Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin¬
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.
H' (- < c.'r
A 44 '
Digitized by v^ooQie
Digitized by ^.ooQie
Digitized by ^.ooQie
Digitized by
Google
ALLGEMEINE
ZEHlVft.
12 )^ 2 ^
HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. med. MOSSA^STUTTGART.
E1NHUNDERT-ACHTUNDZWANZIGSTER BAND.
(128. Band.)
+-
LEIPZIG.
VERLAG von WILLIAM STEINMETZ (A. MARGGRAF’S HOMÖOPATH. OFFICIN.)
1894.
Digitized by ^.ooQie
Digitized by
I. Inhalts-Verzeichniss
zum
128. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung.
No 1. and 2. 8eite
Dank.1
Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt.
Vom derzeitigen Redacteur.1
Etwas über senile Lungen-Entzündungen. Von
Dr. H. Goullon . 2
Kurzer Bericht über eine Häufung von Halsaffec-
tionen am hiesigen Orte in den letzten zwei
Monaten. Von E. Schlogel, prakt. Arzt in Tü¬
bingen .6
Hypodermatische Anwendung homöopathischer
Mittel. Von Neuschäfer, prakt. Arzt m Frank¬
furt a. M. . . ..9
Ein Fall von Gesichtsschmerz. Von Dr. Mossa in
Stuttgart.11
Die diuretische Wirkung von Apocynum cannabi-
num. Von Dr. Mossa in Stuttgart.13
Characteristische Symptome.14
Personalia.15
Anzeigen.15
No. 3 and 4.
Erinnerung an Schönlein zu seinem hundertjährigen
Geburtstage. (30. November 1893.) Von einem ho¬
möopathischen Arzte.
Einiges über arzneiliche Verschlimmerungen. Von
Dr. H. Goullon.
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg .
Die Bedeutung der Diaphanie als Todeszeichen.
Von Dr. Mossa.
Lesefrüchte.
Wie Professor Zlatarowich zur Homöopathie ge¬
kommen ist.
Einige Kernsprüche von Paracelsus.
Anzeigen.
17
21
23
27
28
BO
30
31
No. 5 und 6.
Paralysis nervi oculomotorii. Von Dr. Ch. van Royers,
Utrecht.
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).
Einheimische Gewächse. Von Dr. Mossa ....
Das Puhlmann’sche Handbuch der homöopathischen
Praxis. Besprochen von Dr. W. Goullon . . .
Ueber Hypnotismus und Hysterie. Vortrag von
Prof. Jolly.
Auszug aus Vorschriften über Einrichtung und Be¬
trieb der Apotheken etc. und Auszug aus An¬
weisung zur amtlichen Besichtigung der Apo¬
theken etc.
Glycerin und Stuhlverstopfungen.
Vom Btichertisch.
Die zeitweilig herrschenden Heilmittel.
Quittung über eingegangene Beiträge für das Ho¬
möopathische Kraidtemiaus zu Leipzig ....
33
34
39
40
41
43
44
45
45
46
Seit«
Quittung über eingegangene Beiträge für die Unter¬
stützungskasse homöopathischer Aerzte .... 47
Anzeigen..47
No. 7 and 8.
Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier-
Mainz.
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).
Ein merkwürdiger Fall von doppeltem und excen¬
trischem Sehen, durch 2 Gaben Sulfur geheilt.
Von Dr. med. Th. Skinner-London.
Einladung zum hygienischen Congress in Budapest
Lesefrüchte.
Zur Berichtigung.
Professor von Zlatarowich.
Eingosandt.
Paralysis nervi oculomotorii. Druckfehler-Berich¬
tigung .
Personalia.
Anzeigen . .
49
57
60
61
61
62
62
63
63
63
63
No. 9 and 10.
Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier-
Mainz.
Eine Discussion über Mittelfolge, Bedeutung ein¬
zelner Symptome.
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).
Sticta pulmonaria — Katarrhe nach Influenza. Von
M. D. Youngman, Med. Dr., Atlantic City N. J. .
Heilung eines mehrtägigen Singultus. Von Dr.
Goullon.
Incubationszeit und Dauer der Ansteckungsfähig¬
keit zymotischer Erkrankungen.
Hypodermatische Einspritzungen von Teucrin bei
mycotischen Erkrankungen. Von Dr. Mossa-
Stuttgart.
Lesefrüchte.
Dank.
Aufruf.
Anzeigen.
65
68
70
72
74
75
75
76
78
78
79
No. 11 and 12.
Nachklänge von Chicago. Vom Redacteur ... 81
Aufforderung.84
Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka
in Prag-Karlsbad.84
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).87
Primi studi ai materia medica applicata secondo
la legge dei Semilli. Pel Dott. G. Bonino-Torino
1893. Besprochen von Dr. Mossa.91
Zur Prüfung von Viscum album e pyro malo . • 93
•
Digitized by
Google
IT
Seite
Argentum nitricum in einem Falle von Enteritis
pseudomembranacea. Von Dr. F. H. Pitchard . 93
Nihil novi sub sole!.94
Homöopathia involuntaria.94
Lesefriichto.95
Personalia.95
Anzeigen.95
No. 13 und 14.
Ein rascher Erfolg. Mitgetheilt von Dr. Kunkel
in Kiel.97
lieber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka
in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung).9S
Innere Heilkunst bei sogenannten chirurgischen
Krankheiten nach zahlreichen eigenen Beobach¬
tungen. Von Emil Schlegel. Besprochen von
Dr. Mossa.99
Offener Brief an Herrn Dr. Carl Köck in München 105
Zur gefälligen Beachtung für die Arzneiprtifungs-
gesellschaft.107
Aufruf.108
Die zeitweilig herrschenden Heilmittel .... 108
Einkommen in 42jähriger ärztlicher Praxis . . 108
Lesefrüchte.109
Anzeigen.111
No. 15 und 16.
Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemanns . . 113
Einladung zur Ordentlichen General-Versammlung
des Vereins „Berliner Homöopathisches Kranken¬
haus“ .114
Jacob Kafka. Ein Lebensbild. Von Dr. Lorbacher 114
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung) .117
Dr. Ludwig Mertens, gest. 4. März 1894 .... 124
Lesefrüchte.125
Anzeigen.127
No. 17 und 18.
Ueber Lebermittel. Von Dr. Kunkel in Kiel . . 129
Leber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka
in Prag-Karlsbad.131
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).132
Einige Bemerkungen über Kopfweh bei Kindern.
Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathi¬
schen Aerzte in Chicago 1893. Von Dr. Georg
Smith aus England.135
Wie wird man in Amerika Arzt? Von Dr. med.
Staads in Essex.138
Die Gedächtnisfeier des 140. Geburtstages von
Samuel Hahnemann.140
Homöopathisches Spital München.140
Personal-Nachrichten.141
Lesefrüchte.141
Personalia ..143
Druckfehlerberichtigung.143
Anzeigen.143
No. 19 und 20.
Heber Lebermittel. Von Dr. Kunkel inKiel. (Schluss) 145
Ueber das Magongeschwür. Von Dr. Th. Kafka
in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung).147
Seite
Die Behandlung der Ohrenkrankheiten. Von Dr.
Mossa.149
Entgegnung. Von Dr. Köck.152
Die Homöopathie in Frankreich während des
Jahres 1893. Von Dr. Francois Cartier . . . 153
Zur Nachricht! Von Dr. Hengstebeck . . . . 154
Ein Fall von Psoriasis mit Metastasen. Von
Dr. Lambreghts jun. aus Antwerpen .... 155
Vom 23. Chirurgen-Congress in Berlin .... 156
Materia medica. Von Dr. A. R. Mc Michael . . 156
Lesefrüchte..158
Zur Meraner Anzeige.158
Personalia.159
Anzeigen.159
No. 21 und 22.
Acutes einseitiges Eczem bei einer phlegmonösen
Otitis interna. Von Dr. Mossa-Stuttgart . . . 161
Facialisparalyse als Complication von Mittelohr-
Die Wirkungen der Kali- und Natron-Mittel auf
das Ohr. Von Dr. H. D. Schenck.164
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).166
Aus Hahnemanns Aufenthalt in Molschleben . . 171
Die nordamerikanischen homöopathischen Colleges
und Spitäler.172
Lesefrüchte.174
Anzeigen.175
No. 23 und 24.
Einladung zum Abonnement.177
Vorläufige Einladung zu der am 9. und 10. August
zu Eisenach stattnndenden Generalversammlung
des Homöopathischen Centralvereins Deutsch¬
lands .177
Zweiter Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft.
Prüfung von Primula veris officinalis. Referent
Dr. Schier, Mainz.17N
Homöopathische Erfolge. Mitgetheilt von Dr.
H. Goullon.186
Vom Büchertisch.189
Die Zahl der Aerzte in Deutschland.190
Quittung des Homöopathischen Krankenhauses zu
Leipzig.190
Quittung der Unterstützungskasse für Wittwen
homöopathischer Aerzte.191
Personalia.191
Anzeigen.191
No. 25 und 26.
Zeichen der Zeit. Von Dr. Bojanus sen., Samara 193
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung).196
Neuralgieen. Von Erastus Case, M. D.199
Die nordamerikanischen homöopathischen Colleges
und Spitäler. (Schluss).202
Vom Chirurgen-Congress. Asepsis und Antisepsis 204
Lesefrüchte.205
Personalia.206
Dr. med. Hermann Meyer in Osnabrück, gest.
10. Juni 1894 . 206
Anzeigen.206
Digitized by u^ooQie
T
II. Sach-Register
zum
128. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung.
Anacardium orientale bei Eczema pruriginosum. 153.
Ansteckungsfähigkeit, Incubationszeit und Dauer der —
zymotischer Erkrankungen. 75.
Antipyrin-Wirkung. 28.
Antisepsis und Asepsis. 204.
Apocynum cannabinum, die diuretische Wirkung von —.
13.
Apotheken, Auszug aus Vorschriften über Einrichtung
und Betrieb der — etc. und Auszug aus Anweisung
zur amtlichen Besichtigung der — etc. 43.
Argentum nitricum in einem Falle von Enteritis psoudo-
membranacea. 93.
Argyrie. 8.
Arnica bei Pneumonia senilis. 4.
Arsenik-Lähmung, acute. 61
Arsen.-Fälle. 120.
Arsen, bei Eczema chronicum. 153.
Arzneiliche Verschlimmerungen, einiges über —. 21.
Arzneiprtifungsgesellschaft, zur gefälligen Beachtung
für die —. 107.
Arzneiprüfungsgesellschaft, zweiter Bericht der —.
Prüfung von Primula veris officinalis. 178.
Atropin bei Neuralgia facialis. 12.
Atrophie des Nervus opticus nach Jodoform. 126.
Aufforderung. 84.
Aufruf. 78.
Aufruf zur Prüfung von Euphrasia. 108.
Augen- und Ohrenkrankheiten — «Therapie —. Von
Dr. Bruckner. 189.
Cephalgia-Indicationen. 15.
Characteristische Symptome. 14.
Chelidonium — Lebermittel. 145.
Chelidonium bei Eczema scroti. 154.
Chenopodium anthelminth. bei Ohrenleiden. 151.
China-Fälle. 135.
Chirurgen-Congress, vom 23 — in Berlin. 156.
Chirurgen-Congress, vom —. 204.
Chirurgische Krankheiten, innere Heilkunst bei soge¬
nannten — nach zahlreichen eigenen Beobachtungen.
Colleges und Spitäler, die nordamerikanischen homöo-
thischen —. 172. 202.
Congress, Einladung zum hygienischen — in Budapest.
61.
Croton tigl. bei Prurigo. 154.
j Cuprum-Fälle. 135.
Dank. 1. 78.
1 Diabetes mellitus-Hystiologie. 109.
Diaphanie, die Bedeutung der — als Todeszeichen. 27.
Discussion, eine — über Mittelfolge, Bedeutung einzel¬
ner Symptome. 68.
1 Diuretische Wirkung, die, von Apocynum cannabinuin.
13.
I Doppeltem und excentrischem Sehen, ein merkwürdiger
Fall von —, durch 2 Gaben Sulfur geheilt. 60.
I
1 Eczem, acutes einseitiges — bei einer phlegmonösen
Otitis interna. 161.
Auszug aus Vorschriften über Einrichtung und Betrieb
der Apotheken etc. und Auszug aus Anweisung zur
amtlichen Besichtigung der Apotheken etc. 43.
Behandlung, die, der Ohrenkrankheiten. 149.
Bemerkungen, einige, über Kopfweh bei Kindern. Vor¬
trag bei dem Weltcongress der homöopathischen
Aerzte in Chicago 1893. 135.
Berichtigung, zur —. 62.
Bericht, kurzer, über eine Häufung von HaisafFectionen
am hiesigen Orte in den letzten zwei Monaten. 6.
Bericht, zweiter, der Arzneiprüfungsgesellschaft. Prü¬
fung von Primula veris ofncinalis. 178.
Berliner Homöopathisches Krankenhaus, Einladung zur
Ordentlichen Generalversammlung des Vereins —. 114.
Bleivergiftung von äusserlicher Anwendung. 127.
Bothryocephalus latus — Menstrualstörungen. 158.
Brief, offener, an Herrn I)r. Carl Köck in München. 105.
Büchertisch, vom —. 45. 189.
Calcarea carbonica-Fälle. 87.
Cantharis bei Eczema rubrum. 153.
Capsicum bei Ohren-Leiden. 151.
Carbol. acidum bei Eczema hypertroph. 154.
Carbol. acidum bei Psoriasis. 155.
Eczema-lndicationen. 153.
i Eigenes und Fremdes. 23. 34. 57.70. 87.117.132.166. 196.
Eingesandt. 63.
Einheimische Gewächse. 39.
Einiges über arzneiliche Verschlimmerungen. 21.
Einkommen in 42jähriger ärztlicher Praxis. 108.
Einladung zum hygienischen Congress in Budapest. 61.
Einladung, vorläufige, zu der am 9. und 10. August zu
Eisenach stattfindenden Generalversammlung des Ho¬
möopathischen Centralvereins Deutschlands. 177.
Einladung zur Ordentlichen Generalversammlung des
Vereins „Berliner Homöopathisches Krankenhaus“.
114.
Enteritis pseudomembranacea, Argentum nitricum in
einem Falle von —. 93.
Entgegnung. 152.
Erfolg, ein rascher —. 97.
Erinnerung an Schönlein zu seinem hundertjährigen
Geburtstage. (30. November 1893.) 17.
Etwas über senile Lungenentzündungen. 2.
Facialisparalyse als Complication von Mittelohr-Erkran¬
kungen. 162.
Frankreich, die Homöopathie in — während des Jahres
1893. 153.
Carbol. acidum-Vergiftung: Essig als Antidot. 174. Fremdes, Eigenes und -. 23.34.57.70.87.117.187.196.
Carduus mar. — Lebermittel. 146.
Causticum bei Otitis interna. 165. Oedächtnissfeier, die, des 140. Geburtstages von Samuel
Causticum bei Paralysis n. oculomotorii. 34. Hahnemann. 140.
Centralvereins, vorläufige Einladung zu der am 9. und Gelsemium — wirksame Bestandteile. 110.
10. August zu Eisenach stattfindenden Generalver- Gelsemium bei Facialparalyse. 163.
Sammlung des Homöopathischen — Deutschlands. 177. Gesichtsschmerz, ein Fall von —. 11.
Digitized by
Google
fl
Gewächse, einheimische —. 39.
Glonoin.-Indication. 72.
Glycerin und Stuhlverstopfungen. 44
Graphit.-Fälle. 153.
Hahnemanns, Samuel, zum 140. Geburtstage —. 113.
Halmemann, Samuol, die Gedächtnissfeier des 140. Ge¬
burtstages von —. 140.
Hahnemanns, aus — Aufenthalt in Molschlebon. 171.
Halsaffectionen, kurzer Bericht über ('ine Häufung von
am hiesigen Orte in den letzten zwei Monaten. 6.
Handbuch, das Puhlmann’sche — der homöopathischen
Praxis. 40.
Hepatin (Hepar vulpis) in Leber-Leiden. 146.
Heilkunst, innere, bei sogenannten chirurgischen Krank¬
heiten nach zahlreichen eigenen Beobachtungen. 09.
Heilmittel, die zeitweilig herrschenden —. 45. 108.
Heilung eines mehrtägigen Singultus. 74.
Herniae inguinales Rhus. 132.
Homoeopathia involuntaria. 94.
Homoepathic therapeutics of Haemorrhoids. 45.
Homöopathie, die, in Frankreich während des Jahres
1893. 153.
Homöopathie, wie Professor Zlatarowich zur — ge¬
kommen ist. 30.
Homöopathische Erfolge. 186.
Homöopathischen Praxis, das Puhlmann’sche Handbuch
der —. 40.
Homöopathisches Spital München. 140.
Husten-Indicationen. 153.
Hyoscyamus-Fälle. 90.
Hypnotismus, über — und Hysterie. 41.
Hypodermatische Anwendung homöopathischer Mittel. 9.
Hypodermatische Einspritzungen von Teuerin bei my-
cotischen Erkrankungen. 75.
Hysterie, über Hypnotismus und —. 41.
Incubationszeit und Dauer der Ansteckungsfähigkeit
zyraotischer Erkrankungen. 75.
Influenza, Sticta pulmonaria — Katarrhe nach —. 72.
Ipocacuanha-Fall. 123.
Jodoform-Vergiftung. 125.
Ischias-Mittel. 29.
Arnica. Rhus.
Kali bichromicum. Thuja.
Silicea.
Materia medica. 156.
Mertens, Dr. Ludwig, gest. 4. März 1894. 124.
Metastasen, ein Fall von Psoriasis mit —. 155.
Mezereum bei Taubheit nach Flechten. 57.
Mezereum bei Eczema scrophulos. 154.
Mittelfolge, eine Discussion über —, Bedeutung einzel¬
ner Symptome. 68.
Mittelohr-Erkrankungen, Facialisparalyse als Compli-
cation von —. 162.
Nachklänge von Chicago. 81.
Nachprüfung von Vinca minor. 49. 65.
Nachricht, zur —. 154.
Natrum muriaticum-Fälle. 90.
Neuralgieen. 199.
Ärsenicum.
Belladonna.
Bryonia.
Capsicum.
China.
Cinnabaris.
Dulcamara.
Magnesia carb.
Neurasthenieen — ein objectives Zeichen.
Nihil novi sub sole! 94.
Magnes. phosph.
Morcur. solub.
Pulsatilla.
Sabadilla.
Spigelia.
Stannum.
Verbascum.
77.
Ohrenkrankheiten, die Behandlung der —. 149.
Otitis interna, acutes einseitiges Eczem bei einer phleg
monösen —. 161.
Paracelsus, einige Kernsprüche von —. 30.
Paralysis nervi öculomotorii. 33.
Personalia. 15. 63. 95. 143. 159. 191. 206.
Personal-Nachrichten. 141.
Petroleum bei Eczema. 154.
Phosphor-Fälle. 166.
Pikrinsäure-Vergiftung. 95.
Plantago bei Ohren-Leiden. 95.
Platina-Fall. 97.
Primi studi di materia medica applicata secondo la
logge dei Semilli. 91.
Prüfung, zur — von Viscum album o pyro malo. 93.
Psoriasis, ein Fall von — mit Metastasen. 155.
Psoricum bei Ohren-Leiden. 151.
Pulsatilla-Fälle. 168.
Kafka, Jacob. Ein Lebensbild. 114.
Kali carb. zur Verhütung von Abortus. 133.
Kali carb. als Leber-Mittel. 131.
Kali bichromic. bei Mittelohr-Katarrhen. 164.
Kali bromatum bei Ohrenschwindel. 166.
Kalium chloratum bei Ausschwitzungen im Ohr. 166.
Kernsprüche, einige — von Paracelsus. 30.
Köck, Dr. Carl, offener Brief an Herrn — in München.
105.
Kopfweh, einige Bemerkungen über — bei Kindern.
Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathischen
Aerzte in Chicago 1893. 135.
Lachesis als Leber-Mittel. 130.
Lachesis-Fälle. 88.
Lebermittel, über. 129. 145.
Lesefrüchte. 28. 61. 76. 95. 109. 125. 141. 158. 174. 205.
Lungen-Entztindungen, etwas über senile —. 2.
Lycopodium-Fälle. 121.
Lycopodium als Leber-Mittel. 130.
Magengeschwür, über das —. 84. 98. 131. 147.
Magnesia muriatica als Leber-Mittel. 136.
Quassia amara als Leber-Mittel. 146.
Quittungen. 46. 47. 190. 191.
Ranunculus bulbosus bei Herpes zoster. 154.
Rhus toxic, und vernix bei Eczem. 154.
Schönlein, Erinnerung an — zu seinem hundertjährigen
Geburtstage. (30. November 1893.) 17.
Sepia-Fälle. 169.
Serum-Therapie. 206.
Spirituosa bei Pneumonieen. 6.
Singultus, Heilung eines mehrtägigen —. 74.
Sticta pulmonaria — Katarrhe nach Influenza. 72.
Stuhlverstopfungen, Glycerin und —. 44.
Sulphur-Fälle. 196.
Symptome, characteristische. 14.
Tellurium bei Ohren-Leiden. 151.
Teucrin, hypodermatische Einspritzungen von — bei
myco tischen Erkrankungen. 75.
Tuberculin bei Knochen-Leiden. 156.
Ulcus varicosum — Clematis. 154.
Digitized by
Google
rn
Wanderniere-Symptomatologie. 174.
Venaesection bei Pneumonieen. 5.
Vertigo-Indicationen. 14.
Vinca minor. Nachprüfung von —. 49. 6h.
Viscum album e pyro malo, zur Prüfung von —
Wie wird man in Amerika Arzt? 168.
Wirkungen, die, der Kali- und Natron-Mittel auf
Ohr. 164.
I Zahl, die, der Aerzte in Deutschland. 190.
Zeichen der Zeit. 193.
! Zinn-Vergiftung. 62.
| Zlatarowich, wie Professor — zur Homöopathie ge*
93. , kommen ist. 30.
I Zlatarowich, Professor von —. 62.
I Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemanns. 113.
das | Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. 1.
III. Mitarbeiter.
Basset, E. F. 162.
Bojanus 193.
Bonino 91.
Case 199.
Chartier 153.
Fischer 124.
Gilbert 30.
Göhrum 45. 95. 108.
Gothardt 172.
Goullon 2. 21. 40.
Grünewald 65.
Haedicke 29.
Hengstebeck 84. 154.
Hesse 23. 34. 57. 70. 87. 117. 132.
166.
Jolly 41. 94.
Kafka 63. 84. 94. 98. 131. 147.
Kallenbach 78.
Kayser
Köck 152.
Kunkel 97. 129. 145.
Lambreghts jun. 155.
Leeser 105.
] Lorbacher 78. 114.
Luke 84.
Olshausen 141.
Pässler 127.
Pitchard 93.
Proeil 28. 61. 62. 125. 158.
van Roijen 33. 63.
Schenck 164.
Schier 49. 65. 107.
Schlegel 6. 99.
Schröder 84.
Skinner 60.
Smith 135.
Staads 138.
Steinmetz 43.
Youngman 72.
I Zlatarowich 30. 62.
1 Michael 156.
I Mossa 1. 11. 13. 17. 27. 39. 45. 72.
, 81. 91. 93. 99. 113. 149. 153. 161.
| Müller, Koloman 61.
i
j Nagel 84.
Digitized by ^.ooQle
Digitized by
Band 128.
Leipzig, den 4. Januar 1894.
ALLGEMEINE
No. 1 n. 2 .
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath.Officln) in Leipzig.
Erscheint litägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Ha&senstein AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhalt: Dank. — Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. Vom derzeitigen Bedactenr. — Etwas Uber senile
Lungen-EntzUndungen. Von Dr. H. Goullon. — Kurzer Bericht Uber eine Hflufung von Halsaffectionen am hiesigen Orte
in den letzten zwei Monaten. Von E. Schlegel, prakt. Arzt in Tübingen. — Hypodermatische Anwendung homöopathischer
Mittel. Von Neuschäfer, prakt. Arzt in Frankfurt a. M. — Ein Fall von Gesichtsschmerz. Von Dr. Mossa in Stuttgart, —
Die diuretieehe Wirkung von Apocynum cannabinum. Von Dr. Mossa in Stuttgart. — Characteristische Symptome. —
Pereonalia. — Anzeigen.
W Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
DANK.
Nachdem die Herren DDr. Göhrum, Stifft und Haedioke die Redaction dieser Zeitung aus
den in der letzten Nummer des 127. Bandes in ihrem Abschiedsworte angegebenen Gründen zu meinem
Bedauern niedergelegt haben, nehme ich Gelegenheit, denselben an dieser Stelle öffentlich meinen
Dank auszusprechen für ihre Thätigkeit im Interesse dieser Zeitung, und bitte sie, derselben und dem
neuen Redacteure, Herrn Dr. Mossa, dauernd getreue Mitarbeiter bleiben zu wollen.
Hochachtungsvoll
Der Verleger: William Steinmetz.
Zum Eintritt ins neue Jahr und ins neue Amt. Oberste Stelle, einnahm. Aber auch ohne diese
Sanction wird es der Redacteur für seine heilige
Vom erzeitigen Re acteur. Pflicht halten, ein treuer Hüter der homöopathischen
Ein neues Jahr, eine neue Redaction, oder, wie Sache zu sein, auf das Wetter und die Gezeiten
man jetzt auf gut Deutsch sagt, Schriftleitung — sorgsam zu achten und zur rechten Zeit die Wetter¬
soll damit etwa auch ein neuer Kurs von der alten und Sturmsignale zu geben.
„Allgemeinen“ eingeschlagen werden? Der andere Theil unserer Aufgabe besteht in
Nein; sie soll auch fernerhin auf das alte gute der Pflege, dem An- und Ausbau unserer homöo-
Ziel lossteuern; sie kann dies jetzt bei einheitlicher pathischen Heilkunst nach der wissenschaftlichen
Leitung noch entschiedener und bestimmter, und,
wenn sie mehr Dampf bekommt, so wird das ihren
Freunden erst recht erwünscht sein.
Zweck und Ziel der Allgemeinen homöo¬
pathischen Zeitung ist und bleibt, den homöo¬
pathischen Aerzten deutscher Zunge ein Organ zu
sein, das ihre specifischen, durch die Verhältnisse
gegebenen Interessen würdig und kräftig wahr¬
nimmt, nach aussen hin vertritt, ihre zuständigen
Rechte schützt und feindliche Angriffe energisch
zurückweist. In diesem Ziele läuft sie mit dem
des Central Vereins parallel, wie ja auch sonst ihre mit dem Hauptstrom — wir meinen eben das Aehn-
Redaction im Vorstande dieses Vereins Sitz, ja lichkeitsgesetz — aufrecht erhalten bleibt.
Digitized by
wie practischen, klinischen Seite hin. Wie unse¬
ren Vorgängern im Amte, gilt uns das Aehnlich-
keitsgesetz als Kern und Stern unserer Heilme¬
thode; dieses rechnen wir in erster Linie zu den
Necessariis derselben, und in necessariis unitas!
sonst fällt das Gebäude der Homöopathie auseinander.
In diesem Bette fliesst ja auch unser Hauptstrom, der
sich bereits über die gesammte, von Menschen be¬
wohnte Erde ergossen hat. Die aus demselben ab¬
gezweigten Nebenströmungen werden wir so lange
als zu uns gehörig betrachten, als die Verbindung
2
Wir sind uns wohl bewusst, dass die homöo¬
pathische Heilkunst, wie alle menschliche Kunst*
ihre Grenzen hat. Wenn wir auch, gleichwie die
Vertreter der herrschenden inneren Medicin, ja viel
mehr als diese, das Hinübergreifen der jüngsten
operationslustigen Chirurgie auf das Gebiet der
inneren Erkrankungen missbilligen, so können wir
doch nicht umhin, auf Grund von Thatsachen zu
constatiren, dass es Fälle giebt, wo die operative
Thätigkeit der milden Macht der Homöopathie vor-
oder nachzuarbeiten berufen ist. Das werden aber
immer Ausnahmen von der Regel sein, und werden
wir jede erfolgreiche Bemühung, die Anwendung
des Messers durch die Wirkung homöopathischer
Mittel fern zu halten, als einen Triumph unserer
Heilkunst begrüssen. — Zu der physiatrischen Heil¬
methode, die Luft, Licht, Wärme, Wasser, Electri-
cität, Massage, vor Allem die diätetische Lebens¬
weise benutzt, welche letztere die Homöopathie
von ihren Ursprünge an als grossen Heilfactor alle¬
zeit erkannt hat, werden wir eine freundliche Stel¬
lung einnehmen, so lange sie nicht in masslose
Ueberschätzung und Einseitigkeit ausartet. Es
steht dem einzelnen Praktiker frei, sich jener Hülfs-
mittel nach bestem Wissen zu bedienen; eine Ver¬
quickung der Homöopathie mit jener Methode
können wir jedoch nicht das Wort reden.
In rebus dubiis libertas. Hierzu müssen wir
die Frage von der Mitteldosis, wie sie dermalen
eben liegt, noch rechnen. Es steht zwar bei uns
fest, dass die Verfeinerung des Stoffes in der Con-
sequenz des Aehnlichkeitsprinzips liegt und die
Potenzirung eine wirkliche Kraftentwickelung im
Stoße involvirt, sowie auch, dass, je tiefer wir in
der Mittelkenntniss fortschreiten, vom Simile zum
Simillimum vordringend, wir zur Anwendung höhe¬
rer Potenzirungen getrieben werden; andererseits
hat aber doch auch die Erfahrung gelehrt, dass
wie mit den höheren, so auch mit den mittleren
und niederen Potenzirungen gute Heilerfolge er¬
zielt werden können. Demgemäss halten wir die
Frage von der justa dosis homoeop. noch für offen
und werden Heilungsgeschichten unserer Praktiker,
sei es, dass sie mit hohen oder mit niederen Po¬
tenzirungen arbeiten, gern einen Raum in unserer
Zeitung gewähren, die sich nicht ohne Grund eine
„allgemeine“ nennt Diesem ihrem Charakter zu
entsprechen, werden wir auch mit der homöo¬
pathischen Literatur des Auslandes in beständiger
Fühlung zu bleiben bemüht sein, und werden selbst
auf die herrschenden Anschauungen, theoretische
wie praktische Bestrebungen der alten Schule ein
wachsames Auge haben. Wir wollen in ihr nicht
eine durchweg böswillige Gegnerin sehen, sondern
eine ältere missleitete Schwester, die noch nicht
den rechten Weg zum Heilen gefunden hat, auf
den sie jedoch schliesslich durch die Logik der
Thatsachen und den Entwickelungsgang der Medicin
nothwenig hingedrängt werden muss. Ist doch
auch Professor Schulz in Greifswald nicht etwa aus
besonderer Zuneigung für die Homöopathie, son¬
dern durch seine physiologischen, an gesunden
Menschen (nicht bloss an Tliieren) unternommenen
Mittelprüfungen auf eine Bahn geführt worden, die
gegen die unsere convergirend zuläuft.
Die Pflege der Materia medica, welche unser
Schatz und Palladium ist, wollen wir uns ganz be¬
sonders angelegen sein lassen in der „Allgemeinen“.
Da ist es uns nun eine Freude, constatiren zu können,
dass uns das verflossene Jahr auf diesem Gebiete
zwei schätzenswerthe Werke gebracht hat. College
Faulwasser hat uns die Vergleichende Arzneimit¬
tellehre von Herrmann Gross, dieses eminente Er¬
zeugnis deutschen Forschergeistes und Fleisses,
das freilich erst durch C. Hering seinen Boden in
Amerika gefunden hatte, zugänglich gemacht.
Sodann, an der Schwelle des neuen Jahres, be¬
grüssen wir die Vollendung der von Dr. Gisevius
trefflich verdeutschten Condensed Materia medica von
C. Hering, wodurch das Studium der Arzneiprü¬
fungen für Viele erheblich erleichtert werden wird.
Welche Frucht die von Dr. Schier angeregte Prü¬
fung unserer einheimischen Gewächse zeitigen wird,
müssen wir abwarten. — Auch in den ärztlichen
homöopathischen Vereinen hat das verflossene Jahr
eine lebhafte Thätigkeit zu Tage gebracht, und
wird es uns sehr erwünscht sein, auch fernerhin
Zeugnisse so regsamen Vereinslebens in unserer
Zeitung bringen zu dürfen. Ist es nicht endlich
ein erfreuliches Zeichen von der Lebenskraft der
Homöopathie, dass sich im Laufe der letzten Jahre
eine nicht unbedeutende Anzahl jüngerer Aerzte zu
ihr bekannt hat?
An diese nicht minder als an die älteren Herren
Collegen, von denen uns schon ein gut Theil
regelmässige Mitarbeiterschaft zugesagt hat, richten
wir nun die Bitte, uns durch Einsendung von Be¬
obachtungen aus ihrer Praxis, sowie auch von
theoretischen Mittheilungen freundlichst in unserer
Arbeit unterstützen zu wollen. — So wollen wir
denn unseres Amtes walten, den edlen Gütern der
Homöopathie, und damit der Salus publica zu Nutz,
den Freunden zu Schutz und den Gegnern zu
Trutz, so lange uns der Arzt aller Aerzte Kraft
und Frische angedeihen lässt!
Etwas Uber senile Lungen-EntzUndungen.
Von Dr. H. Ooullon.
Am 21 Oktober besuchte ich mehr gelegent¬
lich Herrn D., einen am Vorabend seines 84. Gebnrts-
Digitized by
Google
s
tags stehenden Mann, welcher schon längere Zeit
an Schwindel und Kopfschmerzen litt, hald mehr
bald weniger. Er ist auch schon lange erblindet,
erfreut sich aber sonst keiner schlechten Gesund¬
heit. Auf Rhus und Bryonia waren obige Be¬
schwerden besser geworden, wie denn gerade Rhus
nach meinen Erfahrungen ein ausgezeichnetes Mittel
gegen „Schwindel der Alten“ ist. (In hartnäckige¬
ren Fällen Zincum und event. noch Aurum „das
Verjüngungsmittel“ par excellence). Ich verliess
unseren Patienten in der Voraussetzung, dass er
die nächsten Tage meiner nicht bedürfen würde.
Alles schien in Ordnung zu sein, denn eine sehr
belegte Zunge, die ich mir eigentlich ganz über¬
flüssiger Weise noch zeigen liess, hatte er habituell.
Da geschah das Unerwartete, dass ich andern Tages
schleunigst wieder gerufen wurde. Ohne irgend
welchen nachweislichen Grund bekam nämlich Herr
D. Nachts von Sonnabend auf den Sonntag einen
Anfall heftigsten rechtsseitigen Seitenstechens, wel¬
ches ihm völlig den Athem benahm und die Ange¬
hörigen in die grösste Bestürzung und Rathlosig-
keit versetzte. Ein applicirter Senfteig und Aconit-
Gaben fruchteten nichts, und erst gegen Morgen
trat etwas Beruhigung ein. Man stand wie vor
einem Räthsel. Auch Fieber trat nun ein. Der
Puls ist für gewöhnlich bei dem Patienten ganz un¬
gewöhnlich träge, kaum 60 Schläge die Minute.
Die Auscultation ergab an der kritischen Stelle
„unbestimmtes Athmen“, kein Bronohialathmen.
Husten ist fast gar nicht vorhanden. Bei dem ge¬
ringsten tieferen Athmen heftige pleuritische Stiche.
Für die Diagnose Lungen-Entzündung lag kein
Grund vor, man konnte den Zustand nur als Pleu-
resie oder Pleuritis bezeichnen, bis dahin ohne Rei- j
bungsgeräusche. Doch war ich, durch analoge Fälle |
gewitzt, auf den Eintritt pneumonischer Sputa ,
gefasst. Und so geschah es. Denn nach einigen ;
Tagen, während unter dem weiteren Gebrauch von
Aconit, bald aber von Bryonia und Kali carb. die
pleuritischen Symptome sich sehr gemässigt hatten
und ohne dass irgend welche Zeichen von Dyspnoe
eingetreten wären, erfolgte in meinem Beisein der
Auswurf eines charakteristischen Sputums, d. h.
nicht des rostfarbenen, wo Blut und Schleim innig
vermischt zu Tage treten, wohl aber das einer
zähen Masse, in der hellrothes Blut mehr isolirt auf¬
trat. Diese Art des Sputums und die Spärlichkeit
und Seltenheit desselben im Verlauf der ganzen
Erkrankung sind bei Abwesenheit bedeutenderer
Athemnoth eben für das aparte pneumonische
Krankheitsbild pathognomonisoh, d. h. man hat es
mit einem sehr beschränkten, in der Tiefe sitzen¬
den Heerd zu thun.
Die Prognose war ja hier in Anbetracht des
hohen Alters des Kranken nicht mit Sicherheit an- ,
zugeben. Aber, da das Fieber gering erschien,
die Pflege musterhaft war und die Ernährung nicht
ganz darniederlag, durch Bouillon, später Wein nach¬
geholfen werden konnte, so beging Patient schon
seinen am 29. Oktober stattfindenden 84. Geburts¬
tag bei ganz leidlicher Stimmung.
Nur die Zunge liess zu wünschen übrig. Man
muss solch eine Zunge gesehen haben, um sie für
möglich zu halten. Es ist schwer, ihr Aussehen
zu beschreiben, aber unwillkürlich fragt man sich:
Wie kann hier eine Restitutio ad integrum erfolgen?
Ein dicker, schmutziger, bräunlich-gelber Pelz! Später
fingen zuerst die Ränder an, ein frisches, natürliches
Roth zu zeigen.
Inzwischen erfolgte die Behandlung mehr
weniger expektativ. Es trat eine 8 tägige Versto¬
pfung ein, der, da Nux und Bryonia sich als zu
schwach erwiesen, mit Rhamnus frangula (Faulbaum-
rinden-Thee) nachgeholfen wurde. Denn die Sorge
um „offenen Leib“, welche in den Kliniken bald
aufkommt, quält uns so lange nicht, als das Be¬
finden unserer Kranken ein den Verhältnissen ent¬
sprechendes ist, wie hier der Fall war. Blutige
Sputa hatten schon längst aufgehört. Ein quälen¬
der Durst (Trockenheit der Mundhöhle) wurde mit
verdünntem Weiss- oder Rc hwein, mit Weintrau¬
ben und Cacao zu bekämpfen gesucht. Wie die
Krankheit selbst, so erschien eine vorübergehende
Verschlimmerung in ursächlicher Beziehung völlig
unaufgeklärt. Denn Aufregung bei Gelegenheit
des Geburtstages war so wenig unwiderleglich nach
zuweisen, wie eine etwaige Erkältung im Verlaufe
der Nacht, wo der Kranke weniger sorgfältig über¬
wacht wurde. Also Patient klagt plötzlich über
Stechen der anderen (linken) Seite, sehr tief —
wie es rechts der Fall gewesen in der Gegend der
falschen Rippen. Er verfällt wieder in mässigen
Schweiss, der durch Aconit unterhalten wird, Bry¬
onia, Kali carb., Sepia bringen die Sache wieder
in Ordnung und Patient schien vom 14. Tag an
als Reconvalescent betrachtet werden zu können.
Allein es sollte doch noch ein zweiter „Nachschub“
kommen. Es trat nämlich erneuter blutiger Aus¬
wurf ein und Druck über die vordere Brustseite.
Der Auswurf war zähe, hing wie Leim in den da¬
zu benutzten Taschentüchern und wurde einen bis
zwei Tage so reichlich, dass man Schlimmeres be¬
fürchten musste. Ich liess die Sputa in ein Glas
werfen und sah, dass es zwar eine compakte klum¬
pige Masse war, aber ohne Eiter, denn es fiel nichts
zu Boden und zogen sich auch keine dendritisch
verzweigten Fäden herab, was bei Bronchitis charakte¬
ristisch erscheint. Allein bedenkt man, dass der
alte Mann schon 8 Wochen immer auf dem Rücken
lag, so musste eine hypostatische Pneumonie immer
weitere Verbreitung gewinnen. Diese Verschlimme-
!•
Digitized by
Google
4
rung wurde merkwürdiger Weise (aber eigentlich
im Einklang mit meiner Theorie. S. w. u.) auf einen
Versuch mit stärkerem Wein geschoben. Er trank
etwa */ 4 Weinglas Ungarwein. Und unmittelbar
darnach trat starke Hitze und grosses Unbehagen
ein. Ich mochte aber doch eher die beständige
trockene Ostluft anklagen, welche mich unwillkür¬
lich an die grosse Häufigkeit von Katarrhen, zu¬
mal acuten und subacuten Kehlkopfkatarrh mit blu¬
tigen Expectorationen und Heiserkeit erinnern, wie
ich sie im Jahre 1889 an dem Gestade des Lac
Leman zu beobachten Gelegenheit hatte. „Quand
le soleil va d’etre Grise revient du pied de St.
Maurice la Bise, la Bise, la mauvaise Bise-“
Sobald nämlich die gefürchtete Bise, das ist
der scharfe, die Kehle austrocknende Ostwind, die
Fluthen des Genfer Sees peitscht, tritt bei Alt und
Jung diese Disposition zu Katarrh in die Erschei¬
nung. Ich selbst hatte, ohne sonst dazu zu neigen,
darunter zu leiden und steigerte sich die Inflam¬
mation bis zu blutigen Sputis.
Genug, auch bei uns in Weimar war jetzt derglei¬
chen epidemisch und trat die Grippe in mancherlei
Gestalt dank jenem atmosphärischen Einfluss auf.
Noch eines interessanten Umstandes muss ich nun
gedenken, den ich noch nie im Verlauf von Lungen¬
entzündung beobachtet habe. Das war die innere
Schälung des Kranken in der nun doch noch ein¬
tretenden vollständigen Reconvalescenz. Vorher
möchte ich aber auf die heilkräftige Wirkung des
zur Genesung führenden Mittels aufmerksam machen
und den Modus seiner Anwendung. Ich that näm¬
lich 8 Tropfen Arnica-Tinctur, eines besonders kräf¬
tigen Präparates, das ich der Güte des Herrn Jacobi
zu Magdeburg verdanke, in ein 5 Gramm Spiritus
enthaltendes Gläschen, schüttelte es tüchtig und gab
davon weitere 8 Tropfen in ein Weinglas Wasser.
Daraus erhielt Patient 2stündlich 1 Theelöffel. Ich
glaube auch, man kann gegenüber der Pneumonie
alter Leute eher zur Tinctur herabsteigen, als zu
hohe Potenzen wählen. Dem 80 Jahre alten Goethe
wurde, als er schwer an Pneumonie darnieder lag,
von seinem jungen Arzt Dr. Vogel, zu dem er
grosses Zutrauen hatte — neben einem tüchtigen
Aderlass — eine Tasse Arnica-Thee verordnet. Bei¬
des sollte sich glänzend erweisen. Denn Goethe
genas darnach rasch.
Auch unser Patient befand sich schon einen
Tag nach der Arnica-Tinctur ganz anders, schlief
gut, was die Nacht vorher nicht der Fall gewesen
war, und nur die innere Trockenheit berührte ihn
noch unangenehm. Da geschah nun eben etwas
sehr Auffälliges. Die dicke, pelzige, hachelartig
sich anfühlende, schmutzig-bräunliche Zunge, deren
wir schon gedachten, bekam plötzlich ein anderes
Aussehen. Wie wenn ein Vorhang weggenomraen
wird oder das Eis im Frühjahr Risse bekommt, so
ging fetzenweise der Zungenüberzug — eine wahre
Pseudomembran — los: „fiel ab, wie mürber Zun¬
der“. Der Kranke fühlte aufs Lästigste diesen Des-
quamationsprocess, 'indem die kleinen Fragmente
hängen blieben und wie lauter kleine Fremdkörper
im Munde reizten. — Aber noch mehr, diese Ab¬
häutung erstreckte*sich weiter bis nach dem Magen
herab. Daher noch gar kein Verlangen nach festen
Speisen, am 15. November (S 1 /, Woche der Krank¬
heit) ist der Regenerationsprocess, die Häutung, auf
dem Höhepunkt angelangt, so dass Patient selbst
keinen Wein mag, weil alles wie Feuer auf der
jungen Haut brennt. Milch ist das Einzige, was
ihn labt. Diese Wundheiten finden wir ähnlich
in der Diphtheritis wieder, und manches Kind
hungert und verhungert lieber, — denn bis zum
Tod führende Inanitionserscheinungen bilden sich zu¬
weilen bei Schwächlingen dabei aus — als dass es
den Schmerz mit in Kauf nimmt, den selbst das
Schlingen sonst nicht für scharf oder reizend ge¬
haltener Speisen und Getränke verursacht. — Die
Zunge unseres Kranken sah nach diesen Vorgängen
glänzend roth aus, ganz ähnlich der jungen Haut,
wie sie etwa bei Panaritien unter der runzeligen
alten zu Tage tritt; auch war sie merklich kleiner
in ihren Durchmessern geworden.
Da das sonstige Befinden ein ausgezeichnetes ist,
der Puls kräftig, der Stuhlgang wieder geregelt —
einer nochmaligen Verstopfung von 8tägiger Dauer
half wiederum Rhamnus frangula leicht ab — so
konnte man jetzt von völliger Genesung reden.
Uebrigens sah ich später auch die Innenfläche
der Hand sich schälen, in Stücken wie im Verlauf
von Scarlatina.
Ganz anders verlaufen gewisse andere pneu¬
monische Erkrankungen der Greise und Greisinnen.
Sie pflegen mit viel intensiverem Fieber einzusetzen
und involviren die grösste Lebensgefahr. Mehr als
ein halbes Dutzend solcher Pneumonieen stehen mir
noch frisch im Gedächtniss und bieten dem Prak¬
tiker manche interessante Seite. In dem einen Fall
handelte es sich um eine Complication mit Herz¬
fehler. Ich musste wegen der Unmöglichkeit, die
Kranke zu sehen, sie einem mir befreundeten allo¬
pathischen Collegen zuweisen, der kein Hehl dar¬
aus machte, dass er wegen seiner spärlichen Ver-
I Ordnungen der Schrecken der Apotheker sei. Das
j passte mir um so mehr, als mir der „Collega oppo-
nen8 w auch sonst als ein sehr umsichtiger, erfah-
I rener Arzt bekannt war. Wenn ein Mittel dieser
schwer Kranken geholfen hat (und ich zweifele
| meinerseits nicht daran), so ist es Senega gewesen,
i welches in fast homöopathischer Gabe — nämlich
1 als Infusum im Verhältniss von 10 Gramm zu 100
i verordnet wurde. Die Einfachheit der Ordination
Digitized by ^.ooQle
5
könnte sich mancher Homöopath, der, wie ich es
leider oft zu sehen Gelegenheit hatte, mit 2, 3 und
mehr Mitteln zu gleicher Zeit operiren zu müssen
glaubt, falls er nicht gar vorzieht, ein Mischmasch von
vielen ihm passend erscheinenden Arzneien zu ver¬
abfolgen, ad notam nehmen.
Ein anderer, aber tödtlich verlaufender Fall er¬
innerte insofern an den Eingangs beschriebenen,
als er auch mit heftigstem Seitenstechen, das bis
zur Verzweiflung sich steigerte, begann und ein
Alter von über 80 Jahren die Prognose beeinträch¬
tigte. Frau H. hatte überdies schon zweimal Lungen¬
entzündung überstanden, war durch und durch gich¬
tisch — rheumatisch, einige Male litt sie an Wochen,
ja Monate lang währendem acutem Gelenkrheuma¬
tismus und namentlich äusserst hartnäckigen Knie-
Gelenkaffectionen. Also ein vulnerabler, wider¬
standsloser Organismus bei aller sonstigen Zähig¬
keit. Denn bis dahin hatte sie sich immer wieder
erholt. Jetzt aber trat die pneumonische, resp.
pleuritisch-pneumonische Affection heftiger denn je
auf. Eine ganz bedeutende Dyspnoe bestand Tag
und Nacht. Schweisse brachten keine Erleichterung,
unsere sonst bewährten Mittel, wie Phosphor, Bryonia, |
Tartarus stibiat., Rhus, Acid. nitri (letztere angeblich
besonders bei Pneumonieen der Greise gerühmt)
prallte wirkungslos ab, wie Pfeile von einem Panzer¬
schiff. — Wenn ich nun das starke Fieber bedenke,
den ungewöhnlich vollen, starken (synochalen) Puls
bei einer an geistige Getränke gewöhnten Frau, so
muss ich nachträglich die Frage aufwerfen: Sollte
hier nicht ein Mittel ausnahmsweise gerechtfertigt
erscheinen, welches in früheren Zeiten (und die
Alten waren doch auch nicht auf den Kopf gefallen)
unbedingt für indicirt gehalten wurde? Ich meine
eine Venaesection. Wir wissen, dass Dr. Dyes in
neuerer Zeit Bleichsüchtigen zur Ader Hess; die
Folge war angenehmer Schlaf, kritische Transspira-
tion, in Bälde Heilung. Dr. Dyes ging davon aus,
dass nicht zu wenig, sondern zu viel und zu faser¬
stoffreiches Blut vorlag. Nun warum dürfte das
Experiment in solchen desperaten, sonstigen Mitteln
trotzenden Erkrankungen, wie die obige, nicht min¬
destens ebenso motivirt erscheinen? Man wird dabei
trotzdem prinfcipieller Gegner vom Blutlassen sein
und bleiben können, ohne zu wünschen, dass Broussais’
Zeiten wiederkehren, der lehrte: Das Oeffnen einer
Vene eignet sich für sehr rasch sich ausbildende
Entzündungen in parenchymatösen Organen, und:
Eine Entzündung darf nicht erwartet werden. Man
muss ihr Vorbeugen. Der alte Heim hat über 1000
Aderlässe gemacht; sind sie alle überflüssig, keiner
lebensrettend gewesen? Wir würden in den Fehler
unserer Gegner verfallen, welche alle unsere oft
durch mühsames Studium und Nachdenken erreichten
homöopathischen Kuren stricte und ausnahmslos leug¬
nen, wenn wir obige Frage verneinen wollten. Wer
solche Situationen am Krankenbett mit durchgemacht
hat, wird mich verstehen. Notorisch besteht bei
Vielen, selbst in hohem Alter eine grosse Toleranz
für Blutverluste. Las man nicht kürzlich in den
Tagesblättern eine frappirende Aeusserung, welche
nach Fürst Bismarcks Aussage der alte Kaiser Wil¬
helm gethan haben sollte zu Gunsten unserer An¬
sicht? Derselbe habe scherzweise zu Bismarck gesagt:
Der Attentäter NobiUng sei gescheiter gewesen als
seine Aerzte, weil der ihm zugefügte Blutverlust
schliesslich doch wohl zu seinem Besten gewesen
sein müsse. Thatsächlich hat der alte verehrungs¬
würdige Herr noch viele Jahre nach dem scheuss-
lichen Angriff auf sein Leben sich des besten Wohl¬
befindens erfreut. —
Zufällig — Viele sagen, es giebt keinen Zufall —
kommt mir die No. vom 4* Nov, d. J.,.der Allg.
Med. L. Zeitung zu Gesicht, welche einen interessanten
Artikel „Ueber die Ursache der Heilwirkung des
Aderlasses bei Chlorose enthält. Dort wird zunächst
auf Dietl’s bekanntes Experiment hingewiesen, der
Pneumonieen mit und ohne Aderlass angeblich mit
| demselben Erfolg behandelte. Auf Grund dieser
Versuche wurde der Indicationskreis für den Ader¬
lass zum Segen der Menschheit wesentlich eingeengt
und (ausser auf Apoplexie, Convexitätsmeningitis,
Lungen-Hyperämie mit beginnendem acutem Odem
bei kräftiger Herzaction nicht marastischer Kranken,
Lungenblutung: bei kräftigen Personen mit hoch¬
gradiger Lungen-Hyperämie und starker Herzthätig-
keit oder Stauungshyperämieen Herzkranker, wenn
die Herzkraft nicht ausreicht, das Blut durch die
Lungen zu treiben — und ausser auf Lungeninfarct
und Endocarditis — Alles unter bestimmten, dort
nachzusehenden Voraussetzungen) auf solche croupöse
Pneumonieen beschränkt, bei denen Schmerz , Athem-
noth und Beengung sehr hochgradig und die Unter¬
suchung eine starke Hyperämie der nicht erkrankten
Lungenpartieen ergiebt.
Nun, diese Bedingungen waren bei unserer
80jährigen Greisin erfüllt, und wer weiss, ob die
Vornahme einer früher für das grösste Mittel des
antiphlogistischen Heilapparates gehaltene Venae¬
section sie nicht atri Leben erhalten hätte? Be¬
quemer ist esja, auf die Unfehlbarkeit einer Methode
zu schwören und darauf los zu kuriren.
Aus den Beobachtungen, welche Scholz bei
echter Chlorose in Bezug auf den Aderlass gemacht
hat, folgert der fragliche Artikel, dass eine relative
Plethora anzunehmen sei, d.h. eine Flüssigkeitsmenge
im Circulationsapparat, die im Verhältniss zur Ar¬
beitskraft des Herzens relativ zu gross ist, eine An-
^ sicht, der man ohne Weiteres beipflichten darf.-
Ganz anders urtheile ich aber über die so¬
genannten Reizmittel, durch die man „drohender
Digitized by ^.ooQle
Herzlähmung“ oder auch Lähmung der Lunge ver¬
meintlich vorzubeugen sucht. Mitten in ein syno-
chales Fieber hinein giebt man vielleicht nur, weil
die Patienten hochbejahrt sind, die kräftigsten Weine,
zwingt Eier, widerlich riechende concentrirte Fleisch¬
brühe, oft noch durch Zusatz von Fleischextracten
künstlich verstärkt, auf und schont auch den Cham¬
pagner nicht. Da heisst es denn, die schon aufs
Höchste angespannten natürlichen Heilbestrebungen
vernichten durch Ueberreizung. Der zu straff ge¬
spannte Bogen bricht dabei entzwei.
Zweier solcher verpfuschter Pneumonieen will
ich hier noch gedenken. Beide betreffen eifrige
Anhänger der Homöopathie. Wegen der grossen
Entfernung konnte aber meinerseits in dem einen
Fall nur ein , im anderen gar kein Besuch geschehen,
und wurde die Behandlung unter Beibehaltung des
betreffenden Hausarztes per Draht und brieflich ins
Werk gesetzt. Eigenthümlich war die Einleitung
der einen Erkrankung. Es hiess in dem am 20. April
eingehenden Telegramm: „Cholerine heute vorüber,
Gesammtbefinden ein wenig besser.“ Nun folgte erst
ein Brief, aus dem ich ersah, dass Frau F. an In¬
fluenza gelitten, zu der sich unerwartet eine schwä¬
chende Cholerine gesellt hatte, welche auch die
Prognose der sich anschliessenden Pneumonie sehr
beeinflussen musste. Schon am 21. April hiess es:
„Lungenentzündung zum Schlimmsten gestiegen.
Grosse Engigkeit, kurzes Aus- und Einathmen, kein
Blut im Auswurf, Herzlähmung zu befürchten.“ Auf
dieses Telegramm hin depeschirte ich zurück: Arnica.
Und der nächste Bericht lautete; „Arnica vorzüg¬
lich geholfen.“ Schon glaubte ich triumphiren zu
können, aber der euphemistischen Beurtheilung der
Arnica-Wirkung folgten die Worte: „Fieber noch
stark. Schwäche gross,“ weshalb ich mich entschloss,
ausser Arnica noch die alle Beachtung verdienenden
Mittel Senega und China verabfolgen zu lassen.
Das nächste Telegramm lautete; „Heute am 22.
haben wir Ihre Verordnung vom 21. für die liebe
Kranke ausgeführt, haben gegeben China, Arnica
und Senega, so dass jedes alle 3 Stunden daran
kam. Das Fieber zeigt immer noch 39 Urin
braun, Bewusstsein kehrt heute etwas schneller aus
dem Schlafzustande wieder. In der linken Brust¬
seite hinauf ein Stich, der ab und zu weh thut.“
Telegramm von der Nacht zum 22.: „Nacht ruhig,
viel geschlafen. Puls früh 100, jetzt 116. Ther¬
mometer: 39,5. Schwäche noch gross, etwas Druck
am Herzen. Ab und zu Stiche in der Lunge.“ —
Am 23. meldet der Telegraph: Fieberhitze 40
weniger 2 Striche (also 89,8) — Zunge dunkel¬
braun. Mehr Betäubung als Schlaf. Bedeutende
Schwäche, ohne dass die Kranke bewusstlos wäre.
Ich will den Leser nicht weiter ermüden mit den
folgenden immer weniger Hoffnung auf Genesung
gebenden Bulletins. — Den 25. April meldet man
lakonisch: „Frau F. Nachts entschlafen.“ Dies der
eine Fall, in welchem der starke Wein nicht allein
nichts genützt, sondern nach meiner Auffassung
mehr geschadet hat. Die hohe Temperatur sollte
immer eine Contraindication sein, ebenso wie das
Unbehagen, die steigende Hitze, über welche solche
Kranke unter dem Einfluss der vermeintlichen Stär¬
kung zu klagen pflegen, noch mehr aber, wenn die
von Fiebergluth gepeinigten Kranken sich hartnäckig
gegen die erregenden Spirituosa, wie auch gegen
die überconcentrirte Rinderbrühe sträuben.
Dieselbe Erfahrung machte ich bei dem einige
70 Jahre alten, von Pneumonie befallenen Herrn G.
Hier erwies sich überdies Senega, welches zu meiner
Genugthuung der sehr intelligente Hausarzt ver¬
ordnet hatte, ebenso wirkungslos, wie unsere oft
über die Gebühr gerühmten Mittel, als Tartar, stib.,
Phosphor und die weiter oben in Anwendung ge¬
zogenen China, Senega und Arnica. Bei meinem
einmaligen Besuch fand ich den liebenswürdigen,
geduldigen Patienten nicht so schlecht, dass man
unbedingt an einen schlechten Ausgang hätte glauben
sollen. Er war ganz bei Besinnung, nur sehr fie¬
bernd, mehr trockene Hitze, die sich nach dem
feurigen Portwein stets vermehrte, namentlich mun¬
dete ihm das zum Ueberfluss zugefügte Eigelb nicht. —
Da die Erkrankung, wie schon oben angedeutet,
lethal verlief, so bietet sie weiter kein Interesse,
als dass sie eben einen Beitrag bildet zur Wider¬
legung des Vorurtheils, man könne in solchen Fällen
durch kräftigende feste und flüssige Kost, nament¬
lich reizende aufregende Spirituosa die Lebens¬
gefahr abwenden. Bei vollem, frequentem Puls und
hohen Wärmegraden des Körpers niemals! Hier
schaden Reizmittel unberechenbar.
Anmerkung des Redacteurs. Ehe der Kreis der
unter solchen Umständen gebotenen homöopathischen
Mittel noch nicht abgeschlossen ist (oft giebt eine
interponirte Gabe Sulphur 30., oder auch Cuprum
oder Opium einen entschiedenen Umschwung), würden
wir die Venaesection nicht für zulässig halten, die
übrigens auch Kafka in Bronchitis wie in Pneumo¬
nieen hei drohender Apoplexie, wo es sich um eine
Indicatio vitalis handelte, anzuordnen für seine Pflicht
hielt.
Kurzer Bericht über eine Häufung von
Halsaffectionen am hiesigen Orte in den
letzten zwei Monaten.
Von E. Sohlegel, prakt. Arzt in Tübingen.
Am 19. Oktober d. J. Morgens wurde bei mir —
wie auch bei den Herren Collegen — behördlich
angefragt, wieviel Fälle von Diphtherie ich zur
Digitized by ^.ooQle
7
Zeit behandle, da das Gerücht von starker Ver¬
breitung dieser Krankheit sich öffentlich ausgespro¬
chen hatte. Ich antwortete der Wahrheit gemäss —
wie auch der vor mir gefragte Dr. G. — mit „Null“.
Der Krankenstand war bis dahin überhaupt gering
und bot nichts Besonderes. Am gleichen Tage
aber kamen noch mehrere Fälle in meine Behand¬
lung und es häuften sich Halsaffectionen unge¬
wöhnlich, sodass ein Bericht hierüber von epide¬
miologischem und pathologischem Interesse sein
dürfte. Letzteres insofern, als sich auch diesmal
herausstellte, dass zu Zeiten von Häufung dieser
Anginen der pathologische Charakter der Einzel-
fälle sich ganz verschieden gestaltet, wobei haupt¬
sächlich die individuelle Neigung der Befallenen
massgebend ist, sodass also z. B. die zu Diphtherie
erfahrungsgemäss Disponirten wieder Diphtherie be¬
kommen, die zu abscedirender Mandelentzündung
Geneigten eine solche, die zu Angina follicularis
Neigenden eben wieder diese Form. In derselben
Familie sieht man zu gleicher Zeit diese verschie¬
denen Formen auftreten, man sieht sie auch —
nach einem kurzen zweifelhaften Stadium, welches
Diphtherie vortäuscht — in die ausgesprochene
andere Form übergehen, für uns Homöopathen eine
zusagende Erfahrung über den Werth der patho¬
logischen Formen und für die epidemiologische Auf¬
fassung der Krankheiten eine Ermunterung. In
therapeutischer Hinsicht bieten aber meine Beobach¬
tungen nichts Erhebliches. Die Krankheitsfälle
sind mit einer einzigen Ausnahme, die zum Tode
führte, alle rasch und gut bei rein homöopathischer
Behandlung, d. h. bei einer der Ausgestaltung des
Einzelfalls in möglichster Aehnlichkeit entsprechen¬
den Mittelwahl, verlaufen. Die gebrauchten Mittel
waren Apis, Belladonna, Mercurius solub., Merc.
cyanatus, Hepar sulf., Pulsatilla, Nitri acidum, Thuja
je nach Umständen. Einigen Fällen werde ich
therapeutische Bemerkungen beifügen. — Es be¬
fänden sich unter den Erkrankungen auch eine
ganze Anzahl von Laryngitiden, meist katarrha¬
lischen Charakters, auch entschieden croupöser Na¬
tur. Wie schon aus dem oben Gesagten hervor¬
geht, lege ich auf diese Unterscheidung ebenfalls
keinen Werth; schliesslich fängt auch die böseste
Kehlkopfdiphtherie mit den Erscheinungen katar¬
rhalisch entzündlicher Art an, und wenn es gelingt,
sie in diesem Stadium festzuhalten und zur Rück¬
kehr zu zwingen, so ist sie eben einfach nicht
weiter gekommen. Wo aber die Krankheitsneigung
stark oder uncorrigirt nach der croupösen und diph-
theritischen Form tendirt, da wird eine lebensgefähr-
/ liehe Erkrankung daraus.
1) Hermann B., 9 Jahre, erkrankt am 16. Okt.
Diphtheritischer Belag an beiden Mandeln,
am 19. schon in der Abstossung begriffen;
5 )
6 )
7 )
S)
9 )
10 )
11 )
12 )
13)
14)
Krankheit erst bei meinem Besuche als Diph¬
therie erkannt, aber von der Mutter zweck¬
mässig homöopathisch behandelt. — Fieber
war stark. Rasche Genesung.
Töchterchen B., 10 J. alt, erkrankt am 18.
Okt. Ziemlich ausgebreiteter Belag beider
Mandeln.
Frau B., 38 J. alt. Begann mit leichtem
Belag, ging in Mandelabscess über, heilte
nach Aufbruch.
Söhnchen B., 4 J. Leichter diphtheritischer
Belag; viel Ohrschmerz und Halsweh. Sehr
anämisches Kind. Heilte rasch auf Rade-
macher’s Eisentropfen.
Frl. Sch., 18 J. Beiderseits leichte diphthe¬
rische Belage.
Frau B., 30 J. Vor 3 Wochen mit enor¬
mem Blutverlust in der Nachgeburtsperiode
geboren. Stillt trotzdem ihr Kind. Seit
1. November Halsschmerz und beiderseits
diphtheritischer Belag. Rasche Genesung.
Anna St., 10 J. Starke, graugrüne Belage
beiderseits, hohes Fieber, Rachenröllie. Nach
4 Tagen Genesung.
Luise H., 8 J. Sehr anämisches, erregtes
Kind. Beiderseits rahmiger Belag. Krank¬
heitsdauer 8 Tage.
Luise B., 12 J. Beiderseits leichte diphthe¬
rische Belage. Zuerst ambulatorisch behandelt,
sodann ins Bett gebracht; Heilung inö Tagen.
Pauline B., 15 J. (Schwester). Linksseitiger,
nur linsengrosser Belag mit starken allgemei¬
nen und örtlichen Erscheinungen. Heilung
rasch.
Knabe Sch., 10 J. Am 7. Nov. übernommen.
Seit 4 Tagen schwer erkrankt. Rachen- und
Kehlkopfdiphtherie, Aphonie, mässige Stenose.
Rachen und Zäpfchen stark belegt. Schon
bedeutende reactive Röthung um die Belag¬
grenzen. Heilung in 4 Tagen, d. h. Herstel¬
lung bis zu Verschwinden der Diphtherie und
jeder bedrohlichen Erscheinung.
Johanna M. (dieselbe, über welche ich auch
voriges Jahr in „Meine Hauspraxis“ berich¬
tete. Wieder an Diphtherie erkrankt seit
9. November. Rachenröthe, rechts dunkler,
mit leichtem, doch entschiedenem Belag.
Krankheitsdauer 10 Tage.
Ludwig B. Beiderseits ausgedehnter, doch
dünnrahmiger Mandelbelag.
Herr H. Abacedirendc Angina. Da Patient
schon mehrere Nächte nicht geschlafen hat
und ein sofort wirkendes starkes Mittel ver¬
langt, verordne ich ihm (aus seinem Geschäft)
2 Tropfen conc. Salpetersäure in *| 4 L. Wasser
zu nehmen, welcher Anordnung er mit bestem
Digitized by
Google
8
Erfolg nachkommt. Starke Rachenröthe, leb- |
hafte Schmerzen, Mnndgestank indiciren das I
Mittel.
15) Töchterchen H., 2 J. Folliculäre Angina.
16) Anna Sch., 30 J. Beiderseits diphtheritische
Membranen, bohnengross an Mandeln und
Rachenrand. Krankheitsdauer 6 Tage. I
17) Flaschnergeselle W., 18 J. Angina catarrha-
lis mit lebhaften Beschwerden.
18) Frau M., 70 J. Beiderseits Diphtherie der
Mandeln über die ganze Fläche. Genesen
binnen 6 Tagen.
19) Verwaltungs-Beamter E., 24 J. Linksseitiger
diphtheritischer Belag. Ambulatorisch.
20) Töchterchen F., 10 J. Diphtheritischer Be¬
lag der rechten Mandel. Genesung in 3 Tagen.
21) Conditor W. ? 34 J- Katarrhalische Angina,
Schleimklumpen im Rachen; nachher Mandel-
abscess.
22) Frida B., 2 1 \ i J. Diphtherie beider Mandeln.
23) Pauline B., 5 1 2 J. „ r „
sowie des Gnumensegelrandes und Zäpfchens,
am 24. Nov. in Behandlung gekommen, am
26. Nov. Morgens etwas heiser; dabei munter
und Belag verringert. Rasch genesen. Die
Kinder gehören einer armen Familie an,
schlafen mit noch 3 Geschwistern in einer
Stube. Keine weitere Erkrankung erfolgt.
24) Sofie N., 17 J. Katarrhalische Angina mit
Fieber und Schluckschmerzen.
25—29) Laryngitis catarrhalis bei drei Knaben
und einem Mädchen im Alter von 9—14 Jah¬
ren, in 5 verschiedenen Familien, alle in den
Tagen vom 26.—28. November erkrankt mit
Heiserkeit bis Aphonie, Schmerz im Kehlkopf,
Crouphusten, doch ohne Stenose. Alle binnen
4 Tagen genesen. Mit Aconit behandelt.
30) Töchterchen W., 5 J. Diphtherie der linken
Mandel. Massiger Belag.
31) Friedrike Sch., 10 J. Erkrankte am 30. Nov.
Abends. Benachrichtigt am 1. December, dass ;
es das Kind im Hals habe, verordnete ich im |
Drang der Arbeit Belladonna 30. Mein Be¬
such am 2. Morgens constatirte schweren
Croup mit beträchtlicher Stenose. Rachen frei.
Verordnung: Acon. In der folgenden Nacht
werde ich Morgens *| 2 6 Uhr herausgeläutet, ]
finde das Kind seit einer Stunde bewusstlos |
mit Stenose und lautem Trachealrasseln, feuchte
Haut, Cyanose, jagendem, kleinem Puls. So- |
fort ein Bad bereitet, nachdem Carbo 30. auf
die Zunge gegeben war. Noch ehe das [
warme Bad fertig, erwacht das Kind und
spricht mit tonloser Stimme, verlangt zu trinken,
bekommt etwas Wein und Wasser mit Auf¬
lösung von Cuprum; ins Bad werfe ich meinen
Vorrath von Tartarus emet. 30. Ausserdem
lasse ich sogleich in der Chirurg. Klinik an-
fragen, ob man Patientin zur Tracheotomie
bringen dürfe, was bewilligt wird. Das Bad
bringt anscheinend Besserung; ich rathe ab¬
zuwarten, wenn selbe fortsch reitet, und gehe
wieder nach Hause, erfahre aber Vormittags,
dass das Kind bald nach dem Bade in er¬
neute Bewusstlosigkeit versunken und nach
einer Stunde gestorben sei.
Leider muss ich diesen bedauerlichen Ver¬
lust dem Umstande zuschreiben, dass ich selbst
in diesen Tagen ernst erkrankt war und mich
nur so herumschleppte, wobei gerade die
höchsten Anforderungen durch Stadtpraxis und
Sprechstunden an mich gestellt wurden Die
Grippe hatte mich unter Fieber, Kopfschmer¬
zen und Brustkatarrh ergriffen. Der ge¬
wohnte Umstand keinerlei Vertretung am
Platze zu haben, hielt mich in täglicher Ar¬
beit fest und gerade damals häuften sich auch
Nachtbesuche, von denen ich keinen abge¬
schlagen habe. An dem betreffenden Mor¬
gen hatten wir 8° Kälte; trotzdem fühlte ich
davon keinerlei verschlimmernden Einfluss auf
meine eigene Krankheit; aber das energische
Eingreifen bei dem Kinde kam jetzt zu spät;
ich hätte am Tage vorher die Situation bes
ser erfassen sollen.
32) Lehrer Sch., 50 J., lässt mich in der Nacht
des 3. December rufen wegen Erstickungs-
noth. Patient ist pensionirt, wegen Schwer¬
hörigkeit, ist Trinker und hat riesige Struma.
Beim Eintreten in seine Stube finde ich mich
in dickem Rauch (mein eigener Hustenaus-
wurf war am nächsten Tage ganz schwarz).
Ich lasse schnell Thür und Fenster öffnen,
bemerke aber, dass der Rauch dick zur Feue¬
rungsöffnung des Ofens herausströmt. Bei
meiner Frage, ob die Ofenklappe geschlossen,
zeigte sich, dass dies thatsächlich der Fall.
Doch giebt Patient an, dass er schon Nach¬
mittags auf dem Spaziergang einen Er-
stickungsanfall gehabt habe. Patient athmet
schnell mit höchster Stenosegefahr, kann nur
einzelne Worte herausbringen, erstickt schier
im Husten. Aconit und Spongia in einem
Glas Wasser gegeben, wird mit Mühe in
kleinen Schlucken genommen, bringt aber so¬
fort Erleichterung. Am nächsten Tage ist
Patient munter wie zuvor.
33—42) Es folgen jetzt etwa 10 Fälle katarrhalische
Angina mit starken Allgemeinerscheinungen,
Geschwulst des Gaumensegels und insbeson¬
dere der Uvula, welche meist gedunsen und
gekrümmt erscheint. In diesen Fällen, die
Digitized by
Google
9
in der Woche vom 1.—8. December ver¬
laufen, nirgends Belag, aber bedeutende Hals-
beschwerden. Inniger Zusammenhang mit der
stark verbreiteten Influenza, sodass dieselbe,
wenn auch vorwiegend die Zeichen des Brust-
katarrhs bietend, doch auch häufig derartige
Anginen als Theilerseheinung aufweist. Ein
eigentliches Epidemicum zu finden ist mir
nicht gelungen; Sabadilla hat diese Erschei¬
nungen in erwähnter Verbindung, doch konnte
ich mich von einer vorzüglichen Heilwirkung
derselben nicht überzeugen und es sind diese
Fälle oft lästiger und langwieriger verlaufen,
als manche Diphtheritis.
48) Frl. Minna H., 17 J. Am 7. December er¬
krankt Linke Mandel zeigt oben dicken,
linsengrossen Belag; rechts ist dünn ausge¬
breiteter Belag und am 2. Tag der Behand¬
lung ist das typische Bild einer folliculären
Tonsillitis daraus geworden. Rascher, guter
Verlauf.
44) Andreas H., 2 J. Rahmiger, dünner Belag
beider Mandeln; Heiserkeit. Rasche Gene¬
sung.
45) Eugen B., 11 J. Am 9. December mit har¬
tem Husten erkrankt; in der Nacht Frost.
Am 10. Nachmittags plötzliche Erstickungs-
noth. Bei ruhigem Athmen Abends, wo ich
Patient besuche, keine Beengung; dagegen
bei Bewegung. Rachen frei. Kehlkopfschmerz,
totale Heiserkeit. — Vorsichtig gemacht durch
Fall 81 lasse ich dem an homöopathische
Arzneireize stark gewöhnten Knaben Baun-
scheidt’sclies Oel in die Vorderhalsgegend
einreiben. Ausserdem gebe ich ihm etliche
Korn Thuja, einer Ermahnung Wolfs (homöo¬
pathische Erfahrung) folgend, wonach dies
Mittel in gewissen Influenzazuständen den
sykotischen Grundcharakter des Uebels und
damit dessen Widerstandsfähigkeit gegen die
sonst besten Arzneien beseitigen soll. Sodann
gab ich Acon. und Apis 80. abwechselnd
alle 2 Stunden. Verlauf sehr gut, indem
keine Erstickungsanfälle mehr auftraten und
der Crouphusten sich nach einigen Tagen
verlor. Der Vorderhals mit dem charakte¬
ristischen Ausschlag bedeckt.
46) Carl M., 14 J. Angina catarrhalis.
47) Rudolf S., 13 J. Drohender Croup; leichte
Stenose.
48) Paul S., 15 J. Angina catarrhalis.
49) Max S., 11 J.
50) Dienstmagd im gleichen Hause. Angina ca¬
tarrhalis.
51) Luise K., 5 J. Vor 4 Tagen (am 19. De¬
cember) mit Erbrechen, häufiger Diarrhöe und
viel Bauchschmerz erkrankt, auf Chamomilla
gebessert; dann steigendes Fieber, seit gestern
Scharlach; heute diphtheritischer Belag beider
Mandeln.
52) August W., 20 J., kommt heute, den 28. De¬
cember, in meine Sprechstunde, klagt Kopf¬
schmerz, Fieber, Halsweh. Beim Einblick in
den Rachen zeigt sich dessen hintere und
linke Wand im Winkel derart diphtheritisch
erkrankt, dass daselbst eine aschgraue, völlig
gangränöse Schleimhautstelle, nach oben
breiter werdend, erscheint, die sich hinauf-
wärts nicht bis zu ihrem Ende verfolgen lässt.
Sie ist gegen das gesunde Gewebe scharf ab¬
gegrenzt, ein merkwürdiger Befund, der unter
Umständen einen sehr ernsten Krankheitsfall
einleiten dürfte und zeigt, wie hier der Krank¬
heitscharakter vom Anfang ab ein diphthe¬
ritisch mortificirender ist. Verordnung: Apis
mit Merc. cyan. im Wechsel,
ich schliesse diese Mittheilungen hier ab, be¬
merke aber noch, dass die diesmalige Influenza
weniger Neigung aufzuweisen scheint, als die frühere,
im Central- und peripheren Nervensystem sitzen zu
bleiben (Psychosen, Neuralgieen). Sie neigt viel¬
mehr zu geweblichen Veränderungen greifbarerer
Art; ausser den genannten sind es: Pneumonieen
mit asthenischen, auch abortivem Verlauf, Brust¬
katarrhe mit Pleurareizung stärkerer Art, Blut¬
speien, Mittelohr-Entzündungen, Abortus.
Tübingen, 23. December 1893.
Hypodermatische
Anwendung homöopathischer Mittet.
Von Neuschäfer, pr. Arzt in Frankfurt a. M.
Zur Zeit als das Koch’sche Tuberculin in allen
öffentlichen Blättern besprochen wurde, machte ich
mit unserem homöopathischen Specificum auch einen
Inj ectionsv ersuch.
Das Versuchsobject war ein Mädchen von 9 Jahren,
welches 39 Pfd. wog und vom zweiten Jahre an
scrophulös krank war, z. Z. einzelne Eiterflächen
über den ganzen Körper vertheilt, von p. p.
25 □ Centimeter, mit stinkender Jauchenabsonde¬
rung, hatte. Täglich musste dasselbe zweimal und
auch Nachts noch einmal verbunden werden, um
die brennenden Schmerzen zu mässigen.
Ich injicirte Nachmittags eine Pravazspritze voll
Thuja 3 Tropfen auf 100 Gr. Aqua destillata in
den Rücken des Kindes.
Anderen Morgen schon früh war ich zur Hand
und erfuhr, dass das Kind die ganze Nacht ruhig
Digitized by
2
Google
1 «
geschlafen' habe. Die Untersuchung ergab, dass
sämmtliche über den Körper vertheilten Geschwüre
über Nacht ganz trocken geworden waren. Das
Kind befand sich überaus wohl. College Dr. Vil-
lers, dem ich den Fall als Inserat für die Hörn.
Zeitung zuschickte, scheute den weiten Weg nicht,
um sich den Fall anzusehen und erklärte die Wir¬
kung der Injection als wahrhaft wunderbar. Leider
war das Kind schon zu sehr heruntergekommen,
es lebte trotz der wohlthätigen Wirkung der In¬
jection nur noch ein Jahr.
Hiernach habe ich eine grosse Zahl scrophu-
löser Augen kranker Kinder mit vorzüglich gün¬
stigem Erfolg hypodermatisch behandelt.
Aber hiermit nicht zufrieden, injicirte ich bei
erster Gelegenheit in einem Fall schwerster Diphthe-
riti8 mit Kehlkopfscroup, wo das 12 Jahre alte
Mädchen zu ersticken drohte, eine Temperatur von
40 0 hatte und die Tracheotomie nur noch hilfreich
erschien, die der Vater aber entschieden verwei¬
gerte, mit unserem Specificum gegen Diphtheritis —
Mercurius cyanatus 30. Potenz eine Pravazspritze
voll, etwa 3 Grm. zu 100 Aqua destillata, in den
Rücken des Kindes.
Das Kind hatte vor Mitternacht noch einen
schweren Kampf nach Luft, nach Mitternacht kam
aber ein ruhiger Schlaf, aus dem es sehr erleich¬
tert erwachte; des Morgens fand ich die Tempe¬
ratur auf 38° heruntergegangen und die Athmung
ziemlich frei. Nach 8 Tagen ging das recht kräf¬
tige Kind in strenger Winterkälte schon wieder
*/ 4 Meile weit zur Schule. Das war der erste
Fall!
An diesen reihen sich in meiner alten Heimath
weitere 19 Fälle, ohne einen Sterbefall, während
in der benachbarten Stadt 50°| o starben.
Hier in Frankfurt habe ich bis jetzt 65 Fälle
bei gleicher Behandlung mit nur 3 Sterbefallen.
Der erste Sterbefall betraf ein sehr schwaches
scrophulöses Kind ohne Widerstandsvermögen.
Der zweite Fall war septische Bräune, wobei
das Kind die Mutter ansteckte, welche nur mit
Noth der Krankheit entrann. Der dritte Fall war:
Am achten Tage, nachdem das Kind die Diphtherie
glücklich durchgemacht, war es aufgestanden, hatte
sich bei offenen Fenstern längere Zeit dem Luft¬
zug ausgesetzt, bekam infectiöse Nephritis und starb
den 21. Tag an Herzschwäche.
Hier in Frankfurt habe ich zur Injection die
5. Potenz gewählt, welche gleich der 30. ihre
Wirkung nicht versagt, nämlich neben ruhigem
Schlaf, über Nacht die hohen Temperaturen von
40 und mehr herabgesetzt hat bis auf 37. Dar¬
unter war ein Fall mit 42 T. und Croup, der gut
geheilt wurde.
Zur Unterstützung der Injection lasse ich den
Merc. cyanatus innerlich in gleicher Potenz, mit
Kaliutri chloratum VI. im Wechsel zweistündlich drei
Tropfen nehmen. Diese Medication wird fortge¬
setzt und die Kinder lassen sich selten-über 8 Tage
im Bette und Zimmer halten, stehen auf und er¬
scheinen bei gutem Wetter im Freien.
Tritt erhöhtes Fieber äuf und will der Belag
nicht weichen oder wird der Kehlkopf mitergriffen,
so ist eine zweite Injection am Platze, die Besse¬
rung herbeiführt, der auch eine dritte in schweren
Fällen folgen darf..
In sehr schweren Fällen, die bei meiner Be¬
handlung sehr selten Vorkommen, mit Ergriffensein
des Kehlkopfs, unterstütze ich die Injection und
die intern verabreichten Mittel, denen man als drittes
Mittel frischbereitetes Bromium HI. (1:1000)und auch
noch als viertes Mittel Kalium fluorieum Schüssler
zusetzen kann, welche dann abwechselnd 1 / 2 - bis
J | 4 stündlich gegeben werden dürfen, durch den uns
bekannten, sehr hoch anzuschlagenden Apparat der
Hydropathie, als da ist: Man legt fest ausgerungene,
nasskalte Tücher um Hals und Unterleib des Kranken,
ebenso zieht man nasskalte, baumwollene Strümpfe
über die Füsse desselben. Die kalten Wickel resp.
Strümpfe werden dann mit trocknen Tüchern resp.
Strümpfen bedeckt und das Verfahren wird, je nach¬
dem die Temperatur-Verhältnisse bestehen, zwei¬
stündlich oder häufiger, so lange wiederholt, bis die
Krankheit gebrochen ist. Hier ist, wie oben ge¬
sagt, eine Wiederholung der Injection erforderlich.
Mit diesem Hülfsapparate nebst der Anwendung
der hydrotherapeutischem Massnahmen habe ich in
Homburg v. d. H. ein vom dortigen Arzt aufge¬
gebenes Kind, bei dem eine Stenose hohen Grades
bestand, (das hydroth. Hülfsmittel wurde Tag und
Nacht fortgesetzt) innerhalb 6 Tagen glücklich her¬
gestellt.
Die Diät sei einfach. Reichlicher Milchgenuss
ist anzurathen, nebenher einfache schleimige Suppen.
Fleischbrühe, Wein und Mineralwasser lasse ich
meiden. Erstere beiden nur bei längerer Dauer
der Krankheit und hierdurch eingetretener Schwäche
angewandt. Kalte Waschungen sind nach Verlassen
des Bettes sehr zu empfehlen.
Anmerkung der Redaction. Der Versuch
des Collegen Neuschäfer, homöopathische, potenzirte
Mittel subcutan anzuwenden, scheint uns beachtens-
werth. Der Erfolg in dem Thuja-Fall ist schlagend.
Weniger reine Experimente sind die bei Diphthe¬
ritis vorgenommenen subcutanen Injectionen von
Mercur. cyanatus, da dasselbe Mittel auch innerlich,
ja theilweise im Wechsel mit zwei, selbst drei an¬
dern homöopathischen Mitteln gebraucht wurde (was
der Hahnemann’schen Regel zuwiderläuft) und noch
überdies die Einwirkung der Hydrotherapie hinzu¬
kommt.
Digitized by k^ooQie
u
Damit wollen wir jedoch die Glaubwürdigkeit
der erzielten guten Heilerfolge in keiner Weise
antasten.
Ein Fall von Gesichtsschmerz.
Eine 34jährige Frau, blond, schlank, von fri¬
scher Gesichtsfarbe und lebhaft-beweglichen Tem¬
peraments, die, als Gastwirthin, häufigem Tempe¬
raturwechsel ausgesetzt ist, indem sie aus der Küche
vom Feuer weg oder aus der heissen Gaststube
plötzlich in die kalte Luft oder in den Keller
muss, hat schon wiederholt an Zahn- und Gesichts¬
schmerzen gelitten. Sie hat sich auch schon einen
Zahn, der besonders schmerzhaft war, ziehen lassen,
der sich dann aber als gesund erwies. Seit vier¬
zehn Tagen ist sie wieder von ihrem Uebel be¬
fallen. Die Schmerzen kamen plötzlich, sind bei
Nacht besonders heftig, verschwanden dann aber
wieder stunden-, ja tagelang. In den letzten |
Tagen haben sie ihren Charakter verändert. Früher
in der rechten, treten sie jetzt in der linken Ge¬
sichtshälfte auf. Der Kopf ist dabei stark ergriffen.
Es ist ihr, als ob eine schwere Last auf den Ober¬
kopf drückte, welche das Gehirn herunter und aus¬
einander treiben will. Sie fühlt im linken Schläfen¬
bein einen stechenden Schmerz, der sich von da j
heftig zuckend durch das linke Ohr, die linke
Wange hinunter bis in die Oberlippe hinzieht. Bis¬
weilen fahrt er wie ein Schuss durch den Kopf.
Die linke Hälfte der oberen Zähne und das Zahn¬
fleisch, welches geröthet erscheint, thun weh; es
reisst und sticht darin. Der Mund ist trocken, wie
auch der Hals, und doch läuft ihr, wenn der Schmerz
besonders heftig wüthet, ein dünner, wässeriger,
nicht riechender Speichel in grosser, unaufhörlicher
Menge, wie beim wahren Speichelfluss, aus dem
Munde. Das Kauen vermehrt die Schmerzen, wes¬
halb sie feste Speisen ganz vermied und nur Flüs¬
siges zu sich nahm. Zu den obigen Symptomen
ein krampfhaft zusammenziehender Schmerz im
Epigastrium, der sich die Brust hinauf, diese zu¬
sammendrückend und beklemmend, erstreckte. Die
sonst kräftige Frau war durch die heftigen Schmer¬
zen, die ihr den Nachtschlaf geraubt, in eine solche
Hyperaesthesie gerathen, dass ihr das kleinste Ge¬
räusch beschwerlich fiel, weshalb ihre Kinder be¬
reits aus ihrem Schlafzimmer entfernt worden waren.
Sie verlangte die vollständigste Buhe und Stille,
lag selbst, wenn auch stöhnend und jammernd, ver¬
zweifelt, still im Bette. Einhüllung des Kopfes,
des Gesichtes, überhaupt Wärme, that ihr wohler
als Kälte. — So fand ich sie. Dabei klagte sie,
dass auf der Höhe der Schmerzen, welche aber
keine Intermission machten, sondern nur hier und
da ab- Und Zunahmen, ein Kälteschauer sie durch¬
fahre. Sie sah sonst rothwangig, jetzt blass aus,
war mehr kühl als heiss beim Befühlen. An den
schmerzhaften Stellen liess sie keine Berührung zu;
schon die Annäherung meiner Hand litt sie nicht
gern.
Was ihre sonstigen Functionen betraf, so war
der Stuhl bisher normal gewesen. Die Menstrua¬
tion, früher regelmässig aller vier Wochen, kam in
den letzten Monaten ungeordnet, in drei, ja in zwei
Wochen wiederkehrend, fünf Tage anhaltend, aber
von geringer Quantität, ohne besondere Beschwer¬
den. Sie hat drei Kinder geboren, beim letzten
war die Placenta angewachsen und künstlich ent¬
fernt worden. Vor einem halben Jahre hatte sie
tief unten im Unterleibe, wahrscheinlich vom Uterus
ausgehende, herabdrängende Schmerzen gehabt, die
sich bei Bewegungen vermehrten und von Urin¬
drängen begleitet waren, wobei der Urin dunkel¬
braun gewesen und ein oder zwei Mal griesartige
Körnchen abgingen. Der Schmerz hatte sich vom
Unterleibe in die linke Inquinalgegend verbreitet
und als sie auf die letztere warme Umschläge
machte, fiel es ihr auf, dass die Haut die Hitze
derselben gar nicht empfand. Diese Anaesthesie
bestand auch gegenwärtig noch, während die an¬
deren Beschwerden aufgehört hatten, wenn auch in
geringerem Grade.
Patientin hat bereits Mancherlei gebraucht, Ein¬
reibungen, Kopfdampf ä la Kneipp; auch hat ihr
ein homöopathisirender Laien-Praktiker vielerlei
Mittel in schnellem Wechsel gegeben, (zuletzt
Glonoin und Silicea) und hierdurch die gereizten
Nerven erst recht in Uebererregung versetzt.
Diagnose. Eine Neuralgie verschiedener sen¬
sibler Fasern des N. trigeminus ist in diesem Falle
unverkennbar, wenn auch der regelmässige Typus
fehlte. (Beim Ramus infraorbitalis ist dies sogar
die gewöhnliche Art.) Da, wie die Krankenge¬
schichte ergiebt, die Kranke trotz ihres sonst
blühenden Aussehens und robusten, thatkräftigen
Wesens, ausgesprochene Zeichen von Hysterie, sei
es, dass diese vom Uterus oder von dem linken
Ovarium ausgehen, an sich trägt, so wird uns der
weitausgedehnte Reflex oder, wie man früher sagte,
der Consensus der hier obwaltenden krankhaften
Erscheinungen erklärlich. Es ist sogar möglich,
dass die Trigeminus-Neuralgie nicht als primäre,
sondern als Reflexerscheinung von der Affection der
Genitalorgane her aufzufassen sei.
Therapie . Das klinische Krankheitsbild in der
Gesammtheit seiner objectiven wie subjectiven Er¬
scheinungen (bei derartigen Neuralgieen walten na-
turgemäss die letzteren vor), die Oertlichkeit der
Zeichen, sowie die begleitenden Umstände (Tages¬
zeit, Verschlimmerung und Besserung), die hysteri-
Digitized by
Google
12
sehe Hyperaeslhesie mit dem Verlangen nach Ruhe,
AUes dies wies auf eins unserer grossen Polychreste,
auf BeUadonna hin. - Ich verschrieb der Patientin
Atropin 3. Dil., wovon sie alle 3 Stunden je
2 Tropfen in 1 Löffel Wasser zu nehmen hatte.
Es war gegen Abend am 18. October v. J., als
sie einzunehmen begann. Sie bekam hiernach Ruhe
von ihren Schmerzen, so dass sie 2 Stunden
schlafen konnte.
Dann kehrten sie aber wieder und hielten, wenn
auch massiger, bis gegen 2 Uhr Morgens an, wo¬
rauf wieder Schlaf, wenn auch mit öfterem Auf¬
zucken, erfolgte.
Morgens am 19./10. fand ich sie frischer und
wohlgemuther. Sie trank ihre Milch mit Appetit. —
Der in der Nacht gelassene Urin war dunkelgelb,
hatte Brennen in der Urethra gemacht. — Ich liess
6 Tropfen des Mittels in einem Glase Wasser lösen,
wovon Patientin alle 3 Stunden 1 Theelöffel er¬
hielt. — Der Tag verlief gut unter stundenweisem
Schlaf. Die Nacht vom 19. bis 20. war dies weniger.
Sie hatte Hitze im Kopfe, klagte über Nacken¬
schmerz, das Oberkiefergelenk war empfindlich. Sie
hatte weder Stuhl noch Urin entleert; als ich sie
aber dringend dazu aufforderte, liess sie eine, wenn
auch geringe Menge sehr dunklen Harns, der aber
kein Brennen mehr verursachte.
Die Wangen zeigten indessen wieder ein fri¬
sches Colorit. Der Appetit war erwacht, den sie
aber aus Furcht vor Wiederkehr der Schmerzen
nur mit Milch zu stillen wagte. Der Kopf war
frei. — Jetzt Saccharum lactis. Die Besserung
schritt stetig vorwärts. Die Cardialgie, der Speichel¬
fluss hatten mit der Neuralgie aufgehört. Sie ar¬
beitete wieder und blieb gesund.
Warum Atropin und nicht Belladonna? möchte
vielleicht Mancher fragen. Darauf erwidern wir,
dass wir bei neuralgischen Schmerzen, die ohne
congestive Erscheinungen (Hyperaemie, Röthe, An¬
schwellungen), ohne Fieber einhergehen, das Alka¬
loid von durchgreifender, prompterer Wirkung ge¬
funden haben, als die Stammpflanze.
Dass Alter und Erfahrung nicht vor — Fehlern
schützt, zeigte mir dieser Fall darin, dass ich die
Dosis des Mittels zu stark gegeben und auch zu
oft wiederholt habe. Die Kopfhitze und der Nacken-
und Kiefernschmerz deuten auf eine überschüssige
und daher überflüssige Wirkung der zu stark ge¬
griffenen Gabe hin. Zu meiner Vertheidigung habe
ich doch Etwas auf Lager. Ich habe nämlich öfters
beobachtet, dass hochpotenzirte Mittel bei nervösen
Affectionen, wenn die Nerven durch falsch ge¬
wählte, schnell gewechselte, selbst in höheren Po¬
tenzen gegebene homöopathische Mittel in Ueber-
erregung versetzt worden sind, nicht gut thun. Es
zeigen sich Oscillationen danach, die zu keinem
Heilerfolge kommen, der mit demselben Mittel in
niederer Potenz weit eher zu erreichen ist. Viel¬
leicht haben wir eine Analogie hierzu in der Thäfr-
sache, dass der neuralgische Schmerz durch leise
Berührung erhöht, durch starken Druck aber be¬
schwichtigt werden kann.
Wie steht die Erscheinung des Speichelflusses
zu Belladonna oder Atropin? Von Seiten der
herrschenden Schule hat man durch ziemlich massive
Gaben von Atropin die Speichelabsonderung unter¬
drückt, wie man solches auch beim Thierexperiment
beobachtet hat; man hat dem Atropin eine läh¬
mende Wirkung auf die nervösen Hemmungsappa¬
rate überhaupt zugeschrieben und so auch die nach
Atropin eintretende aufgehobene Speichelabsonde¬
rung durch Lähmung der zu den Speichel abson¬
dernden Drüsen gehenden, sie regulirenden Hem¬
mungsnervenfasern erklärt. — Was ergaben die
homöopathischen Prüfungen ? Hahnemann beobach¬
tete von Belladonna: Grosse Trockenheitsempfindung
im Munde, dennoch ist Mund und Zunge feucht
anzusehen, schleimiger Mund, besonders früh beim
Erwachen; zäher Schleim, meist bei Gefühl von
Trockenheit im Munde. — Die Mündung der
Speicheldrüsen ist angefressen. — Speichelfluss. —
Auch Böcker beobachtete bei einer Gabe von Belladonna
1 (einige Tropfen der Tinctur Tags über) bei Anfangs
von 2—3 in der Minute verzögertem Pulse eine
vermehrte Schleimabsonderung der Schlingwerk¬
zeuge, beim Fortgebrauche des Mittels dagegen
entstand Injection, Entzündung und Anschwellung
dieser Theile mit einer Pulsbeschleunigung um
4—5 Schläge in der Minute. Damit wird dann
wohl auch die Speichelabsonderung abnehmen, aber
nothwendig ist dies nicht, das sehen wir bei der
Mercur-Tonsillitis. — Auch beim Tabakrauchen
finden wir Trockenheit der Schlingorgane gleich¬
zeitig mit vermehrter Speichelabsonderung. — So
viel geht aber aus diesen Beobachtungen hervor,
dass eher eine vermehrte, als eine verminderte
Schleim- oder Speichelabsonderung zu den ersten
Wirkungen der Belladonna gehört, also eine an¬
fängliche Reizung der Drüsen im Munde statthat,
auf welche dann erst die gehemmte Absonderung
erfolgt. Wenn also unter der Einwirkung dieses
Mittels ein Speichelfluss aufhört, so ist das eine
Heilwirkung nach dem S. S. C., keine gewaltsame
Suppression.
Wie bei Kindern, so habe ich auch bei Er¬
wachsenen, wie auch in diesem Falle, die Beob¬
achtung häufig machen können, dass sie aus
Schwäche des Körpers und Geistes, des Willens,
das Uriniren (oder auch die Stuhlentleerung) unter¬
lassen. Als junger Praktiker kann man leicht unter
solchen Umständen an eine suppressio urinae aus
tieferen Ursachen zu denken verleitet werden.
Digitized by k^ooQle
Hfer ist dann feine Suggestion auf den Willens¬
schwächen Kranken am Platte; hei ganz kleinen
Kindern kommt die Wärterin schon durch einen
dem plätschernden Geräusch, der das Uriniren ver¬
anlasst, nachgeahmten onomatopoetischen Klanglaut
(wie Pisch-Pisch) zum Zweck; bei Erwachsenen
führt eine energische, dringende Aufforderung zum
Ziel. Der Arzt muss darauf bestehen, dass das
Geschäft geschieht, so lange er da ist; ist er wie¬
der fortgegangen, so unterbleibt es leicht. — Wir
haben in unserer Literatur eine Anzahl wohlge¬
lungener Heilungen von Hemicranieen und Neural-
gieen, zumal des N. trigeminus mittels Atropin.
Man findet diese in Edwin M. Haies „neuen ame¬
rikanischen Heilmitteln“, bearbeitet von Dr. Oehme,
zweckmässig zusammengestellt. Dr. Mossa.
Die diuretische Wirkung von Apocynum
cannabinum.
Dr. Arthur Clifton giebt aus einer 15jährigen
Erfahrung mit diesem Mittel, das er in einem
Dutzend von Fällen von Ascites oder Anasarca, meist
bei Patienten über fünfzig Jahre alt, gebraucht hat,
in dem HomoeopathicalRecorder 1893 No. 3 Bericht.
In einem Drittel der Fälle, bei denen die Wasser¬
sucht abhängig oder verursacht war durch Herz¬
oder Nierenleiden, zu denen eine consecutive Leber¬
erkrankung sich hinzugesellt hatte, that das Mittel
wenig, wenn überhaupt etwas Gutes, d. h. hob die
Wassersucht nicht auf.
In den andern zwei Dritteln war passive Con-
gestion und Vergrösserung der Leber die primäre
Ursache des Ascites und führte zu Herzerweiterung
und Unthätigkeit der Nieren — der Urin enthielt
zwar geringe Mengen von Eiweiss, hatte aber nicht
die Zeichen eines ausgesprochenen Morbus Brightii.
Bei solchen Kranken erwies sich Apocynum hilf¬
reich, indem es die Nierensecretion anregte, so dass
in 24 Stunden zwei Quart Urin entleert wurden,
womit der Hydrops schwand.
Wie Lebervergrösserung, so zeigte sich oft mehr
oder wenig Gelbsucht mit blassen Stühlen, welche
hn Ganzen mehr weich als verhärtet waren; der
Ham war spärlich, hochgefärbt und reich an harn¬
sauren Salzen.
Obwohl die Nieren so entschieden überreizt
wurden, so hat Dr. Clifton beim Aussetzen des
Mittels doch niemals den gegentheiligen Zustand
beobachtet. Er gab es in einem concentrirten
Decoct, alle 4 Stunden eine Portion von 3—10
Gramm. Von der Tinctur, die er zu 5—10 Tropfen
pro dosi gegeben, hat er keinen Erfolg gehabt.
Dr. Alexander aus Plymouth berichtet, 4^88 er
das Mittel seit Jahren mit dem besten Erfolge in
Fällen von Oedema pedum, sowie bei Ascites In¬
folge von Herzschwäche gebraucht habe* Er tbeilt
die diesfallsigen Patienten in 2 Klassen: 1. solche
mit Klappenfehlern; bei diesen zeigte sich die gute
Wirkung durch merklich gebesserte Diurese, Doch
war die Besserung nicht immer von langer Dauer;
es trat je nach der Schwere des Herzfehlers früher
oder später ein Recidiv ein.
2. Personen mit beginnender Herzerweiterung
in Folge von geschwächter Thätigkeit des Muskels
oder etwa von Fettablagerung. Hier waren die
Erfolge dauernder. Er meint, die Drogue habe
eine specifische Wirkung auf die Herzmuskulatur,
und, wenn diese auch nicht entschieden eine ho¬
möopathische ist, so hält er es doch für ein sehr
brauchbares und zuverlässiges Mittel in solchen
Fällen. Auch er sah das Infus wirksamer als die
Tinctur.
Das Apocynum cannabinum ist bei uns wenig
in Gebrauch, desto mehr in. Amerika, seiner Hei-
math, wo es auch indian hemp, indianischer Hanf
(nicht zu verwechseln mit dem indischen Hanf,
cannabis indica!) genannt wird. Besonders ist die
Wurzel wirksam, deren sich die Indianer Nord-
Amerikas schon lange gegen alle Arten von An¬
schoppungen bedienen. Als das wirksame Princip
hat man das Apocynin, einen widrigriechenden,
sehr bitteren, rothbraunen, brüchigen, zerfliesslichen
Stoff festgestellt.
Die pulverisirte Wurzel bewirkt in Gaben von
15—20 Gran Ekel und wiederholtes Erbrechen,
danach reichliche, erst kothige, später wässerige
Darmentleerungen, welche beim fortgesetzten Ge¬
brauche des Mittels anhalten. Zu gleicher Zeit be¬
deckt sich die Haut mit Schweiss, in vielen Fällen
findet ausserdem reichliche Harnabsonderung statt,
sicherer auf die Abkochung der Wurzel, während
dabei das Erbrechen zurücktritt. 1—2 Gran mach¬
ten den Puls langsamer , und erleichterten den
Schleimauswurf aus den Bronchieen.
Farrington giebt in seiner Klinischen Arznei¬
mittellehre Indicationen für die hom. Anwendung
dieses Mittels. Er sagt, wenn indicirt, verlange Ap.
can. folgende Symptome: Verwirrung und Schwere
im Kopfe, Schläfrigkeit und Schwäche oder ge¬
störten, unruhigen Schlaf. Die Functionen sind
träge: Puls langsam. Die Därme verstopft, wenn
auch die Faeces nicht hart sind (und doch macht
das Mittel so leicht dünne, wässerige Stühle. Ref.).
Die Nieren träge, der Harnabgang copiös (wie reimt
sich das?), ja fast unwillkürlich wegen Erschlaffung
der Sphincteren. - Nase und Hals mit dickem,
gelbem Schleim erfüllt beim Erwachen; Druckge¬
fühl in Herzgrube und Brust, kann kaum Athem
Digitized by
14
schöpfen zum Sprechen, selbst nach ganz leichten
Mahlzeiten. Der Eiranke hat ein Gefühl von
Oppression auf der Brust; er muss häufige, tiefe
Athemzüge thun. Der Puls ist unregelmässig, in-
termittirend und zuweilen schwach, dann langsam.
Das Herz schlägt regelmässig, dann flattert es und
wird schwach, dann langsamer und mühsam, dann
und wann setzt ein Schlag aus.
Farrington hat ein wichtiges, von Bane sehr be¬
tontes Symptom weggelassen, die übermässige Reiz¬
barkeit, Hyperaesthesie, des Magens, die so gross
ist, dass selbst ein Schluck kalten Wassers wieder
erbrochen wird. Dann spricht er von Torpidität
der Nieren mit gleichzeitigem, starkem Harnab¬
gänge — ein Zustand, der wohl selten vorkommt.
Bane erwähnt bei Hydrothorax, der für Apocyn.
passe, suppressio urinae; bei hydrops ascites einen
trüben Urin, nebst Diarrhoe, Gedunsenheit des Ge¬
sichtes nach dem Niederlegeu, welche nach dem
Aufsitzen vergeht. Für Hydrocephalus acutus giebt
er folgende Zeichen, die mir aber et usu in morbis
entnommen zu sein scheinen: Der Kopf ist gross,
das Stirnbein hervorgewölbt, die Fontanellen weit
offen; das Sehvermögen auf einem Auge ist voll¬
kommen verloren, auf dem anderen noch Empfind¬
lichkeit gegen Licht. — Stupor — beständige un¬
willkürliche Bewegungen eines Beines oder eines
Armes — Convulsionen auf der rechten, Lähmung
auf der linken Seite — Kälte der Haut — Gesicht
blass, trotz des Sopors gieriges Trinken des dar¬
gebotenen Wassers — Greisenantlitz — Unwillkür¬
liche, dünne, grünliche Stühle. Der cri hydro-
cephalique fehlt (bei Apis deutlich ausgesprochen).
Zur Erläuterung und Ergänzung der Anfangs
mitgetheilten, allgemeinen Bemerkungen wollen wir
noch einige besondere Fälle wiedergeben.
Ein Mädchen, das seit 8 Monaten an Hydrops,
wahrscheinlich infolge einer Herzkrankheit, allopa¬
thisch ohne Erfolg behandelt war, bot folgendes
Krankheitsbild dar: Athem sehr erschwert, Rücken¬
lage unmöglich, Wassersucht der Unterglieder und
Bauchdecken; trockne Zunge, unmässiger Durst,
sparsamer Harn, Percussionston dumpf, Respirations-
geräusch im unteren Theile der Brust unhörbar. —
Patientin erhielt von Tinct. Apocyni cannab. 2—5
Tropfen in Wasser, dreistündlich ITheelöffel. — Nach
4 Wochen völlige Heilung. Hirsch. N. G. 2. 174. Die
klinische Diagnose sowohl als die Mitteldiagnose ist
hier schwach bestellt, aber der Erfolg gut.
Ein 64jähriger Mann, der mehrere Monate er¬
folglos an Hydrops, infolge organischer Herzkrank¬
heit, litt und bisher erfolglos behandelt worden war,
zeigte hochgradige Athemnoth, Orthopnoe , muss im
Bitzen von Anderen unterstützt werden. Der Magen
ist in so gereiztem Zustande, dass kein Schluck
halten Wassers hei ihm bleibt . Aengstlicher Ge¬
sichtsausdruck, Unterleib aufgetrieben. — Harn
gänzlich unterdrückt. — Bedeutendes Oedem. Apo¬
cyn. wie oben. , Heilung in 14 Tagen.
Ein 62 jähriger Mann bekam nach Typhus
Bauch- und Hautwassersucht; der Unterleib sehr
ausgedehnt und schmerzhaft. Puls schwach, un¬
regelmässig; Haut trocken, sich abschälend. Harn
hochroth, spärlich; Harnen schmerzhaft; Athmen
sehr erschwert. Apoc. heilte.
Ein 8jähriger Knabe hatte nach Scharlach
Brust- und Hautwassersucht; das Gesicht sehr ge¬
schwollen, ebenso Hals, Brust, Glieder; er schnappt
nach Athem, kann kein Wort sprechen, nur durch
Zeichen antworten. Sensorium ungestört. — Apoc.
wie oben. Heilung.
Ferner wurden zwei Fälle von Bauchwasser¬
sucht nach Cessatio mensium mit Blutandrang nach
Leber und Pfortaderstockungen durch dasselbe Mittel
in gleicher Weise geheilt. Dr. MOBSa.
Characteristische Symptome.
IgnaJda: Er sieht beim Lesen die Wörter, ohne
ihnen aber einen Sinn beilegen zu können.
Glonoin: Empfindung, als ob Flüssigkeiten durch
die sinus longitudinales gespritzt würden, der Druck
wird so stark, dass er Angst, Schweiss und Gesichts-
röthe bewirkt; Druck von der Stirn nach dem
Scheitel.
Gefühl, wie wenn Wasser im Gehirn wäre:
Acon., Bell., Digit., Helleborus, Hyoscy., Mercur.,
Stram.
Gefühl, wie siedendes Wasser im Gehirn: Acon.,
Indigo.
Gefühl, als ob Flüssigkeiten den Schädel auf
und nieder wogten: Opium.
Gefühl, als ob eine Flüssigkeit stossweise in ein
kleines Blutgefäss hineingetrieben würde mit wüthen-
dem Schmerz vom rechten Auge zum Schläfenbein
oder einem anderen Körpertheil: Coecus cacti.
Schwindel beim Schliessen der Augen, aufhörend
beim Oeffnen derselben: Thuja.
Schwindel nur beim Uriniren: Hyperic.
Schwindel, wobei sich Alles im Kreise dreht:
Sabadüla.
Schwindel in der Luft: Merc. jod. flav.
Schwindel, als ob man sich im Kreise drehte:
Arg. niiri.
Schwindel erfasst das Kind, wenn die Wärterin
es herumträgt; es hält sich an diese, aus Furcht
zu fallen: Geisern. Das Kind klammert sich an die
Wärterin, wenn es in’s Bett niedergelassen wird —
Borax.
Digitized by ^.ooQle
Gefühl 'von einem Bälle in inneren Theilen:
lgnalla.
'Gefühl von einem Balle in der Blase: Lachem.
Gefühl, als ob ein Theil bersten wollte: Ramme .
‘bulb 08 H 8 .
Gefühl einer enganliegenden Hand um Kopf und
Stirn, als ob der Hut zu enge wäre; er muss ihn
oft abnehmen, aber das bessert nicht: Sassaparilla.
Er muss den Kopf reiben: Ver. alb.
Kopfweb beginnt Morgens, bald nach dem Auf¬
stehen, in der Stirn, besser vom Daraufdrücken mit
der Hand: Cinnabarvt.
Kopfweh an einer kleinen Stelle über dem rechten
Auge, diese wird roth und schmerzhaft, besser von
Druck: Sanguin.
Kopfweb, schlimmer vom Ticktack der Uhr,
Geräusch, Bewegung, geht bis zum Augapfel, das
Kopfkissen kommt ihm hart wie ein Stein vor —
Amica.
Kopfweh in der Stirn mit dem Gefühl, als ob
ein kalter Wind darauf bliese: Laurocerasus.
Kopfweh, besser nach starkem Urinabgang: Geisern.
Kopfweh im Winter, Diarrhoe im Sommer: Aloe.
Kopfweh linkerseits, mit blassem Gesicht auf
dieser Seite, Hals und Brust zusammengeschnürt:
Lach., Amyl. nitr.
Kopfweh vom Fahren im Eisenbahnwagen: A miccu
Kopfweh, besser, wenn der Kopf niedrig liegt:
Gdc . c .
, v ■* Kd£ftyfeh,‘ ! besser, wehn der Kopf hochgehobwi
wird: China .
Kopfweh,besser von geringwBswegung: Ferr.acet.
Malaria-Kopfweh.: Tag.und Nacht heftig, schlim¬
mer während des spärlichen Schweisses; Schmerz
in Knochen, als ob sie zerbrechen würden; gelbe,
trockene Haut, galliges Erbrechen: Eupator. perföi.
Kopfweh, geht nach dem Hinterhaupt herum,
vorher die Ensoheinung eines gezahnten Bades vor
den Augen mit Farbenspiel, der das Denken be¬
nimmt: Ignat.
Kopfweh beginnt mit einer Macula vor den
Augen; , arges Kopfweh jeden achten Tag, scharf,
schneidend, oft die Stelle wechselnd: Iris vers.
Kopfweh, arges, Torkel, Schwindel mit Erbrechen,
Bewegung im Halbkreis und nach rückwärts, um
die' Körperaxe herum: CöcCuius.
Kopfweh mit mehr Schwindel als bei Ignatia,
gleich starker Hyperaesthesie, weniger gemüthliche
Erregung, gestörte Stimmung. = Ursache: Diät¬
fehler. Niix vom .
Personalia.
Herr Oberamtsarzt a. D. Dr. Fischer, bisher
in Neuenbürg in Württemberg, hat wegen Krank¬
heit seine amtliche Stellung in Neuenbürg aufge¬
geben und sich nach seiner Pensionirung in Mann¬
heim als homöopathischer Arzt niedergelassen.
Anzeigen.
Homöopathische Arzneitabletten.
Neueste und praktischste Form zum ganz gleich-
mässigen Abtheilen bestimmter Quantitäten Arzneien
als Einzelgahen —; zerdrücken sich nicht leicht mit
der Hand, lösen sich aber sehr leicht auf der Zunge
auf; bequemste Form zum Gebrauch der Arzneien
auf Reisen und für die selbstdispensirenden Herren
Aerzte zum Versenden in Briefen und zur Abgabe
an Patienten, die noch an allopathische Arzneiformen
gewöhnt sind. Dieselben können jetzt von jedem
Mittel und in jeder Potenz sofort in jedem ge¬
wünschten, grösseren oder kleineren Quantum ange¬
fertigt und geliefert werden. Mit Ausnahme einiger
theurer Mittel kosten 12 Stück in Cylinder 2 0 Pf.,
80 -Stück in Schachtel 75 Pf., grössere Mengen
noch billiger.
A.Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig.
Prima entölten homöopath. Cacao.
Feinste homöopath. Gesundheits-Chokolade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem homöo¬
pathischen Gesundheitskaffee als Getränke gestattet,
empfehlen wir in reinsten und besten Qualitäten
und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
ä 1 Pfd. ä »/, Pfd. 4 1 U Pfd.
4 2.80 4 1.50 4 —.80 Mk.
Gesundheits-Chokolade 4 Pfd. = 2 Mark,
in 1 / 4 Pfd.-Tafeln 4 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leichtester
Verdaulichkeit.
Homöopath. Centralapotheke
von Täschner & Co. in Leipzig»
Digitized by
Googl
Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer
6fÜoln in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Ärzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Groee und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
* von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre : Es genügt n i cht all ei n, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'-
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter¬
scheiden nach allenSeiten des betreffendenMi ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch, Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
ReYisionsmässige Hausapotheken]
Bei den Revisionen der Hausapotheken der eelbet-
diepeneirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Vencna und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt, wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift>Schränkchen
und
Separanden-Schrän kchen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden,)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefässe. als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thüren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M.
Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons k 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weist zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 Hfl.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬
chen jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor-
räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabteilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. MarggraFs homöopatb. Offlein in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moeea-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Pruck von Julias M&ser in Leipzig.
Digitized by <^.ooQle
Band 128
Leipzig, den 18. Januar 1894.
No. 3 u. 4.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf’s homöopath. Offlein) in Leipzig.
j/gQF* Erscheint 14tägigzu 2Bogen. 13Doppelnummern bilden einen Band. Preis JOM, 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln dbVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Jf. berechnet.
Inhalt. Erinnerung an Schfinlein zu seinem hundertjährigen Geburtstage. (30. November. 1893) Von einem
homöopathischen Arzte. — Einiges Ober arzneiliche Verschlimmerungen. Von Dr. H. Goullon. — Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Hesse-Hamburg. — Die Bedeutung der Diaphanie als Todeszeichen. Von Dr. Mossa. — LesefrQchte. — Wie
Professor Zlatarowich zur Homäopathie gekommen ist. — Einige Kernsprüche von Paracelsus. — Anzeigen.
W Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Erinnerung an Schönlein
zu seinem hundertjährigen Geburtstag.
(80. November 1893.)
Von einem homöopathischen Arzte.
Lucas Schönlein ist wie so manchem der älteren
homöopathischen Aerzte so auch mein klinischer
Lehrer gewesen, und das Band der Dankbarkeit
knüpft uns an ihn. Der Ende vorigen Jahres ein¬
getroffene 100. Geburtstag dieses bedeutenden
Mannes hat sein Bild wieder lebhaft in mir erweckt.
Sein Leben und Wirken, sein Einfluss auf den Ent¬
wickelungsgang der deutschen Heilwissenschaft und
-Kunst ist schon von competenten Federn darge¬
stellt und mehr oder weniger richtig gewürdigt
worden.
Für uns homöopathische Aerzte giebt es aber
einige besondere Punkte, anziehender oder abstossen-
der Art, in seiner Lehr- wie Heilmethode, die ich
hei dieser Gelegenheit beleuchten möchte, wobei ich
mich theils auf eigene Beobachtung, theils auf die
von einem ihm nahestehenden Schüler Dr. Güter¬
bock herausgegebenen „Klinischen Vorträge Schön-
lein’s“ stütze.
Anziehend für uns war die Art, wie er als
echter Naturforscher den Erkrankten beobachtete
und seine Schüler zu beobachten lehrte. Er sagte
hierüber einmal: ,,Sie sollen hier (am Krankenbette)
! Krankheitsindividuen oder individuelle Krankheiten
sehen und beobachten lernen, die Natur selber be-
' fragen, und aus der Erkenntniss der Krankheit soll
ihnen die Ansicht über die Heilung erwachsen. Da-
I bei müssen Sie sich stets erinnern, dass es nur
Krankheitsindividuen giebt, uud dass das, was Sie
1 in den Lehrbüchern über die einzelnen Krankheiten
, finden, nur aus einer grossen Anzahl von Beob¬
achtungen entnommen worden. Sie sollen aber
auch noch ein Zweites würdigen lernen, dass, so
verschieden auch die einzelnen Krankheitsindividuell
i zu sein scheinen, bei allen sich doch etwas Ueber-
i einstimmendes findet, gleichsam der rothe Faden,
I der sie, wenn auch etwas dunkel, zu einer Einheit
i verknüpft, zu dem, was die Aerzte den epidemischen
^ Krankheitscharakter oder Krankheitsgenius genannt
j haben. Gerade dieses eigenthümlich Recidivirende
des Kranklieit8prozcsses, das so rückwirkend auf
die Behandlung ist, soll liier womöglich berück¬
sichtigt werden, zumal da es sich nirgends besser
als in grossen Krankenhäusern beobachten lässt.“
Zwar erkennen wir in dieser Aeusserung einen
Fortschritt von der ontologischen Auffassung von
Krankheiten, der Schönlein früher selber gar sehr
gehuldigt, wie er ja auch Anfangs, nach dem Vor¬
gänge der grossen Botaniker des 18. Jahrhunderts,
ein natürliches System aufzustellen bemüht ge¬
wesen ist, worin er die verwandten Krankheiten in
Familien, Ordnungen, Arten gruppirte, — einen
Digitized by
i§
Fortschritt — indem er jede Krankheit als ein be¬
sonderer Individuum unterschied; alkin ^Habnematiqr
ging darin doch noch weiter vorwärts, 'da er iiuEfaL
das Kraiiklteils-Iitdividu um , sondern das erkrankte
Individuum zum Gegenstände der ärztlichen Beob¬
achtung und Behandlung erhob. \ Das scbliesst daifam
eo. ipso neben der Erforschung der objectiven patho- 1
logischen Erscheinungen > auch die 4er mljectiven ,
die bei Schönlein zu kurz kommen, in sich. Wie
er bestrebt gewesen ist, die objectiven Zeichen >
durch die von den sich immer mehr vervollkomm- I
nenden Hilfsdisciplinen dargebotenen Mittel möglichst I
vollständig zu eruiren, wie er einer der ersten ge- |
wesen, der die Auscultation und Percussion trotz I
dem * grollenden Widerspruch -der- übereouservativen j
Gegner ausgeübt uud eingeführt hat, das wollen J
wir ihm nicht vergessen.
Durch Heranziehung der Constitution des j
Kranken zur Aetiologie wie zur Specialisirung des j
Heilmittels wusste er übrigens der individuellen j
Krankheit ein noch prägnanteres Gepräge zu ver- |
leihen. — So machte Schönlein bei einem an einer |
Lungenentzündung Erkrankten darauf aufmerksam, I
dass dieser ein Jahr lang an einer Intermittens I
tertiana gelitten, einem Process, der nicht ohne Rück¬
wirkung auf die Constitution des Kranken geblieben,
wie man nach seinem Colorit urtheilcn darf, sodann
auf die traumatische Ursache, eine mechanische
Einwirkung, indem der Kranke einen heftigen Stoss
mit dem Steuerruder auf die linke Brust erhielt
mit eiuer solchen Gewalt, dass er in einen anderen
Kahn geworfen wurde. ln solchen Individuen
pflegen dann Krankheiten, namentlich entzündliche,
in der Regel einen eigentliümlichen Gang zu nehmen,
der schon in den Symptomen, noch mehr in den
Krisen hervortritt: ,,Das ist ein Punkt von der
grössten Wichtigkeit für den practisclien Arzt.
Das ist dasselbe, was neuerdings die Botaniker in
den heftigsten Kampf versetzt hat, ob der Boden ,
auf welchem die Pflanze wächst, sei er kalk- oder
kieselhaltig, liege er im Schatten oder in der Sonne,
eine Menge von Modificationen hervorruft, die man
früher als Species der Pflanze betrachtet hat.**
Wiederholt hat Schönlcin auf den Einfluss des
scrophulosen Bodens auf die Modiflcation von Er¬
krankungen liingewiesen. So haben Schleimliaut-
affection bei Scrophulosen grosse Neigung, in
Blenorrhoeen überzugehen; die Gonorrhoe nimmt bei
ihnen gern einen chronischen Charakter an (G.
secundaria); Lungenentzündungen, ja selbst ein¬
fache Katarrhe, führen häufig zur Entwickelung
der Lungenphthise. Bekannt ist ferner der Ein¬
fluss, den die scrophulöse, syphilitische, gichtische
u. a. Diathese auf Augenentzündungen ausübt.
(Das vergessen die Specialisten leider nur zu oft!
Ref.) Derartige dyskrasische Erkrankungen kom¬
men aber auch in jedem anderen Organe vor; man
hßt* i^nqp pur; nicht dieselbe Aufmerksamkeit ge¬
schenkt tvie/ iif der Ophthalmiatrik. Nur bei wenigen
Entzündungen hat man dieses combinatorische Ver¬
mögen der verschiedenen Kräifkheitsprocesset,, atyf-
.gefasst, wie z. ß; bei den Anginen. Etwas Acjpi-
liches li*t Rust von den Geschwüren nachgewiesen.
Auf leine auffallende Wteise zeigt sich jener Ein¬
fluss des Bodens selbst auf gewisse Entzündungs-
producte; so sieht man oft, dass, wenn scrophulöse
Individuen von einer Pleuritis oder Peritonitis be¬
fallen werden', die mit, Exfudation von plastischer
Lymphe enden, diese in ihren Interstitien Tuba -
ketmwtse abgelagert enthält“ — Öind dies nicht
Anschauungen, -die* denen -unseres- Hahnerrraim * nahe
kommen? Noch näher tritt ihm Schönlein in ‘der
Annahme von Krätz-Nachkrankheiten, worüber er
sich hei der Vorstellung eines an Dilatation des
linken Ventrikels mit massiger Hypertrophie und
Aftection der Aortenklappe Leidenden ausführlich
ausgesprochen hat, bei dem sich in der Anamnese
kein anderes Moment als vorangegangene Scabies
nachweisen liess. ,, In den neuesten Tagen ist die
Annahme von Krätznachkrankheiten, diesem alten
medicinischen Dogma, nicht bloss schwankend,
sondern verlassen und verhöhnt worden. Von den
älteren Aerzten ist es besonders Antenrieth, der
einen musterhaften Aufsatz darüber 1807 geschrieben
hat, so dass es eine der grössten Unverschämtheiten
ist, wenn Unhnemann der erste zu sein behauptet,
welcher auf die Krätznachkrankheiten aufmerksam
gemacht habe.“ — (Das behauptet er, so viel ich
weiss, nirgends, er bezieht sich vielmehr zur Be¬
gründung seiner Lehre von der Psora, die er aller¬
dings tiefer und extensiver als seine Vorgänger aul¬
gefasst, auf eine Reihe nahmhafter Autoren. Ref.) —
,,Die Auffindung der Krätzmilbe hat die ganze
Sache in Frage gestellt. Sie ist sicher vorhanden;
ich habe sie selbst oft genug gesehen ; dass aber
das Vorhandensein der Krätzmilbe das alte Dogma
von den Krätznachkrankheiten umstosse, das muss
ich ableugnen. Ich will mich nicht auf die vielen
alten Erfahrungen und Beobachtungen berufen,
nicht darauf, dass, wenn nach dein Verschwinden
der Krätze eine andere Krankheit auftrat, diese,
sobald die Scabies wieder zuiu Vorschein kam, stille
stand, oder gar zu Grunde ging. Ich will Sie nur
auf das Terraiu der Gegner führen. Wie bildet
sich die Krätze? — Es entstehen zuerst kleine
| Papeln, aus denen sich die Krätzbläsehen und dann
die Pusteln bilden. Es ist aber nicht nachgewiesen
, worden, dass schon beim ersten Erscheinen der Papeln
! die Milbe vorhanden; es wäre also hier der filius ante
| patrem. Also hier schon ein offenbarer Wider¬
spruch! Ferner leugnen selbst Raspail’s Anhänger
nicht, dass keineswegs alle Krätzbläsehen mit einem
Digitized by
Google
ft
Gaüge und einer Milbe versehen sind. Wäre das j
lufiekt Ursache der Krankheit, Warum nicht an i
jedem Bläschen ein solcher Gang, und in jedem
Gange ein Insekt? Ferner ist es eine Thatsaclie, j
dasa man das Insekt nur in der frischen Scäbies ge- i
fanden, aber nicht mehr, wenn sie längere Zeit be- |
standen. Die Einwendung, dass man durch Ein-
impföng des Insekte Krätze erzeugen könne, ist
kein schlagender Beweis; denn man könrite mit dem
Insekt noch etwaä vom Oontagium Überträgen haben.
Sollte der Versuch schlagend sein, so müsste man
zuvor das mikroskopische Insekt gebadet und mit
der Bürste gereinigt haben, denn Sie wissen, dass
nicht ein Pfund, sondern welche kleine Quantität
des Contagiums zu seiner Uebertragung nothwendig
ist. — Ich muss gestehen, dass ich nach meinen
•eignen und den vielen alten Beobachtungen Ver¬
trauen verdienender Aerzte gar keinen Zweifel über
die Existenz von Krätznachkranklieitem habe. Es
ist allgemein bekannt, dass besonders bei alten Leuten
in Folge des Krätzauschlag es sich eine Ulceration
der Haut hauptsächlich um die Knöchel der Unter-
eairemitäten bildet, deren Secret contagiös , und der
man den Namen Ulcus psoricum gegeben hat, (hier
wird keiner behaupten, dass das Geschwür durch
die Milbe so gestaltet sei), und dass, wenn man
dieses Geschwür plötzlich austrocknet, innere Krank¬
heiten eigentümlicher Art entstehen, nicht bloss
wie nach Austrocknung alter Abdominalgeschwüre,
sondern eigentümliche Formen. Diese Thatsache
scheint mir besonders schlagend für die Möglichkeit
zu sprechen, dass die Unterdrückung der Krätze
Nachkrankheiten hervorrufen können.“
So sehen wir, wie Schönlein, was die Psora be¬
trifft, im gleichen Fahrwasser mit Hahnemaim segelt,
nur dass dieses bei letzterem viel tiefer, ihm selbst
fast unergründlich erscheint. Wir wissen aber, mit
welchem Eifer er gearbeitet hat, den auf dem Boden
der Psora entsprossten Erkrankungen durch die von
ihm geprüften Heilmittel, seine Antipsorica, an die
Wurzel zu gehen und gründlich zu heilen. Hierin
beruht eine seiner grössten Verdienste um die Heil¬
kunst. Von Schönlein haben wir solches nicht ge¬
lernt. In der Therapie bewegte er sich eben meisten-
theils in den breitgetretenen Gleisen; die Anti-
phlegose, obenan der Aderlass, diente ihm in Allem,
was an Entzündung streifte, als der competente Heil-
apparat. Wesshalb er im concreten Fall dieses oder
jenes Mittel aus diesem Heilapparat herausgriff, in
apodiktischer Machtvollkommenheit, das kam uns
nicht zum Verst&ndniss; er gab nur selten darüber
genügenden Aufschluss. Und doch war er unter
den Vertretern der alten Schule kein gewöhnlicher
Mittelkenner, wie er auch bei seiner eminenten Be¬
obachtungsgabe so manche feine, Andern entgangene
Einwirkungen von Medicümenten erspürt hat. So
hat er beobachtet, wie der lange fortgesetze Ge¬
brauch von China Rheumatismus ähnliche Erschei¬
nungen in den Gliedern hervorruft.
Wie treffend ist seine Bemerkung über das Her¬
vortreten stärkerer Mercurialeinwirkung nach oder
unter dem Gebrauch inuriatifccher Salze. „Wie es
Mittel giebt,“ sagte er bei dieser Gelegenheit, ,,die
gewisse Krankheitsprocesse antagonistisch bekämpfen,
und somit Heilmittel werden (aber nicht minder
nach dem Äehnlichkeitsgesetz. Ref.), so giebt es
auch andere, welche, in den Organismus gebracht,
die Entwickelung schlummernder Krankheitsprocesse
befördern; so namentlich befördern die muriatischen
Salze die Lastseuche und die Quecksilberkrankheit;
ich sah sie beim Gebrauch von Salzquellen, z. B.
von Ischl, zum Ausbruch kommen. Darauf gründet
sich auch die sonderbare Erscheinung, dass an
manchen Orten, wo eine mit Chlor geschwängerte
Luft vorhanden ist, die Anwendung des Quecksilbers
in der Lustseuche höchst nachtheilig wird. Ich sah
diese Erscheinung in Venedig , wo durch die See¬
luft der Atmosphäre viel Chlor beigemengt ist; die
Aerzte daselbst sind sehr unglücklich in der Be¬
handlung der Syphilis mit Quecksilber, und, wenn
ein Venetianer sich von dieser Krankheit heilen
lassen will, so muss er sich in die Hochlande der
Lombardei begeben; daher sieht man nirgends so
viel Leute ohne Nasen, -wie in der Lagunenstadt. —
Aus demselben Grunde verabscheuen auch die eng¬
lischen Aerzte den Mercur bei Behandlung der Syphi¬
lis.“ — Herr College Kunkel wird uns über diesen
Punkt aus seiner langjährigen Praxis in einer See¬
stadt ein Wort sagen können, dass eine feuchte,
zumal kalte Luft, der Heilung der Syphilis wie auch
der Wirkung des Quecksilbers nicht dienlich ist,
wie ja auch die liydrogenoide Construction beiden
nicht zusagt, sei hier nebenbei bemerkt. — Dass
Colchicum (besonders die Tinetur und das Vinum
seminum) wohl beim Rheumatismus der Gelenke,
aber nicht dem der Muskeln, ausgezeichnet wirkt,
hat Schönlein mit gutem Fug, weil auf Erfahrung
begründet, ausgesprochen.
Erwähnenswerth ist ferner seine Ansicht über
das zeitweise Pausiren in der Medication. ,,Die
älteren Aerzte haben für die Behandlung dies me -
dicinales und dies intercalares festgesetzt. Es liegt
dem die Wahrheit zu Grunde, dass in den Krank¬
heiten, den acuten wie chronischen, Ruhepunkte,
Stasen Vorkommen, wo es das Heil des Kranken
erfordert, dass man eine Pause, einen Feiertag in
der Behandlung mache. Ich erinnere Sie an den
Ausspruch eines der grössten Berliner Aerzte, Reifs:
,,dass es guten Aerzten häufig, schlechten aber nie¬
mals begegne, dass sie keine Anzeige zur Verord¬
nung finden.“ Die Gründe für einen solchen dies
intercalaris sind theils subjectiv , theils objectiv. 1 . sub-
3*
Digitized by
Google
20
jectiv , indem der Arzt besonders bei complicirten
Krankheiten auf einen Punkt stösst, wo er offen
bekennen muss, jetzt stehe ihm der Verstand still,
und nun wisse er nicht, welche Richtung er zu neh¬
men habe; er wolle nicht noch durch neue Medi-
camentalWirkung eine Perturbation hervorrufen. Das
ist ein Grund, der bei vielen Aerzten sich in ihrem
Innern kund giebt, aber nicht nach aussen bekannt
werden darf, weil sonst die Reputation dahin ist,
und das bewegt sie, ihr Rp. zu machen. — 2. ob -
jective Gründe sind noch viel häufiger, indem die
gereichten Medicamente nachtheilig ein wirken, oder
indem man auf einen gewissen Punkt in der Be¬
handlung vorgeschritten, nun besser ohne Arznei
zum Ziele kommen kann.“ — Für uns liegt noch
ein nicht unwichtiger Grund zum Pausiren darin, dass
wir der Arznei zur völligen Entfaltung ihrer Wir¬
kungen und den durch sie hervorgerufenen Bewe¬
gungen im thätigen Organismus die erforderliche
Zeit gönnen wollen, ja geben müssen. — Eine
Nachwirkung des Arzneimittels hat Schönlein bei
der Digitalis beobachtet, welchem Mittel man ja
eine cumulirende Wirkung zuschreibt; sie wirkt
eben noch längere Zeit fort, nachdem man ihren
Gebrauch ausgesetzt hat. Auf diese Erscheinung,
behauptete er nun, habe „Hahnemann und seine An¬
hänger ihre phantastische Theorie von der Nach¬
wirkung der in minimo gegebenen Arzneimittel ge¬
gründet. Diesem Unsinn liegt allerdings , li fügt er
hinzu, ,,ein Sinn, eine Thatsache zu Grunde; diese
Thatsache ist aber auch schon von den Allopathen
beobachtet, und namentlich von den Badeärzten be¬
nutzt worden, welche, wenn ihr Brunnen während
der Kurzeit nicht wirken will, die Kurgäste auf
die nachkommende Wirkung zu vertrösten pflegen;
auch die Allopathen sind in dem Charlatanismus
hinter den Homöopathen nicht zurückgeblieben!“
Liegt aber der Annahme von der Nachwirkung eine,
drüben wie hüben, constatirte Thatsache zu Grunde,
wie Hahnemann überhaupt nichts ferner lag als
grundlose Theorieen auszuklügeln, so ist in der Sache
gar nichts Phantastisches. Wenn Schönlein bei
dieser Gelegenheit Aerzte der alten Schule nicht
weniger als die der neuen mit dem gleichen Schmäh¬
titel belegt, so werden ihm dafür die Einen so
wenig Dank wissen als die Anderen. Er lässt über¬
haupt keine vorkommende Gelegenheit vorübergehen,
ohne sich an die Homöopathie und deren Begrün¬
der zu reiben und ihr eins am Zeug zu flicken.
So erinnere ich an eine Aeusserung des Mei¬
sters in einem Falle von Icterus mit sehr verlang¬
samtem Pulse , wo die Digitalis sehr günstig wirkte.
„Die Wirkung, welche die Digitalis bei Icterischen
auf die Pulsfrequenz hat, ist eine ausgezeichnete.
Das wäre Oberwasser für die Homöopathen! Denn
während sie bei den Gesunden den Puls rerlang-
samiy beschleunigt sie hier den krankhaft verlang¬
samten Puls.* Wir sehen hierin in der That eine
vorzügliche Bestätigung des Aehnlichkeitsgesetzes.
Wie sucht aber Schönlein diese Digitalis-Wirkung
zu erklären? „Wenn ich mich nicht sehr irre, „sagt
er, „hängt die Sache auf eine andere Weise zusam¬
men, als die Homöopathen denken. Wir wissen
aus den Versuchen von Thomson und Anderen,
dass durch Einwirkung gewisser Stoffe auf die
blossgelegte Arterie Retardation der Blutbewegung
bewirkt wird; man hat Versuche mit verschiedenen
Stoffen gemacht, namentlich mit bitteren, wie
Quassia, ferner mit Ammonium, Kochsalz, Digi¬
talis u. a. Darin liegt, glaube ich, der Schlüssel
zu obigem Räthsel. Bei Icterischen enthält näm¬
lich das Blut Gallentheile, und diese wirken retar-
dirend auf die Pulsfrequenz. (Zunächst aufs Herz.
Ref.) In demselben Verhältniss, als nun die Digi¬
talis die Diurese antreibt und dadurch die Entfer¬
nung der Gallenpigmente aus dem Blute bewirkt,
nimmt auch die Pulsfrequenz wieder zu. Es ist
also das Beschleunigtwerden des Pulses in diesem
Falle infolge des Gebrauchs der Digitalis keine
primäre, sondern eine secundäre Wirkung. Es ist
somit hieraus keine Consequenz auf die Similia-
similibus-Lehre zu ziehen.“
Dass die Wirkung der Gallensalze auf die Herz-
thätigkeit und Pulsfrequenz nicht so ganz einfach
ist, wie Schönlein behauptet, haben die vielen
Versuche von Rörig, Landois und besonders von
Traube u. A. dargethan. Ein äusserst verlang¬
samter Puls, der bei der geringsten Bewegung be¬
schleunigt wird, und ein solcher kommt gerade bei
manchen Icterischen vor, ist von Hahnemann und
seinen Anhängern als besonders charakteristisch für
Digitalis gehalten, während die alte Schule den
kleinen, schwachen, unregelmässigen Puls als haupt¬
sächliche Indication für dieses Mittel sonst immer
aufgestellt hat. Wenn Schönlein in obigem Falle
dennoch, in der Absicht die Diurese anzuregen,
Digitalis verordnete imd damit eine so ausgezeich¬
nete Wirkung auf die Pulsfrequenz nicht bloss,
sondern auf den gesammten krankhaften Zustand
erzielte, so hat er, bildlich zu sprechen, indem er
auf den Sack schlug, den Esel getroffen, wissen¬
schaftlich geredet eine Homoeopathia involuntaria
begangen. Das Gesetz herrscht nun einmal über
uns, selbst da, wo wir gar nicht nach ihm zu han¬
deln uns bewusst sind.
Bei Vorstellung eines Patienten, der wegen
Syphilis Mercur erhalten hatte und nun an Gelb¬
sucht litt, entfuhr unserm Schönlein das Wort:
„Was die Therapeutik des vorliegenden Falles be¬
trifft, so ist das Hauptmittel gegen Leberkrank¬
heiten, der Mercur, hier nicht anwendbar, man
müsste denn dem Hahnemann’sehen Grundsätze
Digitized by ^.ooQle
21
„similia similibus“ huldigen.“ Quecksilberaffectio-
nen durch Quecksilber zu heilen (obgleich ich dies
selbst unter Anwendung eines anderen Präparates
mit Erfolg ausgeführt habe) liegt jedoch gar nicht
mehr im Rahmen des S. S. C.
Kurz, wir sehen, wie Schönlein, trotz so man¬
cher Annäherung, der Homöopathie weder Ver-
ständniss noch irgend welche Sympathie entgegen¬
gebracht hat.
Das soll uns aber nicht abhalten, seinen ausser¬
ordentlichen Gaben als klinischer Lehrer volle Ge¬
rechtigkeit widerfahren zu lassen. Seine theoreti¬
schen Anschauungen, die auf seine Praxis im
Ganzen wenig influirten, waren ja in beständigem
Flusse, so dass, wer ihn beim Kopfe zu fassen
meinte, ihn kaum an den Füssen festhielt. Diese
seine fortwährende Evolution und wissenschaftliche
Häutung war wohl auch der Grund, wesshalb er
keine schriftlichen Documente von seinem Denken
und praktischen Thun der ärztlichen Welt übergab
oder hinterliess. Er hatte eben kein festes System
und bildete auch keine ihn überdauernde Schule.
Einer für die Geschichte der Medicin interes¬
santen, von ihm ausgegangenen zeitweisen Be¬
wegung sei hier noch gedacht. Als es ihm 1838
gelungen war, bei einzelnen Krankheiten der Haut
und Schleimhäute im kranken Gewebe Fadenpilze
zu entdecken, warf sich eine Zeit lang alle exacte
Forschung auf das Auffinden von mikroskopischen
Kryptogamen als Krankheitserregern. Er hatte bei
den Exanthemen schon längst von Keim, Blüthe,
Frucht und Fruchtboden der Krankheiten ge¬
sprochen, nun kamen die glücklichen Funde von
Schmarotzerpflänzchen hinzu — und so hat nicht
viel gefehlt, dass die Bacteriologie sich schon da¬
mals, freilich ohne Schönleins Sanction, vor Koch,
eine Helena ante Helenam, der Medicin sich be¬
mächtigt hätte.
Gedenken wir des persönlichen Eindruckes, den
Schönlein auf seine Zuhörer machte, so tritt uns
sein Bild als das eines klinischen Lehrers ersten
Ranges wohlthuend vor die Seele. Des alten Schön¬
lein Stimme war zwar infolge eines hochgradigen
Asthma, das seine Spuren auch seinem Gesichte
aufgedrückt hatte, pustend, keuchend, schnaubend,
doch das vergass man bei seinem geistvollen, bald
mit attischem Salz, bald mit derbem, schwäbischem
Humor gewürzten und durch treffende Citate aus
den medicinischen Schriftstellern der ältesten wie
neuesten Zeit frischbelebten Vortrage. Wie wusste
er das durch sorgsame Untersuchung entwickelte
Krankheitsbild in plastischen Zügen vor uns aufzu¬
stellen, wie meisterhaft die einzelnen Erscheinungen
zu gruppiren und auf dem anatomischen Unterbau
den physiologischen Zusammenhang derselben zu
ergründen und zu begründen! So ein Vortrag ge¬
währte uns ebenso viel Genuss als Belehrung. So
wird sein Bild im Gedächtniss seiner dankbaren
Schüler fortleben, so auch in dem ineinigen, wenn
ich auch vom homöopathischen Standpunkte aus
ihm mehrfach als Opponent habe entgegnen müssen.
Denn amicus Socrates, amicus Plato, sed magis
amica veritas! Dr. Mossa.
Einiges Uber arzneiliche Verschlimmerungen.
Von Dr. H. Goullon.
Wegen einer gewissen Schwäche in den Knochen,
hatte ich für ein Kind, welches seinem Alter nach
schon hätte laufen müssen, aber damit zum Kummer
seiner Eltern noch im Rückstand blieb, Calcarea
carbonica verordnet, ein Mittel, welches in dieser
Beziehung für specifisch angesehen werden kann;
denn nicht selten sah ich davon schon Erfolg nach
8 Tagen. Ich bediene mich der 30. oder 12.
Potenz. Zuweilen tieferer Gaben. Es genügt, täg¬
lich davon einmal zu verabreichen.
Gewöhnlich sind solche Kinder mehr oder weniger
scrophulös. — Das Mittel that auch in diesem Falle
gut.
Nun schrieb mir die Mutter eines solchen kleinen
Patienten:
„Eine grosse Schwierigkeit für die Calcarea-
Kur hat sich eingestellt. Während das Kind näm¬
lich seit etwa 2 Monaten jeden Tag ohne Wasser¬
hilfe (Klystier) regelmässige Oeffnung hatte, trat
schon nach den beiden ersten Gaben Calcarea carb.
eine derartige Verstopfung ein, dass ich wieder zur
Wasserhilfe greifen musste und auch dann ist der
Stuhlgang noch recht hart. Könnte ich nicht viel¬
leicht ein anderes Mittel im Wechsel geben, welches
die stopfende Wirkung von Calcarea aufhebt?“
Eine Täuschung war wohl hier kaum möglich,
d. h., was allerdings nicht oft zur Betrachtung
kommen wird, in diesem individuellen Falle trat
auf homöopathische Gaben eines von einem Allo¬
pathen jedenfalls für höchst unschuldig und für in¬
different gehaltenen Stoffes positiv eine unbeabsich¬
tigte Wirkung ein.
Man sollte meinen, dass solche Beispiele allen
denen die Augen öffnen müssten, welche unseren
Mitteln gern jeden Einfluss auf den Organismus ab¬
sprechen möchten. Wenn doch ein Virchow, ein
Büchner oder Andere von solchen Wahrnehmungen
Notiz nehmen wollten, die ihnen übrigens schon
aus der Balneotherapie bekannt sein müssten. Denn
unmöglich werden sie ignorirt haben, dass z. B. die
abführenden Wässer von Carlsbad, welche ja auch
nur homöopathische Verdünnringen darstellen (ge-
wissermassen Dilutionen des Natrum sulphuricum),
Digitized by
Google
22
bei nicht Wenigen in ihrer Erst Wirkung Verstopfung
hervorrufen. Auch von Marienbad gilt ein Gleiches,
so dass auf diese Erfahrung hin nicht selten, um
die laxirende Wirkung zu erzwingen, noch drastische
Nebenhilfen, Zusätze von abführenden Salden u. s.w.
gemacht werden.
Ifies führt uns zu dem interessanten Kapitel der
arzneilichen Verschlimmerungen überhaupt, welche
natürlich dem Begründer der Homöopathie selbst
nicht unbekannt waren. In Hahnemann’s „Organon
der Heilkun$t“ finden wir denn, auch mäuche hier¬
hergehörige Beispiele und Vorkommnisse verzeichnet.
Er sagt § 154: f
„Da sich die Gabe eines homöopathischen Heil¬
mittels kaum je so klein bereiten lässt, dass sie
nicht die ihr analoge Krankheit bessern ; über¬
stimmen, ja völlig heilen und vernichten könnte,
so wird es begreiflich, warum eine nicht kleinst-
inögliche Gabe passend homöopathischer Arznei
immer noch in der ersten Stunde nach der Ein¬
nahme eine merkbare homöopathische Verschlimme¬
rung zu Wege bringt.“
Hahnemann hat hier die Behandlung akuter
Krankheiten im Auge. Bei chronischen braucht die
Verschlimmerung, resp. das Auftreten von unerwar¬
teten arzneilichen Nebensymptomen nicht unmittelbar
in die Erscheinung zu treten, man achte aber
darauf, dass in unserem Falle auch schon nach den
ersten 2 Gaben, also bereits nach 24 Stunden die
Verstopfung eintrat.
„Diese, einer Verschlimmerung ähnliche Er¬
höhung der Arzneisymptome“ fahrt Hahnemaim fort,
„über die ihnen analogen Krankheitssymptome haben
auch andere Aerzte, wo ihnen der Zufall ein homöo¬
pathisches Mittel in die Hand spielte, beobachtet.
Wenn der Krätzkranke nach Einnahme des Schwefels
über vermehrten Ausschlag klagt, so tröstet ihn der
Arzt, der hiervon die Ursache nicht weiss, mit der
Versicherung, dass die Krätze erst recht heraus¬
kommen müsse, ehe sie heilen könne; er weiss
aber nicht, dass dies Schwefel-Ausschlag ist, der
den Schein vermehrter Krätze annimmt.“
Jedermann weiss ja jetzt, dass die echte Krätze
nicht denkbar ist ohne die Gegenwart der Krätz¬
milbe, allein Hahnemann hat doch insofern recht,
als die Intensität des Krätzaussclilages von der in¬
dividuellen Disposition des Einzelnen abhängt. Die
Milbe spielt nur die Rolle eines Krankheitserregers,
und zwar hier eines Hautkrankheitserregers. Bei
völlig gesunden Menschen kann — wie Virchow
nachgewiesen hat — die vollständige Entwickelung j
der Krätzmilbe auf der Haut vor sich gehen, ohne
dass es zum Krätzausschlag kommt. Das ist sehr
wichtig für die Beurtheilung des letzteren, wo er
auftritt. Und er wird häufig, ja regelmässig auf- i
treten, weil es vielmehr kranke, zu Hautkrankheiten
disponirte Menschen gjeb^ als solche ohne. Anlage
dazu.
„Den Gesichts-Ausschlag*), den die Viola tricolor
heilte, hatte sie beim Anfang ihres Gebrauches ver¬
schlimmert,“ wie Leroy versichert. Er wusste nicht,
dass die scheinbare Verschlimmerung von der all¬
zugrossen Gab© des hier einigermassen homöo¬
pathischen Freisam-Veilchens herrührte. — Lysons
[ sagt: „Die Ulmenrinde heile diejenigen Hautaus-
Schläge am gewissesten, die sie beim Anfänge ihres
| Gebrauches vennehre.“ Hätte er, folgert Hahne¬
mann, die Rinde nicht in der (tvas in der allopathi¬
schen Arzneikunst gewöhnlich ist) ungeheueren,
I sondern, wie es bei Symptomen-Aehniichkeit der
I Arznei, d. i„ bei ihrem homöopathischen Gebrauche
I sein muss, in ganz kleinen Gaben gereicht, so hätte
er geheilt, ohne oder fast ohne diese scheinbare
I Krankheitserhöhung (homöopathische Verscblimme-
I rung).
! Bemerkensworth ist. was Hahnemann noch weiter
i 1
von der homöopathischen Verschlimmerung sagt. Er
' nennt sie geradezu eine sehr gute Vorbedeutung,
aus der hervorgehe, dass eine acute Krankheit meist
von der ersten Gabe beendigt sein werde,
i „Sie ist ganz in der Regel, da die Arznei¬
krankheit natürlich um etwas stärker sein muss, als
das zu heilende Uebel, wenn sie letzteres über¬
stimmen und auslöschen soll, sowie auch eine ähn¬
liche natürliche Krankheit, nur wenn sie stärker
als die andere ist, diese andere aufheben und ver¬
nichten kann.“
Selbstverständlich muss man sehr skeptisch sein,
sobald man auf arzneiliche Verschlimmerungen zu
stossen glaubt. Natürlich nur der Homöopath. Denn
wenn den Patienten eines Allopathen nach dessen
Salicyl- oder Chinin-Gaben Hören und Sehen ver¬
geht, wenn er nach Exalgin roth und blau wird
und in Ohnmacht fällt, im Verlauf einer Jodkur
herzleidend wird, ganze Körper-Organe schwinden,
auf die es gar nicht abgesehen war, oder wenn ihm
beim Me rcur-Ge brauch die Zähne ausfallen u. s. w.
u, s. w., so kommen solche Arzneiverschlimmerungen
ohne weiteres und unbedingt auf Rechnung der be¬
treffenden — Gifte. Dasselbe gilt auch von den
im Verlaufe einer Jodkur eintretenden lebensgefähr¬
lichen Erstickungs-Anfallen, die auf Glottis-Oedem
zurückzuführen sind und selbst die Tracheotomie
erfordern! Gleichzeitig ein nettes Beispiel von den
Consequenzen der allopathischen Kunst überhaupt.
Homöopathischer Soits kann man öfters als un¬
beabsichtigte Arznei-Symptome harmloserer Art Er¬
brechen nach Pulsatilla, Blutungen beim Einnehmen
von Acidum nitri, Weinen nach Aconit., Nieder¬
geschlagenheit und bis zu Selbstmordgedanken
*) Loco citaü>.
Digitized by u. ooQie
fühi^tt^^'OtWtiüthßdeprfefesioti'von Aütoim (Bähr) be- heit dös Einzelnen Äarah Schuld hat. 'Es kann z. B.
obachten. Endlichsind sögärwirkliche* Gewebs- die Erstiri&nüg (Hartleibigkeit) gan^ flüchtiger
Veränderungen, d.-L pathologisch-anatomische Um- ! Natur gewesen seih. Aehnlich verhält es sich mit
wandlungeh wülnfgenowime’n worden, z. B. Weicher- Digitalis, wOlOhe für Sehl* harntreibend gilt,' allein
werden narbige» Stellen • uhd v. Grauvogl empfiehlt gute Be6bdchte*r'haben eine Vorübergehende'Unter-
Thuja in ’SO, Potenz längere Zeit zu brauchen, drückung dcd Utiüs (ErstiviAttng) vorausgehen sehen,
wodurch sich Zweifler der homöopathischen Itifini- Es sollte mich freuen, wenri diese Zeilen die
tesimalgaben überzeugen könnten ; denn unter deni l Aufmerksamkeit auf das für uns schon aus politi-
Gebraueh der Thuja solcher Gestalt würden die scliern 1 Grunde richtige Thema lenkten, d. h. aus
Finger- und FUssnägel weich und die Flechsen et- dem Grunde unsere Gegner von der Thatsache zu
langten eine eigentümliche Geschmeidigkeit. De&- überzeugen, dass kleinste Arznei gaben unter be-
halb hielt genannter Autor Thuja für indieirt beim stimmten Voraussetzungen sehr 1 wohl zu w^sent-
Vorhandensdin' bindegewebiger Darmstructnren. liehen Befindensveränderungen füllten können —
Anders, wie gesagt, verhält es sich mit den nach VirchowV Erklärungsweise speciell für die
weniger ein- und angreifenden Gaben der Homöb- homöopathische Wirkung— auf katalytischem Wege,
pathie. Und da auch ohne Arznei sehr oft eine | Man kann ja dabei immerhin scharf unterscheiden
Krankheit eine Steigerung erfahren kann, sei es I zwischen Steigerung schon vorhandener Krankheits-
UÄter dem Einfluss der Witterung (tellurischc oder j Symptome und dem Eintritt eiiies neuen patholo-
meteorologisehe Ursache), nach Gemüthserregung | gischen Geschehens,
oder auch auf Grund des natürlichen Krankheits- I _ _
Verlaufes, so ist eben das Misstrauen gegenüber
den vermeintlichen Arzneiverschlimineningeii nur I
gerechtfertigt. Deshalb müssen aber auch solche ! EiQ6ll6S lind Fr6mdeS.
Beobachtungen, wie unsere Eingangs geschilderte, |
doppelten Werth beanspruchen. Denn liier handelt on r *
es sich nicht sowohl um Steigerung schon vor- I In Nr. 32 der Harden’sehen ,,Zukunft“ finden
handener Krankheits-Symptome nach hornöopathi- j wir folgende Stossseufzer eines Arztes über die mo¬
schen Infinitesimalgaben, als um den durch letztem deme Medicin:
hervorgei'vfenen Eintritt einer vorher gar nicht vor- | „Vom todten Menschenkörper wissen wir etwas,
handenen pathologischen Erscheinung, nämlich um vom lebenden und kranken wenig und von der
eine hartnäckige, sonst unerklärliche Verstopfung, j Kunst des Heilens mitunter gar nichts,
während 2 Monate hindurch das Kind ganz regel- 1 Man prahlt allerorten mit den Fortschritten der
mässig functionirte. Medicin. Wo sind sie? Wer gab sie uns? Lehrte
Man könnte einwenden, Calcarea carbonica findet uns die Wissenschaft die Heilkraft des Wassers
in der Homöopathie vielmehr bei Weichleibigkeit kennen, gab uns die Wissenschaft Diätetik und
(z. B. ist sie specifisch bei der Diarrhoe zahnender j Gymnastik? Sie hat sich bis zum Aeussersten gegen
Kinder) Verwendung als gegen Obstraetionen. Das * jeden Fortschritt gewehrt. Der Ring der wissen¬
ist wahr, ändert aber an der Thatsache nichts, dass } schaftliehen Universitätslehrer hat von jeher die
Calcarea carb. in seiner Erstwirkung dennoch die ' freien Köpfe geächtet und gebannt. Die Univer-
pe.ristaltischen Darmbewegungen hemmt. So lesen j sität lehrt den Schwindel des Receptes, sie erhält
wir denn bei Jahr über Calc. carb. (s. S. 208 der | die Schmach der Apotheken. Sie schützt die Lüge
homöopathischen Heilmittel in der Gcsammthcit ihrer i und heiligt den Betrug. Sie misst den Arzt nach
bekannten Erstwirkungen und Heilanzeigen) unter I seinen diagnostischen — nur zu oft uneontrolir-
der Rubrik: Stuhl und After, und zwar an der j baren — Fertigkeiten, nicht nach seinen Heil-
Spitze des Artikels: Stuhlverstopfung, auch hart- ] erfolgen.
nackige, die ersten Tage. Stuhl nur alle zwei | Und sie darf es. Denn die Wissenschaft will
Tage — vergebliches Nöthigen. Hartleibigkeit, j nicht heilen, sie will Kenntnisse sammeln. Die
harter Stuhl u. s. w. Es sind die Worte mit Stern- | Medicin ist nicht für die Kranken da, die Kranken
chen Versehen, das heisst bei Jahr: Diese Symptome I sind für die Wissenschaft da.
haben sich ebensowohl bei Gesunden ergeben, welche ' Die Professoren unterrichten uns, wie man einen
Calcarea carb. prüften, als auch als bewährte Heil- I Aortafehler von einem Mitralfehler unterscheidet;
anzeigen. — Wenn nun später von „Weichleibigkeit I sie lehren uns Krankheiten erkennen, aber nicht
und Durchfall“ dasselbe gesagt wird, so ist dies heilen. Dem Studenten giebt man kein Messer in
nur eiri scheinbarer Widerspruch, in dem entweder die Hand; es ist genug, wenn er gesehen hat, wie
die Nachwirkung (Reaction auf die Erstwirkung) ein Geheimrath den Mastdarmkrebs operirt. Ihm
gemeint ist, oder aber die individuelle Beschaffen- zeigt man nicht die Massage, aber er weiss, welche
Digitized by
Google
u
Formel das Phenacutin hat. Er lernt nichts von
der Diätetik, aber er erfährt, wieviel Salzsäure im
Magensaft vorhanden ist. Im Examen prüft man
ihn nicht, ob er Kranken helfen kann. Man stellt
ihn vor ein Bett, drückt ihm in die Rechte den
Hammer und in die Linke den Kehlkopfspiegel und
fragt: Was fehlt dem Manne?“
Dass die moderne Medicin mehr Gewicht legt
auf das Erkennen, als auf das Heilen der Krank¬
heiten, ist wohl nicht zu bestreiten. Wie alle ärzt¬
lichen Anschauungen langsam ins Volk durchsickern,
so ist es auch hiermit gegangen. Auch die Laien¬
welt legt ein Hauptgewicht auf die exacte Diagnose
in der entschuldbaren, aber nicht richtigen Annahme,
dass mit dem Erkennen der Krankheit oder Krank¬
heitsursache der wichtigste Schritt zum Heilen ge¬
macht sei, dass mit der Exactheit der Diagnose die
Sicherheit der Therapie gleichen Schritt halte.
Unsere allopathischen Collegen haben es ent¬
schieden mit der Therapie leichter wie wir. Mit
der Diagnose ist ihre Therapie gegeben, dem Krank¬
heitsnamen entspricht ein specielles Mittel. Nur
wechseln und schwanken diese Mittel so ausser¬
ordentlich, je nach den neuesten Veröffentlichungen:
Die Apotheker wissen hiervon ein Lied zu singen.
Ganze Schränke haben sie angefüllt mit Arzneien,
die einstmals — und dies einstmals zählt nicht nach
Jahrzehnten, sondern nach Wochen und Monaten —
sehr in Gunst standen. Schneller, als in manchen
Staaten die Minister, nutzen sich die Arzneien ab.
Es heisst hier nicht: ,,Das Bessere ist der Feind
des Guten,“ sondern das Neue ist der Feind des
Alten und das Neueste der Feind des Neuen. In
dieser Jagd nicht Zurückbleiben, heisst auf dem
neuesten Standpunkte stehen. Ich erinnere mich
noch, wie ich als Allopath mich einem Collegen
gegenüber überlegen fühlte, weil er die neuesten
Nummern der „Berliner Klinischen“ noch nicht ge¬
lesen und verschiedene neu empfohlene Mittel noch
nicht kannte, während ich wieder von einer Dame
übertrumpft wurde, welche durch ihren in der
Grossstadt als Arzt lebenden Bruder meinem neuen
Diphtheriemittel das neueste entgegenstellen konnte.
Wir Homöopathen haben mehr Arbeit mit der
Therapie, wir haben eine doppelte Diagnose zu
stellen, die der Krankheit und die des Mittels. Beide
decken sich nicht.
Wir brauchen die exacte Diagnose der Krank¬
heit wegen der Prognose; wir brauchen sie; um
nicht zu sprechen von dem allgemein wissenschaft¬
lichen Standpunkte, den College Villers in seinem
Vortrage näher ausgeführt hat; wir brauchen sie,
weil in einer kleinen Anzahl von Fällen die Dia¬
gnose Einfluss hat auf die Wahl der Arznei oder
der Potenz; wir brauchen sie endlich für die all¬
gemeine Therapie. Der Kranke und seine Um¬
gehung verlangt die Diagnose und den Namen der
Krankheit. Hahnemann bemerkt darüber in seinem
Organon Seite 157 Anmerkung:
„Glaubt man aber dennoch zuweilen Krankheits-
namen zu bedürfen, um, wenn von einem Kranken die
Rede ist, sich dem Volke in der Kürze verständlich
zu machen, so bediene man sich derselben nur als
Collectivnamen, und sage ihnen z. B.: Der Kranke
hat eine Art Veitstanz, eine Art von Wassersucht,
eine Art von Nervenfieber, eine Art kaltes Fieber
(damit endlich einmal die Täuschung mit diesen
Namen aufhöre); nie aber: er hat den Veitstanz,
das Nervenfieber, die Wassersucht, das kalte Fieber,
da es doch gewiss keine festständigen, sich gleich¬
bleibenden Krankheiten dieser und ähnlicher Namen
giebt.“
Dies nur nebenbei.
Wichtiger, als die Diagnose der Krankheit ist
die des angezeigten Mittels. Zu dieser letzteren
führt als sicherster Weg ein gutes Krankenexamen.
Ueber diesen wichtigen Punkt äussert sich H. C.
Allen, der Chefredacteur der „Medical Advance“ in
einer Besprechung der englischen Ausgabe des
„Taschenbuchs“ unseres von Boenninghausen folgen-
dermassen:
„Die 3 Punkte in unserer Praxis, welche von
Boenninghausen’s Repertorium besonders erleichtert
und auf welche der Arzt ein besonderes Gewicht legen
muss, wenn er in der Behandlung der Kranken den
grösstmöglichen Erfolg erzielen will, sind:
1. Das Krankenexamen, die Aufnahme des Symp-
tomenbildes.
2. Die Totalität der Symptome als Basis der
Verordnung.
3. Der relative Werth der Symptome.
1. Das Krankenexamen. Die erste Bedingung
zum Heilen ist ein gutes Krankenexamen, ein voll¬
ständiges Zusammenfassen aller Symptome des
Kranken. Hahnemann war der erste in der Ge¬
schichte der Medicin, der ein Naturgesetz aufstellte
als Führer in der Wahl der Arznei, und sein erster
Schritt in der correcten Anwendung dieses Gesetzes
war die genaue und ausführliche Anleitung zum
Krankenexamen. Ohne ein vollständiges Eruiren
der klinischen Geschichte und Symptome eines
Kranken ist es nicht möglich, ein Simile oder gar
das Simillimum zu finden. Diesem sorgfältigen
Krankenexamen gebührt grossentheils der Erfolg
der Pioniere der Homöopathie in Europa und Amerika.
Dunham sagt: „Das Krankenexamen ist der
schwierigste Theil. Ist ein solches meisterhaft ge¬
lungen, dann ist die Wahl der Arznei relativ leicht.“
Zu ersterem ist aber unentbehrlich eine grosse
Kenntniss der menschlichen Natur, der Krankheiten
seihst und der Arzneimittellehre. Manche beschäf¬
tigte Aerzte erklären, dass diese Anleitung von
Digitized by
Google
25
Hahnemann unausführbar sei wegen der dazu er¬
forderlichen Zeit. Das ist ein Irrthum. Nach einem
Versuche beider Methoden — einer nicht aufge¬
zeichneten Geschichte des Krankheitsfalles mit 2
oder 3 Mitteln im Wechsel und einer vollständigen
geschriebenen Krankengeschichte mit einer einzigen
Arznei — lehrt die Erfahrung, dass die letztere dem
Arzte und dem Patienten viel Zeit erspart. Hierin
wie in jeder anderen Beziehung haben wir Hahne-
mann’s Methoden als ganz besonders practisch er¬
probt.
Liegt der Fall einfach, wie oft bei acuten
Krankheiten, mag die Wahl des indicirten Mittels
leicht sein.
Wenn aber die Symptome schwer zu eruiren
sind, wenn sie durch die vorhergegangene, oft un¬
geeignete Behandlung verschleiert oder unterdrückt
sind, dann wird das stricte Befolgen dieser Hahne-
mann’schen Vorschriften am besten einen Misserfolg
vereiteln. Wahrscheinlich wird die erste Consul-
tation des Patienten auf diese Art mehr Zeit be¬
anspruchen; dieser Zeitverlust wird durch den Zeit¬
gewinn bei jeder nachfolgenden Consultation reich¬
lich aufgewogen werden.
von Boenninghausen übte diese Methode mit
einem Erfolge, der ihn weit über seine Zeitgenossen
erhob.
Dunham theilt uns mit, dass er im Jahre 1862
bereits den 112. Band seiner Krankenjournale anfing.
Diejenigen Aerzte, welche nicht wie von Boen¬
ninghausen vollständige Krankengeschichten führen,
haben auch keinen Nutzen von seinem Taschen¬
buche, bei denen aber, welche getreu nach Hahne¬
mann, von Boenninghausen und Dunham practiciren,
wird bedeutender Erfolg ihre Mühe lohnen.
Individualisirung ist der rothe Faden, der sich
durch das Organon und die ganze Homöopathie
zieht. Sie unterscheidet die Homöopathie von den
generalisirenden Methoden der anderen Schulen.
Unseren allopathischen Collegen ist mit dem Begriff
Pneumonie sofort die Behandlung und zwar stets
die gleiche Behandlung gegeben.
Wir behandeln den Kranken und nicht die
Krankheit und suchen für jeden Kranken einzeln
seine Arznei und zwar (nach § 153 des Organon)
nach den ungewöhnlichen und characteristischen
Symptomen, welche der Kranke uns bietet.
Solche characteristische Zeichen sind z. B.: Die
Angst und Ruhelosigkeit von Aconit; das schreck¬
liche Drängen beim weichen Stuhl von Alumen,
Aloe und Causticum: Der Stuhl geht besser im
Stehen ab; Calc. c. fühlt sich besser, wenn ver¬
stopft; die Verschlimmerung bei Bewegung von
Bryonia und Sabina; die Besserung im Freien von
Apis, Puls., Kal.-jod.; die Empfindlichkeit gegen
Kälte von Baryta c., Hepar, Psorin.; die Reizbar¬
keit von Chamomilla; die hysterischen, stets wechseln¬
den, widerspruchsvollen Erscheinungen von Ignatia;
die Verschlimmerung Nachmittags 4 Uhr von Coloc.,
Helleb., Lycop.; die Durstlosigkeit von Pulsat.; die
Schmerzlosigkeit aller Beschwerden von Stramonium;
die stets linksseitig beginnenden Halserscheinungen
von Lach, und Sabad.
Das sind einige wenige Beispiele von ungewöhn¬
lichen und characteristischen Symptomen. Sie die¬
nen zur Individualisirung, sind also für den Kli¬
niker von ganz besonderem Werthe.
Lange Jahre praktischer Bestätigung von Hahne¬
mann’ s Methoden befestigten von Boenninghausen in
der Ueberzeugung, dass ein Repertorium, arrangirt
mit specieller Rücksichtnahme auf den relativen
Werth der Symptome, unentbehrlich sei, um den
§153 des Organon befolgen zu können.
Und wer hätte ein solches Repertorium besser
schreiben können, als der Homöopath von Münster,
der als Arzneimittelkenner und erfolgreicher Thera¬
peut seines Gleichen nicht fand in Europa!“
So H. C. Allen in seiner begeisterten Lobrede
auf von Boenninghausen.
Ein solches Krankenexamen, wie Hahnemann es
vorschrieb, von Boenninghausen es übte und Allen
es empfiehlt, ist für den Ungeübten eine zeit¬
raubende und mühsame, manchmal unfruchtbar
scheinende Aufgabe; jahrelange Uebung verbunden
mit zunehmender Mittelkenntniss erleichtern diese
Aufgabe ganz wesentlich. Die erste Consultation
ist meist die wichtigste, das Mehr an Zeit, welche
darauf verwendet werden muss, ist nicht verloren,
und die obige Angabe Allen’s, dass in den nach¬
folgenden Consultationen durch Zeitersparniss dieses
Plus an Zeit reichlich aufgewogen wird, kann ich
voll bestätigen und Jeder, der Gewicht auf Kranken-
exaraen und niedergeschriebene Krankengeschichten
legt.
Hahnemann giebt in § 84 des Organon den Rath,
den Kranken und seine Angehörigen ruhig ausreden
zu lassen und ihre Klagen zu notiren mit denselben
Ausdrücken.
Für eine Anzahl von Fällen ist der Rath gut
zu verwerthen, andererseits giebt es genug Patien¬
ten, welche stundenlang erzählen können von ihren
Leiden, ohne dass der langen Rede kurzer Sinn
für die Wahl der Arznei Anhaltspunkte böte.
Wieder andere Patienten sind ausserordentlich dürftig
in ihren Angaben. In beiden Fällen ist die ge¬
schickte Fragestellung des Arztes die Hauptsache.
Hierbei hat man sich besonders zu hüten vor dem,
auch bei tüchtigen Mittelkennern, wie von Boenning¬
hausen hervorhebt, nicht seltenen Fehler, das Bild
eines Arzneimittels künstlich aus dem Kranken
herauszuexaminiren, was bei Lieblingsmitteln —
und welcher Arzt hat nicht solche? — am leich-
4
Digitized by
Google
testen passirt. Nebenbei bemerkt, ist das ein wei¬
terer Vorzug des Taschenbuchs von von Bo enning¬
hausen, dass es den Arzt davor bewahrt, sich auf
Lieblingsmittel zu beschränken, den Kreis seiner
Arzneien zu eng zu ziehen. Jeder weiss, dass
Sulfur Verschlimmerung in der Bettwärme hat, im
Taschenbuch sehen wir, dass nicht allein Sulfur und
Mercur diese haben, sondern eine grosse Anzahl
von Arzneien ausser diesen, Puls, hat Besserung im
Freien, aber ausser Puls, noch viele andere. Wer
für Besserung im Umhertragen nur Cham., für rothen
Sand im Urin nur Lycopod., für Ekel gegen Fett
nur Puls, und Carbo veg., für Würmer nur Cina,
für Hämorrhoiden nur Nux vom. und Sulfur für
Knocheneiterung nur Silicea kennt, kann im Taschen¬
buch sehen, wie der Kreis der betr. Arzneien viel,
viel weiter gezogen werden muss. Es wird dadurch
die Aufmerksamkeit auf Mittel gelenkt, von denen
man vorher keine Ahnung hatte, dass sie in der¬
artigen Zuständen überhaupt zur Anwendung kom¬
men könnten, man ist genöthigt, den Symptomen-
codex nachzuschlagen, kurz seine Arzneimittel-
kenntniss zu erweitern und zu vertiefen.
Für ein vollständiges Krankenexamen ist ein
gewisses Schema, das sich Jeder machen kann, un¬
entbehrlich, um nicht wichtige Punkte zu über¬
gehen. Bei jedem Patienten — ich habe bei allen
meinen Auseinandersetzungen in erster Linie chro¬
nische, complicirte Fälle im Auge; doch ist auch
bei acuten Fällen ein Durchfragen und Notiren von
grossem Nutzen — gehe ich das ganze Schema
durch und habe es bisher nicht zu bereuen gehabt.
Ich beginne, nachdem der Patient seine Be¬
schwerden vorgebracht, mit dem Schlaf:
1. Wie ist der Schlaf? Einschlafen schwer oder
leicht? Befinden nach dem Schlafe, nach dem Mittags¬
schlafe? Lage im Schlafe? Fiebererscheinungen
im Schlafe, Frost, Hitze (Hitze in einzelnen Tbei-
len, Kopf, Händen, Füssen), Sch weiss? Schläfrigkeit
am Tage? Träume (stets von bestimmter Art, mit
bestimmtem Inhalt)?
2. Gehe dann über zu Appetit, Durst, Verlangen
nach besonderen Sachen oder Abneigung gegen
solche, Beschwerden nach dem Essen, Druck der
Kleider, Stuhl, Urin.
3. Zu fieberähnlichen Erscheinungen, Frost,
Hitze (aufisteigende), Sch weiss mit besonderer Frage¬
stellung Schweiss an einzelnen Körpertheilen,
Füssen, Handflächen, Achsel, Kopf? kalter oder
übelriechender Schweiss?
4. Die ausserordentlich wichtige Verschlimme¬
rung oder Besserung der Symptome nach den Um¬
ständen. Jahreszeit, Mondwechsel, Tageszeit, Wit¬
terung, Witterungswechsel, Temperaturwechsel, Zug,
Wärme im Zimmer, Bewegung und Ruhe, Gemüths-
bewegung, Essen und Trinken.
Für diese Abtheilung ist in von Boenninghausen’s
Taschenbuch massgebend Kap. VI 2. 3.
5. Gemüthsstimmung.
6. Eine Frage, die nie fehlen darf, nach der
pathologischen Vergangenheit des Patienten.
Es empfiehlt sich in allen schwierigen Fällen,
sämmtliche Fragen durchzugehen. Eine anscheinend
geringfügige Bemerkung auf eine anscheinend
ebenso gleichgültige Frage lenkt oft urplötzlich die
Gedanken des Fragenden auf ein Mittel, das ihm
von vornherein für den vorliegenden Fall nie in
deu Sinn gekommen wäre und welches, wie er dann
mit einem Male übersieht, dem ganzen Symptomen-
bilde entspricht:
H. C. Allen bemerkt oben richtig, dass ein sorg¬
fältiges Krankenexamen dem Patienten und dem
Arzte viel Zeit erspart. Je genauer und je tref¬
fender in den charakteristischen Zügen das erste
Examen (und zwar ganz besonders das erste) ausfallt,
auf desto sicherer Basis baut sich die Therapie auf.
Ohne Arzneimittelkenntniss kein gutes Kranken¬
examen, ohne eingehendes Krankenexamen kein
genügendes Fructificiren der Mittelkenntniss.
Allerdings braucht der Homöopath, wenn er den
Regeln Hahnemanns folgt, weit mehr Arbeit, als der
Allopath; aber eine mehrfache Befriedigung belohnt
ihn für die aufgewendete Mühe. Ausser den oft
berührten Punkten, dass er durch seine Arzneien
nie schadet, dass er manche Fälle heilt, die bei an¬
derer Behandlung ungeheilt bleiben, dass er die
Kranken in kürzerer Zeit ohne besondere Belästi¬
gung, ohne sonstige äussere Hülfsmittel, ohne sonst
für unvermeidlich gehaltene operative Eingriffe
wiederhergestellt, möchte ich noch betonen, dass
das von dem Allopathen gewöhnlich als eine un¬
fruchtbare Crux medicorum angesehene und ge¬
fürchtete Gebiet der chronischen Krankheiten für
den Homöopathen ein ebenso interessantes wie dank¬
bares ist.
Dann möchte ich noch einen Punkt hervorheben,
der noch einen zweiten in sich schliesst: Bei dem
Homöopathen wächst durchschnittlich der Erfolg der
Therapie im gleichen Verhältnisse mit der aufge¬
wendeten Mühe und Arbeit (Arzneimittelkenntniss
und Krankenexamen), etwas, was die Allopathie in
der inneren Medicin nicht bietet. Und in diesem
Punkte, der in der Einheitlichkeit unseres thera¬
peutischen Princips Similia Similibus begründet ist,
beruht die ausserordentliche Anregung, uns in der
Basis unserer Therapie, der Arzneimittellehre zu
vervollkommnen. Wir fühlen, dass wir nie genug
von dieser lernen können, dass ein gewöhnliches
Menschenalter nicht ausreicht, neben unserer Praxis
uns eine solche Kenntniss unserer Waffen, unserer
Arzneien anzueignen, dass wir mit uns selbst zu¬
frieden sein können.
Digitized by ^.ooQle
27
Ich komme auf die einzelnen Punkte des
Krankenexamens zurück, um in grossen Zügen zu
demonstriren, wie praktisch wichtig die einzelnen
Fragen der Differenzialdiagnose der Arzneien sein
können. Es ist wohl überflüssig zu bemerken, dass
ausser den Vorschriften Hahnemanns den theore¬
tischen Betrachtungen und den später folgenden
praktischen Fällen stets das Taschenbuch von
von Boenninghausen zu Grunde gelegt ist. Das im
Krankenexamen erlangte Material soll zur Mittel-
diagnose dienen. In den meisten Fällen kommen
eine Anzahl Arzneien zur Wahl. Das Taschenbuch
ermöglicht einerseits, den Kreis der überhaupt zur
Wahl stehenden Mittel abzugrenzen, dass keines
vergessen und keines überflüssiger Weise in diesen
Kreis kommt und erleichtert ganz bedeutend die
engere Wahl.
Es ist nicht gut möglich, Hahnemanns Kranken¬
examen ohne Hülfe des Taschenbuchs durchzuführen
und nutzbringend zu gestalten, von Boenninghausen
sagt selbst, „dass der homöopathische Arzt in der
Praxis irgend einer abgekürzten, leicht übersicht¬
lichen und das Charakteristische hervorhebenden Zu¬
sammenstellung der Symptome bedarf, tun seinem
Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen, damit er im
Stande sei, bei jedem concreten Krankheitsfalle
unter den im Allgemeinen indicirten Mitteln das
homöopathisch passendste Heilmittel mit Sicherheit
und ohne grossen Zeitverlust zu finden.“ Hahnemann
nannte die Idee von Boenninghausen’s eine „vortreff¬
liche und überaus folgenreiche. “
(Fortsetzung folgt.)
Die Bedeutung der Diaphanie
als Todeszeichen.
Bekanntlich hat man die Diaphanie als ein
sicheres Zeichen angegeben, um den Scheintod vom
wirklich eingetretenen Tod zu unterscheiden. Han¬
delt es sich nämlich um einen Scheintodten, so wird
man, wenn man dessen Hand mit ausgestreckten,
sich eben gerade berührenden Fingern gegen ein
starkes, künstliches Licht hält, eine scharlachfarbene
Linie zwischen je zwei Fingern wahrnehmen. Es
ist noch ein Rest des Blutkreislaufes in dieser Person
thätig. Fehlt diese Linie, so hat das Leben auf¬
gehört; der Tod ist eingetreten. Der folgende, in
der Lanoet berichtete Fall lehrt uns jedoch, mit
welcher Vorsicht wir auch dieses, für sicher an¬
gegebene und sich in der That meist bewährende
Zeichen benutzen müssen.
Dr. Haward war zu einer alten Dame gerufen
worden, die an chronischem Bronchialcatarrh litt, der
sich unter seiner Behandlung bald besserte. — Nach
drei Wochen beschied ihn aber wieder ein Bote
schleunigst zu ihr; dieser berichtete, sie sei wie
gewöhnlich zu Bette gegangen, müsse dann in der
Nacht verstorben sein, aber sie sehe noch so lebens¬
voll aus, dass man angefangen habe zu zweifeln,
ob der Tod wirklich eingetreten sei. Der Arzt fand
kein Zeichen von Athem, Puls oder Herzschlag bei
ihr, aber das Gesicht hatte das Aussehen einer
lebenden Person, zumal die Augen offen und wie
lebensvoll waren; die Hand war leicht flectirt und
ziemlich starr, wie im Anfänge der Todtenstarre. —
Ein naher Verwandter bekundete, sie sei schon
früher einmal in einen todtenähnlichen Zustand,
unter ähnlichen Symptomen, selbst bis zur Starre
von Armen und Händen, verfallen. Man rief nun
den Dr. Benj. Ward Richardson, der die Beweise
für den Tod zu seinem Specialstudium gemacht,
als Autorität herbei. Dieser constatirte bei der Prü¬
fung des Leichnams folgende Todeszeichen:
1. Die Bewegung und Töne des Herzens fehlten
vollständig, sowie auch jede Spur von Puls.
2. Athemgeräusche und -Bewegungen ebenso.
3. Die Körpertemperatur, im Munde gemessen,
zeigte die Höhe der Zimmerwärme.
4. Eine reine, glatte Nadel in das Fleisch des
Biceps gestochen, zeigte beim Herausziehen
keine Spur von Oxydation.
5. Electrische Schläge von verschiedener Stärke,
mittels Nadeln zu verschiedenen Muskelgruppen
geleitet, blieben ohne jede Reaction.
6. Ein Probeband, um die Venen des Armes
gelegt, bewirkte keine Füllung derselben
unterhalb des Bandes.
7. Die Eröffnung einer Vene ergab, dass das
Blut noch flüssig sei (während es beim Todten
in der Regel geronnen ist).
8. Die subcutane Einspritzung von Ammoniak
(Merte Verdi’s Probe) bewirkte die schmutzig¬
braune Färbung als Zeichen eingetretener Blut¬
zersetzung.
9. Bei Bewegung der Gelenke, des Unterkiefers,
wurde die Todtenstarre constatirt,
So verwiesen von den 9 angestellten Proben
8 auf den Tod bin. Die Flüssigkeit des Blutes
ist eine Erscheinung, die wohl von einer ausser-
gewohnlichen Dissolution bei niedriger Temperatur
herrührte.
10. Es blieb noch die Probe auf die Licht-
diaphanie übrig — und siehe! diese zeigte
die Purpurlinie zwischen den Fingern so voll¬
kommen, wie bei einem Frischlebendigen.
Nun wurde die Temperatur des Zimmers erhöht
und der Leichnam auf Zeichen der Verwesung hin
beobachtet, welche denn auch am folgenden Tage
eintraten. Daraus geht hervor, die Diaphanie allein
ist kein absolut sicheres, thanatologisches Zeichen.
| Dr. Moisa.
4 *
Digitized by
Google
28
LesefrUchte.
Physiologische and pathogenetische
Wirkungen einiger Mittel.
1. Chloroform-Nachicirkuiigen. Von Dr. Luther.
(Aus der Frauenklinik des Dr. Brennecke zu
Magdeburg.)
Die längere Zeit bei jeder Chloroform-Narkose
fortgesetzte chemische und mikroskopische Harn-
Untersuchung ergab, dass mit um so grösserer
Sicherheit, je länger dieselbe dauert, im Harn sich
Eiweiss und Cylinder (meist hyalene und gekörnte,
seltener Epithel-Cylinder) finden, sowie Chloroform-
Nachwirkungen (Ueblichkeit, Erbrechen, Icterus etc.)
auftreten; fehlten Letztere, dann war auch im Harn
nichts Abnormes nachweisbar.
Bei schon vor der Narkose bestehende Albu¬
minurie treten sehr heftige Nachwirkungen ein, und
diesen entsprechend auch schwere Nieren-Verände¬
rungen. Albuminurie und Cylindrurie gehen meist
Hand in Hand und verschwinden erst in einigen
Tagen, stets zugleich mit dem Nachlasse der üblen
Nachwirkungen (Trockenheit der Lippen, Durst¬
gefühl, schlechter Geschmack, Nachgeschmack von
Chloroform, Appetitlosigkeit).
Daher ist der Harn des Kranken vor jeder
voraussichtlich längeren Narkose zu untersuchen. —
Nieren-Erkrankungen geben eine Contrain di cation
für Chloroform-Narkosen ab (ganz besonders
Ecclampsia gravidarum).
(Münchener med. Wochenschrift 1893, Nr. 1.)
2. Oedematöse Anschwellung des Praeputiums als
Nebenwirkung des Antipyrin beobachtete Dr. Freu¬
denberg (Berlin) bei einem 30 Jahre alten Manne,
der viel an Exanthemen leidet, nach dem Einneh¬
men von 0,5 gr. A. — Oedem des Pr. sowie der
Glans und des Scrotums. Die Anschwellung und
das gleichzeitige Jucken an den betreffenden Stellen
verschwanden nach 8 Tagen. — Dasselbe Bild
wiederholte sich, als dieser Kranke versuchshalber
wieder dieselbe Dosis Antipyrin nahm. Die An¬
schwellung entstand schon wenige Stunden nach
dem Einnehmen. (S. auch Moeller zur Kenntniss
des Antipyrin-Exanthems.)
(Th. Monatsschr. 1892, S. 380. — Centralblatt für
klinische Med. 1893, Nr. 5. — Bock.)
3. Muskatnuss- Vergiftung .
Eine Frau, welche, um zu abortiren, 3 zer-
stosscne Muskatnüsse genommen hatte, erbrach sich
3 Stunden darauf heftig, verfiel dann in Delirien,
schwatzte leise vor sich hin, stiess dann und
wann in ein gellendes Gelächter aus, und hallu-
cinirte andauernd.
Die Behandlung bestand in Verordnung von
Chloral und Calomel, worauf in 2 Tagen Genesung
eintrat. Uterus-Contractionen waren nicht ausgelöst
worden.
(Therapeutic gazette 15. Sept. — Reunei't-Hamburg.)
Dr. Proeil in Meran.
Nachtheilige Wirkungen des electrischen Schweis-
sens. — Verschiedene grosse Eisenwerke haben die
Methode eingeführt, Eisen mittels Electricität zu
schweissen, worunter aber die Arbeiter erhebliche Schä¬
digungen ihrer Gesundheit erlitten haben. In der
grössten russischen Maschinenfabrik „Kolomna“
machte man hierüber folgende Erfahrungen: Die Augen
der Arbeiter, anfangs nur durch dunkle Brillengläser
geschützt, empfanden brennende Schmerzen während
des Schweissens, nach 3—4 Stunden fingen sie an
zu thränen, die entblösste Haut, welche auch bren¬
nend schmerzte, fing an zu schwellen; später färbte
sie sich braun. Es traten allerlei Augentäuschungen
ein, die 5 — 6 Stunden anhielten. Ausserdem ein
trockner Husten. Sobald die allgemeinen Symp¬
tome nachliessen, schälte sich die Haut ab, was etw r a
3 Tage dauerte — nach 6 Tagen waren sämmt-
liehe Erscheinungen vergangen; nur war die neue
Haut noch stark geröthet. — Man nimmt an, dass
nicht allein die bei dem Schweissungsprocess ent¬
wickelte Hitze, sondern auch das intensive Licht
hier gewirkt hätten (sollten die Metalldämpfe gänz¬
lich unbetheiligt sein? Ref.) — Als der beste Schutz
für die exponirten Arbeiter hat sich in der Folge
ein gelber, wachsleinener Anzug und eine Gesichts¬
maske betreffs der Haut, sowie rothe oder blaue
Schleier für die Augen am zweckmässigsten erwiesen.
(Ungarische Montan-Indusrie-Zeitg.).
Ueber „ Somatosen “ und Albumosenpixipai'ate im
Allgemeinen. Von R. Neumeister in Jena.
Wie in seinem „Lehrbuche der physiologischen
Chemie“, so stellt Professor Neumeister neuerdings
in einem Aufsatze in der „Deutschen medicinischen
Wochenschrift“ (Nr. 36, 1893) die Ernährung mit
Peptonen und Albumosen in das rechte Licht, wenn
er sie als einen „rohen Eingriff“ hinstellt und da¬
vor warnt.
Unter dem Namen „Somatosen“ wird in neuerer
Zeit von den Elberfelder Farbenfabriken (vorm.
Friedr. Bayer & Co.) ein Albumosenpräparat in den
Handel gebracht, über welches Dr. H. Hildebrandt
(Elberfeld) auf dem diesjährigen Congress für innere
Medicin berichtete.
Nach Hildebrandt’s Angaben ist die Substanz
direkt, das heisst mit Umgehung des Darmcanals,
assimilirbar. Subcutan injicirte Lösungen des ge¬
nannten Präparates würden, ohne Ausscheidung von
Albumosen oder Peptonen iin Harn, vertragen. Hier-
Digitized by
Google
89
nach müsste das Material im Organismus zurück- |
behalten werden, und in der That will Hildebrandt !
bei der erwähnten Applicationsweise auch einen
gewissen Nährwerth der Somatosen constatirt
haben.
Diese Angaben des genannten Autors stehen
im direkten Widerspruch mit einer Reihe von
Untersuchungen, welche seit zehn Jahren von
anderer Seite ausgeführt sind. Aus ihnen hat sich
übereinstimmend ergeben, dass die bis dahin be¬
kannten Albumosen und Peptone nicht einmal spur¬
weise direkt assimilirt werden. Brachte man sie
auch in den geringsten Mengen mit Umgehung
des Darmes in die Säftemasse, so verhielten sie
sich hier wie Fremdkörper. Sie erschienen nicht
nur prompt im Ham, sondern wirkten in grösseren
Mengen durchweg schädlich.
Nach Hildebrandt besteht das als „Somatosen“
bezeichnete Präparat „aus Deutero- und Hetero-
albumosen der Hemigruppe, sowie aus der gesamm-
ten Antigruppe. Die beiden anderen Bestandteile
der Hemialbumosen (Protero- und Dysalbumosen)
fehlen in dem Albumosenproducte der Farben¬
fabriken“.
Diese Ausführungen Hildebrandt’s sind mir bis
jetzt unverständlich. Dagegen kennzeichnet sich
das Präparat der Elberfelder Farbenfabriken als
eine durch die Wirkung gespannter Wasserdämpfe
oder durch Papayotinverdauung aus Eiweissstoffen
dargestellte Albumose, welcher etwas Pepton bei¬
gemischt ist.
Ich habe diese Albumose vor einigen Jahren
als Atmidalbumose beschrieben und gezeigt, dass
sie bei ihrer direkten Einführung in die Säftemasse
sich nicht anders verhält, als die gewöhnlichen Ver-
dauungsalbumosen.
Zum Ueberfluss unterliess ich nicht, einem
grossen Kaninchen (2 kg) 0,1 g der „Somatosen“
subcutan beizubringen. Der nächste Harn des
Thieres enthielt die Albumose, meinen früheren I
Befunden entsprechend, unverändert. Sie lässt sich
durch Sättigung der angesäuerten Flüssigkeit mit
schwefelsaurem Ammoniak aussalzen und wieder
darstellen.
Den Angaben Hildebrandt’s muss ich demnach
durchaus entgegentreten und kann vor einer sub-
cutanen Application der „Somatosen“ zum Zwecke j
der Ernährung von Kranken nicht dringend genug
warnen.
Dass die Albumosenpräparate, auf eine Reihe
von Tagen gegeben, theilweisc oder auch gänzlich
das native Eiweiss bei gesunden Menschen und
Thieren zu ersetzen vermögen, ist nachgerade ge¬
nügend festgestellt. Zugleich aber haben ent¬
sprechende Versuche ergeben, dass bei längerer 1
Verabreichung derartiger Präparate regelmässig ,
Symptome von erheblicher Reizung und Schädigung
des Darmcanals eintreten.
Muss schon von diesem Standpunkte aus die
Verordnung von Albumosenpräparaten an Kranke
kaum rathsam erscheinen, so ist eine derartige
Massnahme doch offenbar nur dann gerechtfertigt,
wenn sich durch die Albumosenpräparate wenig¬
stens für kurze Zeit eine bessere Ernährung er¬
zielen lässt, als durch die entsprechende Menge
nativer Eiweissstoffe.
Es ist auffallend, dass dieser Punkt bei den
Empfehlungen der in Rede stehenden Präparate
regelmässig ausser Acht gelassen ist Es wird
immer nur darauf hingewiesen, dass die betreffende
Substanz eine entsprechende Menge Eiweiss ver¬
treten könne.
Nun ist es aber höchst wahrscheinlich, dass
sich durch Albumosen- oder Peptonpräparate, sie
mögen bereitet sein wie sie wollen, unter keinen
Umständen eine bessere Ernährung erzielen lässt,
als durch fein geschabtes Rindfleisch, wohl aber
wird das Gegentheil stattfinden, sobald sich die
oben erwähnten Reizungserscheinungen von Seiten
des Darmes geltend machen.
I Die Ernährung Kranker durch Albumosen- oder
Peptonpräparate muss endlich geradezu als ein
roher Eingriff erscheinen, wenn man bedenkt, dass
| über die Ausdehnung und den Umfang der di-
‘ gestiven Processe im Darmcanal unter den ver-
1 schiedenen Ernährungsverhältnissen nichts bekannt
1 ist. Gerade die Spaltung der Eiweissstoffe durch
die Verdauungssäfte unterliegt offenbar einer be¬
stimmten Regulirung, welche es unter anderem nie
dahin kommen lässt, dass sich grössere Mengen
von Albumosen oder Peptonen im Darmcanal an¬
sammeln.
Nach unserer Anschauung sind die Albumosen-
und Peptonpräparate als Nährmittel für Kranke
unter allen Umständen entbehrlich und daher zweck¬
los, dauernd in grösseren Mengen verabreicht durch¬
aus als schädlich anzusehen, womit auch die Er¬
fahrungen namhafter Kliniker übereinstimmen.
Dr. Haedioke.
Ischias.
Folgende Symptome sind durch die klinische
Erfahrung bei der Behandlung von Ischias-Fällen
bestätigt worden.
Amioa . Die Hüfte schmerzt wie zerschlagen;
das Bett fühlt sich zu hart.
Kali bichromicum. Weh im Rücken und die
linke Seite hinunter bis in die Hüfte. Rheuma¬
tische (? Ref.) Schmerzen in den Hüftgelenken
und Knieen bei Bewegung; beim Spazierengehen:
Weh im Laufe des linken Nervus ischiadicus hinten
Digitized by ^.ooQie
K
am Trochanter major bis nur Ferse. (Hering’ s
Condensed mat. med.) (Die ischiadischen Schmerzen
können einer Erkältung des Kopfes folgen per
metastasin).
Silioea. Rechtseitige Ischias, besser bei Bewe¬
gung nnd von Wärme; schlimmer in der Ruhe oder
in der Kälte; Verstopfung.
(Rbus tox. wird bei Stuhlverstopfung nicht heilen.)
Thuja . Schmerz im rechten N. ischiadicus, beim
Aufsteben, beim Anfänge des Gebens, Vorwärts¬
beugen (Strumpfanziehen); leicht ermüdet vom
Stehen an einem Pulte. — Vorausgegangene Go¬
norrhoe.
(Aus dem homöopath. Physician. 1993, 6. —
Dr. Gilbert).
Wie Professor Zlatarowich zur Homöopathie
gekommen ist.
Zlatarowich, der seiner Zeit Professor der Arznei¬
mittellehre am Josephinum war, und den wir, nebst
seinen Schülern als kühne, äusserst opferfreudige
Mittelprüfer aus den Protokollen der in den vier¬
ziger Jahren von der so verdienstvollen österreichi¬
schen Zeitschrift für Homoeopathik veröffentlichten
Nachprüfungen und Neuprüfungen wichtiger Arznei¬
mittel kennen lernen, hat seine merkwürdige Be¬
kehrung zur Homöopathie folgendermassen selbst
erzählt:
„Ich las gerade,“ sagt er, „über Mercur und
seine physiologischen Wirkungen, als ich mit einem
Male bemerkte, dass ich damit eine reguläre Be¬
schreibung der venerischen Krankheit gab, gerade
der Krankheit, zu deren Heilung jenes Mittel sich
besonders wirksam erweist. Dieser Gedanke zuckte
wie ein Blitz durch meinen Geist, überwältigte und
verwirrte mich in dem Maasse, dass ich mich genöthigt
fand, mein Heft zusammenzufalten und meine Vor¬
lesung plötzlich abzubrechen, zur grossen Bestür¬
zung meiner Zuhörer.
„Ich zog mich in mein Zimmer zurück, schickte
jeden Besuch fort, um ungestört zu sein, und be¬
gann in einem Zustande lebhafter Erregung über
die Entdeckung, die ich soeben gemacht, nachzu¬
denken. Ich war mit der Homöopathie nur sehr
oberflächlich bekannt und hatte gegen sie die gewöhn¬
lichen Vorurtheile ihrer Gegner. Gleichwohl kam
mir jetzt natürlich das Princip des Similia similibus
in den Sinn und ich suchte in dieser Lehre die
Erklärung und allgemeine Bestätigung für die be¬
sondere Thatsache, welche mich bei den Wirkungen
des Mercur so betroffen hatte. Ich konnte für alle
Heilstoffe die Wahrheit dieses wunderbaren Aehn-
lichkeitsgesetzes, dieses allgemeinen und fundamen¬
talen Gesetzes der Heilkunst, bestätigen. Von die¬
sem Augenblicke an nahm ich die homöopathische
Methode unbedingt an. u (Homoep. World. Mai
1893.)
Der blitzähnliche Umschwung in diesem Falle
erinnert lebhaft an die Bekehrung des Paulus, ob¬
wohl Zlatarowich kein verfolgungssüchtiger Saulus
gewesen war. Jedenfalls war er ein der Wahrheit
zugänglicher und sie, wenn er sie erkannte, ener¬
gisch erfassender und sie festhaltender Charakter. —
Ob er Professor beim Josephinum geblieben und
über seine späteren Lebensverhältnisse und wissen¬
schaftliche Thätigkeit, könnte uns wohl einer der
Wiener Herren Collcgen, die leider jetzt so wenig
von sich hören lassen, Auskunft geben. Denn ein
solcher Mann darf bei uns nicht der Vergessenheit
anheimfallen.
Einige KernsprUche von Paracelsus.
1.
Schwatzen, süss Reden, Blandiren ist des Maules
Amt; Helfen aber, nutz sein, erspriesslich, ist des
Herzens Amt. Im Herzen wächst der Arzt, aus
Gott gehet er, des natürlichen Lichtes ist er, der
Erfahrenheit.
2 .
Nun ist die Erfahrenheit von Jugend auf bis
in das Alter und gar nahe bis in den Tod; nicht
zehn Stunden bleibt einer ungelernt.
3.
Darum so ein Arzt auf einen Grund stehen soll,
muss er in der Wiege gesäet werden, wie ein Senf¬
korn.
4.
Dafür danke ich Gott, dass ich ein deutscher
Mann geboren und in Noth und Armuth aufge¬
wachsen bin und dass er mich zur Arznei geführt,
dem Lichte der Natur.
5 .
Der Magnet zieht Eisen an sich, das er nicht
thut als allein nur aus der Natur seiner Qualitas
speciflca — also heilen die Aerzte alle Krankheiten
durch die cura speciflca. Deren sind gewesen die
Exp erimen tato res und die ihr von wegen eures Ge¬
spöttes nennt Empiricos.
6 .
So der Arzt die Anatomey (= Signatura) der
Rosen oder Lilien weiss, so soll er danach wissen
Anatomiam morborum, so findet er da eine Kon¬
kordanz, die sich zusammen vergleichen und ge¬
hören. Aus dieser Konkordanz dieser zwei Ana-
Digitized by k^ooQle
31
tomeyen wachset der Arzt, und ohne die ist er
nichts. Die Farben sind nur Objecte für die Augen,
der Gustus nur ein Theil der Anatomey, der
nichts anderes bedeutet, als zu seines Gleichen kom¬
men. Daraus folgt aller Glieder Austheilung
solcher Gustus; damit das Süsse zu seinem Süssen
komme, Bitteres zu seinem Bitteren, je nach dem
die Gradus des Süssen, Säuern, Bittern, Herben
darin enthalten sind.
Wer ist der, der da suchen wollte der Leber
ihre Arzeney in der Gentiana, Agarico, Colocynthis?
kein Arzt. Gleich kommt zu seinem Gleichen, jedes
in der Ordnung der Anatomey. — Nicht Kaltes
wider Heisses, nicht Heisses wider Kaltes, sondern in
der Treue der Anatomey. Es wäre eine wilde Ord¬
nung, so wir wollten im Widerspiel (Contrariis. Ref.)
unser Heil suchen. — Gleichwie ein Kind, das gegen
seinen Vater um Brod schreit, der giebt ihm nicht
Schlangen für Brod: — Der Galle ihr Begehren,
dem Herzen das Seine, der Leber das Ihre. Das
soll eine Säule sein, darauf der Arzt stehen soll,
zu geben in der Anatomey einem jeglichen Dinge
das, was ihm zuvor vereinigt ist. Denn das Brod,
so das Kind isset, das hat eine Anatomey, darum
isset es seinen eigenen Leib, und so soll auch eine
jegliche Arzeney die Anatomey ihrer Krankheit
haben.
Alles das, was unsere Nahrung ist, das ist das ,
tcas wir sind, also essen wir uns selbst, und so ist
es auch in der Arzeney. Und so wir also uns selbst
nicht essen, so schwindet unser Leib und was m
uns ist. Darum, so du in der Anatomey erfahren
und gegründet bist, so giebst du nicht Steine für
Brod. Denn das musst du wissen, dass du der Vater
der Krankheit bist, nicht der Doktor, darum so
speise sie wie ein Vater sein Kind, und was der
Vater seinem Kinde ist, nämlich ihm zu geben,
was es selber ist, das sei auch der Arzt dem
Kranken.“
Darum werden kraft dieser gegenseitigen Ana¬
tomey, die im Lichte der Natur gegründet ist, die
Krankheiten billig nach dem Lichte und nicht nach
der Finsterniss benannt. Das heisst, dass eine Ceder-
Anatomey cedrische Krankheiten, Eisen Eisenkrank¬
heiten giebt, und so wird eine jede Krankheit ver¬
ständig und auch der Kunst bekannt. Irrig und
unergründet heisst Febris Febris; dieser Name kommt
von der Hitze des Fiebers, und diese ist nur ein Zeichen
der Krankheit, und nicht der Materie nach Ursache,
und der Name soll doch von dem Wesen ausgehen.
Darum Febris ein solcher Name ist, der seines
Meisters Thorheit anzeigt.
(Ist das ein Wunder, dass aus diesen theilweise
dunklen, bilderreichen Aussprüchen Rademacher
seine Organ-Mittel abgeleitet hat, Andere darin das
Aehnlichkeitsprincip finden wollen, ja selbst Schüss-
ler’8 biochemische Therapie liegt darin embryo-
nalisch eingebettet. Solch geistiges Wetterleuchten
finden wir in Paracelsus Schriften sehr häufig. Ref.)
Anzeigen.
Ein Leidender,
der seit 6 Jahren von Schwäche in den Beinen
befallen, viele Aerzte ohne Erfolg consultirte, nun
schon 8 Monate mit den Beinen ganz lahm ist,
bittet die Herren Aerzte, welche bereits ähnliche
Fälle mit Erfolg behandelten, oder diejenigen, i
welche von einem gleichen Leiden geheilt wurden,
ihm werthe Adressen unter H. H. 22 an Rudolf
Mogse, Magdeburg zu senden.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Collectionen vom 1. bis 127. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht,
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen.
A. Marggraf’8 Homöopath. Ofßcin in Leipzig.
Prima entölten Homöopath. Cacao.
Feinste Homöopath. Gesundheits-Chokotade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem homöo¬
pathischen Gesundheitskaffee als Getränke gestattet,
empfehlen wir in reinsten und besten Qualitäten
und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
ä 1 Pfd. ä i/ t Pfd. ä 1/4 Pfd.
k 2.80 ä 1.50 ä —.80 Mk.
Gesund hei ts-Cho ko lade ä Pfd. = 2 Mark,
in */ 4 Pfd.-Tafeln ä 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leichtester
Verdaulichkeit.
Homöopath. Centralapotheke
YOn Täschner & Co. in Leipzig.
Digitized by
Google
32
Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer
Offtoin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Au8 dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Fanlwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre : Es genügt n i c h t a 11 e i n, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'-
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter¬
scheiden nach alle nS eiten des betreffendenMi ttels
statt, soda88 Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch, Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Stark 1
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaming dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von J Bönninghausen,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
i jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift-Sehränkchen
und
Separan den-Schränkchen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die da3 ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thilre
und besonderen Schlüssel fiir sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefösse, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thtiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 W., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M.
Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weise zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetreteuen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Separandeii-Schränk¬
chen jetzt auch in einem Schrank vereinigt , vor-
rätliig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das I^ackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Maser in Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
Band 128
Leipzig, den i. Februar 1894.
No. 5 u. 6
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint 14t&gig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M, 60 Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloln ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M, berechnet.
Inhalt. Paralysis nervi oculomotorii. Von Dr. Ch. van Royers, Utrecht. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-
Hamburg. (Fortsetzung.) — Einheimische Gewächse. Von Dr. Mossa. — Das Puhlmann’sche Handbuch der homöo¬
pathischen Praxis. Besprochen von Dr. W. Goullon. — (Jeher Hypnotismus und Hysterie. Vortrag von Prof. Jolly. —
Auszug aus Vorschriften Ober Einrichtung und Betrieb der Apotheken etc. und Auszug aus Anweisung zur amtlichen
Besichtigung der Apotheken etc. — Glycerin und Stuhlverstopfungen. — Vom Bachertisch. — Die zeitweilig herrschenden
Heilmittel. — Quittung Uber eingegangene Beiträge fOr das Homöopathische Krankenhaus zu Leipzig. — Quittung aber
eingegangene Beiträge für die Wittwenkasse homöopathischer Aerzte. — Anzeigen.
99 " Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage
Paralysis nervi oculomotorii.
Von Dr. Ch. van Royers, Utrecht.
Die Casuistik der Angenkrankheiten ist in der
homöopathischen Literatur ziemlich dürftig. Die
Fälle, welche Rückert in seinen Klinischen Er¬
fahrungen giebt, sind hei Weitem nicht alle brauch¬
bar, weil eine exacte Diagnose noch der heutigen
Ophthalmologie fehlt. Ich darf daher einen Fall,
wo dieser Fehler vermieden ist, nicht zurückhalten.
Die Beobachtung kann genau sein, weil ich seihst
der Kranke war. Ich hin 65 Jahre alt, mittel¬
gross, 53 Kilo, nicht muskelstark. Ich leide nicht
an einer constitutionellen Krankheit, bekomme leicht
Bronchialkatarrh, wo sehr oft Pulsatilla das passende
Mittel ist. Meine Augen sind myopisch, rechts —1,
links —2*| 2 ungefähr. Ich kann daher ohne Brille
lesen; nur für die äugen verderbenden deutschen
Buchstaben brauche ich eine Brille -f-1. Das
Alter bringt die gewöhnliche Presbyopie mit. In den
letzten Tagen des August bekam ich einen Magen¬
katarrh, passend für Bryonia, welche sehr guten
Dienst leistete.
Während dieser Krankheit beobachtete meine
Frau, dass ich das linke Auge weniger öffne, als das
rechte. Allmäklig ward das Oeffnen schwieriger, ich
sah doppelt und schief und hatte einen unausstehlichen
Schwindel, wenn ich mit beiden Augen sali.
24. August. Heftige Ciliarneuralgie im linken
Auge, Druck tief im Auge; der Schmerz verbreitet
sich in die Schläfe, von da auf den Arcus superciliaris
und weiter auf die ganze linke Seite des Kopfes.
Cimicifuga genommen, wonach der Schmerz bald
aufhörte.
26. August. Das kranke Auge schmerzt wieder,
jedoch weniger als am 24. Wenn es verdeckt wird,
hört der Schmerz bald auf. Ich besuchte Dr. Straub,
einen tüchtigen Augenarzt, den ich hat, die Augen
zu untersuchen.
Das Resultat war Folgendes: Correction Rechts:
Myopie — 1; nach Correction mit einer Linse
18
— 1:sinus ^q- Presbyopie Links: Myopie fast —*\ % ;
18
nach Correction mit einer Linse —2 J | 2 : sinus
Diese Bestimmungen sind geschehen mittels der
Sn eilen’sehen Buchstaben auf 5 Meter Distanz.
Opthalmoscopiscli: Rechts und links Retina,‘brechende
Medien und Iris normal.
Motorisch rechts normal, Links Ptosis, Strabismus
divergens, Bewegung des Auges nach innen, oben
und unten schwierig; verticale Gegenstände scheinen
schief, oben nach innen.
Diagnosis: Paralysis aller Muskeln, welche von
dem N. Oculomotorius innervirt werden, ausgenom¬
men Iris. College Straub gab mir den Rath, das
5
Digitized by
Google
34
linke Auge mittels einer schwarzen Brille zu decken,
und später beim Lesen zu gebrauchen links -f- 1,
rechts —|— 2 1 1 2 . Als Prognose stellte er sehr lang¬
same Besserung, wenn das Auge nur Ruhe hätte.
27. und 28.. August. Die Paralyse wird schlim¬
mer; das Auge ist activ gar nicht, auch nicht ein
Millimeter zu öffnen. Der Bulbus unbeweglich in
Abductionsstellung. Am 28. wieder Ciliarneuralgie.
Ausser einiger Mattheit und Schläfrigkeit durchaus
keine weiteren Symptome zu finden, trotz sorg¬
fältiger Beobachtung. Ich nahm Spigelia, worauf
der Schmerz bald aufhörte. Bis 7. September zwei¬
mal täglich Spigelia 4. D.; da kam wieder die Neu¬
ralgie. Ich consultirte Collegen Dr. Gruber, ohne
ein Mittel zu nennen. „Das ist ja etwas für Spi¬
gelia.“ Als er hörte, dass ich dieses Mittel schon
seit 10 Tagen genommen hatte, gab er den Rath,
Argentum nitric. und später Zincum oder vielleicht
Natrum muriaticum zu nehmen.
7. und 8. September Argentum nitricum 6. D.
Die Neuralgie hörte auf. 9. bis 15. September
Zincum 6.D., Status quo ante; 16. bis 22. Septem¬
ber Natrum muriaticum 12. D. Die Kräfte wurden
besser, das Auge blieb gleich. Am 20. September
bekam ich einen leichten Bronchialkatarrh, welcher
die Eigenthümlichkeit hatte, dass der Husten durch
kaltes Trinken sich besserte. Da hatte ich glück¬
lich ein leitendes Symptom, denn bisher fehlte mir
buchstäblich nichts, als die Augenkrankheit.
Ich nahm mm Causticum 8. D., früh und Abends
einen Tropfen. 28. September war das Auge, zwar
mit Mühe, jedoch zum dritten Theil zu öffnen; der
Bulbus war ebenfalls etwas beweglich geworden.
So schritt die Besserung fort. 20. November die
Ptosis verschwunden, nur noch etwas Schielen und
dadurch noch Doppeltsehen. 26. November die
schwarze Brille auf der Strasse abgelegt, nur beim
Sehen in der Nähe war sie noch angenehm. 28. No¬
vember keine Spur der Paralyse mehr übrig.
Dass die Heilung wirklich dem Causticum zu¬
geschrieben werden muss, folgt meiner Meinung
nach daraus, das9 die Besserung gleich danach ein¬
trat und die Herstellung schnell geschah. College
Straub, welchem ich am 28. November begegnete,
erklärte die Heilung merkwürdig schnell. Diesem
Manne, der seiner ophthalmologischen Untersuchungen
wegen das Doctorat honoris causa erhalten hat, darf
man wohl ein Urtheil Zutrauen.*)
Die Wahl des Mittels war einem glücklichen
Zufalle, einer anderen kleinen Krankheit zuzu¬
schreiben. Jahr’s Repertorium nennt 23 Mittel für
*) Das niederländische Gesetz über die Ausübung der
Heükunat fordert kein Doctorat. Nach Absolvirung be¬
stimmter Examina wird man „arts“. Es kann daher Je¬
mand Medic. Dr. sein, ohne Arzt zu sein und umgekehrt
Arzt ohne Doctorat.
schwieriges Oeffnen des Auges; dazu kommen noch
einige Mittel, empfohlen im „Lehrbuche der hom.
Therapie“ (Leipzig, bei Schwabe, 1887). Viele
könnten gleich weggelassen werden; solche, wo
Krampf oder entzündliche Zustände das schwierige
Oeffnen veranlassen. Die Wahl bleibt dann immer
noch gross genug; ja, wenn weiter keine Symptome
da sind, zu gross.
Mit dieser Mittheilung habe ich gewartet, bis
ich sicher sein könnte, dass die Heilung bleibend
wäre. Jetzt (22. December) sind meine Augen so
gut als vorher.
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Hesse-Hamborg.
(Fortsetzung.)
1. Der Schlaf. Ruhiger Schlaf schliesst von
vornherein Mittel wie Rhus, Arsen., Sulfur aus,
Sepia schläft spät ein, Sulfur liegt unruhig und
wirft sich bloss, auch im kalten Zimmer, Causticum
wirft sich bei seinen rheumatischen Schmerzen oft
von der einen Seite auf die andere, Calc. liegt gerne
mit den Händen über dem Kopfe, wie Puls.; die
höhere Lage des Kopfes unterscheidet dabei Puls,
von Calc., Platina findet sich stets beim Erwachen,
auch wenn man sich beim Einschlafen auf die
Seite gelegt, auf dem Rücken mit gespreizten
Kniccn, die Hände über dein Kopfe. Bell., Calc.,
Coloc., Puls., Stram., Ign. liegen gerne auf dem
Bauch, Stannum liegt gern auf dem Rücken und
hat die Eigenthümlichkeit, bei einzelnen Beschwer¬
den das eine Bein zu strecken, das andere heran¬
zuziehen (ich erinnere an den von Kunkel erzähl¬
ten Fall, wo diese Eigenthümlichkeit auf das mit
Erfolg gegebene Stannum hinwies), Hyoscyamus
kann mit dem Kopfe nicht niedrig liegen, weil
sonst der Husten unerträglich wird, Puls, hält
gerne die Hände auf den Leib, Arsen, und eine
kleine Reihe anderer Arzneien können mit dem
Kopfe nicht tief liegen, andere vertragen die Lage
auf dem Rücken, auf der rechten oder linken Seite
nicht. Die Verschlimmerung der Herzbeschwerden
beim Rechtsliegen gab mir mehrmals Indication für
Magn. muriat. (dazu noch Besserung in der Be¬
wegung), Zinc. hat im Bett Unruhe in den Füssen,
Rhus ist mit den Beinen stets in Bewegung, be¬
sonders nach Mitternacht, wegen rheumatischer
Schmerzen; Arsen, wird gegen Mitternacht durch
Angst und andere Beschwerden aus dem Bett ge¬
trieben, Nachtwandeln kommt vor bei Bell., Bryon.,
Natr. mur., Sil., Sulf. Die sog. kalten Mittel, wie
Prof. Kent sie nennt, Hepar, Sil., Nux vom. decken
sich gerne warm zu, die entgegengesetzten ver¬
meiden warme Bedeckung, Sulfur sucht für Kopf
Digitized by
Google
35
und Füsse kalte Stellen im Bett oder streckt die
brennenden Füsse zum Bett heraus, Merc. wechselt
ab, schwitzt im warmen Bett, deckt sich auf, friert
und deckt sich wieder warm zu, Mang., Merc.,
Sulf., Led., Lycop., Cocc. vertragen keine Federn,
bei Phosphor vermehrt Wolle das Hautjucken,
Lach, schläft sich in Verschlimmerung hinein, Sepia
wacht mit dumpfem Kopf auf, Nux vomica ist um
3 oder 4 Uhr früh ganz munter, dagegen schlaff
und unerquickt nach dem zweiten Schlaf.
Eine Reihe von Mitteln hat Verschlimmerung
gleich nach dem Niederlegen, Arsen, um 12 oder
1 Uhr Nachts, Kali carb. und Thuja um 3 Uhr,
Nux vom., Veratr. später, gegen 4 und 5 Uhr.
Es sind dies nur einige wenige unvollständige
Andeutungen, aber sie genügen, um die Wichtig¬
keit der Fragen darzuthun. Man wird selten bei
einem Kranken Art und Lage des Schlafes durch¬
forscht haben, ohne irgend einen Gewinn für die
Therapie — Einschränkung der in Betracht kom¬
menden Mittel auf eine mehr oder weniger be¬
grenzte Zahl — davon zu tragen.
2 . In § 153 des Organon bemerkt Ilahnemann:
„Die allgemeineren und unbestimmteren Symptome:
Esslustmangel, Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger
Schlaf, Unbehaglichkeit u. s. w. verdienen in dieser
Allgemeinheit und Unbestimmtheit und wenn sie
nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit,
da man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krank¬
heit und fast von jeder Arznei sieht. u Danach ist
Appetitlosigkeit also zu allgemein gehalten, dagegen
beschränkt sich ausgesprochene Abneigung gegen
Fleisch nach v. Bo enninghausen auf eine gewisse nicht
grosse Anzahl von Arzneien, Verlangen nach Butter
gab verschiedentlich die Indication für Merc. viv.,
nach fetten Sachen für Nux. vom. und Nitri acid.,
Verlangen von Kaffeebohnen bestimmte mich mehr¬
fach zu der erfolgreichen Wahl von China. Ver¬
langen nach sauren Sachen haben manche Mittel,
nach Essig speciell („ich könnte die Essigflasche
austrinken“) in erster Linie Sepia, dann noch Ar-
nica und Hepar. Das Calc. carb. — Verlangen
nach Eiern, werde ich später durch mehrere Bei¬
spiele illustriren. Die von v. Boenninghausen unter
Verlangen nach Branntwein aufgeführten Mittel
sind für Potatoren passend.
Die blosse Angabe „Durst“ ist wenig brauch¬
bar, eher schon Verlangen auf kaltes Wasser
(siehe v. Boenninghausen „Fieber“). Dass Arsen,
oft und jedesmal wenig trinkt, ist bekannt, weniger,
dass diese Eigenheit auch anderen Arzneien zu¬
kommt. Man würde also einen Fehler begehen,
wenn man bei diesem Symptom sofort auf Arsen,
allein schliessen würde.
Die Kapitel in dem Taschenbuche: Geschmack,
Aufstossen, Uebelkeit, Blähungen (für feuchtwarme
nur Carbo veg., für kalte nur Con., für laute nur
7 Mittel), Stuhlausleerung (der dick geformte Stuhl
hat oft die Mittelwahl erleichtert). Die Beschaffen¬
heit des Harnes, Geruch, Trübung, Bodensatz,
unterbrochener Harnabgang verdienen ein beson¬
deres Interesse im Krankenexamen. Der ammo-
niakalische Geruch des Urins ist ein charakteristi¬
sches Zeichen, ebenso wie der stinkende, und wird
relativ häufig gefunden. Geruch des Pferdeurins
wird gefunden bei Salpeter- und Benzoesäure, Natr.
carb. und Absinth; der Urin von Viola tric. riecht
wie Katzenurin, nach Veilchen der von Terebinth.,
Copaiv., Lactuca, Phosphor und Nux mosch. Der
milchige Urin weist ausser anderen stark auf Cina
und Phosphorsäure hin. In Kunkels Krankenge¬
schichten spielt der graue Bodensatz des. Conium
eine Rolle. Für dasselbe Mittel spricht der unter¬
brochene Harnstrahl, wobei man stets im Auge be¬
halten muss, dass noch andere Arzneien diese
Eigenthümlichkeit haben.
Für meine dritte Abtheilung: Frost, Hitze und
Schweiss, ist unentbehrlich das Specialwerk v. Boen-
ninghausen’s: „Versuch einer homöopathischen The¬
rapie der Wechsel- und anderer Fieber.“ In diesem
sind nur die Beschwerden der Pyrexie verarbeitet,
den zweiten Theil, die Apyrexie, behielt sich der
Verfasser noch vor, Si qua fata sinunt, fügte
v. Boenninghausen, der bei Umarbeitung der zwei¬
ten Auflage 1863 schon 79 Jahre alt war, hinzu:
Die Fieber bieten der homöopathischen Therapie
durchschnittlich ein günstiges Gebiet, auch wenn
die ursprüngliche Fieberform durch allopathische
Behandlung verdeckt ist, und zwar sind die Erfolge
um so grösser, je genauer man die charakteristi¬
schen Merkmale des Fiebers und der Constitution
des Patienten zu erforschen versteht.
Am wichtigsten erschien mir immer die Zeit des
Eintritts, die verschlimmernden und bessernden
Umstände, und die begleitenden Erscheinungen bei
und ausser dem Fieber. Das allopathisch vielfach
ge- und missbrauchte Chinin ist nur dann für den
Homöopathen indicirt, wenn der Durst vor und
nach dem Frost sich einstellt, wenn Frost und
Hitze selbst ohne Durst verlaufen. China hüllt
sich warm ein beim Frost und setzt sich an den
Ofen, aber die Wärme bessert den Frost nicht,
während andere Mittel, Arsen., Nux vom., Ignatia
an der Spitze, Besserung von äusserer Wärme
haben. Ignatia hat Durst nur während des Frostes,
Nux vom. bei der Hitze Verlangen nach Bier,
Arsen, nach Saurem. • Nur bei 6 Arzneien, worunter
namentlich Ars., Natr. mur. und Rhus, treten Bläs¬
chen an den Lippen auf bei der Hitze, einige we¬
nige Arzneien haben blaue Nägel beim Frost, bei
Carbo veg. geht dem Frost Blau- und Kaltwerden
der Hände und Füsse voraus.
5*
Digitized by
Google
Ueberhaupt wird man für die Fiebertherapie in
dem gebannten Buche ein überraschend reiches
Material finden, gut verwerthbar für den, welcher
gewohnt ist, hier wie in jedem anderen compli-
cirten Krankheitsfalle ein vollständiges Kranken¬
examen durchzuführen, hier doppelt mühsam, weil
P^rexie und Apyrexie getrennt durchgenommen
werden müssen.
Ausserordentlich häufig notirt man übelriechen¬
den Fussschweiss bei Patienten, den v. Boenning-
hausen nur bei 16 Mitteln verzeichnet; Calc.
carb. hat das Gefühl, als ob man feuchte Strümpfe
anhätte. Uebelriechender Achselschweiss, als par¬
tieller Schweiss durchaus nicht selten in der Praxis
vorkommend, wird bei 11 Mitteln notirt, wozu noch
Sil., Petrol, und vielleicht Lycop. treten. Halb¬
seitiger Gesichtsschweiss, den ich im Laufe der
Jahre etwa viermal beobachtete, bei 6 Arzneien
vorkommend, führte mich in Verbindung mit an¬
deren Symptomen meist auf Sulfur. Nicht zu über¬
sehen ist bei geschlechtlichen Abnormitäten, Schwäche¬
zuständen nach Onanie, Pollutionen, der Schweiss
an den Genitalien, welcher auf Sepia, Thuja und
andere Arzneien hindeutet.
Das am meisten gebrauchte Kapitel im Taschen¬
buch ist dasjenige, was von der Verschlimmerung
und Besserung nach Zeit, Lage und Umständen
handelt. College Ide-Stettin, der sich der dankens¬
werten Mühe unterzogen hat (Berliner Zeitschrift
Band V, 5; Allg. hom. Ztg. Band 124, Nr. 21 u.
22), die Zeiten der Arzneien näher auszuführen,
bemerkt sehr richtig in der Einleitung:
„Die Beziehungen der Arzneien zu den Zeiten,
das periodische Auftreten der Erscheinungen und
Empfindungen wird, wie unsere Literatur zeigt,
noch lange nicht in dem Grade beachtet und ver¬
wertet, wie ich es für nötig halte. Es scheint
mir diese auffällige Thatsache, dass gewisse Arznei¬
symptome, ebenso wie gewisse Krankheitssymptome
gern oder immer zu bestimmten Zeiten auftreten
oder sich verschlimmern, verschwinden oder sich
bessern, einen tiefen Grund zu haben, und von be¬
stimmten Naturgesetzen abhängig zu sein. Denn
aus der aufmerksamen Beachtung dieses Verhält¬
nisses erstehen am Krankenbett die schönsten und
überraschendsten Erfolge. Dabei ist der Vortheil
nicht gering anzuschlagen, dass dadurch die oft
schwankende Mittelwahl unterstützt und gesichert
werden kann.“
Der letzte Punkt ist der wichtigste; Alles, was
die Mittelwahl erleichtert, ist 'zu schätzen und zu
benutzen und die Zeiten der Arzneien spielen hier
keine geringe Rolle, weil erstens viele Patienten
und viele Arzneien periodisch wiederkehrende gute
und schlechte, Zeiten haben und weil zweitens sub-
jective Täuschungen des Patienten, wovor der Arzt
sich in seinem Krankenexamen so sehr zu hüten
hat, bei den „Zeiten“ weniger oft Vorkommen, als
bei den anderen Umständen.
Wenige Andeutungen genügen, um die Wich¬
tigkeit dieses Gegenstandes zu zeigen. Auch der¬
jenige, welcher das Taschenbuch v. Boenninghausen’s
nicht benutzt, verwerthet die Zeiten der Arzneien.
Es giebt bestimmte Beschwerden, die je nach
der Jahreszeit auftreten oder sich verschlimmern.
Für Wechselfieber, regulär im Frühjahr erschei¬
nend, wird Lach, genannt, für Hautbeulen ebenso
Bellad. Verschlimmerung im Frühjahr und Herbst
wird manchmal die Wahl von Sulfur erleichtern,
die Bleichsucht von Natr. muriat. beginnt fast aus¬
schliesslich im Frühjahr, Glonoin bevorzugt Sommer
und Sonnenhitze, Rhagaden an den Händen, schlim¬
mer im Winter, sprechen mehr für Petrol. Neu-
und Vollmond, zu- und abnehmender Mond finden
zuweilen Verwendung; Mondscheinverschlimmerung
deutet auf Ant. crud. Einige weniger practische
Notizen bringt Ide unter Periodicität. Bei den
einen Tag um den andern auftretenden Beschwer¬
den hat man die Wahl nur unter 8 Arzneien, bei
den genau zu derselben Stunde wiederkehrenden
unter 6 (nach Hering Ant. crud., Sabad., Cedron.,
Diadema, Ignat., Selen.).
Jeder kennt die schlimme Zeit von Arsen.
Jeder weiss, dass Thuja sich 3 Uhr Nachts (und
3 Uhr Nachmittags) verschlimmert, Bellad. von (un¬
gefähr) 4 Uhr Nachmittags bis 3 Uhr Nachts, Ly¬
cop. (ausser andern!) von 4—8 Nachmittags, dass
Sepia seine gute Zeit Nachmittags, Natr. muriat.
Nachmittags und Abends hat. Bei Besprechung des
Schlafes habe ich die Bedeutung der Lage schon
erwähnt.
Wohl zu verwerthen, aber im Examen sehr vor¬
sichtig zu handhaben, ist der Einfluss der Witte¬
rung. In Bezug auf letztere täuscht sich nach
meiner Erfahrung der Patient am meisten. Hier
in Hamburg, wo rauhe Ostwinde häufig sind, höre
ich ausserordentlich oft als selbstverständlich, dass
der Ostwind nicht vertragen wird. Bei näherem
Eingehen auf die Sache bleibt nur übrig, dass ein
früherer Arzt einmal vor Ostwinden gewarnt hat,
dass in der That aber für das Leiden ein Unter¬
schied zwischen Ost- und Westwind nicht gemacht
wird.
Ueberhaupt lohnt es sich, den Antworten des
Patienten ein gewisses Misstrauen entgegenzu¬
bringen und Angaben desselben, welche nicht ganz
sicher erscheinen, die man aber zur Basis für die
Mittelwahl benutzen muss, durch wiederholte, ver¬
änderte Fragen erst zu erhärten.
Jahrelange Uebung und Erfahrung erleichtern
das Examen ausserordentlich, kürzen es ab und
lehren die Irrthümer möglichst vermeiden.
Digitized by k^ooQie
37
Besserung in der Bewegung trennt Rhus von
Bryonia, Sepia von Natr. muriat. Kent’s sog.
kalte Mittel lieben Wärme in jeglicher Form, war¬
mes Einhüllen, warmes Zimmer, warmes Wetter,
im Gegensätze zu Lycop., Puls, und anderen.
Eine Bemerkung im Farrington Seite 480 lässt
die Wichtigkeit dieser Umstände scharf hervor¬
treten: „Arsenic. ist nützlich bei Gangrän, haupt¬
sächlich bei dem trockenen Brand alter Leute, mit
vielem Schmerz und Brennen in dem afficirten
Theil, mit Besserung durch warme oder heisse Um¬
schläge. Diese Modalität erleichtert Ihnen die
Unterscheidung zwischen Arsen, und einem anderen
wichtigen Gangrän mittel, Secale, welches nützlich
ist bei Gangrän, die sich bessert durch kalte Um¬
schläge. u
Nicht selten zu verwerthen ist die „Verschlim¬
merung in Gesellschaft“ von Bar. c., Sepia, Stram.,
im Gegensatz zu Ars., Phosph., Kali carb., welche
nicht allein sein können.
Bei Gemüthsaffectionen kann dies die Wahl der
Arznei erleichtern. Verschlimmerung bei Gewitter
begrenzt die Arzneien auf eine kleine Zahl, ebenso
bei Handarbeit. Ich erinnere mich einer ausser¬
ordentlich hartnäckigen Gesichtsneuralgie, auf deren
Heilung durch Silicea ich in erster Linie geführt
wurde durch die Verschlimmerung bei Gewitter.
Bei jedem Blitz schoss es scharf durch die kranke
Gesichtsseite. Zudem noch Besserung durch äussere
Wärme, Empfindlichkeit gegen Temperaturwechsel
zum Kalten, Schlimmerwerden schon beim Eintritt
in ein kälteres Zimmer.
5. Nie ausser Acht zu lassen ist die Ueberein-
stimmung des Gemütszustandes das Patienten mit
dem der Arznei. „Dies geht soweit,“ sagt Hahne-
mann in § 211 ff. des Organon, „dass bei homöopa¬
thischer Wahl eines Heilmittels der Gemütszustand
des Kranken oft am meisten den Ausschlag giebt;
als Zeichen von bestimmter Eigenheit, was dem
genau beobachtenden Arzte unter allem am wenig¬
sten verborgen bleiben kann.
Auf dieses Hauptingredienz aller Krankheiten,
auf den veränderten Gemüts- und Geisteszustand
hat auch der Schöpfer der Heilpotenzen vorzüglich
Rücksicht genommen, indem es keinen kräftigen
Arzneistoff auf der Welt giebt, welcher nicht den
Gemüts- und Geisteszustand in dem ihn versuchen¬
den gesunden Menschen sehr merkbar veränderte,
und zwar jede Arznei anders.“
Man wird daher nie naturgemäss, das ist, nie
homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem,
selbst acuten Krankheitsfalle zugleich mit auf das
Symptom der Geistes- und Gemütsveränderungen
siehet, und nicht zur Hülfe eine solche Krankheits-
Potenz unter den Heilmitteln auswählt, welche
nächst der Aehnlichkeit ihrer anderen Symptome
mit denen der Krankheit, auch einen ähnlichen
Gemüts- oder Geisteszustand für sich zu erzeugen
fähig ist.
So wird bei einem stillen, gleichförmig gelas¬
senen Gemüthe, der NapelkSturmhut selten oder
nie eine, weder schnelle noch dauerhafte Heilung
bewirken, ebensowenig, als die Krähenaugen bei
einem milden, phlegmatischen, die Pulsatille bei
einem frohen, heitern und hartnäckigen, oder die
Ignazbohne bei einem unwandelbaren, weder zu
Schreck, noch zu Aergerniss geneigten Gemüts¬
zustände.
Durch die unerlässliche Rücksichtnahme auf den
Gemütszustand lässt sich manche unrichtige Wahl
vermeiden, schon gleich bei unserem viel miss¬
brauchten Aconit. Hahnemann verlangt für Aconit
ausser Durst und schnellem Pulse „ängstliche Un¬
geduld, ein nicht zu besänftigendes Aussersichsein
und agonisirendes Umherwerfen“ und Farrington
sagt ebenfalls: „Aconit kann nicht das heilende
Mittel sein, wenn nicht Angst, Unruhe und Todes¬
furcht vorhanden sind.“
Die Cina-Kinder sind nervös und eigensinnig,
mit Cham, geht man meist fehl, wenn der Gemüts¬
zustand des Störrigen und Reizbaren nicht da ist
(Farrington), mit dem Staphys.-Kranken „ist gar
nicht auszukommen.“ Gerade dieser Gemütszu¬
stand führt auf Staph. als Heilmittel bei Ovarien-
und Uterinleiden. Bekannt ist die ausserordentlich
gedrückte Stimmung der Phosphorsäure-Patienten
mit ihren alten Harnröhren- und Blasenleiden. Die
Selbstüberhebung von Platina, die Verzweiflung und
Todessehnsucht von Aurum. Niedergeschlagene
Stimmung bei Schwindsüchtigen deutet auf Stan-
num, Ignatia trägt den Kummer in sich und heim¬
lich, Pulsatilla dagegen spricht gerne über ihren
Kummer und ist trostbedürftig, Natr. mur. weint
öffentlich, wird aber wüthend bei gütlichem Zu¬
reden.
Unzählig sind wohl die Fälle, wo zunächst
durch den Gemüthszustand die Aufmerksamkeit auf
das helfende Mittel gelenkt oder die Wahl des¬
selben erleichtert wurde. Wenn es angeht, frage
ich auch die Angehörigen des Patienten nach
seiner Stimmung. Oft erhält man von ihnen bes¬
seren Aufschluss in diesem Punkte, als vom Kranken
selber.
Ein nothwendiges Zeichen und oft das erste
von der günstigen Einwirkung des Simile ist bes¬
sere Stimmung.
6. Von hervorragender Bedeutung für die
Mittelwahl in chronischen und oft auch in acuten
Krankheiten ist die Erforschung der Vergangenheit
des Patienten, nicht allein der schweren Krank¬
heiten, sondern auch der leichteren Abweichungen
vom Gesundheitszustände, welch letztere der Kranke
Digitized by
Google
38
oft gar nicht zu beachten pflegt, weil es eben
„keine Krankheiten“ waren.
Es vergeht in meiner Praxis kein Tag, wo
nicht durch die aus der Vergangenheit eruirten
Krankheitszustände die .Mittelwahl entweder ermög¬
licht oder gesichert wird. Die verschiedenen Krank¬
heiten eines Menschen, die ihn früher oder später
befallen, sind oft nur Aeusserungen einer und der¬
selben Dyskrasie, welchen ein und dasselbe Mittel
entspricht. Ein Mensch hat im ersten Lebensjahre
Ausschlag am Haarkopf, im dritten bis sechsten
scrophulöse Augenentzündung, vom 14. —18. Le¬
bensjahre Neigung zu Mandelentzündungen, Fu¬
runkeln und Bronchialkatarrhen, mit 30 Jahren
Pneumonie, später Caries eines Unterschenkel¬
knochens. Der ganze Complex deutet auf den
Schwefel und häufig genug sind die Fälle, wo
Sulfur für jedes Glied der Kette, mag auch ein
Jahrzehnt relativer Gesundheit zwischen den einzel¬
nen Leiden liegen, das Simile ist. Bei solchen
Sulfur-Constitutionen wird der Schwefel dann jede
Erkältung abkürzen, nach der Influenza den Appetit
herschaffen und die Kräfte heben, stets hilfreich
eingreifen und früher oder später die krankhafte
Disposition umgestalten.
Nach Kunkel sprechen für Sulfur: Ueberstan-
dene Krätze, Exantheme aller Art, grosse Neigung
zu Erkältungen, Schnupfen, Angina, Lungen¬
katarrhe, Lungenentzündungen, für Calc. carb.: in
erster Kindheit dicker Bauch, langsames Schliessen
der Fontanellen, englische Krankheit, Neigung zu
Anschwellung der Drüsen (besonders der Cervical-
drüsen hei Erkältung), zu Ozaena, zu Zahnschmer¬
zen, die durch Zug und Nässe hervorgerufen, durch
Wärme und Einhüllen gebessert werden, zu Nasen¬
bluten. Ueberstandene Wochenbetten lassen, wenn
das Leiden sich an diese anschliesst, an Kali carb.
denken, Impfung und Gonorrhoe der Eltern, sowie
selbstacquirirte Gonorrhoe an Thuja. Neigung zu
Kopfschmerz von Jugend auf, besonders auch in
den Schuljahren — das Kind kommt oft mit Kopf¬
schmerzen aus der Schule — Migräne der Eltern,
überstandene Pleuritis, Flechten auf dem Hand¬
rücken, lassen an Sepia denken.
Vor Jahren behandelte Kunkel in der Allg.
hom. Zeitung das Capitel der chronischen Magen¬
leiden. Seine Rathschläge, die natürlich für jedes
chronische Leiden gelten, laufen darauf hinaus,
dem Patienten das für seine Constitution passende
Mittel zu suchen.
Hat man dieses Constitutionsmittel gefunden
und durch den Erfolg als richtig bestätigt, so hat
man in manchen Fällen damit nicht allein die
Arznei in der Hand, welche für den Patienten in
späteren Krankheiten das Simile ist, sondern oft
das Constitutionsmittel für Eltern, Geschwister und
Kinder des Patienten. Sepia beseitigt dann sowohl
die Migräne der Mutter, wie die veitstanzähnliche
Unruhe der Tochter, das pleuritische Exsudat des
Sohnes; Sulfur ebenso die scrophulösen Ausschläge
des Bruders, wie die Rhachitis und Drüsenschwel¬
lungen des Kindes. Diejenigen Constitutionen,
welche sich nach meiner Erfahrung besonders oft
vererben, sind die von Sulfur, Calc. carb., Sepia,
Phosphor, Pulsatilla. Jedenfalls ist die Erforschung
der überstandenen grossen und kleinen Krankheiten
wichtiger und erspriesslicher, als manche Einzel¬
heiten des Status praesens, ob z. B. der Kopf¬
schmerz bohrend oder klopfend, der Magenschmerz
drückend oder stechend sei.
Nach meiner ganzen Auseinandersetzung scheint
es wohl unnöthig, denjenigen, welcher die Mittel¬
wahl in dieser Weise betreibt, gegen den Vorwurf
des Symptomendeckens in Schutz zu nehmen, als
ob er mechanisch die Symptome des Patienten mit
denen der Arznei decke. Es kommt eben darauf
an, die charakteristischen Züge des Symptomen-
bildes beim Patienten zu erfassen und dafür eine
Arznei zu wählen, welche dieselben charakteristi¬
schen Merkmale aufweist. Eine innere Verwandt¬
schaft muss bestehen zwischen den beiden Symp-
tomenbildern, wenn ich mir beide als Portraits
denke, sozusagen eine Familienähnlichkeit.
An Bedeutung hinter der Wahl des Mittels zu¬
rückstehend ist die Wahl der Potenz, eine Frage,
die ich hier nur sehr kurz berühren will und zwar
in Betreff der Hochpotenzen. Der Eine bezweifelt
die Wirksamkeit, der Andere die Nothwendigkeit
derselben. Beides lässt sich nur durch eigenes
Prüfen entscheiden. v. Boenhinghausen selbst
spricht sich folgendermassen darüber aus: „Ich kann
mich nicht enthalten, die Versicherung zu geben,
dass meine Erfahrungen sich fortwährend aufs Ent¬
schiedenste für die „Hochpotenzen“, für sehr langes
Wirkenlassen und gegen die Wiederholungen ohne
Zwischenmittel aussprechen. Selbst bei Knochen¬
leiden, wie z. B. Krümmungen des Rückgrats und
Auswachsen von Schultern oder Hüften, habe ich
nach Hochpotenzen in so kurzer Zeit die vollstän¬
digsten Heilungen erfolgen sehen, wie niemals
früher bei Anwendung tieferer Dynamisationen. Ich
kann daher aus meiner ziemlich ausgedehnten
Praxis nur bestätigen, was unsere ächt-hahnemanni-
schen Koryphäen darüber mitgetheilt haben und
ich bin mit meinen Resultaten seit zweier Jahren,
wo ich fast nur „Hochpotenzen“ reiche, noch weit
besser zufrieden, als früher, obwohl der bei Wei¬
tem grösste Theil meiner Patienten von der Art
ist, wie sie so häufig aus den Händen der Allo¬
pathen in die unserigen gelangen.“
Eine gewisse Bedeutung lässt sich dieser Er¬
klärung unseres grössten Kenners der Arzneimittel-
Digitized by
Google
$9
lehre nicht absprechen, ebenso wenig dem Um¬
stande, dass alle Hochpotenzier durch die tiefen
Potenzen hindnrchgegangen sind, also den Vergleich
zwischen der Wirkung hoher und tiefer Potenzen
haben machen können. Dass manche erst in den
späteren Jahren die Hochpotenzen bevorzugten, er¬
klärt sich ungezwungen aus der mit den Jahren
wachsenden Mittelkenntniss.
Unsere grössten Mittelkenner gebrauchen oder
gebrauchten die Hochpotenzen entweder ausschliess¬
lich, oder mit Vorliebe. Hahnemannn gebrauchte
zuletzt die dreissigste, v. Boenninghausen die 200.
Potenz, C. W. Wolf mit Vorliebe die 30. Nach
Prof. Kent’s brieflicher Mittheilung gab Farrington
von der dritten bis 30., zuweilen auch höher,
ebenso Lilienthal, Caroll Durhain 200., Hering 200.
und höher, ebenso Gross, dieser auch 30., Guemsey,
Lippe nur Hochpotenzen über 200., ebenso Kent.
Ich will hiermit durchaus nicht den ausschliess¬
lichen Gebrauch der Hochpotenzen empfehlen, son¬
dern halte mich nach Kunkel’s Beispiel an die dritte
Klasse Herings. In seinem Hausarzte theilt dieser
die Aerzte nach ihrer Verordnungsweise in 3 Klassen
und sagt: ,,Die dritte Klasse sind solche, die es
mehr mit der zweiten halten (d. h. wenig und selten
geben) aber doch behaupten, Fälle, wo Tincturen
und Tropfen, oder Verreibungen besser wären,
gäbe es auch, und sie Hessen sich mitunter be¬
stimmen. In der Mehrzahl der Fälle wären die
hohen Potenzen besser, ja für den, der’s verstände,
die allerhöchsten.“
(Fortsetzung folgt.)
Einheimische Gewächse.
ViscUDA album (die weisse Mistel).
Unter den bei uns einheimischen Gewächsen ver¬
dient die Mistel, dieses seit Alters her als heilkräftig
geltende Mittel, einer eingehenden Prüfung. Es
ist eine Schmarotzerpflanze, welche bei uns häufig
auf den Bäumen des Waldes (Buchen, Birken,
Weiden, Linden), aber auch auf den Obstbäumen,
besonders Aepfeln, ihren Standort hat. Obwohl man
die Viscum album auch als Viscum quemum, Eichen¬
mistel, bezeichnet, so kommt jene gerade auf den
Eichen selten vor; ja man hat die Eichenmistel
als eine besondere Art, Loranthus europaeus, welche
die bei den Alten angewandte Species gewesen sein
soll, unterschieden; unsere Mistel gehört freilich
auch in die Familie der Lorantheae (oder CaprifoU-
aceae).
Für unsere deutschen Vorfahren mit ihrem offe¬
nen Natursinn war es jedenfalls eine ausserordent-
Hche Erscheinung, dieser Pflanze mit ihrem gabel¬
förmig geästeten Stämmchen, ihren weissen Beeren
und den stumpflanzettförmigen, fleischigen Blättern
hoch oben auf den Bäumen des Waldes und Feldes
thronen zu sehen. Wo anders sollte der Samen
dieses Pflänzchens herkommen, wenn nicht direct
vom Himmel? Deshalb wurde dieses Himmelspflänz¬
chen für besonders heilig gehalten, zumal das auf
Eichen, auf denen sie sich am kräftigsten entwickeln
soll. Die Druidenpriester zogen in Procession mit
dem in weissen Festgewändern gekleideten Volke
zu dem Standort der Mistel und schnitten sie mit
goldenem Messer ab. Es wurden Gesänge ange¬
stimmt, Gebete verrichtet und — Menschenopfer
dargebracht. Man vertheilte dann die Pflanze unter
das Volk, welches sie als ein Wundermittel gegen
allerlei Krankheiten und böse Geister verehrte.
Und doch ist die Abstammung der Mistel nichts
weniger als himmlisch, wenn man sie auch über¬
irdisch, d. h. über der Erde, nennen mag. Die
Beeren werden von Vögeln gegessen, besonders von
den Misteldrosseln, und die unverdauten Samen
von ihnen auf dem natürlichen Wege überall auf
Bäumen deponirt und so ausgesät Lässt man da¬
her in einem Garten erst eine oder etliche Mistel¬
pflanzen auf einem Baume stehen, so werden bald
die anderen Bäume auch solche tragen, und zwar
zu ihrem grossen Schaden, denn die Schmarotzer
saugen ihnen die Lebenssäfte aus.
Indessen wie meist steckt auch hier im Aberglauben,
eine wirkliche, wenn auch falsch gedeutete Thatsaclie.
Das Viscum album hat unleugbar bestimmte heil¬
kräftige Eigenschaften bei gewissen krampfhaften
Zuständen, zumal im weibHchen und kindüchen Or¬
ganismus. Es erfreute sich seit Alters eines hohen
Rufes gegen epileptische Krankheitsformen, und
nachdem das Mittel, wie so viele im Laufe der Zeit,
„obsolet“ geworden war, rissen es im Anfang dieses
Jahrhunderts glaubwürdige Männer, wie Baglivi und
Colbacli, wieder aus der Vergessenheit. Man gab
das Mittel beim Veitstanz, bei hysterischen Zuckungen,
beim Magenkrampf, Krampfhusten (Pertussis), dann
wiederauf seine vermeintliche adstringirende Wirkung
hin bei profusen Haemorrhoidal- und Menstrual¬
blutungen und sogar bei beginnender Schleimschwind¬
sucht. Wie wenig rein aber diese klinischen Ex¬
perimente sind, ersehen wir aus "der Verordnung
Hufeland’s, der allüberall als Autorität für die anti-
epileptische, krampfstillende Wirkung der Mistel an¬
geführt wird, der gleichzeitig in einem Pulver¬
gemische, Viscum album, Radix Valerianae, Comu
cervi und Lapides canerorum (also kohlen- und
phosphorsauren Kalk) seinen Patienten gab. Wer
kann da sagen, ob Viscum hier überhaupt etwas
gewirkt habe?
Eine kurze Prüfung am Gesunden giebt Allen in
seiner Materia medica. Zwei Frauen nahmen Vis-
Digitized by
Google
40
cum in der Absicht, Abortus hervorzurufen. Es
zeigte sich jeder Muskel des Körpers, die Augen
ausgenommen, paralytisch; der ganze Tractus ali-
mentarius war gleichsam gelähmt: sie konnten weder
sprechen noch schlucken, und beide starben inner¬
halb 8 Tagen des Hungertodes. Es erzeugt tau¬
melnden Schwindel und langsamen, stertorösen Athem
mit Schläfrigkeit. — Ein Knabe, der acht Mistel¬
beeren genossen, bekam Schwindel, Injection der
Conjunctiva; die Pupillen waren mässig erweitert
und «tarr, die Lippen tivide, atertoröses Athmen,
der Puls voll und hüpfend.
Ein Arzt nahm 40 Tropfen der Tinctur: danach
hatte er das Gefühl, als ob er niederstürzen müsste;
eine Gluth überkam ihn von den Füssen bis zum
Kopfe , es war ihm, als ob er im Feuer sei; zur
selben Zeit war sein Gesicht sehr blass. Diese Em¬
pfindung, an eine Aura epileptica erinnernd, stellte
sich während des Winters (nach 40 Tropfen) drei
Mal bei ihm ein. Ferner hatte er auf dem Rücken
der Unken Hand das Gefühl, als ob eine grosse Spinne
darüber hinkröche (Aura epileptica).
Bald danach zeigte sich dieselbe Erscheinung
auf dem rechten Handrücken.
Dr. Alfred Heath, der im Homoeopathic physi-
cian 1893, No. 7, diese Thatsachen berichtet, fragt
dabei: „Wenn am Aehnlichkeitsgesetz nichts ist,
wie kommt es, dass ein Mittel wie Viscurn, das
einen solchen Ruf in der Heilung von Epilepsie
seit Alters erlangt hat, späterhin, bei seiner Prüfung
am gesunden Menschen, Symptome, wie sie der Epi¬
lepsie eigen sind, hervorgebracht habe?“
Die Exacten haben gemeint, ein Mittel wie Vis-
cum, in dem man kein wirksames Princip gefunden,
könne nicht wirksam sein. Dagegen ist zu be¬
merken, dass dieser Grund nicht stichhaltig sei,
abgesehen davon, dass die Chemie vielleicht doch
später ein solches Princip entdecken möchte. In
frischem Zustande haben Stengel, junge Zweige und
Früchte einen eigenthümlichen, widrigen Geruch
und bitteren, zusammenziehenden Geschmack; beides
fehlt in den getrockneten Pflanzentheilen. Im Ge¬
rüche, im Aroma der Pflanze, ruht, wie Pro¬
fessor Jäger ganz richtig behauptet hat, die Seele,
der Spiritus derselben; entfleucht dieser aber beim
Trocknen, so heisst’s nach Schiller: ,,Zum T . . . .
ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben.“ Da¬
mit ist aber nicht gesagt, dass nicht noch andere
wichtige, wirksame Bestandtheile in einer Pflanze
vorhanden sein können, die mitunter nicht im Wein¬
geist gelöst, sondern durch einen warmen Aufguss
entwickelt werden müssen.
Es liegen uns also Rudimente einer Prüfung
von Viscurn album vor, die deutlich bekunden, die
Ahnung der alten Germanen und Kelten war nicht
ohne Grund. Vielleicht briugt eiuer ihrer Nach¬
kommen ihre Ahnung zur Evidenz durch eine regel¬
rechte Ausprüfung dieses merkwürdigen, parasiti¬
schen Gewächses. Dr. Koisa.
Das Puhlmann’sche Handbuch der homöo¬
pathischen Praxis.
Besprochen von Dr. W. Goullon.
Eine schöne Weihnachtsbescheerung möchte ich
das im December zur Ausgabe gelangte Puhlmann’¬
sche Werk nennen, dessen vollständiger Titel also
lautet:
Handbuch der homöopathischen Praxis. Anleitung
zur klinischen Untersuchung Kranker und zu de¬
ren Behandlung nach homöopathischen lind diäteti¬
schen Grundsätzen,mit besonderer Berücksichtigung
der in den Tropen vorkommendeu Krankheits¬
formen. Mit 136 in den Text gedruckten, zum
Theil colorirten Abbildungen und zwei chromo¬
lithographischen Tafeln. In Verbindung mit
mehreren Aerzten herausgegeben' von Dr. C. G.
Puhl mann, literarisch. Director der homöopathi¬
schen Centralapotheke in Leipzig. Leipzig,
Dr. Willmar Schwabe, 1894.
Den meisten Lesern dürfte der immense Fleiss
des Verfassers auf dem Gebiet der homöopathischen
Literatur hinlänglich bekannt sein. Und unschwer
erkennt man hier sowohl aus der Disposition und
Beherrschung dieser gewaltigen Materie, als auch
aus der knappen und doch erschöpfenden Bearbeitung
der einzelnen Kapitel den form- und redegewandten
Autor wieder.
. Das schön ausgestattete Werk erbringt den Be¬
weis, dass es eine Homöopathie giebt, die innige
Fühlung behält mit der fort und fort sich erweitern
den medicinischen Wissenschaft. Und wie könnte
es anders sein? Welcher Homöopath möchte auf
das Prädicat wissenschaftlich verzichten? Und
würde er es nicht thun, wenn er die Fortschritte
der Wissenschaft, die klinischen Untersuchungsme-
thoden ignoriren wollte. Chemie, Mikroskopie, patho¬
logische Anatomie, Bakteriologie werden daher in
dem Handbuch der homöopathischen Praxis voll
und ganz gewürdigt. Und selbst der allopathischen
Therapie, der Anwendung ihrer äusseren und inneren
Mittel, wird vielfach gedacht. So beispielsweise bei
der mit grosser Sachkenntniss abgehandelten Dipli-
theritis. In keinem homöopathischen Werke wird
mit einer gleichen Gründlichkeit, Anschaulichkeit
und Exactheit der pathologische und physiologische
Theil wiedergegeben. Die einzelnen Kraukheits-
bilder sind musterhaft geschildert worden und der
Digitized by k^ooQle
41
homöopathisch - therapeutische Theil fusst auf den
reichen eigenen und besten fremden Erfahrungen,
flahnemann selbst würde nicht nur erstaunt sein
über die Reichhaltigkeit und den Zuwachs seiner
Lehre, sondern er dürfte auch Verfasser volle An¬
erkennung zollen für die discrete Art und Weise,
wie derselbe die Schwierigkeiten überwunden hat,
neben den alten bewährten und ausgeprüften Mitteln
neuen, viel versprechenden und zum Theil schon
zu guten Resultaten führenden Eingang zu ver¬
schaffen.
Der specifisch-homöopathische Theil des Buches:
Das Arzneimittel-Verzeichniss mit kurzer Wirkungs-
Charakteristik, bildet namentlich eine wahre Fund¬
grube für den Praktiker, zumal daselbst nach dem
Vorbild von Hirschei (in dessen homöopathischem
Arzneischatz am Krankenbett) bei jeder Indication
auf den betreffenden Krankheitsabschnitt durch An¬
gabe der Seitenzahl verwiesen worden ist. Ein
Blick in das Inhaltsverzeichnis sagt uns, dass Wesent¬
liches unmöglich vergessen worden sein kann.
Der allgemeine Theil enthält Belehrungen aus
dem Gebiete der allgemeinen Pathologie. Neu er¬
scheinen hier im Gegensatz zu den älteren Lehr¬
büchern die Kapitel über Sepsis, Neoplasie, Pigment-
degeneration, Amyloid- und Colloiddegeneration.
Auch die kalkige Degeneration findet man schwer¬
lich als selbständiges Krankheits-Genus in den früheren
Patliologieen.
Nun folgt die klinische Untersuchung: Das
Krankenexamen und die objective Feststellung der
Krankheitserscheinungen vom Allgemeinzustand des
Patienten beginnend, mit den mikroskopisch-chemi¬
schen Untersuchungen schliessend.
Natürlich durfte eine nähere Besprechung des
Wesens der Homöopathie nicht fehlen, ehe sich
Verf. zur Therapie selbst wendet, und gerade dieser
Abschnitt ist höchst beachtenswerth, weil er den
speciellen Standpunkt des Autors enthält und der¬
selbe hier gewissermassen sein privates homöopathi¬
sches Bekenntniss ablegt. Er steht demzufolge auf
Seite des Professor v. Backody, der bekanntlich
den staatlich gegründeten Lehrstuhl in Budapest
seit länger als einem Decennium inne hat. Bio-
logisch-medicinische Heilmethode sind Beiden syno¬
nymer Ausdruck für Hahn ernannt Homöopathie.
Sehr nothwendig war der Hinweis, dass Hahnemann
ein Heilgesetz, welches schon lange vor ihm be¬
stand und vielfach unbewusst als Richtschnur des
therapeutischen Handelns diente (Paracelsus und A.
v. Haller waren im Grunde genommen schon Ho¬
möopathen), nur kultivirte, oder, um einen modernen
Ausdruck zu wählen, ausgestaltete. Verf. citirt in
geschickter Weise auch A. Schopenhauer, ferner
Preyer und vor allen Dingen Dr. Hugo Schulz in
Greifswald und dessen Aufsehen erregende Schrift:
Aufgaben und Ziel der modernen Therapie, als
werthvolle Stützen zu Gunsten der homöopathischen
Theorie wie Praxis.
Ueber Einzelheiten der vielumstrittenen Posolo-
gie oder Gabenlehre lässt sich ja eine allein gütige
Norm nicht aufstellen; so werden Viele nicht, wie
Verf. will, täglich 1—2 Gaben verabreichen in
chronischen Krankheitsfällen. Uns genügt aber, zu
wissen, dass Verf. Makrodosist ist und dies ent¬
spricht vollkommen der Tendenz des Buches, Propa¬
ganda zu machen unter der jüngeren Arzt - Welt.
Hat Verf. die Erfahrung auf seiner Seite, so ist
auch an seinem posologischen Standpunkt nichts
auszusetzen. — Die Dosis ist aber von der aller¬
grössten Bedeutung für die Entscheidung zum Ueber-
tritt zur Homöopathie, während sie in den Augen
gewiegter homöopathischer Praktiker viel unwesent¬
licher erscheint. Denn sie wissen, dass sie bald
mit hohen, bald mit niederen Potenzen ihr Ziel er¬
reichen können, falls nur das Mittel wirklich nach
homöopathischen Grundsätzen gewählt und aus ver¬
lässiger Apotheke bezogen oder gar vom Arzt selbst
hergestellt worden ist.
Und steifte sich der Verfasser eines solchen
Lehrbuches beispielsweise auf die dreissigste Potenz,
während doch, wie gesagt, ceteris paribus hohe uud
niedere Gaben gleicherweise helfen, so wäre der
Liebe Mühe umsonst, dann würden diejenigen, für
die so überzeugungsvoll und in regem Anschluss
an die Lehren ihrer Universitätsprofessoren ge¬
schrieben worden ist, den Rubicon nicht überschreiten
wollen; sie würden durch unnütze und excentrische
Forderungen an ihre gewohnte Anschauungsweise
abgeschreckt werden und der ehrlich gemeinten
Aufforderung, sich die homöopathische Angelegen¬
heit etwas näher anzusehen, nicht nachkommen;
durch die sonstige bestechende und gewinnende
Sprache des vortrefflichen Handbuches vielleicht
schon halb gewonnen, würden sie wieder Kehrt!
machen mit der unbarmherzigen Festigkeit der
Buttler’sehen Dragoner im Wallenstein.
Ueber Hypnotismus und Hysterie.
Vortrag von Prof. Jolly.
Man hat geglaubt, wenn der Hypnotismus und
die ihn begleitenden merkwürdigen Erscheinungen
aus den Händen dilettirender Laien und Schausteller
in die der berufenen Vertreter der Heilwissenschaft
und -Kunst, zumal der klinischen Professoren, über¬
gegangen wäre — wie dies jetzt ja der Fall ist —
diese durch exacte Beobachtungen und reine Ex¬
perimente Klarheit und Wahrheit in dies noch dunkle
Gebiet bringen würden. Diese Erwartung hat sich
indessen bisher nur theilweise erfüllt. Dies ist leicht
6
Digitized by
Google
42
erklärlich, wenn man bedenkt, dass die Versuchs¬
personen, deren man sich hierbei meist bediente,
Personen weiblichen Geschlechts, und zwar über¬
wiegend solche mit stark ausgesprochenen Zügen
der Hysterie gewesen sind. Wenn man nun einem
Meister, wie Charcot, der sich im Wesen der Hysteri- j
sehen gewiss ausgekannt hat, naebgesagt hat, er
sei von diesen Versuchspersonen hintergangen und
irregefuhrt worden — so das am grünen Holze ge¬
schah, was erst am dürren?
Diese Gedanken überkamen uns, als wir jüngst
einen Artikel über „Hypnotismus und Geistesstörung u
von Prof. Jolly, Psyehiatriker an der Berliner Uni¬
versität, in dessen Archiv lasen, worin er die von
Prof. KrafhEbing im Laufe des vorigen Sommers
gemachten hypnotischen Versuche, die selbst in den
Tagesblättern Beachtung fanden, einer strengen
Kritik unterwirft. Kraft-Ebing hat nämlich behauptet,
dass es ihm gelungen sei, eine erwachsene Person,
ein 38jfihrige8 Mädchen, durch Hypnose völlig in
das Kindesalter zurückversetzt zu haben, so dass
ihr Denken und Thun und Gehahren, kurz, ihr
ganzes Wesen, das eines Kindes ward. — Prof.
Jolly hat nun einen Control-Versuch an einem 19-
jährigen, an hochgradiger Hysterie leidenden Mäd¬
chen in der Berliner psychiatrischen Klinik ange¬
stellt. Wir gehen die interessante 8childerung
Jolly’a über den Verlauf des Experiments hier
wieder. Nach Einleitung der Hypnose und einigen
Vorversuchen stellt er an sie die Frage: Wie alt
sind Sie? Antwort: 88 Jahre (sie ist aber 19 Jahre
alt). Frage: Weshalb belügen Sie mich? Sie sind
viel jünger; Sie sind ja noch ein Kind. Du bist
erst sieben Jahre alt. Antwort: Ja, sieben Jahre bin
ich alt. Frage: Kannst du lesen und schreiben?
Antwort: Ich gehe ja schon in die Schule. Beim
Vorhalten eines Buches liest sie langsam, buch-
stabirend wie ein Kind. Aufgefordert, ihren Namen
zu schreiben, thut sie dies umständlich, als ob sie
etwas Schwieriges auszuführen hätte, nimmt die
Feder ungeschickt in die Hand und schreibt sehr
langsam, beschmiert die Finger mit Tinte; die
Schriftzüge weichen aber nicht wesentlich von ihren
sonstigen ah. „Hier hast du eine Puppe.“ (Es
wird die Bewegung gemacht, als ob man ihr eine '
reichte.) Sie nimmt diese, freut sich darüber: „Ach,
die schöne Puppe“ und trägt sie auf dem Arm
spazieren. Nach Aufforderung zieht sie die Puppe
aus und wieder an, beschreibt deren rothes Kleid i
und erzählt auf Befragen, dass sie noch eine Puppe
zu Hause habe. Sie wohne in X. bei ihrer Gross¬
mutter (bei der sie in der That ihre Kindheit ver¬
lebt hat). Erneute Frage: Wie alt sind Sie: Ant¬
wort: 7 Jahre. Befehlend: Nein, Sie sind ja eine
alte Frau, die kaum noch gehen kann. Wie alt
sind Sie? Antwort: Siebzig Jahre; ach, ich bin j
so schwach und vergesslich. Trippelt gebückt wie
eine Alte, in kleinen Schritten durch das Zimmer.
Frage: Was fehlt Ihnen denn? Antwort: Die Beine
sind so steif und die Brust so schwach. Frage:
Können Sie Ihren Haushalt noch besorgen? Ant¬
wort t Nein, es geht nicht meht recht. Frage: Soll
ich Ihnen Etwas schenken? Antwort : Ach, ich
bitte sehr; ich habe es so nöthig. Sie nimmt das
ihr durch eine Greste gereichte Almosen in gleicher
Weise dankbar an. Es wird nun der Kranken
mehrmals zugerufen: „Erwachen Sie!“ Sie reibt
sich die Augen, sieht sich erstaunt um, nimmt
ihren natürlichen Ausdruck an und erwidert auf
die Frage, wo sie sich befinde? „In der Klinik,“ —
was mit ihr vorgegangen sei? „Das weiss ich
nicht; ich habe wohl geschlafen.“
Prof. Jolly wirft nun zunächst die Frage auf:
„Wie hat sich die Kranke mit der Kinderrolle ab-
gefunden?“ — Sie spielte sie nicht, antwortet er,
wie eine Schauspielerin. Sie hat das Gebahren eines
7 jährigen Kindes ungefähr in der Weise darge¬
stellt, wie das bei den meisten Menschen ohne
Weiteres gelingen wird. Die Veränderung der
Schrift war keine völlig kindliche; ihr Umgang mit
der Puppe war ziemlich phantasielos. Aber sie hat
diese ihre neue Rolle doch annähernd mit der Fertig¬
keit gespielt, wie vorher die oft geübte mit den
Blumen, dem Wasser, dem Löwen, und ungefähr
eben so gut hat sie auch die Rolle der alten Frau
durchgeführt.
Dr. Kraft-Ebing hatte Angesichts solcher Ver¬
suche die beiden alternativen Fragen aufgestellt:
„Besteht hier wirklich eine Reproduktion früherer
Ich-Persönlichkeiten, die im bewussten Geistesleben
latent geworden sind, jedoch durch einen Kunst¬
griff, nämlich durch die Hervorbringung eines un¬
bewussten psychischen Ausnahmezustandes aus der
Welt des latenten, unbewussten Geisteslebens re-
producirt werden können? Oder handelt es sich
hier wieder um eine durch Suggestion geschaffene
ideale Persönlichkeit oder Rolle, gleichwie man ja
bekanntlich in hypnotisch-somnambulem Zustand be¬
findliche Personen jede beliebige Rolle, ja sogar
die eines Thieres ansuggeriren kann?“ Kraft-Ebing
beantwortet die Frage im ersteren Sinne. Er nimmt
an, dass durch die Hypnose der längst vergangene
geistige Zustand der Kindheit zeitweilig ganz ge¬
treu wieder wachgerufen wird und meint, dass mit
Hilfe dieser Versuche die empirische Psychologie
sich werde beträchtlich erweitern lassen. — Dem
widerspricht Jolly. Nach ihm enthält die neue
Kraft-Ebing’sehe Versuchsreihe durchaus nichts, was
nicht schon in der bisherigen Kenntniss der That*
Sachen des Hypnotismus einbegriffen wäre. Vor
Allem betont er, dass die Hypnotisirte die Rolle
der Alten gerade eben so gut wie die des Kindes
Digitized by
Google
4Ö
gespielt habe, und bei jener könne doch von der
Einwirkung eines latenten früheren Geisteszustandes
nicht die Rede sein — und das Kinderspiel des
Mädchens in der Hypnose sei nichts Absonderliches«
„Bedarfes,“ sagt Jolly, „einer auch nur besonders
gesteigerten Erinnerungsfähigkeit, um eine Anzahl
von Handlungen vorzunehmen, die man als 7 jähriges
Kind auch vorgenommen haben kann? Jedermann
hat doch aus dieser Lebenszeit eine Anzahl von
ganz deutlichen Erinnerungen, und die Meisten
werden im Stande sein, anzugeben, wo sie die Zeit
ihres ersten Schuljahres gelebt haben, oder sich an
einzelne grosse oder kleine Leute zu erinnern, mit
denen sie verkehrt haben. Da nun ausserdem jeder
erwachsene Mensch gelegentlich siebenjährige Kinder
sieht und ihr Treiben beobachten kann, so gehört
durchaus keine hervorragende Intelligenz, sondern
nur ein klein wenig Geschicklichkeit dazu, um das
Benehmen eines solchen nachzuahmen.“ Weiterhin
zieht Jolly Analogieen zu den in Rede stehenden
Erscheinungen heran, wie sie in Träumen und
in Krankheiten und traumartigen Zuständen Vor¬
kommen. Mancher, der längst in Amt und Würden
sei, werde im Traume von Schul- und Examens¬
nöthen gepeinigt, obwohl er auch durch zwischen¬
durchfliegende Erinnerungen belehrt werde, dass die
Examenszeit weit hinter ihm liege. Bewusstseins¬
zustände der Erinnerungen aus ganz verschiedenen
Zeiten laufen imTraumewie in der Hypnose bald neben-,
bald durcheinander her. — Jolly kommt schliess¬
lich auf folgende Folgerungen: Eine besondere Dis¬
position für die Suggestion ist eine krankhafte Er¬
scheinung. Gewohnheitsmässig Hypnotische unter¬
scheiden sich nicht wesentlich von den Hysterischen.
Die Wunder des Hypnotismus erklären sich nach
Jolly ausreichend aus dem Krankbeitsbildfe der
Hysterie. Die Hysterischen täuschen sich selbst und
leicht auch Andere. Die Hysterie iuvolvirt eine
geistige Störung, in der die Neigung zur Erfindung
theils in Form des Hineindenkens in Geschichten
und Zustände, die dann dem Erfinder selbst als
Wirklichkeit imponiren, theils in Form bewusster
Lüge eine hervorragende Rolle spielt. Die hysteri¬
schen Wunder haben sich noch allemal als mehr
oder weniger plumpe Täuschungen erwiesen, mag
es sich um Stigmatisation im kirchlichen Sinne oder
um spontan durch Suggestion erzeugte Brandmale,
Blaseneiterungen und Blut aus der Haut gehandelt
haben. Es lohnt in der That nicht, bogenlange
Protokolle aufzunehmen und dicke Bücher zu schrei¬
ben über Kranke, von denen feststeht, dass sie Betrüge¬
reien der mannigfachsten Art, sei es bewusst, sei
es unbewusst, bereits ausgeführt haben.“ Jolly
warnt nachdrücklich vor der kritiklosen Anwendnng
des Hypnotismus auch zu Heilzwecken; besonders
verwirft er deren Ausübung durch Laien.
Den Ausführungen Jolly’s über Kraft-Ebing’s
besprochene Experimente und den daraus gezogenen
Folgerungen können wir unsere Zustimmung nicht
versagen. Mit der Verweisung der hypnotischen
Eltscheinungen auf die des Hysterismus ist das Ver-
ständniss und die Erklärung des ersteren aber wenig
gefördert: wir kommen dann aus einer Camera ob-
scura in eine andere, wenn uns auch mehr be¬
kannte Camera obscura.
Den selbstdispensirenden homöopathischen Herren
Aerzten erlaube ich mir, im Nachstehenden die
neuesten das Dispaopirreeht und die Einrich¬
tung, der ärztlichen homöopathischen Hausapo-
tbeken betreffenden Vorschriften des Ministers
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegen-
heiten, Herrn Bosse, vom 16. Dezember 1896,
zur Kenntniss zu bringen. Zur Beschaffung alles
in di«en Verordnungen Vorgeschriebenen bin ich
stets gern bereit.
Leipzig, 13. Januar 1894.
William •tefmnetz.
Aiäiif
aus
Vorschriften
Aber Einrichtung und Betrieb der Apotheken,
Zireig- (Filial-) Apotheken, Krankenhaus«
apotheken (Dispensiranstalten) nnd ärztlichen
Hausapotheken*
D. Zweig-, Krankenhaus-, homöopathische Apotheken
und ärztliche Hausapotheken jeder Art.
§ 47. Für eine Zweig-, wie für eine Kranken¬
hausapotheke genügt eine vorschriftsmässig, ent¬
sprechend den örtlichen Verhältnissen eingerichtete
Officin mit einem Vorrathsraume, in welchem auch
kleinere Arbeiten vorgenommen werden können.
§ 48. Sämmtliche Arzneimittel einer Zweig¬
apotheke müssen aus der Stammapotheke bezogen
werden, deren Vorstand für die Beschaffenheit und
Güte der Arzneimittel der Zweigapotheke verant¬
wortlich bleibt.
Für Krankenhaus-Apotheken, in welchen kein
approbirter Apotheker thätig ist, sowie für die ärzt¬
lichen Hausapotheken müssen sämmtliche Arznei¬
mittel aus einer Apotheke im Deutschen Reiche ent¬
nommen werden .
§ 49. Für ärztliche Hausapotheken ist in einem
besonderen tageshellen, nur für diesen Zweck zu
verwendenden Raume ein verschliessbarer Schrank
mit Fächern und Schiebekästen aufzustellen, welche
die vorschriftsmässige Absonderung der sehr vorsichtig
aufzubewahrenden Mittel ermöglichen; ausserdem
I müssen sich hier befinden: das erforderliche Arbeits-
6 *
Digitized by
Google
44
geräth an präcisirten Waagen und Gewichten,
Mörsern u. s. w., ein Arbeitstisch mit Schiebekästen, i
sowie ein Handdampfkocher mit Zinn- und Porzel- |
lan-Infundirbüchse.
Ebenso müssen das Arzneibuch, die geltende %
Arzneitaxe, die Bestimmungen über Hausapotheken,
das Belagbuch und ein Tagebuch zum Einträgen i
der Recepte nebst deren Taxpreisen, sowie die Ge¬
nehmigung zum Halten einer Hausapotheke und
die Betriebsvorschriften vorhanden sein.
Die Genehmigung zur Einrichtung einer Kranken¬
haus-Apotheke, sowie zum Halten einer ärztlichen
Hausapotheke wird von dem Regierungspräsidenten
auf Antrag nach Prüfung der Verhältnisse wider¬
ruflich ertheilt; derselbe stellt auch nach Anhörung
des Regierungs- und Medicinalraths das Verzeich- 1
niss der für eine ärztliche Hausapotheke zulässigen |
Arzneimittel fest.
E. Homöopathische Apotheken in Apotheken und
ärztliche homöopathische Hausapotheken.
§ 50. Wenn in Verbindung mit einer Apo¬
theke homöopathische Mittel in einem Schrank vor-
räthig gehalten werden, so ist diese Einrichtung
in einem besonderen, gut belichteten Raume auf¬
zustellen.
Handelt es sich nach dem Ermessen des Re¬
gierungspräsidenten um eine vollständige homöo¬
pathische Apotheke, so muss dieselbe in einem nur
für diesen Zweck zu verwendenden hellen Raume
ordnungsmäs8ig eingerichtet sein.
Die Urstoffe und Urtincturen, sowie Verreibungen
und Verdünnungen bis einschliesslich der dritten
Potenz müssen nach Maassgabe der Bestimmungen !
des Arzneibuchs über milde und vorsichtig aufzu¬
bewahrende Mittel (Tab. C) von einander getrennt
aufgestellt, die Gifte (Tab. B) mit Giftwaage und
Löffel in einem verschlossen zu haltenden, als
solches bezeiclineten Giftbehältniss verwahrt werden;
auch muss ein mit der Aufschrift „Gift“ oder |
,,Tab. B“ oder „Venena“ bezeichneter Mörser vor¬
handen sein. Die Farbe der Bezeichnung der Stand-
gefässe unterliegt den Bestimmungen für Apotheken.
Ein Arbeitstisch und Dispensirgeräthe sind stets
erforderlich.
Die ärztlichen homöopathischen Hausapotheken ,
müssen ebenfalls in einem lediglich diesem Zwecke i
dienenden, gut belichteten Raume aufgestellt sein.
Eine homöopathische Pharmakopoe und die gesetz¬
lichen Bestimmungen über homöopathische Haus¬
apotheken, sowie ärztliche Approbation und Ge¬
nehmigung zum Halten einer homöopathischen Haus¬
apotheke müssen vorhanden sein. Der Arzt hat in
seinem Krankentagebuch entsprechende Vermerke
über Menge, Inhalt und Taxpreise der abgegebenen !
Mittel zu machen. i
Schlussbestimmungen.
§ 51. Die Functionen, welche in diesen Vor¬
schriften dem Regierungspräsidenten zugewiesen
sind, werden innerhalb des der Zuständigkeit des
Polizeipräsidenten zu Berlin unterstellten Bezirks
von dem Letzteren ausgeübt.
§ 52. Alle diesen Vorschriften entgegenstehen¬
den Bestimmungen werden hierdurch aufgehoben.
Berlin, den 16. Dezember 1893.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und
Medicinalangelegenheiten.
Bosse.
Auszug
aus
Anweisung
zur amtlichen Besichtigung der Apotheken,
Zweig- (Filial-) Apotheken, Krankenhaus-Apo¬
theken (Dispensiranstalten) und ärztlichen
Hausapotheken.
§ 26. Homöopathische Abtheilungen in Apo¬
theken, sowie ärztliche homöopathische Hausapo¬
theken werden auf Grund der bisher bestehenden
Vorschriften und gemäss § 50 der Vorschriften
über Einrichtung und Betrieb der Apotheken etc.
besichtigt.
Berlin, den 16. Dezember 1893.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und
Medicinalangelegenheiten.
Bosse.
Glycerin und Stuhlverstopfungen.
In dem „Lancet“ äussert sich ein Praktiker über
die Wirkung von Glycerin in Klystier- und anderen
Anwendungsformen bei Stuhlverstopfung. Zur Ein¬
spritzung per Klystier hat er in der Regel für
Kinder 1 und für Erwachsene 2 Drachmen ge¬
braucht. — Der Erfolg trat gewöhnlich nach 15
Minuten, in seltneren Fällen nach *| 2 Stunde, in 2
(unter 100 Fällen) musste er die Einspritzung wieder¬
holen. Späterhin hat er diese Anwendungsform
aufgegeben und das Medicament mittels Supposi-
torien (Glyconien, Glyceroten) beigebracht, und zwar
mit ebenso gutem Erfolge. Diese kleinen Stuhl¬
zäpfchen sind schmerzlos und leicht, selbst von
Patienten, einzuführen. Wenn die Wirkung in
5—20 Minuten ausbleibt, so kann man ein zweites
einführen. — Sie verursachen niemals Leibweh. —
Verfasser empfiehlt sie besonders bei alten Leuten
mit chronischer Obstipation, wenn die verhärteten
Faeces in dem unteren Theil des Darmcanals an-
geliäuft sind, sowie auch bei schwangeren Frauen
Digitized by
Google
45
vor der Entbindung, um eine schnelle Entleerung
des Darmes zu bewirken. — Ref. ist von einer
praktischen Frau mitgetheilt worden, dass sie das ,
Glycerin einfach auf Watte geträufelt und so eine
Art Glycerin-Tampon sich hergestellt hat, der, in j
den Anus applicirt, seine Wirkung nicht verfehlte.
Wenn derartige palliative, äusserliche Hülfs- (
mittel von der homöopathischen Schule auf den
Index der verbotenen Dinge gesetzt sind, so bringt
das praktische Leben uns doch Fälle, namentlich
solche wie die oben näher angegebenen, wo wir
die mechanische Hülfe nicht gut entbehren kön¬
nen. — Wo es angeht, würden wir freilich immer
noch lieber vom Wasser in niederen Temperaturen
als vom Glycerin Gebrauch machen.
Vom BUchertisch.
The homoeopathio therapeutics of haemorrhoids
by W. Jefferson Guernsey, M. D. 2. Aufl. Phila¬
delphia, Möricke & Tafel.
Wir haben es in diesem Büchlein, das sich ho¬
möopathische Behandlung von Hämorrhoiden be¬
titelt, mit keiner langathmigen, zum tausendsten
Mal wiederholten theoretischen Abhandlung über
Entstehung und pathologisch-anatomische Verände¬
rungen u. dergl. zu thun. Der Verf. giebt uns viel¬
mehr eine Charakteristik der Arzneimittel, welche
eine besondere eigenartige Beziehung zu den Hä¬
morrhoiden laut unserer Prüfungen besitzen, spe-
cialisirt diese besonderen Beziehungen nach der ob-
jectiven und subjectiven Seite hin. Indem er dann
die einem jeden besprochenen Mittel zukommenden
allgemeinen Erscheinungen, der begleitenden Um¬
stände, die bessernden oder verschlimmernden Ein¬
flüsse hinzufügt, erhält man concrete Bilder nicht |
von Hämorrhoiden, sondern von Häm.-Kranken, i
Die in einem Repertorium alphabetisch zusammen- I
gestellten Krankheitszeichen, getrennt in subjective I
und objective, sowie auch zusammengefassten ver- j
bessernden oder verschlimmernden Umstände sind j
für den Praktiker von Werth. So z. B. die Aus- ,
breitung der Beschwerden vom Rectum nach ver- |
schiedenen Körpertheilen. So liefert uns der Verf.
ein gutes Hülfsbuch zum Nachschlagen und Stu- j
dium für die homöopathische Behandlung Hära.-
Kranker — ein Hülfsbuch, wie es sich eigentlich
ein Jeder selbst anfertigen sollte. Dass das hand¬
liche Buch bereits die zweite Auflage erlebt hat,
spricht schon für dasselbe. Dr. Mossa.
Die zeitweilig herrschenden Heilmittel.
Kukulus-Stettin schreibt am 20.IXII. 93.: In den
letzten Tagen des November fing die Heilgewalt
von = Apis (Kali carb. Bell.) allmählich zu
wanken an, dafür trat dann wieder = Euphras.
(Natr. mur. -f- Iris) als Grundmittel für die Influenza
in die Erscheinung. Nebenher gingen folgende Com-
binationen: = Arnic. (Acid. muriatic. -f- Lach.) bei
Husten („muss das Losgehustete herunterschlucken“),
Trigeminusneuralgieen; ferner Acid. muriatic. -f-
Nicot. oder -|- Coff. oder Hyosc.; mehrere Male
bei Tonsillitis = Jod (Acid. fluoric. Badiaga).
Dierkes-Paderborn hatte am 21.|XII. noch immer
Coccus cacti.
Schwarz-Baden-Baden theilt am 20.jXII. mit:
Im Sommer und Herbst keine constanten Schmerz¬
punkte; eine Masernepidemie geht zur Neige; seit
14 Tagen wieder Influenza, ziemlich mild: nicht
sehr hohes Fieber, Schmerzen und Abgeschlagen-
heit in allen Gelenken, Kopf- und besonders Nacken¬
schmerzen wie übermüdet, Rachenkatarrhe, Binde¬
hautkatarrhe, bei allen Fällen Bronchialkatarrh, ver-
• einzelt capilläre Bronchitis und katarrhalische Pneu¬
monie. Anfangs sehr constant = Euphras. (Natr.
mur. -f- Iris), vor einigen Tagen daneben = Rhus
tox. (Baryt, carb. -{- Iris) bei 3tägigem, dichtem
Nebel, -|-1 0 bis —2° Temperatur und Windstille;
gestern Abend bei aufsteigendem Nebel angedeutet
= Veratr. (137. 140.); heute früh ausschliess¬
lich = Veratr. bei Regen, SW.-Wind, Abends
Sturm. — Die Fälle von Rhus fingen an unter
Erscheinungen der Laryngitis crouposa, hier rasche
Besserung mit Fortschreiten auf die Trachea und
die Bronchien, wo an den tiefsten Stellen pneumo¬
nische Verdichtungen sich einstellten, die rasch
wieder verschwanden. — Heute scheint sich = Kali
bichromic. (Baryt carb. -j- Tone.) vorzubereiten bei
den Residuen früher erkrankter Influenzapatienten
mit schleimig-eitrigem Nasenkatarrh, Stirnhöhlen-
schmerz etc.
Kim-Pforzheim schreibt am 19. XII.: Seit dem
15. immermehr = Euphras. (Natr. mur. -(- Iris);
Krankenstand der höchste seit Jahren; (Influenza.
Ref.); — am 8.jl.: Mit gleichmässigerer Witterung
Influenza im Abnehmen; Kali nitric. ist vielfach an
Stelle von Natr. nitric. als Blutmittel bei der In¬
fluenza getreten; gebe meist Kal. nitric. -J- Hyosc.,
gegen Influenzaschlaflosigkeit Ignat., bei Nieren¬
katarrhen Lycop.; viel Hämorrhoidalbeschwerden als
Nachkrankheit; — am 15.1.: Seit dem 14. bei In¬
fluenza in zahlreichen Fällen 162. 185. = Kali
nitric. (?); sonst neu = Tartar, stib. (Natr. mur. -|-
Led.), hierbei meist schneeweisse Zunge, während
bei den früheren Fällen die Zunge auffallend rein
war; — am 17.|I.: Heute bei Influenza meist =
Euphras., welches nach mündlicher Mittheilung am
21. noch immer vorherrschte.
Stiegele-hier theilte mir am 9.JJL. mündlich mit,
dass er jetzt bei den Folgezuständen der Influenza
mit Nierenkatarrh Coccus cacti angezeigt finde (wie
Digitized by ^ooQie
46
er laut seiner letzten Mittheilung richtig vermuthet |
hatte, Ref.). Ein R&demacherianer im Norden |
Deutschlands habe bei sich Ferr. -|- Card. mar. als j
Heilmittel der Influenza verwendet. i
Ich-hier hatte noch bis zum 4.jl. (vom 30.|XI. !
93 ab) vorherrschend = Euphras. bei Influenza
und ihren Complicationen, wobei sich das Stärker-
werden und Nachlassen der Epidemie stets an die
Schwankungen in der Witterung zum Wärmer-
resp. Kälterwerden hielt. Daneben kamen (oft mit
= Euphras. zusammen) häufig folgende Combina-
tionen vor: = Nux vom. (Kal. jod. -j- Canthar.),
** Acid. phosphoric. (Baryt, carb. -|~ Lactuc. vir.),
= Rhus tox. (Kal. jod. Led.), bei Laryngit.,
Tracbeitis und alten Leuten = Kali carb. (Acid.
oxalic. -f- Bell.), = Tart. stib. (Natr. mur. -j- Led.), ]
= KaL bichrom., = Mercur., bei zahlreichen ent- j
zündlichen Processeu des Trommelfelles und Mittel¬
ohres = Euphras. = Pulsatill. (Hep. sulf. calc.
-(- Ra tanh.), bei Pericarditis, die nicht selten die
Influenza complicirte (mit rheumatischen, spannen¬
den Schmerzen in der Gegend der Herzspitze, des
linken musc. pectoral. maj. und der linken Schulter
als Hauptsymptom) =* Euphras. -|- Stib. arsenicos.
-|~ Sabadill., bei Rippenfell- und Lungenentzün¬
dungen, meist linksseitig, die häufig von Beginn
der Krankheit an die Influenza complicirten, aus¬
nahmslos = Euphras. = Bryon. (Kal. brom. -f-
Canthar.). Mit dem Eintritt der starken Kälte An¬
fang Januar liess die Zahl der Neuerkrankungen
sichtlich nach — vom 5.—17.1. war = Kal. carb.
häufig, vom 18.—20. noch einmal = Euphras. vor¬
herrschend und seit dem 21. (eigentlich schon dem
20. Nachm.) beherrscht = Coccus cacti die Situa¬
tion (Husten etwas krampfhaft, Auswurfj weiss¬
schaumig, meist fadenziehend), combinirt besonders
mit ~ Acid. phospli. und =* Euphras.
Sigmundt-Spaichinpen schreibt am 20.|I.: Bei
der hin und wieder auftretenden Influenza, auf¬
fallend häufig complicirt mit Pleuritis sicca, ist
Natr. nitric. -|- Card. mar. (R) das Hauptmittel.
Hufa-Hermhut theilt am 16.|XH. mit: Acute
Fälle sind fast ausschliesslich leichte Grippe mit
vorwiegender Affection des Kehlkopfs oder der
Bronchien, selteu der Lunge, auch einzelne leichte
Ohraffectionen; Charakter gutartig. Vorherrschend
blieb als Mittel Asar. europ. wechselnd -j- Tone,
oder -|~ Tabac. oder -[- Baryt., in letzter Zeit auch
-|- Acid. nitric. Auch bei chronischen Fällen trat
in letzter Zeit Baryt, im Allgemeinen mehr zurück;
dafür andere Constitutionsmittel: Calc., Acid. nitric.,
Kal. jod., Arsen.
Zum Schltisse bitte ich aämmtlichc Herren
Coüegen , mir güXipst ihre Erfahrungen über die
Influenza mitzutheilen , damit ich eine kleine lieber -
eicht zusammenstellen kann. Ich verspreche hiermit
feierlich, dass kein einziger Bericht in den Papier¬
korb wandert, was bei der vom Collegen Villers
veranstalteten Sammelforschung offenbar den meisten
Einsendungen widerfuhr.
Bis jetzt scheinen die Rademacherianer ziem¬
lich übereinstimmende Mittel gefunden zu haben;
die Schüler Weihe’s hatten, mit Ausnahme des Col¬
legen Hafa, wieder wie vor 4 Jahren = Euphras.
(Natr. mur. -}- Iris vers.) als Hauptmittel.
Stuttgart, den 24. Januar 1894.
Dr. med. H. Göhrum.
Quittung.
Für das „ Homöopathische Krankenhaus“ zu
Leipzig sind in der Zeit vom 7. Octl893bis 19. Jan.
1894 folgende Beiträge eingegangen:
Für den Betriebsfond. Mark
aus der Sammelbüchse bei Täschner & Co.,
Leipzig. 2.90
von Herrn Dr. med. Paul Lutze, Cöthen,
Jahresbeitrag pro 1892/93 . 100.—
vom Sächsisch-Anhalt. Verein, Jahresbei¬
träge pro 1892/93 und 93/94 ä 50 M. 100.—
,, Berliner Verein homöopath. Aerzte,
Jahresbeitrag pro 1893 .... 800.—
von Freifrau von der Malsburg, Cassel,
Jahresbeitrag pro 1892|93 . . . 30.—
vom Verein der homöopath. Aerzte Oester¬
reichs, Jahresbeitrag pro 1892(93 100.—
von Herrn Dr. med. Villers, Dresden*) . 26*96
„ Frau Rittergutsbesitzer Timmich, Wol¬
fersdorf . 3.—
,, Herrn Dr. med. Herrn. Fischer, West¬
end, pro 1894 . . . 1000.—
„ „ Wilh. Weymar, Mühlhausen,
Jahresbeitrag .... 100.—
„ ,, Prof. Kölsch 1 durch Frau Dr. Leun 1.60
„ Frau Hippe J in Büdingen 5.—
„ Herrn Dr. med. Kunkel, Kiel, Jahres¬
beitrag pro 1893)94 100.—
„ Prinzessin A. Bentheim - Tecklenburg,
Rudolstadt, Jahresbeitrag per 93(94 12.—
,, 18 Centralvereinsmitgliedern, Jahres¬
beiträge ä M. 6.— . . 108.—
Rmk. 1988.36
Mit bestem Danke quittire ich noch öffentlich
Namens des Curatoriums für diese gütigen Zuwen¬
dungen, und bitte auch fernerhin unserem Hause
gleiche Gesinnungen bewahren zu wollen.
Leipzig, den 19. Januar 1894.
Hochachtungsvollst
William Steinmetz, Apotheker,
z. Z. Kassenverwalter.
*) Mitarbeiterhonorar für die Allg. homöopath. Zeitung.
Digitized by
Google
47
Quittung.
Für die Untersttttzungskosse für Witt wen
homöopathischer Aerzte sind nachstehende Mit¬
arbeiterhonorare für die „Allgemeine homöopathi¬
sche Zeitung“ gütigst gestiftet worden:
Von Herrn Dr. med. Leeser, Bonn . . M. 13.60
„ „ Dr.med.C.Bojanus,sen.Samara „ 5.10
„ „ Dr. med. Finkb, Brooklyn . „ 4.—
„ „ Apotb. W. Steinmetz, Leipzig „ 7.70
,, „ Dr. med. Kirn, Pforzheim . „ 2.56
Rmk. 32.96
Ausserdem sind für diese Kasse im Rechnungs¬
jahre 1893|94 bis jetzt folgende Beiträge einge¬
gangen :
Von Herrn Dr. med. Mende-Ernst, Zürich,
pro 1892193 . M. 28.—
„ „ Dr. med. Streintz, Graz . . „ 3.84
„ „ Dr. med. Proell, Gastein . . „ —.63
Sammlung beim Festessen des Homöopath.
Central-Vereins Deutschlands am
10. August 1893 in Bonn „ 258.20
von Herrn Dr. med. von Erdberg, Riga,
pro 1892j93 . „ 20.—
Sammlung vom Säolis.-Anhalt Verein beim
Festessen in Leipzig am 9. Oct. 1893 „ 100.—
Latus M. 410.67
Transport
M.
410.67
t von
Herrn Dr. med. Villers, Dresden, pro
1893(94 . . .
n
14.—
i ”
„ Dr. med. Groos, Barmen, pro
1893(94 . . .
n
10.—
i ”
„ Dr. med. Knüppe), Magdebg.
pro 1893|94 i
n
10.—
n
„ Dr. med. Kunkel, Kiel, pro
1893|94 . . .
»
54.80
1 ”
I
„ Dr. med. Wugk, Königsberg
pro 1893|94
ri
20.—
1 ”
1
„ Dr. med. Herrn. Fischer, West-
eud ....
n
50.-
i von
i
27 Centralvereinsmitgliedern, Jahres¬
beiträge ä M. 8. — . . .
Yi
216.—
Rmk. 785.47
1 Für diese erfreulichen Beiträge sage ich meinen
I verbindlichsten Dank und bitte auch um fernere
I gütige Zuweisungen, denn die Ansprüche, die an
i diese Kasse gestellt werden, werden immer grössere,
| und wir brauchen noch mehr, um den Wittwen
homöopathischer Aerzte würdige Unterstützungen
I gewähren zu können.
• Leipzig, den 19. Januar 1894.
William Steinmetz, Apotheker,
z. Z. Kassenverwalter.
Anzeigen.
Aus dem Nachlasse eines schon vor längerer |
Zeit verstorbenen Collegen sind noch eine Anzahl
werthvoller älterer homöopathischer Werke vor¬
handen und damit jüngeren homöop. Aerzten Ge¬
legenheit geboten, für wenig Geld eine kleine
homöop. Bibliothek zu erwerben. Hierauf Reflecti-
rende wollen sich an den Centralvereinsbibliothekar
Herrn Guenther-Leipzig, Sidonienstr. 44, wendeu.
Dr. Lorbacher.
Zu verkaufen:
Allgemeine hom. Zeitung, Jahrgang 1833—93 ,
vollständig, gebd. in 120 Bd. um 75 M.
Dr. Hiraohel, Zeitschrift L hom. Klinik, 1852—77
vollständig, geb. in 22 Bd. um 35 M.
Archiv d. hom. Ueilkunst, eine Serie deutscher
Aerzte, 1822—90 in 20 Bd. nebst 2 Registern |
um 40 M.
Dr. Griesselich, Hygea, 1834—47 in 22 Bd. mit
Generalregister um 50 M.
Zeitschrift d. Berliner Vereins hom. Aerzte
1890—93 in 3 Bd. ungeb. 20 M.
Sämmtliche Werke befinden sich im besten Zu¬
stande. Gefl. Offerten an
Frau Dr. Eberle, Nürnberg, Maxplatz 7.
Günstige Offerte.
Prima deutscher und Ms. Cognac.
Durch directe und verwandtschaftliche Beziehungen mit
einem der ersten Häuser in Cognac bin ich in der Lage,
allen Freunden eines vorzüglichen, echten französischen
Cognaos eine zuverlässig echte und preiswerthe Waare
anzubieten:
Echt franz. Cognac * 1 Flac. M. S.50.
» » » 1 » >» 4.75.
» » » *** 1 >» m 6-50.
Alter deutscher Cognac 1 „ „ 2.50.
Bei 12 Flasehen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10°/. Rabatt.
Treuen i. Voigtl. Ernst Bauer,
Apotheker.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggraf s homöopath. Offlein
und
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Digitized by
Google
48
Im Verlage von A. MarggraPs homöopathischer
Offlein in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med, Faulwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf her vor heben.
Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielie Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'-
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
scheidennach allenSeiten des betreffendenMi tteis
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen ,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
piere8 usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Revisionsmässige Hausapotheken!
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt } wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift-Schränkchen
und
Separanden-Schränkchen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), dajnit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschiiessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefasse, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thiiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M.
Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0.
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weise zu signiren sind (siehe Rovisions-Ethjuetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬
chen jetzt auch iu einen Schrank vereinigt , vor-
räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilimgen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt auf bewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppclschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. MarggraPs Homöopath. Offlcin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Ixdpzig.
Druck von Julius Mtiser in Leipzig.
Band 128
Leipzig, den 15. Februar 1894.
No. 7 u. 8
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITEN«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Yerlag von William Steinmetz (A. Marggraf*s homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint Utftgig zu2Bogen. 13Doppelnnmmem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Bachhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No.97desPost-Zeitung8-Verzeiohni8ses(prol8a2).— Inserate, welche an Haasenstein AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Äf. berechnet.
Inhalt. Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier-Mainz. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-
Hamburg. (Fortsetzung.) — Ein merkwürdiger Fall von doppeltem und excentrischem Sehen, durch 2 Gaben Sulfur
geheilt. Von Dr. med. Th. Skinner-London. — Einladung zum hygienischen Congrets in Budapest. — Lesefrüchte. —
Zur Berichtigung. — Professor von Zlatarowich. — Eingesandt. — Paralysis nervi oculomotorii.
Druckfehler-Berichtigung. — Personalia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Nachprüfung von Vinca minor.
Referent: Dr. Schier, Mainz.
Auf die beiden Aufforderungen zur Wiederauf¬
nahme von Arzneiprüfungen, welche ich am 20. Juli
und 12. Octoher in dieser Zeitung erliess, meldeten
sich 2 Damen und 8 Collegen zur Theilnahme,
nämlich Frau Dr. Haedicke, Frau Dr. Schier, die
Herren stud, med. E. in Leipzig und F. in München,
deren vollständige Namen zunächst nicht veröffent¬
licht werden, damit nicht ev. irgend ein von Wuth
gegen die Homöopathie befallener Universitäts¬
professor den Herren im Examen den Dank ab-
stattet für den Eifer, den sie bekundeten, und die
Mühe, deren sie sich im Interesse der guten Sache
unterzogen. Der Redaction ist der volle Name
dieser beiden Herren bekannt. Die übrigen theil-
nehmenden Collegen sind: Dr. Baltzer in Stettin,
Dierkes in Paderborn, Grünewald in Frankfurt a. M.,
Haedicke in Leipzig, Roth und Stumpf in Mainz;
der letztere College war wegen der hier in weitem
Umfange aufgetretenen Influenza nicht im Stande,
an der Prüfung des 1. Mittels sich zu betheiligen;
es resultirten also hierfür in Summa mit mir zehn
Prüfungspersonen.
Allen Theilnehmem sage ich hiermit meiner¬
seits herzlichsten Dank und glaube auch im Namen
derselben die Hoffnung aussprechen zu dürfen, dass
unser Unternehmen, bei dessen Durchführung uns
die Arbeiten der österreichischen Collegen zum Vor¬
bild dienen, nachhaltige Unterstützung finden möge
bei allen jenen Collegen, welche über die Aufgaben
und die Bedürfnisse der Homöopathie mit sich im
Klaren sind, wenn auch manche aus irgendwelchen
wichtigen Gründen an den Prüfungen selbst nicht
mitthun können. Wir beabsichtigen ungeprüfte
Mittel abwechselnd mit solchen, die oberflächlich
bereits bekannt sind, zu untersuchen, hei deren
Auswahl auf die Bedürfnisse der Praxis möglichst
Rücksicht genommen werden soll durch Ausfüllen
von Lücken in unserer Arzneimittellehre. Diesbe¬
zügliche Wünsche der Tlieilnehmer sowohl als
sonstige Vorschläge werden gern so weit als mög¬
lich berücksichtigt. Von der Nachprüfung von
Armoracia, welche College Schlegel vorschlug, muss
zunächst Abstand genommen werden, weil die im
17. Bande des Archivs mitgetheilten Ergebnisse
einer früheren Prüfung ausserordentlich minim und
wenig ermunternd sind.
Jeder College, der sich jetzt noch meldet, ist
hochwillkommen! Möge sich Niemand abhalten
lassen durch die Rücksicht auf die Erwägung, dass
er durch Theilnahme an unsem Prüfungen etwa
schon die Anerkennung meiner Hypothese, an
welcher ihm dies oder jenes nicht passt, bekunde;
so lieb es mir im Interesse der Wahrheit ist, wenn
7
Digitized by
Google
50
diejenigen, welche meine Hypothese in ihrer Tota¬
lität oder doch den einen oder andern Punkt wider¬
legen zu können glauben, dies hier öffentlich $h^n,
so erkläre ich doch hiermit, dass ich in der Theil-
nahme an den Arzneiprüfungen nichts weiter sehe,
als das Bekunden eines hohen Interesses an der
Vervollkommnung unserer Arzneimittellehre. Daran, .
dass nur einheimische Pflanzen geprüft werden,
wird sich schwerlich Jemand' siosserf, dem es mit
der Weiterbildung der Lehre Hahnemanns Ernst
ist; es kann ja doch Niemand bezweifeln, dass
unsere Volksmedicin noch einen gewaltigen Schatz
von Heilmitteln birgt, den es sich wahrlich lohnt
mit dem Lichte des Aelmlichkeitsgesetzes zum
Besten der Menschheit nutzbar zu machen. Wenn
das Gros namentlich der jungen Homöopathen nur
einen kleinen Theil des idealen Eifers bekundete,
welchen unser allverehrter College Lorbacher trotz
seines beträchtlichen Alters und ohne selbstgefälligen
Hinweis auf alles das, was er bereits für die gute
Sache gethan, auch jetzt noch für unser Streben
beweist, indem er uns mit seinem bewährten, stets
dankbar angenommenen Rath hilfreich zur Seite
stand, so hätten nicht 10, es hätten mindestens
100 Theilnehmer sich gemeldet, und durch gleich¬
zeitige Prüfung mehrererMittel.es uns ermöglicht,
em gutes Stück in der Arbeit vorwärts zu kommen.
Gelingen wird unser Vorhaben auch so, wenn nur
die bisherigen Theilnehmer der Sache treu bleiben
und vielleicht der eine oder andere noch von der
bis jetzt indifferenten Schaar der Collegen uns sich
anschliesst. Möge sich keiner von den Prüfern die
Mühe, welche er auf sich genommen, verdriessen
lassen, keiner auch die mannigfachen Fragen und
Monitorien, welche zum Zustandebringen eines
brauchbaren Resultats nothwendig und, vielleicht im
Gegensatz zu manchem Punkte meiner allgemeinen
Veröffentlichungen, selbstverständlich in durchaus
entgegenkommendem Tone gehalten sind, in allzu
pessimistischem Lichte betrachten; jeder Prüfer hat
auch persönlichen Vortheil von seiner Arbeit, denn
daJt Mittel, welches er selbst mit Erfolg geprüft
hat, kennt er gewiss und für immer.
Als ideal ausgebildet, wenigstens der Tiefe nach,
wäre unsere Arzneimittellehre wohl dann zu be¬
trachten, wenn etwa in einem künftigen Examen
der Candidat in der Lage wäre, das von ihm —
quasi unter Clausur — nachzuprütende Mittel mit
►Sicherheit aus den gefundenen Symptomen zu dia-
gnosticiren; der Mann könnte wohl von sich sagen,
dass er seine Arzneimittellehre beherrsche und zum
Wohl seiner Kranken positiv zu wirken verstehe.
Obgleich dieses hohe Ziel niemals in der wünschens-
werthen Ausdehnung zu erreichen sein wird, schon
aus dem Grunde, weil eben bei manchem Prüfer
die charakteristischen Erscheinungen gar nicht in
der zur Diagnose nöthigen Vollständigkeit auftreten,
so ist doch wohl hierin ein Massstab . vorhanden,
an welchem jeder Prüfer genau zu messen vermag,
in wie weit seine Prüfung vollständig und für die
Praxis brauchbar sei; wie denn auch jeder homöo¬
pathische Arzt hiernach genau wird beurtheilen
können, ob er die Arzneimittellehre genügend be¬
herrscht. Sollte aber unter den zur Zeit lebenden
Homöopathen einer oder der andere sich finden, der
eine Weiterbildung bez. Vertiefung unserer Kunst,
die eben nur durch eine gewisse naturgemässe Ein¬
schränkung der anzuwendenden Mittel zu erreichen
ist, für upnöthig halten wollte, so möge er durch das
Anstellen des obigen Experimentum crucis uns von
der Vollkommenheit seiner Kenntnisse überzeugen!
Damit wir uns in die Art und Weise des Prü¬
fens überhaupt einarbeiteten, musste zuerst die
Nachprüfung eines Mittels vorgenommen werden;
an dem, was erfahrene Collegen vor uns constatirt,
haben wir den besten Massstab zur Beurtheilung,
was von unsern Symptomen auf Rechnung des
Mittels zu setzen, was andererseits für suggestiv
zu halten sei. Ganz ausschliessen lässt sich ja die
Suggestion bei Arzneiprüfungen niemals; immerhin
glaube ich sie auf ein Minimum beschränkt zu
haben durch die Geheimhaltung des Namens un¬
seres Prüfungsmittels, der in der That allen Prü¬
fern, ausser mir selbst, unbekannt war.
Der bisherige Mangel eines pflanzlichen Mittels
gegen Diphtherie sowie die bezügl. Erfolge mit
unserer Pflanze Seitens einer heilkundigen Münchener
Apothekerswittwe, über welche uns u. A. schon
College Moeser in Nr. 7(8 des 126. Bandes dieser
Zeitung Genaueres mittheilte, waren die nächste
Veranlassung zur Wahl der Vinca minor. Die
Pflanze kommt recht häufig vor in Mitteldeutsch¬
land, wird aber doch dem grössten Theile der Col¬
legen unbekannt sein, da unser ganzer theoretischer
Bildungsgang es mit sich bringt, dass wir bezüg¬
lich der practischen Pflanzenkenntniss mit dem un¬
gebildetsten Landbauern es kaum aufnehmen können.
Dafür ist aber das 2. Prüfungsmittel die Essenz
einer um so bekannteren Frühjahrspflanze! Vinca
minor war bereits von 5 Personen geprüft und die
Resultate jener Prüfung sind im 17. Bande des
neuen Archivs für die homöopathische Heilkunst
(Leipzig 1838) durch Dr. H. Rosenberg veröffent¬
licht worden; eine Zusammenstellung der Resultate
findet sich auch in Noak und Trink’s Arzneimittel¬
lehre sowie in Heinigke’s Handbuch. Die botanische
Beschreibung der Pflanze hat schon College Moeser 1. c.
gegeben. Ich kann daher hier die Berichte der
einzelnen Prüfer folgen lassen und bemerke nur
noch, dass die Versuche mit der Essenz des Mittels,
aus der Officin des Herrn Verlegers dieser Zeitung
entnommen, angestellt wurden.
Digitized by
Google
5t
I. Frau Dr. HaediCkO in Leipzig. Personalia
vacant.
Kahm am 23. u. 24. Nov. je 10 Tropfen Abends
in Wasser, am 25. u. 26. Nov. je 20 Tropfen, am |
27., 28., 29. Nov., 1., 2. u. 3. Dec. je 30 Tropfen und |
erkrankte am 27. Nov. an Halsschmerzen, Schluck- j
beschwerden, leichtere Mandelentzündung, was sich
ohne Medicamente in einigen Tagen verlor.
College Haedicke ist der Meinung, diese Symp- j
tome seiner Frau Gemahlin auf Rechnung der da- j
mals weitverbreiteten Influenza setzen zu müssen. '
Die mehr oder weniger grosse Berechtigung dieser
Annahme lässt sich wohl nur bei Berücksichtigung
der Symptome der übrigen Prüfer taxiren.
I
H. Frau Dr. Schior in Mainz, 26 J. alt, von |
mittelmässig kräftiger Constitution; Körpergewicht |
52 Kilogr., Grösse 1.60 m, Temperament sangui¬
nisch, leidet zeitweilig an Herzklopfen und Migräne,
letztere meist Morgens beginnend und beim Ein¬
schlafen Abends aufhörend; mit 6 Jahren über¬
stand sie eine Lungenentzündung und Keuchhusten,
mit 17 Jahren einen Anfall von Diphtherie, im
Sommer 1893 einen mehrwöchentlichen Dickdarm¬
katarrh. Die Lebensgewohnheiten sind sehr regel¬
mässig; schläft von 10 —6 Uhr, hat jeden Morgen
Stuhl. Gesichtsfarbe blühend, Augen und Haare
braun, Allgemeinbefinden gesund.
Nimmt am 28. Sept. Vorm. 10 Uhr 5 Tropfen
der Essenz — wie auch später in 1 Esslöffel Wasser:
Nachmittags Uhr bei einem Spaziergange
Trockenheitsgefühl in Pharynx und Nase, leichtes
Brennen und Kratzen „wie bei Halsentzündung,“
anhaltend bis 7 Uhr Abends, allmählich schwächer
werdend.
Am 29. Sept. Vorm. 8 1 !* Uhr 5 Tropfen: Mor¬
gens 10 ^ Uhr Trockenheitsgefühl bloss rechts
im Rachen und Nasenrachenraum.
Am 30. Sept. Vorm. 9^ Uhr 10 Tropfen: Am
Abend des 1. Oct. starkes Jucken im ganzen
Rücken.
Am 2. Oct. Vorm. 9 Uhr 15 Tropfen: Abends
sowie auch an den folgenden Tagen starkes Jucken
und Beissen am Kreuz.
Am 4. Oct. Vorm. 11 Uhr 20 Tropfen: Nachm.
3 1 Uhr Durchfall mit Schwächegefühl im Unter¬
leib, Uebelkeit, Knurren; 5 1 | 2 Uhr Uebelkeit mit
Neigung zu Durchfall, der aber aus äusseren Grün¬
den nicht nachgegeben werden kann, Uhr ge¬
lindes Halsweh rechterseits beim Schlingen.
Am 5. Oct. Vorm. 10 Uhr 20 Tropfen: Gleich
nach dem Einnehmen Gefühl von Trockenheit auf
der Zunge, wie wenn dieselbe mit einem Tuche
abgewischt würde; 11 Uhr Spannen der Stirn- und
Kopfhaut, Brennen der Augen, dumpfes Kopfweh.
Brennen des Naseninnern. Kopfweh lässt nach um j
1 Uhr. 3 Uhr Gefühl von Trockenheit, Brennen
im Nasenrachenraum, vorwiegend rechts, Nachlass
gegen 7 Uhr. Am 8 . Oct. Beginn der Regel,
welche erheblich stärker ist als gewöhnlich; dabei
abnorme Empfindlichkeit gegen saure Speisen,
welche Durchfall nebst Bauchgrimmen hervorrufen.
Am 11. Oct. sehr starker Blutverlust, so dass sie
sich äusserst schwach fühlt und einer Ohnmacht
nahe ist. Während der folgenden Tage Jucken
und Beissen auf der Haut, zumal des Rückens.
Am 14. Oct Vorm. 9 Uhr 20 Tropfen: Nachm.
1 Uhr dumpfer Kopfschmerz in Stirn und Schläfe,
Jucken auf der Haut des Rückens, beides anhal¬
tend bis Abends 9 Uhr. Am 15. Oct. von 4 —6
Uhr Nachm. Reissen an der Ulnarseite des rechten
Vorderarms bis in die Spitze des kleinen Fingers.
Am 16. Oct. Vorm. 9 Uhr 30 Tropfen: Um
12 Uhr sog. Flugfeuer auf der rechten Wange;
sonst keine merklichen Erscheinungen bis Abends
8*2 Uhr: binnen 1 | 4 Stunde zweimal hintereinander
wässeriger Durchfall mit Kneipen oberhalb des
Nabels und Brennen äm Anus; das Kneipen ver¬
schwindet erst gegen 10 Uhr. Nachts unruhige,
schwere Träume. Am 16., 17. u. 18. Oct. Jucken
auf der Haut, besonders des Rückens zwischen den
Schulterblättern, wo kleine Pustelchen sich bilden.
Nachts schwere Träume.
Am 20. Oct. Vorm. 8 8 | 4 Uhr 40 Tropfen: Um
10 ^3 Uhr Vorm. Kopfweh in der Stirn, Druck im
Vorderkopfe, nachlassend gegen 2 Uhr. Um 1 Uhr
Schwindel vor den Augen, als ob die Gegenstände,
das Zimmer etc. sich drehten. Um 2 Uhr Flug¬
feuer auf der linken Wange mit 5 -Pfennigstüek
grossem, weissem Flecke, 5 Minuten später auch auf
der rechten Wange. Nachts schwere Träume.
21. Oct. Trockenheitsgefühl im Rachen rechter¬
seits. Am 22. Oct. Brennen der Haut zumal des
Gesichts mit Aufschiessen von hanfkorngrossen
Efflorescenzen auf rothcm Untergrund am Kinn und
auf den Wangen, Flugfeuer. Nachmittags zwischen
3 und 4 Uhr J | 4 Stunde anhaltendes schmerzhaftes
Schlucken rechterseits. 23. Oct. Morgens Flug¬
feuer und Brennen der Haut der Unterlippe. Auf¬
fallendes Strecken und Dehnen. 24. Oct. Zunahme
des Ausschlags an der Unterlippe. Nachm, zwischen
3 und 4 Uhr Druck und Kopfweh in der Stirn¬
gegend. Abends und Nachts Jucken und Beissen
im Kreuz und auf dem Rücken. 25. Oct. abnorm
starkes Strecken und Gähnen. 26. Oct. dito.
Abends Jucken auf dem Rücken mit nachfolgen¬
dem Kältegefühl. In den folgenden Tagen Aus¬
schlag um die Mundwinkel, brennend, nach 2 Tagen
verheilt; Aufspringen, Trockenheit und Wundsein der
Lippen, 8 Tage dauernd; Reissen im linken Ober¬
schenkel an der Aussenseite von der Hüfte bis ans
Knie, ebenso in den grossen Zehen beider Füsse
7*
Digitized by
Google
52
und in den Fingerspitzen, Druckempfindlichkeit der
Nägel, als ob das Nagelbett entzündet wäre. Trüb¬
sein vor den Augen; vom 4.— 9. Nov. nächtliches
Schwitzen gegen Morgen. Am 9. Nov. Eintritt der
Regel, welche nicht länger dauert, aber viel stärker
als sonst ist; Abgang von Klumpen fest geronnenen
Blutes „halb so gross wie Hühnereier,“ dabei ausser¬
ordentliche Schwäche, Neigung zu Ohnmacht und
Frost. Nachträglich bemerkt die Prüferin noch,
dass sie seit dem Einnehmen der ersten Dosis jede
Nacht durch erfolgreichen Drang zum Urinlassen
aufgeweckt wird, was sonst nicht der Fall war.
Reissen in den Fingern am 12. Nov.
Am 18. Nov. Vorm. 10 8 | 4 Uhr 5 Tropfen der
2. D.-P.: Nachm. 1 Uhr Kitzeln im rechten Gehör¬
gang, Neigung zum Kratzen, darnach starkes
Brennen durch 10 Minuten. 19. Nov. Vormittags
8 Uhr beim Frühstück Schmerzen am Gaumen von
vorne bis hinten, als ob er schwürig wäre; Trocken¬
heitsgefühl im hinteren Nasenraum, Leerheitsgefühl
im Rachen, als ob alles hohl, „herausgerissen“
wäre, rothe Bläschen auf der Zunge, Ungeschick¬
lichkeit beim Schlingen, Gefühl, als ob die Rachen¬
wand unendlich lang wäre und der Bissen gar
nicht in die Speiseröhre, gelangen könne; der
Schmerz im Gaumen verschwindet nach l 1 ^ Stun¬
den; das Trockenheits- und Leeregefühl im Rachen
dauert bis zum Einschlafen. Die Bläschen auf der
Zunge kratzend bis Abends. Vormittags 9 Uhr
Durchfall. Am 20. Nov. Vorm. 7 J j a Uhr beim
Essen Schmerz am Gaumen und Ungeschicklichkeit
beim Schlucken, Leeregefühl im Rachen wie gestern.
Vorm. 9 Uhr dünnflüssiger Stuhlgang. Abends
Ö 1 !* Uhr Lähmungsgefühl im rechten Vorderarm
bis in die Fingerspitzen, schmerzhaft wie nach
Uebermüdung, kann kaum den Mantel ausziehen;
dabei Kriebeln in den Fingerspitzen wie von
Ameisen resp. als ob der Arm „einschlafen“ wolle.
Die rechte Hand ist kalt, die linke warm wie ge¬
wöhnlich, 21. Nov. Abends Kälte der Füsse bis in
die Knöchel; 22.Nov.Vorm.6 J | a — 7 Uhr Beschwerden
im Rachen beim Schlucken, linkerseits; Mittags zeigt
sich an Kinn und Unterlippe juckender Ausschlag;
Nachm, zwischen 2 und 3 Uhr kalte Füsse.
Die in diesen Tagen einsetzende Influeuzaepi-
demie, von der die Prüferin übrigens # verschont
blieb, Hess ein weiteres Fortsetzen der Prüfung
nicht räthlich erscheinen.
in. Georg E. in Leipzig, stud. med., 19 1 * j.,
Körpergewicht 84 Kilo, Grösse 1.62 m, Tempera¬
ment phlegmatisch; zuweilen nervös und aufgeregt,
Pulsfrequenz 72, Schlaf 8 Stunden ohne Unter¬
brechung, selten mit Träumen, Stuhlgang normal
einmal täglich, Gesichtsfarbe gesund, Haare blond,
Alcoholgenuss gering; leidet zuweilen an Ausschlägen
und Magenindisposition, alle 6 Wochen ungefähr
an Migräne, die zuweilen mit Erbrechen verbun¬
den ist
Das Mittel wurde stets nüohtern genommen.
Am 3L Oct. Vorm. 7 Uhr 5 Tropfen: Um
10 Uhr Glieder wie zerschlagen, grosse Müdig¬
keit; die Augen werden nur mit Mühe offen ge¬
halten, Unlust zur Arbeit. Nachmittags plötzhcher,
nicht lange andauernder, ziehender, rheumatischer
Schmerz im rechten Oberarm, dann im linken Vor¬
derarm und Hand. Gefühl von Beklemmung auf
der Brust. Zittern von Kopf und Thorax.
Am 1. Nov. Vorm. 6 Uhr 10 Tropfen: l \ % Stunde
später Schmerz in Arm und Fuss abwechselnd.
Abends plötzHche starke Heiserkeit mit Kitzel im
harten Gaumen. Zerschlagenheit der Glieder, na-
mentlicli im Rücken und in der Wade.
Am 3. Nov. Vorm. 8 Uhr 20 Tropfen: Keine
Erscheinungen.
Am 6. Nov. Vorm. 8 Uhr 30 Tropfen: Um
8 | 4 9 Uhr momentaner Schmerz im Oberschenkel.
Nachmittags Schmerz der Schultermuskulatur. Abends
rheumatischer Schmerz der Nackenmuskeln. Allge¬
meines undefinirbares Uebelbefinden. Am 7. Nov.
Abends derselbe Schmerz im Rücken, sowie Schwäche
des Armes, das Schreiben behindernd.
Am 8. Nov. Vorm. 8 Uhr 50 Tropfen: Schmerzen
in fast sämmtHchen Muskeln, besonders im Nacken,
so dass der Kopf nur schwer gedreht werden kann,
den ganzen Tag andauernd. Ausserdem Schmerz
in der rechten Brustseite. Kalte Hände und Füsse.
Am 9. Nov. derselbe Zustand.
Am 10. Nov. Vorm. 8 Uhr 60 Tropfen: Schmerz
in verschiedenen Muskeln; Kältegefühl bei hoher
Zimmertemperatur. Abends völlige Steifheit der
Phalangen. Angst, zu viel Medicin genommen zu
haben. Brustschmerz.
Am 12. Nov. Vorm. 8 Uhr 80 Tropfen: Keine
Erscheinungen.
Am 14. Nov. Vorm. 6 ] | 2 Uhr 100 Tropfen: Nach¬
mittags Schmerz in der Wade. Hüfte und Bein
wie gelähmt, obere Extremität und Rücken wie
zerschlagen. Am 19. Nov. heftiger Kopfschmerz
und Uebelkeit (vielleicht zufällig). Jucken am Arm
ohne sichtbare Ursache, sehr heftig, kurz dauernd,
durch Kratzen nicht gebessert. Ebenso am 20. Nov.,
auch ziehender Schmerz in Oberschenkel und Unter¬
arm.
Am 2L Nov. Vorm. 8 8 | 4 Uhr 150 Tropfen: Um
10 ^ Uhr beginnender heftiger ziehender Schmerz
in sämmtHchen Extremitäten, den ganzen Tag
dauernd. Jucken wie früher. Am 22. Nov. des¬
gleichen, nur schwächer.
Von 5—150 Tropfen der 30. D.-P., welche
l Herr E. in der Zeit vom 15. Dec. 1893 bis 13. Jan.
I 1894 versuchte, verspürte er keinerlei Erschei-
Digitized by ^.ooQle
53
nungen. Am 13. Jan. schreibt derselbe: „Bei der
Prüfung der Urtinctur, aber erst bei den grossen
Dosen, empfand ich ein eigenthümliches Jucken der
Haut. Von Gemüthssymptomen kann ich nichts
auführen, da erstens die Zeit im November und
December mir grosse Aufregungen brachte und ich
iii der letzten Zeit durch die grosse Arbeitslast
für das Tentamen physicum nur eine grosse Ab¬
spannung empfinde, die ich aber ausschliesslich der
Arbeit zuschreibe.
IV. Heinrich F., stud. med. in München, 24 J.,
von kräftiger Constitution, Körpergewicht 76 Kilo,
Grösse 1.62 m; Temperament sanguinisch, Neigung
zu reichlicher Aknebildung am ganzen Körper, über¬
stand Masern und Keuchhusten; Lebensgewohn¬
heiten regelmässig; schläft von 10—7 Uhr; Stuhl¬
gang jeden Abend, Gesichtsfarbe blass, Haare braun,
Augen blau, Allgemeinbefinden normal.
Nimmt am 1., 2., 3., 5., 6 u. 7. Oot. je 5 Tropfen
und constatirt in den ersten Tagen eine vermehrte
Speichelabsonderung. Vom 8.—12. Oct. incl. nimmt
er je 10 Tropfen; es entwickelt sich ein grosser
Furunkel im Nacken, der am 9. Oct. zu eitern be¬
ginnt und reichlich secernirt bis 12. Oct., dann
vernarbt.
Am 15. u. 16. Oot. je 15, am 17. Oot. 20, am
18., 19., 20. u. 21. Oct. je 25 Tropfen. Es stellen
sich am 18. Oct. Beschwerden beim Schlucken ein,
besonders auf der linken Seite, die am 20. Oct.
unter Röthung und Schwellung der Tonsillen und
Uvula auch die rechte Seite ergreifen; am 21. Oct
Abends 9 Uhr Schüttelfrost, Nachts imruhiger
Schlaf, Scliweiss besonders gegen Morgen. Am
22. Oct. desgleichen; am 23. Oct. Fieber, diphthe-
ritischer Belag auf den Tonsillen und heftige
Schluckbeschwerden; in den folgenden Tagen lassen
die Erscheinungen allmählich nach.
Während der ganzen Prüfungszeit besteht eine
ausserordentlich melancholische Gemüthsstimmung,
ferner verschwinden die Aknepusteln, die jahrelang
vorher constant vorhanden gewesen. Auf specielle
Anfrage theilt Herr F. mit, dass er zwar früher
schon als Folge von Erkältung an Schluckbeschwer¬
den, verbunden mit Schnupfen, gelitten, dass diese
Erscheinungen aber in keiner Weise mit der In¬
tensität der Prüfungsdiphtherie vergleichbar ge¬
wesen seien.
Die im Deoember 1893 vorgenommene Prüfung
der 3. D.-P. ergab keine Resultate.
V. Dr. M. Baitzer in Stettin, 27 J., von kräf¬
tiger Constitution, starkem Knochenbau; Körper¬
gewicht 70 Kilo, Grösse 1.70 in, Temperament
ruhig, Gesichtsfarbe blühend, Haare blond, Augen
blau. Litt im Winter 1889190 2 Wochen an In¬
fluenza, im 12. Lebensjahre an schwerer Diphtherie,
sonst stets gesund. Lebensgewohnheiten regel¬
mässig, Schlaf von 11—6 Uhr fest, selten mit
Träumen, Stuhlgang täglich einmal Morgens.
Nahm am 28. Sept. 3 Tropfen, am 29. Sept.
6 Tropfen und am 3. Oct. 12 Tropfen des Prüfungs¬
mittels in \ Theelöffel Wasser, ohne eine Aende-
rung in seinem Befinden zu bemerken; auf 18Tropfen,
die er am 4. Oct. Vorm. 10 Uhr ohne Wasserzu¬
satz nahm, musste er gegen seine Gewohnheit gleich
nach Tisch um V\ 2 Uhr, dann um 2 J | 4 und 2 J j 2
Uhr jedesmal eine grosse Menge Urin lassen.
Am 6. Oct. versuchte er es mit 20, am 8. Oct.
mit 26, am 13. Oct. mit 30, am 26. Oct. mit 20,
am 27. Oct mit 50, am 28. Oct. mit 80, am 1. Nov.
mit 100, am 2. Nov. mit 150 und am 3. Nov. mit
200 Tropfen des Mittels, ohne irgend ein Symptom
bez. Aenderung in seinem Gesundheitszustand con-
statiren zu können.
Am 14. Nov. nahm er 10 Tropfen der 6. C.-P.,
am 24. Nov. 10 Tropfen der 10. C.-P., desgleichen
am 1. Deo. dieselbe Dosis, wiederum ohne Erfolg,
jedoch hatte der Prüfer sowohl bei der 6. als bei
der 10. C.-P. noch deutlich „den unangenehmen,
widerlichen Geschmack der Essenz.“ Zwischen
dem 15. und 24. Nov. litt derselbe an zweitägigem
Fieber, Gliederschmerzen, starkem Husten mit Hei¬
serkeit und Halsschmerzen, Symptome, die er einem
Anfall der damals epidemisch in Stettin herrschen¬
den Influenza, nicht aber dem Prüfungsmittel zu¬
schreibt
Obgleich also College Baitzer mit nichts weniger
als „zimperlichen“ Dosen operirte, ist für ihn bei
der ganzen Prüfung sozusagen gar nichts heraus¬
gekommen; die vermehrte Urinsecretion haben zwar
auch einige andere Prüfer aufzuweisen, da indessen
dieselbe nur am 1. Tage sich zeigte, ist die Wahr¬
scheinlichkeit, dass sie durch das Prüfungsmittel
hervorgerufen sei, eine sehr minimale.
VI. Dr. Dierk68, Paderborn, 36 J., Körper¬
gewicht 91 Kilo, Grösse 1.77 m, Temperament
„aufgeregt, oft schnell handelnd nach augenblick¬
licher Eingebung.“ Geistige Getränke verträgt er
nicht, desgleichen muss er im Tabakgenuss sehr
massig sein. Vor 3 Jahren überstand er fc einen
Lungenkatarrh, der nun völlig ausgeheilt ist; im
Sommer 1893 litt er an einer Irritation des Plexus lum-
balis, von der zur Zeit der Prüfung nur eine ge¬
wisse Steifheit noch zu bemerken ist. Leber und
Nieren scheinen auch zeitweise in Unordnung zu
sein. Stuhlgang täglich einmal, Morgens, selten
auch Abends einmal, Durchfall sehr selten.
Die Prüfung begann er am 1. Oot. 1893; Status
praesens: Conjunctivitis palpebr. oculi dextr., rheu¬
matische Schmerzen in allen Gelenken der unteren
Digitized by k^ooQle
54
Extremitäten, schlimmer nach der Ruhe. Zunge
schwach bläulichroth mit hellrothen Papill. filiform.,
Puls 90. Um 11 Uhr Vorm. 7 Tropfen der Essenz
in wenig destülirtem Wasser: Geschmack bitter
aromatisch mit adstring. Gefühl auf Zungenwurzel
und Schlund. 10 Min. später etwas duselig, wie
nach Genuss schwachen Alkohols. 11 Uhr 20 Min.:
adstring. Geschmack verliert sich, schwache Schmerzen
der linken Ohrmuschel, dann auch der rechten Ohr¬
muschel.
Um 12 Uhr wiederum 7 Tropfen: Geschmack
wie vorhin; 12 Uhr 20 Min. steigende Eingenom¬
menheit in der Stirn, mehr Druck auf den Augen
(Conjunctivitis!), 1 Uhr 30 Min. Druck auf dem
Herzen.
1 Uhr 30 Min. 8 Tropfen: Die gewohnte Ci¬
garre während der um 8 Uhr stattfindenden Reise
nach L. schmeckt nicht; 6 Uhr Abends: Reich¬
licher Stuhl, prasselnd, ziemlich flüssig. Reiz in
der Harnröhre und Druck auf den After. Bei der
Rückfahrt um 8 Uhr einsilbig; Uebelkeit, Cigarre
schmeckt nicht. Um 9 Uhr Stuhl reichlich, wässerig.
Am 2. Oct.: Nach guter Nacht Schweiss nach dem
Erwachen, Drang zum Stuhl, Kollern im Leibe,
beim Aufstehen 7*| 4 Uhr Schmerz im linken Felsen¬
bein beim Auftreten, Kopfweh über der linken
Schläfe und höher und mehr nach vorn, schlimmer
beim Bücken. 7^ Uhr: Eiliger Stuhl, dünn,
schaumig mit einzelnen härteren, scheinbar älteren
Kotlimassen, beim Stuhl sehr viel Ham, trotzdem
Abends zuvor nur 1 | 8 Liter Milchkaffee genossen.
Puls 96, sehr aufgeregt, fieberhaft. Stimmung ver-
driesslich, „verkehrt“. 8 Uhr: Stuhl dito, vorher
Poltern und Kollern im Leibe und einmal quer
durch den Nabel — wie ein 2 U Band breit —
schmerzhaftes Gefühl. Schmerzempfindung in Leber
und Milz, auch in beiden Hüftgelenken. Um 9 Uhr
kleiner Stuhl derselben Qualität, vorher Kollern und
dumpfes Leibweh. Nachher stets fühlbarer Bauch,
wie wenn das ganze Bauchfell afficirt wäre, Puls 84.
Um 10 ^ Uhr Leibweh ohne Stuhl, Bindehaut¬
katarrh besser. Um lO 1 ^ Uhr: Kopf und Augen
werden wieder schmerzhaft. Um ll 1 ^ Uhr: Ge¬
fühl wie Flatus im After, war aber Irrthum —
flüssiger Stuhl. Um 12 1 | a Uhr: Stuhl wie bisher,
nach demselben Tenesmus; beim Mittagessen wenig
Appetit, Puls 96. 3 Uhr Nachm.: Stuhl wie bis¬
her, Abends dito. Am 3. Oct. Morgens einmal
Durchfall, später noch öfters Kollern im linken
Hypochondr. ohne Stuhl.
Am 8. Oct. Puls 78, Allgemeinbefinden sehr
gut: 7 Tropfen der 10. D.-P. Davon deutlich bit¬
terer Geschmack: I j 4 Stunde später Eingenommenheit
des Kopfes und Sensoriums — kann Alkoholwir¬
kung sein (von 7 Tropfen? Ref.), Nachgeschmack
auf der Zungenwurzel, bitter, adstringirend, Er¬
regung der Armnerven. 12 Uhr: Aufsteigende
Hitze zum Kopfe mit Gefühl des beginnenden
Schwitzens; Schweiss kommt aber nicht zum Aus¬
bruch.
12 Uhr wiederum 7 Tropfen; 1 |, Stunde später
Eingenommenheit des Kopfes.
12 Uhr 30 Min. 7 Tropfen: Geschmack wie
oben, mehrmaliges Kollern im Bauche, einmal Auf-
stossen.
1 Uhr 7 Tropfen : Geschmack dito, Puls 90.
2 Uhr 7 Tropfen: Geschmack dito; sofort ein¬
tretende Erwärmung des Kopfes, beim Lesen am
Fenster Blendungsgefühl, trotzdem keine Sonne am
Himmel.
2 Uhr 30 Min. 7 Tropfen: Harndrang; Lassen
von 250 Gr. normalgefärbten Harns.
Gebeten, noch einen Versuch mit der unver¬
dünnten Essenz zu machen, schreibt College Dierkes
am 5. Nov. 1893: „Ich habe die Prüfung nicht
wieder aufgenommen, weil mich der Durchfall zu
sehr herunterbrachte und ich in einem solchen Zu¬
stande keine Entbindung vornehmen kann. In der
letzten Zeit habe ich gar keine Initiative mehr,
bin beherrscht von dem Gefühle des Ruhebedürf¬
tigseins und ist mir daher das dolce far niente am
allerliebsten. Ob dies nun Folge des Prüfungs¬
mittels ist oder der sommerlichen Badepraxis in
Lippspringe oder des Magnetisirens oder öfteren
Aergers, unnützer Sorgen etc., weiss ich nicht.
Augenblicklich (9 Uhr 40 Min. Abends) habe ich
wieder 90 Pulsschläge.“
Am 25. Nov., nachdem ihm der Name des
Mittels bekannt gemacht, schreibt derselbe: „Ich
habe nach Durchlesung der Beschreibung der Wir¬
kungsweise von Vinca minor bei Heinigke mehrere
Symptome gefunden, die auch ich gefühlt, aber
nicht mitgetheilt habe, weil ich glaubte, es sei
keine Wirkung von Vinca minor. So habe ich so
ziemlich Alles gehabt, was dort unter „Athmungs-
organe“ angeführt ist. Den Stockschnupfen und
Rachenkatarrh bin ich noch nicht ganz wieder los,
Melancholie, Arbeitsunlust, Heftigkeit und leichte
Erregbarkeit zeigen sich auch noch öfter.“
VII. Dr. Grünewald (in der nächsten Nummer).
VHI. Dr. Haedicke in Leipzig. Personalia
vacant.
Nimmt am 23. u. 24. Nov. je 10 Tropfen, am
25. u. 26. Nov. je 20 Tropfen, am 27., 28., 29. Nov.
u. 1., 2., 3. Dec. je 30 Tropfen; bemerkte davon
keinerlei Symptome ausser folgenden Beschwerden,
die er auf Influenza zurückführt: „Am 27. Nov.
über dem linken Auge eine leichte Trigeminus¬
neuralgie, woran ich nie litt. Es war ein leichter,
heimlicher, Rohrender Schmerz, der sich in den
Digitized by
Google
55
Nachmittagsstunden einstellte und am 29. Nov.
wiederholte. Am 2. Dec. Stiche in der linken
Axillargegend, die sich am 3. Dec. so verschlim¬
merten, dass ich das Zimmer hüten musste. Ein
College constatirte Pleuritis sicca, deutliches pleu-
ritisches Reiben; am 6. Dec. war ich wieder ge¬
sund. Da ich vom 18.—20. Jahre an tuberculöser
Lymphdrüseneiterung erkrankt war und einer phthi-
sischen Familie entstamme, so bin ich geneigt,
diese Erkrankung nicht auf das Mittel zu schieben.“
IX. Dr. Friedr. Roth in Mainz, 28 % Jahre,
von kräftiger Constitution, Körpergewicht 76 Kilo,
Grösse 1.74 m; sanguin. Temperament, leidet an
leichtem, chron. Schnupfen, Rachen- und Tuben¬
katarrh, reichlichem Kopfabschuppen, geringem
Fussschweiss, massiger Aknebildung an verschie¬
denen Körperstellen; überstand Masern und Otitis
media in öfteren Anfällen vom 3.—17. Lebens¬
jahre. Lebensgewohnheiten sehr regelmässig; Schlaf
von 11—ö 1 ^ Uhr, Stuhl jeden Morgen, Tabak-,
Alkohol- und Fleischgenuss gering, Gesichtsfarbe
gesund, Haare braun, Augen graugrün, Allgemein¬
befinden normal.
Nimmt am 23. Oet. 5 Tropfen : Abends im Bett
kalte Fersen, warme Zehen; unruhiger Schlaf,
ängstliche Träume.
Am 24. Oot 5 Tropfen: —.
Am 25. Oct. 10 Tropfen: Starkes Jucken an
Anus und Scrotum.
Am 26. Oot 10 Tropfen: —.
Am 27. Oet 15 Tropfen: Ausfluss von viel
wässerigem Schleim aus dem rechten Nasenloch,
ohne Schnupfen.
Am 29. Oct. 20 Tropfen: Hitze auf dem Scheitel,
Druck in der Stirn, schlimmer bei Bewegung. An
der Innenfläche des rechten Nasenflügels kleine An¬
schwellung, bei Berührung schmerzhaft. Schleim¬
absonderung wie am 27. und 28 Oct.
Am 30. Oct. 25 Tropfen: In den folgenden
Tagen Kalt« nur des linken Fusses, anhaltende
Taubheit der Fingerspitzen der linken Hand, ausser
dem Daumen.
Am 3. Nov. 50 Tropfen: Starkes Jucken, bald
hier, bald dort. Kälte und Taubheit der Finger¬
spitzen beider Hände, ausser dem Daumen. Wäh¬
rend der ganzen Zeit leeres Aufstossen, Flatulenz
übelriechend, letzteres einige Wochen anhaltend.
Die Prüfung der 3. D.-P. im Deoember 1893
ergab keine Symptome.
X. Dr. J. Schier in Mainz, 28 1 | 2 Jahre, von
schwächlicher Constitution, Körpergewicht 69 Kilo,
Grösse 1.72 m, Temperament sanguinisch, leidet
seit dem 18. Jahre an Struma geringen Grades,
die mit keinen subjectiven Beschwerden verbunden
ist, ausserdem zuweilen an Coryza. Mit 6 Jahren
überstand er die Masern, mit 26 Jahren die In¬
fluenza. Lebensgewohnheiten sehr regelmässig,
einigemal wöchentlich auswärtige Sprechstunden;
Schlaf von 10 — 7 Uhr, fest und traumlos, Stuhl im
Allgemeinen regelmässig mit Tendenz zur Ver¬
stopfung, Nichtraucher, Alkoholgenuss sehr mini¬
mal. Gesichtsfarbe blass, Haare dunkelbraun.
Das Mittel wurde, wenn nicht anders bemerkt,
in 1 Esslöffel gewöhnlichen Wassers genommen.
Am 28. Sept. Vorm. 10 Uhr 5 Tropfen der
Essenz: Geschmack harzig, aromatisch, bitter, nicht
gerade sehr unangenehm, das Aroma an »ange¬
gangene“ Birnen erinnernd. Nach einstündiger Be¬
wegung im Freien gegen 12 ] j 2 Uhr Mittags leichtes
Kratzen im Pharynx, 1 Stunde hindurch.
Am 29. Sept Vorm. 8 ] | 2 Uhr 5 Tropfen: In
der Nacht vom 29.|o0. Vorm. 2 1 | 2 Uhr zu einem
Patienten gerufen, empfindet er starkes Kratzen im
Pharynx.
Am 30. Sept. Vorm. Uhr 10 Tropfen:
Abends 7—9 Uhr Kratzen im Pharynx.
Am 2. Oct. Vorm. 9 Uhr 15 Tropfen: In der
Nacht zum 3. Oct. um 4 Uhr Erwachen unter Er¬
scheinungen einer Angina acutissima, welche bis
Morgens 9 Uhr gegen die Norm sozusagen völlig
verschwunden sind; Fieber, Puls circa 90 — gegen
72 im gewöhnlichen. Seit dem 30. Sept. eigen-
thümlich melancholische Gemüthsstimmung gänzlich
ohne äussern Anlass.
Am 5. Oct. Vorm. 10 Uhr 20 Tropfen der
Essenz: Um 12 Uhr Kitzeln im Kehlkopf *\ 2 Stunde
anhaltend. Nachmittags und Abends Röthe und
Brennen der Augenlider. In den letzten Tagen
Morgens beim Erwachen auffallender Trieb zum
Dehnen und Strecken der Extremitäten.
Am 8. Oot Vorm. 9 Uhr 20 Tropfen: Um
10 1 |j Uhr Trockenheitsgefühl im Nasenrachenraum,
Neigung zum Schlucken, dabei Spannung an der
oberen Rachenwand, bis 12 x | a Uhr gleichmässig
anhaltend, dann allmählich nachlassend, um 6 Uhr
Abends verschwindend. 10 s | 4 Uhr Bauchgrimmen
im ganzen Unterleib, ähnlich wie vor Durchfall,
nur einige Minuten dauernd; Nachmittags 4 Uhr
wiederum Bauchgrimmen. Von 2 Uhr Nachmittags
ab Beissen und Jucken am ganzen Körper, gegen
7 Uhr Abends fast unerträglich werdend. Seit dem
5. Oct. steigert sich dieses Gefühl von Tag zu
Tag und weckt ihn zuweilen sogar Nachts aus dem
Schlafe.
Am 9. Oct Vorm. Uhr 25 Tropfen: Nach¬
mittags 2 Uhr dumpfer, ziehender Kopfschmerz,
hauptsächlich um die Stirn, Schwindelgefühl, an¬
dauernd bis Abends 7 Uhr; Abends 10 Uhr Kratzen
und Trockenheitsgefuhl im Hals durch einige Stun¬
den; Nacht unruhig, fieberhaft (Puls 90), Ein-
Digitized by
Google
56
schlafen erst gegen 4 Uhr Morgens. Jucken und
Beissen der Haut. Am 10. Oct. Brennen und
Beissen der Conjunctiven und Augenlider, in diesem
Falle zweifelhaft, ob primäre Folge der Arznei
oder secundäres Symptom infolge der schlechten
Nacht; dasselbe gilt für das Oede- und Katerge-
fülil am Morgen des 10. Oct. In den folgenden
Tagen Jucken auf der Haut, zumal in der Achsel¬
höhle.
Am 14. Oct. Vorm. S^Uhr 25 Tropfen: Vorm.
11 Uhr dumpfes Kopfweh, 1\ 2 Stunde hindurch,
im Freien verschwindend. Um 12 Uhr leichtes
Kratzen in der oberen Rachenwand, 1 Stunde
dauernd. Nachmittags Benommenheit in der Stirn;
Abends 10 Uhr starke Trockenheit im Rachen, zum
Schlucken zwingend, 1 2 Stunde anhaltend. Nacht
unruhig. Am 15. Oct. den ganzen Tag Jucken auf
der Haut, besonders am Rücken und in der Achsel¬
höhle ; Nacht nicht so ruhig wie sonst, unangenehme
Träume. — Ich träume sonst fast nie; zur Charak¬
teristik dieser unangenehmen Traumbilder will ich
hier erwähnen, dass z. B. im Traum ein Patient,
den ich längere Zeit wegen Caries des linken Knie-
und Sprunggelenkes behandelt hatte, (und zwar,
wie leicht begreiflich, ohne durchgreifende Besse¬
rung), unter grässlichen Drohungen und Ver¬
wünschungen auf den beiden oberhalb der Knie¬
gelenke amputirten Oberschenkelstummeln gegen
mich loshumpelte. — Am 16. Oct. Erwachen mit
dem Gefühl, als sei eine feine Staubschicht über
Rachen und Kehlkopf ausgespannt, Husten durch
einige Minuten.
Am 16. Oct. Vorm. d l \ A Uhr 36 Tropfen: Von
10 Uhr. ab starke Kopfeingenommenheit und übler
Geschmack im Munde, wie von Schleim im Rachen.
Die Kopfeingenommenheit bessert sich im Freien,
verschwindet aber nicht ganz; dagegen steigert sich
das Gefühl von Trockenheit und Kratzen in der
oberen Rachenwand hei Bewegung in der freien
Luft bedeutend, es gesellen sich hinzu Stiche in den
Ohren und Schläfen. Nachmittags Zunahme der
Kopfeingenommenheit, Verschwinden der Halsbe¬
schwerden; von 4 Uhr ab Beissen am ganzen Kör¬
per. Von 5—7 Uhr hei Bewegung im Freien
Wiedererscheinen der Halsbeschwerden, welche dann
erst beim Einschlafen unmerklich werden. Nacht
unruhig, schwere Träume. Am 17. Oct. Erwachen
unter leichtem Kratzen im Rachen und Kehlkopf,
Jucken der Haut und Augenlider. Nacht vom 17.il 8.
unruhig. Am 17. leichtes Trockenheitsgefühl im
Rachen. Im Gesicht, namentlich auf beiden Seiten
der Oberlippe zeigen sich einzelne Efflorescenzcn.
Am 20. Oct Vorm. Uhr 50 Tropfen: Um
9 Uhr früh Gefühl leichten Kratzens im Gaumen;
9 8 4 Uhr Durchfall mit geringem, kueipendem Schmerz
in der Nnbelgcgend. Von 10 Uhr ab Brennen der
Augen, Lider geröthet, Trockenheitsgefühl im Auge
wie Sand. Um 11 Uhr Schwindel bei Bewegung,
Sehen wie durch Schleier, Pfeifen im rechten Ohr.
Nachmittags dumpfer Kopfschmerz in der Stirn und
Schwindelgefühl. Um 4 Uhr Kriebeln in der Haut
des Gesichts wie von Insecten oder Spinnweben.
Tagsüber öfters leises Mahnen im Pharynx und
Neigung zum Schlucken, schmerzhaft; viel Dehnen
und Strecken mit Knacken der Gelenke. Nacht
schlecht, unruhiges Hin- und Herwerfen, schwere
Träume, Beissen am ganzen Körper. Am 21. Oct.
früh 8 Uhr 30 Min. Durchfall, vorhergehend Knei¬
pen in der Nabelgegend: Brennen der Lider. Tags¬
über zuweilen Trockenheit und Kratzen im Rachen,
Beissen und Kitzeln im Gesicht und an der Nasen¬
scheidewand.
Am 22. Oct. Vorm. IO 1 !« Uhr 75 Tropfen: Um
11 Uhr Stuhlgang, zuvor Kneipen in der Nabel¬
gegend. Nachm, von 2 Uhr ab dumpfes Kopfweh
in Stirn und Schläfen mit Eingenommenheit. Von
3 Uhr ab Kratzen und Trockenheitsgefühl im Halse;
von 3 1 ;., Uhr ab Brennen der Lider und Augen
mit Trockenheitsgefühl wie von Sandkörnern, Rö-
tliung der Lidränder. Nacht unruhig. Am 23. Oct.
Erwachen unter Kratzen im Pharynx und Kehlkopf.
Am 23. Oct. früh 8 8 | 4 Uhr 100 Tropfen in 4
Esslöffeln Wasser: Sofort Aufstossen mit Uebelkeit.
Um 9\ 4 Uhr Kneipen in der Nabelgegend und
Durchfall mit Uebelkeit. Um 9 , i>, 10, 11, 12 und
1 J Uhr Urinlassen — sonst nur einmal in dieser
Zeit — beim letzten Mal gleichzeitig Drang zum
Stuhl, ebenso um 3 Uhr. Gleichzeitig Kopfbe¬
nommenheit und leichtes Kratzen im Pharynx.
Abends starkes Brennen der Augen. Nacht schlecht,
unruhig, fieberhaft, schwere Träume. Am 24. Oct.
beim Erwachen Pfeifen und schmerzhaftes Ziehen im
rechten Gehörgang. Mächtiges Dehnen und Recken«
Um 9 Uhr Vorm. Gefühl wie von Spinnweben am Unter¬
kiefer, Hals und hinter den Ohrmuscheln; Jucken
der Kopfhaut. Nachmittags Kopfbenommenheit,
Kitzeln des Naseninnern, Jucken der Haut am
ganzen Körper, Brennen der Augenlider, Trocken¬
heit im Pharynx. Nacht unruhig, Trockenheit im
Hals, zum Schlucken nöthigend. Am 26. Oct. Er¬
wachen mit Trockenheit im Hals, Schwellung und
Röthung der Mandeln und Brennen der Lider.
Dehnen und Recken Morgens im Bett, — Jucken
der Kopfhaut, Kitzeln an den Ohrmuscheln wie von
Spinngewebe. Abends Brennen der Augen beim
Lesen. Am 27. Oct. mit Schmerz im Pharynx,
Stechen beim Schlucken, Gähnen und Strecken im
Bette. Nach dem Frühstück Brennen der Lider. An
den folgenden Tagen Nachm, von 4—8 Uhr Trocken¬
heit im Pharynx und Röthung nebst Schwellung der
Mandeln bis incl. 6. Nov. Dabei merkwürdige Un¬
geschicklichkeit beim Essen von Suppe; dieselbe
Digitized by
Google
S9
läuft theilweise an de» Mundwinkeln wieder aus,
auch geräth leicht ein wenig in den Kehlkopf. Am
31. Oct. Ekzem an Stirn und Kinn, zum Reibe»
und Kratzen nötWgend, nachher brennend, vertieilt
erst am 8. Nov. Auch das Brennen der IAder er¬
scheint noch zuweilen, ebenso wie das Jueken am
ganzen Körper bis zum 4. November.
Am 20. Nov. früh 9 Uhr 5 Tropfen der 3. D.-P.:
Nachmittags von 4 Uhr ab Trockenheit und Kratzen
im Rachen, dabei Aufschiessen von schmerzhaften
Bläschen am rechten vorderen Zungen r and e , das
Sprechen erschwerend. Am 21. Nov. den ganzen
Tag Siqgultus mk Pausen von *\ 9 —1 Stunde, das
Sprechen und Essen erschwerend, in dieser oder
ähnlicher Weise noch nie bei ihm eonstatiit. Ein¬
genommenheit in der Stirn und Brennen der Angen.
Die in diesen Tagen mit Macht in ganz Hessen
einsetzende Influenza machte eine Fortsetzung der
Prüfung unmöglich. Die während der ganzen Prü¬
fungszeit andauernde makiachohscbe GemüthStim¬
mung maclke erst gegen Ende November einer nor¬
malen Gemütlisverfassung Platz.
EiStnes und Fremdes.
Von Dr. H et »«-Hamburg.
(Fortsetzung.)
Die nun folgenden Krankengeschichten sind
theilweise von mir, theilweise der Medical Advance
entnommen.
Zunächst führe ich einige Fälle an, m denen
das betr. Mittel deshalb gewählt wurde, weil es
in einem früheren Leiden des Patienten indicirt
war und hätte gegeben werden müssen.
Eine gewisse Berühmtheit hat der Fall von
Caroll Dunham, einem der besten Mittelkenner, er¬
langt. Eine Taubheit, welche 13 Jahre bestanden
hatte, wurde von Dunham mit Mezeremm geheilt
auf die Indication hin, dass der Patient gerade vor
Beginn der Taubheit einen KopfausscUag batte,
der nach Dunham dem Mezereum entsprach.
Einen anderen Fall, den ich in der Literatur
nicht wiederfinden kann, muss ich aus dem Ge¬
dächtnisse citiren. Ein Patient klagt über Impotenz,
die seit Jahren vergeblich behandelt worden war.
Wenn ich nicht irre, war es der äkere Lippe in
Philadelphia, welcher herausfand, dass die Impotenz
genau seit einer Halsentzündung bestand, für
welche damals Lac. eaninum indicirt war, wie Lippe
nach den Angaben des Patienten eruirte. Eine
Dosis dieses Mittels genügte, um die jahrelange
Impotenz zu heben*
Der Fall wurde berichtet von denjenigen Arzte,
welcher den Patienten lange vergeblich behandelt
und dom zu Dn Lippe geschickt. Za solchen
Combinationen gehört eine aussevordmdaehe Mktel-
kenntniss, wie sie Lippe, einer der glücklichsten
Therapeuten, besass.
Aehnliches erzählt Dr. Pease in Chicago.
Herr D. W. C., 56 Jahre alt, war seit Wochen
in meiner Behandlung wegen chronischer Ohren¬
eiterung und chronischer Diarrhöe; wenn das Eine
besser war, trat das Andere schlimmer auf. Der
Patient war mit der Behandlung zufrieden, ich
nicht. Zufttiig änsserte Jener eines Tages zu mir,
dass er für seine Schmerzen in den Gelenken von
Hand und Arm stets in einigen Minuten schon Erleich¬
terung fühle, wenn er eine Rosskastanie in der
einen oder anderen Hand trage. Ausserdem erfuhr
ich, dass beides, Ohrenfin6S wie Durchfall, vor 11
Jahren nach einer Hämorrhoidalknotenoperation auf¬
getreten sei. Die Hämorrhoidalknoten entsprachen
dem Bilde der Rosskastanie, dem Aesculus und aus
dem Hering sah ich, dass die meisten der früheren
und jetzigen Symptome des Krankem unter Aesculus
zu finden waren. Ich gab ihm Aesculus in ver¬
schiedenen höheren Potenzen und in der Folge
verschwanden Ohrenfluss, DurehfaH, rheumatische
Steifheit in den Hüften, Schmerzen in den Hän¬
den, Taubheit, sowie auch ein starker Vorfall von
Hämorrhoidalknoten, welcher bald nach der Arznei
erschien und rak Scbeinarznei behandelt wurde.
Dr. M’Neil in Sau Francisco:
Am 20. Juli 1888 besuchte ich Frh C. D.,
eine blasse, abgemagerte, 20 jährige Dame. Vor
7 Jahren hatte sie Typhus unter allopathischer
Behandlung durchgemacht und war seitdem nie
ganz wohl gewesen, hatte stets geklagt und ge-
kriaikelt.
Im vergangenen Winter bekam sie ausserordent¬
lich heftige Unterleibsschmerzen und Convubioaen,
die gewöhnlich von 8 Uhr Abends bis 2 Uhr
Morgens andauerten. Während dieser Zeit löste
ein Krampfanfall den andern ab und die wenigen
Zwischenpausen mit Bewusstsein wurden durch
Leibschmerzen getrübt. Diese Anfalle dauerten
jetzt ununterbrochen 2 Monate nnd waren mit
Opiaten behandelt worden. Ich erfuhr noch, dass
die Kranke in ihren besseren Zeiten viel über
Schmerzen im ganzen Körper klagte, besser in Be¬
wegung, und über Fieberbläsehen an den Lippen.
Zur Zeit der Menses war sie frei von Couvul-
sionen und Leibschmerzen; die Regel war diesmal
ausgeblieben.
Ich sah die Kranke um 6 Uhr Abends, gab
ihr zwei Pulver Rhus 200., eins sofort, das andere
nach einer Stunde. Ich berekete die Mutter auf
eine schlechte Nacht vor, da kein Opiat gegeben
werden sollte.
Am nächsten Tags härte ich, dass nur ein
8
Digitized by
Goog e
5S
leichter Anfall von Convulsionen dagewesen sei
ohne Leibschmerzen.
Die Patientin hatte fast die ganze Nacht ge¬
schlafen. In der folgenden Nacht schlief sie
weniger und hatte mehr Schmerz.
Sie erhielt Rhus in höherer Potenz, mehrere
Pulver, und blieb bis jetzt, Januar 1889, voll¬
ständig gesund.
Es ist aus der Anamnese dieses Falles klar,
fügt M’Neil hinzu, dass in dem typhösen Fieber
vor 7 Jahren Rhus das Heilmittel gewesen wäre.
Rhus war ohnehin damals das epidemische Mittel.
Ich habe diese Fälle vorangestellt, weil sie ein
gewisses Interesse beanspruchen.
Pastor G., 51 Jahre alt, aus N. kommt zu mir
wegen Magenschmerzen, die ihn seit Jahren quälen.
Ein furchtbar heftiger Druck weckt ihn gegen
2 Uhr Nachts und treibt ihn aus dem Bett.
Dabei Auftreibung des Leibes , Schleimerbrechen.
Er presst bei heftigem Schmerz den Magen
gegen die Sophaecke.
Wochenlang geht es so jede Nacht.
Besserung durch heisse Getränke, Vw'schlimme-
mivg durch saure und blähende Speisen, Schwarz -
Irrod.
Stuldverstopfung.
Trockner Östwind bringt leicht Heiserkeit.
Patient kann viel Zimmerwärme vertragen.
Linksliegen macht Stechen in der Herzgegend.
Ich verordnete am 10. November j 891 X. Kali
carbon., am 2. December Magn. phosph. 6., am
22. December Natr. carb. X., Alles ohne Erfolg.
Erst Nux vomica 3., Morgens und Abends
1 Tropfen, gab befriedigende Besserung, die mit
geringen Schwankungen bis jetzt angehalten hat.
Ein jeder Laie hätte von vornherein Nux vo¬
mica gewählt, weil Nux das beste Mittel gegen
Magenschmerzen ist.
Mir passte für Nux vom. wohl die schlimme
Zeit nach Mitternacht und die Besserung durch
Heisses; was mich davon abhielt, war die Besserung
durch äusseren Druck. In der Regel ist Nux vom.
ja äusserst empfindlich gegen äusseren Druck, kann
nicht einmal den Druck der Kleider vertragen;
allerdings hat von Boenninghausen unter den Mit¬
teln, welche sich durch Druck bessern, auch Nux
vom. stehen an dritter Stelle.
Wenn man vom Patienten hört, dass er bei
Magenschmerzen den Magen gegen einen harten
Gegenstand presse, denkt man zunächst an Colo-
cynthis, doch hat Coloc. weder die Verschlimme¬
rung Nachmitternacht, noch die Besserung durch
Heisses; deshalb stand ich von diesem Mittel ab.
Ich gab sofort niedrige Potenz, weil ich Nux vo¬
mica nicht für das Similliinum hielt, daher nur von
der tiefen Potenz etwas Wirkung hoffte.
Frau J., 48 Jahre alt, gross, dunkelhaarig,
mässig genährt, consultirt mich wegen chronischen
Magenleidens.
Eine halbe Stunde nach jedem Essen treten
Schmerzen auf, die durch Ruhe und Linksliegen
besser werden.
Wärme wird besser vertragen, als Kälte.
Herzklopfen nach dem Essen und beim Steigen.
Stuhlverstopfung.
Ich verordnete am 9. Juni 1891 fünf Pulver
Nux vom. X., jeden Abend ein Pulver.
7. Juli. Das Befinden wurde sofort gut und
blieb bis jetzt gut. Verordnung: dieselben Pulver
jeden siebenten Abend (unnöthiger Weise).
2. Mai 1892. Während der ganzen Zeit war
der Magen gut gewesen und auch der Stuhl war
regulär von selber gekommen, während vorher
immer Abführmittel nöthig gewesen waren.
Seit 8 Tagen wieder Magenbeschwerden nach
dem Essen, mit Besserung durch Ruhe, Bettwärme ,
Lösen der Kleider. Ich verordnete wieder dasselbe
Mittel mit demselben guten Erfolge, wie mir am
16. Mai berichtet wurde.
Frau B., 52 Jahre alt, leidet seit 6 Monaten
an Husten und Kurzluftigkeit mit wenig Auswurf.
Schlimmer von 5 Uhr Morgens an bis Nach¬
mittags, durch Gehen im Winde , Rechtsliegen .
Ich gab am 30. September 1893 Nux vom. X.
jeden Abend einen Tropfen.
13. October besser. Verordnung dieselbe.
28. October. Beschwerden fort. Sie verzichtet
auf fernere Behandlung.
Sehr wahrscheinlich handelte es sich um chro¬
nischen Katarrh der Bronchien, leider finde ich
nichts von Untersuchung notirt.
Dr. Howard Crutcher in Chicago: Herr H. sieht
10 Jahre älter aus, als er ist; er hat stets gut,
aber nicht ausschweifend gelebt. Vor 10 Jahren
hat er Lungenentzündung durchgemacht, welche
nach des Patienten Meinung durch starke Arznei¬
gaben in kurzer Zeit unterdrückt wurde. Seit
dieser Zeit litt er an heftigem Asthma. Diese
Asthmaanfälle wurden von Jahr zu Jahr schlim¬
mer und hatten ihn jetzt ganz zum Invaliden ge¬
macht.
Während des Asthmaanfalles kann er nicht die
leiseste .Berührung irgendwelcher Art vertragen,
nicht einmal die Berührung des Leintuches.
Im Allgemeinen ist der Patient schlimmer Vor¬
mittags , besonders der Kopfschmerz. Dagegen sind
die asthmatischen Anfälle schlimmer nach dem Mittag¬
essen.
Vor Jahren waren Hämorrhoiden da.
Patient führt eine sitzende Lebensweise.
Arbeitet zu viel geistig und bewegt sich zu
wenig.
Digitized by ^.ooQie
Stuhlgang abwechselnd verstopft und durchfällig .
Der Patient bekam ein Pulver Nux vom. Hoch-
potenz 18. September 1892. Nach diesem Pulver
folgte eine stundenlange starke Verschlimmerung,
dann ging vier Wochen lang die Besserung schnell
und befriedigend vorwärts. Als die Besserung
gegen Ende der fünften Woche stille stand, gab
ich noch einmal dieselbe Potenz.
Nach dieser traten in sehr milder Form pneu¬
monische Symptome auf, Seitenstechen, blutiger
Auswurf. Von da an bis jetzt, 14. April 1893,
ist, mit Ausnahme einer schweren Erkältung mit
leichten asthmatischen Beschwerden, das Befinden
des Patienten ein gutes gewesen.
Ich glaube nicht, dass Herr H. vollständig frei
bleiben wird von jeglichem Asthma, aber der
Unterschied zwischen seinem damaligen Befinden
und seinem jetzigen ist ein ausserordentlicher. Er
hatte vorher jedes Klima und jede Art von Be¬
handlung ohne einen Schimmer von Erfolg versucht.
Zu mir wurde Paul Tr. geführt, ein zehnjäh¬
riger, elend aussehender Knabe mit auffallend
rothen Lippen. Er leidet seit 10 Tagen an Schüttel¬
frost, der alle halbe Stunden eintritt und ungefähr
5 Minuten dauert.
Schlimmer hei Bewegung , auch im Bett , und
nach dem Essen.
Der Zeit nach des Morgens schlimmer .
Begleitet von starken Kopfschmerzen, Schmerzen
in den Knieen, blassem Gesicht, Lichtempfindlich¬
keit.
Starke Stuhlverstopfung.
Appetit besser, als sonst; kein Durst; Ekd
gegen Kaffee .
Schlaf gut.
Das Leiden fing an mit verdorbenem Magen;
auch jetzt noch stösst es nach Allem auf.
Sonst noch zu bemerken:
Trockne, glänzende Flechte an Ellbogen und
Unterschenkeln.
Chronischer Schnupfen.
Neigung zu Mandelentzündung und zu Schwel¬
lung der Halsdrüsen.
17. Februar 1891 Nux vom. 6. jeden Abend
5 Körner.
20. Februar. Der Schüttelfrost ist sofort nach
der ersten Gabe Nux ausgeblieben, Kopfschmerz
ist fort, Stuhl regulär.
Ich hatte vor, dem Patienten später noch das
zur Besserung seiner Constitution nothwendige und
jedenfalls indicirte Sulfur zu geben, hatte aber
keine Gelegenheit dazu.
1. Dr. E. E. Case in Hartford: Eine 52jährige
Frau hat Wechselfieber . Seit drei Wochen nimmt
sie Chinin in grossen Dosen, dabei nimmt das
Fieber eher zu.
Typus quoticlian, vorsetzend. Frost 4 Uhr Mor¬
gens , starker Schüttelfrost beim Frost.
Blasses Gesicht , blaue Nägel , Rückenschmerzen ,
durch Druck gebessert; Verlangen nach Warmein -
hüllen, aber nicht gebessert dadurch.
Ausserordentlich empfindlich gegen die Luft;
nicht einmal die Hand darf entblösst werden.
Die Hitze kam 9 Uhr Vormittags mit Durst
und Scheitelkopfschmerz, dauerte bis 4 Uhr Nach¬
mittags.
Kein Schweiss.
Guter Schlaf bis früh Morgens, wo wieder
Schüttelfrost eintritt.
Der Patient erhielt 5 Uhr Nachmittags ein
Pulver Nux vomica Hochpotenz trocken auf die
Zunge.
Am folgenden Tage kam gar kein Frost, am
zweiten etwas Frost zwischen 7 und 11 Vormit¬
tags, Kopfschmerz von 11 — 3 Uhr Nachmittags,
seitdem keine Spur mehr von Fieber.
Derselbe Autor berichtet über zwei andere Inter-
mittens falle, welche ich hier des Gegensatzes halber
gleich anschliessen will.
2. Ein 43jähriger Patient hat Intermittens mit
folgenden charakteristischen Zeichen:
Tertiantypus, starker Schüttelfrost, 4 Uhr Nachts
mit Frost im Rücken, Gliederschmerzen, Erbrechen
und Erleichterung durch Einhüllen.
Nach dem etwa 1 | 2 Stunde dauernden Frost
kommt stundenlange Hitze.
Schlaflosigkeit bei der Hitze.
Kein Schweiss.
In der fieberfreien Zeit äusserste Schwäche ,
Appetitlosigkeit und Kopfschmerz.
Arsen, allein deckt sämmtliche Symptome.
Ein Pulver Arsen. Hochpotenz.
Am nächsten Abend leichte Hitze ohne Frost,
profuser Schweiss 1 Uhr Nachts, dann ohne weitere
Fieberanfälle schnelle Reconvalescenz.
3. Ein 45jähriger Milchmann hat seit 14 Tagen
täglich Fieberanfälle mit Kopfschmerzen, welche
durch Hitze und Geräusch schlimmer werden. Bei
den Kopfschmerzen Gefühl, als ob das Gehirn oben
am Scheitel durch eine Spalte herausdringen wollte.
Die Anfälle kommen 10 Uhr Vormittags und
dauern bis 3 Uhr Nachmittags.
Der Patient muss sich hinlegen und schlafen.
Er hat viele Wechselfieber durchgemacht und
viel Chinin genommen.
Mit Rücksicht auf die Intermittensvergangen-
heit und die Zeit des Anfalls bekam der Kranke
ein Pulver Natr. mur. Hochpotenz trocken auf die
Zunge und hatte nachher keine Spur mehr von
Fieber noch von Kopfschmerzen.
4. Dr. Beiding:
Frau H., 52 Jahre alt, hatte in den letzten
8 ®
Digitized by
«o
5 Jahren verschiedene Anfälle von Wechselfieber
unter allopathischer Behandlung. Seit mehreren
Tagen hat sie x \ % 11 Uhr Vormittags Frost. Vor¬
her Durst mit Trockenheit von Mund, Kehle und
Haut, reissende Sehmerzen in den Gliedern, Steif¬
heit in den Fingern und blaue Nägel.
Dann beginnt der Frost m den Schultere, wird
zum heftigen Schüttelfrost, bei dem sie heisses
Wasser oder heissen Whisky trinkt.
Sie deckt sich icarm zu , hat Schmerzen in Mitz
und Leber beim Frost und nachher.
Nach dem Frost leichte Hitze mit Schläfrigkeit,
Hitze im Gesicht und in den Augen.
Schweiss ist mässig und thut gut.
Während Hitze und Sehweiss tritt Frost cm bei
Bewegung; Ruhelosigkeit bei der Hitze; Bedürf¬
nis, die Lage zu wechseln. Das Bett kommt ihr
zu hart vor. Das Umdrehen giebt ihr Erleichte¬
rung, aber um sich drehen zu können, muss sie sieh
vorher erst aufrichten .
Die Gelenke sind des Morgens steif, werden
besser durch Warmteasserumschläge und Bewegung.
Nach einem Pulver Nux vom. Hochpotenz kam
kein Anfall mehr, dafür ein ausgezeichneter Ge¬
sundheitszustand .
w (Fortsetzung folgt.)
Ein merkwürdiger Fall ven doppeltem
und excentrischem Sehen, durch 2 Gaben
Sulfur geheilt.
Von Dr. med. Th. Skinner-London.
Ein Schweizer Kaufmann, der in London lebte,
consultirte den Dr. Skinner am 18. Febr. 1893.
Patient ist ein famoser Billardspieler, der seine
Abende meist damit zubringt, dass er daheim mit
Bruder und Freunden diesem Spiele obliegt.
Er klagt besonders über das linke Auge, an
dem er seit etwa 3 Jahren ab und zu Doppellsehen
hat. Wenn er nämlich Billard spielt, so hat er
Empfindung, als ob etwas im linken Auge sei, und
wenn er, aufrecht stehend, nach den drei Bällen
auf den Tisch sieht, so sieht er sie alle an der
ihnen zukommenden Stelle. Sobald er aber sein
Queue ergreift und sich bückt, um eine Carambo¬
lage zu machen oder einen Ball einzutreiben, so
kommt es ihm vor, als ob des Gegners Ball sich
in einer Richtungslinie bewege mit dem Balle, der
carambolirt werden sollte. So oft dies geschieht,
und es ist leider letzthin uur zu oft geschehen, so
ist natürlich das Vergnügen aui Billard, so weit
der Patient dabei betheüigt ist, vorbei. Wenn er
dagegen wieder aufrecht steht, so sieht er die be¬
zügliche Stellung der BäHe so, wie sie sein soll.
A ® Wp
®
i
Dies rohe Diagramm soll einmal zeigen, was ge¬
schieht. A stellt den Ball des Patienten, B den
seines Gegners und D den rothen Ball vor. So¬
bald er mit seinem Queue auf B zieh, noch bevor
er A berührt hat, scheint sieh ihm B nach C be¬
wegt zu haben — eine Sache, die, wie er sagt,
kein Fellah begreifen kann. Für den Abend ist
ihm das Spiel verdorben.
Er hat schon verschiedene Augenärzte befragt,
aber AHes, was er von ihnen herauskriegen konnte,
war eine gelehrte Erklärung, wie eine solche Sek-
storung zu Stande käme. Alle stimmten darin über¬
ein, es sei ein seltener Fall! — „Ich möchte noch
hinzufügen, sagt Dr. Skinner, dass die Farbe des
Balles, roth oder weiss, auf die krankhafte Er¬
scheinung ohne Einfluss ist.“ „Ich gestehe auf¬
richtig, fährt er fort, dass ich ebenso auf dem
Grunde festsass, wie die gelehrten und wissenschaft¬
lichen Augenärzte. Ich wusste mit dieser offenbaren
Sehstörung nichts anzufangen. Ich konnte darüber
nirgends — selbst nicht in Berridge’s Augen-Symp-
tomen-Repertorium — etwas finden. So fragte ich
denn den Kranken aus, ob ihm sonst nichts fehle
oder gefehlt habe.“
Vorgeschichte. — Er hatte früher öfters eine
Anschwellung des Nackens, recliterseits, Nachts und
Morgens gehabt, welche von einem neuralgischen
Schmerz in der linken Schläfe begleitet war, der
sich in der letzten Zeit erheblich gesteigert hat,
überhaupt immer dann arg war, wenn jenes excen¬
trische Sehen besonders störend auftrat Er halle
auch einen Ausfluss von Eiter aus dem linken Ohre
gehabt, der grünlich und ätzend war. Letzten Herbst
bei einer Bergbesteigung in der Schweiz hatte er
an sechs Stunden bis an die Hüften im Schnee ge¬
steckt, und er glaubt, das habe ihm nicht gut ge-
than. — Endlich. — Der Ausfluss aus dem Unken
Ohr ist durch örtliche Mittel unterdrückt worden;
ferner hat er ein Gefühl von Oedigkeit (sinking) im
Epigastrium, täglich um 11 Uhr Vormittags.
18. Februar. Er bekommt eine Dosis Sulfur
(Hochpotenz) trocken auf die Zunge und eine zweite
beim Schlafengehen.
15. März. Das Doppeltsehen vergangen. Die
Billardbälle sieht er an ihrem Platze. Ebenso ist
die Herzgrubenbeschwerde vorbei, statt deren viel
, Aufstossen. Saccharum lactis ad libitum.
Digitized by ^.ooQie
CI
6. Juni. Seit Anfangs April fühlt er sich ganz
wohl, hat sich seit Jahren nicht so frisch und munter
gefühlt. Das ist der Erfolg einer constitutionellen
Behandlung gegenüber örtlichen Mitteln, unter¬
drücktem Ausfluss. Sulfur war das Heilmittel.
(Homoeopathic physician 1893, Nr. 7.)
Einladung zum hygienischen Congress
in Budapest.
Geehrte Redaction!
Ich beehre mich Sie zu ersuchen, die folgende
Mittheilung in der nächsten Nummer Ihres geschätzten
Journals veröffentlichen zu wollen.
„Der VIII. internationale Congress für Hygiene
utul Demographie wird bekanntlich im nächsten
Jahre in Budapest abgehalten werden. Das Exe-
cutiv-Comitö hat in seiner letzten Sitzung den Zeit¬
punkt und die Eintheilung des Congresses definitiv
festgesetzt, u. s. w. in folgender Weise. Der üb¬
liche Begrüssungsahend fallt auf den 1. September;
Eröffnung des Congresses am 2., Sections-Sitzungen
am 3., 4., 5., 7. und 8., Schluss-Sitzung am 9.
September. Der 6. September ist also Ruhetag, für
jene kleine Ausflüge reservirt, welche in das Pro¬
gramm des Congresses aufgenommen wurden. Das
wissenschaftliche Programm sammt den Detail-Fragen
wurde bereits versendet, und der Erfolg des Con¬
gresses kann heute schon insofern als gesichert an¬
gesehen werden, als namentlich seit der Versendung
des Programms Seitens der hervorragendsten Fach¬
männer des Auslandes die Anmeldungen der Vor¬
träge in überaus grosser Zahl erfolgen. Auch die
im Anschluss an den Congress zu veranstaltende
hygienische Ausstellung wird bereits vorbereitet; die¬
selbe wird sich von den bisherigen üblichen Aus¬
stellungen dadurch unterscheiden, dass sie keine
Industrie-Ausstellung sein wird, sondern nur solche
Gegenstände umfassen wird, welche zur Erklärung
und zum Studium der in das wissenschaftliche Pro¬
gramm aufgenommenen und auf dem Congress zum
Vortrag gelangenden Fragen dienen. Zu den wich¬
tigsten und interessantesten Berathungen wird die
für den 4. Sitzungstag anberaumte grosse Diphihe-
ritis-Debatte zählen. Diese Frage gelangt bekannt¬
lich im Sinne der Beschlüsse des Londoner Con¬
gresses zur Verhandlung und es wurde dieselbe
durch das Executiv-Comite auf der breitesten u. s. w.
auf internationaler Grundlage derart vorbereitet,
dass in jedem Lande eine besondere Commission
nach gründlichem Studium seine Vorschläge ver¬
fasst, welche in der vereinigten Sitzung der Sec-
tionen für Bacteriologie, Prophylaxis und Kinder-
Hygiene die Grundlage der Berathung bilden werden.
Das Präsidium in diesen Commissionen haben in den
einzelnen Ländern die folgenden Forscher über¬
nommen: in Deutschland Prof. Fr. Löffler (Greifa-
waldj, in Oesterreich Prof. Wiederhofer (Wien), in
England Dr. Eduard Scaton (London), in Bayern
Prof. H. Ranke (München), in Belgien Dr. EM. Tor*
deus (Brüssel), in Frankreich Dr. Roux (Paris), in
Ungarn Dr. Kornel Chyzer (Budapest), in Italien
L. Pagliani (Rom), in Schweden Prof. E. Almquist
(Stockholm), in den Vereinigten Staaten Prof. Bil¬
lings (New-York), in Russland Prof. Nicolaus Filatow
(Moskäti), in Serbien Dr. Paul Szteics, Ober-Physikus
(Belgrad), in Spanien Prof. FVancis Criado y Aquilar
(Madrid), in Rumänien Dr. D. Sergiu (Bukarest),
in Schweiz Prof. Ed. Hagenbach-Burkhardt (Basel),
in Dänemark Prof. S. T. Sörensen (Kopenhagen),
in Norwegen Prof. Axel Johanessen (Christania).
Der nach dem Congress zu veranstaltende Aus¬
flug naeh Konstantinopel wird durch den Umstand
an Interesse gewinnen, dass die Mitglieder des Con¬
gresses im Anschlüsse an diesen Ausflug auch die
Stadt Belgrad besuchen werden, von wo eine dies¬
bezügliche Einladung ergangen ist.“
Budapest, den 23. December 1893.
Achtungsvoll
einer löbl. Redaction ergebener
Prof. Dr. Kolomau Müller,
General-Secretär.
Lesefrltohte.
Acute Arsenik-Lfihmung.
Patient 43 J. alt, aus Steiermark, bis vor zwei
Monaten ganz gesund, gestand Selbstmordversuch
mit Arsenik. Beginn mit Brechdurchfall, dann
Kriebeln und Pamstigsein — lebhafte spontane
Schmerzen (Akrodynien) in den 4, besonders in den
2 unteren Extremitäten. Dann tritt rasch Tetraxie
(resp. Parataxie) ein. Diese führt zu schlaffer,
atrophischer, ungewöhnlich schmerzhafter Akropara -
lyse in Form von Tetraplegie *und Paraplegie.
Bald kommt Verlust P. d. R., sowie toxische Neu¬
ritis, vergesellschaftet mit cutanen, trophischen,
vasomotorisch secretorischen Anomalieen. — Die
elektrische Nerven- und besonders Muskel-Erregbar¬
keit ist gegen beide Stromarten beträchtlich herab¬
gesetzt.
Die Diagnose ist demnach leicht zu steilen. —
Im choleiifarmen Anfangsstadium wird man das
Erbrochene, die E^aeces, den Ham chemisch auf
Arsen, untersuchen. — Später (nach 1—2 Wochen)
ist auch die Ham-Analyse unsicher, weil das Arsen,
rasch durch die Nieren ausgeschieden wird.
Meuchelmorde , Selbstmorde , Fruchtabtreiben durch
Arsenik sind in Steiermark und den Nebenprovinzen
häufig.
Digitized by
Google
Die Vergiftung führt entweder unter cliolera- j
ähnlichen Erscheinungen rasch zum Tode oder es i
erfolgt nach einer Gastro -Enteritis toxica langsame i
Heilung oder es treten auf (4—14 Tage vom Be¬
ginne der Intoxication gerechnet) nach Ablauf der
gastroenteritischen Erscheinungen Ataxien und Para¬
lysen, die einige Zeit stationär hl eiben, um sich
allmählig zurückzubilden. — Die Prognose der
Arsenik-Lähmungen ist im Allgemeinen günstig ,
wenn auch manchmal 1-—2 Jahre (gewöhnlich
4_12 Monate) bis zur Rückbildung vergeben.
(Internationale klinische Rundschau 1893, VII. Jahr¬
gang, Nr. 31, Seite 1168.)
Referent Dr. Proeil (Meran).
Zinn-Vergiftung.
Von W. Campbell.
(Therapeut. Monatshefte. Sept. 1893, VII. Jahr¬
gang. S. 477.)
Sechs in Einer Familie vorkommende Fälle, welche
dysenterische Symptome darboten, und von denen
der eine letal endete, lenkten die Aufmerksamkeit
des Verfassers auf die genossenen Nahrungsmittel. —
Er fand dabei, dass nur Diejenigen erkrankt waren,
welche eingemachte Tomaten gegessen hatten, wäh¬
rend die Mutter und ein Kind, die nicht davon ge¬
nossen hatten, gesund geblieben waren. — Später
ergab auch, dass die Dosen nicht gut geschlossen
hatten, dass die Früchte desshalb öfter gekocht
waren und hei dieser wiederholten Berührung mit
Luft Zinn auf genommen hatten; denn die chemische
Untersuchung einer noch vorhandenen Büchse ergab,
dass die Früchte eine beträchtliche Menge des Me¬
talls enthielten. In 3 der Fälle fanden sich in den
Stühlen reichlich Ascariden oder Oxyuren , was auf
die bekannte anthelmintische Wirkung des Zinns zu
beziehen ist.
(Therapeutic Gazette . März 1893. Reunert, Hamburg).
Referent Dr. Pröll-Heran.
Zur Berichtigung.
In einem anderen homöopathischen Blatte schreibt
der Redacteur desselben unter Anderem:
„Von einem Geschäfte, mit dem er seit ca.
20 Jahren in Verbindung steht, hätte er wohl
,etwas mehr JJiscretion' erwarten können.“
Dieser Schuldige bin ich.
Meine ganze ,,Indiscretion“ (?) besteht jedoch
darin, dass ich eine Postkarte dieses Herrn einem
meiner Redacteure (Herrn Dr. H. in L.) zur Kennt-
niss gegeben habe und auf dieser schreibt mir
dieser Herr, dass mein anderer Redacteur (Herr Dr.
G. in St.) ihm mitgetheilt habe, dass die Redaction
meiner Zeitung die Aufnahme seiner Berichtigung
abgelehnt habe, während er in seinem Blatte
schreibt, die Redaction meiner Zeitung hätte
ihm nicht einmal geantwortet!
Also nach Ansicht dieses Herrn ist:
1) eine Postkarte ein discretes Schriftstück!
und
2) darf ich eine die Redaction meiner Zeitung
betreffende Mittheilung des einen meiner Redac¬
teure an einen Dritten, nicht dem anderen Re¬
dacteur meiner Zeitung zur Kenntniss geben? ohne
indificret zu sein!
Das ist neu! Von zwei Redacteuren eines und
desselben Blattes darf also der eine nicht wissen,
was der andere geschrieben hat.
Jeder Leser wird hieraus schliessen können, wie
unberechtigt dieser Angriff auf mein Anstandsgefühl
ist; — besonders von einem Herrn, dem ich that-
sächlich noch nie etwas in den Weg gelegt habe.
Eher dankbar sollte dieser Herr sein, denn für
seine Bestrebungen bin ich stets eingetreten, wie
und wo es mir möglich gewesen, wofür am besten
die von ihm seihst erwähnte 20jährige Geschäfts¬
verbindung mit meiner Firma spricht, die ich selbst
schon seit 14 Jahren allein führe.
Leipzig, den 8. Februar 1894.
Der Verleger der „Allgem. Homöopath. Zeitung.“
Professor v. Zlatarowich.
Ad vocem Prof. Zlatarowich (siehe No. 3|4
d. Ztg.) hat uns der Herr College Dr. Th. Kafka
in Prag folgende Berichtigung freundlichst eiuge-
sandt: Bereits in No. 2 des 30. Bandes der Allg.
hom. Ztg., p. 16, 1878, findet sich die Notiz von
dem in Graz erfolgten Ableben des pensionirten
Oberstabsarztes Prof. Dr. von Zlatarowich und
p. 40 desselben Jahrgangs ein ziemlich ausführlicher
Nekrolog desselben aus der Feder Dr. Kafka’s. Von
seiner Bekehrung zur Homöopathie spricht ZI. in
der Vorrede zu der von ihm redigirten Nachprüfung
der Bryonia, der in der Oestr. Zeitschr. f. Hom.,
Jahrgang 1847, veröffentlicht worden ist. In jenem
Nekrologe sagt College Kafka: ,,Trotzdem sich also
ZI. offen als Homöopath bekannte, blieb er doch
Professor, bis das Jahr 1848 mit dem Josephinum
tabula rasa machte. ZI. zog sich darauf nach Graz
zurück, dem Eldorado der österreichischen Pen¬
sionisten. Da man bei der Wiedererrichtung der
erwähnten Lehranstalt auf ihn nicht mehr reflectirte,
wurde ihm die Unannehmlichkeit erspart, abermals
von seinem Posten abtreten zu müssen, da wie be¬
kannt diese österreichische Pepiniöre (denn eine
solche war das Josephinum) im Jahre 1874 auf¬
gehoben wurde.“
Digitized by c^ooQie
63
Ferner ist in der im vorigen Bande der AHg.
hom. Ztg. enthaltenen Notiz betreffs des Ablebens
des Dr. med. E. von Hartung irrthümlich angegeben,
dass dieser es gewesen, der seinerzeit den weiland
Feldmarschall Graf Radetzky auf homöopathischem
Wege von einer bösartigen Neubildung (im Auge)
geheilt habe. Dies that aber nicht er, sondern sein
schon längst verstorbener Vater, der Generalstabs¬
arzt von Hartung. Dr. Theodor Kafka.
Eingesandt.
Der üblichen Sitte entgegen, hat die Berliner
Universität dem Dr Gruber in Utrecht zu seinem
fünfzigjährigen Doctor-Jubüäum das einst von ihr
ausgestellte Diplom nicht erneuert. Da die Uni¬
versität, resp. medicinische Facultät von jenem Er-
cigniss rechtzeitig in Kenntniss gesetzt worden ist,
tind kein anderer Grund sonst vorlag, so lässt sich
ihr Verhalten nicht anders als aus dem Umstande
erklären, dass der Jubilar sich zur Homöopathie
bekennt.
Ist dies der Fall, so hätte sich damit die Berliner
Facultät ein eclatantes Zeugniss von Engherzig
keit sowohl als von Beschränktheit ihres wissen¬
schaftlichen Horizonts ohne Gleichen ausgestellt, ja
von einer Intoleranz, die man heutigen Tages kaum
für möglich gehalten hätte.
Paralysis nervi oculomotorii.
Druckfehler-Berichtigung.
^ In No. 5|6 d. Ztg., S. 33 u. 34, sind ein paar
h ehler eingeschlichen, welche zu verbessern ich den
geneigten Leser bitte.
Seite 33 steht zweimal sinus; es soll heissen
visus.
Seite 34 steht viermal November, statt Oktober.
Eben die schnelle Heilung in 4 Wochen zeigt, dass
sie dem Causticum zugeschrieben werden muss.
Utrecht. Dr. g. j # V an Roijen.
Personalia.
Herr Dr. med. L. Atzerodt hat sich am
1. Februar 1894 in Duisburg, Feldstrasse No. 6,
als homöopathischer Arzt niedergelassen. — Sani¬
tätsrath Dr. Stirn ist am 25.|12. 93 im 83. Lebens¬
jahre gestorben. — Dr. Niedieck ist von Höxter
nach Halberstadt verzogen.
Da Dr. Gustav Proeil, im Sommer stets Bade
arzt zu Bad Gastein, in der Winter-Saison seit
8 Jahren zu Meran homöopathischer Kurarzt, nun
künftig wegen dringender Familienverhältnisse sich
nach Graz zur Ausübung der homöopathischen
Medicra - aber bloss für die Winter-Saison — be¬
geben will, wird die Niederlassung eines homöo¬
pathischen Arztes für die Winter-Saison zu Meran
sehr gewünscht, besonders von der Aristokratie zu
Ubermais bei Meran.
Anzeigen.
Qual itäts-Cigarren.
lOO Proceat
spart jeder Consument und Händler, welcher von nach¬
stehender billigen Offerte Gebrauch macht.
Java BrasU ^ ^
Sumatra mit Felix 0
Cuba, Original-Packung [
Holländer, Original-Packung
Sumatra, nikotinfrei .
Manillas, neuester Jahrgang
Sumatra mit Havanna
Rein 90er Havanna
Echt Bajama-Regal-fac. .
Von 20 Mark an franco gegen Nachnahme.
Amerikanlacher Pfeifentabak
m Postbeuteln von 10 Pfund 4 Mk.
Versandtgeschäft H. Zimmer,
Fitrstenwalde bei Berlin.
3. —
3.50
3.50
4. —
4.50
5. —
(j.—
7.50
Allen Freunden einer ausgezeichneten
Cigarre
empfehlen wir aus eigener praktischer Erfahrung
als beste Bezugsquelle das Versandt-Geschäft von
H. Zimmer, Fürstenwalde b. Berlin. Die genannte
Firma hat sich durch ihre Solidität einen ganz be¬
sonders guten Ruf erworben. Ihr Geschäftsprinzip ist:
Beste Waaren bei billigster Preisstellung und
durchaus reeller Bedienung. Wir sind überzeugt,
dass ein jeder Raucher nach einmaligem Versuch
ein treuer Kunde der Firma wird. — Die Firma
versendet Preiscourante gratis und franco.
Fauna,
anerkanntes und vorzüglich bewährtes
Bandwurmmittel.
Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum,
direct von Natal in bester und frischester Qualität
importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus¬
gedehntesten Anwendung und Anerkennung von
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch¬
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen
Bandwurmmittel.
Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene
oder Kinder) Rmk. 2.—.
A. Marggrafs homoopath. Offlciu, Leipzig.
Digitized by
Google
Im Verlage von A. MarggraPs homöopathischer
OfAcin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre : Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz-
aeivorleeungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering -
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
8 cheidennachallenSeiten des betreffenden Mi ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Het'ing unter Beihülfe von Dr.
Koch, Dr. Morgan, Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In An betracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interesairten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen ,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersicktlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Revisiousmässige Hausapotheken!
Bei den Revisionen der Hausapotheken der splhst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gi ft-Schränkchen
und
Separanden-Sehränkchen
anfertigen lassen und steho ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben 6chon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit nnd
21 cm tief; unter einer Thiire, die das ganze Schränkchen
versehliesst und mit dem Porzellanschild Vonena versehen
ist, sind 8 Abteilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thiire
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thüren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildem ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkchen, leer, 40 M.
Ein Separandenschränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschen grossen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubowahren, die laut Gesetz
roth auf weiSS zu signiren siud (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬
chen jetzt auch in einen Sehrauk vereinigt, vor¬
rät hi g.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nassbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 641 H.
A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mo3sa*Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mftser in Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
Band 138.
Leipzig, den 1. März 1894.
No. 9 u. 10
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig.
f/QT’ Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs- Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein A Vogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile nnd deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit J2 Af. berechnet.
Inhalt. Nachprüfung von Vinca minor. Von Dr. Schier-Mainz. — Eine Discussion Ober Mittelfolge, Bedeutung
einzelner Symptome. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Sticta pulmonaria — Katarrhe
nach Influenza. Von M. D. Youn^man Med. Dr., Atlantic City N. J. — Heilung eines mehrtägigen Singultus. Von
Dr. Goullon. — Incubationszeit und Dauer der Ansteckungsffihigkeit zymotischer Erkrankungen. — Hypodermatische
Einspritzungen von Teucrin bei mycotischen Erkrankungen. Von Dr. Mossa-Stuttgart. — Lesefrüchte. — Dank. --
Aufruf. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Nachprüfung von Vinca minor.
Referent: Dr. Sohier, Mainz.
(Nachtrag und Schlusswort.)
(Arzneiprüfung mit Tinctur No. 1.)
Dr. Grünewald in Frankfurt a. Main: Am
24. October 1893: Früh nüchtern 7 l a Uhr
5 Tropfen in Wasser. Keine aussergewohnlichen
Erscheinungen. Nachmittags Erkältungseinfluss durch
Witterungsverhältnisse, darnach starkes Kältegefühl;
Abends leichter Durchfall.
Am 25. October 1893: Früh nüchtern 5 Tropfen
in 1 Schluck Wasser; keine Absonderlichkeiten.
Nackensteifigkeit links, wohl in Folge des gestrigen
Erkältungseinflusses, Darm normal in Function.
Am 26. October 1893: Früh nüchtern 5 Tropfen
in 1 Schluck Wasser. Nachmittags 5 Uhr 5 Tropfen
ebenso; keine Erscheinungen. Nacken noch steif.
Am 27. October 1893: Früh nüchtern 10 Tropfen
in Wasser, Nachmittags 5 Uhr 10 Tropfen ebenso;
Tag normal verlaufen, Abends wieder leichten
Durchfall, diesmal ohne Erkältungseinfluss.
Am 28. October 1893: Früh nüchtern 10 Tro¬
pfen, Nachmittags 7 Uhr 15 Tropfen. Zweimal des
Tages sehr flotten Stuhl, kein ausgesprochener
Durchfall.
Am 29. October 1893: Früh nüchtern 20Tropfen,
Nachmittags 7 Uhr 20 Tropfen. 1 | 2 Stunde nach
dem Einnehmen: Kopf sehr eingenommen, Stirn¬
druckschmerz, Kälte und Druck bessern; mehrmals
im Tage sehr dünnen, normal gefärbten Stuhl, Nach¬
mittags vorübergehend kolikartige Leibschmerzen.
Am 30. October 1893: Früh nüchtern 30 Tropfen,
Nachmittags Uhr 20 Tropfen; vorübergehend
eingenommener Kopf, Abneigung gegen Rauchen;
Stuhl wie in den letzten Tagen sehr flott.
Am 31. October 1893: Früh nüchtern 3 5 Tropfen,
Nachmittags 6 1 /* Uhr 25 Tropfen. Kein Durch¬
fall mehr, Stuhl gebunden, fest; Abdomen gespannt,
leicht aufgetriehen, vermehrter Harnabgang; Abends
nochmals breiiger Stuhl.
Am 1. Novbr. 1893: Früh nüchtern 40 Tropfen,
Abends 9 Uhr 30 Tropfen. Klopfender Kopf¬
schmerz, Leib gespannt, Stuhl normal.
Am 2. Novbr. 1893: Früh nüchtern 45 Tropfen,
Nachmittags 6 Uhr 35 Tropfen. Morgens sehr
müde im Rücken, Stuhl normal.
Am 3. Novbr. 1893: Früh nüchtern 50 Tropfen,
Nachmittags nichts. Leichtes Ziehen und Reissen
im Leih, Stuhl breiig, schmerzlos.
Am 4. Novbr. 1893: Früh nüchtern 50 Tropfen,
Nachmittags 5 Uhr 50 Tropfen. Keine Besonder¬
heiten.
9
Digitized by
Google
66
Am 5. Novbr. 1893: Früh nüchtern 75 Tropfen
in einem Schluck Wasser; keine Besonderheiten.
Am 6. NoYbr. 1893: Früh nüchtern 75 Tropfen,
Nachmittags 5 Uhr 75 Tropfen. Linksseitige Kopf¬
eingenommenheit, wie oben gebessert, Stuhl in den
letzten Tagen retardirt.
Mit der Gabe von 150 Tropfen im Tage schloss
ich die Prüfung. Die Lebensweise war während
derselben die gewohnte.
Frankfurt a. M., 4. Febr. 1894.
Dr. Grünewald.
Schlusswort.
Soweit die Berichte der Prüfer. Bei einem
Theile derselben fiel die Prüfungszeit mit der In¬
fluenzaepidemie zusammen, so dass die letztere sich
in recht störender Weise geltend machte. Berück¬
sichtigt man ausserdem, dass diese Prüfung unsere
erste ist, dass wir uns also in die Art und Weise
des Prüfens überhaupt erst einschulen mussten, so
kann man wohl mit den Ergebnissen im Allgemeinen
zufrieden sein; jedenfalls aber sind uns wohlgemeinte
Rathschläge der Collegen sehr willkommen, insoweit
sie uns auf vermeidbare Fehler aufmerksam machen
und uns ermöglichen, ein vollkommenes Resultat zu
erzielen. Die Empfindlichkeit der einzelnen Prüfungs¬
personen dem Mittel gegenüber ist eine ausserordent¬
lich verschiedene; die in dieser Hinsicht bestehende
Maximaldifferenz zwischen den Collegen Baltzer
einerseits und Dierkes andererseits giebt zu denken;
ist die Möglichkeit, dass eine ähnliche Verschieden¬
heit der Erkrankten dem indicirten Arzneimittel
gegenüber statthabe durchaus von der Hand zu
weisen?
Wenn es den Anschein hat, als ob meine eigene
Prüfung eine der vollständigsten sei, so lässt sich
daraus gewiss nicht der Schluss ziehen, dass die
anderen Mitglieder der Prüfungsgesellschaft weniger
Eifer auf die Sache verwendet hätten, da ich einer¬
seits ein in psychischer und physischer Beziehung
sehr empfindliches Individuum bin, anderseits durch
die Güte des Herrn Collegen Lorbacher — der
mir die einschlägige Literatur, speciell die österr.
Zeitschrift, zur Verfügung stellte — im Stande war,
mich am genauesten über die Art und Weise des
Prüfens zu orientieren. Da ich ferner allein den
Namen des Mittels kannte, lag auch die Möglich¬
keit der Autosuggestion bei mir gewiss am nächsten;
wiewohl ich die berufenen Kritiker auf diesen
Punkt selbst aufmerksam mache, kann ich doch auf
das Bestimmteste versichern, dass mein Bestreben
dahin ging, mir möglichst wenig Symptome ein¬
zubilden und dass ich speciell nicht vor der Prüfung das
Mittel genau studierte. Vergleicht man die gewonnenen
Resultate mit den Ergebnissen de)' ersten Pnifung,
I welche nur von 5 Personen angestellt worden war,
so zeigt sich keine Zunahme der Symptome, wohl
| aber eine Vertiefung und genauere Detaillirung ein-
| zelner Erscheinungen; es ist daher eine nochmalige
| Zusammenstellung derselben unnöthig. Mehrere
I Symptome jener ersten Prüfung finden sich durch
j die Nachprüfung nur andeutungsweise bestätigt,
I z. B. ,,krampfhafter Husten“, theils gar nicht, z. B.
; ,,Nasenbluten“ und „Entwicklung vielen Ungeziefers
auf dem Kopfe“. Wie übrigens letzteres Symptom
in Heinigke’s Zusammenstellung kommt, ist mir un-
, klar, da in der Originalarbeit Rosenberg’s dasselbe
nicht aufgeführt ist. Die Zumuthung, sich mit
t einem „Lausbuben“ in Verbindung zu setzen, um
• besagte Erscheinung ev. zu bestätigen, würde Seitens
der Prüfer gewiss ein sehr berechtigtes Schütteln
des Kopfes zur Folge haben; demgemäss ist auch
! von einer „weichselzopfähnlichen Verfilzung der
Haupthaare“ in keinem Bericht die Rede. Das in
der Originalarbeit Rosenberg’s aufgeführte Symptom
„Halsgeschwüre“ hat Ileinigke in seine Zusammen¬
stellung nicht aufgenommen; w r eshalb, ist mir un¬
bekannt. Bei keinem der Nachprüfer kam es zu
j wirklichen „Erbrechen galliger Massen“, wiewohl
einige mit grösseren Dosen experimentirten, als
jene ersten Prüfer, die nur bis zu 60 Tropfen der
Essenz stiegen. Auch die „verminderte Harnab¬
sonderung“ findet sich bei der Nachprüfung nicht
bestätigt, eher das Gegentheil. Die Dane)' der
Nachwirhtng beträgt mehrere Wochen; eine be-
| sondere Empfindlichkeit des Mittels gegenüber' S iuren
(saueren Speisen) scheint zu bestehen.
Bei weitem das Hauptgewicht ist w r ohl auf die
diphterieähnlichen Symptome zu legen, welche bei
einigen Mitgliedern der Prüfungsgesellschaft, auch
| bei den Damen, ganz eclatant sich zeigten; in
dieser Hinsicht erscheint die empirische Anwendung
Seitens jener Apothekerswittwe durchaus berechtigt.
Auch auf Grund der günstigen Resultate, welche
1 ich in einer ziemlichen Zahl von einschlägigen
Fällen mit dem Mittel erzielte, glaube ich die
| Hoffnung aussprechen zu dürfen, dass w ir in dieser
| einheimischen Pflanze ein Medicament zu sehen
| haben, welches dem Mercuriuscyanatusbei Diphtherie
| nicht sowohl Concurrenz zu machen, als dessen
Wirkung erfolgreich zu ergänzen vermag. Die
1 Diagnose Diphtherie ist bekanntlich, zumal bei Be¬
ginn der Erkrankung, wn‘e kaum eine andere dem
subjectiven Ermessen des Arztes anheimgestellt; ich
pflege diese Diagnose nur dann zu stellen und dem¬
gemäss die in Hessen vorgeschriebene Anzeige bei
der Behörde nur dann zu machen, w enn ein grauer,
graugrüner oder graugelber Belag deutlich zu con-
statieren ist und die Pulszahl des Patienten mindestens
i 100 pro Minute beträgt, wie ich denn auf die
, Kraft und Frequenz des Pulses überhaupt den
Digitized by ^.ooQle
67
grössten Nachdruck legen zu müssen glaube bei
einer Krankheit, die ja vorzugsweise in Folge von
Herzlähmung einen ungünstigen Ausgang nimmt.
In den letzten 4 Monaten habe ich ca. 40 ein¬
schlägige Fälle, darunter etwa 10 mit echter Diph¬
therie in obigem Sinne, mit Vinca behandelt und
davon 2 Fälle verloren; diese beiden Fälle be¬
handelte ich, da von vornherein wenig Aussicht auf
Rettung vorhanden war und ich das Abweichen von
der landläufigen homöopathischen Behandlung daher
noch nicht riskiren wollte, mit Mercurius cyanatus —
der übrigens hier auch indicirt war — und Vinca
im Wechsel. Trotzdem und trotz aller nebenbei
getroffenen Massnahmen — Wickel, Sitzbäder, Hals-
umschläge, Bettdampfbad, Gurgeln — starben die
beiden Geschwister, das eine 6, das andere 24 Stun¬
den, nachdem ich citirt worden war. Ich bin über¬
haupt weit entfernt zu glauben, dass nun mit Hilfe
von jenen beiden Arzneien jeder Fall von Diphtherie
zu einem günstigen Ausgang gebracht werden könne;
diese Hoffnung ist selbst dann, wenn man sofort
beim Beginn gerufen wird, durchaus unberechtigt
bei einer Erkrankung, welche sehr oft nur den Ab¬
schluss einer durch langes Siechthum vorbereiteten
Katastrophe darstellt. In obigen beiden Fallen kam
als erschwerender Umstand noch hinzu, dass ich bei
meinem ersten Besuch bereits keine Temperatur¬
steigung mehr finden konnte; die Haut der kleinen
Patienten fühlte sich schon kühl an, was auch kaum
zu verwundern ist, wenn man berücksichtigt, dass
der Vater jener Kinder bereits 4 Tage vorher einen
Belag constatirt, die schlummersüchtigen, zeitweise
auch spielenden Patienten aber für nur leicht er¬
krankt gehalten hatte.
Der Procentsatz der Geretteten ist also, wenn
ich von den 30 leichteren Fällen absehe, vielleicht
nicht sehr in die Augen fallend; besonders be-
merkenswerth aber erscheint mir der durchschnittliche
Verlauf der Erkrankung. Bereits am 2., nur aus¬
nahmsweise später als am 3. Tage war der Belag
sowie das Fieber verschwunden, dafür aber in etwa
s / 4 der Fälle ein Ekzem (Herpes) an den Lippen,
zumal der Commissuren, erschienen; der Appetit
stellte sich schon am 1. Tage oft wieder ein, und
demgemäss war auch das Allgemeinbefinden nicht
so hochgradig und so lange andauernd deprimirt,
wie dies fast gewöhnlich zu bemerken ist; dagegen
vergingen oft 8 Tage, zuweilen sogar mehrere
Wochen, bis die Tonsillen auf ihren früheren Be¬
stand sich reducirt zeigten, einigemale verkleinerten
sich die Mandeln überhaupt nicht mehr ganz.
Wenn ich also, weniger mich stützend auf die
Gesundung der relativ weniger von mir mit Vinca
behandelten Patienten, als unter Hinweis auf die j
Resultate der Prüfungsgesellschaft den Collegen an¬
empfehle, das Mittel ebenfalls in der Praxis zu ver¬
suchen und die erzielten Resultate bekannt zu
geben, so brauche ich an dieser Stelle kaum noch
einmal zu betonen, dass ich in Vinca minor nun¬
mehr nicht ein Universalmittel für Diphtherie eruirt
zu haben glaube; ich weiss mich vielmehr durch¬
aus eins mit den Collegen in der Meinung, dass
jeder, der mit Anpreisung einer niemals versagenden
Arznei gegen diese mörderische Krankheit an die
Oeffentlichkeit tritt, entweder aus Mangel an Kennt¬
nissen und Erfahrungen handelt oder aus anderen
Motiven, die zu sehr am Tage liegen, als dass ich
sie hier des Näheren zu erörtern brauchte.
Die grosse Aehnlichkeit der Prüfungssymptome
mit denen der Mercurpräparate fällt sofort in die
Augen; die Differentialdiagnose zwischen Mercurius
cyanatus und Vinca minor ist daher nicht immer
leicht. Ich glaube nicht fehl zu gehen in der An¬
nahme, dass ersteres Mittel vermöge des Blausäure¬
gehaltes mehr für diejenigen Fälle passt, welche
die Tendenz haben, die Schleimhaut des Kehlkopfes
in Mitleidenschaft zu ziehen, während Vinca ausser
der Rachenschleimhaut mehr diejenige des Nasen -
rachenraumes , der Nase und ei\ der Augen afficirt.
Ferner scheint Vinca mehr für den Anfang der Er¬
krankung zu passen, da deutliche Erscheinungen
von Herzaffection nur sehr spärlich notirt sind,
während der Blausäuregehalt des Mercur. cyan. ent¬
schiedene Zeichen von Herzlähmung zur Folge hat;
es ist also w ohl Vinca keineswegs als ein vollwertiger
pflanzlicher Ersatz für das metallische Specificum
zu betrachten, hierzu fehlt vielmehr noch ein Mittel,
welches auch die Erscheinungen der Herzlähraung
prägnanter aufweist, also „giftiger“ ist denn Vinca.
Die Hauterscheinungen, welche die letztere hervor¬
ruft, finden sich durchgängig auch bei Mercur., nur
hat Vinca das nächtliche Jucken weniger vorwiegend.
Obgleich sie bei den verschiedensten Witterungs¬
zuständen geprüft wurde, findet sich in keinem Be¬
richte die Erwähnung einer bessernden oder ver¬
schlimmernden Wirkung jener Einflüsse, wie ja auch
das Auftreten der Diphtherie von der Witterung
so gut wie gar nicht beeinflusst wird. Während
Mercur. deutliches Angstgefühl hervorruft, verursacht
Vinca eine mehr melancholische Geraüthsverstimmung.
Grosse Schwäche und Hinfälligkeit findet sich bei
beiden Mitteln und ist ja nur ein allgemeines Zeichen
von Vergiftung. Einzelne Symptome von Vinca,
die bei meiner Frau und bei mir selbst auftraten,
sind vielleicht gar als Lähmungserscheinungen der
Gaumen- und Schlundmuskulatur zu deuten, wie
auch die vei mehrteHarnsecretion eineNierenaffection
anzuzeigen scheint; leider war ich nicht in der
Lage, den Harn auf Ei weiss zu untersuchen.
Die sonst gegen Diphtherie empfohlenen Mittel
können, sofern nicht Complicationen mit Erkran¬
kungen anderer Organe vorliegen, kaum mit jenen
9*
Digitized by
Google
68
beiden concurriren. Manchem Anhänger der ältesten
Richtung der Homöopathie mag es vielleicht un¬
wissenschaftlich Vorkommen, wenn ich für die oben
charakterisirten gewöhnlichen Fälle von Diphtherie
die allgemeine Anwendung von Vinca, ev. neben
oder im Wechsel mit Mercur. cyanat., empfehle;
meines Erachtens aber wird immerdar der ein
Stümper bleiben, der den „Geist“ und das Wesen
eines Mittels nicht erfasst und sich lediglich ab¬
müht, die Symptome möglichst genau zu decken.
Von welchen Zufälligkeiten aber das Notiren dieses
und jenes Symptoms, vielleicht nur Seitens eines
einzigen Prüfers, abhängig sein kann, weiss wohl
nur Derjenige genügend zu beurtheilen, der selbst
Prüfungen angestellt hat. Auch ist gerade das
Krankheitsbild der Diphtherie ein solch prägnantes
und gleichförmiges, dass feinere Specialdiagnosen
ebenso schwierig wie unnöthig erscheinen, zumal es
sich ja oft um Kinder der ersten Lebensjahre handelt,
bei denen eine detaillirte Untersuchung und Berück¬
sichtigung subjectiver Merkmale kaum möglich ist.
Ich bin auch überzeugt, dass unter den deutschen
Homöopathen wenige sind, welche nicht bei der
Diagnose Diphtherie bisher sofort an Merc. cyanat.
dachten und das Mittel anwandten, ohne sich um
das Eruiren einer specifischen Symptomenähnlich-
keit zu bemühen; die Möglichkeit der speciellen
Indication eines homöopathischen Heilmittels weiss
ich sehr wohl zu würdigen, bin aber der Meinung,
dass manche Anhänger unserer Richtung hierin zu
weit gehen. Im Uebrigen ist auch eine ganz ge¬
naue Specialdiagnose für Vinca möglich durch Zu¬
sammenstellen der Halserscheinungen mit den Symp¬
tomen Seitens des Darmes, der Haut und ev. des
Uterus zu einem sehr prägnanten Constitutions¬
bilde.
Dasselbe gilt für die Veneendung der Vinca minor
bei Erkrankungen der letzteren Organe, also der Haut,
des Darmes, des Uterus , deren Vielgestaltigkeit eine
viel genauere Detaillirung erfordert, als die fast
immer unter denselben einfachen Symptomen auf¬
tretende Diphtherie.
Ceterum censeo, es sei räthlich, dass die Collegen
unser erstes Prüfungsmittel möglichst ausgedehnt
vor Allem bei Angina und Diphtherie praktisch ver¬
suchen, am besten auch mit gleichzeitigem äusser-
lichen Gebrauch der verdünnten Essenz als Gurgel¬
mittel.
Was die Dosis für die innerliche Anwendung
betrifft, so richtet sie sich natürlich nach den für
die Dosirung homöopathischer Mittel allgemein —
oder vielmehr nicht allgemein — gültigen „Regeln“.
In den oben erwähnten Fällen verabreichte ich von
der 2. oder 3. D.-P. alle *1., oder 1 Stunde einige
Tropfen. Ohne die Berechtigung höher potenzirter
Gaben in Abrede zu stellen, verweise ich noch ein¬
mal bezüglich der Dosenfrage auf meine in No. 112
und 3 4 des 126. Bd. ds. Ztg. aufgestellten Thesen.
Durch Verabreichung relativ starker Gaben kommen
wir den natürlichen Vorgängen am nächsten; in der
so schwierigen Frage der menschlichen bez. thieri-
schen Biologie aber gehört demjenigen Verfahren,
welches die Natur am genauesten nachahmt, allemal
die Zukunft.
Zum Schlüsse erlaube ich mir noch einmal
namentlich die jüngeren Collegen, womöglich mit
ihren Damen — aber auch ältere sind willkom¬
men! — zur regeren Theilnahme an den Arznei¬
prüfungen einzuladen; mögen recht viele dazu be¬
hilflich sein, die deutsche Homöopathie aus ihrer
Ruhe auf den von den Vätern ererbten Besitz zu
frischem Leben und reger Thätigkeit aufzurütteln!
Die Prüfungen stellen ja manche, nicht gerade im¬
mer geringe Anforderungen an den Einzelnen, stets
und immerdar aber wird der Satz gelten:
Ttjg dQtTtjg tÖQwra itQOJtaQOi&sv ilhjxavl
Wir beglückwünschen den Herrn Collegen Schier
mit grosser Genugthuung, dass es ihm gelungen
ist, das so schwierige Werk der Nachprüfung eines
einheimischen Mittels mit einer Prüfungsgesellschaft
in verhältnissmässig kurzer Zeit und mit so gutem
Erfolge zu Stande zu bringen.
Wir denken im Sinne zunächst der deutschen
Homöopathie zu handeln, wenn wir den opferfreudi¬
gen Prüferinnen und Prüfern unseren aufrichtigen
Dank aussprechen, von dem ein gut Theil dem um¬
sichtigen, keine Mühe scheuenden Unternehmer und
Dirigirenden des Ganzen, Herrn Dr. Schier, zukommt.
Ein guter Anfang ist gemacht; vivat sequens!
Die Redaction.
Eine Discussion Uber Mittelfolge, Bedeutung
einzelner Symptome.
Aus einer Discussion während der Verhand¬
lungen des amerikanischen homöopathischen Insti¬
tutes ergaben sich Resultate, welche für die homöo¬
pathische Praxis von so allgemeiner Bedeutung sind,
dass wir es für angemessen halten, den Inhalt der¬
selben den deutschen Collegen hier vorzulegen.
Dr. E. E. Case hatte eine Arbeit eingereicht, die
über einige Fälle von Unterdrückung von Haut¬
ausschlägen handelt.
Dr. J. H. Allen. — Ich möchte gern Dr. Case
fragen, weshalb er es nicht gewagt hat, Sulphur
zu geben und statt dessen Psorinum verordnete.
Dr. Case. — Aus dem Grunde, weil manche
von unseren Autoritäten bestimmen, Sulphur solle
Digitized by
Google
69
nicht 7 lach Calcarea gegeben werden. Mich dünkt,
C. Hering giebt in seinen „Leit-Symptomen“ (gui-
ding Symptome) eine solche Bestimmung.
Dr. Pease . — Wie verfahren unsere besten
Praktiker, wenn sie Calcarea-Symptome bei einem
Kranken mit schwarzen Augen, dunklem Haar und
blasser Haut finden?
Dr. Case. — Ich für meinen Theil gebe in
solchen Fällen Calcarea phosphorica.
Dr. Clark . — Das ist die alte Idee in einer
andern Form, wenn man eben nach einer anderen
Regel als nach dem Aehnlichkeitsgesetz verordnet.
Ich bin sicher, Dr. Lippe pflegte Sulphur nach
Calcarea zu geben, und sie wirkten auch in dieser
Folge gut.
Dr. Reed. — Ich habe seit langer Zeit die Idee
von der Aufeinanderfolge der Mittel aufgegeben,
so wie auch die von der ausschlaggebenden Be¬
deutung der Antlitz-Zeichen bei der Mittelwahl.
Es kann erforderlich sein, Calcarea einer sehr ma¬
gern Person mit dunklem Teint zu geben. Die
magerste Person, die ich je sah, einer Patientin
mit Schwindsucht, gab ich Calc. — und sie ist jetzt
im besten Wohlsein. Es war nicht das Mindeste
in der Patientin Bau, Antlitz, Gebühren, was auP
Calcarea hinwies und doch forderten es die Symp¬
tome. — In Dr. Case’s Fall muss Psorin angezeigt
gewesen sein, und nicht Sulphur. Ich kenne jenes
als ein sehr wichtiges Mittel; ich habe damit Eczema
geheilt, das die charakteristischen braunen Flecke
an den Schädelkanten zeigte, sowie Rhagaden in
den Gelenkbeugen, wenn Calc., Mercur oder Silicea
nur palliativ, Sulphur nur zeitweise bessernd wirkte.
Dr. H. C. Allen. — Die einzelne Thatsache,
dass ein Patient über die Siebenzig hinaus,
und ausgemergelt ist, giebt keine Gegenanzeige für
Calcarea, sondern indicirt es vielmehr. Wir müssen
unserem Gesetze gemäss verordnen, und jene con-
stitutionellen Züge bilden einen Theil der Symp¬
tome des Falles.
Dr. J. H. Allen . — Ich stimme den Coli egen
Allen und Clark bei: Wenn ein Mittel dem Aehn¬
lichkeitsgesetz entspricht, so verordne ers, ohne zu
fragen, welches vorangegangen ist, und achte wenig
auf die Folge der Mittel.
Dr. Pease . — Ich habe beobachtet, dass ein
zu ängstliches Festhalten an die Diathese bei der
Mittelwahl nicht immer verlohnt. Ich erinnere mich
zweier Fälle, wo ich wegen des Umstandes, dass
der Patient von dunklem Teint war, Calc. phosph.
gab, während die Symptome auf Calc. carbon. hin¬
wiesen. Calc. phosph. hatte keine Wirkung, wäh¬
rend Calc. carb. einen schnellen Heilerfolg erzielte.
So habe ich noch einen frischen Fall, in dem Puls,
sehr nützlich war, obschon der Kranke brünett und
schwarzhaarig war. Es handelte sich um eine chro¬
nische Störung infolge von Herzerweiterung. Ich
zauderte lange, ehe ich ihm, in Anbetracht seines
Temperaments, Puls, gab und wandte andere Mittel
an... Erst als ich ihm Puls, in Hochpotenz verab¬
reichte, hatte ich ein gutes Resultat. Danach
besserte er sich bald.
Dr. Hm . We8seUweft . — Wenn wir von der Dia¬
these (ein Wort, das ich, beiläufig gesagt, hasse)
eines Kranken sprechen, so suchen wir mit einem
Wort seine Erscheinung, seinen Bau, Antlitz und
Temperament auszudrücken. Diese Diathese sollte
immer einfach als ein Symptom in dem Krankheits¬
fälle, und als nichts mehr, betrachtet werden. Der
Gedanke, ein Mittel darum auszuscheiden, weil ein
Kranker schwarzhaarig und mager ist, oder ein
Mittel zu verordnen, weil die Kranke eine Blondine
ist und leicht erröthet, ist ganz falsch. So dachte
Hahnemann und seine Genossen nicht. Ihre Ab¬
sicht war, der ärztlichen Welt zu Nutz jene Tempe¬
ramente anzugeben, bei denen bestimmte Mittel
sich am wirksamsten erwiesen oder von denen die
Prüfer die charakteristischsten Symptome erlangt
hatten. Es war nicht unrecht, wenn mein Vor¬
redner einer brünetten, schwarzhaarigen Person
Puls. gab. Diese Zeichen sind als Symptome zu
betrachten, die man nicht unter-, aber auch nicht
überschätzen darf. — Wenn ein fettes, blondhaari¬
ges Mädchen in die Sprechstunde eines Homöopathen
kommt und erröthet, sobald sie ihre Krankheitsge¬
schichte zu erzählen beginnt, so denkt er an Calc.
und wird nach mehr Calc.-Symptomen suchen, aber
es wäre falsch, wenn er kurzer Hand gleich Calc.
verschreiben wollte. — Calc. mag trotz alledem
nicht angezeigt sein in diesem Falle, trotz dem
Teint und des leichten Erröthens. Ebenso falsch
wäre es, Calc. abzuweisen, nur weil Patient mager
und brünett ist. — Was die Aufeinanderfolge der
Mittel betrifft, so ist hier noch, meine ich, viel zu
lernen. Das ist ein Gegenstand, für den wir der
Beobachtungen unserer fähigsten Männer bedürfen.
Ich persönlich bin überzeugt, dass Sulphur nicht
gut nach Calc. passt, sowie auch, dass Rhus nicht
gut auf Apis folgt; ebenso thut Sulphur nach Lyco-
pod. nicht gut. Andererseits steht es mir fest,
dass Calc. mit Nutzen auf Sulphur folgt Ich bin
völlig überzeugt, dass Rhus nach Apis in Erysipelas
schreckliches Unheil angerichtet hat. Ich glaube,
wenn wir in unseren Beobachtungen ganz redlich
sind, so werden wir uns selbst und unseren Nach¬
folgern betreffs der geeigneten und nicht geeigne¬
ten Folge der Mittel einen schätzenswerthen Dienst
leisten.
Dr. H. C. Allen . — Hahnemann hat im Organon
die Regel aufgestellt, dass wir einem einzelnen
Symptom nur geringe Beachtung schenken sollen.
Wir sollen nicht auf ein einzelnes Symptom hin ein
Digitized by
Google
70
Mittel verordnen; ein einzelnes Symptom darf für
die Wahl nicht entscheiden, die Gesammtheit der
Symptome entscheidet. Wenn es auch wahr ist,
dass Nux vomica, Calcarea, Pulsatilla, Sulphur,
Capsicum und manche andere Mittel eine ganz be¬
sonders auffällige Wirkung auf Leute von gewissem
Teint und bestimmter Constitution haben, so ist es
ebenso wahr, dass diese Mittel angezeigt sein können
bei Constitutionen, welche denen entgegengesetzt
sind, in welchen jene gewöhnlich anwendbar sind.
Ich habe ausgesprochenen Nux vom.-Teint und
-Temperament mit Pulsat. geheilt.
Dr. T. S. Hoyne. — Hahnemann hat aber auch
bestimmt, auf die eigenartigen und charakteristi¬
schen Symptome ganz besonders Acht zu haben.
Dr. Morgan . — Mit Dr. Allen und Wesselhoeft
bin ich der Ansicht, dass Teint und Temperament
einen Hinweis, aber keine Entscheidung für die
Mittelwahl abgeben.
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Heste-Hamburg.
("Fortsetzung.)
5. Dr. Lowe:
Eine sechzigjährige Frau litt seit Jahren an
Malaria-Kachexie, begleitet von Leber- und Nieren-
beseliwerden, heftigen Magenschmerzen und stürmi¬
scher, unregelmässiger Herzthätigkeit. Sie litt sehr
an fast beständiger Hitze und Brennen in der Nieren¬
gegend und alle Symptome waren schlimmer, wenn
die Urinmenge vermindert war.
Lange Zeit war sie allopathisch behandelt worden
unter Verschlimmerung des Zustandes, dann mit
mässiger Besserung homöopathisch. Seit Monaten
hatte Dr. Lowe sie in Behandlung ohne besondere
Resultate, als er eines Tages schnell gerufen wurde.
Starker Frost, Magenschmerzen und Erbrechen waren
eingetreten mit anscheinend gänzlicher Unterdrückung
der Urinsecretion.
Ein Pulver Cantharis 200. erleichterte sofort.
4 Monate später war nochmals dieselbe Arzneigabe
nöthig. Dabei besserte sich ohne sonstige Arznei
ihre Gesundheit soweit, wie man es nach ihrem
Alter und den vorausgegangenen Krankheiten nur
irgendwie verlangen konnte.
6. Dr. Mc Neil in San Francisco hatte ein Baby
vergeblich mit verschiedenen Arzneien an Inter-
mittens behandelt, giebt mit sofortigem Erfolg Pulsat.
auf das Symptom hin. ,,Das Baby will stets ins
Freie getragen werden, fühlt sich wohl, so lange
es im Freien ist.“
7. Dr. Mc Neil:
Frl. G. hat Tertianfieber.
Der Frost kommt 1 Uhr Nachmittags und dauert
1 *| 9 Stunde, dann 4 Stunden Hitze mit Kopfschmerzen,
Schmerzen in den Gliedern, die durch Bewegung
schlimmer werden, Uebelkeit, Erbrechen, Fieber¬
bläschen an den Lippen. Bryonia 30. beendete so¬
fort das Fieber, nachdem vorher von anderer Seite
starke Chinindosen vergeblich gereicht waren.
8. Dr. Morrow:
Bertie J., 5 Jahre alt.
Frost jeden Morgen 8 Uhr.
Vor dem Intermittensanfall massige, unverdaute
Stühle, Durst des Nachts.
Der Frost beginnt in Händen und Füssen.
Nägel purpurfarben, Gesicht, Nase und Ohrenkalt.
Gesicht sehr blass in der Apyrexie und auch
wahrend des Fiebers . Beim Frost gern warm zu¬
gedeckt, Husten, Schlaf, kein Durst.
Bei der Hitze Husten, Durchfall (sobald der
Frost abzieht), Stühle wässerig, hervorstürzend;
stechende Brustschmerzen, Hunger zugleich mit dem
Durchfall; Durst in der Hitze; Gesicht heiss , aber
| blass.
Nach der Hitze kalter Schweiss auf Stirn und
Händen.
1 Apyrexie: Kind ist sehr reizbar, Gesicht sehr
blass. Verlangen nach allen möglichen Sachen , die
die das Kind aber zuräckiceist , wenn man sie ihm
geben will.
Obige 8 Fälle zeigen deutlich, dass unter dem
Sammelnamen Intermittens sehr verschiedenartige
Formen untergebracht werden, dass der Homöopath
individualisiren, nicht die Krankheit, sondern den
Kranken behandeln muss.
In Fall 1 deutet die ausserordentliche Empfind¬
lichkeit gegen Entblössung unter den 11 Arzneien,
welche v. Boenniughausen für „blaue Jfägel beim
Frost“ anführt, auf Ars., Aur., Nux. vom., Silicea.
Unter diesen vier kommen Ars. und Aur. weniger
in Betracht, weil der vorliegende Fall charakteristi¬
sche Zeichen vermissen lässt, die diesen Mitteln
eigen sind. Nux vom. verdiente vor Sil. den Vor¬
zug wegen des Anfangs um 4 Uhr Morgens. Wenn
man den Fall 4 durchliest, wird die Aufmerksam-
I keit sofort auf Nux vom. gelenkt durch ein eigen-
| artiges Symptom, das man bei keinem anderen
Mittel findet: „Der Kranke kann sich im Bette nicht
umdrehen, ohne sich vorher aufzusetzen.“ Farring-
ton, Hering, Guernsey erwähnen dieses Symptom.
In dem Arsenfalle 2. fehlt nicht die äusserste
Schwäche und die für dieses Mittel wichtige Zeit.
3. Jeder, der Natr. mur. kennt, weiss auch von
der Verschlimmerungszeit dieses Mittels von 9 oder
10 Uhr Vormittags bis in den Nachmittag.
4. v. Boenninghausen erwähnt unter seinen
126 Fiebermitteln auch Cantharis und sagt sogar:
„Es bedarf zum Schlüsse kaum der Erwähnung,
Digitized by k^ooQie
71
dass mit den in dieser kleinen Schrift namhaft ge¬
machten Heilmitteln keineswegs der ganze Cyclus
derjenigen, welche bei Wechselfiebern überhaupt in
Anwendung kommen können, abgeschlossen sein soll.
Nur die am gewöhnlichsten Passenden und die in
der Praxis bereits bewährt Gefundenen sollten hier
eine Stelle finden.“
In der überaus grossen Anzahl von Arzneien,
welche dem Homöopathen als bekannt zu Gebote
stehen sollen, liegt das Schwierige seiner Kunst,
aber auch zugleich seine Ueberlegenheit gegenüber
der allopathischen Therapie, welche sich zur Er¬
leichterung des Arztes, aber nicht des Patienten in
einem ausserordentlich engen Kreise von Arznei¬
mitteln bewegt.
6. v. Boenninghausen bedarf zu den 4 Mitteln,
welche er unter „Besserung des Kindes durch Tragen
auf dem Arm“ nennt, noch des Zusatzes von Puls,
und Ars.
Das Puls.-Kind will langsam getragen werden,
Ansen, hetzt den Tragenden zu immer schnellerem
Gehen, Ant. tart. will sitzend getragen werden.
In 7. war die Besserung der Gliederschmerzen \
in der Ruhe massgebend, in
8. für Cina die Blässe des Gesichts bei der Hitze
(eine ungewöhnliche Erscheinung, bei v. Boenning¬
hausen nur bei einer beschränkten Anzahl von j
Mitteln bemerkt, besonders bei Ars., Cina, Crocus,
Ipec., Lycop., Sepia), Hunger und Durchfall bei |
der Hitze, ferner der kalte Stirnschweiss (Cina, Subli¬
mat, Staphysagria, Opium, Veratrum). Zuletzt die
gereizte, widerwärtige Gemüthsstimmung. ,,Das Kind
verlangt Alles, wirft es aber weg, wenn man es
ihm giebt.“ Ein Symptom, welches in der Kinder¬
praxis verwerthbar ist und beobachtet wurde bei
Cina, Cham,, Staph., Dulc., Rheum, Kreosot, Bryonia.
Es kommen in der Praxis immer Fälle vor, wo
Cina durch andere Mittel nicht zu ersetzen ist.
Bohren in der Nase und milchiger Urin fehlen selten;
ob Würmer vorhanden sind, ist gleichgiltig.
Hahnemann sagt von Cina: ,,Es vermag viel in
Keuchhusten und Wechselfieber, verbunden mit Er¬
brechen und Heissliunger. “
Farrington hält Cina für indicirt zuweilen bei
Intermittens. Ich selbst gab Cina einmal bei Wechsel¬
fieber eines Kindes mit sofortigem Erfolg. Indicirt
war es durch die widerwärtige Stimmung, Bohren
in der Nase namentlich beim Fieber und milchi¬
gem Urin.
Ueberhaupt habe ich Cina einige schöne Hei¬
lungen zu verdanken in Keuchhusten und Schleim¬
überfüllung der Lunge bei Kindern.
Dr. E. Case:
Frau J., 42 Jahre alt, leidet seit 6 Wochen an
Hämorrhoiden . Diesen war Durchfall voraufgegangen.
Behandlung bisher allopathisch ohne Erfolg.
Der Stuhl selbst ist leicht und schmerzlos, aber
nach dem Stuhle ist soviel Stechen und Wundsein
in den herausgetretenen Knoten, dass das Sitzen
unmöglich ist. Die Patientin muss nach dem Stuhl
1 — 2 Stunden liegen.
Dieselben stechenden Schmerzen belästigen auch
Nachts.
Die Knoten bluten stark nach dem Stuhl,
Oefterer vergeblicher Stuhldrang .
Saueres Aufstossen , besonders Morgens,
Sie ist früh schläfrig , Abends, et*wacht aber schon
gegen 3 Uhr früh. Geht sie später zu Bett, wacht
sie mit dumpfem Kopfweh auf.
Ein Pulver Nux vomica Hochpotenz in wässeriger
Lösung bewirkte, dass die Blutung in 2 Tagen auf¬
hörte und die Knoten nach 14 Tagen verschwanden.
Dr. Horace P. Holmes:
Frau X., 44 Jahre alt, kam zu mir wegen Mi¬
gräne. Seit 2 Jahren litt sie daran, seit einem
Jahre schlimmer, seit 8 Wochen hat sie alle 14 Tage
einen Anfall, besonders in der Regelzeit und in der
Mitte zwischen zwei Regelzeiten.
Sie wacht Morgens mit dem Kopfweh auf, wel¬
ches bis Mittag zunimmt und bis Abends allmählich
nachlässt.
Es ist ein heftiger Schmerz und Druck im Scheitel
und Hinterkopf.
Sie hat ein Gefühl , als sei der Kopf zu gross
und als wolle er bersten beim Bewegen.
Sie muss den ganzen Tag liegen , allein im dunklen
Zimmer.
Geräusch , Geruch dev Speisen sind unerträglich ,
ebenso wie Helligkeit für die gerötheten Augen.
Die Kopfhaut ist empfindlich gegen. Berührung.
Mit Abnahme der Schmerzen tritt Herzklopfen ein.
Die einzige Linderung ist warm Einwickeln des
Kopfes, so dass nur die Nase frei ist.
Nux vom. Hochpotenz that vorzügliche Dienste.
Ueberdie Besserung von Warmein wickeln bei Nux
vom. ist zu erwähnen, dass Kent angiebt, dass so¬
wohl bei Nux vom. als bei Arsen., also bei Mitteln,
die viel Wärme im Allgemeinen nöthig haben, Kopf¬
schmerz und Schnupfen sich bessern durch Ent-
blössen des Kopfes und im Freien, im Gegensätze
zu dem sonstigen Verhalten der Arzneien.
Das Gefühl, als ob der Kopf zu gross wäre, ist
am meisten «ausgesprochen bei dem Sonnenstichmittel,
dem Glonoin.; Hutdruck ist ausserordentlich lästig.
H.: Vor l 3 j 2 Jahren behandelte ich einen Capt.
a. D., 52 Jahre alt, der seit einem halben Jahre
an Schwindel litt. Derselbe kam oft zweimal täg¬
lich, auch in* 8 tägigen Intervallen.
Dem Schwindel ging Singen im rechten Ohr
voraus. Wenn er bei diesem Singen den Finger
in das rechte Ohr einbohrte, konnte er zuweilen
dem Schwindel Vorbeugen.
Digitized by
Google
72
Nach dem Schwindel behält er Tage lang dumpfen
Kopf.
Wärme am Kopf wie im Zimmer , Sommer-
nnd Sonnenwärme, Kopfbedeckung sind unerträglich.
Er hat das Gefühl\ als ob der Kopf viel dicker
sei, als gewöhnlich.
Ich verordnete am 14. November 1891 Glo-
noin. X., wöchentlich ein Pulver.
Am 18. Januar 1892 bezeichnet er sich als ge¬
sund. Er hat seit dem ersten Pulver nur zwei
leichte Anfälle gehabt, einen sofort nach dem ersten
Pulver und einen vor 3 Wochen bei körperlicher
Anstrengung.
Der Kopf ist viel freier und verträgt Hutdruck
wie Zimmerwärme. Ich gab dieselben Pulver noch
einmal.
Mehrfach verwende ich Glonoin. bei Leiden, die
auf die Hitze der Tropen zurückzuführen sind, mit
Erfolg.
Die hervorstechenden Kopfsymptome von Glonoin.
in Verbindung mit den bei Hering angeführten
Harnsymptomen: „Ham sehr eiweisshaltig, muss
Nachts oft aufstehen, um ihn zu entleeren,“ fordern
auf zur Anwendung des Mittels bei Morbus Brightii
mit urämischen Erscheinungen.
H.: G., ein 17jähriger, blonder, sehr gut ge¬
nährter Jüngling, leidet seit einem Jahre alle Woche
an Kopfschmerzen mit Nasenbluten und Schwindel.
Er schwitzt sehr leicht , besonders am Kopf.
Oft Verstopfung der Nase.
Husten, namentlich Nachts.
Schlechte Zähne.
Viel Schlafbedürfnis.
Herzklopfen bei Anstrengung.
Anstrengung überhaupt nicht vertragen.
12. December 1891 Calc. carb. X., wöchentlich
ein Pulver.
25. Januar 1892 Kopfschmerz und Schwindel
nicht mehr bemerkt, auch kein Husten; Nasenbluten
einmal.
(Fortsetzung folgt.)
Sticta pulmonaria — Katarrhe nach Influenza.
Von M. D. Youngman Med. Dr., Atlantic City N. J.
Unter dem Schurr-Murr unserer hintangestellten
Arzneimittel findet sich auch die Sticta pulmonaria.
Die „Polychreste,“ getreu der allgemeinen und üblen
Neigung unter den Dominirenden der Erde, haben sie
in den Schatten dunkler Somnolenz getrieben, wo
man sie nur, wie die Hexe von Endor, in der
Stunde äusserster Noth befragt, wenn die Poly- 1
chreste im Stiche gelassen haben. Verf. ist aber
seit einer Reihe von Jahren immer mehr und mehr
zu ihr, wie zu einem „guten Hausgeist“ gegangen,
Anfangs nur halbgläubig oder halbschwankend, weil
von diesem Mittel so wenig publicirt und so wenig
Zeugnisse von ihm in den Uebersichten abgelegt
worden sind. Es ist ihm aber ein vertrauens¬
würdiges Heilmittel geworden, zu dem er sich jetzt
mit der Herzenswärme und der Erwartung — ja
fast Zuversicht — wendet, die man zu einem er¬
probten Freunde hat. Es giebt sodann aus der Zeit
von 1892, als die Influenza dort h errs ch e nd ge¬
wesen war, einige interessante Belege von ihrer
Wirksamkeit.
1892, 2. März. Ein 53jähriger Mann hatte im
December 18’Jl die Influenza gehabt, von der er
einen sehr quälenden Husten behielt mit etwas
Dyspnoe und Auswurf eines eiweissartigen, dicken,
zähen Schleimes, der Abends und im Anfänge der
Nacht schlimmer war; beim Husten hatte er grossen
Schmerz über die ganze Brust, besonders aber in
den Achselhöhlen, so dass er die Brust mit den
Händen zu halten bemüht war. Unter dem Brustbein
war ein Gefühl von Hitze und Kratzen. Morgens
kam auch etwas Blut im Auswurf. Die Temperatur
war erhöht; er hatte zwanzig Pfund an Gewicht
verloren, ward nervös und um seinen Zustand be¬
sorgt, schlief Nachts nur wenig.
Er nahm damals Rumex. — Patient erhielt
5 Tropfen Sticta pulm.-Tinctur in 60 Gramm
Wasser, alle 2 Stunden 1 Theelöffel voll. In 24
Stunden war der Husten besser, der Schlaf in der
zweiten Nacht gut, und der Husten verschwand
gänzlich innerhalb 8 Tagen nach dem ersten Be¬
such und damit alle anderen Beschwerden.
2. März. — Ein oOjähriges Fräulein soll Pneu¬
monie gehabt haben (wahrscheinlich war es Bron¬
chitis capillaris), von der sie sich langsam erholte.
Sie kam nach Atlantic City. Hier fand Dr. Young¬
man bei ihr einen schweren, krampfliaften, quälen¬
den Husten, der in heftigen Anfallen einsetzte und
mit erstickendem Würgen und Niesen endete, wäh¬
rend dessen die höchste Dyspnoe eintrat, die Thrä-
nen ihr aus den Augen stürzten und nachdem eine
asthmatische Zusammenschnürung der Brust statt¬
fand. Sie schrieb diesen Rückfall des Hustens dem
Klima des neuen Wohnortes zu. Arsenicum joda¬
tum, das sie in der Heimath bekommen, versagte
hier seinen Dienst. Als am dritten Tage eine
Ilaemophgsis mit hellrothem Blute hinzutrat, erhielt
sie Millefolium, aber ohne Erfolg. Am vierten Tage
Sticta pulmonaria 1. Dec.; dies hob bald alle Be¬
schwerden.
6*. März. Ein 38jähriger Mann hatte Anfangs
Februar die Influenza durchgemacht; die Wieder¬
herstellung zögerte. Patient litt an einem heftigen,
trocknen, quälenden Husten, der anfallsweise kam,
♦
Digitized by
Google
73
von 6 Uhr Nachmittags bis fast zum Morgen sich
steigerte; der Schlaf war sehr gestört. Er hatte
Neigung zu rheumatischen Beschwerden; der Husten
hatte einen eigentümlichen, ihn sehr beunruhigen¬
den Kehlkopf-Ton. Der Hustenreiz sass an einer
„kitzelnden Stelle in der linken Brustseite, 4 wo er
beim Husten gern gekratzt hätte. Sticta-Tinctur
6 Tropfen auf 60,0 Aq. des. heilte innerhalb
8 Tagen.
lö. März . Frau W. B. 0. hatte im Februar
Influenza gehabt; sie litt jetzt an einem trocknen,
quälenden, unablässigen Husten; der Auswurf war
eiweissartig, reichleich mit Blut gestreift, trocknes,
asthmatisches Schnieben auf der Brust; der Husten
machte Kopfschmerz. Sticta I. Dil. l> Tropfen
4 stündlich brachte grosse Erleichterung, nach 5
Tagen Sulfur 6.; dies vollendete die Heilung.
17. März . Ein 28jähriges Mädchen war nach
überstandener Influenza sehr entkräftet und behielt
einen heftigen, quälenden, in Paroxysmen, besonders
Morgens, auftretenden Husten; Gefühl von Rohheit
und Kratzen unter dem Brustbein und Schulter¬
blatt; Auswurf spärlich, gelblich; der Morgenhusten
brachte oft Nasenbluten, das den Husten und das
ihn begleitende Kopfweh erleichterte.
Tinct. Stictae pulm. 5 Tropfen in 60 Gramm
Wasser beschwichtigte alle Symptome und Patientin
war in 2 Wochen gesund.
21. März. Ein 50jähriger Mann hatte einen
schweren Anfall von Influenza durchgemacht. Er
litt jedes Frühjahr an Erkältung, jeden Sommer an
Heufieber, im Herbst an Katarrh und im Winter
folgte eine Erkältung der andern. Er war sehr
abgemagert, hatte einen rauhen, trocknen, anstren¬
genden Husten mit geringem Auswurf, war um sich
sehr ärgerlich, weil, wie er sagte, „er Alles zum
Leben und keinen Grund zum Sterben hätte.“
Tinct. Stict. wie oben; man nöthigte ihn zum Essen,
Inhalationen comprimirter Luft. Nach Verlauf eines
Monats war er vom Husten befreit und in einem
besseren Gesundheitszustand als seit mehreren Jahren.
27. März. Eine 40jährige Frau hat im Januar
eine Pneumonie gehabt. Jetzt zeigte sich: Dyspnoe,
schlimmer beim Gehen, heftiger, trocken-klingender
Husten, aber mit beträchtlichem, gelblichem Aus¬
wurf; kein Appetit, Schlaf gestört, Nachtschweiss;
Arsenicum jodatum ward verordnet. Da ward bei
dem zweiten Besuch eine pleuritische Ausschwitzung
in der rechten Pleurahöhle entdeckt. Dies ward
durch Aspiration entleert und erwies sich als eine
strohfarbene Flüssigkeit in der Menge von 1 Pint. —
Gegen alle Erwartung blieb Husten und Dyspnoe
unverändert. * Bryon. 3. Dec. war erfolglos. Hierauf
ward Sticta in Tinctur gegeben und die Inhalationen
comprimirter Luft sorgsam fortgesetzt, und zwar mit
nachfolgender guter Wirkung.
29. März. Eine 42jährige Frau hat im Februar
eine Bronchitis überstanden, welche einen rauhen
quälenden Husten mit Schmerzhaftigkeit durch die
ganze Brust zurückliess. Die Schleimhaut des
Pharynx von schwammiger Beschaffenheit, blutete
leicht. Früher mehrere Anfälle von Asthma, in
jedem August Heufieber; die Hustenanfälle endigen
oft mit krampfhaftem Niesen, was sie, wegen der
danach folgenden asthmatischen Zufälle, fürchtet.
„Sie fühlt die Erkältung erst im Kopfe, von wo
sie in einem Tage etwas nach dem Halse und so¬
dann in die Brust hinuntergeht.“ Sticta - 1. Dec.
besserte in 5 Tagen: Der Fortgebrauch dieses
Mittels nebst dreimal täglichen Douchen von Natr.
bic., in heissem Wasser gelöst, stellte sie soweit her,
dass sie den Angriffen des Heufiebers fast gänzlich
entging.
Die Schlussfolgerungen, die Verf. hieraus zieht,
sind:
1. Sticta ist angezeigt in rauhem, quälendem,
unablässigem Husten mit krampfhaftem Charakter.
2. Es passt besonders für nervöse, rheumatische,
gichtische Personen.
3. Es ist besonders wertvoll in subacuten und
chronischen Fällen.
4. Es eignet sich vorzugsweise für das vor¬
gerückte Alter.
5. Es mildert die Reizbarkeit, beschwichtigt das
erregte Gewebe, hebt den überempfindlichen Zu¬
stand der Athmungsschleimhaut, und führt Schlaf
herbei.
6. Es möchte sich als ein Mittel für Keuchhusten
bewähren.
Diese Casuistik von der Wirksamkeit der Sticta
pulmonaria verdanken wir den practischen Mitthei¬
lungen des Collegen Dr. Youngman (in Nr. 6 von
The Hahnemann monthly 18^3). Referent hofft mit
diesem Bericht den deutschen homöopathischen
Aerzten einen guten Dienst zu erweisen, da auch
ihnen sicherlich nach der Ende vorigen Jahres be¬
gonnenen und sich bis in den diesjährigen Januar
erstreckenden Influenza-Epidemie eine grosse Anzahl
von Patienten Vorkommen werden mit ähnlichen
Leiden der Respirationsorgane, wie sie Dr. Young¬
man geschildert hat.
Referent hat von der Sticta, in niederen Ver¬
dünnungen oder selbst in der Urtinctur, bereits
früher gute Erfolge ebenfalls bei subacuten Ka¬
tarrhen während und nach der Influenza mit jenen
krampfhaften, nicht enden wollenden, starkerschüt¬
ternden Husten bei einem schwerlöslichen, glasigen
Sputum beobachtet, selbst wenn ein copiöser Aus¬
fluss aus Augen und Nase zugegen war, (die mit
krampfhaftem Niesen endigenden Hustenanfälle
können uns aber auch an Bell, erinnern). Mitunter
hat ihm das Mittel auch bei dem so quälenden,
10
Digitized by
Google
n
spasmodisclien Husten der Tuberculosen gute Dienste
geleistet.
Pharmakologisches . Die Hcrbae pulmonariae
arboreae s. Lichen pulmonarius, Lungenmoos, die
früher einmal selbst officinell gewesen sind, ent¬
stammen unserer Sticta pulmonaria (oder pulmona-
rea). Sie enthält einen Bitterstoff, welchen man
in Sibirien für das Bier benutzt, Stictina genannt,
der dem Cetrarin des isländischen Mooses nahe ver¬
wandt ist. Wie das letztere, so wurde auch die
Sticta in Abzehrungen, Schwindsucht der Lungen,
Blutspucken, Gelbsucht, Diarrhoeen benutzt — das
Mittel war jedoch völlig in Vergessenheit geratlien,
bis im Jahre 1863 Dr. Bendick, im North. Am.
Journal of Hom. XII. 202, eine fragmentarische
Prüfung dieses Mittels nebst verschiedenen Hei¬
lungsgeschichten veröffentlichte.
Besonders erwähnenswerth ist die von Dr. Boyce
gemachte Mittheilung von einer 1864 im Frühjahr
herrschend gewesenen Influenza-Epidemie. Diese,
welche fast Jedermann befiel, zeichnete sich durch
eine ungewöhnliche Trockenheit der Nasenschleimhaut
aus , welche schmerzhaft wurde. Die Absonde¬
rungen der Schleimhaut trockneten so schnell ein,
dass sie als harte Schorfe nur mit grösster Anstren¬
gung herausgeschafft werden konnten. Der weiche
Gaumen fühlte sich wie trockenes Ted er an, so dass
das Schlingen schmerzhaft wurde. Der Katarrh er¬
streckte sich oft bis in die Brust und Hess eine, oft
wochenlang bestehende, Reizung zurück. — Dieses
Trockenheitsgefühl nahm gewöhnlich gegen Abend
zu und wurde schmerzhaft, während die Beschwer¬
den Morgens gering waren. Oder ein solcher
Wechsel von Steigerung und Abnahme erfolgte selbst
im Laufe eines Tages. Das Uebel nahm gern einen
chronischen Verlauf an. Kein Mittel wirkte hier
so entschieden, wie Sticta pulmonaria.
In der kurzgefassten Arzneimittellehre von
C. Hering-Gisevius findet sich eine kurze Prüfung
dieses Mittels, doch ist wohl ein grosser Theil der
Symptome der Heilungsgeschichten entnommen. Ein
merkwürdiges, bei einem Frauenzimmer beobachtetes
Symptom ist: sobald es dunkel wurde, hüpften und
tanzten ihre Beine und Füsse, obgleich sie es nicht
wollte; sie musste sie festhalten. Gefühl in den
Beinen, als ob sie in der Luft schwebten; sie fühlte
sich leicht und luftartig, ohne Empfindung davon,
dass sie auf dem Bette ruhete.
Auf die heilkräftigen Moose kommen wir später
einmal zurück. Dr. Mossa.
Heilung eines mehrtägigen Singultus.
Singultus, Schluchzen oder Schlucksen, ist be¬
kanntlich ein Krampf des Zwerchfelles und zwar
ein sogenannter klonischer Krampf, bei dem Zu¬
sammenziehen und Erschlaffung in rascher Aufein¬
anderfolge abwechseln.
Es kann schon in den ersten Lebenstagen Schluck¬
sen erfolgen, und scheint dann dieser Krampf mit
einer Magenschwäche zusammenzuhängen. Oft wird
er hervorgerufen durch hastiges Trinken, über¬
mässige Zufuhr von Flüssigkeit (Milch) oder durch
zu kaltes Getränk. Dann pflegen wohl Erwachsene
zu dem alten Hausmittel zu greifen einen Schluck
Wasser zu nehmen, wobei die Ohren — mit den
Fingern verstopft werden sollen; oder es genügt
ein Schlag auf den Rücken, der lästigen Reflexer¬
scheinung ein Ende zu machen. Schliesslich geht
die Sache auch so vorüber. Ganz anders verhält
es sich aber mit dem Schlucksen im Verlauf acuter
Erkrankungen, zumal bei alten Leuten. Hier ist
das Uebel oft ein ominöses Anzeichen und auf
keinem Wege zu beseitigen. Man pflegt wohl dieses
Schlucksen für sicheres Merkmal dafür zu halten,
dass lethale Gangrän (Brand) im Anzug sei, zumal
bei Kranken mit Magen- oder Lungenaffectionen.
In solchen Fällen dauert der Schlucksen selbst
wochenlang, bis die Gequälten marastisch zu Grunde
gehen. Also war es geschehen in der Familie des
Kranken, auf den ich gleich zu sprechen komme.
9 Wochen hatte dort angeblich das Leiden ge¬
währt, ohne dass man im Stande gewesen wäre,
ihm Einhalt zu thun. In einem anderen Fall half
vorübergehend Ignatia, konnte aber den wenige
Tage darnach eintretenden Tod auch nicht aufhalten.
Aeussere Mittel, spirituöse Einreibungen, Senfpapier
u. dergl. nützen dann auch nichts.
Um so mittheilenswerther erscheint mir denn
die gelungene Heilung von Schluchzen bei einem
im 85. Jahre stehenden Mann, der eine Pneumonie
überstanden hatte und nun schon Tage lang diesem
Zwerchfell-Krampf mit nur kurzen Unterbrechungen
in intensivster Weise ausgesetzt war. Derselbe war
übrigens auch in gesunden Tagen sehr zu Singul¬
tus geneigt. Die Nachtruhe wurde jetzt selbstver¬
ständlich dadurch vereitelt und die Situation ge¬
staltete sich immer bedenklicher, zumal auch bei
Nahrungszufuhr der den ganzen Körper erschüt¬
ternde Schlucksen eintrat. Ignatia hatte keine
Wirkung, auch nicht die zuerst verabreichte Chamo-
milla. Die homöopathische Litteratur bot mir keine
neuen Anhaltspunkte. Da griff ich zu dem altbe¬
währten Krampfmittel /Amrum , und zwar schien mir
ganz besonders geeignet das baldriansaure Zink,
weil Baldrian an und für sich antispasmodischen
Ruf hat. Also wurden 6 Pulver angefertigt, von
denen jedes 0,01 baldriansaures Zink enthielt. Der
Erfolg war ein sehr schöner, d. li. während des
Gebrauches der Pulver in zweimaliger Dosis pro
die verlor sich der bis dahin eher zu- als ab-
Digitized by ^.ooQie
75
nehmende Schlucksen merklich und hörte endlich 1
ganz auf, wenn auch leichte Anklänge noch recht
lange bestanden; ja, es schien mir, dass wie beim
Gähnen durch das blosse Reden davon das Schluck¬
sen wieder eingeleitet werden konnte.*)
Dr. Goullon.
Incubationszeit und Dauer der Ansteckungs- j
fähigkeit zymotischer Erkrankungen. |
Die Londoner klinische Gesellschaft hat ein |
Comite mit der Erforschung der Incubationszeit
und Dauer der Ansteckungsfähigkeit gewisser zy¬
motischer Erkrankungen betraut, und haben sich j
hierüber auf dem Wege statistischer Zusammen¬
stellung folgende Resultate ergeben. I
Was die Diphtherie betrifft, dass ihre Incuba- i
tionszeit in der Regel nicht die Zeit von 4 Tagen
überschreitet; sehr häufig tritt sie schon nach
2 Tagen auf, während 7 Tage die äusserste
Grenze bezeichnet. Sie ist unzweifelhaft während
ihres ganzes Verlaufs übertragbar. Die Ansteck¬
ungsfähigkeit ist von verschiedener Dauer; als
Regel hat sich aber herausgestellt, dass eine späte j
Ansteckung hauptsächlich auf einem schon erkrank¬
ten Boden Platz greift. Während die Krankheit i
gewöhnlich durch persönlichen Contact mitgetheilt |
wird, sind doch viele Beispiele constatirt worden, I
wo die Ansteckung durch Kleidungsstücke, Möbel
oder Tapeten, zuweilen erst nach Jahren nach
dem Originalfall erfolgt ist.
Die Verhältnisse beim Typhus sind nicht völlig
klargestellt. Seine gewöhnliche Incubationszeit be¬
läuft sich auf 12 —14 Tage. Die Grenzen mögen
zwischen 9—23 Tagen liegen. Er ist während
seines ganzen Verlaufs ansteckungsfähig, was etwa
14 Tage nach der Genesung aufhört. Indessen
können die Typhus-Stühle auch nach der Genesung
des Patienten sicherlich noch weit später als nach
2 Wochen den Ansteckungsstoff enthalten.
Ueber die Ansteckungsfähigkeit der Influenza
herrschte noch keine allgemeine Uebereinstimmung.
Ihre Incubation scheint zwischen 1—4 Tagen zu
liegen, die Regel ist 2—3 Tage.
Bei den Masern hat man den Ausbruch des
Exanthems als Ausgangspunkt genommen. Hier¬
durch würde die Incubationszeit um etwa 4 Tage
. verlängert werden, die man sonst nach der Mehr-
*) Beim Gähnen — tonischem Zwerchfellkrampf — führt
dp Puhlmann’sche Handbuch der homöopathischen Praxis
diese Erscheinung auf Autosuggestion zurück. Ich halte
diesen Ausdruck nicht für gerechtfertigt. Denn Suggestion
enthält doch immer den Begriff des Einredens, Einflüsterns,
bez. sich nur Einbiidens unter fremdem oder eigenem (Auto¬
suggestion) Einfluss.
zahl der Fälle auf 13, 14 und 15 Tage nach der
Ansteckungs-Gelegenheit bestimmen kann. Aus¬
nahmsweise kann dieser Zeitraum sich auf 7 Tage
oder am längsten auf 18 Tage belaufen.
Die Masern sind ansteckungsfähig während ihres
ganzen Verlaufs, und man weiss, dass’ das Conta-
gium wirksam ist, sobald die catarrhalischen Symp¬
tome erscheinen.
Parotitis hat eine sehr lange Incubationszeit und
die Mehrzahl der Beobachtungen sprechen für
3 Wochen, mit einer Grenze von 14 Tagen auf
der einen und von 25 Tagen auf der andern Seite.
Beim Beginne ist es am leichtesten übertragbar,
und die Ansteckungsgefahr wird allmälig geringer,
bis sie etwa 2 Wochen nach der Genesung ver¬
schwindet
Bei der Scarlatina kann man die Incubation
eher nach Stunden als nach Tagen bemessen. In
der Mehrzahl der Fälle zeigt sich die Wirkung
der Infection 24 — 72 Stunden nach der Ansteck-
ungsgelegenheit; aber nicht wenige Fälle entwickeln
sich innerhalb der ersten 24 Stunden, in manchen
verspätet sich der Ausbruch auf 8 Tage hin. Die
Ansteckung fängt mit den ersten Symptomen an
und wird während der Abschuppung am intensiv¬
sten. Ein Abschluss (Quarantaine) sollte wenigstens
8 Wochen dauern, solange in allen Fällen, als die
Abschuppung währt. Diese Krankheit ist ganz be¬
sonders leicht übertragbar durch eine dritte Person,
wahrscheinlich durch die Kleidungsstücke. Milde
Fälle ohne Hautausschlag, mit leichter Halsaffection,
verbreiten die Krankheit sehr häufig.
Bestätigt hat sich die alte Beobachtung, dass
die Incubationszeit der echten Pocken meist 12 Tage
beträgt; die Grenzen schwanken zwischen 10—15
Tagen. Die Ansteckungsfähigkeit reicht vom Be¬
ginn bis zum Verschwinden des letzten Schorfes,
ist jedoch wenig zu befürchten, ehe die Krankheit
sich gut entwickelt hat.
Diese Angaben sind jedenfalls zuverlässiger,
als die in unsern Handbüchern meist sehr vagen
Data über Incubation und Ansteckungsfähigkeit.
Hypodermatische Einspritzungen von Teucrin
bei mycotischen Erkrankungen.
Mosettig-Morhof in Wien hat, ausgehend von
der Thatsache, dass die Erregung einer vermehrten
biologischen Thätigkeit mit folgender activer Hyper¬
ämie und selbst entzündlichen Reizung oftmals eine
heilsame Wirkung auf mycotische Erkrankungen
ausübt, wie dies z. B. durch ein hinzutretendes
Erysipelas geschieht, nach einem Mittel gesucht,
welches, ohne zu schaden, eine solche künstliche
10 *
Digitized by
Google
76
active Hyperämie hervorruft. Er glaubt dies in seinem
Teucrin gefunden zu haben, einem Extract von
Teucrium scordium. Er bedient sich desselben seit
1888 und schreibt ihm eine rein vasomotorische
Wirkung zu. Nach der Einspritzung tritt, nach 1 / 2
oder spätestens 4 Stunden, Temperatursteigerung
ein, welche sich in einer nicht festbestimmten Zeit
bis zu 38,5—40° C. erhebt. Im besten Wohlbe¬
finden tritt Frostschauder ein; manchmal zeigt sich
ein bald vorübergehendes scharlachähnliches Ery¬
them. Der Puls steigt proportional zum Fieber.
Diese primären Erscheinungen erfolgen innerhalb
8—10 Stunden. Die Urin- und Hautabsonderung
ist nicht verändert. Bei einem an Lungen-
tuberculose Leidenden nahm der Auswurf eine
weissliche Farbe an, wie nach der Einspritzung von
Tuberculinum Kochii.
Die secundäre Wirkung ist localer Art. Beim
Gesunden bemerkt man 2 Tage nach der Injection
um die Einstichsstelle eine leichte rosenrothe Fär¬
bung der Haut; letztere etwas empfindlich bei Be¬
rührung.
Diese unbedeutende Inflammation verschwindet
nach 24 Stunden. Bei einem Kranken mit örtlicher
Tuberculose zeigt sich, wenn das fungöse Gewebe
in käsigem Zerfall ist, eine Ausstossung von Massen,
wo nicht — ist eine Resorption möglich.
Mosettig hat in 5 Jahren mehr als 200 Fälle
von kalten Abscessen, welche er als das Prototyp
des käsigen Vereiterungsprocesses betrachtet, durch
subcutane Einspritzung von Teucrin in die Nach¬
barschaft jener Abscesse behandelt.
Die Einspritzung erregt eine brennende Em¬
pfindung von kurzer Dauer; die Temperatur des
Abscesses ist erhöht und 1 Tag nach der Injection
hat er öinen entzündlichen Charakter angenommen.
Er wird roth, heiss, schmerzhaft. Die Resorption
des Flüssigen tritt ein. Oeffnet man den Abscess
nach der dritten Injection, so zeigt sich immer der
Eiter eingedickt, und, wenn man ihn entleert, so
hört die Secretion gänzlich auf. Abscesse weicher
Theile kamen in 8—10 Tagen zur Heilung, die
in der That anhielt; bei solchen, die von Knochen
ausgehen, machte sich eine Besserung zwar be¬
merkbar, doch ging die Heilung weniger regulär
vor sich. Verfasser behauptet, die Heilwirkung
des Mittels bestehe in einer entschiedenen Verän¬
derung in der Absonderung nach Quantität und
Qualität; sie wird vermindert und verliert den tu-
berculösen Charakter. — Bei Adenitis tuberculosa
wirkt das Mittel gerade wie bei den kalten Ab-
scessen.
Dr. v. Kliegl behandelte einen Fall von Lupus,
bei dem der Nasenknorpel zerstört und rhinopla-
stisch ersetzt worden war, wo sich dann ein Reci-
div an den Lippen und an der Zunge zeigte, mit
Injection von Teucrin. Der Erfolg war günstig,
ebenso in einem Fall von Actinomycosis.
Bei Gelenktuberculose hat es Mosetig nicht ver¬
sucht, weil ihm hier die Jodoformbehandlung ge-
j nügt.
In der Allg. med. Centralzeitung ist ein Fall
von Sarcoma faciei beschrieben worden, den Lindner
für unheilbar hielt und des Versuchs halber mit
Teucrin behandelte. Dabei wurde die Geschwulst
um 1 | 8 ihres Volums verringert und die Ulcera-
tionen heilten. Vier Wochen nach Aussetzen des
Mittels zeigte die Geschwulst kein weiteres Wachs-
I thum.
j In der Regel spritzte Mosettig 3 Gramm mittels
1 der Pravaz’schen Spritze ein, und zwar in mög-
| lichster Nähe des Krankheitsheerdes. Da das Prä¬
parat sterilisirt ist, ist keine septische Infection zu
befürchten.
Die Herba Scordii von Teucrium Scordium L.
wurde von den älteren Aerzten sehr geschätzt,
j Quarin gab es in starkem Aufguss zu Bädern bei
syphilitischen Hautkrankheiten; andere als Mund-
und Gurgelwasser bei brandiger Bräune; frisch
! zerquetscht mit Essig und Salz bei fauligen Ge¬
schwüren. Galen hielt das Scordium von Kreta
I und Pontus (ob dies freilich mit Teucrium Scord.
I ganz identisch ist, fragt sich) für so fäulnisswidrig,
| dass man Leichen auf einem mit Scordium bewach¬
senen Schlachtfelde vor Verwesung geschützt
| glaubte. — Bekannter ist uns das Teucrium ma-
rum verum besonders in seiner Wirkung auf weiche
Schleimpolypen der Nase. Dr. Mossa.
Lesefruchte.
Aus „Medico“ 1893. Nr. 39, pag. 362.
Nachstehende Publikation liefert einen neuen
I Beweis für die uns Homöopathen längst bekannte
I Thatsache der Einwirkung des gonorrhoischen Gif-
! tes auf den Gesammtorganismus:
| Ueber Nierenerscheinungen bei Gonorrhoe . Von
| F . BaXzer und H . Jacquinet. (La semaine medi-
| cale 52/93.)
Schon früher waren Verfasser aufmerksam ge¬
worden auf die Häufigkeit der Albuminurie bei
j Gonorrhoe, so hatten sie diese Complication im Jahre
' 1892 unter 777 Kranken 131 Mal angetroffen;
ähnliche Beobachtungen haben auch andere Au¬
toren gemacht. Es ist von Wichtigkeit zu erwäh¬
nen, dass es sich dabei sehr oft um acuten Tripper
handelt, nicht um Nierenaffectionen im Gefolge der
chronischen Gonorrhoe. Als ätiologisches Moment
I steht oben an die Complication mit Orchitis; in
I zweiter Linie erst kommt die Cystitis. Aber auch
Digitized by c^ooQie
77
ganz uncomplicirte Gonorrhoe kann Albuminurie er¬
zeugen, soda8s man annehmen muss, dass die Er¬
krankung eine allgemeine Disposition für diese
Niereuerkrankung erzeugt. Verfasser unterscheiden
2 Formen von Albuminurie, 1) die durch locale
aufsteigende Infection. Hierbei befällt die Er¬
krankung die Harnwege als Urethro-Cysto-Pyelo-
Nephritis. Es ist das selten eine reine Gonococcen-
infection, sondern secundär betheiligen sich das
Bacterium coli, Streptococcus pyogenes, Staphy-
lococcus pyogenes aureus ü.~"ä. 2) Albuminurie
durch AUgemeininfection. Hierbei muss man an¬
nehmen, dass die Niere vom Kreisläufe aus ge¬
schädigt wird. Man hat die Balsamica angeschul¬
digt, dass sie Nephritis machen; nach den Erfah¬
rungen der Verfasser im Ganzen mit Unrecht. Bei
unbehandelten Gonorrhoen mit Albuminurie vermehr¬
ten die Balsamica die Eiweissmenge nicht; sie wur¬
den fast stets mit Nutzen gegeben. Welches das
schädigende Moment für die Nieren ist, muss da¬
hingestellt bleiben; vielleicht erzeugen die Gono-
coccen Toxine, die in die Circulation gelangt, das
Nierenepithel beeinträchtigen. Manchmal ist der
Charakter der Nierenerkrankung ein gemischter,
durch örtliche und allgemeine Infection bedingter.
Was den klinischen Verlauf anbelangt, so beginnt
die erste Form, die ,,aufsteigende Nephritis“, ge¬
wöhnlich mit schmerzhafter Cystitis, Tenesmus etc.,
manchmal unter Schüttelfrost und hoher Tempe¬
ratur. Nierenschmerzen können ein- oder doppel¬
seitig sein, fehlen aber auch manchmal. Es besteht
ein schwerer Allgemeinzustand, öftere Fröste, Sta¬
tus gastricus. Dieser Zustand geht gewöhnlich in
wenigen Tagen vorüber, der im Harn enthaltene
Eiter vermindert sich schnell, aber der Process in |
der Niere schreitet dennoch vorwärts. Bei der I
Untersuchung auf Albumen und Cylinder muss man I
mit aller Vorsicht vorgehen, um sich nicht durch |
den Eitergehalt täuschen zu lassen. Der gewöhn¬
lich vermehrte Urin setzt sich meist in zwei Schich¬
ten ab; die untere enthält die oben genannten |
Bacterien. Die Nephritis durch AUgemeininfection
tritt zunächst latent auf, in den leichteren Fällen |
würde sie ohne die vorgenommene Harnuntersuchung
unbemerkt vorübergehen. Diese Formen laufen
meist bei Bettruhe in acht Tagen ab. Bei der
schwereren, gewöhnlich mit Orchitis complicirten
Form zeigen sich zuerst gastrische Störungen, Kopf¬
weh und massiges Fieber; es können sich daraus
typhusähnliche Erscheinungen entwickeln. Die Al¬
buminurie ist sehr reichlich. Die Krankheit dauert
2 — 4 Wochen, worauf die Erscheinungen allmählig
verschwinden. Endlich kann die Niere in der Form
einer acuten parenchymatösen Nephritis befallen
werden, mit nachfolgenden Oedemen, Hamvermin-
derung, sehr starker Albuminurie. Verfasser sahen
vier solche Fälle in mehreren Monaten zur Heilung^
kommen. Was die Diagnose anbelangt, so achte
man bei Verdacht auf Pyelonephritis auf Schmerz¬
haftigkeit und Anschwellung der Nieren, die Pyurie,
Polyurie und Albuminurie. Die Diagnose der Ne¬
phritis durch AUgemeininfection kann mau nur stellen,
wenn man sich gewöhnt, beim Eintritt von Darm¬
störungen den Urin zu untersuchen. Die Prognose
ist bei der letzteren Form günstig, wenn keine
Nierenschrumpfung sich anschliesst, die Pyelone¬
phritis ist ernster. Die Behandlung derselben ist
zunächst local, wie bei jeder Cystitis; ausserdem
gebe man Milchdiät, und innerlich Salol 2—4 g
pro die, oder Natr. salicyl., Natr. benzoicum. Auch
die Balsamica, Copaiva, Terpentin etc. sind von
Nutzen. Bei der Nephritis durch AUgemeininfection
wende man Bettruhe, strenges Milchregime und von
den Medicamenten in erster Linie die Balsamica an.
,,Nach Dr. F. Hunt ist doppeltchromsaures Kali
ein ausgezeichnetes Expectorans bei Kindern, das
er bei capillärer Bronchitis mit Erfolg angewendet
hat. Man giebt das Mittel in Dosen von 8 Milli¬
gramm mit Milchzucker vermischt. Die Tagesdosis
für ein einjähriges Kind beträgt 15 MiUigramm.“
Also steht in den ,,Kleinen Mittheilungen“ der
,,Wiener med. Presse“ 1893, Nr. 17, pag. 655 zu
lesen. Die Kenntniss dieser neuen Heilwirkung des
Kali bichromicum stammt sicher aus homöopathischer
Quelle.
Wohl aus derselben Quelle stammt die Em¬
pfehlung der Tinctura Thujae seitens Kaposi zum
Betupfen der Warzen. („Allg. Wiener med. Zei¬
tung“ 1^93. Nr. 9.)
Dr. Ströü-München empfiehlt die Behandlung der
Diphtherie mit Myrrhentinctur innerlich, und will
damit auch bei Kehlkopfdiphtherie guten Erfolg
haben.
(Nach ,,Wienermed. Presse“ 1893, Nr. 18, pag 695.)
Dr. Latzko - Wien ist bezüglich der Thernpie der
Osteomalacie auf Grund seiner Erfahrungen der
Ansicht, dass das operative Verfahren gegenüber
der internen Anwendung des Phosphors, des Chlo-
ralhydrats und der Chloroformnarkose gänzlich in
den Hintergrund zu treten habe.
(Nach,,Wiener med. Presse“ 1893, Nr. 17, pag. 663.)
Ein obyctives A uqensymptom der Neurasthenie . Von
Dr. S. ßannas in Breslau. (Aus. d. Dr. Wolff-
berg'schen Augenki. zu Berlin. Inaug.-Diss.)
Bei Gelegenheit von Untersuchungen, die sich
auf das Verhalten des Lidschlusses, so wie derselbe
im Schlafe vor sich geht, bezogen, konnte Verf. ein
objectives Symptom der Neurasthenie nachweisen,
auf das schon Rosenbach vor 7 Jahren hingewiesen
hatte, das jodoch nicht die ihm zukommende Be¬
achtung gefunden zu haben scheint. Bei der Viel-
Digitized by ^.ooQle
78
gestaltigkeit des klinischen Bildes der Neurasthenie I beobachtet wurden, nachgewiesen werden konnte.
und der geringen Anzahl objectiver Symptome ver¬
dient die Beobachtung besonderes Interesse. Rosen-
bach beschrieb das in Frage stehende Symptom
folgendermassen: Giebt man neurasthenischen Per¬
sonen auf, in der zur Prüfung des Romberg’sehen Phä¬
nomens üblichen Stellung den Verschluss der Augen
auszuführen, so fangen sie an zu blinzeln oder sie
schliessen die Augen bis auf einen kleinen Spalt,
um sie sofort wieder zu öffnen und sich ängstlich
umzublicken. Je energischer man den Befehl
wiederholt, desto krampfhaftere Anstrengungen
machen sie, ihn auszuführen, aber ohne weiteren
Erfolg, als dass sie noch stärker blinzeln oder die |
heftigsten Contractionen der Stirn- und Gesichts- j
muskeln produciren; im günstigsten Falle schliessen !
sie die Lider eben nur lose, ohne dass eine Fal¬
tung der Lidhaut, das sicherste Zeichen kräftigen
Lidschlusses, hervortritt. In dieser Unvollkommen¬
heit des Lidschlusses, in der Unmöglichkeit, die
Lider zuzukneifen, sieht R. ein sehr wesentliches
Symptom der nervösen Erschöpfbarkeit. Warum
schliesst der Neurasthenische nicht mit einem Ruck
und für so lange Zeit, als es verlangt wird, die
Augen? Erstens deshalb, weil er ängstlich und un¬
ruhig ist und hinter der Aufforderung etwas Be- I
ängstigendes oder Gefährliches, eine vielleicht un-
Einige Fälle von Neurasthenie mit dem Rosenbach’-
schen Symptom zeigten Uebergänge zu Melancholie
und vielleicht wirklichen Geisteskrankheiten. Von
Interesse ist es auch, dass bei der traumatischen
Neurose, von der etwa 20 Fälle zur Untersuchung
kamen, keiner das in Frage stehende Phänomen
zeigte. Ebenso fehlte dasselbe auch bei der so¬
genannten Migraine ophthalmique.
Dank.
Herr Kaufmann Otto Merhausen in Braunschweig
hat, trotzdem er nach gerichtlicher Entscheidung
nicht verpflichtet war, das von seiner Mutter dem
homöopathischen Centralverein Deutschlands aus¬
gesetzte Legat zu zahlen, sich doch veranlasst ge¬
funden, genanntem Vereine die Summa von 1500 M.,
| von welcher ca. 550 M. für gehabte Gerichts- etc.
Kosten abgehen, für das homöopathische Kranken¬
haus in Leipzig zu überweisen, sodass diesem eine
Zuwendung von ca. 950 Mark zu Theil wurde. Für
diesen Akt von Liberalität fühlen wir uns gedrungen,
ihm hierdurch öffentlich unsern Dank auszusprechen.
Leipzig, 17. Febr. 1894.
angenehme therapeutische Manipulation vermuthet,
zweitens weil er in der Erinnerung an seine
Schwindelanfälle, an seine vermeintliche Unsicher¬
heit beim Stehen und Gehen bei geschlossenen
Augen, umzufallen fürchtet, drittens weil er im
allgemeinen überhaupt nicht im Stande ist, nament¬
lich auf Befehl, eine ungewohnte Bewegung, wie
das Zusammenkneifen der Augen mit seinen „un-
disciplinirten“ Muskeln sofort in gewünschter Weise
auszuführen, viertens weil ihn die energische Con-
traction der Muskeln sehr schnell ermüdet. Erst
Der Vorstand
des homöopathischen Centralvereins.
I. A.: Dr. Lorbacher.
Aufruf!
Im Verhältniss zur Verbreitung, welche die Ho¬
möopathie in Holland bei dem Publikum hat, und
zu dem Vertrauen, welches sie thatsächlich in sehr
nach zahlreichen Versuchen und energischem Zu¬
reden gelingt zuweilen das so leicht auszuführende
Manöver, nicht selten erst unter manifesten Zeichen
der Abspannung und dem Eingeständnisse, dass die
Procedur eine ermüdende und unangenehme sei.
Auf Grund seiner damaligen Beobachtungen stand
R. nicht an, in den vielen zweifelhaften Fällen, in
welchen die Diagnose zwischen blosser Nervosität
und beginnender organischer Erkrankung, nament¬
lich der Medulla spinalis, schwankte, das Vorhan¬
densein des oben beschriebenen Phänomens als
wichtiges und ausschlaggebendes Moment für die
Annahme der Neurasthenie zu verwerthen. In
der That konnte Verf. das in Frage stehende Symp-
vielen Kreisen findet, ist die ärztliche Vertretung
dieser Heilmethode eine ausserordentlich geringe.
Sind doch jetzt im ganzen Lande nur 6 homöo¬
pathische Aerzte, während in vielen Städten sehn¬
süchtig nach solchen ausgeschaut wird. Der über das
ganze Land verbreitete ,,Verein zur Beförderung
der Homöopathie in den Niederlanden,“ sucht
jenem Umstande abzuhelfen, indem er jungen Aerzten
die Gelegenheit giebt, auf seine Kosten die Homöo¬
pathie in Buda-Pest u. s. w. theoretisch und prak¬
tisch kennen zu lernen. Trotz dieser Bestrebungen
ist in den letzten 4 Jahren nur ein ärztlicher Ver¬
treter gewonnen und damit die obige Zahl „6“
erreicht worden. In Rotterdam, wo der Unterzeich¬
tom niemals bei organischen Nervenleiden beobach- nete seit 37 Jahren ansässig ist, besteht bei dem
ten, während dasselbe in 27 Fällen von typischer : homöopathischen Publikum und bei ihm selbst das
Neurasthenie, die unter dem Krankenmaterial (4000 dringende Verlangen nach der Niederlassung eines
Fälle) der Wolffberg’sehen l Augenklinik 1892|93 j zweiten Arztes. Es wird dies selbst zu einer Noth-
Digitized by {jOoq le
79
wendigkeit, da Unterzeichneter häufig nicht allen
an ihn gestellten Anforderungen entsprechen kann
und mit der ernstlichen Absicht umgeht, sich die
Mühen der Praxis zu erleichtern und diese selbst
in wenigen Jahren zum grösseren Theil aufzugeben.
Solches kann aber, so lange nicht ein zweiter Arzt
zur Stelle ist, sicher nicht geschehen, ohne die
Interessen unserer Sache hier schwer zu gefährden.
In dem Streben nun, der baldigen Niederlassung
eines Arztes allhier den möglichsten Vorschub zu
leisten, ist von den hiesigen Anhängern der Homöo¬
pathie für zwei Jahre eine jährliche Garantie-Summe
von Fl. 2000 (3300 M.) gezeichnet worden, so dass
der eventuelle Reflectant sogleich eine gesicherte
Existenz findet.
Es darf indessen nicht verhehlt werden, dass !
für den Ausländer einige Schwierigkeiten zu über¬
winden sind, um die Berechtigung zur Praxis hier
zu erwerben. Er muss nämlich dazu 1. medicini-
sche Prüfungen, aber nicht, wie es in No. 23
und 24 dieser Zeitung beim Berichterstatter über
das 50jährige Jubelfest des Collegen Dr. Gruber
heisst, sämmtliche theoretische und praktische, sondern
nur die praktischen ablegen. Diese Erleichterung
wird aber nur demjenigen gewährt, welcher bereits
im Auslande nach dem Bestehen der dort vorschrifts-
mässigen Prüfungen das Recht zur Ausübung der
ärztlichen Praxis in ihrem gesammten Umfange er¬
langt hat. 2. Die Prüfungen müssen in der
holländischen Sprache bestanden werden.
Ohne Zweifel ist die Erfüllung der oben ge¬
nannten Bedingungen für einen Ausländer nicht ge¬
rade leicht, andererseits aber für einen thatkräfti-
gen jungen deutschen Arzt, welcher das Staats¬
examen vor nicht allzu langer Zeit bestanden hat
und überdies noch frei und ungebunden ist, auch
keineswegs übermässig schwer zu nennen.
Derjenige junge College, welcher auf Grund
des Vorhergehenden etwa geneigt sein sollte, sich
liier in Rotterdam niederzulassen, wird dringend er¬
sucht, sich behufs näherer Informationen schriftlich
an den Unterzeichneten wenden zu wollen.
Rotterdam, 6. Febr. 1894.
Dr. Kallenbach.
Anzeigen.
Soeben ist bei J. Kocher in Ueutlingen er
schienen und durch ihn, vom Verfasser und von
allen Buchhandlungen zu beziehen:
Innere Heilkunst gegen sogenannte chirurgische
Krankheiten von E. Sehlegel, prakt. Arzt und
Augenarzt in Tübingen, Specialist für inner¬
liche Behandlung sogenannter chirurgischer
Krankheiten. 10 Bog. 8°. Preis 2 Mark.
Die Schrift ist zugleich eine Erwiderung gegen
die Angriffe des Herrn Medieinalrath Dr. von Burk¬
hardt in Stuttgart auf die Homöopathie. Zahlreiche
Krankengeschichten eigener Beobachtung, insbe¬
sondere sogenannter chirurgischer Tuberkulose
(Knochenkrankheiten) und von Krebsfällen.
Homöopathischer Arzt gesucht.
Wachenheimer Sect.
Prämiirt in Leipzig 1892:
Ehrenpreis der Stadt Leipzig
und Goldene Medaille.
Blau Etiquette . Mk. 2.— \
Monopole . . „ 2.50 |
Weiss Etiquette . „ 3.— |
Kaiser-Perle . . „ 4.— J
incl. Kisten und
Flaschen von
12 bis 50 Stück.
Mit 10% und 15% Rabatt.
Hauptniederlage und Generalvertreter
Eduard Krade, Leipzig,
Plagwitzer Strasse 9.
Wiederverkäufer und Exporteure Extra-Off.
In einer niederrheinischen Fabrikstadt von circa
106 000 Einwohnern, worin ein homöopathischer
Arzt seit mehreren Jahren mit Erfolg practicirte,
leider aber aus Gesundheitsrücksichten - die Stadt
verlassen musste, um nach dem Süden zu ziehen,
wird ein liebenswürdiger, wenn möglich verheiratheter
Arzt mit Selbstdispensir-Recht baldigst gesucht.
Nähere Auskunft über örtliche Verhältnisse etc.
giebt der Vorsitzende des homöopathischen Vereins
und wolle man sich dieserhalh an den Seidenwaaren-
fabrikanten Herrn Herrn. Menne in Crefeld wenden.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Collectionen vom 1. bis 127. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht,
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen.
A. Marggraf’s homöopath. Officin in Leipzig.
Digitized by k^ooQle
80
Die schönste Schlingpflanze der Weit dürfte die neu
eingeführte
„Kaiserwinde“ Ipomoea imperialis
sein, deren Farbenpracht zu schildern kaum gelingen dürfte.
Sie sind ein Produkt jahrelanger Zucht, sorgfältiger Wahl
und gegenseitiger Befruchtung und stammen direct von den
sogenannten „Huberwinden“ der Gärten ab. Sie ranken
sehr hoch, lieben sonnige Lage und blühen sehr reich;
das Laub ist grün, silberbunt, oder auch seltener gelb.
Die Blüthen sind meist enorm gross, so zwar, dass sie an
den Rändern gefranst erscheinen oder zusamraengefaltet
und also den höchsten Grad von Vollkommenheit erreicht
zu haben erscheinen. Die Farben sind grösstentheils neu,
nicht nur bei dieser Prachtclasse von volubilis, sondern
überhaupt theilweise an Blumen bisher neu und nicht da¬
gewesen. Man findet z B. aschgrau, broncefarben, braun,
schieferblau und so seltsame Mischungen verschiedener
Farben, für die wir keinen Ausdruck finden, die der Pinsel
eines Malers ausfindig gemacht zu haben scheint. Uebri-
gens bewegen sie sich vom schneeigsten Weiss und himmel¬
blau bis zu schwarzblau, vom zartesten Incarnat zum tiefsten
Purpur und glänzendsten Roth. Sie sind geflammt und
gestrichelt, gesternt und marmorirt und bunt bis zum
Excess! Sie sind oft prachtvoll gerändert, z. B. leuchtend
purpur mit breitem, weissem Saume; sie sind ein Natur¬
wunder! Ihre Kultur ist die einfachste der Welt! Frühe
Anzucht, warmer, sonniger Stand und leichter, kräftiger
Boden. Wer einen Garten oder Blumentopf hat, pflanze
sich diese Prachtschlinger und es wird ihn nicht gereuen.
Sie schlingt im Topfe wunderschön empor, namentlich wenn
an Fenstergittern geleitet, wo sie alles umspinnt und in
kurzer Zeit ein buntes Laub- oder Blumenfenster bildet.
Echten Samen nur durch Albert Fürst in Sohmalhof,
Post Vilshofen in Niederbajern, zu beziehen.
Die Mairose der Mexikaner.
Antigonon leptopus.
Eine Schlingpflanze aus Mexiko aus der Familie der
Polygoneen mit knollartiger Wurzel, von der der Reisende
Berth. Seemann sagt, der sie auf einer Excursion von 31a-
gatlau aus antraf, dass er bis jetzt keine so zierliche und
schöne Pflanze in unseren Gewächshäusern kenne, als diese.
In jener Gegend nennt man sie die Rosa de Mayilo, wegen
der Fülle der dunkelrosenrothen Blüthentrauben, welche,
von weitem gesehen, denselben Effect wie Rosen machen,
wenn auch die Form der einzelnen Blüthen nicht die ge¬
ringste Aehnlichkeit mit dieser Blume hat. Das Antigonon
ist durchaus keine zärtliche Warmhauspflanze, sondern ge¬
deiht im Sommer sehr gut im Freien und wächst dabei
sehr üppig und robust. Die grossen nussartigen Samen
keimen in 6—8 Tagen. In Töpfen blüht die Mairose, wenn
einmal gut durchwurzelt, vom Juli angefangen, bis zum
Herbst und dann jn's Zimmer gestellt, den ganzen Winter
hindurch, und ein Fenster ist ott mit Hunderten von monat¬
rosenähnlichen Blumen bedeckt, was im Winter von höchstem
Effect erscheint. Frischen Samen habe ich soeben aus
Mexiko erhalten und erlasse die Portion für I M. 12 andere
seltene Sorten Schlingpflanzen ä 1 Portion 3 31.
A. Fürst, Kunstgärtnerei, Hchmalhof,
Post Vilshofen, Niederbayern.
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift>Sehränkchen
und
Separanden-Schrän kchen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum-
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die da* ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abteilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Ge fasse, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thtiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildem ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandenecbränkchen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle 3Iittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weist zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Schränk¬
chen jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor¬
rätig.
Die obere Abteilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abteilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabteilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewanrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggraf s homöopath. Offlein in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Nossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius M&ser in Leipzig.
Digitized by u^ooQie
Band 128.
Leipzig, den 15. März 1894.
No. 11 u. 12
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Herau8gegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlas von William Steinmetz (A. MarggraFs homöopath. Offlein) in Leipzig.
QtF** Erscheint 14tftgig zu 2 Bogen. ISDoppelnnmmern bilden einenBand. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasenstein AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagsbandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Oflloin in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhalt. Nachklänge von Chicago. Vom Redacteur. — Aufforderung. — lieber das Magengeschwür. Von
Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Primi Studi di
materia medica applicata secondo la legge dei Semilli. Pel Dott. G. Bonino-Torino 1893. Besprochen von Dr. Mossa. —
Zur Prüfung von Viscum album e pyro malo. — Argentum nitricum in einem Falle von Enteritis pseudomembranacea.
Von Dr. F. H. Pitchard. — Nihil novi sub sole! — Homöopathie involuntaria. — Lesefrüchte. - Personalia. —
Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 'WS
Nachklänge von Chicago.
Vom Redacteur. ,
Die deutsche Industrie und Kunst hat auf der
Weltausstellung in Chicago nach dem Urtheil aller j
berufenen Stimmen eine hervorragende Stellung
eingenommen; dass die Position der deutschen '
Homöopathie auf dem damals abgehaltenen homöo¬
pathischen Weltcougress eine gleich günstige ge- ,
wesen sei, können wir dagegen nicht behaupten.
Wir hatten ja keinen Vertreter dort, und Dr. Villers j
hat leider in seinem eingeschickten Vortrage „Ge¬
schichte der Homöopathie in Deutschland u das i
Bild, das er den versammelten homöopathischen |
Aerzten aus allen Völkern und Zungen von dem !
gegenwärtigen Zustande der deutschen Homöopathie
vorgeführt hat, in einzelnen Punkten gar zu schwarz |
gemalt. Ja, er hat in seinem Vortrage, wie er I
uns jetzt in seinem „Archiv für Homöopathie“, j
Januar 1894, vorliegt, einige Aeusserungeu gethan, i
an denen Viele, wie uns mitgetheilt worden ist,
Anstoss genommen haben, und, da wir selbst hierin
mit ihm nicht übereinstimmen, so wollen wir einige
Bemerkungen an seine Expectorationen knüpfen.
1. Das Urtheil, das er über eine Anzahl jüngerer I
deutscher homöopathischer Aerzte fällt, erscheint '
uns als ein gar zu schroffes, abfälliges, wegwerfendes.
L. e. p. 7 heisst es:
„Wohl aller in den letzten 10 Jahren zur
Homöopathie übergetretenen jüngeren Aerzte haben
dort (in der Dr. Schwabe’sehen Poliklinik) ihre
homöopathische Ausbildung genossen oder sind
wenigstens vorübergehend dort beschäftigt gewesen.
Durch diesen äusserlichen Umstand ist es gekommen,
dass die jüngeren Herren auch das im Schwabe’schen
Verlage erschienene Buch als Leitfaden für ihre
Studien genommen haben.
Diesen Medieinern, denen noch die bequeme
Formulirung der Therapie nach allopathischem
Muster im Ohre klingt, hier die Krankheit, dort
das Mittel, erscheint natürlich dieselbe Formulirung
der therapeutischen Vorschriften auf homöopathi¬
schem Wege sehr ansprechend und anlockend Erst
später, wenn sie mit einem homöopathisch gebildeten
Arzte Zusammenkommen, der diese laienhafte Art
perhorrescirt, beginnen sie zu ahnen, dass das
Studium der homöopathischen Arzneimittellehre ein
ganz anderes ist, und dass die grossen, von unsern
Collegen anderer Richtung nicht erreichten Erfolge
nur erzielt werden auf dem Grunde mühsameren,
trockneren Symptomen-Studiums.
So kommt es, dass eine gewisse Zahl der jetzt
11
Digitized by
Google
82
in Deutschland prakticirenden homöopathischen Aerzte
gar nicht in der Lage ist, eine wissenschaftlich
begründete Propaganda für ihre Kichtung zu treiben,
und dass sie desshalb in der Vertretung ihrer An¬
schauung nicht wesentlich höher, als die von
Enthusiasmus getragenen Laienanhänger unserer
Richtung stehen. Das aber hat wieder zur Folge
ehabt, dass unsere Collegen von der herrschenden
chule gar kein Interesse für eine wissenschaftliche
Richtung haben können, als deren Vertreter in der
Oeffentlichkeit sie immer nur wieder Laien und
Halbgebildete bemerken können.“
Bei dem notorischen Mangel an Bildungsstätten
bei uns für einen jungen, der Homöopathie zuge¬
neigten Arzt kann es ihm — und auch uns — nur
willkommen sein, wenn ihm die Schwabe’schen An¬
stalten freundlich aufgethan sind, wo sich ihm reich¬
lich Gelegenheit zu seiner Ausbildung darbietet.
Ueberhaupt wird für ihn Leipzig, w r o ihm ausserdem
die Poliklinik und das Krankenhaus des homöo¬
pathischen Centralvereins, wo unsere überaus reich¬
haltige Bibliothek zu Gebote stehen, für das
theoretische und besonders praktische Studium der
Homöopathie wohl der geeignetste Ort in Deutsch¬
land sein. — An der Spitze der Schwabe’sehen
Poliklinik steht, so viel wir wissen, der Oberstabs¬
arzt a. D. Rohowsky, ein für die Homöopathie be¬
geisterter Mann, der sich mit der allgemeinen
wissenschaftlichen Diagnose, so gewissenhaft er sie
zu eruiren sucht, nicht begnügt, sondern das
individuelle Krankenexamen mit aller Schärfe an-
etellt und dem entsprechend in der Therapie mög¬
lichst zu individualisiren bestrebt ist. Da unter
dem b 6 der jungen Aerzte ein gut Theil aus
Preusseu sind und diese fast sämmtlich die staat¬
liche Prüfung zur Erlangung des Selbstdispensir¬
rechtes zu absolviren pflegen, so können sie sich
auch dort auf bequeme Weise gute Kenntnisse in
der homöopathischen Pharmakologie, in der Arznei-
Bereitungs- und -Verordnungslehre erwerben. In¬
dem sich jene Prüfung aber nicht minder auf die
homöopathische Materia medica erstreckt, so werden
sie schon aus diesem äusseren Grunde genöthigt
sein, sich mit unseren Mittelprüfungen zu befassen. —
Selbst, wenn sie im Anfänge ihrer Praxis jenes
incriminirte Lehrbuch der Homöopathie zu ihrem
Leitfaden wählen sollten, obgleich w r ir nicht ein-
sehen, warum sie nicht doch lieber sich an Kafka
oder Bähr halten werden, so werden sie doch in
der Folge, wenn sie einigermassen strebsame Geister
sind, über die Eselsbrücke hinweg zu den Quellen
der Materia medica hom. fortschreiten. Für den
Anfang würden ihnen Hahnemann’s Prüfungen eine
*u schwere, unverdauliche Speise sein. Mögen sie
sich da an Heinigke, Farrington-Fischer oder an
die uns jetzt erschlossene Condensed Materia medica
0. Hering’s machen. Es fallt eben kein Meister
vom Himmel, und ein homöopathischer erst recht
nicht; wer kann sagen: ich bin einer? Sind wir
nicht in einem das ganze Leben dauernden Werden
begriffen?
Kann man denn aber ein Verfahren, wie es
Kafka und andere bedeutende Männer unter uns
geübt haben, welche die Mitteldiagnose auf dem
klinischen Krankheitsbilde mit besonderer Berück¬
sichtigung der pathologisch-anatomischen Gewebs-
verhältnisse zu begründen bemüht waren, und
z. B. bei den Pneumonien je nach der besonders
gearteten Form derselben ein entsprechendes Simile
für angezeigt hielten (obwohl Kafka im concreten
Falle zu individualisiren verstand), ein laienhaftes
nennen? Fehlen nicht dem Laien schon zur Unter¬
scheidung dieser verschiedenen Formen eines Krank-
lieitsprocesses die wissenschaftlichen Kenntnisse und
die zur Untersuchung erforderlichen Fertigkeiten?
Auf der Waage der schlichten Lehre Hahnemann’s
mag jenes Verfahren als zu leicht erfunden w r erden,
aber als laienhaft kann man es nicht stigmatisiren.
Desshalb sehen wir keinen Grund, wesshalb ein
wissenschaftlicher, exacter Arzt der alten Schule,
der doch der Homöopathie gegenüber ein Nicht¬
wissender ist, jene Species jüngerer homöopathischer
Aerzte, denen von der Schulweisheit noch zu viel ,
aber nicht zu wenig anklebt, als laienhafte, halb¬
gebildete , von Enthusiasmus getriebene Vertreter
unserer Heilkunst verächtlich ansehen soll. —
Uebrigens mögen wir auf das Laienthum, das, wie
in jeder Kunst, so auch in der homöopathischen
Heilkunst, ganz bedeutende Autoritäten aufzuweisen
hat, wir erinnern nur an Männer wie Jahr und
den ohne Zweifel genial angelegten Lutze, nicht
gar zu tief herabblicken, wenn sie auch durch das
Feuer der Staatsprüfung nicht geläutert worden
sind. Dieses letzteren Vorzugs erfreuen sich nun
aber gerade jene ft 6 , eines Vorzugs, kraft dessen,
w r ie College ViIlers in seinem Vortrage gut be¬
merkt, „wir unseren Berufsgenossen anderer Rich¬
tung gegenüber nicht erst zu beweisen brauchen,
dass w r ir wissenschaftlich gebildete Männer sind.“ —
Nach alledem können w r ir nicht umhin, es auszu¬
sprechen, College Villers bewege sich diesen
„jüngeren, modern geschulten und modern denkenden
Kräften“ gegenüber in einem circulus vitiosus.
2. Nun eine kleine oratio pro domo!
Bei der Besprechung der homöopathischen Lite¬
ratur in Deutschland sagt College Villers: „Die All¬
gemeine homöopathische Zeitung hat kein Programm
mehr, da sie nicht unter der Leitung eines einzelnen,
sondern dreier verschiedener Redacteure steht, und
in ihr finden auch die Bestrebungen eines kleinen
Kreises Ausdruck, welche unter dem Namen
Epidemiologische Gesellschaft sich zus&mmengethan
Digitized by c^ooQie
83
hat, und welcher auf Grund der Lehren des
Dr. Weihe eine Verbesserung der Homöopathie
darin zu finden hofft, dass er zu den Syrtiptomen
der einzelnen Mittel auch die Schmerzhaftigkeit
einzelner Nervenpunkte hinzuzählt und überdies
die alten Theorieen Raderaacher’s von den epidemisch
herrschenden Heilmitteln zu fructificiren versteht. 4
Dass die Schriftleitung der „Allgemeinen“ unter
unseren drei Vorgängern im Amte keine einheit¬
liche gewesen, werden diese selbst zugestehen; das
lag in der Natur der Sache wie der Personen.
Insofern sie aber alle drei das Aehnlichkeitsgesetz
als den Central- und Fundamentalpunkt der Homöo¬
pathie anerkannten, kann man ihre Leitung doch
nicht so schlankweg programmlos nennen. — In¬
zwischen hat sich der damalige Status quo ver¬
ändert; die Redaction ruht wieder in einer Hand,
und haben wir in der ersten Januarnummer unser
Programm aufgestellt. Wir haben es jedoch gleich
a limine aussprechen zu müssen geglaubt, dass wir
nicht immer die Schneide des homöopathischen
Prinzips festlialten werden, sondern dass wir, den
Traditionen dieser Zeitschrift und auch unserer
Anschauung gemäss, auch den von uns ausgehenden
Richtungen, selbst wenn sie in manchen Punkten
von Hahnemann’s Lehre abweichen sollten, das
Wort einzuräumen gesonnen sind. Wie die „All¬
gemeine“ also früher zu der Schüssler’sehen, so
wird sie jetzt zu der Weihe’schen Richtung eine
freundliche, zuwartende Stellung einnehmen. Wir
sollen und wollen den Geist nicht dämpfen, sondern
das Gesetz der Evolution, wie das der Auslese an
diesen Neubildungen (wir nehmen dies Wort hier
im guten Sinne) am Stamme der alten Homöopathie,
ohne, so lange es angeht, einzugreifen, walten
lassen. Vorläufig geht unsere Meinung dahin, dass
die Erleichterung, welche man durch die Weihe’schen
Schmerz- oder Druckpimkte für das Auffinden des
homöopathischen Heilmittels zu erlangen hoffte,
dadurch in Frage gestellt wird, dass die Anzahl
dieser Punkte, welche zum Theil auf einen engen
Raum zusammengedrängt sind, sich bereits in kurzer
Zeit in einer Weise vermehrt hat, welche an das
Gedächtniss und das Erlernen der Technik über¬
mässige Forderungen stellt. Wenn diese Frucht¬
barkeit anhält, wo soll das hinaus? — Die Ober¬
herrlichkeit der nach Weihe jeweilig herrschenden
Mittel ist sodann eine so kurze, oft so schnell
wechselnde, kaum ephemäre, dass sie mit Rade-
macher’s und auch Hahnemann’s epidemisch¬
herrschenden Mitteln nichts gemein haben, was ja
auch die Anhänger dieser Richtung wiederholt be¬
tont haben. — Für einen jungen Anfänger in der
Homöopathie wäre es aber geradezu ein Unsegen,
wenn er, ohne in die Kenntniss unserer Heilmittel¬
lehre eingeweiht zu sein, sich sofort an die Druck¬
punkte machen wollte. Er käme dann gewiss auf
keinen festen, sichern Grund, sondern geriethe bald
an den Felsen der Scylla, bald in den Strudel
der Charybdis.
Schliesslich noch einige Worte über Villers
Stellung zur Frage vom Selbstdispensiren der
homöopathischen Aerzte. Mit seiner Forderung,
dieselben sollten das Selbstdispensiren aufgeben,
steht er, wie er selbst eingesteht, mit einem ganz
kleinen Kreise von Freunden vereinsamt unter den
Collegen da. — Dem ist in der That so, und dabei
steht er hierin in einem schneidenden Gegensatz
zu Hahnemann und seinen getreuesten Anhängern;
denn diese beanspruchten das Anfertigen und Dis-
pensiren der homöopathischen Arzneien nicht nur
als ein Recht, sondern hielten es auch für eine
wesentliche Pflicht eines homöopathischen Arztes.
Nun kann man freilich entgegnen, dass sich die
Verhältnisse seit Hahnemann’s Zeit verändert haben,
und andere Zeiten — andere Sitten und Einrich¬
tungen ! Wir müssen mit Collegen Villers ein¬
räumen, dass „die Apotheken, die sich ausschliess¬
lich mit homöopathischen Arzneien beschäftigen,
gut sind.“ Deren giebt es aber gar wenige.
Misslicher ist es schon, wenn er sagt: „Homöo¬
pathische Abtheilungen von grösserer oder geringerer
Vorzüglichkeit haben fast alle autorisirten (? Ref.)
Apotheker Deutschlands, und es muss anerkannt
werden, dass im Grossen und Ganzen der Apotheker¬
stand entsprechend seiner rühmlichst bekannten
Zuverlässigkeit auch auf diesem, ihm zunächst fern¬
liegenden Gebiete Gutes zu leisten versucht.“
Hierauf erwidern wir: Wo die homöopathische
Officin nur ein Appendix der allöopathischen Apo¬
theke ist, da wird sie meist auch als ein solcher,
als Anhängsel, behandelt. Eine vollständige
Trennung beider ist nicht immer durchgeführt,
dasselbe Personal muss beide bedienen, und ist
dieses in der Hauptapotheke stark beschäftigt, so
wird es mit der Anfertigung homöopathischer Mittel,
die man als Nebensache ansieht, oft genug nicht
genau genommen werden. — Dazu kommt noch,
dass, wie Villers richtig und kräftig sagt, es im¬
mer einzelne Fanatiker und unreife , grüne Jungen
giebt, welche der ihnen unbequemen Richtung da¬
durch Hindernisse zu bereiten glauben, dass sie die
verordneten homöopathischen Medieamente liederlich
bereiten und abgeben.“ Wenn er dann hinzufügt:
„Es muss aber betont werden, dass solche Ehr¬
losigkeiten selten Vorkommen,“ so sprechen leider
die Resultate der vor mehreren Jahren in solchen
appendiculären homöopathischen Officinen angestellten
Controll-Vexir-Versuche nicht zu Gunsten dieser
guten Meinung. — Ein Missstand liegt schon im
häufigen Wechsel der Apothekergehilfen; kaum hat
sich ein junger Mann in die Darstellungsweise där
11 *
Digitized by
Google
84
homöopathischen Mittel, worüber er ja in seinem
akademischen Unterrichte nichts gehört hat, prak¬
tisch eingearbeitet, so macht er wieder einem Neu¬
ling Platz. — Eine staatliche Revision der homöo¬
pathischen Officinen, so wichtig sie in vielen Be¬
ziehungen ist, kann uns leider über die Zuverlässig¬
keit der homöopathischen höheren Potenzirungen
keine Garantie gewähren. So hängen wir, d. h.
das Heil unserer Kranken, nicht bloss von der Ge¬
wissenhaftigkeit der Principale, sondern auch der
Provisoren, ja des jüngsten Lehrlings ab. — Unter
solchen Umständen bleibt also das Selbstdispensiren
für den homöopathischen Arzt ein vitales Bedürfniss,
und, wo man das Recht hierzu, wie in Preussen,
legaliter erlangen kann, wird sich wohl kein Col¬
lege desselben freiwillig entäussem. Ja, es wäre
in hohem Grade wünschenswerth, wenn sich die
Medicinal-Gesetzgebung des deutschen Reiches die
preussisclien Verhältnisse zur Richtschnur nehmen
möchte: was freilich, das wissen wir, ein frommer
Wunsch bleiben wird. — Wenn College Villers noch
das Aufgeben des Selbstdispensirens aus partei¬
politischen Gründen empfiehlt, d. li. um die hier¬
durch zwischen den Aerzten der alten und der der
homöopathischen errichteten Scheidewand aufzuheben
und uin den Widerstand des Apothekergewerbes
gegen die Homöopathie zu beseitigen, so meinen
wir, diese Conformität wird unsern allopathischen
Collegen wenig imponiren, und um die Gewogen¬
heit der Apotheker zu gewinnen, ein solches Opfer
bringen? Was würde Hahnemann zu dieser Zu-
muthung sagen?
Doch Villers sieht noch einen anderen Weg zur
Erreichung dieser Conformität offen: man erstrebe
das Selbstdispensiren der Arzneimittel für alle Aerzte
ohne Unterschied. Dieser Vorschlag erscheint dis-
cutabel, wenn er nur nicht, unter den obwaltenden
Umständen, gar zu utopisch wäre.
Nach diesen sine ira et Studio geführten Aus¬
einandersetzungen gereicht es uns zur Genug¬
tuung, dass der Schluss des Villers’schen Vortrages
in Chicago so freundlich und wohlthuend ausklingt,
er für die Zukunft der deutschen Homöopathie ein
so günstiges, verheissungsvolles Prognostikon stellt.
Er sieht in ihrem Entwickelungsgange nach einer
Periode mutlosen Niederganges jetzt deutliche
Zeichen dafür, dass wir uns wieder im Anfänge
einer aufsteigenden Linie befinden. — Dies ist für
uns eine erfreuliche Thatsache, ja um so erfreu¬
licher, als wir in einer Zeitepoche leben, welche die
Franzosen schlechthin als fin de siede (was wir
etwa mit „schäbigem Rest des Jahrhunderts“ wieder¬
geben können), als unter dem Zeichen der Deca¬
dence, des Niedergangs und des Verfalls, stehend
zu bezeichnen pflegen. In der That tritt dieser
Niedergang auf vielen Gebieten mit erschrecklicher
Deutlichkeit hervor, so auch auf dem der Medicin
der herrschenden Schule. Doch sind wir nicht so
i pessimistisch, um nicht auch neben den Entartungs-
! strömen in derselben hier und da ein leises Zeichen
einer beginnenden Regeneration wahrzunehmen,
i' Um wie viel leichter würde diese Regeneration vor
! sich gehen, wenn die herrschende Schule die in
der Homöopathie, vermöge ihrer naturgesetzlichen
Grundlage vorhandenen Kräfte ohne Widerstreben
! auf sich einw r irken lassen wollte!
Aufforderung.
Die Unterzeichneten homöopathischen Aerzte,
welche sich an der Poliklinik der Jh. SchwaHn? sehen
Central-Apotheke in Leipzig zu Homöopathen aus¬
bildeten und sich mit Dank und Anerkennung an
! die ihnen dort, gewordenen praktisch-nützlichen An-
| regungen erinnern, beabsichtigen Protest gegen die
| ihnen von Herrn Dr. Alexander Villers in Dresden
I zugefügten, provocatorischen Verunglimpfungen zu
! erheben. Letztere sind in einem Referate enthalten,
welches der genannte Herr dem vorjährigen homöo-
I pathischen Welt-Congresse über die deutsche Homöo-
I pathie in ganz subjectiver Form erstattet hat. Die-
j jenigen Herren Collegen, welche sich unserem
| Proteste anschliessen wollen, werden ersucht, dem
| mitunterzeichn eten Dr. Heng steheck in Remscheid ,
Weststrasse 15, recht bald hiervon Kenntniss zu
geben. Der Protest selbst wird mit eingehender Be¬
gründung dem Präsidenten jenes Congresses, Herrn
Professor Dr. Mitchell in Chicago . zugesandt werden
Im Februar 1894.
Dr. Heilgstebeck-Reiuscheid.
Dr. Schröder-Elberfeld.
Dr. Nagel-Elberfeld.
Dr. Luke-Finnentrop.
Dr. Ka t Vser-Saarbrücken.
Ueber das Magengeschwür.
Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad.
Gennain See in Paris*) theilt, um das Studium
und die nähere Natur dieser Krankheit recht ver¬
ständlich zu machen, die Erkrankungen des Magens
in folgende drei Gruppen, welche die ganze Patho¬
logie des Magens vom physiologischen und chemi¬
schen Standpunkte umfassen, ein.
Die erste Gruppe umfasst die am besten präci-
sirten Formen, denen allen als vorherrschender
Charakter die Hypcrchlorhydrie, d. i. überschüssige
Salzsäurebildung im Magensaft, zukommt. Neben
*) „Le Bulletin Medical,“ 30 Sept. 1893. J. Kl. R.
Digitized by c^ooQie
85
dieser eigentlichen Hyperchlorhydrie muss man
in diese Gruppe noch einen andern Zustand hinein¬
bringen, der erst in der allerletzten Zeit erkannt
wurde, nämlich die Gastromccorrhoe oder andauernde
allgemeine Hypersecretion, die unter zehn Fällen
neun Mal von Hyperchlorhydrie begleitet ist; in |
diese Gruppe muss man auch das Ulcus Ventriculi j
rechnen, welches in allen nicht complicirten Fällen j
die Hyperchlorhydrie zum Ausgangspunkte nimmt, i
Die zweite chemische Gruppe entwickelt sich j
ausser der Hyperchlorhydrie auf dem Boden der j
abnormen Gährungen mit oder ohne Bildung von j
Gas; dieselbe wird unter dem Namen Gährungs-
oder Gas-Dyspepsie den chronischen Katarrh, die ,
glandulären Gastritiden, die Cirrhosen, die Atro- |
phieen der Schleimhaut und den Krebs zu umfassen I
haben. I
Die dritte Gruppe bezieht sich auf den neuro-
motorischen Zustand, ohne — wenigstens primäre — |
Störungen chemischer Natur. In dieselbe kann
man die Magendilatationen hineinbringen, wenig¬
stens diejenigen Fälle, bei denen die Dilatation
gut ausgebrochen ist; überdies gehören hierher ge¬
wisse Gastralgieen und endlich das primäre neuro- 1
motorische Erbrechen.
Anatomische Pathogenese des Ulcus.
Nach diesen Prämissen wollen wir jetzt auf
das Ulcus zurückkommen, das im Jahre 1830 von |
GruveiUier zuerst genau studirt worden ist.
Es handelt sich nämlich hier um eine nekro- |
tische Affection, die zuerst an der Schleimhaut auf- j
tritt und sich in die Tiefe verbreitet und oft die |
GefUsse arrodirt, wodurch sich die Hämorrhagieen und
die Perforationen des Organes erklären. Man hat
das Ulcus oft Ulcus rotundum, Ulcus simplex und »
Ulcus chronicum genannt; es ist in der That eine
Seltenheit, wenn dasselbe eine ausgesprochen läng¬
liche Form hat, wenn sein Verlauf ein acuter ist
und wenn es multipel auftritt; nichtsdestoweniger
entdeckt man oft neben dem Ulcus noch Narben
älterer Ulcera.
Sein Lieblingssitz ist die Regio pylorica, die
kleine Curvatur und die hintere Fläche. In diesem
zuletzt genannten Falle kann die Arteria lienalis
durch den Ulcerationsprozess in Mitleidenschaft ge¬
zogen werden.
Das Ulcus präsentirt sich bei der Section unter
dem Anblicke eines abgerundeten oder mehr oder
weniger ausgezogenen Substanzverlustes mit senk¬
recht in die Tiefe verlaufenden oder trichterförmi¬
gen Rändern mit einer bald gesunden, bald an
ihren Rändern indurirten oder sehr vorspringenden j
Schleimhaut, die eine Schwellung von weinrother |
Farbe darstellt. Der Grund des Ulcus kann aus
einem grauen, pulpösen Magma bestehen. Häufig
unterscheidet man an demselben die blossgelegten
Muskelfasern und bisweilen eine klaffende kleine
Arterie, welche die Quelle einer Hämorrhagie war.
Die trichterförmige Anlage der Geschwürsränder,
mit der die Beschaffenheit der Endigungender kleinen
Arterien des Magens, die sich in Form von Kegeln
verbreiten, in Beziehung zu stehen scheint, sowie
die Theorieen der Thrombose und Embolie wurden
lange Zeit für die Genesis des Ulcus ventriculi
herangezogen. Man findet auf jeden Fall häufig
den Zustand der Endarteritis obliterans oder Miliar¬
aneurysmen in den Gelassen der Region, in welcher
das Ulcus seinen Sitz hat. Dies sind die anato¬
misch-pathologischen Charaktere des Ulcus, die es
gestatten, das Ulcus von den hämorrhagischen Ero¬
sionen zu unterscheiden, die man in Fällen von
Gastritis antreffen kann.
Nach der Ansicht mancher Pathologen, wie
Virchow und Mathie , können sich die Erosionen
unter dem Einflüsse der corrosiven Wirkung des
Magensaftes in Geschwüre umwandeln; aber es
handelt sich in diesen Fällen um Ausnahmen; es
ist nachgewiesen worden, dass die Erosionen nur
selten in den Geschwürszustand übergehen. (Langer-
hans.) Gei'hardt , der zahlreiche hämorrhagische
Erosionen beobachtet hat, konnte nur einen einzi¬
gen Fall von Uebergang in Geschwür beobachten.
Was dazu angethan ist, eine Verwirrung in dieser
Angelegenheit hervorzurufen, das ist der Umstand,
dass die hämorrhagischen Erosionen Symptome be¬
dingen können, welche denen des Ulcus analog sind
und selbst den Tod durch Hämorrhagie bewirken
können. Ein derartiger Fall wurde bei der Section
von Hampeln im Jahre 1891 constatirt.
Trotz seiner Tendenz, sich in die Tiefe auszu¬
breiten, ist das Ulcus ventriculi dennoch der Heilung
zugänglich.
Thatsächlich heilt dasselbe oft, wie es die Nar¬
ben, die man so häufig bei Autopsieen antrifft, be¬
weisen, besonders ist dies beim Weibe der Fall.
Wenn somit der Kranke den gefährlichen Compli-
cationen, die sich hier ereignen können, entgangen
ist, und zwar zu einer Zeit, zu der sich das Ge¬
schwür noch in voller Thätigkeit befindet (Hämor-
rhagien, Perforation des Magens mit darauffolgender
Peritonitis, Darmfisteln usw.), so vernarbt das Ge¬
schwür; dennoch ist der Kranke von diesem Mo¬
mente an vor jeder Gefahr nicht geschützt, denn
die Narbe kann durchbrechen, oder, wenn sie am
Pylorus ihren Sitz hat, eine Verengerung desselben
bewirken, die eine mechanische Dilatation des
Magens mit allen ihren (Konsequenzen zum Ge¬
folge hat.
Man sagt gemeinhin, dass der Kranke, der von
einem Ulcus ventriculi ergriffen ist, in den meisten
Digitized by ^.ooQle
86
Fällen früher an Magenbeschwerden gelitten habe;
dies trifft zu, wenn man damit die Existenz einer j
chemischen Störung, welche dem Geschwüre voran- I
gegangen war, andeutet, aber diese Angabe ist j
nicht mehr zutreffend, wenn man den Ulcerösen
von der Bildung des Ulcus als von einer eigent¬
lichen Gastritis ergriffen betrachtet, oder wenn j
man die Existenz des Ulcus derjenigen der mehr !
oder weniger ausgesprochenen nervösen Störungen
unterordnet.
Was die Gastritis betrifft, so ist es sicher, dass
man häufig neben dem Ulcus folliculare Uleerati-
tionen antrifft, welche dem Ulcus rotundum als
Uehergangsformen dienen, aber diese Ulcerationen
sind secundärer und nicht primärer Natur; sie
sind das Resultat der Einmischung des „übersauren“
Magensaftes auf verschiedene umschriebene Stellen.
Was die umschriebene Region des Geschwüres
betrifft, so ist es sicher, dass sie der Sitz intersti¬
tieller und parenchymatöser Veränderungen sei, dass
man eine Proliferation des interstitiellen Zellgewebes
und diverse Affectionen des Drüsenepitheliums con-
statirt; aber diese Veränderung, die man mit Un¬
recht als eine Gastritis bezeichnet hat, denn es
handelt sich hier um einen degenerativen und nicht
irritativen Process —ist ausserordentlich umschrieben.
Ausser einer sehr kleinen Zone in der Umgebung
des Geschwüres ist die Magenschleimhaut bei den
Ulcerösen fast immer normal im Gegensätze zu
dem, was man in den Fällen von Krebs beobach¬
tet. Kurz das einzige prodromale Stadium des
Ulcus, das wir anerkennen, ist die Hyperchlor-
hydrie; sie existirt vor und während der Ulcera-
tionsperiode; sie stellt eine specifisch chemische
Störung dar; sie nimmt weder aus einer anato¬
mischen Veränderung (Gastritis) noch aus einem
nervösen Zustande ihren Ursprung.
Es ist unmöglich, das erste Auftreten des Ulcus
näher zu bestimmen, denn die Phänomene der Hy-
perchlorhydrie, die ihm vorangehen, bieten natür¬
lich die grösste Analogie mit denen des Ulcus selbst.
Zwei Hauptformen des runden Magen¬
geschwüres. Das blutende Ulcus und das
einfache peptische Ulcus.
In fünfzig Procent von Fällen von Ulcus ro¬
tundum (Ewald) tritt das Ulcus in der hämor¬
rhagischen Form auf, d. h. in der Form des Blut¬
brechens oder der Melaena. Diese häufig primäre
Form tritt ohne irgend welche Vorboten zum
Vorschein, ohne irgend welches andere Zeichen als
das der Hämorrhagie, die das Resultat der Ein¬
wirkung des Magensaftes auf eine freiliegende kleine
Arterie in dem trichterförmigen Geschwüre darstellt.
Bisweilen ist der Blutverlust, der in einem graden |
Verhältnisse zu den Dimensionen des arrodirten
| Gefässes steht, ein so starker, dass er den Tod
I durch Hämorrhagie oder durch Bluterguss in die
; Magen-Darmhöhle nach sich ziehen kann.
Der Kranke wird blass und von Syncope und
von Schüttelfrösten ergriffen; bald darauf spürt er,
dass eine heisse Flüssigkeit sich in seine Speise¬
röhre hinauf ergiesst und das Blut wird dann von
dem Kranken in einer erschreckenden Art er¬
brochen. Das Blut ist in seiner Masse roth gefärbt
und unterscheidet sich dadurch von dem schwarzen
Erbrechen, dem kaffeesatzartigen Erbrechen, in
Fällen von Krebs.
Dennoch kann auch beim Ulcus ebenso ein
schwarzes Erbrechen Vorkommen, nämlich, wenn
das Blut in geringen Quantitäten an der Oberfläche
der Schleimhaut liegen geblieben ist und der Ein¬
wirkung des Magensaftes ausgesetzt war, der das
Hämoglobin zerstört hat.
Die Hyperchlorhydrie findet sich thatsächlich
ein wenig vor und ein wenig nach dem Erbrechen
vor. Jaworski und Korczynski fanden die
Acidität bedeutend erhöht, woraus der Schluss ab¬
zuleiten ist, dass sich das Ocy-hämoglobin schnell
in salzsaures Hämatin umwandelt, welches dem Blute
eine dunkelbraune Farbe verleiht.
Die Hämorrhagieen mittlerer Intensität recidi-
virien oft, weil der Thrombus, der das Gefäss ver¬
stopft, zerfällt, oft chemisch, und zwar durch den
Magensaft; endlich tritt eine Obliteration ein — wenn
das Organ geschont wird — durch die Narbe der
Arterie.
Aber früh oder spät, wenn das Ulcus nicht
vollkommen geheilt ist, tritt die Hämorrhagie von
neuem auf, häufig in Form einer Abweichung im
gewöhnlichen Regime.
Wenn das Blut durch den Mund entweder gar
nicht oder nur unvollständig entleert wird, so ge¬
langt ein Theil in den Dünndarm, geht dort mit
dem Chymus eine Emulsion ein und es resultiren
daraus im Dickdarm, an der Stelle, an der sich die
Fäces bilden, diese braunschwarz gefärbten Massen,
die an der Oberfläche ein lackirtes Aussehen haben
und deren Ursprung nicht zu verkennen ist.
Im Allgemeinen findet diese innige Mischung
von Fäcalmassen und von Blut nur bei den Hä¬
morrhagieen der oberen Theile des Darmes statt.
Ueberdies ist noch zu bemerken, dass beim Darm-
ulcus grosse Massen Blutes mit den Stühlen abgehen
können, ohne dass Hämatemesis vorhanden sein
würde; diese Fälle sind von geringem klinischen
Interesse, denn diese Hämorrhagieen können, eben¬
so wie das Ulcus, unbemerkt vor sich gehen. Kleine
Quantitäten Blutes, z. B. 100 Cubikcentimeter, können
der Untersuchung entgehen, wenn das Blut noch
keine ausgesprochen theerartige Farbe besitzt; hier
Digitized by ^.ooQle
87
kann man die Diagnose nur durch die Untersuchung
des Hämatins anstellen.
Andererseits kann die schwarze Färbung der
Fäcalmassen auf Rechnung von Eisen, Rhabarber,
Kaffee in grossen Quantitäten, rothem Wein, Zimmt
gesetzt werden. Wenn die Hämorrhagie nur einen
geringen Grad erreicht, so tritt keine Hämatemesis
auf, aber der Mageninhalt mischt sich mit dem Blute,
welches, wenn die Massen zufällig ausgeworfen wer¬
den, durch die früher erwähnten Färbungen sich
raanifestirt. Das Blut ist dann je nach dem Grade
der Verdauung verändert, und zwar in dem Sinne,
dass sich das Hämoglobin unter dem Einfluss der
Salzsäure in eine Art von Globulin und Eisen¬
hämatin spaltet. Das Mikroskop zeigt dann braune
Pigraentmassen, die wie Kaffeefragmente aussehen.
Kleine Hämorrhagieen finden sich bisweilen im
Darm unter der Form von färbenden Massen des
Blutes oder von rotken Blutkörperchen in den Fäcal¬
massen. (Schmaus,) Diese Momente sind häufig
das Zeichen von perniciöser Anämie.
(Fortsetzung folgt)
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung.)
Das ganze Bild ist ein für Calc. carb. so charak¬
teristisches, dass ich den Fall erwähne, trotzdem ich
nur einmal von seiner Besserung berichten kann.
Aber die Patienten, speciell die vom Lande, zeigen
sich sehr selten, besonders wenn es besser geht.
Oft höre ich erst nach Jahren durch die Patienten
selbst oder deren Angehörige von der günstigen
Wirkung eines Mittels.
Unter meinen Notizen finde ich:
Kopfschmerz alle 8 Tage: Sulf., Sil., Iris vers.,
Sang., Sabad.; alle 14 Tage: Ars., Sulf., Calc.
carb., Nicc.
Ein gewisser Anhaltspunkt ist dadurch gegeben,
aber als oberster Grundsatz ist festzuhalten, dass
das gesammte Symptomenbild das Mittel bestimmt,
ganz gleich, ob in irgend einem Handbuch für die
fragliche Krankheit dieses Mittel angegeben ist
oder nicht. Der Name der Krankheit, die speciell
hervorgehobene Beschwerde des Kranken ist nicht
bestimmend. Ob der obige Jüngling über Kopf¬
schmerz speciell geklagt, oder ob er wegen Schwin¬
del oder wegen Nasenbluten, wegen Mattigkeit
oder wegen Herzklopfen gekommen wäre: der ge¬
sammte Symptomen komplex war in jedem Falle aui-
zunehmen und sprach in jedem Falle für Calc. carb.
H.: Magdalena H., 19 Jahre alt, vom Lande,
hat seit sechs Monaten Schmerzen äusserlich am
Halse > die von den Sternocleidomastoidei zu den
Schultern ziehen.
Nachts wandert der Schmerz zu der Seite , auf
* der sie nicht liegt
Am Tage fühlt sie die Schmerzen auf beiden
Seiten, namentlich beim Bewegen der Arme, beim
Melken.
Menses alle 14 Tage , zu lange und zu stark.
20. Juli 1891 Calc. carb. X. wöchentlich ein
Pulver.
Wie mir am 23. März 1892 gelegentlich be-
i merkt wird, ist noch während des Einnebmens der
! Schmerz verschwunden, auch die Menses kommen
regulär.
Beim Kopfschmerz von Calc. carb. wird speciell
erwähnt, dass er zu der Seite wandert, auf der
| man nicht liegt.
Bei zwei Kindern des Tischlermeisters R., 3
I und 5 Jahre alt, kam im Abstand von einem Jahre
1 ein der Tabes mesaraica ähnlicher Zustand zum
Ausbruch, bestehend in fast continuirlichem Fieber
von ungefähr 39°, Appetitlosigkeit, Durchfällen,
Abmagerung, ohne jegliche Benommenheit des Sen-
1 soriums.
Durchfall 3- bis 4mal Tags und Nachts, nicht
charakteristisch. Der Zustand hatte bei dem zuerst
erkrankten Kinde schon mehrere Wochen bestanden,
! ehe ich das Kind sah, da der Vater zuerst seine
j Heilkunst versucht hatte.
| Ich konnte keine besonderen Anhaltspunkte für
die Mittelwahl gewinnen, ausser dass das Kind ein
besonderes Verlangen nach Eiern hatte bei sonstiger
Appetitlosigkeit. Dies bestimmte die Wahl von Calc.
carb. In wenigen Tagen war der normale Zustand
I wieder hergestellt mit Ausnahme von Schwäche,
1 die schnell wich.
| Als ein Jahr später das jüngere Kind unter
' ganz ähnlichen Erscheinungen erkrankte, glaubte
ich mit der Wahl desselben Mittels sofort das richtige
I getroffen zu haben. Aber diesmal versagte Calc.
| carb., dagegen half sofort der phosphorsaure Kalk,
| den ich gab wegen ausgesprochener Neigung zu
! Kartoffeln.
Also bei beiden Kindern und einem ähnlichen
Zustande half ein Kalkpräparat, nur bei jedem
Kinde ein anderes.
Diese anscheinenden Kleinigkeiten, welche die
Mittelwahl bedingten, gehören zu den charakte¬
ristischen Zeichen, welche nach Hahnemann für die
Mittelwahl am schwersten in die Wagschaale fallen.
Das ausgesprochene Verlangen nach Eiern ist
mehrfach für den kohlensauren Kalk bestätigt wor¬
den, so auch in dem nachfolgenden Falle:
Dr. Tomhagen:
Eddie D., 18 Monate alt, wird von seiner
Mutter in die Sprechstunde gebracht.
Digitized by c^ooQie
88
Das Kind ist blass, schlaff und schwach, hat
blaue Augen, blondes Haar. Seit 3 Monaten leidet
es an Durchfall , der bisher nicht gestopft werden
konnte.
Die Mutter muss stets Etwas zum Essen dabei
haben, da das Kind die ganze Zeit essen will.
Besonders nach Eiern hat es Verlangen , aber
sie bekommen ihm nicht, machen den Durchfall
schlimmer.
Jeden Monat einmal riecht das ganze Kind sehr
schlecht; die Mutter hat das jetzt schon dreimal be¬
merkt und zwar jedesmal zur Zeit des Vollmonds .
Wässeriger Schnupfen und Schleimrasseln auf
der Brust.
Das Kind erhielt am 30. October ein Pulver
Calc. carb. Hochpotenz trocken auf die Zunge.
14. November, ln jeder Beziehung Besserung,
besonders der Stuhl; auch das Verlangen nach Eiern
ist nicht mehr so ausgesprochen.
9. December. Das Kind fängt an zu laufen,
Schnupfen und Rasseln auf der Brust sind fort,
Stuhl ist normal.
Das Kind bleibt gesund.
Dr. John Störer:
Ich wurde am 6. Mai 1891 Nachts zu Willie
D. gerufen, 5 Jahre alt, und fand ihn in einem
schweren Anfalle von Asthma , dem er seit 3 Jahren
regelmässig bei stürmischem Wetter unterworfen war.
Ich eruirte folgende Symptome:
Zähne und Laufenlemen erst mit 2 Jahren;
Starker Kopf schweiss , das Kissen ringsherum
nässend;
Dünne Arme und Beine;
Füsse kalt , Strümpfe fühlen sich feucht an;
Leib auf getrieben;
Schlechter Appetit , aber Verlangen nach Eiern;
Unlust zum Spielen;
Leicht erkältet, Athem laut und mühsam, Ras¬
seln auf beiden Lungen;
Will nicht zugedeckt sein.
Ein vollkommenes Calc.-Bild.
Eine Gabe dieses Mittels in Hochpotenz.
Am 7. Mai fand ich Besserung. Er war bald
in Schlaf gefallen und hatte eine gute Nacht gehabt.
Die Auskultation befriedigte.
14. Mai. Viel besser. Appetit und Schlaf gut,
kein Kopfschmerz mehr, Lust zum Spielen.
Ist kräftiger; noch etwas Schleimrasseln.
21. Mai. Besserung fortschreitend.
27. Mai. Gesund und kräftig entlassen.
Dieser Fall zeigt, sagt Dr. St. richtig, dass es
für den Arzt wichtiger ist, die constitutionellen
Symptome zu eruiren, als auf die das Hauptgewicht
zu legen, weswegen er gerufen ist.
Asthma haben viel Mittel, aber keins würde so
geholfen haben, als das Simillimum.
Dr. Howard Crutcher von Chicago bringt fol¬
gende drei Fälle von Calc. carb.:
Im vergangenen Herbst bekam meine Tochter
Helene, damals 16 Monate alt, den Keuchhusten .
Er. trat gleich heftig auf und nahm in wenigen
Tagen einen bedrohlichen Charakter an.
Ich war thöricht genug, den Fall selbst zu
behandeln und reichte ohne Nutzen verschiedene
Mittel, bis ich meinen Freund, Dr. W. M. Johnson,
bat, den Fall zu übernehmen. Als Dr. J. kam,
fand er das Kind schlafend und setzte sich an das
Bettchen. Nach einigen Minuten erwachte es, den
Kopf nass von Schweiss, und die Hände im Munde,
wo die Zähne sich schlecht entwickeln wollten.
Das Bild ist doch ganz klar, meinte Dr. J.
Wo hast du denn deine Augen gehabt? Sieh dir
den Kopfschweiss an, dann das entzündete Zahn¬
fleisch, und riech einmal an dem Tuch, wo das
Kind etwas Milch gebrochen hat.
Eine Gabe Calc. veränderte den Zustand in
wenigen Stunden. Ein heftiger Anfall kam über¬
haupt nicht mehr und überhaupt selten mehr als
zwei leichte Anfälle täglich.
Vor nicht langer Zeit Hess mich eines Morgens
ein befreundeter College rufen, um an einem Kinde
wegen Oedem des Pharynx und der Glottis die
Tracheotomie zu machen.
Ich raffte schleunigst meine Instrumente zu¬
sammen, eilte hin und fand ein neunmonatliches
Kind, von der Mutter aufrecht im Arm gehalten.
Wenn man das Kind hinlegte, drohte es zu er¬
sticken. Das Kind hatte nach Scharlach Schwel¬
lung der Halsdrüsen behalten. Um diese zu er¬
weichen, war ein Campherumschlag gelegt worden.
Ob dieser nun das Oedem hervorgerufen, wage ich
nicht zu entscheiden.
Die Eltern verlangten eine Operation und zwei¬
felten an der Wiederherstellung des Blindes.
In der vergangenen Nacht war Apis gegeben wor¬
den mit etwas Erleichterung, aber jetzt um 8 Uhr früh
war der Zustand schlimmer denn je. Seit 3 Tagen
war das Kind schlaflos im Arme gehalten worden.
Der profuse Kopf sch treiss, das bleiche , skrophu-
löse Aussehen , der auf getriebene Leib , das späte
Erscheinen der Zähne , die schlechte Ernährung im
Allgemeinen, die pulsivendm Fontanellen Hessen
über das Simile keinen Zweifel.
Statt der Operation gab ich eine Dosis Calc.
carb. Hochpotenz. Nach einer halben Stunde schUef
der kleine Patient ruhig. Der Schlaf, welcher einem
tiefen Koma glich, dauerte viele Stunden. Warmer
Schweiss brach aus, und das Resultat war eine
schnelle und dauerhafte Heilung.
Der befreundete College erklärte mir, dass er
niemals eine so glänzende Bestätigung unseres thera¬
peutischen Gesetzes gesehen.
Digitized by ^.ooQle
89
Das 3jährige Töchterchen eines Herrn W. hier
hatte Diphtherie . Die lokalen Symptome waren nicht
heftig, Tonsillen mässig geschwollen, Mundgeruch
stinkend.
Dagegen waren die constitutionellen Symptome
sehr ausgesprochen: grosse Prostration, Verstopfung,
Urin spärlich, faulriechend, schlechte Ernährung,
Entwicklung der Knochen ärmlich; kolossaler Kopf-
schweiss.
Calcarea curirte das Kind, nicht schnell, sondern
langsam; die Besserung der Constitution machte über¬
raschende Fortschritte. Diese Fälle von Crutcher
wie manche andere unserer amerikanischen Collegen
sind lehrreich, wie der Fall zu nehmen ist und wie
die charakteristischen Merkmale des Patienten in
Einklang zu bringen sind mit denen der Arznei.
H.: L., 52 Jahre alt, consultirte mich selbst
wegen Magen- und Darmbeschwerden; besonders
plagte ihn seit Jahren Durchfall mit unverdauten
Stühlen, der ungefähr alle o bis 4 Wochen auf
mehrere Tage sich einstellte.
3 his 4 dünnbreiige oder, bei schlimmerem
Auftreten, wässerige Stühle Tags und Nachts mit
Schneiden im Leib vorher.
Viel Luftaufstossen.
Ganz besonders schlecht werden Gurken vertragen.
Sehr leicht Zittern der Hände bei Erregung.
Der Anhaltspunkte gab es nicht viel hier; ich
fand, dass Sulfur, acid. und Veratr. Verschlimme¬
rung von Gurken haben. Veratr. hat keinen un¬
verdauten Stuhl und nach meinen Reminiscenzen
hatte die Schwefelsäure auch das Zittern der Hände.
(Eigentlich hat es das Gefühl von Zittern.)
Ich gab dem Patienten am 29. October 1891
Sulfur, acid. X. wöchentlich ein Pulver.
Am 12. Januar 1892 kam der Patient wegen
anderer, acuter Beschwerden. Durchfall war nicht
mehr dagewesen, auch hatte das Luftaufstossen
nachgelassen.
Ich sah den Patienten noch mehrmals später,
auch in der letzten Zeit. Der Stuhl ist stets gut
geblieben, also ist wohl anzunehmen, dass die
Schwefelsäure damals günstig auf den Durchfall
eingewirkt hat.
H.: Am 8. September 1888 kam Frau P., eine
ziemlich kräftig entwickelte Frau vom Lande, zu mir.
Seit 8 Wochen hat sie jede Nacht, bald nach
dem Einschlafen , Anfälle von Athemnoth.
Die Brust wie zusammengeschnürt , sie muss auf-
sitzen , zuweilen aus dem Bett heraus, höher hegen ,
als gewöhnlich.
Morgens nass von Schweiss.
Kurzluftig beim Gehen.
Stets Gejühl, als sitze Etwas im Halse, aber
nie beim Essen und Trinken .
Lachesis X. jeden Abend einige Körnchen.
Erst am 25. Mai 1891, als andere Beschwerden
die Patientin wieder zu mir führten, erfuhr ich,
dass damals bald Besserung eingetreten.
Dr. A. Lippe gab einem Epileptiker , der regel¬
mässig nach dem Nachmittagsschlafe einen Anfall
hatte, eine Gabe * Lach. Hochpotenz. Sofort setzte
die Besserung ein und hielt an.
Eine nicht uninteressante Heilung mit Lach, be¬
richtet Dr. Hearn in Toronto.
Frl. M., 33 Jahre alt, eine nervöse Dame mit
dunklem Teint, leidet seit ihrem zehnten Lebens¬
jahre an sehr heftigem nervösen Kopfweh , das vor¬
zugsweise die linke Kopfseite befällt, aufsteigend
vom Nacken sich über den Kopf zieht und über
dem linken Auge sich festsetzt. Sehr selten tritt
der Schmerz rechtsseitig auf.
8 Tage vor der (normalen) Regel kommt das
Kopfweh.
Der Vorbote besteht in Empfindlichkeit in der
Gegend des linken Eierstocks , mit dem Gefühl , als
ob diese Gegend mit einem Band zusammengeschnürt
1 würde .
i Sie muss die Kleider lockern .
1 Druck in der Gegend oder Liegen so, dass
diese Gegend auf ihren geballten Fäusten liegt,
erleichtert.
Dieser Schmerz ist begleitet von Frost, der den
Rücken auf und ab läuft; Gefühl als wie mit kaltem
Wasser übergossen.
Kälte der Füsse.
Sie sitzt beim Frost gerne am Ofen; äussere
| Wärme erleichtert.
Der Frost verliert sich allmählig und dann be¬
ginnen die Unterleibsschmerzen, welche allmählig
steigen und fallen.
Die Eierstockssymptome dauern 2 — 4 Tage und
machen dann langsam dem Kopfschmerz Platz.
Des Morgens wacht sie mit brennenden, klopfen¬
den Schmerzen auf, welche vom Nacken her über
die linke Kopfseite nach vorn bis zum linken Auge
ziehen. (Zuweilen ziehen die Schmerzen den um¬
gekehrten Weg.)
Der Schmerz nimmt an Heftigkeit zu bis zum
folgenden Tage mit Schmerz des linken Augenlides.
Schwindel, Vergehen des Gesichts, dann Uebel-
keit, heftiges Brechwürgen und Erbrechen von
glasigem Schleim.
Der Schmerz ist jetzt so häutig, dass die Pa¬
tientin glaubt, wahnsinnig zu werden.
Massiger Druck und Wärme erleichtern etwas.
Am dritten Tage, sobald das Menstrualblut
ßiesst , verschwinden die Schmerzen schnell und es
bleibt nur noch Röthe, Schwellung und Empfind¬
lichkeit der linken Kopf- und Gesichtshälfte.
I Nach vielen fruchtlosen Versuchen hatte die
l Patientin jede Hoffnung auf Besserung aufgegeben.
9
Digitized by
Google
90
Eines Tages, als sie verzweifelnd in der Heftig¬
keit ihrer Schmerzen wieder einmal bei Dr. H. Hilfe
suchte, gab ihr dieser ein Pulver Arg. und eins
Lach. 200. Sie sollte zunächst Arg. versuchen,
dann Lach.
Arg. wirkte nicht, aber beim Nehmen von Lach,
hatte sie das Gefühl, als wenn eine Hand über
ihren Körper führe: die Schmerzen waren sofort
verschwunden.
Nach zwei Monaten hatte sie einen leichten
Anfall, der nur wenige Stunden dauerte. Eine
Gabe Lach. 200. wirkte wiederum günstig. Nach
einigen Wochen war noch einmal dasselbe Mittel
nöthig, diesmal in höherer Potenz.
Seitdem ist die Dame, ausgenommen einige
Ahnungen des alten Uebels, schmerzfrei geblieben.
(Kritisiren und Bessermachenkönnen ist zwar
immer leicht, wenn man den ganzen Fall kennt
nebst der gegebenen Arznei; aber doch sollte man
meinen, wäre die Indication für Lachesis deutlich
hervorgetreten.
Das Linksseitige der Kopfschmerzen sowohl, wie
der Unterleibsaffection, das Befallensein des linken
Ovarium, welches jedenfalls der Ausgangspunkt der
ganzen Krankheit war, die Empfindlichkeit der
Ovariengegend, wie auch der linken Kopf hälfte,
die Besserung mit dem Fliessen der Menses, sind
alles Punkte, welche kräftig für Lach, sprechen.
Ein Mittel, welches ebenfalls linksseitige Kopf¬
schmerzen in Verbindung mit Unterleibskolik hat,
ebenso Affection des linken Eierstockes — es wird
für die auf Entzündung der Ovarien beruhende
Kolik Puellae publicae empfohlen, mit dem ergän¬
zenden Mittel Staphys. — ist Colocynthis.
Lachesis hat aber äusserste Empfindlichkeit gegen
Druck, Colocynthis Besserung durch denselben. H.)
H.: Zu mir kam am 23. Januar 1892 Herr H.,
68 Jahre alt, wegen eines Hustens, der ihn im
Winter immer quälte, der jetzt aber besonders bös¬
artig aufgetreten war. Sofort nach dem Nieder¬
legen quält dev Husten namentlich.
Hyoscyamus X. besserte den Husten in wenigen
Tagen auffallend.
Der Husten von Hyosc. ist schlimmer im Liegen,
besonders im Liegen mit dem Kopf tief, beginnt,
sobald der Kopf das Kissen berührt, bessert sich
im Aufsitzen. Auch Beilad. und Bryonia müssen
sich beim Husten aufrichten, aber, im Gegensätze
zu Hyosc., bessert bei ihnen das Aufsitzen nicht.
Kent heilte mit Hyosc. einen Strabismus, der
als Folge unglücklicher Liebe jahrelang bestanden
hatte. Nach seiner Darstellung passt das Mittel ganz
besonders für den Strabismus, der besonders bei
Kindern als Folge von Gehimcongestionen vorkommt
und allmählig zunimmt.
Ein etwas monotones Gepräge zeigen die Natr.
; mur.-Fälle: Ein rother Faden zieht sich durch alle,
die Verschlimmerung Vormittags, die Besserung
gegen Abend, welches Characteristicum bei keinem
Mittel so scharf ausgeprägt ist, wie beim Kochsalz.
Diese schlimme Zeit, welche sich meist von 9 oder
10 Uhr Vormittags hinzieht bis gegen 2 — 4 Uhr
Nachmittags, betrifft alle Beschwerden, einerlei, ob
es sich um Fieberzustände, Bleichsucht, oder sonstige
Leiden aus dem sehr grossen, der Heilkraft des Natr.
raur. unterworfenem Gebiete handelt.
Diese charakteristische Verschlimmerungszeit des
I Kochsalzes verdient um so mehr betont zu werden,
| weil sie in sehr vielen Fällen im Krankenexamen
! von vornherein auf das Mittel hindeutet.
Natr. mur. kann sich des Morgens beim Auf-
| stehen schon schlecht fühlen, häufiger noch ist das
j Befinden in den ersten Stunden noch befriedigend,
aber gegen 9 Uhr beginnen die Beschwerden, von
denen gewisse, wie Mattigkeit, Schmerz in den
Knieen beim Steigen, Kurzathmigkeit, Herzklopfen,
Milzstechen, gedrückte Stimmung, Schläfrigkeit fast
stereotyp sind, nehmen gegen Mittag zu, bleiben
mehrere Stunden auf der Höhe und nehmen all-
| mählig ab. Je mehr gegen Abend, desto wohler
| fühlt sich der Patient. Vormittags ist er deprimirt
; und weinerlich, Abends munter und oft aufgeregt*
j Vormittags unlustig und unfähig zu geistiger und
| körperlicher Arbeit, Abends sogar Anstrengungen
gewachsen, Vormittags verschlafen, Abends nicht
ins Bett zu bekommen.
Oft versichern die Patienten, dass sie Abends
ganz gesund sind, Morgens immer wieder sterbens¬
krank.
In der Zeit unterscheiden sich Natr. mur. und
i Sepia.
Sepia wacht sehr oft mit Kopfschmerz und Ver¬
schlimmerung der Beschwerden auf, bessert sich
aber, meist nach dem Waschen, dem Frühstück und
wenn der Patient im Gange ist, besonders in frischer
Luft. Das Befinden des Sepiakranken wird dann
oft schon erträglich, wenn für Natr. muriat. die
schlimme Zeit beginnt.
Das Kochsalz ist hier in Hamburg sehr häufig
indicirt im Allgemeinen, speciell in Bleichsucht, wo
ihm Sepia als ergänzende Arznei zur Seite steht.
Seltener treten noch Kali carb. oder Phosphor hinzu,
um die Heilung zu vollenden.
Kunkel, der beste Kenner der drei Heroen,
j Natr. mur., Sepia und Thuja, giebt in seiner Schrift:
„Der Curort Sylt in der Eigenthümlichkeit seiner
| Wirkung etc. tt (Hamburg, G. W. Niemeyer Nachf.)
eine ausführliche Schilderung des Symptomenbildes
und Wirkungskreises dieses hervorragenden Mittels.
In der letzten Influenzaepidemie hatte ich mehr¬
mals Gelegenheit, dieses anzuwenden. Oben habe
ich noch vergessen zu erwähnen, dass manche der
Digitized by u.ooQie
91
Beschwerden um 9 Uhr Vormittags wie Fieber¬
anfälle mit Frost einsetzen und dass die Patienten
während der schlimmen Zeit sich wie fieberhaft
fühlen. Bei einem Metzger zeigte sich die Influenza
derart, dass zwischen 9 und 10 Uhr Vormittags
Schmerzen auftraten in der rechten Gesichts- und
Kopfseite, mit Schwellung und Rötliung der Seite,
Empfindlichkeit des Auges gegen Licht, dabei hoch¬
gradiges Fieber mit Schläfrigkeit. Gegen 4 Uhr
Nachmittags war der Anfall vorüber, Abends konnte
der Patient aufstelien, Nachts kam Schweiss und
am nächsten Vormittag derselbe Anfall. Natr. mur.
half in wenigen Tagen. Eine Frau, bei der seit
14 Tagen regulär um dieselbe Zeit, wie der eben
erwähnte Patient, hochgradiges Fieber auftrat, be¬
kam ich aus allopathischer Behandlung. Hier be¬
seitigte dasselbe Mittel in 24 Stunden das Fieber.
Für die acute, plötzlich mit starkem Fieber,
intensivem Kopfschmerz, Röthe und anscheinende
Schwellung des Gesichts, Trockenheit des Halses,
Empfindlichkeit gegen Licht und Geräusch schien
mir Bellad. das geeignetste Mittel, doch hatte ich,
wenige Fälle ausgenommen, nicht das Gefühl, als
ob Bellad. den Anfall besonders erleichtere oder
abkürze.
Weit wichtiger war die Behandlung der Nach¬
krankheiten, speciell der gefährlichen, schleichenden
Pneumonieen. In mehreren Fällen half mir Lycop.
über gefährliche Situationen hinweg, indicirt durch
abendliche Steigerung des Fiebers, Verlangen nach
kühlem Zimmer und hoher Lage des Kopfes. Bei
einer Patientin trat regelmässig in den ersten Stunden
nach Mitternacht eine so hochgradige Schwäche auf,
dass die Angehörigen vor diesen Stunden Angst
hatten. Nach Arsen, kam kein Schwächeanfall mehr.
H.: Sch., eine 38jährige, kräftige Metzgersfrau,
hat seit Jahren Kopfschmerzen in Stirn und Hinter¬
kopf, die regelmässig jeden Morgen zwischen 9 und
10 Uhr beginnen und bis Nachmittags dauern.
Dabei schwermüthig und beklommen ums Herz.
Zu den schlimmen Stunden schläfrig.
Vor langen Jahren hat sie an kaltem Fieber
gelitten mit heftigen Kopfschmerzen.
Stuhl jeden dritten Tag.
Herzklopfen bei heftiger Bewegung .
Am 19. März 1892 Natr. mur. X. jeden zweiten
Abend ein Pulver.
2. April. Sofort mit den ersten Pulvern trat
Besserung ein. Zuerst stellte sich Ausfluss aus der
Nase ein, damit verschwand der Kopfschmerz. Stuhl
täglich.
Ich entliess die Kranke mit Scheinpulvern und
darf annehmen, dass die Besserung Stand hielt
H.: Frau L., 31 Jahre alt, bemerkte den An¬
fang ihrer Beschwerden schon im Frühjahr 1892:
Je länger sie schlief, desto müder.
Vormittags schlechtes Befinden, gegen Abend besser.
Besser in frischer Luft und Bewegung.
Herzklopfen und Appetitlosigkeit.
Jetzt ist sie ungemein schwach in den Knieen .
Des Morgens hat sie Unruhe in Händen und
Füssen.
Schreiben geht sehr schwer.
Warmes Zimmer schlecht vertragen.
Täglich Stirnkopfschmerz, besser gegen Abend .
Besserung in der Ruhe und, in frischer Luft.
Herzklopfen beim Steigen.
Appetit ziemlich; Durst .
Abends fühlt sie sich regulär ganz gesund.
13. December 1892. Natr. mur. X. jeden dritten
Abend.
29. December. Die Pulver haben gute Dienste
gethan; sie befindet sich weit besser. Noch etwas
Kopfschmerz.
Die Pulver jeden vierten Abend.
14. Februar 1893. In der Zwischenzeit hatte
die Patientin einmal Veratr. erhalten mit Erfolg
gegen heftigen Durchfall.
Das Befinden ist anhaltend gut geblieben; das
Schreiben geht viel leichter. Ich entlasse die Pa¬
tientin mit der Weisung, noch vorläufig jeden fünften
Abend Natr. mur. X. zu nehmen. Noch vor einigen
Wochen konnte ich mich von dem Wohlbefinden
derselben überzeugen.
H.: Martha L. aus K. leidet seit 4 Monaten an
skrophulöser Entzündung der Augen und Augenlider.
Letztere sind Morgens zugeklebt, Nase und
Lippen geschwollen.
Das ganze Kind ist Abends Ijesser und muntet'er.
21. December 1892. Natr. mur. X. jeden dritten
Abend.
4. Januar 1893. Die Bulbi sind vollkommen
frei, nur die Lider noch etwas geschwollen, aber
nicht mehr wund.
„Eigentlich ist sie gesund,“ bemerkt die Mutter.
Ich gebe die Pulver noch jeden fünften Abend
und verfolge das gute Befinden bis Mitte März.
(Fortsetzung folgt.)
Primi studi di materia medica applicata
secondo la legge dei Semili.
Pel Dott. G. Bonino-Torino 1893.
Besprochen von Dr. Mossa.
In der ersten Nummer dieses Jahres habe ich
das rege Leben, das von homöopathischer Seite sich
auf dem Gebiete der Materia medica kundgiebt, als
eine Signatur der jüngsten Zeit constatirt. Es
10 *
Digitized by
Google
92
handelt sich dabei weniger um grundlegende Arbei¬
ten, sondern um Schichtung und Sichtung des über¬
reichen Materials an vorhandenen Prüfungen von
Hahnemann bis auf unsere Zeit herab, um über¬
sichtliche, praktische Bearbeitung des kaum noch
zu überwältigenden Stoffes. Zum Tlieil hat die
Autoren die Absicht geleitet, den jüngeren Aerzten
der alten Schule eine zugängliche Brücke zu
bauen, auf der sie zur Kenntniss unserer Arznei¬
mittellehre, sowie zu deren therapeutischer An¬
wendung an Kranken leicht gelangen können. Wenn
diese jungen Aerzte, deren Ueberzeugung von der
Wirksamkeit der Arzneimittel auf der hohen Schule
wenig gefestet, von der Hochfluth immenser Ergüsse
der arzneilosen Physiatriker, der promovirten oder
self'-made man, vollends hinweggeschwemmt wird,
müssen sie nicht in eine Stimmung gerathen, wo
sie sich wie Faust der Magie ergeben möchten?
Aber halt! wenn man ihnen das natürliche Licht
von der Wirkung der Arzneimittel durch das Ex¬
periment am Gesunden, durch reine physiologische
Prüfungen zeigen könnte — wie wird dies Zeichen
auf sie wirken!
Diesem Zwecke wollen und sollen auch die
„ersten Studien der Matena medica und deren An¬
wendung nach dem Aehnlichkeitsqesetz “ von unserem
hochgeehrten Kollegen und Freunde Dr. G. Bonino
in Torino, einem tüchtigen Mittelkenner und homöo¬
pathischen Praktiker, dienen. Im ersten Kapitel
bespricht und kritisirt der Verf. die Grundsätze und
die praktischen Methoden der schulgerechten alten
Medicin; die Bezeichnung derselben als Therapia
classica klingt uns etwas fremdartig, weil wir beim
Klassischen an das Mustergültige, Ideale denken,
was weder Dr. Bonino noch wir dieser Therapie
zuschreiben werden. Dies zeigt sich recht evident
im 2. Kapitel, in dem Verf. die Principien der
Vorzüge der Terapia omiopatica auseinandersetzt,
das Experiment, die Prüfung der Mittel am Ge¬
sunden als die echt naturwissenschaftliche Basis der !
Homöopathie hinstellend. Um die Verwendbarkeit
der so gewonnenen physiologischen, besser pathogene¬
tischen Wirkungen der Mittel nach dem Aehnlich-
keitsgesetze zu therapeutischen Zwecken dem Studi-
renden einleuchtender zu machen, stellt Verf. eine
Reihe schlagender Beispiele aus der Praxis der
alten Schule auf, in denen die pathogenetischen
Wirkungen den krankhaften Erscheinungen ent¬
schieden parallel laufen (Ilom. involuntaria). L eber
die Dosologie sagt Verf., dass diese, wie sich nach
dem Aehnlichkeitsgesetze ergiebt, vom theoretischen j
sowohl als praktischen Gesichtspunkte aus zu be- j
trachten sei. „Dass die leidenden Theile des !
Körpers für einen Arzneistoff empfänglicher sind,
welcher im Sinne des Leidens auf sie wirkt, als ;
im gesunden Zustande, ist eine einfach aus der
Erfahrung resultirende Thatsache, welche sich er¬
proben lässt. Sie ist auch von der herrschenden
Schule anerkannt, wie z. B. Liebreich, indem er
die Wirkung der Canthariden bespricht, zugiebt,
dass die erkrankten Gewebe weit schwächere Dilu¬
tionen verlangen, als die gesunden. Es wäre deshalb
ebenso irrational als grausam, auf die gewöhnlichen
Dosen zu bestehen, die die Leiden zu steigern ver¬
mögen, ehe sie diese durch die darauf folgende
Reaction aufheben. — Die Verkleinerung der nach
dem Simile anzuwendenden curativen Dosen kann
Angesichts ihrer krankmachenden Wirkung nicht
a priori bestiriunt werden. Es gilt das approximative
Mass zu finden, wo die pathogenetische Wirkung
sich nicht mehr oder nur in geringem Grade ent¬
falten kann, indessen noch so viel Kraft besitzt,
um eine heilsame Reaction hervorzurufen; das ist
dal Exempel, dessen Lösung die Uebertreibungen
zweier entgegenstehender Richtungen beeinträchtigt
haben — nämlich die der transcendentalen Homöo¬
pathie und die der materialistischen, welche beide
sich zu wenig um die Individualisirung gekümmert
haben. Ich rede von einem approximativen Mass,
insofern das Alter, das Temperament, die Reiz¬
empfänglichkeit, die Widerstandsfähigkeit, die an¬
geborenen Anlagen und die Aeuitat der Krankheit,
die relative Kraftgrösst* des Mittels Bedingungen
sind, welche eine Verschiedenheit in der Dosirung
erheischen. — Desshalb ist der sicherste Weg be¬
sonders für den, der seine ersten Proben in der
Anwendung des Simile macht, sich an solche Dosen
zu halten, welche, unter Ausschluss jedweder Ge¬
fahr ernster pathogenetischer Störungen, eine posi¬
tive und entschieden wirkende Arzneikraft ent¬
halten.“ Hierin macht, sagen wir, Erfahrung auch
erst den Meister. Sodann giebt Verf. eine kurze
Uebersicht über unsere Arzneibereitung und -Ver¬
ordnung und bemüht sich, dem Neopliyten die
Wirksamkeit der minimalen Dosen durch Analogieen
aus dem Gebiete der Physik, der Chemie und der
experimentellen Physiologie plausibler zu machen. —
Einen Fernblick auf die Zukunft der Medicin
werfend, sagt er: „Einst wird kommen der Tag,
an welchem beide Schulen in eine einzige ver¬
schmolzen werden. Denn die Homöopathie ist nicht
die ganze Medicin, sondern reflectirt nur die Thera-
peutik: die dann herrschende Schule, mit grossem
Unrecht in diesen Tagen Allopathie genannt, wird
zielbewusster und mit besserer Methode die experi¬
mentelle Physiologie der Arzneimittel adoptiren,
wird sie an wenden, wie sie erforscht sind, daher
jedes für sich allein, wird in der Folge die Aehn-
lichkeit zwischen Heilmittel und Krankheit zu ihrer
allgemeinen Richtschnur in der Praxis anerkennen,
wie sie schon sehr häufig unbewusst auf diese
Methode gestossen ist, und schliesslich wird sie um
Digitized by c.ooQie
98
eines schnelleren und schmerzlosen Erfolges willen
die Gahengrösse auf einen verständigeren Punkt
reduciren.“ — Ars longa, vita brevis.
Die sich anschliessenden Charakteristiken un¬
serer wichtigsten Mittel zeichnen sich durch über¬
sichtliche Anordnung aus; der Hinweis auf gleich¬
artige Symptome verwandter Mittel ist sehr in-
structiv. Die beigefügten therapeutischen Anwen¬
dungen führen den Studirenden alsbald von der
Pathogenese auf das praktische Gebiet; und da sie
immer am Schlüsse der Mittelprüfungen gegeben
sind, so erscheinen sie als Bestätigungen derselben.
Ein Repertorium für die Symptome, ebenso ge¬
ordnet wie in den Charakteristiken der Mittel, und
ein nosologischer Index sind für den Anfänger ganz
nützlich zum Nachschlagen.
Möchten doch recht viele der jungen Aerzte
Italiens diese Primi studi di materia medica un¬
seres werthen Collegen Dr. Bonino mit Fleiss und
Nachdenken sich zu eigen machen, so wird ihnen
das Buch sicherlich ein Licht in dem dunklen
Wirrwarr der Theorie und eine Leuchte für die
klinische Praxis werden!
Zur Prüfung von Viscum album e pyro malo.
In Nummer 5 und 6 dieser Zeitung haben wir
nach dem Homoeopathio physician von einer Prü¬
fung der weissen Mistel von Seiten eines homöo¬
pathischen Arztes berichtet. Dieser Prüfer war
College Dr. G. Proell, wie er uns selbst mitge-
theilt hat. Er giebt hierüber noch folgende Details
an: „Im Jahre 1851, als ich Assistent im Spitale
der grauen Schwestern zu Linz war, wurde ich von
Dr. Huber (dem homöopathischen Ordinarius des
Spitals zu Steyr) aufgefordert, gemeinsam mit An¬
deren ein mir unbekanntes (erst später als Viscum
album bezeichnetes) Mittel zu prüfen. Ich begann
im Spätherbst damit. Jeden Morgen nahm ich, mit
5 Tropfen beginnend, von der röthlich-braunen
Tinctur, die einen bitterlich-aromatischen Geschmack
hatte, von Tag zu Tag um 5 Tropfen steigend,
vor dem Frühstücke ein. Bis 40 Tropfen empfand
ich nicht die geringste Veränderung in meinem Be¬
finden. — Ich habe blaue Augen, damals (30 Jahre
alt) kastanienbraune Haare, lebhaftes Colorit, kurz¬
gedrungene Statur.
Eines Morgens, da ich 40 Tropfen genommen
und nach dem Frühstück in die Praxis ging, wurde
i$h plötzlich von Gluthhitze befallen, die von den
Füssen bis ins Gesicht hinaufzusteigen schien, dabei
war ich blass und gerieth in eine hochgradige
Schwäche, dass ich in einen nahe gelegenen Bäcker¬
laden eilte, um mich mit Brod zu stärken. Aber
dies half nicht. So ging ich denn noch eiliger in
ein nahes Gasthaus; denn ich konnte es kaum er¬
warten, einen Trunk herzstärkenden Weines zu
thun, der mich denn auch alsbald wieder voll¬
kommen herstellte. — Ich hörte nun mit der Prü¬
fung auf, aber die im Berichte von Dr. Mossa mit-
getheilten übrigen Symptome stellten sich in den
folgenden Tagen ein, nebst einem allgemeinen Haut¬
jucken: früher jedoch das Gefühl, als ob eine weit-
beinige Spinne über der linken Hand krieche und
späterhin über den rechten Fuss rücke.“
Wir danken Herrn Collegen Proell für diese
interessante Ergänzung unseres Berichtes und hoffen,
sie wird dem vom Herrn Collegen Schier bereits
gegen uns ausgesprochenen Entschluss, Viscum
album gründlich zu prüfen, erheblich kräftigen.
Die Eedaetion.
Argentum nitricum in einem Falle von
Enteritis pseudomembranacea.
Von Dr. F. H. Piteh&rd.
I
:
Dr. Pitchard veröffentlicht in The Hahneman
Monthly, Februar 1893, einen Fall von Enteritis
pseudomembranacea (s. Crouposa), einer im Ganzen
selten vorkommenden Krankheit, bei der Arg.
nitricum sich als Heilmittel bewährte.
Ein 7jähriges Mädchen, fleischig, blond, mit
klarem Gesicht, war vorher von guter Gesundheit,
von elterlicher Seite nicht belastet. Sie war von
lebhaftem, thätigem Temperament, und einer lang¬
lebigen Familie stammend. Im November 1892
erkrankte sie und war von einem homöopathischen
Arzte ohne Erfolg behandelt worden. — Dr. Gitt,
der nun gerufen ward, fand sie scheinbar wohl;
nur wurde sie täglich, in unregelmässigen Inter¬
vallen, von einem Schmerze im Unterleibe ergriffen;
beim Annahen des Anfalles verzerrte sich ihr Ge¬
sicht, schrie laut: „jetzt kommt es,“ legte sich auf
das Sopha oder den Fusshoden, weint, wand und
krümmt sich, um den Schmerz zu erleichtern. Diese
Anfalle kamen bei Tage oder bei Nacht. Ihre
Verdauung war ziemlich normal, jedoch wechselte
leichte Diarrhöe öfters mit Verstopfung. Gas ging
ging reichlich per anuin et os ab, aber ohne Er¬
leichterung. Beim Beginn des Anfalles stellte sich
leichter Tenesmus vesicae ein, wobei sie sich furcht¬
sam umsah, als ob sie den Schmerz erwartete: die
Zunge war nicht belegt. Der Unterleib zeigte sich
empfindlich beim Druck, besonders in der Gegend
des Colon descendens. Die Stühle enthielten kein
Blut, waren aber zu der Zeit, wenn die charakte-
Digitized by c^ooQie
u
ristischen bandartigen Stücke, die einem Bandwurm
ohne Gliederung sehr ähnlich aussehen, abgingen,
dünn und wässerig. Sie kamen aller 3—4 Tage,
mit heftigem Leibweh und Unbehagen, hatten ein
weissliches Aussehen und eine schleimig-faserige
Consistenz. Nach verschiedenen vergeblich ange¬
wandten Mitteln ward Argent. nitric. gegeben, und
zwar in der ersten Woche eine Tablette der 6. Dec.-
Verreibung alle 3 Stunden. Dies brachte erheb¬
liche Besserung; es kam zu keinem ausgesprochenen
Anfall, sondern nur dann und wann zu blossen An¬
deutungen. — Die folgende Woche erhielt sie nur
ein Mal täglich und die dritte nur aller 2 Tage
eine Tablette. Nach Verlauf von 4 Wochen war
sie von all dem schmerzhaften Leiden befreit und
blieb es auch. Sie ist wohl und munter, läuft,
spielt und besucht die Schule regelmässig.
Dr. Pitchard erwähnt aus unserer Literatur
eines Falles, der hauptsächlich mit Mercurius corro-
sivus mit Zwischengabe von Nux und Colocynthis
und unter Beihilfe von Massage des Unterleibs,
Electricität und eingeschränkter Diät hergestellt
worden ist. Er meint, das geeignete Heilmittel
müsse mit Rücksicht auf die pathologisch-ana¬
tomische Grundlage, d. i. eine exsudative Enteritis,
als auf das schmerzhafte Element allein hin ge¬
wählt werden und zwar aus der Klasse von
Mitteln, die, wie Argent. nitricum, Quecksilber¬
sublimat, Kali bichromicum croupöse Zustände be¬
wirken, denn obwohl man dieser Affection einen
nervösen Ursprung zuschrieb, und den unbeträcht¬
lichen entzündlichen Process als Folgeerscheinung
ansah, so ist die eigentliche Ursache dieser Krank¬
heit doch noch zu ermitteln.
Nihil novi sub sole!
Herr Dr. Werner aus Wüster in Holstein
schreibt uns:
Der in Nummer 7 und 8 der Allgemeinen
homöopathischen Zeitung berichtete Fall von Into¬
leranz einer deutschen Universität steht nicht ver¬
einzelt da; bereits im Jahre 1892 lieferte die
Kieler ein Seitenstück dazu. Damals feierte der
allopathische Arzt Dr. Glasseck in Itzehoe , der
freilich die Homöopathen, wie und wo er konnte,
freundlich unterstützte, sein 50 jähriges Doctor-
jubiläum. Der Jubilar, der in jener Stadt volle
50 Jahre praktizirt und mehreren Generationen
ungemein viel Gutes erwiesen hatte, ward von
seinen Mitbürgern auf die ausgezeichnetste Weise
gefeiert und geehrt. Herr Werner überreichte
ihm im Namen des Sanitätscorps einen goldenen
Lorbeerkranz — nur die Kieler Universität, ob¬
wohl sie von der Jubelfeier wusste, verhielt
sich passiv. — Das verdross natürlich unseren
lieben Alten sehr, und auch das Stadtverordneten-
Collegium, dessen Mitglied er war, ward von dieser
Rücksichtslosigkeit höchst unangenehm berührt, so
dass man die Behörden auf die Thatsache aufmerk¬
sam machte. Das fruchtete aber nichts: die Facultät
blieb tief in den Mantel der Schweigsamkeit ver¬
hüllt.
Homöopathia involuntaria.
Der Einfluss des Liquor testiculi tob Brown*
Sequard auf Nervenkrankheiten.
Von Jolly-Paris. (Journal d. Med. 1893. 20.)
Besprochen von Dr. Kafka-Carlsbad.
Verj . sucht den Grund der Wirksamkeit in dem
Spermin , einem Alkaloid, das Poehl im Sperma,
jedoch auch in anderen Organen entdeckt hat. Dieses
soll ein in den Organen wirkendes, oxydircndes Fer¬
ment darstellen.
Die durch Charcot im Blute der Leucämischen
und anderen Krankheiten gefundenen Krystalle sind
phosphorsaures Spermin. — Dieses soll nun in den
Nervengeweben derart entstehen, dass die Glycerin -
| phosphorsäure (^as Product der Leucethine), sich
spaltet und die Phosphorsäure sich mit dem Spermin
verbindet. — In der Annahme, dass der Phosphor¬
gehalt beider Substanzen, des Spermins und des
Liquors, auf die vitale Energie des Neurasthenikers
! wirkt, sind Einspritzungen mit 2°/ 0 Nati % on phos-
phoricum (neutral) gemacht worden mit demselben
Erfolg. — Die Phosphor - Therapie , wie selbe mittelst
der 3 Substanzen in subcutanen Injectionen geübt
wird, ist nur bei functionellen Nervenleiden an-
I w r endbar. Byasson fand (1868), dass nach einer
I angestrengten geistigen Arbeit die Menge der Phos¬
phate im Harne eine doppelte ist, als nach ange¬
strengter Muskelarbeit.
Es handelt sich also bei den functionellen Neu¬
rosen, besonders der Neurasthenie, um ein Deficit
an Phosphaten. — Dieses zu decken, schlägt Verf.
das glycerinphosphorsaure Kalium vor, dessen täg¬
liche Gabe von 0,4 Gramm meist genügt. — Die
Einspritzungen mit Spermin, Liquor Brown-Sequard’s
Natron phosph. genügen nicht, da sie zu geringe
Phosphordosen geben. — Speciell die Einspritzungen
mit Liquor testiculi haben durchaus nicht den ihnen
von Browu-Sequard zugeschriebenen Werth.
Anmerkung des Beferenten Dr. Pröll. — Das
phosphorsaure Kali und Natron bewährte sich bei
Neurasthenie sehr oft, sowohl als Verreibung unter
den Schüssler’schen Mitteln als auch im Gasteiner
| Thermalwasser.
Digitized by k^ooQle
95
Lesefruchte.
Aus „Excerpta medica“ (II. Jahrg. No. 12):
Korpus theilt einen Fall von Pikrimäurevergiftung
aus der Nothnagelschen Klinik in Wien mit:
45 Jahre alter Mann hatte zwei Stunden vor sei :
ner Aufnahme in selbstmörderischer Absicht lOgr
in Spiritus gelöster käuflicher Pikrinsäure genom¬
men (5,8 gr reine Pikrinsäure), wobei er sofort einen
intensiv bittern Geschmack im Munde verspürte und
gleich darauf Erbrechen gelbgefärbter Massen und
stark brennenden Schmerz in der Magengegend be¬
kam. Im Laufe der nächsten zwei Stunden noch
6—8mal Erbrechen. Patient suchte dann zu Fuss
die Anstalt auf; ziemliches Wohlbefinden, nur Kla¬
gen über etwas Schmerzen im Magen, Mund und
Schlund. Nach kurzer Bettruhe Ausbruch profusen
Schweisses. Temperatur 37,6. Puls 104. Respi¬
ration 34. Druckschmerz im Epigastrium. Wieder j
Erbrechen einer fast vollständig klaren, intensiv j
gelben Flüssigkeit, in der Pikrinsäure nachweisbar
war. Später Erbrechen von 200ccm einer röth-
lichen, fleischwasserähnlicheu Masse, und etwas |
später Entleerung von 20 ccm eines bräunlichen
Urins, der eine geringe Spur Eiweiss enthält. Pi- j
krinsäureprobe positiv. In der Nacht grosser Durst.
Am nächsten Tage Mattigkeit, Magenbeschwerden;
Gesicht, Sklerea, Rumpf und Extremitäten gelb ver¬
färbt; Farbe gleich der ikterischen, nur im Gesicht
Stich ins Kupferrothe. Einige Barthaare intensiv
kanariengelb, offenbar Wirkung des Erbrochenen, j
Haut mit Schweiss bedeckt, Puls 102, Spannung
bedeutend unter der Norm. Starke Dyspnoö: Re¬
spiration 84, Athemzüge vertieft, Hülfsmuskeln thätig.
Urinentleerung stockt. Tags darauf 600 ccm Harn,
rubinroth, klar, gelber Schaum, spec. Gewicht 1016,
enthaltend Spuren von Albumen und Indican. Pi-
krinsäurereaction. Blut makroskopisch und mikro*
skopisch normal; im sedimentirten Blute erscheint
das Serum gelb, es enthält Pikrinsäure. Am 5. Tage
heftiges Hautjucken; Gelbfärbung geringer. Am
8. Tage Haut nur noch leicht gelblich. Am 11. Tage
ganz normal, nur Skleren noch etwas gelblich. Am
13. Tage auch letztere normal, Urin hellgelb. Am
17. Tage Pikrinsäure noch nachzuweisen, 2 Tage
später nicht mehr. 32 Tage nach der Aufnahme
verliess Patient die Anstalt, er blieb dauernd ge¬
sund. — Nach diesem Falle zu urtheilen, erscheint
die Prognose der Pikrinsäurevergiftung relativ gün¬
stig; freilich scheint hier das baldige Erbrechen
viel Bedeutung für die Heilung zu haben. Zurück¬
bleibende Störungen bisher nie beobachtet.
(Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. XXII Heft 1/2.)
Dr. Göhrum.
Personalia.
Dr. B e h m e -W e r 1 hat das Dispensirexamen be¬
standen.— Dr. Ludwig Mertens-Berlin, der Nestor
der Ilomöo|)athen, ist am 4. März im 82. Lebensjahr
gestorben.
Anzeigen.
Dr. Pulzar’s Sanatorium
Königsbrunn b. Königstein (sächs. Schweiz).
Wasserheil- und Kuranstalt.
Electro- und Mechanotherapio.
Kohlensäure—Bäder (Patent Lippert).
Diät- und Mastkuren.
Das ganze Jahr besucht. Mttssige Preise.
Prospecte gratis.
Dr. med. Wittgenstein. Besitzer: Dr. med. Putzar.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Güte, weise und rotb, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 10 oder 1Ä / A Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — bezw. Mk. 14.—•
Günstige Offerte.
Prima deutscher und frauzös. Cognac.
Durch directe und verwandtschaftliche Beziehungen mit
einem der ersten Häuser in Cognac bin ich in der Lage,
allen Freunden eines vorzüglichen, echten französischen
Cognacs eine zuverlässig echte und preiswerthe Waare
anzubieten:
Echt franz. Cognac # 1 Fla©. H. 3.50.
» » » 1 W 99 4.75.
99 99 99 1 99 99 8*^®*
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Treuen i. Voigtl. Ernst Bauer,
Apotheker.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggraf s homöopath. Offtein
und
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Digitized by k^ooQle
Soeben erschien:
Die Heilung der
Lungenschwindsucht
durch homöopathische Arzneimittel
von Ad. Alf. Michaelis.
Preis 50 Pf.
Jeder aufmerksame Leser wird aus der ge-
sammten Darlegung schon den Eindruck erhalten,
dass es sich hier um ein wohldurchdachtee, auf
wissenschaftlicher Basis stehendes homöopathisches
Heilsystem handelt.
Gegen Einsendung des Betrages in Briefmarken
zu beziehen durch
R. Michaelis Yerlag, Leipzig-Reudnitz.
Homöopathische Schriften
von
Ad. Alf. Michaelis.
1. Die physiologischen und therapeutischen
Wirkungen des Jod und der Jodverbindnngen. Eine
Special-Arzneimittellehre zur Heilung vieler Krank¬
heiten. Preis 80 Pf.
2. Anweisung, die Hämorrhoiden durch homöo¬
pathische Arzneimittel gründlich und sicher zu
heilen. Eine neue Methode zur Belehrung und
Selbsthilfe. Preis 50 Pf.
3. Die Verdauungsstörungen und ihre Heilung
durch homöopathische Mittel in neuer Methode
populär dargelegt. Eine Specialtherapie für Magen¬
kranke. Preis 1 M. 20 Pf.
4. Alltägliche Erkrankungsfälle. Eine all¬
gemeine homöopathische Therapie. Preis 1 M. 20 Pf.
Zu beziehen durch
R. Michaelis Verlag in Leipzig-Reudnitz,
Kohlgartenstrasse 45.
Patina,
anerkanntes und vorzüglich bewährtes
Bandwurm m i ttel.
Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum,
direct von Natal in bester und frischester Qualität
importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus¬
gedehntesten Anwendung und Anerkennung von
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch¬
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen
Bandwurmmittel.
Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene
oder Kinder) Kink. 2.—.
A. Marggraf s homöopath. Officiu, Leipzig.
Bei den Ke Visionen der Hausapotheken der selbst«
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift>Sdiränkehen
und
Separanden-Sehränkehen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum-
oder mabagoni* artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschrftnkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
eurialia, welche jede durch eiae besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thüren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandenschrftnkch6n ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschiid
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch fiir andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weise zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetreteuen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- nnd Separanden-Schränk¬
chen jetzt auch in einen Sehrank vereinigt, vor-
räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, di£ doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggraf s homöopath. Offlein in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius M&ser ip Leipzig.
Digitized by v^ooQie
Band 138
Leipzig, den 29. März 1894.
No. 13 u. 14,
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Y er lag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 dos Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln dbVogler
in Lelpsig and dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) za richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhaft. Ein rascher Erfolg. Mitgetheilt von Dr. Kunkel in Kiel. — Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th.
Kafka in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung.) — Innere Heilkunst bei sogenannten chirurgischen Krankheiten nach zahl¬
reichen eigenen Beobachtungen. Von Emil Schlegel. Besprochen von Dr. Mossa. — Offener Brief an Herrn Dr. Carl
Köck in München. — Zur gefftllgen Beachtung für die Arzneiprüfungsgesellschaft. — Aufruf. — Die zeitweilig herr¬
schenden Heilmittel. — Einkommen in 42 jähriger ärztlicher Praxis. — Lesefrüchte. - Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•B
Ein rascher Erfolg.
Mitgetheilt von Dr. Kunkel in Kiel.
Frau Z., 36 J., consultirte mich am 26. De-
cember 1893. Sie leidet seit 10 Jahren an Kopf-
und Magenschmerzen, die nichts besonders Charak¬
teristisches haben. Vor 1Jahren zum ersten Mal
entbunden. Die Menses stellen sich nach 6 Wochen
ein (sie stillt nicht). Seitdem fast unausgesetztes
Zittern der Glieder, verbunden, wenn stark, mit
Herzklopfen. Völlige Appetitlosigkeit, Stimmung
veränderlich, Schlaf schlecht, nicht erquickend, Beine
im Schlaf ausgestreckt, beim Sitzen oft schläfrig,
Kriebeln in den Beinen und Fingerspitzen, grosse
Mattigkeit. Wenn das Zittern heftig: Erbrechen
mit Schweiss der Hände und Angst, Befinden im
Zimmer und im Freien gleich, grosse Empfindlich¬
keit gegen Aerger, der sie auch körperlich sehr
herunterbringt. Menstrualbut das vorletzte Mal ge¬
ronnen, das letzte Mal nicht. Ein paar Mal In-
jectionen von Morph, ohne Erfolg.
Wer mit der Pharmakodynamik der Platina
einigermassen vertraut ist, wird mir einräumen, dass
sich dieses Mittel vor allen anderen zur Wahl stellte,
wenn auch ein Symptom fehlte, das ich selten ver¬
misst habe: krampfhaftes Gähnen (ohne eine Spur
von Schläfrigkeit).
Ich verordnete 6 Dosen Plat. 200, (Lehm.) mit
der Weisung, jeden 7. Abend eine zu nehmen. Der
Bericht am 20. Februar 1894 lautete: Kopfschmerz,
Magenschmerz, Zittern der Glieder ganz verschwun¬
den, mag gern essen, hat Lust zu Allem; von
Herzklopfen auch bei starken Bewegungen keine
Spur, sie kann nichts Krankhaftes mehr entdecken
und stellt es mir anheim zu entscheiden, ob sie
fernerer Medicamente bedarf. Ich verordnete das¬
selbe Mittel alle 14 Tage 1 Dosis.
Bei einer früheren Gelegenheit habe ich in
diesen Blättern geäussert, es gehöre mehr als edle
Dreistigkeit dazu (der Druckfehlerteufel oder Job.
Ballhorn hatte daraus edle Opposition gemacht) —
und ich kann es nur wiederholen, — die Wirkung
der Hochpotenzen zu leugnen. Der vorliegende
Fall scheint doch recht deutlich zu sprechen. Frei¬
lich, wenn Jemand hier meint: diese Krankheit
wäre auch ohne diese Mittel in Genesung über¬
gegangen, so kann ich den strikten Gegenbeweis
nicht liefern, weil wir uns auf einem Gebiete be¬
finden, wo ein solcher überhaupt nicht möglich
ist. Aber Fälle wie der vorliegende giebt es in
der homöopathischen Literatur genug. Wer diesen
gegenüber ohne Nachprüfung seine Zweifel oder
vielmehr seine Negation aufrecht erhält, von dem
darf man viel dreister behaupten, dass seine Or¬
ganisation für Natur forsch ung überhaupt sich nicht
qualificirt.
13
Digitized by
Google
98
Ueber das Magengeschwür.
Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad.
(Fortsetzung.)
Symptome des blutenden Ulcus.
Wir wissen, dass es ein foudroyantes, letales
Ulcus giebt oder das Ulcus, welches nun einmal
demaskirt worden ist, öffnet sich wieder durch ver¬
schiedene Ursachen, durch ein excitirendes Nahrungs¬
mittel, sehr heisse oder sehr kalte Getränke. Es
kann sich auch ereignen, dass das Coagulum, das
sich im Ulcus oder im Blutgefässe gebildet hat,
sehr wenig adhärent ist und sich leicht ablösen kann,
wenn die Herzaction das Normale überschreitet.
Leichte Hämorrhagieen bewirken nur eine
psychische Verstimmung, grosse Hämorrhagieen,
namentlich wenn sie ziemlich schnell auf einander
folgen, bedingen eine beträchtliche Anämie mit allen
ihren Consequenzen, wie z. B. blasse, wachsgelbe
Hautfarbe, kleinen, frequenten Puls, Ohrensausen
und Schwindelanfälle mit Verlust des Bewusstseins,
vorübergehende leichte Delirien, vollständige Ano¬
rexie, Sehnenzittem und kleine Convulsionen, wie
nach Choleraentleerungen.
Heilungsfähigkeit Trotz dieser Schwere und
trotz dieser so grossen Gefahren der Anämieen in
Folge von runden Magengeschwüren tödten die¬
selben nur selten, besonders im jugendlichen Alter.
Charles Hood in London hat im Jahre 1891 in
seiner Statistik aus dem Guy's Hospital betreffend
die Zeit von 1870 bis 1890 nachgewiesen, dass
die Mehrzahl der Erkrankungen des Magens und
der Magengeschwüre, die unter dem 30. Lebens¬
jahre auftreten, die Weiber betreffen und dass
unter diesen Umständen ein Todesfall in Folge
von gastrischer Hämorrhagie kaum vorkommt. Von
66 Fällen dieser Art hatten 29 noch nicht das 30.
Lebensjahr erreicht und unter diesen fanden sich
nur 2 Männer, während 21 Fälle im Alter von
30—40 Jahren 11 Männer betrafen; alle genasen.
Bei 7 andern Kranken, die als directe Folge der
Hämorrhagie letal endeten, schwankte das Lebens¬
alter zwischen 33 und 53 Jahren. Es ist kaum
anzunehmen, dass die Prognose der Hämatemesis
gerade zur kritischen Zeit des Krankheitsverlaufes
eine schwerere wird; es muss im Gegentheil be¬
merkt werden, dass bei den Hämorrhagieen in den
Fällen junger Frauen keine schlechte Prognose
vorhanden sei; bisweilen geben dieselben sogar eine
gewisse Erleichterung mit Abnahme der schmerz¬
haften Symptome an und später constatirt man
eine Verbesserung des Blutes, dessen rothe Blut¬
körperchen rapid von zwei auf drei und sogar auf
vier Millionen steigen können, während zu gleicher
Zeit der Hämoglobingehalt von 31 auf 51 Percent
in die Höhe gehen kann.
Wenn Exitus letalis eintritt, so ist dies zumeist
die Folge eines Durchbruchs des Ulcus und einer
Usur der Arteria lienalis oder der Arteria pancrea-
tica, der Vena portarum oder des linken Herzens
oder eines kleinen Aneurysmas der Arteria coronaria
(Fowell).
Diagnose des hämorrhagischen Ulcns.
Allgemeines.
Die Diagnose im Allgemeinen sollte mit der
Sonde nicht vorgenommen werden von dem Momente
an, in welchem sich auch die allergeringste Spur
einer Hämorrhagie zeigt; schon seit langer Zeit
wurde auf die Gefahr, die Hämorrhagie von neuem
anzufachen oder eine Perforation zu verursachen,
hingewiesen.
I^eube hat auf diese Gefahr und die diesbezüg¬
liche Unerfahrenheit der Aerzte hingewiesen; die
jungen Aerzte haben diese Lehre ins Lächerliche
gezogen und es bedurfte, um diesen Uebermuth
zu rächen, mehrerer Katastrophen, des Todes mehrerer
Kranken. Seit jener Zeit hat man auf dieses bru¬
tale Vorgehen Verzicht geleistet. Diese Frage
reducirt sich jetzt auf gewisse Schwierigkeiten,
denen man in manchen Fällen begegnet, die aber
selten Vorkommen:
a) Wenn die Hämatemesis eine beträchtliche ist,
so muss man an die Varices des Oesophagus denken
in Folge von Lebercirrhose. Die Venen des Oeso¬
phagus stellen für das Blut der Pfortader ein Diver¬
tikel dar; wenn das Blut in den Magen zurück-
fliesst, um dann ausgeworfen zu werden, so kann
man eine veritable idiopathische Hämatemesis an¬
nehmen. Viele Autoren: Blume, Deboyc, Stony,
Wilson, Sachs, Welkel und Ewald haben diesbe¬
zügliche Fehlgriffe beschrieben, die man durch die
Untersuchung der Leber vermeiden kann.
b) Veränderungen in den Gejässwänden . Diese
Veränderungen geben zu Varices oder zu einer
atheromatösen Degeneration der Gefässe des Magens
oder zu einer amyloiden Degeneration Veranlassung,
die eine Hämorrhagie heraufbeschwören können.
Aber, wie eben Ewald bemerkt, wenn es sich
um eine beträchtliche und ausgedehnte Atheroma-
tose handelt, wie sie bei Greisen vorkommt, so
führt dieselbe nicht zu gastrischer Hämorrhagie.
Die Yaricen , die man bei Greisen, namentlich
bei Potatoren beobachtet, können Hämorrhagieen
des Magens bedingen. Diese fallen natürlich oder
wenigstens oft mit den Oesophagusvaricen zu¬
sammen.
Aneurysmen als Ursache für eine beträchtliche
Hämatemesis wurden von Gallard und Sachs be¬
obachtet.
c) Die wahre Schwierigkeit in der Diagnose
Digitized by
Google
*9
der Hämorrhagie bezieht sich auf den Krebs oder
das krebsige Geschwür.
Wir werden dieses Problem bei Gelegenheit des
Ulcus pepticum simplex lösen oder discutiren. Das
hämorrhagische Ulcus unterscheidet sich vom Car-
cinom insoweit, als die Hämatemesis des Carcinoms
im Allgemeinen eine wenig reichliche ist, das Blut
ganz und stets zersetzt ist und eine kaffeeschwarze
oder chocoladebraune Farbe besitzt. Diesbezügliche
Ausnahmen giebt es nur für die Hämorrhagieen des
Krebses der Cardia, der brüsk und heftig unter
der Form einer letalen Hämorrhagie zum Ausdrucke
kommt, analog der des Krebses des Oesophagus.
d) Die menstruelle Hämatemesis muss ebenfalls
in Betracht gezogen werden.
e) Die foudroyante Anämie des Ulcus ähnelt
bisweilen in einem gewissen Grade derjenigen des
Krebses; man kann auf der Anämie keine Diagnose
aufbauen.
f) Das Oedem der Extremitäten nach Ermüdungen
kommt beim Ulcus selten vor.
g) Die Amaurose , die bei den intestinalen
Hämorrhagieen aufltritt, denjenigen Hämorrhagieen,
welche 65 Procent aller Hämorrhagieen bilden, die
aber mit der Hämatemesis in keiner bestimmten
Beziehung stehen; die Amaurose findet sich bei
den Hämorrhagieen in Folge des Ulcus häufig, wird
aber beim Krebs vermisst.
h) Hämatemesis ohne Gefässveränderung , ohne
Zeichen eines sicheren Ulcus. Es giebt endlich
Blutbrechen, bei welchem es unmöglich ist, das Vor¬
handensein einer Gescliwürshämorrhagie mit Sicher¬
heit anzugeben.
Man hat Hämorrhagieen häufig ohne Grund auf
Ulcus bezogen.
i) Traumatismus. Endlich kann die Hämorrhagie
auf Rechnung eines Traumas kommen, wie z. B.
Sturz auf den Boden ohne äussere Verletzung, das
Eindringen eines spitzen Körpers, eine Contusion
des Epigastrium.
Wenn die Hämorrhagie ausgesprochen ist und
nicht so weit gedeiht, um eine Hämorrhagie hervor¬
bringen zu können, so kann sie auf Rechnung einer
glandulären Gastritis kommen und in diesem Fall
handelt es sich um eine einfache Congestion, so
wie man sie auch bei gewissen Krankheiten des
Herzens findet, wo sie selten den grossen Typus der
Hämorrhagieen erreicht.
Zeichen und Diagnose des Ulcns pepticum
oder Ulcus Simplex.
Vier Hauptzeichen kennzeichnen das Ulcus
simplex:
1. Die Hyperchlorhydrie, welche bei allen Magen¬
geschwüren vorhanden ist, die man aber fast nur
beim Ulcus pepticum constatiren kann.
2. Der Schmerz und seine verschiedenen Formen.
3. Das Erbrechen, das unter vielen Fällen ein¬
mal fehlt.
4. Die Dyspepsie.
Diese letztgenannten Phänomene sind häufig
derart, dass man diese einfachen peptischen Ge¬
schwüre täglich mit hyperchlorhydrischen Geschwüren
verwechselt.
Das runde Magengeschwür verdient den Namen
Ulcus pepticum, denn es rührt thatsächlich von
einer Autodigestion einiger Stellen des Magens her.
Innere Heilkunst bei sogenannten chirurgi¬
schen Krankheiten nach zahlreichen eigenen
Beobachtungen.
Von Emil Sohlegel.
Besprochen von Dr. Mossa.
Die Schlegel’sche Schrift, die uns hier vorliegt,
ist bestimmt, die überaus wichtige Frage zu lösen,
wie weit die innere Medicin, insbesondere die ho¬
möopathische, in Verbindung mit der Diätetik, im
weitesten Sinne des Wortes, das Zeug hat, bei so¬
genannten chirurgischen Krankheiten, d. h. solchen,
welche die herrschende Schule überwiegend nur
durch operative Eingriffe behandeln zu müssen ver¬
meint, Hülfe und Heilung zu bringen. Freilich
haben schon im Lager der alten Schule eine An¬
zahl hochangesehener Aerzte den Uebergriffen einer
allzu operationslustigen Chirurgie auf das Gebiet der
inneren Medicin ein energisches Halt zugerufen;
aber diese selbst stecken die Grenzen der inneren
Medicin gar sehr eng, viel zu eng für die die Homöo¬
pathie ausübenden Aerzte. Wir können eine strenge
Trennung zwischen Leiden, die im Innern des
menschlichen Körpers sich abspielen, und als solche
der innern Medicin zugehören, und solchen, die an
der Oberfläche des Körpers, an seiner Aussenseite
erscheinen und als äusserliche, örtliche Affectionen der
Chirurgie oder einer äusserlichen, einer localen Be¬
handlung anheimfallen, nicht anerkennen, sondern
wir halten auch das, was von krankhaften Zustän¬
den äusserlich erscheint (wenn es nicht durch eine
von aussen wirkende Ursache entstanden ist), für
Aeusserungen eines im Gesammt-Organismus wur¬
zelnden Grundübels, einer inneren Ursache, und
suchen deshalb durch innerliche Arzneimittel jenem
scheinbar reinörtlichen Leiden zu begegnen, durch
Arzneimittel, welche nach Hahnemann’s Lehre ge¬
wählt werden nach der Totalität der objectiven wie
subjectiven Erscheinungen mit ganz besonderer Be¬
rücksichtigung der constitutioneilen Verhältnisse des
Erkrankten, des Bodens, auf dem jene äusserliche
13*
Digitized by
Google
100
Leiden gewurzelt sind. Demgemäss hat auch unsere
Literatur einen reichen Schatz von diesbezüglichen,
oft wirklich überraschenden Heilungen aufzuweisen.
College Scblegel’s Verdienst ist es nun, dass er
in seiner „innern Heilkunst bei sogenannten chirur¬
gischen Krankheiten“ das gesammte Gebiet der an¬
gedeuteten Krankheitszustände und Formen, die in
ihrer Bedeutung für die Gesundheit und für das
Lehen eine weite Skala vom Minimum bis zum Maxi¬
mum hin durchlaufen, unter dem oben besproche¬
nen Gesichtspunkte beleuchtet und durch eine aus
seiner eigenen, reichen Erfahrung geschöpfte Casui-
stik an lebensvollen Beispielen die Leistungs¬
fähigkeit der innern, insbesondere homöopathischen
Heilkunst auf diesem immensen Gebiete klar und
deutlich, und selbst für den Nichtarzt fasslich dar¬
gelegt und dargestellt hat.
Wir begegnen in dieser Schrift manchem uns
wohlbekannten Gedanken, aber in einer in dem
Geiste des Verf. so eigenartig umgebildeten Gestalt,
dass er uns erst in einer neuen, zeitgemässen Be¬
leuchtung erscheint. Wir citiren p. 17: „Darauf
kommt es an, dass wir heilen und bessern , dass wir
die Zusammenhänge des Lebens richtig erfassen und
das individuelle Leben zur ungehemmten Entfaltung
bringen, dass wir die erkennbaren und fassbaren
Hindernisse der Lebensentfaltung und des Wohl¬
seins wegräumen. So entsteht Gesundheit, Ge¬
nesung! Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese
leitenden Ideen, die an ihrer Fruchtbarkeit und an
ihren Früchten zu erkennen sind, aufzunehmen,
ihrer Begründung nachzuspüren, ihre Realisirung
im Leben zu verfolgen, zu erklären, söfern es mög¬
lich ist. Die Wissenschaft spielt eine durchaus
sekundäre Rolle gegenüber der Fähigkeit und der
Kunst zu leben; ich kann mir nichts Eitleres und
Tbörichteres zugleich denken, als pochende Be¬
rufung der Aerzte auf Wissenschaft!
„Unter allen Männern, die in vergangenen und
heutigen Tagen für die Heilkunst als wahre Aerzte
gewirkt haben, nenne ich hier geflissentlich nur
den Einen, Hahnemann. Er war Entdecker und
Arzt zugleich, hatte den freien Blick eines Un-
betheiligten und die Gelehrsamkeit und Kritik des
Arztes und berühmten Schriftstellers seiner Zeit,
In ihm waren das künstle)'Ische und icissenschaftliche
Streben vereinigt und die von ihm in die Heilkunst
eingeführten Ideen sind die praktisch und wissen¬
schaftlich fruchtbarsten. — Freilich werden diese
Ideen noch bekämpft, aber eben von solchen, deren
Specialität Ideenscheu und Ideendusel zugleich ist.
Ideenscheu sind sie, weil sie es verschmähen, den
blühenden Garten eines vermeintlichen Feindes zu
betrachten, weil ihnen Wohlstand und Gedeihen auf
dieser Seite ein Greuel ist, weil sie nun einmal
lieber annehmen, dass gar nicht vorhanden ist, was
|
I
ausserhalb ihrer Sphäre längst greifbare Gestalt
angenommen hat. Und im Ideendusel leben diese
Feinde der Homöopathie, weil sie trotzdem ver¬
borgenerweise systematische Grundsätze hegen, ihre
Idole, die ihnen unter wissenschaftlicher Maske
lockend genug Vorkommen und hinreichende prak¬
tische Erfolge gewähren, weil den leidenden Men¬
schen oftmals viel mehr an rasch sichtbaren, local
erleichternden Effecten, als an gründlicher Gesundung
gelegen ist. — Und so muss der Kampf zwischen
den verschiedenen Richtungen ja doch wieder ent¬
brennen und endlich zum Austrag kommen. 4
In der That können wir nur die Heilwissen¬
schaft als die echte anerkennen, welche den Weg
vom Wissen zum Können bahnt, und das thut die
auf naturgesetzlichem Grunde beruhende homöo¬
pathische, nicht aber eine falschgerühmte Schul¬
weisheit, die, je mehr sie anschwillt, die Kluft
zwischen Wissen und Können um so mehr erwei¬
tert. Auf schnelle Effecte, möglichst baldige Ar¬
beitsfähigkeit, die von einer wirklichen, gründlichen
Heilung häufig weit entfernt ist, zielt leider, in
Folge der socialen Verhältnisse, die Behandlung der
der Unfallversicherungs- oder Ortskranken-Kassen
zugewiesenen Kranken, mehr als gut ist, hin,
und auch beim Militär macht sich dieser Gesichts¬
punkt gar zu stark geltend. Was wird die Folge
davon sein? Frühzeitige Invalidität, Verschlechte¬
rung der Volksgesundheit im Ganzen.
Verf. sucht nun, auf sein Thema eingehend,
die Aufgaben der Chirurgie näher zu bestimmen,
ihr zu geben, was ihr zukommt — und da bleibt ihr
noch immer ein grosses, segensvolles Feld. Er zeigt
aber, dass selbst schon bei der „kleinen Chirurgie“
mancherlei Leiden Vorkommen, welche besser der
innern Behandlung nebst zweckmässiger Hygiene
überwiesen werden. So bei den Warzen. „Jede
Warze,“ sagt er, „ist in der Körperconstitution des
Besitzers begründet und bei homöopathischer Be¬
handlung lassen sich fast alle Warzen binnen einigen
Monaten beseitigen; ähnlich verhält es sich bei den
hängenden Hautlappen (Cutis pendula. Ref.), die
manchmal zahlreich erscheinen.“
Es ist eine alltägliche, aber viel zu wenig be¬
achtete Thatsache, auf die Verf. daher mit Recht
aufmerksam macht, dass „das Kindesalter seine be¬
sondere Neigung zur Hervorbringung kleiner,
schmerzhafter Hautabstossungen an den Nagelrän¬
dern hat (Neid- oder Nietnägel nennt sie das Volk.
Ref.), die reifere Jugend zur Bildung von Acne-
pusteln im Gesicht neige. Im jugendlichen Alter
treten auch die Panaritien der Finger besonders
häufig auf. Späterhin entstehen mehr die Furunkel
und Carbunkel, sowie die oft lästigen Entzündungen
am Nagelbett der Zehen und sogenannte einge¬
wachsene Nägel. Bei den meisten dieser Gelegen-
Digitized by k^ooQle
101
heiten greift die Chirurgie die leidende Körper¬
stelle äusserlich und örtlich an mit zum Th eil
recht rohen Verfahrensarten. Wir Homöopathen
achten dagegen auf den Wink der Natur, welche
solche Zustände unter allgemeinen Einflüssen in
gewissen Lebensaltern herbeiführt, und erforschen
die genauem Umstände, welche im einzelnen Fall
örtlich und constitutionell die Erkrankung aus¬
zeichnen .... Indem wir der kleinen oder auch
bedeutenden örtlichen Affection von innen heraus,
d. h. im Zusammenhänge mit den Ernährungs- und
Functions Verhältnissen des Gesammtorganismus ent¬
gegentreten, treffen wir die Ursache ihrer Ent¬
stehung und beseitigen sie unter gleichzeitiger gün¬
stiger Aenderung des Gesammtorganismus. Dies
ist doch eine naturgemässere Betrachtung und Be¬
handlung der genannten Störungen, als sie die
Chirurgie uns bietet, die sich durch die äusserliche
Sichtbarkeit einer Affection verleiten lässt, auch die
Ursache derselben äusserlich zu vermuthen und den
Heilversuch äusserlich zu bewirken.“ — (p. 20).
Bei Besprechung der Brucheinklemmungen, die
er zuweilen einer innerlichen Behandlung nebst An¬
wendung von Wasserumschlägen und Einreibung
einer schwachen Belladonnasalbe zugänglich fand,
ohne aber die oft das Leben rettende operative Be¬
handlung derselben zu verwerfen, hätte Verf. eine
Warnung an die nichtärztlichen Leser einfliessen
lassen können, nicht durch zu lange fortgesetzte,
häufig unzweckmässige Reductionsversuche oder bloss
rein innerliche Mittel den Zustand zu verschlimmern,
sondern sich bei Zeiten an einen sachkundigen Arzt
zu wenden.
Wenn Verf. die operative Behandlung des
Kropfes sowie auch die mit starken Gaben von Jod,
namentlich wenn sie nur aus kosmetischen Rück¬
sichten vorgenommen wird, verwirft, so stimmen
wir ihm hierin vollständig bei. Seine auf diesem
Gebiete erzielten Heilerfolge, wie sie uns 1. c.
p. 29 u. ff. vorliegen, sind ausgezeichnet zu nennen.
College Schlegel liebt es, in derartigen Fällen die
homöopathischen Mittel in höheren Potenzirungen,
aber nach Peczöli’s Vorgang in immer zunehmender
Dosis zu geben. Hierbei muss freilich der Patient
wie auch sein Arzt eine unerschütterliche Ausdauer
und Beharrlichkeit besitzen. Es giebt aber viele
Patienten, die diese Eigenschaft nicht besitzen, oder
auch nicht im Stande sind, die durch die Cumula-
tion der Mittelgaben oft übermässig gesteigerte,
sehr schmerzhafte Reaction zu ertragen. — Dem
Ref. sind unter Anwendung des alten, berühmten
Kropfmittels, das aus einer innigen Verreibung von
Spongia maritima, Calcarea carb. und phosphorica
mit Saccharum besteht, in Verbindung mit einer
Massage massigen Grades, gar manche Heilungen
von zum Theil sehr alten, verhärteten Kröpfen ge¬
lungen; indessen gilt es auch den Kropfkranken
gegenüber zu individualisiren.
Der p. 30 mitgetheilte Fall einer kropfartigen
Halsgeschwulst, die schon hart an die Grenze der
bösartigen Halstumoren streifte, ist so interessant und
belehrend, dass wir sie hier gern wiedergeben.
Am 15. December 1889 suchte ein Bauunter¬
nehmer die Hülfe des Autors nach. Vor 14 Tagen
war er wegen einer am Halse links bemerkbaren,
sehr harten Geschwulst zum Medicinalrath v. Burk¬
hardt in Stuttgart gegangen, wo ihm sofort der
verdächtige und kaum mehr operative Zustand der
Geschwulst klargelegt wurde. Er hat seitdem
15 Gramm Jodkali verbraucht; eine Einwirkung auf
die Geschwulst war indessen nicht bemerkbar. Die
linke Halsseite in der Höhe des Ringknorpels ist
von einer wenig verschieblichen harten Masse auf¬
getrieben. Körpergewicht des grossen, muskulösen
Mannes 196 Pfund. Harn sauer, klar, eiweissfrei.
Er klagt über Kopfweh und Herzklopfen, Kräfte¬
abnahme, Verdauungsstörung, kalte Füsse; (Jod¬
wirkung).
Verordnung: Diät hinneigend zur vegetarischen,
Jod sofort weggelassen: Hep. 30. und Bell. 30.
Am 11. Jan. 1887 191 Pfund. Herzklopfen
vermindert, Halsgeschwulst bretthart, nicht grösser.
Hep. und Arsen. 30.
28. Januar. 187 Pfund. Zunehmendes Wohl¬
befinden. Hals unverändert. Bis zum 5. August
desselben Jahres blieb das Gewicht stationär, das
Allgemeinbefinden besserte sich, trotzdem ist die
Geschwulst in letzter Zeit langsam gewachsen. Sie
geht ringförmig nun auch etwas über die Mittel¬
linie. — Vom October ab traten linksseitige Ge¬
sichtsschmerzen ein, am 8. November -wird auch
zunehmende Beengung des Athems, besonders im
Liegen, geklagt. Von hier ab lässt Verf. neben
den jeweils angezeigten homöopathischen Mitteln
die Mattei’schen Anticanceroso und Antiscrofoloso
täglich gebrauchen. So geht es unter verschiede¬
nen Beschwerden bis in den Januar 1888. Die
Gesichtsgeschwulst nimmt nicht mehr zu, aber
Gesichtsneuralgien, Kopfschmerzen, linksseitige
Augenentzündung, Schlaflosigkeit quälen den Kran¬
ken. Am 3. Februar verordnete Verf. Graphit 30.
wegen gleichzeitiger hartnäckiger Verstopfung.
Daneben die Mattei’schen Mittel fortgesetzt ge¬
braucht. — Am 31. März ist zum ersten Mal eine
auffallende Verkleinerung der nun weicher und
leichter verschieblich gewordenen Geschwulst er¬
kennbar. Patient giebt an, dass er seinen Hals¬
kragen binnen kurzer Zeit um 4 cm habe enger
machen können! Also Triumph nach langer,
trüber Zeit. Die Genesung schritt schnell vor und
der Betreffende ist noch heute gesund. Hals
normal. — Die Puristen unter uns werden es
Digitized by
Google
tadeln, dass College Schlegel neben den homöopathi¬
schen Mitteln noch andere, hier Mattei’sche, in
manchen Krebsfallen das von Mars in Umlauf ge¬
setzte, alle von mehr oder weniger unbekannter
Herkunft, also Geheimmittel gebraucht. Er spricht
sich hierüber zunächst 1. c. p. 32 so aus: „Kein
gewissenhafter Arzt wird sie, die Geheimmittel,
wählen, so lange er Naturkräfte kennt, welche
Heilwirkung erwarten lassen, ohne mit dem Banne
selbstsüchtiger und beschränkter Geheimthuerei um¬
gehen zu sein. Andererseits wird kein gewissen¬
hafter Arzt ein Menschenleben hingeben, ohne ein
solches Mittel noch in Gebrauch gezogen zu haben,
wenn er anders davon irgend etwas hoffen kann.
Da ich nun infolge Erfahrungen früherer Jahre
die betreffenden (Mattei’schen) Mittel als in manchen
hoffnungslosen Fällen noch rettend erkannt habe,
machte ich auch im gegenwärtigen davon Gebrauch
und hatte es nicht zu bereuen. Man könnte nun
die Frage aufwerfen: warum nicht öfter, nicht
regelmässig nach einem solchen Erfolge? Antwort:
weil Alles in Allem genommen diese Mittel keine
besseren, ja nicht einmal die gewöhnlichen Durch¬
schnittsresultate der Behandlung mit bekannten
homöopathischen Mitteln ergeben haben. Ich wage
auch im vorliegenden Falle die Behauptung, dass
durch die Graphitgaben die Heilung sehr gefördert
worden ist, ohne Alattei’s Mittel wäre sie aber
nicht gelungen.“ Wir meinen aber, dem Graphit
gebührt der Löwenantheil an dem Heilerfolge, ob¬
wohl es immerhin misslich ist, beim gleichzeitigen
Gebrauch mehrerer Heilfactoren zu bestimmen,
was der eine oder der andere geleistet hat. Wir
wollen aber durchaus nicht mit dem Verf. über
sein Verfahren rechten, da auch uns das Heil
des Kranken das oberste Gesetz ist, so gern wir
auch in diesem Falle der reinen Homöopathie
einen solchen Triumph gegönnt hätten. — Uebri-
geus äussert sich Verf. p. 101 über solche Ge¬
heimmittel in einem Sinne, dem wir imsere Zu¬
stimmung nicht versagen können: „Wie in der
Sphäre der medicinischen Schulrichtung, so hat sich
auch, anlehnend an die homöopathische Medicin,
von mehreren Seiten das Bestreben kundgethan,
Geheimmittel auf den Markt zu bringen (Mattei,
Zirapel, Dr. Tritschler, Pupier, Mars), ein Vor¬
gehen, welches auf unserem Gebiete desto weniger
angemessen erscheint, als bei uns Homöopathen
eben die Erkrankung nicht nach ihrem Namen,
sondern nach ihren genau aufgenommenen Natur¬
erscheinungen in Beziehung zu den Heilmitteln
gebracht wird, die wieder ihrerseits nur desshalb
als homöopathische anerkannt werden, weil ge¬
gebenen Falles jenes Krankheitsbild mit ihrem
Arzneiprüfungsbild übereinstimmt. — Der Arzt wird
eine Pflicht darin erkennen, solche Geheimmittel
zu umgehen, sofern er ebenbürtige andere Heil¬
mittel weiss. Zeigt sich aber eines dieser Geheim¬
mittel in einer gewissen Hinsicht bekannten Heil¬
kräften überlegen, so wird er wiederum jenes
Princips willen nicht auf eine sonst unvollziehbare
Heilung verzichten. —“ Das Material, das uns
Verf. weiterhin in seiner Schrift über die inner¬
liche homöopathische Behandlung bei pleuritischen
Exsudaten, Rippenabscessen, kalten Ahscessen,
Kniegelenktumoren, Zellgewebsentzündungen, vari-
cösen Unterschenkelgeschwüren, Hämorrhoidalleiden,
Tripper- und Blasenaffectionen, dann bei der in
den verschiedenen Geweben auftretenden Tuber¬
kulose (Haut-, Knochen- und Gelenk-, Drüsen- und
Lungentuberkulose) darbietet, ist so reichhaltig,
die erzielten Erfolge meist so hervorragend, die
entwickelten Gesichtspunkte so original und für
die Praxis fruchtbar, dass wir die Lectüre und
das Studium des Gebotenen dringend empfehlen
können. — Wir können es uns aber nicht ver¬
sagen, seine Charakteristik der tuberkulösen Krank¬
heitsformen und die diesen entsprechende Diätetik
hier zu citiren, wie er sie 1. o. p. 64 giebt: „Die
am meisten charakteristische gemeinsame Eigen¬
schaft alter tuberkulöser Krankheitsformen ist
Schwäche , Schwäche der Lebensäusserungen im
Ganzen oder im Einzelnen, Schwäche der Gewebe,
welche sie verhindert, auf pathogene Reize kräftig
überwältigend zu reagiren, Schwäche des Blut¬
umlaufs, häufig ihren Ausdruck findend in kleinem
Herzen, engen Schlagadern. — Mit dieser Schwäche
verbunden ist häufig eine bedeutende Leistungs¬
fähigkeit einzelner Organe und Functionen, eine
Culturerscheinung, die mit ihrer Lebensgrundlage
keineswegs im Widerspruche ist. Ebenso haftet
jener Schwäche häufig die ungewöhnlich empfind¬
liche Reizbarkeit an, wiederum eine Eigenschaff,
die der mangelnden Hauptreaction gegen Lebens¬
störung nicht widerspricht. Die Schwäche, welche
in fortgeschrittenen Formen phthisischer Erkran¬
kungen so sehr auffallt und ihren gewöhnlichen
Ausdruck in der Abmagerung zur Schau stellt, hat
die Aerzte von jeher mit dem Impulse erfüllt:
Stärke! und angesichts der Abzehrung ihrer Patien¬
ten empfanden sie die Aufgabe: Ernähre! Und
so ist es denn zum Grundsatz der Schwindsuchts¬
frage vom diätetischen Standpunkte aus geworden,
die Circulation zu heben, die Ernährung aufzu¬
bessern.
Physiologische Forschungen haben unserer Zeit
die Hauptgesichtspunkte des Stoffwechsels auf¬
gedeckt und so ward es zur Parole: möglichst ei¬
weissreiche Kost , während durch geeignete Reiz¬
mittel, insbesondere Wein, Cognac, Fleischbrühe,
die Blutbewegung und damit die Versorgung der
nothleidenden Gewebe gesteigert werden müsse.
Digitized by
Google
108
Dem entsprechend: reichlich Milch, Ei, Fleisch; !
mässiger Kohlenhydrate und die eiweissarme
Nahrung, von der man wesentlich nur eine ent¬
behrliche Füllung der Verdauungsorgane erwartete.
Auf diese Art sind zahllose Phthisiker beratlien
worden und ich kann auf Grund reicher Erfahrung
folgendes Urtheil abgeben: Wo die Erkrankten
gleichzeitig zur Hautpflege abgeleitet werden, gute
Buhe und Schonung geniessen, womöglich noch in
einer höhern Luft, oder in sonstigen (günstigen. Ref.)
Aufenthalt versetzt werden, da überwiegen meist
die positiven Factoren und es tritt relative Besse¬
rung ein trotz jener Ernährungsweise, welche ohne¬
hin schon dem modernen Geschlecht zu nahe liegt,
als dass sie wesentlich neu auf die Phthisiker
wirken könnte. — Wird aber ein Tuberkulöser
dem relativ neuen Regime in obigem Sinne unter¬
worfen, indem er nebenbei allen ungünstigen j
Lebensverhältnissen überlassen bleibt, so wirkt die |
eiweissreiche Kost in Verbindung mit Reizmitteln |
geradezu verderblich; appetitstörend, Stuhlgang i
hemmend und rascher Auflösung entgegenführend.
Insbesondere den Genuss des Weines und Cognacs
habe ich unter den angegebenen Verhältnissen
schädlich gefunden. Theoretisch müssen wir ja
dem Alkohol einen gewissen Verbrennungswerth j
und damit Theilnahme an den wärmebildenden
Kräften im Stoffwechsel zuschreiben. So unzweifel¬
haft sich dies auch für Gesunde bei grossen An- 1
strengungen in dünner Luft (Bergtouren) als that-
sächlich ergiebt, so fraglich ist aber dieses Ein¬
greifen unter anderen Umständen, sowohl indivi¬
duellen als pathologischen im Allgemeinen. So
wirkt der Alkohol auf den ohnehin von einem zu
schnellen Puls durcheilten Körper, wie die Peitsche
aufs Pferd.“
Nicht schnellere Contractionen des kraftlosen
Herzens bedürfe der tuberkulöse Organismus, son¬
dern ruhigere , ausgiebigere. Dazu sei die eiweiss - i
reiche Kost aber nicht tauglich. Es fehlen ihr die
erdenreichen Hülsenstoffe, welche die eiweissärmeren
Nährfrüchte so sehr auszeichnen und eine so
wichtige Rolle im Körperhaushalt spielen, um so
mehr, weil auch das moderne Brot besonders frei
von Kleie hergestellt und das Fleisch oft geschabt
wird, um das kalk- und kieselreichere Bindegewebe
zu beseitigen. Der starke Geschmack der Fleisch¬
speisen wirke abstumpfend gegen andere Nahrungs¬
mittel und damit appetitvermindernd. Dazu kommt,
dass die so gewählte Kost wenig Koth bildet und
Neigung zu Verstopfung veranlasst. — Die rein
vegetabilisch ernährten Thiere zeigen die stärkste
Entwicklung von Knochen, Muskeln und Fett und
dabei eine Anlage zu Ruhe und Behagen, und
gerade die leidenschaftlichen und zappeligen Phthi¬
siker sind darauf hingewiesen, die Massenzunahme
der vegetativen Körpergewebe zu begünstigen und
insbesondere ruhevoller zu werden. „So wird man
denn zugeben müssen, dass die Grundbeziehung
zwischen Ernährung und organischer Lebensentfal¬
tung uns Aerzte von diesem Gesichtspunkte aus
viel mehr auf die eitoeissarme , als auf die eiweiss¬
reiche, und mehr auf die grobe, hülsenhafte, vege¬
tarische, als auf die verfeinerte Milch-, Ei- und
Fleischkost bei den Phthisikern hin weist.“ Damit
stimmen auch des Verfs. Erfahrungen überein. —
Er will der Milch-, Ei- und Fleischkost ihren Nähr¬
werth nicht einseitig absprechen, denen er desshalb
auf seinem Diätzettel für Phthisiker einen mässig
bemessenen Platz einräumt, er will nur dem schäd¬
lichen Missbrauch derselben entgegentreten und
den hohen Werth der Gewächsnährmittel in’s rechte
Licht setzen. Werden Milch und Ei, sowie das
leicht verdauliche, concentrirt eiweisshaltige Fleisch
neben den vegetabilischen Speisen reichlich ge¬
nossen, so entnimmt der Organismus seinen Bedarf
eher den animalen Nährstoffen und die vegetabili¬
schen gehen grösstentheils unverdaut ab, weil der
Körper das Uebermass nicht verdauen kann.
Ref. stimmt diesen Darlegungen im Ganzen zu.
Die vegetarianische, oder wenigstens überwiegend
vegetabilische Ernährungsweise wird uns oft bei
mit animalischer Kost überfütterten Patienten
grosse Dienste leisten, aber auch umgekehrt stossen
wir oft auf Kranke, welche bei ärmlicher, mehr
vegetabilischer Kost nicht gedeihen, sondern sehr
heruntergekommen sind — und diesen werden die
mehr animalen Nahrungsmittel wohl thun. Es gilt
aber auch hier zu individualisiren. — Bei Phthisi¬
kern, deren Appetit ganz daniederlag, die Fleisch
oder Fleischbrühe nicht einmal mehr riechen konn¬
ten, ist es ihm schon mehrfach gelungen, neben
den homöopathischen Mitteln durch Gemüse und
gekochtes Obst den Appetit anzuregen und die
Kranken über eine oft sehr bedenkliche, kritische
Lage hinwegzuhelfen. — Wo aber bereits die
Darm Schleimhaut in den tuberkulösen Process
hineingezogen ist, da fängt erst die Hauptnoth an
und dürfte hier die Pflanzenkost die Diarrhöe noch
mehr steigern, als die animale Diät.
Doch wir haben noch eine der wichtigsten
Provinzen zu betrachten, welche Verf. auf seinem
Zuge durch die der Chirurgie meist zugewiesenen
Krankheiten für die innere Medicin zu gewinnen
bestrebt gewesen ist: wir meinen das horrende
Gebiet der Neubildungen von den mehr gutartigen
fibrösen bis zu den ausgesprochen bösartigen, dem
Scirrhus und Carcinom. Verf. zeigt durch seine
auch auf diesem Gebiete mittels innerer, homöo¬
pathischer Behandlung nebst geeigneter Diätetik
errungenen, theilweise ausgezeichneten Erfolge,
dass auch hier die innere Medicin der chirurgischen
Digitized by
Google
104
nicht bloss ebenbürtig, sondern vielfach selbst über- ; gedehnte Gewebsveränderungen in so kurzer Zeit
legen sei. Das lasciate ogni speranza ist also hier j wieder zum Verschwinden bringt — und antwortet
nicht absolut gültig. Am zugänglichsten haben i hierauf: „Nichts leichter als das; es handelt sich
sich ihm jene Neubildungen erwiesen, die auf 1 dabei nur um den geeigneten therapeutischen An¬
syphilitischem Grunde erwachsen; aber auch beim i reiz. Sehen wir doch auch physiologische Vor-
Krebse hat er merkwürdig gute Resultate aufzu- , gänge mit gewaltigen Massen fester und flüssiger
weisen. Bei den Krebsgeschwülsten der weiblichen ! Gewebe arbeiten. Die mächtige Entwicklung des
Brust, welche er nächst dem Schlundkrebs für die Uterus am Ende der Schwangerschaft findet ihre
schwersten Formen hält, gesteht er zwar ein, Rückbildung in unglaublich kurzer Zeit. Was bei
„dass diesem bösartigen Leidenszustande gegenüber der Reifung von Abscessen an Eiter producirt wird,
die innerliche Behandlung noch sehr wenig mächtig bei Nasenkatarrhen an Schleim und Epithelzellen,
sei, das Gleiche sei aber mit der Chirurgie der bei Bronchiectasien an Schleim und Eiter ist oft
Fall. Diejenige Richtung derselben, welche jeden sehr bedeutend. Die Natur arbeitet ganz gewaltig,
irgend verdächtigen Tumor sofort entfernt, handelt aber ihre Leistungen auf diesem Gebiete treten
am klügsten — *in ihrem Interesse. Sie kann auf meist nur unter Krankheitsverhältnissen in die Er-
relativ mehr Erfolge zurückblicken, denn manche scheinung. Wollen wir aber diese Analogieen nicht
der ausgeschnittenen Geschwülste erweisen sich gelten lassen, so haben wir eben doch die That-
nachher nicht als eigentlich bösartig und kommen Sachen der Rückbildung des atypischen Epithels oder
demgemäss nicht wieder.“ Doch will Verf. nicht anderer bösartiger Geschwülste in all den erlebten
läugnen, dass auch in manchen Fällen wirkliche j Heilungsfällen dennoch vor Augen.
Brustkrebse nach der Operation ausbleiben. — Ist | An diese wunderbare Arbeit des Organismus
denn aber, fragen wir, die Diagnose dieser Neu- ; gemahnt uns auch der p. 10 mitgetheilte Fall, der
bildungen überhaupt so weit vorgeschritten, dass I für uns um so wichtiger erscheint, als er die Causa
sie die bösartige von einer gutartigen Geschwulst \ occasionalis zur Abfassung dieser Schrift gewesen
bis zur vollen Evidenz völlig sicher zu unter- ist. Es handelt sich hier um einen 20jährigen,
scheiden vermag? Intra vitam gewiss nicht. — grossen, blühenden Menschen mit einer kindskopf-
College Schlegel hat indessen eine Anzahl von grossen Geschwulst am unteren Ende des linken
Geschwüren durch innere Medication zur Heilung Oberschenkels, welche sich hart anfühlte und von
gebracht, welche von autoritativer, chirurgischer Seite normaler Haut überkleidet war. In der chirurgi-
(Universitätsprofessor) als krebsartig gestempelt sehen Abtheilung des Tübinger Krankenhauses
worden waren, und welche er auch selbst als solche hatte man nach achttägiger Beobachtung des Kran¬
hat erklären müssen. — So kommt auch ein ken die Geschwulst als eine bösartige, als ein
Fall von Eierstockskrebs in seiner Schrift vor, der Osteosarkom, diagnosticirt und die Absetzung des
erst, operativ behandelt, recidivirte und dann von Beines am Oberschenkel für nöthig erachtet. Da
Schlegel mit dem Mars’schen Mittel zur Heilung sich sowohl der Vater als dessen Sohn nicht zur
gebracht worden ist. Er sagt hierbei: „Ich habe Amputation entschliessen konnten, wollten sie es
mit diesem Mittel etwa in 10 °/ 0 aller Krank- einmal mit einer anderen Kunst versuchen. Patient
heitsfälle, in denen ich es an wandte, Besserung erhielt vom Verf. — es war im Juni v. J. —
oder Heilung gesehen, und zwar waren es ganz dreimal täglich 5 Korn des Mars’schen Krebs-
verschiedene Krebse und verschiedene Stadien der- mittels, wonach die Geschwulst bald eine Ver-
selben. Das Mittel bestätigt durch dieses Ver- kleinerung zeigte. Dieser günstige Zustand zeigte
halten die in der Homöopathie längst gewonnene sich auch im August. Am 25. November konnte
Erkenntniss, dass der Krankbeitsname nicht mass- Verf. die fast gänzliche Rückbildung der Geschwulst
gebend ist für die Erwartungen, welche man an constatiren. Schon im September war nämlich ein
eine Arzneikraft knüpfen kann.“ Auf welche In- Eitererguxs erfolgt, dem ein weiterer vor einer
dication hin kann man aber ein solches Mittel, Woche nachfolgte, jedesmal mit bedeutender Ver-
dessen physiologische Wirkung man so wenig als kleinerung der Geschwulst verbunden. Am inneren
seine pharmakologische Herkunft kennt, anwenden? Umfange des Oberschenkels über dem Knie zeigt
Wenn Verf. die Gebärmutterkrebse, von wel- sich jetzt eine spärlich absondernde FistelöfFnung,
eben er allerdings recht schwere Fälle zur Besse- der Knochen fühlt sich noch etwas aufgetrieben an;
rung, ja zur Heilung geführt hat, zu den relativ Gehfähigkeit und Allgemeinbefinden vortrefflich. —
günstigen rechnet, so stimmt das mit den bisherigen Es ist dies in der That ein höchst seltenes
Erfahrungen wenig überein; dadurch würde sein Ereigniss, dass eine Geschwulst, welche deutliche
Triumph aber um so glänzender. Merkmale eines Krebses an sich trägt (hier ging
L. c. p. 103 wirft er sich selbst die Frage sie noch obenein vom Periost aus), in verhältniss-
vor, ob es denn möglich sei, dass die Natur aus- mässig kurzer Zeit zum Stillstand, zum Rückgang
Digitized by {jOoq le
105
und endlich auf dem Wege einer gutartigen Eite¬
rung zur Heilung kommt. Ganz unerhört ist
dieser Verlauf doch nicht; denn wenn auch
die Mehrzahl der Brustdrüsenkrebse durch jauchigen
Zerfall tödtlich abschliesst, so kommt doch hier
und da, unter Tausenden, einmal ein Fall vor, wo
ein Scirrhus mammae durch Vereiterung und Ver¬
narbung zur Heilung gelangt. — Die Diagnose
des obengeschilderten Falles war von autoritativer
Seite gestellt und beglaubigt — und doch erfolgte
gerade infolge dieser, in Schlegel’s Wegweiser zu¬
erst mitgetbeilten Heilungsgeschichte von einem
namhaften Chirurgen ein nicht bloss College
Schlegel, sondern die homöopathischen Aerzte
kränkender Angriff: Ist der Angreifende über das
Mass objectiver Kritik hinausgegangen, so wird
er sich nicht beklagen können, wenn die Entgeg¬
nung des gekrankten Theils in theilweise schar¬
fem Tone, der an einzelnen Stellen freilich all zu
schrill klingt, erfolgt ist. Jener beleidigte kalt¬
blütig, dieser replicirte mit vollem Pulsschlage, um |
so mehr, da er sich bewusst war, der kranken I
Menschheit zu dieneil, indem er sie auf unblutigem
Wege in oft das Leben bedrohenden Krankheiten
zur Gesundheit zu führen trachtete. Eine Polemik, |
die den Hauptaccent auf möglichst vollgültige
Thatbeweise legt, eine hohe, ideale Anschauung
von der Aufgabe der inneren Heilkunst, die bei
alledem den realen Boden festhält, und eine Diätetik !
und Hygiene, die sich nicht auf eine einseitige j
chemische Theorie, sondern auf physiologische,
biochemische Thatsachen stützt, das Leben in den
Breiten der Gesundheit wie in den Deviationen der
Erkrankungen immer als ein Ganzes erfassend —
sind dazu wohl angethan, auregeud, belehrend,
fruchtbringend auf den fortstrebenden Arzt zu
wirken.
!
Offener Brief an Herrn Dr. Carl Köck ,
in München.
Geehrter Herr College!
In Nr. 2 des 3. Jahrgangs des Archivs für
Homöopathie von Dr. Alexander Villers veröffent¬
licht der Herausgeber einen von Ihnen an Dr. Lor-
bacher gerichteten Brief, ob mit oder ohne Ihre Ge¬
nehmigung, weiss ich nicht. Dieser Brief enthält
Ihre Ansichten über die Weibe’sehe Methode, welche
sich nach Aussage des Collegen Villers mit den
seinigen decken. Sie sind nach 2 jährigen Versuchen
zu dem Resultate gelangt, zu dem, wie College
Villers mit einer gewissen behaglichen Genugthuung
sagt, »wir Alle gekommen sind, die wir uns damit
beschäftigt haben, dass die technische Seite der Me-
I
!
i
thode dieselbe als unpraktisch charakterisire, und
dass die Mühe, welche damit verbunden sei, durch
das Gefundene nicht belohnt werde.“ Ich will über
diesen Satz, der eine grobe Entstellung der That¬
sachen, um nicht zu sagen, eine wissentliche Unwahr¬
heit enthält, nicht mit Ihnen rechten, denn derselbe
entstammt der Viller’schen Feder, deren phantastische
Uebertreibungen wir ja hinlänglich kennen. Zu
denen, die sich mit der Weihe’schen Methode und
zwar etwas eingehender als Sie, Villers und Haedicke
beschäftigt haben, gehören noch eine Auzahl hoch¬
achtbarer Collegen, die gerade zu dem entgegen¬
gesetzten Resultate gelangt sind und zwar auf Grund
sorgfältigster, eingehendster, mit eisernem Fleisse,
mit Consequenz und richtig ausgeführter jahre¬
langer Versuche.
Sie haben ja zweifellos das Recht, verehrter
Herr College, Ihre Privatmeinung über die Weihe’sche
Methode, sowohl schriftlich als mündlich in beliebiger
Weise zu äussern; sobald aber diese Ihre Privat¬
meinung in die Oeffentlichkeit tritt, ob mit Ihrem
Wissen oder durch eine Indiscretion Anderer, müssen
Sie sich eine öffentliche Kritik gefallen lassen.
Sie fassen am Schlüsse Ihres Briefes Ihr Ur-
theil über die Weihe’sche Methode dahin zusammen:
„Die Weihe’sche Methode ist ein Mischmasch von
Unklarem, Unsicherem, ja Falschem, das nur dazu
angethan ist, die Hahnemann’sche Therapie zu
trüben, ihre Grundsätze zu entwerthen und unter
ihre Anhänger den Zwietrachtsapfel hineinzuwerfen.“
Sie werden mir zugeben, dass eine schärfere Ver¬
urteilung der Weihe’schen Methode unmöglich aus¬
gesprochen werden kann; Sie hätten vielleicht sich
noch etwas deutlicher dahin ausdrücken können,
dass in Summa die Anhänger der Weihe’schen Me¬
thode ,,betrogene Betrüger“ seien, was ja lediglich
eine Consequenz Ihres Urtheils gewesen wäre. Leider
trägt der Brief kein Datum, was ich umsomehr be-
daure, als Sie in Ihrem Schreiben an den Collegen
Göhrum vom 4./G. 93, in dem Sie Ihren Austritt
aus der ,,Epidemiologischen Gesellschaft“ anzeigen,
und welches bei den Acten dieser Gesellschaft liegt,
fast mit denselben Worten Ihr Urtheil über die
Weihe’sche Methode äussern: „Die Weihe’sche Me¬
thode ist nicht bloss lückenhaft, sondern enthält
viele unklare, zweifelhafte, um nicht zu sagen un¬
wahre Richtpunkte; ich meine eben, eine Ver¬
schmelzung der Rademacher’schen Schule und der
Homöopathie ist principiell nicht möglich, es ist ein
Mischmasch, es ist keine Rademacherei und keine
Homöopathie, beide Methoden sind , verhunzt 4 .“
Ich nehme an, dass Ihr Brief an Collegen Lor-
bacher neueren Datums ist, sonst hätte College
Villers denselben wohl nicht veröffentlicht, nachdem
ich in der „Allg. hom. Ztg.,“ Bd. 127, Nr. 11/12,
meinen Vortrag: „Steht die Weihe’sche Methode
14
Digitized by
Google
106
innerhalb der Homöopathie ?“ sämmtlichen Collegen
zugängig gemacht habe. Haben Sie nun jenen
Artikel, der alles bisher Bekannte und Wissenswerthe
über die Weihe’sche Methode nach Weihc’s eigenem
Urtheil zusammenfasst, nicht gelesen, oder beharren
Sie trotz der darin abgegebenen Erklärungen bei
Ihrem Urtheil? Diese Frage möchte ich von Ihnen
beantwortet wissen.
Es liegen für mich nur folgende drei Möglich¬
keiten vor:
1. Ihr Brief an Collegen Lorbacher ist vor
dem Erscheinen meines Vortrags geschrieben. In
diesem Falle hat Ihr Urtheil über die Weihe’sche
Methode denselben Werth wie in dem Briefe an
Collegen Göhrum, d. h. gar keinen, weil alle Ihre
Einwände von Anfang bis zu Ende in dem ge¬
nannten Vortrage überzeugend widerlegt sind. Ihr
Brief gehört dann also einfach in die Rumpel¬
kammer und es lohnt sich nicht, sich noch weiter
damit zu beschäftigen. Die verspätete Veröffent¬
lichung desselben durch den Collegen Villers würde
sich in diesem Falle auch dem Fernerstehenden als
das qualificiren, was sie in der That ist, als ein
Lufthieb gegen die Weihe’sche Methode.
2. Ihr Brief ist späteren Datums als meine letzte
Veröffentlichung vom 14.Sept. 1893, aber Sie hatten
die letztere nicht gelesen, als Sie den betr. Brief
schrieben. In diesem Falle müsste ich Sie, ver¬
ehrter Herr College, einer unverantwortlichen Leicht¬
fertigkeit zeihen, indem Sie ein Urtheil über eine
Sache abgeben, ohne sich die Ihnen wie jedem
Anderen zugängigen, unbedingt erforderlichen In¬
formationen verschafft zu haben. Dass Ihr Urtheil
dann ebensowenig Werth beanspruchen dürfte, als
im ersteren Falle, ist Ihnen klar und daher jede
weitere Bemerkung überflüssig.
3. Ihr Brief ist nach meiner Ihnen bekannten
letzten Veröffentlichung geschrieben. Dann haben
Sie meinen Aufsatz allerdings gelesen, aber — ver¬
zeihen Sie das harte Wort — nicht verstanden oder
nicht verstehen wollen, und begeben sich mit diesem
Zugeständnisse überhaupt der Qualification, über die
Weihe’sche Methode zu urtheilen, es sei denn, dass
Sie Alles in meinem Vortrage Gesagte bündig zu
widerlegen im Staude wären, was Sie bisher nicht
gethan haben.
Somit wäre ich eigentlich mit Ihrem Briefe
schon fertig. Um Ihnen aber zugleich zu zeigen,
wie oberflächlich Sie — selbst den Fall angenom¬
men, dass Ihr Brief an Collegen Lorbacher früheren
Datums als meine vielgenannte Veröffentlichung
ist — sich mit der Weihe’schen Methode beschäf¬
tigt, und dass Sie sich noch nicht die Anfangs¬
gründe derselben zu eigen gemacht haben, will ich
Sie nur auf einige grobe Schnitzer in Ihrem Briefe
aufmerksam machen.
Ganz davon abgesehen, dass Sie von einer „zeit¬
weilig herrschenden Methode“ sprechen, worunter
Sie sich wahrscheinlich ebenso wenig gedacht haben,
wie ich mir etwas darunter habe denken können
(höchstens die allopathische Behandlungsweise),
schreiben Sie wörtlich: „ich habe einmal jemand
abgedrückt, der zwei schmerzhafte Punkte zeigte,
was fangen Sie da an?“ Dieser Satz zeugt doch
von einer schier unglaublichen Naivität; Jeder, der
nur eine Ahnung von der Weihe’schen Methode
hat, weiss, dass bei jedem Patienten mindestens zwei
gleich .schmerzhafte Punkte zu finden sind, die zu¬
sammen erst auf das richtige Mittel hin weisen. Dann
sagen Sie: „Es kam (soll wohl heissen Ihnen) vor,
dass CuprumAconit = Platina, ein anderes Mal,
dass Cuprum -|~ Aconit=Ignatia.“ Wo in aller Welt
haben Sie denn diese letztere Entdeckung gemacht?
Dass Cuprum-[-Aconit in ihrer Wirkung = Platina,
finden Sie in unseren Veröffentlichungen überall be¬
stätigt, aber nirgends, dass Cupr.Aconit = Ignatia
sei, was Ihnen auch Keiner von uns glauben würde,
wenn Sie es auch tausendmal beschwören wollten.
Wenn Sie aber unsere Veröffentlichungen studirt
oder auch nur aufmerksam gelesen hätten, würden
Sie sich gar nicht darüber wundern, dass Pulsatilla
vier verschiedene Combinationen hat. Es hat so¬
gar, unter uns gesagt, deren 12, durch Arznei¬
prüfung an Gesunden bewiesene. Sie sagen darauf
von Ihrem Standpunkte aus mit Recht: ,,So etwas
geht über meinen Horizont, da spielt entweder Ein¬
bildung oder Willkür oder Täuschung oder ? eine
grosse Rolle.“ Nur haben Sie vergessen, statt
des ? das Wörtchen „Unwissenheit“ zu setzen, dann
unterschreibe ich es. Wenn Sie mir, geehrter Herr
College, nur noch erklären wollten, was Sie sich
beim Niederschreiben des Satzes gedacht haben:
„und auch bei Dr. Weihe geht es darauf hinaus,
das richtige Mittel zu finden aus dem Vergleich
der gemeinsamen Symptome der durch zwei Schmerz¬
punkte eruirten Mittel nach dem Aehnlichkeits-
gesetz,“ so würde ich Ihnen sehr verbunden sein.
Zum Schlüsse bitte ich Sie, verehrter Herr
College, meine öffentliche Kritik Ihres veröffent¬
lichten Briefes nicht persönlich nehmen und mir
nicht zur Last legen zu wollen, sondern sich für
den Fall, dass dieselbe Ihnen ungelegen kommen
sollte, sich bei den Herren Collegen Lorbacher und
Villers zu bedanken, die ja bisher nie die Gelegen¬
heit verabsäumt haben, der Weihe’schen Methode
etwas am Zeuge zu flicken.
Mit unveränderter Hochschätzung
Ihr ergebener College
Dr. Leeser.
Bonn, den 6. März 1894.
Digitized by c^ooQie
107
Zur gefälligen Beachtung j
für die Arzneiprllfungsgesellschaft. I
Gemeldet haben sich zu der Prüfung noch Herr j
College Villers in Dresden, ferner von 5 allo¬
pathischen Aerzten, denen die Sache schriftlich oder
mündlich nahegelegt wurde, 4. Die Theilnahme
dreier von letzteren Herren ist der rührigen Agi¬
tation des Herrn Collegen Roth hierselbst zu ver- |
danken. Ein Theil der Mitglieder, welche die
Prüfung des H. Mittels schon vor 1—2 Monaten
abgeschlossen haben, ist bereits mit dem III. Mittel
beschäftigt. Die Zusammenstellung der Resultate
der II. Prüfung wird voraussichtlich im nächsten
Monat erfolgen können.
Aus verschiedenen Gründen — einmal, weil
mehrere Prüfungsmitglieder von den ersten Mitteln
nur sehr spärliche Symptome hatten, dann auch
wegen erstmaliger Betheiligung der an starke
Dosen und sehr deutliche Symptome gewöhnten
allopathischen Collegen, — erschien es angezeigt,
das HI. Mittel aus der Reihe der Giftpflanzen zu
entnehmen. Die Giftigkeit desselben dürfte wohl
reichlich derjenigen des Aconit oder der Belladonna
entsprechen; ich empfehle daher noch einmal Vor¬
sicht bei der Prüfung und glaube, dass es, sobald
überhaupt Symptome notirt werden können, un-
nöthig ist, hei Giften bis zu sogenannten heroischen
Dosen von 2—300 Tropfen zu steigen; bei un¬
giftigen Pflanzen, oder dann, wenn von geringen
Gaben nichts verspürt wird, liegt die Sache ja
anders. So selbstlos das Streben der Prüfungs¬
personen auch ist, welche derartig angreifende Dosen j
versuchen, so kommt dabei doch, wie ich glaube, I
für unsere Sache verhältnissmässig wenig heraus; j
bei solchen nicht ungefährlichen Experimenten ver- j
schwinden die feinen Specialsymptome, auf die es 1
uns ja in erster Linie ankommt, so gut wie ganz
hinter den allgemeinen Vergiftungserscheinungen,
wie Durchfall, Erbrechen, allgemeine Depression
des Nervensystems etc.
Ferner dürfte es zweckmässig sein, nicht jeden
Tag einzunehmen, sondern wenigstens einigemal i
eine Pause zu machen, d. h. die Erscheinungen
je einer Gabe so lange abzuwarten, bis sie voll- ;
ständig ausgewirkt hat; die Symptome selbst sowohl, f
wie auch die Wirkungsdauer der Mittel kommen
auf diese Weise reiner zum Vorschein. Die allo¬
pathischen Anschauungen, zu denen in früher I
Jugend der Grund gelegt wurde, sind eben so tief
bei uns eingewurzelt, dass wir unbewusst und un¬
willkürlich — wie früher bei der Behandlung unserer j
Patienten mit Maximaldosen — selbst in möglichst
rascher Aufeinanderfolge so lange einnehmen, bis
wir vollständig auf der Nase liegen, was bei dem
IH. Mittel wohl leicht zu erzielen ist. Diese Selbst¬
verleugnung hat aber wohl, wie schon ausgeführt,
nicht nur keinen besonderen Werth, sondern kann
auch leicht zur Folge haben, dass einzelne Prüfer
zum Schaden der Sache von weiteren Versuchen
abgeschreckt werden; der Mittelweg ist eben, wie
fast stets, auch hier der beste. Herr College Lor-
bacher hält es für räthlich, dass möglichst alle
Prüfungspersonen auch selbstgefertigte Potenzen bis
zur 6. Dil. prüfen.
Betreffs des II. Mittels habe ich mir erlaubt, die
Mitglieder der Prüfungsgesellschaft auf einen spe-
cifischen Geruch des Urins aufmerksam zu machen;
dieses Symptom würde eben leicht übersehen und
ist auch bei mir nur zufällig entdeckt worden. Um
überhaupt möglichst zu verhüten, dass anscheinend
nebensächliche Symptome, die aber zuweilen gerade
für unsere Diagnose die wichtigsten sind, übersehen
weiden, darf ich mir vielleicht gestatten, hier ein
nach v. Gerhardt’s Handbuch zusammengestelltes
kleines Schema zu veröffentlichen, das zwar auf
Vollständigkeit durchaus keinen Anspruch machen
will, dessen zeitweiliges Durchsehen aber das Ausser-
achtlassen mancher Erscheinungen verhüten dürfte.
1. Schmerzempfindungen (schabend, bohrend,
nagend, ziehend, reissend, spannend, brennend,
stechend, schneidend, juckend, beissend, drückend);
vermehrt oder vermindert durch Kälte oder Wärme,
in der Ruhe oder Bewegung, im Zimmer oder im
Freien, Tags oder Nachts, durch trockenes oder
nasses Wetter, bei Wind, Gewitter, Warmhalten
oder Entblössen des leidenden Theiles, Liegen auf
demselben, Bücken, Druck;
2 . 'Gern üthsstimmung;
3. Amleerungen: Speichel, Erbrechen, Thränen,
Schnupfen, Auswurf, Schweiss, Stuhlgang, Urin;
bei letzterem speciell, ob klar oder trüb (gleich
beim Lassen oder später), Bodensatz, Farbe, Geruch;
Regel pünktlich, stark oder schwach, hell, dunkel,
stickig, Geruch, Dauer; Weissfluss, fortwährend
oder zu bestimmten Zeiten, schlimmer vor oder
nach der Regel, dünn- oder dickflüssig, Farbe,
Geruch, mild, brennend, ätzend;
4. Somtige Functionen: Appetit, besonderes Ver¬
langen nach bestimmten Speisen (Fettes, Saures,
Fleisch, Brod, Leckereien), oder Abneigung davor;
Durst, zu welcher Tageszeit, Verlangen, viel oder
wenig auf einmal zu trinken, Zungenbelag, Geruch
verändert oder nicht; Schlaf, Befinden nach dem¬
selben, Träume; ob eventuell Verletzungen rasch
oder langsam heilen.
Gerade bei der Prüfung des HI. Mittels, welches
die Essenz einer an sumpfigen, feuchten Plätzen
wachsenden Pflanze darstellt, ist die eventuelle Ein¬
wirkung der Witterung vielleicht besonders be-
achtenswerth.
Die Prüfungen sind durchaus nicht immer mit
14 *
Digitized by
Google
108
Unannehmlichkeiten verbunden. Bezüglich des U.
Mittels z. B. schreibt Herr College Dierkes am
25. Januar: „Die ganz kleinen Gaben hatten bei
mir eine deutliche Wirkung, die grösseren dagegen
fast gar nicht, wenigstens keine unangenehme; im
Gegentheil, ich fühlte mich nach dem Einnehmen
immer wohler.“
Ferner bemerke ich, dass bei Herrn Cand. med.
F. in München die seit vielen Jahren constant vor¬
handen gewesenen Aknepusteln während der Vinca-
prüfung vollständig verschwunden sind und sich bis
heute noch nicht wieder gezeigt haben.
Mainz, 12. März 1894. Dr. Schier.
Aufruf.
Da mir die Aufgabe zufiel, auf der diesjährigen
Centralvereinsversammlung in Eisenach über die
Wirkungen der Euphrasia zu berichten, so ersuche
ich sämmtliche Herren Collegen freundlichst, mir
bei neuen Prüfungen dieses entschieden zu wenig
beachteten Heilmittels behülflich zu sein. Ich bitte
die verehrten Herren Collegen theils selbst an
diesen Prüfungen theilzunehmen, theils geeignete
Individuen ihrer Clientei zur Theilnahme hieran zu
bewegen und deren Prüfungen zu überwachen.
Um eingebildete Symptome möglichst zu ver¬
meiden, so werde ich bei dieser Serie von Prüfungen |
ausser Euphrasia noch andere Heilmittel den betr. j
Theilnehmern zugehen lassen, so dass ausser Herrn |
Apotheker W. Steinmetz, der den Versandt besorgt |
und persönlich überwacht, und mir Niemand weiss,
was für ein Stoff ihm zur Prüfung vorliegt. Da j
ich nicht bloss Urtinkturen zu verwenden beab¬
sichtige, sondern auch einige Verdünnungen, so
werde ich jeder Sendung eine Gebrauchsanweisung
beilegen, an welche übrigens die Theilnehmer nicht
gebunden sind. - - Die Kosten der Arzneimittel
und deren Versendung trage ich.
Um recht zahlreiche, gefl. baldige Anmeldungen
zur Betheiligung an diesen Arzneimittelprüfungen
bittet im Interesse der Sache nochmals die verehrten
Herren Collegen nebst etwaigen Clienten derselben
freundlichst
Stuttgart, den 6. März 1894.
Oanzleistr. 20 II.
Dr. med. H. Göhrnm.
Die zeitweilig herrschenden Heilmittel.
Spärlich sind die seit dem letzten Berichte ein-
gclaufenen Nachrichten; über die Erfahrungen der
diesjährigen Influenzaepidemie ist mir überhaupt
nichts zugegangen.
Leeser-Bonn hatte viel Wechsel; in letzter Zeit
vorzugsweise Sepia mit ziemlich viel Gelenkrheu¬
matismen; am 2.IIII. Cupr. Ign.; seit dem 3. III.
= Veratr. alb. (Acid. phosph. -{- Ign.).
Khm-Pforzheim berichtete am 27.1.: Nux mo-
schata bei Influenza alter Leute mit Darmkatarrh.
Am 15.ill. schreibt er: am häufigsten Natr. mur.
-|- Led. oder -|- Iris, auch Iris Led. Iris be¬
währt sich jetzt sehr bei rheumatischen Schmerzen
aller Art, besonders auch Ischias. Die Influenza
erzeugt immer schwerere Erkrankungen, selbst
typhöse Processe. Am 23.JII.: seit 14 Tagen trotz
der Kälte Krankheitsformen vorherrschend, wie sie
meist nur im Sommer Vorkommen: Magendarm'
katarrhe, Brechdurchfälle, Typhus, sämmtliche in
schwerster Form; Typhus mit hauptsächlicher Be¬
theiligung des Centralnervensystems (Gehirntyphus).
Nach Weihe finde ich Kreos. -j- Sabadill., nach H.
Veratr. viride 3. angezeigt.
St leg eie hier theilte mir Mitte Februar mündlich
mit, dass er eine ganze Reihe sehr hartnäckiger,
schwerer Bauchfellentzündungen habe, wie über¬
haupt alle Krankheiten sich durch langwierigen
Verlauf auszeichneten.
Buob-hier fand im Januar bei Influenzakatarrhen
meist Bryon. indicirt; dabei zeigte sich häufig auch
bitterer Mund und Verstopfung.
Ich-hier kann die von College Stiegele berichtete
Hartnäckigkeit der Krankheiten nur bestätigen; wenn
man bei einem Bronchial-Katarrh und dergl. glaubt
eine Heilung erzielt zu haben, so genügt ein Witte¬
rungsumschlag — zur Wärme oder Kälte ist gleich¬
gültig — die Krankheit von neuem wieder beginnen
zu lassen. Meist waren 2 oder 3 Mittelcombinationen
nach Schmerzpunkten zu gleicher Zeit indicirt,
worunter schon den ganzen Winter sich dann sehr
häufig eine Sulfur-Combination befand. Seit dem
26.III. ist == Veratr. alb. (nach Borax -j- Bell, oder
Natr. hypophosphor. Euphorb. off. oder Acid.
phosph. Ign.) sehr häufig angezeigt, meist mit
anderen Combinationen zusammen, von denen =
Sulfur., = Tart. stib., = Kal. bichromic., =
Euphras., Berber. -[- Sep., bei Zahnbeschwerden
der Kinder = Rheum, bei den wieder häufigen
Herzbeutelentzündungen Stib. arsenicos. -J- Sabadill,
besondere Erwähnung verdienen.
Sigmundt-Spaichingeii schrieb am 5.|HI., dass
er im Februar häufig Cocc. cact. hatte, auch bei
Keuchhusten.
Stuttgart, den 7. März 1894.
Dr. med. H. Göhrnm.
Einkommen in 42jähriger ärztlicher Praxis.
„Die „Med. Reform 44 teilt das nachfolgende auf
sehr genauen Buchungen beruhende Verzeichniss
der Jahreseinkommen eines im Jahre 1879 ver-
Digitized by c^ooQie
109
storbenen Arztes mit, (wohl Dr. N. in H.m)
welcher nach 7 allopathischen Hungerjahren sich
der Homöopathie zuwandte. Die Aufzeichnungen
beziehen sich auf die homöopathische ausgedehnte
Stadt-, Land- und Briefpraxis.
Die Einnahmen betrugen im Jahre:
1838—1247
Thlr.
1859—2630 Thlr.
1839—1529
n
1860—2369
r>
1840—1610
r >
1861—2320
n
1841 — 1300
r
1862 — 2734
n
1842—1315
n
1863—2548
n
1843—1326
w
1864—2387
n
1844—1310
n
1865—2388
r>
1845—1807
n
1866 — 2398
n
1846 — 1827
n
1867— 2160
n
1847-1500
n
1868—2398
n
1848-1921
n
1869—2766
r>
1849—1846
n
1870—2159
n
1850—2061
r>
1871—2719
V
1851—1972
n
1872—2522
n
1852—1965
n
1873—3355
n
1853—2196
n
1874—3171
n
1854—1773
n
1875 — 3268
„ = 9774 M.
1855—2255
n
1876 —
* 11829 „
1856—2232
n
1877 -
n 9026 „
1857—2125
V)
1878 —
n 9050 „
1858—2542
n
10 70 (v.l.Jan.bis 17.April, ona r
lo/y dem Todestage) o7oo „
Die im
ganzen
stetige Steigerung des Ein-
kommens erlitt Störungen durch äussere Verhält¬
nisse: 1847 war das bekannte Hungerjahr, 1867
wirkte die Annexion, 1870 der Krieg.
Der nur seiner Praxis lebende Arzt, der kaum
einmal im Jahre vor Mitternacht zur Ruhe kam,
befand sich durch die verhältnissmässig hohen Kosten
für die Erziehung von vier Kindern und für das
Fuhrwerk (Pferde und Kutscher) stets in einer ge¬
wissen Geldverlegenheit, so dass bei seinem Tode
die von der Lebensversicherungsgesellschaft ge¬
zahlten 18 000 Mark das ganze Vermögen bildeten.
Trotzdem wurde dieser homöopathische Arzt von
den in derselben Provinzialstadt lebenden Collegen
allgemein um die von keinem derselben erreichte
Höhe seiner Einnahmen beneidet.“
Wir bemerken hierzu, dass man die ersten sieben
Jahre Praxis bei unserem verstorbenen Collegen
wohl nicht als Hungerjahre betrachten kann. In
den Jahren 1838 —1844 musste eine Jahres-Ein-
nahme von ca. 4000 Mark als eine verhältnissmässig
hohe bezeichnet werden. Das Gehalt der Juristen,
z. B. eines Königlichen Land- und Patrimonial-
gerichts-Directors, also eines Mannes, der geraume
Zeit Richter gewesen sein musste, betrug damals
4500 Mk. jährlich; das Richtergehalt 2400 bis
3000 Mark. Aber auch der Uebertritt zur Homöo¬
pathie allein kann die allmälige Steigerung des Ein¬
kommens auf circa 9000 Mk. p. a. nicht bewirkt
haben. Das ärztliche Honorar hat vielmehr den
gesteigerten Preisen der Lebensbedürfnisse ent¬
sprechend, ebenfalls eine allmälige Erhöhung er¬
fahren. Ausserdem ist die Wohlhabenheit der un¬
teren Klassen seit 2—3 Jahrzehnten im Steigen
begriffen. Uns liegen ähnliche Aufzeichnungen eines
Kreis-Physikus in der Provinz Sachsen über die
40 er und 50er Jahre vor. Derselbe machte damals
i Stadtbesuche für 50 Pf., bei ärmeren Leuten sogar
für 25 Pf. Als Physikus hatte er 300 Thlr. Gehalt,
und doch hinterliess er nach 30jähriger Praxis —
ohne Homöopath geworden zu sein! — 20000 Thlr.
| Lesefrlichte.
Beiträge zur Frage von Diabetes mellitus.
Hierüber liegt eine Reihe von Publicationen vor,
von denen uns manche interessiren. So eine Arbeit
über experimentelle Acetonämie von Andr6 und
Baglai in Le midi mödical, October 1892: Be¬
kanntlich hat Professor Kussmaul die Theorie auf-
| gestellt, dass das bei Zuckerhamruhr eintretende,
| oft zum Tode führende Koma in Folge von Aceton-
i Bildung im Blute (Acetonämie) sich entwickele. Um
j die Wirkung des Aceton zu erforschen, haben obige
Verfasser der Theorie damit Versuche gemacht,
indem sie es ihnen theils durch die Athmungsluft,
theils durch Einspritzung unter die Haut zuführten.
Nach der Inhalation zeigte sich am constantesten
eine hochgradige Dyspnoe , daneben Erschlaffung der
Extremitäten , Anästhesie , Afuskelschwäche , welche
Zeichen jedoch bisweilen fehlen. Gänzlich fehlten
die Convulsionen und Contractur. Die Sehstörungen
sind unbedeutend. — Nach der subcutanen Injec-
tion des Aceton war die Dyspnoe geringer, erst
bei starken Dosen kam sie den per Inhalationen
gleich. Die örtliche Paralyse war deutlich markirt,
Nystagmus kam selten vor. Das Koma ward nur in
einem Falle, aber in sehr hohem Grade beobachtet.
Die anfängliche Erregung ist dem Chloroformrausch
ähnlich. Diese Unruhe des Körpers, heftige Dyspnoe,
dann das Koma — das ist die Ordnung der Er¬
scheinungen beim experimentellen, wie beim diabe¬
tischen Koma, wozu bei beiden noch ein negatives
Zeichen in dem Mangel an Convulsionen hinzutritt.
Verfasser halten sich deshalb berechtigt zu schliessen,
j dass bei einer grösseren Anzahl von Fällen das
Koma diabeticum auf einer Aceton-Vergiftung be¬
ruhe. — Diese Folgerung will dem Referenten in¬
dessen nicht so ganz sicher erscheinen. R - r.
Beitrag zur pathologischen Anatomie des Dia¬
betes mellitus von Dr. Wilhelm Sandmeyer.
Während Baumei bei den Sectionen Diabetischer
| das Pancreas stets erkrankt fand, beobachtete A. Martin
Digitized by
Google
110
einen Fall, bei dem das Pancreas in eine grosse
Cyste umgewandelt war, und dennoch konnte kein
Zucker — weder vor noch nach der Operation —
uachgewiesen werden. Auch bei dem vom Verfasser
mitgetheilten Fall, der ein 9jähriges nach 2jähriger
Krankheitsdauer an Koma diabeticum verstorbenes
Mädchen betraf, zeigte das Pancreas keinerlei Ano¬
malie. Wohl aber fand sich Verfettung der Epi-
thelien und der Herzmuskulatur, sowie ein kleiner
Degenerationsheerd im Halsrückenmark. (Deutsch.
Arch. f. Kl. Medicin. 50, 381.)
Hierzu ergänzend treten experimentelle
Untersuchungen über den Diabetes mellitus nach Ex¬
stirpation des Pancreas von 0. Minkowski.
Bei Hunden zeigte sich nach vollständiger
Entfernung des Pancreas ein Diabetes mellitus
schwerster Form; ebenso bei einer Katze und einem
Schwein. Bei Vögeln (Tauben, Raben), sowie auch
bei den Fröschen blieb aber die Zuckerausscheidung
aus. — Bei Hunden, welche die Operation gut
überstanden, und bei denen sicher kein Rest von
functionirenden Pancreasgewebe zurückgeblieben
war, kann sich die Zuckermenge längere Zeit auf
einer mässigen Höhe erhalten. Dies zeigte sich
zunächst darin, dass bei Ausschluss von Kohlen¬
hydraten aus der Nahrung die im Harn enthaltene
Zuckermenge in einem bestimmten Verhältniss zu
der ausgeschiedenen Stickstoffmenge stand, d. h. also |
von der Menge des zersetzten Organ-Eiweisses ab- J
hängig war. Doch wird auch das Glycogen hierzu
verwandt; dieses verschwindet nach der Pancreas-
Exstirpation sehr bald aus der Leber.
Im späteren Stadium des Pancreas-Diabetes,
wenn Kräfteverfall eiugetreten, nimmt die Zucker¬
menge wieder ab. Dies geschieht kaum durch
vicariirendes Eintreten anderer Organe für das
Pancreas, sondern eher aus einer Hemmung von
Production oder infolge einer Zersetzung von Zucker
im Organismus.
Interessant ist die Beobachtung, dass unter die
Bauchhaut transplantirte und eingeheilte Pancreas-
Stücke das Zustandekommen des Diabetes nach
Exstirpation des Pancreas zu verhindern vermögen,
indem diese Stücke die Function der Drüse bei
dem Zuckerverbrauch völlig erfüllen. — Uebrigens
kann die Secretion des Pancreas fortbestehen, ohne
dass der Diabetes mellitus sein Ende erreicht.
Nach Exstirpation der Speicheldrüsen erscheint
zwar auch Zucker im Harn, aber nur in geringer
Menge, unbeständig, vorübergehend. Doch weder
diese noch die Schilddrüse sind wesentlich bei dem
Umsätze des Zuckers betheiligt.
Der von Phloridzin hervorgerufene Diab. mel¬
litus scheint nicht durch Einwirkung dieses Stoffes
auf das Pancreas zu Stande zu kommen, sondern
vielmehr durch eine solche auf die Nieren. Das
Phloridzin bringt selbst bei Thieren, bei denen
| nach Exstirpation des Pancreas kein Diabetes ein-
tritt (wie bei den Vögeln) eine Zuckerausscheidung
hervor. Ein Unterschied liegt ferner darin, dass
bei Pancreas-Diabetes der Zuckergehalt im Blute
stets erhöht ist (0,3 bis 0,8°/ o ), während bei dem
von Phloridzin der Zuckergehalt des Blutes stete
abnorm niedrig ist.
Zu bemerken ist noch die Thatsache, dass
Sizygium jambolinum sich auf die Zuckerausschei¬
dung nach Pancreas-Exstirpation vollkommen un¬
wirksam erwiesen hat.
(Archiv f. experimentelle Pathologie und Pharma-
cologie. Bd. 31. 8. 85.)
Die wirksamenBestandtJteile des Gelsemium (Bignonia
sempervirens). A. R. Cusehny .
Aus der Pflanze sind 2 Basen gewonnen wor¬
den, die Verfasser näher untersuchte. Die Eine ,
leicht krystallisirende bezeichnet er als Gelsemium —
die Andere , amorphe, als Gelsemiran.
Jedes zeigte sich für Säugethiere wirksam, bei
Fröschen bewirkten Dosen von 18 mg schwere
Vergiftungen, die besonders durch Steigerung der
Reflexerregbarkeit nach Art der Strychninvergiftung
sich auszeichnen; schliesslich kommt es zur Läh¬
mung, die aber nicht wie beim Strychnin vom
Rückenmark ausgeht, sondern wie beim Curare die
verschiedenen Nerven-Endigungen befällt.
Viel wirksamer ist das Gelseminin\ dasselbe er¬
zeugt beim Frosch neben der Curare-artigen Wir¬
kung eine absteigende Lähmung des Centralnerven¬
systems ohne vorhergehende Erregung, sowie ein
eigenartiges Zittern. Aehnliche Wirkungen treten
auch bei Säugethieren ein.
Der Tod erfolgt durch Athemlähmung. — Pu-
! pillen - Erweiterung und Accomodations - Lähmung
zeigen sich nur bei localer Anwendung.
(Archiv für experim. Pathologie 1892. XXXI.)
Anmerkung des Referenten Dr, ProelL Die
| 3. Verdünnung von Gelsemium half in einigen
Fällen von Amblyopia amaurotica in Folge von
plötzlichem Aufhören der Regel in klimakterischen
Jahren.
Zur Behandlung varicöser Geschwüre durch
Massage . Von Dr. Erdingei', (Sem. möd. 69j98.
A. M. Ctrl. Ztg. 31. Jan. 94.)
Bei Unterschenkel-Geschwüren istMassage bereits
häufig angew andt worden, indessen figurirtsie meist als
unterstützende Behandlungsweise neben Verbänden
und localen, mehr oder weniger complicirten Ein¬
griffen. Nach den Untersuchungen Verfassers kann
die Massage, wenn sie nur systematisch angewandt
wird, (ine schnelle Heilung varicöser, selbst seit
Digitized by k^ooQie
111
langer Zeit bestehender Geschwüre herbeiführen, I
ohne dass sonstige locale Eingriffe, abgesehen von
einem gewöhnlichen feuchten Borwasser-Verband, ‘
zur Verwendung gelangen. Verfasser verfährt fol- |
gendermassen: Bei der ersten Besichtigung des j
Patienten wird mit Hilfe von Seife und verschie- l
denen antiseptischen Flüssigkeiten, besonders Sub- I
limat, die Geschwürsfläche gereinigt. Hierauf be- j
handelt man den Unterschenkel mit leichten Streich- |
ungen; letztere sollen nicht mit der ganzen Hand, !
sondern nur mit der mit Borvaseline angefeuchteten
Fingerkuppe ausgeführt werden. Diese Manipulation j
gestattet, den Druck besser abzumessen und hat,
wie es scheint, eine sedative Wirkung auf die ner- |
vösen Endorgane. Man beginnt die Massage an |
der unteren Partie des Unterschenkels und der Ge¬
schwüre, hierauf nähert man sich denselben succe-
sive, indem man überall Streichungen von unten I
nach oben in centripetaler Richtung ausführt. Diese
Manipulationen sollen an Intensität mögl ichst wechseln, j
ihre Dauer richtet sich nach dem Verhalten der
Haut in der Umgebung des Geschwüres. Im Be¬
reiche der Geschwürsränder werden diese Streich¬
ungen in derselben Weise ausgeführt. Man beginnt
am oberen Rande des Geschwüres, hierauf werden
die unterhalb des Geschwüres belegenen Abschnitte
der Unterschenkel-Oberfläche in ähnlicher Weise
massirt. Die Dauer einer jeden Sitzung beträgt
10 —15 Minuten; zuerst wird täglich je eine Sitzung
abgehalten, später im Verhältnisse zur Besserung
und Vernarbung der Wunde können die Intervalle
zwischen den Sitzungen grösser werden. Nach Ver¬
lauf einiger Sitzungen (2—6) verschwinden die
Schmerzen vollkommen; hierauf merkt man all-
mählig auch einen Nachlass der Reizung, endlich
beobachtet man ein schnelleres Vortreten der Ver¬
narbung, selbst vollständige Heilung wurde in den
vom Verfasser beobachteten Fällen innerhalb 13
Tagen bis 2 Monaten je nach der Ausdehnung des
Geschwürs constatirt. Mehrere Kranke brauchten
ihre Beschäftigung während der ganzen Dauer der
Behandlung nicht aufzugeben.
Anzeigen,
Ich lasse mich demnächst in Crefeld am Nieder¬
rhein als homöopathischer Arzt nieder.
Dr. Thom.
Dr. Putzar’s Sanatorium
Königsbrunn b. Königstein (sächs. Schweiz).
Wasserheil- und Kuranstalt.
Electro- und Mechanotherapie.
Kohlensäure - Bäder (Patent Lippert).
Diät- und Mastkuren.
Das ganze Jahr besucht. Mässige Preise.
Prospecte gratis.
Besitzer: Dr. med. Putzar.
Soeben erschien:
Die Heilung der
Lungenschwindsucht
durch homöopathische Arzneimittel
von Ad. Alf. Michaelis.
Preis 60 Pf.
Jeder aufmerksame Leser wird aus der ge-
sammten Darlegung schon den Eindruck erhalten,
dass es sich hier um ein wohldurohdachtes, auf
wissenschaftlicher Basis stehendes homöopathisches
Heilsystem handelt. _ . ... ~
Gegen Einsendung des Betrages in Briefmarken
zu beziehen durch
B. Michaelis Verlag, Leipzig-Reudnitz.
Frledr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
i anerkannter Güte, weiss und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 30 / 1 oder 12 j Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — bezw. Mk. 14.—.
Homöopathische Schriften
von '
Ad. Alf. Michaelis.
1. Die physiologischen und therapeutischen
Wirkungen des Jod und der Jodverbindungen. Eine
i Special-Arzneimittellehre zur Heilung vieler Krank-
l heiten. Preis 80 Pf.
{ 2 . Anweisung, die Hämorrhoiden durch homöo¬
pathische Arzneimittel gründlich und sicher zu
I heilen. Eine neue Methode zur Belehrung und
Selbsthilfe. Preis 50 Pf.
3. Die Verdauungsstörungen und ihre Heilung
durch homöopathische Mittel in neuer Methode
populär dargelegt. Eine Specialtherapie für Magen¬
kranke. Preis 1 M. 20 Pf.
4. Alltägliche Erkrankungsfälle. Eine all¬
gemeine homöopathische Therapie. Preis 1 M. 20 Pf.
Zu beziehen durch
R. Michaelis Verlag in Leipzig-Reudnitz,
Kohlgartenstrasse 45.
Digitized by
Google
112
Arnicapräparate.
Arnica-Tinctlir, grüne, einfach und doppelt stark.
Arnica-Spiritus, grün.
Arnica-Haaroel, grün und gelb
Arnica-Pomade,
( vorzüglich zur Förde¬
rung des Haarwuchses
und Beseitigung der
Schuppen.
Arnica-Wundpflaster, auf Seide, roth, weiss und
schwarz, heilt schneller als jedes andere Pflaster.
Arnica-Cerat, beste Wundverband- und Heilsalbe.
Amica-Soifo , vorzüglich zur Erzielung weicher
und geschmeidiger Haut, gegen aufgesprungene
Hände etc.
Diese Präparate werden in jedem gewünschten
Quantum verkauft und erfreuen sich allgemeiner
Beliebtheit und regelmässigen Gebrauches, wo sie
nur einmal versucht worden sind.
Leipzig, A. Marggrafs Homöopath. Officin.
Den Herren Aerzten empfehle sämmtliche Artikel
zur Krankenpflege:
Verbandstoffe,
ärztliche und sonstige Instrumente,
Instrumententaschen
und Wundverband-Apotheken
in allen Grössen, in bester Qualität und zu billigsten
Preisen.
Ausführliche, speciell chirurgische Preislisten werden
auf Verlangen gratis und franco verschickt.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
ReYisionsmässige Hausapotheken!
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt, wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift^Sehränkehen
und
Separanden^Sehränkehen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon hei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig Iackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
eurialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verßchliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefasse, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen imd Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thüren Bind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildem ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandenschränkchfen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschüd
Separanda versehen, eine Einrichtung flir 80 Flacons k 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weiss zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Fauna,
anerkanntes und vorzüglich bewährtes
Band warm mittel.
Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum,
direct von Natal in bester und frischester Qualität
importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus¬
gedehntesten Anwendung und Anerkennung von
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch¬
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen
Bandwurmmittel.
Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene
oder Kinder) Rmk. 2.—.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Sep&rsüdeü-Sohriak-
clien jetzt auch in einem Schrank vereinigt, vor-
räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist flir die Gifte und hat 4
Unterabtheiluügen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abge trennt auf bewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
| tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
I sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
| gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
1 4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M*
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julias Mäser in Leipeig.
Digitized by k^ooQie
Band 128.
Leipzig, den 12. April 1804.
No. 15 u. 16.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint Ut&gig zu 2 Bogen. lSDoppelmimmern bilden einen Band. Preis 10 Af. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Poetanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitung*-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein «fc Vogl er
in Leipzig und dessen F i 1 i a 1 e n oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Officln ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 13 Af. berechnet.
Inhalt. Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemann’s. — Einladung zur Ordentlichen General-Versammlung des
Vereins „Berliner Homöopathisches Krankenhaus“. — Jacob Kafka. Ein Lebensbild. Von Dr. Lorbacher. — Eigenes und
Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Dr. Ludwig Mertens, gest. 4. März 1B94. —
Lesefrüchte — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Zum 140. Geburtstage Samuel Hahnemann’s
(10. April 1894).
in einz’ger fester Punkt! Wie lang, wie lang
War dies das Sehnsuchtsziel der Therapeuten!
All, was ihr Denken, Meinen, Grübeln, Deuten
Ersonnen, fiel bald heim dem Untergang.
Und ob das Wissen Sieg auf Sieg errang,
Die Heilkunst konnte nichts für sich erbeuten;
Da ward sie zum Gespött den witz’gen Leuten —
Und treuen Aerzten ward es weh und bang.
Heil dem berufnen Meister! — Lasst sein Bild
Mit frischem Lorbeer heute uns umranken —
Dem Gott gesegnet Forschung und Gedanken.
Heil ihm, der das Geheimniss uns enthüllt,
Der das Gesetz entdeckt, das, treu erfüllt,
Heilung verheisst dem Erdenkind, dem kranken!
Dr. M.
Digitized by L^OOQie
114
Einladung
zur
Ordentlichen General^Versammlung
des
Vereins „Berliner Homöopathisches Krankenhaus“
auf Sonnabend, den 28. April 1894, Abends 8 Uhr in der Poliklinik des Berliner Vereines
Homöopathischer Aerzte zu Berlin, Charlottenstrasse 77.
Tagesordnung:
1. Vorlegung des Jahresberichtes pro 1893.
2. Antrag auf Ertheilung der Decharge an das Curatorium.
3. Besprechung verschiedener Grundstückofferten.
Berlin, den 8. Apni 1894. Das Curatorium.
Jacob Kafka.
Ein Lebensbild.
Wenn aus einem Kreise Einer geschieden ist,
den man mit einem gewissen Stolze zu seinen Mit¬
gliedern zählte, wenn Einer, der mit uns für eine
grosse, heilige Sache gekämpft und gearbeitet hat,
und auf den man als einen Führer hinzublicken,
den man als eine Säule zu betrachten gewohnt war,
nicht mehr an seinem Werkplatze steht, dann ist
es uns Bedürfniss, sein Bild uns noch einmal fest
einzuprägen, seinen äusseren wie inneren Lebens¬
gang noch einmal an uns vorübergehen zu lassen,
um dadurch uns zu weiterer Arbeit in seinem Sinne
zu stärken. Ein solcher Mann war der im April v. J.
heimgegangene College Jacob Kafka in Prag.
Sein äusserer Lebensgang, welcher für uns in
soweit in Betracht kommt, als er auf seine innere
Entwickelung, seinen medicinischen Standpunkt von
Einfluss gewesen ist, war kurz folgender. Geboren
am 27. December 1809 als Sohn eines Kaufmanns
in Wodnian, wuchs er nebst seinen 9 Geschwistern
in den glücklichsten Verhältnissen auf. Doch kaum
hatte er die unteren Gymnasialklassen durchgemacht,
als sein Vater durch den hereinbrechenden öster¬
reichischen Staatsbankerott beinahe sein ganzes
Vermögen verlor. Er war deshalb genöthigt, durch
Stundengeben die Mittel zur Beendigung seines
Gymnasial-Cursus sich zu erwerben. Nach Absol-
virung desselben bezog er die Universität Prag,
und nach Ablauf eines Jahres siedelte er nach
Wien über. Dort vollendete er sein medicinisches Stu¬
dium und wurde im Jahre 1836 zum Doctor der Me-
dicin promovirt. Trotz der vielfachen Entbehrungen,
die er sich auflegen musste, um an sein Ziel zu
gelangen, ging er doch ungebrochen aus dem
Kampfe mit der Notb des Lebens hervor. Im Ge-
gentheil, die ihm von Haus aus eigene Energie
hatte einen Zuwachs erhalten. Im Kreise seiner
Familie sprach er oft von dieser Zeit und es be¬
währte sich an ihm die oft gemachte Erfahrung,
dass das Schwere und die Härte einer solchen bald
vergessen wird, und nur der Gewinn, den sie uns
gebracht hat, im Gedächtnisse bleibt.
Ausgerüstet mit den nöthigen Kenntnissen be¬
gann er im Jahre 1836 mit gutem Mutbe seine
praktische Tbätigkeit in der Stadt Mellnick in
Böhmen. Es gelang ihm auch bald, sich dort eine
Klientel zu erwerben, welche immer mehr an Aus¬
breitung gewann, sodass er während seiner lOjäli-
rigen Wirksamkeit an diesem Orte sich den Ruf
eines tüchtigen Arztes erworben hatte. Im Jahre
1839 gründete er durch seine Verheirathung einen
Hausstand. Jedoch konnte ihn alles dies nicht abhalten,
im Jahre 1846 nach Prag überzusiedeln. Die
praktischen Erfolge genügten ihm nicht. Er hatte
das unermüdliche Streben, sich immer weiter zu
bilden, und namentlich mit den Fortschritten der
wissenschaftlichen Medicin auf dem Gebiete der
Pathologie sich auf dem Laufenden zu erhalten.
Und dazu war Prag der geeignetste Ort. Dort
hatten sich damals eine Anzahl tüchtiger, jüngerer
Kräfte zusammengefunden, welche von der Ueber-
zeugung durchdrungen waren, dass es nur auf dem
Wege des Experiments und der gründlichen ana¬
tomisch-pathologischen Untersuchung, wie sie von
Rokitanski angeregt und cultivirt war, möglich
sei, diesem Zweige der medicinischen Wissenschaft
Digitized by ^.ooQle
116
die nöthige feste Grundlage zu geben, wie Hahne-
mann dies auf dem Gebiete der Therapie gethan.
Ich will hier nur die Namen Hammernick und
Oppolzer nennen. Hier erst fand er Befriedigung
fiir seinen Wissensdrang und war im Stande, die
Fortschritte und neuen Entdeckungen auf dem Ge¬
biete der wissenschaftlichen Pathologie zu verfolgen.
Die praktischen Erfolge allein genügten ihm nicht.
Er musste auch wissenschaftlich sie begründen und
sich erklären können.
In Prag gelang es ihm bald in Folge des
Eifers und „der Energie, mit welchen er 6eine
Praxis betrieb, sich eine gute Klientel zu erwerben.
Mit Vergnügen erzählte er im Kreise seiner Fa¬
milie, dass er im Jahre 1848 manchmal über die Barri¬
kaden geklettert sei, um zu seinen Patienten zu
gelangen.
Im Jahre 1849 — 50 wurde er durch einen ehe¬
maligen Studiengenosseu, Dr. Lury, einem renom-
mirten homöopathischen Arzt in Brünn, auf die
Homöopathie aufmerksam gemacht und zu Ver¬
suchen mit derselben angeregt. Eine damals in
Prag herrschende schwere Croupepidemie gab ihm
Gelegenheit, die homöopathischen Mittel zu ver¬
suchen. Die guten Erfolge, welche er dadurch er¬
zielte, überzeugten ihn bald von der Vorzüglichkeit
dieser neuen Heilmethode, und nachdem er sie noch
weiter geprüft, entschied er sich voll und ganz
für dieselbe und wurde von nun an einer der eif¬
rigsten Anhänger und Vertreter derselben. Doch
liess er sich durch die ersten frappanten Erfolge
nicht hinreissen, sondern prüfte und studierte ein
ganzes Jahr lang, ehe er sich öffentlich und ent¬
schieden für die Homöopathie erklärte, um ihr sein
ganzes Leben lang treu zu bleiben, sie zu fördern
und sie zu vertheidigen. Möchte er in dieser Be¬
ziehung allen den jungen Aerzten, welche sich
dieser Heilmethode zuwenden wollen, und von
denen die Meisten meinen, dass ein 6—8 wöchent¬
liches Studium und der Besuch einer homöopa¬
thischen Poliklinik genüge, um als firme homöopa¬
thische Aerzte auftreten zu können, als Beispiel
dienen. Die Flüchte seines ernsten Studiums
blieben auch nicht aus. Seine glänzenden Erfolge
machten ihn bald zu einem gesuchten Arzte.
Die wöchentlichen, abwechselnd in der Wohnung
der einzelnen homöopathischen Aerzte abgehaltenen
Zusammenkünfte wurden durch ihn wesentlich belebt,
und wirkten durch Austausch praktischer Erfahrung
und Besprechung theoretischer Themata anregend
und befruchtend auf jeden Theilnebmer. Wie dies
auch nicht anders sein konnte, wenn Männer, wie
ein Hirsch , Altschnl , Schalter , Teller , Seegen sen.
und jun., Hoffrichter und Andere sich vereinigten.
Man kann diese Zeit ohne Uebertreibung als die
Glanzperiode der Homöopathie in Prag bezeichnen.
I In dieser Zeit war es auch, wo zwischen Kafka und
| dem damals in Prag lehrenden berühmten Chirurgen
I v. Pitha ein engeres freundschaftliches, für das
Leben ausdauerndes Verhältniss sich entspann.
Ueberhaupt war es stets sein Bestreben, mit den
Aerzten anderer Richtung auf einem anständigen
Fusse zu stehen.
Doch zeigte er auch, dass er den Kampf nicht
scheute, und wo es galt, unberechtigte Angriffe
zurückzuweisen, die Waffen zu brauchen verstand.
Im Jahre 1857 hatte der damalige Redakteur der
„Wien, medicinischen Wochenschrift,“ Wittelshoefer,
es unternommen, in einigen Artikeln die Lehren
Hahnemann’s herabzusetzen und lächerlich zu machen.
Sofort trat Kafka in die Schranken und wies in
der Wiener „Presse“ diese Angriffe mit Ent¬
schiedenheit und Glück zurück. Diese Polemik
machte damals viel Aufsehen und machte seinen
Namen weit und breit bekannt. So konnte es
nicht fehlen, dass seine Klientel immer mehr wuchs,
und er in schweren Fällen oft in weite Ferne, nach
Ungarn, Galizien, Polen berufen wurde. Damit
mehrte sich auch der Schatz seiner Erfahrungen,
welche er jedoch nicht, wie wir es leider bei einer ganzen
Anzahl unserer beschäftigten Praktiker erlebt haben,
für sich behielt, sondern zum Nutz und Frommen
unserer Sache, sowie seiner Collegen, der Oeffentlich-
keit übergab. Davon zeugen die vielfachen Arbeiten
von ihm in der „Allg. Hom. Ztg.,“ in Hirschers
„Neuer Zeitschrift für die homöopathische Klinik“
j und Alt8chul’s „Monatsschrift“. Viele derselben können
heute noch als Muster von Krankengeschichten
gelten, namentlich in Bezug auf die Homöopathi-
cität der angewandten Mittel, welche er niemals
nachzuweisen unterliess. Dabei vernachlässigte er
aber durchaus nicht die Diagnose, sondern war
stets bestrebt, mit Hilfe aller ihm zu Gebote
steihenden Untersuchungsmethoden dieselbe möglichst
klar und scharf zu stellen, so dass der von un¬
seren Gegnern uns oft gemachte Vorwurf, dass wir
es damit nicht genau genug nähmen, ihm gegen¬
über wenigstens keine Geltung hat. Wir glauben
kaum, dass ein klinischer Professor seinen Schülern
etwas Ueberzeugenderes hätte vortragen können.
Es wäre nur zu wünschen gewesen, dass er
Gelegenheit gehabt hätte, das ihm unzweifelhaft
innewohnende Lehrtalent zu verwerthen. Denn
das, was den Lehrer macht, ein auf Studium und
praktische Erfahrung gegründetes reiches Wissen,
verbunden mit Klarheit und logischer Schärfe, kann
ihm Niemand absprechen.
Doch blieb er nicht unthätig bei Veröffentlichung
seiner klinischen Erfahrungen, sondern als ihm im
1 Anfang der 60 er Jahre von der Eupel’sehen Ver-
' lagsbuchhandhmg in Sondershausen der Antrag auf
Abfassung einer homöopathischen Therapie gestellt
15*
Digitized by
Google
116
wurde, ergriff er diese Gelegenheit, um in einem
grösseren wissenschaftlichen Werke den reichen
Schatz derselben seinen speciellen Collegen zu¬
gänglich zu machen und auch den anders denken¬
den Aerzten Gelegenheit zu geben, durch eigene
Versuche sich die Ueberzeugung von der Wahrheit
des Similia Similibus zu verschaffen und zugleich
davon, dass die homöopathische Therapie sich sehr
gut mit der wissenschaftlichen Medicin vertrage.
Das Letztere veranlasste ihn auch,, sein Werk
„Homöopathische Therapie auf Grundlage der physio¬
logischen Schule u zu betiteln. Es ist ihm von
Seiten strenger homöopathischer Aerzte der Vor¬
wurf gemacht worden, dass er in diesem Punkte
ein zu grosses Entgegenkommen gezeigt und die
Homöopathie gewissennassen zu einem Anhängsel
der physiologischen Schule gemacht habe. Doch
kann sich jeder durch eigenes Studium überzeugen,
dass er den homöopathischen Standpunkt stets fest¬
hält und in den wenigen Fällen, in denen er da¬
von abweicht, seine Handlungsweise hinlänglich
motivirt. Dass es ihm ebensowenig wie anderen,
welche gleiche Versuche gemacht haben, nicht ge¬
lungen, die zwischen alter und neuer Schule vor¬
handene Kluft zu überbrücken, liegt daran, dass
principielle Verschiedenheiten sich eben nicht aus-
gleichen lassen.
Auf eine nähere Besprechung dieses seines
Hauptwerkes einzugehen ist hier weder Ort noch
Zeit. Ich verweise in dieser Beziehung auf meine I
Besprechung desselben in Bd. 79 (von 1869) j
Nr. 14—20 Fol. 110 u. folg, der „Allgem. Hom.
Ztg.,“ in welcher ich ganz offen auch die meiner I
Ansicht nach schwachen Seiten desselben hervor- 1
gehoben habe. Ich kann es mir jedoch nicht ver- I
sagen, es hier auszusprechen, dass er sich damit j
ein Verdienst um unsere Sache erworben, und zu
bedauern, dass es unter den homöopathischen I
Aerzten doch nicht die Anerkennung und Benutzung *
gefunden hat, die es verdiente. Bedenken wir I
dazu noch, dass er die Zeit zu dieser Arbeit ge-
wissermassen sich abstehlen musste, da er daneben
noch seine ausgebreitete Praxis besorgen musste,
so können wir nicht umhin, seinen eisernen Fleiss
zu bewundern. Er benutzte dazu die frühen
Morgenstunden. Die Gründlichkeit, mit der er
arbeitete, beweist der Umstand, dass er zur Voll¬
endung seines Werkes 4 Jahre (1865—1869)
brauchte. Dasselbe wurde sogar der Kaiserlichen
Privatbibliothek einverleibt, sowie dem Ungarischen
Ministerium vorgelegt und hat wahrscheinlich den
Entschluss, an der Budapester Universität einen
Lehrstuhl für Homöopathie zu errichten, mit zur
Reife gebracht.
Es erübrigt uns noch, ihm auf ein anderes Feld
seiner unermüdlichen Thätigkeit zu folgen: den
homöopathischen Central verein. Vom Jahre 1855 ab,
wo er der ersten, zahlreich besuchten Versammlung
in Wien beiwohnte, bis zu seinem Austritte im
Jahre 1877, hat er beinahe keine Versammlung
versäumt, beinahe regelmässig durch einen ge¬
diegenen wissenschaftlichen oder praktischen Vor¬
trag seine active Theilnahme bethätigt. Sein Amt
als Preisrichter bei den s. Z. vom Centralverein
gestellten Preisaufgaben, wozu ihn das Vertrauen
der Mitglieder berufen hatte, verwaltete er mit der
I ihm eigentümlichen Gewissenhaftigkeit und Un¬
parteilichkeit. Wenn er auch zuweilen durch all-
| zu hohe Anforderungen und einen etwas zu stark
zu Tage tretenden Formalismus den Aerzten die
Lust zur Preisbewerbung verleidete, so zeugten
I doch seine Gutachten nach Form wie Inhalt von
1 dem Emst, mit dem er seines Amtes waltete. Die
von ihm bis an sein Lebensende festgehaltenen
Ideen, durch mit Hilfe des Centralvereins ins
Leben gerufene Vorlesungen über Homöopathie
in seiner Universitätsstadt Propaganda für unsere
Sache zu machen, erwies sich als unausführbar,
spricht aber dafür, dass er auf Förderung der¬
selben stets bedacht war.
Im Jahre 1877 sah er sich zum Bedauern
der meisten Central Vereinsmitglieder durch einen
beklagenswerthen, durch gegenseitige Verbitterung
und Reizbarkeit hervorgerufenen Conflict veranlasst,
aus dem Central verein auszuscheiden. Doch war
damit sein Interesse für unser Vereinsleben nicht
erloschen. Dies bewies er durch öfteren Besuch
der Versammlungen des Sächsisch-Anhaitinischen
Vereins und seine Theilnahme an den von ihm an¬
geregten und durch kleine Vorträge eingeleiteten
Discussionen. Dabei zeigte er trotz seines hohen
Alters und der überstandenen Reisestrapazen noch
eine beinahe jugendliche Frische. Im Jahre 1889
von der Central Vereins-Versammlung in Cöln a|Rh.
zum Vorsitzenden der wissenschaftlichen Sitzung
der 1890 er Versammlung in Dresden erwählt, trat
er wieder ein. Leider wurde die Freude, ihn wie¬
der in unserer Mitte zu sehen, durch eine in seiner
Antrittsrede gefallene Aeusserung etwas getrübt
Schliesslich sei noch seiner Thätigkeit als Redac»
teur der,,Allg.Hom.Ztg.“gedacht. Er übernahm die¬
selbe nach dem Tode des ihm sehr befreundeten
Dr. Veit Meyer im Jahre 1872, und zwar in einem
durch Meyer’s längere Krankheit hervorgerufenen,
etwas heruntergekommenen Zustande. Eine leere
Redactionsmappe und die auf ein Minimum redu-
cirte Zahl der Mitarbeiter schreckten ihn jedoch
nicht ab. Er versuchte zunächst, durch eigene
Arbeiten das Blatt wieder zu heben und neue
Mitarbeiter zu gewinnen. Allein er musste zu der
Einsicht kommen, dass die Leitung eines solchen
Blattes bei einer ausgebreiteten Praxis wie die
Digitized by ^ooQie
peinige war, nicht möglich ist. Dazu kamen noch
verschiedene äussere Unannehmlichkeiten, welche
keinem Redacteur erspart bleiben, und schliesslich
wurde noch von einer Seite darauf hingewiesen,
dass nach dem deutschen Pressgesetze der Redac¬
teur einer *in Deutschland erscheinenden Zeitschrift
seinen Wohnsitz im Inland haben müsse. Um auch
in diesem Punkte allen Weiterungen aus dem
Wege zu gehen, legte er mit Schluss des Jahres
1876 die Redaction nieder. Doch stellte er damit
seine literarische Thätigkeit nicht ein, wie eine,
allerdings nach einer längeren Pause, in der ,,Allg.
Hom. Ztg.“ erschienene Reihe von instructiven Auf¬
sätzen beweist. Wie er auch in seinem hohen
Alter noch immer darauf bedacht war, die Homöo¬
pathie auch nach aussen hin zu fordern, dafür
spricht die Porges’sche Stiftung, welche wir in
erster Reihe seinen Bemühungen verdanken.
Von den äusseren Erlebnissen in seinen letzten
Lebensjahren ist noch zu erwähnen ein freudiges:
die im Jahre 1886 erfolgte Feier seines 50jährigen
Doctorjubiläums. Zahlreiche Ehrungen und Be¬
weise der Hochachtung, Dankbarkeit und Liebe
von Seiten seiner Collegen, der Prager Universität
und des Doctorencollegiums und des homöopathi¬
schen Centralvereins, sowie aus seiner weitverbreite¬
ten Klientel machten diesen Tag zu einem der
schönsten seines Lebens. Neben den äusseren
Ehrenbezeugungen ist aber jedenfalls die innere
Befriedigung, mit der er auf eine 50 jährige, segens¬
reiche Wirksamkeit zurückblicken konnte, sein
schönster Lohn gewesen. Doch blieb ihm auch
das Leid nicht erspart. Im Jahre 1887 trennte
der Tod seiner Gattin das Jahre lang bestehende
Band einer innigen Lebensgemeinschaft, und war
er verurtheilt, seine letzten Lebensjahre in einer
gewissen Vereinsamung hinzubringen, da er keines
seiner Kinder um sich hatte. Es war für ihn stets
die angenehmste Zeit, wenn sein Sohn, unser
College, der Badearzt in Carlsbad, Dr. Theodor
Kafka, im Winter mit seiner Familie einige Wochen
in Prag bei ihm verlebte.
Trotz seines hohen Alters war er nicht zu be¬
wegen, seine Praxis ganz aufzugeben, sondern war
stets bereit, bis an sein Lebensende Kranken
seinen Rath zu ertheilen, soweit es seine Kräfte
erlaubten. Er hat an seiner Person den Beweis
geliefert, dass die Arbeit das beste Mittel ist, den
Menschen geistig relativ frisch zu erhalten. Mit
Vergnügen gedenke ich noch der letzten Versamm¬
lung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins in Dresden,
an der er theilnahm Am Morgen von Prag ah-
gereist und Mittags in Dresden angekommen, hielt
er uns einen Vortrag über die Cheyne-Stoke’sche
•Athmungserscbeinung, nahm an dem Diner Theil
'und ging am Abend noch in das Theater. Diese,
sowie die Theilnahme an der Versammlung des
Centralvereins in Dresden 1890 sind für einen im
Anfang der 8Oger Jahre stehenden Mann doch
ganz respektable Leistungen. Aus seinen Briefen,
die er in der Porges’sehen Stiftungsangelegenheit
noch in seinem letzten Lebensjahre an mich richtete,
i sprach immer noch ein warmes Interesse für unsere
1 Sache. Erst sein in Folge von Schwäche nach
einer überstandenen heftigen Bronchitis am 80. April
1893 erfolgter Tod machte seinem thatenreichen
Leben ein Ende. Seine Familie verlor in ihm den
treusorgenden Vater und das würdige Oberhaupt,
unsere Sache einen ihrer ersten und bedeutendsten
Vorkämpfer und Förderer in wissenschaftlicher Be¬
ziehung, und seine Freunde einen treuen Freund,
was ich, der ich mit kurzer Unterbrechung eine
Reihe von Jahren in freundschaftlicher Beziehung
zu ihm gestanden habe, am besten bezeugen kann.
Ich hielt es desshalb auch für meine Pflicht, ihm
diesen Denkstein zu setzen. Dass er als Mensch
auch seine Fehler und Schwächen hatte, soll damit
j durchaus nicht in Abrede gestellt werden. Doch
vermindert dies den Werth dessen, was er für
unsere Sache geleistet, nicht und kommt desswegen
hier auch nicht in Betracht. Er hat uns gezeigt,
dass man ein wissenschaftlicher Arzt und zugleich
ein überzeugungstreuer Homöopath sein kann. Diese
Ueberzeugung namentlich den jüngeren Aerzten,
welche aus der alten Schule zu uns herüberkommen,
j beizubringen, ist ein Hauptzweck dieser Veröffent¬
lichung, und würde dieser nur annähernd erreicht,
so würde dies der schönste Lohn für meine Arbeit
sein. Dr. Lorbaoher.
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Heaae-H&mbnrg.
(Fortsetzung.)
| H.: K., 25 Jahre alt, Schuhmacher, ist seit
6 Wochen arbeitsunfähig. Seine Klagen sind:
Stiche in der Hei'zgegend;
Schwindel, Uebelbefinden, schlimmer Vonnittags;
Von 4 Uhr früh an kein Schlaf;
Kopfschmerz, besser Nachmittags und Abends ;
i Stuhlverstopfung;
j Das ganze Befinden Abends besser.
29. November 1892. Natr. mur. X. jeden
zweiten Abend.
12. December. Nur noch etwas Stiche, sonst gut;
I Verstopfung, Uebelkeit, Schwindel, Kopfschmerz sind
I gehoben. Bemerkenswerthe Besserung trat mit dem
dritten Pulver ein. Patient arbeitet wieder. 1
j H^: H., Landmann in B., 32 Jahre alt, klagt,
seit 8 Tagen, über Schmerzen in und über dem
Digitized by
Google
118
rechten Auge . Der Schmerz ist beim Erwachen schon
da, verschlimmert sich gegen 0 Uhr und dauert bis
in den Nachmittag hinein. Er ist so heftig, dass
Pationt das Bett hüten muss.
5. Oct. 1892 Natr. mur. X. jeden Abend.
Im Januar 1893 hörte ich, dass znr Beseitigung
des Schmerzes nur drei Pulver nöthig waren.
Seine Frau, 36 Jahre alt, Gravida, in meiner
Behandlung wegen Krampfadern, klägt über Reissen
in der Unken Gesichtshälfte, schlimmei' von 9 oder
iO Uhr Vormittags bis in den Nachmittag , Abends
besser .
Appetit nicht gut, Abends Durst.
21. Dec. 1892 Nafcr. mur. X. jeden Abend.
21. Jan. 1893 Kopf damals sofort besser.
H. : Frl. F. aus B., 34 Jahre alt, consultirte
mich wegen Kahlköpfigkeit, die vor Jahren mit Aus¬
fallen der Haare an kleinen Stellen begonnen hatte.
Auch die Augenbrauen lichten sich. Als die Per¬
rücke entfernt wird, zeigt sich der Kopf fast ganz
kahl und glänzend, wie eine Billardkugel.
Nur spärliche Rudera von Haaren sind hier und
•ida sichtbar. Was an Haaren nachwächst, fallt
wieder aus.
10. Juni 1991 bis 24. Sept. wurde Phosphor.,
Kali oarb. und Lycopod. gegeben ohne Einwirkung, am
24. Nov. 1891 Natr. mur. X. wöchentlich ein
Pulver.
11. Jan. 1892. Die Haare werden dichterund
länger und gehen nicht mehr so aus.
Trotzdem dies die erste günstige Nachricht war, j
hielt ich das Ganze für Zufall, verordne Petrol, j
ohne Erfolg.
I. März 1892 und 6. April wieder Natr. mur., j
diesmal 200. !
Am 24. Mai 1892 zeigte sich die Patientin wieder |
einmal selbst und präsentirt einen ganz anständigen
Haarwuchs, einige Stellen am Hinterkopf ausge¬
nommen.
Die Patientin merkt die fortschreitende Besse¬
rung, braucht keine Perrücke mehr und verzichtet
auf weitere Behandlung.
Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich den
Fall meinerseits ohne Hoffnung übernommen hatte.
Ich war selbst erstaunt über diese günstige Ver- |
Änderung, die ich dem Kochsalz zuschreiben muss:
Erstens muss ich annehmen, dass eine der ge¬
gebenen Arzneien den Anstoss zur Besserung ge- i
geben hat; warum sollte der Zustand, der vier i
Jahre lang ohne jegliches Anzeichen der Besserung
gedauert hatte, gerade in den Monaten der Be¬
handlung in spontane Besserung übergehen?
Zweitens zeigte sich die erste günstige Verän- !
derung bei Natr. mur. und schritt bei derselben I
Arznei voran.
Da keine weiteren Symptome Vorlagen, wählte
ich unter den Mitteln, die von Boenninghauscn für
Haarausfallen in die erste Reihe stellt.
H.: Frl. M., 19 Jahre alt, aus H., klagt seit
langer Zeit über stetes Räuspern mit Versagen der
Stimme; die Stimme wird durch Räuspern besser.
Verschlimmerung bei Erkältung, Aufregung und
des Morgens.
Sonstige Beschwerden:
Kopfschmerz ,
Schlaffheit und Schläfrigkeit ,
Träume beim lAnkslzegen ,
Gegen Abend tritt bedeutende Besserung des
Halses und des ganzen Zustandes ein .
17. Mai 1891 Natr. mur. X. jeden dritten Abend.
5. Juni. Die bleichsüchtigen Beschwerden sind
gebessert, die Stimme ist dieselbe. Natr. mur. 6. Tri-
tur. Morgens und Abends.
26. Juli gutes Befinden in jeder Beziehung.
Die anhaltende Besserung wird mir später be¬
stätigt.
H.: Frau W. aus H., 36 Jahre alt, bringt fol¬
gende Beschwerden vor:
Kopfschmerz, bald rechts- bald linksseitig, sddim -
■mei' Mittags , besser Abends .
Appetit- und Durstlosigkeit, Verstopfung.
Gedunsenes Gesicht
Herzklopfen beim Linksliegen , übelriechemler
Fluor.
Brennen in der Brust:
12. Juni 1892 Natr. mur. X. jeden dritten
Abend.
5. Juli Appetit und Kopfschmerz wesentlich ge¬
bessert.
Scheinpulver.
24. Juli. Alles gut (Fluor noch etwas), sie
kann arbeiten und links liegen.
Im Anschlüsse an diese letzte Bemerkung füge
ich bei, dass eine gründliche Heilung nur dann an¬
zunehmen ist, wenn die Gemüthsstimmung eine
gute geworden, wenn ferner ein Unterschied zwi¬
schen guten und schlimmen Zeiten nicht mehr ge¬
merkt werden kann, wenn endlich eine vorher be¬
merkte Empfindlichkeit gegen irgend welche Ein¬
flüsse, Gemüthsbewegung, Witterung, gewisse
Speisen und Getränke, gegen irgend eine Lage,
nicht mehr vorhanden ist.
H.: Frau B., 36 Jahre alt, aus St., hat seit
6 Monaten Schwellung und Schmerz im rechten
Hand- und linken Kniegelenk.
Das Allgemeinbefinden und die Lokal-Erschei¬
nungen sind schlimmer Vormittags ; Nachmittags und
Abends kann sie auf dem Felde arbeiten.
Seit langer Zeit trockner Husten und 5—6
wässerige Stühle am Tage.
13. Mai Natr. mur. X. jeden Abend 2 Tropfen,
3. Juni Schwellung und Schmerz in beiden Ge-
Digitized by
Google
m
lenken weniger; sie kann jetzt des Vormittags
schon auf’s Feld.
Stuhl 2 — 3 mal täglich. Fortsetzung.
28. Juni. Alles bedeutend 1 besser. Die Patientin
zeigte sich nicht mehr.
Dr. Waggoner in Kansas City:
Gegen Ende September kam N. R., ein nied¬
liches, zart gebautes ISjähriges Mädchen, mit einem
Gesicht wie Milch und Blut, zu mir.
Sie hatte den ganzen Sommer gekränkelt,
konnte höchstens zwei Tage nach einander die
Schule besuchen: Die Schule machte ihr solche Kopf -
schmerzen.
Anfalleweise Weinen und Melancholie.
Kopfschmerz fast beständig , Klopfen wie mit
Hämmern, schlimmer in der Sonne und im warmen
Zimmer.
Wenig oder gar kein Appetit, starker Durst.
Verlangen nach Salz und salzigen Sachen.
Abwechselnd Fieber und Frösteln , den Rücken
auf - und ablaufend.
Zeitweilig ausserordentlich müde und hinfällig *
Ich gab ein Pulver Natr. mur. Hochpotenz.
Seit dem Pulver ist die Kleine gesund.
(Der Schulkopfschmerz findet sich am häufigsten
bei Sepia und Natr. mur. Auch Calc. carb. wird
genannt; ist von mir weniger beobachtet worden;
Nitr. acid. hat, seiner Verschlimmerung durch Hut¬
druck nach von Boenninghausen entsprechend, ein
merkwürdiges Symptom:
„Das Schulkind bekommt sofort Kopffcehmerzen,
wenn es den Hut auföezt.“
Das Verlangen nach salzigen Sachen ist von
v. Boenninghausen auch in der vervollständigten
englisohen Ausgabe von T. F. Allen bei Natr. mur.
nicht erwähnt, ist aber genügend constatirt. H.)
Dr. Tomhagen in Burnside:
Frau R. H., 21 Jahre alt, leidet seit einem
Jahre an Fieber und hat viel Chinin genommen.
Frost von ti> Uhr Vormittags bis l Uhr Mittags.
Hitze von da an bis Abends.
Kein Schweiss.
Schmerzen in Knieen und Hüften vor dem
Frost.
Viel Durst beim Frost; das getrunkene Wasser
wird erbrochen.
Gegen Ende des Frostes bittres Erbrechen.
Bei der Hitze kein Durst.
Schmerz im Hinterkopf bei der Hitze.
Der Frost beginnt in Händen und Füssen.
Appetit gut.
Abwärtsdrängen im Leib beim Heben.
Kreuzschmerzen, als* ob das Kreuz breohen
wollte.
Ich gab am 21. April 1889* nach der Hitze
Natr. mur.
Hochpotenz in wässeriger Lösung.
5. Mai bedeutend besser. Scheinpulver.
24. Mai fortschreitende Besserung.
16. Juni fühlt sich so wohl, wie jemals.
Die Heilung hielt Stand:
Es folgen einige Arsen.-Fälle:
H.: Der 40jährige Tapezierer H. leidet seit der
Influenza vor einem Jahre an Husten,
schlimmer Nachts, besonders Naohmitternacht
1 Uhr beginnend, schlimmer im Nordostwind,
kurzluftig vor und nach den Hüstenanfällen ,
schaumiger Auswurf, der erleichtert, ebenso
bessert Heissicassertrmken •.
Seit 14 Tagen kann er die Nächte nicht im
Bett zubringen, sondern muss auf dem Sopha, mit
dem Kopf hoch , liegen.
Die Untersuchung ergiebt Rasselgeräusche in
den nntern Lungenpartien beiderseits*
7. Mai 1891 Arsen. X. jeden Abend.
7. Juni. Mit dem Einnehmen allmählige Besse¬
rung. Er musste nur noch zweimal aus dem Bett,
kann mit dem Kopf tief liegen.
Der Husten kommt einmal Nachts zu unregel¬
mässigen Zeiten.
Kein Auswurf.
Untersuchung normal.
H.: Frau V., 33 Jahre alt, aus S., hat seit
Pneumonie vor acht Monaten Asthmaanfällt, schlim¬
mer um Mitternacht.
Sie muss Nachts stundenlang auf sitzen, über¬
haupt mit dem Kopf hoch liegen:
Wenn sie Schleim herausbringt , ist' es besser.
Sehr troohner Mund.
Die Untersuchung ergiebt einen über beide
Lungen verbreiteten Katarrh* mit spärlichem, zähem
Schleim.
Die Kranke hatte von mir am IT. Juli 1898:
Lachesis bekommen ohne Erfblg auf ein ungenaues
Krankheitsbild hin:
Am 25. Juli konnte ich letzteres vervollstän¬
digen und verordnet© Arsen. 200. für die nächsten
drei Abende.
8. Aug. Die Nächte sofort ruhig ohne Anfälle.
Kurzluftigkeit* besser.
Untersuchung fast normal, Scheinpulver.
H.: Meta R., 3 Jahre alt, aus F., hat seit
8 Tagen:
Schluokauf, Uebelkeit, Erbrechen.
Mund sehr trocken, trinkt sehr oft, jedesmal
wenig.
Appetit schlecht, Abneigung gegen Fett und Süss.
Von i Uhr Nachts an Verschlimmerung des Zu¬
standes.
Im Bett sucht sie höhere Lage des Kopfed
Etwas ikterisohe Färbung dbr Haut und der
! Sclera.
Digitized by ^.ooQle
120
Hitze, wenn eie ins Bett kommt.
Vor dem Erbrechen matt und heisse Backen,
nach dem Erbrechen eher besser.
Ein schönes und deutliches Arsen-Bild.
28. Dec. 1891 Arsen. 200. Morgens und Abends.
80. Dec. Sofort die erste Nacht ruhig geschlafen.
Erbrechen war nur noch einmal da.
Appetit gut, kein Durst.
Das gute Befinden hält an.
Dr. Mc Neil in San Francisco:
Senile Hypertrophie der Prostata. Diese Dia¬
gnose hatten der behandelnde Arzt und der als
Consiliarius zugezogene Professor gestellt. Ich
untersuchte den Kranken nicht weiter, in dem Ge¬
danken, ihm doch nicht viel nützen zu können.
Im Sommer 1883 wurde ich zu einem Mulatten
gerufen, der, 57 Jahre alt, Tag und Nacht im
Sessel sitzend znbrachte, da Athemnoth ihn am
Jsiegen hinderte.
Ziemlich bedeutender Hydrops.
Urin seit vier Wochen nur durch Katheter.
Viel Durst, aber Erbrechen des Getrunkenen.
Patient ist unruhig und ängstlieh, schläft wenig
und ist sehr schwach.
Ich gab Arsen. X. in wässeriger Lösung 24
Stunden lang, dann Scheinarznei.
Besserung setzte sofort ein und, so lange diese
fortschritt, wurde keine Arznei gegeben; einmal,
bei Stillstand derselben, ein Pulver Arsen, in höherer
Potenz.
Allmählich verschwand zunächst der Hydrops,
dann die Athemnoth. Der Urin kam ohne Katheter.
Ich behielt den Kranken im Auge, bis er wieder
zu seiner Beschäftigung zurückkehren konnte.
Dr. Fulton von Montreal:
Am 21. Mai 1889 übernahm ich einen elf¬
jährigen Knaben aus anderer Behandlung.
Er litt an Rheumatismus und Endocardids.
Ich fand ihn im Bett aufrecht sitzend wegen
Athemnoth:
Schmerzen in der Herzgegend, viel schlimmer
Nachts.
Seit Monaten muss seine Mutter wohl zwanzig-
mal aus dem Bett, um ihm heisse Tücher um die
Brust zu legen, was lindert.
Er ist schwer im Bett zu halten.
Eine Gabe Arsen. Hochpotenz.
Schon nach 24 Stunden waren seine Beschwer¬
den bedeutend erleichtert. In relativ kurzer Zeit
konnte er sich auf der Strasse lierumtreiben.
Weitere Arznei war nicht nothwendig.
Sechs Jahre früher hatte ich einen ähnlichen
Fall bei einem 12jährigen Mädchen.
Ausser höchster Athemnoth , Herzklopfen und
Herzschmerzen war grosse Schwäche und Hydrops
vorhanden.
Ebne Gabe Arsen. 200. vollendete die Heilung
in 10 Tagen.
Die Athemnoth verschwand in 10 Minuten nach
dem Einnehmen des Pulvers.
Dr. Adamy in Toronto:
Frau C., eine gut genährte 40jährige Dame,
konnte sich nach ihrem Typhus nicht wieder erholen.
Vier Wochen, nachdem sie das Bett verlassen,
bekam sie Schmerzen in den Füssen und Zehen.
Der zweite und dritte Zehe an jedem Fusee, nament¬
lich rechtsseitig, schwollen an, wurden taub, ver¬
färbten sich dunkelroth. Diese Verfärbung ging
weiter den Fuss hinauf in Hellroth über.
Die Füsse wurden sehr empfindlich; eine Zeit
lang konnte sie noch auf dem äusseren Fussrande
humpeln, dann konnte sie das Bett nicht mehr ver¬
lassen.
Drei Allopathen vermochten weiter nichts als
die Diagnose auf Zehengangrän zu stellen.
Ich erwähnte noch nicht die entsetzlich bren¬
nenden Schmerzen in den Zehen und deren Umgebung
und die intensive Verschlimmerung, welche regel¬
mässig gegen Mitternacht auftrat. Von da bis gegen
Morgen waren die qualvollsten Stunden. Am Tage
war der Zustand einigermassen erträglich.
Die Patientin fürchtete für ihr Leben und war
noch mehr besorgt, ein Krüppel zu werden.
Am 4. Nov. 1890 wurde ich gerufen und fand
die Kranke in dem eben beschriebenen Zustande.
Die einzige Erleichtenmg bestand in heissen Um¬
schlägen, aber nur so lange, als diese heiss waren.
Abkühlung verschlimmerte ausserordentlich.
Am 5. Nov. verordnete ich 3 Pulver Arsen.
Hochpotenz.
Die nächste Nacht war schon besser, nach 8
Tagen hatte sie die erste gute Nacht und fühlte
sich wie iin Himmel.
Langsam verloren sich die Schwellung und Ver¬
färbung der Füsse; nach 14 Tagen machte sie den
ersten Gehversuch; die Zehenspitzen behielten ein
etwas verfärbtes Aussehen.
Am 14. Januar gab ich noch einmal eine Gabe
Arsen, wegen Schmerzen im rechten Arm.
Weitere Arznei ist nicht gegeben worden.
Dr. Hearn in Toronto:
Frau L., eine 45jährige, robuste, anscheinend
gesunde Dame, consultirt mich wegen folgender Be¬
schwerden :
August vorigen Jahres bekam sie Durchfall, den
sie erst gegen Weihnachten durch allopathische
Arznei los wurde. Hiernach traten Verstopfung
und Hämorrhoidalbeschwerden auf.
Die herausgetretenen Hämorrhoidalknoten sind
ausserordentlich empfindlich, mit viel Jucken und
Brennen, schlimmer Nachts und durch Bewegung,
gebessert durch Heisswassei'utnschläge.
Digitized by Google
1*1
Dabei Ruhelosigkeit ,
abwechselnd gedrückte und reizbare Stimmung,
Schläfrigkeit nach dem Essen,
Kopfweh über den Augen.
Alle Symptome schlimmer Nachts und vor dem
Stuhl.
Die Knoten bluten nicht, brennen wie Feuer und
sind so schmerzhaft, dass weder Stehen, Sitzen noch
Liegen erträglich ist.
Ich gab zunächst Nux vomica, da ich voraus¬
setzte, dass von anderer Seite Opium gegeben wor¬
den war, dann Arsen. Hochpotenz, welches in we¬
nigen Tagen einen fast normalen Zustand herbei¬
führte.
Vier Wochen später zeigte sich die Patientin
wieder.
Die damaligen Beschwerden waren ganz ver¬
schwunden, aber der anfängliche Durchfall harte
sich wieder eingestellt.
Er trieb früh am dem Bett; sie musste eilen,
einen copiösen wässrigen Stuhl los zu werden.
Dies wiederholte sich nach dem Frühstück und
Abends.
Eine Gabe Sulfur 200. genügte für diesen Durch¬
fall.
Lycopodium gehört zu den interessantesten und
am tiefsten eingreifenden Arzneien.
H.: Zu mir kam am 23. März 1892 St., ein
G5 jähriger, beweglicher Herr mit gesunder Gesichts¬
farbe, wegen Kurzluftigkeit, die seit zwei Monaten
bestand.
Die Untersuchung ergab einen gespannten, auf¬
getriebenen Leib und ein über beide Lungen ver¬
breitetes Schleimrasseln.
Schmerz unter den Rippen , das Athmen be¬
hindernd,
Erstickungsanfalle, besonders 3 Uhr Nachts,
endigend mit der Expectoration von reichlichem,
grauem, schaumigem Auswurf.
Appetit schlecht.
Jegliches Essen macht Beschwerden.
Der Urin lässt rothen, festsitzenden Satz.
Der Druck der Kleider wird nicht vertragen,
ebenso keine Zimmencärme .
23. und 31. März Kali carb. X.
11. April Sepia X.
20. April nochmals Kali carb.
29. April Appetit gut, Schlaf besser.
Stets Röcheln in Kehle und Brust,
ungemeines Schlafbedürfuiss im Sitzen,
am besten in der Ruhe.
Morgens 4 oder 5 Uhr sehr munter, dagegen
nach dem zweiten Schlafe schlechtes Befinden.
Nux vomica X. jeden Abend.
6. Mai ziemliche Besserung notirt und Fort¬
setzung der Arznei.
13. Mai, kein Fortschritt. Nux vom. 3. Mor¬
gens und Abends.
20. Mai. Die lästige Schwellung des Leibes mit
der Empfindlichkeit gegen den Druck dei' Kleider
j will nicht weichen. Lycopod. X. 5 Pulver, Mor¬
gens und Abends ein Pulver.
31. Mai. Radikale Aenderung seit den letzten
1 Pulvern.
| Der Patient meldet sich gesund.
I Schlaf gut, ebenso Appetit. Der Druck der
Kleider nicht mehr lästig.
Der jetzige Zustand des Athmens ist gar nicht
zu vergleichen mit dem früheren.
Kali carb. schien indicirt, leistete aber wenig,
Sepia war ein Missgriff, Nux vom. besserte, Lyco-
j pod. heilte.
f Nux vom. war ein Simile, Lycop. das Simil-
limum. Sofort gegeben, hätte Lycop. mir und dem
Patienten Zeit gespart.
H. S.: Frau W., 47 Jahre alt, hatte vor 9
Jahren zum ersten Male, seitdem öfters, mehrfach
i ein halbes Jahr andauernd, krampfhafte Schtnerzen
| im Leib, von den Seiten gegen die Mitte zu, Tags
i und Nachts unregelmässig stundenlang, besser durch
Krummgehen.
| Schwache im Kreuz.
Untersuchung normal.
; 25. Nov. 1892 Kali carb. X.
5. Dec. keine Besserung. Der Leib ist nach der
geringsten Menge Nahrung aufgebläht .
Heisshunger.
Gefühl eines Klumpens im Halse.
. Alle Beschwerden mehr linksseitig,
i Lycop. X. jeden zweiten Abend,
j 16. Dec. Schmerzen bedeutend gebessert, aber
| Leib noch aufgebläht, Lycop. jeden dritten Abend.
| 2. Jan. 1893. Die Patientin bedankt sich und
I verzichtet auf weitere Behandlung, obschon die
Völle im Leib noch nicht ganz geschwunden war.
Laches. hatte ich als Complement zu Lycopod.
noch in Reserve, kam aber nicht dazu.
H.: Frau Kl., 47 Jahre alt, leidet seit Jahren
| an Magen - und Rückenschmerzen, welche meist ab-
I wechseln und sich seit 3 Wochen verschlimmert
! haben mit viel Gallerbrechen.
3 Uhr Nachts wird sie durch die Schmerzen
! aufgeweckt.
Sie liegt am besten auf dem Rücken und hat im
] Sitzen den Rücken angelehnt.
Bei heftigen Schmerzen hat sie Linderung durch
Krummsitzen . Gegen Druck der Kleider ist sie ern-
| pfindlich.
Bei der Untersuchung finde ich in der Gegend
des Colon Ascendens, eine grosse, harte, empfind¬
liche Geschwulst, von der Leber abzugrenzen, also
s wohl Fäcalmassen.
16
Digitized by
Google
122
1. Juni 1890 Kali carb. X. j
5. Juni. Nachmittags gegen 5 Uhr Anschwellung
des Magens mit Empfindlichkeit gegen den Druck der j
Kleider und beständigem Duftaufstossen. i
Nachts muss der Kopf höher liegen.
Lycop. X. Morgens und Abends, im Ganzen |
3 Pulver. |
8. Juni bedeutende Besserung; Scheinpulver.
15. Juni gut; die Geschwulst ist nicht mehr i
fühlbar. I
Am 3. Sept. 1892 sehe ich die Patientin wieder.
Seit Tod des Mannes an Cholera vor 8 Tagen
schlechtes Befinden.
Wasserlassen schwierig und spärlich, i
fester rother Bodensatz, j
Appetitlosigkeit, Aufstossen, Wühlen im Leib.
Alles schlimmer gegen Abend.
Ich gab noch einmal Lycop., habe aber von
dem Resultat noch nichts vernommen.
Verschiedene Male, auch in letzter Zeit in einem
noch nicht abgeschlossenen Falle, traf ich die Ver¬
schlimmerung 3 Uhr Nachts bei Lycop., so dass
ich diese Verschlimmerung nicht mehr als Contra -
indication gegen Lycop. ansehe.
Dr. Alfred Heath in London heilte einen Durch - j
fall mit Lycop.: I
Frl. W., 36 Jahre alt, leidet seit einem halben ,
Jahre an Durchfall, welcher sich drei- oder vier¬
mal früh Morgens einstellt.
Morgens fühlt sie sich krank.
Sie hat 20 Pfd. an Gewicht abgenommen.
Ausserdem hat sie Kurzluftigkeit, fächerartige
Bewegung der Nasenflügel , kann nicht singen, weil
sie nicht Luft genug bat.
Athmen stossweise, als ob sie nur mit den
oberen Lungenpartieen athme und die unteren nicht
ausdehnen könne.
27. Juni Lycop. 12. zweimal täglich.
3. Juli ein geformter Stuhl täglich, Athmen
normal, Fortsetzung.
3. August gut geblieben.
[Lycop. für Durchfall wird den Meisten wohl
wunderlich klingen und doch nennt von Boenning-
liausen unter schmerzlosem Durchfall Lycop. an
hervorragender Stelle, auch Hering und Jahr er¬
wähnen dünne Stühle.
Ich selbst kann mich unter zahlreichen Lycop. -
Fällen nur eines erinnern, wo Durchfall vorhanden
war und dieser unter Lycop. verschwand. In diesem
Falle gab ich Lycop. nicht wegen des Durchfalls.
Die Stühle haben nichts Charakteristisches, die
Wahl des Lycop. muss auf anderen Zeichen be- j
ruhen, wie in dem Falle von Heath auf der fächer-
" förmigen Bewegung der Nasenflügel.
Man würde indess irre gehen, wenn man dieses I
letztere Symptom nur für Lycop. sprechen Hesse.
Ich fand diese Bewegung der Nasenflügel bisher
notirt bei 4 Mitteln: Lycop., Melid. majus (Farring-
ton), Phosphor (Hering) und Ferrum; am meisten
bekannt ist sie allerdings bei Lycopodium.
Einen ganz interessanten Fall liefert Dr. Frank
Kraft, der jetzige Lehrer der Materia medica am
College de Cleveland:
Am 31. Mai 18i>0 wurde ich telegraphisch nach
Holland in Ohio gerufen, zu einem Kinde, das hals¬
leidend sein sollte, meiner früheren KUentel an¬
gehörig.
Eine Woche vorher war das jetzt 18monatliche
Kind krank geworden, hatte die Nahrung ver¬
weigert, schrie viel, schlief wenig und hatte neben
Verstopfung viele Blähungen, nach oben und nach
unten abgehend. Es fasste wohl die Brust an, Hess
aber bald wieder los und würgte dann.
Dieser letzte Umstand Hess zwei Allopathen die
Diagnose auf Halsleiden und eine ungünstige Pro¬
gnose stellen.
Ich fand ein zartes, bleiches Kind mit trüben, einge¬
sunkenen Augen. Am Halse fand ich nichts, auch
im Halse nicht, ausser dass das Kind anscheinend nicht
schlucken konnte.
In den Windeln des Kindes fand ich die be¬
kannten rostbraunen Flecke (den rothen Satz der
harnsauren Salze).
Druck in der Nierengegend war schmerzhaft,
Lage auf dem Bauche angenehm. Liegen auf der
rechten Seite war dem Kinde unerträgHch, also
auch das Trinken an der linken Brust. Vor dem
Wasserlassen klägliches Schreien, eine constante Er¬
scheinung.
Mehr Lycopod.-Symptome brauche ich wohl
nicht anzuführen.
Ich gab ein Pulver Lycop. Hochpotenz auf die
Zunge und Hess mehrere solcher für den Nothfall
zurück. Es war aber keines mehr nöthig.
Das Ganze war eine Affection der rechten
Niere.
. Doch hatten nur die Symptome, nicht die Dia¬
gnose Einfluss auf die Mittelwahl.
Ich selbst habe den rothen Sand in den Windeln
des Kindes und das Schreien des Kindes vor dem
Wasserlassen noch nicht beobachtet, aber es ist ein
bekanntes und bestätigtes Symptom. Lycopod. hat
im Allgemeinen: Schmerzen in der Nierengegend,
nach dem Uriniren besser. Lithium carb. hat Herz-
(und Blasen-) beschwerden, erleichtert nach Harn¬
abgang. Auch die Borax-Kinder schreien vor dem
Harnen; hier fehlt aber der rotlio Sand, dafür ist
der Urin scharf- und übelriechend, abgesehen von
sonstigen Borax-Symptomen. H.]
H.: Frau Kl., 40 Jahre alt, consultirte mich wegen
eines unerträglichen Juckens am ganzen Körper,
das sie seit 14 Tagen plagt. Das Jucken wechselt
Digitized by L^OOQle
123
beim Kratzen die Stelle, 'ist schlimmer nach dem In beiden Fällen konnte ich die Symptome
Ausziehen, in der warmen Stube, nach dem Waschen, erst später nachlesen; ich vorordnete nach den
Ich gab am 9. Januar 1892 Mezer. ohne Erfolg, eigenartigen Nebensymptomen.
14. Januar. Das Jucken ist entschieden im H.: Kind St., 5 Jahre alt, ist im ersten Lebens-
Bett und im Freien besser. Stete Unruhe in den jahre mit Erfolg geimpft worden; mehrere Monate
Füssen , auch besonders Abends im Bett, wo sie nachher bekam es einen Blasenausschlag am ganzen
dieselben nicht ruhig halten kann. Körper, der wochenlang anhielt mit schlechtem All-
Dies brachte mich auf Zincum, wo ich in gemeinbefinden: Unlust, schlechter Schlaf, schlechter
X. Potenz zwei Pulver gab, jeden Abend eins zu Appetit, oft Schmerzen beim Uriniren.
nehmen. Dieser Blasenausschlag, welcher Narben hinter-
24. Januar. Das Jucken ist nach dem zweiten lässt, kommt seit vier Jahren mit wochenlangen
Pulver verschwunden und nicht zurückgekehrt. freien Intervallen immer wieder.
Leider finde ich nicht notirt, ob auch* die 4. August 1890. Tuya X. ein Pulver.
Unruhe in den Füssen nachgelassen hat. 19. Sept. Anfangs verschwand der Ausschlag,
Zinc. passt nach seinen Symptomen vortrefflich: ist aber jetzt in Pockenform wieder erschienen.
Ich fand im Jahr: Jucken am ganzen Körper, ohne Dabei ist aber das Allgemeinbefinden ausge-
Ausschlag, nach Kratzen „sogleich an einer an- zeichnet.
deren Stelle erscheinend.“ Aehnliche Symptome Rhus tox. 6., wöchentlich ein Pulver,
finden sich allerdings bei vielen anderen Mitteln. 2. April 1891. Seit 14 Tagerr zeigt sich der-
Ohne die charakteristische Unruhe wäre ich hier selbe Ausschlag etwas wieder. Sonst war er seit
nicht auf das Simillimum gekommen. den letzten Pulvern fortgeblieben. Nochmals Rhus tox.
Aehnlich ging es mir in folgendem Falle: H.: Lehrer Sp. aus W., 22 Jahre alt, zeigte
H.: Frau H., eine stattliche Dame in den sich wegen eines hässlichen Ausschlags, der seit
fünfziger Jahren, klagt seit 4 Monaten über Jucken 10 Tagen plötzlich zum Vorschein kam. Zuerst
überalt am Körper , ohne dass äusserlich etwas rotlie Stellen, welche sich hoben und mit Eiter
sichtbar wäre (so auch im vorigen Falle), schlimmer füllten. Jetzt bedeckt eipe dicke, gelbe Kruste
Abends im Bett und durch Kaltwaschen. einen grossen Theil von Gesicht und Nacken.
Es hat mit Uebelkeit (ohne Erbrechen) be- 27. Mai 1891. Rhus tox 3,, 5 Pulver, Morgens
gönnen und ist jetzt noch mit viel Uebelkeit ver- und Abends zu nehmen. Am zweiten Tage begann
bunden. die Besserung. Das Gesicht ist frei, die Besserung
Je schlimmer das Jucken, desto mehr auch die scheint jetzt still zu stehen.
Uebelkeit. Dieselben Pulver jeden zweiten Abend.
5. Dec. 1892 Ipec.X. 5 Pulver, jeden Abend eins. 17. Juni. Im Nacken immer noch einige
14. Dec. Jucken und Uebelkeit waren vom Krusten.
Beginn des Einnehmens an verschwunden bis gestern, Rhus tox. 200. jeden dritten Abend.
wo das alte Leiden wieder auftrat. Dieselben Pulver Gelegentlich wurde mir die völlige Heilung
jeden zweiten Abend. mitgetheilt.
28. Dec. Vom 14. Dec. an frei gewesen bis H.: Frau Sch., 53 Jahre alt, vom Lande, hat
gestern. seit Jahren Schmerzen in beiden Fussgelenken, na-
Dieselbe Arznei ohne Unterbrechung Morgens mentlich linksseitig, besser durch Ausstrecken der
und Abends. Glieder .
12. April 1893. Damals hat sie einige Wochen Schlimmer bei windigem Wetter ,
die Arznei fortgesetzt und dann mit dem Einnehmen 1 schlimmer durch Wüterungsänderung ,
aufgehört, da der Zustand gut wurde und auch im langen Sitzen.
gut blieb. Auch leidet sie an Wadenkrämpfen, ebenfalls
Seit einigen Tagen ist mit schwerer Erkältung gebessert durch Ausstrecken der Beine.
Jucken und Uebelkeit wiedergekehrt, schlimmer Die einzig mögliche Lage ist die Rückenlage,
denn je. 1 11. Mai 1890. Rhus 6., Morgens und Abends.
Ich Hess kurze Zeit wieder Ipec. nehmen mit I 21. Juni besser, Fortsetzung,
sofortigem Erfolge und seitdem ist die Dame frei 10. April 1891. Seit 8 Wochen wieder
geblieben, abgesehen von zeitweiligen Spuren des ! schlimmer. In der Zwischenzeit war sie schmerz¬
alten Uebels, welche nur kurz andauerten und keine 1 frei gewesen. Dieselbe Arznei.
Abhilfe verlangten. § H.: M., 39 Jahre alt, Maurer aus St., ist seit
Jahr hat das Symptom: „Heftiges Jucken (an § 3 Wochen arbeitsunfähig wegen rechtsseitiger
den reinen Armen und Schenkeln) bei der Uebel- I Ischias.
keit; er muss kratzen, bis er sich erbricht.“ J Stechende Schmerzen im rechten Fuss- und
16 *
Digitized by
Google
124
Hüftgelenk, wenn schlimmer, das ganze Bein durch¬
ziehend,
schlimmer in der Ruhe , im Sitzen und Liegen ,
schlimmer Nachts , er wandert fast die ganze
Nacht umher;
besser durch Ausstrecken des Beins ,
besser in fortwährender Bewegung.
Das rechte Bein wird leicht kalt, heiss nur bei
heftigen Schmerzen.
Appetit schlecht, zugleich mit den Schmerzen
ist heftiges Luftaufstossen gekommen.
24. September 1892. Lycop. X. jeden zweiten
Abend.
80. September. Appetit und Aufstossen besser,
Schmerzen dieselben.
Rhus tox. Morgens und Abends.
14. Okt. Nach mehrtägigem Einnehmen wurden
die Nächte besser; er kann jetzt arbeiten und auch
stundenlang sitzen.
Im Ganzen ist erhebliche Besserung, doch ist
stürmische Witterung noch zu merken. Dieselbe
Arznei.
Eine prägnant hervortretende Besserung durch
Ausstrecken des Gliedes notirt von Boenninghausen
nur bei wenigen Mitteln, hervorragend bei Rhus tox.,
Secale und Ant. tart., wovon die beiden ersteren
sich wieder scharf trennen lassen durch ihr ver¬
schiedenes Verhalten gegenüber äusserer Wärme
und Bewegung.
Dr. Rushmore in Plainfield:
Frl. H. hatte Schmerzen im linken Hüftgelenk ,
besonders beim Auf stehen vom Sitzen und Waden¬
krämpfe Nachts. Die Zehen schieben sich über¬
einander.
Rhus tox., Hochpotenz, ein Pulver, beseitigte
Alles.
[Das krampfhafte Uebereinanderschieben der
Zehen ist charakteristisch für Rhus tox. Ich kannte
dies Symptom und traf es einmal bei einer jungen
Dame, die ich an Bettnässen behandelte und noch
behandele. Rhus beseitigte die Affection an den
Füssen dauernd, besserte auffallend, aber nur vor¬
übergehend das Hauptübe]. H.]
Dr. Tomhagen in Burnside:
Frau Ellen C., 30 Jahre alt, gross, gut ge¬
nährt, dunkelhaarig, kinderlos, klagt über einen
beständigen Schmerz, welcher von der linken Schul¬
ter aus sich zu Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger
und Innenseite des Ringfingers der linken Hand er¬
streckt,
schlimmer im Bett y
besser durch Reiben und
besser Bewegen des Armes.
„Ich kann kaum kehren des Morgens,“ bemerkt
sie, „wenn ich aber damit durch bin, kann ich Alles
machen.“
Die betr. Finger sind steif .
14. Oct. 1889 Rhus tox. Hochpotenz in wässe¬
riger Lösung.
15. Oct. Dieses war die erste gute Nacht ge¬
wesen in dieser Woche.
Scheinarznei.
17. Oct Nur noch etwas unangenehmes Ge¬
fühl in den Fingerspitzen, das ohne weitere Arznei
verschwand.
Prof. Kent lehrt, dass,bei eintretender Besse¬
rung die Arznei ausgesetzt werden muss, weil sie
dann den Charakter des Simile verliert, fügt Tom-
hag&i hinzu.
Mehrere bemerkenswerthe Fälle von Hernie ,
durch Rhus geheilt, bringt Dr. Mc Neil in San
Francisco:
Im Jahre 1871 kam John Davids, ein grosser,
kräftiger Landmann, zu mir wegen Leistenbruchs.
Derselbe war frisch, erst vor 8 Tagen durch schweres
Heben entstanden.
Ich legte ihm ein Bruchband an und wählte als
Arznei, da der Patient Besserung in der Bewegung
bemerkte, Rhus tox. X.
Nach 8 Tagen sah ich letzteren wieder und
hörte zu meiner Ueberraschung, dass die Hernie
verschwunden war.
(Fortsetzung folgt.)
Dr. Ludwig Mertens
f 4. März 1894.
Wiederum ist ein Veteran der Homöopathie,
einer unser Allerbesten, zur ewigen Ruhe ein¬
gegangen im 82. Jahr seines segensreichen Lebens.
Am 17. October 1812 zu Havelberg geboren
kam Mertens mit 14 Jahren auf das Gymnasium
zu Stendal, verliess nach 6 Jahren dasselbe mit
dem Zeugniss der Reife und studirte in Berlin ein
Jahr lang Theologie; dann wandte er sich zur
Medicin und lag diesen Studien in Berlin, Greifs¬
wald und Halle ob. Mit der Dissertation „In tegu-
mentis salus“ erlangte er in Berlin am 1. Februar
183'J die medicinische Doctorwürde und bestand
gleich darauf die Staatsprüfung. Zuerst liess er
sich als Arzt nieder in dem damals kleinen Moabit,
das nun längst in Berlin aufgegangen ist; in be¬
scheidener und anspruchsloser Weise, die er bis
zum Tode festgehalten hat, bezog er ein einfaches
Dachstübchen; aber von diesem Dachstübchen aus
verbreitete sich schnell der Ruf, dass dort ein sehr
Digitized by
Google
125
tüchtiger Arzt hause, so dass, wenn er Morgens
ans Fenster trat, er eine ganze Reihe von Wagen
(„Kareten“ nannte er dergl.) erblickte mit Kran¬
ken, die seine Hülfe begehrten. Vom Beginn
seiner Praxis an war er ein Feind der allopathischen
Vielgemische und verschrieb fast nur Simplicia zum
grössten Verdruss der Apotheker. Schon mit dieser
Behandlungsweise hatte er vorzügliche Erfolge und
wurde, weil seine Klientel sich immer mehr nach
Berlin hin ausdehnte, genöthigt, nach Berlin über¬
zusiedeln, wo er dann zu den gesuchtesten Aerzten
der Residenz gehörte. Mitte der 40er Jahre trat
er ganz zur Homöopathie über, die er schon als
Student bewundert und geliebt hatte. Als treuer
Anhänger Hahnemann’s verordnete er mit Vorliebe
die höheren Potenzen und erzielte damit glänzende
Erfolge. Die neueren Homöopathen, die sich klüger
als Hahnemann dünken und offen erklären, mit
Hahnemann könne man jetzt keinen Staat mehr
machen, ja die, obwohl Hahnemann gerade mit
seinen Streukügelchen die Welt für die Homöo¬
pathie erobert hat, diese Streukügelchen ein Hinder¬
niss für die Ausbreitung der Homöopathie nennen,
diese Homöopathen mit ihren grossen Tropfendosen
tiefer und tiefster Potenzen waren ihm ein Gräuel.
Mit seiner milden, sanften, wohlwollenden Weise
fesselte er die Kranken an sich und war ihnen ein
allzeit zuverlässiger Berather. In seiner hohen,
idealen Art fasste er den ärztlichen Beruf als hehre
Kunst auf, nicht als Mittel zum Broterwerb. Arme
behandelte er nicht bloss umsonst, sondern gab
ihnen noch obenein; Rechnungen schrieb er nie;
selbst Wohlhabende haben ihn oft genug um sein
wohlverdientes Honorar betrogen, weil er eben
keine Rechnungen schickte; es belästigte ihn, wenn
Reiche für wohlgelungene Kuren, ja für Lebens¬
rettungen ihm ein winziges Honorar sandten.
,,Schnöder Mammon,“ wie er sagte, war ihm stets
zuwider, als Quelle vieler Uebel. Verheirathet
war er nicht, aber zahlreiche Verwandte, an denen
er mit zärtlicher Liebe hing, und die grosse Zahl
seiner Klienten bildeten eine Familie um ihn;
manches Frauenauge hat mit Wohlgefallen und
Liebe auf dem schönen, stattlichen Manne geruht.
Vereinsleben liebte er nicht, weil es seiner ganzen
Natur zuwider war; einmal gelang es, mir, ihn in
einen Verein homöopathischer Aerzte mitzunehmen;
gerade an dem Abend stellte einer in prahlender
und selbstgefälliger Art einen Kranken vor, den
er von Blindheit geheilt zu haben vorgab; Mertens
prüfte abseits den vermeintlich Geheilten und fand,
dass er ebensowenig sehen konnte, wie früher;
das war dem guten Mertens denn doch zuviel; ent¬
rüstet über solche Unverschämtheit verliess er den
Verein und ward nie mehr dort gesehen. Aeusser-
liehe Ehrenbezeugungen verschmähte er; wieder-
( holte Versuche, ihm Titel und Orden zu ver¬
schaffen, wusste er geschickt zu vereiteln, da er
dergl. nicht brauche. Als sein 50jähriges Doctor-
jubiläum herannahte, nahm er mir das bindende
Versprechen ab, Niemandem auch nur das Geringste
hiervon zu verrathen; so wurde denn der festliche
Tag ganz im Stillen begangen. Wie wohlthuend
und erquickend ist die Grösse dieses einfachen,
edlen Charakters gegenüber Manchem, der nicht
genug sich aufspreitzen kann und bei ähnlichem
Anlass (unglaublich, aber buchstäblich wahr) sogar
auf Bestellung sich lobhudeln lässt. Nomina sunt
odiosa.
Aber nicht bloss die ärztliche Praxis beschäftigte
Mertens; im Jahre 1841 veröffentlichte er ein
Schriftchen ,,Zur Physiologie in der Anatomie“', dem
er 1845 ein anderes folgen liess: ,,Das Mark“.
Beide Schriften sind im naturphilosophischen Sinne
abgefasst und bekunden die allseitige Geistes¬
bildung des Verfassers. Auch etymologische Studien
waren eine Lieblingsbeschäftigung von ihm. Höchst
interessante Entdeckungen hatte er über die Stimm¬
bildung beim Menschen gemacht, die er beim
Singen zu verwerthen strebte. Musik und nament¬
lich Mozart liebte er leidenschaftlich; unter den
Dichtern war Goethe sein Ideal.
Seit einer Reihe von Jahren hatte er die Fahr¬
praxis aufgegeben; aber im Hause wurde er
immer noch von Vielen aufgesucht, denen sein
Rath als der beste erschien.
Harte, schwere Schicksalsschläge waren auch
ihm nicht erspart; nächste Verwandte und theure
Jugendfreunde sind ihm im Tode voran gegangen.
Fast 40 Jahre waren wir beide miteinander in
engster Freundschaft verbunden; manche bittre
Stunde tiefsten Seelenschmerzes haben wir zu¬
sammen durchkämpft unter herzlichster Theilnahme
des einen für den andern; ich betraure in ihm
einen theuren, treuen Freund, den ich nie ver¬
gessen werde. Er war ein seltner Mann, reich
gesegnet mit Geistesgaben und mit unendlicher
Herzensgüte; ich glaube nicht, dass er jemals einen
t Feind gehabt hat.
J? Friede seiner Asche und Ehre seinem An-
i denken!
i Westend-Charlo ttenburg.
Dr. Herrn. Fischer.
Lesefrilchte.
Ueber Massage der Prostata. Von Dr. M. Schliefka.
Aus der v. Frisch’schen Klinik für Krankheiten der
Harnorgane. (Ref. D. M. Z. 5. Febr. 94.)
Bekanntlich kann die Gonorrhöe auf die Prostata
übergreifen und zwar vor allem auf die Ductus
Digitized by
Google
126
prostatici, welche dadurch in den Zustand des Ka¬
tarrhs versetzt werden. Von hier aus kann die
gonorrhoische Entzündung auf das eigentliche Drüsen¬
gewebe übergehen. Die chronische Prostatitis kann
entweder von vornherein schleichend beginnen oder
sie ist der Endausgang einer acuten Entzündung;
sie besteht in den meisten Fällen noch dann fort, wenn
die Harnröhrenschleimhaut schon längst ad integrum
restituirt ist. Dabei ist eine thatsächliche Vergrösse-
rung des Organs keineswegs nothwendig; dagegen
ist die Empfindlichkeit stets vermehrt. Die Dia¬
gnose der chronischen Prostatitis stützt sich gewöhn¬
lich auf die Anamnese der durchgemachten gonor¬
rhoischen Erkrankung, die höchst markanten Be¬
schwerden der Kranken und den objectiven Befund
auf die localen Veränderungen. Die Kranken klagen
über Reizerscheinungen, die sowohl die Harnent¬
leerung, als auch die sexuelle Sphäre und das all¬
gemeine Nervensystem betreffen. Hierher gehören
das häufige Uriniren, der Harndrang bei leerer
Blase, Verlorengehen des Wollustgefühls, Ejaculatio
praecox, Impotenz, Prostatorrhoe, die sowohl beim
Uriniren, als bei der Defacation erscheint und von
den Kranken für Samenfluss gehalten wird, doch
kommt es auch manchmal zu wirklicher Spermator-
rhöe. Daneben bestehen Parästhesieen in der Harn¬
röhre, wie Hitzegefühl, Brennen, Kitzeln und Prickeln,
namentlich in der Eichel, endlich Schmerzen im
Perineum und am Anus. In schweren Fällen über¬
wiegen die nervösen Störungen, entweder in Form
der Spinalirritation oder als allgemeine Nervosität
unter dem Bilde der psychischen Depression, die
in Melancholie übergehen und den Kranken zum
Selbstmord treiben kann. Der Harn ist in fast
allen Fällen entweder schon frisch gelassen durch
Phosphate getrübt, oder er trübt sich erst beim
Erhitzen. Die bisher gegen diesen Zustand aus¬
schliesslich geübte Therapie bestand hauptsächlich
in localer Behandlung der Pars prostatica urethrae.
Es wurden aufsteigend hohe Sondennummern ein¬
gelegt, Aetzungen des Caput gallinaginis vorge¬
nommen oder der Psychrophor eingeführt. Even¬
tuell werden hiermit Kaltwasserkuren verbunden,
Electricität, Seebäder u. dergl. Der Werth aller
dieser Proceduren ist, wie die Erfahrung gelehrt
hat, ein sehr fraglicher. In keinem der gangbaren
Lehrbücher ist bei Besprechung der Therapie der
chronischen Prostatitis und ihrer nervösen Folge¬
zustände die Massage auch nur erwähnt. Erst in
allerjüngster Zeit haben Thure Brandt und Eber¬
mann sich mit dem Gegenstand beschäftigt. Das
überaus reichliche Material, das Verf. zur Verfügung
hatte, gab Gelegenheit, eine Reihe von Fällen dem
Versuch zu unterziehen. Der Erfolg war ein un¬
erwartet guter. Die ersten Sitzungen waren ge¬
wöhnlich resultatlos, nach der fünften bis sechsten
jedoch begann der Harndrang abzunehmen, um
nach einer einwöchigen Behandlung auf eine er¬
trägliche Frequenz herabzusinken. Patienten, die
vorher 25 Mal bei Tage und 3—5 Mal während
der Nacht uriniren mussten, hatten tagsüber nur
noch 6 —9 Mal ihrem Bedürfnisse zu folgen und
schliefen die Nacht ungestört durch. Die übrigen
nervösen Beschwerden brauchten etwas länger zu
ihrer Beseitigung; am längsten bleibt der Katarrh,
die Prostatorrhoe, bestehen. Die oft ödematös ge¬
schwollenen Lappen der Drüse verkleinern sich wäh¬
rend der Behandlung und schwellen so ab, dass
dem touchirenden Finger das Durchfühlen der harten
musculären Bündel und des Parenchyms möglich
wird. Die Empfindlichkeit bei der Massage variirt
ausserordentlich; manche Kranke fühlen nur ein
leichtes Spannen und Harndrang, andere zeigen
eine excessive Schmerzhaftigkeit, aber alle gewöh¬
nen sich rasch daran. In den meisten Fällen ge¬
lingt es durch die Massage leicht, einen oder
mehrere Tropfen einer milchig trüben, schleimigen
Flüssigkeit auszupressen. Das Secret zeigt unter
dem Mikroskop das bekannte, für Prostato- resp.
Spermatorrhöe eigentümliche Bild: Epithelien, Leu-
kocyten, vereinzelte rothe Blutkörperchen, amyloide
Körperchen, spärliche oder zahlreiche todte und
lebende Spermatozoen. Die Massage soll jeden
zweiten Tag einige Minuten lang ausgeführt wer¬
den. Besonders günstig ist der Einfluss, den die
milde und stets ungefährliche Methode der Massage¬
behandlung auf die Nervenerscheinungen ausübt.
Auch der Harndrang erfährt eine rasche und an¬
haltende Besserung.
Einen Fall von Atrophie des N. opticus in Folge
einer Jodofoi'm-Intoxication berichtete Dr. Valude in
der Societö d’Ophthalmologe.
Ein Knabe , welcher eine ausgedehnte Ver¬
brennung sich zugezogen, und wurde mit Jodoform
behandelt. Patient bekam bald Vomitus, der auf¬
hörte, nachdem man keinen Jodoformverband mehr
aufgelegt hatte. — Gleichzeitig mit dem Erbrechen
trat Amaurose auf. Bei der Untersuchung des
Kranken nach Ablauf eines Jahres persistirt die
Blindheit und man findet eine vollständige doppelte
weisse Atrophie.
War diese Atrophie eine Folge der Verbrennung
oder der Jodoform-Intoxication?
Dieser Zweifel ist gerechtfertigt. — Wenn man
jedoch überlegt, dass die Amaurose im Anschlüsse
an die Vergiftungssymptome sich gezeigt hat, und
dass ferner die Jodoform-Intoxication ihre Wirkungen
auf das Gehen soweit überträgt, dass man sogar
meningeale Erscheinungen vor sich zu haben glaubt,
dann kann man nicht umhin, die bei diesem Kranken
mit Atrophie einhergehende Neuritis und die Jodo-
Digitized by
Google
127
forravergiftung in einen causalen Zusammenhang
zu bringen.
(Le Bulletin medical 1893, No. 31.)
Referent Dr. Proeil.
Acnte Bleivergiftung bei Eczem in Folge
äusserlicher Behandlung mit Diachylonsalbe.
Mitgetheilt von Dr. Hane Pässler.
Ein l 8 / 4 Jahre altes Kind, gut genährt und
kräftig, litt seit 1 Jahre an einem über den ganzen
Körper ausgebreiteten Eczem bei sonst ungestörtem
Wohlbefinden. Man bepuderte Kopf und Rumpf
und legte auf die Glieder Mullstreifen, die mit
Diachylonsalbe messerdick bestrichen waren . . Be¬
festigung durch Binden. — 2 Tage später Er¬
neuerung des Verbandes. Nunmehr entwickelte sich
: Stomatitis mit heftigem Speichelfluss und eine acute
I hämorrhagische Nephritis mit anfänglich hoch-
gradigerVerminderung der Harnabsonderung, starkem
| Anasarka und geringen urämischen Erscheinungen.
' Nach Beseitigung des Verbandes hörten die Ver-
| giftungserscheinungen auf, das Eczem bestand dann
! noch einige Zeit fort, bis es langsam verschwand. —
! Verf. sagt: Eczema führen nur ganz vereinzelt zu
| Nephritis; auch die Stomatitis spricht mehr für die
Wirkung des Bleies. Letztere entsteht, besonders
bei jugendlichen Personen, oft schon nach un¬
glaublich kleinen Dosen dieses Mittels, z. B. schon
nach kurzen Ueberschlägen mit Bleiwasser auf eine
umschriebene excoriirte Hautfläche.
| (Münch. Mtd. Wochenschrift 1894. No. 2.)
Anzeigen.
Med. Dr. Theodor Kafka wohnt auch in
dieser Saison im Hause „Annaberg“, Marktplatz,
knapp vor dem Hotel Hannover in Karlsbad.
Dr. Putzar’s Sanatorium
Königsbrunn b. Königstein (sächs. Schweiz).
Wasserheil- und Kuranstalt.
Electro- und Mechanotherapie.
Kohlensäure-Bäder (Patent Lippert).
Diät- und Mastkuren.
Das ganze Jahr besucht. Mässige Preise.
Prospecte gratis.
Besitzer: Dr. med. Putzar.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Gate, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probehisten, mit i0 j 1 oder 1 2 j i Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — bezw. Mk. 14.—.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Collectionen vom 1. bis 127. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht,
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen.
A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig.
Soeben erschien:
i Die Heilung der
Lungenschwindsucht
durch homöopathische Arzneimittel
von Ad. Alf. Michaelis.
Preis 50 Pf.
Jeder aufmerksame Leser wird aus der ge-
sammten Darlegung schon den Eindruck erhalten,
dass es sich hier um ein wohldurchdachtes, auf
wissenschaftlicher Basis stehendes homöopathisches
Heilsystem handelt.
Gegen Einsendung des Betrages in Briefmarken
I zu beziehen durch
R. Michaelis Verlag, Leipzig-Reudnitz.
Homöopathische Sohriften
von
Ad. Alf. Michaelis.
1. Die physiologischen und therapeutischen
Wirkungen des Jod nnd der Jodverbindungen. Eine
Special-Arzneimittellehre zur Heilung vieler Krank¬
heiten. Preis 80 Pf.
2. Anweisung, die Hämorrhoiden durch homöo¬
pathische Arzneimittel gründlich nnd sicher zu
I heilen. Eine neue Methode zur Belehrung und
Selbsthilfe. Preis 50 Pf.
3. Die Verdauungsstörungen nnd ihre Heilung
| durch homöopathische Mittel in neuer Methode
populär dargelegt. Eine Specialtherapie für Magen¬
kranke. Preis 1 M. 20 Pf.
4. Alltägliche Erkrankungsfälle. Eine all¬
gemeine homöopathische Therapie. Preis 1 M. 20 Pf.
Zu beziehen durch
R. Michaelis Verlag in Leipzig-Reudnitz,
Koblgartenstrasse 45.
Digitized by ^ooQie
128
Soeben ist erschienen die 6. Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur-
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth. mit
welcher Umsicht, Sachkenntnis« und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben niohts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der ,,Kleine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schützbarer grosser Freund zu
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle
Sympathie entgegenbringen. 44
Bei der letzthin wieder vorgonommenen Durchsicht wurde
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
Kinder, Verbrennungen, Blutungen. Hümorrhoidal-Leiden etc.,
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein¬
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungon empfohlen. Auch wird
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Vorfass er
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswertbe Winke giebt.
Der ; ,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art tibertroffen werden. Aber auch Solche,
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller-
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben, versehen ist, wird den Freunden des
,,Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrton Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig, im April 1894.
A. Marggrafs Homöopathische Officin.
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift>Sehränkchen
und
Separanden^Sehränkchen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum-
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
I ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmftssig ßig-
nirten Gebisse, als auch die entsprechend signirten Mörser,
! Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
I Thüren sind mit vorschriftsmiissigen Porzellan schildern ver¬
seilen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandensohrönkchen ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellan Schild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flasciiougrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weise zu signiren sind (siche Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen au mich herangetretenon Wünschen ent-
! sprechend, habe ich die Gift« uad Separanden-Schränk -
| eben jetzt auch im eilen Sehr&ik vereinigt, ror-
I räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabteilungen (in oben beschriebener WeiseU da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewanrt werden
muss wie die Alcaloide. Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 ent
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
j gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum-
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Jnlius Mäser in Leipzig.
Digitized by u^ooQie
Band 128,
Leipzig, den 26. April 1894,
No. 17 u. 18.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Officin) in Leipzig.
Erscheint Utägig zu 2 Bogen. 13Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 dos Post-Zeifcungs-Verzeiohnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet.
Inhalt. Ueber Lebermittel. Von Dr. Kunkel in Kiel. — Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka in
Prag-Karlsbad. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Fortsetzung.) — Einige Bemerkungen über
Kopfweh bei Kindern. Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathischen Aerzte in Chicago 1893. Von Dr. Georg
Smith auB England. — Wie wird man in Amerika Arzt? Von Dr. med. Staads in Essex. — Die Gedächtnisfeier des
140. Geburtstages von Samuel Hahnemann. — Homöopathisches Spital München. — Personal-Nachrichten. — Lese¬
früchte. — Personalia. — Druckfehlerberichtigung. — Anzeigen.
1W~ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. ^8
Ueber Lebermittel.
Von Dr. Kunkel in Kiel.
Gegenüber anderweitigen Organerkrankungen
bilden diejenigen der Leber eine dankbare Auf¬
gabe für die Therapie. Wir haben eine recht an¬
sehnliche Zahl von Mitteln, die zu der Leber in
mehr oder weniger enger Beziehung stehen. Die
Resultate, die wir mit denselben erzielen bezüglich
des Verhaltens des Gesammtorganismus nach einer
Heilung des genannten Organs durch diese Mittel,
lässt uns die Schlussfolgerung ziehen, dass wir die
Bedeutung der Leber für diesen Gesammtorganis-
inus nur noch zura kleinsten Theile kennen.
Was die Indicationen für die Wahl der Mittel
im Einzelfall betrifft, so muss ich natürlich auf
die Arzneimittellehre verweisen und werde nur ein¬
zelne markante Symptome erwähnen. Die vorwie¬
gend für acute Fälle passenden Mittel wie Acon.,
Bryon., Bellad., Rhus u. a. übergehe ich ganz.
Sepia . Das Gesicht des Sepiakranken zeigt den
bekannten rotlien oder gelben Sattel auf Nase und
Wangen, gelbe Flecke um den Mund, ähnliche, öfter
auch Pusteln, auf der Stirn. Die Sepiakrankheit
lässt sich oft bis in die Kindheit zurück verfolgen.
Die Kinder leiden an Kopfschmerz, besonders Mor¬
gens beim Erwachen, auch mit Uebelkeit oder Er¬
brechen, ferner beim Sitzen in der Schule, Mor¬
gens völlige Appetitlosigkeit. Nach der Evolution
verlieren sich beim weiblichen Geschlecht diese Er¬
scheinungen recht oft. Statt derselben stellen sich
dann oft Molimina menstrual. ein, Leih- oder Kopf¬
schmerz besonders vor der Periode, Leukorrhoe etc.,
um in den kliinaktersichen Jahren dann mehr
continuirlich zu werden. Mit diesen Symptomen
können Volumveränderungen der Leber Hand in
Hand gehen, doch geschieht dies bei Weitem nicht
immer, während ikterische Erscheinungen mit asch¬
farbenen oder weisslichen Stühlen auf die gestörte
Function der Leber Hinweisen. Solche Kranke
neigen zu profusen Schweissen hei geringer Be¬
wegung (auch oft Nachts) auf dem Rücken, zwischen
den Schulterblättern, in der Achselgrube und zwischen
den Mammae, vertragen elektrische Spannung der
Luft nicht, befinden sich also schlecht vor Eintritt
von Gewitter, auch schlecht hei Nebel, Ostwind,
auch bei langem Sitzen, ferner nach Genuss von
sauren und fetten Speisen.
Wenn Sepia auch vorwiegend ein Frauenmittel
ist, so findet doch dasselbe recht oft bei Männern
Anwendung. Ich möchte hier besonders auf einen
Punkt hinweisen, für den Sepia von der aller-
grössten Bedeutung ist (neben einigen anderen, z. B.
Lachesis, Lycopod. etc.), nämlich hei den Folgen von
Digitized by Google
130
mit Quecksilber in grossen Dosen behandelter Lues.
Im Einzelfall wird sich oft schwer entscheiden lassen,
ob die vorliegende Leberaffection dem ersteren
oder der Lues angehört. Die Berücksichtigung der
Gesammterscheinungen wird uns den rechten Weg
zeigen und in der Mehrzahl der Fälle den Beweis
liefern, dass Hydrargyrose vorliegt. Hier werden
wir in vielen Fällen die niederen Potenzen nicht
entbehren können, dürfen uns aber nicht abhalten
lassen, auch höhere täglich zu geben, wenn wir auch
damit gegen die Regel verstossen, keine 2. Dosis
zu geben, ehe die vorige ausgewirkt hat, welches
letztere zu ermessen wohl kein Sterblicher vermag.
In solchen Fällen kann oft eine Hochpotenz von
Mercur, zeitweilig interponirt, von Erfolg sein,
vorausgesetzt, dass die vorliegenden Symptome das¬
selbe indiciren.
Ich übergehe dieses letztere Mittel (Mercur), wenn
es auch nicht selten bei Leberleiden sich zur Wahl
stellt, als jedem Anfänger bekannt, bemerke nur,
dass man im letztgenannten Falle, wo es als Antidot
gegen massive Gaben gegeben wird, die Nach¬
wirkung oft längere Zeit abwarten muss, gute
Einwirkung und einigermassen sichere Indication
vorausgesetzt. Es wäre entschieden verkehrt, eine
solche Hochpotenz zu geben, ohne diese letztere
und nur aus dem Grunde, weil roher Missbrauch
getrieben war.
Lycopodium.
Die sog. Plethora abdominalis ist keine Krank¬
heit sui generis, sondern ätiologisch verschieden.
DieFolge derselben sind Anschoppungen in den paren¬
chymatösen Organen des Abdomen und grössere
oder geringere Functionsstörung. Wo das Gesagte
von Leber und Nieren gilt, da müssen wir oft an
Lycopodium denken. Wenn nun auch die letzteren
uns hier direct nicht interessiren, so sei doch die
Bemerkung erlaubt, dass, wo wir auffallende Flatu¬
lenz ündeu, wir wohl daran thun, den Nieren un¬
sere Aufmerksamkeit zu schenken. Griesbildung
liegt dieser Flatulenz sehr häufig zu Grunde, und
Lycop. ist in vielen Fällen das Heilmittel.
Ausserdem ist es eins unserer wichtigsten
Lebermittel. Gegen die Folgen mit Quecksilber
behandelter Lues habe ich das Mittel schon nam¬
haft gemacht.
Es eignen sich für Lycop. magere Individuen,
mehr blondhaarige als mit dunklen Haaren, reiz¬
barer, verdriessliclier, herrsch süchtiger Stimmung.
Schlaf oft ungenügend, besonders vor Mitternacht.
Patient muss hoch und auf dem Rücken liegen
(das Extrem: ganz flach ist selten).
Das Leberleiden simulirt oft (wie auch bei an¬
dern Lebermitteln vorkommt) Cardialgie, d. h.
Magenschmerzen, die in einem Gefühl von Vollsein
bestehen, hervorgerufen oder verschlimmert durch
wenige Bissen Speise oder durch kaltes Getränk
(Lycop. ist von mir häufiger wie irgend ein an¬
deres Mittel gegen Magenleiden angewandt, die
durch kalten Trunk veranlasst waren). Zuweilen
tritt die Cardialgie erst 1 Stunde nach dem Essen
ein. Verschlimmerung Nachmittags, auch von
4—8 Uhr. Dumpfige Luft wird durchaus nicht
vertragen. Besserbefinden im Freien, aber im
Winde Verschlimmerung. Neigung zu Versto¬
pfung, doch auch zuweilen Durchfall. Gegen
saures Erbrechen neben Calc. eins unserer Haupt¬
mittel. Kalte, oft nasskalte Füsse mitHitze desKopfes.
Als Kinder litten die Betreffenden öfter an Kopf¬
ausschlag, besonders am Hinterkopf, mit übelrieclieu-
dem Sccret, (Staphys. u. a.).
Lachesis. Dieses Mittel ergänzt bekanntlich das
vorige.
Auch hier Cardialgie, die meist nicht gleich,
sondern 1—2 Stunden nach der Mahlzeit eint ritt
(Natr. mur., Sepia). Bei den Anfällen oft lähmungs¬
artiges Gefühl im linken Arm. Oft bei Icterus in-
dicirt. Verschlimmerung beim Erwachen, bei war¬
mer Luft, besonders Gewitterluft, ferner bei tiefer
Lage des Kopfes und im Winde hat Lach, mit an¬
dern Mitteln gemeinsam.
Magnesia mur . kann indicirt sein bei Hydrops
ascites in Folge von Leberleiden. Begleitende Er¬
scheinungen: Stuhlverstopfung mit knotigen („schaf-
lorberartigen“) Stühlen oder Durchfall. Die Be¬
treffenden befinden sich besser im Freien als im
Zimmer, besser bei Bewegung als in der Ruhe, ver¬
tragen die Lage auf der rechten Seite Nachts nicht.
Kali carb. Bei Hydrops ascites in Folge von
Leber- (und Nieren-) Leiden oft erfolgreich an¬
gewandt, besonders auch bei den Nachkrankheiten
von Scharlach und Masern, nach Wochenbett, bei
Ilämorrhoidalbescliwerden, besonders den im Wochen¬
bett erworbenen, mit den allerheftigsten Schmerzen
bei und stundenlang nach dem Stuhl, der meist
grossgeformt ist. Die schneidend-stechenden Car-
dialgieen, die sich durch ihre Heftigkeit auszeichnen,
befallen oft Nachts, etwa 2 Uhr.
Die Kranken sind oft genöthigt, die sitzende
Stellung zu wählen, aber vermeiden die gerade auf¬
recht sitzende, die verschlimmert, sitzen möglichst
weit vornübergebeugt. Die Betreffenden wählen im
Bett die Rückenlage, weil Seitenlage nicht ver¬
tragen wird.
Grosse Empfindlichkeit gegen kalte Luft und
Zugwind.
Gedunsenheit des Gesichts Morgens beim Er¬
wachen, Schmerzen in der Reg. lumbalis oder in
der Gegend der Schulterblätter, schneidend, ste¬
chend. (Fortsetzung folgt.)
Digitized by
Google
131
Ueber das Magengeschwür.
Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad.
(Fortsetzung.)
Diese wird auch durch den Umstand bewiesen,
dass das Geschwür nur dort entsteht, wo der Magen¬
saft seine Wirkung entfalten kann und zwar, um
einen Erwcichungs- oder Zerstörungsproccss hervor¬
zurufen.
Man hat zu allen Zeiten geglaubt, dass es die
Alkalescenz des Blutes sei, welche die Einwirkung
des sauren Magensaftes auf die Schleimhaut ver¬
hindert, und dass das Ulcus die Folge des Um¬
standes sei, dass die Einwirkung des Blutes auf die
Schleimhaut aufgehoben wurde.
Diese Annahme gilt heute als falsch und die
Autodigestion während des Lebens muss in Zukunft
der Auffassung einer speciellen Veränderung des
Magensaftes der Hyperchlorhydrie oder der Hyper -
secretion den Platz räumen.
1. Hyperchlorhydrie . Im Jahre 1886 consta-
tirte Riegel zum ersten Male in dem Magensafte
einen Säuregrad von vier Theilen Salzsäure auf
1000 Theile Magensaft. Dieser Befund wurde
21 Mal an 8 Kranken angetroffen. Van der Velden
erhielt dieselben Resultate. Riegel vervollständigte
seine Beobachtungen an anderen Kranken, indem
er die Hypersecretion betonte. Der Säuregrad er¬
reiche im Mittel 3 — 4 Procent ohne Spuren orga¬
nischer Säuren.
Aber Gerhardt beobachtete im Jahre 1888, dass
dieses Phänomen in 24 Fällen 7 Mal fehlte; Schöffer
machte dieselbe Beobachtung und gleichzeitig be¬
merkte er ein Verschwinden des Albumins, welches
i
i
wesentlich von der allgemeinen Hyperästhesie der
Magenschleimhaut, die man oft bei Anämischen findet.
Bei dieser Hyperästhesie folgt der Schmerz auf
die Ingestion irgend welcher Art von Nahrung,
sei es flüssige oder feste, und hält so lange an,
bis die Nahrung in den Darm übergeht oder durch
das Erbrechen herausbefördert wird.
Ein anderer wichtiger Charakter des Schmerzes
beim Ulcus ventriculi bezieht sich auf den Einfluss,
den die Bewegungen und die Haltung des Kranken
auf denselben ausüben. Bei Ruhe im Bett ver¬
schwindet er gewöhnlich, um während des Gehens
wieder zu erscheinen. In der sitzenden Stellung
ist der Schmerz häufig weniger heftig, als in der
Rückenlage, besonders, wenn es sich um Geschwüre
der hinteren Wand handelt. Natürlich hängen die
verschiedenen schmerzhaften Variationen, welche aus
den verschiedenen körperlichen Haltungen resul-
tiren, vom mechanischen Zuge am Ulcus, von einer
directen Reizung seiner Oberfläche durch den de-
placirten Mageninhalt ab.
Bei gewissen Haltungen des Körpers und zu
gewissen Zeitmonienten, zum Beispiel während der
Nacht, wenn der mit einem runden Magengeschwür
behaftete Patient keine Nahrung zu sich genommen
hat, empfindet derselbe keine Schmerzen, während
der mit Krebs behaftete Kranke immer, gleichgiltig
in welcher Zeit, leidet.
Ein anderer Umstand, der für den Schmerz
beim runden Magengeschwür charakteristisch ist
und es gestattet, die Differentialdiagnose zwischen
Ulcus und Gastralgie zu machen, betrifft die That-
sache, dass man den Schmerz durch Druck ver¬
stärken kann; aus diesem Grunde können auch
normaler Weise im Magensaft vorhanden ist. Hayem
und Winter geben selbst die primäre Hyperchlorhydrie
zu, wenn sie auch die Quantität von Salzsäure ge¬
ringer anschlagen.
Der einzige ernste Einwand ist das Fehlen der |
Acidität in einer gewissen Anzahl von Fällen, und [
diese Fälle beziehen sich bald auf die Anämie, die
solche Kranke eng anliegende Kleider und na¬
mentlich das Mieder nicht vertragen. Dieser Schmerz
auf Druck als constantes Zeichen des Ulcus findet
sich namentlich in der Gegend des Processus xy-
phoideus und hauptsächlich links.
Der paroxysmale Schmerz bei den mit rundem
Magengeschwür Behafteten dauert oft 2 bis 4 Stunden,
im Gefolge der Hämatemese der Geschwüre auftritt j bisweiler viel länger. Er besteht in einer Sensa-
und häufiger noch auf den Krebs, der sich oft auf tion von Umschnürung oder von Nagen im Epi-
dem Boden der Geschwüre entwickelt. gastrium; es wird aber auch oft Schmerz im letzten
2. Der Schmerz bietet oft einen paroxysmalen Rückenwirbel angegeben und nicht selten beobachtet
Charakter dar. Er tritt kurze Zeit nach der In- man ausstrahlende Schmerzen in den Hypochondrien,
ge6tion der Nahrung auf und ist in diesem Falle zwischen den Schultern und den Rippen, endlich
die Folge einer mechanischen und chemischen Reizung erstreckt sich der Schmerz oft auf die Verzwei-
der ulcerösen Wunde. Es besteht hier thatsächlich gungen des Vagus in der Lunge, woher auch das
eine gewisse Beziehung zwischen der Qualität der Gefühl der Umschnürung in der Brust herrührt, und
Nahrung und der Intensität des Schmerzes, so dass auf den Plexus brachialis (Traube),
ein mildes Regime, wie z. B. die Milch, keine 3. Das Erbrechen manifestirt sich oft in den
schmerzhafte Sensation auslöst, im Gegensätze zu schmerzhaften Paroxysmen und hört mit dem
dem, was man bei der Verabreichung consistenter Schmerz auf, wenn man die Ursachen der Reizung
und schwer verdaulicher Nahrung beobachtete. | (Ingesta), die auf die Nervenausbreitungen ihren
Dieser Schmerz des Ulcus unterscheidet sich Einfluss ausüben, entfernt hat.
Digitized by
132
Das Erbrechen tritt immer ein, wenn ein Diät¬
fehler begangen wird, der auch die Schmerzen
bedingt. Das einzige besondere Characteristicum
des Erbrechens der mit Ulcus rotundum Behafteten
ist seine starke Acidität, die auf Rechnung der
Anwesenheit einer grossen Menge von Salzsäure im
Magen kommt.
4. Die Verdauung gewisser Nahrungsmittel findet
bei den in Rede stehenden Kranken statt; das
Fleisch namentlich wird gut verdaut, wenn es ohne
Fett und gut vertheilt bereitet wird. Die gut ge¬
kochten Eier werden gut verdaut und die Milch¬
diät, welche heute den Glaubensartikel der ver¬
zweifelten Aerzte bildet, wenn alle ihre anderen
Hilfsquellen erschöpft sind, wird nicht immer von
den an rundem Magengeschwür Leidenden ver¬
tragen.
Der Appetit ist gewöhnlich erhalten, häufig
sogar stärker als die Norma, und wenn er bisweilen
fehlt, ist dies mehr durch die Furcht bedingt, dass
die Ingestion der Nahrung Schmerzen auslösen könnte.
Die Dauer der Digestion, die man für ver¬
mindert hielt, ist im Gegentheil in einer grossen
Anzahl von Fällen eine grössere. — Hayern weist auf
die Verzögerung der Verdauung hin; es ist dies
auch die gewöhnliche Erscheinung und was diesen
Umstand beweist, das ist das unbehagliche Gefühl —
das man das stündliche (horäre) Unbehagen nennt
(S6e) —, dasjenige Unbehagen, das fürs Gewöhn¬
liche vier Stunden nach Beginn der Mahlzeit
auftritt. Dieses Unbehagen ist von unangenehmen
localen Sensationen, von dem Gefühle des falschen
Hungers begleitet, des Hungers, den die Ingestion
der leichtesten und noch so geringen Nahrung be¬
friedigen kann.
Differentialdiagnose des Ulcus pepticum.
J. Ulcus und Cancer. Nur in der Untersuchung
des Magensaftes findet man die Momente des zu
lösenden Problems. Wir wissen, dass das chemische
Characteristicum des Ulcus rotundum die Hyper-
chlorliydrie sei, i. e. die Salzsäure-Hyperacidität, die
man schon durch das calorimetrische Verfahren be¬
stimmen kann. Man bestimmt dieselbe durch Fär-
bungsreagentien oder auch ebensogut mit Hilfe der
acidimetrischen Dosirung: die Gesammtacidität
erreicht am häufigsten oder überschreitet 2.5 bis 3
auf 1000. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die
Salzsäure nicht der einzige Factor sei, welcher die
Gesammtacidität ausmacht. Im Gegensätze zu dem,
was man zu Beginn der Untersuchungen über die
Hyperchlorhydrie glaubte, kann man häufig in dem
Magensafte der Hyperchlorhydrischen neben der
Mineralsäure auch organische Säuren antreffen und
tri fi t dieselben thatsächlich oft an. Dennoch ist es be¬
wiesen, dass der grösste Theil der letalen Acidität
auf Rechnung der freien Salzsäure kommt.
Das Unbehagen und der Schtnerz, die bei den
Hyperchlorhydrischen mit und ohne Ulcus ventriculi
einige Stunden nach der Mahlzeit auftreten, sind
von der Hyperacidität des Mageninhaltes abhängig,
die häufig erst 3 und 4 Stunden nach der In¬
gestion der Nahrung das Maximum ihrer Intensität
erreicht.
Das Herausbefördern des Magensaftes mit Hilfe
der Sonde ist nur in dem Falle von Ulcus, der
nicht mit Hämorrhagieen complicirt ist, gerecht¬
fertigt.
Die chemischen Charaktere des Magensaftes in
den Fällen von Cancer befinden sich in einem ab¬
soluten Gegensätze zu denen des Ulcus; hier spielt
wieder die Anachlorliydrie, combinirt mit dem Vor¬
handensein von Gährungssäuren in grosser Quan¬
tität, die Hauptrolle.
(Fortsetzung folgt.)
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung.)
Natürlich war ich geneigt, dies auf das Tragen
des Bruchbands zu schieben, hörte aber, dass das
Bruchband nur auf dem Heimwege getragen worden
war.
Von diesem John Davids erfuhr mein Freund
Dr. Campbell in North Vernon, der sich durch die
Strapazen des Feldzuges, angestrengtes Reiten, einen
doppelten Leistenbruch zugezogen hatte.
Da auch sein Fall für Rhus passte, rieth ich
ihm, dieses Mittel in X. Potenz bis zur Besserung
zu nehmen.
Auch seine Hernien verschwanden prompt und
traten wenigstens ein Jahr lang, soviel ich weiss,
nicht mehr heraus.
Frau Hill, 50 Jahre alt, dick, hat harte Arbeit
und einen Leistenbruch, der sie sehr belästigt.
Auch sie hat Schmerzen im Körper und in den
Gliedern, welche in der Ruhe verscldimmeri , in der
Bewegung gebessert werden.
Zwei Pulver Rhus tox. X. Hessen die Hernie
wochenlang zurücktreten. Dann kam durch schwere
Arbeit ein Rückfall.
Darauf Rhus 2u0. ein Pulver, nach sechs Mo-
nateu ein weiterer Rückfall, beseitigt durch Rhus
Hochpotenz ein Pulver.
Ein halbes Jahr nach diesem letzten Rückfall
sah ich sie, frei von Leistenbruch; nur bei schwerem
Heben trat er etwas hervor.
[Hering empfiehlt besonders bei frischem Leisten-
Digitized by Google
1S3
brach Rhus, auch bei v. Boennirighausen stellt unter
Leistenbrucb Rhus an hervorragender Stelle.]
H.: In meine Sprechstunde wurde Julius S.,
9 Jahre alt, vom Lande, geführt. In Folge scrophu-
löser Augenleiden war er erblindet. Er hatte eine
Anzahl Drüsenabscedirungen am Halse durchge¬
macht und diese Oeffnungen waren nicht ganz ver¬
heilt ; überall, von den Ohren bis zum Halse, war
die Haut mit weissen, harten, fingerdicken Krusten
bedeckt, unter denen im Frühjahr und Herbst
etwas übelriechende Flüssigkeit hervorsickerte.
Der Vater meinte, ob ich vielleicht die ent¬
stellenden Krusten zum Abheilen bringen könnte.
Rhus 3. am 2. November 1891 half nichts, ich
gab am
19. April 1892 Graphit. X. wöchentlich ein
Pulver.
10. Juli 1893. Der Knabe ist besonders munter
geworden.
Seine Schorfe, die jahrelang bestanden haben,
sind abgeheilt.
Ich wählte Graphit., weil es in Schmelzung alter
Narben einen gewissen Ruf hat, neben Silicea und
Sulfur.
Das Dicke und Harte der Krusten sprach unter
diesen drei mehr mehr für Graphit. Farrington
hebt diese Eigenschaft des Graphit, hervor.
H.: Harry St., 7 Monate alt, hat Aufschlag auf
dem Haar köpf mit klebriger Absonderung, Krusten
fühlend.
20. Mai 1891. Graphit. X. wöchentlich ein
Pulver.
28. Juni. Nach dem ersten Pulver starkes Her¬
vortreten des Ausschlags und sogar Ausdehnung
desselben über das ganze Gesicht, dann nach jedem
weiteren Pulver mehr Besserung; jetzt ist Alles
trocken und im vollen Abheilen begriffen.
Ich gab noch Scheinpulver.
H.: Rudolf St., 9 Jahre alt, hat seit 8 Tagen
Tag und Nacht Husten , zuweilen mit Erbrechen,
schlimmer, wenn er ins Bett kommt, am schlimmsten
jedesmal nach Mitternacht 3 Uhr, wo er unaufhör¬
lich eine Stunde lang hustet.
Er schwitzt leicht am Kopf, hat sehr leicht
Schnupfen und verstopfte Nase, liegt Nachts gerne
auf dem Rücken und gerne warm zugedeckt. (Diese
letzte Notiz habe ich mir gemacht, als Contra-
indication gegen Sulfur. Dieser liegt nicht gerne
auf dem Rücken, nicht gerne auf dem Hinterkopf
und nicht gerne warm zugedeckt.)
Bei der Untersuchung findet man über der
ganzen rechten Lunge Rasselgeräusche.
26. Juni 1891. Kali carb. X. 5 Pulver für
5 Abende.
10. Jul:. Mit dem letzten Pulver war der Husten
vollständig geschwunden. Untersuchung normal.
H.: Frl. A., 22 Jahre alt, blass, klagt über
Magenschmerzen bei leerem Magen, durch Essen auf
eine Stunde gebessert, ebenso durch Liegen und
Geradesitzen .
Handarbeit verschlimmert sehr.
Schnellgehen und Steigen macht kurzlujtig .
Tanzen bessert die Magenschmerzen.
20. April 1891. Sepia X. 5 Pulver, jeden
Abend ein Pulver.
4. Mai. Im Ganzen besser. Der Schmerz sitzt
jetzt mehr im Rücken und war mehrere Nächte,
besonders nach Mitternacht , schlimm.
Kali carb. X. Morgens und Abends, zwei Tage
lang.
25. Mai bedeutend besser, nur noch beim lange
Nahen gemerkt. Kurzluftigkeit beim Schnellgehen
wird betont. Natr. mur. X.
8. April 1892. Seit 8 Tagen Rückenschmerzen ,
besser durch Rückenlage und Anlehnen des Rückens
im Sitzen.
Kal. carb. 200. an zwei Abenden.
13. und 22. April besser und gut.
Die Besserung der Magenschmerzen durch Tanzen
veranlasste mich, zunächst Sepia zu geben; auch
Natr. mur. hat diese Eigenthümlichkeit, aber in viel
geringerem Grade.
Alle drei Mittel haben Verschlimmerung durch
Handarbeit, am hervorragendsten Natr. mur., spcciell
bei Nähen und Stricken; bei Sepia ist es mehr das
Gebücktsitzen, was nicht vertragen wird.
H.: Am 16. November 1891 consultirte mich
eine junge Frau wegen ihrer Neigung zu Fehlge¬
burten. Sie hatte in anderthalb Jahren bereits vier¬
mal Abortus gehabt. Krankhaftes konnte ich an
ihr nicht finden.
Ich finde nur notirt, dass die Rückenlage am
besten vertragen wird und dass Nachts zwischen 3
und 4 Uhr oft eine gewisse Unruhe auftritt.
16. Nov. 1891. Kali carb. X. für die nächsten
zwei Abende.
Ich sah die Patientin erst wieder am 27. Juni
1893. Sie hatte nach dem Einnehmen damals ein
Kind ausgetragen, hat aber jetzt vor 3 Wochen
wieder Abortus gehabt und leidet seitdem an Hämor-
rhoidalbeschwerden und Oh’nmachtsanfkllen.
Ich verordnete einige Pulver Kal. carb. 200.,
kann über den Erfolg noch nicht berichten.
Ich bin weit entfernt, das Post hoc mit dem
Propter hoc zu verwechseln, aber eine gewisse Be¬
deutung ist dem kohlensauren Kali in diesem Falle
nicht abzusprechen.
Ich erinnere mich der als allgemein aufgestellten
Regel für Abortus im zweiten Monat Sabina, im
dritten Kali carb., im fünften und siebenten Sepia
zu geben.
Auch hier bewahrt das Taschenbuch unseres
Digitized by
Google
184
v. Boenninghausen vor dem Fehler, nur an diese drei
Mittel zu denken« v. Boenninghausen nennt an erster
und zweiter Stelle eine ganze Anzahl Arzneien, wor¬
unter allerdings auch jene drei.
H.: Frau St., 22 Jahre alt, hat noch kein Kind
ausgetragen; es trat Abortus oder Frühgeburt ein
im zweiten, siebenten und achten Monat. Sie kam
aber nicht deswegen, sondern wegen Beschwerden,
welche nach diesen Geburten zurückgeblieben waren.
Stiche in der Gegend des Unken Eierstockes .
Schicere Träume heim Linksliegen.
Menses regulär eintretend, zu lange.
Fluor gelb, dick, schmerzlos.
Nachts 3 Uhr oft Leihschmerzen .
Nachts urinirt sie grosse Mengen, wobei sie den
Leib hochhalten muss.
Stuhl sehr schmerzhaft , zu dick 9 mit Blut.
24. Oct. 1892. Kali carb. X. an den nächsten
fünf Abenden ein Pulver.
7. Nov. Schmerzen und Schlaf besser, Stuhl
noch ebenso.
Scheinpulver.
21. Nov. Stiche ganz fort, Nächte gut, das
Uriniren Nachts hat aufgehört, Stuhl nicht mehr
so dick, aber zuweilen noch schmerzhaft und mit
Blut.
Linksliegen gut vertragen.
Fluor nur noch wenig mehr.
Scheinpulver.
12. December. Alles in Ordnung. Jetzt Gravida.
Ob die diesmalige Schwangerschaft normal ver¬
laufen ist, darüber habe ich noch keine Nachricht.
Ich möchte es nach der sichtbaren Einwirkung des
Kali voraussetzen.
Dr. Rushmore: Herr M. hat seit vielen Wochen
Schmerz in der Herzgegend , dabei einen Puls, der
oft jeden dritten Schlag aussetzt. Spigelia und
ein anderes Mittel hatten für eine Zeitlang geholfen,
versagten aber jetzt ihre Wirkung.
Der Schmerz hatte sich geändert, ging bis zum
linken Schidterblatt , und war stechend und leicht
brennend.
Kali carb. 2 Dosen Hochpotenz hoben den Schmerz
definitiv, aber der Puls blieb intermittirend.
(Mit einiger Aussicht auf Erfolg hätte Natr.
mur. folgen können. Natr. mur. hat, ausser Acid.
mur., den jeden dritten Schlag aussetzenden Puls. H.)
Dr. R.: Frau H. klagt über Schmerz und
Schwere im Kopf; letzterer neigt zur linken Seite
und muss gestützt werden. Rothes Gesicht, Prickeln
in Händen und Füssen des Morgens. Schwindel
beim plötzlichen Drehen des Kopfes oder des Körpers.
Zuweilen heftige Stiche in der Herzgegend.
Leichte Schwellung älter und unter den Augen.
Kali carb. Hochpotenz beseitigte sämmtliche Be¬
schwerden.
H.: B., 57 Jahre alt, vom Lande, hat seit langer
Zeit mit Schmerzen zu thun, die in der rechten Ge¬
sichts- und Kopfhälfte sitzen und bis in die Zähne
gehen.
Seit zwei Tagen sind diese Schmerzen durch
Durchnässung der Filsse verschlimmert.
Verlängerungsgefühl der Zähne.
Ungünstig wirken ein kalt und warm im Munde
und Beüicärme.
7. Juli 1891. Merc. sol. 6. an fünf Abenden.
14. Juli. Patient bedankt sich. Nachdem ersten
Pulver wurden die Schmerzen unerträglich, dann
besser. Jetzt ist nur noch Steifheit des Nackens
und ein dumpfes Gefühl im Kopf vorhanden. Schein¬
pulver.
Dr. Emory in Toronto:
Frau D., 22 Jahre alt, hatte mehrere Tage
nach ihrer, übrigens leicht verlaufeneu ersten Ent¬
bindung starken Frost bekommen, nachher Hitze
und Frost abwechselnd stundenlang. Die ganze
folgende Nacht war sie gequält von heftigen, bren¬
nenden und schneidenden Leibschmorzen.
Der Leib ist tympanitisch aufgetrieben und sehr
empfindlich gegen Berührung, Lochien sparsam und
übelriechend, Milchsekretion unterdrückt, Zunge
weiss belegt, dick und breit , hohes Fieber, Puls 160,
Schmerz beständig, zeitweise profuse Schweisse.
Der Schmerz wird in der Wärme und im Schiceiss
heftiger , so dass das warme Bett lästig wird. Sobald
aber die Bettdecke leichter gemacht oder entfernt wird ,
tritt Frost ein.
Ruhelosigkeit die ganze Nacht, aber Angst sich
zu bewegen, weil sonst Frost eintritt.
Merc. sol. Hochpotenz, zweistündlich ein Pulver,
stellte in 24 Stunden den normalen Zustand
wieder her.
II.: Ein zweijähriges Kind hatte die Masern
durchgemacht. Als diese abzogen, zeigte das Kind
eines Tages ängstliche Unruhe; es folgte eine
schlaflose Nacht. Am nächsten Morgen kam ein
schwerer Anfall:
Das Kind klammert sich an dio Mutter an,
ängstlich mit stieren Augen um sich blickend, bei
jeder Bewegung der Thüre, jedem Geräusch, jeder
Annäherung von Personen zusammen fahrend, leichen¬
blass, mit eiskalten Händen und Füssen. Die höchste
1 Angst prägt sich in seinem Wesen aus. Die Anfalle
wiederholen sich, stärker oder schwächer.
Stramon.X. zwei Tage gegeben, blieb wirkungs-
| los, dagegen kam nach der ersten Gabe Cuprum X.
! kein Anfall mehr.
Drei Mittel, Cuprum, Gels, und Borax haben
die Eigenthümlichkeit, dass das Kind sich an die
Mutter anklammert..
Gels, klammert sich an im Umhergetragenwerden,
aus Furcht zu fallen.
Digitized by
Google
135
Borax klammert sich an beim Erwachen oder
bei abwärtsgehender Bewegung, wenn das Kind in
die Wiege gelegt oder die Treppe hinunterge¬
tragen wird.
Cuprum klammert sich an aus Furcht vor der
Annäherung Anderer.
Auf meinen Fall passt, was Kent in einer Vor¬
lesung über Cuprum bemerkt:
„Fürchtet jegliche Annäherung von Personen,
Furcht zu fallen; das Kind klammert sich fest an
die Wärterin an, wie Gels. Voll Furcht und Angst;
(die Zunge geht wie bei einer Schlange schnell vor
und zurück mit) Furcht .zu fallen, Furcht vor jeg¬
licher Annäherung — bei Kindern.“
Das anfallsweise Auftreten sprach in meinem
Falle mehr für Cupr., als Gels. Stram. war eine
V erlegenheitswahl.
In derselben Vorlesung referirt Kent über einen
Fall von Puerperalconvulsionen, für Cupr. passend
und durch dieses Mittel geheilt.
„Die Wehen begannen und Alles deutete auf
einen günstigen Verlauf; auf einmal hörten die
Wehen auf, die Frau blickte um sich und fragte,
warum man kein Licht mache? Obgleich heller
Tag war, ist ihr Alles dunkel vor den Augen.
Eine Stunde nachher begannen Convulsionen,
wie sie in den Prüfungssymptomen von Cuprum be¬
schrieben sind. Eine Dosis Cuprum wurde gereicht
und es kam kein Anfall mehr. Zuerst verschwanden
die Convulsionen, dann die Blindheit, dann kamen
die Wehen wieder. Die Symptome verschwanden
in der umgekehrten Ordnung, wie sie gekommen,
so die Einwirkung des Mittels zeigend.“
Kurz ausgedrückt lautet das Characteristicum
für Cuprum: „Plötzliche Blindheit, gefolgt von Con¬
vulsionen.“
Dr. Mc Neil beseitigte äusserst heftige Kolik¬
schmerzen im Magen und Leib sofort durch Cuprum,
welche Arznei er wählte, weil im Beginne der Kolik
heftige Wadenkrämpfe aufgetreten waren.
H.: Frl. II., 18 Jahre alt, kam wegen Bleichsucht.
Verdriesslich, Unlust zu Allem.
Mattigkeit, sitzt am liebsten den ganzen Tag
herum.
Appetit sehr wechselnd, Durst.
Menses seit Monaten fort.
Einschlafen schwer, Morgens schläfrig.
Aufgefallen ist der Mutter, dass die Tochter
den ganzen Tag Kaffeebohnen kaut und nach Kaffee¬
satz gierig ist.
Hier gab v. Boenninghausen keinen Anhalts¬
punkt, aber in meinen Notizen fand ich für dieses
merkwürdige Verlangen China und Alumen ver¬
merkt. Ich wählte China, weil im Allgemeinen dem
Falle mehr entsprechend. Auch fehlten für Alumen
Stuhlverstopfung und sonstige Zeichen.
31. Dez. 1890. China 200. ein Pulver.
7. Febr. 1891. Viel besser.
Die Regel ist sofort nach dem Pulver gekommen
und seitdem schwach, aber regelmässig.
Unlust fort, Mattigkeit besser.
Appetit noch nicht gross. Durst fort.
Das abnorme Verlangen noch etwas.
China X. wöchentlich ein Pulver (eigentlich über¬
flüssig).
27. Januar 1892. Die Patientin war die ganze
Zeit wohl gewesen, bis vor vier Wochen die obigen
Beschwerden wieder auftraten, zugleich mit schreck¬
lichem Verlangen nach Kaffeesatz und Kaffeebohnen.
Der Appetit ist gut geblieben.
China X. wöchentlich ein Pulver. Seitdem sah
ich die Kranke nicht mehr.
Dr. Dever in Clinton gab China mit Erfolg für
Blutung beim Abortus. Er fand die Patientin kalt,
ohnmächtig und pulslos. Die verlorene Blutmasse
war grösser, als er je dachte, dass ein Mensch ver¬
lieren und doch mit dem Leben davon kommen
könne. Das Blut roth mit grossen Klumpen.
Die Patientin konnte kaum sehen und hören
wegen Geräusch im Kopfe , das sie mit dem Lärm
einer Dreschmaschine verglich.
China 200., in wässeriger Lösung. Schon der
erste Schluck besserte. (Fortsetzung folgt.)
Einige Bemerkungen Uber Kopfweh
bei Kindern.
Vortrag bei dem Weltcongress der homöopathischen
Aerzte in Chicago 1893.
Von Dr. Gerard Smith aus England.
Die homöopathische Behandlung von Kopfweh
bei Kindern ist mein Thema. Ich meine, dass in
der therapeutischen Behandlung von Kopfweh so¬
wohl bei Erwachsenen als Kindern die Homöopathie
der alten Schule überlegen ist. Bei den Er¬
wachsenen zeigt sich uns hierbei die hohe Bedeu¬
tung der subjectiven Symptome, doch laufen wir
andererseits Gefahr, durch die Aussagen der
Patienten über ihre subjectiven Empfindungen in
die Irre geführt zu werden. Ich nehme an, ein
Patient, der seinen Kopfschmerz mit allen be¬
gleitenden Erscheinungen genau beschreiben und
localisiren kann, ist noch seltener als Jemand, der
beim Prüfen eines Mittels einen treuen Bericht von
seinen cephalgischen Empfindungen zu geben ver¬
mag.
Bei Kindern liegt die Schwierigkeit darin, dass
sie uns keine Schilderung ihrer Empfindungen zu
geben ffchig sind. Sind die kleinen Patienten aber
Digitized by
Google
136
alt genug, um sie anzudeuten, so finden wir, dass
ihre Aussagen im Allgemeinen glaubwürdiger sind,
als die erwachsener Kranken, weniger übertrieben,
und oftmals pittoresk. So ist mir ein Fall in Er¬
innerung, in dem ein kleines Kind sagte: „Die
Augen im Kopfe seien ihr von einem schweren
Gewicht, wie von einer Ramme, gestampft“ und
dieses Gewicht sei auseinander (aus den Fugen)
und schabe innen an der Stirn. (Nun, die Kleinen
wissen auch sehr wohl zu übertreiben, ein kleines
Mädchen gestand einmal später, sie habe ihre
Schmerzen als so schlimm angegeben, um die Mutter
zu „ängsten“! Ref.)
Als Regel indessen gilt, dass wir uns bei
Kindern hauptsächlich an die objectiven Symptome
halten, und ich gestehe, diese Thatsache erklärt,
wesshalb wir in der Behandlung von Cephalgia
infantilis verhältnissmässig oft Misserfolge haben.
Wir kommen in die Versuchung, uns zu viel auf
pathologische Theorien zu stützen, was in der
Homöopathie sonst nicht unsere Sache ist.
Ich will hier keine Classification von Kopfweh
bei Kindern geben, eine solche würde nur will¬
kürlich und künstlich sein, sondern ich werde nur
auf einige allgemeine Punkte hinweisen, deren Be¬
deutung ich durch die Erfahrung kennen gelernt
habe. Ich bin, vielleicht aus zu schwachen Gründen,
zu der Ansicht gekommen, dass die frontalen Kopf¬
schmerzen bei Kindern überwiegend die Folge einer
entfernt liegenden Affection, oder einer constitu-
tionellen oder circulatorischen Störung sei, während
Hinterhaupts -Weh oft örtlicher Art ist, von Augen¬
leiden oder Verletzungen abhängig; anererbte Kopf¬
schmerzen scheinen geneigt zu sein, sich an einer
umschriebenen Stelle, gewöhnlich auf einer Seite,
auf der einen regio supraorbitalis oder temporalis,
zu localisiren.
Einer der Hauptgründe zu Fehlgriffen in der
Therapie der besprochenen Erkrankungen Hegt
(nach des Verfassers eigenen Erfahrungen) darin,
dass man die Behandlung auf der Annahme gründet,
dass das Kopfweh entweder von einer Hyperämie
oder dem Gegentheil derselben, einer Anämie des
Gehirns entspringe. Es kommen uns oftmals Kinder
vor, die an Kopfschmerzen leiden, welche von einem
gerötheten Gesicht, glänzenden Augen und un¬
ruhiger Beweglichkeit begleitet sind, und doch sind
diese Bänder gewöhnlich blutarm — und meine Er¬
fahrung sagt mir, dass bei diesen Belladonna oder
Aconit nicht gut thut, wogegen homöopathische
Mittel, die ihrem constitutionellen Zustande ent¬
sprechen, wie Ferrum und Arsen., sich als hilfreich
erweisen.
Bei blutarmen Kindern mit scheinbar hyper-
ämischen Kopfschmerzen werden in der Regel heisse,
nahrhafte Speisen, wie heisse Milch und Suppe, das
Weh erleichtern, während eine solche Diät bei w irk¬
lich hyperämischem Kopfweh den Schmerz wohl noch
vermehren würde.
Die Untersuchung des Urins ist unter solchen
Umständen oft werthvoll; bei vielen anämischen
Kindern wird man bei ihrem Kopfweh eine über¬
schüssige Entleerung von Phosphaten oder Uraten
finden, woraus sich schätzbare Anzeigen für die
Diät ergeben.
Verfasser hatte unter seiner Behandlung ein
Kind mit anhaltendem, sehr heftigem Kopfweh, und
einem reichlichen* grosse Mengen von Phosphaten ent¬
haltenden Urin. Das Kipd war deprimirt und be¬
täubt, hatte arge Schmerzen in der Nierengegend,
erbrach die Nahrung, das Gesicht war geröthet,
die Augen lichtscheu; dazu Schwindel zum Taumeln.
Nachdem verschiedene Mittel fruchtlos geblieben,
erwies sich Helonias in der 6. Dil. als Heilmittel.
Ein anderer, instructiver Fall, betraf ein neun¬
jähriges Kind, einen Knaben, der bei seinen Kopf¬
schmerzen Nasenbluten hatte, aber dieses letztere
Symptom konnte nicht als ein Zeichen von Gehirn¬
hyperämie angesehen werden, denn da6 Kind war
blass und wirklich blutarm. Der Schmerz sass am
Wirbel, das Gemütli war herabgestimmt. Die Unter¬
suchung des Herzens ergab Palpitationen, eine
Insufficienz der Mitralis. Hier half Lachesis 12.
Verfasser erwähnt diesen Fall als ein Beispiel, wie
falsch es ist, wenn man Symptome, die oftmals auf
Gehirnhyperämie hindeuten, als allgemein geltendes
Zeichen dieses Zustandes bei Kindern annimmt.
Man sieht überhaupt in Nasenbluten zu oft einen
Beweis für eine abnorme Blutfülle der Gehirnge-
fasse. Bei Kindern brauchen wir nicht so leicht
die Ursache einer Blutung in einem krankhaften Zu¬
stande der Gefässhäute zu suchen als bei Erwachsenen;
eine Epistatis bei Kindern kann vielmehr selbst ein
Zeichen von constitutioneller Blutarmuth oder einer
passiven Congestion infolge eines Herzfehlers sein.
Die Kopfschmerzen der Schulkinder bedingen
eine grosse Verantwortlichkeit für uns; man beruft
sich ja auf unser Urtheil in Bezug auf die Art und
Ausdehnung der Erziehung und des Unterrichts,
welche für manche Kinder zuträglich sind, und,
wenn wir unrichtig entscheiden, so können wir den
Kindern für die Zukunft ihres Lebens grossen
Schaden bereiten. Es liegt eine grosse Verantwort¬
lichkeit für einen Arzt darin, zu bestimmen, ob
ein Kind seinen Lectionen entzogen werden und
so jener Lebensperiode verlustig gehen soll, in
der das Gcdächtniss am frischesten und das Denken
am leichtesten ausgebildet werden kann. Es sind
aber auch nach der anderen Seite hin wieder er¬
hebliche Fehlgriffe geschehen: man hat das Schul-
Kopfweh vernachlässigt, und damit des Kindes Ge¬
hirnkräfte durch Leiden untergraben und seine
Digitized by
Google
137
von Natur glückliche Kinderzeit sehr elend ge¬
macht.
Des Verfassers Erfahrung geht dahin, dass wir
unter dem modernen Unterrichtssystera, welches, 1
die Thatsache der ‘Evolution auf diesem Gebiete
anerkennend, ein Kind stufenweise vom Spiel zum
„Arbeitsspiel“, und so fortgehend anleitet, Gedächt¬
nis und Perception in kleinen und leichten Stationen i
zu üben, das wahre „Schulkopfweh“ seltner beob¬
achten. Hierunter versteht er das Kopfweh, welches
wirklich von einer Ueberanstrengung des Gehirnes
herrührt — und doch leiden die Kinder in der
Schule sehr oft an Kopfschmerzen. Nachdem die
Missgriffe mit dem „Vollstopfen“ beseitigt und alle
hygienischen Verhältnisse für Schulkinder der
modernen Wissenschaft gemäss verbessert worden
sind, so kommen uns derartige Fälle doch noch zu
oft vor. Unsere Kinder, d. h. die englischen, gehen I
manchmal sehr gern vor der Schlussstunde aus der
Schule und, wenn sie zu dem Zwecke eine Unpass- I
lichkeit als Mittel wählen, so sind sie klug genug,
eine solche auszusuchen, die sich nur aus sub-
jectivcn Symptomen erkennen lässt. Diese Klasse
von Schulkopfweh haben wir zuerst in Betracht zu
ziehen. — Es kommt gewöhnlich in den ersten
Schulstunden, wechselt seine Stelle, und das Bürsch-
lein ist im Stande, ausser der Schule amüsante Ge- j
schichtenbücher zu lesen, oder sich mit anderen I
Beschäftigungen abzugeben, welche eine betracht- |
liehe Anspannung der Augen wie des Gedächtnisses j
erfordern, ohne dass das Kopfweh wiederkehrt oder
ßich erhöht. Verf. hat gefunden, dass es sich in !
solchen Fällen empfiehlt, das Kind aus seiner Schul- I
klasse zu nehmen, ihm Bücher mit grosser Schrift
zu geben, es aber zur Arbeit während der Schul¬
stunden anzuhalten. Krankseinwollende Kinder
halten es nicht lange aus, von ihren Kameraden so j
getrennt zu sein. — Es kommen aber in der That j
oft genug Fälle von Schulkopfweh vor, die von
Ueberanstrengung der Augen herrühren. Diese J
haben nach dem Verf. ihren Sitz mehr im Hinter- j
haupt, oder in der Stirn oder auf dem Scheitel.
Hier leistet die Behandlung, wenn sie den gesammten
Gesundheitszustand berücksichtigt, Bedeutendes, aber
die sog. „stärkende“ Methode ist immer nur pal¬
liativ. Das Kopfweh kann verschwinden, so lange
die künstliche Erregung anhält, wird aber wieder¬
kehren, sobald jene entfernt ist.^ Ist das Kind in
ausnehmend guter Gesundheit, so kann das Kopf¬
weh, z. B. nach den Ferien, fehlen. Aber im Ver¬
laufe der Schulzeit kehrt es zurück. In solchen
Fällen kann das Sehen normal sein, wenn nicht
im Augenblicke der Untersuchung das Kind an j
Schmerzen leidet. Ist es aber ermüdet, oder unter
der Einwirkung von Atropin auf das Auge, so wird
man die Reflexaction mangelhaft finden. Die Ac-
commodation kommt unter gewöhnlichen Umständen
durch eine dem Kinde unbewusste Anstrengung zu
Stande; stellt man jedoch übermässige Forderungen
an dasselbe, dehnt diese zu lange aus, kommt sonst
noch eine Gesundheitsstörung hinzu, so wird diese
Ueberanstrengung sich durch Kopfschmerzen kund¬
geben.
Ein 12jähriges Mädchen litt an einem neural¬
gischen Nacken schmerz, der von den Halsnerven
auf beiden Seiten des Halses nach unten aus¬
strahlte. — Das Leiden rührte durchaus von Augen¬
anstrengung her und ward durch den Gebrauch
geeigneter Gläser gehoben. Dieses Hilfsmittel ist
neben der homöopathischen Behandlung erforderlich,
aber kein „Pince-nez “, welches bei einem empfind¬
samen Kinde durch Druck auf den Nasensattel
Kopfweh hervorruft, sondern eine leichtgefasste
Brille! — Es sind drei Mittel, die Verfasser unter
solchen Umständen angewandt hat; zunächst Acid.
picricum, das seiner Pathogenese nach sowohl auf
das Kopfweh wie auf die Augensymptome hin weist.
Er hat es in der 12.—30. Potenz gegeben. So¬
dann Arg. nitricum und Cimicifuga, letztere in
niederen Verdünnungen.
Es scheint ihm, als ob bei Mädchen, die sich
der Pubertät nähern, das Kopfweh in unserer Zeit
allgemeiner geworden sei. Die Mütter, welche
dieses Uebel gut kennen, halten bei ihren Töchtern
auf Ruhe, sind aber gar zu sehr geneigt, in all
diesen Störungen Pulsatilla zu verabreichen. Das
wirkt aber auf die Ovarien gar zu sehr, und bei
den meisten Mädchen ist der Blutverlust in den
ersten paar Menstruationen eher zu stark als zu
schwach — und Pulsat. begünstigt die Tendenz
dazu ungebührlich. — Hier ist Coflea und Ferrum
oftmals heilsam.
Das „ genitale Kopfweh a bei Knaben in der
Pubertät macht oft viel zu schaffen, und sollte man
bei allen schwer zu behandelnden Fällen von Kopf¬
weh bei Knaben dieses Moment wohl beachten.
Es können aber auch Geschlechtsreize anderer Art
bei Knaben Kopfweh wie noch manche andere
nervöse Erscheinungen bedingen, wie z. B. eine
Phimose, — Störungen, welche durch die Circum-
cision beseitigt worden sind.
Es kommen auch Fälle von Kopfweh, die von
Fieber begleitet sind, das von Malaria herrührt,
und in diesen ist das Kopfweh das massgebende
Moment für die Mittelwahl. Derartige Cephalgien
sind gewöhnlich intermittirend, wechseln entweder
vage herumspringend ihren Sitz, oder tragen bis¬
weilen das neuralgische Gepräge, indem der Schmerz
an einen oder den anderen Kopfnerven gebunden
ist oder wenigstens dort an der Oberfläche be¬
sonders zur Empfindung kommt, wo die Nerven
verlaufen, und hierbei ist die Regio supraorbitalis
18
Digitized by
Google
138
wohl am meisten betroffen. Unter solchen Um- |
ständen kann man an Chinin denken. i
Verfasser behauptet, die wahre Migräne komme 1
hei Kindern selten vor. Bei solchen Kindern, deren
Eltern diesem Leiden unterworfen sind, beobachten
wir zwar oft Kopfschmerzen, aber letztere sind ge¬
wöhnlich gastrischen Ursprungs, und ist Erbrechen
dabei, so findet dies häufiger sein Heilmittel in
Agentien, welche auf den Magen wirken, als in
solchen, die wir in Rücksicht auf die cerebrale
Ursache wählen. Er giebt zu, dass diese Rück¬
sichtnahme auf pathologische Voraussetzungen von
Manchen als etwas der Homöopathie Fremdartiges
angesehen wird, aber er meint, dass man in den
meisten Fällen finden wird, wie ein vornehmlich
auf Grund der gesammten Symptome gewähltes
Mittel, wenn man näher zusieht, sich auch als ein
der pathologischen Aehnlichkeit entsprechendes er¬
weisen wird. |
Ferner giebt es Fälle von Kinder-Kopfweh, in |
denen vor dem Erscheinen des Schmerzes ver- i
schiedene Vorboten, wie Lichtaufflammen vor den
Augen, oder Empfindungen von Verdunkelung des
Sehens, oder manchmal temporäre Schwäche oder |
Lähmung eines Armes oder eines Beins, sei es nach I
der motorischen oder sensoriellen, oder nach beider¬
lei Richtung hin. Danach tritt dann der Schmerz |
im Kopf, in der Regel auf eine Seite der Stirn :
beschränkt, ein und ist von Erbrechen begleitet.
Derartiges Kopfweh, wenn es in häufigen Anfällen
erscheint, ist wahrscheinlich eine wirkliche Migräne,
nicht secundär von gastrischen Störungen abhängig,
und mag auf hereditärer Anlage beruhen. Vor
Allem gilt es hier eine etwaige Augenüberanstrengung
auszuschliessen, zumal eine solche häufiger die Ur¬
sache von Migräne ist, als man voraussetzt. In
derartigen Fällen hat dem Verfasser Coffea 6. und
Acidum carbol. 12. gute Dienste geleistet.
Nicht zu übersehen ist der besondere Fall, wo
der Schmerz in der Nähe der Jochbeine oder um
das Ohr herum gefühlt wird, weil man dann an
eine Erkrankung des Ohrs zu denken hat. Es
handelt sich hier nicht nur um Kopfweh, obwohl
man es allgemein als solches beschreibt. In wenig¬
stens dreien solcher Fälle hat er von verspätetem
Herbeiziehen chirurgischer Hülfe sehr üble Folgen
gesehen. Auch müssen wir allezeit auf der Hut
sein, wo wir auf ernstliche nervöse Erscheinungen,
wie Krampf der Nackenmuskeln, Muskellähmung,
Rucke oder Zuckungen, in Verbindung mit Kinder¬
kopfweh stossen. Solche Zeichen eventueller Ge-
hirnleiden, Tuberkel oder Tumoren, sind uns wohl
allen bekannt.
Schliesslich dringt Verfasser darauf, den Urin
in allen Fällen von Kinderkopfweh regelmässig zu
taitersuchen; denn, wenn dieses mit Urämie oder
Albuminurie verbunden ist, so würden unsere Mittel,
wenn wir sie nach der Totalität der Symptome an¬
ordneten, von keinem Nutzen sein.
Wie wird man in Amerika Arzt?
Von Dr. med. Staads in Essex.
Ueber diese Frage sind die Meinungen in
Deutschland meistens verwirrt; dieser glaubt, ohne
Weiteres in Amerika als Arzt fungiren zu können,
während ein anderer denkt, er w*erde für ein Heil¬
gehilfenexamen den Doctorhut erhalten, oder der
„approbirte“ Fleischbeschauer sieht sich für mehr
als vollgiltig für den Besitz der amerikanischen
Aerzterechte an. Ja, ist’s nicht so? Und mancher,
der dies glaubte, sah sich bitter enttäuscht, als ihm,
in Amerika angekommen, die Vorschriften des
„State Board of Health“ das Müthclien gekühlt
hatten.
Freiheit ist ja die Parole Amerikas in jedem
Theile und Freiheit rühmt der doch Geknechtete!
Auch Heilfreiheit bietet die neue und doch schon
alte Welt insofern, als keine Heilmethode die staat¬
liche ist, sondern jede lässt man frei sich entfalten,
sagt man, wenngleich die Allopathie doch das
Schoosskind ist und man keine Gelegenheit unbe¬
nutzt vorübergehen lässt, den andern Zweigen der
Heilkunst die Flügel zu beschneiden. — Doch,
wie w r ird man Arzt?
Es giebt zwei Wege, das Ziel zu erreichen:
entweder man hat an einer Hochschule, die vom
| „State Board of Health“ anerkannt ist, promovirt,
, oder man besteht das Examen vor dem „State
i Board of Health.“
Nicht alle medicinischen Hochschulen des Landes
und nicht alle europäischen werden anerkannt, sei
es nun desswegen, weil ein Verdacht gegen sie
! vorliegt, oder weil der „State Board of Health“
I davon überzeugt ist, dass jene Hochschulen nicht
I ein so scharfes Examen fordern, wie er. Es liegt
! aber in den amerikanischen Verhältnissen, dass man
Niemanden das Recht entziehen kann, eine Hoch¬
schule, hier College genannt, zu errichten, sondern
sie werden einfach nicht anerkannt. Muss der
in Deutschland approbirte Arzt sein Diploma
der Ortsobrigkeit, Pliysicus oder Oberamtsart vor¬
legen, um unangefochten (im Sinne des gefühllosen
Gesetzes) prakticiren zu können, so hat auch der
amerikanische Arzt sein Diploma der Staatsregie¬
rung für Medicinalaugelegenheiten, dem sog. „State
Board of Health“ vorzulegen, wogegen er laut mit-
letournirtem ,,Certificate“ die Freiheit zur Praxis
erhält, vorausgesetzt, dass ersteres für gut befun¬
den ist.
Digitized by
Google
189
Auch hier, wie in allen Dingen, heisst es, die ]
Augen offen, will man nicht betrogen sein. Winkel- |
Colleges giebt es nicht vereinzelte und weil man
ihnen nicht den Garaus machen kann, zapfen sie
ruhig weiter an der arglosen, betrogenen Schüler¬
zahl, durch eine verborgene Klausel sich schamlos
deckend.
Zum Eintritt in ein amerkanisches „Medical-
College“ sind erforderlich:
a) Verstehen der Landessprache, denn nur in
dieser wird docirt,
b) körperliche und geistige Gesundheit und
c) das nöthige Kleingeld.
Allerdings werden in den letzteren Jahren die
Saiten straffer gezogen, man fordert oft auch Di-
ploma von guten Vorschulen, ähnlich dem Reifezeug¬
nisse deutscher Gymnasien resp. Realschulen.
Die Einrichtung amerikanischer Colleges ent¬
spricht ungefähr derjenigen deutscher Universitäten,
nur übt man im Lande der Freiheit schärfere Con-
trolle über den Musensohn aus, ja auch über die
Musentochter. Ich bemerke für den mit hiesigen
Verhältnissen Unbekannten, dass hier Lernfreiheit
herrscht und recht viele Damen mit Eifer dem
ärztlichen Studium obliegen. Freilich, ein nicht
kleiner Procentsatz derselben erreicht nur die Stufe
einer guten Hebamme, doch besitzt Amerika auch
viele ausgezeichnete weibliche Aerzte.
Die Dauer der medicinischen Studienzeit be¬
trägt meistens 8 bis 4 Jahre, und neuerdings haben
die meisten der besseren Lehranstalten 4 Jahre
als Forderung festgesetzt. Das Honorar der meist
aus langen Winterkursen bestehenden Studienjahre
ist recht verschieden und richtet sich nach dem
qualitativen Gehalte des Lehrkörpers.
Am meisten interessirt wohl über das Examen
vor dem ,,State Board of Medicalexaminers“ zu
hören, denn das ist ja neu in Deutschland.
Wie in Deutschland das „Ministerium für Medi-
cinalangelegenheiten“ das Aerzte wesen regulirt, so
ist unsere höchste Instanz „The State Board of
Health and Medicalexaminers. “ Von hier aus er¬
halten die Colleges ihre directen oder indirecten
Vorschriften bezüglich Prüfung der Studenten und
hier werden die Examina Nichtdiplomirter abgelegt.
Jeder Staat hat seine eigene „State Board 4 * und
die meisten Staaten haben auch eine „State Board
of Medicalexaminers,* 4 die Aerzteprüfungscommission.
Doch besitzen einige neuere Staaten diese Einrich¬
tung noch nicht und dulden auch mehr oder weniger
die freie Praxis. Bezüglich der Schwierigkeit des
ärztlichen Examens stehen wohl Jowa und Illinois
obenan.
Bei Anmeldung zum obengenannten Examen
vor der „State Board of Medicalexaminers“ hat man
unter Eid seine Personalien anzugeben und zu
sagen, wo und wie man seine medicinischen Kennt¬
nisse erwarb. Man hat von 10 bis 25 Dollar für
das Examen zu zahlen, und wird dann eventuell
zur Prüfung zugelassen. Letztere ist in den meistei^
Staaten nur schriftlich und geschieht nur unter
strenger Aufsicht. Es kommen gewöhnlich folgende
Prüfungsfächer vor:
Anatomie,
Physiologie,
Chemie,
Materia Medica,
Obstetrik,
Chirurgie,
Pathologie und Therapie,
und werden in jedem Fache 10 oder 12 Fragen
gestellt, welche oft wieder Unterabtheilungen auf¬
weisen. Ich führe hier einige Fragen aus jedem
Fache an, wie sie mir gerade aus einem Jowa-
Examen zur Verfügung stehen.
Anatomie:
1. Genaue Beschreibung der Schlundrauskulatur.
2. „ ,, des Beckengerüstes.
3. >f „ der Venen der unteren
Extremität.
4. Genaue Beschreibung der Venen der oberen
Extremität.
5. Genaue Beschreibung der Medulla oblongata.
6. „ ,, der Varolsbrücke.
7. „ ,, der Medulla spinalis.
8. Durch welche Adern wird das Herz mit Blut
versorgt? u. s. w.
Physiologie:
1. Beschreibung der Herzthätigkeit und des
Blutkreislaufes.
2. Giebt es Arterien, welche venöses Blut führen
und umgekehrt, und welche?
3. Wie functioniren die Nieren?
4. Was versteht man unter Nutrition?
5. Beschreibung des äussern und innern Ohres
und wie der Schall aufs Gehirn fortgepflanzt
wird.
6. Was sind seröse Membranen? und nenne solche.
7. Wodurch unterscheiden sie sich von den
mucösen? u. 8. w.
Chemie:
1. Definition eines Oxydes.
2. Welche Flecke macht Acid. nitr. in Kleidern?
3. Wodurch löscht Wasser das Feuer?
4. Warum wird Zink von Wasser weiss?
5. Was sind und wodurch entstehen Tropfstein¬
gebilde? u. s. w.
Materia medica:
1. Definition des Unterschiedes zwischen Homöo¬
pathie und Allopathie.
18*
Digitized by
Google
140
2. Charakteristische Symptome von Sulphur.
3. „ „ » Aconit, nap.
4. „ >, ,, Bryonia alba.
5. ,, ,, ,, Veratrum alb.
6. ,, ,, „ Rhus toxicod.
7. „ ,, ,, Chamomilla.
8. ,, ,, „ Arsenicum.
9. „ „ „ Hepar sulpli.
u. s. w.
Obstetrik:
1. Durchmesser des weiblichen Beckens und des
fötalen Kopfes angeben.
2. Beschreibung der Entwicklung einer Fleisch¬
mole.
3. Symptome und Behandlung derPlacentapraevia.
4. Woran erkennt man das Herannahen von ,
Convulsionen ?
5. Geburtshülfliche Behandlung der Eclampsie.
6. Was ist bei vorliegender Schulter zu thun? j
7. Beschreibung der mucösen Uterusmembran.
8. Beschreibung der Decidua.
9. Symptome der puerperalen Septicämie und
Mittel dagegen mit Symptomenangabe.
Chirurgie:
1. Symptome und Behandlung des Glaucoin.
2. Amputation im oberen Drittel des Oberarm,
sowie des Beines oben überm Kniegelenk, und
welche Arterien sind zu unterbinden?
3. Exarticulation im Fussgelenke.
4. Unterbindung der Carotis communis.
5. Dislocation im Hüftgelenke.
6. Fractur am Fernurlialse.
7. Ovarientumor.
8. Phimosis.
9. Ilernia crural. u. s. w.
Pathologie und Therapie:
1. Charakteristische Symptome der Cerebrospinal-
Meningitis und Mittel mit Symptomenangabe.
2. Differentialdiagnose zwischen Cerebrospinal-
Meningitis, Apoplexie und Delirium tremens.
3. Veitstanz und Heilmittel mit Symptomenan¬
gabe.
4. Dasselbe von Eclampsie.
5. Ebenso Diphtherie.
6. Gleichfalls Pädatrophie.
7. Differenzialdiagnose zwischen: Ascites, Gravi-
ditas und Ovarientumor u. s. w.
Es ist einleuchtend, dass dieses Schema nur als
Beispiel dient und dass die Fragen bei jedem
Examen wechseln.
Ist das Examen bestanden, so erhält man das
Arzt-Certificat und hat mit demselben sowohl das
Recht zur uneingeschränkten Praxis im Staate, als
auch zum Selbstdispensiren. Damit geht Hand in
Hand die Uebernahme der Pflichten des Arztes
den Behörden gegenüber, wie das Anmeiden von
Sterbefällen, Geburten, sogenannte Infectionskrank-
heiten etc.
Die Stellung des Arztes in den Vereinigten
Staaten gleicht der in Deutschland, doch ist der
Arzt hier zu Lande nicht die Autorität wie in Eu¬
ropa, wenigstens nicht wie in Deutschland. Und
das ist ein Nachtheil! Keine Heilmethode kann
mit mathematischer Sicherheit rechnen, kein Arzt
hat alle Weisheit auf Lager, oder ist von dem
Glücksengel allein geliebkost und desswegen kommt
ein gut Theil Vertrauen, Hoffnung und Respect
dem Kranken immer wieder selbst zugute!
Die Gedächtnissfeier des 140. Geburtstages
von Samuel Hahnemann.
Am Abend des 10. April d. J. hatten sich, wie
alljährlich, die sämmtlichen hiesigen Collegeu mit
ihren Damen zur Erinnerungsfeier von Samuel
Hahnemanns Geburtstag im Weinrestaurant von
Staake versammelt. Ausser einigen jüngeren Col-
legen, welche hier die homöopathische Heilmethode
studiren und gleichfalls eingeladen waren, hatten
noch College Goullon von Weimar und Herr Stein¬
metz der Einladung Folge geleistet, sodass im
Ganzen 17 Thcilnehmer erschienen waren.
Das Fest verlief in der schönsten Weise. Nach
Eröffnung der Festfeier durch den Vorsitzenden
Dr. Lorbacher, der der Verdienste Hahnemanns
gedachte und die Gäste begrüsste, würzten ernste
und heitere Ansprachen das gemüthliche Beisammen¬
sein. Auch musicirt wurde und dabei das Festlied,
so gut cs bei dem heterogenen Rhythmus ging,
gesungen. Zu später Abendstunde erst trennten
sich die Festtheilnehmer mit dem schönen Bewiisst-
sein, ihrerseits zur Verehrung und Dankbarkeit gegen
den grossen Meister beigetragen zu haben.
Homöopathisches Spital München.
Dasselbe hat im Jahr 1893 das erste Decenniuni
seines Bestehens glücklich zurückgelegt und be¬
findet sich, dank der opferfreudigen Theilnahme von
Freunden der Homöopathie und der umsichtigen
Leitung seines Vorstandes, in gutem Fortgange.
Den Bedürfnissen entsprechend hat letzthin eine
Erweiterung des Spitals und manche Verbesserung
stattgefunden. — Ambulatorisch wurden im verflos¬
senen Jahre daselbst von drei homöopathischen
Aerzten 310 Kranke behandelt. — Der Stand der
Finanzen ist ein günstiger. — Zu bedauern ist, dass
aus unseren homöopathischen Krankenhäusern so selten
ausführliche Krankheits- resp. Heilungsgeschichten
Digitized by u.ooQie
141
mitgetheilt werden, was für unsere Heilkunst doch
von erheblichem Interesse wäre.
Personal-Nachrichten. j
Am 1. April war es, wie uns von befreundeter
Seite mitgetheilt wird, dem Herrn Collegen Dr. Her¬
mann Schwencke in Cöthen vergönnt, sein fünf- ;
zigjähriges Doctor-Jubiläum zu feiern. Er blickt I
auf eine reich gesegnete ärztliche Thätigkeit zu- j
rück, die er grösstentheils in dem für die Homöo- j
pathie so wichtigen Cöthen ausgeübt hat. Es ist !
uns eine angenehme Pflicht, ihm zu seinem schönen j
Ehrentage unsere herzlichen Segenswünsche darzu¬
bringen. I
Eine Deputation des homöopathischen Vereins |
für Sachsen, Anhalt und Thüringen war zu dem
Festtage erschienen und überreichte Sanitätsrath
Dr. Faulwasser-Bernbürg dem Jubilar ein ehrendes
Anschreiben und ein prächtiges Diplom als Ehren¬
mitglied des Vereins, und als Delegirter des
homöopathischen Centralvereins begrüsste ihn Dr.
Lorbacher-Leipzig, der ihm ebenfalls ein schön aus¬
geführtes Diplom übergab. Die Redaction.
LesefrUchte.
Argyrie nach äusserlicher Behandlung
mit Höllensteinlösnng.
Von Dr. H. D. Olshausen, Marine-Stabsarzt.*)
In dem vorliegenden Fall von Argyrie handelt
es sich weder um sogenannte Gewerbeargvrie, noch
hat auch die Patientin innerlich Argentum nitricum
erhalten; es kann vielmehr die Erkrankung nur
auf die äusserliche Application von Höllenstein¬
lösung (l°/oo) zur Behandlung von Brandwunden
zurückgeführt werden. Die betreffende 43 Jahre
alte Patientin zog sich am 5. Juli 1892 aus¬
gedehnte Verbrennungen ersten und zweiten Grades
an beiden Armen, in der linken Achselhöhle, am
Hals und Rücken, an Nase und Lippen zu und
suchte am 7. Juli 1892 die Charite auf; bis zum
8. August, wo die Verbrennungen ersten Grades,
die sich am Hals und im Gesicht vorfanden, ver¬
heilt waren, wurde Patientin nur mit Wismuth-
verbänden behandelt, erst vom 8. August ab
wurden die Brandwunden an den Armen und auf
dem Rücken mit (1 °/ OÜ ) Höllensteinlösung behandelt.
In der allernächsten Zeit entwickelte sich bei
der Patientin eine schwere Stomatitis, bei der
Streptokokken nachzuweisen waren, weshalb sie am
2. September in das Institut für Infectionskrank-
*) Aus der chirurgischen Abtheiluug des Herrn Ober¬
stabsarzt Dr. Köhler. .,Deutsche Medicinische Wochen¬
schrift“ Nr. 47.
heiten verlegt wurde; auch hier ist die Behaadlung
der Brandwunden dieselbe geblieben — besonders
ist niemals örtlich die Mundschleimhaut mit Höllen¬
stein geätzt worden. Am 22. September wurde die
Patientin zur Vornahme einer Transplantation zur
chirurgischen Abtheilung des Herrn Professor Köhler
zurückverlegt. Am 27. September wurde auf den
ganzen rechten Vorderarm transplantirt, so dass vpn
nun an, da auch die Brandwunden des Rückens
verheilt waren, nur noch der linke Arm und der
rechte Oberarm mit Höllensteinlösung (l°/ 0 o) ver ‘
bunden wurde. Anfangs October stellten sich die
Symptome einer recidivirenden Stomatitis ein, und
wurde vom 13. October ab die Höllensteinlösung
gänzlich fortgelassen, da die Diagnose auf com-
plicirende Argyrie gestellt wurde. Es zeigten sich
auf der Schleimhaut der Wangen und auf der Gin¬
giva — besonders an den sich berührenden Stellen
beider, also auf der Höhe der Alveolen — Buckel,
blau schwärzlich verfärbte Stellen, die Umschlag¬
stelle der Wangenschleimhaut zur Gingiva war in
ihrer ganzen Circumferenz frei, dagegen wies auch
die Unterlippe eine blauschwärzliche, nach aussen
hin sich gezackt vorschiebende Zone auf; in ein¬
zelnen Lakunen der Tonsillen blauschwärzliche Ein¬
sprenkelungen. Die Oberfläche der Zunge war frei;
doch fanden sich auf der Unterfläche der Zunge
zu beiden Seiten des Frenulum argyrotische Ver¬
färbungen. Die Behandlung mit Höllenstein wurde
sofort ausgesetzt. Indessen verfiel die Patientin
ausserordentlich schnell, das Recidiv der Stomatitis
nahm zu, die verfärbte Wangenschleimhaut schwoll
sehr stark an, es bildeten sich Geschwüre auf der¬
selben , die zur Ausstossung bläulich verfärbter,
structurloser Membranen führten, es litt die Er¬
nährung schwer, und unter zunehmender blau¬
schwärzlicher Verfärbung der Mund- und Lippen¬
schleimhaut ging Patientin, nachdem sich noch
schwere Durchfälle und Convulsionen eingestellt
hatten, am 20. October zu Grunde.
Die Obduction bestätigte die Farbe, Art und
Anordnung der intra vitam in der Mundhöhle und
auf den Tonsillen constatirten Verfärbungen; ferner
fanden sich blauschwärzliche Flecke (drei bis vier)
im Douglas’schen Raum und auf der hinteren
Pharynxwand; das ganze Colon, besonders das
Colon transversum, war dunkel verfärbt (Colitis
ulcerosa chronica pigmentosa). Argyrotische Ver¬
färbungen auf der Haut des Körpers und an den
Nägeln fanden sich nicht vor.
Bei der chemischen Untersuchung auf Silber, die
an zwei Stücken des Colon vorgenommen wurde,
konnten Silberreactionen zur Darstellung gebracht
werden, wenn auch die oben erwähnte Schwaj:z-
färbung des Darms in der Hauptsache auf Schwefel¬
eisen beruhte.
Digitized by k^ooQie
142
Für die mikroskopische Untersuchung wurde ein
Theil der Unterlippe verwendet, und fanden sich
zahlreiche kleinste schwarze Körperchen im Epithel,
im Bindegewebe und in den Drüsen. Dass dies
hier abgelagerte Pigment nicht vom Blut geliefert
sein könne, ergab der Ausfall der auf Blutfarbstoff
gemachten Reactionen. Im Bindegewebe sah man
rundliche, schwärzliche Körper, deren längere Achse
dem Zuge des Bindegewebes entsprach und die an
ihrem Rande besetzt waren mit zahlreichen, radiär
abgehenden Strichelchen; dies erscheint als das
Bild der abgeschlossenen Silberablagerung. Be¬
trachtet man dagegen Stellen im Bindegewebe, wo
die Einlagerung noch nicht so weit gediehen ist,
so sieht man schwärzlich doppelt conturirte Züge,
die alle in einer grösseren, breiteren, ebenfalls
doppelt conturirten Stelle zusammen laufen; dies
scheint das Bild der im Entstehen begriffenen Eiu¬
scheidung der Bindegewebselemente durch Silber¬
ablagerung zu sein. Es scheint demnach, dass die
Ablagerung in der Zwischensubstanz des Binde¬
gewebes beginnt, sich von beiden Seiten her an
die formirten Gewebselemente anlegend, so dass
man also an Stellen der beginnenden Ablagerung
nur eine schmale, schwärzliche Doppelcontur sieht;
im fortschreitenden Process kommt es dann zur
Bildung der vorher beschriebenen rundlichen Flecken.
In den Drüsen finden sich die Ablagerungen als
gebogene, dickere Conturen im Stroma der Acini.
Zahlreiche kleine, schwärzliche Körperchen finden
sich auf den Spitzen der Papillen. Im Epithel
finden sich die Ablagerungen spärlich als dunkle,
grössere Flecke, die sich nicht an die Configura-
tion des Gewebes halten, und zwar ist dies in den
tieferen Lagen der Fall, im obersten Epithelsaum
findet sich eine Zone der Anhäufung feinster
dunkler Pünktchen, wie auf der Spitze der Pa¬
pillen. Um dies gleich hier abzumachen, so scheint
die oben erwähnte correspondirende Fleckenbildung
zwischen Wangenschleimhaut und Gingiva, welche
sich auf der höchsten Prominenz der Alveolen fand,
die Folge dieses obersten Saujnes der Silbereinlage¬
rung zu sein. Dort also, wo Epithel am stärksten
gegen Epithel drückte, kam es zur correspondiren-
den Fleckenbildung, zu einer Uebertragung durch
Contact.
Die Argyrosis ist also in diesem Fall weder j
auf Arbeiten mit Silber (Gewerbeargyrie), noch auf
innerliche Darreichung von salpetersaurem Silber
zurückzuführen, ebensowenig sind etwa zur Be¬
kämpfung des Stomatitis Höllensteinpinselungen an
Ort und Stelle vorgenommen worden. Die Dia¬
gnose Argyrosis erscheint berechtigt erstens nach
dem Leichenbefund: es fanden sich neben den 1
Verfärbungen der Darm- und Mundschleimhaut ge- '
rade die für Argyrosis beschriebenen blauschwärz- j
liehen Einsprenkelungen im Douglas’schen Raum,
an der hinteren Pharynxwand und in den Lakunen
der Tonsillen. Zweitens war chemisch mit Ver¬
wendung der dazu herausgenommenen Stücke des
Colon, Reaction auf Silber nachweisbar. Drittens
ergab die Untersuchung der Mundschleimhaut, dass
es sich nicht um eine vom Blutfarbstoff gelieferte
Ablagerung handeln könne, da die Reactionen auf
Blutfarbstoff ausblieben, auch würde die Anord¬
nung der kleinen schwarzen Körperchen (Corpora
argentea), wie sie sich mikroskopisch darbot, nicht
einer vom Blutfarbstoff gelieferten Pigmentablage-
rung entsprechen. Schliesslich, um die auch für
Argyrosis sprechenden klinischen Symptome anzu¬
führen , stellten sich zuletzt heftige Durchfalle,
Schwindelanfälle und Convulsionen ein. Dies alles
zusammengenommen und erwogen, erscheint die
Diagnose Argyrosis, und zwar nach äusserlicher
Application von 1 °/ 00 iger Höllensteinlösung zur Be¬
handlung von Brandwunden, wohl berechtigt. Wes¬
halb in diesem Falle eine sonst bei Tausenden von
Verbrennungen ungefährliche Behandlung so ver¬
derblich gewirkt hat, lässt sich wohl nur approxi¬
mativ beantworten. Verwendet sind doch nur ge¬
ringe Mengen des Silbersalpeters, denn dass bei
einer Behandlung mit Höllensteinlösung (1°| 00 ) im
Laufe weniger Wochen das sonst als toxische
Minimalmenge geltende Quantum von 25—28 gr
nicht zur Verwendung gekommen ist, liegt am
Tage. Andererseits scheint bei der medicainentösen
Verwendung von Metallen (wie z. B. Hg und Ag)
die Art, resp. die Schnelligkeit der Resorption der
an Ort und Stelle eingegangenen Eiweissverbin¬
dungen und die damit wohl in Verbindung stehende
feinste Zertheilung des Metalls von Bedeutung zu
sein. Wir wissen, dass, je feiner zertlieilt ein
Pulver oder für den vorliegenden Fall ein Metall
ist, desto grösser die Wirksamkeit ist. Die Re¬
sorptionsvorgänge in den Geweben sind nach dem
jeweiligen Kräftezustand, in dem sich die Betreffen¬
den befinden, verschieden. Nach schweren Blut¬
verlusten treten im Fall der Infection septische
Erkrankungen äusserst stürmisch auf. Dies kann
mutatis mutandis auch bei der medicamentösen Ver¬
wendung von Metallen gelten.
Um Concreta anzuführen: es ist ein Wagniss,
einen Patienten, der sich bei der Ausreise nach
den z. B. westafrikanischen Tropen kurz vor
seinem erstmaligen Betreten der Tropen mit Luös
inficirt hat, dort nun nach etwa drei bis vier
Wochen, wenn 9 ich die ersten Symptome der all¬
gemeinen Infection zeigen, einer Injectionscur zu
unterwerfen. Das tropische Klima bringt besonders
die das erste Mal dorthin Kommenden in patho¬
logische Conditionen, namentlich in Ansehung der
Resorptions- und Secretionsvorgänge; in mehr als
Digitized by ^.ooQle
143
einem Fall genügten bei der Behandlung einer
frischen Lues in den Tropen zwei bis drei Injec-
tionen ä 1 ccm von Solutio Hydrargyri bichlorati
0*61100*0, Natrii chlorati 1*2, um das Bild des
foudroyanten Mercurialismus bei sonst kräftigen
Personen hervorzurufen. Des Ferneren möge als
Beleg dafür, wie deletär die schnelle Resorption
von Metallen, wie sich dieselbe hei Erschöpften
einstellt, wirken kann, folgender Fall angeführt
werden.
Eine Frau kam im April 1898 zur Aufnahme,
die an sehr heftigem Nasenbluten litt; dasselbe
musste auf luetische Ulcerationen, besonders im
Septum zurückgeführt werden. Nachdem durch
eine ungefähr zweiwöchentliche Tamponade die
immer wieder auftretendc Blutung zum Stillstand
gekommen, fing Patientin an, sich von ihrer Er¬
schöpfung durch den langen Blutverlust zu er¬
holen, und wurde nach einiger Zeit, da Befund
und Anamnese für Lues sprachen, eine Injections-
cur begonnen; Patientin erhielt jeden sechsten Tag
acht Theilstriche der Pravaz’schen Spritze von
Hydrargyrum salicylicum 5., Paraffinum liquidum 50.;
nach der dritten Injection war die Mercurvergif-
tung deutlich, und ging Patientin ausweislich des
Obductionsprotokolls an Colitis haemorrhagica zu
Grunde. Alles dies auf den Fall von Argyrosis
angewendet, so scheint, da die Ernährung der
Patientin durch die Stomatitis schwer gelitten hatte,
sich die Betreffende in einem Zustande befunden
zu haben, der die verderbliche energische Resorp¬
tion von feinsten Silbertheilchen aus den an der
Applicationsstelle eingegangenen Eiweissverbindun¬
gen begünstigte und so die Metallvergiftung herbei¬
führte. Ob man sich nun die verderbliche Ein¬
wirkung eines in feinster Vertheilung im Gewebe
ausgeschiedenen und dort deponirten Metalls als
einen katalytischen Vorgang oder anders vor¬
zustellen habe, gehört nicht hierher zu erörtern.
Personalia.
Herr Dr. Westhoff in Freckenhorst hat in
Berlin das Dispensirexamen bestanden.
Druckfehlerberichtigung.
In No. 15/16, Seite 125, Zeile 22 von unten,
muss es heissen „belustigte“ statt „belästigte.“
Anzeigen.
Med. Dr. Theodor Kafka wohnt auch in
dieser Saison im Hause „Annaberg“, Marktplatz,
knapp vor dem Hotel Hannover in Karlsbad.
Mez & Söhne, Freiburg, Baden
empfehlen ihre luftdurchlässigen und
desshalb allein zweckmässigen
Netz- und Zellenstoff-Unterkleider
aus Seide, Wolle oder Baumwolle.
Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
Dr. med. Walsera Chinagras-Wäsche
in Krepp- und ZellenstolF.
Prospecte postfrei zu Diensten.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
'Weine
anerkannter Güte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 1 °j 1 oder 12 / 1 Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ah hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11.— bezw. Mk. 14.—.
Dr. Putzar’s Sanatorium
Königsbrunn b. Königstein (sächs. Schweiz).
Wasserheil- und Kuranstalt.
Electro- und Mechanotherapie.
Kohlensäure - Bäder (Patent Lippert).
Diät- und Mastkuren.
Das ganze Jahr besucht. Hässige Preise.
Prospecte gratis.
Besitzer: Dr. med. Putzar.
Kastanienblüthen^Oel
und
Ka s tanienb lüthen-Tinct ur
aus den frischen Blüthen bereitet, haben sich als
thatsächlich gute Mittel zum Einreiben gegen
Gicht und Rheumatismus schon seit langen
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens
empfohlen.
Zu haben in jedem gewünschten Quantum, in
Flaschen ä ÖOPfg. bis zu Flaschen ä Ko. = 4 M.
Leipzig, A. Marggrafs Homöopath. Officin.
Digitized by
Google
144
Soeben ist erschienen die 6. Anflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
leipziger Populären Zeitschrift fllr Homöopathie:
„Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur-
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntnis» und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wonn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle
Sympathie entgegenbringen.“
Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extract —, welches bei W r unden, Wundsein der
Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc.,
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein¬
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstehungsursaclien, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
ie und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er boherzigenswerthe Winko giebt.
Der „Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche,
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller-
grösstem Wert he und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1.50 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben versehen ist, w'ird den Freunden des
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig, im April 1894.
A. Marggrafs Homöopathische Officin.
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gi fGSehränkehen
und
SeparandennSehränkehen
anfertigen lassen und steho ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschränkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
I verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 8 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
! curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
; und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
! diesen Abteilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
; nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thiiren sind mit vorsohriftsmassigen Porzellanschildern ver¬
sehen.
! Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
j einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
j kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandenschränkch6n ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
; roth auf weiss zu siguiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich hcrangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gill* und Separanden-Scliränk*
eben jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor¬
rätig.
Die obere Abteilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abteilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
I sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
j gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by
Google
Band 128,
Leipzig, den 10. Mal 1804,
No. 19 u. 20c
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCH! ZEITH«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10M. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Posb-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein <feVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraPs homöopath. Offloln in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet.
Inhalt. Uebor Lebermittel. Von Dr. Kunkel in Kiel. (Schluss.) — Ueber das Magengeschwür. Von
Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad. (Fortsetzung.) — Die Behandlung der Ohrenkrankheiten. Von Dr. Mossa. — Ent¬
gegnung. Von Dr. Köck. — Die Homöopathie in Frankreich während des Jahres 1893. Von Dr. Francis Cartier. —
Zur Nachricht! Von Dr. Hengstebeck. — Ein Fall von Psoriasis mit Metastasen. Von Dr. Lambreghts jun. aus
Antwerpen. —Personal-Nachrichten. —Vom 23.Chirurgencongress in Berlin. — Materia medica. Von Dr. A. K. Mc Michael. —
Lesefrüchte — Zuf Meraner Anzeige. — Personalia. — Anzeigen.
■W“ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 'WB
Ueber Lebermittel.
Von Dr. Kunkel in Kiel.
(Schluss.) j
Ich übergehe Mercur., das in Hochpotenz nach
Missbrauch des Mittels in massiver Gabe oft grosse j
Dienste leistet, ferner Phospli., der bekanntlich
Fettleber erzeugt, und wende mich dem eigent¬
lichen Zweck dieser kleinen Arbeit zu. Dieser ist:
die Aufmerksamkeit der Collegen auf die Rade-
macher’schen Lebermittel zu lenken. Rademacher
unterscheidet zwischen Urieiden und secundären
Erkrankungen der Organe. Diese Unterscheidung
ist durchaus in der Natur begründet, ebenso, dass
diese letzteren zu Urieiden werden, eine gewisse
Selbständigkeit erlangen können. Dieselben ent¬
ziehen sich dadurch der Einwirkung einer ätio¬
logischen Behandlung, die vielleicht in früheren
Stadien der Krankheit erfolgreich gewesen wäre,
und erfordern eine eigne Mittelwahl. Die Erschei¬
nung beschränkt sich nicht etwa auf die parenchy¬
matösen Organe der Brust- und Bauchhöhle, son¬
dern wir finden sie auch in den Centren des Nerven¬
systems, dem Gehirn und Rückenmark. Hier tritt
sie, ein Product der verschiedensten Factoren, als
Neurasthenie auf. Eineu recht instructiven Fall
aus der neuesten Zeit will ich hier kurz berühren:
Es war ein schwerer Fall von Neurasthenie,
gegen den die verschiedensten Mittel ohne Erfolg
aufgefahren waren. Ich hatte der Betreffenden,
einer Frau von 30 — 31 Jahren, Ignat. 3. mit
etwas Erfolg und dann Phosph. acid. verordnet nach
Bericht des Mannes. Nach einiger Zeit konnte ich
Patientin selbst sehen und untersuchen. Die Au-
tecedentien der Krankheit sprachen für Sepia.
Eine eigenthümliche und significante Erscheinung
war die, dass Patientin zuweilen an Kopfschmerzen
litt, wie auch früher. Dann war das Befinden stets
ein besseres, so dass sie sich nach diesen Kopf¬
schmerzen förmlich sehnte. Die vorliegenden Er¬
scheinungen sprachen für Aurum. Ich verordnete
dasselbe in der 30. Potenz C., jeden 7. Abend
1 Dosis. Der Erfolg war nach 5 Wochen ein durch¬
aus günstiger, d. h. soweit es die tiefe Nerven-
verstimmung betraf. In der ganzen Zeit aber be¬
standen die Kopfschmerzen fort. Ich war der An¬
sicht, dass diese der ursprünglichen Constitutions
anomalie angehörten und nun erst recht in den
Vordergrund traten. Ohne eine Spur von Ge¬
wissensbissen (man sieht, dass ich ein hartgesotte¬
ner Sünder bin), verordnete ich Sepia 200. Lebrm.
und Aur. fol .200. Lehrm. im Wechsel, jeden 4. Abend
1 Dosis.
Ich hätte, wenn ich nur gewissen Sclilagworten
19
Digitized by
Google
146
hätte Glauben schenken können, nun etwa Sepia
allein verordnen und dann, wenn die Aurum indi-
cirenden Symptome sich wieder zeigten, dieses
Mittel wieder allein verordnen können. Allein ich
erinnerte mich rechtzeitig deß Schicksals Dinteu-
peters in den „Fliegenden Blättern“. Stud. D* war
mit seinem Vermiether in Wortwechsel gerathen.
„Mein Zimmer ist voll Rauch; ich kann es darin
nicht auskalten.“ „Machen Sie doch das Fenster
auf.“ „Dann wird es ja kalt.“ „Nun, dann machen
Sie das Fenster wieder zu.“ „Dann ist ja das
Zimmer voll von Rauch.“ „Dann machen Sie das
Fenster wieder auf“ etc. etc.
Der Erfolg war ein derartiger, dass Patientin
fernerer Arznei nicht zu bedürfen glaubte und
nichts von sich hören iiess; Kopfschmerzen und
die tiefe Gemüthsverstimmung, die sie früher
„Wahnsinn“ befürchten liess, waren verschwenden.
Andeutungen eines Rückfalls führten sie mir wie¬
der zu. Dieselben Mittel mit demselben Erfolg.
Kehren wir zu den Rademacher’sehen Leber¬
mitteln zurück. Präcise Indicationen für die An¬
wendung jedes einzelnen konnte Rademacher so
wenig geben, wie seine Epigonen.
Chelidonium. In den 50er Jahren erlebte ich
eine Epidemie, (eine ähnliche hat auch Rademacher
beschrieben,) die manches Eigenthümliche hatte.
Wenn auch meines Wissens tödtlicher Ausgang
selten war, so zog sich die Genesung oft recht
lange hin. Eine Ausnahme bildeten die Fälle, wo
sich eine Pneumonie entwickelte. Nach Ablauf
dieser (in 6—7 Tagen [ein interessanter Beleg, wie
die Natur sich durch Productbildung hilft]) war
die ganze Krankheit gehoben. Wo dies nicht der
Fall war, bot oft zuletzt der Kranke, abgesehen
von der Temperatur, die man damals noch nicht
als diagnostisches Mittel würdigte, das vollendete
Bild des Typhus dar. Die Leber ragte oft über
die Rippen hinaus, helle Fäces, kein Icterus,
kein Gallenfarbstoff im Urin. Es wurde keine
Galle gebildet. Chelidon. heilte gerade wie in der
Rademacher’sehen Epidemie die Krankheit „in eben
so viel Tagen, als sie sonst Wochen zu dauern
pflegte.“ Keine Pneumonie mehr.
Die chronischen Fälle, die ich später mit diesem
Mittel behandelte, boten im Ganzen ein ähnliches
Bild: mangelnde Gallenabsonderung etc. Andere
Aerzte haben ikterische Erscheinungen beobachtet.
Wir haben eine Prüfung von Buchmann , über die
ich aus Mangel an Material mir ein Urtheil nicht
anmasse.
Quassia. Passt vielleicht besser als das vorige
gegen chronische Fälle von Leberleiden und ihren
Folgen, z. B. Durchfall wie Verstopfung, Hydrops
ascites, Beingeschwüre. Auch bei Quassia asch¬
farbene oder weisse Fäces. Dass die Leber zu den
Brustorganen besondere Beziehungen hat, lernen
wir unter Anderem aus der Heilwirkung der Rade¬
macher’sehen (und anderer) Lebermittel. Von Carduus
Mariae wird später die Rede sein. Was Quassia
betrifft, so wird diese Thatsache erhärtet durch
folgenden Fall. Eine junge Datae, die ich schon
wiederholt behandelt, consultirte mich wegen Kurz-
athmigkeit, die sich allmählig und ohne Fieber ge¬
bildet, und allgemeiner Körperschwäche. Der rechte
Leberlappen war aufgetrieben und empfindlich; in
der linken Thoraxhälfte befand sich ein pleuritisches
Exsudat von beträchtlichem Umfang. Ich suchte
vergebens nach Indicationen für die Wahl eines
Medicaments, gab dann Quassia 2. C. und nach
8 Tagen war das Exsudat verschwunden, das All¬
gemeinbefinden wesentlich besser. Wenn es unsere
Aufgabe ist, Kranke zu heilen, nicht vorwiegend
der Wissenschaft zu dienen, so dürfen wir nicht
Mittel nur aus dem Grunde von uns fern halten,
weil dieselben nicht genügend geprüft sind.
Einen ferneren Beleg für die engen Beziehungen
der Leber zu den Brustorganen bietet der Umstand,
dass die Mehrzahl der Mittel, die wir gegen Asthma
besitzen, zugleich Lebermittel sind. Nun, die Aus¬
breitung des N. vagus legt dieses schon nahe.
Quassia ist oft recht wirksam bei Hydrops ascites,
wobei ich die Angabe Rademachers, dass die Nieren
oft eonsensuell ergriffen sind, nur bestätigen kann,
ferner gegen Durchfall wie gegen Stuhlverstopfung.
Ikterische Erscheinungen habe ich selten beob¬
achtet.
Carduus Mariae. Im Ganzen passt dieses Mit¬
tel mehr für acute als chronische Zustände, wenn
auch bei letzteren, wie Quassia, z. B. gegen Bein¬
geschwüre erfolgreich angewandt. Ausgezeichnet
ist die Wirkung dieses Mittels bei Blutungen aus
inneren Organen, Nasenbluten. Lungenblutungen,
Blutbrechen, Hämorrhoidal- und Uterinblutungen,
ferner bei frischen Pleuresien mit blutigen Sputis.
In allen diesen Fällen ist die Leber bei Druck oder
spontan schmerzend.
Das Durand’sche Mittel, früher wohl ausschliess¬
lich gegen Gallensteine angewandt, fand bei Rade¬
macher eine umfangreichere Verwendung. Er än¬
derte die Zusammensetzung. Statt Ol. tereb. und
Aether zu gleichen Theilen gab er Ol. tereb. 1. :
Aether 16. Er wandte es gegen chronische Leber-
leiden ohne genauere Indication an; und wir sind
in dieser Hinsicht nicht weiter gekommen.
Dasselbe gilt von Hepatin [Hepar vulpis).
Die in ganz veralteten Fällen von Leberleiden
oft hervorragende Wirkung habe ich wiederholt er¬
fahren. Ich habe es stets täglich 1 oder 2 Mal
gegeben. Es kann zur Rückbildung des ver-
grösserten Organs führen, beseitigt oft Jahre lang
bestehende hartnäckigste Stuhlverstopfung. Die
Digitized by k^ooQle
147
Alten gebrauchten bekanntlich Fel tauri inspissatum
zu demselben Zwecke.
Von den genannten Mitteln, mit Ausnahme von
Aqu. nuc. vom., habe ich mich in der letzten Zeit
ausschliesslich der potenzirten Form bedient und
bezüglich der Wirkung einen Unterschied zwischen
dieser und der Rademach er'sehen nicht finden können.
Ich wählte meist die 1.—3. Potenz C. Bei
dem Durand’schen Mittel und Hepatin musste ich
wiederholt bis 30. hinaufgehen, weil die Wirkung
eine zu heftige war.
Für die schmerzhaftesten Fälle schienen mir
besonders Card. Mar., Kali carb. und Chelidon. zu
passen. Bei letzterem Mittel ist das Eigentliüm-
liche, dass der Schmerz nach verschiedenen Rich¬
tungen ausstrahlt.
Quassia, Chelid., Kali carb., (Card. Mar.?),
Magn. mur. schienen mir mehr auf den rechten
Leberlappen zu wirken, das Durand’sche Mittel auf |
den linken. Doch bin ich weit entfernt davon, j
dieses zu behaupten. |
Was endlich die Gabe der Mittel betrifft, so
zeigt sich dem unbefangen Beobachtenden, dass uns
die ganze Scala auch hier zu Gebote steht. Eine I
Richtung, die das Individualisiren auf ihre Fahne
schreibt und stolz ist auf dieses Vermächtniss Hahne-
manns, sollte sich dieser Anschauuug nicht ver-
schliessen.
Was die Wiederholung der Gabe betrifft, so
heisst es auch hier Individucdisirert . Auch hier
kommen wir zuweilen aus mit Gaben, die in Zwischen¬
räumen verabreicht werden.
Ich habe es in den letzten Jahren vorgezogen,
täglich zu gebeu. Es tritt dann zuweilen Ueber-
reizung ein, dann kann man höhere Potenzen oder
das betreffende Mittel in Zwischenräumen geben.
Zum Schluss noch die Bemerkung, dass es
durchaus rationell erscheint und zum Ziele führt,
wenn man neben dem Constitutionsmittel ein Organ¬
mittel giebt.
Ueber das Magengeschwür.
Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad.
(Fortsetzung.)
Die Anachlorhydrie ist überdies nicht für den |
Krebs allein charakteristisch, da man sie auch in j
Fällen von Gastritis mucosa atrophica von amyloider !
Entartung u. s. w. antrifft. Das Carcinom, so weit
es als Neoplasma in Betracht kommt, bedingt noch
nicht notbgedrungen die Anachlorhydrie; es ereignet i
sich bisweilen, dass man in einem Falle von sehr um¬
schriebenen Cancer ohne concomitirende Gastritis
einen gewissen Grad von Salzsäureausscheidung an-
trifft, wenn die Krankheit fortschreitet.
I Die Diagnose wird sozusagen unmöglich, wenn
• sich der Krebs auf dem Boden eines alteu Ge-
| schwüres entwickelt. Rosenheim hat dargethan, dass
I das Carcinom des Ulcus häufig complicirt und dass
I dann die Salzsäureausscheidung eine normale oder
j selbst eine erhöhte sei. Hansen' constatirte eine
| epitheliale Proliferation in den benachbarten Drüsen
j der Narben gewisser Ulcera. Nur in diesen Fällen
I von Krebs persistirt die Salzsäure bis ans Ende;
j sie kommt auf Rechnung des Ulcus.
Ein anderes charakteristisches chemisches Merk¬
mal des Cancer ist die Anwesenheit einer grossen
Menge vonGährungssäuren und namentlich von Milch¬
säure in grosser Menge in der Magenflüssigkeit.
; Zweifellos finden sich die Säuren auch in einer ge¬
wissen Quantität anderer Fälle vor, aber niemals in
so grosser Anzahl, wie beim Krebs. Diese That-
sache wurde namentlich von Boas constatirt.
Was die Peptone betrifft, so findet man deren
Spuren selbst dann, wenn die Salzsäure gänzlich
fehlt, was die Andauer einer geringen Ausschei¬
dung von Pepsin voraussetzen lässt. Nach Boas
fehlt auch der Magenlab nicht vollständig.
Die von den mit Ulcus behafteten Patienten er¬
brochenen Massen variiren je nach dem Falle: sie
sind immer stark sauer, und man findet in ihnen
die nicht verdauten Amylaceen.
Die von den Krebskranken ausgeworfenen Massen
verbreiten oft einen fötiden Geruch. Die mikro¬
skopische Untersuchung weist in ihnen zahlreiche
epitheliale Elemente nach. Man hat auch behaup¬
tet, dass man dann auch die Krebszellen unter¬
scheiden könnte; diese Behauptung von T.ebert wdrd
heute mit Recht bestritten.
Man hat der Abnahme des Harnstoffs im Urine
und der Chloride bei gewissen Kranken eine grosse
Bedeutung beigemessen, und man hat diese Ver¬
änderung als das Unterscheidungsmerkmal des
Krebses betrachtet. In Wirklichkeit ist aber das
Verhältnis« dieser Elemente eng mit dem Ernährungs¬
zustände dieser Kranken verknüpft; die Krebs¬
kranken, die eine genügende Menge Nahrung zu
sich nehmen können, bieten keine sehr ausge¬
sprochene Verminderung des Harnstoffs und der
Chloride dar, hingegen können die an Ulcus rotun-
dum Leidenden eine solche Verminderung der Ele¬
mente im höchsten Grade darbieten, so dass hier von
nichts, das für den Krebs charakteristisch sein
würde, die Rede sein kann.
Man hat gesagt, dass die Hyperchlorhydrie eine
Verminderung der Chloride des Blutes zur Folge
haben müsse, und dass somit eine mehr aus¬
gesprochene Ausscheidung der Basen durch den
Urin stattfinden müsse, ln allen Fällen kann eine
starke Alkalescenz des Urins und das Verschwin¬
den der Chloridreaction auf eine tiefgehende Ver-
19*
Digitized by
Google
148
Änderung der Functionen des Drüsenapparats des
Magens hinweisen. Man hat auch aus der Unter¬
suchung des Blutes einige wichtige Anhaltspunkte
für die Diagnose ableiten wollen. Die Leucocythen
sind relativ und absolut vermehrt und das Blut in
seiner Gesammtheit bietet in seiner Zusammen¬
setzung eine grosse Analogie mit dem Blute hei
der Anämie und bei der Leukämie dar. Die Ab¬
nahme des Hämoglobingehaltes soll auch charakte¬
ristisch sein.
Das Blut ist bei den Krebskranken verändert, aber
nicht in einer specifischen Art, sondern ähnliche
Veränderungen können sich auch beim Ulcus ven-
triculi und bei gewissen kachektischen Zuständen,
wie z. B. bei der Tuberkulose, vorfinden.
2. Ulcus smvplex und Gallensteine . Es kann
Schwierigkeiten bereiten, das Ulcus von der Chole-
lithiasis zu unterscheiden, wenn kein Icterus vor¬
handen ist und wenn man zufällig keine Gallen¬
steine findet. Wenn aber hingegen der Icterus
unter Schmerzen auftritt, so kann man sich mit
aller Sicherheit gegen Ulcus simplex ventriculi aus¬
sprechen, aber nicht gegen das des Duodenum, wie
man es oft genug beobachtet.
Die Natur des Schmerzes hat für die Diagnose
keinen grossen Werth; bei der Cholelithiasis hängt
der Schmerz nicht von der Ernährung ab; überdies
ist sein Sitz ein verschiedener; er erstreckt sich
von der Medianlinie gegen die Lebergegend; in
solchen Fällen giebt es keine schmerzhaften Punkte
auf dem Dorsum. Der Schmerz kann den gastral-
gischen Schmerz Vortäuschen und somit auch das
Ulcus, wenn er die Magengrube zu seinem aus¬
gesprochenen Ausgangspunkte hat.
3. Gastralgie. Dieselbe unterscheidet sich beim
Ulcus durch das Fehlen der Hyperchlorhydrie, die
leicht festgestellt werden kann und die an und für
sich die diagnostischen Fehler gestattet, die man
täglich auf Unkosten des Ulcus stellt, zu vermeiden.
4. Chlorose. Hier ist die chemische Beschaffen¬
heit des Magensaftes eine sehr variable; bisweilen
zeigt dieselbe Hyperchlorhydrie, bisweilen Hypaci-
dität; man muss in diesem Falle die Momente, die
sich aus der Diagnose der Beschaffenheit des Blutes
ergeben, hereinziehen.
Diagnose des Ulcus rotundum
und der anderen Hyperchlorhydrieen.
1. Die primäre Hyperchlorhydrie. Nach dem
Studium des Ulcus pepticum und seiner Verwandt¬
schaft mit der primären Hyperchlorhydrie kann man
die Analogie der Zeichen beider Krankheiten leicht
errathen. Ich wünsche drei dieser Zeichen besonders
zu betonen: a) Die Empfindung von Ziehen im
Epigastrium mit Flatulenz zur regelmässigen Stunde
am Ende der Magenverdauung, d. i. drei bis vier
Stunden nach der Ingestion. Dieser Schmerz und
dieser Tympanismus, die man auch ,,stündlich“
(horaire) nennen kann, sind so charakteristisch, dass
man aus ihnen häufig vor der Extraction und der
Analyse des Magensaftes die Diagnose der Hyper¬
chlorhydrie ableiten kann; dasselbe gilt auch vom
Ulcus; b) aber die paroxysmellen und spiessartigen
Schmerzen und c) namentlich das Erbrechen sind
beim Ulcus pepticum viel häufiger und schwerer,
als bei der Hyperchlorhydrie, welch’ letztere selten
zu einer Gefahr Veranlassung giebt, wie dies beim
Ulcus simplex, wenn es in noch so geringem Grade
hämorrhagisch ist, der Fall ist.
2. Anhaltende Hypersecretion oder Gast.rosuc-
corrhöe. Es giebt eine Krankheit, welche vor zehn
Jahren von Reichmann und später von Riegel
studirt wurde, die in zehn Fällen siebenmal von
Hyperchlorhydrie begleitet ist, nämlich Gastrosuc-
corrhöe oder die anhaltende Hypersecretion; sie
tritt sogar dann auf, wenn die Nahrung den Magen
bereits verlassen hat.
Der Magensaft selbst, wenn er die Nahrung
nicht imprägnirt, reizt direct die Schleimhaut,
namentlich wenn dieselbe ulcerirt ist, und dies er¬
klärt den Umstand, warum Kranke, die an an¬
dauernder Hypersecretion leiden, sich bei Nacht so
schlecht befinden und über einen brennenden oder
nagenden Schmerz klagen, der jedoch auf warme
Getränke weicht, weil dieselben den zu sehr mit
Säuren überladenen Magensaft auflösen; trotz der
andauernden Reizung der Schleimhaut bilden sich
keine Ulcera. Hayem hatte versucht, die Identität
beider Affectionen darzuthun, aber Niemand hat
Geschwüre im Gefolge dieser Gastrosuccorrhöen be¬
obachtet. Die consecutiven Schmerzen fehlen ent¬
weder ganz, oder sie sind von denen des Ulcus
verschieden. Zwei polnische Aerzte, Korczynski
und Zuworski , haben eine specielle Veränderung
der Magendrüsen beschrieben; die Hauptzellen sind,
wie sie angeben, degenerirt und geschwunden,
während die Auskleidungszellen, i. e. die aus¬
schliesslich secretorischen Zellen, erhalten sind, sogar
j hypertrophisch mit vollständigem Erhaltensein des
! Kerns und des Protoplasmas. Hayem hat diese Ent-
| deckung bestätigt; die hypersecretorische Krank¬
heit besitzt somit eine charakteristische anatomische
| Läsion. Diese Läsion ist offenbar secretorischer
| Natur; der Secretionsapparat unterliegt einer er-
j höhten Reizung, bald darauf tritt eine Hypertrophie
I ein, während die Hauptzellen einigermassen ver-
1 daut werden, während die nach der Oberfläche der
Schleimhaut ausgewanderten Leucocythen dem De-
. tritus verfallen und der Ueberschuss an freier Salz-
| säure den Katarrh der Schleimhaut hervorbringt,
wodurch sich auch das Auftreten einer beträcht-
Digitized by
Google
149
liehen Menge von Schleim in dem Erbrochenen er¬
klärt. Die Reizung der sensibeln Nerven durch
die Salzsäure endigt damit, dass reflectorisch ein
Krampf des Pylorus mit einer mehr oder minder
anhaltenden Dilatation des Magens hervorgebracht
wird, die aber nichts mit der primären Ektase zu
thun hat.
Bei allen diesen Zuständen und bei allen diesen
Graden ist es leicht, durch die zu jeder Tages¬
oder Nachtstunde angestellte chemische Untersuchung
die Hypersecretion zu erkennen, i. e. die Gastro-
succorrhöe von Reichmann, die viel häufiger ist,
als man glaubt, und die nicht bloss das Ulcus ca-
checticum Vortäuschen kann, sondern auch die Atro¬
phie der ganzen Schleimhaut, sogar den Krebs* *
Die Behandlung der Ohrenkrankheiten.
Homöopath und Specialist.
Im North American Journal of Homoeopathy
(December 1893) hielt Dr. C. F. Stearling einen
Vortrag über die Behandlung von Ohrenkrank¬
heiten, in dem er die Grenzlinien zwischen dem
Wirkungsgebiete der Homöopathie und dem durch
die specialistische Entwicklung der Ohrenheilkunde
gegebenen therapeutischen Leistungsfähigkeit zu be¬
stimmen versucht hat.
Er sagt: Der Hauptpunkt, auf den er die Auf¬
merksamkeit zu lenken wünscht, ist der, dass es
keine therapeutische Behandlung (im streng medi-
cinischen Sinne genommen) bisher giebt, welche
an sich ausreicht, den täglich vorkoiriYnenden Er¬
krankungen des Ohrs zu begegnen. — Er will
nicht behaupten, dass innerlich angewandte Mittel
hier nicht am Platze wären, sie sind vielmehr von
ausserordentlichem Werthe, sondern dass der,
welcher, im eifrigen Glauben an die allwirksame
Macht der Medicin und im Vertrauen auf seine
eigene Fähigkeit, die Mittel allerwege treffend an¬
zuwenden, die Beihilfe der localen Behandlung
vernachlässigt, bei Gehörleiden auf manche Zu¬
stände stossen wird, in denen die sorgsamste Ver¬
ordnung innerer Mittel den auf sie gesetzten Er¬
wartungen nicht entsprechen wird, während eine
zweckmässige Anwendung örtlicher Massnahmen
dem Arzt Genugthuung und dem Kranken Besse¬
rung bringt.
So ist unsere Materia medica reich an Symp¬
tomen, welche sich auf Kopf und Augen beziehen.
Wir haben in einem bestimmten Fall das völlige
Simillimum gefunden. Das Mittel wird gegeben,
aber ohne Erfolg. Wieder und wieder wählt man
ein Mittel mit aller Sorgfalt nach der Totalität der
Symptome, von der Urtinctur bis zu den höchsten
Potenzen — vergeblich. Schliesslich wendet man
sich an einen Ophthalmologen; dieser entdeckt
einen Fehler der Refraction, verordnet die ge¬
eignete Brille, und siehe! alle Beschwerde ver¬
schwindet, aller Schmerz ist beschwichtigt.
Analoge Verhältnisse bietet nun das Gebiet der
homöopathischen Ohren-Therapeutik dar.
So stellen sich wieder und wieder Patienten
vor, die über Schwerhörigkeit und Ohrensausen
klagen und wochenlang mit dem passenden homöo¬
pathischen Mittel behandelt worden sind, bei denen
durch einfache Entfernung angehäuften Ohren¬
schmalzes nach zehn Minuten die Function wieder
völlig hergestellt wird. Diese Hypersecretion des
Cerumen ist allerdings ein krankhafter Zustand der
Drüsen, der von einer inneren Ursache abhängen
mag — und hierfür ist eine innerliche Behandlung
angezeigt. Zunächst jedoch verlangt der Patient
Befreiung von seinen Beschwerden, und diese er¬
langt er durch eine einfache locale Massnahme.
Dr. Stearling citirt diese alltäglichen Dinge be¬
sonders darum, weil die Homöopathie von über¬
eifrigen Leuten zu leiden hat, die, davon ausgehend,
dass das homöopathische Heilgesetz für jedweden
krankhaften Zustand des Organismus ausreiche, mit
Böswilligkeit und Beschimpfungen alle die verfol¬
gen, welche ihre Anschauungen nicht unterschreiben,
und sie als Bastarde, Heuchler, die des Meisters
Lehre fälschen etc., betiteln.
Auf sein Thema näher eingehend, sagt Redner:
Wir besitzen zwei Classen von Hilfsmitteln für die
Affectionen des Ohrs, allgemeine und specifische.
Zu den ersteren rechnet er alle örtlichen Mass-
regeln (? Ref.), die Ernährung, Hygiene etc., zu
den specifischen unsere Heilmittel. Wo nun dem
Specialisten der alten Schule ausser: äusserlichem
Schutz, warmen Bähungen, Lufteinblasen, Blut¬
entleerung , Paracentese des Zitzenfortsatzes nur
Anodyna zur Stillung der Schmerzen zu Gebote
stehen, hat der Homöopath in Aconit., Bell., Ferr.
phosph., Mercur, Hepar, Sulph., Pulsat. u. a., je
nach der Eigenart des Erkrankten und den Symp¬
tomen, einen werthvollen Schatz von Heilmitteln.
Gesetzt nun, der krankhafte Zustand ginge in
Eiterung aus, so wissen wir, dass in manchen Fällen
die Entzündung hiermit ihren Höhepunkt erreicht
hat und die Resolution darauf erfolgt.
Damit ist aber in manchen Fällen der Vorgang
nicht abgeschlossen; selbst wenn das Trommelfell
wieder zur Norm hergestellt ist, so können doch
Entzündungsproducte in der Trommelhöhle Zurück¬
bleiben, sich organisiren und das zarte Werk darin
stören. Der Specialist kennt die Wichtigkeit des
Luftspeculums und der Lufteinblasung, um die Bil¬
dung von Adhäsionen und die Verengerung der
Tuba zu verhüten. Dafür besitzt die Homöopathie
Digitized by
Google
wieder wirksame Mittel, wie Kalium chloratum,
Merc., Pulsat., Calcarea, Hep. sulph., Silicea, um
die Resorption der Residuen zu fördern, und so die j
Schwellung und Infiltration zurückzuführen.
Wenn nun aber die Resolution nach dem Eite* :
rungsstadium doch nicht erfolgt, sondern eine chro- |
nische Eiterung eintritt, da stellt sich uns ein
neues, schweres Problem entgegen.
Dann, in solchen Eiterungen des Ohrs, ist es
nach Verf. in der Regel nutzlos, allein auf die
innerliche Behandlung zu bestehen, obwohl es
wohl wenige Zustände giebt, die eine Störung des
Gesammtzustandes anzeigen und dringender zu einer
constitutionellen Behandlung auffordern. Hier muss
man den localen Bedingungen gerecht werden, und
geschieht dies nicht, so wird die innere Medication
wenig fruchten.
Erst, wenn die eiternde Fläche gereinigt und
in Ordnung gesetzt ist, werden solche Mittel, wie
Aurum, Hep., Merc., Silicea, Sulph., Arsen., Lyco-
podium, den constitutionellen Zustand so günstig
beeinflussen, dass die Wirkung der örtlichen nun
zum vollen Austrage kommen können.
Auf diese gegenseitige Verbindung von localer
und systematischer innerlicher Behandlung legt Verf.
den Hauptaccent und hierin möchte er unseren,
den homöopathischen, specialistischen Praktikern ihr
geeignetes Arbeitsfeld anweisen.
Wir sollen also wie bei der Otriatik so über¬
haupt auf dem ganzen Gebiete der Therapeutik die
durch die vervollkommnete Technik gebotenen Hilfs¬
mittel in Verbindung mit dem passenden homöo¬
pathischen Medicamente zur Anwendung bringen.
Verf. schliesst:
Ernährung, klimatische und sanitäre Verhält¬
nisse, Hygiene, allgemeine wie örtliche, die Ent¬
fernung mechanischer Hindernisse durch mechanische
Mittel sind zur vollen Wirkung unserer Mittel un-
umgänglich erforderlich, und je eher unsere Schule
diese Thatsache anerkennt und die gegenseitig
mörderische Fehde wegen Grösse der Dosis, den
Grad der Verdünnung, über das, was wahre und
falsche Homöopathen seien, aufhört, um so eher
wird der erwünschte Tag anbrechen, an dem das
Aehnlichkeitsgesetz, auf die ihm zukommenden Be-
Ziehungen und Grenzen gewiesen, von der Welt
im Grossen anerkannt werden wird als das, von
dem die leidende Menschheit die beste ärztliche
Hilfe zu erwarten hat.
Bei der hierauf erfolgenden Discussion hielt es
Dr. Henry C. Houghton für seine Pflicht, die
Leistungsfähigkeit der homöopathischen Mittel bei
Gehör-Affectionen in den Vordergrund zu stellen.
„So lange wir hohe oder niedere Potenzen ver¬
ordnen, werden wir einfache mechanische Beihilfe
nicht entbehren können. Wie der fromme Moslem,
als er sagte, er wolle sein Kameel fahren lassen
und Gott vertrauen, von seinem Meister mit der
Antwort zurückgewiesen wurde: ,,Halte dein Kameel
fest und vertraue Gott!,“ so müssen wir alle Mittel
benutzen, welche die moderne Wissenschaft uns an
die Hand gegeben hat, und dazu den grössten
vitochemischen Factor, das homöopathische Mittel,
hinzu fügen. Und doch regt sich in mir die Frage,
ob nicht die grössere Gefahr in Dr. Stearüng’s Rich¬
tung liege, insofern, als er bei ihr das Mechanische
und Vitochemische in den Hintergrund drängt. Ich
frage, ob wir heutzutage ebenso viele constitutio¬
neile Curen machen, als vor 25 Jahren. Gerade
zu jener Zeit ging unser Streben dahin, die An¬
sprüche, welche in unserer Literatur an die homöo¬
pathische Behandlung specieller Krankheiten, wie
der des Auges und des Ohrs, gemacht werden,
durchweg zu bezeugen, als die Klinik des New-
Yorker Augenspitals in unsere Hände gelegt wurde;
und, ob es mir nicht für einen Augenblick ein¬
kommt, die Thätigkeit unserer Specialisten von
damals oder von heute herabzusetzen, so glaube
ich doch, dass etwa in den letzten zehn Jahren
keine rückläufige Bewegung eingetreten ist.
Meine Zuhörer könnten mich nun fragen: ,,Was
verstehst du unter constitutionellen Curen? Sind
nicht auch die der alten Schule constitutionell?“
Ja, gewiss. ,,Sind unsere besser?“ Nein, dann
nicht, wenn ihnen das Element des Simile abgeht.
Die Gefahr liegt darin, dass wir in Versuchung
kommen, das Constitutionelle für das mehr Greif¬
bare, Materielle, Chirurgische hinzugeben. Manch¬
mal uns in der rechten Richtschnur haltend, sind
wir dann aus Unwissenheit, entmuthigt, abgewichen,
zur Flickarbeit gekommen, bis sich uns durch An¬
wendung des individuellen Heilmittels die Schwierig¬
keiten wie durch Zauber gelöst haben.
Der Zauber, der mich für die Ausübung unserer
Kunst nach dem Simile gewonnen hat, waren die
physiologischen Indicationen. Jegliches Salz, jeg¬
liches Metall im Erdboden, jegliche Pflanze, welche
die Salze der Erde sich zugeeignet und zu leben¬
digem Pflanzengewebe umgewandelt, jegliches Gift,
welches die gesunde Thätigkeit der niederen Thiere
zu ihrer Vertheidigung zubereitet, jegliches Gift,
welches die abnorme Thätigkeit der höheren Thiere
zu einem Heerde von Zerstörung gemacht — von
diesen allen hat ein jegliches eine Wirkung, welche
in ihrer Art einzig ist, dabei so merkwürdig für
das einfache Studium, dass wir davon ganz ein¬
genommen werden, aber um so merkwürdiger, wenn
wir die Möglichkeiten studiren, die sich hier vor
uns eröffnen als Hilfsquellen für die Behandlung
menschlicher Krankheiten.
Enthusiasten? Ja, das sind wir. Sonderlinge?
Gewiss, in dem Sinne, wie ein enthusiastischer Geo-
Digitized by
Google
161
löge, Botaniker oder Chemiker als ein enthusiasti- |
scher Sonderling betrachtet werden kann. „Was |
haben wir der Welt zu bieten, was die fnechanische I
oder constitutionelle Auffassung nach dem alten I
Schulplan übertrifft?“ Viel jedenfalls. i
Unter jenen Metallen, Salzen, Pflanzen etc., die I
wir so reichlich gebrauchen, sind solche, die nicht j
bloss allgemein, constitutionell, sondern durch Gottes |
Schöpfermacht und Gnade, auch auf das Gehör, ja
auf einzelne specielle Theile und specielle Func¬
tionen der Ohren.
Hierin habe ich nicht allein einen Glaubens¬
grund als Arzt, sondern auch als ein Christ ge¬
funden, indem ich lernte, dass diese Welt nicht ein
Ding des Zufalls ist
So gestatten Sie mir denn, um meine Ansprüche
zu rechtfertigen, einige Beispiele von dieser speci-
fischen, oder, wenn ich den Ausdruck gebrauchen
darf, dieser „electiven chemico-vitalen“ Wirkung |
zu citiren. Nehmen wir
Plantago. Nach Fr. Humphrey’s Prüfung hat j
dies unscheinbare Mittel eine eigenartige Wirkung
aut den Nervus trigeminus und die verwand¬
ten Ganglien. Die Schmerzen sind blitzähnlich, j
zuckende Stiche, so dass Personen, welche bereits I
eine Entzündung des Mittelohrs durchgemacht, sich |
vor dem Wiedererscheinen einer solchen ängsteten.
Das Trommelfell zeigt sich jedoch völlig frei von 1
Hyperämie. Die Beziehung von Plantago zu den .
dentalen Zweigen der Trigeminus, sowohl im Ober¬
ais Unterkiefer, ist deutlich ausgesprochen. Hum-
phrey macht die Anmerkung: Seit mehreren Jahren
habe ich die Plantago in verschiedenen Formen
von Zahnweh erfolgreich gebraucht und bezweifle i
nicht, dass diese Wirkung von allen Prüfern be¬
stätigt worden ist.
Ich führe folgenden Fall an: Ein Fräulein kam
zu mir, nachdem sie Tage lang an Ohrenweh ge¬
litten hatte. Ihr Bruder, ein Arzt, fürchtete, dass
sich bei ihr eine Otitis interna entwickeln werde.
•Die Inspection des Trommelfells ergab keine Spur
von Congestion; das Gehör war normal, — und so
glaubte ich das Leiden einem schadhaften Zahne
zuschreiben zu müssen. Darüber lachte aber das
Fräulein, weil ihre Zähne erst vor einigen Tagen
von einem Dentisten in Ordnung gebracht worden
iraren. Trotzdem untersuchte Dr. H. das Gebiss
und fand, dass die Füllungen in zwei unteren Back¬
zähnen keine Spur von Reibung zeigten. Beim
Beissen empfand Patientin vermehrten Schmerz im |
Ohr — und das Lachen sprang nun auf die an¬
dere Seite des Hauses über. Alle Beschwerde wurde
durch Entfernung der Füllungen gehoben.
Plantago ist sehr heilsam bei örtlicher Anwen¬
dung, sei es im Ohr oder auf der Krone cariöser
Zähne, von denen eine reflectorische Neuralgie aus¬
geht. Ein Arzt der alten Schule war fest daran,
sich zum Studium und Ausübung der Homöopathie
zu entschliessen, als ihn das flüssige Extract der
Plantago, in das Ohr gethan, von heftigen Schmer¬
zen bei einer Otitis mit einem Schlage befreit hatte.
Die verwandten Mittel sind Chamomilla und Pulsa-
tilla; bei ersterer ist die hohe Unerträglichkeit gegen
den Schmerz und die Reizbarkeit des Patienten,
bei der letzteren die weinerliche und verzagte Ge-
müthsstimmung charakteristisch.
Capsicum. „Am Felsenbein, hinter dem Ohr¬
läppchen, eine harte, rothe, bei Berührung schmerz¬
hafte Anschwellung“ war das leitende Symptom für
die Wahl des Mittels bei Erkrankungen des Pro¬
cessus mastoideus. Nach Prof. Allen eignet es
sich für die ersten Stadien der Otitis catarrhalis
oder suppurativa, und ist im Stande, den Patienten
vor einer tiefliegenden Eiterung zu bewahren,
welcher, wenn sie eintritt, Hepar und Mercur. ent¬
sprechen; aber selbst nach profuser Eiterung kann
Caps, wirksam sein.
Tellurium. Dunliam's Prüfung ergab sehr be¬
deutende Veränderungen an der Schleimhaut der
Trommelhöhle wie auch am Trommelfell.
Dr. H. berichtet über folgenden höchst inter¬
essanten Fall:
Eine 21jährige Frau hatte von Kindheit an
einen eitrigen Ohrenfluss. Der Kanal war gross,
die Gewebe zerstört, das Trommelfell undeutlich,
ein dünnes, wässriges, höchst übelriechendes Secret
absondernd. Unter der Einwirkung von Psoricum
veränderte sich der Ausfluss und nahm den charakte¬
ristischen Geruch von Fisch-Lake an. Unter Tel¬
lurium ward der Ausfluss allraählig geringer; es
bildeten sich Schuppen, die sich abstiessen, und
nun kamen die Contouren des durchbohrten Trom¬
melfells zum Vorschein; die Perforation heilte und
das Gehör stellte sich ziemlich gut wieder her. Die
Heilung erwies sich als dauernd.
Redner hatte Anfangs ein starkes Vorurtheil
gegen Psoricum; aber Erfahrungen in der Armen-
Praxis bei jenen elenden, verkümmerten, vor der
Zeit alten Kindern mit cadaverös riechenden Ohren¬
flüssen, stinkenden Diarrhöen, ja mit einem üblen
Geruch der ganzen Person, der unbeschreiblich, aber
Allen wohlbekannt ist, die mit solchen Fällen zu
thun haben, haben ihn eines Besseren belehrt.
Chenopodium A n thelmin tic um , bewirkt nach
Allen: Taubheit für den Ton der Stimme , aber un-
gemeine Empfindlichkeit für die Geräusche fahren¬
der Wagen. Das Rollen der Räder tönt im Ohre
wieder wie das Krachen gewaltiger Kanonen.
Während der ganzen Prüfungszeit nahm jene
Schwerhörigkeit zu, so dass es schliesslich unmög¬
lich war, zu ihm zu sprechen. Dabei bestand je¬
doch die gleiche Ueberempfindlichkeit gegen an-
Digitized by
Google
152
dere Geräusche, z. B., wenn die Essglocke er¬
schallte, so vernahm er sie im dritten Stockwerk,
also drei Treppen von dem Ausgangspunkte des
Schalles entfernt.
Hier haben wir eine tiefgehende Einwirkung
auf den Gehörnerven, und zwar keine aufgehobene,
aber eine merkwürdig veränderte Function dessel¬
ben: Schwerhörigkeit für die Menschenstimme, aber
Ueberempfindlichkeit sowohl für hohe als tiefe Töne.
Klinisch hat sich das Mittel bewährt bei Ohren¬
geräuschen, wie die tiefen Töne einer Orgel, aber
man sollte auch bei den fein- und hochtönigen,
wie Klingen von Glöckchen, Pfeifen u. s. f. an
dasselbe denken, sowie auch beim Zusammen fahren
von tiefen Tönen, während die mittleren gut oder
gar nicht empfunden werden. Ref. Dr. Mossa.
Entgegnung.
Die Verzögerung meiner Entgegnung auf den
in No. Id und 14 dieses Bandes enthaltenen, an
mich gerichteten offenen Brief des Herrn Dr. Leeser
in Bonn Jiat nicht an mir gelegen, sondern an der
meine Zeitschriften besorgenden Buchhandlung da¬
hier, von welcher ich erst gestern, den 16. April,
die ausständigen 8 Exemplare der bisher schon er¬
schienenen „Allgemeinen homöopathischen Zeitung“
zur Hand bekam, in welchen ich sofort nach jenem
Schriftstücke suchte, das mir mehrere in- und aus¬
ländische Collegen bereits in der letzten Zeit vom
8.—10. April angezeigt, wo ich denn fand, dass
Herr Dr. Leeser meinen an Herrn Dr. Lorbacher im
Juli vorigen Jahres gerichteten Briefe, den sich Herr
Dr. Villers zur Lectüre und eventuellen Veröffent¬
lichung, wenn es mir recht sei, erbat, benutzte, um
mich zu interpelliren über mein Urtheil, das ich
mir von der Weihe’schen Methode zu sagen er¬
laubte, was ihn aber leider sehr indignirt zu haben
scheint, wesswegen er seiner Erbitterung gegen
mich Luft machte in einer Weise, womit auch die
mir befreundeten Collegen, wie aus ihren Zuschriften
ersichtlich, nicht einverstanden sind.
In meinem von Herrn Dr. Villers in der Fe¬
bruar-Nummer seines „Archivs“ citirten Briefe habe
ich geschrieben: „eine epidemische Methode, oder
später corrigirt: eine zeitweilig herrschende Methode
ist die Heilmethode Dr. Weihe’s nicht.“ — Ich
gestehe offen und ehrlich, dass ich von der Zeit
an, da ich mir mein Urtheil über die Dr. Weihe’sche
Methode nach zweijährigen Versuchen damit ge¬
bildet, und in Folge dessen meinen Austritt aus der
epidemiologischen Gesellschaft erklärt hatte, keinen
Artikel mehr las, welcher über diese Methode han- '
delte, so wenig ich mehr eine Lectüre über Matteis j
Mittel, oder über die Peczely’sche Augendiagnose
zur Hand nehme. Erst auf die in dem offenen
Briefe an mich gerichtete Frage hin, ob ich
Dr. Leeser’s Vortrag in Nr. 11 und 12 des 127.
Bandes der „Allg. hom. Ztg.“ nicht gelesen habe,
schlug ich noch gestern Abend das erwähnte Schrift¬
stück nach, und las darin zu meinem nicht geringen
Erstaunen, dass der früher gebrauchte Name „ epi¬
demische Heilmethode “ jetzt gänzlich verlassen sei ,
und dass die Dr . Weihe'sehen Mittel keine epide¬
mischen Mittel im Sinne Rademachers seien, ob¬
gleich wir im Anfang erfuhren, dass Herr Dr. Weihe
zur Richtschnur, zur Basis seiner Methode die nur
bei Rademacher vorkommende Lehre von den Uni¬
versal- und Organmitteln nahm, welch’ beide vereint
das epidemische Mittel bilden sollen; ebenso war
mir neu, dass die jetzt als „zeitweilig oder zeitweise
herrschend “ bezeichneten Mittel als „ individuell -
specifische u publicirt wurden.
Dieser Krebsgang, oder die Einsicht, dass die
ganze Sache auf einer falschen Voraussetzung und
Basis beruhte, freut mich jetzt um so mehr, als vor
einem Jahre noch meine, einem für diese Sache
sehr enthusiasmirten Collegen vorgebrachten Zweifel
und Befürchtungen über die Richtigkeit der epide¬
mischen Methode sofort in den Wind geschlagen,
und als grosser Irrthum von mir bezeichnet wurden.
Herr Dr. Leeser wird nach dieser meiner ab¬
gegebenen Erklärung zufrieden sein, und damit die
für ihn vorgelegenen drei Möglichkeiten mit sich
ins Reine gebracht haben; er wird sich auch daher
mit mir, wie er schon angedeutet, nicht weiter mehr
beschäftigen.
Indessen möchte ich mir erlauben, den verehr-
lichen Lesern dieser Zeitung den in der Homöo¬
pathie verstandenen Begriff von epidemischen Mit¬
teln auseinanderzusetzen, indem ich die Sätze
citire, welche Professer J. Büchner bei Gelegenheit
seines Collegs über „das Adjekt der Krankheit*
vom Genius epidemicus erwähnte:
„Bei Rademacher und dessen Anhängern be¬
gegnen wir zuerst den epidemischen Mitteln;
„wie politische, religiöse oder sociale Krankheiten
„die Zeit färben, so drücken .auch die allgemein
„nen krankhaften Einflüsse dem Organismus ein
„bestimmtes Gepräge auf, was in Rademachers
„Nitrum-, Ferrum- und Cuprum-Krasen oder -Con¬
stitutionen eine verständliche Bezeichnung ge¬
funden hat. Wir Homöopathen aber müssen
„schärfer diagnosticiren als jene, die sich mit
„Localisations- (Organ-) Heilmitteln behelfen,
„müssen dasjenige Mittel Anden, das physiolo¬
gisch unserem therapeutischen Princip entspricht,
„das in jedem Fall nur eins sein kann.“
Weiter fährt Büchner fort:
„Was den, bei den Rademachianern so viel-
Digitized by
Google
IBS
„fach erwähnten und mit ihrer Lehre so eng
„verflochtenen Genius epideraicus anlangt, den
„auch die Homöopathie anerkennt, so ist es
„sicher, dass derjenige, welcher in seine Herr¬
schaft fallt, in allen seinen Functionen mehr
„oder minder depotenzirt wird; wir reden hier
„nicht von der Cholera, die bei Herz- und Nie-
„renleidenden immer ihre Opfer fordert, sondern
„von den Entzündungen, welche epidemisch auf-
„treten, was in jedem Organ Vorkommen kann.
„Durch den Genius epidemicus wird das Blut
„immer depotenzirt; dieses ist das constante
„Merkmal einer Epidemie; keine epidemische Er¬
krankung ist fibrinös, daher nie ein fibrinöses
„Mittel Anwendung findet; selbst beim stärksten
„Fieber wird in epidemischer Entzündung eines
„Organs der Aconit seine Wirkung versagen,“
was wir in München bei der Grippeepidemie vor
3 Jahren bestätigt fanden, wo selbst bei einem
Fieber von 40° C. Nux vomica das Heilmittel war.
Im Jahre 1854 war in München Cuprum ace-
ticum das epidemische Mittel in der Cholera, wie
in der zu gleicher Zeit aufgetretenen Tussis con¬
vulsiva, Pneumonie, Otitis media etc. etc., im Jahre
1858 Nux vomica und Causticum in der Grippe
und gleichzeitig vorgekommenen Pneumonie und
Gastritis; im Jahre 1873 im Winter herrschte hier
epidemisch eine Leberaffection mit nebenlaufenden
Dünndarm- und Nierencatarrh, wobei Natrum nitri-
cum das Heilmittel bildete u. s. f. Id est:
Ein epidemisches Heilmittel ist (abgesehen von
dem Rademacher’sehen Genius epidemicus, der ein
Blut- und Organmittel mit einander bekanntlich an¬
wendet:) dasjenige , unter dessen Herrschaft auch
die neben der epidemischen Krankheit gleichzeitig
auftretenden Affectionen stehen .
München, am 17. April 1894.
Dr. Köck.
Die Homöopathie in Frankreich
wahrend des Jahres 1893.
Von Dr. Francois Cartier.
Von Dr. Cartier findet sich im North American
Journal of Homoeopathy, Febr. 1894, ein Bericht
über die Verhältnisse der Homöopathie in Frank¬
reich während des verflossenen Jahres. Da sind
besonders zwei Thatsachen erwähnenswerth: Es
hat sich eine Gesellschaft zur Verbreitung der Ho¬
möopathie gebildet, zu der die Mehrzahl der ho¬
möopathischen Aerzte und viele begeisterte Laien
gehören. Zweck dieser Gesellschaft ist, junge
Aerzte, welche nach dem Hahnemann’sehen Princip
zu prakticiren gewillt sind, zu unterstützen und
andererseits die Grundsätze der Homöopathie dem
Volke durch eine Reihe öffentlicher Vorträge dar-
zuthun. Es haben denn auch regelmässige Ver¬
sammlungen, einmal wöchentlich, während eines
Vierteljahres in einer Stadthalle zu Paris statt¬
gefunden, und mögen wohl zweihundert Leute jedes¬
mal anwesend gewesen sein. Ueber den etwaigen
Erfolg lässt sich zur Zeit noch nichts sagen. Eine
andere und zwar erfreuliche Thatsache ist die Er¬
weiterung des Hahnemann-Hospitals.
Es giebt nämlich in Paris zwei homöopathische
Krankenhäuser; das L’höpital St.-Jacques mit
fünfzig Betten und L’höpital Hahnemann, das deren
nur 15 hatte. Ausserdem befinden sich daselbst
eine Anzahl Dispensir-Anstalten, von denen die für
Kinder, von der Mutter des Collegen Dr. James
Love gegründet, die bedeutendste ist. Im Juli d. J.
soll das Hahnemann-Hospital nach dem Park von
Neuilly verlegt werden. Das grössere und gut-
ventilirte Gebäude kann leicht 25—30 Kranke
fassen. Die Anzahl der poliklinisch behandelten
Patienten ist oft sehr beträchtlich, zuweilen über
hundert pro Tag. Die hier behandelnden Aerzte
sind DDr. Simon, Vater und Sohn, Boy er, Chancerel,
Vater und Sohn, Serrand, Charropin, Robillard und
der Berichterstatter Dr. Fr. Cartier selbst.
Die von ihm dargebotene Auslese aus den fran¬
zösischen Journalen giebt uns ein erfreuliches Bild
von den Leistungen unserer französischen Collegen
auf dem Gebiete der praktisch verwertheten Pharma¬
kodynamik. So führt er aus einem Artikel von
Dr. Jean Paul Tessier (L’art Mödical, Sept. 1893)
folgende Indicationen für die Behandlung des Ec¬
zema vor:
Anacardium orientale . Seine äusserliche An¬
wendung erzeugt ein Eczema pruriginosum. Wesener
berichtet den Fall einer Frau, die ein aoutes Ec¬
zema universale bekam, nachdem sie eine Scheibe
von der Frucht von Anacardium Kopfschmerzen
wegen auf die Schläfe gelegt hatte.
Arsenicum ist besonders angezeigt in Eczema
chronicum, wenn die Haut indurirt und verdickt
und ein brennendes Beissen (Jucken) vorhanden ist.
Bovista . Wir finden bei diesem Mittel: Die
Hände sind bedeckt mit kleinen, trocknen Papeln;
mehrere nichtjuckende Bläschen an der Dorsalseite
der Hand zwischen Mittel- und Zeigefingern. Weisse
Bläschen an der rechten Hand mit rothem Hof und
starkem Beissen.
Cantharis ist in Frankreich besonders bei Ec¬
zema rubrum und meisthin in acuten Fällen em¬
pfohlen worden. Das Mittel war innerlich und
äusserlich, wenige Tropfen der Tinctur in 200 Gr.
Wasser (als Waschwasser oder auf Compressen),
mit Erfolg angewandt worden.
Carbolicum acidum . Bekanntlich haben eine
20
Digitized by
Google
Anzahl Chirurgen den Gebrauch der Carbolsäure
bei Wunden wegen des von ihr hervorgerufenen
Eczemas aufgegeben. 1886 hat Dr. Soustre, ordi-
nirender Arzt im L’höpital St. Jacques, mit der
6. Di lut. eine Frau geheilt, welche an einem trock¬
nen und allgemeinen Eczem (oder vielmehr Lichen?
Ref.) litt, das ein Ectropium verursacht hatte. Um
dieselbe Zeit veröffentlichte Dr. Imbert de la Touch,
aus Lyon, einen Fall, der 12 Jahre gedauert und
unheilbar schien, mit diesem Mittel aber in 4 Wochen
gründlich geheilt worden ist. Dr. Noack in Lyon
bestätigte die Heilkraft desselben (in der 3. Dil.) bei
einem Eczema hypertrophicum, das die Unterlippe
umgeworfen und dem Gesicht einen schrecklichen
Anblick gegeben hatte. Im Londoner homöopathi¬
schen Krankenhause wird die Carbol säure bei Haut¬
krankheiten, besonders bei trocknen, schuppenartigen
Formen, häufig angewandt.
Chelutonium majus besonders bei hartnäckigem
Eczema des Sero tum.
Oroton beschwichtigt nach R. Hughes schnell
das bei Eczema auf tretende Jucken.
Mezereum. Dr. Cramoisy sagte 1877: „Ich habe
mehr als 200 Fälle von scrophulösem Eczem mit
diesem Mittel geheilt. Der Saft der Pflanze erzeugt
heftiges Jucken.
Petroleum. Ein Eczem auf dem Rücken der
Hände, das mehrere Monate bestand, war mit Pe¬
troleum 12. innerhalb 14 Tage geheilt.
Uhus toxicodendron und Uhus vemir in acuten
Fällen.
Zona (Zoster) und Ranunculus bulbosus von
Dr. Gounard. Derselbe sagt: Gewisse Krankheiten
gestatten uns durch ihre Einfachheit, ihre Symptoma¬
tologie und ihren beständigen Verlauf eine Speci-
ficum zu erhoffen, so dass wir alle Repertorien von
Medicamenten, die zugleich unsem Reichthum wie
unsere Erschwerniss bilden, bei Seite setzen können.
Eine solche Affection scheint mir die Zona und das
erlesene Mittel für sie Ranunculus bulbosus zu
sein. Ranunculus zeigt in seiner Pathogenese die
beiden Haupterscheinungen von Zona, den charakte¬
ristischen Ausschlag und den Schmerz. Zur Be¬
stätigung führt Dr. G. folgenden Fall an: Ein
41 jähriger Mann hatte vor 13 Jahren eine Zona
am Rücken, die 3 Monate dauerte. Jetzt litt er
wieder an diesem Uebel. Der Ausschlag nahm die
linke Beckengegend ein und die Bläschen erstrecken
sich von den Lenden bis zur Kniescheibe. Ranunc.
bulbos. (2.) ward verordnet, äusserlich Stärke auf¬
gepudert, die beiden folgenden Nächte waren sehr
schmerzvoll, indem sich der Bläschenausschlag
haufenweise entwickelte. Die Heilung erfolgte unter
Ranunculus bulbosus in 11 Tagen. — In einer
Anzahl anderer Fälle war das Maximum 12 Tage. —
(Dieser generalisireuden Behandlung können wir
aber bei einem Leiden, dessen Aetiologie so ver¬
schiedenartig und dessen Symptomatologie doch
auch nicht immer die gleiche ist, nicht zustimmen.
Ref.)
Derselbe Autor hat auch von Natron salicylicum
in der I. Centesimal-Verreibung gute Erfolge in
2 Fällen von acutem Gelenkrheumatismus bei einem
6 und einem 11 Jahr alten Knaben beobachtet.
Clematis ist eins der beliebtesten Mittel, das
man in Frankreich bei varicösen Geschwüren an¬
wendet.
Ein Mann hatte mehrere derartige Geschwüre
seit 3 Jahren am linken Beine, ihre Grösse ging
bis zu dem Umfange eines 25-Centstückes. Die
ganze Fläche war entzündet und ödematös. Cle-
matistinctur, 30 Tropfen auf 200 Gramm Wasser,
wurde äusserlich in Umschlägen und Clem. 3. inner¬
lich gebraucht. Nach 8 Tagen war die Haut we¬
niger geröthet und weniger geschwollen, kein
Schmerz mehr; die Geschwüre fingen vorn Rande
an zu vernarben; 14 Tage später waren die Flächen
völlig geheilt. Patient, ein Stubenmaler, hatte sein
Geschäft nicht unterbrochen.
Eine Knochenfistel in der Nähe der Orbita,
welche von einem Abscess herrührte und seit
3 Jahren bestand, wurde (nachdem Silicea 30. ver¬
sagte) mit Acidum fluoricum 3. Dil. geheilt. — Zum
Schluss berichtet Dr. Cartier zwei eigene Beobach¬
tungen von merkwürdiger Einwirkung der BaptisiA
bei spasmodischer (resp. hysterischer) Strictur des
Oesophagus.
So bietet uns dieser Jahresbericht einen erfreu¬
lichen Ueberblick über die wissenschaftliche wie
praktische Rührigkeit unserer französischen Collegen
auf dem Gebiete der Homöopathie.
Dr. Hosta.
| Zur Nachricht I
Unsere Aufforderung in No. 5/6 dieser Zeitung:
I sich einem Proteste gegen ein von Herrn Dr. Villers
I nach Amerika gesandtes Referat über die deutsche
Homöopathie anzuschliessen, hat einen so nachdrück¬
lichen Widerhall in den Kreisen der Herren Col¬
legen gefunden, dass sich bis jetzt bereits 42 zur
Unterschrift bereit erklärt haben. Nachdem jedoch
i von Seiten mehrerer älterer Herren Collegen der
| freundschaftliche Rath an uns ergangen ist: dass
i wir einer Angelegenheit, die keinem von uns irgend¬
welchen Schaden gebracht habe, noch bringen würde,
und die weder der Person ihres Urhebers nach ,
noch in sachlicher Hinsicht irgendwelche Bedeutung
| hätte , keinen so grossen Werth beilegen möchten;
I und da ausserdem die Redaction der „Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung“ bereits Stellung zu
Digitized by
Google
diesem Herrn genommen und ihm das Unmotivirte
seiner Handlungsweise klargemacht hat, so glauben
wir von der Absendung des Protestes Abstand
nehmen zu können. Sollte die Mehrzahl der Unter¬
zeichner in diesem Punkte jedoch anderer Meinung
sein als wir, so bittet der Unterzeichnete um Nach¬
richt, und der motivirte Protest wird dann zur
Unterschrift circuliren.
Remscheid. I. A. Dr. Hengstebeck.
Ein Fall von Psoriasis mit Metastasen.
Von Dr. Lambreghts jun. aus Antwerpen.
In dem Septemberheft der Revue homoeo-
pathique beige von 1892 besprach Dr. Martiny die
Erklärungen von Gaucher auf dem Wiener Der-
matologencongress hinsichtlich von Metastasen in
der Psoriasis, und fügte folgende Bemerkung hinzu:
,,Alle Homöopathen werden Gaucher’s Ansicht
theilen. Die Psoriasis ist die deutlich ausge¬
sprochene Aeusserung einer Diathese, und wir haben
häufig beobachtet, dass Kranke, welche an einem
veralteten Asthma oder chronischen Verdauungs¬
störungen litten, von diesen Leiden befreit worden
sind, wenn die Psoriasisflecke auf der Haut hervor¬
traten. Es handelt sich liier um das grosse Gesetz
von der Zudrängung von Hautkrankheiten, welches
von allen alten Klinikern anerkannt worden ist und
welches auch Hahnemann klar vor Augen gehabt,
als er sein Buch über chronische Krankheiten, worin
er seine Ideen über die Psora entwickelt hat, ver¬
öffentlichte.“
Eine Bestätigung jener Ansichten bot sich dem
Verf. in einem interessanten Falle, den er im ho¬
möopathischen Dispensarium zuAnvers beobachtet hat.
Er betraf eine 35jährige Frau, Mutter von drei
Kindern, von kräftiger Constitution, stark aus¬
gesprochenem biliösen Temperament, mit schwarzen
Haaren und Augen und etwas gelblicher Gesichts¬
farbe.
Mehrere Mitglieder ihrer Familie, so ihre Mutter
und eine Schwester, waren von Hautkrankheiten
befallen. Syphilisspuren waren nicht zu entdecken.
Die Frau, sonst gesund, hatte vor einigen Monaten
an der Aussenfläche der Kniee und Schenkel kleine
Flecke bemerkt, die wie Wacliströpfchen auf rothem
Grunde aussahen. Als diese immer zahlreicher
wurden und ein lebhaftes Beissen hinzutrat, wandte
sie sich an einen allopathischen Arzt, der ihr eine
Pomade verschrieb, die sie in die kranken Theile
einreiben sollte. (Wahrscheinlich war es Chryso-
phansäure). Der Hautausschlag verschwand auch
bald, aber nun stellten sich bei ihr die ersten Symp¬
tome einer acuten Dyspepsie ein. Da die Verord¬
nungen ihres Arztes fehlschlugen, wandte sie sich
an die homöopathische Dispensir- Anstalt. Sie klagte
über brennende Schmerzen im Magen und der
linken Seite des Rückens, Brechübelkeit, Erbrechen
des Genossenen nach jeder Mahlzeit; der Appetit
war fast null, die Zunge mit einem gelblichen Belag
bedeckt; grosse Müdigkeit und Schlaffheit; wenig
oder gar kein Fieber, lebhafter Durst, Verstopfung,
sedimentöser Urin.
Auf der äusseren Seite der Schenkel der Kniee
konnte man zahlreiche, in Rückbildung begriffene,
Psoriasis;Flecke sehen; der Grund derselben war
von einem blassen, etwas kupfrigen Roth; das
Beissen hatte ganz aufgehört.
Verf. verschrieb Arsenicum album und Bryonia.
Der Arsen. schien ihm angezeigt durch die vor¬
handene Diathese, die brennenden Schmerzen im
Magen und Rücken, der Durst, das Erbrechen,
der Verfall der Kräfte. Bryonia ist andererseits
das grosse Heilmittel bei Unterdrückungen und ent¬
sprach ebenfalls verschiedenen gastrischen Symp¬
tomen in diesem Fall. (Arsen, ist bei solchen unter¬
drückten Hauterkrankungen übrigens erst recht das
oberste Mittel und hätte hier allein wohl ge¬
nügt. Ref.)
Nach Verlauf von 4 Tagen liess sich eine ge¬
ringe Besserung beobachten. Die Schmerzen waren
geringer und das Erbrechen seltner. Beim Fort¬
gebrauch der Mittel war nach 8 Tagen das Magen¬
leiden ganz beseitigt, aber nun hatte ein frischer
Ausbruch von Psoriasflecken an den unteren Extre¬
mitäten mit etwas Beissen stattgefunden.
Verf. verordnete jetzt Acidum carbolicum
1. Dec. 8 Tropfen in 120 Gramm Wasser, von
welchem Mittel er, sowie auch mehrere französische
Aerzte, treffliche Dienste bei Psoriasis gesehen hat.
Verf. sah die Patientin erst nach einem halben
Jahre wieder. Von Psoriasis war keine Spur mehr
vorhanden, aber seit einigen Tagen litt sie an einem
sehr reichlichen und scharfen Weissfluss, sowie auch
an heftigen Schmerzen in den Nieren und Unter¬
leib und einer solchen Taubheit in den Beinen, dass
sie kaum gehen konnte. Ausserdem bestand Durst,
Appetitlosigkeit, Verstopfung und Schlaflosigkeit.
Sie erhielt Arsen, alb. und Sepia.
Unter der Einwirkung dieser Mittel verschwan¬
den die uterinen Symptome nach 10 Tagen, wäh¬
renddem sich wieder einige Psoriasis-Flecke auf den
Schenkeln zeigten. — Verf. verordnete aufs Neue
Acid. carbol., und gebrauchte dieses Mittel vier
Monate hindurch fort. — Nach Verlauf dieser Zeit
war die Psoriasis völlig geschwunden, und hat sich
auch innerhalb eines ganzen Jahres kein Recidiv
mehr eingestellt.
Die Existenz von Metastasen erscheint ihm, wie
Verf. zum Schluss sagt, in diesem Fall ganz klar.
20 *
Digitized by
Google
156
Thatsächlich haben sich die* Zeichen der Verdau¬
ungsstörungen und der Uterinaffection entwickelt,
je nach dem Masse als die Hauteruption zurück¬
wich und sich verzogen, sobald die Psoriasis-Flecke
wieder zum Vorschein kamen. Derartige Erschei¬
nungen können nicht die Wirkung eines zufälligen
Zusammentreffens sein.
(Revue homoeop. beige. März 1894.)
Vom 23. Chirurgencongress in Berlin.
Den ersten Gegenstand der wissenschaftlichen
Tagesordnung bildete ein Vortrag von Professor
Bruns aus Tübingen „über die Ausgänge der
tuberkulösen Hüftgelenkentzündung bei conserva-
tiver Behandlung.“ Die Rede bewegt sich auf einem
der schwierigsten Gebiete der Chirurgie. Bruns hat
sich die Mühe nicht verdriessen lassen, über mehr
als 600 in einem Zeiträume von 40 Jahren in der
Tübinger Klinik behandelte Kranke Nachforschungen
anzustellen, und hat es fertiggebracht, dass sich
mehr als 200 zur Nachuntersuchung bei ihm ein-
fanden, während über einen grossen Theil der
übrigen durch Fragebogen Nachrichten eingezogen
wurden. Der Erfolg spricht durchaus zu Gunsten
der sogenannten conservativen (abwartenden) Me¬
thode im Gegensatz zur operativen Methode der
Resection, die früher vielfach sofort iro Beginn des
Leidens empfohlen wurde. Unter Umständen wird
sich die Operation natürlich nicht vermeiden lassen,
namentlich bei starken Eiterungen. Bei der neuen
Behandlungsweise mit Jodoform-Glycerin wurden
mehrfach glänzende Ergebnisse erzielt; doch sind
die Fälle noch verhältnissmässig zu gering an Zahl,
als dass man hieraus bindende Schlüsse ziehen
dürfte. Die wesentlichsten Ergebnisse der Forschungen
von Bruns sind folgende:
Die tuberkulöse Hüftgelenkentzündung befällt
fast ausschliesslich die beiden ersten Jahrzehnte
des Lebens. In einem Drittel der Fälle bleibt sie
frei von manifesten Eiterungen. Die conservative
Behandlung ergiebt eine ziemliche Zahl Geheilte;
die Heilung erfolgte durchschnittlich nach vier
Jahren. In vielen Fällen erfolgte der Tod an
Tuberkulose anderer Organe (Lungen, Gehirn etc.)?
der Tod erfolgt im Durchschnitt nach drei Jahren.
Die Vorhersage wird wesentlich beeinflusst durch
das Eintreten beziehungsweise Ausbleiben von
Eiterungen. Bei nicht eiternden Formen gelangen
77 von Hüftgelenkentzündung, bei eiternden Formen
nur 42 von Hüftgelenkentzündung zur Heilung.
Von grossem Einfluss ist das Lebensalter: die Vor¬
hersage verschlechtert sich mit zunehmendem Lebens¬
alter. Bei einem (verhältnissmässig geringen) Theile
der Geheilten besteht die Gefahr späterer Erkrankung
an Tuberkulose anderer Organe. In der folgen¬
den ausserordentlich lebhaften Erörterung schliessen
sich die Redner im Wesentlichen diesen Ausfüh¬
rungen an. Man darf also das Ergebniss kurz da¬
hin zusammenfassen, dass die Mehrzahl der deutschen
Chirurgen für eine conservative, also zuwartende
Behandlung der tuberkulösen Hüftgelenkentzün¬
dung ist.
Materia medica.
Husten-Symptome.
Trockener Husten Morgens und den Tag über.
Alumina. Langer Anfall von trocknem Husten jeden
Morgen, endigend mit schwierigem Auswurf von
etwas weissem Schleim. Dabei Trockenheit der
Schleimhäute, Empfindung von einer losen Haut,
die in den Hals herabhängt; verlängertes Zäpf¬
chen ; Splittergefühl im Halse.
Ammonium carb. Heftiger, trockner Husten in den
ersten Morgenstunden, gewöhnlich von 3 — 4 Uhr
Morgens. Chronischer Husten alter Leute mit
Kitzeln in dem Kehlkopf oder unter dem Brust¬
bein.
Borax. Trockner Husten wie bei alten, kacbekti-
schen Leuten, schlimmer Morgens beim Aufstehen
und Abends beim Niederlegen. Dabei: Stiche
in der rechten Brustseite bei jedem Hustenanfall
und tiefer Inspiration.
Euphrasia. Trockener Husten Morgens beim Auf¬
stehen, bis man sich wieder niedergelegt hat.
Dabei: Nach dem trocknen Husten gewöhnlich
ein loser mit reichlichem Auswurf. Nachts husten-
frei. — Meist mit Influenza verbunden.
Jodium. Trockner, rauher, croupähnliclier Husten
Morgens von Kitzel im Kehlkopf und Schlund.
Dabei: Schwieriges, sägendes Athmen mit Schmerz¬
haftigkeit des obern Brusttheils. — Heisshunger
mit Abzehrung.
Kali carb. Husten meist trocken oder weniger Aus¬
wurf; in den Morgenstunden von 3 — 4 Uhr
schlimmer. Sticheln im Schlunde wie von einer
Fischgräte.
Lachesis. Trockner, hackender, krampfhafter Husten,
beim Berühren des Halses, schlimmer nach dem
Morgenschlaf. Dabei: Husten nervösen oder
reflectoriscben Ursprungs bei äusserster Empfind¬
lichkeit der Luftröhre gegen äusserliche Be¬
rührung.
Manganum . Trockner Morgenhusten bei heiserer,
rauher Stimme, besser vom Niederlegen, schlim-
Digitized by
Google
157
mer vom Lesen oder Sprechen. Ein schätzbares
Mittel bei Knaben und Mädchen, wenn die
Stimme wechselt und lange rauh bleibt. Phthisis
laryngis mit rauher und sehr heiserer Stimme.
Nux vomica. Trockner Husten von Mitternacht
bis Tagesanbruch mit Rauheits- und Kratzgefühl
in dem Kehlkopfe, welches der Husten hervor¬
ruft, besser von warmem Getränk. — Er erkältet
sich beim geringsten Zugwind; fliessender Schnupfen
Morgens, Nachts stockender.
Rnmex. Trockner, rauher, krampfhafter, bellender
Husten um 2 und 5 Uhr Morgens (bei Kindern).
Kitzel hinter der obern Hälfte des Brustbeins
und in der Kehlgrube. Schlimmer von dem ge¬
ringsten kalten Lüftchen.
Senega . Hackender Husten von Reiz in dem Kehl¬
kopf, schlimmer Morgens beim Anziehen, vor
dem Frühstück; der Husten endet oft mit Niesen.
Dabei: Bronchialleiden im Alter bei kaltem Wetter;
schwieriger Auswurf; plötzliche Heiserkeit beim
Vorlesen; kurzathmig beim Treppensteigen.
Trockner Abend- und Nacht-Husten.
Aralia . Husten und Dyspnoe Abends beim Nieder¬
legen, von verlängertem Zäpfchen. Krampfhafter
Husten bei Nacht nach dem ersten Schlaf. Da¬
bei: Kitzel im Halse; Asthma mit Athemnoth.
Arnim . Trockner, hackender Husten mit Kitzel in
der Brust, schlimmer bei Nacht, ohne ihn auf¬
zuwecken. Veranlasst von Weinen und Jammern
der Kinder. — Keuchhusten mit Nasenbluten;
das Kind weint vor den Anfallen. Zerschlagen¬
heitsgefühl auf der Brust.
Arsen . Husten, Abends gleich nach dem Nieder¬
legen, wie von Schwefeldämpfen, so dass man
aufsitzen muss. Trockner, kurzer Husten, zu¬
nehmend nach Mitternacht. Asthma um Mitter¬
nacht, so dass er aufspringen muss; kurzes, ängst¬
liches Athmen, schlimmer beim Liegen auf dem
Rücken,
Belladonna. Trockner Husten, beginnend 10 Uhr
Abends, alle Viertelstunden oder noch öfter wieder¬
kehrend, in 3 — 4 schnell aufeinander folgenden
Anfällen; vor demselben weinen die Kinder, —
Peinliche Trockenheit des Kehlkopfes, Heiser¬
keit, besonders beim Schreien; Stechen und
Kitzel in der Rückseite des Larynx.
Bromium. Kratzendes Schaben in dem Kehlkopf,
Abends, erzeugt trocknen Husten, schlimmer bei
- tiefem Einathmen. — Heiserkeit, Verlust der
Stimme, Empfindung, als ob das Kehlgrübchen
gegen die Luftröhre gedrückt würde. Diphthe-
ritischer Croup.
Bryonia . Trockner Husten, wie vom Magen aus;
hackender mit Empfindlichkeit der Bauchmuskeln;
schlimmer bei Nacht, von Bewegung, beim Ein¬
tritt in ein warmes Zimmer. — Stiche in der
Brust beim Tiefathmen, besonders rechterseits.
Calc. carb. Trockner, hackender Husten Abends,
im Bette, schlimmer nach Mitternacht, wie von
Staub in der Brust. Schmerzlose Heiserkeit.
Husten trocken bei Nacht, aber locker bei Tage;
gelblicher Auswurf Morgens.
Causticum. Trockner, hohler, anfallsweiser Husten
mit einem schmerzhaften Strich längs der Luft¬
röhre, woselbst es bei jedem Anfall wehthut,
besser von einem Schlückchen kalten Wassers;
schlimmer Nachts und Morgens. Heiserkeit mit
Kratzen im Halse. — Der Urin geht unwillkür¬
lich ab beim Husten.
Conium. Eine trockene Stelle im Kehlkopf, wo es
kitzelt, mit fast beständigem Reiz zu trocknem
Husten, fast nur, sobald man sich niederlegt,
bei Tage oder Abends. Er muss sich aufsetzen
und abhusten, wonach er Ruhe hatte. — Quälen¬
der Nachthusten alter Leute, gewöhnlich trocken
oder etwas Auswurf nach langem Husten. — Es
scheint, als ob der Husten vom Unterleib aus-
I ginge.
Drosera . Anfallsweiser Husten, so dass er kaum
I zum Athmen kommen konnte, meist schlimmer
bei Nacht, bald nach dem Niederlegen, trocken,
krampfhaft; endet oft mit Erbrechen. Kitzeln
in dem Kehlkopfe wie von einer Feder. Husten
wie vom Unterleib aus. Keuchhusten schlimmer
; nach Mitternacht.
Hyoscyamus. Trockner Nachthusten, der ihn auf-
I weckt, fast unablässig beim Liegen, besser beim
i Aufsitzen. — Verlängerung des Zäpfchens. Ner¬
vöser Husten junger Mädchen. — Reizhusten von
Essen, Trinken, Reden oder Singen.
| Ignatia. Trockner, hohler, krampfhafter Husten
Abends, wie von Schwefeldampf oder Staub; je
länger er hustet , desto stärker wird der Reiz
zum Husten. — Kitzel in der Luftröhre, durch
Husten nicht erleichtert. — Reflex-Husten.
Phosphoras. Trockner Husten mit Weh im Kopf,
als ob dieser bersten sollte. Hackender Nacht¬
husten, schlimmer vom Liegen auf dem Rücken
oder auf der linken Seite. Schlimmer in der kalten
Luft, vom Reden, Essen oder Lachen. Rauheit
des ganzen Athmungstractus. — Kitzel in der
Luftröhre abwärts, Druck auf der Brust, Heiser¬
keit.
Pulsatilla . Trockner Husten, bei Nacht, bei Tage
lockerer, von Kitzel und Kratzen in dem Kehl-
| köpf; beständig Abends nach dem Niederlegen,
besser vom Aufsitzen. — Nachthusten, als ob et-
j was in der Brust losgerissen wäre. Keuchhusten
| mit Stechen in der Brust und Erstickungsanfällen,
mit starkem Drang nach frischer Luft.
Digitized by
Go >gle
Rximex. Trockner, krampfhafter Husten Abends |
beim Niederlegen, von 10 — 12 Uhr Abends, von
Kitzel hinter der obern Hälfte des Brustbeins,
wie auch in dem Halsgrübchen. Brust empfind¬
lich, schlimmer von kalter Luft. Der Husten
scheint von dem Halsgrübchen auszugehen;
Nachts Schmerz hinter dem Brustbein. j
Sangmnaria . Trockner, hackender Husten Abends j
nach Schlafengehen von Kitzel im Halse, Kriebeln
längs dem Brustbein herab. — Besser beim Liegen
auf dem Rücken. — Laryngitis mit Schmerzhaftig¬
keit und Trockenheit; Oedema glottidis, Brust¬
schmerz, Stechen in der rechten Brustseite.
Dr. A. B, Mc Michael.
(North american journal of Homoeopatli.
Febr. 1894.)
LesefrUchte.
Menstrnationsstörangen
in Folge von Bothryoeephalns latus
kommen nach Dr. Kahn häufig vor. Er theilt fol- i
genden Fall mit: Ein löjähriges Mädchen, die im j
17. Lebensjahre zuerst menstruirtc, war bis zum
Juni 1892 gesund. Bis dahin war die Regel alle
4 Wochen normal, 4 Tage lang, aufgetreten; von
da ab ward sie allmählig stärker, bis dann alle
2—8 Wochen, oder noch öfter, starke Blutungen,
meist von 8tägiger Dauer, mit heftigen Unterleibs¬
schmerzen sich einstellten. Die Untersuchung per
anum in der menstruationsfreien Zeit ergab: Gebär¬
mutter mässig vergrössert, druckempfindlich, von
etwas weicherer Consistenz. Sonst nichts Abnormes,
sichtbare Schleimhäute blass. Eisentherapie drei I
Wochen lang ohne Erfolg. Da noch Klagen über !
Uebelkeit und Stuhlbeschwerden , Völle und Druck der I
Theile hinzukamen, wurde Ol. Ricini gegeben,
worauf ein */a Meter langes Stück eines Bothryo- j
cephalus latus abging. —Nach Verodnung von Extr.
Filicis maris kam noch ein 6 1 / 2 Meter langes Stück |
sammt dem Kopfe heraus, worauf Patientin wie mit I
einem Schlage von ihrem Leiden befreit war. Das j
Krankheitsbild hatte den Eindruck einer Metritis
acuta gemacht. Doch scheint hier der Reiz inner¬
halb des Darmkanals ursächlich gewirkt zu haben. —
Von den Erscheinungen, die der breite Bandwurm ,
hervorruft, wird als beständig ein nagender Schmerz
in der Nabelgegend , verbunden mit Volle und Druck
im Leibe, Morgens *leichte Uebelkeiten und \
fader Mundgeschmack angegeben. Sonst noch: Pu¬
pillenerweiterung, Unregelmässigkeiten im Stuhl¬
gang, Erbrechen. Bei kräftigen Frauen sind die
Symptome olt sehr gering, bei anämischen, schwäch¬
lichen, besonders nervösen, zeigen sich Krämpfe
(Chorea, Epilepsie, hysterische Krämpfe). Kahn
behandelte eine 28jährige Virgo mit maniacalischen
Anfällen, auf welche hysterische Weinkrämpfe
folgten. Nach Abgang des Parasiten Genesung.
Auch diese Patientin zeigte Menstruationsstörungen.
Deshalb soll man in Gegenden, wo der Bothryo-
cephalus latus häufig auftritt, bei Menstruations¬
störungen auf das Vorhandensein des Parasiten
achten und die Stuhlentleerungen sorgfältig unter¬
suchen.
(St. Petersburger Med. Wochenschrift 1893. 47.)
Differentielle Diagnose in Odontalgieen.
Dr. J. Busch in Wien giebt folgende unter¬
scheidende Punkte für die Diagnose einer Pulpitis
und einer Periodontitis an: Die Entzündung der
Pulpa ist eine der häufigsten Ursachen von Zahn¬
weh. Kaltes Getränk vermehrt den Schmerz,
während warmes keinen Einfluss auf ihn übt;
gegen Druck besteht keine Empfindlichkeit. Der
Schmerz strahlt gern nach den obern Zweigen des
Trigeminus hin, in Schläfe, Auge, Ohr, ja nach
dem ganzen Kopf und Nacken. Es ist oft mit
rheumatischem Schmerz verbunden, geht leicht in
Periodontitis über. Diese letztere Affection charak-
terisirt sich durch ihr Verhalten gegen Warmes,
dass den Schmerz steigert, während Kaltes ihn er¬
leichtert; der Zahn ist äusserst. druckempfindlich, so
dass der Kranke den schmerzhaften Zahn genau
augeben kann, während er bei Pulpitis nicht weiss,
welcher, oder ob überhaupt ein einzelner Zahn der
kranke ist. Die weichen Theile schwellen an, ge¬
wöhnlich am zweiten oder dritten Tage, und es
kann zur Eiterung kommen. Bei reiner Pulpitis
ist niemals Anschwellung, ebenso kommt bei dieser
das Gefühl von Verlängerung der Zahnes nicht vor,
wohl aber bei Periodontitis. Bei letzterer ist der
Schmerz anhaltend oder remittirend; bei Pulpitis
dagegen intermittirend. Was das zahnärztliche Ver¬
fahren betrifft, so greift man bei Periodontitis in
der Regel zur Zange, weil man sonst kein Mittel
hiergegen wirksam weiss; bei Pulpitis tödtet man
durch eine Passe aus Arsen, und Morphium die
Pulpe und kann so den Zahn füllen und erhalten.
(Medicinische Neuigkeiten. 1893. 50.)
Herr Dr. Pro 11 in Meran bittet uns um Auf¬
nahme des Nachstehenden:
Zur Meraner Anzeige.
Um Anfragen vorzubeugen, deren täglich viele
einlaufen, muss ich mittheilen:
Digitized by
Google
189
1. dass bereits ein homöopathischer Arzt hier
mit Einrichtung angekommen ist;
2. aber sich erst um die nothwendige öster¬
reichische Staatsbürgerschaft bekümmern
3. und das Examen medicum rigorosum zu Inns¬
bruck ablegen muss;
4. dass die hiesige homöopathische Clientele sehr
unsicher und schwankend und klein, daher
5. es nur einem reichen Arzte möglich ist, ab¬
zuwarten, da er von der homöopathischen
Praxis allein, unter gegenwärtigen Verhält¬
nissen, nicht 8iande8gesmäs8 leben kann.
Uebrigens beantwortet portofreie Retour-kn-
fragen
Meran, 28. April 1894. Dr. P. Pröll.
(ab 15.|5. in Bad Gastein.)
Personalia.
Herr Sanitätsrath Dr. med. Paulwasser in Bern¬
burg ist von Sr. Hoheit dem Herzog von Anhalt
zum „Geheimen Sanitätsrath“ ernannt worden.
Laut Staatsanzeiger ist Herr Dr. Schwencke
in Cöthen anlässlich seines 50jährigen Doctorr
jubiläums zum Sanitätsrath ernannt worden.
Es ging uns die Trauerkunde zu, dass der
homöopathische ArztDr.Karl Hafen in Neustadt a.d.
I Hardt nach kurzem Krankenlager unerwartet schnell
' heimgegangen ist. Sein Andenken wird bei seinen
Freunden in Ehren bleiben. Quiescat in pace!
Herr Dr. med. Greenfield hat sich in Leipzig,
Tauchaerstrasse 4, II., als homöopathischer Arzt
i niedergelassen.
Anzeigen.
Mez & Sühne, Freiburg, Baden
empfehlen ihre luftdurchlässigen und
desslialb allein zweckmässigen
Netz- und Zellenstoff-Unterkleider
aus Seide, Wolle oder Baumwolle.
Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
Dr. med. Walsers Chftnagras-W&sche
in Krepp- und ZellenstofT.
Prospecte postfrei zu Diensten.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter GOte, weiss und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 10 ^ oder 1Ä / 1 Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ah hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — b©ZW. Mk. 14.—.
Dr. Putzar’s Sanatorium
Königsbrunn b. Königstein (sächs. Schweiz).
Wnsserheil- und Kuranstalt.
Electro- und Mechanotherapie.
Kohlensäure—Bäder (Patent Lippert).
Diät- und Mastkuren.
Das ganze Jahr besucht. Mässige Preise.
Prospecte gratis.
Besitzer: Dr. med. Putzar.
Med. Dr. Theodor Kafka wohnt auch in
dieser Saison im Hause „Annaberg“, Marktplatz,
knapp vor dem Hotel Hannover in Karlsbad.
Ende dieses Jahres erscheint:
The Universal Homoeopathic Annual
(jedoch nur in englischer Sprache).
Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬
schen Werke.
Herausgegeben von
Dr. med. Francois Cartier, Paris
und seinen Mitarbeitern, einer Reihe hervorragendster
Specialisten für Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-,
Frauen-, Kinder-, Geschlechts- etc. Krankheiten
in Frankreich und Amerika.
Preis 12 Mark.
Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um¬
fassen und zerfällt in zwei Theile, die Arzneimittel¬
lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als
nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt
und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden
mit den Anschauungen hervorragender Professoren
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind.
Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen
A. Marggrafs homöopathische Offlein,
Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
160
Soeben ist erschienen die 6. Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
naohdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
,,Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur-
theilen versteht. Und es ist wirklich stannenswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntnis« und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustorgültige Schrift ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle
Sympathie entgegenbringen.“
Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde
das Werkclien in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hümorrhoidal-Leiden etc.,
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein¬
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstohungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel worden in vielen Fällen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Müt ter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denon ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswert he Winke giebt.
Der Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art Ubertroffen worden. Aber auch Solche,
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden in demselben manche gute AVinke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller-
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert, nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben versehen ist. wird den Freunden des
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer
erwoisen.
Leipzig, im April 1894.
A. Marggrafs Homöopathische Officin.
Im Verlage von k • Marggrafs homöopathischer
Officin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf her vorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lerneu. (Differen-
zielie Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz-
neivorlesungen naeh gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'-
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Ilnter-
scheidennach allen Seiten des be treffende nMi tiels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Work deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interes8irten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen ,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit deß Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipsig.
Digitized by u^ooQle
Band 138.
Leipzig, den 24. Mai 1894.
No. 31 n. 33.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
t
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag yoii William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint Ut&gig zu2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggr&Fs homöopath. Offlein in Leipzig) zn richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Itanm berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inh-alt. Acutes einseitiges Eczem bei einer phlegmonösen Otitis interna. Von Dr. Mossa-Stnttgart. — Facialis-
paralyse als Complication von Mittelohr-Erkrankungen. Von Dr. Charles F. Bassett. M. Dr., Chicago. — Die Wirkungen
der Kali- und Natron-Mittel auf das Ohr. Von Dr. H. D. Schenck. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. —
Aus Hahnemanns Aufenthalt in Molschleben. - Die nordamerikanischen homöopathischen Colleges und Spitäler. —
Lesefrüchte. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Acutes einseitiges Eczem bei einer
phlegmonösen Otitis interna.
Von Dr. Mossa-Stnttgart.
Ein junger 2 5jähriger Mann, dessen Anamnese
eine lange Krankengeschichte abgeben würde, kam
im Februar d. J. in meine Behandlung. Ein mehr¬
jähriger Aufenthalt in den Tropen hatte ihn mit
Malaria inficirt, wogegen er starke Dosen Chinin
gebraucht, die er dann als Prophylactieura weiter fort¬
gesetzt hatte. Dazu kam dann noch eine chroni¬
sche Gonorrhöe. Alles heilt bei ihm schwer, da er
in den Kinderjahren mit Scrophulosis behaftet ge¬
wesen, die sich besonders durch einen Kopfaus-
schlag und einen eitrigen Ausfluss aus dem linken
Ohr geäussert hatte. Der letztere hat wenigstens,
so weit er sich erinnert, vom sechsten Lebensjahre
an bald mehr, bald weniger bestanden, war mehrere
Jahre dann verschwunden und vor zwei Jahren,
ohne nachweisliche Ursache, wieder erschienen.
Dieses so viel belastete Menschenkind erkrankte
im Februar v. J. an einer Influenza massigen Grades.
Der Schnupfen freilich war sehr stark ausgesprochen,
entleerte grosse Mengen eines wässerigen Secretes,
und fühlte er sich doch so angegriffen, dass er
einige Tage im Bett verbrachte. Davon kaum her¬
gestellt, bekam er bei einem Gange ins Freie während
scharfen Windes heftige, stechende Schmerzen im
I linken Ohre. Ich fand den Gehörgang dunkel ge-
rötliet und durch Anschwellung so verengt, dass
man von dem Trommelfell nichts sehen konnte. Die
Eiterabsonderung war gehemmt oder wenigstens
konnte sie nicht nach aussen dringen. Dabei Fieber,
Schlaf gestört. Die Ohrmuschel war ebenfalls ge-
röthet, bei Berührung empfindlich.
Pulsatilla 6. Dil. innerlich, alle 3 St. 2 Tropf.,
äusserlich lauwarme Wasserumschläge, die Tag und
| Nacht fortgesetzt wurden. Dabei wurde der Zu¬
stand erträglicher, noch besser wurde er, als am
4. Tage eine furunculös zugespitzte Stelle der Ohr¬
schleimhaut sich abscedirte, und eine kleine Menge
Blut und Eiter sich entleerte.
| Die Schmerzhaftigkeit des Processus mastoideus
bei Berühruug, sowie um die Gelenkfläche des Ober¬
kiefers und des kleinen Ohrknorpels, der jetzt sich
einstellcnde verlangsamte, ziemlich volle Puls (56
Schläge), Schlafmüdigkeit bei Tage, Nachts hier
und da ein leichtes Delirium verkündigten nichts
Gutes. Da inzwischen der Eiterausfluss eine grün¬
liche Färbung und üblen Geruch angenommen hatte,
so hielt ich Bellad. 6. mit Mercurius sol. (3. Ver¬
reibung), je 2 stündlich im Wechsel, für angezeigt,
I und Hess lauwarme Einspritzungen von einem
i schwachen Kamillenthee in den Gehörgang machen.
| Dass die Tuba Eustachii nicht frei war, zeigte
i schon dies quatschende Geräusch, das Patient hei
Digitized by
21
Google
162
Bewegung des Oberkiefers darin wahrnahm. Das
Gehörvermögen auf dem linken Ohr war auf Null
reducirt, ja auch die Knochenleitung erwies sich
aufgehoben. — So verliefen mit geringer Auf¬
besserung des Zustandes etwa acht Tage. Die
nächtliche Ruhe war weniger gestört, da die
Schmerzen im Ohr geringer und nur zeitweise in
plötzlichen Stichen auftraten; der Appetit hatte
sich noch im Ganzen ziemlich gut erhalten und
ward Anfangs fast nur mit Milch befriedigt, wozu
ich später Gemüse und Obst hinzusetzen Hess; der
Harn war eine Zeit lang dunkel und stark riechend
gewesen, jetzt aber fast normal. Die Tagesschläf¬
rigkeit hatte abgenommen. Nun trat aber ein
merkwürdiges Ereigniss ein. Die Hnke Gesichts-
hälfte schwoll an, besonders machte sich ein vom
Processus zygomaticus bis zum linken Nasen¬
flügel hervorragender Wall bemerklich, die Haut
röthete sich, und unter Jucken und Brennen bil¬
dete sich ein ganz feinbläschenartiger Ausschlag.
Am auffäUigsten zeigte er sich zuerst zwischen den,
während der Krankheit stark entwickelten Haaren
des Kinn- und Lippenbartes. Diese Bläschen son¬
derten ein erst dünnflüssiges, später mehr eitriges
Secret ab, das zu honiggelben Krusten eintrocknete.
Späterhin zeigte sich dieser Ausschlag auch unter¬
halb des linken Auges ebenfalls unter Anschwellung
und Röthung der Haut. Schliesslich wurde auch
noch der grosse Ohrknorpel, der dunkel geröthet
und stark geschwollen war, ebenfalls Sitz der ge¬
schilderten Hauteruption. — Dieselbe brauchte zu
ihrem Ablauf, d. h. bis die Absonderung nebst den
entzündlichen Erscheinungen aufhörte und die Krusten
sich abstiessen, wobei dann die Haut noch eine
Zeit lang geröthet verblieb, über 8 Tage; das dem
Patienten verabreichte Rhus toxicod. hatte darauf
wohl wenig Einfluss. Das Befinden hatte sich
währenddem aber erheblich gebessert; der Puls
hatte sich der normalen Frequenz (64—68 Schläge)
genähert, die Functionen des Organismus waren ge¬
ordnet. — Nur der Eiterausfluss aus dem linken
Ohr fand, wenn auch in besserer Qualität, wieder
reichlicher statt, und hielt ich es für angezeigt,
Einspritzungen mit einer schwachen Lösung von
Alumen pulveratum (0,5 : 100 Wasser) hiergegen an¬
zuwenden, um so mehr, da von Alumina entschiedene
Wirkungen auf das Ohr in der Pharmacodynamik
angegeben sind, wie Geschwulst und Eiterausfluss.
Eine Perforation des linken Trommelfells zeigte sich
jetzt deutlich, die Hörfähigkeit war zum Theil
wiedergekehrt, wenn auch nicht in dem Grade, wie
auf dem rechten Ohre. — Unter Sulfur, Calcarea,
Lycopodium, in grösseren Zwischenräumen gereicht,
ward die Eitersecretion immer geringer; völlig auf¬
gehört hat sie aber bis zur Stunde nicht.
Was die Hauteruption betrifft, so war ich Anfangs
geneigt, den ihr zu Grunde liegenden Krankheits-
process für ein Erysipelas vesiculosum zu halten.
Da die Bläschen aber so gar minimal waren und
sich aus kleinen Papeln, den geschwollenen Haut¬
follikeln, entwickelten, so gehört die hier beobachtete
Hautaffection weit eher zu der Form des phlegmo¬
nösen Eczera. Die Beschränkung desselben auf die
linke Ge^chtshälfte weist deutlich auf seinen Zu¬
sammenhang mit dem erkrankten Ohre hin, der wohl
durch vasomotorischen (oder trophischen) Nervenein¬
fluss vermittelt worden ist. Wenn dieses Zwischen-
ereigniss in diesem so schweren Krankheitsfälle nicht
gerade von kritischer, so war es doch von günstiger
Bedeutung, wie wir ja so manchmal tiefgehende
entzündliche Erkrankungen durch eine solche na¬
türliche Ableitung in eine gute Bahn, ad bonam,
gelenkt sehen. — Wir haben hiermit keine muster¬
gültige homöopathische Heilungsgeschichte gegeben,
dessen sind wir uns wohl bewusst, sondern nur
einen Beitrag zu den bisherigen Erfahrungen, wie
schwer derartige complicirte Ohrenkrankheiten der
einfachen, innerlichen Behandlung zugänglich sind.—
Wie hierbei ein nichthomöopathischer Specialist ge¬
fahren wäre, wer kann’s sicher sagen? Der ho¬
möopathische Ohrenspecialist wäre vielleicht leichter
zum Ziele gekommen.
Facialisparalyse als Complication
von Mittelohr-Erkrankungen.
Von Dr. Charles F. Bassett, M. Dr., Chicago.
Wenn sich im Verlauf einer Entzündung des
Mittelohrs eines Tags der Kranke mit verzogenem
Gesicht, einem starrenden Auge und einem Grinsen
statt Lächelns uns vorstellt, so möchte dieser Zu¬
stand ein ungewöhnliches Gefühl von Besorgniss und
Mitleid erregen. Denn, obwohl nach Verletzung
des Trommelfells in diesen Ohraffectionen häufig
schwere Folgen Vorkommen, so sind diese Er¬
scheinungen nach der Abnahme des acuten Anfangs
zu gelind und dunkel, als dass der Kranke hier¬
durch beunruhigt würde; ja, selbst wenn das Gehör¬
vermögen in der That beeinträchtigt wäre, so
erscheint ihm dieses der Natur der Krankheit
gemäss. Indessen eine Gesichtslähmung in Be¬
gleitung oder Nachfolge einer Ohraffection wird
dem Kranken neue Besorgniss und dem Arzt ver¬
mehrte Verantwortlichkeit bringen.
Die unmittelbare Ursache für die Erkrankungen
des Nerven ist hier nicht immer klar. Wir müssen
aber eingedenk sein, in welchen Beziehungen die
Portio dura des Facialis zum N. acusticus steht.
Sie hat ja fast denselben Ausgangspunkt mit letz
Digitized by
Google
teren, steht mit ihm durch die Portio inollis, wenn
sie in den Meatus auditorias-intemas einpassiren
im Rapport, bleibt, wenn er seinen Zwillings-
gefUhrten verlässt und in den CanaJis Fallopii ein-
tritt, dem Tympanum nahe gelagert; dann geht
ein starker Zweig vom Facialis quer durch die
Trommelhöhle, und während seines Verlaufs durch
den Fallopischen Canal befindet er sich in dichter
Nachbarschaft zum Antrum mastoideum. Ziehen
wir diese anatomischen Verhältnisse in Betracht, so
kann es uns nicht befremden, wenn dieser Nerv, der
Facialis, bei Gelegenheit eines Mittelohr-Katarrhs
in Mitleidenschaft gezogen wird; im Gegentheil
muss man sich wundern, dass es so selten geschieht.
Die Heftigkeit des primären Leidens steht in
keinem directen Verhältnis zu deren secundärer
Complication; gerade wie beim Typhus milde Fälle
in Darmperforation ausgehen können, so kann ein
Ohrenkatarrh geringeren Grades von einer schweren
Facialislähmung begleitet sein. Der Verlust der
Muskelkraft kann zeitig im Laufe jenes Leidens
eintreten oder aber sich mehrere Wochen ver¬
zögern. Ein Ergriffensein der knöchernen Theile
ist auch nicht immer nothwendig, obschon sie schon
bisweilen als eine Entzündung des Periosts des
Os petrosum oder Os mastoideum vorhanden ist.
Man tlieilt die Faciallähmungen in der Regel
in zwei Klassen, in die centrale und periphe¬
rische. Die erstere ist bedenklicher und wird
auch häufiger bleibend, als die letztere, zu welcher
der hier besprochene Zustand gehört. Die elektrische
Prüfung des Nerven und der Muskel wird oft die
Prognose klarstellen, so dass man den geängsteten
Patienten Mut einsprechen kann. Falls sich nämlich
die Muskel unter dem Einfluss des Faraday’sehen
Stromes zusammenziehen, so lässt sich ein guter
Ausgang erwarten; reagirt der Muskel jedoch auf
einen starken Faraday’schen Strom gar nicht, con-
trahirt sich aber leicht unter einem schwachen galva¬
nischen, so ist der Zustand bedenklicher, und kann
man sich auf eine längere Dauer desselben gefasst
machen. Reagirt endlich der Muskel unter keinerlei
Strom, macht sich also die Entartungs-Reaction
geltend so heisst’s mit der Prognose sehr vorsichtig
sein.
Die Zeichen dieser Fälle von Gesichtslähmung
sind die gleichen wie bei solchen aus anderen Ur¬
sachen und dem Grade nach sehr verschiedenartig.
Häufig ist es mehr einer Parese als eine ausge¬
sprochene Paralyse. Der Augenschluss ist meist
nur theilweise beeinträchtigt. Versucht aber Pa¬
tient die Lachmuskeln zu contrahiren, so ist die
Wirkung eine wunderliche und unverkennbare: denn,
da die Affection in der Regel einseitig auftritt, so
gehorchen nur die Muskeln der gesunden Seite
dem Willenseinfluss und geben, da die Antagonisten
versagen, einen ungewöhnlichen Ausschlag, während
die Züge auf der kranken Seite ruhig und un¬
verändert bleiben.
Der Schmerz, welcher oft heftig ist und lange
anhält, die Empfindlichkeit des Zitzenfortsatzes und
des Canalis Fallopii, die Schwerhörigkeit und das
Ohrengeräusch gehören dein primären Leiden an.
Was die Behandlung betrifft, so wird die Parese,
wenn sie frühzeitig im Laufe des acuten Katarrhs
eintritt, zunächst gegen die bedeutenden Symptome
des letzteren, denen wir zuerst entschieden begegnen
müssen, zurücktreten. Ist aber in den ersten be¬
schwerlichen Symptomen Stillstand eingetreten, so
wird sich unsere Aufmerksamkeit specieller auf
die Wiederherstellung der verkümmerten Nerven-
thätigkeit richten müssen.
1 . Fall. Ein junges Mädchen litt seit mehreren
Jahren in Folge von Scharlachfieber am linken
Ohr. In letzter Zeit hatte kein Ausfluss stattge¬
funden; es waren aber zeitweise kleine Stückchen
verhärteten Ohrenschmalzes herausgekommen. Dabei
Ohrensausen; beide Trommelfelle waren eingesunken
und leicht verdickt, aber von normaler Farbe. Sie
klagt über heftigen Schmerz in und um das linke
Ohr, der schon mehrere Tage anhielt. Das linke
Ohrläppchen etwas empfindlich gegen Druck, das
Jochbein schmerzfrei. Die Gehörweite verringert. —
Ihre Gesichtszüge sind stark verzerrt; der Mund
ist nach der rechten Seite verzogen; das linke
Auge kann sie nicht schliessen; Zeichen einer links¬
seitigen Facialislähmung, welche plötzlich erschien.
Die Reaction auf Faraday’sclie Reizung ist sehr
gering, besonders in der Regio superciliaris. Pa¬
tientin erhielt Gelseminum 3. Dec. vier Mal täglich
eine Gabe, und der Galvanische Strom ward mehrere
Tage lang täglich vier Minuten auf die Nerven
angewandt. — Der Schmerz dauerte fort, wenn auch
schwächer, bis zum 3. October (Anfang der Kur
am 7. September), wo er gänzlich verschwand, und
sich im Gesicht eine deutliche Besserung zeigte.
Sie konnte das Auge wieder schliessen. Ungeachtet
einer starken Erkältung im October, welche be¬
trächtliche Congestion beider Trommelfelle und
vermindertes Hörvermögen bewirkte, schritt die
Genesung dennoch vorwärts und nach Verlauf von
14 Tagen konnte die Behandlung beschlossen
werden.
2. Fall. Eine 24 jährige Frau hatte seit
10 Jahren Ohrbeschwerden und hatte während der
letzten drei Jahre zeitweise wegen eines acuten
Ohrenkatarrhs unter ärztlicher Obhut gestanden.
Die Hörweite war während jener Zeit herabgesetzt.
Am 1. October klagte sie über heftigen
Schmerz im rechten Ohr; da noch keine deutliche
Hervortreibung des Trommelfelles bestand, so schien
der Paracentese noch nicht angezeigt. Sie erhielt
21 *
Digitized by
Goog e
164
Aconit, und soll die warme Ohrendouche ge¬
brauchen. Die Schmerzen nahmen nur wenig ab,
bis zum Morgen des zweiten Tages, wo die Per¬
foration des Trommelfells dem Schmerz ein Ende
machte; es ergoss sich eine sehr geringe Menge
Eiters aus der Trommelhöhle. Einblasen ins
Mittelohr zeigte, dass die Tuba Eustachii durch¬
gängig war. Ein schwacher Eiterausfluss dauerte
bis zum 8. October, als Symptome einer Gesichts¬
lähmung offenkundig waren. Eine Reaction auf die
Faraday’sche Reizung war noch vorhanden, schwand
aber bald. Patientin erhielt Gelseminum und der
Galvanische Strom ward täglich auf die kranken
Nerven gerichtet. Nach Verlauf von zwei Tagen
nahmen die Lähmungserscheinungen noch bedeutend
zu und Patientin klagte über Schmerz im Auge,
ein Ziehen, das Morgens weit schlimmer war, und
über ein sehr belästigendes Ohrensausen. Am
14. October zeigte sich Besserung in der Läh¬
mung, aber nicht im Hören. Bis zum 26. October
hatte das Antlitz fast sein normales Aussehen
wieder; das Hören gebessert und das Ohren¬
geräusch aufgehört. Letztere beiden Symptome
traten im November in Folge einer starken Er¬
kältung wieder hervor, aber die Function des
Facialis litt darunter nicht. Am 14. November
war endlich alles in Ordnung. Das Trommelfell
zeigte sich völlig geheilt, blieb aber zurückgezogen
verdickt und dunkler als das normale; auch bestand
noch ein Rest des Katarrhs der Tuba Eustachii.
3, Fall . Patient, ein etwa 45jähriger Mann, war
während des October in der Dispensiranstalt des
National Homoeop. College behandelt worden. Er
hatte einen 8 Wochen dauernden Ohrenkatarrh
gehabt, der vor und nach einem typhoiden Zustande
von dreiwöchentlicher Dauer bestand. Der Schmerz
war fast beständig, zur Nachtzeit aber gesteigert,
so dass der Schlaf sehr gestört wurde. Der Aus¬
fluss, der oft in Quantität wechselte, gab nur theil-
weise Erleichterung. Der Processus mastoideus
war geröthet von Umschlägen; die Regio mastoidea
und zygomatica etwas empfindlich bei Druck. Der
Canal enthielt Eiter und etwas Granulationen, die
mit der Curette entfernt wurden. Verordnet wurde
Mercur und äusserlich die warme Ohren-Douche.
Bei seiner zweiten Consultation, acht Tage später,
machten sich leichte Symptome von Facialislähmung
bemerklich und ward Patient an die clectrotechnische
Klinik verwiesen; er entzog sich aber der Be¬
obachtung.
Verfasser machte folgende Schlussbemerkung:
Wir haben keine Zeichen, die uns in den Stand
setzen, den Anfang dieser Complication mit einiger
Sicherheit vorherzusagen. Sie kann während der
ersten Woche einer Ohr-Eiterung, oder auch in
einem späteren Stadium eintreten. In all den hier
mitgetheilten Fällen war heftiger Schmerz voran¬
gegangen, der in zweien anhielt, bis die Paralyse
zum Stillstand kam. In einem Fall war während
des ganzen Verlaufs kein Ausfluss; die Druck¬
empfindlichkeit war in keinem grösser, als sie in
der Regel bei solchen Ohrenkatarrhen auftritt. Bei
der ersten Patientin hatte eine Ohrstörung be¬
standen, „so lange sie sich erinnern konnte,“
während bei einem andern der beginnende Anfall
als Parese erfolgte. Die Behandlung mit Gelsemi¬
num innerlich und localem Galvanismus äusserlich
war bei Kranken, die sich einer genauen Beobach¬
tung unterzogen, von schnellen, für die Patienten
erfreulichen und für den Arzt genugthuenden Er¬
folgen begleitet.
(The Medical Current. Januar 1894.)
Die Wirkungen der Kali- und Natron-Mittel
auf das Ohr.
Von Dr. H. D. Schenck.
Aus The North American Journal of* Homoco-
[>athy. April 1894.
Die Kalisalze haben, wie sonst wo, so auch
auf das Ohr einen weiteren Wirkungskreis als die
Natronsalze.
Kali bichromicum, das die Schleimhaut der
Nase und des Schlundes stark afficirt, berechtigt
zu der Erwartung, dass es auch im Mittel-Ohr mehr
oder weniger Störung veranlassen wird. Die Symp¬
tome „Verstopfung des rechten Ohrs und Brennen
in der Concha“ dazu „Ohrenschmerz am Abend,“
das sich bei Dr. Norton nach Vioo eines Grans
nebst „ziehenden Schmerzen in den Ohren und im
linken Unterkiefer“ einstellte, zeigen einen dahin
gerichteten Effekt. Ebenso „der langsame Stich, wie
ein Ziehen, durch den äussem Gohörgang, be¬
gleitet von einem Brausen im ganzen Kopfe, wie
ein dumpfes, aus der Ferne gehörtes Geräusch.“
Mehrere Prüfer hatten stechende Schmerzen in den
Ohren, nebst Schmerzen in den Halsdrüsen oder
solchen, die sich von den Ohren nach dem Halse
hin erstreckten. Die Arbeiter in Chrom-Werken
leiden an Singen in den Ohren; so hatten auch
manche Prüfer von stärkeren Dosen niedrigerer
Verreibungen Brausen und Singen in den Ohren.
Schwerhörigkeit ward nicht berichtet, und doch
ist Kali bichrom. heilkräftig in acutem wie chroni¬
schem Mittelohr-Katarrh, sofern die obig8n Symptome
vorherrschen, besonders wenn der Zustand der Nase
und des Halses eine Hypertrophie mit zäher Ab-
Digitized by
Google
165
sonderung darstellt. — Besonders angezeigt ist das
Mittel bei eitriger Otitis media, zumal mit chroni¬
schem Charakter, bei verdecktem Gewebe und zäher
Absonderung, von mehr schleimiger als eitriger
Natur, sowohl aus Ohr wie aus Nase. — Man hat
eine gesättigte Lösung von Kali bichr. in Wasser,
oder verdünnter Schwefelsäure, äusserlich bei Po¬
lypen und wuchernden Granulationen angewandt,
aber sie wirkt nicht besser als andere Caustica,
hier. j
Von Kalium jodatum hat ein Prüfer „Ohrenfluss |
mit gelblicher, oftmals mit Blut vermischter Materie“
beobachtet. Ein anderer „heftig bohrenden Schmerz
in den Ohren und ein Gefühl, als ob Etwas vor i
das Ohr gefallen sei.“ Ausserdem schneidende,
reissende, stechende Schmerzen, die zeitweise bis |
in den Kopf gehen, sich auch bis in die Schläfen
und das Gesicht ausbreiten. Schwerhörigkeit ist
von verschiedenen Prüfern und in Vergiftungsfällen
angegeben worden mit Läuten, Brausen, Summen
in den Ohren. — Das Mittel bietet ein gutes Bild
von acuter und chronischer Mittelohr - Entzündung
dar, und wenn es auch bei derartigen Leiden auf
einem speciellen Boden (Syphilis, Mercur-Missbrauch,
Scrophulose) ganz besonders wirksam ist, so ist es
hierauf nicht beschränkt.
Es hat viel von dem Brennen, der Rauhheit
und Rohheit im Schlunde, nebst den bei naso-
pharyngealen Katarrhen begleitenden Symptomen.
Bei alten, wuchernden Processen hat es die besten
Dienste gethan.
Von Kalium chloratum giebt es, abgesehen von
Schüsslers allgemeinen Indicationen, wohl keine Prü¬
fung, und doch ist es von homöopathischen Ohren¬
ärzten mehr als irgend ein anderes Mittel, zu¬
mal in chronisch-katarrhalischer und suppurativer
Ohrenentzündung, gebraucht worden. Dr. Houghton
empfiehlt es da, wo eine chronische Entzündung
der Schleimhaut des Ohrenkanals statthat, mit einer
feuchten, übermässigen Abstossung der Epithelial¬
schicht, oder bei Geschwürigkeit mit weissem Eiter
und Granulationen, im innern Drittel des Kanals und
an dem Trommelfell. In chronischen Katarrhen ist
es bei dem Gefühl von Verstopftheit mit subjec-
tiven Geräuschen und Schwerhörigkeit, naso-pharyn-
gealer Schwellung, Anstrengungen, die Fauces zu
reinigen (durch Räuspern), bei granulärer Pha¬
ryngitis, verengter Tuba Eustachiae, bei einge-
zogenem Trommelfell und atrophischen Wandungen
des äussern Gehörganges angezeigt. Die Secretionen
sind gewöhnlich übermässig; es vermag der Bil¬
dung von Adhäsionen nach einem Anfall acuten
Katarrhs vorzubeugen, nach Dr. Stearling, der einen
anämischen Zustand des Halses als Anzeige für das
Mittel betrachtet.
Referent hat im vorigen Winter bei einem ^jäh¬
rigen Knaben, der von väterlicher Seite her belastet,
eine grosse Neigung zu Katarrhen des Halses,
Rachens und der angrenzenden Theile hat, und bei
dem nach einer heftigen Pharyngitis und Ton¬
sillitis ein acuter Katarrh des Mittelohrs rechterseits
unter heftigen, stechenden Schmerzen und schliess¬
lich völliger Taubheit des rechten Ohrs, nachdem
Pulsatilla und Mercur die entzündlichen Erschei¬
nungen gehoben, unter längerem Gebrauch von
Kalium chlorat. 6. Verreibung die Residuen des
acuten Processes, die Verstopfung der Tuba Eu¬
stachiae verschwinden sehen, und eine völlige
Wiederherstellung des Gehörs constatiren können.
Das Mittel ist zur Beförderung der Resorption rück¬
bleibender Exsudate entschieden wirksam.
Kali phosphor. hat sich bei atrophischen Zu¬
ständen, wo die Gewebe trocken und schuppig
waren, wie es bei alten Leuten der Fall ist, als
sehr nützlich erwiesen; aber auch bei eitriger Otitis,
wenn der Eiter wässerig, bräunlich, stinkend und
schmutzig ist, bei böser Ulceration, die wenig Nei¬
gung zu gesunden Granulationen, soll es angezeigt
sein. Dr. Stearling hebt die Nervosität der Patien¬
ten hervor, die immer über ein neues Symptom
zu berichten haben, oder bei denen der Charakter
der Ohrgeräusche beständig wechselt.
Kali sulph. soll für Eiterungen passen, wenn die
schleimig-eitrige Absonderung zäh und klebrig und
von gelber Farbe ist (bei Kal. chlor, weisslich), und
scharf werden will.
Kali hydricum caustieum, unser Causticum, hat
eine weitere und tiefere Wirkung auf das Gehör,
als manche der vorigen Mittel. Seine subjectiven
Symptome sind: „Kriebeln, wie von einem Insekt,
Kitzeln im Ohr, das im Halse beginnt und sich
längs der Eustachischen Röhre verbreitet.“ Rucke,
Zusammenziehungen, Ziehen und Spannen wurde
ferner am Ohr beobachtet, sowie auch das Wider¬
hallen der eigenen Worte und Tritte; letzteres
mehrfach bestätigt. Die Stimme scheint aus den
Ohren anstatt aus dem Munde zu kommen und
tönt, als ob man in einem Gewölbe oder einer
Tonne befindlich spräche. Herauspressende und
reissende Schmerzen und Stiche mit bald Summen,
bald Läuten in den Ohren und einem Gefühl von
Benommenheit auf der affleirten Kopfseite. Dabei
ein Gefühl von Rauhheit und Kratzen im Halse
und hinten am Gaumen. Das sind Symptome,
welche das Mittel für manche Fälle von Otitis media
und interna qualificiren.
Kali carbon. hat manche von den stechenden,
bohrenden oder reissenden Schmerzen, wie sie sich
bei den meisten Kalipräparaten vorfinden, sowie auch
das Singen, Klingen, Brausen und Sausen, Kriebeln
| und Kitzeln und das. Widerhallen der eigenen
I Stimme im Kopfe als wie bei Causticum; desgleichen
Digitized by
Google
die andern subjectiven Empfindungen, wie das
letztere.
Kalium bromatum. Nach starken Dosen dieses
Mittels, welche erst auf die Ohren Einfluss haben,
ist das Gehörvermögen stark beeinträchtigt. In
einem Falle war ein Brausen in den Ohren, iso¬
chron mit dem Pulse, drei Tage lang — nach
25 Gran. Die grosse Schwerhörigkeit in Verbin¬
dung mit der Verwirrung des Kopfes und dem
eigenthümiichen Schwindel, als ob „ein leerer Ab¬
grund unter den Füssen sei,“ sowie der taumelnde
Gang deuten auf eine Einwirkung auf das innere
Ohr. Dr. Houghton berichtet die Heilung eines
Ohren-Schwindels, der manche dieser Symptome
zeigte, mittels Kal. brom.
Kali nitricum (Nitrum). Auf Grund des von
den Prüfern berichteten Schwindels, der verschie¬
denen Ohrgeräusche und der vorübergehenden und
tiefen Schwerhörigkeit hält man dies Mittel in manchen
Formen von Otitis interna für angezeigt. — Wo
die von Jahr angegebene „anhaltende Taubheit von
Lähmung des Gehörnerven “ herrührt, ist dem Ref.
unbekannt.
Von den Natron-Mitteln, die auf das Ohr wirken,
haben wir zu erwähnen:
Das Natron salicylicum. Dies brachte, in starken
Dosen verabreicht, hervor: Schwindel, bei Erhebung
des Kopfes sehr erhöht, Taubhaut, beständige Ohr¬
geräusche, Nausea mit Verlust der Knochenleitung.
Die Gegenstände scheinen sich alle nach rechts hin
zu bewegen. Dumpfes Kopfweh und Verwirrung
der Gedanken. Bei Thieren hat man von massen¬
haften Dosen eine blutige Ausschwitzung in das
innere Ohr beobachtet. Dr. Houghton hält das
Mittel bei tieftönigen Ohrgeräuschen sehr wirksam.
(Da beim salicylsauren Kali ähnliche Symptome er¬
scheinen, so ist wahrscheinlich die Salicylsäure, dort
wie hier, das wirksame Princip.)
Natrum muriaticum zeigte bei vielen Prüfern
Ohrensymptome, so Anschwellung des Meatus und
einen Ausfluss, wahrscheinlich von der Hautentzün¬
dung des Kanals. Manche hatten Verstopfungs¬
gefühl mit stechenden, ziehenden Schmerzen in und
um die Ohren; dabei einige Schwerhörigkeit, sowie
knackende, summende, klingende, rauschende, sau¬
sende und singende Geräusche.
Abgesehen von manchen Störungen im Meatus
hat man das Mittel bei Ohrenleiden wenig benutzt,
und doch lässt sich nicht läugnen, dass man vom
innerlichen wie äusserlichen Gebrauch der Koch¬
salzwässer oftmals Ausschwitzungen und Anschwel¬
lungen (nebst Schwerhörigkeit) im Kanal bei chro¬
nischen Schleimausflüssen aus den Ohren geheilt
hat. Natrum mur. ist ja dem Natrum sulphuricum ,
dem Hauptmittel für v. Grauvogl’s hydrogenoröer
Constitution, sehr nahestehend. Bei letzterem Mittel
ist wie ein blitzschnelles, erschreckendes Stechen
im rechten Ohr ein charakteristisches Symptom.
Dr. Schenck schliesst mit der Bemerkung:
Eine Vergleichung dieser Gruppen zeigt, dass
die Verbindungen mit Natron in ihrer Wirkung auf
das Ohr — wie auch auf die andern Organe —
milder sind, als die mit Kali. Nur bei den Sali-
cylaten ist die Wirkung eine tiefere und diese ist
der Säure und nicht der Basis zuzuschreiben. —
Die Kalipräparate dagegen erzeugen und heilen
Affectionen des Ohres, von einer einfachen Haut¬
entzündung des Kanals an bis zu den tiefgehendsten
Störungen im Nerven. Sie sind unsere Nothanker
in manchen dieser Erkrankungen und die Ohren¬
ärzte würden ohne sie schwerlich auskommen.
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung.)
In meiner Praxis beseitigte Phosphor, eine Neigung
zu Lungenblutungen, welche seit 3 Jahren bestanden
hatte. Die Patientin, eine lange , schmalbiustige,
schwarzhaarige Frau, hatte täglich nach ihrer An¬
gabe mehrere Esslöffel voll Blut ausgeworfen.
Staphys. in folgendem Falle.
Der Frau B., 35 Jahre alt, Wärterin, waren
beide Ovarien wegen cystöser Entartung vor andert¬
halb Jahren exstirpirt worden. Trotzdem leidet sie
jetzt seit langer Zeit an Schmerzen im Unterleib,
welche sie in ihrem Berufe hindern.
Bei der Untersuchung ist die Gegend vom
Uterus nach dem rechten Eierstocke, resp. wo
dieser gesessen hat, ganz besonders empfindlich.
Keine weiteren Symptome.
27. Februar 1892 Staphys. Dritte Potenz,
Morgens und Abends.
Am 5. März wurde mir berichtet, es ginge
besser.
Am 23. März ergab die Untersuchung eine
wesentliche Abnahme der Schmerzhaftigkeit. Die
Patientin war zufrieden mit ihrem Befinden, bekam
die Arznei noch einmal und im December v. J.
erfuhr ich, dass die Besserung Stand gehalten.
Noch in einem auderen Falle leistete mir
Staphys. gute Dienste.
Eine Dame, Anfangs der Dreissiger, litt seit
länger als einem Jahrzehnt an sog. Schreibekrampf.
Bei der geringsten Veranlassung standen beider¬
seits, besonders aber rechts, die Finger steif. Schreiben
war fast ganz unmöglich.
Wärme, warmes Zimmer, Gemüthsbewegungen
wirken ungünstig ein, günstig dagegen Kaltwerden
Digitized by
Google
167
der Hände, Eintauchen derselben in kaltes Wasser.
Die Dame trägt auch im kältesten Winter keine
Handschuhe.
Acht Tage vor den Menses oft Verschlimmerung.
Ich behandelte die Patientin etwa anderthalb
Jahre mit sehr mässigem Erfolge.
Als ich eines Tages mich wiederum bemühte,
weitere Anhaltspunkte für die Mittelwahl zu ge¬
winnen, erfuhr ich, dass kurz vor Beginn dieses
Leidens Scorbut dagewesen sei, und dass die Pa¬
tientin seit dieser Zeit sehr viel mit dem Zahn¬
fleisch, Bluten, Geschwüren zu thun hatte, ein
Umstand, den sie mir, als nicht zur Bache gehörig,
bisher nicht mitgetheilt hatte. Darauf hin ver-
ordnete ich Staphys. 6. in öfteren Dosen mit bleiben¬
dem Erfolge für Zahnfleisch und Hände.
Das Mittel musste längere Zeit genommen wer¬
den, da beim Aussetzen das Uebel wieder schlimmer
wurde.
Seit einem Jahre ist keine Arznei mehr nöthig
Im Moment, wo ich Staphys. gab, wusste ich
nicht, ob Krampf der Finger unter den Symptomen
des Mittels vorkommt; später fand ich bei Jahr:
„Klamm in den Fingern.“
H.: Frau Sch., 39 Jahre alt. Seit Jahren klopfen¬
der Stirnkopfschmerz täglich, entweder Morgens
bis Mittags oder Mittags bis Abends.
Je mehr Kopfschmerz , desto mehr GesichterÖthe.
Uebelkeit , welche nicht am Essen hindert .
Menses alle 14 Tage bis 3 Wochen, acht Tage
lang, stets milchiger Weissfluss.
3. Februar 1892 Ferrum X. wöchentlich ein Pulver.
11. März besser: Der Kopfschmerz nur drei
bis viermal wöchentlich und schwächer, ohne Ge-
sichtsröthe. Dieselben Pulver.
22. Juli Kopfschmerz ganz fort, nur alle drei
bis vier Wochen Spuren davon. Saures Aufstossen
nach dem Essen; übelriechender, wundmachender
Weissfluss, Menses wie früher.
Ich gab Calc. carb., weiss aber über den Erfolg
noch nichts.
Man konnte zweifelhaft sein, ob nicht von
Anfang an Calc. carb. indicirt sei. Die Art der
Menses sprach dafür, auch Calc. hat klopfenden
Stirnkopfschmerz und Neigung zu Gesichtsröthe.
Aber es ist wohl von Ferrum, aber nicht von Calc.
carb. bekannt, dass, je grösser die Schmerzen,
desto röther das Gesicht wird.
Ferner hat Ferrum eine Uebelkeit, welche nicht
allein das Essen nicht hindert, sondern sogar durch
Essen besser wird.
Das Koch’sche Tuberculin, von Dr. Kunkel bis
zur X. potenzirt, habe ich bei Phthisikern in einer
Reihe von Fällen angewendet, ohne bemerkens-
werthen Erfolg. Nur in vereinzelten Fällen von
Knochenaffectionen sah ich Wirkung.
Gustav A., 12 Jahre alt, aus F., den ich von
seiner Chorea, die seit Wochen Tags und Nachts
mit unaufhörlichen Zuckungen bestanden hatte,
durch Cuprum 6. in acht Tagen geheilt hatte, blieb
in Behandlung wegen einer Anzahl Fisteln, etwa
sechs bis acht, die als Reste einer beiderseitigen
eitrigen Coxitis seit 9 Jahren bestanden und bald
mehr, bald weniger dünnen Eiter entleerten.
Zeitweilig Fieber, zeitweilig geschwollene
Drüsen.
Appetit raässig. Schlaf gut.
Blasses, kränkliches Aussehen.
Der Patient bekam von mir von Ende März 1890
bis Januar 1892 eine Reihe unserer antipsorisclien
Arzneien, ohne dass ich während dieser langen
Zeit eine Notiz in der Krankengeschichte finde, die
von Besserung spricht nach irgend einer Richtung.
Am 4. Januar 1892 gab ich versuchsweise
Tubercul. X. wöchentlich ein Pulver.
15. Februar besser. Die Fisteln secerniren
weniger. Cont.
16. Mai. Es geht sehr gut. Cont. (Ich setze
genau her, was ich in der Eile in meinem Jour¬
nale notirt habe.)
4. Juli. Es geht merkwürdig gut. Alle Fisteln,
bis auf eine, sind geschlossen. Patient befindet
sich sehr wohl. Der Vater, nicht in meiner Be¬
handlung, ist jetzt an Schwindsucht erkrankt.
28. November. Der Körper des Patienten ent¬
wickelt sich mächtig.
Auch im Jahre 1893 hatte ich Gelegenheit zu
bemerken, dass aus dem blassen, schmächtigen
Knaben ein stämmiger, frisch aussehender Junge
geworden ist.
Diese auffallend günstige Wendung ist nach
meiner nüchternen, stets misstrauisch auf die Ver¬
meidung der Verwechselung des post hoc, ergo
propter hoc gerichteten Beobachtung dem Tuber-
culinum zuzuschreiben.
Wo bei cariösen Processen andere Arzneien
nicht streng indicirt sind, dagegen Verdacht auf
Tuberculose in der Familie vorliegt, ist das Tuber¬
cul. des Versuches werth.
H.: Minna L., 13 Jahre alt, ist seit acht Tagen
in Folge heftigen Schnupfens schwerhörig.
23. Mai 1892. Silicea, sechste Verreibung,
zweimal täglich.
7. Juni. Derselbe Zustand. Sie ist überhaupt
leicht erkältet, hat sehr leicht Schnupfen und Ver¬
stopfung der Nase mit Heiserkeit.
Ich gab daraufhin Sulf. X. an 5 Abenden.
21. Juni. Keine Besserung.
Dicke gelbe Absonderung aus der Nase.
Die Patientin ist sehr gerne im Freien und
hört draussen besser .
Pulsat. X. an 5 Abenden.
Digitized by
Google
168
5. Juli. Seit den letzten Pulvern ist das Uebel
wie weggeblasen, das Gehör gut, die Absonderung
sehr wenig: Scheinpulver.
Ein genaueres Examen hätte wohl schon früher
die Sache abgekürzt. Die Luftdouche hätte das
Gehör wahrscheinlich früher, wenn auch nur tem¬
porär, wieder hergestellt. Die homöopathische Be¬
handlung lässt in der für den Patienten angenehm¬
sten Weise sämmtliche Beschwerden verschwinden.
H.: Frau W. aus 0., 39 Jahre alt, hat seit
drei Monaten Magenbeschwerden , schlimmer gegen
Abend*, besonders nach dem Abendessen und nach
Fleischsuppe.
10. November 1890. Puls. X. wöchentlich ein
Pulver.
21. September 1891. Da die früheren Be¬
schwerden damals sich so bald gebessert hatten,
kam sie wieder zu mir, wieder wegen ihres Magens.
Speiseerbrechen nach dem Essen, vorher Sod¬
brennen.
Nach dem Erbrechen kann sie wieder essen.
Ich gab ihr wieder Pulsat., weniger, weil es
diesmal so gut passte, sondern weil es damals ge¬
holfen hatte.
20. November 1893. Das Erbrechen war da¬
mals sofort gehoben.
Seit 3 Wochen quälendes Erbrechen von
warmen Speisen, besonders nach Fleischsuppe.
Stuhl jeden zweiten oder dritten Tag. Appetit
gut, kein Durst.
Puls. 200., drei Pulver.
Die Patientin sollte sich bald wieder zeigen,
wenn nicht sofort Besserung käme, blieb aber aus.
H.: Eine Dame der höheren Stände, Gravida,
litt seit 10 Tagen an unerträglichen rechtsseitigen
Gesichtsschmerzen,
scldimmer gegen Abend,
„ durch Kauen,
„ im warmen Zimmer,
„ durch niedrige Lage des Kopfes.
Gegen diese Schmerzen waren selbst die modern¬
sten allopathischen Heilmittel vergeblich angewendet
worden.
Puls. 200. mehrere Pulver besserten sofort und
Hessen in mehreren Tagen die Schmerzen spurlos
verschwinden.
Dr. Bushmore:
Fräulein W. hat Schmerzen in der Gegend des
Herzens , so scharf und heftig, dass sie weinen
muss.
Die einzige Erleichterung bringt ihr Knieen und
Pressen des Kopfes auf den Fussboden.
Die Regel ist kurz, spärlich, blass, begleitet von
schrecklichen Krämpfen im Leib.
Pulsat. Hoclipotenz ein Pulver. 1
Acht Monate später vernahm ich von ihr, dass
der Schmerz in weniger als zehn Minuten vorüber
war und fortgeblieben ist.
(In meinen Notizen finde ich notirt, allerdings
als noch mehrfacher Bestätigung bedürfend: besser
durch Knieen, bei Herzbeschwerden, Puls., bei Hä-
morrhoidalbeschwerden: Aesculus.
T. F. Allen in seinem Boenninghausen nennt
dabei Euphorb. H.)
Dr. Emmons in Richmond:
Herr H., ein grobknochiger Herr in den mitt¬
leren Jahren, von erregbarem Temperament, mit
dunklen Haaren, dunkler Gesichtsfarbe, war seit
sieben Wochen allopathisch behandelt, aber ver¬
gebens, an einen continuirlichen Schmerz im Hinter -
köpf, so heftig, dass dieser zeitweilig Krämpfe ver¬
ursachte.
Schlimmer regelmässig von 4 bis 9 Abends.
Besser durch äusseren Druck und Kälte.
Der Patient ist sehr gedrückt, kann sich des
Weinens nicht enthalten.
Die Diagnose der bisherigen Aerzte lautete auf
Basilarmeningitis.
Drei Pulver Pulsat. Hochpotenz heilten in
24 Stunden.
Dr. Jennie Medlie in Philadelphia:
Jane I. kann seit 8 Tagen nicht schlafen wegen
heftiger neuralgischer Schmerzen , welche vom linken
Auge über den Kopf zum linken Schulterblatt
ziehen, durch nichts zu erleichtern.
Seit derselben Zeit umherziehende Schmerzen ,
saures Aufstossen nach dem Essen, sehr gedrückte
Stimmung.
Puls. Hochpotenz besserte den Schmerz in
einer halben Stunde und wirkte auch auf die an¬
deren Beschwerden günstig ein.
H.: Der 29jährige Schlosser P. kommt wegen
eines langwierigen Uebels. Seit Jahren erbricht
er mehrmals täglich etwas Speise, nach vorherigem
Wasserzusammenlaufen im Munde.
Ekel gegen Fleisch.
12. August 1893. Ferrum phosph. 6. Ver¬
reibung mehrmals täglich.
19. August. Etwas Besserung. ,rCont.
30. August. Kein Erbrechen mehr. Cont.
23. September. Gutes Befinden.
Die Heilkraft der Sepia, eines Mittels, das au
Vielseitigkeit fast mit dem Schwefel auf einer
Stufe steht, habe ich zuerst an mir selbst keunen
gelernt.
Vor ungefähr neun Jahren hatte ich mir durch
Gemüthsbewegungen und Uebergang von fast steter
Bewegung im Freien zu einer mehr sitzenden
Lebensweise ein sehr quälendes chronisches Magen-
leiden zugezogen.
Schmerzhaftei' Druck im Magen.
Luft- und saures Aufstossen.
Digitized by
Google
Sitzen, Gebücktsitzen , Druck der Kleider ver¬
schlimmern.
Besser unmittelbar nach dem Essen, durch Auf¬
rechteitzen.
Bewegung, gymnastische Udmngen, Auf dessen,
im Freien.
Da ich mir nicht helfen konnte, wandte ich mich
an Dr. Runkel) welcher mir Sepia X. anrieth.
Sepia brachte in der That sofortige Besserang
and aUfenählige Heilung. Von da an bemühte ich
mich, dieses Mittel kennen zu lernen und muss ge*
stehen, dass selten die aufgewandte Mühe besser
belohnt worden ist.
von Boenninghausen spricht von der Sepia, die
unter unseren Polychresten jetzt schon (1860) eine
so hervonragende Stellung einnimmt, u Hahnemann
nennt sie ein „Hauptantipsoricum , u Farrington eine
„Arznei von unschätzbarem Werthe.“
Carroll Dunhaxn sagt: „Sepia ist eine unserer
wichtigsten Arzneien.“ Interessant war mir, aus
den Vorlesungen von Dunhara zu erfahren, dass
schon Hippokrate die Sepia hochgehalten hat als
Mittel für Dysmenorrhöe und weibliche Leiden
überhaupt.
Oalen empfiehlt Sepia als Tonicum und Sto-
maehicum, Marcellus für Nierengries und Sommer¬
sprossen, eine merkwürdige Vorahnung, sagt Dun-
ham, von unseren auf der Basis des Aehnliehkeits-
gesetzes ruhenden Deducthmen.
Kunkel schildert die Sepia-Constitution in seiner
knsppen, treffenden Weise. Individuen mit dunklen
Haaren; Haut sehr zu Schweres geneigt , besonders
auf dem Rücken, in der Achsel, zwischen den
Mamanis, an den Gescldechtstheäen, blassgdbnn
Gesicht , mit schmutzigen, gelbbraunen Flecken um
den Mund und auf der Stirn , mit fliegender Geeichte •
hitze, Neigung zu Newralgieen , Kopfschmerz , be¬
sonders Morgens beim Erwachen, oft nach dem
Aufstehen vergehend , oft mit UebeUceü und Er¬
brechen, oder beim Erwachen Schwere des Kopfes,
Umerquiektsem vom Schlaf
Die Kopfschmerzen treten seltener täglich) meist
alle 8—14 Tage auf. Bei den Anfüllen suchen
sie Ruhe und Stillliegen. Sonst körperliche Un¬
ruhe, die sie zwingt, oft vom Stuhle auf zustehen
und wnherzugeken. Klagen über Steifigkeit beim
Aufstehen, können nicht in Gang kommen .
Unerträgiiehkeit warmer Luft im Zimmer u'ie
im Freien, von nebliger Luft, Nord- und Ostwind ,
sauren und fetten Speisen .
In den letzten drei bis sechs Tagen vor Ein¬
tritt der Menses Leibschmerzen resp. Verschümme-
Tung aller Symptome.
Kunkel hebt, wie auch von Boenninghausen, In¬
dividuen mit dunklen Haaren als besonders geeignet
fuv Sepie hervor. Doch wirkt Sepia, wenn indicirt,
ebenso gut auf blondhaarige Personen, Männer wie
Frauen, Beleibte wie Magere, Greise wie Kinder.
Die charakteristische Unruhe bemerkt man oft
schon in der Sprechstunde; die Kinder sind keine
Minute ruhig zu halten, selbst den Erwachsenen
füllt es trotz ihrer Selbstbeherrschung schwer,
ruhig auf dem Stuhle sitzen zu bleiben. Etwas
Hin- und Hergehen ist ihnen; Bedürfnis.
Der Gang ist oft hastig, mehr ein Laufen, als
ein Gehen zu nennen. Dann, eine charakteristische
Eigenschaft fast aller Sepiabeschwerden: sie bessern
sich in der Bewegung, im Gehen, Laufen, Tanzen,
Turnen, gymnastischen Uebungen. Sepia steht in
dieser Beziehung, was Besserung insbesondere durch
schnelle Bewegung, Laufen, Tanzen anbetrifft, fast
einzig da. Puls, hat Besserung durch langsame
Bewegung, ebenso Ferrum.
Rhus verträgt keine Ruhe, muss sich bewegen,
dagegen verträgt es bei Weitem nicht die An¬
strengung in der Bewegung, wie Sepia. Je mehr
S. und je länger Sepia läuft, desto wohler fühlt
sich der Patient. Im Anfänge sind manche Be¬
schwerden da, sei es Herzklopfen, Magenbe¬
schwerden, Kurzluftigkeit, Ischias, die bei längerer
Bewegung sich verlieren, aber in der Ruhe nach
der Bewegung sich schlimmer einsteUen.
Liegen ist verhältnissmässig erträglich. Sitzen
ist das Schlimmste, besonders Krummsitzen bei
Magen- und Athmungsbeschwerden.
Ich heilte mit Sepia Kurzluftigkeit, wie Herz¬
klopfen, beides durch Laufen und Tanzen ge¬
bessert, Magenbeschwerden, im Laufen und Tanzen
verschwindend, Schnupfen, durch Tanzen auf län¬
gere Zeit vergehend.
Langes Sitzen überhaupt, den Roden Anderer
zuhören ist lästig, lange Diners sind unerträglich,
Goncert- und Theaterbesuch oft unmöglich wegen
des langen Sitzens, der heissen, schlechten Luft und
der vielen Menschen.
Zwingen sich Kinder und Erwachsene zum
ruhigen Sitzen, so haben sie doch das Bedürfhiss,
die Beine zu bewegen, an den Haaren zn ziehen,
mit den Händen an irgend einem Gegenstände zu
spielen; sie sind schon erleichtert, wenn ein Theil
des Körpers in Bewegung ist.
Diese Unruhe grenzt an die pathologische Un¬
ruhe des Veitstanzes und in der That hat mir
Sepia in der Chorea gute Dienste geleitest, ent¬
weder im Wechsel mit Stramonium oder zack
diesem, um den Rest des Leidens zu tilgen.
In der hiesigen Kaufmanns weit, wo die er¬
sehwerten Existenzbedingungen der Neuzeit und
der Grossstadt Geist und Körper in steter auf¬
reibender Spannung halten, finde ich Sepia häufig
indicirt für das moderne Uebel der Nervosität.“
Ein solcher Patient schläft schwer ein, wacht
Digitized by
Google
170
unerquickt auf, isst hastig, geht hastig, arbeitet
hastig. In der Hast der Geschäfte kommt er nicht
zum Bewusstsein seiner Beschwerden, die sich in
der Ruhe wieder melden. Gemüthsbewegungen
greifen ihn ausserordentlich an. Unthätigkeit ist
ihm grässlich, die Sonntage sind seine schlimmsten
Tage.
Wollte ich die Wirkungssphäre der Sepia er¬
schöpfend behandeln, müsste ich das ganze grosse
Gebiet der Pathologie durchwandern. Die Sepia
ist auf dem Felde der chronischen Krankheiten
eine der gewaltigsten Waffen.
H.: Der Lootse S. aus 0., 42 Jahre alt, klagt
seit sechs Monaten über Magendruck , schlimmer
Morgens beim Aufstehen,
nach dem Kaffee und Abendessen,
im ruhigen Stehen ,
Sitzen, besonders Gebücktsitzen ,
Fahren in der Pferdebahn,
besser in Bewegung , durch Geradesitzen und
Zimmergymnastik,
Schweiss der Hände , 1
oft OhnmachtsgefühL
13. September 1892 Sepia X. fünf Pulver für
fünf Abende.
21. Januar 1893. Der Patient hielt damals
das Wiederkommen für unnöthig, weil die Pulver
gleich anschlugen.
Er kommt jetzt aus anderer Veranlassung.
H.: Den 14jährigen Friedo H. aus F. hatte ich
seit fünf Wochen in Behandlung wegen Husten und
Heiserkeit,
Heiserkeit schlimmer Abends,
Husten den ganzen Tag mit eitrigem Auswurf.
Schlaf gut, Träume beim Linksliegen.
Wenn auch die wiederholte Untersuchung stets |
ein günstiges Resultat ergab, also die Prognose
nicht schlecht vu stellen war, hatte die Mutter doch
grosse Sorge, da der Patient sehr abgemagert war.
Unter Phosphor X. ging zwar die Besserung
langsam vorwärts, aber bei der relativ kurzen Dauer |
des Leidens stellte ich an die richtig gewählte j
Arznei doch andere Ansprüche.
Ich suchte nach weiteren Anhaltspunkten und
konnte am 18. Februar 1893 noch folgende No¬
tizen machen:
Er hat vordem an einer merkwürdigen Beklem¬
mung beim Athmen gelitten mit Neigung zum Tief-
athmen. Diese wurde besser im Freien, in Bewe¬
gung, bei der Arbeit, schlimmer in der Ruhe und
Zimmerwärme. j
Auch jetzt hat der Patient, trotz rauher Witte¬
rung, viel Sehnsucht nach frischer Luft und fühlt !
sich draussen am wohlsten . 1
Daraufhin verordnete ich Sepia X. und die
Mutter meldete mir, dass das Befinden nach den
letzten Pulvern ein besonders gutes geworden, dass
der Knabe wie umgewandelt sei.
Sepia ist häufig bei Lungenleiden indicirt;
von Boenninghausen nennt bei Husten im Allge¬
meinen Husten mit Auswurf, Husten ohne Auswurf,
mit blutigem, blutstreifigem, eitrigem, gelbem, grün¬
lichem , stinkendem Auswurf, bei Schwindsucht
überhaupt, die Sepia ganz hervorragend. Dr. Hansen-
Kopenhagen brachte hierzu klinische Fälle, ohne
jedoch die nöthige Sepia-Charakteristik dazu zu
liefern. Kunkel wies die Wirksamkeit in niedriger
Potenz bei pleuritischen Exsudaten nach. Aber zu
allen diesen Fällen gehört die von Kunkel scharf
gezeichnete Constitution der Sepia.
H.: Ottilie W., vierzehn Monate alt, hat rothen,
trockenen Ausschlag an der Backe, an und hinter
dem rechten Ohre, in der linken Ellenbogenbeuge,
trocknen Schorf am Kopf.
Kopfschweiss, das Kissen nässend (die Zähne
kamen leicht).
Blossliegen,
Jucken beim Warmwerden im Bett; nach Kratzen
Feuchten.
12. October 1891 bis 30. December Sulfur,
Silicea und Graphit, ohne Einwirkung.
Das Kind ist ein sehr unruhiges, will keinen
Augenblick stille sitzen. Sepia 200., zwei Pulver.
Erst am 3. Mai 1892 sah ich das Kind wieder.
Nach den letzten Pulvern ist der Ausschlag überall
verschwunden.
Seit acht Tagen ist Eiterung des linken Ohres
und Ausschlag unter dem linken Ohre aufgetreten.
Sepia X. wöchentlich.
L T nter dem Gebrauch dieser Pulver verschwand
Beides, wie mir gelegentlich am 16. Januar 1893
mitgetheilt wurde.
In den Rubriken Ausschlag, Flechten, Ge¬
schwüre, Jucken, Wundwerden, steht Sepia bei
von Boenninghausen meist mit in erster Linie.
H.: Elise E., ein achtjähriges, blondes, roth-
backiges, gut genährtes Kind, hat seit einem Jahre
alle zwei bis vier Wochen epileptische Anfälle , mit
Zuckungen und Bewusstlosigkeit .
15. März 1893. Lach. X.
29. März. Das Kind ist empfindlich gegen warme
Zimmerluft , schlechte Luft , ist des Morgens ver¬
schlafen .
Die Mutter hat an Migräne gelitten.
Sepia 200. jeden dritten Abend.
14. April Allgemeinbefinden besser, das Kind
steht leichter auf des Morgens, klagt nicht mehr
so oft über Schwindel. Scheinpulver.
29. April und 30. Mai. In jeder Beziehung
gutes Befinden,
kein Anfall mehr seit 29. März.
Für Ohren laufen nach Masern gab ich in der
Digitized by
Google
171
Zwischenzeit einmal Pulsatilla und sah das Kind
wieder am
5. August. Seit März war kein Anfall da¬
gewesen, aber jetzt waren die Eltern besorgt, es
könne ein solcher wieder kommen, weil gewisse
Anzeichen, Gähnen, Schwindel, Appetitlosigkeit, die
früher mit den Anfällen verbunden waren, sich be¬
merkbar machten. Ich verordnete noch einmal
Sepia 200.
Das Taschenbuch nennt bei Fallsucht, ohne Be¬
wusstsein, Sepia als besonders mit angezeigt.
H.: Frl. N., 30 Jahre alt, aus R., hat seit
Jahren Magendruck
schlimmer nach dem Essen,
im Winter,
vor und bei der Regel ,
besser im Umher arbeiten,
Appetit wenig, Verlangen nach Saurem ,
zeitweilig Kopfschmerzen.
22. März 1893 Sepia X. jeden vierten Abend,
im Ganzen fünf Pulver.
17. Juli. Während des Einnehmens der Pulver
besserte sich der Magendruck und blieb gut.
H.: Frau W., 25 Jahre alt, kommt wegen
Kurzluftigkeit, die am Schnellgehen hindert,
schlimmer beim Essen, im Zimmer, in schlechter
Luft,
besser beim Rechtsliegen, beim Aufrechtsitzen,
Uebelriechender Achselscliweiss.
Morgens oft Kopfschmerz , der nach dem Wa¬
schen vergeht.
1. Februar 1893 Sepia X. wöchentlich ein Pulver.
24. März im Ganzen besser. Sepia 200. ebenso.
3. Juli Befinden nicht gut. Auch jetzt hat sie,
wie früher oft schon, die Beobachtung gemacht, dass
vieles Sitzen verschlimmert
Sepia 200. drei Pulver an den nächsten drei
Abenden.
29. August besondere Besserung. Scheinpulver.
Diese besondere Art von Beklemmung, Be¬
klommensein, Athemnoth, die von mir nicht selten
beobachtet wird und bei der die Untersuchung stets
ein negatives Resultat liefert, macht häufige Reci-
dive, besonders durch vieles Sitzen, Gemüths-
bewegungen, bessert sich aber regelmässig wieder
auf dasselbe Mittel.
H.: Frau M., 22 Jahre alt, consultirt mich
wegen Stuhlverstopfung.
Der Stuhl kommt seit vier Jahren jeden vier¬
ten oder fünften Tag.
Sitzen unbehaglich, besser im Freien.
Verlangen nach Saurem .
Schläfrig am Tage.
Opium X. ohne Erfolg.
12. September 1892 Sepia X. fünf Pulver,
jeden Abend ein Pulver.
8. October. Seit 14 Tagen täglich Stuhl. Schein¬
pulver.
In diesem Falle weiss ich nicht, ob die Besse¬
rung Stand gehalten. Das Nichterscheinen der
Patientin spricht eher dafür, wie dagegen, aber in
jedem Falle war es eine bemerkenswerthe Ein¬
wirkung.
(Fortsetzung folgt.)
Aus Hahnemann’s Aufenthalt in Molschleben.
Molschleben ist ein Dorf im Herzogthum Gotha.
Dr. Ortleb in Gotha hatte in Erfahrung gebracht,
dass in jenem Dorfe unser Samuel Hahnemann eine
Zeit lang verweilte, und in regem Interesse für
den gefeierten Mann, dessen Fahne er stets hoch
und in Ehren gehalten, setzte er sich mit dem
Pastor von Molschleben in Verbindung. Der ent¬
gegenkommenden Freundlichkeit dieses Geistlichen
verdanken wir nun den folgenden, an Herrn
Dr. Ortleb gerichteten Brief.*)
Der Inhalt desselben enthält zwar nichts auf
die Homöopathie Bezügliches, allein immerhin ist
es interessant, aus dem Privatleben des bedeutenden
Gelehrten einige Notizen entgegenzunehmen.
Der Brief lautet also:
Geehrtester Herr Doctor!
Um Ihnen die gewünschten Nachrichten über
Halmemanns hiesigen Aufenthalt geben zu können,
habe ich mich zunächst an unseren Herrn Bürger¬
meister Braun gewandt, welcher ziemlich alles, und
zwar ganz genau, weiss, was sich in Molschleben
während der letzten Jahrhunderte begeben hat.
Derselbe sagte aus, Hahnemann habe im Jahre 1793
10 Monate lang, vielleicht noch etwas länger, hier
in dem sogenannten Karstädtschen, d. h. von einer
Frau Karstadt in Gotha erbauten ganz städtischen
Hause gewohnt; practicirt habe er hier nicht; ein
Sohn sei ihm hier geboren worden, denn auf der
ersten Conscriptionsliste 1813 habe auch Ernst
Hahnemann gestanden, so viel er aber wisse sei dieser
Sohn nicht näher zu ermitteln gewesen; ob Hahne¬
mann von hier nach Georgenthal oder von Georgen¬
thal hierher gezogen sei, wisse er nicht. Im Kirchen¬
buch habe ich darauf hin nachgeschlagen und unter
den Taufnachrichten des Jahres 1794 gefunden;
den 27. Februar geboren, den 1. März getauft:
Ernst. V(ater): Chrn. Samuel Hahnemann, der Arznei-
Gelahrtheit Doktor, M(utter): Fr(au) Johanna Henriette
*) Frau Dr. O. hatte die Güte, mir denselben zu über¬
lassen. Und ich glaube ihn nicht für mich behalten zu
dürfen. Dr - Goullon.
22 *
Digitized by
Google
172
Leopoldine, geborne Küchler, Gv. (Gevatter): der
Vater selbst. Hierbei bemerke ich, dass nach Er¬
zählung meines Vaters, der eine Reihe von Jahren
Pfarrer in Georgenthal war, Hahnemann dort mehrere
Kinder geboren worden und jedesmal der Vater
selbst, und zwar in Schlafrock und Pantoffeln, bei
der Haustaufe Gevatter gestanden hat. Da ich mich
erinnerte, von einem in den achtziger Jahren
stehenden Taglöhner gehört zu haben, dass sein Vater
zu Hahnemann in einer Art dienenden Verhältnisses
gestanden habe, so habe ich auch diesen — ausser dem
Herrn Bürgermeister wohl einzigen Traditionsbe-
wahrer — über Hahnemann ausgefragt, habe aber
nichts weiter erfahren, als dass sein Vater für Hahne¬
mann öfters Briefe nach Gotha getragen, wobei
Hahnemann die EigenthümJichkeit beobachtet habe:
wenn er zu ihm gekommen sei, habe der Brief nebst
Botengeld auf dem Tisch m der Stube gelegen,
Hahnemann habe aber jedesmal die Bedingung ge¬
stellt, dass er, der Bote, binnen 3 Stunden wieder
zurück sein müsse.
Ferner hat dieser Bote öfters von der greulichen
Unordnung in Hahnemanns Stube berichtet: Kleider
und Geld habe in buntem Gemisch auf der Erde
umhergelegen; ob nach Trinkgelagen oder in Folge !
gelehrter Zerstreutheit, das schien dem Sohn des
Boten zweifelhaft {gewesen zu sein). Der Sohn des
Boten meinte, von seinem Vater vernommen zu
haben, dass Hahnemann von hier nach Sonders¬
hausen oder doch in die dortige Gegend gewandert
sei; doch war er seiner Erinnerung nicht gewiss.
Dass Sie möglicherweise in Georgenthal durch
ganz alte Leute, vielleicht auch in Gotha durch
den seit kurzem dort wohnenden alten Georgen-
thäler, Herrn Steuerrath Heimberger, Interessantes
über Hahnemanns Aufenthalt in Georgenthal er¬
fahren können, glaube ich doch, Ihnen mittheilen
zu müssen. Mit den Angaben über die Molsch¬
iebener Episode im Leben Hahnemanns nehmen Sie
fürlieb!
Molschleben, 15. October 1877.
Ergebenst grüssend
H. Gothardt, Pf.
Die nordamerikaniechen homöopathischen
Colleges und Spitäler.
Der im Verlage von Boericke & Tafel in Phila¬
delphia erschienenen „Homoeopathic Bibliography
of the United States“ von Dr. Thomas Lindsley
Bradford entnehmen wir folgende Mittheilungen
über die in den Vereinigten Staaten bestehenden
homöopathischen Colleges und Spitäler, und zwar
nach dem Stande Ende des Jahres 1891.
Die erste Academie dieser Art war die von
Constantin Hering gegründete „North American
Aeademy of the Homoeopathic Healing Art“ in
Allentown Pa. Dieselbe wurde am 10. April 1835
eröffnet und bestand bis zum Jahre 1842. An
ihrer Stelle esistiron z. Z. in Pennsylvanien folgende
Colleges:
1. Das „ Hahnemann Medical College of Phila¬
delphia Pa.“ (North Broad Street Nr. 221/32), aus
der Vereinigung mit dem „Homoeopathic College
of Pennsylvania“ im Jahre 1869 hervorgegangen;
mit dreijährigen medicinischen Cursen. Der Eigen¬
thum sw erth dieses Instituts beträgt 782000 Doll.
2. ,, Philadelphia Port-Graduate School of Ho¬
moeopathic“ (Ridge Avenue Nr. 1317), gegründet
13. December 1890.
Zwei in den Jahren 1853/54 gegründete Aca-
demieen in Pennsylvanien („Independent Medical
School“ und „Penn. Medical University“) sind ein¬
gegangen.
In Califotrnien besteht seit 1881:
3. Das „ Hahnemann Hospital College of San
Francisco“ (Haight Street Nr. 115), mit dreijährigen
medicinischen Cursen.
In Illinois ist die älteste homöopathische Acar
demie das im Jahre 1851 gegründetem
4. „ Hahnemann Medical College and Hospital
of Chicago“ (Cottage Grove Avenue 283/89), mit
vierjährigen medicinischen Cursen.
5. 1} The Chicago Homoeopathic Medical College“
(Wood and York Street), gegründet 1876, mit vier¬
jährigen medicinischen Cursen.
6. „l'he German American Homoeopathic Medical
College of Chicago“ (Noble Street 512/14), eröffnet
1891, mit vierjährigen medicinischen Cursen. (Ueber
dieses Institut gab das Deutsche Consulat auf An¬
fragen von Deutschland her ganz merkwürdige
Mittheilungen.)
7. „ National Homoeopathic College“ in Chicago
(North Halstead Street Nr. 541), eröffnet im Sep¬
tember 1891.
8. In Jowa ist für die Homöopathie eine ba-
sondere Abtheilung an der Staats-Universität zu
Jowa City eingerichtet worden, und zwar im Jahre
1877, mit dreijährigen medicinischen Cursen.
In Maryland wurde am 1. October 189 1 er¬
öffnet:
9. Das ,, Southern Homoeopathic Medical College
and Hospital of Baltimore“ (Old Calvers Hall) mit
dreijährigen Cursen.
In Massachusetts besteht seit 1873:
10. „ Boston University School cf Medüdne“
(Elast Concord Street), mit dreijährigen Cursen.
In Michigan bestanden früher drei -Colleges fi**
Digitized by ^.ooQie
178
Homöopathie. Jetzt ist seit 1875 die Homöopathie
unter der Bezeichnung
11. „ Homoeopatkic Medical College of the Uni -
vereky of Michigan “ an der Staats-Universität in
Asm Arbor vertreten. Dieselben Verhältnisse findet
man in Minnesota, wo an der Staats-Universität in
Minrwapolie die homöopathische Abtheilong die Be¬
zeichnung
12. „The College of Homoeopathic, Medicine and
Surgery“ führt. Dreijährige Gurse. Das früher
dort vorhandene Prrvat-Institat , Minnesota Homoeo-
pathic Medical College 44 kt seit 1888 eingegangen.
In Missouri finden wir :
13. „ The Homoeopathic Medical College of
Missouri 1 “ in St Louis, eröffnet im Jahre 1868, mit
dreijährigen Cursen.
14. „The Homoeopatkic Medical Gollege u in
Kansas City (West Seventh Street 504—6), er-
öffnet 1868.
Es bestanden in Missouri früher noch weitere
acht homöopathische Colleges, darunter zwei für
Frauen, welche nach Eröffnung des unter Nr. 18 ge¬
nannten Instituts allmähiig eingingen.
In Nebraska ist eine besondere homöopathische
Abtheüung bei der Staats-Universität; doch haben
die Leiter derselben seit 1866 nichts publicirt.
Im Staate New-York finden wir:
15. „The New-York Homoeopatkic Medical -
College gegründet 1860, welches sich Beit dem
Januar 1800 Eastara Boulevard, 63/64 Streets, be¬
findet, mit dreijährigen Cursen.
16. „The New York Medical College and Ho¬
spital for Women,“ Lexington Avenue 301, ge¬
gründet 1863, mit dreijährigen Cursen.
In Ohio bestehen:
17. „ The Cleveland Homoeopatkic Hospital
College zu Cleveland, hervorgegangen aus der
Vereinigungdes 1849 gegründeten „WesternCollege* 4
und des 1868 eröffneten „Cleveland Homoeopathic
College and Hospital for Women“, mit dreijährigen
Cursen.
18. „The Cleveland Medical College,“ eröffnet
1890 in der Prospect Street Nr. 93.
19. „ Palte Medical College of Cincinnati,“ er¬
öffnet 1872, mit dreijährigen Cursen.
Die vorgenannten Colleges sind eingetragen
(incorporated), also staatlich anerkannt, und die von
ihnen ausgestellten Diplome, welche nur nach drei-
bk vierjährigen Studien und einer Schlnsaprüfung
ertheilt werden, sind in den Vereinigten Staaten
gütig. Wenige Staaten im wilden Westen ausge¬
nommen, wird jetzt in den Vereinigten Staaten
schon seit mehreren Jahren entweder das Diplom
einer anerkannten medioinischen Schule oder eine
eingehendere Prüfung vor einer besondern Prüfungs-
Commksion des betreffenden Staates gefordert.
Dr. Bradford referirt darüber in einem Capitel
„Medical Legislation 14 des Näheren. Mit Ausnahme
von Alabama, Süd-Carolina, Georgia, Kentucky und
West-Virginia befinden sich in den Prüfungs-Com¬
missionen homöopathische Aerzte; in einzelnen
Staaten bestehen sogar besondere Prüfungs- Com¬
missionen für Allopathen, Homöopathen und Eklek¬
tiker. Die Bewegung, welche die frühere Freiheit
auf medicinisch-therapeutkchem Gebiete beschränkte,
begann in den Ost-Staaten in den achtziger Jahren;
doch wurde eine strengere Medicinal-Gesetzgebung
erst in den letzten drei Jahren eingeführt. Die¬
selbe richtete sich auch gegen das dreijährige
Studium. Einzelne Staaten fordern ein vierjähriges
Studium, sodass ein diplomirter Arzt noch eine
„Post Graduate School 44 besuchen muss, um zur
Praxis zugelassen zu werden. Uebertretungsfälle
werden mit Geldbusse von 10—25—50—100—200,
ja sogar in einzelnen Staaten von 1000 Dollars ge¬
ahndet. Mit Einführung dieser Gesetze wurde eine
Uebergangs-Periode für Jene geschaffen, welche
praoticirt hatten, ohne im Besitz eines legalen
Diploms zu sein. Gewöhnlich genügte ein Zeitraum
von 10 Jahren Praxis für Letztere, um ihnen die
Licenz zu gewähren; in Pennsylvanien 20 Jahre.
Mag es auch im Allgemeinen jenseits des Oceans
nicht so schwer sein, in Besitz eines Certificats als
Arzt zu gelangen, wie in den europäischen Oultur-
ländera, und zwar schon deshalb, weil dort nicht
die Vorbildung gefordert wird, wie hier, um iri ein
medicinisches College einzutreten, so gewähren die
dort neuerdings geschaffenen Gesetze doch immer¬
hin einige Garantie für das Publicum, die in Deutsch¬
land fehlen.
Nach Bradford exktiren folgende homöopathi¬
sche Spitäler und Asyle, wobei wir der Kürze
halber das Gründungsjahr in Klammern angeben,
während die am Schlüsse befindliche Zahl die der
darin vorhandenen Betten bedeutet:
A. California.
San Francisco: Bahnemann Hospital, Page
Street 312, (1887), 8. — Surgical and Gynaeco-
logic&l Instituts (1872). — California Besoue Mission.;
(Magdalenenstift, mit hom. Behandlung seit 1870).
San Diego: Hospital of the good Samaritan
(1889), 10.
Los Angeles: State Reform School Hospital
(1891), 10. — Los Angeles Sanitarhim (1889).
Oakland: Homoeopathic Hospital and Dkpensary
Association („Fabiola Hospital 44 1888), 42. — Calh
fomia Deaf and Dumb Asylum (1886).
Santa Barbara: Cottage Hospital (1891).
Fruitvale: Alameda County, Poulson’s Homoeo¬
pathic Hospital and Water Cure (1891).
Vaüegio: Home for Feeble-Minded Chüdren,
Digitized by
Google
174
and the Institution for tbe Deaf, Dumb and Blind,
(1884, homöop. Behandlung* seit 1888), 25.
Sacramento City: Protestant Orplian Asylum,
(1868, hom. Behandlung seit 1870).
B. Connecticut.
Noncich: Sheltering Arms (1878), 10.
Netc-Haven: GraccHomoeopathicHospital (1889).
Slamford: Home for Mental and Nervous Di¬
seases (1892). — Home for Inebriates and Opium
Eaters, (1873), 10.
C. Delaware.
Delaware: Homoeopathic Hospital, (1889), 38,
Lesefrllchte.
Essig als Gegengift von Carbolsäure.
Der homöopathische Arzt Dr. Carleton in New-
York hatte sich bei einem chemischen Versuch
mit Carbolsäure 60 Gramm dieser Säure über die
Hände gegossen. Ein sofort angebrachter Strahl
Wassers änderte nichts. Die Haut blieb weiss,
anästhetisch, soweit die Säure eingewirkt hatte. Es
that vorläufig weiter nichts, da ihm kein Antidotum
bekannt war. Der Geruch der Carbolsäure war ihm
aber sehr zuwider, und da sich in der Küche
Essig-Cider (Weinessig) befand, so kam er auf den
Gedanken, mit dem Geruch des Essigs den Carbol-
geruch zu vertreiben. Der Essig that aber noch
mehr: die weisse Entfärbung fing an zu vergehen
und unter reichlichem Fortgebrauch dieses Mittels
zeigte nach wenigen Minuten die Haut ihre natür¬
liche Farbe und normale Function. Diese Wirkung I
des Essigs ist später von andern Collegen bestätigt ■
worden, ja der Essig hat sich, innerlich gebraucht,
als ein schätzbares Mittel bei Carbolsäure-Vergif¬
tungen bewährt. So berichtet Dr. Spencer Kinney,
Irrenarzt in Middletown, New-York, folgenden Fall:
Er ward im August 1893 zu einem Manne gerufen,
der etwas Carbolsäure verschluckt hatte. Lippen,
Mund und Zunge, soweit die Säure sie berührt
hatte, waren weiss belegt, und war starker Geruch
nach Carbol zu bemerken. Patient erhielt sofort
ein halbes Glas Essig, zu gleichen Theilen mit
Wasser gemischt, und nach einigen Minuten eine
gleiche Dosis. Danach trank er noch etwas Milch.
Der Geruch und die weisse Entfärbung war bald
beim Trinken des Essigwassers verschwunden, und
als sodann die Magenpumpe angewandt wurde,
konnte man bei der mit ihr aus dem Magen her¬
ausgehobenen Flüssigkeit keinen Geruch mehr wahr¬
nehmen. Nachdem der Magen sorgfältig ausge- |
waschen war, ward Patient mehrere Tage mit Milch
ernährt; weitere Symptome traten nicht ein.
Dr. Kinney, der durch die erste Veröffentlichung von
Dr. Carleton in dem Homoeopathic Recorder, Mai 1887,
auf diese Wirkung des Essigs aufmerksam ge¬
worden war, hat, wie er schreibt, seitdem Gelegen¬
heit gefunden, davon in mehreren Fällen Gebrauch
zu machen; er hat das Mittel immer als wirksam
erprobt. In keinem Fall, wo der Essig innerhalb
einiger Minuten nach geschehener Vergiftung an¬
gewandt worden ist, hat sich eine Eschara gebildet.
Dr. Carleton steht nicht an, auszusprechen, dass
der Weinessig das Antidotum zu Carbolsäure sei.
Ref. meint, dass diese Frage noch nicht vollgültig
entschieden sei in Bezug auf die innerliche Vergif¬
tung mit Carbolsäure; die Wirkung des'Essig auf die
Haut und Schleimhaut ist unzweifelhaft Jedenfalls
wird man das Gift so schnell als möglich aus dem
Magen zu entfernen suchen. Dann wird das Mittel,
wie auch bei den Vergiftungen mit Narcoticis
(Opium, Belladonna, Hyoscyamus, Stramonium)
wohlthätig wirken können. Seine belebende Wirkung
bei Asphyxie durch Kohlendunst, Aicohol, wo er
freilich meist in Klystieren beigebracht worden ist,
ist, mit den hier beigebrachten Beobachtungen,
dazu angethan, es jedenfalls bei Carboivergiftungen
wohl zu beachten. — Der üble Einfluss, den die
Spaltung der ärztlichen Welt und zwei, oft so un¬
wissenschaftlich gegeneinanderstehende Schulen auf
den Fortschritt der Gesammtmedicin macht, zeigt
sich bei dieser Gelegenheit wieder recht deutlich.
Dr. Carleton und Dr. Kinney haben beide ihre
Beobachtungen in homöopathischen Fachblättern ver¬
öffentlicht, und so sind sie den allopathischen Aerzten
kaum bekannt geworden. Sonst hätte man von
Seiten der letzteren, die mit Carbolsäure viel zu
thun haben (wenn auch nicht mehr in dem Maasse,
als vor Jahren), und deren Vergiftungen mit diesem
viel zu leicht in die Hände des Publikums kom¬
menden Mittel nicht gar zu selten Vorkommen, wohl
schon eine grössere Anzahl von Versuchen mit dem
Weinessig als Antidotum gegen Carbolsäure Vergif¬
tungen angestellt und publicirt.
Symptome bei Wandernieren.
Dr. Mathieu in Paris fand bei einer Reihe von
Untersuchungen, dass Schwangerschaft einen ent¬
schiedenen Einfluss auf die Entstehung der Wan¬
derniere ausübt; von 104 Nulliparae kam diese
Affection nur im Verhältniss von 11,54 per Cent,
bei 134 Uniparae oder Multiparae dagegen an
33,8 p. C. vor. Gastrointestinale Störungen, meist
leichter Art, sind bei 100 Frauen mit beweglicher
Niere 68—69 Mal beobachtet worden. Eine be-
Digitized by
Google
175
reite bestehende Neigung zur Dyspepsie wird durch
diese* AfFection vermehrt. Es können sich Magen¬
schmerz, wiederholtes Erbrechen, gastrische Krisen,
Zufälle, wie sie bei Tabes Vorkommen, hier eintreten;
die Yerdauungsthätigkeit ist fast immer mehr oder
weniger gestört. Hierzu gesellt sich oft Neura¬
sthenie^ mit vorherrschenden neuralgischen Unter¬
leibsschmerzen. Horizontale Lage oder Bauchbinde
wirken erleichternd. — Verf. meint, dass oft chirur¬
gisches Eingreifen sich nothwendig erweise. Ref.
dagegen hat, wie auch andere homöopathische Aerzte,
von dem indicirten homöopathischen Mittel gegen
die begleitenden Erscheinungen der Wanderniere
nicht nur, sondern gegen das scheinbar rein örtliche
Leiden selbst Hülfe beobachtet.
(La France mödicale 1893. 50.)
Anzeigen.
Ich suche einen approbirten Stellvertreter
für ungefähr 4 Wochen in den Sommermonaten —
am liebsten im August.
Dr. med. J. Kirn, prakt. homöopath. Arzt
in Pforzheim (Baden), Schlossberg 1.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Güte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 10 / t oder 12 / i Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — bezw. Mk. 14.—.
Med. Dr. Theodor Kafka wohnt auch in
dieser Saison im Hause „Annaberg“, Marktplatz,
knapp vor dem Hotel Hannover in Karlsbad.
Mez & Söhne, Freiburg, Baden
empfehlen ihre luftdurchlässigen und
< lesshalb allein zweckmässigen
Netz- und Zellenstoff-Unterkleider
aus Seide, Wolle oder Baumwolle.
Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
Dr. med. Walsers Chinagras-Wäsche
in Krepp- und ZellenstolT.
Prospecte postfrei zu Diensten.
Dr. Putzar’s Sanatorium
Königsbrunn b. Königstein (sächs. Schweiz).
Wasserheil- und Kuranstalt.
Electro- und Mechanotherapie.
Kohlensäure - Bäder (Patent Lippert).
Diät- und Mastkuren.
Das ganze Jahr besucht. Mässige Preise.
Prospecte gratis.
Besitzer: Dr. med. Putzar.
Für Aerzte zur Vorbereitung auf das
Dispensirexamen (in Berlin)
empfiehlt:
Drogensammlungen ä 20 Mark
Herbarien ft 18 Mark
Diese sind extra für das L' pensirexamen zusammen¬
gestellt und enthalten aL3 Drogen und Pflanzen,
die in diesem vorgelegt werden und in Frage
kommen können.
Hierzu Dr. Lorbacher’s Anleitung zum metho¬
dischen Studium der Homöopathie, brosch. 2 Mark,
geh. 2,50 Mark.
A. Marggrafs homöopath. Offlin in Leipzig.
Ende dieses Jahres erscheint:
The Universal Homoeopathic Annual
(jedoch nur in englisoher Sprache).
Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬
schen Werke.
Heraasgegeben von
Dr. med. Francois Cartier, Paris
und seinen Mitarbeitern, einer Reihe hervorragendster
Specialisten für Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-,
Frauen-, Kinder-, Geschlechts- etc. Krankheiten
in Frankreich und Amerika.
Preis 12 Mark.
Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um¬
fassen und zerfällt in zwei Theile, die Arzneimittel¬
lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als
nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt
und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden
mit den Anschauungen hervorragender Professoren
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind.
Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen
A. Marggrafs homöopathische Officin,
Leipzig.
Digitized by ^.ooQie
m
Soeben ist erschienen die 6. Auflage des
Kiemen
Romöopatltisclieo Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Br. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur-
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntniss und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der ,,Kleine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Frmnd zu
nennen, dem wir auch in seiner nenen Gestalt unsere volle
Sympathie entgegenbringen.“
Bei der letethin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
Kinder.Verbrennungen, Blutungen, HämorrhoidaLLeiden etc.,
die treulichsten Dienste leastet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, welche Bich leider bei uns ein¬
zubürgern scheint nnd nicht mit Unrecht als ein änsserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäes mit g rösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Hiealmittel werden in vielen Füllen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besondere« Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswerte Winke giebt.
Der r Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche,
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, Anden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬
grösstem Werthe nnd sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein angemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die nene Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben v ose eben ist, wird den Freunden des
».Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als tssuer Bathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig, im April 1894.
A. Marggrafs Homöep&tfciseto Qtfioia
Im Vorlage von A. MavggreTü
Offloin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslebre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanit&tsrath Dr. med. FanlWBMtr, Bernbürg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses nene Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, ÄitteMiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren»
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte engiisoher Zunge
kannten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrmgfton sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre : Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, Bondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen w (Differen-
zielle Mitteidiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz-
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so ffiidbt in den Qro89-Bermg > -
schen Arznoidiagnosen dieses vergleichende Unter-
scheidennacb allenSeitendes betreffenden!!! ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
i Dasselbe ist von Dr. C. Henna unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wessdköft etc. wesentlich vermehrt
j und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut-
! sehen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
| vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
i für die deutsche Ansgabe so billig gestellt, dhss nur die
> Hoffnung aafAnechafifang diesen Buches seihona aller horaöo-
1 pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht nnhedeuten-
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ansgiefarg benutzt und
| sind dessen Andeutungen ausgefiihrt, sowie dessen Körper-
| seiten und Verwandtschaften, aodaas ee dasselbe in gewisser
| Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Dmok von Julius Mäeer in Leipzig.
Digitized by {jOoq le
Band 128,
Leipzig, den 7. Juni 1894,
No. 23 u. 24
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und "Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offtein) in Leipzig.
Vorläufige Einladung
zu der am 9. und 10. August zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung
des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands.
Die Mitglieder des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands werden hierdurch zu der am
9. und 10. August a. c. zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung eingeladen mit dem ergeben¬
sten Ersuchen, alle etwa beabsichtigten Anträge bis zum 1. Juli a. c. an das Unterzeichnete Leipziger
Directorialmitgliedr gelangen zu lassen, damit dieselben in der den Mitgliedern statutenmässig vier
Wochen vor der Versammlung zuzusendenden Einladung Aufnahme finden können, andernfalls würden
sie nicht zur Discussion gestellt werden können.
Ausserdem wäre es sehr erwünscht, dass die mit ihren Jahresbeiträgen noch im Rückstände
befindlichen Mitglieder dieselben baldigst an den Kassirer, Herrn Apotheker Steinmetz (A. Marggrafs
homöopathische Officin), Leipzig, einschickten, da einem früheren Beschlüsse gemäss die Rechnungs¬
abschlüsse bei der Einladung an die Mitglieder mit veröffentlicht werden sollen.
Die Einzelheiten für die Versammlung werden später mitgetheilt werden.
Leipzig, im Juni 1894. I. A.:
Dr. med. A. Lorbacher.
Digitized by {jOoq le
178
II. Bericht der ArzneiprUfungsgesellschaft.
Prüfung von Primula veris o&ficinalis.
Referent Dr. Schier, Mainz.
Entsprechend dem Wunsche einiger Mitglieder
der Prüfungsgesellschaft, eine zur Zeit der Prüfung
blühende und mehr bekannte Pflanze zum II. Ver-
suchsmittel zu wählen, wurde die Essenz des obigen
Mittels hierzu bestimmt; dieselbe stammt aus der
Officin des Herrn Verlegers dieser Zeitung und ist
hergestellt aus der ganzen frischen blühenden
Pflanze incl. der Wurzel, welch letztere, nach den
Berichten der Alten zu urtheilen, in ihrer arznei¬
lichen Wirkung von den übrigen Pflanzentheilen
etwas differirt, so dass eventuell später eine geson¬
derte Nachprüfung der oberirdischen Pflanzentheile
einerseits und der Wurzel andererseits am Platze
wäre. Für uns erschien zunächst die Prüfung der
officinelien homöopathischen Essenz angezeigt.
Die wohl allbekannte Pflanze ist die Haupt¬
vertreterin der Familie der Primulaceen, zu welcher
von unseren bisher bekannten Arzneipflanzen auch
das Alpenveilchen, Cyclamen europaeum, gehört,
sie wird 10 — 25 cm hoch, gedeiht vorzugsweise
auf Hügeln, trockenen Wiesen und an Waldrändern
und blüht, worauf wohl schon der Name hinweist,
sehr zeitig im Frühjahr mit dottergelber Krone.
Sie ist durchaus ungiftig im vulgären Sinne, und ich
weiss mich noch aus meiner frühesten Jugend sehr
wohl zu erinnern, dass ich die wohlriechenden, stark
nach Honig schmeckenden Blüthen in keineswegs
minimalen Quantitäten ohne Nachtheil zu mir nahm.
Dass die Prüfung eines solchen wenig differenten
Mittels viel mehr Aufmerksamkeit und Reactions-
föhigkeit erfordert, also schwieriger ist als die einer
Giftpflanze, liegt auf der Hand; es findet sich auch,
wie Herr College Lorbacher mir mitzutheilen die
Güte hatte, in den von Stapf herausgegebenen
kleinen Schriften Hahnemanns die Bemerkung, dass
die Primula eine unwirksame Pflanze sei. Freilich,
Alles konnte ja Hahncmann auch nicht wissen, und
er mochte, wenn er die Pflanze mit einer vielleicht
geringen Zahl von schwer reagirenden Personen
prüfte, sehr wohl ein negatives Resultat erhalten.
Jedenfalls ist sie im Volke als heilsam bekannt und
gehört auch zu den Kräutern, welche Herr College
Schlegel als Volksheilmittel gegen Schlagflussläh¬
mungen in der Zeitschrift des „Berliner Vereins
homöopathischer Aerzte“, Bd. XII, S. 220, aufzählt.
Eine Reihe sehr werthvoller Notizen hat mir Herr
College Mossa freundlichst zur Verfügung gestellt.
Er schreibt mir am 3. März a. c.: „Vielleicht stecken
in diesem Himmelsschlüsselchen wirklich grosse
Kräfte, die das Yolk seit lange geahnt hat. So
ganz umsonst wird die Wurzel doch nicht radix
arthritica s. paralyseos heissen. In Altschul’s Real-
I lexikon finden Sie ein wenig von der Vorgeschichte
1 des Mittels, ^u der ich aus Strumpfs Systematischem
Handbuch einen wahren thesaurus materiae medicae
eine Ergänzung hinzufüge. Die wohlriechenden, citro-
' nengelben Blumen der Primula officinalis, Schlüssel¬
blume, Himmelsschlüssel, Petersschlüssel, Giclit-
baum, Wollkraut, ehemals Flores Paralyseos offi¬
cinalis, werden noch immer vom Volke geschätzt;
indess besitzt die Wurzel, radix paralyseos s. para-
disea, grössere Wirksamkeit. Sie riecht scharf ge-
würzig, im frischen Zustande fast fenchel-knoblauch¬
artig, getrocknet mehr anisartig, schmeckt etwas
i scharf, bitterlich. Hühnefeld und Saladin fanden
| darin als vorwaltende Bestandteile: Ein gelbes
! halbfestes Oel, Stearopten, Kratzstoff, Primulin,
| Pectinsäure nebst apfelsaurem Kalk. Primulin kry-
j stallisirt in kaum durchsichtigen farblosen Nadeln
oder metallglänzenden Körnern, ist geruch- und ge¬
schmacklos, in Wasser und noch leichter in wasser¬
haltigem Alcohol (aber nicht in absolutem Wein¬
geist und Aether) löslich, schmilzt, verflöchtet sich
bei hoher Temperatur. Nach Folchi’s Versuchen
(Geigers Magazin XXXIV, 147) wirkt der kratzende,
brennende Stoff (ähnlich dem Saponin und Senegin)
ätzend zuerst auf die Schleimhaut des Magens, so¬
dann auf jene der Luftwege, auflösend bei chro¬
nischen Phlegmasieen der Lungenschleimhaut. Das
Pulver erzeugt auf der Nasenschleimhaut Niesen
und zeigt sich im Aufguss heilsam bei catarrhalischen
Beschwerden. Boerhave und Linne rühmen ausser¬
dem ihre schmerzstillenden (daher bei Zahnschmerzelf)
und schlafmachenden Kräfte, Chomel die krampf¬
widrigen und beruhigenden bei hysterischen Zu¬
fällen, schwierigem Menstruationseintritt, halb¬
seitigem Kopfweh, Schwindel. Der angeblichen
Heilkraft bei Gicht und Paralysen verdankt sie den
Namen radix arthritica s. paralyseos. Die von
Unger gerühmte Heilsamkeit bei crusta lactea scheint
nur auf bestimmte Fälle beschränkt. Das schwächere
Kraut wurde, wie auch die Blumen, in denselben
Krankheitszuständen besonders von Matthiolus ge¬
braucht, bei nervösem Kopfweh als Aufguss oder
der ausgepresste Saft äusserlicb. Die Blätter wer¬
den überdies im Salat gegessen, namentlich bei Skor¬
but, die Blume im Aufguss mit Honig, oder mit
Zucker und Hefe zur Darstellung eines eigenthüm-
lichen Getränks (in England cowslip wine) verwendet.“
Dem „ausführlichen Kräuterbuch des Albertus
Magnus“ (Reutlingen, Ensslin und Laiblin) ent¬
nehme ich folgenden einschlägigen Passus; S. 61
1. c.: „Die Wurzel riecht frisch anisartig, wird zer¬
rieben als Niesemittel, Blätter und Blüthen gegeu
, nervige Schwäche, Zittern der Glieder, Schwindel,
Lähmungen, bei Nieren- und Hamblasenkrankheiten,
! äusserlich bei Migräne, Gelenkschmerzen und
Wunden angewendet, indem man sie in Wasser
Digitized by k^ooQle
179
siedet und die betreffenden Theile darin badet oder
wäscht und daneben Thee von den Blumen, 15 bis
30 Gr. auf ein Paar Tassen, trinkt; letzterer ist
ferner sehr schweisstreibend. Das Kraut sammt
den Blumen aufgelegt stillt podagraische Schmerzen,
zerstossen und als Pflaster heilt alle Wunden und
vertheilt Geschwülsten. Runzeln, mit dem Saft der
Blumen bestrichen, vertreibt dieselben.“
In Habnemanns Apothekerlexikon endlich finde
ich (Bd. III, S. 243) nachstehende Daten über unsere
Pflanze: „Erst in neueren Zeiten hat man diese
Pflanze, die man ehedem mit der Primula elatior
zusammen für eine Species hielt, richtig als eine
besondere Art von letzterer unterschieden, welche
nicht offlcinell ist. Diese, die Primula elatior, ist
in allen Theilen grösser; von den bl&ssergelben
Blumen mit flacher Mündung sind bloss die äusseren
niederhängend, die Blumendecke ist enger und
kürzer, und die Wurzel ist geruchslos. Zum Unter¬
schiede nennt man sie daher primula veris in der
Londoner Pharmokopoe, indess der unserigen der
Name Paralysis bleibt. Die wohlriechenden, bitter¬
lich schmeckenden Blumenkronen (flores paralyseos)
hielt man ehedem für schmerzstillend und schlaf¬
bringend. Ebenso das ebenfalls nicht geruchlose
Kraut (b. b. cum flor. paralyseos), dem man, vorzüg¬
lich als ausgepresstem Safte, doch auch als Absud,
Kräfte in hartnäckigem Kopfweh, in Hysterie und
Schwindel bleichsüchtiger Personen, ja selbst in
Örtlicher Lähmung der Zunge und dem Stottern,
auch wohl im Halbschlage, zugetraut hat, vermuth-
lich allzu leichtgläubig. Die nach Anis riechende
und zusammenziehend schmeckende Wurzel (radix
paralyseos) erregt in Pulver Niesen und soll, wenn
damit infundirter Essig in die Nase gezogen wird,
ein hülfreiches Stillungsmittel der Zahnschmerzen
sein. Die Alten empfahlen sie auch im Schwindel,
gegen Spulwürmer, in Fiebern, im Nierengries und
den Darmbrüchen; Empfehlungen, die schärferer
Prüfung bedürfen.“
In den nunmehr folgenden Protokollberichten
sind die Personalien derjenigen Prüfungsmitglieder,
welche in dem Referate über die Vincaprüfung
schon enthalten sind, nicht wiederholt.
I. Frau Dr. Schier in Mainz. Nimmt am 5. Febr.
Vorm. 10 1 i 2 Uhr 5 Tropfen der Essenz in einem
Esslöffel Wasser, wie gewöhnlich: Geschmack er¬
innert an dürre Zwetschen. Abends zwischen 5
und 6 Uhr Gefühl, als ob der linke Fuss geschwollen
sei, Reissen und Ziehen in demselben.
Am 7. Febr. Vorm. 10 Ä / 4 Uhr 5 Tropfen: Nach¬
mittags zwischen 3 und 4 Uhr ängstliches Gefühl,
innere Hitze im ganzen Körper und Trieb, in
einem kühleren Zimmer sich aufzuhalten resp. kalt
zti baden — bei 14°R. Zimmertemperatur. Abends
beim Zubettgehen Jucken in beiden Handflächen,
zum Kratzen zwingend, bis zum Einschlafen dauernd.
Am 8. Febr. Vorm. Brennen und Stechen in
der Luftröhre mit Husten.
Am 9. Febr. Vorm. 10 1 / 9 Uhr 10 Tropfen:
10 8 / 4 Uhr klopfendes Kopfweh in beiden Schläfen,
anhaltend bis 12 x j t Uhr bez. zum Mittagessen, ge¬
lindert durch Druck mit den Händen. Bemerkens¬
werth ist, dass die Prüferin auch sonst zuweilen an
Kopfschmerzen ähnlicher Art leidet, die aber stets
Morgens beginnen und vor Abend nie aufhören.
Nachmittags 5 Uhr Reissen im linken Unter- und
Oberschenkel, */ 4 Stunde lang. Am 10. Febr. Vorm.
8—10 Uhr Spannen der Stirnhaut.
Am 11. Febr. Nachm. 4 Uhr 10 Tropfen: Weeen
eines Luftröbrencatarrhs 'sind Symptome in den
nächsten Tagen nicht definirbar.
Am 21. Febr. Vorm. 11 Uhr 20 Tropfen: Nach¬
mittags 2 Uhr plötzlicher, drückender Schmerz im
Hinterkopf und über der Stirn, bei Kopfbewegung
verschlimmert; lässt um 8 Uhr nach, verschlimmert
sich wieder um 4 Uhr mit reissenden und stechen¬
den Schmerzen in Augenhöhlen und Schläfen, nach
5 Uhr allmählich schwächer werdend. Deutlicher
Geruch des Harns nach Veilchen , ebenso am
22. Febr. Am 23. Febr. Nachmittags 7 — 8 Uhr
Brennen auf der Kopfhaut rechts über der Schläfe
an einer thalergrossen Stelle, desgleichen um 7 1 / 9 Uhr
am Hinterkopfe hinter dem rechten Ohre.
Am 27. Febr. Vorm. 9 1 /* Uhr 30 Tropfen: Von
10*/ 2 Uhr ab vier Mal dünner Stuhlgang — gegen
sonst ein Mal — bis Abends mit Uebelkeit, ohne
Schmerzen. 11 Uhr Vorm, kalte Hände und Füsse,
heisser Kopf mit dunkelrothen, umschriebenen fünf¬
markstückgrossen Flecken auf beiden Wangen;
pochender, hämmernder Kopfschmerz in der rechten
Schläfe mit dem Gefühl, als ob sie ohnmächtig
würde und rücklings niederstürzen sollte, letzteres
etwa 10 Minuten dauernd, die übrigen Symptome
bis 2 Uhr Nachm, anhaltend. Am 28. Febr. Urin
grünlich, trübe; Urin vom 1. März schwach nach
Veilchen riechend.
Am 2. März Vorm. 9 J /* Uhr 50 Tropfen in zwei
Esslöffeln Wasser: Nachm. 1 Uhr Kopfschmerz
drückend vorn über der Stirn, hämmernd und
klopfend in beiden Schläfen, später auch im Hinter¬
kopf, mit umschriebener Wangenröthe, allmählich
sich steigernd, zwischen 4 und 5 Uhr am inten¬
sivsten, durch Bücken und Bewegung verschlimmert;
beim Bücken Gefühl, .als ob das Gehirn schwanke
und austreten wolle. Spannen der Stirnhaut, welche
auch objectiv gespannter und glatter wie gewöhn¬
lich aussieht und sich anfühlt. Zur Erleichterung
der Kopfschmerzen macht sie einen Ausgang in
die freie Luft, der auch die erwartete Linderung
brachte; bei der Rückkehr nach Hause trat jedoch
23*
Digitized by
Google
180
wieder eine Verschlimmerung ein, erst nach dem
Abendessen, gegen 8 Uhr, verschwanden die Schmer¬
zen völlig. Auffallend ist die trotz der heftigen
Schmerzen vorhandene heitere Gemüthsstimmung.
Beim Singen spät Abends ist die Stimme aus¬
nehmend rein, die hohen Töne sind viel leichter
erreichbar; mit derselben Leichtigkeit, mit der sonst
das zweigestrichene f erreicht wird, kann sie das
zweigestrichene a singen. Abends 9 Uhr starkes
Jucken an der linken kleinen Zehe. Ausserordent¬
liche Empfindlichkeit gegen Licht, Dunkelheit thut
wohl, Nachts heitere Träume, während die sonstigen
Träume gewöhnlich aufregender Natur sind. Urin
riecht nicht nach Veilchen. Am 3. März Mittags
12 Uhr umschriebene Wangenröthe, 1 J A Stunde lang.
Um 1 Uhr Druck am Kopfe über der Stirn und
Spannen der Stirnhaut wie gestern; Gefühl, als ob
ein schweres Gewicht auf dem Kopfe läge, Klopfen
im Kopfe. Von 2 1 / 2 —4 Uhr Nachm. Stechen in
der linken Schläfe und Augenhöhle. Von 4—7 Uhr
Nachm. Stechen in der Schilddrüse rechts beim
Tiefathmen. Abends beim Essen Gefühl, ah ob
die rechte Hälfte des Kehlkopfes , der Speiseröhre
und der Zunge taub icäre. Am 4. März von 9 bis
9 1 / 2 Uhr schwaches, klopfendes Kopfweh über der
linken Schläfe mit Spannen der Stirnhaut wie gestern.
Am 6. März Vorm. 10 V* Uhr 75 Tropfen in drei
Esslöffeln Wasser: Gleich nach dem Einnehmen
Neigung zu Erbrechen mit Speichelfluss. Nachm.
1 , / t Uhr kommen Hände und Füsse plötzlich in
Schweiss, im ganzen übrigen Körper Kältegefühl,
bis 2 Uhr. 2 1 /« Uhr Hitze im Kopfe, das ganze
Gesicht ist geröthet, Sausen und Klingen im linken
Ohr, Flimmern vor den Augen, heftiger Schwindel,
so dass sie sich aus Angst, rückwärts hinzufallen,
aufs Sopha legen muss, bis nach 3 Uhr dauernd.
Von da ab Kopfweh über dem linken Auge, Völle¬
gefühl im Kopf, das Kopfweh steigert sich fort¬
während bis 7 Uhr, das Gesicht ist aber von 5 Uhr ab
ungewöhnlich blass, so dass es sogar dem Dienstmäd¬
chen auffällt. Nach dem Abendessen lässt der Kopf¬
schmerz etwas nach, verschwindet aber erst beim
Einschlafen. In der Nacht auf den 7. März 4 Uhr
Erwachen mit klopfendem Kopfschmerz über dem
linken Auge, fieberhafter Aufregung und Gefühl
des Krankseins, 1 Stunde lang. 10 Uhr Vorm.
Brennen der Wangen mit umschriebener Röthe und
leichtem, drückendem Kopfweh auf dem Scheitel,
tagsüber zeitweilig Eingenommenheit. Am 8. März
5 Uhr Morgens Erwachen mit klopfendem Kopf¬
weh über dem linken Auge, das beim Aufstehen
verschwindet.
Am 11. März Nachm. 6 Uhr 100 Tropfen in drei
Esslöffeln Wasser. Sofort beim Einnehmen Wasser-
zusammenlaufen im Mund. , j 2 Stunde später Ste¬
chen in der rechten Schläfe bis in die Augenhöhle,
1 / 4 Stunde lang. Abends 8 Uhr Hitze im Kopfe
mit deutlich umschriebener Wangenröthe, 1 |a Stunde
lang. Nachts vier Mal erfolgreicher Drang zum
Wasserlassen. Am 12. März Morgens 5 Uhr Drang
zum Stuhl mit Uebelkeit. Um 6 Uiir Kollern im
Leibe, das sie aus dem Bette treibt, und Stuhlgang
von normaler Consistenz. Am 13. März Nachm,
zwischen 3 und 4 Uhr Herzklopfen mit Schwäche¬
gefühl, so dass sie sich niederlegen muss. Nachts
2 Uhr Erwachen mit Herzklopfen und Schwindel,
als ob das ganze Zimmer sich im Kreise drehe. Am
15. März Abends Geruch des Urins nach Veilchen.
Am 17. März Vorm. 10 Uhr 25 Tropfen der
2. D.-P. in einen Esslöffel Wasser: Nachm. 2 Uhr
umschriebene Hitze auf der linken Wange, Stechen
in der rechten Schläfe und Augenhöhle, kurz darauf
Hitzegefühl im ganzen Körper, am meisten im
Kopfe mit Klopfen und Angst, „als ob sie der Schlag
treffen sollte,“ verschlimmert beim Bücken, ge¬
bessert durch frische Luft, Verlangen nach Kälte,
nach r \ 4 Stunde nach lassend, nach Stunde ver¬
schwindend. Am IS. März zwischen 9 und 10 Uhr
Frost mit nachfolgendem Schweiss, auch auf der
Stirn, was sonst nie der Fall ist, ferner Zittern an
Füssen und Händen, so dass Einfädeln einer Nadel
nicht möglich ist. Am 19. März Mittags zwischen
12 und 1 Uhr umschriebene Röthe auf beiden
Wangen ohne Kopfschmerzen.
Am 22. März Vorm. 10 Vs Uhr 25 Tropfen der
6. D.-P. in einen Esslöffel Wasser: Keine Symptome.
IL Georg E„ cand.med., in Leipzig: Am27.Pebr.
1894 Prüh 7 Uhr 5 Tropfen, am 2. März 1894 Früh
7 Uhr 10 Tropfen keine Wirkung.
Am 12. März 1894 Früh 7 Uhr 20 Tropfen: Uni
9 Uhr dumpfer Kopfschmerz, besonders über dem
Auge. Im Laufe des Tages Schwere und Zer¬
schlagenheit der Glieder, besonders der Schultern.
Uebelkeit, die vermehrt wird durch Druck auf den
Kopf. Mittags und Abends brennender, rechtsseitiger
Halsschmerz. Steifigkeit des Genickes rechts. Am
13. März 1894: Der Halsschmerz dauert fort.
Am 15 März 1894 Früh 7 Uhr 30 Tropfen:
Keine Wirkung.
Am 28. März 1894 Früh 7 Uhr 40 Tropfen:
Steifigkeit des Nackens rechts. Kopfschmerz wie
früher.
Am 30. März 1894 Früh 7 Uhr 60 Tropfen:
Abends J / 2 6 Uhr bohrender Schmerz im rechten
Schultergelenk. Oberarm unmöglich zu bewegen,
wegen zu starker Schmerzen. Der Schmerz wird
im Bett bedeutend gebessert und verschwindet fast
durch Liegen auf der kranken Seite. Geruch des
Harns ganz eigenthümlicli, auf grössere Entfernung
hin noch sehr intensiv. Vergleichen möchte er
denselben mit demjenigen, welchen er beim Ab-
Digitized by
Google
181
dampfeii grosse** Hammehgen im Laboratorium "wahr¬
genommen hat. Am 31. März und 1. April 1894
dauert der SchmeVz in der Schulter fort “ und < ver¬
schwindet beim Massiren der Schulter und : des
rechten Oberarms.
Am 3. April 1894 Früh 7 Uhr 80 Tropfen, am
5. April 1894 Früh 7 Uhr 100 Tropfen, am 7. April
1894 Früh 7 Uhr 150 Tropfen: Keine Wirkung,
nur Aufstossen nach dem Einnehmern Nacherschei¬
nungen treten bis 13. April nicht auf.
m. Heinrich F., cand.med., in München prüfte
die Essenz vom 5. bis 20. April 1894 in Dosen von
5 bis zu 60 Tropfen, ohne irgend welche auf das
Mittel zurückzufuhrende Symptome ausfindig machen
zu können.
IV. Dr. M. Baltzer in Stettin prüfte die Essenz
vom 19. Dec. 1893 bis 7. Febr. 1894 in Dosen von
6 bis zu 300 Tropfen, ohne die geringste Aende-
rung in seinem Befinden entdecken zu können.
Der Herr College besitzt offenbar eine ausserordent¬
lich schwer reagirende bez. wenig empfindliche
Constitution, wird aber das UI. Mittel sicherlich
nicht ohne Erfolg versuchen.
V. Dr. Dierkes in Paderborn. 1. Prüfungstag,
13. Januar 1894: Puls 72. Allgemeines Befinden
gut. Nase, Rachen und Kehlkopf geringer Katarrh.
Stuhl normal 6 Uhr 25 Min.
6 Uhr 40 Min. a. 1. Einnehmen 5 gtt. ohne Wasser.
Geschmack wie alte Lederabfi&lle in Leberthran.
6 Uhr 45 Min. geringer Druck im linken Stirn¬
höcker. Magen macht sich bemerkbar.
7 Uhr 6 Min. Stirnkopfweh nur zeitweise. Brennen
im linken Auge. Aufstossen. Brennen im Magen.
Müde in den Armen, besonders links.
7 Uhr 10 Min. 2. Stuhl mehr Drang, als Erfolg.—
Während des Stuhles zweimal Gänsehaut über den
ganzen Körper, das zweite Mal mehr die Kopf¬
schwarte ergreifend. Brennen in dem oberen Th eil
des Duodenum. Nach Stuhl Tenesmus im After
und schmerzhafte Reizung der Harnröhre.
7 Uhr 15 Min. 2. Einnehmen von 5 gtt. ohne
Wasser. Geschmack intensiv, aber kürzere Zeit an¬
haltend. Brennen im Magen, Zunge ohne Belag,
rechtsseitig bis nach vorn Zahneindrücken, Papilli
am Rande sehr roth.
7 Uhr 38 Min. Puls 75.
7 Uhr 45 Min bis 8 Uhr 15 Min. Frühstück mit
gutem Appetit. Empfindung, dass die Hosenschnalle
zu locker ist. Stuhldrang-Flatus.
9 Uhr 17 Min. 3. Einnehmen 10 gtt. Geschmack
intensiv, aber sehr kurz; sofortige flüchtige Hitze
im Gesichte (? Alkohol Wirkung?!). Stimme sehr hell,
rein und stark.
10 Uhr a. sehr gute Btimmung. • '
U Uhr lö Min. a. 4. Eihnehmen 20 gtt. Dia
Tröpfen kamen dieses 'Mal riiehr vorh^kuf die-ZkngÖ*
und hinter die Schneidezähne auf den Mundbö<|0fi;
hier wurden ! sie stark brennend und bitter em- 1
pfundes; T ebi^er ll angegebener Geschmack war
nur von sehr kuri&er Daher/ — Allgemeines Be¬
finden, Stimmung gut. Puls 81/ Blutandrang zum
Kopfe, später Stirnkopfweh. Schnupfen. .
Nachmittags Euphorie, aber 1 leicht erregbar.
Nachmittags 1, Abends 2 Öigärren mit Appetit ge¬
raucht, bei den letzteren 2 Stück 1 Schoppen leichten
Rheinwein getrunken urirA stark gesungen (in Ge¬
sellschaft, wo -stärk geraucht wurde), beim Nach¬
hausegehen etwas unsicher auf den Füssen.
In der Nacht gut geschlafen, aber Morgens noch
sehr müde, Unlust ziim Aufstehen.
14. Januar 1894.— 2. Prüfungstag.
7 */ 4 Ühr a. Aufstehen. Beim Erheben und kurze
Zeit nachher starkes Kopfweh entsprechend der Ge¬
hirnbasis. Im Stöben -1 Tasse Milchkaffee.
9 tJhrai 1 Tasse, Milchkaffee, nur Schnitte
Butterbrod.
10 8 / 4 Uhra. Etwas eingenommener Kopf. Puls 78.
Brennen in den Augen (Tabak wie gestern). Zunge
wie gestern; aber auch linksseitig Zahneindrücke.
1Ö Uhr 50 Min. 1. Einnehmen 20 gtt. Erster Ge¬
schmack intensiv. Nachgeschmack vorhanden, aber
nicht stark und kurzdauernd. Sofort kräftige, laute
(ungewohnt starke) Stimme.
10 Uhr 54 Min. a. Aufstossen leeres. Puls 78.
11 Uhr 13 Min. a. Lassen von normalen Mengen
hellen Urins.
11 Uhr 10 Min. a. 2. Einnehmen 30 gtt. Ge¬
schmack wie bisher.
11 Uhr 25 Min. leeres Luftaufstossen.
11 Uhr 40 Min. vorüberziehend Kopfschmerz
im rechten Stirnhöcker.
3. Prüflingstag.
Euphorie — 10 8 / 4 Uhr a. 40 gutta-Einnehmen.
Pulsfrequenz durch Aufregung begründet.
Puls 90.
Geschmack stark (bitter) adstringirend, Nachge¬
schmack wie gestern kurz und schwach.
11 Uhra. Eingenommenheit des Kopfes, schwach.
Nachtrag: „Die ganz kleinen Gaben hatten bei
mir eine deutliche Wirkung, die grösseren dagegen
fast gar nicht; wenigstens nicht unangenehm. Im
Gegentheil, ich fühlte mich nach dem Einnehmen
immer wohler, so dass ich zu der Ansicht kam,
dass dieses Prüfungsmittel für mich ein spezifisches
Heilmittel sein müsse.“
VI. Dr. Roth in Mainz.
Nimmt am 19. Jan. 5, am 20. Jan. 10, am
21. Jan. 15 Tropfen der Essenz und constatirt darauf
Digitized by
Google
nur ein Prickeln im 4. und 5. Finger beider Hände,
besonders Nachts beim Aufwachen. |facb4epi er
am 28.—25. Jan. von 20 bis *n 10Q Tropfen ge¬
stiegen, empfindet er Nachts etwas Ziehen in den
Daumen bis zum Vorderarm und in der grossen
Zehe bis zur Wade. Auf 300 Tjwpfeji am 26. Jfm.
findet er, dass der Urin intensiv nach Veilchen
riecht. Bemerkenswerth erscheint ihm auch der
Umstand, dass während der Prüfung die hohen
Töne ihm auffallend leichter beim Singen erreich¬
bar sind als gewöhnlich.
VIL Dr. H. in A. f 28 Jahre alt, mittelgross,
kräftig (Gewicht 75 Kilo, Grösse 165 cm.), Tem¬
perament sanguinisch, nervös; Schlaf gut, Stuhl¬
gang normal, Verdauung gut, leidet aber leicht an
nervösen Magenschmerzen und Schnupfen. Gesichts¬
farbe gesund, Haare blond, Augen graugrün; Al-
cohol- und Tabakgenuss mittelmässig. Nahm im
Zeitraum vom 11. bis 22. März täglioh 5, 10, 15
Tropfen der Essenz, vom 22. März bis 12. April
nichts, am 12. April 55 Tropfen und am 14. April
100 Tropfen, ohne irgend eine Veränderung in
seinem Befinden zu bemerken.
VHL Dr. Alexander Villers-Dresden. 86 Jahre,
102 Kilo schwer, untersetzt, Haar aschblond, Augen
braun. Haut weiss, vereinzelte Naevi an Stellen
dauernden Druckes, manchmal juckend. Neura-
sthenische Müdigkeit. Neuralgische Schmerzen ent¬
sprechen spindelförmig verdichteten Stellen im Ver¬
laufe oberflächlich gelegener Nervenstämme. Stuhl
normal, Urin in geringer Menge, enthält reducirende
Bestandteile in Spuren. Sediment entweder lehm¬
farbig oder rothe, fest dem Gefäss anhaftende
Krystalle.
Prüfungsnotizen. Braungrünliche Flüssigkeit,
dünnflüssig, von eigenartig aromatischem Geruch
und Geschmack, der beim Eintrocknen bald ver¬
schwindet.
1894.
23. Febr. 9 Uhr 45 Min. a. m. 5 Tropfen rein
genommen.
10 Uhr 10 Min. Druck in der Nase, nahe der
Wurzel, rechts stärker als links. Hohles Gefühl,
weniger als Hunger im Magenmund.
10 Min. 50 Min. Kurzdauernder punktförmiger
Druck in der vorderen Axillarmuskulatur rechts.
3 Uhr 30 Min. p. m. Kurzer intensiver Schmerz
rechts neben dem Ansatz des Sterno-cleido.
25. Febr. 9 Uhr 45 Min. a. m. 10 Tropfen rein
genommen.
4 Uhr p. m. leichtes brennendes Gefühl im rechten
Handteller.
27. Febr. 10 Uhr 10 Min. a. m. 15 Tropfen rein
genommen.
11 Uhr. Intensiver, aber kurzer Druck rechts
neben Ansatz des Sterno-cleido.
3 Uhr p. m. Plötzliches Durchfallsgefühl nach
Genuss einer Tasse Thee. Abgang von geruch¬
losen Winden. Stuhl konnte 1—2 Stunden ver¬
halten werden, war breiig, grünbraun, mit starkem,
nicht ekelhaftem Geruch.
28. Febr. Der sonst stets bequeme Morgenstuhl
war etwas breiiger als gewöhnlich, aber nicht
so erfreulich, wie es sonst der erste Stuhl am
Tage ist.
Nachmittags viel schmerzloses Kollern im Leibe,
bequem abgehende Winde, die nicht schmerzten.
Häufiges Jucken auf Haarkopf, rechtem Achsel¬
haar, rechtem Unterschenkel. Letztere Beobachtung
ist sehr zweifelhaft in ihrem Werthe, da er unver-
muthet bei seinem Hunde Läuse entdeckt hatte und
sich darüber geekelt hatte.
2. März 10 Uhr 10 Min. a. m. 20 Tropfen rein
genommen.
Im Laufe dieses Tages setzte eine Erkältung
mit ihren Folgen der Beobachtung ein Ende.
Den characteristischen Uringeruch nahm er
während der Prüfung nicht wahr.
IX. Dr. Schier in Mainz.
Nimmt am 11. Febr. Nachm. 4 Uhr 5 Tropfen
der Essenz, wie immer in 1 Esslöffel Wasser: Ge¬
schmack nicht unangenehm aromatisch. Abends
6 — 7 Uhr beim Schreiben Schwindelgefühl, als ob
die Gegenstände sich im Kreise drehten.
Am 13. Febr. Vorm. 10% Uhr 10 Tropfen: Am
selben, sowie an den folgenden Tagen Kopfweh,
besonders in der rechten Schläfe, bohrend, mit
Schwindel, Nachmittags und gegen Abend schlimmer.
Am 20. Febr. Vorm. 10% Uhr 25 Tropfen: Von
11% Uhr ab bei klarem, kaltem Wetter während
einer längeren Eisenbahnfahrt hämmerndes Kopfweh,
vorwiegend in der rechten Schläfe; Gefühl wie ein
Band um Stirn und Hinterkopf, muss die Kopf¬
bedeckung ablegen. Dasselbe ist derartig unan¬
genehm, dass von Suggestion auch nicht im ent¬
ferntesten die Rede sein kann, zumal Kopfschmerzen
sonst beim Prüfer so gut wie nie Vorkommen. Im
Freien verschwindet der Kopfschmerz, erscheint aber
wieder beim Aufenthalt im Zimmer, wird bei Be¬
wegung verschlimmert, dauert an bis zum Ein¬
schlafen. Abends beim Lesen im Stehen Schwindel.
Am 21. Februar von 12 Uhr ab dasselbe hämmernde
Kopfweh in der rechten Schläfe, doch schwächer
als am 20. Febr., mit kleinen Pausen anhaltend bis
zum Einschlafen Abends. Desgleichen am 22. Febr.
i Vorm. 8 Uhr beginnend. Auffällig ist seit dem
Abend des 20. Febr. ein intensiver deutlicher Ge¬
ruch nach Veilchen, besonders am Urin, aber auch
an der gesammten Körperhaut. Der Kopfschmerz
Digitized by ^.ooQie
189
in der rechten Schläfe wird Nachmittags heftiger, ist I Am 22. März Vorm. 10 % Uhr 28 Tropfen der
aber nicht mehr constant. Am 23. Febr. zeitweise i 5. D.-P. in 1 Esslöffel Wasser: Keine Symptome,
im Tage derselbe Schmerz, Nachmittags und Abends
stärker auftretend^ Desgl am 24. und 25. Febr. j Zusammenstellung der Symptome.
Am 27. Febr. Vorm. 9% Uhr 30 Tropfen: Von j ® J F
12 Uhr ab bei regnerischem Wetter hämmernder Kopf- Präparat: Essenz aus der ganzen Pflanze (incl.
schmerz in der rechten Schläfe, tagsüber in Anfällen Wurzel) und Verschütlelungen.
auftretend, doch nicht so stark wie am 20. Febr. | Wirksame Bestandtheile: Primulin?
Desgl. am 28. Febr. In der Nacht vom 28. Febr. Wirkungsdauer: Am Gesunden einige Tage,
auf 1. März heitere Träume. Nach Aussage meiner
Frau habe ich mich — ohne dass ich selbst davon I Allgemeines: Klopfen, Reissen, Brennen und
etwas weiss — mitten in der Nacht mit plötzlichem j Ziehen; Zittern der H&ade und Fasse. Besserung
Ruck im Bett aufgesetzt und Anstalten gemacht, j der Beschwerden (seitens des Kopfes) im Freien,
aufzustehen, bei offenen Augen, also eine Art Nacht- Verschlimmerung durch Bücken, Bewegen, im
wandeln geübt. Am Abend des 28. Febr. und j Zimmer, Fahren im geschlossenen Wagen.
1. März Geruch des Urins nach Veilchen. | Heitere Gemüthsstimmung und guter Schlaf mit
Am 2. März Vorm. S^Uhr 50 Tropfen in 2 Ess- | heiteren Träumen. Allgemeinbefinden gut.
löffeln Wasser: 1 Stunde später beim Aufstehen vom | Empfindlichkeit gegen Licht. Fieberhafte Auf-
Schreibtisch leichter Schwindel, Nachmittags zeitweise | regung; Schwere und Zerschlagenheit der Glieder;
Schwindel mit klopfendem, hämmerndem Kopfschmerz Eingenommenheit,
in beiden Schläfen, bei Bewegung vermehrt, im Nervensystem:
Freien fast verschwindend. Am 3. März desgl., in Hirn und Hirnnerven: Hämmerndes, bohrendes,
schwächerem Grade. Urin riecht nicht nach Veilchen, klopfendes, auch dumpfes Kopfweh in beiden
Am 6. März Vorm. 10 ^ Uhr 75 Tropfen in 3 Ess- Schläfen, im Hinterkopf und über der Stirn, vor¬
löffeln Wasser: Gleich nach dem Einnehmen Uebel- wiegend rechts in der Schläfe und Morgens, besser
keit, Neigung zu Erbrechen und Wasseraufschwulken, durch Druck, schlimmer durch Bücken, Bewegen
2 / 4 Stunde hindurch. Nachmittags von 2 Uhr ab leichter und während der Eisenbahnfahrt; besser im Freien,
Schwindel beim Aufstehen mit dem Gefühl, als schlimmer im geschlossenen Raum. Gefühl wie ein
müsse er rücklings fallen, und geringe Eingenommen- Band um Stirn und Hinterkopf, muss die Kopfbe-
heit des Kopfes, letztere bis zum Einschlafen zu- deckung ablegen. Spannen der Stirnhaut; Brennen
nehmend. Am 7. März dasselbe in leichterem Grade, und Jucken der Kopfhaut rechts über der Schläfe
Am 8. März Abends auffallender Geruch des Urins und am Hinterkopfe. Gefühl, als ob sie ohnmächtig
nach Veilchen. werden und rücklings hinstürzen würden; als ob
Am 11. März Hachm. 6 Uhr 100 Tropfen in das Gehirn schwankte und austreten wolle, als ob
8 Esslöffeln Wasser: Sofort Uebelkeit mit Aufstossen ein schweres Gewicht auf dem Kopfe läge. (Un-
und Wasserzusammenlaufen im Mund, 5 Minuten sicher auf den Füssen?) flimmern vor den Augen,
anhaltend. Abends Schwindel beim Aufstehen und heftiger Schwindel, als ob die Gegenstände sich im
Gehen. Am 12. März Morgens im Bett Uebelkeit; Kreise drehten, Völlegefühl im Kopfe, Eingenom-
Vorm. 10 Uhr Durchfall mit Uebelkeit. Abends menheit. Gefühl, als ob die rechte Hälfte des
5—6 Uhr gelegentlich einer Eisenbahnfahrt hämmern- Kehlkopfes, der Speiseröhre und der Zunge taub
des Kopfweh in der rechten Schläfe. Am 13. März wäre; brennender rechtsseitiger Halsschmerz, Stechen
Vorm. II 1 /* — 1 Uhr bei Eisenbahnfahrt Schwindel in der Schilddrüse rechts beim Athmen.
und hämmerndes Kopfweh in beiden Schläfen, be- Gesiohtsorgan : Reissende, brennende und ste-
sonders rechts; Beginn des Schmerzes stets rechts, chende Schmerzen in den Augenhöhlen, Empfind-
Beim Halten des Bahnzuges ist der Schmerz ent- lichkeit gegen Licht, Dunkelheit thut wohl, Flim-
schieden nicht so stark wie während der Fahrt, mern vor den Augen.
auch ist er im Ganzen nicht so bedeutend wie Gehörsorgan: Sausen und Klingen im linken Ohr.
früher schon auf geringere Dosen des Mittels. Am Geruohsorgan: Druck in der Nase nahe der
15. März schwacher Geruch des Urins nach Veilchen. j Wurzel, rechts stärker als links.
Am 17. März Vorm. 10 Uhr 25 Tropfen der Rückenmarksnerven: Schwere und Zerschlagen-
3. D.-P. in 1 Esslöffel Wasser: Am 18. März Vorm. | heit der Glieder, besonders der Schultern. Kurzer
mehrmals vorübergehendes Kopfweh, Schwindelge- punktförmiger Druck in der vorderen Axillarmus¬
führ und Hämmern in der rechten, dann auch in kulatur rechts, kurzer intensiver Schmerz neben
der linken Schläfe. Nachmittags gelegentlich einer dem Ansätze des rechten Sterno-cleido-mastoideus.
längeren Eisenbahnfahrt klopfendes Kopfweh, haupt- Steifigkeit des Genicks rechts. Bohrender Schmerz
sächlich in der rechten Schläfe, mit Schwindel. j im rechten Schultergelenk, kann daher den Ober-
Digitized by ooQie
184
arm nicht bewegen, besser im Bett und durch
Liegen auf dem kranken Theil. Zittern an Hän¬
den und Füssen, Prickeln im 4. und 5. Finger
beider Hände, Jucken in den Handflächen. Ziehen
im Daumen bis zum Vorderarm und in der grossen
Zehe bis zur Wade. Brennen im rechten Hand¬
teller, in den Armen, besonders links. Reissen im
linken Unter- und Oberschenkel. Gefühl, als ob
der linke Fuss geschwollen sei, Reissen und Ziehen
darin. Jucken an der linken kleinen Zehe, (dem
rechten Achselhaar und rechten Unterschenkel?).
Organe des Kreislaufs: Herzklopfen mit
Schwächegefühl. Innere Hitze mit Angst, als ob
sie der Schlag treffen sollte; Verlangen nach Kälte,
Schweiss auf der Stirn, kalte Hände und Füsse,
heisser Kopf mit umschriebener WangenrÖthe.
Hände und Füsse schwitzen, der übrige Körper ist
kalt, flüchtige Hitze im Gesicht, Blutandrang nach
dem Kopf, Gesicht blass.
Athmungsorgane; Husten mit Brennen und
Stechen in der Luftröhre; Stimme auffallend rein,
hell und stark, hohe Töne leichter erreichbar. Ge¬
fühl, als ob die rechte Hälfte des Kehlkopfes taub
wäre.
Verdauung 80 rgane: Dünnflüssiger Stuhl ohne
Schmerzen mit Uebelkeit, letztere vermehrt durch
Druck auf den Kopf. Neigung zu Erbrechen mit
Speichelfluss. Kollern im Leibe, Drang zum Stuhl;
Zunge ohne Belag, aber mit Zahneindrücken, Pa¬
pillen am Rande sehr roth. Leeres Aufstossen;
Gefühl, als ob die rechte Hälfte der Zunge und
Speiseröhre taub wäre. Hohlgefühl und Brennen
im Magenmund und Duodenum. Während des
Stuhlgangs Fieber (Gänsehaut über den Körper,
besonders am Kopfe), Tenesmus im After nach dem
Stuhl. Empfindung, als ob die Hosenschnalle zu
locker sei.
Harn- und Geschlechtsorgane: Urin ist grün¬
lich, trüb, riecht intensiv nach Veilchen oder nach
grossen Mengen abgedampften Urins. Drang zum
Urinlassen; schmerzhafte Reizung der Harnröhre.
Anwendung bei Kranken: Zu berücksichtigen
bei leichten Hirncongestionen (Vorboten von Schlag¬
anfällen?), die ohne psychische Depression einher¬
gehen, Migräne, Neuralgieen, Schwindelgefühl,
(halbseitiger Lähmung?), geringen Fiebererschei¬
nungen, Nierenaffection, unreiner und schwacher
Stimme, insoweit dies nicht durch organische Ver¬
änderungen bedingt ist.
Einige Bemerkungen mögen zum Schlüsse noch
vergönnt sein. Bei einem relativ bedeutenden Theil
der Prüfungspersonen verliefen die Versuche re¬
sultatlos oder mit nur geringem Erfolg entsprechend
der Ungiftigkeit des Mittels; es sind dies zum Theil
dieselben, welche auch bei der Prüfung von Vinca |
minor wenig oder gar nicht reagirten. Wollen
daraus diejenigen Homöopathen, welche ein Symp¬
tom für werthlos halten, sofern es nicht bei allen
Prüfern aufgetreten ist, den Schluss ziehen, dass
die Primula überhaupt wirkungslos sei, so will ich
ihnen das gewiss nicht verwehren, zumal wenn diese
Herren die Consequenzen tragen und mindestens
99°/ 0 unseres Arzneischatzes über Bord werfen; es
wären dann eben nur die stärksten Gifte thera¬
peutisch verwerthbar, auch diese nur in recht spär¬
lichen Symptomen. Die Art und Weise der Ver¬
öffentlichung der meisten früheren Prüfungsresul¬
tate macht eineBeurtheilung unserer bisher bekannten
Mittel nach dieser Richtung hin fast unmöglich.
Andererseits wird ein einigermassen objectiv den¬
kender Kritiker von einem praktisch zu verwen¬
denden Symptom verlangen, dass es allermindestens
bei 2 Prüfungspersonen constatirt wurde und dem
Wesen des Mittels überhaupt entspricht. Dem¬
gemäss sind in der Zusammenstellung zwar alle
protokollirten Erscheinungen aufgenommen, doch
ist jedem Interessenten durch genaues Studium der
einzelnen Protokolle die Bildung eines eigenen Ur-
theils über den praktischen Werth eines jeden
Symptoms ermöglicht. Wer z. B. die Primula bei
„Neigung zu Erbrechen mit Speichelfluss“ allge¬
mein ohne gleichzeitiges Vorhandensein der meisten
übrigen Symptome verwenden wollte, würde gewiss
einen Misserfolg zu verzeichnen haben. Als das
Idealbild für die Anwendung der Primula denke
ich mir eine Persönlichkeit, welche an Congestionen
nach dem Kopf leidet, die ihr indessen durchaus
keine Besorgnisse machen, mit hämmerndem, klo¬
pfendem Kopfweh in den Schläfen, zumal rechter-
seits; werden diese Beschwerden verschlimmert
durch Bewegung und im Zimmer, sind sie mit ab¬
normen nervösen oder rheumatischen Sensationen
an den Extremitäten verbunden, ist gar auch noch
der charakteristische Uringeruch gleichzeitig vorhan¬
den, so dürfte der Erfolg mit dem Mittel zweifel¬
los sein. Auf die ungetrübte, heitere Gemüths-
stimmung glaube ich besonders hin weisen zu müssen;
diesem Punkt und der Ungiftigkeit des Mittels au
sich entsprechend scheint es mir vorzugsweise in-
dicirt bei leichteren, doch aber zuweilen recht lästi¬
gen Affectionen der beschriebenen Art, welche
in die Lebensverrichtungen des Organismus nicht
gerade zerstörend eingreifen.
Mit diesem Bilde will ich indessen dem wohl
objectiveren Urtheil der Collegen nicht vorgreifen;
die Prüfungsberichte liegen ja vor und zeigen die
wünschenswertheste und merkwürdigste Ueberein-
stimmung mit dem, was die Alten über die Wirk¬
samkeit unseres Mittels wussten. Wie die letzteren
zu ihren zuweilen recht vollständigen Kenntnissen
über die Wirkungsweise der Heilkräuter kamen,
Digitized by ^.ooQle
185
ist uns bis heute ein Räthsel; Herr College Roth
hat im Archiv für Homöopathie (Nr. 4, 1894) auf
diesen sehr wichtigen Punkt speciell hingewiesen,
ln den alten Kräuterbüchern konnte er bis jetzt
keine Andeutung darüber finden, blosse Empirie
kann es nicht gewesen sein, die Prüfung am Ge¬
sunden dürfte sie aber schwerlich zu ihren werth-
vollen Kenntnissen geführt haben. Sollte es, ab¬
gesehen vom Instincte, der gewiss der sicherste und
natürlichste Führer ist, noch einen einfacheren
Weg geben als die Prüfung am Gesunden?
Der charakteristische Uringeruch erscheint bei
vier Prüfungspersonen, aber nicht immer nach dem
Einnehmen, auch nicht stets am ersten Tage dar¬
nach, sondern im weiteren Verlaufe der Versuche
zuweilen erst am 8. oder 4. Tage; vielleicht ist
zum Zustandekommen desselben ausser dem Prü¬
fungsmittel die Bildung eines Stoffes nöthig, der
nicht immer im Körper vorhanden ist und zeit¬
weilig sich wieder ersetzt. Die Untersuchung des
Urins auf Eiweiss blieb resultatlos.
Die relativ kleineren Dosen ergaben auch bei
diesem Mittel im allgemeinen die besten Resultate;
die Erscheinungen seitens der Verdauungsorgane,
welche nur auf die grossen Dosen zur Beobach¬
tung kamen, sind wohl nur ganz allgemeine Ver¬
giftungssymptome und therapeutisch nicht verwerth¬
bar. Die Zeichen der Halblähmung, wie sie bei
meiner Frau auftraten, wären sehr wichtig, wenn
sie wenigstens bei einem andern Prüfer sich noch
fänden; von Einbildung kann zwar im vorliegenden
Falle nicht die Rede sein, immerhin glaube ich
Anstand nehmen zu müssen, aus dieser vereinzel¬
ten Erscheinung schon die Consequenzen für die
Praxis zu ziehen. Erwähnenswerth erscheint mir
auch die Thatsache, dass vorzugsweise bei einem
der Prüfer, dem cand. med. Georg E. in Leipzig, die
bei der zweiten Prüfung gefundenen Erscheinungen
den in dem Protokoll der Vinca minor notirten
Symptomen theilweise ausserordentlich ähnlich sind.
Ob hieraus nun zu schliessen ist, dass diese Symp¬
tome nicht durch die Prüfungsmittel hervorgerufen
seien oder aber, dass ein und derselbe Organismus
gegenüber verschiedenen Mitteln, die gewisse Be¬
rührungspunkte in ihren Wirkungen bieten, fast
auf gleiche sozusagen idiosynkrasische Weise rea-
girt, überlasse ich dem Urtheil der Collegen. Ganz
decken sich die Erscheinungen bei der ersten und
zweiten Prüfung übrigens nicht.
Von collegialer Seite, und zwar einer solchen,
welche ich als eine in Sachen der Homöopathie
sehr wohlunterrichtete bezeichnen darf, bin ich dar¬
auf aufmerksam gemacht worden, es wäre zur Er¬
zielung eines möglichst einwandfreien Resultats an¬
gezeigt gewesen, dass sämmtliche Prüfungspersonen
vor Beginn der Versuche ein ganzes Jahr hindurch
alle ihre Symptome und Empfindungen notirt hätten.
Für jeden Hinweis auf vermeidbare Irrthümer bei
den Prüfungen bin ich sehr dankbar, muss indessen
diesen Vorschlag als kaum durchführbar bezeichnen
und nehme heute Veranlassung, meine Ansicht über
diesen sowie einen anderen mehrfach mir angedeu¬
teten Punkt hier darzulegen. Dass durch dieses uns
empfohlene Vorgehen manches in Wirklichkeit nicht
von dem Versuchsmittel herrührende Symptom,
welches sich in die Prüfungsprotokolle einschleicht,
auf seinen wahren Werth zurückgeführt werden
könnte, ist gewiss nicht in Abrede zu stellen.
Ebenso gewiss ist aber auch, dass manche Collegen,
die jetzt mitthun, durch solche etwas langweilige
Vorarbeiten von der Betheiligung abgeschreckt
würden; gar so gross ist ja die letztere so wie so
nicht. Im Uebrigen ist dadurch, dass nur die von
mehreren Prüfungspersonen gewonnenen Beobach¬
tungen für die Praxis und die Darstellung des
Wesens unserer Mittel verwendet werden, Irrungen
schon ziemlich vorgebeugt; auch die Thatsache,
dass nur academisch und physiologisch gebildete
bez. unter unmittelbarer beständiger Aufsicht der
| Ersteren stehende Personen mitprüfen, dürfte eine
i gewisse Gewähr dafür bieten, dass nicht so leicht
1 gelegentliche Krankheitserscheinungen in die Pro¬
tokolle aufgenommen werden. Solche gelegent¬
liche Katarrhe, Entzündungen, Indispositionen etc.
kommen gewiss bei den meisten Prüfern vor; 10
bis 20 ganz gesunde Personen aufzutreiben, ist
eben sehr schwierig; der Versuch also, die Letz¬
teren unter etwa 500 homöopathischen Aerzten aus¬
findig zu machen, ist schon a priori fast aussichts¬
los, geradezu horrend aber wäre das Verlangen,
dass diese 10—20 ganz gesunden Collegen nun
auch noch genügend Zeit und idealen 8inn ha¬
ben sollten, um sich an Arzneiprüfungen zu be¬
theiligen. Ich kenne nicht alle Mitglieder der
Arzneiprüfungsgesellschaft persönlich, die vor¬
stehende Berechnung indessen sowohl wie auch die
Angabe der Personalien documentirt, dass sie nicht
alle ganz gesund sein können. Ein jeder kennt
i aber sein schwaches Organ und ist also in der
I Lage, die davon ausgehenden Erscheinungen nur
| mit Vorsicht in die Protokolle aufzunehmen oder,
ebenso wie sonstige gelegentliche, ihm in ihrer spe-
ciellen Art wohlbekannte Symptome als nicht durch
das Prüfungsmittel verursacht ganz auszuschalten.
Auch dadurch, dass bei derselben Prüfungsperson
nach dem Einnehmen mehrerer Dosen stets an¬
nähernd dieselben Erscheinungen sich zeigen, gewinnt
die Annahme, jene Symptome seien auf das Mittel
zurückzuführen, bedeutend an Wahrscheinlichkeit.
Es wäre sicherlich wünschenswerth, wenn die
geschilderten Fatalitäten bei den Prüfungen ver¬
mieden werden könnten; wir müssen jedoch mit
24
Digitized by
Google
186
den allgemeinen menschlichen Schwächen rechnen
und dürfen die Anforderungen nicht gar so hoch
stellen, weil sonst überhaupt nichts erzielt würde.
Das ist stets so gewesen und wird auch in Zukunft
so bleiben. Was die Schüler Hahnemann’s fertig
brachten, das, denke ich, dürfte auch uns bei ent¬
sprechender Ausdauer gelingen, zumal wir nebenbei
noch über deren Erfahrungen verfügen. Hier dürfte
in der That Goethe’s Ausspruch: „Nur die Lumpe
sind bescheiden“ am Platze sein; denn allzu grosse
Bescheidenheit in solchen Dingen ist häufig nur
der bequeme Deckmantel der Indolenz.
Betreffend der Prüfung des III. Mittels, an
welcher sich mehr Personen betheiligen als an der I
vorgeführten, darf ich wohl noch Einiges hervor¬
heben. Dasselbe ist, wenn nicht das scheusslichste,
so doch eines der niederträchtigsten Pflanzengifte,
über welche die deutsche Flora verfügt; seine Wir¬
kung erstreckt sich auf mehrere Wochen und ich
ersuche daher noch einmal, eine oder mehrere
Dosen ganz auswirken zu lassen, bevor eine neue
Gabe versucht wird. Erst wenn etwa 2 ganze
Wochen hindurch keine Symptome mehr notirt
werden können, möge der Prüfer von neuem ein¬
nehmen. Im Uebrigen aber bitte ich die Prüfung
im Interesse der Sache möglichst zu beschleunigen;
die Ansicht, dass wenige aber intensiv durchge¬
führte Prüfungen mit sicheren und genauen Re-
oberflächlicher Versuche, deren wir ja zur Genüge
besitzen, wird gewiss in unsern Reiben nirgends
auf Widerspruch stossen ; ebenso sicher aber wissen |
wir alle aus unserer eigenen Lebenserfahrung, dass i
in den grossen Ferien am seltensten die wenigen
Ferienarbeiten fertig werden. Wer da glaubt, es
sei immer noch Zeit, wird eben nie fertig werden.
Drum immer frisch an die Arbeit sofort beim Ein¬
treffen des Mittels, es sei denn, dass eine vorüber¬
gehende körperliche Indisposition besteht! Da das j
HI. Mittel auch entschiedene Verwandtschaft zum
Hautorgan besitzt, empfehle ich auch äusserliche
Versuche, z. B. das Aufpinseln der Essenz auf eine
unversehrte Hautstelle. Doch ist hier Vorsicht
geboten, namentlich bei einem Prüfer mit empfind¬
licher, vulnerabler Haut!
Homöopathische Erfolge.
Mitgetheilt von Dr. H. Goullon.
L
Ein homöopathischer College theilte mir Folgen¬
des mit.
Eine von seinem Wohnort sehr entfernt wohnende
Dame ist lebcrleidend. Namhafte Autoritäten be¬
handeln und untersuchen sic, finden bedeutende Ver¬
härtung, und Professor L. erklärt die pathologischen
Vorgänge für Krebs, also für unheilbar. Ent¬
sprechend dieser erbaulichen Prognose und Diagnose
ist auch der therapeutische Erfolg. Die gewiss
nicht kärglich bemessenen und ebenso sicher der
exakten Wissenschaft vollkommen entsprechenden
Mittel geben keinerlei Besserung.
Da wenden sich die besorgten Angehörigen
brieflich an genannten Collegen, und zu ihrem Er¬
staunen geht es schon nach 8 Tagen besser, und
nach 14 Tagen, als die Herren Allopathen aus
Nah und Fern sich zu einer neuen Consultation ein¬
finden, sind sie höchlich erstaunt über den Befund,
die harte Geschwulst ist verschwunden und sie müssen
wohl oder übel ihr voreiliges Urtheil zurücknehmen
und ihre Diagnose als eine verfehlte betrachten.
Der Fall ist — trotz seiner sonstigen fragmen-
! tarischen Beschaffenheit — um so belehrender, als
| nur ein Mittel in Betracht kommt, welches dem
Symptomen-Complex homöopathisch vollkommen ent¬
sprochen haben muss, nämlich Lycopodium, wovon
Abends und früh eine Gabe in mittlerer Potenz
verabreicht werden ist. Gesehen hatte unser Helfer
die Kranke in dieser Erkrankung nicht.
II.
Auch der nun zu beschreibende Krankheitsfall
resp. dessen Heilung bildet einen Triumph gegen¬
über der herrschenden Schule. Denn auch hier
hatten sich drei tüchtige Allopathen vergeblich be¬
müht, der Erkrankung Herr zu werden, was nicht
allein nicht gelang, sondern das verabreichte Mor¬
phium — welches ja nie heilen kann, sondern nur
in der zu oft vergeblichen Absicht die Schmerzen
zu stillen gegeben wird — hatte den Zustand der
Art verschlimmert, dass der Vater des Kindes, um
das es sich handelt, nun beschloss, bei der Homöo¬
pathie Hilfe zu suchen, obgleich er von Weimar
viele Stunden w r cit entfernt wohnte.
Wenigstens in Umrissen will ich diesen schon
„vorn klinischen Standpunkt“ interessanten „Fall“
wiedergeben.
Der Patient ist ein Knabe von 12 Jahren. Er
ist zweimal das Opfer der Impfung geworden. Im
ersten und zweiten Jahre kränklich, wird er erst
I im dritten Lebensjahre geimpft. Darauf bekommt
er einen fürchterlichen Ausschlag. Es wird so
scharfes Sekret abgesondert, dass die Berührung
mit demselben an den Stellen neue Krusten mit
; nachheriger Narbenbildung erzeugt. Eine solche
Narbe sieht man heute noch auf der Haut des
Unterleibes. Auch die Revaccination brachte das Kind
| sehr herunter; der Appetit verlor sich sofort, die
; alten Ausschläge kommen wieder; 6 Wochen wurde
! es „blind“ und in unmittelbarem Zusammenhang
Digitized by k^ooQie
187
mit der Wiederimpfung steht die jetzige schwere
Erkrankung. Diese ist von den bisherigen Aerzten
als Gallenstein-Affection bezeichnet worden. Und
wirklich ähnelten die höchst schmerzhaften Zufälle
und Anfälle der Gallensteinkolik.
Der Knabe ist aber nicht ikterisch gewesen; der
Urin enthält keine Gallenfarbstoffe oder den ent¬
sprechenden orangefarbenen Ring. Noch weniger
konnten Steine oder Gallenconcremente nachgewiesen
werden. Bemerkenswerth ist die bis über 8 Tage
währende Verstopfung. Erfolgt Stuhl, so zeigt er
die nach längerem Verweilen von Fäcalmassen im
Darmrohr charakteristischen harten Kugeln („wie
Schaf lorbern“; aber grösser). — In Folge der Stuhl¬
verhaltung traten dann wohl die höchst schmerz¬
haften Darmkrämpfe (Enteralgie) ein. Das Dümmste,
was nun geschehen konnte und w'as dem selbst¬
verständlichen obersten ärztlichen Grundsatz: „Nur
nicht schaden ! u ins Gesicht schlagen hiess, bestand
offenbar darin, die bestehende hartnäckige Ver¬
stopfung noch steigern! — und doch brachte dies,
wie schon oben gesagt, die Allopathie fertig durch
ihr heilloses Morphium. Was Wunder, wenn sich
die Symptome steigerten.
Der Appetit schwand bei dieser Behandlung
gänzlich, während noch nach Monaten der Vater
des Knaben hervorhebt, dass unmittelbar nach Dar¬
reichung der ersten homöopathischen Mittel resp.
des ersten Mittels der Appetit sich wieder einstellte.
Patient verlangt zum ersten Mal seit langer Zeit
wieder zu essen.
Ging nun auch die Heilung dieser offenbar
schweren und lebensgefährlichen Erkrankung tuto
et jucunde vor sich, so lag es nicht in der Natur
des Leidens, eine schnelle Wiederherstellung zu
ermöglichen. Gleichwohl zeigten die Eltern über
den Verlauf wiederholt ihre aufrichtige Genug-
thuung und Zufriedenheit. Sie waren verständig
genug nicht mehr zu verlangen, als menschen¬
möglich erschien.
Bei meinem ersten Besuch am 5. Oktober traf
ich den abgezehrten Knaben in einem jämmerlichen
Zustand. Die Untersuchung des Unterleibes ver¬
ursachte ihm arge Schmerzen, diese dauerten fast
continuirlich und verloren sich so allmählig, dass sie
nach Angabe des Sohnes, als er mich am 15. Febr.
dieses Jahres unerwartet selbst besuchte, noch
*/ 4 Stunde im Laufe des Tages kamen. Dabei sah
aber nun Patient so wohl genährt aus, war so
heiterer Stimmung, dass von Krankheit gar keine
Rede mehr sein konnte. Den Weg zu mir hatte
er zu Fus8 zurückgelegt, was mit der Rückreise
ca. 1 Stunde ausmachte. Er hatte tüchtig zuge¬
nommen, hatte respektabeln Appetit und die Ver¬
dauung war eine durchaus geregelte. — Hier lag
das Alpha und Omega des ganzen Zustandes. So
fand ich z. B. bei meinem zweiten Besuch am
22. Nov., also etwa 7—8 Wochen nach dem ersten,
dass die Ausleerung durchaus noch ein pathologisches
Aussehen hatte. Dieselbe war zwar geformt, aber
ungemein fest, wie polirt und bot zum Theil immer
noch diese eigenthümlichen Kugeln, wenn auch von
beträchtlichem Umfang; mit einem Wort, eine nicht
genau bestimmbare Verhaltung im Darm hatte statt¬
gefunden. Damals lag Patient meistens noch zu
Bett. Er neigte sehr zu Frost und kann von Glück
! sagen, den theilweise sehr strengen Winter über-
| standen zu haben ohne irgend welche Verschlimme-
: rung, die Genesung erfolgte vielmehr, wie schon
| angedeutet, stetig.
Die Hauptschmerzhaftigkeit bei Berührung be¬
traf nicht eine einzige Stelle, sondern mehrere, so
allerdings die der Gallenblase entsprechende Gegend;
aber ebenso schmerzhaft bei Berührung ist Monate
lang eine Stelle rechts und unterhalb vom Nabel.
Der Vater beschreibt die Schmerz-Paroxysmen
| so, dass sie allmählig gekommen und allmählig ge-
I gangen seien, gleichwohl auch zuweilen einen so
1 jähen Abschluss gefunden hätten, dass „sie icie
! mit einem Rucke zu Ende waren. u
| Der periodische Eintritt der Anfälle konnte ver-
\ leiten an ein Wechselfieber zu glauben, zumal die
I dumpfe Parterre-Wohnung unweit des Wassers, wenu
i auch keines stagnirenden, sondern der breit vorüber¬
rauschenden Saale, lag. Ebenso konnte man an
eine selbstständige Erkrankung eines grösseren zur
Verdauung in Bezug stehenden Nerven - Plexus
denken. Endlich erinnerten die subacuten Er¬
scheinungen sehr an Bleiintoxication, speciell an
Bleikolik. Doch bot die Anamnese keine Anhalts¬
punkte hierfür. Ich führe nun die in Anwendung
I gezogenen Mittel an in der Reihenfolge, wie sie
j verabreicht worden sind und im Verein endlich vom
schönsten Erfolg begleitet waren:
Thuja Graphites
Nux vomica Lycopodium
Ipecac. Sepia
Colocynthis Plumbum aceticum
Sulphur Calc. carb.
Chinin Alumina
Wegen eines intercurrirenden Augenleidens Bella»
I donna und Acidum nitri.
Bei offenbarer Besserung blieb ich länger bei
ein und demselben Mittel; oder es wurde, sobald
sich die dafür passenden Indicationen wieder ein-
, stellten, nochmals kürzere oder längere Zeit gegeben.
Um eine noch bessere Einsicht in diesen unge¬
wöhnlichen, diagnostisch nicht völlig aufgeklärten
Krankheitsfall zu ermöglichen, lasse ich noch Bruch¬
stücke aus den einzelnen Berichten in chronologischer
Reihe folgen:
24*
Digitized by
Google
188
Am 18. Okt. — 8 Tage nach meinem Besuch
und der Darreichung einer Gabe Thuja heisst es:
„Die Nase, welche seit langer Zeit trocken war,
ist jetzt feucht und fängt an abzusondem. Die
Zunge, Spitze und Ränder, blassroth, in der Mitte
schmutziggelb belegt. — Appetit bessert sich jetzt.
Es tritt Verlangen nach Nahrung ein. Beim Ein-
tritt der Schmerzen Seitenstechen, links über der
Hüfte nach vorn zu bis an die Rippen. — Schwitzen
der Hände nach innen und Schwitzen der Fuss-
sohlen und Kniekehlen (das Schwitzen ist vorher
schon eingetreten). Wasserlassen nach wie vor
reichlich. Der Stuhl wie bisher knotig, mit röth-
lichen Streifen umzogen. Die Schmerzen, welche
andauerten von */ 2 7 Uhr Morgens bis 8 Uhr, dann
von 1 / it 9 Uhr bis 10 Uhr, dann von Voll Uhr bis
1 / 4 1 Uhr haben sich jetzt in eins verzogen ohne
Pause. — Kein Fieber. Schlaf Nachts gut.“
Den 28. Okt. — nachdem Nux vom., Ipecac.
und Colocynthis gegeben und für den einzelnen
Paroxysmus Atropin, sulpli. 4. D. bestimmt waren,
heisst es: „Es folgte“ — auf Atropin, s. — „beim
Stuhlgehen nicht mehr, wie früher, Kugeln und
harte Ausleerung, sondern dickgeformter weicher
Stuhl und am Ende dünn. Der dickgeformte sah
grünlichgrau aus, der dünne gelblich. Bei dem Aus¬
leeren heftiges Poltern, Windumgehen mit heftigen
Schmerzen in der Herzgrube und den beiden schmerz¬
hatten Stellen (s. o.), Müdigkeit bei den Schmerzen.
Stets Kopfschmerzen. Urin mehr, als er trinkt“
(dies kann man ja auch bei anderen Krampfzuständen,
z. B. in der Migräne, beobachten). „Kalte Füsse
und innerlicher Frost, Schwitzen der Handteller und
Gelenke. — Appetit bessert sich von Tag zu Tag;
jetzt tritt auch Hunger ein.“ (Wäre wohl bei fort¬
gesetzter Morphium-Kur auch nicht der Fall ge¬
wesen).
Der folgende Bericht vom 12. November lässt
trotz mancher weiteren Attacken doch unverkennbar
die stetig fortschreitende Besserung wakmehmen. 1
„Seit Freitag am Oberarm, Brust, Gesicht und ,
Fingern Ausschlag, aber bis jetzt vereinzelt. Der j
Stuhl ist wieder kugelförmig, aber seit der ver¬
gangenen Woche regelmäßig alle Tage. Es gehen
jetzt auch wieder Winde ab, was früher nicht der
Fall war, vielmehr bildeten sich Knoten über der
Leistengegend“ (krampfhafter Darm Verschluss und
Aufblähung durch die verhaltenen Darmgase!). —
Nun schreibt der Vater zwar: Die Schmerzen,
welche zum Schreien nöthigen, dauern jetzt länger,
von früh 8 Uhr bis Abends 8 Uhr mit einer Pause
von 2—3 Uhr, fügt aber gleichwohl hinzu: „ Die
Schmerzen sind im Ganzen genommen viel schwächer
als früher.“ Also bezieht sich die Intensität nur
auf eine kurze Zeit. Am heftigsten sind sie von
11 bis 12 Uhr und von 5 bis 6 Uhr und meistens
von 7 bis 8 Uhr. „Der Schlaf ist gut und un¬
gestört.“
Auf Colocynthis folgte nun Sulphur wegen der
Tendenz des Organismus, auf der Hautoberfläche
kritische Exantheme zu erzeugen, was in Hinblick
auf die Accidentien (eine wahre Vaccinosis auf sy-
kotisch-skrophulöser Basis) sehr wichtig erschien.
NachGraphit undLycopodium „sind dieSchmerzen
wieder so ziemlich ins alte Gleis getreten, also
schwächer geworden“ (Bericht vom 27. November).
Aus diesem Berichte interressirt auch die Stelle:
i „Ich möchte Sie aufmerksam machen auf die Ohren.
| Von innen steigt hier eine Art Hitze oder Wärme
auf. So am rechten Ohr und red der Wange. Das Ohr
wird roth und dick und dann färbt sich die Wange
mit roth. w Wer dächte hierbei nicht an die para¬
lytische Form der Migräne, welche mit Lähmung ge¬
wisser Sympathicusfäsern zusammenhängt und neben
Temperatur-Erhöhung starke Rötbung der leidenden
Kopf hälfte im Gefolge hat.—
„Das linke Ohr ist kalt. Diese Erscheinung
ist öfters zu beobachten und bleibt, bis die Schmerzen
vorüber sind.“
Es war nun auch nicht schwer, unter den zur
Wahl sich stellenden Mitteln auf Sepia zu verfallen,
welche ganz besonders jenes eigenthümlicheVerhalten
hat: Einseitige oder halbseitige Affection des Kopfes,
in specie Migräne.
Darnach konnte am 14. December berichtet
werden:
„Die Schmerzen verändern sich, sie sind jetzt
so stossweise und nicht mehr so heftig; die Stösse
sind von kurzer Dauer und dann ist er oft von
5 Minuten bis zu einer halben Stunde ruhig.“ —
Einer eigenthümlichen Erscheinung thut der
Brief noch Erwähnung. Patient klagt, dass der
Speichel wie Koth riecht. Man hat wohl bei hart¬
näckiger Verstopfung Kothgeruch aus dem Munde
wahrgenommen, fauliger Geruch des Athenis bei
Magenkatarrh und, wenn die Gase den natürlichen
Weg nach unten verschlossen finden; aber speciell Koth¬
geruch des Speichels wird selten beobachtet werden.
„Haut des Nachmittags heiss über den ganzen
Körper. Beim Austreten aus dem Bett Frost (Er
ist in der Stube); Zunge in der Mitte etwas gelb¬
lich belegt. Befinden im Allgemeinen soweit gut.“
Stuhl ist wieder eingetreten. Dieses „wieder“
bezieht sich auf eine Nachricht vom 5. December,
wo es hiess: „Die Entleerung ist immer noch kugelig
und hart, was mir Sorge macht, weil er seit Frei¬
tag keine Neigung zum Stuhl hat.“
Seit 14 Tagen bekommt er Plumbum acet. 4. D.,
ein Mittel, auf das ich hätte eher verfallen sollen,
zumal die hartnäckige Verstopfung und die Inten¬
sität der Enteralgie, wie schon oben gesagt wurde,
an Bleikolik erinnerten.
Digitized by ^ooQie
189
Um den Leser nicht zu ermüden, citire ich nur
noch aus dem Bericht vom 12. December einige
Stellen, weil daraus die Heilwirkung von Plumb.
aceticum ersichtlich wird.
„Nach den jetzigen Pulvern haben die Schmerzen
um einige Stunden abgenommen, er hat des Vor¬
mittags 1—2 Stunden, wo er keine Schmerzen hat
und des Nachmittags ebenfalls 2 Stunden. Es ist
die Zeit von 11—1 Uhr und Nachmittags von 4—6 Uhr,
wo die Schmerzen nach diesen Pulvern abgenommen
haben; er fühlt sich auch in diesen Stunden ganz j
glücklich. Nach dem ersten Pulver schon regelte
»ich der Stuhl, die Knoten sind jetzt nicht mehr,
er ist sozusagen gesund. — Urin nicht mehr
so oft wie früher. Appetit gut, gchlaf gut. — ,
Ehe die Schmerzen angehen, muss er stets Hose
und Weste aufknöpfen, damit der Leib Platz ge¬
nug hat.“ — ,
Nun, der Leser weiss bereits, dass Patient wieder
wohl genährt und gesund aussehend, als Genesener
mich besuchen konnte, und der Vater, der übrigens j
den Namen des Gründers der Homöopathie trug,
weshalb besonderer Segen auf der Kur ruhen mochte,
hatte jetzt nur die eine Sorge, dass seinem Sohne |
nichts mehr passen wollte, Hose und Rock zu eng
wurden.
Vom Büchertisch.
Die homöopathische Behandlung der Augenkrank¬
heiten sowie der Ohrenkrankheiten nach den
Erfahrungen der homöopathischen Specialisten
DDrr. Vilas , Norton und Hovghton zum Ge¬
brauche für practische homöopathische Aerzte.
Bearbeitet von Dr. Th. Bruckner, homöopathi¬
scher Arzt in Basel. O 1 ^, Druckbogen. 8°. Preis
gut geb. Mk. 3.—, brosch. Mk. 2.50. (Verlag
von A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig).
Durch die Erfindung des Augenspiegels hat be¬
kanntlich die Augenheilkunde in Bezug auf die
Diagnose der Krankheiten des innern Auges un¬
geheure Fortschritte gemacht. Ebenso ist auch die
Erkenntniss der Krankheiten des Gehörorgans
wesentlich vervollkommnet worden durch den Ohren¬
spiegel; obschon die Veränderungen im innern Ohre
der Erforschung mit den Speculum unzugänglich
geblieben sind.
Leider hat die Therapie der Augen- sowohl als
der Ohrenärzte mit den Fortschritten der Diagnostik
nicht Schritt halten können, weil die allopathische
Schule sozusagen keine direct oder specifisch auf
| pathie. Für diese wurde durch die Erkenntniss
der Veränderungen im Innern des Auges, welche
der Augenspiegel uns enthüllt hat, ein ganz neues
Wirkungsgebiet eröffnet. Allerdings boten dem
homöopathischen Specialisten die bisherigen Mittel¬
prüfungen unserer Materia medica keine genügen¬
den Anhaltspunkte zu einer sichern Mittelwahl nach
dem Aehnlichkeitsgesetze.
Die Arzneien zur Heilung der verschiedenen,
durch den Augenspiegel erkennbar gewordenen
pathologischen Veränderungen im Innern des Auges
mussten erst entdeckt und an Kranken erprobt werden.
Durch das seit mehr als einem Vierteljahr¬
hundert in New*-York bestehende homöopathische
Augen- und Ohrenspital, welches seine Entstehung
der grossartigen Schenkung einer Gönnerin dieser
Heilmethode verdankt, ist der Homöopathie die
Möglichkeit, auf diesem Gebiete die nöthigen Er¬
fahrungen sich zu sammeln, bedeutend erleichtert
worden. Der homöopathische Specialist Amerikas
ist jetzt seinem allopathischen Rivalen, der von einer
Behandlung durch innere specifisch wirkende Mittel
nichts w eiss und nichts wissen will, bedeutend über¬
legen, da er neben der chirurgischen Behandlung,
die er so gut kennt und anzuwenden versteht, als
der allopathische Specialist, durch die rechtzeitige
Anwendung innerer Mittel in vielen Fällen seine
Kranken ohne Operation zu heilen im Stande ist,
und selbst wenn dies nicht möglich sein sollte, so
wird die Operation durch eine sorgfältige homöo¬
pathische Behandlung vor und nach dem chirur¬
gischen Eingriff viel seltener misslingen, weil da¬
durch die der Operation so oft nachfolgende Ent¬
zündung beinahe sicher verhütet werden kann.
Diese grossen Vorzüge der Behandlung durch ho¬
möopathische Specialisten werden in Amerika von dem
Hilfe suchenden Publicum immer mehl anerkannt.
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass
ein tüchtiger homöopathischer Specialist sich auch in
Europa bald eine gute Clientele erwerben könnte.
Aber w r o sollten solche homöopathische Specialisten
in Europa herkommen? Wie viele Studirende der
Medicin giebt es, welche als Studenten schon den
Vorsatz gefasst haben, nach vollendeten Studien
und glücklich bestandenem allopathischem Examen
sich auf das Studium der Homöopathie zu legen?
Unsere homöopathischen Aerzte haben meist
Jahre oder Jahrzehnte lang allopathisch practicirt,
bevor dieselben (wohl meist durch auffallende Hei¬
lungen) auf die Homöopathie aufmerksam gemacht
| wurden und sodann selbst mit homöopathischen
Mitteln Versuche angestellt haben. Solche Aerzte
einzelne Theile wirkenden Mittel kennt oder die- , können aber nicht leicht nochmals anfangen, ein
gelben wenigstens nicht als Heilmittel, sondern hoch- I Specialfach zu studiren. Dagegen müsste wohl
stens zu palliativen Zwecken zu verwenden versteht.
Ganz anders verhält es sich mit der Homöo-
jedem practischen Homöopathen ein Leitfaden will¬
kommen sein, in welchem er sich über die alltäglich
Digitized by ^ooQie
190
vorkommenden Augen- und Ohrenkrankheiten Auf¬
schluss verschaffen und die von erfahrenen homöo¬
pathischen Specialisten erprobten Mittel und Heil¬
verfahren nachsehend vergleichen könnte. Ebenso
wichtig ist es auch für den homöopathischen Arzt,
zu wissen, welche Augen- und Ohrenkranke er an
den Specialisten zu weisen bat. Das kleine Werk-
chen über die homöopathische Behandlung der
Augen- und Ohrenkrankheiten hat sich die Aufgabe
gestellt, den homöopathischen Arzt in den Stand zu
setzen, sich über die wichtigsten Augen- und Ohren¬
krankheiten orientiren zu können, insoweit dies
ohne specialistisches Studium möglich ist.
Wir begrüssen das Werkchen mit lebhafter
Freude und Genugthuung, umsomehr, als ein ähn¬
liches in unserer Literatur noch nicht existirt und
wünschen demselben die möglichst grösste Ver¬
breitung in den homöopathischen Kreisen. F.
Die Zahl der Aerzte in Deutschland.
Nach Ausweis des Reichsmedicinalkalenders hat
sich im Jahre 1893 die Anzahl der Aerzte im
deutschen Reichsgebiet wieder vermehrt; sie ist von
20,500 auf 21,621 gestiegen. Auf Preussen kom¬
men 12,851 (ein Plus von 777), Bayern 2431 (-{- 86),
Sachsen 1563 (-)- 40), Baden 855 (-[- 44), Würt¬
temberg 739 (-f- 28), Elsass-Lothringen 632 (-{- 33),
Hamburg 429 (-)- 8); in den übrigen Staaten bleibt
die Zahl unter 2ü0. Eine Abnahme haben Sachsen-
Altenburg (von 74 auf 70), Waldeck (von 31 auf
30) und Schauraburg-Lippe (von 19 auf 18) er¬
fahren. Im Verhältniss zur Einwohnerzahl kommen
im Durchschnitt im ganzen Reich auf je 10,000
Einwohner 4,37 Aerzte, gegen 4,15 im Jahr 1892.—
Die Zahl der Apotheker stieg von 4964 auf 4989,
davon in Preussen von 2726 auf 2777. Sie fiel
in Bayern von 650 auf 641, in Württemberg von
267 auf 264, Baden von 215 auf 202, Hessen von
111 auf 100.
Quittung.
Für das Homöopathische Krankenhaus zu
Leipzig sind eingegangen in der Zeit vom 19. Jan.
bis 18. Mai folgende Beiträge bei Herrn Apotheker
William Steinmetz , Leipzig:
1. Für dm Betriebsfonds: Mark
vom Homöopath.Centralverein Deutschlands,
Jahresbeitrag pro 1893 ! 94 . . . 500.—
von Prinzessin Bentheim-Tecklenburg, Ru¬
dolstadt, Jahresbeitrag pro 1893j94 12.—
„ Herrn Dr. med.Theuerkauf, Magdeburg
(durch Herrn Dr. Groos) . 100.—
Latus Mk. 612.—
Transport Mk. 612.—
von Herrn Dr. med. Kafka, Carlsbad*) . 18.27
,, „ Dr. med. Kallenbach, Rotterdam,
Jahresbeitrag pro 1893|94 . 12.—
,, ,, Herhausen, Braunschweig, aus
dem Nachlasse seiner Mutter 954.05
„ ,, Dr. med. Oberholzer, Zürich,
Jahresbeitrag pro 1893|94 . 100.—
,, Frau Aschenberg, Barmen, Jahresbei¬
trag pro 1893;94 .... 20.—
,, Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwasser,
Bernburg, Jahresbeitrag pro
1893 94 . 60.—
„ ,, Dr. med. Windelband, Berlin,
Jahresbeiträge pro 1891192
und 1892|93 ä M. 30.— . 60.—
„ ,, Dr. med. Hammerschmidt, Elber¬
feld, Jahresbeitragprol893 94 15.—
„ „ Dr. med. Hendrichs, Cölna. Rh.,
Jahresbeitrag pro 1893|94 . 20.—
,, ,, Dr. med. Henze, Halle, Jahres¬
beitrag pro 1893|94 . . . 10.—
,, ,, Restaurateur Baumeyer, Halle,
(durch Herrn Dr. Henze) . 3.—
,, ,, Dr. med. Meschlin, Basel, Jahres¬
beitrag pro 1893,94 . . . 8.90
„ „ Dr. med. Heyberger, Protivin,
Jahresbeitrag pro 1893194 . 3.—
„ ,, Dr. med. Göhrum, Stuttgart,
Jahresbeitrag pro 1893 94 . 10.—
,, Frau Anna Dörge, Leipzig . . . 20.—
,, Herrn Dr. med. Paul Lutze, Göthen,
Jahresbeitrag pro 1893 94 . 100.—
„ ,, Professor Berlin, Hamburg,
Jahresbeiträge pro 1892|y3
und 1893)94 ä M. 20.— . 40.—
,, ,, Stadtrath Dr. W. Schwabe, Leip¬
zig, Jahresbeitrag pro 1893(94 1000.—
,, „ Stadtrath Dr.W. Schwabe, Leip¬
zig , bei ihm eingegangene
• Beiträge.
Legat der verstorbenen Frau Sanitätsrath
Dr. Bürkner, Dessau ....
von Herrn Dr. med. Groos, Magdeburg,
Jahresbeitrag pro 1898|94 .
„ ,, Staatsrath Dr. Walz, Frank¬
furt a. Oder, Jahresbeitrag
pro 1893)94 .
,, ,, Dr. med. Loeck, Stettin, Jahres¬
beitrag pro 1893(94 . .
Ertrag der öffentlichen Sammlung in Leipzig
von Frau Dr. Brausch, Büdingen .
142.80
900.—
10.—
100 .—
10.—
801.30
5.—
,, Ludwig Klein,
Büdingen
Latus Mk
5035.32
*) Mitarbeiterhonorar von der Allg. homöopath. Ztg.
Digitized by G^OOQle
191
Transport Mk. 5035.32
von Frau Medicinalrath N. N. in N. . . 5.—
von Centralvereinsmitgliedern, 74 Jahres¬
beiträge ä M. 6.—. 444.—
2. Für den Bau/onds: Mk ' 5484 ’ 32
i Täschner & Co., Leipzig (durch
Dr. med. Frey tag), pro 1. April 1894 500.—
3. Für die Bibliothek:
von Frau Alex. Aschenberg, Barmen
sehe Monatshefte.
Mk. 5984.32
Westermann-
Für alle diese gütigen und reichlichen Zuwen¬
dungen sage ich im Namen des Curatoriums den
verbindlichsten Dank. Ich bitte auch ferner um
freundliche Unterstützung unseres Hauses und vor
Allem um gefl. baldige Einsendung der noch rück¬
ständigen Jahresbeiträge.
Leipzig, den 18. Mai 1894.
Hochachtungsvoll
William Steinmetz, Apotheker,
z. Z. Kassenverwalter.
Quittung.
Für die Unterstützungskasse für Wittwen
homöopathischer Aerzte sind in der Zeit vom
19. Januar bis 18. Mai folgende Beiträge einge¬
gangen :
von Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Sick,
Stuttgart*).M. 4.20
„ ,, Dr. med. Kallenbach, Rotter¬
dam, pro 1893|94 . . . „ 12.—
n „ Dr. med. Oberholzer, Zürich,
pro 1893|94.„ 21.65
„ „ Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwas¬
ser, Bernburg, pro 1893|94 „ 10.—
_ Latus Mk. 47.85
von
Herrn
Transport
Dr. med. Streintz, Graz, pro
Mk. 47.85
n
n
1893(94 .
Dr. med. Baltzer, Stettin*! .
r 3.80
„ 2.40
n
n
Dr. med. Hammerschmidt, El-
w
n
berfeld, pro 1893(94 . .
Dr. med. Kafka, Carlsbad, pro
n 15 —
»
n
1893(94 .
Dr. med. Heeremann de Hun-
„ 6.43
n
r>
dermark, Paris, prol893|94
Dr. med. Henze, Halle, pro
„ 30.85
V)
77
1893(94 .
Dr. raed. Heyberger, Protivin
n 11 —
r>
n
pro 1893(94 .
Dr. med. Jahn, Berlin, pro
„ 2.97
7)
V
1893j94.
Dr. med. Groos, Magdeburg,
„ io—
von
pro 1893(94 .
Central Vereinsmitgliedern: 73 Jahres-
, io—
beitrage pro 1893(94 4 M. 8. — .
r 584.-
Rmk. 724.30
Mit bestem Danke quittire ich über diese neuen
reichlichen Zuwendungen und bitte auch um fernere
gütige Unterstützung dieser guten Sache, — vor
Allem um gefl. baldige Einsendung der noch rück¬
ständigen Jahresbeiträge.
Leipzig, den 18. Mai 1894.
Hochachtungsvoll
William Steinmetz, Apotheker,
z. Z. Kassenverwalter.
Personalia.
Dr. Döge-Cammin hat das Dispensirexamen
bestanden.
*) Mitarbeiterhonorar von der Allg. bomöopath. Ztg.
*) Mitarbeiterhonorar von der Allg. bomöopath. Ztg.
Anzeigen.__
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter GQte, weies und roth, in Flasehen und Gebinden.
Probekisten, mit 10 j x oder 1, / A Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11.— bezw. Mk. 14.—.
Mez & Sehne, Freiburg, Baden
empfehlen ihre luftdurchlässigen und
desshalb allein zweckmässigen
Netz- und Zellenstoff-Unterkleider
aus Seide, Wolle oder Baumwolle.
Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
Dr. med. Walsera Chinagras-Wäsche
in Krepp- und ZellenstolT.
Prospecte postfrei zu Diensten.
Digitized by ^.ooQle
m
Ich suche einen approbirten Stellvertreter
für ungefähr 4 Wochen in den Sommermonaten —
am liebsten im August.
Dr. med. J. Kirn, prakt. homöopath. Arzt
in Pforzheim (Baden), Schlossberg 1.
Ende dieses Jahres erscheint:
The Universal Homoeopathic Annual
(jedoch nur in englischer Sprache).
Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬
schen Literatur der ganzen Welt und einüeberbliok
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬
schen Werke.
Herausgegeben von
Dr. med. Francois Cartier, Paris
und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof. Timothy, New-
York, Pierre Jousset, Paris, A. B. Norton, New-York,
L6on Simon, Paris, Seiden Talcott, New-York, Al-
phonse Teste, Henry C. Hougliton, New-York, W. B.
Van Lennep, Philadelphia, Burford, London, einer
Reihe hervorragendster Specialisten für Magen-,
Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-, Ge¬
schlechts-etc. Krankheiten in Frankreich und Amerika.
Preis 12 Mark.
Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um¬
fassen und zerfällt in zwei Theile, die Arzneimittel¬
lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als
nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt
und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden
mit den Anschauungen hervorragender Professoren
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind.
Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen
A. Marggrafs homöopathische Officin,
Leipzig.
Kastanienblüthen^Oel
und
Kastanienblüthen-Tinctur
aus den frischen Blüthen bereitet, haben sich als
thatsächlich gute Mittel zum Eilireiben gegen
Gicht und Rheumatismus schon seit langen
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens
empfohlen.
Zu haben in jedem gewünschten Quantum, in
Flaschen ä 50Pfg. bis zu Flaschen ä 1 / a Ko. = 4 M.
A. Marggrafs homttopath. Officin, Leipzig.
Prima entölten homoopath. Cacao.
Feinste homöopath. Gesundheits-Chokolade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem homöo¬
pathischen Gesundheitskaffee als Getränke gestattet,
empfehlen wir in reinsten und besten Qualitäten
und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
ä 1 Pfd. ä */* Pfd. ä \ 4 Pfd.
j ä 2.80 ä 1.50 ä —.80~Mk.
j Gesundheits-Chokolade ä Pfd. = 2 Mark,
i in */ 4 Pfd.-Tafeln ä 50 Pf.
| Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
! bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leichtester
Verdaulichkeit.
Homöopath. Central apotheke
von Täschner & Co. in Leipzig.
Fauna,
anerkanntes und vorzüglich bewährtes
Bandwurm mittel.
| Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum,
I direct von Natal in bester und frischester Qualität
1 importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus-
| gedehntesten Anwendung und Anerkennung von
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch¬
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine
| sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht
I ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen
I Bandwurmmittel.
' Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene
: oder Kinder) Rmk. 2.—.
A. Marggrafs homoopath. Officin, Leipzig.
Für Aerzte zur Vorbereitung auf das
Di8pensirexamen (in Berlin)
empfiehlt:
Drogensammlungen ä 20 Mark
Herbarien ä 18 Mark
Diese sind extra für das Dispensirexamen zusammen¬
gestellt und enthalten alle Drogen und Pflanzen,
die in diesem vorgelegt werden und in Frage
kommen können.
Hierzu Dr. Lorbacher’s Anleitung zum metho¬
dischen Studium der Homöopathie, brosch. 2 Mark,
geh. 2,50 Mark.
Ä. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moesa-Stnttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mitoer in Leipaig.
Digitized by {jOoq le
Band 128
Leipzig, den 21. Juni 1894.
No. 25 u. 26.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Heransgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggr&rs homöopath. Offlein) in Leipzig.
gPgr** Erscheint UtÄgig au 2 Bogen. 13 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10M. 30 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Poetanstalten nehmen Bestellungen An. No. 97 des Post-Zeitungs- Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstetn dbVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offloln ln Leipzig) zu riohten
sind, werden mit 30 P /pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhalt. Zeichen d«r Zeit. Von Dr. Bojanus sen., Samara. — Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Fortsetzung.) — Neuralgieen. Von Erastns Gase, M. D. — Dis nordamerikanisehen homüopathieehen Celleges ued
Spitaler. (Schluss.) — Vom Chirurgen-Congress. Asepsis und Antisepsis. — Lesefrllchte. —
Personelle. — Dr. med. Hermann Meyer in Oenabrflek, gest. 10. Jnni 1894. — Anzeigen.
•W“ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. "Wl
Zeichen der Zeit.
Von Dr. Bojanni sen., Samara.
Vor ein paar Monaten wurde mir von Dr. Galla*
vardin in Lyon, dem Verfasser von ,,Alcoolisme
et criminalitö“ (siehe Allgem. Homöopath. Ztg.
Bd. 120, pag. 6 u. f.) ein Schriftchen: „L’Aiimenta*
tion qui procure le plus de chaleur et le plus de
force musculaire intellectuelle et morale“ mit der
Bitte zugeschickt, ich möchte doch über dasselbe
ein Referat in die ,,Allgemeine“ einrücken. Ich thue
dieses um so mehr mit Vergnügen, da es, wie über¬
haupt auch Früheres von dem Verfasser Gelieferte,
obgleich nicht als abgeschlossen betrachtet werden
kann, dennoch reichen Stoff zum Nachdenken und
Untersuchen bietet. Wie der Titel des Schriflchens
besagt, ist der Gegenstand, dem er gewidmet, von
höchster Wichtigkeit und erheischt daher auch
näheres Eingehen.
Es zerfkllt in 9 kurze Abschnitte, von denen
der 9., als letzter, die Schlussfolgerungen enthält.
In dem 1. und 2. ist die Rede davon, dass jede
nicht praktisch verwerthbare Wissenschaft durchaus
diesen Namen nicht verdient, dass man aber in
Frankreich nicht das Zeug dazu habe, eigene Er¬
findungen praktisch auszunützen, und führt als
Beispiel Duchenne de Boulogne, die Nähmaschine,
das Telephon und die Dampfmaschine als Erfin¬
dungen an, die erst nach Amerika au 9 wandern
mussten, um bearbeitet und allgemein nützlich ge¬
staltet wieder heimzukehren. (Denselben Vorwurf
muss sich auch Deutschland besonders der Homöo¬
pathie und in specie Gross „Vergleichenden Arznei¬
mittellehre“ gegenüber gefallen lassen. Ref.) Er
selbst sieht sich als ein Opfer dieses nationalen
Indifferentismus an, denn während seine Schriften
Anklang und praktische Verwerthung in Amerika
fanden, verharren sie in Europa noch im Zustande
des todten Materials. Umsonst hat er sich bemüht,
dfcs Verhältniss der Medicin zur psychischen und
plastischen Sphäre des Organismus und ihre Stel¬
lung zur Diät, d. h. also nicht allein zur Nahrung,
sondern zur gesammten Hygiene zu beleuchten.
Die im Organismus erzeugte chemische Wirkung
gebiert als solche Wärme und körperliche Kräfte:
Thatsachen, die trotz dem von Robert Mayer ent¬
deckten Gesetze der Erhaltung der Kraft und dem
von Joule entdeckten, demzufolge die Gesetze der
Bewegung gleich sind, sowohl für belebte als auch
für unbelebte Körper, noch lange nicht gebührender¬
weise praktisch verwerthet wurden. Hier führt er
als Illustration das Benehmen der Lyoner Aca-
demie an, die es für überflüssig hielt, eine Com¬
mission zu ernennen, um den Fahrten des Marquis
Claude de Jouffroy d*Abbans auf dem Douhs Jbeizu-
wohnen; mehr noch: Die Academie hat drei bis vier
ihrer Mitgliedergenerationen durchgemacht und erst
nach einem Jahrhundert hat sie die Existenz „des von
ihr geleugneten Magnetismus" anerkennen müssen.
Nach Massgabe des Sinkens der Lufttemperatur
Digitized by
Google
194
wird der Organismus in die Noth Wendigkeit ver¬
setzt, auch mehr Wärme zu erzeS^fe, was aber
nicht nur den Versuchen Liebigp * und Milne
Edwards an Hühnern und Hunden, sondern auch
der Beobachtung und Erfahrung nach nur durch
Assimilation von Fett und der Kohlenhydrate, Cerea¬
lien, Leguminosen, Zucker und den ei weisshaltigen
Stoffen, Fleisch, bewerkstelligt werden kann. Die
Bewohner der Polarländer leben fast nur von Fisch-
thran, was aber nicht nur von den Bewohnern der
Polarländer, sondern auch von den die Steppen
Asiens, in denen beJ^gintlich ein überaus strenger
Winter herrscht, bewohnenden Baschkiren und Kal¬
mücken gilt, die massenhaft Hammeltalg und meist
nur fettes Hammelfleisch geniessen; ich selbst war
Zeuge davon, wie ein Baschkir ein Gefass, welches
mindestens 1 1 / 2 Flaschen geschmolzenen Hammel¬
talg enthielt, auf einmal, ohne abzusetzen, mit
Wohlgefallen lehrte. (Ref.) Ferner aber haben die
Versuche von Milne Edwards nachgewiesen, dass
die den Stoffwechsel verlangsamenden Stoffe: Spiri-
tuosa, Thee, Kaffee, die Körpertemperatur herab¬
setzen und dass das Gefühl von grösserer Wärme¬
entwickelung ein nur scheinbares und auf Reiz
des Gehirns, des Herzens und der Respiration be¬
ruhendes ist. In den folgenden, 4., 5. und 6., Ab¬
schnitten beweist er, gestützt auf die Experimente
von Milne Edwards, Marvaud, Bouchard, Picard,
Frankland und Liebig, dass nicht durch Fleisch die
meiste Muskelkraft, sondern abermals durch die
Kohlenhydrate, Fett und Knochenmark, welche alle
sieben Mal mehr Wärme produciren als mageres
Fleisch, erzeugt wird. Es sei daher, heisst es im
5. Abschnitte, das Urtheil Michel Levys, Milne
Edwards und Beclards, als habe sich die Arbeits¬
kraft der bei dem Bau der Eisenbahn von Paris
nach Rouen beschäftigten Arbeiter erhöht, nachdem
sie auf Fleischdiät gesetzt wurden, insofern irrig, als
dabei ausser Acht gelassen, dass das ihnen gereichte
Fleisch 12 °/ 0 Fett enthielt und dass die erhöhte
Muskelkraft diesem und nicht dem Fleische zu¬
geschrieben werden müsse. Nun entwickelt er im
7. und 8. Abschnitte, dass, je mehr Wärme ein
Nahrungsstoff erzeugt, desto mehr Kraft verleiht
er; dieser Satz ist von Lichtenfels und Fröhlich
bewiesen. Nach einer aus Fleisch bestehenden
Mahlzeit tritt beschleunigte Herzaction schneller
ein, als nach einer Mahlzeit aus Kohlenhydraten;
diese hält dafür aber auch länger an. Auf den
Unterschied der Wirkungsweise dieser Nahrungs-
sfofte gestützt, spricht sich Dr. Leven, Verfasser des
Buches über die Neurosen, dahin aus, dass Fleisch,
Spirituosa, Kaffee und Thee nicht Nahrungs-, sondern
Reizmittel des Hirnes und der Nervencentren seien;
dasselbe gilt auch von der Fleischbrühe (Bouillon),
wie dieses Bouchardat nachgewiesen hat.
Die Nahrungsstoffe nun, welche die meiste in¬
tellectuelle Kraft, sind auch wieder die, welche am
meisten Wärme .und Muskelkraft erzeugen, während
die Alkoholika sowohl die Muskel- als auch die*
intellectuelle Kraft herabstimnien. Als Beleg für
diese Ansicht fütfft er 'die Erfahrungen von Pärketa
und Henri de Parville an,, ferner auch noch den
Ausspruch Senecas aus seinem Briefe an Lucius, f in
welchem er, nachdem er längere Zeit nur Vegeta-
bilien genossen, sagt: „Agiliorem mihi animum esse
credebam,“ dann auch noch das diesem ähnliche Be¬
kenntnis von dem Schriftsteller Sarcey, und kommt
schliesslich zu der Ansicht, dass Ausschluss des
Fleisches aus der Nahrung eih Schutzmittel gegen
Hirn- und Mastdarm - Blutungen, ja sogar gegen
Ruptur von Aneurismen sei und fügt hinzu, dass-er
in Folge dieser Diät Leute im heissen Klima von
allen dort — im Senegal — herrschenden Krank¬
heiten geschützt habe, und zwar auf Grund fol¬
gender Thatsachen: 1. Die Mitglieder einer Pro¬
testantengemeine in Philadelphia, die weder Fleisch,
noch Fisch, noch Alkoholika geniessen, blieben
von Cholera und gelbem Fieber, die dort ein
ganzes Jahr lang herrschten, verschont. 2. Alle
Mönche des Ordens La Trappe blieben frei, nicht
allein von Cholera, sondern auch von Diphtherie
und Dysenterie, die in den, dem Kloster benach¬
barten, Gebäuden herrschten. Wenn nun, fährt
der Verfasser im 8. Abschnitte fort, die Nahrungs¬
stoffe, welche am meisten Wärme, daher denn auch
erhöhte Muskelkraft und ebenfalls intellectuelle zu er¬
zeugen vermögen, so werden sie dasselbe auch im Be¬
reiche der moralischen Thätigkeit zu Wege bringen,
und er stimmt vollkommen mit dem Ausspruche des
Aristoteles, in dessen Abhandlung von der Seele,
überein, dass weder Geist, noch Phantasie, sondern
das Gefühl die menschliche Thätigkeit in Bewegung
setzt, was auch Fredault fast in derselben Weise
ausdrückt, indem er sagt: Das Gefühl ist die Ini¬
tiative der That. Sind nun aber diese Aussprüche
etwa nicht im Einklänge mit den Wiener Physio¬
logen, welche dargetban haben, dass die hier in
Frage stehenden Nahrungsstoffe die sind, welche
am meisten die Activität des Herzens anregeu und
unterhalten, welches Blut und Leben im ganzen
Organismus verbreitet? Schliesslich macht er noch
einen Zusatz zu der Ansicht des Professor Regnault,
welcher darauf hin weist, dass Fleischkost den Ge¬
schlechtstrieb erhöht, indem er seinen Erfahrungen
zu Folge dasselbe vom Fisch und den Alkoholicis
sagen kann.
Aus allem Vorhergegangenen stellt er nun in
seinen Schlussfolgerungen folgende Diätregeln auf:
1. Wir müssen von Kindheit an unsere Ver¬
dauungsorgane an alle fetten Stoffe ge¬
wöhnen.
Digitized by
Google
195
2. An alle stärke* *und mehlkaltigen.
3. An alle zuckerhaltigen.
4. Es muss so wenig Fleisch als möglich ge-
uossen werden.
5. Die Vegetarianer thun Unrecht, dass sie das
Fleisch gänzlich aussclilicssen, da es aus
zwei Theilen, dem Fett und der Muskel¬
faser besteht.
6. Fett-, zucker-, stärke- und mehlhaltige Stoffe
sind die wahren, den Stoffwechsel verlang¬
samenden oder, wie er sie nennt: „Alimonts
d’epargne.“
7. Im heissen Klima muss man Fettes nicht
ganz ausschliessen, da es Hunger und Durst
beschwichtigt; eine Erfahrung, die viele,
namentlich Afrikareisende, gemacht haben;
ferner aber sind die fetten Stoffe Heil- und
Schutzmittel bei Rhachitis und dürfen auch
im heissen Klima nicht ausgeschlossen werden.
So interessant und theilweise auch verwerthbar
das von dem Herrn Verfasser Gebotene ist, so kann
es doch nicht als etwas Abgeschlossenes betrachtet
werden, und zwar aus dem Grunde nicht, weil wir
es doch nur mit Individuen zu thun haben, und
da diese unendlich sind, so dürften sich allgemeine
Regeln nicht überall aufstellen lassen. Um dieses
klarer und anschaulicher zu machen, wenden wir
uns an Analoga im Thierreiche: Wir sehen die
aufs Höchste entwickelte Muskelkraft bei den Affen,
den Thieren also, welche hauptsächlich Vegetarianer
sind, wir sehen aber auch zugleich eine ähnlich
entwickelte Muskelkraft bei Thieren, die haupt¬
sächlich Fleischfresser sind, und hier wieder einen
Unterschied zwischen denen, die von lebendem —
Löwe, Tiger u. s. w. — und die von todtem (Cadavern)
Fleische — Hyäne u. s. w. sich nähren. Ferner
ist es bekannt, dass ausscMiesslich Fleischfresser
sich sehr schwer mästen lassen, was bei Herbivoren,
Rind u. s. w., und bei Omnivoren, Schwein, sehr
leicht gelingt. Dasselbe beobachten wir bei den
Vögeln. Raubvögel sind nie fett, während Enten,
Schnepfen u. s. w. oft von Fett triefen, und auch
hier stossen wir auf Ausnahmen — die Pinguinen
zum Beispiel. Um das auf das Menschengeschlecht
anzuwenden, müssen wir da nicht eingestehen, dass
wir auch hier Aehnlichem begegnen? Es giebt
eine Menge Menschen, die bei verhältnissmässig
geringer Nahrungszufuhr fettleibig, andere wieder,
die bei verhältnissmässig reichlicher Nahrungszufuhr
dennoch mager sind und mager bleiben, ferner
müssen wir uns auch noch an eine, freilich nicht als
Wissenschaft anerkannte, von Vielen bekrittelte,
namentlich aber von Lichtenberg ins Lächerliche
gezogene Beobachtungsreihe — wir dürfen sie nicht
Wissenschaft nennen, das wäre gegen den guten
Ton und eine Beleidigung der „hohen Wissen¬
schaft“ gegenüber, welche beispielsweise die Tuber¬
culosis und die jüngst erneuerte Cholera-Therapie
schuf — die Physiognomik, wenden, doch ohne
auch weiter an diese Appell zu machen denken
wir nur an den verschiedenen, sprüchwörtlich ge¬
wordenen Ausdruck der Augen: Luchs-, Fuchs-,
Kalbs-, Glotzaugen, kluge Elephantenaugen; frage
sich ferner Jeder selbst, ob ihm denn nie Katzen-,
Löwen-, Adler-, Eulen-, Stier- und andere Physio-
gnomieen vorgekommen sind. Nun aber noch die
Geberden! Wem sind nicht Leute begegnet mit'
graeiösen Katzen-, mit komischen Affen-, mit schwer¬
fälligen Behemot-Bewegungen vorgekommen? Ferner
beobachte man, wie manche Leute essen, und man
wird das Raubtliier, den Wiederkäuer, den gierigen
Wolf und das schmatzende Schwein u. s. w. heraus¬
sehen. Dieses Alles zusammeugenommen und mit
der unabweisbaren Aehnlichkeit, die manche Men¬
schen mit Katzen, Löwen, Rindern, Schweinen,
Affen, Raub- und Singvögeln in ihrem Antlitz
führen, so gewinnt die Physiognomik, besonders
wenn sie sich an die Phrenologie anschliesst, eine
wahrhaft wissenschaftliche Unterlage. Daran wer-
l den viele „Männer der Wissenschaft“ zweifeln,
das gehört in der „Wissenschaft“ zum guten Ton,
und das Nichtanerkennen dessen, was man nicht
wahr haben will, zu noch besserem. Zweifeln,
leugnen und verwerfen ist sehr leicht, das kann
Jeder, auch der Dümmste, kritisiren natüi^ighgr-
weise auch, aber besser machen, das verstellen nur
Wenige, von diesen kann man nur Einzelne zählen,
während jene schockweise zu haben sind.
Die eben besprochenen Aelinlichkeitsbeziehungen
aber nicht sehen, heisst das nicht gar keinen Sinn
für Aehnlichkeit haben? oder wie die Franzosen
sagen: „Avoir au lieu de la bosse, la cavite.“ Denkt
man nun noch ferner an die Nuancen, die zwischen
diesen Typen liegen, und vergisst man dabei nicht
an die Mischlinge zu denken, so ist der Blick in
die Unendlichkeit der Verschiedenheit nicht schwer.
Dass das Alles aber nicht auf eine und dieselbe
Diät gestellt werden kann, wer wollte das wohl be¬
streiten?
Wir werden also vorab, was den hier behandelten
Gegenstand anlangt, uns mit dem begnügen müssen,
was Hausmann vor 27 Jahren aussprach:
„Wenn die organische Chemie erst so weit ge¬
diehen sein wird, um über die wahre Zusammen¬
setzung der organischen Stoffe aus unzweifelhaft
] feststehenden zusammengesetzten Radikalen als Ver-
i tretern von chemischen Elementen endgiltig ent-
j scheiden zu können, dass dann den vorausgegaugenen
fünf Büchern ein sechstes wird hinzugefügt wer¬
den müssen mit der Aufschrift: Sechstes Krank¬
heitsmerkmal, die Nährmittelreactionen — versteht
25*
Digitized by
Google
196
sich auf den kranken Leib und vice versa —, und
dass darin erst die sondernsten, die bestimmenden
Kennzeichen der Krankheit gegeben sein werden.“
(Siehe „Ursachen und Bedingungen der Krankheit,“
pag. 860.)
Während wir hier in diesem Schriftchen aus
dem südlichen Frankreich das Bestreben sehen,
durch prophylactische Massregeln den Menschen
zu verbessern, sehen wir in Amerika dasselbe Be¬
streben auftauchen, nur mit dem Unterschiede,
dass der Hebel an eine andere, ungleich wichtigere
Stelle gelegt wird. Wir meinen den, auf dem
Weltcongress in Chicago, gehaltenen Vortrag von
einer Dr. Millie Chapmann über die Behandlung
der Kinder vor ihrer Geburt („Prenatal Education“).
Gestützt auf die Erfahrungen mancher Beobachter,
unter Anderen auch denen Grauvogls, dass Hydro-
cephalus, dem alle Kinder einer Familie unter¬
lagen, durch Verabreichung von Calcar. carb.,
Phosph. und Sulphur während der Schwangerschaft
die Entwickelung dieses Uebels verhindert, geht
Frau Millie Chapmann weiter und findet in. den
socialen und moralischen, besonders ehelich zer¬
rütteten, odör durch Verführung und Betrug herbei¬
geführten Verhältnissen Schwangerer die Ursache
zu geistigem und moralischem Verkommen des
demnächst zur Welt kommenden Kindes, auf dessen
geistige Anlagen der verzweiflungsvolle, unglück¬
liche Zustand der Mutter während ihrer Schwanger¬
schaft einen so perniciösen Einfluss ausübt, dass
ihm die Anlage zu Menschenhass, Zerstörungssinn,
Mordlust u. s. w. angeboren wird, welche alle nicht
unterlassen, unter den in- diesem Falle stets ob¬
waltenden günstigen Momenten, sich mächtig zu
entwickeln. — Wer denkt da nicht an manche Gift¬
mischerin, welche gleichsam aus Liebe zum Hand¬
werk dasselbe systematisch trieb; denkt man an die
Massenmorde der Anarchisten, denkt man an die,
besonders in neuerer Zeit, so locker und zweideutig
sich gestaltenden Eheverhältnisse, so gewinnt die
ausgesprochene, sich übrigens auf Beobachtungen
und Thatsachen gründende Ansicht festen Boden.
Das Licht des Geistes ist ein Quell der Tugend,
Das Laster stammt aus Finsterniss und Nacht.
Viele, namentlich die „Männer der Wissenschaft“
in Europa, werden lachen und ausrufen: „Unsinn!
Faselei! — in Amerika wurde nicht gelacht, im Gegen-
theil, man empfing den Vortrag von Dr. Millie
Chapmann mit grosser Zustimmung und viele von
den Anwesenden theilten einschlägige Fälle von er¬
folgreicher Behandlung vor der Geburt aus eigener
Praxis mit.
Sollten die Menschen in Amerika gescheidter
und vernünftiger sein, als in Europa? — Fast
sieht es so aus.
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. HeMe-H&mbnrg.
(Fortsetsung.)
H.: Der 26 Jahre alte W. leidet seit 13 Wochen
an Magendruck, der nach heftigem Aerger gekommen.
Besser im Gehen und eher besser wie schlechter
nach dem Essen.
Schwindel beim Gehen im Freien .
Appetit schlecht. Unruhe im Körper .
7. Sept. 1892. Sepia X. an drei Abenden.
10. Sept. Mit jedem Pulver besser. Appetit
gut, Schwindel und Unruhe gebessert. Der Patient
hielt es nicht mehr für nöthig, sich zu zeigen.
Für langwierige Magenbeschwerden nach Aerger
fand ich sehr häufig Sepia angezeigt, nach kalten
Genüssen Lycopod.
H. : Schlosser L., 32 Jahre alt, aus F., schwarz¬
haarig, mässig genährt, klagt seit Jahren über sehr
lästigen Druck und Beklemmung in der Brust.
(Befund normal.)
Er kann trotzdem seine schwere Arbeit ver¬
richten, fühlt sich sogar wofder in der Arbeit ,
während ihm in der Ruhe die Beschwerden fühl¬
barer werden.
Er hat früher lange an Durchfall gelitten, doch
konnte ich bei diesem keine charakteristischen Zeichen
entdecken.
25. Mai 1888. Sepia sechs Pulver, wöchent¬
lich ein Pulver.
30. Juni. Bedeutend besser, hat seitdem keine
Beklemmung gehabt. Dieselben Pulver.
20. August. Befinden nicht so gut. Cont.
2 i. Jan. 1889. Seit einiger Zeit Drücken in
der linken Brust, jetzt auch nach dem Essen.
Die Untersuchung normal. Wieder Sepia X.
I. Nov. 1889. Im Januar sofort gut geworden.
Jetzt Schmerz in der linken Seite.
Schwindel mit Kopfschmerz über den Augen
und Schwarzwerden vor den Augen. Besser' durch
Rauchen.
Sep. X. fünf Pulver, Morgens und Abends
ein Pulver.
27. Nov. Sepia X. wöchentlich.
8. Febr. 1890. Seit Influenza wieder Schmerz
in der linken Brust. Sepia X.
21. Nov. 1891. Morgens Husten und AuswurJ.
Herzklopfen beim LinksUegen .
Wenn er nicht arbeitet Gefühl der Völle, wie
von Blähungen; die Arbeit bessert.
Kohl und blähende Speisen verschlimmern.
Schmerz in der linken Seite, aber umherziehend.
Tagelang Kopfschmerz.
Sitzen in der Stube gar nicht vertragen , am
besten draussen in der Znift, oder in der Werkstatt
bei der Arbeit Sepia X.
Digitized by L^OOQle
197
H. : L. aus L., ein Mann in den mittleren Jahren, I
consultirt mich wegen eines eigenthümlichen, ner¬
vösen Schwindels , der ihn mehr belästigt, wenn er !
Zeit hat, seinen Gedanken nachzuhängen. |
Schlimmer im langen Stehen, j
schlimmer in der Sommerhitze , j
besser in der Beschäftigung\ besomlers im Freien.
Der Kopf ist ihm wie betrunken.
Schlimmer Morgens und Abende ,
leicht beklommen im Zimmer ,
langes Sitzen verträgt er schlecht ; er hat kein
Sitzfleisch .
Früher hat er an Asthma gelitten bei Ostwind.
4. April 1892. Sepia X. jeden dritten Abend.
27. April. Seit dem Einnehmen hat sich sein
Zustand so sehr gebessert, dass er anfragt, ob er
überhaupt noch Etwas nehmen soll.
Gerade bei Sepia musste mir oft eine kleine
Andeutung genügen zur Mittelwahl, so die Unruhe
im Sitzen, das Beklommensein im Zimmer, die
Verschlimmerung im Müssigsein.
So auch im folgenden Falle.
Eine jetzt etwa zwanzigjährige junge Dame
bekam im vierten Lebensjahre Caries der Fuss-
wurzelknochen beiderseits. Ich bekam sie vor
5 Jahren in Behandlung, als sie schon 11 Jahre
im Rollstuhl zugebracht hatte.
Beide Füsse hatten ihre ursprüngliche Form
verloren, waren unförmliche Klumpen geworden,
aus denen durch etwa acht bis zehn Oeffnungen
bald mehr, bald weniger Eiter sich entleerte.
Das Allgemeinbefinden war stets ein gutes und
weder hieraus, noch aus der Vergangenheit der
Patientin konnte ich etwas für die Mittelwahl ver-
werthen. Ich musste unter den antipsorischen
Arzneien umhertappen, stets ein unbehaglicher Zu¬
stand, und erzielte auch in den ersten 3 Jahren
der Behandlung keine Besserung. Im Frühjahre
kamen regelmässig neue Schwellungen und neue
Stellen zum Durchbruch, während alte Fisteln zu¬
heilten.
Die gelegentliche Bemerkung der Patientin,
dass es ihr leicht zu warm würde im Zimmer (und
zwar im nicht zu warmen Zimmer), veranlasste
mich, ihr Sepia zu geben. Seit dieser Zeit wurden
die Füsse besser. Seit zwei Jahren bekommt sie
ununterbrochen Sepia X. und 200. in wöchent¬
lichen Gaben. Es kamen keine neuen Fisteln mehr,
die Füsse flachten sich allmählig ab und wurden
menschlicher. Momentan ist an jedem Fusse noch
eine Fistel mit wenig Secretion. Beide Füsse
stecken in ganz annehmbaren Stiefeln, die gelegent¬
lich verändert werden müssen wegen des Dünner¬
werdens der Füsse. Die Patientin vermag auf den
Füssen zu stehen und in zunehmendem Grade zu
gehen. Der Rollstuhl, den sie fast 15 Jahre hat
benutzen müssen, ist in Ruhestand versetzt. Sie
bewegt sich mit Hilfe eines oder zweier Stöcke in
der gegründeten Aussicht, auch diese später ent¬
behren zu können. Kurz, es ist ein Zustand, wie
er weder von der Patientin, noch von ihren Eltem-
noch gehofft worden war. Der günstige Um¬
schwung muss der Sepia zugeschrieben werden.
Bei Eiterung des Knochens setzt v. Boenning-
hausen die Sepia an hervorragende Stelle.
Es mögen einige Sulfur-Fälle folgen:
Th., Vorsteher einer Schule, consultirte mich
am 23. März 1892 wegen einer Halsaffection, die
seit 15 Jahren bestand und ihm in seinem Berufe
sehr hinderlich war.
Er litt sehr häufig an Mandelentzündungen mit
weissen Flecken auf den Mandeln,
Schmerz im Halse bei jedem Schlingen, be¬
sonders beim Leerschlingen,
Trockenheit im Halse,
Stimme sehr oft rauh, fast heiser.
Ist ausserordentlich leicht erkaltet.
Dies waren seine directen Klagen, ausserdem
fand ich:
Er schwitzt leicht,
leidet im Sommer an übelriechendem Fussschweiss,
im Winter an kalten Füssen.
Westwind wird als schädlich empfunden , trockener
Ostwind ist ihm nicht unangenehm.
Er erhielt von mir Sulfur 200., fünf Pulver,
jeden Abend ein Pulver.
Ara 6. April berichtet er über sein Befinden:
Es war seit Jahren nicht so gut, wie jetzt. Schein¬
pulver.
27. April. Fortschreitende Besserung. Sprechen
geht gut, noch etwas Schmerz beim Schlucken.
Am 10. Juni gab ich ihm wegen stille stehender
Besserung noch einmal Sulfur X. wöchentlich ein
Pulver.
Sein Befinden blieb, wie ich höre, seitdem ein
gutes.
Die grosse Erkältliehkeit, die Neigung zu
Mandelentzündungen lenkt von vornherein den
Blick auf Sulfur.
H.: Emil E., 7 Jahre alt, hat seit einigen
Wochen Husten, der seit 8 Tagen echten Krnch-
Atistew-Charakter zeigt.
Oeftere krampfhafte Anfälle, jedesmal mit
Speiseerbrechen, vorher Schmerzen in der Brust.
Zu erwähnen noch:
Wunde Nase und stetes Blossliegen .
4. Juli 1892. Sulfur X. drei Pulver für die
nächsten drei Abende.
11. Juli. Bedeutende Besserung. Anfälle wenig
und unbedeutend, ohne Erbrechen. Es zeigt sich
ein krustiger Ausschlag auf der rechten Backe, der
alle Vierteljahre sich einstellte.
Digitized by ^.ooQle
m
Der Knabe bekam Scheinpulver und die Mutter |
hielt weitere Behandlung für überflüssig, doch er- i
fuhr ich, dass der Husten bald ganz verschwunden ist. |
Der Husten hatte nichts Charakteristisches, das
stete Blossliegen und die wunde Nase bestimmten
mich für Sulfur.
Wunde Nase, Geschwürs- und Krustenbildung
in„ der Nase, chronischer Schnupfen deuten auf
Sulfur in erster Linie, dann noch auf manche
andere Mittel hin.
Wichtiger ist das stete Blossliegen. Dieses ist
bei Kindern ein starker Hinweis auf den Schwefel.
Ich unterlasse bei kranken Kindern niemals die
Frage nach diesem Symptom. Doch muss man sich
vergewissern, dass das Blosswerfen auch im Winter
in der kalten Stube geschieht. Dies ist die Un¬
erträglichkeit der Bettwärme beim Schwefel. Die
Kinder können kein Bett über sich leiden, haben
stets die Beine oben, so oft man sie auch zudeckt.
Befestigt man das Bett so, dass die Beine nicht
heraus können, so ist der Schlaf um so unruhiger.
Manchmal wird man finden, dass das Kind nach
Sulfur die Beine unter der Decke hält.
Ein diesem analoges Symptom findet man bei
Erwachsenen: Brennen der Füsse oder Fusssohlen
Nachts im Bett; er muss die Füsse herausstrecken.
Kent bemerkt in einer Vorlesung über Cupr.
metall. über die Schnelligkeit der Tussis-Heilung:
„Verbreitet ist immer noch die alte Ansicht,
dass der Keuchhusten den ganzen Winter dauert,
wenn er im Herbst kommt, im Frühjahr aber nur
zwölf Wochen. Das ist für allopathische Behand¬
lung richtig, dagegen ist es bei homöopathischer
Behandlung nicht ungewöhnlich, dass die ganze
Krankheit in wenigen Tagen verschwindet. Zu
solchen Erfolgen gehört grosse Mittelkenntniss.
Manchmal ist es allerdings schwer, charakteristische
Symptome zu erhalten. In solchen Fällen geht es
natürlich langsamer.“
Der letztere Umstand ist für manche Krank¬
heitsfälle erschwerend, doch muss ich auch hier
betonen: Je eingehender das Krankenexamen und
je ausgedehnter die Arzneimittelkenntniss des Arztes
ist, desto häufiger wird er Anhaltspunkte für die
Mittelwahl finden, auch in anscheinend ganz öden
und kahlen Fällen.
Wie der Keuchhusten, so wird auch bei anderen
Krankheiten, wie croupöser Pneumonie und Typhus
abdom., der Lauf so regulär, wie er sonst nach
Tagen und Wochen abgegrenzt zu werden pflegt,
durch das passende homöopathische Mittel abgekürzt
und erleichtert. Man merkt die günstige Arznei¬
wirkung an dem, im Vergleich zu der schweren
Erkrankung und den starken localen Erscheinungen,
ungemein günstigen Allgemeinbefinden. Ich er¬
innere mich einer schweren doppelseitigen Pneu¬
monie, welche unter Kali carb., indicirt durch die
charakteristische Verschlimmerung 3 Uhr Nachts
und die gezwungene Rückenlage, ausserordentlich
günstig verlief.
Dr. Kunkel und Waszily berichten von den
schweren Diphtheriefallen in Kiel, wo unter Ein¬
wirkung des epidemischen Mittels das Allgemein¬
befinden sehr gut war, trotz massenhafter Mem¬
branen auf den Mandeln.
H. : Minna H., 2 1 / 2 Jahre alt, hat seit 5 Wochen
skrophidöse Entzündung beider Augen , an der sie
vor 8 / 4 Jahren schon einmal gelitten. Diese be¬
gann mit einem krustigen Ausschlag um Nase und
Mund .
Blossliegen .
Zuckungen in den Händen im Schlaf.
Appetit sehr wechselnd, Verlangen nach Schwarz-
brod, Durst.
Urin stinkend, oft unwillkürlich abßiessend, be¬
sonders beim Zahnen.
Heisser Kopf, heisse Hände hei kalten Füssen ,
besonders im Bett .
6. Febr. 1892. Sulfur 200., zwei Pulver, an
den nächsten zwei Abenden zu nehmen.
17. Febr. 1892. Die Augen haben sich sofort
nach dem ersten Pulver gebessert; kein Durst;
Schlaf ruhiger; Geruch und Abfluss des Urins besser.
Die kleine Patientin erhielt Schcinpulver und
zeigte sich nicht wieder, doch habe ich Grund, an¬
haltende Besserung anzunchmen.
H.: Heinrich K., 7 1 j 2 Jahre alt, ein blonder
Junge von gesundem Aussehen, hat seit 14 Tagen
einen krustigen Ausschlag auf Oberlippe, Nase und
rechter Backe.
Er hat sehr leicht Schnupfen und Husten; letzterer
ist in der BettwCmnc schlimmer .
Er ist Nachts sehr unruhig, wirft sich stets bloss.
Appetit wenig.
Tagsüber ist der Kleine faul, legt sich gerne hin.
Die Schwester ist von mir früher an demselben
Leiden behandelt worden.
I. Oct. 1888. Sulfur 200., ein Pulver.
18. Oct. Der Ausschlag ist sofort abgeheilt
unter Abgang einer Masse von kleinen Würmern.
Das Befinden ist gut.
23. Dec. 1891. Seit Monaten schlechtes Aus¬
sehen, Ringe um die Augen; er wühlt furchtbar
Nachts im Bett; Blossliegen.
Appetit unregelmässig; kann nicht essen, ohne
zu trinken.
Klagt viel über kalte Füsse.
Sulfur 200. ein Pulver.
Der Patient kam bis jetzt nicht wieder, aber
ich kann auch hier annehmen, dass ich von ihm
gehört hätte, wenn das Pulver ohne nachhaltige
Wirktmg blieb.
Digitized by
Google
H.: Frau M., 59 Jabre alt, leidet seit Jahren
an Magenbeschwerden, die seit fünf Monaten täg¬
lich kommen.
Erbrechen zuerst der Speisen, dann von Galle.
Das Erbrechen erfolgt leicht, bald sofort, bald
später nach dem Essen.
Stets Magendruck; die Kleider dürfen nicht
eng anliegen über dem Magen.
Stets bitterer Geschmack.
Die Patientin fühlt sich besser nach dem Er¬
brechen.
Das Erbrechen kommt öfter im Liegen und
Bücken.
Sauer und Fett schlecht vertragen.
Stuhl jeden dritten Tag.
Zwehncd hat die Patientin Lungenentzündung
gehabt, ausserdem vor 19 „Jahren nasse Flechte ,
welche Narben hinterlassen hat.
20. Sept. J892. Sulfur X. jeden Abend ein
Pulver.
29. Sept. Speisen wurden nicht mehr, Galle
seltener erbrochen,
bitterer Geschmack besser, ebenso der Magen¬
druck.
Dieselben Pulver jeden dritten Abend.
13. Oct. Ausgenommen etwas AufWossen völlig
normaler Zustand, der am 3. Nov. bestätigt wird
und anhielt.
Die Vergangenheit der Patientin gab hier den
Ausschlag für die Arzneiwahl. Ohne die mehr¬
malige Lungenentzündung und die nasse Flechte
wäre ich hier nicht auf das Simillimum, den
Schwefel, gekommen. (Fortsetzung folgt.)
Neuralgieen.
Von Erastus C&se, M. D.
Dr. Gase hielt in der Jahresversammlung
(Mai 1893) der homöopathischen Gesellschaft von
Connecticut einen Vortrag über die Behandlung von
Neuralgieen und gab darin eine Anzahl inter¬
essanter He i 1 ungsgeschi eilten.
In den ersten Jahren seiner Praxis nahm er,
wenn ihm die homöopathischen Mittel versagten —
und das kam nicht selten vor, wenn er die Mittel
einzeln oder im Wechsel in massiven Dosen gab —
zu äusserlichen Hilfsmitteln seine Zuflucht, um den
Schmerz bei Neuralgieen zu heben. Er verordnete
oftmals Chinin, Ferrum oder Zincum valerian.
Namentlich war das letztere Präparat, in Pillen der
1. Dec.-Verreibung, sehr wirksam. Die Patienten
beklagten sich aber oft über den widerlichen Ge¬
ruch dieses Mittels. Ein alter Herr fragte den
Arzt einmal: „Doctor, was für eine Art von Guano
haben Sie mir da gegeben? Ich kann nicht ent¬
scheiden, ob es Fisch oder Vogel ist.“
Während der letzten 5 Jahre hat Dr. Case vou
allen äusserlichen Anwendungen abgesehen, und
nur das einfache Mittel in Dynamisatiosen ge
geben — und der Erfolg war gut. Er versichert,
dass das homöopathische Heilmittel nicht nur eine
dauernde Heilung herbeiführt, sondern auch dem
Kranken weit schneller Erleichterung giebt, als
irgend eine sonstige Behandlungsweise.
I. Arsenicum album.
Eine 27jährige Brünette, welche ihre Mutter in
einer schweren Krankheit gepflegt hatte, bekam
eine Neuralgie, welche trotz allopathischer Be¬
handlung zwei Monate lang in unveränderter Hef¬
tigkeit gedauert hatte. Die bisherigen Mittel waren:
Cocain, Antipyriu, Phenacetin, Morphium und
schliesslich eine aus Strychnin, Ferrum und Chinin
zusamraengesetze Mischung, daneben äusserliche
Manipulationen usque ad nauseam.
Anfangs war der Schmerz auf der rechten Ge¬
sichtsseite, jetzt ist er auf der linken localisirt.
Sie beschreibt ihn als brennend wie von einem
glühenden Eisen. Er beginnt am Foramen stylo-
mastoideum und folgt den Verzweigungen des
Trigeminus über das ganze Gesicht. Schlimmer
bei Nacht , besonders nach Mitternacht — und von
kältet' Luft. — Besser von hevtsen Umschlägen.
Sie ist die ganze Zeit über frostig. — Am Morgen
hat sie ein Gefühl von leerer Oedigkeit im Ma¬
gen. — So schwach, dass geringe Bewegung sie
erschöpf!.
Ref. Vier Pulver Arsen. 1. M., alle 3 Stunden
ein Pulver trocken auf die Zunge.
Die Besserung begann alsbald und schritt
stetig vor. Die völlige Heilung war im Laufe
einer Woche erreicht.
H. Belladonna.
Ein 87jähriger Mann, lang und dünn, der immer
mässig gelebt^ litt an einer Neuralgie. Der Schmerz
kam in häufigen, plötzlichen Stichen vom äusseren
Ohr linkerseits aufwärts nach dem Kopf und war
so heftig, dass er Verzerrungen des Gesichts und
Stöhnen verursachte. — Ein Pulver Bell. im. (F.),
trocken auf die Zunge, heilte ihn.
III. Bryonia alba.
Eine kräftige, brünette Frau, im achten Monat
Gravida (zum dritten Mal), hatte seit mehreren Tagen
ein beständiges Weh in der linken Schläfe, das
sich bis nach dem Gesichte herab verbreitete.
Schlimmer von .9 Uhr Abends bis in die Nacht ,
ausserordentlich gesteigert selbst von geringer Be¬
wegung . Die schmerzhafte Stelle empfindlich bei
Berührung.
Digitized by GiOOQle
200
Bryou. 30. in wässriger Lösung, stündlich 1
Theelöffel bis zur Besserung. — Einige wenige
beschwichtigten den Schmerz und er kehrte nicht
wieder.
IV. Capsicum.
Ein 53jähriger, magerer Mann litt seit 2 Wochen
an einem Gesichtsschmerz trotz der homöopathi¬
schen Mittel, die er, ein sonst geschickter Laien¬
praktiker, sich selbst verordnet hatte.
Der Schmerz charakterisirt sich durch Stiche,
die sich vom rechten Jochbein nach Auge, Nase
und Oberzähnen hinziehen. Diese Theile sind schon
gegen leichte Berührung empfindlich. Er hat das
Gefühl, als ob glühende Fäden durch die schmerz¬
haften Theile gezogen würden. Jene Wange hat
während der Schmerzen eine umschriebene Röthe. —
Es kommen täglich mehrere Anfälle, aber ohne
regelmässigen Typus.
Capsic. 200., 1 Pulver trocken, jeden Abend. —
Das erste Pulver brachte grosse Erleichterung, das
zweite brachte heftige Verschlimmerung hervor. —
Der Patient, der ein intelligenter Anhänger der
Homöopathie war und ihre Philosophie besser inne
hatte als sein Doctor zu seiner Zeit, verstand die
Bedeutung der erhöhten Schmerzen — und nahm
deshalb nichts mehr von der Arznei und ward ge¬
heilt. — Dies ist der erste Fall einer homöopa¬
thischen Verschlimmerung, bemerkt Dr. Case, dessen
er sich erinnere und für welche Beobachtung er
seinem Kranken Dank schuldig sei. Seitdem habe
er deren eine ganze Anzahl gesehen, manche zu
seinem Leidwesen, da sie den Patienten ernstliche
Unbill bereiteten.
V. China.
Ein 86jähriger, hagerer, ausgemergelter Mann
hatte seit mehreren Tagen an scharfem, stechen¬
dem, von einer Schläfe zur andern durchziehendem
Schmerz gelitten. Schlimmer vom geringsten Luft¬
zug, am Vormittag, wo ein dumpfes Kopfweh und
Schlafbetäubung hinzukomrat. — Schlaflos in dem
ersten Theile der Nacht. — Das Gesicht ist blass¬
gelb. — Er hatte mehrere Anfälle von Wechsel¬
fieber, die mit Chinin behandelt worden sind. —
China 12., 4 mal täglich 5 Globuli. — Am dritten
Tage meldete er sich gesund.
VI. Cinnabaris.
Ein 26jähriger Farmer mit kastanienbraunem
Haar, von scrophulöser Anlage, hatte seit einer Woche
täglich mehrere Anfälle einer Neuralgie, in der
Dauer von 1—3 Stunden.
Es ist ein heftiger Schmerz, der sich vom in¬
neren Winkel des linken Auges zum äusseren hin
erstreckt. — Verschlimmert von Licht. — Besser
vom harten Druck.
Cinnabaris 200., ein Pulver stündlich zur Besse¬
rung. Zwei Pulver wurden nur gebraucht. — Der
Schmerz kehrte nicht wieder.
VH. Dulcamara.
Ein 43jähriger Mann, eben falb scrophulös, mit
röthlichem Haar, hatte stechende Schmerzen auf
der linken Seite des Gesichts, des Kopfes, die fort¬
während ihre Stelle wechselten.
Vor 20 Jahren, da er bei offenem, nach Nor¬
den gerichtetem Fenster (Anfangs März) schlief,
hatte ihn ein kalter Regensturm aus Nordost ge¬
troffen. Morgens erwachte er mit einer Lähmung
der linken Gesichtsseite und Schmerzen, die unter
allopathischer Behandlung wochenlang anhielten.
Seitdem hatte er häufige Anfälle von Gesichta¬
schmerz, besonders bei feuchtem Wetter.
In Rücksicht auf die entfernt liegende Ursache
bekam er das Mittel, das ihn wahrscheinlich bei
dem ersten Anfalle geheilt haben würde, d. h. Dul¬
camara 1 Pulver c. M. (F.) trocken auf die Zunge.
Dies half ihm schnell. Er konnte am nächsten
Tage, der regnerisch war, ausgehen, ohne den ge¬
wöhnlich bei solchem Wetter sonst eintretenden
Schmerz. — Es ist fernerhin auch kein neuer An¬
fall der Neuralgie aufgetreten.
VHI. Magnesia oarboniea.
Eine 21jährige schlanke Blondine, im siebenten
Monat der ersten Schwangerschaft, hatte Schmerz
in den Ober- und Unterzähnen, immer schlimmer
nach dem Essen. — Die Zähne sind so empfind¬
lich, dass sie selbst von Berührung der Zunge
weh thun. Magn. carb. 1. M., 1 Pulver, so oft
der Schmerz ankoramt. — Schon das erste Pulver
gab sofortige Erleichterung, nach Verbrauch noch
einiger Gaben verschwand die Empfindlichkeit der
Zähne, sodass sie beschwerdefrei essen konnte.
IX. Magnesia phosphorica.
Ein 41 jähriger Mann, ein alter Raucher, klagt
über stechenden Schmerz im Gesicht, Kopf, Rücken
und der Bauchwandungen, immer umherspringend.
Der einzige besondere Umstand, den dieser Fall
bot, war die Erleichterung der Schmerzen durch
äusserliche Hitze. Dies führte auf Magnesia ph.,
wovon Patient 4 Pulver der 200. Potenz, 4stünd¬
lich je eins, trocken erhielt. Dies heilte schnell.
X. Merc. solubilis.
Eine 26jährige, dunkelhaarige, schwarzäugige
Frau hatte juckende (grumbling) Schmerzen durch
die beiderseitigen Gesichtsknochen, sowie auch durch
die Ober- und Unterzähne. Schlimmer zur Nacht;
die Zähne wie verlängert und empfindlich. — Der
Speichel ist reichlich und fliesst, beim Schlafen
Digitized by
Google
201
aus dem Munde. — Vier Pulver Merc. sol. 200.,
alle 2 Stunden je eins, trocken auf die Zunge, von
Morgens früh an. — Heilung erfolgte alsbald.
XI, Pul&atUla.
Eine 40jährige Frau mit braunem Haar und
grauen Augen, freundlich und wohlbeleibt, klagte
über Schmerzen, welche über Kopf, Stirn, Wirbel,
Hinterhaupt, mitunter bis zum Gesicht, herum-
wanderten. Schlimmer gegen Abend, im Hause, in
der Luft besser; sie weint beim Schmerz. Der Kopf
ist durchweg empfindlich. — Abneigung gegen
Wassertrinken.
4 Pulver Puls. 200., alle 3 Stunden je eins.
Es erfolgte eine dauernde Heilung.
XH. S&bftdilla.
Eine 27jährige Frau hatte vor 6 Jahren wäh¬
rend'ihrer Schwangerschaft mehrere Monate an einer
Neuralgie gelitten, welche seitdem mehrere Anfälle
gemacht. Bisher immer unter allopathischer Be¬
handlung. Der letzte Anfall kam vor 5 Wochen:
bisherige Behandlung erfolglos.
Symptome:
1.
Stechende
Nacken.
Schmerzen an Kopf, Gesicht
2.
Schlimmer
im Hause.
3.
n
von Bewegung.
4.
>)
gegen Abend.
r»;
i»
von nervöser Aufregung.
6. „ wenn sie an ihr Leiden denkt.
7. Aussergewöhnliche Neigung zu süssen Speisen.
8. Die Haut der Hände ist trocken und dick.
Hier rivalisirte Pulsatilla mit Sabad.; letztere
deckte aber auch die 3 letzten Symptome, welche
der Pulsat. abgehen.
Patientin erhielt also Sab. 1. M. 4 Pulver, zwei¬
stündlich je e4ns. Die Schmerzen Hessen bald
nach. — Nach 1 Monaten ein Rückfall in Folge
Ueberanstrengung beim Kleidernähen. 1 Gabe Tab.
c. Al. (F.) trocken auf die Zunge genügt zur Hei¬
lung.
XIII. Spjgelia anth.
Eine 41jährige Brünette, nervös, seitdem sie
vor 9 Jahren eine Meningitis cerebrospinalis über¬
standen, litt seit 14 Tagen an einem Schmerz, der
aussen am linkeu Ohr beginnt und sich über die
ganze, linke GesiethhseUe ausbreitet. Schlimmer hei
Nacht, besser von tiu.ssei'et' Warme und vom Druck .
Die Zähne sind empfindlich und thun besonders
beim Kaum der Speisen weh.
Spigel. 200. in Lösung, stündlich 1 Theelöffel
voll bis zur Besserung. — Sie hatte nur 3 Gaben
nöthig gehabt. Nach J» Tagen aber ein Recidiv.
4 Pulver Spig. 11 M., 4stündlich je eins, Morgens
anzufangen! Damit wurde die Heilung völlig erreicht.
XIV. Stannum metallicum.
Ein 50jähriger Mann, mit dünnem Haar, Ver¬
dacht auf Tuberculose, hatte seit 10 Tagen einen
Schmerz, der sich vom Foramen supraorbitale dex-
trum nach der Stirn hin verbreitete. Er beginnt
gewöhnlich Morgens früh und dauert bis Mittag,
allmählig zunehmend, bis er den Höhepunkt erreicht
und von da aber wieder allmählig abnehmend, bis
er verschwindet. ScliUrmner: vom Nieder bücken;
besser: von äusserlicher Wärme. — Dabei ein leichter
Husten, erregt von Trockenheitsgefübl in der Luft¬
röhre, schlimmer Nachts und vom Sprechen .
Ein Pulver Stannum 39. M. (F.), trocken auf
die Zunge Nachmittags gegeben, heilte die Neu¬
ralgie und beschwichtigte den Husten.
XV. Verbascum thapsus.
Eine 45jährige Frau, brünett, nervös, ver-
driesslich, verzagt, hat im linken Jochbein
einen Schmerz, ab ob dies gequetscht würde. Im
linken Ohr beständiges Weh mit dem Gefühl, als
ob dies verstopft wäre; dabei fahren Stiche durch
das innere Ohr, so oft sie den Kiefer bewegt.
4 Pulver Verb. 1. M., zweistündUch je eins. —
Heilung sofort. — Da der Herpes zoster seinem
Wesen nach neuralgischer Natur ist, so hält es Verf.
für ziemlich zweckmässig, zwei Fälle, die ihm letzt¬
hin zur Behandlung gekommen, mitzutheilen.
XVI. Arsenicum album.
Eine 33jährige Frau zeigte Herpesbläschen auf
der rechten Schulter und Brust, sowie auch auf
derselben Seite des Halses. Sie bestehen seit
2 Wochen. Patientin hatte eine Zinksalbe äusserlich
und innerlich ein Mittel in Tabletten, aber erfolg¬
los, gebraucht. — Der Schmerz ist in den afficirten
Theilen, als ob heisse Nadeln durch diese ge¬
stochen werden; schlimmer nach Ermüdung, vor
Mitternacht; er wird stechend, brennend von der
Luft oder warmen Umschlägen. — Die Salbe wird
bei Seite gesetzt. — Arsen. 1. M. 4 Pulver, zwei¬
stündlich je eins. Es stellte sich alsbald Besserung
ein. Innerhalb 8 Tagen waren die Bläschen und
der Schmerz vergangen.
XVU. Arsenicum albüm.
Ein 56jähriger Mann hatte seit 2 Monaten so
heftig an einem Herpes zoster, unter allopathischer
Behandlung, gelitten, dass er den grössten Theil
dieser Zeit arbeitsunfähig war. Der Ausschlag
nahm eine ungewöhnliche grosse Ausdehnung an.
Die Bläschen bedeckten vollständig die linke Kör-
perseitc von der Achsel bis zum Knie, sowie auch
die hintere Oberfläche der rechten Seite, Gesäss
und Hüfte. Er beschreibt den Schmerz ald bren¬
nend-stechend und juckend; er ist schlimmer von
26
Digitized by
Google
202
Bewegung, um 7 Uhr Nachmittags und nach Mitter¬
nacht.
Der Gebrauch der Salbe ward untersagt. Da¬
gegen protestirte der Patient, indem er sagt, das
sei das einzige Mittel, von dem er eine Linderung
seiner brennenden Schmerzen bekommen habe. Er
könne es ohne dieses nicht aushalten. — Dr. Case
erklärte, wenn er es nicht aufgebe, wollte er ihn
nicht behandeln.
Patient erhielt ein Pulver Arsen, c. M. (F.)
trocken auf die Zunge. — Am andern Tage be¬
richtete der Kranke, er habe in der vergangenen
Nacht zwar erheblichen Schmerz, aber doch seit
2 Monaten den besten Schlaf gehabt.
8 Tage später hatten die Schmerzen aufgehört,
die Bläschen waren vergangen. — Der einzige,
unangenehme, Ueberrest war ein Jucken, wenn er
von Bewegung warm wurde. —
Diese, im Novemberheft 1893 der Zeitschrift
The North American Journal of Homoeopathy mit-
getheilten Beobachtungen legen ein sehr be¬
redtes Zeugniss von der Leistungsfähigkeit der
Homöopathie auf dem Gebiete der Neuralgieen und
Neurosen ab. — Die krankhaften Zustände der
einzelnen Patienten sind gut gezeichnet; die charakte¬
ristischen Zeichen, in deren Auffindung durch sorg¬
fältiges Examen Dr. Case wirklich gross dasteht,
geben frappante Leitmotive zur Mittelwahl.
Die Dosis bewegt sich durchweg in Hoch¬
potenzen, von denen die 30. noch die niedrigste
war, steigt aber bis in die Fink’sclien c. M. Die
Erfolge hiermit sind wahrhaft glänzend zu nennen,
cito, tute und jucunde, hier und da eine Ver¬
schlimmerung abgerechnet. Bemerkenswerth ist
auch Dr. Case’s echt Hahnemann’sches Verfahren,
die Medication bei beginnender Besserung sofort ab¬
zubrechen. — Nach all diesen Richtungen geben uns
diese Krankheits- und Heilungsgeschichten guten
Stoff zum Denken und zum — Lernen.
Ref. Dr. Mossa.
Die nordamerikanischen homöopathischen
Colleges und Spitaler.
(Schluss.)
D. District of Columbia.
Washington: National Homoeopathie Hospital,
E-Street 304, (1881), 50. — Institution for the
Aged (1870).
E. Florida.
Jackson rille: Homoeopathie Department of
St. Luke’s Hospital (1878). — Orphanage and Home
for the Frietidless ij890).
F. Illinois.
Chicago : Baptist Hospital, Nord Halstead Street
Nr. 541, (1891), 25. — Hahneraann Hospital, Grove-
land Avenue 2815, (1870), 80. — Streeter’s Privat-
Hospital, 25 Street Nr. 25 — 27, (1890). — Found-
lings’ Home, South Wood Street Nr. 114, (1874),
65. — Nursery and Half-Orphan Asylum, North
Halstead Street Nr. 855 and Burling Street Nr. 175,
(1861, mit homöopathischer Behandlung seit 1864),
170. — Home for the Friendless, (1860). — Lin¬
coln Park Sanitarium (1890).
G. Indiana.
lndianopolü : Perry Surgical Home (?).
H. Jowa.
lies Maines: Hospital and Institute of Homoeo,-
pathy, Lyon Street 613, (1891). — Dr. Runnel’.s
Privat-IIospital, (1890), 10. — National Homoeo-
patliic Sanitarium, North Meridian Street Nr. 92,
(1889), 30.
lhdmgnc Ja.: Remedial and Surgical Institute,
Main Street Nr. 970—85, (1874).
Jowa City: Hahnemann-Hospital (1886), 8.
I. Kansas.
r Toj)eka: Kansas Surgical Hospital (1882).
Wichüa: Homoeopathie Hospital (1889).
Atclmon: Home of dependent Children of Kan¬
sas, (seit 1890 mit homöopathischer Behandlung).
K. Louisiana.
Neu' Orleans: Homoeopathie Hospital (1892). —
Protestant Orplmn Asylum, (1853, seit 1858 mit
homöopathischer Behandlung), 16. —
L. Maine.
Portland: Maine Homoeopathie Hospital (1891).
Hallowell: Homoeopathie Sanitarium (?)•
M. Maryland.
Baltimore: Homoeopathie Hospital, North Paca
Street Nr. 323, (1890), 25.
N. Massachusetts.
Boston : Homoeopathie Hospital, East Concord
Street (1855, bezw. 1876), 200. — Boothby’s
Hospital, Worcester Square Nr. 1—5, (1891), 31.—
Murdoch’s Free Surgical Hospital for Women, Hun-
tingdon Avenue (?) 100. —Newton Cottage Hospital,
Washington Street, (1886), 25. — Baldwin Place
Home for little Wanderers (1865). — Consumplives
Home, Vernon Street Nr. 4, (1864). — House of
the Angel Guardian (1864, mit homöopathischer
Behandlung seit 1866). — Woman’s Temporary
Home of the New England Moral Reform Society,
Shawmut Avenue Nr. 476, (?) 12.
Digitized by ^.ooQie
203
Maiden : Hospital (halb allopathische, halb ho¬
möopathische Behandlung, 1889).
Tounton : Morton Hospital (1889).
Quincy: Hospital (1890).
Loicell: Home for young Women and Children,
John Street Nr. 9, (?).
Westbor ough: Asylum for the Insane, Staats-
Anstalt (1886), 471.
Sandtmch : White’s Private Asylum for the
Insane (1891).
West Neicton : Newton Nervine, Privatspital
(1892).
O. Michigan.
Ann Arbor : Homoeopathic Hospital of the
University of Michigan (1878), 50.
Detroit : Grace Hospital (1888, aus freiwilligen
Beiträgen, darunter 100,000 Doll, von Mr. James
Mc Millan und John S. Newberry, errichtet und
1888 eröffnet), 142.
Jackson: Hospital of the Michigan State Pri-
son, (seit 1859 in den Händen der Homöopathen).
Jonia : Asylum for Insane Criminals Staats-
Anstalt mit homöopathischer Behandlung(1855), 122.
Ausserdem besteht ein Hospital of the Grand
Rapits Union Benevolent Home seit 1891 mit zum
Th eil homöopathischer Behandlung.
P. Minnesota.
Afinneapolis: Homoeopathic Hospital, 25 Street
and fourth Avenue, (1883), 75. — Maternity Hospi¬
tal, Fourtli Avenue Nr. 2529, (1886), 20. — Me¬
dical and Surgical Institute, Privat-Spital, (1890). —
Still water Homoeopathic Hospital (1881). — St.
Paul Homoeopathic Hospital, Agate Street Nr. 800,
(1887), 25. — Church Home for Babies (1885),
12. — Sheltering Arms (1883), 30.
Fergus Falls : Tliird Minnesota Hospital for the
Insane, (Staats-Anstalt mit homöopathischer Be¬
handlung seit 1890), 150 Betten, doch ist Raum
für 1200 Kranke.
Faribault: Minnesota State Deaf and Dumb
Asylum (1858).
Q. Missouri.
St. Lauts: Good Samaritan Hospital (1861),
75. — Children’s Hospital (1880), 75. — Women’s
Homoeopathic Hospital of Missouri (1891). — Alton
Sanitarium (25 Meilen nördlich von St. Louis am
Mississippi gelegen).
Kansas City: Homoeopathic Hospital (1889), 20.
R. New Jersey.
Camden: Homoeopathic Hospital and Dispensary
Association (1888), 20.
New Jersey{ Home and Hospital for Invalid
Soldiers and Sailors, (?).
Newark: Old Ladies’ Home, (?). — Orphan
Asylum, (1849, mit homöopathischer Behandlung
seit 1875), 100.
Txikewood: Winter Sanitarium, (?).
Ptainfield: Brookside Retreat, Privat-Spital (1890).
S. New York.
New York: Hahnemann Hospital, East 55 Street
Nr. 307, (1870), 70. — Helmouth House, East
12 Street Nr. 41, Privat-Spital (1886), 20. — House
of the Good Samaritan Deaconesses, (seit 1889 mit
dem Hahnemann-Hospita! vereinigt). — The Laura
Franklin Free Hospital for Children, Madison Avenue,
111 Street, (1888), 52. — Hospital of ^he New
York Medical College for Women, West 54 Street
Nr. 213, (1863), 24. — New York Ophthalmie
Hospital, 4 Avenue, 23 Street, (1852), 55. —
Hospital of the Protestant Half-Orphan Asylum
(1835, seit 1847 mit homöopathischer Behandlung).—
New York Homoeopathic Charity Hospital, Ward’s
Island (1875), 570. — American Female Guardian
Society and Home for the Friendless, (mit homöop.
Behandlung seit 1866). — New York Homoeo¬
pathic Sanitarium, W. 34 Street Nr. 137, (Privat-
Spital 1890). — Children’s Hospital of the Five
Points House of Industry (1887), 55. — Florence
i Hospital of New York City (1890). — New York
j Free Homoeopathic Hospital, verbunden mit dem
j New York Medical College, Eastern Boulevard, 63
I und 64 Str., (1890). — Isabella Helmuth Hospi-
| tal, für chronisch Kranke (1889).
! Albany: Homoeopathic Hospital and Dispen¬
sary (1872, bezw. 1875), 45. — Albany House of
Shelter (1868), 30.
j Brooklyn: Homoeopathic Hospital, Cumberland
j Street and Myrthe Avenue (1852, reconstruirt 1870,
bezw. 1890), 100. — Homoeopathic Lying — in
Asylum, Laurence Str. Nr. 88 (1870), seit 1873
Brooklyn Homoeopathic Maternity genannt, 50. —
The Brooklyn Nursery (1887), 13. — Invenile
i House of Industry (1857). — Orphan Asylum
(1833, mit homöopathischer Behandlung seit 1859).
Binghampton: New York State Asylum for the
Chronic Insane (1881), Staats-Anstalt mit 1325
Betten. — Temple Home for Women, Privat-Asyl.
Buffalo: Homoeopathic Hospital, Washington
Street 343, (1872, bezw. 1885), 50. — Ingleside
Home and Hospital, Thirteenth and Vermont Str.
(1869).
Middletovm: Homoeopathic Asylum for the In¬
sane (1874), 525.
Mount Vemon: Wartburg Orphans’ Farm
School (1866).
Owego: Gienmary Home for Women, Privat-
Anstalt (1889).
26*
Digitized by
Google
JRoehesier : Hahnemann Homoeopathic Hosjutal |
(1889). — Homoeopathic Hospital (1889), 30.
Syracuse: Onondaga County Orphan Asylum j
(mit homöopathischer Behandlung seit 1847).
Tarry toten ; Riverside Sanitarium (1889), 25.
TJtica: Faxton Hospital (1875), 30. — St. Luke’s
Home and Hospital. — House of the Good Shepherd
for Destitute Children (1872), 40.
T. Ohio.
Cleveland : Protestant Homoeopathic Hospital,
Huron Str. Nr. 66 , (1873), 70. — Maternity Home,
Huron Str. Nr. 62, (1891).
Cincinnati : Ohio Hospital for Women and Chil¬
dren (1881), 20 .
Toledo : Protestant Hospital (1876), 30.
U. Pennsylvania.
Allegheny: Christian House for Women (1872,
40. — Colored Orphan Asylum (1879). — Home
for the Agad Poor (1872), 95. — Protestant Home
for ‘Boys (1886), 36.
Erie: Harnst Hospital (1881), 25. — St. Vin¬
cent Hospital (1875), 30.
Gemiantown: Rosine Asylum, (mit homöopathi¬
scher Behandlung seit 1882).
Philadelphia: Homoeopathic Hospital of the
Hähnemann Medical College (1887, bezw. 1890),
135. — Childrens Homoeopathic Hospital, North
Broad Street Nr. 914, (1877), 50. — Medical, Sur-
gical and Maternity Hospitals of the Women’s Ho¬
moeopathic Association of 'Pennsylvania, Susque-
lianna Avenue (1882), 60. — Bethesda Children’s
Christian Home. — Old Ladies’ Home, Frankford
Avenue (1888).
PUttburgh : Protestent Home for Iucurables (1884),
65. — Home for the Aged Poor, Penn Avenue,
(1884), 95. — Homoeopathic Medical and Surgical
Hospital and Dispensary (1866, bezw. reconstr. 1884),
200 .
Ptadln g: Ridgewood Sanitarium (1887), 32. —
Homoeopathic Hospital (1891).
V. Rhode Island.
Providence: Homoeopathic Hospital (1878), 24.
W. Texas.
San Antonio: Protestant Home for Destitute
Children (1887). — Fabiola Infirmary (1891).
X. Wisconsin.
Afilteankte: Baby’s Home (1884), 13. — Or¬
phan Asylum (1852), 7. — St. John’s Old Ladies’
Home 1 I 868 ).
Es bestehen also nach Bradford’s Angaben in
den Vereinigten Staaten 139 Krankenhäuser und
Asyle mit homöopathischer Behandlung. 78 hiervon
haben die Zahl der zur Verfügung stehenden
Betten angegeben, mit insgesammt 6471. Nicht
angeführt haben wir jene Häuser, deren es na¬
mentlich im Staate New-York verschiedene zu geben
scheint, in denen gemischte (allo-homöopathische)
Behandlung stattfindet. Dr. Pohlmann.
Vom Chjrurgen-Congreso.
Asepsis und Antisepsis.
Herr Messner (München): Experimentelle Studien
über die Wundbehandlung hei injicirten Wunden.
Vortragender hat durch Experimente an Kanin¬
chen festzustellen gesucht, ob es mit Hilfe unserer
gebräuchlichen Antiseptica (namentlich des iLysol
und der dreiprocentigen Carbolsäure) gelingt, mit
Eitercoccen inficirte Wunden, die, wenn sie nicht
antiseptisch behandelt werden, Neigung haben, in
progrediente Phlegmonen überzugehen und den Tod
des Versuchsthiers herbeizuführen, durch Ausspü¬
lungen mit dreiprocentigen Lysol- und Carbolsäure-
lösungen und antiseptische Nachbehandlung zu des-
inficiren, respective den progredienten Charakter
der Eiterung zu verhindern. Messner hat an 23
Kaninchen in der Weise experimentirt, dass er immer je
zwei Kaninchen von einem Wurf, einer Farbe, Grösse
und Gewicht in derselben Weise inficirte und dann
nach einigen Stunden bei beiden Thieren die inficirten
Wunden sorgfältig auswusch und zwar bei dem einen
Thier mit 3 / 4 procentiger sterilisirter Kochsalz¬
lösung, bei dem anderen mit dreiprocentiger aut*
37° erwärmter Lysol- und iCarboisäurelösung. Bei
dem letzteren Thier wurde die Wunde nach der
Desinfection mit nasser Carbolgaze locker ausge¬
stopft und darüber ein nasser Carbolumschlag ge¬
macht, während bei dem erstgenannten aseptiseh
behandelten Thier die * Wunde trocken aseptisch ver¬
bunden wurde. Der Infectionsmodus war der, dass
bei den Thieren am Vorderbein eine circa 2 cm
lange Weichtheilwunde angelegt wurde, -die durch
die Haut, Fascie und M.usculatur ging. Durch Ein¬
gehen mit der Fingerkuppe bildete man sich eine
Tasche, in welche der Infectionsstoff (entweder
frisch entleerter menschlicher virulenter Eiter oder
zwei Tage alte Eiterbouilloncultur, welche ‘bei 37°
im Brutofen aufbewahrt werden war) in der Quan¬
tität von 2 ccm gebracht wurde. Darüber wurde
ein trockener aseptischer Verband angelegt, der
bei je zwei Thieren immer gleich lange (bis zu
18 Stunden) liegen blieb. Alsdann wurden nach
Abnahme des Verbandes die Wunden in der oben
angegebenen Weise ausgewaschen, wobei die Wund¬
ränder mit scharfen Haken auseinander gehalten
Digitized by c^ooQie
und die Wunde nötigenfalls mit dem Meßser dila-
tirt ^rurde, um alle Buchten gut auswaschen und
außreiben zu kennen. Der Erfolg der verschiedenen
Behandlungsmethoden war der, dass alle aseptisch
behandelten Thiere (zehn Stück) mit Ausnahme
eines einzigen in den nächsten 8—14 Tagen nach
der Operation an progredienten Phlegmonen zu
Grunde gingep, während alle antiseptisch behandelten
Thiere (zehn) mit Ausnahme eines einzigen am
Leben ,bUeben und deren Wunden ausheilten.
Bei ^wei der antiseptisch behandelten Thiere heilten
die Wunden pfope Eiterung, bei den anderen acht
stellte sich geringe Eiterung ein, die aber stets den
lokalen Charakter bewahrte. Nur ein T^ner dieser
Kategorie ging an progredienter PJilegmone zu
Grunde. Während der Eiter der aseptisch behan¬
delten Thiere höchst virulent war, so dass alle da¬
mit geimpften Controlltbiere in ein bis zwei Tagen
zu Grunde gingen, war der Eiter der antiseptisch
behandelten Thiere. die am Leben blieben, gar
nicht virulent, upd sämmtlicbe mit diesem Eiter ge¬
impften Controllthiere blieben vollkipppien gesund.
Es geht aus diesen Experimenten zur Evidenz
hervor, dass es beim Kaninchen gelingt, inficirte
Wunden, die bei aseptischer Wundbehandlung Nei¬
gung haben in progrediente Eiterung überzugeben
und den Tod des Versuchsthieres herbeizuführen,
durch Ausspülung mit dreiprocentiger Lysol- und
Carboisäurelösung und streng antiseptische Wund¬
behandlung zuwcilep noch nach 18 Stunden nach
Beginn der Infection zu desinficiron respcctivc eine
progrediente Phlegmone und den Tod des ,T!iieres
zju verhindern.
In zweiter Linie stellte Messner Versuche dar¬
über an, ob die dreiprocentige Carbolsäure, wie
die modernen radialen t \septiker behaupten, das
thicrißehe Gewebe in seiner vitalen Energie gegen
die Mib r °U r gUidsm 9 n zu schädigen und dps Gewebe
zur Eiterung zu prädispopiren vermöge. Zunächst
machte Messner das Herniann’ßcbe Experiment in
der Weise piodificirt pach, dass er statt 1 ccm von
drciproceptiger Carbolsäure 1 ccm 8 / 4 procentige
sterilisirte .Kochsalzlösung einem Kaninchen unter
die Rüqkpnhaut spritzte und nach einer Stunde an
dieselbe Sfelje 0,1 ccm einer zwei Tage alten Eiter-
bopijdeuculfur von Staphylococcus albus, von welcher
nach permann’s Angabe mindestens 1 ccm dazu
gehörte, ,mn bei einem Kaninchen, unter die Haut
gespritzt, Eiterung zu erzeugen. Wenn Hermann
ajher 1 Stunde vorher 1 ccm dreiprocentiger Carbol¬
säure an dieselbe Stelle unjter die Haut gespritzt
hatte, .so trat s^hon b?i einer I)osis von 0,1 ccm
Staphylococcenreincultur Eiterung bei dem Thier
ein, während bei dem Controllthier diese kleine
Dosis keine Eiterung zu erzeugen vermochte und
auch die Carbolsäure allein keinen Abscess machte.
Bei Messnpr’s Experimenten stellte sich nun eben¬
falls Eiterung ein bei den Thieren, depen er qu¬
erst 1 ccin a / 4 proeentige sterilisirte Kochsalzlösung
und nach einer Stunde. 0, l ccm Staphylococcenrein¬
cultur an dieselbe Stelle unter die Haut gespritzt
hatte, und es geht daraus hervor, dass es gar nicht
die .Carbolsäure an sich ist, welche das Gewebe zur
Eiterung prädisponirt, sondern vielmehr das rein
physikalische Moment der Durchtränkung des Ge¬
webes mit einer sei es auch ganz indifferenten
Flüssigkeit, welche den oben genannten Effect her¬
vorbringt, eine Thatsaelie, die durch Experimente
von Gärtner (Heidelberg) bestätigt wird. Messner
hat alsdann in anderer Weise eine Schä4igung des
Gewebes durch Carbolsäure hervorzubringen ge¬
sucht : er legte bei einem Kaninchen eine Wunde
am Vorderbein in der oben angegebenen Weise an,
irrigirte diese W un de mit dreiprocentiger Carbol¬
säure und stopfte sie alsdann mit nasser Carbol-
gaze fest aus und legte einen nassen Carbolpm-
schlag darüber. Nach 18 Stunden wurde der Ver¬
band entfernt, die nasse Carbolgaze aus der Wunde
herausgenommen, und nun wurde die Wunde jn
der oben geschilderten Weise inticirt und ein trocke¬
ner aseptischer Verband angelegt. Nach sechs
Stunden wurde der Verband abgenommen, die
Wunde tüchtig mit dreiprocentiger Carbolsäure aus¬
gewaschen und darauf trocken aseptisch verbunden.
Das Controllthier wurde in derselben Weise ipheirt,
ohne dass vorher die Wunde mit Carboisäureaus¬
waschungen und Carbolsäureuinschlag vorbehandelt
worden war und nach sechs Stunden wurde bei
dem Controllthier nach Abnahme des Verbandes die
inficirte Wunde mit */ 4 procentiger sterilisirter Koch¬
salzlösung (37°) ausgewaschen und dann trocken
verbunden. Das Controllthier starb nach acht Tagen
an progredienter Phlegmone, während das mit Car¬
bolsäure vorbehandelte Thier am Leben blieb und
seine Operationswunde kaum eiterte. Gauz derselbe
Erfolg war bei einem zweiten Paar Kaninchen zu
constatiren, welches auf dieselbe Weise behandelt
worden war. Nach diesen Experimenten vermag
also die Anwendung der dreiprocentigen Carbolsäure
beim Kaninchen das Gewebe in seiner vitalen Ener¬
gie im Kampfe gegen die Mikroorganismen weder zu
schädigen noch das Gewebe zur Eiterung zu prä-
disponiren, es scheint vielmehr eher das Qegentheil
der Fall zu sein.
(Deutsche medieinisehe Wochenschrift. Mai 1894,)
Lesefrüchte.
Leber eine Modißcation der Waltuctisehen Holz¬
verbände . ( Gypsjeimverband .) Von Stabsarzt
Dr. Albers in Berlin. (Berl. Kl. Wocli. 5. Febr. 94.)
Digitized by c^ooQie
206
Die namentlich von Waltuch in die Praxis ein¬
geführten Holzverbände zeichnen sich durch ausser¬
ordentliche Leichtigkeit und gutes Federn aus,
Eigenschaften, die sie, neben ihrer Form, sehr viel
länger, als die aus Gyps und Wasserglas her¬
gestellten Apparate behalten. Auf der Klinik
v. Bardelebens sind seit einiger Zeit Versuche mit
Herstellung ähnlicher Holzverbände gemacht wor¬
den, bei denen Verf. zu einer Modification ge¬
langte, die ihm besondere Beachtung zu verdienen
scheint. Der „Gypsleimverband“ bewährte sich bei
der Behandlung früher Knochenbrüche der unteren
Extremität zur Herstellung von Gehverbänden. Die
Technik der Herstellung gestaltet sich, wie folgt.
Zunächst wird ein dünner Gypsverband in etwa
5—Lagen angelegt, welche direct auf die leicht
geölte Haut zu liegen kommen Hierbei kommen
6 tn lange, 12 cm breite, aus Verbandmull her¬
gestellte Gypsbinden zur Anwendung; Umschläge
werden nicht gemacht, läuft die Binde nicht, so
wird sie abgeschnitten. Jede angelegte Lage wird
sorgfältig mit der angefeuchteten Hand glatt ge¬
strichen. Nach Anlegung der letzten Lage ist
dieser Gypsverband gewöhnlich noch so weich, dass
eventuell nöthig gewordene Correcturen des Gliedes
nachträglich leicht ausgeführt werden können.
Dann wird das Glied sorgfältig in der gewünschten
Lage bis zum Erstarren des Gypses erhalten. Nach
Ablauf von 24 Stunden pflegt der Gypsverband
trocken zu sein und nun wird über den Gyps ein
Leimverband angelegt. Dazu wird der Gypsver¬
band zunächst mit braunem Tischlerleim bestrichen
und hierauf mit einer 3 cm breiten Cambricbinde
umwickelt, die nach der Anlegung geleimt wird.
Auf diese Schicht werden Hobelspäne in longitu¬
dinaler Anordnung gelegt, durch einige weitläufige
angelegte Cambricbindentouren befestigt und dann
geleimt. Endlich folgt eine unter leichtem Zug
cxact angelegte Flanellbinde, die ebenfalls mit Leim
getränkt wird. Nach 12 Stunden ist auch dieser
zweite Verband trocken, so dass der Patient dann
aufstehen und Gehübungen machen kann. Diese
Gypsleimverbände sind ausserordentlich leicht und
sehr haltbar. Die Verbände sind so dünn, dass
selbst die feineren Contouren der Glieder deutlich
hervortreten. Die Anlegung macht keine beson¬
deren Schwierigkeiten, der hart gewordene Gyps¬
verband gestattet ein kräftigeres Anziehen der
Binden bei Anlegung des Leimverbandes und sichert
den guten Sitz. Später kann der Verband der
Länge nach aufgeschnitten werden und dann als
Kapsel- oder Schienenverband wieder angelegt wer¬
den, so lange ein Contentivverband erforderlich er¬
scheint. Auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen
kann Verf. den Gypsleimverband namentlich zur
Herstellung von Gehverbänden bei Brüchen der
unteren Gliedmassen empfehlen, sowie für Ver¬
bände, wie sie bei der Plattfussbehandlung und an¬
deren orthopädischen Massnahmen gebraucht wer¬
den. Im Felde wird auch die Ersparung von Gyps
eine willkommene sein.
Mit den Bacillengiften*) — das Mitzutheilende
gilt u. A. auch vom Wundstarrkrampf und vom
Typhus — stellte man im Laufe der letzten Jahre
an Thieren Versuche an, welche zu den denk¬
würdigsten und für die Heilkunde hoffnungsvollsten
Ergebnissen geführt haben. Wir fassen dieselben
(so weit Diphtherie in Frage kommt) in folgenden
Sätzen zusammen:
1 . Die Diphtherie ist eine nicht bloss den
Menschen zukommende, sondern auch bei vielen
Thiergattungen, kleinen Vögeln, Kaninchen, Meer¬
schweinchen, Katzen, Hunden und Schafen anzu¬
treffende Krankheit, wogegen andere Thiere, wie
z. B. Ratten und Mäuse, ihr durchaus widerstehen
(immun bleiben).
2 . Das von den Bacillen abgeschiedene Gift
kreist in der gesammten Blutmasse und haftet ins¬
besondere auch an allen Atomen des von seinen
festen Elementen befreiten Blutes, dem Blutserum.
3. Impfung mit dem Blutserum erkrankter
Thiere kann die gleiche Krankheit bei anderen
für sie empfänglichen Thieren hervorrufen.
4. Impfung mit Serum von der Infection ge¬
heilter Thiere kann bei gesunden, der Krankheit
zugänglichen, die Empfänglichkeit tlajur auf heben,
und vermag zugleich dem Erkranken nicht bloss
vorzubeugen, sondern auch
5. bereits erkrankte zu heilen.
6 . Das Serum aus dem Blut unempfänglicher
Thiere kann empfängliche widerstandskräftiger
machen, selbst wenn jenen vorher der Ansteckungsstoff
in sonst tödtlicher Menge einverleibt worden war.
Die neue Serumtherapie hat bereits ihre Probe
auch bei der Menschendiphtherie bestanden. Man
konnte das Diphtherieserum unbedenklich anwen¬
den, da dasselbe auch in stärkster Concentration
bei Gesunden sich vollkommen unschädlich erwiesen
hat — eine Eigenschaft, die man dem Tuberculin
bekanntlich nicht nachrühmen kann. Im Berliner
Institut für Infectionskrankheiten wurden im März
1893 zum ersten Male diphtheriekranke Kinder
durch Einspritzungen von Serum aus dem Blute
giftfest gemachter Schafe behandelt. Von 11 Kin¬
dern starben nur 2, bei allen schwanden die Be¬
läge der Maudeln, wie überhaupt die örtlichen
*) Siehe den interessanten Aufsatz ?on D. Dyrenfurth
im Daheim, No 14. 1894: Geschichte und Bekämpfung
der Diphtherie.
Digitized by
Google
207
Kraukheitserscheinungeu sehr schnell, auch der
ganze Verlauf war ein aussergewöhnlich milder.
Auf diesen UmstAnd muss Gewicht gelegt werden,
da aus ihm die Wirksamkeit des neuen Mittels
gegen die eigentliche Diphtheriekrankheit hervor¬
geht. Denn leider wird in vielen Fällen die Heilung
durch die gleichzeitige Anwesenheit noch anderer
Pilzunholde, der Streptokokken, erschwert, gegen
welche ein Verfahren bis jetzt noch nicht versucht
worden ist.
Mit Spannung sieht die ärztliche Welt der
weiteren Entwickelung der Serumfrage entgegen.
Bewährt sich die neue Methode, so wird Behring’s
Name mit gleichem Glanze, wie der von Jenner in
der Geschichte strahlen. — Vielleicht erleben wir
es noch, dass den Kindern zum Schutze gegen die
Diphtherie allgemein Schafblutserum eingeimpft
wird, wie jetzt Kälberlymphe gegen die Pocken!
Kann doch ein Schaf im Laufe eines Jahres 2 , /. 2
Liter und somit den nöthigen Stoff für 5000 Kin¬
der hergeben.*) G.
*) Behring hat jene Versuche bewerkstelligt, von denen
oben die Rede war, während wir Löffler in Greifswalde
„Die Grossthat der Entdeckung dos Diphtherie-Bacillus“
verdanken. Auch stellte er zuerst das Diphtherie-Gift
dar. — Was die Ueberiinplung von Sehafsernm betrifft, so
hat man meines Wissens nichts wiedor davon gehört,
obgleich ja der Nachweis der Berechtigung, d. i. der Bo-
weis einer factischen Herstellung der Immunität gegen
Diphtherie äusserst leicht und einfach zu erbringen wäre.
Ref.
Personalia.
Sauitätsrath Dr. Faulwasser in Bernburg ist
I zum Geheimen Sauitätsrath und Dr. Schwencke
in Cöthen zum Sanitätsrath ernannt worden. — Am
I 10. Juni a. c. entschlief sanft in Folge eines Herz-
| Schlages Morgens 8 Uhr der homöopathische Arzt
| Herr Dr. med. C. H. Meyer in Osnabrück.
Am 10. d. Mts. starb in der Nacht ganz
unerwartet
Herr Dr. med. Hermann Meyer in Osnabrück
am Herzschlage im Alter von 71 Jahren. Im
Jahre 1847 bestand er sein medicinisches Staats-
Examen, ein Jahr später das homöopathische
Dispensir-Examen, und ist seitdem ununter¬
brochen in der Ausübung der homöopathischen
Heilmethode zum Wohle der leidenden Menschen
in erfolgreichster, aber auch aufopferndster
Weise thätig gewesen. Nur selten gönnte er
sich eine Erholung. Sein Name ist weit über
Osnabrück und seine Umgebung hinaus bekannt
und geehrt; als Arzt wie als Mensch war er
gleich geachtet und geliebt, sein ganzes Leben
ging in seinem Berufe auf und mitten in seinem
ärztlichen Wirken ist er plötzlich verschieden.
Viele, ja sehr viele danken ihm Gesundheit
und Leben und werden ihm auch allezeit ein
ehrendes Andenken bewahren.
Anzeigen.
Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Offlein
in Leipzig ist soeben erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt, in Basel.
9 Vs Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe
No. 28/24 dieser Zeitung.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt Beine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Güte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 10 h oder l2 / x Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—•
Mez & Söhne, Freiburg, Baden I
■ empfehlen ihre luftdurchlässigen und I
desshalb allein zweckmässigen
Netz-undZellenstoff-Unterkleider J
aus Seide, Wolle oder Baumwolle. |
Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
I>r. med. Walsers Cliimigras-Wäsche
in Krepp- and Zellenstoff.
Prospecte postfrei za Diensten.
Digitized by L^OOQle
208
Soeben ist erschienen die ff. Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zn dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
„Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser* aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkos in Krankheitsfullen am besten zu beur-
tlieilen versteht. Und es ist wirklich stannonswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntnis und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schrift, ausführlichere und
Wissenschaft liehe Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der „Kloine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schützbarer grosser Freund zu
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle
Sympathie entgegonbringen.“
Bei der letzthin wieder vorgonommenen Durchsicht wurde
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hämorrlioidal-Leiden etc.,
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein-
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein üusserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemüsfl mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Dio Entsteliungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Füllen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist, für junge Mütter die Belehrung über Ernührung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswerthe Winke giebt.
Der j,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ühnlicher Art übertToflen werden. Aber auch Solche,
die sich schon lüngere Zeit mit-der Homöopathie beschäftigt
haben, Anden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬
grösstem Werth® und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man dio schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben versehen ist, wird »len Freunden des
,,Kleinen homöopathischen Hausfreundes** ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derstdbo auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sieh viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig, im April 1894.
A: Marggrafs Homöopathische Offioin.
Im Vorlage von A; Marggrafs bomftopathlsotter
Offioin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering,
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. F&nlw&sser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der*
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf her vor hohen.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, al»er
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gbroes-Hering'-
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
8chei den nacli allenSeiten des betreffendenMi ttels
statt, soda88 Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan, Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das ,,Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mosea*Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officio) in Leipzig.
Droak von Julias Mfcsei in lA.ip«tg.
Digitized by ^.ooQle
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
HERAUSGEGEBEN
VON
Dp. med. MOSSA-STÜTTGART.
EINHUNDERT-NEUNUNDZWANZIGSTER BAND.
(120. Band.)
+
LEIPZIG.
VERLAG von WILLIAM STEINMETZ (A. MARGGRAF8 HOMÖOPATH. OFFICIN.)
1894.
Digitized by ^ooQie
Digitized by
Google
I. Inhalts-Verzeichniss
zum
129. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung.
NO. 1 Und 2« Seite
. . 1
Dia-
Win¬
ters 1893|94 nebst Bemerkungen über Typhus¬
behandlung überhaupt. Von Ober-Medicinalrath
. Dr. von Sick.2
Der Meni^re’sche Schwindel, vertigo ab aure laesa 13
Berichtigung.15
Anzeigen.15
No. 3 und 4.
Einladung zu der am 9. August zu Eisenach statt¬
findenden Generalversammlung der Epidemio¬
logischen Gesellschaft . 17
Bekanntmachung.17
Zum Ausgleich. Von Dr. Lorbacher in Leipzig . 18
Homöopathische Heilungen von Starrkrampf (Te¬
tanus). Aus dem Pacific Coast Journal of He-
moeopathie vom Januar 1894 übersetzt von
Dr. Th. Bruckner.. . 21
Die homöopathische Arzneimittel-Lehre. Eine kri¬
tische Studie von Dr. Arthur Sperling-Berlin.
Besprochen von Dr. Mossa-Stuttgart.24
Merkwürdige Heilung durch Graphit. 30. Mitge-
theilt von Dr. Paul Lutze-Köthen.28
Lesefrüchte.28
Personalia.31
Druckfehler-Verbesserung.31
Anzeigen.31
No. 5 und 6.
Einladung zu der am 9. August zu Eisenach statt¬
findenden Generalversammlung der Epidemio¬
logischen Gesellschaft.33
Bekanntmachung. 33
In bonis et voluisse sat est. Von Dr. Kallenbach-
Rotterdam .34
Eigenes und Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Schluss) . ..37
Ueber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka-
Prag. (Schluss).42
Zur Gabenfrage. Von Dr. Kunkel in Kiel ... 43
Ophthalmie diseases and the^apeutics. Von Dr. A.
B. Norton. Besprochen von Dr. Mossa-Stuttgart 45
Retropharyngeal-Abscess. Von Dr. Proeil, Bad
Gastein.46
Lesefrüchte.46
Anzeigen.47
No. 7 und 8.
Bericht über die 62. Generalversammlung des Ho¬
möopathischen Centralvereins Deutschlands zu
Eisenach am 9. und 10. August 1894 .... 49
Bekanntmachung.
Die Typhus-Epidemie in der evangelischen
konissenanstalt in Stuttgart während des
Seite
Zur Typhusbehandlung. Von Dr. Kimpel-Legau
(Bayern).51
Einzelne Fälle aus der Praxis mit Randbemerkungen
von Dr. med. Waszily-Kiel.52
Ein Fall von Capsicum-Vergiftung.54
Calcarea carbonica in der Gallensteinkolik ... 55
L’omiopatica in Italia. Von Dr. Mossa .... 56
Regeln des collegialen Anstandes.58
Vom Büchertisch.60
Lesefrüchte.62
Personal-Nachrichten.63
Anzeigen.63
No. 9 und 10.
Zur 62. Generalversammlung des Homöopathischen
Centralvereins Deutschlands zu Eisenach am 9.
und 10. August 1894 65
Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel ... 68
Psychische Heilkunst. Von Dr. Gallivardin in
Lyon.70
Das fünfzigjährige Jubiläum des American Instituts
of Homoeopathy. Von Dr. Mossa.71
Eine Studie über die pathogenetische Wirkung von
Kali bichromicum auf die Nieren.73
Vom Büchertisch.75
Diabetes mellitus bei Kindern ........ 77
Lesefrüchte.78
Bekanntmachung.79
Danksagung.79
Anzeigen.79
No. 11 und 12.
Ansprache des Dr. Weber-Köln, Vorsitzender bei
der wissenschaftlichen Sitzung der 62. General¬
versammlung des Homöopathischen Centralvereins
Deutschlands zu Eisenach am 10. August 1894 . 81
Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel. (Fort¬
setzung) .84
Nachtrag. Von Dr. med. Waszily.87
Von der 62. Generalversammlung des Homöopathi¬
schen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach
am 9. und 10. August 1894. Festivalia ... 88
Das Album des Homöopathischen Centralvereins
Deutschlands. Von William Steinmetz .... 90
Die Anwendung des Wassers in der Behandlung
des Typhus abdominalis. Von Dr. Knüppel-
Magdeburg .90
Diabetes mellitus bei Kindern. (Schluss) .... 91
Prostata-Neurosen.93
Lesefrüchte.94
Homöopathische Hilfstabellen.95
Anzeigen. .... j.... 95
Digitized by xjOOQlC
rv
Ko. 13 und 14. Seite
Einladung zur Herbstversammlung des Sächsisch-
Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte 97
Correspondenz aus Kimberlev (Süd-Afrika). Von
Dr. Th. van den Heuvel.97
Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel. (Fort¬
setzung) . 99
Heilmittel bei Leber-Krankheiten. Von T. S.
Hoyne, M. D . . . . . . . ... . . .101
Zur Physik der Homöopathie. Von Emil Schlegel
in Tübingen...104
Calculi pulmonales. Von Dr. Mossa-Stnttgart . . 106
Vom Büchertisch ..108
Anzeige..111
Personalia.111
Anzeigen.111
No. 15 nnd 16.
Einladung zur Herbstversammlung des Sächsisch-
Anhaltmischen Vereins homöopathischer Aerzte 113
Zur Gabenfrage. Von Dr. Mossa-Stuttgart . . .113
Die gastrischen und hepatischen Symptome von
Anacardium. Von Dr. T. Laird . . . . .118
Referat über die Versammlung schweizerischer ho¬
möopathischer Aerzte am 8. und 9. September
1894 in Baden (Canton Aargau). Von S.Luginbühl 119
Dermatitis herpetiformis. Von Dr. Washington
Epps-London '.121
Internationaler homöopathischer Congress 1890 . 125 I
Auch ein Boykott.126 i
Lesefrtichte. 126
Druckfehler-Berichtigung . ..127
Anzeigen. 127
Seite
Bedenken gegen die Serum-Therapie. Von Dr. H.
Gotillon.151
Herbstversammlung des sächsisch - anhaltinischen
Vereins homöopathischer Aerzte in Magdeburg . 157
Zum internationalen homöopathischen Congress in
London 1896 157
Aufforderung zur Subscription auf v. Boenning-
hausens Therapeutisches Taschenbuch . . . .158
Quittung des Homöopathischen Krankenhauses zu
Leipzig.158
Quittung der Unterstützungskasse für Wittwen ho¬
möopathischer Aerzte.159
Beglückwünschung.159
Anzeigen.159
No. 21 und 22.
Zum 50jährigen .Jubiläum des Dr. med. Arnold
Heinrich Lorbacher am 25. November 1894 . .161
Klinische Beobachtungen über Silicea, Mercurius
praecipitatus ruber, Aurum muriat.-natronatum
und Ipecacuanha. Von Dr. med. Stifft .... 162
VII. Herbstversammlung des Vereins der homöo¬
pathischen Aerzte Württembergs am 24. Octo-
ber 1894 . 166
TII. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nach¬
prüfung von Ranunculus sceleratus. Referent
Dr. Schier-Mainz.169
Zu „Schlegels Physik der Homöopathie“ .... 174
Lesefrüchto.175
Anzeigen . . 175
No. 23 nnd 24.
No. 17 and 18.
Ein Fall von Tuberculose, hauptsächlich durch Tu-
berculin (Heath) geheilt. Von Dr. John H. Clarke,
Arzt am homöopathischen Krankenhaus© zu Lon¬
don . 129
Bericht über die 66. Versammlung deutscher Natur¬
forscher und Aerzte in Wien. Von Dr. Elb-
Dresden .130
Zur Pathogenese von Thyroidin.132
Vom Myxödem. 136
Neue homöopathische Literatur in Amerika . . .138
Therapeutisches Taschenbuch für homöopathische
Aerzte von v. Boenninghauson.141
Das Hahnemann-Denkmal in Amerika. Von Dr.
Kafka . ..141
Lesefrüchte . 141
Personalia ........ .143
Anzeigen . 143
No. 19 und 20.
Carbo vegetabilis von Professor Kent. Von Dr.
Hesse-Hamburg.145
Bericht über die freie Vereinigung der homöo¬
pathischen Aerzte Schleswig-Holsteins und der
Hansastädte. Von Dr. med. Waszilv .... 149
Abonnements-Einladung.177
VII. Herbstversammlung des Vereins der homöo¬
pathischen Aerzte Württembergs am 24. Oeto-
| her 1894 (Schluss).177
III. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nach¬
prüfung von Ranunculus sceleratus. Referent
Dr. Schier-Mainz (Fortsetzung).1$0
Personalia.190
Vom Büchertisch.190
I Lesefrüchte.190
I A womans international provers association . . . 191
Anzeigen.191
I No. 25 und 26.
Die Homöopathie und die Schulmedicin. Uebersetzt
von Dr. Haedicke in Leipzig.193
III. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nach¬
prüfung von Ranunculus Bceleratus. Referent
Dr. Schier in Mainz. (Fortsetzung).206
Bildung von Kothsteinen in Folge von anhalten¬
dem Gebrauch von Magnesia und Wismuth . .211
Lesefrüchte.213
Fest-Bericht. 213
Noch ein ÖOjähriges Doctorjubiläum.215
Stellung für jnnge Landw^rthe ohne Vermögen . 215
Anzeigen.215
Digitized by
Google
V
II. Sach-Register
znin
129. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung.
Acidum arsenicosum bei Cholera. 29.
Acidum ^icricum-Wirkung 119.
bei Neurasthenie. 119.
bei Tabes dorsualis. 119.
Aconit-Wirkung. 168.
Aetherbehandlung bei Brucheinklem¬
mungen. 141.
American Institute of Homoeopathy,
50jähriges Jubiläum des. 71.
Anacardium — Gastralgie. 118.
Arsen, bei Ataxia locomotrix. 57.
Arsen., Hautverfttrbung. 79.
Arsen, bei Diabetes mellitus. 178.
Arsen, äusserlich bei Ulcus cancro-
sum. 179.
Asthma:
Carbo vegetabilis. 148.
Nux vomica. 148.
Lycopodium. 148.
Ataxia locomotrix — erste Zeichen.
29.
Ausgleich, zum. 18.
Bacteriologie und Klinik. 128.
Beitrag zur Kenntniss der Aconit-
Wirkung. 168.
Calcarea carbonica in Gallenstein¬
kolik. 55.
Calculi pulmonales. 106.
Calomel — Leberscirrhose. 142.
Capsicum-Vergiftung. 54.
Causal-Therapie. 26.
Carbo vegetabilis-Indicationen 146.
bei Keuchhusten. 146.
bei Dyspepsie. 147.
bei Asthma hormidorum. 148.
Carcinomatöse Geschwüre. 180.
Thuja, Sulphur, Mercur.
Calcarea jodat., Kalium jodatum.
Conium. — Actaea spicata und
Calcarea oxalica.
Causticum — Ischias. 68.
Chelidonium mit Arsen, bei Diabetes
mellitus. 178.
Chininum sulphuricum . bei Ohren¬
leiden. 120.
Chloroform-Wasser bei Typhus. 51.
179.
Cocain bei Ohrenleiden. *29.
Coccionella:
bei harnsaurer Diäthese. 44.
bei Nephritis desquamativa. 114.
Conjunctivitis phlyctaenularis:
Aurum, Ipecacuanha. 166.
Crocus bei Metrorrhagie. 150.
Barmgeschwulst-Heilung. 42.
Dermatitis herpetiformis:
Antimon, tartaricum. 121.
| Deutsche Naturforscher- und Aerzte-
versammlung in Wien. 130.
Diabetes mellitus. 178.
| Sizygium jambolinum:
im Wechsel mit Arsen.,
im Wechsel mit Chinawein. 179.
Chelidonium mit Arsen. 178.
Diätetisch-symptomatisches Heilver¬
fahren im Typhus. 9.
Enteritis pseudomembranacea:
Arg. nitricum. 94.
Ferrum picricum in Gicht. 120.
und Ohrenleiden. 1 *20.
Gabengrösse. 113.
Galvanische Strönie, minimale. 24.
Graphit-Heilung. 28.
Gelenkleiden bei Gicht und Scro-
phulose. 163.
Silicea. 163.
Thuja. 163.
Causticum. 163.
Hamamelis bei Phlegmonia alba
dolens. 149.
Hämorrhoidalknoten. 149. >
Herniae incarceratae. — Aether. 141. j
Homöopath. Arzneimittellehre. Kriti- I
sehe. Studie von Dr. Sperling. 24. t
Homöopathische Literatur, neue, in 1
Amerika. 138.
Hydrocephalus chronicus, Fall von.
160.
Influenza:
Sticta pulmonaria. 67, 68.
I Nux vom., Pulsat., Arsen., Mer¬
cur., Fluoric. acidum, Kali c.,
Euphrasia. — Tart. stibiat. —
| Veratr., Camphora.
| Influenza-Epidemie mit Mumps. 98.
Internationaler homöopath. Congress
1896. 125
I Internationales homöopath. Jahr-
1 buch von Villers. 190.
Jod bei Tuberkulose. 199.
! Isopathie. 202.
I Kali bichromicum bei Angina folli-
| cularis. 54.
1 Wirkung auf die Nieren. 73.
Kneipp und seine ärztlichen An¬
hänger. 75.
Kothsteine von Magnesia und Wis-
muth. 211.
! Landkartenartige Zunge. 94.
I Arsen., Natrum mur., Kali bi¬
chromicum, Taraxacum, Ranun-
; cul. sceler.
Leber-Krankheiten und deren Heil¬
mittel. 100.
Leber - Scirrhose, hypertrophische,
geheilt mit Calomel. 142.
Lippenkrebs — Lycopodium. 180.
Lysol als Wundheilmittel. 179.
Magengeschwür. 42.
Magnesia — Kothsteine. 211.
Magnetismus, animaler. 196.
Meniere’scher Schwindel. 13.
Meningitis spinalis subacuta. 180.
Mercurielle Schleimhautentzündun¬
gen. 190.
Motorische Störungen bei Prolapsus
uteri. 30.
Myocarditis-Formen. 213.
Myxoedem. 136, 202.
Nachprüfung von Ranunculus scele-
ratus. 169.
Necrose der Tibia. 39.
Nicotin-Wirkung auf das Gehör. 29.
Nux vom., verglichen mit Carbo
vegetabilis. 146.
Ophthalmiae scrophulosa. 165.
Merc. praecipit. ruber.
Argent. nitricum.
Opium 30. bei Obstipatio im Ty¬
phus. 9.
Ovaritis. 120.
Ovariotomie. Anlass zu Extra-Ute-
rinalschwangerschaft. 47.
Parotitis epidemica. 29.
Parotitis post scarlatinum. 175.
Peritonitis chronica — Sulfur. 40.
Pertussis — Carbo vegetab. 146.
Phellandrium aquaticum bei Diar-
rhoea tuberculosa. 150.
Phlegmasia alba dolens. 149.
Hamamelis.
Physik der Homöopathie. 104.
Praktiker, Auszug aus dem. 108.
Prostata-Neurosen. 94.
Kalium bromatum.
Camphora monobromat.
Geisern ium.
Hyoscyamus.
Spiraea ulmaria.
Radfahren, schädliche und heilsame
Wirkungen. 179.
Ranunculus sceleratus:
Nachprüfung. 169.
Svmptomen - Zusammenstellung.
210 .
Regeln des collegialen Anstandes.
58.
Retropharyngeal-Abscess. 46.
Apis.
Digitized by
Google
VI
Salicylsäure bei Meni£re’schem
Schwindel. 14.
Schweizer Aerzte-Versammlung. 116.
Scirrhus pylori-Heilung. 40.
Sepia bei einem Tumor in der
Achselhöhle. 68.
Serum therapie-Bedenken. 151.
Sizygium jambolinum hemmt die
Zuckerausscheidung im Diabetes
mellitus. 178.
Staphysagria—Gesichtsausschlag.68.
Sticta pulmonaria bei Krampfhusten
in Morbillis. 149.
Strumaheilung durch Lycopod. und
Spongia 57.
Andries 184.
Billig 214. 215.
Boernaave 200.
Bonino Fulvio 56.
y. Bönninghausen 141.
Bouchard 202.
Brand 9.
Brown 56.
Bruckner 21.
Carey 130.
Clarke John 129.
Crookes 204.
Dewey 140.
Dufresne 180.
Elb 130.
Epps 121.
Ettinger 141.
Farrington 170.
Faulwasser 97.
Fischei 175.
Förg 143.
Fournier 29.
Gallivardin 70.
Giseyius 111.
Göhrum 50. 68. 120. 180.
Goullon 75. 151.
y. Grauvogl 114.
Griesinger 9.
Groos-Magdeburg 68.
Groos-Barmen 190.
Grubenmann 119.
Haedicke 67. 157. 186. 190.
Hesse 37. 111. 145. 149. 150.
Heuvel, van den 97.
Hochecker 31.
Hoffmann-Sydenham 79.
Tetanus-Heilungen. 21.
Nux vomica. 22.
Physostigma ven. 22.
Lachesis. 22.
Hypericum perforatum. 22.
Angustura. 22.
Cicuta virosa. 28.
Thuja bei pustulösem Ausschlage. 58.
bei Magenleiden nach unter¬
drückter Gonorrhöe. 58.
Thyroidin. 132.
Trachom mit Pannus:
Nitri acid., Arsen. 57.
Typhus. — Epidemie. 2.
Chloroform-Wasser. 51.
III. Namen-Register.
Holcombe 60.
Hoyne 101. 139.
Hughes 55.
Jacond 138.
Jenner 201.
Jde 63.
Kafka 42.
Kallenbach 37.
Kent 145.
Kimberley 97.
Kleinwftchter 46.
Kirn 168 179.
Knüppel 90.
Kramer 143.
Krapf 170.
Kray zell 159.
Kröner 67. 89.
Kunkel 45. 64. 84. 99. 175.
Kyri 30.
Laird 118.
Lay er 169.
Leeser 63. 67.
Lippe 139.
Löffler 127.
Lorbacher 17. 18. 49. 79. 161.
Lorenz 168. 179.
Luginbühl 121.
Lutze-Köthen 28. 67.
Lutze-Hamburg 149.
Lux 203.
Mattes 179.
Mende 120.
Mesmer 196.
Metteuheimer 212.
Morton 45.
Mossa 24. 45. 58. 68. 71. 109. 114.
125. 130. 190.
Oberholzer 119.
Hydrotherapie. 90.
Rademacher’sche Mittel. 179.
Tuberculin-Wirkungen. 99. 129.
Yeratrin bei Cholera. 28.
Wadenkrämpfe:
Frühzeitiges Symptom bei Dia¬
betes. 62.
! Wismuth, salpetersaures:
j Aeusserlich bei Brandwunden.
i 3L
i Woman international provers asso-
| ciation. 191.
| Paracelsus 198.
1 Pasteur 201.
Pfänder 128.
Plenck 170.
Polli 171.
Pritchard 73.
Pröll 46.
Raibmayer 108.
Richardiere 78.
Roth 187.
Rothmann 94.
Schier 169. 207.
Schier, Frau 180.
Schlegel 106. 136. 169. 174. 178.
Schnütgen 89.
Schönebeck 149.
Schulz, H., Prof. 28.
Secondari 57.
v. Sick 2. 167. 169.
Siegmund 179.
Spechtmann 94.
Sperling 24.
Staads 140.
Stacv Jones 138.
Stahl 199.
Stiegele 177.
Stifft 162.
Tessier 19<>.
Tostlöwe 143.
Trousseau *200.
Yariot 126.
Villers 126.
Waszily 30. 52. 88. 151.
Weber (Köln) 67. 82.
Weber (Hessen) 202.
Werner 206.
Wertheim er 29.
Windelband 50. 66. 88.
Digitized by ^.ooQle
Band 129.
Leipzig, den 5. Juli 1894.
No.l u.2.
ALLGEMEINE
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf”s homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint Utttgig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanfftalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein «fcVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein. ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf\ pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhalt. Bekanntmachung. — Die Typhusepidemie in der evangelischen Diakonissenanstalt in Stuttgart während
des Winters I893|94 nebst Bemerkungen über Typhusbehandlung überhaupt. Von Obermedicinalrath Sick. — Der
Meniöre’sche Schwindel, vertigo ab aure laesa. — Berichtigung. — Anzeigen.
■8“ Schluss der Schriftleitun?: Freitag vor dem Erscheinungstage. "•B
n . ... . Bekanntmachung.
Die diesjährige
62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
wird am 9. und 10. August in Eisenach abgehalten werden.
Tagesordnung für beide Tage:
am 9. August:
am 10. August:
Geschäftssitzung pünktlich Abends 7 Uhr
im Saale des Hotels zum Kronprinzen.
1. Abstimmung über die zur Aufnahme Augemeldeten.
2. Geschäftsbericht
a) des Central Vereins-Vorstandes,
b) des Curatoriums des Krankenhauses,
c) des derzeitigen dirigirenden Arztes,
d) des Vorstandes der Berathungsanstalt.
3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Er-
theilung der Entlastung auf Grund der von dem
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der
Kasse und der Rechnungsablage.
4. Neuwahl resp. Bestätigung des Kassen Verwalters.
5. Neuwahl resp. Bestätigung des Institutsarztes.
6. Bericht über die Vereinsbibliothek.
7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungsortes.
Antrag des Vorstandes:
Antrag auf Genehmigung des Neudruckes der
Statuten und deren Ausführungs-Bestimmungen
in der zur Vorlage kommenden Form.
Wissenschaftliche Sitzung Morgens pünktlich
9 Uhr in demselben Saale.
Thema: 1. Die Influenza.
Ref. Dr. Windelband, Berlin.
2. Euphrasia als Arzneimittel.
Ref. Dr. Göhrum, Stuttgart.
Vorsitzender; Dr. Kallenbach, Rotterdam.
Nach der wissenschaftlichen Sitzung:
I 1 !., Uhr gemeinschaftliches Mittagsessen
in demselben Lokale.
5 Uhr Fahrt nach der Wartburg.
Ausser genanntem Hotel „zum Kronprinzen“
empfehlen wir das Hotel „zum goldenen Löwen“
am Eingänge des Marienthaies, und den am Bahn¬
hofe gelegenen „Grossherzog von Weimar.“
Es würde sich jedoch empfehlen, die Wohnung
8 Tage vorher zu bestellen, da Eisenach um diese
Zeit immer noch sehr besucht ist.
Der Vorstand:
Dr. med. Lorbacher-Leipzig.
Dr. med. Wiüdelband-Berlin.
Dr. med. Weber-Köln a. Rh.
Digitized by
Google
2
Die Typhusepidemie in der evangelischen |
Diakonissenanstalt in Stuttgart
während des Winters I893|94 nebst Bemerkungen |
Ober Typhusbehandlung überhaupt.
Von Obermedicinalrath Dr. von Sick.
Der Grund für nachstehende Veröffentlichung
liegt nicht etwa darin, dass ich den erfahrenen
Amtsgenossen etwas Besonderes oder gar etwas be¬
sonders Günstiges mitzutheilen hatte, ich bin viel¬
mehr zu derselben dadurch veranlasst, dass ich
über die obengenannte Seuche, welche Aufsehen
erregte, in dem Jahresbericht der Anstalt eine Dar¬
stellung zu bringen habe. Hierdurch ohnedem
dazugeführt, mich eingehender mit der Sache zu
beschäftigen, erscheint es mir nicht ganz unange¬
messen, die bei der genannten Epidemie gemachten
Erfahrungen auch in diesen Blättern wissenschaftlich
zu verwerthen. Schwere Typhusfälle stellen dem
Arzte doch immer ernste Aufgaben, bei dem un¬
zweifelhaft Seltenerwerden der Epidemieen in den
letzten 20—30 Jahren*) kommen sie überdiess dem
nicht an einem Krankenhause angestellten Arzte ver-
hältnissmässig nicht häufig zur Beobachtung. Hieraus
möchten weitere Gründe zu entnehmen sein, welche
diese Mittheilungen als gerechtfertigt erscheinen
lassen, zumal der Verfasser nun bald auf 40 Jahre,
in denen er Typhuskranke beobachtet und be- !
handelt bat, zurückblickend, aus einigermassen ab¬
geklärter Erfahrung heraus reden kann.
Es war im Juli 1893, als eine zugereiste
Spanierin wegen schwerem Unterleibstyphus in dem
Stuttgarter städtischen Krankenhause, dem Katha¬
rinenhospital, Aufnahme fand. Sie wurde daselbst
von unseren Diakonissen gepflegt und genas. Eine
unserer jungen Probeschwestem
1) R. J., 22 Jahre, betheiligte sich bei der
Pflege insbesondere auch mit Nachtwachen und er¬
krankte Ende Juli. Ihr Leiden wurde im genannten
Spitale sofort als Typhus erkannt und sie bekam
behufs Abortiv-Behandlung die daselbst üblichen
Galomel-Gaben. Da die Krankheit trotzdem fort-
schritt, wurde sie Ende der zweiten Woche (am
10. August) in das Mutterhaus verbracht mit Abend¬
temperatur von 41 in der Achselhöhle, starkem
Blutandrang nach dem Kopfe, heftigen Delirien,
wenn sie bei sich war über Kopfschmerzen klagend.
Da ich abwesend war, fiel die Behandlung aus- i
schliesslich College Lorenz zu. Es wurden sofort
*) Typhusepidemieen wie vor etwa 15 Jahren in Zürich,
vergangenes Jahr in Pforzheim, erregen jetzt Aufsehen, in
den ersten 2 Dritteln unseres Jahrhunderts waren solche
Epidemieen an der Tagesordnung. Wie in München Typhus-
Erkrankungen und Typhustodesfalle in der obengenannten
Zeit abgenommen haben, ist allgemein'’ bekannt.
Bäder, anfänglich 24, später bis 21° R. herab und
Eisbeutel auf den Kopf angewendet. Als am fol¬
genden Tage starker Durchfall eintrat Arsenik 6.
2stündlich 3 Tropfen gegeben, daneben Priessnitz’sche
Leibumschläge zwischen die Bäder. Da der Zu¬
stand sich am 12. nicht gebessert hatte, bekam die
Kranke Kali phosphor. 6. und am 14. Baptisia 6.
Fieber und Durchfall wenig verändert, täglich
1—2 Bäder. Als am 17. das Fieber wieder nahezu
41 erreicht hatte, die Delirien so wild geworden
waren, dass die Kranke keinen Augenblick allein
gelassen werden konnte, wurde Ferr. phosph. 6. im
Wechsel mit Baptisia gereicht. Es zeigte sich zum
ersten Mal eine Wärmeermässigung bis auf 39,6,
aber am 19. schon steigerte sich unter Ausbruch
eines furchtbaren Schweisses die Wärme wieder;
es wurde noch ein Mal zu Kali phosph. 3. zurück¬
gegriffen, aber unter Andauer des Schweisses nahm
die Schwäche bei vollständiger Bewusstlosigkeit so
zu, dass mit den Bädern ausgesetzt werden musste.
Die letzte Wärmemessung am 20. August, Nachts
2 Uhr, zeigte 41,9 0 C. Bald darauf starb die
Kranke. Bei der Leichenöffnung fand sich ausser
den Zeichen des Typhus ausgesprochene acute
Hirnhautentzündung. Auffallend war ein in der
2. Woche auf seiner Höhe befindliches Typhus-
Exanthem, wie es sonst nur bei echtem Fleckfieber
vorkommt, fast über den ganzen Leib verbreitet,
am stärksten am Rumpfe. Es scheint mir diess auf
den exotischen Ursprung dieser so schweren In-
fection hinzuweisen. Bei zweien der aller Wahr¬
scheinlichkeit nach aus Anlass der Pflege von R. J.
angesteckten Schwestern 2) und 3) war es in gleicher
Weise vorhanden; in diesen letzteren Fällen sah ich
es selbst.
2) K. H., 23 Jahre, ebenfalls Probeschwester,
besorgte Nachtwachen bei der vorigen. Erkrankte,
nachdem einige Tage wenig beachtete Störungen
des Befindens vorangegangen waren, am 8. September
schwer mit Abendtemperatur in der Achselhöhle von
40,6. Es wurde Aconit. 6. und Nux vom. 6. im
Wechsel gegeben, vom 10. an auch Leibwickel.
Als am 11. September die Abendwärme immer
noch über 40 war und sich Durchfall einstellte,
wurde Aconit, durch Ferr. phosphor. 6. ersetzt und
2 stündlich mit diesen Mitteln gewechselt. Am
15. September sah ich die Kranke zum ersten Mal
und ordnete, da die Abendtemperaturen immer noch
i über 40 waren, Arsenik 30. in einigen Gaben an.
Die grösste Noth bei dieser Kranken machte von
Anfang an die Ernährung, sie verweigerte nahezu
Alles, zwang man ihr das Geringste auf, so folgte
Brechen, auch mit dem Weine war diess der Fall,
am (‘besten ertrug sie noch echten Champagner.
Auf die genannten Arsenikgaben liess vom 19. Sep¬
tember an das Fieber entschieden nach, die Abend-
Digitized by ^.ooQle
3
temperatur bis zu 38,6, die Morgentemperatur bis
zu 37,5 sich senkend. Es schien, da auch der
Durchfall aufhörte, die Krankheit zum Guten sich
zu wenden. Doch blieb die Abneigung gegen das
Essen, namentlich gegen Schleimsuppen, Milch mit
Thee u. dgl., auch stellten sich zeitweise Bauch¬
schmerzen ein, gegen welche ein Mal eine Gabe
Bryonia 6. und eine Gabe Colocynthis 6. gereicht
wurden. Am 26. oder 27. September wurde der
Kranken, um ihrem Wunsche nach Wechsel der
Nahrung wenigstens in etwas nachzukommen, eine
gut verkochte Sagosuppe gereicht. Sofort stieg
aber die Abend temperatur wieder auf 40, und
hielt sich trotz Anwendung von Arsenik 6. und
Baptisia am 29., von wo an ich die Behandlung
bleibend übernahm, ziemlich auf dieser Höhe. Als
auch Phosphor. 30. keine Aenderung im Zustand
zu Wege brachte, schritt ich am 4. October zu
Halb-Bädern von 24° R. und einem Abguss der
oberen Leibeshälfte mit 25°. Diesen Eingriff be¬
antwortete der Organismus damit, dass am 5. (in ano ge¬
messen, wie von jetzt an stets*) Abends die Wärme
auf 41 stieg. In den folgenden Tagen blieb sie aber
meist unter 40, um den 11. October zeitweise auch
unter 39 sinkend. Die Bäder waren der Kranken
angenehm, sie wurde, bis dahin stets ziemlich theil-
nahmlos und mürrisch, frischer, freundlicher, aber
im Wesentlichen war doch die Sache unverändert,
fast keine Nahrung, längere Zeit nur Kefir, auch
Wein nur in mässigen Mengen, Durchfall hat auf¬
gehört, nicht aber der von Anfang vorhandene,
aber bis dahin stets mässige Husten, Abmagerung
rasch fortschreitend. Arzneien wurden wenig ge¬
reicht, je ein Mal Lachesis 6., Sulphur 30., Se-
nega 3., Jod. 30. ohne sichtliche Aenderung des
Zustandes, jedoch’ unter zunehmenden Brustbe¬
schwerden, als deren Ursache sich bei wiederholter
Untersuchung eben nur der dem Typhus an sich
zugehörige, verbreitete Bronchialkatarrh erwies. Erst
am 29. October waren HO. beiderseits klingende
Rasselgeräusche zu hören und damit musste wohl
das Schicksal der Kranken als entschieden be¬
trachtet werden. Wiederholte Anwendung von
Jod, China 30., Phosph. 30., Lycopodium 30. hatten
keinen Erfolg, im Gegentheil zeigte die Fieber¬
kurve immer mehr die starken Unterschiede zwischen
Morgen und Abend, wie sie der Lungenschwind¬
sucht zukommen. Die Bäder, deren die Kranke eine
sehr grosse Anzahl erhalten hatte, wurden vom
8. November an, da sich der Husten immer mehr
*) Die Wärme wird in der Diakonissenanstalt der
Regel nach in der Achselhöhle bestimmt. Bei Schwer¬
kranken aber, wo häufig gemessen werden muss, ziehe ich
die für den Kranken viel weniger anstrengende, für die
Pflegerin viel rascher auszufuhrende und für den Arzt viel
sicherere Messung im Mastdarm vor.
steigerte, aufgegeben; Ferr. phosph., Natr. nitric.,
Kali bichrom., Cuprum, Hyoscyamus, Stannum,
Sulphur., Calcarea, Cimicifuga hatten keinen nennens-
werthen Erfolg, ebensowenig Phellandrium 3., län¬
gere Zeit gegeben, und Silicea 30.*). Es stellte
sich neben den anderen Erscheinungen starker eitrig¬
schleimiger Auswurf ein, kurz, die Kranke bot
in ihren letzten Lebenswochen das uns bei den
Schwestern leider nur zu bekannte Bild der Lun¬
genschwindsucht , der sie denn auch endlich am
13. Februar 1894 erlag. Sie war in der ge¬
nannten Hinsicht erblich belastet und ihr zartes,
blasses Aussehen hatte von Anfang an Zweifel er¬
weckt, ob sie den Anstrengungen des Berufes ge¬
wachsen sei.
3) F. H., 24 Jahre, eine grosse, breitschultrige,
kräftige Probeschwester. Hatte bei der Pflege
von 1) ebenfalls Dienste geleistet. Meldete sich am
16. September krank, nachdem sie auch schon seit
etwa 8 Tagen sich unwohl gefühlt hatte. Erste
Abendtemperatur 39, zweite 39,4; gegen Ende der
zweiten Krankheitswoche einige Mal 40,3. Heftige
Kopfschmerzen, deshalb Aconit und Gelsemium
anfangs, daneben Fusswickel, die bei den höheren
Fieberwärmen durch ganze Wickel (Priessnitz’sche
Einpackungen von kurzer Dauer) ersetzt wurden.
Milzschwellung und Durchfall mässig, dagegen,
wie schon oben erwähnt, ungemein heftige Roseola.
Den eben genannten Mitteln folgten auf der Höhe
der Krankheit einige Gaben Bryonia 30., haupt¬
sächlich wegen der Brustbeschwerden, sodann Nux
vomica 30. Vom 30. September an, genau mit
Ablauf der dritten Krankheitswoche, ziemlich rascher
Wärmeabfall, vom 2. October an Abendtemperatur
nie mehr erheblich über 37. Konnte schon am
28. October auf unsere Erholungsstation Ober¬
esslingen entlassen werden, wo sie sich bei der
günstigen Herbstwitterung in der Landluft rasch
erholte. Noch vor Weihnachten war sie im Stande,
wieder einen Posten als Krankenpflegerin zu über¬
nehmen. Also mittelschwerer, den typischen Ver¬
lauf des Typhus rein darbietender Fall.
4) L. K., 30 Jahre, gesunde, kräftige, tüchtige
Schwester, in der Gemeindepflege Esslingen an¬
gestrengt arbeitend. An letzterem Orte Anfang
October erkrankt, kam sie mit Beginn der 3. Krank¬
heitswoche ins Mutterhaus, nachdem sie in Esslin¬
gen Calomel und Chinin in grossen Gaben ohne
ersichtlichen Einfluss auf die Krankheit erhalten
hatte. An ihrem Einlieferungstage, 16. October,
Abendwärme 40,2, 17. October 40,5. Bekam bei
*) Manche Leser werden vielleicht unter obiger Reihe
von Arzneimitteln Kreosot vermissen. Ich kam wahr¬
scheinlich nicht darauf wegen der ohnedem gänzlich dar¬
niederliegenden Verdauung. Vielleicht wäre es aber gerade
deswegen, in homöopathischen Gaben, angezeigt gewesen.
1 *
Digitized by
Google
4
Vorwalten der Erscheinungen seitens der Verdau¬
ungswerkzeuge Baptisia 6., bei heftigem Kopfweh
Gelsemium, daneben kalte Abwaschungen des gan¬
zen Leibes. Als die (in ano gemessene) Tempera¬
tur in den nächsten Tagen aber stets über 40 blieb,
am 19. Abends 40,6 erreichte, wurden Halbbäder
mit 25 und Uebergiessungen mit 23° R. gegeben
und diese Wasseranwendungen, da die Kranke
selbst das Verlangen nach kühlerem Wasser hatte,
zuletzt mit 21 und 18°, 3—4 Mal in 24 Stunden,
angewendet. Eine sichtbare Wirkung auf das Fieber
hatte aber die Wasseranwendung nicht, auch Mor¬
gens über 40, Abends bis zu 40,9. Nun wurden
neben den Bädern nach Hahnemann’s Vorschrift
Bryonia 30. und Rhus 30. im Wechsel gegeben.
Das Fieber liess etwas nach, vom 27. October an
kamen Morgentemperaturen bis zu 39,6, am 28.
aber erstmals blutiger Stuhl, dem in der nächsten
Zeit massenhafte weitere Blutausscheidungen folgten.
Mit den Bädern wurde sofort ausgesetzt, rasch ge¬
wechselte Eiswasserüberschläge über den Bauch und
Arsenik 30., später 6. gegeben. Die Kranke fiel
rasch in dem Maasse zusammen, dass wir öfter
Abends im Zweifel waren, sie Morgens noch lebend
zu treffen; sie war äusserst blass, schlummersüchtig,
kaum einer Bewegung fähig, die Füsse schwollen
ödematös bis zu den Knieen an. Selbstverständ¬
lich wurde mit Champagner und starkem spani¬
schem Weine der zu erlahmen drohenden Herzkraft
möglichst Vorschub geleistet, auch verweigerte die
Kranke kräftige Fleischbrühe u. dgl. zu nehmen
nicht. Am 30. October wurde Arsen, mit Acid.
phosph. 6. vertauscht. Am 31. waren noch vier
blutige Stühle, am 1. November nur noch einer.
Die Leibeswärme hielt sich seit der Blutung
zwischen 39 und 40. Eine allmälilige Besserung,
eine kleine Zunahme der Kraft war in den näch¬
sten Tagen nicht zu verkennen, die Stühle setzten
ganz aus und als am 4. November zum ersten Mal
wieder ein Stuhl kam, war er geformt und ohne
Blut. Die wassersüchtige Anschwellung der Beine
nahm auch sichtlich ab. Am Abend des 4. No¬
vember war die Wärme auf 38,1, am Morgen des
8. auf 38,0 gefallen, als an diesem Tage ganz un-
vermuthet ein Schüttelfrost eintrat, der die Wärme
Abends wieder auf 40 brachte und sich noch
einige Male mit demselben Erfolge wiederholte. Ein
greifbarer Grund für diese Schüttelfröste war vor¬
erst nicht aufzufinden. Acid. phosph. wird fort¬
gegeben. Am 14. November steigt die Wärme
zum letzten Mal auf 39,4, fällt bis zum nächsten
Abend auf 37,0 und bleibt von da in den gesund¬
heitlichen Grenzen. Was die Schüttelfröste zu be¬
deuten hatten, trat am 22. November zu Tage.
Das rechte Bein zeigte sich in seiner ganzen Aus¬
dehnung geschwollen, etwas bläulich gefärbt und
schmerzhaft, also Venenthrombose. Leibeswärme
unverändert; gegen die Schmerzen des Beins schien
Dulcamara 6., in mehrfachen Gaben, hilfreich zu
sein. Bald nahm auch die Schwellung wieder ab,
die allgemeine Erholung hatte ihren Fortgang.
Unterbrochen wurde diese nur noch Anfang Januar
1894, wo ohne besondere Veranlassung unter
Steigerung der Fieberwärme bis zu 39,6 Mittelohr¬
entzündung mit sehr heftigen Schmerzen eintrat
Die Kranke bekam je eine Gabe Aconit. 6., Pulsa-
tilla 30., Belladonna 3ü., Ol. Terebinth. 3., Hep.
sulph. calc. 30. In wenigen Tagen war die Sache
vorüber und die Kranke konnte schon am 17. Januar
in die Erholungsstation entlassen werden, wo, wie
bei der Schwere der Erkrankung nicht anders zu
erwarten, die Kräftigung langsam fortschritt, so
dass sie erst im Frühjahr wieder einen Posten über¬
nehmen konnte.
5) G. W., 43 Jahre, eine unserer leitenden
Schwestern, war den Sommer vorher durch viele
Arbeit und daneben Unlust in Folge bedeutender
baulicher Veränderungen im Hause überangestrengt.
Hatte auf ihrer Abtheilung den weiter unten noch
genauer zu erwähnenden Typhuskranken. Sie legte
sich am 16. October, nachdem sie schon einige Zeit
vorher gekränkelt, mit Fieber, Verdauungsstörun¬
gen, Bronchialkatarh und Milzschwellung. Die
Leibes wärme stieg nie erheblich über 39, zeigte sich
aber dafür um so hartnäckiger erhöht, so dass die
Krankheit, ohne dass sie zu ernsteren Besorgnissen
führte, sich sehr in die Länge zog. Die Schwester
bekam die gewöhnlichen Mittel Nux, Bryon.,
Geisern, u. s. w. je nach den vorwaltenden Er¬
scheinungen, ohne dass im geringsten ein Einfluss
derselben auf die Gesammtkrankheit zu beobachten
gewesen wäre. Erst am 17. »Janiar war sie so
weit hergestellt, dass sie, der ärztlichen Aufsicht
nicht mehr bedürfend, auf die Erholungsstation
abreisen konnte. Die Kräftezunahme war, wie zu
erwarten, eine sehr langsame, doch ist die Schwester
seit April wieder auf ihrem Posten.
6) M. K., 20 Jahre, Vorprobeschwester, erst
einige Monate im Hause. Hatte sich hauptsächlich
mit Nachtwachen an der Pflege der Typhus¬
schwestern betheiligt. Erkrankte am 27. October
mit unbestimmten Erscheinungen. Doch am 28.
schon 39,3 Abend wärme. Aconit, und, als stärkere
Kopfschmerzen auftraten, Gelsemium 6. schienen
günstig zu wirken, indem am 3., 4. und 5. No¬
vember die Morgentemperaturen auf 37,6, die
Abendtemperaturen auf 38,2—4 sanken. Am 6. aber
trat rasche Steigerung ein, Morgens 39,4, Abends
40,2 (in ano gemessen, wie von jetzt an immer).
Es wurden kalte Abwaschungen und zwischen hinein
Leibwickel angeordnet und Bryonia 30. gegeben.
Als keine Aenderung eintrat vom 8. an Ferr,
Digitized by k^ooQle
phosphor. 6. stündlich, später Kalium chlorat. ebenso.
Am 11., wo die Abendwärme auf 40,6 gestiegen
war, wurden starke Schmerzen beim Wasserlassen
geklagt. Eine sofort vorgenommene Untersuchung
ergab diphtheritischen Belag der Innenseite beider
kleiner Schamlippen. Nun wird Mercur. cyanat. 6.
mehrmals täglich gereicht, Reinigung mit Wasser
unter Zusatz reinen Weingeists, mit letzterer
Mischuug getränkte Leinwandfleckchen in die Vulva
eingeschoben, Rumpfwickel fortgesetzt. Hatte die
Diphtherie kritische Bedeutung oder griff das Cyan¬
quecksilber wirklich in den Gang der Krankheit
ein, die Macht der letzteren war von jetzt an ge¬
brochen, die Temperaturen kamen nie mehr über
40 und am Morgen des 20. (ziemlich genau mit
Beginn der 4. Woche) war 87,0 erreicht; an den
Lippen kein Belag mehr, nur reine, oberflächliche
Geschwüre; Mercur., der in den letzten Tagen
immer seltener gegeben wurde, fiel nun weg. Vom
24. an aber hoben sich wohl im Zusammenhänge
mit Gemüthsbewegungen (Geburtstagsfeier), sowie
mit Fortbestehen eines tiefgreifenden Bronchial-
katarrhs die Temperaturen wieder, Abends zeitweise
bis gegen 40. Es wird Belladonna t». gereicht,
und da es ohne Eindruck blieb, auf Arznei ganz
verzichtet, bei höherem Fieber nur Einpackungen
mit darauffolgendem Halbbad und Abwaschung an¬
gewendet, meist täglich nur einmal; als die Abend¬
temperaturen später um 89 blieben, einfache kalte
Abwaschungen. Am 5. December war zum ersten
Mal wieder 37 erreicht. Doch hob sich vom 9.
bis 14. December die Temperatur noch einmal bis
zu 39,9, um vom 15. an definitiv unter 88 auch
Abends zu bleiben. Des Bronchialkatarrhs wegen
war aber noch im Januar die Anwendung von
Spongia 3. nothwendig, am 17. konnte jedoch die
Uebersiedelung auf die Erholungsstation erfolgen.
Die Kräftezunahmo fand verhältnissmässig rasch
statt, die Schwester trat bald wieder in die Arbeit,
ist jetzt ungleich kräftiger und blühender, als bei
ihrem Eintritt in das Haus; eines der nicht seltenen
Beispiele, dass überstandener Typbus entschieden
bessernd auf die Gesammtconstitution wirkt.
7) C. M., 21 Jahre, Vorprobeschwester, auf die
gleiche Weise wie die vorhergehende und ziemlich
zu gleicher Zeit angesteckt. Hatte schon am Abend
des 30. October 39,2, am Abend des 81. 40,1.
Die hervorstechendste Erscheinung war Kopf¬
schmerz, desshalb Aconit., und Belladonna im
Wechsel und als keine entschiedene Besserung ein¬
trat Gelsemium 6. Vom 30. October an fiel die
Körperwärme, am Morgen des 6. Novembers war
Morgens 37,2, Abends 38,7, am 7. schon 37,0 und
37,4 (Beginn oder vielleicht schon Ende der
3. Krankheitswoche). Erholung sehr rasch, so
dass die Schwester im December wieder eine Ab- |
tbeilung übernehmen konnte bei guter Leibesernäh¬
rung und blühendem Aussehen. Ein schon vor
der Krankheit bestehender und auswärts schon
specialistisch behandelter Mittelohrkatarrh beider¬
seits mit Trübung des Trommelfells und erheblicher
Gehörverminderung besteht fort; dazu gesellte sich
nach der Krankheit eine mässige aber tief zwischen
Luftröhre und Brustbein sitzende Anschwellung der
Schilddrüse mit nicht unerheblichen Athem- und
Schlingbeschwerden, so dass es zweifelhaft er¬
scheint, ob die Schwester bleibend die Kranken¬
pflege wird ausüben können.
8) A. V., 27 Jahre, erst vor wenigen Monaten
eingetreten, eine hochaufgeschossene, blutarme,
nervöse frühere Lehrerin. War der gleichen An¬
steckungsmöglichkeit ausgesetzt wie 5), hatte aber
schon während des ganzen Sommers geringe Ess¬
lust. Legte sich am 81. October mit Abendtem¬
peratur von 89,4. Schon am 3. December (von
da an in ano gemessen) 40,9, am 4. 41,0, dabei voll¬
ständig bewusstlos, auf Anrufen nur für ganz kurze
Zeit klar, fortwährende Unruhe, aus dem Bette
springen u. s. w., so dass man im Hause den Fall
so schwer ansah wie 1), auf Grund der nervösen
Constitution hielt ich aber stets die Aussichten für
nicht so ungünstig. Die Verdauung auch schwer-
stens gestört, fast nichts Nahrhaftes beizubringen,
Brechen, häufige unwillkürliche Entleerungen, bald
Harnverhaltung, die längere Zeit hindurch das
zwei Mal tägliche Anlegen des Katheters nöthig
machte. Die Kranke bekam anfangs Aconit., Gel¬
semium, Bryonia, später Baptisia und Arsenic.
Im Hinblick auf die Blutarmuth und Nervosität
stand ich von stärkerer Wasseranwendung ab und
beschränkte mich auf Leibwickel. Vom 7. De¬
cember, also wohl vom Beginn der 3. Woche an,
blieb die Wärme unter 40, ohne dass mehr Klar¬
heit des Bewusstseins und grössere Ruhe eintrat.
Nun bekam die Kranke einige Gaben Ignatia, wie
es schien mit deutlichem Erfolge hinsichtlich der
letztgenannten Erscheinungen. Da aber das Fieber
stets noch über 39 blieb, wurde vom 10. an Ferr.
phosph. 6. 2stündlich 3 Tropfen gegeben, bei
dessen Anwendung dann zwischen dem 13. und
15. December (Beginn der 4. Woche) Wärmeabfall
eintrat, der Bestand hatte. Hiermit besserten sich
alle Krankheitserscheinungen verhältnissmässig sehr
rasch, nur wegen fortbestehender Harnbeschwerden
waren später noch einige Gaben Oantharis 6. nöthig.
Am 7. Januar hatte die Schwester sich so weit er¬
holt, dass sie auf einen rascheste Besetzung erfor¬
dernden Posten im Katharinenhospital entsandt
werden konnte, jedoch nur für kurze Zeit, da sie
schon Ende dieses Monats eine leichte Lungen-
I blutung daselbst bekam und mit Dämpfung über
j der rechten Lungenspitze, vermindertem Einath-
Digitized by
Google
fi
mungs- und verstärktem Ausathmungsgeräusch wieder
ins Mutterhaus aufgenommen werden musste. Bei
Anwendung von Aconit., Arsenik, Spongia (rauher,
trockener Husten), Hyoscyamus (krampfhafter Husten
Nachts) und einer Gabe Calcarea SO. verlor sich
die Sache rasch. Die Schwester kam bald in die
Erholung und kann seit April einen nicht ganz
leichten Posten in einer Augenklinik versehen. All¬
gemeinbefinden verhältnissmässig gut, Wiederkehr
der Lungenerscheinungen jedoch zu befürchten.
9) J. W., 21 Jahre, Probeschwester. Seit
einigen Monaten in der Gemeindepflege zu Tübin¬
gen, wo sie bei Typhuskranken thätig war. Kam
am 21. November ins Mutterhaus, nachdem sie in
Tübingen 2 Tage gelegen hatte, also etwa zu Ende
der 1. Krankheitswoche. Die Temperaturen (in
ano gemessen) sofort hoch, am 22. 40,5. Ausser
den Unterleibsstörungen waren Kopfschmerzen die
Hauptbeschwerde, desshalb Gelsemium 6. 2 Mal
täglich 3 Tropfen. Es schien günstig zu wirken.
Am Morgen des 25. war die Wärme 38,0, Abends
vorher 39,5. Vom 28. an aber wieder entschiedene
Zunahme des Fiebers, das von da an 6 Tage an¬
haltend über 40 blieb, am 29. Abends 40,9. Fer¬
rum phosph. im Wechsel mit Gelsemium bezw.
Baptisia half nichts, darum vom 29. an Halbbad
mit Uebergiessung meist 2 Mal täglich, zuerst 23
und 21°, und da die Kranke diess nicht gut ertrug
25 bezw. 26, Ueberguss 23 bezw. 24. Hierbei
fiel die Temperatur am 4. December zum ersten
Mal wieder unter 39, doch blieben die Abendtera-
peraturen noch hoch bis zum 8., am 9. schon war
die Wärme Morgens auf 37,1 gesunken, Abends
an diesem und dem folgenden Tage noch 88,2,
von da an normal. Entscheidungszeit also Mitte
der 4. Woche. Während der zweiten schweren
Fieberperiode wurde ausser den Bädern nur eine
Gabe Arsenic. 30. angewendet. Die Reconvales-
cenz der sonst ganz gesunden und kräftigen
Schwester war rasch. Am 17. Januar kam sie auf
die Erholungsstation, im März wieder nach Tübingen.
10) K. R., 34 Jahre, kräftige, im Wesentlichen
gesunde Schwester, hatte im städtischen Spitale zu
Besigheim Typhuskranke gepflegt. Kam am 1. De¬
cember zu uns, muthmasslich auch gegen Ende
der 1. Krankheitswoche mit Abendwärme von 39,4,
2. 39,9, 4. und 5. 40,2. Sie bot kein schweres
Krankheitsbild, auch hinsichtlich der Baucherschei¬
nungen nicht, klagte aber über äusserst heftiges Kopf¬
weh. Desshalb ausschliesslich Gelsemium 6. Mor¬
gens und Abends 3 Tropfen. Vom 6. December
an fielen die Temperaturen allmählig, aber ganz
regelmässig, ab, so dass am 11. December der ge¬
sundheitliche Zustand erreicht war (Mitte der
3. Woche). Konnte schon am 7. Januar genesen
auf ihren früheren Posten entlassen werden.
11) Chr. C., 33 Jahre, kam am 16. November
aus dem Bezirkshospitale Reutlingen in abgearbeite¬
tem, körperlich weit heruntergekommenem Zustande.
An der Btreckseite des kleinen Fingers der linken
Hand hatte sie eine erhsengrosse, granulirende, von
dickem Oberhaut walle umgebene äusserst empfind¬
liche Wunde, die schon 9 Wochen mit Jodoform,
Aetzungen, Sublimatlösung u. dgl. behandelt worden
war., ohne dass sie zur Heilung hätte gebracht
werden können. Ich behandelte sie unter zeit¬
weiser Abtragung des Epidermiswalles mit der
flachgebogenen Scheere ausschliesslich mit Priess-
nitz’sehen Umschlägen, 4 Mal täglich mit frischem
Wasser und reiner Leinwand angelegt. In weniger
als 14 Tagen war sie vollständig geheilt. Beiläufig
bemerkt habe ich den ersten oft erprobten Theil
des Verfahrens von Virchow gelernt, der im Winter
1859/60 einem Studenten, der ihm einen solchen
alten Schaden aus dem Seciersaale vorwies, sagte:
Da müssen Sie vor allem die umgebende Epidermis
stets wieder abtragen, solche Wunden lieben die
Oeffentlichkeit. — Die Wunde war also geheilt, mit
nichten aber die Schwester. Bei ihr stellte sich
vielmehr deutlicheres Fieber ein mit vollständiger
Appetitlosigkeit, Durchfällen von charakteristischer
Art, Bauchauftreibung und Milzschwellung. Die
Wärme, vom 28. November an gemessen, bewegte
sich Abends um 39. Da die sonstigen Erscheinun¬
gen, namentlich Frostigkeit und Durstlosigkeit, auf
Pulsatilla wiesen, bekam sie diess, jedoch ohne Er¬
folg; am 6. December war die Abendwärme sogar
auf 39,7 (in der Achselhöhle) gestiegen. Nun wird
Phosphor. 30. gegeben; am 11., wo die Abend¬
wärme stets noch über 39, Arsenik 30., und am 13.,
wo sie sogar wieder 39,7 erreicht hatte und
stärkeres Kopfweh sich bemerklich machte, Gelse¬
mium 6. Diess schien zu wirken; am 16. schon
war sie auf 38 gefallen, von da an Fieherlosig-
keit und langsame Erholung. Der Temperaturab¬
fall mag aber mit Ende der 3. bezw. Anfang der
4. Woche zusammenfallen, für eine Wirkung der
Arznei demnach nichts beweisend. Man könnte
Zweifel hegen, ob die fieberhafte Erkrankung nicht
mit der Wundinfection Zusammenhänge. Es war aber
nicht das geringste Zeichen einer Weiter Verbreitung
der Ansteckung von der Wunde aus zu bemerken,
keine Rose, keine Phlegmone, keine Lymphgefäss-
erkrankung. Ueberdem hatte das Fieber in keiner
Weise septischen Charakter, stimmte vielmehr voll¬
ständig, wie auch die übrigen Erscheinungen, mit
einem lentescirenden Typhus. Die Schwester kam
am 17. Januar auf die Erholungsstation und genas
rasch und vollständig.
12) M. B., 19 J., Vorprobeschwester. Auf
der Abtheilung, auf welcher die typhuskranken
Schwestern lagen, längere Zeit beschäftigt. Legte sich
Digitized by ^.ooQle
7
am 8. Februar 1894 nach mehrtägigem Unwohl- i
sein mit einer Abendwärme von 40,2, Kopfschmerz |
und den übrigen Erscheinungen eines beginnenden [
Typhus. Sie bekam Aconit, und Belladonna im
Wechsel, später des vorwiegenden Kopfschmerzes
wegen Gelsetnium 6. Die Wärme hielt sich fort¬
während um 40 bis zu 40,5. Als sie am 12. (um
das Ende der 1. Krankheitswoche) auf 40,3 wieder
gestiegen war, wurde Bryonia 80., eine Gabe von
2 Tropfen gereicht, worauf bis zum Morgen des
14. die Wärme auf 88,8 fiel. Am gleichen Tage
zeigte sich leichte Bachendiphtherie, was eine Gabe
Merc. cyan. 6. veranlasste. Die Wärme stieg aber
wieder bis zu 40,2 am Abend des 15., deshalb
Arsenik 30., worauf am Morgen des 17. 38,3. Von
da an mehrere Tage Temperaturen zwischen 39,5
und 87,5. Am 21. aber wieder 40,1, worauf
eine Gabe Bhus 80., als aber am 23. und 24. die
Wärme trotzdem Abends gegen 40 stieg, einige
Gaben Ferr. phosph. 6. Unter Gebrauch dieses
Mittels trat am 27. Februar (Beginn der 4. Woche)
der bleibende Fieberabfall ein und es schien die
Krankheit rasch in die Erholungszeit überzugehen,
als ohne bekannte Veranlassung am 6. März Abends
die Wärme auf 89,3, am 7. sogar auf 40,6 stieg,
um aber schon am 8. Abends auf 38,0, am 9. Abends
auf 37,1 zu fallen, demnach eine Fieberkurve fast
wie bei einer Koch 1 sehen Einspritzung. Als Ursache
derselben liess sich eine leichte Ausschwitzung in
der Brusthöhle links nachweisen. Als Arzneimittel
war allein wieder Ferr. phosphor. 6., zuerst stünd¬
lich 3 Tropfen, dann seltener, in Anwendung ge¬
kommen. Nach einigen Tagen hoben sich die
Abendtemperaturen noch zwei Mal auf 38,2, dann
aber trat ungestörte Beconvalescenz ein. Nach
kurzem Erholungsaufenthalt konnte die Schwester
wieder in die Arbeit gehen. Da mit Ausnahme
der ersten Tage die Temperatur nie anhaltend hoch
war, insbesondere bald starke Morgenremissionen
zeigte, auch die gereichten Arzneimittel den Gang
der Krankheit günstig zu beeinflussen schienen,
wurde in diesem Falle von Wasserbehandlung voll¬
ständig Abstand genommen.
13) E. S., 26. J. Früher hitziges Glieder¬
weh, davon ein Herzfehler (an der Spitze der
erste Herzton unrein) zurückbehalten. Hatte auf
ihrem letzten Posten strenge gearbeitet und daneben
gemüthlich manches Schwere durchzumachen ge¬
habt. Kam mager, blass, hustend in die Krank¬
heit, deren erste 8 Tage sie im Katharinenhospital j
hier durchmachte und daselbst AntipyTin und Calo-
mel in starken Gaben erhielt. Als keine Besserung
eintrat, wurde sie am 12. Februar ins Mutterhaus
verbracht, wo besonders der starke Husten auffiel.
Bei der Brustuntersuchung erwies sich der obere
Theil der linken Lunge verdichtet (Dämpfung des
Percussionsschalls mit verlängertem lautem Aus-
athmungsgeräusch). Die Kranke bekam deshalb
Natr. nitric. 6., und als die Hitze nicht nachliess
und die Temperatur allmählig gegen 40 stieg,
Bryonia 30. Am 16. Februar (Ende der 2. Krank¬
heitswoche) war sie auf 40,1 gestiegen, am Mor¬
gen des 17. 40,4, Abends 40,5. Nun wird Arsenik 80.
gereicht, daneben Bumpfwickel, alle 2 Stunden
frisch. Als bis zum 20. keine Besserung und die
Morgentemperatur 40,8, wird Bhus 30. gegeben
und am 12., wo die Morgentemperatur sogar 41,0
(Achselhöhle) betrug, Phosph. 80. Die Schwere
des Falls äusserte sich besonders auch darin, dass die
Fieberkurve unentwegt stieg und die Morgenwärme
meist die höchste war. Mit jener hohen Mor¬
genwärme traten rasch unter Zunahme der Schwäche
und Schwinden des Bewusstseins Blutungen aus
verschiedenen Körpertheilen ein, Nase, Darm, um¬
fangreiche Blutunterlaufungen unter die Haut,
welcher allgemeinen Blutzersetzung gegenüber selbst¬
verständlich alle namentlich zur Stärkung der Herz¬
kraft angewendeten Mittel erfolglos waren. Bei
sinkender Leibeswärme tritt in der Nacht vom 24.
bis 25. Februar der Tod ein, Ende der dritten
Krankheitswoche.
14) D. M., 23 J., Probeschwester. Beschäftigt
in der Gemeindepflege zu Crailsheim. Lag an
letzterem Orte 4 Tage und wurde mit AntipyTin
und Phenacetin behandelt. Wurde am 14. Februar
(also wohl mit Beginn der 2. Krankheitswoche)
ins Mutterhaus verbracht. Ausgesprochen Typhus,
Milzschwellung, Roseola, dünne, hellgelbe Stühle,
etwa 4 Mal in 24 Stunden. Abendtemperatur
gegen 40, Morgens selten unter 39,5. Zunächst
bekommt die Kranke Arsenik 30. und als am 20.
die Morgentemperatur rasch auf 40,8 stieg,
Rbus 30. 2 Tropfen; Abends 41,0, 21. Morgens 39,0,
Abends 40,4 jetzt Bryonia 30. In der Nacht aber
der erste blutige Stuhl, dem während des 22. noch
10 weitere folgten, in der folgenden Nacht noch
einmal 3 solcher Stühle. Daraufhin Lachesis 6. und
als die Temperatur hoch blieb, Arsenik 6. Jetzt
sank die Wärme am Morgen des 24. bis auf 38,6;
nach dreitägiger Pause wird auf eine Einspritzung hin
reichlicher, wenig Blut enthaltender Stuhl entleert,
dagegen nimmt Schwäche, Buhelosigkeit, zeit¬
weises Irrereden überhand. China 80. 2 Tropfen
ohne Wirkung, Temperatur wieder über 40. Carb.
veget. 30. 2 Tropfen, und als darauf keine nach¬
haltige Besserung Camphora 2., später Moschus 3.
Die nervöse Unruhe bei ziemlich klarem Be¬
wusstsein und allmählig bis um 88 sinkender
Temperatur wird immer grösser, Puls sehr rasch
und klein, über 130, Athem rasch und etwas
rasselnd. Gegen die Aufregung erweist sich Zinc.
acet. 2. Verdünnung in wiederholten stärkeren
Digitized by
Google
8
Gaben entschieden hilfreich. Die Kranke wird
ruhiger, vollständig klar, schläft auch etwas, aber
die herannahende Lungen- und Herzlähmung ist
nicht zu verkennen, trotzdem dass selbstverständlich
mit starkem Wein, Champagner u. dergl. geschieht,
was geschehen kann. Die Kranke ist sich ihres
Zustandes vollständig bewusst, freut sich auf den
Tod, ist rührend dankbar für alles, was an ihr ge-
than wird und stirbt vollständig bei Bewusstsein
unter stets schwerer werdendem Athem am 6. März,
von allen aufs Tiefste bedauert als frühes Opfer
ihres Dienstes der Nächstenliebe. Die letzte Mes¬
sung am Morgen des Todestages hat 36,1 ergeben.
16) A. S., 28 J., Probeschwester, die vorzugs¬
weise Pflegerin der beiden Gestorbenen. Hochaufge¬
schossenes, blasses Mädchen, zu Husten geneigt,
welch letzterer auch während der ganzen Krank¬
heit dasjenige Symptom war, das vermöge seiner
Hartnäckigkeit und Heftigkeit am meisten Besorg-
niss einflösstc. Wurde nach dem Tode der beiden
Vorhergehenden sofort zur Erholung aufs Land
geschickt, kehrte auch anscheinend gesund zurück,
legte sich aber schon am 13. März. Anfangs hielt
sich die Wärme zwischen 38 und 39 und es
konnten der Reihe nach gegen die katarrhalischen
Erscheinungen Gelsemium, Belladonna, Bryonia, Saba-
dilla, gegen das Fieber daneben Ferr. phosph. und
Natr. nitr. zur Anwendung kommen. Am 22. März,
Anfang der 2. Krankheitswoche, hob sich aber das
Fieber rasch auf 40,6 Abends, und damit war auch
wieder ernster Stand der Dinge gekennzeichnet,
doppelt ernst nach den vorausgegangenen trüben
Erfahrungen. Es wird nun regelmässige Badebe¬
handlung neben Darreichung starken spanischen
Weines eingeleitet, mit Vollbad von 24° R. be¬
gonnen, dasselbe aber, da die blasse, hustende,
frierende Kranke dringend darum bat, auf 28,
bald sogar auf 30° erhöht. Gebadet wurde, so oft
die Temperatur in der Achselhöhle 39,0 überstieg,
meist 4 Mal in 24 Stunden. Trotzdem stieg die
Wärme in den nächsten Tagen noch vielfach über
40, selbst bis zu 40,8, doch stellten sich nur
massig häuhge dünne Stühle ein, die Zunge blieb
feucht, Esslust nicht ganz geschwunden, Harn
eiweissfrei. Gegen den Husten wurde neben den
Bädern zeitweise Hyoscyamus und Bryonia gegeben.
Ala aber bis zum 28. März (Anfang der 3. Woche)
die Abendtemperaturen immer noch, trotzdem dass
die Bäder wieder mit 26 und 24° gegeben wurden,
um 40,5 betrugen, wurde Bryonia und Rhus toxic. 30.
in wiederholten Gaben abwechslungsweise gereicht.
In den ersten Tagen des April stieg die Abend¬
wärme noch nahe bis zu 40, am 4. trat aber rascher
Abfall ein (Anfang der 4 Woche), nachdem binnen
12 Tagen 55 Bäder gegeben worden waren. Von
da an ungestörte Erholung mit vollständigem Auf¬
hören des Hustens und rascher Kräftigung. Behufs
völliger Herstellung, namentlich auch Kräftigung
der Lunge, wurde die Kranke Mitte Mai in das
Erholungshaus nach Freudenstadt geschickt.
16) F. B., 50 J., eine unserer älteren Schwestern,
vorübergehend im Katharinenhospital beschäftigt,
erkrankte dort an den Erscheinungen eines gast¬
rischen Fiebers, bekam aber doch, da sich die
Krankheit durch 14 Tage in die Länge zog, Calo-
mel und Phenacetin. Kam am 11. März mit
Abendtemperaturen über 39,0 ins Mutterhaus. Be¬
kam ausser einigen Gaben Gelsemium 6., je einer
Gabe Bryonia 30. und Rhus 30. nichts. Vom
16. März an langsamer Wärmeabfall, vom 20. an
(Anfang der 4. Woche) normale Temperatur.
Rasche Erholung, ist längst wieder in der Arbeit.
17) Der einzige Typhuskranke während des
ganzen Winters auf der als Öffentliches Krankenhaus
dienenden Abtheilung der Diakonissenanstalt war
der am 19. Sept. 1893 aus Amerika zugereiste
33 Jahr alte W. D. Er kam fiebernd in sehr
erschöpftem Zustande mit so starkem Brechdurchfall,
dass zunächst an einen acuten Darmkatarrh aus
anderer Ursache gedacht und Aconit und Ipecacuanha
gegeben wurde. Bald waren aber die Zeichen
des Typhus unverkennbar und es wurde vom
21. September an Arsenik 6. zweistündlich 3 Tropfen
gereicht. Die Abendtemperaturen erreichten zwar
öfter 40, überschritten es aber nur ein Mal, auch
zeigte sich die verhältnissmässige Gutartigkeit der
Erkrankung in meist erheblichen Morgenremissionen.
Als aber nach achttägiger Behandlung noch kein
entschiedener Nachlass des Fiebers zu erkennen
war, wurde ein Mal täglich Vollbad mit 27 und
innerlich Acid. phosph. 6. 3 Mal täglich 3 Tropfen
gereicht. Verbreiteter Bronchialkatarrh mit starkem
Schleimrasseln machten zeitweise die Anwendung
von Tart. stibiat. 6., Harnbeschwerden die von
Canthar. 6. nothwendig. Am 10. Oktober trat ziem¬
lich rasch die Entfieberung ein (4. Woche). In
den folgenden Tagen mehrfach subnormale Tempe¬
raturen bis zu 35,6 (Achselhöhle). Am 20. Oktober
trat vielleicht in Zusammenhang mit einem Diätfehler
(vorsichtiger Versuch, festere Speisen zu geben)
wieder etwas Fieber bis zu 38,6 ein. Vom 24. an
war aber auph dieses überwunden und von da an
rasche Erholung. Wie schon früher angedeutet,
Hessen sich auf diesen Krankheitsfall einige An¬
steckungen bei Schwestern zurückführen, ein
Insasse der Krankenabtheilung selbst aber wurde
nicht angesteckt; es blieb, wie schon gesagt, trotz
starker Ueberfüllung der Abtheilung während des
ganzen Winters bei diesem einen Falle, ein voll¬
gültiger Beweis für den guten hygienischen Zustand
unseres Hauses.
Wie für den Sachverständigen solbstverständ-
Digitized by k^ooQie
9
lieh, war der Kern schwerer Erkrankungen von I
Schwestern, die den Hauptgegenstand unserer Dar- j
Stellung bildeten, umgeben von einer Zone leichterer j
Befindensstörungen anderer Schwestern, auf die !
wir aber, da der Nachweis eines thatsächlichen
Zusammenhangs mit der Typhusendemie unmöglich
und damit auch das therapeutische Interesse ge¬
ringer ist, nicht näher eingehen. Ja selbst bei
einzelnen schweren Erkrankungen war man im
Zweifel, sollten sie hierher gezogen werden oder nicht. 1
So erkrankte K.H., 28 J., diejenige Schwester, welche
die eingangs erwähnte Spanierin, von der alles
Unheil ausging, der Hauptsache nach zu pflegen
gehabt hatte, im Katharinenhospital an einer fieber¬
haften Erkrankung, die sich vom Typhus namentlich
dadurch unterschied, dass starke Bauchschmerzen
in der Ileocöcalgegend vorhanden waren, wie sie
der eigentlichen Blinddarmentzündung zukommen.
Als sie Anfang August ins Mutterhaus schon in
gebessertem Zustande kam, war aber nicht die
geringste Anschwellung in der genannten Gegend
vorhanden, was bei heftigerer Perityphlitis doch
anzunehmen gewesen wäre. Für die Vermuthung, !
dass es sich um tiefgreifende Typhusgeschwüre
nahe der Ileocöcalklappe mit Betheiligung des
Bauchfells gehandelt hatte, Hess sich auch manches
anführen, namentlich auch der gleichzeitig be¬
stehende Bronchialkatarrh. Die Schwester war
damals nur bis 21. August im Hause, ging dann
in die Erholung, kam hierauf in die Küche des
Bürgerhospitals, wurde hier aber bald wieder von
Unterleibsbeschwerden befallen. Von da kam sie
Mitte November wegen fortdauernder Bauch¬
beschwerden, namentlich schneidende Schmerzen
Vormittags und Durchfall, mangelnde Esslust, viel
Durst, ambulatorisch in meine Behandlung. Sie
erhielt eine Gabe Sulphur 30., worauf Schmerzen und
Durchfall sich sofort minderten, der Appetit sich
besserte. Nun trat aber starke Verstopfung ein,
die gegen Ende d. M. wieder mit Durchfall
wechselte. Da das Befinden nun Abends und Nachts
schlimmer war, viel Frieren bestand, eine Gabe
Pulsatilla 30. Darauf Anfang Deceraber ent¬
schiedene Besserung des Gesammtzustandes. Stuhl j
regelmässig. Die Sache war aber nicht von Dauer
und die Schwester musste am 14. December wieder j
ins Krankenzimmer aufgenommen werden, da die j
Schmerzen wieder Zunahmen und starke Verstopfung .
sich einstellte; in der Ileocöcalgegend nichts nach- |
zuweisen, als leichter Schmerz bei Druck. Es j
wurde einige Tage abgewartet, um den Ein- |
flus8 strenger Diät und Bettruhe festzustellen, j
Die Schmerzen besserten sich wohl, aber die j
Verstopfung steigerte sich so, dass sie auch |
mit grossen Darmeingiessungen kaum mehr zu be- j
w<igen war. Nun Opium 30. eine Gabe von |
2 Tropfen. Schon am andern Tage freiwilliger
Stuhl und von da an die Verstopfung vollständig
beseitigt. Kam Anfang Januar in das Erholungs¬
haus Oberesslingen, wo, wie bei Ortsveränderungen
so häufig, der Stuhl wieder etwas stockte, doch
ohne Eingriff sich wieder regelte. Im März konnte
die Schwester wieder Krankenpflege über/iehmen,
in der sie seither thätig ist. — Ein weiterer zweifel¬
hafter Fall war folgender: R. R., 20 J., Vorprobe¬
schwester, bei den Typhuskranken im Hause be¬
schäftigt, erkrankte auf der Höhe der Epidemie
am 18. October. Abendtemperatur 39,4. Neben
gastrischen Störungen ein Roseola-Ausschlag über
den ganzen Körper, am stärksten am Rumpfe. An
den folgenden Tagen Abendtemperatur bis zu 39,5,
Morgentemperatur bis zu 88,8. Es wird nur
Aconit. 6. gereicht. Links vom After entwickelt
sich ein grosser Abscess, der rasch reift und spontan
auf bricht. Hiermit sofort Temperaturabfall (am
25. October) und rasche Genesung. —
Soll ich meinen Standpunkt in der Typhus¬
therapie kurz bezeichnen, so ist es derselbe, den
mein längst verstorbener hochgeehrter Lehrer
Griesinger schon um die Mitte unseres Jahrhunderts
kennzeichnete mit den Worten: sorgsamste Leitung
der Aussenverhältnisse des Kranken bei ruhigem
Abwarten des Gangs der Krankheit selbst, dem
wir doch machtlos gegenüberstünden, darum „keine
riskirten Eingriffe, nil nocere.“ Also die diäte¬
tische bezw. diätetisch-symptomatische Heilmethode.
Nur in zwei Stücken unterscheide ich mich bedeut¬
sam von meinem Lehrer. Einmal in der ergiebigen
Anwendung des Wassers. Diese war in jener
Zeit noch so gut wie unbekannt, die Wasserärzte,
entsprechend der Begründung der neueren Wasser¬
heilkunde durch den Bauern Priessnitz, hatten sich
fast nur in chronischen Krankheiten versucht. Bei
Typhus brach erst Brand Bahn, und auf seine Ver¬
öffentlichungen hin wandte ich Bäder und Ueber-
giessungen bei schweren acuten Krankheiten seit
Mitte der sechziger Jahre an. So auch bei der
letzten grossen Typhusepidemie Stuttgarts im Jahr
1868 und dann bei den Typhen des Kriegsjahres
1870 71. Ich folgte damals streng den Brand’sehen
Regeln, liesö alle 2 Stunden, sowie die Hitze wieder
stieg, baden und zwar mit kaltem Wasser bis auf
8° R. herab. Ich kann nicht anders sagen, ich
hatte damals ausgezeichnete Erfolge*), die Epidemieen
brachten eine grosse Zahl junger, kräftiger Leute
zur Behandlung, vielfach, nachdem sie schon eine
geraume Zeit von anderen Aerzten mit inneren
*) Man bezieht solche Dinge gern auf den Genius
epidemicus. Ich will das Recht hierzu auch in keiner
Weise bestreiten. Nur dünkt mich hier in vielen Fällen das
Wort Goethes anwendbar: Was die Herren den Geist der
Zeiten heissen, ist oft der Herren eigener Geist.
2
Digitized by
Google
1 «
Mitteln behandelt worden waren, wobei dann die
sofortige, günstige Wirkung der Wasserbehandlung
augenscheinlich zu Tage trat: die bewusstlosen,
im Bett herabrutschenden Kranken wurden binnen
24 Stunden klar, munter, kräftig, die schwarze,
dürre Zunge roth und feucht, es trat Esslust und
Wohlbehagen ein, sie klagten eigentlich nur —-
über das Bad. Unter dem verhältnissmässig noch
frischen Eindruck dieser Erfolge ist der Abschnitt
über Typhus in meiner „Homöopathie am Kranken¬
bette erprobt, Stuttgart 1879, S. 64 ff.“ nieder¬
geschrieben. Die Verheissung Brands und seiner
unmittelbaren Anhänger, den Typhus durch die
Kaltwasserbehandlung zu einer fieberlosen und
damit völlig ungefährlichen Krankheit zu machen,
den Complikationen desselben zuvorzukommen u. s. f.
erwiesen sich mir aber mit der Zeit doch
ab zuweitgehend. Ich bekam einzelne Fälle von
Erkrankungen bei sonst gesunden, kräftigen, jungen
Leuten in meine Behandlung, bei denen trotz
rigorosester Anwendung des Wassers der Tod ein¬
trat, die nach Brand hätten eigentlich nicht sterben
dürfen. Andererseits erwies sich diese Behand¬
lung bei blutarmen, schwächlichen Leuten eben,
man verzeihe den Ausdruck, doch zu barbarisch, und
von den guten Wirkungen derselben war bei
solchen auch viel weniger zu erkennen. Im Gegen¬
satz zu den eigentlichen Typhusepidemieen, bei
denen unterschiedslos Starke und Schwache er¬
griffen werden, sind den mehr sporadischen Er¬
krankungen gerade Blutarme und zarte Geschöpfe
meiner Beobachtung nach in besonderem Masse
ausgesetzt. Seit Mitte der siebziger Jahre sind
aber diese sporadischen Fälle, wenigstens hier in
Stuttgart, die weit überwiegenden und hierzu gehören
die stets das grösste Contingent zu meinen Typhus¬
kranken stellenden Diakonissen, die vielfach von
anstrengenden Pflegen weg in einem abgearbeiteten,
oft geradezu erschöpften Zustande von der Krank¬
heit befallen werden. In diesen Beobachtungen und
Erwägungen ist der Schlüssel gegeben, warum ich
jetzt, wie wohl die Mehrzahl der erfahrenen Aerzte,
von der strengen Kaltwasserbehandlung abge¬
kommen bin und in milderen Anwendungsweisen,
Abwaschungen, theilweisen oder ganzen Ein¬
packungen, lauen bis warmen Bädern, das Heil
meiner Kranken suche und dabei, wie ich glaube,
ihnen nicht schlecht diene. Ein ganz wesent¬
licher Gesichtspunkt bei Einleitung der Wasser¬
behandlung ist mir jetzt das eigene Gefühl des
Kranken. Ist dem letztem, zumal wenn er schwäch¬
licher Natur, das verordnete Bad unangenehm, zu
kühl, so lasse ich es unter Umständen bis zu 30°
nehmen, umgekehrt ist dem Kranken Kühlung er¬
wünscht, wenigstens nicht widerwärtig, oder ist er
gar bewusstlos und dabei heiss und kräftig, so
lasse ich die Wärme der Bäder mit jedem nächst¬
folgenden um 1—2° vermindern, bis der Erfolg
erreicht ist oder der Kranke selbst in entschiedener
Weise sich ausspricht. Bekommen wir auf diese
Weise zwar weder die rasch eintretenden, erregen¬
den Wirkungen des kalten Wassers auf das
Nervensystem noch auf die Wärmeminderung, so
sind doch die anderen guten Folgen der Bäder,
Entfernung der auf der Haut ausgeschiedenen
Krankheitserreger und Krankheitsproducte, An¬
regung der Thätigkeit der ersteren überhaupt,
ungeschmälert und in vielen Fällen ist der be¬
ruhigende Einfluss, den die warmen Bäder auf
das Nervensystem haben, von hervorragend
günstigem Einfluss. Die unmittelbar wärmeherab¬
setzende Wirkung des kalten Bades hat das warme
allerdings nicht, aber auch beim kalten ist dieselbe
bekanntlich nur eine sehr vorübergehende; als
Nachwirkung des kalten Bades ist sogar vermehrte
Wärmeerzeugung im Leibe nachgewiesen und es
fragt sich desshalb, wie seine Wirkung überhaupt
theoretisch zu erklären ist. Dieser nur vorüber¬
gehenden Wirkung des kalten Bades will bekannt¬
lich die neuere Schule, namentlich auch Lieber¬
meister, durch gleichzeitige Darreichung von Anti-
pyreticis, namentlich Chinin, zu Hilfe kommen. Ich
habe letzteres in schweren Typhusfällen mit hohem,
durch kalte Bäder nur kurz herabzuminderndem
Fieber zeitweise auch in Gaben von 1 Gramm
versucht, aber keine wesentlich andere Wirkung,
als vom kalten Bade, wahrgenommen und desshalb
auf weitere Versuche damit verzichtet.
Der zweite Unterschied zwischen dem Verfahren
meines Lehrers Griesinger und dem meinigen bei
Typhus beruht darin, dass, wofern einzelne be¬
sonders lästige oder gefährliche Erscheinungen —
abgesehen vom Fieber — das Eingreifen des
Arztes erheischen, von ihm speciell-symptomatische
Mittel in grossen Gaben, von mir dem Gesammt-
zustand des Kranken möglichst entsprechende,
dem Aehnlichkeitsgesetze gemäss gewählte Arz¬
neien in sehr kleinen, sog. homöopathischen Gaben
verabreicht werden. Eins dürfte in dieser Hinsicht
klar und unbestritten sein: das „non nocere“ wird
durch letzteres Verfahren am sichersten erreicht.
Aber auch noch eine andere Erwägung wird mir
wohl als richtig zugegeben werden müssen, die Er¬
wägung nämlich, dass, wenn es gelingt mit einem
auf Grund möglichster Uebereinstimmung zwischen
Arzneibild und Krankheitsbild gewählten und in hoher
Verdünnung, mit anderen Worten in möglichster
Verfeinerung, mit möglichster Entbindung der
Molekularkräfte gereichten Arzneimittel ein Krank¬
heitssymptom (z. B. die heftigen Kopfschmerzen
der ersten Typhuswoche} zu bessern; damit
der Kranke nach seinem Gesammtzustand einen
Digitized by k^ooQle
11
ungleich grösseren Gewinn haben muss, als
wenn das betreffende Symptom mit Gewalt durch
ein nicht auf den Gesammtzustand wirkendes
Mittel in grossen Gaben unterdrückt wird. Das
nach Aehnlielikeit mit dem Gesammtzustande ge¬
wählte Mittel regt die ohnedem in dieser Richtung
schon thätigen Heilungsyorgänge, jedoch in anderer
Weise als die Krankheit selbst, an und, denselben
seinerseits keinen erheblichen Widerstand entgegen¬
setzend, trägt es damit wesentlich zur Ausscheidung
der Krankheitsursache bei. Diese Anschauungen
habe ich aber auch nicht Griesinger, sondern viel¬
mehr den Errungenschaften Hahnemanns zu danken,
wenn sie auch mit des Letzteren Theorie über
Krankheit und Heilung nicht übereinstimmen. Und
in Bezug auf die Kleinheit der Gabe erlaube ich
mir an die für die Gesichtspunkte der Therapie zu¬
erst von Hugo Schulz verwertheten Pflüger’schen
Zuckungsgesetze des Nerven hinzuweisen, nach
denen auf den ermüdeten (erkrankten) Nerven, wo¬
fern bei demselben überhaupt noch eine Thätigkeit
ausgelöst werden soll, viel schwächere Reize ange¬
wendet werden müssen, als der gesunde Nerv
bedarf.
Man wird mir einwenden, die in diesen Aus- i
führungen von mir in Anspruch genommene Ueber-
legenheit der homöopathischen Arzneien über die
in üblicher Weise angewendeten symptomatischen
Mittel scheine nun aber aus den mitgetheilten
Krankheitsgeschichten nicht im Mindesten hervor- j
zugehen. Das ist allerdings unbestreitbar und
stünde mir nicht die Wirksamkeit homöopathischer i
Mittel aus jahrzehntelanger Erfahrung und na¬
mentlich auf Grund von an mir selbst gemachter
Beobachtungen*) fest, diese Krankengeschichten
hätten mich auch nicht davon überzeugt. Unter
17 Typhusfällen 4 Todte, oder, wenn wir den mit j
Lungentuberkulose endenden weglassen, unter 16
Typhusfällen 3 Todte (fast 19 °/ 0 !) ist wahrhaftig
nichts Ermuthigendes. Es sei aber die Bemerkung
gestattet, dass in meiner nunmehr dreissigjährigen |
Thätigkeit an der evangelischen Diakonissenanstalt
in Stuttgart mir bis zu diesem Winter nicht
Eine Schwester an Typhus oder einer anderen
acuten, heilbaren Krankheit (also abgesehen von
acuter Miliartuberkulose, acuten Verschlimmerungen
achon lange bestehender schwerer Brustleiden u. dgl.)
gestorben ist,* so dass, wenn ich die Sache in um¬
fassenderer Weise bearbeiten wollte, doch andere
Zahlen zu Tage kämen.
Ebensowenig wie auf eine ausgedehntere sta¬
tistische Untersuchung kann ich hier auf die Frage
*) Biese Arbeit dürfte dem geneigten Leser, der mich
sonst nicht kennt, vielleicht doch die Vermuthung nahe
egen, ich möchte zur Autosuggestion nicht in besonderem
Masse befähigt sein.
nach der Berechtigung, zwischen Arzneiwirkung
und Krankheit überhaupt wesentliche Aehnlichkeiten
aufzustellen, hier eingehen. Denjenigen, der in
dieser Hinsicht meine Ansichten kennen lernen will,
erlaube ich mir auf meine oben angeführte Schrift
S. 26 ff. zu verweisen, wo besonders auch die pa¬
thologisch - anatomischen Aehnlichkeiten zwischen
Arzneiwirkungen und Krankheiten hervorgehoben
werden. Das aber, was ich oben schon kurz ange¬
deutet, muss ich hier noch ein Mal ausdrücklich
betonen und erklären, ein homöopathisch-specifisches
Mittel gegen den Typhusprozess als solchen kenne
ich nicht. Ich weiss, dass ich mich damit im
Gegensatz zu manchen in ihren Anschauungen
sonst mir näher stehenden Collegen befinde. Na¬
mentlich die mit den Rademacher’schen Erfahrungen
und Heilmitteln vertrauten, unter ihnen besonders
d§r verstorbene Rapp, haben gelegentliche Angaben
darüber gemacht, dass sie bei einzelnen Typhus-
epidemieen ein Mittel oder eine Zusammenstellung
von Mitteln, in grossen oder auch in homöopathisch
verdünnten Gaben gefunden hätten, das im Anfang
gegeben die Krankheit abschnitt, im späteren Ver¬
laufe derselben gereicht, sofort eine günstige Wen¬
dung und rasche Beendigung derselben zur Folge
gehabt habe. Als unmöglich möchte ich das Vor¬
handensein und die Wirksamkeit eines solchen Spe-
cificums in keiner Weise bezeichnen. Liegt ja doch
der Anwendung des Calomels, wie sie von vielen
Aerzten im Anfang der Krankheit geübt wird,
eine solche Anschauung zu Grunde, man will
damit „umstimmen, u für die ganze Krankheit einen
leichteren Verlauf erzielen.*) Beiläufig bemerkt
haben zwei der gestorbenen Diakonissen, ehe ich
sie übernahm, auswärts Calomel bekommen, alle
3 Gestorbene Antipyretika, keine derselben hatte
ich vom Beginn der Krankheit an in Behandlung.
Also ein Specificum gegen Typhus habe ich nie
gefunden, es mag diess aber auch sich erklären
daraus, dass, wie schon oben bemerkt, die Epide-
mieen seltener werden und ich die Fälle vielfach
erst nach einiger Zeit in Behandlung bekomme.
Bei der Wichtigkeit der Sache für Leben und Ge¬
sundheit sollten aber die Collegen, welche bewei¬
sende Beobachtungen in dieser Hinsicht gemacht
haben, mit Veröffentlichung derselben nicht zurück¬
halten. Das, was ich mit Arzneien gegen Typhus
auszurichten glauben darf, bewegt sich entschieden
auf symptomatischem Gebiete, allerdings auf dem
generell-symptomatischen, wie es schon der Grund-
*) Jetzt sagt man „desinficiren. 4 ' Die Calomelbehandlung
war aber lange vor Entdeckung des Typhusbazillus üblich
und ob das gereichte Calomel auf diesen, soweit er schon
innerhalb des Körpers ist, irgend welchen Einfluss hat,
darüber wären beweisende Beobachtungen und Versuche
erst anzustellen.
2 *
Digitized by
Google
satz ßimilia similibus mit sich bringt. Die Beseiti¬
gung oder Besserung des einzelnen, hervorstechenden
Symptoms kommt eben auch dem Gesammtzustaude
zu Gute, weil das nach der Gesammtähnlichkeit
gewählte Mittel eben auch auf diesen wirkt. Soll
ich in dieser Hinsicht einige der am meisten von
mir gebrauchten Mittel namhaft machen, so habe
ich für den allerersten Anfang der Krankheit viel
Vertrauen auf die Zusammenstellung von Aconit
und Nux voraica. Auch Mercur. habe ich in dieser
Zeit, wenn die Erscheinungen, namentlich Schweisse,
darauf hinweisen, nicht selten mit Nutzen gegeben.
Bei hervorstechenden Kopfsymptomen, namentlich
Schmerzen, gebe ich seit Jahren mit Vorliebe
Gelsemium, dessen Charakter man wohl am ein¬
fachsten mit Belladonna -j- typhöses Fieber be¬
zeichnen kann, es nützte augenscheinlich besonders
dann, wenn die nähere Art der Kopfschmerzen
mit den Prüfungsergebnissen übereinstimmten. Bei
vorwiegend gastrischen Erscheinungen, namentlich
ekelerregendem Mundgeschmack, schlechtem Geruch
in der Nase etc. habe ich in einzelnen Fällen von
Baptisia rasche Besserung gesehen. Nun kommen
die alten Hahnemann’schen Mittel Bryonia und
Rhus, die ich theils in Einzelgaben, Bryonia bei
Verstopfung, Rhus bei Durchfällen in hohen oder
niederen Verdünnungen, theils im regelmässigen
Wechsel nach der ursprünglichen Hahnemann’schen
Vorschrift (auf Grund einer von ihm in dieser
Weise mit Glück behandelten Typhusepidemie)
gegeben habe. In einzelnen Fällen scheinen diese
Mittel entschieden rasche Besserung und Abkür¬
zung des Krankheitsverlaufes zu bringen, in
vielen anderen aber auch nicht. Dann kommt
der Arsenik, den ich meist dann anwende, wenn
die vorhergehenden Mittel nicht durchgegriffen
haben und die Krankheit einen ernsteren Charakter
annimmt. Von seiner Wirkung und Anwendungs¬
weise kann ich ungefähr das Gleiche sagen, wie von
den vorhergehenden Mitteln. Einer weiteren Stei¬
gerung der Krankheit mit vorwiegender Schwäche
und drohender Blutzersetzung entspricht Phosphor,
bezw. Kali phosphoricum, während Acid. phosph.
und Ferr. phosph. früheren Stadien entsprechen;
letzteres Mittel hat vermöge seines Eisengehalts
vorwiegend erethischen Charakter. Nun kommt
noch Carbo vegetabilis 30. bei drohendem Er¬
löschen der Lebenskraft. In dem schweren Falle
von 13) hat es wohl augenscheinliche Besserung,
aber keine bleibende Wendung gebracht. Bei an¬
deren Krankheiten hat es sich mir schon besser
bewährt. Zur Anwendung der Constitutionsmittel
Sulphur, Calcarea, Sepia etc. bleibt bei Typhus
gewöhnlich keine Zeit, bei sich in die Länge
ziehendem Prozesse habe ich sie aber nicht selten
mit dem Erfolge einer entschiedenen Wendung
zum Besseren verabreicht. Diess in kurzen und
unvollständigen Strichen mein Rüstzeug gegen
diese schwere Krankheit. Es könnte Niemand
mehr freuen als mich selbst, wenn diese meine
Veröffentlichung Andere veranlassen würde, uach-
zuweisen, dass sie bessere Mittel haben oder die
auch von mir benutzten in besserer Weise anzu¬
wenden verstehen. — Von der Wasserbehandlung
habe ich schon oben geredet; soll ich nun noch
mit kurzen Worten den relativen Werth der Wasser-
und Arzneibehandlung des Typhus, wie er sich mir
aus der Erfahrung ergeben hat, bezeichnen, so
halte ich die Wasserbehandlung für um so wirksamer
und um so energischer anzuwenden, je mehr die
Gefahr von anhaltendem, hohem Fieber ausgeht,
die Arzneibehandlung aber für aussichtsreich, wenn
bei mässigem Fieber die Gefahr durch bestimmte
Localisationen des Leidens irgend welcher Art
hervorgerufen wird; im letzteren Falle nehme ich
nöthigenfalls nur die örtlichen und allerleichtesten
allgemeinen Anwendungen des Wassers in Anspruch.
Bezüglich der Darreichung des Weines lasse ich mich,
so lange die Kranken beim Bewusstsein sind, am
liebsten von deren Instinkte leiten, nehmen sie den
Wein gerne, bekommt er ihnen augenscheinlich gut,
so erhalten sie, so viel sie wollen, mehr als eine,
höchstens zwei Flaschen in 24 Stunden werden
nicht leicht gereicht. Die Schwestern, die an reich¬
liche Verabreichung von Wein an Kranke von an
deren Aerzten gewöhnt sind, zeigen sich eher zu
viel für denselben eingenommen, als zu wenig. In
gleicher Weise überlasse ich die Wahl der Art
des Weines, Rothwein, Weisswein, stärkere süd¬
liche Weine, Champagner, meist dem Geschmacke
und dem Befinden des Einzelnen. Auf der Höhe
der Krankheit bei mangelndem Bewusstsein, wenn
die Kräfte schwinden, wird selbstverständlich zu
den stärkeren Weinarten gegriffen, sind sie ja in
solchen Fällen vielfach fast das Einzige, was dem
Kranken zur Stärkung noch beigebracht werden
kann.
Der Eindruck, den mir meine nun bald 40jäh-
rige Beschäftigung mit Typhuskranken hinterliess,
war — von den diätetischen Massnahmen abge¬
sehen — doch der, dass Aerzte und Kranke übel
daran wären, wenn ihnen nicht die Vis medicatrix
naturae zu Hilfe käme. Mit mehr oder we¬
niger Recht gilt das übrigens von der Mehrzahl
der acuten Krankheiten und zumal von den
typisch verlaufenden. Hieran wurde ich unlängst
auch wieder gemahnt durch eine unter Li Ober¬
meister*) erschienene Dissertation über Scharlach
Unter 74 in den Jahren 1882 bis Ende 1892 in
*) R. Meyer, zur Prognose und Therapie dee Scharlachs,
Tübingeu 1393.
Digitized by
Google
13
der Tübinger medicinischen Klinik behandelten
Scharlachkranken aus allen Altersstufen starb nur
einer. Naturgemäss kamen in die Klinik nur die
schwereren Fälle. Die Behandlung bestand, abge¬
sehen von allgemein-diätetischen Massnahmen, in
vorsichtiger Anwendung von kühlen Bädern und
noch vorsichtigerer Anwendung von Antipyreticis.
Nun ist gerade der Scharlach eine derjenigen
Krankheiten, an der ich mir die ärztlichen Sporen
verdient und die Wirkung homöopathischer Mittel
in allererster Linie erprobt habe. Hierzu gab mir
die schwere Scharlachepidemie, welche Anfang der
sechziger Jahre in Stuttgart und namentlich auch
in der mir damals als Armenarzt befohlenen Vor¬
stadt Heslach herrschte, reichliche Gelegenheit.
Allerdings hatte ich damals die Kranken, und zwar
ausschliesslich Kinder, nicht in einem klinischen
Institute, sondern in den Wohnungen der niedersten
Bevölkerung selbst zu behandeln, also unter hygie¬
nisch sehr ungünstigen Bedingungen. In dieser
Epidemie waren nun parenchymatöse Nephriten
mit nahezu aufgehobener, blutiger Harnausschei¬
dung, Wassersucht und urämischen Erscheinungen
an der Tagesordnung. Aber gerade in diesen
schweren Fällen bewährte sich mir damals Phosphor
in hohen Verdünnungen, auf den ich anlässlich
eines meist gleichzeitig vorhandenen tiefgreifenden
Bronchialkatarrhes kam, ohne dessen Wirkung auf
die Nieren, die bekanntlich vollständig das Bild
einer parenchymatösen Nephritis bietet, aber in
jener Zeit erst gefunden wurde, zu kennen. Selbst¬
verständlich hatte ich in jener Epidemie mehr
Todesfälle als 1—2 °/ 0 , aber wenn ich auch die
ungleich schwierigeren Verhältnisse, die mir gegen¬
überstanden, voll in die Wagschale lege, so muss
ich doch sagen, günstigere therapeutische Ergeb¬
nisse, als sie in jener Dissertation von Tübingen
vorliegen, hatte ich sicherlich nicht und werden
auch sonst nicht wohl zu finden sein. Nun war
aber die Behandlung, wie sie in Tübingen und wie
sie von mir geübt wurde, doch eine sehr verschie¬
dene, welchem andern Umstande soll aber das
trotzdem ungefähr gleiche Ergebniss zugeschrieben
werden, als der allen Heilmethoden zu Hilfe kom¬
menden Naturheilkraft?
Es erübrigt mir, noch einige Worte hinzu¬
zufügen über die Massregeln, welche gegen die
Weiterverbreitung der Krankheit in der Diako¬
nissenanstalt getroffen wurden. Dass von der
Krankenhausbevölkeruncf derselben Niemand an¬
gesteckt wurde, dass sich also die gesundheit¬
lichen Verhältnisse des Hauses im Allgemeinen
aufs Beste bewährten, wurde schon hervor¬
gehoben. Aber die Ansteckung der Schwestern.
Ueberblicken wir noch einmal die Reihe der Er¬
krankungen von 1-—16, so finden wir, dass nahezu
ausschliesslich ganz junge Schwestern, vorzugsweise
solche, welche noch in der Vorprobe stehend nur
wenige Monate im Hause aufgenoramen waren, er¬
krankten. Bei diesen kamen aber zweierlei die
Ansteckung begünstigende Umstände in Betracht:
einmal ihr durch Versetzung in völlig veränderte
Verhältnisse gestörter Allgemeinzustand und damit
ihre geringere Widerstandsfähigkeit gegen Schäd¬
lichkeiten, ihr Nichttrainirtsein, wenn ich mich so
ausdrücken darf, dann aber auch ihre Unvorsichtig¬
keit bei Behandlung der Ausleerungen von Typhus¬
kranken. So sehr in dieser Hinsicht auf regel¬
mässige Desinfectien gesehen und von der leitenden
Schwester die nöthigen Belehrungen ertheilt wurden,
zeitweise und besonders Nachts waren die jungen
Dinger doch sich selber überlassen. Als sich daher
die Erkrankungen unter ihnen mehrten, wurden zur
Typhuspflege ausschliesslich wohlgeschulte, erfahrene,
ältere Schwestern bestimmt, was den Kranken wie
den Pflegerinnen zu Gute kam, von letzteren er¬
krankte keine. Uebrigens war nur die Hälfte der
Typhusfälle im Hause angesteckt worden; aus dem
Katharinenhospital kamen drei, aus Esslingen, Reut¬
lingen, Tübingen, Besigheim, Crailsheim, also aus
den verschiedensten Theilen des Landes, je eine.
Nach dem Grundsatz: Solamen socios hahuisse
malorum blicke ich mit einiger Genugthuung auf
die Aerzte, denen die Beaufsichtigung dieser aus¬
wärtigen Schwestern oblag und die eine Ansteckung
derselben auch nicht haben verhindern können.
Glänzen kann ich mit vorstehender Schilderung
meiner Erlebnisse und meiner Anschauungen in
keiner Weise. Das ist mir selbst nur zu gut be¬
wusst. Die Sache geht mir aber über die Person
und noch höher als die Sache, d. h. das System,
steht mir das Heil des Kranken. Gebe ich durch
diese meine Arbeit einem älteren oder jüngeren
Amtsgenossen den Anstoss, bessere Ergebnisse zu
veröffentlichen, oder dient dieselbe dazu, die jünge¬
ren in die Schwierigkeiten ernster Typhusfälle ein¬
zuführen, ihnen nahezulegen, wie man es machen
oder wie man es nicht machen soll, dann scheinen
mir die Stunden, welche ich auf die Arbeit ver¬
wendet, doch nicht nutzlos gewesen zu sein.
Der Meniöre’sche Schwindel,
vertigo ab aure laesa.
Unter plötzlicher Entwickelung von Ohrenge¬
räuschen, oder einer auffallenden Steigerung schon
vorhandener, tritt der Meniöre’sche oder Labrinth-
Schwindel in die Erscheinung. Bald ist es ein Ge¬
räusch wie das Pusten einer Locomotive, bald ein
solches, wie man einen mit Nägeln gefüllten. Sack
Digitized by ^.ooQle
stark schüttelt, oder wie von Gewehrfeuer (Fusi-
lada) oder einem prasselnden Feuerwerk, und tritt
dasselbe entweder ausschliesslich oder mit ganz be¬
sonderer Stärke auf dem einen Ohr hervor. An¬
fangs macht es Intermissionen; früher oder später
aber, wenn der Fall schwer ist, wird es bleibend
und bildet höchstens leichte Intervalle, wo das Ge¬
räusch schwächer, oder Brausen oder unangenehmes
Ohrtönen, erscheint.
Das afficirte Ohr zeigt bald eine mehr oder
weniger geschwächte Gehörfähigkeit, die sich bis
zur Taubheit steigern kann.
Krankhafte Vorgänge im Gehörorgan fehlen
kaum; so gesellt sich jener Schwindel zu einer
Otitis labyrinthi idiopathica, zur Otitis media sclere-
matosa, mit Ankylose der Gehörknöchelchen, die
sich auf das Vestibulum des Labyrinths fortgepflanzt
hat, ja selbst zum einfachen Ohrkatarrh.
Selbst ein einfacher Druck auf das Trommel¬
fell, der bis zum Labyrinth hingelangt, genügt, um
die Symptome des Meniöre’sehen Vertigo zu er¬
zeugen. Die Art dieses Schwindels kennzeichnet
sich durch das Gefühl, als ob der Körper von vorn
nach rückwärts geschoben werde, mit der Neigung
nach hinten oder vorn hin zu fallen; wenn sich
hierzu ein Gefühl von Drehen um eine transver¬
sale Achse gesellt, so kann es zu einem wirklichen
Purzelbaum oder sogar Seiltänzersprung kommen.
Bisweilen scheint die Drehung jedoch um eine ver¬
tikale Achse stattzufinden, von rechts nach links
hin oder umgekehrt. Es giebt Kranke, welche bei
den verschiedenen Anfällen bald die eine, bald die
andere Art der Rotation zu verspüren meinen. Es
handelt sich hier aber um subjective, ins Gebiet
derHallucinationen fallende Bewegungsvorstellungen,
die sich in der Wirklichkeit durch einen Satz (Auf¬
sprung), eine Ueberraschungs-Bewegung, äussern,
wobei Patient getrieben wird, sich an einen festen
Gegenstand anzuklammern, um nicht hinzustürzen,
oder sich niederzusetzen.
Es kann aber auch geschehen, dass der Patient
wirklich zu Falle kommt, heftig zur Erde nieder¬
stürzt, und zwar in der Richtung der Schwindelem¬
pfindung. So stürzte eine Frau, die immer das Gefühl
hatte vornüber zu fallen, in der That ein Mal schwer
auf das Gesicht und zerbrach sich das Nasenbein.
Das Bewusstsein bleibt bei dem Anfall ungestört ,
und wenn derselbe vorüber ist, weiss der Kranke
Alles, was mit ihm vorgegangen ist.
Brechübelkeit und Erbrechen bezeichnet fast
immer das Ende des Anfalls; währenddem ist das
Gesicht blass, die Haut kalt und mit Schweiss be¬
deckt (mehr an das Bild einer Ohnmacht, als eines
Blutschlags erinnernd). Zuweilen vorübergehende
Kopfschmerzen; niemals eine Aura.
Anfänglich bei seinen ersten Anfällen kommt
der Meniere’sche Schwindel in Auftritten von kurzer
Dauer, unterbrochen von freien Zwischenzeiten, in
denen sich die örtlichen Ohraffectionen mehr geltend
machen. Später rücken die Anfälle immer näher,
verschmelzen, so dass es zu einem vertiginösen
Zustande kommt, der dann von zeitweisen Paroxys-
men durchbrochen wird. Das Thierexperiment hat
gezeigt, dass man durch verschiedenartige Ver¬
letzungen der Canales semicirculares ähnliche An¬
fälle erzeugen kann. — Die Ohrgeräusche ver¬
schwinden im Verlauf dieser Krankheit, aber es
bleibt oft Taubheit zurück.
Bei Katarrhen der Trommelhöhle weicht der
Schwindel, wenn jenes Leiden gehoben ist, so auch
nach Oeffnung eines Abscesses im innern Ohr.
Als Heilmittel hat die alte Schule, hauptsächlich
Charcot, bei diesem Leiden das Chininum sulphuriCum
in Anwendung gebracht. Sehr richtig giebt Char¬
cot an, wie dieses Mittel mehr oder weniger starkes
Sausen und Brausen in den Ohren hervorrufe;
Referent fügt dem noch hinzu: Schwindel und zwar
drehender, so stark, dass man keinen Schritt gehen
kann, Schwerhörigkeit bis zur Taubheit. — Er¬
brechen. — Symptome, die uns beim Meniere’schen
Schwindel begegnen. Dass Chin. sulph. hier nach
dem Gesetze der Aehnliclikeit wirkt, ist desshalb
unzweifelhaft: Davon weiss oder will Charcot aber
nichts wissen. Er sagt nur: man solle dies Mittel
lange genug und es in solchen Dosen anwenden,
dass es dauernde Veränderungen in den Functionen
des Nervus auditorius zu erzeugen fähig sei. So
gab er es bei einer Patientin in täglichen Gaben
von 0,50—0,1, dritthalb Monate lang, mit einge¬
schalteten Pausen von mehreren Tagen. Nach fünf
Wochen konnte Patientin sich in ihrem Bette auf¬
richten, aus einem Bette ins andere, ohne beson¬
deres Angstgefühl, gebracht werden. Das Ohren¬
geräusch war schwächer, und verschwand zuletzt
gänzlich, ebenso die Schwindelanfälle. Sie konnte
selbst ohne Schwindelgefühl gehen. —
Farrington macht in seiner Klinischen Arznei¬
mittellehre bei diesem Leiden noch aufmerksam auf
Salicylsäure, welche Meniäre’sche Krankheit erzeugt
und geheilt hat; auch Schwefelkohlenstoff ist zu
vergleichen. Mit Causticum ist es demselben ge*
lungen, einen Fall zur Heilung zu bringen. Dieses
Mittel bringt ja, wie bei Besprechung der Kali¬
präparate auf das Gehörorgan letzthin in diesem
Blatte wieder in Erinnerung gebracht worden ist,
ein intensives Ohrentönen hervor; die Töne hallen
unangenehm im Ohre wieder. Eine Stimme von
gewöhnlicher Stärke klingt laut und hallt un¬
angenehm wirr wieder im Ohr. Gleichzeitig be¬
steht eine Pharyngitis, die sich bis in die Tuba
Eustachii fortpflanzt. — Der Schwindel zürn Fallen
ist mit Schwäche im Kopfe und Aengstlichkeit be*-
Digitized by ^.ooQle
15
gleitet, rauschähnlich; nach Niedersitzen, beim Sehen
in die Höhe tritt er besonders hervor; aber auch
beim Stehen. Es ist der Richtung nach ein herum¬
drehender , oder zum Fallen nach vorwärts und
seitwärts.
Berichtigung.
Im Inhaltsverzeichnis des 128. Bandes wird
gebeten zu der Ueberschrift Mitarbeiter noch das
Wort Namen-Register hinzuzufügen.
Vorläufige Einladung
zu der am 9. August a. c. Nachmittags 3 Uhr zu Eisenach stattfindenden
Generalversammlung der Epidemiologischen Gesellschaft.
Tagesordnung: 1) Geschäftlicher Theil.
2) Wissenschaftlicher Theil: Erzeugung von Schmerzpunkten an Gesunden durch
Arzneien.
Etwaige Anträge sind bis zum 9. Juli an den Unterzeichneten einzureichen.
Das Local wird später noch bekannt gegeben.
Bonn, den 26. Juni 1894. Der Vorsitzende:
Dr. Leeser.
Anzeigen.
Arzt-Gesuch.
In Krefeld, einer der schönsten niederrheini¬
schen Industriestädte, mit über 105,000 Einwohnern,
ist die Niederlassung eines homöopathischen Arztes
mit Dispensirrecht dringendes Bedürfniss. Derselbe
findet hier, wie sein Vorgänger, der wegen schwerer
Erkrankung wegzog, einen sicheren und lohnenden
Wirkungskreis. Anfragen, betreffs näherer Aus¬
kunft, wolle man richten an den ersten Vorsitzenden
des homöopathischen Vereins Hernfl. Meflflö.
Mez & Söhne, Freiburg, Baden
empfehlen ihre luftdurchlässigen und
desshalb allein zweckmässigen
Netz-und Zellenstoff-Unterkleider
aus Seide, Wolle oder Baumwolle.
Kettenkrepp-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
Dr. med. Walsers Chinagras-Wäsche
in Krepp* and Zellenstoff*
Prospecte postfrei zu Diensten.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter GQte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Prol>eki8t6n, mit 10 / 1 oder 12 h Flaschen., in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — bezw. 14.—.
Aufforderung.
Die geehrten ärztlichen homöopathischen
Vereitle werden erneut höflichst gebeten, die
Allgemeine Homöopathische Zeitung in unbeschränk¬
tester Weise zur Erledigung und Veröffentlichung
ihrer Vereinsangelegenheiten (Einladungen zu Ver¬
sammlungen, Berichte über dieselben, Mittheilungen
ihrer wissenschaftlichen Berathungen und Discussio-
nen etc.) zu benutzen, wodurch nicht nur für diese
Vereine selbst eine Erleichterung im Verkehr mit
und unter ihren Mitgliedern ermöglicht, sondern
auch sicher vielen ausserhalb dieser Vereine stehen¬
den Herren Aerzten so manches Interessante und
Belehrende zur Kenntniss gebracht wird.
Die Redaction wird bereitwilligst alle diesbezüg¬
lichen Wünsche entgegennehmen und bestens er¬
ledigen.
Hochachtungsvoll
William Steinmetz.
Expedition u. Verlag der Allg. Hom. Zeitung.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Colleetionen vom 1. bis 128. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den
letzten zehn Bänden, so weit der Vorrath reicht,
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen.
A. Marggraf s homöopath. Officin in Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
16
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst-
dispensirendeit homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich ftir die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift-Schränkchen
und
Separanden^Schränkehen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten. I
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum¬
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschrftnkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten Gefässe, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thtiren sind mit vorschriftsmässigen Porzellanschildern ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 12Q cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandenschrfinkch6ii ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen ver8chliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Soparaada versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons ä 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weiSS zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
befte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- nnd Separanden-Schränk-
chen jetzt auch in einen Schrank vereinigt, vor-
räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis einefc solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig.
Im \prlage von A. Marggrafs homöopathischer
Offlein in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Fanlw&sser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
I Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
| Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre : Es genügt nich t al 1 ein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering -
sehen Arzueidiagnosen dieses vergleichende Unter-
scheidennach allenSeiten des betreffendenMi ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hin weist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compondien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — ira neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen ,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeftihrt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julins M&aer in Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
Band 129.
Leipzig, den 10. Juli 1894.
ALLGEMEINE
No.3u.4.
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Yerlag ron William Steinmetz (A. MarggraEs homöopath.Officin) in Leipzig.
Erscheint, I4t&gig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis JOM. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Post&nstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzoichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln <fc Vogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit SO Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhalt. Einladung zu der am 9. August zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung der Epidemiologischen
Gesellschaft. — Bekanntmachung. — Zum Ausgleich. Von Dr. Lorbacher in Leipzig. — Homöopathische Heilungen von
Starrkrampf (Tetanus). Aus dem Pacific Coast Journal of Homoeopathie vom Januar 1804 übersetzt von Dr. Th.
BmckneT. — Die homöopathische Arzneimittel-Lehre. Eine kritische Studie von Dr. Arthur Sperling-Berlin. Besprochen
von Dr. Mossa - Stuttgart. — Merkwürdige Heilung durch Graphit. 30. Mitgetheilt von Dr. Paul Lutze-Köthen. —
Lesefrüchte. -- Personalia. — Druckfehler-Verbesserung. — Anzeigen.
■^" Schluss der Schriftieitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Einladung
zu der am 9. August, Nachmittags 3 Uhr im Hotel zum Kronprinzen zu Eisenach stattfindenden
dritten Generalversammlung der Epidemiologischen Gesellschaft.
Tagesordnung:
A. Geschäftlicher Theil: 1) Bericht des Schriftführers über das abgelaufene Jahr nebst Rechnungsablegung.
2 ) Neuwahl des Vorstandes.
B. Wissenschaftlicher Theil: 1) Erzeugung von Schmerzpunkten an Gesunden mittelst Hochpotenzen.
2 ) Discussion über Gabengrössen in chronischen Krankheiten.
Die Theilnehmer werden gebeten, Hochpotenzen, die sie geprüft wissen wollen, selbst mitzubringen.
Gäste sind willkommen. * Der Vorsitzende:
Bonn, 14. Juli 1894. Dr. Leeser.
Bekanntmachung.
Die diesjährige 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
wird am 9* und 10. August in Eisenach abgehalten werden.
Tagesordnung für beide Tage:
am 9. August:
Geschäftssitzung pünktlich Abends 7 Uhr im Saale
des Hotels zum Kronprinzen.
1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemeldeten.
2. Geschäftsbericht: a) des Centralvereins-Vorstandes, b) des
Curatoriums des Krankenhauses, c) des derzeitigen diri-
girenden Arztes, d) des Vorstandes der Berathungsanstalt
3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Ertheilung der
* Entlastung auf Grund der von dem vereideten Revisor vor¬
genommenen Revision der Kasse und der Rechnungsablage.
4. Neuwahl resp. Bestätigung des Kassenverwalters.
-5. Neuwahl resp. Bestätigung des Institutsarztes.
6. Bericht über die Vereinsbibliothek.
7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungsortes.
Antrag des Vorstandes:
Antrag auf Genehmigung des Neudruckes der Statuten und
deren Ausführungs-Bestimmungen in der zur Vorlage
kommenden Form.
am 10. August:
Wissenschaftliche Sitzung Morgens pünktlich 9 Uhr
in demselben Saale.
Thema: 1. Die Influenza. Ref. Dr. Windelband, Berli n.
2. Euphrasia als Arzneimittel.
Ref. Dr. Göhrum, Stuttgart.
Vorsitzender: Dr. Kallenbach, Rotterdam.
Nach der wissenschaftlichen Sitzung :
IV 2 Uhr gemeinschaftliches Mittagsessen
in demselben Lokale.
5 Uhr Fahrt nach der Wartburg.
Ausser genanntem Hotel „zum Kronprinzen“ empfehlen
wir das Hotel „zum goldenen Löwen“ am Eingänge des
Marienthaies, und den am Bahnhofe gelegenen „Grossherzog
von Weimar.“
Es würde sich jedoch empfehlen, die Wohnung 8 Tage
vorher zu bestellen, da Eisenach um diese Zeit immer noch
sehr besucht ist.
Dr. med. Weber-Köln a. Rh.
Der Vorstand:
Dr. med. Lorbacher-Leipzig.
Digitized by
Dr. med. Wlndelb&nd-Berlin.
Google
/
18
Zum Ausgleich.
Von Dr. Lorbacher in Leipzig.
In unserem Lager ist in neuerer Zeit wieder
eine Fehde entbrannt, welche wegen des in unserer
Zeit beinahe unvermeidlichen persönlichen Charak¬
ters, den sie gleich vom Beginn angenommen, sehr
unerquicklich und wegen des Schadens, welchen sie
unserer Sache bringen muss, sehr bedauerlich ist.
Es scheint mir desswegen geboten, der Sache ein¬
mal ordentlich auf den Grund zu gehen, und wie
es für einen ordentlichen Arzt sich gehört, durch
eine eingehende Untersuchung den Sitz und die
Quelle dieser krankhaften Erscheinungen fest¬
zustellen. Selbstverständlich müssen dabei alle
Persönlichkeiten ausser dem Spiele bleiben, um ein
reines Krankheitsbild zu erhalten.
Es ist eine bei allen grossen reformatorischen
Bewegungen beobachtete Erscheinung, dass, so
lange es noch gilt, die neuen Ideen gegen die
Gegner zu vertheidigen und sie zu verbreiten, die
Anhänger derselben fest zusammenstehen, ihre et¬
waigen Bedenken und aufkeimenden Zweifel unter¬
drücken. Sobald jedoch die Lebensfähigkeit des
reformatorischen Gedankens nachgewiesen, er seine
Wirkung geltend gemacht, und die Angriffe der
Gegner nachgelassen haben, auch der anfängliche
Enthusiasmus der Anhänger verflogen ist, dann
treten auch die im eigenen Lager vorhandenen ver¬
schiedenen Ansichten resp. Auffassungen schärfer
hervor. Ich verweise in dieser Beziehung auf die
grosse kirchliche Reformation. Es ist dies bei
näherer Betrachtung auch nichts Widernatürliches.
Es liegt im Wesen einer Reformation, dass die ihr
zu Grunde liegende Idee in bestimmten Grund¬
sätzen (resp. Dogmen) ihren Ausdruck findet, deren
Festhalten zu ihren Lebensbedingungen gehört.
Es ist zunächst Aufgabe des Reformators, sie so
zu fassen, dass sie leicht verständlich und praktisch
verwerthbar sind. Dann hat er sie zu begründen
und den Nachweis zu führen, dass sie mit den be¬
stehenden Naturgesetzen nicht in Widerspruch
stehen, nicht ein Produkt der Phantasie, sondern
durch die Entwickelung der betreffenden Disciplin
hervorgerufen sind. Dass bei dieser Beweisführung
Dies und Jenes mit unterläuft, was einer strengen
Kritik nicht Stand hält, falsche Auffassungen und
Irrtlnimer Vorkommen, auch der Einfluss der gerade
die Zeit beherrschenden Ideen sich geltend macht,
kann keinem Kenner auffällig sein. Jede Refor¬
mation trägt, soweit sie Menschenwerk ist, den
Stempel der Unvollkommenheit an sich. int An¬
fänge wird sie von Allen, welche sich von ihr eine
Heilung anerkannter und gefühlter Schäden ver¬
sprechen, mit Begeisterung aufgenommen. Es i
herrscht kein Zweifel an dem von dem Reformator |
aufge9tellten Grundsätzen und ausgesprochenen An¬
sichten. Die hauptsächlichsten Anhänger findet jede
Reformation unter der jüngeren Generation, welche
allein noch eines wahren Enthusiasmus und einst*
unbeschränkten Hingabe an eine Sache 'fähig ist.
Doch „Begeisterung ist keine Hkringswaare, die
man einpökeln kann für viele Jahre.“ Es tritt
nothwendiger Weise eine Ernüchterung ein, be¬
sonders wenn ältere, erfahrnere Männer der Sache
näher treten. Sie haben die Ueberzeugung von
der Nothwendigkeit und Berechtigung der refor¬
matorischen Bewegung, von der Wahrheit der ihr
zu Grunde liegenden Ideen gewonnen. Allein sie
sind nicht im Stande, die von dem Reformator auf-
gestellten Sätze ohne alle Kritik zu unterschreiben.
Es kann nicht aus bleiben, dass sich da Manches
findet, was vor einer etwas strengeren Kritik nicht
Stand halten kann.
Hier liegt der Scheidepunkt. Es bilden sieh
zwei Parteien, von denen die eine an den ursprüng¬
lichen Satzungen streng festhält, kein Jota von
den Aussprüchen des Stifters preisgeben will, wäh¬
rend die andere auch auf sie die wissenschaftliche
Kritik angewendet wissen, von dem, was bis dahin
„als feststehend“ gegolten hat, nicht Alles über
Bord werfen, sondern den Fortschritten der Wissen¬
schaft überhaupt Rechnung tragen und deren Re¬
sultate für die betreffende Disciplin verwerthet
wissen will. Beide Richtungen, von denen ich die
eine als die conservative, die andere als die fort¬
schrittliche bezeichnen möchte, haben bestimmt ihre
Berechtigung, sind sogar nothwendig, wenn kein
Stillstand in der Entwickelung eintreten soll.
Der im Vorstehenden kurz geschilderte Ent¬
wickelungsgang jeder reformatorischen Bewegung
hat auch in der durch die Lehre Hahnemanns her¬
vorgerufenen medicinischen seine Bestätigung und
seinen Ausdruck gefunden.
Als Hahnemann, der als Gelehrter und Arzt
unter seinen Zeitgenossen in Ansehen stand, zuerst
mit seinen neuen Ideen hervortrat, fand er keine
günstige Aufnahme. Und doch war das allgemeine
Gefühl, dass es in der bisherigen Art und Weise nicht
fortgehen könne, das Verlangen nach einer Aen-
derung resp. Besserung, welches jeder Reformation
voranzugehen pflegt, auch zu seiner Zeit vor¬
handen. Der Boden war zur Aufnahme des neuen
Samens gelockert, und die Saat schoss auch, eine
gute Ernte versprechend, empor.
Allein wie durch ungünstige Witterungs Verhält¬
nisse die gehegten Hoffnungen oft noch zu Schan¬
den werden, so erging es auch mit Hahnemanns
Lehre. Statt der gehofften Anerkennung und ver¬
langten Prüfung erhob sich, als man die dem alten
Besitze und der bisher ziemlich unangefochtenen
Autorität drohende Gefahr erkannte, eine immer
Digitized by
Google
heftiger werdende Opposition, kurz, Hahnemann i
stand bald allein im Kampfe gegen einen mäeh- j
tigen Feind. Es bedurfte der ganzen ihm eigenen
Energie und der festen Ueberzengung von der 1
Wahrheit seiner Lehre, um nicht zu wanken resp. !
zu unterliegen. Schliesslich fand er doch über- j
zeugte Anhänger und Mitarbeiter in einer Anzahl i
junger Aerzte. Es waren dies Hartmann, Stapf,
Franz, Gross, Hornburg, Langhammer, die beiden
Bückert, Hartlaub I. und Wislicenus. Ihnen war |
jedes Wort des Meisters noch ein Evangelium,
an dem zu zweifeln sich keiner beikommen Hess.
Doch dauerte diese Begeisterung nur so lange,
als bis ältere, erfahrenere Aerzte, klare Köpfe und
scharfe Denker, mit einem umfassenden medicini* ,
sehen Wissen ausgestattet, zu der neuen Lehre
sich bekannten.
Als Repräsentanten dieser Richtung möchte ich
Moritz Müller*Leipzig, Paul Wolf und Trinks-Dres-
den und vor Allem Ludwig Griesselich-Carlsruhe, ;
von Späteren noch Vehsemeyer, Noack und Watzke- ;
Wien nennen. !
Es war zunächst die ultradynamische Richtung, |
welche bei Hahnemann immer stärker hervortrat
und zu der Vorschrift von der Anwendung nur
eines Senfsamen grossen Streukügelchens, ja sogar ,
von dem blossen Riechenlassen an befeuchteten
Streukügelchen, zu der Lehre von der immer mehr |
sich steigernden Arzneikraft durch fortgesetztes Po- |
tenziren führte, welche bei den genannten Männern
Opposition hervorrufen musste. Hahnemann hatte ,
mit diesen Aufstellungen, welche nicht als noth- <
wendige Consequenzen des SimiHa simiHbus aner-
könnt werden konnten, den festen Boden des na- 1
turwissenschaftiichen Experiments, welchen er in j
seinen Arzneiprüfungen mit soviel Erfolg betreten
hatte, wieder verlassen und damit war wieder der j
von ihm mit Entschiedenheit verworfenen Hypo- ;
fcbese Thür und Thor geöffnet. Die Erkenntniss j
von der Gefahr, welche dadurch der Entwickelung j
der neuen Lehre drohte, trieb zunächst dazu, dem
entgegenautreten.
Dazu kam noch, dass eine grössere Anzahl von
strikten Anhängern Hahnem&nns, gestützt auf seine
berechtigte Verwerfung von dem Kuriren nach
foankhetonamen und auf Grund eines hypothe¬
tischen. Krankheitswesens, seine Forderung bei der |
Erforschung der Krankheiten zum Zwecke der Auf- j
Stellung eines möglichst genauen Krankheitsbildes j
alle uns zu Gebote stehenden Hilfsmittel zu brau- !
chen, soweit sie sich auf objective Beobachtung
gründen, dahin verstanden, dass Alles, was auf dem |
Gebiete der Pathologie, pathologischen Anatomie, j
Chemie etc. von der medicinischen Wissenschaft
erforscht und beobachtet worden war, ziemUch über- |
flüssig sei. Damit wäre die Homöopathie ausser j
allem Zusammenhänge mit der allgemeinen medi¬
cinischen Wissenschaft gekommen und sie hätte
des zum Gedeihen nothwendigen belebenden, frischen
Zuflusses entbehrt. Es war die Gefahr vorhanden,
dass sie in Folge dessen verkümmerte.
Als weitere Veranlassungen zu einer Opposition
dienten noch zwei Erscheinungen auf dem Gebiete
der Homöopathie, die Isopathie und die Jeriichen'sehen
Hochpotenzen.
Die erstere von dem Thierarzt M. Lux in
Leipzig beruht auf der mehrfach von ihm ge¬
machten Erfahrung, dass ansteckende Krankheiten
ihr Heilmittel in ihrem Producte finden (Isopathie
der Contagionen).
Die zweite war eine Consequenz des von
Hahnemann aufgestellten Satzes, dass durch fort¬
schreitende Potenzirung die Heilkräfte der Arz¬
neien immer mehr entwickelt würden. Um den
Beweis für die Wahrheit desselben zu liefern,
setzte Stallmeister Jenichen in Wismar seine Gesund¬
heit und sein Leben an die Herstellung der so¬
genannten Hochpotenzen.
Beide neue Entdeckungen wurden von einer
ganzen Anzahl strikter Anhänger Hahnematm’s mit
Enthusiasmus ausgenommen, als ein gewaltiger Fort¬
schritt, ja sogar als eine Krönung der Homöo¬
pathie proklamirt. Es blieb auch nicht aus, dass
mit deren Hilfe Wunderkuren vollbracht wurden.
Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann,
dass in Beiden ein Körnchen Wahrheit enthalten
ist, (ich erinnere nur an das Koeh’sche Tuberculin,)
lag doch die Gefahr nahe, dass die einfache, klare
Lehre Halmem&nn’s in einen immer dicker wer¬
denden mystischen Nebel eingehüllt würde, aus dem
sie nicht wieder zum Vorschein käme und Sachen
in sie hineingetragen würden, welche nichts mit ihr
zu thun haben.
Dem entgegenzutreteu fühlten sich bei aller Ver¬
ehrung Hahnemann’s und Anerkennung seiner Ver¬
dienste die obengenannten Männer, an der Spitze
Griesselich, berufen; die von dem letzteren heraus¬
gegebene „Hygiea“ und später Vehsemeyer’s „Jahr¬
bücher“ waren ihre Organe. Auf der anderen Seite
standen Hahnemann selbst und seine strikten An¬
hänger. Stapfs „Archiv“ und die „Allgem. homöo¬
pathische Zeitung“ dienten ihnen zum Kampfplatze.
Damit hatte der Kampf im eigenen Lager be¬
gonnen, wie er noch keiner reformatorischeu Be¬
wegung erspart geblieben, und wie er auch notli-
wendig ist, wenn dieselbe nicht Stillstehen und ver¬
kommen soll.
Dieser Kampf hat seitdem nicht geruht, wenn
auch die Kampfesweise und die Waffen zu ver¬
schiedenen Zeiten gewechselt haben. Wenn sich
auch im Laufe der Zeit eine ziemlich starke Mittel-
partei gebildet, und es auch nicht an mehr oder
Digitized by
3*
Google
20
minder erfolgreichen Vermittelungsversuchen zwi¬
schen den streitenden Parteien gefehlt hat, so ist
der Friedensschluss doch noch weit entfernt. Im
Gegentheile ist der Streit in der neuesten Zeit
wieder um so heftiger entbrannt. Es zeigt sich,
wie auf politischem und kirchlichem Gebiete, auch
hier die unserer Zeit charakteristische Erscheinung,
dass die Gegensätze immer schärfer hervortreten
und die extremen Parteien sich immer heftiger be¬
kämpfen. Die zum Frieden mahnenden Stimmen
werden im Getümmel des Kampfes überhört. Durch
Gründe, die Streitenden von dem Verderblichen und
Nutzlosen ihres Kampfes überzeugen zu wollen,
ist vergebliche Mühe. Er wird immer erbitterter,
schliesslich artet er in Persönlichkeiten aus. Es
ist namentlich in unserer Zeit eine beliebte Fechter¬
weise, man könnte sie beinahe Finta nennen, die
Persönlichkeit der Führer dadurch zu discreditiren,
dass man irgend welche Vorkommnisse in ihrem
Leben, welche einen Schatten auf sie werfen können,
mögen sie mit der Sache etwas zu thun haben oder
nicht, hervorsucht und aufbauscht. Es ist dies
dasselbe Verfahren, welches man Luther und Hahne-
mann gegenüber angewendet hat. Man rechnet dabei
auf die Urtheilslosigkeit der Menge, sowie darauf,
dass jede Behauptung, mag sie noch so wider¬
sinnig sein, wenn sie nur immer und immer wieder,
mag dagegen gesagt werden, was man will, vor¬
gebracht wird, schliesslich ihre Anhänger findet.
Beispiele davon anzuführen, halte ich für über¬
flüssig, da gerade die neuere und neueste Zeit deren
in hinreichender Menge gebracht hat.
Man hat unsere Zeit eine Uebergangszeit ge¬
nannt, und die genannte Erscheinung als eine
solchen Perioden eigenthümliche bezeichnet. Der
Vergleich mit einer Gährung wäre hier auch nicht
ganz unpassend insofern, als bei einer solchen doch
viele unbrauchbare und unreine Stoffe abgestossen
werden.
Dass die Homöopathie in ihrer Entwickelung
sich diesen Einflüssen der Zeit nicht hat entziehen
können, ist natürlich. Wenn dieser Kampf bei
uns, Gott sei Dank, noch nicht die oben geschil¬
derte Heftigkeit angenommen hat, so droht er dies
doch jetzt zu werden. Wenn er auch, wie schon
oben bemerkt, seine Berechtigung hat, so kann
er, wenn er ausartet, der Sache nur Schaden bringen.
Wohin er führt, das sehen wir in Amerika. Auf
der Seite des Fortschrittes hat er einen förmlichen
Abfall von der Lehre Hahnemanns zu Wege ge¬
bracht. Die Vertreter dieser Richtung erkennen das
Similia similibus nicht mehr als das allein Massgebende
an und haben in Consequenz dessen den Namen
Homöopathen abgelegt, während der andern, con-
servativen oder, wenn man lieber will, reactionä-
ren, orthodoxen Partei alle im „Organon“ und andern
Schriften niedergelegten Lehren und Aussprüche
Hahnemanns unantastbar sind, von denen auch
nicht ein Titelchen aufgegeben werden darf. Un¬
duldsamkeit und Ketzerriecherei sind die natür¬
lichen Consequenzen. Was die allgemeine Wissen¬
schaft auf ihren verschiedenen Gebieten Neues, Brauch¬
bares zu Tage gefördert hat, ist für diese Herren
nicht vorhanden. Sie meinen unter Anderem, eine
ordentliche und gründliche Untersuchung des Kran¬
ken, wie sie die Neuzeit mit Recht von jedem
Arzte, welcher auf den Namen eines wissenschaft¬
lich gebildeten Anspruch macht, fordert und wie
sie mit den Vorschriften Hahnemanns durchaus
nicht in Widerspruch steht, entbehren zu können.
Die mechanische Symptomendeckerei ist ihr
die Hauptsache. Und diese kann doch dem wahren
Arzte, welcher sich der Gründe seines Handelns
stets bewusst sein soll und will, nicht genügen.
Selbst gerade die von Anhängern dieser Richtung
gemachten Wundercuren sind nicht im Stande, einen
modernen Arzt zu Nachversuchen zu bestimmen,
namentlich in unserer dem Materialismus huldigen¬
den Zeit, in welcher man was man nicht sehen,
riechen und schmecken kann, als nicht existirend,
als Irrthum oder Täuschung erklärt, und schnell,
wenn man einer nicht wegzuleugnenden Thatsache
gegenübersteht, mit dem sehr bequemen Schlag¬
wort „Suggestion“ bei der Hand ist.
Die im Vorstehenden geschilderten Consequenzen,
wie sie sich bei einseitigem Vorgehen bis zur äussersten
Grenze ergehen müssen auf der fortschrittlichen Seite,
in ihrem Bestreben die Homöopathie immer mehr dem
neueren Standpunkte der medicinischen Wissenschaft
anzupassen und sie den Anhängern derselben mund¬
recht zu machen, führen dahin, dass das Similia
similibus mit seinen Consequenzen immer mehr in
den Hintergrund tritt, und schliesslich der Usus
in morbis und nicht das Similia similibus das Mass¬
gebende ist, und damit ist man glücklich wieder
in dem Hafen der Schulmedicin angelangt. Eines
ernsten und gründlichen Studiums der Arzneimittel¬
lehre bedarf es dabei nicht. Es genügt ja zu
wissen, dass sich dies und jenes Mittel in dieser
oder jener Krankheit bewährt hat. Höchstens werden
noch einzelne auffälligeErscheinungen berücksichtigt.
Die für den Arzt, welcher die Homöopathie im
Geiste Hahnemanns ausübt, wichtigen begleitenden
Erscheinungen, verschlimmernden und bessernden Um¬
stände, Reihenfolge der Arzneimittel, ihr ergänzen¬
des wie antidotarisches Verhältnis werden als nutz¬
lose Spielereien ohne allen Werth angesehen. Kurz,
die von Hahnemann aufgestellte und noch in der
alten Schule in neuerer Zeit mehr zur Geltung
gekommene Forderung des Individualisirens wird
nicht beachtet und damit ein Hauptvorzug der
Heilmethode aufgegeben, und ist es daher nicht
Digitized by L. OOQie
21
zu verwundern, wenn unsere Gegner unsere Existenz¬
berechtigung bestreiten.
Die Gefahr, welche unserer Sache von der
anderen Partei droht, ist die, dass sie nicht bloss
conservativ bleibt, sondern orthodox resp. re-
actionär zu werden droht, d. li. nicht bloss die von
Hahnemann aufgestellten Grundsätze, auf welchen
seine ganze Lehre beruht, festhält, sondern auch
keinen Buchstaben von dem, was er im ,,Organon“
und anderen Stellen ausgesprochen hat, preisgeben,
Behauptungen, welche durch neuere Forschungen
als unhaltbar nachgewiesen sind, aufrecht erhalten
will. Es gelangt dadurch ein Dogmatismus zur
Herrschaft, welcher keinen Fortschritt möglich macht,
ein Stillstand, welcher nothwendiger Weise zum
Untergang führt. Die freie Forschung erträgt ein¬
mal keinen Zwang.
Doch wie sollen die im Vorhergehenden geschil¬
derten, der Homöopathie von beiden Richtungen
zweifellos drohenden Gefahren abgewendet werden?
Soll man den jetzt entbrannten heftigen Kampf
.austoben lassen in der Hoffnung, dass bald eine
Ermüdung eintreten und man auf beiden Seiten
zu der Einsicht gelangen werde, dass man auf
dem eingeschlagenen Wege das im Auge gehabte
Ziel nicht erreiche? Ich zweifle, dass dies sobald
eintreten werde* Dazu sind beide Parteien noch
zu sehr von der alleinigen Richtigkeit ihres Stand¬
punktes überzeugt und allen unparteiischen und
ruhigen Vorstellungen unzugänglich. ,,So kann es
nicht fortgehen“ ist das Wort, welches man gegen¬
über den beinahe auf allen Gebieten des politischen
und wirtschaftlichen Lebens stattfindenden Kämpfen
in unserer Zeit so häufig hört und welches jeden¬
falls in dem Gefühle, dass wir in einer Uebergangs-
zeit leben, seinen Grund hat. Eine Reaction wird
und muss kommen, das ist meine feste Ueberzeu-
gung. Diese Kämpfe sind gewisserraassen nur ein
Process, bei dem das Echte von dem Unechten,
das Wahre von dem Falschen, das Bleibende von
dem Vorübergehenden (Tagesmeinuugen) geschieden
wird. Unsere Aufgabe kann es meiner Ansicht nach
zunächst nur sein, dahin zu wirken, dass dieser
Process ungestört sich vollziehen kann, gegen die
Ausartung des Kampfes in einen persönlichen mit
Entschiedenheit aufzutreten. Ist derselbe erst wie¬
der auf das sachliche Gebiet zurückgeführt, dann
ist auch eine unsere Sache fördernde Aussprache
und Einigung möglich. Ich bin überzeugt, dass
Jeder, der sich mit Recht homöopathischer Arzt
nennt und das richtige Verständniss für die Lehre
Hahnemanns erlangt hat, sich darüber klar ist, dass
das Festhalten an dem Similia similibus und den
daraus sich ergebenden nothwendigen Cousequenzen
unbedingt erforderlich ist, wenn dieselbe überhaupt
eine Zukunft haben soll. Damit wird jedoch nicht
ein blinder Glaube, ein Schwören in verba magistri
verlangt. Es muss Jedem die Freiheit bleiben, selbst
zu prüfen und zu versuchen, und das dadurch ge¬
wonnene Resultat in der Praxis zu vcrwerthen.
Er wird dann auch die Grenzen, früher zu weit,
jetzt zum Theil zu eng gezogen, erkennen, bis
zu welchen die homöopathische Heilmethode aus¬
reicht. Dann kann er auch ohne Bedenken die
Hilfsmittel, welche die neuere Medicin ihm bietet,
anwenden. Streben wir vor Allem dahin, bei den
jungen Aerzten, welche zu uns herüberkommen,
den Respect vor der Autorität, welcher ihnen auf
der Universität eingebläuet wird, auszutilgen und
sie auf eigne Füsse zu stellen. Das wird das beste
Mittel sein, sie vor einer einseitigen Richtung zu
bewahren. Dazu sollten alle überzeugungstreuen
Homöopathen mithelfen. Dies würde zur Förderung
und Geltendmachung unserer Lehre viel mehr bei¬
tragen, als alle theoretischen Auseinandersetzungen
und als die wohlgemeinten aber bis jetzt stets
vergeblich gewesenen Versuche, durch Concessionen
uns die Anerkennung als wissenschaftliche Heil¬
methode zu erringen.
Es würde jedenfalls den jungen Aerzten viel
mehr imponiren, wenn sie sehen, dass wir in den
Hauptgrundsätzen vollständig einig sind, in den
Neben- und zweifelhaften Dingen aber einem Jeden
vollständige Freiheit lassen und durch fortgesetzte
Arbeiten und Versuche Licht in die noch dunkeln
Partieen zu bringen suchen.
Auf diesem Wege allein ist es möglich, einen
Ausgleich zwischen den beiden oben beschriebenen
Richtungen zu Stande zu bringen und uns die Achtung
unserer Gegner, welche durch ein Schauspiel, wie
es in unserer Journalistik in neuester Zeit zum
Besten gegeben, wahrlich nicht zunehmen kann,
zu erwerben.
Möchte man dies von allen Seiten bedenken, und
Alle, welchen das Wohl und Wehe unserer Sache
am Herzen liegt, mit vereinten Kräften dahin wir¬
ken, dass bald Frieden in unsern Reiben einkebre.
Homöopathische Heilungen von Starrkrampf
(Tetanus).
Aus dem Pacific Coast Journal of Homoeopatliie
vom Januar 1894
übersetzt von Dr. Th. Bruckner.
Heilung mit Nwc vom. 1. Fall: Ein kräftiger
Knabe erlitt eine Verletzung der rechten Stirnhälfte
durch einen Stein.
Am 10. Tage nach der Verletzung trat Kinn-
backenkrampf ein und allgemeine Krämpfe alle
Digitized by
Google
22
1 / 2 —1 Stunden mit Streckung der Glieder und
nach einwärts gebogenen Händen und Füssen, Kopf j
und Rücken waren nach rückwärts- gebogen, die
Brust starr mit angehaltenem Athem, bis das Ge¬
sicht purpurroth wurde und krampfhafter Husten
sich einstellte. Jede Berührung oder Bewegung
oder das Schlucken von Flüssigkeit verschlimmerte.
Das Bewusstsein war ungetrübt, die Wunde füllte
sich mit einem schwärzlichen Schorf. Beilad. hatte
keinen Erfolg. Nux vom. 30. heilte den Knaben.
Heilung mit Physostigma venetu 2. Fall:
Eine junge Lady erlitt eine leichte Verletzung der
inneren Handfläche durch einen kleinen Glassplitter.
In Folge davon traten so heftige Krämpfe der
Kiefermuskeln ein, dass schon ein leiser Luftzug,
verursacht durch das Vorbeigehen einer Person, ge- !
nügte, diese Krämpfe hervorzurufen.
Physostigma ven. 10 Tropfen der Tinctur in
*/a Glas Wasser, 2—3stündlich 1 Gabe, besserte
rasch und die Kranke genas, aber die Genesung
war eine sehr langsame. (Hellmuth, Trans. N. Y. i
Society 1874.)
Heilung mit Lachesis . 3. Fall: Ein Kind litt
an einer erfrorenen Zehe, welche eiterte. Eine
Woche später Frost mit schiessenden Schmerzen im
Rücken und Starrkrampf (Opisthotonus) und nach
24 Stunden auch Kinnbackenkrampf. Nachlass der
Krämpfe von Mitternacht bis Mittag. Nach Mitter¬
nacht profuser Schweiss und unruhiger Schlaf. Der
Hals sehr empfindlich gegen Berührung und Schlin¬
gen schmerzhaft. Nach Lachesis trat die Ver¬
schlimmerung jeden Tag um eine Stunde später ein
und war weniger heftig bis zum Eintritt der Ge¬
nesung. (J. Herber Smith, N. E. Med. Gazette 1873.)
Heilung mit Hypericum perfobatum. 4. Fall:
Frau, T., 40 J. alt, trat beim Aufstehen aus dem
Bette auf ein Papier voller Stecknadeln, das am
Boden lag. Etwa ein Dutzend Nadeln drangen
tief in die Fusssohle ein in der Richtung von der
grossen Zehe nach dem Fersen zu. Sie wurden
schnell herausgezogen. Bald nachher jedoch traten
Schmerzen ein im rechten Fusse, die durch das
Glied nach dem Rückenmarke und nach dem Nacken
und Gesichte sich verbreiteten. Die Muskeln des
Nackens und des Kiefers, hauptsächlich auf der
rechten Seite, wurden steif und auch diejenigen
des Unterleibs und des Brustkastens erschienen ge¬
spannt. Die Verabreichung von Chloralhydrat von
Seite eines allopathischen Arztes brachte eine
vorübergehende Erleichterung, aber am folgenden
Tage war alles wieder beim Alten. Von Nux, Ignatia
und Belladonna liess die Heftigkeit der Anfälle all-
raählig etwas nach. Aber erst als Hypericum ge¬
geben wurde, bemerkte die Kranke, dieses scheine
ihr direct auf die kranken Theile heilend zu
wirken. Drei Wochen später konnte die Kranke
wieder auf dem Fuss stehen. (J. W. Hocking im
Ohio Med. and Surg. Reporter 1873.)
Heilung eines traumatischen Tetanus durch La¬
chesis. 5. Fall: Ein Zimmermann, 40 J. alt, litt
in geringem Grade an Kinnbackenkrampf mit
Steifigkeit und Schmerz in den Muskeln des Nackens
und des Rückgrats; er hatte das eigentümliche
Aussehen eines an Starrkrampf Leidenden. — Die
Ursache seines Leidens war eine Wunde an der
| Spitze der grossen Zehe, welche durch das Rad
eines Wagens in der Mite der ersten Phalanx ihm
war abgequetscht worden. Neun Tage nachher
zeigten sich die ersten Symptome von Starrkrampf.
Die Weichtheile der Zehe waren in einem Zu¬
stande brandigen Absterbons. Auf Lachesis 30.
zeigte sich eine langsame Besserung, der aber
wieder Verschlimmerung folgte. Auf Lachesis 6.
trat wiederum Besserung ein und unter dem Fort¬
gebrauche des Mittels genas der Kranke. (Dr. Sircar
in Calcutta in Hom. World.)
Heilung mit Angmtura. 6 . Fall: Eine Dame
rannte sich eine Nadel in den Fuss. Nach zwei
Wochen traten heftige Schmerzen ein, welche von
der verletzten Stelle nach der Ferse und dann auf¬
wärts nach dem Rücken zu sich erstreckten mit
Symptomen von Starrkrampf. Sie hatte krampf¬
hafte, lancinirende Schmerzen vom Nacken nach
den Kiefern auf beiden Seiten und Steifigkeits¬
gefühl ohne eigentlichen Kinnbackenkrampf. Die
Schmerzen wurden furchtbar heftig. Angustura 3.
alle l j 9 Stunden besserte die Schmerzen innerhalb
einer Stunde und die Kranke genas innerhalb
4 Tagen. (Hubbard, Med. Investigator.)
Heilung mit Belladonna. 7. Fall: Ein Mann
von ca. 60 Jahren war vor 14 Tagen in einen
Nagel getreten. Seine Kiefer waren fest ge¬
schlossen, alle Beugemuskeln krampfhaft afficirt,
auch die Bauchmuskeln brettartig gespannt, Schlin¬
gen sehr erschwert. Ein plötzliches Geräusch, eine
Berührung, ein Versuch sich zu bewegen, zu
sprechen oder zu trinken brachte einen Krampf¬
anfall. Der verletzte Fuss war ziemlich geschwollen,
die Wunde war geheilt, nur ein schwarzer Fleck
war sichtbar, der sehr empfindlich war. Nach Er¬
öffnung der Stelle entleerten sich bloss wenige
Tropfen dunkeln Blutes. Belladonna 30. heilte in
8 Tagen. (Angell, Hoyne’s Clin. Therap.)
Heilung mit Angustura. 8. Fall: Wundstarr¬
krampf in Folge einer Verletzung in der Gegend
der rechten oberen Augenlidnerven. Die Krämpfe
bestehen aus einem theilweise nach vorwärts und
theilweise wieder nach rückwärts biegenden Starr¬
krampf (Emprosthotonos und Opisthotonos). Die Kiefer
konnten nicht genügend geöffnet werden, um einen
Löffel einzubringen, wesshalb Patient mit Fleisch¬
brühe und anderen Flüssigkeiten ernährt werden
Digitized by c. ooQie
23
musste. Angustura 200. heilte in 10 Tagen.
(Dr. Bayliss.)
Heilung mit Oicuta virosa. 9. Fall: Ein Kind
von 12 Jahren, ein Patient von Dr. Beekwith,
zeigte alle Symptome von Trismus. Hände und
Füsse gebogen, aber starr, der Unterleib auf¬
getrieben mit sehr gespannten Muskeln, alle
1 / 2 Stunden ein Krampfanfall. Am 8. Tage, nach¬
dem verschiedene Mittel ohne Erfolg angewandt
worden waren, wurde Dr. Earnest hinzugezogen,
welcher Cicuta virosa verordnet© nach folgenden
Indicationen: Die Zungenränder sind von kleinen
Geschwiirchen bedeckt und von einer weisslichen
Schicht umgeben, tonische Krämpfe im Schlunde
mit blassem Gesichte während der Krampfanfalle. ;
Besserung zeigte sich innerhalb 12 Stunden und
hielt an bis zur völligen Genesung des Knaben.
(Hoyne’s Clin. Therap.)
Diesen von amerikanischen und englischen
Aerzten veröffentlichten Starrkrampfheilungen wollen
wir noch einige von deutschen Homöopathen ver¬
öffentlichte Heilungen beifügen.
Heilung mit Angustura. 10. Fal 1: Von Dr. Hering j
im Archiv (VII. 1. 89) veröffentlichter Fall. Hering |
sagt, dass der Starrkrampf nach Verwundungen bei
Negern mit Mercur. behandelt werde bis zum
Speichelflüsse, kommt es zu diesem, so sind sie
gerettet
Ich kam zu einer an diesem Uebel leidenden
Negerin, bei welcher kein Speichelfluss zu Wege
zu bringen war. Die Krankheit bestand in einzel¬
nen Anfällen des heftigsten Kinnbackenkrampfes
und Zuckungen der Rückenmuskeln, so dass sie
gewaltsam nach hinten gebogen wurde. Ich gab
ihr eine äusserst kleine Gabe Angustura. Es stellte
»ich nach einigen Minuten ein Anfall ein, dann
aber erfolgte Besserung und ohne Eintritt von
Speichelfluss erfolgte bald die vollständige Heilung
zur grössten Verwunderung Aller.
Heihmg mit Oicuta . 11. Fall: Ein Knabe von
18 Jahren hatte eine bedeutende Kopfverletzung
erlitten durch ein Wagenrad. Die Heilung ging
bei Anwendung der Arnica aufs beste von statten,
aber nach stattgefundener Erkältung entwickelte
»ioh folgender Zustand:
Symptome: Anfangs Fieberhitze, Gesichtsröthe,
Kopfweh, unruhiger Schlaf, heisst sich in die
Zunge. — Später blasses Aussehen, Gesicht und
Hände kalt. Verschlossener Mund, so dass kaum
di© Spitze der Zunge zwischen den Zähnen durch¬
geht. Sitzt meistens schlafend in einem Winkel
mit herabhängendem Kopfe, erwacht dann nur
nach mehrmaligem Anrufen, weint alsdann unter
fast lächerlicher Gesichtsverziehung, antwortet kaum
und kurz, starrt unverwandt auf eine Stelle hin
und hält den Kopf immer steif und nach vorwärts
gebogen. Alle Bewegungen geschehen zitternd.
Beim Gehen, was mit steifem Körper und steifen
Beinen geschieht, klagt er über Schwindel und
Ziehschmerz in Schenkeln und Waden. Beim Sitzen
öfter Zusammenschütteln und Rucke, wie elektrische
Schläge durch Kopf, Arme und Beine.
Früh im Bette tetanische Steifheit des Körpers.
Nachts viel Schweiss und kein Schlaf. Kleine
schmerzhafte Geschwüre am Zungenrande und innen
an den Lippen; Gleichgültigkeit — Traurigkeit.
Ordin.: Cicuta 15. 1 Tropfen. Schon die nächste
Nacht war ruhiger und früh keine tetanische Steif¬
heit des Körpers mehr vorhanden, kann den Mund
weiter öffnen, die Zunge weiter herausbringen, ant¬
wortet ohne besondere Anstrengung und sieht
freundlicher aus, auch das Zucken und Rucken in
den Gliedern ist seltener geworden. Am 3. Tage
konnte er ohne Anhalten gehen und am 5. Tage em¬
pfand er bloss noch etwas Schwere und Mattigkeit
in den Beinen. (Messerschmidt.)
12. Fall: Mädchen von 17 Jahren, noch nicht
menstruirt, bekam nach Erhitzung und Erkältung
zuerst Stechen in der Brust, gastrische Beschwer¬
den u. a. in., später zog sich das Leiden nach der
Herzgrube und dem Rücken und es erfolgte ein
krampfhafter Zustand.
Symptome: Mund fast gänzlich verschlossen,
trotz unauslöschlichem Durste kann sie nur wenig
schlucken. Die schmerzhaften Anfälle von rück¬
wärtsbiegendem Starrkrampf traten fast alle Minuten
ein, dabei verdrehte sie die Augen und verzog das
Gesicht auf eine grässliche Weise und stiess ein
durchdringendes Geschrei aus. Diese schrecklichen
Anfälle wiederholten sich hei jeder Berührung, ja
selbst wenn nur die Stubenthür wie gewöhnlich
geöffnet wurde, oder wenn jemand in der Stube
laut sprach. Sie konnte nicht das mindeste Ge¬
räusch ertragen, ohne sofort aufzuschreien. Die
Sprache war undeutlich, mehr lallend, Körper und
Glieder waren steif wie Holz bei gänzlicher Schlaf¬
losigkeit. Bei den Anfällen versetzte es ihr auf
kurze Zeit den Athem, so dass sie nach Luft
schnappen musste. Es kommt ein jählinger Stoss
in der Tiefe der Herzgrube, welcher von da aus
schnell wie der Blitz in den Rücken fährt und sie
nach hinten unter grossen Schmerzeu zusammen¬
zieht.
Bell. 8., dann 24., dann Stramon. 3. hatten
wenig Erfolg. Cicuta 3. und 6., abwechselnd alle
12 — 36 Stunden, besserten mit jedem Tage bis
zum Eintritt der völligen Genesung. Doch konnte
die Kranke erst nach mehreren Wochen die Glieder
wieder ordentlich gebrauchen, woran freilich die
elende Kost viel schuld war. (Bethmann.)
Digitized by
Google
Die homöopathische Arzneimittel-Lehre.
Eine kritische Studie von Dr. Arthur Sperling-Berlin.
Besprochen von Dr. Mossa-Stuttgart.
Es dämmert, der Morgen naht, es wird Licht! —
Wir haben es schon wiederholt ausgesprochen,
dass die vorurtheilslosen Forscher und Aerzte der
herrschenden Schule durch die Evolution der Me-
dicin, sowie durch die Logik der Thatsachen dahin
gedrängt werden, der homöopathischen Heilmethode
die ihr gebührende Anerkennung zu zollen und
bei ihrer klinischen Thätigkeit in Anwendung zu
bringen. Ein offenes Votum, das uns sehr sympa¬
thisch berührt hat, liegt uns in der jüngst ver¬
öffentlichten Abhandlung des, bisher unserer Partei
nicht angehörigen, Dr. Arthur Sperling „Die homöo¬
pathische Arzneimittel-Lehre. Eine britische Stndie u
vor. Wir müssen gestehen, dass uns seit der im
Jahre 1832 von Dr. Joh. Heinrich Kopp, hessischem
Oberhofrath, veröffentlichten Schrift über Homöo¬
pathie, welche den ganzen zweiten Band seiner
„Denkwürdigkeiten in der ärztlichen Praxis“ ein¬
nimmt, kein so tiefgehendes Werk von einem
Nicht-Homöopathen über die homöopathische Heil¬
kunst zu Gesicht gekommen ist, als diese kritische
Studie von Dr. Sperling. Beide prüfen sie nach
ihrer theoretischen Seite hin, beide haben sie am
Krankenbett auf ihre Leistungsfähigkeit hin unter¬
sucht, nachdem sie sich mit grossem Fleisse und be¬
harrlicher Ausdauer mit der homöopathischen Arznei¬
prüfung vertraut gemacht hatten; beide haben an dem
System Manches auszusetzen, aber der Heilmethode
müssen beide zustimmen. — Für Kopp war die Speci-
ficität der Mittelwirkung der Anknüpfungspunkt;
bei Dr. Sperling die Wirksamkeit kleiner und
kleinster Gaben — also gerade der Punkt, der
sonst die allopathischen Aerzte am meisten zurück-
stiess — zog ihn ganz besonders zum Studium der
Homöopathie hin. Er sagt hierüber im Vorwort
zu seiner Studie: „Vor etwa 5 Jahren gelang
es mir nachzuweisen, dass minimale galvanische
Ströme von 0.5 M. A. noch therapeutische Wirk¬
samkeit besitzen. — Es Hess sich bald nachweisen,
dass auch 0.2 und 0.1 M. A. in geeigneten Fällen
ebenfalls therapeutisch etwas leisten, ja, bei in¬
timerer Beschäftigung mit der Sache schienen mir
gerade diese ganz geringen Ströme den andern
grobem und stärkern an Leistungsfähigkeit so sehr
überlegen, dass ich mich in der Praxis fast aus¬
schliesslich ihrer bediene und die Erfahrung ge¬
macht zu haben glaube, dass, wenn sie im Stich
lassen, der Fall überhaupt für elektrische Behand¬
lung ungeeignet sei.“
„Wenn ein galvanischer Strom von 0.1 M. A.
unter geeigneten Verhältnissen die biologischen Be¬
dingungen des kranken menschlichen Körpers zu
ändern vermag, so müssen dies auch andere Fac-
toren thun, die ebenso winzig scheinen, wie jene.
Der Gedanke lag nahe. Die minimalen chemischen
Substanzen in den Mineralwässern, welche mit
grösstem Erfolge zu Trink- und Badecuren ver¬
wandt werden, bildeten den willkommenen Ueber-
gang zu der Idee, dass die Dosen, in welchen die
gebräuchlichen Arzneimittel von den Aerzten ver¬
ordnet zu werden pflegen, im Allgemeinen zu gross
sind, und dass eventuell ihre Leistungsfähigkeit
vermehrt werden kann, einerseits durch Verringe¬
rung der Dosis, andrerseits durch sorgfältige Wahl
des für einen jeden Kranken ganz individuell
passenden Mittels.
„Dies waren die Ideen, welche mir die Beschäf¬
tigung mit der homöopathischen Arzneimittellehre
aufnöthigten, von welcher ich bisher nicht viel mehr
wusste als dieses, dass die kleinen Arzneidosen ihr
Hauptprincip waren. Auch dieses Wissen stellte
sich alsbald als Irrthum heraus, so dass ich es
kaum noch besonders hervorzuheben brauche, dass
meine „Elektrotherapeutischen Studien/ ‘ in welchen
z. B. die Darstellung der ersten und zweiten Re-
action gewisse Aehnlichkeit mit Hahnemann’s von
der „Erstverschlimmerung“ durch Arzneiwirkung
besitzt, ohne jegliche Kenntniss der Homöopathie
geschrieben worden sind. Ich freue mich sagen
zu können, dass meine elektrotherapeutischen Be¬
obachtungen in einer Zeit gemacht worden sind, in
welcher ich die Homöopathie und das Getriebe der
Homöopathen mit gleicher souveräner Verachtung
ansah, wie es auch heute noch die Mehrzahl meiner
Coli egen thut. Das erhöht meiner Ansicht nach
den Werth meiner Beobachtungen; sie hätten lange
nicht den Werth besessen, wenn sie von einem mit
homöopathischen Ideen durchtränkten Arzt gemacht
worden wären.“
Verf. schildert dann die Schwierigkeiten, welche
das Studium der homöopathischen Arzneimittel-Lehre
einem Nicht-Homöopathen ohne persönliche Unter¬
weisung durch einen homöopathischen Arzt bereitet.
„Die homöopathische Literatur, sagt er, ist ent¬
weder von Erz-Homöopathen gemacht oder von
Erz-Feinden der Homöopathie. (Kopp hat er nicht
gekannt. Ref.) Es existirt keine homöopathische
Arzneimittel-Lehre, welche als Brücke zwischen den
feindlichen Lagern angesehen werden dürfte, welche
die Verschmelzung der Ideen beider anbahnte und
die schroffsten Gegensätze durch passende Erklä¬
rungen minderte.“ (AltschuTs Reallexicon nimmt
eine solche vermittelnde Stellung schon ein. Ref.)
Sehr drastisch stellt er die Anziehung und Ab-
stossung dar, die man beim Herantreten dieses Stu¬
diums durch die neuen Ideen erfährt, bis man end¬
lich so weit vertraut ist mit den homöopathischen
Mittelprüfungen, um die Mittel am Krankenbett
Digitized by ^.ooQle
25
zu prüfen, wie er es an den Patienten seiner Poli¬
klinik und aus seiner Privatpraxis gethan hat. Die
hierbei gewonnenen guten Resultate erfreuten ihn
nicht bloss als praktischen Arzt, sondern als Mann
der Wissenschaft, indem sie ihm durch die Gewalt
der Thatsachen die Werthschätzung der homöo¬
pathischen Lehren aufdrängten. — Dies ist ein
schönes Zeugniss eines aufrichtigen, die Wahrheit
suchenden und anerkennenden Geistes!
Der Weg, den College Sperling hei Auseinander¬
setzung der homöopathischen Arzneimittel-Lehre ein-
schlägt, ist ein ganz praktischer. Er beginnt mit
unserer Arznei-Bereitung, bespricht die Darstellung
der Verdünnungen, Potenzen, wie er sie gleich¬
zeitig nennt, und zeigt dabei, wie viel an wirk¬
samer Substanz von dem betreffenden Mittel in der
Einzeldosis von 2, resp. 5 Tropfen vorhanden ist.
Er hält sich an die Decimal-Scala. Er kann nicht
umhin, die Vorzüge der Homöopathie hierin anzu¬
erkennen und weiss den Gegnern den Horror vor
den minimalen Gaben geschickt zu benehmen.
Was Verf. über die verschiedenartige Wirkung
kleiner und grosser Arzneigaben beibringt, ist für
Jedermann einleuchtend und bezieht er sich hier¬
bei vielfach auf Prof. Hugo Schulz’ Deductionen.
Von van Swieten führt er (nach Schulz) folgende
Aeusserung über die Wirkung des Opium an: ,,Der
Mohnsaft, der in geringer Menge genommen die
angenehmste Empfindung, die man sich vorstellen
kann, verursacht und fast wie das Nepenthes der
Helena alle Uebel vergessen macht, verursacht in
grösserem Masse Schlaf, in allzustarker Menge
aber endlich einen Schlagfluss,“ wozu Schulz er¬
klärend hinzufügt: „Das heisst mit andern Worten
einfach: Kleine Mengen Opium emegen die Thätig-
keit gewisser Theile des Gehirns, grössere rufen
Ermüdung hervor, die bei stärksten Dosen zum
Tode führen kann.“
Mit Recht führt er hier auch das Pflüger’sche
Zuckungsgesetz als Beleg an, welches von Prof. Arndt
in Greifswald als „biologisches Grundgesetz“ aner¬
kannt und so formulirt worden ist: „Schwache
Reize fachen die Lebensthätigkeit an, mittelstarke
fordern sie und stärkste heben sie auf.“ — Die
Medicin ist daher darauf hingewiesen, sich den
Wirkungskreis der Arzneistoffe, ja aller therapeu¬
tischen Factoren überhaupt, in doppelter, ja vielleicht
sogar in dreifacher Weise zu Nutze zu machen. —
„Und doch beherrscht, sagt Verf., das Princip „viel
hilft viel,“ welches durchaus der symptomatischen
Therapie entlehnt ist, noch immer die Aerzte. Bis
auf Weiteres wird mit den intensiven Eingriffen
durch Massage, Electricität, Wasser, mit den un¬
sinnig grossen Gaben von schmerzstillenden und
schlafmachenden Mitteln immer weiter geschadet
werden. Das Publicum hat den Schaden bereits
am eigenen Leibe bemerkt und lässt sich lieber
von Curpfuschem mit Wasser und Dampf als mit
schlechtschmeckenden Arzneien umbringen. Der
wissenschaftliche Thurm, von dem die Aerzte herab¬
sehen, ist so hoch, dass sie diese Wandlung nicht
erkennen.nur in einigen Köpfen beginnt
es zu dämmern.“ Bisher habe man immer die
Maximal-Dosis festzustellen gesucht, warum nicht
auch die noch wirksamere Minimal-Dosis? Das
habe Hahnemann gethan unter der Voraussetzung,
dass der Arzneikörper auch wirklich das passende
Mittel, das Similimum sein müsse. Dies führt den
Verf. nun zur Besprechung des Similia similibus
als des Grundprincips der homöopathischen Arznei¬
mittel-Lehre, wie er sich ausdrückt. Er umschreibt
den Hahnemann’schen Gedanken so: „Eine jede
Krankheit äussert sich durch subjective und ob-
jective Symptome, welche darauf hinweisen, dass
ein bestimmtes Organ der Sitz, oder wenigstens der
Ausgangspunkt, der Nährboden (nach Prof. Schulz)
der Krankheit ist. Das Gleiche thut ein Arznei¬
mittel, welches dem gesunden Organismus in ent¬
sprechender Dosis eingegeben wird: es ruft eben¬
falls gewisse Symptome hervor, deren Gesammtbild
wir als „Arzneikrankheit“ bezeichnen, d. li. jedes
Arzneimittel besitzt die Eigenschaft, ganz bestimmte
Organe und zwar in gewisser Reihenfolge zum An¬
griffspunkt zu wählen, durch deren Störung eben
jene Arzneisymptome hervorgerufen werden. Um
die Erkrankung eines Organs zu heilen, braucht
man ein Arzneimittel, welches erfahrungsgemäss
gerade zu diesem Organ in besonderer Beziehung
steht, welches so „specifisch“ wirkt, dass seine
Stofftheilchen mit Vernachlässigung aller am Wege
liegenden Organe gerade zu diesem Organe hin¬
stürzen, um die Bewegung seiner Zellen, seiner
Protoplasmakörnchen zu beeinflussen.“ —
„Solche Substanzen mit der genannten Eigen¬
schaft giebt es in der That, wir könneu sie wegen
ihrer Eigenschaft als organspecifisch bezeichnen,
und um sie aufzusuchen, müssen wir die von
Alters her erprobten und die guten neuerwor-
beneu Mittel an gesunden Menschen prüfen.“
Verf. fährt fort: „Hahnemann deducirt zwar noch
ganz richtig weiter, dass, um ein krankes, „in ge¬
reiztem Zustande“ befindliches Organ zu treffen,
eine verhältnissmässig sehr kleine Dosis des „organ-
specifischen“ Mittels gehört, denn das kranke Organ
befindet sich in einem Reizzustande; seine Moleküle
sind aus der Ruhe gebracht, sie bewegen sich ab¬
norm und folgen leichter als beim gesunden Organ
jedem weiteren Bewegungsanstoss. Daher, im All¬
gemeinen die Anwendung sehr kleiner Arzneigaben
in der Homöopathie. Wie aber kommt Hahnemann
zu dem Schluss, dass dieses „organspecifische“
Mittel jene Bewegungsstörung zur Norm zurück-
4
Digitized by
Google
26
führt und zu einem Heilmittel wird? — Hier liegt
nach Verf. eine Lücke, eine Kluft in der Lehre
Hahnemann’s, die er selbst später auszufüllen ver¬
sucht hat. — Hat aber nicht Dr. Sperling, fragen
wir, den Standpunkt Hahnemann’s verrückt, indem
er, freilich in der wohlgemeinten Absicht, die
Lehre des Meisters seinen modern denkenden Colle-
gen fasslicher, zugänglicher zu machen, ihm An¬
schauungen moderner Art unterlegt und so ein
Verquickungsbild geschaffen, das dem Originale
nur noch im Ganzen, aber nicht im Einzelnen
ähnlich ist? Die Idee des „Organspecifischen,“ die
der Lehre Rademachers eher entspricht, ist der
ursprünglichen Hahnemann’s fremdartig. — Wenn
er pag. 18 noch einmal die Frage aufwirft: „Wie
kommt Hahnemann zu der Annahme, dass eine
Krankheit durch das Arzneimittel geheilt wird,
welches bei Gesunden die jener ähnlichsten Symp¬
tome hervorruft? Auf dem Wege logischer De-
duction ist dieses Princip nicht gefunden worden;
sie muss ein Product der Inspiration sein und hat
durch die Erfahrungen Kranker ihre Bestätigung
gefunden,“ so antworten wir, dass Hahnemann das
Aehnlichkeitsgesetz zunächst auf dem Wege der
Induction und des Experiments und dann mittels
des logischen Instruments der Deduction gefunden
hat, wie es die Strenge der Naturwissenschaft er¬
fordert. Er hat dann freilich sich auch bemüht,
es mit den seiner Zeit bekannten physiologischen
Thatsachen in Einklang zu bringen, es theoretisch
zu begründen. Von dem Satze ausgehend, dass,
wenn ein Theil des Organismus von zwei (zumal
ähnlichen) Reizen getroffen wird, nur der stärkere
Reiz zur Wirksamkeit kommt, indem er den
schwächeren verdrängt, suchte er die Heilwirkung
des Arzneireizes plausibel zu machen, wodurch er
jedoch zu der Hypothese genöthigt wurde, dass
der arzneiliche Reiz, und selbst in der minimalsten
Gabe, unter allen Umständen mächtiger sein müsse
und auch sei, als der morbide, um letzteren aus¬
zulöschen und so den normalen Zustand wieder¬
herzustellen.
Dr. Sperling nimmt, um die Heilungsvorzüge
nach dem Simile zu erklären, zu der orgavspeci-
finahen Wirkung der Mittel noch eine causalspeci-
fische und die molekularen Bewegungen hinzu. —
,,Wir sehen, dass die Krankheitserreger (das Cho¬
lera-, Ruhr-, Diphtlieritisgift), die krankmachenden
Ursachen, eine ebenso intime Beziehung zu ganz
bestimmten Organen haben, wie die Arzneimittel.
Während nun Professor Schulz behauptet, dass die
durch die verschiedenen Krankheitsreize in den
Organen, resp. Geweben, Zellen bewirkten Ver¬
änderungen (Hyperämie, Entzündungen) in ihrer
Qualität nicht verschieden, sondern gleichartig seien,
macht Dr. Sperling geltend, dass es nicht un¬
statthaft sei, anzunehmen, dass jeder besondere
Krankheitsreiz eine eigenartige Reizung hervorrufen
müsse. Es sei nicht glaubhaft, dass eine Reizung
der Ganglienzellen durch Freude, durch Angst,
durch Trauer, durch Trauma, durch Chloral oder
durch Arsen die gleiche Molekularbewegung hervor-
rufe, was freilich das Mikroskop nicht nachweisen
könne. ,,Praktisch legt uns diese Differenzirung
den Zwang auf, bei der Wahl des Mittels nicht
nur auf die „Organspecificität“ desselben Acht zu
geben, sondern auch zuzusehen, dass es zu dem
ätiologischen Moment specifisch ist („ätiologisch-
specifisch“). Dieser Anforderung genügt die Ho¬
möopathie, wenn sie z. B. bei Traumen, Quetsch¬
wunden Amica, Calendula, Hamamelis, nach Säfte¬
verlusten China; Nux vomica, Pulsatilla, Ipeca-
cuanha nach Indigestionen, das erstere besonders
in Folge von Genuss alkoholischer Getränke, also
bestimmte Mittel bei bestimmten Krankheitsursachen,
für indicirt erklärt und erprobt hat.
,,Causal - und Organ-Therapie, das sind die
beiden Ziele, sagt Verf. pag. 21, welcher die mo¬
derne medicinische Wissenschaft und Kunst zu¬
zustreben hat.“
Für die Organ-Therapie und die ihr dienenden
Mittel geben die Prüfungen der Arzneikörper an
Gesunden die ausreichenden Indicationen. —
Um die Causal-Therapie klarzulegen, sieht sich
Verf. genöthigt, in die Tiefen der Molekular-
Theorie hinabzusteigen, wobei ihm von Grauvogl,
den er aber nicht gekannt zu haben scheint, ein
wegeskundiger Führer hätte sein können. Sein
Gedankengang ist im Allgemeinen folgender:
Er geht von Virchow’s Definition des Lebens
als einer eigenartigen Bewegung aus, die sich
innerhalb des menschlichen Körpers in den aller¬
kleinsten Theilen, in den Zellen, Protoplasma¬
körnchen, in den Molekülen vollzieht. — Wird der
Körper durch einen auf ihn ausgeübten zu starken
Reiz krank, so hört diese Bewegung entweder auf
oder sie vollzieht sich zu stark oder zu schwach.
Die Rückkehr zur normalen Bewegung nennen wir
Heilung. Die Art der Bewegungsstörung ist ab¬
hängig von der Krankheitsursache und von dem
erkrankten Organ (Individualität der Krankheit),
bezw. der vor der Erkrankung stattgehabten Mole¬
kularbewegung (Individualität des Kranken).
Wenn nun ein Heilmittel die Fähigkeit haben
soll, eine gestörte Molekularbewegung, die wir
Krankheit nennen, zu beseitigen, wenn es im Stande
sein soll, in einem so complicirten Vorgänge, den
wir aus chemischen und physikalischen zusammen¬
gesetzt erkannt haben, wirksam einzugreifen, so
muss es nothwendiger Weise Eigenschaften be¬
sitzen, welche jene Processe zu ändern, umzuge¬
stalten im Stande sind. Ref. will es kurz in den
Digitized by k^ooQle
87
Worten condensiren: Das kurative Mittel muss sich
als adäquater Reiz verhalten. So muss, sagt Verf.,
ein in der Bewegung seiner Moleküle gestörter
Nerv von einem adäquaten Reiz getroffen werden,
wenn diese abnorme Bewegung in den Normal¬
zustand zurückgeführt werden soll. Nachdem Verf.
auseinandergesetzt, wie gerade die homöopathische
Arznei-Bereitung dazu angethan ist, die molekulare
Bewegung der medicamentosen Stoffe zu ermög¬
lichen und zu begünstigen, kommt er zu dem
Schluss: „Die theoretische Annahme, dass Mittel in
solcher Form, wie die Homöopathie sie darstellt,
einen adäquaten Reiz für die Körpergewebe bilden,
und dass sie krankhafte Störungen heilen können,
stösst auf keine Schwierigkeit. Ja, es lässt sich
sogar annehmen, dass sie desshalb, weil sie eben
adäquate Reize zuführen, viele Krankheitszustände
besser heilen, als die Mittel in den Formen, welche
wir (die alte Schule. Ref.) anzuwenden gewohnt
sind. 4 *
Praktische Beispiele für das, was man als adä¬
quate Reize aufzufassen habe, giebt Verf. pag. 22:
„Der magnetische Stab wird unmagnetisch, wenn
die Umkreisung des elektrischen Stromes aufhört,
wenn ein daran gehängtes Gewicht plötzlich ab-
reisst, oder wenn er einer mechanischen Erschütte¬
rung ausgesetzt wird. — Der neuralgische Nerv
kehrt zur normalen Bewegungsform seiner Moleküle
zurück, was sich durch Aufhören der Schmerzen
documentirt, wenn der Kranke die bisherige feuchte
Wohnung verlassen und ein trockenes Klima auf¬
gesucht hat; wenn er den üblichen Cigarrengenuss
von 12 auf 2 Stück herabsetzt, nach einer ge¬
ringen Dosis Chinin, Ferrum oder Arsen., nach
Galvanisation, in Folge einiger warmer oder Dampf¬
bäder etc. —
„Wie die praktische, tägliche Erfahrung lehrt,
dass es für ein krankes Organ mehrere adäquate
Reize giebt, von denen freilich bei genauerer
Prüfung der eine vor dem anderen den Vorzug
verdient, so muss auch die Annahme berechtigt
sein, dass allen diesen genannten Heilmitteln ein
Moment innewohnen muss, welches allen gemein¬
schaftlich ist und als „der adäquate Reiz an sich M
bezeichnet werden kann. w
Verf. hat sich redlich bemüht, seinen Collegen
die Prävalenz der in homöopathischer Weise ge¬
reichten Arzneimittel zur Einleitung solcher adä¬
quater Reize darzuthun, dass wir nur wünschen
können, er möge den damit beabsichtigten Zweck
bei ihnen erreichen. —
„Die Hahnemann’ßche Auffassung über das
Wesen der Krankheiten und die Wirkung der
Heilmittel ist einer der wundesten Punkte der
Homöopathie. Und doch, was hat Hahnemann im
schlimmsten Fall gethan? Eine falsche Theorie
für Thatsachen aufgesucht, an deren Erklärung
das Wissen der heutigen Zeit ebensowenig heran¬
reicht, wie das der damaligen. Hahnemann’s Ver¬
dienst, Thatsachen an’s Licht der Welt gezogen
zu haben, die sich bisher dem menschlichen Blicke
entzogen hatten, wird darum in nichts geschmälert.
Viel bedauerlicher ist es, dass die medicinische
Wissenschaft ohne Rücksicht auf diese Thatsachen
weiter geschritten ist und in Ermangelung des
weiten Ueberhlicks über das grosse Ganze so viele
Fehler in der Rechnung gemacht hat, die nur durch
die Nichtberücksichtigung dieser Factoren ihre Erklä¬
rung findet.“ Diesen Satz unterschreiben wir gern.
Verf. hat sich durch zahlreiche Versuche von der
Wirksamkeit homöopathischer Mittel an Kranken
überzeugt; er giebt auch einige seiner klinischen
Erfahrungen zum Besten. Er ist allmählig zu der
Ueberzeugung gelangt, dass, eine richtige Anwen¬
dung des richtigen Mittels vorausgesetzt, diese
Mittel schneller, in gewissem Sinne intensiver und
nachhaltiger wirken, als die vom Standpunkt der
symptomatischen Therapie in massigen Gaben an¬
gewandten. „Unsere Pharmakologen, sagt er,
mögen nachprüfen, bis zu welchem Grade der Ver-
theilung der wirksamen Substanz, bis zu welcher
Potenz man gehen kann, um noch wirksame Stoff-
theilchen in der verordneten Dosis zu haben. Die
Prüfung des Verhältnisses zwischen Individualität
des Kranken und Individualität der Krankheit einer¬
seits und der zweckmässigen Potenz andererseits
wird noch weitere umfassendere Studien erfordern.“
Der Verfasser berührt dann noch manche für
die Homöopathie wichtige Punkte, auf deren Be¬
sprechung wir aber hier verzichten wollen; lässt
er sich doch selbst über die Schüssler’sche und
Weihe’sehe Methode aus, sowie über die Ver¬
breitung unserer Heilkunst. — Die kritische Studie
Dr. Sperlings ist in der Sammlung medizinischer
Abhandlungen, für praktische Aerzte und Studirende
in Max Merten’s Verlag (Wien und Leipzig) er¬
schienen, und werden seine Collegen hoffentlich
das, was er in diesem compendiösen Schriftchen
über die homöopathische Arzneimittellehre, über
die Praxis und Theorie der homöopathischen Heil¬
kunst ihnen dargeboten hat, nicht von sich weisen.
Wir aber sprechen dem Verfasser für seine ver¬
dienstliche Arbeit unsere Anerkennung aus und,
wenn er sich auch nicht Homöopath nennen und
so genannt sein will, so drücken wir ihm doch
collegialiter die Hand, um so mehr, da er um
unserer Sache willen schon ein Stückchen Martyrium
erfahren hat. — Wir empfehlen die Lectüre dieser
kritischen Studie den homöopathischen Aerzten an¬
gelegentlichst, zumal sie für die Apologetik unserer
Heilmethode manchen neuen Gesichtspunkt eröffnet.
4 *
Digitized by ^.ooQie
28
Merkwürdige Heilung durch Graphit. 30.
Mitgetheilt von Dr. Paul Lutze-Köthen.
Am 27. Mai 1893 begehrte ein 17jähriges
Fräulein aus F. in Anhalt meine ärztliche Hilfe
wegen eines hartnäckigen Ausschlags an einem
ihrer Finger. Das Uebel bestand schon seit 2 Jahren
und stellte sich als ein weissliclier, kleienartiger,
rauher Ausschlag am rechten Zeigefinger dar, der
nur dann und wann ein wenig nässte und die eine
ganze Seite des betreffenden Fingers einnahm. Seit
14 Tagen zeigte er Neigung, sich auf den Daumen
und Mittelfinger auszubreiten. Letzterer Umstand
hatte wohl die Mutter des Mädchens veranlasst, ho¬
möopathische Hilfe in Anspruch zu nehmen, da die
allopathische Behandlung bis jetzt ganz erfolglos
geblieben war.
Jucken bestand nicht.
Das eigenthümliche und im Ganzen seltene Aus¬
sehen des Uebek erinnerte etwas an Lepra. Ich
habe letztere zwar nur einmal als Kliniker im
Leipziger Jacobshospital an einem aus Süd-Amerika
herübergekommenen Kinde gesehen und auch nur
in geringster Ausdehnung, denn die kranke Haut¬
stelle war nicht grösser, als eine Kirsche, dennoch
steht mir das Bild dieses Ausschlags, dieser schreck¬
lichen Plage der Menschheit, noch so deutlich vor
Augen, als hätte ich es gestern gesehen. Wegen
dieser Aehnlichkeit trug ich auch in mein Krauken-
buch ein: Eczema leproides. An eine echte Lepra
konnte ich selbstverständlich schon aus ätiologischen
Gründen nicht glauben, da das junge Mädchen
weder in dem heissen Klima je zuvor war, noch
mit Menschen aus dieser Gegend verkehrt hatte.
Im Ganzen mit schwerem Herzen ging ich an
die Behandlung heran. Wegen des Sitzes in der
Nähe der Fingergelenke verordnete ich Graphit. 30.
Potenz 2 Pulver, von dem jede Woche eins ge¬
nommen werden sollte. Ausserdem gab ich noch
2 Scheinpulver und bestellte die Kranke nach Ver¬
lauf von 4 Wochen wieder in meine Sprechstunde,
nicht ohne sie darauf aufmerksam zu machen, dass
das Leiden nach den bisherigen Erfolgen als ein
hartnäckiges anzusehen sei, und dass wahrschein¬
lich lange Zeit zur Heilung nöthig sein würde.
Am 21. Juni erschien meine Kranke wieder
und aus meiner an diesem Tage eingetragenen
Aufzeichnung: ,,Scheint besser zu sein, Ausschlag
schilfert ab,“ ersehe ich, dass in der That Besse¬
rung eingetreten war, jedoch muss sie so gering
gewesen sein, dass ich damals den Fortschritt in
der Besserung noch nicht sicher erkannt habe, und
vorsichtiger Weise eintrug: scheint besser zu sein.
Ich verordnete nunmehr 4 Scheinpulver ebenso ein¬
zunehmen, wie die ersten, um die günstige Wir¬
kung der Arznei durch keine Häufung der Arznei
und dadurch vielleicht entstehende Erstverschlim¬
merung zu stören (an welche viele unserer jüngeren
Jünger bekanntlich nicht glauben).
Als ich den Finger am 12. Juli wieder be¬
sichtigte, war der Fortschritt der Besserung schon
deutlicher wahrnehmbar, denn: „wesentliche Besse¬
rung“ ist heute der Vermerk im Buche. Verord¬
nung ebenso, d. h. 4 Scheinpulver auf gleiche
Weise einzunehmen. Wer aber beschreibt mein
freudiges Erstaunen, da das junge Mädchen nach
etwa 6 Wochen wieder bei mir erscheint und mir
ihren Finger zeigte, und ich die Haut daran ganz
rein und glatt erblicke, als ob sie niemals einen
Ausschlag getragen hätte.
Und dies alles mit 2 Pulvern Graphit in der
30. Verdünnung innerhalb von drei Monaten. —
Das mache uns einmal ein Allopath mit seinen
„höllischen Latwergen“ nach!
LesefrUchte.
Prof. Dr. H. Schulz (Greifswald) räth bei
den Collapszmtänden der Cholera nicht Campher
subcutan zu appliciren, da wir ja nicht wissen,
wie sich bei einer, die vitalen Functionen so ge¬
waltig beeinflussenden Affcction die Resorption ge¬
staltet, sondern vielmehr das Mittel per os zu ver¬
abreichen, am besten in spirituöser Lösung, also
Spirit, camphorat. Auch andere Excitantia, be¬
sonders starker schwarzer Kaffee in wiederholten
kleinen Gaben empfehlenswerth. Von wesent¬
licherer Bedeutung die Behandlung des primär er¬
krankten Organes, des Darmes. In der Praxis als
typische Darmmittel am meisten bewährt haben
sich Veratrin und Arsen. Ersteres, als solches oder
als Tinct. Veratrin., passt vorzüglich im Anfangs¬
stadium der Ch., wenn vorhanden sind: Erbrechen
und Durchfall, kalter Schweiss, Gefühl von innerer
Kälte, Muskelkrämpfe. Man verordne z. B. die
1884 von Bloedau empfohlene Form:
Rp.
Veratrin. 0,005
Spir. dilut.
Aq. dest. aa 50,0
M. D. S. */ 2 stdl. 1 Esslöffel.
oder von einer Tinctur, dargestellt aus 1 Theil
Rhiz. Veratr. auf 4 Theile Alkohol, wie sie 1857
Hubony anwandte:
Rp.
Tct. Veratr. gtt. U.
Aq. dest. 120,0
Syr. Aurant. 30,0
Hiervon gebe man je nach der vorhandenen Gefahr
alle 15—20 Minuten oder 1—2—3 stdl. u. s. w.
Digitized by
Google
29
/
Erwachsenen 1 Esslöffel, Kindern ITheelöffel voll. —
Auch Arsen wirkt sehr gut, es ist ein mächti¬
ges Stimulans für den Darm. Man ordinire:
Rp.
Acid. arsenic. 0,0005
Aq. dest. 200,0
oder:
Rp.
Sol. Kal. arsenic. 0,05
Aq. dest. 200,0
und lasse zunächst alle 15 — 30 Minuten, später
langsamer 1 Theelöffel nehmen.
(Deutsche medic. Wochenschrift 1892, No. 36.)
Die ersten Zeichen Ton Ataxia locomotrix.
Diese sind nach Prof. Fournier:
1. Westphal’s Zeichen: Verschwinden des Knie¬
reflexes, fast in 2 / 8 aller Fälle.
2. Rossberg’s Zeichen: Schwanken hei geschlos¬
senen Augen, und mit Gefahr, zu fallen,
wenn die Krankheit etwas vorgeschritten ist.
3. Das Treppen-Symptom: eins der ersten
beim Beginn der Krankheit, die Schwierigkeit
beim Hinabsteigen von Treppen. Der Kranke
fürchtet, beim Niedersteigen derselben zu
fallen.
4. Beim Kreuzen der Beine hebt der an Ataxie
Leidende das Bein, welches er über das an¬
dere legen will, höher als nöthig ist, beschreibt
mit demselben einen weiten Bogen.
5. Befiehlt man dem Kranken, wenn er sitzt,
schnell aufzustehen und umherzugehen, so
wird er nach dem Aufstehen eine Weile
zögern, als ob er erst das Gleichgewicht
suche, ehe er sich in Bewegung setzt. Soll
er beim Gehen plötzlich Halt machen, so wird
sich sein Körper, dem Impuls folgend, vorn¬
überbeugen, als ob er grüssen wollte, oder
aber, im Gegentheil, sich rückwärtswerfen,
um dem Impulse nach vorn entgegenzu¬
wirken.
6. Man befiehlt dem Patienten, auf einem Bein
zu stehen. Bei offnen Augen wird er sich
damit abmühen, ehe es ihm gelingt, und wird
instinctiv bald den andern Fuss zu Hilfe
nehmen, um nicht zu fallen. Bei geschlossenen
Augen wird er es kaum für einen Augen¬
blick fertig bringen, und, wenn man ihn nicht
festhält, schwer auf den Boden fallen.
Diese Zeichen beginnender Bewegungs-Ataxie
werden nicht allemal beisammen Vorkommen; man
soll aber daraufhin untersuchen, um einem ver¬
hängnisvollen Irrtlium in der Diagnose vorzubeugen.
Cocain-EintrRuflung bet Ohren-Affection.
Dr. A. Hecht erkrankte nach dem Genuss einer
starken Cigarre unter Symptomen einer leichten
Nicotinvergiftung; zugleich wurde er auf dem
linken Ohre gänzlich taub , so dass er selbst in un¬
mittelbarer Nähe das Ticken der Uhr nicht wahr¬
nehmen konnte. Nur Knochenleitung erhalten.
Ohrgeräusche von zischendem Charakter , namentlich
Nachts heftig. Er diagnosticirte: Hyperämie des
Trommelfelles, event auch der Paukenhöhle . Acute
Otitis media schloss er aus, weil der chronische
Rachenkatarrh, an dem er litt, ihm zur Zeit keine
Beschwerden machte. Die ersten 2 Tage kleine
Eisblase auf den Warzenfortsatz, Verstopfung des
Gehörgangs durch einen eingeölten Wattepfropf,
Laxantia. — Nachher wiederholte Einpinselungen
mit T. Jodi auf der Proc. mastoideus, Einträufelung
von Adstringentin. — Keine Bessei'ung. Jetzt
Cocain (5°/ 0 ) lauwarm eingeträufelt. Unmittelbar
darnach eher Verschlechterung des Gehörvermögens,
nach H Minuten jedoch eclatante Besserung , so dass
er die Uhr in der Entfernung einer Armeslänge
ticken hörte. Ohrensausen verschwunden! — Noch¬
mals einige Tropfen eingeträufelt, wonach aber¬
mals erst Verschlimmerung , dann aber Gehör so¬
fort normal . In den nächsten Tagen beim Kauen
und Gähnen feinblasiges Rasseln im Ohr, das aber
spontan verschwand. Seitdem Alles normal.
(Münch, med. Wochenschrift 1893, 37.)
Ref. ist der Ansicht, dass diese Wirkung des
Cocain auf das Gehörorgan, welche schon von ver¬
schiedenen Ohrenärzten bei Affectionen des äussem,
mittlern und innern Ohres mit Hyperämie der Ge¬
webe, bestätigt worden ist, als eine specifische an¬
zusprechen ist, umsomehr, als die Erstverschlimmc-
rung hier so deutlich auftritt.
Parotitis epidemica.
SubmaxiUarer Mumps , also eine P., wo der
Infectionsstoff nicht die Parotis, sondern die Glan¬
dula submaxillaris getroffen hat, ist schon öfters
beobachtet worden. Dr. Wertheimber (München)
behandelte nun wieder drei solcher Fälle und be¬
schreibt den markantesten von ihnen: 8 1 / 2 jähriger
Knabe mit einer Geschwulst vom Umfang einer
1 grösseren Haselnuss am inneren unteren Rande des
' Unterkiefers rechterseits. Dieser Tumor ist die
I vergrösserte Submaxillardrüse. Parotisgegend bei-
| derseits frei von jeder Anschwellung. Leichtes
I Erythem der Mund- und Rachenschleimhaut. Allge-
j meinbefinden wenig gestört. In den nächsten Tagen
! allmählige Zunahme der weichen, ödematösen Ge-
j schwulst; Haut darüber blass, glänzend. Durch
| die Geschwulst hindurch Drüse als kugelförmiger,
Digitized by
Google
nicht sehr derber Körper fühlbar. Druckempfind¬
lichkeit nur mässig erhöht. Oeffnen des Mundes,
Kauen und Sprechen etwas erschwert. Am zweiten
Krankheitstage Temperatur (in recto): Morgens 38,8,
Abends 39,3. Am dritten, vierten und fünften
Tage Morgentemperaturen zwischen 39,6 — 40,0, die
Abendtemperaturen zwischen 40—40,3 schwankend.
Dabei Appetitmangel, Kopfschmerz, Apathie, hohes
Schwächegefühl, Schlaflosigkeit, Unruhe, hin und
wieder leichte Delirien. Vom sechsten Tage ab
allmähliges Sinken der Temperatur und bald dar¬
auf Abnahme der Geschwulst. Am achten Tage
kein Fieber mehr und nach kurzer Zeit auch Ge¬
schwulst verschwunden. Am dritten Tage war
auch Anschwellung der linken Submaxillardrüse zu
constatiren, aber weniger stark und von kürzerer
Dauer. Am 15. Tage nach Erkrankung des Kin¬
des erkrankt die Mutter an typischer Parotitis!
Ausserdem von Interesse das hohe Fieber und die
schwere Allgemeinstörung bei relativ unbedeuten¬
der Localaffection! — Auch Dr. Wacker hat einen
Fall von „contagiöser Schwellung der Glandula
maxillaris“ beobachtet: 5 Jahre altes Kind erkrankt
mit Appetitlosigkeit, Kopfschmerz, Schluckbeschwer¬
den. Fieber 38,6°. Leichte Schwellung der Sub¬
maxillardrüse. Innerhalb 24 Stunden beträchtliche
Zunahme der letzteren. Parotis frei. Nach ö Tagen
Geschwulst — Therapie: nur Priessnitz’sche Um¬
schläge, — ganz verschwunden, schon am dritten
Tage vollkommene Euphorie. Zwei Tage nach
dieser Erkrankung war auch die vierjährige
Schwester, einige Tage später noch die beiden
anderen Geschwister an der gleichen Affection er¬
krankt. Endlich bekam die Mutter wieder ein
paar Tage später eine reguläre P., wobei die Paro¬
tis beiderseits ergriffen wurde. In demselben Hause
erkrankten dann noch 3 Personen an charakte¬
ristischem Mumps. Also bewiesen, dass das infec-
tiöse Agens der P. nicht an die Parotis als Infec-
tionsherd gebunden ist, sondern ebenso gut andere
Drüsen afficiren kann.
(Münchener medic. Wochenschrift 1893, No. 35.)
Pruritus von Kaffee-Genuss.
Nach Brown-Söquard steht der Pruritus in
manchen Fällen mit dem Kaffee-Genuss im Zu¬
sammenhänge. So beobachtete er dies Leiden in
hartnäckiger Form bei einem Manne. Nachdem
dieser sich des Kaffees enthalten, verschwand die
Affection nach 2—3 Wochen gänzlich; als er nach
einiger Zeit wieder dies Getränk zu sich nahm,
kehrte auch das alte Leiden wieder zurück.
(Tlierap. Monatshefte. 1892. No. 8.)
Motorische und trophische Storungen in Yer-
bindung mit Prolapsus uteri.
Dr. Kyri hat den Faradayschen Strom benutzt
für die electrische Untersuchung der Beckenmuskel,
insbesondere der Levator ani. Die normalen Muskel¬
bewegungen zeigten sich in folgenden Hauptformen:
1. Schnelle, mässig starke Contractionen.
2. Peristal tische Contractionen, welche am Cervix
uteri beginnen und sich weiter ausbreiten.
3. Unregelmässige, partielle Contractionen an
einer oder mehreren Stellen in der Vagina.
Die Vagina selbst kann eine gewisse Con-
traction zeigen.
Die Hauptformen der von ihm beobachteten
motorischen Störungen:
1. Allgemeine Hypertrophie der Muskeln mit oft
hochgesteigerterallgemeinerErregbarkeit;über-
mässig unregelmässige Bewegungen ohne aus¬
dauernder Kraft.
2. Dünnwandige, atrophische, erschlaffte Vaginal¬
wandungen mit sehr schwachen Contractionen,
oder gänzlichem Mangel derselben.
3. Partielle Störungen der ersten oder zweiten
Art.
Alle diese Formen kommen bei den verschie¬
denen Arten des Prolapsus uteri vor. — Man kann
wohl annehmen, dass ähnliche motorische Störungen,
Hypertrophie mit Muskel-Erregbarkeit und Atrophie
und mit Paralyse, in anderen Theilen mit glatten
Muskeln Vorkommen werden.
Da die normalen vaginalen Bewegungen sowohl
als ihre Reflexe auf diesen Reiz des Nervensystems
fortbestehen, so geht daraus hervor, dass die Inner¬
vation selbst geschädigt ist in der Gegend, welche
vom Ganglion cervicale beherrscht wird; die patho¬
logischen Zeichen im Nervensystem selbst sind
unbedeutend.
Die motorischen Störungen, die trophischen Ver¬
änderungen in den Muskelfasern, und die Störungen
des Nervensystems selbst sprechen dafür, dass wir
es mit trophischen Nervenstörungen zu thun haben.
Sie bieten ganz klar die klinischen Bilder von
Hypertrophie, Atrophie, motorischer Reizbarkeit
und Zeichen der Paralyse. Man kann schwerlich
sagen, dass das Herabdrängen, Ziehen und Er¬
schlaffen von Geweben einer mechanischen Ursache
allein zuzuschreiben seien. Sie weisen vielmehr auf
tiefsitzende Störungen im Nervensystem hin. Der
Beweis hierfür liegt in der Thatsache, dass das
Nervengebiet für die Fascien, das vom Ganglion
cervicale beherrschte Gebiet, in jenen Fällen zu¬
nächst afficirt ist, wo diese Affectionen zur Paralyse
führen, und es muss also auch primär mit afficirt
sein, wo eine Zerreissung des Periueum oder des
Levator zu Prolapsus führt.
Digitized by
Google
31
Eine der wichtigsten Zeichen in Nervener¬
krankungen ist am wenigsten beachtet worden, die
trophischen Störungen im Bindegewebe. Es ist
sicher, dass bei Verletzungen nicht allein das Binde¬
gewebe gezerrt und zerrissen ist, sondern auch die
Nerven direct zerstört sind. Auch ist es wohlbe¬
kannt, dass in manchen Infections-Krankheiten und
Entzündungen das Nervensystem direct afficirt ist.
Diese Läsionen der Nerven endigen nothwendig
mit solchen trophischen Erscheinungen in dem
ganzen von den Nerven beherrschten Gebiete an
den glatten oder gestreiften Muskeln, Drüsen, und
seihst am Bindegewebe.
Progressive, trophische Nervenstörungen, wahr¬
scheinlich von progressiven Erkrankungen des
Sympathicus abhängig, können auch nach Erkran¬
kungen der Sexual-Organc Vorkommen. Eine solche
erfolgt auch nicht selten nach Affectionen des Athmungs-
und Darmtractus und allgemeiner infectiöser Er¬
krankungen, deren Endresultate man jüngst Enterop-
tosis genannt hat.
(Centralblatt für Gynäkologie No. 2, 1894.)
Die mittels homöopathischen Mitteln bereits viel¬
fach auch bei Prolapsus Uteri erzielten Heilerfolge
sind ein guter Beleg für die von Dr. Kyri hier
vorgetragene Lehre, welche mit Recht auf den
auch hei diesen scheinbar rein localen Erscheinungen
den Einfluss des Nervensystems als causales Moment
betont. Ref.
Brandwunden.
Dr. Spisharny behandelte einen Fall, in dem
4 / 5 der Körperfläche verbrannt war, nach Barde¬
leben mit Bepudem von reinem salpetersaurem
Wismuth, mit gutem Erfolge.
Autor rätli,. ähnlich den Gypsbinden, Wismuth-
binden stets für solche Fälle vorräthig zu halten.
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1893. 38.)
Personalia.
Dr. med. Waszily-Kiel undDr. med. Waelter-
Wiedenbrück haben das Dispensirexamen bestan¬
den. — Herr Dr. Hochecker-Hildesheim ist, wie
wir erst jezt erfahren, am 1. Januar a. c. gestorben.
Druckfehlerverbesserung fttr Nr. 1/2.
Seite 3 Zeile 19 v. o. 27 statt 24.
,, 5 ,, 6 v. u. 31. statt 30.
„ „ ,, 3 v. u. Beginn der 3. oder viel¬
leicht schon Ende der 2. Krankheitswoche.
Anzeigen
Stadt Wildbad.
Erledigte Arztstelle.
Die Stelle des hiesigen Stadtarztes ist durch Tod
in Erledigung gekommen. Fixer Gehalt incl. der
Belohnungen der Krankenkassengelder ca. 1000 Mk.
Sollte diese Stelle durch einen bereits hier an¬
sässigen Arzt besetzt werden, so ist eine Distrikts¬
arztstelle dahier mit einem fixen Gehalt von ca.
2000 Mk. aus den Bewerbern zu besetzen. Be¬
fähigte Aerzte werden eingeladen, ihre Meldungen
mit Nationalliste und den erforderlichen Zeugnissen
belegt, hinnen 14 Tagen hierher einzureichen.
Den 6. Juli 1894. Stadtschultheissenamt.
Bätzner.
Arzt-Gesuch.
In Krefeld, einer der schönsten niederrheini¬
schen Industriestädte, mit über 105,000 Einwohnern,
ist die Niederlassung eines homöopathischen Arztes
mit Dispensirrecht dringendes Bedürfniss. Derselbe
findet hier, wie sein Vorgänger, der wegen schwerer
Erkrankung wegzog, einen sicheren und lohnenden
Wirkungskreis. Anfragen, betreffs näherer Aus¬
kunft, wolle man richten an den ersten Vorsitzenden
des homöopathischen Vereins Horm. Menne.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Güte, weiss und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit l0 j t oder l2 /, Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—.
Mez & Söhne, Freiburg, Baden
a em; elilen ihre luftdurchlässigen und
desshalb allein zweckmässigen
Netz-undZellenstoff-Unterkleider
aus Seide, Wolle oder Baumwolle.
K&ttenkr&pß-Unterkleider aus Schappseide
sind gesund und angenehm, und
Dr. med. Walsers Chinagras -Wäsche
in Krepp- und Zellenstoff.
Prospecte postfrei zu Diensten.
Digitized by ^.ooQle
32
Im Verlage von A. Harggrafs homöopath. Offlein
in Leipzig ist soeben erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
so wie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe
Bd. 128, No. 23/24 dieser Zeitung.
Kastanienblüthen^Oel
und
Kastanienblüthen-Tlnctur
aus den frischen Blüthen bereitet, haben sich als
thatsächlich gute Mittel zum Einreiben gegen
Gicht nnd Rheumatismus schon seit langen
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens
empfohlen.
Zu habeu in jedem gewünschten Quantum, in
Flaschen ä SOPfg. bis zu Flaschen ä 1 / 2 Ko. = 4 M.
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Panna,
anerkanntes und vorzüglich bewährtes
Bandwurm m ittel.
Panna, die Wurzel von Aspidium athamanticum,
direct von Natal in bester und frischester Qualität
importirt, erfreut sich schon seit Jahren der aus¬
gedehntesten Anwendung und Anerkennung von
Seiten renommirtester praktischer Aerzte Deutsch- ■
lands und des Auslandes, zeichnet sich durch seine
sichere und milde Wirkung aus, nimmt sich leicht
ein und ist das billigste aller wirklich zuverlässigen
Bandwurminittel.
Preis einer Dosis für eine Kur (für Erwachsene I
oder Kinder) Rink. 2.—.
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Soeben ist erschienen die 6. Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
„Genanntes Werkohen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu bour-
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntnis und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
| # Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in
| Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu
! nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle
| Sympathie entgegenbringen.“
| Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde
1 das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
■ und bereichert.
1 So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
j Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
| Kinder, Verbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc.,
1 die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung,
j Ferner ist die Influonza, welche sich leider bei uns ein-
1 zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den nenesten Erfah¬
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
; homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver-
| fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
I je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Hecht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswerte Winke giebt.
Der } ,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung m die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art übertroflfen werden. Aber auch Solche
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben verseilen ist, wird den Freunden des
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbe auch in seiner neuen vormehrten Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuor Eathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig, im April 1894.
A. Marggrafs Homöopathische Officin.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by ^.ooQie
Band 129,
Leipzig, den 2. August 1894.
No. 5 u.6
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITHG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Vertag von William Steinmetz (A.Marggraf’s homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint MtAgig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. SO Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homdopath. Offlein ln Lelpolg) zu richten
sind, werden mit SO Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet.
Inhait. Einladung zu der am 9. August zu Eisenach stattfindenden Generalversammlung der EpMemiologiselten
Gesellschaft. — Bekanntmachung. — In bonis et voluisse sat est. Von Dr. Kallenbach-Rotterdam. — Eigenes und
Fremdes. Von Dr. Hesse-Hamburg. (Schluss.) — lieber das Magengeschwür. Von Dr. Th. Kafka-Prag. (Schluss.) —
Zur 6abenfrage. Von Dr. Kunkel in Kiel. — Ophthalmie diseases and therapeutics. Von Dr. A. B. Norton. Besprochen
von Dr. Mossa-Stuttgart. — Retropharyngeal-Abseess. Von Dr. Proeil, Bad Gastein. — Lesefrüchte. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. *'•8
Einladung
zu der am 9. August, Nachmittags 3 Uhr im Hotel zum Kronprinzen zu Eisenach stattindenden
dritten Generalversammlung der Epidemiologischen Gesellschaft.
Tagesordnimg:
A. Geschäftlicher Theils 1) Bericht des Schriftführers über das abgelaufene Jahr nebst Reehnungsablegung.
2 ) Neuwahl des Vorstandes,
B. Wissenschaftlicher Theil: 1) Erzeugung von Schmerzpunkten an Gesunden mittelst Hocbpoteazei».
2) Discussion über Gabengrässen in chronischen Krankheiten.
Die Theilnehmer werden gebeten, Hochpotenzen, die sie geprüft wissen wollen, selbst mitzubnngen.
Gäste sind willkommen. Q er Vorsitzende:
Bonn, 14. Juli 1894. Lenser.
Bekanntmachung.
Die diesjährige 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
wird am 9« and 10. Amgast In Eisenach abgehalten werden.
Tagesordnung für beide Tages
am 9. Augusts
Geschäftssitzung pünktlich Abends 7 Uhr im Saale
des Hotels zum Kronprinzen.
1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemeldeten.
2. Geschäftebericht: a) des Central Vereins-Vorstandes, b) des
Coratoriums des Krankenhauses, c) des derzeitigen diri-
girenden Arztes, d) de9 Vorstandes der Berathungsanstalt.
3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Ertheilung der
Entlastung auf Grund der von dem vereideten Revisor vor¬
genommenen Revision der Kasse nnd der Rechnungsablage.
4. Neuwahl resp. Bestätigung des Kassen Verwalters.
5. Neuwahl resp. Bestätigung des Institutsarztes.
6. Bericht über die Vereinsbibliothek.
7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungsortes.
Antrag des Vorstandes:
Antrag auf Genehmigung des Neudruckes der Statuten und
deren Ausführungs-Bestimmungen in der zur Vorlage
kommenden Form.
am 10. August:
Wissenschaftlich« Sitzung Morgens pünktlich 9 Uhr
in demselben Saale.
Thema: 1. Die Influenza. Ref. Dr. Windelband, Berli n.
2. Euphrasia als Arzneimittel.
Ref. Dr. Göhrum, Stuttgart.
Vorsitzender: Dr. Kallenbach, Rotterdam.
Nach der wissenschaftlichen Sitzung:
I 1 /, Uhr gemeinschaftliches Mittagseseen
in demselben Lokale.
5 Uhr Fahrt nach der Wartburg.
Ausser genanntem Hotel „zum Kronprinzen“ empfehlen
wir das Hotel „zum goldenen L5wea u am Eingänge des
Marienthaies, und den am Balmhofe gelegenen „Grosdierzog
von Weimar.“
Es würde sich jedoch empfehlen, die Wohnung 8 Tage
vorher zu bestellen, da Eisenach um diese Zeit immer noch
sehr besucht ist.
Der Vorstand:
Dr. med. Web«r*Köln a. Rh. Dr. med. Lorbacher-Leipzig. Dr. med. Wlndelband-Berlin.
Digitized by
Google
84
In bonis et voluisse sat est.*)
Unter diesem Motto, das den homöopathischen
Aerzten bei ihren unausgesetzten Bestrebungen,
ihrem Heilgesetze bei der Gegnerschaft Anerken¬
nung und in der Praxis Erfolge zu verschaffen,
wohl recht häufig gegenwärtig sein wird, wünsche
ich im Folgenden wieder einmal einen schon oft
gehörten Schmerzensschrei auszustossen, der daher
auch bei vielen Lesern gleichgestimmte Saiten an¬
klingen lassen wird.
Unausgesprochen lastet noch immer wie ein
Alp auf uns das Bewusstsein, von der officiellen
Wissenschaft nicht als vollwerthig anerkannt oder
gar als ausserhalb derselben stehend betrachtet zu
werden. Noch immer glauben die Meisten unserer
Collegen der alten Schule, mögen sie sich hoch oder
niedrig auf der Stufenleiter der Gelehrsamkeit be¬
finden, unbedenklich das Recht zu haben, über
die Homöopathie geringschätzend die Achseln zu
zucken, sie im besten Falle als eine grosse Ver¬
irrung zu bezeichnen und ihre ärztlichen Vertreter
zu verspotten oder gar einer wissentlichen Fäl¬
schung zu zeihen. Ein ansehnlicher Theil des
Publikums, der unter dem Einfluss dieser von seinen
Vertrauensärzten ausgehenden ungünstigen Beur¬
teilung steht, regelt darnach mehr oder minder
sein Verhalten den Homöopathen gegenüber. Möge
alles dies in verschiedenen Ländern und Städten
auch in recht verschiedenem Grade in die Erschei¬
nung treten, im Ganzen und Grossen sind wir doch
überall, am wenigsten freilich in Nordamerika, noch
in einer etwas bedrängten Lage und empfinden
den Rückschlag davon auf manchen Gebieten in
. wenig erquicklicher Weise.
Mit elementarer Gewalt drängt sich uns immer
von Neuem die Frage auf, wird denn das niemals
anders werden? ist denn gar keine Aussicht zu
einer baldigen Annäherung, zu einem Ausgleich
zwischen den Parteien vorhanden? Schon oftmals
ist von den verschiedensten Seiten auf einzelne
Erscheinungen aufmerksam gemacht worden, aus
denen hervorgehen solle, dass am wissenschaftlichen
Horizonte unserer Gegner das Licht der Homöo¬
pathie zu tagen begönne, dass die Materialien zu
einer Ueberbrückung der die Parteien trennenden
Kluft sich ansammelten und dass endlich unserer
Lehre der ihr im Sonnenschein gebührende Platz
eingeräumt werden würde. Ich muss gestehen,
*) Diese kleine Arbeit, welche nichts Neues zu bringen
beansprucht, sondern nur eine durch meine Brille be¬
trachtete Uebersicht einiger die Homöopathie betreffenden
Fragen enthält, war eigentlich bestimmt, als Einleitungs-
Vortrag von mir als designirtem Ehrenpräsidenten der
diesjährigen Central Vereins -Versammlung in Eisenach ge¬
halten zu werden, wird aber nun hier abgedruckt, da ich
leider meinem Amte nicht obwalten kann
dass ich mich durch solche Worte nie habe blen¬
den lassen, und ich glaube, dass wir nicht be¬
rechtigt sind, auf Grund einzelner gegnerischer
Anerkennungen der Heilbeziehung zwischen Krank¬
heit und ähnlicher Mittelwirkung uns viel versprechen¬
den Erwartungen hinzugeben. Wenn die herr¬
schende Richtung der Uni versitäts-Wissenschaft
empirischen Beweismitteln überhaupt zugänglich
wäre, so hätte das nun bald hundertjährige Be¬
stehen der Homöopathie, ihre zunehmende Aus¬
breitung, ihre unleugbaren Erfolge, die unzähligen
von uns unermüdet angeführten Beispiele von Ho-
moeopathia involuntaria, die Wirksamkeit der soge¬
nannten specifischen Mittel, alles dies hätte schon
längst mit unwiderstehlicher Hebelkraft die ge-
sammte therapeutische Anschauung der officiellen
Schule aus den Angeln heben müssen. Nichts
davon ist geschehen. Jene fahrt fort, wie sie
immer gethan hat, und, wie es scheint, in fana¬
tischer Verblendung und Opposition gegen die sich
stets mehrenden Beweise der Wahrheit des Aehn-
lichkeitsge8etzes, je länger desto eifriger und un¬
verdrossener auf Erklärung der Lebensvorgänge
und deren inneren Zusammenhanges ihre Therapie
aufzubauen und in der Beherrschung, Beschwich¬
tigung und Unterdrückung einzelner hervorragen¬
den pathologischen Erscheinungen ihr Heil zu
suchen. Wie Pilze schiessen immer neue Mittel
mit unsicheren Heilanzeigen, mit unmöglichen Namen
und in nicht mehr zu übersehender Menge aus den
Laboratorien auf; hei manchen glücklichen und
schätzenswertlien Funden, die aber entweder haupt¬
sächlich der allen Schulen gemeinsamen Chirurgie
mit ihren specieilen Abzweigungen zu Gute kom¬
men oder zur Kategorie der Palliative gehören,
wird ein stets grösser werdender nutzloser Ballast
angehäuft, und die therapeutische Zerfahrenheit
nimmt zu, weil der leitende Faden fehlt, weil der
Ausgangspunkt, die Begründung des Heilplanes
auf das Erklären wollen der Lebensvorgänge selbst,
eine Wahnvorstellung bleiben und zu Täuschungen
führen muss.
Wenn wir diesen Bestrebungen die Bündigkeit
unseres Heilgesetzes, die Unveränderlichkeit der
dadurch gegebenen Anzeigen, den bleibenden Werth
unserer einmal ausgeprüften Mittel, die Einfachheit
der Arzneigabe, und, last not least, die Hoch¬
potenzenlehre gegenüberstellen, welche die ge-
sammte Molekulartheorie als Basis der Natur¬
wissenschaften über den Haufen wirft, so sind da¬
mit so grosse fundamentale Unterschiede zwischen
den beiden Schulen gegeben, dass ein Ausgleich
in absehbarer Zeit für mich wenigstens ausge¬
schlossen scheint. Nirgends noch ist eine Annähe¬
rung unserer Gegner und nur ganz vereinzelt ein¬
mal die Neigung bemerkbar, unsere Lehre gründ-
Digitized by c^ooQie
85
lieh zu prüfen, was denn doch erstes Erforderniss
sein müsste, und auf medicinischen Congressen,
in wissenschaftlichen Versammlungen und in ge¬
lehrten Abhandlungen wird noch stets die Homöo¬
pathie vornehm ignorirt und höchstens einmal ihrer
gedacht, um sie als unwissenschaftlich und abge-
schmackt hinzustellen und ihre Erfolge auf jede
andere Weise, nur nicht durch das Simile zu erklären.
Und ob nun auch die Heilwirkung des Cyanqueck¬
silbers gegen Diphtheritis, des Chinin gegen Ge¬
sichtsneuralgie, des Veratrum gegen Cholera, des
Phosphor gegen rhachitische Zustände etc. auf
Grund der diesen Erkrankungen ähnlichen Prü¬
fungsergebnisse der genannten Mittel durch ein¬
zelne mehr erleuchtete Geister in absichtlich dazu
angestellten Experimenten bestätigt worden sind,
die Homöopathie wird dabei todtgeschwiegen, und
auf die Grundanschauungen des neuen Entdeckers
dieser uns längst bekannten Wahrheiten übt dies
gleichwohl keinen sie stutzig machenden Einfluss
aus, während die grosse Masse der übrigen Aerzte
sich nicht im mindesten dadurch aus der Fassung
bringen lässt. Auch die freimüthigen Zugeständ¬
nisse, die in neuerer Zeit Dr. Sperling an die Ho¬
möopathie gemacht hat, werden an dieser Sach¬
lage nichts verändern, denn seine Stimme wird
wieder gleich der des Rufers in der Wüste unge-
hört verhallen und die Arztwelt darüber zur ein¬
fachen Tagesordnung übergehen. Wie schwach
unsere Stellung, in Europa wenigstens, aber auch
noch immer bleibt, wie wenig sie in der Öffent¬
lichkeit noch Würdigung findet, zeigt die be¬
trübende Wahrnehmung, dass unsere einzige Uni¬
versitätsfakultät in Buda-Pest, deren Erhaltung für
die Homöopathie in der Zukunft, wie ich kürzlich
erfuhr, überhaupt sehr fraglich ist, ausser einzelnen
Ausländem kaum noch Zuhörer hat, dass ferner
unser mit Mühe zu Stande gebrachtes Leipziger
Krankenhaus nur eben sein Dasein fristet, dass die
Geburt des Schmerzenskindes unserer tüchtigen
Berliner Aerzte, des in der Reichshauptstadt zu
gründenden homöopathischen Krankenhauses noch
immer nicht über die vorbereitenden Wehen hin¬
ausgekommen ist, dass endlich noch andere kleinere
Unternehmungen der Art keineswegs grünen und
blühen. Wenn man solchen Erfahrungen gegen¬
über sieht, dass in einem so kleinen Lande wie
Holland mit nur 6 homöopathischen Aerzten kühne
Streber schon lustig in das Hospitalhom blasen,
so weiss man wahrlich nicht, soll man ihren Muth
oder ihre Kurzsichtigkeit mehr bewundern?
Wir können es billiger Weise unseren vorur-
theilsvollen Gegnern gar nicht so sehr verdenken, wenn
sie sich durch die Homöopathie nicht sehr ange¬
zogen fühlen. Denn welcher Theil derselben
sollte sie verlocken ? Schon gleich unser Similia
similibus curantur ist ihnen der grosse Stein des An-
stosses, da die Wissenschaft von dem Standpunkte aus¬
geht, dass gegenüber der unendlichen Mannigfaltig¬
keit der pathologischen Erscheinungen und ihres
ursächlichen Verbandes die Aufstellung eines ein¬
zigen Heilgesetzes unzulässig ist. Sind etwa unsere
für den Unkundigen beinahe abschreckenden und
kaum verständlichen Symptomen-Versammlungen,
die wir Arzneimittellehre nennen, so sehr ver¬
führerisch? Könnte es die haarspalterische Schema-
tisirung der Symptome sein, wie sie in der ver¬
gleichenden Arzneimittellehre von Gross-Hering
niedergelegt ist. Vielleicht unsere Erfolge? Als
oh sich mit Erfolgen nicht alles und nichts be¬
weisen Hesse; als ob die in unserem kasuistischen
Material verzeichneten vielfach nicht mangelhaft
begründet und wenig geeignet wären, um Bekehr-
linge zu machen! Soll die Gabenlehre mit ihren
Auswüchsen der 1000. und 50000. Potenz sie
verleiten? Vielleicht die Aussicht, mit den nase¬
weisen Wuchergebilden des medikasternden Laien¬
thums in eine wenig schmeichelhafte Concurrenz
zu kommen? Oder gar die Gewissheit, aus der
Phalanx der officiellen Wissenschaft ausgestossen
und obendrein ausgelacht zu werden? Der Schritt
von drüben zu uns ist eben ein überaus schwerer
und jetzt in weit höherem Grade noch als früher,
wo die grossen Gebrechen der Heilkunde auch
von deren Anhängern selbst eingesehen und in den
grellsten Farben geschildert worden sind, und wo
die heutigen Fortschritte in der Erkenntniss der
Lebensprocesse, die mehr als je zu der Begrün¬
dung der Therapie auf sie verleiten können, noch
nicht gemacht waren.
Bei dieser Lage der Verhältnisse müssen wir
als Bekenner und Märtyrer einer zwar unvergäng¬
lichen aber von der Majorität noch unverstandenen
Wahrheit vorläufig noch in gemeinsamer Arbeit
geduldig ausharren, bis eine ungewisse Zukunft, die
nicht allein in unserem, sondern auch im Interesse
der Heilkunst und damit in dem der ganzen
Menschheit liegende Einigung der dissentirenden
therapeutischen Schulen herbeiführt. Um aber
zur Erreichung dieses Zieles auch unsererseits pro
virili parte beizutragen, müssen wir in erster Reihe
tüchtige, durchgebildete, wissenschaftliche Aerzte
sein, damit wir im gegebenen Falle entscheiden
können, wo Raum und Anzeige für die Anwen¬
dung des homöopathischen Heilgesetzes vorhanden
ist, auf dass die Missachtung der Warnung: „qui
trop embrasse mal etreint“ sich nicht an uns und
dem guten Namen unserer Lehre räche. Wir wer¬
den also der, Vielen lieb gewordenen, Gewohnheit
entsagen müssen, das Similia similibus als ein all¬
gemein gültiges Heilgesetz anzusehen, und ihm
nur die Tragweite zuerkennen, die ihm wirklich
5 *
Digitized by
Google
36
zukommt, da» ißt seine durchgreifende Wahrheit
auf dem Wege des Heilens durch Arzneimittel.
Man braucht, ganz abgesehen von der operativen
Chirurgie und von den rein mechanischen Hilfs¬
mitteln, nur die verschiedenen Heilpotenzen zu
nennen, als da sind: Diät, Luft-, Wasser-, Trink-
und Badekuren, die Abarten der Gymnastik, Mas¬
sage, Magnetismus, Elektricität, Hypnotismus etc.,
um dadurch schon auszusprechen, dass die auf
diesen Wegen erzielten Heilungen entweder über¬
haupt gar nicht oder höchstens nur zum geringen
Theile in geschraubter Weise durch das Simile-Ver¬
hältnis« erklärt werden können. Es giebt freilich
zwischen den heterogensten Dingen noch Aelmlich-
keits-Beziehungen. Während aber die Verfechter
der Allgemeingültigkeit des Gesetzes doch als gute
Homöopathen sogleich mit voller Emphase betonen
werden, dass bei unserem Wahrspruch die Aehn-
lichkeit eine sowohl äusserliclie wie innerliche und
der Form, der Richtung uud dem Wesen nach
anwesend sein muss, ersparen sie sich in anderen
Fällen gern den Nachweis dieser Kriterien, nehmen
vielmehr von vornherein die Allgemeingültigkeit
als bereits bewiesen an und begnügen sich mit
irgend einer in die Augen springenden Aehnlich-
keits-Beziehung zur Stütze ihrer These, machen
sich also einer verwerflichen Petitio principii schul¬
dig. Ihre Genügsamkeit würde indessen sofort
Schiffbruch leiden, wollte man ihnen zumuthen,
gegebenen Falles ihre Praxis durch einen Allo¬
pathen versehen zu lassen, weil zwischen diesem
und einem Homöopathen als Menschen, studirten
Männern, Collegen etc. ja doch bedeutende Ärm¬
lichkeiten stattfänden.
In nächster Instanz erscheint es mir sehr
wünschenswert, dass, wie solches schon längst in
den Vereinigten Staaten von Nordamerika, dem
Eldorado der Homöopathie, der Fall ist, die wissen¬
schaftlichen Vertreter unserer Lehre sich weit mehr
als bisher, den chirurgischen Disciplinen und den
so hoch entwickelten Specialfachem der höheren
Sinnesorgane widmeten, um der Gegnerschaft nicht
nur den Beweis von unserem Wissen und Können,
sondern auch von der Leistungsfähigkeit der Ho¬
möopathie auch auf diesen sonst mehr als exclusiv
angesehenen Gebieten zu liefern. Dadurch würden
wir auch je länger desto sicherer in unserem Ur¬
teile über die Tragweite des Simile-Gesetzes wer¬
den können.
Weiterhin müssen wir uns in der praktischen
Thätigkeit einer strengen Selbstkritik befleissigen,
um nicht überall da Kunstheilerfolge zu sehen, wo
nach Darreichung von unseren Mitteln Kranke ge¬
sund geworden sind. Ein voll gerütteltes Mass
von gerechtem Scepticismus ist für uns um so mehr
geboten, als wir, überzeugt den einzig wahren Heil¬
weg zu beschreiten, die gegnerische Therapie für
verfehlt und schädlich halten, trotzdem aber auch
bei derselben den heilbaren Theil der kranken
Menschheit oft genug wieder gesund werden sehen.
Liegt da nicht der Schluss nahe, dass auch die
palliative Methode, wenn auch auf Umwegen, häufig
zur Heilung führen kann oder vielmehr, dass der
Vis medicatrix naturae ein noch grösseres Gebiet,
als man vielleicht zu thun geneigt ist, eingeräumt
werden muss? Diese eine zu grosse Vertrauens¬
seligkeit ernüchternde Betrachtung sollte uns in
der praktischen Thätigkeit immer gegenwärtig «ein.
Zugleich müssten wir, wo es nur immer möglich
ist, mehr darnach trachten, unseren Kranken¬
geschichten und mitgetheilten Heilerfolgen bei aller
Berücksichtigungder homöopathischen Kriterien durch
strengeres Feststellen der objectiven Symptome den
Stempel der Wissenschaftlichkeit aufzudrücken.
Abgesehen von den eben erwähnten allgemeinen
Gesichtspunkten haben wir nichts Anderes zu thun,
als unbeirrt durch das Gebahren des Gegners
viribus unitis die Satzungen unserer Lehre weiter
auszubauen und zu befestigen. Hauptsächlich
müssen wir es uns angelegen sein lassen, unsere
Arzneimittellehre, den reichen Born, aus dem wir
fort und fort unsere Lebenskraft schöpfen, zu ver¬
tiefen und von dem Schlamme zu befreien, der
seine Durchsichtigkeit und Brauchbarkeit noch be¬
einträchtigt. Bezüglich der Kennzeichnung und
Unterscheidung der subjectiven Symptome sind wir
nach meiner Meinung doch wohl an einer Grenze
des Virtuosenthums angekommen, über welche hin¬
aus die Kunst des Heilens nicht mehr gewinnen
kann. Zuweit gehende Betrachtung der Einzel¬
heiten trübt den Blick auf das Ganze und hemmt
die pathologische Erkenntniss. War es zu Hahne-
mann’s Zeit eine geniale Grossthat, in analytischer
Weise die Arznei Wirkung nach ihren feinsten
Nuancen zu erforschen und darauf eine neue The¬
rapie aufzubauen, jetzt, wo wir einen so grossen
Schatz von werthvollen Bausteinen besitzen, könnten
wir mehr noch, als bisher schon in Werken über
Arzneimittellehre geschehen ist, darnach trachten,
synthetisch die zusammengehörigen Verbandstücke
aneinander zu fügen, das Tragende in ein rich¬
tiges Verhältnis zu dem Getragenen zu bringen,
die vorhandenen Stylformen hervorzuheben, mit
einem Worte, die Krankheitsprocesse nach den
Symptomen noch schärfer zu charakterisiren. Hierzu
müsste noch eine Lücke ausgefüllt, nämlich der
Erforschung der objectiven pathologischen Erschei¬
nungen, welche die Arzneien erzeugen könnten,
besser Rechnung getragen werden. Eine der wich¬
tigsten Ergänzungen dürfte dann wohl das Fest¬
stellen der chemischen und mikroskopischen Ver¬
änderungen des Harns in Folge von absichtlichen
Digitized by
Google
und unabsichtlichen Prüfungen der tiefer in die
Oekonomie des Körpers eingreifenden Arzneien
und Gifte sein. Was soll man beispielsweise mit
einem Patienten beginnen, der kaum irgend welche
brauchbaren Symptome für die Wahl eines homöo¬
pathischen Mittels darbietet, dessen Harn-Analyse
aber die folgende ist:
Farbe normal
Reaction neutral
Spec. Gewicht 1,022
Viel Indikan
Phosphate
Viel Oxalas Calcis
Eiterkörperchen
Schleimkörperchen.
Wo ist, frage ich, ein Mittel in unserer Arznei¬
mittellehre, welches zu diesen auf nicht unbedeu¬
tende Ernährungsstörungen weisenden Harnbestand-
theilen ein Simile andeutet?*)
Ferner müssen wir, überzeugt wie wir sind,
nur im Zeichen des Simile siegen zu können, und
eingedenk des Wortes: „Ne pestis intret vigila“
den sogenannten Verbesserern und Neuerern mit
Argusaugen scharf auf die Finger sehen, damit nicht
durch Einschmuggelung fremdartiger Elemente die
klassische Einfachheit unserer Lehre verdorben werde.
Könnten wir schliesslich noch die Extravaganzen
und mystischen Anklänge der Hochpotenzen von
uns abschütteln, ohne uns dabei des unentbehr¬
lichen, wenn auch immerhin noch anarchistischen
Theiles derselben zu entäussem, so würden wir
damit dem erstrebten Einigungsprocesse zweifellos
Vorschub leisten. Und hierzu möchte ich rufen:
„Quot deus bene vertat!“
Das Facit aus dem Vorstehenden ziehe ich in
folgenden Strophen:
Lasst fest uns steh’n und halten treu zusammen
Und zeugen laut von uns’rem Edelstein,
Dem Simile, der stets bei seinem Flammen
Uns bringt aufs neu der Wahrheit Wiederschein!
Und ob uns Feindschaft werde d’raus geboren,
Ob Wissenschaft misskenn' uns spät und früh.
Des Heilens Fahne, der wir zugeschworen,
Muss ewig sein die Homöopathie!
Dixi et salvari animam raeam.
Dr. Kallenbach.
Eigenes und Fremdes.
Von Dr. Hesse-Hamburg.
(Schluss.)
H.: Clara Th., ein schmächtiges, 16jähriges
Mädchen, hat seit langen Jahren stinkenden gelben
Ohraßuss und ebensolchen Ausßuss aus der Nase,
*) Anmerkung der Bedaction. Würde eine solehe Er¬
nährungsstörung, eine Art Oxalurie, wirklich ohne be¬
deutsame subjective und objective Symptome am Kranken
bestehen? Schon das dabei oft vorhandene hartnäckige
saure Aufstossen und der saure Mundgeschmack
dürfte auf eine Säure (Schwefel-, Salpeter- oder Benzoe-
Säure) hindeuten.
Stinkender Fusssduceiss im Sommer , hatte Fasse
im Winter,
Juckender Schirm auf dem Kopf.
Ueberstanden hat sie Lungenentzündung und *
verschiedene Male Rachenbräune .
24. Oct. 1892. Sulfur X. wöchentlich ein Pulver.
29. Nov. Seit dem zweiten Pulver jegliche
Absonderung fort, nur der Kopfschinn ist noch da.
Scheinpulver.
13. März 1893. Wegen bleichsüchtiger Be¬
schwerden N&tr. muriat. Ueb er die früheren
Beschwerden wurde nicht mehr geklagt.
Dr. King in Chicago wurde von einem Patien¬
ten wegen Schlaflosigkeit consultirt
Das genaue Krankenexamen ergab:
Kopfschmerz auf dem Sdseitel.
Schwere im Hinterkopf.
Impotenz.
Jucken am Perineum, Brennen nach dem Kralzen .
Schweiss bei geringer Anstrengung.
Rückenlage unmöglich; sie scheint ihn zu er¬
sticken und bewirkt Ohnmacht.
Sehr unruhig Nachts, in steter Bewegung.
Die Fasse brennen des Nachts so sehr, dass er
beständig halle Stellen für sie sucht, sie in ein nass¬
kaltes Tuch einschlägt, oder sie ganz aus dem Bett
herausstreckt.
Dieses Symptom und die Schlaflosigkeit hat er
seit 20 Jahren.
Dr. King gab ihm am 1. Sept. 1892 drei
Pulver Sulfur Hochpotenz, jeden Abend eines zu
nehmen.
Am 4. Sept. sind seine brennenden Füsse und
die Nächte noch dieselben, aber im Ganzen fühlt
er 6ich bedeutend wohler. Kopfschmerz, Müdig¬
keit, Unlust sind verschwunden.
Acht Tage später war die Impotenz gebessert
und eine leichte Besserung im Schlaf und in der
Hitze der Füsse bemerkbar.
14 Tage später meldete sich der Patient als
völlig gesund.
(Dieses Brennen der Füsse Nachts im Bett, so
dass man sie herausBtrecken muss, wird auch bei
den Natronsalzen bemerkt, Natr. muriat, Natr. sul-
furic., weist aber fast ausschliesslich auf Sulfur hin. H.)
Dr. van Alta in Fellwridge berichtet über einen
Fall, welcher ebenso merkwürdig ist durch die
Reaction eines langjährig siechen Körpers auf eine
Gabe Arznei, wie durch das geduldige Warten des
Arztes auf die Wirkung dieser einen Gabe.
Am 19. September 1891 sah ich Freddie W.,
8 Jahre alt.
Drei Jahre vorher hatte er die Masern und sich,
ehe er wieder völlig wohl war, eine Erkältung zu¬
gezogen, welch’ letztere von seiner Familie für die
Ursache seines jetzigen Leidens gehalten wurde.
Digitized by
Google
38
Bald nach den Masern begannen seine Füsse
zu brennen und zu jucken und die Haut sprang
auf, besonders um die Zehengelenke. Die Risse
vertieften sich, das Fleisch löste sich buchstäblich
ab von den Knochen. Vier Zehen gingen in dieser
Weise verloren; die Stümpfe heilten mit Hilfe von
Salben und dann wurden die Fusssohlen ergriffen.
Als ich ihn sah, waren in jeder Sohle Löcher
von der Grösse eines halben Dollar, einen halben
Zoll tief, und von hier aus liefen tiefe Risse nach
allen Richtungen hin. Eine fettige, stinkende
Flüssigkeit wurde abgesondert, die Fusssohlen waren
so dick und hart, dass sie mehr Horn wie Haut
schienen.
Einstellen in kaltes Wasser war das Einzige,
was das. Brennen und Jucken der Füsse etwas
lindern konnte.
Bei Tage konnte das Kind schlafen, die Nächte
waren seit 8 Jahren ruhelos gewesen durch das
unaufhörliche Bitten des Kleinen, die Eltern möchten
ihm die Füsse kratzen.
Der Knabe hatte in meiner Gegenwart Stuhl¬
gang und ich sah bei dieser Gelegenheit den
schlimmsten Mastdarm Vorfall, der mir je vor¬
gekommen. Der Mastdarm kam über vier Zoll
heraus und mass der Vorfall im Umfange am After
acht Zoll. Nach dem Stuhl brachte der Junge
selbst den Mastdarm zurück, der dann bis zum
nächsten Stuhlgang drinnen blieb.
Der kleine Patient hatte das Aussehen eines
alten Mannes mit gefurchtem Gesicht. Er war so
frostig, dass weder Fenster noch Thüre offenbleiben
durften, dagegen durfte an seine Füsse nicht die
geringste Wärme kommen, sonst wurde das Jucken
und Brennen unerträglich. Fernere Symptome:
Chronische Diarrhöe, oft unwillkürlich, zeitweise
so arg, dass der Patient gar nicht sauber zu
halten war.
Des Nachts vier bis fünf Stühle, und zwar trieben
ihn die Stühle immer früh Morgens aus dem Bett .
Appetit gefrässig , nie satt; mehr Verlangen nach
Tjeckereien , als nach kräftiger Nahrung. Er trinkt
tnel Was8er.
Das Jucken der Füsse schlimmer Nachts, wenn sie
warm werden , besser von Kratzen und Entblössen.
Der Junge ist so verdriesslich, dass mit ihm gar
nicht auszukommen ist; er weint und schimpft den
ganzen Tag, während er von Natur gutmüthig ist.
Ich gab ihm am 29. September eine Gabe Sulfur
Hochpotenz.
Im October keine Aenderung.
15. November Schlaf, Durchfall, Stimmung
besser. Mastdarmvorfall derselbe; die Füsse sehen
eher schlechter aus.
10. December viel besser. Der Mastdarm fällt
nicht mehr so oft und so weit vor. Schlaf gut, eine
besondere Erleichterung für die Eltern. Die Füsse
sehen besser aus.
4. Januar 1892. Stuhl gut. Die Löcher in
den Sohlen heilen und das Hornartige der Sohlen
blättert ab.
Die Heilung schritt schnell voran und im März
konnte der kleine Patient die Schule besuchen.
H.: Lehrer M. aus R., 46 Jahre alt. Seitdem
er die Influenza vor einem Jahre durchgemacht,
leidet er an Kopfschmerzen , anscheinend rheuma-
! tischer Natur, von einem Punkte zum anderen
| überspringend oder langsam übergehend. Ebenso
lästig ist seit derselben Zeit ein umherziehender
Schmerz im linken Arm.
| Die Schmerzen sind schlimmer bei Witterungs -
\ Wechsel,
etwas besser in frischer Luft.
Ausserdem Stockschnupfen , saures Aufstossen,
besonders Nachts stinkender Fussscliweiss.
15. October 1891. Sepia X. an zwei Abenden.
7. November. Derselbe Zustand. Sulfur X.
ebenso.
16. December. Die Kopfschmerzen und der
Schmerz im linken Arm sind in den ersten acht
Tagen langsam aber vollständig verschwunden,
ebenso die Magen säure und der Stockschnupfen.
Gebessert sind der Fussschweiss und die Kälte der
Füsse. Dem Patienten kommt es vor, als ob jetzt
ein Stillstand in der Besserung eingetreten sei. Ich
gab deshalb ein Pulver Sulfur 200.
13. Februar 1892. Er war so wohl, wie noch
nie im Leben. Seit 14 Tagen fühlt er Spuren der
alten Schmerzen. Sulfur X. wöchentlich ein Pulver.
Am 4. Juli 1892 wurde noch einmal das völ¬
lige Wohlbefinden constatirt.
Sepia war falsch gewählt. Das Aufstossen
Nachts passt für Sulfur, aber nicht für Sepia.
H.: Eine Nekrosis der Tibia bei dem Pferde¬
bahnschaffner H. Derselbe Hess mich im Herbst
1891 rufen wegen einer Erkrankung des rechten
Schienbeins, wegen welcher ihm die Amputation
vorgeschlagen worden war. Vor Jahren hatte er
ein ähnliches Leiden an demselben Beine durch¬
gemacht, aber in weit geringerem Umfange. Vor
einiger Zeit war Schwellung und Schmerzhaftigkeit
! des rechten Unterschenkels eingetreten und der
Arzt hatte, da Eiteransammlung bemerkbar wurde,
I incidirt. Ich fand eine Nekrose der Tibia vor, eine
künstliche Hautwunde in der Länge von etwa 12 cm,
die Absonderung war nicht gutartig, dünn, eitrig¬
blutig.
Das Allgemeinbefinden schlecht, schlaflose
Nächte, in denen die Schmerzen immer schUmmer
wurden.
Bettwärme unerträglich. Appetitlosigkeit, zu-
| nehmende Schwäche, Nachtschweisse.
Digitized by
Google
S9
Ich muss hier aus dem Gedächtnisse berichten,
da mir die Notizen des Falles abhanden gekommen
sind.
Aber das eine weiss ich bestimmt, dass sowohl
die Vergangenheit des Kranken, als auch die mo¬
mentanen Symptome auf den Schwefel hinwiesen.
Ich gab Sulfur X. fünf Pulver, Morgens und
Abends ein Pulver.
Zwei Tage nachher kam die Frau des Patien¬
ten in die Sprechstunde, die Schmerzen des Nachts
wären unerträglich geworden.
Anstatt nun, wie es richtig gewesen wäre, auch
für die Annahme einer Erstverschlimmerung, Schein-
arznei zu geben, verordnete ich, da ich den Patienten
an diesem Tage nicht besuchen konnte, Mercur X.;
Am nächsten Tage, nach einer ebenso schlechten
Nacht, sah ich ihn, überzeugte mich noch einmal
von der Richtigkeit der ersten Wahl und gab Sulfur
200. für einige Tage, dann Scheinpulver.
Was sich zunächst besserte und zwar in den
ersten Tagen, war das Allgemeinbefinden. Die
Schmerzen Hessen nach, die Nächte wurden ruhiger,
der Appetit hob sich, die Schweisse verschwanden,
der Kräftezustand hob sich ebenfalls, allerdings
sehr langsam. Der lokale Process besserte sich
allmählig insofern, als sowohl die Quantität des
Eiters reichlicher als die Qualität besser wurden.
Die Erkrankung des Knochens war fast auf das
ganze Schienbein ausgedehnt. Oberhalb und unter¬
halb der grossen Incisionswunde brach sich der
Eiter neue Oeffnuhgen.
Im Laufe der Monate entleerte sich eine grosse
Anzahl kleinerer und grösserer abgestorbener
Knochentheile bis zur Grösse eines grossen Tauben¬
eies.
Ich sah den Kranken von Zeit zu Zeit, con-
statirte stets ein vortreffliches Allgemeinbefinden
und einen günstigen Verlauf des lokalen Processes.
Die Behandlung war sehr erschwert dadurch, dass
theilnehmende Verwandte und Bekannte immer
wieder versicherten, ebenso wie die beiden früheren
Aerzte, dass ein solches Leiden ohne Operation
überhaupt nicht heilen könne. Ich selbst hatte
vordem allerdings auch noch keine spontane Hei¬
lung einer Nekrose in diesem Umfange gesehen,
aber ich nahm nicht von vornherein die absolute
Unmöglichkeit einer solchen an.
In den ersten Monaten 1892 Hess allmählig
die Ahstossung der nekrotischen Knochentheile
nach, ebenso die Eiterung, die grosse Oeffnung
verkleinerte sich.
Im Frühsommer ging der Patient, der mit Hilfe
eines Stockes sich wieder so ziemHch bewegen
konnte, aufs Land zur Erholung; einige grosse
Fistelöffnungen waren noch am Unterschenkel, die
wenig Eiter absonderten.
Im Herbst sah ich ihn wieder mit einer sehr
kleinen, tiefgehenden Fistel, welche fast nichts ab¬
sonderte, aber leicht blutete. Der Kranke wollte
sich bedanken und von jetzt an leichteren Dienst
machen.
An Arznei waren zunächst ausser dem, nach
meiner Meinung nicht passenden und wirkungslos
gebliebenen Mercur. die fünf Pulver Sulfur X. und
drei Pulver Sulfur 200. gegeben worden, dann
wenigstens vier Monate lang gar keine Arznei.
Das Allgemeinbefinden war so vorzüglich und der
lokale Process verlief so günstig unter Production
reichlichen gutartigen Eiters und steter Ahstossung
nekrotischer Knochentheile, dass ich gar keine
Handhabe und keine Indication fand, mit Arzneien
einzugreifen.
Nur einmal, als mir die Besserung stille zu
stehen schien, gab ich, etwa vier Monate nach
Sulfur, sechs Pulver Silicea X., wöchentlich ein
Pulver. Ob sie nöthig oder nützlich waren, ist
zweifelhaft.
Ich habe mir später mehrfach die Frage vor¬
gelegt, ob durch häufiges Wiederholen oder öftere
Gaben niedriger Potenzen nicht vielleicht ein
schnellerer Erfolg hätte erzielt werden können.
Diese Frage habe ich mir immer verneinen müssen.
Ich kann bei einem so ausgedehnten Processe, der
fast das ganze Schienbein umfasste, keinen gün¬
stigeren Verlauf verlangen, als den ich erreichte.
Ferner war zu überlegen: Operation, d. h.
operative Lösung des Sequesters oder nicht? Wenn
ich annahm, dass das schlechte Befinden des Kran¬
ken, die Abnahme der Kräfte, die Nachtschweisse etc.
von dem Aufenthalte des Sequesters in der Höhle
herrührten, und mit der Entfernung desselben und
dem Reinhalten der Höhle sich verlieren würden,
so war von vornherein die Operation angezeigt.
Hielt man aber die fehlerhafte Constitution, die
schlechten Säfte, wie der Volksmund sich ausdrückt,
die Dyskrasie für das Primäre, als Vorbedingung
für die Entwickelung der Nekrose, so lag es nahe,
zunächst auf die Verbesserung der ersteren hin¬
zuarbeiten un<J abzuwarten, was für den Operateur
noch zu thun übrig blieb.
Das Grenzgebiet zwischen dem Operateur und
dem inneren Kliniker ist ein viel umstrittenes und
wechselndes und wird stets ein solches bleiben.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass wir Homöo¬
pathen dem Operateur engere Grenzen ziehen, als
unsere Collegen von der Schulmedicin. Aber es
ist oft ausserordentlich schwer, in den zahlreichen
zweifelhaften Fällen, welche uns als letzte Instanz
anrufen, den richtigen Weg zu treffen.
H. : Im Frühjahr vorigen Jahres wurde ich zu
dem achtjährigen W. gerufen. Schon vier Monate
vorher hatte seine Mutter bemerkt, dass der Leib
Digitized by
Google
40
dicker wurde, und der Hausarzt constatirte Peri¬
tonitis mit reichlichem Exsudat. Als durch Zu¬
nahme des letzteren Athembeschwerden auf¬
traten, entleerte der hinzugezogene Operateur durch
einfache Punktion etwa zwei Liter einer mit Eiter
gemischten Flüssigkeit. Diese Procedur musste etwa
vier Wochen später wiederholt werden. In der
Zwischenzeit wurde versucht, auf andere Weise auf
den Krankheitsprocess einzuwirken, so auch durch
Injectionen Koch’scher Lymphe, aber ohne Erfolg.
Der Chirurg erklärte das Leiden für eine tuber¬
kulöse Peritonitis und als sowohl er wie der Haus¬
arzt eine ungünstige Prognose stellten, erklärte
sich der Vater als verpflichtet, anderweitige Hilfe
zu suchen, entweder bei der Hydropathie oder
Homöopathie, worauf ihn der Hausarzt an mich
(wahrscheinlich als das kleinere Uebel) verwies.
Ich fand einen abgemagerten Knaben, bei dem des¬
halb der aufgetriebene Bauch umso stärker hervortrat.
Der Leib war ausserordentlich gespannt, die
reine Trommel, der Nabel herausgetrieben, * überall
leerer Schall bei der Percussion, mit Ausnahme der
Magengegend.
Die sonstigen Notizen über meinen ersten Be¬
such lauten:
Krfiftezustaud nicht schlecht
Nach der hn zweiten Lebensjahre erfolgten
Impfung sind Kopfawschlag und Abscesse in der
Achselgegend aufgetreten.
Bettnässen und Nasenbluten waren früher oft da.
Seit der Krankheit Durchfall , besonders in den
Frühstunden , drei bis vier dünne, hellgraue Stühle,
stets begleitet von Leibschinerzen.
Oft Leibschmerzen, lästiger gegen Abend.
Gegen Abend tritt Hitze auf mit Klagen über
zu warmes Zimmer.
Die Busse sind ihm ofl zu heiss ; er streckt sie
zum Bett hinaus.
Fast writinuirUches Fieber, zwischen 38° und 39°.
Schlaf unruhig.
Stimmung ärgerlich.
Wie Jeder sieht, liegt ein prägnantes Schwefelbild
vor, wo Vergangenheit und Gegenwart sich ergänzen.
Alles, Kopfausschlag, Bettnässen, Nasenbluten,
der Durchfall in den Frühstunden, die grauen
Stühle, die heissen Füsse im Bett mit Verlangen, sie
herauszustrecken, Alles ist charakteristisch für Sulfur.
Um direct auf den lokalen Proeess, das Ex¬
sudat ein zu wirken, verordnete ich dreimal täglich
zwei Tropfe® der dritten Potenz.
Gleich in den nächsten Tagen zeigte sich der
Einfl u ss des Mittels auf den Stuhlgang, welcher
normal wurde, auf Stimmung und Schlaf, welche
von da an nichts zu wünschen übrig liessen. Der
Appetit wurde besser.
Langsamer verschwanden Fieber, Leibschmerzen '
und die Schmerzhaftigkeit des Bauchs bei der Per¬
cussion. Dazu waren ungefähr vier Wochen nöthig.
Ich ging später auf die zweite Decimale des
Schwefels über.
Noch langsamer ging die Abnahme des Exsu¬
dats, doch liess sie sich von Woche zu Woche con-
statiren. Je mehr jene fortschritt, desto mehr
liessen sich unebene, höckerige Stellen im Leib
nachweisen, jedenfalls al^esackte Exsudate, die auch
allmählig verschwanden. Bei der letzten Vorstel¬
lung des Kranken im August vorigen Jahres con¬
statirte ich zunächst ein ausgezeichnetes Allgemein¬
befinden, dann lokal: Der Leib ist immer noch
etwas aufgetrieben; allerdings behauptet die Mutter,
er habe stets einen stärkeren Leib gehabt, als die
anderen Kinder.
Mit Ausnahme einer kleinhandgrossen Stelle
unterhalb der Milzgegend überall tympanitischer
Klang; der Leib ist weich, ohne Unebenheiten,
mit Ausnahme der betreffenden Stelle.
Das Resultat hat mir viel Freude gemacht: ein.
schwerer Fall mit anderweitig ungünstig gestellter
Prognose, ein klares Arzneibild, Behandlung mit
nur einem Mittel, ein günstiger Ausgang, der auf
das Mittel bezogen werden muss.
Ob hier einfache oder tuberkulöse Peritonitis
Vorgelegen, erschien anfangs zweifelhaft. Nie-
meyer sagt: „Die Tuberkulose des Bauchfells kommt
fast niemals primär vor, sondern gesellt sich ent¬
weder zu einer Tuberkulose der Lungen oder des
Darms oder zu einer Tuberkulose der Harn- und
Geschlechtsorgane. In anderen Fällen ist sie Theil-
erschemung der acuten Miliartuberkulose/ 4 Alles
dies lag nicht vor, wenn man nicht den Durchfall
als Darmtuberkulose auffasst, eine wohl etwas
willkürliche Annahme. Es bleibt also einfache
und, will man sie rubriciren, die sog. rheumatische
Peritonitis übrig, welche, wie Niemeyer sagt, selten
auftritt und fast niemals bei vorher gesunden Indi¬
viduen, in Folge von Erkältungen oder von un¬
bekannten atmosphärischen Einflüssen.
Sulfur, das „göttliche Mittel“ nach von Bocnning-
hausen, ist die in chronischen Krankheiten am häu¬
figsten indicirte Arznei. Die Sulfur-Constitution ist
so verbreitet, dass der Rath gegeben worden ist,
die Behandlung jeder chronischen Krankheit damit
einzuleiten.
Die Reihe der Fälle will ich schliessen mit
einem interessanten Falle von G. W. Winterburn
in New-York, an den ieh einen von mir beobach¬
teten noch anreihen werde.
Ein für unheilbar erklärter Scirrhus des Pi/lorus.
R. S. M., 50 Jahre ah, KutscheT seines Zei¬
chens, war zwei Jahre vordem, dass ich ihn sah,
von seinem Sitz heruntergefallen und von seinem
eigenen Wagen überfahren worden; die Bäder
Digitized by
Google
41
gingen diagonal über seinen Körper, von der
rechten Schulter zur linken Hüfte.
Mehrere Rippen waren gebrochen und sonstige
Verletzungen vorhanden.
Im Bellevuespitale blieb er drei Monate.
Vier Monate später, also sieben Monate nach
dem Unfall, stellten sich bei ihm krampfhafte
Magenschmerzen ein, die allmählig heftiger wur¬
den. Nach Verlauf mehrerer Monate begann er die
Speisen mehrere Stunden nach dem Essen zu er¬
brechen. In dem Erbrochenen zeigten sich kaffee¬
satzartige Massen. Hinzu traten äusserst heftige,
bohrende Schmerzen in der Gegend des Pylorus.
Nachdem er allopathisch behandelt und Magen¬
krebs diagnosticirt worden war, kam er zuletzt ins
Manhattanspital auf meine Klinik.
Gegenwärtiger Zustand:
Sehr abgemagert.
Haut gelb und trocken , rauh und gerunzelt
Gesichtsausdruck verzagt, Stimmung trübe und
reizbar.
Die Reizbarkeit schlimmer nach festen Speisen ,
die wie ein Stein im Magen liegen.
Zunge trocken , dunkelbraun .
Viel Durst; heisser Kaffee, heisse Milch be- !
kommen gut für eine Zeit lang.
Appetit gefrässig, aber er traut sich nicht zu
essen wegen der Schmerzen.
Leib eingesunken, die Pulsation der Aorta des-
cendens deutlich bemerkbar.
Gerade über dem Nabel etwas nach rechts eine
harte, unregelmässige Geschwulst von der Grösse
eines Enteneies. Diese Geschwulst ist beweglich
und liegt nach dem Essen deutlich tiefer und
weiter nach links.
Erbrechen nach dem Essen von ganz- oder
halbverdauten Speisen, von kaffeesatzähnlichen
Massen, von eiweissartiger Flüssigkeit.
Bohrender Schmerz in dem Tumor, schlimmer
nach dem Essen.
Kollern in den Eiugeweiden.
Stuhl abwechselnd verstopft und durchfällig; der
verstopfte Stuhl ist trocken , hart und spärlich , der
Durchfall scharf und wässerig.
Oedem der Beine.
Sehr schwach; die Kniee zittern; er kann kaum
gehen vor Schwäche.
Grosse Müdigkeit, schlimmer durch Bewegung;
Beine wie Blei.
Ruheloser, nicht erquickender Schlaf.
Allgemeinbefinden schlimmer im Zimmer, besser
im Freien.
Hier handelte es sich offenbar um Krebs in
einem vorgeschrittenen Stadium. Die Prognose
schien hoffnungslos, auch der Patient glaubte nicht,
dass für ihn noch etwas geschehen könne.
Wegen der vorausgegangenen allopathischen
Behandlung gab ich zunächst Nux vomica 6., in
neun Stunden drei Dosen, und dann am vierten
Tage Bryonia X., alle sechs Stunden ein Pulver
trocken auf die Zunge.
In 48 Stunden hörte das Erbrechen auf, wieder¬
holte sich wenigstens nur in grossen Zwischen¬
räumen.
Nach acht Tagen deutete sein ganzes Befinden
auf Besserung; der Schmerz in dem Tumor war
fast fort.
Nach sechswöchentlicher Behandlung vertrug
er ohne Beschwerden Ochsenfleisch und Kohl; der
Tumor war viel kleiner geworden.
Nach vier Monaten war der Tumor verschwunden.
Das Körpergewicht hatte um 20 Pfd. zugenommen;
Stuhl regulär, Haut normal.
Es war völliges Wohlbefinden vorhanden, aus¬
genommen allein, dass zuweilen ohne ersichtlichen
Grund etwas halbverdaute Speise erbrochen wurde.
H.: Im Beginn des Winters 1892 wurde ich
zu einer Frau - anfangs der sechziger Jahre ge¬
rufen. Ihre besondere Klage war ein fast unauf¬
hörliches Drängen zum Stuhl Tags und Nachts,
so dass sie alle viertel bis halbe Stunden den Ver¬
such zur Stuhlentleerung machen musste. Dünn
geformte Fäces gingen nur ein bis zwei Mal
täglich ab, bei dem öfteren Drängen nur etwas
weisser Schleim. Der Drang war von unerträg¬
lichen Schmerzen begleitet, die auch nach der
Entleerung von Schleim oder Koth nur auf Minu¬
ten nachliessen. Eigentlich konnte sie, meinte die
Kranke, immer auf dem Becken sitzen.
Belegte Zunge, Appetitlosigkeit.
Schwäche und Abmagerung.
Die Untersuchung per Rectum ergab nichts
Abnormes, soweit der Finger Vordringen konnte.
Bei der äusseren Untersuchung fand man in der
linken Unterbauchgegend über dem Poupart’schen
Bande eine wurstförmige, etwa zwölf Centimeter
lange, höckerige, auf Druck schmerzhafte Ge¬
schwulst. Diese gehörte dem Darmkanal an, denn
die Consistenz wechselte je nach der Contraction
des Darms. Contrahirte sich der letztere bei dem
heftigen Drängen zum Stuhle, so wurde die Ge¬
schwulst steinhart; bei Nachlass der Contraction
wurde sie weicher, war aber immer in ihrer Wurst¬
form, und beim Weicherwerden in den einzelnen
Höckern deutlich durchzufühlen.
Zwei allopathische Collegen hatten vor mir die
Diagnose eines Darmcarcinoms gestellt und zur Er¬
leichterung der Beschwerden die Bildung eines
künstlichen Afters vorgeschlagen. Letzteres wurde
verweigert. Ich konnte nicht anders wie mich der
Diagnose anscliliessen und auch die Prognose recht
ungünstig stellen.
6
Digitized by
Google
Von meinen ersten Verordnungen hatte nur
Nux vomica den Erfolg, dass der Drang eine
Kleinigkeit gebessert wurde.
Der qualvolle Tenesmus brachte mich auf Subli¬
mat, den ich in sechster Potenz alle paar Stunden
mehrere Tropfen gab.
Mit diesem Mittel trat zunächst eine langsam
steigende Besserung des Tenesmus ein. Doch
kamen dazwischen immer wieder recht qualvolle
Tage und Nächte vor. Insbesondere jeder Versuch,
statt dieses Mittels ein anderes zu nehmen, z. B.
Nitri acid. nach der Art der Schmerzen, die mir
als im Mastdarm aufwärts stechende beschrieben
wurden, rächte sich auf so unangenehme Art durch
tagelange bösartige Verschlimmerung des Tenesmus,
dass ich zuletzt beim Sublimat blieb. Die Aenderung
in der Ordination versuchte ich deswegen, weil der
Tenesmus nachliess, aber der Schmerz im Mastdarm
fortdauerte, für den ich dann ein wirksameres Mittel
suchte. Aber allmählig besserten sich sowohl der
quälende Drang, wie dieser Schmerz. Der Drang
kam nur mehrmals am Tage, die Zunge wurde
reiner, der Appetit hob sich. Die Geschwulst
wurde allmählig kleiner und weicher und war
zuletzt nur noch an den schlimmen Tagen deutlich
hervortretend. Mitte* Januar 1893 war von der
Geschwulst nichts mehr nachzuweisen, Ende Januar
wurde mir berichtet, dass die alte Frau sich gut
erhole und keine besonderen Klagen mehr habe.
Verschweigen will ich nicht, dass die Patientin
ausser dem Sublimat häufig noch Nux vom. da¬
zwischen genommen hat. Sie bat selbst sehr
darum, weil sie von Nux die erste Linderung
ihres Dranges gefühlt hatte. Tiefergehende Wir¬
kung kann ich dagegen der Nux in diesem Falle
nicht beilegen, weil Nux, eine Zeit lang allein ge¬
geben, nur eine leichte Abschwächung des Tenes¬
mus bewirkt hatte und weil jedes Aussetzen des
Sublimat sich strafte, ganz gleich, ob Nux vom.
neben dem neuen Mittel weiter gebraucht wurde.
Das Resultat der Behandlung überraschte sowohl
die Angehörigen, wie mich selber.
Kurze Zeit darauf wurde ich ersucht, für einen un¬
heilbaren Patienten auf dem Lande etwas zur Linde¬
rung zu verordnen. Bei diesem, einem Manne Ende
der Vierziger, war ärztlicherseits die Diagnose Mast¬
darmkrebs gestellt und wegen des unerträglichen
Drängens zum Stuhl ebenfalls die Bildung eines
künstlichen Afters vorgeschlagen worden. Die
letzten Lebenstage des Kranken wurden durch
Sublimat und Nux vomica im Wechsel wesentlich
erleichtert, indem der Tenesmus nach Ablauf von
vierzehn Tagen fast verschwunden war, nach den
mir gegebenen Berichten.
Ueber das Magengeschwür.
Von Dr. Th. Kafka in Prag-Karlsbad.
(Schluss.)
Behandlung des Magengeschwürs.
Bei frischen Geschwüren ist, wenn irgend mög¬
lich, die sogen. „Ruhecur“ zu empfehlen. Die¬
selbe besteht in permanenter Bettruhe, Darreichung
einer äusserst milden, reizlosen Kost, drei Wochen
nur Milch, l J / 2 — 3 Liter täglich, Leube-Rosen-
thaFsche Fleischsolution, weicher Zwieback, Cakes,
weiche Eier, später consistente, leicht verdauliche
Fleischspeisen und Kohlenhydrate, die enthalten
sind in grünem Gemüse: jungen Schoten, Spinat,
Blumenkohl, Grünkohl, jungen Mohrrüben, Spargel,
Pilzen und Schwämmen, ferner altes und geröstetes
Weissbrod, Maccaroni, Nudeln, Reisbrei, Griesbrei,
gekochtes Kern- und Steinobst. (Roggenbrod, Schrot-
brod, auch das sogen. Grahambrod, Hülsenfrüchte
sind zu meiden.)
Farrington, der grosse Arzneimittelkenner, macht
vom Magengeschwür eine Erwähnung beim Phosphor ,
den er „bei jenem gefährlichen Leiden“, dem Magen¬
geschwür, indicirt findet durch den Schmerz, das
Erbrechen von Speisen gleich nach dem Hinunter¬
schlucken und durch die erbrochenen Massen,
welche eine dunkle, grumöse, halbfeste Substanz ent¬
halten, die wie Kaffeesatz aussieht.
Sehen wir nun, was mein lieber dahingeschie¬
dener Vater in seiner „Homöopathischen Therapie
auf Grundlage der physiologischen Schule“ gegen
das Magengeschwür angezeigt findet. Es sei uns
gestattet, dass ich bei dieser Gelegenheit bemerke,
dass es weiland Dr. J. Kafka an Anerkennung
für seine grosse Arbeit nicht gefehlt habe. Der
jetzige Dr. L6on Simon pöre (damals fils) wollte
durchaus die Therapie ins Französische übersetzen,
von der er einige Stellen im Auszug veröffentlichte
(in Chargö’s Bibliothöque homoeop.). Dr. S. Lilien¬
thal machte meinem Vater den Antrag, dieselbe
ins Englische zu übersetzen; leider hatte mein
Vater aber nicht das Recht dazu, das sich die Ver¬
lagshandlung Vorbehalten hatte: diese (Anfangs
Eupel, später Bolhoevener, dann Günther in Langen¬
salza) gab nicht die Einwilligung dazu, vielleicht
aus Besorgniss, dass deshalb die deutschen Exem¬
plare nicht genug Absatz finden würden; zwei
Jahre nach dem Erscheinen der Therapie war
schon die ganze Auflage vergriffen. Dr. Hempel
in Amerika gab ein Handbuch der homöopathischen
Therapie heraus „with numerous hints out of
Kafka etc.“ (mit zahlreichen Winken aus dem
Werke Kafka’s etc.), wie am Titelblatte bemerkt ist.
Als ich im Jahre 1882 in England weilte, er¬
suchte mich der alte Dr. Blackley in Manchester,
der Verfasser der gediegenen Abhandlung über
Digitized by
Google
43
das Heufieber, ihm ein Exemplar zu verschaffen.
Ich konnte nirgends, auch nicht antiquarisch, eins
auftreihen und jetzt noch kommen Anfragen nach
dem Werk von einheimischen «und auswärtigen
Collegen, die jeden Preis dafür zahlen würden.
Dr. Jacob Kafka sagt hei der Therapie des
chronischen Magengeschwürs: Leitende Momente
sind für uns das Aussehen und der Kräftezustand
des Kranken, der Grad seiner Erregbarkeit,’ die
Art des Schmerzes und ihre Ausstrahlung, die Er¬
scheinungen, welche sich während derselben ein¬
stellen, die Beschwerden, von welchen sie begleitet
werden, der Gemüthszustand, welchen sie hervor¬
bringen, die Zeit, in welcher die Schmerzen am
häufigsten erscheinen, die Umstände, unter welchen
sie entstehen oder sich verschlimmern, und unter
welchen sie sich bessern.
Haben wir eine Mittelwahl eingeleitet, welche
allen diesen Momenten Rechnung trägt, so sind
wir auch grösstentheils des Erfolges gewiss! Wir
brauchen keine Narcotica, um die heftigsten
Schmerzen zu beheben, kein Argent. nitric., um
die Vernarbung des Geschwürs, welche sehr frag¬
lich ist, zu bewerkstelligen. Die genaueste Aehn-
lichkeit der Erscheinungen, welche bei den ein¬
zelnen Mitteln sehr umfassend aufgezeichnet sind,
mit den Erscheinungen, welche der jeweilige Krank-
heitsprocess bietet, ist unsere vorzüglichste Richt¬
schnur, welche uns in den schwierigsten Fällen
zum glücklichen Erfolge verhalf.
Durch viele Beobachtungen, welche wir in dieser
Krankheitsform sorgfältig gesammelt haben, sind wir
zur Ueberzeugung gelangt, dass das chronische
Magengeschwür zur Heilung kommt, sobald mau
der Cardialgie Herr geworden ist; hat diese auf¬
gehört, so regelt sich nach und nach die Ver¬
dauung, das Aussehen wird besser, die Kräfte
nehmen zu und das Geschwür heilt, auch wenn
es Jahre lang bestanden hat. Nur wenn Narben
vorhanden sind, welche die Bewegungen an einer
bestimmten Stelle hemmen, und wenn die Magen¬
wand durch Anlöthung des Magens an benach¬
barte Organe gezerrt wird, pflegt die Heilung
eine unvollkommene zu sein, indem die Cardialgieen
sich oft erneuern. Den zauberähnlichen Erfolg, den
die Allopathen so oft nach der Anwendung von
Morphium beobachtet haben, sehen wir gewiss
noch viel häufiger nach richtig gewählten homöo¬
pathischen Mitteln selbst da eintreten, wo das viel¬
gepriesene Morphium und andere sogenannte
Antispastica die Wirkung versagten. Wer kennt
nicht die wunderbaren Erfolge der Nux vomica,
des Atropin, der Holzkohle, des Opium, des Jod etc.
nach dem Aehnlichkeitsgesetze gewählt ? Es ist
den Zweiflern Gelegenheit geboten, sich von der
oft überraschenden Wirkung der homöopathischen
Mittel zu überzeugen, und zwar in dieser Krank-
heitsform um so mehr, als jeder praktische Arzt
weiss, dass dieselbe grösstentheils nur auf künst¬
lichem Wege zur Heilung gelangen kann.
Lilienthal empfiehlt in seiner „Therapie“ gegen
das runde Magengeschwür mit Empfindlichkeit gegen
Druck: Ars., Bell., Bry., Kal. bichr., Phos.; mit ver¬
minderter Empfindlichkeit: Bismuth., Arg. intr., Carb.
veg., Phos. ac.; mit übermässiger Säure: Calc., Nux
v., Pho., Sulph.; mit übermässiger Flatulenz: Carb.
veg., Chin., Nux v., Pho.; Status pituitosus: Puls.,
Sulph.; Verlust des Appetits: Ars., Nux v.; Bulimie:
Calc. carb. und jod., Jod, Nux vom., Phos.; Syncope:
Ars., Jod, Pho., Ver.; rundes Magengeschwür am
Ende des Pförtners: Ars.; am Magenmund: Kali
bichr. —
Dass die alkalischen Glaubersalz Wässer, nament¬
lich aber Karlsbad, bei allen Formen des Magen¬
geschwürs angezeigt sind, ist eine allbekannte
Thatsache, an der sich nicht mäkeln lässt. Ich
habe sehr viele Fälle hier behandelt und einige
bereits im Jahrgang 1878 dieser Zeitschrift, einige
andere in einem spätem Jahrgang geschildert. Einen
Fall will ich noch besonders erwähnen, wo eine
junge anämische Dame aus M. in Folge der ihr
von ihrem allopathischen Arzte verordneten grossen
Dosen Eisens ein Magengeschwür acquirirte und
mich hier consultirte, weil ihre Eltern aus C. mich
zum Arzte hatten. Das Fräulein hatte zu Hause
heftige Magenblutungen gehabt, hier ging es ihr
beim Gebrauche der kühlem Quellen immer besser:
sie kam im nächsten Jahre wieder; die Magen¬
blutung hatte sich nicht wiederholt. Noch einen
Fall will ich anführen von einem Gutsbesitzer, der
hier ein heftiges Bluterbrechen bekam. Das Er¬
brochene war hellroth gefärbt, reines Blut, keine
schwarzen Blutgerinnsel. Ich reichte Hamamel.
8 Dil. 6 Tropfen auf ein halbes Glas Wasser, stünd¬
lich zwei Theelöffel. Dann liess ich den Patienten
Sprudel trinken; bei frischen Blutungen finde ich
immer die heissem Quellen angezeigt; der Patient
erholte sich zusehends, nahm zu, obgleich er
eine fast absolute Milchdiät beobachtete. Er hat
nie wieder Blut gebrochen. Das Magengeschwür
war vollständig geheilt.
Zur Gabenfrage.
Von Dr. Kunkel in Kiel.
Einem hiesigen Herrn von 75 Jahren kenne ich
von Kindesbeinen an und behandle denselben, so
lange ich Arzt bin. In der Kindbeit erfreute sich
derselbe einer guten Gesundheit, stammte von ge¬
sunden Eltern, hatte aber oft mit Zahnschmerzen
zu kämpfen, so dass mehrere Zähne entfernt wurden.
6 *
Digitized by
Google
44
Ferner litt derßelbe bis zum 6. oder 7. Jahre
an Enureßis noct., einer Erscheinung, die ohne
Zweifel auf „harnsaurer Diathese“ beruhte, die An¬
fangs unbeachtet in den zwanziger Jahren sich
durch häufige Ausscheidungen harnsaurer Verbin¬
dungen raanifestirte. Wohl gleichzeitig, was mit
Sicherheit nicht zu ermitteln, traten Symptome
eines chronischen Dickdarmkatarrhs hervor, häufige,
nicht erleichternde spärliche Stühle mit viel Schleim¬
abgang, deprimirter oder verdriesslicher Stimmung,
Afterjucken, Andeutung von Hämorrhoidalknoten,
ohne dass es jemals zur Blutung gekommen wäre.
Schon früh stellte sich Schlaflosigkeit ein, eine Er¬
scheinung, die ich später recht oft bei der „harn¬
sauren Diathese“ bemerkt habe. Ich war Anhänger
Rademacher’s, als ich den Genannten in Behand¬
lung nahm. Was lag näher, als demselben Coccus
cacti zu geben, ein Mittel, das ja nach Kissel ein
Specificum gegen „harnsaure Diathese“ sein sollte,
(ß. selbst empfiehlt dasselbe nicht gegen bestimmte
Erkrankungsformen.) Der Erfolg befriedigte meine |
Erwartungen nicht. Ich sah zuweilen Erfolg, aber
stets nur vorübergehend. Etwas besser schien
die Aqua calcis zu wirken, doch befriedigte mich
auch dieses Mittel nicht. Ohne gleichzeitige Ein¬
wirkung auf die übrigen Erscheinungen, den Dick¬
darmkatarrh (beides sah ich als Symptome einer
Plethora abdominalis an), durfte ich nicht hoffen,
weiter zu kommen.
Patient wurde nach Carlsbad geschickt, ge¬
brauchte die Kur 3 Jahre nach einander mit
günstiger Einwirkung auf den Dickdarmkatarrh.
Eine Kaltwasserkur von 2—3 Monaten hatte
schon vorher für eine Zeit lang sehr günstig ge¬
wirkt, aber ohne Bestand. Schlaflosigkeit nach
wie vor. Allinählig stellten sich allerlei arthritische
Gelenkaffectionen, besonders der Kniegelenke, ein,
dabei zeitweise Abgang von harnsauren Salzen mit
dem Urin, wobei folgende Erscheinungen beobachtet
wurden: Je reichlicher dieser Abgang, desto besser
wurde der Schlaf, desto mehr verlor sich ferner
eine gewisse Steifigkeit der Glieder, die sich und
besonders beim Anfang der Bewegung geltend
machte. Der Stuhl war seit der Karlsbader Kur
mehr regulirt, doch stellten sich in längeren und
kürzeren Zwischenräumen Durchfälle ein, wie sic
ja bei Nierenleiden öfter Vorkommen. Sie gaben
jedesmal etwas Erleichterung, wahrscheinlich weil
sie einen hyperämischen Zustand der Nieren, oder
wenn man will, eine Stagnation in den Nieren vor¬
übergehend minderten.
Eine vierwöchentliche Kur in Asmannshausen
hatte eine starke Ausscheidung von Harnsäure im
Gefolge; im darauf folgenden Jahr war ein fernerer
Erfolg nicht sichtbar. Das arthritische Leiden der
Kniegelenke verschlimmerte sich. Eine vierwöchent¬
liche Kur in Wiesbaden hatte, wie die in Asmanns¬
hausen, das erste Mal guten Erfolg, im nächsten
Jahr keinen.
Da fiel mir eine Broschüre über die Kronen¬
quelle in Obersalzbrunn in die Hände. Ich gab
dem Patienten bei dem erfahrungsgemäss die Mineral¬
wässer, wie auch manche Speisen, leicht durch¬
schlugen, jeden Vormittag */ a Bierglas und zwar
so warm, als es getrunken werden konnte. Der
Erfolg war der, dass die Anschwellung des linken
Kniees, die schon eine solche Höhe erreicht hatte,
dass Patient sich auf der Strasse nur schwer fort¬
bewegte, in etwa 3 Wochen fast verschwunden
war, und Patient sich ohne Gene wie früher be¬
wegen konnte.
Allmählig hörten etwa vor 3—4 Jahren die
Ausscheidungen von harnsauren Verbindungen auf,
ohne dass im Allgemeinbefinden sich eine Ver¬
schlimmerung eingestellt hätte. Nur trat die Schlaf¬
losigkeit wieder stärker hervor und Durchfälle
schienen häufiger einzutreten und zuweilen recht
heftig und schwächend. Vor Eintritt eines solchen,
der sich besonders heftig zeigte, machte Patient,
der sich gut beobachtete, die Bemerkung, dass er
14 Tage vorher einen förmlichen Widerwillen gegen
Fleisch gehabt. Wie es scheint, ein Wink der Natur.
Schon die alten Aerzte warnten bei Griesbildung vor
reichlichem Fleischgenuss, so dass er sich vorwiegend
an Suppen hielt, eine Beobachtung, die er vorüber¬
gehend öfter gemacht. Die mitgetheilten Er¬
scheinungen brachten mich zu der Ueberzeugung,
dass die Harnsäure noch vorhanden sei, aber nicht
ausgeschieden werde. Aber was thun, um diese
Ausscheidung zu Wege zu bringen? Es musste
ein Versuch gemacht werden, auf die Harnorgane
einzuwirken. Ich hatte schon manchen Erfolg von
den potenzirten Rademacher’schen Mitteln gesehen,
hatte auch Calc. carb. in verschiedenen Potenzen
gegeben mit Anfangs ausgezeichnetem Erfolge,
später noch öfter in längeren Zwischenräumen ohne
jeden Erfolg verordnet. Hier lagen nur zwei Mög¬
lichkeiten vor. Entweder es war ein anderes Mittel
indicirt, oder es lag ein anatomisches Hinderniss
vor, das durch Calc. nicht beseitigt werden konnte.
Eine Indication für ein anderes Mittel konnte ich
trotz alles Studiums nicht finden. Ich war auf ein
Organ-, auf ein Nierenmittel angewiesen und gab
Cocc. cacti X. C., aus MarggraPs homöopathischer
Officin bezogen, Morgens und Abends 1 Tropfen.
Von da an änderte sich der ganze Zustand. AU-
mählig stellte sich Schlaf ein, es fanden fast tägliche
Ausscheidungen von harnsauren Salzen statt, auch
in Kugel form und zwar umfangreicher als der
gröbste Schrot der Jäger, die Durchfälle hörten auf,
| der Stuhl regulirte sich vollständig, die Arbeitslust
j des thätigen Mannes, er war Beamter, steigerte sich
Digitized by c^ooQie
45
noch mehr. Die Kniegelenke sind freilich nicht
ganz frei und Bewegungen zuweilen mit etwas
Schmerz verbunden, doch ist auch hier Fortbesserung
bemerkbar. Noch habe ich zu bemerken, dass ich
Cocc. cacti 002. und 003. (2. und 3. Cent.-Potenz)
wiederholt erfolglos angewendet hatte — eine Er¬
scheinung, die demjenigen, der davon ausgehen
zu müssen glaubt, dass jedes Medicament stofflich
nachweisbar oder doch vorhanden sein müsse, un¬
fassbar erscheinen muss. Dass bei 0030., zumal
eines unlöslichen Körpers, von Stoff nicht die Rede
sein kann, scheint auf der Hand zu liegen.
Ophthalmie diseases and therapeutics.
Von Dr. A. B. Norton.
Besprochen von Dr. Mossa.
Die Entwickelung der Homöopathie in Nord-
Amerika hat die merkwürdige Thatsache mit sich
geführt, dass dort den Praktikern der homöo¬
pathischen Heilkunst Krankenhäuser für einzelne
Specialfacher zugewiesen worden sind, sei es von
Seiten opferfreudiger Gönner unserer Sache oder
ganzer Communen, noch ehe diese Zweige nach
homöopathischer Richtung hin eine umfassende
Pflege genossen hatten. Es hatten sich wohl
manche homöopathische Aerzte bereits specialiter
mit der Augenheilkunde befasst, aber nunmehr
zu dirigirenden Aerzten solcher ophthalmologischen
Kliniken berufen, fühlten sie sich doppelt gedrungen,
an die Ausbildung dieses Specialfaches Hand anzu¬
legen, um so mehr, wenn hier, wie Dr. Geo.
S. Norton und Dr. T. F. Alien, welche, an der Spitze
des New Yorker Ophthalmie Hospital stehend, noch
den klinischen Unterricht an dem mit diesem
Spital verbundenen Colleg zu geben hatten. In
der von diesen beiden Aerzten gemeinsam ver¬
fassten ersten Auflage des „Ophthalmie therapeutics“,
aus dem das oben angegebene Werk hervor¬
gegangen ist, sagt der Autor: „Das Material zu
diesem Werk haben wir seit mehreren Jahren ge¬
sammelt, insbesondere seit der Annahme der homöo¬
pathischen Methode von dem New York Ophthalmie
Hospital. — Als wir unsern Sitz in jenem Institut
erlangten, da gab es wenige Indicationen für
Mittel, die bestimmten Affectionen des Auges ent¬
sprachen; wir diagnosticirten unsere Fälle und
forschten dann sorgfältig nach allen Punkten nach
Indicationen für das Heilmittel; so gelangten wir
allmählig zu Gruppen von Mitteln, welche mit
bestimmten Affectionen verbunden waren, und ge¬
wannen charakteristische locale Indicationen.
„Diese localen Indicationen schienen bisweilen
rein klinisch oder empirisch zu sein, aber sie
haben sich immer, oder nahezu immer, als gleich¬
zeitig mit positiven und reinen Symptomen dos
Mittels vorhanden herausgestellt. Insofern sie in¬
dessen oft unabhängig von dem letzteren Vor¬
kommen, so beanspruchen sie häufig eine relativ
grössere Bedeutung. (? Ref.)
„Unsere Kenntniss von den reinen Wirkungen
der Mittel auf das Auge ist leider dürftig, oft
ganz unbestimmt und ungenügend, dennoch haben
wir es versucht, dem Princip getreu zu bleiben
und uns nur dann empirisch 'zu verfahren erlaubt,
wenn dazu guter Grund vorhanden zu sein schien.
„Die sämmtliche in diesem Werke gegebene
Symptomatologie ist in der Praxis bestätigt worden;
manche Beobachtungen mögen schlecht begründet
sein; manche, das sind wir sicher, werden sich als
stichhaltig beweisen und zur Erhaltung und Wieder¬
herstellung des Sehvermögens beitragen.“
Dem fügt Dr. Allen in der zweiten Auflage hinzu:
„Während kein Zweifel besteht, dass die be¬
sonderen Zustände des Auges, in einer Erkrankung
dieses Organes, einen äusserst wichtigen Factor in
der Wahl des Heilmittels bilden, dürfen wir doch
nicht vergessen, dass Augenkrankheiten oft, viel¬
leicht durchweg, der Ausdruck einer allgemeinen
Kachexie sind, für welche das Mittel nur durch
eine genaue Untersuchung des ganzen Individuums
gefunden werden kann. Die Kenntniss von Heil¬
mitteln für irgend eine Erkrankung des Auges ist
im Anfänge lediglich durch ein Studium des ganzen
Falls gewonnen worden, und, wenn es sich gezeigt
hat, dass für bestimmte pathologische Zustände
nur einige wenige Arzneistoffe geeignet sind, so
müssen wir doch im Auge behalten, dass neue
Mittel noch aufzufinden sein werden und dass ein
Fall ein bisher zu seiner Heilung noch nicht ge¬
brauchtes Mittel erfordern kann. Unter die glän¬
zendsten pathologischen Generalisationen in der
Augenheilkunde mag man wohl zählen den Ge¬
brauch von Gelsemium für intra-oculäre Entzün¬
dungen, die durch seröse Exsudationen charakterisirt
sind; Rlius tox., für eitrige intra-oculäre und orbi¬
tale Entzündungen; Bryonia für plastische Exsuda¬
tionen — wozu wir noch das amerikanische Aconit.
(A. uncinnatum) für ciliäre und periorbitale Neu¬
ralgie hinzufügen. Kein Arzt wird jedoch sich damit
begnügen, seine arzneilichen Hilfsquellen in einer
der oben angegebenen Erkrankungen auf die er¬
wähnten Mittel einzuschränken. So kann Pilocarpin
anstatt Gelsemium, Silicea anstatt Rhus, Phyto-
lacca statt Bryonia, oder Spigelia anstatt Aconit,
erforderlich sein. Wie sollen wir uns entscheiden?
— und die Wahl muss sorgfältig und schnell ge¬
schehen, denn beim Auge mehr als sonst irgendwo
ist Verzug gefährlich: Die Symptome müssen alle -
zeit studirt werden ! u
Digitized by
Google
46
Auf diese Weise ist den Anforderungen, welche
die homöopathische Behandlung stellt, möglichst
Rechnung getragen worden in diesem Werk, das
Dr. A. B. Norton grösstentheils gemeinsam mit seinem
Bruder Geo. neu durchgearbeitet und nach dessen
Tode allein herausgegeben hat unter dem Titel
Ophthalmie diseases and therapeutics. Dasselbe
ist bestimmt, für den Studirenden sowie für den
nichtspecialistischen Praktiker ein Handbuch über
das Gebiet der Ophthalmologie zu sein, und ist
desshalb der reiche Stoff so condensirt und concen-
trirt als immer möglich gegeben worden. Die
Anatomie der Gewebe, soweit sie zum Verständ-
niss ihrer Erkrankungen nöthig ist, der Pathologie,
Symptomatologie, Verlauf, Ursache, Diagnosis, Pro¬
gnosis und Therapie der einzelnen krankhaften Zu¬
stände sind in gedrängter Bündigkeit im ersten
Theil abgehandelt. — Dass bei der Therapie neben
der homöopathischen Behandlung auch die localen
und operativen Massnahmen gehörig gewürdigt
worden sind, war um so mehr geboten, als ja viele
Studirende in Amerika ihre ganze modicinische
Ausbildung sammt und sonders auf homöopathischen
Collegs empfangen. Ein Ophthalmologe, der aber
jede äusserliche, operative, Behandlung der Augen¬
kranken von sich weisen, und ein Unterricht, der
sich damit nicht befassen wollte, könnte sich viel¬
leicht (obwohl wir es auch kaum glauben) vor
seinem Gewissen, aber nicht vor dem Forum der
Wissenschaft und Heilkunst und auch vor dem
des Rechts rechtfertigen.
Der zweite Theil des Buches, Ophthalmie thera¬
peutics, interessirt uns ganz besonders. Er bietet
eine Materia medica ophthalmiatrica, d. h. er be¬
handelt die einzelnen Mittel in ihren objectiven
wie subjectiven die Augen speciell betreffenden
Symptomen, giebt dann ihre klinische Indication
an und erläutert dieselbe in einzelnen concreten
Fällen, in denen das Mittel sich bewährt hat. Aus
dieser Casuistik einzelner mehr oder weniger
ausführlicher, gut charakterisirter Beobachtungen
bekommen wir einen guten Ueberblick über die
Leistungsfähigkeit homöopathisch gut gewählter
Mittel auf dem Gebiete der Augenheilkunde, so
dass wir wohl behaupten können, dass ein mit den
Hilfsquellen der homöopathischen Heilkunst gut
vertrauter Augenarzt einem gewöhnlichen Specia-
listen sicherlich den Rang ablaufen werde. — Die
zahlreichen Illustrationen und chromolithographischen
Bilder erhöhen noch die Brauchbarkeit des gut
ausgestatteten Buches, das 1892 bei Boericke & I
Tafel in Philadelphia erschienen ist — Wir wollen |
dem Leser gelegentlich einige Auszüge aus dem- |
selben darbieten. !
Retropharyngeal -Abscess.
Von Dr. Proeil, Bad Gastein.
Am Sylvesterabend 1871,10 Uhr, wurde ich schnell
zu einem mir bekannten Redakteur (in Nizza) geholt,
mit der Nachricht, er fürchte zu ersticken. Der
Patient, 37 Jahre alt, mit schwarzen Augen und
Haaren, sitzt auf dem Sopha mit vorwärts gebeugtem
Kopf — das Gesicht drückt die höchste Angst aus;
die Augäpfel hervorstehend — Wangen blauroth —
der Mund kann nur mit grösster Mühe geöffnet
werden — die Zunge dick weiss belegt. — Der
Hintergrund enorm verschwollen, die einzelnen
Theile — Mandeln und Uvula kaum zu unter¬
scheiden, obwohl die Schleimhaut nach vorn ge¬
drängt ist, und man sieht nur halbkugelige, dunkel-
rothe, glatte, pralle Anschwellungen. Die Farbe
ist mehr blassroth (Rosa) — Schleimsecretion, aber
ausspucken — reden — schlucken unmöglich —
Kurzathmigkeit — krampfartige Erstickungs-An¬
fälle. — Pfeifendes Athmen. — Grosse Trockenheit
des Mundes — Puls sehr schnell und krampfhaft —
Urinverhalten und Stuhl ebenso —— Angstschweiss.
Ich gab sogleich, nachdem ich anbefahl, zu¬
erst den Urin zu lassen, Apis 6. Verdünnung
6 Tropfen in 12 Esslöffeln gekochten, kalten Wassers,
Va stündlich ein Kaffeelöffel voll davon in Mund
zu nehmen und dort so lange als möglich zu be¬
halten ; dann auszuspucken oder vielmehr ausfliessen
zu lassen. — Sonst nichts , weder innerlich, noch
äusserlich. — Als ich Nachts 12 Uhr wiederkam,
fand ich schon den Patient mit freudigem Gesicht
vor, die Scene war ganz verändert. — Man zeigte
mir eine grosse Schale von Schleim und Eiter mit
Blut gemischt. Der Abscess war 1 Stunde nach
dem ersten Ein nehmen langsam aufgegangen; alle
Minuten sickerte jene gemischte Flüssigkeit heraus;
und das war ein Glück, denn wenn es auf einmal
aufgegangen war, so wäre er vielleicht erstickt. —
Nun liess ich mit lauem Wasser ausspülen, Apis in
der 15. Pot. nur mehr alle 2 Stunden auf obige Art
nehmen. — Am 3. Tage war er ganz gesund. —
Apis zeigte sich glänzend als Surrogat des un¬
sicheren Messers. — Zur Stärkung Ausspülen mit
kaltem Gasteiner Thermal-Wassers. (Niemals ein
Rückfall mehr.)
LesefrUchte.
Die Rückwirkung der aseptischen Gynäkologie
und Geburtshilfe auf der Pathologie.
(Wiener Med. Pr. 27. 1894.)
Prof. L. Kl ein Wächter in Innsbruck ist, wie
noch manche andere Gynäkologen, zu der Ueber-
zeugung gelangt, dass, seitdem sich die Asepsis
und Antisepsis eingebürgert und zu operativen Ein-
Digitized by
Google
47
griffen auf dem Gebiete der Gynäkologie geführt
hat, die man vor kaum 20 Jahren als chirurgische
Morde würde bezeichnet haben, consecutive patho¬
logische Vorgänge beobachtet wurden, die vor der
jetzigen Zeitperiode unbekannt waren. So kommen
bei Frauen, die früher normal oder rechtzeitig ge¬
boren, nach einer wegen gynäkologischen Leidens
vorgekommenen Laparatomie mehrere Aborte oder
Frühgeburten vor, weil die nach der Operation
gesetzten Adhäsionen oder Pseudomembranen der
neuerdings geschwängerten Gebärmutter nicht mehr
gestatten, sich entsprechend zu vergrössern, bis sie
nach längerer Zeit endlich resorbirt oder so weit
gedehnt werden, dass die Gravidität ein normales
Ende erreichen kann. Die gleichen Folgen treten
auch bei Ventrificatio uteri ein, wenn solche wegen
fixirter Retroflexion unternommen worden war. —
Dass eine in den drei ersten Monaten ausgeführte
Ovariotomie nach 3—4 Wochen einen Abort nach
sich zieht, ist begreiflich.
Fritsch ist der Ansicht, dass, wenn man bei
einer Ovariotomie in dem wegen eines Tumor ent¬
fernten Eierstockes einen gesunden Rest zurücklässt,
man hierdurch ein ätiologisches Moment für Extra-
uterinalschwangerschaft schaffe. — Wenn auch die
Periode der antiseptischen Vielthuerei des Wochen¬
bettes, in der der gesunde puerperale Uterus keine
Stunde vor antiseptischen Bespülungen sicher war,
vorüber sei, so kommen doch, namentlich seitdem
das Sublimat die Carbolsäure abgelöst, künstlich
erzeugte Intoxicationen im Wochenbett vor, welche
der vorantiseptischen Zeit unbekannt waren.
Die Zeit wird uns lehren, ob uns die tiefen
Cervixscheidendammschnitte Dührsen’s, sowie die
wieder eingeführte Symphysectomie nicht neue
pathologische Bilder schaffen werden. —
Die bis vor Kurzem beliebten Ausätzungen der
Uterushöhle, zumal des Cervicalkanals, mit scharfen
Säuren, brachten hochgradige Verengerungen mit
darauf folgenden dysmenorrhoischen Beschwerden
mit sich, die schwer zu beseitigen waren.
Die Ventralhernie, ein Folgezustand der grossen
gynäkologischen Operationen, war vordem kaum
bekannt; ebenso die Darmacclusion, die nach Ava-
riotomien nicht gar selten eintritt. — Sehr misslich
sind auch die nach Amputatio uteri durch den ge¬
zerrten Stumpf und die Narben hervorgerufenen
schmerzhaften Beschwerden, Blasen-Störungen, Cervi-
calfisteln etc. — Auch die nach Entfernung der
Ovarien und des Uterus sich einstellenden Störungen
und Veränderungen in den leiblichen und geistigen
Functionen des Weibes, die intermenstruellen Be¬
schwerden, die vasomotorischen Störungen, die
psychischen Alterationen, werfen sie nicht einen
tiefen Schatten auf jene Operationen?
Selbst die so sehr vervollkommnete Unter¬
suchungstechnik bringt oft genug Schaden für die
Frau. Verf. ist geneigt, anzunehmen, „dass diese er¬
wähnten Kehrseiten eine weit grössere Rolle spielen,
als man vielleicht gemeinhin glaubt, und dass sich
hieraus ein Fingerzeig ergebe, warum wir heute Peri-
und Parametriden, sowie deren Residuen häufiger zu
sehen bekommen, als es früher der Fall war.“ —
Diese offenen Geständnisse eines Gynäkologen
von Fach sind wohl geeignet, den Eifer seiner allzu
operationslustigen Kollegen zu dämpfen und die
„glänzenden“ Resultate der modernen Gynäkologie
ins rechte Licht zu setzen. Ref.
Anzeigen
Ein tüchtiger homöopathischer Arzt
(Süddeutscher, ev.) wünscht sich in einem Ort, wo
ihm für gute Praxis garantirt wird, niederzulassen.
Gefl. Anträge an Kaufmann P. Bontel, Eppingen,
Baden.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Güte, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit l0 /i oder l2 /i Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—•
Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Offlein
in Leipzig ist soeben erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Aret in Basel.
97t Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—^
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe
Bd. 128, No. 23/24 dieser Zeitung.
Digitized by
Google
48
Im Verlage von k. Marggrafs Homöopath isolier
Offlein in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und berausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arznei vergleiche, Mitteldiagnosen, welche j
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der- |
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese rergleioHende Arzneiwirkungslohre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering'-
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
scheidennach allenSeiten d es betreffenden Mit tels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfo von Dr.
Koch, Dr. Morgan, Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das ,,Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen .
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgefiihrt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres U8w. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Soeben ist erschienen die 6 . Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exomplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
,,Genanntes Werkchen hat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur-
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntniss und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schrift ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schützbarer grosser Freund zu
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsero volle
Sympathie entgegenbringen.“
Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand dos ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
KinderjVerbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc.,
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, wolche sich leider bei uns ein¬
zubürgern scheint und nicht mit Unrecht als ein änsserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar. Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Mutter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Rocht einen hohen Wertli auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er behorzigenswerthe Winke giebt.
Der j,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche,
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller-
grösstem Wort ho und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das circa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,50 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers geschmückt und mit einer
Biographie desselben versehen ist, wird den Freunden des
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ olino Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbo auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sich viele Freunde allorortcn erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig» ira April 1894.
A. Marggrafs Homöopathische Officin.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
Band 129
Leipzig, den 16. August 1804.
No. 7 u.8
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Heransgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. Marggrar» homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint litägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnununem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf» (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Yerzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasenstein <fc Vogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggraf*s homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf\ pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Äf. berechnet.
Inhalt. Bericht Ober die 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach
am 9. und 10. August 1894. — Zur Typhusbehandlung. Von Dr. Kimpel-Legau (Bayern). — Einzelne Fälle aus der
Praxis mit Randbemerkungen. Von Dr. med. Waszily-Kiel. — Ein Fall von Capsicum-Vergiftung. — Calcarea carbonica
in der Gallensteinkolik. — L’omiopatica in Italia. Von Dr. Moasa. — Regeln des collegialen Anstandes. —
Vom BQchertisch. — Lesefrüchte — Personal-Nachrichten. — Anzeigen.
wr Schluss der Schriftleitungr: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Bericht Uber die 62. Generalversammlung
des Centralvereins homöopathischer Aerzte
Deutschlands
zu Eisenach am 9. und 10. August 1894.
Zu der diesjährigen Generalversammlung des
Centralvereins hatte sich ausser dem Stamm der
Alten eine ziemliche Anzahl jüngerer Mitglieder
eingefunden. Der Vorstand war vollständig ver¬
treten und es war eine wirkliche Freude, den
Collegen* Lorbacher wieder seines Amtes als Vor¬
sitzender walten zu sehen. Wir hatten gehofft,
dass bei der örtlich-günstigen Lage Eisenachs und
der Aussicht, unsere von Naturschönheit, Geschichte,
Sage und Dichtung so verherrlichte Wartburg ein¬
mal zu sehen oder wiederzusehen, der Zustrom der
Mitglieder reichlicher sein würde.
Die Liste der Anwesenden ergab am Abend
des 9. August folgende 24 Mitglieder:
Dr. Lorbacher-Leipzig , Dr. Windelband- Berlin,
Dr. Weidner- Breslau, Dr. ScAnö^z-Münster, Dr.i/q/ü-
Hermhut, Dr. /de-Stettin, Dr. 3/att^-Ravensburg,
Dr. Stumpf- Mainz, Dr. Villers- Dresden, Dr. Stifft-
Leipzig, Dr. Göhrum-Stuttgart, Dr. iWossa-Stuttgart,
Dr. Sander- Bork, Dr. Leeser- Bonn, Dr. Dünninghatis-
Siegen, Dr. Lutze- Köthen, Dr. Haedicke- Leipzig,
Dr. Fi^A-Breslau, Dr. Roliowsky-Leipzig, Apotheker
W. Steinmetz-Leipzig , Dr. Groos-Magdeburg, Dr. Krö-
ner-Potsdam, Dr. Weber- Köln.
Am 10. August erschienen noch Dr. JaAw-Berlin
und Dr. Wislicenus- Eisenach.
Die geschäftliche Sitzung ward unter Vorsitz
von Dr. Lorbacher Abends 7 Uhr im Saale des
Kronprinzen eröffnet. Es hatten sich 10 homöo¬
pathische Aerzte unter Aufstellung der erforderlichen
je zwei Gewährsmänner zur Aufnahme in den Central¬
verein angemeldet, welche denn auch bei der er¬
folgenden Abstimmung, bis auf einen, bedingungs¬
los angenommen wurden. Die Namen derselben
sind: Dr. Waszily-hLiei, Dr. Schiei'- Mainz, Dr.
Jacobs- Iserlohn, Dr. Grünfeld- Leipzig, Dr. Coleman-
Dortmnnd, Dr. Sandm-Bork (Dortmund), Dr. Dierkes-
Paderbom, Dr. Junge-l\ei&e (Holstein), Dr. Kanth-
Stettin, Dr. Baltzer- Stettin und Dr. Kernlei'- Wein¬
garten.
Verstorben sind im verflossenen Jahre die Herren
DDr. Eberle, Glitsch , Hajen, Jacobi , Kranz senior
und Hochecker , zu deren ehrendem Angedenken. die
Mitglieder sich von ihren Plätzen erhoben.
Es erfolgte nun der Geschäftsbericht des Central¬
vereins, der manche Lichtpunkte zeigte, wie Zu-
• Wendungen für das homöopathische Krankenhaus
| in Leipzig. Die Stellung der officiellen Medicin,
hauptsächlich der Universitäts-Facultätsprofessoren,
an unseren deutschen Universitäten zu der homöo¬
pathischen Schule ist leider im verflossenen Ge¬
schäftsjahre eher schlechter als besser geworden;
dafür sprach z. B. die Verweigerung des goldnen
i
Digitized by
Google
50
Doctordiploms an mehrere homöopathische Aerzte
und die Verfolgung und Drangsalirung derjenigen
Examinanden beim Staatsexamen, deren Hinneigung
zur Homöopathie irgendwie bekannt geworden war.
Man verlangte Abschwörung dieser Grundsätze und
Unterwerfung der Regeln unter die Schulautorität,
als ob es sich um ein Ketzergericht handelte. —
Trotzalledem hat sich die Zahl der homöopathischen
Aerzte bei uns erfreulicher Weise vermehrt.
Der Bericht des dirigirenden Arztes vom homöo¬
pathischen Krankenhause in Leipzig, Dr. Stifft ,
giebt ein deutliches Zeugniss von dem Gedeihen
dieses Instituts. Die Krankenzahi sowohl in den
Privatklassen als auch in der sogenannten dritten
Klasse (Saalkranke) hat entschieden zugenommen.
Es wurden behandelt im verflossenen Betriebsjahre
insgesammt 189 Kranke in 6478 Verpflegungs¬
tagen; es begann mit einem Bestände von 15 und
schloss mit einem solchen von 33 Kranken. Das
Verhältniss der acuten zu den chronischen Kranken
zeigt sich im Steigen; die Zahl der ersten betrug
51, die der letzteren 138. Zu erwähnen ist, dass
die Ortskrankenkasse Leipzigs 64 Männer und
20 Frauen unserem homöopathischen Krankenhause
zur Behandlung überwiesen hat. Einige inter¬
essante Krankheitsfalle sollen hier späterhin ver¬
öffentlicht werden.
An der homöopathischen Poliklinik in Leipzig
waltet Dr. Lorbaclier nach wie vor in Treue und
Hingebung seines Amtes und giebt auch den jungen
hospitirenden Medicinern bereitwilligst Anweisungen
für das Studium unserer Arzneimittellehre und
praktische Belege dafür. Die Rechnungsablage
über das Vermögen des Homöopathischen Central¬
vereins von Seiten des Herrn Apotheker Steinmetz
gab ein im Ganzen günstiges Bild über das Be¬
triebsjahr; die Vorlagen sind gewissenhaft geprüft
und dem Kassenverwalter daraufhin Entlastung er-
theilt worden. — Auf Antrag des Dr. Windelband
ward Herrn Steinmetz für seine so opferfreudige
Verwaltung seines schweren Amtes der Dank der
Versammlung ausgesprochen. — Durch allgemeine
Zustimmung wurden die Aerzte, sowie der Kassen¬
verwalter in ihrem Amte bestätigt.
Die Vereinsbibliothek ist in stetigem Wachs¬
thum begriffen, wird aber im Ganzen noch zu
wenig in Anspruch genommen.
Bei der Wahl zum Versammlungsort des Central-
verejns für das Jahr 1895 wurde, nach Ablehnung
von Münster, Kassel und Hannover, Hamburg fast
einstimmig angenommen. Sollte die Cholera um
die Versammlungszeit dort herrschen, so ist die
Verlegung nach Kiel dem Vorstande anheim¬
gestellt. — Zum Ehrenpräsidenten wird Dr. Kunkel -
Kiel einhellig erwählt.
Auf Antrag des Vorstandes, den Neudruck der
Satzungen des Central Vereins betr., wurden manche
kleine Aenderungen in den Ausführungsbestimmun¬
gen, zum Theil nur solche, die sich auf die
Fassung derselben bezogen, angenommen. — Als
etwas Neues müssen wir eine an den Vorstand des
Vereins von den Geschäftsführern der Versamm¬
lung deutscher Aerzte und Naturforscher in Wien
eingegangene Einladung hervorheben.
Wissenschaftliche Sitzung am 10. August.
Vormittags 9 Uhr.
Da der zum Ehrenvorsitzenden im vorigen
Jahre ernannte Dr. Kallenbach leider nicht er¬
scheinen konnte, so übernahm Dr. Weber-YLo\n die
Leitung der Sitzungen. Er eröffnete dieselbe mit
einer an Dr. Kallenbach'$ (in der Allg. hom. Ztg.
veröffentlichten) Vortrag anknüpfenden Ansprache,
worin er in kernigen Worten die Aussichten,
Kämpfe nach aussen wie nach innen, den ver¬
kümmerten Zustand der heutigen Therapie der
alten Schule aus dem Munde eines competenten
Kritikers in der „Zukunft,“ sowie den Kernpunkt
unserer Heilmethode selbst zeichnete.
Hierauf hielt Dr. Windelband den von ihm
übernommenen Vortrag über „Influenza,“ den er
später ausführlich veröffentlichen wird. Die sich
an denselben anschliessende lebhafte Discussion
brachte für das Thema nach der therapeutischen
Seite hin manche interessante und werthvolle Ge¬
sichts- und Anhaltspunkte.
Dr. Göhr um bekam sodann das Wort zum Vor¬
trag über die Euphrasia als Arzneimittel, und hat
er sich seiner Aufgabe, die pharmakologische, phar-
makodynamische und therapeutische Stellung dieses
Mittels zu einer klaren und deutlichen Darstellung
zu bringen, mit grossem Fleisse und in kritischem,
aber nicht hyperskeptischem Sinne erledigt. Beiden
Vortragenden wurde vom Vorsitzenden der Dank
der Versammlung ausgesprochen. — Damit war
die wissenschaftliche Sitzung beendet und fand
hierauf nach einer Pause das übliche Festmahl
statt, das durch eine Reihe theils ernster, theils
humoristischer, geist- und witzreicher Trinksprüche
geistige Würze empfing. Die Wogen der Fröhlich¬
keit, belebten Unterhaltung stiegen von Stunde zu
Stunde, und war die unter starkem Regen und
Donner und Blitz beim Besuche der hohen Wart¬
burg eingetretene Abkühlung der Temperatur von
aussen auch für den inneren Menschen sehr wolil-
thuend. Noch am Abend fand sich ein kleiner
Kreis von Männern und Frauen in dem hübschen
„Waldhause“, einer sommerlichen, schöngelegenen
Filiale des „Hotel zum Kronprinzen“, in dem
die Meisten abgestiegen waren, in trautem Ge¬
spräch beisammen. — So verlief die 62. General¬
versammlung unseres Centralvereins in freundlicher,
Digitized by c^ooQie
51
freudenreicher, harmonischer Stimmung der Fest¬
genossen, und schied man unter kräftigem Händedruck
mit dem wohlgemeinten Wunsche: „auf Wieder¬
sehen in Hamburg!“ welcher Wunsch ganz be¬
sonders unserem hochverehrten Vorsitzenden, un-
serm Nestor, Dr. Lorbacher, galt, zumal dieser
1895, so Gott will, sein 50jähriges Jubiläum als
Mitglied des Centralvereins begehen wird.
Zur Typhusbehandlung.
Von Dr. Kimpel in Legau (Bayern).
Der Aufsatz des Herrn Obermedici nalrathes
Dr. von Sick über eine Typhusepidemie in der
evangelischen Diakonissenanstalt in Stuttgart und
seine Aufforderung an die Aerzte, ihre Erfahrungen
bei Typhusbehandlung zu veröffentlichen, veranlasst
mich zum Schreiben folgenden Artikels:
Seit meiner 13 jährigen Thätigkeit als Arzt habe
ich wohl über 300 Typhuskranke in Behandlung
gehabt, Patienten jeden Alters und Geschlechtes,
die meisten in Privathäusern bei Landwirtschaft
treibender Bevölkerung, unter oft sehr misslichen
äusseren Verhältnissen. Meine Erfahrungen nun
in der Typhus-Therapie gipfeln in folgenden
Punkten:
1. Der Typhuskranke soll so früh als möglich
in ärztliche Behandlung kommen.
2. Es herrsche Reinlichkeit, und zwar der Luft,
des Zimmers, der Bett- und Leibwäsche, des Kranken
selbst.
3. Der Kranke muss fleissig trinken, nicht viel
auf einmal, aber oft; im Getränk ist fleissig zu
wechseln; Bier und Weissbier ist stets verboten,
Wein meistens gestattet, oft notwendig.
4. Der Kranke darf nur flüssige Kost gemessen,
nur, was man durch einen Federkiel trinken könnte,
so lange Fieber vorhanden ist; nach Autoren des
Fiebers ist noch ein paar Monate lang grosse Vor¬
sicht in der Auswahl der Speisen notwendig.
5. Der Kranke ist gut zu lagern, fleissiger,
aber behutsamer Wechsel der Lage, um Decubitus,
Hypostasen, Thrombosen zu verhüten.
6. Um den Kranken hat Ruhe zu herrschen,
daher keine Besuche, keine freudigen und keine
traurigen Nachrichten; der Kranke ist liebevoll zu
pflegen.
7. Kaltes Wasser zu Bädern bei sehr robusten
Individuen, und wo die äussem Verhältnisse es ge¬
statten, sonst kalte Wicklungen, kalte Waschungen,
kalte Umschläge auf den Kopf, auf den Unterleib
sind anzuwenden, wie es die einzelnen Symptome,
hohes Fieber, heisse trockene Haut, Kopfschmerz,
Meteorismus etc., verlangen.
8. Medicamentöse Behandlung, und hierüber will
ich mich etwas ausführlicher äussem:
Calomel 0.5, Sacch. alb. 2.0, Mfpulv. Div. in
part. aequ. Nr. V. S. stündlich 1 Pulver in einem
Löffel voll Milch zu geben, hat mir in vielen Fällen
(bin selbst einer davon) den Typhus coupirt, wenn
es gegeben werden kann vor Eintritt eines merk¬
lichen Frostes, wenn die Typhuskeime erst im
Darmkanal und noch nicht in den Mesenterialdrüsen
und im Blute sich befinden, wenn sie also theils
durch das abgeschiedene Sublimat vernichtet, theils
mechanisch durch die laxirende Wirkung des Calo-
mels aus dem Darmkanal entfernt werden können.
Später nützt es nichts mehr. Wo mit Calomel
nichts mehr zu machen war, habe ich wohl in der
Hälfte der Fälle die meisten empfohlenen allo¬
pathischen Medicamente gegeben und bin zu der
Ueberzeugung gekommen, dass sie wohl manche
Symptome günstig beeinflussen können, aber auf
den Verlauf des Typhus und auf das Endresultat
sehr wenig Einfluss haben. (Ueber Lactophenin
habe ich noch keine Erfahrung.)
Der Umstand, dass von den meisten allopa¬
thischen Aerzten die Behandlung des Typhus mit
den modernen und alten antipyretischen Mitteln etc.
verlassen worden und der medicinische Nihilismus
stark eingerissen ist, sagt mir, dass meine Erfah¬
rung auch die Anderer ist, und dass sich die Sache
wirklich so verhält.
Dann habe ich in sehr vielen Fällen die meisten
homöopathischen Medicamente gegeben in verschie¬
denen Potenzen und Wiederholungen und habe
damit auch nicht viel mehr Freude erlebt, als mit
den allopathischen.
Ich habe mit einem hervorragenden Homöo¬
pathen und sehr gediegenen Mittelkenner ge¬
sprochen und der hat mir versichert, seine Erfolge
mit homöopathischen Mitteln im Typhus hätten ihn
auch nicht zur Homöopathie bekehrt.
Wir haben eben bisher noch kein „Simile“ für
Typhus gehabt.
Nun las ich in der Münchner medicinischen
Wochenschrift Jahrgang 1889 Nr. 8, dass Dr. Stepp
in Nürnberg das Chloroform-Wasser innerlich im
Typhus empfiehlt. Wie das Chloroform wirkt, sei
nicht zu erklären, die desinficirende Kraft des
Chloroform-Wassers könne es unmöglich sein. Er
legt die Annahme nahe, dass sich das Chloroform
im Körper spalte und die Spaltungsproducte ent¬
weder die Krankheitserreger selbst beeinflussen,
oder dass sie mit den Endproducten derselben, den
Ptomainen, dortselbst eine Verbindung eingehen
und sie für den Organismus unschädlich machen,
dass also auf die eine oder andere Weise der Or¬
ganismus gegenüber der Infection in eine günstige
Lage gebracht werde.
7 *
Digitized by Google
52
Ich fing nun an, meine Typhuskranken mit
Chloroform-Wasser zu behandeln und bin damit, wie
Dr. Stepp, ausserordentlich zufrieden. Die Kranken
nehmen die Medicin sehr gerne; das Fieber fällt
in ein paar Tagen prompt und bleibt niedrig und
alle Erscheinungen der schweren Krankheit mildem
sich, das Bewusstsein bleibt ungetrübt, die Krank¬
heit wird entschieden abgekürzt; unangenehme Er¬
scheinungen, die dem Chloroform zugeschrieben
werden müssen, habe ich gar nie beobachtet. Ich gab
immer 8—9—10 Tropfen Chloroform mit 200 Gramm
Wasser innig gemischt mit oder ohne Syrup-Zusatz,
alle 2 Stunden 8 Löffel voll, so dass die Medicin
24 Stunden reicht.
Und nun die Frage: Wie wirkt Chloroform?
Antwort: Weil es ein „Simile“ im Typhus ist.
Chloroform unverdünnt in grossen Dosen per os
gegeben bewirkt Brennen, Blasen- und Geschwürs -
bildung, Gastro-Enteritis, die sehr hartnäckig sein
soll. Inhalirt erzeugt es Hustenreiz und dann die
bekannten 3 Stadien der Narkose: 1. Das der
Willkür mit einer sich über den ganzen Körper
verbreitenden Wärme, Kriebeln und Prickeln in
den Extremitäten etc. 2. Das Stadium der Exci-
tation, sich kennzeichnend durch Delirien der ver¬
schiedensten Art, Steigen der Temperatur, aufge¬
hobenes Bewusstsein, aber Bestehen der Reflexe.
3. Das Stadium der Toleranz, Bewusstlosigkeit, Auf¬
hören der Reflexe, Paralyse der Muskeln, Sinken
der Temperatur und schliesslich Collaps.
Das Typhusgift erzeugt im Körper ähnliche
Erscheinungen wie Chloroform: Magen-Darmkatarrh
mit Geschwürsbildung, erhöhte Temperatur, Be¬
nommenheit des Sensoriums, Delirien der ver¬
schiedensten Art, endlich Somnolenz, Sopor, Collaps.
Die Stadien der Chloroform-Wirkung wickeln
sich in einigen Minuten und Stunden, die Stadien
des Typhus in Tagen und Wochen ab.
Chloroform-Narkose wie Typhus bestehen Kinder
bis zu 12 Jahren sehr leicht, die markantesten Er¬
scheinungen treten bei beiden im mittleren Lebens¬
alter auf, alte Leute ertragen beide schlecht. Wie
ähnlich ist ein im 2. Stadium Chloroformirter einem
Typhuskranken im furibunden Delirium, wie ähnlich
ein schwerer Typhuskranker im Coma einem Chloro-
formirten im Stadium der Toleranz.
Die nämlichen nervösen Central - Organe, die
durch das Typhusgift specifisch geschwächt und
gelähmt werden, werden durch das als Reizmittel
wirkende verdünnte Chloroform zum Widerstand
gewappnet. — Mögen nun andere Aerzte, Allopathen
wie Homöopathen, das Chloroform-Wasser im Typhus
erproben, möge aber kein Allopath das Chioro-
formium purum tropfen- oder (mehr hilft mehr!)
löffelweise geben oder gar die Chloroform-Narkose
einleiten, möge auch kein Homöopath im Hand¬
umdrehen die 2000. Potenz von Chloroform sich
bereiten, damit Streukügelchen befeuchten und dem
Patienten eines auf die Zunge legen — in medio
est virtus!
Anmerkung der Redaction. Wir haben dem
Herrn Dr. Kimpel gern das Wort gestattet, um
auf den Appell des Herrn Obermedicinalraths Dr.
von Sick hin, seine Erfahrungen in der Typhus¬
behandlung hier darzulegen. Er nimmt für die
Therapie das Gute, wo er es findet und huldigt
also einem Eklekticismus, der aber ein weites Ge¬
biet umspannt, und doch scheint er der Homöopathie
besonders zugeneigt zu sein, da er die Wirkung
des Chloroforms, des Mittels, welches in sehr
mässiger Dosis ihm bei seinen Thyphuskranken die
besten Dienste geleistet, dem Aehnlichkeitsgesetze
unterzuordnen bestrebt ist. Die guten Erfolge, die
sich ihm hiermit ergeben haben, erkennen wir gern
an, gestehen auch zu, dass wir bei manchen Typhus¬
kranken ein Krankheitsbild antreffen werden, welche»
vom homöopathischen Standpunkte aus auf Chloro¬
form hindeutet, obwohl dies Mittel bisher von un¬
serer Schule, wie überhaupt, so auch in diesen
Fällen unbeachtet geblieben ist. Fraglich erscheint
es uns jedoch, ob die gesammte Wirkung des
Chloroforms nach ihren objectiven und subjectiven
Erscheinungen hin und die Wirkung des Typhusgift»
durchweg parallel laufen. Das individuelle Moment
dürfen wir keinesfalls übersehen. Oder sollte das
Chloroform sich vielleicht dem Typhusprocess gegen¬
über in ähnlicher Weise verhalten, wie die Salicyl-
säure zum acuten Gelenkrheumatismus? Es mag
dieses eine Art allgeinein-specifischer Wirkung sein,
die wir unsererseits nicht ableugnen, wenn wir sie
auch nicht nach dem Simile zu erklären befugt
sind. Herr College Kimpel würde uns zu ganz
besonderem Danke noch verpflichten, wenn er uns
einige detaillirte, unter der Anwendung des Chloro¬
forms verlaufene Krankheitsfälle mittheilen wollte.
Einzelne Fälle aus der Praxis
mit Randbemerkungen.
Von Dr. med. Waszily, prakt. Arzt in Kiel.
1) Am 23. Sept. 1893 befragte mich Frau G. in K.
wegen ihrer fünfjährigen Tochter Fr. Ich finde Fol¬
gendes darüber aufgezeichnet: Pustviöser Ausschlag
über den ganzen K.örper, Eiterpusteln zeitweise sehr
gross, zuerst aufgetreten im Alter von kaum einem
Jahr, Quaddeln im Frühjahr und Herbst; Appetit¬
losigkeit von klein auf, zeitweise Heisshunger , z. B.
auf Schwarzbrot, belegte Zunge, Mundgeruch, viel
Durst, Stuhl sehr hart, von wechselnder Form, oft
mit Schmerzen, Lnn wird öfter gelassen , auch Nachts
und jedesmal wenig , unruhiger Schlaf, Blosswälzen,
Digitized by c^ooQie
5»
Schweis» besonders an den . 'unbedeckten Kotier- 1
theilen 9 sehr verdriessliche und mürrische Stimmung,
zeitweise aber ausgelassen heiter und wild. Die
Mutter ist vor der Verheirathung stets gesund ge¬
wesen, nachher krank geworden, hat dieses Kind
genährt, der Mann hat dreimal Gonorrhoe früher ge¬
habt. Diagnose: Sycosis hereditaria. Die Aufstellung
dieser nicht von modern pathologisch-anatomischer
Grundlage ausgehenden Krankheitsbezeichnung hatte
für mich grossen Werth; es war das der Gesichts¬
punkt, von welchem ich bei der Wahl der in Frage
kommenden Heilmittel ausging. Nach dem Ge-
sammtbild der Symptome stellte ich meine Arznei¬
mitteldiagnose auf Thuja. Verordnung: Thuja
C. 200. in Körnchen, drei Gaben, jeden Abend
eine zu nehmen. Die Nachwirkung sollte ruhig ab¬
gewartet werden.
Am 18. Mai 1894 kommt die Mutter wieder
mit dem Kind und berichtet, dass dasselbe seit
vorigeü Herbst, nachdem es die 3 Pulver ein¬
genommen, „ein ganz anderer Mensch geworden
sei, wie umgewandelt.“ Der Anfang der Besse¬
rung hat sich in der Veränderung der Stimmung
gezeigt, der Pustelausschlag ist allmählig ver¬
schwunden und nicht wiedergekehrt. Jetzt hat es
Keuchhusten, wogegen ich Natr. mur. angezeigt
finde, doch will ich hier darauf nicht weiter eiu-
gehen, sondern nur noch darauf aufmerksam
machen, dass ich die Ueberzeugung habe, dass ich
mit Thuja in einer Tiefpotenz gar nichts oder sehr
wenig in diesem Fall würde ausgerichtet haben.
Ich gehöre zu den sog. „homöopathischen Höchst-
potenziem“, verordne die passende Arznei von der
Tinctur und den ersten Verdünnungen bis zur
500. Potenz und hoch darüber hinaus, — hier
nicht mehr Verdünnung, sondern Potenz —, wie
es mir in dem gerade vorliegenden Fall angezeigt
erscheint. Krankheit ist eine Störung in den Be¬
wegungen in den allerkleinsten Theilen des mensch¬
lichen Körpers; in unseren Hochpotenzen ist kein
chemischer Stoff, sondern eine Bewegung das wir¬
kende Agens. In obigem Fall war nicht ein ein¬
zelnes Organ der Sitz der gestörten Bewegung,
sondern der ganze Körper; zur Umstimmung konnte
daher nicht ein Heilmittel angewandt werden,
welches durch seine chemische Beschaffenheit, oder
als Organmittel, oder als sog. Specificum wirken
sollte, sondern nur ein solches, das durch die ihm
speciell innewohnende Bewegung eine Heilwirkung
erzielen sollte. Die Thatsache der Wirkung kann
Niemand, der sie sieht, ableugnen, das „Wie“ der
Wirkung mag sich ein jeder nach seiner Weise er¬
klären.
2) Am 14. Nov. 1893 erhielt ich von einem Ver¬
wandten, der wohl ein Jahr lang von Specialisten
und Nichtspecialisten behandelt worden war, dann
die letzten Monate jede Behandlung aufgegeben
hatte, ohne sich zu einer homöopathischen Behand¬
lung entschliessen zu können, folgenden Bericht:
„Seit August habe ich mein Leiden schon, an¬
fangs nicht so heftig, mit der Zeit aber immer zu¬
nehmend. Meine Schmerzen bestehen in fürchter¬
lichem Wühlen oder Bohren im Magen, auch habe
ich Schmerz bei äusserlichem Druck, Morgens eine
belegte Zunge und einen sehr schlechten Geschmack,
obwohl ich meinen Mund Öfters ausspüle. Zum
öfteren habe ich Kopfschmerz oder mehr ein
dumpfes Gefühl im Kopfe, so dass ich ganz
schwindlig bin, aber nur Abends. Der Stuhlgang
ist unregelmässig, oft dick, oft dünn, mitunter drei¬
mal des Tages, mitunter gar nicht; beim Stuhlgang
keine Schmerzen, aber beim Harnlassen zuweilen
ein Brennen oder gleich nachher, dann habe ich
aber öfters Drang zum Uriniren. Zuweilen schlafe
ich Nachts gut, zuweilen gar nicht. Wenn ich
Nachts Schmerzen habe, schlafe ich natürlich nicht,
bin den ganzen Tag unwohl, friere und habe Kopf¬
schmerzen. Es ist jetzt 5 Uhr Abends und die
Magenschmerzen stellen sich wieder ein; es kann
in einer Stunde vorüber sein, kann aber auch bis
12 Uhr dauern, oft sind die Schmerzen nicht zum
Aushalten. Morgens bin ich manchmal so ver¬
gnügt und frisch, wie nur ein Mensch sein kann,
aber nachher ändert sich bald die Stimmung, dann
bin ich ausserordentlich mürrisch und verdriesslich.
Hoffentlich etc. etc.“ Ich bemerke dazu, dass der
Kranke früher stets gesund gewesen, sich im Alter
von 22 Jahren eine Gonorrhoe und einmaliges Re-
cidiv erworben und deswegen fortgesetzt behandelt
war. Die Gonorrhoe war sehr hartnäckig gewesen,
schliesslich war es doch einem Collegen gelungen,
die Sache mit Einspritzungen zu ,, heilen “ mit den
modernsten und wissenschaftlichsten Mitteln. Ich
verordnete jetzt Thuja C. 200., 3 Gaben zu 3 Korn,
jeden Abend eine zu nehmen. Am 25. December
1893 erhielt ich folgenden Brief, welchen ich
wörtlich anführe: „Ich muss nun wohl einen Be¬
richt über den Verlauf meiner Krankheit erstatten:
So merkwürdig die Geschichte auch klingt, mit
mir ist es viel besser, aber auch wieder schlechter
geworden. Zuerst bekam ich nach dem Pulver
sogar Nachts gehörigen Durchfall, Blut, Schleim,
alles ging weg. Dabei ein fürchterliches Brennen
in der Harnröhre, welches aber bald nachliess. Am
zweiten Tag lief aus der Harnröhre etwas ganz
klarer, weisser Schleim und am dritten Tag war
es, als ob ich einen Tripper hätte; sonderbarer
Weise ward mir immer wohler dabei. Leibschmerzen
habe ich in den letzten 8 Tagen gar nicht gehabt,
ebenso das dumpfe Gefühl im Kopfe ist nur noch
verschwindend wenig; und obwohl die Geschichte
noch immer läuft, keine Schmerzen in der Harn-
Digitized by
Google
54
rohre, auch keinen Drang zum Wasserlassen, Stuhl¬
gang regelmässig, fest und leicht, Appetit gut, ja
ich esse sogar viel. Wie ich aber jetzt zu dem
Tripper komme, weiss ich mir nicht zu erklären;
mein Wort, ich habe in dem letzten */ 4 Jahr kein
Mädchen besucht. Kann die Sache auch von den
Pulvern herrühren? Sonderbarer Weise bin ich
dabei so viel besser zu Muth als vorher. Der Aus¬
fluss wird in den letzten Tagen scheinbar dünner
und flüssiger, am Ende hört er von selber wieder
auf etc. etc.“ Dass nach den 3 Gaben der 200. Po¬
tenz obige Erscheinungen auftraten, wunderte mich
nicht, ich bin „so leichten Herzens , von einer sol¬
chen Hochpotenz Heilerfolge zu erwarten .“ Ich habe
täglich Gelegenheit, Thatsachen und Beweise zu
sehen; wer da sagt: post hoc, non ergo propter
hoc, den bemitleide ich; wer aber sagt, ich habe \
die 200. Potenz nicht angewandt, weil ich mit
Tiefpotenzen befriedigende Erfolge sah, oder weil
ich die Schwierigkeit bei deren Anwendung in der
Praxis: „dass man nur zu genau (las specifische
Mittel finden müsse “, nicht überwinden kann oder
will, zu dem sage ich: aude sapere. — Genug,
der Kranke ward durch solche Hochpotenz geheilt,
theoretische Spitzfindigkeiten kümmern ihn nicht.
3) A. G., ein zwölfjähriges, echtes Pausbacken¬
mädel, ist am 19. April 1894 an heftiger Halsent¬
zündung erkrankt. Der ganze Pharynx und die
Tonsillen sind geröthet und geschwollen , Speichel¬
sekretion sehr vermehrt , Schnupfen mit reichlicher
Schleimabsonderung. Die Nacht vorher ist das
Kind sehr unruhig gewesen, ist durch Chamillen-
thee in Sch weiss gebracht, hat viel über Hals- und
Stirnkopfschmerzen geklagt. Temperatur 38,9°.
Ohne lange zu überlegen, verordnete ich Mercur.
solub. C. 3., 3stündlich von der Wasserauflösung
einen Löffel zu nehmen. Nach 2 Tagen wurde
mein Besuch gewünscht, wo ich das Kind schon
besser wähnte. Davon war jedoch keine Spur. In j
den beiden Nächten war die Kranke recht unruhig
gewesen, war besonders nach Mitternacht aus dem I
Schlaf aufgefahren, hatte delirirt; Kopf- und Hals¬
schmerzen waren nach dem Erwachen schlimmer ,
an den Tonsillen zeigte sich ein käsiges Exsudat ,
welches ich beim ersten Anblick für diphtlieritische
Membran hielt, Mundgeruch , ferner ein Gefühl, als
läge ein Haar auf dem hinteren Thed der Zunge ,
welches durch Essen oder Trinken nicht zum Ver- '
schwinden gebracht werden konnte; Stuhlgang
durch Klystier, Urin dunkel und spärlich. Verord¬
nung: Kali bichrom., glob. VHI. in 1 / 2 Glas Wasser |
aufgelöst, davon 3stündlich einen Theelöffel voll
zu nehmen. Am nächsten Mittag Besserung in
jeder Beziehung, die subjectiven Symptome hatten
sich schon nach dem zweiten Einnehmen gebessert.
Temperatur 38,0°. Die Verordnung blieb dieselbe ;
bis zur völligen Wiederherstellung. Die Wahl von
Kali bichrom. gegen diese Angina follicularis ge¬
schah lediglich auf das Symptom hin: „ Empfin¬
dung eines Haars auf der Zunge “; hätte ich gleich
zu Anfang etwas genauer nachgefragt, so hätte ich
mich nicht erst mit Mercur. aufzuhalten brauchen.
Dieser und jener würde freilich auf dieses subjec-
tive Symptom nichts gegeben haben. Wenn aber
jemand, der unsere Arzneimittellehre kennen will,
ein Symptom wie dieses nach Art des Herrn
Dr. Puhlmann in der „Populären“ als lächer¬
lich u. s. w. hinstellt, so stellt er sich damit ein
trauriges Armutszeugnis aus. Nach meiner Ueber-
zeugung und meinen Beobachtungen sind derartige
Symptome oft für eine individuelle Arzneimittel¬
diagnose gerade die werthvollsten. Soeben ist eine
kleine Schrift erschienen, wieder einmal eine kleine
Paulusgeschichte, in welcher ich manchen Anklang
an meine Anschauungen fand: „Die homöopathische
Arzneimittellehre. Eine kritische Studie von
Dr. Arthur Sperling“ — einem auf elektrothera-
peutischem Gebiet thätigen Forscher und Mit¬
herausgeber der Zeitschrift für Hypnotismus _ #
Verlag von Max Merlin, Wien-Leipzig 1894. Neben
der Erörterung der Wirkung minimaler Dosen wird
darin auch dieser Punkt unserer Arzneimittellehre
berührt. Verfasser greift Lycop. heraus, charak-
terisirt es nach Feilenberg-Ziegler und bemerkt
dazu pag. 28: „Dem Arzt unserer Schule muss es
sehr befremdend Vorkommen, dass auf diese Dinge
Werth gelegt wird und er lacht, wenn er unter
Lycop. liest: „Der eine Fuss kalt, der andere warm.“
Sicherlich ist dieses Symptom lächerlich, wenn man
es einzeln betrachtet; eingereiht jedoch in den
Complex der Symptome kann es von Wichtigkeit
sein“ etc. — Wenn ein frei und ehrlich forschender
und denkender Gegner das anerkennt und in einer
populären homöopathischen Zeitschrift homöopathische
Aerzte lächerlich gemacht werden, weil sie auf
solche Symptome Werth legen, was soll man dazu
sagen ?
Ein Fall von Capsicum-Vergiftung.
Eine 39jährige Frau, welche in einer Fabrik
arbeitete, wo Capsicum-Pflaster hergestellt wurden,
bekam folgende Symptome:
Sie empfand zuerst plötzliche und sehr hoch¬
gradige Schwäche mit sehr intensiver Kälte. Wenn
sie sich ans Feuer stellte, so ward diese besser;
doch kehrte sie bald zurück, sobald sie sich davon
entfernte. Diese letztere Steigerung schien sowohl
von der verminderten Hitze als auch von der Be¬
wegung abzuhängen. Die Kälte concentrirte sich
im Rücken. Sie hielt, von heftigem Schütteln
(Schüttelfrost) begleitet, etwa V/ 2 Stunden an,
Digitized by
Google
55
worauf Kälteschauer folgten, die anhaltend die
Wirbelsäule hinabliefen, mit einer Empfindung, als
ob Wasser die Vorderfläche der Brust an der Fossa
suprasternalis abwärts herabriesele. Durst äusserst
heftig, aber der geringste Schluck Wassers brachte
heftigen Schauder hervor. Sie hielt trotzdem bei
ihrer Arbeit aus und nach 2—3 Tagen entwickelte
sich ein starker Schnupfen. Dr. Fr. Calkins Bunn
sah sie erst vier Tage danach — sie hatte in¬
zwischen die Arbeit ausgesetzt — und die Symp¬
tome, welche er bei seinem Besuche constatirte,
waren folgende:
Gemüth . Grosse Ruhelosigkeit und Reizbarkeit.
Redselig — sie spricht fortwährend über ihre Be¬
schwerden. Sehr geschwätzig.
Kopf. Kopfweh in Schläfen und Stirn mit
grosser Hitze. Sie möchte den Kopf schlagen und
zerstossen. Dabei grosse Unruhe, vollständige
Schlaflosigkeit; Kopfweh schlimmer von Bewegung
und Licht.
Augen . Heftiges Brennen, mit heisser, reich¬
licher, stark reizender Absonderung. Die Lidbinde¬
haut und die Lider selbst sehr roth und entzündet,
aber die Conjunctiva oculi nicht afficirt. Die
Pupille erweitert und sehr lichtscheu. Die Augen
ungewöhnlich glänzend.
Nase . Die Schneider’sche Membran stark con-
geßtionirt, von ganz besonderm Glanz, dunkelroth.
Reichlicher, sehr heisser und ätzender Ausfluss
von wässerigem Aussehen.
Angesicht blass, besorgt.
Lippen sehr glänzend dunkelroth — wie die
Nasenschleimhaut.
Zunge geschwollen, glänzend dunkelroth, den
Eindruck der Zähne zeigend, kann nur ein wenig
vorgestreckt werden, als ob sie sich der An¬
schwellung wegen an dem Gebiss stiesse.
Mund kann nur wenig geöffnet werden wegen
heftigen Schmerzes und Krampf im Kiefernwinkel.
Man konnte deshalb keinen Einblick nach dem
Pharynx gewinnen. Grosse Hitze im Mund und
Halse.
Gastrisches . Vollständige Appetitlosigkeit. Frost¬
schaudern und Uebelkeitsempfindung beim Versuch
zu essen. — Intensiver Durst, aber der geringste
Schluck Wasser verursacht heftigen Frostschauder.
Stuhl . Hartnäckige Verstopfung; diese ist aber
bei ihr gewöhnlich.
Blase . Heftige Strangurie, häufiges Uriniren
unter sehr heftigem Brennen, begleitet von starkem
Schüttelfrost im Rücken.
Kehlkopf Zeitweise krampfartige Zusammen¬
ziehung wie zum Ersticken. Die Stimme bald sehr
rauh und barsch, bald normal. Trockner, krampf¬
artiger, gewaltsamer Husten.
Brust . Stechender Schmerz im unteren Theil
der linken Brusthälfte vom Rücken her. Kein
Zeichen einer Lungen- oder Bronchial-Affection.
Empfindung, als ob Wasser vom am Brustkasten
herabriesele.
Rucken. Heftiger Schmerz über die Nieren¬
gegend. Anhaltende, den Rücken herabkriechende
Kälte. Die heftigen Frostanfälle beginnen im Rücken.
Unterglieder schmerzhaft. Der Frost fährt vom
Rücken in die Hüften hinab.
Schlaf Gänzliche Schlaflosigkeit, wie sie sagt,
wegen der Kopfschmerzen und des beständigen
Frostes. — Hyperästhesie der Haut über die ganze
Körperoberfläche — eine Steigerung des bei ihr
sonst bestehenden Zustandes. Die geringste Be¬
rührung ist ihr empfindlich. (Dr. Frank Calkins
Bunn.) M.
(North American Journal of Homoeopathy. Juni 1894.)
Calcarea carbonica in der Gallensteinkolik.
A kingdon for a horse! ein Heilmittel, das die
furchtbaren Schmerzen und Beschwerden cito, tute
et jucunde zu lindern und zu heben vermag, welche
den von einer Gallensteinkolik Betroffenen oft bis
zur Unerträglichkeit quälen, — ein solches Mittel
zu besitzen, ist wohl ein sehnlicher Wunsch jeden
Praktikers gewesen. Von den bisherigen Mitteln,
welche dem homöopathischen Arzte zu Gebote
standen, ist wohl die Belladonna (resp. Atropin)
dasjenige gewesen, das, selbst wenn es der Ge-
sammtheit des bei einem Patienten dieser Art
hervortretenden Symptome nicht völlig entsprach,
dennoch das Meiste geleistet hat. Aber auch unter
seiner Wirkung war dem Patienten ein oft viele
Stunden andauernder Schmerzkampf nicht erspart.
Zum Morphium habe ich mich kaum je entschliessen
können, zumal die verstopfende Nachwirkung dem
Abgänge der Gallensteine so hindernd in den Weg
tritt; dabei ist es auch nicht immer von schlagender
Wirkung.
Unter solchen Umständen wird man gern zu
einem Mittel greifen, das, obwohl es beim ersten
Anblick uns hier gar nicht angezeigt scheinen
möchte, doch das Zeugniss guter, glaubwürdiger
Beobachter auf seiner Seite hat. Wir meinen Cal¬
carea carbonica. Wer es zuerst bei Gallenstein¬
kolik angewandt hat, ist uns nicht bekannt. In
den letzten Jahren mehren sich aber die für das¬
selbe günstig lautenden Beobachtungen, und, wenn
ein Mann, wie Dr. Hughes, der unter uns einer
der Exaktesten von den Exakten ist, von ihr sagte:
„Die Wirkung dieses Mittels war (in dem besproche¬
nen Krankheitszustande) etwas Merkwürdiges; es
hat mir niemals versagt,“ so muss sicher Etwas
daran sein. Referent hat bisher nur ein Mal bei
Digitized by ^.ooQle
56
einer Frau, die schon mehrfach an sehr heftigen
Gallensteinkoliken gelitten, im letzten Anfalle dieser
Art, nach Atropin freilich, Calc. carb. angewandt.
Das Mittel war hier um so mehr angezeigt, als
Patientin an hoher Fettsucht leidet. — Wenn er
auch nicht etwas Magisches von demselben gesehen
hat, so doch eine erhebliche Abkürzung der klini¬
schen und namentlich subjectiven Erscheinungen.
In dem Medical Century, vom 1. April 1894,
begegneten wir einer von Dr. S. G. A. Brown be¬
richteten interessanten Beobachtung über das hier
besprochene Thema.
Ein 49 jähriger Arbeiter, von kräftiger Constitu¬
tion, ward plötzlich, zwei (englische) Meilen von
seiner Heimat, von, wie er sagte, Krämpfen be¬
fallen. Ein Freund gab ihm drei Drachmen Lau-
danum, die er auf 1 Mal nahm. Dann machte er
sich auf nach Hause, musste aber alle 500 Ellen
erbrechen. In S. gaben ihm seine „Freunde“ ein
Glas Whisky, das er ebenso hinunterstürzte. Da¬
nach kam sofort ein ganz furchtbarer Anfall, so dass
man schnell nach dem Arzte sandte. Dieser liess
ihn nach Hause bringen, und da seine Symptome
Colocynthis abspiegelten, so erhielt er von diesem
Mittel mehrere Gaben, und zwar von der Stamm-
tinctur.
Da dies nicht beschwichtigte, so ward Morphium
zu J e Vs Gran, alle 10 Minuten, eine Stunde
lang, subcutan injicirt. (Das war doch etwas
stark! ßef.) Trotzdem dauerte der Schmerz in
höchstem Grade an, so griff Dr. Brown zu Chloro-
form-Einathmungen, in der Hoffnung, auf diese
Weise den Patienten zu erleichtern, bis der Gallen¬
stein — denn ein solcher musste wohl da sein —
in das Duodenum gelangt wäre.
Alle halbe Stunden liess man den Patienten
zum Bewusstsein kommen, aber sein Leiden war
unverändert.
Dieser Zustand zog sich 12 Stunden hin, auch
die heissen Umschläge auf den Unterleib hatten
keinen Erfolg, so dass der Doctor unruhig wurde.
Er ging nach Hause und fand beim Nachschlagen
in Gattchell’s Keynotes: „Calcarea carb.“ Gieb
alle fünfzehn Minuten eine Dosis, während des An¬
falls, um den Schmerz zu beschwichtigen! — Zum
Patienten zurückkommend fand er diesen wie einen
Wahnsinnigen rasen.
Dr. Brown that 10 Tropfen Calc. carb. 30. in
ein halbes Glas Wasser und gab ihm hiervon einen
Theelöffel voll. Die Wirkung war zauberhaft.
Innerhalb 10 Minuten ward er ruhig. Er bekam
eine zweite Gabe und er würde nach 5 Minuten
eingeschlafen sein, hätte Dr. Brown es zugelassen.
(Warum geschah dies? Ref.) Aller Schmerz war
vergangen, es blieb nur etwas Empfindlichkeit des
Leibes zurück, für das Nux vom. gegeben wurde. —
Bei einem Besuch 6 Stunden später fand Dr. Brown
in den inzwischen entleerten Fäcalien 3 Gallen¬
steine, welche gross und ziemlich rauh, von un¬
regelmässigen Contouren, waren.
Etwa acht Tage darauf hatte Dr. Brown Ge¬
legenheit, bei einer an der gleichen Krankheit
leidenden Frau die Wirkung der Calc. carb. (in
Wasser) mit einem ebenso günstigen Erfolge zu
geben. —
Der Patient, von dem zuerst die Rede war,
bekam nach längerer Zeit einen starken Rückfall
der Kolik. Er bekam Calc. c. in gleicher Weise;
nach 20 Minuten kam er in Schlaf, aus dem er
nach zwei Stunden schmerzfrei erwachte, abgesehen
von etwas Empfindlichkeit im rechten Hypochondrium.
Es wurde noch drei Tage lang von dem Mittel
verabreicht; bei den Entleerungen gingen dann
mehrere Steine ab. (Dr. Brown.) M.
(Medical Century. April 1894.)
L’omiopatia in Italia.
Das XXII. Heft der genannten Zeitschrift,
Organs der Instituto omiopatico Italiano, das un¬
serem Centralverein etwa entspricht, giebt uns wie¬
der erfreuliche Kunde über den Fortgang der
Homöopathie in Italien; doch scheint die missliche
Finanzlage einen leichten Schatten auch nach dieser
Seite hin geworfen zu haben. — Die von dem In¬
stitut ins Leben gerufenen Polikliniken (Dispen¬
sarien) in Rom, Turin, Mailand und Venedig er¬
freuen sich eines immer zunehmenden Zuspruchs,
ein Zeichen, welche sociale Bedeutung die Homöo¬
pathie gerade für die Armen und Aermsten im
Volke hat. Dazu kommen noch einige kleinere
Hospitäler, wie das in Turin und Venedig. — Aus
der Klinik des Türmer Spitals theilt Dr. Fulvio
Bonino folgenden interessanten Fall mit, den er
als eine Myelitis bezeichnet.
Ein 64 jähriger Tapezierer, weder Trinker, noch
Raucher, auch nicht syphilitisch gewesen. Seine
Mutter, im 72. Lebensjahr gestorben, war an den
Händen gelähmt. — Patient selbst hatte in der
Jugend an einer Pleuritis, an Schwindel und Tinea
gelitten.
Im October vorigen Jahres bemerkte Patient,
dass seine Beine schwer und steif wurden, unter
schmerzhafter Empfindung von Reissen und Zu¬
sammenziehung; diese Erscheinungen nahmen in
dem Grade zu, dass er nicht gehen konnte. Gleich¬
zeitig Schwäche in den Armen mit Taubheitsgefuhl
in den Fingerspitzen, begleitet von Anästhesie der
Haut. Er bekam damals Kalium jodatum.
Am 20. November kam er in das Ospidale di
S. Giovanni, wo man ihn elektrisch behandelte,
Digitized by k^ooQle
57
auch gab man ihm Bäder und subcutane Strychnin- |
Einspritzungen. Demungeachtet wurden die zu- ^
sammenziehenden Schmerzen in den Untergliedern
immer heftiger, sodass er weder Tag noch Nacht
Ruhe hatte. Am 28. December wurde er dann in
das homöopathische Spital getragen.
Ausser den oben geschilderten Symptomen con-
statirte Dr. Bonino hier: Atrophie der Glieder (ins¬
besondere der Beine) mit Abnahme der Muskel¬
kraft. Die Anästhesie an den Händen in dem
Grade, dass sie keinen Gegenstand zu unterschei¬
den vermöge, während die Fingerspitzen der Sitz
einer schmerzhaften Hyperästhesie sind, mit der
Empfindung von elektrischen Schlägen bei schlichter
Berührung. Die thermische Sensibilität ist erhalten.
Die Kniereflexe sind aufgehoben, die Sphincteren
normal und die anderen Systeme zeigen nichts Be-
merkenswerthes. Die Schmerzen in den Unter¬
gliedern gestatten ihm, wie gesagt, keine Ruhe;
um etwas Erleichterung zu haben, ist er genöthigt,
sich auf dem Bette hin und her zu schwingen;
unter diesen schnell und ganze Stunden lang
fortgesetzten Schwingungen (Schaukelbewegungen)
scheinen sich die Schmerzen zu vertheilen und an
Heftigkeit zu verlieren. Patient erhielt Carbonicum
bisulphurat. (Carburetuin sulphuris Schwefelkohlen¬
stoff) eine Woche lang, aber mit geringem Erfolg.
Sodann in Anbetracht des brennenden Charakters
der Schmerzen, ihrer nächtlichen Steigerung, sowie
der durch Bewegung bemerkten Erleichterung ward
Arsenicum verabreicht (in niederen Dosen bis zu
einem Milligramm pro die). Der Kranke fühlte
hiervon bald eine wohlthuende Wirkung, die sich ;
von Tag zu Tag deutlicher markirte, so dass er
fast die ganze Nacht schlafen konnte.
Nach 15 Tagen der Arsenbehandlung fing er
an, sich auf den Füssen zu halten, ja mit Hilfe von
Krücken konnte er einige Schritte machen. Die
Schmerzen haben sich in ein peinliches Gefühl von
Müdigkeit in der Knie- und Fussbeuge umgesetzt.
In den folgenden Tagen konnte er sich auf den
Füssen halten und ohne Stelzen durch das Zimmer
gehen.
Am 12. Februar d. J. verliess er das Spital
in folgendem Zustande: Die Schmerzen sind völlig
geschwunden, die Beine sind schwach und schwer¬
fällig mit leichtem Gefühl von Muskelcontractur
t bei Bewegung. Die Zuckungen in den Händen
sind viel geringer, die Muskelkraft und das Tast¬
gefühl erhöht, die Hyperaesthesia dolorosa ver¬
schwunden, der Muskelschwund merklich gebessert.
Aber inzwischen haben sich neue Erscheinungen
gezeigt, welche der Krankheit ein anderes Gepräge
gaben. Der Kranke zeigte eine beginnende, gut
gezeichnete Ataxie, das Romberg’sche Phänomen
tritt charakteristisch hervor. Indessen fehlen die
anderen, der Tabes dorsualis eigenthümlichen Zeichen
(das Augen-Phänomen, die schmerzhaften, gastrischen
Anfälle etc.), so dass es aus den gegenwärtigen,
verschiedenartigen Zeichen schwer fällt, den anato¬
mischen Sitz des Spinal-Leidens mit Bestimmtheit
festzustellen. — Aber das war auch nicht die Auf¬
gabe, welche sich Verf. bei Abfassung dieses (wie
er es nennt) ziemlich dürftigen und unvollständigen
pathologischen Gemäldes stellte; er wollte vielmehr
darin hervorheben, wie der Arsen in diesem Falle
eine prompte und entschiedene Wirkung geäussert
habe, als ein Mittel, das den am Kranken vorhan¬
denen Symptomen vollständig entsprach.
Seitdem hat sein Zustand unter Anwendung
passender Mittel (so Secale cornutum und Alumina)
langsame, aber stetige Fortschritte zum Bessern
gezeigt, so dass eine Wiederherstellung zu erhoffen
ist. — Uns interessirt in diesem Falle die Gaben¬
grösse ; diese bewegte sich in den niederen Dosen
bis zu 1 Milligramm als Tagesgabe, also nach
homöopathischen Begriffen eine starke. Es mag sich
hier um Gewebsveränderungen handeln, die ja,
auch nach Kunkel, stärkere Arzneidosen oft er¬
fordern.
Aus der Dispensiranstalt zu Rom berichtet Dr.
G. Secondari eine Anzahl interessanter Krankheits¬
geschichten und Heilerfolge. So der Fall von einem
18jährigen Handelscommis, der, schlank und behende,
seit 4 Jahren an chronischem Nasenbluten litt und
mit Calc. c. 6. und 30. innerhalb 2 Monate geheilt
wurde.
Ein 23jähriges Dienstmädchen mit einem col-
loiden Kropf von Pomeranzengrösse, der ihr Druck
auf die Luftröhre und Dyspnoe verursachte, ward
in 6 Monaten mittels Lycopod. und dann Spongia 6.
und 30. völlig geheilt.
Ein 48jähriger Bedienter, seit 10 Jahren an
Trachom und Pannus leidend, von einer oculi-
stischen Celebrität der Hauptstadt als unheilbar er¬
klärt, suchte im homöopathischen Dispensarium
Hilfe. Er zeigte Ekzeme am linken untern Augen¬
lide, Brennen im linken Auge und Neuralgie über
und unter der Orbita. Am 25. Mai bekam er
Arsen. 6., später Ars. 30. Am 7. Juni Schmerz
im Augapfel, besser vom Schliessen der Augen.
Nitri acid. 6. Danach eine Keratoconjunctivitis und
Brennen, wogegen Ars. 200., danach besser. Ars. 200.
repetirt, dann Sacch. lactis, am 15. Juli als ge¬
heilt entlassen. — Verf. macht auf die von Acid.
nitric. hervorgerufene Verschlimmerung aufmerk¬
sam. — Eine solche wissen die Oculisten durch
Jequirity auch zu erregen. Dies war beim Patient
in der That angewandt worden, es hatte aber den
Zustand in dem Masse verschlimmert, dass man
das Sehvermögen für unrettbar erklärt hatte, was
ihn dann zu seinem Glück zur Homöopathie trieb.
Digitized by
Google
58
Im Türmer Dispensarium sind im Laufe vorigen
Jahres 1468 Kranke behandelt worden, die Zahl
der Verordnungen belief sich auf 5825. In Venedig,
wo leider die Tuberkulose und Scrophulose in der
armen Bevölkerung sehr stark verbreitet ist, suchten
in dem Semester vom November 1893 bis April
1894 an 852 Kranke im homöopathischen Dispen¬
sarium Hilfe, davon wurden geheilt 275, gebessert
88, es blieben in der Behandlung 39.
Dr. Mossa,
Regeln des collegialen Anstandes.
Medicus medicum odit. So verbreitet diese
Redensart auch ist, so ist doch glücklicherweise die
durch dieselbe zum Ausdrucke gebrachte Thatsache
keine gar häufige. Uns Aerzte verbindet ja das
Band der Collegialität, d. h. des Bewusstseins,
Jünger der Wissenschaft und Adepten einer Kunst
zu sein, deren Förderung die Förderung der sie
Ausübenden verlangt, Mitglieder eines Standes zu
sein, dessen Ansehen die Summe jenes Ansehens
ist, dessen sich die einzelnen Standesgenossen er¬
freuen.
Allgemeine Geltung besitzt aber der Satz: Medi¬
cus medico invidet, besonders heutzutage, wo für
die ärztliche Ansiedelung als Illustration des viel¬
berufenen Aerztemangels das Gesetz herrscht, dass,
wo ein Arzt zu leben hat, sicherlich ihrer zwei oder
drei wohnen. Damit nun die Invidia nicht in
Odium umschlage, damit ein freundschaftliches oder
leidlich freundschaftliches Verhältniss sich heraus¬
bilde, damit wenigstens die Collegialität, das Be¬
wusstsein der Zusammengehörigkeit, erhalten bleibe,
ist es unbedingt nöthig, dass der Kampf um’s Dasein
nicht rücksichtslos geführt werde, sondern dass man
sich eine gewisse Selbstbeschränkueg auferlege,
welche je nach Umständen eine verschieden ge¬
artete sein kann.
Für den Verkehr am Krankenbette giebt es
aber gewisse Regeln, deren Beobachtung stets
Pflicht ist. In Nr. 48 und 49 des letzten Jahr¬
ganges bringt das „Journal de mödecine de Paris“
eine Zusammenstellung solcher Regeln, wie sie
Prof. Grasset in Montpellier in seinem Buche:
„Consultations mädicales sur quelques maladies fre¬
quentes“, Montpellier 1894, anführt und welche
fast durchwegs als bindend anzuerkennen sind:
Niemand darf in seiner Eigenschaft als Arzt
ein Haus betreten, wenn er dessen nicht sicher ist,
dass nicht bereits ein anderer Arzt daselbst be¬
handelt.*)
•) In dieser Fassung vielleicht zu rigoros; der Bedin- |
gungssatz wäre wohl besser positiv zu formuliren, also: |
wenn er weiss, dass ein anderer Arzt daselbst behandelt. j
Ist jedoch Gefahr im Verzüge und befindet man
sich gerade in der Nähe, oder ist sonstwie Hilfe
dringend nöthig und der gewöhnlich behandelnde
Arzt nicht zu Hause oder verhindert, so hat man
den Kranken zu besuchen und das Nöthige zu
veranlassen.
Man darf aber nur diese einzige Dringlichkeits¬
visite machen; man darf auch nicht wieder kommen,
selbst bloss, um zu fragen , wie es dem Kranken
gehe , ausser man wäre von dem behandelnden Arzt
formell eingeladen worden, den Kranken nochmals
mit zu besuchen.
Die Familie des Patienten ist zu beauftragen,
den behandelnden Arzt von der gemachten Dring¬
lichkeitsvisite und den getroffenen Anordnungen in
Kenntniss zu setzen. Ist Verdacht vorhanden, dass
die Visite dem behandelnden Arzt verschwiegen
oder nicht wahrheitsgemäss mitgetheilt würde, so
hat man diesen selbst mündlich oder schriftlich zu
verständigen. Es erfordert die Höflichkeit, dass
dann der behandelnde Arzt den Collegen, welcher
die Dringlichkeitsvisite gemacht hat, an einem der
nächsten Tage einlädt, den Kranken nochmals mit
ihm zu besuchen; doch ist dies keine absolute
Pflicht Der behandelnde Arzt hat auch darauf zu
sehen, dass dem Collegen für seine Aushilfe das
Honorar entweder vor oder wenigstens gleichzeitig
mit dem eigenen gezahlt werde.
Ist der gewöhnlich behandelnde Arzt erkrankt,
so kann man dem Rufe zum Kranken folgen und
diesen während der Dauer der Krankheit des
Collegen behandeln.
Es ist zwar nicht dringend nöthig, aber doch
gut, den kranken Collegen zu verständigen und,
falls es sich um einen interessanten Fall handelt,
öfter mit ihm über denselben zu sprechen.
Sobald der gewöhnlich behandelnde Arzt wieder
genesen ist, so hat man ihm den Kranken in einer
gemeinsam gemachten Visite wieder zu übergeben.
Der stellvertretende Arzt bat das Honorar in der
Regel auch dem vertretenen Arzt ganz zu über¬
lassen, doch ist dies keine stricte Pflicht.
Ist der gewöhnlich behandelnde Arzt temporär
abwesend, so kann man die Behandlung über¬
nehmen und fortführen, muss ihm dieselbe jedoch
nach seiner Rückkehr in einer gemeinschaftlichen
Visite wieder übergeben.
Wenn ein Kranker seinen Arzt wechseln will,
so hat dies keine Schwierigkeiten, wenn es sich
um eine noch nicht behandelte Krankheit handelt,
oder wenn der frühere Arzt gestorben ist, oder
wenn es sieb um eine bisher an einem anderen
Ort behandelte Krankheit handelt: man folgt ein¬
fach dem Rufe.
Handelt es sich jedoch um eine Krankheit,
welche bereits von einem Collegen behandelt wird.
Digitized by ^.ooQle
59
so hat man, ehe man die Behandlung übernimmt,
zu verlangen, dass der bisher behandelnde Arzt in
unzweideutiger Weise von dem Arztwechsel ver¬
ständigt werde. (Dieser stellt dann seine Besuche
natürlich sofort ein.)
In gewissen Fällen kann man vor Uebemahme
der Behandlung verlangen, dass dem bisher behan¬
delnden Arzt das Honorar zuvor bezahlt werde.
Hat man Verdacht, dass die Familie den Sach¬
verhalt verhehlen oder falsch darstellen will, so
verständigt man den früheren Arzt selber münd¬
lich oder schriftlich.
Unter allen Umständen hat man sich jeder, der
offenen und der versteckten Kritik des Arztes, den
man vertritt oder dem man folgt, zu enthalten;
die Anordnungen trifft man nach eigenem Ermessen.
Da die Familie der Patienten häufig aus Un-
kenntniss oder bösem Willen den Sachverhalt ver¬
hehlt oder entstellt, so darf man niemals einem
Collegen vorwerfen, dass er sich gegen diese Regeln
der Collegialität vergangen habe, ehe man sich
überzeugt hat, dass er von der Sachlage aus¬
reichende Kenntniss hatte.
Consiliarii.
Wenn ein Consilium vom behandelnden Arzte
oder der Familie verlangt wird, so kann ersterer
den Consiliarius vorschlagen; wünscht die Familie
jedoch einen anderen, so soll ihn der Arzt accep-
tiren, auch wenn der Vorgeschlagene an Alter,
Rang oder Stellung hinter ihm zurückstände, voraus¬
gesetzt, dass die persönliche und Standesehre un-
bezweifelt sind.
Man kann auch ein Consilium mit einem Ho¬
möopathen abhalten, jedoch nur unter der Bedin¬
gung, dass sich die Discussion auf die Diagnose
beschränke und dass das therapeutische Schluss-
ergebniss den Regeln und den Dosen der classischen
Medicin gemäss ausfalle.*) Niemals darf man ein
directes oder indirectes Consilium mit einem Cur-
pfuscber abhalten.**)
Während und nach der Untersuchung des
Kranken und in Gegenwart der Familie darf der
Consiliarius weder etwas sagen, noch eine An¬
spielung machen, woraus seine .Diagnose zu er-
rathen wäre, insbesondere dann nicht, wenn er von
der Ansicht des behandelnden Arztes abweicht;
ebensowenig darf er vor der Besprechung mit
diesem Bemerkungen bezüglich der Behandlung
fallen lassen.
*) Referent wäre nicht so unduldsam; die freiheitliche
Wissenschaft gewährt auch dem ehrlichen Homöopathen das
Recht, Achtung vor seiner Ueberzeugung zu verlangen.
Ueber etwa entstehende Schwierigkeiten würde mit einigem
guten Willen in den meisten Fällen wohl hinwegzukommen sein.
**) Selbst hier Hessen sich Ausnahmen denken, obwohl
zugegeben werden muss, dass da Connivenz sehr prekär ist.
Die Besprechung hat stets unter vier Augen
stattzufinden, das Resultat derselben ist der Familie
im Namen beider Aerzte mitzutheilen; wird diese
Mittheilung schriftlich verlangt, so ist sie von beiden
Aerzten zu zeichnen.
Besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen
den Aerzten, so trifft der Consiliarius die Anord¬
nungen nach seiner Ueberzeugung, ohne der
Kameraderie oder sonstigen Rücksichten Zugeständ¬
nisse zu machen; ist er im Gegentheil vollständig
der Ansicht des behandelnden Arztes, so soll er es
leicht über sich bringen, sich zurückzuziehen, ohne
etwas Neues zu verordnen.
Vor der Familie jedoch darf der Consiliarius
die Meinungsverschiedenheit nicht kundgeben, ebenso¬
wenig, dass die nunmehr einzuschlagende Behand¬
lungsweise etwas Neues sei, er hat vielmehr die
Sache so darzustellen, als ob sie nur ein Corollar
oder eine Folge der früheren Behandlung sei oder
aus Indicationen erflösse, welche früher noch nicht
bestanden hätten.
Ist die Verschiedenheit der Meinungen unter
den berathenden Aerzten eine tiefgehende und un¬
ausgleichbare und ist es der ausgesprochene Wille
des behandelnden Arztes, so verständige der Con¬
siliarius in delicatester Weise und nicht in Gegen¬
wart des Kranken die Familie, dass sich die be-
rathenden Aerzte nicht haben einigen können, und
dass die Zuziehung eines dritten Arztes erwünscht sei.
Ist der nunmehr gerufene zweite Consiliarius
der Meinung des ersten, so hat sich der behan¬
delnde Arzt zu fügen oder die Behandlung abzu¬
geben. Ist im Gegentheil der zweite Consiliarius
der Meinung des Behandelnden, so hat sich selbst¬
verständlich der Consiliarius darein zu ergeben.
Der Consiliarius darf die Krankenstube ohne den
Behandelnden nicht wieder betreten, aueb nicht der
blossen Erkundigung halber, ausser der Behandelnde
hätte ihn dazu ausdrücklich ermächtigt.
Niemals darf ein Arzt Behandelnder werden,
wo er als Consiliarius fungirt hat (einzige Aus¬
nahme gestattet der Tod des bisher Behandelnden).
Der Patient kann jedoch seinen Arzt wechseln und
dann kann der frühere Consiliarius neuerdings als
ConsiÜarius fungiren.
Findet sich der behandelnde Arzt nicht beim
Consilium ein, sei es, dass ihm keine Verständi¬
gung von Beite der Familie zukam oder dass er
selbst verhindert war, so hat sich der Consiliarius
wieder zurückzuziehen, ohne den Kranken unter¬
sucht zu haben, vorausgesetzt, dass das Consüium
im Domicile des Consiliarius stattzufinden hat.
Wurde er aber zu einem Consilium ausserhalb seines
Wohnortes gerufen, so kann er den Kranken auch
in Abwesenheit des Behandelnden untersuchen;
aber er darf weder eine Ansicht aussprechen, noch
s*
Digitized by
Google
«0
etwas verordnen, sondern er hat diesbezügliche
Mittheilungen nur dem behandelnden Arzte zu
machen.
Das Ordinationszimmer des Arztes ist ein
neutraler Boden, auf welchem jedem Kranken Rath
ertheilt werden kann, gleichviel, wer behandelnder
Arzt ist.*)
Jedoch hat man den Kranken im eigenen Inter¬
esse derselben und aus Schicklichkeitsrücksichten
zu empfehlen, niemals die Ordination eines ande¬
ren Arztes aufzunehmen, ohne vorher den eigenen
Arzt davon verständigt zu haben.
Desshalb soll der consultirte Arzt auch stets
fragen, wer Hausarzt des Kranken sei, ob derselbe
nicht einige Zeilen mitgegeben habe und schliess¬
lich dem Kranken einschärfen, die erhaltenen
Weisungen dem sonst behandelnden Arzte mitzu-
theilen und nichts ohne dessen Zustimmung zu thun.
Sträubt sich der Kranke dagegen, so muss man
ihm Vorhalten, dass nichts schädlicher und un¬
vernünftiger sei, als mehrere Aerzte nacheinander
zu befragen, um sich dann jene Ordination auszu¬
suchen, welche am besten gefällt.
Ist der behandelnde Arzt von der Absicht des
Kranken, die Ordination eines anderen Arztes auf¬
zusuchen, in Kenntniss gesetzt, so soll er für
diesen je nach Umständen einen ausführlichen Be¬
richt oder nur einige wenige Zeilen mitgeben.
Der consultirte Arzt giebt dann die Gutachten
schriftlich und theilt womöglich gleich eingangs die
genaue Diagnose mit und zwar ohne Umschweife,
nur das Wichtigste in eine oder zwei Zeilen fassend.
In vielen Fällen, die anzuführen überflüssig sind,
ertheilt er dem Kranken bloss seine detaillirten
Rathschläge und schreibt dann selbst an den be¬
handelnden Arzt, was die Diagnose und Prognose
angeht und was ihm sonst mittheilenswerth erscheint.
Um dem Patienten zu erkennen zu geben, dass
man die Intervention des hehandelnden Arztes für
unumgänglich hält und in keiner Weise an dessen
Stelle treten will, versieht man jede solche schrift¬
liche Ordination mit der Fussnote, dass sie dem ge¬
wöhnlich behandelnden Arzte vorzulegen sei.
Der Letztere besorgt die Ausführung der
Weisungen und überwacht die Anwendung der
Heilmittel. Sind die Weisungen seinen eigenen
Anschauungen zuwider, so kann er die Ausführung
unter irgend einem Vorwände aufschieben und sich
in der Zwischenzeit mit dem consultirten Arzt in
schriftlichen Verkehr setzen.
*) Dies gilt offenbar nur für grössere Städte. In
Heineren Orten mit wenig Aerzten ist die Einmischung in
die Behandlung eines Collegen auch in der Hausordination
unstatthaft, ausser man würde seine Meinung nicht dem
Kranken selbst, sondern nur dem Ordinarius mittheilen.
Unter allen Umständen behält der Ordinarius da«
Recht, die Dosen und das Medicament nach den
jeweiligen Anzeigen zu ändern.
Vom BUchertisch.
The truth about Homoeopathy. By Dr. Wm. H. Hol-
combe. Philadelphia 1894. Boericke & Tafel.
Das „Wahre an der Homöopathie“ ist der Titel
einer kleinen, aber inhaltvollen Schrift, welche mau
unter den Papieren des jüngst verstorbenen Dr. Hol-
combe fertig und zum Druck bereit vorgefunden
hat. Es war zu einer Entgegnung auf ein von
dem allopathischen Arzt Dr. Browning gegen die
Homöopathie geschriebenes Pamphlet bestimmt, und
während das Pamphlet bald in Vergessenheit ver¬
sunken sein wird, hat Dr. Holcombes Werk einen
bleibenden Werth.
Wie kam Dr. Browning zu seinem Angriff?
Ein Dr. Geo. M. Gould aus Philadelphia, an dessen
Respectabilität wohl kaum zu zweifeln ist, hatten
einen Preis von hundert Dollars für die beste
Schrift gegen die Theorie und Praxis der homöo¬
pathischen Heilkunst ausgesetzt. Er wollte etwas
Klares, Kräftiges und Praktisches, das den Irrthum
und die Thorheit der homöopathischen Ansprüche
auseinandersetzen, eine Schrift, welche die allo¬
pathischen Aerzte mit Eclat unter ihren Gönnern
vertheilen könnten, „um klarere Ansichten über
diesen Gegenstand zu verbreiten,“ die aber in der
That, meint Dr. Holcombe, den praktischen Zweck
haben sollte, die Berufsgenossen der alten Schule
enger aneinander zu binden und sie abzuhalten,
die Vorzüge des neuen Systems zu erforschen.
Der Preis war dem Dr. W. W. Browning von
Brooklyn zuertheilt. Dieser nennt sich auf dem
Titelblatt Baccalaureus der Künste, B. der Juris¬
prudenz und Doctor der Medicin, — und man
kann wohl annehmen, dass er alle seine auf dem
Gebiete der Literatur, der Rechtskuude und Me¬
dicin erworbenen Kenntnisse auf den einen Punkt,
die Vernichtung der Homöopathie, zur Verwendung
gebracht haben wird.
Die Broschüre betitelt sich: „Moderne Homöo¬
pathie. — Ihre Absurditäten und Unhaltbarkeit.“
Es ist nichts von Dynamit darin, sagt Dr. Holcombe,
es ist harmlos, abgesehen von solchen Leuten,
I welche durch die Darlegung getäuscht und irre¬
geführt werden. Ich bin bereit, dem aufrichtigen
Leser zu zeigen, dass es sich hier um eine An¬
klageschrift handelt, in der man dem Inculpaten
einen falschen Namen beigelegt hat. Der Titel
i dieser Preisschrift müsste vielmehr lauten: „Di®
Fälschungen und Missverständnisse des Dr. W.
| W. Browning in Bezug auf die Homöopathie und
I die homöopathischen Aerzte.“
Digitized by ^.ooQle
61
„Advocatus diaboli ist eine sonderbare, alte,
juristische Phrase für Jemand, der an seinem
Gegner den kleinsten Makel oder Fehler entdeckt
und aufdeckt, das, was er Gutes an ihm findet,
ignorirt oder verschweigt, seinen Charakter ent¬
stellt, seine Motive missdeutet, und Jegliches, was
nur immer einer falschen Auslegung fähig ist, falsch
auslegt. Parteiische Zeitungsschreiber, Rechtsanwälte,
Doctoren und Theologen spielen häufig die Rolle
des „Teufels-Advocaten.“ Dr. Browning ist ein
glänzendes Specimen dieser Species." —
Nun, Dr. Holcombe weiss ihm gut heimzu¬
leuchten, davon wollen wir einige Proben geben.
„Die Homöopathie, sagt Dr. Browning in seinem
Pamphlet, hat nun drei Viertel eines Jahrhunderts
vor dem Richterstuhl der Weltjury gestanden.
Wenn die Hälfte von dem, was ihr Begründer von
ihr behauptet, wahr gewesen wäre, so hätte sie
schon seit Jahren alle Heilmethoden beseitigt, aber
im Gegentheil, das System selbst ist praktisch todt,
und nur der Name lebt noch fort.“ Hierauf ant¬
wortet Dr. Holcombe: „Die Homöopathie als System
beruht auf drei Fundamentalideen: der Prüfung
der Mittel am Gesunden, dann dem Heilgesetz
Similia similibus und dem Erfahrungsgesetze, dass
bei der Behandlung nach diesem Princip sehr
kleine oder selbst infinitesimale Dosen der Mittel
zum Heilzweck ausreichen. Diese drei Ideen,
welche durch zahllose und immer zunehmende That-
sachen der Beobachtung und des Experimentes
bewahrheitet und bestätigt worden sind, unter¬
scheiden unser homöopathisches System vor allen
anderen. Alle Ideen sind lebendige Kräfte zum
Guten oder zum Bösen. Die drei Ideen der
homöopathischen Schule sind Kräfte von unzer¬
störbarer Energie und haben die Homöopathie zu
dem gemacht, was sie heutzutage in den Vereinig¬
ten Staaten ist. Und welches ist hier ihre wirk¬
liche Lage? Es giebt jetzt in unserem Lande
sechzehn homöopathische ärzt&ohe Collegs (Hoch¬
schulen) mit vollzähliger Körperschaft der Pro¬
fessoren, welche lehren und verbreiten die homöo¬
pathischen Ideen, jenes homöopathische System,
welches Dr. Browning für praktisch todt erklärt hat.
Es giebt dreissig medicinische, der Homöopathie
gewidmete Zeitschriften.
Es giebt fünfundfünfzig homöopathische Dis¬
pensatorien.
Es giebt vierzig allgemeine und neunund-
dreissig specialist ische homöopathische Kranken¬
häuser.
Es giebt drei nationale, dreissig einzelstaatliche
Gesellschaften, einundachtzig Ortsvereine und drei¬
undzwanzig homöopathisch-ärztliche Clubs.
Es giebt volle 12,000 promovirte und ap-
probirte homöopathische Aerzte.
Zehn Millionen von der Bevölkerung der Ver¬
einigten Staaten begünstigen das homöopathische
System. — Die Zahlen, welche den thatsächlichen
Fortschritt der Homöopathie anzeigen, haben sich
alle 12 oder 15 Jahre verdoppelt, seitdem sie in
dies Land eingeführt worden ist. In den nächsten
Generationen wird sie die Hälfte des ärztlichen und
Laien-Publikums umfassen.
Wenn wir diese Thatsachen der Behauptung
von Dr. Browning, das homöopathische System sei
praktisch todt, gegenüberstellen, so sind wir zu dem
Schluss berechtigt, dass wir in seiner Schrift „Mo¬
derne Homöopathie“ eher alles Andere, nur nicht
die Wahrheit entdecken werden.“
Erschreckt über das rapide Wachsthum der
Homöopathie in Amerika, findet Dr. Browning
grossen Trost in dem Umstande, dass ihr Fortgang
in Europa langsam und zeitweise selbst gehemmt
ist. Dies erklärt sich leicht, meint Dr. Holcombe.
Alte conservative Körperschaften, bei denen blenden¬
der Nimbus, sowie traditionelle, verbriefte Rechte
und Vorrechte allmächtig sind, fühlen das Peinliche
neuer Ideen tief und setzen sich jeder Neuerung
gegen lange bestehende Gewohnheiten und Mei¬
nungen mit Hand und Fuss entgegen. Dies gilt
leider selbst bei einigen der langsam fortschreiten¬
den oder sogar stehenbleibenden Theilen unseres
Landes. Giebt es doch hier noch Plätze, in welche
die Homöopathie mit ihren Segnungen noch nicht
eingedrungen ist. Es lohnt der Mühe nicht, bei
Dr. Browning’s antiquirter Statistik und ungünstigen
Folgerungen bezüglich des Zustandes der Homöo¬
pathie auf der andern Seite des Erdtheils zu ver¬
weilen.
Wir wissen, dass sie in allen Theilen Europas all-
mählig fortschreitet, steigend oder etwas fallend in der
Achtung des Publikums je nach den Launen oder Vor¬
urteilen von königlichen oder adligen Herrschaften. —
Wir sind stolz und zufrieden, dass sie hier in Blüthe
steht. Unser eigenes geliebtes Land ist der natür¬
liche Blumengarten für das Gedeihen jeder neuen
Wahrheit. Denn hier allein ist volle Freiheit für
Gedanken, Wort und Thätigkeit, die sich mit den
Rechten unserer Nebenmenschen vertragen, in Ver¬
bindung mit einem intelligenten und unabhängigen,
in der alten Welt nur seltenen Forschergeist.“
(Nun, den Forschergeist haben wir wohl, ein
Deutscher hat ja wie das Pulver, so auch die
Homöopathie entdeckt; was uns fehlt ist der Sinn
der Amerikaner für das Praktische, die gemein¬
nützige Verwerthung der von unsern Denkern und
Forschern zu Tage geforderten Ideen! Ref.) —
Die Grenzen der homöopathischen Heilkunst
will er nicht ableugnen. „Wo es sich urti eine
Ossification von Arterien handelt, eine krebsige
Ablagerung, eine fettige Gewebsentartung, Tuberkel-
Digitized by
Google
62
Bacillen, ein kalkiges Concrement, eine Darmver¬
schlingung, Hirnerweichung, oder einen anderen
krankhaften Zustand, den bisher kein Arzneistoff
erzeugt hat oder je wird erzeugen können, da
wird die Befolgung des homöopathischen Gesetzes
unmöglich. Hier stehen wir vor ihren gegen¬
wärtigen Schranken; was ist hier zu thun? Soll
der Arzt seinen Patienten verlassen, indem er
sagt: „Ich kann als Homöopath hier nichts thun;
mein System hat diese Provinz noch nicht erobert.“
Oder soll er sich auf seine Rechte als ein Arzt
stellen und seinen Kranken allopathisch, anti-
pathisch, elektrisch, empirisch oder sonst auf einem
Wege behandeln, der ihm Gutes verspricht? Gewiss,
wird er den letzten Weg einschlagen, und um
dieses möglichen Falles Willen bereitet er sich in
jedem Zweige der Heilkunst vor. Unter diesen
Umständen beschuldigt uns die allopathische Schule
der Inconsequenz und des Rückgreifens auf die
Mittel des alten Systems. Mag es so sein! Wir thun
es und im Allgemeinen ist dieses Zurückgreifen
ein verzweifeltes, nichtiges, hoffnungsloses Ding.“
Im Anschluss an diese werthvolle Schrift von
Dr. Holcomhe, die er wenige Tage vor seinem
Tode vollendet hatte, befindet sich eine Biographie
dieses Mannes, der mit hohen Gaben des Geistes
und grossen Eigenschaften des Charakters ausge¬
zeichnet war. — Was ihn zur Homöopathie hin¬
zog waren vor Allem die guten Erfolge, die er bei
einer Cholera-Epidemie durch die homöopathische
Heilmethode erzielte. Grosse Anerkennung fand
er durch die erfolgreiche Behandlung des gelben
Fiebers während der grossen Epidemie von 1853
zu Natchez. In Folge dessen ernannte der Vor¬
stand des Mississippi-Staat-Hospitals ihn und den
älteren Dr. Fr. Davis, den Pionier der Homöopathie
in Pennsylvanien, zu Aerzten und Chirurgen für
jenes Institut auf das folgende Jahr 1854. Die
Allopathen in jenem Staat waren hierüber durch¬
weg unwillig und schickten manchen Protest an
die gesetzgebende Körperschaft, worin sie im Namen
der ärztlichen Genossenschaft (!) die Entfernung
jener „irregulären“ Aerzte aus einem vom Staate
erhaltenen Krankenhause verlangten.
Die Legislatur sandte ein Comitö nach Natchez,
um diese Angelegenheit zu. untersuchen. Dieses
berichtete, dass der Vorstand die Doctoren Davis
und Holcomhe erwählt habe auf Grund einer Ab¬
stimmung von 12 gegen 4, und zwar deshalb, weil
diese Herren die Sterblichkeit des gelben Fiebers
von 20 per Cent auf 6 per Cent nach sicherem
Zeugniss herabgesetzt haben und in der Ueber-
■eugung, man könne für die armen Leute, die das 1
Hospital benützten, nichts Besseres thun, als ihnen
die Aerzte geben, welche sie für die geschicktesten
und massgebenden halten und die sie selbst in |
ihren eigenen Familien gebrauchten. — Die Legis¬
latur unterstützte den Vorstand und liess die beiden
homöopathischen Aerzte in unbestrittenem Besitz
ihrer Stellen und lehnte es somit ab, die allo¬
pathische Schule als die reguläre und einzige Ge¬
nossenschaft anzuerkennen, welche das ausschliess¬
liche Recht habe, in medicinalen Angelegenheiten
zu bestimmen. —
Dr. Holcomhe war ein fruchtbarer Schriftsteller,
sein Stil ist voll Kraft und Saft, anziehend und be¬
lehrend. Einige Jahre war er der Herausgeber des
bedeutenden „North American Journal of Homoeo-
pathy“; er schrieb ein Werk „The Seiende Basis
of Homoeopathy.“ Wenn wir von ihm hören, dass
er ein entschiedener Anhänger der Lehren Tweden-
borg’s gewesen, so denken wir an einen welt¬
flüchtigen Mystiker — aber mit Unrecht. Diese
Lehre gab ihm erst recht den Impuls zu einem
liehethätigen, praktischen Christenthum. In einer
30jährigen Thätigkeit zu New-Orleans ward er zu
einer wohlbekannten Persönlichkeit, gross und ge¬
bietend in seinem Auftreten, aber mit aller Freund¬
lichkeit und Leutseligkeit, die aus einem wahren
christlichen Herzen entspringen, ein Freund, Helfer
und Tröster der Armut. Interessant ist für uns
schon der Titel seiner Werke, die das religiöse,
philosophische Gebiet berühren: „Unsere Kinder
im Himmel,“ „Das andere Leben,“ „In beiden
Welten,“ „Die verloren gegangenen Wahrheiten
des Christenthums,“ „Das Ende der Welt,“ „Das
neue Leben“ u. a. Auch als Dichter nimmt er in
der Literatur der Südstaaten eine hervorragende
Stelle ein. —
Hier interessirt uns aber ganz besonders das
besprochene Schriftchen „The truth ahout Homoeo¬
pathy,“ sein Vermächtniss für die ihm am Herzen
liegende Sache der Homöopathie. 1L
LesefrUchte.
Wadenkrämpfe als frühzeitiges Symptom .
des Diabetes.
San.-Rath Dr. Unschuld-Neuenahr lenkt in
der Beri. kl. Wochenschrift 28, 1894, die Aufmerk¬
samkeit auf Wadenkrämpfe als ein frühzeitiges
Symptom bei Diabetikern. In 26°/ 0 der von ihm
beobachteten Fälle ist es auf Nachfrage angegeben
worden. — Die Wadenkrämpfe stellen sich ge¬
wöhnlich Morgens heim Erwachen ein, oft erwecken
sie den Kranken, oder stellen sich in der Nacht,
jedesmal beim Bedürfniss zu uriniren, ein; seltener
kommen sie bei Tage nach längerem Ruhen auf
dem Sopha oder nach einem Bade. — Wenn also
Wadenkrämpfe bei einer Person Morgens auftreten,
bei Müdigkeit bei oder nach dem Aufstehen, so soll
Digitized by ^.ooQie
63
man den Urin auf Zucker untersuchen. — Man I
sollte meinen, dass diese Krämpfe hauptsächlich
beim neurogenen Diabetes vorkämen, oder sich bei
solchen einstellen, die zugleich an Ischias leiden,
wo die bestehende Muskelspannung leicht in Krampf
übergehen könnte. Dies ist aber nicht so. Verf. hat
die Krämpfe vielmehr in allen Formen des Diabetes
beobachtet, nur noch nicht bei jugendlichen Personen.
Auf den Verlauf der Krankheit haben diese
Krämpfe keinen Einfluss. Durch Gehversuche,
festes Auftreten, Frottiren, Massiren werden sie bald
gehoben; aber in einzelnen Fällen sind sie äusserst
schmerzhaft und hartnäckig.
Die physiologische Deutung dieses Symptoms
ist schwierig. Erb hält dieselben durch die Wasser¬
verarmung des Blutes bedingt (also analog den
Wadenkrämpfen bei Cholera. Ret.) Dagegen spricht,
dass Verf. sie wiederholt im Anfangsstadium der
Krankheit beobachtet hat, wo von einer solchen
noch nicht die Rede sein kann; andererseits hat er
sie in 6 Fällen von Diabetes insipidus, wo man
jenes Moment voraussetzen konnte, kein einziges
Mal gesehen. Nach ältern Beobachtungen . ist bei
Diabetes die Zuckungsform des Muskels überhaupt I
verändert; demgemäss könnten die Krämpfe durch
die den Diabetes veranlassende Grundursache be¬
dingt sein, etwa durch einen directen Reiz ver¬
mittels eines durch gestörten Stoffwechsel erzeugten
Giftes (Diabetes-Toxine?) Ernährungsstörungen in
den betreffenden Muskeln in Folge von Kreislauf¬
hemmungen in den kleinen Gefässen, welche ja bei
Diabetes häufig genug Vorkommen (siehe die Gangrän
und Phlegmonen), dürften hier als wirksame Ur¬
sachen auftreten; damit stimmt auch, dass diese
Wadenkrämpfe ebenso selten bei jugendlichen Per¬
sonen Vorkommen, als die gangränösen und phleg¬
monösen Processe. —
Ob das Symptom des Wadenkrampfes bei Dia¬
betikern für die Wahl des homöopathischen Mittels
bedeutungsvoll sein wird, kann erst die Erfahrung
lehren. Von den bei Diabetes bereits erfolgreich
angewandten Mitteln hat Arsen, dies Symptom in
ausgesprochener Weise, wie ja überhaupt unsere
obersten Choleramittel, wie Kampher und Kupfer,
so auch Veratrum alhum. Bei Arsen, finden wir:
Klamm in der Wade beim Gehen (nach 2 Stunden).
Die Wade wird hart und breitgedrückt, mit uner¬
träglichem Schmerz, worüber sie 1 1 / 2 Stunden schrie;
der ganze Fuss war steif, sie konnte ihn gar nicht
rühren, dabei kalt und anästhetisch; es blieb
Spannen in der Wade und eine Art Lähmung im
Oberschenkel zurück (nach 50 Stunden). Klamm
in den Waden (und Fingern) oft, vorzüglich Nackte
im Bette . Nachts Wadenklamm finden wir ferner
bei Nux, Rhus, Chamomilla, China, Ledum; Sta-
pfusagria hat: Ein imerträglicher Klamm in der
Wade und Fusssohle, des Beines, auf dem er liegt,
weckt ihn aus dem Nachmittagsschlafe. — Beim
Erwachen aus dem Schlafe Wadenklamm, der
weder durch Ausstrecken noch Biegen des Schenkels
zu mildern ist, durch Denken an den Schmerz,
wenn er sich schon vermindert hat, gleich
wieder sich steigert und empfindlicher wird (nach
6 Stunden).
Stannum: starker Wadenklamm fast die ganze
Nacht.
Dass Secale comutum dieses Symptom in
hohem Grade besitzt, ist bekannt; bei diesem Mittel
haben wir dann noch die Gangrän.
Personal-Nachrichten.
Der homöopathische Arzt Dr. Ide-Stettin ist
zum königlich preussischen Sanitätsrathe ernannt
worden und dem homöopathischen Arzt Dr. Leeser-
Bonn das Offleierkreuz des Ordens der Rumänischen
Krone verliehen worden.
Anzeigen.
Aufforderung.
Die Herren Collegen in Schleswig-Holstein,
Hannover und Mecklenburg, welche sich einer Ver¬
einigung anschliessen wollen, deren Ziele sind:
1) Gegenseitige Förderung durch Mittheilungen
aus der Praxis;
2) Gemeinsame Vertretung gemeinsamer Inter¬
essen;
3) Nicht Laien, sondern Aerzte sollen in der
Homöopathie das herrschende Element bilden,
wollen mir diesbezügliche Mittheilung machen.
Dr. med. Waszily in Kl fl,
prakt. Arzt u. Assistenzarzt von Dr. Kunkel.
Ich suche einen
Assistenzarzt.
Näheres nach Uebereinkunft.
Dr. med. Hesse-Hamburg,
_ Fischmarkt No. 12.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Gote, weise und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten , mit 10 /, oder Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11. — bezw. 14.—.
Digitized by
Google
64
Im Verlage von 1 , Marggrafs homöopathischer
Offlein in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bemburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. °
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering 1 -
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
schei den nach allenSeiten des betreffendenMi ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch, Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisses — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen ,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Soeben ist erschienen die 6. Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
Auflage*vergriffenst.^ Bhren *“ ™ verausgabt*
,. Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie: *
Pr^f^? a ^! ftnntG8 i^S rkchen kat kGinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien
v 8 ^S en ? 0 ?/’ der die Bedürfnisse und Verlegen^
des \ olke8 T \ n Krankheitsfällen am besten zn b^nr-
welcw'nmtloiv U <? d i e i! 18 Vwirküch staunenswert, mit
Vorfasaer^zu S Werke 5 geht 6nn * niss Gründlichkeit der
, -P? £ at demselben nichts ferner gelegen, als der Ge-
dl £! e ’ wt l nn ft ? c . h no °h so gediegene und für
1 ^ t A 1 iV 1S i tergültlge Schritt ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zn machen
w -. der ...Kleine homöopathische Hausfreund“ in
n ab ® r ? QS schätzbarer grosser Pnani zn
Sympat'hi6^ntg*egenbringen^ 6 '. *!°**^** VolU
le ^ eth i n w jeder vorgenommenen Durchsicht wurde
und^her^chert 111 eiuzelnen Punk ten noch wesentlich verbessert
( l ÄS f U8 ß ezei ehnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelis-Extruct —, welches bei Wunden, Wundsein der
* Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc*
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
“? er * 8t d\ e Influenza, welche sich leider bei uns ein¬
zubürgern scheint^ und nicht, mit Unrecht als ein äusserst
ri^^ C ^ 18C u e8 L ?fden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäss mit grosserer Ausführlichkeit behandelt
* Di ? Entstehungsursachen, Vorbeugung und Behandlung
iä^S G1 l tGn Kra ? kh f^ n 8lnd kurz und klar, Jedermann ve *
W?K hch *Y, ZU £ D ^ s tf n ? n & gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Füllen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wü*d
'lf r u ?d_ “ann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Mütter die Belehrung über Ernährung
k Tr me tr KlI ? C J ei . , i . denen ein besonderes Kapitel ge^
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
^lS? Cht i e i nGn ^ Grth auf die GesunSeitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswerte Winke giebt/ *
i’ K1 r in ? homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ern¬
ährung m die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
AH dhertroffen werden. Aber auch Solche,
schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden m demselben manche gute Winke.
frÄ11 J5 Ur Geistli ?he, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Hans-
WG 5 n ^ Gm . Arzt ““ °rte wohnt, von aller-
grösstem \\ erthe und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ms Auge, der Preis ein ungemein bil-
l T C1 - Ca 12 i B ° g i en 8tarke Buch kostet broschiert nur
Lü k -V ? Leinwand gebunden 1,60 Mark. Dass die neue Anf-
BiotrTnbiI ei ö I or f , rait des VGrfass . er8 geschmückt und mit einer
Biogrephie desselben vorsehen ist, wird den Freunden des
F^ude e gereichen. PathlSChen Haut,fr eundeH“ ohne Zweifel zur
Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
^ V 0 *® 11 Ta e° n ala treuer Hathgeber und zuverlässiger Helfer
viW 0180H.
Leipzig, im April 1894.
A. Marggrafs Homöopathische Officin.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa- Stuttgart.
Geschäftsstelle imd Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by
Google
Band 129
Leipzig, den SO. August iS94c
No. 9 u. 10
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUC.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf*s homöopath.Offlciu) in Leipzig.
Erscheint UtUgig zu 2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis JOAf. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post>Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). — Inserate, welche an Haasensteln <fcVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet.
Inhalt. Zur 62. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach am 9. und
10. August 1894. — Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in Kiel. — Psychische Heilkunst. Von Dr. Gallivardin in
Lyon. — Das fünfzigjährige Jubiläum des American Instituts of Homoeopathy. Von Dr. Mossu. — Eine Studie über
die pathogenetische Wirkung von Kali bichromicum auf die Nieren. — Vom Büchertisch. — Diabetes mellitus bei
Kindern. — Lesefrüchte. — Bekanntmachung. — Danksagung. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage,
Zur 62. Generalversammlung des Homöo¬
pathischen Centralvereins Deutschlands
in Eisenach am 9. und 10. August. 1894.
Anknüpfend an den in der vorigen Nummer
gegebenen allgemeinen Bericht, liefern wir hiermit
einige Details und Ergänzungen, welche für die
nicht dagewesenen Mitglieder, sowie für die homöo¬
pathischen Kreise überhaupt von Interesse sein
werden.
Im Ganzen war die jüngere und mittlere Gene¬
ration stärker vertreten als die alte, für die ja das
Reisen doch trotz seiner Schnelligkeit und Bequem¬
lichkeit nicht leicht ist. Indessen freuen wir uns,
dass ein rühriger, arbeitsfreudiger Nachwuchs uns
erblüht ist!
Wir begrüssen es auch als ein günstiges Zeichen,
dass die Theilnahme an unserem Centralverein im
Wachsen begriffen ist, wofür die Anmeldung und
Aufnahme von 11 neuen Mitgliedern deutlich spricht.
Freilich wäre es wünschenswert, dass sämmtliche
homöopathische Aerzte Deutschlands und der Nach¬
barländer sich diesem Mittelpunkte anschlössen, weil
der Centralverein dann die Ziele und Zwecke der
homöopathischen Sache kräftiger verfolgen und
leichter erreichen könnte. Dahin rechnen wir, nicht
in letzter Linie, die gemeinsame Mitwirkung für
das homöopathische Krankenhaus in Leipzig, das
sich gottlob gedeihlich entwickelt hat, das wir
aber gerne auf festem, sichern Fuss gestellt sehen
möchten. Könnten wir den dirigirenden Arzt desselben
so stellen, dass er die Zeit hat, daselbst auch Vor¬
träge über unsere Arzneimittellehre und Therapie
zu halten, so hätten wir hierin ein gutes Bildungs¬
mittel für junge Aerzte, die sich unserer Schule
anscliliessen wollen, gewonnen. Denn die Anstellung
eines Docenten für diese Fächer an einer Hoch¬
schule wird bei uns noch auf viele Jahrzehnte
hinaus ein frommer Wunsch bleiben.
So wäre es auch dringend zu wünschen, dass
die dem Central verein unterstellte Unterstützungs¬
kasse für Wittwen homöopathischer Aerzte durch
allgemeinen Beitritt der Aerzte zu dem Verein in
den Stand gesetzt werde, ihre Leistungen noch ex-
und intensiver zu gestalten. Die Anforderungen
an diese Spenden sind grösser, als man gemein¬
hin annimmt. Im verflossenen Jahre hat z. B.
die Kasse an regelmässigen vierteljährlichen und
aussergewöhnlichen Unterstützungen an 15 Wittwen
1380 Mark gewährt. Obwohl dem Princip nach,
das auch bei der Berathung über die Ausführungs¬
bestimmungen unserer neu zu druckenden Statuten
festgehalten wurde, bei mehreren Bewerberinnen
diejenigen zuerst berücksichtigt werden sollen, deren
Männer Mitglieder des Centralvereins gewesen sind,
feo ist die Praxis doch stet» milder gewesen. Der
Satz: Galenus dat opes ist für unsere Zeitverhält¬
nisse nur noch als Ausnahme von der Kegel
Digitized by
9
Google
66
gültig. Also auch von diesem Gesichtspunkte aus
tritt an die homöopathischen Aerzte die Mahnung
zum Anschluss an das Ganze, zur Bethätigung an ,
dem Centralverein, sehr gebieterisch heran.
Wir wollen nicht unerwähnt lassen, dass bei der
Berathung über den Versammlungsort im nächsten
.Jahre, wozu schliesslich Hamburg fast einstimmig er¬
wählt worden ist, von Seiten des Vereins die Erwartung ,
ausgesprochen worden ist, dass die Berufsgenossen
an den gewählten Versammlungsorten keinerlei Ver¬
anstaltungen auf eigene Kosten treffen mögen; doch
heisst es auch in diesem Punkte volenti non fit i
violentia.
Was die wissenschaftliche Sitzung am 10. August |
betrifft, so erwies sich die Einrichtung, dass ein !
Vortrag über eine besondere Kran kheitsfoinn und
sodann ein zweiter über ein einzelnes Arznei¬
mittel nach dessen pathogenetischer wie thera¬
peutisch-erprobter Wirkung vornweg festgestellt
wurde, als zweckmässig; doch ergab sich für die
Zukunft die Lehre, dass man das pathologische Thema
möglichst engumgrenzt, nicht zu allgemein, wählen !
müsse. So zeigte sich auch das von Dr. Windelband
übernommene Thema über Influenza, wie er selbst
eingestand, als ein kaum zu bewältigender Stoff.
Vortrag des Dr. Windelband über Influenza.
Redner hat in der grossen Epidemie von 1889/90
eine überaus grosse Zahl von Influenzakranken be¬
handelt, war aber im Sturm und Drang jener Zeit
nicht im Stande, sich Aufzeichnungen von den
einzelnen Patienten zu machen. — Dass die epide¬
mische Influenza von der landläufigen Grippe eine
wesentlich verschiedene Krankheitsart sei, ist all¬
seitig anerkannt; wie es sich um ihren bakterio¬
logischen Ursprung verhalte, darüber herrscht noch
Unsicherheit. Im frischen Sekret, so wie im
Blut der Influenza-Kranken hat Pfeifer Bacillen
nachgewiesen; man hat solche aber weder im Boden
noch im Wasser, auch nicht im getrockneten Sekret
entdecken können. Es existirt aber keine Dauer¬
form derselben; sie werden durch Chloroform,
Hitze von 60° C. zerstört. Die überaus schnelle,
blitzartige Verbreitung der Epidemie über weit von
einander entfernte Gegenden zeigt auf eine ausser¬
ordentliche Flüchtigkeit des Contagiums hin. — Ob
man die Influenza als ein durch die gemässigten
Klimate modificirtes Sumpffieber (Dengal) auffassen
darf, ist doch noch fraglich; die Neuralgieen, die
hochgradige Prostration, Schlaflosigkeit, Appetitver¬
lust, Exantheme sind zwar beiden gemein, aber doch
nicht pathognomonisch genug.
Das Krankheitsbild der von Influenza Befallenen
ist ein sehr wechselvolles; wenn man aber alle Er-.i
kranklingen, die während einer solchen Epidemie I
Vorkommen und selbst solche, die erst nach vielen |
Jahren auftreten, damit in causalen Zusammenhang
bringen will, so geht man zu weit.
Bei manchen Kranken brachte jeder Tag neue
Erscheinungen. Besonders ist dem Redner eine Er¬
scheinung aufgefallen, das Vorkommen von Lungen¬
blutungen, deren anatomischer Sitz nicht nachzu¬
weisen war, was ihn an die bei Pocken so oft
vorkommenden Hämorrhagieen erinnerte. Auch Ge¬
lenkexsudationen, (linksseitige) pleuritische und peri-
carditische Ausschwitzungen hat er mehrfach beobach¬
tet, die unter dem Gebrauch von Bryonia, Spigelia,
Phosphor., ohne Residua zu hinterlassen, zur Heilung
kamen. — Erschwerende Umstände waren das hohe,
aber auch das kindliche Alter, Herzfehler; der Tod
durch Herzschwäche war nach der Statistik kein
seltener. Bei jungen Kindern hat Redner um
jene Zeit mehrfach eine tuberculöse Meningitis mit
schleichendem Verlaufe gesehen. — Das Heer der
Naclikranklieiten im Gefolge der Influenza w r ar ein
sehr zahlreiches.
Die Therapie anlangend, so gab der Vortragende
zunächst, als abschreckendes Beispiel könnte man
sagen, die von Professor 1 ''ürbringer im Sammel¬
werke des Vereins für innere Therapie in Berlin
statistisch zusammengestellte Behandlungsweise der
alten Schule in der Influenza zum Besten. Die¬
selbe machte Gebrauch von specifischen, indiffe¬
renten, antifebrialen Mitteln, oder verhielt sich ei-
spectativ, oder verstieg sich bis zur Drusen-Latwerge.
Vom Antiperin sagt Fürbringer , es sei unsicher,
selten nützlich, ja in grossen Gaben erzeuge es
Herzschwäche und sei selbst ein gefährliches Gift.
Mit Nachdruck brandmarkt er die aus den chemischen
Fabriken, ohne bestimmte Kenntniss ihrer Wirkungen
hingenommenen und angewandten Produkte. — Ueber
die Contagiosität der Influenza geht das Urtheil der
Aerzte, wie die Statistik erweist, nicht minder aus¬
einander wie in der Therapie. Dr. Windelband
suchte in der Behandlung seiner Influenza-Kranken
dem Simile gerecht zu werden. Bei der Gleichartig¬
keit vieler Fälle stellte sich aber doch ein typisches
Verfahren heraus. So gab er meist im Anfänge
der Erkrankung Acon. und Bryonia, die Diaphorese
herbeiführten und damit oft den weiteren Vorlaut
abschnitten. Ein Prophylacticum hat er nicht ge¬
funden. — Bei diffuser Bronchitis that Phosphor.,
bei Greisen und Kindern Tartarus stibiat. gute
Dienste; ebenso erwies sich bei der katarrha¬
lischen Pneumonie das Phosphor, als Heilmittel, bei
Neuralgieen war es Rhus; bei Gelenkaffectionen
Bryon., zumal wenn es sich um seröse Aus¬
schwitzungen handelte; bei der croupösen Pneu¬
monie Kalium jodatum. In den Fällen, wo jene
Hämoptoeen, ohne physikalischen Nachweis, auf¬
traten, machte er von Secale eornutum (das durch
nächtliches Ausziehen mittels Salzsäure hergestellt
Digitized by
Google
«7
war) erfolgreichen Gebrauch. Bei Nierenentzün¬
dungen dienten ihm Cantharis, und, wo reichlicher
Eiweissgehalt im Urin constatirt war, Plumbum ace-
ticum. — In der Meningitis tuberculosa der Kinder
blieben alle Mittel (Bell., Kal. jod., Sulphur etc.)
erfolglos. — Das Hauptmittel für die Reconvales-
centen war China. — Im Ganzen hatte er drei
Todesfälle notirt, die in Folge von Herzschwäche
(Ernährungsmangel) eintraten.
Es erfolgte nun, nachdem der Vorsitzende
Dr. Weber dem Redner für seine Arbeit gedankt,
eine lebhafte Discussion über das besprochene
Thema.
Dr. Alossa machte darauf aufmerksam, dass die
Pneumonie bei den Influenzakranken im Ganzen
selten genuiner Art seien, sie entwickeln sich
meist von einer Bronchitis aus, also als Broncho-
pneumonieen; doch würde die Pleura häufig in den
Process hineingezogen, und komme es mitunter, viel¬
leicht seltener unter homöopathischer Behandlung,
zur Bildung von Empyem.
So ward Redner zu einer Patientin gerufen,
die nach der Entbindung von einer Influenza be¬
fallen worden war, bei der sich linkerseits eine
Pleuropneumonie entwickelt hatte. Sie war bisher
in allopathischer Behandlung gewesen. Die Unter¬
suchung ergab ein pleuritisches Exsudat, L. 0.,
das sich bis in die linke Axillargegend erstreckte.
Patientin litt an einem sehr heftigen, erschütternden
Husten, besonders bei Nacht, der ein grünliches,
eitriges Sputum mühsam entleerte. Dabei hektisches
Fieber mit Nacht sch weissen, hochgradige Anorexie.
Stannum 30. brachte nächst Sticta pulmonaria 1. Dil.
die meiste Erleichterung. Es war kein Zweifel,
dass das Exsudat eitriger Natur war; aber weder
Mercur. noch Hepar, sulfuris leistete etwas. Endlich
bildete sich unter der linken Mamma ein Abscess,
aus dem sich nach Anwendung hydropathischer Um¬
schläge eine Menge übelriechenden Eiters entleerte.
Damit hörten Fieber, Husten und die anderen
schweren Symptome auf und erfolgte allmählig
völlige Genesung.
Ein Symptom, das ihm so häufig bei Influenza¬
kranken begegnete, dass er es für charakteristisch
halten möchte, war das intensive, lange anhaltende
Frostgefühl, besonders im Rücken, das ihn in
einigen Fällen bestimmte, Camphora o., 3 stündlich
wiederholt, anzuwenden.
Ueber die gute Wirkung, die Redner von der
Sticta bei dem während oder nach der Influenza
auftretenden hartnäckigen, krampfhaften, unab¬
lässigen Husten beobachtete, hat er bereits in dieser
Zeitschrift gesprochen.
Dr. Lutze- Köthen hat etwa 00 Fälle zu be¬
handeln gehabt, welche meist katarrhalischer Art
waren, wobei ihm Nux vom. die besten Dienste
leistete, auch beim Vorhandensein jenes Frost¬
gefühls. Bei Otitis media war Pulsatilla angezeigt,
und, wenn der Verlauf ein bösartiger war, Arsen. —
Bei einer 63jährigen Frau, obenein an einer Mi-
traliusufficienz leidend, hatte sich bei schleppendem
Verlaufe der Influenza Oedema und Herzschwäche
hohen Grades eingestellt. Arsen, blieb ohne Er¬
folg, Acidum fluoricum 6. Dil. wirkte entschieden
günstig auf die Herzthätigkeit, blieb aber ohne
Einfluss auf die Lunge, so dass der Fall tödtlich
verlief.
Dr. Leeser hat in der Epidemie von 1889 an
694 Fälle behandelt. Anfangs, wo die gastrischen
Symptome vorwalteten, war Bryon. das Heilmittel.
Sie verliefen alle günstig, kein Todesfall; selbst eine
84jährige Frau mit altem Bronchialkatarrh kam
glücklich durch. — Später, als die Gehirnerschei¬
nungen vorherrschten, war Chelidonium das ange¬
zeigte Mittel. Am Ende der Epidemie, wo er selbst
an einem Schnupfen litt, der sich durch ein Gefühl
von Rauhheit und Trockenheit in den Choanen bis
in den Rachen hinunter auszeichnete, bei leichter
Röthung der Conjunctiva, so dass er drei Nächte
nicht schlafen konnte, erwies sich Euphrasia (auch
den Schmerzpunkten gemäss) als das Heilmittel. —
Dieses Mittel, nebst Tartar, emeticus bei ausge¬
bildeter Pneumonie, hat er auch vor 3 Jahren bei
der Influenza-Epidemie in Bonn als die epidemischen
Heilmittel gefunden und erprobt.
Dr. ÄVöner-Potsdam hat von der homöopathischen
Behandlung gute Erfolge gesehen, obwohl die Com-
plicationen oft sehr erschwerende Momente bilden
und die Reconvalescenz sich hierdurch in die Länge
zieht. — In zwei Fällen hat er, bei allopathischer
Behandlung, eine von den Füssen aufsteigende Pa¬
rese, ja fast völlige Lähmung beobachtet. — Er hat
völlig genuine Pneumonieen bei seinen Kranken ge¬
sehen, die aber meist günstig, wenn sie auch lange
andauerten, verliefen (also per lysin nicht per
crisin). — Auch er fand Nux vom. häufig aii-
gezeigt, zumal bei Kreuz- und drückenden Kopf¬
schmerzen. Die Reconvalescenz erforderte Nux vom.
oder Chinin arsenicosum 3. und 4. Camphora hat
er bei adynamischem Pulse und Herzschwäche an¬
gewandt.
Dr. Haedicke-heijizig hat bei einem 16jährigen
Jüngling ebenfalls eine Hämoptoe ohne nachweis¬
baren anatomischen Befund beobachtet, wogegen
er die Phosphor-Tinctur hilfreich fand. Nach zwei
Jahren litt derselbe Patient an einer croupösen
Pneumonie, welche gut verlief. Vor 1 / 2 Jahre hat
sich bei ihm die Phthisis entwickelt. — Bei der
Behandlung der im Verlaufe von Influenza auf¬
tretenden Otitis konnte er kein ausschlaggebendes
Mittel auffinden. Welche Mittel Dr. Leeser hierbei
angewandt habe?
9*
Digitized by Google
f?8
Dr. Leeser erwidert, dass intercurrente Er¬
krankungen besondere Mittel erfordern, wobei man
auf die constitutioneilen Momente zu achten
habe.
Dr. Go^/irum-Stuttgart hat auch bei Trommelfell¬
entzündung intra Influentiam Euphrasia resp. Sa¬
bina -j- Nicotiana als Heilmittel bewährt gefunden.
Dr. Groos-Magdeburg hält Veratrum album bei
jenem vorwiegenden Kältegefühl angezeigt. — Es
kam ihm eine Frau in Behandlung mit hektischem
Fieber, bei der sich an und unter dem Schulter¬
blatt eine exquisite Dämpfung zeigte, so dass an
einem abgesackten pleuritischen Exsudate kein
Zweifel war. Es entleerte sich schliesslich auch eine
reichliche Menge Eiter mit Besserung des Zu¬
standes. — Bei Kindern war der Verlauf der In¬
fluenza ein leichter (Ref. sah bei manchen nach
Erbrechen die ganze Krankheit in wenigen Stunden
beendet). Er hat bei denselben häufig Exantheme
beobachtet, die dem Scharlachausschlag ähnlich
waren. Ein Kind, das ebenfalls ein solches Ery¬
them zeigte, hatte einige Wochen vorher schon
Scharlach gehabt.
Dr. Windelband hat Nux vom. gleichfalls oft
indicirt gefunden; bei Otitis media böser Art hat
er Mercur. corrosivus angewandt.
Dr. Villers-DresAen hat von 202 homöopathischen
Aerzten Berichte über die von ihnen bei den In¬
fluenza-Kranken eingeschlagene Therapie erhalten.
Sie gingen in der Mittelwahl aber so auseinander,
dass er eine Gruppirung derselben nicht für zu¬
lässig fand.
Dr. Mattes- Ravensburg hat bei Herzschwäche
und gleichzeitigem Hydrops Kali carbon. als wirk¬
sam erprobt; bei dem Frostgefühl Sabadilla (dies
ward bei dem heftigen nächtlichen Husten von
einigen Collegen erfolgreich angewandt. Ref.). Bei
unstillbarem Erbrechen Cuprum mit Nicotiana, bei
Nierenerkrankung Coccionella.
Es sprachen dann noch einige Collegen über
die Art und Natur des Contagiums. Dr. Weber ist
der Ansicht, dass man bei der blitzschnellen, weit¬
ausgedehnten Verbreitung der Influenza eher an
ein kosmisches, in der Atmosphäre verbreitetes,
durch die Athmungsorgane aufgenommenes Gift
als an Bacillen zu denken habe. Dem stimmte
Dr. Roliowsky bei, indem er auf die Thatsache
hinwies, wie ein auf einer Beobachtungsstation im
Hochgebirge einsam wohnender Mann von Influenza
befallen worden sei (früher hat man schon auf die
übermässige Menge von Ozon beim Erscheinen von
Influenza-Epidemieen die Aufmerksamkeit gelenkt.
Ref.). Wogegen Dr. Kröner geltend machte, dass
das Blut Influenza-Kranker so überaus reich an
Bacillen befunden worden sei. — Der alte Streit¬
punkt von Miasma und Contagium ist eben noch
nicht bis zur völligen Klarheit und Sicherheit ge¬
schlichtet. —
Dr. Goehrwris Vortrag über Euphrasia wird
später veröffentlicht werden.
Als Themata für die nächstjährige Generalver¬
sammlung in Hamburg sind vorgeschlagen und an¬
genommen worden: Otitis media mit besonderer
Berücksichtigung des Catarrh sec., und als Arznei¬
mittel Kali bichromicum, und haben sich Dr. Weber
für das erstere und Dr. Ide für das letztere als
Referenten erboten. Dr. Mom&.
Aus der Praxis.
Von Dr. Kunkel iu Kiel.
1) M., Techniker, 36 J., leidet seit seinem
16. Jahr an einem pustulösen Ausschlag des Ge¬
sichts (Wangen und Stirn). Wiederholt ,, ge¬
schält,“ war er dann 5—6 Wochen ,,glatt.“ Von
einem Specialisten mit einer heissen Nadel ge¬
brannt. Alles erfolglos. Vor 8 Jahren Magen-
erweiterung, 2 Mal gepumpt, was nach 1 9 Jahr
wiederholt wurde. Mangel an Stuhldrang und nach
dem Stuhl Gefühl unvollständiger Entleerung. Die
Pusteln erscheinen in Gruppen von 4—5 Stück.
Vor der Eruption Brennschmerz im Gesicht.
Zimmerluft und freie Luft, Kälte oder Wärme,
Sitzen oder Bewegung haben keinen Einfluss.
Früher viel an kalten Füssen gelitten, durch heisse
Fussbäder beseitigt. Ferner lange Zeit Morgens
nach Schlaf Schleimrachzen. Viel Kopfjucken,
Schuppen („Schinn“) des behaarten Kopfs, durch
äussere Mittel beseitigt. Rothwein ruft Verstopfung,
Bier Durchfall hervor. Stimmung oft ärgerlich;
Gemütsbewegungen, besonders Aerger , wirken nach¬
teilig auf sein Gesammtbefinden.
Am 8. Aug. 1891 verordnete ich Staph. X. C.,
jeden 7. Abend 1 Dosis.
2. Octob. Patient hat sich sehr gut befunden.
Das Brennen stellt sich nur bei rascher Bewegung
und bei Schreck ein, dauert aber nicht lange. Die
Pusteln erscheinen nur spärlich und einzeln, früher
wie erwähnt in Gruppen. Dieselbe Medicin.
11. Novb. Pusteln erscheinen immer spärlicher,
Befinden gut. Verordn.: Staph. 40., jeden 9. Abend
1 Dosis.
15. Jan. 1892. Bericht: Bei Gebrauch der
ersten 2 Pulver vennehrte Eruption, offenbar in
Folge von Influenza, von welcher Patient befallen
wurde. Gleichzeitig die Magenverschleimung wie
früher. Verordn.: Antimon, crud. X. im Wechsel
mit Staph. — Leider erfuhr ich über den ferneren
1 Verlauf nichts.
I 2) H., 36 Jahr, Hotelbesitzer, Inhaber eines
I umfangreichen, aufregenden Geschäfts, leidet seit
| 2 Jahren an Schmerzen im rechten Hypochondrium.
Digitized by ^.ooQle
69
Er kann weder die Art der Schmerzen, noch deren
Sitz genau bestimmen. Der Schinerz tritt in An¬
fällen auf, aber nur Tags und unter verschiedenen
Verhältnissen. Appetit ist einigermassen, auch das
Allgemeinbefinden, während er früher viel an
„innerem Angstgefühl “ gelitten. Der Schlaf ist
nach Mitternacht oft unterbrochen. Schwarzbrod
und Fettes werden nicht vertragen. Zuweilen An¬
deutungen von Asthma , Ostwind wird nicht ver¬
tragen. Zuweilen Harndrang. Kein Bedürfnis
hoch mit dem Kopf zu liegen, kein Durst. Er ist
sehr „nervös“ aufgeregt, reizbar. Bromkali ohne
nennenswerthen Erfolg.
Verordn.: 30. März 1894 Arsen. 200. (Lehm.),
jeden 7. Abend 1 Dosis.
27. Mai 1894. Bericht: Alle krankhaften Er¬
scheinungen sind beseitigt
3) Frau Lehrer Dds., 42 Jahr, consultirte mich
am 20. Decbr. 1893. Seit Sommer desselben Jahres
hat sich eine ,,Drüse“ in der rechten Achselgrube
gebildet, über deren anatomische Structur ich nicht
mit mir einig werden konnte. Der Tumor zeigt
eine gewisse Resistenz, meist grösser als ein
Taubenei, übrigens Umfang verschieden. Brennende
Schmerzen im Tumor beim Kaltwerden des Körpers.
Patientin hat viel an Kopfschmerz gelitten, be¬
sonders beim Erwachen Morgens, auch mit Uebel-
keit verbunden. Seitdem der Tumor da, keine
Kopfschmerzen mehr. Empfindlichkeit des Tumor
gegen Druck. Fliegende Gesichtshitze, besser bei
Bewegung, Schweisse etc. Verordn.: Sepia 200.,
6 Gaben, jeden 7. Abend eine.
29. Jan. 1894. Bis zum 3. Pulver vermehrte
Anschwellung, dann Abnahme derselben, unempfind¬
lich gegen Druck, fühlt sich im Allgemeinen besser
als früher. Verordn.: Sepia 200., jeden 9. Abend.
20. März. Hat sich in der letzten Zeit nicht
so gut befunden. Sie klagt über Schmerzen im
rechten Arm, sowohl, bei schwerer Arbeit als beim
Stillsitzen. Der Arm ermüdet viel leichter als
früher. Die Geschwulst ist weicher und kleiner
geworden, aber auch in der linken Achselgrube
haben sich Schmerzen eingestellt. Patientin be¬
findet sich schlechter bei „harter Luft,“ bei „ Nord -
und Ostwind. u Verordn.: Caustic. 200., 6 Gaben.
80. April: Allgemeinbefinden gut; die Schmer¬
zen, die durch die linke wie rechte Achselhöhle
hindurch zogen, sind so gut wie verschwunden, die
Schwäche des rechten Arms vollständig. Vom
Tumor nur eine Andeutung, die völlig unempfind¬
lich ist. Ich liess noch einige Gaben Caustic. 200.
in immer längeren Zwischenräumen nachgebrauchen.
Das Alterniren der Krankheitsformen, wie hier
das der Kopfschmerzen mit dem Erscheinen des
Tumor, ein Alterniren, was wir ja täglich beob¬
achten, zeigt uns deutlich, wie wenig die specielle
Pathologie zur Grundlage einer Therapie sich
eignet.
4) K., 42 Jahr, hat im Mai 1893 Influenza
überstandeu, consultirte mich am 22. Aug. wegen
einer Ischias, die sich bald nach der Influenza ge¬
zeigt. Der Schmerz ist rechts, zieht beim Husten
in den Fuss herab. Bei Anstrengung Verschlim¬
merung der Schmerzen mit Lahmheitsgefühl in der
kranken Extremität und im Kreuz. Einschlafen
vor Mitternacht schwierig , Unruhe. Muss Nachts
auf der kranken Seite liegen. Seit ein paar Tagen
Zahnschmerz rechts, durch kalte Umschläge wesent¬
lich gemindert. Schmerz ziehend, reissend. Verordn.:
Caust. X., 8 Pulver, jeden 5. bis 7. Abend 1 Pulver.
6. Octb. Hat sich „sehr schön“ befunden,
schon nach dem 2. Pulver. Aber das Hüftgelenk
ist noch nicht ganz frei, schmerzt noch beim Auf¬
stehen vom Sitzen, ermüdet nicht mehr so leicht.
Ich entliess Patientin mit einigen Dosen Caust. 200.
und der Weisung wiederzukommen, wenn nach
Verbrauch das Leiden nicht ganz beseitigt. Er er¬
schien nicht wieder.
5) H., Maler, 68 Jahr, consultirte mich am
25. Aug. 1891. Er leidet seit einem Jahr an
Ischias links. Schmerzen beim Gehen und im Ver¬
hältnis der Anstrengung. Sitzt er dann eine
Minute, so verliert sich der Schmerz. Nachts warm
zugedeckt und in der Ruhe frei von Schmerz.
Allgemeinbefinden recht gut. Schlaf auf der rech¬
ten, gesunden Seite. Verordn.: Caustic. X., jeden
7. Abend 1 Dosis.
14. Octb. Wesentliche Besserung, kann schon
recht weit gehen, wenn er langsam geht. Verordn,
dieselbe Medication. Noch vor Verbrauch des
Mittels war das Leiden gänzlich beseitigt.
6) Frau J., 38 Jahr, consultirte mich am
4. April 1893. Dieselbe leidet seit Sommer 1892
an heftigen Kopfschmerzen, reissend bald hier, bald
da. Zuerst Verschlimmerung gegen Abend be¬
merkbar, später oft die ganze Nacht mit völliger
Schlaflosigkeit. Bettwärme und Bettlage (des Kör¬
pers) durchaus keinen Einfluss. Seit vorigem
Sommer hartnäckige Verstopfung. Verschlimmerung
der Schmerzen, wie überhaupt Verschlechterung
des Befindens bei „hartem WetterOst - mul
Nordwind. Nachtschweisse. Kräfte schwach, leichtes
Ermüden, Steifheit des Nackens seit der „Krank¬
heit,“ Schlaf auf der linken Seite, weil die
Lage auf der rechten unbequem. Gelbe Gesichts¬
farbe, auch Magendruck, besonders bei körperlicher
Anstrengung , der bald in der Ruhe vergeht . Verordn.:
Caustic. X., jeden 7. Abend 1 Gabe.
10. Mai. Kopfschmerz minder, wie auch der
Magendruck, die gelbe Gesichtsfarbe hat sich ver¬
loren, Schlaf „schön,“ Kräfte besser. 6 fernere
Dosen Caustic. 200. stellten Patientin völlig lei
Digitized by
Google
70
7) Fräulein M., 43 Jahr, consultirte mich am
22. Decbr. 1891. Magenschmerzen seit mehreren
Jahren, mit Unterbrechungen, mit Uebelkeit, Er¬
brechen und gleichzeitigem Rücken schmerz. Der
Schmerz ist ziehend, reissend im Epigastrium und
den Hypochondern. Vollsein und saures Erbrechen
nach dem Essen. Auch Nachts hat sie Schmerzen
und zwar vor Mitternacht. Stuhl jeden zweiten
Tag, nicht hart. Schlaf meist auf der linken Seite,
nicht hoch. Besserbefinden in der Wärme als in
der Kälte. Zuweilen Verschlimmerung der Schmer- j
zen bei körperlicher Anstrengung. Impuls des j
Herzens ausserordentlich schwach. Verordn.: Na-
trum mur. X., jeden 7. Abend 1 Gabe.
4. Febr. 1892. Der Magenschmerz hat sich ,
verloren, aber es haben sich Rückenschmerzen
zwischen den Schultern eingestellt und Schmerzen
in der linken Brust, die Patientin nicht näher be¬
zeichnen kann. Uebelkeit Nachmittags gleich nach
dem Essen. Menses ausgeblieben, auffallende Steif¬
heit des Körpers; Schlaf nach wie vor links, weil |
Rechtsliegen unbequem. Verordn.: Caustic. X.,
jeden 7. Abend 1 Gabe.
Erst am 29. Octb. erschien Patientin wieder.
Von ihrem Leiden völlig befreit, glaubte sie, auf !
fernere Medication verzichten zu können, bis sich
dasselbe ganz in alter Weise einfand. Vom 4. April
Verordn.: wieder Caustic. 40., jeden 7. Abend
1 Dosis, und am 15. Dec. Caustic. 50. (beide Po¬
tenzen von mir selbst bereitet).
Am 13. April 1893 erschien Patientin noch
einmal. Nach gutem Befinden und bei normalem
Kräftezustand hatte sie vor ein paar Tagen etwas
Uebelkeit gespürt und sich beeilt, etwaiger Ver¬
schlimmerung vorzubeugen. Sie bekam einige
Gaben Caustic. 200. und erschien nicht wieder.
(Fortsetzung folgt.) i
Psychische Heilkunst.
Von Dr. Gallivardin in Lyon.
Ein höchst merkwürdiger Artikel unter dem |
Titel „Psychische Medicin: Causticum, das Heil- |
mittel für Anarchisten; Mercurius vivus, das Heil- i
mittel für Unzufriedene und Revolutionäre“ von
dem namhaften französischen homöopathischen Arzt
Dr. Gallivardin in Lyon ist uns in der The Ho-
moeopathic World, April 2, 1894, aufgestossen.
Als Einleitung sagt der Autor: „Einer von \
meinen Correspondenten schrieb mir neulich: „Die 1
katholische Facultät der Medicin zu Lille ist eben |
so materialistisch als ihre Rivalin in derselben j
Stadt.“ Mein Correspondent hätte das ebenso gut I
sagen können von der katholischen Facultät zu (
Louvain (Belgien), ja von allen medicinischen Fa-
cultäten der Welt — 1 allopathischen, homöopa¬
thischen, eclectischen; denn in all diesen Schulen
lehrt man noch übt man irgend etwas Besseres
als eine Art von Thierheilkunde, angewandt auf
den Menschen. In der That, sie behandelt in
ihnen das thierische (animale), materielle Wesen
(abgesehen von dem Falle eines Geisteskranken),
niemals das sittliche und intellectuelle Wesen. So,
ich wiederhole es, üben die 180,000 Aerzte der
civilisirten Welt nur eine Art von auf den Men
sehen angewandter Thierheilkunde. Nachdem ich
nun vierzig Jahre prakticirt habe, habe ich seit
zwanzig Jahren auf diese ausschliessliche veteri¬
näre Medicin verzichtet, um mich der wahren
menschlichen Medicin zu widmen, indem ich gleich¬
zeitig meine Behandlung auf das leibliche, sittliche
und intellectuelle Wesen richte. So kam es,
dass ich seit 8 Jahren, besonders in meiner Dienstag-
Morgens Poliklinik, in die Lage kam, abgesehen
von Consultationen für somatische, körperliche
Krankheiten, siebentausend Consultationeu für
psychische oder sittliche und intellectuelle Krank¬
heiten zu ertheilen. Hierbei hatte ich letzthin Ge¬
legenheit ein Mittel zu entdecken, das sich gegen
die Anarchistcn-Epidemie, welche jetzt die Ge-
müther socialer Leute aus den niedern, ja zum
Theil selbst aus den herrschenden Klassen er¬
griffen hat, wirksam erweist. Ich will es durch
Mittheilung von zwei Heilungsgeschichten bekannt
geben.
1, Fall . Ein 20 jähriger Arbeiter, weder Trinker
noch Wollüstling, sonst gutgeartet, kam aber seit
zwei Jahren in einen aufgeregten Zustand, seit¬
dem er die Versammlungen der Anarchisten be¬
suchte. Seine Verwandten, welche fürchteten, er
möchte den für jeden Franzosen obligatorischen
Militärdienst verweigern, consultirten den Dr. Galli¬
vardin am 19. Januar 1892, mit der Bitte, den
Charakter ihres Sohnes umzustimmen. Er gab
ihnen sechs oder sieben Globuli von Causticum 200.,
die sie ihm ohne sein Wissen beibringen sollten.
Sie lösten die Globuli in 4 Theelöffel kalten
Wassers; dann thaten sie zwei am folgenden
Morgen in die Suppe, der Rest sollte ihm zehn
Tage später in gleicher Weise gegeben werden.
Am 9. Februar berichteten sie, der junge
Mann sei weniger exaltirt, und ginge seltner in
die anarchistischen Versammlungen. Caustic. 200.
in derselben Dosis innerhalb drei Wochen wieder¬
holt.
Am 8. März kam der Bericht, er ginge gar
nicht mehr in jene Versammlungen. Um aber die
Heilung zu einer festen zu machen und einem
Rückfalle vorzubeugen, erhielt Patient wieder
Caustic. 200. zwei Gaben auf zwanzig Tage.
Digitized by
Google
71
Er hat seitdem sein erstes Militärjahr gelehrig
absolvirt, als ob er niemals anarchistischen Ideen j
gehuldigt hätte.
2. Fall, Seit dem 13. October 1892 behandelte
Dr. Gallivardin mit zunehmendem Erfolge einen
damals 45jährigen Landmann, wegen seines Hanges
zur Eifersucht, Melancholie, Böswilligkeit und
Jähzorn. Indem er an den Versammlungen theil-
nahm, die der Deputirtenwahl (im August 1893)
vorausgingen, wurde er unzufrieden und Anarchist.
Am 23. Mai 1893 veranlasste Dr. Gallivardin
seine Freunde, ihm Causticum 200., drei Dosen in
drei Wochen, zu geben und vom 14. Juli 1893
bis 30. Januar 1894 jeden fünften Abend vor
Schlafengehen je eine Dosis.
Nach und nach trat das Anarchistenthum bei
ihm zurück; er ward von einem activen, streiten¬
den Anarchisten allmählig ein platonischer. Er
lobte noch seine Collegen, welche Bomben warfen,
aber er selbst, sagte er, wünsche keine zu werfen.
Dr. Gallivardin setzt die Behandlung noch fort J
und hofft die letzte Spur des anarchistischen
Geistes bei ihm noch zu verwischen.
Causticum ist nach Dr. Gallivardin angezcigt
gegen den exaltirten Geist in politischen Dingen,
den tadelsüchtigen (spitzfindigen) Geist und bös¬
willigen Charakter, bei Trinkern, Ausschweifenden,
bei mürrischen, missgestimmten Leuten, bei solchen,
die leicht gerührt werden und die Augen bald voll
Thränen haben, sowie bei solchen, die sehr lief- |
tigen Enttäuschungen ausgesetzt sind. (Das ist
eine bunte Reihe. Ref.) I
3) Mercurius vivus ist angezeigt bei zucht- ,
losen Personen, die streitsüchtig, nuzufrieden mit 1
Jedermann und jeder Sache, über ihre Familie, j
ihre Freunde, ihre Regierung sich beklagen, keine
Autorität, selbst die Gottes nicht anerkennen, des
religiösen Gefühls baar sind; bei Aufrührern , Re-
volutionären , bei Trinkern und Spielern.
Ein homöopathischer Arzt in Paris während der
Jahre von 1846 bis 1870, gab Merc. vivus Tau¬
senden von Menschen gegen syphilitische Krank¬
heiten — und hat niemals gehört, dass einer von
diesen an den Revolten, Aufständen und Revolu-
ab schlug sie ihre Mutter nicht mehr, sondern
wurde vielmehr gegen sie sehr zugethan und voll
zarter Aufmerksamkeit. — So kann dies Mittel,
meint Dr. Gallivardin, wie wir sahen, dazu bei¬
tragen, Frieden und Eintracht in Familien und
in Gesellschaft wieder herzustellen.“ — „Seit zwan¬
zig Jahren, schliesst Dr. Gallivardin, habe ich fest¬
gestellt, dass homöopathische Mittel, in der Mehr¬
zahl der Fälle, Leidenschaften, Laster, Fehler im
Charakter und in der Intelligenz beseitigen können.
Demzufolge bilden sie ein wirkliches Agens der
sittlichen und intellectuellen Cultur. Wenn die
vierzehntausend jetzt thätigen homöopathischen
Aerzte sie zu diesem Zwecke verwenden möchten,
so würden sie, ich wiederhole es, den Familien und
der Gesellschaft einen grossen Dienst erweisen und
so darthun, welche wichtige Rolle die Homöo¬
pathie berufen ist vom socialen Gesichtspunkte
aus zu spielen. Das würde auoh ein Mittel für
die Verbreitung der Homöopathie sein.“
In der Tliat, wenn Dove’s Panzer nach aussen
und Gallaverdin’s Mittel nach innen das leisten,
was ihre Autoren verheissen, so kann der Völker-
Frühling nicht mehr fern sein!
Das fünfzigjährige Jubiläum des American
Institute of Homoeopathy.
Von Dr. Mossa.
Das amerikanische Institut der Homöopathie,
eine Gesellschaft oder ein Verein, der im Allgemei¬
nen unsertn Central verein homöopathischer Aerzte
Deutschlands entspricht, hat am 14. Juni d. J. in
Denver (Colorado) sein fünfzigjähriges Jubiläum
gefeiert, und halten wir es ebenso für einen Act
collegialer Sympathie als dankbarer Anerkennung,
wenn wir unseren transatlantischen Berufsgenossen
zu diesem freudigen Ereigniss unsere herzlichsten
Glück- und Segenswünsche zurufen. Die Feier
fand statt in einer Kirche zu Denver unter dem
tionen, die während dieser Zeit häufig genug
waren, theilgenommen hätte.
Ein junges Mädchen, gut erzogen und gut ge¬
bildet, hatte vollen Grund mit Allem unzufrieden
zu sein, denn, nachdem sie von einer hochstehen¬
den Persönlichkeit verführt und dann verlassen
Vorsitz des derzeitigen Präses Dr. James H. M.
M’Clelland, an dessen Seite eine Anzahl der frühe¬
ren Präsides, lauter Männer von gutem Klange in
der homöopathischen Welt Nord-Amerikas, ihre
Ehrenplätze eingenommen hatten. Nach guter, alt-
amerikanischer Sitte ward sie mit einem Gebet,
worden war, war ihr eine ehrenhafte Ehe unmög¬
lich gemacht. So war sie zänkisch und mürrisch,
unlenksam für ihre brave Mutter geworden, die
sie sogar schlug. Dr. Gallivardin gab ihr, ohne
ihr Wisseu, in verschiedenen Zwischenräumen eine
Gabe Mercur. vivus 200. auf ein Mal. Von dem
von einem Dr. theolog. gesprochen, und Musik er¬
öffnet. — Hierauf begrüsste der Gouverneur des
Staates Colorado die Gesellschaft, in der auch die
Frauen reichlich vertreten waren, mit einer An¬
sprache, deren Inhalt für uns Continentalen inter¬
essant ist.
Digitized by k^ooQie
72
„Es ist eigentlich verwunderlich, sagte er, dass
der Gouverneur eines Staates wie dieser seine herz¬
lichen Grüsse einer mediciniscben Gesellschaft ent¬
bieten soll, da doch Colorado ein grosses Sanatorium
ist, das den Kranken, deren Gesundheit hier durch
die Natur wieder hergestellt wird, Heil und Leben
bringt. Die Masse unserer Bevölkerung ist frei von
angeerbten Vorurtlieilen gegen die verschiedenen
mediciniscben Schulen. Aber wir wissen die medi-
cinische Gesellschaft wohl zu schätzen, die den
menschlichen Körper nicht zu einem Magazin
schlechtriechender Medicamente macht und von
ihren eigenen Mitteln so wenig eingiebt. Wir
wissen auch die ärztliche Gesellschaft wohl zu
schätzen, welche die erste war, die den Frauen
alle Vortheile der Männer in Ertlieilung von Di¬
plomen eingeräumt hat. Sie gaben den Frauen
ihre Rechte betreffs der Ausbildung und Ausübung
der Medicin; wir geben ihnen die bürgerlichen
Rechte nach dem Maasse ihrer Pflichten und Steuern.
Wenn Sie, meine gelehrten Herren, nach Hause
heimkehren, mögen Sie das Gleiche thun. — Colo¬
rado bietet reine Luft und eine grossartige Sce-
nerie. Wir haben felsenwandige, dunkel zerklüftete,
schneebedeckte Berge. Unsere Quellen enthalten
Heilkräfte für manche Beschwerden, und sind so
mannigfach als die Gerüche vom ambrosianischen
Nektar bis zu den Mischdüften de» berühmten Köl¬
nischen Wassers. Unsere Eisenbahnen werden Sie
von den tiefsten Klüften zu der Spitze des Dike’s
Peak tragen, dem Himmel näher zu, als mancher
von Ihnen sonst auf irgend eine Weise dahin ge¬
langt. — Colorado liegt vor Ihnen völlig offen da;
mögen Sie sich hier, unter Leitung der Vorsehung,
einen Ruheplatz auswählen!
Auf diese mehr reservirte, zum Theil mit
einem eigenthümlichen Humor gewürzte Ansprache
folgte dann die Begrüssung des Mayor (Bürger¬
meister), der seiner freundlichen, auf gute Erfah¬
rungen gegründeten Zuneigung für die Homöopa¬
thie einen kräftigen Ausdruck gab.
Auf beide Reden erwiderte der Präses in höchst
geistvoller Weise.
Aus den die fünfzigjährige Geschichte des In¬
stituts behandelnden Berichten heben wir Folgendes
hervor: Der ursprüngliche Zweck, den die Begrün¬
der, darunter unser Landsmann C. Hering, im Auge
hatten, war einmal die Pflege und Vervollkomm¬
nung der homöopathischen Arzneimittellehre, sodann
einen Schutz und Trutz gegen die unsauberen Ele¬
mente zu errichten, welche, ohne die nöthige Aus¬
bildung und ohne den erforderlichen sittlichen
Charakter unter der Flagge der Homöopathie zu
prakticiren trachteten. — In der That hat das In¬
stitut in diesem Zeitraum von fünfzig Jahren nach
beiden Richtungen hin sehr Bedeutendes geleistet;
es gab ja den Impuls zu den Amerikanischen Arz¬
neiprüfungen. Die bei den alljährlichen Versamm¬
lungen eingereichten, verlesenen, discutirten und
publicirten Arbeiten enthalten sehr schätzbares Ma¬
terial für die Pathogenese und therapeutische Ver-
werthung der homöopathischen Mittel. Sein Ein¬
fluss erstreckte sich aber weiter: auf die Ausbildung
sämmtlicher Zweige der Medicin, auf die Einrich¬
tungen von homöopathischen Lehranstalten (Colleges)
und Hospitälern; sodann auf die Regelung der ärzt¬
lichen Diplome, der Prüfungen und Promotionen,
auf die medicinische Gesetzgebung in Nordamerika.
Es hat darauf energisch hingewirkt, dass die Stel¬
lung der homöopathischen Aerzte daselbst eine le¬
gale, das Verhältnis» derselben unter einander ein
collegiales geworden ist. Es war in der That der
Mittelpunkt aller Förderungen auf homöopathischem
Gebiete und, wie alles Organische, in allmähligem,
aber stetem Wachsthum. Anfangs zählte das In¬
stitut kaum 100 Mitglieder, nach Verlauf der ersten
25 Jahre war ihre Zahl auf 700 gestiegen, nun,
am Schlüsse des verflossenen Jahres, umfasst es
1500 active Mitglieder. Für die, welche 25 Jahre
ununterbrochen dem Institute treue Theilnahme er¬
wiesen, hat es eine Ehren-Stellung geschaffen; diese
bilden einen Senioren-Senat, sind von Abgaben frei
und bilden ein Ehrengericht bei streitigen Punkten,
besonders ethischen Collisionen unter den Mitglie¬
dern. Dieser Senat zählt zur Zeit 150 Senioren,
unter denen sich noch einer von den ursprüng¬
lichen Gründern der Gesellschaft befindet. — Wie
wir schon aus der Ansprache des Gouverneurs er¬
fahren, hat das Institut auch auf die Zulassung
und Anerkennung von Aerztinnen hingearbeitet,
und so finden wir 200 Frauen als Mitglieder des¬
selben verzeichnet.
Der Stand der Finanzen war immer ein guter,
d. h. man kam ohne Schulden aus; die Jahresein¬
nahme beträgt jetzt 8000 D., und doch hat man
damit die nicht unbedeutenden Kosten, die dem
Institut in Folge seiner vielseitigen Thätigkeit er¬
wachsen, bestreiten können.
Nach alledem hat sich das Institut für die Sache
der Homöopathie in Nordamerika ausserordentliche
Verdienste erworben und steht zur Zeit auf einer
blühenden Höhe — und doch kann sich Dr. Ludlam
aus Chicago, der einen gediegenen Vortrag über
„Die Zukunft des Amerikanischen Instituts und die
Homöopathie,“ ein Abstractum, wie er ihn nennt,
eine Art Vision, aber mit offenen Augen möchten
wir sagen, gehalten, nicht enthalten, seine warnende,
mahnende und rathende Stimme zu erheben. Wir
gedenken diesen Vortrag, da er so manche für die
gesammte Entwicklung der Homöopathie wichtige
Punkte berührt, in extenso wiederzugeben.
Die sich an die Feier anschliessenden Versamm-
Digitized by c^ooQie
78
lungen und Verhandlungen des Instituts (vom 14.
bis 22. Juni) gaben des Interessanten gar Manches,
multa, wenn auch nicht durchweg mul tum.
Eine Studie Uber die pathogenetische Wirkung
von Kali bichromicum auf die Nieren.
In The Hahnemann Monthly vom Juni d. J.
finden wir von Dr. F. H. Pritchard eine werthvolle
Studie über die Einwirkung von Kali bichrom. auf
die Nieren.
Während unsere Lehrbücher der Materia medica
und die Therapie die Einwirkung dieses Mittels auf
die Respirations- und Verdauungs-Organe wohl be¬
achtet haben, haben sie der auf das uropoetische
System gar wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Burt, in seiner physiologischen Materia medica,
Chicago 1883, giebt an, es bringe eine intensive
Congestion und Entzündung, sowie völlige Zer¬
störung der Tubuli hervor; der Urin wird mit
Eiter gemischt oder völlig unterdrückt. Es ist
demnach, sagt er, von grossem Nutzen bei der
Suppressio urinae in asiatischer Cholera und beim
Nierenkatarrh. — Bei der acuten Vergiftung mit
Kali bichrom. zeigt sich, abgesehen von den an¬
deren Symptomen, besonders im Verdauungscanal,
die Nierengegend empfindlich, der Urin spärlich
und enthält Blut und Eiweiss, sowie auch Epi-
thelien in grosser Menge. Das Mikroskop wie9
post mortem nekrobiotische Veränderungen in dem
Tubuli contorti und gelegentlich Ausschwitzungen
in den Kapseln der Glomeruli nach; so hat man
bei Kaninchen einen sehr acuten und stark aus¬
gesprochenen croupösen Process in den Nieren be¬
obachtet. Je länger die Vergiftung andauert,
desto deutlicher entwickeln sich die Symptome einer
parenchymatösen Nephritis, die dann in solche einer
interstitiellen übergehen. Die Schleimhaut der Blase I
hat man beim Menschen injicirt, ecchymotisch, und |
selbst eitrig und geschwürig gefunden.
Bei der chronischen Vergiftung mit Kali bichrom. !
per 08 kann es leicht zu einer interstitiellen Ne- |
phritis und selbst Nierenschrumpfung mit ihren
bedenklichen Folgen kommen. — Bei Thieren |
haben Gergens und Priestley fast beständig Ne- |
phritis gefunden und sie meinen, die so häufig bei I
mit diesem Mittel vergifteten Menschen beobachtete |
Urinunterdrückung beruhe auf der reizenden Wir¬
kung desselben auf die Nieren. |
Dr. Pritchard sagt von der Wirkung kleiner,
allmählig steigender Dosen des Kali bichrom., es
führe zu einer Reizung der Nieren, des secerniren-
den Epitheliums, der Corticalsubstanz, zu Aus¬
schwitzung in die Glomeruli, Entartung und Zer- |
Störung des Epithels, zur Bildung von Hyaline und
Abstossung von Epithelialzellen, Leucocytlien und
Blut, rotlien Blutkörperchen in jene Tubuli, kurz
zu dem Bilde einer desquamativen epithelialen
Nephritis croupöser Natur, wie sie nach Diphtheri-
tis, Scharlachfieber, Erkältung etc. erfolgt, oder
möglicherweise einer solchen, die durch Aus¬
breitung einer Entzündung in das Nierenbecken zu
Stande kommt.
Die Prüfer, welche nur schwache Dosen nahmen,
oder in mildern Vergiftungsfallen, klagen über
Schmerz in den Lenden, in der Nierengegend;
der Urin ist hochgeftirbt, lässt einen körnigen Nie¬
derschlag, Phosphate, fallen. — In Dr. Drysdale's
Prüfungen, wo von einer Lösung von 5 Gran
in 1 Unze Wasser 5, 20, 60 und 100 Drachmen
genommen wurden, bekam ein Prüfer, als er auf
60 Drachmen angelangt war, heftigen Schmerz in
der Lendengegend, der sich in das Kreuzbein
hinabzog. Der Schmerz gestaltete sich als ein Taub¬
heitsgefühl, war schliesslich aber so hochgradig,
dass der Prüfer sich kaum vom Stuhl erheben
konnte. Er hielt drei Tage an, allmählig ab¬
nehmend. Dabei blieb die Verdauung ungestört.
Sein Urin war spärlich und hochgefärbt mit weiss¬
körnigem Sediment. — Dies ist ein Beispiel vom
ersten Grade von Nierenreizung, die sich beim
Wegfall des Mittels bald wieder verlor.
Dr. Walker, 29 J. alt, von biliös-sanguinischem
Temperament, nahm von der 3. Dec. eine Woche
lang. Danach: häufiges Uriniren mit leichtem
Brennen danach, mit der Empfindung, als ob ein
Tropfen Urins weit hinter der Urethra sich be¬
fände, den er gern entleeren wollte, aber nicht
konnte. — Als er mit der obenerwähnten Lösung
bis auf 30 Drachmen gestiegen war, bekam er
rheumatische Schmerzen etc. und ein Kältegefühl
im Rücken mit dem Verlangen, nahe am Feuer zu
sitzen. — Dr. Pritchard gab vor Jahren einem
Manne mit acuter Bronchitis von der 2. Dec.-Dilut.
zweistündlich. Er bekam hierauf einen schreck¬
lichen Schmerz im Rücken, schwärzlichen, spär¬
lichen Urin und das dringende Verlangen, sich in
die Nähe des Feuers zu setzen. Er wollte den
Rücken am liebsten gegen ein Dampfrohr lehnen —
er war Maschinist in einer Fabrik — bis es eine
Blase zog, um sich Erleichterung zu verschaffen.
Beim Uriniren etwas Brennen, im Urin weissliche
Sedimente, Epithelialzellen und Phosphate. Schies¬
sende, peinliche Schmerzen im Rücken.
Schelling bekam bei der Herstellung einer
Verreibung des Mittels Schmerz, der ebenfalls von
Hitze erleichtert aber nicht gehoben wurde. (Allg.
hom. Zeitung.) Ein 18jähriger Arbeiter in einer
Fabrik von Kali bichrom. wird von einem Schmerz
ergriffen, als ob ein Messer durch die Lenden
10
Digitized by
Google
74
ginge; er kam plötzlich am Nachmittage, so dass
er kaum gehen, nur mit fremder Hilfe nach Hause
kommen konnte; hielt die Nacht an, so dass er
nur eine Stunde schlafen konnte, selbst im Still¬
liegen , aber weit schlimmer bei Bewegung oder
Umdrehen. Urindrang, mit wenig, röthlichem Urin.
Besser durch eine Gabe Nitrum, so dass er am
nächsten Tag zur Arbeit gehen konnte; es hielt
jedoch Rückenschmerz und der spärliche Urin noch
14 Tage an.
Ein Fall von Vergiftung mit einer grossen
Dosis. Ein Mann verschluckte in einem Wuth¬
anfall die Lösung eines Stückes von Bichromat.
Es erfolgt Uehelkeit und Erbrechen; nachdem sein
Magen entleert war, fühlt er sich wohl, ass sein
Abendbrod und verbrachte eine ruhige Nacht. Am
anderen Morgen fühlte er beim Aufstehen eine
solche Schwäche, dass er sich wieder hinlegen
musste. Der Unterleib weder geschwollen noch
schmerzhaft, Puls ruhig aber klein. Er fühlte
schiessende Schmerzen im Rücken und in der
Nierengegend, konnte Flüssiges zu sich nach Be¬
lieben nehmen, hatte mehrere normale Stuhlent¬
leerungen, aber Hess keinen Tropfen Urin . Die
zweite Nacht etwas gestört; am nächsten Morgen
noch schwächer; er konnte sich kaum erbeben,
zitterte beim Versuche dazu in hohem Grade, aber
ohne Zunahme der Schmerzen. Die Schwäche
nahm zu, Besinnung ungestört. — Es ging kein
Urin ab. Er starb, ruhig schlafend, 54 Stunden
nach dem Nehmen des Gifts, wie aus reiner Er¬
schöpfung. Einige Stunden vor dem Tode beob¬
achtete man krampfhafte Zuckungen der Hände.
Bei der Section fand man die Nieren, beim Ein¬
schneiden, stark marmorirt, roth, gross, mit
schaumigem Blute gefüllt. (Hugh’s Cyclopaedia of
Drug Pathogenesy p. 206.)
Die chronische Vergiftung kann das Bild einer
chronischen Pyelitis getreu darstellen, wie folgender
Fall zeigt, den Roberts in seiner Urinary und
Renal Diseases p. 385 berichtet:
Im Mai 1857 ward ein Mann im Zustand grosser
Abmagerung, mit hektischen Symptomen aufgenom¬
men. Der Urin enthielt eine reichliche Menge Eiter,
reagirte sauer, nicht mehr Eiweiss, als auf die
Rechnung des Eiters zu setzen war. Patient gab
an, sein Urin sei seit länger als einem Jahre
milchig gewesen, seit welcher Zeit es mit seiner
Gesundheit auch allmählig bergab gegangen sei.
Nierensand oder Nierenkolik war nicht dagewesen;
auch sei der Urin niemals blutig erschienen. Er
führte sein Leiden auf sein Geschäft, die Arbeit
in einer Fabrik von Kali bichrom. zurück. — Er
starb 11 Tage nach seiner Aufnahme im Kranken¬
hause. — Bei der Nekropsie zeigte sich die Schleim¬
haut der Blase etwas injicirt, aber nicht verdickt.
Beide Ureter waren fast ums Doppelte erweitert
und mit Eiter angefüllt. Die Nierenbecken und
die Infundibula erweitert, ihre auskleidende Mem¬
bran verdickt und mit Eiter überschwemmt. Die
Nieren selbst wenig verändert; die Papillae flach,
gelblich, als ob sie Eiter in ihren Gängen enthiel¬
ten. In den Becken ward kein Fremdkörper ent¬
deckt und die Passage des Urins durchweg frei.
Der Tod konnte nur der langwierigen Eiterabsonde¬
rung, gegen die bis vor 11 Tagen vor seinem
Ende nichts geschehen war, zugeschrieben werden.
Das Mittel mag bei einer Person, die unter
dem Einfluss einer chronischen Vergiftung steht,
wenn der Organismus sich aber in einem gewissen
Grade an das Mittel gewöhnt hat, eine solche
Pyelitis erzeugen, wie diese nach Roberts auch
unter der Einwirkung von Hyperdosirung reizender
Diuretica (Terpenthin, Cantharis) zu Stande kommt.
Französische Homöopathen haben Cantharis bei
Pyelitis calculosa nach dem Simile angewandt.
Wir ziehen also den Schluss, dass Kali bichrom.
bei der homöopathischen Behandlung von Pyelitis
calculosa bei Schmerzhaftigkeit in der Nierengegend,
vermehrt durch Druck, bei dumpfem Schmerz in
den Lenden, besser von äusserlicher Wärme, röth-
licbem Urin von Nutzen sein kann. Dazu häufiger
Urindrang, hartnäckiger rheumatischer Schmerz,
der den weniger tiefwirkenden Mitteln nicht weichen
will, vielleicht auch gichtische Diathese, dumpfe,
schiessende oder ziehende Schmerzen in verschiede¬
nen Körpertheilen. Der Urin enthält Epithelial¬
zellen, Schleim, Eiter oder Blut. Zweitens kann
es angezeigt sein in acuter desquamativer Nephritis
bei Gegenwart von Epithelialzellen, Schleim, Phos¬
phaten, späterhin Blut oder Eiter im Urin. Anurie,
mehr oder weniger ausgesprochen, oder Verminde¬
rung des Urins, der dunkel, röthlich, mit einem
ziegelmehlartigen Niederschlag, bei rheumatischer
oder gichtischer Anlage. Uriniren häufig mit
brennendem Schmerz (aber nicht so stark wie bei
Cantharis) Der Schmerz in der Nierengegend ist
dumpf, quälend, durch starke Hitze erleichtert, aber
nicht beseitigt. Es wird Albuminurie mit hyalinen
Ausschwitzungen bei Allen, später epitheliale
Abstossungen wahrscheinlich zugegen sein. Ana-
sarca wird sich in Folge der Veränderung und
Zerstörung des Nierenepithels wohl entwickeln, ob¬
gleich keine der kurzzeitigen Prüfungen es ge¬
zeigt haben oder zeigen können, da der Ausgleich
bei diesen schnell geschieht.
Es mag erwähnt werden, dass ein Arzt der
alten Schule Kali bichrom. als ein wirksames Mittel
in der Behandlung jener so gefährlichen Krank¬
heit, der Hämatochylurie, gefunden hat. Er bat
es in mehreren Fällen mit Erfolg angewandt, indem
er sieb einer Lösung von 1,0 auf 240,0 Wasser
Digitized by
Google
75
bediente. — Der milchige Urin ward in einem Ver¬
giftungsfall beobachtet. (Acidum phosphoric. ist
in solchen Fällen von homöopathischer Seite erfolg¬
reich gebraucht worden. Ref.)
Drittens kann das Mittel nach seiner Patho¬
genese in Betracht kommen bei chronischer paren¬
chymatöser Nephritis, wie solche nach Scharlach¬
fieber, nach Alkoholmissbrauch folgt; oder sich aus
der acuten, in Folge von Erkältung oder Schwanger¬
schaft entstandenen, herausbildet. Noch geeigneter
möchten wir das Mittel jedoch bei der chronisch¬
interstitiellen Form, der Gicht-Niere, halten. Osler,
in seiner Practise of Medicine p. 750, giebt an,
dass in dieser Krankheitsform eine Wucherung des
Bindegewebes, Entartung und Atrophie der secer-
nirenden Structuren, der Glomeruli und Tubuli,
sowie epitheliale Veränderungen in letzteren Vor¬
kommen. Die Arthritis, Syphilis und Alkoholmiss¬
brauch führen dazu hin.
Der auf syphilitischer Grundlage beruhende
Rheumatismus entspricht dem Mittel insbesondere.
Plumbum concurrirt bei derartigen Leiden mit Kali
bichrom. Dr. Ch. Gatchell hat eine beginnende
Nieren-Cirrhose mit Plumbum in der 6. Verreibung
geheilt. Wie bereits oben erwähnt, haben die Ex¬
perimente an Thieren bestimmt ergeben, dass Kali
bichrom. parenchymatöse Nephritis erzeugt, welche
in die interstitielle Form übergeht und schliesslich
in Schrumpfniere endet. Kobert, der diese Beob¬
achtungen in seinem „Lehrbuch der Intoxicationen**
anführt, will desshalb den innerlichen Gebrauch
dieses Mittels gesetzlich verboten haben, aus Be-
sorgniss vor so verhängnissvollen Folgen! Dr. Prit-
chard schliesst: Wenn dieses Mittel einen solchen
Zustand erzeugen kann, so wird es sicher bei der
Behandlung desselben, in den früheren Stadien,
von Nutzen sein. M.
Vom BUchertisch.
Kneipp und seine ärztlichen Jünger, eine Kritik
der neuen Wassermode. Zugleich eine Antwort
auf Dr. Baumgartens Schrift über die medici-
nische Berechtigung der Kneipp’schen Heil¬
methode. Von Dr. med. Clemens Niemann,
pract. Arzt in Fürstenau i. H. Frankfurt a. M.,
Verlag von Joh. Alt. 1894.
Besprochen von Dr. H. Gonllon.
Man hat gesagt, Kneipps Stern sei im Sinken
begriffen, weil er in Rom Fiasko gemacht hat.
Dieser Ansicht sind wir nicht. Wer die Schwierig¬
keiten würdigt, mit denen der Pfarrer von Wöris-
hofen dort zu kämpfen hatte, der wird auch be¬
greifen, weshalb er nicht reüssirte. Eine Haupt¬
schwierigkeit aber bestand in der Ungeeignetheit des
Krankheitsfalles überhaupt zu einer Wasserkur.
Seine Heiligkeit der Papst verträgt einfach solche
Proceduren nicht. Aber es schmeichelte der Eitel¬
keit des Herrn Pfarrers zu sehr, hier Lorbeeren
zu pflücken, als dass er auf Vornahme seiner The¬
rapie verzichten mochte.
Da Kneipp sich auch mit Homöopathie be¬
schäftigt hat, anfangs günstig und vorurtheilslos
sich über dieselbe äusserte, später missgünstig und
feindlich gegen dieselbe auftrat, so geziemt es sich
wohl für die Vertreter der homöopathischen Lehre,
die Kneipp-Literatur zu berücksichtigen. Von
diesem Standpunkt aus bin ich denn auch gern
der Aufforderung der Redaction der ,,Allgemeinen“
nachgekommen und habe mich mit der Lectüre
der Niemann’schen Schrift befasst.
Nach einigen Vorbemerkungen und Einblick in
die Entstehung, Natur und Wirkung des Kneipp-
schen Heilverfahrens, wendet sich Verfasser zu den
Verordnungen des Wasserapostels selbst, zu dem
Krankenmaterial und den örtlichen Anwendungen.
Der Krankheitsauffassung wird ein besonderes Ka¬
pitel gewidmet, ebenso wie der Ernährung, Klei¬
dung und Abhärtung, als einer rationellen prophy¬
laktischen Massnahme.
Nun folgt, gewissermassen die Quintessenz des
Buches, die Wirkung der Kneipp’schen Heilmethode
auf die Krankheiten und Kneipp als Arzt. Dazu
gehört natürlich: die Eigenart des Kneipp’schen
Systems.
Besonders interessiren muss die Wirkung der
Kneipp’schen Methode auf bestimmte Krankheits¬
gattungen. Denn nur so gelangt man ja zu einer
stricten Indication und verfallt nicht dem Schlen¬
drian der Verallgemeinerung der fraglichen Kur¬
methode.
Der der Selbstbehandlung gewidmete Abschnitt
wird uns schon deshalb nicht gleichgiltig sein,
weil doch diese auch einen Angriffspunkt bildet
für die ärztlichen Gegner der Homöopathie. Wir
kommen darauf zurück, wollen nur noch der Stel¬
lung des Kneipp’schen Systems zur Chirurgie und
Wundbehandlung, sowie der praktischen Brauch¬
barkeit des Systems als besonderer Abschnitte des
Buches gedenken, womit wir dem Leser zugleich
eine knappe Uebersicht des gesammten Inhaltes
gegeben haben. Im Schlusswort aber bekennt sich
Verfasser ungeschminkt als Kneipps radicalen
Widersacher, und da seine Worte Widerhall finden
werden bei einer erdrückenden Majorität der Arzt¬
welt, so mögen dieselben hier eine Stelle finden.
„Nicht hochmüthiger , Korpsgeist* — sagt
Dr. Niemann — ,,ist es, was die Aerzte abhält,
die Heilmethode eines ,einfachen Pfarrers* an-
10 *
Digitized by
Google
7ft
zuerkennen, sondern ihre wissenschaftliche Ueber-
zeugung von deren Unwerth.
Wenn übrigens angesichts der Reden und
Schriften Kneipps in den Aerzten das Gefühl des
Unwillens aufsteigen sollte, wer wollte ihnen das
verdenken? Denn der ,einfache Pfarrer 4 be¬
schränkt sich nicht darauf zu behaupten, dass er
ein neues, grosse Erfolge erzielendes Heilsystem
erfunden habe, sondern er verurtheilt eine Wissen¬
schaft, die er nie studirt hat, die Schulmedicin in
Grund und Boden; er sitzt zu Gericht über Me-
dicamente und Heilquellen, deren chemische und
physiologische Wirkung er gar nicht kennt; er
giebt Urtheile über alle medicinischen Frageu ab
mit einer apodiktischen Sicherheit, die in umge¬
kehrtem Verhältniss steht zu dem Mass von Ein¬
sicht, die er dabei bekundet. So sind ihm, um
nur ein Beispiel anzuführen, alle Mineralwässer
verwerflich, weil viele Kranke an den Badeorten
sterben. (Meine Wasserkur S. 62 und 63.) Für¬
wahr ein Grund, womit er die Ausrottung aller
Krankenhäuser motiviren könnte.“
Gerade an der Schroffheit, mit der Reforma¬
toren ä la Kneipp auftreten und der Anmassung,
mit der sie die Wissenschaft Andersdenkender zu
verkleinern suchen, scheitert die Verbreitung und
vernünftige Ausnutzung ihrer zum Theil wohlbe¬
rechtigten Ideen.
Sehen wir uns nun Einzelnheiten der Niemann-
schen Philippica an. Ihre Entstehung verdankt
dieselbe dem Umstand, dass es Verfasser nicht
vergönnt wurde, einen Dr. Baumgarten öffentlich
zu widerlegen. Die Bachem’sche Verlagsbuch¬
handlung kürzte Dr. Niemann den Raum, welchen
er beanspruchte in einer von jener Buchhandlung
herausgegebenen Zusammenstellung von Aufsätzen
in der Köln’schen ,,Volkszeitung“ für und wider
Kneipp. Dr. Baumgarten aber durfte in beliebiger
Breite die Segnungen der Kneippkuren der stau¬
nenden Welt verkünden. Es kühlte Dr. Niemann
zunächst die flammende Begeisterung für Kneipp,
indem er einfach nachwies, dass die Wiege Kneipps
in Gräfenberg zu suchen sei und Kneipp nur auf
den Schultern des Bauern Priessnitz steht. Ja
selbst das Barfusslaufen zu Kurzwecken gehörte
zur Priessnitz’schen Methode, und wenn man nicht
den Gassenjungen und Bettelkindern die Priorität
dieses für Kranke der besseren Stände oft ganz
verkehrten Verfahrens einräumen will, so muss
man sie immer noch eher Priessnitz als Kneipp zu¬
erkennen.
Das Nicht-Abtrocknen hält Verfasser mit
Recht für ein thörichtes, nur etwa bei Gesunden
zu verantwortendes Mittel, zu heilen. Originell
mag es sein, nachahmenswerth erscheint es aber
vernünftig Denkenden nicht.
Kneipp umgiebt sich mit einem Stab studirter
Aerzte, welche dem Prälaten die Diagnose mit¬
theilen, womöglich „auf altfränkisch“, worauf die
Art und Weise der Wasserbehandlung zudictirt
wird. Auch dies findet Verfasser mit Recht an-
stössig, trotz der starken Ahnungskraft, mit der
der Herr Pfarrer ausgestattet sein soll. — Komisch
nimmt sich aus, dass Kneipp für Leinenhemden
schwärmt (,,die Leinenfaser saugt die Absonderung
der Haut am leichtesten auf“ — Dr. Baumgarten),
während Professor Jäger bekanntlich durch seine
Wollehemden seuchen- und wetterfest machen
will. Wessen Ring ist nun der echte? Der, dessen
Gesundheitslehre nach Äfassgabe der Einzelver¬
hältnisse Vorschriften giebt.
Und so verhält es sich mit den Kneipp’schen
Wassermanipulationen überhaupt: Lernt iudividuali-
siren! Dem Einen nützt, was dem Anderen scha¬
det. Deshalb ist auch die schabloneninässige Be¬
handlung der Influenza ä la Kneipp: „stündlich
eine kalte Ganzwaschung“ ebenso falsch, wie
Kneipps, des verblendeten Wasser-Enthusiasten
Ausspruch: „Wer die Wasserkur gebraucht, be¬
kommt überhaupt keine Influenza. 44
In dem Abschnitt: Kneipp als Arzt, kommt
derselbe recht schlecht weg, indem Verfasser nichts
darauf zu geben vermag, dass Kneipp überhaupt
ein Arzt von Gottes Gnaden sei, welcher auch
ohne Rigorosum diagnostischen Scharfblick ent¬
wickele, denn sonst würde er nicht Hornhaut¬
flecken für grauen Staar halten und „als sicherstes
und oftmals für das Vorhandensein der Schwind¬
sucht ausschlaggebendes Zeichen ansehen, dass der
Kranke recht gern Gesalzenes ass, Salz auf Brod
streute, Fleisch in Salz tauchte, mit Vorliebe nach
Säuren und Gewürz haschte.“
Was Verfasser von der „Eigenart des Kneipp-
schen Systems“ hält, geht am besten aus dem
diesen Betrachtungen vorausgeschickten Lessing-
schen Motto hervor:
„Ein Quidam sprach: ,Ich bin von keiner Schule,
Kein Meister ist’s, mit dem ich buhle. 4
Das heisst, wenn ich ihn recht verstand,
Er war ein Narr auf eigne Hand. 44
Sehr beachtenswerth und den Nimbus der
Kneipp’schen Kuren stark compromittirend sind die
folgenden Reflexionen, wie sie Dr. Niemann an¬
stellt bei Besprechung der Wirkung jener Methode
bei bestimmten Krankheitsgattungen:
50 °/ 0 der Wörishofener Kranken sind Neu¬
rastheniker, d. h. solche, die an reizbarer Schwäche
des Nervensystems leiden. In dieser Thatsache
liegt der Schlüssel zu den Erfolgen Kneipps.
Denn dass solche Patienten in Wörishofen eine
entschiedene Besserung zeigen, ist eigentlich selbst¬
verständlich. Aber ist dieser Erfolg dem Wasser
Digitized by
Googk
77
zuzuschreiben? Keineswegs. Der stubenhockende
Gelehrte, der sich geistig überarbeitet hat, der
Grosskaufmann, den das aufregende Börsentreiben
und das grossstädtische Genussleben nervös gemacht
haben, beide von Dr. Baumgarten selbst geschil¬
derte Typen der Wörisbofener Neurastheniker, was
thut ihnen Noth? Aufgeben ihrer nervenzerrütten¬
den Thätigkeit, Ruhe des Geistes, vernünftiges
Leben in gesunder Luft. Vielleicht ist dieses beides
von ihrem Hausarzt schon längst angerathen worden,
aber die Verhältnisse sind oft stärker, als die
Menschen. „Es ist unmöglich, ich kann mein Ge¬
schäft, meinen Beruf doch nicht vernachlässigen,“
so lauten meistens die jedem Arzte bekannten Ein¬
wände, welche denselben zwingen, sich auf eine
symptomatische Behandlung zu beschränken. Seine
Rathschläge, betreffend Aenderung der Lebensweise,
werden vielleicht einige Tage befolgt, und dann ver¬
fällt man wieder dem alten Schlendrian. Verschlimmert
sich aber das Leiden mehr und mehr, dann heisst es
nur zu oft: Mit der Medicin ist es nichts, vielleicht
kann Kneipp mir helfen! Also auf nach Wörishofen!
So entrinnt dann der Kranke endlich dem Banne
seiner Gewohnheiten und dem Zwange seiner Ver¬
hältnisse; er geniesst die erquickende Ruhe des
Landaufenthaltes, geht fleissig spazieren, erhält ein¬
fache Kost und führt ein geregeltes Leben. Was
Wunder, wenn er jetzt entschieden Besserung fühlt.
Das hätte er aber überall auf dem Lande finden
können. Die Güsse und das Wassertreten werden
ihm nicht viel schaden, ja, vielleicht haben sie ge¬
rade bei dieser Krankenkategorie einen günstigen
Einfluss durch — Autosuggestion, deren in Wöris¬
hofen besonders hervortretende Wirkung ja auch
Dr. Baumgarten anerkennt. Die felsenfeste, von
Kneipp durch tägliche Vorträge gekräftigte Ueber-
^eugung, dass die dortige Kurmethode die einzig
naturgemässe und richtige ist und die Absonder¬
lichkeit vieler Proceduren werden ihren Einfluss
namentlich auf harmlose Gemüther nicht verfehlen.
In all dem hat Verfasser vollkommen recht,
allein er vergisst einen wichtigen Factor, welcher
dem Wörishofer Laien-Doctor schaareuweise die
Patienten zuführt, das ist der zunehmende Abscheu
vor der zunehmenden Bereicherung des allopa¬
thischen Heilapparates mit den abenteuerlichsten,
unreifen, d. h. nur ganz oberflächlich geprüften
Mitteln aus den chemischen Fabriken. — Beson¬
ders entwickelt die in Höchst bei Frankfurt a. M.
darin eine fieberhafte Thätigkeit. — Und wenn
Kneipp von diesem Gesichtspunkt aus der Schul-
medicin gegenüber von V privüegirter Giftmischet'ei“
redet, so müssen wir ihm vollkommen beipflichten
und bezeichnen, heute überzeugter als je, mit ihm
diese Allopathie als „ gemeingefährlich u .
Diabetes mellitus bei Kindern.
Aetiologie. Die erbliche Belastung bildet in der
Zuckerharnruhr der Kinder ein wichtiges Moment,
demnächst kommen vorangegangene tiefgehende Er¬
krankungen, besonders gastrische Katarrhe. Auch
nach Typhus und Purpura haemorrhagica hat man sie
beobachtet. Ferner hat man Ueberanstrengungen,
Erkältung auf starke Transpiration, die tägliche
Einwirkung von Nässe und Kälte, kalte Bäder,
sowie auch Fall und Schlag auf den Kopf als ur¬
sächliche Factoren angegeben.
Die erbliche Belastung zeigt verschiedene Wege.
Es kann das Nervensystem die Vermittlerin sein,
indem epileptische oder nervöse, hysterische (neu-
rasthenische) Eltern ihren Kindern die traurige An¬
wartschaft auf Diabetes vererben. Die Eltern selbst
können auch diabetisch gewesen sein. Nach manchen
Autoren ist es besonders die Syphilis der Erzeuger,
welche bei den Kindern die Anlage zu Diabetes über¬
mittelt. Dass Verletzungen, namentlich an Kopf-
und Rückenmark, einen Einfluss ausüben, bezeugt
die Thatsache, dass bisher mild verlaufene Fälle
beim Hinzutritt eines Trauma einen gefährlichen
Charakter annahmen.
Was das Alter betrifft, so beobachtete Stern
unter 117 Fällen infantiler Diabetes 6 unter 1 Jahr,
bei '1 anscheinend von der Geburt an; 7 über
1 Jahr alt, 3 über 2 Jahre, 7 über 3 Jahre, 6
über 4, 5 über 5, 1 über 6 Jahre, 6 über
7 Jahre, 2 hatten das 8. Jahr vollendet, 8 waren
9 Jahre alt, 6 waren 10, 9 waren 11, 8 waren
12, 9 waren 13, 5 waren 14, 4 waren 15 Jahre;
bei 28 fehlt die Altersangabe. Sie gehörten alle
den besseren Klassen an — von jüdischer Abkunft
nur 1 Fall. — Im Ganzen hat man die Krankheit
vor dem 10. Lebensjahre seltener beobachtet. —
Bemerkenswerth ist die Beobachtung, dass Mädchen
von Diabetes häufiger befallen werden, als Knaben.
Dagegen behauptet Tompson, dass das Verhältniss
bis zum zehnten Lebensjahre bei beiden Ge¬
schlechtern gleich, dass von da an aber das männ¬
liche vorwiegt.
Symptome und Complicationen. Die Diabetes
äussert sich bei Kindern zuweilen in Bettnässen;
man sollte daher, wo dies Symptom sich zeigt,
immer den Urin auf Zucker untersuchen. Bei
Säuglingen ist Abmagerung, Verlust an Fleisch, oft¬
mals das erste, bemerkenswerthe Symptom. Sonst
zeigen sich die dieser Krankheit eigentümlichen
Erscheinungen, wie Polyurie, Polydipsie, Hunger,
ja Heisshunger, Abmagerung, beständiger Zucker
gehalt des Urins. Dazu kommen als Complicationen
Coma, Albuminurie, phlegmonöse und gangränöse
Processe, Erysipelas, Pruritus, Eczema, Sehstörungen,
Blasenentzüudung u. a.
Digitized by k^ooQle
78
Fichtner sah bei einem diabetischeü Mädchen
von zehn Jahren Verlust des Kniereflexes und
diffuse Retinitis.
Nach Litten tritt bei jungen Diabetikern öfters
plötzliche Erblindung ein. In keiner Krankheit
zeigen sich so oft Störungen des Sehorgans als in
Diabetes. Alle Gewebe des Auges, die Hornhaut,
die Iris, die Linse, der Glaskörper, die Netzhaut,
die Muskeln etc. können afficirt werden; am meisten
machen sich aber Veränderungen der Linse bei
Diabetes geltend. — Die Ursache der diabetischen
Cataracta führt ’Seegen auf die Anhäufung von
Zucker im Blut und die diabetische Kachexie zurück.
Sie ist bei Kranken unter 20 Jahren meist doppel¬
seitig, bei Erwachsenen aber oft unilateral.
Litten beobachtete zwei Fälle, wo der Staar
sich mit verblüffender Schnelligkeit entwickelte und j
zwar innerhalb weniger Stunden. Bei einem Mädchen 1
von 17 Jahren, bei dem die Zuckerausscheidung in 1
24 Stunden beiläufig 12 Unzen betrug, in kacliek-
tischem Zustande, war das Sehvermögen des rechten
Auges ganz verloren, das des linken unvollkommen.
Sie ward operirt, indem die Linse in der vordem
Kammer entfernt wurde, wo sie bald absorbirt
worden ist. Seitdem hatte sich das Sehen erheblich
gebessert. In dem zweiten Fall wurde nicht operativ
eingeschritten, Patient kam zur vollen Erblindung.
Das diabetische Coma kommt bei Kindern häufiger
vor als bei Erwachsenen; man hat dabei plötzliche
Todesfälle beobachtet. Die frühzeitige Erkenntrtiss
dieses Zustandes ist sehr schwierig, in manchen
Fällen unmöglich; im Allgemeinen kann man aber
sagen, dass jede plötzliche Besserung im Verhalten
des Urins und objectiver Erscheinungen, die nicht
von Seiten des Kranken durch die subjectiven be¬
stätigt werden, den Arzt zur Vorsicht mahnen
sollen. Das Zurückgehen des übermässigen Hungers
z. B. unter das Durchschnittsraass, unerwartete und
unerklärte Weichleibigkeit, während vorher Ver¬
stopfung die Regel war, absonderlicher Aceton-
Geruch des Atheras, wie etwa von einer Mischung
von Chloroform und Essigsäure; saures Aufstossen
und Brechübelkeit mit oder ohne Erbrechen; allge¬
meine Hinfälligkeit und Widerwille gegen Bewe¬
gungen; Neigung zum Schlaf selbst bei Tage mit
deprimirter, verzagter Stimmung; Schwindelanfälle,
Stirnkopfweh, neuralgische Schmerzen; beschleunigter
Puls mit oder ohne Erhöhung des Arterienumfangs
sind mahnende Vorboten. Denn nach einem un¬
bestimmten Zeitraum derartiger Symptome wird der
Kranke über Depression klagen, wird schlaflos, isst
nichts, hat kolikartige Schmerzen, erbricht reines
Wasser, öfters mit Acetongeruch; es stellt sich ein i
die Brust beengendes Gefühl ein, das zum Tief- j
athmen nöthigt. Die cerebralen Erscheinungen vari-
iren von Ueberreizung zu wilden, geschwätzigen |
Delirien, abwechselnd mit schlaftrunkenen oder be¬
täubten Intervallen.
Die Reihenfolge der Symptome im diabetischen
Coma ist oft folgende: Dyspnoe, grosse, wilde Erregt¬
heit, Benommenheit der Sinne, Coma. — Ein plötzlicher
Tod kann sich unter folgenden Umständen ereignen:
Der Zucker im Urin weder durch Diät noch Me-
.dication beeinflusst; der Kranke ausserordentlich ge¬
schwächt; die unteren Extremitäten ödematös; die
Zunge rotli, rauh, wie polirt; Mund und Hals mit
aphthösen Flecken bedeckt, unstillbare Diarrhöe;
acute Affectionen der Lungen sind zugegen oder
chronische Pneumonie hat vorher bestanden.
DerUrin im diabetischen Coma zeigt in 24Stundcn
eine geringere Menge an Flüssigkeit, wie auch au
Zucker. Er ist höchst sauer, kann auch nach Aceton
riechen. Albumin enthält er gewöhnlich in geringem
Masse.
Der Einfluss von Ge müths erregungen auf Diabetes
ist evident und zeigt sich im folgenden Falle in
merkwürdiger Weise: Ein 7jähriger, zarter Knabe,
mit erblicher Anlage zu Diabetes, wurde von dieser
Krankheit befallen; bei angemessener Diät war der
Zucker, der Anfangs 4 per Cent betrug, auf
0,35 per Cent herabgegangen und schliesslich ganz
verschwunden. Bald hiernach wurde er von eiuem
Hunde angegriffen, der auf ihn sprang; er fiel auf
den Boden, wo er halb bewusst in Schrecken lag.
Man brachte ihn nach Hause und ins Bett. Hier
lag er zuerst zitternd und sprachlos einige Stunden,
ehe er etwas ass, während er wiederholt nach
Getränk verlangte. Am nächsten Tage fand sich
3,3 per Cent Zucker im Harn, dessen Menge zu¬
genommen hatte. Unter eingeschränkter Diät nahm
der Zucker wieder ab, bis er nach Verlauf von
8 Tagen wieder völlig verschwand.
Prognose. Die Prognose des Diabetes im kind¬
lichen Alter ist im Allgemeinen schlecht. 75 per
Cent starben in den von Stern beobachteten Fällen.
Von 77 Fällen, deren Ausgang er beobachtet, wurden
14 hergestellt, 7 gebessert, 4 blieben ungebessert,
und 52 starben. Indessen hat sich das Mortalitäts-
verhältniss in neuerer Zeit, da man die Krankheit
besser zu diagnosticiren und zu behandeln gelernt
hat, doch günstiger gestaltet. In der Regel verläuft
die Krankheit um so rapider, je jünger das Kind ist.
(Schluss folgt.)
LesefrUchte.
Veränderung des Hautpigments beim chro¬
nischen Gebrauch des Arsen.
Dr. Richardtere stellte eine Kranke vor, bei
welcher der Gebrauch der Solutio Fowleri inner-
Digitized by k^ooQle
79
halb von nur vier Wochen eine sehr ausgespro¬
chene bräunliche Verfärbung der Haut herbei¬
geführt hat.
Die Kranke, welche an Adenie (Lymphdrüsen-
geschwulst? Ref.) litt, hatte das Mittel in diesen
vier Wochen in immer steigenden Dosen erhalten;
am achtzehnten Tage der Behandlung fing die
Pigmentation an sich zu zeigen und nahm in
wenigen Tagen ausserordentlich zu; gegenwärtig
ist sie in der Abnahme begriffen, so dass die Epi¬
dermis ihre natürliche Färbung wieder zu gewinnen
strebt.
Die Verfärbung ist über die ganze Hautober¬
fläche verbreitet, während die Schleimhäute ganz
verschont bleiben; in einzelnen Gegenden tritt sie
stärker hervor, wo die schwärzliche Färbung über
die allgemein verbreitete bräunliche hinausgeht.
Diese Gegenden sind: die Achseln, der Hals, die
Rückseite der Finger und Zehen. Ausserdem be¬
merkt man eine ziemlich grosse Anzahl von linsen¬
förmigen Pigmentflecken, da, wo die Haut durch
Wanzenstiche, Aufreibungen oder subcutane Ein¬
spritzungen verletzt worden war. Die Pigmentation
war überdies von Entfärbung der Haare und tro-
phischen Störungen der Glieder begleitet. Sic war
das Hauptzeichen der Uebersättigung mit Arsen.
Als das Mittel bei Seite gesetzt wurde, zeigte
sich etwas Diarrhöe und Schwäche in der rechten
unteren Extremität. Gastrische Störungen waren
nicht vorhanden. (France medicale.)
Bekanntmachung.
Ich bringe hierdurch zur Kenntniss der Central¬
vereinsmitglieder, dass mir von den Geschäftsführern
der vom 24.—30. September d. J. in Wien tagen¬
den Versammlung deutscher Aerzte und Natur¬
forscher eine specielle Einladung für dieselbe zu¬
gegangen ist. Es wäre sehr wünschenswerth, dass
dieser Einladung von unserer Seite, wenn auch
nur von Einigen, Folge geleistet und diese erste
entgegenkommende gehörig gewürdigt würde. Es
wäre dies vielleicht eine Gelegenheit, um An¬
knüpfungspunkte zu gewinnen. Ich bin gern be¬
reit, jede etwa gewünschte Auskunft zu geben.
Leipzig, 21. August 1894.
Dr. med. A. Lorbacher,
z. Z. Vorsitzender des Central Vereins.
Danksagung.
Mit dem Ausdrucke unserer Freude und des
herzlichsten Dankes bringen wir hierdurch zur öffent¬
lichen Kenntniss, dass ein homöopathischer Arzt
Norddeutschlands, dessen Namen wir zu unserem
Bedauern nicht nennen dürfen, in unserem Kranken¬
hause ab 1. Juli a. c.
2 neue Freibetten
gestiftet und zu deren Unterhaltung sich ver¬
pflichtet hat, alljährlich 1000 Mark zu spenden,
von denen die erste Zahlung bereits eingegangen
ist. Nach seinem Tode soll uns testamentarisch
das entsprechende Kapital zur weiteren Erhaltung
dieser Freibetten zufallen.
Auf diese Weise haben wir nun schon 7 Frei¬
betten : 3 von Herrn Baron A. von Hoffmann-
Sydenham, 2 von Herrn Dr. med. Herrn. Fiseher-
Wcstend und diese 2 neuen.
Für diesen Act edler und uneigennütziger
Nächstenliebe und Wohlwollens für unser Haus
sagen wir unseren aufrichtigsten und besten Dank;
möge er weitere Nachahmer zum Heile unserer
guten Sache finden.
. Leipzig, im August 1894.
Das Curatoriiim
des liomöopath. Krankenhauses.
Dr. Lorbacher.
Anzeigen.
Für Altere Dame, aus best. Kreis., vermögend,
sehr wirtsch., ang. Aeussere, wird die Bekanntsch. e. Herrn
v. ebenfalls angen. Aeusseren, gross. Statur u. gutem Ein¬
kommen, d. s. eine glückl. Häusl, gründen will, gesucht.
Off. sub H. 24119 an Haasenstein & Vogler, A.-G., Breslau.
Friedr. Hanzo
Kreuznach
empfiehlt seine selbstgekelterten
Weine
anerkannter Bote, weiss und roth, in Flaschen und Gebinden.
Probekisten, mit 1W / 1 oder l2 /j Flaschen, in
5 resp. 6 Sorten assortirt, liefere ab hier incl. Glas
und Packung zu Mk. 11.— bezw. 14.—.
Für Aerzte zur Vorbereitung auf das
Dispensirexamen (in Berlin)
empfiehlt:
Drogensammlungen ä 20 Mark
Herbarien ä 18 Mark
Diese sind extra für das Dispensirexamen zusammen¬
gestellt und enthalten alle Drogen und Pflanzen,
die in diesem vorgelegt werden und in Frage
kommen können.
Hierzu Dr. Lorbacher’s Anleitung zum metho¬
dischen Studium der Homöopathie, brosch. 2 Mark,
geh. 2,50 Mark.
A. Marggrafs homiiopath. Offlein in Leipzig.
Digitized by
Google
80
Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer
Offlein in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Ende dieses Jahres erscheint:
The Universal Homoeopathic Annual
(jedoch nur in englischer Sprache).
Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬
schen Literatur der ganzen Welt und ein Ueberblick
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬
schen Werke.
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Fanlwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, (leim nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arznei vergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielle Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering 1 -
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
scheidennach allen Seiten des betreffenden Mi ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei¬
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisscs — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann.
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen,
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes,
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Herausgegeben von
Dr. med. Francois Cartier, Paris
und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof. Timothy-Field
Allen-New-York, Pierre Jousset-Paris, A. B. Norton-
New-York, Löon Simon-Paris, Seiden Talcott-New-
York, Alphonse Teste-, Henry C.Houghton-New-York,
W. B. Van Lennep-Philadelphia, Burford-London,
Kippax-Chicago, Hurndall-London, Giuseppe Bonino-
| Turin, einer Reihe hervorragendster Specialisten für
I Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-,
j Geschlechts- etc. Krankheiten in Frankreich und
Amerika.
| Preis 12 Mark.
Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um-
■ fassen und zerfällt in zwei Theile, die Arzneimittel-
| lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als
| nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt
I und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden
i mit den Anschauungen hervorragender Professoren
i und praktischer Aerzte, von denen im laufenden
I Jahre Veröffentlichungen erschienen sind.
I Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen
! A. Marggrafs homöopathische Officio,
i Leipzig.
I ' I — .-
, Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Offlcin
i in Leipzig ist soeben erschienen:
Die homöopathische Behandlung
• der
Augenkrankheiten
I sowie der
1 Ohrenkrankheiten
nacli den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
j zum Gebrauche für practische Aerzte.
i Bearbeitet von
! Dr. Th. Bruckner,
! homöopathischer Arzt in Basel.
! O 1 /^ Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—,
* broscli. M. 2.50.
| Ausführliche Besprechung dieses Buches siehe
i Bd. 128, No. 23/24 dieser Zeitung.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Jnlins Müs er in Leipzig.
Digitized by k^ooQle
Band 129. Leipzig, den 13. September 1834. No.ll U. 12
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITIM«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle lind Verl«? von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnuxnmern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97desPost-Zoitangs-Verzeichnisse8(pro 1392). — Inserate, welche an Haasenstein AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offtein in Leipzig) zn richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Banm berechnet. — Beilagen werden mit 12 M. berechnet.
Inhalt. Ansprache des Dr. Weber-Köln, Vorsitzender bei der wissenschaftlichsn Sitzung der 62. Generalver¬
sammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands zu Eisenach am 10. August 1894. — Aus der Praxis. Von
Dr. Kunkel in Kiel. (Fortsetzung.) — Nachtrag. Von Dr. med. Waszily. — Von der 62. Generalversammlung des
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands in Eisenach am 9. und 10. August 1894. Festivalia. — Das Album des
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands. Von William Steinmetz. — Die Anwendung des Wassers in der Be¬
handlung des Typhus abdominalis. Von Dr. Knüppel-Magdeburg. — Diabetes mellitus bei Kindern. — Prostata-Neurosen. —
LesefrQchte. — Homöopathische Hilfstabellen. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Ansprache des Dr. Weber-Köln,
Vorsitzenden bei der wissenschaftlichen Sitzung
der 62. Generalversammlung des Homöopathischen
Centralvereins za Eisenach am 10. August 1894.
Zu unserem Leidwesen hat unser, für die
heutige Versammlung erwählter Vorsitzender, Herr
Kallenbach aus Rotterdam, seines Ehrenamts nicht
walten können. Wenn an seiner Stelle ich als
Mitglied des Vereinsvorstandes heute die Leitung
unserer wissenschaftlichen Tagfahrt übernommen
habe, so wollen Sie dies für nichts Besseres an-
sehen, als dass aus der Notli eine Tugend gemacht
wurde. Herr Kallenbach hatte die Anwesenden
mit einer Ansprache bedacht, die er zwar durch
die Allgemeine Homöopathische Zeitung schon ver¬
öffentlichen liess, die aber leider die Beigabe des
persönlichen Eindruckes, der vom Redner ausge-
gangen wäre, entbehren musste Wenn ich heute,
so gut ich kanu, die Lücke ausfülle, so dürfen
von diesem Platze aus Kallenbach’s Worte doch
nicht ganz ungehört bleiben. Wir hoffen, dass
unser geehrter Herr College und Freund ein an¬
deres Mal in der Lage sein werde, einem erneuten
Rufe zu folgen. Wir haben bisher ihn fast regel¬
mässig zu unserer Freude unter uns gesehen.
In seiner geistdurchwehten Ansprache hat er
einen, wie er sagt, schon oft gehörten Schmerzens¬
schrei ausstossen wollen.
Allzuschlimm allerdings haben wir uns die Pein,
die ihn gebar, nicht auszumalen. Desto ernster und
volle Beachtung gebietend ist sein Inhalt. Dieser
knüpft an die unserer Ueberzeugung nach ganz
verdrehte Stellung an, in der die auf die Lehr¬
körper der Universität angewiesene medicinische
Wissenschaft und die von dort her von dem Aerzte-
corps bezogenen Lehrmeinungen über arzneiliche
Heilkunst der Homöopathie gegenüber standhaft ver¬
harren und nach der auch ein entsprechend grösserer
Theil des Publicums uns und den Herren Collegen
gegenüber sein Benehmen zu regeln beliebe. Es
sei darum bei der anscheinend fanatischen Ver¬
blendung und Opposition gegen die sich stets meh¬
renden Beweise der Wahrheit des Aehnlichkeits-
gesetzes trotz einzelner vielversprechender Erschei¬
nungen innerhalb des gegnerischen Gebietes eine
grundsätzliche Anerkennung sobald nicht zu er¬
warten.
Die alte Schule fahre fort in ihrem Bestreben,
auf die oberflächlichsten Vorstellungen der Lebens¬
vorgänge hin therapeutische Gesetze zu schaffen,
und in der Beherrschung, Unterdrückung oder Be¬
schwichtigung einzelner pathologischer Erscheinungen
ihr Heil zu suchen, trotzdem sie es auf diesem
11
Digitized by
Google
82
Wege weder gefunden habe, noch je finden
werde.
Allerdings habe — ganz abgesehen von der
Abneigung gegen die Anerkennung eines einzigen
Heilgesetzes — das Studium der Homöopathischen
Arznei-Mittel-Lehre für die vorurtheilsvolle Gegner¬
schaft nichts Verlockendes. Weder die schwer zu
übersehenden „Symptomen-Versammlungen“ lüden
dazu ein, noch die haarspaltenden Unterscheidungen
der Vergleichenden Arznei-Mittel-Lehre, noch auch
die Einführung der 50,000. Potenz.
Wir hätten also vorläufig noch als Bekenner
einer unvergänglichen Wahrheit in gemeinsamer
Arbeit zu harren auf einen zum Heil der Mensch¬
heit und der Parteien sich anbahnenden Ausgleich.
Inzwischen — und nun folgen beherzigenswerthe
Worte — sollten wir fortgesetzt an unserer eigenen
Rüstung weiter arbeiten. Insbesondere und vor
allem zur Entscheidung von Fall zu Fall, wo Raum
und Anzeige für die Anwendung des homöopa¬
thischen Heilgesetzes vorhanden sei, unter Be¬
schränkung seiner Tragweite auf seine durchgreifende
Wahrheit auf dem Wege des Heilem durch Arznei¬
mittel. — Abgesehen von der Chirurgie und der
mechanischen Therapie im Allgemeinen gebe es
noch zahlreiche wahrhaftige Heilpotenzen im Reiche
der Naturkräfte, die mit Homöopathie nichts zu
schaffen hätten, die wir wohl gebrauchen, aber
nicht der Homöopathie zusprechen dürften.
Nicht minder sollten wir uns eines vollgerüttelten
Maasses gerechten Skepticismus befleissigen, um so
mehr, als wir unter erschwerenden Umständen, also
auch bei schädlicher Therapie, Menschen wieder
gesunden sehen, und darum auch die Frage im
Auge behalten, ob nicht der Naturheilkraft ein
grösserer Spielraum bei der Heilung zugestanden
werden müsse.
Mit anderen Worten: da nur auf den Wegen
naturgesetzlicher Lebensvorgänge eine Genesung
oder Heilung vor sich gehen kann, so sollen wir
uns fragen nach dem Maasse des Antheils, welchen
wir durch unser Zuthun für die Heilung in An¬
spruch nehmen können. Ohne die Lebenskraft, in
welche unsere Arzneikräfte sich einzuschalten haben,
ist weder Genesung noch Heilung denkbar.
Weiter habe unsere fortgesetzte Arbeit zu
gelten der Vertiefung und Reinigung des uner¬
schöpflichen Borns der Arznei-Mittel-Lehre, einer¬
seits zur schärferen Bestimmung der in den Arznei-
Symptomen angedeuteten Krankheitsprocesse, an¬
dererseits zur Ausfüllung der noch klaffenden
Lücken in den, objective, stoffliche und Stoffwechsel-
Vorgänge unmittelbar veranschaulichenden Arznei¬
zeichen, um auch dadurch die therapeutische Ver¬
knüpfung von Krankheit und Heilmittel brauch¬
barer zu gestalten.
Da haben Sie in kurzen Umrissen den Ueber-
blick über die wissenschaftlichen Anforderungen
eines conservativen Homöopathen, der durchglüht
von der Wahrheit der Homöopathie, in langjähriger
erprobter Arbeit den Kopf sich kühl gehalten hat
und frei von den unfeinen Dünsten wohlfeiler
Selbstberäucherung. Ihm sei dafür an dieser Stelle
unser Dank ausgesprochen.
Wenn auch nicht Alle von uns ihre eigene per¬
sönliche Vorstellung von der Stellung und der Auf¬
gabe der Homöopathie dadurch für erschöpft halten,
so werden doch überall gleichgestimmte Saiten mit
angeklungen haben. Die abweichenden oder er¬
gänzenden Besonderheiten sind bei uns Einzelnen
wohl nur in der Gestaltung der Abgrenzungslinien,
nicht in dem Kern des Wiedergegebenen zu suchen.
Diese fliessenden Grenzen sollen wir uns jedenfalls
von jedem Bekenntnisszwang freihalteu. Die Trag¬
weite der arzneilichen Leistungsfähigkeit der Ho¬
möopathie auch im Wettstreit mit anderen wahr¬
haftigen Heilpotenzen, wozu auch die ohne unser
Zuthun sich geltend machende Naturheilkraft ge¬
hört; die Gabengrösse, die Lehre von der Poten-
zirung und die damit verknüpften Fragen nach
der Aufschliessung der Molekularkräfte, und nach
den Grenzen der Atomisirung; die Deutung der
Arzneizeichen, ihre Vergleichung und Unterschei¬
dung; der Weg von der Bindung der Indicationen
an die klinische Form bis zur völligen Lossagung
vom anatom-pathologischen Schema und Rückkehr
zur Halinemann’sehen Casuistik — für diese Dinge
sind je nach der Erfahrung, Begabung und Ge
lehrsamkeit des Einzelnen die Grenz«'n verschieden
gesteckt.
Aber gerade aus ihnen treiben die Fortsätze
aus zur Aufschliessung und Festlegung neuer Ge¬
biete fruchttragender Beziehungen zwischen körper¬
lichen Systemen, Organen, Gewebsarten, Schmerz-
Örtern, Zeitläuften einerseits und Arzneiwirkung
andererseits, gleich Fühlfäden, die suchend und
tastend an die Grenzen unerforschter, dunkler Ge¬
biete der innersten Lebensvorgänge herantreten,
wartend, ob sich von jener Seite her nicht ein
wahrnehmbares Zeichen als Antwort vernehmen
lassen werde.
Wir wollen solche Fühler nicht zu rasch Aus¬
wüchse nennen, von denen die reine Lehre befreit
werden müsse. Solche reine Lehre hat es nie ge¬
geben in einer auf Versuchen und Erfahrungen
gegründeten Wissenschaft, die in fortwährendem
Flusse aufnimmt und ausscheidet. Die Läuterung
vollzieht sich gewiss rascher und vollkommener
durch unser Zuthun, jedenfalls aber unaufhaltsam.
Was fremd ist und fremd bleibt, wird abgestossen
werden, das Echte und Innerlichzugehörige in
organischem Anschluss unsere Lehre bereichern.
Digitized by ^.ooQle
83
Wir gebrauchen nicht allein Hüter, wir bedürfen
auch der Mehrer des Schatzes Hahnemann’scher
Lehre. Auch sind wir bis jetzt noch lange nicht
so weit gekommen, dass wir das alte, uns alle
verknüpfende Band zu zersprengen brauchten, um
neuen Errungenschaften Platz zu schaffen.
Nur sollten alle auseinanderfahrenden Rich¬
tungen durch gegenseitige Achtung sich ihr eigenes
Recht auf Duldung und Achtung sichern. In dieser
Hinsicht bleibt bis in die neueste Zeit hinein noch
Mauches zu ändern und zu bessern, was durch die
Druckerschwärze gesündigt wurde.
Die Forschungsfreiheit, die allein den organi¬
schen Fortschritt in der Wissenschaft ermöglicht,
soll grundsätzlich innerhalb des weiten Gebietes der
Homöopathie bei einem Jeden unter uns als unan¬
tastbares Gut gelten, er gebrauche sie mit Geschick
oder Ungeschick, wenn wir nur überzeugt sein
können, dass ernste nach dem Licht der Erkennt¬
nis drängende Bemühung den Anstoss gab.
Einen anderen ärztlichen Weckruf und Schmer¬
zensschrei aus dem gegnerischen Lager, der einen
fast schauerlichen Eindruck zu machen im Stande
ist, kann ich hier nicht ungehört verhallen lassen.
Er ist um so eindrucksvoller, als er nicht in eine
raedicinische Zeitung innerhalb der Fach wände der
Zunft eingefangen verendete, sondern mit Hilfe
des Schallbodens der weitgelesenen Wochenschrift
,,Die Zukunft“, die den Aufsatz aufnahm, die
Frage in die weite Welt hineinrufen konnte:
Giebt es noch Heilmittel?
Die Antwort lautet:
Jetzt sei auch für die Heilkunde die Zeit ge¬
kommen, eine irrthümliche Vorstellung zu zer¬
stören, weil diese von einer Minderheit in ihrem
Interesse, wenn auch in gutem Glauben, benutzt
werde, einem grossen Theil der Menschheit Scha¬
den zuzufügen.
Der alte Köhlerglaube an die Heilkraft der Arze-
neien sei jetzt nicht mehr so harmlos, weil nicht mehr
mit harmlosen Pflanzen, sondern fortdauernd mit aller¬
lei Giftkörpem der Grossindustrie die kranke Mensch¬
heit traktirt werde und eine wahre Hochfluth von
symptomatischer Kurirerei und methodischer Arznei¬
vergiftung von Seiten der medicinischen Wissen¬
schaft hereingebrochen sei. Hochmüthig, wie auf
Kurpfuscher, sehe man herab auf die Vertreter
der Gegenströmung, die von dem Grundsätze aus¬
gingen, dass wir nichts Anderes thun könnten, als
die Heilbestrebungen der Natur zu unterstützen.
Trotz aller Chemie und Mikroskopie herrsche
doch nur eine ganz oberflächliche Vorstellung von
den Vorgängen im lebenden Körper. Die Zellen¬
ernährung, die Auswahl der passenden Stoffe seitens
der Zelle, die automatische Regulirung der körper¬
lichen Vorgänge, Wärme, Ernährung, Ausscheidung,
Wachsthum, Zeugung und Senescenz — über alles
lagere tiefes Dunkel und es gehöre der ganze
plumpe unwissenschaftliche Geist der meisten mo¬
dernen Naturforscher dazu, sich der Einsicht in
die Lebensvorgänge zu rühmen und darauf eine
Therapie aufzubauen. Aus solcher Unrichtigkeit
stamme die Fiebertherapie, die Herabzwängung der
Temperatur, obschon das Fieber doch das einzige
Moment sei, was die Heilung ermögliche. Und
nun wird an dem Quecksilber, Chinin, Salicyl, Brom,
Kalium, Morphium und anderen Stoffen durch Aus¬
sprache von Autoren nachgewiesen, was für Unheil
damit angerichtet sei. Unterdrückung, Vertuschung,
Palliation der Krankheitsvorgänge seien an der
Tagesordnung: der reinste Gegensatz zu einer
wirklich causalen, auf Hygieine beruhenden ver¬
ständigen Therapie. Man solle doch das falsche
Priesterthum, die Auguren Jacke, wie vor 50 Jahren
schon Griesinger gesagt habe, abstreifen und offen
aussprechen, dass wir vom Heilen eben nicht viel
verstehen.
Der alte Kohl werde immer aufs Neue aufge¬
wärmt und schliesslich ein Stand gezüchtet, der an
innerer Unwahrheit kranke. Wenn man dortseits
nicht bald ablasse von der Züchtung falscher Illu¬
sionen, so werde der Stand bald von der opposi¬
tionellen Fluthwelle fortgeschwemmt werden.
Das ist etwas mehr als das Ergebniss eines
wunderlichen Kopfes. Wir fühlen heraus, dass der
Verfasser auf den therapeutischen Wegen der
medicinischen Wissenschaft, an denen ihr Gift¬
pflanzen blühten, woraus sie kein Heilkraut zu
schaffen vermochte, sich wie ein unwürdig Genarrter
vorkommt und mit Abscheu und Verachtung deu
Glauben an jedwede arzneiliche Heilkunst preis-
giebt.
Allerdings wird diess — wir geben darin
Dr. Kallenbach recht, — noch keine offene Re¬
volution erzeugen. Denn die alte Schule hätte
keinen sofortigen Ersatz für das Abgeworfene zur
Stelle. Lassen Sie in Gedanken die überlieferte
Therapie auf einmal verschwinden: das Vacuum
würde wegen seiner Unerträglichkeit, Undankbar¬
keit sofort mit ähnlicher Fülluug anderwärts be¬
zogen ausgestopft werden. Auch hier herrscht die
Naturgesetzlichkeit, welche nur eine Entwickelung
an dem Vorhandenen kennt, ein Wachsen durch
Anfügung und einen Ersatz durch Auswechselung
ähnlichen verwandten Bildungsstoffes. Die Ab-
stossung von Lehrmeinungen vollzieht sich wie die
Häutung einer Schlange. Erst muss das neue Fell
fertig sein, bevor das alte sich abstreift. Aber uns
zum Tröste giebt es auch ein Gesetz der Erhaltung
der Kraft und ihrer Fortzeugung in belebten Or¬
ganismen. Dies gilt auch für die Bekenner der
Homöopathie, die so lange als Propheten in der
11 *
Digitized by
Google
84
Wüste gegolten haben. Kein wahrer Prophet hat
vergebens verkündigt. Er sah nur früher, was
kommen musste. Auch unsere Worte schienen in
alle Winde zu zerfliessen. Wir gewahrten lange
nicht die Anstösse und Erschütterungen, die durch
Wort, Schrift und That von uns ausgingen. Ver¬
loren aber sind sie nicht gewesen.
Wo sie verhallend zu ersterben schienen, hatten
sie schon schlafende Gedanken aufgeweckt, die
nun weiter sich regten, todtliegenden Brennstoff
entzündet, der weiter glimmen musste, Gewissen
aufgerüttelt, die sich zu neuen Entschlüssen auf¬
rafften.
In dieser Hoffnung, die an unseren Versamm¬
lungstagen uns besonders lebendig vor die Seele
tritt, treten wir jetzt in unsere Tagesordnung ein.
Aus der Praxis.
Von Dr. Kunkel in Kiel.
(Forteetzun^.)
8 ) K., Frau eines Bahnwärters, Vierzigerin, con-
sultirte mich am 18. Juli 1891. Sie war erfolglos
auf der hiesigen Klinik mit Eisumschlägen und
Massage behandelt worden. Das Leiden besteht
seit Januar desselben Jahres. Sie ist früher ge¬
sund gewesen, beschuldigt Anstrengung (sie ist
Brodträgerin gewesen) und Erkältung, ferner Ein¬
zug in ein feuchtes Haus (?) als die Ursachen.
Die Untersuchung ergab Anschwellung des Bi-
ceps des rechten Armes mit stechenden Schmerzen.
Letztere haben sich auch im linken Arm eingestellt.
Lahmheitsgefühl, Ziehen und Reissen in den Armen
werden in der Bettwärme gemindert. Hat früher
an Asthma gelitten, welches besonders bei Ostwind
hervortrat. Schlaf, auch so lange sie gesund war,
stets rechts. Verordn.: Caustic. 3. C., Morgens und
Abends 1 Tropfen. Erst am 22. April 1893 sah
ich Patientin wieder. Die Schmerzen hatten sich
nach Caustic. sofort verloren, der Muskel und die
Muskelkraft waren bald zur Norm zurückgekehrt.
Sie klagt wieder über Stechen in Schulter und
Nacken, Schwindel beim Bücken, Niederlegen,
raschem Umdrehen. Sie hatte früher, wie erwähnt,
hei Ostwind an Asthma gelitten, jetzt wurde sie
davon befallen, wenn sie sich dem Rauche aussetzte
und dem Staube. Verordn.: Caustic. 200. (Lehrm.)
jeden 7. Abend 1 Dosis. Die Heilung trat sofort
ein und war wenigstens bis Ende des Jahres dauernd,
wie ich constatiren konnte, da ich so lange die
Tochter behandelte.
Causticum hat entschiedenen Einfluss auf die
Innervation der Muskeln. Ich habe das Mittel recht
oft mit gutem Erfolge gegeben jungen Leuten, die
als Lehrlinge in ein Geschäft eintraten, wo sie
länger stehen mussten. Auch bei Talipes planus
kann man das Mittel mit Nutzen geben. Ein recht
charakteristisches Symptom ist das rasche Ver¬
schwinden des Gefühls der Erschöpfung, der Er¬
lahmung nach verhältnissmässig kurzer Ruhe.
9) J., Landmann, 51 J., in geringem Grade
skoliotisch, bis vor 4—5 Jahren gesund, leidet
seitdem an Asthma, das an Intensität immer zu¬
nimmt. Verschlimmerung Nachts bis Mitternacht
stetig zu-, nach Mitternacht abnehmend. Gegen
Morgen Schlaf. Staub verschlimmert, Sitzen in
vornübergebeugter Stellung mindert die Athemnoth.
Intensität des Asthmas zu verschiedenen Zeiten ver¬
schieden. Nach heftigem Auftreten stellte sich öfter
schmerzlose Diarrhöe ein. Bei körperlicher An¬
strengung stellt sich auch am Tage Asthma ein.
Oefter Schnupfen. Füsse kalt. Zug wird recht
gut vertragen, Ostwind und Lage auf der rechten
Seite nicht Verordn. 9. Dec. 1890: Caustic. X.
6 Pulver, jeden 7. Abend eins.
9. März 1891. Allgemeinbefinden wesentlich
besser, Athemnoth tritt nur nach Sattessen zuweilen
hervor, kann rechts liegen etc. Dieselbe Medica-
tion. Später traten andere Krankheitsersclieinungeu
in den Vordergrund, die andere Medicamente er¬
forderten. Es war hier nur die Aufgabe, die In-
dication für die Mittelwahl festzustellen.
10) H., Landmann, 39 J., consultirte mich am
7. April 1891. Derselbe hat vor 3 Jahren */ 4 Jahr
hindurch an Ischias gelitten, auf welcher Seite finde
ich nicht bemerkt. Jetzt ist er seit 2 Monaten
damit behaftet. Im vorigen Herbste heftiger Hexen¬
schuss, so dass er sich nicht bewegen konnte. In
der Ruhe und Wärme frei von Schmerzen, doch
nur wenn er auf der schmerzenden Seite liegt; er
schläft daher stets auf der letzteren. Allgemein¬
befinden gut, aber Appetit ungenügend. Sofort
beim Gehen ist er mit Schweiss bedeckt und der
Schmerz nimmt im Verhältniss der Muskelanstren¬
gung zu, in der Ruhe sich sofort verlierend. Ver¬
ordn.: Caust. X., jeden 7. Abend 1 Dosis.
26. Mai. Wesentliche Besserung, nur bei ausser-
gewöhnlicher Anstrengung noch Schmerz. Dieselbe
Medication.
10. Juli. Noch immer nicht ganz frei. Verordn.:
Calc. X. und Caust. X. im Wechsel jeden 4. Abend.
28. Aug. Bericht: Durchaus gesund.
11) K., Fischer, 35 J., hat sich in seinem Be¬
ruf im Monat October dem Zuge ausgesetzt und
ist seitdem unwohl. Er will früher geistig über¬
angestrengt worden sein. Jetzt muss er jeden
Morgen beim Erwachen Schleim herauswürgen. Bei
Bewegung oft sofort in Schweiss und dann gleich
wieder kalt. Zug , Anstrengung , Ostwiwl, Liegen
auf der reckten Seite nicht vertragen. Verordn.:
Digitized by c^ooQie
85
Caustic. X., jeden 7. Abend 1 Dosis (8. Dec. 1891).
Erst am
3. November 1892 erschien Patient wieder. Sein
Leiden war durch Caustic. sofort gehoben. Jetzt
Recidiv. Verordn.: Caustic. 200. Lehrm., jeden
7. Abend 1 Dosis. Seitdem habe ich von dem Be¬
treffenden nichts wieder gehört.
12) Frau Sch., 42 J. Seit 4 Jahren „Rheu¬
matismus u im rechten Fuss, rechten Arm, rechter
Schulter. Ijeicht Vertreten , leicht Ermüden , her¬
petischer Ausschlag am rechten Unterschenkel, hinter
beiden Ohren. Bei der Arbeit erlahmt der rechte
Unterarm nebst Handgelenk leichter als der rechte.
Allgemeinbefinden gut. Verordn, am 31. Mai 1898:
Caust. X., jeden 7. Abend 1 Dosis.
5. Juli. Besser. In den letzten 14 Tagen Be¬
finden „wunderschön,“ nicht so schwach. Dieselbe
Medication. Patientin kam nicht wieder.
13) G., Mädchen von 24 Jahren, leidet seit
4—5 Wochen an Zahnschmerz, in den letzten 8
bis 14 Tagen besonders am Tage; früher auch zu¬
weilen Nachts. Der Schmerz hat seinen Sitz in der
Seite, sowohl Ober- als Unterzähnen, ist reissend,
ergreift aber nicht bloss die Zähne, sondern
auch die ganze rechte Seite des Kopfes. Ver¬
schlimmerung im warmen Zimmer, zuweilen schon
beim Erwachen eintretend. Appetit und Allgemein¬
befinden recht gut, Zunge rein. Bücken und Niedrig¬
liegen des Kopfes werden nicht vertragen, rufen
die Schmerzen hervor. Verordn. 23. Dec. 1889:
Spig. X. 6 Pulver, jeden 7. Abend eins.
Patientin erschien erst wieder am 9. Febr. 1891.
Sie sei nicht wieder erschienen, weil der Schmerz
sofort beseitigt worden sei. Jetzt genau dieselben
Erscheinungen. Der Schmerz zuweilen auch Nachts.
Allgemeinbefinden recht gut, „wenn sie den Schmerz
nicht hätte, würde ihr nichts fehlen.“
Dieselbe Medication mit der Weisung, eventuell
wieder zu kommen, was nicht geschah.
14) Die Frau des Arbeiters H., 49 J., leidet
seit Jahren an Kopfschmerz, consultirte mich am
16. Aug. 1890. Vom 30. Mai an bedeutende Ver¬
schlimmerung, brennende Schmerzen, hat 17 Tage
den Kopf mit Eis gekühlt, dazu 90 Pulver ein¬
genommen. Gefühl von eiskalten Stellen auf dem
Kopf besonders auf der Seite, jetzt auch links,
besonders aber auf dem Scheitel. Zuweilen sind
die Schmerzen reissend. Früher grosse Empfind¬
lichkeit gegen Wind, so dass sie im Freien den
Kopf einhüllte. Schweiss des Kopfes bald kalt,
bald warm. Früher oft Zahnschmerz, stets Auf-
getriebenheit des Epigastriums mit Cardialgie. Die
verordnete Calc. c. X., jeden 7. Abend 1 Dosis,
hatte den Erfolg, dass der Kopfschmerz an Inten¬
sität verlor, das Kältegefühl aber blieb. Flatulenz
plötzlich kommend und vergehend. Zahnschmerz
mit Kopfschmerz altemirend, am Besten im Freien
und bei Bewegung. Monses schon nach 14 Tagen.
Bücken nicht vertragen. Verordn.: Sepia X., ebenso
unter Verschlimmerung der Erscheinungen; daun
wieder Calc. X.
20. Dec. Kopfschmerz auf dem Scheitel der¬
selbe, das Kältegefühl mit Zahnschmerz alternirend,
Bücken und Niedrigliegen nicht vertragen. Nachts
und Morgens Befinden am besten. Verordnung:
Spig. X. 6 Gaben, jeden 7. Abend eine. Erst am
26. Sept. 1891 stellte sich Patientin wieder vor.
Sie hat sich in der ganzen Zeit durchaus wohl be¬
funden. Da trat der Tod eines Kindes ein und
mit ihm wieder die Kopfschmerzen. Dieselben wer¬
den durch Denken an den Gegenstand ihres Kum¬
mers sofort hervorgerufen. Sie muss mit dem Kopf
ganz hoch liegen. Besser, wenn sie eine Zeit lang
im Bett gelegen. Dabei Appetit recht gut. Ver¬
ordn.: Spig. X. ebenso.
Am 6. Febr. 1892 erschien Genannte wieder,
Wieder hat sie den Verlust eines Kindes zu be¬
klagen, hat seit 3 Tagen wieder Kopfschmerzen
mit Zittern und Frost, muss sehr hoch liegen.
Wieder Spig. X.
Farrington legt anscheinend Gewicht darauf,
dass der der Spig. entsprechende Nervenschmerz
mit der Sonne erscheint und mit ihr wieder ver¬
schwindet. Dies ist nach meinen Erfahrungen zu¬
weilen der Fall, aber verhältuissmässig nicht oft.
Man sieht aus diesem Beispiel, wie wichtig es
ist, das Constitutionsmittel im Auge zu behalten
und nicht einseitig auf die Aetiologio sich zu stützen.
Der Anfänger, noch nicht gewohnt sich streng an
den Symptomencomplex zu halten, hätte in Ver¬
suchung kommen können ein anderes Mittel, z. B.
Ignat., zu geben. In tieferer Potenz verabreicht
würde es vielleicht eine günstige Wirkung geäussert
haben. Das directe Heilmittel war es aber nicht.
15) K., 79 J. Rechtsseitiger Gesichtsschmerz,
wie lange ist nicht bemerkt; 2 Mal ohne Erfolg
operirt. Der Schmerz ist reissend, wird bei körper¬
licher Anstrengung und im Ostwinde. Muss stets
links schlafen, früher rechts; muss hoch mit dem
Kopf liegen; viele Träume. Hoher Grad von
Schwäche. Verordn.: Caustic. X., jeden 7. Abend
1 Dosis.
10. Mai. Keine Aenderung. Verordn. 2. April
1890: Sulph. X., jeden 7. Abend 1 Dosis. Patient
erschien erst am
20. Dec. 1892. Bis vor einigen Wochen völlig
frei, stellte sich das alte Leiden wieder ein bei
übrigens durchaus gutem Befinden. Verordn.: wie¬
der Spig. X., ebenso mit der Weisung event. wieder
zu kommen, was nicht geschah.
Für Spig. sprach das Bedürfniss des Patienten,
hoch mit dem Kopf zu liegen. Alle übrigen Symp-
Digitized by
Google
86
tome sprachen mehr für Caustic., das nach meinen
wiederholten Erfahrungen das Symptom hat: Niedrig¬
liegen mit dem Kopfe wird nicht vertragen.
Hier konnte ein Extrem vorliegen, und nur der
Versuch konnte entscheiden.
Spigelia hat Verschlimmerung beim Liegen auf
der linken Seite, Verschlimmerung im Winde über¬
haupt, während Caustic. Verschlimmerung speciell
im Ostwinde hat. Wie so oft lag hier wohl eine
Ungenauigkeit in der Aussage des Kranken vor.
16) Die Frau des Gastwirths E., 33 J., consul-
tirte mich am 2. Juli 1892. Sie war, nach ihrer
Angabe, vor 3 Jahren von mir mit Erfolg be¬
handelt an Gesichtsschmerzen, die mit Unterleibs¬
schmerzen alternirten. Seit 1 Woche leidet sie
wieder an Gesichtsschmerzen links, plötzlich auf¬
tretend, mit aufsteigender Hitze, meist Abends
schlimmer, doch auch Morgens und am Tage ein¬
tretend. Sie ist nie ganz frei. Kann den Mund
nicht ganz öffnen. Am Besten in der Ruhe, Ver¬
schlimmerung im Winde und beim Bücken. Sonst
Alles gut. Verordn.: Spig. X. jeden 7. Abend
1 Dosis.
4. Juli 1893. Bis jetzt gesund und frei von
Schmerzen. Jetzt gleichzeitige Schmerzen in beiden
Hypochondrien, zuerst gegen Abend schlimmer,
jetzt selbst auch Nachts, zuweilen den ganzen Tag.
Wenn der Schmerz schlimmer, gleichzeitig Husten.
Die genannten Schmerzen alterniren mit halbseitigen
Kopfschmerzen und Schmerzen im rechten Fuss.
Schmerzen reissend, stechend, Verschlimmerung der
Schmerzen beim Niesen , Schneuzen. Trockne Haut,
nur Achselschweiss, Menstr. alle 3 Wochen, Fluor
albus vorher. Schmäle Luft , Zug, Wind, Bücken
wirkt verschlimmernd auf die Schmerzen. Verordn.:
Spigel. X. wie früher und dieselbe Wirkung. Achsel¬
schweiss hat Spigel. wohl selten.
17) Frau M. (Alter nicht bemerkt, 12 Kinder
selbst gestillt) leidet seit 2 Jahren an Augenent¬
zündung. Lidränder und beide Conjunctivae ge-
röthet. Dabei Reissen in der Nase nach der Stirn,
um die Augenhöhlen herum nach den Ohren hin,
besonders rechts. Thränen der Augen, besonders
im Winde. Verordn. 23. Jan. 1893: Spigel. X.
jeden 7. Abend 1 Gabe.
21. Febr. Nach dem ersten Pulver war Ver¬
schlimmerung 1 Woche hindurch. Anschwellung
der Mundschleimhaut. Reissen im Kopf etc. Stuhl
hart, nach dem 2. Pulver Besserung, die regel¬
mässig fortschreitet. Verordn.: dasselbe in immer
längeren Zwischenräumen.
Der Patientin war mit stets nur vorübergehendem
Erfolg 2 Jahre hindurch Calomel ins Auge gestreut
worden.
18) v. M., 16 J., halbseitige Kopfschmerzen
rechts, von vorn nach hinten durch das rechte Auge
ziehend. Vor 4 Jahren Kopfschmerz in Folge
geistiger Ueberanstrengung. Allgemeinbefinden un¬
verändert. Verschlimmerung beim Reiten und beim
Gehen. Freie Luft und Zimmerluft haben keinen
Einfluss. Schwindel beim Bücken. Verordnung
12. März 1894: Spig. X. 8 Pulver mit der Weisung,
nicht mehr einzunehmen, wenn der Schmerz be¬
seitigt. So weit ich von den Eltern verstanden, be¬
durfte es nur 1 Dosis.
19) Frau B., Landmann, 41 J., hatte in der
Kindheit viel an Wechselfieber gelitten. Gegen
Symptome, die ich als dem noch vorhandenen Mala¬
riasiechthum angehörig deutete, hatte sie von mir
Natr. mur. X. und 3. ohne Erfolg erhalten. Offenbar
in Folge der wiederholten Wechselfieberanfälle hatte
sich nun Insufficienz der Mitralklappe ausgebildet
mit nachfolgender Hypertrophie des rechten Ven¬
trikels. Ausserordentliche Kurzathmigkeit, Unfähig¬
keit, ihren häuslichen Obliegenheiten zu genügen.
Sie bekam am 28. October 1891 Spig. 3. mit
Natr. ra. 3. im Wechsel 2 Mal täglich von jedem
Mittel 1 Dosis.
Erst am 28. October erschien Patientin wieder.
Sie habe sich wesentlich besser befunden, die systo¬
lischen Geräusche noch vorhanden. Erst am
6 . August 1892 stellte sich Patientin wieder
vor. Fühlte sich im Allgemeinen besser. An¬
strengendes Gehen noch nicht vertragen. Herz¬
töne rein.
Am 13. Januar 1894 zeigte sich Patientin
wieder. Erträgliches Befinden. Zuweilen Reissen
in der linken Schulter, Lahmheit des rechten Ar¬
mes. Viele Träume. Lage im Bette nicht sehr
hoch. Verordn.: Kalmia latifol. 3. Morgens und
Abends.
23. April. Die Schmerzen in der linken Schul¬
ter und die Lahmheit des rechten Armes so gut
wie verschwunden. Puls noch unregelmässig, Im¬
puls des Herzens noch verstärkt. Verordn.: Kal¬
mia 2. C.
Seitdem habe ich Betreffende noch nicht wieder¬
gesehen.
Eine genauere Untersuchung des Falles, zu
welcher es mir an Zeit gebrach, in Verbindung
mit der nöthigen Aufmerksamkeit von Seiten der
Patientin hätte denselben interessanter und instruc-
tiver machen können. Ich habe den Fall mitge-
theilt, um auf eine Erscheinung aufmerksam zu
machen, die von mir häufiger beobachtet worden.
Das hier so häufige Malariasiechthum, also das
Natrum muriat., ruft Herzhypertrophieen ohne Klap¬
penfehler hervor. Natr. m. ist in solchen Fällen,
wie auch hier, nicht das Heilmittel. Die Klappen¬
fehler treten aber in vielen Fällen im Laufe der
Zeit hinzu, und hier tritt die Spigelia in ihr volles
Recht. Die Wirkung in frischen Fällen, z. B. von
Digitized by ^.oooie
87
Gelenkrheumatismus ist überraschend und nach
meinen Erfahrungen fast ausnahmslos heilend. Ich
erinnere mich nur eines Falles, wo Arsen, indicirt
war und heilte. Wie haben wir uns das Erkran¬
ken der Klappen in genannten Fällen zu erklären ?
Wäre Natr. m. als pathogenes Agens die directe
Ursache, so müsste es als Heilmittel in dem ge¬
nannten Falle sich erweisen. Dies war, wie wir
sahen, nicht der Fall. Es war der Spigelia Vor¬
behalten, auf die Klappen günstig einzuwirken.
Dass der Herzmuskel nach Jahre langem krank¬
haftem Funktioniren selbst erkranken muss, wird
Niemand in Abrede stellen können. Die Annahme,
dass dieser krankhafte Process sich auf die Herz¬
klappen durch Continuität übertragen kann, dürfte
durchaus gerechtfertigt sein.
20) Frau K., Landm., 56 J., consultirte mich
am 28. Mai 1887. Sie leidet seit länger an
Schmerzen im Munde, deren Sitz sie nicht genau
angeben kann, zum Tlieil im Zahnfleisch, stets links. |
Vorher durch längere Zeit Appetitlosigkeit, die noch
jetzt andauert. Der Schmerz ist ziehend, reissend, |
tritt zuweilen plötzlich auf. Zuweilen Hustenanfalle. j
Niedrigliegen und Wind nicht vertragen. Func- '
tionen normal. Verordn.: Spig. X., jeden 7. Abend I
2 Pulver. Erfolg günstig, so dass sie im Gebrauch !
der Medicamente zuweilen Pausen machte, weil sie
sich völlig geheilt glaubte.
Am 2. August 1888 erschien sie wieder. Der
Schmerz hatte sich wieder eingestellt, wieder im
Zahnfleisch links. Erwachte constant von den
Schmerzen Nachts mit Trockenheit des Mundes und
der Lippen. Zuweilen Nacht sch weisse, grosse Em¬
pfindlichkeit gegen Zug. Kali carb. X. beseitigte
den Schmerz völlig und wie es scheint dauernd,
da Patientin sich nicht wieder meldete.
21) Frau Pb., 24 J., consultirte mich am
12. April 1887. Sie stillt seit 2 Monaten. Seit
*/ 4 Jahr Reissen im Os zygomaticum und vor den
Ohren bald rechts, bald links. Der Schmerz tritt
plötzlich ein und dauert 10—15 Min. Erregende
kalte Umschläge lindern, ebenfalls Hochliegen mit
dem Kopf. Wind und Liegen auf der linken Seite
verschlimmern.
Verordn.: Spig. X., jeden 7. Abend 1 Dosis.
Erst am 17. Febr. erschien Patientin wieder. Seit
4—5 Wochen Reissen im Os zygomaticum bald
rechts, bald links, auch Nachts im Bette. Ver¬
schlimmerung bei hoher Lage des Kopfes , „befindet
sich am besten, wenn sie fast auf dem Kopf steht. u
Urin ganz dunkel, trübe . Schwindel beim Stehen ,
schreckliche Träume , sieht Gestalten, Schläfrigkeit
am Tage, nur nicht mit erhöhtem Kopfe. Empfind¬
lichkeit gegen kalte Luft. Verstimmt, nieder¬
geschlagen. Befinden nach Schlaf recht gut, wenn
sie einigermassen geschlafen. Verordn.: Conium X.,
jeden 7. Abend 1 Dosis mit sofortigem Erfolg. —
Auch Colchicum hat Besserung beim Bücken, aber
trotzdem Verschlimmerung, wenn tiefere Lage des
Kopfes im Bette.
22) Eines Falles aus dem Jahre 1886, der
ähnliche Erscheinungen wie Patientin Nr. 19 dar¬
bot, erwähne ich nur kurz. Sie hatte zuerst mit
wenig Erfolg Natr. mur. und Spig. im Wechsel, dann
Spig. 3. C., später Spig. 2., im Jahre 1888 Spig.
erhalten. Es fand eine regelmässige Fortbesserung
statt. Die Arznei wurde täglich 2 Mal gegeben,
und das Endresultat war, dass die Herztöne bei der
Entlassung völlig rein waren, der Herzstoss, der
in Folge der Hypertrophie des rechten Ventrikels
sehr wuchtig war, zuletzt die normale Stärke hatte.
(Fortsetzung folgt.)
Nachtrag.
In meiner Kali bichrom.-Krankengeschichte in
Nr. 7 8 d. Ztg. ist die Heilung erfolgt unter An¬
wendung der 30. Centesimalpotenz, was zu er¬
wähnen vergessen. Bezüglich der Wahl des Mittels
bei dieser Angina follicularis sei noch bemerkt,
dass das Gefühl eines Haares noch folgende Mittel
haben: Arsen., Lycop., M. austr., Natr. mur., Pulsat.,
Ran. bulb., Silic., Sulph.; v. Boenninghausen nennt
von diesen in erster Linie Arsen, und Sulph. Des
Letzteren Taschenbuch ist mein täglich Brot, daneben
benutze ich die Arzneimittellehren, insbesondere die
Hering’sche, worin unter Kali bichrom. steht:
„Empfindung, als nässe ein Haar am hinteren Teil
der Zunge und am Gaumensegel; durch Essen und
Trinken nicht gebessert.“ Dass ein zwölfjähriges
Mädchen nichts vom Gaumensegel sagt, ist doch
nicht wunderbar, ich glaube nicht, dass viele Mäd¬
chen in dem Alter vom Gaumensegel was wissen;
wenn es aber von selber damit kommt, es hätte
das Gefühl eines Haars auf dem hinteren Theil der
Zunge, so ist das gewiss beachtenswerth und für
den individuellen Fall charakteristisch. Von Hysterie
wird hier wohl kaum jemand reden, und wenn
auch. Jedenfalls passte nach den anderen Er¬
scheinungen von den übrigen Mitteln, die das Ge¬
fühl eines Haares haben, dieses am besten; dass
es Simillimum war, lehrte der Erfolg. Uebrigens
kommt es meiner Meinung nach nicht darauf an,
dass ein Symptom wörtlich mit dem Niedergeschriebe¬
nen des ersten Prüfers übereinstimmt, als vielmehr
darauf, dass es möglichst ähnlich ist. Was den
Punkt anlangt, ob ein Symptom beobachtet ist auf
Einwirkung des Urstofls, einer niederen oder Hoch¬
potenz, so habe ich schon einmal früher darauf
hingewiesen, dass die mit höheren Potenzen er¬
zielten Symptome für eine individuelle Arzneimittel-
Digitized by
Google
88
Diagnose oft werthvoller sind als die viel all¬
gemeineren mit Tiefpotenzen oder dem UrstofF er¬
haltenen; ich sagte schon damals, dass, wer alles
über die 14. Potenz hinaus streichen will, derselbe
der homöopathischen Materia medica oft der werth¬
vollsten Symptome beraubt und sich selbst der
schönsten Heilerfolge. Ich erinnere nur an die
Nachprüfung der Thuja von C.W.Wolf. Sapienti sat.
Kiel, den 22. August 1894.
Dr. med. Waszily.
Von der 62. Generalversammlung
des
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
in Eisenach am 9. und 10. August 1894.
Festivalia.
Da ein College uns daraufhin befragt hat,
wer denn die Trinksprüche beim Festmahl aus-
gebracht und wem diese gegolten haben, so wollen
wir denn als gewissenhafte Berichterstatter dem be¬
reits Gemeldeten noch diesen Nachtrag aus dem
Stadium der „Gemütblichkeit“ nachsenden, dem
freilich kein Protokoll zu Grunde liegt.
Das Festmahl fand, wie auch unsere Sitzungen,
im grossen Saale des Hotel zum Kronprinzen statt
und hatte der zuvorkommende Wirth durch einen
humoristischen Speisezettel den Festgenossen schon
einen guten Vorgeschmack von den in der That
trefflichen Speisen (die Getränke waren aber auch
nicht schlecht) dargeboten. Den Reigen der Trink¬
sprüche eröffnete der Vorsitzende, Dr. Weber , mit
einem Hoch auf den ,,Landesfürsten,“ indem er
ausführte, dass, wenn wir Deutschen bei solchen
Gelegenheiten unsere Fürsten jetzt hoch leben
Hessen, dies keine mit Lüge getünchte Höflichkeit
sei, sondern dass wir nach der hergestellten Einig¬
keit unseres deutschen Vaterlandes uns in der That
mit ihnen eins fühlten in dem Bestrehen, die Wohl¬
fahrt und das Gedeihen unseres Volkes nach allen
Kräften zu fördern. Was die Fürsten von Weimar
für die Pflege von Kunst und Wissenschaften, zumal
in unserer klassischen Zeit, geleistet haben, werden
wir allezeit dankend anerkennen müssen.
Dr. Windelband brachte in kurzen, zündenden
Worten sodann ein Hoch auf die Manen Hahne-
mann’s und sein Werk, die Homöopathie. Sein ,
Spruch gelte auch einem Fürsten, aber einem sol- |
dien im Reiche des Geistes, dessen Verdienste um
die Menschheit so anerkannt seien, dass es nicht
vieler Worte bedarf, um sie zu schildern. Unser
bester Dank sei, wenn wir sein Werk, die homöo- !
pathische Heilkunst, nach allen Kräften zu erhalten,
zu verbreiten und zu fordern suchten.
Dr. Mo88cüs Trinkspruch galt den Frauen.
Aesculap, unser Urmeister, werde immer als ein
sehr ernster, langbärtiger Mann dargestellt, wie
man ja auch die Medicin keine heitere Kunst
nennen könne, sein Schlangenstab deute auf die dem
Arzte in der Praxis so erforderliche Klugheit, ihm
zur Seite stehe aber seine blühende, holdselige,
heiterlächelnde Tochter Hygiea — und sie, die Ge¬
sundheit, sei ja aller Heilkunst und Heilkünstler
hochverehrtes und erstrebtes Ideal. An sie ge¬
mahne uns heute der unser Festmahl schmückende
Kranz von Frauen. — Wenn das American In¬
stitute of Homoeopathy, das im Juni d. J. sein
50jäbrige8 Jubiläum gefeiert, es sich zum hohen
Verdienste anrechne, die erste ärzthehe Körper¬
schaft gewesen zu sein, welche den Frauen Mittel
und Wege zur Ausbildung und Ausübung der ärzt¬
lichen Kunst geboten habe, so wollen wir ihm das
nicht schmälern, aber wir sehen doch weit lieber
die Frauen als Arztes Gattinnen denn als Aerztinnen.
Die Frau des Arztes habe neben den häuslichen
Pflichten noch so ganz besondere Aufgaben. Ist
bei allen Ständen heutzutage der Kampf ums
Dasein ein gar heisser, schwerer, so kommt beim
Arzte noch der Umstand hinzu, dass sein Gemütli
durch den beständigen Ringkampf mit den Uebeln
und Leiden, ja mit dem Todfeind alles Lebens,
fort und fort in starke Erregung und weil er, der
Arzt, sein ganzes Wissen und Können, alle Kräfte
Geistes und Leibes daransetzt und doch nicht
immer den heissgewünschten Erfolg erreiche, ab¬
gesehen von so manchen Reibereien und Zusammen-
stössen mit Menschen und Verhältnissen, oft in
tiefen Unmuth versetzt wird. Da ist es denn die
Gattin, welche durch ihr geraüthvolles, heiteres
Wesen und den freundüchen, ethischen wie ästheti¬
schen Hauch, den sie über Haus und Familie aus¬
breitet, dem Doctor die Stirn glättet und das
Gleichgewicht, seine Seelenruhe, wiederherstellen
hilft. Die Gattin des homöopathischen Arztes kann
ihm überdies in den geschäftlichen Th eilen seines
Berufes in manchen Stücken behilflich sein. —
Nicht weil wir die Concurrenz mit den Aerztinnen
scheuen, sondern weil wir den Frauen gern die
ihrer Natur voll angemessene und am meisten dien-
Hche Stellung wünschen, ihnen nicht die hohe Ver¬
antwortlichkeit des ärztlichen Berufes aufgebürdet
sehen möchten, mögen wir ihnen die Pforten zum
Heiligthum des Asklepias nicht verlockend weit
aufthun. Wir bringen unseren Frauen unsere Hul¬
digung lieber als Schwestern der Hygiea dar, ein¬
gedenk des Dichterwortes:
Möge jeder (und jede) stillbeglückt
Seiner Freuden (Gabe und Aufgaben) warten;
Wenn die Rose selbst sich schmückt,
Schmückt sie auch den Garten.
Digitized by ^.ooQie
89
Für dieses Frauenlob brachte Dr. Schnütgen
als Stellvertreter der anwesenden Damen, in deren
Gemüthsstimmung, Stimme, Gebahrung er sich mit
grossem Geschick zu versetzen verstand, ein äusserst
komisch wirkendes Dankesvotum dar.
Dr. Kröfier gedachte dann in anerkennender
Weise des Vorstandes des Centralvereins, der den
ihm obliegenden, oft nicht unbedeutenden Pflichten
und Aufgaben stets mit Gewissenhaftigkeit, un¬
ermüdlichem Eifer und praktischer Klugheit erfüllt
habe. Ein besonderes Verdienst habe sich der
Vorsitzende durch die Leitung der Sitzungen er¬
worben. Wie der weise Meister im Sängerwett¬
streit auf der vor uns emporragenden Wartburg
habe unser Vorsitzender die hier und da aufblitzen-
den Funken eines mehr persönlichen Zwistes stets
zur rechten Zeit, mit dem rechten Wort, in weiser
Mässigung zu löschen gewusst. In einem kräftigen
Hoch auf den Vorstand gab die Versammlung diesen
allen aus der Seele gesprochenen Worten den ent¬
sprechenden Aus- und Nachdruck.
Doch was wäre ein Verein ohne den Nervus
rerum, was der Centralverein ohne den rechten
Mann bei der Verwaltung seiner Kasse? Dieser
Gedanke bewog den Dr. Lutze unserem Kassen¬
verwalter, Herrn Apotheker Steinmetz, den Tribut
der Anerkennung zu zollen. Sein Hoch galt dem
Manne, der so trefflich das Aurum metallicum des
Centralvereins hüte und verwalte und die an dieses
edle Metall sich anschliessenden vielfachen Geschäfte
und Manipulationen unverdrossen, ohne je sauer zu
reagiren, zum Besten der Sache Jahr ein Jahr aus 1
mit praktischer Energie besorge. Worauf Herr
Steinmetz dankend erwidert, dass er es immer für
seine Aufgabe gehalten, dahin zu wirken, dass die
Apotheker mit den homöopathischen Aerzten Hand
in Hand gehen und ihnen durch Herstellung guter |
Mittel in der Ausübung ihres Berufes zur Seite ,
stehen sollten.
Das war, wenn auch nicht dem Worte, so dem i
Sinne nach der Inhalt der bei dem Festmahl in
Eisenach gehaltenen Reden, da das Amt des
Dr. Haedicke als Schriftführer sich nur auf die
ernsten Verhandlungen, am Abend und Morgen, sich
bezog. — Zwischenhinein fiel dann noch wie eine,
Heiterkeit anrichtende, Bombe ein von Dr. Kallen¬
bach in Versen verfasster „Katechismus der Ho¬
möopathie,“ den Dr. Weber zum Vortrag brachte.
Auch diese Kette von Versen wollen wir dem theil-
nelnnenden Leser nicht vorenthalten.
Katechismus des Homöopathen.
Von Dr. Kallenbach.
Der Wissenschaft Entdeckungsflug
Du folgen sollst stets Zug um Zug, I
Dass auf der Höh’ du bleibst genug.
Und jede Waffe weiset zu schwingen,
Mit der es könnte noch gelingen,
Die schweren Uebel zu bezwingen!
Nur so lang’ bist Homöopath,
Als unentwegt du folgst dem Pfad’,
Den Hahnemann erschlossen hat.
Was sein Genie dir konnte bieten,
Das sollst als heiTgen Schatz Du hüten!
Kein Neu’rer Bess’res wird erbrüten!
Ueb’ immer treu die Aehnlichkeit,
Weich’ ab auch keinen Finger breit
Vom Weg’ der Mittel-Einfachheit!
Dein’ Mittelkenntniss hab’ kein Schranken,
So wirst dem Simile verdanken
Du viel Erfolge bei den Kranken.
Erhalt' Dir’s wie Dein Lebensblut,
Das Simile, Dein köstlich Gut,
Worauf Dein’ Macht und Glück beruht!
Mit ihm Du feiern wirst Triumphe!
Palliren fuhrt zur Heilkunst Sumpfe
Im Flitterglanz nur hoher Trumpfe.
Der Wissenschaft so heilig Licht
Zum Heilen schafft Dir ’s Wissen nicht.
Wenn’s Heilsymptomenbild entbricht.
Du kannst in Deiner Dosen Styl
Der Neigung folgen, dem Gefühl,
Missachten selbst das Molekül!
Doch wehe, wenn Du losgelassen
Dich stürz st in Hypothesen-Gassen,
Dein Handeln jenen anzupassen!
Nein, zügle Deine Phantasie
Und speculire lieber nie,
Grau, Freund, ist alle Theorie!
Beobacht’ stets mit Ernst und Fleisse,
Erfahrungen sind Kampfbeweise,
Und steh'n als Grund nicht hoch im Preise.
Beim post hoc-Schluss prüf jeder Stund’,
Ob denn der Kranke wohl auf Grund
Vom propter hoc auch ward gesund.
Wohl ist der Kampf der Wahrheit nütze,
Doch hüt’ Dich vor des Streites Hitze,
Der zum Verderben schleudert Blitze!
Lass an die Schoss’ von Deinem Rock
Nie hängen einen neuen Block,
Denn schwer genug schon trägt Dein Stock.
Den edlen Wein in Deinen Fässern
Sollst trachten stets Du zu verbessern,
Doch hüte Dich vor dem — Verwässern!
Geh’ aufrecht Deines Wegs fürbass,
Wo ’s Simile Dir zeigt den Pass,
Nicht aus dem Aug’ die Gegner lass!
Und wenn sie thöricht auf sich blähen,
Sei’s Dich, sei’s Deine Lehre schmähen.
Lass nie es ungestraft hingehen!
So, alternd in dem Lauf der Zeit,
Gewinn Dein Wirken Dir noch Beut’
Bei der Bilanz von Freud’ und Leid.
Manch’ Heilung wird Frucht Deines Strebens,
Und nahest dem Ziele Du des Lebens,
So hast gelebt Du nicht vergebens!
12
Digitized by
Google
90
Des Dankes Zoll (Trum weihe dann
— So gut wie er’s doch Keiner kann! —
Den Manen stets von Hahnemann!
Die unter Führung von Herrn Dr. Schnütgen
von Frl. Windelband freundlichst unternommene
übliche Sammlung für unsere Wittwenkasse ergab
das erfreuliche Resultat von 237 Mark.
Unser Ein- und Aufzug auf die hohe Wartburg ge¬
schah zwar nicht unter den Klängen des Wagner’sehen
Festmarsches aus dem Tannhäuser, aber die gewaltigen
Donnerschläge und das Rauschen des Regens, welche
hereinbrachen, als wir die herrlichen Säle beschau¬
ten, waren die nicht auch eine grossartige Natur¬
musik? Ja, eine unendliche Melodie liegt darin,
die zum Glück immer ein rechtzeitiges Ende erreicht.
Nach alledem wird man es begreiflich finden,
wenn wir sagen, die 62. Generalversammlung des
Central Vereins in Eisenach hat bei allen, die daran
Theil genommen, einen sehr erfreulichen, Geist und
Herz erquickenden Eindruck hinterlassen. Noch
lebendiger wird die Erinnerung an diese schönen
Tage bei den Festgenossen werden, wenn sie sich
daheim die Photographien anschauen, welche die
Damen und Männer, je in einem Gruppenbilde ver¬
eint, darstellen. Von denen, die das Similia simili-
bus curantur als gemeinsames Gut hochhalten, kann
man auch mit Fug und Recht sagen: Similes
similibus gaudent, und sei’s auch in effigie.
Zur Notiz. Den verehrten Theilnehmerinnen
und Theilnehmern an der Versammlung zur ge¬
fälligen Kenntnissnahme, dass die Bilder in ca.
8 Tagen zur Versendung kommen werden. So
lange wollen Sie sich noch freundlichst gedulden.
Der Photograph schreibt, dass er zur jetzigen
Jahreszeit ausserordentlich stark beschäftigt sei, die
Bilder aber von seinen besten Mitarbeitern machen
lassen wolle und somit nicht schneller liefern könne.
Nach den dieser Tage empfangenen Probebildern
kann jedoch schon jetzt die Versicherung gegeben
werden, dass die Bilder durchweg vorzüglich aus¬
gefallen sind und der Besitz eines solchen grosse
Freude bereiten und eine dauernde schöne Erinne¬
rung sein wird.
Das Album
des
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands.
Der im October 1892 an die Mitglieder des ge¬
nannten Vereins erlassene Aufruf, durch Einsen¬
dung ihrer Photographien das Album zu vervoll¬
ständigen, hat bei so Manchem Beachtung gefunden,
und auf den letzten beiden Generalversammlungen
hat das ausgelegte Album allen Anwesenden viele
Freude bereitet. Allein es fehlen noch sehr viele
Bilder und es ist doch so angenehm, sich nicht
nur dem Namen nach, sondern — ist es auch
nicht möglich persönlich — doch auch nach dem
Bilde zu kennen. Es ergeht daher die Bitte an
alle werthen Mitglieder, ihre Bilder einzusenden,
soweit dies noch nicht geschehen, oder die älteren
durch neue zu ersetzen. Durch Anschaffung eines
zweiten Albums, für welches beim Festessen der
letzten Generalversammlung die erforderlichen Gelder
durch die Herren Dr. JFeiV/ner-Breslau und Dr. Ro-
how8ky-Leij)z\g nebst Gattinnen gesammelt wurden,
ist auch für grössere Bilder in Cabiuetformat ein
würdiges Unterkommen geschaffen, da in das ältere
Album nur kleine Bilder eingereiht werden können.
Zur Entgegennahme von Bildern — auch von
verstorbenen Herren — ist der Unterzeichnete gerne
bereit. .
Hochachtungsvollst
Leipzig, August 1894.
William Steinmetz.
Die Anwendung des Wassers
in der Behandlung des Typhus abdominalis.
Von Dr. Knüppel-Magdeburg.
In dem lesenswerthen Aufsatz des Herrn Col-
legen von Sick in No. 1|2, Bd. 129 dieser Zeitung
spricht er auch über die verschiedenartige Anwendung
des Wassers bei der Typhusbehandlung von den
8 °/ 0 -Bädern nach Brandt und kalten Uebergiessungen
bis zu Bädern von 30°/ 0 , nasskalten Einpackungen etc.
Mir war es vergönnt, während des Krieges
1870]71 eine grössere Anzahl*) von Typhusfallen
zu behandeln und will ich meine dabei gemachten
Erfahrungen, was die hydropathischc Behandlung
anbetrifft, mittheilen.
In den ersten Monaten konnte ich aus äusseren
Gründen keine Bäder anwenden. Ich musste mich
auf kalte Einschlagungen beschränken. Diese wurden
in der Weise gemacht, dass auf einer Matratze
resp. Strohsack nach Auflegung einer wasserdichten
Unterlage ein leinenes Laken, welches in Wasser
von 12 —15°/ 0 R. ausgerungen war, ausgebreitet
wurde. Auf dieses Laken legte man den ganz
entblössten Kranken und schlug nun das Laken
fest um den Körper, liess den Kranken ohne weitere
Bedeckung oder gar Einwicklung in diesem Laken
*) Leider habe ich keine Notizen für mich gemacht,
kann daher keine Zahlen anführen, sondern nur nach dem
Gedächtniss referiren.
Digitized by k^ooQle
91
10 Minuten liegen. Nach Ablauf dieser Zeit wurde
der Kranke leicht abgetrocknet und in sein zurecht
gemachtes Bett gebracht. Diese Einpackung hatte
regelmässig einen Temperaturrückgang von 1 / 2 — 1 °/ 0
zur Folge, wenn auch nicht auf mehrere Stunden.
Der Kranke fühlte sich nachher erfrischt, holte
tiefer und kräftiger Athem und war weniger so¬
porös. Diese Einschlagungen wurden nach Bedürf¬
nis 2—4 Mal des Tags und in der Nacht wieder¬
holt, je nachdem die Hitze des Kranken anstieg
und der meist damit verbundene Sopor sich wieder
einstellte und zunahm.
Die Sterblichkeit blieb leider nicht unbedeutend,
woran aber zu einem grossen Theil äussere Um¬
stände mit Schuld waren, welche hier auseinander¬
zusetzen zu weit führen würde. Anders stellte
sich die Mortalität, als ich Neujahr 1871 als
Chefarzt ein Kriegslazareth übernahm mit grössten-
theils Typhuskranken, welches in einem grossen,
leerstehenden Alumnat untergebracht war. Da zögerte
ich nicht, statt der von meinem Vorgänger belieb¬
ten Chlorwasserabwaschungen abgekühlte Bäder an¬
zuwenden, wie sie Ziemssen und Immermann in
ihrem im Frühjahr 1870 erschienenen Buche „Die
Kaltwasserbehandlung des Typhus abdominalis“ em¬
pfohlen batten. Diese Methode, welche ich im Grossen
und Ganzen befolgte, war folgende:
Wenn die Morgentemperatur eines Kranken,
in der Achselhöhle gemessen*), 89°/ 0 überstieg,
wurde ein Bad von 24°/ 0 verordnet. Während
der Kranke im Bade sass, wurde durch Zugiessen
von kaltem Wasser am Fussende der Wanne und
allmähliges Umrühren des Wassers die Temperatur
des Bades auf 16°/ 0 abgekühlt, doch so, dass der
Kranke bei diesen erniedrigten Graden höchstens
5 Minuten noch im Bade verweilte. Hatten wir
es mit sehr anämischen, vielleicht durch profuse
Di&rrhöeen oder Darmblutungen geschwächten Sub-
jecten zu thun, so blieb der Kranke bei der nie¬
drigeren Temperatur nur 2 — 8 Minuten im Bade.
Nach dem Bade wurde der Kranke leicht abge¬
trocknet und in sein Bett gebracht. Es trat meist
eine Temperaturermässigung von l*/ 2 —2°/ 0 ein.
Stellte sich während des Bades oder gleich nachher
Frösteln ein oder geringe Zeichen von Collaps,
dann wurde etwas schwerer Wein gereicht.
Ein solches Bad wurde in den Abendstunden
wiederholt, wenn die Temperatur wieder über
39% stieg.
Ausserdem bekamen die Kranken regelmässig
ihre Priessnitz’sehen Umschläge, je nach dem Be¬
finden häufiger oder seltner wiederholt.
*) Seit Einführung der Maximalthermometer messe ich
die Körperwärme nur im Mastdarm.
Diejenigen Patienten, deren Morgentemperatur
39°/ 0 nicht überstieg, bekamen nur eine kalte Ein-
schlagung, die nach Bedarf wiederholt wurde, auch
wohl in der Nacht bei den Kranken angewendet
wurde, welche stärker fiebernd bei Tage gebadet
waren und in der Nacht schneller aufsteigende
Temperaturen zeigten. Eigentlich hätten sie alle
gebadet werden müssen; aber bei der Ueberfüllung
des Lazareths musste ich Rücksicht auf das Warte¬
personal nehmen. Es war eben nicht möglich,
allen Typhuskranken die Wohlthaten der abge¬
kühlten Bäder zukommen zu lassen. Und eine wirk¬
liche Wohlthat bildeten diese Bäder für die stärker
fiebernden Patienten. Der Temperaturnachlass hielt
meistens einige Stunden an, es trat eine Art von
Euphorie ein, die Patienten fühlten sich erfrischt,
die Athmung war ausgiebiger, der Herzschlag
kräftiger, der Sopor wich grösstentheils, es kam
viel weniger zu Lungenhypostasen und Decubitus.
Der Appetit regte sich eher und was die Haupt¬
sache war, die Sterblichkeit wurde sehr bald be¬
deutend geringer. Dieser günstige Umschwung
im Verlauf und Ausgang des Typbus fiel sehr
bald meinen 4 Assistenzärzten auf, die sich freuten,
diese Methode kennen zu lernen. Ich habe sie
seitdem in den verbältnissmässig wenigen Fällen,
die sich mir in den 23 Jahren in meiner Praxis
darboten, neben der Darreichung der möglichst
passend ausgewählten homöopathischen Mittel, mit
gutem Erfolg weiter angewendet, wo eben sich
die Möglichkeit darbot. Und dies ist der einzige
Fehler, welchen diese Methode hat: man kann sie
in der Privatpraxis nicht überall anwenden und
durchführen. In solchen Fällen empfiehlt es sich,
in Ermangelung eines Bessern, sich mit den nass¬
kalten Einschlagungen zu behelfen. Man kann auch
in den Fällen, bei denen jedesmal nach der auf
16°/ 0 erfolgten Abkühlung des Wassers Schüttel¬
fröste oder gar Collaps eintreten sollte, dadurch eine
Modification eintreten lassen, dass man die Ab¬
kühlung nur bis 18 °/ 0 oder 20 °/ 0 vornimmt. Es
wird aber nur selten nothwendig sein, vielleicht bei
sehr blutarmen, schon vor der Erkrankung schwäch¬
lichen Personen.
Diabetes mellitus bei Kindern.
(Schlugt*.)
Therapie. Die Diätetik spielt beim Kinde, das
an Diabetes leidet, eine eben so wichtige Rolle,
als beim Erwachsenen. Sie ist beim Kinde, dessen
ohnehin schwacher Wille unter dem Einfluss der
Krankheit noch mehr herabgesetzt ist, weit schwe-
12 *
Digitized by
Google
92
rer durchzuführen, um so mehr, als gerade diabe*
tische Kinder ganz besonders leckerig auf Süssig-
keiten sind und sich diese oft mit grosser Schlau¬
heit zu verschaffen wissen.
Die stricte Diät darf man nur im Verhältniss
zum Zuckergehalt des Harns und der subjectiven
Symptome durchzuführen suchen; man muss ihre
Wirkung genau überwachen und sie mildern, wenn
plötzlich nervöse Erscheinungen einsetzen. — Der
anhaltende Fleischgenuss bringt bei Kindern viel
eher noch als bei Erwachsenen Widerwille, Ekel
hervor; man wird hierin also mässig sein, überhaupt
an Abwechslung denken müssen. — Da man jetzt
von Seiten der Gegner der Fleischnahrung den
hohen Ernährungswerth der Nüsse hervorgehoben
hat, so wird man den Kindern mit Hasel-, Wall-,
Cocos- und Brasil-Nüssen, nebst Mandeln den Speise¬
zettel auf eine ebenso angenehme als nahrhafte
Weise mundgerecht machen können.
Von Arzneimitteln ist bei diabetischen Kindern
Arsen, oftmals angezeigt. Die charakteristischen Symp¬
tome sind: Abmagerung, grosser Hunger und Durst,
Blässe, Kraftlosigkeit, Neigung zu Gangrän, Trocken¬
heit des Mundes und des Halses, wässerige Diar¬
rhöe, Dyspnoe bei geringster Anstrengung.
Lithium hat sich bei Erwachsenen hilfreich ge¬
zeigt , wenn heftige rheumatische Schmerzen in
Verbindung mit hochsaurem Urin und harnsauren
Sedimenten zugegen sind. Man hat es als Lithium
benzoicum oder in Selterser Wasser gegeben. —
Bei Kindern hat man es noch nicht erprobt.
Für Kreosot spricht Schwere, Schlaftrunkenheit,
Depression des Geistes; der Kopf ist verwirrt und
betäubt: sehr heftige chronische neuralgische Be¬
schwerden.
Fhosphoris acidimu wenn die Erkrankung ent¬
schieden nervösen Ursprungs ist, bei flüssigen Ent¬
leerungen; Patient ist gegen Alles gleichgültig. —
Doch gilt auch hier das Individualismen, wonach
sich ergeben wird, dass unter Umständen Bryonia,
Acidum laeticum, Podophyllum, Aurum muriaticum,
Acid. nitricum, Mercurius solub., Graph, angezeigt
sein können.
Wir haben dieseu Artikel aus The Hahneman-
nian Monthly, März 1894, entnommen, woselbst ihn
Dr. Clifford Mite hall, Professor der Nierenkrank¬
heiten an dem Homoeop. Medical College zu Chi¬
cago, veröffentlicht hat, ohne uns aber an eine
wörtliche Uebersetzung gebunden zu haben. Mit
Hecht bemerkt der Verfasser, dass dem Diabetes
im kindlichen Alter noch nicht die ihm zukommende
Aufmerksamkeit zugewandt worden ist. So hat
man Fälle von Coma diabeticum wohl meist gar
nicht, oder selten bei Kindern richtig erkannt und
gewürdigt. Es ist daher wohl zweckmässig, den
ganzen Verlauf dieser Krankheit wenigstens in
einem concreten Falle (Verf. citirt deren mehrere)
zu verfolgen.
Dr. C. W. Purdy berichtet nun folgenden
Fall:
Er betrifft einen 4 Jahre und 3 Monate alten
Knaben. Seine Mutter bemerkte im August, dass
er sehr häufig urinirte, hei Nacht das Bett nässte .
Dabei stellte sich um dieselbe Zeit ein starker
Durst bei ihm ein. In der letzten Zeit hat er be¬
deutend an Gewicht verloren. Sorgsame Nachfor¬
schung ergab, dass in der Familie kein Diabetes,
wohl aber Tuberculosis vorherrschend war. — Der
kleine Patient hatte vordem keine ernstliche Krank¬
heit gehabt; aber er war, kurz bevor der gegen¬
wärtige Zustand eintrat, auf der Flur auf einen
Wagen gefallen und hatte sich dabei eine starke
Contusion an dem Kopfe zugezogen. Er klagte
über Schwäche und Müdigkeit; liess alle halbe
Stunden Urin. Am 31. Dec. 1888, wo der Arzt
ihn besuchte, war der Urin klar, von schwach
grünlich-gelber Farbe und saurer Reaction; spec.
Gewicht 1033, und enthielt 20 Gran Zucker auf
die Unze, aber kein Eiweiss. — Es wurde ein
Ragout aus Milch, Fleisch und etwas grünem Ge¬
müse angeordnet. Keine Arznei.
3. Januar 1889. Urin hat spec. Gewicht von
1025; 12 Gran Zucker auf die Unze.
4. Febr. Urin spec. Gewicht 1030; 10 Gran
Zucker auf die Unze; kein Eiweiss. Die Diurese
und der Durst erheblich vermindert; Nachts harnt
er nicht mehr. — Der Hausarzt übernahm dann
bis zum 14. Oct. 1889 die Behandlung, wo danu
Dr. Purdy wieder an seine Stelle trat. Er, Patient,
zeigte äusserste Abmagerung, grossen Durst und
starke Diurese. Man hatte hier eine gemischte
Kost mit Einschluss von allen Früchten und meh¬
ligen Stoffen gestattet, wonach das Uebel schnellen
Schrittes zugenommen hatte. Urin war hell, rea-
girte sauer; spec. Gew. 1038; Zucker gegenwärtig
25 Gran auf die Unze; Phosphate im Ueberschuss;
kein Albumin. Patient erscheint abgemattet, schwach,
schlaflos, hat wenig oder gar keinen Appetit. Er
ward auf Milch mit etwas Brot gesetzt und bekam
drei Mal täglich Chinin 0,05.
18. October. Appetit etwas besser; Patient
scheint weniger schwach. Urin klar, sauer, spec. Gew.
1033; 25 Gran Zucker auf die Unze; überschüssige
Phosphate. Diät ganz auf Milch eingeschränkt. —
Chinin fortgesetzt.
21. October. Urin 4 Pinten; spec. Gew. 1029;
18 Gran Zucker auf die Unze. — Medication rep.
28. October. Grosse Schwäche; Appetit gering;
Urin spec. Gew. 1033; Zucker 16 Gran auf die
Unze.
Digitized by
Google
93
1. November. Urin spec. Gewicht 1029; klar, j
sauer; Zucker 12 Gran auf die Unze; Phosphate i
sehr reichlich. Milchdiät mit wenig Brot und etwas
grünem Gemüse.
12. November. Urin spec. Gew. 1024, sauer;
10 Gran Zucker auf die Unze. Patient ist schwach,
hat an den Speisen wenig Geschmack, wird von
einem leichten Husten belästigt.
24. November. Husten besser; der Kranke
scheint im Ganzen etwas kräftiger. Urin 5 Pinten;
spec. Gew. 1028; Zucker 10 Gran auf die Unze;
kein Eiweiss.
18. December. Patient klagt über Schmerzen
im Magen und Unterleib, wird bei Tage etwas
schlafsüchtig. Das Athmen ist ein wenig beschleu¬
nigt. — Ein warmes Bad, warme Krüge an die
Glieder gelegt, lOgränige Dosen von Natron bi-
carb. stündlich.
19. Dec. Patient ist heute noch mehr betäubt;
schläft die meiste Zeit. Die Zahl der Athemzüge
war auf 40 in der Minute gestiegen; die Tempe¬
ratur ist 101° F. Die Bauchschmerzen dauern fort.
Gegen Abend nahm die Benommenheit noch
mehr zu; er weist alle Nahrung zurück.
21. Dec. Patient starb in einem comatösen Zu¬
stande, ohne Krämpfe. M.
(The Hahnemann Montlily, März 1894.)
Prostata-Neurosen.
In Medical Century, einer in Chicago erschei- |
nenden, gut geleiteten Monatszeitschrift für Homö-
pathie und Chirurgie, spricht Dr. E. M. Haie aus
Chicago (December 1893), gestützt auf Dr. Peyers
Darstellung, über Neurosen der Prostata, ein Thema,
das viel Interesse für uns hat.
Dr. Peyer unterscheidet drei Arten von Pro¬
stata-Neurosen: 1. eine Hyperästhesie des gan¬
zen Organs, 2. eine excessive Hyperästhesie der
Pars prostatica urethrae und 3. die nervöse Reiz- j
barkeit des muskulären Theils der Drüse, der den i
Sphincter vesicae bildet. Von diesen drei Arten ist
die dritte die am meisten bekannte; am seltensten
kommt die erste Art vor. In der Hyperästhesie *
zeigt sich ein fast beständiges Gefühl von Reizung j
in der Prostata, das oft zu heftigem Schmerze j
steigt. Beim Stuhlgange ist oft eine sexuelle Em- I
pfindung zugegen, die bisweilen von einer Sensation J
in anderen Theilen, z. B. in der Hand- oder Fuss- i
fläche begleitet ist. Jede angenehme Geschlechts- '
empfindung reflectirt sich auf die Prostata. Der Schlaf j
ist mühsam und unruhig, die Muskeln ermüden bald;
es findet sich häufig Congestion nach dem Kopf,
sowie auch Herzklopfen. — In der Hyperästhesie
der Pars prostatica urethrae, die gewöhnlich als
Neuralgie des Blasenhalses beschrieben ist, sind die
Bedingungen anderer Art. Jene Affection ist in
der Regel nicht bloss ein Zeichen allgemeiner
Neurasthenie, sondern sie ist bedingt durch einen
chronischen Reizungszustand in der Schleimhaut
der Portio prostatica und steht mit der Neurasthenie
in causalem Zusammenhänge. Hier findet sich jene
charakteristische Empfindlichkeit der Nerven gegen
die Anlegung des Katheters oder der Sonde, welche
sich beim häufigen Gebrauche des Instruments leicht
vermindert oder abstumpft.
Die dritte Form, die nervöse Reizbarkeit der
muskulären Elemente der Prostata, zeigt sich in
der Regel als ein leichter, schnell vorübergehender
Krampf des Schliessmuskels. Patienten mit diesem
Leiden können nicht Wasser lassen in Gegenwart
Anderer, auch nicht im Eisenbahnwagen oder bei
Nacht, wenn sie übermüdet oder schlaftrunken sind.
Bei Manchen ist dieser Krampf des Sphincter chro¬
nisch geworden, so dass sie einfach dem Drange
zum Urinlassen nicht sofort genügen können. Sie
müssen immer erst eine Zeit lang ruhig stehen,
wobei sie ihre Aufmerksamkeit auf etwas Anderes
richten und jede Anstrengung und Anspannung
zum Uriniren vermeiden. Andere erreichen ihren
Zweck, indem sie sanft an der Urethra ziehen, bis
der Spasmus nachlässt. Das Ausströmen des Harns
beginnt langsam, es kommen erst wenige Tropfen,
und wird erst allmählig kräftiger. Nach Civiale
liegt die Veranlassung hierzu häufig in Masturbation
oder übermässigem Coitus.
Doch kann auch Gonorrhöe zu Grunde liegen. —
Wenn allgemeine Nervenschwäche vorhanden ist,
so ist eine angebrachte Kur zur Stärkung des gan¬
zen Nervensystems erforderlich. Wenn örtliche Ur¬
sachen deutlich vorliegen, so ist die Einlegung der
Sonde — wöchentlich 1 Mal — in der Dauer von
20—30 Minuten heilsam Locale Behandlung spielt
nach Dr. Peyer bei einer Hpyerästliesie der Portio
prostatica urethrae die Hauptrolle. Nach der Sonde
leisten oftmals Einträufelungen von Lösungen sal¬
petersauren Silbers sehr gute Dienste. In allen
Fällen ist die Regelung der Leibesöffnung und des
geschlechtlichen Lebens äusserst wichtig. Weite
Spaziergänge und Reiten sind zu verbieten, starke
Weine, Kaffee und Thee zu vermeiden. Bäder und
Wasserkuren geben oft gute Resultate; von der
Electricität hat Verf. niemals eine günstige Wir-
kung gesehen.
Dr. Peyer’s Rath, „nicht zu pressen,“ ist zu
beherzigen. Wenn ein Spasmus des Sphincter ve¬
sicae oder der Prostata vorhanden ist, so wird der
Digitized by
Google
94
krampfhafte Zustand durch Anstrengung nur ver¬
mehrt. Besteht ein prostatischer „Wall“ am Blasen¬
halse, so steigert Anspannung das Hinderniss des
Urinabganges, indem der mittlere Lappen hierdurch
gegen das Orificium gedrängt wird. Man lehre
vielmehr den Patienten, den Penis mit Finger und
Daumen hinter der Eichel zu fassen, um so dem
Urin zu gestatten, die Harnröhre in ihrer vollen
Ausdehnung zu füllen. Dies mag wohl einige Zeit
kosten, denn der Urin tröpfelt nur langsam über
die Barriöre. Hat sich die Harnröhre vollständig
ausgedehnt, so lasse man im Druck auf dieselbe
nach, so wird der Urin Vordringen und eine Weile
in vollem Strom fliessen. Geschieht letzteres nicht,
so wiederhole man obiges Verfahren. Dies wirkt
in folgender Weise: Hat sich die Harnröhre voll¬
ständig ausgedehnt, so drückt der Urin auf die
Barriere und drängt diese vom Orificium hinweg,
welches jene fast verschlossen hatte, so dass nun
der Urin ungehindert aus der Blase strömen kann.
Verf. versichert, dass manche Fälle von Krampf
der Urethra, Prostata und Blasenhals durch dies
Verfahren gehoben werden können.
Die Hauptmittel für diese Prostata-Neurosen
sind: Kalium bromatum, Mono-Bromid von Campher,
Hyoscyamus, Gelseminum, Spiraea ulmaria, Nux
moschata, Ignatia und Belladonna. Besondere Symp¬
tome können noch andere Mittel indiciren. — Sehr
günstig wirkt auch das prolongirte warme Halbbad.
M.
LesefrUchte.
Landkartenartige Zunge.
Dr. 0. Spechtmann berichtet über 22 Fälle
dieser eigentümlichen, landkartenartigen Beschaffen¬
heit der Zunge bei Kindern; sie besteht in einer
wandernden Abstossung des Zungenepithels in chro¬
nischem Verlaufe und hat viel Aehnlichkeit mit
manchen syphilitischen Zungenaffectionen, besonders
der Psoriasis linguae syphil. (Münchner medic.
Wochenschrift 1893, Nr. 46.) —Von homöopathischer
Seite ist man auf dieses Zeichen, wobei einzelne
Stellen der Zungenschleimhaut entblösste, rothe
Flecken darstellen, während der übrige Theil be¬
legt ist, schon seit längerer Zeit aufmerksam ge¬
worden. Es ist immer ein ernstes Zeichen, indem
es bei Stomacace, sowie in manchen Fällen von
Diphtherie, Typhus oder Scorbut vorkommt. Dies
Symptom finden wir bei Natrum muriaticum, Arsen.,
Rhus toxicod., Kali bichrom., Taraxacum, Ranun-
culus sceleratus. Letzteres hat dabei ein hoch¬
gradiges Brennen und Rohheitsgefühl, stärker als
bei den übrigen Mitteln ausgesprochen, v. Bönning¬
hausen wurde in einem schweren Falle von Typhus
durch dieses charakteristische Symptom auf Tara¬
xacum geführt, an das man bei Typhus wohl nicht
so leicht denken würde. — Auch bei Lachesis und
Acidum nitricum finden wir ein flächenweises, um¬
schriebenes Auftreten des Zungenbelags: Diese
Mittel, wie auch Kali bichrom., würden, wenn eine
syphilitische Grundlage besteht, stark in die Wahl
fallen. — Ref.
Enteritis psendomembranacea.
Dr. Rothmann- Berlin hat die bandartigen Ent¬
leerungen bei pseudomembranöser Enteritis histio-
logisch untersucht. Cornil fand bei einem ähnlichen
krankhaften Zustand von Schweinen fibrinöse Pfropfe
in den Oeffnungen der Intestinaldrüsen. In einem
Falle dieser Erkrankung, die mit Krebs an der
Gehirnbasis combinirt war, fand Rothmann Gelegen¬
heit, die Intestina mikroskopisch zu untersuchen.
Er zieht aus dem Befunde folgende Schlüsse:
1. Die pseudomembranöse Enteritis oder besser
mucöse Colitis ist eine Affection des Colon.
2 . Sie ist abhängig von einer vermehrten Schleim¬
absonderung der Drüsen zellen, in Folge chronischer
Verstopfung.
3. Diese leichte, entzündliche Erkrankung der.
Mucosa ist Folgeerscheinung einer anderen Affec¬
tion, in der Regel der Hysterie oder Neurasthenie.
4. Die bandähnlichen Massen bestehen aus
Schleim.
Bei der Discussion statuirte Professor Ewald eine
nervöse Form, welche häufig, aber nicht constant,
von Verstopfung begleitet ist, sondern auch von
einem normalen oder selbst diarrhöeischen Stuhl.
Es giebt indessen auch eine entzündliche Varietät.
Die nervöse Form wird oft Monate lang erfolglos
behandelt; in manchen Fällen verschwindet sie von
selbst. — Dr. Boas constatirt, dass man die Krank¬
heit hauptsächlich bei nervösen Personen findet,
obwohl sie auch von palpablen Veränderungen be¬
gleitet sein kann. Das Colon ist manchmal er¬
weitert, vorgefallen oder aus seiner Lage gerückt,
wie man es bei Anfüllung mit Wasser oder Luft
erweisen kann. Die Behandlung ist von geringem
Erfolg; Abführmittel sind zu vermeiden. Die Re¬
gelung der Diät leistet noch das Beste. — Die
Krankheit soll auch bei Kindern vielfach beob¬
achtet sein.
(Berliner klin. Wochenschrift 1893, Nr. 49.)
(Die Therapie bietet bei homöopathischer Be¬
handlung bessere Aussichten, so haben wir in diesen
Blättern einen Fall berichtet, in dem Arg. nitric.
Heilung gebracht hat. Ref.)
Digitized by ^.ooQle
95
Homöopathische Hilfstabellen.
Die homöopathische Central-Apotheke von
Täschner & Co. in Leipzig hat soeben ein Verzeich¬
niss herausgegeben, welches alle bei der Abgabe
homöopathischer Arzneimittel in Betracht kommen¬
den Fragen beantwortet und deshalb für Diejenigen,
welche sich mit der Bereitung homöopathischer Po¬
tenzen befassen, unentbehrlich ist, weil es in ge¬
wisser Beziehung zugleich eine homöopathische
Pharmakopoe ersetzt.
Das Verzeichniss giebt zunächst an, in welchem
Verhältniss die Crtinctur zum Ausgangsstoffe steht,
ferner welches die im Handverkauf gebräuchlichste
Potenz ist; dann folgen Angaben, welche Mittel ]
ohne ärztliche Verordnung nicht stärker als in
vierter Decimalpotenz abgegeben werden dürfen,
und eine weitere Spalte giebt die Stärke des Al¬
kohols an für Herstellung der Verdünnungen von
der ersten bis zur zwölften Decimalpotenz. Nament¬
lich das letztere ist das, was in der Praxis am
häufigsten Schwierigkeiten bereitet; zwei Beispiele
mögen dieses erläutern: Belladonna ist bereitet aus
gleichen Theilen frisch ausgepresstem Saft und
starkem Spiritus; es ist deshalb zu verwenden zur
ersten Verdünnung 6(5 proc., zu den weiteren 90 proc.
Alkohol. Wollte man zu den niedrigeren Potenzen
bereits starken Alkohol verwenden, so würde man
natürlich ein trübes Gemisch erhalten. Capsicum
ist dagegen mit starkem Alkohol hergestellt und
sämmtliche Verdünnungen sind deshalb auch mit
solchem zu bereiten etc.
Eine Anlage führt die nach Lutze’s Chiffre-
Schrift zur Bezeichnung von homöopathischen Mit¬
teln üblichen Zahlen und Buchstaben auf.
Der Preis ist bei sauberster Ausführung, deut¬
lichem Druck und starkem Papiere, = 1 Mark,
ein sehr geringer.
Anzeigen.
Aus dem Nachlasse meines vor mehreren Jahren
verstorbenen Vaters, des Homöopathen Dr. med.
J. C. Kayser, verkaufe ich eine Reihe
homöopathischer und anderer Werke,
deren Verzeichniss ich Nach fragenden gratis zusende.
Frl. Elise Kayser, Halle a. d. Saale,
Sophienstr. 41, I.
Kastanienblüthen^Oel
und
Kastanienblüthen-Tinctur
aus den frischen Blüthen bereitet, haben sich als
thatsächlich gute Mittel zum Einreiben gegen
Gicht und Rheumatismus schon seit langen
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens
empfohlen.
Zu haben in jedem gewünschten Quantum, in
Flaschen ä 50 Pfg. bis zu Flaschen ä 1 / 9 Ko. = 4 M.
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Den Herren Aerzten empfehle sämmtliche Artikel
sor Krankenpflege:
Verbandstoffe,
ärztliche und sonstige Instrumente,
Instrumententasehen
und Wundverband-Apotheken
in allen OrÖssen, in bester Qualität und zu billigsten
Preisen.
Ausführliche, speciell chirurgische Preislisten werden
anf Verlangen gratis und franco verschickt.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
Im Verlage der Homöopathischen Central-
Apotheke von Täschner & Co., Leipzig, und
A. Marggrafs homöopathischer Officin, Leipzig,
sind folgende empfehlcnswerthe homöopathische
Bücher und Schriften erschienen:
Gross-Hering, Vergleichende Arzueiwirkungslehre.
1. Aufl. 1893. geb. M. 20.—.
Bruckner, Homöopath. Behandlung der Angen- und
Ohrenkrankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50.
geb. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6 . Aufl. 1894.
brosch. 1. — . geb. 1.50.
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1 — 27, in diversen
(1.—7.) Auflagen, ä 10 Pfg.
Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch, 2. Aufl.
1888, —.30. Holland., 1. Aufl., —.50.
Allgemeine homöopath. Zeitung. 129. Band. (2. Halb¬
jahr 1894.) Halbjährlich 10.50.
Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890,
geb. 1.50. Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—,
geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei 1890. brosch. 1.—, in Par-
thien für Agitationszwecke billiger.
La Curaoion y Profilaxia per el Tratamiento Ho-
meop&tico de Las Principales enfermedades
Infeooiosas. 2. Aufl. 1893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner
Krankheiten, ä 20 Pfg.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892.
cart. 3. —, geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch.
1 .20, geb. 1.60.
Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt 2 . Aufl.
1888. geb. 1.50.
Digitized by ^.ooQle
96
Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer
Offlcln in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. G. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Paulwasser, Bernburg a. S.
Gebunden 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren keino Concurrenz machen, denn nach
Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe wesentlich von
ihnen. — Es bringt Arznei vergleiche, Mitteldiagnosen, welche
allein und ausschliesslich die Unterschiede je zweier der¬
selben enthalten und in antithetischer Gegenüberstellung
die betreffenden Verschiedenheiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arzneiwirkungslehre ist viel¬
mehr ein Supplement aller vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen ho¬
möopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer Zunge
konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Dr. Farrington sagt mit Recht in seiner Arzneimittel¬
lehre: Es genügt nicht allein, ein Arzneimittel nach seiner
generellen Wirkung zu studiren, sondern man muss ein
Mittel von den anderen zu unterscheiden lernen. (Differen-
zielie Mitteldiagnose.) Wenn dies in seinen klinischen Arz¬
neivorlesungen nach gewissen Richtungen geschieht, aber
nicht erschöpfend sein kann, so findet in den Gross-Hering 1 -
sehen Arzneidiagnosen dieses vergleichende Unter-
seheidennaeh allenSei ten des be treffenden Mi ttels
statt, sodass Farrington auf dieses Werk an verschiedenen (
Stellen hinweist, wie es denn auch eine Fundgrube für Arznei- j
mittellehren, Therapieen und Compendien in Amerika und I
England vielfach geworden ist.
Dasselbe ist von Dr. C. Hering unter Beihülfe von Dr.
Koch , Dr. Morgan , Dr. Wesselhöft etc. wesentlich vermehrt
und verbessert und kehrt so — ursprünglich ein Werk deut¬
schen Fleisscs — im neuen Gewände in sein Vaterland zurück.
In Anbetracht, dass das englische Original, welches jetzt
vergriffen ist, 43 Mark kostet, ist der Preis von 20 Mark
für die deutsche Ausgabe so billig gestellt, dass nur die
Hoffnung auf Anschaffung dieses Buches seitens aller homöo¬
pathischen interessirten Kreise die Herausgabe zum Besten
der Sache erklärt und den Aufwand der nicht unbedeuten¬
den Kosten decken kann. i
Das „Therapeutische Taschenbuch“ von Bönninghausen.
längst vergriffen, ist in diesem Werke ausgiebig benutzt und
sind dessen Andeutungen ausgeführt, sowie dessen Körper¬
seiten und Verwandtschaften, sodass es dasselbe in gewisser ,
Beziehung zu ersetzen geeignet ist.
Das Werk ist betreffs der Uebersichtlichkeit des Inhaltes, !
wie auch betreffs des Formates, der Schriften und des Pa-
pieres usw. der amerikanischen Ausgabe möglichst genau
angepasst.
Ende dieses Jahres erscheint:
The Universal Homoeopathic Annual
(jedoch nur in engliacher Sprache).
Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬
schen Werke.
Herausgegeben von
Dr. med. Francois Cartier, Paris
und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof.Timothy-Field
Allen-New-York, Pierre Jousset-Paris, A. B. Norton-
New-York, Löon Simon-Paris, Seiden Talcott-New-
York, Alphonse Teste-, Henry C.Houghton-New-York,
W. B. Van Lennep-Philadelphia, Burford-London,
Kippax-Chicago, Hurndall-London, Giuseppe Bonino-
Turin, einer Reihe hervorragendster Specialisten für
Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-,
Geschlechts- etc. Krankheiten in Frankreich und
Amerika.
Preis 12 Mark.
Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um-
! fassen und zerfallt in zwei Theile, die Arzneimittel-
I lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als
! nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass
| jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt
j und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden
mit den Anschauungen hervorragender Professoren
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind.
Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen
A. Marggrafs homöopathische Offlein
_ Leipzig. _
Im Verlage von A. Marggrafs homÖopath. Officin
in Leipzig ist soeben erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—,
hrosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in
No. 23/24 des 128. Bandes dieser Zeitung.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs Homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mitoer in Loipzig.
Digitized by ^.ooQle
Band 129
Leipzig, den 27 . September 1894. No. 13 11.14
ALLGEMEINE
HOMÖOPATIHSCHE ZEITH«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A.MarggraPs homöopath.Offlcin) in Leipzig.
Erscheint Ht&gigzü 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10M. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeiohnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasensteln AVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraFs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 30 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 12 Af. berechnet.
Inhalt. Einladung zur Herbstversammlung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte. —
Correspondenz aus Kimberley (Süd-Afrika). Von Dr. Th. van den Heuvel. — Aus der Praxis. Von Dr. Kunkel in
Kiel. (Fortsetzung.) — Heilmittel bei Leberkrankheiten. Von T. S. Hoyne, M. D. — Zur Physik der Homöopathie.
Von Emil Schlegel in Tübingen. — Calculi pulmonales. Von Dr. Mossa-Stuttgart. — Vom Büchertisch. — Anzeige. —
Personalia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Einladung«
Zur Herbstversammlung des Sächsisch-Anhaltinisehen Vereins
homöopathischer Aerzte
welche Sonntag, den 14. October a. c«, Mittags 1 Uhr in Magdeburg im Central-Hotel,
dem Kahnhof gegenüber, stattfindet, werden die Mitglieder des Vereins, sowie der Verabredung ge¬
mäss die geehrten Berliner Collegen ganz ergebenst mit der Bitte eingeladen, ihre Theilnahme Herrn
Dr. GroOS- Magdeburg spätestens bis 13. October Nachmittags gefälligst mitzutheilen. Alles Nähere
durch Postkarten.
Tagesordnung.
1. Geschäftliches.
2. Para- und Perimetritis und Exsudate, sowie deren Behandlung.
3. Mittheilung praktischer Beobachtungen und Discussion.
Der Vorstand des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte.
Gell. Sanitätsrath Dr. Faulwasser, Vorsitzender. Dr. Villers, Schriftführer.
Correspondenz aus Kimberley (Sild-Afrika).
Von dem homöopathischen Arzte Dr. med. van
den Ileuvel ist der Redaction der folgende inter¬
essante Brief zugegangen, den wir hiermit (er ist
französisch abgefasst) deutsch wiedergeben:
Gestatten Sie mir in Betreff der Bemerkung,
welche Sie in dem Artikel „Parotitis epidemica“
(cf. Allgemeine homöopathische Zeitung No. 3 und 4
d. Bd.) gemacht haben: „Also bewiesen, dass das
infectiöse Agens der Parotitis nicht an die Parotis
als Infectionsheerd gebunden ist, sondern ebenso
gut andere Drüsen afficiren kann,“ Ihnen meine
Erfahrungen vom Juli und August d. J. mitzutheilen.
Wir haben liier eine Influenza-Epidemie, die
sehr ansteckend, aber — wenigstens in meiner
Praxis — meist mit gutem Ausgang verlief und
als besondere Eigentliümlichkeit eine Art von sub-
maxillarer Parotitis darbot. Hier ist der Tliat-
bestand:
13
Digitized by
98
Am 15. Juli wurde ich zu einem Kinde ge¬
rufen und nach der Untersuchung erklärte ich das
Leiden für „Mumps“ oder „Parotitis“. Indem ich
aber tiefer auf die Sache einging, sähe ich, dass
die Affection vorzugsweise in den Submaxillar-
Drüsen sitzt, und zwar auf beiden Seiten. Die
Mutter des Kindes machte, indem sie meine An¬
sicht hörte, sofort die Bemerkung: „Sieh da, ich
und die Nachbarin, wir haben immer zum Dr. F.
gesagt, dass es „Mumps“ wäre, aber der Doctor
sagte: Nein, und hat Cataplasmata und Compressen,
warm und feucht, auflegen lassen und hat so den
Zustand meines Kindes verschlimmert.“
So erfuhr ich, dass Dr. F., ein allopathischer Arzt,
das Kind seit 8 Tagen behandelt und wegen Abscesses
der Unterkieferdrüsen feuchtwarme Umschläge ge¬
macht hatte. Er hatte noch einen Collegen zur
Consultation herbeigerufen und beide hatten ver¬
sichert, ohne Operation könne das Kind nicht ge¬
heilt werden.
Indem die Eltern aber von dieser Behandlungs¬
weise nichts wissen wollten, hatten sie mich ge¬
rufen. — Ich selbst glaubte indessen einen grossen
diagnostischen Irrthum begangen zu haben, indem ich
das Leiden für Mumps erklärte, das doch in den
Submaxillar-Drüsen und nicht in der Parotis seinen
Sitz hatte, und der Dr. F. hatte, als er meine
Diagnose erfuhr, zum Vater gesagt: „Sagen Sie
Ihrem Homöopathen, dass er von seiner Kunst
nicht das ABC versteht.“ — Indessen, ich lei¬
tete meine Behandlung alsbald der Art ein, dass
ich Sulphur. und Aconit, gegen die Infection der
Influenza, und sodann Rhus und Apis wegen der
„Mumpse“ gab.
Am Abend befand sich das Kind besser, und
die Drüsengeschwülste, sowie die Athmungs-
beschwerden verschwanden gegen den 17./7.
Am 17. und 18. Juli kam etwas Anderes hin¬
zu. Es zeigten sich heftige Symptome von Croup,
oder Laryngitis acuta, non membranacea, ein Lei¬
den, das hier sehr häufig ist. Acon., Spongia,
Sanguinaria — nacheinander gegeben — nebst
Umschlägen mit heissem Essig auf die Kehle —
um die Erstickungsan falle zu verhindern — waren
hinreichend, um diese Art Croup zu heilen. Ich
liess das Bett des Kindes in ein anderes Zimmer
verbringen.
23. Juli. An diesem Tage constatirte ich hef¬
tiges Fieber, starke Röthe der linken Wange,
katarrhalischen Husten. Die physikalische Unter¬
suchung ergab Anschoppung der linken Lungen¬
spitze, Pneumonie dieser Seite. Schon als ich. die
Affection sich von der Parotis auf den Larynx
hatte fortpflanzen sehen, hatte ich die Eltern vor¬
weg darauf aufmerksam gemacht, wie leicht sich
die Infection auf die Lunge werde ausbreiten
können. Das war nun eingetroffen. Ich verord-
nete Aconit., Sulphur., Bryonia, Phosphor., Antimon,
tartaricum — aber Alles fruchtlos. Die Entzün¬
dung ergriff auch die rechte Lunge. Das Kind
starb am 29. Juli.
Die Bemerkung, die ich hierbei zu machen
habe, ist, dass meine allopathischen Collegen die
Eigenart der Krankheit verkannten, und ich selbst,
ich habe an derselben gezweifelt, weil ja das Lei¬
den in den Unterkieferdrüsen localisirt war anstatt
in der Parotis. Ihre Behandlung vermehrte, wäh¬
rend die meinige die Anschwellung der Drüsen
bald herabsetzte.
Ferner zeigt der Fall, dass sich Mumps als
Complication zur Influenza hinzugesellen kann,
ebenso gut als Lungen- und Luftröhrenentzündung,
und dass, um ihn mit Erfolg zu behandeln, man
zuerst die Einwirkung der Influenza (in der dor¬
tigen Epidemie mit Aconit. 6. und Sulphur. 6.) und
sodann die Parotitis zu neutralisiren habe (Rhus,
Bell.). In meinen Augen ist die Parotitis eine
ernste, schwere Affection, und um so schwerer,
wenn die Glandulae submaxillares geschwollen sind.
Hier folgen drei Fälle, wo diese Unterschiede
sich deutlich abzeichnen.
Ein 12 jähriger Knabe war an einer wirklichen
Parotitis, in der Ohrspeicheldrüse localisirt, erkrankt:
er erhielt am 27. Juli Aconit, ohne Erfolg, sodann
am 28. und 29. Rhus, darnach entschiedene Besse¬
rung und völlige Heilung.
Ein 3jähriges Mädchen hatte erst Influenza,
dann einen starken Scharlachausschlag (ohne Com¬
plication des Halses); sie genas in 4 Tagen unter
Aconit, und Bell. Am 2. August zeigt sich unter
erneutem Fieber Geschwulst und Schmerz in bei¬
den Parotiden und Submaxillardrüsen. Rhus re-
ducirte das Fieber und die Drüsenaffectionen in
4 Tagen. — Die Genesung begann vom 7. August.
Nun noch ein merkwürdiger Fall:
Am 10. August wurde ich zu einer 23jälirigen
Frau, von lymphatischer Constitution, die seit
7 Monaten schwanger war, gerufen. — Sie war
wegen Influenza seit 14 Tagen in Behandlung.
Der allopathische College erklärte die Krankheit
für unbedeutend, da aber die Frau im Sterben zu
liegen schien, so holte mich ihr Vater herbei. Ich
fand zu meinem Erstaunen eine Kranke mit keu¬
chendem Athem, glänzenden Augen, pfeifender
Stimme, die reines, mit Schleim gemischtes Blut
erbrach. Da gleichzeitig die beiden Submaxillar-
Drüsen beträchtlich geschwollen, steinhart waren,
aber ohne Schmerz und ohne Betheiligung der
Parotiden, so untersuchte ich die Brust und fand
auf der rechten Seite, über der Leber, einen pneu¬
monischen und hämorrhagischen Heerd. Fieber
war vorhanden, aber der Puls schwach, herabge-
Digitized by
Google
99
drückt. Ich sah die Kranke um 2 Uhr, und um
4 Uhr war sie todt, nachdem sich noch Cyanose
gezeigt hatte, die auf Rechnung des Blutver¬
lustes und des Drucks des Croups auf den Larynx
zu setzen war.
Es war dies, meiner Meinung nach, eine Wie¬
derholung des ersten, oben mitgetheilten Falls,
eine mit Parotitis submaxillaris complicirte Influenza,
was der College wahrscheinlich verkannt hatte.
Denn als ich erklärte, die Frau litte in erster
Linie an „Mumps“, widersprach deren Mutter, weil
der vorige Arzt behauptet habe, es sei „Nichts“!
Und doch hatten die Glandulae submaxillares bei¬
derseits die Grösse eines Eies!
Ich bin also geneigt, mit Dr. Wertheimer, dem
Verfasser jenes Artikels in der Münchener Wochen¬
schrift, anzunehmen, dass die Infection sich noch
in anderen Drüsen, als allein der Parotis, locali-
siren kann. Für uns ist Rhus hier das am meisten
angezeigte, wirksamste Mittel und müssen wir die
Krankheit im Sturm zu nehmen suchen, womög¬
lich vom ersten Tage an. Denn das parotitische
Virus ist in seiner Wirkung und seiner Verbrei¬
tung auf die Schleimhaut des Kehlkopfs und die
Lungen von heftiger Gewalt.
Das unterscheidet es vom Virus des Erysipelas,
welches die Haut zu seiner Ausbreitungsstelle wählt
(die äussere, aber auch die serösen Häute. Ref.).
Merkwürdig ist die Thatsache, dass der Pharynx
und die Mandeln, abgesehen von etwas Röthe und
Schwellung, hierbei so wenig Veränderung zeigen.
Die Temperatur, die allgemeinen wie localen
Symptome verhielten sich in den hier citirten Fällen
ähnlich den in der Münchener Wochenschrift mit¬
getheilten.
Kimberley, den 12. August 1894.
Dr. Th. van den HeuveL
Aus der Praxis.
Von Dr. Kunkel in Kiel.
(Fortsetzung.)
Wirkungen von Tnberculin.
Die nachfolgenden Mittheilungen machen nicht
auf den Namen „Krankengeschichten“ Anspruch,
können nicht zur Charakteristik des verwandten
Mittels dienen. Hier müsste, wie es mir bei der
Abfassung der Mittheilungen recht klar wurde, stets
die Prüfung am Gesunden vorhergehen. Die In-
dication war hier vielmehr: Verdacht auf tuberku¬
löse Diathese oder nachweisliche Tuberkulose.
Diese Mittheilungen haben nur den Zweck, den
Leser von der durchgreifenden Wirkung des Tuber-
culins zu überzeugen. Hoffentlich wird die Prüfung
des genannten Mittels nicht zu lange auf sich
warten lassen, wenn wir auch auf eine solche dies¬
seits des Oceans nicht hoffen dürfen.
College Windelband hat ebenfalls mit dem Mittel
Versuche gemacht und ähnliche Resultate gewonnen
wie ich, als ich mich der 6. Potenz bediente, ja
ich habe nicht nur keine günstigen Resultate, son¬
dern Verschlimmerung beobachtet. Wenn er den
Schluss zog, dass, weil die 6. Potenz nicht half,
die 60. auch nicht wirken würde, so kann ich die
Berechtigung einer solchen Schlussfolgerung nicht
unterschreiben. Wir haben Beispiele genug, dass,
wo eine niedere Potenz nicht half, eine höhere Er¬
folg hatte und umgekehrt. Ich habe mieh dann
der 80., später aber der 50. und 100. bedient.
Ich hätte von vornherein mich erinnern sollen, dass
üopathische Mittel in hoher Potenz gegeben werden
müssen , wenn man Wirkung davon sehen will.
Wenn wir Hydrargyrose bekämpfen wollen, geben
wir Mercur. in Hochpotenz, vorausgesetzt, dass dieser
und nicht ein anderes Mittel durch den Symptomen-
complex indicirt ist.
Die hier mitgetheilten Fälle sind nur ein Theil
der von mir mit dem betr. Mittel überhaupt be¬
handelten und diese ferneren werden vielleicht später
Berücksichtigung finden.
Die vorliegenden Mittheilungen haben nur den
Zweck, Collegen zur Nachprüfung zu veranlassen.
Welche Bedeutung die Sache sowohl für den Aus¬
bau als die Verbreitung der Homöopathie haben
wird, wenn wir auf diesem Wege zu Resultaten
gelangen, die jeder anderen Methode unerreichbar
sind, liegt auf der Hand.
In der grösseren Zahl der von mir mit Tuberc.
behandelten Kranken habe ich Resultate nicht ge¬
sehen, die besten noch in solchen, wo erbliche An¬
lage nachweisbar, aber nicht ausnahmslos.
Wie es scheint, werden ja auch die Fälle immer
häufiger, wo die Tuberkulose in Familien eindringt,
die bisher frei davon waren. Demnach scheint die
Widerstandskraft gegenüber dem Tuberkelbacillus
abzunehmen.
Ich weiss sehr wohl, dass die Gelehrten der
Laboratorien nur den letzteren als eigentlichen
Störenfried anerkennen und eine erbliche Disposition
leugnen. Dass die Resultate der dortigen Unter¬
suchungen sich aber nicht ohne Weiteres auf das
Gebiet ausserhalb des Laboratoriums übertragen
lassen, zeigt sich hier deutlich genug. Man frage
die Landärzte und die Aerzte der kleinen Städte,
und man wird bei Keinem einen Zweifel an der
Erblichkeit der Phtisis tuberculosa und der Tuber¬
kulose überhaupt begegnen. In den Grossstädten
wird man aus naheliegenden Gründen sich schwer¬
lich ein genügend begründetes Urtheil bilden können.
13 *
Digitized by
Google
100
23) Frl. G., 20 J., war mit Unterbrechungen j
seit ungefähr 2 Jahren an allerlei scrophulösen Er¬
scheinungen von mir behandelt worden. Sie hatte,
zumTheil mit vorübergehendem Erfolg, Sulph., Natr.
m., Sepia, Kali, Rhus, Puls, erhalten. Ich über¬
gehe die Einzelheiten, bemerke nur, dass sie von
Kindheit an ein ausserordentlich starkes und resi¬
stentes Abdomen hatte. Keines der verordneten
Medicamente hatte in dieser Richtung einen nach¬
weisbar wohlthätigen Einfluss geäussert. Am 25. Sptb.
1892 verordnete ich derselben Tuberculin X., jeden
7. Abend 1 Dosis; am 13. Novb. dasselbe Mittel
wegen der auffallend günstigen -Wirkung.
Erst am 12. Juli 1894 stellte sie sich mir wie¬
der vor, aber nicht wegen ihrer früheren Erschei¬
nungen. Sie hat sich durchaus wohl gefühlt, bis
sie vor ein paar Wochen von Zahnschmerz heim¬
gesucht wurde. Der Bauch hat einen normalen Um¬
fang und ist iceich. Der Vater ist kränklich und
leidet oft an Stechen in der Brust. Ich hatte keine
Gelegenheit, denselben näher zu untersuchen.
24) Frau S., 57 J., hat einen Bruder und eine
Schwester an Lungenschwindsucht verloren. Sie
consultirte mich am 19. Decb. 1891 wegen eines
Hydrops genu 1. mit bedeutender Auftreibung des
Knochens. Allgemeinbefinden ist erträglich, wenn
sie im Bett liegt. Weiter finde ich nichts bemerkt.
Verodn.: Tuberculin X., jeden 7. Abend 1 Pulver.
21.Deceraber. Das Knie wird weicher, an der Innen¬
fläche eine Geschwulst von mässigem Umfang, übri¬
gens unempfindlich und anscheinend Abscedirung
nicht einleitend. Nach der ersten Dosis schlief sie
die ganze Nacht, was sic bisher nicht konnte, nach
dem 2. und 3. Pulver profuser Scliweiss, dann
nicht mehr. Eine umschriebene weiche Stelle hat
sich jetzt an der Innenfläche des Knies gebildet.
Verordn.: Jeden 9. Abend eine Dosis. Im Januar
1892 wurde Patientin von Influenza befallen, der
sie bald erlag. Ihr Wohnort war weit von hier
und ich erfuhr nicht, unter welchen Erscheinungen
sie gestorben.
25) Str., Beamter, kräftiger Mann von 37 Jahren,
hat als Kind Leberthran gebraucht, Mutter phthisisch,
leidet seit dem 14.—15. Jahr an einer harten Ge¬
schwulst an der rechten Seite des Halses von der
Grösse einer Wallnuss. Bei Witterungswechsel, be¬
sonders bei Uebergang zu Regen, Schlingbeschwer¬
den in Folge Drucks des vergrösserten Tumor.
Leidet oft an Zahnschmerz, leicht Schweiss des
Kopfes, kalte Hände.
W T citere Anhaltspunkte für die Mittelwahl lagen
nicht vor. Verordn.: Calc. c. X. jeden 7. Tag eine
Gabe. Am 29. Januar 1891 bekam derselbe, da
eine wesentliche Veränderung nicht eingetreten war,
Sulph. X. in derselben Weise; am 13. März dasselbe
Mittel. Allgemeinbefihden ist getrübt, fühlt sich
nervös erregt (muss oft spät Abends arbeiten).
Dennoch fühlt er sich im Allgemeinen besser als
früher, hat auch keine besondere Klage ausser
Afterjucken, das den Schlaf stört. Spirit, sulph. 3.,
Baryt. X. ohne Erfolg (26. Juni). Am 26. August er¬
hielt er Nitri. acid. X. mit demselben negativen
Erfolge. Der Schlaf ist schlecht, oft sehr schwie¬
riges Einschlafen etc. Am 21. Novb. bekam Pa¬
tient Tuberculin X., 6 Gaben, jeden 7. Abend eine.
5. Februar 1892. Die Wirkung der ersten Gabe
war heftig: allgemeine Kraftlosigkeit und Erschlaffung,
oft auch die örtlichen Unbequemlichkeiten am Halse,
Schlingbeschwerden mehr hervortretend; von da an
wesentliche Besserung in jeder Richtung. Patient
fühlt sich leichter und frischer. Nur das Aflter-
jucken ist zeitweilig vermehrt, von Zeit zu Zeit
Blutabgang per anum.
Ich verordnete Tuberc. 50., 5 Gaben, jeden
9. Abend eine, mit der Weisung wiederzukommen,
wenn eine wesentliche Fortbesserung nicht bemerk¬
bar. Patient erschien nicht wieder, was gegenüber
seiner Furcht vor der Operation, die vorgeschlagen
war, günstig zu deuten sein möchte.
26) W., Mädchen von 12 Jahren, deren 2 Ge¬
schwister an „Hirntuberkeln“ gestorben. Sie leidet
an einem Ekzem des Hinterkopfes ohne Jucken
und einem Ulcus am linken Unterschenkel, etwas
Herpes an Ober- und Unterlippe. Sonst keine Ano¬
malie zu entdecken, als etwa ziemlich starker Durst.
Verordn. 29. Decb. 1891: Tuberc. 50., jeden 7. Abend
eine Dosis.
5. Februar 1892. Nach den ersten 2 Pulvern
wesentliche Vermehrung des Ausschlags, dann Besse¬
rung, Lippen völlig verheilt, Ulcus am Unter¬
schenkel wie das Ekzem am Hinterkopf neigen zur
Heilung. Herzklopfen beim Niederlegen ins Bett.
Verordn.: Tuberc. 50., alle 14 Tage eine Gabe.
6. April. Ausschlag spurlos verschwunden; klagt
über Durst, Stiche im linken Hypochondr. Lahmt
das Bein zeitweilig etc. etc. und sonstige Symp¬
tome, diö unzweideutig Natr. mur. indicirten. Sie
bekam das Mittel in 30. Potenz mit sofortigem Er¬
folg, dann 40. Der Ausschlag ist nicht wieder¬
gekehrt.
27) M., Arbeiter, consultirte mich am 14. Mai
1892. Er ist von seinen Aerzten für schwindsüchtig
erklärt worden. Von Kindheit an leichtes Erkälten,
dann Husten, der in der Bettwärme nicht ver¬
ändert wird. Rechts in der Reg. subclavicul. Dämpfung
und abgeschwächtes Respirationsgeräusch. Brust¬
schmerzen. Verordn.: Tuberculin X., jeden 7. Abend
eine Gabe.
1. Juli. Zuerst Besserbefinden, jetzt wieder
nicht so gut, doch „würde er sich ziemlich gut füh¬
len, wenn die Schmerzen in der Brust nicht wären.“
Verordn.: Tuberc. 50., jeden 7. Abend eine Gabe.
Digitized by ^.ooQle
101
21. August. Zuweilen ganz schmerzfrei, so dass
er glauben könnte, ,,er wäre ganz gesund.“ Dann
kehren die Schmerzen wieder. Schläfrigkeit am
Tage und eine gewisse Unlust zur Beschäftigung.
Verordn.: Natr. mur. 50. und Tuberc. 50. jeden
7. Abend ein Pulver im Wechsel.
20. October. Er hat sich ausserordentlich ge¬
bessert, fühlt sich aber noch recht schwach. Verordn.:
Dieselbe Medication.
14. December. Brustschmerzen haben sich ganz
verloren. Befinden durchaus gut. Zunahme der
Kräfte. Noch etwas Dämpfung. Respirationsgeräusch
rechts fast so deutlich als links. Verordn.: Die¬
selbe Medication.
13. März 1893. Regelmässige Fortbesserung und
Zunahme der Kräfte. Dieselbe Medication.
16. April. In Folge einer Erkältung wieder
Brustschmerzen und Appetit minder. Die Erschei¬
nungen sprachen für Sepia, das ich schon für die
Dauer mehrerer Wochen verordnete. Seitdem habe
ich den Patienten nicht wieder gesehen.
28) Friedrich Th., 14 J., wurde mir am 4. Juli
1891 vorgestellt Er stammt aus einer Familie,
deren mehrere Glieder an Schwindsucht gestorben.
Er selbst ist mit allerlei scrophulösen Symptomen
behaftet. Anschwellung der Tonsillen schon von
Geburt an, jetzt Ozaena etc. etc. Eine nähere Auf¬
zählung der Symptome, sowie des anfänglichen
Verlaufes der Krankheit ist für unseren Zweck
ohne Bedeutung und wird daher unterlassen.
Er bekam am 4. Juli Sepia X. ohne Erfolg,
dann 9. August Sulph. X. mit demselben nega¬
tivem Erfolge; 5. November Natr. m. X. und 17. De¬
cember dasselbe Mittel, beide Male mit Erfolg, dann
Calc. c. X., Sil. X., Caustic. X., am 27. Juli
Tuberc. X. im Wechsel mit Caustic., dann am
10. Septb. Sulph. und Tuberc. X. im Wechsel. Am
l. Novb. wurde er mir wieder vorgestellt. Er ist
den ganzen Sommer hindurch nicht bettlägerig ge¬
wesen, was sonst oft der Fall, und hat vom 1. Mai
bis 1. Octb. 8 Pfund gewonnen. Verordn.: Natr.
m. 50. und Tuberc. 50., jeden 5. Tag im Wechsel,
am 27. Decb. dieselbe Medication.
Am 28. Febr. 1893 dieselbe Medication, jeden
7. Abend eine Gabe, am 13. Mai dasselbe. Nach
Verbrauch der letzten Mittel wurde mir berichtet,
dass er immer grösser und kräftiger geworden und
dass Krankhaftes nicht mehr zu entdecken sei. Er
war bisher in der Entwickelung zurückgeblieben.
Man wolle beachten, dass Natr. mur. unter den
früher gebrauchten Mitteln das einzige war, was
einen mehr als rasch vorübergehenden Erfolg hatte.
Ich bin der Ansicht, dass hier eine Complication
von Malaria- und Tuberkelsiechthum vorlag. College
Schlegel sagt in seiner Schrift „Innere Heilkunst“ etc.
in Bezug auf letztere Kachexie, dass mit derselben
eine ausserordentliche körperliche Schwäche Hand
in Hand gehe. Ich kann, gestützt auf eine Reihe
von Beobachtungen, dies nur bestätigen. Jahre,
oft viele Jahre, ehe es zur Localisation des Lei¬
dens kommt, klagen die Patienten über diese ausser¬
ordentliche Schwäche bei sonst guter Ernährung.
Es versteht sich von selbst, dass dieses der gün-
stigsteZeitpunktfürjedeTherapie ist. Freilich müssen
wir damit auf eine striktere Beweisführung ver¬
zichten und uns mit einer Wahrscheinlichkeits¬
rechnung begnügen. Wiederholte Untersuchungen
der Brust hatten in dem vorliegenden Falle ein
negatives Resultat ergeben.
29) Frieda D., 3 J., wurde mir am 25. März
1892 vorgestellt. Sie leidet seit längerer Zeit an
einem Katarrh des rechten Thränensacks. Allgemein¬
befinden durchaus gut und keine Anomalie zu ent¬
decken. Nur Schweiss der Handteller; ging 1 1 / i
Jahr alt. Verordn.: Calc. c. X., jeden 7. Abend
eine Dosis.
13. Mai. Keine Aenderung. In Erwägung, dass
der ältere Bruder, der mit scropbulösen Geschwüren
bedeckt war, durch Tuberculin vollständig geheilt
wurde (im August 1894 konnte ich mich wieder
davon überzeugen), verordnete ich Tuberc. X., jeden
7. Abend eine Gabe.
12. Juli. Das Leiden ist vollständig beseitigt.
30) M., Sohn einer an Ozaena leidenden 37 jäh¬
rigen Frau, dessen „stets blutarme“ Schwester an
„Brustkrankheit“ gestorben, consultirte mich am
22. April 1892. Derselbe leidet seit dem 6. Jahre
mit Unterbrechungen an Husten, früher auch an
Nasenbluten; jetzt nicht mehr. Befinden recht gut,
alle Functionen normal, Tonsillen geschwollen.
Sputa geschmacklos, oft sich schwierig lösend. Ver¬
ordn.: Tuberc. X., jeden 7. Abend eine Gabe.
31. Mai. Besser. Der Husten hat sich wesent¬
lich gebessert, die Expectoration der Sputa erfolgt
leicht. Dieselben zuerst faul schmeckend, sind jetzt
geschmacklos.
3. August. Fortbesserung, die Tonsillen schwülen
nur bei Erkältung an. Der Husten hat sich ganz
verloren; der Nachtschweiss, dessen ich zu erwähnen
vergessen, fast ganz. Verträgt Nasswerden der
Füsse nicht. Verordn.: Sulph. und Tuberc. im
Wechsel und Weisung, falls nach Verbrauch noch
Krankhaftes vorläge, wiederzukommen, was nicht
geschah. (Fortsetzung folgt.)
Heilmittel bei Leberkrankheiten.
Von T. S. Hoyne, M. D.
Weil mein Thema mir bei der letzten Zusammen¬
kunft unserer Vereinigung (Materia medica-Club)
gegeben wurde, b.edarf es wohl keiner weiteren
Digitized by
Google
102
Auseinandersetzung bezüglich dessen Charakters. Ich
habe, so kurz wie möglich, das Gebiet dargestellt
in Uebereinstimmung mit den Wünschen der damals
versammelten Aerzte.
Die vereinte Erfahrung der Mitglieder der
homöopathischen Schule zeigt, dass mehr als 30
Heilmittel empfohlen worden sind in der Behand¬
lung der verschiedenen Krankheiten der Leber.
Aconitum steht an der Spitze der Liste gegen
acute Congestion, oder acute gelbe Atrophie, gegen
Affectionen während der Schwangerschaft und bei
Neugeborenen. Die allgemeinen charakteristischen
Symptome sind Ihnen bekannt und werden daher
nicht aufgezählt.
Aesculus Hipp, ist bei Congestion der Leber
empfohlen, dabei Schmerz zwischen den Schultern
oder unter der Scapula. Der Patient ist verzagt,
trübe gestimmt, verdriesslich und leicht von Hämor¬
rhoiden geplagt, mit dem Gefühl von Splittern oder
fremden Substanzen im Rectum. Dies ist eine Arznei
von beschränktem Nutzen.
Amica sollte bei Verletzungen der Leber nicht
vergessen werden.
Arsenic. palliirt oft die Symptome von Leber¬
krebs, falls es nicht heilt. Wenn diese Arznei an¬
gezeigt ist, so sind die Symptome verschlimmert
von Mitternacht bis 3 Uhr Morgens und von 9 Uhr
Vormittags bis Mittag. Bei Hepatitis mit schwarzem
Stuhle, schwarzem Erbrochenen und dem charakte¬
ristischen Durste ist Arsenic . werthvoll.
Belladonna hat oft acute Entzündung und gelbe
Leberatrophie geheilt. Bell, ist bei Frauen und
Kindern besonders nützlich. Wenn indicirt, findet
man wohlausgesprochene Cerebralsymptome mit Kopf¬
schmerz über den Augen, Schlaflosigkeit, spasmo¬
dische Zuckungen. Der Schmerz in der Leber ist
von Druck verschlimmert, ebenso von Husten, tiefen
Inspirationen und von Liegen auf der rechten Seite.
Verschlimmerung der Symptome 3 Uhr Nachmittags
und wieder ungefähr um Mitternacht.
Bryonia hat Spannen, Brennen und stechenden
Schmerz in der Leber und Schmerzhaftigkeit der¬
selben bei Betasten. Der Schmerz in der rechten
Schulter, der harte, trockene Stuhl, das biliöse Er¬
brechen nach dem Essen, die beschleunigte Respi¬
ration, die Verschlimmerung von Bewegung und
der charakteristische Bryonia-Duxst vervollständigen
das Bild. In acuter gelber Atrophie, complicirt mit
typhoiden Symptomen, hat es sich als heilsam er¬
wiesen.
Calcarea carbon. ist gelegentlich nützlich gegen
Störungen der Leber bei scrophuiösen oder lym¬
phatischen Constitutionen. Heftiger ausstrahlender
Schmerz von der rechten zur linken Seite, Perspira¬
tion hervorrufend; Leber beim Befühlen schmerzhaft;
Alles schmeckt sauer. Milch wird nicht vertragen.
Chamomilla ist das grosse Heilmittel sowohl für
Kinder, als Erwachsene, wenn der Anfall durch
Aerger und Verdruss hervorgerufen ist. Die Schmer¬
zen sind pressenden Charakters, paroxysmenartig,
durch Bewegung etwas gebessert. Der Patient ist
über sensitiv gegen Schmerz.
Chelidonium ist ein ausgezeichnetes Heilmittel
für Leberleidende mit Schmerz unter dem rechten
Schulterblatte und schiessendem Schmerz von der
Leber in den Rücken. Essen bessert den Schmerz.
Ebenso bessern heisse Getränke, welche der Patient
vorzieht, den Schmerz. Stuhl wie Schafkoth. Die
charakteristischen Kopfschmerzen sind ziehend, drü¬
ckend, stechend, von der linken Hinterkopfseite bis
in den Vorderkopf gehend. Dr. Buchanan empfahl
es bei Gallensteinen.
China war gleichwohl Dr. Thayer’s Heilmittel
bei Gallensteinen, und nach langjähriger Erfahrung
glaube ich auch, dass es das beste Mittel ist. Wenn
Leberbeschwerden lange anhaltender Kränklichkeit
oder excessivem Verluste animalischer Säfte folgt,
so sollte es nicht vergessen werden. Die Schmer¬
zen sind stechend und drückend mit Geschwulst
und Härte der Leber. Der Stuhl ist dunkel oder
schwarz und der Durchfall schmerzlos, Nachts
schlimmer. Grosse Schwäche und Hinfälligkeit.
Digitalis ist ein Heilmittel, welches ich in der
Behandlung von Leberleiden nie anwendete, weil
ich nie dem charakteristischen Symptome, das es
indicirt, begegnete — ein sehr langsamer Puls.
Der Geruch von Speisen erregt Uebelkeit; Be¬
wegung ruft Erbrechen hervor und grosse Schwäche;
die Stühle sind grau oder aschfarben, der Urin zu
spärlich.
Geisern, ist gelegentlich bei Entzündung der
Leber indicirt, wenn dabei hohes Fieber ohne Durst
ist. Dumpfer, schwerer Kopfschmerz, zumal im
Hinterhaupte; Schwindel wie wenn berauscht; Zit¬
tern und Schwäche der Glieder; trüber, schwer-
müthiger Blick. Geisern . ist ähnlich Aconit, in der
Wirkung, hat aber den charakteristischen Durst
derselben nicht.
Hepar sulphur. ist das Heilmittel par excellence
gegen Leberabscesse und für Falle, welche allo¬
pathisch mit Mercur. behandelt waren. Der Patient
isst und trinkt hastig.
Ipecacuanha . Raue empfiehlt diese Arznei gegen
acute gelbe Leberatrophie, gegen Bluterbrechen und
blutige Darmentleerungen.
Ignatia ist das Damenheilmittel bei Leberleiden
durch Aerger, Zorn oder Gemüthsqualen. Zucken
eines Muskels zur Zeit; Frauen mit profuser, irre¬
gulärer Menses, leicht erschreckt und leicht be¬
leidigt; Frauen, welche keinen Tabaksgeruch oder
! irgend welche starke Gerüche vertragen und hyste-
| rische Individuen.
Digitized by k^ooQie
103
Kali carbon. ist das grosse Lebermittel, wel¬
ches Stiche als das Hauptsymptom hat. Patient
kann nicht auf der linken Seite liegen; die Stiche
sind im Freien schlimmer. Stiche in der Leber nach
acuter Hepatitis sind von diesem Mittel gebessert.
Kali muriat. gegen Trägheit der Leber mit
Schmerz in der rechten Seite und blasse, gelbe
Evacuationen. Migräne.
Lachem entspricht Leberleiden der Trinker und
der Frauen in der Klimaxis. Verträgt an der Taille
nichts Festanliegendes; excessiv stinkender Stuhl;
Urin dunkel, fast schwarz; Drängen vor dem Stuhl,
ähnlich wie hei Nua. vom., aber der constante
Schmerz ist verschlimmert bei dem Versuch zur
Entloerung und der Patient ist gezwungen, aufzu¬
hören. Leberahscess. Die Verschlimmerung der
Symptome nach Schlafen ist deutlich ausgesprochen.
Laurocerasus. Raue spricht von diesem Mittel
bei der atrophischen Form der Muscatnussleber.
Distension der Leberregion mit Schmerz wie von
subcutaner Ulceration, oder als ob ein Abscess bersten
wollte; erdfarbenes Gesicht; gelbliche Flecke im
Gesichte.
Leptandra ist gelegentlich werthvoll bei Schmerz
in der Leber, gelber Zungenbelegtheit; Uebelkeit
und Erbrechen; schwarzem Stuhl und dunklem,
braunem Urin. Ausnahmsweise Delirium und com-
plete Prostration.
Lycopodium , obgleich zweckdienlich in acuten
Processen, passt doch besser bei chronischen Uebel-
ständen der Leber. Wundheitsschmerz in der Leber¬
gegend, von Druck verschlimmert; Bluterbrechen;
schäumender Urin mit röthlichem Sediment; chro¬
nische Constirpation oder solche Diarrhöe; Ver¬
schlimmerung von 4—8 Uhr Nachmittags. Ver-
driesslich beim Erwachen vom Schlafen. Der Lyco-
podium-Patient ist aufgeweckt und aufmerksam.
Mercur. war und ist das grosse allopathische
Heilmittel für Leberkrankheiten. Solche, welche in
der homöopathischen Schule Krankheiten nach Namen
behandeln, folgen der allopathischen Richtung. Es
ist gelegentlich das Mittel bei schwarzem Stuhl wie
Pech, oder bei blutig-schleimigem Stuhl mit mehr
oder weniger Tenesmus. Die Zunge ist weiss und
schlaff, den Eindruck der Zähne reizend, und ist
feucht; grosser Durst; profuser Speichelfluss; gelb¬
licher Gesichtsteint. Es ist am besten angewendet
bei lymphatischen und scrophulösen Personen.
Nur moschata entspricht Leberleiden nach Inter-
mittens oder nach Erkältung. Die Leber ist ver-
grössert, mit Schweregefühl in ihrer Region, und
die Stühle sind blutig. Raue empfiehlt es gegen die
atrophische Form der Muscatnussleber.
Natrum mlphur. gegen Gelbsucht nach Ver¬
druss und Congestion der Leber, mit scharfen, stechen¬
dem Schmerz und Schmerz bei Betasten.
Nur vomica hat man, gemäss oder ohne das Simile,
gegen Hepatitis und andere Leberleiden gebraucht.
So viele Fälle sind das directe Resultat allopathischen
oder falschen Medicinirens, dass es oft erforderlich
ist. Ebenso nach Missbrauch von Kaffee, Likör und
Gewürzen passt es. Erregbarkeit, nichts passt dem
Kranken; er hat Stiche, drückenden, pochenden
Schmerz in der Leber, Verschlimmerung durch
Druck und früh Morgens. Der Patient erwacht
3 Uhr Morgens und kann dann nicht mehr ein-
schlafen. Die Symptome des Magens und Intestinal¬
kanals, als Constirpation und saures, bitteres Er¬
brechen, sollten immer berücksichtigt werden. Man
sollte keine zu tiefe Potenz wählen, falls eine per¬
manente Kur erwünscht ist
Nitri acid. ist werthvoü nach dem Missbrauch
des Mercur . in chronischem Derangement der Leber.
Der Urin hat einen sehr strengen Geruch; zerren¬
der Schmerz im Rectum, noch lange nach dem
Stuhle anhaltend; Stuhl meist verstopft. Personen
mit dunkler Haut sind für dieses Mittel am besten
passend.
Plumbum . Bleivergiftung ruft heftig schneiden¬
den Leberschmerz hervor mit Galleerbrechen und
blassgelber Gesichtsfarbe, Gelbheit der Augen und
schwarzen Fäces, folglich heilt Plumbum diese
Symptome.
Podophyllum, oft als vegetabilisches Quecksilber
bezeichnet, ist nützlich bei Torpidität der Leber,
mehr als bei Congestion oder acuter Entzündung.
Völlegefühl, Wundheitsschmerz und Stechen in der
Leber; schwarzer oder grüner und wässeriger Stuhl.
Heisse, sehr saure Blähungen; Aufstossen, wie faule
Eier schmeckend; dunkler, brauner Urin. Zu oft
ist diese Arznei volksthümlicherweise benutzt (in
Amerika. D. Ueb.).
Pho8phorus. Bähr behauptet im Allgemeinen,
dass dieses eines der wichtigsten Leberheilmittel
gegen entzündliche Krankheiten ist und besonders
gegen acute gelbe Atrophie und Fettleber. Die
Erfahrung zeigt gleichwohl, dass dieses Mittel an¬
dern schon genannten weit untergeordnet ist, be¬
sonders in diesem Lande (Amerika).
Puhatilla ist weit nützlicher, besonders bei Frauen
und Kindern. Der Patient ist ängstlich, frostig und
durstlos; hat Durchfall mit wechselndem Stuhl, nicht
zwei sind sich gleich; fette Substanzen schmecken
unangenehm, sind zuwider, verursachen Unterleibs¬
schmerzen. Der Patient erkältet sich leicht und hat
gewöhnlich irgend eine Sorte von Katarrh.
Der S^wa-Patient hat dunkles Haar, eine dünne,
zarte Haut und klagt oft über Leerheitsgefühl in
der Magengrube; hat Schmerz in der Leber bei
Fahren im Wagen; gelben Sattel überm Nasen¬
grund, gelbe Farbe der Sclerotica und um den
Mund. Der Leberschmerz ist bisweilen anhaltend
Digitized by ^.ooQie
104
und pochend; es sind braune Flecke auf dem Unter¬
leibe und der Stuhl ist verstopft. Ist es eine weib¬
liche Patientin, so hat sie sicher Leucorrhöe oder
Uterinleiden irgend welcher Art.
Stlicea, neben ihrem Nutzen bei Leberabscess,
sollte immer bei Härte und Distension in dieser Re¬
gion gegeben werden; der Stuhl ist hartnäckig ver¬
stopft, das Rectum scheint alle expulsive Kraft ver¬
loren zuhaben. Der Se7/cra-Patient hat eingewachsene
oder verdickte, missgeformte, spröde Nägel und ist
geneigt zu stinkenden Fussschweissen.
Sulphur ist indicirt in fast allen Krankheiten,
welche sich aufs menschliche Fleisch vererbt haben
und so auch in Hepatitis. Es folgt gut nach Mercur,
besonders bei psorischen Personen, mit oder ohne
Härte und Geschwulst der Leber; Morgendiarrhöe
mit schwarzem, lehmfarbenem Stuhl, von Tenesmus
und Kolik begleitet; oder es mag vorhanden sein:
oftes erfolgloses Drängen zum Stuhl mit Pressen
aufs Rectum; der Patient hat Kälte und Fieber,
oft hectisches, mit reichlichem Morgenschweiss. Er¬
brechen des Genossenen oder von Blut ist nicht
ungewöhnlich.
Zincum beendet natürlich die Liste. Dr. Hering
heilte einen Fall von Verhärtung und Vergrösse-
rung der Leber mit Fussgeschwulst und zwar mit
der 30. Potenz dieses Heilmittels. Es ist ein Mittel,
welches bei Leberkrankheiten verhältnissmässig selten
erforderlich ist.
(Aus „The Medical-Visitor“ übersetzt von
Dr. med. Staads.)
Zur Physik der Homöopathie.
Der verehrte College Kunkel in Kiel hat uns
mit einer kleinen Schrift in zweiter Auflage be¬
schenkt, welche den Titel führt: „Sind Stoff und
Kraft Ursache und Wirkung? a Der hochgeschätzte
Verfasser meint, dass die neuere Naturanschauung
verschiedene Gebiete in der „Einheit des Lebens“
confundire, indem sie den Organismus als einen,
wenn auch sehr complicirten Mechanismus ausein¬
anderzulegen versuche. Diese Ansicht verschulde,
meint er, eine Reihe von Missverständnissen mit,
unter welchen die Homöopathie zu leiden habe,
speciell komme es bei den erfahrungsgemässen Heil¬
wirkungen hochpotenzirter Arzneistoffe gar nicht
auf die allerdings verschwindend geringen Stoff¬
massen, sondern nur auf die besonderen Bewegungs¬
formen an, welche durch dieselben erregt und auf
das Nervensystem übertragen werden. Bei fort¬
schreitender Verminderung des Stoffes werde die
specifische Bewegung durch mechanische Arbeit
Mes Schütteins und Verreibens) immer mehr frei
gemacht, „das Medicament nimmt diejenige Form
an, welche dem Nervensystem allein entspricht, die
der Bewegung.“ Die Antwort auf oben gestellte
Frage, ob Stoff und Kraft Ursache und Wirkung
seien, lautet demgemäss: „Dei* Stoff ist nur insofern
Ursache der Kraft , als ihm gewisse Bewegungen
inneu'ohnm, die sich in Form von Aetherschwingungen
anderen Körpern , so auch den Nerven miUheüen
lassen . Der Stoff als solcher steht den Nerven in¬
different gegenüber.“
Wir schliessen uns dieser Anschauung als einer
sehr beachtenswerthen Hypothese an und erklären
damit unser weitgehendes Einverständniss. Schon
in der weiland Internationalen homöopathischen Presse ,
Jahrgang 1876, habe ich einen Aufsatz „Zur Physik
der Homöopathie“ veröffentlicht, in welchem ich
für ganz ähnliche Ideen eingetreten bin, bezw.
meine Fragestellung entsprechend formulirt habe
und unter Anderm darauf hinwies, dass es einer
Aufklärung bedürfe, wohin die beim Verschüttein
der Hahnemann’schen Potenzen aufgewendete mecha¬
nische Arbeit gerate. Schon in den Sechziger
Jahren hat Dr. Gustav Sclieve in einer Schrift
„Die Zukunft der Medicin“ vom Kunkel’schen
Standpunkte aus für die Homöopathie Partei ge¬
nommen. Er meint z. B., dass das Wildbader Wasser,
dem wirksame Bestandtheile im gewöhnlichen Sinne
abgehen, keineswegs arzneilicher Eigenschaften er¬
mangle. Dieselben Bestandteile könnten durch
eine mitgetheilte Bewegung ganz andere Eigen¬
schaften annehmen, wie z. B. eine aus Domino¬
steinen gebildete Figur durch einen Stoss, oder wie
das Eisen durch übertragenen Magnetismus. Col¬
lege Kunkel führt nun sehr zahlreiche und spre¬
chende Beispiele für seine der Homöopathie so sehr
zusagende Ansicht ins Feld, besonders auch aus
dem Gebiet der Heilquellenlehre, der allgemein an¬
erkannten Arzneiwirkungslehre und der Metallo-
therapie, die durch Charcot’s Eingreifen für die
Wissenschaft gerettet wurde. — Ob es zu diesem
Zwecke aber notwendig war, tiefe metaphysische
Fragen aufzuwerfen, also die Frage nach dem Ver¬
hältnisse von Stoff und Kraft überhaupt, scheint
mir zweifelhaft. Ich bin weit entfernt, dem ver¬
ehrten Collegen eine Berechtigung in dieser Hin¬
sicht absprechen zu wollen, auch verkenne ich nicht
eine gewisse Kluft zwischen belebten und un¬
belebten Wesen; dennoch habe ich mich in meinem
eigenen Denken immer an die Einheit gewisser
Erkenntnisse diesseits und jenseits der Homöopathie
gebunden gefühlt und in dieser Richtung möchte
ich mir erlauben darauf hinzuweisen, dass uns nach
meiner unmassgeblichen Meinung die Thatsachen des
homöopathischen Sonderbewusstseins nicht zwingen,
z. B. das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und
Gegenwirkung in seiner Geltung auf organischem
Digitized by ^.ooQle
105
Gebiete zu bestreiten. Dieses Gesetz ist ein ein¬
faches Axiom, welches mit zwingender Gewalt jede
unserer Betrachtungen meistert; es wäre ein Miss-
verständniss, wenn man dieses Gesetz nicht nur
für einen Organismus, sondern auch für jedes mecha¬
nische System sine grano salis, d. h. ohne die viel-
gliedrige Bedeutung eines Systems zu bedenken,
ohne weiteres zur Anwendung bringen wollte. Das
Gesetz gilt immer, aber es tritt nicht in die Er¬
scheinung, ausser unter ganz einfachen mechanischen
Verhältnissen.
Man braucht gegen den unverständigen Ein¬
wurf: „also muss ja unter unausgesetzter mecha¬
nischer Arbeit die Heilkraft der Medicamente in
demselben Verhältniss vermehrt werden ,“ nicht zu
dem Kunkel’schen Gegenargument zu greifen: „aus
demselben Grunde nicht, aus welchem kein orga¬
nisches Wesen in seinem Wachsthum im geraden
Verhältniss zur Wärmeerzeugung gefördert werden
kann.“ Hier genügt schon das Beispiel der Dampf¬
maschine, deren Leistungen sich auch nicht nach
Belieben durch Heizmaterial weiter treiben lassen.
Ausserdem haftet Ha ’/kraft an sich keinem Stoffe
an. //«'/kraft setzt schon eine Relation zu einem
geschädigten Organismus voraus und kann nicht in
der unorganischen Welt in Betracht kommen, son¬
dern bedarf eben der Synthese mit Lebendem, um
überhaupt zu sein. Die organische Welt ist die
Stätte indirecter Kräftewirkungen, der „ Auslosungen
wie ich dies auch wiederholt in mehreren Schriften
für die Gebiete der homöopathischen Naturerschei¬
nungen in Anspruch genommen habe. Weniger
verwickelte Auslösungen giebt es auch schon auf
unorganischem Gebiet; die verwickeltsten auf dem
Gebiete des Nervenlebens. Wir können dadurch sehr
viel erklären, ohne das „Quantitätsgesetz“ zutangiren.
Solche Auslösungen organischer Kräfte sind es
nach meiner Ansicht auch, welche zunächst durch
die sehr kleinen aber specifisch gearteten Bewegungs¬
mittheilungen durch homöopathische Einflüsse be¬
wirkt werden. Das Weitere ergiebt sich im Getriebe
des Organismus von selbst.
Gustav Jaeger hat, ähnlich wie Kunkel, speci-
fische Bewegungen als Grund der Heilwirkung der
Stoffverdünnungen angesehen. Meines Erinnerns
stellt er die Ansicht auf, dass die Schüttelarbeit in
latente Wärme des Molekels umgewandelt werde
und dass durch Stoffrarefaction die Molekeldistanzen
sich riesig ausdehnten und übermächtige Schwin¬
gungen sich ergäben, eine Ansicht, welche sich
theilweise deckt mit derjenigen von Crookes, dessen
„Strahlende Mateide“ bei ungeheurer Verdünnung
von Gasen durch ungestört geradlinige Fortbewegung
(unter elektrischen Einflüssen) zu Stande kommen
soll. Der grosse Unterschied in den Anschauungen
besteht nun darin, dass Kunkel dem Stoff als solchen
selbst schliesslich die Bedeutung abspricht, von ihm
eine Aetherbewegung ausgehen lässt, die sich auf
unsere Arzneikörper und auf unsere Leiber über¬
trägt, während Jaeger den Stoff als Kern der Arznei¬
wirkung beibehält und die Molekel mit künstlicher
Schwingungsamplitude (Potenzen) selbst zur Heilung
benützt. Darin giebt sich eben eine Differenz von
sehr tiefgehender Bedeutung zu erkennen, die ich
nicht erwähnt hätte, wenn nicht Kunkel selbst die
Frage von Stoff und Kraft an die Spitze seiner
Abhandlung gestellt hätte.
Es ist bezeichnend, dass Kunkel schliesslich die
Bewegung als den dem Nervenleben allein ent¬
sprechenden Factor bezeichnet, dass er am Stoff
nichts von einer Kraftursache findet, als dass ihm
gewisse Bewegungen innewohnen, während er selbst
den Nerven indifferent gegenübersteht. So scheint
der Stoff als eine taube Hülse, nachdem er seine
Bewegungen abgegeben hat, wie wir diesen Process
bei Herstellung von Arzneipotenzen vollführen. Es
ist am Stoff nichts zweckentsprechend, als seine
Bewegung.
Was bleibt aber dann noch übrig, wenn der
Stoff nicht die Ursache gewisser Bewegungen ist,
die von ihm ausgehen? In welchem Verhältniss
steht die ausgegangene Bewegung zu ihrem Kern
oder zu ihrer Hülse? Ich meine, dass ein solcher
Dualismus unhaltbar sei. Alles, was wir am Stoff
überhaupt kennen und brauchen können, sind seine
Bewegungen, seine Wirkungen. Der Umstand, dass
solche immer wieder von neuem aus einem kleinen
Stoffmittelpunkt hervorgehen, so lange dieser als
solcher existirt, nothigt uns, diesem Centrum eine
causale Rolle zuzuschreiben und so ist im physi¬
kalischen Sinn allerdings der Stoff Ursache der
Kraft. Untersuchen wir aber die Sache genau, so
lässt sich das Verhältniss auch von einer anderen
Seite her beleuchten. Wenn nämlich, wie schon
hervorgehoben, vom Stoff nichts übrig bleibt, als
emanirende Kraft besonderer Art, d. li. ein ganz
bestimmtes Bewegungselement und dessen unzer¬
störbare Constanz, so können wir gerade so gut den
früheren Satz umkehren und sagen: Die Krajt ist
die Ursache des Stoffs , nämlich desjenigen räum¬
lichen Erscheinungscomplexes, welchen wir eben
Stoff zu nennen berechtigt sind. Es sind lauter
Kräfte, in die sich schliesslich der Stoffbegriff auf¬
löst, z. B. die Widerstandskraft, welche für uns
sinnlich fühlbar wird. Ilintei * den Kräften steckt
nichts mehr als die Thatsache ihrer Centrirung in
sehr kleinen Gebilden, d. h. die Sammlung und Be¬
grenzung in Einheiten. Hinter den Stoffen steckt
aber sehr viel, was man ihnen nicht ansieht, wie
wir Homöopathen recht gut wissen. „Wer weiss,
w r as da im Raume spukt?“ hat ein geistvoller Mathe¬
matiker gesagt und hat damit den Stoff gemeint. —
14
Digitized by
Google
106
Auch für Kunkel sptikt es noch etwas im Ramne,
indem er dem Stoff lieben der Kraft ei ne gewisse
Existenz übrig lässt. Es ist besser, wir lassen den
Stoff, d. h. den Spük direct verschwinden und
definiren die Molekel mit netteren Philosophen als
Kraftpunkte, besset Kraft wesen, Krafbcentren. Diese
leisten alles, was die Wissenschaft und das Leben
von ihnen verlangen mögen. Auf den Namen der
Sache kommt es ja nicht an, doch ist Klarheit an-
zustreben, Wenn die Fragen einmal aufgeworfen sind.
Wer sich daran gewöhnt hat, stets an KraftcOntren
zu denken, wenn von Stofftheilchen die Rede ist,
der operirt viel leichter damit; anfangs allerdings ist
es ungewohnt und man glaubt sich von einem ge- j
wissen Stoffmassiv nicht trennen zu können, obwohl
sich dieseB bei denkender Betrachtung leicht in
lauter Kräfteerscheinungen uberführen lässt.
Ob man schliesslich die zu Grunde liegende
Weltanschauung materialistisch oder spiritualistisch
nennen möge, ist wieder ganz nebensächlich und
fast ein Wortstreit, wenn sich nicht Gedanken an¬
dersartiger Tragweite gerade hieran festknüpfen.
Der naive Materialismus erscheint allerdings bei
tieferem Eindringen in die Natur sehr in seiner
Blosse, aber man kann auch auf andere Hypothesen
eine Weltanschauung aufführen, die schlechter ist
als gar keiue.
Wenn es nun aber mit den kleinen Kraftwesen,
Atome oder Molekel genannt, so steht, dass ausser
Bewegungssystemen nichts hinter ihnen zu suchen
ist, so haben wir mit der Thatsache des natürlichen
Aufbaues und der Functionen der organischen Welt
insofern zu rechnen, als wir den Kraftcentren, ge¬
rade wie den stofflich gedachten Atomen, die Fähig¬
keit zuschreiben müssen, in die verwickeltsten und
höchsten Systeme einzugehen, bei denselben als
Kraftquellen (stofflich ausgedrückt als „Bausteine“)
mitzuwirken; etwa auch — wie dies bereits in der
unorganischen Welt stattfindet — das eigene Be¬
wegungssystem mit andern entgegenkommenden Sy¬
stemen zu combiniren, zu modiffciren, doch unbe¬
schadet der Fähigkeit bei Zerfall des höheren Ge¬
bildes wieder auf seine ursprüngliche Bewegungs¬
form (Molekelbeschaffenheit) zurückzukehren. —
Wenn der „Stoff“ so mit den von ihm getragenen
Bewegungen identificirt wird, oder (anders ausge¬
drückt), wenn die Bewegungen so untrennbar mit
ihrem constanten Schwerpunkten verbunden gedacht
werden, so fragt es sich: Können wir uns Be¬
wegungen von den Kraftpunkten losgelöst und auf
andere Systeme übertragen denken? Man kann
dies insofern für unmöglich erklären, als unter diesen
Voraussetzungen das Molekel nicht mehr nach de¬
finitiver Abgabe einer Kraftportion hülsenhaft fort-
bestelicn könnte; sein „Selbst“ wäre angetastet oder
vernichtet.
Betrachten wir aber jedes kleine Molekel oder
Atom als Dynamid von endloser Dauer und uner¬
schöpflicher Arbeitskraft, so erblicken wir in ihm
ein Perpetuum mobile, welches unaufhörlich innere
und äussere Klüfte geltend macht und, sobald es
unter geeignete Aussenbedingungen tritt, Stösse,
Verschiebungen, Schwingungen in anderen Gebilden
hervorruft, die ihrerseits wieder nicht ohne Einfluss
auf benachbarte Gebilde und Systeme bleiben. Es
scheint demnach also nicht unbedingt nothwendig,
dass unsere höheren Arzneipräparate den „Stoff“
noch selbst enthalten, nachdem es als möglich ge¬
dacht werden kann, dass sie nur von der „Kraft“
beeinflusst worden sind, während die Dynamide
selbst anderwärts verweilen. — Es wäre mir er¬
wünscht, hierüber die Anschauungen anderer Col-
legen zu hören.
Tübingen. lSmil Schlegel.
Caleuli pulmonales.
Ein 4 5 jähriger, kräftiger Mann mit hochblonden
Haaren, Kutscher und Ausreiter der Pferde, der
vor mehreren Jahren eine Lungenentzündung über¬
standen und späterhin öfter an Bronchialkatarrhen
gelitten hatte, bekam Anfangs September d. J.
einen ziemlich heftigen Husten, bei dem zeitweise
ein mit Blut gemengtes schleimiges Sputum abging;
das Blut war erst dunkel, späterhin heller. — Als
ich zu ihm gerufen wurde, hatte er einen fort¬
währenden, in kurzen Stössen auftretenden Husten,
der sich mitunter zu heftigen, fast krampfhaften
Anfällen steigerte und zeitweise jenen oben an¬
gegebenen Auswurf herausbeförderte. Beim Husten,
aber auch beim tiefen Athmen hat er Stiche in der
rechten Brusthälfte zwischen der 6.—8. Rippe. Die
Percussion ergiebt keine Abnormität; beim Aus-
cultiren hört man ein ziemlich grossblasiges Ras¬
seln sowie Pfeifen und Schnurren über die rechte
Brust, besonders in der oberen Hälfte verbreitet;
Fieber ist nicht vorhanden. Der Appetit gut, der
Stuhl retardirt (während er vor Jahren an lang¬
wierigen Diarrhöeen gelitten). — Dyspnoö beim
Gehen. Patient erhielt Ipec. 8. dil. 3 Mal täglich
5 Tropfen. Hiernach liessen die Athembeschwerden
etwas nach; der Husten kam seltener mit Blut-
abgang. — An der schmerzhaften Stelle empfindet
er ein Kratzen wie von einem scharfen Körper, der
beweglich schien. Da bekam er am 12. October
in den Morgenstunden einen äusserst heftigen,
krampfhaften Hustenanfall mit suffocatorischer Athem-
noth. Es kam wieder ein mit Blut gemischtes Spu¬
tum und endlich nach langer Anstrengung ein ring¬
förmiges, an der Oberfläche vielfach zerklüftetes,
härtliches Kalkconcrement von mehr als Erbsengrösse.
Das Loch desselben war mit blutigem Schleim gefüllt.
Digitized by k^ooQie
107
Nachdem dies Corpus delicti zu Tage gefördert
war, hörten die meisten Beschwerden sofort auf.
Der Mann fühlte sich wie von einer Last befreit
und ist derselbe seither, ohne irgend ein Residuum
jenes Leidens, vollständig gesund geblieben.
Dieses ist der zweite Fall von talkartigem
Auswurfe, der bisher zu meiner Beobachtung ge¬
langt ist.
Andral spricht sich in seiner Clinique mödicale,
Bd. II, p. 106 u. ff. sehr ausführlich über die kalk¬
artigen Sputa aus, insbesondere aber über solche,
welche bei Tuberkulösen gefunden worden sind.
Er hat sie in der Mehrzahl bei jungen Personen
beobachtet, von der Grösse eines Hirsekorns bis
zu der einer Bohne (letztere freilich selten). In
den Acten der Kopenhagener Akademie liest man
die Geschichte einer Frau, welche in einem heftigen
Hustenanfall einen Calculus von der Dicke der ersten
Daumenphalanx auswarf.
Morgagni berichtet von einem, der die Grösse
eines Pfirsichkerns gehabt. Der Kranke versicherte,
er habe deutlich gefühlt, wie dieser Stein auf der
rechten Lunge in die Luftröhre gestiegen sei.
Shenkins sah einen nussgrossen Calculus, den
ein 14jähriges Mädchen entleerte.
Andral beobachtete den Abgang von Kalk-
concrementen in den verschiedensten Stadien der
Lungentuberkulose. So sah er, wie ein junger
Mann (ein Grieche) kleine Kalkstückchen auswarf,
als sich die ersten Anzeichen einer Phthisis bei
ihm offenbarten — das sei aber der seltenere Fall.
Sonst geschieht es in der Regel*erst in dem vor¬
gerückten Stadium dieser Krankheit. So bei einem
18jährigen Mädchen, die im letzten Zeitraum des
Marasmus (bei grossen Lungencavernen) zwei Tage
vor ihrem Tode ein Kalkstück von unregelmässiger
Oberfläche, bohnengross, auswarf. Ein absonder¬
liches Symptom zeigte sich weder vor noch nach
der Expectoration dieses Calculus.
Was die Anzahl der ausgeworfenen Kalkconcre-
mente betrifft, so ist sie um so häufiger, je kleiner
diese sind. Das Dictionnaire des Sciences mödicales
berichtet von einem Phthisiker, der während seiner
letzten acht Monate mehr als 200 kleine Sternchen
ausgehustet hat. — Die Bibliothöque mödicale von
1820 theilt die Krankheitsgeschichte eines jungen
Mädchens mit, welches in 3 Monaten 22 Concre-
mente ausgeworfen hat, von denen das grösste den
Umfang einer Kirsche hat. — Portal erzählt von
einer Person, welche 500 Calculi entleert habe, von
denen die ersten die Grösse eines Hirsekorns, spä¬
tere die einer Erbse hatten. Doch das sind Aves
rarae.
Die Formen der Lungensteine, ihre Farbe und
sonstigen physikalischen Eigenthümlichkeiten sind
sehr variabel. Bald sind es kleine, sandförmige
Massen, zerreiblich, ähnlich angefeuchtetem Gypse,
lassen sich unter dem Fingerdruck leicht zerquetschen,
bald sind sie von grösserer Härte, wie Fragmente
von härtestem Kiesel. Ihre Gestalt ist eiförmig,
oder cyliadrisch oder globulös; bisweilen zeigen sie
Verästelungen, als ob sie sich in mehreren kleinen
Bronchialästchen gebildet hätten. Oefters ist ihre
Oberfläche maulbeerartig. — Die chemische Analyse
hat in ihnen bisher überwiegend phosphorsauren,
nur selten kohlensauren Kalk nebst etwas minera¬
lischer Substanz nachgewiesen.
Wie entstehen nun diese ausgeworfenen Calculi?
In welehem Theil der Lunge haben sie ihren Sitz?
Ein Theil derselben bildet sich sicher in den Bronchial¬
ästchen, wie ihre baumartige Form beweist, welche
an die mancher Nierensteine erinnert, welche zu¬
gleich im Becken und in mehreren Kelchen der
Nieren ihren Sitz hatten, und entwickeln sie sich
aus dem Schleim der Bronchien. Dies mag der
Fall sein bei den in grosser Anzahl innerhalb kür¬
zerer oder längerer Zeit entleerten, welche weder
vor oder während oder nach ihrer Ausstossung be¬
sondere Störungen der Gesundheit zeigen. — So
hat schon Aretaeus bemerkt, dass manche Personen
kleine Concremente in ihrem Auswurfe hätten, ohne
dass diese an besonderen Zufällen gelitten, und
Oläus Borrichius erzählt von einem seiner Freunde,
der seit 12 Jahren von Zeit zu Zeit heim Husten
kleine Sternchen expeetorirte, ohne erheblich er¬
krankt gewesen zu sein. So verhielt es sich auch
in dem oben nach Portal citirten Falle.
Indessen giebt es Thatsachen, die dafür sprechen,
dass solche Concremente, wenn auch aus den Bron¬
chien stammend, doch nichts Anderes seien als
Fragmente ossificirter Bronchialknorpel. Hierher
gehört folgender von Andral beobachteter Fall: Ein
40jähriger Mann starb an der Schwindsucht in
einem Falle von Hämoptysis, von der er aber früher
schon mehrere Anfälle gehabt. Bei der Eröffnung
der Bronchien ward Andral von dem Volumen und
der Consistenz der diehten Knorpelsegmente der
Bronchiolen frappirt. Zwei von ihnen, von der
sonst ulcerirten Schleimhaut entblösst, waren so
beweglich, dass man sie leicht mittels einer Pin-
oette in die Höhle des Bronchus bringen konnte.
Es ist nicht irrational, anzunehmen, sagt Andral,
dass eine solche Loalösung spontan bei Lebzeiten
des Patienten hätte eintreten können; das Knorpel¬
segment hätte sich dann in eine kalkige Concretion
umgewandelt, die der Kranke später beim Expecto-
riren ausgeworfen haben würde. So hat man ja
auch bisweilen frei bewegliche Knochencremente
im Lumen einer Arterie, losgelöst von deren Wan¬
dungen, angetroffen.
In anderen Fällen können die ausgeworfenen
Calculi direct aus einer Tuberkelhöhle stammen,
Digitized by Google
108
der Stätte ihrer Entstellung. Zwei Mal fand An-
dral in der That in weiten, mit Eiterflüssigkeit ge¬
füllten Cavernen eine missgrosse, harte und solide
Kalkconcretion, deren Oberfläche von zahlreichen
Rauhigkeiten bedeckt war. Diese Cavernen stan¬
den durch weite Oeffnungen mit den Bronchien in
Verbindung, und es ist wahrscheinlich, dass die
Kranken, wenn sie länger gelebt, diese Concremcnte
beim Husten nach aussen geworfen hätten.
Endlich giebt es Calculi, und zwar nicht weniger
zahlreiche, welche sich im Lungengewebe selbst zu
bilden scheinen. Wenn man indessen die baum¬
artige Form derselben berücksichtigt und ihre Con-
figuration mit der der Blindsäckchen vergleicht, in
welche die Bronchien endigen, so kommt man auch
hier wieder zu der Ansicht, auch diese Concremente
seien in den letzten Endigungen des Bronchial-
baumes, also in den Lungenbläschen, ansässig.
Hinsichtlich dieser letztangeführten Concremente ist
noch eine andere Thatsache bemerkenswerth: sie
sind fast immer mit Massen von tuberkulöser Materie
untermengt. Ja, eine aufmerksame Beobachtung
zeigt, dass eine Anzahl solcher Kalkconcremente
ursprünglich Tuberkel waren, die sich nach und
nach erhärtet, versteinert haben. In einer Lunge,
wo man mehrere Calculi in der Mitte oder Nach¬
barschaft von Tuberkeln findet, sieht man, wie an
anderen Punkten der Tuberkelstoff sich von den
Charaktereigenthümlichkeiten des gewöhnlichen Tu¬
berkels zu entfernen beginnt; jener gleicht dann
einem mit Wasser getränkten, stark erweichten
Gypse. Wir haben kleine, zerreibliche, durch eine
mehr flüchtige Substanz geschiedene Körner vor
uns. Die Analyse ergiebt schon in dieser Varietät
der Tuberkel etwas Kalkphosphat in einer grossen
Menge Wasser und animalischer Substanz. Infolge
längerer Austrocknung verdunstet das Wasser, die
Moleküle nähern sich dichter, und diese noch halb¬
flüssige Masse nimmt schliesslich eine steinige Be¬
schaffenheit an.Diese allmählige Verkalkung
des Tuberkels lässt sich in den Lungen in zahl¬
reichen Fällen sicherlich verfolgen. ... — Hieraus
wird es erklärlich, wie das Expectoriren kalkiger
Concremente so häufig von den Symptomen der
Lungenschwindsucht begleitet ist. — Andral fasst
zum Schlüsse die aus seinen Beobachtungen gezoge¬
nen Folgerungen in folgenden Sätzen zusammen:
1. Eine Anzahl von Calculi pulmonales kann
ihren Ursprung haben in den verschiedenen Ver¬
ästelungen des Bronchialbaumes. Dies zeigt post
mortem der anatomische Befund. Während des
Lebens kann man es annehmen, wenn vor oder
nach der Entleerung der Calculi keine Zeichen von
Phthisis pulmonalis bemerkbar sind.
2. Die ernsten Symptome, welche der Expecto-
ration von Calculi vorausgehen, sie begleiten oder j
ihr folgen, hängen weit weniger von der Gegenwart
derselben im Lungengewebe ab, als von dem gleich¬
zeitigen Vorhandensein von Tuberkeln. — Wir
kennen nur sehr wenig Fälle, wo die Symptome
von Phthisis sich infolge der Gegenwart einfacher
Calculi in den Lungen gezeigt hätten. Bayle hat
nur einen einzigen Fall citirt, und in diesem ist es
nicht ausgemacht, ob nicht gleichzeitig Tuberkel¬
masse neben den Kalkconcrementen in dem Lungen¬
gewebe vorhanden gewesen sei. Die Phthisis cal-
culosa Bayle’s ist jedenfalls eine sehr seltene Krank¬
heit, deren Existenz immerhin möglich, wenn auch
nicht sicher erwiesen ist.
3. Die Prognose in den Fällen von Kalkconcre¬
menten im Auswurf richtet sich nach der Consti¬
tution des Patienten, nach den anamnestischen Ver¬
hältnissen, sowie nach der Art der Erscheinungen
während oder nach dem Auswurf der Calculi.
Soweit der Altmeister Andral, dessen Clinique
mädicale schon wegen seiner zahlreichen, gewissen¬
haften Beobachtungen einen bleibenden Werth für
uns hat. — Die Obliteration von Tuberkeln durch
Verkalkung hat er ebenfalls mehrfach bestätigen
können; ob bei den Individuen, wo dies stattgehabt,
besondere Neigung zu kalkigen Expectorationen
vorhanden gewesen, ist klinisch nicht festgestellt. —
Einer Quelle von solchen Sputis können wir noch
erwähnen; wir meinen die Verkalkung von Bron¬
chialdrüsen. Wenn die Umgebung derselben er¬
weicht, so können die verkalkten Massen sich ab-
lösen, durch die Athembewegungen in die Bronchien
gelangen und schliesslich ausgeworfen werden. So
findet sich in der Sammlung des pathologisch-ana¬
tomischen Instituts zu Strassburg, nach v. Reckling-
hausen’s Angabe, ein Präparat, in dem ein scharf¬
kantiges Kalkstück aus einer Bronchialdrüse nicht
nur durch die perforirte Wand des Bronchus hin¬
durch in diesen eingetreten war, sondern auch noch
die gegenüberstehende Wandung desselben einge-
schuitten hatte. Hier werden die durch die örtliche
Reizung bedingten Störungen gewiss noch weit be¬
deutender gewesen sein, als in dem von uns beschrie¬
benen Falle, wo schon ein so kleines Kalkfragment
sich so unangenehm bemerklich gemacht hat.
Dr. Mossa.
Vom BUchertisch.
Der Praktiker. Von Dr. Albert Beibmayr. Leipzig
und Wien, Franz Dentike. 1893. 4 Mark.
Eine sehr günstige Recension des Collegen
Kröner in der „Zeitschrift des Berliner Vereins
homöopathischer Aerzte“ veranlasste mich zum An¬
käufe des obigen Buches, und ich muss gestehen,
dass ich selten ein Buch mit mehr Genuss und
auch Nutzen gelesen habe. Es ist, wie der Ver-
Digitized by
Google
109
fasser sich selbst ausdrückt, „nach heutigen Be¬
griffen ein recht unwissenschaftliches Buch,“ aber
in dem Kampfe gegen die Schablone der Schul-
medicin ruht der Werth des Buches.
Einzelne herausgegriffene Sätze und Sentenzen
werden den Leser am besten in den Geist des
Buches einführen.
„Der grösste Fehler eines jungen Arztes ist
seine Unsicherheit, die er meist nicht im Stande
ist zu verbergen und die dem Patienten das Ver¬
trauen schwächt oder nimmt. Dem Patienten geht
es wie ganz kleinen Kindern, die auch unruhig
werden, wenn sie von ängstlichen, zimperlichen
Frauenzimmern auf die Arme genommen werden.
Diese Unsicherheit entspringt meist aus der Un¬
sicherheit der Diagnose und dem, wenigstens für
die Praxis, falschen Glauben, dass bei nicht richtiger
JHagnose auch die Therapie nicht richtig sein könne .
Das ist aber ein ganz falscher Satz.
Erstens kurirt die Natur ja immer richtig und
der Pationt ist also, auch wenn man sich in einem
Falle nicht auskennt und mit seiner Therapie noch
nicht im Reinen ist, nicht ohne Hilfe.
Zweitens geht es ja in vielen Fällen den besten
Aerzten so, und in solchen Fällen behandelt man
eben symptomatisch; damit wird man selten ein Un¬
heil stiften. Wir haben ja keine specifischen Mittel
und werden keine finden, daher wird unsere Be¬
handlung in der Mehrzahl der Fälle immer eine
symptomatische bleiben.
* * *
Der Arzt ist ein Künstler, und wie jeder Künst¬
ler, will er ein echter Künstler sein, das wirklich
Schöne in der Mannigfaltigkeit im Einfachen suchen
und auf diese Weise eine individuelle Art und
Weise zu arbeiten sich erwerben muss, so soll auch
den echten Heilkünstler eine individuelle Manier
zu kuriren auszeichnen.
* * *
Es führen viele Wege nach Rom und viele
Methoden zur Gesundheit, nur sicher und unbeirrt
von anderen Methoden muss mau seinen eigenen ein¬
fachen Weg wandeln , dabei aber immer zwei grosse
Prinzipien im Auge haben, das eine heisst:
Natura sanat, medicus curat,
das andere: Nil nocere!
* * *
Ein Diener bist du der Natur und nicht ihr
Herrscher sollst du und kannst du sein. Ja, je
ein besserer Diener der Natur du bist, desto mehr
scheinst du über sie zu herrschen. Der Arzt muss
in dieser Ehe, die er als Arzt mit der Natur ein¬
geht, es machen wie kluge Frauen, die auch durch
Nachgiebigkeit und zartes Anschmiegen die stärk¬
sten und charaktervollsten Männer zu beherrschen
scheinen und auch bis zu einem gewissen Grade
immer beherrschen.“
* * *
„Mir kommt die heutige medicinische Schule,
besonders an grossen Universitäten, wie eine
Schwimmschule vor, wo die Schüler, auf schönen
Blöcken gelagert, die Schwimmbewegungen ein¬
lernen; dann wirft man sie ins Wasser und kümmert
sich nicht weiter, ob einer nun schwimmen kann
oder ob er ersäuft.“
Humanität.
Ein echter Schüler der heutigen medicinischen
Methode setzt „den grössten Stolz in die Stellung
einer richtigen Diagnose, die Heilung ist ihm so
ziemlich Nebensache. Er ist lieber inhuman, als
dass man auf den Glauben käme, er hätte die
Diagnose nicht stellen können.
Daher hat sich durch diese Richtung die Me¬
thode eingestellt, dass heutzutage den Patienten die
fürchterlichsten Diagnosen , die nichts Antieres sind
als Todesuriheile, ganz ruhig ins Gesicht gesagt
werden .
Das oberste Princip für den Praktiker muss
immer bleiben:
Primum est humanitas.
Secundam scientia.
Zunftgeist
Keine Wissenschaft hätte mehr Ursache, etwas
duldsamer gegen von aussen kommende Meinungen
und Heilmethoden zu sein, als gerade die heutige
Medicin, die fast, kann man sagen, zum nicht ge¬
ringen Theile von Ideen von Laien lebt. Da ist
die Wasserbehandlung von Priessnitz eingeführt,
da ist die Massage und schwedische Heilgymnastik
von Lingg und Mezger, die Hypnose vom Laien
Messmer eingeführt. Ebenso wurden die Diätcuren
vom Laien Schroth wieder angeregt.
* * *
„Wenn die armen Patienten immer darauf warten
müssten, bis es uns gelingt, zu einem Erfolg die
wissenschaftliche Erklärung und Begründung zu
finden, da wäre es schlecht um die Heilkunst be¬
stellt. Der Patient will, wie Billroth sehr richtig
sagt, nicht die abstracte Wissenschaft consultiren,
er will einfach geheilt werden, ob die Methode,
nach welcher er geheilt wird, wissenschaftlich be¬
gründet ist, oder ob ihr dieser wissenschaftliche
Stempel fehlt, ist ihm ganz gleichgiltig; im Gegen-
theil, das Volk hat eigentlich heute noch immer
einen instinctiven Widerwillen vor allen wissen¬
schaftlich begründeten Heilmethoden und geht ein¬
fach dem sicheren Erfolge nach und hat eigentlich
dabei sehr recht.“
Digitized by ^.ooQle
110
Temperatur und Puls.
„Es ist für den Praktiker viel wichtiger, den
Puls zu beobachten, als die Temperatur, die häufig
zu prognostischen Irrthümem verleitet. Mir will
scheinen, als wenn die moderne Medicin den Puls
und seine Qualitäten zu sehr vernachlässigt und
zu viel auf die Auscultation und Percussion giebt,
deren Resultate viel schwerer zu beurtheilen und
zu leicht zu Irrthümem führen, wenn man die Puls¬
qualitäten zu wenig berücksichtigt.
Das richtige Pulsfühlen ist eine grössere Kunst,
als man gewöhnlich glaubt und wer das gut ver¬
steht, ist gewiss ein guter Praktiker.“
Diät
„Man kann das Princip auf stellen, dass für alle
Menschen die Kost und die Speisen , die sie von
Jugend auf gewöhnt sind, in der Regel auch die
leichtverdauliclisten sind , wenn sie auch bei anderen
den Ruf der schweren Verdaulichkeit für sich
haben.“
„Nie schroffe Uebergänge in der Diät und nie
für lange Zeit eine einseitige Diät.“
lieber den Werth der anbjeetiren Gefühle des
Patienten.
„Es ist unzweifelhaft ein grosser Fehler der
heutigen Medicin, dass sie den objectiven Befund
viel zu hoch schätzt und die snbjectiven Gefühle
der Patienten zu wenig aehtet. Da wir Aerzte uns
leider noch sehr häufig irren, so ist ein Factor, der
sich, wenn man ihn zu deuten versteht, viel seltener
irrt — das subjective Gefühl des Patienten — doch
nicht zu vernachlässigen, im Gegentheile, dasselbe
ist als ein sehr wichtiger und dem Arzte, der diesen
Factor zu benützen versteht, als ein sehr verläss¬
licher Factor in der Prognose und Therapie der
Krankheiten zu betrachten.“
* * *
Wehe jenen Kranken, deren Arzt sich nicht
als Diener der Natur, sondern als deren Herrscher
dünkt.
* * *
Sicher ist das kein guter Arzt, der auf seinen
Beruf schimpft.
* * *
Lerne vor allem Geduld haben, das rechnet dir
der Kranke hoch an.
* * *
Sei nie aus Zeitmangel oberflächlich, es rächt
sich jedes Uebersehen dreifach.
* * *
Man versuche einem Kranken eine Krankheit
nie auszureden, sondern kurire sie weg. Eis giebt
keine eigentlich eingebildete Krankheit, sondern nur
falsche Diagnosen der Patienten.
* * *
Rede mit dem Patienten nur die Krankheit Be¬
treffendes; zeige aber auch für scheinbar Neben¬
sächliches Interesse. Das für den Patienten schein¬
bar Nebensächliche ist für dich oft die Hauptsache.
* * *
Der kluge Arzt individualisirt und wird dadurch
zum Künstler; der schlechte liebt die Schablone
und ist darum ein Handwerker.
* * *
Das erste Krankenexamen ist das wichtigste, auf
dieses kommt meist alles an, hier zeigt sich die
wahre Kunst des richtigen Praktikers. Ob lang oder
ku?z, gründlich muss es sein, und die Art und
Weise des ersten Examens bestimmt oft mehr den
Ruf eines Arztes, als man meint
* * *
Wenn einer lange krank gewesen, wird er seihst
ein Arzt.
* * *
Diese Proben mögen genügen. Der Verfasser
verwirft in der Chirurgie die Schneidigkeit, in der
Blutarmuth die schablonenhafte Eisentherapie. —
„Ich glaube, dass sehr kleine, ja homöopathische
Dosen hier vor allem am Platze sind, denn auf
diese Weise schaden wir wenigstens nicht oder nicht
viel und ist ja von vornherein klar, dass zuerst die
Blutkörperchen da sein müssen, um das Eisen zu
binden, also die Rücksicht auf die Ernährung die
Hauptsache ist; dann kommt der Sauerstoff in Frage
und zuletzt erst das Eisen, wenn man es über¬
haupt braucht“ — Er verwirft den Impfzwang, die
Vielgeschäftigkeit in der Geburtshilfe, die einseitige
Diät bei Behandlung des Diabetes und der Fett¬
leibigkeit, die einseitige Bekämpfung des Fiebers
als solches. — »Das Fieber ist ein Heilmittel der
Natur, welches diese grosse Heilkünstlerin selbst
erregt, um in der Fieberhitze die in den Körper
eiugedrungenen Schädlichkeiten, seien es nun Ba¬
cillen oder andere Gäbrstoffe, von denen wir die
meisten noch nicht kennen, unschädlich zu machen
und zu verbrennen.“
R. ist kein Homöopath; er beschäftigt sich spe-
ciell mit Massage und Hydrotherapie. Wir legen
als Homöopathen ein ganz anderes Gewicht auf
die arzneiliche Behandlung wie er; aber abgesehen
von diesem abweichenden Standpunkte bietet sein
Buch eine Fülle des Interessanten und Belehrenden,
und es ist durch seine Darlegung der allgemeinen
Therapie, Betonung der Diätvorschriften, der Rege¬
lung von Einfuhr und Ausgaben des Körpers ge¬
eignet, einer Vernachlässigung dieses Gebietes von
Seiten der Homöopathen entgegenzuarbeiten.
Digitized by
Google
in
l)or Anhang „Ausgewählte Aphorismen des
Hippokrates“ machen das Buch noch werthvoller.
Ich unterschreibe das Schlusswort des Collegen
Kröner: „Keiner wird das Buch ohne Vergnügen
und auch keiner — ohne Nutzen lesen. “
Dr. Messe-Hamburg.
Perseaalia»
Herr Dr. med. Gisevius jun. in Berlin hat das
Dispensirexamen bestanden.
Anzeige.
Auf Wunsch des Herrn Dr. Kunkel in Kiel
halte ich die von ihm bereiteten 0050. und 00100.
Tuberculin-Potenzen auf Kügelchen übertragen für
diejenigen Herren Aerzte, welche Nachprüfungen
vornehmen wollen, zu Diensten und versende die¬
selben gratis gegen Portovergütung.
Leipzig.
A. Marggrafs homöopathische Officio.
Anzeigen.
Aufforderung.
Das Therapeutische Taschenbuch für homöopa¬
thische Aerzte von Bönninghausen fehlt seit
Jahrzehnten im Buchhandel nnd soll in wesentlich
vermehrter, die Mittel bis auf die neueste Zeit
umfassender, verbesserter Auflage neu erscheinen
unter der Bedingung, dass die nicht unbedeutenden
Kosten für die Herausgabe dieses Werkes durch
Subscription gedeckt werden. Von einer allseitigen
Theilnahme an dieser Subscription wird das Er¬
scheinen dieses, von Dr. Allen Und vielen ande¬
ren homöopathischen Aerzten für die Mittelwahl
am Krankenbette nnd zum fruchtbaren Studium
unserer Arzneimittellehre dem Praktiker unentbehr¬
lichen Werkes abhängen, Und werden deshalb
die homöopathischen Aerzte ersucht, sich recht
zahlreich an derselben zu betheiligen. Das Buch
soll, wie früher, in Ocfcavformat erscheinen und
wird ca. 30 Bogen stark werden. Der Preis des¬
selben stellt sich gebunden auf 10-—12 Mark.
Die Subscription erfolgt und wird erbeten bei
der Verlags- und Geschäftsstelle der „Allg. Homöo¬
path. Zeitung“, A. Marggrafs Homöopath. Officin,
Leipzig, in deren Verlag auch eventuell dieses
Buch erscheinen wird.
Prima entölten horaöopath. Cacao.
Feinste Homöopath. Gesundheits-Chokotade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem homöo¬
pathischen GesundheitskafFee als Getränke gestattet,
empfehlen wir in reinsten und besten Qualitäten
und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
4 1 Pfd. 4 % Pfd. 4 Va Pfd -
4 2.80 4 1.50 4 —.80 Mk.
Gesundheits-Chokolade 4 Pfd. = 2 Mark,
in */ 4 Pfd.-Tafeln 4 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leichtester
Verdaulichkeit.
Homöopath. Centralapotheke
von Täschner & Co. ln Leipzig.
Gebildeter Ijale,
Assistent (Hausapofkeker, Brlef^Corresp.) eines ho-
möopath. approfb. Arztes, früher Kaufmann, sucht
sieh, seinen Kenntnissen entsprechend, zu verändern.
Offerten an die Exp, ü. Bl. sab A. Z. 15.
v Diejenigen Herren *
Homöopathen
welche die grossen Wirkungen der
dectrjtechen Behandlung
namentlich bei chronischen Krankheiten beobachtet
haben, bitte ich, als einer der leistungsfähigsten
Fabrikanten electrischer Maschinen, sich mit mir in
Verbindung zu setzen. Ein gutes Nebeneinkoramen
ist ihnen gesichert.
Gustav von Mayenburg, Dresden-Neustadt.
Der Diabetes mellitas
and seine
von Dr. Theodor Kafka,
Brunnenarzt in Carlsbad,
Preis broschlrt 1,60 Mark,
ist als Separstahdruck aus der Allg. homöopath. Ztg. er¬
schienen und wird in empfehlende Erinnerung gebracht.
Zu beziehen durch
A. Marggrafs Homöopath. Offlein, Leipzig.
Homöopathische Mittel
in Tabletteaform , 4 0,85 (9 ramm Gewicht.
(Das richtige Quantum für eine einzelne Ärzneigabe.)
Besonders auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
1 Cylinder a 12 Stück = 3 Gramm . . . Mk. —.20
1
(Flacon od.
(Schachtel
4 24
91
= 6
99
.-.30
1
v
4 30
99
- 7,5
*9
. . . „ -.35
1
4 40
99
= 10
99
. . . „ —.45
i
>i
a 50
u
= 12,5
. . . „ —.55
l
4 60
99
= 15
9*
. . . „ -.65
l
4 80
99
= 20
9*
. . . „ —.75
l
4 100
99
= 25
|9
. . . „ —.00
t
4 120
5 j
= 30
9 9
. . . 1.10
l
a 150
JJ
= 37,5
99
. . . „ 1.35
l
a 200
= 50
99
. . . „ 1.80
l
n
4 400
9?
=100
. . . ., 3.50
A. Marggrafs homöopath. Offlein, Leipzig.
Digitized by {jOoq le
112
Bei den Revisionen der Hausapotheken der selbst*
dispensirenden homöopathischen Herren Aerzte werden
jetzt von den Revisoren an die Herren Aerzte hinsichtlich
der Aufbewahrung der Venena und Separanda dieselben
Anforderungen gestellt , wie an die Apotheker.
Aus diesem Grunde habe ich für die Herren Aerzte
kleine praktische
Gift>Schränkchen
und
Separanden^Schränkchen
anfertigen lassen und stehe ich mit diesen gern zu Diensten.
(Dieselben haben schon bei verschiedenen Revisionen
vollste Anerkennung gefunden.)
Sie sind je nach Wunsch eichen-, oder nussbaum-
oder mahagoni-artig lackirt (oder schwarz mit Goldrändern,
alsdann jedoch etwas theurer), damit sie stets zur ander¬
weitigen Zimmereinrichtung passen.
Ein Giftschrftnkchen ist 100 cm hoch, 50 cm breit und
21 cm tief; unter einer Thüre, die das ganze Schränkchen
verschliesst und mit dem Porzellanschild Venena versehen
ist, sind 3 Abtheilungen für Alcaloide, Arsenicalia und Mer-
curialia, welche jede durch eine besondere kleine Thüre
und besonderen Schlüssel für sich verschliessbar ist. In
diesen Abtheilungen sind sowohl die vorschriftsmässig sig-
nirten GefUsse, als auch die entsprechend signirten Mörser,
Löffel, Waagen und Gewichte aufzubewahren. Alle vier
Thüren sind mit vorschriftemässigen Porzellanschildem ver¬
sehen.
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 30 M., mit
einer 4. Abtheilung für Phosphor, alsdann 120 cm hoch,
kostet ein solches Giftschränkcben, leer, 40 M.
Ein Separandenschrfinkcheit ist 70 cm hoch, 50 cm
breit und 12 cm tief, enthält unter einer, das ganze Schränk¬
chen verschliessenden Thüre, die mit dem Porzellanschild
Separanda versehen, eine Einrichtung für 80 Flacons k 15,0,
auf Wunsch auch für andere Flaschengrössen. In diesem
Schränkchen sind alle Mittel aufzubewahren, die laut Gesetz
roth auf weiss zu signiren sind (siehe Revisions-Etiquetten-
hefte).
Preis eines solchen Schränkchens, leer, nur 24 M.
Mehrfachen an mich herangetretenen Wünschen ent¬
sprechend, habe ich die Gift- und Separanden-Selirftnk-
chen jetzt auch In einen Schrank vereinigt, vor-
räthig.
Die obere Abtheilung dieser Doppelschränke ist für
die Separanda, die doch mehr gebraucht werden als die
Gifte; die untere Abtheilung ist für die Gifte und hat 4
Unterabtheilungen (in oben beschriebener Weise), da auch
Phosphor in gleicher Weise abgetrennt aufbewahrt werden
muss wie die Alcaloide, Arsenicalia und Mercurialia.
Ein solcher Doppelschrank ist 195 cm hoch, 22 cm
tief und 52 cm breit, ist sehr gut gearbeitet und sieht
sehr gefällig aus. — Das Lackiren derselben geschieht
gleichfalls ganz nach Wunsch sehr sauber eichen-, nussbaum¬
oder mahagoni-artig, (oder schwarz mit Goldrändern, dann
4 M. theurer).
Preis eines solchen Doppelschrankes, leer, nur 60 M.
A. Marggraf g homöopath. Offlein in Leipzig.
im Vorlage der Homöopathischen Central-
Apotheke von Täschner & Co., Leipzig, und
A. Marggraf 8 homöopathischer Offlcin, Leipzig,
sind folgende empfehlenswerthe homöopathische
Bücher und Schriften erschienen:
Gross-Hering, Vergleichende Arzaeiwirkongslehre.
1. Aufl. 1893. geb. M. 20.—.
Bruckner, Homöopath. Behandlung der Angen- und
Ohrenkrankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50.
geh. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894.
brosch. 1. — . geb. 1.50.
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1 — 27, in diversen
(1. —7.) Auflagen, k 10 Pfg.
Hendriclis, Zahnschmerzen. Deutsch, 2. Aufl.
1888, —.30. Holland., 1. Aufl., —.50.
Allgemeine homöopath. Zeitung. 129. Band. (2. Halb¬
jahr 1894.) Halbjährlich 10.50.
Hüller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890,
geb. 1.50. Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—,
geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.—, in Par-
thien für Agitationszwecke billiger.
La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Ho-
meop&tico de Las Principales enfermedades
Infecoiosas. 2. Aufl. 1893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner
Krankheiten, k 20 Pfg.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892.
cart. 3. —, geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch.
1.20, geb. 1.60.
Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt 2. Aufl.
1888. geb. 1.50.
Zur Zuckerbestimmung im Harn,
qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste
uud Praktischste die
Limonsin’schen Tropfenzähler
mit genauer Gebrauchsanweisung und Berechnungstabelle
ä Paar = Mk. 3.50.
Die dazu gehörige Fehltng’sche Lösung, stets ganz
frisch, wird in Glasstöpselgläsem ä 30,0 = 50 Pf. incl.
Flasche abgegeben.
Zur Eiweissbestimmung im Harn,
qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste
und Praktischste die
Esbach’schen Albuminimeter
mit genauer Gebrauchsanweisung k Mk. 3.
Die dazu gehörige Lösung von Citronon- u. Picrinsäure
gebe ich in jedem Quant, (ä 100,0 = 30 Pf. ohne Flasche) ab.
A. Marggraf s homöopath. Offlcin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Prunk von Julius Milsnr in Pnipzijg.
Digitized by
Google
Band 129
Leipzig, den ii. Oetober 1894
No. 15 u. 16
ALLGEMEINE
HOMÖOPATIHSCHE ZEITEN«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig.
114
Wirkung erst dann eintrat, als er es in Substanz
und zwar in ziemlich starker Dosis anwandte, wäh¬
rend es in der 3. Dilution nichts geleistet hat.
Wir finden dieses interessante Gegenstück zu
Dr. Kunkel’s Fall in v. Grauvogl’s „Lehrbuch der
Homöopathie,“ 2. Bd., pag. 84, woselbst v. Grauvogl
seine Beobachtung folgendermassen berichtet:
„Eines Tages zu einem armen Patienten ge¬
rufen, dessen Arzt ihn schon seit 3 Tagen ver¬
lassen hatte, unter der Versicherung, es werde
schon von selbst besser werden, fand ich einen
Jüngling von 19 Jahren und von sehr kräftigem
Körper. Er klagte über nächtliche unerträgliche
Leihschmerzen, weshalb ihm sein Arzt allgemeine
und örtliche Blutentziehungen gemacht, zum Ab¬
führen und auch Chamillenthee nebst einer weissen
Arznei und warmen Ueberschlägen über den Leib
gegeben hatte. Die Arznei war, wie ich fand, eine
Oelmixtur mit Gummi arabic. und hatte natürlich
ebenfalls nichts zum Besseren gewendet, im Gegen-
theil, es hatten sich die nächtlichen Schmerzen
derart gesteigert, dass Patient mit höchster Angst
den Anbruch eines jeden Tages erwartete. Allein,
da den Tag über und zur Zeit des ärztlichen Be¬
suches wenig zu klagen war, so schenkte der Herr
Doctor wahrscheinlich diesen Aussagen keinen Glau¬
ben mehr. Als Ursache wurde eine Erkältung an¬
gegeben, erzeugt durch Schlafen in einer Wirths-
stube, auf Stroh; es war Monat Januar, nach einem
starken Marsche zu Fuss. Die gegenwärtige Klage
lautete über ßrichtige Stiche in der Lendengegend;
Harndrang; Schmerzen in den Gliedern; allgemeine
Mattigkeit; wenig Appetit; siisslichen Geschmack;
ihirst und Kopfschmerz in der Stirn und in den
Schläfen . Die Untersuchung ergab auffallend ge-
röthetes Gesicht, nichts Krankhaftes in den Brust¬
organen; Puls 100; Unterleib weich; Leber-, Milz-
und Blasengegend frei. Schon das nächtliche Auf¬
treten dieser Schmerzen liess auf eine Nierenent¬
zündung schliessen, und ein tiefer Druck auf die
linke Nierengegend wurde mit lautem Aufschreien
vor Schmerz beantwortet, auch die rechte Nieren -
gegend schmerzte ebenso sehr. Der Harn war dunkel,
miss farbig, hatte ein zollhohes weisses Sediment, und
über ihm lag eine von Blut stark geröthete granu -
Urte Schicht von 1 / 2 Zoll — so dass über die Dia¬
gnose einer acuten desquamativen Entzündung bei¬
der Nieren kein Zweifel mehr war, wie dieselbe
hernach auch durch meine mikroskopische Unter¬
suchung dieser Schichten bestätigt wurde, von denen
die erstere aus Uraten, die letztere aus Blut und
Faserstoffcylindem bestand.
Die Therapie der physiologischen Schule, deren
Anhänger jener Arzt war, hatte sich bereits als
nicht entsprechend erwiesen.
Nach der differentiellen Diagnose der Homöo¬
pathie war der Fall ein solcher, welcher die Indi-
cation für die Anwendung von Coccus cacti ent¬
hielt. Von der dritten Verdünnung liess ich stünd¬
lich 5 Tropfen in Wasser nehmen, und den an¬
dern Tag erfuhr ich, dass die ganze Nacht ebenso
schlaflos vor unsäglichen Schmerzen verlief, wie
seit bereits sechs Tagen. Gewohnt, in acuten Fällen
nach wenigen Stunden auf meine Ordinationen
wenigstens wesentliche Erleichterung zu finden, galt
mir diese Nachricht als ein Zeichen der absoluten
Wirkungslosigkeit dieses Arzneikörpers. Nachdem
unter dem Gebrauche noch einiger Heilmittel, die
ich ferner, obwohl nicht so charakteristisch, für in-
dicirt erachtete, der Kranke endlich von Kräften
kam, die Schmerzen die qualvollsten wurden, schlug
ich alle zu Gebote stehenden Erfahrungen aus allen
Schulen nach, und konnte nach homöopathisch-
differentieller Diagnose kein anderes der vielen
Arzneimittel für angezeigt anerkennen als, und zwar
auch nach Rademacher, ebenfalls die Cochenille . —
Nun vermochte keine Skepsis und kein Dogma mich
abzuhalten, Coccus cacti in Substanz aus der allo¬
pathischen Apotheke in Pulverform bereiten und
dem Kranken davon stündlich einen Theelöffel voll
reichen zu lassen. Meine Mühe wurde belohnt, in¬
dem die folgende Nacht die Schmerzen bedeutend
geringer waren, die nächste Nacht noch mehr und
am dritten Tage der Anwendung von Cocc. cacti
auch kein Blut mehr im Urin zu finden war. Die
nun folgende Nacht brachte seit 11 Tagen zum
ersten Male wieder einige Stunden Schlaf, und
Patient war in wenigen Tagen darauf von seinen
Schmerzen, seiner Schlaflosigkeit etc. befreit.“
Wie kam das? fragt v. Grauvogl und ant¬
wortet: Offenbar nicht nur nach dem Gesetze der
hier vorhanden gewesenen specifisclien Beziehung
des Coccus cacti zu der Qualität dieser Nierenent¬
zündung, sondern auch aus der gegebenen Quan¬
tität des Mittels und diese Quantität besteht, wie
fast das ganze Insect, aus Tyrosin, einem orga¬
nischen Stoffe, der so wenig wie das Pepsin in
solchen Fällen höchstens für sehr sensible Subjecte
und beschränkte Erkrankungen in einer Verdünnung*
mit Erfolg anwendbar ist. Dieser Paragraph be¬
weist , dass , die Anwendung traditioneller Dosen
nicht dogmatisch verwehrt werden kann. „Allein
die Hauptsache ist — wenn auch in traditioneller
Dosis gegeben, so geschah es zugleich nach dem
Aehnlichkeitsgesetzej welches dem Arzt für alle zwei¬
felhaften Fälle die einzige leitende Maxime ist und
bleibt.“
Ob v. Grauvogl Coccus cacti mit vollem Recht
in eine Linie mit dem Pepsin setzte, scheint uns
fraglich, wir möchten eher dies von der Schildlaus,
Coccus cacti, einem zur Ordnung der Hemiptera ge¬
hörigen Insect gewonnene Präparat der Cantharis
Digitized by ^.ooQle
115
vesicatoria oder der Blatta an die Seite stellen.
Doch, wie dem auch sei, wichtiger für die uns hier
beschäftigende Frage ist eine Thatsache, welche
sich bei den von den österreichischen Acrzten mit
Coccus cacti vorgenommenen Prüfungen ergeben
hat, dass nämlich gerade die höheren Föten zirungen j
desselben bei einer Anzahl von Prüfern weit ent¬
schiedenere und deutlichere Wirkungen auf die Nieren,
wie auf die Harnorgane überhaupt, hervorgerufen
haben als die massiveren Gaben. Um dies zu be¬
gründen, wollen wir hier aus den im IV. Bande,
3. Heft der ,,Oesterreichischen Zeitschrift für Homöo¬
pathie“ niedergelegten Prüfungsprotokollen einige
bezügliche Belege beibringen.
Die Mehrzahl der Prüfer bedienten sich bei
ihren Versuchen einer Tinctur, die zu gleichen
Theilen des Arzneistoffes und des Lösungsmittels
dargestellt worden war, so dass also die 100. Ver¬
dünnung, mit der sie vielfach anfingen, der 15.
Hahnemann’s entspricht. — Da finden wir bei No. XV.
die von dem Dirigenten der Prüfungsgesellschaft
Dr. Cajetan Wachtel mitgetheilten Ergebnisse:
Am ersten Tag, wo er 3 Unzen der 100. Ver¬
dünnung genommen, bemerkte er eine ,,auffällige
Sättigung des Urinsam zweiten Tage war er zu
öfteren Ausscheidungen ungewöhnlich gesättigten
Urins veranlasst. Bei 3 Unzen der 60. Verdünnung
nahm der Harn ein trübes, wolkenartiges Aus¬
sehen an.
12. Verdünnung: Druckschmerz in der Nieren¬
gegend.
6*. Verdünnung: Die Menge des Harns schien
nicht vermehrt, wohl aber war derselbe seit einigen
Tagen dunkler, trüber und von penetrantem , am -
hajlem Gerüche .
IH. Verreibung. Druck auf die Nierengegend.
II. „ dasselbe.
I. „ Häufiger Drang zum Harnen.
/ (Nachmittags.)
Dann findet sich noch im Register als ein No. XV
angehöriges, wichtiges Symptom, das ich aber ge¬
rade im Protokoll vermisse: Lebhaft, langgedehnte
Stiche von den Nieren ausgehend und längs der
Harnleiter sich in die Blase erstreckend.
X. Dr. Ad. Marenzeller begann mit 10 Tropfen
der 100 . Filution am 28. Januar, worauf aber keine
nennenswerthen Erscheinungen folgten. Erst bei
Wiederholung der gleichen Gabe 5 Tage später
bekam er in der Nacht, um 5 Uhr Morgens er¬
wacht, in der rechten Niere einen ziehenden Schmerz,
der sich in der Richtung des Harnleiters bis zur
Blase zog. Gleichzeitig einzelne Stiche und einen
anhaltenden dumpfen Druckschmerz in der Harn¬
röhre, in der Gegend der Fossa navicularis.
Tags darauf: Den ganzen Tag hindurch einen
dumpfen Druckschmerz in beiden Nieren, vorzüg¬
lich aber in der rechten, der bei äusserlichem Druck
und bei Bewegung des Oberleibes noch deutlicher
fühlbar wurde und erst gegen Abend verschwand.
2 Tage später nach wiederholter gleicher Gabe:
Der obige Druckschmerz kehrte abermals und zwar
I heftiger zurück, der mit dem in die Blase sich
ziehenden abwechselte. — Unwiderstehlicher Draug
zum Harnen; der Harn wurde in ungewöhnlich
grosser Menge und in dickem Strahle ausgeschie¬
den. Er erwachte Nachts 2 Mal über Drang zum
Harnen, was jedesmal erst nach längerem Anhalten
und mit Anstrengung (Harnzwang) erfolgte.
6 Tage später 20 Tropfen der 100. Dil.: Den
Tag darauf mehrmals plötzlicher Drang zum Harnen,
Druckschmerz in der Nieren- (auch Herz-) Gegend.
2 Tage später: Nachmittags ruhig sitzend, wird
er plötzlich von einem ausserordentlich heftigen
Schmerz in der Nierengegend, von beiden Seiten
ausstrahlend, ergriffen. Dieser Schmerz hat etwas
Krampfartiges, etwa wie der bei einer leichten
Hodenquetschung entstehende, und milderte sich durch
rasche Bewegung, Zusammenkrümmuug, Reiben des
Unterleibes unter Blähungsabgang.
Die beiden folgenden Tage wiederholte sich dieser
1 Schmerzanfall, aber in geringerem Grade, und ebenso
kamen in den nächsten 4 Tagen, wo er ohne Arznei
blieb, noch kurz dauernde Anfalle dieser Art Nieren¬
kolik ; dabei reichliche Harnabsonderung und dumpfer
Druckschmerz in der Harnröhre.
Am 25. Februar nahm er 10 Tropfen der 60.
Dilution.
Nachts darauf: Erwacht um 5 Uhr mit unge¬
stümem Drang zum Harnen.
Nach einer fast monatlichen Unterbrechung der
Prüfungen begann er sie wieder am 25. März mit
10 Tropfen der 12. Dilut.
Am 26. Februar Morgens fühlt er wieder den
Druck in der Nierengegend beider Seiten und eine
kurze Mahnung an die früher beschriebene Nierenkolik.
Am 28. Februar 20 Tropfen der 12. Dilut.
Heftiger Drang zum Uriniren; die Menge des
ausgeschiedenen Harnes erwies sich grösser als die
des genossenen Wassers. Druck und Krampf in
den Nieren, aber seltener als früher.
Am 3. März heftiger Harndrang, worauf Aus¬
scheidung einer ungewöhnlich grossen Menge Harns,
zuweilen mit Schmerz in der Harnröhre, als läge
ein Hindemiss vor.
Am 5. März 30 Tropfen der 12. Dil.
Die vorerwähnten Symptome in den Harn¬
organen, besonders der Schmerz in der Harnröhre
beim Uriniren, der jetzt heftiger, brennend und
mit dem Gefühle verbunden war, als ob ein kleines
Steinchen die Harnröhre hinabgleiten würde. Diese
Beschwerden wiederholten sich. Nach Schluss der
Versuche schwinden die Erscheinungen bald.
DigitizedJ^*VjOOQlC
XI. Dr. J. 0. Müller nahm am 28. Januar (bei
neblig-thauigem Wetter, bei -f- 3° R.) 20 Tropfen
der 100. Dil. in 2 Unzen Wasser. Danach zeigten
sich an diesem Tage die Harnausscheidungen selten
und spärlich; der Harn war von dunklerer Farbe
und roch ungewöhnlich ammoniakalisch und schien
stark gesättigt.
Am 19. Februar (dritter Versuch), 30 Tropfen
der 60. Dilut.: Er musste den ganzen Tag hin¬
durch stündlich eine zwar nicht grosse, aber für
ihn ungewöhnliche Menge blassen Urins lassen, der
sich geruchlos und von dünnwässeriger Consistenz
erwies. In der Nacht vom 21./22. Februar, sowie
auch Morgens zeitig, musste er zum Uriniren auf¬
stehen (was sonst nicht der Fall war). Dumpfes
Schmerzgefühl in den Lenden, genau der Lage der
Nieren entsprechend.
Am 26. Februar 40 Tropfen der 60. Dil. in
4 Unzen Wasser:
Harnfluss; stumpfer Schmerz in der rechten
Nierengegend. Dieser hielt bis zum 6. und 7. Tage
dieses Versuches an, begleitet von vermehrten Harn¬
ausscheidungen.
Ein Versuch mit der 30. Dil. brachte nichts
Bemerkenswerthes. Nach lOtägiger Pause 30 Tropfen
der 3. Dil., am 22. März: Hiernach wieder starke
Diurese; er musste fast jede halbe Stunde eine
verhältnissmässig reichliche Menge eines schwach¬
gefärbten, alkalisch riechenden Harns entleeren. Am
3. Tage danach minderte sich die Häufigkeit der
Harnausscheidungen, überstieg aber noch immer
das normale Maass, obgleich er fast kein Bedürfniss
zum Trinken hatte. Auch zeigte sich wieder der
dumpfe Schmerz in der rechten Nierengegend.
Diese Erscheinungen hielten noch bis zum dritten
Tage nach dem Einnehmen an.
Während diese Prüfer, die mit Dilutionen der
Cochenille von der 100. — 3. Dil. herab operirten,
Einwirkungen dieses Mittels auf die Nieren- und
Harnapparate überhaupt, der eine mehr, der andere
weniger deutlich an sich wahrnahmen, wurden die
Anderen, welche sich der Verreibungen bedienten,
nach dieser Richtung hin auffallend wenig berührt.
So zeigte sich an den Versuchen des Prof. Zlata-
rowich (Nr. XVHI), welcher vom 18. Februar bis
7. Juli, mit Ausnahme weniger Tage, jeden Morgen
10 Gran der ersten Verreibung (im Verhältniss
von 10 : 90) in einem halben Trinkglase Wasser
nahm, nichts Besonderes, als dass er in einer Nacht
ungewöhnlich wenig Urin liess — was vielleicht
gar noch eine Heilwirkung gewesen sein mag?
Nur bei XXIII, einem 25jährigen Mann, der
am 20. und 21. Januar Morgens nüchtern eben¬
falls 10 Gran jener Verreibung nahm, finden wir
angemerkt: sein Urin enthielt am Morgen des 24.
einen ziegelrothen Niederschlag (von Phosphaten?
Ref.), der sich beim Schütteln des Gefösses leicht
erhob und der gesammten Flüssigkeit beimengte —
eine Erscheinung, die sich am 25. wiederholte, wo
der Harn, Nachmittags gelassen, bis zum Abend
das gleiche Sediment absetzte, was bis zu Ende
des Monats fortdauerte. Hier hätten wir denn eine
durch eine niedere, materielle Dose der Coccus
cacti bewirkte palpable Veränderung im Urin und
also auch Einwirkung auf die Nieren.
Aeltere Aerzte wollen beim Gebrauch der
Cochenille Blutabgang im Urin beobachtet haben;
da aber der Farbstoff des Mittels, das rothe Pig¬
ment, durch die Nieren ausgeschieden, dem Harn
eine dunkelrothe Farbe verleiht (was auch beim
Genuss der indischen Feige, Cactus Opuntia, der
Lieblingspflanze der Coccus cacti, stattfindet), so
mag das, was man im Harn für Blut gehalten hat,
eben nur Coccus-Roth gewesen sein. Vielleicht
war aber gerade dieser Umstand für die Alten
eine Signatur zur Anwendung der Cochenille iu
der Haematurie, wie ja auch Rademacher und.
Kissel dieses Mittel in manchen Arten dieses
Leidens als heilkräftig erprobt haben.
Ob nun der lange fortgesetzte Gebrauch dieses
Heilstoffes in massiver Dosis bei Gesunden schliess¬
lich eine wirklich ausgebildete Nephritis desqua-
mativa mit blutigen Ausscheidungen, wie sie der
Grauvogl’sche Fall darstellt, zu erzeugen vermag,
ist durch die bisherigen Experimente nicht er¬
wiesen: aber das homöopathische Verfahren verlangt
ja auch nicht, dass das Heilmittel genau dieselben
anatomisch-pathologischen Veränderungen als wie
die Krankheitsursache hervorbringen soll, sondern
nur eine wesentliche Uebereinstimmung in den
charakteristischen Erscheinungen des krank¬
machenden und heilenden Virus — und insofern
hat Grauvogl recht, wenn er im Wirkungsbilde
der Coccionella charakteristische Züge, die mit den
bei seinen Kranken beobachteten übereinstimmen,
erkannt und das Mittel also als homöopathisch an¬
gezeigt gefunden hat. Um so auffälliger muss es
erscheinen, dass das Mittel erst in massiver Gabe
der rohen Drogue seine heilkräftige Wirkung aus¬
geübt, da wir ja aus den Prüfungsprotokollen er¬
sehen haben, dass die höheren Verdünnungen ent¬
schieden kräftiger und deutlicher auf die Nieren
eingewirkt haben als die niederen, massiveren
Gaben. — Coccus cacti scheint, wenn wir von den
in unserer Literatur veröffentlichten Krankheits¬
geschichten einen Schluss ziehen dürfen, von
homöopathischen Aerzten im Ganzen wenig an¬
gewandt worden zu sein. Am meisten noch hat
man es bei Kindern mit Keuchhusten gebraucht,
zumal wenn die kleinen Kranken Morgens mit
einem fast sufficatorischen Hustenanfall erwachen,
bei dem sie einen hellen, klebrigen, in langen
Digitized by Google
117
Strähnen sich dehnenden Schleim erbrechen oder | hat sich in Hunderten von Fällen gezeigt, dass die
losräuspern müssen. In solchen Fällen hat das höheren Verdünnungen (6—15) einen heilenden Ein-
Mittel in höheren Potenzen, gewöhnlich gab man fluss bei Kranken hatten. Bei den meisten Fällen
die dreissigste, sich entschieden heilkräftig bewährt, waren Wiederholungen nötliig und in einigen wurden
Ich selbst habe cs mehrfach im Keuchhusten ge- mit grossem Vortheile immer höhere Potenzen gegeben,
braucht, wenn dabei eine Nierenaffection bestand, Die Hochpotenzen sind noch nicht versucht worden,
die sich in verminderten Ausscheidungen eines ausser zum Abschneiden der Gichtanfälle.“
trüben, anUraten reichen, auch Eiweiss enthaltenden Wir sehen hieraus, dass, ähnlich wie die Coccionella,
Urins äusserte. Ich habe es dann meist in der sich die Benzoesäure in niedrigen Gaben der rohen
dritten Verreibung gegeben und die Wirkung war Drogue, sowie in mittleren, hohen, ja Hoch¬
eine deutliche, in kurzer Zeit heilende. Von einem Potenzen unter Umständen als heilkräftig erwiesen
Collegen, der gern nach Rademacher verfährt, weiss hat und erweisen kann. Wie Dr. Kunkel in seinem
ich, dass er mit ziemlich starken Gaben der rohen Fall bei mangelnder Wirkung der mittleren Poten-
Drogue bei ausgesprochener Nephritis desquamativa zirungen die höheren erfolgreich fand, so erwähnt
oder, was ja dasselbe besagt, frischem Morbus ' C. Hering das stufenweise Aufsteigen von niederen
Brightii, der sich zum Keuchhusten gesellte, recht I zu höheren Gaben als in manchen Krankheitsfällen
günstige Erfolge erzielt hat. —
Uebrigens hat College Kunkel und andere
homöopathische Aerzte mit manchen der Rade-
macher’schen Organmittel, für welche die diffe¬
rentielle Diagnose auf Grund des Simile theilweise
noch nicht völlig festgestellt ist, auch in höheren
Potenzirungen Heilerfolge beobachtet. — Und
treffen wir denn nicht auch bei der Benzoesäure,
einem nicht minder hervorragenden Nieren - Mittel
als die Coccionella, ein der letzteren sehr analoges
Verhalten an? „Die Benzoesäure, sagt C. Hering
in der Einleitung zu den Prüfungen dieses Mittels,
heilt nach Jeans Erfahrungen sehr viele Krankheits¬
fälle, wo der Harn von gesättigter Farbe und sehr
starkem Harngeruch ist, einerlei, ob dies von harn¬
sauren Niederschlägen begleitet ist oder nicht, ja
vielleicht weniger, wenn dies stattfindet — und
zwar in Gaben , zu gering , als dass diese Wirkung
chemisch könnte erklärt werden“ Und, was hierbei
noch höchst sonderbar ist, diese Säure bewirkt beim
Gesunden nicht einmal solchen Urin, wie beschrieben,
sondern vielmehr einen aromatischen. An einer
anderen Stelle fügt Hering hinzu: Der Einfluss
dieser Säure auf die Nieren ist nicht nur , wie bei
vielen Stoffen, deren Uebermass durch die Nieren
fortgeschafft werden muss, ein, ich möchte sagen,
äusserlicher , sondern muss einer sein auf die Ver¬
richtung der Nerven , welche die Nierenthätigkeit
bestimmen, also ein mehr innerlicher . Die kleinsten
Gaben ändern den Harn in so kurzer Zeit und
so entschieden, und so auffällig, wie wir es nur
bei wenigen anderen Mitteln und auch nur an¬
nähernd wiederfinden. — Was die Gabengrösse
betrifft, so heisst es bei Hering: „Zu den gedachten
Aenderungen des Harns sind Va* 7io> 7ao Gran
der unveränderten Säure hinreichend, wie sich mit
der grössten Entschiedenheit herausgestellt hat.
Giebt man mehr, so setzt es sich um, aber diese
Umsetzung in Hippursäure ist es nicht, welche die
Wirkung macht. Mit ebenso grosser Bestimmtheit
sehr vorteilhaft.
Unter welchen Umständen aber wir bei einem
Kranken, bei dem dieses oder jenes Mittel homöo¬
pathisch (oder als Organmittel) angezeigt ist, die
niederen, mittleren, höheren oder gar allerhöchsten
Gaben anzuwenden haben, hierüber erhalten wir
keinen Aufschluss. Was soll nun hier den Ent¬
scheid geben? Nun, das klinische Experiment,
die individuelle Reaction des einzelnen Kranken.
Mau darf eben nicht das Heil des Kranken ä tout
prix auf eine aus besonderen theoretischen Er¬
wägungen gewählte Gabengrösse setzen, sondern^
bei ungenügendem Erfolge in der Dosenscala, sei
es auf-, sei es niedersteigen. Die ganze Scala
steht dem homöopathischen Arzte offen; es giebt
für ihn keine officinelle Dosis. Bei der differentiellen
Wahl des homöopathisch angezeigten Mittels können
und müssen wir auf den uns gebotenen Prüfungen,
den pathogenetischen Wirkungen eines Heilkörpers
fussen, obwohl uns auch hier oft die klinische
Probe erst die Richtigkeit des Exempels zeigt. Bei
der Wahl der für einen gegebenen Fall erforder¬
lichen Gabengrösse, der individuellen Justa-dosis,
sind wir erst recht auf dieses Experiment hin¬
gewiesen. Dieses allein kann auch nur für die
Grenze der Wirksamkeit unserer Mittel entscheiden;
die Makrodosisten dürfen den Hochpotenzen, und
wenn sie bei deren Höhe auch von einem Schwindel
befallen werden und eine wissenschaftliche Gänse¬
haut bekommen, a priori ihr Recht nicht ab¬
sprechen, aber andererseits sollen die Hochpotenzier
von ihrem erhabenen Standpunkte aus die Kunst¬
genossen, die sich lieber in der mittleren oder mit¬
unter gar in der niederen Sphäre des unveränder¬
ten Heilstoffes bewegen, nicht verächtlich ansehen;
nam et heic dei, d. h. Heil wir klangen unter ge¬
wissen Umständen! — Schiedlich — friedlich
mögen sie unter dem Dache der Homöopathie
wohnen und ihres Berufes zum Wohle der Mensch¬
heit walten!
Digitized by
Google
118
Die gastrischen und hepatischen Symptome
von Anacardium.
Von Dr. T. L&ird.
Vortrag in der Homoeopathic Medical society
des Staates New-York.
In der Behandlung der atonischen Dyspepsie
ist, sagt Redner, kein Mittel von ihm öfter ver¬
wendet worden als Anacardium — und doch zeigt
sich bei Durchmusterung unserer Literatur, dass
der Werth desselben von den meisten Aerzten noch
nicht genügend gewürdigt wird. Lilienthal hält
es angezeigt „bei Dyspepsie mit Flatulenz bei be¬
ständigem Verlangen zu essen, das augenblicklich
erleichtert, aber der Hunger ist niemals gestillt,
und Schmerz und Beschwerde kann wieder durch
Essen beschwichtigt werden — er muss selbst bei
Nacht etwas essen.“ Er deutet darauf hin, dass
diese Symptome gemeinhin von geistiger Ueber-
anstrengung bedingt sind — was aber nach Dr.
Laird’s Erfahrung nicht der Fall ist, da die Mehr¬
zahl der Anacardium erfordernden Patienten nicht
unter den Kopfarbeitern gefunden wird, der Ana¬
cardium-Patient weit entfernt vom nervösen Ban¬
krott ist.
Farrington sagt: „Sie werden bemerken, dass
# der Kranke die meiste Zeit hungerig ist; er fühlt
sich besser beim Essen, aber schlechter nach dem
Essen . . .“ Es ist sonderbar, dass diese feinen
Beobachter das von Allen und C. Hering hervor¬
gehobene Charakteristikum übersehen haben sollen:
„Während des Mittagessens verschwinden fast alle
Symptome; zwei Stunden danach kehren sie aber
wieder.“
Es handelt sich meist um chronische Fälle mit
wenigen, aber wohl ausgesprochenen Zeichen: Etwa
zwei Stunden nach jeder Mahlzeit ist ein Schwäche¬
gefühl, ein Gefühl von Hinsein, im Magen, ver¬
bunden mit einem dumpfen Schmerz, der sich bis
zum Rücken bin erstreckt — in manchen Fällen
ist dieser Schmerz im Rücken stärker als im Epi-
gastrium. Im Unterleib zeigt sich mässige Gas¬
anhäufung, aber nicht jene unleidliche Spannung
und Ausdehnung, wie wir sie bei Argentum nitric.,
Carbo veg. und Lycopodium etc. finden. Es findet
ein häufiges, meist geschmackloses, selten saures Auf-
stossen statt. Die Herzthätigkeit ist oft unregelmässig
und aussetzend; gelegentlich eine kleine Uebelkeit.
Alle diese Erscheinungen werden durch Essen erleich¬
tert, kehren aber nach Verlauf von zwei Stunden
wieder und dauern mit allmählig zunehmender Hef¬
tigkeit, bis Patient wiederum isst. Dies Programm
wird mit unveränderlicher Regelmässigkeit den gan¬
zen Tag und einen Theil der Nacht festgehalten.
In der That, die einzige Zeit, wo der Magen nicht
nach „mehr“ schreit, ist während der zweistündigen
Pause nach dem Essen und während des Schlafes.
Demzufolge ist der typische Anacardium-Patient
kein gewinnbringender Kostgänger, sondern ein
wahrer „ Frühstücks-Wärwolf.“
Dabei kommen häufige An falle von Magen¬
krampf, und zwar gewöhnlich bei Nachtzeit, vor.
Der Schmerz beginnt im Magen und zieht sich
nach dem Rücken, zwischen die Schultern, beglei¬
tet von dem schon beschriebenen opigastrischen
Schwächegefühl; gebessert wird er durch Aufsitzen
im Bette, durch starkes Reiben des Rückens, durch
starkes Aufstossen und Essen.
Der Unterleib kann normal functioniren oder
verstopft sein — und diese Verstopfung ist dann
charakterisirt durch einen häufigen und heftigen
Drang mit der Empfindung, als ob ein fremder
Körper im Mastdarm sässe; sobald der Kranke zum
Nachtstuhl geht, geht jedoch der Stuhldrang vorüber.
Die Gemüthssymptome sind weder beständig
noch charakteristisch. Manche Patienten sind hei¬
ter, andere verzagt und missmuthig; hier und da
finden wir etwas Gedankenverwirrung und Gedächt¬
nisschwäche; aber die tiefe Gemüthsveränderung,
welche diesem Mittel eigentümlich ist, ist in jener
Art von Dyspepsie nicht zugegen.
Wir können hier nun einige Arzneien einer
kurzen Vergleichung mit Anacard. bei dieser Er¬
krankung unterziehen. Kali carb., Natrum carb.,
Phosphor, Sepia und Sulphur haben ebenfalls jenes
Schwächegefühl im Epigastrium, während Chelid.,
Graphit., Mezereum und Petroleum dem Anacard. in
der Besserung der gastrischen Störung durch Essen
ähnlich sind; es unterscheidet sich jedoch leicht von
allen diesen durch die regelmässige Wiederkehr
der Symptome, mit dem Glockenschlag in zwei
Stunden nach dem Essen. Kali phosphoricum hat
auch jene Gasanhäufung im Unterleib, häufiges
Aufstossen, Schwäche und Hinsein-Gefühl im Ma¬
gen und Erleichterung durch Essen; der Kali
phosph.-Patient zeigt indessen grössere Abspannung
und Erschöpfung und mehr ausgesprochene Zeichen
von Neurasthenie.
Natrium phosph. steht Anacard. noch näher,
denn es hat nicht bloss dieselbe Schwäche und
Schmerzhaftigkeit im Magen, sondern selbst das
Auftreten der Symptome zwei Stunden nach dem
Essen und ihre Fortdauer bis zur nächsten Mahl¬
zeit Was es unterscheidet, ist die vorherrschende
saure Beschaffenheit der Se- und Excretionen,
Wasserschwulken, Brennen im Epigastrium, über¬
mässig saures Erbrechen.
In der Pathogenese von Anacardium ist kein
Anzeichen, dass es specifisch auf die Leber wirke;
der folgende Fall zeigt jedoch, wie es unter Um¬
ständen bei Leberaffectionen nützlich sein kann:
Digitized by VjOOQLC
119
Ein ca. 3 5 jähriger, gesund aussehender Farmer
consultirte Dr. Laird wegen eines dumpfen Schmer¬
zes im rechten Hypochondrium, der trotz allopa¬
thischer Behandlung und patentirter Mittel seit
mehr als einem Jahre bestanden hat. Dieser
Schmerz, immer durch Essen erleichtert, kehrte
immer zwei Stunden danach wieder, wurde allmäh-
lig stärker, um bei der nächsten Mahlzeit auf eine
kurze Frist zu pausiren. Der rechte Leberlappen
erwies sich bei der Untersuchung vergrössert und
druckempfindlich. Kein anderes, weder objecti-
ves noch subjectives Symptom war aufzufinden.
Eine Indication für ein Lebermittel war nicht ge¬
geben, und so gab Dr. L. Anacardium, 3 mal täg¬
lich (welche Dosis? Ref.) des Versuchs wegen. In
sechs Wochen war Schmerz, Schwellung und Em¬
pfindlichkeit gänzlich verschwunden.
Ein oder drei Jahre später stellte sich ein
leichtes Recidiv ein, aber jedesmal brachten wenige
Gaben desselben Mittels bald Hilfe. — Die letzten
zwei »Jahre blieb das Leiden ganz aus.
(North American Journal of Homoeopathy.
Angust 1894.)
Referat Uber die Versammlung der
schweizerischen homöopathischen Aerzte
am 8. und 9. September 1894 in Baden.
1. Eröffnung der Sitzung durch Präses Dr.
Grubenmann; er bewillkommt die anwesenden Mit¬
glieder, dankt den geehrten auswärtigen Gästen für
ihre Anwesenheit, sodann geht er über zu einem
flüchtigen Rückblick auf den Zustand der Homöo¬
pathie in der Schweiz und in Deutschland, streift
dann die neuesten, auf die Homöopathie bezüg¬
lichen literarischen Erzeugnisse im Lager der Allo¬
pathie: Schulze , Arndt, Sperling , Robert.
2. Anwesende: Grubenmann (St. Gallen), Mende ,
Fries , Oberholzer (Zürich), Meschlin , Sigrist (Basel),
Mitzinger (Arau), Pfänder , Luginbühl (Bern):
Als Gäste: Göhrum (Stuttgart), König (Andels¬
buch-Vorarlberg), Kernen' (Weingarten), Pfeifer (Eber¬
hardzell). Also im Ganzen 13 Anwesende.
Ihre Abwesenheit entschuldigen: Bruckner (Basel),
Bataxdd (Genf), Bek (Monthey), Buchhalter (Thun),
Greusing sen. (Feldkirch).
3. Der Protokollführer verliest das Protokoll
der letzten Zusammenkunft, 8. September 1893 am
Rheinfall bei Schaffhausen.
4. Dr. Oberholzer trägt vor eine Abhandlung
über Add. picric. und Ferr. picricum.
Da diese Arbeit wahrscheinlich nicht gedruckt
wird, der Gegenstand jedoch manchem unter den
Lesern nicht so genau bekannt sein dürfte, so wird
etwas ausführlicher darüber referirt.
Die Veranlassung, diesen Arzneistoff zu be¬
handeln, lag in der Thatsache, dass Ferr. picricum
ein wichtiges Mittel ist in gewissen Fällen von
Schicer hörig keil und Ohrensausen . Der wirksame
Bestandtheil ist wohl die Picrinsäure: der Abhand¬
lung zu Grunde liegen die Arbeiten von Farrington,
Cooper (Cowperthwaite).
a) Add. picricum.
Wirkungssphäre: Blutzersetzend, daher in psori-
rischen Affectionen verwendet. —r Hirn und ver¬
längertes Mark (Erweichungsprocesse), Rückenmark
(Paresen). Gemüth und Intelligenz: Gleichgültigkeit,
Willensenergie herabgesetzt, Erschöpfungsgefühl.
Kopfweh, Schwindel.
Verschlimmerung: Bücken, Aufstehen, im ge¬
schlossenen, warmen Raume. — Besserung: Festes
Umbinden, von kalter Luft.
Der Kopfschmerz strahlt aus vom Hinterkopf
und Nacken nach dem Rückgrat.
Augen: Grosse Trockenheit, Funken vor den
Augen, Nebel, wie ein Schleier.
Ohren: Brennen der Ohrmuschel, Summen,
Zischen.
Nase: Tendenz zu Blutung, mit Schleim an¬
gefüllt.
Mund: Voll klebrigen Speichels, dicker Schleim
auf den Tonsillen. — Kaltwasser-Durst, Halserschei¬
nungen, schlimmer links, nach Schlaf; besser nach
Essen.
Unterleib: Gespannt, scharf stechende Schmerzen.
Stuld: Oelig, von starkem Geruch, Brennen im
After.
Männliche Genitalien: Nächtliche heftige Eree-
tionen, eigentlicher Priapismus.
Weibliche Genitalien: Schmerzen im 1. Ovarium,
vor der Menstruation Pruritus vulvae.
Ä 6 «p 2 rafoonsor^an 0 :TrockenerHu 8 ten,Zusammen-
schnürungsgefühl (Cactus), Herzthätigkeit flatternd.
Rücken: Ziehend brennende Schmerzen.
Schiceiss: Kalt und klebrig.
Allgemeines: Verschlimmerung der Symptome
nach geistiger und körperlicher Anstrengung, nach
Schlaf, nach Bewegung. — Besserung: kalt Wasser,
Ruhe, frische Luft
Klinische Indicaüonen: In Folge der unzweifel¬
haften Einwirkung auf das Centralnervensystem
bei Erweichungszuständen (nach Apoplexie?); Er¬
schöpfungszustände nach Geistesanstrengung, Ge¬
hirnerschöpfung nach Typhus. — Neurasthenie
(Verschlimmerung bei der geringsten Anstrengung).
Hysterie (Schmerz im 1. Ovarium). — Leukorrhoe
vor der Menstruation. Chronische Taubheit nach
lang dauerndem Kopfweh.
Sidmcuie und chronische Nephritis: Als Anti-
Digitized by
Google
120
psoricum bei Disposition zu Acne und Furunkeln
im Nacken und hinter den Ohren.
Analoge Mittel: Phosphor hat mehr Reizbarkeit
gegen äussere Einflüsse. Phosphor acid. Oxalsäure
(Schmerz im Rücken auf einzelnen Stellen). Arg.
nitr. Silic.
b) Ferrum picricum.
Dieser Arzneistoff ist etwas bekannt nur durch
Anwendung bei Kranken, nicht durch methodische
Prüfung an Gesunden. Beobachtet wurde er nach
, / 50 bis Vioo Gran: Nächtliche Schweisse, grosses
Angstgefühl nach dem Aufwachen. Zahnneuralgie,
nach den Ohren und Augen ausstrahlend. Ver¬
stopfung, Kopfschmerz, nach Essen gebessert. Ure¬
thralschmerz.
Angewendet bei chron. Gicht mit folgenden
leitenden Symptomen: Schwäche der Stimme, Schwere¬
gefühl in der Lebergegend, Stauungserscheinungen
der Leber, Congestives Kopfweh. In allerlei hart¬
näckigen Krankheiten des Gehörorganes: Chronische
Schwerhörigkeit, Tinnitus aurium, wenn diese Ge¬
hörleiden mit gichtischer Diathese verbunden sind.
Es werden hier 2 Formen der gichtischen Ohren¬
erkrankung unterschieden:
1. Ohrmuschel steif, hart, Meatus trocken. Hier
passt Ferr. picricum.
2. Mehr entzündliche Form: Ohrmuschel ist
hypertrophirt, viel Cerumen. Trommelfell röthlich
und verdickt. Vorsicht bei Ausspritzungen, indem
dieselben oft verschlimmern. Hier passt Chinin,
sulf. 6. —12. Potenz.
Dr. (Hierholzer gab in einem Falle bei einer
alten Dame wegen Ohrensausen und Schwindel
Ferr. picr. 04. mit raschem Erfolg. In einem an¬
deren Falle gab er gegen ein ähnliches Leiden zuerst
Ferr. acet. 02. ohne, dann Acid. picric. mit Erfolg.
In der daran sich auknüpfenden Diskussion be¬
merkt Gruhenmann , dass auch Bruckner in seiner
Arbeit über Gehöraffectionen der Picrinsäure Er¬
wähnung thut. Von den Ohrenausspritzungen hat
er in einer langjährigen, ziemlich frequenten Ohren¬
praxis keine Nachtheile gesehen, wohl aber vom
Wasserschnupfen und von den nicht richtig aus¬
geführten Nasendouchen.
Pfänder wendete Acid. picric. 12.—30. an bei
Neurasthenie, allgemeiner Ermüdung, mit Erfolg
und Froes macht aufmerksam als erprobt Calcar.
picrata 03. in Furunkulose (Amica), Carbunkeln,
beginnendem Abscesse. Hier steht das Mittel weit
über Hepar, Silic., dagegen hat er Acid. picr. bei
Neurasthenie mit wechselndem Erfolg gegeben.
Mende kennt Ferr. picr. als gutes Mittel bei
Nasenbluten.
Referent: Picric. acid. von Charge gegeben auf
Grund von Augenxymptomen in einem Fall von
Tabes dorsualis im Anfangsstadium.
Zwingenberg gab Kali picronitr. 02—03. in
Icterus simplex.
6 . Tractandum: Mende verliest seine Arbeit über
Ovaritis; diese aus der vollen Praxis herausge¬
schriebene klare Abhandlung wird in einer Zeit¬
schrift erscheinen. In der folgenden Diskussion er¬
wähnt Pfänder eines Falles von rechtsseitiger Ovaritis
bei einem 18 jährigen Mädchen. Apis hatte keinen
Erfolg. Lachesis brachte Besserung. — Sigrist macht
aufmerksam auf Cimicifuga und bei gleichzeitiger
Stuhlverstopfung auf Podophyllum. Hydrastis da¬
gegen hat mehr Beziehung zum Uterus.
Meschlin erwähnt das Aur. mur. natr. bei vor¬
handenen Reflexerscheinungen auf den Magen, ähn¬
lich Pulsatilla. Sigrist hat nach Anwendung von
Aurum vorübergehend Melancholie eintreten sehen.
In einem Fall von empfindlichem Uteru9 tumor,
wo er gegen die stechenden Schmerzen mit gutem
palliativem Erfolg Cimicifuga gab, trat nach Ver¬
abreichung von Aurum, Graphit., Sulfur., Apis,
Lycopod. das gänzliche Verschwinden des Turner ein.
Angeregt durch eine Zwischenfrage nach den
Erfahrungen über Wirksamkeit der Bäder bei
Ovaritis kam diese noch immer in Diskussion sich
befindende Frage zur Sprache, nämlich, wie ist die
Wirkung der Bäder, insbesondere der Soolbäder zu
erklären.
7. Göhrum-Stuttgart verliest einen Aufsatz über
die sog. Weihe’sche Methode. Es war uns allen
sehr lehrreich, aus dem Munde eines Mannes be¬
lehrt zu werden, der mitten in dieser mühevollen
Arbeit steht. Gegenwärtig scheinen die epidemischen
Verhältnisse, die so sehr schwanken, wegen der
Complicirtheit der Druckpuncte für das Studium
des Anfängers nicht günstig zu sein. Da hoffent¬
lich auch diese Arbeit in der „Allgemeinen“ er¬
scheinen wird, so wird hier nur der Eindruck be¬
richtet, den der Vortrag auf die Anwesenden
machte.
Angenommen, dass äussere Einflüsse, seien es
klimatische, atmosphärische, oder seien es in den
Körper eingeführte Stoffe, wie die Arzneien, eine
bestimmte Wirkung auf den menschlichen Organis¬
mus ausüben, so ist diese anfänglich sehr feiner ,
man möchte sagen, fast seelischer Natur; der erste
Eindruck geschieht aufs Nervensystem.
Wenn nun schon die bisherige physiologische
Forschung uns manche wunderbare Beziehungen
der einzelnen Nervencentren zu der Peripherie des
Körpers dargethan hat, so ist die Constatirung der
Weihe’schen Druckpunkte, wenn sie sich als eine
constante, gesetzmässige Erscheinung bestätigen,
ein ebenso feines wie nützliches Reagenzmittel für
die atmosphärischen (epidemischen) und arzneilichen
Einflüsse. Nützlich besonders für denjenigen
Praktiker, der auf dem Standpunkte des Simile steht.
Digitized by ^.ooQie
m
Wir haben dem Vortrag die Ueberzeugtmg ent¬
nommen, dass, seit dem diese Methode auf experi¬
mentellen Boden (durch Göltrum) gestellt worden
ist, die Weihe’sche Methode einen grossen Schritt
vorwärts für die Homöopathie bedeutet, denn
1. Es wird eine genauere Kenntniss der Arznei¬
mittel verschafft, namentlich objeetive Symp¬
tome betreffend.
2. Die verwandtschaftliche Beziehung der ein¬
zelnen Mittel und Mittelgruppen wird klarer
dargethan; so ist z. B. Phosph. acid. nicht
mit Phosph., sondern mit Lactuca virosa
wirkungsverwandt.
3. Wir können durch diese Forschungen er¬
warten, Licht zu bekommen in den so
schwierigen posologischen Fragen.
4. Auch über die Wirkungsdauer der Arznei¬
mittel im allgemeinen und bei den einzelnen
Individuen erhält man Aufschluss.
5. Endlich dient eine Arzneimittelprüfung, nach
Weihe’s Methode vorgenommen, dazu, die
Reinheit der Arzneipraparate zu constatiren.
Wir sind Herrn Göhrvm nicht erst dankbar für
seine mühevolle Forschung und für seine Mit¬
theilungen, möge er und seine Genossen die wobh
verdiente Anerkennung und Unterstützung von
Seiten seiner Collegen finden.
Der beschäftigte Praktiker jedoch müsste sich
sagen, dass die Mitteldiagnose nach Weihe derzeit
noch nicht anwendbar, weil zu zeitraubend ist:
qui verra, vivra.
Hiermit waren unsere Tractanden erschöpft. Es
blieb nur noch übrig, die nächste Versammlung zu
bestimmen und zwar wurde diese auf II. Sonntag
September 1895 nach Zürich festgestellt und als
Tractanda 1. Nephritis, Ref. Meit de , 2. Terebinthina,
Pfänder angenommen.
Zürich wurde hauptsächlich gewählt, um wo¬
möglich noch mehr persönliche Berührung zu er¬
halten mit unseren süddeutschen Collegen.
Der Hauptwerth solcher jährlichen Zusammen¬
künfte liegt nicht sowohl in Behandlung einzelner
wissenschaftlicher Fragen, als vielmehr im freund¬
schaftlichen collegialen Austausche von Ansichten
und Erfahrungen; da lässt sich Manches sagen und
hören, was nicht geschrieben und nicht gelesen
werden kann. Der Referent: S. Luginbtihl.
Dermatitis herpetiformis.
Vortrag des Dr. Washington Epps, dirigirendem
Arzt in dem London Homoeopathic Hospital, in der
British homoeop. Society. Februar 1894.
Die in Rede stehende Hautkrankheit, welche
man gegenwärtig als Dermatitis herpetiformis oder
Hydroa herpetiforme bezeichnet, kommt selten vor;
der englische Dermatologe Crocker stellt fest, dass
sie unter 1000 Fällen von Hautkrankheiten ein
Mal vorkommt.
Geschichtliches . Diese Hautaffection ist den älte¬
ren Dermatologen wohl bekannt gewesen, aber,
erst in neuerer Zeit hat man sie als eine beson¬
dere, umschriebene Species erkannt und classificirt.
Willan nannte sie Pompholyp pruriginosas, Hardy
Pemphigus pruriginosus, Hebra Impetigo herpeti¬
formis, Unna und Crocker rangiren sie unter die
Hydroa herpetiforme, s. Pruriginosum, und Duhring
in Philadelphia unter Dermatitis herpetiformis.
Wir gehen gleich auf die Beschreibung des
von Epps beobachteten Falles los, um ein concretes
Bild der Krankheit zu gewinnen.
Eine 55 jährige Frau hatte als Erwachsene
fast durchweg in Indien, besonders im hochgelegenen
Theile, gelebt. Sie hatte vier Kinder, das letzte
nach einer Zwischenzeit von 14 Jahren. Ihre Eltern
hatten niemals an einer Hautkrankheit gelitten.
Im Mai 1890 hatte sie eine sehr heftige In¬
fluenza epidemica zu bestehen; sie lebte damals in
dem Flachlande, wo die Hitze jenes Jahres uner¬
träglich war. Nach einigen Wochen begab sie sich
per Bahn nach Simla; sie war sehr leicht ge¬
kleidet, führ in der Richtung des Zuges, um den
durch diesen veranlassten frischen Luftzug recht
zu gemessen. Dabei zog sie sich nun eine starke
Erkältung zu.
Im December 1890 bemerkte sie zuerst das
Hautleiden. Es zeigte sich zuerst als ein kleiner
Fleck auf der linken Gesichtsseite. Nach einiger
Zeit erschienen mehrere runde Flecken, wie Ring¬
flechten, auf den Armen und später längliche
Flecken an den Handgelenken. Seit December
1890 hatte Patientin vier Mal solche Eruptionen ge¬
habt; der Ausschlag war aber in der freien Zeit
nie vollständig verschwunden. — Während der
2 1 /» Jahre, seitdem das Hautleiden bestand, hatte
sie schon verschiedene Behandlungsweisen erfahren.
Davon waren die hauptsächlichsten:
1. Eine fünfwöchentliche Badekur in der Schweiz,
die ihr für eine Zeit gut zu thun schien.
2. Ein berühmter Londoner Dermatologe liess
sie fünf Wochen im Bette liegen, den ganzen Körper,
von Kopf bis zu den Füssen, mit Carbol-Oel ein¬
feuchten, gab aber keine innerliche Medicin. —
Diese örtliche Behandlung schlug ganz fehl.
3. Zwei andere Londoner Autoritäten, die das
Leiden als ein neurotisches auffassten, verordneten
vier Monate lang Arsen., wovon Patientin drei Mal
täglich */ 4 Gramm, nach der Mahlzeit, einnahm.
Status praesens am 8. Juni, wo sie Epps zum
ersten Mal sah:
Das Allgemeinbefinden der Patientin war sehr gut,
16
Digitized by
Google
122
abgesehen von gelegentlichen Bronchial-Katarrhen.
Ihre Verdauung, trotz dem langen Arsengebrauch,
ungestört. Puls 72, Temperatur normal, blieb es
auch selbst während jener Hauteruptionen. —
Zunge weiss, mit Schleim dick belegt. Der Urin
liochgeröthet, specifisches Gewicht 1018, ohne
Eiweiss oder Zucker.
Der Ausschlag bedeckte die ganze Körperober¬
fläche, weniger deutlich an den Wangen und an
der Stirn. Er bestand in Flecken, welche im All¬
gemeinen rund oder oval, von der Grösse eines
Schillings bis zu der einer Hand, stellenweise zu-
sammenliefen und unregelmässige geschlängelte
Flächen bildeten. Die Flecken waren von dunkel-
rother Farbe, zeigten in der Mitte eine hellere
Schattirung, während die Ränder, qtwas erhaben,
dunkler waren. Die Haut über den* Flecken war
weich, abgesehen von den Rändern, wo sich zahl¬
reiche Bläschen, von der Grösse eines Punktes bis
zu der eines Senfkornes, erhoben. Diese Vesi-
culae waren, wenn frisch entstanden, halbdurch¬
scheinend und enthielten eine klare, schwach alka¬
lische Flüssigkeit; die älteren erschienen gelblich
oder bräunlich. — Wo die Haut dünn war, wie
an den Beugeseiten der Achseln, der Leisten und
Ellbogen, erschienen die Blasen grösser, Bullae,
bis zur Grösse eines halben Hülmer-Eies. Diese
grossen Blasen waren zum Theil weiss oder bräun¬
lich, oder, wo eine Blutextravasation in ihnen statt-
gefundeu, in’s Blutrothe spielend. An Stellen, wo
diese Bullae geborsten, waren dünne Schuppen oder
Krusten.
An anderen Stellen sah die Haut, wie nach
einer Quetschung, bläulich, grünlich oder gelblich
aus, oder sie zeigte sich stark pigmentirt, sei es
in Folge eines subcutanen Blutergusses oder von
Kratzen.
Man traf die Flecke in allen Stadien der Ent¬
wickelung, sodass sie hier das Bild der Tinea mar-
ginata, dort mehr das einer acuten Urticaria oder,
wenn auch in schwachen Zügen, das eines Zona
oder eines Pemphigus darstellten. Die allerjüngsten
ähnelten der Urticaria; diese juckten sehr stark,
was sich in den Blutstriemen oder Punkten zeigte,
welche die Nägel beim Kratzen hervorgebracht
hatten.
Bei der ersten Untersuchung befanden sich die
jüngsten Flecken über dem Epigastricum; zwei
ovale Flecken, etwa 7 Zoll lang und 3 Zoll breit,
bemerkte man, mit deutlichen Contouren, einen über
dem andern in der Taillen-Höhe. Diese waren ganz
dunkelrotli, flach, die Ränder ausgenommen, wo die
Haut verdickt, erhoben und mit Vesiculae besetzt
war. Einige Tage zuvor hatten sich an den Hän¬
den und Oberschenkeln äusserst empfindliche Flecke
gezeigt. Bei diesen, wo die Farbe dunkelroth, die
Bläschen grösser und deutlicher waren, ging das
Welken, Verschwinden, vom Centrum aus.
Thei'apie . Rhus venenata 3.; die Haut wurde
mit warmem Kleien-Wasser gewaschen, und wenn
der Hautreiz gar zu stark war, so wurden die reiz¬
baren Theile mit einer Lotion von Rhus ven. 3.
Dec. 9,0, Spiritus 90,0 und Aq. d. 150 betupft.
Dabei völlige Ruhe im Bette.
Dieses geschah vom 8.—24. Juni. Die Spiri¬
tuose Lotion hatte die Reizbarkeit beschwichtigt,
sonst hatte die Behandlung keinen weiteren Erfolg.
Der Ausschlag hatte um diese Zeit erheblich an
Heftigkeit zugenommen. In der Achsel-, Hüft- und
Ellbogenbeuge, sowie in den Zwischenräumen der
Zehen waren die Blasen sehr gross, ihr Inhalt
eitrig und von äusserst widrigem Geruch. An zwei
Stellen war das Aussehen sehr ähnlich dem von
erweichten, niedergedrückten, zusammenfliessenden
Variola-Pusteln.
Dieses pustulöse Aussehen in Verbindung mit
dem Geruch erinnerten den Verfasser lebhaft an
einen sehr schweren Fall von confluirenden Pocken
bei einem ungeimpften Mädchen, das er vor etwa
zwanzig Jahren erfolgreich mit Tartarus stibiatus
behandelt hatte. Ueberdies hatte Patientin die für
Antimon, charakteristische Zunge, auch sprach der
vesiculäre und pustulöse Charakter der schlimmsten
Stellen für dieses Mittel. Er verordnete also An¬
timon. tartaricum in der dritten Verreibung, drei
Mal täglich 4 Gran. Gleichzeitig wurde Patientin
ganz und gar mit heissem Wasser abgewaschen
und zwar 2—3 Mal täglich, eine Salbe von Bor¬
säure an den übelsten Stellen und sonst Oliven-Oel
an den anderen eingerieben. — Die Kranke musste
sich ganz ruhig und angenehm warm im Bette
halten und erhielt eine flüssige, aber nahrhafte,
von allen Reizmitteln freie Kost.
Am 26. Juni befand sich Patientin in der Besse¬
rung; die Zunge hatte sich gereinigt., die Oeffnung,
welche mangelte, war durch ein Lavement erzielt
worden. Die Haut ward weicher und feuchter.
Neue Flecken waren seit zwei Tagen nicht auf¬
getreten, die Blasen trockneten ein, die, in den
Beugen und zwischen den Zehen waren trockner
und hörten auf abzusondern. — Die Flecken an
dem Stamm hatten noch ihre erhöhten Ränder. An
beiden Beinen war die Haut nach aussen von den
Schienbeinen glänzend und ödematös. — Dies
Mittel wird fortgegeben.
Nach wieder zwei Tagen wurde Hammel, Fische,
Gemüse und Früchte dem Diätzettel zugesetzt.
Ihr Schlaf war jetzt viel besser. Die Haut
reinigte sich schnell, da das Jucken immer mehr
abnahm. Die Hüften, Hände und Zehen waren
ganz frei von Blasen. Nur tief in der Gegend
der Glut.een zeigten sich noch mehrere grosse Bullae,
Digitized by ^.ooQle
123
so gross wie kleine Kirschen, die auf einem hyper-
ämischen Grunde sassen und mit einer milchigen
Flüssigkeit gefüllt waren. Einige von diesen Bullae
waren geplatzt und gaben den gleichen Pocken¬
geruch von sich. Rep.: An tim. tart. mit heissen
Abwaschungen und trocknem Stärke-Pudern.
Der Zustand der Haut besserte sich stetig: an
grossen Stellen der Glieder und des Rumpfes
zeigte sich ein gesundes Aussehen, und die zu-
rückbleibeuden Flecke hatten den erhabenen Rand
verloren. Die Blasen an dem Gesass waren alle
eingetrocknet. An den Zehen und über den
Schienbeinen und Fussgelenken schuppte sich die
Haut ab.
Am rechten Beine in der Nähe des Fussgelenkes
und in der linken Achsel fanden sich zwei kleine
frische Vesiculae; das an der ersten Stelle aus
gedrückte Serum reagirte entschieden alkalisch,
während der Achselschweiss saure Reaction zeigte. —
Rep. idem.
Am 4. Juli ging alles gut, nur ein leichtes
Recidiv des Ausschlages am Stamm. Die Gesäss-
gegend war jetzt völlig heil, so dass Patientin eine
Stunde sitzen konnte.
Am 10. Juli konnte sie täglich sieben Stunden
sitzen. Am rechten Arm einige frische Bläschen.
Wenn sie einige Zeit stand, so nahm der an den
Füssen noch bestehende Ausschlag eine rothbläu-
liche Farbe an. — Die Herztöne waren normal,
aber schwach. — Zeitweise war der Pruritus noch
ziemlich stark, liess sich aber schnell durch Ab¬
waschen mit heissem Wasser beschwichtigen.
Am 15. Juli fortschreitend besser; aber am
linken Arcus pharingis zeigte sich eine Bulla.
Patientin erwähnte nun, dass sie auch bei den
früheren Attacken mehrere Bullae am Pharynx und
unter der Zunge gehabt, sowie auch diarrhöeartige
Entleerungen mit Blut. Diese Haemorrhagien rührten
wahrscheinlich, nach des Verfassers Ansicht, von
Bullae her, die sich auf der Schleimhaut das Rectum
gebildet hatten. — Ant. tart. in der 6. Verreibung.
Bei der letzten Visite, am 19. Juli, war das
Allgemeinbefinden gut; sie hatte einen Ausflug ge¬
macht. Die ganze Oberfläche der Haut war ge¬
sund und heil, mit Ausnahme eines oder zweier
winzigen Bläschen an den Armen, die aber bald
bräunlich wurden und eintrockneten. Sie sass jetzt
auf. Die Füsse waren nach mehrstündigem Nieder¬
hängen cyanotisch und kalt geworden. Die Bulla
am Pharynx war völlig geschwunden, es hatte sich
aber eine neue am Zungenbändchen gebildet, wo
sich noch ein leichter Schleimhautdefect zeigte.
In der Epikrise giebt Verfasser eine unter¬
scheidende Diagnose des beschriebenen Hautleidens
am Pemphigus, Urticaria und Erythem.
Beim Pemphigus ist die hohe Irritabilität nicht
vorhanden, der Ausschlag tritt einfach auf, auch
fehlt bei seinem Anfang fast jede Hyperaemie um
die Blasen. In der pruriginösen Form des Pem¬
phigus ist jedoch ein intensives Jucken zugegen
und desslialb wird die vergleichende Diagnose
schwieriger; da aber entscheidet der Mangel der
hyperaemischen Area und der einfache Charakter
des Ausschlags die Frage.
Bei der bullösen Form der Urticaria sind die
für Dermatitis herpetiformis sprechenden Zeichen:
die Symmetrie des Ausschlags und die Neigung
desselben, die kreisrunde (circinate) Form anzu¬
nehmen. Vom Erythem ist die Gegenwart von
Vesiculae öder Bullae schon bald nach wenigen
Tagen, sowie die intensive Pruritus unterscheidende
Zeichen.
Was die Behandlung betrifft, so empfiehlt sich
Ruhe und angemessene, reizlose aber nahrhafte
Kost. Da der Verfasser den Fall anfangs für eine
Urticaria bullosa gehalten, so hatte er zunächst
Rhus venenata (3. Dil.), welches Mittel den Symp¬
tomen der Patientin so völlig zu entsprechen schien.
Er ward daher stark enttäuscht, als unter diesem
Mittel nach sechszehn Tagen keine Besserung sich
zeigte; im Gegentheil, der Zustand hatte sich ver¬
schlimmert. Der Ausschlag hatte an In- und Ex¬
tensität zugenommen, war pustulös geworden und
dazu noch der widrige Pockengeruch der geplatzten
Blasen: — Antimon, tartaricum erwies sich als
weit hülfreicher. Und doch war die Heilung noch
keine vollständige, denn es trat späterhin doch wie¬
der ein Rückfall ein.
Bei der hierauf erfolgenden Discussion bemerkte
Dr. Galley Blackley:
Alle neurotischen Hautausschläge scheinen die
Neigung zu haben, bestimmte begrenzte Formen
anzunehmen, so die kreisrunde, wie in diesem Fall
von Dermatitis herpetiformis, oder eine lineäre oder
gürtelförmige bei Herpes zoster, oder eine schuppen-
förmige bei Psoriasis. Was die Behandlung be¬
trifft, so weist seine 20jährige Erfahrung im Ho¬
möopathischen Hospital darauf hin, dass man in
der Therapie der neurotischen Hautaffectionen noch
viel zu lernen habe. Die jetzt (in der alten Schule)
vorherrschende Neigung geht mehr und mehr auf
die Anwendung von antiseptischen oder äusser-
lichen Mitteln hin. Dem widerstreitet seine eigene
Erfahrung schnurstracks; er glaubt, dass die An¬
wendung der antiseptischen und anderen äusseren
Mittel nicht das Mindeste nützt, wenn sie auf die
Diathese keinen Bezug haben. Das ist die Haupt¬
sache, und die neurotischen Affectionen sind nach
Allem Symptome der Diathese. Ein neurotisches
Hautleiden springt nicht so in einem Augenblicke
in’s Dasein; die Diathese ging voran, dann kam
eine Erkältung, wie in dem besprochenen Fall, und
16
Digitized by
Google
124
nun erstkommt die Hauterkrankung zum Ausbruch. —
Ein Bacillus oder eine Toxine mag auch hier wirk¬
sam sein; und zu diesem hin muss das Mittel Be¬
ziehung haben.
Dr. Blake führt den letzten Gedanken weiter
aus. Dr. Samuel West hält das besprochene Lei¬
den für eine septische Einwirkung. Dr. Blake
meint, dass auch die Dame, als die Hautkrankheit
begann, wahrscheinlich mit Influenza-Toxinen be¬
laden war, die zu den bei ihr schon vorhandenen
Ptomainen und Auswurfstoffen hinzutraten. Die
Erkältung auf der Eisenbahnfahrt hat die Aus-
stossung der Schlacken durch die Hautkanäle plötz¬
lich zurückgedrängt. Hiervon die schwere, toxische
Dermatitis, welche anderen toxischen Formen des
Hautkatarrhs, wie der des Jod und Giftsumach, so
überaus ähnlich ist. Die Influenza-Toxinen sind
geneigt, Neuritis besonders des dritten Dorsal*
Nerven, in dessen vorderen Ausbreitungen, zu ver¬
anlassen. So ist ein hierher gehöriger Fall von
Herpes an beiden Ohren infolge von Influenza 1S93
in dem „Lancet“ veröffentlicht worden. Dr. Fox
theilt ihm mit, dass 75 Proc. von Kindern, die im
Findelhause an Influenza erkrankten, eine toxische
Dermatitis hatten. Gürtelrose war häufig in Rei-
gate, ehe man dort Drainage ins Werk setzte;
jetzt ist sie daselbst selten. — Dr. Blake sah
jüngsthin einen Fall von Zona, die dem Verlaufe
des N. musculo-spinalis, einem ganz speciellen toxi¬
schen Localisationsheerde, folgen, und zwar vier
Tage nach einer Contusion gegen den Rand des
M. Supinator longus. — Unna in Hamburg hat
gezeigt, dass Hautkrankheiten locale Katarrhe neu¬
rotischen Ursprungs seien, die in der Regel durch
im Körper erzeugte Gifte und zwar, wenn die
Haut verletzt ist, durch bakterielle Einwanderung
hervorgerufen werden. Wir müssen feststellen
1. dass verschiedenartige Krankheits - Agentien
eine Art von Hautausschlag hervorbringeu können;
2. dass ein Agens bei verschiedenen Personen ganz
verschiedene Ausschläge erzeugen kann. 3. Wir
finden oft ein Gemisch verschiedenartiger Ausschläge
bei derselben Person, wobei wahrscheinlich nur
eine Ursache vorliegt. Daher soll man die so sehr
ins Einzelne differenzirten Bezeichnungen aufgeben,
und einfach sagen: Dermatitis mercurialis oder
septica. — Er empfiehlt besonders Cocain, muriat.
und Ichthyol zu äusserliclier Anwendung bei dem
heftigen Pruritis. —
Dr. Epps sagt zum Schluss, die Dauer der be¬
treffenden Krankheit erstrecke sich von mehreren
Monaten bis zu dreizehn Jahren. In ein oder zwei
Fällen von dem von ihm in einer Tabelle vorge¬
legten 23 Fällen fand nur ein Recidiv statt. In
einem von Dr. Mackenzie beobachteten Falle, der
4 Vs Jahr dauerte, und in mehreren aufeinander¬
folgenden Attacken auftrat, erzielte Patient selbst
seine Heilung durch Einreibung einer Scbwefel-
salbe, wonach er, soweit bekannt, 3 J / 2 Jahr gesund
blieb. Auch in einem andern mit Schwefelsalbe
geheilten Fall war die Heilung dauernd. —
Referent erlaubt sich zu dem vorstehenden
interessanten Vortrage einige Bemerkungen zu
machen.
Wir haben vor der Richtung, welche der Vor
tragende wie die British Homoeopathical society
überhaupt, vertritt, um mit der allgemeingültigen
medicinischen Wissenschaft in lebendiger Fühlung
zu bleiben, alle Hochachtung. — Doch will es
uns nicht Zusagen, dass sich bei ihm die morpholog-
anatomische Auffassung von Hautkrankheiten gar
zu sehr in den Vordergrund tritt. — Die Schwierig¬
keit, welche derartige schwere Hauterkrankuugen
auch der stricte nach Halinemann geübten Behand¬
lung entgegensetzen, ist uns wohl bekannt. Den¬
noch kann das Forciren des gewählten Mittels,
erst der Rhus venenata, dann des Antim. tartaricum
unsere Billigung nicht finden; man kann auf diese
Weise, wenn man nicht nützt, wirklich dem Kranken
schadeu. — Mit gutem Fug hat bei der Discussion
Dr. Blackley auf die den Hautkrankheiten zu Grunde
liegende Diatbese Nachdruck gelegt; der constitu-
tionelle Boden darf entschieden nicht unberücksich¬
tigt bleiben. — Mit der Psora Hahnemann’s würde
man freilich den „Wissenschaftlichen“ nicht unter
die Augen treten dürfen — und doch, ist die heu¬
tige Toxine etwas Anderes, als das Psoragift bei
Hahneraann? — Merkwürdig ist die von Dr. Epps
mitgetheilte Thatsaclie, dass bei zwei Patienten der
Gebrauch des Schwefels in Salben form eine längere
(vielleicht anhaltende?) Heilung des schweren Haut¬
übels zu Stande gebracht hat. — Dies erinnert
mich an einen schlimmen Fall von einer Art Kc-
zema impetiginoüles (oder Scabies) bei einem — vier¬
beinigen Patienten, einem schwarzen Spitz, bei dem
die äusserliche Anwendung von Schwefel mitge¬
wirkt hat. —
Der besagte „Spitzer“ litt schon seit mehreren
Jahren an einem Hautausschlage. Derselbe äusserte
sich in kleinen Bläschen, welche barsten und eine
klebrige Flüssigkeit entleerten, welche zu Krusten
erhärteten; unter diesen nässte die Haut aber weiter
fort, und so war der Körper an den verschiedensten
Stellen mit kleinen Geschwüren bedeckt. Dabei
litt das Thier an einem unausstehlichen Jucken,
so dass es, wie seine Herrin sagte, ganz „nervös“
davon geworden sei; er musste sich in einem fort
reiben und schaben, wobei die Haare ausfielen.
Es bildeten sich dann eine grosse Anzahl kahler
Stellen, die von weisslichen Schuppen bedeckt waren.
Wenn der Ausschlag an einer Stelle sich besserte,
so trat er dagegen an einer andern auf. Von den ge-
Digitized by
Google
125
schwürigen Flächen aus entwickelte sich ein höchst
widriger Geruch. — Man hatte schon verschiedene
Heil versuche angestellt; der Hund war auch bereits
in der Thicrarzneischule behandelt worden, wo man
ihn in Kreosot-Wasser gebadet hatte, aber ohne den
erwünschten Erfolg. Nun, ante carniticein wollte
man noch einen Versuch mit der Homöopathie
machen. Was die Diagnose betrifft, so haben wir
es mit jenem bei Hunden, aber auch Pferden und
Schafen, nicht selten vorkommenden Hautausschlage
zu thun, den man gemeinhin Räude nennt; eine
Art Scabies, bei der man auch Milben nachgewiesen
hat, ob aber gerade den Acarus s. sarcoptes des
Homo sapiens, ist mir nicht bekannt. Wie von
Thier zu Thier (zunächst einem derselben Gattung)
ist dieser parasitäre Ausschlag aber auch auf den
Menschen übertragbar.
Da der Hund bereits früher Sulphur ohne er¬
sichtlichen Erfolg erhalten, so verzichtete ichauf dessen
innerlichen Gebrauch, und wählte Mercur und zwar
den rotlien Präcipitat in der 3. Verreibung, wovon
der „Spitzer“ 4 Tage lang Morgens und Abends
je eine kleine Messerspitze voll erhielt, dann 4 Tage
Pause, sodass er auf diese Weise 5 Gramm all-
mählig verbrauchte. — Um aber dem Pruritus hor-
ridus Einhalt zu thun, licss ich die kranken Stellen
zweimal täglich mit Schwefelblüthe (Sulphur depu-
ratum) aus einem feinen Gazebeutelchen bepudern.
Damit dies uugestört auf die Haut, resp. auf die
Parasiteu wirken könne, wurde der Hund jetzt
nur zweimal wöchentlich gebadet. In der That
Hess das Jucken bald nach, sodass der Hund auch
wieder ruhigen Nachtschlaf bekam. — Im Verlaufe
mehrerer Wochen waren die Krusten abgefallen,
die eiterige Secretion hatte aufgehört; es traten
keine nouen Nachschübe mehr ein. Die krank ge¬
wesenen Stellen bekamen ein gesundes Aussehen,
ja sie bedeckten sich wieder mit Haar, das aber
hier und da, besonders oben am Brustkasten, nicht
schwarz, sondern röthlich, fuchsig, aussah. — Ab¬
gesehen von diesem „Schönheitsfehler“ erfreute sich
mein Patient, so lange ich ihn beobachten konnte,
eines trefflichen Zustandes, zumal auch der lange
mangelhaft gewesene Appetit sich zur normalen
Höhe entwickelt hatte. — Prof. Nothnagel sagt
zwar in seinem hochgeschraubten Skepticismus:
Sulphur. dep. hat auf die Milbe gar keine nach¬
theilige Einwirkung; das mechanische Reiben sei
nur von Effect. — Hier ist aber gar nicht gerieben
worden. Ein so guter Beobachter wie Rademacher,
abgesehen von anderen Erfahrungen, hat cs auch
gesehen, welche Wirkung selbst der äusserlich an¬
gewandte Schwefel auf das Hautorgan ausübt.
Dr. Mossa.
Internationaler
i homöopathischer Congress 1896.
| Die Wiederkehr des alle 5 Jahre abzuhaltenden
| internationalen homöopathischen Congresses steht im
Jahre 1896 bevor, und zwar soll derselbe diesmal
in England stattfinden. Das im Jahre 1891 vom
britischen homöopathischen Congress hierfür ein¬
gesetzte Comite ist der Angelegenheit bereits näher
getreten und empfiehlt in einem Rundschreiben
I den homöopathischen Aerztcn aller Länder folgende
I Punkte zur Beachtung:
1. Der Congress wird in London tagen, Zeit
I und Dauer desselben wird später festgesetzt werden.
2. Diese Versammlung, welche an Stelle des
jährlichen britischen Congresses tritt, tagt unter
dem Vorsitz der im vorjährigen Congress erwählten
Beamten; es steht dem internationalen Congress
jedoch frei, Ehren-Vicepräsidenten aus den fremden
Gästen, welche er zu ehren wünscht, zu ernennen.
3. Die Kosten der Versammlung werden durch
eine Subscription der homöopathischen Aerzte Gross¬
britanniens bestritten.
4. Die Druckkosten der Verhandlungen werden
durch eine Subscription aller Derjenigen bestritten,
welche ein Exemplar des Werkes der Verhand¬
lungen zu besitzen wünschen.
5. Der Congress steht Allen offen, die in ihrem
Ileimatlande zur Praxis befugt sind.
6. Die Theilnehmer mögen Namen und Adresse
sowie ihre Qualification angeben und, wenn dem
Vorstande des Congresses unbekannt, sich durch
eine diesem bekannte Person einfüliren lassen oder
Empfehlungsbriefe von einem homöopathischen Ver¬
ein oder bekannten Vertreter der Homöopathie vor¬
legen.
a) Mitglieder des Congresses können Gäste zu
den Versammlungen einfuhren.
7. Das Comite ist autorisirt, mit Aerzten in der
Heimat oder im Auslande in Verbindung zu treten,
um zu erlangen:
a) einen Bericht aus jedem Lande, als Ergän¬
zung zu dem bereits früher dem fünfjährigen Con¬
gress eingercichten, der über Alles Auskunft giebt,
was, seit dem letzten Bericht, in der homöopathi¬
schen Sphäre Interessantes sich ereignet hat.
b) Mittheilungen und Arbeiten aus den ver-
| schiedenen Zweigen der homöopathischen Theorie
und Praxis, die zur Discussion in den Versamm¬
lungen sowie zur Veröffentlichung in den gedruck¬
ten Verhandlungen kommen werden.
8. Alle Arbeiten müssen bis zum 1. Januar
1896 eingeschickt sein und werden einem Censoren-
Comitö unterbreitet, das sie prüft, ob sie zu obigem
Zwecke geeignet sind.
9. Die so geprüften Arbeiten werden vorläufig
Digitized by
Google
126
gedruckt und an die Mitglieder des Congresses ver¬
theilt, welche sie verwenden wollen.
10. Die Arbeiten werden einzeln oder gruppen¬
weise nach ihrem Hauptinhalt, der vom Vorsitzen¬
den in Kürze analysirt wird, zur Discussion gestellt.
11. Ein Mitglied des Congresses (oder zwei,
als Vertreter zweier Ansichten über einen Gegen¬
stand, wie in der Dosenfrage) wird vor dem Be¬
ginne der Versammlung bestimmt, um die Debatte zu
eröffnen, wozu ihm zehn Minuten gestattet sind; die
nun folgenden Redner erhalten je fünf Minuten Zeit.
12. Der Vorsitzende ist befugt die Discussion
zu schliessen, wenn er sieht, dass sich die Debatte
über einen Gegenstand so weit ausdehnt, dass für
andere wichtige Arbeiten die Zeit fehlen werde.
13. Wenn der Verfasser einer Arbeit zugegen
ist, so soll er über den discutirten Gegenstand das
letzte Wort erhalten.
14. Ein Rundschreiben soll gedruckt und an
alle Herausgeber von Journalen, Vereinssecretäre,
Universitätsdecane innerhalb der homöopathischen
Welt gesandt werden, um ihr Interesse und ihre
Mitwirkung für den Congress anzuregen.
Auch ein Boykott.
(Eingesandt)
„Boykott an allen Ecken und Enden!“ riefen
wir unwillkürlich aus, als uns kürzlich folgendes
drollige Vorkommniss erzählt wurde: Da lässt sich
in unserer Stadt — Osnabrück ist ihr Name —
ein neuer Arzt nieder. Derselbe hat sowohl das
medicinische Doctor- wie auch Staatsexamen ent¬
sprechend den andern Aerzteu regelrecht bestanden,
müsste also auch in aller Form „Herr College“ von
diesen angeredet werden. Aber der gute Mann
hat es auch gewagt, noch ein weiteres Examen zu
machen, nämlich das durch Reglement vom 20. Juni
1843 und Instruction vom 23. September 1844 für
den Bereich der preussischen Monarchie ebenfalls
staatlich vorgesehene Examen zur Erlangung des
Selbstdispcnsir-Rechles nach homöopathischen Grund¬
sätzen. Was thun nun die Herren „Collegen“ im
ärztlichen Verein? Sie treten eiligst zusammen und
fassen den heroischen Beschluss, dass keiner mit
dem Doctor der drei Examina verkehren und dessen
Besuche erwidern dürfe — sintemal alldieweil,
fragte ein Witzbold, sie selbst nur zwei Examina
gemacht und von den in dem dritten Examen ge¬
forderten Kenntnissen keine Ahnung haben? Nein,
das nicht, sondern um mit einem hörbaren Ruck
von dem Manne wegzurücken und ihren Abscheu
vor dessen abweichender Heilmethode öffentlich zu
bekunden.
Ohne irgend ein Urtheil über Werth oder Un¬
werth der Homöopathie abzugeben, muss man
solchen Terrorismus verurtheilen. Daher kommen
doch nicht die Namen: „wissenschaftliche Toleranz“
und „freie Forschung“. Wenn die verehrten Osna-
brücker Herren aber glauben, mit solchen Mitteln
ihr Ansehen bei dem Publikum zu begründen, dann
sind sie sehr schief gewickelt. Wir schreiben ihnen
deshalb folgende Sätze aus einem Artikel über „die
heutigen Strömungen in der wissenschaftlichen
Medicin“, entnommen der ,,Allgem. Wiener Medic.
Ztg.“, No. 23, ins Stammbuch: ,,Man klagt all¬
gemein darüber, dass das Ansehen der Acrztc bei
dem Publikum eine bedeutende Einbusse erlitten
habe. Es ist kein Zweifel, dass die Aerzte selbst
daran schuld sind. Das Publikum sucht Heilung,
wo es sie findet. Dem Publikum nützt die schönste
Diagnose und die schönste Färbung der Bactericn
nichts, denn die ärztliche Wissenschaft hat die
Heilung und nicht nur die Bestimmung der Krank¬
heiten zum Zweck. Dem Botaniker kann es genug
sein, wenn er die ihm begegnenden Pflanzen er¬
kennt und vom Astronomen erwartet man nichts
Anderes, als die Berechnung der Bahnen und die
Entdeckung ungekannter Himmelskörper. Vom
Arzte verlangt man thatkräftiges Eingreifen, aber
nicht bloss das Eingreifen mit dem Ferrum und dem
Ignis, sondern das Eingreifen in die Lebensgewohn-
heiten und die Lebensführung. Es ist kaum zu
bezweifeln , dass die nächsten Jahve eine vollständige
Umwälzung in der Medicin mit sich bringen werden.*“
So sprechen sich Leute aus, die ganz auf der Höhe
der medicinisclien Wissenschaft stehen. Man sollte
meinen, dass bei den Jüngern solcher Wissenschaft
aus naheliegenden Gründen einer sehr motivirten
Bescheidenheit Toleranz gegen ,,Andersgläubige“
sehr am Platze wäre. •
LesefrUchte.
Variot’s (Paris) Bemerkungen über die auf
die klinischen Studien der Diphtherie ange¬
wandten bacteriologischen Untersuchungen.
Verf. machte bereits früher darauf aufmerk¬
sam, dass bei Kindern pseudomembranöse Anginen
Vorkommen, welche ganz dasselbe Aussehen, die¬
selbe Entwickelung und Verbreitung des Exsudats
in die Luftwege, dieselben Allgemeinerscheinungen
und denselben tödtliclien Ausgang haben, wie die
diphtheritischen Halsentzündungen, ohne dass man
bei ersteren den vor 4 Jahren von Löffler entdeckten
Bacillus gefunden hätte, welcher für den specifischen
Diphtheriebacillus gehalten wurde. Variot hebt be¬
sonders den Fall eines Kindes hervor, welches an
einer Diphtherie des Schlundes, Kehlkopfes und
I der Lippen erkrankte, und bei welchem sich die
Digitized by
Google
12 ?
dicken Pseudomcmbranen trotz Pinselungen und und 8 Mal Staphylococcen. Nach Baginsky können
Irrigationen immer wieder bildeten, sodass das Streptococcen eine lebhafte Diphtherie bewirken.
Kind der Krankheit erlag. Hier konnten die Der Arzt darf daher aus der Gegenwart dieses
Löffler’schen Bacillen weder bei Lebzeiten noch oder jenes Keimes nicht die Diagnose oder Pro-
nach dem Tode gefunden werden. Man hatte ge-, gnose einer Angina diphtorit. bestimmen wollen,
meint, dass die Gegenwart dieser Pilzspecies un- sondern er muss den Zustand des Rachens und
zweifelhaft eine echte Diphtherie mit wahrschein- den allgemeinen Zustand des Kranken in Betracht
lieh üblem Ausgange bedeute, während eine An- ziehen. Die Bacteriologie hat in der Diagnose der
gina, in deren Ausschwitzungen nur Streptococcen Diphtherie der Klinik noch das letzte Wort lassen
und andere Keime Vorkommen, im Allgemeinen müssen. — (Journal de clinique et de thörapeutique
eine günstige Prognose zulasse. Es hat sich aber infantiles. No. 2^.)
herausgestellt, dass auch Anginen mit Löfller’schen -
Bacillen gutartig sein, sich begrenzen und heilen
können. Die Anwesenheit von Streptococcen oder DPUCkfehlerberichtiflUnfl.
Staphylococcen sollen dagegen die Giftigkeit der
Löffler’schen Bacillen bedeutend erhöhen. — Wethe- In No. 11,12 dieser Zeitschrift, pag. 85, Zeile 5
red fand bei 26 Fällen von Diphtherie 15 Mal den von unten soll es statt Natrum mnr. ist in solchen
Klebs-Löffler’sehen Bacillus, 3 Mal Streptococcen Fällen: Spigelift heissen. _
Anzeigen.
Verschiedenen an mich ergangenen Wünschen entspre¬
chend habe ich für die Inserate den Preis für die ein¬
mal gespaltene Petitzeile und deren Raum auf 20 Pfennige
herabgesetzt und berechne für Beilagen in Zukunft nur
5—6 Mark.
Leipzig, den 1. October 1894.
A. Marggrafs Homöopath. Orflcm.
Diejenigen Herren
Homöopathen
welche die grossen Wirkungen der
electrischen Behandlung
namentlich hei chronischen Krankheiten beobachtet
haben, bitte ich, als einer der leistungsfähigsten
Fabrikanten electrischer Maschinen, sich mit mir in
Verbindung zu setzen. Ein gutes Nebeneinkommen
ist ihnen gesichert.
Gustav von Mayenburg, Dresden-Neustadt.
Der Diabetes mellitus
und seine
homöopathische und balneologisciie Behandluno
von Dp. Theodor Kafka,
Brunnenarzt in Carlsbad,
Preis brosohlrt 1,60 Mark,
ist als Separatabdruck aus der Allg. homöopath. Ztg. er¬
schienen und wird in empfehlende Erinnerung gebracht.
Zu beziehen durch
A. Marggrafs Homöopath. Offlein, Leipzig.
Im Selbstverläge des Verfassors ist erschienen und durch
die Verlagshandlung dieser Zeitung kann bezogen werden:
Allopathie und Homöopathie.
Von
Dr. B. Westhoff, Osnabrück.
Preis nur 20 Pfennige.
Aufforderung.
Das Therapeutische Taschenbuch für homöopa¬
thische Aerzte von Bönninghausen fehlt seit
Jahrzehnten im Buchhandel und soll in wesentlich
vermehrter, die Mittel bis auf die neueste Zeit
umfassender, verbesserter Auflage neu erscheinen
unter der Bedingung, dass die nicht unbedeutenden
Kosten für die Herausgabe dieses Werkes durch
Subscription gedeckt werden. Von einer allseitigen
Theilnahme an dieser Subscription wird das Er¬
scheinen dieses, von Dr. Allen und vielen ande¬
ren homöopathischen Aerzten für die Mittelwahl
am Krankenbette und zum fruchtbaren Studium
unserer Arzneimittellehre dem Praktiker unentbehr¬
lichen Werkes abhängen, und werden deshalb
die homöopathischen Aerzte ersucht, sich recht
zahlreich an derselben zu betheiligen. Das Buch
soll, wie früher, in Octavformat erscheinen und
wird ca. 30 Bogen stark werden. Der Preis des¬
selben stellt sich gebunden auf 10—12 Mark.
Die Subscription erfolgt und wird erbeten bei
der Verlags- und Geschäftsstelle der „Allg. homöo-
path. Zeitung“, A. Marggrafs homöopath. Officin,
Leipzig, in deren Verlag auch eventuell dieses
Buch erscheinen wird.
Reeeptur-Tarirwaagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir-
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter
50-60 Mark zu haben sind, so habe ich billige und für
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempol
versehene und geaichte Reeeptur-Tarirwaagen auf einfachem
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offeriren kann.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
Digitized by {jOoq le
128
Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend.
Auf häufig vorkommende Anfragen tlieile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei
selhstdispensirenden homöopathischen Aerztcn bisher Folgendes verlangt haben.
1. Den Approbationsschein.
2. Das Zengniss Aber das in Berlin bestandene
Dispensirexamen.
3. Eine Sammlung aller das Selbstdispensircn der
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen¬
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/0 der Allg.
homöopnth. Ztg., 128. Bd.).
4. Ein Journal Aber die abgegebenen Arzneien mit
Namen der Patienten, Datum etc.
(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien¬
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem j
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- f
weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.)
5. Rerisionsmässige Einrichtung der Hausapotheke.
Dazu gehört:
a) Ein separates Zimmer.
b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. j laut
(Giftschrank) I meinen
c) 1 ., „ „ Separanda, Tab. C.i früheren
(Separanda8chrank) I Offerten.
d) 1 „ „ ,, Nicht-Separanda
e) Alle in Lorbachers Anleitung angegebenen 52 Mittel
in D. 1. bez. C. 1. flüssigen Potenzen oder Ver- .
reibungen (in einfachen Gläsern mit Korkstöpseln
oder in solchen mit Glasstöpseln, — Quantitäten
ä 15,0 genügen). i
[Alle Venena — Tab. B. — Urstoffe. Ur- I
tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen .
müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und I
„weiss auf schwarz“ signirt sein.
Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, j
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und I). 3. '
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im .
Separandaschranke aufbewahrt werden und ,.roth I
auf weiss“ signirt sein.
Alle ütfleht'Separanda und die weiteren i
Potenzen der Venena und Separanda von 1
D. 4. (inclusive) aufwärts müssen ausserhalb der
Gift- und Separandaschränke in einem dritten
Schranke aufbewahrt werden und „schwarz auf
weiss“ signirt sein. — Manche Revisoren gehen
soweit, für die äusserlichen Mittel Signaturen
„weiss auf rotli“ zu verlangen; eine derartige
Reichs Verordnung ist mir jedoch nicht bekannt
und bin ich der Ansicht, dass man sich diesem
Wunsche nicht zu fügen hat. Sind die äusser¬
lichen Mittel sonst richtig signirt — „schwarz
auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je nachdem
sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und
in sechseclngen Gläsern, so sind sie vorschrifts-
mässig eingereiht.
Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Of¬
ferten alle hier zu haben.]
f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel
für die Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit ent¬
sprechender Signirung, analog den Vorschriften,
die unter e) genannt sind.
In manchen Regierungsbezirken verlangt man
nur: 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“
signirt.
In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia,
Alcaloide, Mercurialia und Phospliorus, je 1 Waage,
1 Mörser und 1 Löffel, separat nnd besonders
signirt.
(Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch ge¬
liefert.)
g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt,
die von Aerztcn fast nie gebraucht wird nnd sehr
theuer ist. (Unter 50—60 Mark sind sio nicht
zu haben; ich habe daher solche in einfachster
Ausführung, auf einfachem Brette, für Revisions¬
zwecke genügend, hersteilen lassen, die ich zum
Preise von 24 Mark offerireu kann.)
h) Die sonstigen Utensilien zur Bereitung von Po¬
tenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der
Arzneien, als: Mörser, Löffel, Trichter, Men-
surirgläacheu, Fläschchen, Schachteln, Korke,
Beutel etc. etc.
i) Iu einigen Regierungsbezirken wünschen die
Herren Revisoren von allen in den ärztlichen
Hausapotheken vorhandenen Mitteln Hie 1. Poten¬
zen vorräthig zu sehen, während meistens nur die
unter e) angeführten 52 Mittel in solchen ver¬
langt worden.
k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch
ein Waaren-Eingangsjournal mit Angabe der Be¬
zugsquellen und Aufführung jedes einzelnen be¬
zogenen Mittels, wozu ich als Belege ganz spe-
cificirte Rechnungen liefern muss, auf denen jedes
Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und Preis
einzeln aufgeführt ist.
Alles hier Aufgeführte liefere ich nacli früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu
Diensten stehe, bestens und billigst.
Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen
gemachten Erfahrungen obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt
worden sind, damit man endlich einmal in die Lage kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte An¬
gaben machen zu können, w r as bisher bei der verschiedenen Handhabung in den einzelnen Regierungs¬
bezirken nicht möglich war.
A. Marggrafs homöopathische Offlein, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius MA«»er in Leipzig.
Digitized by
Band 129
Leipzig, den 25. Oetober 1894. No. 17 U. 18
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschiiftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggr&rs Homöopath. Officin) in Leipzig.
Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummorn bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf» (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No.97desPost-Zeitungs-Verzeiclinissos(prol892).—Inserate, welche an Haasenstein AVogler
in Leipzig und dessen Fi 1 ialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Officin ln Leipzig) zu richten
Rind, werden mit 20 Pf» pro einmal gespaltene Potitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6 — S Af. berechnet.
Inhalt. Ein Fall von Tuberculose, hauptsächlich durch Tuberculin (Heath) geheilt. Von Dr. John H. Clarke.
Arzt am homöopathischen Kran len hause zu London. — Bericht Über die 66. Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte in Wien. Von Dr. Elb-Dresden. — Zur Pathogenese von Thyroidin. — Vom Myxödem. — Neue homöopathische
Literatur in Amerika. — Therapeutisches Taschenbuch für homöopathische Aerzte von v. Boenninghausen. —• Das
Hahnemann-Denkmal in Amerika. Von Dr. Kafka. — Lesefrüchte. — Personalia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung-: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Ein Fall von Tuberculose, hauptsächlich durch ;
Tuberculin (Heath) geheilt.
Von Di*. John H. Clarke, Arzt am homöopathischen
Krankenhause zu London.
i
James K., ein Kärrner, 40 Jahre alt, ward am j
17. Oetober 1892 im homöopathischen Kranken¬
hause in London aufgenommen. In der Familie 1
ist keine Schwindsucht vorgekommen. Die gegen- i
wärtige Krankheit des Patienten datirt von einer I
Influenza, die er vor drei Jahren bestanden, auf |
welche Husten, Auswurf, Nachtschweisse und Ab- §
magerung gefolgt war. Diese Symptome hielten
ein Jahr lang an, bis der Patient, der noch sehr
schwach war, endlich ein wenig das Bett verlassen
konnte. Er war damals sechs Wochen lang in dem i
North London Hospital; aber in den darauf folgen¬
den sechs Wochen trat schnell Verschlimmerung
ein unter zwei heftigen Anfällen von Hämoptysis.
Beim Eintritt in das homöopathische Krankenhaus
war er abgemagert, litt an Dyspnoe und Appetit¬
mangel. Er hatte einen kurzen, reizenden Husten,
mit wenig Auswurf, aber das Sputum enthielt
Tuberkel-Bacillen. Ueber der rechten Lungenspitze
zeigte die Percussion das Geräusch des gesprunge¬
nen Topfes, die Auscultation bronchiales Athmen
und reichliches rauhes Crepitiren. In der Regio
infraclavicularis etwas Dämpfung mit verlängerter
Expiration und feines Crepitiren; hinten hörte man
verlängerte Expiration und Crepitiren über die ganze
Lunge. Auf der linken Lungenspitze verlängerte
Expiration. Die Herztöne waren klar; Puls 110.—
Patient klagte über ein Gefühl von Schwere in der
rechten Brustseite, Schlaflosigkeit und Husten, be¬
sonders über Stuhlverstopfung.
Am 9. November, als er noch über jenes Druck¬
gefühl klagte, bekam er Tuberculinum (Heath)
100 dil. 3 Tropfen auf die Zunge, und diese Gabe
ward in der Woche darauf wiederholt.
Am 20. November konnte eine Gewichtszunahme
von l 1 ^ Pfund constatirt werden; das Druckgefühl
in der Brust war geringer; er hatte sehr wenig
Husten, keinen Auswurf, keinen Nachtschweiss, war
aber von Flatulenz ziemlich stark belästigt.
Tuberculinum wurde am 30. November wieder¬
holt, und ebenso am 10. December; um diese Zeit
hatte er wieder um 1 1 | 2 Pfund an Gewicht zu¬
genommen.
19. December. Er klagt über Schmerzen in
den Gelenken (die aber nicht geschwollen waren);
Schweisse und Husten kehren wieder und weisse,
schaumige Sputa. Unter Mercur. vivus 12. ver¬
schwanden die rheumatischen Symptome.
Tuberculin. wurde am 4. und 25. Januar wieder¬
holt. Am 2. Februar wird notirt, dass er seit dem
17
Digitized by
Google
130
18. Januar um 4*j 4 Pfund zugenommen hatte;
Husten war nicht da; er fühlte sich ganz wohl.
An der rechten Lungenspitze nahm man verlänger¬
tes expiratorisches Murmeln wahr, sowie vermehrten
Fremitus vocalis und erhöhte Resonanz; an der
linken Lungenspitze aber kein abnormes physi¬
kalisches Zeichen. — (The Journal of the British
Homoeopathic Society. Juli 1893.)
Es ist uns leider nicht bekannt, in welcher Art
dies Heath’sche Präparat von Tuberculin dargestellt
wird. — Angesichts der letzthin von College Dr.
Kunkel in dieser Zeitschrift veröffentlichten Tuber-
culiu-Heilversuche gewinnt der hier mitgetheilte Fall
erhöhtes Interesse. Mossa.
Bericht Ober die 66. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien.
Von Dr. Elb-Dresden.
Zu dem diesjährigen in den Tagen vom 24. bis |
29. September abgehaltenen Congress war an die
Mehrzahl deutscher Aerzte allopathischer und homöo¬
pathischer Richtung eine persönliche Einladung zur
Betheiligung ergangen. Ebenso waren die be¬
kannteren wissenschaftlichen Vereinigungen, und j
unter diesen auch unser Centralverein mit einer
Einladung bedacht worden.
Einer mir vom verehrten Vorsitzenden des
Centralvereins homöopathischer Aerzte zugegangenen
Aufforderung, die Vertretung des Vereins in Wien
zu übernehmen, bin ich sehr gern nachgekommen,
umsomehr, als eine etwaige Nichtvertretung leicht
zu Missdeutungen hätte Anlass geben können.
Vor Beginn der wissenschaftlichen Sitzungen
stellte ich mich dem Herrn Geschäftsführer als
Delegirter des homöopathischen Central Vereins vor,
und wurde ausserordentlich zuvorkommend empfan¬
gen. Ich erklärte hierauf meinen Eintritt als Mit¬
glied in die Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Aerzte.
Es fanden drei allgemeine Sitzungen statt, von
denen die zweite wohl Anspruch hatte als die be¬
deutendste zu gelten durch den ungemein geist¬
vollen und interessanten Vortrag des Professor
Forel-Tiixcich. über „Gehirn und Seele.“ Derselbe
ist in den meisten Tagesblättern in grösserem Aus¬
zug erschienen und dessen Inhalt darf nunmehr
wohl als bekannt vorausgesetzt werden.
Sectionssitzungen füllten die übrige Zeit aus.
Ich trat der Section für interne Medicin bei, wohnte
jedoch der am 25. September stattfindenden ver¬
einigten Sitzung der 31. und 32. Section (Hygiene
und Medicinalpolizei) bei, in welcher die Herren
Behring -Halle und Ehr lieh -Berlin über das Diphtherie¬
heilserum höchst interessante Mittheilungen machten.
Behring sprach, nach einer historischen Schilderung
der Blutserumtherapie und der wissenschaftlichen
Thatsachen, welche denselben zu Grunde liegen,
über die aus der Entdeckung des Diphtherieheil¬
serums resultirenden praktischen Ergebnisse. In
mehreren Hunderten von Fällen von Diphtherie, deren
Diagnose durch die bacteriologische Untersuchung
sichergestellt war, ergab sich ein Fallen der in den
betreffenden Krankenhäusern beobachteten Mortali¬
tät von ca. 50 auf lü°j 0 .
Ehrlich sprach alsdann über die Resultate der
Serumtherapie in dem Institut für Infectionskrank-
heiten in Berlin. Von 89 Diphtheriekranken, welche
in den letzten Monaten daselbst aufgenommen
wurden, starben im Ganzen 12. Von diesen wurden
5 nicht mit dem Heilserum behandelt, weil sie be¬
reits moribund dem Krankenhaus übergeben worden
waren. Von den übrigen 84 Fällen starben sieben,
entsprechend einer Mortalität von 8 0 0 ; vier dieser
Fälle boten bereits bei ihrer Aufnahme eine absolut
infauste Prognose. Frische Fälle, bei welchen die
Heilserumtherapie am ersten oder zweiten Tag ein¬
geleitet wurde, genasen ausnahmslos, und zwar
meist unter der Form der kritischen Heilung. Je
später die Behandlung mit Heilserum eintreten
konnte, um so weniger sicher war die Wirkung.
Das Heilserum wurde ferner auf das Wärmste
als Prophylacticum empfohlen und ist als solches
in zahlreichen Fällen bei Personen, besonders Kin¬
dern, angewendet worden, in deren Familie Diphtherie
aufgetreten, oder welche mit an Diphtherie Erkrank¬
ten in nachweislich nahe Berührung gekommen
waren; derartig Behandelte blieben ausnahmslos
gesund. Beide Redner betonten, dass stets die
genügende Dosis Serum, sei es bei bereits Er¬
krankten, sei es bei der Schulimpfung, zu ver¬
wenden sei, und empfehlen bei Anwendung des
Heilserums vorläufig das in den Höchster Fabriken
dargestellte zu verwenden, da anderweitig bezogene
Präparate sich als nicht gleich wirksam erwiesen
hätten.
Hierauf trug Dr. Wassermann -Berlin seine Be¬
obachtungen vor über das Blutserum solcher Indi¬
viduen, die nie an Diphtherie gelitten haben. Es
ergab sich, dass dasselbe ausgesprochene Diphtherie-
gift zerstörende Eigenschaften besitze. Die Häufig¬
keit des Vorkommens solchen Serums nimmt mit
steigendem Alter zu; dies erklärt die Seltenheit
der Diphtherie im höheren Alter, resp. deren leich¬
teren Verlauf, fernerhin das Vorkommen von
Diphtheriebacillen bei Gesunden, die Verschieden¬
heiten bezüglich der Schwere und Leichtigkeit der
Erkrankungen bei Personen, welche der gleichen
Digitized by
Google
131
Ansteckung ausgesetzt waren. Es ist möglich durch
Blutuntersuchung festzustellen, ob ein Individuum
für Diphtherie empfänglich ist und wurde dies für
Wartepersonal, das viel mit Diphtheriekranken zu
verkehren hat, besonders empfohlen. Ferner wäre
bei empfänglichen Individuen, sobald sie der An¬
steckung mit Diphtheriegift ausgesetzt sind, die
Schutzimpfung vorzunehmen.
Die in dieser Sitzung mitgetheilten Beobach¬
tungen zeigen eine Uebereinstimmung mit den
Thesen, welche vor Kurzem Escherich- Graz auf¬
gestellt hatte. Derselbe bestritt, dass die ver¬
schiedenen Verlaufs weisen und Ausgänge der Diph¬
therie allein auf die wechselnde Virulenz der Diph¬
theriebacillen zurückzuführen seien und behauptet
1) dass zum Zustandekommen der diphtherischen Er¬
krankung ausser dem Bacillus und der Möglichkeit
seiner Invasion noch das Vorhandensein einer spe-
cifisclien Empfänglichkeit Seitens des zu inticiren-
den Organismus erforderlich sei und 2) dass das
Verhalten der örtlichen und allgemeinen Disposition,
erst in zweiter Linie die grössere oder geringere
Virulenz des Bacillus, massgebend sind für den
Verlauf der Einzelerkrankung.
Allerdings bestätigt Escherich die Behauptung
von Roux, dass bei schwer verlaufenden Fällen in
der Regel auch hochvirulente Bacillen vorhanden
sind, während ebensolche nicht selten auch bei
ganz leicht verlaufenden Vorkommen.
In einer gemeinsamen Sitzung verschiedener Ab¬
theilungen, welche an demselben Nachmittag unter
von Bergmann'8 Vorsitz abgehalten wurde, sprach
von i?ruws-Tübingen über Behandlung der Strumen
mittels Schilddrüsenfütterung. Seine Versuche er¬
gaben, dass der Schilddrüsensaft (von Hammel oder
Kalb) auf reine Adenome der Schilddrüse eine
specifische Heilwirkung besitzt und eine rasche Ver¬
kleinerung oder vollständige Beseitigung derselben
bewirkt.
von Brune empfahl bei Erwachsenen eine
wöchentliche Gabe von 10 gr. frischer Schilddrüse,
die mit oder ohne Salz genossen werden kann; bei
Kindern gab er die Hälfte.
Eulenburg -Berlin hielt darauf einen längeren
Vortrag über Morbus Basedowii, wobei auch er er¬
wähnte, dass er in einigen Fällen jener Krankheit
durch den Genuss frischer Schilddrüse sehr günstige
Resultate erzielt habe.
Aus der Section für innere Medicin erwähne ich
zunächst den Vortrag von Professor Aionte-München
über das Verhalten flüssiger und breiartiger Sub¬
stanzen im menschlichen Magen. Moritz hat durch
Versuche festgestellt, dass von allen Substanzen am
schnellsten das Wasser aus dem Magen entleert
werde und dass bei gleichzeitiger Aufnahme von
Wasser und festen Speisen die Aufnahme der
letzteren die Entleerung des Wassers erheblich
verzögerte.
Ferner berichtete Dr. Hammerschlag über eine
neue Methode zur quantitativen Bestimmung des
Pepsins im Magensaft.
Dr. 2?oa$-Berlin wies darauf hin, dass bei Magen-
carcinom die Eiweissverdauungskraft fehlt und be¬
tont das Vorhandensein von im Magen gebildeter,
freier Milchsäure bei genannter Krankheit. Boas
hat nun eine einfache Methode zum Nachweis der
Milchsäure im Magen angegeben, sodass jetzt die
Frühdiagnose auf Magencarcinom wesentlich er¬
leichtert wird. Es ist nun zu hoffen, dass eine
Operation in den ersten Stadien der Krankheit mit
grösserer Aussicht auf Erfolg gemacht werden kann.
Auf diese Weise wird dann der Procentsatz der
Recidive nach der Operation wohl wesentlich herab¬
gedrückt werden können.
In einer der nächsten Sitzungen sprach Professqr
Posnei '-Berlin über kryptogenetische Cystitis und
Pyelitis. Der Vortragende berichtet über seine Ver¬
suche von Unterbindung des Darmes und der Ure¬
thra bei Kaninchen, aus denen hervorgeht, dass
bei vollständigem Darmverschluss Bacterien —
speciell Bact. coli — den Darm verlassen, mög¬
licherweise durch das Peritoneum hindurch, in den
Kreislauf aufgenommen werden und von da aus in
den Urogenitalapparat gelangen. Er hielt für mög¬
lich, dass auf diese Weise eine Zahl der als
„kryptogenetisch“ zu bezeichnenden Entzündungen
der Harnwege entstehen, ohne dass Infection von
aussen stattfand.
Von den übrigen Vorträgen, die ich noch ge¬
hört habe, will ich hier nicht weiter sprechen, da
sie zu wenig allgemeines Interesse besitzen.
Mit dem Congress war eine Ausstellung medi-
cinischer und naturwissenschaftlicher Instrumente
und Apparate in den Räumen der Universität ver¬
bunden.
Für die Unterhaltung der Theilnehmer war in
reichem Maasse Sorge getragen worden. Den Glanz¬
punkt der Festlichkeiten bildete der Empfang in
der kaiserlichen Hofburg, zu dem allerdings nur
eine beschränkte Anzahl Einladungen ergangen
war. Ich war so glücklich, zu denen zu gehören,
die mit einer solchen bedacht wurden.
Ausserdem fand zu Ehren des Congresses im
Rathhaus eine glänzende Festlichkeit statt, wobei
der Bürgermeister die Theilnehmer im Namen der
Stadt Wien begrüsste. Ein Ausflug nach dem
Semmering, an dem Theil zu nehmen ich leider
verhindert war, bildete den Abschluss der Ver¬
sammlung. Als nächstjähriger Versammlungsort ist
Lübeck gewählt.
17*
Digitized by
Google
182
Zur Pathogenese von Thyroidin.
Das Thyroidin, ein aus der Schilddrüse des
Schafs gewonnenes isopathisches Mittel, spielt gegen¬
wärtig in der Therapie der herrschenden Schule eine
so bedeutende Rolle, namentlich bei der Behand¬
lung der Basedow’schen Krankheit (Struma mit
Exophthalmus und Herzaffectionen), sodann auch
bei dem weniger bekannten Myxödem, dass
wir von diesem Heilmittel Notiz nehmen müssen.
Da sind wir nun dem Dr. John H. Clarke, dem
Herausgeber von The Homoeopathic World, zu Dank
verpflichtet, dass er sich der Mühe unterzogen hat,
aus dem vorhandenen Material die diesem Heil¬
stoffe eigenthiimlichen Wirkungen zusammenzustellen
und zwar in der letzten Mai-Nummer der ange¬
gebenen Zeitschrift p. 202 u. ff. Er hat hierzu
die in der allöopathisclien Praxis von diesem Mittel
bei Patienten nicht bloss erzeugten, sondern auch
geheilten Symptome berücksichtigt. Er giebt des¬
halb zu, dass die so gewonnene Pathogenese keine
reine ist; er hält aber gleichzeitig daran fest, dass
jedes, sei es an einer kranken oder gesunden Per¬
son erzeugte Symptom insofern nützlich ist, als es
die Wirkungskraft des Mittels darthut, wie auch
jedes gutbestimmte, durch ein Mittel beseitigte
Symptom die Wirkungskraft desselben nicht weniger
darthut. Wenn die nämlichen Symptome, bei an¬
dern Kranken auftretend, als Indicationen für das
fragliche Mittel genommen werden und bei An¬
wendung desselben eine Heilung erzielt wird, so
sind diese Symptome, behauptet Dr. Clarke, ob sie
nun beim Kranken erzeugt oder geheilt worden
sind, ebenso vollgültig, als wenn sie bei einer ge¬
sunden Person bemerkt worden wären.
(British Med. Jour. August 27. 1892.)
1. Murray. Es wurde vom Extract der Thyroi-
dea mit Glycerin aus 1 cc. einer 6°/ 0 . Lösung von
Carbolsäure in die Regio interscapalaris eingespritzt.—
Darauf unmittelbar Röthe, Nausea, und stechend¬
bohrende Schmerzen in der Lumbargegend einige
Minuten.
Verlust des Bewusstseins und allgemeiner
tonischer Muskelkrampf für einige Sekunden.
Harte Schwellung an der Injectionsstelle, indo¬
lent; Geschwulst auf der Seite der Einspritzung,
worauf ein sich langsam entwickelnder Abscess
folgte.
Am Tage der Einspritzung Uebelbefinden, besser
beim Liegen im Bette.
Die harte Schwellung an der Injectionsstelle
verging ohne Eiterung.
Beim Versuch einen Hügel hinaufzugehen, starb
Patientin plötzlich an Herzlähmung. — Die Kranke,
62 Jahr alt, litt an Herzschwäche, die sich unter
der Behandlung etwas gebessert hatte. Früher
schon war bei Anstrengung cardiale Dyspnoe vor¬
handen.
Eine andere 64 jährige Kranke ward beim
Bücken, um die Schuhe auszuziehen, ohnmächtig
und starb nach einer halben Stunde. (Früher hatte
sie schonAnfälle vonOhnmacht, Athemnoth, schwachem
und aussetzendem Pulse. Kein Herzgeräusch.)
Ref. kann in diesen Fällen nichts Charakte¬
ristisches für die Wirkung des Thyroidin finden.
2. Eine 33jährige Frau bekam nach der zweiten
Entbindung 1882 Puerperal-Manie und brachte sich
eine Wunde in den Hals bei. (Ob sie die Schild¬
drüse verletzt hat?) Im Februar 1888, vier Mo¬
nate nach der dritten Entbindung, wurde sie hin¬
fällig und stellte sich bei ihr ein Myxödem ein.
Dabei Stupor, grosse Muskelresistenz, hochgestei¬
gertes Kniephänomen, die Herzthätigkeit schwach.
Ruhelose Melancholie. — Zeitweise konnte man sie
nicht zum Sprechen bringen, sie lag mit starren
Gliedern auf dem Boden. Zu andern Zeiten mochte
sie weinen und sich die Kleider ausziehen. Bis¬
weilen lebensgefährlich für andere Kranke^ denen
sie ihre Arme so fest um den Hals legte, als ob
sie diese ersticken wollte.
9. April 1892 begannen die Einspritzungen.
15. April. Die Menstruation trat ein.
19. April. Ein kleiner Abscess an der Stelle
der vierten Einspritzung. Menstrualfluss profus.
20. April. Zwei Mal Ohnmacht (derartige An¬
fälle hatte sie seit der Scarlatina im 17. Lebensjahre).
Pat. ward als geheilt entlassen. Die Geistes¬
störung war in diesem Falle zuerst aufgetreten, doch
war diese „ohne Zweifel von der allgemeinen Con¬
stitution abhängig, wie ja bei Psychopathieeu der
Phthisiker die cerebralen Störungen sich vor den
Symptomen der Phthisis oftmals zeigen.“ — Sie
war bei ihrer Entlassung frei von der Psychopathie
sowohl als von dem Myxödem.
3. Dr. Hearn warnt vor zu rapiden Einspritz¬
ungen. Eine seiner Patienten zeigte nach der
Injection folgende aussergewohnliche Erscheinungen:
Die Haut wurde livid, ja fast blauschwarz.
Dann folgte Zittern, Beben der Glieder, und völ¬
lige Bewusstlosigkeit, die etwa V 4 Stunde anhielt.
Die Kranke brauchte eine Woche, um sich von
diesen Folgen zu erholen, wonach sie aber erheb¬
lich gebessert war.
4. Verschiedene Extracte von verschiedenen
Drüsen brachten, bei Kaninchen eingespritzt, Ent¬
artung des Herzmuskels hervor.
5. Hector Mackenzie. Frischer Extract von
frischen Drüsen durch den Mund beigebracht.
Das Extract von 2 Schilddrüsen auf ein Mal
tingegeben:
Nausea, geriuges Erbrechen.
Vermehrte Pulsfrequenz (116).
Digitized by k^ooQle
133
Gesteigerte Temperatur (100° F.).
Gesichtsröthe. — Schmerzen verschwunden.
Nacli fünf Einspritzungen erbrach die Patientin,
eine 39jährige Frau, jedes Mal dies Mittel.
Die Haut an Händen und Füssen schälte
sich ab.
6. Eine 4 6jährige Frau bekam das Glycerin-
Extract ein Mal wöchentlich. Durch Missverständ¬
nis nahm sie innerhalb vierzehn Tagen zwei Mal
wöchentlich die zerhackte Drüse, mit dem Resul¬
tate , dass sie selbst die schnelle Abnahme der
Kräfte an sich wahrnahm; es trat bei der geringsten
Bewegung Schweiss ein; sie konnte weder gehen
noch feststelien.
7. Eine ledige Frau, 50 Jahre, litt seit 8 Jahren
an Geistesstörung und Myxödem. — Nach der In-
jection hatte sie immer das Gefühl von Hitze, so¬
wie Uebelbefinden. Ein systolisches Herzgeräusch
wurde schwächer. — Es trat Besserung ein sowohl
nach geistiger wie leiblicher Seite.
8. Eine 48jährige, verheirathete Frau litt seit
15 Jahren an der Krankheit (Morb. Basedowii).
(British Med. Journal. Octbr. 28. 1893.)
Starke Abschuppung der Haut, besonders an
Hand- und Fussfläche. — Heileffect.
Ein 18jähriges Mädchen, Kautschuk-Arbeiterin,
litt seit 16 Monaten an Fsoriasis . Der Ausschlag
zeigte sich an der Vorder- und Rückenseite des
Rumpfes, Haarkopf, stark ausgesprochen an den
Armen, weniger am Gesicht und Hals, Hohlhand
und Sohlen frei. An manchen Stellen war er roth
und entzündet, die Krusten dunkelroth; die Haut
hinter den Ohren feuchtend und aufgesprungen,
Pat. etwas anämisch, sonst gesund.
4. Februar 1893. Ein Viertel einer Schild¬
drüse roh, feingehackt und in Reispapier gehüllt,
täglich gegeben.
10. Februar. Röthe und Stechen (Jucken) we¬
niger markirt.
14. Februar. Der Ausschlag auf dem Rücken
schält sich in grossen Schuppen ab, von denen
einige einen Zoll im Durchmesser haben; die Haut
darunter sieht blass und gesund aus.
16. Februar. Das böse, entzündete Aussehen
ist völlig geschwunden.
1. März. Die nassen Stellen hinter den Ohren
heilen.
11. April. Die Besserung steht still. Arsen,
anstatt der Schilddrüse gegeben. Der Ausschlag
tritt sofort wieder hervor.
14. April. Arsen, weggelassen, 15 m. von
Brady und Martin’s Extract, täglich eine Dosis.
Die Eruption verschwand schnell; kam am Ell¬
bogen etwas wieder, als die Behandlung aufhörte. —
Pat. nahm an Gewicht erheblich zu.
Eine 38jährige verheirathete Frau hat seit
7 Monaten einen schweren, ausgedehnten Psoriasis-
Ausschlag.
Rothes, gereiztes, aufgesprungenes Aussehen
der Haut wie bei einer Dermatitis exfoliaus. Fünf
Tropfen von Brady-Martin’s Extract am 10. Mai.
Verlust des Appetits.
11. Mai. Die Arme sind weniger steif und
schmerzhaft. Die Schwellung verringert. Die
Krusten lösen sich, hinterlassen eine schwachge-
röthete Haut. Der Ausschlag nicht so schmerzhaft.
18. Mai. Dosis verdoppelt.
Eine 57jährige Frau. Symmetrischer Psoriasis¬
ausschlag an der Vorder- und Hinterfläche und den
Seiten des Abdomen und der angrenzenden Th eile
von Brust und Schenkeln. Beide Handflächen be¬
deckt mit einem trocknen, schuppigen Ausschlag;
die Beugeflächen der Arme afficirt, in den Achsel¬
höhlen ein symmetrischer Fleck; Ellbogen und Knie
frei. Dauer 6 1 /« Jahr. Der Ausschlag dunkel mit
glänzenden Schuppen; die Ränder sind hoch und
verdickt. 5 Tropfen vom Extract täglich. In
6 Wochen sehr viel besser.
(Brit. Med. Journal. Januar 27. 1894.)
Psoriasis syphilitica. 49 jährige Frau. Ein Ge¬
schwür innen an der linken Backe. — Iritis. —
Die Nackendrüsen geschwollen. Von Juli bis Sep¬
tember 1893 Cauterisation mit Höllenstein, Jod¬
kalium innerlich. Dann erschien Psoriasis an Hand-
und Fussfläche. Arsen, neben Jodkalium, Einreiben
von Chrysoplian-Salbe. — Eine Woche Medication
ausgesetzt. — November 11. Thyroid-Extract be¬
gonnen. Die Psoriasis war über den Körper aus¬
gebreitet: Haarkopf, Gesicht, Ober- und Unterglie¬
der; einige Flecke auch an Händen und Sohlen.
Die Streckseite war besonders afficirt. Ausschlag
vereinzelt, schmutzig-graue Schuppen auf hyper-
ämisch-infiltrirtem Grunde. An der Streckseite bei¬
der Ellbogen, über den oberen Theil beider Sca¬
pulae und am Nacken starke Abschuppung; Ulce-
ration an der linken Backe neben dem Mund¬
winkel.
18. November. Geringe Besserung.
25. November. Entschiedene Besserung. Die
Schuppen fast gänzlich verschwunden, die Hyper¬
ämie des Grundes sehr vermindert; die Haut
zwischen den Flechtenstellen weicher und elastischer.
Pat. fühlt sich „zehn Jahre jünger“.
3. December. Psoriasis völlig vergangen; braun-
gelbe Färbung da, wo der Ausschlag gesessen. Haut
weich, gut genährt.
December 20. Das Extract ausgesetzt. Psoriasis
kehrt nicht zurück. — Die allgemeine Besserung
nicht angehalten. Pat. klagte über ein Uebelbe¬
finden, und Schmerz in Armen und Beinen.
(Lancet Februar 17. 1894.)
Beadles spricht über „Thyroid-Behandlung von
Digitized by k^ooQle
Myxödem mit Geistesstörung.“ „Alle Fälle vorge¬
schrittener Myxödems zeigen etwas geistige Stö¬
rung, die zur Demantia hinneigt, gewöhnlich mit
fixen Ideen, namentlich in Form von Argwohn und
Verfolgungswahn. Mitunter kommt es zur ausge¬
sprochenen Manie oder Melancholie.“
Eine Frau, bei der das Myxödem 12 Jahre be¬
standen, ward plötzlich von acutem Wahnsinn be¬
fallen. Unter dem Gebrauch des Thyroidin ward
sie leiblich und geistig wieder hergestellt.
Eine 51 jährige Frau litt seit 1884 an Myxödem,
wozu sich seit 1887 Geistesstörung gesellt hat.
Es kommt bei ihr zu heftigen furibunden Anfällen,
mit Intervallen von Depression und mürrischem
Wesen. Nach 7 monatlicher Behandlung mit roher
Schilddrüse als Speise und dem Glycerin-Extract
des Mittels konnte sie hergestellt aus dem Asyl
entlassen werden.
(Medical Press. Februar 21. 1894.)
Eine Frau, 8 Jahre an Myxoedema leidend, ward
mit rohen Schilddrüsen ernährt.
19. November. Erste Gabe: 2 Schilddrüsen¬
körper. Am nächsten Tage: Temperatur stieg
auf 100° F. und erhielt sich mehrere Tage so.
Diurese trat ein.
Prickelndes Gefühl in den Beinen.
Myxödem verringert.
In den folgenden Tagen:
Schlaflosigkeit, Kopfweh, Schmerz in den Beinen,
grosser Durst.
Der Puls stieg auf 112, Temperatur blieb bei
100° F.
Spuren von Eiweiss im Urin.
Man setzte deshalb die Behandlung einstweilen
aus und fing sie drei Wochen später wieder an in
der Gabe von einem Schilddrüsenlappen aller zwei
Tage. Nach dem siebenten Tage kehrten Kopf¬
weh und die übrigen Symptome mit erneuter Hef¬
tigkeit wieder, sodass man mit dieser Ernährungs¬
weise wieder aufhören musste. Vom 11. Januar an
gab man alle 5 Tage zwei Drittel von dem Lappen
einer Drüse, was keine Beschwerden verursachte.
Myxödem verschwand, ebenso der Stumpfsinn
und das schreckliche Alpdrücken.
(Lancet. März S. 1894.)
„Die toxischen Symptome, welche man in manchen
Fällen von Myxödem infolge von Einspritzung des
Schilddrüsengewebes beobachtet hat, vergegenwär¬
tigen so entschieden gewisse bei Struma exoph-
thalmica vorhandene Störungen, dass man zu der
Frage gedrängt wird, ob der Morbus Basedowii
nicht in der That auf einer Hyperthyroidisation
beruhe. Die Herzbeschleunigung (Tachycardia),
die Temperatursteigerung, Schlaflosigkeit, Unruhe,
Polyurie, der Eiweissharn, unvollständige Para¬
plegie, das Hitzegefühl, der Schweissausbruch und die
Diarrhöe — diese Folgeerscheinungen der Schild-
drüsen-Behandlung sind sehr charakteristische Symp¬
tome bei Personen mit Struma exophthalmica.
(Homoeopathic World. März 1894.)
Dr. Clarke. Ein Fall ward geheilt mit der
3. Dec.-Verreibung, drei Mal täglich zu 2 Gran.
Ein nervöses Mädchen von 17 Jahren, welches
zeigte:
Niedergeschlagene, verzagte Gemüthsstimmung.
Par esc der unteren Extremitäten.
Beständiges Kopfweh.
Schmerzen im Hinterhaupt und Scheitel.
Rückenweh.
Schmerz und Druckempfindlichkeit in der Ge¬
gend des linken Eierstockes.
Vollheitsgefühl in der Brust.
Hervortretende Augen.
Beschleunigter Puls, mit Unmöglichkeit im Bette
zu liegen.
Gefühl von Hüpfen des Herzens.
Verstopfung.
(L’Art mödicale. März 1894.)
Eine 74jährige Frau verlor im 48. Jahre die
Menses, wonach sie an Anwandlungen von Kälte
und Hitze litt, die 7—8 Mal täglich eintraten.
Im 65. Lebensjahr schmerzhafte Empfindungen in
den Händen, mit Kälte zur Winters- und Hitze
zur Sommerszeit nebst reichlichen Schweissen. Im
70. Lebensjahr hatte sie Anfalle von Tachycardic.
Gegenwärtig hatte eine leichte Anschwellung der
Backen und der Regio subliyoidea, die Röthung
und Spannung der Stirnhaut, welche die Runzeln
ausgleichen, die Entwickelung der Brüste, dieser
Matrone von 74 Jahren ein verhältnissmässig junges
Aussehen gegeben.“ Gleichzeitig besteht eine
geistige Stumpfheit, Furchtsamkeit und verkehrte
Ideen.
Sie ward erheblich gebessert durch subcutane
Einspritzung von Extr. thyroid., aber bei der Steige¬
rung der Gaben klagte sie über: Schwindel, Un¬
behagen, Verdauungsstörungen, anhaltende Neigung
zum Schlaf, und, da sie sich so unwohl fühlte,
verweigerte sie, die Behandlung fortzugebrauchen. —
Sie ward nun reizbar und missgestimmt.
(Brit. Med. Journ. März 31. 1894.)
Dr. Bodilly schreibt: „Mein ältestes Kind be¬
kam ein Eczema von hartnäckiger und schwerer
Art auf Kopf und Gesicht beim Zahnen; ein krank¬
hafter Zustand war nicht vorangegangen. Ich
versuchte alle möglichen von meinen Collegen an-
| gerathenen Mittel: Eisen und Arsen., Leberthran
innerlich und äusserlich. Dann ward sie auf den
Rath eines hervorragenden Specialisten ganz auf
Milch und eine mehr oder weniger vegetabilische Diät
gesetzt, aber alles ohne Erfolg. Zuletzt gab ich
verzagt alle Behandlung auf — und der Ausschlag
Digitized by k^ooQie
135
verschwand, nachdem die Zähne bei ihr alle durch-
gebrochen waren, obwohl er, wenn auch in sehr
gemässigter Form, wieder erscheint, sobald die Haut
dem Winde, der Kälte oder übermässig heisser
Luft ausgesetzt wird. — Mein zweites Kind bekam
ebenfalls ein solches Eczem und in einer noch
schlimmern Form, an Gesicht, Kopf, Kniescheibe,
Knöcheln, wogegen sich die Therapie auch erfolg¬
los erwies, bis ich vor sechs Wochen anfing,
von dem Extr. thyroid. gland. zu geben: zuerst 2,
dann 3 und nun 4 Minim.-Dosen, 3 Mal täglich.
Die Wirkung war merkwürdig: das Eczem ist gänz¬
lich vergangen an Kopfhaut und Gesicht, und ver¬
schwindet schnell von den anderen Theilen des
Körpers; das Kind ist entschieden gesünder, nimmt
an Fleisch und Kraft zu und obwohl kürzlich zwei
Zähne durchgehrochen sind, hat der Ausschlag
dabei wenig zugenomraen.“
(L’Art medical. April 1894.)
Einem idiotischen Mädchen, 9 Jahr alt, wurde
im Juli 1890 Thyroidin-Einspritzung mit darauf¬
folgender Besserung gemacht. Am 12. Februar
1894, und drei Wochen darauf, erhielt sie täglich
8 Gramm von Thyroidin mit der Nahrung. Nach
18 Tagen ward sie eine grollende Zänkerin, zum
Zorn geneigt, ängstlich; am 21. Tage zeigte sich
der Puls beschleunigt, leichtes Fieber, Congestion
der Haut. Am 34. Tage war die Haut weich und
dicht. Der Geisteszustand gebessert.
(British Med. Journ. April 14. 1894.)
Ein 16 8 / 4 jähriges Mädchen litt an einem aus¬
gedehnten, entstellenden Gesichtdupus, der im sie¬
benten Lebensjahr an einer kleinen braunen Stelle
unterhalb des rechten Kieferwinkels begonnen
batte. Nach einem Ausbruch von Ery sipelas, das
auf Einspritzungen von Kocli’s Tuherculin gefolgt
war, hatte sich der Zustand gebessert. (Sie hatte
schon vorher Erysipelas gehabt.) Späterhin ward
sie wieder der Koch’schen Behandlung unterzogen,
und blieb danach besser; dann aber kam ein Re-
cidiv, zum dritten Mal trat die Rose auf, wonach
der Lupus zeitweise gebessert erschien. Dann aber
ging es mit ihr schlechter als zuvor. 13. Februar
1893 begann die Behandlung mit Thyroidin; erst
erhielt sie von der rohen Schilddrüse, später vom
Extract, schliesslich in Tabletten form. Vom 18. Fe¬
bruar hob die Besserung an und nach 12 monat¬
licher Behandlung hatte sich eine erhebliche Ver¬
änderung ad meliorem parten bewerkstelligt.
Am Tage nach der begonnenen Behandlung:
Gefühl von Ermüdung und Siechheit.
Die Enge, Hitze, Röthe, das böse Aussehen des
Gesichts erheblich besser.
Am 20. September. Sie sieht blass aus, fühlt
sich krank. Schmerz im Unterhauch, Kopfweh,
Uebelbefinden.— (Diese Symptome kehrten ziemlich
regelmässig jeden Monat wieder und Dr. Bram well,
der sie beobachtete, schreibt sie den Molimina
menstrualia zu, zumal Pat. bisher noch nicht roen-
struirt war. Hierin hat er wohl recht; indessen
kommt diese Störung gleichzeitig auf Rechnung der
Thyroid-Behandlung, wenn man erwägt, dass dies
Mittel bei andern Patientinnen die Wirkung gezeigt
hat, den Menstrualfiuss wieder herzustellen. Dr. J.
Clarke.)
In der Regel sind Wangen und Gesicht blass,
aber dann und wann, ohne ersichtliche Ursache,
wird die Narbe weit stärker injicirt und die Lupus¬
knötchen, die noch da sind, treten mehr hervor.
Anämie und Hinfälligkeit („Die deutliche Besse¬
rung im allgemeinen Zustand der Kranken, die sich
zwischen dem 20. Januar und 3. Februar einstellte,
als die Mittelgabe herabgesetzt wurde, scheint da¬
für zu sprechen, dass die Anämie und Hinfällig¬
keit zum Theil dem zu lange fortgesetzten Gebrauch
des Mittels zuzurechen ist“) Arsen, und Eisen be¬
wirkten eine solche Steigerung der Fiebererschei-
nungen, dass man sie weglassen musste; Strychnin
und Chinin thaten nicht gut.
Wir fügen als Ergänzung noch einige Beobach¬
tungen deutscher Aerzte hinzu:
Dr. Rehn in Frankfurt a. M. hat auf dem
XII. Congress für innere Medicin über Myxödem
im Kindesalter einen Vortrag gehalten. Das Myxödem
im Kindesalter (der Sporadic cretenism der Eng¬
länder) ist mit dem bei Erwachsenen identisch, es
kommt dort aber noch als weiteres Symptom die
Wachsthumshemmung hinzu.
Die Kinder zeigen eine trockne, rauhe, schil¬
fernde Haut mit gelblicher Färbung, trocknes,
struppiges Haupthaar, Aufpolsterung der Haut, be¬
sonders des subcutanen Zellgewebes an den Lidern,
Lippen, über der Jochbeingegend, über den Schlüssel¬
beinen, hinten auf der Schulterhöhe, längs der
Rückenstrecken, auf der Gesässgegend, wie auch
an den Extremitäten. Die Intelligenz, die Willens¬
äusserungen sind herabgesetzt, die Sprache ver¬
langsamt, der Gang träge, Schweiss fehlt fast gänz¬
lich. Appetit meist gering, Stuhl sehr angehalten.
Das Wachsthum bleibt um 1 | 4 und noch mehr hinter
der Norm zurück.
Verfasser stellte 2 Kinder, Mädchen, von 4 und
7 Jahren (aus verschiedenen Familien) vor, welche —
bei Fehlen der Schilddrüse — das angegebene
Symptomenbild in ausgesprochener Weise zeigten.
Nach 8 wöchentlicher innerlicher Behandlung mit
Schilddrüsen-Glycerin-Extract war eine auffallende
Besserung zu constatiren. Die Haut ist glatt ge¬
worden, von fast normaler Färbung, die Kopfhaut
weicher, die myxödematöse Infiltration nahezu ge¬
schwunden. (Lider, Lippen fast normal.) Die Kin¬
der sind lebhafter, munterer, sprechen deutlicher,
Digitized by
Google
136
ihr Gang ist elastischer, rascher, Appetit gut, der
Stuhl geregelt. Es traten wieder Schweisse auf.
Beide sind in der angegebenen Zeit um etwa 3 cm
gewachsen. — Sie haben innerhalb der 8 Wochen
von den nach White bereiteten Extract täglich je
10 Tropfen genommen, im Ganzen das Extract von j
2 resp. 2 1 [ 8 Drüsen — ohne störende Erschei- j
nungen, nur dass sie während dieser Medication j
erheblich an Gewicht abgenommen haben. I
Bei einem 14jährigen Mädchen, das an den¬
selben Symptomen gelitten, hatte der Bruder des
Redners ein Stück Schilddrüse vom Menschen in
der Regio thyroidea mit Erfolg implantirt. Bei
der Operation zeigte sich die Schilddrüse des
Mädchens in einen bindegewebigen Strang ver¬
wandelt. Auch dieses Verfahren hatte einen gün¬
stigen Einfluss auf das Myxödem, doch war die
Besserung keine so eclatante, wie bei den beiden
mit dem Extract behandelten Kindern. — In einem j
von Hoffmann mitgetheilten Falle war die Gewichts¬
abnahme beim Einnehmen des Extracts bis zur
Kachexie vorgeschritten, sodass das Mittel ausge¬
setzt werden musste.
Vom Myxfidem.
Während seit mehreren Jahren in der medici-
nischen Tagesliteratur das Myxödem einen stehen¬
den Artikel bildete, von dem auch in den homöo¬
pathischen Zeitschriften Amerikas und Englands
viel die Rede gewesen ist, sowie von der sich daran
anschliessenden therapeutischen Verwendung des
Thyroidin, haben die homöopathischen Blätter
deutscher Zunge von diesem Gegenstände kaum
Notiz genommen. — Dasselbe gewinnt für uns aber
eine hohe praktische Bedeutung insofern, als sich
herausgestellt hat, dass sich das Myxödem, wie eine
Anzahl glaubwürdiger Beobachter dargethan, bei
Patienten vielfach ausgebildet hat, denen die ver-
grösserte, entartete Schilddrüse auf operativem Wege
vollständig entfernt worden ist, also nach totaler
Exstirpation eines Kropfes, Struma. Der operirte
Kranke verliert nach einiger Zeit die Haare, die
gesammte Haut kann infolge von wässeriger Exsu¬
dation anschwellen; er wird niedergeschlagen, ge¬
dankenlos, stumpfsinnig bis zum Blödsinn. (Vergleiche
Schlegel’s „Innere Heilkunst,“ p. 28.)
Um dieser „Kachexia strumipriva“ vorzubeugen,
lassen die Operateure jetzt meist ein Stück der
Thyroidea zurück, da man sich der Thatsache nicht
verschliessen konnte, dass diese Drüse denn doch
eine lebenswichtige Bedeutung haben müsse. Diese
Annahme wurde dadurch bestätigt, dass das, man
kann wohl sagen, küustlich erzeugte Leiden erheb¬
lich gebessert wurde, wenn man dem Kranken die
Substanz thierischer Schilddrüsen zu essen gab.
Ob nun das Myxödem allemal auf diese Ur¬
sache zurückzuführen oder ob es überhaupt
immer im causalen Zusammenhänge mit der Schild¬
drüse steht, diese Frage ist noch nicht einmal auf¬
geworfen worden.
Geschichtliches. Das Myxödem ist eine Krank¬
heitsform, auf welche man erst seit den letzten
20 — 25 Jahren aufmerksam geworden ist — und
doch scheint es uns fraglich, ob wir es hier wirk¬
lich mit einem Genus novum morbi zu thun haben. —
Der erste, der sie beschrieb, war Wm. Gull 1873.
Dr. Ord lenkte die Aufmerksamkeit auf diese Krank¬
heit als identisch mit der früher als „cretinöser
Zustand bei erwachsenen Frauen u beschriebenen.
Seitdem sind in England, wo man auch ein Comite
zur Erforschung dieses Gegenstandes niedersetzte,
eine Anzahl hierher gehöriger Fälle beobachtet
worden.
Krankheitsbihl.
Die meist bei erwachsenen Frauen beobachteten
Fälle liefern folgende Erscheinungen:
Der ganze Körper ist von Anasarca geschwollen.
Die Haut hat ein wachsfarbenes, anämisches Aus¬
sehen. Selbst die Augenlider, das untere wie das
obere, und beide Lippen sind ödematös. Beim
Druck entsteht keine Grube, oder eine nur flache ;
während die Haut meist eine gleichmässige Farbe
zeigt, findet sich im Gesicht bisweilen eine Röthe
der Wangen. Dieses hat einen schwerfälligen, un¬
beweglichen Ausdruck, die Augen stehen ziemlich
weit offen, die Brauen sind in die Höhe gehoben,
wie um die oberen Lider offen zu halten. Die
Nase ist verbreitert, die Nasenflügel weit gezogen
der Mund verlängert, die Lippen dick, besonders
die untere, die nach aussen gekehrt und dunkel-
roth erscheint. Das Haar geht stark aus, wird auch
rauh und zäh wie Draht. Die Hände sehen breit
und dick aus, ebenso sind die Finger ganz dick,
so dass die Hände spatenähnlich erscheinen. Von
der Schilddrüse entdeckt man nichts; die Haut liegt
um den Hals in Falten, während die Schlüsselbein -
gruben ausgefüllt, wenn nicht aufgetrieben sind.
Die Temperatur ist gewöhnlich subnormal.
Man hat das Myxödem unter die Erkrankungen
des Nervensystems gestellt, und manche Symptome
sprechen auch dafür. Die Kranke hat schmerz¬
hafte, eigenartige Empfindungen, theilweise Anä¬
sthesie, unangenehme Geräusche in den Ohren,
Stumpfsinn. Die Sprache ist langsam, bedächtig,
die Worte sind mühsam aber sehr gewählt. Die
Stimme ist eintönig, ermüdend für den Hörer. Die
Zunge ist dick, ungelenk. Alle willkürlichen Be¬
wegungen geschehen langsam und bedächtig; die
Erhebung des Körpers aus der liegenden Stellung
Digitized by
Google
187
ist schwierig; die Fortbewegung beim Gehen ist
einseitig, indem die Coordination unvollkommen er¬
scheint und der Körper sich sehr mühsam hin¬
schleift. •
Dr. Ord meint, dass die nervösen Symptome
von dem durch das ödematöse Gewebe auf die
Endigungen der peripheren Nerven ausgeübten
Druck abliängen können. In dem Maasse als pro¬
gressive Veränderungen in den Geweben statt¬
finden und die Gchirnsubstanz mit hineingezogen
wird, tritt die geistige Schwäche stärker hervor; I
die Krankheit schreitet gern zur Dementia fort. '
Eine Aehnlichkeit des Myxödem mit sporadischen I
Cretinismus ist nicht zu leugnen; manche gehen
so weit zu behaupten, es sei eben nichts anderes 1
als ein Cretinismus adultorum. — Es erinnert auch I
lebhaft an den krankhaften Zustand, der bei Thieren |
entsteht, wo man des Versuches wegen, und bei
Menschen, wo man eines Struma halber, die Schild- i
drüse entfernt hat. i
Bei einem der so behandelten Schafe blieb nach
Entfernung der Drüse der beschriebene Zustand
15 Monate aus, als aber das Thier nun geschoren
wurde und unerwartet kalte Witterung eintrat, er¬
schien bei ihm plötzlich das Myxödem und verlief
in 14 Tagen tödtlich. — Wärme ist bei solchen
Kranken sehr dienlich; manche ihrer Symptome
bessern sich im Sommer.
Aetioloc/if. Alcohol, Syphilis, Wechselfieber
sind, nach den bisherigen Beobachtungen, bei der
Aetiologie des Myxödem ausgeschlossen. — Die
Krankheit erscheint bei Frauen im Verhältnis von
5 zu einem Mann, und sind bei diesen übermässig
langes Kindersäugen, heftige Hämorrhagien und
acuter Rheumatismus als prädisponirende Momente
angegeben worden.
Pathologische Anatomie.
Es sind erst wenige Autopsien bisher gemacht
worden — und hat man das Bindegewebe in allen
Theilen des Körpers hypertrophisch und degenerirt
gefunden. Veränderungen in der Schilddrüse sind
constant. Eine Wucherung feinen fibrösen Ge¬
webes erstickt anderes Drüsengewebe in der Thyroi-
dea und durchsetzt auch die Nervencentra, Blut¬
gefässe und Nieren.
Therapie . Da spontane Hautausdünstung den
Patienten grosse Erleichterung verschafft, so hat
man auf diesen Wink der Natur hin Jaborandi und
sein Alkaloid, das Pilocarpin, als Heilmittel bei
Myxödem angewandt; doch ist der Erfolg wohl
kein gründlicher. j
Später hat man ein quasi isopathisches Ver- i
fahren eingeschlagen, indem man die Schilddrüse
selbst, namentlich von Schafen oder Kälbern, als 1
Heilmittel verwendet hat. Zuerst inplantirte man
ein Stück von der Schilddrüse eines lebenden
Schafes an einer Stelle in das submucöse Zell¬
gewebe des Erkrankten; sodann hielt man es für
wirksamer, den Saft der Thyroidea, oder ein aus
der macerirten Drüse genommenes Extract in
Glycerin subcutan einzuspritzen. — Schliesslich
kam man aber dahin, dieses Extract oder ein ge¬
pulvertes Präparat der Drüse per os einzuführen
und am Ende zog man es vor, dem myxödematösen
Kranken die Schilddrüsen als einen Theil seiner täg¬
lichen Nahrung zu verabreichen, und will man ge¬
rade bei der letzten Gebrauchsart die besten Erfolge
beobachtet haben. -Die meisten Versuche dieser
Thyroidaltherapie sind in England und Amerika
gemacht worden, und wimmelte es letzthin in den
amerikanischen homöopathischen Zeitschriften von
Mittheilungen über derartige Beobachtungen.
Dr. Ellen L. Keith berichtete in einem Vortrage
vor der Boston Homoeopathic Medical Society (dem
wir zum Theil die obigen Notizen entnommen haben)
über drei hierhergehörige Fälle.
1. Fall. Frau A. B., 29 Jahre alt, kam im
Juni 1888 mit Dementia secundaria in das kleine
Hospital zu Boston. Sie war seit mehreren Monaten
geistig gestört, und zeitweise lärmend, aufgeregt
und gewaltthätig. Nach der Aufnahme war sie
immer ruhig, erschien zuerst blöde, beantwortete
Fragen langsam und zögernd; die Haut der ganzen
Körperoberfläche war rauh und sclnlferig. Auf der
Kopfhaut zeigte sich ein dicker, gelber, schwer ab¬
zuwaschender Schorf. Nachdem sie achtzehn Mo¬
nate im Spital war, verbrannte sie sich einen
Fingerknöchel der rechten Hand recht arg am
Radiator. Sic will das aber nicht eher bemerkt
haben, als bis sie den Finger vom Radiator weg-
gezogen hatte. Um diese Zeit ward die Diagnose
auf Myxödem gestellt, sowie auch Schwindsucht,
da die Sputa Tuberkel-Bacillen enthielten. Die Zeichen,
welche für Myxödem sprachen, waren nach dem
Redner: die beständige Rauhigkeit der Haut, die
Erscheinung von Hydrops ohne Flüssigkeit, die Ab¬
schuppung der Kopfhaut und das Haarausfallen,
sowie die Gefühllosigkeit in der Hand, dazu die
psychischen Symptome. In etwa drei Wochen starb
die Patientin an acuter Phthisis. Die Brandwunde
hatte gar keine Neigung zu heilen gezeigt.
2. Fall. Ein 37jähriges Fräulein wurde am
2. März 1892 im Krankenhause aufgenommen. Im
12. Lebensjahre hatte sie Chorea, genas aber voll¬
ständig, und war bis zum 30. Jahre arbeitsfähig;
seitdem hatte sie mannigfache widerige Empfin¬
dungen, die ihre Aerzte für mehr oder weniger
hysterische hielten. Ihre Sprache ist sehr langsam,
im Ausdruck äusserst gewählt und scharf bestimmt,
für den Hörenden wegen ihrer Eintönigkeit er¬
müdend. Ihr Haar, früher sehr dicht und weich,
ist jetzt dünn und drahtartig, am Scheitel fast ganz
18
Digitized by
Google
188
ausgegangen. Die Schädeldecke ist dick, trocken,
mit Schorf bedeckt. Die Haut ist blassgelb,
schuppig und aufgedunsen, aber nicht ödematös,
auf den Wangen oft dunkelroth. Die Zähne sind
schlecht, Zunge gross und geschwollen. Die Schild¬
drüse ist nicht zu fühlen; die Regio supraclavi-
cularis stark ausgefüllt, die Augenlider geschwellt,
und zeigt sich allgemeine Anschwellung des Rumpfeft,
der Glieder, der Füsse. Doch wechselt dies, indem
die Hände, noch eben aufgedunsen und gespannt,
infolge von Temperaturwechsel arg zusammen¬
schrumpfen. In den Füssen »fühlt sie Schwere,
kann sie zeitweise kaum aufheben. Nach einem
Bade kommt ihr der ganze Körper auf 24 Stunden
aufgetrieben und aufgedunsen vor. Sie hat ein
Gefühl von Druck rechterseits vom Scheitel den
Kopf hinab, dann werden die Glieder, dem Gefühle
nach, heiss und es steigt eine brennende Empfin¬
dung von den Füssen aufwärts; gegen kühle Luft
ist sie sehr empfindlich, bei gesteigertem Druck¬
gefühl. Beim Umdrehen Schwindel nach der rechten
Seite und Schwierigkeit beim Auftreten. Die Menses
zeitweise unregelmässig, oft geht ihnen Nasenbluten
voran. Sie bekommt Massage, kann nach Belieben
ausgehen und nach Wunsch liegen oder auf sein.
Verordnung: Kali phosphor. 3. X.
20. Juli. Seit Mitte Mai trat eine Gebärmutter¬
blutung ein, die verschiedenen Mitteln bisher Trotz
bot, nur einige Tage nachliess; auf Geist und
Körper scheint dieser Blutfluss wohlthuend zu
wirken. Patientin ist nicht mehr so besorgt, weniger
nervös; ihr Fleisch fühlt sich weicher an, gelegent¬
lich Schweiss, der seit Monaten selten gewesen
war.
8. November. Den Sommer über ging es besser,
aber mit dem kühleren Wetter zeigte sich wieder
Rauhheit der Hände und Schwäche der Glieder.
Von Zeit zu Zeit Metrorrhagie, welche die Kranke
an’s Bett fesselte, aber um diese Zeit war ihr der
Kopf jedesmal klarer. Hautausdünstung war nur
einige Male während der heissesten Tage eines
sehr heissen Sommers eingetreten und that ihr sehr
wohl.
8. Mai. 1893. Der geistige Zustand hat sich
gebessert, das Gemüth ist weit ruhiger, die Sprache
weniger langsam; sie kann ihre Gedanken leichter
ausdrücken. Ihr Gang ist schneller, aber einseitig,
die eine Körperseite scheint schwächer zu sein.
Bettruhe thut ihr sehr wohl, dann kann sie lesen,
schwätzen, und etwas nähen; aber die Anstrengung,
welche ihr das Aufsein kostet, nimmt soviel Kraft
in Anspruch, dass für andere Muskelthätigkeit nur
wenig übrig bleibt. Das Zahnfleisch ist schwammig
und wächst über die Basis der Zähne hervor, ist
aber beweglich. Sie hat seit mehreren Wochen
Calc. carb. 30. X. genommen.
Dr. Keith hat sich bemüht, eine Ursache für
diesen Fall zu erforschen. Die Anamnese ergab,
dass Patientin 1875 eine Peritonitis und 1878
Periostitis der Tibia überstarrden hat, doch scheint
sie sich von beiden völlig erholt zu haben. — 1883
machte sich übermässige Nervenaffection und körper¬
liche Ueberanstrengung deutlich bemerkbar. Ihre
Stellung als Buchhalter in einem Geschäft, das eine
halbe (englische) Meile von ihrer Wohnung entfernt
war, brachte es mit sich, dass sie zweimal täglich
diesen Weg über sehr steile Hügel zu machen
hatte. Sie giebt an, dass sie unter dein Einfluss
eines uncontrollirbaren Dranges diese Hügel Mittags
und Abends ungestüm hinaufgestürmt sei; auch er¬
innert sie sich, wie sie einmal bei eisigem Wetter
gerade vor der Regel fast eine Meile schnell ge¬
laufen sei, seit welcher Zeit die Menstruation dann
unregelmässig wurde. Als Reaction auf jene geistige
Ueberspannung erfolgte dann grosso Nervenschwäche,
so dass sie bald ausser Stande war, irgend welche
regelmässige Arbeit zu verrichten. — Etwa zwei
Jahre später — 1886 — begann die Schwellung
der Glieder, die in den Schenkeln so gross war,
dass diese sich oben einander scheuerten und das
Gehen beeinträchtigten. Um jene Zeit ward es ihr
schwer, sich im Gleichgewicht zu halten, was sie
damals für Rückenschwäche hielt, während sie es
jetzt als einen Theil ihrer gegenwärtigen Krankheit
ansehen muss.
3. Fall. Eine 36jährige Frau ward im No¬
vember 1891 aufgenommen — und Wahnsinn mit
Sinnestäuschungen diagnosticirt. Nach mehnnonat
licher Beobachtung stellte sich das Leiden als
Myxoedema heraus. Eine Zeit lang war die Haut
an ihren Händen sehr dick und rauh. Dies rührte
wohl von ihrer Gewohnheit her, die Hände immer
ein gut Theil nass zu halten und wich der Behand¬
lung; aber in letzter Zeit wiesen das Dünnwerden
der Haare, die Schwellung der Augenlider, ohne
Oedem, und die Auftreibung der Glieder auf das
Vorhandensein eines myxödematösen Zustandes hin.
(New England Gazette, August 1893.)
Neue homöopathische Literatur in Amerika.
The Bee Line Repertory by Stacy Jones, M. D,
Philadelphia, Boericke & Tafel. 1894. Price
Doll. 1.00.
Ein 210 Seiten starkes Repertorium in Taschen¬
format und in biegsamem Lederband. In rein
alphabetischer Anordnung bespricht Verfasser die
am meisten vorkommenden Krankheiten, so dass
man am Krankenbette einen für die meisten Fälle
ausreichenden Führer hat. Doch muss gleich hier
Digitized by ^.ooQle
139
gesagt werden, dass Verfasser kein homöopathisches
Repertorium geliefert hat, sondern er mischt Haus¬
mittelpraxis und Homöopathie sehr zusammen. Die
Angabe der bei den einzelnen Kapiteln genannten
Mittel ist eine sehr unzureichende. So z. B. bei
Gonorrhoe sagt er: Jacaranda tinct. 5 drops. (See
Viuegar, Potasl)., See Male.) Meningitis: Cic., Gels.,
Cimic., Ox. ac., Ipec. 2 gr., 3 h. (See Lime, Sweat.)
u. s. w.
Es muss ausserdem als ein Missgriff bezeichnet
werden, dass in einem Repertorium, welches zum
schnellen Auffinden des Gewünschten bestimmt ist,
bei fast jedem Artikel Verweisungen auf andere
Stellen des Buches gemacht werden. Man sollte
doch kurz und bündig alles gleich an den be¬
treffenden Platz hinschreiben, selbst wenn dadurch
eine Wiederholung des einmal Gebotenen eintreten
müsste.
Die so rührige Verlagsfirma würde sich ein
weit grösseres Verdienst sichern, wenn sie Reper¬
torien wie das von Boenninghausen’sche, neu
drucken liesse, z. B. die Capitel der Verschlimme¬
rung und der Besserung und etwa noch das der
Empfindungen. Diese Capitel, von einem Allen ,
Kunkel oder Hesse vermehrt und in Taschenformat
herausgegeben, würde sicher einen reissenden Ab¬
satz haben und weit mehr für die Ausbreitung
reiner Homöopathie und das Wohl der leidenden
Menschheit thun, als das immerhin gutgemeinte
„Bee Line Repertorium“.
Veneral and TJrinary Diseases by Temple 8. Hoyne,
A. M., H. D., etc. Halsey Brothers. Chicago.
1894. Second Edition.
Dr. Hoyne ist „Clinical Professor of Skin and
Veneral Diseases in Hering Medical College and
Hospital of Chicago“ und als solcher wohl be¬
sonders befähigt, dieses Buch zu schreiben. Mit
kurzen Zügen schildert er die einzelnen Krankheits¬
zustände und giebt nachher eine wirklich meister¬
haft geordnete Mittelübersicht, die hauptsächlich
die alten ausgeprüften Mittel darstellt.
Die verschiedenen Capitel heissen:
Veneral Diseases . Primary Syphilis. Secondary
Syphilis. Terciary. Hereditary Syphilis.
Gonorrhoe and Gleet. Gonorrhoe. Gleet.
Repertory . Gonorrhoe and Gleet of men.
Gonorrhoe of Women. Complications of Gonorrhoea.
Impotence. Onanism. Spermatorrho ea.
Urinary JHseases. Diseases of the Kidney.
Albuminuria. Cystitis. Diabetes. Dysuria. Enuresis.
Hematuria. Retention of Urine. Stone Calculus.
Stranguria. Suppression of Urine. Urging to
Urinate. Condition of the Stream.
Index .
Es ist ein reichhaltiges Buch für jeden Arzt
und ganz besonders für den Specialisten, dem es
manche Operation ersparen würde bei rechtem
Studium desselben. Das Werk von 133 Seiten,
gut gebunden, kostet nur Doll. 1.00.
Bepertory to the more Characteristic Symtoms of
the Materia Medica Arranged by Constantine
Lippe, A. M. M. D. Second Edition. Price
Doll. 2 75 to Doll. 5.
Unter den amerikanischen Repertorien nimmt
dieses von Lippe doch einen hervorragenden Platz
ein, denn es ist ein ziemlich vollständiges und
wohlgeordnetes Werk. Dr. Lippe dedicirte es dem
alten Hering, von dem er es ja eigentlich empfangen
hatte durch seine Vorlesungen.
In systematischer Anordnung bespricht Verfasser
die verschiedenen Symptome auf 822 Seiten, deren
jede einmal gespalten ist, sodass man dadurch und
durch den engen Druck ein sehr inhaltsreiches
Werk hat.
So gut aber der Inhalt auch ist, so viel lässt
der Druck zu wünschen übrig. In einem Privat¬
briefe theilt mir die Wittwe des leider verstorbenen
Verfassers mit, dass sie daran unschuldig ist und
sie wird dafür sorgen, dass eine neue Auflage
tadellos erscheint.
The Bioohemio System of Medioiu eto. by Geo. W.
Carey, M. D. St. Louis. F. A. Luyties. 1894.
Schüsslers Biochemie hat bekanntlich in Amerika
eine begeisterte Aufnahme gefunden und auch
haben manche kräftige Arbeiter sich gefunden, die
diesen Zweig der Heilkunde weiter ausführten. So
sind ja genaue symptomatische Anzeigen für die
Wahl -des Mittels ganz besonders von Amerika aus¬
gegangen. Auch obiges Werk ist dazu angethan,
die Biochemie in weitere Kreise einzuführen und
wird jedenfalls manchen Arzt und Laien dem
Schosse der Alloeopathie entreissen.
In Part. 1 giebt Verfasser eine Darstellung
der Biochemie, in Part. 2 führt er die Materia
Medica der 12 Gewebsmittel vor, Part. 3 stellt in
alphabetischer Anordnung die Therapie dar und
giebt viele klinische Fälle, während Part. 4 das
Repertorium enthält.
Es hat dieses Buch aber auch viel Staub auf¬
gewirbelt im eigenen Lager, denn vor ca. einem
Jahre veröffentlichten Boericke & Tafel die dritte
Auflage desselben Werkes, welches von den Drs.
Boericke und Dewey bearbeitet ist Dieses Werk
wurde zuerst von jenen beiden Aerzten im Jahre
1888 veröffentlicht, erlebte 1890 die zweite und
1892 die dritte Auflage, ist also gewissermassen
das Original. Da nun das obengenannte Werk von
Carey genau dieselbe Eintheilung hat, viele ähnlich«'
Stellen im Texte bietet, so behauptet die Firma
18*
Digitized by
Google
140
des älteren Werkes, dass Carey gestohlen habe,
wogegen dieser und seine Verlagsfirma sich aller¬
dings energisch verwahren.
Wie weit die eine oder die andere Firma im
Rechte ist, das zu entscheiden ist wohl nicht so
leicht, denn es ist ja ebensogut möglich, dass die
respectiven Verfasser dieselben Gedanken gehabt
haben. So viel ist aber sicher, dass wer das eine
Werk besitzt, der braucht sich das andere nicht
zuzulegen, denn er dürfte darin doch kaum etwas
neues von Bedeutung finden. Beide Werke sind
mit ganz besonderem Fleisse verfasst und sehr
brauchbar, zumal sie ausgezeichnete klinische Fälle
bieten und die ganze Anlage das ist, was man
gerade gebraucht, eine gute, bestimmte Therapie.
Der Preia ist für beide gleich, nämlich
Doll. 2.50. Carey’s Werk hat 444 Seiten, Boericke
und Tafel’s nur 384, ist dafür aber enger ge¬
schrieben.
Essentials of Materia Medica etc. by W. A. Dewey,
M. D. Philadelphia, Boericke & Tafel. 1894.
Price Doll. 1.50.
Es ist wohl kein besseres Werk über diesen
Gegenstand erschienen, welches in möglichster
Kürze so viel bietet, wie gerade Dr. Dewey’s vor¬
liegendes Buch. Auf 269 Seiten bringt Verfasser
in Form von Fragen und Antworten das No tb-
wendigste über die homöopathische Materia Medica
in anziehendster Form. Capitel 1 bespricht in aller
Kürze das Wesen der Homöopathie. Capitel 2
bringt die Grundsätze der homöopathischen Pharmacy.
Capitel 3 behandelt in charakteristischer Weise die
Symptomatologie der vegetabilischen Arzneien.
Capitel 4 die der animalischen, Capitel 5 die der
Nosoden oder der animalischen Producte und
schliesslich Capitel 6 die der Mineralien.
Um zu zeigen, was das Werk bietet, wolle man
mir gestatten, dass ich hier den Abschnitt über
unsere Chamomilla hinschreibe.
Charnomilla. Wo erhalten wir diese Arzenei?
Sie wächst in Europa und unsere Tinctur ist von
der ganzen blühenden Pflanze gemacht.
Welche ist die allgemeine Wirkung der Ih'ogue?
Chamomilla scheint auf die vom Rückenmarke aus¬
gehenden Empfindungsnerven einzuwirken, ein
Stadium excessiver Hyperaesthesie erzeugend. Diese
Ueberempfindlichkeit ist von einem entsprechenden
Gemüthszustande begleitet, einer mürrischen,
schnippischen Erregbarkeit. Sie wirkt auch her¬
vorragend auf die Verdauungsapparate und ist be¬
sonders passend für Kinderbeschwerden während
der Zahnperiode.
Was ist das hervorragend Charakteristische der
Arznei? 1. Der Gemütszustand, Unerträglichkeit
der Schmerzen etc. 2. Verschlimmerung durch
Wärme. 3. Verschlimmerung des Abends und des
Nachts.
Welches sind die charakteristischen Geistessymptome
der Arzenei? Verdriesslichkeit und Erregbarkeit.
Das Kind ist ungeduldig und ruhelos, wünscht um¬
hergetragen und geschmeichelt zu werden; verlangt
Dinge und schreit, wenn es sie nicht bekommt,
wirft sie aber von sich, wenn es sie erhält; es
ist besonders empfindlich gegen Schmerz, schnippisch,
kurz angebunden und kaim nicht höflich sein;
Folgen von Aerger.
Nenne zwei andere Mittel gegen die sddimmen
Folgen von Aergerf Staphisagria und Bryonia.
Gieb die Indicationen für Chamomilla in Schlaf¬
losigkeit der Kinder . Auffahren im Schlafe, die
Muskeln der Hände und des Gesichtes zucken; es
mag Kolik vorhanden sein und das Gesicht, be¬
sonders eine Backe, ist rotli.
Was sollte gegeben werden , wenn ausserdem
Delirien vorhanden sind? Belladonna.
Was ist das Charakteristische der rheumatischen
Schmerzen? Sie treiben den Patienten aus dem
Bette und nöthigen ihn, umher zu gehen und der
Schmerz macht ihn fast wahnsinnig.
Drei andere Arzeneien , Rhus toxFeer, met.
und Veratrum alb ., haben Besserung der Schmerzen
durch Bewegung; wie sind sie von Cham, zu unter¬
scheiden? Sie alle haben nicht die Fieberliaftigkeit,
Aufregung und Reizbarkeit.
Welches sind, die Naseusymptome von Chamo¬
milla? Verstopfte Nase mit wässerigem Ausfluss;
Niesen und Unmöglichkeit schlafen zu können.
Ein trockner Kitzelhusten hält das Kind wach,
oder ein rasselnder Husten, als ob die Bronchi
voller Schleim wären.
Art welche andere Arzeneien muss gedacht
werden bei Erkältung der Kinder mit verstopften
Nasenlöchern? Nux vom., Sambucus und Sticta.
Welche Diarrhöe hat Chamomilla? Stuhl gelb¬
lich-grün, schleimig, wie gehackte Eier aussehend,
oder wie Spinat, vom Geruch fauler Eier, bei
zahnenden Kindern, oder nach Erkältung begleitet
von Kolik und wundem Anus, verursacht durch den
heissen Stuhl.
Wann sollte Charnomilla. unter der Geburtsarireit
gegeben werden? Wenn die Wehen im Rücken
beginnen und durch die Innenseite der Schenkel
| abgehen und wenn der Patient intolerant gegen
I den Schmerz ist, macht viel Lärm, ist ungeduldig
| und boshaft, das Os rigid.
I Wann ist Chamomilla in Unterdrückung der
j Milch angezeigt? Wenn sie eine Folge von
| Aerger ist.
Dr. med. Staads.
Digitized by k^ooQle
141
Therapeutisches
Taschenbuch für homöopathische Aerzte
von v. Boenninghausen.
Die von der Marggraf sehen Officin angekündigte
neue Auflage dieses am Krankenbette unentbehr¬
lichen Werkes ist ein Ereigniss, und zwar ein
hochwillkommenes, seit langer Zeit herbeigesehntes
Ereigniss. Wie zum Kriegführen Geld und wieder
Geld nöthig ist, so zur erfolgreichen homöopathischen
Behandlung die Arzneimittellehre und immer wieder
die Arzneimittellehre. Jedes Hilfsmittel, das an¬
scheinend unübersehbare Gebiet der Arzneien und
ihrer brauchbaren Symptome zu bewältigen, muss
benutzt werden und das beste, auch von Hahne-
mann selbst anerkannte und freudig begrüsste
Repertorium ist das unseres Münsteraner Alt¬
meisters. Ueberall, wo die Homöopathie Eingang
fand mit dem Organon und der reinen Arznei¬
mittellehre, ist auch das Taschenbuch vorgedrungen
als unzertrennlicher Begleiter.
„Der homöopathische Arzt bedarf in der Praxis
irgend einer abgekürzten, leicht übersichtlichen und
das Charakteristische hervorhebenden Zusammen¬
stellung der Symptome, um seinem Gedächtnisse zu
Hilfe zu kommen, damit er im Stande sei, bei
jedem concreteu Krankheitsfalle unter den im All¬
gemeinen indicirten Mitteln das homöopathisch
passendste Heilmittel mit Sicherheit und ohne
grossen Zeitverlust zu finden.“ (v. Boenn.)
Wenn der Arzt in einem Krankheitsfalle con-
statirt hat, dass die Lage auf der linken Seite ver¬
schlimmert, ist er da berechtigt, nur zwischen
Phosphor, Pulsatilla und Natr. muriat. zu wählen,
von denen er zufällig weiss, dass sie diese Ver¬
schlimmerung haben? Nein, er soll seine Wahl
treffen unter sämmtlichen Mitteln, welche dieses
Symptom haben und diese wiederum findet er in
obigem Taschenbuche und zwar geordnet nach der
Häufigkeit und Bedeutung des betreffenden Symp¬
toms für das einzelne Mittel.
Vor einigen Tagen consultirte mich eine Frau
vom Lande wegen einer linksseitigen chronischen
Conjunctivitis und Blepharitis, beides, sowie der be¬
gleitende Kopfschmerz, verschlimmert durch Links¬
liegen , was Herzklopfen hervorruft, niedrige Lage
des Kopfes und Bücken. Verschiedene Arzneien,
worunter Sulfur, hatte ich ohne bleibenden Nutzen
vorher verordnet und schwankte jetzt zwischen
Phosphor und Spigelia. Beim Nachschlagen in dem
Taschenbuch fand ich unter „Lidränder“ Phosphor
gar nicht, Spigelia hervorragend genannt; dadurch
wurde die Wahl für Spigelia entschieden.
In jedem Krankheitsfalle, wo das Mittel nicht
klar auf der Hand liegt, wo es gilt, zu suchen,
das eine Mittel gegen das andere abzugrenzen und
abzuwägen, bewährt sich unser Taschenbuch. Ob
Hoch-, ob Tiefpotenzier, beide brauchen es, denn
beide sollen und wollen das Simile finden. Die
Amerikaner, bei denen das Buch in hohem An¬
sehen steht, haben vor Jahren schon ciue neue
englische Auflage veranstaltet.
Mögen die deutschen homöopathischen Aerzte
durch ausnahmslose Subscription das Unternehmen
ermöglichen. Dr. Hesse-Hamburg.
Das Hahnemann-Denkmal in Amerika.
Wir lesen im „North American Journal of
Homoeopathy“ :
Diejenigen, die noch einen Zweifel an dem Zu¬
standekommen eines Standbildes Hahnemanti’s hegen
mochten, werden nicht mehr lange zu warten
brauchen, um ihren Zweifel gründlich behoben zu
sehen, denn bald wird das Project auch wirklich
ausgeführt werden. Das American Institut of Ho-
moeopathy hat sich grossartig dafür eingesetzt. Die
Zustimmung der Mitglieder der letzten Jahres¬
versammlung zum Vorschläge des Comitös war eine
vollständige und enthusiastisch-einstimmige. Die alten
Herren machten den Anfang und subscribirten
4000 Dollars (20000 Mk.). In der folgenden Vor¬
mittagssitzung wurden 10000 Dollars (50000 Mk.)
subscribirt. Mehr als 20000 Dollars sind dem
Comitö zugesichert und es kann daher kein Zweifel
mehr an der Ausführung des Entwurfs bestehen.
Iin nächsten Jahre — in New-York — wird
man noch Alles Zusammenhängen, was zur Deckung
der etwa noch erübrigenden Kosten fehlt. Die An¬
lagen für das Monument, das 50000 Dollars —
250000 Mk. kosten wird, sind bereits vollendet.
Ref. Dr. Kafka.
Lesefruchte.
Beitrag zur Aetherbehandlung bei ein¬
geklemmten Brüchen.
Von Dr. Ettinger, Spitalarzt in Galatz.
Im Jahre 1891 publicirte Dr. Finkeistein über
93 Fälle eingeklemmter Hernien, bei denen eine
Reduction entweder spontan oder nach voraus¬
gegangener Berieselung der Bruchgeschwulst mit
Schwefeläther erfolgt war. Gewiss ein glänzender
Erfolg, der zur Nachahmung aufforderte.
Dr. Ettinger theilt nun drei auf solche Art von
ihm behandelte Fälle mit:
1. Herrda ingwnalü sinistra . Der Leistenbruch
war bei einem 23jährigen Manne jetzt zum ersten
Digitized by
Google
142
Mal, beiin Heben eines schweren Mehlsackes, lier-
vorge treten. Patient versuchte den Bruch zurück¬
zubringen, indem er alle möglichen Gewichte darauf-
logte, aber ohne Erfolg.
Seit dem ersten Tage der Einklemmung ist
kein Stuhl erfolgt; am zweiten Tage begann Er¬
brechen , was noch in Gegenwart des Arztes
geschah. Das Vomirte riecht faculant. Patient ist
gut und kräftig gebaut; Puls klein und beschleu¬
nigt; die Extremitäten mit Schweiss bedeckt. Das
Abdomen aufgetrieben, tympanitisch. In der linken
Inguinalgegend bemerkt man einen Tumor von
der Grösse einer Orange, von harter Consistcnz,
sehr schmerzhaft und irreductibel. Nachdem weder
nach einem warmen Bade, noch einem Taxis-Ver¬
suche irgend eine Veränderung bemerkbar ist, eine
Operation verweigert wird, schreitet Verfasser zur
Aetherbehandlung. Zu dem Zwecke wird Patient
in Rückenlage mit erhöhtem Kreuz gebracht, die
Beine flectirt, das Scrotum durch ein kleines Kissen
gehoben. Nachdem die ganze Schamgegend rasirt,
die Genitalien sowie der Anus und die benachbar¬
ten Partieen durch Einölen mit Ol. olivarum (oder
Vaseline) geschützt waren, giesst Verfasser sowohl
auf die Geschwulst als besonders auf den ein¬
klemmenden Ring von 10 zu 10 Minuten zwei
Löffel Schwefeläther. Nach zweistündiger Fort¬
setzung dieses Verfahrens war der Tumor nicht
mehr so hart noch so schmerzhaft als vorher. Sechs
Stunden nach Beginn der so regelmässig fort¬
gesetzten Berieselung konnte die Hernie auf
leichten Druck hin völlig reponirt werden. —
Andern Tags hatte Patient einen reichlichen Stuhl.
Er ist jetzt noch, beim Tragen eines guten Bruch¬
bandes, völlig gesund.
2. Hemia inguinalis dextra incarcerata. Ein
10jähriges Kind leidet seit seinem vierten Jahre
an einem Bruch, der aber immer leicht zurückging.
Vor sechs Tagen bei einem Sprunge trat der Bruch
heraus und konnte seitdem nicht reponirt werden.
Am dritten Tage beginnt Erbrechen, Singultus
und ausserordentliche Unruhe. Seit sechs Tagen
kein Stuhl.
Am sechsten Tage Allgemeinbefinden des Kin¬
des schlecht; Puls klein, beschleunigt, Gesicht ein¬
gefallen, mit kaltem Schweiss bedeckt, Leib auf¬
getrieben, tympaniti8ch. In der rechten Inguinal-
gegend eine Geschwulst in der Grösse eines Gänse¬
eies, die hart und druckempfindlich ist. Die Haut
darüber geröthet. Mit Rücksicht auf den elenden
Zustand des Kindes stand Verfasser von allen
weiteren Repositionsversuchen ab, um so mehr da
er annehmen musste, dass die Hernie (der Behaup¬
tung der Eltern entgegen) eine angeborene war,
wobei die Taxis widerrathen wird.
Um 2 Uhr begann Verfasser die Ueberrieselung
der Geschwulst mit Schwefeläther von 10 zu 10
Minuten; nach 5 Stunden war der Tumor merklich
kleiner und weniger schmerzhaft. Auf einen ge¬
ringen Druck gelang es nun endlich, das ersehnte
Geräusch des zurückgleitenden Darms zu hören.
In der darauffolgenden Nacht hatte das Kind zwei
Stühle und fühlte sich bedeutend besser; am näch¬
sten Tage noch einen Stuhl. Das Kind stand nach
einigen Tagen völlig gesund auf und blieb es.
3. Hemia ingidnalia dextra incarcerata . Ein
7 4 jähriger Mann will von der frühesten Jugend¬
zeit an einem doppelseitigen Leistenbruch gelitten
haben; er trug ein Bruchband und hatte nie Be¬
schwerden gehabt. In der Nacht vom 8.|9. März
1892 stand er des Stuhlganges wegen auf, presste
dabei stark und bemerkte, als er sich wieder zu
Bette legte, dass der linksseitige Bruch zurückging,
der rechtsseitige aber nicht zurückzubringen war.
Um 8 Uhr früh, etwa 5 Stunden nach erfolgtem
Austreten des Bruches, machte Dr. E. die Taxis,
15 Minuten lang, ohne Erfolg. Nun ein warmes
Bad. Die zwei Stunden später wiederholte Taxis
der inzwischen grösser gewordenen Bruchgeschwulst
war wieder erfolglos. Nun liess er durch seinen
Assistenten die Berieselung der Geschwulst in
obiger Weise vornehmen. Nach 4*1* Stunden ge¬
lang die Reposition schmerzlos nach zwei Minuten
langer Taxis.
(Betz’ Memorabilien, 1892, p. 36.)
Die Calomelbeh&ndlung in einem Fall yod
hypertrophischer Leberscirrhose.
Von Dr. L. Sior.
Dr. Sior theilt einen Fall von hypertrophischer
Leberscirrhose bei einem 30jährigen Manne mit,
bei dem nach mehr als 3 | 4 jähriger erfolgloser Be¬
handlung sich Calomel von entschiedener Heil¬
wirkung zeigte. Schon am dritten Tage nach An¬
wendung dieses Mittels war Patient lieber- und
schmerzlos. Die ikterische Färbung war bis auf ein
ganz leichtes gelbliches Colorit von Haut und Sklera
verschwunden. — Die gesammte Ernährung und
der Kräftezustand des Mannes haben sich bedeutend
gehoben, nachtheilige Mercurialerscheinungen nicht
eingetreten. — Die Leber zeigte anfänglich keine
Abnahme des Umfanges, trotz der eingetretenen
Besserung, doch trat im Laufe der dreimonatlichen
Calomelbehandlung eine sehr merkliche Verkleine¬
rung des Organs ein, und zwar beträgt diese Ab¬
nahme, wenn man den unteren Leberrand durch
Palpation bestimmt, in der Mammillarlinie 6, in der
Parasternallinie 4 1 .,, in der Mittellinie 5 cm. Auch
die Milzdämpfung hat eine entsprechende Ver¬
kleinerung erfahren.
Digitized by ^.ooQle
Verfasser gab das Calomel in Einzeldosen von
0,05 sechs Mal täglich in zweistündigen Pausen,
und zwar immer drei Tage lang, dann drei Tage
Pause und so fort im Wechsel im Ganzen vier
Wochen lang. Von da ab erhielt Patient nur noch
vier Mal täglich 0,05 auf drei Tage, dann drei
Tage Pause. Andere Mittel kamen nicht in Ge- !
brauch, nicht einmal ein Mundwasser, und trotzdem
wurde me eine Spur von Stomatitis beobachtet
während des dreimonatlichen Calomelgebrauches.
Einmal trat etwas Durchfall ein, und zwar am
ersten Tage einer Pause, aber so gering, dass man i
nicht dagegen einzuschreiten brauchte; nur wurde
die betreffende Pause Vorsicht halber auf fünf
Tage verlängert. '
(Ob Syphilis zu Grunde lag, ist nicht an¬
gegeben. Ref.)
(Betz’ Memorabilien, 1892.)
J Personalia.
Der homöopathische Arzt Dr. TostlOwe in Grimma,
Seminararzt daselbst, ist am 22. Juli d. J., 64 Jahr
alt, verstorben. — Dr. T. Kramer ist von Bremen
nach Karlsruhe uud Dr. Förg von Ludwigsburg
, nach Neustadt a. d. Hardt übergesiedelt. — Dr.
Gustav Pröü prakticirt jetzt vom Oktober ab in
den Wintermonaten in Graz (früher in Meran).
Anzeigen.
Verschiedenen an mich ergangenen Wünschen entspre- |
chend habe ich für die Inserate den Preis für die ein¬
mal gespaltene Petitzeile und deren Raum auf 20 Pfennige
herabgesetzt und berechne für Beilagen in Zukunft nur
5—8 Mark.
Leipzig, den 1. Ootober 189t. i
A. Marggraf 8 Homöopath. Officin.
Diejenigen Herren
Homöopathen
welche die grossen Wirkungen der
electrischen Behandlung
namentlich bei chronischen Krankheiten beobachtet
haben, bitte ich, als einer der leistungsfähigsten
Fabrikanten electrischer Maschinen, sich mit mir in
Verbindung zu setzen. Ein Tgutes Nebeneinkommen
ist ihnen gesichert.
Gustav von Mayenburg, Dresden-Neustadt.
Durch die Liebenswürdigkeit de^ Herrn Dr. Kunkel
soeben in den Besitz von
Behring’schem Diphtherie-Serum :
gekommen, offerire ich dieses Mittel den homöopathischen i
Aerzten zu Versuchen in 1
001.—0030. Potenzen (flüssige und Verreibungen).
Auf Wunsch fertige auch noch höhere Potenzen an.
Leipzig, den 19. October 1894.
A. Marggrafs Homöopath. Officin. j
Reeeptur-Tapirwaagen. j
I)a neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir- j
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter ]
50-60 Mark zu haben sind, so habe ich billige und ftir
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel |
versehene und geaieilte Receptur-Tarirwaagen auf einfachem
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offerireu kann. |
Leipzig. A. Marggrafs Homöopath. Officin.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Collectionen vom 1. bis 128. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und von den
letzten zehn Bänden, so weit der Vorratb reicht,
auch einzelne Nummern zu billigsten Preisen.
A. Marggrafs Homöopath. Officin in Leipzig.
Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig
(Sidonienstrasse No. 44)
eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopathischen
Central verein 8 Deutschlands, nach Muster der besten und
ersten Krankenhäuser und nach den neuesten Erfahrungen
eingerichtet, wird den Anhängern und Freunden der Homöo¬
pathie sowohl zur Benutzung in schweren Krankheitsfällen
als auch zur wohlwollenden Unterstützung aufs Wärmste
empfohlen, damit auch Unbemittelten der Segen der homöo¬
pathischen Heilmethode zu Theil werden kann. Beiträge
jeder Art, auch die kleinsten, nimmt der KaasenVerwalter,
Apotheker W. Steinmetz, in Firma A. Marggrafs homöo¬
pathische Officin in Leipzig, jederzeit dankbarst entgegen.
Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des mit
einem Krankenpensionate L und II. Klasse verbundenen
homöopathischen Krankenhauses hierselbst können sowohl
von der Direction dessel)>eii, wie am-li von uns bezogen
werden.
Digitized by
144
Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend. (Vervollständigt.)
Auf häufig vorkommende Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei
selbstdispensirenden homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben:
1. Den Approbatlonssohein. !
2. Das Zengnlss über das ln Berlin bestandene |
Dlspenslrexamen. i
3. Die Genehmigung zum Halten einer homöopa- |
thlschen Hausapotheke. (Diese wird von dem Re¬
gierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Ver¬
hältnisse widerruflich ertheilt.)
4. Eine Sammlung aller das Selbstdlspenslren der
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen¬
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg.
homöopath. Ztg., 128. Bd., oder die neuesten Apotheker¬
gesetze von Medicinalassessor Feldhaus, Münster i. W.).
5. Ein Journal über die abgegebenen Arzneien (Men¬
gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der
Patienten, Datum etc.
(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien¬
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwenduogs-
weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere j
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.)
6. Eine homöopathische Pharmakopöe. (Es ist nicht |
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von '
Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel-
Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.)
7. Revlslonsmässlge Einrichtung der Hausapotheke.
Dazu gehört:
a) Ein separates Zimmer.
b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. 1 laut I
(Giftschrank) I meinen
c) 1 „ ,, „ Separanda, Tab. C.f früheren I
(Separandaschrank) | Offerten. .
d) 1 „ „ Nicht-Separanda
e) Alle in Lorbachers Anleitung angegebenen 52 Mittel
in D. 1. bez. C. 1. flüssigen Potenzen oder Vor- |
reibungen (in einfachen Gläsern mit Korkstöpseln
oder in solchen mit Glasstöpseln, — Quantitäten I
ä 15,0 genügen). ,
[Alle Venena — Tab. B. — Urstoffe, Ur-
tincturen und ihre 1). 1., D. 2. und D. 3. Potenzen '
müssen im Giftschranke auf bewahrt werden und
„weiss auf schwarz“ signirt sein.
Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, 1
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D 3.
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im ;
Separandascbranke aufbewahrt werden und ,.roth
auf weis8“ signirt sein.
Alle Hftcht-Separanda und die weiteren
Potenzen der Venena und Separanda von
D. 4. (inclusive) aufwärts müssen ausserhalb der
Gift- und Separandaschränke in einem dritten
Schranke aufbewahrt werden und „schwarz auf
weiss“ signirt sein. — Manche Revisoren gehen
soweit, für die äusserliehen Mittel Signaturen
„weiss auf rotli“ zu verlangen; eine derartige
Reichs Verordnung ist mir jedoch nicht bekannt
und bin ich der Ansicht, dass man sich diesem
Wunsche nicht zu fügen hat. Sind die äusser-
liehen Mittel sonst richtig signirt — „schwarz
auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je nachdem
sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und
in sechseclagen Gläsern, so sind sie vorschrifU-
mässig eingereiht.
Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Of¬
ferten alle hier zu haben.]
0 Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel
für die Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit ent¬
sprechender 8ignirung, analog den Vorschriften,
die unter e) genannt sind.
ln manchen Regierungsbezirken verlangt man
nur: 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“
signirt.
In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia,
Alcaloide, Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage,
1 Mörser und 1 Löffel, separat und besonders
signirt.
(Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch ge¬
liefert.)
g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt,
die von Aorzten fast nie gebraucht wird und sehr
theuer ist. (Unter 50—60 Mark sind sie nicht
zu haben; ich habe daher solche in einfachster
Ausführung, auf einfachem Brette, für Revisions-
Zwecke genügend, hersteilen lassen, die ich zum
Preise von 24 Mark offeriren kann.)
h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur
Bereitung von Potenzen, Verreibungen etc. und zur
Abgabe der Arzneien, als: präcisirte Waagen, Ge¬
wichte, Mörser, Löffel, Trichter, Mensurirgläschen,
Fläschchen, Schachteln, Korke, Beutel etc. etc.
i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die
Herren Revisoren von allen in den ärztlichen
Hausapotheken vorhandenen Mitteln die 1. Poten¬
zen vorräthig zu sehen, während meistens nur die
unter e) angeführten 52 Mittel in solchen ver¬
langt werden.
k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch
ein Waaren-Eingangsjoumal mit Angabe der Be¬
zugsquellen und Aufführung jedes einzelnen be¬
zogenen Mittels, wozu ich als Belege ganz spe-
cificirte Rechnungen liefern muss, auf denen jedes
Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und Preis
einzeln aufgeführt ist.
Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu
Diensten stehe, bestens und billigst.
Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen
gemachten Erfahrungen obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt
worden sind, damit man endlich einmal in die Lage kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte An¬
gaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung in den einzelnen Regierungs-
bezirken nieht möglich war. A . M arggra f s homöopathische Offlcin, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Vorlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlcin) in Leipzig.
Druck von Julius MRkpt in Leipzig.
Digitized by ^.ooQle
Band 139.
Leipzig, den 8. November 1894. No. 19 U. 30.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITÜG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Yerleg von William Steinmetz (A.Marggrars homöopath. Offlein) in Leipzig.
Erscheint Utftgig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. 60 Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97des Post-Zeitungs-Verzeiohnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasenstein db Vogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf . pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet.
Inhalt. Carbo vogotabilis von Professor Kent. Von Dr. Hesse-Hamburg. — Bericht Ober die freie Vereinigung
der homöopathischen Aerzte Schleswig-Holsteins und der Hansastädte. Von Dr. med. Waszily. — Bedenken gegen die
Serum-Therapie. Von Dr. H. Goullon. — Herbstversammlung des sächsisch-anhaltinischen Vereins homöopathischer
Aerzte in Magdeburg. — Zum internationalen homöopathischen Congress in London 1896. — Aufforderung zur Subscrip¬
tion auf v. Boenninghausen's Therapeutisches Taschenbuch. — Quittung des Homöopathischen Krankenhauses zu Leipzig. —
Quittung der Unterstfltzungsaasse für Wittwen homöopathischer Aerzte. — Beglückwünschung. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage
Carbo vegetabilis von Professor Kent.
Von Dr. Hesse-Hamborg.
Die hervorragende Bedeutung, welche Kent der
Holzkohle in der Behandlung des Keuchhustens zn-
misst und die Ueberzeugung, dass dieses Mittel zu
den unentbehrlichsten unseres Arzneischatzes ge¬
hört, von dem man nie zuviel lesen und hören
kann, veranlassen mich, eine Vorlesung von Kent
über Carbo veg. wiederzugeben und, zur Ergän¬
zung, in Klammern andere Autoren zu Worte kom- I
men zu lassen. !
„Ein näheres Studium des Keuchhustens einer¬
seits, der Holzkohle andererseits, wird Ihnen sagen,
meine Herren, dass beide zusammengehören. Carbo
veg. heilt den Keuchhusten nicht immer, aber oft.
Ein charakteristischer Zug dieses Mittels, den
Sie bei Asthma, Bronchitis, Keuchhusten finden wer¬
den, ist der unaufhörlich quälende Morgenhusten,
welcher den Kranken nach dem Frühstück zwingt,
alles, was im Magen ist, auszubrechen.
Sie werden später nicht selten in den Fall
kommen, dass eine Botschaft aus der Vorstadt oder
vom Lande erscheint. Sie sollen für Johnnie
etwas verschreiben; Johnnie hat den Keuchhusten.
Nun wissen Sie ja, dass wir kein Mittel gegen
den Keuchhusten haben, so allgemein gesprochen ,
Nun entspricht aber Carbo veg. so sehr der
i Natur des Keuchhustens, dass Sie dieses Mittel
ruhig geben können, wenn Sie nicht die Möglicli-
| keit, haben, den Fall zu sehen. Ich habe niemals
gesehen, dass Carbo veg. einen solchen Fall ver¬
hunzt hat. Carbo veg. heilt sehr viele, sogar bei
j dieser oberflächlichen Verordnungsweise, und modi-
ficirt und vereinfacht die anderen Fälle. Zum
Keuchhusten scheint Carbo in einem ähnlichen Ver¬
hältnisse zu stehen, wie Sulphur zu manchen psori-
schen Erscheinungen: beide Mittel klären den Fall.
Wenn ich also nicht weiss, was geben beim
Keuchhusten, gebe ich vier nummerirte Pulver,
von denen No. 1 Carbo veg. enthält (Kent ist
exclusiver Hochpotenzier) und treffe die Anordnung,
dass ich das Kind sehen muss, wenn nach Ver¬
brauch der vier Pulver keine bedeutende Besse¬
rung eingetreten. (Kent giebt nicht an, in welchen
Zwischenräumen die Pulver genommen werden
sollen, aller Wahrscheinlichkeit nach täglich ein
Pulver.)
Sie werden nach dieser Verordnung gewöhnlich
das Kind in einer vortrefflichen Verfassung finden,
wo eine kurzwirkende Arznei, wie Drosera, passt.
Drosera ist complemenfcär zu Carbo veg. und wird,
wenn es passt, den Rest des Hustens in längstens
acht Tagen wegnehmen.
Digitized by
146
(Dieser Hinweis von Kent auf Carbo veg. bei
Keuchhusten, £ falls andere Symptome fehlen, ist
um so bemerkenswerther, als Kent sonst ausser¬
ordentlich scharf individualisirte; v. Boenninghausen
sagt von Carbo veg.: „Dies ist eines unserer besten
Keuchhustenmittel, besonders im Anfänge der Krank¬
heit, welches in manchen Epidemieen, besonders bei '
nasskalter Witterung, oder bei kaltem Frostwetter
häufige Anwendung findet. Es passt oft nach Vera- |
trum, nachher China odef Drosera.) j
Carbo veg. afficirt speciell das venöse System, i
.Wir bemerken, dass die Natur bei ihren Heil- I
versuchen gewöhnlich von innen herausheilt. Da
das Blut gleichsam die Quelle des Lebens und die <
Venen weiter nach aussen, oberflächlicher liegen, '
als die Arterien, so sehen wir die Venen öfters j
krankhaft afficirt als die Arterien. Wie bei kranken
Individuen, so herrscht auch bei einzelnen Arzneien
das Bestreben, die Krankheitsstoffe abzuwerfen, bei |
den einen auf Haut und Schleimhaut, bei den an¬
dern auf das venöse System. [
Hamamelis, Pulsatilla und Carbo veg. afficiren ,
besonders die Venen. Carbo veg. afficirt die Haut
nur durch die Venen. Was folgt hieraus für die
Stellung von Carbo veg.?
Die acuten Miasmen haben ihren bestimmten
Lauf und Ablauf, aber, entweder durch schlechte
Behandlung oder Mangel an Behandlung kommen
jetzt psorische Erscheinungen. Die Natur versucht
auch diese zu eliminiren, aber die geschwächte
Lebenskraft vermag sie nur bis in die Venen zu
bringen und dann bekommen wir venöse Con-
gestionen, Stauung, Varicen, Blutungen wegen
Brüchigkeit der Gefässwände. Da ist die Holzkohle
am Platz.
Sobald wie Ihnen die Mutter klagt: „Mein Kind
ist krank seit den Masern“ oder: „Meine Tochter
ist seit dem Keuchhusten nie ganz wohl gewesen“
oder: „Seitdem ich das Fieber hatte, fehlt mir
immer etwas,“ dann wissen Sie, womit Sie es zu
thun haben: es sind Ausbrüche von Psora, zurück -
datirend auf das acute Leiden.
An der Spitze der für diese Fälle passenden
Arzneien steht Carbo veg.
(Nach jeder acuten Krankheit kann ein solcher
Zustand der Schwäche und Reactionslosigkeit ein-
treten. Besonders häufig sah ich ihn in den In-
fluenzaepidemieen. Die Influenza besitzt hervorragend
die Eigenschaft,alteKrankheitsstoffe aufzuwühlen, die
latente Psora zu wecken. Kent stellt Carbo veg. j
an die Spitze der hierher gehörigen Mittel. I
Es kann aber jede unserer tief eingreifenden
Arzneien am Platze sein, welche jedesmal? Das |
würde sich ergeben aus dem Symptomenbilde, wie 1
es sich aus Gegenwart und insbesondere Vergangen¬
heit des Patienten zusammensetzt. |
Einzelne Zeichen der Constitution wird man
aus dem Vorleben, andere aus dem gegenwärtigen
Zustande entnehmen können. Am häufigsten schien
mir in solchen Fällen der Schwefel indicirt Nach
dem Hinweise von Kent würde man Carbo veg.
nicht ausser Acht lassen dürfen. Wenn die Holz¬
kohle passend ist, werden einzelne charakteristische
Symptome nicht fehlen, wie: dick belegte Zunge,
Mundgestank, Appetitlosigkeit mit Ekel gegen Fleisch
und Fett, Flatulenz.)
Die Holzkohle zeigt, charakteristisch für die
meisten Fälle der venösen Blutstockung, Schwer¬
fälligkeit des Geistes, träges Denken, langsame
Fassungskraft. Der Patient erwacht in der Frühe
mit starker Verschlimmerung der Kopfbeschwerden;
die meisten Symptome von Carbo veg. haben mehr
oder weniger Verschlimmerung des Morgens; je
länger er schläft, desto müder wacht er auf. Das
Gesicht ist gedunsen, dunkelroth oder bläulich, die
Venen des Auges injicirt.
Wir finden Leberbeschwerden, da wir wissen,
welch ein venöses Organ die Leber ist. In Folge
der venösen Stockung haben wir Hämorrhoiden.
Der träge Rückstrom des venösen Blutes xum
Herzen bringt mit sich Varicen der unteren Extre¬
mitäten. Speciell bei Individuen n)it sitzender
Lebensweise treffen wir die Carbo veg.-Con¬
stitution. Sehr gerne legen jene die Füsse hoch,
auch bei Tage.
(Carbo veg. ist ein echtes Katermittel und
concurrirt hier mit Nux vomica. Beide sind leicht
von einander zu trennen. Nux v. hat reizbare,
Carbo träge, torpide Natur; Nux v. hat Verlangen
nach fetten Speisen, Carbo v. Ekel gegen solche,
Wärme, warme Speisen und Getränke, Bettwärme
bessern bei Nux vom., verschlimmern bei Carbo v.)
Wenn wir künstlich einen solchen, der Holz¬
kohle eigentümlichen Zustand erzeugen wollten,
müssten wir den Patienten stets stark gewürzte
Speisen vorsetzen, ihm reichlich Wein und wenig
körperliche Bewegung geben; isst er dabei noch
zuviel, so würden wir obigen Zustand erreichen.
Für Personen, die zu gut leben, passt die
Holzkohle.
Jene leiden an lästiger Flatulenz; der Leib
ist ausgedehnt von Winden mit viel Unbehaglich¬
keit und Schmerz. Viel Aufstossen und Blähungs¬
abgang, was erleichtert, im Gegensätze zu China.
China hat keine Erleichterung durch Abgang der
Gase nach oben oder unten.
(Guemsey bemerkt bei Carbo veg. Beschwerden
von „versetzten Winden“, wo Kopfschmerzen,
Schmerzen in der Herzgegend oder an anderen
Stellen durch Blähungsabgang erleichtert werden.
Fast täglich hört man die Klage von Patienten,
wenn sie an irgendwelchen Stellen des Körpers
Digitized by
Google
147
«
streichen, kommen sie zum Aufstossen. Hier passen
am meisten Lycopodium und Carbo veget. je nach
den Symptomen. Farrington sagt bei der Vergleichung
dieser beiden Mittel: „Lycop. verursacht mehr Fla¬
tulenz des Magens, Carbo v. mehr der Därme. w
Lycop. hat Verschlimmerung von 4—8 Nachmit¬
tags, Carbo v. Morgens und Vormitternacht. Das
Stinkende der Ausscheidungen fehlt bei Lycop.)
Schwindel beim Aufstehen. Früh braucht er eine
ziemliche Zeit, um unter Gähnen, sich Strecken,
sich Schütteln zu einem klaren Gedanken zu kom¬
men und sich zur täglichen Arbeit aufzumuntern.
Jeden Morgen fühlt er sich schlecht; sein Magen
ist faul, wie sein Geschmack im Munde; saures,
ranziges Aufstossen.
(„Kein Mittel hat so viel dyspeptische Beschwer¬
den, so stark ausgeprägten Widerwillen gegen
Speisen, besonders gegen fette, keines so dick be¬
legte Zunge. Uehelriechende Ausscheidungen, Harn,
Stuhl, Schweiss, übler Geruch aus dem Munde.“
(Kunkel.)
Bei Carb. veg. treten die Verdauungsbeschwer¬
den stark hervor:
Grosse Abneigung gegen Fleisch und Fett.
Salziger Geschmack; die Speisen schmecken
versalzen (Sepia).
Langwieriges Aufstossen des Genossenen, be¬
sonders des Fetten.
Magenkrampf mit der Empfindung des brennen¬
den Drückens mit vielen Blähungen, Auftreibung
und grosser Empfindlichkeit der Magengegend.
Kann den Druck der Kleider nicht um die
Hypochondrieen vertragen; Druck in der Leber¬
gegend.
Abgang vieler stinkender Blähungen.)
Carbo veg. bewirkt Stauung in den Gehirn¬
venen, besonders an der Gehimbasis, daher auch
Kopfschmerz an der Gehirnbasis mit starkem
Klopfen.
Bei den Beschwerden der Respiration, Asthma,
Keuchhusten, wo die Holzkohle angezeigt ist, fin¬
den wir häufig diesen Kopfschmerz.
Bekanntlich ist Keuchhusten keine Erkrankung
des Respirationstractus. Der Keuchhusten ist ein
nervöses Leiden und sein Ausgangspunkt liegt an
der Basis des Gehirns; die Erscheinungen auf der
Brust sind sekundärer Natur.
Carb. veg. greift das Leiden an seinem Ur¬
sprünge an, wenn die Symptome stimmen .
Die Holzkohle ist nützlich beim Grindkopf.
Die Kopfhaut ist sehr empfindlich, ein charakte¬
ristisches Symptom vieler Prüfer. (Empfindlichkeit
gegen den Druck des Hutes wegen Empfindlichkeit
der Kopfhaut bei Carb. veg. wie bei Silicea; Lycop.
hat Unerträglichkeit des Hutdrucks, weil der Kopf
frei sein will, keine Wärme verträgt; Nitri acid.:
„Sobald das Schulkind den Hut aufsetzt, Kopf¬
schmerz.“ Valeriana: „Eiskalte Empfindung auf
dem Scheitel durch beständigen Hutdruck. “ Glonoin.
darf hier nicht vergessen werden: Empfindung, als
ob der Kopf grösser ist; jede Kopfbedeckung lästig.)
Brennen ist charakteristisch für Carb. veg.
Bronnen in den Augen mit Thränen; Brennen
mit blutig-wässeriger Absonderung. Hierbei kann
man an Arsen, denken, aber die meisten Symptome
von Carb. veg. werden schlimmer im warmen Zim¬
mer. Der Patient will im Kühlen sein; er ist
wohl frostig, aber die warme Stube belästigt ihn.
Er schläft gerne kühl, ist gerne in frischer Luft,
auch wird da sein Kopfschmerz besser.
Geschwüre mit blutiger Absonderung, skorbu-
tische Beschaffenheit des Zahnfleisches.
Weiche, leicht blutende varicöse Geschwüre
überall vorkommend, besonders aber an den unteren
Extremitäten.
Wenn Sie ein varicöses Geschwür vor sich
haben mit stechenden und brennenden Schmerzen,
blutig-wässeriger Absonderung, zackigen, unter-
minirten Rändern, schwarzen Stellen wie Arsenic.,
denken Sie an Carbo veg. Oefters ergreift der
Geschwürsprocess eine kleine Vene; es giebt pro¬
fuse Blutung.
Blutungen sind ganz gewöhnlich bei der Holz¬
kohle; Blutungen aus allen Theilen, aus Augen
und Ohren; blutiger Speichel; Blutbrechen; blutiger
Stuhl, blutiger Urin, langwierige Blutungen der
Gebärmutter: Alles venöse Blutungen, dem venösen
Charakter der Holzkohle entsprechend.
(Farrington: „Wir finden das Mittel indicirt bei
Hämorrhagieen, und zwar bei solchen sehr schwerer
Art. Daher geben wir es bei Nasenbluten, wenn
das Gesicht blass und eingefallen und fast hippo¬
kratisch ist. Das Blut fliesst unablässig Stunden,
vielleicht Tage lang.“ Farrington fügt hinzu, dass
solche Blutungen hei Diphtherie Vorkommen (wobei
Phosphor zu vergleichen wäre), ferner bei alten
und heruntergekommenen Personen. Carbo veg.
passt überhaupt für heruntergekommene, in ihrer
Lebenskraft geschwächte Individuen, geschwächt
durch Alter, Säfteverlust, acute oder chronische
Leiden.)
Ein anderes Charakteristicum der Holzkohle ist
die faule Beschaffenheit der Ausscheidungen, übel¬
riechender Athem, übelriechende Absonderung der
Nase, reichlicher Auswurf beim Husten, faul
schmeckend, faul riechend, stinkender Ohrenfluss,
blutig-schleimige, entsetzlich riechende Stühle, übel¬
riechender Urin, ebensolches Menstrualblut.
Ausscheidungen, die nicht stinken, sind eine
Ausnahme bei Carbo veg.
DerCarbo veg.-Patient hat fast immer Schnupfen;
er ist ausserordentlich häufig erkältet; die Erkältung
19*
Digitized by
Google
148
fängt stets mit Schnupfen an, mit viel Niessen und
Thränen der Augen, und geht dann auf den Kehl¬
kopf über.
Wenn der Patient auch keinen Schnupfen hat,
Niessen hat er doch immer (bei Arsen., Carh. veg.,
Allium Cepa, Euphrasia steigt die Erkältung ab¬
wärts: es giebt zuerst Schnupfen, dann Husten;
bei Phosph. befällt die Erkältung sofort den Kehl¬
kopf und die Luftröhre).
Carbo veg. hat Bettnässen. Auf dieses Symp¬
tom allein hin können Sie kein Mittel verschreiben,
denn es ist auch unter den Arzneien so verbreitet,
dass Sie unbedingt nach weiteren Anhaltspunkten
forschen müssen. Sepia hat Bettnässen im ersten
Schlaf, aber viele Kinder nässen das Bett im ersten
Schlaf, ohne dass Sepia ihnen hilft. Eine Menge klei¬
ner zarter Mädchen werden durch Pulsatilla geheilt.
Der Fall von Bettnässen, für den Carb. veg.
passt, ist schlimmer Morgens nach dem ersten Schlaf;
er ist voll Blähungen; seine Mutter lässt ihn Alles
essen, was er will; alle Bedingungen sind günstig,
um eine Carb. veg.-Constitution heranzubilden: Fette,
träge Jungen; zu faul, um aufzustehen, nässen sie
das Bett. Carbo veg. heilt solche Kinder. Aber
die Beschwerde des Bettnässens, die einzige, wegen
derer Sie consultirt wurden, und welche in der
That bei der Wahl der Arznei die unrichtigste
war, wird wahrscheinlich spät verschwinden, zu
allerletzt, nachdem der ganze Körper erst zu einem
normalen wurde.
Das nächste, für Carbo veg. wichtigste Bild ist
das des sog. „feuchten Asthmas.“
Sie werden zu einem Patienten mit Asthma ge¬
rufen: Der Patient sitzt im Bett, Liegen ver¬
schlimmert seine Athemuoth, seine Nase ist spitz
geworden, das Gesicht hippokratisch, mit kaltem
Schweiss bedeckt; die Fenster stehen weit offen,
auf jeder Seite des Bettes sitzt Jemand fächelnd.
Hier brauchen Sie keine Frage zu stellen, hier
passt Carbo veg. (Carbo veg. und China verlangen
gefächelt zu werden.)
Ferner Ergriffensein der Bronchien. Zuweilen
hört man schon das Schleimrasseln durch das ganze
Zimmer, ein Zeichen, dass die Bronchien mit Schleim
angefüllt sind. Die Patienten erholen sich von
dem asthmatischen Anfalle und fühlen sich ganz
wohl; bald kommt eine neue Erkältung: Niessen,
für wenige Tage wässerige Absonderung der Nase,
dann wieder ein Asthmaanfall. Manchmal sind
diese Anfälle sehr schwer, manchmal p^sst Carb.
veg. für den acuten Anfall. *
Können Sie aber mit Carb. veg. warten bis
zum Ende des Anfalls und geben es dann in Hoch¬
potenz, wird der nächste Anfall viel leichter ver¬
laufen. Am Ende dieses Anfalls folgt wieder eine
Hochpotenz des Mittels.
Müssen Sie dieselbe Arznei während des An¬
falls geben, so wählen Sie eine andere Potenz, als
die nach dem Anfall.
Versäumen Sie es, die Hochpotenz später folgen
zu lassen, wird der nächste Anfall nicht viel
leichter sein.“
Soweit Professor Kent.
Farrington erwähnt Carbo veg. als besonders
indicirt bei „ Asthma als Reflex von Blähungsan¬
sammlung im Bauch.“ An anderer Stelle deutet
er für diese Art Asthma auf Nux vom., Lycop.
und Carbo veg. Einen in diese Kategorie ge¬
hörigen, durch Lycopod. geheilten Fall habe ich
früher veröffentlicht:
Ein 65jähriger beweglicher Herr mit gesunder
Gesichtsfarbe leitet seit 2 Monaten an Kurz¬
luftigkeit.
Die Untersuchung ergab einen aufgetriebenen
Leib und ein über beide Lungen verbreitetes
Schleimrasseln.
Schmerz unter den Rippen, das Athmen be¬
hindernd.
Erstickungsanfälle, besonders 3 Uhr Nachts,
endigend mit der Expectoration von reichlichem,
grauem, schaumigem Auswurf.
Jegliches Essen macht Beschwerden. Appetit
schlecht.
Der Urin lässt rothen, festsitzenden Satz.
Der Druck der Kleider wird nicht vertragen,
ebenso keine Zimmerwärme.
Morgens 4 oder 5 Uhr sehr munter, dagegen
nach dem zweiten Schlaf schlechtes Befinden.
Nux vomica hoch und niedrig besserte, X. Lycop.
5 Pulver heilten radical.
Dieser Fall ist typisch für eine ganze Reihe
von Fällen, die ich im Laufe der Jahre mit Lycop.
heilte. Der erste dieser war vor 8 Jahren ein er¬
wachsenes älteres Fräulein, das jahrelang an dieser
Art Asthma gelitten und auf jedes Pulver X. Lycop.
mit einer starken Verschlimmerung sämmtlicher Er¬
scheinungen reagirte.
Kunkel: „Carbo veg. ist eins unserer bestell
Kehlkopfmittel, Hauptmittel bei Heiserkeit in Folge
Kekikopfkat&rrh, besonders auch bei dem chro¬
nischen Katarrh der Sänger.“
Kunkel: „Bei Diphtherie für Carb. veg. charak¬
teristisch der ausserordentlich üble Mundgeruch
(anders wie bei den für Mercur passenden Fällen);
| Faeces sehr stinkend, dick belegte Zunge (in der
' Mitte gelblich-bräunlich), trockne, mit schwärzlichem
I Belag bedeckte Lippen.
j Verschlimmerung Morgens und Vormitternacht.
Begleitend: gastrische Erscheinungen, übler
| Geschmack, dick belegte Zunge, Aufstossen, Fla¬
tulenz, Widerwille gegen fette Speisen.“
Besonders charakteristisch für die Holzkohle:
Digitized by ^.ooQle
149
„Eiskalte Knie im Bett,“ „Füsse bis zu den Knieen
eiskalt.“
Bei Collaps ist Carbo veg. eins der wichtigsten
Mittel, wenn folgende Symptome auftreten (Farring-
ton): „Der Körper scheint eisig kalt zu sein,
besonders an den Extremitäten; der Athem ist kalt,
der Puls fadenförmig, kaum fühlbar und intermit-
tirend. Die Lippen sind bläulich von Cyanose.
Der Athem ist sehr schwach und oberflächlich; der
Kranke bei Bewusstsein oder bewusstlos.
Gerade in solchen Fällen nun tritt Carbo veg.
als heilend auf und rettet manchen Fall, der sonst
zu Grunde gehen würde.“
Farrington erwähnt das Symptom nicht: „Ver- j
langt, gefächelt zu werden,“ doch bezeichnen es ,
eine Anzahl Autoren als charakteristisch für die j
Holzkohle. t
Bericht Uber die freie Vereinigung
der homöopathischen Aerzte Schleswig-Holsteins
und der Hansastädte.
Anfang August dieses Jahres begründeten Dr.
Hesse, Dr. Mau und Apotheker Otte mit dem Unter¬
zeichneten obige Vereinigung, um in quartalsweisen
Zusammenkünften Wissenschaft und gegenseitige
Interessen zu fördern. Für dieses Quartal war die
Versammlung am 7. October Die geschäftliche
und wissenschaftliche Sitzung begann 5 Uhr c. t.
unter Vorsitz Dr. Hesse's. Anwesend waren: Dr.
//««^-Hamburg, Dr. Junge- Heide i. H., Dr. Lätze -
Altona, Dr. Xutee-Hamburg, Dr. J/at/-Itzehoe, Dr.
Scltiynebeckr&oXtsMi , Apotheker Otte- Hamburg und
Dr. Waszily- Kiel. Dr. Kunkel war leider durch
Unwohlsein am Erscheinen gehindert. Als Vereins¬
organ ward die „Allgemeine homöopath. Zeitung“
festgesetzt, ferner wurden die Collegen aufgefor¬
dert zur Subscription auf das neu erscheinende
„Therapeutische Taschenbuch“ von Boenninghausen
bei Marggraf. Als nächster Versammlungsort ward
Hamburg gewählt. Die von Dr. Hesse und Apo¬
theker Otte angeregte Verlegung der nächsten
Centralvereinsversammlung von Hamburg nach Kiel
fand nur beim Berichterstatter Zustimmung. Es
soll zu gleicher Zeit ein internationaler homöo¬
pathischer Laiencongress daselbst stattfinden. Nach
einer von Apotheker Otte vorgelegten Hamburger
Zeitungscorrespondenz muss man ällgemein glauben,
dass es sich um einen Aerztecongress handelt
Die Reihe der Fälle eröffnete Schönebeck mit
folgendem:
Zu einem Mädchen mit hohem Fieber, benom¬
menem Sen8orium und Dämpfung unten hinten,
gerufen, diagnosticirte er Pleuritis und gab Bryo-
nia 8.; nach drei Tagen war die Dämpfung ge¬
schwunden, und er stellte jetzt die Diagnose auf
Bronchitis, zwei kleine gelbliche Flecke, welche
aufgetreten waren, bestimmten ihn, Sulphur 6. zu
geben. Am anderen Morgen war ein Masernexan¬
them zu Tage getreten und damit das ganze All¬
gemeinbefinden ungleich besser. Die Masern ver¬
liefen jetzt sehr gut und schnell ohne Complication.
Bei der Discussion, wo bei dem Sulphur die günstige
Wirkung auf den endlichen Ausbruch des Aus¬
schlags und den Weiterverlauf zuerkannt ward,
wurde die allgemeine Frage lebhaft ventilirt, ob
und in wie weit Infectionskrankheiten durch unsere
Mittel abgekürzt resp. coupirt werden können.
Dr. Hesse sprach sich dahin aus, dass bei manchen
Krankheiten, wie Keuchhusten, eine Abkürzung
durch passende Mittel sicher sei, im Allgemeinen
seien aber durch unsere Mittel Complicationen kaum
zu verhüten, so habe er zuweilen bei der Gonorrhöe
eine Orchitis trotz Suspensorium etc. nicht ver¬
meiden können, ein leichterer Verlauf werde aber
doch entschieden bewirkt. Berichterstatter räumte
unseren Mitteln mehr ein; es käme eben alles
darauf an, das Simillimum zu treffen. Schönebeck
machte noch aufmerksam auf Sticta pulmon. 3. als
Mittel gegen den trockenen, quälenden Masern-
Nachhusten, wenn keine anderen Indicationen vor¬
lägen. Bei der Frage des Berichterstatters wie
hoch? ward der leidige Streit über Hoch- oder
Tiefpotenz berührt. Lutze und Schönebeck beton¬
ten, wozu eine Hochpo.tenz, da man beispielsweise
mit der 3. oder 6. alles erreiche, was zu erreichen
sei, während Referent darauf hinwies, dass in
manchen Fällen nur durch die einer Hochpotenz
innewohnende lebendige Kraft eine solche Um¬
stimmung hervorgebracht werden könne, wie sie
zur Aenderung des Krankheitszustandes nöthig sei.
Er gäbe bei acuten Krankheiten oder localen Pro¬
cessen meist tiefe Potenzen oder Tincturen, er
halte sich stets die ganze Scala 0 bis 5000 offen.
Der nächste Fall des Collegen Schönebeck be¬
traf eine Phlegmasia alba dolens, welche er durch
Hamamelis zur Heilung gebracht; als Gegenstück
dazu berichtete Referent über einen Fall von
Thrombophlebitis der ganzen linken Schenkelvene
nach einer durch einen bekannten Chirurgen aus¬
geführten Operation, wo dasselbe Mittel ausgezeich¬
nete Dienste geleistet und der Mann, trotz zwei¬
maliger Lungenembolie, unter Nebengebrauch anderer
Mittel genas. Die Einzelheiten dieses interessan¬
ten Falles werden gelegentlich gebracht werden.
Lutze rühmte die Wirkung der Hamamelissalbe bei
Hämorrhoidalknoten. Nach Schönebecks Beobach¬
tungen ist für Hamamelis charakteristisch: ge¬
schlängelte Temporalarterie. Die viel gerühmte
Wirkung der Hamamelis bei Unterschenkelgeschwü-
Digitized by
Google
150
reu ward von den Collegen im Allgemeinen in
Abrede gestellt, dafür u. A. Arsen., Carb. veg.,
Laelies. empfohlen, für letzteres ward als Charak-
teristicum der schmutzige Untergrund und grosse
Empfindlichkeit gegen Berührung hervorgehoben.
Dann kam folgender Fall zur Beurtheiluug: Der
College war zu einem zweijährigen Kind gerufen,
welches plötzlich Krämpfe bekommen hatte — vorher
nie krank — mit sehr stupidem Aussehen, Läh¬
mung der Sprache und rechten Hand, Drüsen¬
schwellungen, Speichelfluss; die Krämpfe kamen
Tag und Nacht. Verschiedene Mittel waren ohne
jeden Erfolg angewandt. Hesse rieth zu Sulphur,
Hochpotenz, in der Annahme, dass es sich um eine
abgelaufene linksseitige Meningitis handele. Bericht¬
erstatter erzählte dazu einen von ihm behandelten
Fall von chronischem Hydrocephalus mit Lähmung
der rechten oberen Extremität und torpiden Ge¬
schwüren auf dem Handrücken, wo Sulphur 200.,
Calc. carb. 200. und Sepia, in langen Zwischen¬
räumen gegeben, sehr schöne Besserung brachten.
Sepia heilte nicht nur die Geschwüre auffällig
rasch, sondern bewirkte active Beweglichkeit der
Extremität bis auf den Daumen. Hesse betonte im
Anschluss daran die speciellen Beziehungen der
Sepia zu Affectionen auf dem Handrücken. Junge
berichtete von einer Lähmung nach Krämpfen mit
Phosphorheilung, leider fehlten die speciellen In-
dicationen. Als Specificum gegen Tuberkulose
empfahl Lülze das Jod, und zwar im Verhältniss
1:1000 mit Aqua dest., Morgens und Abends einen
Theelöffel voll in warmem Wasser, wobei er be¬
sonders hervorhob, dass Jod so in Dampfform auf¬
genommen würde. Hesse und Berichterstatter glaub¬
ten aber von dieser generellen und schematischen
Anwendung absehen zu müssen. Letzterer machte
dafür auf das Tuberculin, wie’s jetzt nach Kunkel
bei Marggraf zu Versuchen zu haben sei, aufmerk¬
sam und theilte Fälle mit, die aber später erst ge¬
sammelt veröffentlicht werden sollen. Er beabsich¬
tigt das Behring’sehe Diphtherie-Heilserum in
gleicher Weise anzuwenden. Als geeignetes Mittel
gegen Diarrhöeen und profuse Schweisse bei vor¬
gerückter Phthise ward von Schönebeck Phellan-
drium gerühmt. Man referirte dann über eine von
ihm behandelte Metrorrhagie mit dunklem, stückigem,
übelriechendem Blut, wo Crocus 30. innerhalb drei
Stuuden besserte. Er wollte dabei Nebenwirkungen
von Crocus gesehen haben, dieselben waren aber
nicht als solche aufzufassen. Dagegen berichtete
Junge von einer interessanten Nebenwirkung des
Schwefels, indem er bei einer Drüsentuberkulose
Sulphur gegeben und nach jeder Gabe der 30. ein
Ekzem beobachtet hatte. Im Anschluss an den
Mau' sehen Fall berichtete der Referent über eine
in der Klinik vergeblich behandelte atonische Uterus¬
blutung nach Abort im zweiten Monat, wo Mille-
folium eine ausgezeichnete Heilwirkung that. Blu¬
tung war zuerst intermittirend gewesen, nach den
klinischen Untersuchungen etc. unausgesetzt, stark,
dunkel, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen mit Pul¬
sieren der Arterien, Schwindel und zeitweiser Be¬
nommenheit. — Hesse theilte folgende Fälle mit:
Nach Rückkehr von seiner Sommerreise erkrankte
er selber an einer Diarrhöe, die Morgens 5 Uhr
aus dem Bette trieb mit solcher Gewalt, dass er
kaum Zeit hatte zum Orte zu gelangen und auch
Menschliches passirte. Weil er ein enormes Unsicher¬
heitsgefühl im After hatte, wusste er manchmal
nicht, ob Flatus oder Faeces abgingen; vor dem
Stuhl Kneipen und Rumpeln im Leib, beim Stuhl
Tenesmus, daneben Blähungsabgang. Sulphur half
nicht, dagegen Aloe sofort. Für letzteres Mittel
sprach noch, dass der übrige Körper in keiner
Weise betheiligt war. — Ferner: Ein 50jähriger
Mann hatte in Folge Durchnässung Magenschmer¬
zen bekommen mit Bläschen an den Lippen und
quälendem, erfolglosem Stuhldrang: Nux vom. blieb
ohne Wirkung, Rhus hatte gleich Erfolg. Im An¬
schluss daran erwähnte Berichterstatter einen Fall
von chronischem Darmkatarrh nach allopathisch be¬
handeltem Typhus mit morgendlichem Durchfall —
an einzelnen Tagen bestand Verstopfung — und
häufigem erfolglosen Drängen bei einer schlan¬
ken, dunklen, sehr cholerischen Frau in den mitt¬
leren Jahren, wo Nux vom. 200. in kurzer Zeit
heilte. Der dritte Fall Hesse's betraf ein elfjähriges
Mädchen, welches stets in der Schule Nasenbluten
bekam und durch Sepia 200. davon befreit ward.
Jetzt, nach drei Jahren, war dieselbe Geschichte
aufgetreten und Sepia heilte wieder; Nebenerschei¬
nungen waren Kopfschmerzen, auch in der Schule
schlimmer, und Gier nach Saurem. Junge theilte
einen Milzbrand an der rechten Hand und gleich¬
zeitiger Anschwellung der ganzen Extremität mit,
den er durch Amica 3. zur Heilung gebracht.
Leider konnte er keine Indicationen geben, son¬
dern hatte Amica nach v. Grauvogl gegeben. Be¬
richterstatter erwähnte dann noch kurz eine Sepia¬
geschichte von einem jungen Mädchen, das nach
Hypnotisirung durch den dänischen Schaustellungs-
Hypnotiseur Hansen an krampfartigen Zuckungen
litt, wo obiges Mittel nach den übrigen Symptomen
angezeigt war und sehr schön besserte. Ferner
zwei Kali bichrom.-Fälle, der eine betraf eine Go¬
norrhöe, wobei der grünlich gelbe Ausfluss sehr
zähe und strähnig war, Urin übelriechend, leichtes
Schwitzen, Schweiss stark und übelriechend, schlank
gewachsener Mann mit dunklen Haaren und Augen,
Gefühl eines Fremdkörpers hinten auf der Zunge;
Heilung in 12 Tagen durch Kali bichrom. 30.; der
andere betraf einen schon Monate lang bestehenden
Digitized by
Google
151
Husten bei einer 51 jährigen Frau, wo wenig sein-
zäh und strähniger Auswurf vorhanden war, sehr
scharfer Urin, „er frisst,“ Conjunctivitis catarrh.
chron. mit scharfer Thränenabsonderung, corro-
dirende Leukorrhoe etc.; Kali bichrom. brachte in
wöchentlich einer Gabe der 200. Heilung in ca.
5 Wochen. — Hesse erwähnte noch bei der An¬
wendung von Kali bichrom. bei Diphtherie: Ver¬
schlimmerung in den Frühstunden und sehr gelbes
Aussehen des Exsudats. — Um 8 Uhr ward die
wissenschaftliche Sitzung geschlossen, die Anwesen¬
den blieben mit ihren Damen in heiterem Geplauder
bei einem Töpfchen Bier zusammen, bis häusliche
Mutterpflichten oder das dampfende Ross den Auf¬
bruch veranlassten. Auf Wiedersehn im nächsten
Jahr! Dr. med. Waszily.
Bedenken gegen die Serum-Therapie.
Von Dr. H. Goullen.
Motto: „Puissions — nous n‘avoir aucnne
d6s ülueion ä cet ^ard!“
Alle Welt hat die Empfindung, dass man der
sogenannten Serum - Therapie nicht mit dem En¬
thusiasmus begegnen dürfe, wie s. Z. der Koch’-
schen Entdeckung des Tuberculins. Noch kenne
ich nicht das Urtheil Prof. Jägers über die Serum-
Therapie, allein es will mir bedünken, dass derselbe
auch dieser Entdeckung nicht sympathisch gegen¬
übertreten wird und sein gleich im Anfang abge¬
gebenes vernichtendes Urtheil über Koch, dessen
Fiasco sich als ein so eclatantes herausgestellt hat,
würde nun um so schwerer in die Waagschale
fallen«
Von vornherein involvirt jede Serum-Therapie,
<L h. mag man nun Scharlach oder Diphtherie oder
sonst eine ansteckende Krankheit „wegspritzen“
wollen, etwas Abstossendes, Widerwärtiges, um
nicht zu sagen: Irrationelles. Die heutige Medicin
steht nun aber einmal im Zeichen der Pravatz’-
schen Spritze, ja noch mehr, sie scheut nicht zu¬
rück vor den ekelerregendsten Dingen und Proce-
duren. Schon vor Decennien las man den allen
Ernstes gemachten Vorschlag, gewisse hartnäckige
Ophthalmieen durch künstliche Einverleibung gonor¬
rhoischen Secretes in acute, d. i. die vorher mehr
oder weniger schleichende Entzündung in eine rasch
verlaufende zu verwandeln (die sogenannte substi¬
tutive Methode, welche andere Male in Gestalt der
Calomel - Einblasungen sich bemerkbar macht). —
Wie unästhetisch sind ferner die Messungen der
Temperatur mit Benutzung des Rectums, wobei
man gewärtig sein muss, dass das nächste Mal dem
Unterzungenraum der Vorzug gegeben wird. Und
war die Darstellung resp. Verabreichung des Tuber¬
culins nicht ebenfalls das Unappetitlichste, was mau
sich denken kann? Man wird jetzt überall an die
Bestandteile der mittelalterlichen „Dreck-Apotheke“
erinnert, wie sie Prof. W. Marshall in seinem sach-
gemäss abgefassten Arzneibüchlein zusamraengetragen
hat. Freilich ist, wenn man die Isopathie als ein
Anhängsel der Homöopathie betrachten will, auch
intra muros homoeopathicos gesündigt worden und
Kuren mit Anthracin, Psorin und anderen von Dr.
Lux zu Heilzwecken eingeführten Substanzen wären
dann von obigem Gesichtspunkt aus ebenfalls zu
kritisiren und zu verwerfen. (Bei der 30., 50.,
100. Potenzirung dieser Substanzen hört das Un¬
ästhetische indessen auf. Anmerkung der Redaction.)
Wir wollen also den Stab über Niemand brechen
und speciell den Erfahrungen auf dem Gebiete der
neuen Serum - Therapie freien Lauf lassen. Ganz
enorm würde ins Gewicht fallen, wenn tatsächlich
diese Heilmethode im Stande wäre, die Gefahren
des (diphtheritischen) Croups zu beseitigen. Denn
diese, die Tödtlichkeit der Diphtheritis fast aus¬
schliesslich bedingende Complication oder richtiger
diesen Krankheitsausgang vermögen auch unsere
Mittel, sei es Cyanmercur oder andere Merkurialien,
wie M. praecip. ruber oder Jodmercur, oder Acidum
nitri, oder Brom und Jod — nicht immer zu be¬
seitigen. Erstaunen muss man übrigens, mit wel¬
cher Naivität namentlich von Seiten der Leiter
allopathischer Hospitäler die bisherigen Mortalitäts¬
verhältnisse in Bezug auf Diphtheritis, in specia des
Croups zugegeben und zum Besten gegeben werden.
Und während Privatärzte mit einem so einfachen
Mittel, wie Kali chloricum — so Dr. Goetke in
Gohlis, wenn ich nicht irre — oder Homöopathen
mit den oben genannten Mitteln, wozu bei den
Berlinern noch Apis tritt — ganz erstaunlich gute
Resultate, d. h. Sterblichkeitsprocente von 2, 3
oder etwas darüber erlangt haben, hält man es in
Krankenhäusern, wie wir gleich sehen werden, für
eine grosse Errungenschaft, wenn dank der Serum-
Therapie von 100 Diphtheritis-Croup-Kindern nur
noch 28 (anstatt wie früher 60!) zu Grunde gehen.
Eine recht klare, allgemeinverständliche Ab¬
handlung über unseren Gegenstand entnehmen wir
einer deutschen Zeitschrift. Da diese sowie zwei
andere Referate den Ausgangspunkt unserer später
aufzustellenden Erörterungen bilden, so geben wir
alle drei in extenso wieder, wegen einiger unver¬
meidlicher Wiederholungen um die Nachsicht des
Lesers bittend. Das Thema verlangt aber eine
gewisse Ausführlichkeit und Gründlichkeit, sowie
Beleuchtung von verschiedenen Gesichtspunkten.
„Die Blutserum-Therapie.
Was versteht man eigentlich unter Blutserum -
Therapie? Diese Frage hört man jetzt vielfach
Digitized by
Google
152
stellen angesichts der grossen Erfolge, welche man
dem neuen Verfahren gegen eine so heimtückische
Krankheit, wie Diphtheritis, bereits verdankt. Es
dürfte daher eine kurze Darlegung über das Wesen
und die Entwickelung jener Therapie am Platze
sein.
Dass „Blut ein ganz besonderer Saft“ ist, weiss
man schon längst. Fodor stellte zuerst 1887 fest,
dass die Säfte des normalen lebenden Körpers,
namentlich das Blut, bakterienvernichtende Eigen¬
schaften besitzen. Gleiche experimentelle Beobach¬
tungen machten Nuttall im Institut von Flügge,
Behring und H. Büchner. Es ergab sich, dass die
bakterienfeindliche Eigenschaft des Blutes auch dem
daraus gewonnenen Blutserum zukommt.
Was ist aber Serum? fragen viele. Nun, wenn
das Blut aus der Ader gelassen wird und gerinnt,
so scheidet es sich in zwei Tlieile, in den rothen
Blutkuchen, die Plazenta, und in das klare, schwach¬
gelb gefärbte Blutwasser, das Serum. Büchner er¬
mittelte 1889, dass den Ei weisskörpern im zellen¬
freien Serum die bakterienvernichtende Wirkung
beizumessen sei. Es wurde also festgestellt, dass
Substanzen in den normalen Säften für die Bak¬
terien Gifte sind, für den tbierischen Körper aber
nicht. Hieran schlossen sich nun die epochemachen¬
den Forschungen Behrings und seiner Mitarbeiter.
Diese Untersuchungen ergaben eine ganz gesetz-
mässige Eigenschaft des Blutserums künstlich immu-
nisirter (unempfänglich gemachter) Individuen. Das
Blut und das hieraus dargestellte Serum hat durch
die Immunisirung*gegen eine bestimmte Infections-
krankheit die Fähigkeit erlangt, den Zustand der
Immunität gegen dieselbe Krankheit auf ein dafür
sonst empfängliches Individuum beliebiger Art zu
übertragen, wenn das Serum in genügender Menge
dem Organismus einverleibt wird. Das ist das
fundamentale „Behring’sche Gesetz.“
Die erste Mittheilung, die Behring und Kitasato
1890 machten, bezog sich auf den Tetanus (Wund¬
starrkrampf). Es war den Forschern gelungen,
Kaninchen gegen Tetanus (Starrkrampf) zu immu-
nisiren und mit dem Serum die sonst ausserordentlich
für die Krankheit empfänglichen Mäuse zu schützen.
Tetanus sowohl wie Diphtherie sind Krankheiten,
welche durch sogenannte toxische Bakterien verursacht
sind. Darunter versteht man Bakterienarten, welche
durch die von ihnen erzeugten specifischen Gifte
wirken. Behring erklärte nun, dass das zellenfreie
Blutserum die Kraft besitze, jene toxischen (giftigen)
Substanzen, die zunächst von den Tetanusbacillen
hervorgebracht werden, unschädlich zu machen. Die
künstliche Tetanusimmunität beruhte also auf gift¬
zerstörender, antitoxischer Wirkung des Serums.
Diese Eigenschaft zeigte sich auch, wenn die Ein¬
führung des Serums iu einen tetanuskranken Thier¬
körper erfolgte; es heilte somit eine sonst tödtliche
Erkrankung. Hieraus sind die hochbedeutsamen
Untersuchungen hervorgegangen, welche das Serum
für Heilzwecke dienstbar gemacht haben. Es hat
sich gezeigt, dass das Behring’sche Gesetz überall,
namentlich bei den Erkrankungen des Menschen,
zutrifft. Aber nur das Serum künstlich Immunisirter
hat eine derartige Wirkung, während die von Natur
Immunen in ihrem Blutserum keine immunisirenden
Substanzen besitzen.
Vor allen Dingen hat'auch bei Diphtherie das
Serum künstlich immunisirter Individuen sich als
antitoxisch wirksam erwiesen. Prof. Ehrlich hat
sodann den wichtigen Nachweis geführt, dass das
Behring’sche Gesetz auch auf Gifte Anwendung
findet, die nicht durch Bakterien gebildet sind, so
z. B. auf Ricin, Abrin etc. Das Serum immunisirter
Thiere steht nun in seinem „Immunisierungswerth“
um so höher, je grösser der Immunitätsgrad des
blutliefernden Individuums ist. Und zwar kommt
es hierbei nicht auf den absoluten Grad, sondern
auf die Differenz zwischen dem künstlich erreichten
und dem ursprünglich vorhandenen Grade an. Die
Blutserum-Therapie beruht nun darauf, dass das
schützende Serum auch bei ausgebrochener Krank¬
heit Heilung zu bewirken vermag. Es hat sich er¬
geben, dass für Heilerfolge sehr erheblich viel mehr
Serum nöthig ist, als zur Immunisirung. Ferner ist
unter sonst gleichen Bedingungen desto mehr Serum
erforderlich, je weiter vorgeschritten der Krankheits-
process bei Beginn der Behandlung ist. Und weiter
haben die Heilversuche mit aller Sicherheit die
gänzliche Unschädlichkeit des Mittels ergeben.
Zur allgemeinen Anwendung der Thetapie war
es natürlich nothwendig, grosse Mengen äusserst
wirksamen Serums darzustellen. Es mussten also
grosse Thiere, namentlich Hammel, immunisirt
werden, die leicht die Entziehung einer grösseren
Quantität Blutes vertragen und die vor der Itnmu-
nisirung für Diphtherie hochgradig empfänglich
waren. Selbstverständlich müssen die Thiere auch
vollkommen gesund sein.
Vom Reichsgesundheitsamt ist bereits bei der
Regierung die Verstaatlichung des Heilserumver¬
triebes angeregt worden. Indes dürfte die An¬
regung aus rein praktischen Gründen wenig Ent¬
gegenkommen finden; dagegen soll dem Parlament
eine Vorlage, betreffend die Dotirung aller staat¬
lich geleiteten Krankenhäuser und Kliniken mit den
erforderlichen Mitteln zum Ankauf des neuen Diph¬
theriemittels, zugehen. Auch in Berliner Stadt¬
verordnetenkreisen beschäftigt man sich bereits mit
dem Gedanken eines Antrages behufs Schaffung des
Heilserums für die städtischen Heilanstalten.“
Ehe wir nun einen sehr lesenswerthen Artikel
der „Annales politique et littäraires 4 * — vom 7. Ok-
Digitized by
Google
153
tober d. J. — in Uebersetzung wiedergeben, wollen zur Serum-Therapie äussert sich die „Medicinische
wir eine Auslassung des „Braunschweiger Tage- Reform“: „Die kommenden Monate werden die
blattes“ vorausschicken, welches besonders auf einen
für dasselbe Ausschlag gebenden Einzelfall zu j
sprechen kommt.
Es heisst also in dem fraglichen Artikel des
genannten Blattes:
„Wir sind in der Lage, unseren Lesern einige
interessante Mittheilungen über die erste praktische
Anwendung des neuen Diphtherieheilmittels, des
Behring*sehen Antitoxins, in Braunschweig machen
zu können. Der Sachverhalt ist folgender: In einer
hiesigen Arbeiterfamilie erkrankte vor etwa sechs
Wochen ein Kind sehr schwer an Diphtheritis und
starb an der mörderischen Krankheit. Dieser Tage
wurde nun in derselben Familie ein zweites Kind
von Diphtherie in ihrer bösartigen Form befallen.
Als der zur Hilfe gerufene Arzt erschien, musste
er sich hinsichtlich des muthmasslichen Verlaufs
eine ungünstige Prognose stellen; einerseits gab
dazu die augenblickliche Schwere und Intensität
der Krankheit, andererseits der an sich ungemein
Früchte zeitigen müssen, die den Congressen der
Forscher entspriessen. Wir Aerzte sind seit den
Tagen flammender Begeisterung und darauf folgen¬
der tiefer Depression in Sachen des Tuberculins
vielleicht skeptischer geworden, als noth thut. Hier
ist nicht der Ort, die wissenschaftliche Debatte
weiter auszuspinnen; aber unerwähnt kann der
mächtige Einfluss nicht bleiben, den die Serum-
Therapie, eventuell auch bei anderen Infections-
krankheiten zur Geltung gebracht, auf die ganze
Stellung der Aerzte ausüben muss. Wehe uns
praktischen Aerzten, wenn die jetzt allgemein ge¬
hörte Behauptung von der völligen Unschädlichkeit
des Mittels sich nicht bewahrheiten sollte. Schon
jetzt tritt in jedem Diphtheriefall das Publikum an
uns mit der Frage heran: „Herr Doctor, wollen
Sie nicht spritzen?“ — Aber leider nur zu oft
müssen wir antworten: „Woher nehmen und nicht
stehlen?“ Wenn selbst ein so reich dotirtes Kranken¬
haus wie das Kaiser und Kaiserin Friedrich-Kranken¬
schwächliche Körperzustand des kleinen Patienten,
eines fünfjährigen Knaben, leider allen Anlass. Mit
Genehmigung der Eltern des Kindes brachte der
Arzt an demselben sofort das Bcliring’sche Anti¬
toxin in Anwendung und zwar injicirte er dem
Kinde am ersten und am dritten Besuchstage je eine
zehn Kubikcentimeter haltende Dosis der qualitativ
schwächsten Lösung, ohne dass bei dem Kranken
irgendwelche örtliche oder allgemeine Reaction sich
bemerkbar machte. Im Gegentheil. Schon nach
der ersten Einspritzung schien sich das Allgemein¬
befinden bedeutend zu bessern und der Appetit zu
heben. Dazu gewann sofort die Rachenschleimhaut
ihr normales feuchtes Aussehen wieder. Die zweite
Einspritzung hatte noch am selbigen Tage ein
Sinken der Fiebertemperatur von 41.1 auf 38 Grad
zur Folge, das sich am Tage darauf um 0.5 Grad
verstärkte. Ferner gingen nach der zweiten Ein¬
spritzung die rasenförmigen Beläge im Rachen, die,
von schmutzigem Aussehen, sich auch ganz auf
den weichen Gaumen erstreckten, in rapidester
Weise zurück. Neben der Injectionsbeliandlung
gelangten Gurgelungen mit Kreolinlösung und
Verabfolgung von Tränken starker Spirituosen zur
Anwendung. Unter Berücksichtigung der ganzen
Verhältnisse darf man sagen, dass die neue Be¬
handlung dieses sehr schweren, von vornherein
denkbar ungünstig liegenden Diphtheriefalles merk¬
würdig schnell und günstig verlaufen ist und dass
der Fall beweiskräftig für die Heilkraft des neuen
Mittels erscheint. Jedenfalls ist die neue Diphtherie¬
behandlung mittelst Antitoxin durchaus geeignet,
zur Anstellung fernerer praktischer Anwendung der¬
selben anzuregen. — Ueber die Stellung der Aerzte
haus sich an die öffentliche Mildthätigkeit wenden
muss, um weiter das neue Verfahren zu üben, wie
soll die Familie eines kleinen Beamten, Krämers,
einer armen Wittwe die Mittel zur Impfung des er¬
krankten und zur Immunisirung der noch gesunden
Kinder erschwingen? Sollte das „Gold“ der
Behring’schen und Aronson’schen Erfindung, um
mit Heubner zu sprechen, in Scheidemünze für den
praktischen Arzt umzuwandeln sein, dann muss es
recht bald viel wohlfeiler werden, oder der Staat
bezw. die Communen müssen für Verbilligung
sorgen.“ Die Aerzte begegnen sich hier voll¬
kommen mit den Ansichten der weitesten Kreise.
Treten wir nun dem Serum-Therapie-Artikel
der „Annales politique et litteraires“ näher.
Mit einem gewissen Enthusiasmus — heisst es
dort — spricht man seit einiger Zeit von der Mit¬
theilung, welche Herr Roux vom Institut Pasteur
auf dem hygienischen Congress zu Pest über die
Behandlung der Diphtherie gemacht hat. Und in
der Tliat geht aus den Roux’schen Versuchen so¬
wie aus denen anderer Experimentatoren hervor,
dass die neue Behandlung wenigstens die Hälfte
der armen kleinen Kranken, der Opfer des Croups,
zu retten vermag. Und dieser Procentsatz der
Sterblichkeit wird sicher noch weiter heruntergehen.
Er betrug sonst im Allgemeinen 60 Procent; bei
der Serum-Therapie beträgt er nur 28, ja 20 und
selbst nur 15 Procent. Und das ist doch erst der
Anfang! Die Diphtherie ist eine Erkrankung, deren
Schwere jeder hinlänglich kennt. Lange Zeit hielt
man die Diphtherie für eine Localerkrankung und
dementsprechend versuchte man es mit localen Ein¬
griffen, Sublimat-Irrigationen, Jod-Petroleum-Irri-
20
Digitized by
Google
154
gationen etc. Zuweilen schien das Mittel zu wirken
und man glaubte an seinen Einfluss; in Wirklich¬
keit war es ohne Einwirkung. Es handelte sich
um eine leichte Affection und die Heilung wäre
auch so erfolgt, war eine Naturheilung. 1888 nun
zeigte zuerst Roux (?), dass die Diphtherie eine
wirkliche Allgemeinerkrankung, eine allgemeine
Vergiftung des Organismus darstelle. Die Diphtherie
verdankt ihre Entstehung einem von Klebs und
Loeffler entdeckten Mikroorganismus (ä un microbe).
Er gedeiht in den Pseudomembranen. Diese Mi¬
kroben scheiden während ihrer Entwicklung ein
giftiges Princip, ein Toxin, aus, ein wirkliches
chemisches Gift, welches den ganzen Haushalt in-
ficirt und allgemein den Tod des Befallenen nach
sich zieht. Roux konnte dieses Gift sammeln, in¬
dem er in dazu geeigneter Fleischbrühe die Mi¬
kroben züchtete. Er präparirte davon beträchtliche
Mengen und konnte damit bei Kaninchen, Hunden
u. s. w. eine richtige Diphtherie hervorbringen.
Die Ursache des Leidens der Diphtherie ist
also das von den Mikroben hervorgebrachte Gift.
Jedes Gift besitzt im Allgemeinen ein Gegengift.
Sollte sich das Gegengift des Diphtheritis-Toxins
nicht finden lassen? Roux, Yersin u. a. erkannten,
dass man Thiere leicht impfen konnte gegen das
Gift, indem man ihnen täglich kleine Dosen davon
injicirte. Der Organismus gewöhnt sich bekanntlich
an ein Gift. Roux und Voillard impften darnach
ziemlich rasch, indem sie das Toxin mit seinem
Volumen Jod vermischten. So erfolgte die Ge¬
wöhnung in einigen Wochen. Und die so behan¬
delten Thiere erwiesen sich als absolut geschützt
vor dem Diphtheritis-Gift. Es war unmöglich, sie
diphtheritisch zu machen.
Man würde offenbar so nicht gegen die Angina
oder den Croup die Kranken impfen können. Das
Verfahren würde viel zu lang währen und eben
wegen seiner Langsamkeit kein Heilmittel darstellen.
Das Uebel entfaltete sich vielmehr rascher als die
Impfwirkung. Glücklicherweise erkannte man, dass
das Blutserum der so geimpften Thiere sich be-
merkenswerther antitoxischer Eigenschaften erfreue.
Dieses Serum verhindert nun, wie Roux nachge¬
wiesen hat, mag es in einem Gefäss eingeschlossen
oder im thierischen Gewebe sein, die Wirkung des
Toxins; es hebt sie vollständig auf.
Richet und Hericourt machten ebenfalls in Be¬
zug hierauf beweiskräftige Versuche. Aus ihren
Beobachtungen folgt, dass das Serum ein Gegengift
liefert, welches rasch auf den durch den diphthe-
ritischen Bacillus Vergifteten seine Heilwirkung
ausübt; es genügt, in zwei- bis dreimaliger Wieder¬
holung entsprechende Gaben des antitoxischen Se¬
rums zu injiciren, um dem Uebel Einhalt zu thun.
In Berlin experimentirten Behring und Kitasato mit
demselben Erfolg mit dem vorher durch Im¬
pfung immunisirten Serum. Von den Thieren gingen
sie dann zum Menschen über. Und sie konnten
die Sterblichkeit der an Croup behandelten Kinder
im Verhältniss von 60 zu 28 herabsetzen, d. h. die
Hälfte der kleinen Kranken retten, die hei ge¬
wöhnlicher Behandlung gestorben wären. Damit
war die Serum-Therapie begründet.
Die ersten Versuche von Behring, welcher der
Begründer dieser Methode bleibt, soweit sie die
Diphtheritis betrifft, schienen nicht einwandfrei. In
Berlin selbst blieb das medicinische Urtheil schwan¬
kend. Und ist das wohl ein Heilmittel, welches
nur 50 Procent der Kranken rettet? Ein wirk¬
liches Heilmittel müsste fast bis auf Null die Zahl
der Todesfälle herabmindern. Erst die Roux’sche
Mittheilung auf dem Pester Congress hat die etwas
stockende Zustimmung der Physiologen und Medi-
ciner in Fluss gebracht, indem Roux, der berühmte
Mitarbeiter Pasteur’s die Gründe darlegte, weshalb
bis dahin der Erfolg noch so oft ausblieb.
Roux, Martin und Chaillon haben im Hopital
des Enfants-Malades zu Paris die Behandlung über¬
nommen seit 1. Februar bis 24. Juli. Bei 448
Kindern betrug die Mortalität*) — wie in Berlin —
27, 28 Procent. Aber Roux hat sehr eingehend
jeden einzelnen Fall studirt und nach weisen können,
dass in den reinen Diphtherie- und in den reinen
Croup-Formen, also ohne Complicationen mit an¬
deren Krankheiten, das Serum ganz kräftig war;
die Sterblichkeit war auf 1.66 Procent gesunken.
Somit ist die Methode absolut sicher. In den
anderen Fällen war die Krankheit complicirt;
zum Diphtheritisclien kamen andere Mikroben und
das Secret dieser konnte durch das Gegengift des
diphtheritischen Serums nicht vernichtet werden.
Allerdings haben viele Kinder den Croup und
gleichzeitig Masern, Scharlach, Tuberkulose, Lungen¬
entzündung. Diese sind nicht am Croup gestorben,
sondern an den ihn begleitenden Krankheiten. Man
kann deshalb vorausschicken, dass die Behandlung
in einem beträchtlicheren Verhältniss wirksam sein
würde, falls nicht die anderen Krankheiten ihrer¬
seits in Action treten. Wie soll man in der Praxis
sie ausscheiden? Indem man die Kranken dieser
Art in besonderen Sälen isolirt. Dann wird sich
ein grösserer Procentsatz von Heilungen ergeben.
Später wird die Serum-Therapie gestatten, noch
heilsameres Serum hervorzubringen, welches auch
den complicirenden Affectionen entspricht. Indem
man das Gegengift-Serum für mehrere Krankheiten
gleichzeitig anwendet, wird man endlich über das Gift
der Mikrobenerkrankungen den Sieg davon tragen.
*) Euphemistisch ausgedrückt: le benefice procure par
la serotherapie.
Digitized by
Google
155
Für den Augcublick kann das Verfahren schon
ungeheuer grosse Dienste erweisen, und man be¬
greift die Begeisterung, mit welcher es vom Publi¬
kum aufgenommen worden ist. Die Serum - In-
jectionen sind nicht schmerzhaft und die Larynx-
Häute im Verlauf eines Croups stossen sich in 24
Stunden ab. Roux hat das Serum des iinmunisirten
Pferdes benutzt. Im Pasteur’sehen Institut hat man
eine Anzahl Pferde immun gemacht, denen man am
Hals zur Ader lässt, um so das Serum zu gewinnen.
Das Pferde-Serum ist reichlich vorhanden. Man
kann dem Pferd ohne Nachtheil öfters Blut ent¬
ziehen. Das Blut gerinnt langsam und das Thier
ist leicht zu immunisiren.
Gegenwärtig lässt man in Paris im Pasteur’schen
Institut den Aerzten kleine Fläschchen mit 20 ccm
Pferde-Serum ab. Dieses Serum hält sich Monate
lang in seinen Eigenschaften. Man kann es noch
darstellen in Körnerform (en forme de grains). Dank
der Subscription, zu der der „Figaro“ die Initiative
ergriff, und dank anderer Dotirungen, wird das
Pasteur’sehe Institut in der Lage sein, eine grosse
Anzahl von Pferden zu immunisiren. Dazu braucht
man aber mindestens zwei Monate. Nach dieser
Zeit darf man hoffen, dass alle Aerzte der Provinz
sich mit antidiphtheritischem Serum versorgen
können. Warum, fragt man sich, sollten nicht in
den Hauptofficinen Niederlagen bestehen können?
Alsdann würde die Serum-Therapie Gemeingut und
könnte eine grosse Zahl armer Kinder gerettet
werden, die bis dahin einem fast sicheren Tode
ausgesetzt waren.
Möchten wir keine Enttäuschung erleben in
dieser Beziehung! Aronson in Berlin hat seiner¬
seits in Hunderten von Fällen seiner Privatpraxis
reüssirt. Die Behandlung geschieht also mit grosser
Wahrscheinlichkeit des Gelingens. Alles spricht
dafür, dass das Serum über eine schreckliche Land¬
plage triumphiren wird; alsdann aber wollen wir
nicht vergessen, dass alle diese grossen Ent¬
deckungen auf dem Gebiete der Bacteriologie,
welche unserem Zeitalter zur Ehre gereichen, ihren
Ausgangspunkt nehmen vom Laboratorium Pasteur’s.
„Noch einmal werden wir diesen grossen Namen
zu verherrlichen haben, der bereits so viel Glanz
unserem Lande verlieh und der Menschheit so
grosse Dienste erwiesen hat.“
Also schliesst etwas pomphaft, aber im Sinne
der grossen Nation, die sogar an der Spitze der
Civilisation einherschreiten möchte, jener, abgesehen
von einigen Ungenauigkeiten, die der Leser leicht
verbessert haben wird, beachtenswerthe Artikel.*)
*) Bezeichnend ist, dass die Pariser Presse als den
Entdecker der Serumbehandlung den Professor Roux über¬
schwänglich feiert. Roux selbst lehnt die ihm aufge-
nöthigten Lorbeem ehrlich ab und weist auf Kitasato und
I Wir von unserem homöopathischen Standpunkt
j aber dürfen getrost den Ausgangspunkt dieser
Therapie, mag sie zum Ziele führen oder nicht,
j auf einen anderen Gelehrten zurückführen, der das
Similia similibus zum therapeutischen Leitstern er¬
koren hat. Und selbst Jenner’s Entdeckung muss
sich jenem grossen Gesetze unterordnen, steht und
fällt mit demselben. — Die Serum-Therapie ist
unmöglich so zu verstehen, dass Bakterien gegen
Bakterien ins Feld geführt werden, das injicirte
I Serum ist vielmehr als eine Simile-Arznei aufzu¬
fassen ; die stickstoffhaltigen Eiweisskörper im Serum
' sollen das eigentlich wirksame antidotarische Prin-
cip enthalten, jedenfalls aber in infinetesimaler, un¬
chemischer und imponderabiler Weise. Es kann
I also, wie bei unseren homöopathischen Verdünnungen,
| nur von einer dynamischen Wirkung, eben auf
Grund des Aehnlichkeitsgesetzes die Rede sein.
Meine Bedenken fasse ich auf Grund der bis¬
herigen Bekanntmachungen und klinischen Beobach¬
tungen dahin zusammen:
1. Wir dürfen deshalb noch nicht triumphiren,
weil erfahrungsmässig es schon zu oft geheissen
hat, das und jenes Mittel sei specifisch und unfehl¬
bar gegen Diphtheritis. Der Genius epidemicus
und die individuelle Constitution sind aber zu ver¬
schieden, als dass mit Wahrscheinlichkeit es über¬
haupt ein Verfahren geben sollte, das zu allen
Zeiten allen Indicationen gerecht wird.
2. Gar oft begegnen wir in den Heilungen
Beihilfen, welche au fond ebensogut als allein helfend
angesehen werden können. Leider wird auch in
der Homöopathie, d. i. bei Veröffentlichung von
homöopathischen Heilungen ganz unverfroren solche
„Beikost“ mit als etwas ganz Nebensächliches auf¬
geführt. Da lässt der Eine gleichzeitig „Packungen“
ausführen, der Andere neben seinen homöopathischen
Arzneien Massiren, Elektrisiren, allerlei „Species“
trinken, auch wohl Morphium als etwas Harmlos-
Unvermeidliches verabreichen oder injiciren, ein
Euphorbiumpflästerchen appliciren und Gott weiss,
was sonst noch vornehmen. Auch in dem Beispiel,
welches als massgebend die „Braunschweiger Zei¬
tung“ bringt, gelangen „neben der Injections-
behandlung Gurgelungen mit Kreolinlösung und
Verabfolgung von Tränken starker Spirituosen“
(nota bene bei 41.1 Grad Temperatur!) zur An¬
wendung. Damit ist aber das Experiment durchaus
nicht einwandfrei, im Gegentheil darf es mit Recht
angefochten werden.
Dasselbe gilt von allen sonstigen angestellten
oder noch anzustellenden serum-therapeutischen Be-
Behring als die Urheber der Methode hin. Die Blätter
schweigen jedoch diese Verwahrung todt und bleiben uner¬
schütterlich dabei, dem gewaltigen Siege französischer
Wissenschaft Pindarische Hymnen zu singen.
20 *
Digitized by
Google
156
h&ndlungen überhaupt und speciell der Diph¬
therie.
v. Grauvogl legte bekanntlich den grössten
Werth auf Spiritus-Gurgelungen (verdünnter Weiu-
geist) als kräftiges antidiphtheritisclies Mittel.
3. Die Technik des suhcutanen Injicirens ist
zwar leicht zu erlernen, allein unbegreiflich erscheint,
dass man hier Verletzungen der Haut so gering
anschlägt, während sonst bei jedem Hautritz das
Gespenst der Blutvergiftung herauf beschworen und
mit allen möglichen, oft recht heroischen Desinfec-
tions-Mitteln und Antisepticis vorgegangen, auch
sicher oft genug mehr Schaden angerichtet als Hilfe
gewährt wird. Gerade Läsionen Diphtheritischer
wurden bisher für sehr bedenklich gehalten. Auch
bei der Einführung der Thermometer scheut man
sich nicht — im Widerspruch mit dem antisep¬
tischen Princip — von einer Achselhöhle zur an¬
dern (von einem — Anus in den andern) zu wan¬
dern. Ich will nicht reden von dem unangenehmen
Eindruck, den die Vornahme solcher Injectionen
auf ein ängstliches, fieberndes Kind machen müssen,
dem der gefürchtete Doctor vielleicht vom Impfakte
her noch in unliebsamer Erinnerung steht.
4. Es heisst zwar, dass das antidotarische Serum
keine schlechten Nebeneigenschaften habe, allein
von welchen pharmaceutischen Errungenschaften
der Neuzeit, von welchem der zahllosen auf „in w
endigenden, nicht auf Wald und Wiese wachsen¬
den, sondern in den chemischen Laboratorien aus¬
geheckten Producte hätte man nicht ein Gleiches
gesagt! Sobald ein neues auftaucht, da erfahrt
man erst von den ,,Schlechtigkeiten“, welche der
ephemäre Vorgänger angerichtet hat. Wir brauchen
nur an die thatsächlichen vergiftenden Nebeneigen¬
schaften des Antipyrins, Phenacetins, Salipyrins,
Exalgins etc. etc. zu erinnern.
Mit den Schlafmitteln ist es ebenso. Gewöhn¬
lich folgen dann erst ,,Verbesserungen“, bis auch
diese sich als Danaergeschenke ausweisen.
5. Einen den Nimbus der Immunisirung ab¬
schwächenden Eindruck macht die folgende Publi-
cation:
„Die Forschungen über die Diphtherie-Antitoxine
sind mit der Gewinnung des Blutserums künstlich
immunisirter Thiere keineswegs abgeschlossen, son¬
dern gehen auch in anderer Richtung vorwärts.
Soeben veröffentlichen Professor Paul Ehrlich und
Dr. A. Wassermann in der Zeitschrift für Hygieine
und Infectionskrankheiten eine Abhandlung, welche
neue bedeutsame Perspectiven eröffnet. Neben dem
Blutserum scheint nämlich mit der Zeit auch die
Milch zu therapeutischen Zwecken herangezogen
werden zu können. Professor Ehrlich hat den
Nachweis geführt, dass nicht nur in das Blut, son¬
dern auch in die Milch künstlich immunisirter
Thiere die Schutz- und Heilkörper in erheblicher
Menge übergehen. Bei diesen Versuchen wurden
Schafziegen (hornlose Ziegen) verwandt, weil diese
einerseits sehr empfänglich für die meisten Bakterien¬
gifte sind, andererseits aber eine grosse Wider¬
standsfähigkeit besitzen, welche sie selbst recht
starke lmmunisirungseingriffe überstehen lässt.“
Weiter oben lasen wir noch, dass die Immuni¬
sirung sich ausser auf das diphtheritische Gift auf
noch ganz andere heterogene giftige Agentien er¬
strecken soll. Das muss doch Misstrauen erwecken,
ebenso wie die Virchow’schen ,,Wenn“’s. Virchow
ist in der wirklichen Diplomatie zwar nur Laie,
aber wiederholt hat er sich in heikligen Fragen
diplomatisch auszudrücken verstanden. Ehrlich da¬
gegen klingt die Antwort, welche er gab, als er
die plötzlich wachsende Mortalität unter den diphthe-
ritischen Kindern des ihm unterstellten Hospitals
auf den veränderten Genius epidemicus schob und
nicht auf den Umstand, dass das immunisirende
Serum ausgegangen war.
Sein Urtheil über unsern Gegenstand lautet:
„Ich kann meine Ansicht über das Serum da¬
hin zusammenfassen, dass es eine starke schützende
Wirkung auf Wochen, vielleicht auf Monate, sagen
wir drei, vier Monate ausübt. Ob diese Wirkung
von immerwährender Dauer ist, muss ebenso ab¬
gewartet werden, wie die Lösung der Cardinal frage,
ob es wirklich möglich ist, die Diphtherie mit diesem
Mittel zu heilen. Aber es ist schon viel erreicht,
wenn es z. B. gelingt, in einer Familie, wo drei
oder vier Kinder an der Diphtherie erkrankt sind,
auch nur eines mit dem Serum immun zu machen,
d. h. zu schützen. Für diese Wirkung des Mittels
spricht alle Wahrscheinlichkeit.“
Man achte auf das Hinterthürchen der schwanken¬
den Dauer der Immunität. Anderswo heisst es:
Je später immunisirt wird, also je weiter die
Diphtheritis fortgeschritten ist, desto mehr braucht
man Serum.
Schliesslich kann es nichts schaden, und auch
vom Standpunkt der sachlichen Unparteilichkeit aus
erscheint es uns geboten, Publicationen, wie die
folgende, festzunageln, um event. darauf zurück¬
kommen zu können und alsdann unsere heutigen
Bedenken bestätigt oder — widerlegt zu sehen.
Wie die „Berliner Börsen-Zeitung“ mittheilt,
liegen jetzt bereits aus den Berliner Krankenhäusern
ziffernmässige Beweise vor, angesichts deren die
günstige Wirkung der Serum-Therapie auch von
Zweiflern nicht mehr bestritten werden kann. Wie
bedeutsam diese Wendung der Dinge ist, ergiebt
sich aus der Erinnerung an die Thatsache, dass
noch vor 10 Jahren beim Preisausschreiben der
Kaiserin Augusta die Heilbarkeit der Diphtherie
in weiter Ferne zu liegen schien. Und heute wird
Digitized by ^.ooQle
157
aus dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-Krankenhause
berichtet, dass bei 169 Patienten unter den frühzeitig
behandelten kein einziges Kind gestorben ist. In
der Charite und im Elisabeth - Krankenhause sind
zuletzt 89 Kranke mit Serum behandelt worden.
Die Zahl der Sterbefalle betrug 12—18,5 Procent.
Bringt man 5 agonale Fälle, die schon in den
ersten 24 Stunden starben, in Abzug, so erhält
man eine Mortalität von 8 Procent. Unter den
7 Todesfällen war bei 4 die Prognose von vorn¬
herein ganz trostlos. Es kann nicht oft genug be¬
tont werden, dasg die Wirkung um so sicherer ist,
je schneller die Serumbehandlung einsetzt, und dass
am ersten oder zweiten Tage der Krankheit die
Kinder dadurch fast ausnahmslos geheilt werden.
In keinem Fall# wurde ein Ansteigen des Processes
beobachtet, und bei vielen Kranken, bei denen
bereits schwere Stenosen bestanden, konnte die
Tracheotomie, der Luftröhrenschnitt, dank derSerum-
behandlung, umgangen werden. Aus dem Elisabeth-
Krankenhause hatte Dr. Schubert schon vor einiger
Zeit berichtet, dass unter 34 Kindern 82,4 Pro¬
cent geheilt wurden, darunter 14 tracheotomirte.
Im städtischen Krankenhause am Urban wurde über
60 Fälle berichtet. Davon waren 80 schwere,
16 mittelschwere und 14 leichte. Von den 30
schweren wurden 50 Procent, von den 16 mittel¬
schweren 81 Procent, von den 14 leichten alle
geheilt. Unter den tracheotomirten genasen 45 Pro¬
cent, das sind 20 bis 25 Procent mehr als sonst.
Herbst-Versammlung
des sächsisch - anhaltinischen Vereins homöo¬
pathischer Aerzte in Magdeburg.
Am 14. d. M. fand zur festgesetzten Stunde
im Central-Hötel zu Magdeburg unter dem Vorsitz
des Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwasser-Bern¬
burg die diesjährige Herbst-Versammlung des
sächsisch-anhaltinischen Vereins homöopathischer
Aerzte statt Anwesend waren: Geh. Sanitätsrath
Dr. Faulwasser-Bemburg, Dr. Groos-, Dr. Knüppel
Dr. Studentkowsky-Magdeburg, Oberstabsarzt Dr.
Rohowsky -, Dr. Stifft-, Dr. Haedicke- Leipzig , Dr.
Vülers-Dresden , Dr. JJankei't- Halle, Dr. Kröner -
Potsdam als Gast, Dr. Lutze- Cöthen. Wir bedauern
herzlich, dass die Berliner Collegen, mit Ausnahme
des Collegen Dr. Kröner aus Potsdam, unserer
freundlichen Einladung zu einer gemeinsamen
Sitzung nicht Folge leisten konnten, da es unmög¬
lich war, ihrem Wunsche gemäss die Versammlung
zu einer späteren Stunde zu eröffnen.
Nach Erledigung geschäftlicher und litterarischer
Angelegenheiten, worunter wir die Wahl Dessaus
zur Frühjahrsversammlujig und die Anzeige einer
erneuten verbesserten Auflage des „Therapeutischen
Taschenbuchs von Dr. C. von Boenninghausen“ er¬
wähnen, erhielt College Haedicke das Wort zum
Vortrage über,,Peri- und Parametritis. u An der Hand
anschaulicher Abbildungen aus den mitgebrachten
Werken 1) von Dr. A. Auward, deutsch von Dr.
A. Rosenau, 100 illustrirte Fälle aus der Frauen¬
praxis, Leipzig, Abel, 2) Krankheiten der Frauen
von Prof. Dr. Heinrich Fritsch, Braunschweig,
Wreden, zeigte derselbe Sitz und Ausbreitung der
betreffenden Erkrankungen, besprach deren Symp¬
tome und Verlauf, Diagnose, Differentialdiagnose
und Prognose, wobei er als wichtiges differential¬
diagnostisches Merkmal für Parametritis, in eigner
Praxis zu wiederholten Malen bestätigt, die prall-
I elastische und unverschiebbare Beschaffenheit der
Schleimhaut erwähnte, ungefähr so, als wenn man
ein gespanntes Tuch mit dem Finger eindrückt.
Zur Behandlung sei die Anwendung von Eis
nicht durchaus nothwendig, wohl aber die Priess-
nitz’schen Umschläge, womöglich um das ganze
Becken herumzuschlagen; bei heftigen Schmerzen
könne man nicht ohne Morphium auskommen. Ueber
letztere Ansicht erhob sich eine längere Aussprache,
ohne von Allen getheilt zu werden. Von Arznei¬
mitteln kommen in Betracht Sulph., Bryon, be¬
sonders empfehlenswerth, Ars. und Merc. Dr. Stifft-
Leipzig erwähnte eines interessanten Falls aus dem
homöopathischen Krankenhause mit zeitweisen
Temperaturen bis 43 Grad C. bei verhältnissmässig
niedrigem Pulse, wo er zur Zeit der grössten
Schmerzhaftigkeit mit auffallendem Erfolge Phosph.
C. 3. verabreichte, dessen Anwendung er gleich¬
zeitig zu begründen suchte.
Nach Schluss der Versammlung fand ein ge¬
meinsames Festessen mit den zahlreich erschienenen
Damen statt. Gegen Ende des Festmahls, das in
heiterer, ungezwungener Weise verlief, hatte eine
der jüngsten Frauen die Liebenswürdigkeit, für die
Wittwenkasse einzusammeln, die durch die Frei¬
gebigkeit der Collegen um den ansehnlichen Be¬
trag von 40 Mk. bereichert wurde. Dr. St.
Zum internationalen homöopathischen Congress
in London 1896.
Die Leitung des Congresses rechnet auch auf
eine rege Betheiligung der homöopathischen Aerzte
Deutschlands an diesem Congress, und zwar nicht
bloss durch persönliches Erscheinen derselben, son¬
dern auch durch literarische Arbeiten, welche die
Verhältnisse der Homöopathie in unsern Landen
betreffen oder praktische oder theoretische Themata
Digitized by
Google
158
behandeln. — Wir werden im Laufe des nächsten
Jahres noch öfter auf diese wichtige Angelegen¬
heit zurückkommen, da wir eine würdige Vertre¬
tung Deutschlands auf dem Congrcss dringend
wünschen.
Der Secretär des Congresses, Dr. Hughes in
Brighton, England, ist bereit, etwa gewünschten
Aufschluss zu geben, sowie alle eingesandten Ar¬
beiten in Empfang zu nehmen. Die Redaction.
Aufforderung zur Subscription
auf eine zweite durch die neueren amerikanischen
Mittel ergänzte und bereicherte Auflage des
v. Boenninghausen’schen
Therapeutischen Taschenbuches
in deutscher Sprache.
Die projectirte neue Ausgabe des r. Boenning•
hausen'schen Therapeutischen Taschenbuches in deut¬
scher Sprache (von Dr. Fries-Zürich ) sollte fürwahr
bei homöopathischen Aerzten keiner weitern Em¬
pfehlung bedürfen, da der Mangel eines, auch die
neueren Mittel enthaltenden Repertoriums gewiss
von jedem homöopathischen Arzte oft und sehr
schmerzlich empfunden wurde. Besonders fühlbar
wird dieser Mangel bei der Behandlung chronischer
Leiden, da dieselben ohne ein solches Nachschlage-
buch nicht wohl mit Aussicht auf Erfolg behandelt
werden können.
Das im Jahre 1846 erschienene Original hat
sich jedem gewissenhaften Jünger Hahnemann’s
sowohl für die Praxis, als auch für das ver¬
gleichende Mittelstudium, als ein so unentbehr¬
liches und unersetzliches Werk erwiesen, dass das¬
selbe seit Jahren im Buchhandel vergriffen ist. Eine
neue Ausgabe dieses so werthvollen Buches, welches
in der Bibliothek keines homöopathischen Arztes
fehlen sollte, entspricht umsomehr einem dringenden
Bedürfniss, als seit dem Erscheinen des Originals
eine grosse Zahl von neuen Heilmitteln, meisten-
theils amerikanischen Ursprungs, unserem Arznei¬
schatze einverleibt worden sind.
In der neuen amerikanischen Auflage des
v. Boennitighausen*sehen Taschenbuchs vom Jahre
1891 hat der eminente Mittelkenner Dr. AUen die
neuern Mittel dem ursprünglichen Texte beigefügt
und durch zeitgemässe Zusätze dem gegenwärtigen i
Standpunkte der homöopathischen Arzneimittellehre
entsprechend gestaltet.
Um nun dieses in seiner Art einzig dastehende
Buch, durch welches der Arzt in den Stand gesetzt
wird, unter den wohlgeprüften und bewährten
Arzneien die dem Similia similibus am besten ent¬
sprechenden herauszufinden, den homöopathischen
Aerzteu deutscher Zunge ebenfalls zugänglich zu
machen, bedarf es der allgemeinen Betheiligung
bei der eröffneten Subscription, da ohne Garantie
der Deckung der Druckkosten kein Verleger zu
finden ist.
Hoffentlich werden die deutschen Homöopathen
den Werth und die Nothwendigkeit der Heraus¬
gabe dieses Werkes einsehen, denn es wäre in der
That ein trauriges Testimonium paupertatis, wenn
das Buch in Folge mangelnder . Betheiligung un¬
gedruckt bleiben müsste.
Wir bitten somit alle homöopathischen Aerzte,
denen das Wohl und der Fortschritt der Homöo-
1 patliie am Herzen liegt, ihre Unterschrift baldigst
I an A. Marggrafs homöopathische Offloin in Leipzig
einzusenden, damit die Bearbeitung und Heraus¬
gabe des Werkes so schnell als möglich gefördert,
werden kann.
Basel, im October 1894.
Dr. Th. Brnckner.
Quittung.
Für das homöopathische Krankenhaus zu
Leipzig sind eingegangen in der Zeit vom 18. Mai
bis 20. October a. c. bei Herrn Apotheker William
Steinmetz , Leipzig:
Für den Betriebsfonds:
Mark
von
Herrn Dr. med. Puhlmann, Leipzig,
Honorar für Allg. liorn. Ztg.
25.60
n
„ Geh. San.-Rath Dr. med. Faul-
wasser, Bernburg ....
500.—
rt
„ Dr. med. X. in Y. für 2 Frei-
betten pro 2. Halbjahr 1894
500.—
n
„ Dr. med. X. in Y. zur Weih-
nachtsbescheerung für die
Kranken 1894 .
100.—
n
Centralvereinsmitgliedern 26 Jahres¬
beiträge ä 6 Mk.
156.—
n
1 Centratvereinsmitglied 1 Jahresbei¬
trag ü 10 Mark.
10.—
MkT
1291.60
Mit dem herzlichsten Danke für diese neuen
Gaben verknüpfen wir die Bitte um ferneres gütiges
Wohlwollen.
Leipzig, den 20. October 1894.
Hochachtungsvollst
William Steinmetz,
z. Z. Kassenverwalter.
Digitized by ^.ooQle
159
Quittung.
Für die Unterstfitzungskasse für Wittwren
homöopathischer Aerzte sind in der Zeit vom
18. Mai bis 31. October a. c. nachstehende Beiträge
eingegangen: Mark
von Herrn Dr. med. Lorbacher, Honorar
für AUg. homöopath. Ztg. 11.20
n „ Dr. med. Herrn. Fischer, West¬
end, desgleichen .... 3.52
n n Dr. med. Mende, Zürich, Jah¬
resbeitrag pro 1893/94 . . 20.—
Sammlung beim Festessen des homöopath.
Centralvereins Deutschlands in Eisenach
am 10. August 1894 . 237.—
Sammlung beim Festessen des Säclisisch-
Anlialtin. Vereins in Magdeburg am
14. October 1894 40.—
von Centralvereinsmitgliedern an Jahres¬
beiträgen: 25 ä 8 Mk. 200.—
von Herrn Professor Dr. med. Heeremann
de Hundermark, Paris 23.10
„ „ Carl von Ronay, Kaschau . 6.—
Sammlung beim Festessen des Vereins
Württembergischer homöopath. Aerzte . 100.—
Mk. 640.82
1 Für diese gütigen Zuwendungen sagen wir
unsern herzlichsten Dank, denn der Unterstützungs-
I bedürftigen werden immer mehr und die Beiträge,
die auf die Einzelnen fallen, sind noch klein. Wir
bitten daher um weitere freundliche Gaben.
Leipzig, den 20. October 1894.
Hochachtungsvollst
William Steinmetz,
z. Z. Kassenverwalter.
Beglückwünschung.
Der homöopathische Arzt Herr Dr. med. Aurel
Krayzell in Eperjes in Ungarn ist seit 33 Jahren
in amtlicher Stellung thätig. Von 1861—1871 als
Honorar-Physicus, seitdem als Wirklicher Ober-
Phyöikus des Saroser-Comitates, und hat Se. Maje¬
stät der Kaiser mit allerhöchster Entschliessung vom
9. August a. c. geruht, in Anerkennung seiner er¬
worbenen Verdienste als Comitats-Oberphysicus ihm
den Titel eines „Königlichen Rathes“ taxfrei zu
verleihen.
Wir beglückwünschen ihn hierzu aufs herzlichste,
zumal nur selten derartige Auszeichnungen und
Anerkennungen in unsere Kreise kommen.
Anzeigen.
Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Kunkel
soeben in den Besitz von
Behringsthem Diphtherie-Serum
gekommen, ofterire ich dieses Mittel den homöopathischen
Aerzten zu Versuchen in i
001.—0030. Potenzen (flüssige und Verreibungen). |
Auf Wunsch fertige auch noch höhere Potenzen an.
Leipzig, den 19. October 1894. |
_ A. Marggrafs homöopath. Officin. i
Homöopathische Arzneitabletten. :
Neueste und praktischste Form zum ganz gleicli-
mässigen Abtheilen bestimmter Quantitäten Arzneien
als Einzelgaben —; zerdrücken sich nicht leicht mit
der Hand, lösen sich aber sehr leicht auf der Zunge
auf; bequemste Form zum Gebrauch der Arzneien
auf Reisen und für die selbstdispensirenden Herren
Aerzte zum Versenden in Briefen und zur Abgabe
an Patienten, die noch an allopathische Arzneiformen
gewöhnt sind. Dieselben können jetzt von jedem
Mittel und in jeder Potenz sofort in jedem ge¬
wünschten, grösseren oder kleineren Quantum ange¬
fertigt und geliefert werden. Mit Ausnahme einiger
theurer Mittel kosten 12 Stück in Cylinder 20 Pf.,
80 Stück in Schachtel 75 Pf., grössere Mengen
noch billiger.
A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig«
Den Herren Aerzten empfehle sämmtUcke Artikel
zur Krankenpflege:
Verbandstoffe,
ärztliche und sonstige Instrumente,
Instrumententaschen
und Wundverband-Apotheken
in allen Grössen, in bester Qualität und zu billigsten
Preisen.
Ausführliche, speciell chirurgische Preislisten werden
auf Verlangen gratis und franco verschickt.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform, ä 0,25 firamm Gewicht.
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
Besonders auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
1 Cylinder ä
(Flacon od.
(Schachtel
12 Stück
24
30
40
50
60
ä 80
ä 100
ä 120
ä 150
ä 200
3 Gramm
0 „
- 7,5
= 10
== 12,5
= 15
= 20
= 25
= 30
= 37,5
= 50
Mk. —.20
—.30
-.35
—.45
—.55
—.65
—.75
—.90
1.10
1.35
1.80
1 „ k 400 „ =100 „ . . . „ 3.50
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Digitized by
Google
160
Ende dieses Jahres erscheint :
The Universal Homoeopathic Annual
(jedoch nur in englischer Sprache).
Ein Jahresbericht ans der gesammten homöopathi¬
schen Literatur der ganzen Welt und einUeberblick
über die die Homöopathie interessirenden allopathi¬
schen Werke.
Herausgegeben von
Dr. med. Francois Cartier, Paris
und seinen Mitarbeitern, den DDr. Prof. Timothy-Field
Allen-New-York, Pierre Jousset-Paris, A. B. Norton-
New-York, Leon Simon-Paris, Seiden Talcott-New-
York, Alphonse Teste-, Henry C.Houghton-New-York,
W. B. Van Lennep-Philadelphia, Burford-London,
Kippax-Chicago, Hurndall-London, Giuseppe Bonino-
Turin, einer Reihe hervorragendster Specialisten für
Magen-, Augen-, Ohren-, Lungen-, Frauen-, Kinder-,
Geschlechts- etc. Krankheiten in Frankreich und
Amerika.
Preis 12 Mark.
Dieses Jahrbuch wird ungefähr 500 Seiten um¬
fassen und zerfallt in zwei Theile, die Arzneimittel¬
lehre und die Therapie. Es wird so vollständig als
nur möglich gehalten sein und ist anzunehmen, dass
jeder homöopathische Arzt auf dasselbe abonnirt
und sich freut, durch dasselbe bekannt zu werden
mit den Anschauungen hervorragender Professoren
und praktischer Aerzte, von denen im laufenden
Jahre Veröffentlichungen erschienen sind.
Aufträge nimmt auf Wunsch entgegen
A. Marggrafs homöopathische Officin
Leipzig.
Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Officin
in Leipzig ist soeben erschienen:
Oie homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
OhrenkrankheiteD
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in
No. 23/24 des 128. Bandes dieser Zeitung.
In empfehlende Erinnerung bringe ich den selbst-
dispensirenden Herren Aerzten zur revisionsmässigen Ein¬
richtung ihrer Hausapotheken meine hierzu extra zusammen-
gesteliten, in neuer, wesentlich vermehrter und vervoll¬
ständigter Auflage erschienenen
Vollständigen Collectionen
von
Revisions-Etiquetten
für
Separanda und Yenena.
(Druck: roth auf weiss und weiss auf schwarz.)
Jede Collection enthält alle vorkommenden Mittel,
die gangbarsten Namen 10mal, und zwar 545 Namen in
2222 Etiquetten, zum alten Preise von 3 Mark.
Hierzu kommen
Ergänzungshefte
mit revisionsmässigen Etiquetten
für
Nicht-Separanda.
(Druck: schwarz auf weiss.)
235 Namen in 600 Etiquetten zum alten Preise von
nur 1.50 Mk.
Diese Etiquettenhefte sind so praktisch eingerichtet,
dass man jede beliebige Etiquettc ausschneidcn kann,
ohne dass andere dadurch gelockert werden und heraus¬
fallen können.
Jeder einzelne Name ist auch in grösseren Mengen zu
haben und zwar:
ä 100 geschnitten u. gumrairt (Druck schwarz auf weiss) 25 Pf.
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck roth auf weiss) 40 Pf.
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck weiss auf schwarz) 50 Pf.
(Bei letzteren beiden Sorten jedoch nur so weit die Yor-
räthe reichen.)
Ausserdem empfehle die bei Revisionen jetzt ver¬
langten:
Revisionsmässigen Hand-Waagen (mit Hom-
oder Porzellan-Schaalen).
„ Horn- u. Porzellan-Löffel,
„ Porzellan-Mörser,
mit eingebrannter und eingepresster Schrift für: Alcaloide,
Arsenicalia. Cyanata, Mercurialia und Phosphor zu nach¬
stehenden billigsten Preisen:
n ljn( i WQO<rfin I mit Hornschaalen M. 5.50
Handwaagen j ^ Porzellanschaalen (Phosphor) „ 6.50
T öflY.l j von H oru „ —.75
^ l „ Porzellan (Phosphor) „ 1.25
Mörser mit Pistillen, 13 cm äusserer Durchmesser
und mit Ausguss „ 3.50
Gewichtssätze von 0,001—20,0 nebst Pincette ä „ 7.50
A. Marggrafs homöopath. Officin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Milser in Leipzig.
Digitized by k^ooQle
Band 129
Leipzig, den 25. November 1594. No* 21 U. 22
ALLGEMEINE
nOMÖOPATHISCDE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A.MarggraPs homöopath. Officio) in Leipzig.
Erscheint Utägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 />/“. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97desPost-Zeitungs-Verzeiohnisses(prol892).—Inserate, welche an Haasensteln & Vogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Jlf. berechnet.
Inhalt. Zum 50jährigen Jubiläum des Dr. med. Arnold Heinrich Lorbacher am 25. November 1894. — Klinische
Beobachtungen Ober Silicea, Mercurius praecipitatus ruber, Aurum muriat.-natronatum und Ipecacuanha. Von Dr. med.
Stift. — VII. Herbstversammlung des Vereins der homöopathischen Aerzte Württembergs am 24. October 1894. —
III. Bericht der ArzneiprOfungsgesellschaft. NachprOfung von Ranunculus sceleratus. Referent Dr. Schier-Mainz. —
Zu „Schlegels Physik der Homöopathie.“ — LesefrOchte. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '“•8
Zum 50 jährigen Jubiläum
des
Dr. med. Friedr. Arnold Heinrich Lorbacher
am 25. November 1894.
Am 25. November feiert unser werthgeschätzter
College Dr! Lorbacher das Fest seines 50 jährigen
Jubiläums als Doctor der Medicirt
Ist dieser nun ein Freuden- und Ehrentag zu¬
nächst für den Jubilar selbst, so ist er es nicht
minder für uns, seine Berufsgenossen, ja, für alle
Freunde der Homöopathie in den weitesten Kreisen.
Hat die ihm vor 50 Jahren von der Universität
Greifswald verliehene Würde eines Doctors der Me-
dicin, Chirurgie und Geburtshilfe ihm, so hat der
Jubilar dem Titel Ehre gebracht. Uns ist College
Lorbacher aber noch weit mehr als das. Hätten
wir die Befugniss, Jemand zum „Doctor der Ho¬
möopathie“ zu ernennen, so gebührte ihm dieser
Ehrentitel mit vollem Fug und Recht. Ist er doch
über ein Menschenalter ein überzeugungstreuer Be¬
kenner und Ansüber der homöopathischen Heilkunst
gewesen und hat, mit einer guten medicinischen
Ausbildung, scharfen Beobachtungsgabe und gründ¬
lichen Mittelkenntniss ausgerüstet, eine an Erfolgen
reiche ärztliche Tliätigkeit entfaltet. Aber auch
als Schriftsteller hat er auf dem Gebiete der Ho-
I mÖopathie Hervorragendes geleistet, und ist ihm ins¬
besondere die Allgemeine homöopathische Zeitung
zu grossem Danke verpflichtet. In sie hat er seit
vielen, vielen Jahren bis auf die neueste Zeit dem
grössten Tlieil seiner literarischen Arbeiten nieder-
gelegt. Hier hat er uns eine grosse Reihe von
gediegenen Artikeln geboten, welche theils theore¬
tische Fragen, theils praktische, aus seinen eigenen
Erfahrungen geschöpfte Heilungsgeschichten, be¬
trafen; letztere waren für uns um so werthvoller,
als sie der Leistungsfähigkeit unserer Heilkunst
auch in den schwierigsten Fällen auf Grund des
Aehnlichkeitsgesetzes , in treuer , wenn auch nicht scla-
vischer Beobachtung der Vorschriften Hahnemami'$,
und gerade oft bei Anwendung höherer Potenzen,
einen prägnanten, höchst lehrreichen Ausdruck,
gaben. — Als langjähriger Redacteur dieser Zei¬
tung (von 1877—1889 der Bände 94—120) ist
Dr. Lorbacher bestrebt gewesen, auf der Höhe der
medicinischen Wissenschaft stehend, dennoc h das
eigenartige Wesen der Homöopathie festzuhalten,
und indem er zu den bei uns, namentlich in der
Gabengrösse, herrschenden Strömungen eine ver¬
mittelnde Stellung einnahm, Frieden und Eintracht
in unserm Lager möglichst zu wahren. So hat er
noch jüngst, im hohen Alter von 76 Jahren, durch
den in No. 8/9 des laufenden Bandes dieser Zeit¬
schrift veröffentlichten Artikel „Zum Ausgleich“
ns
t
Diese Nnmmer erscheint anlässlich des Dr. Lorbacher’schen Jnbilänms am Jubilänmstage,
den 25. November 1894.
162
seine Stimme mahnend, beschwichtigend und ver¬
söhnend in dem Streite der Parteien erhoben. —
Hiermit ist indessen seine Wirksamkeit im
Dienste und zum Heile unserer Sache noch lange
nicht erschöpft.
Es ist uns Allen ja wohlbewusst, was der
Jubilar in seiner mehr als 20 Jahre umfassenden
Stellung als Vorsitzender unseres Centralvereins,
was er als dirigirender Arzt der homöopathisohen
Poliklinik in Leipzig geleistet hat. Wie er, ein
Hüter auf der Warte, die Angriffe von aussen tapfer
abgewehrt, das weiss die ältere Generation unter
uns sehr wohl, und w f ie er andererseits als Mehrer
unseres Reiches und seiner Güter mit rastlosem
Eifer zur Gründung des homöopathischen Kran¬
kenhauses in Leipzig hingewirkt und als Vor¬
sitzender im Curatorium dieser Anstalt bis auf
diesen Tag dies sein Lieblings-, manchmal frei¬
lich auch Schmerzenskind mit väterlicher Sorge ge¬
hegt und gepflegt hat, das ist noch in frischester
Erinnerung auch bei den Jüngeren.
Hat sich der Jubilar durch diese Verdienste um
unsere Sache nicht ein Monumentum aere perennius
unter uns gegründet?
Ja, wahrlich, wenn wir ihm zu seinem Ehren¬
tage unsere herzlichsten Glück- und Segenswünsche
dprbringen, so sind wir gleichzeitig von einem tiefen
Gefühl des Dankes und der Anerkennung Alles
dessen erfüllt, was er in seiner langen, gesegneten
Wirksamkeit für die Homöopathie und so für uns
gethan hat.
Möge ein gütiges Geschick unsern alten Lor-
bacher uns noch lange erhalten, wir bedürfen eines
solchen Nestors; möge ihm ein heiterer, erquicken¬
der Lebensabend beschieden sein, worin er das,
was er in den Jugendtagen gewünscht, im Mannes¬
alter erstrebt, nun als Senex in vollgereifter Gestalt
als lebendige Wirklichkeit schauen darf.
Der Redacteur.
Klinische Beobachtungen
über
Silicea, Mercurius praecipitatus ruber, Aurum
muriat-natronatum und Ipecacuanha.
Von Dr. med. Stifft.
Zur Jubelfeier unseres hochverehrten Coli egen
Lorbacher erlaube ich mir in Nachfolgendem auch
meinerseits eine kleine Gabe darzubringen, indem
ich eine Anzahl Beobachtungen aus Poliklinik und
Krankenhaus heute der Oeffentlichkeit übergebe,
deren Heilerfolge auf therapeutische Reflexionen
zurückzuführen sind, die ich in letzter Linie der
Unterweisung und Anregung durch unseren Jubi-
laren zu verdanken habe. Ich trage hiermit zu¬
gleich einen Theil meines Dankes ab, den ich als
jüngerer College dem erfahrenen Praktiker für die
stets liebenswürdige und collegiale Unterweisung
und Belehrung auf dem Gebiete der homöopathi¬
schen Praxis schulde. Seit dem Jahre 1888 ist es
mir vergönnt gewesen, in steter geistiger Berührung
mit demselben zu bleiben, von ihm zu lernen, neben
ihm zu wirken. Wie manche Anregung, wie man¬
chen Wink für praktisches Handeln, wie manche
Aufklärung in schwierigeren Fragen verdanke ich
der liebenswürdigen Collegialität des verehrten Col-
legen! Stets werde ich dankbar für dieses schöne,
mir so werthvolle collegiale Verhältniss sein.
Wenn wir in das Studium der Homöopathie ein¬
getreten sind und uns aus unseren Lehrbüchern
mit ihren leitenden Principien, mit der Charakte¬
ristik der Arzneimittel und ihren Indicationen
bekannt gemacht haben, um unsere so erlangten
Kenntnisse nun therapeutisch zu verwerthen, so er¬
geht es uns wie dem Wanderer, der zum ersten
Male eine ihm bis dahin nur aus dem Reisehand¬
buche bekannte Gegend betritt. Er kennt wohl
die breitesten Strassen, die gewöhnlich richtige
Route, die er wandern muss, um am meisten von
seinem Marsche zu gemessen und zu seinem schö¬
nen Endziel am sichersten und bequemsten zu ge¬
langen, aber er kennt noch nicht die mannigfachen,
weniger bekannten kleineren Wege und Neben¬
routen, die ihn bei gewissen Anzeichen und unter
aussergewöhnlichen, veränderten Verhältnissen besser
und mit mehr Erfolg nach demselben Ziele hin¬
führen. Trifft er nun aber sogleich einen mit der
Gegend wohlbekannten und getreuen Führer, der
ihm zur Richtschnur seines Weges sichere, prak¬
tische Winke zu geben versteht, so wird er vor
mannigfachen Enttäuschungen bewahrt bleiben, ein
rascheres und besseres Urtheil über Land und Leute
bekommen und am vollkommensten die erhoffte
Befriedigung von seiner Reise erlangen. So geht
es auch dem jungen homöopathischen Therapeuten.
Die Lehrbücher können nur in grossen Zügen die
Therapie vorzeichnen; die richtige Ausführung im
Einzelnen bleibt ihm allein überlassen, seiner Be¬
obachtung, seiner sich mehrenden Erfahrung, —
wenn ihm nicht das Glück zu Theil wird, einen
erfahrenen Berather zur Seite zu haben. Ein sol¬
cher Berather ist mir unser verehrter Jubilar stets
gewesen. In mannigfachen Gesprächen hat er mich
aus dem Schatze seiner Erfahrungen auf dieses
und jenes klinische Symptom, auf diese und jene
Mittel Wirkung aufmerksam gemacht; manchen prak¬
tischen Wink verdanke ich ihm für die Anwendung
von Arsen., Phosphor, Silicea, Mercurius praecipi¬
tatus ruber, Thuja, Causticum und anderer Mittel,
Digitized by ^.ooQle
163
den ich dann in der Praxis erprobt gefunden habe.*) | habe ich sie beobachtet. Die Gelenke sind verdickt,
Zwei aus der Hand Lorbachers hervorgegangene nicht durch Synovial-Erguss geschwellt, in ihrer
Silicea-Heilungen, die ich lange Zeit mit ihm be- i Bewegungsfahigkeit behindert, die sie bildenden
obachtet habe, haben mich von der Anwendbarkeit Epiphysen aufgetrieben. Es besteht Schmerzhaftig-
des Mittels auch in hohen Potenzen überzeugt. keit auf Druck. Der Kranke hat in der befallenen
Nach seinem Allgemeincharakter ist Silicea ein Extremität das Gefühl von Kälte und Abgestorben-
hochwichtiges Mittel bei allen sogenannten dyskra- \ sein. Ausser diesen Erscheinungen findet man nun
sischen Zuständen, sowohl denjenigen, die sich in I in der Umgebung des Gelenkes, vorzüglich auf der
einer Alteration der nutritiven Vorgänge bestimm- 1 Dorsalseite, an den Kniegelenken einwärts vom
ter Gewebe erkennen lassen, als auch in solchen, | präpatellaren Schleimbeutel, eine eigenthümliche
die nur in nervösen Er- Geschwulstbildung, die der
scheinungen ohne orga- Umgebung des Geien¬
nische Gewebsveränderun- kes aufsitzt und den Ein¬
gen in die Erscheinung
treten, erethische Scrophu-
lose, nervöse Dyspepsie.
Beide Formen betrachten
wir bei Kindern und Er¬
wachsenen (Rhachitis, Scro-
phulose — Rheumatismus,
Gicht). In allen diesen
Fällen kann Silicea mit
den Calcarea- und Phos¬
phor - Präparaten concurri-
ren. Die allgemeineren
Unterscheidungsmerkmale
setze ich als bekannt vor¬
aus. Für einige Formen
von Gicht, Rheumatismus
und den von der bakte¬
riologischen Schule als
tuberkulös erkannten Kno¬
chen- und Gelenkaffectio-
nen will ich einige für Si¬
licea sprechende Symptome
anführen, die ich Lor-
bacher verdanke und de¬
ren Kenntniss mich in den
nachfolgenden Kranken¬
beobachtungen speciell zur
Anwendung von Silicea
geführt haben.
Bei Formen des chro¬
Dr. med. Friedr. Arnold Heinrich Lorbacher.
druck einer Granulations¬
geschwulst macht. Sie ist
durchaus nicht zu ver¬
wechseln mit der gich¬
tischen Entzündung der
Schleimbeutel, die zur Ab¬
lagerung von Uraten führt,
oder mit gelegentlichen
entzündlich - Ödematösen
Schwellungen. Im Gegen¬
satz zu diesen ist sie auf
Druck nicht gerade
schmerzhaft, nicht geröthet
und zeigt normale Haut¬
temperatur. Sie ist gegen
die Umgebung abgegrenzt,
kann die Grösse eines Fünf¬
markstückes erreichen;
manchmal sah ich sie mul¬
tipel auftreten. Sie kann
zerfallen und zu einem
Granulationsgeschwür
oder zur Fistelbildung füh¬
ren. Das Erstere sah ich
in einem Falle von neu¬
rotischer Dystrophie, das
Letztere in einem solchen
von rheumatischer Gicht.
Hier war sie ein Jahr vor¬
her an dem rechten Hand¬
nischen Rheumatismus und
der auf diesem Boden sich mit Vorliebe etabliren-
den Gicht, aber auch bei scrophulöser Dyskrasie
beobachtete ich mehrfach eine eigenthümliche Ver¬
änderung an den befallenen Gelenken. Sie betrifft
meist das Hand-, Knie- und Sprunggelenk, aber
auch an den Carpo-metacarpal- und Dorsalgelenken
*) Es ist ungeheuer schwierig, das Gesammtbild auch
nur unserer bekanntesten Mittel nach ihren Symptomen
richtig im Gedächtniss festzuhalten und, will man da nicht
nach einzelnen Symptomen wählen, so sind empirisch gewon¬
nene klinische Erscheinungen zur Mitteiwahl wülkommene
und sichere Anhaltspunkte.
gelenk aufgetreten und
mit den übrigen Gelenkerscheinungen auch wieder
verschwunden, dann trat sie auf der Dorsalfläche
des linken Fusses auf, wurde zuerst als tendo-.
vaginitische Entzündung, dann als tuberkulöse Ge¬
schwulst angesehen und sollte mit Jodoform-Injectio-
nen behandelt werden. Sie zerfiel, führte zur
Fistelbildung und heilte vollkommen bei dem Ge¬
brauch von Silicea. Bei den rheumatisch-gichtischen
Erkrankungen habe ich in den Lehrbüchern diese
Art der Bildung von Granulationsgeschwülsten in
der Umgebung der befallenen Gelenke noch nicht
beschrieben gefunden, denn mit der Bildung der
21 *
Digitized by
Google
164
bekannten Gichtknoten haben sie nichts gemein,
mögen aber wie diese schon zu den ebenfalls be¬
kannten hartnäckigen Gichtgeschwüren geführt
haben; bei scrophulös-tuberkulösen Dyskrasieen ist
sie neuerdings bekannter geworden und giebt Ver¬
anlassung, an dieser Stelle Jodoform-Injectionen zu
machen. Ich glaube, dass in beiden Erkrankungs¬
zuständen die Entstehungsursache für die Geschwulst
dieselbe ist, ein Reiz auf das umliegende Gewebe,
hier durch Invasion von Tuberkelbazillen (?), dort
durch Ablagerung von harnsauren Salzen. Dass
aber dieser Reiz ein Mal derartig wirkt, ein ande¬
res Mal nicht, das liegt in der specifisch-krankhaften
Eigenthümlichkeit des Falles, und diese stand in
den von mir beobachteten Fälleu unter der Heil¬
gewalt der Silicea. — Nach Silicea gab ich mit
Erfolg Thuja, die auch von Farrington als com-
plementär zu Silicea betrachtet wird, und — Causti-
cum, wenn die nervösen Depressionszustände, lan-
cinirende Kuochen- und Gelenkschmerzen und das
Kältegefühl nicht weichen wollten.
I. Fall: M. T. aus L. (J.-No. 850), 12 Jahre
alt, Beginn der Behandlung 25. Oct. 1893. Ab¬
gemagertes, scrophulöses Kind. Seit 6 Monaten
Entzündung des linken Kniegelenks. Gelenk nach
heftiger, fieberhafter Entzündung abgeschwollen, in
starker Flexionsstellung fast fixirt. Nach voraus¬
gegangener Jodoform-Einspritzung heftige Schmer¬
zen, so dass Resection anempfohlen wurde. An
der Innenseite des Gelenks schwammige Geschwulst.
Extremität kalt und atrophisch. Ord.: Silicea 0.6.
Schon nach 8 Tagen Gelenk schmerzfrei, so dass
das Kind selbst passive Bewegungen macht. Nach
4 Wochen Geschwulst verschwunden. Allgemein¬
zustand kräftiger. Das Kind ist noch in Beobachtung,
erhielt später Thuja, Causticum und Phosphor. Es
besteht zwar noch starke Flexionsstellung, aber das
Kind kann doch mit Hilfe eines Stockes gehen,
ist kräftiger und stärker; das Gelenk, wenn auch
stark contract, so doch völlig reactionslos.
II. Fall: E K. aus M. (J.-No. 737), 10 Jahre
alt, Beginn der Behandlung 1. Juni 1894. Pastöse
Form der Scrophulose. Seit 4 Monaten Auftreibung,
Spannung und Bewegungsbehinderung im linken
Kniegelenk. Entwickelung schleichend, bei Ge¬
brauch des Beines Schmerzen, daher ein Schienen-
Apparat zur Entlastung des Gelenkes benutzt. Ver¬
lauf fieberlos. Au der Innenseite des Gelenks
schwammige Geschwulstbildung. Aehnliche Ver¬
änderungen in geringerem Maasse auch rechts. Ap¬
petit sehr gut. Lungen ganz gesund, dagegen
recidivirende scrophulose Conjunctivitis. In den
letzten Monaten waren wiederholt Jodoform-Injectio¬
nen gemacht worden, die jedesmal Schmerzen für
mehrere Tage verursachten. Ord.: Silicea 0.6. Bei
der Entlassung aus der Anstalt am 14. Juli 1894
war die Schwellung fast geschwunden, das Kind
konnte ohne Apparat wenige Schritte gehen. Augen
blieben gesund. Im September Schwellung ganz
geschwunden, Gelenk noch verdickt, aber ohne jede
Reaction und gebrauchsfähig. Ord.: Calc. jodata 0.3,
jeden Abend eine Gabe Phosphor 0.5. Bei einer
Untersuchung im laufenden Monate am Gelenk
Status idem. Kind blühender aussehend, geht ohne
Apparat.
III. Fall: O. M. aus O. (J.-No. 696), 19 Jahre
alt, Beginn der Behandlung 20. März 1894. Dieser
Fall ist besonders interessant durch Anamnese und
Verlauf. Vou 6 Geschwistern sind 3 gesund, die
beiden ältesten und das jüngste Kind, 3 in der¬
selben Weise erkrankt. Eltern gesund. Im dritten
Lebensjahre begann bei dem pastösen, sonst ge¬
sunden Knaben symmetrisch schwammige Auftrei¬
bung der Zehengelenke mit Ausgang in Nekrose
und Abstossung der peripheren Theile. Der gleiche
Process allmählig auch an den Händen, so dass an
den Füssen die Zehen, an den Händen die Mehr¬
zahl der Phalangen fehlen. Theilweise vorgenom¬
mene Exarticulationen führten nicht zur Heilung.
Der Process schritt weiter. Mit klumpig aufgetrie-
nen Füssen, von seinem Vater auf dem Rücken
getragen, kam der Kranke in die Anstalt. Am
Malleolus internus des rechten Beines grosse schwam¬
mige Auftreibung, die bereits im Zerfall begriffen
war, linker Fuss an der Ferse exulcerirt. Man
musste zunächst an Lepra gangraenosa denken,
doch sprach dagegen die Anamnese. Auch war
bereits erfolglos auf chirurgischen Kliniken nach
Leprabazillen gesucht worden. Ich begnügte mich
daher mit der Annahme einer dyskrasischen Tropho-
neurose. Silicea 0.6, später 0.10, brachte in sechs
Wochen die Ulcerationen zur Heilung, die Schwel¬
lungen gingen zurück. Allgemeinbefinden sehr gut.
Patient verliess, in Filzschuhen gehend, die Anstalt.
In der Nachbehandlung wurden bis jetzt Thuja,
Phosphor und Arsenicum jodatum gegeben. Der
Kranke ist noch in brieflicher Behandlung.
IV. Fall: Frau W. K. aus R. (No. 834), 54 J.
alt. Beginn der Behandlung 6. September 1898.
Hagere Frau aus dem Arbeiterstande. Rheumatisch¬
gichtische Allgemeinaffection. An den Handgelen¬
ken, auf der Dorsalseite, schwammige Granulations¬
geschwülste, schmerzlos; Gelenke verdickt und ziem¬
lich steif. Patientin in der Jugend scrophulös ge¬
wesen, später häufig rheumatisch erkrankt. Ord.:
Silicea 0.6, Abends 5 Tropfen Thuja 0.8. Nach
4 Wochen die schwammigen Geschwülste ziemlich
beseitigt, Gelenke gebrauchsfähiger. Kältegefühl
und Schwäche in der Hand bestanden fort, besserten
sich aber auf Causticum 0.6 so, dass Patientin nach
weiteren drei Wochen aus der Behandlung treten
konnte.
Digitized by
Google
165
V. Fall: Frau F. aus L. (J.-No. 740), 50 Jahre
alt. Beginn der Behandlung 1. Juni 1894. Patientin,
früher gesund, erkrankte in* den Vorjahren häufiger
an rheumatischen AfFectionen. Im Herbst 1893
Steifigkeit des rechten Handgelenks, mit schwam¬
miger Auftreibung des umgebenden Gewebes, die
sich aber wieder verloren. Im Frühjahr d. J.
Schmerzhaftigkeit des linken Fusses mit Unmöglich¬
keit, zu gehen. Allmählig Schwellung der Dorsal¬
fläche, erst schwammig, dann an einer Stelle Röthung
und Hitze, worauf Incision gemacht wurde; danach
blieb eine Fistel bestehen und über den ganzen
Fuss verbreitete sich ein nässendes Ekzem. Man
nahm zuerst eine Tendovaginitis, dann eine tuber¬
kulöse Knochenaffection an und rieth zu Jodoform-
injectionen. Nun trat Patientin in unsere Anstalt.
OrcL: Silicea 0.6, äusserlich Bleiwasser-Umschläge,
worauf das Ekzem schnell abheilte. Die Fistel
schloss sich, aber noch zweimal brach sie unter
Röthung und Schwellung wieder auf und entleerte
fleckig-weissliche Massen und Serum; dann heilte sie
definitiv. Zur Nachbehandlung bekam die Kranke
noch Phosphor 0.5 und Thuja 0.3, und wurde mit
strengem Regime geheilt entlassen. Vor Kurzem
erstattete sie auf Wunsch wieder Bericht über ihr
Wohlbefinden.
Ich will nun noch einige Beobachtungen über
Augenerkrankungen anfügen, bei denen die Heil¬
wirkung wohl mit Recht auf die angewandten
Mittel zurückzuführen war.
Skrophulöse Augenerkrankungen gehören zu den
täglichen Erscheinungen in unserer Poliklinik — j
seltener sind die blennorrhoischen — aber nur selten (
erleben wir die Freude einer vollkommenen Heilung.
In zahlreichen, dazu passenden Fällen hatte ich
hier schon Merkurpräparate angewandt, aber kaum
einmal eigentlich deutliche Heilwirkung davon ge¬
sehen. Da machte mich Lorbacher auf Mercurius
praecipitatus ruber aufmerksam, das er oft mit sehr
gutem Erfolg in 00.3 ter Potenz gegeben habe und
das ihm unter den Merkurpräparaten in diesen
Fällen am passendsten erscheine. Er giebt es bei
Erkrankungen der Conjunctiva und Cornea skro-
phulösen und blennorrhoischen Ursprungs. Die
Schmerzen sind heftig mit Zunahme des Abends
(Lampenlicht); das Secret ist dünn-eiterig, wohl
durch reichliche Beimischung von Thränenflüssig- !
keit, und wundmachend, Conjunctiva stark geschwellt ■
und hochrothy benachbarte Lymphdrüsen intumescirt |
und schmerzhaft. Lichtscheu sehr stark. Lider
ödematös. Bei AfFectionen der Hornhaut ist die- j
selbe mässig injicirt, getrübt, auch ulcerirt. !
I. Fall (1892, J.-No. 329): R. P. aus L. f
35 Jahre alt. Beginn der Behandlung 7. Sept.
1892. Heftige Augenblennorrhöe in Folge gonor¬
rhoischer Infection. An der Cornea nur an dem
Rande Gefässinjection. Beginn vor 5 Tagen. Ord.:
Merc. praec. rub. 00.3, und fleissige Reinigung des
Auges durch Ueberträufeln lauwarmen, reinen, ab-
gekochten Wassers. Schon in den nächsten Tagen
Besserung. Am 10. Oct. vollkommene Heilung,
nachdem in den letzten 14 Tagen wegen des hyper¬
trophischen Conjunctivalkatarrhes neben Merc. praec.
rub. noch Thuja 0.3 gegeben worden war. Diese
Beobachtung wurde mir besonders interessant, als
ich im Frühjahr dieses Jahres eine Abhandlung
eines hiesigen sehr bekannten Augenarztes, des
Herrn Dr. Lamhofer*), las, der auf Grund von
300 so behandelten Fällen jede energische äussere
Therapie, speciell die Höllenstein-Einträufelungen,
verwirft, denen er nur prophylaktischen (bei ein¬
maliger Anwendung!) Werth, diesen aber mit fast
absoluter Sicherheit, zugesteht. Auch 6 Erwachsene,
die er so behandelte, genasen schnell. Allerdings
giebt Lamhofer, der Allopath ist, innerlich gar nichts!
Um so mehr erstaunte ich, als ich von Vilas und
Norton das Argentum nitricum auch bei ausge¬
brochener Erkrankung sowohl zu äusserer als
innerer Anwendung wieder als hauptsächlichstes
Mittel empfohlen fand.
II. Fall (1893, J.-No. 356): R. Sch. aus L.,
9 Jahre alt, Beginn der Behandlung 26. Sept. 1893.
Conjunctivitis scrophulosa. Ord.: Merc. praec. rub.
00.3. Bereits in der ersten Woche Besserung.
Dann wegen stark hypertrophischer Beschaffenheit
der Bindehaut, die nicht zurückgehen wollte, neben¬
her Thuja 0.3 gegeben. Heilung 20. Oct. 189$.
III. Fall (J. 1893, No. 397): W. M. aus L.,
3 Jahre alt, Beginn der Behandlung 27. Oct. 1893.
Conjunctivitis et Keratitis scrophulosa. Ord.: Merc.
praecipitatus rub. 00.3, 8 stündlich eine Gabe. Schon
in der ersten Woche nehmen Lichtscheu und pro¬
fuse Secretion ab; die Cornea, vorher ulcerirt und
stark getrübt, klärt sich. Die Conjunctiva schwillt
langsam ab. Es wird deshalb später nebenher
Thuja 0.3 und in der Nachbehandlung auch Cal-
carea jodata 0.3 gegeben. Heilung 1. Dec. 1893.
IV. Fall (J. 1894, No. 227): E. F. aus L.,
9 Jahre alt, Beginn der Behandlung 15. Juni 1894.
Conjunctivitis et Keratitis scrophulosa wie in Fall HL
Ord.: Merc. praec. rub. 00.8, später Thuja, Cal-
carea carbonica und dazwischen Sulfur. Heilung
5. Aug. 1894.
Es sind nur wenige Beobachtungen, die ich mit¬
theilen konnte, doch mögen sie bei den bekannten
Schwierigkeiten, mit denen wir bei der Behandlung
der scrophulösen Ophthalmieen zu kämpfen haben,
immerhin genügen, um gelegentlich die Aufmerksam¬
keit auf das besprochene Merkurpräparat zu lenken.
*) Schmidts Jahrbücher der gesammten Medicin. Bd.
CCXLH, p. 172.
Digitized by ^.ooQle
166
Zum Schlüsse will icli nun noch drei Beobach¬
tungen über Conjunctivitis und Keratitis phlyctaenu¬
losa aus jüngster Zeit berichten, in denen ich die
Empfehlung von Aurum und Ipecacuanha glänzend
bestätigt gefunden habe. Der eine Fall, der jetzt
durch die genannten Mittel seit einem Monate eben¬
falls geheilt ist, stand bereits seit Beginn dieses
Jahres in meiner Behandlung, besserte sich, schien
ab und. ziv kürzere Zeit geheilt, recidivirte aber
immer wieder. Vilas und Norton*) geben für diese
Mittel folgende Indicationen. Für Aurum sprechen:
Starke Gefässinjection auf Cornea und Conjunctiva,
starke Lichtscheu, grosse Reizbarkeit des Kranken,
profuser, heisser Thränenfluss. Die Schmerzen
gehen von aussen nach innen. Für Ipecacuanha
sprechen: phlyktänuläre und pustulöse Conjunc¬
tivitis und Keratitis, Thränenfluss, Lichtscheu,
Schmerzen variiren, sind aber meist bedeutend.
In den von mir beobachteten Fällen bestanden:
Lichtscheu, starker Thränenfluss beim Oeffnen des
Lides, aber nicht heiss und scharf, ohne grosse
Schmerzempfindlichkeit, Secretion rein serös ,
Conjunctiva palpebralis und Conjunctiva Sclerae,
sowie die Randzone der Cornea zeigen starke Ge-
fässinjection, ohne dass die Schleimhaut stark ge¬
schwellt wäre; die Gefässe sind daher auffallend
deutlich sichtbar. Die Phlyktänen zeigten wasser¬
hellen Inhalt oder waren milchig getrübt, barsten,
wurden aber in keinem Falle pustulös. Eine Ver¬
klebung der Lidränder, wie man sie sonst bei
scrophulösen Ophthalmieen nach dem Schlafe so oft
beobachtet, fand in keinem Falle statt. Bei der
einen Beobachtung mit den häufigen Recidiven barst
stets die klare Phlyktäne und heilte bald bei reinem
G esch würsgrun d e.
I. Fall (1894, J.-No. 841): A. Gr. aus A.,
11 Jahre alt, Beginn der Behandlung 28. Aug.
1894. Conjunctivitis phlyctaenulosa. Cornea mit
starker Raudzonen-Gefässinjection ohne Phlyktäne.
Ord.: Aur. mur. natron. 0.3, Ipecacuanha 0.3. Hei¬
lung 15. Sept. 1894.
H. Fall: A. M. aus L., 3 Jahre alt, Beginn
der Behandlung 20. Sept. 1894. Conjunctivitis et
Keratitis phlyctaenulosa, bestehend seit 3 Tagen.
Allgemein scrophulöses Kind. Ord.: Aur. mur. natron.
0.3, Ipecac. 0.3. Vollkommene Heilung 12. Oct.
1894.
HI. Fall: E. B. aus W., 14 Jahre. Recidi-
virende phlyktänuläre Conjunctivitis und Keratitis
seit 8 / 4 Jahren. Scrophulöse Drüsenschwellungen,
scropliulöse Rhinitis. Letztes Recidiv am 15. Sept.
1894. Am 18. Oct. Beginn der Behandlung. Ord.:
*) Die homöopathische Behandlung der Augenkrank¬
heiten. Bearbeitet von Dr. Th. Bruckner. Leipzig, A. Marg-
grafs Officm.
j Aur. mur. natron. 0.3 -J- Ipecac. 0.3. Heilung
; vollkommen 1. Oct. 1894, welche bis jetzt dauernd
i geblieben ist; auch def lästige Nasenkatarrh ist
I geschwunden.
' Statt Aurum gebe ich stets das sehr wirksame
Doppelsalz, das mir die Goldwirkung vorzugsweise
I zu entfalten scheint. Ich gebe Morgens und Abends
eine Dose von 0,25 Gramm, von Ipecacuanha zwei
Mal täglich 5 Tropfen.
In den drei letzten Fällen habe ich, wohl über¬
legt, Doppelmittel gegeben, von denen mir das
I eine auf die constitutioneile, das andere auf die
akut-lokale Krankheitserscheinung zu wirken scheint
Aurum und seine Salze wirken constitutionell,
während wir von Ipecacuanha die specifische Ein¬
wirkung auf die Gefässe, speciell der Schleimhäute,
kennen; nebenher geht die Einwirkung auf die
pneumogastrischen Nerven (Asthma, Erbrechen).
Schon das Pulver der Ipecacuanhawurzel ruft lokale,
heftige Conjunctivitis mit auffallender Gefäss¬
injection hervor, während durch Fütterung mit
Emetin bei Thieren hochgradige Hyperämie der
Lungen künstlich erzeugt worden ist.
VII. Herbstversammlungl
des Vereins der homöopathischen Aerzte
Württembergs
am 24. October 1894.
Der Verein der homöopathischen Aerzte Würt¬
tembergs hielt seine diesjährige Versammlung am
24. October zu Stuttgart. Dieselbe war zahl¬
reicher denn je besucht, nur die Collegen aus
Frankfurt a. M. waren diesmal ausgeblieben, ebenso
die eingeladenen Vorarlberger und Schweizer;
für diese war die Jahreszeit zuweit vorgeschritten
und das Wetter zu schlecht. Mehrere sandten
einen Grass per Telegraph oder Brief. Die Liste
ergab am Schlüsse die stattliche Zahl von 26 An¬
wesenden und zwar: Dr. Becker- Aalen, Dr. Gramer-
| Karlsruhe, Dr. />om*er-Stuttgart, Dr. Endriss- Göp-
* pingen, Dr. Fröhling-Ue'übronn, Dr. Glöckler-Kirch-
heim a. T., Dr. Göhrum- Stuttgart, Dr. Hahnle-
Reutlingen, Henner, Wund- und Geburtsarzt in
Reutlingen, Dr. Huggw- Gmünd, Dr. Jäger- Hall,
Dr. Kemler -Weingarten, Dr. K w*n-Pforzheim, Dr.
i Lager- Schorndorf, Dr. Lager- Heidenheim, Dr. Lo-
miz-Stuttgart, Dr. J/a/tes-Ravensburg, Dr. Mossa-
| Stuttgart, Dr. Pfeifer- Eberhardzell, Dr. Schlegd-
Tübingen, Dr. Schwarz- Baden-Baden, Dr. v. Siek ,
Obermedicinalrath, Stuttgart, Dr. Siegmund f Ober¬
amtsarzt, Spaichingen, Dr. Stemmer -Stuttgart, Dr.
Stiegele , Geh. Hofrath, Stuttgart, Dr. Wem-
Digitized by
Google
167
Gmünd. — Die Gesammtzahl der ordentlichen I durchdrungenen jungen Arzt überlassend, so
Mitglieder des Vereins beträgt nunmehr 34, könnte die Stellung desselben an jenem Orte
29 Württemberger, 5 aus den benachbarten Tbeilen sehr erschwert, ja unhaltbar werden. Ein er-
des Reichs. fahrener älterer homöopathischer Afzt werde wohl
Um 4 J /t Uhr eröffnete der seitherige Vorsitzende, im Stande sein, die Zeit, wo die innerliche Be-
Herr Obermedicinalrath r. Sick, die Sitzung nach I handlung der operativen weichen müsste, zu er-
Begrüssung der Anwesenden mit einer interessan- kennen. Fehlt aber die nöthige Erfahrung, und
ten Ansprache. Württemberg ist, sagte er, der ist man gar zu vertrauensselig, so werden schwere
erste deutsche Staat gewesen, welcher eine ge- Enttäuschungen, ja in so zweischneidigen Fällen
setzliche Regelung des homöopathischen Apotheker- eigene und fremde Anklagen nicht ausbleiben.
wesens angeordnet hat. Hierzu gehört auch die j Nach diesen Schatten wieder ein Lichtpunkt!
regelmässige Besichtigung der homöopathischen i Als ein erfreuliches Ereigniss, wie für die ganze
Apotheken durch einen homöopathischen Arzt in homöopathische Gesellschaft so auch für uns, be-
Gemeinschaft mit einem staatlich angestellten | zeichnet Redner die nach langen Unterbrechungen
Pharmaceuten. Indem nun Redner nebst dem im Laufe dieses Jahres wieder aufgenommenen
Professor Schmidt vom Stuttgarter Polytechnicum Arzneiprüfungen. Zu den bereits von Dr. Schier
seit einer Reihe von Jahren diese Revisionen vor- veröffentlichten komme nun noch vom September
nehme, habe er dabei auch immer die Gelegen- d. J. ein Beitrag zur Kenntniss der „Aconit-
heit wahrgenommen, mit den homöopathischen Wirkung,“ den uns ein in Greifswald promovirter
Collegen, namentlich den jüngeren, in Fühlung Doctor in seiner Dissertationsschrift dargeboten hat.
zu treten und zu bleiben. So auch bei seiner Von dieser Abhandlung gab Redner nun eine
diesjährigen Besichtigungsreise, wobei er, zumal Uebersicht, aus der wir Folgendes hervorheben,
in Oberschwaben, überall gute Eindrücke em- Hinsichtlich der Thierversuche sagt der Autor,
pfangen habe. Mit besonderer Genugthuung habe dass, wenn wir sie für die physiologische Er-
er die Stellung des Collegen Kernler als dirigiren- klärung der Angriffsweise vieler Arzneimittel nicht
den Arzt des schönen städtischen Krankenhauses entbehren können,* wir mit ihnen für die The¬
in Weingarten bcgrüsst, da es ja den homöo- rapie nicht ausreichen. Wir müssen vielmehr noch
patliischen Aerzten so überaus selten vergönnt ist, die Wirkung der Mittel auf den Menschen erfah-
an communalen oder staatlichen Anstalten zu wir- ren und erforschen. Er erkennt Hahnemann’s
ken. Hier und da sei er freilich auch auf einen Verdienste auf diesem Gebiete an, bemängelt
dunklen Punkt gestossen, so auf das uneinige Ver- jedoch die „Heerschaaren“ unbedeutender sub-
hältniss zweier an einem Orte prakticirender homöo- jectiver Symptome in seinen Prüfungen. Er sagt
pathischer Aerzte, während es doch gerade uns, die von ihm: Hahnemann, der Begründer der homöo-
wir von anderer Seite manches Odium zu tragen pathischen Schule, war der erste, welcher darauf
haben, ganz besonders gezieme, in collegialer Ein- hinwies, dass ein Arzneikörper auf den kranken
tracht zu leben und zu wirken. Ein anderer, nament- Organismus in gleicher Dosis viel intensiver ein-
lich für junge Homöopathen wichtiger Punkt, den
Redner berührte, betraf den Umstand, dass man
bei mangelnder Erkenntniss von den Grenzen der
homöopathischen Heilkunst leicht in unliebsame
• Collisionen gerathen könne. Handelt es sich z. B. Gabe auf den durchschnittenen Sympathicus noch
um eine Brucheinklemmung. Der junge homöo- wirkt, während es auf den gesunden (in dieser
pathische Arzt ist bestrebt, im Vertrauen auf die Gabe) keinen Eindruck mehr macht. Ebenso Hugo
Leistungsfähigkeit der Homöopathie, die vor- Schulz mit Hinweis auf das Pflüger’sche Zuckungs¬
liegenden Erscheinungen mit nach dem Simile gesetz.
gewählten Mitteln zu beseitigen. Es vergeht Von den Aconitprüfungen am gesunden Men-
Stunde auf Stunde, aber der Zustand wird oft sehen führt Autor vorzugsweise die von Schroff
nicht besser, im Gegentheil immer schlimmer, be- veröffentlichten an, weist aber auf die Nach¬
denklich, ja sehr bedenklich. Da wird ihm denn prüfungen des Mittels von Seiten der österreichi-
doch bange und er sieht sich genöthigt, den am sehen homöopathischen Aerzte und auf die Vor-
Orte vorhandenen allopathischen Collegen zur treffliche Monographie von Keil hin. Im II. Theil
Consultation herbeizurufen. Gesetzt nun, letzterer seiner Arbeit kommt er auf die von ihm selbst
fände den günstigen Zeitpunkt zu der Operation und zweier seiner Collegen auf seine Veranlas-
des Bruches bereits verstrichen und erklärte diese sung unternommenen Prüfungen des Aconits. Sie
Ansicht in Gegenwart des Kranken und der An- | nahmen hierzu die nach Vorschrift der deutschen
gehörigen, den Fall dem von peinlichstem Gefühl j Pharmakopoe aus den Wurzelknollen der Pflanze
wirke, als auf den gesunden Menschen — eine Er¬
fahrung, welche dann, ganz unabhängig von ihm,
von vielen Forschern bestätigt worden ist. So
i wies Reith nach, dass Strychnin in kleinster
Digitized by {jOoq le
168
dargestellte weingeistige Tinctur, die er im Ver¬
hältnis von 1 : 10 (Weingeist) verdünnte. Von
dieser 1. Dec.-Dilution sollten anfangs zweimal
5 Tropfen genommen und dann allmählig mit
der Dosis gestiegen werden. Die Lebensweise
der Prüfer blieb unverändert, doch unter Ver¬
meidung hygienischer Ausschreitungen. Um ein
möglichst reines Resultat zu erlangen, beobachtete
Verfasser folgende Vorschriftsmassregeln: 1. Seine
Mitprüfer wurden mit dem zu prüfenden Mittel
nicht bekannt gemacht. 2. Dieselben wussten auch
nichts von einander, so dass sie sich nicht gegen¬
seitig suggeriren konnten. 3. Er selbst, der Doc-
torandus, war, wie er eingesteht, so wenig von
der Wirksamkeit jener (für ihn. Ref.) hohen Ver¬
dünnung überzeugt, dass er vielmehr glaubte, es
würden keine Erscheinungen eintreten; auch hütete
er sich, sich damit viel in der Literatur zu be¬
schäftigen. Selbstverständlich unterliess er auch
jedes Andiagnosticiren von Symptomen seinen beiden
Collegen gegenüber. „Wenn sich nun trotzdem
Veränderungen im Befinden einstellten, welche zu
dem oben mitgetheilten Bilde der Aconitwirkung
(besonders nach Schroff. Ref.) passten, wenn die
Erscheinungen gewissermassen aufdringlich waren
und mit Nehmen und Aussetzen «der Tinctur kamen
und gingen; wenn sie bei allem Spielraum, welchen
verschiedene Individualitäten auch Arzneimitteln
gegenüber in Anspruch nehmen, in sämmtlichen
drei Fällen etwas ungezwungen Uebereinstimmendes
hatten, dann war wohl die specifische Wirksam¬
keit jener Gaben von Aconitum einwurfsfrei ge¬
währleistet. Die Protokolle sollen selbst entschei¬
den, ob die Bedingungen erfüllt worden sind. u
Und diese Protokolle, welche Verfasser gewissen¬
haft Tag für Tag aufgenommen und in seiner
Arbeit vorlegt, sprechen in der That deutlich genug.
Uns interessiren von den aufgezeichneten Symp¬
tomen mehr als die gemeinsamen, die je nach
der Individualität der Prüfer beobachteten, die
individuellen. So beim ersten Prüfer. Dieser litt
seit seiner Studienzeit fortwährend an einem (ner¬
vösen) Herzklopfen, das nach Gemütsbewegun¬
gen, körperlichen Anstrengungen selbst geringen
Grades, nach Genuss geistiger Getränke, sowie
nach Tabakrauchen immer auftrat — und siehe!
gerade dieses Symptom wird regelmässig nach
dem Einnehmen der Aconitgabe beschwichtigt,
um freilich nach Auswirkung derselben wieder zu
kommen. (Also eine entschiedene Erst-, und wenn j
auch nur vorübergehende Heilwirkung.) <
Beim zweiten Prüfer tritt uns sehr deutlich
die nach vorgängiger mässiger Steigerung der
Pulsfrequenz erfolgte Pulsverlangsamung, und zwar
nach dem Aussetzen der letzten verhältnissmässig I
starken Gabe, entgegen. .
Aus dem Protokoll des Verfassers selbst heben
wir folgende Erscheinung hervor: */ 4 Stunde nach
einer grossen Gabe von 40 Tropfen kommt es
bei ihm, während er ganz ruhig im kühlen Zimmer
lesend sitzt, plötzlich zu einem starken, mehrere
Minuten anhaltenden Schweissausbruch. Darauf
mässiges Frösteln. Der Schweiss ist dem Gerüche
nach concentrirter Art. — Die Einwirkung auf
Schlingorgane und N. trigeminus macht sich bei
den ersten beiden energischer geltend.
Dass Professor Hugo Schulz dem Autor bei
der Arbeit vielfach mit Rath zur Seite gestanden
hat, erkennt er selbst dankbar an.
Hatten diese Mittheilungen des Vorsitzenden
die Anwesenden in hohem Grade interessirt, so
steigerte sich dieses Interesse zu voller freudiger
, Sympathie, als sie vernahmen, dass der Doctoran-
■ dus und jetzt rite promovirte Doctor niemand
anders sei, als sein eigener Sohn, Dr. Paul Sick,
der die letzten Semester in Greifswald studirte.
Natürlich wurde diese Kunde freudigst begrüsst
und allseitig der Wunsch ausgesprochen, der junge
Doctor, dessen Erstlingswerk eine klare Neigung
zur Homöopathie ausdrückt, möge ein auf dem
Boden des Simile stehender, überzeugungstreuer,
tüchtiger, homöopathischer Arzt werden! Der Vor¬
sitzende preist es als ein gutes Zeichen, dass wir
in Greifswald wenigstens eine, ja die einzige hohe
Schule besitzen, wo ein Student mit dem akademi¬
schen Lehrer auch über Fragen, welche die ho¬
möopathische Schule betreffen, als innerhalb der
wissenschaftlichen Gesammtmedicin stehende ver¬
handeln könne. An die Erscheinung von Männern
wie Schulz, Arndt in Greifswald, Sperling in Berlin,
so sympathisch sie uns sind, dürfen wir indessen
nicht gar zu grosse Erwartungen knüpfen. Wir
dürfen überhaupt nicht erwarten, dass das homöo¬
pathische Heilgesetz als das einzig gültige in der
Medicin zur Herrschaft gelangen werde, sondern
die auf die Indicatio causalis und selbst sympto-
matica fussende Methode werde bleiben, selbst wenn
das Simile als das Centrum aller Therapie zur An¬
erkennung käme. — So waren wir durch die Aus¬
führungen des Vorsitzenden ungezwungen mitten
in das wissenschaftliche Gebiet hineingeführt worden,
und stimmten wir, nachdem wir ihn wie die ande¬
ren Vorstandsmitglieder, Collegen Göhrutn als Schrift¬
führer und Lorenz als Schatzmeister unter all¬
gemeiner Zustimmung für’s nächste Jahr wieder¬
gewählt hatten, seinem Vorschläge gern bei, sofort
den wissenschaftlichen Theil unserer Tagesordnung
in Angriff zu nehmen und uns zunächst mit der
Arbeit über Aconit zu beschäftigen.
II. Kirn bemerkt, an den von Sick junior an
sich beobachteten starken Schweissausbruch an¬
knüpfend, dass, wenn er auch, wie die meisten,
Digitized by ^.ooQle
Aconit hauptsächlich bei fieberhaften Zuständen
mit trockner Haut anwende, er von ihm doch
auch bei den Nachtschweissen von Schwindsüchti¬
gen gute Wirkungen gesehen habe.
Schlegel : Hahnemann habe den „englischen
Schweiss,“ Schweissfieber, mit Aconit geheilt.
Ref. kennt eine diesbezügliche Stelle bei Hahne¬
mann nicht; das epidemische Schweissfieber ist seit
Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr aufgetreten.
Bei dem Scharlachfriesel (Purpura rubra, miliaris),
wo der Kranke nur an den mit Frieseln besetzten
Körperstellen schwitzte, hat Hahnemann Aconit als
Heilmittel erprobt.
Stiegele hält Aconit im Allgemeinen nicht an¬
gezeigt bei Fieber mit Schweiss.
Sick hält den Schweiss für keine Contra-
Indication: nicht bloss die Erst-, sondern auch
die Nach- oder Wechselwirkung seien ja bei
vielen Mitteln indicirende Zeichen. Wenn un¬
zweifelhaft die trockne Hauthitze erste und wesent¬
lichste Veranlassung für uns sei, Aconit zu geben,
so beständten doch nicht selten Fälle, wo gleich
im Anfang acuter Erkrankungen, z. B. von Lungen¬
entzündung, Hauthitze mit Schweiss vorhanden
sei. Hier verliere sich der Schweiss nicht selten
rasch und unter allgemeiner Besserung auf An¬
wendung von Aconit. Sei aber letzterer bei
trockner Hauthitze gegeben worden und habe
sich Schweiss eingestellt ohne Besserung des Ge-
sammtzustandes, dann sei von Aconit nichts weiter
zu erwarten, er verschlimmere vielmehr, und es
sei ein anderes Mittel, meist zunächst Belladonna
oder Bryonia, angezeigt.
Ref .: Bei Hahnemann ist überwiegend trockne
Haut, doch auch gelinder, sauer riechender Schweiss
über den ganzen Körper, selbst Schweiss mit Fieber¬
schauder kommt vor. — Störck beobachtete an
sich nach Extr. Aconiti zu 6 Gran regelmässig
profuse Schweisssecretion.
Schlegel macht geltend, dass des Autors Aeusse-
rung, dass die Mittel in kleinen Dosen auf den
kranken Theil resp. Organismus intensiver wirken
als auf den gesunden, nur dann zutreffe, wenn
zwischen dem Mittel und dem kranken Theil eine
bestimmte, specifische Beziehung bestehe. Fehlt
diese, so wird das Kranke auf den Reiz nicht
stärker reagiren als das Gesunde.
Ijayei' (Schorndorf) stellt die Frage, ob es für
junge, der Homöopathie sich zuwendende Aerzte
nicht heilsamer wäre, wenn sie sich nicht gleich
nach abgelegter Staatsprüfung in die Praxis stürz¬
ten? Wäre nicht eine tiefere Ausbildung für sie
zu ermöglichen, damit ihnen nicht solche Vorfälle,
wie sie der Vorsitzende oben geschildert, zu-
stossen?
Sick: Im Allgemeinen genüge die Ausbildung
auf der Hochschule, die Erfahrung reift mit der
Zeit. Wenn eine Anzahl junger Aerzte sich der
Homöopathie bei uns zugewendet hat, wobei die
Hahnemannia-Stiftung wesentlich mitgewirkt, so sei
dies eine erfreuliche Thatsache.
Schlegel verwahrt sich dagegen, als habe er
durch sein Buch „Die innerliche Heilkunst chirur¬
gischer Krankheiten“ die Meinung verbreitet, dass
das operative Verfahren bei eingeklemmten Brüchen
gänzlich zurückzuweisen oder überflüssig sei. Wenn
er auch bei diesen Leiden die homöopathische Be¬
handlung bis zu einem gewissen Grade für an¬
gezeigt hält und selbst ausübt, so habe er doch
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man den
richtigen Zeitpunkt, wo die Operation einzutreten
habe, wohl beachten solle.
Weise hat immer den Rath Strohmeyer’s be¬
folgt, man solle die Sonne über einem eingeklemm¬
ten Bruch nicht untergehen lassen, d. h. wenn
innerhalb zwölf Stunden die Taxis nicht gelungen,
operiren.
Ref. möchte an die guten Erfolge der Aether-
behandlung erinnern; cf. Nr. 18/19 der „Allg.
homöopath. Zt9chr., w Lesefrüchte!
(Schluss folgt.)
III. Bericht der ArzneiprUfungsgesellschaft.
Nachprüfung von Bannncnlns sceleratus.
Referent Dr. Schier-Mainz.
Nachdem bei den zwei ersten Prüfungen sich
herausgestellt hatte, dass ein Theil der Prüflings¬
personen gegenüber ungiftigsn Stoffen gar nicht
oder nur ganz geringfügig reagire, schien es an¬
gezeigt, zu den weiteren Prüfungen wenigstens
theilweise recht energisch wirkende Pflanzen zu
wählen. Ein regelmässiger Misserfolg würde auch
dem geduldigsten Prüfer zweifellos bald den Muth
genommen haben, an weiteren Versuchen sich zu
betlieiligen, und das musste im Interesse der
Sache verhütet werden. Die Wahl für das
ni. Prüfungsobject fiel daher auf Ranunculus
sceleratus, eine in Deutschland ziemlich verbreitete
Pflanze, deren Wirkung auf den gesunden mensch¬
lichen Körper kaum an Deutlichkeit und Energie
etwas zu wünschen übrig lässt. Herrn Collegen
Mossa verdanke ich die nachfolgende Zusammen¬
stellung des Wichtigsten, was unsere Literatur
über das Mittel und dessen nächste Verwandte
enthält:
„Die Familie der Ranunculaceen hat von
Seiten der homöopathischen Schule die ihr ge¬
bührende Achtung in vollem Maasse erfahren.
22
Digitized by
Googl
170
Welche wichtige Arzneipflanzen hat sie uns aber
auch geliefert! Obenan steht unser Aconit, so¬
dann Helleborus niger, Clematis erecta, Paeonia,
Pulsatilla, Hydrastis, Staphisagria, Actaea race-
mosa (Cimicifuga), Actaea spicata und am Ende,
at last, but not at least, Ranunculus bulbosus
und Ranunculus sceleratus. Diese letzten beiden,
welche die eigentlichen Hauptrepräsentanten dieser
grossen, an Varietäten reichen Familie darstellen,
sind zwar auch bereits von homöopathischen und
anderen Aerzten geprüft, für die Therapie jedoch
noch bisher nicht genügend gewürdigt worden, so
dass die neue Prüfung die grosse Wirksamkeit
eines Mittels, wie Ran. sceleratus, uns wieder
lebendiger vorführen wird.
Die Ranunculaceae zeichnen sich durch einen
sogenannten scharfen Giftstoff (ein Acre) aus, dem
sie wohl mehr oder weniger ihre arzneilichen Kräfte
verdanken. Dieses Acre ist bei ihnen in allen
Theilen verbreitet, nur nicht gleichmässig, da bei
manchen sich mehr die Blätter oder Stengel, bei
anderen die Wurzeln überwiegend wirksam zei¬
gen; von November bis März tritt dieser Stoff
ganz zurück, bei den auf schattigem, feuchtem
Boden gewachsenen ist er stärker, als bei den auf
sonnigen Plätzen. Es lässt sich durch Maceration
die Pflanze in Oel, Essig, Weingeist oder durch
Destillation mit Wasser erhalten, aber sonst nicht
isoliren, und deutet weder auf eine freie Säure,
noch auf ein Alkali, noch auf ein ätherisches Oel.
Durch das Trocknen geht der scharfe Stoff gänz¬
lich verloren, so dass die Pflanzen selbst zum Vieh¬
futter tauglich werden, während auf der Weide kein
Thier, ausser Ziegen und Schafen, sie anrührt; in
manchen Gegenden dient sogar der Ran. sceleratus,
nachdem er gekocht worden ist, dem Menschen zur
Speise.
Die Wirksamkeit der Ranunc. war schon den
griechischen Aerzten bekannt. So gebrauchten
hippokratische Aerzte von einer Ranunkel, deren
Art wir aber nicht bestimmen können, die Blätter
und Blumen mit Wein bei Schmerzen des Uterus,
besonders wenn Krebs vermuthet wurde. Deos-
korides erkannte die den Ranunc. gemeinsame
Schärfe und zählt von ihnen 4 Arten auf. —
Ein grosses Verdienst hat sich um die Kenntniss
dieser Pflanzenklasse C. Krapf durch seine Schrift
erworben: „Experimenta de nonnullorum ranun-
culorum qualitate, horum externo et intemo usu. u
Wien 1766. — Von homöopathischer Seite war
es besonders Dr. Franz , ein Schüler Hahnemann’s,
der über die pathogenetischen Wirkungen von
Ranunculus sceleratus und bulbosus wichtige Ex¬
perimente angestellt und im (alten) „Archiv für
Homöopathie, M Bd. VH, drittes Heft, veröffent¬
licht hat. Hierzu kommen noch mancherlei Thier¬
versuche, insbesondere die von OrfiLa , siehe seine
Toxicologie, mit Ranunculus acris angestellten.
Die Autoren halten selten die Wirkungen der
einzelnen Varietäten genau auseinander, und in der
That sind diese im Ganzen auch sehr ähnlich, und
doch zeigt die Prüfung an Gesunden wieder bei
einzelnen ganz eigenthümliche Erscheinungen. So
wirkt schon bei der äusseren Anwendung der
R. bulbosus nicht so schnell ein als der R. sce¬
leratus, aber anhaltender, und erzeugt gefähr¬
lichere Veränderungen an Zunge, Gaumen und
Zahnfleisch. Der R. sceleratus erzeugte Risus sar-
donicus, welches der bulbosus selbst in sehr grosser
Dosis nicht hervorbrachte. Der R. acris, der ge¬
meine Hahnenfuss, findet sich bei uns überall auf
Wiesen, Weiden und Feldern, der sceleratus da¬
gegen in Sümpfen und Morästen, der bulbosus auf
Aeckern und Triften.
Plenck berichtet, dass der Saft von R. scele¬
ratus bei einem Hunde Aengstlichkeit, Erbrechen,
Verzerrungen und eine grosse Unruhe bewirkt
habe, worauf der Tod erfolgte. Das Innere des
Magens zeigt sich stellenweise roth und corrodirt,
der Pylorus war geschwollen, braunroth.
Krapf 1. c. theilt mit: Er empfand nach dem
Genüsse einer einzigen Blume, die er zerrieben
hatte, sehr heftige Schmerzen und convulsivische
Bewegungen im Unterleibe. Zwei Tropfen des
aus dieser Pflanze gepressten Saftes brachten,
ausser den obigen Symptomen, einen brennenden,
krampfhaften Schmerz der ganzen Länge des
Schlundes nach. Bei einem anderen Versuche,
als er die dicksten und saftreichsten Blätter dieser
Pflanze kaute, füllte sich der Mund mit Speichel;
die Zunge wurde entzündet, die Oberhaut ab-
gestreift; die Wärzchen (Papillen) hoben sich und
waren lebhaft roth, der Geschmack unterdrückt.
An der Spitze war sie etwas geborsten. Zugleich
empfand Krampf zuweilen Reissen an den stumpf
gewordenen Zähnen, auch blutete das stark ge-
röthete Zahnfleisch bei der geringsten Berührung.
Farrington spricht von einzelnen von Haut
entblössten Flecken an der Zunge, während der
übrige Theil der Zunge belegt ist (Landkarten-
Zunge), einem Zustande, wie er ähnlich bei Na¬
trium mur., Arsen., Rhus und Taraxacum beob¬
achtet worden ist. Das Gefühl von Brennen und
Rohheit sei aber bei R. sceleratus am intensivsten.
Sehr auffallend ist die Wirkung des Mittels bei
äusserer Application auf die Haut. Es bringt
daselbst Jucken, schmerzhaftes Brennen, Röthe
hervor und erhebt sich die Epidermis in Form
einer Blase. Diese Blasen füllen sich mit einer
dünnen, scharfen, gelblichen Jauche, welche all-
mählig dick und eiterartig wird. Oeffnet man
die Blasen nicht, so trocknen sie ein, während
Digitized by ^.ooQle
171
nach und nach der rothe Umkreis verschwindet
Es bilden sich an den berührten Stellen oft anch
Geschwüre, die sehr hartnäckig sind, nach Krapf
1. c. allen consolidirenden Mitteln widerstehen: nur
Perubalsam leistet hier etwas.
Giovanni Poli , der über die hautreizende Wir¬
kung der Ranunkeln zahlreiche Versuche angestellt
hat, unterscheidet 4 Wirkungsgrade,
Der i, Grad , durch Hautröthe mit lebhaftem,
doch nicht schmerzhaftem Jucken ausgezeichnet,
stellt sich 12—24 — 48 Stunden nach der Anwen¬
dung des Mittels ein und hält ohne sonstige Er¬
scheinungen 3—4 Tage an, worauf die Hautröthe
unter leichter Abschuppung verschwindet.
Der 2 . Grad , Röthe mit einem örtlichen Ge¬
fühl von Hitze, nebst elastischer und empfindlich
juckender Geschwulst, erscheint 10—12 Stunden
nach der Anwendung und vergeht nach 5 bis
6 Tagen. Während dieser Zeit bildet sich auf
der gereizten Haut ein zusammenfliessender Aus¬
schlag aus kleinen Bläschen, die, ohne sich zu
öffnen, austrocknen, worauf Abschuppung erfolgt.
Der 3, Grad erscheint als lebhafte Hautröthe,
verbunden mit heftiger Hitze und Geschwulst,
auf welcher sich fr—8 Stunden post applicationem
eine mit gelblicher Flüssigkeit gefüllte Blase er¬
hebt. Um diese herum bilden sich andere, mit
einem breiten, rothen Kreise eingefasste Bläschen,
auch mitunter kleine schmerzhafte Blutgeschwüre.
Die Blase steht einige Zeit unverändert, schwitzt
dann S —4 Tage lang eine seröse Flüssigkeit
aus, öffnet sich darauf unter Erguss von etwas
Eiter, während die Haut eine weisse oder blass-
rothe Farbe annimmt*
Im 4. Grade zeigt sich Bildung kleiner Blasen,
nächstdem ein oberflächliches Absterben der Haut.
Poüi behauptet, diese verschiedenen Wirkungs¬
weisen hingen von dem gebrauchten R.-Präparate
ab. Während ausgepresster Ranunkelsaft und
das weingeistige Extract unwirksam bleiben (was
aber den Berichten anderer Autoren ganz zuwider¬
läuft. Ref.), veranlasst das durch 6 tägige Mace-
ration der Pflanze mit Olivenöl und nachheriger
Erwärmung b» auf 60° C. bereitete Ranunkelöl
die Erscheinungen des ersten Entzündungsgrades.
Der Ranunkelessig bedingt die des zweiten, die
kaltbereitete Weingeisttinctur die des dritten Grades.
Das aus den frischen Pflanzen dargestellte destil-
lirte Wasser macht den vierten Grad.
Die Schmerzen dieser Hautentzündung sind
überall geringer als bei der von Canthariden ver¬
anlagten, indessen beschränkt sich die Reizung
nicht auf die Applicatwnssteüe , sondern verbreitet
sich über den ganzen Körper; der Pulsschlag wird
schwächer, der Kopf schwer und wie betäubt, als
gh ein narkotisches Mittel in kleiner Dosis ge¬
nommen worden sei. — Die meisten therapeuti¬
schen Erfolge erzielte Poüi mit der äusseren An¬
wendung der Ranunkeln bei chronischer Gereizt¬
heit der Schleimhaut in den Athmungsorganen
und dem Darmkanal, sowie bei schmerzhaften
Neurosen der Glieder, besonders bei langwierigem
Hüftweh, wobei er die Tinctur oder das destil-
lirte Wasser auf die Ferse brachte (unter Schutz
der benachbarten Theile).
Die Bettler, Meister aller Kunstgriffe, legen,
wie Ch'ßla berichtet, diese Pflanze auf einen Theil
des Körpers, um durch die Geschwüre und die
Schmerzen, welche sie verursacht, das Mitleid zu
erregen.
Früher waren die Folia Ranunculi palustris s.
aquatici, von R. sceleratus, offlcinell, sind auch
wohl jetzt noch hier und da als Thee bei katar¬
rhalischen Brustbeschwerden im Hausgebrauch.
Aeltere Aerzte verordneten den ausgepressten
Saft, mit Wasser verdünnt, bei Luugengeschwü-
ren und Krankheiten der Harnwege. Er soll
nach Kropf diuretisch wirken. In manchen Fällen
von Asthma, Phthisis, Blaseneiterungen, Icterus
soll er Gutes geleistet haben.
Aeusserlich hat man den R. sceleratus, wie
auch die anderen Ranunkelarten, als Blasenpflaster
angewandt und soll er die heftigsten rheumati¬
schen oder gichtischen Kopfschmerzen geheilt
haben. In Pflasterform auf die Herzgrube ge¬
legt soll er, nach van Swieten und Sennert , bei
intermittirenden Fiebern den Anfall verhindert
haben. Die Pathogenesie des Mittels (und des
R. bulbosus) spricht dafür, dass diese Mittheilun¬
gen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind. —
Es wirkt ja nicht bloss als Rubefaciens oder Vesi-
cans derivatorisch von der Haut aus, sondern
seine Wirkungen breiten sich von der Applica-
tionsstelle auf den gesammten Organismus aus
(was wir selbst bei den Cauthariden beobachten
können); je ähnlicher nun seine pathogenetischen
Wirkungen den krankhaften im concreten Fall
sein werden, um so eher werden wir auch von
der Haut aus seine heilende Action erwarten
dürfen. Doch ist für uns die innerliche Anwen¬
dung die näher liegende, besser zu handhabende
und zu controllirende.
Unter den Gegenmitteln der zu starken Wir¬
kung des Hahnenfusses hat sich nach Franz
öfteres Riechen an Kampher am hilfreichsten er¬
wiesen, zum Theil auch reichliches Wassertrinken.
Als homöopathische Antidota leisten Bryonia und
Rhus, wohl auch Pulsatilla (oder eine Varietät
der Ranunkeln gegen eine andere, ihr nahe¬
stehende. Dr. Mossa.) am meisten. Mineralsäuren,
Weinessig, Wem, Alkohol, Honig, Zucker ver¬
mehren, nach Kropf, die (locale?) Wirkung des
22 *
Digitized by
Google
172
Mittels. Sauerampfer, Rumex acetosa, Johannis¬
beeren nützen etwas gegen seine kaustische
Schärfe. Auch Franz sah durch Wein und Arrak,
in geringen Mengen genossen, die Wirkung nicht
gestört, im Gegentheil die Kopfbeschwerden eher
verschlimmert. Wenn sich diese Angaben, nament¬
lich die von Franz gemachten, in specie auf den
R. bulbosus, den er trefflich geprüft hat, beziehen,
so werden sie demnach wohl auch für den R.
sceleratus giltig sein.“
Soweit Herr College Mossa. Auch im neuen
Archiv für die homöop. Heilkunst, Bd. IH, Heft 3,
S. 183flg., findet sich eine recht interessante frag¬
mentarische Prüfung des letzteren von Dr. Sekreter .
Im Archiv für die homöop. Heilkunst, Bd. XIII,
Heft 2, veröffentlicht ein Anonymus, für den sich
Stapf verbürgt, eine sorgfältige Prüfung des Ra-
nunculus sceleratus, worin es u. A. S. 166 heisst:
„Verschiedene, besonders chronische, Brust- und
Leberleiden, acute und chronische Gicht, bösartige
Geschwüre an den Extremitäten und Wechsel¬
fieber — eine mehr oder weniger regelmässige
Periodicität ist in den Erscheinungen des Ranun-
culus sceleratus vorherrschend — scheinen es
vorzüglich zu sein, welche in unserem Ranunculus
ihre Heilung finden werden. Die Wirkungsdauer
desselben ist chronisch; einzelne Symptome zeig¬
ten sich noch nach 5—6 Wochen. Die meisten
und lästigsten Symptome entwickelten sich nach
den kleinen Gaben; die 12 und 15 Tropfen af-
ficirten dann gar wenig.“
Dieser Prüfungsbericht ist in Noak?s und
Trink?s Arzneimittellehre abgedruckt, ein Auszug
davon auch in der kurzgefassten Arzneimittellehre
von Hering. Wie Herr Günther , der Bibliothekar
des Central-Vereins, mir mittheilt, ist in Nr. 18
und 33 (1858) der Wiener Zeitschrift, welche
leider nicht aufzutreiben ist, noch eine Prüfung
des Sceleratus von Prof. Julius Claras -Leipzig
enthalten. Erwähnenswerth ist auch, namentlich
bezüglich des wirksamen Agens der Pflanze, das,
was Hahnemann in seinem Apothekerlexikon,
Bd. H, S. 358, über den „Gifthahnefuss“ schreibt:
„Der beim Zerquetschen, sowie der beim Kochen
des frischen Krautes aufsteigende Dunst ist höchst
scharf und erregt einen sehr heftigen Reiz in der
Nase und den Augen, Zuckungen in den Augen¬
muskeln und Betäubung des Kopfes. Das davon
destillirte Wasser ist daher sehr scharf, weil es
den scharfen Stoff in Gestalt einer Art Salz mit
herüberbringt, welches in einiger Zeit daraus an-
schiesst, mit bläulicher Flamme verbrennlich, in
Weingeist unauflöslich ist.“ Hierher gehört eben¬
falls, was Leurin in seiner Toxicologie, S. 342,
sagt: „Die zu der Familie der Ranunculaceen ge¬
hörigen Anemonearten und wahrscheinlich auch
die Ranunkelarten wirken durch die gleichen Be¬
standteile. Aus Anemonen lässt sich beim De-
stilliren derselben mit Wasser und Schütteln des
Destillats mit Aether eine hellgelbe, ölartige Sub¬
stanz gewinnen, die, auf der Oberhaut und
Schleimhäuten energisch reizend, selbst blasen¬
ziehend wirkt. Aus diesem öligen Stoffe bildet
sich spontan beim Stehen der unter dem Einflüsse
von Wasser Anemonin oder Pulsatillenkampher
(das „Salz“ Hahnemann's? Ref.) und Anemon-
säure.“ Jedenfalls besteht aber zwischen Pulsa-
tilla und Ranunculus therapeutisch ein erheblicher
Unterschied, wenn sie auch beide Anemonin als
Basis enthalten sollten.
Bezüglich der botanischen Eigenschaften des
Ranunculus sceler. ist zu bemerken, dass die
Pflanze 15—60 cm hoch wird, von Mai bis Oc-
tober mit kleiner, hellgelber Krone blüht und in
Gräben, Sümpfen und an sonstigen feuchten Stellen
gedeiht. Sehen wir nun, was die Nachprüfung
des Mittels, welche mit der officinellen, aus der
Apotheke des Herrn Verlegers dieser Zeitung ent¬
nommenen Essenz angestellt wurde, zum Vor¬
schein gebracht hat. Von mehreren Prüfungs¬
personen konnte ich ein Protokoll nicht erhalten.
Die 3 ersten Berichte rühren von Damen her,
deren Namen mir nicht bekannt sind, und wurden
von Herrn Dr. A. Villers in Dresden eingeschickt.
Nur die Personalien derjenigen Prüfungspersonen,
welche in den beiden ersten Prüfungsberichten
nicht zu finden sind, werden hier angeführt.
Prüfungs - Berichte.
1. Prüferin B. Personalia: 44 Jahre alt, ver-
heirathet, 3 Entbindungen, Neigung zu langan¬
dauernden Bronchialkatarrhen. Nervös empfindliche,
aber nicht hysterische Frau. Endometritis chronica
mit mässiger Secretion, altes Exsudat im linken
Parametrium. Periode stark, nur mit Unbehagen
und etwas Senkungsgefühl im Leibe. Stuhl nor¬
mal. Etwas Harndrang.
Prüfung mit 6. D. 23. Mai, 5 Tropfen. Eine
halbe Stunde nach dem Einnehmen Ziehen im Kreuz,
wie sonst bei Eintritt der Periode. Druck im Leibe
links.
Eine Stunde nach dem Einnehmen in den Augen
ein Gefühl von Schwere beim Lesen, als stünden
die Buchstaben nicht fest. Wiederholtes Ziehen
im Kreuz. Vormittags 8 Uhr Druck im Leibe rechts,
gespannt innerlich, und immer wieder schmerzhaftes
Ziehen im Kreuz.
1 / 1 10 Uhr mehrmalige Stiche im Herzen, die den
Athem versetzten, das Ziehen im Kreuz bleibt, in
den Augäpfeln ein eigentümliches Gefühl, Brennen,
das Bewegen thut geradezu weh. Brennender
Schmerz in der linken Ferse.
Digitized by k^ooQle
f
17S
24. Mai. Keine Tropfen genommen, weil die
Schwere im Unterleib immer noch vorhanden war,
ebenso das zeitweise Ziehen im Kreuz. Häufiges
Urindrängen. Urin trübe mit Hautstückchen. Ferse
schmerzt.
25. Mai, 10 Uhr, 10 Tropfen. Eine halbe
Stunde darauf Uebelkeit mit Kopfschmerzen. 12 Uhr
grosse Müdigkeit, nach Schlaf Kopf besser. Ziehen
im Kreuz. Die Empfindung bleibt fortwährend, wie
bei Eintritt der Periode, dabei bald rechts, bald
links wie ein schweres Stück im Unterleibe mit
Druck und Spannen, als wollte dieses Gebilde
platzen. Das merkwürdige Flimmern in den Augen
und die Empfindlichkeit des Augapfels und Brennen
desselben gesteigert. Schön ist das nicht, hatte
nur halben Genuss im Don Carlos. Stiche im Ge¬
nick und Herzen. 9 Uhr Abends. Die bald mehr
bald woniger andauernden Gefühle von Fülle am
Herzen, das Drängen nach unten gesteigert. 11 Uhr
Nachts. Schlingbeschwerden, muss immerdar schlucken,
als wenn etwas drin stecke.
26. Mai. Kopf benommen, der Druck im Leib
und das Ziehen im Kreuz dauern fort. 10 Uhr
nahm ich 15 Tropfen. Eine Viertelstunde darauf
vermehrtes Ziehen im Kreuz bis in die Schenkel,
beinahe wehenartig, in dieser Stärke aber nur einige
Minuten andauernd, aber im Leib dieselben Schmer¬
zen. 10 Uhr Abends Fingerspitzen eiskalt, Kribbeln
in denselben, ln den Ohren Hitze und Geräusch,
als hörte ich Heimchen zirpen.
27. Mai. Uebelkeit, Kopf benommen. Die
Symptome im Unterleib noch immer vorhanden.
Urin trübe, wie mit einer Haut oben, wenn ein
Weilchen gestanden. Im Ganzen fühle ich mich
sehr angegriffen.
27. Mai, 10 V* Uhr, 20 Tropfen: Nach 10 Minu¬
ten Beängstigung und Drücken in der Nierengegend.
12 Uhr wieder starke Schmerzen bis in die Schenkel,
wehenartig. 1 j i l Uhr Stiche im linken Ohr. Mir
ist schauderhaft zu Muthe. Gegen 1 / % 2 Uhr besser.
Fortwährend unangenehmer Drang zum Uriniren,
dabei ein peinlicher Schmerz von Mitte des Leibes
nach unten. Das schwere Organ fortwährend fühl¬
bar; Druck, Spannung, Fülle. Abends 11 Uhr
Stiche. Ich bin ganz matt. Kribbeln in den
Fingerspitzen. Herzstiche, doch nicht anhaltend,
5 Minuten; dann wieder stundenlange Pause.
28. Mai. Heute wie auch gestern Morgen gegen
6 Uhr Herzdruck mit zersprengender Angst.
Morgens Uebelkeit. Kreuzschmerzen in der
Nierengegend, wo ich mir dieselbe vorstelle. (Ge¬
meint war die Gegend des IL Lumbarwirbels.)
9 Uhr 20 Tropfen. 9*/ t Uhr Sausen im Ohr,
Schlingbeschwerden, muss immer schlucken. Flimmern
vor den Augen, der Druck nach unten unaussteh¬
lich. Im Ganzen Hessen die Symptome bis Mittag
| nach, nur der Druck bleibt unvermindert und im
Kreuz der Schmerz. Herzstiche Abends und am
29. Mai früh 6 Uhr.
Abgebrochen wegen zu grossen Uebelbefindens.
Dr. Villers hat die Dame zweimal untersucht,
um eine Veränderung des Genitalbefundes zu suchen,
aber durchaus nichts constatiren können, als viel¬
leicht eine grössere Succulenz der Vaginalschleimhaut.
31. Mai. In der Nacht unter argen Schmerzen
nach zehnwöchentlicher Pause Periode bekommen.
Fühlt sich jämmerlich zerschlagen. Sonst sehr von
Obstruction gequält, neigt seit Einnehmen der
Tropfen fast zum Gegentheil, nur gingen dabei
auch merkwürdige weisse, schleimige Stoffe ab.
I. Juni. Fatale Kopfschmerzen, Uebelkeit,
Ziehen im Kreuz, Schwere im Unterleib, Periode
anhaltend, aber schwach gefärbt.
Dieser Zustand hat bis zum 8. Juni angehalten,
bald mit mehr, bald mit weniger Schmerzen. Die
nächste Woche ist nur die Zunge des Morgens beim
Erwachen so dick belegt, dass sie abgekratzt werden
muss. Der Belag hat sich bald nach Anwendung
des Mittels eingestellt.
II. Prüferin W. Personalia: Unverheiratete
Dame von 40 Jahren, schlank, graciler Knochen¬
bau, normaler Fettansatz, Neigung zu Bronchial¬
katarrhen, in der Familie vereinzelte Tuberkulosen¬
fälle, alle Functionen normal, nach eignem Empfin¬
den und nach Ansehen gesunde Frau.
26. Mai, 5 Tropfen: Am Nachmittag eine halbe
! Stunde lang Kopf etwas eingenommen.
29. Mai, 20 Tropfen: Erhöhte Empfindung im
Kreuz, welches seit Influenza empfängliche Stelle,
und etwas Gespanntheit im Unterleib.
30. Mai, 20 Tropfen: Sehr lebhafte, abscheu¬
liche Träume, die sie weckten, unangenehme Em¬
pfindung im Unterleib und Kreuz, nach dem Auf¬
stehen heftiges Aufstossen mit etwas Uebelkeit.
Diese Symptome gehen der Periode voraus, traten
aber erhöht auf.
Wegen Reise ausgesetzt, Schlaf besser, ohne
Träume, schwächere Kreuzschmerzen.
Hierauf wieder 20 Tropfen: Dieselben Erschei¬
nungen. Dann nur 15, dann wieder 20 Tropfen:
Dieselben weckenden Träume und Aufstossen.
7. Juni ganz aufgehört.
Stuhlgang blieb geordnet. Urin war abwechselnd
bell und dunkel.
HI. Prüferin Z. Personalia: Unverheiratet,
84 Jahre alt, mittelgross, graciler Knochenbau,
mittlere Muskulatur, Elephantiasis des linken Fusses
und sonstige Hauterscheinungen, die auf hereditäre
Lues deuten. Sonst gesund* Periode reichlich, mit
schwierigem Durchtritt, mit Kopfschmerz und
Rückenschmerz.
Digitized by ^.ooQie
174
. Prüfung mit 6. D.
23. Mai, 8 a. m., 5 Tropfen: 9 a. m. Ziemlicli
heftiges Herzklopfen.
24. Mai, 8 a. m., 10 Tropfen: Den ganzen Vor¬
mittag Unterleibsziehen, Kreuz- und Kopfschmerzen,
wie bei drohendem Periodeneintritt, der aber erst
in 5 Tagen zu erwarten ist.
25. Mai, 15 Tropfen: Abends Schmerzen im
Kreuz, vorübergehendes Schmerzen und Brennen
im Gelenk des rechten kleinen Fingers.
26. Mai, 20 Tropfen: 4 p. m. Brennen und
Schmerzen im rechten Ohrläppchen.
27. Mai, 20 Tropfen: Nachts 12 Uhr sehr hef¬
tiger wie zusammendrückender Kopfschmerz, Brennen
der rechten Wange und im Unterleib, Frost.
28. Mai, 20 Tropfen: Erwachte mit brennendem
Halsschmerz, der nach ca. einer Stunde verging,
dann nach Elinnehmen der Prüfungstropfen auf
2 Stunden wiederkehrte.
29. Mai, 20 Tropfen: In der Nacht vorher Ein¬
tritt der Periode mit den gewohnten Empfindungen.
Am Tage sehr heftiges Halsweh.
30. Mai, 20 Tropfen: Periode auffällig schwach.
31. Mai, 20 Tropfen: Periode hat schon auf¬
gehört, was sonst erst nach 4 Tagen zu erwarten
ist. Mehrfach am Tage Jucken in den Lippen.
1. Juni, 20 Tropfen: Ganz kurzes Brennen im
linken Ohrläppchen. Abbruch der Prüfung wegen
Abreise. (Fortsetzung folgt.)
Zu „Schlegels Physik der Homöopathie.“
In Nr. 13/14 der „Allg. hoin. Zeitung“ findet
sich eine Besprechung meiner kleinen Schrift:
„Sind Stoff und Kraft Ursache und Wirkung“
von Schlegel, zu welcher ich Folgendes bemerke.
Der verehrte College hat den Satz „der Stoff
als solcher steht dem Nerven indifferent gegenüber,“
durchaus missverstanden, und zwar in Folge in-
correcten Ausdrucks von meiner Seite. Unter dem
Stoff als solchem verstand ich den seiner etwaigen
„dynamischen“ Attribute entkleideten, das Ding,
welches einen Raum einnimmt; diese Entkleidung
natürlich nur gedacht , da eine factische Trennung,
abgesehen von der Bewegung, die sich mittheilen
lässt, nicht möglich. Ich wollte damit nur den
Gegensatz zwischen mechanischer Berührung als
einem indifferenten Eltwas und den Aetherschwin-
gungen als dem adäquaten physiologischen Reiz
hervorheben. Efe konnte mir nicht einfaüen, die
längst festgestellte physiologische Bedeutung der
Salze, des Eisens, des Phosphors etc. einfach zu
ignoriren. Ich hätte consequenter Weise nie tiefere
Potenzen geben dürfen, was bei mir, acuten Krank-.
heiten gegenüber, mehr Regel als Ausnahme ist.
Um die Wirkung der Hochpotenzen zu erklären
war nur diejenige Eigenschaft der Materie ver¬
wendbar, die getrennt von der ursprünglichen
Quelle für sich bestehen konnte, die einzige, so
weit erkennbar: die Bewegung.
Auf diese letztere dürfen wir schliessen aus
der Wirkung der Metallplatten — auch aus einer ge¬
wissen Entfernung — auf den menschlichen Körper,
auf die Nerven, vermittelt durch den Aether; aus
der Verschiedenheit der Wirkung je nach der
unter den Metallen getroffenen Wahl auf Ver¬
schiedenartigkeit der Bewegungen (etwa der Ge¬
schwindigkeit), sowie die Verschiedenartigkeit der
Farben durch verschiedene Geschwindigkeit der
Aetherwellen bedingt werden.
Der verehrte College meint, dass ich mich,
indem ich die Frage nach dem Verhältniss zwischen
Stoff und Kraft aufs Tapet bringe, auf das Gebiet
der Metaphysik begeben habe. Nichts liegt mir
ferner. Die beregten Vorgänge sind doch die Re¬
sultate directer Sinnenbeobachtung. Wenn ich ver¬
suche, aus diesen Abstractionen zu ziehen, so
betrete ich damit doch nicht das Gebiet der Meta¬
physik — des Uebersinnlichen. Der Annahme
dieser Aetherschwingungen steht nichts im Wege.
Ich kann, um etwaigen Einwürfen zuvorzukommen,
mir gut denken, dass diese Wellen in dem „poten-
zirten“ Medicament durch das betreffende Vehikel
(Alkohol, Zucker) gebunden werden, wie die Stein¬
kohle die Wärme wellen gebunden erhält, die sie
im früheren Stadium ihres Werdens als Baum etc.
in Sonnen wärmestrahlen in sich aufgenommen.
Die von mir aufgestellte Hypothese lehnt sich
an Thatsächliclies an. Ganz anders verhält es sich
mit den verschiedenen Molekularhypothesen, soweit
sie zur Wirkungserklärung der Hochpotenzen dienen
sollen. Kann in der 30. Centesimale noch von
Stoff die Rede sein? Können wir annehmen, dass
selbst bei löslichen Medicamenten noch in jedem
Streukügelchen Moleküle vorhanden sind? Und
nun gar die unlöslichen, z. B. die Metaüverreibun-
gen. Die mikroskopischen Untersuchungen haben
ergeben, dass in den höheren Potenzirungsstufen
die Einzeltheile wohl seltener, aber nicht oder
wenig kleiner werden, wie ich mich selbst bei
Untersuchungen von Goldverreibungen überzeugen
konnte. Wo der Stoff aufhört, sind die Molekular¬
hypothesen von selbst hinfällig. Dass aber dieser
sehr bald auf hört, scheint eine weitverbreitete
Ansicht zu sein. Man würde es sonst nicht ver¬
stehen, wie das wissenschaftliche Gewissen so viele*
Aerzte nicht gestattet, in Betreff der höheren
Potenzen Fragen an die Natur zu richten. Also
steht die Frage so: Wie erklärt sich die heilende
Wirkung eines Medicaments, in welchem vom ur-
Digitized by
Google
sprünglichen Stoff nichts mehr vorhanden? Um
diesen heissen Brei dürfen wir nicht umher¬
schleichen, sondern ihm gegenübertreten nach dem
alten Wort: „Wer den Teufel bannen will, muss
ihm ins Angesicht schauen.“
Ich wiederhole, was ich in meiner kleinen
Schrift sagte: Ob die aufgestellte Hypothese der
Wirklichkeit entspricht, ist gleicbgiltig. Der Ver¬
such sollte die Möglichkeit von Heilungen auch
da, wo von dem ursprünglichen Stoff uichts vor¬
handen, näher bringen, sollte mit dazu beitragen,
das übermachte Erbe Hahnemann’s nach allen
Richtungen auszubeuten. Ich kann mich von der
Ueberzeugung nicht trennen, dass dieses in höho-
rem Maasse, als bisher geschehen, möglich ist.
Kiel, den 12. October 1894.
_ Dr. C. Kunkel.
Lesefruchte.
Parotitis post pnenmoniam.
E. Fischei theilt in der Prager medicinischen
Wochenschrift, 1893, No. 7, einen Fall von meta¬
statischer Parotitis nach Pneumonie mit, welcher
beweist, wie lange die Pneumonie-Erreger auch
bei geschwächter Virulenz in der Mundbühle lebens¬
fähig bleiben und ihre Wirkung zu entfalten ver¬
mögen. Während in den bisher beobachteten Fällen
die Parotitis sich unmittelbar an die Lungenent¬
zündung anschloss, entstand sie hier am 19. Tage
nach erledigtem kritischen Abfall. Der aus dem
Ausführungsgang der Parotis entnommene Speichel
enthielt Pneumokokken, was auch durch den vor¬
genommenen Culturversuch bestätigt wurde.
Autor empfiehlt deshalb dringend, die Mundhöhle
des Pneumonikers häufig ausspülen zu lassen.
Während in der Nummer 13 und 14 dieser Zeit¬
schrift mitgetheilten Krankengeschichte die Pneu¬
monie erst nach der Parotitis erfolgte, ist hier das
Umgekehrte der Fall. — Uebrigens kann die Fort-
, pflanzung der parasitären Krankheitserreger auch
sehr wohl durch den Blutkreislauf geschehen 9ein. —
1 Dadurch gewinnt die Lehre von den Metastasen,
die ja gerade bei der Parotitis eine bedeutende
Rolle spielen, eine naturwissenschaftliche Grundlage.
Indessen können ja, wie die Pneumonie-Erreger,
und die von ihnen erzeugten Toxine, ebenso die
des Scharlach, Typhus, Pest, Variola, aber auch
selbst die der Masern, zu einer Parotitis Anlass
und Ursache werden. (Ref.)
Anzeigen.
Ein Apotheker norddeutscher Grossstadt wünscht )
zwecks Niederlassung mit einem homöopathischeu Arzte in I
Verbindung zu treten.
Offerten unter 159 an die Expedition dieser Zeitung.
Der Diabetes mellitus j
und seine
Mopatbische und balneolooische Behandlung ,
von Dr. Theodor Kafka, i
Brunnenarzt in Carlsbad, ,
Preis brosetairt 1,60 Mark,
ist als Separatabdruck aus der Allg. homöopath. Ztg. er¬
schienen und wird in empfehlende Erinnerung gebracht. !
Zu beziehen durch I
A. Marggrafs Homöopath. Officio, Leipzig. 1
Kastanienblüthen^Oel i
und I
Kastanienbllltlien-TInetar
aus den frischen Blütben bereitet, haben sich als |
thatsächlich gute Mittel zum Eilireiben gegen |
Gicht nnd Rheumatismus schon seit langen
Jahren eingeführt und werden zu Versuchen bestens i
empfohlen.
Zu haben in jedem gewünschten Quantum, in I
Flaschen ä ÖOPfg. bis zu Flaschen ä */$ Ko.=«4 M. I
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Arzt-Gesuch.
In einem Orte der Provinz Sachsen, mit guter Um¬
gebung (Magdeburger Gegend), wo lange Jahre ein homöo¬
pathischer Arzt segensreich wirkte, wird, da der jetzige
allopathische Arzt nicht beliebt ist, baldigst ein tüchtiger,
liebenswürdiger homöopathischer Arzt gesucht, der aber zu
gleicher Zeit tüchtiger Geburtshelfer sein muss. Derselbe
findet hier einen sicheren, lohnenden Verdienst.
Zu näherer Auskuuft ist gern bereit der Maurer- und
Zimmermeister Carl Hoiwaim in Barby. _
Die heutige Nummer bringt eine Beilage der Adalbert
Fischer’schen Verlagshandlung in Leipzig über das Werk:
Vom tropischen Tieflande zum ewigen Schnee.
Von Professor Anton Goering.
Den in dieser Beilage gebrachten günstigen Besprech¬
ungen kann ich mich nur voll und ganz anschliessen und
dieses Buch jedem Freunde von Naturschönheiten, beson¬
ders der neuen Welt, zur Anschaffung empfehlen. Es wird
uns in demselben eine höchst angenehme, den Geist an¬
regende und in jeder Hinsicht lehrreiche Lectüre geboten;
unstreitig bietet auch das Bach im wahren Sinne des Wortes
einen werthvollen Zimmerschmuck, auch für die feinsten
Salons. In Anbetracht der hoch eleganten, künstlerischen,
dabei äusserst soliden Ausstattung ist der Preis ein höchst
bescheidener zu nennen und es wird Jedermann dadurch
leicht gemacht, nicht nur ein Prachtwerk von dauerndem
Werthe zu erwerben, sondern auch deutschen Fleiss und
deutsche Kunst zu unterstützen.
Das Weihnachtsfest naht; Vielen wird daher eine solch«
wirklich herrliche Gabe willkommen sein. Aufträge nimmt
gern entgegen
A. Marggrafs homöopathische Offlein
und Buchhandlung, Leipzig.
Digitized by
Googl
176
Soeben ist erschienen die 6. Auflage des
Kleinen
Homöopathischen Hausfreundes
nachdem die vor vier Jahren in 5000 Exemplaren verausgabte
Auflage vergriffen ist.
Zu dieser bemerkte der um die Homöopathie hochver¬
diente Dr. Goullon jun. gelegentlich einer Besprechung in der
Leipziger Populären Zeitschrift für Homöopathie:
„Genanntes Werkchen bat keinen gelehrten Doktor oder
Professor zum Verfasser, aber einen hochgebildeten Laien,
einen praktischen Kopf, der die Bedürfnisse und Verlegen¬
heiten des Volkes in Krankheitsfällen am besten zu beur-
theilen versteht. Und es ist wirklich staunenswerth, mit
welcher Umsicht, Sachkenntnis« und Gründlichkeit der
Verfasser zu Werke geht.
Es hat demselben nichts ferner gelegen, als der Ge¬
danke, durch diese, wenn auch noch so gediegene und für
ihren Standpunkt mustergültige Schritt ausführlichere und
wissenschaftliche Werke entbehrlich zu machen.
Es ist der „Kleine homöopathische Hausfreund“ in
Wirklichkeit ein überaus schätzbarer grosser Freund zu
nennen, dem wir auch in seiner neuen Gestalt unsere volle
Sympathie entgegenbringen.“
Bei der letzthin wieder vorgenommenen Durchsicht wurde
das Werkchen in einzelnen Punkten noch wesentlich verbessert
und bereichert.
So fand das ausgezeichnete amerikanische Heilmittel —
Hamamelifl-Extract —, welches bei Wunden, Wundsein der
Kinder .Verbrennungen, Blutungen, Hämorrhoidal-Leiden etc.,
die trefflichsten Dienste leistet, eingehende Berücksichtigung.
Ferner ist die Influenza, welche sich leider bei uns ein-
zubürgem scheint und nicht mit Unrecht als ein äusserst
heimtückisches Leiden gefürchtet wird, den neuesten Erfah¬
rungen gemäss mit grösserer Ausführlichkeit behandelt.
Die Entstehungsurzachen, Vorbeugung und Behandlung
der meisten Krankheiten sind kurz und klar, Jedermann ver¬
ständlich, zur Darstellung gebracht. Zur Unterstützung der
homöopathischen Heilmittel werden in vielen Fällen vom Ver¬
fasser geeignete Wasseranwendungen empfohlen. Auch wird
je und dann auf ein erprobtes Mittel hingewiesen. Von grösster
Wichtigkeit ist für junge Mütter die Belehrung über Ernährung
und Pflege kleiner Kinder, denen ein besonderes Kapitel ge¬
widmet ist. Um Krankheiten zu verhüten, legt der Verfasser
mit Recht einen hohen Werth auf die Gesundheitspflege, be¬
züglich welcher er beherzigenswerthe Winke giebt.
Der j,Kleine homöopathische Hausfreund“ dürfte zur Ein¬
führung in die homöopathische Heilmethode wohl von keinem
Werke ähnlicher Art übertroffen werden. Aber auch Solche,
die sich schon längere Zeit mit der Homöopathie beschäftigt
haben, finden in demselben manche gute Winke.
Für Geistliche, Lehrer, Beamte, Landwirthe ist der Haus¬
freund — zumal wenn kein Arzt am Orte wohnt, von aller¬
grösstem Werthe und sollte in keiner Familie fehlen.
Dabei ist, fasst man die schöne Ausstattung und den so
überaus reichen Inhalt ins Auge, der Preis ein ungemein bil¬
liger. Das ciroa 12 Bogen starke Buch kostet broschiert nur
1 Mark, in Leinwand gebunden 1,60 Mark. Dass die neue Auf¬
lage mit dem Portrait des Verfassers gesohmüokt und mit einer
Biographie desselben versehen ist, wird den Freunden des
„Kleinen homöopathischen Hausfreundes“ ohne Zweifel zur
Freude gereichen.
Möge derselbe auch in seiner neuen vermehrten Auflage
sich viele Freunde allerorten erwerben und sich Allen in guten
und bösen Tagen als treuer Rathgeber und zuverlässiger Helfer
erweisen.
Leipzig, im April 1894.
In empfehlende Erinnerung bringe ich den selbst-
dispensirenden Herren Aerzten zur revisionsmftssigen Ein¬
richtung ihrer Hausapotheken meine hierzu extra zusammen¬
gestellten, in neuer, wesentlich vermehrter und vervoll¬
ständigter Auflage erschienenen
Vollständigen Collectionen
I von
Revisions-Etiquetten
für
Separanda und Venena.
(Druck: roth auf weiss und weiss auf schwarz.)
Jede Collection enthält alle vorkommenden Mittel,
die gangbarsten Namen 10mal, und zwar 545 Namen in
2222 Etiquetten, zum alten Preise von 3 Mark.
Hierzu kommen
Ergänzungshefte
mitrevisionsmässigen Etiquetten
für
Nicht-Separanda.
(Druck: schwarz auf weiss.)
235 Namen in 600 Etiquetten zum alten Preise von
nur 1.50 Mk.
Diese Etiquettenhefte sind so praktisch eingerichtet,
dass man jede beliebige Etiquette ausschneiden kann,
ohne dass andere dadurch gelockert werden und heraus¬
fallen können.
Jeder einzelne Name ist auch in grösseren Mengen zu
haben und zwar:
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck schwarz auf weiss) 25 Pf.
ä 100 geschnitten u. gummirt (Druck roth auf weiss) 40 Pf.
& 100 geschnitten u. gummirt (Druck weiss auf schwarz) 50 Pf.
(Bei letzteren beiden Sorten jedoch nur so weit die Yor-
räthe reichen.)
Ausserdem empfehle die bei Revisionen jetzt ver¬
langten:
Revisionsmäs8igen Hand-Waagen (mit Horn-
! oder Porzellan-Schaalen).
„ Horn- u. Porzellan-Löffel,
| „ Porzellan-Mörser,
j mit eingebrannter und eingepresster Schrift für: Alcaloide,
Arsenicalia, Cyanata, Mercurialia und Phosphor zu nach-
J stehenden billigsten Preisen:
tt an tt aarrnr, J Hornschaaleii M. 5.50
nanawaagcn j ^ Porzellanschaalen (Phosphor) „ 6.50
von Horn „ —.75
„ Porzellan (Phosphor) „ 1.25
Mörser mit Pistillen, 13 cm äusserer Durchmesser
und mit Ausguss „ 3.50
Gewichtssätze von 0,001—20,0 nebst Pincette ä „ 7.50
A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig.
A. Marggrafs Homöopathische Offiein.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart,
Geschäftestelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offiein) in Leipzig.
Drack von Jolins Mäser in Leipzig.
Hierzu eine Beilage über das Professor Anton Oöring’scbe Werk: Tom tropischen
Band 129
Leipzig, den 6. December 1894. No. 23 U. 24.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath.Of&ein) in Leipzig.
Erscheint 14t&gigcu2Bogen. ISDoppelnummem bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892).—Inserate, welche an Haasenstein dbVogler
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zn richten
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Bi. berechnet.
Inhalt. Abonnements-Einladung. — VII. Herbstversammlung des Vereins der homöopathischen Aerzte Württem¬
bergs am 24. October 1894. (Schluss.) — III Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft. Nachprüfung von Ranunculus
sceleratus. Referent Dr. Schier-Mainz. (Fortsetzung.) — Personalia. — Vom Büchertisch. — Lesefrüchte. — A womans
international provers association. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Einladung zum Abonnement.
Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 130 (1. Halbjahr
1895) höfliebst ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete Verlagä-
handlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe-
nummern stehen stets unberechnet und portofrei zu
Leipzig, im December 1894.
VII. Herbstversammlung
des Vereins der homöopathiechen Aerzte
Württembergs )
am 24. October 1894.
(Schluss.) !
Nun ergriff Stiegels das Wort über homöopa¬
thische Behandlung von Diabetes mellitus. Diese !
sei kein Glanzpunkt für uns; er selbst habe früher |
ebenfalls in Krankheitsfällen dieser Art wenig aus- ,
gerichtet. Freilich liege ein grosser Uebelstand !
darin, dass die Kranken, wenn man sie über ihr
Leiden aufgeklärt, gern hinter dem Rücken des
Arztes den Urin von einem Chemiker oder Pharma-
ceuten auf Zucker untersuchen lassen. Fällt nun !
der Procentsatz des Zuckers nicht schnell genug, |
so laufen sie zu einem anderen Arzt. — Anfangs
Diensten.
Hochachtungsvoll
die Verlagshaiidlung von William Steinmetz
(i. Fa. A. Marggrafs Homöopath. Offlein.)
bediente er sich vorzüglich des Arsen, und Kreosot;
Arsen, entspricht den meisten, Kreosot nur wenigen
Fällen. Ende der 80er Jahre kam die Mittheilung,
Sizygium jambolinum sei ein Mittel, das die Zucker¬
ausscheidung hemme, ein Arzt habe an sich selbst
hiermit den Diabetes geheilt. Nun machte Redner
hiermit Versuche, wobei er zu dem Resultate kam,
Sizygium setze wohl den Procentsatz des Zuckers
beim Diabetiker herab, bessere aber das Allge¬
meinbefinden nicht, während Arsen, das letztere
bessert, aber ohne den Zuckergehalt zu verringern.
Angesichts dieser Thatsachen kam Stiegele zu dem
Schluss, dass eine Verbindung beider Mittel das
Richtige sei. So gab er denn seinen Kranken seit¬
dem Arsen, (i. Cent, mit Sizygium jambol. 3. Dec.,
und zwar als Doppelmittel, in Form von Streu¬
kügelchen (Globuli) in Zuckerpulvern. Redner theilt
sodann eine Anzahl Fälle von Diabetes mell, aus
Digitized by Google
178
seiner Praxis der letzten 2 Jahre mit, hei denen
er dieses Doppelmittel angewandt hat. Die Diät
wurde, abgesehen vom Verbot des Süssen, gar
nicht verändert.
Wir geben die Fälle in summarischer Uebersicht:
1. Fall. Oeconom, 70 Jahre alt, seit Herbst
1892 krank. Er erhielt das Doppelmittel 3 Mal
täglich 1 Pulver.
17. April 1893. Zucker 6°j 0 .
13. Mai 1893. Zucker 2° 0 . Allgemeinbefinden
besser.
5. Juni 1893. Zucker 0,4°, o . Allgemeinbefinden
sehr gut.
11. Juli 1893. Zucker 0°| 0 . Anhaltend gut.
2. * Fall. Mann, 48 Jahre alt, Leberanschwellung
seit 1 Jahre, Füsse Abends geschwollen, Haut
bläu, Gangrän der rechten Fusssohle.
17. Mai 1893. Zucker 7°| 0 . Doppelmittel.
13. Juni 18£i3. Bedeutend besser, Geschwür
kleiner. Zucker 0°| 0 .
19. Sept. 1893. Ganz gut, Leber unverändert.
Zucker 0° 0 .
20. Januar 1894. Desgleichen.
3. Fall. Mann, Schlaganfall, Sommer 1892.
17. Nov. Zucker 7°| 0 . Doppelmittel.
25. ,, Befinden besser. 4°, 0 .
30. Dec. Noch besser. Spuren von Zucker.
3. März 1894. 0°| o .
29. Sept. 1894. Schwindel. 0° o .
4. Fall. Pat. 56 Jahre alt, seit 1 Jahr leidend.
18. Sept. Zucker 4,75 °j 0 . Doppelmittel.
2. Oct. Zucker 0,55°| 0 .
10. Nov. Zucker 0,4, später 0° o .
5. Fall. Mann, 60 Jahre alt, seit 1 .» Jahr krank.
4. Januar. Zucker 5,5°| 0 .
14. Februar. Zucker 0,72, später 0,48.
28. Mai. Zucker 0,1.
18. Oct. Zucker in Spuren. Er trinkt viel Bier.
6. -Fall. Mann, 46 Jahre alt, seit 1 A Jahr krank.
ß. Mai 1894. Zucker 3,4°l 0 .
28. Juni 1894. Zucker 0°j 0 .
•September 1894 alles gut, obwohl Spuren von
Zucker.
Zu erwähnen ist noch, dass Stiegele im Anfänge
jedem Patienten eine Hochpotenz Sulphur giebt.
Donner hat Sizygium jamb. und zwar die reine
Tinctur in mehreren Fällen gegeben, ohne wesent¬
liche Aenderung der Diät. In einem Falle (ohne
Durst) war der Zuckergehalt 5,5° 0 ; dieser sank
in 14 Tagen auf 0,5 u o . Nach Aussetzen des
Mittels stieg er in drei Wochen wieder auf 0,1° 0 ,
sank unter Sizygium wieder auf 0,5° 0 . ln einem
andereu Falle blieb das Mittel erfolglos: so bei
gastrischen Störungen, wo Kreosot eher einwirkte.
Auf den Kräftezustand schien ihm Sizygium keinen
Einfluss zu haben.
Schlegel hält es für wichtig, auch auf die Menge
j des Urins zu achten; er lässt gern die saure, ge-
j standene Milch trinken. Er giebt Kreosot in der
| 3. Dil. und auch höher, ein Mittel, das er in
I chronischen Magenkatarrhen oftmals hilfreich ge¬
funden hat.
| Sick macht darauf aufmerksam, dass Kreosot 3.
j noch einen starken Geruch hat.
Göhrum erwähnt einen Fall von Diabetes bei
einem Patienten mit Leberleiden, einem runden,
bösartigen Geschwüre am Unterschenkel und einer
brandigen Stelle am Fuss. Hier erwies sich Cheli-
donium 6. mit Arsen. 30. Dec. im Wechsel hilf¬
reich. Nach 8 Jahren war das Leberleiden ater
wieder erheblich verschlimmert; es war Ascites
hinzugetreten, dann Hämoptoö, Phthisis, woran der
Kranke zu Grunde ging.
2. Ein Lehrer hatte sich ein diabetisches Leiden
zugezogen; bei strenger Kost betrug der Zucker¬
gehalt nach 14 Tagen 8° l0 . Göhrum gestattete ge¬
wöhnliche Kost und gab nach Weihe Platina -|-
Ignatia (= Sanguinaria). Danach ging es ihm
:, 4 Jahr besser. Späterhin trat jedoch eine Magen¬
blutung mit tödtlichem Ausgange ein.
3. Vor 14 Tagen ward Göhrum zu einem l s 4
Jahr alten Kinde gerufen, das an heftigem Durst
litt, viel Urin Hess. Im Urin war 8,4 ü l0 Zucker.
Es bekam Arsen. 30. Morgens und, da es mit an
den Hals griff, Lachesis 30. AbendB. Am dritten
, Abend war das Kind bewusstlos, Koma trat ein
und der Tod. Die Section ergab Leber, Nieren,
| Pancreas verfettet.
Mossa berichtet hierauf über einen chronisch
) verlaufenden Fall von Diabetes bei einem Manne,
! den er seit 1889 beobachtet hat. Der damals
• 45jährige Mann, von robuster Constitution, war auf
j seinen Reisen (er war Handelsreisender in Tabak'
| und Fleischwaaren) allen Unbillen des Wetters und
der Wirthshausküche ausgesetzt, rauchte und trank
viel und zu Hause machte ihm die zanksüchtige
Frau viel Aerger und ein Sohn viel Sorge und
Kummer. Er hat vor mehreren Jahren nach Aus¬
sage seines Arztes an Leber, Milz und Gallen-
i steinen gelitten, wovon er im Ganzen hergestellt
j war. Im Jahre 1889 klagte er viel über Trocken-
f heit im Halse, auch bei es ihm auf, dass seine
| Haut, die früher viel geschwitzt, jetzt trocken war
i und auch im Bette selbst nicht dünsten wollte.
| Appetit war schlecht, Mundgeschmack bitter, Stuhl
hart und schwer. Flatulenz, Urin dunkelbraun.
! Oefters Schwindel. In den letzten drei Wochen etwas
abgemagert.
Nux vomica 6., Sulphur 30. in dreitägigem
Wechsel. Das war im August. -
Am 19. October. Die Trockenheit des Mundes-
und Schlundes erheblich gesteigert, so dass er
Digitized by
Google
179
Nachts 3 Schoppen Wasser leerte, bei Tage reich¬
lich Bier. Er liess dem entsprechend auch viel Urin.
Geschlechtstrieb ungeschwächt. Obwohl er jene
Trockenheit zum Theil auf starkes Rauchen schob
und behauptete, dass er schon als Knabe immer
viel Wasser getrunken habe, kam dem Arzte die
Sache bedenklich vor. Die Untersuchung des Urins
ergab denn auch in der That eine beträchtliche
Menge Zucker, gegen 4°| 0 .
Pat. bekam Acidum nitricum I. Dil. 5,0 3 Mal
täglich 5 Tropfen in Wasser, das mit Pausen längere
Zeit fortgegeben wurde.
17. Dec. Pat. hat seit 4 Monaten am Körper¬
gewicht 16 Pfund eingebüsst; es beträgt dies jetzt
138 Pfund. Schwäche in den Gliedern. Seit acht
Tagen förmlicher Heisshunger riebst starkem Durst.
Sizygium jambol. I. Dec. 2 Mal täglich 5 Tropfen.
April 1890. Die Abmagerung schreitet fort,
obwohl der Procentsatz des Zuckers abgenommen.
Er wiegt jetzt 133 Pfund. Er trinkt, trotz War¬
nung, noch immer reichlich Bier, weil das den
Durst am besten löscht. Die Diät bestand über¬
wiegend in Fleischkost, doch war ihm grünes Ge¬
müse daneben empfohlen. Brod mässig. Er hat
aber wohl, da er inzwischen wieder von Hause ab¬
wesend war, sich wenig an eine strenge Diät halten
können.
12. Mai. Neben Sizygium Burk's Chiuawein
3 Mal täglich 1 Esslöffel voll. Nun erst ward der
Zustand, bis dahin sehr bedenklich, allmählig besser.
Das bis auf 128 Pfund herabgesunkene Körperge¬
wicht blieb jetzt längere Zeit stationär, bis es dann
allmählig wieder stieg. Das Allgemeinbefinden ward
besser, indem Durst und Hunger sich der Norm
näherten. Er war mit diesem Zustand so zufrieden,
dass er sich erst 1892 wieder beim Arzte sehen
liess. Er klagte über Schwäche und Reissen in
den Beinen, besonders in den Knieen, sowie zeit¬
weisen Schwindel. Der Urin enthielt immer noch
etwas Zucker. Er erhielt Kali phosph. 6. Dil. und
später wieder Chinawein. 1893 bestand er die In¬
fluenza, ohne dass diese auf seinen Zustand erheb¬
lich verschlimmernd eingewirkt und erfreut er sich
seitdem einer befriedigenden Gesundheit.
Wenn Redner auch nicht den Zuckergehalt so
regelmässig constatirt hat, wie College Stiegele, so
möchte er doch seiner Beobachtung zustimmen, dass
Sizygium zwar den Zucker verringere, aber den
Allgemeinzustand nicht bessere; dies hat hier China
(hei Stiegele Arsen.) im Wechsel mit Sizygium ge¬
leistet.
Nunmehr hielt Kim einen Vortrag über die
diesjährige Typhus-Epidemie in Pforzheim, der
später in dieser Zeitung veröffentlicht werden wird.
Ausser den nach dem Simile angezeigten Mitteln
hat er die Hydrotherapie angewandt; wo das kühle
Wasser nicht ertragen wurde, liess er Weingeist¬
eiureibungen machen.
Stiegele: Bei Patienten, denen das kalte Wasser
unangenehm ist, ist Secale angezeigt.
Rejerent; Nach Farrington passt Secale, in specie
bei Gangrän, wo kalte Umschläge bessern, während
Arsen. Besserung durch warme hat.
Lorenz hat letzthin von dem von Dr. Kimpel
(Allgemeine Homöopathische Zeitung, No. 7/8) em¬
pfohlenen Chloroform-Wasser in einem Falle gün¬
stige Wirkung gesehen, indem danach die Tempe¬
ratur herunterging und die Gehirnerscheinungen
sich mässigten.
Mattes hat früher von den Radeinacher'schen
Mitteln, Ferrum, Cuprum nebst Chelidonium, beim
Typhus gute Erfolge gesehen.
Schlegel verlas einen Ausschnitt aus einer Zeit¬
schrift über die schädlichen Wirkungen des Rad¬
fahrens.
Stiegele , der an sich selbst die heilsame Wirkung
des Radfahrens erfahren, schiebt die üblen Fol¬
gen auf den Missbrauch, Uebertreibungen (Sport);
bei den Neurasthenikern sei es ein vorzügliches
Mittel.
Mattes hat davon gute Wirkungen bei Emphysem
(so an sich seihst) beobachtet; bei Sch windsuch ts-
candidaten, Herzleidenden sei es nachtheilig.
Sodann berichtet Schlegel über ein merkwür¬
diges Schriftchen von Dr. Vopelius in Degerloch
bei Stuttgart, dass von einer neuen, vom Verfasser
Carcinosis genannten, Krankheit handelt. Dieser
(allopathische) Arzt heilt alle nur möglichen Krank¬
heiten, die er alle von Mikroben im Blute ableitet,
durch Lysol, Creosol oder Creosot, und zwar in
so starken Dosen, dass die Kranken meist noch
Magenleiden davontragen. Auch gegen die ver¬
meintliche Carcinosis, deren Anlage durch Bacillen
im Sperma und Ovulum von den Eltern auf die
Kinder übergeht und sich bei letzteren als Scrophu-
lose, Neurasthenie, schliesslich als Carcinom äussert,
soll Lysol das Hauptmittel sein.
Sigismund hat das Lysol, in 1 | 2 —1° |0 . Lösung
äusserlich angewandt, als ein treffliches Wundheil¬
mittel erprobt.
Ferner berichtet Schlegel über Mitchell s (Chicago)
Behandlung von carcinomatösen Geschwüren mittels
äusserlicher Anwendung von Arsen, in der 2.-r3.
Verreibung. Es hemmt die septische Zerstörung
und beseitigt den Gestank. Am schwersten erweisen
sich die Brustkrebse, leichter die an den Lippen.
Burnett lässt in solchen Fällen, wo die Kranken
sehr heruntergekommen, erst das Levico (arsen¬
haltige) Wasser innerlich als Tonicum trinken, bei
vor er Arsen, in Potenzen innerlich giebt. Mitchell
hält den operativen Eingriff für absolut verschlimmernd
bei Careinomen; so weit geht* Schlegel nicht, der
23*
Digitized by
Google
180
in einem Fall nach der Exstirpation eines Lippen-
carcinom seit Jahren kein Recidiv hat eintreten
sehen. Er hält Burnett’s Verfahren für das idealste.
Dieser gebraucht niedere Verdünnungen, um eine
locale Wirkung zu erzielen und giebt dazwischen
die entsprechenden Constitutionsmittel in hohen Po¬
tenzen: Thuja, Sulphur, Merc., Calcarea. Er citirt ,
Burnett’s Ausspruch: „Wo ich eine Krebsheilung
erreicht habe, ist es allemal auf Grund einer Theorie
geschehen/ d. h. indem er den Wurzelkrankheiten
llalinemanns (Psora, Sycosis, Syphilis) gemäss das
Mittel gewählt habe.
Mitchell hielt Kal. jodatum bei Carcinom auf
syphilitischem Grunde indicirt, wenn das Geschwür
auf der einen Seite heilt, auf der andern dagegen
weiter frisst. Bei mehr harten Formen Calc. jodata,
Coniurn nur im Anfänge. — Nächst Arsen, sei Car-
bolöl ein mächtiges Mittel bei Carcinomen. Hydrastis
canad. passe für leichtere Fälle von Brustkrebs,
1.— 2. Dil. innerlich.
Stiegele: Actaea spicata und Calcarea oxalica j
habe er beim Krebs als das beste schmerzstillende
Mittel kennen gelernt.
Mattes hält die äusserliche Anwendung von
Arsen, durchaus nicht für heilsam, da die Wuche¬
rungen danach erst recht stark hervorsprossen. Man i
solle auch bei Krebskranken mehr individualisiren;
er habe bei zwei Fällen von Lippenkrebs nach
dem Simile mit Lycop. 200. geheilt.
Hier trat nun eine willkommene Intermission
des wissenschaftlichen Theils durch ein gemein¬
sames Abendessen ein, das durch manche Tri^k-
sprüche und Humoristisches geistige Würze er¬
hielt. — Danach wurde im Wissenschaftlichen
fortgefahren.
Mossa hielt einen Vortrag über einen subacuten I
Fall von Meningitis spinalis bei einem Kinde, der
auch später in extenso hier mitgetheilt werden soll, i
Eine Discussion erfolgte nicht, und ging man nun
zum Geschäftlichen über. 1
III. Von Göhrum lag ein Doppelautrag vor, dahin¬
gehend, 1. dass der Verein der homöopathischen
Aerzte Württembergs auf Wunsch der Schweizer
Aerzte seine Versammlung an einem der Schweiz
nahe gelegenen Orte abhalten möge, und 2. dass
wir diese Versammlung künftig auf einen Sonntag !
(statt wie bisher Mittwoch) verlegen möchten. — j
Gegen No. 1 wurde geltend gemacht, dass, so er- ,
wünscht der Anschluss der Schweizer Collegen sei, j
bei der Wahl eines an der Peripherie von Schwaben
(wie z. B. Friedrichshafen) gelegenen Ortes die Ge- '
fahr nahe liege, ein grosser Theil der Württem- i
berger Collegen würde ausbleiben; für diese sei |
Stuttgart das leicht erreichbare Centrum, während j
eine Reise nach Friedrichshafen fast zwei Tage er¬
fordere, und so lange könnte man zur Herbstzeit ]
von den Patienten nicht abwesend sein. Es fand
denn auch dieser Antrag, sowie der auf Ver¬
legung der Versammlung [bei der Abstimmung
keine Majorität. Es bleibt vorläufig bei der alten
Ordnung.
Ein von Donner gestellter Antrag, der, auf
Grund localer Verhältnisse Stuttgarts, die Sache
unserer Wittwen betraf, hatte insofern einen prak¬
tischen Erfolg, als er die Anreguug zu einer Samm¬
lung für unsere Central-Wittwen-Kasse in Leipzig
wurde, welche die hübsche Summe von 77 Mark
ergab, die auf 100 Mark aus der Vereinskasse ab¬
gerundet, unserem trefflichen Kassirer gewiss er¬
freulich sein wird.
Das war nun der wohlthuende Abschluss dieser
an Gaben für Kopf, Geist und Gemüth, für das
Wissen und Können wirklich reichen Hauptver¬
sammlung ! Dr. Mossa.
III. Bericht der Arzneiprüfungsgesellschaft.
Nacliprüfung von Ranunculus sceleratns.
Referent Dr. Schier-Maint-
(Fortsetzung.)
IV. Frau Dr. Schier-Mainz nimmt am 5. April
Vormittags 10 1 / a Uhr 20 Tropfen der VI. D.-P.:
Geschmack scharf, an Essigsprit erinnernd. Gleich
darauf Kratzen im Kehlkopf und Drang zum
Räuspern \ 4 Stunde lang. II 1 ,., Uhr Flimmern
vor den Augen, Sehen von Zacken und spitzen
Curven r A Stunde hindurch. I 1 .,—3 Uhr klopfen¬
des Kopfweh in der Stirne beiderseitig; Abends
nach dem Essen sehr acuter Fliessschnupfeu ohne
vorausgegangene Erkältung. Nachts 5 Uhr Kitzeln
im Kehlkopf mit Husten 10 Minuten lang.
Am 6. April Vormittags 9 Uhr drückendes
Leibweh unter dem Nabel und leichte Uebelkeit
mit liellgcfarbtem Durchfall. Oft wiederholtes Niesen
mit Fliessschnupfen und leichtem Brennen, Kitzeln
der Nasenschleimhaut.
Am 7. April Vormittags 6 1 * Uhr Hustenreiz
im Kehlkopf und kneipende Schmerzen im ganzen
Unterleib mit Neigung zu Durchfall, der aus dem
Bett schleunigst heraustreibt, dabei Uebelkeit ohne
Zungenbelag. 9 3 | 4 Uhr Vormittags Taubheit auf
dem rechten Ohre, bald darauf auch auf dem linken
Ohre, gleichzeitig Leibschmerzen mit Kollern und
Stuhldrang. 11 Uhr Vormittags starke, ziehende
Schmerzen an der Aussenseite des rechten Beine«
vom Fussgelenk bis zur Hüfte, nachher desgleichen
am linken Beine, weniger heftig, und im Kreuz
1 |o Stunde lang.
Am 8. und 9. April Morgens mehrmals Durch¬
fall, der sie aus dem Bett treibt, mit Uebelkeit und
Kneipen im Unterleib.
Digitized by k^ooQie
181
Am 9. April Vormittags 9 ! | 2 Uhr krampfartiger
Husten mit Reiz im Kehlkopf. Am 10. April Vor¬
mittags 8 und 12 Uhr Durchfall ohne Beschwerden;
desgleichen am 11. April 11 r 2 Uhr.
Am 10., 11. und 12. April Ohrensausen mit
Taubheitsgefübl auf beiden Ohren. Seit 11. April
Schwellung der beiden oberen Augenlider, bis zum
12. April dauernd. Am 12. und 14. April Gefühl,
als ob der Zungengrund geschwollen wäre.
Am 20. April Vormittags IO 1 '., Uhr 20 Tropfen
der IV. D.-P.
Ain 21. April Vormittags 11 Uhr Stechen uud
Brennen in der Blase, bei und nach dem Harn¬
lassen vermehrt. Nachmittags 5 Uhr kolikartige
Schmerzen in und unter der Magengegend. Starkes
Beissen tief im rechten Ohre, zum Jucken reizend,
den ganzen Abend anhaltend; 3 Mal breiiger Stuhl.
Leichter Schnupfen mit wiederholtem Niesen auch
am 22. April; am selben Tage Brennen und Jucken
der Augen, zum Reiben veranlassend. Abends beim
Singen Umschlagen der Stimme und Ungeschicklich¬
keit beim Clavierspielen (Zittern und Verfehlen der
Tasten).
Am 28. April Durchfall, aus dem Bett treibend,
ohne Schmerzen; von 8 Uhr ab Uebelkeit und
Kolikschmerzen in und unter dem Magen, ll 1 ^ Uhr
Durchfall mit Schwftchegefühl. Um dieselbe Zeit
Trockenheits- und Rauhigkeitsgefühl der Zunge,
Beissen derselben wie nach Zwiebelgenuss. 12 , | f Uhr
Durchfall; Kolikschmerzen Nachmittags allmählig
nachlassend, aber doch bis Abends andauernd.
Am 24. April Morgens beim Aufstehen Beissen
im rechten Ohre. Schleimiger Weissfluss, nur des
Morgens (sonst nie vorhanden).
Am 25. April Schmerzen im Magen Abends;
ebenso am 26. April mit Durchfall früh und
8 Uhr.
Am 1. Mai Jucken auf dem Rücken in der
Gegend der Schulterblätter; Schwere und grosse
Müdigkeit in beiden Beineu.
Am 2. Mai bei kaltem, regnerischem Wetter
Ohrensausen wie das Summen einer Dreschmaschine
mit Schwerhörigkeit, wie wenn die Ohren verstopft
wären, auf beiden Ohren, bald rechts stärker, bald
liükdsobald Os rechts stärker saust, ist es links
schwächer und umgekehrt; fürchtet taub zu werden
oder an einem langwierigen Ohrenleiden zu er¬
kranken, hört starke Geräusche wie aus weiter
Ferne, die elektrische Klingel im Hausflur zuweilen
gar nicht. Dabei ausserordentliche Reizbarkeit.
Vom 24. April ab Kratzen im Kehlkopf, manch¬
mal den ganzen Tag, manchmal in Pausen auf¬
tretend. Am 2. Mai 3 Mal Durchfall ohne Schmer¬
zen; Nachmittags 4 1 | a —5 Uhr plötzlicher, sehr
starker Schwindel ohne Blutandrang, kann nicht
allein gehen. Am 3. Mai ist das Ohrensausen auf
dem rechten Ohre fast ganz verschwunden, auf dem
linken auch schwächer als am 2. Mai. Trübes,
feuchtes Wetter, Morgens Zittern an Händen und
Füssen ohne Frost, Durchfall, aus dem Bett treibend;
beim Aufsetzen im Bett plötzlicher Schwindel und
Gefühl, als ob sie aus dem Bett fallen müsse oder
herausgezogen werde. Mittags 1 Uhr bilden sich
ganz akut kleine Bläschen bez. Knötchen, halb so
gross wie ein Stecknadelkopf, auf der Haut des
rechten Unterkiefers und Jochbeins, stark juckend
und die Haut röthend, fast bläulich förbend. Bald
darauf Gefühl, als ob etwas vom Rücken die Wirbel¬
säule entlang in den Kopf stiege, was sich im Kopfe
als Schwindel geltend macht. Abends 5—7 Uhr
klopfendes Kopfweh in der Stirn, durch Druck ge¬
bessert. Vormittags ll 1 ^ Uhr Durchfall, Nach¬
mittags 3 Uhr Stuhlgang von normaler Consistenz.
Den. ganzen Tag Ohrensausen mit Taubheitsgefühl,
auch am 4. Mai; am letzteren Tage hatte sie
Morgens das Gefühl, als ob ein Schleier über das
rechte Auge gezogen wäre, den sie wegreiben
müsse, eine Stunde hindurch. Morgens einmal
dünnflüssiger Stuhlgang. An der rechten Halsseite
bis in die Gegend des Ohres schiessen kleine, gelb¬
liche, kaum stecknadelkopfgrosse Bläschen des Mor¬
gens auf unter Röthung der Haut, welche furcht¬
bar jucken, auch am 5. Mai noch nicht verschwun¬
den sind.
Am 5. Mai zweimal Stuhlgang Morgens und
Abends und Taubheit auf beiden Ohren, ebenso am
6. Mai; an diesem Tage Durchfall, aus dem Bett
treibend, um 5 8 j 4 und 6 Uhr Vormittags mit Uebel¬
keit und Leibschmerzen, darauf Mattigkeit und
starke Schlafsucht.
Am 9. Mai Morgens zwischen 8 und 9 Uhr
viermal hintereinander hellgeffcrbter Durchfall mit
Magendrücken.
Am 10. Mai Abends und 11. Mai Morgens
Schwerhörigkeit auf beiden Ohren, in der Nacht
vom 10. auf 11. Mai beim Erwachen Sausen im
linken Ohre.
Am 10. und 11. Mai Morgens 8 Uhr breiiger
Stuhl mit Uebelkeit.
Am 12. Mai in den Morgenstunden schleimiger,
nicht schmerzhafter, starker Weissfluss mit viel
Müdigkeit in den Beinen, welch letztere schon seit
einigen Tagen sich geltend macht.
Am 13. Mai Morgens binnen 5 Minuten ca.
20 Mal wiederholtes Niesen; Vormittags 8*1* und
9 Uhr breiiger Stuhl ohne Schmerzen. Nachmittags
zwischen 4 und 5 Uhr herumziehende, zwickende
Schmerzen im Kreuz und im Unterleib, drei Mal
mit dem Gefühl, als ob sie Stuhl bekomme, sodass
sie den Abort aufsuchte, aber vergeblich.
Am 14. Mai Vormittags 9 Uhr breiiger, hell-
gefkrbter Stuhl ohne Schmerzen.
Digitized by
Google
182
• Am 15. Mai Vormittags 8^ Uhr breiiger Stuhl,
eine halbe Stunde später Uebelkeit und herum-
ziehende Leibschmerzen, als ob wieder Stuhl er¬
folgen sollte.
Am 13. Juni Vormittags U 1 * Uhr 5 Tropfen
der II. D.-P.: Nachmittags 3 Uhr hämmerndes Kopf¬
weh auf dem Scheitel, Gefühl, als ob das Gehirn
schwanke, nach dem Abendessen besser. Nachmittags
4 Uhr plötzliches, oft wiederholtes Niesen mit
Schnupfen. Nachts schwere Träume.
Am 14. Juni Vormittags Schnupfen und drei
Mal Stuhlgang, 7, 8 1 !* und Nachmittags 3 Uhr.
Abends Ziehen im Unterleib (Dünndarm).
Am 15. Juni Nachts 3 Uhr krampfartiges Magen-
uud Leibweh im ganzen Unterleib, in Pausen von
mehreren Minuten aüftretend, allmählig seltener
werdend, wässeriger, brennender Durchfall um 7,
7* l9 und 8 Uhr; der Drang zum Stuhl kommt so
schnell, dass sie kaum den Abort erreichen kann.
Seit dem Nachmittag des 13. Juni hier und da
starker Weissfluss, nicht scharf.
Am 15. Juni Morgens Leeregefühl im Magen,
dabei gänzliche Appetitlosigkeit mit Mattigkeit und
Frost; Nachmittags beständig Zucken der Gesichts¬
muskeln, bis zum Schlafengehen anhaltend. Nach¬
mittags 3 und 3 J | 2 Uhr Durchfall mit Frieren. Nach¬
mittags 4 1 | 2 —5 Uhr bei einem Ausgange Athern-
noth, wie wenn jemand mit beiden Händen schwer
auf Brust und Hals drücke. Den ganzen Tag.
Brennen und Jucken der Augen, sodass sie be¬
ständig reiben muss. Harn von den Nächten zum
15. und 16. Juni klar, aber stark röthlich gefärbt,
als ob er Blut enthielte. Der Schnupfen ist seit
dem 13. Juni noch nicht verschwunden.
Am 16. Juni Morgens milder Weissfluss. Morgens
10 und Nachmittags 3 Uhr Durchfall ohne Schmerzen.
Am 17. Juni Beissen der Augen den ganzen
Tag. An der Oberlippe bilden sich Schrunden, die
Epidermis schuppt sich ab.
Am 18. Juni Nachmittags Weissfluss. Abends
beim Schlafengehen in der Gegend der unteren
Rippen hinten rechts Gefühl, als ob sich ein Räd¬
chen drehte, nachher stechende Schmerzen an der¬
selben Stelle beim Tiefathmen und bei Bewegung,
wie von Messern.
Am 20. Juni Morgens stark juckende, steck- I
nadelkopfgrosse, helle Bläschen, wie mit Wasser
gefüllt, auf der Haut des Halses unter dem rechten |
Ohre von 8 1 —9 Uhr, dann allmählig verschwindend. I
Nachmittags von 3 Uhr Trockenheit in Nase und
Rachen mit Niesen; Jucken auf der Haut der Nase, 1
die Epidermis schält sich ab. 1
Am 21. Juni stecknadelkopfgrosse, wie mit
Wasser gefüllte Bläschen auf der Stirn rechts und
am Kinn links, juckend. Nachmittags von 4 Uhr |
ab Trockenheit und Brennen der Nasen- und Rachen¬
schleimhaut mit Neigung zum Schlucken, anhaltend
bis zum 21. Juni Abends, nur rechtsseitig. Am
21. Juni zwischen 4 und 5. Uhr krampfartige
Schmerzen im Unterleib, vom Magen ausgehend.
Am 24. Juni starker Fliessschnupfen und Bil¬
dung einer erbsengrossen, gelblichen, wenig jucken¬
den, spannenden Blase in der Mitte der Unterlippe.
Nachmittags zwischen 4 und 4*1* Uhr Ohrensausen
rechtsseits.
Am 25. Juni starker Fliessschnupfen und Röthe
der Conjuctiven in den Commissuren.
Am 26. Juni dauert der Schnupfen noch an:
die am 24. Juni entstandene Blase an der Unter¬
lippe verheilt allmählig, dafür bilden sich in der
Mitte der inneren Schleimhautfläche der Unterlippe
zwei brennende, dunkelrothe, stecknadelkopfgrosse
Bläschen. Nachmittags und am 27. Juni tagsüber
zuweilen Beissen im ganzen Gesicht, die Epidermis
schuppt sich leicht ab. Am 26. und 27. Juni
Abends beim Zubettgehen Stechen in der Gegend
der unteren Rippen beiderseitig und des rechten
Schulterblattes, vermehrt beim Tiefathmen und Be¬
wegen.
Am 28. Juni Morgens Brennen im rechten Gc-
hörgang, als ob eine ätzende Flüssigkeit ausliefe«
Jucken im Gesicht, Aufschiessen kleiner, steek-
nadelkopfgrosser, wie mit Wasser gefüllter Bläschen.
Die Bläschen an der Lippenschleimhaut schmerzen
noch, ebenso die Conjunctiva in den Commissuren,
beides verschwindet am 29. Juni; an letzterem
Tage bilden 6ich juckende Bläschen im Nackeu,
die nach einigen Stunden bereits abheilen. Nach¬
mittags hat sie einige Minuten hindurch auf der
rechten Wange in der Jochbeingegend das Gefühl,
als ob eine Ameise unter der Haut sich bewege;
ferner im rechten Gehörgang Jucken und Brennen,
als ob eine scharfe Flüssigkeit herausfliesse. Seit
etwa 14 Tagen hat sie jeden Morgen zwischen
ll* o und 11 8 | 4 Uhr Heisshunger und Knurren im
Magen, sowie drückendes Kopfweh über dem rech¬
ten Ohre, letzteres erst nach dem Mittagessen ver¬
schwindend.
Am 23. Juli Vormittags 10 Uhr 5 Tropfen der
I. D.-P.
Am 24. Juli Nachmittags 2 Uhr Magendrücken,
5 Minuten anhaltend.
Am 25. Juli Nachmittags 5 Uhr Schleiman¬
sammlung im Kehlkopf mit Zwang zum Räuspern
J | 4 Stunde hindurch.
Am 26. Juli Nachmittags 7 Uhr desgleichen
5 Minuten anhaltend; am selben Abend 9 Uhr
Trockenheit der Conjunctiva, kann die Lider schwer
bewegen, Gefühl, als ob sie nicht leicht hin und
her glitten wegen der Trockenheit.
Am 27. Juli Nachmittags 5—6 Uhr Kolik mit
Stuhldrang und Luftaufstossen, Bangigkeit und Enge-
Digitized by
Google
183
geffthl auf der Brust, als ob sie zu fest geschnürt
w&re.
Am 28. Juli Nachmittags 5 Uhr Kolik im Magen
und Darm ohne Stuhldrang einige Minuten hindurch.
Abends 10 Uhr Jucken in den Handflächen wie
von Insectenstichen und Reissen im linken Daumen.
Am 2. August Nachmittags 5 — 7 Uhr beim Aus¬
gehen Athemnoth, wie wenn etwas schwer auf die
vordere Brustwand drücke, mit Angst.
Am 6 . August Vormittags 9 Uhr starkes Reissen
an der Innenseite des linken Oberschenkels und
bohrender Schmerz im Kreuz.
Am 9. August Vormittags 10 Uhr wird die Haut |
des linken Oberarms an einer zweimarkstückgrossen
Fläche mit der unverdünnten Essenz bestrichen; eine j
Reaction der Haut kann nicht constatirt werden. |
Am 15. August Vormittags 11 Uhr wird die Haut
des linken Vorderarms an einer v % cm langen Stelle
mit einer Nadel geritzt , bis ein Blutstropfen zum
Vorschein kommt, und auf diese Stelle werden
einige Tropfen der unverdünnten Essenz mittels eines
kleinen Korkes eingerieben . Es stellt sich sofort ein
starkes Brennen ein, das aber nach 1—2 Minuten
nachlässt und wohl durch den Alkoholgehalt allein ,
bedingt ist. 5 Minuten später empfindet sie ein
Stechen wie von Nadeln; um 12 Uhr Mittags sieht !
die wunde Stelle und deren Umgebung in Grosse
eines Zehnpfennigstückes stark geröthet aus und zeigt
in der Mitte eine leichte blasige, gelblich gefärbte
Erhöhung, der Schmerz ist weniger stechend, mehr
brennend, ganz ähnlich wie nach einer Verbrennung.
Nach zwei Stunden ist Schmerz, Rothe und
Schwellung verschwunden und es zeigt sich keine
weitere Reaction mehr.
Am 20. August, Vormittags 10 Uhr, 3 Tropfen I
der unverdünnten Essenz : Sogleich nach dem Ein¬
nehmen Trockenheitsgefühl auf der Zunge und an I
der Rachenwand. Nachts unruhiger Schlaf mit !
schweren Träumen. j
Am 21. August, Vormittags 11 Uhr, starkes
Wasserzusammenlaufen im Mund mit Uebelkeit und
saurem Geschmack. Nachmittags von 5 Uhr ab
drückender, bohrender Schmerz in der Herzgrube,
andauernd bis zum Schlafengehen, mit öfterem Auf-
stossen, welches momentan Erleichterung bringt.
Nachmittags 3 Uhr breiiger Stuhl trotz des nor¬
malen morgentlichen Stuhlganges.
Am 22. August, Vormittags von 7 Uhr ab
schmerzhafter Druck im Magen wie von einem Stein,
Zunge nicht belegt, Appetit gut, Aufstossen von
Luft ohne Geschmack. Vormittags 10—12 Uhr j
stechender Schmerz in der linken Schläfe bis in l
die Augenhöhle. Nachmittags 3*j 9 — 5 Uhr des- |
gleichen. Abends 8 —10 Uhr Stechen in der vor- i
deren und hinteren Brust wand rechtsseits in der '
Gegend der vierten Rippe. Nachts unruhiger Schlaf, ;
öfteres Aufwachen, kann dann lange nicht ein-
schlafen.
Am 23. August, Abends S 1 ^—Ö^Uhr, stechen¬
der Schmerz tief unter dem Magen nach dem Rücken
zu (Pancreas?), sodass sie sich krümmen muss.
Die folgende Nacht schläft sie unruhig.
Am 24. August kleines, schmerzhaftes Geschwür
in der rechten Nasenöffnung, beim Schneuzen Thrä-
nen der Augen. Abends von 6 Uhr ab Athemnoth
mit Herzklopfen und Gefühl, als ob ihr Jemand mit
der Hand den Hals zudrücke, sieht sehr blass und
angegriffen aus.
Am 25. Aug. und an den vier vorhergehenden
Tagen Morgens im Bett Druck in Magen- und Leber¬
gegend, anhaltend bis zum — jedesmal breiigen •*—
Stuhlgang.
Am 26. August, 6 — 7 Uhr Vormittags, Brennen
in beiden Gehörgängen, als ob eine scharfe, ätzende
Flüssigkeit darin befindlich wäre.
Am 27. August Flimmern vor dem rechten Auge,
so dass sie mit diesem fast nichts sehen kann. Nach¬
mittags 1 —2 Uhr.
Am 31. August, Morgens 10 Uhr, krampfartiger
Schmerz im Magen einige Minuten hindurch, des¬
gleichen Abends 8 * 3 —9 Uhr.
Am 2. September, Abends 9 Uhr, Magendrücken
5 Minuten lang.
Am 3. September den ganzen Tag und die
Nacht zum 4. September starker, reissender Schmerz
im linken Bein von der Fussspitze bis zur Hüfte.
Am 3. September Abends Magendrücken 5 Mi¬
nuten lang.
Am 4. September tagsüber Reissen im linken
Bein, weniger stark als am 3. September, durch Be¬
wegung verschlimmert. Abends beim Schlafengehen
Druck unter den letzten linken Rippen, vom bei
Bewegung verschlimmert.
Am 6 . September, Abends 8 —11 Uhr, schmerz¬
hafter Druck unter den letzten Rippen links hinten,
bei Bewegung schlimmer.
Am 7. September von —2 Uhr grosse Mü¬
digkeit in den Beinen, stechende Schmerzn im Kreuz,
wie sonst wohl vor Beginn der Periode, jedoch be¬
deutend stärker. Die Periode vom 2 .— 5. Sep¬
tember war regelmässig, dürfte vielleicht um 1 1., Tag
kürzer verlaufen sein als normal.
Am 8 . September Kolik und Durchfall um
10 Uhr Vormittags, 2, 3, 5 und 9 Uhr Nachmit-
tags. Den ganzen Tag über stechendes Kopfweh
in der linken Schläfe und über dem linken Auge,
beim Schliessen der Augen gebessert, durch Sehen,
Lesen und dergleichen verschlimmert. Nachmittags
von 3 Uhr ab Stechen auch in der rechten Schläfe.
Am 9. September Morgens Beissen und Jucken
im Haarkopf. Um 8 *[3 und 10 Uhr Vormittags,
l 1 !*, 2 * 2 , 4^ und 5 Uhr Nachmittags hejlgefkrbter
Digitized by
Google
184
Durchfall mit vorhergehendem Zwicken im Leibe
das nach dem Stuhl verschwindet. Nach dem Stuhl¬
gang um 10 Uhr drückender Sehmerz im Mastdarm
in der Höhe des Steissbeins. Gegen Abend Zer¬
schlagenheitsgefühl im Genick, den Schulterblättern
und im Kreuz, ähnlich wie nach zulange fortge¬
setztem Stillen des Kindes.
Am 10. September Vormittags 8 und 11 Uhr
hellgefärbter Durchfall mit grosser Müdigkeit, welch
letztere die ganze Woche bis zum 15. September
anhält. In den letzten Wochen war die Gemüths-
stimmung vorwiegend melancholisch.
V. Dr. P. Andries, Astronom, z. Z. in Llig&VlO
(Tessin).
Personalien: 56 Jahre alt, von schwächlicher
Constitution; Körpergewicht ca. 55 Kilo, Grösse
l. 70 in. Kleidet sich seit 14 Jahren nach dem
Jaegerschen Wollregime; seit 6 Jahren strenger
Vegetarier, d. h. auch den Genuss der vom leben¬
den Thiere stammenden Nahrungsmittel perhorres-
cirend. Temperament sanguinisch; leidet zeitweilig
an Nasen- und Bronchialcatarrh; überstand im Alter
von 22 Jahren die Masern, mit 28 Jahren ein
gastrisches Fieber, mit 40 Jahren mehrere sich
länger hinziehende Malariaanfälle in Wilhelmshafen.
Die Lebensgewohnheiten sind sehr regelmässig;
schläft von 11—7 Uhr fast ununterbrochen und
traumlos, hat jeden Morgen Stuhl von normaler
Consistenz. Nichtraucher sejt 1 Jahre, im Alkohol¬
genuss sehr mässig, Gesichtsfarbe blass, Augen
grau, Haare dunkelbraun. Allgemeinbefinden nor¬
mal, physische Leistungsfähigkeit reducirt.
Der Prüfer, ein Onkel von mir (Referent) und
mir daher sehr genau bekannt, ist in der Physio¬
logie des Menschen so bewandert, dass ich für die
Correctheit seiner Protokolle ebenso wie für die
eines Collegen bürgen kann.
Nimmt am 10. Mai Vorm. 9 Uhr 5 Tropfen
der IV. D.-P. in 1 Esslöffel Wasser: Nachts stark ver¬
mehrte Harnabsonderung, bis 11. Mai Mittags an¬
haltend. Am 11. Mai Morgens breiiger Stuhl mit
Stuhldrang. Am 12. Mai stark vermehrte Harn¬
absonderung in den ersten Morgenstunden, ohne
dass vorher absonderliche Quantitäten getrunken
worden wären; desgL am 18. und 14. Mai.
Am 18. Mai Nachm. 4 Uhr 10 Tropfen der
m. D.-P. In den folgenden Nächten bis zum
26. Mai starke Vermehrung der Urinsecretion mit
Harndrang, ohne besonders starken Flüssigkeits¬
genuss. Am 23. Mai Morgens gleich nach dem
Aufstehen flotterer Stuhlgang als gewöhnlich. Am
24. und 25. Mai Benommenheit des Kopfes.
Am 26. Juni Vorm. 11 Uhr 5 Tropfen der
II. D.-P.: In der Nacht vom 29. zum 80. Juni
Vorm. 2 ®/ 4 Uhr heftiger Stuhldrang mit Stuhl.
Am 9. August nüchtern 30 Tropfen der II. D.-P.:
Am folgenden Tage bildet sich ein schwacher
Schnupfen aus, der jedoch auf Rechnung einer vor¬
hergegangenen Erkältung gesetzt werden könnte.
Am 31. August 10 Tropfen der I. D.-P.: Kein
Resultat.
Am 19. Sept. 30 Tropfen der L D.-P. : In den
3 folgenden Nächten erwachte er aus tiefem Schlaf
mit sehr heftigem Stuhldrang, dem er kaum schnell
genug willfahren konnte; die Faeces waren von
breiiger Beschaffenheit; dabei verschob sich die
Zeit des Eintritts so, dass derselbe sich verspätete
und in der 3. Nacht am frühen Morgen stattfand.
VI. Dr. M. Baltzer in Stettin:
16. Februar 1894. 3 gtt. der unverdünnten
Essenz um 10 Uhr Vorm.
19. Februar 1894. 6 gtt. mm V,l» Uhr Vorm
26. Februar. 10 gtt. um 1 I 4 10 Uhr Vorm.
5. April. 10 gtt. um ^lO Uhr Vorm.
6. April. 15 gtt. um 9 Uhr Vorm.
9. April. 20 gtt um 9 Uhr Vorm.
Am 10. April von 5 Uhr Nachm. Schmerz in
der ganzen rechten Gesichtsseite mit Gefühl des
Auges als eines runden Körpers im Kopfe. Geht
um 7 Uhr allmählich auf die linke Seite über mit
demselben Gefühl am linken Auge. Um 1 / 2 8 Uhr
rechte Seite völlig schmerzfrei. Der Schmerz der
linken Gesichtshälfte dauert bis gegen 9 Uhr.
Nachts gut geschlafen. Erwachen Morgens mit
Schwere im Kopf, > im Freien, aber wiederkeh-
rend im Zimmer nach beendetem Morgenspaziergang.
Vormittags beim Gehen grosse Schwere in den
unteren Extremitäten von den Knieen an, grosse
Müdigkeit und Mattigkeit. Die Besuche bei seinen
Patienten werden ihm sehr schwer zu machen,
während er sonst selbst bei grösseren Entfernungen
und grösseren Anstrengungen in Bezug auf das
Gehen nichts von Müdigkeit verspürt.
19. April. 20 gtt. um 9 3 / 4 Uhr Vorm.
J / 4 9 Uhr Abends kurze Zeit Schmerz in der
linken Gesichtshälfte.
26. April. V 4 10 Uhr Vorm. 25 gtt.
Vormittags dumpfer Stirnkopfschmerz im Freien,
während er Krankenbesuche machte. Zuweilen
Schmerz der ganzen linken Gesichtsseite. Beim
Gehen grosse Schwere in den unteren Extremitäten,
< bei Treppensteigen.
1. Mai. 8 / 4 10 Uhr Vorm. 30 gtt.
Nachmittags 3 Uhr Schmerz an der rechten
Seite des Halses > beim Schlucken.
Abends 7 Uhr: Aus beiden Nasenlöchern tröpfelt
klares Wasser, nicht wundmachend.
2. Mai. Auch heute noch Tröpfeln klaren
Wassers aus der Nase, welches zu häufigem Ge¬
brauch des Taschentuches uöthigt.
Digitized by
Google
Auch schon am 26. April nach Einnehmen von
25 gtt. hatte er dasselbe: auch damals lief aus
seiner Nase einige Tage lang klares Wasser. Er
hat es damals aber nicht notirt, weil er es für einen
durch Erkältung entstandenen Schnupfen und nicht
für Arzneiwirkung hielt. Jetzt aber glaubt er es
sicher der Arznei zuschreiben zu müssen, da für
eine Erkältung kein Grund vorliegt.
Abends 9 Uhr nach einem warmen Bade mit
darauffolgender kalter Douche Schmerzen in der
rechten Schulter. Dieselben dauerten auch nach
dem Zubettegehen 11 Uhr an, > durch Liegen auf
der rechten Seite, < durch Bewegung, namentlich
bei Bewegung des Armes nach hinten. In der
Nacht wiederholtes Erwachen wegen der Schmerzen.
8 . Mai. Heute Schmerzen bei längerer Bewe¬
gung des Armes nur noch unbedeutend.
Laufen klaren Wassers aus dem linken Nasenlocke.
4. Mai. Auch heute noch kommt Feuchtigkeit
aus dem linken Nasenloche.
21. Mai. 9 Uhr Vorm. 30 gtt.
Seit ca. 5 Wochen bemerke er ein starkes Aus¬
fallen der Haare, Morgens nach dein Kämmen ist
der Kamm jedesmal voller Haare.
Am 24. Mai schreibt derselbe: „Ich will jetzt
erst einige Wochen ab warten, da mir das Auftreten
des Symptoms „Haarausfallen 14 wenig augenehm
ist.“ Und bei Uebersendung des Berichtes über
die äusserliche Anwendung, welche unten folgt,
schreibt er am 5. August 1894: „Das Haaraus¬
fällen hat seit ungefähr 3 Wochen wieder völlig
aufgehört, und wächst das Haar jetzt wieder ebenso
stark, wie ich es von früher gewohnt bin.“
11. Juni. Einreiben des PrtLfungsmittels inten¬
siv auf einer ca. 5-Markstückgrossen Fläche des
rechten Unterarmes.
20. Juni. 3 Mgr. mit Pravatz’echer Spritze
um * 4 10 Uhr unter die Haut des linken Unter¬
armes injieirt. Momentan sehr schmerzhaft, aber
nach wenigen Secunden hört der Schmerz auf.
Vormittags Schmerzen an der Injectionsstelle < bei
der Bewegung der Hand. < bei Berührung. 1 Uhr
ca. thalergrosse harte Geschwulst, an der Injections¬
stelle stete Schmerzen < bei Bewegung, < bei Druck.
Die Schmerzen an der Injectionsstelle währten
den ganzen Tag an.
Abends wiederholt unangenehmer Druck auf
die Blase, beim Uriniren nur wenig Urin entleert,
jedesmal. Nachts Erwachen wegen deR Druckes
auf die Blase und Urinentleerung.
21. Juni. Injectionsstelle: nur noch wenig Ge¬
schwulst (— welche jedenfalls nur dem mecha¬
nischen Insult zuzuschreiben). Schmerz daselbst
nur noch bei Berührung.
22. Juni. Injectionsstelle nur noch bei stärkerm
Druck empfindlich.
VII. Gg. E., Cand. med. in Berlin: Nimmt am
27. April 1894, 11 Uhr Abends, 2 Tropfen der
VT. D.-P. Sofort Kopfschmerzen, dann bald starke
Athembesclileunigung. Puls dicrot. Krampf im
linken Oberarm.
29. April 1894, 11 Uhr Abends, 5 Tropfen der
VI. D.-P. Keine Wirkung.
1. Mai 1894, 11 Uhr Abends, 10 Tropfen der
VI. D.-P.
2. Mai. Während des ganzen Tages starke
stechende Kopfschmerzen in der Mitte des Seiten-
w’andbeines und in der Gegend des Tuber frontale.
3. Mai. Sehr matt. Wunsch allein zu sein.
Puls sehr dicrot. Glieder zerschlagen. Augen glän¬
zend. Schlafbedürfnis.
6. Mai 1894,11 Uhr Abends, 15 Tropfen der VI. D.-P.
7. Mai. Puls dicrot. Kopfschmerz wie am
2. Mai. Starker Durst.
9. Mai 1894, 11 Uhr Abends, 20 Tropfen der
VI. D.-P.
10. Mai. Kopfschmerz wie am 2. Mai.
i 11. Mai 1894, 11 Uhr Abends, 25 Tropfen der
VI. D.-P.
12. Mai. Zittern des linken Annes, nicht zu
beruhigen gegen 2 Uhr Mittags. Hals verschleimt,
| Stimme belegt. Husten ohne Auswurf.
| 13. Mai. Rheumatischer Schmerz in der Tliorax-
I musculatur und bis zum 19. .Mai stechender Schmerz
* im Kehlkopf. Husten schmerzhaft. Auswurf grün,
} iu festen Ballen.
i 15. Jfai 1894, 11 Uhr Abends, 30 Tropfen der
VI. D.-P. Kopf benommen.
Während der ganzen Zeit des Einnelnnens war
die Stuhlentleerung bedeutend reichlicher und häu¬
figer.
5. Juni 1894, 1 2 9 Uhr früh, 2 Tropfen der
j III. D.-P. Vormittags bohrender Schmerz im rechten
Knie.
7. Juni 1894. Einreiben der Urtinetur in die
gesunde Haut bleibt reactionslos.
11. Juni 1894, 1 |.,9 Uhr früh, 2 Tropfen der
Urtinetur. Vormittags Schmerz im linken Meta-
carpophalangealgelenk.
Bis zum 23. Juni 1894 empfand er zeitweilig
| abwechselnde Schmerzen in beiden Kniegelenken.
In der Zeit vom 27. Juni bis 15. Juli nahm er
1 5, 6, 8 und 10 Tropfen der unverdünnten Essenz,
j ohne irgendwie zu reagiren.
I
VUI. H. F., Cand. med. in Würzburg. ltn
Laufe des Sommer-Semesters begann er mit 5 Tropfen
und gelangte, täglich um 5 Tropfen steigend, bis
zu 45 gtt. Symptome konnte er nicht constatiren.
' Im August nahm er ein:
I. 20 gtt., II. 30 gtt-, III. 40 gtt Ohne Symp-
, tome.
24
Digitized by
IV. 60 gtt., V. 60 gtt, VI. 7ö gtt. Hier
stellten sich täglich 2 —3 Mal ganz plötzlich kolik¬
artige Leibschmerzen mit heftigem Stuhldrang und
darauffolgendem dünnen, stückigen Stuhlgang ein.
Die Leibschmerzen waren von kurzer Dauer, 3 bis
4 Minuten; nach dem Stuhlgang waren sie ver¬
schwunden. Dies dauerte noch 2—3 Tage nach
der letzten Dosis; dann wieder normal.
IX. Dr. M. Haedicke in Leipzig. Personalia: j
34 Jahre alt, von kräftigem Körperbau, Körper¬
gewicht 90 Kilo, Grösse 1,85 m, Temperament |
sanguinisch, von normaler Gesundheit. Mit acht 1
Jahren leichter Typhus, vom 18. bis zum 20. Jahre j
linksseitige eitrig-tuberkulöse Drüsenentzündung, die ;
nach viermalig vergeblicher Operation (Geheime |
Sanitätsrath Dr. Wilke, Professor Volkmann und ,
Kraske in Halle, Professor Ried in Jena) dthlie9s-
lich nach jähriger Behandlung durch den homöo- j
pathischen Arzt Dr. Kirsten in Leipzig geheilt
wurde. Seitdem stetes Wohlbefinden, auch während
eines 2jährigen Aufenthaltes in den Tropen und
in anderen überseeischen Klimaten. Der Vater und
ein Bruder starben an Lungenschwindsucht, weshalb j
periodisch Constitutionsmittel in Hochpotenz ge-
nommen werden, noch niemals an irgend einer I
Lungenaffection oder Influenza erkrankt. Im letzten I
Winter während der Prüfung von Vinca minor lief- I
tige stechende Schmerzen in der linken Seite (leichte j
Pleuritis sicca), die nach Aussetzen des Mittels ver- j
schwanden. Post hoc ergo propter hoc? Lebens¬
gewohnheiten regelmässig, Schlaf von 11—8 Uhr,
fest, traumlos, Stuhl regelmässig. Raucher, mässiger
Biergenuss, früh Gesundheitskaffee, Gesichtsfarbe
wechselnd ohne Ursache, Haare und Pupillen dunkel¬
braun. Viel Obstgenuss und Pflanzenkost, weniger
Fleisch — Jägerianer.
Die Prüfung des III. Arzneimittels, einer dunkel- j
grünen, bitteren, als giftig ihm bekannten Flüssig- J
keit, begann er
am 28. Mai Abends mit 1 Tropfen in wenig
Wasser.
Am 29. Mai früh und Abends je 1 Tropfen in
wenig Wasser.
Am 30. Mai 3 Mal je 1 Tropfen in wenig ,
W asser.
Am 31. Mai 3 Mal je 2 Tropfen in wenig
Wasser.
Am 1. Juni 3 Mal je 3 Tropfen in wenig j
Wasser.
Vom 2.-4. Juni verreist, Prüfung ausgesetzt. 1
Am 5. Juni leichter Schnupfen. !
Am 6. Juni keinerlei Beschwerden, weshalb die
Prüfung wieder mit 3 Mal 4 Tropfen aufgenommen
wird.
Vom 5 bis 9. Juni 4 Mal täglich 4 Tropfen:
Am 9. Juni heftige, reissend-ziehende Schmerzen
in der rechten Schulter hei hellem, klarem Wetter.
Am 10. Juni keine Arznei, die Schmerzen
zeigten sich Vormittags nochmals in geringem Maasse.
Am 11. Juni Wohlbefinden und 4 Mal 4 Tropfen,
desgleichen am 12. und 13. Juni.
Am 12. Juni regnerisches Wetter, am Tage
wieder die heftig-reissenden Schmerzen in der
rechten Schulter, die früher nie aufgetreten und
durch keine begleitenden Umstände näher charak-
terisirt waren.
Am 13. Juni Nacht schmerzfrei, am Tage an¬
fallsweise dieselben reissend - ziehenden Schmerzen
in der linken Schulter, überspringend aufs linke
Ellbogengelenk.
Am 14. Juni sehr guten Appetit, wie seit langer
Zeit nicht, keinerlei Beschwerden. 3 Mal täglich
5 Tropfen
Am 15. Juni Vormittags einstündlich 5 Tropfen.
Am 16. und 17. Juni verreist, keine Arznei,
keine Beschwerden, sehr guten Appetit.
Am 18. Juni 6 Mal 6 Tropfen, desgL am 19. JunL
Am 19. Juni oft Harndrang mit stechenden
Schmerzen in der Gegend der Pars prostatica, be¬
sonders gleich nach dem Wasserlassen, ziehende
Rückenschmerzen, Urin klar. Das Einschlafen wird
verhindert durch einen penetranten ammoniakalischen
Geruch, der hei näherem Nachforschen vom Urin
herrührte, weshalb das Nachtgeschirr weggesetzt
wurde. Nacht gut, kein Harndrang.
Am 20. Juni. Die Reaction dieses wie Am¬
moniak riechenden Urins war schwach sauer, Urin
klar, dunkelgelb, am Tage vorher keine Abweichung
von der sonstigen Lebensweise. Beim Aussetzeu
der Arznei verlieren sich in den nächsten Tagen
die Beschwerden vollständig.
Am 26. Juni 4 Mal 6 Tropfen.
Am 27. Juni 4 Mal 8 Tropfen.
Am 28. Juni 4 Mal 10 Tropfen.
Am 28. Juni Wiederauftreten der obigen Be¬
schwerden, die am 29. Juni auch nach Aussetzen
der Medicin noch in derselben Weise auftreten.
Besonders der starke Geruch und die Strangurie
sind bemerkenswerth, grosse Müdigkeit.
Nach 2 Tagen Befinden völlig gut, Prüfung
abgebrochen.
Am 21. Oct. schreibt derselbe nachträglich:
„Auf Veranlassung des Herrn Dr. Schier, noch¬
mals einzunehmen und eine Untersuchung des Harns
auf Zucker zu machen, da möglicherweise das
Mittel bei Diabetes mit Erfolg angewendet werden
könnte, nahm ich von dem Mittel am 15., 16. und
17. Sept früh Morgens und Abends je 15 Tropfen
in Wasser ein. Am 16. und 17. Sept. hatte ich
geringe ziehende Schmerzen in Rücken- und Brust¬
muskeln, die sich durch Reiben und Belegung
Digitized by
Google
187
bald besserten, in der Nacht vom 16.j 17. Sept. 1
sehr unruhiger Schlaf, vom 17. bis 19. Sept. ein¬
genommenen Kopf, tösiges Gefühl im Gehirn, so jdass
ich nur mit Mühe die Sprechstunden ahhalten konnte.
Am 20. Sept. Wohlbefinden bis auf eine links- t
seitige Occipitalneuralgie, die einige Tage in milder
Form anhielt und an der ich nur erst ein einziges
Mal, im Jahre 1888 in den Tropen, gelitten hatte.
Der schon früher beobachtete charakteristische,
ammoniakalische Geruch wurde auch dieses Mal
wieder beobachtet. !
Die Untersuchung des Urins auf Zucker wurde
mit dem Nylander 1 sehen Reagens*) angestellt, das
*) „Das Nylandet 'sehe Reagens wird in der Weise bereitet, ,
dass man 4 Gramm Seignettesalz in 100 cc. einer Natron- j
lauge auflöst, welche 10,3 Proc. Natronhydrat enthält (oder
das specifische Gewicht 1,119 besitzt). In diese auf dem 1
Wasserbade erwärmte Flüssigkeit werden 2 Gramm Bismut. j
subnitr. eingetragen. Zur Ausführung der Probe fügt man I
in einer möglichst hohen Eprouvette, welche in einen Halter
eingespannt ist, zu 5*> cc. Harn 0,5 cc. der Ai/ZawJer’schcn 1
Lösung und hält das Gemisch nach erfolgtem Aufkochen j
noch mindestens 2 Minuten dicht neben der Flamme des
Bunsenbrenners, wodurch das lästige Stossen der Flüssigkeit
vermieden wird und leicht ein ruhiges Sieden zu erzielen j
ist, besonders wenn man noch einen spiralig gewundenen i
Platindraht in die Flüssigkeit giebt. Enthält der betreffende
Harn wenigstens 0,1 Proc. Zucker, so gewinnt der anfäng¬
lich rein weisse Erdphosphatniederschlag allmählich eine
tief schwarze Färbung, während sich derselbe bei einem
Zuckergehalt von 0,05 Proc. noch deutlich braun färbt.
Hält man die angegebenen quantitativen Verhältnisse bei
der Anfertigung des Reagens sowie bei der Ausführung der |
Operation sorgfältig inne, so besitzt die Nylander'sche
Probe die grösste Zuverlässigkeit, ist wegen der normalen j
Zuckerepuren eines jeden Barns nicht übermässig empfind- ,
lieh und bietet namentlich gegenüber den alkalischen Kupfer¬
lösungen den eminenten Vortheil, dass ausser dem Zucker I
kein andererHambestandtheil bekannt ist, welcher im Stande
wäre, die vorschriftsmässig bereitete Wismuthlösung zu redu- |
oiren, so dass eine Täuschung kaum möglich ist. Doch ist i
es auch hier nothwendig, das etwa im Harn vorhandene !
Eiweiß» durch Coagulation und Filtriren vorher zu entfernen, j
da sich im andern Falle beim Kochen mit der alkalischen i
Flüssigkeit leicht braunes Schwefelwismuth bildet. Endlich
stören die Probe, indem sie das Wismuthsalz wie Traubon- 1
zucker reduciren, die Umwandelungsproducte eine Reihe j
von eingenommenen Arzneimitteln, wie dies namentlich nach
der Verabreichung von Rheum, Senna, Antipyrin, Antifebrin, I
Terpentin, Xairin, Chinin, Tinct. Eucalypti, Natr. benz., t
Salol, Tannin und der Salicylsäure festgestellt ist. Eine !
Medication muss also vor der Anstellung der Nylander sehen |
Probe durchaus vermieden werden. Hier liegt der springende
Punkt. Denn als ich genau in der hier beschriebenen Weise
die Untersuchung auf Zucker anstellte, erhielt ich zwar eine ,
schwarze Färbung des Urins, aber Zucker war es nicht, !
sondern Stoffwechselprodncte, die wie Traubenzucker das i
Wismuthsalz reduciren. Dieses Ergebniss ist wohl zu be¬
achten und muss vor allem denen vorgehalten werden, die
der Ansicht sind, dass durch eine Arzneiprüfuug wirklicher
Zucker im Ham zur Ausscheidung gelangen könnte/*
Diese Schlussfolgeruug des Herrn Collegen Haedicke
scheint mir (Referent) nicht ganz genügend begründet zu sein,
da doch bis jetzt von der Essenz des Ranunculus nicht durch
olt wiederholte Versuche bekannt ist, dass Wismuthsalzo durch
ihre Umwandlungsproducte wie durch Traubenzucker reducirt
am wenigsten Uebung erfordert und daher für den
praktischen Arzt am meisten zu empfehlen ist.
Diese Angaben verdanke ich Herrn Dr. Neumeüter,
Professor der physiologischen Chemie an der Uni¬
versität Jena, z. Z. in Leipzig, welcher dieselben
demnächst im 2. Theile seines Lehrbuches der
physiologischen Chemie veröffentlichen wird.“
X. Dr. Fr. Roth in Mainz.
25. Februar 1894 12 Uhr 5 Tropfen:
Vermehrter Harndrang, ohne besonders reich¬
liche Entleerung von Urin. Müdigkeit und
Schläfrigkeit.
Z x \ 2 Uhr 5 Tropfen.
Abends 7 Uhr: Ausfluss wässeriger Flüssigkeit
aus dem linken Nasenloch. 9 Uhr: Drückender,
ziehender Stimkopfschmerz links und geringe
Hitze in der Stirn.
Nachts 3 Uhr: Druck im Epigastrium wie von
einem Stein; bei jedem Umdrehen im Bett Gefühl,
als wollte Alles im Leib nach dieser Seite fallen,
mit Uebelkeit, die sich bald verliert, aber bei jedem
Umdrehen ebenso wiederholt. Dabei Aufstossen
von Luft und Blähungsabgaug mit Erleichterung
des Magens. Leichter Druck der warmen Hand
erleichtert den Magenschmerz. Geringes Bauchweh
im ganzen Unterleib, Knurren im Leib.
26. Februar Morgens 8 Uhr: Beim Gähnen
Knacken des linken Kiefergelenks. Stuhl normal.
10 Uhr 7 Tropfen: Druck im Epigastrium hielt
an bis Mittag und verschwand dann. Appetit gut.
Abends 6 Uhr 10 Tropfen. Druck im Epi¬
gastrium kehrt Abends wieder und zieht zuweilen
bis zum linken Rippenbogen. Abends vor dem
Schlafengehen Jucken am Rücken an mehreren
Stellen, ebenso an der linken Wange. An den
betreffenden Stellen kleine, rothe Knötchen. Kratzen
erleichtert wenig, darauf Brennen. Nachts wieder
Leibschmerz und Magendruck wie gestern Nacht,
mit denselben Begleiterscheinungen.
27. Februar früh im Bett öfters momentane
leise Druckschmerzen in der linken Stirnhälfte.
würden; meine eigenen diesbezüglichen mit demselben Reagens
angestellten Versuche ergaben z. B. keine Spur von Schwarz¬
färbung, vielmehr gründet sich meiue Vermuthung, dass der
sceleratus bei Diabetes ev. sich wirksam zeigen könne, auf die
sonstige Gesammtähnlichkeit der Symptome. Auch liegt
a priori kein Grund gegen die Annahme vor, dass eben
so gut ein specifisch auf Pancreas und Leber wirkender
Arzneistoff Zuckerausscheidung bewirken könne, wie künst¬
liche Albuminurie durch viele Mittel, z. B. Kali bichromi-
cum und Bleisalze, unzweifelhaft hervorgerufen wurde. Ob
wir allerdings von einem nach homöopathischen Grundsätzen
bei Diabetes zu verwendenden Mittel verlangen müssen, dass
es beim Gesunden Zuckerausscheidung bewirke, ist eine
andere Frage. Dr. Schier.
(Vergleiche auch das Taschenbuch der medicinisch-
klinischeu Diagnostik von Müller und Seifert . Wiesbaden
1 SSO. S. (>'*>. Referent.)
24*
Digitized by
Google
188
Beim Aufstehen noch leichter Druck im Epigastrium,
durch das Frühstück nicht beeinflusst.
10 Uhr 12 Tropfen: Mittags stärkerer Druck im
Epigastrium. Abends 7 Uhr: Rasches Zucken, bald
rechts, bald links in Stirn und Schläfen. Gefühl
von Schwüle. Leises Bauchgrimmen. Auf Wange
und Brust kleine, juckende Knötchen, wie Acne
im Entstehen.
28. Februar. Etw'as dünner Stuhl ohne Schmerz,
Appetit gut. 9 Uhr 25 Tropfen. Mittags Müdigkeit.
1. März 1894 Abends 5 Uhr 30 Tropfen: Neiguug
zu Tiefathmen. Schlechter Geschmack der in
Wasser genommenen Tropfen. 9 Uhr Abends
leichter Stirnkopfschmerz links, Ziehen uud Drücken;
leichtes Stechen im weichen Gaumen, besonders
links, leichtes Ziehen in den Ohren; Druck im Epi¬
gastrium, raässig. In der Kreuzbeingegend Schwäche¬
gefühl und Ziehen; Druck in der Lendenwirbel¬
gegend. Ziehen in den Zähnen unten rechts.
2. März früh dünner Stuhl, leichter Leibschmerz.
12 Uhr: Ziehen in der Herzgegend. Müdig¬
keit und Gähnen bis 4 Uhr.
3. März. Leichter Druck im Epigastrium, der
Lendenwirbelsäule und rechts und links vom Kreuz¬
bein. Stuhl breiig, mit geringem Leibschmerz ver¬
knüpft, Ziehen in den Zähnen unten rechts. 4 Uhr
Abends. Ausfluss geringen wässrigen Schleimes aus
dem rechten Nasenloch. Abends Ziehen in der
rechten Brustseite von der Warze bis zur Achsel¬
höhle, in dem linken Jochbein bis zum Ohr, am
linken, inneren Fussrande. Afterjucken. Ziehen
in den verschiedenen Körperstellen abwechselnd.
4. März früh: Ziehen in verschiedenen Körper-
steilen, Unbehaglichkeit im Abdomen, Bauchgrimmen,
Druck im Epigastrium, muss aus dem Bett und
entleert einen breiigen Stuhl, worauf das Bauch¬
grimmen aufhört, dagegen der Druck im Epigastrium
noch fortbesteht. Juckeu an verschiedenen Körper¬
stellen, besonders der Nasenspitze.
Abends 7 Uhr. Unbehaglichkeit im Abdomen,
Uebelkeitsgefühl, Ziehen im Abdomen, besonders
links, Ziehen im linken Vorderarm, nahe am Rücken
des Handgelenks, Ulnarseite. Ziehen in dem Vorder¬
kopf links, in den Zähnen links und Druck an der
Spitze des linken Schulterblattes. Appetit vermindert.
Neigung zum Tiefathmen; Jucken in der Oberlippe,
besonders liuks. Magen durch Aufstossen erleichtert;
Schleimausfluss aus der Nase rechts und links.
5. März. Morgens: Rückenschmerz in Kreuz-
und Lendentheil, besonders beim Bücken, spannend.
Schleim aus dem linken Nasenloch. 12 Uhr.
Nase läuft noch. Müde und schläfrig. Jucken hier
und dort. Abends: Nase läuft weiter, Kriebeln an
ihrer Spitze. Gefühl, wie von einem Haar am harten
Gaumen. Beim Zubettgehen Druck im Rücken
links in der Höhe des Rippenbogens.
6. März. Morgens: Leibschmerz, muss aus dem
Bett; breiiger Stuhl, danach hört der Leibschmerz
auf. Nachts: Mageudruck gering.
7. März. Guter Stuhl ohne Leibschmerz. Zahn¬
fleisch seit Beginn der Prüfung wund und schmerz¬
haft. Nase tropft oft. 2 Uhr: Zucken der Muskeln
zwischen Mittelhaudknochen des Daumens und Zeige¬
fingers. Abends 8 Uhr. Leichter Magendruck,
Unbehaglichkeit im Abdomen. Aufstossen von Luft
mit Brechneigung. Augstgefühl. Schwäche im
Magen. Nach Aufstossen Erleichterung. Leiser
Kopfschmerz, Drücken rechts und links in der Stirn.
Abends 9 Uhr. Muskelzuckung wie um 2 Uhr.
8. März. Früh im Bett Leibschmerz, besser
nach Entleerung eines breiigen Stuhles. Abends
8 Uhr. Leichter Magendruck mit Uebelkeit, durch
Aufstossen gebessert. Blähungen. Druck in der
Kreuzbeingegend. Ziehen in der Herzgegend.
Rechter Ellbogen (Condyl. internus) wie gestossen,
lange anhaltender Schmerz. Tropfen der Nase, fort¬
während. Ziehen, rasch wechselnd, in den Augen,
Vorderarm, Hüftgelenk, Oberschenkel. Müdigkeit
über den Augen. Nachts schreckhafte Träume von
Leichen.
9. März. Zahnfleisch wund und schmerzhaft,
besonders bei Berührung durch Speisen.
10. März. Früh: Leichter Leibschmerz, kurze
Zeit. 10 Uhr. Geringes Reissen im rechten Ober¬
arm. Abends: Längere Zeit Druck in der Lenden¬
wirbelsäule, in wechselnder Stärke ; Juckeu, bald
hier, bald da. Beim Nachtessen fallen die Augen
vor Müdigkeit zu; Kauen schmerzhaft am Zahnfleisch.
Trockenheitsgefühl in der Nase.
11. März. Morgens: Leibschmerz im Bett und
breiiger Stuhl, mit Besserung danach. Trockenheit
der Nase. Abends: Ziehen im linken Ohr und Schläfe.
12. März. Morgens: Geringes Bauchgrimmen,
danach breiger Stuhl. Zahnfleisch wund. 6 Uhr.
Mageudruck, gering; Aufstossen bessert; Nase tropft.
13. März. Morgens: Bauchgrimmen und breiiger
Stuhl. Nase trocken.
14. März. Morgens: Bauchgrimmen, breiiger
Stuhl. 12 Uhr: Nase tropft.
15. März. Leichtes Bauchgrimmen Morgens
im Bett, breiiger Stuhl. 12 Uhr: Nase tropft.
16. März. Ebenso.
Druck in der rechten Axillarlinie 7.—8. Rippe
eine viertel Stunde lang; durch Athmung und Druck
unbeeinflusst.
17. März. Bauchgrimmen, breiiger Stuhl Mor¬
gens. Abends 8 Uhr. Stechen oberflächlich, über
dem Nabel; Ziehen in verschiedenen Körpertheileu.
Nase tropft.
18. März. Abends 6 Uhr. Brecherlich und
schwach, bald vorübergehend, bald wiederkehrend.
Aufstossen und Windeabgang erleichtern.
Digitized by
Goc e
189
19. März. Stiche in der Herzgegend, besonders
beim Ai Innen und Gehen; Ziehen in einzelnen
Körpertheilen. Dumpfer Schmerz, wie voll und ver¬
stopft, von den Armen bis in die Hände, besonders
beim Stützen auf die Ellbogen. Hände wie dick
und geschwollen, besonders beim Faustmachen. Nase
tropft; Aufstossen von Luft.
Abends 10 Uhr. Jucken der Nase stark und
Tropfen. Taubheit und Kriebeln der Finger der
linken Hand und Schwere des rechten Oberarmes.
Ziehen im linken Auge, schläfenwärts. Verstopfung
der Nase und öfteres Niesen (Schnupfengefühl).
Stiche in der Herzgegend.
20. März. Morgens im Bett Stiche und Ziehen
in der Herzgegend. Etwas Leibschmerz, nach
Aufstossen und Windeabgang verschwunden. Ver¬
stopfung der Nase wie bei Schnupfen; tropft dabei
und juckt an der Spitze.
21. März. Nase tropft. 4 Uhr Abends: Links
drückender und ziehender Stimkopfschmerz bis zum
Schlafengehen; Ruhe bessert.
22. März. Links leichter Stirnkopfschmerz wie
am 21. März.
28. März. Breiiger Stuhl. 1 Uhr: Im Freien
plötzlich starkes Kratzen im Kehlkopf wie von Staub,
trocken, zum Husten reizend, kurze Zeit; Flatulenz.
24. März. Leibschmerz, gering; nach breiigem
Stuhl verschwunden. Abends 8 Uhr: Leichtes
Ziehen in den linken unteren Backenzähnen. Nach
dem Niederlegen starke Stiche an der Vereinigungs¬
stelle der 3. linken Rippe mit dem Sternum.
25. März. Morgens 8 Uhr: Gurren im Leib
beim Aufstossen. 10 Uhr: Kratzen im Hals wie
von Staub, trocken, oft zum Husten reizend. Nasen¬
scheidewand rechts innen etwas geschwollen und
schmerzhaft bei Berührung, Nase verstopft, tropft.
Abends 6 Uhr: Blutiger Speichel. 8 Uhr: Starkes
Stechen links oberhalb des Kehlkopfs. 10 Uhr:
Druck links und rechts in der Mitte der Schulter¬
blätter, stärker beim Athmen. Jucken und Quaddel¬
bildung am Kinn. Läuten in den Ohren, auch in
den vorhergehenden Abenden bemerkt. Im Bett
Ziehen in dem rechten Knie und der linken Schläfe.
26. März. Breiiger Stuhl, Gurren im Abdomen.
Zucken in den Nackenmuskeln links; Nasenscheide¬
wand rechts noch sehr schmerzhaft. Ziehen über
dem rechten Auge bis zur Schläfe.
27. März. Geringer Leibschmerz nach dem
After zu im Unterbauch; breiiger Stuhl, stark
riechend. Ziehen über dem linken Auge zur Schläfe.
Am rechten oberen ersten Mahlzahn bemerke ich
heute zum ersten Male starken Schwund des etwas
geschwollenen Zahnfleisches der äusseren Fläche.
Alle übrigen Zähne nebst Zahnfleischbekleidung
sind tadellos. Dabei keine Schmerzempfindung.
Druck in der linken Stirnhälfte. 2 Uhr: Schmerz¬
haftigkeit des Rippenbogens bis zur hinteren
Axillarlinie und der unteren Rippen besonders
rechts, links weniger. Druck sehr empfindlich.
Schmerz der Muskulatur rechts oberhalb des Kniees
beim Gehen. Ziehen in der Herzgegend. Nasen¬
scheidewand noch geschwollen und schmerzhaft;
Borken darauf. Zucken der Muskeln des Zwischen-
handinterstitiums I und n. 6 Uhr: Ziehen in den
Muskeln oberhalb des linken Kniees. 8 Uhr:
Ziehen im linken Oberschenkel; Ziehen in der
linken Stirnhälfte. Rechtes Nasenloch sondert
Schleim ab, der heute dick und gelb ist, wie reifer
Schnupfen, später viel wässrige, milde Flüssigkeit.
Ziehen und Zucken in der rechten Achsel Gefühl
von Uebelkeit und Unbehagen. Aufstossen bessert.
28. März. Noch Schmerz bei Druck auf den
Rippenbogen. 12 Uhr: Zuckendes Reissen im
Nacken. Muskelzucken am Daumen (wie oben).
5 Uhr: Ziehen im linken Schienbein von der
Hüfte aus. 8 Uhr: Zuckendes Reissen in ver¬
schiedenen Körpertheilen. 9 Uhr: Nach dem
Nachtessen sofort Reissen im Unterleib, besonders
rechts und links in den Flanken; durch Aufstossen
und Windeabgang vorübergehend gebessert; dann
reichlicher dünner, breiiger Stuhl mit Erleichterung.
Hierauf Frösteln und starkes Schlaf bedürfhiss.
Nachts: Unruhe, abenteuerliche Träume.
29. März. Morgens geringer breiiger Stuhl;
etwas Druck im Epigastrium. 6 Uhr: Gefühl wie
von Staub im Hals.
30. März. Geringer Leibschmerz; breiiger
Stuhl. 10 Uhr: Zucken der Muskulatur des linken
Daumens (wie oben). 12 Uhr: Ebenfalls. Urin
roch Morgens nach frisch gegohrenem Aepfelwein.
4 Uhr: Muskelzuckung am Daumen. 5 Uhr: Ebenso.
Nasengeschwür schmerzt und sondert Blut und
Serum ab. Aufstossen von Luft und Windeabgang.
31. März. Breiiger Stuhl. Rechter Nasenflügel
zeigt innen ebenfalls eine schmerzhafte, geschwollene
Stelle. 12 Uhr: Müdigkeit, Gähnen. Den ganzen
Tag oft Zuckungen der Muskeln am linken Daumen
(wie oben). 10 Uhr Abends: Ziehen im linken
Oberschenkel bis zum Knie.
1. April. Breiiger Stuhl. Zucken in der
linken Hand und im Handgelenk.
2. April. Breiiger Stuhl. 3 Uhr: Kratzen im
Hals, wie von Staub, beim Sprechen.
3. April. Im Bett etwas Leibschmerz; breiiger
Stuhl.
4. April. Breiiger Stuhl, jedoch dicker als
seither. Ziehen hier und dort.
5. April. Normaler Stuhl.
6. April. Ebenfalls. Nase geheilt.
7. April. Ebenfalls.
Bis hierher hat er jedes Symptom gewissenhaft
notirt und gegen Schluss ein langsames Abklingen
Digitized by
Google
190
der Stärke bemerkt. De die letzte Dosis des j
Mittels, am 1. März 1894 genommen wurde, so
hielt die Wirkung ca. 5 Wochen vor. Nach dieser
Zeit wurde er anderweitig stark in Anspruch ge¬
nommen, so dass seiner Aufmerksamkeit vielleicht
einige noch folgende feinere Symptome entgehen
konnten. Stärkere Erscheinungen sind aber jeden¬
falls nicht mehr aufgetreten. j
Die Prüfungen mit Potenzen , wozu er zunächst
die 3. Qecimale benützte, haben ebensowenig, wie
die äussere Applikation der Tinctuv , die er auf
Hautstellen verschiedener Dicke aufstrich, ein be¬
stimmtes Resultat gezeitigt. (Forts, folgt.)
Personalia.
Am 1. November feierte Dr. Groos das
25jährige Jubiläum seiner ärztlichen Thätigkeit in
Barmen. Dieser festliche Tag gab den Familien,
deren Arzt er seither gewesen, sowie den Freunden
der Homöopathie dem verehrten Jubilar ihre
freudige Anerkennung auf die mannigfachste Weise,
in Adressen, Glückwünschen und in hübschen,
sinnigen Ehrengeschenken zum Ausdruck zu bringen.
Wir heben unter diesen eine von mehr als 50 der
angesehensten Familien Barmens ihm überreichte
Adresse, sowie die Beglückwünschung des Ober¬
und Unter-Barmer homöopathischen (Laien-) Vereins
hervor.
Auch wir senden ihm, wenn auch erst post
festum, unsere herzlichsten Segenswünsche zu
diesem Ehrentage. Der Redacteur.
Vom Bllohertisch.
Internationales homöopathisches Jahrbuch. Von
Dr. Alexander Villen. Dresden 1894.
Der zweite Band des von Collegen Villers im
Selbstverläge herausgegebonen internationalen Jahr¬
buchs liegt jetzt vor uns als ein stattliches, volumi¬
nöses Werk mit reichem, jeden homöopathischen
Arzt interessirenden Inhalt. Da ist zunächst das
Adressbuch, welches uns die Namen, das Nationale
sämmtlicher auf dem weiten Erdenrunde vorhandener
homöopathischer Aerzte, nach den Ländern gruppirt,
giebt, in der Weise wie unsere Medicinalkalender,
die aber nur Deutschland allein betreffen; es bringt
aber auch die Specialföcher und die Sprechstunden.
Willkommen ist uns dann das Verzeichniss der
homöopathischen Apotheken, der homöopathischen
Krankenhäuser und Dispensarien (Polikliniken), so¬
wie das der homöopathischen Vereine und Gesell¬
schaften. Dass diese Data relativ, d. h. für eine
gewisse Zeit nur zutreffen, liegt in der Natur der
Sache; hier ist ja Alles in beständigem Flusse. Aber
für diese Zeit sollen sie richtig sein. Im Allge¬
meinen ist dies auch der Fall; im Speciellen laufen
indess noch so manche Fehler mit. So ist uns
aufgefallen, dass der treffliche Dr. Aegidi, welcher
längst das Zeitliche gesegnet, wieder als in Freien¬
walde prakticirend angeführt wird, während anderer¬
seits eine Anzahl lebender und prakticirender Aerzte
fehlt. Wenn wir dies bemängeln, so wollen wir
freilich nicht verkennen, wie schwierig es für den
Verfasser ist, das nöthige Material zu sammeln und
zu sichten, zumal die Saumseligkeit so mancher
schreib unlustiger Collegen als ein erschwerender
Umstand mitwirkt. Eine gründliche Durchmusterung
des Materials wäre aber doch dringend nöthig ge¬
wesen, um das Ideal, das dem Verfasser vorschwebt,
zu erreichen.
Der H. Theil des Jahrbuches liefert eine Biblio¬
graphie, ein Verzeichniss der von 1891 — 93 er¬
schienenen homöopathischen Schriften, Abhandlungen,
Monographieen etc. nebst Register der Autoren. Da
dieser Theil späterhin wegfallen wird, indem ihn
Verfasser dem von Cartier in Paris herausgegebenen
Universal Homöopathie Annual anheimgiebt, so wird
Villers dann seine volle Kraft auf die möglichste
Vervollkommnung des Adressbuches epneentriren
können, eines Hülfsbuches, das auf dem Arbeits¬
tische keines homöopathischen Arztes fehlen darf,
der sich einen Ueberblick über die Verbreitung der
Homöopathie verschaffen will. Dr. Kose*.
Lesefrüchte.
Uebrr die Pathogenese der Scbleirahsut-
enlziinduugen nach Quecksilbergebraach.
Maurel hat beobachtet, dass die Leukocyten
gegen Quecksilber sich sehr empfindlich verhalten;
sie verlieren in demselben schnell ihre Lebensfähigkeit.
Im Anschluss hieran hat er sich mit der Frage be¬
schäftigt, ob die Stomatixis mercurialis nicht darin
begründet sei, dass die Leukocyten der Mund¬
schleimhaut durch das Hg. die Fähigkeit einbüssen,
gegen die Mikroben, welche gleichfalls in dar
Mundhöhle Vorkommen, gehörig reagiren zu können.
Zur Lösung dieser Frage hat er folgende Versuche
angestellt: Er studirte zunächst die beim Kaninchen
in der Nasenhöhle gewöhnlich vorkommenden, nicht
pathogenen und pathogenen Mikroben und iqercu-
rialisirte dann gesunde Kaninchen mittels suheutaner
Sublimatlösungen. Zum Menstruum nahm er ein
Secret der Nasenschleimhaut. So lauge die Suhli-
matdosis nicht 5 mg pro kg Thier überschritt,
blieben diese Einspritzungen wirkungslos; war die
Dosis stärker als 1 cg pro kg Thier, so bildeten
Digitized by
Google
191
sieb stets Abscesse. Aebnliche Resultate wurden
für die Darmmucosa erhalten. — Er schloss dar¬
aus, dass Scbleimbautentsündungen bei der Hg-Ver¬
giftung infectiösen Ursprungs und häufig auf Mikro¬
organismen zurückzuführen seien, welche auch auf
den normalen Schleimhäuten leben. Während diese
Keime aber sonst durch die mikrobenfeindliche Eigen¬
schaft der Leukocyten verhindert werden, pathogene
Eigenschaften zu entwickeln, entstehen dadurch,
dass während die Hg-Vergiftung die mikroben-
tödtende Energie der Leukocyten herabgesetzt, bez.
vernichtet ist, sehr leicht infectiöse Entzündungen,
indem nunmehr dieselben Mikroben in der Betliä-
tigUng ihrer Virulenz nicht mehr gestört werden
können.
(Acadömie de medicine zu Paris 24-/8. 1894.)
A womans international provers association.
Während des homöopathischen Weltcongresses
zu Chicago hat sich eine internationale Frauen-
Prüfungsgesellschaft gebildet, an deren Spitze
Dr. Martha Canfield steht. Es hat sich eine nicht
unbeträchtliche Anzahl von Aerztinnen an den
Prüfungsarbeiten hetheiligt. Zunächst wurde für
das erste Jahr Conium maculatum gewählt, und
wurden die Prüfungen mit der 30. x, 3. x, 1.x und
Urtinctur vorgenommen. In der Jahresversammlung
zu Denver lagen die Protokolle von 7 Prüfungen
vor. — Es waren besonders zwei Symptome, die
von der Mehrzahl derselben, bei allen Potenzen,
beobachtet und stark betont werden: „Dumpfer
Hinterhauptsschmerz beim Aufstehen, Morgens, der
den Tag über anhält“ oder „dumpfes Weh in der
Lumbar- oder Sacral-Gegend“.
Anzeigen.
Ein Apotheker norddeutscher Gressstadt wünscht
zwecks Niederlassung mit einem homöopathischeu Arzte in
Verbindung zu treten.
Offerten unter 159 an die Expedition dieser Zeitung.
Günstige Offerte.
Prima deutscher und frauzös. Cognac.
Durch directe und verwandtschaftliche Beziehungen mit
einem der ersten Häuser in Cognae bin ich in der Lage,
allen Freunden eines vorzüglichen, echten französischen
Cognacs eine zuverlässig echte und preiswerthe Waare
auzubieteu: -
Echt franz. Cognac * 1 Flac. M. 3.50,
99 99 99 1 99 99 4r.75.
99 99 99 1 99 ®
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
inol. Verpackung und 10 % Rabatt.
Treuen i. Voigtl. Ernst Bauer,
Apotheker.
Hauptniederlagen in Leipsig bei
A. Marggraf s homoopath. Officin
und
T&8chner k Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Collectionen vom 1. bis 129. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und so weit
der Vorrath reicht, auch einzelne Nummern zu
billigsten Preisen.
A. Marggraf 8 homöopath. Officin in Leipzig.
Aret-Gesucb.
I In einem Orte der Provinz Sachsen, mit guter Um-
I gebung (Magdeburger Gegend), wo lange Jahre ein homöo¬
pathischer Arzt segensreich wirkte, wird, da der jetzige
1 allopathische Arzt nicht beliebt ist, baldigst ein tüchtiger,
liebenswürdiger homöopathischer Arzt gesucht, der aber zu
gleicher Zeit tüchtiger Geburtshelfer sein muss. Derselbe
findet hier einen sicheren, lohnenden Verdienst.
Zu näherer Auskuuft ist gern bereit der Maurer- und
Zimmermeister Carl Homann in Barby.
Ein tüchtiger homöopathischer Arzt, christl. Con-
fession, findet m einer grösseren Stadt am Rhein gute
Praxis; es ist zwar schon ein homöopathischer Arzt am
Orte, doch wird auch ein zweiter lohnende Praxis
finden, da einer allein nicht auskommt. Das Haus des
früheren homöopathischen Arztes daselbst kann über¬
nommen werden. Offerten erbeten sub R. L. 687 an
die Expedition dieses Blattes.
Im Verlage von Adalbert Fischer in Leipsig ist er¬
schienen :
Vom tropischen Tieflande zum ewigen Schnee.
Von Professor Anton Goerlng.
Den in dieser Beilage gebrachten günstigen Besprech-
l ungen kann ich mich nur voll und ganz anschliessen und
i dieses Buch jedem Freunde von Naturschönheiten, beson¬
ders der neuen Welt, zur Anschaffung empfehlen. Es wird
uns in demselben eine höchst angenehme, den Geist an¬
regende und in jeder Hinsicht lehrreiche Lectüre geboten;
unstreitig bietet auch das Buch im wahren Sinne des Wortes
einen werthvollen Zimmerschmuck, auch für die feinsten
Salons. In Anbetracht der hoch eleganten, künstlerischen,
dabei äusserst soliden Ausstattung ist der Preis ein höchst
bescheidener zu nennen und es wird Jedermann dadurch
leicht gemacht, nicht nur ein Prachtwerk von dauerndem
Werthe zu erwerben, sondern auch deutschen Fleiss und
deutsche Kunst zu unterstützen.
Das Weihnachtsfest naht: Vielen wird daher eine solche
wirklich herrliche Gabe willkommen sein. Aufträge nimmt
gern entgegen
A. Marggraf 8 homöopathische Officin
| und Buchhandlung, Leipzig.
Digitized by
Google
. 192
Bekanntmachung.
Der Vorstand des Homöopathischen Central vereine hat, um die durch Vermehrung der Central Vereinsbibliothek nöthig
gewordene Anschaffung eines neuen Schrankes aus Sparsamkeitsrücksichten und aus Mangel an Platz für die Auf¬
stellung desselben zu vermeiden beschlossen, eine Anzahl drei- und vierfach vorhandener, theilweise schon vergriffener oder
seltener älterer Werke an Collegen abzugeben. Der Erlös aus denselben ist zu Neuanschaffungen für die Bibliothek bestimmt.
Collegen, welche auf eins der in vorstehender Liste verzeichneten, mit Preisangabe versehenen Werke refle*-
tiren, wollen sich an den Bibliothekar, Herrn C. Günther, Leipzig, Sidonienstr. 44, wenden.
Leipzig, L9. November 1894.
Mark
100.— Allgem. Homöop. Zeitung. Bd. 1—72. geh. od.
brosch.
3.— Altsohul, Systematisches Lehrbuch d. theoretischen
und praktischen Homöopathie. Sondershausen
1858. geb.
2.— Argentl, Homöopath. Behandlung verschiedener
Krankheiten. Pest 1860. geb.
1.— Arnold, Das rationell - specifische oder idiopath.
Heilverfahren. Heidelberg 1851. geb.
1.50 Attomyr , Primordien einer Naturgeschichte der
Krankheit. 1.—2. Bd. Wien 1851. brosch.
2.50 Bähr, Digitalis purpurea in * ihrer physiologischen
u. therapeutischen Wirkung. Ijeipzig 1859. geb.
(Gekrönte Preisschrift)
5.— — Die Therapie nach den Grundsätzen der
Homöopathie. 1.—2. Bd. Leipzig 1862. geb.
1.— Banmann, Das alte und neue Heilverfahren mit
Medicin. Memmingen 1857. geb. u. brosch.
1. — —Mosaikvon Bernstein. 1.— 3.Tafel. Leipzig 1857.
2.50 Bönninghansen, y.. Versuch einer homöopathischen
Therapie der Wechsel- und anderer Fieber.
Ijeipzig 1864. geb.
—.25 — Homöopathische Therapie der Wechsel lieber.
Münster 1833.
2.50 Braun, Die Medicin unserer Tage in ihrer Vervoll¬
kommnung durch das homöopath. Heilsystem j
Leipzig löte, brosch.
5.— GraiYOgl, Y., Die Grundgesetze der Physiologie, |
Pathologie und homöopath. Therapie. Nürnberg
1860. brasch.
70.— Griesselleh, Hygea. 1.—23. Bd. geb.
37.— Hahnemann, Keine Arzneimittellehre. 3. Autl.
1830. geb.
9. — —- Organon der Heilkunst. 4. Aull. 1829. geb. |
2. — — chronische Krankheiten. 1.—2. Bd. Iieipzig. ;
1847. geb. !
12.— Hartlaub und Trinks, Annalen der homöopath. i
Klinik. Eine Sammlung von Beobachtungen und l
Erfahrungen im Gebiete der homöopath. Heil¬
kunde. 1.—4. Bd. Leipzig 1830. I
3. — Hartmann, Spezielle Therapie acuter und chroni- ;
scher Krankheiten. 1.—2.Bd. Leipzig 1847. geb.
2. — — Therapie acuter Krankheitsformen, l.u. 2. Thl.
Leipzig 1834. geb.
3. — — Compendium der speciellen Pathologie und
Therapie. Frankfurt 1859. geb.
10.— Hausmann. Ueber die Ursachen und Bedingungen
der Krankheiten. Leipzig 1867. geb.
12.— Hering, Amerik. Arzneiprüfungen. 1857. geb.
3.— Hirsch, Der homöopath. Arzt in der Kinderstabe,
Leipzig 1865. brosch.
3. — Hirsehel, Die Homöopathie. Eine Anleitung zum
richtigen Verstäudniss. 1851. geb.
4. — — Compendium der Homöopathie. Wien 1864.
brosch.
I. V.*. Dr. med. Lorbacher.
Mark
Jahr, Repertorium der homöopath. Arzneimittel¬
lehre. 1.—2. Bd. Leipzig 1848.
.25.— — Gedrängte Total-Uebersicht aller zur Zeit eiu-
geführten homöopath. Heilmittel. Düsseldorf
1834. geb.
7. — — Klinische Anweisungen zur homöopath. Be¬
handlung der Krankheiten. Leipzig 1849. geb.
3. — — Rationelle Gesundheitslehre für Jedermann.
Leipzig 1870.
4. — — Alphabetisches Repertorium der Hautsymp¬
tome und äusseren Snhstan/.^nändernngen.
Iieipzig 1849.
15.— —Handbuch der Haupt-Anzeicheu für die rich¬
tige Wahl der homöopath. Heilmittel. Düssel¬
dorf 1835.
4. - — Allgemeine und speoieUe Therapie der Geistes¬
krankheiten und SeelenBtömngen. Iieipzig 1855.
3. — Jörg, Materialien zu einer künitigen Heilmittel¬
lehre, durch Versuche der Arzneien an gesunden
Menschen. Leipzig 1825.
35.— Kafka. Die homöopathische Therapie. 1. -2. Bd.
Sondershausen 1865. geh.
3. — Koch, Die Homöopathie physiologisch, pathologisch
u. therapeutisch begründet. Karlsruhe 1846. geh.
25.— Müller, Clotar, Internationale Horaöop. Presse,
brosch.
45.— — Homöopath. Vierteljahrssehrift. 1.—16. Bd. geb.
6.— Oesterreich Ische Zeitschrift für Homöopathie.
1.—4. Bd. geb.
25.— Rückert, Klinische Erfahrungen der Homöopathie
1.—4. Bd. Leipzig 1854. geb.
4 — — Grundzüge einer künftigen speciellen homöop.
Therapie etc. 1/eipzig 183tf. geb.
8. — — Systematische Darstellung aller bis jetzt ge¬
kannten homöopath. Arzneien etc. 1.—2. Bd.
Leipzig 1835.
2.— Bammel, Die Homöopathie in ihrer Licht- und
Schattenseite. Leipzig 1827. geb.
1. — Schmid, Das Choleragift Ijeipzig 1870. brosch.
5. — Schneider, Handbuch der reinen Pharmakodyna¬
mik. Magdeburg 1853. geb.
2. — Sehrön, Die Naturheilprocesse und die Heil¬
methoden. 1. —2. Theil. 1837.
4. — Sorge, Der Phosphor ein grosses Heilmittel. Leip¬
zig 1862. geb.
9. — Stapf, Kleine Medicinische Schriften v. S. Hahne¬
mann. 1829. geb.
70.— — Archiv. 1.—23. Bd. geb.
6. — Thorer, Praktische Beiträge im Gebiete der
Homöopathie. 1.-4. Bd. Ijeipzig 1834. geb.
20.— Trlnks , Handbuch der Homöop. Arzneimittel¬
lehre etc. 1.—3. Bd. Ijeipzig 1834. geb.
4. — Wlslicenus, Entwicklung eines wahrhaft physio¬
logischen Heilverfahrens. Leipzig 1860. geb.
5. — Wurmb, Homöop.-klin. Studien. Wien 1852. geb.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle.und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Ofticin) in Leipzig.
Druck von Julius M&str in Lsipsif.
Digitized by {jOoq le
Band 129.
Leipzig, den 20. December 1804. No. 25 11. 26.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITEN«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von Will iain Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlcin) in Leipzig.
Erscheint Utägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af, 00 Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 97 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1892). —Inserate, welche an Haasensteln £ Vogler
in Leipzig und dessen Fi 1 ialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraPs homöopath. Offlcin in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf . pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Baum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet.
Inhalt Die Homöopathie und die Schulmedicin. Uebersetzt von Dr. Haedicke in Leipzig. — III. Bericht der
Arzneiprüf ungsgesellschaft. Nachprüfung von Ranunculus sceleratus. Referent Dr. Schier in Mainz. (Fortsetzung.) —
Bildung von Kothsteinen in Folge von anhaltendem Gebrauch von Magnesia und Wismuth. — Lesefrüchte. — Fest-
Bericht. — Noch ein 50jähriges Doctorjubiläum. — Stellung für junge Landwirthe ohne Vermögen! — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Die Homöopathie und die Schulmedicin.
Uebersetzt von Dr. Haedicke in Leipzig.
In der französischen Zeitschrift „L’art medicale“
ist ein Vortrag von Dr. J. Tessier veröffentlicht
worden, den wir in nachstehender Uebersetzung
auch unseren Collegen zur Kenntniss bringen wollen.
„Wer von Ihnen uns die Ehre erwies, den letzten
Versammlungen beizuwohnen, der hat sich auch
ein Bild machen können von der Art und Weise,
die wir in unsere Verhandlungen einzuführen uns
bestrebten. Dank dieser Methode ist es uns ge¬
lungen, uns einen Ueberhlick über die therapeu¬
tische Reform zu verschaffen, die wir dem Geiste
Samuel Hahnemanns verdanken. Betrachten wir
heute nur kurz die Geschichte unserer Lehre und
lassen Sie mich dann Ihnen die Bande zeigen, die
uns mit der medicinisclien Tradition in der Ver¬
gangenheit und der augenblicklichen wissenschaft¬
lichen Bewegung verknüpfen.
Das 18. Jahrhundert endete in dem Getöse der
politischen und militärischen Kämpfe. Die franzö¬
sische Revolution triumphirte und brachte durch
die Ausbreitung ihrer Gewalt die Throne und
Dynastieen des durch diese Fortschritte erschreckten
Europa ins Wanken. Die Kanonaden von Valmy
und Jemappes waren das Vorspiel für Kriege, die
zwanzig Jahre lang Fürsten und Völker in Athem
halten sollten. Und in all diesem Aufruhr, was
konnten da die Gelehrten tbun, wer interessirte
sich für ihre Entdeckungen? Geistige Arbeit,
Literatur und Wissenschaft können ja nur dort
gedeihen, wo Schutz ist vor Sturm und dem Brau¬
sen des Unwetters. Und trotzdem war es möglich,
dass in diesem unaufhörlich durch schreckliche
Kämpfe mit einem gefährlichen Nachbar beun¬
ruhigten Deutschland ein einfacher, bescheidner
Mann in der Stille, Zurückgezogenheit und Ver¬
borgenheit an dem Ausbau eines therapeutischen
Systems arbeitete, welches bestimmt sein sollte, die
medicinisclie Welt in zwei Lager zu spalten, die
trotz fast hundertjährigen Kampfes noch immer
nicht gewillt scheinen, die Waffen niederzulegen.
Wer war denn der Mann, der vom betretenen Pfade
abwich, angezogen von Gemarkungen die bis dahin
unbekannt waren, der das seltene Glück hatte,
Generationen von begeisterten Schülern nach sich
zu ziehen? Unerhört fürwahr in der Geschichte
des Wechsels der medicinischen Lehren, die im
Laufe der Zeit einander folgten, ein Wunder, wie
man es nie vorher gesehen und niemals fürder
sehen wird!
Der Gründer einer Schule, dessen Schüler sich
in den Erdkreis theilen, und ihre Lehre, die sie
durch unzerstörbare Bande einigt, wie in den be¬
völkertsten Centren, so auch in den einsamsten
Gegenden verbreitet haben. Man hat Ihnen, meine
Herren, das Lehen dieses Mannes geschildert, und
Ihnen seine Kämpfe und Triumphe erzählt, sowohl
den Beginn als die Ausbreitung seiner medicinischen
25
Digitized by
Google
194
Reform vorgeführt, so dass es für meinen Theil
unnütze Zeitverschwendung wäre, nocli einmal dar¬
auf zurückzukommen. Andrerseits ist dieses lange
und wohl angewendete Leben, welches für uns,
seine ehrfurchtsvollen Schüler und glühenden Be¬
wunderer, ein steter Gegenstand der Betrachtung
sein soll, das Leben der meisten grossen Männer.
Schwere Anfangskämpfe, die Mittel so knapp, dass
der junge Gelehrte gezwungen ist, sich Nachts mit
Uebersetzungen französischer und englischer Werke
zu befassen, um seine Bedürfnisse bestreiten und
seine Studien fortsetzen zu können. Sobald er
Doctor geworden, widmet er sich mehrere Jahre
dem Studium der Mineralogie und Chemie; in
letzerem Fache wird er bald Meister und macht
werthvolle Entdeckungen, von denen ich nur den
Mercurius solubilis oder Mercurius Hahnemannius
nennen will, ein Name, den die Bücher dem Queck¬
silbersalze gegeben haben, welches man seinen
Untersuchungen und Forschungen verdankt.
Später, aber immer noch jung, lässt er sich in
Dresden nieder, wo sein Verdienst ihm den Platz
als Oberarzt der Hospitäler verschafft, während die
wissenschaftlichen Gesellschaften von Leipzig und
Mainz ihn zu Ehrenmitgliedern ernennen. Jetzt
beginnt er die Früchte seines Lebens zu gemessen:
aus allen Gegenden eilen die Kranken zu ihm,
die grossen Herren wenden sich an seine Einsicht,
er geniesst die Achtung und den Ruf, die er sich
durch rastlose Arbeit mühsam erworben hat. Und
diese glänzende Stellung, diese Ehren, dies Ansehen,
dies Glück lässt er plötzlich liegen und verzichtet
trotz seiner zahlreichen Familie mit 11 Kindern
auf alle Annehmlichkeiten dieses Lebens und be¬
ginnt wieder ein Leben von Sorgen, Opfern und
Entbehrungen. Und wozu dies alles? Um der
Stimme eines sorgsamen und unruhigen Gewissens
zu gehorchen, welches ihm sagt, dass die Kunst,
die er ausübt, ungenügend und trügerisch ist! Er
will nichts mehr von einer ärztlichen Praxis wissen,
in der ihn nur engbegrenzte Erfahrung und blinde
und allgemeine Vorschriften leiten.
„Er hatte keinen Glauben mehr an die Medicin, u
sagt Dr. Leon Simon senior, „für ihn war die Heil¬
kunst eitel und unfruchtbar in ihren Versprechungen
und Erfolgen. Sein Gewissen empörte sich da¬
gegen, an eine Beschäftigung gefesselt zu bleiben,
die stets etwas verspricht, was sie nie halten kann.
Aus Pflichtgefühl und Abscheu verlässt er sie.“
Als er dann seine häusliche Arbeit wieder auf¬
nimmt, findet er zu seinem Erstaunen beim Ueber-
setzen der Werke des Engländers Cullen eine
Thatsache berichtet, die sowohl ihm, als auch der
Aufmerksamkeit der anderen Aerzte entgangen war.
Er sieht nämlich, dass die China, welche doch
das Fieber aufhebt, in gewissen Fällen auch Ficber-
erscheinungenhervorrufenkann. Diese einfache Beob¬
achtung war für ihn der erste Fingerzeig. Ebenso wie
Newton beim Anblick eines fallenden Apfels den
genialen Gedanken vom Gesetz der Anziehung und
der Schwerkraft der Körper, dem Grundgesetz der
ganzen Physik, bekam, ebenso fand Hahnenmnn in
dieser einfachen Bemerkung Cullens das grosse
Princip der Therapie, ein Gesetz, welch'es frei¬
willig oder nicht sämmtliche Arbeiten der modernen
Wissenschaft lenkt und leitet. Eine Thatsache,
welche die grosse Mehrheit der Menschen nicht be¬
merkt oder für unbedeutend hält, fällt nur dem
geistig hervorragenden Menschen auf, und von
diesem Eindrücke eines solchen Geistes gehen dann
die Lichtstrahlen aus, die zukünftigen Geschlechtern
als Leuchte dienen. Uebrigens hält sich Hahne-
mann nicht au diese eine Thatsache. Er erinnerte
sich auch, dass viele früher empirisch gegebene
Heilmittel nur dadurch günstige Erfolge erzielt
hatten, dass man sie gegen Krankheiten und Symp¬
tome angewandt hatte, die sie selbst im Stande
waren hervorzurufen. Er sah z. B., dass Murray
besonders Schwindel, Brechreiz und Angstgefühl
als die Hauptsymptome des Tabakgenusses be-
zeichnete, während Diemerbroeck sich gerade diese
Erscheinungen durch den Gebrauch der Pfeife vom
Halse schaffte. Er beobachtete, dass, während Hof¬
mann die Schafgarbe bei vielen Hämorrhagieen sehr
empfahl, während Stahl, Buchwald und Loeseke dies
Mittel bei zu starken Hämorrhoidalfluss anwendeten,
während Guerin und andere von Hämatemesis
sprachen, die sie damit geheilt hatten, während
schliesslich Thomasius und Haller sie mit Erfolg
bei Metrorrhagieen anwendeten, die Pflanze andrer¬
seits im Stande war, den Abfluss des Blutes,
Hämaturie, und sogar Nasenbluten hervorzurufen.
Wenn der Augentrost, sagt Hahnemann weiter
im „Organon,“ woher ich alle diese Beispiele nehme,
wenn der Augentrost nach Murray das Augentriefen
und den Bindehautkatarrh heilt, hat er dieses Re¬
sultat anders herbeiführen können, als durch die
von Lobei beobachtete Fähigkeit, eine Entzündung
der Augen hervorzurufen?
Wie würde man, fährt er fort, mehr als ein¬
mal den Blutfluss mit Ipecacuanha haben aufhalten
können, wie Baglivi, Barbeyrac, Gianella, Dalberg,
Bergius und andre erzählen, wenn dieser Stoff
nicht die Fähigkeit besässe, Hämorrhagieen zu ver¬
ursachen, wie es Murray, Scott und Geoffroy be¬
obachtet haben? Wie könnte es beim Asthma hei¬
lend wirken, besonders beim spasmodischen Asthma,
wenn es nicht die Fähigkeit besässe, ohne eine
Ausleerung anzuregen, doch Asthma im Allge¬
meinen und Asthma spasmodicum im Besonderen
auszulösen?
Ich könnte noch für eine grosse Menge Stoffe
Digitized by
Google
195
die günstige Wirkung verfolgen, indem ich gleich | sich noch glücklich preisen müssen, wenn man sie
Hahnemann zeigte, dass sie unbewusst auf dem ' nicht als Charlatane oder Ausbeuter der Leicht-
Cullen’schen Gesetz beruht, doch würde mich dies I glänbigkeit des Volkes bezeichnet,
hier zu weit führen: andrerseits ist cs leicht, Bei- Immer noch vergleicht man sie an Universitäten
spiele in dem berühmten Kapitel aus dem „ Organon w und Privatlehranstalten mit den Feldscheerem, Amu-
zu finden, welches überschrieben ist: Homöopathische i lettverkäufern, Hexenmeistern, ich hätte beinahe ge-
Heilungen durch Zufall. Um aber die Wirkung sagt, Magnetiseuren, doch ist diese letztere Be-
der Medicamente genau zu kennen, musste man sie Zeichnung nicht mehr schlimm heutzutage. Wer
am gesunden Menschen erproben. wüsste denn nicht, dass der Magnetismus zwar erst
Der Mechaniker, der seine Maschine aufstellt, von Seiten der Facultäten und Academieen in
muss ihren Bau und den Zusammenhang ihres Räder- gleicher Weise verdammt und verflucht wurde, wie
werks kennen; der Maler, der ein Bild malen will, diejenigen, welche vor Kurzem erst als Gegner der
muss wissen, in welchem Verhältniss er seine Far- Blutcirculation und des Antimon auftraten, dass er
ben mischen muss, um die Mannigfaltigkeit und j aber jetzt seinen Platz an der Sonne erobert hat
Harmonie der Töne zu erhalten, durch die er die und Dank dem Ansehen bedeutender Professoren
Augen des Publikums entzücken will; der Arzt j heutzutage endgültig anerkannt und selbst von
muss gründlich die Wirkungen und Eigenschaften denen angenommen worden ist, die ihn noch vor
der Stoffe kennen und verstehen, die er anwenden ' kurzer Zeit mit ihrem Spott und ihrer Verachtung ver-
will, sonst arbeitet er blindlings. Es wurden da- j folgten? Es ist überhaupt interessant zu sehen,
her so zu sagen die Medicamente ohne Steuer und | wie es die Schulwissenschaft versteht, im gegebc-
Compass bis zu dem Tage angewendet, wo Hahne- | nen Augenblick eine Schwenkung zu machen, ohne
mann als Erster nachwies, wie nöthig es sei, ihre j dabei etwas von Ansehen und Würde einzubüssen,
Wirkung erst am gesunden Menschen zu studiren. und die ausserhalb ihrer Sphäre gemachten Ent-
In wenigen Jahren hatte er, unterstützt von treu- deckungen sich aneignet, indem sie sich selbst an
ergebenen Freunden, hundert Medicamente aus- die Stelle der weniger glücklichen Autoren zu
probirt und diese riesige Arbeit mit einer solchen setzen weiss. Von Mesmer und Cagliostro über
Genauigkeit, einer solchen wissenschaftlichen Glaub- Marquis Puysegur, Abbe Faria, Baron von Potet bis
haftigkeit ausgeführt, dass alle neueren Unter- zur Donato, um nur wohlbekannte Namen zu
suchungen über die Wirkungen der Medicamente nennen, haben alle, die sich mit dem Magnetismus
nur Hahnemanns Behauptungen bestätigen können; beschäftigten, gewisse Mittel in Anwendung go-
keine einzige aber steht im Widerspruch mit den bracht, wie Verschlingen der Arme, Berührungen,
immer zahlreicher erscheinenden Arbeiten, welche Fixircn des Blicks und andre technische Hülfs-
die Kenntnisse der medicinischen Welt in diesem mittel, deren Aufzählung schwierig und unnütz ist.
grossen und bisher wenig erforschten Gebiete der Durch diese verschiedenen Kunstgriffe ist man
Arzneiwissenschaft erweitern wollen. im Stande, den magnetischen Schlaf, dann den
Es hat sich also, wie man Ihnen in den Fallsuchts-Zustand und das zweite Gesicht hervor¬
letzten Sitzungen schon sehr klar dargelegt hat, zurufen, mit einem Wort, verschiedenartige und
und wie ich es Ihnen jetzt nur mit wenigen stark beunruhigende Erscheinungen sind die Fol-
Worten ins Gedächtniss zurückrufen möchte, die gen dieser Methode. So lange die Magnetiseure
Arzneireform Hahnemanns der gelehrten Welt in allein standen in der Anwendung dieser Mittel, be-
zwei Hauptgesetzen gezeigt: Das Gesetz der Aehn- haupteten die gelehrten Körperschaften, dass es
lichkeit der Wirkungen der Arzneimittel und Die sich um einen Act gröberer Charlatanerie handele
Wirkung der Medicamente heim gesunden Menschen . und ihre Erfolge seien ganz gewöhnlichen Kunst-
Zur Unterstützung dieser Gesetze erschienen be- kniffen zuzuschreiben, die ihrer Beachtung nicht
deutsame Arbeiten des Reformators, aus denen klar werth seien. Als dann die Mediciner, welche sich
hervorgeht, dass er keineswegs leichtsinnig seine bescheiden die Fürsten der Wissenschaft nannten,
Lehre aufgestellt hat. Anstatt nun aber mit Wohl- dieselben Erscheinungen hervorzubringen versuch¬
wollen, oder wenigstens mit der Nachgiebigkeit teil und dabei stets zu den gleichen Resultaten
aufgenommen zu werden, welche jede ernsthafte, kamen, verlangte man, dass die Ausübung des
wissenschaftliche Entdeckung verdient, wurde die Magnetismus den Händen unwissender Empiriker
Homöopathie vielmehr mit Misstrauen, Verachtung, j entzogen werde, um nach der strengen Methode,
ja einer Feindseligkeit ohne Gleichen behandelt. Gesetzmässigkeit und Würde ausgeübt zu werden,
Man ist betroffen angesichts der Vorwürfe und des ! die nur die »Wissenschaft verleihen könne. Erst dann
Hasses, die bis heute die neue Heilmethode und j konnte man, ohne roth werden zu müssen, den
ihre Anhänger verfolgen. Man behandelt letztere i Namen Magnetismus aussprechen und ihm ein wenig
als Unwissende, Ueberspannte, Geistesschwache, die von der Beachtung schenken, die ihm fehlte, als
25*
Digitized by
Google
196
er noch den Händen unerfahrener Adepten über¬
lassen war. Beachte inan nun noch, dass die Herren
Fürsten der Wissenschaft in allen Punkten das Vor¬
gehen der Magnetiseure imitirten. Dieselben Ver¬
schlingungen, dieselben Blicke, dieselben Berüh¬
rungen waren es, und hatten natürlich dieselbe
Wirkung. Nur ein Wort ward geändert: anstatt
den magnetischen Schlaf hervorzurufen, erfand man
den Hypnotismus, und mittelst dieses Wortes, dessen
Synonymität allen denen klar sein dürfte, die noch
einige Erinnerungen an die Sprache Homers haben,
gelang es, eine Entdeckung, die nichts weniger
als academisch war, zum Nutzen einiger officieller
Gelehrter zu pachten. Und doch muss ich es hier
wiederholen: Wenn Mesmer inmitten einer angst¬
vollen pienge in Lila-Seide gekleidet auf und nieder
ging, ^in Eisenstäbchen in der Hand haltend, mit
dem er die Körper seiner Patienten oder ihre
kranken Partieen berührte; oder wenn er sie, ohne das
Stäbchen, mit den Augen magnetisirte, indem er den
Blick fixirte, oder ihnen seine Hände auf Hypo-
chondrium oder Unterleib legte, that er da etwas
anderes, als unsere Aerzte von der Salpetrige und
den anderen Krankenhäusern, die auf das Ovarium
einer Kranken drücken, um eine hysterische Krise
auszulösen oder zu verhindern?
Und wenn er seinen Patienten gegenüber sass,
Fuss an Fuss und Knie an Knie und dann lang¬
sam die Hände über den ganzen Körper gleiten
Hess, wandte er da nicht die Mittel an, welche man
heute in den Kliniken benutzt?
Rief er nicht bei seinen Kranken nervöse Krisen
hervor, die der Beschreibung nach auf die Zeichen
der Hysterie hindeuten, ebenso wie es in der Sal-
petriere und den zahlreichen sonstigen Kliniken ge¬
schieht, wo der Hypnotismus in Ehren steht?
Doch gehen wir nicht weiter, meine Herren,
denn wir schweifen von unserem Gegenstand ab,
und erkennen wir nur an, dass die Bezeichnung
Magnetiseur heute weniger beschimpfend geworden
ist, und dass man sie uns ruhig ersparen kann.
Doch ist darum, wie ich Ihnen bereits sagte, die
Homöopathie nicht weniger den heftigen Angriffen
der Schulen und Academieen ausgesetzt. Doch
widerspricht sie nicht, wenn man sagt, dass ihre
Lehren von der Scliulmedicin aufgenommen seien,
und wenn sie widerspricht, dann geschieht es sicher
nicht deswegen, weil ihr in der Vergangenheit be¬
rühmte Vorläufer fehlten. Denn die Wissenschaft
schreitet ebenso wenig wie die Natur sprungweise
vorwärts. Natura non facit sallus ist ein Axiom
der scholastischen Philosophie, welches man sehr
gut hierauf anwenden könnte.
Alle, oder fast alle Entdeckungen genialer Ge¬
lehrten haben ihren Keim in den Arbeiten ihrer
Vorgänger; sie kommen nicht so unerwartet und
unvorhergesehen aus ihrem Geiste, wie Minerva be¬
waffnet dem Haupte Jupiters entstieg. Sie wurden
vorbereitet durch Generationen von Arbeitern und
Vorläufern, die hier und dort den Samen ausstreuten,
bis dass ein synthetisches Genie kam, welches alles
zu einem Bündel vereinte, mit Kunst und Methode
ordnete, so dass es leuchtend klar wurde. Die homöo¬
pathische Lehre macht keine Ausnahme von dieser
Regel, und wenn ich daher die Absicht habe, Ihnen
hier die engen Beziehungen zur jetzigen Sehul-
medicin auseinanderzusetzen, so halte ich es für an¬
gebracht, Ihnen erst noch schnell die Bande zu
zeigen, die uns mit den ältesten medicinischen
Ueberlieferungen verknüpfen.
Es gehört zu den natürlichen Bestrebungen des
menschlichen Geistes, die Gesetze der Vorkomm¬
nisse zu untersuchen, die er beobachtet, zuerst,
um ihre Entstehung zu begreifen, später, um sie
selbst wieder erzeugen zu können, je nach den
Forderungen seiner Lust oder seiner Bedürfnisse.
Von diesen beiden Gesichtspunkten aus mussten
natürlich auch die medicinischen Ereignisse den
Forschungsgeist der Aerzte besonders berühren; so
sehen wir denn auch, seit der Wiege der Arznei¬
wissenschaft, zwei therapeutische Gesetze, die uns
Hippocrates gegeben hat.
Nur durch zahlreiche und peinliche Beobach¬
tungen war es wohl möglich, dass der Vater der
Medicin uns die beiden aphoristischen Sätze hinter¬
lassen konnte: Contrario contrarm curantur und
similia ximilibm curantur . Was uns aber bei der
Betrachtung dieser Gesetze zuerst überrascht, das ist
der Umstand, dass sie sich gegenseitig auszuschliessen
scheinen, so dass es schwer, um nicht zu sagen
unmöglich, ist, sie unter einen Hut bringen zu
wollen.
Die Tradition in der Schulmedicin hat die
Wahl zwischen beiden Gesetzen zu Gunsten des
Ersteren getroffen. Doch sehen wir das zweite
im Laufe der Jahrhunderte wiederkehren, und
zwar finden wir diejenigen, welche die Aufmerk¬
samkeit ihrer Zeitgenossen auf seinen Werth ge¬
lenkt haben, zu unserem Glücke fast stets unter
den grössten und berühmtesten Meistern unserer
Kunst. Ihnen folgend, nur bedingungsloser, hatHahne-
mann dies Gesetz der Vergessenheit entrissen, in¬
dem er es als das Grundgesetz der Arzneiwissen¬
schaft hinstellte und die Anwendung des anderen
Gesetzes sich nur für seltene Ausnahrasfälle vor¬
behielt.
Es ist von hohem Interesse zu erfahren, auf
wessen Seite das Recht ist, ob auf Habnemanns,
oder auf der der Tradition. Die Zuverlässigkeit
einer Therapie hängt von der Andeutung des Ge¬
setzes ab, nach dem ihre Medicamente verarbeitet
werden. Die Klagen aber, welche die Tradition
Digitized by
Google
197
unaufhörlich über die Unzuverlässigkeit und Un¬
gewissheit der Indication hören liess, zeugen nicht
gerade zu Gunsten des Gesetzes, welches sich bis¬
her stets des Vorrechts erfreute.
In seinen Vorschriften zur Heilung der Krank¬
heiten durch das Gegenmittel sagt Hippocrates in
seinen berühmten Aphorismen: „Die Krankheiten,
welche von Ueberfüllung entstehen, werden durch
Entleerung geheilt; die von Leerheit kommen, durch
Anfüllung, kurz gesagt: Contrario, contrarius,“
In seinem „ Buch der Blähungen u kommt er auf
diesen Ausspruch zurück und führt ihn noch weiter
aus: „Einer der Punkte, wo man irre wird, ist
die Frage darnach, was die Ursache der Krank¬
heiten, was der Ursprung und die Quelle der Uebel
ist, die den Körper peinigten. Denn wenn man die
Ursache der Krankheit kennen würde, würde man
im Stande sein das Richtige anzuwenden, indem
man aus dem Entgegengesetzten sich das Heilmittel
sucht. Und ist diese Indication nicht ganz natur-
gemäss? Der Hunger z. B. ist doch eine Krankheit,
denn man nennt doch Krankheit, was den Menschen
peinigt: was ist denn nun das Mittel gegen den
Hunger, das, was ihn stillt? Die Nahrung ist es,
man heilt also eines mit dem andern. So wird
durch den Trunk der Durst geheilt: durch Fülle die
Leere, durch Ruhe die Ermattung von der Arbeit,
durch Arbeit die Trägheit vom Nichtsthuu; kurz
Gegensätze durch Gegensätze.“
Das sind aber die Vorschriften, die die Tradition
angenommen hat, indem sie das Gesetz der Gegen¬
sätze vorzog, ohne sich die Mühe zu nehmen, zu
prüfen, ob sie auch mit dem übereinstimmen, was
die gewöhnliche Vernunft bei einem so wichtigen
Gegenstand ein Recht zu fordern hat. Müsste man
sich nun aber nicht fragen, wenn man Hippocrates
wiederholt die Forderung aufstellen sieht: Gegen¬
satz mit Gegensatz zu behandeln, ob es sich um
die Krankheiten oder um deren Ursachen handelt?
Die Lösung dieser ersten Frage ist wohl der Mühe
wertb, doch wird man in den Worten des Vaters
der Medicin nichts darüber finden. Seine Sätze
enthalten nichts als Beispiele von Krankheitsur¬
sachen: Fülle, Leere, Hitze, Kälte etc. haben stets
nur als Krankheitsursachen gegolten, und nie haben
diese pathogenetischen Umstände Aufnahme in einem
Krankheitsregister gefunden.
Wenn aber das traditionelle Gesetz der Gegen¬
sätze sich darauf beschränkt, die Medicamentirung
in Rücksicht auf die Ursachen der Krankheiten
einzurichten, dann ist es von sehr geringem Wertlie,
denn es weiss jeder Patholog, jeder Beobachter,
dass mehrere Ursachen zusammen wirken können
bei Entstehung einer Krankheit. Der Patient be¬
kommt durch eine Erkältung einen Lungenkatarrh,
oder einen Rheumatismus; die Erkältung ist sicher
| die Ursache beider Krankheiten, es sind jedoch
| prädisponirende Verhältnisse dagewesen, die in
einem Falle den Katarrh, im anderen den Rheu¬
matismus begünstigten. Eine allzureichliche Mahl¬
zeit hat bei einem Individuum cerebrale Erschei¬
nungen zur Folge, beim anderen einen Gastrointesti-
| nalkatarrh: die Ueberfüllung des Magens ist beide
. Male die Ursache, prädisponirende Verhältnisse
| aber führen bei beiden Patienten zu verschiedenen
Krankheiten. Diese zwei Beispiele genügen, um
zu beweisen, dass zwar dieselbe Ursache verschie¬
dene Wirkungen haben kann, dass man aber ein
causales Heilmittel nicht anwenden darf, um zwei
ganz verschiedene Krankheiten zu bekämpfen. —
, Wenn wir nun die ursächlichen Gegensätze ver-
j lassen, um die Gegensätze der Krankheiten zu be-
, trachten, stossen wir auf noch viel grössere Schwie-
j rigkeiten. Wir alle wissen z. B., dass die Aus-
1 Strömungen der Sümpfe das intermittirende Fieber
| hervorrufen: was ist nun der Gegensatz zu diesen
I Ausströmungen, so wie Hitze zu Kälte, Fülle zu
Leere? Ein sehr geschickter Mann, der uns dies
' sagen könnte! Was dürfte denn der Gegensatz zu
einer Pneumonie, einem Erysipel, oder einem Ty¬
phus sein? Der Geist wird ihn vergebens suchen,
er ist sicher, ihn nie zu finden. Moralisch ist Ver¬
schwendung das Gegentheil von Geiz, Muth von
Feigheit, Sanftmuth von Heftigkeit, physikalisch ist
trocken der Gegensatz von nass, kalt von warm,
hell von dunkel; doch handelt es sich dabei nur
um isolirte Eigenschaften. Pathologisch aber haben
wir complicirte Phänomene, deren Gegensatz zu
finden unmöglich ist, höchstens wenn man ein ein¬
zelnes Symptom oder Phänomen nimmt, wie der
«Durchfall, dann ist das Gegentheil die Verstopfung.
Sonst ist die Krankheit als eine Verneinung zu
bezeichnen, deren Gegentheil nur eine Bejahung
sein kann, und zwar ist dies die Gesundheit. Das
berühmte Gesetz der Tradition drückt also nur
folgende naive Wahrheit aus: dass die Krankheit
durch das zu heilen ist, was die Gesundheit ver¬
schafft. Es hat also nicht den geringsten Werth für
den Arzt bei der Auswahl der Stoffe, mit denen er
heilen will, denn es kann ihm nie sagen, welches
die Beziehungen sind zwischen der Verneinung Krank¬
heit und den Mitteln, an ihre Stelle die Bejahung
Gesundheit zu setzen.
Der Irrthum des Hippocrates bestand also darin,
dass er Hunger und Durst, also rein physiologische
Empfindungen mit Krankheiten, und Speise und
Trank mit Heilmitteln verglich. Es ist unbegreif¬
lich, wie ein so augenscheinliches Sophisma das
traditionelle therapeutische Gesetz stützen konnte,
anstatt allenthalben seinen Unwerth klar zu
machen. — Ich gehe noch weiter: Der Vergleich
von Hunger und Durst mit einer Krankheit und
Digitized by
Google
198
von Speise und Trank mit Heilmitteln ist nicht
bloss ein Verstoss gegen die Logik, nein, es ist so¬
gar ein grober Fehler, wenn man ihn zur Unter¬
stützung des Gesetzes der Gegensätze verwenden
will. Wer kann denn zu behaupten wagen, dass
die Nahrung dem Hunger entgegengesetzt ist?
Doch niemand; denn wenn es sich um Speise oder
Trank handelt, ist doch nur die Sättigung das
Gegentheil.
Kommen wir nun auf die Aehnlichkeitslehre.
Gleich nach der oben bei Gelegenheit der Gegen¬
satztheorie zugeführten Stelle fährt Hippocrates in
seinem Buche folgendermassen fort: „Durch Aehn-
liches entsteht die Krankheit und durch Aehnliches,
was man ihm darreicht, wird der Patient wieder
gesund: das, was den Harnzwang, der nicht vor¬
handen ist, hervorruft, hebt ihn auch auf, wenn er
da ist; Husten und Harnzwang werden durch gleiche
Ursachen verursacht und aufgehoben; das Fieber
wird durch das gehoben, was es hervorruft, und her¬
vorgerufen durch das, was es unterdrückt; giebt
man einem Menschen, der bricht, Wasser in grosser
Menge, so befreit man ihn durch Erbrechen von
dem, was ihm zum Brechen zwang; Erbrechen hebt
also das Brechen auf.“
Constatiren wir nun noch nach den folgenden
Bemerkungen, dass Hippocrates für keines der bei¬
den von ihm ausgesprochenen Gesetze irgendwie
Partei nimmt. Die Beispiele, die er anführt, um
eines von ihnen zu bekräftigen, geben uns volle
Freiheit, unser Urtheil über den beiderseitigen
Werth zu bilden. Beim ersten Gesetze haben wir
nun gesehen, dass nur unannehmbare Beispiele an¬
gegeben sind, denn physiologische oder hypothetische
Krankheitsvorgänge sind die Beispiele, die er an¬
führt, um die Wahrheit des ersten Gesetzes zu be¬
weisen. — Anders ist es bei dem Gesetz: Similia
similihus. Hier versucht es der grosse Hippocrates
gar nicht, Beispiele anzuführen; er erklärt einfach,
dass das, was den Harnzwang hervorruft, ihm, wenn
er vorhanden ist, auch aufhebt; dass der Husten,
ebenso wie der Harnzwang, durch gleiche Ursachen
entsteht und gehoben wird; dass das Fieber durch
das, was es verursacht, gehoben wird und durch
das verursacht wird, was es hebt. Da braucht es
keine physiologischen Phänomene, wie Hunger,
Durst, Buhe und Arbeit, um diese Behauptung zu
unterstützen. Die Behauptung ist absolut, nur
durch Erfahrung kann sie als unrecht erwiesen
werden, denn sie ist die Frucht der Erfahrung.
Denken wir so über die Worte nach, durch die
Hippocrates uns das grosse therapeutische Gesetz
der Aehnlichheit gegeben hat, müssen wir dann
nicht staunen über die Gleichgültigkeit, der es bei
den Aerzten begegnet, hei denen doch sonst die
Schriften des Vaters der Medicin stets hohe Ach¬
tung und bedeutendes Ansehen genossen haben?
Die Sätze: Das, was den nicht vorhandenen Harn¬
zwang hervorruß, hebt ihn auf, wo er da ist , und:
Das Fieber wird durch das gehoben , icas es ver¬
ursacht , schliessen eine klare Lehre in sich ein,
durch die wir in den Stand gesetzt werden, die
Medicin auf die hohe Stufe practischer Vollkommen¬
heit zu bringen. Die Worte sagen, welcher Stimme die
Wissenschaft folgen muss, um die Heilmittel zu
entdecken, die gegen die verschiedenen Leiden,
welche die Menschheit peinigen, wirksam sind.
Wenn man sagt, das Fieber wird durch das
gehoben, was es hervorruft, beweist man damit nicht,
dass der Versuch mit den Medicamenten am gesunden
Menschen der richtige Weg ist, um ihre Heilwir¬
kungen zu erproben?
Wollt ihr, scheint Hippocrates zu sagen, die ver¬
schiedenen Krankheiten, die ihr beobachtet, heilen,
dann sucht durch Experimente zu erfahren, welche
Stoffe die Eigenschaft haben, die Krankheit her¬
vorzurufen! Und so sehen wir denn heute, dass
schon damals, als es erst in der Heilkunde zu
tagen begann, die zwei Grundgesetze der Homöo¬
pathie : das Aehnlichkeihgesetz und die Arzneimittel¬
prüfung am gesunden Menschen von unseren be¬
rühmtesten Vorfahren erkannt und sozusagen for-
mulirt worden sind.
Vielleicht, meine Herren, habe ich mich etwas
zu weit über die Beziehungen zwischen der Lehre
des Hippocrates und der Homöopathie ausgelassen,
doch möge mir zur Entschuldigung dienen, dass
man stets froh ist, wenn man Leute als Zeugen
und Bürgen hat, vor deren Geist sich unstreitig
jeder beugt. Kürzer will ich mich fassen, indem
ich Ihnen von den Meistern der Schulmedicin die¬
jenigen nenne, die eine erste Erkenntniss oder Vor¬
ahnung von unserer Lehre gehabt und dies mehr
oder weniger deutlich in ihren Schriften und ihrem
Unterricht gezeigt oder formulirt haben.
Sie alle haben von Paracelsus reden hören. Ein
Zeitgenosse der Reformation verstand es Paracelsus,
dieser kühne Revolutionär, hochgebildet und talent¬
voll, dabei aber auch frech und unverschämt, wie
er war, indem er die Kniffe der Alchimisten und
Astrologen zu Hülfe nahm und sogar in Gaukler-
und Marktschreierweise dabei vorging, die während
des Mittelalters eingeschlafene Schulmedicin wieder
zu erwecken. Er zog auf den Märkten umher,
lockte die Menge durch wenig empfehlenswerthe
Reclame an und verkündete, dass er die Lehre
Galens Umstürzen wolle, da sie total falsch sei:
Galenits stolidus . Er wagte es, die damals in Ehren
stehende Lehre von den vier Elementen in Rauch
und Asche aufgehen zu lassen: quatuor elemenia
absuvda ; ja sogar an Aristoteles und seine Logik
wagte er sich und erklärte sie für thöricht und un-
Digitized by
Google
199
brauchbar: Aristoteles contemnendm , logiea inutilis et
absnrda.
Man muss sich in jene Zeit versetzen, wo die
blinde Ehrfurcht vor der Ueberlieferung und dem
Worte des Meisters noch ungetheilt herrschte, um
sich einen Begriff von dem Sturm machen zu können,
den derartige Aeusserungen erregten. Trotzdem
zogen seine Erfolge als Neuerer, seine neuen
Theorieen, sein unbestreitbares Genie, ja sogar
die Empörung, die sich über seinen Charlatanismus
erhob, all diese Gründe, trotz ihrer gänzlichen Ver¬
schiedenheit, ihm eine Menge von Aerzten zu, die
begierig waren, den so lange bisher eingeschlage¬
nen Weg zu verlassen. Vor dieser durch seine
Beredtsamkeit und seine nicht wegzuleugnende Bil¬
dung verführten Menge, vor diesem Haufen von
Neugierigen und Bewunderern, predigte Paracelsus
das therapeutische Aehnlichkeitsgesetz und wandte
dann dies Gesetz auch auf die Constellationen der
Sterne an, indem er empfahl, Venus mit Mercur,
Hebe mit Mars etc. zu behandeln. Lassen wir
diese astrologischen Gaben bei Seite, die uns heut¬
zutage nur ein Lächeln abnöthigen können, die
aber im sechzehnten Jahrhundert eine ebenso that-
sächliche, wie schwer begreifliche wissenschaftliche
Popularität genossen; es ist schon gut, wenn wir
uns bei Anwendung der Heilmittel nach dem Ge¬
setze richten. Paracelsus also verwarf die Lehre
Galens und stellte als Grundsatz folgenden Aphoris¬
mus auf, der seine Ansicht in therapeutischer Be¬
ziehung enthält:
Neque unquam idlus morbus calidus 'per frigida
sanatus fuit , nee frigidus per calida , simile autem
8uum simile frequenter curavit.
Wir haben längst die Theorie der kalten und
heissen Krankheiten verlassen, wie sie vor 300
Jahren bestand, halten aber trotzdem an dem Prin-
cip des Paracelsus fest, dass das Heisse, d. h. die
Entzündung, durch Medicamente bekämpft werden
muss, welche die Entzündungserscheinungen hervor-
rufen, und das Kalte, d. h. Anämieen, Kachexieen
etc., durch die Mittel, deren Anwendung die Er¬
scheinungen der Schwäche und Abzehrung her¬
vorruft.
Ueberspringen wir nun ein Jahrhundert, meine
Herren, so treffen wir auf Stahl, den Gründer der
vitalistischen Schule, den Mediciner der starren, ab¬
soluten, glaubenseifrigen Religiosität, das Gegenstück
des Paracelsus, so wie man es ähnlich nicht auf
medicinischem, sondern auf dem Gebiete heutzutage
antrifft, welches am wenigsten mit der Medicin zu
thun hat.
Stahl ist eine der grossen Gestalten der Medicin
und war — ich will dies für die bemerken, die
unserem Fache fern stehen — mit Hoffmann der
Führer jener kleinen Universität zu Halle, die der
damalige Kurfürst von Brandenburg, Friedrich I.,
in einer Laune in der unbedeutenden Stadt gegrün¬
det hatte, die aber durch den Ruf ihrer Lehrer
bald alle andern damaligen Facultäten verdunkel¬
ten. Ich will Ihnen seine sonstigen Lehren nicht
auseinandersetzen, die noch kürzlich von der Facul-
tät in Montpellier vertreten wurden, sondern ich be¬
schränke mich darauf, seine Ansichten in thera¬
peutischer Beziehung klarzulegen. Er sagt: Die
von der Medicin angenommene Regel, die Krank¬
heiten durch Mittel zu heilen, welche im Gegen¬
satz zu den Wirkungen stehen, die sie hervorrufen,
(contraria contrariis) ist ganz falsch und thöricht.
Im Gegentheil, ich bin überzeugt, dass die Krank¬
heiten durch Stoffe weichen, welche eine ähnliche
Affection veranlassen — similia similibus; Verbren¬
nungen durch ein Feuer, das man heranbringt;
Erfrierungen durch Anwendung von Schnee und
kaltem Wasser; Entzündungen und Contusionen
durch Application von Spirituosen.
„So ist es mir gelungen, die Disposition zur
Hyperacidität des Magens durch ganz kleine Dosen
von Schwefelsäure zu vertreiben, nachdem vergebens
eine Menge Alkalien zur Absorption gegeben worden
waren.“
Man kann demnach, wie Sie sehen, Stahl mit
vollem Recht einen Vorläufer der Homöopathie
nennen: er wendet ihren Grundsatz an, ohne seine
Anwendung jedoch ganz erkannt zu haben und
andrerseits war er viel zu sehr mit seinem Unter¬
richt und seinen philosophischen Streitigkeiten be¬
schäftigt, als dass er viel Zeit für die Praxis ge¬
habt hätte. Trotzdem er nun von sich selbst ge¬
sagt hat, er predige in der Wüste — ego sum vox
rauca in deserto, — sind wir doch glücklich und
stolz, wenn wir beim Nachsuchen in seinen heut¬
zutage gänzlich unbekannten Werken schon eine
Ahnung unserer Lehre finden, und zwar nicht nur
im Princip, sondern auch in Bezug auf die Ver¬
minderung der Dosen. Denn in der That hatte
Stahl erkannt, dass man nach dem Aehnlichkeits¬
gesetz die Medicamente nur in sehr verdünnten
Dosen geben darf, wenn man nicht Gefahr laufen
will, das Uebel durch das Heilmittel zu ver¬
schlimmern.
Dies geht aus der Stelle hervor, wo er sagt,
dass er mit Erfolg kleinste Dosen Schwefelsäure
gegen die Hyperacidität des Magens angewendet
habe, während die grossen Dosen von Alkalien, die
man nach dem Princip der Gegensätze gab, voll¬
ständig erfolglos blieben.
Diese Art der Anwendung von Medicamenten
in kleinen Dosen finden wir auch in den Werken
eines anderen grossen Mannes angegeben, eines
Rivalen und Zeitgenossen Stahls, der vielleicht noch
berühmter als dieser ist, — ich meine Boerhaave.
Digitized by to )£ie
200
Während Stahl durch seinen Unterricht die kleine
Universität Halle berühmt machte, warf Boerhaave
einen nach helleren Glanz auf Leyden, wo er
Männer, wie Haller, Haen, van Swieten zu Schü¬
lern hatte, die das achtzehnte Jahrhundert mit dem
Ruhme ihres Namens füllten. Er war so berühmt,
dass es nach einer Erzählung genügte, an ihn zu
schreiben: An Boerhaave in Europa, und unver¬
züglich kam der Brief an seinen Bestimmungsort!
Seine Popularität stand seinem Ruhme nicht
nach, denn als er im Jahre 1712 einen Gicht- und
einen Schlaganfall durchgemacht, die ihn zwangen
seinen Unterricht auszusetzen, da war dann die
ganze Stadt geschmückt und beleuchtet, als er
nach einer Ruhepause von einigen Monaten seine
Vorlesungen wieder beginnen konnte. — Aller¬
dings hat Boerhaave, um die Wahrheit zu sagen,
iitcht das Aehidichkei t sg e s e tz gelehrt, deck war er
ein unbedingter Anhänger der Verdünnung der
Dosen, wie es folgende Stelle beweist, die ich
seiner Abhandlung über die Eigenschaften der Me-
dicamente entnehme: „Medicamina dividi possunt
in partes adeo minutas, ut imaginationis vim paene
eludant, quae tarnen retinebunt vires!“ Was ist das
denn nun für eine Dosis, die der Geist nicht be¬
greifen kann, wenn es nicht eine unendlich kleine
ist? Und doch behält diese Dosis nach Boerhaave
die Eigenschaften und Tugenden des Stofles, aus
dem sie entsteht: Quae tarnen retinebunt vires!
Glücklicher als Halmemann konnte der berühmte
Führer der Leydener Schule diesen Grundsatz ver¬
künden, ohne als überspannter Träumer behandelt
zu werden.
Dies, meine Herren, und ich habe nur die Be¬
rühmtesten erwähnt, sind die Vorläufer, welche die
Homöopathie mit gutem Recht für sich in Anspruch
nehmen darf und auf die sie mit gutem Grunde
stolz sein kann. Es genügt uns aber nicht, Vor¬
läufer gehabt zu haben, sondern wir wollen auch
unsern Einfluss auf die Zeitgenossen zeigen und
beweisen, dass alle Fortschritte der modernen
Schulraedicin, weit entfernt davon, unsere Lehre zu
vernichten oder zu zerstören, vielmehr deren Rich¬
tigkeit und Brauchbarkeit immer deutlicher be¬
wiesen haben.
Der Einfluss der Homöopathie auf das Studium
und die Anwendung der Arzneimittel beim Kranken
muss allen unparteiischen und denkenden Geistern
ins Auge springen. Wenn man sich in die medi-
cinische Praxis von vor ungefähr 30 Jahren zu¬
rückversetzt und mit der heutigen vergleicht, dann
wird man sehen, welche gewaltigen Veränderungen
durch die neue Methode eingetreten sind. Da ist
zuvörderst das Aufgeben des Aderlasses bei Ent¬
zündungen: als die Aerzte sahen, dass die Homöo¬
pathen ihre Kranken heilten, ohne zum Messer zu
greifen, da steckten sie das ihre auch ganz all*
mählig in ihre Tasche, so dass heutzutage viel¬
leicht den ganzen Tag in einer Stadt wie Paris,
kein einziger Aderlass ausgeführt wird. Zum Un¬
glück aber haben unsere Collcgen, als sie den
Aderlass aufgaben, doch unsere Lehre nicht ange¬
nommen, und zwar aus folgender Ueberlegung:
Die Krankheiten heilen alle von selbst, denn die
Mittelchen der Homöopathen sind nur Fabelei, und
ist es deshalb thöriclit, sie anzuwenden, lassen wir
die Natur ruhig wirken, sie wird die Kosten der
Heilung tragen. Daher kam das exspectative Ver¬
fahren, dies unheilvolle Verfahren, dessen Fehler
und Gefahren die Statistiken deutlich zeigen. —
Ich will Ihnen nur diejenigen von unseren Medi-
camenten ins Gedächtniss rufen, die allgemach in
die allgemeine Praxis übergegangen sind. Fast
alle Aerzte gebrauchen jetzt Aconit, Hamamelis,
Drosera, Pulsatilla, Hydrastis und dergl. Medica-
mente noch, obwohl sie nicht dieselben Resultate
erhalten, die sie unter Berücksichtigung unserer
Regeln und Grundsätze erhalten könnten, da sie
die Mittel ohne Methode und Unterschied verordnen.
Dieses Gebiet ist jedoch von geringerer Wichtig¬
keit und habe ich mich dabei nur aufgehalten, um
es kurz zu kennzeichnen. Viel wichtiger und sehr
beachtenswertli ist die Art und Weise, wie man
heute die Arzneistoffe prüft. Hahnemann stellte
als Grundsatz auf, dass man die Medicaraente am
gesunden Menschen prüfen müsse, gerade wie ich
oben sagte, dass man, um ein Instrument benützen
zu können, seinen Mechanismus kennen müsse.
Und doch hatte vor unserem Meister, mit Ausnahme
von Storck, nie jemand versucht, die Eigenschaften
und Wirkungen der Arzneimittel kennen zu lernen.
Heute studiren alle Aerzte die Wirkung der Mittel
an Thieren und Menschen, und es erscheint klar,
dass es sinnlos wäre, die Anwendung von Stoffen
vorzuschreiben, deren Eigenschaften man nicht
kennt. Und doch will Niemand Hahnemann das
Verdienst zuschreiben, diese so natürliche und ein¬
fache Wahrheit verkündet zu haben, ja es scheint
sogar, als wolle man behaupten, dass dieses Vor¬
gehen schon immer stattgefunden habe. Erklären
wir daher laut, dass unsere Schule das Verdienst
beanspruchen kann und dass ohne Hahnemann die
Arzneimittel immer noch nach der blinden, empiri¬
schen Praxis seiner Vorgänger angewandt werden
würden.
Der berühmte Lehrer an der Facultät in Paris,
Professor Trousseau, erkannte sehr gut die Wich¬
tigkeit der Homöopathie, da er aber seine Beliebt¬
heit nicht aufs Spiel setzen und den Zorn seiner
Collegen nicht erregen wollte, hatte er eine Sub¬
stitutionsmethode erfunden, eine sehr mangelhafte
Zusammenfassung der llahnemann’schen Reform,
Digitized by ^.ooQle
201
mit deren Hülfe er aber im Stande war, nach dem
Gesetz von similia similibns vorzugehen, ohne all¬
zusehr gegen die herrschenden Vorurtheile zu ver-
stossen.
Fortwährend studirte er in Halmemanns „Ma-
teria mediea“ und hatte das kleine homöopathische
Handbuch des Dr. Jahr stets bei sich. Ich muss
offen hier bekennen, dass sein Benehmen gegen
Aerzte unserer Schule eine Zuvorkommenheit und
eine Liebenswürdigkeit zeigte, die wir sonst leider
sehr wenig gewohnt sind.
Dieser berühmte Mann sagt in der Vorrede
seiner Abhandlung über Arzneischatz und Therapie,
dass man bei der Homöopathie drei Hauptpunkte
beobachten müsse: erstens eine neue Idee von der
Arznei, zweitens eine neue Methode zur Zusammen¬
stellung des Arzneischatzes und drittens eine all¬
gemeine Heilkunde, die aus gewissen sicheren Be¬
ziehungen zwischen der Natur der Krankheit und
dem Heilmittel abgeleitet worden ist; nachdem er
dann dies alles aufgezählt hat, bespricht er es lang
und ernsthaft, so dass man ihn ja nicht mit den
leichtfertigen Geistern vergleichen darf, die nie ein
homöopathisches Buch geöffnet, nie ein homöopathi¬
sches Mittel versucht haben, und doch in thörichtem
und strafbarem Unfehlbarkeitsglauben, ohne den
geringsten Widerspruch zu dulden, über die Ho¬
möopathie ihr Urtlieil sprechen.
Weiter sagt Troasseau in der Einleitung seiner
Abhandlung über die Heilkunde: „Die Wichtig¬
keit, die sich für uns in Bezug auf die homöopa¬
thische Lehre aus mehreren bemerkenswerthen
Werken ergiebt, die seit unserer letzten Ausgabe
erschienen sind, zwingt uns, diese Lehre von einem
neuen Standpunkte aus zu betrachten.“ Ich habe
diese Zeilen der Vorrede der achten Auflage ent¬
nommen und ich widme sie der grossen Menge von
Medicinern, die, ohne im geringsten den Werth
und das Ansehen Trousseaus zu besitzen, sich doch
erlauben, über die Homöopathie mit einer Unum-
wundenheit und einer Leichtigkeit zu urtkeilen, ;
wie selbst jener grosse Mediciner es sich nicht zu |
thun erlaubt hatte.
Nachdem ich nun vom bedeutendsten französi¬
schen Kliniker des 19. Jahrhunderts gesprochen,
gestatte man mir die Worte Graves zu citiren, den
England mit Recht als den bedeutendsten seiner Aerzte
der Jetztzeit ansieht. Die folgenden Sätze sind
einer Nachschrift seiner klinischen Vorlesungen,
jedoch der französischen Uebersetzung des Prof. 1
Jaccond, eines unserer bedeutendsten Lehrer, ent- j
nommen:
„Falsch angewendet kann Quecksilber Caries
der Knochen verursachen, besonders der Nase und
das Gaumens. Seit langer Zeit weiss man, dass
gewisse energische Medicamente Affedionen zu
Wege bringen, die timen ganz analog sind, die sie
sonst heilen: Mercur, Belladonna, Strychnin, Chmm
und andere beweisen uns diese specielle Wirkung
auf den Körperhaushak. Kurz, meine Herren, es
ist schwer begreiflich, wie ein Arzneimittel Affec-
tionen gewisser Gewebe heilen soll, wenn es nicht
einen bestimmten Einfluss auf sie ausübt; von
diesem Gesichtspunkte ans haben wir hiermit eine
Darstellung des homöopathischen IMnoips, similia
similibus curantur .“
Wenn wir nun die gewöhnliche Praxis 4er
Heilkunst verlassen, um die Strömungen zu stu-
diren, die heute die raedrctnischo Wissenschaft auf
einen an Entdeckungen fruchtbaren Weg zu leiten
scheinen, so werden wir sehen, wie viel die neuen
Lehren sich den unsrigen nähern. Sie alle wissen,
dass nach den prächtigen Arbeiten von Pasteur
man heutzutage die Krankheiten mit Impfstoffen
zu verhüten oder zu heilen sucht, die nichts sind,
als verdünnte Krankheitsproducte. Da sehen wir
deutlich das Aehnlichkeksgesetz, welches allen diesen
Arbeiten und Forschungen zu Grunde liegt, wie in
gleicher Weise die Verdünnung der Dosen bei An¬
wendung des neuen Vorgehens in Ehren steht.
Jenner ist es, der zuerst dem Menschen die
Kuhpocken einimpfte, um ihn vor Variola zn
schützen. Sie alle wissen, welche glücklichen Er¬
folge seine Entdeckung gehabt hat, sodass er
seinen Platz unter den Wohlthätern der Menschheit
einnimmt.
* Diese Entdeckung, homöopathisch ihrem Wesen
nach, blieb lange allein, bis Hahnemann und seine
Schüler das Gebiet der Heilkunst umzuarbeiten be¬
gannen und dabei erkannten, wie reich an Conse-
quenzen die Entdeckung Jenners sei. Diese Ent¬
deckung, die er fast dem Zufell verdankte, hatte
Jenner die Augen nicht über das Aehnlichkettsge-
setz geöffnet, obwohl es entschieden eine seiner
schönsten Anwendungen ist Die Homöopathen
hingegen begriffen ihren ganzen Werth und ihre
Folgen, und haben schon 50 Jahre vor Pasteur, wie
ich vor ungefehr 10 Jahren in meiner Bro¬
schüre: „Die Vorläufer Pasteure“ gezeigt habe, die
Verwendung der Krankheitsproducte zur Heilung
der Krankheiten angepriesen. Zum Unglück blieb
ihre Stimme ohne Widerhall, während es die un¬
seres berühmten Landsmannes verstand, sich auf
dem ganzen Erdkreis Gehör zu verschaffen, jedoch
bedauern wir dies nicht etwa, sondern wir wollen
nur unsere Pflicht thun und nach weisen, dass die
Entdeckungen Pasteurs und seiner Schüler schon
längst von den Schülern Hahnemanns empfohlen
worden sind. Um dies zu beweisen, brauche ich
Ihnen nur Thatsachen anzuführen!
Im Jahre 1823 glaubte der homöopathische
Thierarzt Dr. Lux zu erkennen, dass die Gifte, die
Digitized by Google
202
er an wandte, um die passenden Präparate, d. h. die
verdünnten Lösungen herzustellen, im Stande seien,
die Krankheiten zu heilen, unter deren Einflüsse
sie sich im Körper entwickelten, dass also jede
Krankheit in sich selbst ihr Gegengift enthielte.
Er gab eine Broschüre heraus mit dem Titel: Iso -
pathie der Contagim , in welcher er Beispiele sam¬
melte von Krankheitsheilungen durch Anwendung
der Producte eben dieser Krankheiten selbst, und
nannte seine Lehre Isopathie, indem er sie für
einen Zweig der Homöopathie ansah.
1884 schrieb einer unserer bedeutendsten Lehrer,
Dr. Stapf, Folgendes: „Ich zweifle nicht, dass die
fast gleichzeitig von Lux, Gross und Hering ge¬
machte Entdeckung in Betreff der Wirksamkeit
der contagiösen Stoffe auf die Krankheiten, welche
jene erst hervorbrachten, eine der bedeutendsten
Entdeckungen ist, die seit Beginn unserer Lehre
aufgetaucht ist. Es scheint mir diese einen grösse¬
ren Grad der Vollkommenheit durch Einführung
der contagiösen Agenden erlangt zu haben, da
diese noch ähnlicher sind.“
Ungefähr gleichzeitig schrieb Dufresne (Genf)
im UI. Band der homöopathischen Bibliothek, dass,
da die Verwendung der contagiösen Stoffe als Heil¬
mittel ein an practisehen Erfolgen reicher Gedanke
sei, der Glaube wohl berechtigt sei, dass ihre An¬
wendung in Fällen von Krankheiten, die den
durch sie hervorgerufenen ähnlich seien, (natürlich
in Hahnemann’schen Präparaten) dazu führen könne,
die hauptsächlichsten epidemischen Plagen wirksam
zu bändigen und den furchtbaren Epidemieen ein
Ziel zu stecken, welche die Menschheit decimiren.
1836 verwerthete Dr. Weber, hessischer Hofrath,
Leibarzt des Fürsten von Lieh und Hohensohn und
Herausgeber eines klassischen Werkes über die
Homöopathie, diese Principien und liess die Milz
von Thieren, die an Milzbrand gestorben waren,
präpariren, indem er dabei das System der Ver¬
dünnung der homöopathischen Pharmakopoe befolgte.
Er wendete diese Lösungen des Virus bei milz¬
brandkranken Thieren an und zwar mit grossem
Erfolge. Man findet in der Weber’schen Mono¬
graphie die Einzelheiten in Bezug auf Anwendung,
Dosirung und Wiederholung angegeben. Seine
Versuche tragen stets den Charakter grösster
Glaubwürdigkeit, sie sind mehrere Jahre hindurch
an einigen Hundert Thieren bei über 80 mit Namen
angeführten Landwirthen ausgeführt worden, und
haben die ersten Autoritäten im Lande schriftlich
bezeugt, dass sie die Wahrheit dieser Thatsachen
selbst beobachtet hätten. — Gleichzeitig verwen¬
dete Dr. Dufresne (Genf) mit gleichem Erfolg Milz¬
blut in 6. homöopathischer Verdünnung gegen die
pustula maligna beim Menschen, und veröffent¬
lichte dann darüber eine sehr detaillirte Beobach¬
tung des Heilungsvorganges im sechsten Bande
seiner Zeitschrift. Lux verkündete seinerseits die
Heilbarkeit der Rotzkrankheit vermittelst der der
Hahnemannschen Präparation unterworfenen Infec-
tionssäfte.
All diese schönen Entdeckungen, all diese
neuen Heilmittel, die sich auf ein Princip stützten,
die einer bestimmten Methode ihren Ursprung ver¬
dankten, hätten die Bewunderung der Gelehrten
erregen müssen. Doch war dem nicht so, denn
ausserhalb unserer Schule kümmerte sich kein
Mensch um die beachtenswerthen Kuren, ja es
mussten 40 Jahre vergehen, bis Davaine, Bouley,
Pasteur diese Versuche von Neuem aufnahmen,
und sie in die allgemeine Praxis einführten, um
sich dadurch mit einem allerdings wohl verdienten
Ruhm zu bedecken, obgleich, wenn es nach Recht
ginge, ein Theil dieses Ruhmes auf ihre Vorläufer
fallen müsste, die nur zur Zunft der Academiker
und officiellen Aerzte hätten zu gehören brauchen,
um die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich
zu ziehen und ihre Bewunderung zu erregen.
Pasteur hat das Problem der Impfung gegen
die Tollwuth gelöst, sein Ruhm ist unzerstörbar,
und doch waren es Homöopathen, DDr. Hering,
Trinks und Hermann von Thalgan, die vor bereits
40 Jahren erklärten, dass das Specificum gegen
die Tollwuth sich in den Säften der mit dem Toll-
wuthkeim inficirten Thiere befinde; Rapou (Lyon)
fügte noch hinzu, dass es nicht genüge, die
Verdünnung der Keime zu bewundern, sondern
dass man practisch die Impfung ausführen müsse.
Wenn man doch, unter dem enthusiastischen Bei¬
fall, den man dem greisen Pasteur schenkt, ein
wenig erkenntliche und bewundernde Erinnerung
für seine unberühmten, aber thatsächlichen Vor¬
läufer bewahren und aufhören wollte, eine Lehre
gering zu achten, der bewusst oder unbewusst alle
unsere grossen Gelehrten der Jetztzeit in all ihren
Forschungen und all ihren Arbeiten gefolgt sind,
zum mindesten in denen, welche die Heilung oder
Verhütung von Krankheiten nach einer positiven,
wissenschaftlichen Methode, d. h. durch Verdünnung
der Krankheitsstoffe und deren Anwendung nach
dem Aehnlichkeitsgesetz zum Ziele hatten. Höre
man doch endlich auf, die Homöopathie die Medicin
überspannter Träumer zu nennen, denn wir brau¬
chen unsere Verächter nur auf Davaine, Bouley,
Pasteur, Brown-Söquard, Richet, Bouchard zu ver¬
weisen, die heute alle dm Vorsckriftm und der Me¬
thode Samuel Hahnemanns folgen.
Soll ich Ihnen von den Versuchen sprechen,
die mit dem Safte der Schilddrüse bei der Behand¬
lung von Myxoedem gemacht wurden, von der In-
jection des Nierensaftes bei Alburainurieen, und von
vielen andern Versuchen, die noch zu neu und zu
Digitized by ^.ooQie
203
wenig zahlreich sind, als dass man schon sichere
Schlüsse daraus ziehen könnte? Es genüge uns zu
constatiren, dass all diese Experimente auf der
Behandlung des Aehnlichen mit dem Aehnlichen
beruhen. Man will es nicht zugestehen, und doch
ist similia similibus heute Sieger.
Allerdings ist die Frage der unendlich kleinen
Dosen für viele ehrenwerthe, aber beschränkte
Geister der Stein des Anstosses und die Kugel,
welche Hahnemanns Schule am Fusse nach sich
schleppt, und doch hat das Studium der Mikroben
und Fermente die Schulmedicin gezwungen, sich
mit der unendlichen Kleinheit zu befassen. Ich
kann in einer einzigen Sitzung Ihnen nicht die
complicirte, weitläufige und schwierige Geschichte
der ganzen mikroskopischen Welt vorführen, die
seit 15 Jahren den ganzen Witz einer Menge unter¬
richteter und erfahrener Arbeiter auf die Probe
stellt. Die erlangten Erfolge sind schon beträcht¬
lich, doch versprechen sie noch viel wichtiger zu
werden, nicht allein für die Medicin, sondern für
alle Arten menschlicher Thätigkeit. Ich will nur
darauf hin weisen, welche Fortschritte der Land¬
wirtschaft durch die Kenntniss der Fermente und
Mikroorganismen bevorstehen, sei es, dass es ge¬
lingt die als schädlich erkannten zu zerstören, sei
es die nützlichen zu verwerten, mit deren Hülfe
es ja auch schon gelungen ist, die Fabrikation von
Bier, Wein, Käse, kurz aller der Produkte zu ver¬
bessern, die wir der Bodenkultur und den vom
Boden abhängenden Industrieen verdanken.
Berücksichtigen wir von dieser Kenntniss der
Mikroben nur das, was unsere Wissenschaft direct
berührt, und wir werden sehen, welch eine mini¬
male Dosis, ich will nicht sagen von Mikroben,
sondern von Secreten der Mikroben genügt, um
ein Thier zu impfen, d. h. seinen Körper unem¬
pfindlich gegen eine Krankheit zu machen. Ich
entnehme das folgende Beispiel Professor Bouchard,
dem doch niemand Schwäche oder Sympathie gegen¬
über Hahnemanns Lehre vorwerfen kann. Herr
Bouchard stellt mit einer sterilisirten Staphylococcen-
Kultur Lösungen von 1:100, 1:200, 1:1000,
1:10000 her. Von dieser Lösung injicirt er Ka¬
ninchen einige Kubikcentimeter und bewirkt da¬
durch eine vollständige oder relative Immunität
gegen die Impfung einer virulenten Kultur des
Staphylococcus-Bacillus. Ich lasse nun die Schluss¬
folgerungen Dr. Bouchards folgen, ohne ein Wort
zu ändern:
„Wenn man bedenkt, dass ein Tausendstel eines
Kubikcentimeters der Kultur nicht wirkungslos ist,
und dass die Kulturen in der Spargellösung Bacte-
rienstoffe nur im Verhältnis 5:1000 enthalten, von
denen wieder 7 | 8 aus Ammoniak bestehen, welcher
keine Impfwirkung hat, so kommt man zu dem
Schlüsse, dass die Impfstoffe auch in solchen Dosen
noch wirksam sind, die nur einen minimalen Bruch-
theil eines Milligramms darstellen.“
Da haben wir eine Bestätigung der Wirkung
der unendlich kleinen Dosen, und zwar durch einen
der bedeutendsten medicinischen Professoren; das
lässt uns hoffen, dass sie mehr Gewicht haben wird
bei den Aerzten, als unsere Erklärungen, obwohl
diese bald 100 Jahre alt sind. Doch das schadet
schliesslich nichts, wer die Wahrheit verkündet,
wenn diese Wahrheit nur endlich triumphirt.
Bei Gelegenheit der Frage der unendlich klei¬
nen Dosen, die für mich so verführerisch ist, dass
sie über die Grenzen menschlicher Erkenntniss hinaus¬
lockt, um noch unbekannte Regionen zu durch¬
wandern, möge es mir vergönnt sein, Ihnen die
kürzlich gemachten Experimente Herrn Crookes über
die strahlende Materie ins Gedächtniss zu rufen.
Dieser geschickte Chemiker, der das Thallium ent¬
deckt, dieser bedeutende Physiker, der den Radio¬
meter erfunden, hat den erstaunten Augen eines
aus Mitgliedern des Institut de France zusammen¬
gesetzten Auditoriums gezeigt, welche Kraft der
Stoff besitzt, wenn er in unendlich kleine Theile
getheilt, oder soweit verdünnt ist, dass man kaum
noch glauben könnte, von einem Stoffe reden zu
dürfen.
Sie alle wissen, dass die Gase aus unendlich
kleinen Theilen bestehen, die in fortwährender Be¬
wegung sind; da jedoch ihre Anzahl eine ganz un¬
geheure ist, so wird ein jeder unaufhörlich durch
die Nachbartheilchen gestört, die an ihn anstossen
und ihn aus seiner ursprünglichen Richtung bringen,
so dass er hur in chaotischer Folge vorwärts kommt,
um in verschiedenster Richtung zurückzukommen.
Wenn es nun aber gelingt, in einem ge¬
schlossenen Raume die Zahl der Theilchen so zu
verringern, dass man sie auf die geringste Ziffer
brächte, dann könnte jedes Theilchen seinen ge¬
raden Weg gehen, ohne durch den Stoss der Nach¬
bartheilchen stets von seinem Wege gedrängt zu
werden. Um nun die Gase auf den Zustand zu
bringen, wo die Theilchen einander nicht mehr
stören, erzeugt Crookes in einem Glasgefäss eine
derartige Luftleere, dass der Luftdruck auf den
millionsten Theil einer Atmosphäre herabgedrückt ist.
Man könnte nun glauben, dass in solcher Ver¬
dünnung die Gasmenge, die zurückbleibt, ganz un¬
wesentlich sei; doch würde dies, sagt Crookes, ein
schwerer Irrthum sein, der darauf beruht, dass unser
schwacher Geist nicht im Stande ist, so grosse
Zahlen zu begreifen.
Nach den besten Quellen enthält ein Glasballon von
ca. 13,5 cm im Durchmesser mehr als eine Quadril-
lionMolecüle (1,000,000,000,000,000,000,000,000).
Wenn wir nun den Luftdruck auf ein Millionstel
26*
Digitized by
Atmosphäre herabdrücken, enthält der Ballon immer
noch eine Trillion Molecüle, eine Anzahl, die mich
wohl berechtigt, dem im Ballon verbliebenen Gase
den Namen Materie zu geben.
Crookes fügt nun hinzu, dass, wenn man Gas
auf ein Millionstel Atmosphärendruck verdünnte,
man es soweit vom gasförmigen Zustand entfernt,
wie dieser vom flüssigen entfernt ist; er hält es
daher für richtig, einen vierten Aggregatzustandanzu'
nehmen und gebraucht dafür den Ausdruck straA-
lende Materie.
Im Anschluss hieran hat Crookes wunderbare
Experimente gemacht und ist es dem gelehrten
Physiker, indem er mit Böhren arbeitete, in denen er
eine bisher unbekannte Leere erzeugte, gelungen,
neue Wirkungen hervorzurufen, die nie Jemand
hätte vorauasehen können.
So gelang es ihm mit dem elektrischen Strom,
die strahlende Materie in Bewegung zu setzen,
wobei ihre Theilchen sich geraden Weges vom ne¬
gativen Pole wegwendeten. Am negativen Pole ist
die Bohre dunkel, während auf der andern Seite
das Glas in Folge des Stosses der Molecüle hell
wird und zu phosphoresciren beginnt. Die Theil¬
chen der strahlenden Materie können nämlich, da
sie in Folge ihrer geringen Anzahl nicht zusammen-
stossen, an die Wand der Bohre anschlagen.
Die unter solchen Umständen hervorgerufene
Erscheinung der Phosphorescenz wird noch glän¬
zender, wenn man in die Bahn der strahlenden
Materie einen Diamanten einschiebt. Der Diamant
bekommt eine prächtige gelbe Färbung und beginnt
so stark zu phosphoresciren, dass er Licht giebt,
dessen Stärke der einer Kerze vergleichbar ist.
Crookes bringt einen beachtenswerthen Beweis
für den geradlinigen Weg der Theilchen. In einer
Bohre, wie im vorigen Falle, bringt er in die Bahn
der strahlenden Materie einen kleinen Schild aus
Glimmer in Form eines Maltheserkreuzes. Wenn
sich dann unter dem Einfluss des electrischen Stro¬
mes die Molecüle in Bewegung setzen und dabei
vom negativen Pol sich wegbewegend das Bestreben
haben, das Ende der Bohre am positiven Pol zu
erreichen, wird eine Anzahl von ihnen durch den
Glimmerschild aufgehalten: ein correspondirender
Tbcil auf der andern Seite wird durch den Schild
vor dem Stoss der Molecüle geschützt, kann daher
nicht phosphorescirend werden und bleibt dunkel. So
kommt es, dass man thatsächlich auf dem erleuch¬
teten Grunde sich ein Maltheserkreuz schwarz ab¬
zeichnen sieht.
Auch ein anderer Versuch zeigt, dass die elektri-
sirten Molecüle sich in gerader Linie bewegen,
während in den Gessler’schen Böhren das Licht allen
Ausbuchtungen der Glasröhren folgt, die die Kunst
des Bläsers in ihren tausenderlei Formen erdenkt
Nehmen wir eine Bohre mit strahlender Materie
in Form eines V, so sehen wir, wie unter dem Ein¬
fluss des elektrischen Stromes die Molecüle von dem
am oberen Ende des einen Schenkels des V sitzen¬
den negativen Pol fortwandern und an das untere
Ende anstossen, ohne jedoch in den andern Schen¬
kel überzugehen, an dessen oberen Ende der posi¬
tive Pol sich befindet. Der erste Schenkel wird
hell, der zweite bleibt dunkel.
Ein zweites Experiment, nur iu anderer Form,
zeigt den geradlinigen Weg der Molecüle der strah¬
lenden Materie und den Unterschied dieser Erschei¬
nungen von denen der elektrischen Ströme. Die
letzteren strömen von Pol zn Pol; wechselt man
dann in einem gewöhnlichen Glasballon die Stellung
der Pole, so wechselt der Strom des elektrischen
Lichtes den Platz nach der Bichtung der Pole; bei der
strahlenden Materie ist dem nicht so: die Molecüle
entfernen sich vom negativen Pol und gehen ge¬
raden Wegs auf die Wand des Ballons zu, ohne
irgendwie abzuweichen, mag man den positiven
Pol ändern, so viel man will.
All diese Thatsachen zeigen, dass die von Croo-
ke& beobachteten Erscheinungen von den gewöhn¬
lichen elektrischen Erscheinungen ganz verschieden
sind und dass man die Strömungen der strahlenden
Materie nicht mit den elektrischen vermengen darf,
wenn es auch Molecüle einer elektrisirten Materie
sind. Ein letzter Versuch mag alle Zweifel heben.
Man weiss, dass zwei gleichartige elektrische
Ströme sich anziehen, dass aber gleichartig elektri-
sirte Molecüle sich abstossen. Richten wir eine der¬
artig luftleere Bohre so ein, dass sich am einen
Ende zwei negative Pole, am andern Ende ein
positiver Pol befindet und bringen dann die Molecüle
in Bewegung, dann sehen wir, dass sich die beiden
Lichtstrahlen von einander entfernen, sich abstossen,
ein entschiedener Beweis für ihre stoffliche Natur.
Nun führt der grosse englische Physiker mit
einer unwiderstehlichen Logik seine Schlüsse, auf
die ihn seine erste Hypothese gebracht, weiter aus,
und kommt auf seltsame Besultate, denen man sein
Staunen nicht versagen kann.
Da die Theilchen der strahlenden Materie die
Phosphorescenz durch ihren Stoss auf die Wand der
Glasröhren, auf den Diamant, Bübin u. s. w. hervor -
bringen, müssen sie doch auch Bewegung verur¬
sachen können, und allerdings ist dies der Fall.
In einer Bohre von ca. 10—12 cm befindet sich
ein kleines Bad mit thönerner Axe und Glimmer¬
schaufeln, welches auf zwei Glasschwellen ruht.
Setzt man nun die strahlende Materie durch den
electrischen Strom in Bewegung, so entfernen sieb
die Molecüle vom negativen Pol, schlagen an die
Schaufeln, so dass das Bad sich mit einer beträcht¬
lichen Schnelligkeit zu drehen beginnt, während es
Digitized by
Google
205
gleichzeitig auf den Schienen fortrollt. Wenn es
am Ende der Röhre angekommen ist, wechseln wir
den Strom und die Reise geht in entgegengesetzter
Richtung durch den Stoss der Molecüle vor sich,
bis das Rad an seinem alten Platze ist
Das ist ein wunderbares Schauspiel, und wem
es vergönnt war, die Versuche alle zu beobachten,
der stimmt mit ein in den sich erhebenden stür¬
mischen Beifall.
Weiter zeigt Crookes, dass die Molecüle von
ihrem Wege durch Annäherung eines Magneten ab¬
gelenkt werden: anstatt gerade weiter zu gehen,
beschreiben sie eine Curve und schlagen an die
Seitenwand der Röhre an. Hierdurch gelingt auch
der Beweis, dass die strahlende Materie ebenso gut
Wärme entwickelt, wie sie Bewegung hervorruft.
Es genügt, die eine Seite der Röhre mit einer
Schicht Wachs zu bedecken, und mit Hülfe eines
Magneten den Strom der strahlenden Materie auf
diese Seite zu lenken: nach kurzer Zeit schmilzt
das Wachs, dann beginnt das Glas selbst weich zu
werden, bis es schliesslich selbst schmilzt. Es ge¬
lingt sogar dem Stoss der electrisirten Molecüle, eine
ungeheure Wärme zu entwickeln, da sie eine ganz
beträchtliche Schnelligkeit besitzen, deim es ge¬
lingt in wenigen Secunden einen Platindraht zu
schmelzen, obwohl der Schmelzpunkt des Platins
ungefähr 2200° beträgt.
Die Materie erlangt also, wie Sie sehen, wenn
sie den Grad der Vertheilung erreicht hat, den
Crookes den strahlenden Zustand nennt, neue Eigen¬
schaften, die sich so vom gasförmigen Zustand unter¬
scheiden, wie dieser vom flüssigen und dieser wie¬
der vorn festen verschieden ist.
In jeder seiner Formen gewinnt und verliert
der Stoff gewisse Eigenschaften. Beim Wasser z. B.
sehen wir, dass es im festen Zustand als Eis die
gewaltigsten Lasten trägt, ohne sie durchzulassen,
es besitzt alle Eigenschaften der festen Körper,
kurz, es ist widerstandsfähig. Im flüssigen Zustand
ist es durchlässig, sucht sein Niveau nach Zerstö¬
rung sofort wieder herzustellen; in einem ver¬
schlossenen Gefäss ist sein Druck auf alle Theile
des Recipienten gleich; doch brauche ich ja nicht
alle die Eigenschaften der flüssigen Körper aufzu¬
zählen, die man in jedem Elementarlehrbuch der
Physik verzeichnet findet. In Dampfform wird seine
Expansivkraft eine ungeheure, so dass es durch
Ueberführung einer eingeschlossenen Wassermenge
in Dampfform gelingt, die Eisenbahn mit der be¬
kannten gewaltigen Schnelligkeit in Bewegung zu
setzen. Ein Schritt weiter, das Wasser wird Gas,
enthält die Eigenschaften von Sauerstoff und Wasser¬
stoff, wirkt oxydirend, vermag zu verbrennen, ver¬
liert aber gleichzeitig die Eigenschaften des Eises
oder der festen Körper, seines flüssigen ebenso wie
seines Dampfzustandes; es sind also die Körper mit
verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften, je
nach ihren verschiedenen Zuständen versehen. Im
Zustand der moleeülären Trennung, im Zustand der
unendlichen oder homöopathischen Verdünnung ver-
lieren die Körper, oder um auf medicinischem Ge¬
biete zu bleiben, die Heilmittel, die medicamen-
tösen Stoffe, gewisse Eigenschaften, die sie im festen
Zustand besassen, gewinnen jedoch auch neue, die
unsere Erfahrung, d. h. in Summa die Erfahrung
von ungefähr 20,000 Aerzten in mehr als 50 Jahren
ausdauernder und fteistigeor Beobachtung, ab posi¬
tiv und sicher hinstellt.
Meine Herren, die Homöopathie hat einen
grossen Fehler begangen. Der Fehler ist der, dass
sie fast ein Jahrhundert zu zeitig auf die Welt ge¬
kommen ist. Das habe ich schon manches liebe
Mal gesagt und will es auch beweisen. Jede Wahr¬
heit, die nicht gegen die herrschenden Ideen ver-
stossen will, muss zu ihrer Stunde kommen, d. h.
zu der Stunde, wo die Geister bereit sind, sie auf¬
zunehmen. Am Ende unseres Jahrhunderts, wo
sich der Horizont der Wissenschaft wunderbar er¬
weitert hat, wo der Mensch in die dunkelsten Ge¬
heimnisse der Analyse der Körper eingedrungen ist,
wo Mikroskop und Spectralanalyse ihm die Be¬
obachtung der Stoffe in einem Zustande der Thei-
lung ermöglicht haben, wie man es nie geahnt hatte,
da würde die Anzeige von der Wirkung der un¬
endlich kleinen Dosen die Gelehrten nicht gestört
haben. Das Studium der Krankheitsstoffe und der
Mikroben, die Erkenntniss der unmessbaren und un¬
greifbaren Wirkungen der Electricit&t und des
Magnetismus würde sie genügend vorbereitet haben,
um auf Untersuchungen der Wirkung von unend¬
lich kleinen Mengen der Stoffe einzugehen. So
aber steht eine lange Reihe von Verleugnung, Spott
und Hohn vor ihnen als unübersteigbares Hinder¬
niss und Urtheile, die als unwiderruflich angesehen
werden, halten sie von der Umkehr von ihren ver¬
alteten Ansichten ab.
Wenn man sieht, wie eine Kultur von Asper¬
gillus niger, jenem Mikroorganismus, der sich mit
unglaublicher Schnelligkeit in einem seiner Fort¬
pflanzung günstigen Medium entwickelt, augen¬
blicklich und Schritt für Sehritt in ihrer Entwick¬
lung durch den blossen Contact mit einem Stück
Silber, einem unlöslichen Metall, aufgehalten wird,
kann man nicht leugnen, dass eine unendlich kleine
Dosis eines Stoffes ganz beträchtliche Wirkungen
im lebenden Organismus und zwar durch blosse Be¬
rührung hervorbringen kann, obwohl zweifellos noch
vor Kurzem die sogenannten homöopathischen Dosen
in der Schulmedicin nicht einmal das Recht der
Erwähnung erlangt hatten. Leider haben Hahne-
mann und seine ersten Schüler den Triumph ihrer
Digitized by
Google
206
Entdeckung nickt mehr sehen können, indem sie
wieder einmal ein Beispiel für die Wahrheit des
Satzes des berühmten Arago abgaben, den ich Ihnen
am Schluss der heutigen Sitzung ins Gedächtnis»
zurückrufen will:
„Der geniale Mensch wird immer verkannt, wenn
er seiner Zeit zu weit vorausgeeilt ist, in welchem
Fache es auch sei.“
III. Bericht der ArzneiprUfungsgesellschaft.
Nachprüfung ton Rannncnlns sceleratns.
Referent Dr. Sohier-Hainz.
(Fortsetzung.)
XI. Dr. Georg Werner, Arzt in Schaidt (Pfalz)
bei Weissenburg.
Personalien: 29 Jahre alt, von kräftiger Con¬
stitution, Körpergewicht 90 Kilo, Grösse 1.84 m,
Temperament sanguinisch, war bisher, abgesehen
von zeitweiser Dyspepsia acid. und Furunculosis im
Nacken und äusseren Gehörgang, immer gesund; im
28. Lebensjahr an Masern erkrankt. Lebensgewohn¬
heiten sehr regelmässig, täglich Abmachen der länd¬
lichen Praxis zu Fuss. Schlaf durchschnittlich
lO 1 ^—7^ Uhr ruhig und traumlos; Stuhlgang
regelmässig Morgens 8 Uhr mit geringen Ausnahmen
(Neigung zur Diarrhöe). Mässig im Tabak- und
Alcoholgenuss. Gesichtsfarbe frisch, Haare braun.
10. März 1894. Trübes, feuchtes Wetter (nass¬
kalt). Morgens 9 Uhr 5 Tropfen in 1 Esslöffel
Wasser. 1 l 2 10 Uhr: metallischer Geschmack auf der
Zunge, ähnlich wie wenn man Tinte auf der Zunge
gehabt hat; 10 Uhr vermehrte Speichelabsonderung,
vermehrtes Schluckbedürfniss, welches den ganzen
Vormittag anhält. 12 Uhr: leichtes Kratzen im
Schlund, Öfteres Räuspern. Im Allgemeinbefinden
keine Aenderung; guter Schlaf.
11. März. Trockenes Wetter, bewölkter Himmel,
Westwind. 9 Uhr Morgens 10 Tropfen ohne be¬
sondere Erscheinungen.
13. März. Scharfer Südwestwind, trockenes
Wetter, milde Temperatur, zeitweise Sonnenschein.
Morgens 8 Uhr Stuhlgang. 9 Uhr 20 Tropfen.
1 | 2 10 Uhr: ziehende Schmerzen im rechten Bein,
eingenommener Kopf (in der Luft besser). Stuhl¬
drang. 10 Uhr: mässige Leibschmerzen, dünnbrei¬
iger Stuhl. Danach zeitweises Zwicken im Leib,
wandernde Schmerzen in den Gliedern, besonders
in den Gelenken; Gehfaulheit (Gefühl in den Beinen
wie nach einem anstrengenden Marsch). Puls: 60
(sonst 70—80). Uebermüdungsgefühl in den Augen
(Brennen und leichtes Thränen). 1 | 2 11 Uhr: Kopf
angegriffen (wie bei Katzenjammer). 12 Uhr: Mü¬
digkeit in den Beinen nimmt zu. 1 Uhr: Schmerzen
im Rachen (Kratzen und Hustenreiz). Puls: 100.
1 l tt 8 Uhr: stechende Schmerzen in der Herzgegend,
die 1 | 4 Stunde anhalten. Nachts schlechter Schlaf.
14. März. Noch starke Müdigkeit in den Beinen.
10. März. Leichter Nordwind, kühle Tempe¬
ratur, zeitweise Sonnenschein.
Mittags l | 2 2 Uhr 25 Tropfen. 1 | 2 3Uhr: Stechen
im Leibe, Eingenommenheit des Kopfes. Pulsver¬
langsamung. 4 Uhr: Trockenheit und Kratzen im
Hals, etwas Hustenreiz. Brennen in den Augen.
Ziehende Schmerzen in den Gelenken, Kriebeln und
Brennen in den Fingern und im Gesicht, Jucken.
Schlaf gut.
18. März. Leichter Nordwind, bedeckter Him¬
mel, kühle Temperatur.
Mittags 2 Uhr 40 Tropfen. 3 Uhr: Kratzen im
Hals, leichte vorübergehende Schmerzen in den Glie¬
dern, etwas Müdigkeit. 4 Uhr: Leibschmerzen. 5 bis
6 Uhr: Stuhldrang. , | 2 7 Uhr Stuhl. Schlaf gut.
19. März. Helles, sonniges Wetter, leichter Nord¬
wind.
Morgens 1 | 2 9Uhr 60 Tropfen. 1 ] 4 10 Uhr: Stechen
in der rechten Schulter und im Nacken. Zwicken
im Leib. 1 | 2 10 Uhr Müdigkeit, Schmerzen im Hinter¬
kopf, Jucken und Brennen in den Händen, Ohren
und im Gesicht. Leichtes Kratzen im Hals. Stira-
druck. *1*211 Uhr Hustenreiz, Ziehen im rechten
Bein. Puls: 60. Brennen in den Augen. Schlaf
und Appetit sehr gut.
20. März. Bewölkter Himmel, Windstille, milde
Temperatur.
1 | 2 9 Uhr Morgens 80 Tropfen. 9 Uhr: leichter
Kopfschmerz und Lcibschmerzen. 10 Uhr: Brennen
und Jucken am ganzen Körper, besonders in den
Augen und im Gesicht. 1 | 9 11 Uhr: leichter Schnu¬
pfen, der im Laufe des Tages wieder verschwindet.
12 Uhr: starker Harndrang, obwohl er weiter keine
Flüssigkeit zu sich genommen hatte, als den Morgen¬
kaffee, wie sonst auch. Kopfschmerz; Jucken dauert
fort. 4 Uhr heftiger Schmerz in der linken Schläfe,
welcher 20 Minuten anhält. 5 Uhr: Leibschmerzen.
6Uhr: Jucken und Brennen im Gesicht wird stärker,
ebenso die Leibschmerzen. Puls: 64. 7 Uhr: Leib¬
schmerzen hören allmählig auf.
2L März. Klares, sonniges Wetter, Nordost¬
wind.
3 i4 9 Uhr 100 Tropfen.
1 | 2 10 Uhr: Stechen im Rücken links (tief). Etwas
Zwicken im Leib. 10 Uhr: Jucken am ganzen
Körper; Druck in der Stirne, leichtes Brennen in
den Augen. Puls: 68. Mittags etwas Müdigkeit
in den Beinen. Die übrigen Symptome verlieren
sich allmählig und weicht das Allgemeinbefinden
vom gewöhnlichen nicht ab.
1. April. Morgens ^OUhr 10Tropfen. 1 | 2 10Uhr:
Beissen im Gesicht, an den Ohren und in der
Digitized by
Dogle
207
Nase. Puls: 64, unregelmässig. 1 | s llUhr: Müdigkeit,
ziehende Schmerzen in den Armen, auch im Rücken,
besonders rechts. Leichtes Kratzen im Hals mit
Hustenreiz; etwas Druck auf der Brust. 1 | i 12 Uhr:
Kratzen wird stärker, ebenso der Druck und Be¬
klemmung auf der Brust. Kopfschmerzen halten
den ganzen Mittag an.
2. April. Zeitweise leichter Kopfschmerz, sonst
keine auffallenden Symptome.
6. April. Morgens *| 9 9 Uhr 15 Tropfen. Helles
Wetter. 9 Uhr: sehr starkes Jucken auf der Brust,
welches bis 1 j 2 10 Uhr anhält. 10 Uhr: Beissen an
der Stirne und im Gesicht. Trockenheit im Hals,
Räuspern. Brennen in den Augen, starke Licht¬
empfindlichkeit und Thränenfluss. 1 | 4 11 Uhr: all-
mählig stärker werdender Kopfschmerz, besonders
in der Stirne. Etwas Müdigkeit und Unsicherheit
(Taumeln) heim Gehen. Puls: 72, unregelmässig.
11 Uhr: Kratzen im Hals wird stärker; zeitweise
Schmerzen in der rechten Mandel, welche ins rechte
Ohr ausstrahlen. Schmerzen in der Stirn, Schwere
des Kopfes. Leichter Schnupfen, öfteres Niesen.
Puls immer noch sehr unregelmässig: 75. Mittags
noch Kopfschmerz und Müdigkeit. Gegen Abend
(5 Uhr) wieder starker Juckreiz.
7. April. Noch etwas Abgeschlagenheit und
Empfindlichkeit der rechten Mandel beim Schlucken.
Sonst keine auffallenden Symptome.
8. April. Rechte Mandel schmerzfrei. Dagegen zeigt
die linke Mandel stark dunkle Röthung, etwas Schwel¬
lung und ist heim Schlucken empfindlich. Müdigkeit.
9. April. Linke Mandel stark geschwollen, Schluck¬
beschwerden sehr stark, so dass sogar Flüssigkeiten
nur unter heftigem Schmerz den Schlund passiren.
Im Allgemeinen Wohlbefinden.
10. April. Schmerzen in der linken Mandel noch
vorhanden, aber nur noch schwach.
15. ApriL Abends erneute Schmerzen beim
Schlucken und zwar diesmal auf der rechten Seite.
Trübes, feuchtwarmes Wetter, Südwind.
10. April. Regen, kühle Temperatur. Uhr:
Schmerzen beim Schlucken stärker als gestern.
9 Uhr 2 Tropfen von der Urtmetur. Im Laufe
des Tages werden die Schmerzen immer weniger,
Abends sind dieselben ganz verschwunden.
19. ApriL j | 2 9 Uhr 15 Tropfen. 9 Uhr Brennen
und Jucken in der linken Backe, vorübergehender
Schmerz im rechten Auge, Lichtscheu und Schwere
in den Augenlidern; 1 | o 10 Uhr wandernde Schmerzen,
bald in der linken Schulter, bald im Kreuz, bald
in den Armen. Unsicherheit im Gehen. Einge¬
nommenheit des Kopfes. Beklemmung auf der Brust,
Bangigkeit. Leichtes Kratzen im Hals, Jucken im
ganzen Gesicht.
20. April. Die Erscheinungen von gestern ver¬
schwinden allmählig.
30. April. Kühler, regnerischer Tag, Nord¬
ostwind.
3 | 4 9 Uhr 20 Tropfen. 1 2 10 Uhr beginnender
Kopfschmerz; Druck in den Augen, Müdigkeit und
Unsicherheit im Gang. 11 Uhr Trockenheit und
Kratzen im Hals. 12 Uhr Harndrang. Im Laufe
des Mittags nehmen Müdigkeit, Harndrang, Kopf¬
schmerz und Kratzen im Hals noch zu.
1. Mai. Erwachen mit heftigen Schmerzen in
der linken Mandel, besonders beim Schlucken. Die¬
selbe ist dunkelroth gefärbt und geschwollen. Die
Schluckbeschwerden und der Kopfschmerz nehmen
im Laufe des Vormittags so zu, ebenso die Müdig¬
keit, dass er sich einige Stunden zu Bett legen
musste. Puls: 108, Temperatur: 88,0. Urin blass,
klar, frei von Eiweiss. Unmöglichkeit, feste Speisen
zu schlucken. Nachts unruhiger Schlaf.
2. Mai. Morgens 7—8Uhr: Schweiss am ganzen
Körper. Schmerzen beim Schlucken etwas weniger
als gestern. Dagegen sehr starke Müdigkeit und
näselnde Sprache. Temperatur normal. Abends
starke Schmerzen in den Fersen, die ihm das Gehen
fast unmöglich machen.
3. Mai. Schmerzen beim Schlucken fast ganz
geschwunden; dagegen ist die Müdigkeit besonders
in den Knieen und die Schmerzen in den Fersen
noch stärker als gestern. Noch etwas Kopfschmerz.
4. Mai. Allgemeines Wohlbefinden.
9. Mai. Impfung am rechten Vorderarm mit
Essenz, verläuft ohne alle Erscheinungen.
XII. Dr. Schier-Mainz.
Nimmt am 5. April 1894 Vormittags 10 1 | 9 Uhr
20 Tropfen der V. D.-P, und am 13. April lach-
mittags 5 x | 2 Uhr 10 Tropfen der m. D.-P. in je
1 Esslöffel Wasser, ohne irgendwelche Reaction.
Am 20. April Vormittags lO 1 ^ Uhr 20 Tropfen
der UI. D.-P., wie gewöhnlich in 1 Esslöffel
Wasser.
Am 21. April Morgens 7 Uhr Erwachen mit
Leibschmerzen, Druck unter dem Magen, durch
Abgang von Blähungen erleichtert Brennen der
Augen, Kitzeln in der Nase, später wiederholtes
Niesen mit Fliessschnupfen. 10 Uhr Kolik mit
breiigem Stuhl. Von 11—12 1 | Ä Uhr Kolik. Nach¬
mittags mehrmals Niesen, 8—4 Uhr stechende
Schmerzen in der rechten unteren Brustgegend,
durch Druck gebessert, durch Bewegung und Tief-
athmen verschlimmert. Abends 9—10 Uhr kolik¬
artige Schmerzen unter dem Magen, Appetit wie
gewöhnlich, auch Zunge nicht belegt
Am 22. April Morgens im Bett leichte kolik¬
artige Schmerzen; Augenlider entzündet, sehen aus
wie bei Schnupfen. Vormittags 10 Uhr Kolik-
schraerzen unter dem Magen, durch Blähungen er¬
leichtert. 10 1 !* Uhr breiiger Stuhlgang.
Digitized by
Google
m
Am 23. April Schimpfen.
Am 24., 25. und 26. April wiederholt Niesen
mit leichtem Schnupfen. Am 25. April Abends
Druck in und unter dem Magen. Am 26. April
desgleichen Morgens mit Durchfall 8*| 9 Uhr.
Am 26., 27. und 28. April Appetitlosigkeit
mit Schwächegefühl im Magen, will gähnen, kann
aber nicht; mehrmals hellgefärbter Durchfall an
jedem der drei Tage. In der ganzen Woche Behr
unangenehme, gänzlich ungewohnte Benommenheit,
als ob etwas auf den Vorderkopf drücke, mit
Flimmern vor den Augen, namentlich Morgens.
Am 1. und 2. Mai viel Niesen, Brennen der
Augen — könnte event. Erkältung sein, manifestirt.
sich aber anders, nicht so constant, wie sonst wohl
nach Erkältung — und in Pausen von mehreren
Stunden auftretender Fliessschnupfen. Stuhlgang
breiig, auch am 3.—7. Mai.
Am 8. Mai kein Stuhlgang.
Am 9. Mai zweimal dünnbreiiger Stuhl mit
Druck in der Magengegend, namentlich Morgens
im Bett, wie wenn ein Stein im Magen läge.
Am 10. Mai Morgens 9 Uhr breiiger Stuhl,
Abends 10 Uhr hellgeftlrbter Durchfall mit Kolik¬
schmerzen.
Am 11. und 12. Mai breiiger Stuhl des Vor¬
mittags. Vom 13. Mai ab macht eine durch das
bekannte „Mailüfterl“ verursachte Erkältung der
weiteren Beobachtung zunächst ein Ende.
Am 13. Juni Vormittags 10' 9 Uhr 10 Tropfen
der II. D.-P.: Nachmittags 5—Uhr Athemnoth,
wie wenn ein schweres Gewicht auf die vordere
Brustwand drückte.
Am 14. Juni Morgens im Bett Magendrücken
wie von einem Stein, beim Aufsetzen gebessert.
Um 10 Uhr Vormittags Durchfall mit Kneipen im
Leib und Magendrücken. In Nase, Augen und
Rachen Gefühl, als ob ein Katarrh im Anzug
wäre.
Am 15. Juni Morgens im Bett Magendrücken,
Zunge nicht belegt, gegen 10 Uhr Vormittags all-
mählig verschwindend.
Am 16. Juni desgleichen, auch Nachmittags.
Am 18. Juni Abends beim Schlafengehen
stechender, schneidender Schmerz in der Gegend
des Schwertfortsatzes und der angrenzenden Rippen,
bei Bewegung und durch Tiefatlimen verschlimmert,
10 Minuten dauernd.
Am 19. Juni Morgens im Bett Druck im Magen,
beim Aufstehen verschwindend, 10 s j 4 Uhr Vor¬
mittags dünner, flotter Stuhlgang. Von 11—2 Uhr
Athemnoth, Gefühl, wie wenn ein Gewicht auf die
Brust drücke. Abends von 5 Uhr ab Stechen und
Schneiden in der vorderen rechten Brustwand, bei
Bewegung und Tiefatlimen gesteigert.
Am 20. Juni Morgens im Bett Magendrücken.
i Augenlider entzündet; tagsüber öfters Kneipen und
Zwicken im Unterleib. Nachmittags 3 — 6 Uhr
Athembeschwenden, Gefühl, als ob etwas Schweres
auf die vordere Brustwand drücke, kann nicht tief
athmen.
| Am 21. Juni Morgens im Bett Magendrücken.
Nachmittags 4 — 7 Uhr Druck auf der Brust, Schwer-
athmen.
Am 22. Juni Morgens im Bett Magendrücken,
tagsüber Brennen der Augen.
Am 23. Juni Morgens im Bett Magendrücken,
Stuhlgang 9 Uhr flotter als gewöhnlich.
Am 24. Juni dito, lO 1 ^ Uhr Durchfall.
Am 26. und 26. Juni Magendrücken Morgens
im Bett.
Am 28. Juni Morgens Schnupfen und Brennen
der Augen.
Am 23. Juli Vormittags 10 Uhr 5 Tropfen dar
I. D.-P.: Geschmack der hellgelblichen Flüssigkeit
kratzend (im Rachen).
Am 24. Juli Nachmittags 3—8 Uhr Schmerz
(wie 8cliwürig) in der linken unteren Rippengegend
seitlich und hinten bis zur Wirbelsäule sich er¬
streckend, anscheinend in der Muskulatur; bei Be¬
wegung verschlimmert, Verlangen nach Druck auf
die betreffende Stelle, welcher lindert.
Am 25. Juli Morgens im Bett Magendrücken,
nach dem Aufstehen verschwindend.
Am 26. Juli Trockenheit und leichter Schmerz
im Rachen — Röthung der Uvula und hinteren
Rachenwand.
Am 27. Juli wiederholt heftiges Niesen.
Am 1. August Morgens im Bett Magendrücken
wie von einem Stein, beim Aufstehen verschwindend;
Vormittags 9 J | 2 Uhr Stuhldrang mit Kolik, Stuhl
flotter wie sonst.
Am 3. August desgleichen.
Am 9 . August Vormittags 10 Uhr toird die Haut
des linken Vorderarms an einer Zweimarkstück -
grossen Stelle mit der unverdünnten Essenz be¬
strichen- Abgesehen von einer leichten Kälte¬
empfindung direct nach dem Aufstreichen der Essenz,
welche aber wohl lediglich von dem Verdunsten
des Alkohols herrührt, findet keinerlei Reaction
statt.
Am iö. August Vormittags 11 Uhr wird die
Epidermis des Huken Vorderarmes mit einem Scal-
pell an einer etwa *| f qcm grossen Flächt abge¬
schabt, überdies ein kleiner Einschnitt gemacht und
auf die blutige Stelle werden einige Tropfen der
unverdünnten Essenz eingerieben . Das sofort —
wohl durch den Alkoholgehalt der Essenz — ent¬
stehende Brennen hält nur 1—2 Minuten an, die
kleine Wunde verheilt in den nächsten Tagen ohne
jegliche Reaction.
Am 20. August Vormittags 10 Uhr 5 Tropfen
Digitized by
Google
209
dar unverdünnten Essenz; Sofort nach dem Ein¬
nehmen fühlt sich Zunge und Rachen wie pelzig
an. Nachmittags 3*| 9 Uhr flotter Stuhl trotz der
normalen morgentlichen Entleerung. In der folgen¬
den Nacht hat er nach Aussage seiner Frau eine
Viertelstunde lang schwer geathmet und mit den
Zähnen geknirscht.
Am 21. August Morgens 11 Uhr flotterer Stuhl
als gewöhnlich. Brennen der Augen. Nachmittags
5 — 6 Uhr Athemnoth, Druck auf der vorderen
Brustwand mit Schwächegefühl, Druck unter den
letzten Rippen rechterseits in der Lebergegend.
Dabei grosse Müdigkeit, namentlich in den unteren
Extremitäten, so dass er sich beim Untersuchen von
Patienten setzen muss. Abends starkes Jucken
auf dem Haarkopf.
Am 22. August Morgens früh Jucken im Haar¬
kopf, Vormittags 10 Uhr breiiger, hellgelber Stuhl
mit Kneipen im Unterleib. Nachmittags von 4 Uhr
ab Stechen und Wehegefühl in der rechten Brust¬
wand unten vorn, seitlich und hinten, sowie in der
Lebergegend, durch Aufdrücken mit der Hand ge¬
bessert. Abends Jucken im Haarkopf.
Ara 23. August Morgens Jucken im Haarkopf,
im Bett Druck im Magen wie von einem Stein,
Stechen in der Lebergegend. Müde, wie wenn er
die ganze Nacht nicht geschlafen hätte, Brennen
der Augen. Mittags Kolik mit hellem, breiigem
Stuhl. Nachmittags 4—6 Uhr Gefühl, als ob die
ganze Leber- und untere Lungenpartie rechterseits
gesellwürig k wäre.
Am 24. August Morgens starkes Jucken auf
dem Kopf, Magendrücken im Bett, beim Aufstehen
nachlassend, Zunge nicht belegt. Nachmittags
Jucken in der Nase.
Am 25. August Morgens im Bett Drücken im
Magen, in der Leber und Milz; starke Müdigkeit,
wie wenn er die ganze Nacht nicht geschlafen
hätte, bald nach dem Aufstehen verschwindend. In
den letzten Tagen bat er sehr häufig die Sensation,
als ob kleine weisse und schwarze Hunde oder
Katzen um ihn herumhuschten, jeder auf dem
Boden sich bewegende Lichtschein kommt ihm be¬
lebt vor. Von 11 Uhr Vormittags ab Gefühl, als
ob alles Blut in der Herzgrube zusammen ströme
und hin und her walle, mit Angst, besonders beim
Setzen und Bücken, Pulsfrequenz normal.
Am 26. August Morgens und Nachmittags
5 Uhr breiiger Stuhl. Nachmittags S 1 ^ Uhr
schmerzhaftes, krampfhaftes Reissen und Zucken
in der rechten unteren Extremität, besonders in der
Wade. Die folgenden vier Tage einmal Morgens
breiiger Stuhl.
Am 30. August Morgens im Bett Druck in
Magen- und Lebergegend; in den letzten Tagen
Morgens im Bett Harndrang, zum Uriniren Stunde
I früher wie gewöhnlich zwingend. In der Nacht
zum 31. August wird eine ganz abnorm grosse
1 Harnmenge ohne besondere äussere Veranlassung
entleert, der Harn hat einen ungemein scharfen
Geruch.
Am 31. August Morgens im Bett Druck in der
Magengegend. 9 Uhr Vormittags Kolik und bell*
gefärbter Durchfall.
Am 1. Sept. Morgens 7 Uhr Erwachen mit
Druck auf die Blase und in der Lebergegend, es
wird eine abnorm grosse Menge Urin entleert, die
Leber fühlt sich an wie ein Klotz.
Am 2. Sept. Abends Druck im Magen und
Unterleib wie von Steinen, durch Abgang von
Blähungen erleichtert. In der Nacht zum 3. Sept«
Erwachen unter schwerem Druck auf die Blase,
Uriniren mitten in der Nacht, was sonst nie
vorkommt, und zwar der doppelten Hanpnqnge
als bei normalem Uriniren. Die Untersuchung
des Harns auf Eiweiss und Zucker bleibt resul¬
tatlos.
Am 3. Sept. Morgens Drupk in Magen- und
Lebergegend. Vormittags 10—12 Uhr Athemnoth,
Gefühl, als ob Jemand von hinten mit einem ge¬
spannten Handtuch die vordere Brustwand drücke,
dabei Mattigkeit mit Schlafbedürfnis. |n den
letzten 8 Tagen Nachmittags und Abends starkes
Jucken und Beissen im After.
Am 4. Sept. Vormittags schmerzhafter Druck
an der hinteren unteren Partie der linken Lunge,
Gefühl, als ob sie angewachsen und geschwollen,
compact sei, nach dem Stuhlgang 10 1 |, Uhr ge¬
bessert.
Am 6. Sept. Erwachen mit schwerem Druck
in Magen- und Lebergegend und im ganzen Unter¬
leib, durch Abgang von Blähungen erleichtert, da¬
bei Leib nicht aufgetrieben, sondern bretthart, flach.
Zugleich sehr starke Müdigkeit, so dass er nur mit
äusserster Willensanstrengung ein Glied rühren
kann, trotz guten, festen Schlafes in der vorher¬
gehenden Nacht; nach dem Aufstehen gebessert.
Brennen der Augen. Abends Stechen in den
unteren Partieen beider Lungen vorn und hinten,
beim Tiefathmen verschlimmert.
Am 7. Sept. Morgens Magendrücken. Nach¬
mittags 1*| 2 Uhr Durchfall, trotz normalen Stuhl¬
gangs am Vormittag. Nachmittags und gegen
Abend Brennen und Jucken der Augen.
Am 8. und 9. Sept. Morgens im Bett schmerz¬
hafter Druck in der Lebergegend. Am 8. Sep¬
tember Nachmittags und Abends Reissen in der
vorderen linken Thoraxmuskulatur, durch Druck
gebessert.
Am 12. und 16. Sept. Morgens im Bett Druck
in der Leber- und Blasengegend, nach vermehrter
Ausscheidung klaren Urins gebessert.
27
Digitized by
Google
210
Zusammenstellung.
Präparat: Essenz aus dem im October gesammel¬
ten frischen Kraut.
Wirksamer Bestandteil: Ein scharfer, flüchtiger,
kampherartiger Stoff.
Wirkungsdauer: Bei Gesunden bis zu sechs
Wochen.
Allgemeines: Müdigkeit, Angegriffenheit, Zer¬
schlagenheitsgefühl in allen Gliedern, Schlafbedürf¬
nis, Zittern an Händen und Füssen, Gefühl von
Schwüle, geringes Fieber, Frost, Zähneklappern,
Unsicherheit beim Gehen, Taumeln. Blasses Aus¬
sehen ; Periodicität mancher Symptome. Verschlimme-
rung bei Bewegung. Starker Durst; Appetit gut,
vermindert, Gähnen, Heisshunger.
Schlaf unruhig, öfteres Aufwachen, kann dann
lange nicht einschlafen, schreckhafte Träume.
Gemüthsstimmung melancholisch, Wunsch allein
zu sein; Reizbarkeit des Gemüthes, Angstgefühl.
Haut: Beissen und Jucken im Gesicht, auf den
Lippen, an den Ohren, der Stirn und im Haar¬
kopf, besonders Abends und Morgens, mit Bildung
kleiner, rother Knötchen oder Quaddeln oder steck¬
nadelkopfgrosser, gelblicher, wie mit Wasser ge¬
füllter Bläschen; die Epidermis schuppt sich leicht
ab. Starkes Haarausfallen, nur bei einem Prüfer
beobachtet. Bildung stark juckender Knötchen auf
der Brust und dem Rücken, nach dem Kratzen
brennend. Brennen und Jucken am ganzen Kör¬
per, Schweiss am ganzen Körper.
Nervensystem.
Hirn und Himnerven: Schwindel mit Unsicher¬
heit beim Gehen; Schwindel, als ob sie aus dem Bett
falle. Gefühl, als ob das Gehirn schwanke. Ein¬
genommenheit wie bei Katzenjammer. Sehr leb¬
hafte, abscheuliche Träume, aus dem Schlaf weckend.
Schwere des Kopfes, in der Luft und nach Schlaf
besser. Kopfweh nach Schliessen der Augen ge¬
bessert, durch Sehen und Lesen schlimmer. Sen¬
sation, als ob kleine weisse und schwarze Hunde
oder Katzen um ihn herumhuschten, jeder auf dem
Boden sich bewegende Lichtschein kommt ihm be¬
lebt vor. Kopfschmerzen wie bei Beginn der
Periode. Kopfschmerzen besonders in der Stirn,
wie zusammendrückend; geringe Hitze in der Stirn.
Druck im Vorderkopf. Klopfendes Kopfweh in der
Stirn beiderseitig, hämmerndes Kopfweh auf dem
Scheitel. Schmerzen im Hinterkopf, in der Schläfe,
stechende Schmerzen in der Mitte des Seitenwand¬
beines und der Tubera frontal. Schmerz in der
ganzen rechten und dann in der linken Gesichts¬
seite mit Gefühl des Auges als eines wunden Kör¬
pers im Kopfe. Brennender Schmerz in beiden
Ohrläppchen und Wangen, Gefühl auf der rechten
Wange, als ob eine Ameise unter der Haut sich
bewege. Zucken der Gesichtsmuskeln. Knacken
des linken Kiefergelenks beim Gehen. Ziehen in
den Zähnen des rechten Unterkiefers, im linken
Jochbein bis zum Ohr, in den Zähnen links.
Knirschen mit den Zähnen.
Auge: Gefühl von Uebermüdung, Schwere in
den Augen, als stünden die Buchstaben nicht fest;
Sehen von Zacken resp. spitzen Curven. Gefühl
eines Schleiers über dem rechten Auge. Flimmern
in den Augen, starke Lichtempflndlichkeit und
Thränenflu8s; brennendes, juckendes Gefühl in den
Augäpfeln, das Bewegen derselben thut weh. Augen
glänzend. Gefühl, als ob die Augenlider nicht
leicht hin und her glitten wegen Trockenheit der
Conjunctiva Conjunctivitis. Schwellung der beiden
oberen Augenlider. Augenlider entzündet, Em¬
pfindung, als ob ein Katarrh im Anzug wäre.
Ohr: Hitze und Geräusch, als ob Heimchen
zirpten, Sausen, Ziehen, Läuten in den Ohren,
Taubheit auf dem rechten, dem linken, beiden
Ohren. Schwerhörigkeit, wie wenn die Ohren ver¬
stopft wären, bald rechts, bald links stärker, hört
starke Geräusche wie aus weiter Ferne. Brennen
im Gehörgang, als ob eine ätzende Flüssigkeit aus-
! liefe. Beissen tief im rechten Ohr; Stiche im
linken Ohr.
Nase : Leichter Schnupfen, Beissen, Kitzeln,
Jucken in der Nase, Niesen, Fliessschnupfen (mild),
Jucken der Nasenspitze. Trockenheit der Nase.
Nasenscheidewand geschwollen und schmerzhaft,
mit Borken besetzt. Nasengeschwüre; Gefühl, als
ob ein Katarrh im Anzug wäre.
Rückenmark: Stiche im Genick, Gefühl, als
ob etwas der Wirbelsäule entlang auf dem Rücken
zum Kopf steige, was sich im Gehirn als Schwindel
geltend macht. Ziehende Rückenschmerzen, be¬
sonders rechts, rheumatischer Schmerz in der Thorax¬
muskulatur. Druck in der Gegend der Lenden¬
wirbel an der Spitze des linken Schulterblattes, im
Rücken links in der Höhe des Rippenbogens, in
der rechten Axillarlinie in der Gegend der 7. bis
8. Rippe. Schmerzhaftigkeit des Rippenbogens bis
zur hinteren Axillarlinie, besonders rechts, mit
Empfindlichkeit gegen Druck. Unter den letzten
Rippen hinten rechts Gefühl, als ob sich ein Räd¬
chen drehe.
Wandernde Schmerzen in den Gliedern, beson¬
ders den Gelenken. Wandernde Schmerzen bald
in der linken Schulter, bald im Kreuz, bald in
den Armen. Heftige, reissend-ziehende Schmerzen
in der rechten und linken Schulter, überspringend
aufs Ellenbogengelenk. Krampf im linken Ober¬
arm ; Zittern des linken Armes. Ziehen in der
Ulnarseite des linken Vorderarmes. Anhaltender
Schmerz im rechten Ellenbogen wie nach Stoss.
Dumpfer Schmerz in den Armen bis in die Hände,
Digitized by
Google
211
letztere wie dick und geschwollen. Schwere des
rechten Oberarmes; Zittern der Hände, Ungeschick¬
lichkeit beim Clavierspielen. Jucken in den Hand¬
flächen wie von Insectenstichen. Taubheit und
Kribbeln der Finger der linken Hand. Vorüber¬
gehendes Schmerzen und Brennen im Gelenk des
rechten kleinen Fingers. Kribbeln in den kalten
Fingerspitzen. Brennen in den Händen und Fingern.
Zucken der Handmuskeln.
Gehfaulheit, Gefühl in den Beinen wie nach
einem anstrengenden Marsch, Schwere in den Beinen
beim Gehen. Ziehende Schmerzen im rechten Bein,
krampfhaftes Heissen und Zucken darin, besonders
in den Waden. Schmerzen in den Fersen; Brennen
in der linken Ferse. Ziehen am linken inneren
Fussrande.
Organe des Kreislaufs. Herzklopfen, athem-
versetzende Stiche im Herzen, Gefühl von Völle
am Herzen. Angst, als ob das Herz zerspringen
wolle; ängstliches Gefühl, als ob alles Blut in der
Herzgrube zusammenströme und hin und her walle,
besonders beim Bücken und Setzen. Fieber; Puls¬
zahl niedriger als normal, Puls unregelmässig fre¬
quent, dicrot, Ziehen in der Herzgegend.
Athmnngsorgane. Kratzen im Hals wie von
Staub und Hustenreiz. Brennender Halsschmerz;
näselnde Sprache. Stechen im Kehlkopf. Hals
verschleimt Stimme belegt. Beim Singen Um¬
schlagen der Stimme. Kitzeln im Kehlkopf mit
Husten. Starkes Stechen links oberhalb des Kehl¬
kopfs. Gefühl, als ob Jemand mit der Hand den
Hals zudrücke.
Beklemmender Schmerz auf der Brust, Bangig¬
keit. Athembeschleunigung. Husten mit Auswurf,
schmerzhaft. Neigung zum Tiefathmen. Athemnot,
wie wenn ein schweres Gewicht auf die Brust drücke,
wie wenn die vordere Brustwand mit einem Tuch
von hinten her zusammengedrückt würde. Schwäche-
gefuhl in der Brust. Engegefühl auf der Brust,
als ob sie zu fest geschnürt wäre.
Stechen in der linken Lunge seitlich und hinten
unten, Gefühl, als ob sie angewachsen, geschwollen,
oompact sei, nach Stuhlgang gebessert. — Ziehen
in der rechten Brustseite von der Warze bis zur
Achselhöhle; stechende Schmerzen in der rechten
unteren Brustgegend, durch Druck gebessert; Ge¬
fühl, als ob der rechte untere Lungenlappen ge-
schwürig wäre. — Druck in der Mitte der Schulter¬
blätter, stärker beim Athmen. Stechende, schnei¬
dende Schmerzen in der Gegend des Proc. ensi-
formis und der angrenzenden Rippen, durch Be¬
wegung und Athmen verschlimmert.
Verda aang80rgane. Jucken in den Lippen,
besonders in der linken Hälfte der Oberlippe.
Bildung einer erbsengrossen gelblichen Blase in
der Mitte der Unterlippe und zweier kleiner an der
Schleimhaut der Unterlippe. — Zahnfleisch wund
und schmerzhaft. Schwund des geschwollenen
äusseren Zahnfleisches am rechten oberen 1. Mahl¬
zahn. — Metallischer Geschmack auf der Zunge
wie nach Zwiebelgenuss. Gefühl, als ob der Zungen¬
grund geschwollen wäre. — Schmerzen in der rechten
und linken Mandel, ins Ohr ausstrahlend. — Blutiger
Speichel. Wasserzusammenlaufen im Mund mit
Uebelkeit und saurem Geschmack; Speichelfluss.
Stechen im weichen Gaumen. Im Rachen Gefühl,
als ob ein Katarrh im Anzug wäre. Schlingbe¬
schwerden, muss immer schlucken, als ob etwas im
Hals stecke. Trockenheit, Pelzigsein, Kratzen im
Schlund.
Aufstossen von Luft ohne Geschmack. Aufstossen
mit Uebelkeit und Brechneigung. Drückender,
bohrender Schmerz in der Herzgrube, durch Auf¬
stossen erleichtert. Morgens zwischen 11 1 | 2 und
11 8 | 4 Uhr Heisshunger und Knurren im Magen.
Druck im Epigastrium wie von einem Stein; bei
jedem Umdrehen im Bett Gefühl, als wolle alles
nach dieser Seite fallen, mit Uebelkeit, Luftauf-
stossen und Abgang von Blähungen mit Erleichte¬
rung des Magens. Leichter Druck der warmen Hand
erleichtert den Magenschmerz. Schwächegefühl im
Magen. — Stechender Schmerz tief unter dem
Magen nach dem Rücken zu (Pancreas?).
Druck und Stechen unter den Rippen in der
Lebergegend, Gefühl, als ob die Leber geschwürig
wäre; Leber fühlt sich hart an wie ein Klotz. —
Druck unter dem Magen, durch Abgang von
Blähungen erleichtert, ebenso durch Aufsteigen aus
dem Bette. Leib fühlt sich hart an. Leibschmerzen,
Kneipen, Zwicken, Stechen. Schmerz und Knurren
im Unterleib. Unbehaglichkeit im Abdomen, Bauch¬
grimmen.
Neigung zu Diarrhöe, Abgang von weissen,
schleimigen Stoffen. Schmerzloser, dünnbreiiger,
hellgelber Stuhl, wochenlang und periodisch ein-
tretend. Stuhldrang aus dem Bett treibend. Stuhl
stark riechend. Morgens und Abends Jucken und
Beissen im After. (Schluss folgt.)
Bildung von Kothsteinen in Folge von
anhaltendem Gebrauch von Magnesia und
Wismuth.
Es ist eine Thatsache, die, wenn sie den Laien
auch unbekannt, doch ihren Aerzten bekannt sein
sollte, dass, wenn man die kohlensaure (aber auch
gebrannte) Magnesia als abführendes Mittel oder
als Antacidum zu lange Zeit hindurch anwendet,
sie schliesslich die Obstipation nicht nur nicht hebt,
sondern noch vermehrt, indem sich am Ende voll¬
ständige Concretionen, Kothsteine, im unteren Theile
27 *
Digitized by
Google
des Darmes anhäufen, die vorerst aus phosphor¬
saurer Ammoniak-Magnesia bestehen.
Einen interessanten, hierher gehörigen Fall hat
Dr, Mettenheimer in Bez f Memorabilien 1892, pag.
821 u. ff. mitgetheilt.
Es handelte sich um eine unverheirathete Dame
des höheren Standes, die nerven- und muskel¬
schwach , blutarm und in hohem Grade ebenso
geistig als körperlich verwöhnt war. Schon vor
einer Reihe von Jahren musste Patientin wegen
eines halbeingebildeten (? Ref.) Unterleibsleidens
längere Zeit liegen. Es stellte sich dabei häufiger
Drang zum Stuhl, aber ohne Entleerung ein. Der
Mastdarm war nämlich durch eine grosse Kothmasse
von lehmiger Consistenz erfüllt und ausgedehnt,
und da der Patientin der Wille wie die Kraft fehlte,
so musste Dr. M. in der Narkose sie von dieser Koth¬
masse künstlich entbinden. Um dem vorzubeugen,
nahm nun die Kranke jeden Abend ein Abführ¬
mittel, und sagte ihr von den mancherlei ver¬
suchten Lax antien die gebrannte Magnesia am besten
zu; davon nahm sie allabendlich 1—2—3 Thee-
löffel voll, wozu Dr. M. wegen der grossen Em¬
pfindlichkeit des Darmkanals etwas basisch salpeter¬
saures Wismuth gesetzt hatte.
Dieses Verfahren hielt sie, kleine Unterbrechun¬
gen abgerechnet, zehn volle Jahre fest, während
welcher Zeit sie aber nie recht gesund gewesen
war. Es bildete sich allmählig Tuberculosis bei
ihr aus; es kam zu einem rechtsseitigen pleuri-
tischen Exsudate, das, mit starkem Fieber einher¬
gehend, sie wieder zu mehrwöchentlicher Bettruhe
nöthigte. Dies gab nun wieder Anlass zu stärkerer |
Stuhlverhaltung, wogegen wieder, trotz Fieber und
Schwäche, allabendlich ein Laxans, und zwar mit
Vorliebe wieder Magnesia, gebraucht wurde. Von
Klystieren musste hei der Abneigung der Patientin
dagegen und wegen der grossen Empfindlichkeit
ihres mit Hämorrhoidalknoten besetzten Orificium
ani abgesehen werden. Durch das Abführmittel wur¬
den zwar noch immer reichliche, meist dickbreiige
Stühle entleert, aber Patientin fühlte keine Er¬
leichterung danach. Zuletzt hatte sie den ganzen
Tag Stuhldrang; sie klagte über Schmerzen, welche
vom Kfeuz aus in das rechte Bein ausstrahlten; i
es trat Harnverhaltung und selbst Erbrechen ein.
Die Digitaluntersuchung ergab, dass sich in der
Aushöhlung des Os sacrum ein fester, unbeweg¬
licher, hühnereigrosser Körper befand, dessen Ober¬
fläche sich glatt und hart wie eine Eischale an¬
fühlte und bei starkem Fingerdrucke zerbrach.
Mehrere der grössten Stücke holte Dr. M. mühsam
heraus; die kleineren wurden durch lauwarme Ein¬
füllungen des Mastdarmes allmählig entleert. Die
Reizbarkeit des Mastdarmes legte sich in wenigen
Tagen. Der Inhalt, der die Schale völlig ausge- j
füllt hatte, sah gleich der Schale graubraun aus,
war fest, trocken und leicht zerreiblich. Eine che¬
mische Untersuchung ist leider unterblieben.
Es ist noch zu bemerken, dass Dr. M. der
Magnesia bei seiner Patientin noch kleine Mengen
von Wismuth zugesetzt hatte, und gerade von diesem
unlöslichen Körper hat Hoppe-Seyler nachgewiesen,
dass es zur Bildung von Darmsteinen leicht Ver¬
anlassung geben kann (siehe 1. c. pag. 70).
Eine alte Frau, welche wegen eines Ekzems in
die Klinik kam, litt ausserdem an starken eiterigen
Durchfällen, die ihren Ursprung im Colon und
Rectum zu haben schienen. Sie bekam deshalb
etwa 4 Wochen lang, mit kurzen Unterbrechungen,
täglich mehrere Dosen von 0,5 Bismuthum subnitri-
cum, und ausserdem noch Klystiere von Zinkoxyd-
Emulsion. — Sie starb dann an Peritonitis in Folge
von Darmincarceration. Bei der Section fand sich
im Rectum ein enteneigrosser Darmstein, dessen
Mitte auf dem Durchschnitt weiss, dessen Rand
aber schwarz mit eingesprengten weissen Partieen
erschien. — Die chemische Analyse ergab, dass die
Mitte fast nur aus Zinkoxyd mit wenig Bism. sub-
nitr., die Rinde aber aus organischer Substanz mit
Schwefel wismuth und Zinkoxyd bestand.
Der Fall zeigt, dass bei schlaffem Darm die
Einführung nicht resorbirbarer Stoffe, wie Wismuth.
subn. und Zinkoxyd leicht zu Concrementbildung
führen kann.
Ein anderer Fall betraf ein 15jähriges blindes,
an Darmtuberkulose leidendes Mädchen, welches
wegen der starken Durchfälle beinahe 2 Monate
lang Bism. subn. 4 Mal täglich 0,6 erhielt. Bei
der Section fand sich die Coecalwand von zahl¬
reichen tuberkulösen Ulcerationen durchbrochen;
dieselben reichten bis auf den Psoas und enthielten
reichliche Concremente, die überwiegend ausSchwefel-
wismuth bestanden. Ausserdem zeigten die Pyra¬
miden der Nieren eine schwärzlich-grüne Färbung
und mit dem Mikroskop entdeckte man die Mem¬
brana propria zahlreicher gerader Harnkanälchen
mit äusserst feinen schwarzen Körnchen besetzt.
Es lag nahe, auch diese als abgelagerte Wismuth-
| Verbindungen anzusehen, welche, von den Darm¬
geschwüren aus aufgenommen, dort abgesetzt wor¬
den waren. (Solche Ablagerungen hat man auch im
Verdauungstractus bei Vergiftungen von Wismuth
beobachtet, das man als Verbandsmaterial bei Wun¬
den benutzt hatte.)
Merkwürdig ist, dass all die hier mitgetheilten
Fälle weibliche Personen betroffen haben. So lauten
auch die Erfahrungen Dr. Mettenheimer’s. Er fand
die Kothsteine bisher nur bei Frauen, und zwar
entweder solchen, die an allgemeiner Schwäche
litten, oder durch schwere acute Krankheiten zu
längerem Bettliegen verurtheilt und sehr herunter-
Digitized by
Google
213
gekommen waren. Es ist weniger die harte, scybala-
ähnliche Form der Kothmasse, welche noch eher
eine kräftige Reaction der Mastdarmmuskeln an¬
regt, als vielmehr jene lehmartige , zähe , trockene
Beschaffenheit der Faeces, welche zu Kothan-
häufungen, Kothsteinen Anlass giebt, wobei aber,
wie wir gesehen, der so lange fortgesetzte Gebrauch
nicht resorbirbarer Medicamente eine wesentliche
Rolle spielt. (Bez’ Memorabilien 1892.)
Dr. M.
Lesefrüchte.
Entwickluug und Prognose verschiedener
Formen von Hyocarditis.
Dr. Rigal behandelte diesen Gegenstand in einer
Vorlesung im Höpital Neckar.
1. Die essentielle chronische Myocarditis ist eine
Alterskrankheit: der Herzschlag ist sehr schwach,
der Puls unregelmässig, der Spitzenstoss nicht sicht¬
bar; der Umfang des Herzens bleibt ^normal.
Schwaches systolisches Murmeln. Diese Form
kommt selten vor; die Prognose ist schlecht; da
an eine Rückbildung oder einen Stillstand nicht zu
denken ist, ein plötzlicher Tod eintreten kann.
2. Arterio-Sclerose des Herzens in Folge von
Endoarteritis; danach Atrophie des Muskelgewebes
und Ersatz desselben durch fibröses.
3. Die chronische interstitielle Myocarditis hat
nicht allemal einen fortschreitenden, tödtlich enden¬
den Verlauf, sondern diese macht oft Jahre lang
andauernde Stillstände, so dass der Kranke ein
höheres Alter en-eichen kann. — Der folgende Fall
ist hier typisch: Ein an Gicht Leidender, den An¬
fälle von Migräne, Muskelrheumatismus, Arthritis
deformans heimgesucht, wird im Alter von 50 Jahren
von Dyspnoe bei Bewegung, Herzklopfen, leichten,
nächtlichen Erstickungsbeschwerden attakirt, hat
ein geringes Oedem an den Malleolen oder der
Tibia und sein Geschäft wird ihm zur Last. Unter¬
suchung des Herzens zeigt beschleunigten Herz¬
schlag, der entweder regelmässig und schwach, oder
unregelmässig und arythmisch, immer aber schwach
ist. Der Herzstoss ist schwer zu constatiren. Die
Dämpfung in der Quere ist vergrössert; das Vo¬
lumen des Organs überschreitet die normalen Gren¬
zen, aber nur mässig. — Der erste Herzton ist
geschwächt, der zweite normal. Zuweilen hört man
ein tricuspidales Murmeln. Keine Zeichen von
Arterio-Sclerose oder interstitieller Nephritis. Man
diagnosticirt chronische Myocarditis und stellt eine
ungünstige Prognose. Es wird Ruhe verordnet,
eine milde Diät, hauptsächlich aus Milch bestehend;
es wird Digitalis und Jodkalinm gegeben und von
wenigen Wochen bis zu wenigen Monaten ändert
sich die Scene. Die Dyspnoe tritt nur hei schnellem
Gehen und Treppensteigen noch ein. Das Oedem
an den Füssen verschwindet, der Herzumfang
nimmt ab, die Contractionen werden kräftiger,
regelmässiger und langsamer; der erste Ton ist
besser, wenn auch noch schwach; die Geräusche ver¬
schwinden; der Kranke fühlt sich wieder wohl und
nimmt sein Geschäft wieder auf mit wachsamem
Auge auf seinen Gesundheitszustand. So können
mehrere Jahre vergehen; sein Herz ist nicht das
beste, er weiss es, aber er macht die ganze Zeit
über ziemlich gut fort. Nach 10—12 Jahren kehren
die Herzstörungen in gesteigertem Grade wieder.
Leichte Anfälle von Asystolie erscheinen, werden
allmählig intensiver und nach einem Kampf, der
Monate, ja Jahre lang währen kann, unterliegt der
| Patient. — Der Verlauf dieser Krankheit hängt
| von dem Gesammtzustande der Patienten ab; ist sie
begleitet von Gicht, Gelenkrheumatismen, Diabetes,
stehen die Patienten im mittleren Lebensalter, so
ist ihr Verlauf schneller als im höheren Alter.
Bleivergiftung und Alkoholismus machen die Pro¬
gnose weit bedenklicher; acute hinzütretende An¬
steckungserkrankungen beschleunigen jene Krank¬
heit in hohem Grade. Nach Influenza oder Pneu¬
monie hat man Asystolie manchmal beobachtet; die
bis dahin latente Myocarditis kam nun offen zu
Tage. Chronische Nephritis kann sich gleichzeitig
entwickeln und wird auf das Herz wie eine Infec-
tionskrankheit wirken. Lebensberuf und Lebens¬
weise bestimmen mit die Prognose: harte Arbeit,
ungenügende Ernährung, Ueberanstrengung, Aus¬
schweifungen in venere, andauernde und heftige
Gemüthsbewegungen erschöpfen die Kräfte des
Herzens. (La Semaine medicale 1893, Nr. 78.)
Fest-Bericht.
Von der Elbe. Am 25. November d. J. be¬
ging der Senior der Leipziger homöopathischen
Aerzte, unser verehrter College Dr. med. Friedr.
Arnold Heinrich Lorbacher, das 50jährige Doctor-
Jubelfest. Er ist bei allen homöopathischen Col-
legen in und ausserhalb Deutschlands bekannt und
wohlgelitten und erfreut sich bei seinem Alter von
76 Jahren noch einer seltnen geistigen wie körper¬
lichen Frische. Derselbe ist am 26. August 1818
in Sömmerda geboren, wo sein Vater Obersteuer-
controleur war, aber später in Langensalza, dem
Geburtsort Hufelands, wohnte. Nach abgelegter
Gymnasial - Prüfung in Mühlhausen i. Th., nur
wenige Stunden von Langensalza entfernt, besuchte
er die Universität Greifswald, wo er am 25. No¬
vember 1844 zum Dr. med. promovirt wurde. Nach
Ablegung der Staatsprüfung wandte er sich bald
Digitized by
Google
214
der Homöopathie zu, beeinflusst durch seinen Vater,
der, ein grosser Anhänger der Homöopathie, auf
thierärztlichem Gebiete selbst schriftstellerisch thätig
war, nicht minder wohl durch zwei seiner Ver¬
wandten, die sehr beliebte und beschäftigte homöo¬
pathische Aerzte waren, Doctor Kohlmann in
Wanzleben bei Magdeburg und der Geh. Sanitäts-
Rath Kreisphysikus Müller in Oschersleben. Er
Hess sich in Eislehen nieder und ward bald einer
der beschäftigtsten Aerzte. Von da aus nahmen
auch seine schriftstellerischen Versuche ihren ersten
Ausgang, sowie seine Thätigkeit zur Errichtung
eines Krankenhauses in Leipzig. Gegen Ende der
sechziger Jahre liess er sich in Leipzig nieder,
wurde nach Dr. Veit Meyer’s Tode zweiter Arzt,
später Director der Leipziger homöopathischen
Poliklinik des Central-Vereins, trat nach Clot. Müller’s
Tod auch dessen Erbschaft an als Vorstandsmit¬
glied des Central-Vereins. Im Jahre 1877—1889
wurde er Leiter der Allgemeinen homöopathischen
Zeitung, für die er eine grosse Anzahl werthvoller
Beiträge lieferte und gründete 1870 die Leipziger
populäre Zeitschrift für Homöopathie. Namentlich
unter den jüngeren Collegen, die sich der Prüfung
zur Erlangung des Selbstdispensirrechtes homöo¬
pathischer Arzneien in Preussen unterziehen müssen,
ist auch die ira Jahre 1883 von ihm herausgegebene
Anleitung zum methodischen Studium der Homöo¬
pathie bekannt und beliebt. Der Ausschuss der
Leipziger Collegen zur würdigen Begehung dieses
Jubelfestes hatte Einladungsschreiben an mehrere
ältere Mitglieder des Sächsisch-Anhaitinischen Ver¬
eins homöopathischer Aerzte geschickt. So bestiegen
wir denn am Morgen des 25. November den Eisen¬
bahnzug nach Leipzig. Die Luft war kühl und der
Himmel in graue Wolken gehüllt; aber bald brach die
Sonne hervor, als wollte sie mit ihrem goldigen Schim¬
mer die weihevolle Feier des Tages verklären.
In Cöthen hofften wir in den Herren Geh.
Sanitäts-Rath Dr. Faulwasser-Bernburg und Sanitäts-
Rath Schwenke Reisebegleiter nach dem gleichen
Ziele zu bekommen; jedoch waren Beide durch
Kranksein verhindert worden.
Nach der Bestimmung des Festausschusses sollte
dio Begrüssung des Jubilars durch die Leipziger
und auswärtigen Collegen in dessen Wohnung um
12 Uhr stattfinden. Schon am Vormittag hatten
Freunde und Verwandte ihre Glückwünsche dar¬
gebracht. Liebe und Verehrung hatten in der
feinsinnigsten Art Geschenke gestiftet. Das Er¬
freulichste dabei aber war die Allgemeinheit der
Betheiligung, ein deutlicher Beweis der Hochachtung,
deren sich der Jubilar erfreut. Die Universität
Greifswald hatte es sich nicht nehmen lassen, ihm die
Würde eines Dr. med. zu erneuern. Den Leipziger
Collegen schlossen sich die Leiter der beiden
homöopathischen Apotheken an, die Herren Stadt¬
rath Dr. Schwabe und Steinmetz, ausserdem von
auswärtigen Freunden die Doctoren Groos-Magde¬
burg und Haupt-Chemnitz. Herr Oberstabsarzt Dr.
Rohowsky überreichte unter herzlicher Begrüssung
Seitens des Homöopathischen Central-Vereins Deutsch¬
lands eine Glückwunsch-Urkunde, Dr. Groos eine
gleiche Namens des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins,
während Dr. Stifft als Dolmetsch der Empfindung
der Leipziger Homöopathen und des Vorstandes des
Krankenhauses gleichzeitig eine Einladung zu dem
am Abend veranstalteten Festmahl für den Jubilar
und dessen Frau Gemahlin überbrachte. Die An¬
sprachen waren durchweht von dem Hauche liebe¬
vollster Verehrung und Anerkennung für die grossen
Verdienste im Sinne unserer Bestrebungen, aus¬
klingend in dem einen Wunsche, dass der Jubilar
noch lange seinen Freunden und unserer Schule
erhalten bleibe. Der Jubilar dankte bewegt in
warmen, schönen Worten. — Es folgte dem schönen
Morgen ein noch schönerer Abend bei dem ver¬
anstalteten Festmahle, in dem sich der letzte Act
der Jubelfeier abspielte. Die Versammlung war
hier natürlich im Wesentlichen die gleiche, wie am
Morgen, nur war der Eindruck malerischer insofern,
als die Gemahlinnen der Leipziger Freunde am
Festmahle theilnahmen. Sämmtliche Theilnehmer
standen unter dem Eindrücke, ein Fest unvergleich¬
licher Art mitzuerleben; und dies frohe Gefühl
machte die Stimmung besonders heiter und an¬
geregt. Der Jubilar und seine Frau Gemahlin
waren natürlich der Glanzpunkt des Abends. Der
demnächstige Jubilar Dr. Billig-Leipzig feierte in
schönen, warmen und herzlichen Worten den Jubi¬
lar, die zusammengefasst waren in dem Motto:
„Wer Liebe säet, wird Liebe ernten“ und zeich¬
nete ein vom Hauche liebevollster Verehrung durch¬
wehtes Charakterbild des Jubilars und seiner Frau,
dass man schier seine Freude daran haben musste.
Aber damit nicht genug, wurde allgemach der
Jubilar mit einer solchen Fülle von Glückwünschen
überschüttet, dass es namentlich bei der lebhaften
Unterhaltung, die während des Festes platzge¬
griffen hatte, ein Ding der Unmöglichkeit war, sie
alle aus dem Gedächtniss aufzuzählen. Auf alle
diese Trinksprüche Rede und Antwort zu stehen,
lag natürlich dem Jubilar ob, der sich dieser Auf¬
gabe in einer Weise entledigte, die unsere ganze
Bewunderung herausfordert Als am Schlüsse der
Tafel ein sangbares Festlied, vom Redacteur der
Allgemeinen Homöopathischen Zeitung, Dr. Mossa-
Stuttgart, gedichtet, durch den Saal rauschte, da
erhoben sich am Schlüsse noch einmal die Freunde
des Jubilars zum letzten Trünke auf sein Wohl.
Unter den beim Festmahle eingegangenen Tele¬
grammen erwähnen wir das von Herrn Obermedi-
Digitized by
Google
215
cinalrath Dr. von Sick, dem Vorsitzenden des Ver¬
eins homöopathischer Aerzte Württembergs, ent¬
sandte — und hat dieser Gruss der süddeutschen
Collegen den Jubilar ganz besonders erfreut.
Das schöne Fest ist verrauscht und verklungen.
Vivat sequens!
Noch ein 50jähriges Doctor-Jubiläum.
Die Erfahrung von der Duplicität der Fälle
zeigt sich uns auch in dem frohen Ereigniss, dass,
nach dem 50 jährigen Doctorjubiläum von Dr. Lor-
bacber, das des Collegen Dr. Hugo Heinrich Billig
in Leipzig am 13. December stattfand, wozu wir
dem Jubilar unsere herzlichsten Glückwünsche ent¬
senden. Im Namen des homöopathischen Central¬
vereins Deutschlands beglückwünschte ihn Herr
Dr. Lorbacher unter Ueberreichung einer Glück¬
wunsch-Urkunde; eine gleiche brachte Herr Dr.
Haedicke seitens des sächsiscli-anhaltinischenVereins,
und der Decan der hiesigen medicinischen Fakultät,
Herr Geh. Medicinalrath Professor Dr. Zweifel, über¬
brachte auch persönlich ein Gratulationsdiplom. Möge
auch diesem Jubilar noch manches Jahr bei jetziger
körperlicher und geistiger Frische beschieden sein.
Stellung für junge Landwirthe ohne Vermögen!
Es ist eine bekannte Tbatsache, dass der Betrieb der
Landwirthschaft, wenn derselbe einigermassen rentiren soll,
ein erhebliches Kapital erfordert. Bei zu geringen Mitteln
ist meistens trotz allen Fleisses, aller Strebsamkeit nichts
zu erreichen und geht das kleine, dabei verwandte Ver¬
mögen häufig auch noch verloren. So bleibt dann un¬
bemittelten, jüngeren Landwirthen in der Regel
nur übrig, entweder eine untergeordnete Stellung bei Ver¬
wandten etc. zu übernehmen oder als Verwalter ihren
Unterhalt zu suchen. Aber auch zu diesem Posten findet
ein derartiger Andrang statt, dass besser bezahlte Stellen
zu den Seltenheiten gehören und heute viele Hunderte von
Verwaltern und Inspectoren stellenlos sind. Da möchten
wir die Aufmerksamkeit der jungen Landwirthe auf die
Karriere eines landwirtschaftlichen Reclinungs-
führers und Amtssecretärs lenken, die heute noch die
besten Aussichten zu einem guten Fortkommen darbietet.
Weil viele Oekonomen eine grosse Abneigung gegen Bureau-
Arbeiten haben, so sind derartige Stellungen stets vacant.
Ausserdem ist in Folge des neuen Einkommensteuergesetzes,
sowie der neueren socialen Gesetzgebung, jetzt fast jeder
grössere Besitzer genöthigt, sich einen Rechnungsbeamten
und Secretär zu halten. Die Stellungen sind zum grössten
Theil angenehm und mit einem hinreichenden Einkommen
versehen. Besondere Vorkenntnisse, ausser denen einer
guten Elementarschule, sind nicht erforderlich. Ausbildungs¬
dauer 3 Monate.
Zu jeder ferneren Auskunft ist der Vorstand des
landwirthschaftlichen Beamten-Vereins zu Braunschweig,
Adamen weg 160, gern geneigt.
Anzeigen.
Im Verlage von Adalbert Fischer in Leipzig ist er¬
schienen :
Vom tropischen Tieflande.zum ewigen Schnee.
Von Professor Anton Goerlng.
Den in einer früheren Nummer (21/22) in einer Beilage
gebrachten günstigen Besprechungen dieses Buches seitens
der Herren Professoren Kirchhoff-Halle, Ratzel-Leipzig,
Oscar Schneider-Dresden sowie aus der Zeitschrift „Natur“,
Westermanns Monatsheften, Leipziger Hlustrirte Zeitung und
Leipziger Tageblatt kann ich mich nur voll und ganz anschliessen
und dieses Buch jedem Freunde von Naturschönheiten, beson¬
ders der neuen Welt, zur Anschaffung empfehlen. Es wird
uns in demselben eine höchst angenehme, den Geist an¬
regende und in jeder Hinsicht lehrreiche Lectüre geboten;
unstreitig bietet auch das Buch im wahren Sinne des Wortes
einen werthvollen Zimmerschmuck, auch für die feinsten
Salons. In Anbetracht der hoch eleganten, künstlerischen,
dabei äusserst soliden Ausstattung ist der Preis ein höchst
bescheidener zu nennen und es wird Jedermann dadurch
leicht gemacht, nicht nur ein Prachtwerk von dauerndem
Werthe zu erwerben, sondern auch deutschen Fleiss und
deutsche Kunst zu unterstützen.
Das Weihnachtsfest naht: Vielen wird daher eine solche j
wirklich herrliche Gabe willkommen sein. Aufträge nimmt (
gern entgegen I
A. Marggraf s homöopathische Officio
und Buchhandlung, Leipzig.
Ein Apotheker norddeutscher Grossstadt wünscht
zwecks Niederlassung mit einem homöopathischeu Arzte in
Verbindung zu treten.
Offerten unter 159 an die Expedition dieser Zeitung. |
Arzt-Gesuch.
In einem Orte der Provinz Sachsen, mit guter Um¬
gebung (Magdeburger Gegend), wo lange Jahre ein homöo¬
pathischer Arzt segensreich wirkte, wird, da der jetzige
allopathische Arzt nicht beliebt ist, baldigst ein tüchtiger,
liebenswürdiger homöopathischer Arzt gesucht, der aber zu
gleicher Zeit tüchtiger Geburtshelfer sein muss. Derselbe
findet hier einen sicheren, lohnenden Verdienst.
Zu näherer Auskunft ist gern bereit der Maurer- und
Zimmermeister Carl Homann in Barby.
Ein tüchtiger homöopathischer Arzt, christl. Con-
fession, findet in einer grösseren Stadt am Rhein gute
Praxis; es ist zwar schon ein homöopathischer Arzt am
Orte, doch wird auch ein zweiter lohnende Praxis
finden, da einer allein nicht auskommt. Das Haus des
früheren homöopathischen Arztes daselbst kann über¬
nommen werden. Offerten erbeten sub R. L. 587 an
die Expedition dieses Blattes.
Zur Ergänzung der Bibliotheken empfehle ich
den Herren Aerzten von der
Allgemeinen
Homöopathischen Zeitung
ganze Collectionen vom 1. bis 129. Bande, sauber
gebunden, wie auch einzelne Bände, und so weit
der Vorratli reicht, auch einzelne Nummern zu
billigsten Preisen.
A. Marggraf 8 Homöopath. Officin in Leipzig.
Digitized by
Google
216
Bekanntmachung.
Der Vorstand des Homöopathischen Centralvereins hat, um die durch Vermehrung der Centralvereinsbibliothek nöthig
gewordene Anschaffung eines neuen Schrankes aus Sparsamkeitsrücksichten und aus Mangel an Platz für die Auf¬
stellung desselben zu vermeiden beschlossen, eine Anzahl drei- und vierfach vorhandener, theilweise schon vergriffener oder
seltener älterer Werke an Collegen abzugeben. Der Erlös aus denselben ist zu Neuanschaffungen für die Bibliothek bestimmt.
Collegen, welche auf eins der in vorstehender Liste verzeichneten, mit Preisangabe versehenen Werke reflc<*-
tiren, wollen sieh an den Bibliothekar, Herrn C. Günther, Leipzig, Sidonienstr. 44, wenden.
Leipzig, "9. November 1894.
1. V.: Dr. med. Lorbacher.
Mark
100.— Allgem. Homöop. Zeitung« Bd. 1 - 72. geb. od.
brosch.
3.— Alt8chul 9 Systematisches Lehrbuch d. theoretischen
und praktischen Homöopathie. Sondershausen
1858. geb.
2.— Argentl, Homöopath. Behandlung verschiedener
Krankheiten, rest 1860. geh.
1.— Arnold) Das rationell - specifische oder idioputh. ]
Heilverfahren. Heidelberg 1851. geb.
1.50 Attomyr, Primordien einer Naturgeschichte der
Krankheit. 1.—2. Bd. Wien 1851. brosch.
2.50 Bähr, Digitalis purpurea in ihrer physiologischen
u. therapeutischen Wirkung. Leipzig 1859. geb.
(Gekrönte Preisschrift)
5.— — Die Therapie nach den Grundsätzen der
Homöopathie. 1.—2. Bd. I,eipzig 1862. geh.
1. — BaumaniH) Das alte und neue Heilverfahren mit
Medicin. Memmingen 1857. geb. u. brosch.
1. — —Mosaik von Bernstein. 1.— 3.Tafel. Leipzig 1857.
2.50 Bönninghausen, Tt« Versuch einer homöopathischen
Therapie der Wechsel- und anderer FiebA*.
Iieipzig 1864. geb.
— 25 — Homöopathische Therapie der Wechselfieber.
Münster 1833.
2.50 Braun, Die Medicin unserer Tage in ihrer Vervoll¬
kommnung durch das homöopath. Heilsystem.
Leipzig 1834. brosch.
5.— Grauvogl, y.. Die Grundgesetze der Physiologie,
Pathologie und homöopath. Therapie. Nürnberg
1860^ brosch.
70.— Griessellch, Hygea. 1.—23. Bd. geb. |
37.— Hahnemann, Reine Arzneimittellehre. 3. Aufl. |
1830. geb. I
9.— — Organon der Heilkunst. 4. Aufl. 1829. geb.
2. — — chronische Krankheiten. 1.—2. Bd. Iieipzig.
1847. geb. i
12. - Nartlaub und Trinks, Annalen der homöopath.
Klinik. Eine Sammlung von Beobachtungen und
Erfahrungen im Gebiete der homöopath. Heil¬
kunde. 1.—4. Bd. Leipzig 1830.
3. — Hartmann, Specielle Therapie acuter und chroni¬
scher Krankheiten. 1.—2. Bd. Leipzig 1847. geb.
2. — — Therapie acuter Kranklieitsformen, l.u. 2. Tbl.
Leipzig 1834. geb.
3. — — Compendium der speciellen Pathologie und
Therapie. Frankfurt 1859. geb.
10.— Hausmann, Ueber die Ursachen und Bedingungen
der Krankheiten. Leipzig 1867. geb.
12.— Hering , Amerik. Arzneiprülungen. 1857. geb. i
3.— Hirsch, Der homöopath. Arzt in der Kinderstube,
Leipzig 1865. brosch. j
3. — Hirschei, Die Homöopathie. Eine Anleitung zum [
richtigen Verständnis. 1851. geb.
4. — — Compendium der Homöopathie. Wien 1864.
brosch. !
Mark
25.-
7.—
3. —
4. —
15.-
4. -
35.-
3. -
25.-
45.—
6 .-
25.-
4 —
8 .-
2 .—
1 .—
5. ~
2_
4. —
9.—
70.-
6 . -
20 .-
4. -
5. -
Jahr, Repertorium der homöopath. Arzneimittel¬
lehre. 1.—2. Bd. Leipzig 1848.
— Gedrängte Total-Uebersicht aller zur Zeit ein¬
geführten homöopath. Heilmittel. Düsseldorf
1834. geb.
— Klinische Anweisungen zur homöopath. Be¬
handlung der Krankheiten. Leipzig 1849. geb.
— Rationelle Gesundheitslehre für Jedermann.
Leipzig 1870.
— Alphabetisches Repertorium der Hautsymp¬
tome und äusseren Substanzenänderungen.
Iieipzig 1849.
— Handbuch der Haupt-Anzeichen für die rich¬
tige Wahl der homöopath. Heilmittel. Düssel¬
dorf 1835.
— Allgemeine und specielle Therapie der Geistes¬
krankheiten und Seelenstörungen. Leipzig 1855.
Jörg, Materialien zu einer künftigen Heilmittel-
lelire, durch Versuche der Arzneien an gesunden
Menschen. Leipzig 1825.
Kafka. Die homöopathische Therapie. 1.—2. Bd.
Sondershausen 1865. geb.
Koch, Die Homöopathie physiologisch, pathologisch
u. therapeutisch begründet. Karlsruhe 1846. geb.
Müller, Clotar, Internationale Homöop. Presse,
brosch.
— Homöopath. Vierteljahrsschrift. 1.—16. Bd. geb.
Oesterreichlsohe Zeitschrift für Homöopathie.
1.—4. Bd. geb.
Rüokert, Klinische Erfahrungen der Homöopathie
1.—4. Bd. Leipzig 1854. geb.
— Grundzüge einer künftigen speoiellen Itomöop.
Therapie etc. Leipzig 1836. geb.
— Systematische Darstellung aller bis jetzt ge¬
kannten homöopath. Arzneien etc. 1.—2. Bd.
I^ipzig 1835.
Bommel, Die Homöopathie in ihrer Licht- und
Schattenseite. Leipzig 1827. geb.
Schmld, Das Choleragift. Leipzig 1870. brosch.
Schneider, Handbuch der reinen Pharmakodyna¬
mik. Magdeburg 1853. geb.
SchrÖn , Die Naturheilprocesse und die Heil¬
methoden. 1.—2. Theil. 1837.
Sorge, Der Phosphor ein grosses Heilmittel Leip¬
zig 1862. geb.
Stapf, Kleine Medicinische Schriften v. S. Hahne¬
mann. 1829. geb.
— Archiv. 1.—23. Bd. geh.
Thorer, Praktische Beiträge im Gebiete der
Homöopathie. 1. —4. Bd. Leipzig 1834. geb.
Trinks , Handbuch der Homöop. Arzneimittel¬
lehre etc. 1.—3. Bd. Leipzig 1834. geb.
Wisliccnns, Entwicklung eines wahrhaft physio¬
logischen Heilverfahrens. Leipzig 1860. geb.
Wnrmb, Homöop.-klin. Studien. Wien 1352. geb.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Iieipzig.
Druck von J alias Müs er in I*i|>Big.
Digitized by c^ooQie
Digitized by ^.ooQie
Digitized by
Digitized by ^.ooQie
Digitized by ^.ooQie
Sptized by CjOO^Ic