheumatischer Schmerz in der Thorax¬ 
muskulatur. Druck in der Gegend der Lenden¬ 
wirbel an der Spitze des linken Schulterblattes, im 
Rücken links in der Höhe des Rippenbogens, in 
der rechten Axillarlinie in der Gegend der 7. bis 
8. Rippe. Schmerzhaftigkeit des Rippenbogens bis 
zur hinteren Axillarlinie, besonders rechts, mit 
Empfindlichkeit gegen Druck. Unter den letzten 
Rippen hinten rechts Gefühl, als ob sich ein Räd¬ 
chen drehe. 

Wandernde Schmerzen in den Gliedern, beson¬ 
ders den Gelenken. Wandernde Schmerzen bald 
in der linken Schulter, bald im Kreuz, bald in 
den Armen. Heftige, reissend-ziehende Schmerzen 
in der rechten und linken Schulter, überspringend 
aufs Ellenbogengelenk. Krampf im linken Ober¬ 
arm ; Zittern des linken Armes. Ziehen in der 
Ulnarseite des linken Vorderarmes. Anhaltender 
Schmerz im rechten Ellenbogen wie nach Stoss. 
Dumpfer Schmerz in den Armen bis in die Hände, 


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211 


letztere wie dick und geschwollen. Schwere des 
rechten Oberarmes; Zittern der Hände, Ungeschick¬ 
lichkeit beim Clavierspielen. Jucken in den Hand¬ 
flächen wie von Insectenstichen. Taubheit und 
Kribbeln der Finger der linken Hand. Vorüber¬ 
gehendes Schmerzen und Brennen im Gelenk des 
rechten kleinen Fingers. Kribbeln in den kalten 
Fingerspitzen. Brennen in den Händen und Fingern. 
Zucken der Handmuskeln. 

Gehfaulheit, Gefühl in den Beinen wie nach 
einem anstrengenden Marsch, Schwere in den Beinen 
beim Gehen. Ziehende Schmerzen im rechten Bein, 
krampfhaftes Heissen und Zucken darin, besonders 
in den Waden. Schmerzen in den Fersen; Brennen 
in der linken Ferse. Ziehen am linken inneren 
Fussrande. 

Organe des Kreislaufs. Herzklopfen, athem- 
versetzende Stiche im Herzen, Gefühl von Völle 
am Herzen. Angst, als ob das Herz zerspringen 
wolle; ängstliches Gefühl, als ob alles Blut in der 
Herzgrube zusammenströme und hin und her walle, 
besonders beim Bücken und Setzen. Fieber; Puls¬ 
zahl niedriger als normal, Puls unregelmässig fre¬ 
quent, dicrot, Ziehen in der Herzgegend. 

Athmnngsorgane. Kratzen im Hals wie von 
Staub und Hustenreiz. Brennender Halsschmerz; 
näselnde Sprache. Stechen im Kehlkopf. Hals 
verschleimt Stimme belegt. Beim Singen Um¬ 
schlagen der Stimme. Kitzeln im Kehlkopf mit 
Husten. Starkes Stechen links oberhalb des Kehl¬ 
kopfs. Gefühl, als ob Jemand mit der Hand den 
Hals zudrücke. 

Beklemmender Schmerz auf der Brust, Bangig¬ 
keit. Athembeschleunigung. Husten mit Auswurf, 
schmerzhaft. Neigung zum Tiefathmen. Athemnot, 
wie wenn ein schweres Gewicht auf die Brust drücke, 
wie wenn die vordere Brustwand mit einem Tuch 
von hinten her zusammengedrückt würde. Schwäche- 
gefuhl in der Brust. Engegefühl auf der Brust, 
als ob sie zu fest geschnürt wäre. 

Stechen in der linken Lunge seitlich und hinten 
unten, Gefühl, als ob sie angewachsen, geschwollen, 
oompact sei, nach Stuhlgang gebessert. — Ziehen 
in der rechten Brustseite von der Warze bis zur 
Achselhöhle; stechende Schmerzen in der rechten 
unteren Brustgegend, durch Druck gebessert; Ge¬ 
fühl, als ob der rechte untere Lungenlappen ge- 
schwürig wäre. — Druck in der Mitte der Schulter¬ 
blätter, stärker beim Athmen. Stechende, schnei¬ 
dende Schmerzen in der Gegend des Proc. ensi- 
formis und der angrenzenden Rippen, durch Be¬ 
wegung und Athmen verschlimmert. 

Verda aang80rgane. Jucken in den Lippen, 
besonders in der linken Hälfte der Oberlippe. 
Bildung einer erbsengrossen gelblichen Blase in 
der Mitte der Unterlippe und zweier kleiner an der 


Schleimhaut der Unterlippe. — Zahnfleisch wund 
und schmerzhaft. Schwund des geschwollenen 
äusseren Zahnfleisches am rechten oberen 1. Mahl¬ 
zahn. — Metallischer Geschmack auf der Zunge 
wie nach Zwiebelgenuss. Gefühl, als ob der Zungen¬ 
grund geschwollen wäre. — Schmerzen in der rechten 
und linken Mandel, ins Ohr ausstrahlend. — Blutiger 
Speichel. Wasserzusammenlaufen im Mund mit 
Uebelkeit und saurem Geschmack; Speichelfluss. 
Stechen im weichen Gaumen. Im Rachen Gefühl, 
als ob ein Katarrh im Anzug wäre. Schlingbe¬ 
schwerden, muss immer schlucken, als ob etwas im 
Hals stecke. Trockenheit, Pelzigsein, Kratzen im 
Schlund. 

Aufstossen von Luft ohne Geschmack. Aufstossen 
mit Uebelkeit und Brechneigung. Drückender, 
bohrender Schmerz in der Herzgrube, durch Auf¬ 
stossen erleichtert. Morgens zwischen 11 1 | 2 und 
11 8 | 4 Uhr Heisshunger und Knurren im Magen. 
Druck im Epigastrium wie von einem Stein; bei 
jedem Umdrehen im Bett Gefühl, als wolle alles 
nach dieser Seite fallen, mit Uebelkeit, Luftauf- 
stossen und Abgang von Blähungen mit Erleichte¬ 
rung des Magens. Leichter Druck der warmen Hand 
erleichtert den Magenschmerz. Schwächegefühl im 
Magen. — Stechender Schmerz tief unter dem 
Magen nach dem Rücken zu (Pancreas?). 

Druck und Stechen unter den Rippen in der 
Lebergegend, Gefühl, als ob die Leber geschwürig 
wäre; Leber fühlt sich hart an wie ein Klotz. — 
Druck unter dem Magen, durch Abgang von 
Blähungen erleichtert, ebenso durch Aufsteigen aus 
dem Bette. Leib fühlt sich hart an. Leibschmerzen, 
Kneipen, Zwicken, Stechen. Schmerz und Knurren 
im Unterleib. Unbehaglichkeit im Abdomen, Bauch¬ 
grimmen. 

Neigung zu Diarrhöe, Abgang von weissen, 
schleimigen Stoffen. Schmerzloser, dünnbreiiger, 
hellgelber Stuhl, wochenlang und periodisch ein- 
tretend. Stuhldrang aus dem Bett treibend. Stuhl 
stark riechend. Morgens und Abends Jucken und 
Beissen im After. (Schluss folgt.) 


Bildung von Kothsteinen in Folge von 
anhaltendem Gebrauch von Magnesia und 
Wismuth. 

Es ist eine Thatsache, die, wenn sie den Laien 
auch unbekannt, doch ihren Aerzten bekannt sein 
sollte, dass, wenn man die kohlensaure (aber auch 
gebrannte) Magnesia als abführendes Mittel oder 
als Antacidum zu lange Zeit hindurch anwendet, 
sie schliesslich die Obstipation nicht nur nicht hebt, 
sondern noch vermehrt, indem sich am Ende voll¬ 
ständige Concretionen, Kothsteine, im unteren Theile 

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des Darmes anhäufen, die vorerst aus phosphor¬ 
saurer Ammoniak-Magnesia bestehen. 

Einen interessanten, hierher gehörigen Fall hat 
Dr, Mettenheimer in Bez f Memorabilien 1892, pag. 
821 u. ff. mitgetheilt. 

Es handelte sich um eine unverheirathete Dame 
des höheren Standes, die nerven- und muskel¬ 
schwach , blutarm und in hohem Grade ebenso 
geistig als körperlich verwöhnt war. Schon vor 
einer Reihe von Jahren musste Patientin wegen 
eines halbeingebildeten (? Ref.) Unterleibsleidens 
längere Zeit liegen. Es stellte sich dabei häufiger 
Drang zum Stuhl, aber ohne Entleerung ein. Der 
Mastdarm war nämlich durch eine grosse Kothmasse 
von lehmiger Consistenz erfüllt und ausgedehnt, 
und da der Patientin der Wille wie die Kraft fehlte, 
so musste Dr. M. in der Narkose sie von dieser Koth¬ 
masse künstlich entbinden. Um dem vorzubeugen, 
nahm nun die Kranke jeden Abend ein Abführ¬ 
mittel, und sagte ihr von den mancherlei ver¬ 
suchten Lax antien die gebrannte Magnesia am besten 
zu; davon nahm sie allabendlich 1—2—3 Thee- 
löffel voll, wozu Dr. M. wegen der grossen Em¬ 
pfindlichkeit des Darmkanals etwas basisch salpeter¬ 
saures Wismuth gesetzt hatte. 

Dieses Verfahren hielt sie, kleine Unterbrechun¬ 
gen abgerechnet, zehn volle Jahre fest, während 
welcher Zeit sie aber nie recht gesund gewesen 
war. Es bildete sich allmählig Tuberculosis bei 
ihr aus; es kam zu einem rechtsseitigen pleuri- 
tischen Exsudate, das, mit starkem Fieber einher¬ 
gehend, sie wieder zu mehrwöchentlicher Bettruhe 
nöthigte. Dies gab nun wieder Anlass zu stärkerer | 
Stuhlverhaltung, wogegen wieder, trotz Fieber und 
Schwäche, allabendlich ein Laxans, und zwar mit 
Vorliebe wieder Magnesia, gebraucht wurde. Von 
Klystieren musste hei der Abneigung der Patientin 
dagegen und wegen der grossen Empfindlichkeit 
ihres mit Hämorrhoidalknoten besetzten Orificium 
ani abgesehen werden. Durch das Abführmittel wur¬ 
den zwar noch immer reichliche, meist dickbreiige 
Stühle entleert, aber Patientin fühlte keine Er¬ 
leichterung danach. Zuletzt hatte sie den ganzen 
Tag Stuhldrang; sie klagte über Schmerzen, welche 
vom Kfeuz aus in das rechte Bein ausstrahlten; i 
es trat Harnverhaltung und selbst Erbrechen ein. 
Die Digitaluntersuchung ergab, dass sich in der 
Aushöhlung des Os sacrum ein fester, unbeweg¬ 
licher, hühnereigrosser Körper befand, dessen Ober¬ 
fläche sich glatt und hart wie eine Eischale an¬ 
fühlte und bei starkem Fingerdrucke zerbrach. 
Mehrere der grössten Stücke holte Dr. M. mühsam 
heraus; die kleineren wurden durch lauwarme Ein¬ 
füllungen des Mastdarmes allmählig entleert. Die 
Reizbarkeit des Mastdarmes legte sich in wenigen 
Tagen. Der Inhalt, der die Schale völlig ausge- j 


füllt hatte, sah gleich der Schale graubraun aus, 
war fest, trocken und leicht zerreiblich. Eine che¬ 
mische Untersuchung ist leider unterblieben. 

Es ist noch zu bemerken, dass Dr. M. der 
Magnesia bei seiner Patientin noch kleine Mengen 
von Wismuth zugesetzt hatte, und gerade von diesem 
unlöslichen Körper hat Hoppe-Seyler nachgewiesen, 
dass es zur Bildung von Darmsteinen leicht Ver¬ 
anlassung geben kann (siehe 1. c. pag. 70). 

Eine alte Frau, welche wegen eines Ekzems in 
die Klinik kam, litt ausserdem an starken eiterigen 
Durchfällen, die ihren Ursprung im Colon und 
Rectum zu haben schienen. Sie bekam deshalb 
etwa 4 Wochen lang, mit kurzen Unterbrechungen, 
täglich mehrere Dosen von 0,5 Bismuthum subnitri- 
cum, und ausserdem noch Klystiere von Zinkoxyd- 
Emulsion. — Sie starb dann an Peritonitis in Folge 
von Darmincarceration. Bei der Section fand sich 
im Rectum ein enteneigrosser Darmstein, dessen 
Mitte auf dem Durchschnitt weiss, dessen Rand 
aber schwarz mit eingesprengten weissen Partieen 
erschien. — Die chemische Analyse ergab, dass die 
Mitte fast nur aus Zinkoxyd mit wenig Bism. sub- 
nitr., die Rinde aber aus organischer Substanz mit 
Schwefel wismuth und Zinkoxyd bestand. 

Der Fall zeigt, dass bei schlaffem Darm die 
Einführung nicht resorbirbarer Stoffe, wie Wismuth. 
subn. und Zinkoxyd leicht zu Concrementbildung 
führen kann. 

Ein anderer Fall betraf ein 15jähriges blindes, 
an Darmtuberkulose leidendes Mädchen, welches 
wegen der starken Durchfälle beinahe 2 Monate 
lang Bism. subn. 4 Mal täglich 0,6 erhielt. Bei 
der Section fand sich die Coecalwand von zahl¬ 
reichen tuberkulösen Ulcerationen durchbrochen; 
dieselben reichten bis auf den Psoas und enthielten 
reichliche Concremente, die überwiegend ausSchwefel- 
wismuth bestanden. Ausserdem zeigten die Pyra¬ 
miden der Nieren eine schwärzlich-grüne Färbung 
und mit dem Mikroskop entdeckte man die Mem¬ 
brana propria zahlreicher gerader Harnkanälchen 
mit äusserst feinen schwarzen Körnchen besetzt. 
Es lag nahe, auch diese als abgelagerte Wismuth- 
| Verbindungen anzusehen, welche, von den Darm¬ 
geschwüren aus aufgenommen, dort abgesetzt wor¬ 
den waren. (Solche Ablagerungen hat man auch im 
Verdauungstractus bei Vergiftungen von Wismuth 
beobachtet, das man als Verbandsmaterial bei Wun¬ 
den benutzt hatte.) 

Merkwürdig ist, dass all die hier mitgetheilten 
Fälle weibliche Personen betroffen haben. So lauten 
auch die Erfahrungen Dr. Mettenheimer’s. Er fand 
die Kothsteine bisher nur bei Frauen, und zwar 
entweder solchen, die an allgemeiner Schwäche 
litten, oder durch schwere acute Krankheiten zu 
längerem Bettliegen verurtheilt und sehr herunter- 


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gekommen waren. Es ist weniger die harte, scybala- 
ähnliche Form der Kothmasse, welche noch eher 
eine kräftige Reaction der Mastdarmmuskeln an¬ 
regt, als vielmehr jene lehmartige , zähe , trockene 
Beschaffenheit der Faeces, welche zu Kothan- 
häufungen, Kothsteinen Anlass giebt, wobei aber, 
wie wir gesehen, der so lange fortgesetzte Gebrauch 
nicht resorbirbarer Medicamente eine wesentliche 
Rolle spielt. (Bez’ Memorabilien 1892.) 

Dr. M. 


Lesefrüchte. 

Entwickluug und Prognose verschiedener 
Formen von Hyocarditis. 

Dr. Rigal behandelte diesen Gegenstand in einer 
Vorlesung im Höpital Neckar. 

1. Die essentielle chronische Myocarditis ist eine 
Alterskrankheit: der Herzschlag ist sehr schwach, 
der Puls unregelmässig, der Spitzenstoss nicht sicht¬ 
bar; der Umfang des Herzens bleibt ^normal. 
Schwaches systolisches Murmeln. Diese Form 
kommt selten vor; die Prognose ist schlecht; da 
an eine Rückbildung oder einen Stillstand nicht zu 
denken ist, ein plötzlicher Tod eintreten kann. 

2. Arterio-Sclerose des Herzens in Folge von 
Endoarteritis; danach Atrophie des Muskelgewebes 
und Ersatz desselben durch fibröses. 

3. Die chronische interstitielle Myocarditis hat 
nicht allemal einen fortschreitenden, tödtlich enden¬ 
den Verlauf, sondern diese macht oft Jahre lang 
andauernde Stillstände, so dass der Kranke ein 
höheres Alter en-eichen kann. — Der folgende Fall 
ist hier typisch: Ein an Gicht Leidender, den An¬ 
fälle von Migräne, Muskelrheumatismus, Arthritis 
deformans heimgesucht, wird im Alter von 50 Jahren 
von Dyspnoe bei Bewegung, Herzklopfen, leichten, 
nächtlichen Erstickungsbeschwerden attakirt, hat 
ein geringes Oedem an den Malleolen oder der 
Tibia und sein Geschäft wird ihm zur Last. Unter¬ 
suchung des Herzens zeigt beschleunigten Herz¬ 
schlag, der entweder regelmässig und schwach, oder 
unregelmässig und arythmisch, immer aber schwach 
ist. Der Herzstoss ist schwer zu constatiren. Die 
Dämpfung in der Quere ist vergrössert; das Vo¬ 
lumen des Organs überschreitet die normalen Gren¬ 
zen, aber nur mässig. — Der erste Herzton ist 
geschwächt, der zweite normal. Zuweilen hört man 
ein tricuspidales Murmeln. Keine Zeichen von 
Arterio-Sclerose oder interstitieller Nephritis. Man 
diagnosticirt chronische Myocarditis und stellt eine 
ungünstige Prognose. Es wird Ruhe verordnet, 
eine milde Diät, hauptsächlich aus Milch bestehend; 
es wird Digitalis und Jodkalinm gegeben und von 
wenigen Wochen bis zu wenigen Monaten ändert 


sich die Scene. Die Dyspnoe tritt nur hei schnellem 
Gehen und Treppensteigen noch ein. Das Oedem 
an den Füssen verschwindet, der Herzumfang 
nimmt ab, die Contractionen werden kräftiger, 
regelmässiger und langsamer; der erste Ton ist 
besser, wenn auch noch schwach; die Geräusche ver¬ 
schwinden; der Kranke fühlt sich wieder wohl und 
nimmt sein Geschäft wieder auf mit wachsamem 
Auge auf seinen Gesundheitszustand. So können 
mehrere Jahre vergehen; sein Herz ist nicht das 
beste, er weiss es, aber er macht die ganze Zeit 
über ziemlich gut fort. Nach 10—12 Jahren kehren 
die Herzstörungen in gesteigertem Grade wieder. 
Leichte Anfälle von Asystolie erscheinen, werden 
allmählig intensiver und nach einem Kampf, der 
Monate, ja Jahre lang währen kann, unterliegt der 
| Patient. — Der Verlauf dieser Krankheit hängt 
| von dem Gesammtzustande der Patienten ab; ist sie 
begleitet von Gicht, Gelenkrheumatismen, Diabetes, 
stehen die Patienten im mittleren Lebensalter, so 
ist ihr Verlauf schneller als im höheren Alter. 
Bleivergiftung und Alkoholismus machen die Pro¬ 
gnose weit bedenklicher; acute hinzütretende An¬ 
steckungserkrankungen beschleunigen jene Krank¬ 
heit in hohem Grade. Nach Influenza oder Pneu¬ 
monie hat man Asystolie manchmal beobachtet; die 
bis dahin latente Myocarditis kam nun offen zu 
Tage. Chronische Nephritis kann sich gleichzeitig 
entwickeln und wird auf das Herz wie eine Infec- 
tionskrankheit wirken. Lebensberuf und Lebens¬ 
weise bestimmen mit die Prognose: harte Arbeit, 
ungenügende Ernährung, Ueberanstrengung, Aus¬ 
schweifungen in venere, andauernde und heftige 
Gemüthsbewegungen erschöpfen die Kräfte des 
Herzens. (La Semaine medicale 1893, Nr. 78.) 


Fest-Bericht. 

Von der Elbe. Am 25. November d. J. be¬ 
ging der Senior der Leipziger homöopathischen 
Aerzte, unser verehrter College Dr. med. Friedr. 
Arnold Heinrich Lorbacher, das 50jährige Doctor- 
Jubelfest. Er ist bei allen homöopathischen Col- 
legen in und ausserhalb Deutschlands bekannt und 
wohlgelitten und erfreut sich bei seinem Alter von 
76 Jahren noch einer seltnen geistigen wie körper¬ 
lichen Frische. Derselbe ist am 26. August 1818 
in Sömmerda geboren, wo sein Vater Obersteuer- 
controleur war, aber später in Langensalza, dem 
Geburtsort Hufelands, wohnte. Nach abgelegter 
Gymnasial - Prüfung in Mühlhausen i. Th., nur 
wenige Stunden von Langensalza entfernt, besuchte 
er die Universität Greifswald, wo er am 25. No¬ 
vember 1844 zum Dr. med. promovirt wurde. Nach 
Ablegung der Staatsprüfung wandte er sich bald 


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der Homöopathie zu, beeinflusst durch seinen Vater, 
der, ein grosser Anhänger der Homöopathie, auf 
thierärztlichem Gebiete selbst schriftstellerisch thätig 
war, nicht minder wohl durch zwei seiner Ver¬ 
wandten, die sehr beliebte und beschäftigte homöo¬ 
pathische Aerzte waren, Doctor Kohlmann in 
Wanzleben bei Magdeburg und der Geh. Sanitäts- 
Rath Kreisphysikus Müller in Oschersleben. Er 
Hess sich in Eislehen nieder und ward bald einer 
der beschäftigtsten Aerzte. Von da aus nahmen 
auch seine schriftstellerischen Versuche ihren ersten 
Ausgang, sowie seine Thätigkeit zur Errichtung 
eines Krankenhauses in Leipzig. Gegen Ende der 
sechziger Jahre liess er sich in Leipzig nieder, 
wurde nach Dr. Veit Meyer’s Tode zweiter Arzt, 
später Director der Leipziger homöopathischen 
Poliklinik des Central-Vereins, trat nach Clot. Müller’s 
Tod auch dessen Erbschaft an als Vorstandsmit¬ 
glied des Central-Vereins. Im Jahre 1877—1889 
wurde er Leiter der Allgemeinen homöopathischen 
Zeitung, für die er eine grosse Anzahl werthvoller 
Beiträge lieferte und gründete 1870 die Leipziger 
populäre Zeitschrift für Homöopathie. Namentlich 
unter den jüngeren Collegen, die sich der Prüfung 
zur Erlangung des Selbstdispensirrechtes homöo¬ 
pathischer Arzneien in Preussen unterziehen müssen, 
ist auch die ira Jahre 1883 von ihm herausgegebene 
Anleitung zum methodischen Studium der Homöo¬ 
pathie bekannt und beliebt. Der Ausschuss der 
Leipziger Collegen zur würdigen Begehung dieses 
Jubelfestes hatte Einladungsschreiben an mehrere 
ältere Mitglieder des Sächsisch-Anhaitinischen Ver¬ 
eins homöopathischer Aerzte geschickt. So bestiegen 
wir denn am Morgen des 25. November den Eisen¬ 
bahnzug nach Leipzig. Die Luft war kühl und der 
Himmel in graue Wolken gehüllt; aber bald brach die 
Sonne hervor, als wollte sie mit ihrem goldigen Schim¬ 
mer die weihevolle Feier des Tages verklären. 

In Cöthen hofften wir in den Herren Geh. 
Sanitäts-Rath Dr. Faulwasser-Bernburg und Sanitäts- 
Rath Schwenke Reisebegleiter nach dem gleichen 
Ziele zu bekommen; jedoch waren Beide durch 
Kranksein verhindert worden. 

Nach der Bestimmung des Festausschusses sollte 
dio Begrüssung des Jubilars durch die Leipziger 
und auswärtigen Collegen in dessen Wohnung um 
12 Uhr stattfinden. Schon am Vormittag hatten 
Freunde und Verwandte ihre Glückwünsche dar¬ 
gebracht. Liebe und Verehrung hatten in der 
feinsinnigsten Art Geschenke gestiftet. Das Er¬ 
freulichste dabei aber war die Allgemeinheit der 
Betheiligung, ein deutlicher Beweis der Hochachtung, 
deren sich der Jubilar erfreut. Die Universität 
Greifswald hatte es sich nicht nehmen lassen, ihm die 
Würde eines Dr. med. zu erneuern. Den Leipziger 
Collegen schlossen sich die Leiter der beiden 


homöopathischen Apotheken an, die Herren Stadt¬ 
rath Dr. Schwabe und Steinmetz, ausserdem von 
auswärtigen Freunden die Doctoren Groos-Magde¬ 
burg und Haupt-Chemnitz. Herr Oberstabsarzt Dr. 
Rohowsky überreichte unter herzlicher Begrüssung 
Seitens des Homöopathischen Central-Vereins Deutsch¬ 
lands eine Glückwunsch-Urkunde, Dr. Groos eine 
gleiche Namens des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins, 
während Dr. Stifft als Dolmetsch der Empfindung 
der Leipziger Homöopathen und des Vorstandes des 
Krankenhauses gleichzeitig eine Einladung zu dem 
am Abend veranstalteten Festmahl für den Jubilar 
und dessen Frau Gemahlin überbrachte. Die An¬ 
sprachen waren durchweht von dem Hauche liebe¬ 
vollster Verehrung und Anerkennung für die grossen 
Verdienste im Sinne unserer Bestrebungen, aus¬ 
klingend in dem einen Wunsche, dass der Jubilar 
noch lange seinen Freunden und unserer Schule 
erhalten bleibe. Der Jubilar dankte bewegt in 
warmen, schönen Worten. — Es folgte dem schönen 
Morgen ein noch schönerer Abend bei dem ver¬ 
anstalteten Festmahle, in dem sich der letzte Act 
der Jubelfeier abspielte. Die Versammlung war 
hier natürlich im Wesentlichen die gleiche, wie am 
Morgen, nur war der Eindruck malerischer insofern, 
als die Gemahlinnen der Leipziger Freunde am 
Festmahle theilnahmen. Sämmtliche Theilnehmer 
standen unter dem Eindrücke, ein Fest unvergleich¬ 
licher Art mitzuerleben; und dies frohe Gefühl 
machte die Stimmung besonders heiter und an¬ 
geregt. Der Jubilar und seine Frau Gemahlin 
waren natürlich der Glanzpunkt des Abends. Der 
demnächstige Jubilar Dr. Billig-Leipzig feierte in 
schönen, warmen und herzlichen Worten den Jubi¬ 
lar, die zusammengefasst waren in dem Motto: 
„Wer Liebe säet, wird Liebe ernten“ und zeich¬ 
nete ein vom Hauche liebevollster Verehrung durch¬ 
wehtes Charakterbild des Jubilars und seiner Frau, 
dass man schier seine Freude daran haben musste. 
Aber damit nicht genug, wurde allgemach der 
Jubilar mit einer solchen Fülle von Glückwünschen 
überschüttet, dass es namentlich bei der lebhaften 
Unterhaltung, die während des Festes platzge¬ 
griffen hatte, ein Ding der Unmöglichkeit war, sie 
alle aus dem Gedächtniss aufzuzählen. Auf alle 
diese Trinksprüche Rede und Antwort zu stehen, 
lag natürlich dem Jubilar ob, der sich dieser Auf¬ 
gabe in einer Weise entledigte, die unsere ganze 
Bewunderung herausfordert Als am Schlüsse der 
Tafel ein sangbares Festlied, vom Redacteur der 
Allgemeinen Homöopathischen Zeitung, Dr. Mossa- 
Stuttgart, gedichtet, durch den Saal rauschte, da 
erhoben sich am Schlüsse noch einmal die Freunde 
des Jubilars zum letzten Trünke auf sein Wohl. 

Unter den beim Festmahle eingegangenen Tele¬ 
grammen erwähnen wir das von Herrn Obermedi- 


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215 


cinalrath Dr. von Sick, dem Vorsitzenden des Ver¬ 
eins homöopathischer Aerzte Württembergs, ent¬ 
sandte — und hat dieser Gruss der süddeutschen 
Collegen den Jubilar ganz besonders erfreut. 

Das schöne Fest ist verrauscht und verklungen. 
Vivat sequens! 


Noch ein 50jähriges Doctor-Jubiläum. 

Die Erfahrung von der Duplicität der Fälle 
zeigt sich uns auch in dem frohen Ereigniss, dass, 
nach dem 50 jährigen Doctorjubiläum von Dr. Lor- 
bacber, das des Collegen Dr. Hugo Heinrich Billig 
in Leipzig am 13. December stattfand, wozu wir 
dem Jubilar unsere herzlichsten Glückwünsche ent¬ 
senden. Im Namen des homöopathischen Central¬ 
vereins Deutschlands beglückwünschte ihn Herr 
Dr. Lorbacher unter Ueberreichung einer Glück¬ 
wunsch-Urkunde; eine gleiche brachte Herr Dr. 
Haedicke seitens des sächsiscli-anhaltinischenVereins, 
und der Decan der hiesigen medicinischen Fakultät, 
Herr Geh. Medicinalrath Professor Dr. Zweifel, über¬ 
brachte auch persönlich ein Gratulationsdiplom. Möge 
auch diesem Jubilar noch manches Jahr bei jetziger 
körperlicher und geistiger Frische beschieden sein. 


Stellung für junge Landwirthe ohne Vermögen! 

Es ist eine bekannte Tbatsache, dass der Betrieb der 
Landwirthschaft, wenn derselbe einigermassen rentiren soll, 
ein erhebliches Kapital erfordert. Bei zu geringen Mitteln 
ist meistens trotz allen Fleisses, aller Strebsamkeit nichts 
zu erreichen und geht das kleine, dabei verwandte Ver¬ 
mögen häufig auch noch verloren. So bleibt dann un¬ 
bemittelten, jüngeren Landwirthen in der Regel 
nur übrig, entweder eine untergeordnete Stellung bei Ver¬ 
wandten etc. zu übernehmen oder als Verwalter ihren 
Unterhalt zu suchen. Aber auch zu diesem Posten findet 
ein derartiger Andrang statt, dass besser bezahlte Stellen 
zu den Seltenheiten gehören und heute viele Hunderte von 
Verwaltern und Inspectoren stellenlos sind. Da möchten 
wir die Aufmerksamkeit der jungen Landwirthe auf die 
Karriere eines landwirtschaftlichen Reclinungs- 
führers und Amtssecretärs lenken, die heute noch die 
besten Aussichten zu einem guten Fortkommen darbietet. 
Weil viele Oekonomen eine grosse Abneigung gegen Bureau- 
Arbeiten haben, so sind derartige Stellungen stets vacant. 
Ausserdem ist in Folge des neuen Einkommensteuergesetzes, 
sowie der neueren socialen Gesetzgebung, jetzt fast jeder 
grössere Besitzer genöthigt, sich einen Rechnungsbeamten 
und Secretär zu halten. Die Stellungen sind zum grössten 
Theil angenehm und mit einem hinreichenden Einkommen 
versehen. Besondere Vorkenntnisse, ausser denen einer 
guten Elementarschule, sind nicht erforderlich. Ausbildungs¬ 
dauer 3 Monate. 

Zu jeder ferneren Auskunft ist der Vorstand des 
landwirthschaftlichen Beamten-Vereins zu Braunschweig, 
Adamen weg 160, gern geneigt. 


Anzeigen. 


Im Verlage von Adalbert Fischer in Leipzig ist er¬ 
schienen : 

Vom tropischen Tieflande.zum ewigen Schnee. 

Von Professor Anton Goerlng. 

Den in einer früheren Nummer (21/22) in einer Beilage 
gebrachten günstigen Besprechungen dieses Buches seitens 
der Herren Professoren Kirchhoff-Halle, Ratzel-Leipzig, 
Oscar Schneider-Dresden sowie aus der Zeitschrift „Natur“, 
Westermanns Monatsheften, Leipziger Hlustrirte Zeitung und 
Leipziger Tageblatt kann ich mich nur voll und ganz anschliessen 
und dieses Buch jedem Freunde von Naturschönheiten, beson¬ 
ders der neuen Welt, zur Anschaffung empfehlen. Es wird 
uns in demselben eine höchst angenehme, den Geist an¬ 
regende und in jeder Hinsicht lehrreiche Lectüre geboten; 
unstreitig bietet auch das Buch im wahren Sinne des Wortes 
einen werthvollen Zimmerschmuck, auch für die feinsten 
Salons. In Anbetracht der hoch eleganten, künstlerischen, 
dabei äusserst soliden Ausstattung ist der Preis ein höchst 
bescheidener zu nennen und es wird Jedermann dadurch 
leicht gemacht, nicht nur ein Prachtwerk von dauerndem 
Werthe zu erwerben, sondern auch deutschen Fleiss und 
deutsche Kunst zu unterstützen. 

Das Weihnachtsfest naht: Vielen wird daher eine solche j 
wirklich herrliche Gabe willkommen sein. Aufträge nimmt ( 
gern entgegen I 

A. Marggraf s homöopathische Officio 
und Buchhandlung, Leipzig. 


Ein Apotheker norddeutscher Grossstadt wünscht 
zwecks Niederlassung mit einem homöopathischeu Arzte in 
Verbindung zu treten. 

Offerten unter 159 an die Expedition dieser Zeitung. | 


Arzt-Gesuch. 

In einem Orte der Provinz Sachsen, mit guter Um¬ 
gebung (Magdeburger Gegend), wo lange Jahre ein homöo¬ 
pathischer Arzt segensreich wirkte, wird, da der jetzige 
allopathische Arzt nicht beliebt ist, baldigst ein tüchtiger, 
liebenswürdiger homöopathischer Arzt gesucht, der aber zu 
gleicher Zeit tüchtiger Geburtshelfer sein muss. Derselbe 
findet hier einen sicheren, lohnenden Verdienst. 

Zu näherer Auskunft ist gern bereit der Maurer- und 
Zimmermeister Carl Homann in Barby. 


Ein tüchtiger homöopathischer Arzt, christl. Con- 
fession, findet in einer grösseren Stadt am Rhein gute 
Praxis; es ist zwar schon ein homöopathischer Arzt am 
Orte, doch wird auch ein zweiter lohnende Praxis 
finden, da einer allein nicht auskommt. Das Haus des 
früheren homöopathischen Arztes daselbst kann über¬ 
nommen werden. Offerten erbeten sub R. L. 587 an 
die Expedition dieses Blattes. 

Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich 
den Herren Aerzten von der 

Allgemeinen 

Homöopathischen Zeitung 

ganze Collectionen vom 1. bis 129. Bande, sauber 
gebunden, wie auch einzelne Bände, und so weit 
der Vorratli reicht, auch einzelne Nummern zu 
billigsten Preisen. 

A. Marggraf 8 Homöopath. Officin in Leipzig. 


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216 


Bekanntmachung. 

Der Vorstand des Homöopathischen Centralvereins hat, um die durch Vermehrung der Centralvereinsbibliothek nöthig 
gewordene Anschaffung eines neuen Schrankes aus Sparsamkeitsrücksichten und aus Mangel an Platz für die Auf¬ 
stellung desselben zu vermeiden beschlossen, eine Anzahl drei- und vierfach vorhandener, theilweise schon vergriffener oder 
seltener älterer Werke an Collegen abzugeben. Der Erlös aus denselben ist zu Neuanschaffungen für die Bibliothek bestimmt. 

Collegen, welche auf eins der in vorstehender Liste verzeichneten, mit Preisangabe versehenen Werke reflc<*- 
tiren, wollen sieh an den Bibliothekar, Herrn C. Günther, Leipzig, Sidonienstr. 44, wenden. 


Leipzig, "9. November 1894. 


1. V.: Dr. med. Lorbacher. 


Mark 

100.— Allgem. Homöop. Zeitung« Bd. 1 - 72. geb. od. 
brosch. 

3.— Alt8chul 9 Systematisches Lehrbuch d. theoretischen 
und praktischen Homöopathie. Sondershausen 
1858. geb. 

2.— Argentl, Homöopath. Behandlung verschiedener 
Krankheiten, rest 1860. geh. 

1.— Arnold) Das rationell - specifische oder idioputh. ] 
Heilverfahren. Heidelberg 1851. geb. 

1.50 Attomyr, Primordien einer Naturgeschichte der 

Krankheit. 1.—2. Bd. Wien 1851. brosch. 

2.50 Bähr, Digitalis purpurea in ihrer physiologischen 

u. therapeutischen Wirkung. Leipzig 1859. geb. 
(Gekrönte Preisschrift) 

5.— — Die Therapie nach den Grundsätzen der 
Homöopathie. 1.—2. Bd. I,eipzig 1862. geh. 

1. — BaumaniH) Das alte und neue Heilverfahren mit 
Medicin. Memmingen 1857. geb. u. brosch. 

1. — —Mosaik von Bernstein. 1.— 3.Tafel. Leipzig 1857. 
2.50 Bönninghausen, Tt« Versuch einer homöopathischen 

Therapie der Wechsel- und anderer FiebA*. 
Iieipzig 1864. geb. 

— 25 — Homöopathische Therapie der Wechselfieber. 
Münster 1833. 

2.50 Braun, Die Medicin unserer Tage in ihrer Vervoll¬ 
kommnung durch das homöopath. Heilsystem. 
Leipzig 1834. brosch. 

5.— Grauvogl, y.. Die Grundgesetze der Physiologie, 
Pathologie und homöopath. Therapie. Nürnberg 
1860^ brosch. 

70.— Griessellch, Hygea. 1.—23. Bd. geb. | 

37.— Hahnemann, Reine Arzneimittellehre. 3. Aufl. | 

1830. geb. I 

9.— — Organon der Heilkunst. 4. Aufl. 1829. geb. 

2. — — chronische Krankheiten. 1.—2. Bd. Iieipzig. 

1847. geb. i 

12. - Nartlaub und Trinks, Annalen der homöopath. 

Klinik. Eine Sammlung von Beobachtungen und 
Erfahrungen im Gebiete der homöopath. Heil¬ 
kunde. 1.—4. Bd. Leipzig 1830. 

3. — Hartmann, Specielle Therapie acuter und chroni¬ 

scher Krankheiten. 1.—2. Bd. Leipzig 1847. geb. 

2. — — Therapie acuter Kranklieitsformen, l.u. 2. Tbl. 

Leipzig 1834. geb. 

3. — — Compendium der speciellen Pathologie und 

Therapie. Frankfurt 1859. geb. 

10.— Hausmann, Ueber die Ursachen und Bedingungen 
der Krankheiten. Leipzig 1867. geb. 

12.— Hering , Amerik. Arzneiprülungen. 1857. geb. i 
3.— Hirsch, Der homöopath. Arzt in der Kinderstube, 
Leipzig 1865. brosch. j 

3. — Hirschei, Die Homöopathie. Eine Anleitung zum [ 

richtigen Verständnis. 1851. geb. 

4. — — Compendium der Homöopathie. Wien 1864. 

brosch. ! 


Mark 

25.- 

7.— 

3. — 

4. — 

15.- 

4. - 


35.- 

3. - 

25.- 

45.— 

6 .- 

25.- 

4 — 

8 .- 

2 .— 

1 .— 

5. ~ 

2_ 

4. — 

9.— 

70.- 

6 . - 

20 .- 

4. - 

5. - 


Jahr, Repertorium der homöopath. Arzneimittel¬ 
lehre. 1.—2. Bd. Leipzig 1848. 

— Gedrängte Total-Uebersicht aller zur Zeit ein¬ 
geführten homöopath. Heilmittel. Düsseldorf 
1834. geb. 

— Klinische Anweisungen zur homöopath. Be¬ 
handlung der Krankheiten. Leipzig 1849. geb. 

— Rationelle Gesundheitslehre für Jedermann. 
Leipzig 1870. 

— Alphabetisches Repertorium der Hautsymp¬ 
tome und äusseren Substanzenänderungen. 
Iieipzig 1849. 

— Handbuch der Haupt-Anzeichen für die rich¬ 
tige Wahl der homöopath. Heilmittel. Düssel¬ 
dorf 1835. 

— Allgemeine und specielle Therapie der Geistes¬ 
krankheiten und Seelenstörungen. Leipzig 1855. 

Jörg, Materialien zu einer künftigen Heilmittel- 
lelire, durch Versuche der Arzneien an gesunden 
Menschen. Leipzig 1825. 

Kafka. Die homöopathische Therapie. 1.—2. Bd. 
Sondershausen 1865. geb. 

Koch, Die Homöopathie physiologisch, pathologisch 
u. therapeutisch begründet. Karlsruhe 1846. geb. 

Müller, Clotar, Internationale Homöop. Presse, 
brosch. 

— Homöopath. Vierteljahrsschrift. 1.—16. Bd. geb. 

Oesterreichlsohe Zeitschrift für Homöopathie. 

1.—4. Bd. geb. 

Rüokert, Klinische Erfahrungen der Homöopathie 
1.—4. Bd. Leipzig 1854. geb. 

— Grundzüge einer künftigen speoiellen Itomöop. 
Therapie etc. Leipzig 1836. geb. 

— Systematische Darstellung aller bis jetzt ge¬ 
kannten homöopath. Arzneien etc. 1.—2. Bd. 
I^ipzig 1835. 

Bommel, Die Homöopathie in ihrer Licht- und 
Schattenseite. Leipzig 1827. geb. 

Schmld, Das Choleragift. Leipzig 1870. brosch. 

Schneider, Handbuch der reinen Pharmakodyna¬ 
mik. Magdeburg 1853. geb. 

SchrÖn , Die Naturheilprocesse und die Heil¬ 
methoden. 1.—2. Theil. 1837. 

Sorge, Der Phosphor ein grosses Heilmittel Leip¬ 
zig 1862. geb. 

Stapf, Kleine Medicinische Schriften v. S. Hahne¬ 
mann. 1829. geb. 

— Archiv. 1.—23. Bd. geh. 

Thorer, Praktische Beiträge im Gebiete der 
Homöopathie. 1. —4. Bd. Leipzig 1834. geb. 

Trinks , Handbuch der Homöop. Arzneimittel¬ 
lehre etc. 1.—3. Bd. Leipzig 1834. geb. 

Wisliccnns, Entwicklung eines wahrhaft physio¬ 
logischen Heilverfahrens. Leipzig 1860. geb. 

Wnrmb, Homöop.-klin. Studien. Wien 1352. geb. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Iieipzig. 

Druck von J alias Müs er in I*i|>Big. 


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